DIE GESCHICHTE DES EISENS IN TECHNISCHER UND KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG FÜNFTE ABTEILUNG DAS XIX. JAHRHUNDERT VON 1860 AN BIS ZUM SCHLUSS DIE GESCHICHTE DES EISENS IN TECHNISCHER UND KULTURGESCHICHTLICHER BEZIEHUNG VON Dr . LUDWIG BECK FÜNFTE ABTEILUNG DAS XIX. JAHRHUNDERT VON 1860 AN BIS ZUM SCHLUSS MIT 344 IN DEN TEXT EINGEDRUCKTEN ABBILDUNGEN BRAUNSCHWEIG DRUCK UND VERLAG VON FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN 1903 Alle Rechte, namentlich dasjenige der Übersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten INHALTSVERZEICHNIS . Die Geschichte des Eisens von 1861 bis 1870. Seite Einleitung 1 bis 7 Litteratur 7 „ 12 Chemie 13 „ 24 Physik 25 „ 30 Eisenbereitung . Vorbereitung zu dem Hochofenprozess 30 „ 80 Rösten und Aufbereiten der Erze 30 bis 35, Koksfabrikation 35 bis 37, Winderzeugung und -erhitzung 38 bis 46, Hochofen- bau 46 bis 68, Hochofenbetrieb 68 bis 80. Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870 80 „ 90 Schmiedbares Eisen 1861 bis 1870: Direkte Schmiedeeisenbereitung 90 „ 97 Reinigen und Vorfrischen des Roheisens 97 „ 99 Die Schweisseisenbereitung 100 „ 122 Die Stahl- und Flusseisenbereitung 1861 bis 1870: Die Fortschritte des Bessemerprozesses 122 „ 170 Flammofenstahlschmelzen 171 „ 180 Cement- und Flussstahlfabrikation 180 „ 194 Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 194 „ 217 Fortschritte in der Verwendung des Stahls und Fluss- eisens 218 „ 230 Geschichte des Eisens in den einzelnen Ländern 1861 bis 1870 231 „ 298 Allgemeines 231 bis 233, Grossbritannien 234 bis 245, Frank- reich 245 bis 251, Belgien 251 bis 253, Deutschland 253 bis 269, Österreich-Ungarn 269 bis 273, Skandinavien 273 bis 278, Russ- land 278 bis 284, Italien 284 bis 286, Spanien, Türkei 286, Vereinigte Staaten 287 bis 298. Inhaltsverzeichnis. Die Geschichte des Eisens von 1870 bis Ende des Jahrhunderts. Seite Einleitung 301 bis 318 Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870 319 „ 336 Chemie 336 „ 368 Bestandteile des Eisens 336 bis 354, Analyse 354 bis 368. Physik des Eisens 368 „ 406 Wärme 368 bis 376, Mikroskopie, Kleingefüge 376 bis 389, Festigkeit, Härte 389 bis 401, Elektrizität 401 bis 406. Die Fortschritte im Hüttenbetriebe. Brennmaterial 406 „ 427 Vorbereitung zum Hochofenbetriebe 427 „ 449 Behandlung der Erze 427 bis 432, Winderzeugung und Wind- erhitzung 432 bis 449. Hochöfen 449 „ 525 Masse, Gestalt 449 bis 460, Äussere Form, Panzerung 460 bis 471, Freilegung, Wasserkühlung 460 bis 471, Gasfänge, Auf- gebevorrichtung 472 bis 482, Fortschritte im Betriebe 482 bis 497, Gasanalyse, Wärmemessung 497 bis 509, Leistungen 509 bis 516, Schlackenverwendung 516 bis 518, Gichtgase und Gichtgas- Kraftmaschinen 518 bis 525. Die Eisengiesserei seit 1870 525 „ 560 Die direkte Eisengewinnung 561 „ 576 Die indirekte Eisengewinnung: Vorarbeiten zu den Frischprozessen 576 „ 586 Das Frischen im offenen Herd 586 „ 588 Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen 588 „ 614 Das Flusseisen. — Das Windfrischen: Der saure oder Bessemerprozess bis 1880 614 „ 633 Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses von 1878 bis 1883 633 „ 665 Weitere Entwickelung des Windfrischens von 1880 bis 1899: Die Kleinbessemerei 665 „ 673 Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881 673 „ 694 Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870 695 „ 731 Cement- und Tiegelgussstahl 731 „ 751 Die Verwendung des Eisens 752 „ 757 Die Formgebung: Der Stahlguss. Blasenfreier Guss 757 „ 761 Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahl- güsse 761 „ 771 Stahlformguss 771 „ 774 Die mechanische Formgebung 774 „ 784 Presshämmer 784 „ 789 Die Walzwerke 789 „ 822 Eisenbahnschienen und -schwellen 823 „ 831 Blechfabrikation 831 „ 856 Inhaltsverzeichnis. Seite Panzerplattenwalzwerk 656 bis 864 Die Drahtfabrikation 865 „ 874 Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb 874 „ 878 Die Schweissung 878 „ 884 Feuerwaffen 884 „ 889 Lieferungsbedingungen und Materialprüfung 889 „ 892 Technische Lehranstalten 892 „ 894 Die Geschichte des Eisens in den einzelnen Ländern seit 1870 895 „ 1370 Allgemeines 895 bis 897, Grossbritannien 897 bis 980, Deutschland (mit Luxemburg) 980 bis 1065, Preussen 1066 bis 1083, Frankreich 1084 bis 1116, Belgien 1116 bis 1141, Österreich-Ungarn 1141 bis 1183, Schweden 1183 bis 1204, Russland 1205 bis 1234, Italien 1234 bis 1248, Spanien 1248 bis 1262, die übrigen Länder Europas 1262 bis 1275. Amerika: Die Vereinigten Staaten 1276 bis 1342, Kanada 1343 bis 1346, Mexiko 1346, Kuba 1347, Kolumbia, Brasilien 1348, Argentinien 1350. Asien: China 1352 bis 1355, Japan 1356 bis 1363, Ost- indien 1364 bis 1366. Afrika 1367 bis 1369. Australien 1369. Weltproduktion 1371 „ 1388 Übersicht der Erzeugung aller Länder seit 1870 1371 bis 1380, Ein- und Ausfuhr 1380 bis 1382, Verbrauch 1383 bis 1385, Zoll 1386, Eisenbahnen 1387. Schlusswort 1389 Die Geschichte des Eisens von 1861 bis 1870. Einleitung . Die Eisenindustrie nahm in dem Jahrzehnt von 1861 bis 1870 einen mächtigen Aufschwung. Die wichtigen Erfindungen, welche in dem vorhergegangenen Jahrzehnt gemacht worden waren, kamen in diesem Zeitabschnitte zur Geltung, Anwendung und vollen Entfaltung. Es waren dies namentlich der Bessemerprozess und Siemens Regenerativfeuerung . Hierzu traten zahlreiche neue Erfindungen, welche in dieser Zeit gemacht wurden. Waren dieselben auch nicht so originell und grundlegend, wie die genannten, so hat doch eine derselben, der Martinprozess , obgleich eigentlich nur eine glück- liche Anwendung von Siemens’ Regenerativfeuerung, in ihrer weiteren Ausgestaltung eine grosse praktische Bedeutung erlangt. Alle diese wichtigen Erfindungen dienten in erster Linie der Stahlbereitung . Um die Darstellung, Verarbeitung und Verwendung des Stahls drehte sich in dieser Zeit das Hauptinteresse. Die Ver- billigung des Stahls vermehrte seine Anwendung von Jahr zu Jahr. Die technischen Fortschritte waren es aber nicht allein, die den Aufschwung der Eisenindustrie in diesem Jahrzehnt bewirkten. Äussere Umstände wirkten dazu mit und zwar nicht nur Werke des Friedens, sondern in hervorragender Weise auch Werke des Krieges, die des Eisens bedurften und die Eisenindustrie in ausgedehntem Masse beschäftigten. Die uralte Doppelnatur des Eisens, die zerstörende und die schaffende, trat in diesem kriegerischen Jahrzehnt wieder einmal in neue grelle Beleuchtung. In ihm vollzog sich die Umwälzung der Waffentechnik, welche hauptsächlich durch die Fortschritte der Eisenindustrie und durch die Verbilligung des Stahls veranlasst war. Der Umschwung in der Bewaffnung und die Massenerzeugung übten wieder ihre Rückwirkung auf die Entwickelung dieser Industrie aus. Beck, Geschichte des Eisens. 1 Einleitung. Betrachten wir in Kürze die kriegerischen Ereignisse, welche hierzu beitrugen. In Europa hatte Napoleon III. die Erbschaft seines grossen Oheims angetreten und wurde unter der heuchlerischen Maske eines Vorkämpfers der Civilisation der Störenfried Europas. Seine hervorragenden Kenntnisse des Artillerie- und Bewaffnungswesens ver- wendete er zur Neuorganisation der Ausrüstung der französischen Armee. Er erkannte insbesondere die hohe Wichtigkeit der gezogenen Feuerwaffen und dehnte dieses Prinzip auch auf die Geschütze aus. In dem Feldzuge gegen Österreich im Jahre 1859, dem „Italienischen Kriege“, traten Napoleons gezogene Vierpfünder zum erstenmal in Aktion und bewiesen ihre Überlegenheit über die glatten Geschütze der Österreicher. Diese Überlegenheit der Feldartillerie trug wesentlich zu den Siegen der Franzosen bei. Es waren dies aber noch Bronze- geschütze und die Erfolge, welche Napoleon mit denselben errungen, waren die Veranlassung, dass er den Versuchen, die Bronze durch Gussstahl zu ersetzen, welche Preussen auf Alfred Krupps unermüd- liches Betreiben hin aufgenommen hatte, nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die sie verdienten. Dagegen würdigte er eine andere neue Verwendung des Eisens für die Kriegsausrüstung in vollem Masse, die der Eisenpanzerung der Schiffe . Die ersten Versuche auf diesem Gebiete waren in Amerika gemacht worden. Der berühmte schwedische Ingenieur Ericsson hatte seine grosse Erfindungsgabe dieser Aufgabe gewidmet. Auf Napoleon hatte aber besonders die Vernichtung der türkischen Flotte bei Sinope am 30. November 1853, welche die Wehrlosigkeit der Holzschiffe gegen moderne Artillerie deutlich bewiesen hatte, tiefen Eindruck gemacht und er liess deshalb schon 1854 schwimmende Batterien mit starker Eisenpanzerung bauen. Von diesen Verteidigungsschiffen ging man zu gepanzerten Schlachtschiffen über und nun begann jener für die Ent- wickelung der Eisenindustrie so wichtige Wettkampf zwischen Panzer und Geschütz, welcher von da an ununterbrochen fortgeführt wurde. Die Panzerplatten übertrafen bei weitem an Dicke die stärksten Blech- platten, die man bis dahin hergestellt hatte. Zu ihrer Anfertigung waren deshalb viel schwerere Hämmer und stärkere Walzwerke not- wendig, als man vordem gebaut hatte. Die eisernen Platten von 5 und 6 engl. Zoll Dicke vermochten indes nicht lange den immer stärker konstruierten Geschützen und den immer härteren Geschossen, die man aus Stahl und Hartguss anfertigte, zu widerstehen. Man war des- halb gezwungen, auch die Panzerplatten aus Stahl herzustellen, wozu aber wieder viel stärkere Bearbeitungsmaschinen erforderlich wurden. Einleitung. Ihre Feuertaufe empfingen die Panzerschiffe da, wo sie zuerst entstanden waren, in Amerika, in dem grossen Bürgerkriege bei dem berühmten Kampfe des Monitor gegen den Merrimac an der Mündung des St. Jamesflusses am 9. März 1862. Ersterer, ein von John Ericsson erbautes, stark gepanzertes Turmschiff von unscheinbarer Gestalt und Grösse, vernichtete durch sein riesiges Geschütz das viel grössere, aber schwächer gepanzerte Schlachtschiff der Südstaaten, das mit einem kräftigen Eisensporn zum Angriff ausgerüstet war. Dadurch war der Werth einer starken Panzerung und die Überlegenheit der Turmschiffe gegenüber den Batterieschiffen erwiesen. England beeilte sich deshalb, dieses System einzuführen, und liess noch in demselben Jahre das grosse gepanzerte Linienschiff „Royal Sovereign“ umbauen und mit vier Panzertürmen versehen. In der weiteren Entwickelung kam man zu zwei Türmen oder gar nur zu einem drehbaren, mit Stahlplatten gepanzerten Turm, den man mit immer mächtigeren Geschützen ausrüstete. In England war es Oberst Coles , der sich hervorragende Verdienste um die Konstruktion dieser gepanzerten Drehtürme erwarb. Der Umbau der sämtlichen Kriegsschiffe in Panzerschiffe eröffnete der Eisenindustrie ein neues, grossartiges Arbeitsfeld, dessen technische Bedeutung wir später noch kennen lernen werden. In dem deutsch-dänischen Kriege, der 1864 ausbrach, kamen die Krupps chen Gussstahlgeschütze zum erstenmal in Aktion und bewährten sich glänzend, namentlich bei Düppel. Dies veranlasste Preussen, auf dem eingeschlagenen Wege fortzufahren. Dagegen schienen die Erfolge nicht augenfällig genug, oder wurden nicht genügend gewürdigt, um auch die anderen Staaten, namentlich Österreich und Frankreich zu bewegen, von ihrem Bronzegeschütz, für welches eine ausgesprochene Vorliebe bestand, abzugehen. In dem Kriege zwischen Preussen und Österreich im Jahre 1866 hatte die preussische Artillerie wenig Gelegenheit, ihre Überlegenheit zu beweisen. Der heldenmütige Kampf der österreichischen Artillerie bei Königgrätz mit gezogenen Bronzegeschützen und der Umstand, dass mehrere der neuen 8 cm Gussstahlröhren mit Keilverschluss ohne vor- herige Anzeichen und ohne nachweisbare Fehler des Materials zer- sprangen, schien zu Gunsten der Anhänger der Bronzegeschütze zu sprechen. Dagegen bewährte sich das preussische Zündnadelgewehr gegenüber den österreichischen Vorderladern so glänzend, dass man der Überlegen- heit der preussischen Infanteriewaffe einen grossen Teil der glänzenden 1* Einleitung. Erfolge in diesem Feldzuge zuschrieb. Die Wirkung davon war, dass alle Staaten sich beeilten, ihre Infanteriegewehre in Hinterlader um- zuwandeln, und dass ein neuer Wettkampf in Bezug auf die besten Hinterladegewehre entstand. Die Umwandlung der Bewaffnung der ganzen Infanterie setzte die Waffenfabriken in fieberhafte Thätigkeit und förderte nicht wenig die Eisenindustrie. Preussens grosse Erfolge schienen die Hegemonie Frankreichs, welche sich dieses unter dem napoleonischen Kaisertume angemasst hatte, zu gefährden und es war nur eine Frage der Zeit, wann dieser Wettstreit zum Austrag kommen würde. Beide Teile rüsteten sich zu diesem Kampfe. Die Waffenfabriken und Geschützgiessereien kamen nicht zur Ruhe. Im Juli 1870 brach denn auch der grosse deutsch-französische Krieg aus, und jetzt erwies sich die Überlegenheit der Krupps chen Gussstahlkanonen in glänzender Weise. Die französischen Bronze- kanonen waren denselben in keiner Weise gewachsen und die Thätig- keit der weittragenden Krupps chen Geschütze war um so wichtiger, weil sich bald zeigte, dass das französische Chassepotgewehr dem preussischen Zündnadelgewehr bedeutend überlegen war, namentlich weil es eine viel längere Flugbahn hatte. Die deutsche Artillerie mit ihren Krupps chen Gussstahlkanonen kam besonders bei der ent- scheidenden Schlacht von Sedan zur Geltung, die hauptsächlich durch diese so glänzend gewonnen wurde, und es ist eine eigene Ironie des Schicksals, dass Napoleon gerade durch die Waffe geschlagen, gefangen und vom Throne gestürzt wurde, die seine Specialwaffe war und deren Geschichte er so eifrig studiert und so vortrefflich geschrieben hatte Napoléon , Études sur le passé et l’avenir de l’artillerie, Paris 1846. . Übte der Krieg in diesem Jahrzehnt einen grossen Einfluss auf die Eisenindustrie aus und war diese eifrig mit der Herstellung immer voll- kommenerer und furchtbarerer Vernichtungswerkzeuge beschäftigt, so bildete diese Thätigkeit doch nur den kleineren Teil ihres Schaffens, das in viel höherem Masse von den Werken des Friedens in Anspruch genommen wurde. Eisenbahnen, Dampfschiffe, Telegraphen und nament- lich auch Maschinen, die mit der wachsenden Industrie fortwährend an Kraft und Grösse wuchsen, gaben mit der zunehmenden Eisen- verwendung im Bauwesen einen immer umfangreicheren Absatz. Wie mannigfaltig und umfassend diese Verwendung war, das zeigte sich besonders auf den beiden grossen Weltausstellungen , der zu London 1862 und der zu Paris 1867, welche in diesen Zeitraum fielen. Einleitung. Mit Recht nannte ein Schriftsteller jener Zeit (Kohn) die Welt- ausstellungen die Marksteine für die Entwickelung der Eisenindustrie. Dies kann besonders von der Londoner Ausstellung von 1862 gelten. Auf ihr zeigte sich der Triumph des Stahls; auf ihr bewies der Bessemerprozess zuerst seine Lebensfähigkeit. Die mannigfaltigen Gegenstände aus Bessemerstahl gefertigt, welche der Erfinder selbst, John Brown von Sheffield, und die schwedischen Stahlfabrikanten ausstellten, bezeugten seine Verwendbarkeit und dass das neue Ver- fahren aus dem Versuchsstadium herausgetreten war. Grossartig erschien die Entfaltung des Gussstahls. Der oben- erwähnte Schriftsteller bezeichnet deshalb die zweite Weltausstellung und das Jahr 1862 als den Beginn des „stählernen Zeitalters“. Der- jenige, der aber dieser Vorführung des Gussstahls in London ihren Glanz verlieh, dessen Leistungen alle anderen weit übertrafen, war nicht ein Engländer, sondern der Deutsche Alfred Krupp , dessen Aus- stellung die englischen Eisenindustriellen geradezu verblüffte. Welche Fortschritte in den elf Jahren seit der ersten Londoner Ausstellung zeigten sich da! Hatte im Jahre 1851 Krupps Gussstahlblock von 2,25 Tonnen Gewicht die allgemeine Bewunderung erregt, so war diesmal ein Block von 20 Tonnen oder 40000 Pfund Gewicht aus- gestellt. Derselbe war aus 600 Tiegeln gegossen und mit dem grössten Dampfhammer der Welt, Krupps 1000 Ctr.-Hammer, in der Mitte zer- brochen worden. Der Bruch war fehlerlos und von gleichem, feinem Korn. Nach solcher Leistung erklärten Sachverständige: Krupp sei nichts mehr unmöglich. Wenn aber auch die Stahlindustrie die Palme des Sieges davontrug, so bethätigten doch auch die übrigen Zweige der Eisenindustrie bemerkenswerte Fortschritte. Wir wollen dieselben hier nicht aufzählen, um Wiederholungen zu vermeiden, da wir bei den Einzelschilderungen ihrer doch gedenken müssen. Erwähnt muss nur werden, dass ausser dem Fortschritt in der Stahlbereitung ganz besonders die Fortschritte in der Bearbeitung von Stahl und Eisen hervorragend in die Augen fielen. Das Gewicht, die Grösse und Vollendung der Schmiede- und Walzstücke erregten gerechtes Erstaunen. Die Fortschritte in der Formgebung seit der ersten Londoner Ausstellung waren überraschend. Auch hier traten wieder vor allen anderen die Leistungen Krupps hervor, besonders durch seine Stahl- kanonen. Krupp konnte mit seinem 1000 Ctr.-Hammer die grössten Stahlblöcke verschmieden. Ein geschmiedeter Gussstahlblock 30 × 17 Zoll im Querschnitt, von 15 Tonnen Gewicht war in vier Stücke zerbrochen und zeigte überall dieselben gleichmässigen, fehlerlosen Bruchflächen. Einleitung. Eine gewaltige Schiffsachse mit zwei Kurbeln für einen Dampfer des Norddeutschen Lloyd in einem Stück geschmiedet wog 22000 Pfund (11 Tonnen). Zu seinen tadellosen Eisenbahn-Radreifen, ohne Schweissung aus Gussstahl gewalzt, konnte er bemerken, dass davon über 40000 Stück von ihm geliefert worden seien, von denen viele schon seit Jahren liefen. Von den Kanonenrohren wog eins mit spiegelreiner Seele von 9 engl. Zoll Durchmesser 18000 Pfund und eine gehärtete, polierte Walze von 10 Zoll Durchmesser und 16 Zoll Länge glänzte heller als ein Spiegel. Neben diesen Leistungen Krupps waren es zunächst die Panzer- platten der Engländer, welche besonderes Interesse erregten. Davon hatten die Mersey- Eisen- und Stahlwerke bei Liverpool geschmiedete von 30 Fuss Länge, 6 Fuss Breite und 5½ Zoll Dicke ausgestellt, während die von John Brown in Sheffield ausgestellten gewalzt waren. Die vorgenannten Mersey-Stahlwerke zeichneten sich überhaupt durch riesige Schmiedestücke aus; eine von ihnen ausgestellte Kurbel- welle wog 24½ Tonnen. Butterley \& Comp .-Eisenwerke zu Alfreton, welche gleichfalls Panzerplatten ausgestellt hatten, leisteten Bewunderungswürdiges in gewalztem Formeisen. I -(= Doppel- T -Schiene) Schienen von 3 Fuss Steghöhe, 12 Zoll breitem Fuss und ½ Zoll Stärke waren in Längen von 30 bis 60 Fuss ausgestellt und eine Eisenbahnschiene von 5¼ Zoll Höhe war auf 117 Fuss Länge ausgewalzt. Einen merkwürdigen Kontrast gegen die mächtigen Panzerplatten bildeten die papierdünn ausgewalzten belgischen und englischen Schwarzbleche, wovon das Copper-mine-Werk Muster ausgestellt hatte, von denen der Quadratfuss noch keine Unze wog. Die grosse internationale Industrieausstellung vom Jahre 1867 in Paris übertraf aber noch bei weitem alle vorhergegangenen an Umfang und Pracht. Sie war bewunderungswürdig durch Mannigfaltigkeit und Schönheit des Ausgestellten, wie durch Einheitlichkeit und Geschmack der Anordnung. In ihr feierte der französische Geschmack einen Triumph und sie diente dazu, die Herrschaft Napoleons noch einmal in vollem Glanze erstrahlen zu lassen. Diese Nebenzwecke beein- trächtigten aber den eigentlichen Grundgedanken, die sachliche Dar- stellung des ernsten Wettkampfes der Industrieen der Kulturstaaten. Es war zu viel Ausstattung und Schaugepränge, zu viel Unterhaltung und Bewirtung, wodurch diese Ausstellung zum erstenmal mehr das Bild eines grossen Völkerjahrmarktes darbot, ein Fehler, der von da Litteratur 1861 bis 1870. ab mit noch grösserem Aufwand und geringerem Geschmack allen folgenden Weltausstellungen anhaftete. Die Eisenindustrie war grossartig und mit grossem Effekt vor- geführt, besonders die französische, die ihr Bestes zur Schau stellte und sich nur etwas zu sehr im Vordergrunde breit machte. Trotz- dem bildete wieder die Krupps che Ausstellung den eigentlichen Mittelpunkt der Eisenabteilung und erregte die grösste Bewunderung. Sie hatte aber auch diesmal, im Gegensatz zu der Londoner Aus- stellung, einen sehr günstigen, bevorzugten Platz und sie verdiente ihn in der That, denn sie übertraf wieder alle Erwartungen. Der vor- geführte Gussstahlblock wog diesmal 80000 Pfund (40 Tonnen), also doppelt so viel als der in London ausgestellte und zeigte denselben schönen, tadellosen Bruch. Das grösste Staunen rief aber die guss- stählerne Riesenkanone hervor, die 14 Zoll (35,5 cm) Seele hatte und ca. 100000 Pfund (50 Tonnen) wog. Sie war als Ringkanone konstruiert, und es wogen das innere Gussstahlrohr ca. 40000 Pfund, die auf- gezogenen Ringlagen ca. 60000 Pfund. Wie die Krupps che Ausstellung dasselbe Programm wie 1862, nur in noch grösserer, reicherer Ausführung bot, so kann man dasselbe von der ganzen übrigen Eisenausstellung von 1867 sagen. Es waren noch grössere Schmiedestücke, noch schwerere Panzerplatten, noch höhere I -Eisen, noch längere Walzstücke, noch dünnere Schwarzbleche ausgestellt. An neuen Ideen und neuen Erfindungen war die Aus- stellung aber nicht reicher. Nur eine Neuheit von grösserer Bedeutung kam zur Darstellung, der Siemens-Martinprozess . Die Bessemer- stahlfabrikation dagegen zeigte, dass sie bereits ein wichtiger Teil der Eisenindustrie geworden war. Litteratur 1861 bis 1870. Die Litteratur über das Eisen, seine Bereitung und Verwendung ist in diesem Decennium eine sehr reichhaltige. Abgesehen von den zahllosen Aufsätzen in den technischen und naturwissenschaftlichen Zeitschriften, ist die Menge der in Buchform erschienenen Schriften auf diesem Gebiet eine so grosse, dass wir nur einen Überblick der wichtigeren geben können. Von Hauptwerken, welche die ganze Eisenindustrie behandeln, erschienen zuerst im Jahre 1861 von dem berühmten englischen Ingenieur William Fairbairn: Iron, its History, Properties and Processes of Manufacture . Edinburgh 1861. In diesem Buche ist zum erstenmal der Bessemerprozess in seiner Bedeutung gewürdigt und geschildert. Sehr gut ist auch der Abschnitt Litteratur 1861 bis 1870. über die Festigkeit des Eisens. Dagegen vertritt der Verfasser nur den einseitigen Standpunkt des praktischen Ingenieurs, ein Lehrbuch der Eisenhüttenkunde im eigentlichen Sinne ist es deshalb nicht. Ebenso wenig kann das Werk von W. Truran, The iron manufacture of Great Britain , theoretically and practically considered etc., welches 1862, nach dem Tode des Verfassers, in einer zweiten verbesserten und vermehrten Auflage von Arthur Philipps und William H. Dormann herausgegeben wurde, darauf Anspruch machen. Es zeigt sich als das Werk eines einseitigen englischen Hochofeningenieurs, welches da sehr vortrefflich ist, wo die dem Ver- fasser genau bekannten Hochofenprozesse von Südwales beschrieben werden, welches aber recht schwach ist, wo der Verfasser sich auf das theoretische Gebiet begiebt. Dieses Werk erschien 1864 in deutscher Übersetzung und „Bearbeitung“ von C. Hartmann unter dem Titel: Das britische Eisenhüttengewerbe in theoretischer und praktischer Beziehung oder Darstellung der Roh- und Stab- eisenfabrikation in England, Wales und Schottland von W. Truran etc. etc. Ein wissenschaftliches Handbuch der Eisenhüttenkunde im vollen Sinne ist dagegen John Percys Iron and Steel , welches als zweiter Band seiner Metallurgie im Jahre 1864 erschien. Der Verfasser war in der grossen Metall- industriestadt Birmingham geboren, wo sein Vater Rechtsanwalt war. John Percy wählte den ärztlichen Beruf, studierte aber mit Vorliebe und besonderem Fleiss Chemie, hauptsächlich bei Gay-Lussac in Paris. Da ihn die praktische Thätigkeit als Arzt nicht befriedigte, so folgte er seiner Neigung und widmete sich ganz dem Studium der Metallurgie. Nachdem er sich durch chemisch- metallurgische Arbeiten bekannt gemacht hatte, wurde er nach Playfairs Abgang als dessen Nachfolger zum Lehrer der Metallurgie an die Royal School of Mines (Bergakademie) in London berufen. In dieser Stellung wirkte er den grössten Teil seines Lebens. Ein hervorragend praktischer Sinn in Verbindung mit seinem umfassenden chemischen Wissen befähigte ihn in hohem Masse, das Wesen der metallurgischen Prozesse zu erfassen und zu ergründen. Dabei hatte er ein durchaus selbständiges Urteil wie er denn überhaupt durchaus originell in seinem ganzen Wesen war. Diesen Eigenschaften verdanken wir sein Werk über Metal- lurgie, dessen vier starke Bände eine grosse Bereicherung der metallurgischen Litteratur geworden sind. Die Chemie bildet, wie bei den übrigen Metallen, so auch bei dem Eisen und Stahl die sichere Grundlage seiner Betrachtungen. Dass die praktischen Schilderungen sich auf englische Verhältnisse beziehen, ist natür- lich und diese Einseitigkeit war ein um so geringerer Nachteil, als die englischen Verhältnisse, soweit es die Eisenverhüttung mit Steinkohlen anlangte, damals doch massgebend waren. Schlimmer war schon, dass das Werk in einer Übergangs- zeit entstand, in der die Fortschritte in der Eisenindustrie so rasch aufeinander folgten, dass die praktischen Beispiele grossenteils nach wenig Jahren veraltet erschienen. Der chemisch-metallurgische Teil von Percys Stahl und Eisen, der auf viele originelle Untersuchungen und Analysen aufgebaut ist, wird indessen bleibenden Wert behalten. Es ist eigentümlich, dass diese drei in ziemlich kurzer Zeit aufeinander folgenden Werke in England erschienen sind, dessen Mangel an metallurgischer Litteratur bis dahin um so auffallender war, als es doch die Wiege der wichtigsten Erfindungen für die Eisen- und Stahlindustrie gewesen ist. In dem gleichen Jahre mit Percys Iron and Steel erschien in Deutschland die Eisenhüttenkunde von Bruno Kerl . Sie bildete den dritten Band des in zweiter Auflage umgearbeiteten und vervollständigten Handbuchs der metallurgi- schen Hüttenkunde und bietet eine umfassende, gründliche Zusammenstellung und Bearbeitung der über dieses Gebiet erschienenen Litteratur in wohlgeordneter, übersichtlicher Form. Litteratur 1861 bis 1870. In demselben Jahre, 1864, erschien noch die erste Abteilung der deutschen Übersetzung von Percys Iron and Steel von Dr. Hermann Wedding unter dem Titel: „ Ausführliches Handbuch der Eisenhüttenkunde , Gewinnung des Roheisens und Darstellung des Schmiedeeisens und Stahls in praktischer und theoretischer Beziehung unter besonderer Berücksichtigung der englischen Ver- hältnisse von John Percy “. Wedding hatte Percy bei seinem Werke schon unterstützt, indem er ihm für das Kapitel über „Masse, Beschickung und Aus- bringen der preussischen Hochöfen“ den Bericht geliefert hatte. Seine Übersetzung und Bearbeitung des englischen Werkes erweiterte sich unter seinen Händen all- mählich zu einer neuen, selbständigen Schöpfung, dem umfangreichsten und bedeutendsten Handbuch der Eisenhüttenkunde seit demjenigen von Karsten . In der ersten wissenschaftlichen Abteilung hielt sich Wedding ziemlich enge an den Text Percys , den darauffolgenden praktischen Teil bearbeitete und erweiterte er dagegen in umfassender Weise. Aus dem einen Bande Percys wurden deren drei. Der erste, der die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Eisens, die Eisenerze und die Rennarbeit behandelte, erschien 1864, der zweite, der den Hochofenprozess umfasste, 1868 und der dritte, der die Darstellung des schmied- baren Eisens enthielt, 1874. Hierin waren alle neuen Erfindungen, die in den zehn Jahren bekannt geworden waren, berücksichtigt, so dass es schon dadurch eine wesentliche Erweiterung des Percys chen Werkes war. Es zeichnet sich durch Gediegenheit und Reichhaltigkeit aus. Eine hier und da bemerkbare Ungleichheit in der Behandlung der einzelnen Teile erklärt sich aus der Art seiner Entstehung und wird in der neuen Auflage, welche jetzt im Erscheinen begriffen ist, beseitigt werden. Ein gutes Tafelwerk gab S. Jordan heraus als Album du Cours de Métallurgie . Paris 1865. 1868 erschien noch ein kleines allgemeines Werk: H. Bauermann, A Treatise on the Metallurgy of Iron etc., und 1869 Ferdinand Kohn, C. E. Iron- and Steel-Manufacture , a series of papers on the manufacture and properties of Iron and Steel, with reports on Iron and Steel in the Paris exhibition of 1867; reviews on the State and Progress of the Manufacture during the years 1867 and 1868; and description of many of the principal Iron and Steel Works in Great Britain and on the continent. London 1869. Dieses Buch entstand aus einer Reihe von Aufsätzen in der Zeitschrift Engineering, die Behandlung ist deshalb eine sehr ungleichmässige. Es enthielt aber wertvolle Mitteilungen über die damals neuen Prozesse. In demselben Jahre erschien auch: H. S. Osborn, The metallurgy of iron and steel (Philadelphia and London). Die Eisenstatistik behandelten A. S. Hewitt, The production of iron and steel in its economic and social relations. Philadelphia 1868, und Dr. Ad. Frantz, Übersicht der Eisenindustrie und des Eisenwerks in den Jahren 1860 bis 1869 (1870). Neben diesen Handbüchern und statistischen Werken, welche das ganze Gebiet der Eisenindustrie umfassten, erschienen zahlreiche Monographieen über einzelne Teile derselben. Über den Hochofenprozess: 1863. C. Aubel. Das Raschettesche System der Patent-Normal- und Universal-Schachtöfen . 1864. J. H. Stahlschmidt, Darstellungen des Eisenhochofen- prozesses in Zahl und Bild , verwendet zur Begründung besserer Ofenprofile. 1866. A. de Vathaire, Études sur les hauts-fourneaux et la métal- lurgie de la fonte . Paris 1866. 1867. R. Troska, Die Hochofendimensionen auf Grundlage des Hochofenprozesses . Litteratur 1861 bis 1870. 1868. C. Schinz, Dokumente, betreffend den Hochofen zur Dar- stellung von Roheisen ; ein Buch, in dem der Hochofenprozess vom Gesichts- punkte der Wärmeerzeugung und Wärmeverwendung aus kritisch beleuchtet wird. Diesem folgte 1870. J. Lowthian Bell, Über die Entwickelung und Verwendung der Wärme in Eisenhochöfen von verschiedenen Dimensionen , über- setzt von Tunner . Über Giesserei: A. Guettier, De l’emploi pratique et raisonné de la fonte de fer dans les constructions etc. 1861. C. Hartmann, Handbuch der Eisengiesserei . Neue Auflage 1862. E. F. Dürre, Über die Konstitution des Roheisens und den Wert seiner physikalischen Eigenschaften . E. F. Dürre, Handbuch des gesamten Eisengiessereibetriebes . Dieses gründliche und umfassende Werk war entstanden aus einer fort- laufenden Reihe von Aufsätzen, welche der Verfasser in der Berg- und Hütten- männischen Zeitung unter dem Titel „Aphorismen über Giessereibetrieb“ ver- öffentlicht hatte. Der erste Band des Werkes erschien 1870, der zweite erst 1875. Über Schmiedeeisenbereitung, Puddel- und Walzwerksbetrieb: Lucien Ansiaux et Lambert Masion, Traité pratique de la Fabri- cation du Fer et de l’Acier puddlé (1861). Dasselbe erschien in demselben Jahre 1861 in deutscher Übersetzung von Hartmann unter dem Titel: A. und M. Praktisches Handbuch über die Fabrikation des Puddeleisens und Puddelstahls . C. Hartmann, Praktisches Handbuch der Blechfabrikation . Weimar 1861. E. Mäurer, Die Mass- und Gewichtsverhältnisse der Roh- und Zwischenprodukte bei der Darstellung des Schmiedeeisens etc. Stutt- gart 1861. E. Mäurer, Die Formen der Walzkunst und das Façoneisen . 1865. P. Tunner, Über die Walzenkalibrierung für die Eisenfabrikation . 1867. C. W. Siemens, On puddling iron . London 1868. R. Daelen, Die Kalibrierung der Eisenwalzen . Berlin 1870. Über Stahlbereitung: Fusion de l’acier au four de réverbère etc. de Beaulieu, Deville et Caron , 1862. 1863. Dr. Wedding, Die Resultate des Bessemerprozesses . 1864. L. E. Boman, Das Bessemern in Schweden mit einem Vorwort von P. Tunner . 1865. Otto Frh. v. Hingenau, Das Bessemern in Österreich . Eine vortreffliche Abhandlung über die ganze Stahlfabrikation veröffentlichte L. Gruner in den Annales des Mines und in Buchform unter dem Titel: De l’acier et de sa fabrication . Paris 1867. Von geschichtlicher Bedeutung ist: C. W. Siemens, On the regenerative gas-furnace as applied to the manufacture of cast steel . London 1868. Eine wichtige Schrift von dem Erfinder des Martinprozesses erschien 1869 unter dem Titel: L’industrie du fer . Nouveaux procédés de fabrication de l’acier par E. Martin . Paris 1869. In Nordamerika erschien 1869 eine Übersetzung und Bearbeitung von Landrin, A Treatise on Steel transl. by Frequet. Philadelphia 1869. Litteratur 1861 bis 1870. Über einzelne Länder, Fabriken etc. erschienen verschiedene Monographieen . Eine in ihrer Art klassische ist: État présent de la Métallurgie du Fer en Angleterre par M. Gruner , Professeur de la métallurgie à l’École impériale des mines et M. Lan , Professeur de métallurgie à l’École des mineurs de St. Étienne. Sie ist begründet auf den Beobachtungen, welche beide Gelehrte bei ihrer Informationsreise im Auftrage der französischen Regierung im Jahre 1860 gemacht hatten. Ferner Schönfelder: Die baulichen Anlagen auf den Berg-, Hütten- und Salinenwerken in Preussen . Drei Textbände und vier Atlanten. Berlin 1861 bis 1863. S. Jordan, Note sur la fabrication des fontes d’Hématite dans le North Lancashire et le Cumberland . 1862. 1864. S. Jordan, État actuel de la métallurgie du fer dans le Pays de Siegen . 1868. Pascal, Fabrication de l’acier fondu chez M. Krupp à Essen P. Tunner, Die Zukunft des österreichischen Eisenwesens . 1869. A. Serlo, Beitrag zur Geschichte des schlesischen Berg- baues in den letzten 100 Jahren . Mulvany, Deutschlands Fortschritte der Kohlen- und Eisen- industrie und ihre Abhängigkeit von den Eisenbahnen . F. Münichsdorfer, Geschichte des Hüttenberger Erzberges . Klagenfurt 1870. P. Tunner, Über die Eisenindustrie Russlands . 1870. Von Ausstellungsberichten heben wir hervor: P. Tunner, Bericht über die metallurgischen Produkte in der Londoner Ausstellung von 1862. Wien 1863. Knut Styffe, Ausstellungsbericht 1867: Über die neuesten Fort- schritte des Eisenhüttenwesens . Frei übersetzt von P. Tunner . 1868. P. v. Rittinger, Kurze Mitteilungen über Berg- und Hüttenwesens- maschinen und Baugegenstände auf der allgemeinen Industrieaus- stellung zu Paris 1867. S. Jordan, Revue de l’industrie du fer de 1867. — Revue de l’ex- position de 1867. Paris 1868. Von einschlägigen Schriften erwähnen wir weiter: D. Kirkaldy, Results of an experimental inquiry into the com- parative Tensile Strength and other properties of various kinds of wrought Iron and Steel . London 1862. L. E. Rivot, Docimasie . Traité d’analyse des substances minérales. Tome I—V. Paris 1861 bis 1866. Carl C. M. Balling, Die Probierkunde des Eisens und der Brenn- materialien . 1868. Vicaire, Sur l’emploi des combustibles inférieurs dans la métallurgie du fer . 1868. F. Steinmann, Compendium der Gasfeuerung in ihrer Anwendung auf die Hüttenindustrie . 1868 und 1869. J. v. Hauer, Die Hüttenwesensmaschinen . Wien 1867 Knut Styffe, Die Festigkeitseigenschaften von Eisen und Stahl , deutsch von C. M. v. Weber . 1870. A. Wöhler, Über die Festigkeitsversuche mit Eisen und Stahl . 1870. Die reichste Litteratur findet sich aber in den zahlreichen Fachzeitschriften und zwar ausser in den früher genannten in dem seit 1859 in Köln erschienenen „ Berg- geist “, in der Zeitschrift des österreichischen Ingenieurvereins , in Wieks Litteratur 1861 bis 1870. Gewerbezeitung , in der Zeitschrift für Bergrecht von H. Brassert und Dr. Achenbach seit 1860, in der Zeitschrift des Oberschlesischen berg- und hüttenmännischen Vereins, in Engineering, Practical Mechanic’s Journal, American Journal of Mining, Annales des Mines, Annales du Génie civil. — Revue universelle des mines, de la métallurgie etc. par C. de Cuyper (seit 1857). Gute Jahresberichte finden sich in C. Hartmann, Die Fortschritte des Eisenhüttengewerbes in der neueren Zeit 1858 bis 1863 und hieran anschliessend A. Kerpely, Bericht über die Fortschritte der Eisen- hüttentechnik in den Jahren 1864 bis 1870. Ferner in Rudolf Wagner, Jahresbericht über die Fortschritte der chemischen Technologie . Übersichten über die einschlägige Litteratur findet man in: Bibliotheca rerum metallicarum . Verzeichnis der in Deutschland über Bergbau-, Hütten- und Salinenkunde und verwandte Zweige erschienenen Bücher, Karten und An- sichten. Nachtrag, den Zeitraum von 1856 bis Januar 1864 umfassend. Eisleben 1865. Einen ausführlichen Litteraturnachweis über die Stahlfabrikation enthält die Berg- und Hüttenmännische Zeitung von 1869 und von 1871; desgleichen über Roheisenerzeugung. Zu den wichtigsten Quellen der Belehrung und der Geschichte gehören ferner die Patentbeschreibungen , deren Studium aber erschwert wird durch ihre immer zunehmende Menge, die in England und Amerika zu einer wahren Hochflut wurde. Folgende Zahlen, welche die Commissioners of Patent-Journal in England veröffentlicht haben, geben hiervon eine Vorstellung. Bei weitem am meisten Patente wurden in den Vereinigten Staaten von Nordamerika genommen. wurden nachgesucht erteilt 1852 bis 1862 46687 27723 somit jährlich 4669 2773 1862 bis 1869 108923 69150 somit jährlich 13615 8643 Ferner wurden Patente erteilt in: im ganzen im Jahr England 1862 bis 1869 37711 1349 Österreich 1853 „ 1869 10418 612,8 Belgien 1830 „ 1869 33433 831,6 Italien 1855 „ 1868 3284 234,5 Schweden und Norwegen 1842 „ 1868 2097 75,2 Preussen 1843 „ 1869 1909 68,09 Bayern 1843 „ 1869 2297 82 Von neuen Fachvereinen im Gebiete der Eisenindustrie ist besonders das 1869 in England gegründete Iron and Steel Institute hervorzuheben. In Deutschland wurde 1869 der Verein deutscher Eisen- giessereien gegründet. Chemie 1861 bis 1870. Chemie 1861 bis 1870 . Über das chemische und physikalische Verhalten der verschiedenen Eisenarten wurden die eingehendsten Untersuchungen in dieser Periode angestellt. Die Chemie des Eisens befand sich bei dem Beginn des Jahrzehnts mitten in dem Kampf der Meinungen über die Bedeutung des Stickstoffes im Eisen. Drei Ansichten standen sich gegenüber. Fremy behauptete, der Stickstoff sei ein wesentlicher Bestandteil des Stahls und bestimme dessen Eigenart. Caron bestritt diese Ansicht, behauptete dagegen, die Kohlung des Eisens bei der Cementation erfolge nur durch Stickstoff-Kohlenstoffverbindungen, der Stickstoff gehe zwar nicht als wesentlicher Bestandteil in das Eisen über, über- trage aber den Kohlenstoff auf dasselbe, sei deshalb für die Cemen- tation unentbehrlich. Die Ansicht der übrigen metallurgischen Chemiker widersprach den Behauptungen beider und erkannte nur an, dass die Stickstoff-Kohlenstoffverbindungen die Cementation be- förderten, was längst bekannt war und bei der Einsatzhärtung von alters her benutzt wurde. Der Streit gab Veranlassung zu sehr genauen Untersuchungen, welche aufklärend wirkten. Fremy hielt Schmiedeeisen für reines Eisen, Roheisen für Eisen mit Kohlenstoff und Stahl für Eisen mit Stickstoff und Kohlenstoff (fer azoto-carburé). Zunächst wurde nachgewiesen, dass alles fein verteilte Eisen, und besonders das frischreducierte, Ammoniak aus der Luft aufnimmt. Fremy hatte dies nicht beachtet und war dadurch zu unrichtigen Resul- taten geführt worden, seine Stickstoffbestimmungen waren dadurch viel zu hoch ausgefallen und seine Annahme, dass der kohlige Rückstand des aufgelösten Eisens eine Kohlenstickstoffverbindung sei, wurde dadurch hinfällig. Dagegen wurde nachgewiesen, dass nicht nur im Stahl, sondern auch im Roheisen und im Schmiedeeisen geringe Mengen Stickstoff ent- halten seien. Boussingault stellte sehr genaue Untersuchungen hier- über an. Er fand, dass beim Ausfällen des Eisens aus sauren Lösungen durch Alkalien immer Ammoniak mit in Lösung komme. Am wenigsten that dies frisch gebrannter Kalk. Boussingault verbrannte das Eisen in Zinnoberdampf und bestimmte den Stickstoff in gasförmigem Zu- stande Siehe Comptes rendus, t. 53. (1861). Caron widerlegte 1861 Fremys Behauptung, dass Wasserstoff dem glühenden Stahl durch Entziehung des Stickstoffs die Chemie 1861 bis 1870. Stahlnatur nähme, und wies nach, dass Fremy mit unreinem Wasser- stoff, der Wasserdampf enthielt, operiert hatte und dass durch letzteren eine teilweise Entkohlung eingetreten war. Die chemische Analyse bewies, dass ein geringer Stickstoffgehalt dem Stahl nicht eigentümlich sei, sondern dass sich ein solcher auch in Roheisen und Schmiedeeisen finde. Gruner , der Carons Ansicht gegenüber anführte, dass weiches Eisen durch reines, ammoniakfreies Leuchtgas in Stahl cementiert werde, behauptete, dass der Stickstoffgehalt im Stahl nur aus dem Roheisen stammen könne. Dies griff Fremy auf. Gruner widerlegte aber dessen Behauptung, dass die für die Stahlerzeugung besonders geeigneten Roheisensorten mehr Stickstoff enthielten als der daraus bereitete Stahl. Caron nahm dann an, dass der Stickstoff im Eisen nicht direkt mit diesem, sondern mit Silicium oder Titan verbunden sei. Der Streit zwischen Fremy und Caron spann sich auch 1862 in zahlreichen Aufsätzen in den Comptes rendus (Bd. 52 und 53) und dem Répertoire de chimie appliquée fort. Eine ausführliche Zusammen- stellung des Inhalts dieser Veröffentlichungen von Professor Werther in Königsberg findet man im Journal für praktische Chemie von 1862. Zum Austrag kam der Streit erst, als genaue und zuverlässige Analysen mit genauen Angaben des Stickstoffgehaltes veröffentlicht wurden. Solche lieferte namentlich Bouis Compt. rend. 1861, t. 52, p. 1195. , Boussingault Compt. rend. 1861, t. 53, p. 77. und Rammels- berg Monatsbericht der Kgl. Preuss. Akad. d. Wissensch. zu Berlin. Dezbr. 1862. . Bouis untersuchte auf Veranlassung des Generals Morin Stahl, Roheisen und Schmiedeeisen auf Stickstoff, indem er trockenes Wasser- stoffgas über das rotglühende Metallpulver leitete. Er fand in allen Eisensorten geringe Mengen von Stickstoff. Boussingault bediente sich sowohl der oben erwähnten Methode der Verbrennung mit Zinnober als des nassen Weges und fand auf beiden Wegen geringe Mengen Stickstoff: in einem Stahl von Krupp 0,022, in Gussstahl 0,012 und 0,057, in Eisendraht 0,0075 Prozent. Bouis hatte in Stahl von Krupp 0,085 und 0,011, in Draht 0,14, in weissem Roheisen 0,14 Prozent gefunden. Rammelsberg fand in einem Spiegeleisen nur 0,002 Prozent. Aus allen diesen Analysen geht hervor, dass der geringe Stick- stoffgehalt in den verschiedenen Eisenarten keine Gesetzmässigkeit zeigt und durchaus schwankt und dass er zu gering ist, um einen Chemie 1861 bis 1870. erkennbaren Einfluss auf die Eigenschaften des Eisens auszuüben. Dass die Gegenwart von Stickstoff zur Kohlung des Eisens nicht not- wendig ist, hat Marguerite 1864 dadurch bewiesen, dass es ihm gelang, reines Schmiedeeisen durch Glühen mit reinem Kohlenoxydgas, welches er aus Oxalsäure mittelst Schwefelsäure bereitet hatte, in Stahl zu verwandeln. Ebenso gelang es Marguerite , Eisendraht in Diamantpulver zu cementieren. Graham Stuart und W. Baker machten 1865 sehr sorgfältige Untersuchungen über den Stickstoffgehalt des Stahls, konnten aber in den meisten Fällen keinen nachweisen. Auch über die Rolle, welche der Kohlenstoff in den Eisenarten spielt, gingen die Ansichten in den ersten Jahren dieses Zeit- abschnittes weit auseinander. Gurlt und seine Anhänger hielten an der Existenz des Achtelcarburetes (Fe 8 C) fest und nahmen sogar noch niedrigere bestimmte Carburete an. P. Tunner Siehe Jahrbuch der österr. Bergakademien etc. für 1861. verwarf die Existenz des Achtelcarburets als eine theoretische Fiction, hielt aber an der Existenz des Viertelcarburets (Fe 4 C) als Spiegeleisen fest. Rammelsberg bestritt, dass die chemischen Analysen zu dieser Annahme berechtigten. Die zuverlässigsten ergäben einen geringeren Kohlenstoffgehalt, als Fe 4 C entspräche. Er glaubte aber überhaupt nicht an das Bestehen fester Carburete im Eisen, wies vielmehr auf den Isomorphismus von Eisen, Kohlenstoff, Silicium und Phosphor hin als die wahrscheinliche Ursache der Zusammensetzung und des Verhaltens. Jullien hielt die Eisensorten für Auflösungen verschiedener Mengen von Kohlenstoff, Silicium, Phosphor, Schwefel u. s. w. in reinem Eisen (1865). Dürre neigte sich Rammelsbergs Auffassung zu und sah in den Roheisen- sorten Gemenge von Legierungen, deren Haupttypen das rheinische Spiegeleisen, das schwedische Kanoneneisen und das schottische Giessereiroheisen seien. Caron gelangte (1863) zu denselben Resul- taten wie vordem Karsten. De Cigancourt führte 1865 die früher einmal von Berzelius aufgestellte Ansicht, dass es zwei verschiedene allotropische Zustände des Eisens gebe, die er als Ferricum und Ferrosum bezeichnete, weiter aus. Das Ferrosum, das Metall der Oxydule, ist nach Cigancourt weiss und hart und geht leicht in Ferricum über; das Ferricum, das Metall der wasserfreien Oxyde, ist grau und weich. Im grauen Roheisen herrscht das Ferricum vor, im halbierten sind beide in ihrer Eigenart enthalten; Schmiedeeisen ist aus variabelen Gemengen beider Eisensorten, die in Ferricum über- Chemie 1861 bis 1870. gegangen sind, gebildet. — Diese sogenannte Theorie ist nichts als eine phrasenhafte Umschreibung. Von viel grösserer Tragweite ist die von L. Rinman 1865 ein- geführte Unterscheidung der Kohlenstoffarten im Eisen. Nach seiner Ansicht scheidet sich der Kohlenstoff beim Auflösen von Roheisen und Stahl in drei verschiedene Formen ab, als Graphit aus dem grauen Roheisen, als Kohleneisen aus dem ungehärteten Stahl und als Kohlenwasserstoff aus weissem Roheisen und gehärtetem Stahl. Rinman nennt den aus ungehärtetem Stahl bei langsamer Lösung sich ab- scheidenden Kohlenstoff Cementkohle , den aus gehärtetem Stahl entweichenden Kohlenstoff Härtungskohle Siehe L. Rinman , Oefvers. af Akad. Förh. 22, N. 6, p. 443; Dingler , Polyt. Journ. 185, S. 134. . Fr. G. Calvert fand bei seinen Untersuchungen über den Kohlen- stoff im Eisen, dass der Stahl beim Härten nicht nur eine mechanische (molekulare), sondern auch eine chemische Veränderung erleidet, dass der Kohlenstoff im gehärteten Stahl in einer anderen Verbindung sich befindet als im ungehärteten. Nach Caron (1863) soll Ablöschen und Hämmern die gleichen Veränderungen, nur in verschiedenem Grade bewirken. Percy Siehe Iron and Steel, p. 119. widerspricht der Ansicht, dass Spiegeleisen Fe 4 C sei. Dasselbe sei keine einfache Verbindung von Eisen und Kohlenstoff, Mangan sei vielmehr zu seiner Bildung wie zu seiner Konstitution nötig, er stellt deshalb für Spiegeleisen die Formel (Fe 1 Mn) 4 C auf. Buchner hält nach seinen Analysen von Spiegeleisensorten die Formel Fe 5 C für mehr der Wahrheit entsprechend als Fe 4 C. Tunner stellt 1867 für Roheisen die allgemeine Formel auf: wobei m, n, q variabel sind. Eine interessante Untersuchung über die beim Auflösen des Roh- eisens in Säuren entstehenden Kohlenwasserstoffe hat Dr. Hahn in Clausthal 1864 veröffentlicht Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1864, S. 201 und 1865, Nr. 7. . Schafhäutl hatte bereits früher die Chemie 1861 bis 1870. Anwesenheit von Kohlenwasserstoffen von der Zusammensetzung C 2 H 4 und C 2 H 5 in den gasförmigen Produkten, die bei der Auflösung des Eisens in Mineralsäuren entstehen, nachgewiesen. Es entstehen aber auch flüssige Kohlenwasserstoffe und Hahn ermittelte folgende Zusammensetzungen und Siedepunkte derselben: C 2 H 4 , Siedepunkt 132° C.; C 3 H 6 , Siedepunkt 144° C.; C 4 H 8 , Siedepunkt 160° C. Ausser diesen fand er noch schwerere Öle von der Zusammensetzung C n H 2n deren höchster Siedepunkt 300° C. betrug. Hahn schliesst aus dem Auftreten dieser verschiedenen Kohlenwasserstoffe auf das Vorhanden- sein verschiedener Eisen-Kohlenstoffverbindungen in den Roheisen. Dass Minary und Résal 1862 Comptes rendus, Jan. 1862, t. 54, p. 212. die alte längst widerlegte Irr- lehre eines Sauerstoffgehaltes im Roheisen noch einmal vorbrachten und darauf eine neue Theorie des Puddelprozesses gründeten und dass die Unrichtigkeit ihrer Annahme von Cailletet nachgewiesen wurde, verdient kaum der Erwähnung. Über die Wirkungen von Silicium auf Eisen stellte Caron 1861 Versuche an, wobei er fand, dass dasselbe dem Eisen keine so schäd- lichen Eigenschaften erteile wie Schwefel und Phosphor und unter Umständen sogar das Eisen verbessere. Rob. Richter hatte 1862 in Vordernberger Roheisen angeblich eine Ausscheidung von krystallisiertem Silicium entdeckt. Dr. Hahn fand 1865 auskrystallisiertes Doppelt-Siliciumeisen von der Zu- sammensetzung FeSi 2 und vermutete, dass Richters Silicium- krystalle dieselbe Verbindung gewesen seien. Phipson behauptete, dass Silicium in zwei allotropischen Zuständen, chemisch gebunden und frei, im Roheisen vorhanden sei. Diese Ansicht wurde von Tosh widerlegt und Phipson widerrief später selbst das Vorhandensein von freiem Silicium im Eisen. Percy hat in seiner Metallurgie die grosse Wichtigkeit des Siliciums für die Konstitution und die Eigen- schaften des Roheisens nachdrücklich hervorgehoben. Dass ein gewisser Siliciumgehalt, bis zu 2 Prozent, in dem Roh- eisen für den Bessemerprozess vorhanden sein musste, war damals bereits eine anerkannte Thatsache. Freie Kieselsäure reduziert sich mit Eisenoxyd hei hoher Tempe- ratur. G. Hochstätter erhielt in Percys Laboratorium aus Rot- eisenstein, Sand und Holzkohle Eisenkönige mit 8,96 und 12,26 Prozent und Smith einen solchen von 13,78 Prozent Silicium Percy , Iron and Steel, p. 92. . Dr. Hahn in Clausthal gelang es 1864, Siliciumeisen von 30 Prozent Siliciumgehalt Beck, Geschichte des Eisens. 2 Chemie 1861 bis 1870. im kleinen darzustellen. Aber auch das Roheisen des Handels zeigte zum Teil sehr hohen Siliciumgehalt; so enthielt 1864 Roheisen von Dowlais aus Blackband erblasen 7,46 Prozent und ein hellgraues Roheisen aus dem Arsenal von Woolwich 8,2 Prozent. Schwefel und Phosphor erschienen als die grossen Feinde des Roheisens namentlich für alle Frischprozesse, die bei hoher Temperatur vor sich gingen, wie der Bessemer- und Martinprozess. Die Entfernung dieser schädlichen Substanzen galt deshalb als eine der wichtigsten Aufgaben für die Eisenhütten-Chemie. Viele Erfindungen wurden gemacht, deren Zweck nichts anderes war als die Abscheidung dieser Substanzen. Eine praktische Lösung dieser Frage wurde aber in diesem Jahrzehnt noch nicht erreicht. Dagegen kamen wichtige Vor- arbeiten dafür zustande, besonders durch Carons Untersuchungen. Caron stellte durch Schmelzversuche die Wirkung von Mangan auf Phosphor-, Schwefel- und Siliciumeisen fest. Er fand, dass Phosphor durch Mangan aus dem Eisen nicht entfernt wird, wohl aber der Schwefel und zwar ohne Frischen. Silicium wird dagegen dem Eisen durch Mangan grösstenteils bei dem Frischen entzogen Siehe Dingler , Polyt. Journ. 168, S. 380. . In der Praxis hatte man bereits vor Caron die reinigende Kraft des Mangans gegenüber dem Schwefel beobachtet und davon Gebrauch gemacht. So erwähnen Gruner und Lan in ihrem Bericht über den Zustand der Eisenindustrie in England um 1860 bereits, dass das Mangan eines Eisenerzes bei Gegenwart von Schwefel ein wahres Korrektiv für letzteres sei, und Parry zu Ebbw-Vale fand, dass mangan- reiche Hochofenschlacken stets eine beträchtliche Menge Schwefel enthielten. Auf der Saint-Louis-Hütte bei Marseille begann man 1860 mit der Fabrikation von schwefelfreiem Koksroheisen, welches aus einer Möllerung von Elbaer Eisenglanz und einer dem Schwefelgehalt der Erze und der Kohle entsprechenden Menge von Braunstein erblasen war. Die Hütteningenieure von St. Louis Jordan und Gaulliard nahmen auf die Entschwefelung des Koksroheisens vermittelst Mangans ein Erfindungspatent. Sie liessen ihr Patent aber fallen, als sie sich überzeugten, dass ihr Verfahren nicht neu war und namentlich in Deutschland schon seit längerer Zeit angewendet wurde Siehe Dingler , Polyt. Journ. 195, S. 252. . Dass die Abscheidung des Schwefels durch Manganzuschlag im Hochofen aber nicht so ohne weiteres erfolgt, hat 1866 Lowthian Chemie 1861 bis 1870. Bell erfahren, als er diesen Zweck durch Zuschlag von Braunstein in den Hochöfen von Clarence nicht erreichte. Die grosse Wichtigkeit des Mangans für die Eigenschaften und den Wert des Roheisens wurde in dieser Periode voll anerkannt. Dr. List in Hagen und Rob. Richter in Leoben beschäftigten sich 1861 mit dem Mangangehalt des Eisens. Ersterer gab 3,80 Prozent als Maximum des Mangangehaltes im Roheisen an, Richter fand aber in einem Spiegeleisen von Jauerburg in Krain 7,578 Prozent und in einem von Theresienthal in Böhmen sogar 22,183 Prozent Mangan. Dass eine sehr basische Beschickung namentlich bei der Spiegeleisen- erzeugung mit Koks den Mangangehalt beträchtlich erhöht, hatte man im Siegerland schon seit längerer Zeit erfahren und man erzielte dort durch sehr hohen Kalkzuschlag Spiegeleisen von bis zu 22 Prozent Mangangehalt. Neben dem Mangan legte man dem Wolfram und dem Titan zu jener Zeit eine hervorragende Wichtigkeit, namentlich als Bestand- teile des Stahls, bei. Riley , der erst nach vielen vergeblichen Ver- suchen in einigen Gusseisensorten Titan auffand und zwar in Mengen von 0,5 bis 1,1 Prozent, schreibt demselben eine ähnliche Rolle wie dem Mangan zu und glaubt, dass es als Cyanbilder wirke. Mushet nimmt an, dass es einen wichtigen Bestandteil des Stahls bilde. Infolge der grossen Reklame, welche letzterer für seinen Titanstahl machte, hat man die Bedeutung des Titans für die Gussstahlbereitung damals zuweilen überschätzt. Über die Eigenschaften, welche Zusätze von Wolfram dem Eisen erteilen, hat Caron Untersuchungen veröffentlicht. Wolfram erhöht die Härte und Festigkeit des Stahls. Ebenso erhöht ein Wolfram- gehalt die Zähigkeit und Härte des Roheisens; dies geschieht nach Tresca schon durch einen Zusatz von 0,125 bis 1 Prozent, nach Le Guen durch einen Zusatz von 2,5 Prozent Wolfram zu grauem Roheisen. General Sobrero zu Turin stellte die Theorie auf, die Stahlnatur des Eisens sei bedingt durch die Lösung eines schwer reduzierbaren Metalloxydes, namentlich von Mangan, Titan und Wolfram im Eisen. Die härtende Wirkung, welche Chrom auf Stahl ausübt, hat Julius Baur in New York zuerst praktisch ausgenutzt durch seine Darstellung von Chromstahl, worauf er 1865 ein Patent nahm. Zahlreiche Eisenanalysen wurden in diesem Zeitraum gemacht, wovon wir die von J. Percy, R. Richter, List, H. Hahn, R. Peters , 2* Chemie 1861 bis 1870. Max Buchner Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 84. , R. Fresenius, Finkener , dem K. K. General- Probieramt in Wien Berg- und Hüttenmännisches Jahrbuch 1869. Zusammenstellungen von Eisenanalysen finden sich in Kerpelys Fortschritten und in Kerls Handbuch der metallurgischen Hüttenkunde I, 769, 772 und III, 9, 34. , Abel, Tookey, Henry, Riley, Willis, Svanberg, Rivot, Gruner und Lan anführen. Von diesen Analysen wollen wir die eines Spiegeleisens von Lohe von R. Fresenius (1862) hier mitteilen, weil in derselben mit be- sonderer Sorgfalt auf alle Bestandteile Rücksicht genommen ist. Sie ergab: Eisen 82,860 Mangan 10,707 Nickel 0,016 Kobalt Spur Kupfer 0,066 Aluminium 0,077 Titan 0,006 Magnesium 0,045 Calcium 0,091 Kalium 0,063 Natrium Spur Lithium Spur Arsen 0,007 Antimon 0,004 Phosphor 0,059 Schwefel 0,014 Stickstoff 0.014 Silicium 0,997 Kohlenstoff 4,323 Eingemengte Schlacke 0,665 100,014 Den Kohlenstoffgehalt verschiedener Stahl(Flusseisen-)sorten er- mittelte A. Willis in Siemens’ Laboratorium zu London. Er fand in Wootzstahl 1,34 Prozent Kohlenstoff Stahl für flache Feilen 1,20 „ „ „ „ Drehmeissel 1,00 „ „ Huntsmanstahl für Schneidwerkzeuge 1,00 „ „ gewöhnl. Stahl „ „ 0,90 „ „ Chemie 1861 bis 1870. Stahl für Meissel 0,75 Prozent Kohlenstoff „ „ Prägstempel 0,74 „ „ zweimal raffiniertem Gärbstahl 0,70 „ „ Stahl zum Schweissen 0,68 „ „ Stahl zu Bohrern für Steinbrüche 0,64 „ „ „ „ Maurerwerkzeugen und Rammen 0,60 „ „ gewöhnl. Stahl zum Stanzen 0.42 „ „ Stahl für Spaten und Hämmer 0,30 bis 0,32 „ „ Bessemerstahl zu Schienen 0,25 bis 0,30 „ „ Homogenmetall (Panzerplatte) 0,23 „ „ (Percy) wenig gestähltem Eisen aus dem offenen Herd 0,18 „ „ Bessemermetall vor dem Spiegeleisen- zusatz 0,05 „ „ Bessemereisen (rein) Spur. L. Cailletet untersuchte 1866 auch die Gase , welche im ge- schmolzenen Roheisen absorbiert sind. Es enthielten: Graues englisches Koksroheisen. Schwachgraues Holzkohlenroheisen. Wasserstoff 33,70 38,60 Kohlenoxyd 57,90 49,20 Stickstoff 8,40 12,20 100,00 100,00 Eine grosse Zahl von Eisenerzanalysen wurden in diesem Jahr- zehnt veröffentlicht. Von Interesse sind besonders diejenigen, welche in Verbindung mit dem Hochofenprozess in der Weise vorgenommen wurden, dass Beschickung, Schlacken und Roheisen desselben Schmelz- prozesses analysiert wurden. Untersuchungen dieser Art veröffentlichte Hahn 1862 Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1862, S. 6. , v. Fellenberg und Köhler l. c. 1865, S. 208. 1865. Eine Zusammenstellung von Hochofenschlackenanalysen findet man bei De Vataire , Études sur les hauts fourneaux (p. 41). Die Fortschritte der analytischen Methoden für die Metallurgie des Eisens bewegten sich nach zwei Richtungen, einerseits suchte man nach genaueren, andererseits nach einfacheren Verfahren. Erstere dienten für die theoretischen, letztere für die praktischen Unter- suchungen. Chemie 1861 bis 1870. Wir betrachten zunächst die Verfahren zur Bestimmung des Eisens . Die Margueritesche Probe zeigte verschiedene Fehlerquellen. Löwenthal-Lenssen wiesen 1862 nach, dass in salzsauren Lösungen durch Chlorentwickelung der regelmässige Fortgang der Reaktion gestört wird. Die Probe ist nur dann zuverlässig, wenn das Eisen als Sulfat gelöst und nur wenig freie Schwefelsäure vorhanden ist. Für den Fall, dass man genötigt ist, mit salzsaurer Lösung zu arbeiten, hat R. Fresenius gewisse Vorsichtsmassregeln vorgeschlagen Siehe Zeitschrift für analytische Chemie, 1862, S. 361. . Eine andere Titriermethode zur Eisenbestimmung hat Friedrich Mohr angegeben Siehe Zeitschrift für analyt. Chemie, 2, 243. Fr. Mohr , Lehrbuch der analyt. Titriermethode, 1862, S. 235. . Sie besteht darin, die Eisenlösung, welche das Eisen als Oxyd (Chlorid) enthalten muss, mit einem Überschuss von Jodkalium zu versetzen. Wird alsdann eine Stärkelösung zugesetzt, so tritt die blaue Farbe der Jodstärke ein. Hierauf wird eine titrierte Lösung von unterschwefligsaurem Natron zugefügt, bis die Ent- färbung der Jodstärke das Ende der Reaktion anzeigt, und aus der verbrauchten Menge der Eisengehalt berechnet. R. Fresenius empfahl, das Eisen in seiner oxydischen Lösung direkt mit einer titrierten Zinnchlorürlösung zu bestimmen Siehe R. Fresenius , Anleitung zur quantitativen chemischen Analyse, 5. Aufl., 1865, S. 789. . Winkler Siehe Fresenius , Zeitschrift für anal. Chem., Bd. 4, S. 423. schlug 1865 vor, das Eisen in Chlorwasserstoffsäure unter Zusatz von chlorsaurem Kali zu lösen, die verdünnte saure Lösung mit einigen Tropfen Schwefelcyankaliumlösung rot zu färben und dann mit Kupferchlorürlösung zu titrieren. Zur Bestimmung des Kohlenstoffs im Eisen schlug W. Weyl 1861 ein neues Verfahren vor Siehe Poggendorff , Annalen 1861, Bd. 114, S. 507. , welches den grossen Vorteil gewährt, dass das Eisen nicht zerkleinert werden muss. Die Lösung des Eisens erfolgt mit Hülfe eines schwachen galvanischen Stromes, wobei man das Eisenstück als positive Elektrode in verdünnte Säure eintauchen lässt. Das Eisen löst sich ohne Gasentwickelung als Chlorür. Der gesamte Kohlenstoff bleibt im Rückstande, den man auf einem Asbest- filter sammelt und dann im Sauerstoffstrom verbrennt. — Rinman fand aber (1865) dieses Verfahren nicht als zuverlässig, indem infolge von Kohlenwasserstoffbildung der Kohlenstoffgehalt immer etwas zu niedrig ausfällt. E. Mulder führte 1861 die Kohlenstoffbestimmung im Roheisen Chemie 1861 bis 1870. durch Verbrennen desselben in nachfolgender verbesserter Weise aus: er füllte das mit einem Asbestpfropfen verschlossene Rohr zu zwei Drittel mit Sand, hierauf mit dem Gemenge von Eisenfeile und Bims- stein; dann folgte hinter einem Asbestpfropfen Kupferoxyd bis zur Mündung, die wieder durch einen Asbestpfropfen verschlossen wurde. Dann wurde das Rohr erhitzt, Sauerstoff durchgeleitet und die ent- weichenden Gase erst durch einen Chlorcalciumapparat, dann durch Schwefelsäure mit Bimsstein und hierauf durch zwei Röhren mit Natronkalk geleitet. R. Richter hat das Verfahren von Berzelius 1865 dahin abgeändert, dass er zur Lösung des Eisens die Doppelsalze von Kupfer- chlorid mit Chlorkalium oder Chlornatrium statt des reinen Kupfer- chlorides verwendet, weil jene leichter neutral zu erhalten sind als letzteres. Die von Wöhler vorgeschlagene Verbrennung des Eisens in einem Strome von Chlorgas ist im Laboratorium in Clausthal mit Erfolg angewendet worden. Boussingault brachte das Eisen ohne Gasentwickelung zur Lösung, indem er es mit einem Überschuss von Quecksilberchlorid (15 bis 20 Teile : 1 Teil Eisen) zusammenrieb. Das Eisen löst sich als Chlorür, während unlösliches Quecksilberchlorür mit der Kohle zurückbleibt. Ersteres wird im Platinschiffchen im Wasserstoffgasstrom sublimiert und die Kohle dann im Luftstrom verbrannt. Alle diese Bestimmungen waren aber für die Praxis, namentlich seitdem der Bessemerprozess eine rasche Bestimmung des chemisch gebundenen Kohlenstoffs notwendig gemacht hatte, zu zeitraubend. Deshalb schlug Professor Eggerts in Falun eine einfach kolori- metrische Probe vor, die, obgleich wenig wissenschaftlich, sich wegen ihrer leichten Ausführbarkeit rasch in der hüttenmännischen Praxis einbürgerte. Sie gründet sich darauf, dass die Lösung eines kohlenstoffhaltigen Eisens in Salpetersäure um so dunkler ist, je mehr gebundenen Kohlenstoff dasselbe enthält. Man bereitet sich eine Normallösung durch Auflösen einer abgewogenen Menge (0,1 gr) Stahl von bekanntem Kohlenstoffgehalt und verdünnt dieselbe so, dass die Masseinheit der Lösung 0,1 Prozent Kohlenstoff entspricht. Nun wiegt man die gleiche Menge Probematerial ein und verdünnt sie in einer vollkommen gleichen Messröhre so weit, dass sie mit der Normallösung den gleichen Farbenton zeigt. Aus der Menge der Lösung berechnet man den Gehalt an Eisen. Diese Probe erfährt aber verschiedene Einschränkungen. Die Chemie 1861 bis 1870. Farbentöne sind nur deutlich bei einem Kohlenstoffgehalt von 0,15 bis 1,5 Prozent, also nur für Stahl und hartes Schmiedeeisen. Für das Bessemermetall, für das sie hauptsächlich angewendet wurde, ist sie also geeignet. Die Probelösung behält aber nicht ihre Farbe, sondern wird blässer. Eggerts hat deshalb vorgeschlagen, eine Lösung von ge- branntem Zucker von demselben Farbenton der Normallösung zu bereiten, doch verändert auch diese mit der Zeit ihre Farbe. Britton hat eine aus Alkohol, Wasser und gebranntem Kaffee bereitete Flüssigkeit zu dem Zwecke empfohlen. Am meisten hat es sich aber bewährt, die Normallösungen immer mit der Probe frisch zu bereiten, wie dies namentlich im Laboratorium der Bergakademie zu Leoben geschah, und zwar ist es ratsam, gleich drei Normallösungen, mit 0,4, 0,8 und 1,25 Prozent Kohlenstoff, herzustellen, weil ungleich harter Stahl verschiedene Farbennuancen hervorbringt. In dieser Weise ausgeführt, erfüllte diese Probe ihren Zweck. Eggerts , der bekanntlich schon früher eine kolorimetrische Probe zur Bestimmung des Schwefelgehaltes im Eisen angegeben hatte (Bd. IV, S. 792), hat auch möglichst einfache Verfahren zur Bestim- mung von Silicium Siehe Jern-Kontorets Annaler 1884 und Dingler , Polyt. Journ. 188, S. 119. , Phosphor Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1860, S. 415. und Mangan Siehe Balling , Probierkunde 1879, S. 237. angegeben, die sich auf bekannte ältere Verfahren gründen. Phosphor bestimmt er z. B. aus der salpetersauren Lösung als Phosphorsäure durch Molyb- dänsäure, wiegt den bei 120° C. getrockneten Niederschlag und berechnet daraus den Phosphor unter der Annahme, dass der Nieder- schlag 1,63 Prozent davon enthält. Die Bedeutung der analytischen Chemie für den Eisenhütten- betrieb war in dieser Zeit so sehr zur Anerkennung gelangt, dass in Deutschland fast jede Hütte ihr Hüttenlaboratorium und ihren Hüttenchemiker hatte. Da genaue Analysen von Eisensorten aber schwierig waren und geschickte Analytiker verlangten, da ferner für den Bessemerprozess und andere neue Verfahren eingehende Unter- suchungen notwendig wurden, die oft über die Kräfte des einzelnen Werkes hinausgingen, so regte Dr. List 1865 die Gründung einer chemischen Versuchsstation für die Eisenhüttenkunde entweder für ganz Deutsch- land oder zunächst für Rheinland und Westfalen an Siehe Zeitschrift des Vereins deutsch. Ingenieure X, 315. . Obgleich dieses Institut damals nicht zustande kam, so ist doch auch dieser Versuch von historischer Bedeutung. Physik 1861 bis 1870. Physik 1861 bis 1870. Die Fortschritte der Physik förderten ebenfalls die Eisenindustrie. Auf dem Grenzgebiete von Chemie und Physik entstand (1860) die überraschende, hochwichtige Entdeckung von Bunsen und Kirchhoff , die Spektralanalyse . Sie wurde ein Mittel zur Beobachtung des Verlaufs des Bessemerprozesses, wie wir später noch näher kennen lernen werden. Von den Wirkungen der Wärme bot die Dissociation der Gase bei hoher Temperatur, welche von Deville, Cailletet und Debray durch Versuche nachgewiesen wurde, ein hohes Interesse dar. Dass in grosser Hitze der Wasserdampf wieder in seine Elemente Sauerstoff und Wasserstoff zerfällt, war schon früher beobachtet worden. Cailletet wies 1869 nach, dass unter dieser Bedingung Wasserstoff und Sauerstoff neben Kohlenoxyd und Kohlensäure bestehen können Siehe Compt. rend. LXII. . In welchem Masse das Silicium im Roheisen bei den Frisch- prozessen die Rolle eines Wärmeerzeugers spielt, wurde erst in diesem Zeitraum genauer bekannt. C. Schinz beschäftigte sich eingehend mit der Ökonomie der Wärme, wobei er namentlich den Wärmeverlust durch Strahlung fest- zustellen suchte. Gestützt auf Dulongs Gesetz: dass die Transmission dem Quadrat der Temperatur der transmittierenden Fläche proportional ist, fand er die Ausstrahlung einer Fläche von 1 qm und 540° C. in einer Stunde gleich 36046 Wärmeeinheiten. Auf die Untersuchungen von Bell und Tunner über den theoretischen Wärmeverbrauch im Hochofen kommen wir später zurück. Von praktischer Bedeutung war die Konstruktion verschiedener neuer Pyrometer . Bussius erfand ein Thermometer für erhitzten Gebläsewind Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1862, S. 10. . Schinz konstruierte 1865 ein thermoelektrisches Pyrometer für Temperaturen bis 1000° C. C. Bock fertigte 1870 ein verbessertes Metallpyrometer, aber auch nur für Messungen bis 600° C. Siemens’ Pyrometer war dagegen für hohe Temperaturen bestimmt. Es gründete sich auf die Eigenschaft reiner Metalle, mit zunehmender Wärme dem elektrischen Strom grösseren Widerstand zu bieten. Die Optik erlangte durch das Mikroskop Bedeutung für die Eisenhüttenkunde, besonders seitdem es Sorby Siehe Quaterly Journal of Science 1864. 1864 gelungen war, die mikroskopischen Bilder der Bruchflächen von Eisenarten durch die Photographie zu fixieren. Nach seinen Angaben stellte sich die Physik 1861 bis 1870. Struktur des grauen Roheisens als losgelöste Graphitkrystalle auf einer buntscheckigen Fläche dar. Im Feineisen zeigten sich lange Linien heller Krystalle in Zonen geordnet. Das Walzeisen erschien im Gegensatz zum Luppeneisen frei von Schlacke. Beim Cementstahl liess sich der chemische Vorgang im Bilde erkennen. Der Gussstahl war ausgezeichnet durch die gleichförmige Anordnung der Krystalle. Tresca gab (1867) an, dass sich die durch Walzen und Schmieden bewirkten Änderungen des Eisens im Inneren deutlich sichtbar machen lassen durch Schleifen und Polieren des Querschnitts, Abwaschen mit Äther und Alkohol, Eintauchen in sehr verdünnte Quecksilberchloridlösung und Abwaschen mit Wasser, wobei sich an den nicht homogenen Stellen keine Oxy- dation zeigt. — Vivian unterschied im Eisen zelliges und eckiges Gefüge. Saxby schlug 1868 vor, die Homogenität der Eisenstäbe mit Hülfe der Magnetnadel zu prüfen. A. v. Waltenhofen wollte 1863 aus dem elektromagnetischen Induktionskoeffizienten und der Koercitivkraft den Härtegrad des Stahls herleiten. Er schlug elektromagnetische Stahlproben vor, wobei glasharter Wolframstahl mit der Härte 1 (bezw. 100) an der Spitze der Skala stehen sollte. Diese Stahlprobe beruhte auf der Annahme, dass der Härtegrad im umgekehrten Verhältnis zum Induktionskoeffizienten stehe. Nach Guettier (1866) zeigt das Roheisen durch den Einfluss des elektromagnetischen Stromes eine Volumvermehrung ohne Zunahme der Porosität, sowie eine Vermehrung der Festigkeit und Annäherungen der Eigenschaften an Stahl. Schon Rumkorff hatte beobachtet, dass durch magnetische Induktion eine Zunahme der Härte des Schmiede- eisens eintritt. Man hatte auch schon vordem geglaubt und vor- geschlagen, durch den elektrischen Strom eine Reinigung des flüssigen Eisens bewirken zu können. A. C. Fleury in Philadelphia nahm 1860 ein Patent auf das Weissen und Reinigen des Eisens durch den elektrischen Strom. Das aus geringem Roheisen elektrisch gefeinte Eisen wurde angeblich zu einem vorzüglichen Schmiedeeisen verpuddelt Siehe Dingler , Pol. Journ. 162, S. 427. . Winkler empfahl 1861 a. a. O. 161, S. 303. die Reinigung des flüssigen Roheisens im Herde des Hochofens durch einen elektrischen Strom, wodurch Schwefel, Phosphor und Silicium abgeschieden werden sollen. Später schlug er vor, die im Hochofengestell auf dem Eisen schwimmende Schlacke mit dem positiven und das Eisen durch das Stichloch mit dem negativen Pol zu verbinden. Physik 1861 bis 1870. Vor Fleury hatten schon Wall und Black ein Patent zur Reinigung des Stahls durch den galvanischen Strom genommen; das Verfahren war aber sehr kompliziert. 1865 nahm S. C. Kreeft in London ein Patent, wonach er mittels Durchleitens eines elektrischen Stromes durch flüssigen Stahl einen sehr gleichartigen, dichten Stahl bekommen will. Erfolg hatte keiner dieser Vorschläge. Dass festes Eisen auf flüssigem schwimmt, war eine schon lang beobachtete Erscheinung. Schott in Ilsenburg suchte sie dadurch zu erklären, dass flüssiges Eisen im Moment der Erstarrung durch Krystallisation eine Ausdehnung erfahre. Erhard will dagegen das Schwimmen des Eisens nur durch die sofort eintretende Ausdehnung durch Hitze erklären (1868). H. Deville und L. Troost hatten gefunden, dass Schmiedeeisen bei hohen Temperaturen für Wasserstoff durchdringlich ist, ferner dass die Feuergase die Wände eines gusseisernen Ofens bei dunkler und heller Rotglut durchdringen. Odling fand, dass schon rot- glühendes Eisen für Wasserstoff durchgängig ist, und Cailletet wies die Durchdringlichkeit des Eisens für Gase schon bei gewöhnlicher Temperatur nach. Odling entdeckte ferner, dass Eisen bis 46 Prozent Wasserstoff und bis 415 Prozent Kohlenoxydgas absorbiert. Letzteres hielt er für wichtig zur Erklärung der Stahlbildung, indem Kohlenoxydgas bei sehr hoher Temperatur in Kohlenstoff und Kohlensäure zerfallen könne. Für die Praxis waren die Festigkeitsbestimmungen die wichtigsten physikalischen Versuche, die man mit dem Eisen vornahm. Wir können nur die hervorragenden Ergebnisse der zahlreichen Ver- suche hier zusammenstellen. Eine Streitfrage bildete damals die Verminderung der Festigkeit des Eisens durch Strukturveränderung infolge lange Zeit fortgesetzter Erschütterungen. Wilh. Armstrong Siehe Dingler , Polyt. Journ. 158, S. 416. nahm 1860 an, dass die Festigkeitsverminderung die Folge einer eintretenden Krystallisation sei, und schlug einen Zusatz von Nickel beim Puddeln als bestes Mittel dagegen vor. Gurlt bezweifelt diese Wirkung, weil sich das Nickel unter diesen Umständen nicht mit dem Eisen legiere. W. Liebe stellte im Oktober 1860 in der Fabrik von Joh. Casp. Harkort auf Harkorten ausgedehnte Festigkeitsversuche mit deut- schen Eisensorten, besonders mit Holzkohlen- und Koksnieteisen an Siehe Beilage zu Nr. 22 des Berggeist von 1861. . Physik 1861 bis 1870. Nach Versuchen, welche T. E. Vickers London Journ. of Arts, März 1861; Dingler a. a. O. 164, S. 434. 1861 veröffentlichte, nimmt die Festigkeit von Stahl gegen das Zerreissen mit dem Kohlen- stoffgehalt von ⅓ bis 1¼ Prozent ab, die gegen das Zerdrücken zu. Barlow Polytechn. Centralblatt 1862, Nr. 9. machte 1862 die Resultate seiner Festigkeitsversuche von Puddelstahl, Homogeneisen und Stabeisen, welche er im Arsenal zu Woolwich angestellt hatte, bekannt. Weitere Angaben über die Festigkeit englischer Eisensorten veröffentlichte Bell Siehe Tunners Jahrbuch 1865, S. 106. . Versuche, die 1864 zu Hörde gemacht wurden, ergaben für Hörder Bessemerstahl ein Zerreissungsgewicht von 87 kg auf den Quadrat- millimeter. Für andere Stahlsorten schwankte dieses Gewicht von 75 bis 100 kg. Für Schmiedeeisen betrug es nur etwa die Hälfte, für Roheisen 9 bis 10 kg. — In demselben Jahre wurden die Ergebnisse von Festigkeitsversuchen von Neuberg und Reschitza veröffentlicht Siehe Zeitschrift des Österreich. Ing.-Ver. 1864, S. 78 u. 107. . Zahlreiche und wichtige Zerreissungsversuche mit Eisen hat David Kirkaldy (1862) in Glasgow angestellt Siehe Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. 1865, S. 604. . Er fand dabei, dass eine krystallinische Textur der Bruchfläche stets nur bei plötzlich erfolgtem Bruche eintritt, dagegen eine faserige (sehnige) bei allmäh- lichem Bruch. Deshalb giebt ein krystallinischer Bruch für sich allein keinen Anhalt für schlechte Qualität des Eisens. Wedding giebt dies zwar im allgemeinen zu, ist aber der Ansicht, dass eine merklich krystallinische Bruchfläche so nicht entstehen könne, sondern nur bei Eisen, das schon krystallinisch war, zum Vorschein komme. Kirkaldy machte sich auch dadurch besonders verdient, dass er die erste öffentliche physikalische Prüfungsstation für Eisen, ein „ Festigkeits-Atelier “, zu Southwark errichtete und seine Erfahrun- gen in einem grundlegenden Werke Kirkaldy , Results of an experimental inquiry into the comparative tensile strength and other properties of various kinds of wrought iron and steel. 1862. zusammenfasste. Wöhler wies 1866 auf den grossen Einfluss der Form auf die Festigkeit und die nachteilige Wirkung plötzlicher Übergänge der- selben hin. Für den Bruch sei nicht das Maximum der Faserspan- nungen, sondern die Differenz dieser Spannungen massgebend. Bei Eisen darf die Summe der konstanten und zufälligen Spannungen nicht über 1300 kg für den Quadratcentimeter betragen Siehe Ztschr. für Bauwesen, Bd. XVI. . Wöhlers Festigkeitsversuche wurden für Deutschland ebenso massgebend wie die von Kirkaldy in England. Physik 1861 bis 1870. Kirschweger machte 1867 Versuche über den Zusammenhang zwischen Festigkeit und Kohlenstoffgehalt, deren Ergebnisse in nach- stehender Tabelle zusammengestellt sind: Kohlenstoff. Abs. Festigkeit. Gussstahl 1,5 bis 1,75 Prozent 183 Pfd. pro qmm Puddel-, Cement- und Gärbstahl 0,66 „ 1,49 „ 128 bis 199 „ „ „ Bessemerstahl 0,66 „ 1,49 „ 111 „ 150 „ „ „ Feinkorneisen 0,50 „ 0,65 „ 86 „ „ „ Schmiedeeisen 0,50 „ 0,65 „ 70 „ 117 „ „ „ Kesselblech 0,50 „ 0,65 „ 66 „ „ „ Knut Styffe berücksichtigte bei seinen Festigkeitsversuchen des Eisens 1867 auch die Temperatur Knut Styffe , Die Festigkeitseigenschaften von Eisen und Stahl. Deutsch von Weber , 1870. . Es ergab sich, dass die absolute Festigkeit in der Kälte ebenso gross ist wie bei 15° C., dass sie aber bei 100 bis 200° C. grösser ist und zwar bis zu 20 Prozent. Die Dehnbarkeit ist dagegen bei 130 bis 160° C. geringer als bei gewöhn- licher Temperatur. W. Fairbairn fand 1867 den Festigkeitsmodul gegen das Zer- drücken des Stahls durchschnittlich 2½mal so gross als gegen das Zerreissen Engineering, Septbr. 1867, p. 236. . 1868 veröffentlichte er die Ergebnisse zahlreicher Festig- keitsversuche mit Bessemermetall und zwar von sämtlichen englischen Bessemersorten The Quaterly Journ. of Science, Jan. 1868, p. 10. . Nach den auf der Hütte zu Terre-noire in Frankreich gemachten Erfahrungen riss der gewöhnliche Bessemerstahl (Nr. 5 nach Tunner ) bei einer Belastung von 70 kg pro Quadratmillimeter, der weichste Stahl bei 55 bis 60 kg, während das gewöhnliche Blech aus Holz- kohlenroheisen schon bei 35 kg reisst. 1867 erfand Barlow eine sehr hübsche hydraulische Maschine zum Probieren der Festigkeit des Stahls. Sie wurde von Greenwood \& Batley in London erbaut und kostete zuerst 1700 £. 1870 konstruierten King \& Son in Glasgow einen Festigkeits- apparat mit Laufgewichten für Zug und Druck. Die Bewegung des Laufgewichts war bis zum Moment des Bruches eine selbstthätige, im Augenblick des Bruches stellte es sich fest. In den in demselben Jahre von dem preussischen Obermaschinen- meister A. Wöhler veröffentlichten, auf Veranlassung des Handels- ministeriums ausgeführten vortrefflichen Festigkeitsversuchen mit Eisen Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. und Stahl sind die dabei angewendeten Apparate in schönen Zeich- nungen beigefügt Über die Festigkeitsversuche mit Eisen und Stahl von A. Wöhler , mit 5 Kupfertafeln. Berlin 1870. . Eisenbereitung. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Die Nützlichkeit des Röstens mancher Eisenerzarten wurde in den sechziger Jahren gewürdigt, was zur Konstruktion verschiedener neuer Röstöfen führte. Das 1861 von Ihne in Vorschlag gebrachte Schachtofen-Röstverfahren mit Anwendung von Wasserdampf Siehe Schlesische Wochenschrift 1861, Nr. 35. war nur eine Abänderung des Nordenskjöldschen . In Steiermark wendete Fig. 1. man der Röstung der Spaterze besondere Aufmerksamkeit zu. Zu Mariazell errichtete Direktor Wagner für schwefelkiesreiche Erze einen verbesserten Zugröstofen mit innerem Luftschacht und sehr vollkommener Luftverteilung (Fig. 1). Dasselbe Prinzip in verein- fachter Form kam bei den Röstöfen zu Gollrath in Anwendung (Fig. 2). Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Die Heizung der Röstöfen geschah vielfach mit Gas. Zu Vordernberg erbaute Fillafer neue Gichtgasröstöfen mit Rost. 1866 wurden auf dem Sesslers chen Radwerk Nr. III 14 solcher Öfen zusammengebaut. Fig. 3 (a. f. S.) zeigt den vertikalen Schnitt durch zwei mit dem Rücken zusammengebaute Öfen dieser Art. F F sind die Aufgabe- öffnungen, a a sind die Gasschlitze, c c die Rostträger, K K die Kühl- Fig. 2. räume. Dieselben Röstöfen in etwas grösseren Verhältnissen wurden auf dem v. Friedaus chen Radwerke Nr. 7 errichtet. — Zu Eisenerz erbaute K. Moser Gichtgas-Flammröstöfen mit geneigter Sohle. In Schweden, wo man für die Röstung der zum Teil schwefel- haltigen Magneteisensteine ein stärkeres Feuer und deshalb höhere Öfen brauchte als bei den leicht schmelzbaren Spaten der österreichi- schen Alpenländer, verbesserte Westman die Gasröstöfen mit künst- Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Fig. 3. licher Windzuführung. Zeich- nung und Beschreibung der- selben findet man in Wed- dings Eisenhüttenkunde (Bd. II, S. 485). Mehr vom Gesichtspunkt grosser Leistungsfähigkeit aus, entsprechend der ge- steigerten Produktion der Hochöfen, waren die Röst- öfen auf der Rolandshütte bei Siegen und die Röst- öfen auf den Eisenhütten bei Middlesborough kon- struiert. Erstere zeichneten sich durch ihre Einfachheit aus, wie Fig. 4 zeigt. Es waren trichterförmige Schachtöfen ohne Boden. Der Blech- mantel des Ofens hing in eisernen Trägern. Die Öfen standen ganz frei, das Aus- Fig. 4. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. ziehen ging leicht von statten, das Durchsatzquantum war für Sieger- länder Spate ein bedeutendes. Grosse Bauwerke sind dagegen die ebenfalls mit festem Brenn- material betriebenen Röstöfen von Gjers und die von Borrie auf den Cleveland-Eisenwerken (Fig. 5), welche die Dimensionen grosser Hochöfen hatten. Sie waren an 50 Fuss hoch und der kreisrunde Schacht hatte 21 Fuss Durchmesser. Oben hatten sie Gichtverschlüsse nach dem Prinzip der Parry schen Trichter; unten be- fanden sich drei Aus- ziehöffnungen. Die Gjerss chen Röst- öfen hatten Blech- mäntel, die auf eisernen Säulen ruh- ten; das geröstete Erz glitt über einen Verteilungskegel. Die Borrieöfen wa- ren bis zum Boden gemauert und hatten sechs Ausziehöff- nungen. Ein solcher Ofen fasste 550 Ton- nen und produzierte 150 bis 200 Tonnen Röstgut pro Tag, so dass er für einen Hochofen genügte. Eine eigentüm- liche Konstruktion Fig. 5. zeigte der Generatorgas-Röstofen von Welckner in Wietmarschen zum Rösten sandiger Raseneisensteine. Er bestand aus einem für Torf und Holzkohlenklein konstruierten Gasgenerator mit Treppenrost und Gaswaschvorrichtung und aus einem von Säulen Beck, Geschichte des Eisens. 3 Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. getragenen gusseisernen Röstcylinder mit getrennter Verbrennungs- kammer S. Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1863, S. 61; H. Weddings Handbuch 1898 II, Fig. 133. . William Siemens baute rotierende Röstöfen. Geneigte Eisen- blechcylinder waren mit einem Futter von feuerfesten Steinen, mit spiralförmig angeordneten Vorsprüngen ausgekleidet. Durch diese wurden die am oberen Ende eingeschütteten Erze gleichsam fort- geschraubt und fielen am anderen Ende heraus. Die Erhitzung geschah durch Gas und vorgewärmte Verbrennungsluft Charles William Siemens’ Engl. Pat. v. 21. Mai 1869, Nr. 1575. . Aitken schlug die Röstung englischer Kohleneisensteine in ge- schlossenen Retorten vor Practical Mechanic’s Journ. 1869, p. 201. . Diese Öfen kamen auf der Almondhütte bei Falkirk in Schottland in Anwendung. Die hüttenmännische Praxis der sechziger Jahre ist charakterisiert durch die Anwendung weit stärkerer Maschinenkräfte und infolge- dessen durch grössere Produktion. Massenerzeugung wurde in allen Zweigen der Eisenindustrie erstrebt. Bei dem Hochofenbetriebe wurde sie befördert durch die Erschliessung ausgedehnter fast un- erschöpflicher Lager von Eisenerzen, in deren Nachbarschaft zahlreiche und riesige Hochöfen entstanden. In erster Linie gilt dies von dem Clevelanddistrikt in Nordengland, sodann auf dem Kontinent von den ausgedehnten Minetteablagerungen in Luxemburg, Lothringen und Nordfrankreich, in Nordamerika für die Lake-Superior-Erze. Ausser- dem gewann die Einfuhr überseeischer Eisenerze in dieser Periode immer grössere Bedeutung. Es waren dies für Frankreich die Erze von Mokta-el-Hadid bei Bona in Algier, kurzweg Moktaerze genannt, ferner die Erze von Elba und von St. Leon auf Sardinien; für Eng- land besonders die Erze von Sommorostro bei Bilbao in Nordspanien. Bei der Aufbereitung der Erze zeigt sich eine vermehrte Anwendung von Maschinen gegen früher. Das Zerkleinern geschah in ausgedehnter Weise durch Brechmaschinen , die eine sehr rasche Verbreitung fanden. Die Steinbrecher wurden von dem Amerikaner Black in Newhaven im Jahre 1858 erfunden. In Europa wurden sie durch die Londoner Ausstellung 1862 bekannt. Mit ihrer zu- nehmenden Verbreitung erfuhren sie zahllose Änderungen und Ver- besserungen, so zuerst von Whitney , von Smith \& Roberts , von Avery , von Dyckhoff , von der Georgs-Marienhütte bei Osnabrück 1864, von Schwartzkopff in Berlin 1865, von Thomas 1866. Um diese Zeit wurde von Gardiner in den Vereinigten Staaten Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. der sogenannte Thunderbolt Crusher erfunden. Eine besondere Art von Erzbrechern konstruierten Corbitt und Archer Génie industriel 1869, vol. 38, pl. 481. . Ein anderes Patent war von Marsden . Für die Zerkleinerung der Steinkohlen hatte Carr eine Schleuder- mühle (Desintegrator) konstruiert, die 1870 von Haurez verbessert wurde. Letzterer hatte schon 1867 die Centrifuge zum Trocknen gewaschener Steinkohlen verwendet. Eine grosse Eisenerzwäsche wurde 1866 auf der Grube Cornelia zu Stolberg bei Aachen eingerichtet Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1861, Nr. 40. . Dr. Bernouilli hat die Auf- bereitung der kupfer- und schwefelkieshaltigen Magneteisensteine von Traversella in Oberitalien beschrieben Siehe Preuss. Zeitschrift IX, S. 171. . Dufournel erfand eine transportable Eisensteinwaschmaschine Annales des mines 1864, 4. livr.; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 215, Tab. VII, 1—4. . Es war dies im wesentlichen nichts anderes als die in Deutschland längst bekannte Waschtrommel. Für die Aufbereitung der Steinkohlen bewährten sich besonders die von Sievers \& Comp. zu Kalk nach dem System Neuerburg gebauten Anlagen, ferner die Steinkohlenwäsche von Binkbeck Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1868, S. 119. . Auch chemische Aufbereitung kam namentlich zur Entfernung der Phosphorsäure aus den Erzen in Anwendung. Zu Kladno wurden die gerösteten schwefelhaltigen Erze in grossen Bassins ausgelaugt und man fügte, um die Phosphorsäure völlig in Lösung zu bringen, noch schwefligsaures Wasser zu. Strohmeyer versuchte 1865 die phosphorreichen Erze von Ilsede dadurch zu entphosphorn, dass er sie brannte und dann mit ver- dünnter Salzsäure auslaugte. Nach seinem Vorschlage sollte man die Salzsäure aus der Lösung wiedergewinnen und den phosphorsäure- haltigen Rückstand als Dünger verwenden. Für einen Massenbetrieb war dieses Verfahren aber viel zu teuer. Auf dem Gebiete der Koksfabrikation sind viele, wenn auch keine hervorragenden Neuerungen in diesem Zeitraum zu verzeichnen. Die Fortschritte erfolgten auf dem in dem vorhergehenden Jahrzehnt eingeschlagenen Wege. Für verschiedene Arten von Steinkohlen wendete man verschiedene Systeme der Verkokung an. In Ober- schlesien hielt man an der Verkokung in Meilern und Schaumburger Öfen fest und bediente sich nur für backendere Kohlen der Öfen. In Saar- brücken, Westfalen, Rheinland, Belgien und Nordfrankreich wendete 3* Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. man allgemein die retortenartigen Öfen mit Seiten- und Sohlenfeuerung und Doppelthüren an. In Saarbrücken waren die Konstruktionen von François und Rexroth am meisten verbreitet, daneben benutzte man auch Appolt sche Öfen. Überall standen hier die Koksanstalten in Verbindung mit Kohlenwäschen, teils nach Rexroths , teils nach Neuerburgs System. Um 1867 erlangten die Ofenkonstruktionen von Haldy, Smet und Gobiet grössere Verbreitung, weil sie bessere Koks lieferten. Dieselben Systeme waren in Westfalen und in Belgien, von wo sie ausgegangen waren, verbreitet. Die Öfen von Gobiet fanden besonders auch in Österreich Aufnahme. Die Koksfabrikation Belgiens war hervorragend, von ihr gingen die meisten Verbesserungen aus. Die genannten Ofenarten haben ihre Namen grossenteils von belgischen Erfindern. Smet war Direktor in Couillet, François Hüttenbesitzer in Marcinelle, Dulais Koksfabrikant zu Charleroi u. s. w. Das System Smet wurde angewendet zu Ougrée, Seraing und Grevignée. Die Öfen waren in der Regel 7 m lang, 0,65 m breit und 1,60 m hoch; Charge 40 bis 50 hl, Betriebsdauer 24 bis 36 Stunden. Die Flamme trat durch Öffnungen am Anfang des Gewölbes in zwei Seitenkanäle, von da in die Züge unter der Sohle, dann in die Esse. Als neue Konstruktionen tauchten Anfang der sechziger Jahre die von Gandebien zu Montigny-sur-Sambre und von Evence Coppée , der eine Koksanstalt bei La Louvrière betrieb, auf. Die Coppée- öfen hatten ursprünglich nur eine Thüre, lieferten aber ein besonders gutes Produkt. Später versah man sie mit zwei Thüren und presste sie mit Maschinen aus (Fig. 6, 7, 8), wie die übrigen belgischen Öfen. Die Benutzung der Koksöfen zur Dampfkesselfeuerung, die nament- lich in Belgien so beliebt war, schränkte man vielfach ein. Man legte die Kessel entweder so an, dass sie nur einen Teil der Öfen bedeckten, so dass die Beschickung der Koksöfen von oben erfolgen konnte, oder man errichtete vertikale Dampfkessel an den Enden der Batterieen. Mitte der sechziger Jahre erlangte ein anderes System von Laumonier Verbreitung. Bei diesem waren 24 Öfen radial um eine hohe Esse gruppiert. Diese Öfen zeichneten sich durch hohes Ausbringen aus; die am Bahnhofe zu La Louvière ergaben 88,4 Prozent. In Frankreich hielt man noch vielfach (z. B. zu Anzin) an den ein- thürigen Öfen fest. Talabots Öfen standen zu l’Agrappe, Denain und Anzin im Betrieb. Besonderen Wert legte man in Frankreich auf die Gewinnung der flüssigen Destillationsprodukte. De Vathaire verbesserte Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. die Knab schen Öfen Siehe Bullet. de la soc. min., t. 14, p. 141. 1868. und Pernolet konstruierte Koksöfen mit geneigter Sohle und Kondensationsapparat. Fig. 8. Fig. 7. Fig. 6. In England erwarb sich Cochrane Verdienste um die Koksfabrikation S. Dingler , Polyt. Journ. 164, S. 420. . Seine Öfen waren ringförmig um eine Esse gebaut. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Der Wind ist die Lebensluft des Hochofens und seine Zuführung, Menge, Pressung und Erhitzung von grösster Wichtigkeit. Für die Bestimmung der Windmenge wurden zahlreiche Tabellen nicht nur in Zahlen, sondern auch graphische, wie z. B. von Bornemann 1860 veröffentlicht. In Rittingers Erfahrungen für 1860 ist eine Kritik der verschiedenen Windtabellen und eine An- leitung zur Anfertigung graphischer Tabellen von Schmidt enthalten. P. Tunner, Rittinger und v. Hauer haben zuerst den Widerstand des Druckes im Ofengestell berücksichtigt, während man bis dahin den Wind berechnete, als wie wenn er frei ausströmte. Tunner mass diesen Gegendruck, indem er eine schmiedeeiserne Röhre in dem Ofen niedergehen liess und diese mit einem Manometer verband. Schmid- hammer bestimmte den Druck im Hochofengestell auf Rittingers Veranlassung dadurch, dass er die Arbeit der Dampfmaschine ermittelte, welche nötig war, um dieselbe Windmenge bei geschlossener und bei zurückgezogener Düse auszupressen, wobei er etwas andere Werte ermittelte als Tunner . Er fand bei einem Hochofen zu Neuberg die Pressung bei vorgeschobenen Düsen 22,5 Linien, bei zurückgeschobenen 14,5 Linien, die Differenz von 8 Linien drückt also die Pressung im Gestell aus. Das Manometer zeigte dagegen bei direkter Messung 11 Linien Pressung. Hauer legte Schmidhammers Beobachtungen seinen Wind- berechnungen zu Grunde, die ergaben, dass ohne Berücksichtigung dieses Widerstandes die Zahlen etwa 40 Prozent zu hoch ausfielen. Cages rechnet (1860) auf 1 cbm festen Kohlenstoff eine Maximal- menge von 4440 cbm Wind. H. Buschbeck in Lauchhammer hat 1861 Zahlen für den Wind- bedarf im Hochofen bei verschiedenen Brennstoffen und Eisensorten mitgeteilt Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1861, S. 16. . In England ermittelte man folgende Werte des Windverbrauchs für die Produktion von einer Tonne Roheisen: v. Mayrhofer lieferte 1866 neue Tabellen über die Geschwindig- keit und Menge des Windes und den entsprechenden Kraftbedarf Siehe Leobener Jahrbuch 1867, S. 240. . Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Hinsichtlich der Gebläsemaschinen kam man von den Balan- ciermaschinen auf dem Kontinent und auch in England mehr und mehr ab. Soweit dieselben damals noch in England gebaut wurden, Fig. 9. versah man sie mit Schwungrad und schiefer Kurbelstange, wie die Fig 9 abgebildete Zwillingsmaschine der Schelton Coal and Iron Company bei Stoke upon Trent mit Windcylinder von 2537 mm. Dampfcylinder von 1137 mm Durchmesser und 2746 mm Hub zeigt, Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Die meist nach aufwärts gebogene Verlängerung des Balanciers nannte man horse-head. Dagegen fanden stehende Maschinen, bei denen sich der Dampfcylinder unten, der Gebläsecylinder oben befand, grosse Anerkennung. Solche Maschinen baute auf dem Kontinent namentlich die Gesellschaft Cockerill zu Seraing in grosser Zahl. Ähnliche lieferte auch Borsig in Berlin. Von letzteren kam das erste Paar Mitte der sechziger Jahre auf der Borsig schen Hochofenanlage bei Biskuspitz in Schlesien zur Aufstellung Siehe Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleisses in Preussen, 1867. . In Oberschlesien wendete man um 1861 neben den sogenannten Woolf schen Maschinen die Schmidt schen an, bei denen der Dampf- cylinder unmittelbar über dem Gebläsecylinder stand. In Westfalen zog man dagegen die liegenden Maschinen vor und der fortdauernde Kampf zwischen beiden Systemen kam zu keiner Entscheidung. In vielen Fällen war die Platzfrage ausschlaggebend. Man baute die Gebläsemaschinen in dieser Periode aber durchgehends viel stärker wie früher. Der englische Grundsatz, mehrere Hochöfen mit einem sehr starken Gebläse zu betreiben, fand auch auf den grossen Hüttenwerken des Kontinents Anwendung. So stellte man beispielsweise um 1868 in Oberschlesien sehr starke Gebläsemaschinen auf; eine liegende zu Laurahütte, von Wöhlert in Berlin gebaut, hatte 8 Fuss Kolbendurchmesser und 8 Fuss Hub und 600 Pferde- kräfte. Eine andere stehende Zwillingsmaschine mit Balancier nach englischem Muster von 750 Pferdekräften für die Königshütte wurde in Gleiwitz ausgeführt. Noch viel grössere Maschinen gab es in England, wo z. B. zu Ebbw-Vale 1867 eine von 12 Fuss Kolbendurchmesser und 12 Fuss Hub in Betrieb stand. Zu Ormesby, Newport, Thornaby und Grosmont hatte man schnelllaufende Gebläse nach Slade (1867). Von neuen Konstruktionen erwähnen wir noch die Gebläse- maschine von Kirk. Dieselbe hatte eine hohle Kolbenstange, durch welche nahe an den Cylinderböden Wind ein- und austreten konnte. Hierdurch wurde der schädliche Raum sehr vermindert. Die Maschine lief sehr schnell und machte bis 120 Touren in der Minute Siehe Pract. Mechan. Journ. 1868, p. 336. . Eine sehr gründliche Berechnung der Gebläsemaschinen veröffent- lichte der um den Maschinenbau hochverdiente Professor Gustav Schmidt Siehe Zeitschr. d. Österreich. Ingen.-Ver. 1864, S. 179. . Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Testud de Beauregard konstruierte 1861 ein Dampfstrahl- gebläse. Von den grossen Windregulatoren kam man namentlich in Eng- land mehr und mehr ab. Sie wurden durch sehr weite Hauptwind- leitungsröhren ersetzt. Man zog es vor, die Gebläsemaschinen nicht wie früher möglichst nahe bei den Hochöfen anzulegen, sondern die grossen Maschinen, die eine ganze Reihe von Öfen zu bedienen be- stimmt waren, an deren Ende, nicht zu nahe dabei zu erbauen und sie durch eine sehr weite Leitung aus Eisenblech mit den Öfen zu verbinden. In Frankreich konstruierte Chauffriat zu St. Etienne 1865 einen verbesserten Wasserregulator mit federndem Oberkasten für die Wind- ausströmung Siehe Dingler a. a. O. 181, S. 346. . v. Hoff in Hörde brachte 1864 in den Windleitungsröhren patentierte Sicherheitsklappen an, welche beim Stillstand des Gebläses ein Zurücktreten der Hochofengase in die Windleitung und damit Explosionen verhinderten. Die Klappe wurde beim Ausströmen des Windes durch diese gehoben und fiel beim Abstellen durch ihr eigenes Gewicht herunter. Die Winderhitzung erlangte eine immer grössere Wichtigkeit für die Massenproduktion, und man suchte die Temperatur des Windes in dieser Periode erheblich zu steigern. Dies geschah besonders bei den Hochöfen des Clevelanddistriktes, der in dieser Beziehung allen anderen vorauseilte. Cochrane zu Ormesby erwarb sich namentlich in dieser Richtung Verdienste. Was die Winderhitzungsapparate selbst betrifft, so entwickelten sich dieselben, indem man ihre Leistungsfähigkeit zu steigern und möglichst hohe Windtemperaturen zu erzielen strebte, nach zwei Rich- tungen. Einerseits waren es die Apparate mit gusseisernen Heizröhren, andererseits steinerne Winderhitzer mit Siemens scher Regenerativ- feuerung, die man zu den grössten Wirkungen zu steigern strebte. Von den Röhrenapparaten waren es ganz besonders die Pistolenapparate , welche erst in England, dann auf dem Kontinent wegen ihres Effektes immer grössere Verbreitung gewannen. Diese wurden Ende der fünfziger Jahre auf den Gartscherrie-Werken in Schottland zuerst eingeführt. Sie verbanden die Vorteile der Hosenröhrenapparate mit den in England gebräuchlichen Fusskastenapparaten Siehe Percy , Iron and Steel, p. 410; Wedding a. a. O., II, 106. , die 1851 von Martin Baldwin zu Bilston in Südstaffordshire erfunden waren. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Fig. 10 zeigt die Einrichtung der Pistolenröhren, die in zwei Reihen auf zwei geteilte Fusskastenröhren (Fig. 11) so aufsassen, dass ihre gekrümmten Enden sich ganz nahe gegenüberstanden und Bogen bildeten, ähnlich wie die Hosenröhren. Durch das geteilte Fig. 10. Fig. 11. Fussrohr trat die kalte Luft bei A in der Richtung des Pfeiles ein, stieg durch die bis nahe der Spitze geteilten ersten 8 Pistolenröhren in der inneren Abteilung t aufwärts und in der äusseren t' abwärts, dann trat der Wind in die zweite Abteilung und ging in den folgenden 8 Pistolenröhren durch t'' aufwärts und durch t''' abwärts und verliess als heisser Wind bei B Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. den Apparat. Die erhitzten Flächen, welche der Wind bestrich, waren bei diesem Apparat sehr gross und doch auf einen engen Raum zusammengedrängt. Die Herstellung der Pistolenrühren war keine leichte Aufgabe für die Giesserei und bereitete anfangs auf manchen Werken Schwierig- keiten. Man rechnete in Eng- land bei den Pistolenapparaten auf 1 cbm Wind in der Minute 1 qm Heizfläche. Einen guten Winderhitzer mit vertikalen Schlangenröhren und Gasheizung erbaute Levick Fig. 12. auf den Blaina-Eisenwerken, Südwales, Anfang der sechziger Jahre Percy , Iron and Steel, p. 408. . Die Anwendung des Siemens schen Prinzips der Regeneration der Wärme für die Winderhitzung hatte Edward A. Cowper zuerst durchgeführt. Cochrane erzielte 1860 und 1861 auf der Eisenhütte Fig. 13. zu Ormesby mit den mit Gas geheizten Cowperapparaten grosse Erfolge. Fig. 12, 13 und 14 (a. f. S.) zeigen den Schnitt durch einen dieser Öfen, von denen immer zwei zu einem Apparat verbunden waren. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Sie waren mit Steinkohlenfeuerung versehen. Während der Regenerator B durch die Feuerung A erhitzt wurde, war der Schieber E und das Fig. 14. Ventil F geschlossen. War die Heizkammer mit dem durchbrochenen Mauerwerk genügend in Glut, so schloss man das Ventil C und die Fig. 15. Thüre D und öffnete den Schieber E und das Ventil F . Der Wind trat dann durch F in den Gene- rator B , wurde hier erhitzt und entwich durch F in die Windleitung. Cochrane steigerte die Windtemperatur bis zu der bis dahin uner- reichten Höhe von 620° C., wobei er eine um ca. 20 Prozent höhere Pro- duktion und grosse Koks- ersparnis hatte. Die Cowperapparate mit Gichtgasheizung (Fig. 15) fanden auf den Hütten des Cleveland- distriktes, namentlich auf den Clarencewerken, Eingang. 1862 wurden dieselben auf der Fried- rich-Wilhelmshütte bei Siegburg zuerst auf dem Kontinent eingeführt. Die Cowperöfen mit Hochofengasheizung hatten aber einen grossen Nachteil dadurch, dass sich die engen Züge des Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Gittermauerwerks rasch mit Staub versetzten und verstopften. Cochrane suchte diesem Übelstand durch Reinigung der Gase abzuhelfen, was Fig. 16. Fig. 17. ihm auch bis zu einem gewissen Grade gelang, trotzdem blieb dieser Mangel den Apparaten anhaften und stand ihrer Verbreitung im Wege. Diesen Fehler suchte Whitwell dadurch zu vermeiden, dass er Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. seine ebenfalls gemauerten Heizzüge weiter machte und vereinfachte. Hieraus entstanden die Whitwellapparate , wie sie 1867 auf der Thornaby-Eisenhütte bei Stockton on Tees zur Verwendung kamen. Die Feuerung derselben beruht auch auf Siemens’ Regenerativprinzip, der Heizofen selbst aber erscheint als Flugstaubkammern mit Zwischen- wänden, die durch viele Füchse unterbrochen sind, wie es die Fig. 16 und 17 (a. v. S.) zeigen. Mit den Apparaten von Cowper, Cochrane und Whitwell konnte man schon 1860 Windtemperaturen bis zu 800° C. erzielen. Ausser den genannten Systemen der Winderhitzungsapparate erwähnen wir noch die hängenden Röhrenapparate, wie solche auf der Georg-Marienhütte bei Osnabrück von Wintzer und namentlich auf der Königshütte in Oberschlesien um 1869 nach Weddings Idee ausgeführt worden sind Siehe Wedding a. a. O., II, S. 114 und Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1869, Nr. 17. , sowie die Apparate von Gjers zu Linhorpe- hütte, die 1870 im Clevelanddistrikte Eingang fanden. Diese hatten horizontale gusseiserne Hauptröhren mit 60 Siphonröhren. Schäffer und Budenberg in Buckau bei Magdeburg kon- struierten verschiedene brauchbare Hülfsapparate, wie Tourenzähler, Manometer und Federpyrometer für heissen Wind. Die bronzenen Wasserformen , welche in Deutschland längst bekannt waren, kamen erst 1865 in England, wo man nur gusseiserne Fig. 18. und schmiedeeiserne Formen kannte, als eine angeblich neue Erfindung von Neal Solly aut (Fig. 18). In Deutschland hatte W. Renner in Barmen, der sie auf der Saynerhütte (s. Bd. IV, S. 495) kennen gelernt hatte, sich schon 1851 auf deren Fabrikation verlegt und solche der Gesellschaft Eintracht in Hochdahl geliefert. 1862 waren sie in Deutschland, Frankreich und Belgien schon sehr verbreitet. Fr. Schulten in Duisburg hatte in diesem Jahre solche Formen in London ausgestellt. Bei dem Hochofenprozess ging das Streben hauptsächlich auf Vermehrung der Produktion . Der Betrieb mit Koks über- flügelte den mit Holzkohlen immer mehr und verdrängte ihn. 1867 gab es in Grossbritannien nur noch vier Holzkohlenhochöfen. Das Streben nach Steigerung der Leistung übte seinen Ein- fluss auf den Bau der Hochöfen hauptsächlich in der Rich- tung aus, dass man ihnen durch Erweiterung einen grösseren Fassungs- Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. raum gab. Während die älteren Hochöfen in Grossbritannien nur selten 5000 Kubikfuss (141,5 cbm) Inhalt erreichten, vergrösserte man jetzt die Hochöfen in Nordwales bis 660 Kubikfuss (186,8 cbm), in Lancashire bis 9300 Kubikfuss (263,2 cbm), in Südwales bis 20000 Kubikfuss (566 cbm) und in Cleveland bis 26000 Kubik- fuss (735,8 cbm). Die Erhöhung der Öfen fand nicht in demselben Verhältnis statt; eine Ausnahme machte der Clevelanddistrikt, wo die Erze und die vorzüglichen Koks eine sehr hohe Schmelzsäule gestatteten. Die Entwickelung der Hochofenindustrie in diesem Gebiete stand in dieser Periode durch ihre Neuheit und Grossartigkeit im Mittelpunkt des hüttenmännischen Interesses. Die Hochöfen, die in den fünfziger Jahren im Clevelandbezirk erbaut worden waren, hatten meist 15 bis 16 m Höhe und 150 bis 170, ausnahmsweise bis 200 cbm Inhalt. Seit 1861 aber begann man die Öfen von Jahr zu Jahr grösser zu bauen Gjers , Über die graduelle Entwickelung der Hochöfen in Cleveland im Journ. of the Iron and Steel Ind. Nov. 1871. . 1862 errichtete Whitwell zwei Öfen von 19 m Höhe und in demselben Jahr Bolkow und Vaughan einen Ofen von 23,7 m Höhe und 400 cbm Inhalt. Dieser Ofen von Vaughan ergab eine bedeutende Brennstoffersparnis, wie Lowthian Bell nachwies, infolge besserer Verbrennung und Wärme- ausnutzung, die sich durch höheren Kohlensäuregehalt und niedrigere Temperatur der Gichtgase erwies. Bell baute deshalb auf den Clarence-Eisenwerken einen Ofen von 25 m Höhe und 425 cbm Inhalt. Seitdem steigerte sich das Streben nach Erhöhung und Erweiterung der Hochöfen in dem Gebiete um Middlesborough immer mehr, bis man zuletzt Hochöfen von über 1000 cbm errichtete. Lowthian Bell wies aber nach, dass diese Vergrösserung übertrieben war und nicht den entsprechenden Nutzen gewährte. Aus der nachfolgenden Zusammenstellung Nach M. L. Gruner , Analytische Studien über den Hochofen. Deutsch von Const. Steffen , 1875, S. 3. ersieht man die ausserordentliche Vergrösserung der Hochöfen im Clevelanddistrikte. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Die Erzeugung wuchs im allgemeinen mit dem Fassungsraum des Ofens, dem ja auch eine grössere Windmenge entsprach, keineswegs aber proportional; eine grössere Ökonomie des Betriebes in Bezug auf den Brennstoffverbrauch ergab sich überhaupt nicht, wie sich aus nach- stehender Zusammenstellung nach Fr. Dürre Dr. E. F. Dürre , Die Anlage und der Betrieb der Eisenhütten, II, S. 96. ersehen lässt. Die Gestalt der Ofenprofile war nach wie vor höchst mannigfaltig. Wie zu Anfang der vierziger Jahre John Gibbons , so brachte im Anfang dieser Periode der verdienstvolle Hüttenmann John Parry zu Ebbw-Vale einen Normalhochofen in Vorschlag. Die Vergleichung beider Profile (Fig. 19, 20) zeigt deutlich, in welcher Weise sich die Anschauungen über Gestalt und Masse der Hochöfen in England geändert hatten. W. Trurans Ansicht über die Erweiterung der Hochofengicht war zwar übertrieben, aber nicht unbegründet und seine Mahnung, die Gichtöffnung zu vergrössern, war für viele englische und schottische Hochöfen gerechtfertigt und hatte auch Erfolg. In Deutschland war P. Tunner für die Erweiterung der Gichten eingetreten, und so fand auch auf dem Kontinent dieser Grundsatz Anerkennung. Das Streben nach Vermehrung der Erzeugung musste ebenso zu einer Erweiterung des Schmelzraumes, des Ofengestells führen und diese zwang wieder zur Vermehrung der Windformen zum Zweck besserer Windverteilung. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Fig. 19. Fig. 20. Nachfolgende Zusammenstellung von Ofenprofilen, zumeist aus Grossbritannien, zeigt die grosse Verschiedenheit der inneren Gestalt der Hochöfen in diesem Jahrzehnt. Beck, Geschichte des Eisens. 4 Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Zu Seite 49 u. 50. Fig. 21. Fig. 22. Fig. 23. Fig. 24. Fig. 25. Fig. 26. Fig. 27. Fig. 28. Fig. 29. Fig. 30. Fig. 31. Fig. 32. Fig. 33. Fig. 34. Fig. 35. Fig. 36. Fig. 37. Fig. 38. Fig. 39. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Die Erweiterung der runden Hochofengestelle hatte trotz höherer Windpressung und Vermehrung der Formen enge Grenzen, da der Schmelzpunkt (Focus), welcher sich vor jeder einzelnen Form bildete, wie Tunner nachgewiesen hatte, sich nicht weit in das Innere des Ofens erstreckte. Tunner hatte einen Abstand von 1½ Fuss als Maximum angegeben. Es lag deshalb nahe, durch Abänderung des kreisförmigen Querschnitts des Hochofengestells und Verwandlung desselben in eine längliche Gestalt bessere Verteilung und Ausnutzung der Wärme zu erzielen. Dieses Streben einerseits und das von Truran angeregte Streben nach Erweiterung der Hochofengichten führte den russischen General Wladimir Raschette Anfang der sechziger Jahre zu der eigentümlichen Konstruktion, welche unter dem Namen Raschetteofen eine Zeit lang das allgemeine Interesse der Hochofentechniker auf sich lenkte. Diese Öfen hatten einen länglich rechtwinkligen Querschnitt und erweiterten sich bis zur Gicht, sahen also mehr den Röstöfen als den Hochöfen gleich. Raschette war Direktor der grossen Kupfer- und Eisenhütten- werke des Fürsten Demidoff zu Nischne-Tagilsk. Er hatte seinen neuen Ofen ursprünglich für den Kupferschmelzprozess konstruiert. Nachdem derselbe sich hierfür sehr gut bewährt hatte, wendete er ihn auch zum Eisenschmelzen an, angeblich ebenfalls mit bestem Erfolg. Er erwarb Patente für seine Konstruktion in Russland, Frankreich, England, Belgien, Österreich, Schweden u. s. w. und stellte ein Modell seines Ofens 1862 in der Weltausstellung in London aus. Dasselbe wurde von der Jury mit der Preismedaille ausgezeichnet und erregte die Neugier der Fachmänner. P. Tunner sprach sich günstig über die Konstruktion aus, insofern sie auf richtigen theoretischen Prinzipien beruhe, namentlich eine bessere Windverteilung als die seitherigen Hochöfen zeige. Schinz war von der Vorzüglichkeit des neuen Ofens überzeugt, schrieb (ebenfalls 1862) seine grosse Wirkung ausser der Windverteilung der geringen Wärmeabgabe der Ofenwände nach aussen infolge der vielen Kanäle im Rauhmauerwerk zu. Er erklärte ihn für einen Universalofen. W. Köhler sprach sich in demselben Jahre sehr überzeugt über die Vorzüge des Raschetteofens aus. Raschette und sein Assistent und Vertreter für Deutschland, Carl Aubel , bezeichneten den neuen Ofen als „Patent-Normal- und Universal-Schachtofen“ und liessen es an Reklame für denselben nicht fehlen. Die Konstruktion des Raschetteofens ist aus den Fig. 40 bis 43 (a. f. S.) leicht zu verstehen. Der hier gezeichnete Ofen hat 16 Formen, 4* Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. 8 auf jeder Seite, welche in Wechselstellung stehen, wodurch eine mög- lichst gleichmässige Verteilung des Windes und der Temperatur erzielt werden soll. Da der Ofen zu lang ist, um von einer Seite aus gereinigt werden zu können, hat er zwei Arbeitsseiten am Ende der Fig. 40. beiden Schmalseiten. Der Ofenschacht er- weitert sich vom Boden bis zur Gicht, hat also weder Gestell noch Rast. Eigentümlich sind die Züge von dem verhältnismässig schwachen Rauhge- mäuer, welche mit den Abwärmkanälen und einer Feuerung ver- bunden sind. Alle diese Dinge waren nicht neu. Das längliche Gestell hatten Alger und Abt Fig. 41. Fig. 42. schon 1857 vorgeschlagen und Algers Öfen mit elliptischem Gestell waren zu Richmond in Massachusetts in Nordamerika und zu Dundyvan in Schottland im Betriebe. Schon viel früher, im Jahre 1802, hatte Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. James Birch einen Hochofen mit zwei Arbeitsseiten konstruiert (s. Bd. IV , Fig. 20). Die Erweiterung des Ofens bis zur Gicht war von William Truran vorgeschlagen und die Abwärmung mit Kanälen und einer vor dem Ofen angebrachten Feuerung war ebenfalls bekannt und nament- lich bei den belgischen Öfen in Anwendung. Raschettes Erfindung bestand also nur in der Vereinigung dieser vorgeschlagenen Verbesse- rungen. Aubel veröffentlichte 1892 eine Broschüre über den Raschette - schen Universalofen, in welcher er die Vorzüge desselben in das glänzendste Licht zu setzen suchte. Er gab für Eisenschmelzöfen ein Maximum der Breite des Ofens vor den Formen von 3 Fuss, der Länge Fig. 43. von 20 Fuss, der Höhe von 30 Fuss an. Der von Raschette zuletzt erbaute Ofen zum Eisenschmelzen sei nur 22 Fuss hoch gewesen, so dass die Gichten schon in sieben Stunden vor die Formen träten. Die darin verschmolzenen Erze waren reiche Magneteisensteine. Aubel behauptet, dass für leichtflüssigere und ärmere Erze diese „normale Zeitdauer“ noch abgekürzt werden könne. Das war aller- dings neu, denn bei den Hochöfen galt es als ein Erfahrungssatz, dass die Beschickung auch unter den günstigsten Bedingungen wenigstens 16 Stunden zu ihrer richtigen Vorbereitung im Ofen ver- weilen müsse. Aubels widersprechende Angaben haben sich denn auch in der Praxis als unwahr erwiesen. Folgende Vorteile wurden dem Raschetteofen zugeschrieben: 1. gleichmässiger Niedergang der Gichten, 2. gleichmässigeres Auf- gichten, 3. vorteilhafte Verteilung der Wärme in der Schmelzzone durch die Stellung der Formen, 4. rasches und billiges Abwärmen des Ofens durch die Feuerungskanäle, 5. geringere Pressung des Windes, 6. billigere Anlage und 7. leichtere Führung des Ofens. Die Produk- tion sollte im Verhältnis zu dem Inhalt von ca. 2000 Kubikfuss gegen sonst 5000 Kubikfuss mehr als das 3½fache und in 24 Stunden bei Holzkohlenbetrieb 30000 kg betragen. Ein Ofen, der in 2½ bis 3 Monaten fertig gebaut werden konnte, kostete 30000 Mark gegen ca. 150000 Mark für einen entsprechenden Hochofen. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Auf diese Anpreisungen hin bildete sich in Deutschland 1863 die Gesellschaft H. Elfers \& Comp. und übertrug Aubel den Bau eines Raschetteofens bei Mühlheim am Rhein. Ende April 1864 wurde der Ofen angeblasen und mit Spannung sah man in Fachkreisen dem weiteren Verlauf entgegen. Der Ofen, der mit Koks betrieben wurde, stieg rasch in seiner Produktion und lieferte in den ersten vier Wochen schon 8000 Centner. Am 25. Tage nach dem Anblasen betrug die Produktion bereits 45600 Pfund Roheisen. Der glänzende Erfolg schien gesichert und man preis bereits die Verdienste des Ingenieurs Aubel und des Chemikers Lampe . Da kam aber ein Rückschlag. Störungen traten ein, aus denen man erkannte, dass durch das rasche Anblasen und den forcierten Betrieb die Wände des Ofens bereits stark gelitten hatten; die Produktion sank und konnte auch trotz aller Bemühungen nicht mehr auf eine befriedigende Höhe gebracht werden. Dazu kam, dass die Gesellschaft finanziell auf sehr schwachen Füssen stand, so dass sie bereits am 5. Mai 1865 in Konkurs geriet. Die grossen Hoffnungen, die man an das Unternehmen geknüpft hatte, waren damit gescheitert. Die Gläubiger liessen den 33 Fuss hohen Ofen im Jahre 1866 um 10 Fuss erhöhen. Gleichzeitig baute man ihn im Inneren so um, dass er nach oben zusammengezogen wurde. Den Formen gab man eine konvergierende Stellung und liess sie nach dem Mittelpunkt blasen. Ferner schloss man die eine Arbeitsseite, weil die Benutzung der beiden sich als kostspielig erwiesen hatte und den Ofen zu sehr abkühlte. Kurzum, man gab alles Neue an der Raschette schen Konstruktion auf und machte daraus einen ver- krüppelten Hochofen, der entsprechend ungünstige Resultate gab. Die Begeisterung für die Raschetteöfen zum Eisenschmelzen war damit in Deutschland erloschen. In England und Frankreich war sie nie erwacht. In Russland fanden die Raschetteöfen auf den uralischen Hütten dagegen ziemliche Verbreitung. In England führte das Bestreben, das Gestell des Hochofens zu erweitern und die Gebläseluft besser zu verteilen, noch zu einer viel unpraktischeren Konstruktion. Es war dies der Hochofen von M. Morgans , welcher am 10. Mai 1864 patentiert wurde. Diese Öfen sollten ein ringförmiges Gestell erhalten dadurch, dass in der Mitte des Ofens vom Boden aus ein hohler Konus beliebig weit auf- gemauert wurde, durch dessen Wand man von innen her Formen einlegte, durch welche geblasen wurde, so dass der Wind von der äusseren und der inneren Seite des Ringes in den Ofen strömte. Auch Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. konnten Einrichtungen getroffen werden, dass der Wind nur von aussen oder nur von innen eintrat. Morgans Ofen sollte 9½ m Durchmesser und 12 Formen bekommen und die sechsfache Produktion eines gewöhnlichen Hochofens liefern Siehe Revue universelle, 1865, p. 62. . Einen Erfolg hatte diese Konstruktion nicht. Dasselbe gilt von Goguels Vorschlag (1862), das Hochofengestell auf Räder zu stellen und fahrbar zu machen, um es leichter auswechseln zu können Siehe Génie industriel, 1863, XXVI, p. 56. . In England machte sich inzwischen sowohl gegen die übermässige Erweiterung der Gichten, als auch gegen die zu grosse Anzahl der Formen eine Reaktion geltend. Die zu weiten Gichten hatten den Nachteil, dass sie einen guten Verschluss, die Abführung der Gase und ein richtiges Aufgeben der Beschickung erschwerten. Auch in Steiermark und Kärnten hatte die Erweiterung der Gicht nicht die erwarteten Vorteile gebracht. Zahlreiche kleine Formen hatten den Nachteil, dass durch sie die Ofenwände in der Formhöhe zu sehr verschwächt wurden und dass die Hitze zu sehr in die Nähe der Ofen- wandung gezogen wurde, wodurch der sogenannte „Gestellbrand“ entstand. Deshalb ging man namentlich in Südwales von der grossen Anzahl kleinerer Formen wieder ab, indem man sie durch eine kleinere Zahl weiterer Formen ersetzte. Bei den Anthrazitöfen zu Ystalifera hatte man 9 Formen, noch mehr hatten manche amerika- nische; zu Dowlais hatte man 8 Formen, zu Aberdare 6, die übrigen Öfen in Wales hatten 3 bis 5 Formen. In Schottland hatten die Hochöfen zu Coltness 12 in 4 Gruppen geordnete Formen, zu Govan 9, zu Gartsherrie 7, zu Longloan 6. Dagegen hatten die grossen Öfen bei Middlesborough nur 5 Formen. Bagnalls Hochöfen bei Wednesbury hatten 6 Formen und ausserdem noch eine Brustform. Die Höhe der Öfen war hauptsächlich durch die Natur des Brenn- materials bedingt. Kleinstückiges oder zerreibliches Brennmaterial konnte keine grosse Ofenhöhe vertragen, während man bei sehr festem Koks die Öfen viel höher aufführen konnte. Da nun im Cleveland- distrikt die vorzüglich festen Kokse von Newcastle zur Verfügung standen, so überschritt man das erfahrungsmässige Maximum der Höhe von etwa 50 Fuss und baute die Hochöfen im Laufe der sechziger Jahre immer höher, bis man mehr als die doppelte Höhe erreichte, wie folgende Zusammenstellung zeigt: Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Hochöfen Höhe zu Clarence, alte 48 Fuss (engl.) = 14,6 m „ Consett 55 „ „ = 16,7 „ „ Teeside 75 „ „ = 23,07 „ „ Clarence, neue „ Ferryhill, alte 80 „ „ = 24,4 „ „ Norton 85 „ „ = 25,92 „ „ Ferryhill, neue 103 „ „ = 31,40 „ Seitdem man das Innere der Hochöfen ganz aus künstlichen feuer- festen Steinen herstellte, kam der eigentliche Bodenstein in Wegfall und wurde durch aufrecht gestellte Keilziegel (Fig. 44), welche in sich ein Gewölbe bildeten, ersetzt. Fig. 44. Die Wasserkühlung von Gestell und Rast, die schon längere Zeit in England und Deutschland in Aufnahme gekommen war und bereits 1853 zu Mühlheim an der Ruhr angewendet wurde, erlangte in den sechziger Jahren grössere Wichtigkeit und allgemeinere Verbreitung. Die Kühlung der Formen und des Tümpeleisens war längst eine Not- wendigkeit geworden, hatte aber nur zur Erhaltung dieser besonderen Teile gedient. Man war aber weiter gegangen und hatte besondere Wasserkühlungen eingerichtet, um die steinernen Ofenwände zu kühlen und zu erhalten. Diese Kühlung erstreckte sich nicht nur auf das Gestell, sondern auch auf die Rast. Bussius Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg., 1862, Nr. 10. , der sich 1862 bemühte, einen Normalofen zu kon- struieren, stellte als wichtigste Forderungen das freistehende Gestell, die Rastkühlung und eine rationelle Gasabführung voran. Als Wassertümpel empfahl er einen hohen Kasten aus Eisen- blech, der bis 2 cm über den Tümpelstein reichte. Diese Vorrichtung war bereits in Westfalen vielfach angewendet und durchaus bewährt gefunden worden. In England hatte man Tümpelplatten mit Schlangen- Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. rohrkühlung. Fig. 45, 46, 47 zeigen eine solche von dem Hochofen zu Russels Hall bei Dudley in Staffordshire. Fig. 45. Fig. 46. Die Rastkühlung sollte aus vier hohlen, oben offenen Kränzen aus Gusseisen, die an den Stössen zusammen- geschraubt und mit Kitt gedichtet waren, und welche auf acht gegossenen Stützen ruhten, bestehen. Ein Zuleitungs- rohr mit Hahn versorgte sie mit Wasser, welches in den vier Kasten kommunizierte und kontinuierlich durch- floss, doch sollten sie immer nur halb gefüllt sein (Fig. 48). Fig. 47. Die Gestellkühlung sollte zweckmässiger durch Blechkasten bewerkstelligt werden. Da sich die Wasserkühlung besser bei künstlichen als bei Natur- steinen bewährte, so gab sie mit Veranlassung, mehr und mehr zur ausschliesslichen Verwen- dung von künstlichen Ge- stellsteinen überzugehen. Die englischen Gestellsteine waren meist 3 bis 3½ Fuss lang. Viele englische Hoch- öfen verdankten ihre langen Hüttenreisen nur der Was- serkühlung. Dennoch hielt noch Truran die Nachteile derselben für grösser als die Vorteile, namentlich Fig. 48. wies er nach, dass der Wärmeverbrauch der Wasserkühlung ein sehr hoher sei. Trotzdem fand dieselbe in der Praxis immer mehr Anwendung. Bei dem grossen Hochofen zu Barrow war das Gestell 1866 ringsum durch gusseiserne Tröge gekühlt, ausserdem durch freihängende Röhren mit feinen Öffnungen, die gegen die Gestellwand spritzten. Zu Eston- und Rhymney-Works war unten ringsum ein aus drei Segmenten bestehender Ring von gusseisernen Kasten (water-blocks), Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. in welche das Kühlwasser der Formen floss (Fig. 49 u. 50). Zur Kühlung der Gestellwände um die Form waren flache, eiserne Kasten terrassenförmig übereinander mehrere Zoll in das Gestell eingelassen. Neben der Tümpelkühlung hatte man auch eine Wallsteinkühlung Siehe Wedding a. a. O. II, Fig. 422. durch Platten oder Kasten. Fig. 49. Fig. 50. In Deutschland bildeten sich ebenfalls die beiden Systeme der Wasserkühlung, die durch Cirkulation in Kasten und die durch Berieselung, aus. Für die Cirkulationskühlung nahm man sowohl guss- eiserne Platten mit eingegossenen schmiedeeisernen Röhren, als Guss- eisen- oder Blechkasten. Anfangs wendete man die Wasserkühlung der Steinwände erst an, wenn dieselben so weit durchgebrannt waren, dass es zu ihrer Erhaltung notwendig erschien, später aber baute man gleich die Wasserkühlung mit ein, um das Wegschmelzen der Gestell- steine überhaupt möglichst zu verhindern. Langen bediente sich auf der Friedrich Wilhelmshütte bei Siegburg offener Kasten, die frei aus- liefen, doch so, dass das Wasser nicht mit dem Mauerwerk in Berührung kam. Auf der Charlottenhütte bei Niederschelden im Siegenischen hatte man geschlossene Ringkasten aus Segmenten von Kesselblech Dieses System wurde dann in noch ausgedehnterem Masse auf der Rolandshütte bei Siegen in Anwendung gebracht, deren Hochofen auch eine freistehende Rast hatte (1868). Auf der Georgsmarienhütte bei Osnabrück umgab man 1867 die Rast mit wassergekühlten Gasröhren und einem Blechmantel. Die direkte Berieselung griff das Mauerwerk an, weshalb man Bleche oder offene Blechkasten davorssetzte. So verfuhr man auf der Köln-Müsener Hütte bei Kreuzthal. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. In den Vereinigten Staaten kühlte man die Gestelle durch Kühl- kasten vom Boden bis zu den Formen. Den oberen Teil des Hochofens, den Schacht, machte man in England in der Regel tonnenförmig, wie aus den oben mitgeteilten Profilen zu ersehen ist; auf dem Kontinent blieb dagegen die konische Form vorherrschend. Über Rastwinkel und Gichtweite hat Ledebur 1868 Mitteilungen gemacht, auf die wir verweisen Siehe Berg- und Hüttenm. Ztg. 1868, S. 133. . Im allgemeinen liess man Rast und Schacht allmählich ineinander übergehen. Stahlschmidt Siehe J. H. Stahlschmidt, Darstellung des Eisenhochofenprozesses in Zahl und Bild, verwendet zur Begründung besserer Ofenprofile. 1864. , der ebenfalls eine Normalschachtform erfinden wollte, glaubte eine wesentliche Verbesserung der Eisenhochöfen dadurch zu erzielen, dass er den Schachtwänden nur eine geringe Neigung gegen die Vertikalachse gab, dagegen den Ofen in der Gegend des Kohlensacks plötzlich erweiterte, so dass der Schacht eine Gestalt erhielt, wie sie sich bei den alten schmalkaldischen Blauöfen (s. Bd. II, Fig. 58, 59) fand. Dadurch sollte ein gleichmässigerer Niedergang der Gichten bewirkt und der sogenannte träge Mantel beseitigt werden. Zur Ausführung ist der Vorschlag nicht gekommen. A. Slate erhielt am 14. August 1858 Patent auf einen Hochofen, bei dem der Brennstoff getrennt von dem Erz durch einen Cylinder aufgegeben wurde, der ziemlich tief unter der Gicht mündete, damit derselbe erst zur Verbrennung kommen kann, wann er auch wirk- sam wird. Dilla baute 1860 auf der Königshütte in Oberschlesien den Kern- schacht treppenförmig, mit der Absicht, an den Wänden die auf- steigenden Gase zurückzuhalten und nach dem Inneren zu lenken. Unter den vielen sonstigen angeblichen Verbesserungen der Hoch- öfen erwähnen wir noch den Separatorofen von de Bergue mit um- gekehrter Flamme, bei dem Brennmaterial und Erz in getrennten Räumen aufgegeben werden, und das Brennmaterial nur in vergastem Zustande wirken sollte. Ähnliche Vorschläge wurden mehrfach in England patentiert, jedoch ohne allen Erfolg. Auch Lürmann brachte 1870 einen Gashochofen in Vorschlag Dinglers Polyt. Journ. 195, S. 254. . Von grösserem Wert war Büttchenbachs Hochofenkonstruktion, deren wichtigste Eigentümlichkeit darin bestand, dass das Mauerwerk des Schachtes nur aus dem feuerfesten Kernschacht bestand, indem Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. sogar der Blechmantel weggelassen war. Die Dicke der Schachtwand betrug 0,80 m. Rast und Gestell waren mit Wasserkühlung versehen. Eine Fig. 51. Fig. 52. weitere Eigentümlichkeit bestand darin, dass die Gasableitungsrohre gleichzeitig die Träger für die Gichtbrücke bildeten. Fig. 51 und 52 stellen den Hochofen Büttchenbachs, von dem Zeichnungen und ein Modell 1867 in Paris ausgestellt waren, dar. Die beiden ersten Öfen wurden 1865 und 1866 bei Neuss von dem Erfinder erbaut. 1865 bereits baute Lohmann auf der Ilseder Hütte einen Ofen nach dieser Konstruktion, dessen ganz schwaches Rauhmauer- werk durch eiserne Bän- der zusammengehalten war Abgebildet Stahl und Eisen 1896, S. 807, Fig. 8. . 1869 waren Öfen nach Büttchenbachs Konstruktion in Anzin und Givors in Frankreich, in Gleiwitz und Königs- hütte in Oberschlesien und an anderen Plätzen erbaut worden. Ihre Her- stellung war verhältnis- mässig nicht teuer, indem ein grosser Hochofen dieser Art mit Röhren- leitung und Gichtbrücke 150000 Mark kostete. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Die wichtigste und erfolgreichste Verbesserung, welche in dieser Periode aber an den Hochöfen angebracht wurde, war Lürmanns Schlackenform , welche eine tiefeingreifende Umänderung der Ofen- zustellung zur Folge hatte. Sie führte zur Beseitigung des Vorherds und zur geschlossenen Brust . Die Vorteile der geschlossenen Brust waren in Fachkreisen längst anerkannt. P. Tunner hatte seit vielen Jahren wiederholt auf die grossen Vorzüge dieser Konstruktion hingewiesen. Ob die ältesten Hochöfen eine solche Zustellung hatten, lässt sich mit Bestimmtheit nicht nachweisen, es ist aber in hohem Grade wahrscheinlich, weil die Hochöfen aus den Stücköfen hervorgegangen sind, welche die ge- schlossene Brust hatten. Es scheint fast, als ob nur die Bequemlich- keit, flüssiges Eisen aus dem Ofen zum Zweck des Vorgiessens schöpfen zu können, zu der Anbringung des Vorherdes geführt hätte. Allerdings geschah dies im Rheingebiet schon so früh, dass die ältesten Hochöfen, von denen wir Kenntnis haben, schon in dieser Weise zugestellt waren. Die Abkühlung des Hochofens durch den Vorherd, das häufige Aufbrechen und Reinigen desselben und die fortwährenden Reparaturen, die daraus entsprangen, waren Nachteile, die man wohl empfand. Man nahm sie aber als etwas Notwendiges, Unabänderliches hin und hielt eine andere Ofenzustellung unter den gegebenen Ver- hältnissen für ganz unmöglich. Namentlich hielt man da, wo man mit Koks geringere Erze verschmolz, das häufige Reinigen des Gestells für die wichtigste, notwendigste Arbeit, obgleich sich gerade hier die grossen Nachteile der starken Abkühlung beim Aufbrechen und Reinigen des Herdes mit Brechstangen und Haken am meisten fühlbar machten. Aus der Gewohnheit war, wie so oft, der Aberglaube entstanden, dass es so sein müsse. Diesen Aberglauben zerstört und eine rationellere Ofenzustellung herbeigeführt zu haben, ist das grosse Verdienst Lürmanns . Die Mittel, welche er dazu anwendete, waren sehr einfach. Er brachte auf der Brustseite unmittelbar unter dem Tümpel eine Wasserform an, die er etwas tiefer legte als die übrigen Formen und die er zugleich zum Abzapfen der Schlacken benutzte, weshalb er sie als Schlackenform bezeichnete. Anfangs hatte er nur eine durch eingegossene Röhren gekühlte gusseiserne Platte, die mit einer Öffnung versehen war, benutzt. Aber die Wasserkühlung war hierbei ungenügend gewesen und das Abstichloch hatte sich rasch ausgefressen und erweitert. Die Benutzung einer Wasserform war die glückliche Lösung des Problems. Fritz W. Lürmann war damals Betriebsleiter der Hochöfen der Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Georg-Marienhütte bei Osnabrück. Er begann seine Versuche im Jahre 1866. Am 20. Februar 1867 wendete er zum erstenmal die Schlacken- form an, die er in dem alten Vorherde anbrachte, indem er diesen mit Lehm zustampfte. Der Hochofen IV ging mit der neuen Zu- stellung und der Schlackenform mit gutem Erfolg vom 20. Februar bis zum 20. April 1867. Trotz des Widerstandes der Schmelzmeister, welche fürchteten, dass sie durch die neue Erfindung an Wichtigkeit Fig. 53. einbüssen würden, weil ihre Hauptarbeit, das Aufbrechen des Vor- herds und Reinigen des Gestelles, die sie als die wichtigste Arbeit beim Hochofen anzusehen gewohnt waren, dadurch in Wegfall kam, wurde auf Lürmanns Veranlassung im Sommer 1867 der Hochofen Nr. II in vollkommenster Weise mit geschlossener Brust, mit vier gleichmässig verteilten Windformen und einer Schlackenform (Fig. 53) zugestellt und am 1. Oktober 1867 angeblasen, was natürlich ohne das seither gebräuchliche Rostschlagen geschehen musste. Die neue Erfindung bewährte sich glänzend; der Ofen hatte im Jahr 1868 eine Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Produktion von 70000 bis 100000 Pfund Roheisen in 24 Stunden und machte eine Hüttenreise von 12 Jahren. Ein Patent, um das Lürmann im März 1867 nachgesucht hatte, wurde ihm nach den damals in Preussen herrschenden Grundsätzen nicht erteilt, weil an der an- gegebenen Vorrichtung etwas Patentfähiges nicht zu finden sei, indem niemand behindert werden könne, das bekannte Prinzip der Wasser- kühlung auf irgend einen Teil des Ofens anzuwenden. Dies war der damalige Standpunkt der preussischen Regierung gegenüber den Erfindern! Hatte diese doch aus ähnlichen Gründen dem Bessemer- prozess, einer der grössten Erfindungen dieses Jahrhunderts, die Patent- fähigkeit verweigert. In allen übrigen Kulturstaaten wurde dagegen Lürmanns Erfindung patentiert. In Amerika fand dieselbe rasch Eingang, so dass bereits 1867 mehrere Hochöfen der Vereinigten Staaten mit Lürmanns Schlackenform versehen wurden; so beispiels- weise an dem Lehigh Crane Eisenwerk zu Catasaqua in Pennsyl- vanien, wo sie sich sehr gut bewährte. Auch der preussische Staat sah sich in seiner Eigenschaft als Eisenindustrieller veranlasst, der Lürmanns chen Erfindung besondere Beachtung zuzuwenden. Es wurde eine königliche Kommission ernannt, welche die Vorteile der Lürmanns chen Schlackenform auf der Königshütte in Ober- schlesien prüfte und in ihrem Gutachten vom 19. Dezember 1868 dieselben anerkannte. Infolgedessen wurde sie alsbald auf ver- schiedenen königlichen und privaten Eisenhüttenwerken eingeführt und überall traten Kohlenersparung, gleichmässigerer Ofengang und erhöhte Produktion ein. Sie gestattete eine stärkere Wind- pressung, da man nicht mehr befürchten musste, dass durch dieselbe der Vorherd durchbrach, wie dies früher oft geschehen war. Weitere Vorteile bestanden darin, dass die Schlacke nur bis zu einem gewissen Punkt stieg, dass die Betriebsunterbrechungen durch das Aufbrechen vermieden wurden, dass keine Abkühlung durch Abstellen des Windes stattfand. Durch das Wegfallen des Wallsteins war der Abstich leichter, da das Stichloch viel näher der Ofenmitte lag, die Arbeit wurde vermindert, der Ofen weniger angegriffen, infolgedessen längere Kampagnen möglich waren. Die Einrichtung der Lürmanns chen Schlackenform und der damit verbundenen abgeänderten Ofenzustellung ist in Fig. 53 dar- gestellt. Das Bild zeigt die Umwandlung des Vorherdes. Der Wall- stein ist beseitigt, statt dessen ist unter dem Tümpeleisen A eine starke, mit Wasser gekühlte Verschlussplatte C , an welcher sich das Eisenabstichloch G befindet, aufgestellt. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Diese Platte, welche nach der Innenseite des Ofens durch feuer- feste Steine, F , geschützt ist, hat einen Ausschnitt E , in welche die Schlackenform B eingesetzt wird. D ist der ebenfalls mit Wasser gekühlte Schlackenlauf. Fig. 54 stellt die Einrichtung der Lürmanns chen Schlackenform bei einem neu zugestellten Ofen dar. Die Form muss nahe der Fig. 54. inneren Kante des Gestells und hoch genug liegen, um vor der Be- rührung des geschmolzenen Eisens geschützt zu sein. Die Windformen sollen mindestens 26 cm über der Schlackenöffnung liegen, damit das flüssige Eisen im Ofen durch eine genügend dicke Schlackendecke geschützt ist Vergl. Wedding , a. a. O. II, 698; Eisen und Stahl 1891, S. 553; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1867, S. 394 und 1868, S. 4. . Die Windzuführung bei den Hochöfen fand meist noch in der Weise statt, dass die Formen um das Gestell gleichmässig verteilt wurden, wobei aber die Brustseite frei blieb. In Südwales hatte man aber auch bereits eine Tümpelform eingeführt. Diese wurde anfangs nur im Notfalle benutzt, wenn sich Versetzungen auf der Vorderseite des Ofens bildeten. Später liess man diese Tümpelform, die etwas höher lag als die übrigen Windformen, ständig mitblasen. Das hatte aber den Nachteil, dass der Tümpel rascher zerstört wurde, weil sich Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. die Hitze zu sehr nach vorn zog, man warf sie deshalb im Laufe der sechziger Jahre vielfach wieder ab oder verwendete sie, wie früher, nur im Notfall. Die Lürmanns che Schlackenform lag unter dem Tümpel, etwas tiefer als die übrigen Windformen. Von immer grösserer Bedeutung wurde die Gasabführung bei den Hochöfen, welche auf deren Konstruktion, namentlich auf die des oberen Teiles des Schachtes nicht ohne Einfluss blieb. Der Gasfang wurde ganz allgemein ein wichtiger Zubehör des Hochofens, der auch in England bei allen neuerbauten Öfen zur Anwendung kam. Eine Ausnahme machten noch die schottischen Hochöfen und die- jenigen in Cumberland, die auf Bessemer- Hämatitroheisen gin- gen. Am verbreitetsten war die einfache und zweckmässige Kon- struktion Parrys (cup and cone), besonders in Südwales und bei den neuen Hochöfen im Clevelanddistrikt. Neben dieser wurden aber eine grosse Anzahl neuerfundener Gicht- gasfänge patentiert und versucht. Parrys Fig. 55. Trichter hatte allerdings den Nachteil, dass er die Gicht gänzlich dem Blick entzog, so dass man das Aufgeben der Beschickung nicht kontrol- lieren konnte; die Aufgabe erfolgte ausserdem wie auch die Gasableitung nur am Rande des Ofens. Die meisten Konstruktionen erstrebten, ein besseres Aufgeben mit vollständigerer Gasableitung zu verbinden. In sehr einfacher Weise erreichte dies Turley 1860 mit seinem Gichthut (Fig. 55). Der gewölbte Deckel G hatte in der Mitte das Gas- ableitungsrohr B , welches sich teleskopisch in dem feststehenden Gas- rohr F bewegte. Dieser Gichtfang hatte den Nachteil, dass während des Aufgichtens viel Gas entwich. Besser war in dieser Hinsicht schon Beck, Geschichte des Eisens. 5 Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. die Konstruktion von v. Hoff in Hörde vom Jahre 1861, Fig. 56, bei welcher die Ableitung der Gase in ganz ähnlicher Weise durch ein Centralrohr, das Aufgeben der Beschickung aber durch vier Klappen, J J , erfolgte. Fig. 56. Besser noch bewährte sich der von E. Langen auf der Friedrich- Wilhelmshütte bei Siegburg 1861 eingeführte und in demselben Jahre patentierte Glockenapparat, der in Fig. 57 abgebildet ist. Hierbei sind die Fig. 57. Aufgabenklappen durch eine bewegliche Glocke G G , deren oberer Rand in einen ringförmigen Wasserverschluss, der an dem Gasableitungs- rohr C angenietet ist, eintaucht, luftdicht verschlossen. Die Beschickung des Ofens erfolgt in der Weise, dass die ganze Charge bei geschlossenem Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Ofen in den ringförmigen Trichter P P gefüllt wird. Ist dies geschehen, so wird die Glocke G G mittels des Haspels N und des doppelarmigen Hebels J J in die Höhe gezogen, wodurch die ganze Füllung in den Ofen rutscht. Hierdurch nimmt das Chargieren, beziehungsweise das Öffnen des Gasfangs nur sehr wenig Zeit in Anspruch und der Gas- verlust ist unbedeutend. Eugen Langens Gichtgasfang hat rasch grosse Verbreitung gefunden, wobei er nach den örtlichen Verhältnissen mancherlei Abänderungen erfuhr Vergl. Wedding, Eisenhüttenkunde II, S. 349. . Er erfüllte die von Langen ge- stellten Bedingungen, dass er 1. das Beschicken nicht behinderte, 2. die Gase nicht innerhalb des Ofenraumes von den Ofenwänden mehr abzog, 3. sie vollkommen abfing und 4. dass der Apparat einfach und leicht zu behandeln war Siehe Zeitschrift des Ver. deutsch. Ing. VII, S. 459. . Langens Gasfang bewirkte sowohl im Rheinland (Hochdahl) wie in Oberschlesien regelmässigeren Gichtengang und Kohlenersparnis. Ausserdem erfanden in diesem Zeitraum noch neue Gichtgasfänge: Th. Ebeling zu Zorge am Harz (1861) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1861, Nr. 11. , v. Hoff zu Hörde (1863), der sich als eine Kombination des Trichter- und Glockenapparates darstellt Vergl. v. Hoffs Aufsätze in der Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. 1863, S. 437 und 1864, S. 322. , und Wintzer auf der Georg-Marienhütte bei Osnabrück. In Frankreich sind die Gasfänge von Pion Siehe Bulletin de la soc. de l’industr. min. IX, 1. livr. , eine Modifikation des Apparates von Coingt und die von Escalle, von Minary, von Chaddefaud und von Neuville zu nennen. In England verbesserte Ch. Cochrane 1860 den Parrys chen Trichter Siehe Mechanic’s Magazine 1860, Nr. 2; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1861, S. 407 und Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. XIV, S. 524. auf dem Ormesby-Eisenwerk bei Middlesborough, F. Loyd in Wednesbury den Apparat von Darby, während J. T. Smiths Gasfang zu Barrow (patentiert 21. Oktober 1861) mit dem von Coingt verwandt ist. Mancherlei Verbesserungen wurden Fig. 58. für die Reinigung der Gase, die besonders da, wo man dieselben zur Heizung von Regeneratoren verwendete, von grösster Wichtigkeit war, erfunden. Eine solche war der sogenannte S-Apparat (Fig. 58), wegen 5* Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. seiner Ähnlichkeit mit dem Buchstaben 𝔖 (grossem deutschen 𝔖 oder dem griechischen σ) so genannt, der in Lothringen aufgekommen war, weshalb er auch als lothringischer Waschkasten bezeichnet wurde. Fig. 59 stellt eine von Langen konstruierte Waschvorrichtung dar, Fig. 59. Fig. 60. welche unter anderen für die grossen Koks- hochöfen der Laurahütte in Anwendung kam. Die Gase, die durch das Zuleitungs- rohr A eintreten, müssen durch das in der Schale B befindliche Wasser streichen, ehe sie durch C C entweichen können. In Frankreich hatte Gillot den Vor- schlag gemacht, die Hochofengase mittels eines Exhaustors in einen Gasometer zu schaffen und sie aus diesem nach Bedarf zu entnehmen. Die hohe Temperatur machte in den Windleitungen wie in den Gasleitungen, die grosser Ausdehnung und Zusammenziehung unterworfen waren, Ausweichstücke, so- genannte Kompensationen nötig, die zuerst in England aufkamen. Fig. 60 zeigt eine Scheibenkompensation, wobei die teller- förmigen Blechdeckel c c und d d nachgeben können. Von den Gichtaufzügen bewährten sich in England am meisten die pneumatischen und die hydraulischen in Verbindung mit Armstrongs Regulator. In Frankreich konstruierte Le Boeuf 1868 einen solchen. Die Gichttürme baute man in England nur aus schmiedeeisernem Gitterwerk, so dass sie aus der Ferne wie Spinnwebe aus- sahen. Wenden wir uns zu dem Betriebe der Hochöfen , so finden wir, dass die Holzkohlenöfen nicht nur relativ, sondern auch absolut mehr und mehr verdrängt wurden. In Grossbritannien gab es 1865 nur noch vier Holzkohlenhochöfen. Der Steinkohlenbetrieb hatte längst die Herrschaft erlangt. Hierbei gewann in England und Amerika der Betrieb mit roher Steinkohle gegenüber dem Koksbetrieb immer mehr Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. an Umfang. In Schottland wendete man nur rohe Kohle an, in Süd- wales wurden die Hochöfen des östlichen Teiles (Pontypool) mit Koks, die des mittleren Teiles (Cwm-Celyn, Ebbw-Vale, Rhymney) mit einem Gemisch von roher Kohle und Koks, im westlichen Teile (Dowlais) aus- schliesslich mit roher Kohle betrieben. Der westliche Teil war das Anthrazitgebiet. In Südstaffordshire nahm die Verwendung der rohen Kohle in den sechziger Jahren ebenfalls mehr und mehr zu, so dass gegen Ende derselben die Mehrzahl der Hochöfen mit roher Kohle schmolzen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika herrschte der Anthrazitbetrieb vor. Auf dem europäischen Kontinent trat der Hochofenbetrieb mit roher Steinkohle dagegen sehr zurück. In Deutschland hatte man in Oberschlesien im Anfang der sechziger Jahre Siehe A. Erbreich, Zeitschr. f. d. Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preuss. Staat, 1863, S. 301. und 1868 und 1870 von neuem auf mehreren Hütten die Verwendung roher Steinkohle versucht, gelangte aber nicht zu befriedigenden Ergebnissen. Nur bis zu einem Sechstel konnte man rohe Kohlen ohne merklichen Nachteil zusetzen. Auf einer kleinen Hütte im Sallathal betrieb man 1866 einen Hochofen mit Lignitkohle. Auch in Steiermark hatte man damit Versuche gemacht, die nicht ungünstig ausgefallen waren. Zu Achthal in Bayern fand 1862 ein gemischter Betrieb mit Holzkohle und lufttrockenem Torf statt Siehe Österreich. Jahrbuch für B.- u. H.-W., XI (1862), S. 45. . Zu Alexishütte bei Lingen in Hannover schmolz man 1862 mit 47 Proz. Holzkohlen und 55 Proz. Torf. Der Dörrofen daselbst war aus Gusseisen und hatte eine eiförmige Gestalt; oben war er offen. Das Dörren geschah durch heissen Wind, der mittelst eines Ventilators durchgeblasen wurde. Trockenes Holz verwendete man zu Rhonitz mit Erfolg. 1866 gingen dort die beiden Hochöfen nur mit gedörrtem Holz. Bergrat Moschitz, der den Betrieb leitete und viele Verbesserungen ein- geführt hatte, war der Ansicht, dass man in einem Hochofen von mindestens 1200 Kubikfuss Inhalt, in dem die Schichten mehr wie 10 Stunden verweilen, bis sie vor die Formen kommen, immer mit Vorteil rohes Brennmaterial verwenden könne. Zu Underwiller in der Schweiz setzte man den Betrieb mit Torf- kohle fort Siehe Hartmann, Fortschritte des Eisenhüttenw. 1862, Nr. 18, 19, 21. . In Norddeutschland verwendete man Torfkohlen in den Hochöfen zu Gravenhorst, Alexishütte und Meppen. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Zur Aufbereitung des Torfes, namentlich zum Zerreissen, wendete man vielfach Maschinen an. Das Pressen geschah in den Torfpressen von Schlickeysen Dieselbe ist abgebildet in Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1867, S. 195, und Kerpely, Jahrbuch 1867, S. 43. oder nach der Methode von Exter in München. In England war eine grossartige Torfaufbereitung zu Derrylea bei Portarlington Siehe Kerpely, Jahrbuch 1866, S. 41. . In Staffordshire wurden 1863 zwei Hochöfen mit komprimiertem Torf betrieben, der nach einem besonderen Verfahren von Versmann präpariert war. 1869 wandte man auf dem ärarischen Werke zu Reichenau in Österreich Torfkoks mit Holzkohle gemischt an. Die Torfverkokung fand zu Staltach in Bayern und zu Josephs- thal in Böhmen in geschlossenen Öfen statt. Zu Lingen geschah das Verkoken in den kegelförmigen Öfen von Jüngst . Ferner hatten Gräser, Walland und Libert verbesserte Torfverkokungsmethoden angegeben, von denen aber Kindinger in seiner Kritik des Torf- betriebes (1867) nicht viel hält, wie er überhaupt zu dem Schluss kommt, dass ein vorteilhafter Hochofenbetrieb mit Torf nicht erreicht und nicht wahrscheinlich sei. Einen teilweise mit Gas betriebenen Hochofen brachte Schinz in Vorschlag. Er bezeichnete denselben als Hochofen mit partieller Elimination des Stickstoffs. Er glühte in Muffeln Kalkstein mit Kohlen- klein. Die Kohlensäure des Kalkes wurde in Berührung mit der glühenden Kohle zu Kohlenoxydgas reduziert. Dieses nicht mit Stick- stoff vermischte Kohlenoxydgas sammelte er in einem Gasometer. Aus diesem wurde es von der Gebläsemaschine angesaugt und mit atmosphärischer Luft vermischt in den Ofen geblasen, der die Kon- struktion eines Raschetteofens hatte Siehe Schinz, Dokumente betr. den Hochofen. . L. Rinman und B. Fernqvist in Schweden lieferten eine vor- treffliche Arbeit über die Zusammensetzung, Pressung und Temperatur der Hochofengase von Hammarby, Fassjö und Hasselfors Untersökningar rörande Masugnsgasernas kemiska sanmansättning, pression och temperatur m. m. af L. Rinman och B. Fernqvist . Siehe Wedding II, 1868, S. 223, 243. . Das Anblasen der Hochöfen Siehe Jannoyers Aufsatz darüber in Bullet. de la soc. de l’industr. min. VI, S. 771; Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1862, S. 234. geschah Anfang der sechziger Jahre noch in der umständlichen, zeitraubenden und kostspieligen Weise, wie es sich bei den Kokshochöfen in Belgien und Frankreich ausgebildet hatte und von Deutschland als feststehende Überlieferung übernommen worden war. Das ganze Verfahren mit dem häufigen Rostschlagen u. s. w. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. wurde als etwas Feststehendes, Unabänderliches angesehen und als Zunftgeheimnis mit ehrfurchtsvoller Scheu betrachtet. Im Laufe dieser Periode brach man aber mit der Tradition. 1862 erzielte Dufournet eine grosse Beschleunigung des Anwärmens dadurch, dass er Wind- öffnungen am Boden des Ofens anbrachte. Hierdurch erreichte er schon in 10 Stunden eine solche Hitze, dass die Formen eingelegt werden konnten. Von dem 31. Abstich an war der Ofen in normalem Gange, was sonst erst nach dem 100. Abstich erfolgt war. Dass ein so beschleunigtes Anwärmen eine beträchtliche Kohlen- und Zeit- ersparnis zur Folge hatte, liegt auf der Hand. In England begann Parry zu Ebbw-Vale 1863 die Zeit des An- blasens bedeutend abzukürzen, indem er den Ofen erst mit Holz, dann mit Koks bis zur halben Höhe füllte, Erze aufgab und anzündete. Es wurde dann regelmässig weiter aufgegichtet und der Wind ange- lassen, sobald die Erze in das Gestell einrückten. 1867 wärmte Direktor Blauel einen Hochofen im Harz mit 5 Ctr. Holzkohlen und 98 Ctr. Koks in 12 Stunden bis zum An- blasen ab. Wo die Lürmanns che Schlackenform und die Zustellung mit geschlossener Brust eingeführt wurde, musste das Rostschlagen in Wegfall kommen. Im Herbst 1867 wurde ein so zugestellter Hoch- ofen der Georg-Marienhütte zum erstenmal ohne Rostschlagen abge- wärmt. Dieses geschah zunächst durch einen vorgebauten Flammofen, dann wurde Holzfeuer in das Gestell gebracht und hierauf Koks mit dem notwendigen Kalkzuschlag gefüllt. Vom 26. bis 28. September wurden 429 Ctr. Koks aufgegeben. Am 28. September füllte man weiter mit Koks und Möller und zwar begann man mit 100 Pfund Möller auf 100 Pfund Koks und stieg von 5 zu 5 Sätzen mit dem Erzsatz bis auf 173 Pfund. Am 1. Oktober, abends 7 Uhr, war der Ofen voll und wurde mit dem Blasen begonnen. Am 2. Oktober erfolgte der erste Abstich und am 4. Oktober gab man schon den vollen Erzsatz. Die Zeit vom Anzünden des Feuers bis zum vollen Betrieb hatte also nur 9 Tage in Anspruch genommen. — Anfang September 1868 wurde auf der Main-Weserhütte bei Lollar ein Ofen mit geschlossener Brust von G. Buderus in derselben Weise in 3½ Tagen in Betrieb gesetzt. Ähnliches geschah zu Hörde, zu Aplerbeck u. s. w. Es kann dies als ein weiterer Vorteil der Erfindung Lürmanns angesehen werden. Das raschere Anwärmen der Hochöfen war zum Teil auch durch die allgemein gewordene Zustellung mit künstlichen Steinen, welche nicht so leicht zersprangen als die natürlichen, möglich geworden. Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Den Kohlenverbrauch im Hochofen suchte J. Lowthian Bell theoretisch festzustellen, indem er die Summe der Wärmeeinheiten, welche die einzelnen Vorgänge im Hochofen erfordern, ermittelte und diese durch die Wärmeeinheiten, welche das Einheitsgewicht des Brennstoffes entwickelte, dividierte. P. Tunner , der L. Bells Schrift übersetzt hat, giebt in seinem Bericht über die Eisenindustrie Russ- lands folgendes Beispiel: Es wird eine Gattierung von 30 Prozent Eisengehalt und 60 Prozent Kalkzuschlag angenommen. Der Wind- bedarf pro Tonne Roheisen beträgt: Kalorien-Ctr. 1. Reduktion des Eisenoxydes 30058 2. Schmelzung von 20 Ctr. Eisen 6600 3. Schmelzung von 60 Ctr. Schlacke 31000 4. Zersetzung des Wassers, der Luft ca. 5500 5. Austreibung der Kohlensäure aus dem Kalkstein 26270 6. Erwärmung des Kühlwassers der Formen ca. 5000 7. Wärmeabgabe an den äusseren Seiten des Ofens ca. 11000 8. Zerlegung der Kohlensäure erzeugt bei der Reduktion 7950 9. Abgang durch die Gichtgase ca. 57000 10. Zerlegung der Kohlensäure aus dem Kalkstein 107000 Zusammen 287378 K.-C. Da nach englischen Erfahrungen 1 Ctr. Koks im Hochofen 3135 bis 3713 Kaloriencentner entwickelt, so würden 100 Ctr. Roheisen obiger Gattierung 410 Ctr. Koks erfordern. Betrachten wir den Hochofenbetrieb in Bezug auf seine Produkte , so ging in England jeder Hochofen ausschliesslich auf eine bestimmte Eisensorte, ja ganze Distrikte lieferten nur eine bestimmte Roheisen- sorte. Auf dem Kontinent war dies weit weniger der Fall und nament- lich in Deutschland verlangte man von einem Ofen wo möglich jede beliebige Roheisensorte, die von den Abnehmern bestellt wurde. Dies lag daran, dass in Deutschland die Hütten ihre Eisenerze meistens kiefen und ihnen eine grosse Auswahl verschiedener Erze zur Ver- fügung stand. In England waren ausgedehnte Eisenerzlager mit den Kohlenflözen verbunden oder in nächster Nähe vorhanden. In Deutschland war das nicht der Fall. Infolgedessen arbeiteten die englischen Hochöfen ökonomischer, aber auch einseitiger, schablonen- mässiger. Die schwierigeren Verhältnisse in Deutschland stellten viel grössere Anforderungen an die Intelligenz der Betriebsleiter. Während dies in England meist nur Werkführer (managers) von empirischem Wissen waren, hatten die deutschen Betriebsbeamten eine wissen- Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. schaftliche akademische Bildung, die sie befähigte, auf theoretischem Wege alle gestellten Aufgaben zu lösen. Diese bessere wissenschaft- liche Vorbildung der deutschen Eisenhüttenmänner hat einen sehr segensreichen Einfluss auf die Entwickelung der Eisenindustrie in Deutschland geübt und am meisten dazu beigetragen, dass Deutsch- land in dem scharfen Wettbewerbe der Industrievölker die hervor- ragende Stufe erklomm, die es jetzt einnimmt. Die Beschickung der Hochöfen war in Deutschland sehr ver- schiedenartig und wechselnd. Sie erfolgte aber in den sechziger Jahren schon auf fast allen Eisenhütten nach stöchiometrischen Principien auf Grund chemischer Analysen der Erze und Zuschläge. Diese stöchiometrischen Grundsätze, welche auf der richtigen Zu- sammensetzung der Beschickung zur Erzeugung der für das ge- wünschte Roheisen geeignetsten Schlacke begründet waren, wurden damals von Balling, v. Mayrhofer, Lindauer und besonders von Professor W. Mrázek zu Přibram gründlich bearbeitet. Wir können auf diese Arbeiten nur verweisen. Nach Lindauer suchte man im allgemeinen Hochofenschlacken zu erzeugen, die in den Grenzen von und blieben. Mrázek stellte 1869 umfangreiche Hülfstabellen für stöchio- metrische Beschickungen auf, die er 1870 noch verbesserte und ver- einfachte Siehe Tunners Jahrbuch 1869, S. 282 und 1870, S. 375. . Die grossartige Entwickelung der Stahlindustrie, namentlich des Bessemerprozesses stellte auch an den Hochofenbetreib ganz neue An- forderungen. Das Roheisen für den Bessemerprozess musste grau bis schwach halbiert sein, 1,5 bis 2 Proz. Silicium und nur sehr wenig Schwefel und Phosphor enthalten. Nur wenige Erze entsprechen diesen Anforderungen, darunter am meisten die reinen Magneteisen- erze Schwedens und in England die reichen Roteisensteine oder Hämatite von Cumberland. Durch richtige Gattierung gelang es aber auch in anderen Gegen- den, namentlich in Deutschland, brauchbare Roheisensorten für den Bessemerprozess zu erzeugen. Durch manganhaltige Zuschlagerze, stark basische Beschickung und garen Ofengang war man imstande, sowohl in Rheinland und Westfalen als in Oberschlesien aus den zur Verfügung stehenden Erzen ein geeignetes Produkt darzustellen. Braunsteinhaltige Brauneisensteine, wie sie in verschiedenen Gegenden Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Deutschlands, in Cornwall, Irland u. s. w. sich fanden, wurden gesuchte Erze für diesen Zweck. In Cumberland und Lancashire blies man die besten Sorten von Bessemerroheisen mit kaltem Wind. Eine grosse Bedeutung erlangte das Spiegeleisen, das nament- lich im Siegerland seit Jahrhunderten dargestellt wurde, nachdem es allgemein als nachträglicher Zusatz beim Bessemerprozess in An- wendung kam. Auch hierbei spielte das Mangan die wichtigste Rolle, so dass der Wert des Spiegeleisens proportional seinem Mangan- gehalt wuchs. Durch starken Kalkzuschlag gelang es, mit Koks sehr manganreiches Spiegeleisen zu erzeugen. Über die Art, wie dies ge- schah, hat der französische Ingenieur S. Jordan 1864 eine gründ- liche Studie veröffentlicht Revue universelle 1864, 8 ième année, livr. 6, p. 425. . Das weisse Puddlingsroheisen wurde dagegen am vorteilhaftesten bei einem übersetzten Gange, der sich an der Grenze des Rohganges hielt, dargestellt. So geschah es namentlich in Südwales. Zu Dowlais brauchte man hierbei für 100 kg Roheisen 54 kg Koks und 108 kg Steinkohlen. Auch in Oberschlesien gelang es Fitzner 1865, dieses Verfahren einzuführen. Die Entfernung des Schwefels geschah zum Teil durch mangan- haltige Zuschläge und eine sehr basische Schlacke. Ausserdem wurde, wie schon früher, die Anwendung des Wasserdampfes im Hochofen empfohlen. Kerpely schlug 1863 vor, das Wasser in die Rast einzu- leiten. Die Entfernung des Phosphors , für das Bessemerroheisen die allerwichtigste Aufgabe, gelang trotz aller Versuche im Hochofen nicht. Bei der hohen Temperatur, die in den mit heissem Wind be- triebenen Kokshochöfen herrschte, reduzierte sich die Phosphorsäure der Erze und ging der Phosphor fast ganz in das Roheisen über. Strohmeyer wies nach, dass das Roheisen, welches beim Schmelzen der 1,7 Proz. phosphorhaltigen Erze der Ilsederhütte fiel, 3 Proz., die dabei fallenden Schlacken nur 0,1 Proz. Phosphor enthielten. Grosse Hoffnungen setzte man eine Zeit lang auf die reinigende Wirkung des Flussspats ( Wernecke 1862) und Caron empfahl ihn 1868 als ein Mittel zur Entphosphorung, weil nach seiner Ansicht die phosphorsauren Salze in Flussspat löslich seien Siehe Comptes rendus 1868, LXVI, p. 746. . Doch bewährte sich das Mittel, ganz abgesehen von seiner Kostspieligkeit, nicht. Ebensowenig wirken die Chlorverbindungen, die man gewöhnlich als Kochsalz der Beschickung zusetzte ( Weniger, v. Mayrhofer ) oder in das Hochofengestell ein- Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. blies Siehe Öster. Jahrbuch, Bd. 18, S. 91. ( Kerpelys Versuche zu Reschitza, 1865). Nicklés hatte Eisenchlorid vorgeschlagen und Wintzer nahm 1866 ein englisches Patent zur Entphosphorung durch Einblasen von Chlorgas. Durch die Verwendung von gebranntem Kalk an Stelle von rohem wurden auch keine besonderen Vorteile erzielt. Die Vermeidung oder die sorgfältige Aufbereitung phosphorhaltiger Erze blieb das einzige Mittel beim Hochofenprozess, den Phosphor- gehalt des Roheisens zu verringern. Die Erzeugung von titanhaltigem Roheisen erregte eine Zeit lang, namentlich in England Vergl. David Forbes , in Chemical News, Decbr. 1868. , wo Mushets Titanstahl Aufsehen hervor- gerufen hatte, das Interesse der Hochofentechniker. Zuerst waren es die titanhaltigen Magneteisensande von Neuseeland, die nach G. Hoch- stätter aus 88,45 Proz. Eisenoxyduloxyd und 11,43 Proc. Titansäure bestanden, auf die man grosse Hoffnungen setzte und auf deren Aus- beutung eine Aktiengesellschaft gegründet wurde. Dann fand man billigere Erze in Norwegen (Kragerö). G. Crawshay und John Thomas nahmen 1868 ein Patent zur Bereitung von Titanroheisen im Hochofen. Aber auch diese Hoffnungen erfüllten sich nicht. Die titanhaltigen Erze erwiesen sich als sehr schwer schmelzbar und im Hochofen ging der Titan fast ganz in die Schlacke. Die Puddel- und Schweissschlacken bildeten trotz ihres Phosphorgehaltes in den wichtigeren Eisendistrikten bereits ein be- achtenswertes Material für den Hochofenbetrieb, das z. B. in Süd- wales und Oberschlesien bis zu 40 Proz. Verwendung fand, auf anderen Werken wie Witkowitz, Storé, Misling und Kreutzen in Öster- reich zeitweilig sogar für sich allein verschmolzen wurde. In einigen Gegenden, wie namentlich in Südstaffordshire, wurden dieselben erst in Stadeln geröstet. Das Verfahren von Lang und Frey Siehe Dingler , Polyt. Journ., Bd. 163, S. 116. , die zu Hirsenkorn- grösse zerkleinerten Frischschlacken mit Kohle und Kalkmilch ein- zubinden und die getrocknete, in Stücke zerschlagene Masse im Hochofen zu verschmelzen, bewährte sich und fand nicht nur in Öster- reich, sondern auch in anderen Ländern Eingang. In Nordamerika gab es 1863 Professor Fleury in Philadelphia als ein von ihm ent- decktes Verfahren aus. Neu war nur sein Vorschlag, das in Ziegel geformte Gemenge direkt im Puddelofen zu verarbeiten. In Frankreich hatten Minary und Soudry ein anderes Verfahren Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. angegeben. Sie mengten die zerkleinerten Frisch- und Schweiss- schlacken mit Steinkohlenklein und verkokten die Masse. Zu Givors nahm man hierbei 40 Proz. Frischschlacke auf 60 Proz. Steinkohle. Das Eisen in den Schlacken sollte angeblich reduziert und ein von Schwefel und Phosphor gereinigtes Eisen erzielt werden. Dies be- stätigte sich aber nicht. Escalle in Frankreich wollte nur durch die besondere Art des Chargierens, indem er die kleinen Schlacken am Rande und die dicken Brocken in der Mitte aufgab, ein gutes Ausschmelzen erzielen. In Frankreich und Deutschland hatte man immer auf ein sorg- fältiges Aufgeben der Gichten grossen Wert gelegt Siehe Stein im Berggeist 1862, Nr. 11; Gruner , Annal. d. Min. 1865, 1. livr., p. 109. , während man in England dies weniger that. Je weiter die Gichtöffnungen der Hochöfen wurden, je schwieriger wurde das gleichmässige Ausbreiten der Be- schickung. Die geschlossenen Gichten und die Gasfänge erschwerten dasselbe noch mehr. Man erkannte in den sechziger Jahren den Wert des regelmässigen Aufgichtens an und suchte die entgegen- stehenden Schwierigkeiten zu überwinden. Dies geschah teils durch geeignete Gichtwagen, teils durch die Verteilungstrichter bei den Gas- fängen. Da bei weiten Gichtöffnungen aber die Verteilung durch den Trichter ungenügend war, indem die Erze nur am Rande vorfielen, so verbesserte Langen 1866 seinen Gasfang für grosse Gichtdurch- messer in der Weise, dass er noch bewegliche Verteilungsschieber anbrachte Siehe E. Langen , Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Gewerb- fleisses in Preussen 1866, S. 317. . Über das Niedergehen der Gichten haben Stahlschmidt und namentlich G. Wepfer beachtenswerte Versuche angestellt Siehe Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1865, S. 399. . Die Zeit des Niederganges der Gichten war sehr verschieden. Sie war in erster Linie von der Höhe des Ofens, ausserdem aber auch von der Art des Roheisens abhängig. In Cleveland brauchte (nach W. Grossley ) die Erzgicht in den alten Öfen 24 Stunden, in den neuen, viel höheren Öfen 44 bis 50 Stunden, bis sie vor die Form gelangte. In kleineren Öfen war eine viel geringere Zeit erforderlich. Wir haben bei den Raschetteöfen erwähnt, dass Aubel behauptet hatte, die Beschickung bedürfte einer geringeren Zeit als 7 Stunden, um genügend vorbereitet vor die Formen zu kommen, dass sich diese Angabe aber nicht bestätigt hat. Für leicht reduzierbare und leicht- schmelzige Erze kann dies aber unter günstigen Umständen doch der Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Fall sein. Man hat beobachtet, dass reine Braunerze nur eine Vor- bereitungszeit von 5 bis 6 Stunden für weisses und von 7 bis 9 Stunden für graues Roheisen brauchen. Alle anderen Erze bedürfen aber einer längeren Vorbereitungszeit und zwar für weisses Roheisen mindestens 8 Stunden. Sphärosiderite bedürfen keiner hohen Vorbereitungs- temperatur, aber langer Zeit, durchschnittlich 16 Stunden für weisses und 24 Stunden für graues Roheisen (v. Mayrhofer ). Von dem grössten Einfluss auf den Betrieb der Hochöfen und die Produktion waren Windpressung und Windtemperatur . Beide hatte man in den sechziger Jahren beträchtlich erhöht. Namentlich wendete man im Clevelanddistrikte vorher nicht gekannte Wind- temperaturen an. Cochrane war es schon 1860 gelungen, mit Cowper- apparaten einen Wind von 620° C. zu erzeugen und damit auf der Hütte zu Ormesby 250 kg Koks auf 1 Tonne Roheisen zu ersparen. Auch die anderen Hütten des Clevelanddistriktes steigerten infolge dieses Erfolges die Temperatur ihres Gebläsewindes. Dieselbe hatte zu Anfang der sechziger Jahre 300 bis 375° C. betragen, 1864 wurde sie auf 425 bis 500° C. gesteigert, 1867 betrug sie 560° C., auf einigen Werken aber 600° C. und darüber. Trotz dieser grossen Hitze des eingeblasenen Windes verliessen die Verbrennungsgase die Gicht der Clevelandhochöfen mit verhältnis- mässig niedriger Temperatur und zwar war dieselbe um so niedriger, je höher die Öfen waren. Lowthian Bell fand sie 1865 bei einem Hochofen von 48 Fuss Höhe zu 700 bis 800° F. (357 bis 412° C.), bei einem Ofen von 75 Fuss Höhe aber nur zu 517° F. (241° C.) Vergl. Tunners Jahrbuch u. s. w. 1865, S. 109. . Cochrane stellte 1864 nach seinen Erfahrungen folgende Grund- sätze auf: 1. Erhöhung der Öfen; 2. Erhöhung der Windtemperatur; 3. das Temperaturmaximum muss sich in nächster Nähe der Formen befinden; 4. die Gase müssen mit möglichst niedriger Temperatur die Gicht verlassen. Um diese Zeit hatte C. Schinz seine pyrometrischen Unter- suchungen über den Hochofen begonnen. Indem er heftig gegen die seitherige, allerdings einseitig chemische Betrachtungsweise des Hoch- ofenprozesses polemisierte und diesen im wesentlichen nur als thermischen Vorgang auffasste, lenkte er die Aufmerksamkeit der Metallurgen auf die Wichtigkeit der Wärmeerzeugung und des Wärme- verbrauchs im Hochofen und deren ökonomische Bedeutung Siehe C. Schinz , Dokumente betreffend den Hochofen zur Darstellung von Roheisen. Berlin 1868. . Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. Am 10. November 1865 nahm Thomas Whitwell ein Patent auf seinen steinernen Winderhitzer (Engl. P. 1865, N. 2897). Die Erweiterung der Hochofengestelle und die Steigerung der Windmenge, Pressung und Temperatur in diesem Zeitraume hatte eine grosse Steigerung der Produktion zur Folge. In den fünfziger Jahren kamen Tagesproduktionen über 25000 kg sowohl in England als auf dem Kontinent nur ausnahmsweise vor (Barrow in Cumber- land und Heinrichshütte in Westfalen). In den sechziger Jahren wurde diese Tagesproduktion bereits vielfach überschritten. In Deutschland führen wir die Ilseder Hütte bei Peine an, die 1864 im Jahresdurchschnitte bereits 71000 Pfund Tagesproduktion aufwies, die sich in den folgenden Jahren auf 50000 kg und 1867 schon bis auf 80000 bis 90000 kg erhöhte. Die Tagesproduktion eines Hochofens zu Barrow-in-Furness be- trug 1861 41550 kg, stieg aber in den folgenden Jahren über 50000 kg. Der Hochofen von Norton im Clevelanddistrikte hatte 1867 eine Tagesproduktion von 64500 kg, 400 Tonnen Wochenproduktion hatten 1869 Hochöfen zu Consett und Middlesborough (Gjers) und zu Kirkless Hall in Lancashire. Ein neues, verbessertes Verfahren des Ausblasens der Hoch- öfen wurde 1865 auf der Heinrichshütte bei Au an der Sieg zuerst angewendet. Nach der letzten Erzgicht gab man während einiger Stunden nur Koks nach, dann zerklopften Kalkstein, mit dem man den Ofen anfüllte. Sobald das letzte Eisen abgestochen und der Kalk vor die Form gerückt war, blies man noch 1½ Stunden, stellte dann den Wind ab, brach die Brust auf und zog den gebrannten Kalk aus. Hierauf zeigte sich der Ofen glatt ausgeblasen. Dieses Verfahren hat man auf anderen Werken, z. B. zu Rhonitz 1869, mit Erfolg nachgemacht. Die längsten Hüttenreisen erzielte man bei den Hochöfen in Südwales, die aus vorzüglichem Material erbaut waren und in denen ein immer gleicher Betrieb stattfand. Zu Dowlais waren 1866 ein Hochofen 18, der andere 23 Jahre im Betriebe. Dagegen dauerten die Hüttenreisen der Hochöfen im Küstengebiet, wo man Hämatiteisen aus den leichtschmelzigen, basischen Erzen aus Spanien u. s. w. schmolz, nur kurz. Meist waren Gestell und Rast in 6 Monaten durchgefressen. Die Hochofenschlacken suchte man auf verschiedene Arten zu verwerten Siehe Aufsatz von T. Egleston in New-York in Dinglers Journal 206, S. 457. . Das Verfahren, sie in Formen laufen zu lassen und auf Vorbereitungsarbeiten für den Hochofenbetrieb. diese Art Steine daraus zu machen, war schon alt. Eine andere Art, Schlackensteine zu fabrizieren, bestand darin, dass man die Schlacken flüssig mit Koks, Kies oder kalter Schlacke durcharbeitete und diese Masse, solange sie noch zähe war, in Formen drückte. Die erstarrten Schlackensteine temperte man in Temperieröfen oder Röststadeln. Der Ingenieur Sepulchre stellte in Belgien aus Schlacken von 38 bis 44 Proz. Kieselsäuregehalt sehr feste Steine dadurch her, dass er die Schlacke über eine stark geneigte Schlackentrift in eine grosse Höhlung fliessen und die Masse unter Asche und Sand langsam in 5 bis 10 Tagen erkalten liess. Der Sand von basischer Schlacke eignete sich sehr gut zur Mörtel- bereitung. Diesen Sand erhielt man im Siegerland dadurch, dass man die flüssige Schlacke in ein Bassin mit fliessendem Wasser laufen liess. Durch die rasche Abkühlung in dünnem Strahl zerfiel die Schlacke zu einem porösen leichten Sand. Dieses Verfahren hatte E. Langen schon 1861 auf der Friedrich-Wilhelmshütte bei Siegburg eingeführt. Irrtümlich schreibt man daher die Erfindung Minary zu, der dasselbe später in der Franche-Comté anwendete. Lürmann rührte auf der Georg-Marienhütte diesen Sand mit gelöschtem Kalk an und presste die Masse zu Steinen, die an der Luft erhärteten. Gjers liess den Schlackensand noch durch Walzen gehen und verwendete ihn zur Herstellung der Masselformen. Parry schlug vor, die phosphor- haltigen Schlacken zur Düngung zu verwenden. Die Herstellung von Schlackenwolle durch Durchblasen von Wind- oder Dampfstrahlen durch die flüssige Masse führte G. Parry um 1864 ein, indem er einen Dampfstrahl durch die abfliessende Schlacke leitete. Fig. 61. Über die Anlage von Verbesserungen in der Hochofenhütte verweisen wir noch auf einen Aufsatz von Kerpely in der Berg- und Hüttenmännischen Zeitung von 1870 (Nr. 14, 97, 107). Obenstehende Skizze (Fig. 61) soll den Grundriss einer neuen Hochofenanlage aus dieser Zeit, des Lindorp -Eisenwerkes bei Middles- borough, darstellen. Es bedeuten: a , 4 Hochöfen, deren Gichtböden Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870. durch Gichtbrücken miteinander verbunden sind; b , 2 pneumatische Gichtaufzüge; c , Maschinen dazu; d , 4 Winderhitzungsapparate; e , Kesselanlage mit 11 Kesseln zur Überdrehung; f , Maschinengebäude; g , Materialienplätze; h , schwebende Schienenbahn zur Anfuhr der Materialien; i , Windleitung; k , Sandherde zum Einformen der Roh- eisenbarren; l , Eisenbahn zur Abfuhr der Produkte. Über den Betrieb der bedeutendsten Hüttenwerke findet man eine gute Zusammenstellung in Percy-Weddings Handbuch der Eisenhüttenkunde Vergl. auch Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1864, Nr. 21, 47. . Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870. Für die Eisengiesserei fanden die Irelandöfen (siehe Bd. IV, Fig. 290, S. 842) immer grössere Verbreitung. R. Gerhardi änderte 1869 in Deutschland ihre innere Gestalt etwas ab, indem er dieselbe vor den Formen zusammenzog. Dieses war aber, wie er selbst mitteilt Ztschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1869, S. 274, Taf. III. , schon 1863 bei Borsig durch einen Engländer eingeführt worden. Die von Georg Hinton 1860 patentierten Kupolöfen wichen von den Irelandöfen so wenig ab, dass R. Mallet keinen Unterschied zwischen beiden Ofenarten finden konnte Siehe Pract. Mechanic’s Journ., III. ser., vol. II, p. 257 und vol. IV (1868), p. 72. . Hinton legte besonderen Wert auf die bessere Windverteilung durch zwei übereinander liegende Formreihen. Dieselbe Anordnung hatte aber auch Ireland schon in seinem Patent von 1858 beschrieben, ebenso wie die Benutzung von den Ofen umgebenden Vorwärmern zur Winderhitzung. Diesen letzteren Gedanken führten Hinton und J. Gittoes in einem Patent von 1861 weiter aus. Danach sollte der äussere Ofenmantel bis auf etwa 12 Fuss Höhe doppelt und geteilt sein. Der Wind sollte abwechselnd durch die eine und die andere Hälfte strömen und dadurch vorge- wärmt werden. Die Erhitzung der Kammern sollte noch verstärkt werden durch die Durchleitung der heissen Gichtgase. Hinton kon- struierte auch einen sehr weiten, aber niedrigen Kupolofen mit einer grossen Anzahl Windformen in zwei Reihen übereinander zum Um- schmelzen grosser Gussstücke, z. B. unbrauchbarer Schiffskanonen, welche am Boden auf einem Block aus Sandstein ruhten, während sie oben mittelst einer Kette aufgehängt waren. In Nordamerika fanden um diese Zeit die Kupolöfen von Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870. Makenzie Verbreitung Siehe Mallet a. a. O., S. 258. . Dieselben zeichneten sich durch geringen Koksverbrauch, veranlasst durch eine gute Windverteilung mittels eines gleichförmig um den ganzen Ofen gehenden Schlitzes, Fig. 62, cc , aus. Die eigentümliche Rastzu- stellung, welche hier- durch bedingt wird, ist aus der Abbildung zu ersehen. Der Ofen, der im übrigen dem Irelandofen glich, stand frei auf Säulen und hatte eine bewegliche Bodenplatte. Eine wichtige neue Kupolofenform war die von Krigar und Fig. 62. Eichhorn (1867) in England patentierte. Sie war von Heinrich Krigar , Mitbesitzer der Eisengiesserei Krigar und Ihsen bei Hannover, Mitte der sechziger Jahre erfunden und zeichnete sich durch eigen- artige Windführung und grosse Koksersparnis aus. Fig. 63 stellt die ältere Konstruktion (zu Hope foundry, Lambeth), die später abgeändert und ver- bessert wurde, dar. Der Wind trat in den den Ofen um- gebenden Kasten B ; aus diesem gelangte er durch die Schlitze am Boden in der Richtung der Pfeile in den Ofen und in den Schacht, welcher in den lang- gestreckten Eisenkasten hinein- ragt. Die Gebläseluft wird auf Fig. 63. diesem Wege vorgewärmt. Der Vorherd des Eisenkastens ist in seiner ganzen Breite durch eine eiserne Thür, in welcher sich die Abstich- Beck, Geschichte des Eisens. 6 Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870. öffnungen F für das Eisen, S für die Schlacke und das Schauloch D befinden, geschlossen. Ausser bei Krigar selbst war dieser Ofen in Deutschland in dem vormals Egestorff schen Werke bei Linden- Fig. 64. Hannover in Betrieb. Bei Krigar betrug der Koksver- brauch 50 Pfund auf 800 Pfund Roheisen. Price konstruierte einen Kupolofen (Patent vom 2. April 1863), dessen Schacht auf Säulen ruht, während der ganze untere Ofen von Eisenkasten umgeben ist, durch welche Wasser oder Luft cirkuliert. Ein interessanter Kupol- ofen, der in England Auf- sehen erregte und Verbreitung fand, war der ohne Gebläse- maschine arbeitende der Gebrüder Woodward , welcher am 24. Januar 1865 patentiert wurde Das Patent (1865, Nr. 209) lautet auf den Namen von William, Robert, John und Adam junior Woodward . Die Firma hiess Woodward Brothers , Queenfoundry, Ancoato bei Manchester. . Der Wind wurde durch einen Dampfstrahl, wel- cher, ähnlich wie bei den Lokomotiven, in den engen, eisernen Blechschornstein ge- leitet wurde, durch Ansaugen erzeugt. Die Gicht war ge- schlossen, das Aufgeben erfolgte durch Fülltrichter und Lade- thüre. Fig. 64 giebt die Ab- bildung des Dampfzugkupol- ofens von Woodward Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1866, S. 44 und 126, Tab. III; Genaueres darüber in F. Kohn , Iron and Steel Manufacture 1869. . 1868 waren schon über 60 dieser Öfen in England errichtet. Sie sollten an Koksersparnis alle anderen Öfen übertreffen und nur 5 Proz. Schmelz- koks brauchen. Dass bei dem Ansaugen der Luft die Wärmeverteilung im Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870. Schmelzraum eine gleichmässigere ist, liegt auf der Hand. Mallet in seiner vortrefflichen Abhandlung über die Fortschritte der Eisen- giesserei stellte den Dampfstrahlöfen aber kein günstiges Prognostikon, weil nach seiner Ansicht von allen Mitteln, Luft zu bewegen, keins kostspieliger sei als der Dampfstrahl. Das Streben, Steinkohle direkt beim Schmelzen des Giessereieisens zu verwenden, führte zu der Konstruktion des Steinkohlenkupolofens von Daelen und Freudenthal Siehe Dürre , Eisengiesserei 1870, I, S. 420. , der aber zu kostspielig war, um Verbreitung zu finden. Einen Zugkupolofen, wie ein solcher schon früher von Zintgraff angegeben worden war, konstruierte Richard Canham 1866. Der- selbe hatte in der Herdgegend ein aus feuerfesten Ziegeln herge- stelltes Gitterwerk, durch welches die Luft mittels hoher Esse ange- saugt wurde Siehe Kerpely , Jahresbericht 1866, S. 116, Taf. III. . Die Anforderungen an die Leistung der Kupolöfen hatten sich in den sechziger Jahren sehr gesteigert. Hierzu trug insbesondere der Bessemerprozess bei, welcher das Einschmelzen grosser Massen von Roh- eisen in kurzer Zeit nötig machte. Aber auch für Giessereizwecke steigerten sich die Anforderungen immer mehr. Als ein Beispiel hervorragender Leistung eines Kupolofens erwähnen wir den Guss eines Ambosses für einen Dampfhammer der Port Richmond-Eisenwerke (1863). Es wurden dabei 37½ Tonnen Eisen in 4 Stunden unter Zuführung von 4000 Kubikfuss Luft pro Minute in einem Kupolofen geschmolzen. Gruson goss in einen Kupolofen auf dem Artillerieschiessplatz bei Berlin 240 Ctr. flüssiges Eisen in einer Stunde. Wernecke schrieb 1862 über den Nutzen des Flussspats beim Kupolofenschmelzen. Die Gussflammöfen traten nicht nur beim Einschmelzen des Bessemerroheisens, sondern auch bei der Giesserei selbst mehr und mehr gegen die Kupolöfen zurück. Das sogenannte Schweissen des Gusseisens war ein den praktischen Giessern bekannter Kunstgriff; angeblich soll es ein belgischer Arbeiter 1860 erfunden haben. 1861 wurde dasselbe als ein neues auf der Hütte zu Tamaris bei Alais angewandtes Verfahren in den Annales des Mines beschrieben. Es handelte sich dabei um das Anschweissen zerbrochener Walzen oder Wellen. Das zerbrochene Stück wurde an den Bruchstellen erhitzt in eine vorbereitete Gussform eingelegt, durch welche man flüssiges Roheisen über die Bruchflächen so lange durch- fliessen liess, bis sie sich erweichten. Alsdann wurde der Abfluss ver- 6* Die Eisengiesserei 1861 bis 1870. stopft und die Form mit Eisen gefüllt. Die Bruchflächen waren dann zusammengegossen. Die Gussstücke wurden abgedreht. Im Zusammenschweissen von Gusseisen mit Stahl machte man eben- falls Fortschritte. Das Hüttenwerk Königsbronn stellte 1867 zu Paris schöne Hartwalzen mit eingegossenen Bessemerstahlachsen aus. Guss- eiserne Ambosse mit aufgegossenen Stahlplatten goss man nach Broman in der Weise, dass man die Stahlplatte in eine Form mit Ablauf ein- legte, sie mit Borax bestreute und dann flüssiges Roheisen so lange darüber laufen liess, bis die Oberfläche zum Schmelzen kam. Alsdann schloss man den Ablauf und goss die Form voll. — Häufig empfiehlt es sich, die schmiedeeisernen Teile, die man eingiessen will, vorher zu verzinnen. Das Bestreben, die Qualität des Gusseisens zu verbessern, führte zu vielen Vorschlägen und Versuchen. Der amerikanische Bürgerkrieg veranlasste ein neues Verfahren zur Herstellung festen und dichten Eisengusses für Geschütze. Diese „ Rodmans che Giessmethode“ bestand in der Herstellung von Hohlgüssen mittels hohler Kerne und Wasser- kühlung unter gleichzeitiger Erwärmung der Form von aussen zur Erzielung eines gleichmässigen Erstarrens und Beseitigung jeder Spannung. Auf diese Weise wurden Riesengeschütze hergestellt, welche sich gegen Eisenpanzer gut bewährten Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Jahrbuch f. Leoben u. Přibram 1872, Bd. XXI. S. 98; Dinglers Polyt. Journ. 206, S. 451. . Bessemer stellte durch Vermischen von flüssigem weichen Bessemerstahl mit flüssigem Roheisen ein verbessertes Giessereieisen (improved foundry iron) her. Er empfahl, das Gemisch erst in Gänze laufen zu lassen und es dann im Kupolofen umzuschmelzen. Ein ganz ähnliches Gemisch aus Martinstahl und Roheisen erzeugte Martin als Métal mixte. Verbreiteter war aber in Frankreich Stirlings Verfahren (s. Bd. IV, S. 540). In England machte man zähen Guss (toughened cast iron) durch Zusatz von 20 bis 40 Proz. Flusseisen oder Flussstahl, auch wendete man ein reinigendes Umschmelzen im Flamm- ofen, wie es lange vorher in Schlesien zur Erzeugung von Feineisen üblich war, an. Gaudin erhielt ein Giessereieisen von grosser Festig- keit durch Umschmelzen des Roheisens mit oxydierenden Zuschlägen. R. Mallet stellte durch Versuche fest, dass Eisen, unter Druck gegossen, viel dichter wird. Eisen von Calder hatte, ohne Druck ge- gossen, ein spezifisches Gewicht von 6,9551, unter Druck einer 14 Fuss hohen Eisensäule gegossen, ein spezifisches Gewicht von 7,1035. Das spezifische Gewicht des Gusseisens wächst mit der Höhe der drücken- Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870. den Eisensäule, aber in langsam abnehmendem Verhältnis. Dieser Umstand erklärt die Vorzüge des stehenden Gusses mit verlorenem Kopf und hohen Eingusstrichtern. Blasenfreien Guss erzielte Jos. Harrison zu Philadelphia durch Auspumpen der Luft aus den Formen bei der Röhrengiesserei Siehe Pract. Mechan. Journ. 1866, Jan., p. 302; Kerpely a. a. O. 1862, S. 132. . In Deutschland zeichnete sich besonders Gruson durch seinen vortrefflichen Hartguss aus. Hierzu verwendete er (1863) 400 Teile zähes, graues Holzkohlenroheisen und 100 Teile Spiegeleisen. An- fang der sechziger Jahre schmolz er mit Vorliebe das Roheisen der Teichhütte bei Gittelde. 1864 goss Gruson Hartgussgeschosse gegen Panzer. Mitte der sechziger Jahre beschäftigte er sich bereits mit der Herstellung von Hartgusspanzertürmen und stellte 1867 ein Modell davon in Paris aus. In Österreich war Ganz in Ofen (Budapest) durch seinen Hartguss berühmt. Er stellte denselben zum Teil dadurch her, dass er die Gussformen mit gepulvertem, mit Weingeist angerührtem Antimon ausstrich. Es bildete sich dadurch an der Oberfläche eine harte Legierung von Eisen und Antimon. Zu Creusot stellte man Hartgusswalzen in der Weise dar, dass man erst eine dünne cylindrische Schicht von weissem Eisen goss, diese dann nach dem Erkalten mit grauem Roheisen vollgoss. Gusseisen erhält durch einen Zusatz von 2 Proz. Wolfram grosse Härte und Festigkeit. Le Quen stellte hierüber im Kriegshafen zu Brest (1863) Versuche an. Er setzte dem flüssigen Roheisen pulveri- siertes Wolframerz zu. Die Reduktion des Wolframerzes erfolgte auf Kosten des Kohlenstoffgehaltes des Roheisens, das dadurch stahlartig wurde. Eine verbesserte Giesspfanne erfand Mandley 1863. Bei dieser taucht eine am Ausguss angebrachte Eisenplatte, sobald die Pfanne geneigt wird, in das flüssige Eisen und hält dadurch die aufschwim- menden Unreinigkeiten zurück. Dasselbe bezweckt die Giesspfanne von Vanboss (1870), bei welcher, ähnlich wie bei einer Theekanne, nur das Untere ausfliessen kann. In England ersetzte man die schweren gusseisernen Formkasten , namentlich für kleinere Gussstücke, durch Formkasten aus Eisenblech. Derartige leichte Formkasten aus Walzeisen fertigte Anfang der sechziger Jahre Stotz in Stuttgart an. Karmarsch untersuchte die bekanntesten Formsande chemisch, Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870. mikroskopisch, durch Schlämmen und auf ihre Bindekraft und ver- öffentlichte die Resultate seiner Untersuchung 1862 in den Mit- teilungen des Hannoverschen Gewerbevereins. Schott in Ilsenburg machte Mitteilung über die Herstellung künstlicher Formsande E. Schott , Die Kunstgiesserei in Eisen. 1872. . Es gelang ihm, die berühmten Pariser Formsande genau nachzumachen, doch waren sie nicht so gut wie die natürlichen. Eduard Schott in Ilsenburg und Karl Nicolaus Karl Nicolaus , 1807 zu Kamenz in Sachsen geboren, wurde Gürtler, kam 1834 nach Lauchhammer, wo Graf Detlev v. Einsiedel seine künstlerische Beanlagung erkannte und ihn bei Rietschel, Rauch und in Paris ausbilden liess. Als Vorsteher der Kunst- und Modellierwerkstätten zu Lauchhammer brachte er den Kunstguss dieses berühmten Werkes auf eine hohe Stufe. Er starb daselbst am 4. Oktober 1897. (Näheres siehe Eisenzeitung 1897, Nr. 48, 49, 50.) zu Lauchhammer erwarben sich grosse Verdienste um den Kunstguss in Eisen. Die wichtigsten Fortschritte der Eisengiesserei in diesem Zeitraum waren die Verbesserungen der Formmaschinen und die immer aus- gedehntere Anwendung derselben. Hüttendirektor Stenz hat über die Formmaschinen, die er 1863 auf einer Reise in England kennen lernte, eine ausführliche Abhandlung veröffentlicht Siehe Zeitschrift für d. Berg-, Hütten- u. Sal.-Wesen im preuss. Staate. Bd. XII, S. 324. . Er teilt die Formmaschinen für gewöhnlichen Kastenguss in zwei Klassen, in solche zum Ausziehen des Modells ohne Umkehrung und in solche zum Um- kehren des Kastens. Typisch für die erste Klasse war die Form- maschine von J. Howard in Bradford. Sie beruhte auf dem einfachen Ausziehen des Modells aus dem Sande durch ein Modellbrett, welches sich an die Seitenflächen des Modells genau anschloss. Das senk- rechte Niederziehen des Modells erfolgte bei flachen Gegenständen durch einen Hebel mit Geradeführung, bei höheren Modellen durch Schrauben mit Muttern. Zahnstangenbewegung fand nur beim Ein- formen der Munition in Woolwich statt Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1863, I, S. 1. . Für kompliziertere Guss- körper musste man zusammengesetzte Bewegung anwenden. Für die zweite Klasse der Formmaschinen zum Umkehren der Kasten kann die schon früher erwähnte Maschine von Jobson als Muster gelten. Sie hat verschiedene Abänderungen erfahren, bei allen besteht aber das Princip darin, den eingeformten Kasten mit dem Modell und der eigentlichen Formvorrichtung umzudrehen, so dass der Formkasten in seiner zum Abgusse geeigneten Stellung nach unten hängt, um ihn dann durch langsame Senkung vom Modell zu lösen und auf die Eisenbahn zu stellen, auf welcher Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870. er mit dem Oberkasten bedeckt und abgegossen wird. Die hierzu nötige Formvorrichtung besteht aus einer glatt gehobelten Modell- platte, auf welcher das Modell befestigt wird. Diese Modellplatte wird in einen flachen Kasten von entsprechen- der Grösse eingelegt und darin so festgestellt, dass ihre Oberfläche mit den Randflächen des Kastens übereinstimmt. Der Kasten ist um zwei Zapfen drehbar, die Drehung wird durch einen Hebel bewirkt. Der zweite Hauptteil der Maschine besteht in einem zwischen den Ständern in senkrechter Richtung beweglichen, horizontalen Tisch, mit dessen Hülfe der Formkasten, nachdem das Modell eingestampft ist, abgenommen wird. Die Bewegung des Tisches erfolgt auf verschiedene Weise Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1663, I, Taf. XIV. . Diese Maschinen eigneten sich besonders für grössere Stücke. Eine dritte Art der Formmaschinen war eine Kombination der beiden Systeme Howard und Jobson Siehe Dürre , Eisengiesserei, II, S. 513. . Sie wurde damals für Schienenstühle häufig angewendet. Ein Former machte mit fünf Knaben und zwei Giessern 1000 Stück in 12 Stunden. — Eine Zahn- radformmaschine liess sich G. L. Scott 1865 in England patentieren. Für den Guss stärkerer gusseiserner Röhren erlangte die Maschinen- formerei eine immer grössere Bedeutung. Besonders waren es die grossen Röhrengiessereien in Glasgow und in Middlesborough, die die- selbe verbesserten. Die Röhrenformmaschine von Stewart drückte durch spirale Windungen einer in ihren Gängen durchbrochenen flachen Schraube den Sand fest. Ähnlich war die Röhrenformmaschine von Sheriff , bei welcher das an einer senkrechten Stange befestigte Modellstück gedreht wurde. Mit ihm zugleich drehten sich sechs schrägliegende kleine Scheiben, welche innen das Modell, aussen die Kastenwände berührten. Diese Scheiben drückten den Sand bei ihrer Drehung um das Modell, das sich gleichzeitig langsam hob, fest. Die ganze Vorrichtung hing an einem beweglichen Schlitten, der auf dem Dachgebälk verschiebbar war. Trotz der Vervollkommnung dieser Maschinen machte die Handformerei denselben doch erfolgreiche Kon- kurrenz, so dass z. B. in den grossen deutschen Röhrengiessereien zu Mühlheim a. d. Ruhr und zu Bayenthal die Maschinen zum Stampfen der Röhren wieder abgeschafft wurden. Die Handarbeit bei der Röhrenformerei wurde verbessert von Haldy in Pont-à-Mousson, von Böcking auf dem Halberg bei Saar- brücken und an anderen Orten. In den grossen Röhrengiessereien von Cochrane, Grove \& Co . Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870. zu Ornsley bei Middlesborough und zu Woodside (Dudley), damals wohl die grössten der Welt, von denen Ornsley allein wöchentlich 12000 Ctr. Röhrenguss lieferte, hatte Cochrane von ihm erfundene verstellbare Kernspindeln für verschiedene Röhrenweiten eingeführt. Tangyes Röhrenpresse Siehe Kerpelys Fortschritte u. s. w. 1867, Taf. II, Fig. 4 u. 5. mit hydraulischem Druck kam 1867 zur Einführung. Die Röhrenformkasten wurden reihenweise auf Platt- wagen, die auf Schienen liefen, aufgestellt. Die Giesshütten für Röhren- guss waren zweistöckig und hatten grosse Dammgruben und Dampf- kräne. Die Röhren wurden in Gruppen stehend gegossen. Grosse Verbreitung erlangten in den sechziger Jahren auch in Deutschland die Räderformmaschinen. Auf eine sehr gute Maschine dieser Art erhielt George Lamb Scott am 25. Oktober 1865 ein Patent Siehe Dinglers Polyt. Journ. 194, S. 292; Dürre a. a. O., II, S. 532. . Diese Scotts che Räderformmaschine fand rasch Verbreitung. Für den Kugelguss wendete man zu Woolwich verschiedene Arten von Form- und Kernmaschinen an. Von ersteren bewährten sich die von M. Eyth und die älteren von Downie in Glasgow. In England goss man Pflugscharen in Formen, die an den Stellen, wo dieselben hart werden sollten, von Eisen hergestellt waren. Zum Trocknen der Giessformen mit heisser Luft hatten Brunnon und Söhne zu Rive de Gier ein zweckmässiges Verfahren eingeführt Engineering , März 1870, S. 208; Dinglers Polyt. Journ. 196, S. 502. . Um eine grössere Anzahl gleichartiger Gegenstände rasch abgiessen zu können, konstruierte Barett 1861 einen Drehtisch für Gussformen, welcher die Formen der Giesspfanne oder dem Kupolofen zuführte. Denselben Zweck erfüllten in englischen Giessereien geschlossene Schienenbahnen, welche die Formen auf Plattwagen an dem Kupol- ofen vorbeiführten. Schieles Ventilatoren erfreuten sich in England und Deutsch- land in den sechziger Jahren grosser Beliebtheit. Durch die Pariser Weltausstellung von 1867 wurde man in Europa mit dem verbesserten Kapselgebläse der Amerikaner F. M. und P. H. Root zu Connersville (Indiana) bekannt Siehe Rittingers Bericht über die Pariser Weltausstellung, S. 144; Armengand , Publ. industr., t. 19, pl. 36. (Fig. 65), welches rasch in Aufnahme kam. Das- selbe besteht aus zwei in entgegengesetzter Richtung umlaufenden Flügeln von dem (Fig. 66) gezeichneten Querschnitt, welche sich in einem länglichen Gehäuse bewegen. Sie liefern Wind von geringer Pressung und haben hohen Nutzeffekt. Die Eisengiesserei von 1861 bis 1870. In der Weltausstellung zu London von 1862 zeichnete sich die altberühmte Eisengiesserei von Coalbrookdale durch die Schönheit und Mannigfaltigkeit ihrer Produkte aus. Den schönsten Kunstguss hatten aber die deutschen Giessereien ausgestellt, namentlich die Fig. 65. königliche Giesserei zu Berlin, Lauchhammer, und die gräflich Stolbergi sche Hütte zu Ilsen- burg. Letztere erregte Sensation mit ihren gegossenen Schwertern, Schilden und Plattenharnischen und es wollte den an so dünn- wandigen Guss nicht gewöhnten Engländern unglaublich scheinen, dass die Gegenstände wirklich aus dem Hochofen gegossen waren. Wir erwähnen noch des blei- freien emaillierten Kochgeschirrs aus Gusseisen von der Nieverner Fig. 66. Hütte, das um 1862 bekannt wurde, sowie einer ausführlichen Beschreibung der kaiserlichen Kanonengiesserei la Ruelle im Mechanic’s Magazine von 1867. Zum Schluss sei noch der Gründung des Vereins deutscher Eisen- giessereien, welche im November 1868 beschlossen wurde und am 12. Juli 1869 in Hannover zur Ausführung kam, gedacht. Die Fabrikation des schmiedbaren Gusses gewann in den sechziger Jahren an Umfang und Bedeutung. Die grössten Fabriken Direkte Schmiedeeisenbereitung. waren zu Sheffield, Manchester und Birmingham in England und zu Glasgow in Schottland, zu Solingen und Elpe in Westfalen, in Stutt- gart, eine der bedeutendsten war zu Neunkirchen in Österreich, ferner zu Lüttich in Belgien, besonders für Gewehrteile. In Frankreich gab es 1864 ca. 15 Eisengiessereien, die täglich 160 bis 200 Ctr. schmied- baren Guss aus Ulverston-Hämatiteisen machten. General Morin- Tresca fand die Bruchbelastung zu 35 kg pro Quadratmillimeter; je grösser aber die Dicke des Stückes war, je geringer der Elasticitäts- koefficient. A. Brüll , der eine ausführliche Studie über den schmied- baren Guss veröffentlichte Mém. de la Soc. des ingén. civils 1863, p. 317; Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1864, S. 277. , fand ihn zu 25,6 bis 36,4 kg, im Durch- schnitt zu 32,5 kg pro Quadratmillimeter, während diese bei dem Roheisen nur 14 kg betrug. Eaton schlug 1861 Zinkoxyd als Entkohlungsmittel beim Adduzieren vor. Dalifol in Frankreich verbesserte den Schmelzofen, um grössere Massen mit weniger Brennmaterial zu schmelzen Siehe Kerpely , I, Tab. VI, Fig. 18 u. 19. . A. L. Fleury goss Hämmer, Spaten, Spitzhauen u. s. w. und gab ihnen stahlartige Oberfläche, indem er sie in kohlensaure Alkalien und Kalk verpackt zwei Tage glühte. Mallet behauptete, dass beim Adduzieren ein chemischer Vorgang und eine Entkohlung nicht stattfinde, sondern dass durch das Glühen nur eine molekulare Umsetzung eintrete, weshalb es gleichgültig sei, ob man die Gussstücke in indifferente oder oxy- dierend wirkende Stoffe einpacke Siehe Pract. Mechan. Journ., Mai 1868. . John Tenwick in Grantham erfand 1870 einen verbesserten Glühofen für kontinuierlichen Betrieb Dinglers Journal 199, S. 369. . Schmiedbares Eisen 1861 bis 1870. Direkte Schmiedeeisenbereitung. Die direkte Darstellung von Schmiedeeisen und Stahl aus den Erzen gewann durch das Siemenss che Princip der Regenerativ- feuerung und durch C. W. Siemens selbst eine neue wichtige An- regung. Ehe wir hierauf näher eingehen, müssen wir einige der vor- hergegangenen neuen Vorschläge zur direkten Eisen- und Stahlbereitung kurz betrachten. Isaak Rogers beschrieb 1862 einen von ihm zu Newark (N. Y.), Direkte Schmiedeeisenbereitung. Vereinigte Staaten, eingeführten neuen Prozess. Derselbe bestand darin, dass die zerkleinerten Erze mit 25 Proz. Steinkohlen vermengt, in einem horizontal über einem Puddelofen rotierenden Cylinder von ca. 20 Fuss Länge, durch die abgehenden Gase des Puddelofens redu- ziert wurden. Die Vorwärtsbewegung der Masse geschah durch eine Schnecke; das Einfüllen und Entladen erfolgte kontinuierlich bei jeder Umdrehung. Das reduzierte Erz gelangte direkt auf den Herd des Puddelofens, wo es zu einer Luppe zusammengeschweisst wurde. Jeder Austrag lieferte Erz für eine Luppe von 110 bis 120 Pfund. In 22½ Minuten gelangten 200 Pfund des reinen Magneteisenerzes in den Ofen, in derselben Zeit war die vorhergehende Charge geschweisst Siehe Percy-Wedding , I, S. 603. . Von Erfolgen dieses Prozesses ist indessen nichts bekannt ge- worden. Dasselbe gilt von einer Reihe englischer Patente, die wie das beschriebene Verfahren von Rogers mehr oder weniger Ähnlich- keit mit Chenots Prozess haben. Eins derselben von Ed. Brown Wilson vom 16. Mai 1863 will Reduktion und Schweissung in einem Ofen mit zwei Kammern ausführen. In der höher gelegenen Reduktions- kammer (reducing chamber) wird das zerkleinerte und mit den Reduk- tionsmitteln vermischte Erz eingesetzt, durch eine Gasflamme reduziert und bis zum Schmelzen erhitzt. Das reduzierte und gekohlte Eisen soll zugleich mit der Gasflamme durch Öffnungen in der Scheide- wand (diaphragm) in die Raffinierkammer (refining chamber) gelangen, in welche ausserdem noch mehr oder weniger oxydierende Gasflammen durch seitliche Öffnungen eintreten und das Eisen reinigen. W. Henderson nahm am 10. Juli 1863 ein Patent darauf, reiche Eisenerze, namentlich aber die Rückstände der bei der Schwefelsäure- fabrikation fallenden gerösteten Schwefelkiese direkt auf Schmiede- eisen und Stahl zu verarbeiten. Er mischte das gepulverte Erz mit Kohle und Flussmitteln — Kalk, Kochsalz oder anderen Chloriden —, formte Klumpen daraus und reduzierte diese in Retorten. Die redu- zierten Massen wurden in Gasflammöfen zu Schmiedeeisen, Gusseisen oder Stahl eingeschmolzen. Für Schmiedeeisen sollte der Kohlenzusatz ca. 5 Proz., für Gusseisen 10 Proz. betragen; wollte man Stahl erhalten, so mussten 5 bis 8 Proz. Manganoxyd oder Mangankarbonat zugesetzt werden. Das Reduktionsgefäss war eine ca. 20 Fuss lange, senkrecht stehende Retorte, die unten in Wasser eintaucht wurde. Aus diesem wurde das reduzierte Eisenpulver geschöpft. Direkte Schmiedeeisenbereitung. Ein ähnliches Patent nahm William Brooks nach einer Mit- teilung von Jean Baptiste Helson am 30. März 1865. Alle diese angeblichen Erfindungen waren im Grunde nur Ab- änderungen von Chenots Verfahren und blieben ohne Erfolg. Chenots Prozess selbst war noch in Südfrankreich und Nordspanien in beschränkter Anwendung, doch hatte man ihn abgeändert und vereinfacht. Namentlich geschah dies durch Fouragin , dessen Verfahren nach Svanbergs Bericht (1862) an drei Orten bei Bilbao und an einem Ort in Frankreich ausgeübt wurde Siehe Berggeist 1863, S. 256. . Die Reduktion geschah mit Kohlenoxydgas in einem etwa 20 Fuss hohen Ofen, das Produkt wurde in Frischherden mit Holzkohle geschweisst. In Baracaldo, wo man noch indirekte Heizung hatte, war Chenoteisen für Hufnägel beliebt. Hier machte man 1862 40000 Ctr. 1865 wurde Chenots Prozess in den Werken von Bageney bei Paris eingeführt. Der dafür erbaute Ofen war 50 Fuss hoch und an der weitesten Stelle 18 Fuss im Quadrat weit. Der Chenotprozess mit innerer oder direkter Heizung wurde zu Lamarde bei Vic-Dessos in Ariège (1867) noch mit Erfolg fortgesetzt. Indessen war er nur bei manganreichen Erzen mit mindestens 44 Proz. Eisengehalt anwendbar. Das im Herd erhaltene Schweisseisen fiel, wie das Renneisen der Catalanschmieden, sehr ungleich aus; es lieferte aber ein vorzügliches Material für die Cementstahlfabrikation. Chenot jun. kam schliesslich mit seinem Verfahren auf den einfachen uralten Stückofen zurück. 1866 schlug nämlich E. C. A. Chenot vor, die Reduktion und Schweissung in einem Schachtofen vorzunehmen, den Betrieb aber dadurch kontinuierlich zu machen, dass man das Gestell des Ofens auf Räder stellte und dasselbe mit der Luppe nach jeder Charge fortfuhr, beziehungsweise umwechselte. Auch Gurlts Gasprozess liess sich mit den reichen Erzen von Sommorostro ausführen, dies bewies Justino Delpon , der ihn zu Santa Ana de Bolueta bei Bilbao einführte und mit Erzen von San Juan de Sommorostro, die 65 Proz. Eisen und 7 Proz. Wasser ent- hielten, mit Erfolg betrieb. Die Reduktion geschah in Schachtöfen mit Gasfeuerung. Das Gas wurde aus Eichen- und Buchenkohlen er- zeugt. Der Eisenschwamm (espónja), welcher noch die Form der Erz- stücke hatte, wurde in untergestellte Wagen entleert und sogleich mit Kohlenstaub bedeckt. Der abgekühlte Schwamm wurde dann in Chargen von 85 kg geschweisst, wobei 42 kg Eisen übrig blieb Siehe Percy-Wedding , I, S. 602. . Direkte Schmiedeeisenbereitung. Andere Verfahren der Zugutemachung der Erze kamen mehr auf Uchatius’ Erzstahlprozess hinaus. W. H. Buckland wollte nach seinem Patent vom 9. März 1861 reiche Eisenerze, wie Hämatit, in einem gewöhnlichen Kupolofen mit Roheisen zusammen einschmelzen. In ähnlicher Weise wollte G. Davies (Patent vom 28. August 1863 nach Mitteilung von A. L. Fleury ) eisenreiche Schlacken oder Erze, indem er sie mit Kalk einband, im Kupol- oder Flammofen direkt auf Stahl oder Eisen verschmelzen, wobei er (nach seinem Patent vom 3. Mai 1864) vorher Roheisen einschmolz. Uchatius’ Prozess selbst wurde in den sechziger Jahren noch zu Wikmanshyttan in Schweden mit Magneteisenstein ausgeführt. Am 20. September 1866 nahm Charles William Siemens in England ein Patent auf seinen Erzstahlprozess . Derselbe beruhte auf derselben Grundlage wie die seither beschriebenen Methoden, neu war nur die Verbindung mit dem Siemenss chen Regenerativofen . Diese Neuerung war allerdings ausschlaggebend. Die Einführung des Regenerativprincips bei den Eisenschmelz- prozessen war ein Fortschritt von der grössten Tragweite für die ganze Eisenindustrie, ganz besonders für die Flussstahlbereitung. Als die beiden Brüder Carl Wilhelm und Friedrich Siemens am 22. Januar 1861 das englische Patent für ihre Öfen mit Regeneratoren nahmen, sahen sie darin bereits das Schmelzen von Eisen, die Stahl- bereitung und das Puddeln vor. Nur diese Verwendungen für die Eisenfabrikation sind in der Patentbeschreibung ausdrücklich ange- führt, erschienen also den Erfindern, namentlich C. W. Siemens , von Anfang an als die wichtigsten. Indessen hatten die Versuche, die sie damals in Sheffield anstellten, keinen günstigen Erfolg Siehe On the regenerative gas furnace as applied to the Manufacture of cast Steel by C. W. Siemens , London 1868, p. 9. . 1862 nahm Charles Attwood eine Licenz, Stahl mit Hülfe von Regenerativöfen zu schmelzen, wofür ihm Siemens den Entwurf lieferte. Obgleich der Ofen sich bewährte, fiel aus anderen Gründen der Stahl schlecht aus, weshalb Attwood zum Schmelzen in Tiegeln zurückkehrte. 1863 hatte Le Chatelier in Frankreich ein Verfahren ausge- arbeitet, um Stahl zu puddeln und die erzeugten Luppen in einem Regenerativgasofen in einem Bad von Gusseisen auf einem Bette von Bauxit einzuschmelzen. Um dieses Verfahren auszubeuten, erbauten die Herren Boigne, Rambour \& Co . auf ihren Werken zu Mont- luçon unter Siemens’ Anleitung einen Regenerativofen von grosser Direkte Schmiedeeisenbereitung. Heizkraft. Als aber der Bauxitherd sich hob und das Gewölbe Schaden litt, gaben die Unternehmer, obgleich sie dem Ziel so nahe waren, die Sache auf. Inzwischen hatten die Gebrüder Emile und Pierre Martin zu Sireuil von Siemens die Licenz erworben, den Regenerativofen zum Schmelzen von Stahl in Tiegeln oder auf offenem Herd anzu- wenden. 1864 wurde ein Ofen erbaut, der zunächst nur als Glüh- ofen dienen sollte, der aber aus so feuerfestem Material (Dinassteinen) hergestellt war, dass man ihn auch zum Stahlschmelzen benutzen konnte. Obgleich dieser Ofen hierfür weniger geeignet war als die früher erbauten, so gelang es den Gebrüdern Martin trotzdem, mit demselben Stahl von verschiedenen Härtegraden auf dem offenen Herd zu schmelzen, wofür sie bei der Weltausstellung in Paris die goldene Medaille erhielten. Die Enttäuschungen durch den Mangel an Energie der früheren Unternehmer einerseits und die Erfolge der Gebrüder Martin in Frankreich andererseits hatte C. W. Siemens veranlasst, 1865 in Birmingham selbst einen Musterofen zum Stahlschmelzen zu erbauen, und zwar war dieser als Tiegelschmelzofen eingerichtet, während er 1867 einen zweiten aufführte, um Chargen von 24 Ctr. in 6 Stunden im offenen Herd zu schmelzen und darin seinen Erz- stahlprozess auszuführen. Für diesen und einen dafür dienlichen Schmelzofen hatte C. W. Siemens am 20. September 1866 sein wichtiges Patent (Nr. 2413) genommen. Den Ofen beschreibt er als eine überwölbte Kammer mit geneigter Sohle, an deren Ende sich der eigentliche Schmelzherd mit dem Abstich befindet. Unter der Kammer befinden sich zwei Regeneratoren für Gasfeuerung. Ge- mahlene Eisenerze, wie Hämatit und Magneteisenstein oder geröstete Spaterze, sollten mit einem geringen Zusatz von Flussmitteln, wie Manganoxyd oder Mangankarbonat mit Fett, Teer oder ähnlichen kohlenstoffreichen Stoffen getränkt, und Kalk oder sonstige alkalische Substanzen, zuweilen mit einem Zusatz fester Kohle gemischt, durch Fülltrichter aufgegeben werden, so dass sie auf die geneigte Sohle gelangen, wo sie von grosser Hitze und einem reduzierenden Gasstrom umspült werden. Das Eisen wird reduziert, schmilzt aus, und da die Charge auf den geneigten Boden allmählich herabgleitet, kann neue Beschickung eingefüllt werden, so dass ein kontinuierlicher Betrieb stattfindet. Das geschmolzene Produkt war verschieden je nach Menge und Art der angewandten Reduktionsmittel, auch konnte man es durch Zusatz von Ferromangan, Spiegeleisen, Roheisen oder Schrott, oder auch durch Abstellen der reduzierenden Gase und Umrühren nach- Direkte Schmiedeeisenbereitung. träglich ändern. Auf diese Weise sollte man nach Belieben ge- schmolzenes Gusseisen, Stahl oder Schmiedeeisen erhalten können. Die Konstruktion des Ofens wurde in den nächsten Jahren etwas abgeändert, wie dies C. W. Siemens in seinem oben erwähnten Vor- trag über den Erzstahlprozess, den er am 7. Mai 1868 vor der British Association in London hielt, beschrieben hat. Der Regenerativofen von Siemens besteht aus dem Gaserzeuger (Fig. 67) für Steinkohlen und den aus 4 Kammern bestehenden Fig. 67. Regeneratoren, die wir schon früher (Bd. IV, S. 818) erwähnt haben. Siemens stellt dabei folgende Regeln auf: 1. 6 Quadratfuss Regeneratorfläche entsprechen einem Pfund Steinkohle; 2. die Regeneratoren stehen am besten aufrecht, so dass die Er- hitzung von oben nach unten stattfindet; 3. sie sollen ferner tiefer stehen als die zu heizenden Öfen. Fig. 68, 69 (a. f. S.) stellt den von Siemens verbesserten Erzstahl- schmelzofen dar. Der Hauptunterschied gegen den oben beschriebenen Ofen besteht in der Anordnung der Fülltrichter und Reduktionskammern, die hier in senkrechte Cylinder verwandelt sind. A A sind die Aufgabe- cylinder für die Erze, B B die Aufgabecylinder für das Roheisen und C C Röhren, welche die reduzierenden Gase in die Erzmasse führen. Die Aufgabecylinder für die Erze bestehen aus einem weiteren Rohr Direkte Schmiedeeisenbereitung. von Gusseisen, in welches ein engeres Rohr von feuerfestem Thon ein- gehängt ist und von den glühenden Gasen umspült wird. Jeder Cylinder wird erst mit einem viertel Centner Holzkohle gefüllt, welche die Unterlage für die Erzchargen bilden. Gleichzeitig werden 10 Ctr. Fig. 68. Fig. 69. Roheisen durch die Thüren vorn und hinten aufge- geben, die, wenn sie geschmolzen sind, ein flüssiges Bad unter den Erzfüllcylindern bilden. Das reduzierte Erz löst sich, sobald es mit dem ge- schmolzenen Roheisen in Berührung kommt, in diesem auf. Diese Auflösung geht sehr rasch von statten, schneller als die Reduktion. Unreduziertes Erz dient zur Entkohlung des Roheisens. Siemens empfiehlt ein Gemisch von Hämatit und geröstetem Spat, da dieses die beste Schlacke bilde. Die Erze sollen etwa Erbsen- bis Walnussgrösse haben. Nach 3 bis 4 Stunden ist der Herd genügend gefüllt. Man hört dann mit Aufgeben auf und schliesst die Füllcylinder mit einem Deckel von Guss- eisen, der mit Lehm ein- gefugt wird. Ist alles Erz verschwunden, so nimmt man Probe und setzt dann nach Bedarf 5 bis 8 Ctr. Spiegeleisen durch das Rohr C nach. Siemens schätzte nach seinen Messungen die durch die Regeneratoren erzeugte Hitze im Schmelzraum auf 4000° F. = 2200° C. Wenn auch in der Praxis bei dem Erzstahlprozess durchaus noch nicht alles so glatt ging, wie es Siemens in seinem Vortrag ge- schildert hatte, so bildeten doch das Patent von 1866 und der Vor- Reinigen und Verfrischen des Roheisens. trag von 1868 die Grundlagen des wichtigen Erzstahlprozesses von Siemens . In Frankreich brachten 1868 Ponsard und Boyneval in Paris, angeregt durch die Erfolge Martins , ein direktes Verfahren in Vor- schlag, das mit dem Siemenss chen grosse Ähnlichkeit hatte. Auch hierbei geschah die Feuerung mit Regeneratoren; der Schmelzraum war eine Kammer, in der, statt der Füllcylinder, eine Anzahl Tiegel ohne Böden standen, welche beschickt wurden. Je nach der Be- schickung sollte man Roheisen, Stahl oder weiches Eisen erzeugen können. Die ausgeschmolzene Masse sammelte sich auf einem Herd. Die Versuche wurden mit elbanischen Erzen gemacht. Fast dasselbe Verfahren wurde von Johnson in den Vereinigten Staaten am 22. Januar 1868 patentiert Siehe Osborn , The Metallurgy of Iron and Steel 1869, p. 868. . Alle angeführten direkten Prozesse verlangen sehr reine, reiche Eisenerze und haben dadurch nur eine beschränkte Anwendbarkeit. Reinigen und Verfrischen des Roheisens. Ein neues, ähnliches Verfahren, welches aber kein fertiges Produkt, sondern nur eine Vorbereitung oder Feinen des Roheisens bezweckte, war der in Amerika von Ellershausen um 1868 erfundene Misch- prozess Siehe Berg- und Hüttenm. Ztg. 1869, S. 451; Percy-Wedding , III, S. 45; Osborn , Metallurgy of Iron and Steel 1869, p. 860; Ztschr. des Ver- eins deutsch. Ing. 1869, S. 494. . Zu seiner Ausführung diente ein grosser eiserner Ring- kasten von ca. 6 m Durchmesser, der in viele Abteilungen geteilt war und sich durch ein Triebwerk um seine vertikale Achse drehte. Von dem Schmelzofen aus gelangt das flüssige Roheisen durch eine Rinne zu dem Apparat und fliesst in einem flachen Strahl in die sich darunter fortbewegenden Abteilungen. Gleichzeitig rieselt aus einem Troge ein Strahl von gepulvertem Erz derart zu, dass er von dem flüssigen Eisen getroffen wird und sich mit diesem mischt. Bei dieser Mischung soll das Eisenoxyd eine reinigende Wirkung auf das Roheisen ausüben. Die chemische Einwirkung kann aber, da das Eisen in Berührung mit dem kalten Erz sofort erstarrt, nur gering sein und sich höchstens auf eine teilweise Abscheidung des in dem Roheisen enthaltenen Siliciums beschränken. Dass das erstarrte Roh- eisen im Bruche weiss erscheint, dürfte mehr von der Abschreckung als von der chemischen Veränderung herrühren. Beck, Geschichte des Eisens. 7 Reinigen und Verfrischen des Roheisens. Jede Abteilung des Ringes soll ca. 125 kg fassen. Bei Schön- berger \& Co. zu Pittsburg, wo der Prozess zuerst unter des Er- finders Leitung ausgeführt wurde, mischte man 30 Proz. Magneteisen- erz zu 70 Proz. Roheisen, welches mit Koks aus Erzen vom Lake Superior erblasen war. Die Umdrehung des Apparates erfolgte nur langsam, dennoch füllte sich jedes Fach erst nach 7 bis 8 Umgängen. Die Kuchen aus Erz und Roheisen wurden ausgehoben und zu je 4 in einen Puddelofen eingesetzt. Der Frischprozess verlief viel schneller, als dies sonst der Fall war, auch zerflossen die Kuchen nicht, sondern behielten ihre Form ziemlich unverändert bei. Nach einer halben Stunde schweisste die ganze Charge zu einer Masse zusammen, die in 8 Luppen zerteilt wurde. Diese wurden gezängt und gewalzt und gaben unmittelbar ein brauchbares Schmiedeeisen von guter Qualität und schönem Bruch. In einem Bericht der Herren Schönberger \& Co. vom März 1869 wird mitgeteilt, dass sie über 3000 Tonnen Roheisen nach Ellershausens Verfahren zu Hufstahl, Blech und Nageleisen von vortrefflicher Qualität verarbeitet hätten. Dieser Erfolg veranlasste die Einführung des Prozesses auf Burdens Eisenwerken zu Troy (N. Y.) in grossartigem Massstab und in direkter Verbindung mit dem Hochofen. Der Drehring (turn table) hatte 26 Fuss (8,8 m) Durch- messer und 1,36 m Breite, die in drei Abteilungen in dieser Richtung, also in drei konzentrische Ringe geteilt war. Der Ring fasste einen ganzen Abstich von 7500 kg. Man schlug 25 Proz. Magneteisenstein zu. Auf Veranlassung von J. P. Speer in Pittsburg untersuchte Dr. Wurth die chemischen und technischen Vorgänge genauer Siehe Osborn a. a. O., p. 865. . Er konstatierte ein Mehrausbringen von 5 Proz. und eine Produktions- vermehrung von 11 : 6. Ferner wurde der Prozess eingeführt bei Lyon, Short \& Co. in Pittsburg und bei der Westerman Iron Comp. , in Scharon. Über- all erhielt man nach den Berichten sehr befriedigende Resultate. An allen diesen Plätzen wendete man aber auch nur hervorragend gute Materialien, namentlich ausgezeichnet reine Erze an. Ganz anders waren die Ergebnisse in Dowlais, als man das Verfahren mit dem dortigen Roheisen und den dortigen Erzen ausführen wollte. Nach wiederholten Misserfolgen musste man die Versuche wieder aufgeben. Nach Weddings Ansicht kann eine Beschleunigung des Frisch- prozesses nur bei reinem Roheisen und eine Verbesserung des Produktes Reinigen und Verfrischen des Roheisens. nur durch den Zusatz reiner, reicher Erze eintreten. Mit denselben Materialien und bei gleicher Sorgfalt würde man aber auch bei dem gewöhnlichen Puddelprozess gleich gute Resultate erzielen. Ganz denselben Zweck verfolgte ein von J. Palmer Budd in Ystalifera (1869) vorgeschlagenes Verfahren, wonach die gusseisernen Masselformen mit einem Brei von Hämatit und etwas Natronsalpeter ausgestrichen und dann das flüssige Roheisen hineingeleitet wurde. Hieran schliesst sich der Vorschlag, das Puddelroheisen statt in Sand in Hochofenschlackenpulver abzustechen. J. H. Johnson in London und Adrien Müller zu Paris nahmen 1863 ein Patent, die Reinigung des Roheisens oder direkte Darstellung von Eisen und Stahl durch Einblasen von gepulvertem Eisenoxyd in den Hochofen zu bewirken, was also auf das alte Verfahren des „Fütterns“ hinauskommt. Die Reinigung des Roheisens, besonders von Schwefel und Phos- phor, durch andere Zusätze bezweckte 1865 J. Nicklés Feinprozess durch Einblasen von Chlorkalium, Chlornatrium oder Salmiak und C. Wintzer durch Zusatz von Chlorcalcium oder Einblasen von Chlor- gas. Vordem hatten bereits Augustin Eisenchlorid, Tessié du Motay 1857 ein Gemisch von Eisenoxyden mit Chloriden, Couaillac 1861 ein Gemisch von Kochsalz, Walzschlacke und kohlensaurem Kalk als Reinigungsmittel vorgeschlagen. Die Reinigung durch Bleioxyd nach Richters Vorschlag wurde 1864 auf der gräfl. Henckel-Donnersmarks chen Hütte in Öster- reich versucht. P. Budd wollte Natronsalpeter als Reinigungsmittel anwenden. Henderson schlug 1870 ein Gemenge von gemahlenem Fluss- spat und Eisenoxyd, mit dem er ebenfalls die Masselformen vor dem Abstich ausstreichen wollte, vor. Schon früher hatte Caron 1868 Flussspat und Kryolith empfohlen und Bowron und G. Lunge hatten darauf in England ein Patent genommen. Die Reinigung durch Wasserdampf wurde wieder von verschiedenen in mancherlei Weise vorgeschlagen. J. Rossiwal und A. Weniger verbanden sie 1864 mit dem Puddelprozess, worauf wir noch zurück- kommen werden. Das Feinen durch gewöhnlichen Wind suchten Bacon, Thomas \& Grove (1870) dadurch zu verbessern, dass sie das flüssige Eisen in dünnen Strahlen, Ch. Peters (Trenton) sogar in Tropfen dem Wind aussetzten. Auch diese Vorschläge waren, wie wir wissen, nicht neu (vergl. Martiens Patente von 1856, Bd. IV, S. 909). 7* Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Die Verwandlung des Roheisens in Schweisseisen und Stahl im Frischherd mit Holzkohlen wurde mehr und mehr verdrängt durch den billigeren Puddelprozess mit Steinkohlen und durch das Bessemern. Fig. 70. Nur in dem holzreichen Schweden behauptete sie sich als das bevorzugte Verfahren der Schmiede- eisenbereitung, doch suchte man auch hier sie durch Verbesserungen ökonomischer zu machen. Diese bestanden in erster Linie darin, dass man die offenen Ausheizfeuer durch Gasflammöfen er- setzte, wodurch man eine bedeutende Brennmate- rialersparung erzielte. Sodann verbesserte man die Frischfeuer. In allen grösseren Hütten führte man geschlossene Lanca- shirefeuer ein, während Fig. 71. auf den kleineren Hammerwerken die vorteilhaftere Franchecomté- schmiede die alte deutsche Aufbrechschmiede verdrängte. Auch führte man vielfach Walzwerke statt der Hämmer ein. Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. In welcher Weise die schwedischen Lancashirefeuer verbessert wurden, ersieht man aus der Abbildung von Grill aus Percys Iron and Steel (Fig. 70, 71, 72, 73, S. 102). Auch der Puddelprozess wurde durch den ungeheuren Auf- schwung des Bessemerprozesses bereits in den Schatten gestellt, ja es verbreitete sich mehr und mehr die Ansicht, dass seine Tage gezählt seien, dass er sich gegenüber dem einfacheren Bessemer- und Martin- prozess nicht mehr lange würde behaupten können. Doch war diese Besorgnis noch sehr verfrüht. Einstweilen hatte der Puddelprozess, abge- Fig. 72. sehen davon, dass ihm die historische Erfahrung, sowie die grössere Billig- keit der Anlagekosten zur Seite standen, noch den grossen Vorzug vor den genannten neuen Prozessen, dass man bei ihm alle Roheisensorten, auch die geringeren, verarbeiten konnte, während die neuen Prozesse nur reine, namentlich phosphorfreie Roheisensorten verlangten. Und wenn auch auf der einen Seite die Verwendung des Puddeleisens, namentlich für die Schienenfabrikation, durch den Bessemerstahl be- schränkt wurde, so fand auf der anderen Seite ein vermehrter Ver- brauch von Puddeleisen für die Herstellung von Façoneisen, dessen Verwendung in dieser Periode ausserordentlich zunahm, statt. Welche Bedeutung und welchen riesigen Umfang der Puddel- betrieb in England hatte, geht daraus hervor, dass 1867 die jährliche Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Produktion 1½ Millionen Tonnen, die einen Wert von ca. 9 Millionen Pfund Sterling repräsentierten, betrug. Die Puddeleisenfabrikation nahm gegenüber der neuen Flusseisen- und Flussstahlfabrikation eine starke Verteidigungsstellung ein, die sie Fig. 73. durch eine Reihe von Verbesserungen sowohl der Herstellung als der Verbreitung des Puddeleisens verstärkte. Hierzu trug das immer mehr zunehmende Verständnis der chemischen Vorgänge bei dem Puddelprozess wesentlich bei. Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Johnson und Calvert hatten durch ihre wichtige Untersuchung hierfür die Grundlage gelegt. Das Ergebnis derselben, welches fest- stellte, dass beim Puddeln zunächst das Silicium oxydiert wird, dass dann in der Kochperiode die Abscheidung des Kohlenstoffes beginnt, aber erst am Ende derselben rascher verläuft, wurde durch die Unter- suchungen von Price und Nicholson und namentlich von Lan Annales des Mines, t. V, sér. 15, livr. 1 ère , p. 85. , Professor der Metallurgie in St. Etienne, bestätigt. Lan und nach ihm Gruner hoben besonders hervor, dass nicht der Sauerstoff der Luft oder der Flamme die Oxydation direkt bewirkt, sondern dass dies durch Vermittelung der Schlacke, also nicht nur an der Ober- fläche, sondern durch die ganze Masse geschieht, wenn Eisen und Schlacken gehörig durcheinander gerührt werden. Während Calvert und Johnson das Roheisen in den verschiedenen Stadien des Puddel- prozesses analysiert hatten, untersuchte Lan in gleicher Weise die Schlacken. Denselben Weg schlug in Deutschland List in Hagen 1860 ein Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1860, S. 472. . Lists Analysen haben vor denen Lans den Vorzug, dass jener genau die Menge des Eisenoxyds neben dem Eisenoxydul be- stimmte. Daraus ergab sich, dass die basische Schlacke, welche vor dem Einsetzen des Roheisens in dem Puddelofen geschmolzen war, bei dem Schmelzen des Roheisens einen grossen Teil ihres Oxyd- gehaltes durch die reduzierende Wirkung des metallischen Eisens verliert, während dieser Oxydgehalt nach dem Eintritt des Kochens bis zum Herausnehmen der letzten Luppe fortwährend wieder zu- nimmt. Die Schlacke wird bei dem Einschmelzen des Roheisens nicht basischer, sondern saurer, weil das Silicium zuerst oxydiert wird und als Kieselsäure in die Schlacke eintritt. Schilling untersuchte 1863 die chemischen Vorgänge in einem Holzgaspuddelofen zu Zorge, wo Holzkohlenroheisen auf Stahl ver- puddelt wurde. Er analysierte sowohl das Roheisen als die Schlacke in bestimmten Zeitabschnitten. Die Analysen der Schlacken zeigten einen sehr gleichbleibenden Silizierungsgrad und ein durchschnittliches Sauerstoffverhältnis zwischen Basen und Säure, wie 18,212 : 11,687. Die Ergebnisse wichen in verschiedenen Punkten von den beim Puddeln des Eisens mit Steinkohlen erhaltenen Resultaten ab. Von grossem Interesse sind die Analysen, welche Drassdo um dieselbe Zeit auf der Königshütte in Oberschlesien von Eisen und Schlacken einer Puddelcharge von grauem Eisen, die mit Steinkohlen Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. auf Feinkorneisen verfrischt wurde, machte Siehe Ztschr. f. Berg-, Hütten- u. Sal.-W. im preuss. Staate 1863, XI, 178; Wedding , Eisenhüttenkunde, III, S. 240. . Er stellte es sich zur Aufgabe, möglichst alle Verhältnisse zu berücksichtigen und seine Untersuchung ebensowohl auf die Veränderungen des Eisens als der Schlacke zu erstrecken. Der ganze Vorgang verlief in 2 Stunden und 8 Minuten. In der Einschmelzperiode schieden sich Silicium, Mangan und Phosphor grossenteils ab, das Eisenoxyd wurde reduziert. Nach 1 Stunde und 3 Minuten war das Einschmelzen vollendet und begann die Verdickungsperiode. In dieser nahm der Eisenoxydgehalt der Schlacken etwas zu, der Kohlenstoffgehalt langsam ab; sie dauerte etwa 20 Minuten. Dann folgte die Koch- und Garperiode, während der die Schlacke basischer wurde und der Kohlenstoff abnahm. Das Kochen dauerte etwa 15 Minuten, das Garen und Luppenmachen 30 Minuten. Eine wichtige Frage, welche durch die vorstehenden Untersuchungen nicht genügend aufgeklärt wurde, war die der Abscheidung des Phosphors in den verschiedenen Stadien des Puddelprozesses. Im Allgemeinen wurde im Verlauf desselben ein beträchtlicher Teil des Phosphors abgeschieden und dies war besonders gegen das Ende der Fall. Es erregte dies jetzt die Aufmerksamkeit der Metal- lurgen um so mehr, weil im Gegensatz dazu bei dem Bessemerprozess gar keine Abnahme des Phosphors stattfand. Seither hatte man sich damit begnügt, anzunehmen, dass die Abscheidung des Phosphors bei dem Puddelprozess die Folge der Einwirkung des Sauerstoffs der Luft, der Oxydation sei. Da aber bei dem Bessemerprozess die Ein- wirkung der Luft ebenfalls und zwar noch viel energischer zur Wir- kung kam, ohne den Phosphor aus dem Eisen auszutreiben, so konnte diese Erklärung nicht mehr genügen. John Percy hat das Verdienst, die richtige Lösung der Frage gefunden zu haben Siehe Percy , Iron and Steel 1864, p. 663. . Er hatte zuerst schon im Jahre 1856, als Bessemer ihm seinen Prozess in Baxter- house zeigte, durch Analysen des Eisens und der Schlacke die wichtige Thatsache nachgewiesen, dass der Phosphor bei diesem pneumatischen Prozess nicht abgeschieden werde. Indem er darüber nachdachte und die Vorgänge beim Bessemern und beim Puddeln miteinander verglich, kam er zu der Ansicht, dass bei letzterem Phosphoreisen aus dem garenden weichen Eisen aussaigert, was bei dem Bessemern, wo alles Metall flüssig bleibt, nicht der Fall sein kann. Percy schreibt: „Im Puddelofen scheidet sich das Eisen, sobald es frischt oder gart (comes Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. to nature) in einem halbfesten oder etwas pastosen Zustand aus und ist nicht flüssig geschmolzen wie beim Bessemerprozess, indem die Tem- peratur in ersterem Falle auch viel niedriger ist als in letzterem, wo durch Verbrennen von Eisen eine ungeheuere Hitze entwickelt wird. Die Bildung und Haltbarkeit dieser wachsartigen Luppen im Puddelofen, die, nachdem sie zusammengestellt sind, beträchtlich aus dem Schlackenbad hervorragen, giebt Gelegenheit zum Ausschmelzen oder Ausschwitzen (Aussaigern) der flüssigeren Verbindungen, wie es das Phosphoreisen ist, und auf diese Weise findet nach meiner Meinung die Entfernung des Phosphors grossenteils statt.“ Diese einfache Erklärung hat viel zum Verständnis der verschiedenen Frischprozesse beigetragen. Wedding veranlasste 1865 besondere Versuche auf der Königs- hütte in Schlesien Siehe Preuss. Ztschr. XIV, S. 156; Wedding a. a. O., III, 244. , um festzustellen, wie die Abscheidung des Phos- phors in den verschiedenen Perioden des Puddelprozesses von statten gehe. Das Roheisen, wie es vom Hochofen kam, hatte 0,497 Proz. Phosphor; nach dreistündigem Feinen im Flammofen enthielt es 0,514 Proz., nach vierstündigem 0,570 Proz. Dasselbe Roheisen mit 0,497 Proz. Phosphor in den Feinkornpuddelofen eingesetzt, zeigte nach dem Einschmelzen 0,450 Proz., beim Beginn des Aufkochens 0,298 Proz., während die erzeugten Feinkornrohschienen 0,100 Proz. und daraus dargestellte Sehnenrohschienen nur 0,070 Proz. Phosphor enthielten. Es war also im Anfang eine sehr geringe Entphosphorung und erst am Ende des Prozesses eine starke Befreiung von Phosphor eingetreten. Aus diesen und anderen Versuchen geht hervor, dass eine hin- reichend vollständige Abscheidung des Phosphors nur bei der Er- zeugung von Schmiedeeisen, weniger bei Feinkorneisen und noch weniger bei Stahl stattfindet, was sich aus der Theorie des Aus- saigerns des Phosphoreisens leicht erklärt. 1865 machte Oscar Schrader Ztschr. d. Vereins deutsch. Ingen., IX, p. 446. in Düren chemische Unter- suchungen der Schlacken und des Eisens in den verschiedenen Stadien des Stahlpuddelns. Er wies dabei nach, dass der Kohlenstoff des Roheisens Eisen aus der Schlacke reduziert, wodurch ein günstigeres Ausbringen erzielt wird. Daraus erhellt, warum bei gleichem Mangan- und Kieselgehalt ein kohlenstoffreicheres Eisen mehr Gewicht liefert als kohlenstoffarmes. C. W. Siemens veröffentlichte 1868 Versuche, die beweisen sollen, dass die Oxydation beim Puddeln nur durch die Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Schlacken bewirkt wird. Wedding lässt dies aber für die Oxydation des Siliciums nicht gelten und weist darauf hin, dass die Oxydation der Schlacken doch wieder durch die Flamme erfolge und ein Zutritt von Sauerstoff aus dieser immer stattfinden müsse. Deshalb sind auch die Feuerung und die Luftzuführung für die Ausführung des Puddelprozesses am wichtigsten und auch in den sechziger Jahren waren die bemerkenswertesten Bestrebungen zur Verbesserung des Puddelns auf die Verbesserung der Heizung gerichtet. Für die Rostfeuerungen wurden viele Vorschläge gemacht. Zahl- reiche Roststabformen wurden patentiert, z. B. von Warren J. Hill, J. H. Johnson, James Robertson, Harrison und anderen. In Amerika wendete man gezogene, schmiedeeiserne Röhren vielfach für Roststäbe an. Bewegliche Roste, die den unteren Teil von geneigten Rosten bildeten, wurden Anfang der sechziger Jahre in Belgien eingeführt. Drehbare Roste wurden 1868 in Frankreich patentiert. Schon früher war in Deutschland der Schüttelrost von Hofmann aufgekommen. Eugen Langens Etagenrost wurde schon 1860 in westfälischen und rheinischen Hüttenwerken mit Erfolg verwendet. Bei Daelens Doppelrostfeuerung wurde das Brennmaterial auf dem ersten Rost vergast und verkokt, auf dem zweiten mit Unterwind verbrannt. Wintzer konstruierte eine ähnliche Feuerung mit drei hintereinander liegenden Rosten für verschiedene Kohlen. E. B. Wilsons Rost- feuerung, die auf der Miltonhütte bei Barnsley zuerst angewendet wurde, war eine Kombination von geneigtem und geradem Rost. Die Feuerung zu E. B. Wilsons Schweissofen Siehe Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingen. 1869, S. 207, Taf. VII, Fig. 1 bis 3. (Fig. 74) ist schon als ein Gasgenerator anzusehen, der allerdings unmittelbar mit dem Ver- brennungsraum verbunden ist. Die Thüre A war zugleich der Rost. Die Anwendung des Unterwindes, die zuerst zu Ebbw Vale in Südwales, dann in den fünfziger Jahren in Deutschland eingeführt worden war, fand grössere Verbreitung. Der Wind wurde durch Ventilatoren erzeugt. Ein Ventilator von 2,5 m Durchmesser und 600 Umdrehungen in der Minute bediente auf der Herminenhütte in Oberschlesien zehn Puddel- und fünf Schweissöfen. Der Aschenfall der Öfen war hierbei geschlossen. Versuche auf der Britonferryhütte bei Neath, den Unterwind bei offenem Aschenfall zuzuleiten, hatten wie leicht einzusehen, keinen Erfolg. Gab man das Brennmaterial in dickeren Lagen auf, so dass sich kohlenoxydreiche Verbrennungs- Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. produkte bildeten, und wendete man zu deren Verbrennung Oberwind an, so hatte man den Übergang zu den Gasgeneratoren. Nur Oberwind wendete man 1866 zu Ebenau in Österreich bei Torfpuddelöfen an. Immer grössere Wichtigkeit erlangte die Gasfeuerung . Als eine wichtige Verbesserung hierbei ist die von Lundin in Schweden bei seinem Holzgasofen angewendete Kondensation mit Wasserkühlung hervorzuheben. Ihr Zweck war, den reichlichen Wasserdampf in dem Fig. 74. Holzgas zu kondensiren und diesem dadurch eine höhere Heizkraft zu verleihen. Die Idee war nicht neu, indem Paduschka dieselbe bereits 1854 bei Glasschmelzöfen ausgeführt hatte, aber die Ausführung und die Anwendung beim Puddelofen waren neu. Lundins Brennmaterial waren nasse Sägespäne, die bei den schwedischen Hüttenwerken, die fast immer mit grossen Holzschneidereien verbunden waren, leicht und billig beschafft werden konnten. Fig. 75 (a. f. S.) stellt den Lundins chen Gasgenerator mit dem Kondensationsapparat dar. Der Verbrennungs- wind tritt von unten durch das Windrohr A in den Generator, die Kondensation erfolgt durch die Brausen d d und durch das Wasser, welches aus dem Rohr O über die kreuzweise gelegten Eisenstangen in der Kammer R tröpfelt. Durch die Abkühlung wird der grosse Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Gehalt an Wasserdampf in den Generatorgasen niedergeschlagen und dadurch der Effekt der Gase trotz der Abkühlung bedeutend erhöht. Von viel grösserer Wichtigkeit und allgemeinerer Anwendbarkeit war die Verwendung der Gasgeneratoren und Regeneratoren von Siemens bei den Puddelöfen, wodurch die Verwendung der Stein- kohlen für den Gasbetrieb eingeführt wurde. C. W. Siemens hat den Wert und die Bedeutung seiner Verbesserung hierfür zuerst in einem Fig. 75. Vortrage bei der Versammlung der British Association zu Norwich 1868 öffentlich dargelegt Er wurde gedruckt unter dem Titel: On Puddling Iron by C. W. Siemens . London 1868. . Er weist darin auf die Mängel des seit- herigen Verfahrens und der gebräuchlichen Öfen hin, insbesondere auf den grossen Verlust, der am Schlusse des Puddelprozesses durch den unvermeidlichen Überschuss von Sauerstoff bei scharfer Rostfeuerung und die Verbrennung des Eisens in den der Flamme ausgesetzten Luppen entsteht. Indem er von der Annahme ausgeht, dass die Oxydation des Siliciums und des Kohlenstoffs durch das Eisenoxyd in der Schlacke Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. allein bewirkt werde, berechnet er, dass, wenn bei dem Puddelprozess 2 Prozent Silicium und 3 Prozent Kohlenstoff und kein Eisen oxydiert würde, ein Mehrgewicht an Eisen von 11,1 Prozent durch Reduktion aus der Schlacke erzielt werden müsste, während in Wirklichkeit sich ein Mindergewicht von 12 Prozent ergiebt. Siemens hat durch seine Fig. 76. Fig. 77. Fig. 78. Gasheizung mit Regeneratoren (Fig. 76, 77, 78) nicht nur ein Mittel an die Hand gegeben, die Temperatur beim Puddelprozess sehr zu steigern und den Verlauf des Prozesses zu beschleunigen, sondern auch nach Belieben die Flamme oxydierend oder reduzierend zu machen. Durch Vorwärmen des Roheisens wird die Chargenzeit noch weiter Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. abgekürzt. Die hohe Temperatur am Ende des Prozesses soll ein vollkommneres Aussaigern von Phosphoreisen und Schwefeleisen, infolgedessen ein reineres Produkt bewirken. Siemens erzielte nach seinen Angaben bei seinem Verfahren aus Chargen von 424 Pfund Roheisen ein Ausbringen von 413 Pfund gepuddeltem Eisen, also nur 2,6 Proz. Abgang, während dasselbe Eisen in dem gewöhnlichen Puddelofen aus 484 Pfund Roheisen 426 Pfund weiches Eisen, also 12 Prozent Abbrand ergab. Im Juni 1868 erhielt Siemens , nach Einführung einer besseren Kühlung des Ofens, sogar einen Überschuss an Puddeleisen über den Einsatz, indem mehr Eisen aus der zugesetzten Garschlacke reduziert wurde, als durch die Flamme verbrannte. Fig. 79. Fig. 80. Der Gaspuddelofen (Fig. 79, 80) verarbeitete 18 Chargen in 24 Stunden, während der frühere Puddelofen nur 12 Chargen zuliess. Der Verbrauch an garen Zuschlägen (Fettlings) war anfangs bei dem Siemensofen grösser, wurde aber durch Wasserkühlung der Feuer- brücke und des Bodens auf die gleiche Höhe gebracht. Die Ersparung an Brennstoff schätzte Siemens auf 40 bis 50 Prozent, wobei ausser- dem geringeres Brennmaterial angewendet werden konnte. Siemens empfahl ferner die Benutzung mechanischer Puddler. Die erste Anwendung von Siemens ’ Puddelverfahren geschah auf den Werken der Bolton-Stahl- und Eisen-Gesellschaft in Lancashire. Diesem folgte in England die Monkbridge E. G. bei Leeds, während um dieselbe Zeit schon eine beträchtliche Zahl solcher Öfen auf dem Kontinent erbaut wurden, so in Österreich ein 1868 erbauter, mit Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Torfgasen betriebener Regenerativpuddelofen zu Buchscheiden und zwei von v. Panz 1869 errichtete Stahlpuddelöfen zu Sava. Auf der Weltausstellung in Paris 1867 war sehr guter Werkzeug- stahl von J. A. Gregorini von Lovere (Lombardei) ausgestellt, der im Puddelofen mit Siemens ’ Regenerator dargestellt war. Aus diesem Stahl wurden die Bohrer für den Mont-Cenis-Tunnel gemacht. Übrigens fielen die Resultate durchaus nicht überall so günstig aus, wie sie Siemens in seinem Vortrage geschildert hatte. Wie alle neuen Erfindungen, musste auch diese erst ihre Probe- und Lehr- zeit durchmachen. In Deutschland führten die Gebr. Servais zu Weilersbach bei Trier die ersten Siemens-Generatorpuddelöfen 1869 ein. In Frankreich waren es die Herren de Wendel , die namentlich auf ihren Eisen- werken zu Stiring in Lothringen die Siemens-Puddelöfen mit dem mechanischen Puddler von Dumény und Lemut verbanden. Ehe wir auf die letzterwähnte Verbesserung näher eingehen, müssen wir noch einiges über Brennmaterialien und Feuerung zusammenstellen. Auf der Maximilianshütte bei Bergen in Bayern betrieb man 1862 Puddel- und Schweissöfen mit direkter Torffeuerung. W. Parson verwendete 1861 Anthrazit als Brennmaterial, indem er über dem Rost Dampf von 7 Pfd. Überdruck und Gebläseluft von 2 Pfd. Überdruck pro Quadratzoll einleitete. Frederic Levick zu Coalbrookdale verwendete um dieselbe Zeit ausser dem gewöhnlichen Brennmaterial Wasserstoff und Kohlenoxyd- gas, aus Wasserdampf, der über glühende Kohlen strich, erzeugt. Zu diesem Zweck befand sich neben dem Puddelofen ein Gasgenerator. Das Gasgemenge liess er in der Nähe der Feuerbrücke einströmen. Zu Mandelholz auf dem Oberharz wurde 1864 mit Torfgas gepuddelt Siehe Lorenz , in Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 312. . Ende der sechziger Jahre tauchte die Halbgasfeuerung von Boetius auf. Sie sollte die kostspieligen Generatoren durch eine einfachere Anlage ersetzen, welche sich an jedem Puddelofen ohne grosse Kosten anbringen liess. Der geneigte Rost lag sehr tief, so dass über demselben ein schachtförmiger Raum sich befand, der als Gas- generator diente. Die Verbrennungsluft wurde in einem System von Kanälen, welche den Feuerschacht umgaben, erhitzt und trafen in Strahlen die Gase über der Feuerbrücke. Diese billige Gasfeuerung, Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. die aber lebhaft an die ersten Generatoröfen erinnert, fand grossen Beifall. Der Ersatz der beschwerlichen Rührarbeit mit der Hand beim Puddeln durch Maschinenkraft wurde in den sechziger Jahren viel- fach versucht, ohne zu einer befriedigenden Lösung der Aufgabe zu führen. Des früheren Versuches von Schafhäutl (1836) haben wir im IV. Band gedacht, ebenso der Rührer von Newton (1857) und Jeremiah Brown (1858). Fig. 81. 1862 führten Dumeny und Lemut ihren mechanischen Puddler zu Closmortier bei St. Dizier ein Vgl. Annales des Mines 1862, Nr. 6; Zeitschrift des Ver. deutsch. Ingen. VIII, S. 459; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1863, S. 178. . Der Hauptteil derselben war wie bei dem Apparat von Schafhäutl die Rührkrücke, welche durch ein Hebelwerk mittels Kurbelscheiben u. s. w. bewegt wurde. Das Ausheben der Krücke geschah durch eine Daumenscheibe. Die Thätig- Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. keit des Apparates beschränkte sich auf die Arbeit des Rührens. Es wurde empfohlen, grössere Puddelöfen mit mehreren Rührkrücken (Kratzen) anzuwenden. In England führte R. A. Brooman diesen Apparat, wofür er am 29. Januar 1862 ein Patent nahm, ein. Die mechanischen Puddler fanden besonders auf den lothrin- gischen Eisenwerken an der Mosel Eingang, wo sie sowohl mit gewöhn- lichen, als mit Regeneratorpuddelöfen verbunden wurden. Häufig wendete man sie zu zwei oder vier bei Doppelpuddelöfen an. Über die damit erzielten Resultate verweisen wir auf einen Bericht von Kosmann Siehe Preuss. Zeitschrift XVIII, S. 154. . Der Puddelapparat von Ponsard (1870) war nur eine Nach- ahmung des Richard- sons chen, der weiter unten beschrieben wird. Die hohe Krücke, durch welche Luft oder Gas geleitet wurde, war mit einem Wasser- rohr spiralförmig um- wunden. Es folgten sich in den sechziger Jahren eine ganze Reihe ähn- Fig. 82. licher Apparate, so von Bennett, Griffith, Harrison, Eastwood, Alleyne, Dormoy (1866), Whitham, Morgan u. a. Unter diesen nennen wir den von Eastwood seiner Einfachheit wegen Siehe Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. 1867, S. 108. . Der leicht- verständliche Mechanismus ist in Fig. 81 abgebildet. Er wurde in Nordengland und auf der Königshütte in Schlesien angewendet. Noch einfacher war Withams Puddelmaschine Siehe Preuss. Zeitschrift XVIII, Taf. I. für Doppelöfen (Fig. 82), wie sie auf der Perseverancehütte bei Leeds in Anwendung stand. Harrisons Maschine war direkt mit einer kleinen Dampfmaschine verbunden. 1866 gab Ulrich sein Urteil über die mechanischen Puddler dahin ab, dass sich dieselben durchaus nicht bewährt hätten. Sie Beck, Geschichte des Eisens. 8 Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. ergäben ungenügendes Durcharbeiten, Aufwachsen des Herdes, schlechtes Ausbringen und schlechtes Produkt. Gegenüber den mechanischen Puddlern traten die rotierenden Puddelöfen in dieser Periode noch in den Hintergrund. Doch wurde am 11. Dezember 1861 W. H. Tooth und W. Yates ein rotierender Puddelofen patentiert Siehe Revue universelle 1861, p. 239. . Einen Ofen mit drehbarem Boden (Tellerofen) liessen sich J. Williams und G. Bedson am 5. Januar 1864 patentieren. 1865 wurde in Dowlais bei Guest \& Comp. der rotierende Puddler von Warren und Walker eingeführt, der von Direktor Menelaus verbessert war (Fig. 83), indem es diesem gelungen war, aus dem Ganister, den die Stahlschmelzer gebrauchten, eine haltbare Masse für das Ofenfutter herzustellen. Guest sprach sich sehr günstig Fig. 83. über die Erfolge aus, namentlich dass die rotierenden Öfen keine gelernten Arbeiter erforderten und grössere Chargen (von 300 bis 350 kg) verarbeiteten Siehe Berggeist 1865, Nr. 94. . Bessemer liess sich 1865 einen schwingenden Gaspuddelofen patentieren Dinglers Journ. 182, S. 218. . Zu dem mechanischen Puddeln gehört in gewissem Sinne auch das Frischen durch Einblasen von Luft oder Dampf durch Röhren oder durch hohle Krücken in das flüssige Metall, obgleich dieses Verfahren meist gleichzeitig eine chemische Einwirkung bezweckte. Hierzu wäre zunächst das Bessemerverfahren zu rechnen; da dasselbe aber hauptsächlich für die Darstellung von Stahl benutzt wurde, wollen wir nicht hier, sondern bei der Stahlbereitung näher darauf eingehen. In Österreich liessen sich 1864 Weniger und Rossiwall ein Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Puddelverfahren patentieren Siehe Österreich. Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen 1864, S. 408; Berggeist, 15. Juli 1864. , bei welchem Wasserdampf durch ein Mundstück in das flüssige Eisen eingeleitet werden sollte. Der Sauer- stoff des Wassers sollte Silicium und Kohle oxydieren, der Wasserstoff Schwefel, Phosphor und Arsenik entfernen. Die Idee war keineswegs neu; zehn Jahre vorher hatte Nasmyth fast denselben Vorschlag gemacht. In Frankreich wendete Galy-Calazat ein ähnliches Ver- fahren zur Stahlfabrikation an. Das grösste Aufsehen erregte aber Ende der sechziger Jahre das Puddeln mit hohler Rührkrücke, welches Richardson in England wieder aufbrachte. Obgleich sein Patent vom 4. Dezember 1866 im Wesentlichen nur eine Wiederholung des Patentes von Nasmyth vom Jahre 1864 war, so wurde es doch als etwas Neues angestaunt und erregte viel grösseres Interesse als seiner Zeit die Erfindung von Nasmyth. Richardson soll überdies die Idee und die Anregung von Reuben Plant , mit dem er früher associiert gewesen war, erhalten haben. In dem Patent war vorgesehen, dass ausser Luft und Dampf auch Gase oder chemische Substanzen durch die hohlen Rührkrücken mit eingeblasen werden könnten. Richardsons Puddelprozess fand einen eifrigen Fürsprecher an St. Vincent Day , der viel dazu beigetragen hat, dass das Verfahren so grosse Beachtung fand. Es war 1867 auf dem Eisen- werk der Glasgow-Iron-Company eingeführt worden. Man leitete dort in das eingeschmolzene Eisen durch einen hohlen Rührer einen Luftstrom von 5 bis 6 Pfund Pressung pro Quadratzoll. Das Rühren geschah wie sonst. Die Verbindung des Rührers mit dem Windstock geschah ebenfalls wie bei Nasmyth durch einen beweg- lichen Schlauch. Den Wind liess man so lange einströmen, bis die Masse hoch aufkochte, alsdann rührte man mit gewöhnlichen Krücken weiter. Zur Reinigung wurde zuweilen auch Dampf eingeblasen. Durch das Einblasen von gepresster Luft wurde ein Drittel an Zeit gegen sonst erspart. In Glasgow verlief eine Charge, die früher 1 Stunde 30 Minuten bis 1 Stunde 45 Minuten gedauert hatte, in 1 Stunde 8 Minuten. Bei dem letzten Teil des Prozesses sollte der Phosphor grossenteils abgeschieden werden. Deshalb sollten nach diesem Ver- fahren alle phosphorhaltigen Eisensorten, die für den Bessemerprozess untauglich waren, mit Erfolg verarbeitet werden können. Nach den Analysen von Day war das erhaltene Eisen sehr rein, viel reiner wie Bessemereisen. Ausser auf dem oben genannten Werke wurde 8* Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Richardsons Prozess zu Parkhead und bei Palmer \& Comp . zu Jarrow eingeführt. Auf letzterem Werk verliess man die hohle Rührkrücke, führte Dampf durch ein feststehendes Rohr ein und rührte gleichzeitig mit der gewöhnlichen Krücke. Man versuchte abwechselnd Luft und Wasserdampf durch ein centrales Rohr von oben, welches durch die Gewölbe ging, einzublasen. Trotz St. Vincent Days Anpreisung des Verfahrens fand dasselbe keine Verbreitung und erregte nur vorübergehend das Interesse der Metallurgen. Ausser diesen wichtigeren Verbesserungsvorschlägen für den Puddel- prozess wurden noch viele andere veröffentlicht, die wir jetzt kurz in chronologischer Ordnung besprechen wollen. In Hörde schmolz man 1860 auf Rob. Daelens Anregung Siehe Berggeist 1861, Beilage zu Nr. 18. das Roheisen in einem Kupolofen ein und stach es in den Puddelofen ab. Man sparte dadurch angeblich 15,2 Prozent an Brennmaterial und Arbeitslöhnen, zugleich wurde das Roheisen durch das Umschmelzen so gereinigt, dass es ohne Zusatz von Holzkohleneisen verpuddelt werden konnte, was früher nicht möglich war. 2 Kupolöfen bedienten 12 Puddel- öfen. Bei diesem Verfahren verlief aber das Frischen im Flammofen beträchtlich langsamer. Das Bestreben, die unreinen Roheisensorten, welche für den Bessemerprozess unbrauchbar waren, im Puddelofen zu gutem Eisen zu verfrischen, führte George Parry in Südwales zu dem Verfahren Siehe London, Journ. of arts, Aug. 1862, p. 80. , wofür er am 18. November 1861 ein Patent nahm, dieses Roheisen erst zu puddeln, das gepuddelte unreine Luppeneisen mit reinen Koks- und Flussmitteln in einem Schachtofen (Kupolofen) wieder zu kohlen und einzuschmelzen und das so erhaltene gefeinte Eisen nochmals zu puddeln. Man erhielt dadurch ein reines Schmiedeeisen. Auch konnte man durch ein drittes Puddeln diese Reinigung noch weiter treiben. Von Wichtigkeit war die Herstellung oder Auskleidung des Puddelherdes mit eisenoxydreichen Stoffen, wozu man in England mit Vorliebe geröstete Puddelschlacke, die als bull’s head bezeichnet wurde, verwendete. Das Rösten geschah, wie z. B. 1860 auf der Tudhoe-Eisenhütte in der Grafschaft Durham, in besonderen Röst- stadeln, wobei höher silizierte Schlacke aussaigerte. Couilhac schlug 1861 vor, den Schmelzherd mit altem Eisen- werk auszukleiden und während des Puddelns reinigende Zuschläge von Eisenerz, Walzschlacke und Hammerschlag, Kochsalz, Kalk oder Thon, je nach der Art des Roheisens aufzugeben. Neu waren diese Mittel nicht. Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Mushet empfahl 1863, die Puddelherde mit Titaneisenerz (Ilmenit) auszusetzen. Gibbons hat sich für das Auskleiden des Herdes mit Kalkstein ausgesprochen, während Arkinstall dies ver- warf, weil dadurch brüchiges Eisen entstehe Percy , Iron and Steel, p. 669. . 1870 schlug Ponsard für phosphorhaltiges Roheisen eine Sohle von Magnesia oder Kalk vor. Zur Beschleunigung des Puddelprozesses setzte man in England häufig Hämatit von Cumberland zu. Cailletet fand 1862, dass, wenn man Roheisen ohne Schlacken- zuschläge puddelt, ein Teil des Eisens verbrennt und dass das hierbei entstandene Eisenoxyd erst die Entkohlung bewirke. Bleiglätte hatte Professor Rob. Richter als Entschweflungsmittel vorgeschlagen und sollen damit günstige Resultate auf der gräflich v. Donnersmarks chen Hütte zu Frantschach erzielt worden sein. C. Wagner in Mariazell empfahl (1865) dieses Verfahren beim Puddeln von weissem Eisen Siehe Österreich. Zeitschrift für Berg- u. Hüttenwesen vom 27. März 1865. . Dagegen hält Kerpely (1864) nichts von diesen und ähnlichen Vorschlägen. Cochrane setzte 1863 dem Roheisen beim Puddeln Kali- oder Natronaluminat zu. Crawshay wendete 1864 Zuschläge von Eisen- vitriol und Bleioxyd an, wodurch neben dem Kohlenstoff Schwefel und Phosphor oxydiert werden sollten Siehe Revue universelle, 9. ann. 2 livr., p. 342. . Caron wies in demselben Jahre auf die Nützlichkeit eines Mangangehaltes im Roheisen hin, der die Abscheidung des Schwefels und Phosphors beim Puddeln und die Überführung des Graphits in gebundenen Kohlenstoff befördert. List hob 1865 den Nutzen des Mangans zur Abscheidung des Siliciums hervor und sprach die Vermutung aus, dass beide Stoffe chemisch verbunden als Siliciummangan im Roheisen vorhanden seien. Lohage behauptete in demselben Jahr, dass ein mässiger Silicium- gehalt bis zu 2 Prozent für das Gelingen des Puddelprozesses not- wendig sei; ein Gehalt über 3 Prozent sei dagegen für die Qualität des Eisens von Nachteil. In Oberschlesien war um 1864 die Puddel- stahlbereitung wegen des hohen Siliciumgehaltes des Roheisens auf Schwierigkeiten gestossen. Wintzer zu Georgs-Marienhütte schlug 1866 das Chlorkalium als das in der Hitze am wenigsten flüchtige Chlorid zur Reinigung des Eisens von Schwefel und Phosphor, oder Chlorgas zu demselben Zwecke vor. Flussspat und Kryolith wurden als Entphosphorungsmittel von Ver- Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. schiedenen, so von Bowron und Lunge und namentlich von Henderson 1869 vorgeschlagen. Heatons Frischverfahren mit Natronsalpeter (1868) werden wir bei der Stahlbereitung kennen lernen. Es muss hier erwähnt werden, dass man bei dem Betriebe der Puddelöfen mit besserem Verständnis und grösserer Sorgfalt auf Er- zeugung bestimmter Qualitäten hinarbeitete als früher. Das Stahl- puddeln hatte in dieser Hinsicht eine günstige Einwirkung auf das Eisenpuddeln ausgeübt. Man hatte dadurch gelernt, nach Belieben härteres oder weicheres Eisen zu erzeugen, und unterschied scharf das Puddeln auf Sehne von dem Puddeln auf Korn Siehe Dr. A. Gurlt in Berggeist 1860, Nr. 64, 65 etc. . Etwa seit der Mitte der sechziger Jahre legte man grossen Wert auf heissen Gang beim Puddelprozess und suchte diesen zu befördern. Schneider \& Comp . zu Creuzot erreichten dies durch gepressten Wind, den sie unter den Rost einführten. Dem Nachteil der dabei entstehenden grossen Hitze für die Ofenwände wurde durch Wasser- kühlung des Herdbodens und Kühlung der Wände durch Druckluft entgegengearbeitet. Mit diesen Mitteln sollte man den Prozess leicht regulieren und nach Belieben Stahl oder Schmiedeeisen erzeugen können. — Auf anderen Hüttenwerken haben aber die Versuche mit gepresstem Wind keine günstigen Resultate ergeben. Bei heissem Ofengang war die „Kornfrischschlacke“, welche das Roheisen bei der Arbeit gab, eisenoxydulreich und basisch, bei kaltem Ofengang war sie sauer. Trocken nannte man die eisenoxyd- haltige Schlacke, die gewöhnlich teigig war. Nur der heisse Gang gab gut gereinigtes und gekohltes Eisen. Die chemische Zusammen- setzung der Kornfrischschlacke war deshalb wesentlich. Eisenoxyd kann durch Kohlenstoff und durch Eisen zu Oxydul reduziert werden, wodurch das Mittel zur Bildung der Kornfrischschlacke gegeben ist. Beim Stahlpuddeln bewährten sich zu Dowlais (1865) Graphit- herde. Ein eigentümliches Verfahren und einen eigenen Apparat zum Stahlpuddeln schlug M. Morgan 1865 vor Siehe Mechanic’s Magazine 1866, p. 150; Dinglers Journ. 179, S. 288. . „Das cylindrische Um- wandlungsgefäss“ ruhte auf Rädern und wurde während der Rühr- periode in wiegende Bewegung gesetzt. Beim Einsetzen gab man Spiegeleisen zu und blies Wasserdampf oder gepresste Luft in die Esse, um den Zug zu vermehren. Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Ein ganz mit Wasser gekühlter Puddelofen wurde von Ross 1868 vorgeschlagen Siehe Kerpely , Fortschritte etc. 1868, Tab. II, Fig. 30, 31. . Ringsumgehende Wasserkühlung hatte man in Rhein- land und Westfalen, wo man langsam- und gargehendes Roheisen ver- arbeitete. Dabei wendete man keine Vorwärmherde an, weil der Zug nicht genügend stark war. Im Saargebiet, wo man viel Minette ver- puddelte, waren nur die Feuerbrücken mit Luft und Wasserkühlung versehen. In Frankreich bediente man sich, namentlich da, wo man Minetteroheisen verarbeitete, nur der mit Luft gekühlten Puddel- öfen Vgl. Buch in Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen., 1868, S. 540. . Borsig in Moabit puddelte sehr grosse Luppen für schwere Kesselbleche ohne Schweissnaht in grossen Puddelöfen mit drei Arbeits- thüren. Griffith wendete ein eigentümliches Verfahren an, die Schlacken aus den Luppen zu pressen. Es geschah dies in einem Cylinder mit seitlichen Öffnungen, in den ein hydraulischer Kolben die heissen Luppen presste. Um Homogeneisen zu machen, wendete John Gjers in Middles- borough 1868 folgendes Verfahren an. Er puddelte wie gewöhnlich unter Zusatz von Schlacke und stach dann die noch flüssige Masse in einen Siemens-Flammofen ab, wo sie fertig entkohlt und dann als flüssiges Produkt abgelassen wurde. Die Dimensionen der Puddelöfen waren nach der Art des Brenn- materials und des Roheisens sehr verschieden. Wedding giebt in seinem Handbuch der Eisenhüttenkunde (III, 191) eine ausführliche Zusammenstellung von Beispielen. Wir wollen noch zum Schluss auf einen verbesserten Puddelofen hinweisen, wie er nach den Angaben von John, Hawson und Gjers 1868 auf dem Eisenwerk von Fox, Head \& Son bei Middlesborough zuerst erbaut wurde. Die Verbesserungen beruhten auf der Ausnutzung der Feuergase, die vollständig verbrannt wurden, auf der künstlichen Zuführung von erhitztem Wind, sowohl über dem Feuer im Gewölb- scheitel als unterhalb des Rostes. Infolge der günstigen Betriebs- ergebnisse dieser Öfen wurden sie Ende der sechziger Jahre auf ver- schiedenen grossen Eisenwerken in England eingeführt. Von grosser ökonomischer Bedeutung war die Verwendung der abgehenden Hitze der Puddel- und Schweissöfen für die Dampf- erzeugung. Folgende Erfahrungsgrundsätze waren hierfür massgebend. Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. Bei Annahme einer Dampfspannung von 3 bis 4 Atmosphären Über- druck wird durch die Überhitze eines einfachen Puddelofens Dampf Fig. 84. für 6 bis 10, im Durchschnitt für 8 Pferdekräfte erzeugt, durch die Überhitze eines Schweissofens 10 bis 14, im Durchschnitt 12 Pferde- kräfte. Während man bei gewöhn- lichen Kesseln 12 bis 14 Quadrat- fuss Heizfläche für eine Pferdekraft rechnete, ging man bei Überhitz- kesseln bis auf 16 Quadratfuss. Für jeden Quadratfuss Rostfläche rechnete man 14 Quadratfuss Heiz- fläche des Kessels; endlich für je eine Pferdekraft 1 Quadratfuss Rost- fläche. Kuppelwieser wies in einer ausführlichen Untersuchung that- sächlicher Verhältnisse nach Siehe Jahrbuch von Leoben etc. 1870, S. 289. , dass diese allgemeinen Sätze bedeutende Abänderungen erlitten, je nach den Umständen und der Konstruktion. Er wies namentlich auf die grösseren Vorteile der stehenden Kessel hin. Diese kamen denn auch immer mehr in Aufnahme. Fig. 84 und 85 geben ein Beispiel eines Puddel- ofens mit Vorwärmofen und stehen- dem Cylinderkessel für Braun- kohlenfeuerung und Treppenrost Die Schweisseisenbereitung 1861 bis 1870. zu Donawitz bei Leoben. Fig. 86 zeigt einen stehenden Kessel mit Heizröhren, der von zwei Flammöfen, rechts einem Schweiss-, links einem Puddelofen geheizt wurde, wie solche zu Blaina und Cwm-Celyn in Südwales ausgeführt waren. Zu Oberhausen hatte man je vier Öfen mit einem stehenden Kessel verbunden. Fig. 85. Bei den Schweissöfen bewährte sich der Betrieb mit Unterwind noch mehr als bei den Puddelöfen, was Leopold Hösch in einem Vortrage vom 24. Februar 1861 auseinandersetzte. Man hatte auf den Werken von Eberhard Hösch zu Eschweiler und Lendersdorf Fig. 86. 44 Schweissöfen für Schienenfabrikation mit einem Kanal verbunden, dem ein grosser Ventilator Wind zuführte. Die Produktion stieg um 20 bis 25 Prozent, der Kohlenverbrauch betrug nur 73 Prozent des früheren Quantums. Dabei brauchte man keine Stückkohlen mehr und die Schweissung war eine bessere. Auch in Frankreich bediente man sich mit grossem Erfolg des Unterwindes. Lundins obenerwähnte Gasfeuerung mit Kondensation diente für Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Gasschweissöfen zu Monkfors in Wermland Vergl. Jahrbuch von Leoben, Nr. XVI. 273. . Der Erfinder hatte dafür von der schwedischen Gewerbekammer eine Belohnung von 20000 Rthlr. erhalten. Chatelain hatte Doppelschweissöfen eingeführt, die auch die doppelte Produktion ergeben sollten Siehe Dinglers Journ. 181, S. 460. . Pütsch hat (1867) einen Holzgasschweissofen ohne künstlichen Wind konstruiert, der angeblich noch bessere Resultate gab als der Lundins che. Auch bei den Schweissöfen wendete man Ende der sechziger Jahre Siemens’ Regeneratorfeuerung bereits auf einzelnen Werken an. Mit einem solchen wurden bei de Wendel pro Tag 25000 kg fertige Schienen gemacht. Die Anlage war zwar teuer, aber der Abbrand betrug nur ein Drittel des früheren und die Kohlenersparnis war beträchtlich. Mushet schlug auch zur Auskleidung der Schweissofenherde Titaneisenerz vor. Die Stahl- und Flusseisenbereitung 1861 bis 1870. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Der Stahlbereitung war zu Beginn der sechziger Jahre die hoffnungsvolle Erwartung aller Metallurgen zugewendet. Bessemers glänzende Erfindung stellte die Herstellung eines billigen Stahls, der für die meisten Zwecke mit Vorteil das Schmiedeeisen ersetzen konnte, in sichere Aussicht. Freilich befand sich das neue Verfahren noch in seiner Kindheit und die Mehrzahl der praktischen Hüttenleute ver- hielten sich noch zweifelnd gegen die merkwürdige Neuerung. Aber die Erfolge Bessemers in England und Göranssons in Schweden, die Kundgebungen darüber, das überzeugte Eintreten erfahrener Eisen- hüttenleute wie Grills in Schweden und besonders Peter Tunners in Österreich, die günstigen Nachrichten auch von anderen Orten bekehrten eine immer grössere Zahl von Technikern zu dem Glauben an den neuen Prozess. Die angesehensten Metallurgen traten öffent- lich für Bessemers Verfahren auf. In England war dies besonders W. Fairbairn , der in seinem Werk über das Eisen, welches 1861 Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. erschien Iron: its history, properties and processes of manufacture by W. Fairbairn . , zum erstenmal in einem wissenschaftlichen Lehrbuche das Bessemern als einen gleichberechtigten Prozess neben dem Puddeln, der Cement- und Gussstahlfabrikation behandelte und auf seine Leistungen, seine Wichtigkeit und seine Bedeutung für die Zukunft hinwies. In Frankreich war es Gruner , der, obgleich früher aus theoretischen Gründen ein Gegner des Bessemerverfahrens, seitdem er dasselbe auf seiner Reise in England im Juni 1860 zu Weardale in Durham kennen gelernt und in praktischer Ausführung gesehen hatte, mit voller Überzeugung in einer ausführlichen Abhandlung 1861 für dasselbe eintrat Annales des Mines, 5. sér., t. 18, p. 553; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1861, Nr. 32 und 36; Dinglers Journ. 161, S. 46. . Neben Gruner war es A. la Salle , der schon 1860 eine aus- führliche Abhandlung über das Bessemerverfahren veröffentlichte Siehe Mémoires et Compte-rendu des travaux de la société des ingénieurs civils 1860, p. 401; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1862, Nr. 8 und 9. , in der er bereits bestimmt aussprach, als beste Methode werde es sich erweisen, das Roheisen in Konvertern vollständig zu entkohlen und dann die erforderliche Kohlenmenge in einem reinen Stoffe wieder zuzusetzen. In Deutschland veröffentlichte Professor Alexander Müller einen beachtenswerten Aufsatz im Journal für praktische Chemie (Bd. LXXXII, S. 496). Er trat darin entschieden für das englische Verfahren ein. Von noch grösserer Bedeutung war Tunners öffentlicher Bericht über den Bessemerprozess, welchen er bei der zweiten allgemeinen Versammlung der Berg- und Hüttenmänner im September 1861 in Wien erstattete, indem er mit Nachdruck darauf hinwies, wie wichtig die Einführung des Verfahrens für Österreich sei, und bei welcher Gelegenheit er auch den glücklichen Ausdruck „Bessemern“ als Zeitwort und Substantiv erfand und in Kurs setzte. Er wies darauf hin, dass 1. das Bessemern in England und in Schweden über das Versuchsstadium hinaus sei und dass dort und in Frankreich grosse Anlagen im Bau begriffen seien; 2. dass in England und in Schweden bereits Tausende von Centnern Bessemerstahl erzeugt und zu verschiedenen Zwecken verwendet würden; 3. dass Bessemerstahl aus gutem Roheisen dem Gussstahl und das entsprechende Bessemer- eisen dem Herdfrischeisen gleichkomme; 4. dass der Eisenabbrand bei der Erzeugung von Stahl nach diesem Verfahren 12 bis 15 Prozent, Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. von Stabeisen 18 bis 22 Prozent, also weniger als im Frisch- und Schweissherd betrage; 5. dass in 5 bis 10 Minuten 15 bis 20 Centner flüssiges Roheisen ohne irgend welches Brennmaterial als das zum Anwärmen des Ofens und der Gusspfannen erforderliche in Stahl ver- wandelt werde. Die Windpressung betrage ½ bis 1½ Atmosphären Überdruck, die Windmenge 800 bis 1200 Kubikfuss; bis jetzt sei nur kalter Wind mit Erfolg verwendet worden. Nicht minder grossen Eindruck machte es, dass bedeutende Eisen- industrielle wie namentlich John Brown in Sheffield und W. Jackson zu St. Seurin sur l’Isle schon 1860 grosse Anlagen für die Bessemer- stahlfabrikation errichteten. 1861 wurde sogar bereits in Ostindien von der Beypore-Eisen- Gesellschaft zu Madras nach dem schwedischen Verfahren Bessemer- stahl dargestellt und 1862 in der Weltausstellung zu London vor- geführt. Im Jahre 1861 begann auch Alfred Krupp in Essen, der sich mit Bessemer , dem unbegreiflicherweise ein Patent für Preussen Fig. 87. verweigert worden war, verständigt hatte, in aller Stille ein für damalige Verhältnisse grosses Bessemerwerk mit vier Konvertern zu 2½ Tonnen zu erbauen, in dem am 16. Mai 1862 die erste Charge erblasen wurde. D. Bädeker , Alfred Krupp, 1889, S. 56. Sowohl Bessemer als die schwedischen Ingenieure waren eifrig bemüht, ihre Methoden zu vervollkommnen. Ersterer hat in seinem wichtigen Patent vom 1. März 1860 den Konverter (die Birne) bereits in der Form beschrieben, wie er später allgemeine Ver- breitung fand und sich bis heute erhalten hat. Die Gefässe sind birnförmig mit schief- stehendem Mundstück (Fig. 87), von Eisen oder Stahlplatten, im Innern mit „Ganister“ ausgekleidet. Der Windkasten (twyer box) aus Eisen oder Stahl ist an dem Boden so befestigt, dass er abgenommen werden kann. Sieben besondere Formen (Ferne oder Feren), jede mit fünf Windöffnungen, sind im Boden des Gefässes eingelassen und mit Ganistermasse unter sich und mit den Wänden verbunden. Die Herstellung dieser Ferne wird eingehend beschrieben. Die Art der Aufhängung des Gefässes und der Windzuführung wird Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. bereits genau so dargestellt, wie es John Brown auf dem Atlaswerk in Sheffield ausführte und wie es in Fig. 88 abgebildet ist, wobei Fig. 88. die geniale Kippbewegung durch einen horizontalen, hydraulischen Presskolben ebenfalls bereits angeführt wird; desgleichen die Art der Windzuführung durch die hohle Achse, die mit einem beweglichen Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Rohrstück verbunden ist, wie es Fig. 89 rechts im Durchschnitt zeigt, wodurch die Birne ohne Unterbrechung des Windstromes gekippt werden kann. Das flüssige Roheisen, welches man nach Bessemers Angabe am besten in Flammöfen schmolz, wurde direkt in die geneigte Birne abgestochen. Dann liess man den Wind an und richtete das Gefäss auf. Indem nun die Luft durch das flüssige Eisen gepresst wurde, begann der Frischprozess. Funken und Flamme strömten in Fig. 89. eine Esse. Sobald der Prozess beendet war, wurde die Birne gekippt und zwar noch weiter als beim Einfüllen, so dass der flüssige Inhalt in die untergestellte Gusspfanne ausgegossen werden konnte. Die Pfanne ist an dem Ende eines Balanciers befestigt (Fig. 90), der durch einen hydraulischen Kolben schwebend getragen wird, und auf dessen anderes Ende ein Gegengewicht läuft. Dadurch kann die Gusspfanne gehoben und gesenkt und im Kreise herumgeschwenkt werden. Die Pfanne selbst kann entweder durch Hydraulik gekippt, oder durch eine Öffnung im Boden, die durch eine geführte Stange mit Thonpfropf am Ende verschlossen wird, entleert werden. Das flüssige Bessemermetall fliesst dann in die untergestellten Gussformen. Die Güsse (ingots) werden dadurch rein und frei von Schlacken. Noch gesünder werden sie, wenn man das flüssige Metall in eine Form giesst, die am Boden Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Öffnungen hat, durch welche sie in mehrere kleinere untergestellte Formen fliesst. Durch das verlangsamte Einfliessen in diese Formen werden die Blöcke dichter. In demselben Patent giebt Bessemer an, dass man den Fort- schritt der Entkohlung bestimmen könne durch die Menge des durch- geblasenen Windes. Er wendete deshalb einen Zählapparat an, der die Zahl der Entleerungen der beiden Gebläsecylinder angab, und dies sollte das Mittel an die Hand geben, den Prozess im richtigen Fig. 90. Augenblick zu unterbrechen. Dieser schöne Vorschlag hat sich in der Praxis leider nicht bewährt, aber er beweist, wie Bessemer unablässig darauf sann, sein Verfahren zu vervollkommnen. Die Anwendung der Hydraulik zur Bewegung des Konverters und der Gusspfanne war ein genialer Gedanke, wie denn überhaupt der ganze Apparat durch seine Zweckmässigkeit, Beweglichkeit und Solidität überrascht. Wir wissen aber aus dem früher Mitgeteilten, dass derselbe nicht als etwas Fertiges dem Geiste des Erfinders ent- sprang, sondern dass er das Produkt jahrelangen Nachdenkens und Experimentierens war. Anfangs kippte Bessemer seine Retorten durch ein Vorgelege mit der Hand, dann kam, wie es scheint zuerst in St. Seurin Siehe Armengaud , Public. industr., t. XIV, livr. 7, 8. , die Bewegung durch ein Dampfgetriebe auf. Die Be- wegung durch hydraulischen Druck kann also erst als drittes Stadium Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. in der Bewegung der Konverter bezeichnet werden. Die grosse momentane Arbeitsleistung der hydraulischen Motoren war ermöglicht durch die wichtige Erfindung des Akkumulators von William Armstrong im Jahre 1851, die aber erst in dieser Periode zu aus- gedehnterer Verwendung kam. Der einfache Apparat, dessen Wesen darin besteht, dass eine Drucksäule Wasser ein schweres Gewicht in Fig. 91. der Schwebe hält, bis im Moment der Wirkung das Gewicht das Wasser auspresst, ist in Fig. 91 abgebildet. Am 1. Februar 1861 bereits fasste Bessemer eine Reihe weiterer Verbesserungen in ein neues Patent zusammen. Die- selben beziehen sich auf ein vollkommeneres Verfahren, die Böden der Konverter mit den Winddüsen herzustellen und einzupassen, auf die Herstellung besonderer Ingots für Panzer- platten aus abwechselnden Lagen von Eisen und Stahl und auf die Herstellung blasen- freier Eingüsse durch Zusatz eines Gemisches von Silicium, Mangan und Eisen. Letzteres erhielt er durch Reduktion eines innigen Gemenges von Hämatit, Magneteisenstein oder manganhaltigem Eisenerz mit Manganoxyd und Anthrazit oder einer anderen reinen Kohlensubstanz und mit Feuerstein oder kieseligem Erz, in Retorten oder im Cementierofen. Die reduzierte metallische Masse wurde mit Teer oder einem anderen Kohlenwasserstoff gemischt und im Tiegel geschmolzen, oder die Reduktion bis zum Schmelzen fortgesetzt. 30 bis 50 Pfund der Legierung wurden zu einer Tonne geschmolzenem Stahl vor dem Ausgiessen eingetragen. Wollte man Schmiedeeisen oder sehr weichen Stahl darstellen, so entkohlte man zuvor das Gemisch durch Glühen mit Eisen- oder Zinkoxyd. Bei diesem Zusatz legte Bessemer mehr Wert auf den Gehalt an Silicium und Mangan als auf den Kohlenstoff. Namentlich schrieb er Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. ersterem die Wirkung zu, die Gasentwickelung und Blasenbildung der Güsse zu verhindern. Die Annahme eines hohen Siliciumgehaltes in der Mischung beruhte nicht auf chemischer Analyse und war irrig. Dennoch hat auch dieser Vorschlag wichtige Folgen für die weitere Entwickelung des Bessemerprozesses gehabt. Das folgende Patent Bessemers vom 8. Januar 1862 bezieht sich auf verschiedene Verbesserungen des Konverters, von denen diejenigen, die sich auf den Boden und die Einrichtung einzelner Windkästen, oder eines geteilten Windkastens, so dass jede schadhafte Form für sich ausgewechselt werden kann, und diejenigen, die sich auf die Disposition von zwei gegenüberstehenden Birnen, die von einer gemein- schaftlichen hydraulischen Kranenpfanne bedient werden, beziehen, die bemerkenswertesten sind. Eine der wichtigsten Erfahrungen, welche Bessemer und andere gemacht hatten, bestand darin, dass schwefel- und phosphorhaltige Roheisensorten für den Prozess nicht verwendbar waren, und dass der Erfolg in erster Linie von der Auswahl des Roheisens bedingt war. Am besten hatte sich schwedisches, aus reinem Magneteisenerz erblasenes, lichtgraues Roheisen erwiesen. Dieses verwendete Bessemer nach Weddings Reisebericht neben grauem Cumberland-Roheisen noch 1860 in Sheffield. Ferner erzielte man gute Resultate mit Holz- kohlenroheisen aus Indien und Neuschottland. Aber auch gewisse englische graue Roheisensorten, namentlich die aus dem Cumberland- Hämatit erblasenen, bewährten sich vortrefflich. Dies gab der Hoch- ofenindustrie in Cumberland und Lancashire einen neuen grossen Impuls. Auch Forrest of Dean- und Tawlow-Roheisen hatte sich brauchbar erwiesen, während das von Pontypool und Bleanavon unbefriedigende Resultate gab. Jackson hatte zu St. Seurin in Frankreich zuerst weisses, aus manganhaltigem, braunem Glaskopf von Vicdessos erblasenes Roheisen verwendet. Man arbeitete dort 1860 mit zwei Konvertern für 500 bis 1000 kg Einsatz. Sie hatten 0,60 bis 0,65 m Durchmesser und 1 bis 1,2 m Höhe im Lichten. Der Wind wurde mit 2½ Atmosphären Druck durch 25 Formen, in 25 Strahlen durch die 0,50 m hohe flüssige Eisenmasse gepresst. Über die Wärmeerzeugung beim Windfrischen stellte Gruner Berechnungen an Annales des mines 1861. 5. série, t. XVIII, p. 533. . Der damalige Einsatz in den Konverter von 500 bis 1000 kg war Beck, Geschichte des Eisens. 9 Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. nicht grösser als derjenige der schwedischen Bessemeröfen. Hiergegen waren Bessemers neue Konverter für 1500 kg-Chargen schon sehr grosse Apparate und John Browns Birnen für 2500 bis 3000 kg Einsatz erregten das grösste Aufsehen. Es bestätigte sich aber, was Bessemer schon früher angegeben hatte, dass der Prozess um so sicherer und vorteilhafter verlief, je grösser die Chargen waren. Auch brauchten die grossen Chargen nicht mehr Zeit zum Garen als die kleinen. Bessemer hielt im August 1861 im Institut der Maschinen- ingenieure einen wichtigen Vortrag über die Bereitung des Stahls und seine Verwendung zu konstruktiven Zwecken, worin er eine Beschreibung der Bessemeranlage und des Betriebes in den Atlaswerken von John Brown in Sheffield gab. Nach Bessemers Mitteilungen erforderte das Frischen einer Füllung 16 bis 25 Minuten. Der Abgang betrug bei Stahl 12 bis 15 Prozent, bei Schmiedeeisen 20 bis 22 Prozent. Die Güsse wurden unter einem Dampfhammer vorgeschmiedet und dann direkt ausgewalzt; das Paketieren und Schweissen fiel fort. Der Gussstahl von rohen Güssen zeigte eine Festigkeit von 50000 Pfd. auf den Quadratzoll, während gewalzte Stäbe 150000 Pfd. Belastung bis zum Bruch trugen. Die zu Woolwich angestellten Festigkeitsversuche ergaben ebenfalls günstige Ergebnisse. Der chemische Vorgang verlief nach Tunners und anderer Beobachtungen ganz ähnlich wie beim Puddeln: zuerst oxydierte Silicium und bildete mit verbranntem Eisen und aus den Wänden aufgelöstem Thon ein basisches Thonerdeeisensilikat. Mangan oxydiert ebenfalls rasch und beschleunigt die Abscheidung des Siliciums, mit dem es sich statt des Eisens verschlackt. Silicium- reiche Roheisensorten sind leichter zu verfrischen, wenn sie Mangan enthalten, doch ist dessen Anwesenheit kein unbedingtes Erfordernis. Ein Mangangehalt befördert auch die teilweise Abscheidung des Schwefels. Im allgemeinen werden aber Schwefel und Phosphor beim Bessemern so gut wie gar nicht abgeschieden. Der Kohlenstoff ver- brennt nicht unmittelbar durch die Luft, sondern wie beim Puddeln durch die Schlacke, wie Tunner 1860 nachwies. Während man zum Einschmelzen des Roheisens sich noch allge- mein der Flammöfen bediente, schlug Fairbairn 1861 bereits Kupol- öfen dafür vor. In Schweden hielt man an den feststehenden Bessemerschacht- öfen mit etwa 15 Centner Einsatz fest. Aus Grills Bericht vom Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Jahre 1861 erfahren wir, dass Versuche, reines Eisenoxyd und Braun- stein einzublasen oder vor dem Einfüllen aufzugeben, ebenso wenig wie das Einblasen von Wasserdampf günstige Erfolge gehabt hatten. Das- selbe war bei der Verwendung erhitzter Gebläseluft der Fall. Diese hatte eine Verlängerung der Frischzeit zur Folge gehabt, weil bei gleicher Arbeit der Gebläsemaschinen viel weniger von der durch die Erwär- mung expandierten Luft in den Ofen gelangte. Übrigens waren in Schweden die Gebläse auch immer noch zu schwach, obgleich man sie verstärkt und dadurch wenigstens erreicht hatte, dass das Produkt glatt und rein aus dem Ofen floss. Das Metall, welches in Schweden erzeugt wurde, war aber besser und gutem Stahl ähnlicher als das englische, welches Fairbairn mit Halbstahl (semi-steel), der 40 Prozent grössere Festigkeit als Schmiedeeisen habe, und Bessemer mit Homogeneisen bezeichnete, das er für die Verwendung im Maschinenbau statt Schweisseisen besonders empfahl. Aus dem oben erwähnten Bericht Tunners zu Wien im Jahre 1861 entnehmen wir noch, dass er das Roheisen der österreichischen Alpenländer für sehr geeignet für den Bessemerprozess erklärt, dass er grössere Öfen, die 30 bis 100 Centner auf einmal fassen, als in jeder Beziehung vorteilhafter empfiehlt. Die Hauptsache sei die Unter- brechung des Prozesses im richtigen Augenblick; dafür habe sich Bessemers Winduhr nicht bewährt, man sei vorläufig nur auf die Beobachtung der Flamme der ausströmenden Gase und Funken angewiesen. Tunner ist der Ansicht, dass erhitzter Wind vorteilhaft sein werde. Die vielen Ofenreparaturen, die früher das Verfahren ver- teuerten, hätten sich in England bereits sehr vermindert. Gegen- wärtig sei noch der Hauptfehler die grosse Menge Ausschuss, haupt- sächlich infolge blasiger Güsse, die 20 bis 30 Prozent betrüge. So standen die Dinge, als die Weltausstellung in London im Jahre 1862 eröffnet wurde. Bis dahin hatten nur wenige Hütten- leute Gelegenheit gehabt, den Bessemerprozess und seine Produkte aus eigener Anschauung kennen zu lernen und sich ein Urteil über seine Leistungen zu bilden. Hierzu bot die grosse Industrieausstellung in London die beste Gelegenheit. Die Ausstellungen von Bessemer in Sheffield selbst, von Bessemer und Langsdon in London und von John Brown in Sheffield waren geradezu überraschend. Tunner schreibt darüber in seinem Bericht Tunner , Bericht über die Londoner Industrieausstellung 1862 und das Bessemern in England. 1863. : „Durch die sehr schöne Aus- stellung der Produkte seines Prozesses hat Herr H. Bessemer gewiss 9* Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. viel dazu beigetragen, seiner Sache mehr Freunde zu gewinnen, denn es waren da fast alle vorzüglichen Artikel, welche bisher von Stahl und Eisen gearbeitet worden sind, von Saiten- und Klavierdraht, der Fischangel und der Schreibfeder, der feinen Nadel und der Uhr- macherfeile, von den feinsten Eisenblechen angefangen, durch Kürasse, Kesselbleche und Nieteisen, gezogene Röhren, gewöhnlichen Stangen- stahl, Klingen und grössere Feilen u. s. w. bis hindurch zu Rails, Tyres, Achsen, verschiedene schwere Maschinenteile und geschmiedete Kanonen zur Ansicht gebracht und durch viele, mannigfaltige Quali- tätsproben an Politur und Bruchflächen der rohen Gussblöcke wie der fertigen Artikel, durch alle möglichen Biegungs- und Lochproben, durch getriebene Arbeit u. s. w. illustriert.“ Zeigte Bessemers Ausstellung die mannigfaltige Verwendbarkeit, so führte John Browns Ausstellung in vortrefflicher Weise die wich- tigste Verwendung des Bessemermetalls als Massenstahl vor Augen. Sie begann mit einem rohen Gussblock von 4 Fuss Höhe und 15 Zoll im Quadrat, dem Produkt einer Charge. Dann war eine Schiene aus Bessemerstahl von 34 Fuss Länge vorhanden; die Enden waren gebogen und umgeschlagen, gelocht und kalt und warm um die Längsachse gedreht. Aus demselben Material waren ausserdem aus- gestellt: Lokomotivachsen, Siederöhren, Federn, Sägeblätter, Rad- bandagen und Kanonen. Von der Ostindischen Eisenkompagnie wurden gleichfalls Eingüsse von Bessemermetall und Railsproben vorgeführt, von denen Tunner mit Unrecht bezweifelte, dass sie in Indien her- gestellt seien. Nach englischen Nachrichten hatte die Gesellschaft bereits 1860 ein Bessemerwerk zu Porto Novo bei Beypur (Madras) erbaut. In der französischen Abteilung hatten James Jackson Son \& Co . zu St. Seurin-sur-l’Isle ihre Bessemererzeugnisse vorgeführt. Die schwedische Bessemerindustrie war ebenfalls sehr gut vertreten. F. Göransson zu Högbo bei Gefle, der die Bahn gebrochen und am meisten in dieser Sache gethan, hatte die vollständigste Ausstellung. Ausser ihm waren vertreten das Klostereisenwerk (Långshyttan) in Dalekarlien, Carlsdahleisenwerk in Nerike und Siljanforseisenwerk in Dalekarlien. Es hatten aber bereits noch fünf weitere Hütten in Schweden das Bessemern eingeführt. Die Eisenhüttenleute konnten sich bei der Londoner Ausstellung nicht nur von den Fortschritten und den Leistungen der Bessemer- werke überzeugen, sie fanden auch Gelegenheit, den Prozess selbst näher kennen zu lernen und zu studieren, indem sowohl Bessemer als Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. John Brown fremden Ingenieuren in entgegenkommendster Weise den Zutritt zu ihren Werken gestatteten. Dadurch gelangten erst genauere und zuverlässigere Nachrichten in die hüttenmännischen Kreise, aus denen wir das Wichtigste in Folgendem kurz zusammen- stellen. Bessemer schmolz das Roheisen in Flammöfen und goss es mit einer Gusspfanne in den Konverter. Der Einsatz betrug nur 20 bis 30 Centner. Der Wind gelangte durch 9 × 4 = 36 Düsen von ⅜ Zoll lichter Weite von unten in den Ofen; er hatte 15 Pfund Pressung pro Quadratzoll. Die Blasezeit betrug 23 Minuten. John Browns Konverter fassten dagegen Chargen von 60 Centner, hatten 7 × 7 = 49 Düsen von 2/8 Zoll Durchmesser bei einem Wind- druck von 17 bis 18 Pfund. Der Frischprozess verlief in 17 bis 18 Minuten, also trotz der grösseren Chargen in kürzerer Zeit. Dies lag zum Teil in der besseren Disposition der Anlage. Während bei Bessemer Schmelzofen und Konverter sich auf einer Sohle befanden, so dass das Roheisen mit der Gusspfanne zum Einfüllen gehoben werden musste, stand in dem Atlaswerk von Brown der Flammofen so hoch, dass das geschmolzene Eisen direkt in die Birne abgestochen werden konnte. Ersteres erforderte fünf Minuten, während letzteres in drei Minuten beendet war. Nach Bessemers Angaben mussten für jede Tonne Eisen 20 Kubikmeter Luft eingeleitet werden. Die Auskleidung des eisernen Konverters mit einem feuerfesten Futter war für die Praxis eine sehr wichtige Sache. Bessemer hatte den in der Nähe von Sheffield vorkommenden Sandstein, Ganister genannt, als das geeignetste Material erkannt, das gemahlen, gebrannt, zu Masse geformt mit Schablonen eingestampft wurde. Über die chemischen Vorgänge bei dem Bessemerprozess herrschten noch unklare und zum Teil widersprechende Ansichten. So war Bessemer noch der Meinung, dass der Zusatz von geschmolzenem Spiegeleisen nach der Entkohlung nur durch einen Siliciumgehalt vorteilhaft wirke, weil dieser die Blasenbildung verhindere. Tunner dagegen erklärte mit Recht den Spiegeleisenzusatz nur wegen des Kohlenstoffgehaltes für notwendig. Allerdings wies er auch auf die Wichtigkeit des Siliciumgehaltes des Roheisens für den Frischprozess hin, indem er die Analogie des Vorgangs mit dem Puddelprozess betonte. Deshalb sei für weiches Bessemereisen ein siliciumreiches Roheisen erforderlich, während für Bessemerstahl (bei der schwedischen Methode) ein siliciumärmeres Roheisen besser sei, weil sonst das Silicium im Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Moment der Unterbrechung bei teilweiser Entkohlung noch nicht ge- nügend abgeschieden sei, wodurch die Qualität des Stahls beeinträchtigt werde. Man glaubte damals noch irrigerweise, dass die Oxydation des Siliciums und des Kohlenstoffs gleichzeitig erfolge. Als einen bedeu- tenden Mangel des Verfahrens bezeichnete Tunner noch die Unsicher- heit in der Herstellung des Produktes, dessen Qualität man erst nach Beendigung des Prozesses beurteilen konnte. Es war nahezu un- möglich, eine bestimmte Sorte zu erzeugen. John Browns Atlaswerke waren damals die Musteranstalt und dies erstreckte sich auch auf die Verarbeitung der Blöcke, die meistens zu Schienen und schweren Kesselblechen verwendet wurden. Jeder Block (ingot) für eine Eisenbahnschiene erhielt zuerst zwei Glüh- hitzen, um erst flach, dann in Gesenken verschmiedet zu werden. In weiteren zwei Glühhitzen und in zwölf Kalibern erfolgte das Aus- walzen zum fertigen Rail. Man blies drei Chargen den Tag, am Morgen, am Mittag und am Abend je eine. Mehr konnte man nicht machen, weil die Flammöfen nicht mehr Roheisen schmelzen konnten. Nach dem Muster der Atlaswerke ( John Brown ) wurde auch die erste deutsche Bessemeranlage, die von Friedrich Krupp in Essen, 1861 erbaut. 1862 errichteten Jackson, Petin und Gaudet zu Assailly eine Bessemeranlage mit Birnen von 5 bis 6 Tonnen (100 bis 120 Centner) Einsatz Siehe Armengaud , Génie industr., t. XIV, livr. 7, 8. . Bessemer hatte damals schon bedeutende Einkünfte aus seiner Erfindung. Die schwedischen Gewerke zahlten ihm für jeden Centner Stahl 1 Franc. Die Londoner Ausstellung vom Jahre 1862 bewirkte den Sieg des Bessemerverfahrens in der öffentlichen Meinung. Dieser Erfolg machte sich rasch und an vielen Orten geltend. In England waren die Versuche mit Schienen aus Bessemerstahl, welche die London- und North-Westernbahn 1862 angestellt hatte, so gut ausgefallen, dass die Gesellschaft von Bessemer das Recht der Ausnutzung des Patentes erwarb und 1863 in Crewe eine eigene Bessemeranlage errichtete. Die Versuche, die 1862 auf dem Londoner Bahnhofe angestellt worden waren, hatten eine fünffache Dauer der Bessemerschienen gegen Eisenschienen ergeben. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. 1863 wurden Bessemerschienen bereits vielfach verwendet, wodurch das Bessemern einen grossen Aufschwung nahm. In diesem Jahr wurde der Prozess auf den Cyclopswerken in Sheffield eingeführt. In Frankreich wurden 1863 Bessemeranlagen zu Creuzot und Rive-de-Gier errichtet. In Österreich hatte Tunners Aufforderung im Jahre 1861 keinen unmittelbaren Erfolg gehabt, obgleich der Verein der österreichischen Eisenindustriellen sich dafür bemühte. Nach der Londoner Aus- stellung brachten aber Tunners fortgesetzte Anregungen es dahin, dass Fürst Schwarzenberg sich bereit erklärte, den Prozess auf einem seiner Werke ausführen zu lassen, und Turrach in Steiermark dafür bestimmte. Direktor Korzinek in Murau leitete nach Tunners Angaben die Ausführung. Man entschloss sich zu dem englischen Verfahren und stellte eine bewegliche Birne auf, die für Chargen von 25 Centner bestimmt war. Zur Winderzeugung diente ein Schieber- gebläse von Scholz in Wien, das Wind von 11 bis 12 Pfund Pressung lieferte. Am 23. November 1863 wurden die beiden ersten Probechargen unter Tunners Leitung erblasen. Die Blasezeit betrug 12 bis 18 Minuten. Man erhielt einen reinen, ziemlich harten Stahl, den ersten Bessemerstahl Österreichs. In Preussen trat Dr. H. Wedding ähnlich wie Tunner in Öster- reich für die Einführung des Bessemerverfahrens ein, dessen Lebens- fähigkeit für Rheinland und Westfalen und zwar besonders für Roh- eisen aus Erzen von Siegen, Nassau und dem Soonwald er rechnungs- mässig nachwies Siehe Preuss. Zeitschrift etc. IX, S. 232. . Er empfahl das englische Verfahren mit Konvertern für 30 Centner. Als Ersatz für Ganister schlug er den sehr feuerfesten Sandstein von Marienberghausen vor. Nach seinen Angaben kostete die Anlage mit zwei englischen Konvertern 36730 Thlr., während eine entsprechende Anlage nach schwedischem System sich auf 20600 Thlr. berechnete. Die Anlage der Atlaswerke in Sheffield hatte 42000 Thlr. gekostet. — Wedding glaubte, dass man nur graues Roheisen im Konverter mit Vorteil verwenden könne, und dass Kupolöfen zum Um- schmelzen sich nicht eigneten, weil das Roheisen in denselben nicht gereinigt, sondern eher verunreinigt würde. Die Hermannshütte zu Hörde war ausser Krupp die erste Hütte in Westfalen, welche ein Bessemerwerk anlegte, und dies geschah im Jahre 1863 nach Dr. H. Weddings Vorschlägen. John Browns Anlage in Sheffield diente als Vorbild. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Nach Weddings Mitteilungen a. a. O. war der Bessemerprozess 1863 in folgenden Werken in Betrieb oder in Einführung begriffen. In England in Bessemers Stahlwerk, in den Atlaswerken ( John Brown ) und in den Cyclops-Werken (C. Cammel ) in Sheffield, ferner in den Weardale-Werken in Durham. In Schweden zu Edsken in Gestrickland, zu Kloster (Långs- hyttan), zu Siljanfors in Dalekarlien, zu Carlsdahlwerke in Nerike, ferner geplant zu Säfvenäs, Westanforss, Svabenswerk, Schisshyttan und Gebansvind. In Frankreich bei James Jackson Son \& Co . zu Seurin sur l’Isle und zu Assailly, in Ausführung bei Schneider \& Co. zu Creuzot, bei Petin, Gaudet \& Co . zu Rive de Gier, ausserdem geplant zu Münsterhausel an der Mosel und zu Imphy. In Deutschland in Ausübung bei Friedrich Krupp in Essen, im Bau in Hörde, geplant von Jacoby, Haniel \& Huyssen in Oberhausen. In Österreich in Ausführung in Turrach. In Italien projektiert für Toskana. In Ostindien im Betrieb zu Porto Novo bei Beypur (Madras). Im Jahre 1864 wurden in England die grossen Anlagen in Dowlais und Barrow erbaut. Im Herbst 1864 waren bereits elf Werke mit 36 Frischbirnen in England im Betriebe E. André , Das Bessemern in England und Schottland. Preuss. Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen 1865, S. 193. : H. Bessemer in Sheffield (2 Birnen), John Brown , Atlas-Works (3 Birnen), Lloyd \& Forster in Wednesbury bei Birmingham (3 Birnen), London \& North-Western Railway-Company in Crewe bei Manchester (2 Birnen), Bolton bei Manchester auf den Werken der Lancashire-Comp. (2 Birnen), Atlas- Works von Bowan \& Co . in Glasgow (2 Birnen), Tudhoe bei Durham auf dem Werke der Weardale Comp. (2 Birnen), Gorton bei Man- chester (2 Birnen), zu Dowlais (2 Birnen im Betrieb und 2 im Bau), Victoriawerke bei Ebbw-Vale (2 Birnen im Betrieb und 2 im Bau), zu Barrow (mit 10 zum Teil im Betrieb stehenden Konvertern). Die neuen Birnen waren alle für 5 Tonnen Einsatz konstruiert, John Brown war im Begriff, 2 für 10 Tonnen aufzustellen. In Schweden und in Frankreich wurden Bessemeröfen auf den obengenannten Werken betrieben, ausserdem noch in Frankreich zu Niederbronn von Gebr. v. Dietrich . Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. In Belgien war das Verfahren mit gutem Erfolg zu Seraing ein- geführt worden. In Deutschland waren neue Anlagen entstanden zu Bochum in Westfalen und zu Gemünd an der Eifel (zwei Konverter); in Vor- bereitung waren solche in Oberhausen, Oberbilk bei Düsseldorf und zu Königshütte in Oberschlesien. In Österreich wurde in diesem Jahre die zweite Bessemeranlage erbaut und zwar in der Heft in Kärnten von der Kompagnie Rauscher . Diese Anlage bietet dadurch ein besonderes Interesse dar, als man gleichzeitig einen stehenden, schwedischen Ofen und eine bewegliche englische Birne aufstellte. Da die Eisenindustrie der österreichischen Alpenländer mit der schwedischen vieles Verwandte hatte, besonders da beide auf dem Holzkohlenbetrieb begründet waren, so herrschte ein günstiges Vorurteil für das schwedische Verfahren. Der schwedische Ofen wurde dann auch zuerst fertiggestellt und in demselben am 4. Juni 1864 unter Tunners Leitung die erste Charge geblasen. Es wurden 25 Centner graues Roheisen direkt vom Hochofen genommen und vom Moment des Eingiessens bis zum Abstich in 18 Minuten zu einem sehr guten und flüssigen Stahl verblasen. Als Gebläse diente ein Schiebergebläse von Leyser \& Stiehler in Wien, deren Kon- struktion sich bereits in Sheffield bei John Brown bewährt hatte. Die Fabrikanten hatten 4000 Kubikfuss Wind pro Minute von 18 Psund Pressung pro Quadratzoll garantiert. Die angewendete Pressung blieb in der Heft meist unter 10½ Pfund auf den Quadratzoll. Die mit dem Produkt sogleich vorgenommenen Schmiede- und Schweissproben entsprachen vollkommen. Direktor Frey von Prävali machte auf diesem Werk eingehende Proben mit diesem ersten, nach schwedischer Methode in Österreich erblasenen Bessemerstahl und sprach sich sehr günstig über denselben aus. „Alle Sorten des Bessemerstahls“, sagte er, „die harten wie die weichen, besitzen bei gleichem Härtegrad nicht die Sprödigkeit von Stahl von anderer Erzeugungsart und sind dabei ebenso bieg- und dehnbar wie Eisen; sie besitzen also die Eigen- schaften des Stahls, ohne die des Eisens zu entbehren. Das specifische Gewicht ist sehr gross, was auf grosse Reinheit hinweist; die Zer- reissungsproben ergaben sehr günstige Resultate.“ Der Bessemerstahl zeigte fast die doppelte Zerreissungsfähigkeit wie bestes Schmiede- eisen. Der Preis stellte sich 60 Prozent unter dem von gewöhn- lichem Gussstahl. Da die Hütte in der Heft kein Walzwerk besass, so übernahm das Eisenwerk Storé die rohen Gussblöcke, die es unter Hämmern und Walzen zu fertigem Eisen, wie Blech, Stäbe, Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Winkeleisen, Nieten, Bandeisen, Draht u. s. w., von vorzüglicher Qualität verarbeitete Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1865, S. 4. . Bald nach dem schwedischen Ofen kam auch der englische Konverter in Betrieb, der ebenfalls ein sehr gutes Produkt lieferte. In Hörde wurden 1864 täglich drei Chargen von 70 bis 80 Centner in 25 bis 30 Minuten verblasen, welche an 200 Centner Stahl ergaben. Für 10 Centner Bessemerstahlschienen wurden damals 70 Thlr. bezahlt, während Puddelstahlschienen 52 Thlr. und Eisenschienen nur 33 Thlr. kosteten. Der höhere Preis der Bessemerschienen wurde aber durch ihr geringes Gewicht und ihre längere Dauer reichlich ausgeglichen. In Russland war der Bessemerprozess 1864 auf Befehl des Generals A. v. Jossa , Chefs des uralischen Berg- und Hüttenwesens auf dem Kronshüttenwerk Wottinsk an der Kama, im Gouvernement Wiâtka, eingeführt worden. Nachdem man erst mit einem kleinen Ofen von einer Tonne Einsatz angefangen hatte, baute man 1864 einen grösseren für Chargen von 3 Tonnen. Das vorzügliche graue Roh- eisen aus reinen Magneteisensteinen mit Holzkohlen erblasen, ergab einen vortrefflichen Stahl, der sich namentlich für Geschütze sehr bewährte. Die günstigen Erfolge zu Turrach und in der Heft veranlassten 1864 den Kaiser von Österreich, in Übereinstimmung mit der Reichs- vertretung die Mittel zu bewilligen, um auf dem Staatseisenwerk zu Neuberg in Steiermark ein grösseres Bessemerwerk, besonders für Eisenbahnbedarf zu erbauen. Die Ausführung erfolgte noch in der zweiten Hälfte des Jahres, so dass schon Anfang Februar 1865 die Bessemerversuche in Neuberg begonnen werden konnten. Gleichzeitig hatte die k. k. Südbahngesellschaft auf Anregung ihres rührigen Walzwerkdirektors J. Hall und nach dem Vorbilde der englischen Nord-Westbahn-Gesellschaft beschlossen, für ihren eigenen Bedarf, namentlich an Schienen, ein Bessemerwerk in Anschluss an ihr Walzwerk in Graz zu erbauen. Dieses neue Werk kam schon Mitte Dezember in Betrieb. Ehe wir die weiteren bedeutenden Fortschritte der Bessemer- fabrikation in dem Jahre 1865 betrachten, müssen wir einen Rückblick werten auf die technischen Fortschritte und das wissenschaftliche Verständnis in den letzten Jahren. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Den äusseren Verlauf des Bessemerfrischens hatten sowohl der Erfinder in seinen Vorträgen Vergl. Percy , Iron and Steel, p. 817. , als auch andere Schriftsteller ge- schildert. Mit besonderer Klarheit geschah dies von H. Wedding in seiner Abhandlung von 1863 Die Resultate des Bessemerprozesses für die Darstellung von Stahl und Aussichten desselben für die rheinische und westfälische Eisen- und Stahlindustrie in Preuss. Zeitschr. f. Berg-, Hutten- u. Salinenwesen, Bd. XI, 1863, S. 256. . Er bemerkt darin, dass man bei dem schwedischen Verfahren zwei, bei dem englischen drei Perioden unter- scheide. Die erste, die Fein- oder schlackenbildende, Periode dauere in der Regel 4 bis 6 Minuten. Es oxydiert dabei hauptsächlich Eisen(Mangan) und Silicium, wodurch nach Gruners Berechnung eine so starke Erwärmung der Masse stattfindet, dass selbst Stabeisen flüssig bleibt. Ein Siliciumgehalt von 1 bis 2 Prozent ist deshalb sowohl zur Wärme- als zur Schlackenbildung vorteilhaft. Graphit geht in chemisch gebundenen Kohlenstoff über. Hierauf folgt die zweite, die Koch-Stahlbildungs- oder Eruptionsperiode . Bei dieser findet hauptsächlich die Oxydation des Kohlenstoffs statt, wobei durch die Bildung des Kohlenoxydgases, welches entweicht, Wärme gebunden wird. Sie dauert meist 6 bis 8 Minuten. Sodann beginnt die dritte, die Frischperiode , in welcher der Rest des Kohlenstoffs oxydiert und der Stahl in übergares (ver- branntes) grobkrystallinisches Eisen übergeführt wird. Durch Zufügen von geschmolzenem reinen Spiegeleisen wird dieses wieder gekohlt und ein weicheres oder härteres Produkt (Stahl) erzeugt. Bei dem schwedischen Verfahren unterbrach man den Prozess 1 bis 2 Minuten nach der Beendigung des Kochens, ehe der Kohlen- stoff völlig verbrannt war. Ein Nachsatz von Spiegeleisen fand deshalb hier nicht statt; das abgestochene Produkt enthielt noch mehr oder weniger Kohlenstoff, je nachdem man härteren oder weicheren Stahl erzeugen wollte. Die drei Perioden des Bessemerprozesses sind charakterisiert durch die Flammenerscheinungen. In der ersten Periode ist diese dem Halse der Birne entströmende Flamme schwach leuchtend, rötlichbraun bis gelblich, dabei werden ziemlich viele rauschende und strahlende Funken von verbrennendem Eisen ausgeworfen. In der zweiten Periode findet unter heftigem Aufkochen eine starke Kohlenoxydgasentwickelung statt bei starker, hellleuchtender Flamme unterbrochen durch Explosionen, Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. durch welche flüssige Massen, hauptsächlich Schlacke, aus dem Hals der Birne geschleudert werden, während der Funkenregen von ver- brennendem Eisen nachlässt. Die Flamme nimmt dabei eine blaue Färbung an. In der dritten Periode lässt das Leuchten der Flamme nach, sie wird durchsichtig, blauviolett, von grünen und blauen Streifen unter- brochen; der Eisenfunkenregen nimmt wieder zu. Diese Flammenerscheinungen treten im allgemeinen beim Bessemer- prozess in gleicher Weise auf, im einzelnen ist die Färbung der Flamme nach der Natur und chemischen Zusammensetzung des Roheisens aller- dings oft recht abweichend. Die Beobachtung der Flamme ist aber trotz- dem das wichtigste Mittel zur Beurteilung des Verlaufs des Prozesses, insbesondere der Abscheidung des Kohlenstoffs. — Schöpfproben kann man kaum benutzen, denn um sie zu nehmen, muss man die Birne umkippen und den Wind abstellen, also den Prozess unterbrechen, und wenn man sie hat, dauert es zu lange, um aus ihrer Unter- suchung einen Schluss auf den gegenwärtigen Prozess zu ziehen, da dieser viel zu rasch beendet ist. Hierzu sind Spiessproben, die Tunner 1863 vorschlug, schon besser geeignet, aber auch sie fanden wegen der Schwierigkeit des Probenehmens damals noch keine An- wendung. Dagegen fand man in der neuentdeckten Spektral- analyse ein wichtiges Mittel, die Verbrennung und das Verschwinden des Kohlenstoffs in der Bessemerflamme genauer beobachten zu können. 1860 hatten Kirchhoff und Bunsen die Übereinstimmung von Fraunhofers chen Linien im Sonnenspektrum mit den Linien im Spektrum einiger chemischer Elemente nachgewiesen. Dies führte sie zur Ermittelung der Spektren aller wichtigen Elemente im gasförmigen Zustand und daraus entsprang die Entdeckung der Spektralanalyse, eine der geistreichsten und wichtigsten Erfindungen dieses Jahr- hunderts. 1862 schlug William Bagge in Sheffield die Spektrolyse als Mittel zur Betrachtung der Vorgänge in der Bessemerflamme vor und Professor Roscoe , ein Schüler und Freund Bunsens , unternahm es noch in demselben Jahre, Versuche auf dem Atlaswerk von Brown anzustellen. Im Jahre 1863 konnte er schon in der philosophischen Gesell- schaft in Manchester mitteilen, dass das Spektrum der Bessemerflamme hinreichend charakteristisch sei, um durch dasselbe den Prozess zu beobachten, und 1864 verkündete er in der Royal Institution in Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. London, dass die Anwendung des Spektroskops zur Bestimmung des richtigen Punktes der Entkohlung bei John Brown in Sheffield praktisch eingeführt sei Vergl. Roscoe , Spektralanalytische Untersuchung der Bessemerflamme. Philos. Magaz. 1864, Vol. 28, Nr. 168, S. 318. . Weniger sorgfältig waren bis zum Jahre 1865 noch die chemischen Vorgänge in den verschiedenen Perioden des Bessemerprozesses er- forscht worden. Ullgren in Schweden hatte Analysen der Hochofenbeschickung für Bessemereisen in Edsken und des daraus erblasenen Roheisens gemacht, die Grill in seinem Berichte von 1861 veröffentlichte. Ebenso hatte Boman Analysen schwedischer Bessemerroheisensorten mitgeteilt Siehe Kerl a. a. O. III, 655. . Abel in Woolwich analysierte das ganz entkohlte Produkt, über dessen chemische Reinheit er erstaunt war. Percy veröffentlichte Analysen von Tookey von Roheisen und dem daraus erhaltenen Bessemereisen, aus denen hervorging, dass Schwefel und Phosphor nicht abgeschieden wurden Siehe Percy , Iron and Steel, p. 819. . An einer analytischen Untersuchung der Vorgänge während des Prozesses fehlte es noch gänzlich. Über das erhaltene Produkt waren die Ansichten verschieden, während man das gute Material in Schweden anstandslos als Stahl bezeichnete und als solchen behandelte, erkannte man es in England nicht als solchen an, man erklärte es vielmehr für ein kohlenstoff- reiches, sehr hartes Schmiedeeisen von gleichmässiger Struktur, aber geringer Elastizität, welches kaum eine brauchbare Härte annähme. John Brown und selbst Bessemer teilten diese Ansicht, letzterer nannte es daher Homogeneisen. Dagegen hatte das zu Turrach und in der Heft erzeugte Material ebenfalls wirklichen Stahlcharakter. Der grösste Mangel des Bessemerprozesses bestand entschieden darin, dass man aus schwefel- und phosphorhaltigem Roheisen kein brauchbares Produkt erhielt. Da aber die meisten Roheisensorten, in England wie auch in Frankreich, Deutschland und Belgien, Schwefel und Phosphor enthielten, so war der Prozess auf den grössten Teil des Roheisens nicht anwendbar. Percy , der aus diesem Grunde selbst im Jahre 1864 noch keine grosse Hoffnung auf die Zukunft des Bessemerprozesses setzte, sagte in seiner Metallurgie des Eisens: „Damit das Bessemerverfahren für unser Land allgemein brauchbar werde, muss erst eine Methode erfunden werden, Roheisen frei von Schwefel und Phosphor aus unseren Erzen und den gebräuchlichen Brenn- Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. stoffen herzustellen. Es mag das ein schwieriges Problem sein, aber es ist kein hoffnungsloses.“ Der Weg, ein solches schwefel- und phosphorfreies Roheisen schon im Hochofen zu erzeugen, wurde aber nur insofern mit Erfolg betreten, als man reine Erze zu verschmelzen suchte und solche auf dem Seeweg von Schweden, Spanien, Nordafrika, Nordamerika u. s. w. bezog. Die meisten Anstrengungen blieben aber darauf gerichtet, den Schwefel und Phosphor im Roheisen bei dem Frischprozess zu ent- fernen. Bessemers mannigfache Bemühungen in dieser Richtung Fig. 92. hatten zu keinem Erfolg geführt, demungeachtet setzte er sie fort. Robert Mushet glaubte seit 1859 in dem Titan ein Heilmittel für alle Schäden, auch die des Bessemer- eisens, gefunden zu haben, ohne sich um dessen chemische Wirkung weiter zu kümmern. Ein grosser Teil der vielen Patente für die Verwendung von Titan zur Stahl- bereitung, die er in den folgenden Jahren nahm, beziehen sich auch auf den Bessemerstahl Er bezeichnete diesen als the malleable iron, semi-steel, or cast steel, produced by passing air through molten cast iron, so as to wholly or partially decarburize it. Pat. Nr. 3070. 13. Dezember 1860. . Einen anderen Weg schlug George Parry zu Ebbw-Vale ein. Er schmolz das aus phosphorhaltigen Erzen gepuddelte und von Phosphor Fig. 93. ziemlich gereinigte Schmiedeeisen in einem Kupolofen mit horizontalen und geneigten Düsen (Umwandlungsofen), Fig. 92, bei hoher Tempe- ratur um und stach das so erzeugte Roheisen in einen mit Gasgenerator verbundenen Konverter, Fig. 93, ab, wo es zu Stahl verblasen wurde. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Für dieses Verfahren, welches in Südwales zur Ausführung kam, erhielt Parry am 18. November 1861 ein Patent (E. P. Nr. 2900). J. M. Rowan erhielt am 13. Januar 1862 ein Patent auf ein Ver- fahren, die Unreinigkeiten im Roheisen, Schwefel, Phosphor und Kiesel („silica“), durch Einblasen von Chlor oder Fluorwasserstoffsäure mit dem Wind in die Bessemerbirne zu entfernen. Von einem praktischen Erfolg dieses Verfahrens ist nichts bekannt geworden. Dasselbe gilt von dem nachfolgenden Vorschlag. F. Yates nahm für Gurlt („A communication from Adolph Gurlt “) am 17. Dezember 1864 ein Patent auf die Entschweflung durch Einrühren von Blei oder Bleioxyd in das flüssige Roheisen und auf Entphosphorung durch Schmelzen der phosphorhaltigen Erze mit einem Überschuss von Kieselerde. Dadurch sollte der Phosphor in einen „amorphen Zustand“ übergeführt werden, in dem er beim Frischen und Bessemern leicht abgeschieden werde. John Ramsbottom wollte Schwefel und Phosphor durch Ein- blasen von Kohlenwasserstoff mit dem Wind (im Verhältnis von 1 : 30) entfernen und erhielt darauf am 12. Dezember 1864 ein Patent. Bessemer selbst hatte in diesem Zeitraum ebenfalls wieder mehrere Patente für Verbesserungen seines Prozesses genommen, die wir kurz betrachten müssen. Das Patent vom 8. Januar 1862 bezieht sich ausser den früher schon erwähnten Verbesserungen an den Winddüsen und dem Boden der Birne auch auf eine selbstthätige Windklappe, die den Zutritt des Windes beim Kippen regelt und die einige Jahre hindurch auf vielen englischen Werken angewendet wurde. Das Patent sieht auch horizon- tale Windformen mit grösseren Öffnungen vor, die in einzelnen Fällen den Vorzug verdienen sollen. Bessemer schlug vor, hydraulische Pressen auch für die Verarbeitung der Gussblöcke zu verwenden und die gepressten Blöcke dann mit hydraulischen Scheren in entsprechende Stücke zur weiteren Verarbeitung zu zerschneiden. In dem hierauf bezüg- lichen Patente vom 13. Januar 1863 wird ferner für sehr schwere Güsse ein stehender Ofen von besonderer Konstruktion angegeben. Auch bei diesem soll der Wind durch Düsen von unten eintreten, jede Düse soll aber durch einen beweglichen Pfropfen als Ventil verschlossen sein, so dass der Wind abgestellt werden könnte, ohne dass das flüssige Metall in die Düsen eindringt. Auch schlägt Bessemer vor, die Konverter horizontal zu teilen, so dass der obere Teil als Haube von dem Boden mit dem flüssigen Inhalt Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. abgehoben werden könne. Der mit dem Boden verbundene Wind- kasten soll mit Rädern versehen werden, so dass der Boden, sobald er schadhaft wird, weggefahren und ein neuer an seine Stelle gebracht werden kann. Will man dem Roheisen eine andere Beimischung geben, so soll dies in der Gusspfanne geschehen, in welche ein Rühr- werk eingetaucht werden kann. Der Zusatz von Spiegeleisen oder einer entsprechenden Legierung soll genau nach dem Gewicht geschehen. Zu dem Zwecke sind die Gusspfanne und die Zusatzpfanne mit Wiege- vorrichtungen versehen, so dass man nach der Ermittelung des Gewichtes des entkohlten Metalls den erforderlichen Spiegeleisenzusatz genau bemessen kann. Mushet schlug dagegen vor, die Mischung mit Hülfe von zwei Konvertern vorzunehmen, von denen der eine in den andern ausgiesst, wodurch letzterer zugleich ohne Kosten vorgewärmt wird (Patent vom 26. März 1863), oder er liess die beiden flüssigen Metalle, die ver- mischt werden sollen, gleichzeitig in Strahlen in die Gusspfanne ein- fliessen und rührte dann noch mit Holzstangen um (Patent vom 26. Juni 1863). Um billigeren Stahl zu erzeugen, setzt Mushet ausser Spiegeleisen auch noch schwedisches oder anderes Holzkohlen- oder Hämatitroheisen zu. Gussstahl will er erhalten durch Mischen von entkohltem Bessemereisen mit flüssigem gefeinten Roheisen (100 20 bis 50). Von grösserer Bedeutung war ein Patent von E. Vickers vom 28. August 1863, in welchem dem Gedanken Ausdruck gegeben war, die Homogenität des Stahls dadurch zu erhöhen, dass man das flüssige Metall vor dem Vergiessen erst noch in ein anderes Gefäss oder einen Ofen leitet und dort einer Glühhitze aussetzt, „bis die Umwandlung vollendet ist“, worauf man beim Vergiessen eine dichte, feste, blasen- und löcherfreie Masse erhalte. Diese Erfahrung ist in der Folge vielfach benutzt worden. Am 5. November 1863 nahm Bessemer zwei neue Patente. Von diesen bezieht sich das erste auf die Fabrikation von Bessemerschienen und lehrt die Vernutzung alter Schienen bei der Fabrikation, indem man dieselben einfach in Stücke geschnitten und vorgewärmt in das heisse Metallbad einwirft und dann wie sonst bläst. Das zweite Patent knüpft hieran an, indem eine Verbilligung des Verfahrens dadurch erzielt werden soll, dass man nur einen Teil des Roheisens im Flammofen einschmelzt, die übrigen Stücke aber nur vorgewärmt in das Bad im Konverter einwirft. Zum Einwerfen kann man auch aus geringerem Roheisen hergestelltes Feineisen verwenden. Der Vor- Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. wärmeherd soll mit dem Schmelzofen verbunden sein und auf Rädern stehen, so dass der Ofen mit dem Einsatz dicht an den Konverter herangefahren und in ihn entleert werden kann. Statt Roh- oder Feineisen kann man auch Puddeleisen auf diese Weise nachsetzen. Ferner wird in diesem Patent vorgeschlagen, das Glühen oder das Glühen und teilweise Einschmelzen in dem Konverter selbst vorzunehmen, was in geneigter Stellung mit Koks geschehen soll. Auch kann das Erhitzen und Schmelzen mit Hülfe zugeleiteter brenn- barer Gase, wozu die Gichtgase der Hochöfen verwendbar seien, vor- genommen werden. Am 2. Juni 1864 nahm der Deutsche Oskar E. Prieger aus Bonn sein englisches Patent auf die Herstellung des Ferromangans , jener manganreichen Eisenlegierung, die bestimmt war, zur Stahlver- besserung zu dienen, und später vielfach dazu verwendet wurde, um das Spiegeleisen, das nicht immer und überall zu haben war, zu ersetzen. Zur Herstellung mischte er feingepulvertes Manganerz mit Holzkohlenpulver und schmolz dies unter Zusatz von Eisenstückchen in Graphittiegeln. Prieger gab an, dass die Legierung 60, ja selbst 80 Prozent Mangan enthalten könne und dabei noch durchaus homogen sei. Das schon von Vickers im vorhergehenden Jahre patentierte Verfahren, blasenfreie Stahlgüsse dadurch zu erlangen, dass man das flüssige Metall in einem besonderen Ofen längere Zeit in flüssigem Zustande erhitzte, wurde am 2. November 1864 E. L. S. Benzon (nach einer Mitteilung von A. Lohage ) von neuem patentiert. Das Metall soll dabei nach Angabe des Erfinders unter einer neutralen Schlackendecke überschmolzen oder überhitzt werden, wodurch es dünnflüssig und ganz gleichförmig werde. Seit 1864 machte das Bessemerverfahren von Jahr zu Jahr grössere und raschere Fortschritte. Die Überlegenheit des englischen Konverterverfahrens machte sich dabei immer mehr geltend. Trotzdem Tunner das schwedische Verfahren für die österreichischen Alpen- länder empfohlen hatte, wurden doch die beiden Anfang 1865 in Betrieb gesetzten Bessemerwerke zu Graz und zu Neuberg ganz nach englischem Muster erbaut. Das letztgenannte Staatswerk, welches gleichfalls unter Tunners Patenschaft am 9. Februar 1865 den Betrieb eröffnet hatte, wurde die Lehr- und Musteranstalt für die nachfolgenden österreichischen Werke, von denen die Bessemerhütten zu Judenburg in Steiermark, Prävali in Kärnten, Witkowitz in Mähren und Anina im Banat noch 1865 vollendet wurden. Beck, Geschichte des Eisens. 10 Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Die Einführung des Bessemerverfahrens auf der Königshütte in Schlesien bietet deshalb besonderes Interesse dar, weil hier nur unreine, besonders auch phosphorhaltige Roheisensorten zur Verfügung standen, die Schwierigkeiten von vornherein also viel grösser waren. Das Bessemerwerk daselbst war im Herbst 1864 nach Skizzen von Wedding erbaut worden und kam am 26. Januar 1865 in Betrieb. Bei den Probe- frischen verwendete man Cumberländer Roheisen. Bergrat Ulrich leitete die Versuche. Da das gewöhnliche Königshütter Roheisen wegen seines Phosphorgehaltes ein unbrauchbares Produkt ergab, versuchte man erst Parrys Verfahren. Doch erhielt man mit Schmiedeeisen- abfällen, die man im Kupolofen umschmolz, ebenfalls kein gutes Resultat. Dasselbe wurde etwas besser, als man das Roheisen zu Feinkorneisen verpuddelte und dieses im Kupolofen wieder zu grauem Roheisen umschmolz. Der Gehalt des Roheisens an Phosphor betrug 0,497, er verminderte sich beim Puddeln bis zum Eintritt der Kochperiode auf 0,298 und betrug am Ende noch 0,100 Prozent. Die Herstellungs- kosten wurden aber dadurch zu hoch. Dieses Kupolofenroheisen war teurer als bestes englisches Hämatit-Bessemereisen auf der Hütte. Ausserdem enthielt dieses Parry-Roheisen zu wenig Silicium. Ein 1865 von Emil Andre gemachter Vorschlag, den Konverter mit ge- branntem Kalk oder Dolomit unter Zusatz von etwas Thon aus- zustampfen, wurde von der Oberbehörde als zu bedenklich abgelehnt. Nach vielen Versuchen kam man erst in den folgenden Jahren dadurch zu günstigeren Ergebnissen, dass es gelang, eine geeignetere Möllerung für den Hochofen auszumitteln, wodurch man ein phosphorärmeres Roheisen erhielt. Dies wurde erreicht durch die Verwendung eines zwar armen, aber manganhaltigen Zuschlagserzes, dem man vordem seines geringen Eisengehaltes wegen keine Beachtung geschenkt hatte. Über die technischen Fortschritte des Bessemerverfahrens im Jahre 1865 liegt vor allem wieder ein gediegener Bericht von Tunner vor. Er führt darin aus, dass man in England von dem früher üblichen Verfahren, die Birne nach dem Zusatz von Spiegeleisen auf- zurichten und zur besseren Mischung nochmals durchzublasen, ab- gekommen sei, da sich die Mischung hinreichend beim Ausgiessen in die Gusspfanne vollziehe; auch glaubte man hierdurch dichtere Güsse zu erhalten. Von dem in England aufgekommenen Verfahren, Schrot, Schmiedeeisenabfälle, Gussschalen u. s. w. in die Birne zu werfen und das flüssige Roheisen darüber laufen zu lassen, rät Tunner im Interesse der Güte des Produktes ab, obgleich man auch in Schweden (Lilianfors) dieses angefangen habe. In Neuberg erzielte man bessere, Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. reinere Güsse dadurch, dass man die flüssige Metallmasse erst eine Zeit lang in der Birne stehen liess, ehe man ausgoss. Das Anwärmen der Konverter mit Gas war bei Krupp schon längere Zeit mit Erfolg eingeführt. Die lästige Thatsache, dass sich der Phosphor des Roh- eisens durch den pneumatischen Prozess nicht abscheiden liess, wurde so erklärt, dass bei der ersten Periode der Schlackenbildung zwar der Phosphor sich oxydiere und als Phosphorsäure in die Schlacke ginge, dass er aber, da die Schlacke im Ofen bleibe, durch die steigende Temperatur namentlich in der dritten Periode wieder reduziert und in das Eisen übergeführt würde. Deshalb hatte Wedding den theoretisch wohl gerechtfertigten Vorschlag gemacht, den Prozess nach der ersten Periode und vor Eintritt der Kochperiode zu unter- brechen und die Schlacke zu entfernen und durch eingeschmolzene phosphorfreie Schlacken zu ersetzen. Indessen erwiesen sich die Schwierigkeiten der Ausführung dieses Vorschlags als zu gross. Die Erfahrung lehrte, dass das Bessemermetall viel empfindlicher gegen einen Phosphorgehalt des Roheisens ist, als nach anderen Methoden gefrischtes Stabeisen. Man hielt im allgemeinen Roheisen mit 0,05 bis 0,06 Prozent Phosphor für unbrauchbar, doch war dies nicht absolut richtig, denn in Neuberg ergab Roheisen von 0,1 und etwas mehr Phosphor noch ein gutes Bessemermetall. Das direkte Einleiten des flüssigen Roheisens aus dem Hochofen in die Birne hatte sich nicht bewährt. Das Spiegeleisen zog Tunner dem in England aufgekommenen Ferromangan vor. Siegener Spiegel- eisen hatte das amerikanische Frankliniteisen und schwedisches Roh- eisen als Kohlungsmittel verdrängt. Die Vorteile des hydraulischen Kranenbetriebes mit Akkumula- toren, der zuerst in Crewe eingeführt worden zu sein scheint, hatten sich bei der neuen Anlage in Graz 1865 deutlich gezeigt. Dort ver- wendete man einen Akkumulator für 30 Pferdekräfte, wovon 12 bis 15 für die Bewegung der beiden Kräne benutzt wurden. Die Arbeit ging damit so rasch von statten, dass von Beginn des Ausgiessens in die Gusspfanne bis zum fertigen Guss der Ingots nur drei Minuten verstrichen. Der ganze Prozess dauerte bei einer Charge von 70 Centner nur 16 Minuten. Jeder Gussblock von 6 Centner lieferte eine Schiene. Zum Auswalzen dienten nur 5 Kaliber, aber 14 bis 16 Durchgänge, der Abbrand betrug 15 Prozent, der Abfall 8¼ Prozent, so dass sich 76¾ Prozent reine Blöcke ergaben. Eine wichtige Verbesserung führte Schmidthammer 1865 in Neuberg ein, indem er, statt die Böden in der Birne zu erneuern und 10* Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. zu stampfen, auswechselbare Böden anfertigen liess und die ganzen Böden wegnahm und durch neue ersetzte Siehe Tunner , Kärntnische Zeitschrift 1875, S. 233. . Zu Nischne-Tagilsk am Ural hatte man Konverter mit seitlicher Windzuführung durch zwei geneigte Formen von 1⅝ Zoll Mündung. Hierfür waren zwei eiserne Rohre mit in das Futter eingestampft. Diese Einrichtung war bedeutend billiger als die kostspieligen Böden mit den vielen engen Düsen. Tunner weist auch darauf hin, dass bei dieser Stellung der Formen leicht Spiess- und Spanproben zu nehmen seien. Im ganzen kann aber diese Konstruktion nur als ein Rückschritt zu den anfänglichen Versuchsöfen Bessemers bezeichnet werden und hat sich auf die Dauer nicht bewährt. Tunner hält von dem von Wagner in Mariazell vorgeschlagenen Zusatz von Blei in den Bessemerofen wegen der Flüchtigkeit desselben nichts, er möchte eher das Eintragen von Bleiglätte, Braunstein und Kochsalz auf den Boden der Giesspfanne empfehlen. Über die Verbesserungen des pneumatischen Prozesses in England 1864 entnehmen wir noch einiges einem Reisebericht von Emil Andre Siehe Preuss. Zeitschr. 1865. . John Brown in Sheffield stürzte die Birne nach erfolgtem Aus- giessen nicht nur ganz um, sondern blies sie noch längere Zeit mit Wind von 3 bis 4 Pfund Pressung aus. Nach ½ bis ¾ Stunden wurden dann durch den Fuchs 4 bis 6 Eimer eines Breies aus Ganister eingeschüttet und mit diesem das Futter geflickt. Diese Manipulation war das einzige Geheimnis der langen Kampagnen der Birnen in England, in denen man bis 50 Chargen mit demselben Futter machte. Das Vorwärmen der Birnen geschah mit Gas besser als mit Koks. Man bediente sich dafür eines auf Rädern laufenden Generators. In Sheffield, Wednesbury und Crewe machten 2 Birnen in 12 Stunden 4 Chargen, in Glasgow 1 Birne 3 Chargen. Das Aus- bringen an gutem Material betrug 70 bis 80 Prozent, die etwa 14 Prozent betragenden Eisenabfälle gingen zum Hochofen zurück. Das Material für die englische Fabrikation war das Hämatitroh- eisen; das der Lancashire Comp. enthielt 4,50 Silicium, 3,30 Graphit, 0,08 chemisch gebundenen Kohlenstoff, 0,04 Phosphor, 0,09 Schwefel und 0,57 Mangan. Nach Bessemer betrug das zulässige Maximum von Phosphor 0,2, das Minimum von Silicium 2 Prozent. Die Wind- pressung hatte im Verhältnis der grösseren Einsätze bedeutend zugenommen, dementsprechend mussten auch die Gebläsemaschinen stärker sein. Während man bei den schwedischen Öfen mit 6 bis Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. 8 Pfund Pressung auskam, verlangten die Konverter 15 bis 20 Pfund auf den Quadratzoll. Bei John Brown berechnete man auf 100 Pfund Einsatz 495 Kubikfuss Wind. Bei den Gebläsen war man ziemlich allgemein zu kleinen Windklappen mit Kautschukringen an Stelle der Deckelklappen übergegangen. Die Zahl der Düsen war verschieden. In Glasgow hatte ein Konverter 7 Ferne mit 7 Öffnungen (Düsen), in Crewe 12 Ferne mit 12 Öffnungen von ⅜ Zoll Durchmesser. Indessen war man von der übergrossen Anzahl von Düsen mehr abgekommen. Die selbstthätige Windabsperrung war in England sehr verbreitet. Zur Erzielung dichter Eingüsse half ein sehr einfaches Verfahren. Sofort nach dem Eingiessen legte man einen Blechdeckel auf die flüssige Masse und stampfte rasch Formsand darüber, den man mit einer 1 Zoll dicken Platte festkeilte. Am besten goss man bis zur halben Füllung mit vollem Strahl und liess dann langsam volllaufen. Fig. 94. Die Gussblöcke wurden unter Dampfhämmern vorgeschmiedet. J. Ramsbottom in Crewe hatte hierfür einen horizontalen Dampf- hammer konstruiert, von dem Andre in seinem Reisebericht eine Skizze (Fig. 94) mitgeteilt hat. Zum Ausheizen der Blöcke bediente man sich in England bereits mehrfach Siemenss cher Gasschweissöfen, deren Einsatz sechs überschmiedete Blöcke betrug. Für Bleche goss man pyramidale Blöcke von 3 bis 4 Fuss Höhe, und drei auf 9 Zoll Seitenmasse. Das Walzen des harten Bessemermetalls musste lang- samer geschehen als bei Puddeleisen und man liess sehr oft den Stahl die Kaliber zweimal passieren. Die Jahresproduktion Englands im Jahre 1865 wurde zu 630000 Centner angegeben. Welche ausgezeichnete Dehnbarkeit der Bessemerstahl besass, zeigt ein Beispiel von der Adolfshütte in Judenburg, wo man 1865 Fein- Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. bleche walzte, von denen 1500 auf einen Zoll gingen, während man Eisenblech nur 1000 bis 1200 Stück auf den Zoll walzen konnte. Gute Bessemerstahlschienen übertreffen nach neueren Erfahrungen Eisenbahnschienen an Dauer um das Zehnfache; bei Kettenbrücken war die Tragfähigkeit die doppelte. Für Kanonen und im Schiffsbau wurde Bessemerstahl in immer ausgedehnterem Masse verwendet. So machte man auch die Masten bereits vielfach aus Bessemerstahl- blech. Die Festigkeit des Bessemerstahls von Hörde betrug 87 kg pro Quadratmillimeter, die Festigkeit mittlerer Gussstahlsorten zwischen 75 und 100 kg. Das specifische Gewicht des Bessemerstahls war 7,865, während man sonst für Stahl 7,70 bis 7,85 annahm. Tunner schlug, indem er die Wichtigkeit guter Sortierung betonte, in diesem Jahre die Einteilung des Bessemermetalls nach seinem Kohlengehalt in 7 Nummern vor, wovon Nr. 1 1,50, Nr. 2 1,25, Nr. 3 1,0, Nr. 4 0,75, Nr. 5 0,5, Nr. 6 0,25, Nr. 7 0,05 Prozent Kohlen- stoff enthalten sollte. Er will aber die Sortierung nicht nur nach der Eggertzs chen Probe, wie dies in Schweden geschah, vor- genommen haben, sondern auch nach dem Bruchansehen und den Härteproben. In Schweden unterschied man neun Sorten des Bessemer- metalls nach dem Kohlenstoffgehalt. Zum Schluss erwähnen wir noch einige Erfindungen und Patente aus dem Jahre 1865. Christian P. Thal in Petersburg schlug einen abgeänderten Bessemerapparat vor, der billigeren Betrieb und gleichförmigeres Produkt ergeben sollte, durch seine Kompliziertheit aber unpraktisch war Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 351, Taf. XII, Fig. 13. . Nyström in Gloucester bei Philadelphia (V. St.) änderte das Bessemerverfahren in der Weise ab, dass er den Wind unmittelbar unter der Oberfläche des Metallbades eintreten liess. Dadurch wurde der Prozess zwar sehr verlangsamt, aber angeblich ein reineres Produkt erzeugt. Es sollte jede Art von Stahl oder Eisen wie beim Puddelofen erzeugt werden können. Ein Erfolg ist nicht zu verzeichnen. W. Baker nahm am 7. Januar 1865 in England ein Patent, in dem er metallisches Zink zur Reinigung des Eisens von Schwefel und Phosphor vorschlug und zwar einen Zusatz von 10 bis 20 Pfund auf die Tonne Eisen. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Robert Mushet schlug vor, die Reinigung des Eisens von Schwefel und Phosphor beim Bessemern dadurch zu bewirken, dass man wiederholt reines Spiegeleisen zusetzt und dann wieder Luft durch- bläst, bis das Metall genügend gereinigt ist (Patent vom 9. März 1865). James Henderson wollte dies schon im Hochofen durch Zusatz von Manganerzen, besonders aber durch Franklinit bewirken. H. Bessemer nahm am 3. November ein neues Patent, dessen Hauptzweck war, das Parrys che Verfahren, welches in Südwales Eingang gefunden hatte, in den Bereich seiner Privilegien mit ein- zubeziehen. Er erreichte dies dadurch, dass er das Feinen oder Puddeln in einem neuerfundenen oscillierenden Gaspuddelofen vornahm. Es sei auch nicht nötig, das Metall in Luppen zu formen, dagegen empfiehlt er, die gepuddelte Masse dadurch zu zängen und die Schlacke auszupressen, dass er sie zwischen wassergekühlte hori- zontale Walzen durchgleiten lässt, wodurch sie zu Kuchen geformt wird. Diese werden in einem Schachtofen mit Koks unter Zuleitung von Kohlenoxydgas oder einem Gasflammofen wieder zu Roheisen umgeschmolzen und dann mit etwas grauem Gusseisen vermischt in der Birne verblasen. Grill teilt mit, dass Bessemer im Jahre 1865 aus seinen Patent- gebühren wöchentlich schon 1000 £. bezog, welche Summe sich in kurzem auf 3000 £. erhöhen dürfte. Über die Fortschritte der Bessemerindustrie im Jahre 1866 liegen gute Berichte von Ulrich, Wiebmer und Dressler Preuss. Zeitschrift 1866. , die in diesem Jahre im Auftrag der preussischen Regierung England bereisten, und von P. Tunner Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1866, S. 173. vor. Letzterer konstatiert, dass in England mehr, in Frankreich und Deutschland mindestens ebensoviel Bessemer- metall erzeugt werde als in Schweden. Ein Zusatz von 10 bis 20 Prozent Spiegeleisen sei in den obengenannten Ländern allgemein gebräuchlich. Die in Frankreich eingeführte Bewegung der Birne durch Dampfkraft bezeichnet er als eine wesentliche Verbesserung. Die selbstthätige Windabsperrung habe sich nicht bewährt. Die guten Erfolge mit halbiertem Roheisen bewiesen, dass das Roheisen nicht unbedingt grau und gar zu sein brauche. Man habe gelernt, die Thonformen durch starkes Pressen und Brennen haltbarer zu machen. Nach seiner Ansicht verdiene bei reinem Holzkohlenroheisen die schwedische Methode den Vorzug, weil sie einfacher und billiger sei, dagegen gewähre die englische grössere Sicherheit. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Den preussischen Hütteningenieuren Ulrich, Wiebmer und Dressler fiel in England zunächst die auf allen Werken eingeführte Vergrösserung der Frischbirnen auf. Schneider, Hanay \& Co . in Barrow hatten 12 Birnen zu 10 Tonnen Einsatz. Eine Birne zu 10 Tonnen hatte 12 Ferne zu 13 Öffnungen von ⅜ Zoll Durchmesser. Die neuen Flammöfen zum Einschmelzen des Roheisens waren nach dem Patent von John Clayton in West-Bromwich erbaut. Sie zeichneten sich durch einen gewölbten Rost, durch den die Luft von allen vier Seiten eintreten konnte, aus. Der Rost war 5 Fuss im Quadrat, der Herd 5 Fuss breit und 12 Fuss lang. Das Einschmelzen dauerte 3½ bis 5 Stunden. Die grösseren Einsätze der Birnen er- forderten keine längere Blasezeit. Diese dauerte bei J. Brown nur 12½ Minuten. Auch entkohlte man nicht immer mehr vollständig, sondern unterbrach früher. Dies erforderte freilich grössere Auf- merksamkeit, man ersparte aber an Abbrand und Spiegeleisenzusatz. Auch in England war es Gebrauch geworden, das fertige Metall noch eine Zeit lang in der Birne stehen zu lassen, um dadurch dichtere Güsse zu bekommen. Letzteres wurde ausserdem befördert durch das Giessen mit unterbrochenem Strahl, wobei man das Metall in der Form nur bis zu einer gewissen Marke aufsteigen liess, dann den Guss unterbrach und erst nachfüllte, wenn sich das Metall gesetzt und beruhigt hatte. Die Coquillen wurden mit gelöschtem Kalk ausgestrichen. Bei vollem Betrieb machte man vier Chargen den Tag. Sofortige Weiterverarbeitung fand meist noch nicht statt, man liess vielmehr die Güsse erkalten. Eisenbahnschienen, Rad- kränze, Schiffswellen und Geschosse waren Hauptartikel. Sehr wichtig war aber auch bereits die Verwendung für Panzerplatten und Schiffs- baumaterial. Bei der Verarbeitung unterschied man zwei Systeme, bei dem einen wurden alle Blöcke erst geschmiedet und dann gewalzt, bei dem anderen erfolgte das Auswalzen unmittelbar. Das letztere Verfahren war in Dowlais bei der Schienenfabrikation mit gutem Erfolg ein- geführt worden. Das Vorwalzen erfolgte in einer Trio-Blockwalze (Blooming mill) von 3 bis 4 Kalibern, wobei man die Blöcke bis auf 6 Quadratzoll zusammenpresste. Nach dem Vorstrecken und Wärmen wurden die Güsse durch 11 Kaliber mit nur einem Stauchkaliber in einer Hitze durchgewalzt — Auf dem Eisenwalzwerk der Südbahn in Graz hatte man ebenfalls dieses System des Walzens der Güsse zu Blöcken ohne Vorschmieden eingeführt. Auf dem Victoriawerk zu Ebbw-Vale hatte Parry seinen mehr- Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. fach beschriebenen Prozess in grossartigem Massstabe eingerichtet. Es standen vier Birnen, die mit Gas angeheizt wurden, im Betrieb. Man schmolz alte Schienen und alle Abfälle der Schienenfabrikation im Kupolofen um, wobei das Eisen bis 2 Prozent Kohlenstoff aufnehmen musste. Auf der neuen Bessemeranlage Mersey-Steel-Works bei Liverpool hatte man den Gasbetrieb eingeführt und schmolz den Einsatz von 10 Tonnen Roheisen in der Birne mit Gas ein. In der zweiten Hälfte des Oktober 1866 erfolgte auf dem neuen Werke von Bessemer \& Sons zu East-Greenwich der Guss einer Ambossschale von 2000 Centner (100 Tonnen). Es geschah dies in der Weise, dass alle 20 Minuten eine Charge von 4 Tonnen in die versenkte Form der Dampfhammer-Chabotte entleert wurde. Die Verarbeitung der grossen Stahlgussblöcke erforderte viel stärkere Apparate, Maschinen und Werkzeuge, als sie früher bei dem Eisenwalzbetrieb gebräuchlich waren. Da man den Stahl nur bis zur hellen Rotglut erwärmen durfte, baute man die Schweissöfen, die nur mässige Hitze und keine oxydierende Flamme haben durften, sehr geräumig, gab ihnen doppelt so grosse Roste mit beschränktem Luft- zutritt, so dass nur eine unvollkommene Verbrennung stattfand. In Deutschland war das Bessemerwerk der Königin-Marienhütte bei Zwickau in diesem Jahre vollendet worden. In Österreich hatten die grossen mährischen Eisenwerke Witkowitz und Zöptau ihr Roheisen im Jahre 1865 in England bei Bessemer probieren lassen und, nachdem die Versuche günstig ausgefallen waren, 1866 Bessemerwerke unter englischer Leitung errichtet, ebenso geschah es zu Reschitza. In Zeltweg wurde eine Bessemeranlage unter der Leitung des Grazer Werkes ausgeführt. Neuberg erzielte 1866 sehr günstige Resultate. Daselbst wurden 607 Chargen verblasen und 30690 Centner reine Blöcke ausgebracht. In Prozenten betrug das Ausbringen an gereinigten Blöcken 83,36, Stahlabfall 1,96, Auswurf 0,78, Kamineisen 0,81, der Kalo 13,09. In der Heft erzielte man 82,67 Prozent reine Blöcke. Die Herstellung blasenfreier Güsse war, um zuverlässiges Material zu erzeugen und den Abfall zu vermindern, von solcher Wichtigkeit, dass zahlreiche Versuche und Erfindungen gemacht wurden, um diesen Zweck zu erreichen. G. H. Benson führte kohlenhaltige Stoffe in die entkohlte Masse ein, um dadurch gebildete Eisenoxyde wieder zu zerlegen. Nach Caron tritt nämlich Spratzen und Blasenbildung im Moment des Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Erstarrens, durch Einwirkung von Kohlenstoff auf die bei dem Übergaren entstandenen Sauerstoffverbindungen des Eisens, ein. L. Cailletet hatte gefunden, dass reiner, flüssiger Stahl nur Wasser- stoff und Kohlenoxydgas in Auflösung enthält und dass diese für sich beim Erstarren keine Blasenbildung bewirken, diese tritt aber ein, wenn Oxyde gelöst sind, in einer dem Schmelzpunkt des weichen Stahls naheliegenden Temperatur. Caron vermutete eine Eisenoxydul- silikatbildung beim Verbrennen des Eisens. Es träte alsdann beim Erstarren Reduktion der Kieselsäure durch Eisen ein. Durch Ein- blasen von Kohlenstoff, am besten in Form von Graphit oder dem Rückstand der Gas- oder Teerdestillation, sollte diese Reduktion schon früher bewirkt werden und das dabei gebildete Kohlenoxyd aus der flüssigen Masse entweichen. Als ein zweites Mittel wendeten Benson und Valentin starkes Erhitzen des flüssigen entkohlten Metalles in einem besonderen Ofen Fig. 95. an. Dieser Zwischenprozess zwischen Birne und Guss- pfanne geschah in einem Gas- flammofen mit konzentrischen Düsen für Gas und heissen Wind. In demselben ver- weilte die Masse etwa eine halbe Stunde. Soll Spiegel- eisen zugesetzt werden, so geschieht es in diesem Zwischenofen. Fig. 95 ist ein Durchschnitt durch Bensons Zwischenofen und Fig. 96 zeigt seine Stellung zur Birne und der Giesspfanne. Fig. 96. W. D. Allen , der bereits 1859 mit Erfolg Bessemerstahl fabri- ziert hatte, erhielt 1862 durch Zusatz von Siliciumeisen mit 4 bis 5 Prozent Silicium blasenfreie Stahlgüsse Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 342. . Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. v. Reichenbach wollte weisses Eisen dadurch zum Bessemern geeignet machen, dass er es rasch im Flammofen bei höchster Hitze Fig. 97. einschmolz und längere Zeit bei langsam sinkender Temperatur im Fluss erhielt. Dem bei überhitztem Gang erblasenen Roheisen sollte dabei noch Kohlenpulver eingemengt werden. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Dass Giessen unter Druck der Blasenbildung entgegenwirkt, war eine alte Erfahrung in der Giesserei. Galy-Cazalat erzeugte in etwas drastischer Weise dadurch einen hohen Druck in der ge- schlossenen Giessform, dass er Schiesspulver in dieselbe brachte. Whitworth erreichte denselben Zweck, indem er nach dem Aus- giessen den Presskolben einer hydraulischen Presse in die gefüllte Form eintrieb (Patent vom 24. November 1865). Fig. 97 (a. v. S.) zeigt die Anordnung einer solchen Presse. Schon früher, am 14. November 1864, hatten George Bell und Robert Lüthy ein Patent auf die Herstellung blasenfreier Güsse durch Herstellung eines luftleeren Raumes in der Form vor dem Eingiessen des Metalles in dieselbe genommen. Ferromangan begann im Jahre 1866 in allgemeinere Aufnahme als Ersatz für Spiegeleisen zu kommen, nachdem dasselbe auf dem Werk von Edington \& Söhne in Glasgow nach einem Patent des Professors Henderson im grossen dargestellt wurde. Es wurden dabei die Manganrückstände von der Chlorkalkbereitung und die eisenreichen Abbrände der Schwefelkiese bei der Schwefelsäure- fabrikation unter Zusatz von Kalk, Kochsalz und Kohlenklein erst geröstet und dann in einem Siemens-Gasgeneratorofen geschmolzen. Das Produkt enthielt 30 Prozent Mangan. — Nach Bessemers Erfahrung sollte ein Zusatz von 25- bis 30 prozentigem Ferromangan die Fabrikation besseren Stahls eher ermöglichen als Spiegeleisen. John Cameron (Pat. 15. Dezember 1866) schlug ein Gemenge von Alkalien, alkalischen Erden, Flussspat und Salz als wirksames Mittel zur Reinigung des Eisens, besonders auch von Schwefel und Phosphor beim Bessemerprozess vor. Dieser Zusatz sollte beim Ein- schmelzen des Roheisens oder des Spiegeleisens erfolgen. Gegen Ende des Jahres 1866 nahm Professor Koppelwieser Siehe Österreich. Zeitschrift 1867, S. 179. in Leoben auf dem ärarischen Bessemerwerk zu Neuberg die erste systematische chemische Untersuchung der Anfangs-, Zwischen- und Endprodukte einer Bessemercharge vor und trug durch diese ver- dienstvolle Arbeit viel zur richtigen Erkenntnis des Vorganges bei. Die Probe wurde am 2. Dezember 1866 von der Charge 599, deren Roheiseneinsatz 62 Centner 80 Pfund wog, genommen. Die Analysen ergaben folgende Zusammensetzungen: Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. 1. des Eisens. 2. der Schlacken. Es bedeutet: a graues, graphitisches Roheisen mit genügendem Siliciumgehalt, mit Holzkohle erblasen. Bei 49 Fehrenöffnungen von 4 Linien Durchmesser und 20 Pfund Pressung dauerte die erste Periode 28 Minuten. Nach Ablauf dieser ist, wie Probe b zeigt, der ganze Graphit verschwunden, der chemisch gebundene Kohlenstoff hat zu- genommen; nahezu vier Fünftel des Siliciums sind abgeschieden, ebenso fast aller Schwefel infolge des hohen Mangangehaltes; Phosphor und Kupfer sind unverändert. Die zweite Periode orforderte 7 Minuten bei einer Pressung von 18 bis 19 Pfund pro Quadratzoll; das Endprodukt war die Probe c. Die dritte Periode dauerte 3 Minuten bei 19 Pfund Pressung und ergab das Endprodukt d; der Kohlenstoff ist schon zum grossen Teil abgeschieden. Durch Zusatz von 3 Centner Roh- eisen wird es in Bessemermetall von der Härte 6 verwandelt, ent- sprechend der Probe e. Die Schlacken sind ziemlich hoch siliciert, Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. teils Bi-, teils Bi- und Trisilikate. Der Eisenoxydgehalt ist anfangs gering, steigt aber gegen das Ende, während sich das Mangan schon in der ersten Periode oxydiert. Thon, Kalk und Magnesia entstammen dem Ofenfutter. Die Schlackenmenge ist in der ersten Zeit nur gering, nimmt aber im Verlauf des Prozesses immer mehr zu. Aus ihrer Menge und Zusammensetzung lässt sich der grosse Einfluss des Futters auf die Schlacken erkennen. Kuppelwieser hat aus den Gewichten des Einsatzes und der erzeugten Produkte das Gewicht des verbrauchten Sauerstoffs und hieraus das erforderliche Windquantum berechnet. Er fand dasselbe zu 41,71 cbm für 100 kg Roheisen. Ein Hauptereignis des Jahres 1867 war die grosse Welt-Industrie- ausstellung zu Paris , die an Glanz, wenn auch nicht an innerem Wert alle vorhergegangenen übertraf. Sie war bewunderungswürdig durch die Schönheit des Arrangements, die Zweckmässigkeit und Über- sichtlichkeit der Einteilung, den Reichtum und die Mannigfaltigkeit der ausgestellten Gegenstände, dennoch hatte sie für die Entwickelung der Industrie nicht die hohe Bedeutung der früheren Ausstellungen. Dies lag daran, dass die sachliche Darstellung der Fortschritte und der Leistungen auf den Gebieten der Industrie nicht die Hauptsache waren, sondern der Pomp, das Schaugepränge, die Unterhaltung und — die Politik. Napoleon wollte mit dieser blendenden Ausstellung seinem erbleichenden Stern neuen Glanz verleihen und für kurze Zeit hat er dies auch erreicht. — Die Eisenindustrie war sehr gut vertreten und umfangreicher ausgestellt wie je zuvor. Besonders suchte die französische Eisenindustrie alle konkurrierenden Länder zu über- strahlen. Die grössten Eisenwerksgesellschaften hatten eigene Pavillons errichtet, von denen der von Schneider \& Comp . in Creuzot alle anderen an Reichhaltigkeit und schöner Aufstellung übertraf. Die grossen Fortschritte, welche die Bessemerindustrie seit der Ausstellung in London im Jahre 1862 gemacht hatte, kamen zur Darstellung, ohne dass aber eigentlich Neues vorgeführt wurde. Mit das Bedeutsamste für die metallurgische Wissenschaft war die Ausstellung von Neuberg in Steiermark mit den oben angeführten chemischen Untersuchungen Kuppelwiesers und allen dazu gehörigen Anfangs-, Zwischen- und Endprodukten. Aber diese lehrreiche Vorführung war viel zu anspruchs- los, um, wie sie es verdient hätte, von der französischen Jury mit einem Preise bedacht zu werden. — Das vorgeführte statistische Material kann, ausser der erwähnten chemischen Arbeit, als das wichtigste für die Geschichte des Bessemerns bezeichnet werden. Aus Tunners Mit- Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. teilungen hierüber ergiebt sich, welchen Umfang das Bessemern im Jahre 1867 bereits erlangt hatte. Man zählte nämlich in England 15 Hütten mit 52 Konvertern u. 6000 Tonnen Wochenproduktion Preussen 6 „ „ 22 „ „ 1760 „ „ Frankreich 6 „ „ 12 „ „ 880 „ „ Österreich 6 „ „ 14 „ „ 650 „ „ Schweden 7 „ „ 15 „ „ 530 „ „ Belgien 1 „ „ 2 „ „ 100 „ „ Nach Bessemers Angabe wurden 1867 500000 Centner mehr produziert als 1866. Die Produktionsfähigkeit betrug 9½ Millionen Centner, während die wirkliche Produktion 1866 nicht 4 Millionen Centner betragen hatte, wovon zwei Drittel auf England entfallen waren. Das grösste Bessemerwerk in England Eine gründliche Arbeit über das Bessemern in England veröffentlichte Ad. Grenier in Revue universelle 1867, II. et III. livr.; siehe auch Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1867, S. 437. war die neue Anlage zu Barrow, welche bereits 1866 300 Tonnen Bessemerstahl wöchentlich erzeugte, die aber 1867 ihren Betrieb noch bedeutend vergrösserte. Die gesamte englische Produktion von Bessemermetall hatte 1866 100000 Tonnen überschritten. Die französische Erzeugung wurde zu 20000 Tonnen veranschlagt, wovon die Anlagen von Petin, Gaudet \& Co., Jackson und Terre Noire ca. 15000 Tonnen produzierten. Ausser den oben angeführten Ländern hatten auch Italien, Spanien, Russland und Amerika das Bessemern eingeführt. Auffallend war es, dass das Bessemern in den Vereinigten Staaten so spät Ein- gang fand. Erst 1867 wurde die erste Bessemerhütte in Amerika zu Troy (New-York) in Betrieb gesetzt. Die Versuche in Oberschlesien waren im Oktober 1866 mit gutem Erfolg wieder aufgenommen worden, nachdem man in den früher gering geachteten manganhaltigen Erzen von Chorzow ein Mittel gefunden hatte, den Phosphorgehalt des Roheisens im Hochofen herabzudrücken. Man blies dabei mit einer Windtemperatur von 80 bis 100°. Das Roheisen hatte 4,180 Kohlenstoff, 1,896 Silicium, 0,145 Phosphor und 2,829 Mangan. Seit 1867 fand ein regelmässiger Bessemerbetrieb auf der Königshütte statt Siehe Hasenöhrl in Preuss. Zeitschr. 1868, S. 209. . In Schweden hielt man noch an dem Betrieb der stehenden Öfen Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. fest. Unter den in obiger Tabelle angeführten 15 Konvertern sind 13 Bessemerschachtöfen und nur 2 bewegliche Birnen. Knut Styffe kommt aber in seinem fachmännischen Bericht über das Eisen- hüttenwesen auf der Pariser Ausstellung zu dem Schluss, dass die englischen Konverter selbst für schwedische Verhältnisse den Vorzug verdienen. Besonders betont er, dass damit leichter ein be- stimmtes Produkt erzielt werde. Bei dem schwedischen Verfahren wurde das Roheisen direkt aus dem Hochofen abgestochen. Knut Styffe empfiehlt das Umschmelzen in Kupolöfen. In der That war die Einführung der Kupolöfen zum Umschmelzen des Roheisens an Stelle der Flammöfen wohl der wichtigste Fortschritt bei dem Bessemerverfahren im Jahre 1867. Früher, ehe man den chemischen Vorgang genauer studiert hatte, war man geneigt, in der beim Umschmelzen im Flammofen unvermeidlichen Oxydation eine nützliche Reinigung zu erblicken. Durch die Analysen ergab sich aber, dass durch das Umschmelzen im Flammofen bereits ein grosser Teil des Siliciums abgeschieden wurde. Dies war aber ein Nachteil, weil die Wärme, die durch die Oxydation des Siliciums in der Bessemerbirne entstand, für den raschen und guten Verlauf durchaus notwendig war. Auch erwies sich die Furcht, die man hegte, dass das Roheisen im Kupolofen durch die Berührung mit Koks verunreinigt würde und Schwefel und Phosphor aufnähme, als unbegründet. Infolgedessen verdrängten die Kupolöfen rasch die Flammöfen. Da das Einschmelzen in den grossen Kupolöfen viel rascher von statten ging, als in den Flammöfen, konnten mehr Chargen geblasen und die Produktion der Birnen entsprechend vermehrt werden. Auf der Königin-Marienhütte zu Kainsdorf bei Zwickau hatte man 2 Kupolöfen für 2 Frischbirnen. Jeder derselben war 5 bis 6 Fuss weit, 14 Fuss hoch und schmolz 70 bis 80 Centner Roheisen in einer Stunde. Die Windzufuhr erfolgte durch 3 übereinander liegende Formen von 4 bis 5 Zoll Durchmesser. Die Formen lagen 24 bis 36 Zoll über dem Boden. In Barrow schmolz ein Kupolofen 7 Tonnen in einer halben bis dreiviertel Stunden Zu East-Greenwich war bei dem Guss der 100 Tonnen-Chabotte ein Kupolofen nach Irelands System, der 13 Tonnen Roheisen in der Stunde schmolz, verwendet worden. . Auf verschiedenen grossen Werken, wie zu Barrow in England, Terre Noire in Frankreich u. a., stach man das Roheisen direkt vom Hochofen in die Bessemerbirne ab. Eine aus dem Hochofen Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. aufgegebene Charge brauchte aber durchschnittlich 10 Minuten länger zum Frischen. Bei weitem der meiste Bessemerstahl wurde zu Eisenbahnschienen verwendet. In hervorragender Weise waren aber auch gepresste und vertiefte Blechwaren aus Bessemermetall namentlich von Österreich ausgestellt. Es wurden hier Bleche von ca. 1/400 Linie Dicke vorgeführt. Eine sehr wichtige und neue Verwendung des Flussstahls war die für grobe Gusswaren, namentlich für Maschinenteile, die auf Festigkeit besonders in Anspruch genommen wurden, wie z. B. die Krauselräder für Walzwerke. Solche waren in der preussischen und in der franzö- sischen Abteilung vertreten. Le Guen hatte durch Zusatz von Wolframeisen sehr festen Stahl erzeugt und schlug vor, dieses auch bei der Bessemerstahlfabrikation zu verwenden, indem man am Schluss statt Spiegeleisen Wolfram- eisen zusetzte. Versuche, die er 1867 auf der Stahlhütte von Hubert zu Imphy gemacht hatte, sollten sehr gute Erfolge ergeben haben. Das verwandte Wolframeisen hatte 0,70 Prozent Wolfram enthalten; hiervon wurden 8 Prozent der Charge zugeführt; in das fertige Produkt ging nur die Hälfte des zugesetzten Wolframs über. Das Verfahren bot angeblich den grossen Vorteil, dass es gestattete, auch geringere Roheisensorten zu verarbeiten. Zu Ebbw-Vale hatte sich der Parrys che Prozess im Laufe des Jahres 1866 nicht als rentabel erwiesen. Man gab ihn deshalb auf und erbaute ein grosses Bessemerwerk nach dem Muster der neuen Anlage zu Dowlais Siehe Preuss. Zeitsch. 1868, Taf. I, Fig. 1 und 2; Wedding a. a. O. III, Fig. 136, 137. . Diese zeichnete sich durch die Zweckmässigkeit der Anordnung, insbesondere durch die vorteilhaftere Aufstellung der Birnen aus. Sie waren nicht wie früher nebeneinander, sondern ein- ander gegenübergestellt, so dass sie sich beim Kippen einander zuneigten. Die Anlage, die in Figur 98 (a. f. S.) im Grundriss und in Fig. 99 (S. 163) im Aufriss dargestellt ist, bestand aus 3 gleichen Gruppen von je 2 Birnen a mit den dazugehörigen Flammöfen zum Umschmelzen des Roheisens bb und des Spiegeleisens cc . Diese Flammöfen, die später durch Kupolöfen ersetzt wurden, lagen in einem höheren Niveau, so dass das geschmolzene Eisen durch die Rinnen d, e, f direkt den Birnen zugeführt werden konnte. Die Gusspfanne hing an dem hydraulischen Krane l , der um seine Achse drehbar war und beide Birnen bediente. Das Kippen der Birne geschah durch Beck, Geschichte des Eisens. 11 Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Fig. 98. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. einen hydraulischen Cylinder; das Einsetzen der Giesspfanne und das Ausheben der Gussblöcke durch die hydraulischen Kräne q 1 . Zu Neuberg blies man nach der von Stockher in Österreich patentierten Methode Kohlenstaub in die Bessemerbirne ein, um dadurch die Ungleichmässigkeiten im Kohlengehalt der Roheisensorten bei ungleichem Ofengang auszugleichen. Auch setzte man bei hitzigen Chargen Stahlabfälle vor Eintritt des „falschen Siebener“ zu. Dieser österreichische Name bezeichnete die Erscheinung des teilweisen oder gänzlichen Verschwindens der Flamme vor Eintritt der dritten Periode wodurch die Täuschung entstehen konnte, als ob das Eisen schon vollständig zu Nr. VII entkohlt sei, während sein Kohlengehalt erst Nr. II bis III entsprach. Fig. 99. In Neuberg erreichte man 1867 87 Prozent Blöcke bei nur 9 Prozent Kalo. Im Jahre 1866 war das Verfahren der Stahlerzeugung mittels Salpeter von John Heaton (Patent vom 17. März 1866) aufgekommen. Dasselbe hatte grosse Hoffnungen erweckt, weil man in ihm den Weg gefunden zu haben glaubte, auch die unreinen Roheisensorten zu gutem Stahl verarbeiten zu können. Obgleich sich Bessemer anfangs gegen diese Methode aussprach, nahm er doch am 31. Dezember 1867 ein Patent auf die Verwendung des Prozesses für das Bessemern, indem er sich dabei auf den Wortlaut seiner alten Patente von 1856, in denen er die Anwendung aller Sauerstoff abgebenden Substanzen einbegriffen hatte, stützte. Er sah sich hierzu gezwungen, weil James Hargreaves ein Patent für die Ausdehnung eines ähnlichen Ver- fahrens auf das Bessemern am 12. Juli 1867 bereits erlangt hatte. Der Grundgedanke des Verfahrens bestand darin, Salpeter durch Hitze zu zersetzen und den dadurch erzeugten Sauerstoff statt atmo- sphärischer Luft durch die flüssige Eisenmasse zu pressen. Hierdurch sollten die kostspieligen Gebläsemaschinen überflüssig werden, auch erwartete man von der Wirkung des Sauerstoffs eine vollkommenere Abscheidung von Schwefel und Phosphor. Bessemer schlug hierfür zwei Wege vor. Nach dem einen brachte man am Boden des Kon- 11* Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. verters an Stelle des Windkastens eine starke Büchse von Eisenblech, die inwendig mit feuerfestem Material ausgekleidet war, an (Fig. 100). Dieselbe hatte einen mit Löchern versehenen Deckel und wurde mit Salpeter gefüllt. Die Hitze des flüssigen Roheisens zersetzte den Salpeter und bewirkte die Gasentwickelung. Der andere Weg bestand darin, seitlich an dem Konverter ein Gefäss anzubringen, in welchem Fig. 100. Salpeter und andere reinigende Salze durch einen heissen Windstrom geschmolzen wurden. Das Gefäss war durch Röhren mit dem Boden des Konverters ver- bunden, so dass die geschmolzene Masse unter Druck in das flüssige Roheisen gelangen konnte. Die Re- gulierung erfolgte dabei durch einen Vierweghahn, der entweder ganz abschloss oder gestattete, dass nur der heisse Wind, der durch die Salpeterbüchse geströmt war, eintrat, oder endlich, wenn das Salpeterfrischen beginnen sollte, dem geschmolzenen Salz den Zutritt gestattete. J. Hargreaves’ Vorschlag (Patent vom 12. Juli 1867) war dahin gegangen, durch Übergiessen von salpeter-, chlor-, mangan- oder chromsauren Salzen mit flüssigem Roheisen ein zusammengeflossenes Gemenge der reduzierten Salze mit dem oxydierten Eisen und seinen Verunreinigungen zu erzeugen, welche er „Stahlschlacke“ nannte und die, indem sie dem eingeschmolzenen Roheisen im Konverter beim Beginn des Bessemerns zugesetzt wurde, eine bedeutend reinigende Einwirkung ausüben sollte. Am 27. Februar 1867 hatte der Amerikaner A. L. Holley ein Patent auf verbesserte Ingotformen genommen. Der Grundgedanke war die Anordnung einer Anzahl von Formen um einen centralen Einguss, mit dem jene an den Böden so verbunden waren, dass sie sich von unten füllten. Ausser dem centralen Einguss gehörte dazu ein Verteilungsboden (distributing bottom), ein Formkasten, in dem die verbindenden Rinnen in Formsand eingeformt wurden. Ferner wurden die Eingussformen durch Thonpfropfen oder Eisendeckel ab- geschlossen, wodurch das Metall in dem centralen Einguss höher steigen musste, so dass die Eingüsse unter Druck erstarrten. Auf die Veröffentlichung Professor Roscoes im Jahre 1864, dass man bei John Brown in Sheffield das Spektroskop zur Beobachtung der Bessemerflamme eingeführt habe, versuchte man auf vielen Bessemerhütten dies Mittel ebenfalls anzuwenden, sah sich aber in den meisten Fällen getäuscht. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. So misslangen die Versuche, die man 1865 in Oberschlesien damit anstellte, gänzlich. Viele verwarfen deshalb diese Methode. Professor A. Lielegg Siehe Berichte der K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien 1867 und 1868. liess sich aber durch die ersten Misserfolge nicht abschrecken und studierte die sehr komplizierten Erscheinungen des Spektrums der Bessemerflamme mit der grössten Ausdauer. Schon 1865 wies er auf bestimmte Liniengruppen, die in der Kochperiode im Spektrum sichtbar werden, bei dem Eintritt in die Frischperiode an Glanz und Deutlichkeit zunahmen und gegen das Ende derselben abnahmen. Er sprach die Ansicht aus, dass diese Linien von Kohlen- oxydgas herrührten und dass die Beobachtung derselben brauchbare Anhaltspunkte zur Beurteilung des Bessemerprozesses geben werde. Lielegg hatte seine Versuche auf dem Bessemerwerk zu Graz an- gestellt, wo denn auch bald darauf die Beobachtung mit dem Spektrum mit Erfolg angewendet wurde; dasselbe geschah zu Ternitz in Nieder- österreich und auf der Maximilianhütte in Bayern, während die Erfolge in Neuberg und zu Hörde unbefriedigend blieben. In England machte Watt Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1868, S. 64. ähnliche vergleichende Versuche. Watt und Lielegg setzten dabei bestimmt voraus, dass die betreffenden Liniengruppen von der Verbrennung des Kohlenstoffs herrührten, und sie wollten die Ab- weichungen von dem reinen Kohlenoxydgasspektrum durch die abweichenden Bedingungen der Entstehung des Kohlenoxydgases erklären. Brunner in Neuberg wies aber 1868 darauf hin, dass diese Linien weit eher dem Mangan und Eisen als dem Kohlenstoff zuzuschreiben seien. Dies gab eine neue Anregung zur Untersuchung und Hasenöhrl zu Königshütte, Dr. Wiechmann und v. Lichtenfels in Neuberg fanden 1869 Brunners Vermutung bestätigt. Im Jahre 1868 erregte ein Verfahren des Amerikaners John Francis Bennett von Pittsburg die Aufmerksamkeit der Metallurgen, das darin bestand, mittels Durchleitens von Kohlensäure beim Bessemer- prozess Schwefel und Phosphor zu entfernen. Bennett hatte schon 1867 in Amerika ein Patent erworben und nahm am 12. August 1867 und am 7. Januar 1867 zwei Patente in England durch Ch. D. Abel . In dem letzteren beschreibt er sein Verfahren folgendermassen: Erst wird Luft durch das geschmolzene Roheisen im Konverter geblasen, bis der Kohlenstoff grösstenteils abgeschieden ist, dann bläst man eine halbe Minute oder kürzer Kohlensäure durch die Masse und hierauf bläst man zum Schluss nochmals etwa 15 Minuten Luft hin- Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. durch. Er nimmt an, dass die Kohlensäure oxydierend auf Schwefel und Phosphor einwirke und Schwefel als schweflige Säure, Phosphor als phosphorige und unterphosphorige Säure entweiche. Der Kohlen- stoffgehalt, der durch Reduktion der Kohlensäure entstanden ist, soll durch das Nachblasen entfernt werden. H. Bessemer nahm am 21. März 1868 ein Patent auf eine abgeänderte Frischbirne, in welcher ebenfalls unreines Roheisen ver- arbeitet werden sollte. Diese Birne hatte noch eine seitliche Aus- bauchung, in welche ebenfalls Wind eingeblasen werden konnte, dabei war sie so aufgehängt, dass einmal die seitliche Ausbauchung, das andere Mal der Boden nach unten hing und benutzt werden konnte. Zuerst sollte die kleinere seitliche Höhlung nach unten hängen. Der Herd derselben war mit gerösteter Schweissschlacke (bull-dog), Hammer- schlag, Roheisen u. s. w. ausgesetzt. Das unreine Roheisen wurde daraufgegossen und der Wind angelassen. Sobald die Masse heiss geworden war, sollte man Dampf entweder mit Wind gemischt oder allein durchblasen. Hierdurch wurde die Masse verdickt und innig mit Garschlacke gemengt. War die Masse fast steif geworden, so setzte man den anderen Teil der Charge, der aus besserem Roheisen bestand, zu. Dieser löste die zähe Masse wieder auf und nun richtete man den Konverter auf, so dass der ganze geschmolzene Inhalt auf den unteren Herd floss, wo er in der gewöhnlichen Weise verblasen wurde. Ein weiteres Patent nahmen die Amerikaner A. L. Holley und B. Pearse am 16. Mai 1868 durch R. W. Lake für einen beweglichen Boden, welcher für sich eingesetzt und durch Bolzen befestigt wurde. Die Auswechselung eines schadhaften für einen Reserveboden konnte dadurch rasch von statten gehen. Der Vorzug dieser amerikanischen Böden gegenüber den schon 1865 zu Neuberg von Schmidhammer angewendeten bestand namentlich darin, dass zwischen der Seiten- wand des Konverters und dem eingesetzten Boden ein nach aussen sich erweiternder schmaler Zwischenraum gelassen wurde, welcher mit Ausnahme der Verbindungsschrauben zwischen Konverter und Boden von aussen frei und zugänglich blieb. Die Dichtung konnte dadurch leicht erfolgen, wenn auch das Gefäss im Innern noch rotglühend war. Ein Boden hielt aber z. B. in Dowlais nur 6 bis 8 Chargen aus, während das Futter 310 Chargen widerstand. Alfred Tardieu schlug vor, das Futter der Bessemerbirnen aus Bauxit , der bekanntlich grösstenteils aus reiner Thonerde besteht, herzustellen, und hatte dafür durch A. V. Newton am 29. Juli 1869 ein englisches Patent erworben. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. James Hargreaves nahm am 6. August 1868 ein neues Patent auf sein Verfahren, Eisen und Stahl aus Roheisen durch Einleiten von Sauerstoffgas, wodurch Schwefel und Phosphor abgeschieden werden sollten, in der Bessemerbirne zu machen. Er wollte dabei gegen Ende des Bessemerns heisse Luft einblasen, um die Temperatur des flüssigen Metalls zu erhöhen und reinere Güsse zu erhalten. Er schlug ferner vor, das im Kupolofen geschmolzene Roheisen erst in einen Vorherd zu leiten und es durch längeres Erhitzen oder auch durch Zusatz von Metalloxyden zu reinigen, oder oxydierende Salze, die mit Eisen- und Manganoxyd oder Kalk zu festen Brocken geformt sind, in die Bessemerbirne einzuwerfen. Heinrich Bessemer war unermüdlich, immer neue Mittel und Wege ausfindig zu machen, um das wichtige Problem, bei seinem Ver- fahren Schwefel und Phosphor abzuscheiden und dadurch auch die gewöhnlichen Roheisensorten durch seinen pneumatischen Prozess in Stahl verwandeln zu können, zu lösen. Im Jahre 1869 verfiel er auf ein neues Prinzip, indem er das Frischen unter höherem Druck vornahm. Er erwarb hierfür vier Patente vom 10. Mai (Nr. 1431 bis 1435); davon beziehen sich Nr. 1433 und 1434 speciell auf das Bessemern. Manche Roheisensorten, sagt er, erzeugen bei dem Bessemerprozess keine genügende Wärme, um die ganze Masse des erzeugten Stahls bis zum Ausgiessen in die Formen hinreichend flüssig zu erhalten. Um diesem Übel zu steuern, hält man die Gase, welche sich bei der Operation bilden, durch einen Gegendruck von 8 bis 15 Pfund auf den Quadrat- zoll in dem Konverter zurück; dadurch findet die Verbrennung des Kohlenstoffs in dem Metall unter Druck statt, wodurch die Temperatur des Metallbades gesteigert wird. Zu diesem Zweck muss man den Apparat sehr stark machen, die Mündung kreisförmig zusammenziehen und mit einem Ring versehen. Man verengt die Mündung aber nicht auf das Äusserste, weil sie sich dann zu leicht durch ausgeschleudertes Metall oder Schlacke verstopfen würde, sondern verschliesst sie teil- weise durch einen beweglichen feuerfesten Thonpfropfen an einer eisernen Stange, die durch Schraube oder Hebel bewegt oder durch eine Feder oder einen Federhebel angedrückt wird. Selbst- verständlich muss der Winddruck entsprechend dem Gegendruck verstärkt werden. Dasselbe Verfahren wendet man bei dem Salpeter- verfahren an und lässt hier den Gegendruck von 5 bis 10 Atmo- sphären steigen. Der hierfür von Bessemer angegebene Apparat ist im Prinzip den obigen gleich, in der Ausführung aber etwas kompli- zierter. Bessemer hat denselben Grundsatz, höhere Wirkung durch Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Arbeit unter Druck zu erzeugen, auch auf Schacht- und Flammöfen übertragen, wovon später noch die Rede sein wird. Er hat ausserdem ein besonderes Manometer für seine Hochdrucköfen erfunden. Emil Müller nahm durch J. H. Johnson am 25. März 1869 ein englisches Patent auf ein Futter für Bessemerbirnen oder Martin- öfen aus feuerfesten Magnesiaprodukten, aus Magnesia im Zustande möglichster Reinheit bestehend, an Stelle der gewöhnlichen feuer- festen Materialien, die alle mehr oder weniger freie Kieselsäure ent- halten. Durch Anwendung dieses Futters sollten verschiedene Ab- weichungen der Reaktionen, welche den Übergang von Roheisen in Stabeisen und Stahl begleiten, eintreten; das erzeugte Produkt wird von Schwefel und Phosphor befreit und das Futter ist haltbarer. Das Magnesiafutter würde eigentlich nur mechanisch angegriffen und gestattete besser die Anwendung gewisser Oxydationsmittel, wie namentlich die des Natron- und Kalisalpeters. Um höher karbonisiertes Eisen zu erzeugen, schlug John Bust vor, Petroleum oder andere Kohlenwasserstoffe einzublasen. Dieser Vorschlag war nicht neu. Ramsbottom hatte bereits 1864 ein ähn- liches Patent genommen und M. Mühlig hatte vorgeschlagen, Leucht- gas in den Bessemerofen einzublasen. Erwähnung verdient dagegen die erfolgreiche Anwendung von Graphit durch H. Brunner in Leoben. Durch das Einblasen von Graphit während der schlacken- bildenden Periode gelang es ihm auch, weisses und halbiertes Roheisen mit Erfolg zu bessemern Siehe Österreich. Zeitschr. für das Berg- u. Hüttenwesen 1869, Nr. 2. . Die Versuche des Kapitäns Le Guen Compt. rend. LXVIII, 592. , Wolframbessemerstahl zu erzeugen, wurden auf der Hütte zu Terre-Noire fortgesetzt. Man schmolz weisses Roheisen im Kupolofen mit Wolframbriketts und erhielt dadurch eine Legierung mit 9,21 Prozent Wolfram. Von dieser wurde ein Zehntel statt Spiegeleisen der Bessemercharge zugesetzt. Der erblasene Stahl enthielt 0,558 Prozent Wolfram. Das Material zeichnete sich angeblich durch Weichheit und Zähigkeit aus und stand gut im Feuer, war aber zu teuer. Über eine verbesserte Anordnung der Bessemerbirnen und der dazugehörigen Schmelz- und Giessgefässe hat H. Bessemer einen Aufsatz veröffentlicht, auf den wir verweisen Siehe Engineering 1869, p. 302; Berggeist 1869, Nr. 102; Dinglers Journal, Bd. 195, S. 246. . Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Über das Spektrum der Bessemerflamme veröffentlichte Th. Rowan 1869 eine ausführliche Abhandlung Siehe Chemical News 1869, XXIX, p. 176; R. Wagners Jahresbericht d. chem. Technol. 1869, S. 61. . Er erfand ein kleines Instrument zur Beobachtung der Flamme, welches er Chromopyrometer nannte. Über das Bessemerspektrum veröffentlichten ferner Bleichsteiner Österreich. Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1869, S. 43. und Wedding Preuss. Zeitschr. XVII, 117. Mitteilungen. Letzterer schreibt dem Mangan die charakteristischen Erscheinungen im Spektrum der Bessemer- flamme zu. Der Amerikaner Durfee nahm 1869 ein Patent auf verbesserte Blockformen. Auch das Jahr 1870 brachte eine Reihe neuer Vorschläge für die Reinigung und Verbesserung des Bessemermetalls, ohne indes die wichtige Frage der Entphosphorung der Lösung näher zu bringen. A. Parkes schlug einen Zusatz von Nickel vor (Patent vom 9. April 1870). James Henderson empfahl Flussspat oder andere Fluor- verbindungen als Reinigungsmittel für das Roheisen (Patent vom 27. Mai). Mason und Parkes liessen sich wieder einmal die Ver- wendung von Chloriden zu diesem Zweck patentieren, J. E. Sherman Jod und Jodverbindungen (Patent vom 25. Juli). Carulla will die Reinigung durch Einblasen von Wasserstoffgas bewirken (Patent vom 24. August). Henderson empfahl in einem Patent vom 8. November, das Futter der Frischbirne aus Flussspat herzustellen. Über die Menge der beim Bessemern erzeugten Wärme wurden mehrere Untersuchungen veröffentlicht. Troost und Hautefeuille wiesen nach, dass ein Äquivalent Silicium doppelt so viel Wärme als ein Aquivalent Kohlenstoff bei seiner Oxydation entwickele; ausserdem bleibe die ganze durch das Silicium entwickelte Wärme in der Schmelz- masse, während das Kohlenoxydgas den grössten Teil seiner Ver- brennungswärme mit fortnähme. Jordan berechnete, dass unter Annahme einer Temperatur des Roheisenbades von 1400° C. zur Verbrennung von einem Gewichtsteil Eisen 1,2427 Gewichtsteile Luft Kohlenstoff 4,4616 „ „ Silicium 3,7386 „ „ erforderlich sind. Die Fortschritte des Bessemerprozesses 1861 bis 1870. Diese geben Wärmeeinheiten an das Roheisen ab: Eisen 757,3 Kohlenstoff 475,2 Silicium 6382,4 Hieraus berechnete Kuppelwieser , dass 100 Teile eines Roh- eisens von 2 Prozent Silicium- und 4,25 Prozent Kohlenstoffgehalt, welches 85 Prozent Bessemerstahl giebt, durch Verbrennen von 2 Silicium × 6382,4 = 12764,8 Wärmeeinheiten 4,25 Kohlenstoff × 475,2 = 2017,6 „ 8,75 Eisen und Mangan × 757,3 = 6623,7 „ zusammen: 21406,1 Wärmeeinheiten entwickeln. Diese Wärmemenge würde ein Roheisenbad, wenn man von aller Wärmeabgabe nach aussen absieht, um 1350° C. erhitzen, also eine Temperatur von 1400° + 1350° = 2750° C. erzeugen. Bei dieser Temperatur würde Platin, dessen Schmelzpunkt zwischen 2220 bis 2400° C. liegt, rasch einschmelzen. Das Gelingen des pneu- matischen Prozesses hängt aber wesentlich von der Temperatur ab. Einblasen von Kohlenstoff erhitzt wenig; mehr dagegen Salpeter. Snelus hat ebenfalls die Produkte des Bessemerprozesses in verschiedenen Stadien analysiert und Kuppelwiesers Angaben be- stätigt gefunden, namentlich auch in der Hinsicht, dass Silicium beim Bessemern fast vollständig verbrennt, ehe die Oxydation des Kohlen- stoffs beginnt. Zum Schluss erwähnen wir noch einige praktische Ergebnisse beim Bessemern zu Hörde aus diesem Jahr. Das Futter der Birne wurde aus einem Gemenge von 6 Tln. Quarzmasse in Erbsengrösse und 1 Tl. gemahlenem Thon mit grosser Sorgfalt mit Hülfe von Schablonen gestampft. Hierbei arbeiteten 22 Mann 24 Stunden im Schichtlohn. Das Abwärmen des Futters dauerte 12 Stunden und erforderte 140 Centner Steinkohlen. Das Auswechseln eines neuen Bodens dauerte 6 Stunden und wurden 22 Centner Steinkohlen beim Anwärmen verbrannt. Das Auswechseln und Ausstampfen des Bodens während des Betriebes war eine der schwersten Arbeiten. Kein Arbeiter konnte länger als 10 Minuten in der heissen Birne arbeiten. Die Düsen oder Formen wurden in einer Düsenpresse mit 10 Stahl- dornen gepresst. Die Steuerung des Kranes geschah durch Hebel und Schiebersteuerung der einfachsten Art. Das Druckwasser passierte einen Armstrongs chen Akkumulator gewöhnlicher Form mit 250 Centner Belastung. Flammofenstahlschmelzen. Flammofenstahlschmelzen. Die Fabrikation und die Verwendung des Stahles hatten solche Wichtigkeit erlangt, dass man sich nicht mit den Verbesserungen des Bessemerprozesses in den sechziger Jahren begnügte, sondern alle bekannten Methoden zu vervollkommnen und neue zu erfinden suchte. Auch konnte der Bessemerstahl den Gussstahl namentlich als Werk- zeugstahl nicht ersetzen und Bessemer erkannte es selbst an, dass man, um guten Werkzeugstahl zu erhalten, den Bessemerstahl um- schmelzen musste. Dieses Umschmelzen geschah Ende der fünfziger Jahre noch ausschliesslich in Tiegeln und war natürlich sehr kost- spielig. Da die Kenntnis der Wärme, der Wärmeerzeugung und der Wärmebeförderungsmittel grosse Fortschritte gemacht hatte, so lag es nahe, einen billigeren Weg des Stahlschmelzens aufzusuchen und dem Problem der Gussstahlerzeugung im Flammofen näher zu treten. Frühere Versuche in England zu Anfang des Jahrhunderts, von Vandenbroek in Saarbrücken und von Bréant in Frankreich in den zwanziger Jahren, von J. M. Heath in England in den vierziger Jahren (s. Bd. IV) waren alle gescheitert an der unzureichenden Temperatur. Josiah Marshall Heath hatte am 4. August 1845 ein Patent auf ein Verfahren zur Stahlerzeugung genommen, darin bestehend, dass er reines, in einem Kupolofen geschmolzenes Roheisen in einen Flammofen leitete und es hier in möglichst hoher Temperatur, welche durch Verbrennung von Kohlenoxydgas mit heisser Luft verstärkt wurde, flüssig erhielt, während Schmiedeeisen zugesetzt und die Masse in Gussstahl verwandelt wurde. Diesen konnte man dann durch ein Abstichloch in Formen laufen lassen. Dieses Verfahren griff Sudre Das englische Patent (Nr. 3007) nahm J. H. Johnson am 31. Dezbr. 1858. im Jahre 1858 auf und es gelang ihm, das Interesse Kaiser Napoleons für dasselbe zu gewinnen, welcher hoffte, dass auf diesem Wege ein billiger und brauchbarer Gussstahl für Artilleriezwecke hergestellt werden könne. Sudre hatte bei seinen mehrjährigen Versuchen zu Montataire mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, da die grosse Hitze, welche das Schmelzen des Stahls erforderte, die Ofenwände rasch zerstörte. Im Jahre 1860 erzielte er einigen Erfolg durch Anwendung geeigneter indifferenter Flüsse, wofür sich Glas und Schlacken von Holzkohlenhochöfen am besten bewährten. Unter einer Flammofenstahlschmelzen. dicken Schutzdecke flüssiger Schlacken gelang es ihm, bis 40 Centner Stahl auf einmal zu schmelzen. Dieser Erfolg erregte in Frankreich bedeutendes Aufsehen und veranlasste die Ernennung einer kaiser- lichen Kommission zur Begutachtung des Prozesses. Der Bericht der Kommissare Beaulieu, Deville und Caron sprach sich sehr günstig darüber aus. Er stellte beträchtliche Ersparnisse gegenüber der Tiegelgussstahlfabrikation in Aussicht. In Wirklichkeit war aber die Hauptschwierigkeit, die rasche Zerstörung der Ofenwände, nicht überwunden und infolgedessen das Verfahren nichts weniger als billig. Zu derselben Zeit machte ein Offizier Namens Alexandre zu Villeneuve auf Veranlassung der Kaiserlichen Marine ebenfalls Stahl- schmelzversuche. Der Stahl aber, der dabei erzeugt wurde, war schlecht; infolgedessen wurden diese Versuche 1862 geschlossen. Ähn- liche ungünstige Resultate erzielte Lan in Rive de Gier. Einen anderen Weg hatte A. B. Bérard mit seinem 1862 paten- tierten Verfahren zur Reinigung des Roheisens und zur Stahlbereitung eingeschlagen, das im wesentlichen darin bestand, Roheisen abwechselnd und wiederholt oxydierenden und kohlenden Schmelzen auszusetzen. Sein Ofen hatte zwei auf Rädern laufende Herde. Das flüssige Eisen- bad in denselben sollte einmal der Wirkung frischender, das andere Mal der kohlender Gase ausgesetzt werden, was durch Umschaltung für die beiden Herde kontinuierlich geschehen konnte. Es sollte dabei Wasserstoff und Kohlenoxydgas angewendet werden. — Die Versuche, die mit diesem Verfahren in Frankreich gemacht wurden, erfüllten aber die darauf gesetzten Hoffnungen keineswegs. Dasselbe ist von der 1863 veröffentlichten Methode der Stahl- bereitung von Jules Cajanave-Sabatier zu sagen. Dieser wollte, ähnlich wie der Amerikaner Martien , das Eisen dadurch reinigen, dass er es in geschmolzenem Zustande in dünnen Strahlen der Ein- wirkung von Wasserdämpfen aussetzte, wodurch es gereinigt und entkohlt werden sollte. Die Erzeugung von Flammofenflussstahl schien fast als hoffnungs- los aufgegeben zu sein, als im Jahre 1864 die Brüder Emile und Pierre Martin zu Sireuil bei Angoulème mit ihrer Erfindung hervortraten, welche darin bestand, dass sie Gussstahl in Flammöfen, welche mit Siemens’ Generatorfeuerungen geheizt wurden, darstellten. Zu diesem Ziel, das so leicht zu erreichen schien, nachdem die Er- findungen von Heath und von Siemens vorausgegangen waren, gelangten die Brüder Martin erst nach zahlreichen und vielen ver- geblichen Versuchen. Neues war in dem Verfahren eigentlich nicht Flammofenstahlschmelzen. enthalten, nur die erfolgreiche Verwendung von Siemens’ Regenerativ- feuerung bei dem Schmelzprozess war neu und hat den Namen Martin berühmt gemacht. Hier war die Erfindung wirklich der Abschluss von etwas Gesuchtem. Den Erfolg verdankten die Gebrüder Martin der Anwen- dung von Siemens’ Regenerativfeuerung Siehe Berg- und Hüttenm. Ztg. 1878, S. 337 und C. William Siemens , Correspondance entre Martin et C. W. Siemens . . Karl Wilhelm Siemens hatte schon seit der Erfindung dieser neuen Feuerung durch seinen Bruder Friedrich im Jahre 1856 Versuche gemacht, dieselbe zur Heizung der Flammöfen in der Eisenindustrie zu ver- wenden, und hierfür bereits am 11. Mai 1857 ein Patent genommen. Der Gedanke, die durch diese Feuerung erzeugte Hitze zur Schmelzung des Stahls im offenen Herd zu verwenden, war ihm bald darauf gekommen und er hatte deshalb gemeinschaftlich mit seinem Bruder Friedrich am 22. Januar 1861 ein neues Patent (Nr. 167) genommen. 1861 machte er Abraham Darby von Ebbw-Vale den Vorschlag, Versuche damit zu machen. Dann suchte er im folgenden Jahre Charles Atwood von Towlaw in Durham für die Idee zu gewinnen, was ihm auch gelang, doch entsprach der Erfolg nicht den Erwartun- gen, und Atwood sah deshalb von dem Schmelzverfahren im offenen Herd ab. Grösseres Entgegenkommen als in England fand Siemens in Frankreich, wo besonders der Generalinspektor der Bergwerke Le Chatelier , der das Stahlpuddeln auf Bauxitherden eingeführt hatte, sich lebhaft für das Verfahren interessierte, welches auf seine Veranlassung von den Herren Boigues, Rambourg \& Co . in Montluçon ausgeführt wurde. Unter der Leitung von Dr. Otto Siemens, Wilhelms Bruder, wurde auch guter Stahl im Flamm- ofen erzeugt; als aber nach kurzer Zeit das Gewölbe zusammenschmolz, verloren die französischen Fabrikanten den Mut. C. Wilhelm Siemens legte darauf in Birmingham selbst eine Stahlhütte an, die er „Sample Steel Works“ nannte, um weitere Versuche zu machen. 1863 waren die Brüder Martin zu Sireuil von Siemens auf die Versuche zu Montluçon aufmerksam gemacht worden, und da sie sich dafür interessierten, schickte ihnen Siemens noch in demselben Jahre eine Zeichnung, wonach sie ihren Ofen bauten. Der Anteil von C. W. Siemens Vergl. Jeans , Steel, p. 89. an der Erfindung der Gebr. Martin ist so gross, dass man das Verfahren des Stahlschmelzens im offenen Herd mit Recht als Siemens-Martin-Prozess bezeichnet und nur aus Flammofenstahlschmelzen. Bequemlichkeit pflegt man das Verfahren kurzweg den Martinprozess oder das Martinieren zu nennen. Am 8. April 1864 war es den Gebrüdern Martin auf ihrem Werk zu Sireuil gelungen, mit ihrem Ofen Stahl zu erzeugen, und am 10. April liessen sie sich das Verfahren für Frankreich patentieren. Das erste englische Patent, welches R. A. Brooman für sie nahm, ist vom 15. August 1864. Es lautet: „Die direkte Darstellung des Stahls wird in einem Flammofen, vorzugsweise in einem Siemens-Gas- ofen bewirkt, indem Gusseisen eingeschmolzen wird, um ein Bad zu bilden, in dem kalte oder vorgewärmte Stücke von Schmiedeeisen, Rohstahl, Eisen- oder Stahldrehspäne, Abfälle oder vorzugsweise gepuddelte und in Stücke zerschnittene Luppen aufgelöst werden, bis ein Stahlbad erlangt ist. Es wird alsdann nur ein Teil dieses Bades abgestochen und eine weitere Menge von Schmiedeeisen, Stahl oder wenn nötig von Gusseisen nachgesetzt, um das abgestochene Metall zu ersetzen, worauf von neuem ein Teil des gebildeten Stahls abgestochen und in derselben Weise fortgefahren wird. Die Temperatur des Bades muss auf 1500° bis 1800° C. gesteigert werden; auch ist es nötig, die schwarze, mit Eisenoxyd überladene Schlacke abzustechen und sie durch reine, oxydfreie Schlacke zu ersetzen. Wendet man hierfür einen geeigneten Fluss an, wie besonders Schlacke von Holzkohlen- hochöfen, so erleichtert dies die Steigerung der Temperatur, während gleichzeitig durch Auflösung der Oxyde in der Schlacke die Masse gereinigt und verbessert wird. Man kann auch oxydische Schlacke, Oxyde oder Silikate von Eisen, Mangan oder Blei, oder oxydierende Salze auf Gusseisen in einem Puddel- oder anderen Ofen wirken lassen. Wenn das Eisen teigig wird, sticht man die Schlacke ab und ersetzt sie durch Flüsse, wie Hochofenschlacke, Glasmasse, Soda, Pottasche, Kalk und der- gleichen. Diese Glasflüsse haben die Eigenschaft, die Oxydation zu unterbrechen und eine bestimmte Qualität Gussstahl zu sichern. Man kann auch hämmer- und schmiedbares Eisen in Kupol- und ähnlichen Öfen in ähnlicher Weise bereiten, indem man Puddelluppen oder sonstiges weiches Eisen oder Stahl mit oder ohne Gusseisen schmilzt unter Zusatz eines Flusses, bis die Schlacke hell wird. Auf diese Art kann man Produkte von verschiedener Schmiedbarkeit erhalten. Mangan, Chloride, Fluoride, Nitrate und verschiedene Metalle können dem Roheisenbad zugesetzt werden. Kohlenhaltige Substanzen oder andere Reduktionsmittel können der Schlacke zur Entfernung der Oxyde zugefügt werden.“ Flammofenstahlschmelzen. In diesem ersten Patent waren also drei Stahlbereitungsarten angegeben, von denen zwei im Flammofen, eine im Kupolofen aus- geführt werden sollte. Der Schwerpunkt lag aber in dem ersten Ver- fahren. Von diesem ist denn auch in dem zweiten Patent, welches die Brüder Emil und Peter Emil Martin am 18. August 1865 Fig. 101. nahmen, allein die Rede. Es erstreckt sich auch auf die Darstellung von Gussstahl, Gusseisen (d. h. gegossenes Schmiedeeisen) und Halbstahl (métal mixte). Die Fabrikation beruht auf der Schmelzung von Eisen oder Roh- stahl in einem Gusseisenbad, bei andauernder Weisshitze in einem Siemens-Flammofen. Diesem Patent ist die nebenstehende Zeichnung des Ofens (Fig. 101, 102) beigefügt. Ferner werden darin die Mischungsverhält- nisse angegeben. Um Gussstahl zu erzeugen, sollen 2300 Pfund Puddelstahl und 400 Pfund Stahl von früheren Schmelzungen allmählich in einem Bad von 700 Pfund reinem Fig. 102. Gusseisen eingeschmolzen werden. Nachdem die schwarze Schlacke durch reine Schlacke ersetzt und die Masse gehörig durchgerührt und probiert ist, werden 40 bis 100 Pfund weissglühendes Gusseisen zu- gesetzt, um das richtige Korn des Stahls zu fixieren. Für weichen Stahl oder Flusseisen, welche keine Härtung mehr annehmen, werden 2600 Pfund granuliertes Puddeleisen Flammofenstahlschmelzen. und 100 Pfund Stahl von früheren Schmelzungen in 700 Pfund Guss- eisen eingeschmolzen und dann 20 bis 40 Pfund Spiegeleisen (fontes à facettes) zugesetzt. Halbstahl (mixed metal) erhält man durch Einschmelzen von 200 Pfund Stahl oder Eisen in 1000 Pfund Gusseisen. Dieses gemischte Metall ist sehr hart, hämmerbar in der Hitze und zäher (less fragile) als Gusseisen. Das dritte Patent der Brüder Martin vom 23. März 1866 bezieht sich hauptsächlich auf die Verarbeitung der Abfälle der Bessemer- stahlfabrikation im Martinofen. Diese Abfälle sollen vorgewärmt in einem Bad von weissem, stahlartigem, strahligem (rubanné) Roh- eisen, welches den Kohlenstoff wie den Stahl in aufgelöstem Zustand enthält, eingeschmolzen werden. Das Eintragen geschieht allmählich, die Mischung durch Rühren. Auch hierbei soll immer nur ein Teil des Produktes abgestochen werden, indem der andere Teil als Bad für die folgenden Einsätze dient. Diese Verwendung des Martinprozesses zur Aufarbeitung der Abfälle der Bessemerstahlfabrikation, deren Verwendung den grossen Werken seither oft Kopfzerbrechen gemacht hatte, war von grosser praktischer Bedeutung und hat viel zur Ausbreitung des Martinver- fahrens beigetragen. Die Gebrüder Martin selbst betrieben von Hause aus eine Gewehrfabrik und ihre Erfindung sollte ihnen nur ein besseres Material für die Gewehrläufe liefern. Sie erreichten dies auch schon 1865 und stellten seitdem ununterbrochen guten Stahl für ihre Gewehrläufe nach ihrem Verfahren dar. Bekannt wurde dasselbe zuerst durch die Beschreibung von P. E. Martin im Génie industriel vom Juli 1865 Deutsch in Dinglers Journal, Bd. 176, S. 310. . In die Öffentlichkeit drang es aber erst durch die Ausstellung in Paris von 1867, wo es als die wichtigste Neuheit in der Eisenindustrie Aufsehen erregte und mit dem höchsten Preise ausgezeichnet wurde. Die Gebrüder Martin erhielten die goldene Medaille für ihr Produkt, während Siemens die grosse Preismedaille für seinen Ofen und dessen Anwendung auf die Stahlbereitung erhielt. Tunner erblickte in dem Martinprozess ein verbessertes Uchatius- verfahren, wobei die Schmelzung im Flammofen statt im Tiegel geschieht. Der Betrieb zu Sireuil war bei Eröffnung der Ausstellung noch der einzige seiner Art. Er hielt sich in ziemlich bescheidenen Grenzen, indem man nur mit 1500 bis 2000 kg Einsatz arbeitete. Am Flammofenstahlschmelzen. 1. Juni eröffnete aber der verdienstvolle Stahlfabrikant Verdié zu Firminy ein grosses Martin-Stahlwerk mit Öfen von 3000 bis 3500 kg Einsatz. Ein Regenerator bediente 2 Schmelzöfen und 3 Glüh- öfen zum Vorwärmen des Eisens Siehe Dinglers Journal 188, S. 46. . Erst wurde ein Glühofen mit 900 kg Roheisen beschickt. Die glühenden Gänze wurden in grossen Schaufeln mit Hülfe von Krahnen in den Schmelzofen gebracht und hier unter Zusatz von Hochofenschlacken und Quarzsand einge- schmolzen. Dann steigerte man die Temperatur und trug die bis zur Weissglut erhitzten Stabeisen- und Stahlstücke in Sätzen bis zu 200 kg ein. Auf die 900 kg Roheisen wurden ca. 2400 kg Stabeisen und Stahl gesetzt. Die ganze Operation dauerte 8 Stunden, wozu noch 2 Stunden für die Reparatur des Herdes, der gereinigt und, soweit nötig, mit frischem Quarzsand ausgeschlagen wurde, kamen. Gegen Ende des Schmelzens wurde die Masse teigartig, worauf nach einem Posten von 200 kg Schmiedeeisen 800 kg Roheisen nachgesetzt wurden. Nach dem Einschmelzen nahm man Probe und stach nach der achten Stunde ab. Die zwei Flammöfen lieferten je 3500 kg Gussstahl in einer Schmelze und in 24 Stunden wurde zweimal abgestochen. Dies entsprach einer Jahresproduktion von 2100 Tonnen. Der zu Firminy erzeugte Stahl lieferte vorzügliche Eisenbahnschienen. Der Betrieb war teurer als beim Bessemerverfahren, die Anlage dagegen viel billiger und zwar im Verhältnis von 45 zu 136, ausserdem brauchte man kein Spiegel- eisen. Diese letzte Angabe bestätigte sich indes nicht. Bereits am 25. Juli 1867 nahmen die Gebrüder Martin ein neues Patent, in dem die Verwendung von Spiegeleisen zur Nachkohlung, um eine bestimmte Qualität Stahl zu erzeugen, besonders hervorgehoben ist. Dieses Patent und das von C. W. Siemens vom 21. August 1867 in England genommene bilden die Grundlage des eigentlichen Siemens-Martin- prozesses. Dieser erwies sich da als nicht ökonomisch, wo man das Schmiedeeisen oder den Stahl, den man dem Roheisenbade zu- setzte, erst durch Puddeln oder ein anderes Frischverfahren herstellen musste, er bewährte sich dagegen als vorteilhaft da, wo man ihn mit einer Fabrikation verband, die diese Produkte als Abfälle erzeugte, wie dies namentlich bei den Bessemerwerken der Fall war. Wie jede neue Erfindung durch Reklame und Überschätzung übertriebene Hoffnungen erweckt, so war dies auch bei dem Siemens- Martin-Prozess der Fall. Viele glaubten, man könne mit diesem Ver- fahren aus dem geringsten Material guten Stahl machen und damit Beck, Geschichte des Eisens. 12 Flammofenstahlschmelzen. seien die kostspieligen Bessemeranlagen einfach überflüssig. Dies erwies sich aber sehr bald als Täuschung. Schwefel und Phosphor wurden auch bei diesem Verfahren ebensowenig wie beim Bessemer- verfahren abgeschieden. Schwefel- und phosphorhaltige Roheisen- sorten waren also auch bei diesem Prozess ausgeschlossen und ebenso sorgfältig musste man bei der Auswahl des zugesetzten Schmiede- eisens und Stahls sein, deren Unreinigkeiten alle in das Produkt über- gingen. Der neue Prozess war mehr geeignet zur Ergänzung als zur Bekämpfung des Bessemerprozesses. Lange Zeit schien sein Nutzen nur darin zu bestehen, dass man mit ihm die massenhaften Abfälle der Walzwerke, namentlich auch der Bessemerwerke, verwerten konnte, und einen weiteren grossen Vorteil fand man darin, dass er keine so grossen und kostspieligen Anlagen erforderte als der Bessemerprozess, dass man den Betrieb nach Bedürfnis in kleinerem oder grösserem Umfange betreiben konnte, dass er also allen, auch kleineren Verhält- nissen leichter angepasst werden konnte. Diesen grossen Vorzug erkannte Tunner sofort und empfahl deshalb die Einführung des Prozesses für Österreich. Kuppelwieser veröffentlichte 1868 eine vergleichende Berechnung zwischen dem Bessemer- und dem Martinverfahren Siehe Österreich. Zeitschr. 1868, Nr. 26. , aus der hervorging, dass bei gleicher Produktion die Anlagekosten eines Martinwerkes billiger, Kohlenverbrauch und Arbeitslöhne ziemlich gleich zu stehen kommen. Hierzu kam noch der weitere Vorteil, dass man bei dem Martinprozess weisses Roheisen verwenden konnte, und dass man den Verlauf des Prozesses durch Schöpfproben leichter zu kontrollieren und im richtigen Augenblick zu unterbrechen vermochte. Geringe Roheisensorten konnte man, wie erwähnt, beim Martin- verfahren so wenig anwenden wie beim Bessemern. Zu Firminy schmolz man nur das aus den guten algerischen Moktaerzen erblasene Roheisen ein. In den Newport-Stahlwerken bei Middlesborough, wo der Prozess zuerst in England zur Anwendung kam, schmolz man schwedisches Roheisen ein und setzte Hämatiteisen zu. Ausser auf den genannten Werken war 1868 das Verfahren eingeführt zu Creusot, auf den Model oder Sample Steel Works zu Birmingham und den Bolton Steel Works von v. Mayr in Leoben, von Barber und Klusemann in Floridsdorf bei Wien und von Borsig in Berlin. Creusot hatte vom 1. Juli bis zum 20. August 1869 eine Million Kilogramm Eisenbahnschienen aus Martinstahl zum Preise von 208 Mark die Tonne geliefert. Verdié in Firminy machte haupt- Flammofenstahlschmelzen. sächlich Bandagen, die an Güte mit den aus Tiegelgussstahl her- gestellten wetteiferten. Aus diesen Angaben ersieht man, welche rasche Verbreitung und welche Wichtigkeit das Martinverfahren in den wenigen Jahren seit seiner Erfindung erlangt hat. Waren die Bestrebungen der Gebrüder Martin hauptsächlich darauf gerichtet gewesen, Flussstahl durch Zusammenschmelzen von Eisenabfällen mit Roheisen zu erzeugen, so nahm K. W. Siemens von Anfang an ein besonderes Interesse an der Stahlerzeugung, durch Zusammenschmelzen von Roheisen mit reinem Eisenerz, dem soge- nannten Erzstahlprozess . Er veranlasste 1866 und 1867 Rowan \& Co . in Glasgow, die Barrow Hämatitstahl-Gesellschaft, die Bolton Stahlgesellschaft, die Nordwest-Eisenbahn- und die Grosse Westbahn- gesellschaft, den Flammofen-Stahlprozess einzuführen und regte 1867 die Gründung der Steel Company of Scotland zur Ausbeutung dieses Verfahrens im grössten Massstab an. Er hatte bereits 1866 die Ver- wendung von Mangan und Ferromangan zur Entphosphorung und Entschweflung des flüssigen Metalls vorgeschlagen und verwendete dieselben bei seinen Versuchsschmelzen in den Sample Works zu Birmingham. Der berühmte Ingenieur Ramsbottom, Direktor der Crewe-Werke der London- und Nordwestbahn, war wohl der erste, der den Siemens-Martinprozess dauernd in England einführte (1868), und fast gleichzeitig begann Howson das Verfahren auf den Newport-Eisen- werken bei Middlesborough. In demselben Jahre gründete Siemens mit Dillwyn und anderen die London-Siemensstahl-Gesellschaft zur Aus- beutung des offenen Herdprozesses, besonders der Erzstahlfabrikation. Die Anlagekosten für einen Siemens-Martin-Schmelzofen, der 32 Quadratfuss erforderte, betrugen in Frankreich damals nach Kuppelwiesers Angabe 12000 Mark Ausser den schon erwähnten Veröffentlichungen führen wir noch aus jener Zeit an einen Aufsatz von Vincent Day im Practical Mechanics Journal 1867, p. 235 (Dingler 187, S. 236), einen von H. Matthias im Génie industriel, Febr. 1868, p. 71; von Gruner, Annales des Mines 1869, t. XVI, p. 281 (Dingler 196, S. 223). . Die Produktion eines Martin- ofens, der in 24 Stunden 2 Chargen machte, betrug 3000 bis 5000 kg. Für gewöhnlichen Stahl nahm man gleiche Mengen Roh- und Stab- eisen oder Stahl. Der Kalo belief sich auf 6 bis 8 Prozent, mit dem Abbrand des Schmiedeeisens aber auf 12 bis 13 Prozent. Es war von grosser Wichtigkeit, die Temperatur zu jeder Zeit regeln zu können, deshalb empfahl es sich, eine Anzahl von Generatoren zur Verfügung zu haben. 12* Flammofenstahlschmelzen. Seinem Wesen nach war das Verfahren der Gebrüder Martin Umschmelzung und Legierung, oder richtiger eine Cementation von Schmiedeeisen in einem Bade von Roheisen. Ein Frischprozess wie das Bessemern war es damals noch nicht, man war vielmehr ängstlich darauf bedacht, jedes Frischen zu verhindern. Etwas Oxydation musste bei dem Vorwärmen und Einschmelzen immer eintreten, doch durfte diese nur so weit gehen, dass das Silicium abgeschieden wurde. Ein Siliciumgehalt des Roheisens war deshalb auch bei dem Martinprozess erwünscht, sowohl wegen der Wärmeerzeugung, als um das eigentliche Frischen, die Oxydation des Kohlenstoffs, hintanzuhalten. Die Schlacke durfte, wie Martin in allen seinen Patenten betont, kein Eisenoxyd enthalten, also keine Garschlacke, sondern möglichst indifferent sein. Die Schlacken von dem Betriebe Verdiés in Firminy ergaben nach der Analyse in der École des Mines (1868): Kieselsäure 64,33 Thonerde 8,66 Eisenoxydul 21,89 Manganoxydul 2,74 Kalk 3,00 100,62 Sie bildeten ein hochsiliciertes Glas. Grosse Schwierigkeit bereitete es an vielen Orten, genügend feuer- feste Materialien für Herd und Gewölbe der Öfen zu bekommen. Der glückliche Erfolg der Gebrüder Martin war nicht zum kleinen Teil dadurch veranlasst, dass sie bei Sireuil einen vorzüglichen feuerfesten Sand für die Herdböden ihrer Öfen gefunden hatten. Dieser Sand übertraf den Ganister, welchen die Engländer anfangs anwendeten, an Güte, so dass die Stahlwerke von Newport 1868 nach verschiedenen Versuchen den Sand aus Sireuil bezogen. Die Dinassteine, welche man für die Gewölbe verwendete, schmolzen rasch weg. Nach längeren Versuchen bewährten sich Steine aus reinem zerkleinertem (crushed) Quarz, mit etwa 2 Prozent gebranntem Kalk gemischt, am besten. Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. Auf die älteren Methoden der Stahlbereitung, insbesondere auch die Cement - und Gussstahlfabrikation, sind die Theorieen der Franzosen Fremy und Caron, welche dem Stickstoff eine grosse Wichtigkeit beilegten, nicht ohne Einfluss geblieben. Caron hatte eine neue Cementstahlbereitung mit kohlensaurem Baryt (Witherit) Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. vorgeschlagen, weil dieser Körper ganz besonders die Cyanbildung und die Übertragung des Stickstoffs und Kohlenstoffs begünstigen sollte Siehe Comptes rendus, April 1861; Zeitschr. d. Ver. deutscher Ing. V, 252. . Dieses Verfahren wurde 1861 auf der Hütte zu Montataire im grossen ausgeführt Siehe Comptes rendus LII, p. 677. . Hierauf nahm W. E. Newton nach einer Mitteilung von Alexander Lemoire am 5. März 1861 ein Patent in England Siehe Polytechn. Centralblatt 1862, Nr. 6. . Die Ausführung geschah in Retorten. Die Stäbe wurden von aussen gezogen und der Betrieb war ein continuierlicher, indem nur von Zeit zu Zeit frische Kohlen nachgefüllt werden mussten. Die Franzosen L. J. Duhesme, de Ruolz und de Fontenay erfanden eine Gussstahlbereitung durch Zusammenschmelzen von ge- feintem Roheisen, Schmiedeeisen und gelbem Blutlaugensalz in Tiegeln, worauf Ch. Cowper am 7. September 1860 ein Patent in England erhielt. Durch einen ähnlichen Prozess, nämlich durch Schmelzen von Holzkohlenstabeisen mit 2 Tln. Salmiak und 1 Tl. Cyankalium, wurde in Amerika der Farrar-Stahl hergestellt. Die Weltausstellung in London von 1862 zeigte den gewaltigen Fortschritt der Gussstahlfabrikation. Man schätzte die englische Guss- stahlerzeugung auf 1 Million Centner, wovon ein Drittel aus ein- heimischem, zwei Drittel aus schwedischem Eisen gemacht wurde. Frankreichs Produktion betrug 78762 Centner Rohstahl, 196168 Centner Cementstahl und 87032 Centner Gussstahl, zusammen 361962 Centner. Preussen erzeugte 425000 Centner Stahl. Was die Gussstahlfabrikation leisten konnte, das bewies die gross- artige Ausstellung von Krupp im Jahre 1862. Wir erwähnen davon den gewaltigen Gussstahlblock von 44 Zoll Durchmesser und 8 Fuss Länge, der 20 Tonnen wog, gegen den also der Block vom Jahre 1851 von 2,25 Tonnen Gewicht, der damals so grosses Aufsehen erregt hatte, weit zurückstand. Der Block war unter dem 1000 Centner- Hammer durchgebrochen und zeigte einen ganz gleichmässigen, tadel- losen Bruch. Ein anderer Block von 4 Tonnen Gewicht, quadratisch vorgeschmiedet, zur Hälfte roh gelassen, die andere Hälfte ausge- schmiedet, war in der Längenrichtung auseinandergespalten und zeigte die Feinkörnigkeit, Homogenität und Zähigkeit im rohen Zustande und die Erhöhung dieser Eigenschaften durch die Bearbeitung. Ein anderer, 15 Tonnen schwerer Block von 30 Zoll auf 67 Zoll, war in 4 Stücke zerbrochen und zeigte überall dieselbe Gleichmässigkeit. Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. Zahlreiche Schmiede-, Bieg-, Dreh- und Lochproben, kalt und warm, zeigten die Zähigkeit und Güte des Materials. Von den tadellosen Rad- bandagen aus Gussstahl hatte die Fabrik schon über 40000 Stück abgeliefert; von diesen liefen viele schon seit Jahren. Ebenso war die Ausstellung von Gussstahlkanonen überraschend. Sie bestand aus 4-Pfündern nach französischem und 20-, 40-, 60- und 100-Pfündern nach neuem englischem Kaliber. Eine Kanone mit 9 Zoll Bohrung war aus einem Gussblock von 25000 kg Gewicht in einem Stück mit den Zapfen geschmiedet. Seitdem Krupp 1851 in London seinen ersten Gussstahl-6-Pfünder ausgestellt hatte, waren von ihm über 1000 Stück Gussstahlkanonen an alle grösseren Staaten geliefert worden. Eine vollkommen bearbeitete Kanone war der Länge nach auseinandergesägt und gebrochen, wobei ebenfalls das Material sich tadellos zeigte. Ein sehr sachverständiger Berichterstatter schliesst mit dem Ausspruch: Krupp ist nichts mehr unmöglich. Seine Aus- stellung war ein Triumph der Gussstahlfabrikation. 1861 war seine Erzeugung schon auf 10 Millionen Pfund Gussstahl gestiegen. Rettig in Schweden hatte ein Patent für Gussstahlbereitung durch Zusammenschmelzen von Roheisen und Stabeisen erworben und sein Produkt ausgestellt. C. R. Urff in Wikmanshyttan hatte guten Uchatiusstahl, der aus den reichen Magneteisenerzen von Pisberg dar- gestellt war, vorgeführt. Neben Krupp zog aber damals, ausser der schon erwähnten Aus- stellung von Bessemerstahl, besonders Howells Homogenstahl und R. Mushets Titanstahl die Aufmerksamkeit der Metallurgen auf sich. J. B. Howell hatte bereits am 9. Oktober 1856 ein Patent auf die Herstellung einer Art von Gussstahl oder Homogenmetall (homogenious metal) aus den gewöhnlicheren Eisensorten durch Hinzu- fügen von Hammerschlag oder Walzsinter zu den gebräuchlichen Gemengteilen bei der Gussstahlfabrikation genommen. Es wurde hier- durch ein weicher Gussstahl erzielt, der von der Firma Shortridge, Howell \& Co. in Sheffield im grossen erzeugt und für mancherlei Zwecke verarbeitet wurde. Aufsehen erregten auf der Londoner Aus- stellung 1862 namentlich die daraus gefertigten dünnen Röhren, welche kalt gewunden, plattgeschlagen und aufgerollt waren, wie wenn sie von Gummi wären. Das Homogenmetall, welches zu Panzerplatten benutzt wurde, enthielt nach Percy nur 0,23 Prozent Kohlenstoff. Er bezeichnet es als einen Zwischenzustand zwischen Gussstahl und Schmiedeeisen. Für die Herstellung einer besonderen Art von Panzer- Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. platten aus Schmiedeeisen und Homogenmetall nahm J. B. Howell am 24. November 1862 ein Patent. Er bildete ein Netzwerk von Schmiedeeisenstäben von der Gestalt und Grösse der Platte, legte diese in eine entsprechende Form ein und goss diese mit Homogen- metall aus. Mushets Titanstahl zog durch den Eifer und die Reklame des Erfinders die Aufmerksamkeit auf sich. Vom März 1859 bis Dezember 1861 hatte R. Mushet nicht weniger als 13 Patente für die Anwendung von Titan zur Verbesserung von Eisen und Stahl genommen. Mushet wollte dieses Arcanum bei allen Eisen- prozessen, im Hochofen, beim Puddeln und beim Bessemern, haupt- sächlich aber bei der Gussstahlbereitung in Tiegeln angewendet wissen. Er verschmolz Titaneisenerze von Neuseeland oder von Norwegen (Iserin und Ilmenit), die, mit Holzkohle oder Harz gemischt, der Beschickung zugesetzt werden sollten. Zur Zeit der Londoner Ausstellung herrschte noch einiger Glaube an Mushets Titanstahl, der Erfolg war aber doch zu gering, als dass es sich der Mühe lohnte, die vielen Patente, die sich sehr ähnlich sahen, im einzelnen zu betrachten, und verweisen wir auf die Abridgments of Specifications und auf den Auszug, den John Percy in Iron and Steel (p. 165) davon gegeben hat. Wir bemerken nur, dass nach den späteren Patenten noch andere Beimengungen, nämlich Mangan, Wolfram und Chrom, mit zugefügt wurden, um die Verbesserung des Stahls zu bewirken. Trotz aller Reklame wollten aber die Sheffielder Stahlfabrikanten nichts von dem gepriesenen Titanstahl wissen und Chemiker, welche das Produkt analysierten, wollten kein Titan in demselben gefunden haben. Wir müssen hier der Vollständigkeit wegen kurz noch einige andere Patente zur Verbesserung von Cement- und Gussstahl aus dem Anfang der sechziger Jahre erwähnen, die teils die Verbesserung, teils die Verbilligung des Gussstahls bezweckten. J. und D. F. Bower verbesserten angeblich Gussstahl durch Zu- satz von Eisenchlorid und Kohle im Tiegel und nahmen darauf am 3. Oktober 1860 ein Patent. Am 25. April 1860 hatte der Amerikaner A. R. Eaton ein englisches Patent auf sein Sodaverfahren genommen. Ganz ähnlich war das Verfahren von Pomeray, worauf W. E. Newton am 29. August 1860 ein Patent erwarb. In demselben Jahre führte van Herr-Zeele eine neue Stahl- fabrikation zu Witkowitz ein, die darin bestand, dass durch Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. Behandlung von Gusseisenplatten mit Wasserdampf im Glühofen ein Glühstahl erzeugt wurde, den er dann in Tiegeln zu Gussstahl um- schmolz. Ahnliche Vorschläge hatte Fremy gemacht. Das alte Verfahren von Clouet und David Mushet, Schmiede- eisen mit Kohle im Tiegel zu Stahl zu schmelzen, wurde ebenfalls wieder versucht und mehrfach patentiert, so z. B. von G. Nimmo am 17. August 1860. Der Zusatz von Blutlaugensalz bezweckte im Grunde auch nichts anderes als die Cementation im Tiegel. Marguerite und Sourdeval nahmen 1861 ein Patent auf eine verbesserte Cementation mittels Kohlenwasserstoff oder Kohlenstick- stoffverbindungen in Verbindung mit Alkalien. Nicht zur Stahlbereitung, nur zur Reinigung wurde Wasserdampf in verschiedener Form vorgeschlagen. W. A. Gilbee empfahl hierfür in seinem Patent vom 31. August 1861 einen in zwei Kammern geteilten, durch eine mit Löchern versehene Scheidewand getrennten Flammofen. Das geschmolzene Metall sollte in dünnen Strahlen in die obere Kammer eintreten, worauf durch einen Trichter Ätzkalk- pulver, welches das Metallbad bedecken soll, aufgegeben wird. Das flüssige Eisen gelangt dann durch die Öffnungen in der Scheidewand in den unteren Ofen, welcher mit drei geneigten Formen nahe dem Herdboden versehen ist, wovon zwei mit einem Dampfkessel verbunden sind, während durch die dritte Luft eingeblasen wird. Preisenhammer und Weniger wollten Wasserstoffgas zur Reinigung und zum Schmelzen anwenden. Théophile L. Rousselot schrieb der Borsäure eine besondere Kraft zu, indem er behauptete, durch längeres Eintauchen von Eisen in eine Lösung von Borsäure und darauf folgendes Umschmelzen unter einer dünnen Decke von Kohlenstaub Stahl zu erhalten. Die Gebrüder Gardner empfahlen Zink als Reinigungsmittel. Andere wiederholten die alten Rezepte, durch Zusatz von Gold und Silber, Nickel, Chrom, Wolfram u. s. w. besonders guten Gussstahl zu erzeugen. Julius Bauer aus Brooklyn bei New-York (Nordamerika) empfahl Alu - miniumstahl. R. Mushet liess sich am 19. November 1862 ein Verfahren der Gussstahlbereitung patentieren, welches darin bestand, „graues, weisses oder halbiertes spatiges oder Rohstahleisen oder Frankliniteisen“ in einem Ofen bis nahe seinem Schmelzpunkt zu erhitzen, und es dann zu grobem Pulver in eisernen Mörsern zu zerstossen. Dieses Pulver sollte dann mit Manganoxyd der Beschickung im Tiegel zugesetzt Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. werden. — Gruner hatte 1861 über die Stahlerzeugung durch Cementation mittels Leuchtgas geschrieben Siehe Comptes rendus, April 1861; Dinglers Journal 160, S. 215. . Von der grössten Wichtigkeit für die Gussstahlfabrikation war die Einführung der Gasschmelzöfen in Verbindung mit Siemens Erfindung der Regeneratorfeuerung. Obgleich das Patent von Karl Wilhelm und Friedrich Siemens vom 22. Januar 1861 die Ver- wendung der Öfen zum Stahlschmelzen hervorhebt, und obgleich Karl Wilhelm Siemens von Anfang an gerade dieser Aufgabe sein Hauptinteresse zugewendet hatte und selbst in Sheffield Versuche anstellte, so dauerte es doch mehrere Jahre, bis dieses Feuerungs- system mit Erfolg bei der Gussstahlfabrikation Verwendung fand. Charles Attwood hatte dagegen 1862 mit Siemens’ Unter- stützung das Stahlschmelzen im offenen Herd versucht. 1864 erbauten die Gebrüder Martin, die von Siemens die Licenz erworben hatten, ihren Stahlofen, der sowohl für den Betrieb im offenen Herd als mit Tiegeln eingerichtet war. Sie verwendeten auf Siemens’ Veranlassung für das Gewölbe und die dem Feuer unmittelbar ausgesetzten Teile des Ofens gepresste Steine aus Quarz- sand, sogenannte Dinassteine. Hierauf errichtete Siemens selbst im Jahr 1865 ein Musterstahl- werk, um den Wert seines Regenerativ-Schmelzofens den Eisenhütten- männern vor Augen zu führen. Er baute einen Ofen für 16 Tiegel zur Herstellung besserer Gussstahlsorten. Dieses Vorgehen hatte denn auch den Erfolg, dass Siemens’ Öfen in den Tiegel-Stahlwerken Englands rascher Verbreitung fanden, ebenso in Frankreich und Deutschland. Die später gebauten Öfen fassten gewöhnlich 20 bis 24 Tiegel, die in zwei Reihen aufgestellt waren. Die Tiegel wurden durch eine Öffnung im Gewölbe, die durch lose Ziegel geschlossen war, eingesetzt und aus- gehoben. Die Generatorgase und die heisse Luft traten auf den Langseiten gegenüber jedem Tiegelpaar ein. Die Tiegel standen in einer Schicht von gemahlenem Koksstaub. Die Ersparnis an Brenn- material im Vergleich mit den alten Schmelzöfen war sehr bedeutend. Die Kosten für 1 Tonne betrugen 5 d. gegen vordem 75 d.; dabei hielten die Tiegel in den Gasöfen 4 bis 5, bei Verdié in Firminy sogar 8 Schmelzungen aus, bei den alten Öfen dagegen nur 2 bis 3. Ein Ofenfutter hielt jetzt 15 bis 20 Wochen, bei den alten Öfen höchstens 4 bis 5 Wochen Siehe C. W. Siemens, On the Regenerative Gas Furnace as applied to the Manufacture of Cast Steel. London 1868. . Die Chargendauer betrug in Firminy Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. 4 Stunden; die drei Gasöfen zu 20 Tiegel, à 25 kg, konnten also täglich 8000 kg Stahl liefern. Auf dem v. Mayrs chen Gussstahlwerk in Leoben hatte man schon 1862 die Siemens-Regeneratoren mit Braunkohlen-Gasfeuerung zum Fig. 103. Fig. 104. Schmelzen des Tiegelgussstahls eingeführt. Fig. 103, 104 ist eine Skizze der Mayrs chen Gussstahlöfen. F. Yates nahm am 4. November 1864 ein Patent auf ein Ver- fahren, dünne gusseiserne Stäbe in Retorten der Wirkung von über- hitztem Wasserdampf und heisser Gebläseluft 12 Stunden bis mehrere Tage auszusetzen und das teilweise entkohlte Produkt in dem Tiegel oder Flammofen zu Gussstahl umzuschmelzen. Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. Cailletet machte um diese Zeit die interessante Beobachtung, dass Schmiedeeisen Kohlenstoff aufnimmt, wenn es in Berührung mit Roheisen in geschlossenen Gefässen geglüht wird; hier findet also die Bildung von Cementstahl und Glühstahl gleichzeitig statt. Für den günstigen Einfluss des Wolframs trat Caron 1864 ein. 1867 wendete man bereits mehr Puddelstahl als Cementstahl in der Tiegelgussstahlfabrikation an. Victor Gallet packte (1867) zer- schnittene Luppenstäbe in ein Gemisch von Kalk, Thon, Pottasche, Manganoxyd, Harz und Russ und schmolz die Masse in Tiegeln. Bury \& Co . in Sheffield hatten in der Pariser Weltausstellung 1867 Stahlwerkzeuge ausgestellt, die in der Weise hergestellt waren, dass in Tiegeln geschmolzenes flüssiges Eisen oder weicher Stahl in Formen der betreffenden Werkzeuge gegossen und diesen dann durch Cementation eine Oberflächenhärtung gegeben wurde. In der italienischen Abteilung war 1867 unter dem Namen Glisentis -Gussstahl ein Produkt ausgestellt, das durch Zusammen- schmelzen von Spiegeleisen und Stabeisen erzeugt war. In Er- mangelung von Spiegeleisen schmolz man erst reines Roheisen mit einem Zusatz von 5 Prozent Mangan im Tiegel. Glisentis -Gussstahl fand besonders für Revolver Verwendung. v. Mayr in Leoben hatte „Manganstahl“ ausgestellt. Die Dar- stellung von Wolframstahl hatte er aufgegeben, weil derselbe sich angeblich im Feuer schlecht bewährte. Die Schmelztiegel spielen eine wichtige Rolle bei der Gussstahl- bereitung, indem der Verschleiss derselben nach den Berechnungen von Gruner und Lan Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227. durchschnittlich mehr als ein Viertel der Erzeugungskosten (21 bis 36 Prozent) des Gussstahls ausmacht. Über die übliche Gestalt und die Masse der Tiegel verweisen wir auf Wedding-Percy (Bd. III, S. 160 etc.). In der Regel wurden die Tiegel mit der Hand geformt mittels Nonne und Mönch, doch fing man in jener Zeit bereits an, Maschinen zum Tiegelformen zu ver- wenden. Die älteste dieser Tiegelpressen war von Malmedie Siehe Zeitschrift der deutsch. Ingenieure III, S. 227. ; bei ihr wurde der Presskolben wie bei einer gewöhnlichen Münzpresse mittels einer Schraube bewegt. Eine vollkommenere Maschine dieser Art, bei welcher der Press- kolben mit dem Kolben eines Dampfcylinders verbunden war, hat Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. Vital Daelen zu Berlin konstruiert Siehe Wedding-Percy a. a. O. III, 624. . Eine kombinierte Bewegung, d. h. eine Uebertragung des Dampfdruckes durch Räder auf die Press- schraube, hatte Pérard und Berchmanns Tiegelpresse. Beachtenswert waren auch die Versuche, unschmelzbare Schmelz- tiegel aus Ätzkalk herzustellen. Da es nahezu unmöglich war, halt- bare Tiegel direkt aus Atzkalk herzustellen, so schlug David Forbes folgendes Verfahren vor. Er stampfte feuerfeste Thontiegel fest voll Lampenruss, schnitt daraus einen Tiegel aus, so dass die Wände mit ca. einem halben Zoll Russ bedeckt blieben; alsdann stampfte er diesen Kohlentiegel mit Ätzkalk aus, aus dem er dann in der ähn- lichen Weise den Kalktiegel ausschnitt. Zum Schmelzen von einigen Pfunden von weichem Eisen, Kobalt u. s. w. bewährten sich diese Tiegel ganz gut. — Caron empfahl 1868 die Herstellung von Stahl- schmelztiegeln aus Magnesit von Euböa. Ein von Rochusen konstruierter Stahlschmelzofen bestand in einem grossen Tiegel, der so viel fasste, wie eine ganze Gruppe kleiner und der sich mit dem Ofen umkippen liess. Es sollten dadurch 25 Prozent an Arbeitslohn erspart werden. Es erübrigt uns noch, verschiedene Stahlbereitungsverfahren und Vorschläge dazu, die sich zwar an die beschriebenen anlehnen, aber doch von denselben abweichen, zu betrachten. Die Stahlerzeugung im Schachtofen wollte Parry (Patent vom 18. November 1861) dadurch erreichen, dass er Puddeleisen oder Eisenabfälle im Kupolofen schmolz, das Eisen sollte cementiert und zu Gussstahl geschmolzen werden. Weicheren Stahl wollte er dadurch erzielen, dass er durch an dem Boden angebrachte Formen Wind durch das geschmolzene Metall blies. Beschleunigt wurde der Prozess dadurch, dass man erst ein Quantum reinen Roheisens einschmolz, ehe man das gefrischte Eisen aufgab. Es ist dies das in den Giessereien zur Herstellung von ordinärem Stahlguss gebräuchliche Verfahren. Auf der Pariser Ausstellung 1867 erregte neben dem Flammofen- schmelzen der Gebrüder Martin besonders das Salpeterverfahren von John Heaton, worauf dieser am 17. März 1866 in England ein Patent erhalten hatte, Aufsehen. Danach sollte flüssiges Roheisen in einem rotierenden Cylinder, an dem mit Salpeter gefüllte eiserne Kapseln befestigt waren, in Stahl verwandelt werden. Einem zweiten Patent vom 3. Mai 1867 waren Zeichnungen beigefügt. Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. James Hargreaves liess sich am 3. und 22. Mai 1869 dasselbe Verfahren patentieren, das er auf alle Salze, welche Sauerstoff ab- geben, in Verbindung mit Eisen- und Manganoxyd und für beliebige Arten von Öfen oder Konverter ausdehnte; selbst in der einfachen Giesspfanne sollte der Prozess ausgeführt werden. In dem zweiten Patent schlug er einen stehenden Cylinder als Konverter vor, auf dessen Boden die Mischung feucht aufgestampft oder in Form von Blöcken gepackt und nach dem Anwärmen das flüssige Eisen darauf gegossen werden sollte. Für harten Stahl zu Schneidwerkzeugen sollten auf 1 Centner weisses Roheisen 9 Pfund Natronsalpeter und 5 Pfund Manganhyperoxyd genommen werden; für weichen Stahl 12 Pfund Salpeter und 18 Pfund Eisenoxyd. Heatons Prozess wurde zu Langley-Mill im grossen ausgeführt Näheres über Heatons Prozess siehe Jeans, Steel, S. 113. . Die grossen Hoffnungen, die man auf den Salpeterprozess setzte, beruhten darauf, dass man annahm, durch denselben würden Schwefel und Phosphor in wirksamer Weise aus dem Roheisen abgeschieden. Die Idee, Salpeter als Reinigungsmittel des Roheisens zu verwenden, war, wie wir wissen, durchaus nicht neu; so hatte z. B. ein Deutscher, Dr. Engelhard, schon in den dreissiger Jahren Roh- eisen auf diese Weise gereinigt (s. Bd. IV, S. 587). Heatons Prozess gab ausserdem kein fertiges Produkt, sondern dasselbe musste erst umgeschmolzen werden. Über den Betrieb von Heatons Stahlprozess zu Langley-Mill im Jahre 1868 ist folgendes zu berichten: Das in einem Kupolofen um- geschmolzene Roheisen wurde in Quantitäten von 12 Centner in ein den schwedischen Bessemeröfen ähnliches Gefäss eingegossen. Der mit feuerfesten Steinen ausgefütterte 8 Fuss hohe, 4 Fuss aussen weite, feststehende Cylinder stand auf einem beweglichen Rädergestell unter einer 30 Fuss hohen Esse. Man gab auf den Boden des Gefässes Natronsalpeter und legte auf diesen eine dicke, durchlöcherte Guss- platte, schob das Gestell unter die Esse und goss das Roheisen ein. Nach 2 Minuten begann die Reaktion. Anfänglich entwickelten sich rotbraune, dann schwarze und hierauf grüne und weisse Dämpfe in reichlicher Menge. Nach 5 bis 6 Minuten begann das eigentliche Frischen mit lautem Getöse und Ausströmen einer glänzend gelben Flamme aus der Esse. Nach 1½ Minuten hörte die Erscheinung plötzlich auf und der teigartige rohe Stahl wurde mit der flüssigen Schlacke abgestochen. Die Gussplatte schmolz meist mit ein. Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. Das Verfahren von Hargreaves und Robinson wurde zu Widnes in einem weiten niedrigen Schachtofen in ähnlicher Weise vorgenommen. Das Produkt des Salpeterprozesses wurde meist unter einem Patsch- hammer in Kuchenform geschlagen, dann zerbrochen und die 2½ bis 3 Pfund schweren Stücke mit Manganoxyd und etwas Holz- kohlen im Tiegel zu gutem Gussstahl geschmolzen. Man konnte das Produkt aber auch im Schachtofen und unter Hämmern weiter ver- arbeiten. Nach der Analyse von Dr. Miller war das Produkt ziemlich rein, der Phosphor war grösstenteils abgeschieden, indem von 1,455 Proz. im Roheisen nur 0,292 im Stahl verblieben war. Die Festigkeitsversuche, welche R. Mallet und Dr. Kirkaldy mit Heatonstahl gemacht hatten, waren sehr günstig ausgefallen. Anfang 1869 herrschte in England eine sehr gute Meinung über das Verfahren, das in Cleveland und Northhampton eingeführt worden war. Man hoffte damit alles schlechte Roheisen Englands in guten Stahl verwandeln zu können. Versuche mit Heatons Verfahren in Seraing und in Österreich (von Kerpely ) fielen ungünstig aus. Auch hier hatte die Reklame viel dazu beigetragen, dem Prozess eine unverdiente Wichtigkeit bei- zulegen. Gruner veröffentlichte 1869 eine Untersuchung über den Heatonprozess Examen du procédé Heaton par M. Gruner, Professeur de métallurgie à l’école impérialé des mines. Paris 1869. , dem er grosse Bedeutung zuschrieb. Caron empfahl 1868 zur Anfertigung von Stahlschmelztiegeln und für die Herde der Martinöfen die Verwendung des Magnesits, der auf der Insel Euböa in bedeutender Menge aufgefunden worden war und nur Spuren von Kalk, Kieselerde und Eisenoxyd enthielt. Der Magnesit sollte in hoher Hitze gebrannt, dann angefeuchtet und so in Tiegel gedrückt, hierauf diese getrocknet und nochmals gebrannt werden. Der hohe Preis stand aber der Einführung im Wege und wurden Graphittiegel vorgezogen. Am 3. Dezember 1867 liess sich John Gjers ein Verfahren zur Bereitung von Gussstahl und Homogeneisen patentieren. Er puddelte wie gewöhnlich, unterbrach aber das Kochen im stärksten Stadium (top boil) und stach das stahlartige Produkt in einen Siemensschmelz- ofen ab. Am 16. Januar 1868 liess sich J. A. Jones folgende ähn- liche Stahlbereitungsmethode durch Patent schützen. Er puddelte Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. das Roheisen mit Schlacke oder unter Zusatz von Eisen- und Mangan- oxyd und warf die rohen noch ungaren Luppen ins Wasser, oder er unterbrach die Kochperiode, kurz ehe die Schlacke über die Arbeits- platte lief, liess die Masse sich setzen und riss das halbgare Metall heraus. Dieses brachte er in dem ersten wie in dem zweiten Falle in einen Siemens-Gasflammofen und schmolz es zu Gussstahl um. 1868 schlug Charles Attwood (Patent vom 10. März) ein Ver- fahren vor, welches eine Kombination des Bessemer- und Martin- verfahrens darstellt. Er will das in der Bessemerbirne mehr oder weniger entkohlte Eisen in einen Siemens-Flammofen laufen lassen und es hier nicht nur längere Zeit einer hohen Temperatur aussetzen (wie Benson ), sondern auch noch entweder reines Gusseisen oder Schmiedeeisen zusetzen, je nachdem ein hartes oder ein weiches Produkt erzeugt werden sollte. Heinrich Bessemer dehnte durch ein ausführliches Patent vom 10. November 1868 sein bereits früher beschriebenes Princip des Schmelzens unter hohem Druck auch auf Kupolöfen, Flammöfen und Tiegelöfen aus, deren Konstruktion er entsprechend abänderte. Die Temperatur sollte dadurch so hoch werden, dass Schmiedeeisen und Stahl rasch und leicht schmelzen. Hierzu war eine Pressung von 20 bis 30 Pfund auf den Quadratzoll erforderlich. J. Gjers hatte seinen Stahlschmelzprozess (in seinem Patente vom 28. Februar 1868) dahin abgeändert, dass er stahlartiges Eisen unter Zusatz von manganhaltigem Eisenerz oder einem Gemenge von reinem Eisenerz und reinem Manganerz in folgender Weise verschmolz. Das stahlartige Eisen, am besten als Brammen (stampings) aus Puddel- eisen wird mit einem Gemisch etwa von 100 Tln. Kohlenteer, 50 Tln. Eisenerz, 25 Tln. Manganerz und 25 Tln. gebranntem Kalk umkleidet. Diese Stücke werden alsdann in Schmelzröhren, welche in aufrechter Stellung in einen Siemens-Gasflammofen so eingestellt sind, dass sie mit ihrem oberen Ende durch das Gewölbe des Ofens hindurchgehen, so dass sie von oben beschickt werden können, eingesetzt. Die Röhren sind unten ebenfalls offen; es sind gewissermassen Schmelztiegel ohne Boden. In diesen Röhren wird der Stahl durch die Hitze des Siemens- Flammofens geschmolzen und sammelt sich das flüssige Metall auf dem Herde des Siemensofens, wo es, von Schlacken bedeckt, längere Zeit starker Hitze ausgesetzt bleibt, ehe es abgestochen wird. Wenn es erforderlich ist, kann durch Nachsatz von Spiegeleisen oder Schmiedeeisen im Herd ein härterer oder weicherer Stahl erzeugt werden. Der Betrieb ist ein kontinuierlicher. Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. Gjers führte diesen Betrieb im Clevelanddistrikt ein Siehe Kerpely a. a. O. 1869, S. 254, Taf. IV, Fig. 38, 39. . H. Bessemer verfolgte seine Idee, die Energie der metallurgischen Vorgänge durch hohen Druck zu verstärken, weiter und nahm am 10. Mai 1869 fünf Patente (Nr. 1431 bis 1435) für die Fabrikation von Stahl und Schmiedeeisen in Flammöfen, Kupolöfen, Konvertern u. s. w., für die Cementation von Schmiedeeisen und das Ausschmelzen auch von Erzen unter Druck. Der Druckflammofen ist in dem Patent Nr. 1431 beschrieben und abgebildet Vergl. auch Engineering 1870, Janr., p. 29; Dinglers Journal 196, S. 220. . Er besteht, wie Fig. 106 zeigt, aus einem starken Eisen- gehäuse, welches mit feuerfestem Material ausgekleidet ist. Die Rost- feuerung ist in einem eisernen Kasten eingeschlossen. Unter dem Fig. 105. Rost mündet das Windrohr mit zahlreichen kleinen Ausströmungs- öffnungen. Dasselbe ist geöffnet, sobald mit Hochdruck gearbeitet werden soll. An die Feuerung schliesst sich der flache Herd; die Feuerbrücke ist mit Wasser gekühlt. Statt des Fuchses schliesst der Herdraum mit einer runden Öffnung ab; an diese schliesst sich der bewegliche, doppelte Feuerkanal von ungleicher Weite, wovon der eine durch das Hebelwerk mit Gegengewicht eingestellt wird, wenn mit Essenzug, der andere, wenn mit Hochdruck gearbeitet werden soll. Anfangs wird der Ofen mit natürlichem Essenzug betrieben, wobei er sich in der Stellung Fig. 105 befindet; die Zugthür ist geöffnet. Befindet sich die Charge in heller Weissglut, so wird die Zugthür geschlossen, der Feuerkanal mit der engen Ausmündungsöffnung ein- gestellt und der gepresste Wind durch das Rohr unter den Rost einströmen gelassen. Die Hitze steigt rasch und die Schmelzung ist in kurzer Zeit beendet. Alsdann wird das flüssige Metall abgestochen. Cement- und Gussstahlfabrikation 1861 bis 1870. Um geringeren Stahl auf billigere Weise zu schmelzen, kon- struierte Bessemer einen Kupolofen für Hochdruck, der mit einem domförmigen Aufsatz versehen war, durch den die Charge unter Luft- abschluss eingefüllt werden konnte. Die Öffnung, durch welche die Verbrennungsprodukte entwichen, konnte durch einen eingesetzten Thonpfropf mehr oder weniger verengert werden S. Mechanic’s Magazine 1869, Juli; R. Wagners Jahresbericht f. 1870, S. 50. . Diese Öfen sollten besonders zum Umschmelzen von Puddeleisen, Puddelstahl, Rohstahl vom Salpeterfrischen, Schienenabschnitten und alten Schienen ver- wendet werden. Seine Beobachtungen hatten ihn gelehrt, dass die Beschleunigung des Schmelzprozesses weit mehr von der Intensität als von der Menge der Wärme abhängig sei, und dass diese durch den Druck wesentlich gesteigert werde. Bessemer übertrug diesen Grundsatz sogar auf den Hochofenbetrieb und entwarf einen ähnlichen Hochofen zum Erzschmelzen (Patent Nr. 1435). Das in dem Patent Nr. 1434 angegebene Verfahren ist als flüssige Cementation zu be- zeichnen. Das schon früher erwähnte Verfahren der direkten Stahlerzeugung aus Roheisen von Aristide Bérard, welches in Frankreich auf den Werken von Givors zur Einführung gekommen war, wurde zuerst von W. E. Newton 1862 und dann von J. Whitley in England ein- geführt S. Engineering, April 1871; Dinglers Journal 200, S. 470. , ohne jedoch eine Bedeutung zu erlangen. Die Fortschritte der Stahlbereitung bewirkten eine rasche Steige- rung der Stahlerzeugung. Leider ist die Statistik aus jener Zeit zu mangelhaft, um die gesamte Erzeugung der Erde zahlenmässig dar- stellen zu können, und müssen wir uns begnügen, diese Zunahme für einzelne Länder nachzuweisen. Für Preussen, den deutschen Zoll- verein und Frankreich stellte sich dieselbe wie folgt: Stahlerzeugung in Tonnen . Beck, Geschichte des Eisens. 13 Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. Auf diese rasche Steigerung der Stahlerzeugung hatte die Ein- führung und das Wachstum der Flussstahlfabrikation den grössten Einfluss. Die Zunahme der Flussmetallerzeugung der wichtigsten Industriestaaten seit dem Jahre 1865 stellt sich wie folgt Nach E. Schrödter, Düsseldorf, s. Stahl u. Eisen 1897, S. 338. Der bei weitem grösste Teil des Flussmetalls war Bessemerstahl. : Flussmetallerzeugung von 1865 bis 1870 in Tonnen . Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. Mit den Fortschritten der metallurgischen Operationen gingen die der mechanischen Bearbeitung Hand in Hand. Die Massenstahl- erzeugung verlangte auch für die Bearbeitung stärkere Maschinen und neue Einrichtungen. Auf der grossen Weltausstellung von 1862 und noch mehr auf der von 1867 fiel dies sehr in die Augen. Man ver- arbeitete in den sechziger Jahren bereits Stahl in ebenso grossen Blöcken als Schmiedeeisen. Da aber der Stahl viel härter und fester war wie das Eisen und nicht bei so grosser Hitze wie dieses ver- arbeitet werden durfte, so waren viel schwerere Hämmer und stärkere Walzwerke erforderlich als vordem. Dies erkannte keiner früher und klarer als Alfred Krupp, dessen Stahlwerk auch hierin alle andern Fabriken überflügelte und denselben zum Vorbild wurde. Am 16. Septem- ber 1861 setzte Krupp seinen 1000 Centner-Hammer in Betrieb; ein bedeutungsvolles Ereignis in der Geschichte der Eisenbearbeitung; denn die schwersten Dampfhämmer vordem waren Kinder gegen diesen Koloss. Die meisten Fachgenossen hatten den Kopf geschüttelt zu solchem Ungeheuer und man prophezeite alles mögliche Unheil von dem Betrieb desselben. Um so grösser war Krupps Triumph, als der Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. Maschinist denselben mit derselben Leichtigkeit lenkte, voll aufschlagen und leicht tanzen liess, wie jeden anderen Dampfhammer. Als wenige Wochen später König Wilhelm I von Preussen mit dem Kronprinzen und dem Kriegsminister seinen denkwürdigen Besuch in der Krupp - schen Fabrik machte, schmiedete „Fritz“, so hiess der gewaltige Hammer, einen Stahlblock von 7500 kg Gewicht und 15 Fuss Länge. Damals sprach der grosse König zu den Behörden und Deputationen der Stadt Essen die treffenden Worte: Ich bin erstaunt über die grossartige Erweiterung dieses Etablissements, das neben seiner gewerblichen Bedeutung einen edlen vaterländischen Zweck hat. Der russische Ingenieur Chernoff machte in den Jahren 1866 und 1868 auf den Obuchoff-Stahlwerken bei Alexandrowsky eine Reihe von Versuchen über die Verbesserung des Stahls durch mechanische Bearbeitung, insbesondere durch das Schmieden. Diese führten ihn zu folgender Theorie: Flüssiger Stahl ist als eine Lösung anzusehen, in welcher die Stahlatome in einem Eisenbade schwimmen. Bei der Abkühlung vereinigen sich die Stahlatome zu Krystallen, die um so grösser sind, je langsamer und ruhiger die Abkühlung erfolgt. Rasches Abkühlen stört die Krystallisation, ebenso heftige Bewegung. Durch fortgesetztes Rühren oder Schütteln des Stahls wird ein feinkörniges, hartes Produkt erzeugt. Ebenso beruht die Wirkung des Hämmerns des heissen Stahls, wodurch derselbe feinkörnig, hart, fest und zäh wird, darauf, dass die Krystallisation durch die mechanische Ein- wirkung beim Übergang aus der Schweisshitze in Dunkelrothitze mehr oder weniger unterdrückt wird. Durch starkes Erhitzen und langsames Abkühlen wird dieser Zustand wieder aufgehoben oder wie man zu sagen pflegt, der Stahl verdorben. Diese Theorie der Wirkung der mechanischen Bearbeitung auf den Stahl fand grossen Beifall. Wir können nur kurz die wichtigsten Erfindungen und Fort- schritte der Hüttenmaschinen in den sechziger Jahren aufzählen. 1860 wurde Lenoirs Gasmaschine bekannt Siehe Dinglers Journal 157, S. 323. und um dieselbe Zeit erregte Ericsons verbesserte kalorische Maschine allgemeines Interesse. — 1859 hatte man zuerst bei Mülhausen im Elsass Draht- seiltransmissionen angewendet. — Dass zu Anfang der sechziger Jahre Armstrongs hydraulische Akkumulatoren zu allgemeinerer Anwen- dung kamen, haben wir bereits erwähnt. Ebenso die vielfache An- wendung hydraulischen Druckes bei der Bessemerstahlfabrikation. 1863 verbesserte Haswell seinen hydraulischen Presshammer und 13* Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. richtete ihn zum Schnellschmieden ein Siehe Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ing. 1863, VII. . Auf der Londoner Aus- stellung hatte er für seinen Presshammer eine Medaille erhalten. Auf den Kirkstall-Eisenwerken wurde eine Haswell sche Presse für einen Druck von 1550800 kg erbaut Siehe Kerpely a. a. O. I, S. 230, Tab. VIII, Fig. 10, 11, 12. . 1863 stellte Franz v. Mayr zu Donawitz bei Leoben einen Haswell-Presshammer zum Drücken von Schweisspaketen auf. Einen verbesserten Dampfhammer mit direktem Hochdruck und Expansion konstruierte Farcot 1860 Siehe Armengaud , Gén. industr. 1860, Oktbr., p. 169. . Krupps Riesenhammer blieb lange ein Unicum. 1865 wurde in England von Nasmyth \& Co. auf dem Bolton-Eisenwerk zu Patricroft ein grosser Dampfhammer von 72 Tonnen Gewicht und 200 Tonnen schwerem Amboss mit Chabotte fertig gestellt. 1865 baute R. Morrison seinen doppeltwirkenden Dampfhammer, bei dem das Gewicht der ganzen Maschine mitwirkte Siehe Pract. Mech. Journ. 1865, p. 260; Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ing. 1865, S. 632. . Um dieselbe Zeit erfand J. Ramsbottom seinen bereits angeführten horizontalen, doppeltwirkenden Dampf- hammer. 1866 konstruierte F. Fischer einen Dampfzuschlaghammer. Charles Emmet in Dalton bei Huddersfield erfand einen selbst- thätigen Dampfhammer mit besonderer Stellvorrichtung und federndem Gegengewicht, der gewöhnliche Schmiedearbeiten mit beliebiger Ge- schwindigkeit und Intensität ausführte. Nilus baute einen Dampf- hammer mit reduzierter Bärhöhe und Luftkissen, J. Vaughan einen mit Luft- und Dampfkissen. Denselben Zweck hatte Bakewells beweglicher Cylinderdeckel. D. Grimshaw in Birmingham erfand den atmosphärischen Fallhammer mit Luftpumpe und geringem Kraft- bedarf. Aus demselben Jahre stammt die verbesserte Schmiede- maschine (Gegenhammer) von J. Wright in Dudley London Journ. of arts, April 1866, p. 216; Dinglers Journ. 181, S. 345. . Holiday erfand eine Schmiedemaschine für Eisenbahnräder Dinglers Journ. 182, S. 88. . H. Bessemer bediente sich sehr wirksamer Schmiedepressen zur Bearbeitung grosser Gussstahlmassen Dinglers Journ. 182, S. 424 . Bei denselben erfolgten die Pressungen so rasch wie die Schläge des Hammers. Newton erhielt im November 1866 ein Patent auf eine Gesenk- presse für Scheibenräder nach dem System von J. Bl. Tarr . Nach Fr. Kuppelwieser erwiesen sich, sobald Matrizen angewendet werden Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. mussten, Pressen zweckmässiger als Hämmer Siehe Die Pressen und ihre Verwendung bei Verarbeitung des Eisens. Jahrbuch von Leoben etc. 1866, S. 166. . Aber auch für die Be- arbeitung dicker Stahlmassen waren sie vorzuziehen, weil der Schlag des Hammers vorzugsweise nur auf die Oberfläche, der langsame Druck der Presse dagegen mehr nach innen wirkte. Bei den auf der Pariser Weltausstellung 1867 vorgeführten Dampfhämmern war die selbstthätige Steuerung fast überall verlassen, namentlich hatte sich für die Bearbeitung schwerer Schmiedestücke die Handsteuerung besser bewährt. Dagegen versah man die Hämmer ohne selbstthätige Steuerung mit Entlastungsschiebern, weil die Umsteuerung ohne diese zu viel Kraft erforderte. Cavé ersetzte zuerst den schwer beweglichen Muschelschieber der Nasmythhämmer durch Doppelventile und führte die Luftprellung über dem Kolben ein. Den Amboss machte man bei den grossen Hämmern überall unab- hängig von der Chabotte. Kombinierte Chabotten aus Mauer- und Eisenwerk wendeten bei ungünstiger Bodenbeschaffenheit Schwarzkopf zu Neustadt-Ebers- walde und R. Daelen zu Hörde an. Schwere gusseiserne Chabotten setzte man aus Teilen zusammen, weil ein einziges Gussstück beim Erkalten leicht zersprang. Sehr grosse Chabotten wurden an Ort und Stelle eingeformt und gegossen. Von neuen Konstruktionen im Jahre 1867 nennen wir einen doppelt- wirkenden Dampfhammer von Thwaites und Carbutt in Bradford, einen kleinen Schnellhammer von Shaw und Justice in Philadelphia, einen pneumatischen Hammer von Lindahl und Runer zu Gefle in Schweden, einen kleinen für gewöhnliche Schmiedearbeit von T. G. Dawes in Wolverhampton. Erwähnung verdient ferner der Dampf- hammer von J. F. Revollier zu St. Etienne. Farcots neuer Hammer arbeitete mit permanentem Unter- und starkem Oberdampf. Der neue Doppelhammer von Ramsbottom zu Crewe von 36 Tonnen Wirksamkeit war mit zwei horizontalen Dampfcylindern versehen, von denen jeder einen Bär trieb. Das Schmiedestück lag auf einem durch Hydraulik bewegten Wagen Mechanic’s Magazine 18, S. 4. . Von späteren Konstruktionen erwähnen wir aus dem Jahre 1869 Prospers Krafthammer mit Federbewegung, Davies Kraftzuschlag- hammer, Joys Krafthammer mit langem federndem Holzbalken nach Art der alten Reitel Siehe Engineering 1869, S. 294; Dinglers Journ. 195, S. 415. . Die Idee, Fallhämmer mit Schiesspulver zu Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. treiben, tauchte wieder auf, ebenso die Verwendung des Pendels bei Christian Thals Hammer Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1870, S. 308. . Fig. 106. Den grössten Erfolg erzielte man aber durch die Verwendung des hydraulischen Druckes, der auch bei anderen Werkzeu- gen benutzt wurde. James Tangye Siehe Revue universelle, 9 ième année, III. livr., p. 522. konstruierte 1865 eine hydraulische Schere (Fig. 106) zum Zerschneiden von Stäben, Eisenbahnschie- nen u. s. w., die von einem Mann bedient wurde; des- gleichen eine leicht trans- portabele hydraulische Loch- maschine. Von grosser Wichtigkeit für die Blech- und Platten- fabrikation war die Vervollkommnung der Parallelscheren, welche Fig. 107. Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. allgemeine Anwendung fanden. Fig. 107, 108 geben die Ansicht einer solchen Parallelschere Vergl. Hauer , Hüttenwerksmaschinen, S. 584. . Rotierende Blechscheren erfanden Cavé in Paris und Borsig zu Neustadt am Rübenberge 1862; eine Blechschere zur Erzielung kreis- runder Schnitte konstruierte W. Gerscha 1865, und eine Kreisschere mit sich drehenden Stahlscheiben der Franzose Guinier . Eine grosse Schere mit hydraulischem Druck wurde in demselben Jahr auf Cromwells Eisenwerk bei Birming- ham für die englische Regierung angefertigt. Sie arbeitete mit 1000 Tonnen Druck und zerschnitt kalte Eisen- stangen von einem hal- ben Fuss im Quadrat. Die stärksten Ma- schinenkräfte kamen aber bei den Walz- werken, an welche ungeheure Anforde- rungen gestellt wur- den, in Anwendung. Die Verarbeitung der schweren Stahlgüsse und die Fabrikation der Panzerplatten stellten Anforderun- gen an die Leistungs- fähigkeit der Walz- Fig. 108. werke, von denen man früher keine Ahnung gehabt hatte. Auch hierin schritt Krupp in Essen voran. In Verbindung mit der Ein- führung des Bessemerprozesses erbaute er 1863 ein riesiges Walzwerk zum Vorwalzen der Stahlblöcke und zum Walzen von Platten. Es wurde von einer Dampfmaschine von 1000 Pfdkr. getrieben und kam 1864 in Betrieb. Das Plattenwalzwerk war ein Trio, aus drei sieben- füssigen Walzen bestehend. Das schon 1862 projektierte Walzwerk von 2000 Pfdkr. zur Herstellung von Panzerplatten kam damals noch nicht zur Ausführung. Die Fabrikation grosser Panzerplatten war aber bereits ein Bedürfnis geworden. Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. Werfen wir einen kurzen Blick auf die Entstehung und die Fort- schritte der Verwendung der Panzerplatten. Schwimmende Panzerbatterieen waren zuerst im Krimkriege gebaut worden und zwar hatte Napoleon III. dazu die Anregung gegeben. Er beauftragte 1854 den Ingenieur Guiesse mit dem Entwurf einer solchen und nach diesem waren fünf Stück mit einem 110 mm dicken Eisenpanzer und 20 cm starken Eisenrippen erbaut worden. Diese Panzerbatterieen erzielten bei der Beschiessung von Kinburn am 17. Oktober 1854 einen glänzenden Erfolg. Die Panzerung von See- schiffen wagte man damals noch nicht. Ende 1857 legte aber Dupuy de Lôme der kaiserlichen Regierung die Pläne für die Panzerfregatte La Gloire vor, deren Bau im März 1858 zu Toulon begonnen wurde; am 24. November 1859 lief sie vom Stapel. Damit begann die Ver- wendung von Panzerschiffen und die Panzerplattenfabrikation. Die Gloire war selbstverständlich ein Schraubenschiff; ihr Panzer, der 1 bis 2 m unter Wasser reichte, war 120 mm dick und gewährte Schutz gegen die glatten 68 Pfünder-Schiffskanonen. Im Mai 1859 wurde der Warrior, das älteste Panzerschiff der englischen Marine, auf Stapel gelegt; sein 114 mm starker Panzer bedeckte nur mittschiffs die Batterie und ging nicht ringsum, wie bei der Gloire. Erst einige Jahre später führte man die Panzerung um das ganze Schiff herum. Kaum hatten sich die Panzerschiffe gezeigt, so begann auch schon das Bestreben nach ihrer Vernichtung durch verbesserte Geschütze. 1859 baute man die französischen Panzerschiffe Magenta und Solferino mit eisernem Sporn. 1860 schlug der englische Kapitän Coles kegel- oder kuppelförmige gepanzerte Drehtürme, die über das Oberdeck herausragten, mit 2 starken Kanonen an Stelle der grossen Zahl unwirksamer Geschütze vor. Mit dem für das englische Kriegsschiff Trusty von John Brown in Sheffield nach Coles Entwurf erbautem Panzerturm wurden 1861 zu Sheerness günstige Schiessversuche an- gestellt. Der berühmte schwedische Ingenieur Ericson baute bei Aus- bruch des amerikanischen Bürgerkrieges den berühmten Monitor, der bis zum Verdeck in das Wasser versenkt werden konnte und einen cylindrischen Drehturm besass. Obgleich nur eine schwerfällige, schwimmende Strandbatterie, vernichtete sie doch die Panzerfregatte Merrimac, den Stolz der Südstaaten. Inzwischen hatte die Artillerie nicht gefeiert, sondern sich eifrig und mit Erfolg bemüht, die Durchschlagkraft der Geschütze und Geschosse zu erhöhen. Damit begann der Wettkampf zwischen Geschütz und Panzerung, der die grossartigsten Leistungen auf beiden Seiten durch Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. Verstärkung der Panzerung und Erhöhung der artilleristischen Leistung hervorbrachte und der bis zum heutigen Tage fortdauert. Die neue Art des Seekampfes hatte eine vollständige Umwälzung des Schiffsbaues zur Folge. Es entstanden die Kasemattschiffe, welche über dem Maschinenraum eine gepanzerte Kasematte hatten. Solche Schiffe waren zuerst der Ocean in Frankreich, Devastation und Thunderer in England. Eine weitere Folge war, dass man den Holzbau endgültig aufgab und die Kriegsschiffe ganz aus Eisen baute. Bereits das zweite englische Panzerschiff, der Black Prince, war in dieser Weise ausgeführt worden. Die ungeahnten Erfolge Krupps im Geschützwesen zwangen zur Anwendung immer stärkerer Panzer. Noch waren diese ausschliesslich von Eisen. Die Fortschritte der Eisenindustrie gaben aber die Mittel an die Hand, die Eisen- panzer durch Stahlpanzer zu ersetzen, und dieser Übergang vollzog sich zum Teil noch in den sechziger Jahren. Die Panzerplatten wurden anfangs geschmiedet, später ging man dazu über, sie zu walzen. Wie schon erwähnt, wurden sie zunächst nur aus Eisen hergestellt. John Arrowsmith nahm am 8. Dezember 1859 ein Patent für Herstellung von Panzerplatten durch Walzen und zwar walzte er erst Eisenplatten mit korrespondierenden Er- höhungen und Vertiefungen, bildete dann aus drei dieser Platten ein Paket, das er ausheizte und durch drei Kaliber zu schweren Platinen auswalzte. Mehrere dieser Platinen wurden zusammengefügt und in einem schweren Plattenwalzwerk mit horizontalen und vertikalen Walzen zu Panzerplatten ausgewalzt. Am 25. Juli 1860 nahmen Ch. W. Lancaster, James Brown und J. Hughes ein Patent, Panzerplatten aus verschiedenen Lagen von weichem, sehnigem Eisen und von hartem Homogeneisen oder Stahl zu machen, die durch Hämmern und Walzen geschweisst und gestreckt wurden. Ganz dasselbe bezweckten die Patente von George Price vom 9. Oktober 1860. E. B. Wilson schlug bereits die Anwendung von Flusseisen oder Fluss- oder Gussstahl vor. Er wollte würfelförmige Blöcke giessen, die in Gesenken sehr starkem Druck ausgesetzt wurden. H. Bessemers Patent vom 1. Februar 1861 bezieht sich auf die Fabrikation von Panzerplatten aus Bessemerstahl. Er schlägt vor, dasselbe in flachen Formen, die der Gestalt der Panzerplatten entsprechen, zu giessen. Man könne Lagen von hartem und weichem Metall übereinander, oder auch Bessemerstahl auf eine Eisenplatte, welche in die Form eingelegt wird, giessen. Auch in Österreich waren bereits 1859 auf dem Eisenwerk Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. zu Zeltweg in Steiermark Panzerplatten von grosser Güte für die erste österreichische schwimmende Batterie „Feuerspeier“ angefertigt worden. Das steierische Eisen war dafür vorzüglich geeignet, nur fehlte es noch an den Maschinenkräften und Einrichtungen, um so grosse und starke Platten machen zu können wie in England. In Frankreich erwarben sich besonders Petin und Gaudet , die auch schon die Platten zu dem ersten Panzerschiff La Gloire ange- fertigt hatten, grosse Verdienste um die Panzerplattenfabrikation. Ihr Verfahren wurde 1861 auch in England patentiert (Nr. 1825). John Napier machte im September 1861 den Vorschlag, entweder die Platten statt zu hämmern oder zu walzen, aus Lagen von Brammen oder Luppen durch starken hydraulischen Druck zu pressen, oder die Herstellung der gewalzten Platten dadurch zu beschleunigen, dass man zwei Plattenwalzenpaare unmittelbar hintereinander aufstellt, so dass die Platte gleichzeitig in beiden gewalzt wird. Das zweite Paar musste der geringeren Dicke entsprechend schneller umlaufen. Für die Panzerplatten waren die Kehr- oder Reversierwalzen, welche sich nach dem Durchgang der Platten in umgekehrter Richtung bewegten, von grösster Wichtigkeit, weil das Überheben der schweren Stücke kaum möglich war. Hierfür erfand Alleyne ein verbessertes System, für das er am 4. April 1861 und am 26. April 1862 Patente nahm. Im allgemeinen erfolgte die Umkehrung der Walzendrehung entweder durch zwei Maschinen oder durch die Umsteuerung der Maschine oder durch das Fünfrädergetriebe, wobei das eine Mal die Übertragung durch drei Getriebe im Sinne des Motors, das andere Mal durch zwei Getriebe im entgegengesetzten Sinne oder auch durch Winkelräder, von denen bald das rechte, bald das linke mit dem rechtwinklig dazu um- laufenden Getriebe verbunden wurde, stattfand. Die Kuppelung geschah in Europa durch Klauen, in Amerika kamen dafür Friktions- kuppelungen auf, die bald auch in Europa Anwendung fanden. Eins der vollkommensten Walzwerke mit Umkehrung in England war das von Dawes zu Elsnar 1867 erbaute. Hier geschah die Um- kehrung durch doppeltes Zahngetriebe und Klauenmuffen, während sie auf dem neuen Walzwerk zu Biskubitz in Oberschlesien durch Umsteuerung der Maschine erfolgte. Die Burbacher Hütte hatte das erste Kehrwalzwerk in Deutsch- land eingeführt. Auf der grossen Weltausstellung in London 1862 erschienen die Panzerplatten zum erstenmal als Weltausstellungsobjekte und erregten begreifliches Aufsehen. Nach Tunners Bericht wurden dieselben in Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. England auf dreierlei Weise dargestellt. Erstens durch Schmieden, wie z. B. auf den Thames Iron Works in London, wo man aus Abfall- und altem Eisen erst Pakete von 1 bis 1½ Centner schmiedete, die man zu immer grösseren Stücken bis zu den fertigen Platten unter dem Hammer zusammenschweisste. Zweitens durch Walzen, wie z. B. in den Atlas Works in Sheffield, wo man die Pakete aus Platten von 1 Zoll Dicke, 12 Zoll Breite und 30 Zoll Länge zusammensetzte, bis man Platten von 120 Centner Gewicht unter Vor- und Rückwärts- walzen zusammengeschweisst hatte. Drittens durch Schmieden und Walzen, wie zu Codnor Park in Derbyshire, wo man zwei vor- geschnittene Platten unter dem Hammer zusammenschweisste, diese dann erhitzte und auswalzte. Die meisten der ausgestellten Panzerplatten waren 4½ Zoll dick, doch waren auch welche von 6½ Zoll zu sehen. Sie wogen meist 30 bis 90 Centner das Stück, doch hatte das Mersey-Eisenwerk eine von 212 Centner Gewicht ausgestellt. — Auf dem Themse-Eisenwerk geschah das Verschmieden mit 100 Centner-Hämmern, das Aus- schmieden der Platten mit 200 bis 400 Centner-Hämmern. John Browns Panzerplattenwalzwerk auf den Atlaswerken zu Sheffield galt 1862 für mustergültig. Zum Schweissen der grossen Pakete hatte man sehr grosse Schweissöfen, die gleichsam aus zwei aneinandergebauten Schweissöfen, deren Hinterwände herausgenommen waren, bestanden. Das Ausziehen des 120 Centner schweren Schweiss- paketes geschah leicht und rasch durch die Walze selbst, indem eine Zugzange an einer Kette, die um die Walze geschlungen war, ähnlich wie bei einem Schleppzug, das Paket auf einen Wagen und mit diesem zu der Walze zog. Die Walzen hatten grosse Durchmesser und kleine Winkelgeschwindigkeit und liefen vor- und rückwärts. Der Paket- wagen war auf seiner Tragfläche mit Friktionsrollen versehen, dadurch konnten vier bis sechs Arbeiter die schweren Platten leicht vorschieben. Die gewalzten Platten waren leichter und billiger herzustellen als die geschmiedeten. Um die Panzerplatten anzufertigen, wurden bei John Brown \& Co. in Sheffield erst Platten von 30 Zoll Länge, 12 Zoll Breite und 1 Zoll Dicke gewalzt. Fünf derselben wurden zu einem Paket vereinigt, das schweisswarm zu Platten von 4 Fuss Quadrat ausgewalzt wurde. Aus diesen wurden unter Bildung eines neuen Paketes in ähnlicher Weise Platten von 8 Fuss Länge, 4½ Fuss Breite und 2½ Zoll Dicke hergestellt. Vier solcher wurden dann aufeinandergelegt, schweisswarm gemacht, mit der oben beschriebenen Kettenzange Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. rasch unter die Walzen gebracht und zu einer fertigen Panzerplatte ausgewalzt. Dieselbe wurde dann auf eine horizontale Abrichtplatte gebracht und durch Darüberrollen schwerer Walzen geebnet. Panzerplatten von 4½ und 5 Zoll Stärke waren ausreichend, solange man nur mit gewöhnlichen gusseisernen Kugeln schoss. Als aber die Stahlgeschosse aufkamen, erwiesen sie sich als ungenügend und musste man die Platten in den folgenden Jahren immer dicker, 5, 7, 8, zuletzt 12 Zoll dick machen. 1868 walzten John Brown \& Co. Platten von 15 Zoll Dicke für eisengepanzerte Forts. Anfang September machte er sogar eine Platte von 20 Fuss Länge, 4 Fuss Breite und 21 Zoll Dicke, die 21 Tonnen wog. Es lässt sich hieraus ermessen, welche starke Maschinen verwendet wurden. Das Plattenwalzwerk von Charles Camel \& Co. in Sheffield, welches Ulrich, Aust und Jänisch 1868 beschrieben haben, hatte eine Maschine von 400 Pferdekräften mit einem Schwungrad von 1000 Centner. Die Panzerplattenfabrikation war es aber nicht allein, welche die grossen Fortschritte in der Walzwerktechnik veranlasste; die immer zunehmende Verwendung des Bessemerstahls für die Eisenbahn- schienen, die Herstellung der Radreifen aus Bessemerstahl und Guss- stahl, besonders aber auch die Herstellung immer grösserer und kühnerer Profile des Formeisens trug nicht weniger hierzu bei. Der Schiffsbau und der Brückenbau erforderten zahlreiche neue Formen von Walzeisen. Hiervon waren viele in der Ausstellung von 1862 zu sehen. Neue und absonderliche Walzprodukte waren die fertig gewalzten Kettenglieder mit 2 oder 3 Augen, welche von Howard, Ravenhill \& Co. zu Rotherhithe bei London bis zu 18 Fuss Länge und 6 Centner Gewicht in sogenannten Collarwalzen hergestellt wurden; ferner „Taper- eisen“, Keileisen von zunehmender und abnehmender Stärke, welches zwischen Walzen, die während des Umganges sich näherten und ent- fernten, was durch Heben der Oberwalze geschah, gewalzt wurde. Solches hatten die Mersey-Eisenwerke ausgestellt. Die veränderte Stellung der Oberwalze wurde durch den Druck von Wasser, als nicht elastischer Flüssigkeit, bewirkt. Sodann waren vom Butterley-Eisenwerk 3 Fuss hohe Girders, Doppel- T -Träger, ausgestellt, die aber aus 2 T -Schienen und einem Flacheisen in der Weise hergestellt waren, dass Leisteneisen dazwischen gelegt und dann Stück für Stück im Schweissfeuer erhitzt und zwischen Doppelhämmern auf beiden Seiten zugleich geschmiedet wurde. Das Butterley-Eisenwerk bei Alfreton in Derbyshire hatte gewalzte I -Träger Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. von 3 Fuss Höhe, 12 Zoll breitem Kopf und Fuss und 30 bis 60 Fuss Länge ausgestellt, ferner eine Eisenbahnschiene von 117 Fuss Länge und 5¼ Zoll Höhe. Grossartig war die Ausstellung von Façoneisen zu Paris im Jahre 1867. Welcher Reichtum von Profilen für Walzeisen zu allen möglichen Zwecken bereits entstanden war, ist aus E. Mäurers „Die Formen der Walzkunst, 1865“ zu ersehen. Von neuen Formen erwähnen wir gewundenes Kreuzeisen zu Säulen (fer â croix tors), welches in Frankreich aufgekommen war; Z -Eisen, welches in geringer Dimension zuerst in England, in grossen Dimensionen von Ingenieur Flamm 1862 auf der Burbacher Hütte bei Saarbrücken gewalzt wurde. F -Eisen wurde zuerst zu Eschweiler-Aue und Rothe Erde bei Aachen fabriziert. Die grösste Bewunderung erregten aber mit Recht die vortreff- lichen Leistungen der Walzwerke in I -Eisen. 1862 waren noch die höchsten in England hergestellten Schienen von 40 cm Höhe aus drei Teilen zusammengesetzt. Das Eisenwerk zu Montluçon in Frankreich stellte einige Jahre später bereits I -Eisen von 50 cm Höhe, welche fertig aus den Walzen kamen, her. Auf der Pariser Ausstellung 1867 hatten zwei Gesellschaften, die Compagnie von Chatillon und Commentry und die berühmte Firma Petin, Gaudet \& Co. eben- solches I -Eisen von 1 und 1,1 m Höhe ausgestellt. Die von den Letztgenannten gelieferten Träger waren dabei 10 m lang. Sie wurden durch ein besonderes Walzverfahren zwischen horizontalen und verti- kalen Walzen, deren Achsen in einer Vertikalebene lagen und nach jedem Durchgang gestellt wurden, bis sie beim letzten Durchgang ein geschlossenes Profil von der gewünschten Form bildeten, hergestellt. — Gröbere L - und U -Eisen wurden bereits ziemlich allgemein mittels Universalwalzwerken dargestellt. Ch. Martin hatte schon 1860 mit 3 Walzen, deren Achsen in Winkel von je 60° gestellt waren, T -Eisen gewalzt (Engl. Pat. 2101). Creusot und Dupont \& Dreyfuss zu Ars-sur-Moselle zeichneten sich durch eine reiche Ausstellung schöner kleiner Profile von Form- eisensorten aus. Letztere stellten Façoneisen von 550 verschiedenen Profilen dar und hatten eine Jahresproduktion von 20 Mill. Kilogramm. Über die Kalibrierung der Walzen veröffentlichte P. Tunner 1867 eine empfehlenswerte Schrift, ebenso R. Daelen 1870. Petin, Gaudet \& Co. hatten auch Kesselbleche von ungewöhn- lichen Grössen ausgestellt, so eine Platte von 64 Fuss Länge, 5,2 Fuss Breite und 4,37 Linien Dicke. Hörde hatte eine ähnliche von 44 Fuss Länge, 5,2 Fuss Breite und 10 Linien Dicke. Low-Moor hatte Kessel- Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. bleche mit verstärkten Rändern, die nach dem patentierten Verfahren von Alton hergestellt waren, ausgestellt. Diese und noch viele andere Muster legten Zeugnis ab für die grossen Fortschritte der Walztechnik. Bei den Kesselblechwalzen waren durch Dampf getriebene Über- hebvorrichtungen schon Anfang der sechziger Jahre allgemein Fig. 109. angewendet. In Deutschland zeichneten sich die von Borsig Zu Neustadt in Hannover, siehe Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1860, Nr. 18. und Daelen Siehe Polytechn. Centralblatt 1860, Nr. 10. konstruierten aus. Krupps Walzenstellung wurde durch Schrauben, die durch Zahn- räder gedreht wurden, welchen wieder eine Schraube ohne Ende eine gleichmässige Bewegung erteilte, bewirkt. Eine grosse Wichtigkeit erlangten die Universalwalzwerke Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. nicht nur bei der Panzerplattenfabrikation, sondern auch für Form- eisen. So walzte Daelen zu Hörde auf seinem neuen Universalwalz- werk 1864 Winkeleisen Siehe Zeitschr. des Ver. deutsch. Ing., S. 261; Kerpely , Fortschritte I, S. 232, T. IX. . In Frankreich liessen sich Isaac Dreyfuss in Paris 1860 und Franquinet-Delloye 1861 Universalwalzwerke patentieren. Marcel Frères Siehe Knut Styffe a. a. O., Tab. III. in Rive-de-Gier hatten 1867 das Modell eines verbesserten Universalwalzwerks in Paris aufgestellt, des- gleichen Wagner Siehe Rittingers Erfahrungen 1867, S. 4. . Das neue Universalwalzwerk zu Hörde hatte 3 horizontale Walzen übereinander, aber nur 2 vertikale. Fig. 109, 110 stellen das in Österreich verbreitete Universalwalz- werk von Wagner in Mariazell dar. Die horizon- talen und vertikalen Walzen waren durch Schrauben und Radgetriebe verstellbar. Das Princip der Be- schleunigung des Walzens durch die Aufstellung meh- rerer Walzenpaare hinter- einander wurde 1860 von M. Bonnor , 1861 von While in Dowlais und von John Napier zu Glasgow und 1863 von W. Taylor angewendet. Zum Walzen von Blechen und Façoneisen wendete man kräftigere Walzwerke mit schnellerem Gang an, wo- durch man 1867 in Frank- Fig. 110. reich Bleche bis zu 1 mm Dicke in einer Hitze auswalzen konnte, während man früher 2 bis 3 Hitzen nötig hatte. Dadurch stellten sich die Selbstkosten und die Verkaufspreise niedriger. Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. Die grössten Leistungen in dieser Richtung wurden aber bei der Schienenfabrikation erzielt. Das Fertigwalzen einer Schiene erforderte in Dowlais 1865 nicht mehr als 5/4 bis 1½ Minuten an Zeit. Man machte 300 Schienen in der Schicht aus 8 bis 10 Schweiss- Fig. 111. öfen ( Ulrich ). Man verwendete zum Ver- walzen der Pakete von Schienen und grobem Façoneisen ebenfalls Umkehrwalzen. In Dowlais waren ferner zur Beschleunigung vier Schienenwalzen in zwei Doppelständen, Fig. 111, 112, gelagert. Die Herstellung der Eisenbahnschienen aus Bessemerstahl, welche John Brown in Sheffield und Ramsbottom in Crewe im Jahre 1861 begonnen hatten, nahm von Jahr zu Jahr zu. Die Schienen aus Bessemerstahl erwiesen sich nicht nur den Schienen aus Puddeleisen, sondern auch den Schienen mit angeschweisstem Stahl- Fig. 112. kopf oder mit cementiertem Kopf weit überlegen. Ausschlaggebend für ihre allgemeine Verwendung waren die berühmten Versuche von Ramsbottom , welcher Bessemerschienen in dem ausser- ordentlich stark befahrenen Bahn- hof in Crewe einlegte. Während man dort alle vier Monate eine Schiene auswechseln musste, weil die beiden Laufflächen der Doppelkopfschiene abgelaufen waren, hielt die Bessemerschiene 3½ Jahre, und wurde nur wegen Umbau des Bahnhofs abgelegt. Zu Chalk-Farm bei London, wo man eine Bessemerschiene in das befahrenste Geleise neben einer Eisenschiene eingelegt hatte, hielt dieselbe 23 Laufflächen von letzteren aus. Bis Ende 1861 verlegten bereits sieben englische Eisenbahngesellschaften Bessemerschienen. Anfangs stellte man für jede Schiene einen Ingot dar. Bald aber goss man die Stahlblöcke so gross, dass man zwei oder selbst vier Schienen aus einem Block walzen konnte. Dies geschah in Österreich und auf mehreren englischen Hütten direkt ohne Vorschmieden, während man in Deutschland und Frankreich die Blöcke erst schmiedete Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. und dann in einer zweiten Hitze auswalzte. Allgemein brauchte man 1867 nur 2 Hitzen, während man 1862 zu Sheffield noch 4 nötig gehabt hatte. Man benutzte kräftige Walzwerke von 150 Pferdekräften In Bochum goss man 1867 die Blöcke 1150 kg schwer für 4 Schienen, walzte die überschmiedeten Blöcke in Stangen von einem halben Fuss im Quadrat, die man in 4 Stücke zersägte und dann auf einer Walzen- strasse von 200 Pferdekräften und mehr auswalzte. Das Schienen- walzwerk von John Brown in Sheffield hatte 1867 eine Dampf- maschine von 400 Pferdekräften, die mit 60 Pfund Dampfdruck arbeitete. Das neue Schienenwalzwerk zu Dowlais wurde 1868 von 2 Balanciermaschinen von 800 Pferdekräften getrieben. Von schmiede- eisernen Schienen mit Stahlköpfen kam man um so mehr ab, je billiger der Bessemerstahl hergestellt wurde. Ein neues wichtiges Absatzgebiet für die Walzindustrie begann sich dadurch zu eröffnen, dass man versuchte, bei dem Eisenbahn- unterbau die Holzschwellen durch Walzeisen zu ersetzen. Der Engländer Barlow war der erste, der lange sattel- förmige Laschen (Längsschwellen), die kontinuierliche Lastträger bildeten, direkt auf die Kiesbettung des Eisenbahndammes legte und sie mittels eiserner Querverbindungen in der richtigen Spur hielt. Dieser Barlow sche Oberbau war 1862 auf der Londoner Weltaus- stellung zu sehen. Die Barlowschiene bewährte sich aber in der Praxis nicht. Hierauf wurden andere Vorschläge von Scheffler und Heusinger in Deutschland, von Köstlin und Balting in Wien und von Mazilier in Paris gemacht. Eiserne Querschwellen wurden 1864 mit Erfolg in Belgien angewendet. In demselben Jahre schlug Geheimer Baurat Hartwich ein System vor, welches dem von Barlow ähnlich war. Schiene und Schwelle bestanden auch hier aus einem Stück, aber er machte seine Schiene 11 Zoll hoch statt sonst 5 Zoll. Durch die doppelte Höhe erreichte er die doppelte Tragfähigkeit und brauchte die Schiene nur in den vierfachen Abständen zu unterstützen. Auf der Pariser Weltausstellung konnte man die verschiedenen vorgeführten eisernen Schwellen für den Eisenbahnoberbau bereits in drei Klassen einteilen. 1. Isolierte Schwellen in Glocken- oder Platten- form, sogenannte Glockenstühle. Solche waren auf der Bahn von Kairo nach Alexandria angewendet worden, hatten sich aber nicht bewährt. 2. Längsschwellen, wie die oben angeführten. Hiervon gab es viele Systeme, die aber alle wieder verlassen worden waren. 3. Querschwellen, die ähnlich wie die Holzschwellen gelegt wurden. Diese waren auf der Bahn von Sclessin nach Lüttich in Anwendung Beck, Geschichte des Eisens. 14 Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. und hatten sich gut bewährt. Dieses belgische System hiess Système des hauts fourneaux, usines et charbonages de Sclessin près Liège Beschrieben in Armengauds Gén. industr. April 1867, S. 181. . Weitere Systeme auf der Pariser Ausstellung waren von G. E. Dering in Lockleys, Welwyn, Le Langlois de Dreux , Paris; J. Vautherin in Fraisans, Griffith \& Co. , welches auf der London und North- Western-Eisenbahn versuchsweise angewendet wurde, und von Harel \& Co. Siehe Dinglers Journ. 185, S. 264. . 1868 wurde ein von Rochussen in Hörde erfundener Oberbau auf einer längeren Strecke der Braunschweiger Bahn gelegt. Gussstahl wurde mit Vorliebe für Radbandagen (Tyres) ver- wendet und hatte namentlich Krupp darin eine grossartige Produktion (35 bis 40 Tausend Stück im Jahr). Nachdem festgestellt war, dass die Leistung von Lokomotivrädern und von Eisenbahnwagenrädern aus Gussstahl zu denen aus gepuddeltem Feinkorneisen sich wie 3,8 : 1 und 2,4 : 1 verhielt, erliess das preussische Handelsministerium an alle Staats- und unter Staatsaufsicht stehenden Privatbahnen die Weisung, „dass Gussstahlradreifen für die Folge bei Lokomotiven und Personen- wagen ausschliesslich angewendet werden sollen“ Siehe Wedding , a. a. O. III, S. 832. . Camel \& Co. in Sheffield und das Bochumer Gussstahlwerk stellten die Radkränze aus einem massiv gegossenen Stahlcylinder von 1⅓ Fuss Durchmesser, der mittels einer eigentümlichen Dreh- und Schneidevorrichtung in gewissen Abständen so tief eingeschnitten wurde, dass man mit Keilen die einzelnen Scheiben abtrennen konnte, her. In diese wurde heiss mit einem stumpfen Stahl ein Loch eingepresst, welches sofort durch Schmieden erweitert wurde, worauf die Räder auf dem von Jackson, Petin und Gaudet Siehe Engineering 1870, S. 414; Dinglers polyt. Journ. 200, S. 90. erfundenen Kopfwalzwerk fertig gewalzt wurden. Die so hergestellten Bandagen sollten dem Auseinanderspringen den dreifachen Wider- stand gegen die aus gegossenen Ringen oder hohlen Cylindern her- gestellten entgegensetzen Siehe Knut Styffe , Bericht über die neuesten Fortschritte im Eisen- hüttenwesen etc. 1867, S. 43. . Bei der Fabrikation ungeschweisster Tyres aus Puddeleisen oder Puddelstahl wurden ebenfalls Ringpakete gebildet. Bramwell und Owen nahmen am 1. Mai 1861 ein Patent auf ein Verfahren, auch Schienen, Stäbe, Platten, Cylinder, Achsen u. s. w. aus Ringpaketen zu machen. Die betreffenden Gegenstände wurden als Ringe von Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. entsprechender Grösse gewalzt, diese wurden dann heiss durch- geschnitten und gerade gerichtet. Die Ringpakete wurden entweder aus spiralförmig aufgerollten Stäben hergestellt, wie es z. B. zu Montataire in Frankreich und zu Bleanavon in England geschah, oder sie wurden radial aus Stäben zusammengesetzt, oder nach einer aus beiden kombinierten Methode hergestellt. Fig. 113. Fig. 114. Die Kopfwalzen erlangten grosse Wichtigkeit für diese Art der Fabrikation und wurden verschiedene Kopfwalzensysteme erfunden. Bei diesen mussten die Walzen verstellbar sein, so dass sie nach jeder Umdrehung durch Zusammenpressen enger gestellt werden konnten. Das Strecken der Ringe erforderte weit grössere Kraft als die freie Streckung, weshalb diese Walzwerke sehr stark, meist für 250 bis 350 Pfdkr., gebaut sein mussten. Das Stauchen geschah entweder durch 14* Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. ein zweites rechtwinkelig zum ersten gelagertes Walzenpaar, wie beim Universalwalzwerk, oder das Kaliber selbst war aus zwei, drei oder vier Walzen gebildet [Fig. 113, 114 (a. v. S.), 115], welche z. B. in Fig. 115. der nebengezeichneten Weise wirkten. Am meisten Ver- breitung hatte das bereits erwähnte Kopf- walzwerk von Petin und Gaudet , welches schon 1855 in England patentiert worden war (Nr. 1940), gefunden. Bei dem neuen Kopfwalzwerk zu Neuberg in Steiermark wurden 1869 die Bandagen in vertikaler Stellung gewalzt. Die Bewegung der Ober- walze wurde durch hydraulischen Druck ausgeführt. Der Umtrieb Fig. 116. geschah durch eine Zwillingsdampfmaschine ohne Schwungrad mit Stephensons Coulisse zur Reversion und mit variabler Meyer scher Expansion; sie war von Sigl in Wien gebaut und leistete bei 6 Atmosphären Dampfdruck 900 Pferdekräfte. Für das Vorwalzen der Guss- und Bessemerstahlblöcke wendete Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. man vielfach die von dem Amerikaner Fritz erfundenen, von Holley mehrfach verbesserten Triowalzen mit Speisetisch an, welche in den Fig. 116, 117, 118 (a. f. S.) dargestellt sind. Spencer und Corkindale hatten (1867) auf dem Phönix-Eisen- werk zu Coatbridge, Schottland, ein Walzwerk mit Sicherheitsdruck, um Brüche unmöglich zu machen, erbaut. Die Walzen wurden durch Gegengewichte in ihrer Lage gehalten und konnten ausweichen, wenn der zulässige Druck überschritten wurde. Für denselben Zweck hatte Fig. 117. man sonst Brechspindeln, die bei einem gewissen Überdruck brachen. Diese ersetzte J. Ramsbottom 1865 durch eine Friktionskuppelung (Pat. Nr. 375). Bei den Reversiermaschinen liess man die Schwungräder oft ganz weg Vergl. Vortrag von R. Daelen jun. über Walzen mit Zwillingsmaschinen ohne Schwungrad. Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1868, S. 154. . John Ramsbottom , der sich grosse Verdienste um die Walzenmaschinen erwarb, hatte 1865 zu Crewe ein starkes Kehrwalz- werk ohne Schwungrad erbaut, welches durch einen hydraulischen Apparat gesteuert wurde Patente vom 13. April 1863 (Nr. 924) und vom 16. März 1865 (Nr. 736). Abbildung in Institutions of Mechanical Engineers, Juli und August 1867. . Dasselbe machte ohne Schwierigkeit Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. 70 Umläufe in der Minute. Der Dampfkessel diente als Kraftsammler an Stelle des Schwungrades. Das Stellen der Walzen und das Heben der schweren Platten geschah durch hydraulischen Druck. In Hörde bewährte sich das Walzen mit Zwillingsmaschine ohne Schwungrad insofern nicht, als der Dampfverbrauch ein zu grosser Fig. 118. war. Man ersetzte deshalb das Reversierwalzwerk durch ein Trio- walzwerk. Dasselbe geschah in Denain und d’Anzin in Frankreich. Lauth in Birmingham konstruierte Walzwerke, bei denen zwischen den gewöhnlichen Walzen schwächere Walzen auf beiden Seiten ein- gelegt waren, welche das Walzstück beim Vor- und Rückgang passieren musste. Dadurch wurde dem Walzer ein grosser Teil der Last ab- genommen und die Arbeit so sehr gefördert, dass zwei kräftige Walzer dreimal soviel fertig machen konnten wie früher. Die Darlaston Stahl- Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. und Eisengesellschaft hatte dieses Verfahren auf ihrem Werk in Süd-Staffordshire 1868 eingeführt und war damit sehr zufrieden. Ramsbottom kam 1868 wieder auf die alte Konstruktion von John Wilkinson im Anfang des Jahrhunderts zurück, indem er ein oscil- lierendes Walzwerk (cogging mill) aus grossen Cylindersegmenten herstellte Siehe Jahrbuch von Leoben 1869, Tab. II u. III. . Er verwendete es als Stahlblockwalze. Gute Abbildungen wichtiger englischer Walzwerke findet man in der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preussischen Staate von 1869; es sind das neue Bessemerwalzwerk zu Dawlais (Taf. I u. II), das Schienen- und Plattenwalzwerk von John Brown in Sheffield (Taf. III), das Blechwalzwerk zu Crewe (Taf. III), die Rohschienenwalzwerke zu Cyfartha (Taf. IV) und zu Rhymney (Taf. V), sowie das Panzerplattenwalzwerk und der Grundplan des Puddel- und Walzwerks zu Rhymney (Taf. V). Eine grosse Förderung der Schweissarbeit wurde durch die Ein- führung der Siemens-Regeneratorfeuerung herbeigeführt. Eine eigentümliche Art zu schweissen erfanden 1868 J. Harris und V. Pendred , indem sie einen Horizontaldoppelhammer kon- struierten, vermittelst dessen sie grosse Stücke im Innern des Schweiss- ofens zusammenschweissten Siehe Mechanics Magazine 1869, Vol. 90, p. 157; Berggeist 1869, S. 136, Engl. Patent Nr. 2177. . Bei der Herstellung von Stahlröhren für Gewehrläufe ohne Schweissnaht wurden die massiv gegossenen Stahlbarren stark über- schmiedet, um das krystallinische Gefüge zu zerstören und dann durch Tempern weich gemacht. Sie wurden dann der Länge nach durch- gebohrt, an den Enden konisch abgedreht, dass sie durch das Ziehloch konnten, worauf das Ziehen wie gewöhnlich begann. Nach dreimaligem Ziehen mussten sie in Thonmuffeln geglüht werden, um ihnen die Sprödigkeit zu nehmen. Das Walzen schmiedeeiserner Röhren war besonders in England im Schwung. Englische Röhren von 15 Zoll Durchmesser waren auf der Pariser Ausstellung zu sehen. Neue Verwendungen für derartige Röhren waren durch die in London eingeführte Rohrpost und durch die Ver- wendung für Kolbenstangen und Wellen veranlasst. Kessler fertigte (1864) schmiedeeiserne Röhren in der Weise, dass er Pakete aus Schienen von segmentförmigem Querschnitt bildete, sie im Innern mit feinem Quarzsand ausfüllte, die Enden mit eisernen Stöpseln verschloss und sie dann auswalzte. — Hawksworth und Harding stellten Stahl- Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. röhren nur durch Ziehen dar, indem sie einen Cylinder von weichem Stahl herstellten und diesen wie bei der Blei- und Kupferröhren- fabrikation über einen Dorn durch Zieheisen zogen. Das geschah mittels hydraulischer Pressen. Zur Röhrenfabrikation wendete man meist Bessemereisen an. Das erste Stahlschiff wurde 1865/66 in Nyköping in Schweden auf englische Rechnung erbaut. Die ersten drei Eisenbahnbrücken aus Flussstahl wurden 1863 bei Maestricht von Sterkmann , im Haag von John Brown und in Sheffield erbaut. 1865 baute man in Schweden eine Stahlbrücke und zwar über den Götha-Elf auf der Gothenburg-Stockholmer Eisenbahn auf der Nebenstrecke nach Unde- wella. Sie hatte zwei Träger Paulis chen Systems, 42 m Spannweite und war aus Puddelstahl auf dem Walzwerk Surahammer angefertigt Engineer., 28. Septbr. 1866; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ingen. 1867, XI, 344. . In demselben Jahr baute Worthington eine Eisenbahnbrücke über den Sankey-Kanal mit Blechträgern aus Bessemerstahl. Ganz aus Stahl war die Brücke, die bei der Pariser Ausstellung 1867 den Quay d’Orsay mit dem Marsfeld verband. Die grösste Bedeutung erlangte der Stahl in dieser Periode für die Waffenfabrikation, insbesondere für die Geschütze. Ehe wir hierzu übergehen, müssen wir noch einiges über die Herstellung der rohen Stahlblöcke, wovon bei den Fortschritten des Bessemerns allerdings schon die Rede war, anführen. Eine der grössten Schwierigkeiten bei der Guss- und Flussstahl- fabrikation war die Herstellung blasenfreier Güsse . Kurz vor dem Erstarren des gegossenen Stahls fand meist noch eine Gasaus- scheidung statt, die zu Blasenbildung Veranlassung gab. Man hatte früher angenommen, dass dies absorbierte Gase seien, welche beim Erstarren ausgeschieden wurden. Troost und Hantefeuille hatten das Gas, welches sich so entwickelte, aber chemisch untersucht und gefunden, dass es nur aus Kohlenoxydgas bestehe und dass es sich ganz gleich blieb, ob man den Flussstahl in der Luft, in einer Kohlen- säure- oder einer Wasserstoffgasatmosphäre erstarren liess. Sie nahmen deshalb an, dass die Gase nicht von Absorption, sondern von einer chemischen Zersetzung herrühren, welche die Folge einer Einwirkung des Metalls auf die Thonmasse des Gefässes sei, da die Untersuchung zeigte, dass das Eisen Kohlenstoff verloren und Silicium aufgenommen hatte. Diese Blasenbildung war also sehr schwer zu vermeiden. Die Erfahrung hatte aber gelehrt, dass sie sehr verringert oder ganz Fortschritte der Bearbeitung des Eisens 1861 bis 1870. verhindert würde, wenn man das flüssige Metall unter Druck erstarren liess. Die Herstellung der Güsse unter hohem Druck erhielt deshalb auch für die Stahl- und Flusseisenfabrikation grosse Wichtigkeit und wurden in den sechziger Jahren verschiedene Methoden dafür an- gegeben. Der Franzose Galy-Cazalat, der 1858 das Durchleiten von überhitztem Wasserdampf als Reinigungsmittel für Gusseisen und Flussstahl vorgeschlagen hatte, empfahl 1865 (engl. Pat. vom 21. Dez., Nr. 3300) blasenfreie Stahlgüsse dadurch herzustellen, dass er starke, dichte Formen, welche mit einem Deckel hermetisch verschlossen werden konnten, anwendete und in diesen nach dem Guss durch ein Rohr mit Sicherheitsventil ein Gemisch von Salpeter und Kohle, also eine Art Schiesspulver eintrug, welches sofort verbrannte und durch die Gasentwickelung einen sehr hohen Druck ausübte. Joseph Whitworth wendete dagegen ein praktischeres Verfahren an (Pat. vom 24. Novbr. 1864, Nr. 3018), indem er einen Plungerkolben mit der geschlossenen Form verband, welcher durch hydraulischen Druck bewegt wurde und einen sehr starken Druck auf das flüssige Eisen ausübte; derselbe betrug 40000 Pfund auf den Quadratzoll. Dieses Verfahren war hauptsächlich für den Geschützguss erfunden, liess sich aber ebensogut für sonstige Gussblöcke anwenden. In Frank- reich waren es Révollier, Biétrix \& Co. , Stahlfabrikanten in St. Etienne, welche das Giessen von Stahl unter Druck zuerst an- wendeten und darauf eine Fabrikation gründeten. Sie kombinierten 1867 den neuerfundenen Martinprozess mit ihrem Druckverfahren, indem sie den flüssigen Stahl in geeigneten Formen unter die hydrau- lische Presse brachten. Ihre Einrichtungen waren aber mangelhaft, weswegen sie nicht den erwarteten Erfolg erzielten. Die mechanische Bearbeitung der festen Blöcke konnte aber auch viel dazu beitragen, die Nachteile der Blasenbildung zu verringern, indem wenigstens die Blasen mit blanker Oberfläche durch Behand- lung unter schweren Hämmern durch Zusammenschweissen der Wände verschwanden. Dies konnte auch unter starken Walzen geschehen, wenn man dieselben langsam umlaufen liess. Man gab deshalb den Vorwalzen für Stahlblöcke nicht mehr wie 25 Umdrehungen in der Minute und liess die Blöcke von 2 Fuss Länge, um sie auf 3½ Fuss zu strecken, durch fünf Kaliber gehen Vergl. Ulrich, Aust und Jänisch , Bericht über eine 1867 ausgeführte Instruktionsreise in England, Preuss. Zeitschr. 1860, S. 105. . Fortschritte in der Verwendung des Stahls Fortschritte in der Verwendung des Stahls und Flusseisens 1861 bis 1870. Durch Bessemers Erfindung und die Einführung derselben in die Praxis wurde der Technik ein ganz neues Material zur Verarbeitung geboten. Dasselbe wurde zwar von dem Erfinder und auch von dem Publikum als Stahl bezeichnet, doch war der Bessemerstahl durchaus verschieden sowohl von dem Schweissstahl als von dem Tiegelgussstahl. Abgesehen von seinen abweichenden Eigenschaften unterschied er sich von ersterem dadurch, dass er als flüssiges Metall erhalten wurde, von letzterem dadurch, dass es kein umgeschmolzenes Material, sondern ein durch den pneumatischen Prozess aus Roheisen gebildetes Produkt war. Dieses zeigte zwar Ähnlichkeit mit dem Tiegelstahl, erreichte aber nicht dessen Güte; die Engländer nannten es deshalb zur Unterscheidung lieber Bessemermetall. Als nun auch noch der in seinem Verhalten ähnliche Siemens-Martin- stahl hinzukam, schien eine bedenkliche Verwirrung dadurch einzureissen, dass man alle diese verschiedenen und auf verschiedene Weise erzeugten Eisenkohlenstoffverbindungen mit demselben Namen Stahl bezeichnete. Es war deshalb ein dankenswerter Fortschritt für die deutsche Sprache, als Professor Wedding für alle durch einmalige Schmelzung aus den Rohstoffen in flüssigem Zustande erhaltenen Stahl- und Eisen- sorten die Namen Flusseisen und Flussstahl vorschlug, die sich rasch einbürgerten. Dieses neue Material wurde anfänglich noch mit Miss- trauen betrachtet und fand erst nach und nach allgemeinere Ver- wendung, wie wir bereits an vielen Beispielen gezeigt haben. Ausser für Eisenbahnschienen wurde es schon frühe beim Schiffsbau verwendet. Das erste Handelsschiff, das aus Bessemerstahlplatten hergestellt wurde, war der 1859/60 erbaute Jason, ein für Fahrten auf dem Schwarzen Meere bestimmtes englisches Schiff von 452 Tonnen Tragfähigkeit. Diesem folgten 1860/61 fünf Kanaldampfer. 1862 begann die Verwendung des Bessemermetalls für Dampfkessel. P. Harkort hatte bereits durch Versuche nachgewiesen, dass Gussstahl- kessel in der gleichen Zeit 20 bis 28 Prozent mehr verdampfen, als Eisenblechkessel, dass sie wegen glatterer Oberfläche weniger Kessel- stein ansetzen und eine 40 bis 50 Prozent grössere Festigkeit besitzen. Samuel Adamson veranlasste 1862 die Firma Platt in Oldham, zwei Dampfkessel von 7 Fuss Durchmesser und 36 Fuss Länge aus und Flusseisens 1861 bis 1870. Bessemerstahlblech herzustellen, und als Sir Henry Bessemer in der Sitzung des Iron and Steel Institute im Jahre 1888 Adamson die Bessemermedaille überreichte, konnte er darauf hinweisen, dass diese ersten grossen Kessel aus Bessemerstahl sich noch in gutem, betriebs- fähigem Zustande befänden. 1862 liess die preussische Regierung vergleichende Versuche anstellen, die sehr günstig für die Stahlkessel ausfielen. Im allgemeinen schätzte man Gussstahlkessel zu 45 bis 60 Prozent, Bessemerstahlkessel zu 15 Prozent besser als Eisenkessel von denselben Abmessungen Siehe Zeitschr. d. Architekten- u. Ingen.-Ver. zu Hannover IX, Heft 2 u. 3. . 1863 fand der Flussstahl auch im Brückenbau Eingang und zwar zuerst, wie bereits erwähnt, auf der holländischen Staatsbahn. Zu Wellen von Schiffsmaschinen wurde er 1865 zuerst in England verwendet. Zu Stahlformguss wurde das Material ebenfalls versucht, doch vergoss man Anfang der sechziger Jahre nur Tiegelgussstahl. Die Vorführung der Fortschritte des Stahlformgusses auf der Londoner Ausstellung im Jahre 1862 fand grosse Beachtung. Direktor J. Meyer in Bochum war mit der Herstellung von in Lehm ge- formten Stahlformgussstücken zuerst vorgegangen. Die Ausstellung des Bochumer Vereins für Gussstahlfabrikation erregte Aufsehen durch die sehr sauber in einem Stück gegossenen Gussstahlräder, noch mehr durch Gussstahlglocken. Das Patent für deren Herstellung wurde von Vickers in Sheffield erworben. Die Herstellung von blasen- freiem Stahlguss war ein Problem, das damals viele Metallurgen beschäftigte. R. Mushet hatte am 23. Mai 1861 ein Patent auf Her- stellung blasenfreier Stahlgüsse genommen, die er dadurch erzielen wollte, dass er ein Rohr in die nahezu gefüllte Form einhing und durch dieses flüssigen Stahl nachgoss; während des Erkaltens und Nachsetzens sollte man das Rohr durch Nachgiessen gefüllt halten. Restaing und Bourdouin in Paris hatten 1862 in London ein Verfahren, flüssiges Roheisen zu zerkleinern, um es für die Stahl- fabrikation vorzubereiten, ausgestellt. R. A. Broman erhielt am 24. Januar 1863 ein Patent auf die Herstellung guss- oder schmiedeeiserner Ambosse mit Stahlbahnen in der Weise, dass er in eine Form, deren Boden aus einer starken Eisen- platte als Coquille bestand, Stahl goss, dann Gusseisen zulaufen liess, bis die Form gefüllt war. Vickers glaubte 1866 dadurch feste Stahlgüsse zu erhalten, dass er die Formen mit dem flüssigen Metall während des Erstarrens in Fortschritte in der Verwendung des Stahls schüttelnde Bewegung versetzte, wodurch die Krystallisation verhindert werden sollte. Whetley wendete den Centrifugalguss zur Anfertigung von Stahlradreifen an Siehe London. Journ. 1866, March, p. 150; Kerpely a. a. O. 1861, S. 233. . Naylor, Vickers \& Co. in Sheffield hatten 1867 die imposanteste englische Ausstellung in Gussstahlartikeln, worunter sich auch Glocken, Kanonen, Radkränze u. s. w. befanden. Die Cyklopwerke von Cammel \& Co. in Sheffield führten Rundstahl mit einem Kern von Schmiede- eisen für Gewindbohrer vor, deren Anfertigung sie geheim hielten. Die Verwendung des Gussstahls für die Feuerwaffen, insbesondere für Geschütze, ist in diesem Jahrzehnt von der grössten geschicht- lichen Bedeutung geworden. In keinem Zeitabschnitt hat sich die Überlegenheit des Materials bei der Bewaffnung so geltend gemacht, wie in diesem kriegerischen Jahrzehnt, und durchweg fiel der Sieg der besseren Bewaffnung infolge der fortgeschrittenen Technik und des besseren Materials zu. Auf die Bedeutung der Panzerschiffe im Seekriege und auf den sensationellen Kampf zwischen Monitor und Merrimac im amerikanischen Bürgerkriege haben wir schon hin- gewiesen. Bei den Handfeuerwaffen kamen Stahlröhren in immer allge- meineren Gebrauch. Dieselben wurden meistens in der Weise her- gestellt, dass ein gegossener Ring von weichem Gussstahl allmählich durch immer enger werdende Zuglöcher durchgezogen wurde, wobei das sich erhitzende Metall öfter in kaltem Wasser Siehe Dinglers Journal 1863, Märzheft. gelöscht wurde. Anfang der sechziger Jahre beschäftigte sich auch Krupp mit der Herstellung von Stahlläufen für Handfeuerwaffen und hatte solche auch 1862 in London ausgestellt, doch liess er diese Fabrikation bald wieder fallen. Dieselbe wurde von A. Berger in Witten aufgenommen. Er lieferte die rohen Stahlläufe für die preussische Armee, die aber erst auf den grossen staatlichen Waffenfabriken Spandau, Erfurt, Sömmerda u. s. w. bearbeitet und fertig gemacht wurden. In grossartigem Massstabe nahmen die Werke von John Cockerill in Seraing seit 1867 die Fabrikation von Gewehrläufen aus Bessemer- stahl auf Vergl. A. Greiner in Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1869, S. 337. , welche dann in der Königlichen Waffenfabrik zu Lüttich, und in Privatfabriken zu Gewehren fertig gemacht wurden. Auf der Pariser Weltausstellung 1867 hatten Petin und Gaudet \& Co. zu Rive de Gier ebenfalls bereits Muster solcher Läufe aus Bessemerstahl und Flusseisens 1861 bis 1870. ausgestellt. Man nahm dazu die besten Sorten von englischem Hämatiteisen (Cleator-Harrington-Millom) und Müsener Spiegeleisen. War die Überlegenheit der Stahlläufe vor den alten Eisenläufen und auch der gezogenen Läufe vor den ungezogenen allgemein anerkannt, so war das bezüglich der Frage, ob Vorder- oder Hinter- lader, bis zum Jahre 1866 noch eine offene Streitfrage. Preussen allein hatte in seinem Zündnadelgewehr das Hinterladungsgewehr eingeführt. Die Erfolge desselben im dänischen Kriege im Jahre 1864 waren nicht so auffällig, dass sie schon zu einer Reform der Hand- feuerwaffen geführt hätten. Die preussische Militärverwaltung hatte kein Interesse daran, die Beobachtungen, die sie mit ihrer Waffe gemacht hatte, der Öffentlichkeit preiszugeben. Die Österreicher aber, welche doch an der Seite der Preussen gekämpft hatten, sahen sich nicht veranlasst, von ihren Vorderladungsgewehren abzugehen. Da kam das Jahr 1866 und der Krieg Preussens gegen Österreich und die süddeutschen Staaten. Preussen, das inzwischen seine ganze Armee mit dem Zündnadelgewehr bewaffnet hatte, entwickelte eine so furcht- bare Überlegenheit durch seine Handfeuerwaffe, dass nicht zum wenigsten hierdurch sein Sieg trotz der numerischen Überlegenheit seiner Gegner in kurzer Zeit erkämpft war. Der Eindruck hiervon auf alle Grossstaaten war ein durchschlagender. In aller Eile ersetzte man die Vorderlader durch Hinterlader. Vor allen war Frankreich auf die rasche Durchführung der Neubewaffnung seiner Armee mit dem Chassepotgewehr (M. 66) mit allem Eifer bedacht. Nicht so entschieden zeigte sich in diesem Kriege die Überlegen- heit der preussischen Gussstahlgeschütze über die gezogenen Bronze- geschütze der Österreicher. Zum Teil lag dies an dem Mangel an Gelegenheit, indem preussischerseits der Kampf fast nur mit den Handfeuerwaffen geführt wurde. Alfred Krupp hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Überlegenheit seiner gezogenen Hinterladungsgeschütze aus Gussstahl aller Welt zu beweisen, vor allem aber sein Vaterland Preussen mit dieser starken Waffe auszurüsten, und er scheute keine Mühe und Opfer, seine Kanonen und ihre Fabrikation zu vervollkommnen. Die öffentliche Meinung war damals den Gussstahlgeschützen noch wenig günstig, namentlich in England, wo man in den schmiedeeisernen Kanonen, welche William Armstrong zu Elswick bei Newcastle-on- Tyne verfertigte, das Höchste erreicht zu haben glaubte. Nachdem durch den Tod des Königs Friedrich Wilhelm IV. (1861) die preussische Königskrone an den seitherigen Prinzregenten Fortschritte in der Verwendung des Stahls Wilhelm übergegangen war, kam erst die Reorganisation und mit ihr die bessere Bewaffnung der preussischen Armee in Fluss. Der Besuch, den er im ersten Jahre seiner Regierung unmittelbar nach der Begegnung mit dem französischen Kaiser Napoleon III. in Baden-Baden, der hierbei aus seinen Gelüsten nach dem linken Rhein- ufer kein Hehl gemacht hatte, Alfred Krupp und der Krupps chen Fabrik in Essen am 9. Oktober 1861 abstattete, war für die Zukunft höchst bedeutungsvoll. Im folgenden Jahre war die Weltausstellung in London, wo Krupp die grossartigste Ausstellung von Gussstahl- geschützen vorführte, welche die Welt bis dahin gesehen hatte. Statt dass aber die Grossstaaten England, Frankreich und Österreich den von Krupp gezeigten Weg einschlugen, ging ein jeder dieser Staaten aus Eigensinn und nationalem Dünkel seinen eigenen und einen anderen Weg. England glaubte mit Vorderladern aus Schmiedeeisen von ungeheurem Kaliber die grössten artilleristischen Erfolge erzielen zu können. Die von Sir Robert Armstrong erfundenen Geschütze waren aus übereinandergeschobenen längeren und kürzeren Hohlcylindern (coils) hergestellt. Diese Coils selbst waren durch Zusammenschweissen spiralförmig aufgewundener Stäbe gebildet. Solche Geschütze wurden bis 1865 hauptsächlich auf dem grossen, von William Armstrong geleiteten Werk zu Elswick, welches von 1858 bis 1865 ganz auf Rechnung der Regierung betrieben wurde, hergestellt. Seit dieser Zeit wurden die Staatswerkstätten für Kanonenfabrikation nach Woolwich verlegt. Vor 1865 waren 300-Pfünder die schwersten Schiffskanonen gewesen. 1865 liess Armstrong 600-Pfünder zur Ausrüstung der Panzerfregatte Achilles anfertigen. Ein solches Geschütz wog 440 Centner und hatte 90 Pfund Pulverladung. Trotzdem erwiesen sich diese Geschütze bei dem Versuchsschiessen zu Shoeburyness zu schwach gegen 20 bis 23 cm Panzerplatten mit Holzfütterung. Armstrong beschloss deshalb, Geschütze mit noch grösserem Kaliber herzustellen. Napoleon hielt an seinen gezogenen Bronzegeschützen fest, welche Österreich ebenfalls einführte. Ein wichtiger Fortschritt Krupps war die Erfindung des Keil- verschlusses an Stelle des früheren unvollständigen Kolbenverschlusses, den er sich am 29. Oktober 1862 in England patentieren liess. Man konnte in England vor Krupps grossartigen Leistungen die Augen zwar nicht ganz verschliessen, suchte dieselben officiell aber möglichst zu verkleinern, weshalb man ihn auch für seine unver- und Flusseisens 1861 bis 1870. gleichliche Leitung bei der Londoner Ausstellung nur mit zwei bronzenen Medaillen abspeiste. Die englische Regierung machte in den Jahren 1862 und 1863 Versuche mit Krupps chen Rohren von 20, 40 und 110 Pfund Kaliber (nach englischer Bezeichnung), welche die vorzüglichsten Resultate ergaben; dennoch hielt man, weil man im eigenen Lande keine Gussstahlrohre von gleicher Grösse und Güte hatte, an dem System von Armstrong fest. Nur ging man dazu über, das Seelenrohr aus Gussstahl zu machen, über das man dann Fig. 119. die schmiedeeisernen Cylinder, die man nun „Jacke und Hose“ nannte, zog. Schwere Rohre bekamen eine grössere Anzahl Bekleidungs- cylinder („Jacke, Weste und Hose“). Derartige Konstruktionen wurden von Armstrong, Whitworth, Blakely und Fraser angegeben. Fig. 119 zeigt eine schwere englische Vorderladungs- kanone nach Frasers System, welches seit 1865 von der Regierung bevorzugt wurde. Die englischen Fabri- kanten Blakely, Whitworth und Armstrong bezogen längere Zeit die Seelenrohre für ihre schmiedeeisernen Kanonen von Krupp . Im Arsenal zu Woolwich waren jetzt die grossartigen Werkstätten, wo Armstrong seine riesigen Geschütze schmiedete, deren grösstes der „Woolwich-Baby“, ein Zwölf- zöller von 35 Tonnen Rohrgewicht, war. Ausser einem Condiehammer waren dort Fig. 120. fünf schwere Nasmythhämmer von 20, 12, 12, 10 und 10 Tonnen Bär- gewicht im Betrieb. Jeder der grossen Hämmer hatte vier Dreh- krahnen zu seiner Bedienung (Fig. 120, wobei a den Dampfhammer, bb die Drehkrähne, cccc die Schweiss- und Glühöfen vorstellen). Eine abweichende, der obigen entgegengesetzte Konstruktion erfand Kapitän Palliser 1867. Er machte die Seele aus Schmiede- eisen und darüber einen gegossenen Mantel aus Gusseisen. Diese Geschütze waren beträchtlich billiger. Sie wurden in England geprüft Fortschritte in der Verwendung des Stahls und gut befunden, aber nicht eingeführt. Belgien rüstete dagegen 1862 seine ganze Artillerie mit Krupps chen Gussstahlkanonen aus und bezog 184 Sechspfünder, 111 Vierpfünder, 200 Zwölfpfünder und einen 68-Pfünder. Ebenso bezog Russland in den folgenden Jahren eine grosse Anzahl Stahlkanonen von Krupp , zunächst 1863 88 achtzöllige und 16 neunzöllige Vorderlader, dann 1864 96 vier- zöllige Hinterlader mit Keilverschluss, ferner 2 zwölfzöllige, 9 neun- zöllige, 2 sechszöllige und 115 achtzöllige Kanonen. Ende 1863 entschied man sich endlich auch in Preussen für die definitive Ein- führung der 8 cm-Gussstahlkanone, wovon zunächst nur eine Batterie von acht Geschützen gebildet wurde. Diese wurde bei dem kurz darauf erfolgten Ausbruch des dänischen Krieges der Garde-Infanterie- Division zugeteilt. Ausser diesen befanden sich bei der preussischen Armee noch 30 Krupps che Sechspfünder, so dass von der ganzen Zahl von 110 Feldgeschützen 38 Gussstahlkanonen waren. Krupps Geschütze legten im dänischen Feldzuge ihre Feuerprobe ab, und zwar zuerst am 2. Februar bei Missunde. Die Erfolge waren so augen- scheinlich, dass bereits am 18. April die Einführung der 8 cm-Kanone an Stelle der seitherigen Haubitzen beschlossen wurde. Es wurden 300 Stück Rohre bei Krupp bestellt, welche noch wie früher in der Königlichen Geschützgiesserei in Spandau gezogen und fertiggestellt wurden. In diesem Jahre wurden auch von Preussen die ersten Marine- und Küstengeschütze, 72- und 36-Pfünder, bestellt. Hierzu hatte die erfolglose Beschiessung des dänischen Panzerschiffes Rolf Krake die Veranlassung gegeben. Die Proben, welche Krupps Gussstahlkanonen im Ernstkampf abgelegt hatten, wirkten mehr wie alle Ausstellungen. Von nun an nahm die Kanonenfabrikation auf dem Krupps chen Werke rasch und in grossartigem Umfange zu. Als aber 1866 der Krieg gegen Österreich und den deutschen Bund ausbrach, war noch keineswegs die Neubewaffnung der preussischen Artillerie mit Guss- stahlkanonen durchgeführt, noch weniger hatten die Mannschaften genügende Zeit gehabt, um sich mit den neuen Geschützen ein- zuschiessen. Manche Offiziere mussten mit gezogenen Geschützen aus- rücken, ohne je mit einem solchen vorher geschossen zu haben. Im ganzen befanden sich bei den beiden Heeren 520 gezogene und 354 glatte Geschütze. Welche Geschosse für die gezogenen Geschütze die geeignetsten seien, war noch eine gänzlich unerledigte Frage. Österreich hatte dagegen nur gezogene Geschütze, welche schon 1861 eingeführt und mit denen die ganze Artillerie seit 1864 bewaffnet war. Im allgemeinen herrschte noch auf preussischer Seite die irrige und Flusseisens 1861 bis 1870. Vorstellung, dass die gezogenen Kanonen hauptsächlich als Positions- geschütze für den Fernkampf zu verwenden seien. Infolgedessen beschoss man sich von beiden Seiten auf grosse, meist zu grosse Entfernungen mit entsprechend geringem Erfolg. Die neuen Geschütze hatten in dem Feldzug von 1866 die grossen Erwartungen, die man auf sie gesetzt hatte, nicht erfüllt. Infolgedessen erhoben die Gegner der gezogenen Hinterlader wieder ihre Stimmen, indem sie dies dem System zuschrieben. Auch das Material wurde angegriffen, weil mehrere der 8 cm-Rohre ohne vorherige Anzeichen und ohne nachweisbare Fehler zersprungen waren. Es drohte eine Stockung in der Neubewaffnung der preussischen Artillerie einzutreten, aber König Wilhelm mit seinem klaren Blick und seinem richtigen Urteil in militärischen Dingen liess sich nicht irre machen und befahl die rasche Durchführung der Neubewaffnung der Artillerie, die er auch auf die reitende Artillerie ausdehnte. Die süddeutschen Staaten führten ebenfalls die bereits 1865 begonnene Einführung der gezogenen Gussstahlgeschütze durch. Krupp hatte gefunden, dass die Ursache des Zerspringens in der Konstruktion des von Preussen vorgeschriebenen Weseners chen Doppelkeil-Verschlusses lag. Er ersetzte diesen durch den von ihm erfundenen Rundkeil, auf den Krupp am 10. Februar 1865 in England ein Patent genommen hatte. Seit dem Jahre 1866 übernahm die Krupps che Fabrik auch die Fertigstellung der Geschütze für Preussen. In diesem Jahre wurden im ganzen 1562 Kanonen bei Krupp bestellt. Für die grossen Küsten- und Marinegeschütze hatte Krupp eine ähnliche Konstruktion wie Armstrong eingeführt, nur waren es nicht Eisen-, sondern Stahlcylinder, welche er über das Seelenrohr zog. Es waren dies die sogenannten Ringkanonen. Diese Konstruktion erhöhte zugleich durch die Verstärkung der Pulverkammer die Durchschlags- wirkung der Geschosse. Eine solche Ringkanone war das gewaltige 1000 Pfund-Geschütz, welches 1867 auf der Pariser Weltausstellung die Bewunderung aller Besucher erregte. Das Geschütz, welches Fig. 121 (a. f. S.) abgebildet ist, hatte 35,5 cm (14 Zoll) Seelendurch- messer. Das Seelenrohr wog 40000 Pfund, die Ringlagen zusammen 60000 Pfund. Zu demselben war auch eine stählerne Lafette von 30000 Pfund und ein dazu gehöriger drehbarer Rahmen von 50000 Pfund konstruiert. Ausser diesem Riesengeschütz führte Krupp noch eine Anzahl kleinerer Geschütze verschiedener Konstruktion vor. Obgleich Kaiser Napoleon seiner Bewunderung der Leistungen Krupps offenen Beck, Geschichte des Eisens. 15 Fortschritte in der Verwendung des Stahls Ausdruck gab und denselben durch die Ernennung zum Offizier der Ehrenlegion auszeichnete, ging er doch nicht von seinem System gezogener Bronzegeschütze ab. In dieser verderblichen Kurzsichtigkeit wurde er bestärkt durch den Bericht des Vorsitzenden des Artillerie- Comités, des Generals Le Boeuf. Krupps letzter Versuch im Jahre 1868, Napoleon für sein Geschützsystem zu interessieren, wurde höflich abgelehnt. Das Riesengeschütz der Pariser Ausstellung wurde von Krupp dem König Wilhelm von Preussen zum Geschenk gemacht und auf dem Fig. 121. Strandfort Brauneberg am Kieler Hafen aufgestellt. 1867 bis 1869 rüstete der preussische Staat seine Marine und seine Festungsartillerie mit Gussstahlgeschützen schweren Kalibers aus. Die Schiessversuche mit der neunzölligen Ringkanone (96-Pfünder) fielen anfangs für Krupp unglücklich aus, weil man das gewöhnliche preussische Geschützpulver dabei angewendet hatte. Als man auf Krupps Vorstellung hin prismatisches Pulver nahm, feierte er einen grossen Triumph über die konkurrierenden englischen Vorderladungsgeschütze von Armstrong Das Armstrong-gun-iron war ein dichtes Feinkorneisen. . Die Ergebnisse der Tegeler Schiessversuche veranlassten die An- und Flusseisens 1861 bis 1870. nahme der Ringkonstruktion für alle schweren Geschütze bis zum 12-Pfünder herab, und Krupps System von 15, 17, 21, 24, 26 und 28 cm-Kanonen wurde angenommen. Das Jahr 1870 kam heran und mit ihm die grosse Probe der Krupps chen Stahlkanonen in dem deutsch-französischen Kriege. Wie anders war die Ausrüstung der preussischen Artillerie in diesem Jahr im Vergleich mit 1866! — Frankreich hatte wohl seine Chassepot- Gewehre, welche, wie sich herausstellte, an Tragweite dem preussischen Zündnadelgewehr bedeutend überlegen waren, es hatte auch seine Mitrailleusen, aber seine Feldartillerie war noch mit denselben gezogenen Bronzegeschützen (System La Hitte ) ausgerüstet, wie im italienischen Kriege 1859. Die Überlegenheit der deutschen Artillerie zeigte sich gleich in den ersten Schlachten und gab dieser Waffe ein Gefühl der Sicherheit, welches ihre Leistungen erhöhte. Diese waren in der That glänzend, sowohl in der Feldschlacht als bei Belagerungen. Die preussischen Granaten haben am meisten die Ent- mutigung der französischen Soldaten herbeigeführt, die mit jeder verlorenen Schlacht zunahm. Ausschlaggebend war das Eingreifen der Artillerie bei St. Privat; Sedan ward durch die Artillerie gewonnen und nie haben Artilleriegeschosse so in Heerhaufen gewütet als wie hier; Paris ergab sich den Krupps chen Kanonen. Die Stärke dieser Geschütze war aber in erster Linie der vortreffliche Stahl. Es bedarf kaum der Anführung, dass das Material und die Be- arbeitung der Geschosse ebenfalls von der grössten Wichtigkeit war. Dies kam besonders da in Frage, wo Eisen gegen Eisen, oder Stahl gegen Stahl kämpfen musste, also im Geschützkampf gegen Panzerschiffe und gepanzerte Batterien. Hierbei erwies sich das gewöhnliche Gusseisen als wirkungslos. Auch hier trug der Stahl den Sieg davon. Armstrong bediente sich zuerst aus Bessemerstahl gegossener Rundkugeln. Weit grösseren Erfolg hatten aber Whit- worths Langgeschosse, die anfänglich sechseckig waren. Am wirkungs- vollsten waren Spitzgeschosse von Stahl, deren Spitzen geschmiedet und gehärtet waren. Die Stahlgranate hatte gegen Panzer schon 1864 den entschiedenen Sieg errungen. Aber auch Hartgussgeschosse ergaben in manchen Fällen ausreichende Wirkung. Solche hatte Nasmyth bereits 1862 in Vorschlag gebracht. Palisser verwendete dieselben gegen Eisenpanzer. Bei den mit seinen Hartgussgeschossen angestellten Probeschiessen zu Vincennes und Shoeburyness erwiesen sie sich aber gegen Platten über 5 Zoll nicht mehr wirksam. Dagegen gelang es Hermann Gruson in Buckau-Magdeburg, vorzügliche Hart- 15* Fortschritte in der Verwendung des Stahls gussgranaten herzustellen, die sich bei dem Probeschiessen gegen Panzerplatten 1864 gut bewährten. Fig. 122. Die Drahtfabrikation nahm in den sechziger Jahren einen grossen Aufschwung und zwar ebenfalls hauptsächlich durch die Ver- besserungen der Schnellwalzen, durch die Verwendung von Puddel- und Bessemereisen für die Fabrikation und durch den vermehrten und Flusseisens 1861 bis 1870. Absatz, besonders als Telegraphendraht und für Drahtseile. George Bedson in Manchester führte 1862 den kontinuierlichen Walzbetrieb ein, wobei der Draht durch eine Anzahl hintereinander stehender Walzenpaare (Fig. 122), deren Geschwindigkeit entsprechend der Streckung des Drahtes zunahm, ging (E. P. vom 2. Juli 1862, Nr. 1935). 1869 führte Washburn dieses System auch in den Vereinigten Staaten ein. Derselbe benutzte zugleich die von H. B. Comer bereits 1859 erfundene automatische Umführung des Walzdrahtes. Johnson und Nephew in Manchester hatten auf der Pariser Weltausstellung ein Stück Walzdraht von 1633 Fuss Länge und 2,1 Linien Dicke ausgestellt, während Bonard, Fleury und Demandre einen gezogenen dreieckigen Draht von 27000 Fuss Länge und nur 9,4 Pfund Gewicht vorführten. In Deutschland zeichneten sich Hobrecker und Cosack \& Co. bei Hamm durch Güte ihres Walzdrahtes und grosse Produktion aus. Eigentümliche Glühtöpfe zum Glühen des Drahtes liessen sich Hibell, Colbon \& Co. in Birmingham 1866 patentieren. Dieselben hatten im Grundriss Ringform, entsprechend den Drahtringen, so dass die Flamme von innen und von aussen gleichmässig auf den Draht einwirken konnte. In Deutschland und England war man bestrebt, einheitliche Drahtlehren durchzuführen. Das Verzinken des Telegraphendrahtes hatte grosse Wichtigkeit erlangt. Es geschah in grossen eisernen Kästen, in denen sich flüssiges Zink befand, durch das die gebeizten Drähte, zwölf zu gleicher Zeit, gezogen wurden. Eine bemerkenswerte Neuerung bei der Blechfabrikation waren die gebuckelten Bleche von Robert Mallet , welche durch die Pariser Ausstellung 1867 bekannt wurden. Ein ganz wichtiger Industriezweig war um diese Zeit die Her- stellung des Krinolinstahls, der schon auf der Londoner Ausstellung 1862 vertreten war, geworden. Es wurden dafür erst flache Bleche, Krinolinfederbleche, gewalzt, die dann durch Schneidewerke in Streifen geschnitten wurden. Durch Kaltwalzen erhielten sie die nötige Federkraft. Die Weissblechfabrikation beherrschte England. Die erste genauere Statistik giebt Robert Hunt für 1870. In diesem Jahre erzeugte England 3459782 Kisten Weissblech im Gewicht von 141764 Tonnen, hiervon gingen über 100000 Tonnen in das Ausland Siehe Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1872, S. 194. . Fortschritte in der Verwendung des Stahls etc. Die grössten Werke, die auf der Weltausstellung 1862 ausgestellt hatten, waren Llandore, Pont-ar-Dawe, Cwm-Avon und Ystalifera im Thale von Swansea. Man verwendete zu Llandore noch Holzkohlenblech und ver- brauchte auf 100 Pfund fertige Bleche 6,5 bis 8 Pfund Zinn Siehe Revue universelle, 1862, I. livr., p. 1; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1862, S. 430. . Ystalifera, die grösste Weissblechhütte, lieferte 3600 Kisten in der Woche. Verzinkte Bleche (galvanized iron), die immer grössere Verwendung fanden, wurden in England in Steintrögen mit verdünnter Salzsäure (1 Säure auf 7 Wasser) gebeizt, mit reinem Wasser abgewaschen und Fig. 123. dann in Trockenkammern getrocknet. Dann wurden sie noch heiss durch das hergerichtete Zinkbad in schmiedeeisernen Pfannen gezogen. Das geschmolzene Zink musste sehr rein sein und wurde durch auf- gestreuten Salmiak vor Oxydation geschützt. — Wollte man Wellbleche erzeugen, so liess man die verzinkten Bleche durch ein Walzwerk gehen, wodurch die Wellen eingepresst wurden. C. Morewoods (1845) verbessertes Verfahren, die Bleche auto- matisch zu verzinnen und in dem Metallbad durch Walzen gehen zu lassen, hatte Girard in Frankreich eingeführt und seine Erzeugnisse 1867 ausgestellt. Die Vorrichtung ist Fig. 123 abgebildet. Allgemeines. Geschichte des Eisens in den einzelnen Ländern 1861 bis 1870. Allgemeines. Für die Fortschritte der Eisenindustrie giebt die Statistik den besten Massstab. Nachfolgende Tabelle Zusammengestellt von E. Schrödter , Düsseldorf, in Stahl und Eisen 1895, S. 108. enthält die Roheisen- erzeugung der Erde in der Zeit von 1861 bis 1870 mit annähernder Genauigkeit. Roheisenerzeugung der Erde in Kilotonnen . Die Roheisenerzeugung der Erde stieg in diesem Jahrzehnt von 7287000 Tonnen auf 12146000 Tonnen, also um 4859000 Tonnen = 66,7 Prozent. Englands Produktion betrug etwa die Hälfte, d. h. es produzierte so viel Eisen, wie die ganze übrige Welt zusammen. Indes wuchs seine Eisenerzeugung nicht in dem gleichen Verhältnis wie die der übrigen Länder, so dass relativ ein Rückschritt stattfand. 1861 betrug Englands Anteil 53,1 Prozent, 1869 nur 42,8 Prozent. An dem allgemeinen Aufschwung der Eisenindustrie nahmen Deutsch- land und Amerika im grössten Masse teil. Deutschlands Roheisen- Allgemeines. erzeugung wuchs in der Periode von 1861 bis 1869 um das 2,4fache, die der Vereinigten Staaten um das 2,8fache. Nachstehende Zu- sammenstellung der prozentalen Beteiligung der einzelnen Länder an der Gesamtproduktion von 1861 und 1869 Wir wählen das Jahr 1869 statt 1870 zur Vergleichung, weil letzteres infolge des deutsch-französischen Krieges ein anormales war. zeigt die Verschiebung, welche durch den ungleichen Fortschritt der Eisenindustrie in den verschiedenen Ländern entstanden ist. Ein nennenswerter Fortschritt erscheint nur bei Deutschland und den Vereinigten Staaten. Die übrigen Staaten, ausser Belgien und Italien, zeigen relativen Rückgang. 1861 nahm Frankreich noch die zweite Stelle unter den eisenerzeugenden Staaten ein, die Vereinigten Staaten die dritte, Deutschland die vierte. 1867 überflügelten die Vereinigten Staaten und 1868 Deutschland Frankreich, welches seit diesem Jahre sich mit dem vierten Platz begnügen musste, während es von Anfang des Jahrhunderts bis zu dieser Zeit den zweiten Platz unbestritten behauptet hatte. Der französische Metallurge Jordan giebt in seiner Produktions- tafel der Welt noch folgende Roheisenproduktionen von in obiger Tabelle nicht einzeln aufgeführten Gebieten an: Für die Schweiz 10 Kil.-T., für die Türkei 6 Kil.-T., für Australien und Englisch-Indien 20 Kil.-T., für Englisch-Amerika 8 Kil.-T., für Südamerika 8 Kil.-T. Der Eisenverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung, der wichtigste Massstab für die industrielle Thätigkeit eines Landes, betrug Allgemeines. 1864 Nach einer Berechnung in der Berg- u. Hüttenm. Ztg. von 1867, S. 167. in England 77 kg, in Belgien 50 kg, in den Vereinigten Staaten 46 kg, in Frankreich 34 kg, in Preussen 29 kg, in Schweden 26 kg, in dem Zollverein 19 kg, in Österreich 10,4 kg, in Spanien 7 kg, in Italien 6,5 kg, in Russland 3 kg. Hiervon weicht aber die nachfolgende Berechnung des Amerikaners Hewitt für 1866 nicht unwesentlich ab. Von Interesse ist es, dass Hewitt bei der Besprechung der Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder bei seiner vorstehenden Tabelle bereits bestimmt erklärt, dass den Vereinigten Staaten die Zukunft in der Eisenerzeugung gehöre. Obenstehende Tabelle zeigt zugleich deutlich, welche Staaten exportieren und welche importieren mussten. Über die ausserordentliche Zunahme der Flussstahlerzeugung in dem Zeitraum von 1865 bis 1870 und der Beteiligung der einzelnen Staaten daran giebt die nachstehende Zusammenstellung eine Übersicht. Flussstahlerzeugung von 1865 bis 1870 in Tonnen . Grossbritannien 1861 bis 1870. Grossbritannien 1861 bis 1870. Englands Führerschaft in der Eisenindustrie der Welt war in diesem Zeitraum noch unbestritten und gewann noch durch seine grossartige Produktionssteigerung an Bedeutung. Über die Eisenindustrie Grossbritanniens in den sechziger Jahren geben eine Anzahl guter Abhandlungen und Percys Werk über Eisen und Stahl Auskunft. An der Spitze der ersteren steht die mehrerwähnte vortreffliche Arbeit von Gruner und Lan vom Jahre 1861 État présent de la Métallurgie du Fer en Angleterre par M. Gruner et M. Lan , Paris 1862 und Annales des Mines 1861, XIX. . Nach dieser sollen Fig. 124. die Produktionskosten des Eisens seit etwa 30 Jahren ziemlich unverändert ge- blieben sein, indem das Steigen der Löhne durch technische Verbesserungen ausgeglichen wurde. Der Steinkohlenverbrauch bei den Hochöfen war seit 1830 von 4 Tonnen auf 2½ Tonnen für 1 Tonne Eisen gesunken. Die Produktion hatte sich mehr als verdoppelt. In Wales verhüttete man in ausgedehntem Massstabe Frischschlacken zur An- reicherung des Möllers, während dies in Cleveland und Schottland nur aus- nahmsweise geschah. Die Ableitung und Benutzung der Hochofengase war allgemeiner geworden, bei den weiten Gichten musste diese aber in der Mitte, nicht am Rande stattfinden. Hochöfen mit besonderen Gestellen wendete man für Qualitätseisen und streng- flüssige Erze, wie die von Cleveland, an, sonst zog man solche ohne Gestelle vor. Die Höhe der Öfen war vom Brennmaterial abhängig. Bei sehr festem Koks, wie zu Newcastle und Cleveland, baute man die Hochöfen sehr hoch — bis 103 engl. Fuss (30,50 m). Anthrazit erforderte niedrige Öfen. Man rechnete auf die Tonne Roheisen Grossbritannien 1861 bis 1870. 5 bis 10 Kubikfuss inneren Ofenraum. Die neuen Öfen zu Middles- borough standen meist auf je 12 Säulen und hatten freistehende Gestelle (Fig. 124). Sie erhoben sich unmittelbar aus der Ebene und hatten vorwiegend pneumatische Aufzüge. — Horizontale Gebläsemaschinen sah man in England selten; senkrechte Balanciermaschinen nach Woolfs chem System waren am verbreitetsten. Meist bediente eine Maschine mehrere Hochöfen zugleich. Die grösste Gebläsemaschine zu Dowlais hatte 500 Pferdekräfte, 12 engl. Fuss (3,65 m) Durchmesser des Gebläsecylinders und 12 Fuss Hub; sie bediente 6 Hochöfen und 4 Feinfeuer. Einige Hochöfen in Wales erreichten bereits eine Tages- produktion von 30 bis 40 Tonnen, der Windverbrauch betrug in Wales 5000 bis 5500 Kubikfuss oder 80 bis 95 Kubikmeter pro Tonne. Die geringe Sorgfalt beim Aufgeben der Beschickung rügte schon Truran . Da die englischen Erze meistens phosphorreich sind, musste man graues Roheisen erblasen. Der Clevelanddistrikt hatte durch die Vergrösserung seiner Hochöfen und deren Massenproduktion viel günstigere Zahlen für den Brennstoffverbrauch aufzuweisen. Im Durchschnitt verbrauchte man 1870 bei Erzen von nur 32 bis 34 Proz. Eisen 110 Pfund Koks auf 100 Roheisen. In dem grossen Ofen von Ferry Hill von 103 Fuss Höhe und 33000 Kubikfuss Inhalt schmolz man bei 450° Windtemperatur täglich 1100 Centner Roheisen mit 85 Pfund Koks auf 100 Pfund Roheisen. Holzkohlenhochöfen gab es 1864 nur noch vier: zu Newland und zu Backharrow in Lancashire, zu Duddon in Cumberland und zu Lorne in Argylshire in Schottland. Das Puddeln geschah gewöhnlich nicht mit der Sorgfalt, wie auf dem Kontinent; man liess das Eisen gar nicht ordentlich zum Fluss kommen. Nur in Staffordshire, wo man auf Qualitätseisen arbeitete, wurde sorgfältig gerührt. Der Steinkohlenverbrauch auf die Tonne Stabeisen hatte vor 30 Jahren ca. 10 bis 12 Tonnen betragen, während er jetzt (1860) selten 7½ Tonnen überstieg und sich meist auf 5½ bis 6 Tonnen stellte. Englands Dampfmaschinenkräfte betrugen nach Fairbairns Zusammenstellung 1860: bei den Gruben und Metallhütten 450000 Pferdekräfte „ Fabriken aller Art 1350000 „ „ der Dampfschiffahrt 850000 „ „ Eisenbahnen 1000000 „ zusammen: 3650000 Pferdekräfte. Grossbritannien 1861 bis 1870. Robert Hunt hatte für die Weltausstellung 1862 eine Statistik der Eisenindustrie für 1860 ausgearbeitet. Danach gab es in diesem Jahre 268 Hochofenwerke mit 583½ im Betrieb stehenden Hochöfen; 211 Puddel- und Walzwerke mit 3623 Puddelöfen und 288 Walzen- strassen. Einen grossen Einfluss auf die englische Walzwerkindustrie hatte die Panzerplattenfabrikation, die sich aber 1862 noch im Versuchs- stadium befand. Ein grossartiges Eisenwerk, welches 1859 mit zwei Hochöfen eröffnet wurde, waren die Barrow-in-Furness-Iron Works der Firma Schneider, Hannay \& Co. bei Ulverstone in Lancashire. Sie lagen Fig. 125. mitten in dem Hämatitgebiet und waren auf die Erzeugung von Bessemerroheisen begründet. Von den 7 grossen Hochöfen waren 2 1859, 3 bis 1861/62 in Betrieb gekommen, und 2 weitere wurden 1862 gebaut. Das auf der Weltausstellung in London 1862 aus- gestellte Modell des Werkes erregte berechtigtes Aufsehen. 1866 zählte dasselbe schon 10 und 1872 12 Hochöfen. Fig. 125 zeigt die einfache und charakteristische Anordnung der in einer Reihe liegenden Hochöfen. Zahlreiche Profile englischer Hochöfen finden sich in der zweiten Auflage von Trurans Eisenhüttenkunde von 1862. In England hatte man lange Zeit nur auf Billigkeit und Massen- produktion Wert gelegt und die Qualität vernachlässigt, seit Anfang der sechziger Jahre fing man aber auch an, letztere mehr zu beachten. Über den Phosphor- und Schwefelgehalt der englischen Roheisen- sorten stellte Vincent Day nachstehende Reihen auf. Grossbritannien 1861 bis 1870. Infolge der Bessemerstahl-Fabrikation hatte man den in England vorkommenden manganhaltigen Braun- und Spateisensteinen grössere Beachtung geschenkt und die Weardale-Gesellschaft, welche 1861 das erste Bessemerstahlwerk in Nordengland auf den Tudhoe-Works mit 4 Konvertern zu 2½ Tonnen erbaute, hatte 1862 ein aus englischen Erzen mit kaltem Wind erblasenes Spiegeleisen mit 2½ Prozent Mangangehalt ausgestellt. 1866 veröffentlichten die preussischen Hütteningenieure Ulrich, Wiebmer und Dressler einen bemerkenswerten Bericht über ihre englische Reise, in dem namentlich viel neues aus dem Cleveland- distrikt enthalten war. Das wichtigste davon haben wir in dem allgemeinen Teile mitgeteilt. Die Zahl der Windformen bei den Hochöfen betrug in Workington und Gartsherrie 6 bis 7, in Govan sogar 9, ebensoviel hatten die grossen Öfen zu Barrow, während der grösste Ofen zu Dowlais 7 zählte. Die Windpressung betrug meist 2½ bis 3 Pfund auf den Quadratzoll, zu Dowlais und Barrow ausnahmsweise 3¼ Pfund, die sehr hohe Pressung von 4½ Pfund musste man der zähen Schlacke wegen bei der Hämatiteisenerzeugung zu Workington verwenden. Hier hatte man ebenso wie in Schottland das Abfangen der Gichtgase wieder aufgegeben. Auf den übrigen Hütten hatte sich der Parrys che Trichter als Gichtverschluss und zum Aufgeben gut bewährt. In Cleveland steigerte man die Erhitzung des Windes bis auf 600° C. (1100° F.). Der Kohlenverbrauch der Hochöfen war sehr verschieden. In Schottland verbrauchte man auf 100 Eisen 220 Steinkohlen, in Cleveland 160 Koks, in Workington bei Hämatit 190 Koks, in Wales dagegen bei weissem Puddeleisen 116 Steinkohlen. Schneider in Ulverstone schmolz 1862 mit 100/100 Koks bei grauem und 90/100 bei Grossbritannien 1861 bis 1870. weissem Roheisen und in dem grossen Ofen von Ferry Hill in Cleve- land kam man sogar eine Zeit lang mit 85 Prozent Koks aus. Folgende Zusammenstellung (von Jordan ) zeigt die Verteilung der Roheisenproduktion in Grossbritannien für 1866: England erzeugte damals mit der doppelten Anzahl Hochöfen mehr als die vierfache Menge Roheisen im Vergleich mit Frankreich. Die Zahl der Anthrazitöfen hatte seit 1862 abgenommen, sie betrug 1862 32, 1866 24, trotzdem war die Produktion von 31000 auf 34000 Tonnen gestiegen. Nach der Mineralstatistik von R. Hunt wurden 1866 in England 9809988 Tonnen Eisenerz gefördert, wozu folgende Zusammenstellung mitgeteilt wird: Die Roheisenerzeugung Grossbritanniens und die Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen für die Zeit von 1860 bis 1870 ist durch nachfolgende Ziffern wiedergegeben, wobei zu bemerken ist, dass für die Produktion drei verschiedene Angaben (a, b, c) nebeneinander gestellt sind. Grossbritannien 1861 bis 1870. Roheisenerzeugung Grossbritanniens von 1860 bis 1870. In Tonnen. Die Roheisenproduktion der einzelnen Bezirke für die Zeit von 1861 bis 1870 ergiebt sich aus der Tabelle auf folgender Seite, in der aber die gesamte Erzeugung mit den oben angeführten Zahlen eben- falls nicht übereinstimmt. Nach einer anderen Aufstellung der Einteilung stellte sich die Produktion der einzelnen Bezirke in den Jahren 1867, 1868 und 1869 folgendermassen: Grossbritannien 1861 bis 1870. Roheisenproduktion von Grossbritannien nach Bezirken in Tonnen Die in den Annales des Mines, VII. Serie, t. IV (1874), S. 654, veröffentlichte Zusammenstellung giebt etwas höhere Ziffern. Grossbritannien 1861 bis 1870. In Grossbritannien und Irland zählte man 1870 201 Hochofen- hütten mit 916 Hochöfen, von denen 665 im Betrieb standen. In Durham waren 1870 122 Hochöfen vorhanden, wovon 101 betrieben wurden; ausserdem waren 14 im Bau begriffen. 70 Hochöfen lagen in einem Umkreis von 3 bis 4 engl. Meilen Radius um die Stadt Middlesborough herum. Viele dieser Öfen waren 70 bis 90 engl. Fuss hoch, einer in Cleveland sogar über 95 engl. Fuss (29 m). In Monmouth und Südwales zählte man ca. 200 Hochöfen, von denen waren nur 4 bis 5 höher als 50 Fuss, mehrere waren zwischen 45 und 35 Fuss hoch, einzelne noch kleiner. Auch in Schottland wurde die Höhe von 50 Fuss selten überschritten. Puddel- und Walzwerke gab es nach Robert Hunt in Eng- land im Jahre 1869 245 mit 6243 Puddelöfen und 859 Walzenstrassen, die sich auf folgende Grafschaften verteilten: Die Zahl der Puddelöfen und der Walzwerke in Grossbritannien für die Zeit von 1861 bis 1870 stellt sich wie folgt: Einen grossen Aufschwung nahm die Bessemerstahlfabrikation in England in diesem Zeitraume. Die guten Erfolge, die John Brown Beck, Geschichte des Eisens. 16 Grossbritannien 1861 bis 1870. in Sheffield erzielt hatte, gaben Veranlassung zur Gründung zahl- reicher Stahlwerke. In Nordengland legte die Weardale-Company 1861 die ersten Konverter auf den Tudhoe-Werken an; es waren deren vier für Chargen von 2½ Tonnen. 1867 war (nach Tunner ) die Zahl der Konverter auf 52 gestiegen. Diese verteilten sich auf 15 Stahlwerke und hatten folgende Leistungsfähigkeit: Die jährliche Leistungsfähigkeit betrug demnach über 300000 Tonnen oder über 6 Millionen Centner, während die effektive Produktion 1866 nicht ganz 3 Millionen Centner betragen hatte. Die Bessemerstahlwerke zu Dowlais und Ebbw-Vale, die 1866 und 1868 in Betrieb kamen, waren hauptsächlich für die Fabrikation von Eisenbahnschienen bestimmt. Für die Jahre 1868 bis 1870 liegen folgende Angaben vor: Bessemerstahlkonverter . Grossbritannien 1861 bis 1870. Grossbritanniens Ein- und Ausfuhr von Roheisen, Stahl und Eisen stellte sich 1866 bis 1870 in Tonnen wie folgt: Die Ausfuhr einzelner Artikel betrug 1870: Roh- und Puddeleisen 752681 Tonnen Stab-, Winkel etc.- Eisen 322100 „ Eisenbahnschienen 1060123 „ Draht 23123 „ Gusswaren 101168 „ Reifen, Platten, Kesselbleche 180261 „ Verarbeitetes Eisen aller Art 135229 „ Altes Eisen 106859 „ Stahl, unverarbeitet 34911 „ 2716455 Tonnen. Die Länge der Eisenbahnen in Grossbritannien und Irland war: 1860 2238 deutsche Meilen 1864 2744 „ „ 1867 3043 „ „ 1870 3370 „ „ hiervon kamen 2395 Meilen auf England, 546 Meilen auf Schottland und 428 Meilen auf Irland. In diesem Jahrzehnt hatten auch in England mehrere bedeutende Arbeiterausstände (Strikes) in der Eisenindustrie stattgefunden. Der wichtigste war ein Strike der Hüttenarbeiter von Nord- und Süd- Staffordshire, Yorkshire und Cleveland. Es war dies ein sogenannter Lock-out, Ausschluss von der Arbeit, weil sich die Arbeiter eine Lohn- herabsetzung nicht gefallen lassen wollten. Gegen Ende des Jahrzehnt strikten die Puddler vielfach, was den rotierenden Puddelöfen 1870 das Interesse der Werkbesitzer wieder zuwendete. Schottlands Roheisenproduktion, Preise und Ausfuhr in diesem Zeitraum ergeben sich aus folgenden Zusammenstellungen: 16* Grossbritannien 1861 bis 1870. Roheisenproduktion und Preise in Schottland . Die durchschnittliche Erzeugung pro Ofen stellte sich 1861 auf 8536,7, 1867 auf 9546 Tonnen. Die Ausfuhr verteilte sich in den Jahren 1865 und 1867 wie folgt: Das Jahrzehnt von 1860 bis 1870 bildete eine Glanzperiode in der Geschichte der Eisenindustrie Grossbritanniens. In keinem anderen Lande fand eine solche Vermehrung der Roheisenproduktion statt. Diese betrug 1860: 3827 kt, 1870: 6059 kt, demnach eine Zunahme von 2232 kt, entsprechend 58⅓ Prozent. Im Verhältnis zur Gesamterzeugung der Erde war allerdings infolge der grossen Produktionssteigerung Deutschlands und der Vereinigten Staaten von Nordamerika relativ ein kleiner Rückgang eingetreten. 1860 übertraf Englands Eisenerzeugung noch die aller anderen Länder Frankreich 1861 bis 1870. der Erde zusammengenommen; sie betrug 51½ Prozent der Welt- produktion, während sie 1870 nur noch 496/10 Prozent betrug, immerhin noch fast die Hälfte. Zu dieser grossen Produktionssteigerung war die rasche Ausbreitung des Bessemerverfahrens in diesem Zeitraum die hauptsächliche Veranlassung. Die Flusseisenerzeugung betrug 1870 (nach P. Trassenster ) 350 kt, die Schweisseisenerzeugung 2600 kt. Nach anderen Angaben wurden 1870 215 kt Bessemerfluss- eisen und 11 kt Flammofenflusseisen erzeugt. 1866 waren 150 kt Bessemerflusseisen dargestellt worden. Frankreich 1861 bis 1870. Frankreich nahm hinsichtlich seiner Eisenerzeugung Anfang der sechziger Jahre noch die zweite Stelle ein, wurde aber im Laufe derselben von den Vereinigten Staaten und von Deutschland über- flügelt. 1860 schloss Napoleon III. den Handelsvertrag mit England, welcher einen grossartigen Aufschwung der französischen Industrie zur Folge hatte, besonders auch der Maschinenfabriken und Eisen- giessereien. Neue Eisenbahnen und Kanäle, darunter besonders der Saarkanal, wurden erbaut. Dies alles gab der einheimischen Eisen- industrie reichliche Beschäftigung. Die alte Holzkohlenindustrie trat mehr und mehr hinter der sich immer grossartiger entfaltenden Stein- kohlenindustrie zurück. In den zehn Jahren von 1855 bis 1864 hat die Roheisenproduktion im ganzen um 57 Prozent zugenommen, während die Holzkohlen-Roheisenerzeugung um 30 Prozent abnahm. Die Stabeisenproduktion war in dieser Zeit um 48 Prozent gewachsen. Dabei wurden 1864 doch noch 151110 Tonnen fremdes, meist schottisches Roheisen importiert. Dagegen stieg die Ausfuhr von Eisen und Eisenwaren von 1859 bis 1867 von 45 Millionen Francs auf 140 Millionen. Daelens Reisebericht aus Frankreich von 1862 Siehe Zeitschrift d. Ver. deutsch. Ingen. VI, 477. rühmt besonders die grosse Produktion der Puddel- und Schweissöfen, wozu das leicht frischende Roheisen, besonders aber die Geschicklichkeit der Arbeiter beitrugen. Ein Puddelofen lieferte meist 2360 bis 2440 Pfund Puddel- eisen bei einem Kohlenverbrauch von 8,65 bis 10,65 Scheffel; ein Frankreich 1861 bis 1870. Schweissofen bei der Schienenfabrikation 13600 Pfund mit 5,5 Scheffel Kohlen. Napoleon bekümmerte sich selbst um die Eisenindustrie, wie wir bei den wichtigen Versuchen des Stahlschmelzens von Sudre zu Montataire (s. S. 171) kennen gelernt haben und gab die Anregung, dass sich auch die Akademie der Wissenschaften damit beschäftigte. Die Stahlfabrikation nahm in Frankreich einen ganz besonderen Auf- schwung und hat sich die Stahlerzeugung in den zehn Jahren von 1857 bis 1867 verdoppelt. In welchem Verhältnis die Eisenerzeugung mit Steinkohle gegen- über der mit Holzkohle zunahm, kann man aus folgenden Zahlen ersehen. Es wurde produziert: Die Roheisenproduktion von 1866 verteilte sich auf die einzelnen Gebiete (nach Jordan ) wie folgt: Frankreich 1861 bis 1870. Die wichtigsten Werke in diesen Gruppen waren 1867 M. S. Jordan , Revue de l’industrie du fer de 1867. : In Gruppe I: Creusot, seit 1845 im alleinigen Besitz von Eugène Schneider , seit welcher Zeit es sich grossartig entwickelte. Es umfasste 120 Hektar, wovon 19 Hektar bebaut waren, beschäftigte 10000 Arbeiter und hatte um sich eine Stadt von 24000 Einwohnern geschaffen. Es nahm eine leitende Stellung ein, was auch auf der grossen Pariser Weltausstellung von 1867 deutlich zum Ausdruck kam. Ferner gehörten in diese Gruppe Givors, Harel \& Co. zu Vienne, l’Horme, Terre noire, Lavoulte et Bassèges, Tamaris bei Alais, St. Louis bei Marseille am Meer gelegen. Letztgenanntes Werk war auf See- bezug angewiesen; es verschmolz besonders Erze von Elba, auch von Algier und Spanien mit Koks von Gard aus dem Bassin von Portes (Bassin d’Alais), verwendete aber oft bis zwei Drittel Gaskoks von Marseille, worauf ursprünglich die Anlage begründet worden war. Es lieferte gutes Eisen zur Stahlfabrikation. Jordan war hier lange Direktor. Weiter gehörten hierher die Werke von Petin, Gaudet \& Co. zu Givors, Toga (Corsica) und Berri. Die Werke zu Toga und Solezara (Corsica) verschmolzen Erze von Elba, Spanien, Farinole (Corsica), Toskana, Spezia und Piemont. Rustrel (Vaucluse) hüttete ebenfalls mit Holzkohlen. Gruppe II: Mosel mit den Eisenwerken zu Ars von Dupont und Dreifuss , und von Karcher und Westermann zu Novéant, ver- schiedene Hütten an der Meurthe, zu Mont St. Martin mit drei Hoch- öfen zur Verschmelzung der lothringischen Minette, von welchen der erste 1865 in Betrieb kam, und Prieuré zu Longwy 1863 gegründet, etc. Der Hauptgewerke war aber De Wendel , der zu Hayange 4, Frankreich 1861 bis 1870. zu Moyeuvre 4 und zu Styring 5 Kokshochöfen und 2 Holzkohlen- hochöfen, zusammen 15 Hochöfen besass. Gruppe III: Comté; hierin lagen Audincourt, die Hütten der Franche-Comté (Rans und Fraisans), die Holzkohlenöfen der Haute- Saône und des Côte d’Or, ferner die Hochöfen von de Dietrich \& Co. bei Niederbronn. Gruppe IV: Alpen mit den Holzkohlenöfen der Depart. Isëre (darunter Alevard, St. Gervais), Savoyen und Hochsavoyen (Cran). Gruppe V: Champagne zählte 14 Koksöfen, einschliesslich der Hütten der Ardennen, der Maas und der Oberen Marne, 62 Holz- kohlen- und 36 gemischte Öfen. Gruppe VI: Nord; darin Marquise, Outreau, Anzin und Denain, Maubeuge, Providence zu Hautmont, Fourmier. Gruppe VII: Centrum mit Chatillon-Commentry, Boigues- Rambourg \& Co. (Fourchambault, Montluçon, Torteron, Pique), Petin, Gaudet \& Co. zu Clavières, die Hütten des Marquis de Vogué, de la Caillaudière et Belabre . 1864 produzierten 47 Hoch- öfen 163526 Tonnen. Gruppe VIII: Nord-West umfasste die Hütten im Depart. Côtes- du-Nord, Morbihan und Ille-et-Villain (Bretagne), Mayenne, Sarthe et Orne, De la Manche, De l’Eure, d’Eure-et-Loire, d’Indre-et-Loire und La Vienne. Gruppe IX: Süd-West mit den Hütten des Departement von Aveyron (Aubin, Decazeville), des Departement Perigord, les Landes und Pyrenäen. Jordan giebt folgende Zahlen für die Produktion von 1861 bis 1870: Frankreich 1861 bis 1870. Die Stabeisenproduktion betrug 1860: 559385 Tonnen, 1864: 882900 Tonnen, 1867: 1200000 Tonnen. 1866 wurden erzeugt: Holzkohlenfrischeisen 50400 Tonnen Steinkohlenfrischeisen 733400 „ Frischeisen mit gemischtem Brennstoff 28100 „ zusammen 811900 Tonnen. Die Schmiedeeisenerzeugung wird wie folgt angegeben: Die vordere Zahlenreihe stellt aber nicht die gesamte Menge der Schweisseisenfabrikate dar. Die Stahlfabrikation Frankreichs ergab: Frankreich 1861 bis 1870. (Tabelle von Jeans Steel, S. 231.) Die Einfuhr von Eisen aus England betrug: 1865 51107 Tonnen 1866 40789 „ 1867 54836 „ 1867 war das Jahr der Weltausstellung in Paris, auf welcher sich die Eisenindustrie Frankreichs in nie gesehenem Glanze zeigte und ihre grossen Fortschritte aller Welt offenbarte. Besonders hervor- ragend waren die Ausstellungen von Schneider \& Co. zu Creusot und von Petin, Gaudet \& Co. , die einen Gussstahlblock von 25 Tonnen, Panzerplatten von 15, 20 und 25 cm Dicke, 1 m hohes, 10 m langes I-Eisen von 2500 kg Gewicht ausstellten. Zu den zahlreichen Werken dieser Firma gehörten die Holzkohlenhütten Toga bei Bastia auf Corsica, die Holzkohlenhütte Clavières bei Chateauroux in Berri, die Kokshütte Givors im Rhone-Departement, das Puddel- und Walz- werk St. Chamond (Departement Loire), das Puddel- und Hammer- werk Rive-de-Gier, die Bessemer- und Tiegelstahlhütte Assailly (Departement Loire). Diese Werke lieferten jährlich 50000 Tonnen Eisen und Stahl. Mit der Zunahme der Stahlfabrikation wurden immer mehr aus- ländische Erze, von den Pyrenäen, von Sardinien und Algier (Mokta- erze) verhüttet. Die Erze von Sardinien (St. Leon) wurden zu Givors in den Kokshochöfen von Petin, Gaudet \& Co. , die Erze von Mokta in Algier zu Terre noire, St. Louis, Vienne, Givors, Chasse, Creusot etc. verschmolzen. Der Bessemerprozess wurde im Jahre 1868 regelmässig betrieben zu Imphy, Assailly, Terre-noire, Mutterhausen; auf mehreren anderen Werken zeitweilig. Überall war das englische Verfahren eingeführt. Belgien 1861 bis 1870. Nach Tunners Aufstellung zählte man 1867 12 Konverter auf nach- folgenden Werken: oder 44000 Tonnen im Jahr. Die wirkliche Produktion 1866 betrug nicht ganz 20000 Tonnen. 1869 wurde die grösste Bessemeranlage Frankreichs zu Creusot erbaut. Frankreichs Eisenbahnen nahmen 1860 bis 1869 von 1332 bis 2289 Meilen Bahnlänge zu. Belgien 1861 bis 1870. Belgien , trotz seiner Kleinheit eines der wichtigeren Eisenländer, zeigte in den sechziger Jahren eine zunehmende Produktion. Für die bedeutende Roheisenerzeugung musste es den Hauptteil der Erze aus den Nachbargebieten, Luxemburg und Lothringen, einführen. Charakteristisch für die belgischen Hüttenwerke war es, dass sie alle eigene Verkokungsanstalten auf den Hütten hatten. Die Steinkohlen wurden fast überall gewaschen. „Gewaschene Koks“ von den Gruben durften nicht über 5 Prozent Asche enthalten. Die Fortschritte der Jahre 1861 und 1862 fanden ihren Ausdruck in der Erhöhung der Tagesproduktion der Hochöfen, die bis 40 Tonnen in 24 Stunden stieg, ferner in dem Verschmelzen von Puddelschlacken und in der Einführung von Universalwalzwerken. 1863 und 1864 herrschte in Belgien ein Gründungsfieber, infolge dessen viele neue Anlagen entstanden. Den Bessemerprozess führte Seraing im Jahre 1864 ein und war dies jahrelang das einzige Werk in Belgien, welches davon Gebrauch machte. Die Roheisenproduktion Belgiens betrug: 1860 319743 Tonnen 1864 449875 „ 1865 470767 Tonnen 1866 503000 „ Belgien 1861 bis 1870. 1867 423069 Tonnen 1868 435754 „ 1869 534319 Tonnen 1870 565234 „ 1862 wurden 6058780 Centner Koksroheisen, 72220 „ Holzkohlenroheisen, 4741200 „ Gusswaren in Belgien erzeugt. 1866 wurden nur noch 3000 Tonnen Roheisen mit Holzkohlen geschmolzen. 1870 wurden ausser der oben angegebenen Menge von Roheisen erzeugt: Gusswaren 67045 Tonnen Stabeisen 491563 „ Blech und Draht 30952 „ Stahl 9562 „ Das Bessemerwerk zu Seraing hatte 1869 2 Konverter zu 5 und 7 Tonnen Siehe Dürre in Preuss. Zeitschr. 1870, S. 262. . Das Roheisen wurde in zwei Kupolöfen umgeschmolzen, einem gewöhnlichen und einem Woodwards chen. Man verarbeitete hauptsächlich englisches Hämatitroheisen und deutsches Spiegeleisen. Das Spektroskop gab den richtigen Moment für die Beendigung des Prozesses an. Der Bessemerstahl wurde teils für den Maschinenbau (besonders für Gesteinsbohrmaschinen, Gebläse- und Schiffsmaschinen), für Lokomotiv- und Wagenbau (Achsen, Bandagen, Räder, Kurbel- zapfen, Federn, Kurbeln), für Kesselblech und für Feuerwaffen verwendet. In Luxemburg wurden die ungeheuren Eisenerzschätze erst spät im Lande selbst verhüttet. 1865 zählte man 15 betriebene, 3 im Bau begriffene und 10 nicht betriebene Hochöfen. Es waren dies meistens alte Holzkohlenöfen. Unter den erstgenannten 18 Hochöfen waren nur sechs von grösseren Dimensionen und einer Produktions- fähigkeit von 30 bis 40 Tonnen pro Tag; alle übrigen waren um- geänderte Holzkohlenhochöfen. Seit 1866 stieg aber die luxemburgische Roheisenproduktion bedeutend und machte 1867 bereits den westfäli- schen Hütten Konkurrenz. Allerdings war das Roheisen durch seinen hohen Phosphorgehalt minderwertig. Die Roheisenerzeugung betrug: 1868 95000 Tonnen 1869 122000 „ 1870 128000 „ Deutschland 1861 bis 1870. Die Eisenerzförderung belief sich dagegen im Jahr 1870 auf 1100000 Tonnen, mehr als das doppelte der von 1865. In Holland zählte man 1860 vier Eisenhütten, welche jährlich etwa 3 Millionen Kilogramm Roheisen aus Raseneisenstein erbliesen. Deutschland 1861 bis 1870. Deutschland machte in den sechziger Jahren rühmliche An- strengungen zur Hebung seiner Eisenindustrie, und dass es darin Erfolg hatte, beweist die Thatsache, dass es Frankreich überflügelte und sich dauernd die dritte Stelle in der Reihe der Eisen erzeugenden Länder errang und nur noch von England und den Vereinigten Staaten in der Produktion übertroffen wurde. Anlass hierfür war die grossartige Entwickelung des Bessemerverfahrens. Vor allem war es Preussen, welches diesen Erfolg errang und sich in der Stahl- industrie sogar den zweiten Platz erwarb. Die Politik und die kriegerischen Ereignisse übten einen nicht unbedeutenden Einfluss auf die Entwickelung der Eisenindustrie aus. Die Umwandlung der Bewaffnung und die rasch aufeinander folgenden Kriege von 1864, 1866 und 1870 gaben, wenn sie auch zeitweilige Störungen veranlassten, den Eisenwerken umfangreiche Beschäftigung. Wichtiger aber wirkten die Erfolge der Kriege für Arbeiten des Friedens, besonders für zahlreiche Eisenbahnbauten. Mit dem am 2. April 1862 abgeschlossenen deutsch-französischen Handelsvertrage verliess der deutsche Zollverein das System des Schutzzolles und schloss sich der Freihandelsbewegung an. Hierzu sah er sich gezwungen durch das Vorgehen von England und Frank- reich, durch den englisch-französischen Handelsvertrag und die Handels- verträge, welche Frankreich mit Belgien und Italien schloss. Er folgte darin nun entschieden einer Richtung, welche Preussen von Anfang an erstrebt hatte. Durch den Zollvereinstarif vom 1. Juli 1865 wurde der Zoll für Roheisen auf 0,50 Mark pro Centner, für Stabeisen auf 2,50 Mark pro Centner herabgesetzt. Der neue Tarif, welcher am 1. Oktober 1870 in Kraft trat, ermässigte den Roheisenzoll auf 0,25 Mark, den Stab- eisenzoll auf 1,70 Mark pro Centner. Durch den Krieg vom Jahre 1866 wurde der alte Zollverein auf- gehoben, indem eine Anzahl seiner Glieder, besonders Hannover, Kur- Deutschland 1861 bis 1870. hessen und Nassau mit Preussen vereinigt und die übrigen Staaten nördlich der Mainlinie in den Norddeutschen Bund aufgenommen wurden. Diese bildeten in der Zollgemeinschaft mit den süddeutschen Staaten die Fortsetzung des früheren Zollvereins. Die Eisenproduktion des Zollvereins und der Zollvereinsstaaten bis zum Jahre 1870 ist in den nachfolgenden Tabellen zusammengestellt. Hochofenproduktion der Zollvereinsstaaten 1861 bis 1870. In Tonnen. Hochofenproduktion 1861 bis 1870. Nach Sorten und Wert. Deutschland 1861 bis 1870. Aus Roheisen wurden 1861 bis 1869 dargestellt: Stahlerzeugung des deutschen Zollvereins 1861 bis 1869 . Produktion, Einfuhr, Ausfuhr und Verbrauch von Roheisen im Zollverein 1861 bis 1870 . Deutschland 1861 bis 1870. Man ersieht daraus, dass sich die Eisenproduktion bis 1866 nahezu und bis 1870 mehr wie verdoppelt hat. Die Stahlerzeugung Deutsch- lands stieg 1861 bis 1869 um das 4¾fache. Die Eisenbahnen nahmen 1860 bis 1869 von 1965 bis zu 3449 Meilen an Länge zu, womit Deutschland England überholt hat. Der Roheisenverbrauch betrug in der Zeit von 1866 bis 1869 auf den Kopf der Bevölkerung durch- schnittlich 66,1 kg. Die Beteiligung der einzelnen Staaten des Zollvereins an der Roheisenproduktion ist in der Tabelle S. 254 bereits mitgeteilt. Preussen hatte daran weitaus den grössten Anteil. Ueber die übrigen Zoll- vereinsstaaten genügen einige kurze Bemerkungen. Bayern hatte 1861 in seinen drei Bergamtsbezirken München, Bayreuth und Zweibrücken folgende Produktion: Die Produktionszunahme in den sechziger Jahren entfällt zumeist auf die Eisenindustrie des Steinkohlengebietes der westlichen Rhein- pfalz (St. Ingbert). Das Königreich Sachsen erreichte 1863 seine höchste Produktion an Roheisen in dieser Periode mit 15399 Tonnen. 1861 hatte es produziert: Roheisen 6561 Tonnen, Rohstahleisen 3250 Tonnen, Guss- waren aus Erzen 1794 Tonnen. 1869 betrug die Produktion des Königreichs Sachsen: an Roheisen 5702 Tonnen „ Gusswaren aus Erzen 1795 „ Deutschland 1861 bis 1870. an Gusswaren aus Roheisen 5008 Tonnen „ Walzeisen 22477 „ „ Blech 234 „ „ Stahl 9485 „ An der Stahlerzeugung hatte das Gussstahlwerk Döhlen, welches 1862 in London mit einer umfangreichen Ausstellung auftrat, den Hauptanteil. Zu den Eisenwerken des Königreichs Hannover gehörte von den Harzer Hütten die Königshütte, Steinrennerhütte, Rothehütte, Altenauer-, Lerbacher- und Sollingerhütte und das Silberaaler Frischwerk. Die Produktion der hannoverschen Eisenwerke betrug im einzelnen vom 1. Juli bis 1. Juli: 1858 war die Gründung der Georgs-Marienhütte bei Osnabrück erfolgt (Bd. IV, S. 987). 1864 wurde von den Herren Röhrig, Fehland \& Co . in Braun- schweig die Ilseder Hütte bei Peine zur Ausbeutung des mächtigen Lagers oolithischer Eisenerze, die zwar leichtschmelzig, aber sehr phosphorreich waren, gegründet. 1865 kamen zwei Hochöfen in Be- trieb, welche die für deutsche Verhältnisse unerhörte Produktion von 80000 kg den Tag erreichten. Im Jahre 1866 wurde die Hüttenbahn Peine-Ilsede eröffnet und mit dem Bau eines dritten Hochofens be- gonnen. Nach der Annexion Hannovers durch Preussen suchte letzteres die ihm zugefallenen Harzer Hütten zu verkaufen, was ihm auch gegen Ende der sechziger Jahre gelang. Die Eisen- und Stahlerzeugung der übrigen Zollvereinsstaaten betrug im Jahre 1869: Beck, Geschichte des Eisens. 17 Deutschland 1861 bis 1870. Die grossartige Entwickelung, welche die Eisenindustrie Preussens genommen hat, gereicht der Staatsregierung und den Gewerken zu hohem Ruhme. Wenn der preussische Staat sich in dem Kriege vom Jahre 1866 die Führerrolle in Deutschland endgültig erkämpft hat, so hatte es denselben schon vorher sich verdient durch seine Lei- stungen auf wirtschaftlichem Gebiete. Seine Eisenindustrie war längst zum Vorbild für die übrigen deutschen Staaten geworden. Preussen hatte sich von den Fesseln der Vergangenheit freigemacht und im modernen Geiste seine Eisenindustrie umgewandelt und fortentwickelt. Vor allem hatte es die hohe Bedeutung des Stahls für die Entwicke- lung der Eisenindustrie frühzeitig erkannt. In Preussen wurde die Fabrikation des Puddelstahls zuerst erfunden und zu einem praktischen Betriebe entwickelt. Das Genie Alfred Krupps hob die Gussstahlfabrikation Preussens zu ungeahnter Höhe und stachelte die Energie anderer Industrieller zur Nacheiferung an. Krupp war es auch, der zuerst das Bessemer- verfahren in Deutschland einführte. Ihm folgten bald andere Werke nach, so dass Preussens Flusseisenerzeugung rasch an Umfang und Bedeutung wuchs. Es ist von Interesse, das Wachstum der preussischen Industrie durch einige Rückblicke zahlenmässig zu erläutern. Dampfmaschinen Nach Berghauptmann D. Huyssen wurden in den Hütten und metallurgischen Fabriken (einschliesslich der Maschinenbauanstalten) in Preussen ver- wendet: 1837 62 Dampfmaschinen mit 1281 Pferdekräften 1846 208 „ „ 4857 „ 1855 622 „ „ 16004 „ 1858 1117 „ „ 29700 „ Deutschland 1861 bis 1870. 1861 zählte man im Berg-, Hütten- und Salinenbetriebe ein- schliesslich des Maschinenbaues 2522 Dampfmaschinen mit 81165 Pferde- kräften. Die Roheisenproduktion in den wichtigsten Bergamtsbezirken und im ganzen preussischen Staate zeigt folgendes Wachstum (nach Serlo ): Die Stahlproduktion betrug an Wert 1860 3 Millionen, 1865 15¼ Millionen Thaler. Dieser gewaltige Aufschwung war in erster Linie die Folge der technischen Fortschritte, die wir im allgemeinen Teile geschildert haben. Die Entwickelung der Eisenindustrie in den sechziger Jahren, welche die der früheren Jahrzehnte weit hinter sich liess, wird er- läutert durch nachfolgende statistische Tabellen. Uebersicht der Eisenproduktion in Preussen von 1861 bis 1870 . 17* Deutschland 1861 bis 1870. Hochofenproduktion in Preussen 1861 bis 1870 . Hochofenproduktion in den einzelnen Oberbergamtsbezirken Preussens . Gusswarenerzeugung in Preussen 1861 bis 1870 . Deutschland 1861 bis 1870. Das Verhältnis der Gusswaren betrug: Der Zuwachs der Gusswarenproduktion durch die neuen Landesteile betrug 1867 23344 Tonnen. Stabeisenproduktion in Preussen 1861 bis 1870 . Das Verhältnis der Stabeisenproduktion mit Holzkohlen zu der mit Steinkohlen betrug: Die Zunahme der Stabeisenproduktion durch den Anschluss der neuen Landesteile betrug 1867 6752 Tonnen. Stahlerzeugung in Preussen 1861 bis 1870 . Deutschland 1861 bis 1870. Das rasche Wachstum der Gussstahlerzeugung ist durch die regel- mässige Erzeugung von Bessemerstahl seit 1864 veranlasst; 1865 pro- duzierte die Hermannshütte bei Hörde hiervon bereits 2646 Tonnen. Die Produktionsvermehrung zwischen 1866 und 1867 ist zum Teil durch die Vergrösserung des preussischen Staates infolge des Krieges vom Jahre 1866 veranlasst. Die Produktion der neuen Landesteile betrug: In Oberschlesien ging der Staat, als Besitzer der wichtigsten und grössten Eisenhüttenwerke, mit rühmlichem Beispiel in der Ein- führung neuer Verbesserungen vor. Gewöhnlich war es die Königs- hütte, auf welcher die Prüfung neuer Einrichtungen vorgenommen wurde. Wir haben schon im allgemeinen Teile ausgeführt, wie die dortigen Versuche, den Hochofenbetrieb mit Steinkohle einzuführen, keinen Erfolg hatten, und wie es erst nach längerer Zeit und nach Überwindung vieler Schwierigkeiten gelang, das Bessemerverfahren einzuführen. Die Königshütte, von der E. Dürre 1861 eine genaue Beschrei- bung veröffentlichte Berg- u. Hüttenm. Ztg., 1861, Nr. 31 u. 38. , hatte in diesem Jahre ihre sechs Hochöfen im Betriebe. Man hatte die Pressung von 2½ auf 4 Pfund pro Quadrat- zoll und die Windtemperatur von 80 auf 180° R. gesteigert. Über die Stabeisenerzeugung auf der Königshütte erschien im folgenden Jahre ein längerer Aufsatz in der Berg- und Hüttenmännischen Zeitung. Ein anderes neu eingerichtetes grosses Hüttenwerk war die Hubertus- hütte von Thiele-Winkler , welche ebenfalls sechs Kokshochöfen hatte. Diese waren, wie die der Königshütte, nach belgischem Muster zugestellt. Der Schacht war nicht von Ringbändern zusammengehalten, sondern von einem starken Rauhmauerwerk; das Gestell war aus Masse gestampft, Obergestell und Rast aus feuerfesten Steinen her- gestellt Siehe Studienreise der Studierenden des Königlichen Gewerbeinstituts in Berlin durch die Provinz Schlesien unter Führung von Professor Wiebe 1858. In den Verhandlungen des Vereins für Gewerbefleiss, Jahrgang 1859. . Auf der Vorwärtshütte zu Hermsdorf in Niederschlesien verhüttete man mit Erfolg Magneteisensteine mit Koks zu einem sehr Deutschland 1861 bis 1870. festen Giessereieisen, das sich aber auch zur Stahlfabrikation eignete. Auf der Redenhütte wurde 1861 ein neues Walzwerk erbaut, dessen Flammofen mit Treppenrosten für Kleinkohlenfeuerung eingerichtet wurde. Schon 1863 stellte Zander es bereits als Ziel der oberschlesi- schen Stahlindustrie hin, einen billigen Massengussstahl durch Um- schmelzen von Puddeleisen im Flammofen zu erzeugen, wie solches zu Montataire in Frankreich versucht worden war. „Zu wesentlicher Ersparung würde es führen, wenn man den Flammofen mit der Siemenss chen Regeneratorgasfeuerung versähe und die Dauer der Öfen durch Anwendung von Quarzziegeln (Dinas) erhöhen würde.“ Man sieht, die Erfindung des Martinverfahrens lag auch in Deutsch- land bereits in der Luft. 1865 wurde zur Einführung des Bessemer- prozesses auf der Königshütte geschritten. Um diese Zeit begann man auch bei dem Hochofenbetriebe in Oberschlesien auf Massenerzeugung hinzuarbeiten, zu welchem Zwecke man die Öfen grösser baute und stärkere Gebläsemaschinen aufstellte. Oberberghauptmann Krug von Nidda gab hierzu die Anregung und dienten die neueren englischen Öfen als Vorbild. 1866 wurde der erste Hochofen mit grösseren Dimensionen, der mit einem Blechmantel versehen war, angeblasen. Die Produktion der neuen Hochöfen betrug 1868 das Dreifache gegen 1858. Die Massenproduktion von Puddel- roheisen wurde wesentlich gefördert durch die umfangreiche Ver- schmelzung von Puddel- und Schweissschlacke im Hochofen. Einer der Hochöfen „Krug von Nidda“ ging auf Bessemerroheisen und erblies im Monat September 1867 222 Tonnen die Woche. Um diese Zeit gründete A. Borsig in Berlin das Borsigwerk bei Biskupitz. Die ersten zwei grossen Hochöfen hatten je sieben eiserne Säulen, die den Tragkranz trugen und waren ebenfalls mit Blechmänteln versehen. Zu Donnersmarkhütte produzierte 1868 ein Hochofen 3596 Centner die Woche im Jahresdurchschnitt. Während sich Ende der fünfziger Jahre die Roheisenerzeugung mit Holzkohle und mit Koks noch die Wage gehalten hatten, war Ende der sechziger Jahre der Sieg der Steinkohlen über die Holz- kohlen entschieden. Ende der fünfziger Jahre zählte man 45 Holz- kohlenhochöfen und 32 Kokshochöfen, welche 844512 Centner Holz- kohlenroheisen, 886792 Centner Koksroheisen und 103351 Centner mit gemischtem Brennmaterial erzeugten. In Berlin war zu Anfang der sechziger Jahre die Bergakademie ins Deutschland 1861 bis 1870. Leben getreten. 1862 zählte man daselbst 25 Eisengiessereien, die 800 Arbeiter beschäftigten und jährlich etwa 3 Millionen Centner Gusswaren lieferten Siehe Dürre , Berg- u. Hüttenm. Ztg., 1862, Nr. 1, 3 u. 4. . Ende Mai 1862 wurde das Gussstahlwerk von Borsig zu Moabit bei Berlin vollendet. Bemerkenswert war auch die überhandnehmende Verwendung des Eisens zum Bau der Häuser in Berlin, welche durch die Errichtung des Achards chen Stiftshauses der französischen Kolonie, bei dem 30 gusseiserne Säulen und 220 eiserne Tragebalken verwendet worden waren, eingeführt wurde. Der neue Hochofen der Mathildenhütte bei Harzburg hatte 1869 eine Tagesproduktion von 50000 Pfund. In den westlichen Provinzen hatte zunächst die Eisenindustrie des Siegerlandes einen ganz neuen Impuls bekommen durch die Wichtigkeit, welche das Spiegeleisen für die Bessemerproduktion plötzlich erlangt hatte. Die Nachfrage wuchs von Jahr zu Jahr. Siegerländer Spiegeleisen wurde ein Weltartikel. In seiner Verwend- barkeit für den Bessemerprozess übertraf es alle ähnlichen Produkte hauptsächlich durch seinen hohen Mangangehalt. Durch die Ausfuhr von Spiegeleisen und durch die Eröffnung zweier Eisenbahnen, der Deutz-Giessener und der Ruhr-Siegbahn 1860/61, wurde das ab- geschlossene Siegerland mit seinen altertümlichen Gewohnheiten plötz- lich dem Weltverkehr und Welthandel erschlossen. Die eigenartige Bergwerks- und Hüttenverfassung dieses Gebietes haben wir früher wiederholt ausführlich geschildert. Trotz der am 17. Januar 1845 in Preussen eingeführten Gewerbe- freiheit bestand die monopolistische Beschränkung in dem Eisen- gewerbe im Siegerlande fort. Jede Hütte durfte ursprünglich nur 62, jeder Hammer nur 240 Tage im Jahre im Betriebe erhalten werden. Infolge von Konsolidationen hatten einzelne Hütten ihre Betriebszeit bis auf 186 Tage ausgedehnt. Nachdem Nassau-Siegen durch den Wiener Frieden an Preussen gefallen war, wurden durch das preussische Regulativ vom 20. Juni 1819 die Bestimmungen der Kurbriefe der Eisenmassenbläser, Stahlmassenbläser, der Eisenschmiede- und Stahl- schmiedezünfte bestätigt. Eine Erleichterung trat durch die revidierte Hütten- und Hammerordnung vom 25. Januar 1830 insofern ein, als die Umwandlung von Hammertagen in Hüttentage gestattet wurde. Die grossen Beschränkungen, welche diese vererbten Rechte und Ge- setze der Siegerländer Industrie auferlegten, wurden schmerzlicher Deutschland 1861 bis 1870. wie je zuvor empfunden, nachdem die Eisenbahnen das Gebiet dem Weltverkehr erschlossen und die Kokszufuhr aus dem Ruhrgebiete erleichtert hatten. Der Zweck der Beschränkungen war die Schonung der Wälder gewesen; sobald man zu Koksbetrieb überging, hatten sie keinen Sinn mehr und waren eigentlich auch nicht mehr rechtsver- bindlich; trotzdem erhielten sie sich aus uralter Gewohnheit. Man erhoffte die förmliche Aufhebung der alten Hütten- und Hammer- ordnungen durch das neue in Beratung begriffene preussische Berg- gesetz, und man sah mit Ungeduld der Einführung desselben ent- gegen. Diese zog sich lange Zeit hin, erst am 25. Juli 1865 trat endlich das neue Berggesetz in Kraft und damit eine neue Ära für die Siegensche Eisenindustrie. Schon einige Jahre zuvor (1862) hatten die Gewerken der Eisenhütte bei Niederschelden einen Kokshochofen nach modernen Grundsätzen zu Charlottenhütte erbaut, nachdem es J. H. Dresler auf der Heinrichshütte bei Hamm an der Sieg gelungen war, sogar Spiegeleisen mit Koks zu erzeugen. Auf der Heinrichshütte führte man auch den Langens chen Gasfang ein. Auf der Charlottenhütte legte man grossen Wert auf die Gestellkühlung. Der Hochofen der Charlottenhütte lieferte 1864 30000 kg Spiegeleisen oder 35000 kg Roheisen in 24 Stunden. Gegen Ende der alten Zeit veröffentlichte der bekannte fran- zösische Hütteningenieur Jordan eine interessante Studie über das Siegerland Siehe Jordan , État actuel de la Métallurgie du Fer dans le Pays de Siegen (Prusse), 1864. , zu der er angeregt wurde durch die Aufmerksam- keit, welche besonders seit der Weltausstellung in London 1862 das siegensche Spiegeleisen erregte und durch den Wunsch, die Fabri- kation desselben auch in Frankreich einzuführen. Nach diesem Bericht waren 1863 17 Hochöfen im Siegerlande im Betriebe, welche 28050 Tonnen Roheisen und 7550 Tonnen Spiegeleisen produ- zierten, ausserdem wurden erzeugt 1730 Tonnen Eisengusswaren, 14900 Tonnen Stabblecheisen und Rohstahl, 4150 Tonnen Schwarz- blech und 2550 Tonnen Eisendraht Vergl. auch Masse der Eisen- und Stahlhütten im Siegerland in 1862. Berggeist, 30. Januar 1866. . Die Hütten bei Müsen erzeug- ten 1862/63 3813 Tonnen Rohstahleisen (Spiegeleisen), 233 Tonnen Puddel- und 64 Tonnen Rohstahl. In Westfalen arbeitete man 1861 noch vielfach mit gemischtem Brennmaterial, d. h. einem Gemenge von Koks und Holzkohlen. Deutschland 1861 bis 1870. Hörde war, da Krupp in Essen seinen Betrieb geheim hielt, das massgebendste Werk an der Ruhr. Es war auch zuerst, nach Krupp , mit der Einführung des Bessemerverfahrens vorgegangen. 1863 war der sechste Hochofen auf dem Hörder Werk erbaut und mit dem Bau des Bessemerwerkes begonnen worden, und am 22. April 1864 wurde hier die erste Charge erblasen. Am 6. Februar 1866 starb H. G. Vincenz von Hoff , der verdienstvolle Begründer und Leiter der Hörder Hütte. 1865 wurde die Hochofenhütte von Born bei Dort- mund in Betrieb gesetzt und das Bochumer Bessemerwerk gebaut. 1867 zählte man im ganzen Kreise Arnsberg nur noch fünf Frisch- feuer. 1868 wurde die neue Bessemeranlage der Hermannshütte zu Hörde mit drei Konvertern nach den Plänen von R. Daelen erbaut. Das Roheisen wurde nicht mehr in Flammöfen, sondern in Kupolöfen umgeschmolzen. Über die grossartigen Leistungen der Gussstahlfabrik von Krupp in Essen haben wir das Wichtigste bereits mitgeteilt. Das Wachstum der Fabrik in diesem Zeitraume ergiebt sich aus nach- folgenden Ziffern. An Werkzeugmaschinen zählte man 1867 322 Drehbänke, 133 Hobelmaschinen, 65 Freibänke, 92 Bohrbänke, 85 Schleifbänke und 40 verschiedene. Die Stadt Essen zählte 1852 10475 Einwohner, 1861 20776 und 1864 31327 Einwohner. 1861 war der 1000 Centner-Hammer (Fritz) in Betrieb gekommen, 1862 die Bessemeranlage mit vier Konvertern zu 2½ Tonnen, 1864 das Stahlschienenwalzwerk mit 16 Glühöfen und einer Maschine von 400 Pferdekräften; in demselben Jahre kam Deutschland 1861 bis 1870. das mächtige Plattenwalzwerk mit einer Walzenzugmaschine von 1000 Pfdkr., einem siebenfüssigen Trio für schwere Bleche und einer schweren Kaliberwalze für Stahlblöcke, deren Produktion 1864 schon 10000 Tonnen betrug, in Betrieb. In demselben Jahre legte Krupp seine erste Arbeiterkolonie mit 160 Wohnungen an. 1868 erwarb Krupp die Steinkohlenzeche Hannover; 1869 wurden die ersten Stahlschmelzöfen mit Siemens’ Regenerativfeuerung an- gelegt. Ein wichtiges Ereignis für die Entwickelung der Krupps chen Stahlwerke war die Erwerbung der altberühmten Saynerhütte vom preussischen Staat zugleich mit der Mühlhofener Hütte, dem Ober- hammer und den Horhauser Bergwerken am 24. März 1864. Krupp war mit dem Bochumer Verein höchster Bieter und erhielt den Zuschlag zum Preise von einer halben Million Thaler. Dadurch wurde Krupp in die Lage gesetzt, sein Spiegeleisen und Puddelstahl- eisen selbst zu fabrizieren. Die zum rheinischen Oberbergamtsbezirk gehörigen Saar- und Moselh ütten bezogen 1864 noch den grössten Teil der in Luxemburg geförderten Minette und verschmolzen davon 60 bis 80 Prozent in der Beschickung. Die Eisenhütten in Luxemburg waren damals noch unbedeutend. Die Eröffnung des Saarkanals im Jahre 1866 erleichterte den Bezug der lothringischen Minette, infolgedessen die alten Hochwald- und Soonwaldhütten Asbach, Abentheuer und Gräfenbach eingingen, beziehungsweise an die Mosel verlegt wurden. Dafür entstand 1867 eine neue Hochofenhütte mit zwei Hochöfen und ausgedehnter Giesserei zu Halberg, welche 1869 in Betrieb kam. 1864 hatten die Saarhütten mit 13 Hochöfen 1122443 Centner Roheisen produziert. Die Nähnadelfabrikation in Aachen verarbeitete 1864 4600 Centner englischen Stahldraht zu 1000 Millionen Nähnadeln. Es wurden ferner fabriziert 50000 Pfund Stecknadeln mit Messingköpfen, 120 Millionen kleine und 45 Millionen grössere Nadeln mit Glas- und Stahlknöpfen. Diese Industrie beschäftigte 2000 Arbeiter. Am 1. November 1864 fand die erste Versammlung westfälischer und rheinischer Eisenindustrieller zur Verabredung besserer Preise statt und wurde ein Aufschlag von 2 Thaler für 1000 Pfund be- schlossen. Es hatte in dem ganzen Zeitraum von 1857 bis 1867 ein Sinken der Eisenpreise stattgefunden, und zwar für Roheisen von 18½ Thaler auf 12 Thaler, für Stabeisen von 48 auf 27 Thaler für 1000 Pfund. Deutschland 1861 bis 1870. 1867 war das Eisengeschäft ungünstig beeinflusst durch die politische Lage, speciell durch die von Frankreich aufgeworfene Luxemburger Frage. Die Bessemerstahlfabrikation hatte in wenigen Jahren eine grosse Bedeutung für Preussen erlangt und nahm dieser Staat hinsichtlich seiner Produktion 1867 die zweite Stelle ein. Man zählte damals sechs Bessemerwerke mit 22 Konvertern, wie folgende Tabelle zeigt. demnach 73000 Tonnen im Jahr. Die wirkliche Produktion im Jahre 1866 hatte aber nicht über 25000 Tonnen betragen. Auf allen grossen Industrieausstellungen in diesem Jahrzehnt errang die preussische Eisen- und Stahlindustrie zahlreiche und ehren- volle Auszeichnungen. Auf der Dubliner Ausstellung von 1866 erhielten 100 preussische Aussteller 60 Medaillen. Mit dem Verkauf der Saynerhütte im Jahre 1864 hatte Preussen angefangen, sich seines Hüttenbesitzes zu entäussern. Durch den Krieg vom Jahre 1866 und die Annexion Hannovers war der preussische Staat Besitzer der Harzer Eisenhütten geworden. Diese befanden sich aber in sehr ungünstiger Lage. Die Stabeisenfabrikation hatte man wegen Kohlenmangel fast aufgeben müssen und der Hoch- ofenbetrieb hatte aus demselben Grunde eingeschränkt werden müssen. Man versuchte die Einführung des Puddelbetriebes mit Steinkohlen und begann die Holzkohlenhochöfen in Kokshochöfen umzubauen, wie dies zu Rothehütte schon vorher geschehen war. Aber die Frachtkosten für Steinkohlen und Koks machten den Betrieb un- rentabel. Deshalb beschloss die preussische Staatsverwaltung, sich auch dieses Besitzes zu entäussern und 1868 die vormals hannöver- schen Eisenhütten Lehrbacher, Altenauer, Königshütte, Rothehütte und Solingerhütte zu verkaufen. Deutschland 1861 bis 1870. Im Laufe des Jahres 1869 veranlasste der Aufschwung der Eisen- industrie und die dadurch gebotene günstige Gelegenheit, auch das wichtige staatliche Musterwerk, die Königshütte in Oberschlesien, zum Verkauf auszusetzen. Zum Beginn des Jahres 1870 trat der preussische Staat die Königshütte und die Kreuzburger Hütte an Unternehmer ab. Für die Entwickelung der Eisenindustrie Preussens und Deutsch- lands waren verschiedene gesetzgeberische Akte nach dem Jahre 1866 von Wichtigkeit. Es war dies die Einführung des preussischen Berg- gesetzes in den annektierten Staaten, insbesondere in Nassau, Kur- hessen, Hannover und Schleswig-Holstein; ferner die Mass- und Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund am 17. August 1868 und die Einführung der neuen Gewerbeordnung am 21. Juni 1869. Durch die Annexion von Hannover, Kurhessen, das zu dem Gross- herzogtum Hessen gehörige Hinterland (Kreis Biedenkopf) und Nassau waren viele ältere und neuere Hüttenwerke an Preussen gefallen, unter diesen besonders die Georg-Marienhütte bei Osnabrück und die Ilseder Hütte bei Peine. Auf letzterer war im August 1865 der Bau eines eigenartigen Hochofens begonnen worden, der aber infolge des Krieges erst am 7. April 1867 angeblasen wurde. Er zeigte Ähnlich- keit mit dem Büttgenbachs chen Hochofen, indem er einen dünn- wandigen Schacht ohne Blechmantel hatte und der Gichtkranz durch Blechrohre getragen wurde. Die kalkhaltigen oolithischen Erze ent- hielten etwa 2½ Prozent Phosphorsäure und wurden unter Zuschlag von Schweissschlacken verschmolzen. Die leichtschmelzende Be- schickung ergab ein grosses Durchschlagsquantum und eine hohe Produktion. Österreich-Ungarn 1861 bis 1870. Österreichs Eisenindustrie, welche hauptsächlich auf den Holz- kohlenbetrieb begründet war, hatte gegenüber der Massenproduktion mit Steinkohlen der vorgenannten Staaten einen schweren Stand. Durch die Einführung und verständige Benutzung der neuen Erfin- dungen hat sie sich aber ehrenvoll durch diese Krisis hindurch- gearbeitet. Kein geringes Verdienst hierfür gebührt dem sachkundigen, er- fahrenen Berater der österreichischen Eisenindustrie Peter Tunner in Leoben, der mit klarem, vorurteilsfreiem Blick das Wertvolle und Dauernde in der Flut der neuen Erscheinungen erkannte und für Österreich-Ungarn 1861 bis 1870. aussichtsvolle Verbesserungen und Erfindungen mit der ihm eigenen Wärme und Entschiedenheit eintrat. So erkannte er vor allem die Bedeutung des Bessemerprozesses für Österreich, dessen vortreffliche Erze in den Alpenländern von jeher auf die Stahlfabrikation hin- wiesen Siehe Tunner , Bericht über die Londoner Industrieausstellung 1862 und das Bessemern in England, 1863; vergl. ferner das Bessemern in Österreich, von Fr. Münichsdorfer ; Österr. Ztg. f. Berg- u. Hüttenwesen 1865, S. 29 etc. . 1860 wurden in der österreichischen Monarchie 5581338 Centner Roheisen und 4934122 Centner Frischeisen erzeugt. 1861 zählte man 234 Hochöfen, daneben auch noch 8 Wolfsöfen. 1862 wurden 5565690 Centner Roheisen zum Durchschnittspreise von 3½ Gulden der Centner und 652987 Centner Gusswaren aus Erzen zum Preise von 6⅕ Gulden der Centner erzeugt. v. Mayr in Leoben produzierte 1862 12000 Centner Gussstahl und an 20000 Centner Puddel-, Cement- und Gärbstahl. Bei der Gussstahlerzeugung verwendete er Braun- kohlen und Siemens-Gasöfen. v. Mayr machte bekanntlich als Extra- stahl einen harten Manganstahl und einen sehr harten Wolframstahl. 1863 erwarb sich Direktor Moschitz in Rhonitz in Ungarn mancherlei Verdienste um die Verbesserung des Hochofenbetriebes. Er konstruierte geschlossene Formen, Schachtröstöfen, einen Gicht- gasfang und benutzte die Hochofengase zum Puddel- und Schweiss- ofenbetrieb Siehe Rittingers Erfahrungen für 1863. . 1863 erfolgte die denkwürdige Einführung des Bessemerprozesses in Österreich und zwar zu Turrach in Steiermark auf Tunners Anregung (s. S. 135). Die niedrigen Eisenpreise in England und Deutschland drückten besonders in den Jahren 1864 und 1865 schwer auf die österreichische Eisenerzeugung. Am besten erging es noch den Steinkohlenwerken, wie namentlich dem der Staatseisenbahngesellschaft gehörigen Eisen- werk Reschitza im Banat mit drei Hochöfen und einem bedeutenden Puddel- und Walzwerk, welches 1864 120000 Centner, darunter 25000 bis 30000 Centner Kesselbleche, produzierte Vergl. Berggeist 1864, S. 355. . Ausser Reschitza lagen im Banat die Eisenwerke Anina, Dognacska und Bogschan Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 241. . 1865 wurde der Bessemerprozess in Neuberg eingeführt. In demselben Jahre schickte Baron Rothschild zwei Ingenieure zu H. Bessemer in Sheffield, um dort den Prozess zu studieren, und Österreich-Ungarn 1861 bis 1870. legte dann das Bessemerwerk bei Witkowitz an, welches graues Eisen aus Ungarn verarbeitete. Tunner empfahl 1865 für die österreichischen Alpenländer die Verwendung von Fünfkirchener Koks, sobald die Eisenbahn dahin fertiggestellt sein würde. 1866 gab es bereits folgende Bessemerwerke in Österreich: also eine jährliche Leistungsfähigkeit von 32000 Tonnen. 1866 waren aber nicht ganz 10000 Tonnen Bessemerstahl erzeugt worden. 1866 kam der Krieg mit Preussen, der für Österreich einen ungünstigen Ausgang hatte und ebenfalls die Eisenindustrie schwer schädigte. Erst im Jahre 1868 begann auch in Österreich wieder eine regere Thätigkeit in den Eisenwerken, besonders in denjenigen mit Steinkohlenbetrieb, wie z. B. Kladno in Böhmen. Auch die österreichische Staatsregierung entäusserte sich, wie Preussen, grossenteils ihres ärarischen Bergwerks- und Hüttenbesitzes. Die Staatswerke zu Hiflan und Eisenerz wurden 1868 verkauft und kamen in den Besitz der als Aktiengesellschaft konstituierten Inner- berger Hauptgewerkschaft. Am 3. Juli 1869 ging auch das dem Staat gehörige Musterwerk zu Neuberg an die Neuberg-Mariazeller Gewerkschaft über. Ebenso verwandelten die vier Besitzer des Hüttenberger Erzberges in Kärnthen ihre Werke in eine Aktiengesellschaft und vereinigten sich mit Prävali als Hüttenberger Hauptgewerkschaft. In Krain entstand die Krainsche Eisenindustriegesellschaft. Durch diese kapitalkräftigen Gesellschaften wurde eine Anzahl neuer Hochofen- und Walzwerke ins Leben gerufen, so die Hochofen- anlage und Raffinierwerk zu Schwechat bei Wien, die Johann-Adolfs- hütte zu Judenburg in Steiermark, die Walzwerke in Köflach, Wasen- dorf, Unzmark und St. Michael in Steiermark, das Stahlwerk und Österreich-Ungarn 1861 bis 1870. Drahtwalzwerk zu Graz, das Eisenwerk zu Liebschütz, der Hochofen zu Rokitzan in Böhmen und andere mehr Stahl und Eisen 1899, S. 674. . 1867 hatte man bereits auf den Mayrs chen Stahlwerken bei Leoben Versuche mit dem Siemens-Martinprozess gemacht, die aber trotz des günstigen Erfolges nicht fortgesetzt worden waren. 1869 bauten aber Barber und Klusemann ein grosses Martinstahlwerk zu Floridsdorf bei Wien, welches die ersten Eisenbahnschienen aus österreichischem Martinstahl lieferte. Um dieselbe Zeit baute man auch Martinstahlöfen in Graz und Neuberg, welche Werke im Herbste 1870 ihre Erstlingsprodukte in Graz ausstellten. 1869 geschah das, was Tunner schon 1865 angeraten hatte, man erbaute im Bahnhof zu Prävali unter Leitung des Direktors Hupfeld einen Kokshochofen von 52 Fuss Höhe, 15 Fuss Weite im Kohlensack und 7 Windformen, und schmolz mit heissem Wind von 350 bis 400° R. und 4 bis 5 Pfund Pressung mit Fünfkirchener Koks kärnthnerische Erze, wobei man eine Tagesproduktion von 800 Centner erzielte. Dieses Eisen war hauptsächlich für die Massenfabrikation von Eisenbahnschienen bestimmt. Nachfolgende Tabelle giebt die Übersicht der Hochofenproduktion Österreichs in den sechziger Jahren. Erzeugung und Verbrauch von Roheisen in Österreich- Ungarn 1861 bis 1870 . Die Eiseneinfuhr in Österreich betrug in Wiener Centner oder Tonnen zu 1000 kg: Skandinavien 1861 bis 1870. Skandinavien 1861 bis 1870. Die Eisenindustrie von Schweden und Norwegen war ebenfalls auf den Holzkohlenbetrieb angewiesen und zeigte dieser viele Ahnlich- keit mit dem der österreichischen Alpenländer; im ganzen aber stand er nicht auf gleicher Höhe. Es waren meist nur kleine Anlagen, welche mit Wasserkraft betrieben wurden. 1861 zählte man nach A. Meier 230 Hochöfen und 1300 Frischherde. Eine Hütte mit drei Frischfeuern gehörte schon zu den grösseren. Die Eisenindustrie Schwedens beschäftigte 15400 Arbeiter, davon 5000 im Eisenstein- bergbau. Die schwedischen Öfen hatten meist Massengestelle, deren schmaler Vorherd nur die halbe Breite des Gestells hatte. Der grösste Teil des erzeugten Eisens wurde als Stabeisen ins Ausland verkauft. Die Tabelle auf folgender Seite giebt die Übersicht der Eisen- produktion in den sechziger Jahren. 1862 wurden von 229 Hochöfen 221 betrieben, von denen ein jeder durchschnittlich 137 Tage im Betriebe war und 155½ Centner Roheisen in 24 Stunden produzierte. Auf dem Werke des Baron v. Hamilton zu Boo in Nerike wurde Torf verwendet. Hier und in Löhsfors war am meisten für die Ver- wendung dieses Brennstoffes geschehen. Beck, Geschichte des Eisens. 18 Skandinavien 1861 bis 1870. Eisenerzeugung Schwedens . Göranson und der Eisenhütte zu Edsken gebührt der Ruhm, gegen Ende der fünfziger Jahre den Bessemerprozess mit Erfolg Fig. 126. Skandinavien 1861 bis 1870. durchgeführt zu haben. In welch ursprünglicher Weise dies geschah, haben wir früher geschildert und geht aus der Abbildung des ersten schwedischen Bessemerofens, Fig. 126, aus dem Jahre 1858 hervor. An Bessemerstahl wurde 1862 erzeugt: zu Säfvenäs (Westerbotten) 1099,71 Centner „ Edsken (Gefleborg) 12460,25 „ „ Siljanfors (Kopparberg) 8215,73 „ „ Carlsdal (Örebro) 1023,80 „ zusammen: 22799,49 Centner. 1863 waren in Schweden 207 Hochöfen im Gang. Stahl wurden 119748 Centner erzeugt, darunter 44439 Centner Bessemerstahl. Hiervon lieferte Edsken 25599 Centner, 60 Pfund Sandwik 4644 „ 27 „ Siljanfors 11049 „ 58 „ Långshyttan 1151 „ 97 „ Carlsdal 1993 „ 67 „ Die Ausfuhr Schwedens betrug: 1861 1966898 Centner Stab- und Manufaktureisen 1862 2351678 „ „ „ „ 1863 3813435 „ „ „ „ 1865 sprach A. Grill in einem Aufsatz über die Zukunft der schwedischen Eisenindustrie die ernste Besorgnis aus, dass sich England durch den Bessemerprozess von Schweden emanzipieren und die schwedische Eisenindustrie schweren Schaden erleiden würde. Er ermahnt deshalb seine Landsleute, fortzuschreiten und das vortreff- liche Eisen des Landes selbst in Stahl überzuführen und in dieser Form auf den Markt zu bringen. Nach L. Rinman betrug die Roheisenproduktion Schwedens im Jahre 1865 226676 Tonnen, woran 219 Hochöfen und 3683 Arbeiter beteiligt waren. Åkerman teilt für die Produktion des Jahres 1865 die folgenden Zahlen mit: Bergerze 496824 Tonnen See- und Rasenerze 20312 „ Summa Eisenerze: 517136 Tonnen 18* Skandinavien 1861 bis 1870. Roheisen in Gänzen 221389 Tonnen Gusswaren von Hochöfen 5350 „ Summa Roheisen: 226739 Tonnen Stab-, Band-, Nagel- u. Drahteisen 148512 Tonnen Bessemerstahl 4425 „ anderer Stahl 2988 „ Blech 5986 „ Nägel 5957 „ Geräte etc. 7852 „ Die Ausfuhr von Roheisen betrug in diesem Jahr 16000 Tonnen von Stabeisen 85500 „ Die Einfuhr von Eisenbahnschienen 21643 „ Die Hochöfen und ihre Erzeugung verteilten sich auf die einzelnen Provinzen wie folgt: Skandinavien 1861 bis 1870. Norwegen hatte 16 Hochöfen, von denen 3 kalt lagen. Die übrigen waren meistens nur 3 bis 6 Monate während des Winters im Betriebe und produzierten an 10000 Tonnen Roheisen. Im allgemeinen verschmolz man in Schweden reichhaltige Be- schickungen von 35 bis 52 Prozent Eisengehalt. Zu Långshyttan in Kopparberg beschickte man die Bispberger und Relligslager Magneteisensteine mit 3 bis 5 Prozent Kalkstein und erhielt sogar 58 bis 60 Prozent Eisenausbringen. Der Kohlenver- brauch im Hochofen betrug meist 80 bis 85 Prozent Hartkohlen, bei grauem und Bessemerroheisen etwa die Hälfte mehr. Von den Ge- stehungskosten rechnete man 39 Prozent auf die Erze, 41 Prozent auf die Holzkohlen und 20 Prozent auf die Generalkosten. Die Ausfuhr und Einfuhr in Tonnen im Verhältnis zur Erzeugung ergiebt sich aus nachfolgender Zusammenstellung. Produktion, Export und Import von Eisen und Stahl in Schweden im Jahre 1865 . In Schweden waren mit den Hütten und Hammerwerken meistens Sägemühlen verbunden, die oft so grosse Mengen von Sägemehl lieferten, dass man, weil es verboten war, es in die Flüsse zu werfen, oft in Verlegenheit war dasselbe fortzuschaffen. Aus diesem Grunde war der Lundin sche Gasschweissofen, in welchem man Sägemehl als Brennstoff verwenden konnte, für die schwedischen Hütten so vorteilhaft. Folgende schwedische Bessemerwerke führt Tunner 1866 auf: Russland 1861 bis 1870. Die Leistungsfähigkeit betrug demnach 26500 Tonnen = 350000 Centner im Jahr, während die wirkliche Produktion nur an 150000 Centner betragen hatte. Die schwedischen Bessemerwerke arbeiteten mit feststehenden Konvertern auf Qualität. Sie entnahmen ihr Roheisen, welches nicht über 1 Prozent Silicium, aber 2 und mehr Prozent Mangan enthielt, direkt von dem Hochofen. 1867 hatten K. Styffe und L. Rinman den Martinprozess auf der Pariser Ausstellung kennen gelernt. Rinman ging auf P. E. Martins Einladung hin nach Sireuil. Nach seiner Rückkehr gewährte das Jernkontor Styffe und Rinman die Mittel, um in einem kleinen Siemensofen zu Munkfors in Wermeland Versuche an- zustellen, die günstig ausfielen. 1868 führten C. A. Rettig und L. Rinman auf dem ersterem gehörigen Eisenwerk Kilafors den Martinprozess ein mit Siemens ’ Regeneratoren und Lundin schen Gasöfen mit Kondensation. Die Aufgabe, Qualitätsstahl zu erzeugen, wurde gelöst. Die Öfen waren aber sehr klein, für 213- bis 227 kg-Chargen, und hatten sehr hohen Brennstoffverbrauch, 375 bis 560 kg für je 100 kg Stahl. Ein zweites Werk baute dann Rinman zu Hellefors. Russland 1861 bis 1870. Die Eisenindustrie Russlands hatte zu Anfang der sechziger Jahre unter demselben schweren Druck zu leiden, wie die der übrigen auf Holzkohlenbetrieb angewiesenen Staaten, der noch wesentlich ver- stärkt wurde durch die Aufhebung der Leibeigenschaft, welche ihr viele Arbeitskräfte entzog. Die Arbeiter der russischen Eisenhütten, namentlich der im Ural, waren vordem fast alle Leibeigene. Die Russland 1861 bis 1870. Aufhebung der Leibeigenschaft, welche von Kaiser Alexander II. durch ein Manifest 1857 verkündet, dann durch Ukas vom Februar 1861 für das ganze Reich beschlossen und endlich im März 1863 durch- geführt wurde, war eine wirtschaftlich tief eingreifende Massregel für Russland. Sie schenkte an 24 Millionen Menschen, fast dem dritten Teil der Bevölkerung des russischen Reiches, die persönliche Freiheit. Die nächste Folge war aber die, dass die Freigewordenen aufhörten, zu arbeiten, was der Industrie zu grossem Schaden gereichte. Die weitere Folge war, dass die Arbeit teurer wurde, was gleichfalls die Konkurrenzfähigkeit der Eisenwerke lähmte. Die Eisenerzeugung des russischen Reiches betrug in den Jahren 1860 und 1861: Russland war in eine Anzahl Bergbezirke oder Berghauptmann- schaften eingeteilt, von denen der uralische der wichtigste war. Im uralischen Bezirk gab es ausser vielen Privatwerken auch eine grosse Zahl von Kronwerken. Man zählte 1861 im uralischen Bergwerksbezirk auf den kaiserlichen Kronwerken 14 Hochöfen, 23 Kupolöfen, 9 Flammöfen zum Umschmelzen des Roheisens, 108 Frischherde, 112 Streckherde, 54 Ankerschmieden, 14 Ketten- schmieden, 5 Rohstahlherde, 136 Schmiede- und Glühherde, 14 Puddel- öfen, 23 Schweissöfen, 5 Glühöfen, 5 Holzdarröfen, 1 Cementstahl- und 99 Gussstahlöfen. Die Produktion der uralischen Kronwerke betrug: Russland 1861 bis 1870. Die Privatwerke des uralischen Bergwerksbezirkes umfassten 47 Bergwerke und 142 Hütten. Auf letzteren befanden sich 91 Hoch- öfen, 48 Kupolöfen, 850 Frischherde, 242 andere Herde, 21 Giesserei- flammöfen, 221 Puddelöfen, 171 Schweissöfen, 192 Glühöfen. Die Produktion betrug: Die Demidoff schen Werke zu Nischne Tagilsk bildeten den grössten Eisenwerkskomplex in Russland mit einer jährlichen Erzeugung von 10000 bis 12000 Tonnen. Hier wurde das beste russische Cement- eisen gemacht, das alles unter der Marke C. C. N. D. nach England ging und dort mit 17 £ die Tonne bezahlt wurde. Auf den Demidoff - schen Werken wirkte General W. v. Raschette als Hüttendirektor und erfand dort seine bekannten Schmelzöfen. Der zweitgrösste Hüttenkomplex gehörte Goobins Erben zu Nischne Sergin und Michailof, ebenfalls im Gouvernement Perm. In dem Olonezkischen Bergwerksdistrikt zählte man 8 Hoch- öfen, 1 Kupolofen und 7 Flammöfen, die alle zu den grossen kaiser- lichen Giessereien gehörten. Hier wurden erzeugt: Russland 1861 bis 1870. In der Berginspektion Moskau , die nach der uralischen die wichtigste war, gehörten zu den Kronwerken 36 Hochöfen, 35 Kupol- öfen, 85 Frischherde, 34 Puddelöfen, 17 Schweiss-, 37 Glüh-, 30 Röst- und 9 Flammöfen. Die Erzeugung betrug: Auf den Privatwerken der Berginspektion Moskau wurden um dieselbe Zeit erzeugt: Roheisen 2172977 Pud Gusswaren 855024 „ Frischeisen 378221 „ Puddeleisen 872598 „ 1250819 Pud Feine Eisensorten 603084 Pud Eisenwaren 172670 „ Finland erzeugte: Roheisen 731333 Pud Schmiedeeisen 582670 „ Eisensorten und -Waren 34541 „ Nach Angaben von de Buschen betrug die Eisenerzeugung Russlands im Jahre 1863 245073 Tonnen. Sie blieb unter dem Mittel Russland 1861 bis 1870. der vorhergegangenen Jahre, das 283600 Tonnen, mit Polen sogar 350000 Tonnen betragen hatte. Nach einer anderen Angabe betrug im Jahre 1863 die Erzeugung: von Roheisen 16640000 Pud = 332800 Tonnen „ Gusswaren I. Schmelzung 1764000 „ = 35280 „ „ Schmiedeeisen 11998500 „ = 239970 „ „ Stahl 145000 „ = 2900 „ Hierbei ist Polen mit eingerechnet. 1863 machte General v. Jossa auf dem Kronhüttenwalzwerk Wotinsk, Gouvernement Wiatka, mit verschiedenen Roheisensorten Versuche, zu bessemern. Graues Roheisen von der Kronhütte Werschneturinsk im Goroblagodatskischen Bezirk, welches aus den reinsten Magneteisensteinen des Blagodatberges bei garem Ofengang erblasen war, erwies sich als das geeignetste und wurde mit diesem 1864 der Bessemerbetrieb eingeführt. Die Roheisenproduktion Russlands nahm in den Jahren 1864 bis 1867 nur langsam zu. Sie betrug ohne Polen: 1864 260327 Tonnen 1865 263052 „ 1866 265156 „ 1867 287752 „ Die Roheisenerzeugung einschliesslich Polens betrug: 1868 324711 Tonnen 1869 332850 „ 1870 359989 „ Übrigens machten die russischen Kroneisenwerke so schlechte Geschäfte, dass sie von 1866 bis 1870 mit Deficit arbeiteten. Man dachte ernstlich an die Veräusserung derselben. Die Eisenerzeugung im Jahre 1868 war wie folgt: Roheisen 272000 Tonnen Gusswaren I. Schmelzung 52000 „ Hochofenproduktion 324000 Tonnen Gusswaren der Kupolöfen 16350 Tonnen Gusswaren der Flammöfen 5600 „ Kanonen und Munition 7900 „ Gusswaren II. Schmelzung 29850 Tonnen Stabeisen, Eisenbahnschienen etc. 172500 Tonnen Bleche und Platten 51500 „ 224000 Tonnen Russland 1861 bis 1870. Stahl 7350 Tonnen Verschiedene Eisenwaren 7600 „ Man zählte 209 Eisen- und Stahlhütten mit 207 Eisenhochöfen, 434 Puddelöfen, 597 Schweissöfen, 876 Frischherden, 707 Stahlherden und Öfen, 34 Luppenfeuer, 156 Kupolöfen und 82 Giessereiflammöfen. Einen Einblick in die russische Eisenindustrie gewährt P. Tunners Bericht über seine im Auftrage der k. russischen Regierung im Sommer 1870 ausgeführte Reise nach dem Ural und Südrussland. Er hebt rühmend hervor die Gussstahlerzeugung im grossen für die Darstellung von Geschützen und groben Maschinenteilen, die Erzeugung gewalzter Panzerplatten, die Härtung der Eisenbahnschienen, die Erzeugung grosser Herdfrischluppen von 30 und mehr Centner und die Erzeugung des Glanzbleches. Dagegen tadelt er die Nichtbenutzung des erhitzten Windes und der Hochofengase, die Verwendung von meist nur einer Form beim Hochofenbetrieb, die offene Brust bei den Holzkohlenöfen, die zu grosse Zahl der Arbeiter beim Hochofen. Wir erfahren ferner, dass man das Bessemerverfahren, welches schon 1864 eingeführt worden war, 1870 wieder aufgegeben hatte. Das Martinverfahren war versuchsweise auf den Hütten zu Sormowo bei Nischne-Nowgorod und zu Wotinsk eingeführt worden. Tunner empfiehlt ebenfalls seine Verwendung zur Herstellung von weichem Massenstahl, besonders für Eisenbahnschienen. Ausserdem empfiehlt er dringend die Ver- wendung der Steinkohle sowohl am Ural als in Südrussland. A. Keppen giebt folgende durchschnittliche Produktionsziffern pro Jahr: Zu Ende der sechziger Jahre stellte sich die russische Eisen- produktion folgendermassen: Italien 1861 bis 1870. Die Zunahme von 1861 bis 1870 betrug: Italien 1861 bis 1870. Zu Anfang des Jahres 1861 wurde das Königreich Italien unter der Herrschaft des Hauses Savoyen gegründet, nachdem zuvor durch den Krieg gegen Österreich im Jahre 1859 und die darauf folgenden revolutionären Erhebungen die italienischen Einzelstaaten vernichtet worden waren. Damit beginnt die neuere Geschichte Italiens und zugleich eine neue Zeit für Industrie und Handel dieses Landes. Der wirtschaftliche Aufschwung war aber in den sechziger Jahren nur ein langsamer. Es ist sehr schwer, sich ein richtiges Bild der Entwickelung der italienischen Eisenindustrie in und vor jener Zeit zu machen, da die veröffentlichten statistischen Angaben unrichtig und widersprechend sind. So schwankten z. B. die Angaben über die Roheisenproduktion Italiens im Jahre 1861 zwischen 2 und 40 Kilo- tonnen. Die in der S. 231 mitgeteilten Zusammenstellung der Welt- produktion von Eisen aufgeführten Zahlen sind besonders für die ersten Jahre des sechsten Jahrzehnts entschieden zu niedrig. Zu einer annähernden Schätzung und einer richtigen Anschauung der italienischen Eisenindustrie kommt man am besten, wenn man von den statistischen Angaben Karstens im ersten Band seines Hand- buchs der Eisenhüttenkunde von 1844 ausgeht. Danach produzierten um 1840: die Lombardei und Venedig 15000 Centner Stabeisen und Stahl Toscana 120000 „ Roheisen Savoyen 21000 „ Stabeisen und Stahl Piemont 129000 „ „ „ „ Genua 30000 „ Renneisen Parma 2000 „ Stabeisen Modena 2000 „ „ der Kirchenstaat 16000 bis 18000 „ Renneisen Neapel 12000 „ „ Italien 1861 bis 1870. Die Zahl der Hochöfen war damals eine ziemlich ansehnliche. Freilich waren die meisten klein und wurden nicht das ganze Jahr durch betrieben. Solcher kleiner Holzkohlenöfen (Blauöfen) zählte man damals in Piemont 30, in Savoyen 13 bis 14, in der Lombardei etwa 8, in Parma und Modena je einen. Gut gebaute Hochöfen mit für jene Zeit hoher Produktion hatte man nur in Toscana. Dort schmolzen vier Hochöfen aus elbanischen Erzen 1861 das oben angegebene Quantum von 120000 Centner. Von grosser Wichtigkeit war, wie aus obiger Aufstellung zu ersehen, noch der alte Rennfeuer- betrieb, durch den an der Tyrrhenischen Küste elbanische Erze auf schmiedbares Eisen verschmolzen wurden. In den vierziger Jahren blieben die Verhältnisse ziemlich unver- ändert. In den fünfziger Jahren (1854) begann der Eisenbahnbau in Italien. Das Eisenmaterial dafür wurde aus England bezogen. Im übrigen war aber die einheimische Eisenindustrie durch hohe Einfuhrzölle geschützt. Dass die italienische Eisenindustrie in der Zeit von 1840 bis 1860 an Umfang nicht zugenommen, sondern einen Rückgang erfahren hat, steht fest, doch kann derselbe nicht so gross gewesen sein, wie vielfach, z. B. auch in der oben erwähnten Statistik, angenommen wird. Am glaubhaftesten erscheinen die Angaben, welche die Roheisenproduktion Italiens in seinen jetzigen Grenzen für 1860 auf 15576 Tonnen, für 1870 auf 19914 Tonnen beziffern. Die Er- zeugung von Renneisen war zurückgegangen, betrug aber 1860 immer noch etwa 1000 Tonnen. Die grösste Roheisenerzeugung hatte Toscana, diesem folgten die Lombardei und Sardinien. Nachstehende Angaben über die Roheisenerzeugung im Jahre 1864 dürften übertrieben sein. Danach soll die Roheisenerzeugung damals 860000 Centner (39560 Tonnen) betragen haben. Die Zahl der Hochöfen war gegen früher sehr vermindert, ihre Leistung sehr erhöht. 3 Hochöfen in der Provinz Aosta in Sardinien schmolzen aus Magneteisenstein 60000 Centner, 4 in der Lombardei aus Spateisenstein 120000 Centner und 3 in Toscana aus elbanischen Erzen 560000 Centner. Ein Ereignis von grosser Bedeutung war die Einführung des Bessemerprozesses, die hauptsächlich dem Franzosen A. Ponsard , Direktor der königlichen Eisenhütten in Toscana, zu verdanken ist. Dieser liess bereits im Jahre 1860 das Roheisen in Fallonica von Bessemer in Sheffield prüfen und dehnte diese Versuche in den folgenden Jahren auf lombardisches Roheisen und das Eisen von Mongiana aus. Am letzteren Orte wurden Magnet- und Brauneisen- steine aus den Cantabrischen Apenninen in fünf Hochöfen ver- Spanien und die Türkei 1861 bis 1870. schmolzen. Auf Grund der guten Erfolge erbaute Ponsard ein Bessemerstahlwerk bei Piombino. Er plante auch die Anlage eines Raschetteofens zur Verschmelzung elbanischer Erze, doch kam diese nicht zur Ausführung. 1867 gab es zwei Bessemerwerke in Italien, Novelle-Pomard-Gigli in Pisa und Perseveranza bei Pisa, jedes mit einem Konverter. Beide Werke zusammen erzeugten an 50000 Centner im Jahr. Spanien und die Türkei 1861 bis 1870. Die Eisenerzeugung Spaniens stand weder im Verhältnis zu dem Reichtum an vortrefflichen Erzen, noch zu dem Bedarf der Bevölkerung. Es wurden mehr spanische Eisenerze ausserhalb Spaniens als im Lande selbst verschmolzen. Der Export an Erzen betrug 1860 175500 Tonnen, während die inländische Produktion von Roheisen nur ca. 35000 Tonnen Eisen betrug, und die dreifache Menge von England importiert wurde. In Nordspanien verdrängte der Chenotprozess die alten Catalan- schmieden ( Ferrerieras ) mehr und mehr. Auf den Baracaldowerken wurden von 1859 bis 1871 nach dieser Methode 32000 Tonnen Eisen- schwamm erzeugt. 1860 baute Tourangin seinen ersten verbesserten Chenotofen „Purisima Concepcion“. Die Eisenproduktion Spaniens in den sechziger Jahren war schwankend, wie aus nachfolgender Zusammenstellung zu ersehen ist. Die Zunahme der Stahlproduktion ist aber beachtenswert. Die Roheisenerzeugung von 1864 bis 1870 betrug: 1864 50775 Tonnen 1865 49533 „ 1866 39259 „ 1867 41933 „ 1868 43161 Tonnen 1869 34486 „ 1870 54007 „ Von der Eisenindustrie der Türkei ist so gut wie nichts aus jener Zeit bekannt Erst 1873 veröffentlichte W. Fischbach einen Aufsatz über die Metall- gewinnung in der Türkei in der Berg- und Hüttenm. Ztg. Nr. 13. . Bosnien, Serbien und Bulgarien sind reich an Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. Eisen. In Bosnien war Eisenindustrie zu Sarajevo, in Serbien zu Maidanpek und in Bulgarien betrieb die türkische Regierung 12 Hoch- öfen bei Somakov. Ganz in der Nähe von Konstantinopel finden sich grosse Schlackenhalden bei Alemdagh, die auf alten Eisenhütten- betrieb hinweisen. Der Stückofenbetrieb war noch durchaus vor- herrschend. Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. Die Eisenindustrie der Vereinigten Staaten von Nord- amerika machte in den sechziger Jahren nach Beendigung des Bürgerkrieges grosse Fortschritte. Die Amerikaner wurden sich ihrer Stärke, ihres nationalen Reichtums mehr und mehr bewusst und Hewitt sprach es 1865 bestimmt aus, dass Amerika der erste Platz unter den eisenerzeugenden Ländern gebühre und dass es ihn in nicht ferner Zeit auch erringen werde. Die Schätze des Landes sind unermesslich und erscheinen riesig im Vergleich mit denen Europas. Man hatte in den Vereinigten Staaten ca. 12000 (geogr.) Quadratmeilen Kohlenfelder entdeckt, während die gesamten Kohlenbecken Europas nur eine beiläufige Ausdehnung von 775 Quadratmeilen hatten. Sir Morton Peto schätzte die Steinkohlen von Pittsburg allein auf 53516 Millionen Tonnen. Seit 1860 hatte man auch die Bedeutung des Franklinits als Eisenerz erkannt. Dieses eigentümliche Zink-Eisenerz, dessen Zu- sammensetzung nach dem Amerikaner Steffens der Formel FeO, ZnO + 2 (Fe 2 O 3 , Mn 2 O 3 ) entspricht, kommt in dem Stirling-Hill bei der Stadt Franklin vor. Bereits 1640 wurde es von deutschen Bergleuten aus Nassau entdeckt, aber erst 1770 von Lord Stirling bergmännisch gewonnen und nach Europa geschickt. 1825 wurde es von Dr. Mac Clure und Dr. Jackson genauer untersucht und 1850 auf Zink verhüttet. 1852 wurde es zuerst als Eisenerz verschmolzen. Es schmilzt bei niedriger Temperatur. Das aus dem Roheisen dargestellte Schmiede- eisen zeichnet sich durch grosse Festigkeit aus. Ausserdem erhält man aber auch leicht aus dem Franklinit Spiegeleisen, aus dem sich guter Stahl bereiten lässt. Der Staat Ohio erzeugte 1854 71156 Tonnen, 1862 114000 und 1869 275000 Tonnen Roheisen. Die Schienenproduktion stieg 1860 bis 1869 von 10000 auf 41837 Tonnen. Im Staate Illinois, wo 1856 noch kein Stück Schiene gemacht Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. wurde, betrug die Schienenerzeugung 1860 5923 Tonnen, 1869 53261 Tonnen. Missouri lieferte 1854 erst 5798 Tonnen Giesserei- roheisen, 1864 16524 Tonnen, 1870 77852 Tonnen. In Michigan, in dem der Lake Superior-Distrikt liegt, begann die Eisenindustrie erst 1856, 1860 wurden 5660 Tonnen, 1870 49298 Tonnen Roheisen erzeugt. Der wichtigste Staat für die Eisenindustrie Nordamerikas ist aber Pennsylvanien mit seinem grossen Reichtum an Steinkohlen und seinen vortrefflichen Anthrazitlagern. 1860 zählte man in Pennsylvanien bereits 90 Anthrazitöfen und in den benachbarten Staaten New-York, New-Jersey und Maryland 29. Diese 119 Hochöfen produzierten 500000 Tonnen Roheisen zu 20 Dollar die Tonne. In Westpennsyl- vanien, wie in den meisten übrigen Staaten der Union, wurden die Hochöfen noch mit Holzkohlen betrieben. Das Holzkohlenroheisen von Westpennsylvanien kostete damals 26 Dollar die Tonne, während englisches Roheisen mit dem Zoll in Philadelphia mit 22 Dollar bezahlt wurde. Die Steinkohlenhochöfen in Pennsylvanien waren meist weit, aber nicht hoch. Indessen hatte man angefangen, Öfen von 60 Fuss Höhe mit 12 bis 15 Formen und 10000 Tonnen Roheisen- produktion die Woche zu bauen. Dazu wandte man Gebläse an, die 10000 Kubikfuss Wind von 8 bis 9 Pfund Pressung pro Quadratzoll in der Minute lieferten. Die Steigerung der amerikanischen Produktion in jener Periode ergiebt sich aus folgenden Zahlen, wobei für die Jahre 1861 und 1862 die nachteilige Wirkung des amerikanischen Bürgerkrieges zu beachten ist. Es wurde Roheisen produziert: Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. Die Schmiedeeisenerzeugung betrug in Tonnen: Wie bedeutend aber noch die Einfuhr von Schmiedeeisen be- sonders aus England war, geht aus der nachfolgenden Zusammen- stellung über Erzeugung, Einfuhr und Verbrauch von schmiedeeisernen Eisenbahnschienen hervor. Die Vereinigten Staaten hatten Frankreich schon 1864 in der Eisenerzeugung überflügelt. Nach der Schätzung des Amerikaners Hewitt hätte sie dagegen 1866 nur 1 Million betragen, während er Frankreichs Produktion zu 1200000 Tonnen angiebt. Aber gerade Hewitt ist es, der, wie erwähnt, den Vereinigten Staaten die Führer- rolle in Bezug auf die Eisenerzeugung zuspricht und bestimmt vor- aussagt, dass dieselbe mit der Zeit alle anderen Staaten darin über- holen würde. 1868 war die Produktion der Vereinigten Staaten ohne allen Zweifel bereits beträchtlich grösser als die aller übrigen Staaten ausser England. Auf die einzelnen Staaten verteilte sich die Roheisenproduktion im Jahre 1868 nach dem offiziellen Jahrbuch wie folgt: Beck, Geschichte des Eisens. 19 Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. 1866/67 machten die Schweden Professor Ångström und Berg- gewerke Åkerman im Auftrage des Eisenkontors eine Reise durch Amerika, die sich auf 4½ Monate erstreckte Siehe den Bericht von Åkerman in Jern-Kontorets-Analer 1868. . In dem Bericht wird die Güte des mit kaltem Wind und mit Holzkohlen erblasenen Giessereieisens (Cold blast) hervorgehoben. In Missouri, Michigan und Ohio fanden sie meistens Holzkohlenöfen. In Lime-Rock (Connecticut) wurde das beste, als Salisburyeisen bekannte Giessereieisen in Öfen von 27 bis 47 Fuss aus einem lehmigen Brauneisenstein erblasen. Es wurden 40 Prozent eines hellgrauen, weichen Roheisens ausgebracht. Man verwendete Kohlen von Kastanien- und Walnussholz und auch von Eichen, die fester waren, als die Nadelholzkohlen. Das ameri- kanische Steinkohlenroheisen war dagegen von sehr mittelmässiger Güte, was auch daraus hervorgeht, dass sein Preis immer 1 bis 2 Dollar unter dem des schottischen Roheisens blieb. Allgemein wurden die Hochofengase zur Winderhitzung und Dampfkesselfeuerung benutzt. Man blies in den Steinkohlenöfen in der Regel mit 50 Linien, in den Anthrazitöfen mit 90, doch auch bis 140 Linien Quecksilber- druck. Abbildungen von amerikanischen Anthrazithochöfen von 1868 finden sich in Osborn , Iron and Steel, p. 327 etc. Die Gussstahlfabrikation nahm in diesem Jahrzehnt einen Auf- schwung und lieferte ausser Hussey und Wells namentlich Park in Pittsburg einen guten Gussstahl. Zwei wichtige Ereignisse beeinflussten in den sechziger Jahren Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. die Eisenindustrie der Vereinigten Staaten von Nordamerika: der Bürgerkrieg (1861 bis 1865) und die Einführung des Bessemer- prozesses. Unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges war die am 12. März 1860 eingebrachte Morill bill, durch welche zum erstenmal ein ausgesprochener und wirksamer Schutzzolltarif eingeführt wurde, angenommen worden. Dieser Tarif, und die Blockade, welche die Eiseneinfuhr erschwerte, wirkten so günstig für die amerikanische Eisenindustrie, dass trotz des Krieges die Eisenproduktion von Jahr zu Jahr zunahm, wenn auch nicht in dem raschen Masse wie nach dem Kriege. Die Tabelle S. 288 giebt das Bild der Produktions- zunahme. Diese genügte aber dem rasch wachsenden Bedarf nicht, so dass auch die Einfuhr stieg. Einfuhr von Roheisen . 1861 74026 Tonnen 1862 22246 „ 1863 31007 „ 1864 102223 „ 1865 50652 „ 1866 102392 Tonnen 1867 112042 „ 1868 112133 „ 1869 136973 „ 1870 153282 „ Beim Hochofenbetrieb führte Samuel Thomas 1861 eine ver- besserte Winderhitzung ein. 1867/68 baute John Player zuerst englische Winderhitzungsapparate (Pistolenapparate). Die Einführung des Bessemerverfahrens im Jahre 1865 veranlasste nicht nur eine Vermehrung der Produktion, sondern beeinflusste auch den Betrieb der Hochöfen. Man fand bald, dass die fast phosphor- freien Erze vom Oberensee ebenso gutes Bessemerroheisen lieferten, wie die englischen Cumberlanderze. Infolgedessen wurden jene nicht nur an Ort und Stelle, sondern auch in Ohio, Pennsylvanien u. s. w. verhüttet. Ausgezeichnetes Giessereieisen wurde ausser dem Salisburyeisen zu Lime Rock, Connecticut, besonders auf den Richmond-Eisenwerken, wo vortreffliche Kanonen gegossen wurden, und von der Sterling- Giesserei zu New-York, wo brauner Hämatit verschmolzen wurde, hergestellt. Die Anthrazithochöfen bewährten sich gut und zeichneten sich durch lange Kampagnen, einzelne bis zu 20 Jahren, aus. Gegen Ende des Jahrzehnts suchte man sie in ihrer Konstruktion vielfach zu verbessern. 1870 wurden auf dem Edgar Thomson-Werk (Pa.) vier neue Hochöfen mit freistehenden Gestellen und je acht Gasabzügen, 19* Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. welche in einen Ring mündeten, erbaut. Man versuchte dabei eine möglichst vollkommene Windverteilung anzubringen, indem man 23 gleichmässig um das Gestell verteilte Formen von 2 Zoll Weite anbrachte. Doch bewährte sich diese grosse Zahl von Windformen nicht, weshalb man bei dem einen Ofen auf neun, bei den anderen auf elf Formen mit 2,6 Zoll Öffnung zurückging. Der Hochofen- betrieb mit Koks breitete sich immer weiter aus, da auch in anderen Staaten reiche Steinkohlenlager entdeckt wurden, so z. B. in Tennessee bei Chattanooga, welches dadurch ein wichtiger Mittelpunkt der Eisen- industrie wurde. Bluff furnace bei Chattanooga war der erste Koks- hochofen in Tennessee und kam schon 1860, vor Ausbruch des Bürgerkrieges, in Betrieb. Der erste Kokshochofen in Südtennessee, Bockword furnace, wurde 1867 angeblasen. Die Entdeckung von Steinkohlenlagern gab auch der Eisenindustrie Alabamas nach dem Kriege neuen Aufschwung. 1867 wurden Stein- kohlen in Indiana bei Brazil in Clay County entdeckt und daraufhin bei Harmony der Planet furnace als der erste von acht Hochöfen, die von 1867 bis 1872 erbaut wurden, errichtet. Hier wurden Erze vom Missouri und dem Oberensee mit Steinkohlen verhüttet. Im südwestlichen Illinois wurden nach dem Kriege die Big Muddy-Kohlenfelder entdeckt. Da die Missouri-Erze nicht weit entfernt waren, so wurden 1868 zwei grosse Hochöfen bei Grand Tower in Jackson County erbaut. Zu Chicago gab es keine Hochöfen bis 1868; in diesem Jahre wurden zwei von der Chicago-Eisengesellschaft erbaut, die später an die Union-Stahlgesellschaft übergingen; ferner wurden 1869 zwei Hoch- öfen von der Nord-Chicago-Walzwerksgesellschaft erbaut. Diese vier Hochöfen blieben die einzigen bis 1880. Die Walzwerksindustrie der Vereinigten Staaten war beherrscht von dem immer zunehmenden Bedarf an Eisenbahnmaterial. Die Länge der amerikanischen Eisenbahnlinien stieg vom Jahre 1860 bis 1870 von 56880 km auf 85138 km. Die Produktion an Eisenbahn- schienen war: 1861 189818 N.-Tonnen 1862 213912 „ 1863 275768 „ 1864 335369 „ 1865 356292 „ 1866 430778 N.-Tonnen 1867 Die für 1867 bis 1870 angegebenen Zahlen bleiben hinter den S. 289 mit- geteilten zurück. 459558 „ 1868 499489 „ 1869 583936 „ 1870 586000 „ Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. Von wichtigeren Gründungen in den einzelnen Staaten ausser den bereits angeführten und den später zu erwähnenden Stahlwerken nennen wir die nachfolgenden. In Pennsylvanien wurde 1867 der Emma-Ofen bei Logan im Juniatathal erbaut. Das erste Walzwerk in Tennessee war Vulcan Rolling mill, welches 1861 von S. B. Lowe bei Chattanooga gegründet wurde. Es wurde 1863 von den nordstaatlichen Truppen niedergebrannt, aber 1866 von Lowe wieder aufgebaut. 1864 war ein Walzwerk zum Umwalzen alter Schienen im Auftrag der republikanischen Regierung von John Fritz , Direktor der Bethlehem-Werke, erbaut worden. Zu Knoxville erwarb sich die dortige Rädergesellschaft grossen Ruf durch ihre vorzüglichen Hartgussräder, die sie aus Holzkohlenroheisen von dem Carter-Ofen und anderen Hochöfen von Osttennessee goss. In Alabama wurden während des Krieges verschiedene Holzkohlenhochöfen erbaut, so einer in Sanford County 1861, der Cornwallofen bei Cedar Bluff 1862, ein zweiter Ofen bei Shelby 1863, Alabamaofen 1863 und zwei kleine Hochöfen bei Bierford 1863 und 1864. Der Shelbyofen mit Walzwerk lieferte Panzerplatten für die Südstaaten, namentlich wurden die Platten für das Panzerschiff Tennessee hier gegossen. Zu Selma wurden Kanonen für die Regierung gegossen. In Ohio wurde im Clevelanddistrikt 1861/62 das Union-Walzwerk erbaut. In Wisconsin baute die Wisconsin-Eisengesellschaft 1865 bei Iron Ridge einen Holz- kohlenhochofen. 1868 wurde das erste Walzwerk bei Millwaukee errichtet. Der erste Hochofen bei St. Louis war der Pionierofen bei Corondelet, der 1863 für Koksbetrieb aufgeführt wurde. Auch in Texas wurden während des Krieges mehrere neue Eisenhütten, meist Rennwerke, erbaut, um Eisen für die südstaatliche Armee zu liefern, so z. B. 1863 bei Nashville ein Rennwerk mit Dampfbetrieb, ein anderes, „Montalbo“, lieferte Eisen für die Gewehre der Konföderierten. Alle diese Anlagen verschwanden teils während des Krieges, teils nach demselben. 1869 wurde bei Jefferson ein Holzkohlenhochofen errichtet. In Californien wurde 1868 ein Walzwerk für Schienen und Façoneisen bei San Franzisko angelegt. Zu Oswego wurde 1866/67 der erste Holzkohlenhochofen in Oregon erbaut. Die Geschichte der Einführung des Bessemerprozesses in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, die sich erst spät und nach Überwindung vieler Schwierigkeiten vollzog, ist von allgemeinem Interesse. Henry Bessemer nahm dort schon im Jahre 1856 zwei Patente auf seine Erfindung, die aber sogleich von dem Amerikaner William Kelly , der die Priorität der Erfindung beanspruchte, mit Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. Erfolg angegriffen wurden. Kelly , der in Pittsburg geboren war, erwarb 1846 eine Eisenhütte in Eddysville, Kentucky, die aus einem Hochofen, zwei Feineisenfeuern und zehn Frisch- und Schweissherden (forge fires) bestand. Er machte Versuche, flüssiges Eisen durch Einblasen von Luft zu entkohlen. Hierfür konstruierte er einen etwa 10 Fuss hohen Schachtofen mit zwei Formen übereinander; die obere sollte schmelzen, die untere entkohlen. Diese im Jahre 1847 aus- geführten Versuche hatten keinen Erfolg. 1851 nahm Kelly dieselben wieder auf und zwar im Hochofen selbst, dem er einen runden Herd gab, an dessen tiefstem Punkt eine Düse einmündete. Bis zu einem gewissen Grade gelang die Entkohlung rasch und gut, indem er in 5 bis 10 Minuten ein gefeintes Roheisen erhielt, wozu er im Fein- eisenfeuer eine Stunde brauchte. Er hoffte, wie er wenigstens später behauptet hat, auf diesem Wege schmiedbares Eisen zu erhalten, doch gelang es ihm nur in ganz vereinzelten Fällen, ein schmiedbares Produkt zu erzielen. Einmal war er imstande, eine Stange von 4 Fuss Länge und ⅜ Zoll Quadrat zu schmieden, möglicherweise das erste durch den pneumatischen Prozess erzeugte Eisen. Der Erfolg in dieser Richtung war aber so gering, dass er ganz davon absah und sein Verfahren nur als Feinprozess ausbildete. Zu diesem Zweck baute er einen gemauerten Feinherd von 5 Fuss Höhe und 18 Zoll Durchmesser vor dem Hochofen, den das abgestochene Roheisen passieren musste. Durch zwei seitliche Düsen von ¾ Zoll Durch- messer wurde der Wind durch das Eisen gepresst. Später begnügte er sich mit einer Düse von 1 Zoll Durchmesser. In diesem Gefäss konnte er 1500 Pfund in 5 bis 10 Minuten feinen. Die alten Fein- eisenfeuer wurden ganz entbehrlich. Die aus dem so gefeinten Eisen erzeugten Luppen gaben gutes Kesselblech. Der Prozess war in der ganzen Gegend als Kellys Windkochen (air boiling process) bekannt; doch nahm er kein Patent darauf, angeblich, weil er das Verfahren noch zu verbessern und schmiedbares Eisen zu erhalten hoffte. Erst als Bessemer 1857 mit seiner Erfindung auftrat, suchte er um ein Patent nach und beanspruchte die Priorität. Stahl hat er aber nach seinem eigenen Zugeständnis nie gemacht, sondern nur gefeintes Roh- eisen, auch war sein Apparat hierfür durchaus ungenügend. Kellys Einsprache hatte aber die verhängnisvolle Wirkung, dass Bessemers Patente für ungültig erklärt wurden. Infolgedessen blieb Bessemers Prozess, trotz der Erfolge in Europa, in Amerika viele Jahre fast unbeachtet. Konnte doch Abr. L. Hewitt in seinem Bericht über die Pariser Weltausstellung von 1867 noch den Aufschwung des Bessemer- Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. prozesses in Europa als eine Übertreibung bezeichnen, die dem Erfinder und dem Publikum, nicht aber den Fabrikanten von Nutzen gewesen sei. Indessen hatte damals das Bessemern doch auch in Amerika bereits festen Boden gewonnen. Die ersten Versuche hatte William F. Durfee zu Wyandotte, Michigan, gemacht. Es bildete sich 1863 eine Gesellschaft (Kelly-Pneumatic-Process-Company), welche die Patente von Kelly und R. Mushet erwarb, und Durfee gelang es im September 1864, den ersten Bessemerstahl auf seinem Versuchs- werk zu machen. 1864 hatten Winslow, Griswold und Alexander L. Holley von dem Eisenwerk zu Troy das Recht zur Ausbeutung des Bessemerprozesses für die Vereinigten Staaten erworben und gelang es im Februar 1865 Holley , der den Prozess in England studiert hatte, Bessemerstahl auf einem 1864 erbauten Versuchswerk herzustellen. 1866 kam dann endlich ein Arrangement der verschiedenen Patentinhaber Winslow, Griswold und Morel zustande, wodurch die drei Patente, von Bessemer, Kelly und Mushet , vereinigt (consolidated) und die Rechte an die neugebildete Pneumatic-Steel-Association übertragen wurden. Diese Konsolidation der drei Patente bewirkte eine be- deutende Ermässigung der Patentgebühren, was eine rasche Aufnahme des Bessemerverfahrens zur Folge hatte. Die bis 1870 gegründeten Unternehmungen waren folgende: 1. Wyandotte von der Kelly-Pneumatic-Prozess-Company hatte einen 2½ Tonnen-Konverter, blies die erste Charge im September 1864 und wurde 1869 verlassen. 2. Troy, Versuchswerk von Winslow, Griswold und Holley , ein 2½ Tonnen-Konverter, erstes Blasen im Februar 1865. 1868 brannten die Troy-Werke nieder und wurden hierauf mit verbesserten Einrichtungen wieder aufgebaut. 3. Pennsylvania-Stahlwerke der gleichnamigen Gesellschaft in Steelton (Harrisburg), Dauphin County, Pa.; hatte zwei 7 Tonnen-Konverter, blies die erste Charge im Juni 1867, wozu 1881 drei 8 Tonnen-Konverter hinzukamen. 4. Freedom Eisen- und Stahlwerke zu Lewistown, Mifflin County Pa., mit zwei 5 Tonnen-Konvertern; erstes Blasen am 1. Mai 1868, fallierte 1869 und ging ein. 5. Cleveland-Walzwerk in Cleveland, Ohio, hatte zwei 6½ Tonnen- Konverter, blies die erste Charge am 15. Oktober 1868, besass 1892 zwei 10 Tonnen-Konverter. Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. Die erste Charge in Wyandotte war mit Lake-Superior-Holz- kohlenroheisen, die erste Charge zu Troy mit Crown-Point-Holzkohlen- roheisen erblasen worden, das in beiden Fällen in Flammöfen um- geschmolzen worden war. Die ersten Versuche, das Roheisen im Kupolofen umzuschmelzen, wurden 1865 von J. S. Durfee in Wyandotte gemacht, doch fielen dieselben schlecht aus, weil der Kupolofen zu klein war. Dagegen führte Holley dieses Verfahren am 20. Juni 1865 mit Erfolg in Troy ein. Das Umschmelzen im Kupolofen wurde in Nordamerika früher eingeführt als in England. Die ersten Bessemerstahlschienen wurden in Amerika am 24. Mai 1865 in dem Nord-Chicago-Walzwerk aus Blöcken von Wyandotte unter der Aufsicht von William F. Durfee gewalzt. 1867 wurde in dem Cambria-Walzwerk die erste Stahlschiene in Pennsylvanien aus Bessemerstahl der Pennsylvanian-Steel-Company zu Harrisburg gewalzt. Die Entwickelung des Bessemerprozesses wird durch die Zunahme der Produktion an Blöcken (Ingots) illustriert. Dieselbe betrug: 1867 3000 N.-Tonnen 1868 8500 „ 1869 12000 „ 1870 42000 „ Auch der Siemens-Martinprozess oder offene Herdprozess fand 1867 Eingang in den Vereinigten Staaten. Abraham S. Hewitt von New-York hatte denselben auf der Pariser Weltausstellung kennen gelernt und empfahl das Verfahren Martins , Schmiedeeisenabfälle in einem Roheisenbade einzuschmelzen (pig and scrap method). Siemens’ Regenerativöfen waren 1863 von James Park in seiner Kupferhütte und 1867 von A. Griswold \& Co. in ihrem Walzwerk zu Troy als Schweissöfen eingeführt worden. Die erste Regenerativfeuerung für den offenen Herdprozess wurde 1867 von Frederic J. Slade für die New-Jersey-Stahlwerke, die zweite in demselben Jahre auf dem Nashua-Eisen- und Stahlwerk erbaut. 1868 führten Cooper, Hewitt \& Co. den Martinprozess auf ihrem Eisenwerk zu Trenton, New- Jersey, ein. Mit Gaspuddeln erzielte William F. Durfee den ersten Erfolg auf dem Walzwerk zu Bridgeport, Connecticut, im Jahre 1869. 1869 wurden bereits 50000 Tonnen Stahlschienen, wovon 15000 Tonnen im Inlande hergestellt waren, auf den amerikanischen Eisen- bahnen verlegt. Durch den Morilltarif von 1861, der zum erstenmal einen aus- Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. reichenden Schutzzoll auf fremden Gussstahl legte, war auch für die Tiegelgussstahlfabrikation die Möglichkeit der Entwickelung ge- geben. Nachdem bereits im Jahre 1860 das Gussstahlwerk von Hussey, Wells \& Co. entstanden war, gründeten 1862 Park, Brother \& Co. in Pittsburg ein Gussstahlwerk, welches das erste in den Vereinigten Staaten war, das von Anfang an mit technischem und finanziellem Erfolg arbeitete. 1863 erwarb Dudley S. Gregory das alte Stahl- werk zu Adirondack, Essex County, New-York, und wandelte dasselbe unter H. J. Hoppers erfolgreicher Leitung in ein Gussstahlwerk um. Seitdem nahmen noch andere Werke, namentlich Werkzeugfabriken, die Gussstahlfabrikation auf. Einen sehr guten Chromstahl machte 1869 die amerikanische Werkzeugstahl-Gesellschaft zu Brooklyn; derselbe wurde nach einem patentierten Verfahren von Baur ein- geschmolzen. Die Werkzeugfabriken nahmen einen immer grösseren Auf- schwung. Die grossartige Sägenfabrik zu Keystone bei Philadelphia beschäftigte 1867 600 Arbeiter, ebensoviel die Werkzeugfabrik von Collins \& Co. zu Collinsville, Connecticut, die täglich 3000 Äxte lieferte. Die von Ericson und von Etienne Bernot erfundenen Feilenhaumaschinen wurden in vielen amerikanischen Feilenfabriken eingeführt. In Werkzeugmaschinen zur Eisenbearbeitung zeichneten sich Wood, Light \& Co. in Worcester, Massachusetts, aus, die eine verbesserte Bolzenschneidmaschine und eine doppelte Rändelmaschine erfunden hatten. Die grösste Kunstgiesserei war die von Robert Wood \& Co. in Philadelphia, die schöne Figuren und Statuen goss. Die grössten Ofengiessereien waren in Albany, Troy, New-York, Boston und Philadelphia. 1867 hatte P. H. Roots zu Connelsville das nach ihm benannte Kapselgebläse erfunden. Corliss that sich im Dampf- maschinenbau hervor und erfand 1870 seine Präcisionsdampfmaschine, wofür er die grosse Rumfordmedaille erhielt. Ihr Konstruktionsprincip wurde massgebend und fand rasche Verbreitung. Eine grosse Bedeutung erlangte der Bau eiserner Schiffe. Über das von dem schwedischen Kapitän John Ericsson konstruierte Panzerschiff Monitor, welches von der Firma Winslow und Griswold ausgeführt und dessen Eisenteile auf den Albany-Eisenwerken im Herbst 1861 hergestellt wurden, und das eine so wichtige Rolle in dem amerikanischen Bürgerkriege spielte, haben wir bereits berichtet. Das Schiff wurde am 30. Januar 1862 vom Stapel gelassen und hatte am 9. März seinen berühmten Zweikampf mit dem Panzerschiff Die Vereinigten Staaten 1861 bis 1870. Merrimac. Der Drehturm des Monitor war angeblich eine Erfindung von Theodor R. Timby . Eiserne Handelsschiffe wurden im Jahre 1868 für 2801 Tonnen, 1869 von 4584 und 1870 von 8281 Tonnen Gehalt gebaut. Die Preise waren in diesem Jahrzehnt beträchtlichen Schwan- kungen unterworfen, wie nachfolgende Tabelle zeigt: Die festgesetzten Einfuhrzölle betrugen: DIE GESCHICHTE DES EISENS VON 1870 BIS ZU ENDE DES JAHRHUNDERTS. Einleitung . Mit dem Jahre 1871 beginnt die neueste Zeit in der Ent- wickelung der Eisenindustrie. Sie steht an Grossartigkeit der Fort- schritte hinter keiner früheren Periode zurück und übertrifft alle an Zahl der Erfindungen, der wissenschaftlichen Untersuchungen und der litterarischen Arbeiten. Die seit dem Jahre 1871 veröffentlichten Druckschriften über das Eisen nehmen einen grösseren Umfang ein, als alle Schriften über das Eisen, welche vor dieser Zeit erschienen sind. Wollte man diese umfangreiche Litteratur und die Erfindungen und Vorschläge, welche in den zahllosen Patenten enthalten sind, mit derselben Gründlichkeit bearbeiten, wie dies in der Geschichte der früheren Jahrhunderte geschehen ist, so würde der Umfang des Werkes mindestens auf das doppelte anschwellen. Wir müssen uns daher auf eine kurze Übersicht der wichtigsten Ereignisse und Er- scheinungen dieser Periode beschränken. Es dürfte sogar die Frage aufgeworfen werden, ob es nicht besser gewesen wäre, das Geschichts- werk mit dem Jahre 1870 abzuschliessen, da die Ereignisse der letzten 30 Jahre ja noch im Gedächtnis der Zeitgenossen lebendig sind? Hierzu konnte sich der Verfasser jedoch nicht entschliessen. Ein grosser Teil der wichtigen Ereignisse dieser Zeit, die einen rascheren Schritt genommen hat, als irgend eine der früheren, ist bereits Geschichte geworden und es würde dem Werk der richtige Schluss fehlen, wenn wir ein so wichtiges Ereignis, wie z. B. die Erfindung und die Ausbreitung des Thomasprozesses, unerwähnt lassen wollten. Bildet doch die Frage der Entphosphorung, die Herstellung von gutem Flusseisen aus phosphorhaltigem Roheisen, das Rückgrat der Bestrebungen und Fortschritte der Eisenindustrie in dieser Zeit. Man könnte sehr wohl den ganzen Zeitabschnitt in zwei Teile zerlegen, deren erster, von 1871 bis 1879, das Suchen nach der Entphosphorung des Eisens und deren zweiter, von 1880 bis zur Gegenwart, die Aus- beutung der Entphosphorung enthält. Es ist aber nicht die Absicht, diese wichtige Erfindung zum Ein- teilungsprincip zu machen, es soll vielmehr, wie seither, chronologisch vorgegangen werden, weil dies dem Grundsatz historischer Objektivität am meisten entspricht. So wichtig die Erfindung der Entphosphorung Einleitung 1870 bis 1900. war, so schliesst sie doch nicht alle anderen Fortschritte ein. Es lassen sich vielmehr diese Fortschritte der neuesten Zeit noch von vielen anderen Gesichtspunkten aus betrachten. Von diesen ist ein besonders charakteristischer der der Statistik . Glücklicherweise besitzen wir seit Beginn dieses Zeitabschnittes eine ziemlich aus- reichende Statistik der Eisenerzeugung der wichtigsten Industrieländer. Besonders gut ist dieselbe für Deutschland, die Vereinigten Staaten von Nordamerika und Schweden, sodann für Frankreich, Belgien, Grossbritannien und Russland bearbeitet. In Deutschland ist die Statistik eine Angelegenheit der Reichsregierung; sie wird ergänzt durch die Erhebungen des Vereins deutscher Eisen- und Stahl- industrieller und hat in der Person des Dr. Rentzsch einen vor- trefflichen Bearbeiter gefunden. In den Vereinigten Staaten hat sich die American Iron and Steel Association zu Philadelphia die Statistik der amerikanischen Eisenindustrie seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht und besonders in James M. Swank einen hervorragenden Vertreter gefunden. Werfen wir einen kurzen Blick auf die Ergebnisse der Eisen- statistik. Zahlenmässig entwickelte sich die Roheisenerzeugung der Erde in der Zeit von 1870 bis 1899 wie folgt: Roheisenerzeugung der Erde in 1000 Tonnen . In Kilotonnen Nach der Zusammenstellung von E. Schrödter in Gemeinfassliche Dar- stellung des Eisenhüttenwesens, 4. Auflage, Düsseldorf 1901, S. 68, 69. . Einleitung 1870 bis 1900. Vorstehende Tabelle zeigt zunächst die gewaltige Zunahme der Roheisenerzeugung in dieser Zeit, sie betrug 28464 kt = 234 Prozent. Werfen wir einen Rückblick auf das 19. Jahrhundert, so betrug die Roheisenerzeugung: 1807 760 kt (nach Héron de Villefosse ) 1834 2626 „ (nach Karsten ) 1850 4493 „ (nach Oechelhäuser ) 1860 7287 „ 1870 12146 „ 1899 40610 „ Die Erhöhungen 1899 gegen 1860 betrugen mehr als das 4½ fache, gegen 1850 fast das 8fache, gegen 1834 das 13⅓fache, gegen 1807 das 53fache. Die Zunahme in den einzelnen Ländern in der Zeit von 1870 bis 1899 war eine sehr verschiedene, wie aus nachfolgenden Ziffern ersichtlich ist. Zunahme der Roheisenproduktion 1870 bis 1899 . Das Wachsen der Gesamtproduktion war keineswegs ein stetiges, sondern auch hierin zeigen sich beträchtliche Schwankungen. Trotz des deutsch-französischen Krieges trat in den Jahren 1870/1871 eine starke Steigerung der Eisenproduktion ein und dauerte an bis zum Herbst 1873, wo eine schwere Krisis in den Vereinigten Staaten und der sogenannte Wiener Krach in Europa dieser Aufwärtsbewegung ein Ende machten. Mit dem Jahre 1874 trat in allen Ländern ein Rückgang der Eisenproduktion ein. Die verheerenden Folgen dieses Rückschlages auf den übertriebenen, zum Teil schwindelhaften Auf- schwung blieb lange Zeit fühlbar und kommt in den Produktions- ziffern von 1874 bis 1879 zum Ausdruck. 1880 trat dann plötzlich wieder eine bedeutende Zunahme der Eisenerzeugung ein, haupt- Einleitung 1870 bis 1900. sächlich veranlasst durch die hoffnungsvolle Stimmung, welche durch die wichtige Erfindung der Entphosphorung von Thomas und Gilchrist erweckt worden war. Die Einführung des Thomasver- fahrens bedingte eine Zunahme des Eisenbedarfs, die bis 1883 anhielt. 1884 trat wieder ein Rückschlag ein, der bis 1886 dauerte. 1887 begann eine wachsende Zunahme der Eisenerzeugung, besonders in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, welche im Jahre 1890 Gross- britannien, das über hundert Jahre die erste Stelle unter den Eisen erzeugenden Ländern eingenommen hatte, überflügelte und dauernd aus seiner leitenden Stellung verdrängte. Auf das glänzende Jahr 1890 folgte aber eine Zeit des Niederganges, die bis 1895 dauerte. Seit dieser Zeit nahm die Eisenerzeugung von Jahr zu Jahr zu und schloss mit dem Jahrhundert glänzend ab. Noch stärker schwankt die Eisenerzeugung der einzelnen Länder, wie aus der graphischen Darstellung, Fig. 127, ersichtlich ist. 1870 bis 1885 schwebt die Produktionslinie Grossbritanniens hoch über denen der übrigen Länder mit einer in Wellenlinien aufsteigenden Tendenz bis zu dem Maximum 1883. Von 1885 nimmt plötzlich die amerikanische Produktionslinie, welche bis dahin der englischen Linie ziemlich parallel mit einer nur langsamen Annäherung verlaufen war, eine steile Richtung nach aufwärts an, durchscheidet 1889 die englische Linie, indem sie sich mit der gewaltigen Produktion von 9333 kt im Jahre 1890 über dieselbe und über das Maximum von 1882 (8582 kt) erhebt. Wie erschöpft sinkt die amerikanische Linie 1891 wieder herab, um sich aber 1892 im scharfen Zickzack wieder zu fast gleicher Höhe zu erheben. Dann erst tritt 1892/93 eine starke Ermattung ein, so dass die amerikanische Linie 1894 wieder bis zur britischen herabsinkt; sie schnellt dann 1895 wieder empor, fällt 1896 wieder fast bis zur englischen Kurve zurück, um von da an bis 1899 in raschem Aufsteigen die englische Linie weit unter sich zu lassen. Die beiden Linien geben ein deutliches Bild des intensiven Wettkampfes der beiden grössten Eisenländer. Die fast leidenschaft- liche Energie des amerikanischen Wettbewerbes drückt sich in steilen Auf- und Abwärtsbewegungen, die scharfe Winkel bilden, aus, während Englands Anstrengungen mehr in wellenförmigen Linien zum Aus- druck kommen, die von 1883 bis 1886 und von 1889 bis 1892 ein starkes Fallen zeigen. Von viel grösserer Stetigkeit in steigender Richtung stellt sich die deutsche Produktionslinie dar. Sie erreicht nächst der amerikanischen den grössten Höhenunterschied. Bei der französischen Produktionslinie macht sich zunächst die Wirkung Einleitung 1870 bis 1900. des Kriegsjahres 1870/71 deutlich geltend; darauf folgt aber wieder ein Aufsteigen, welches Zeugnis dafür ablegt, wie rasch sich die französische Eisenindustrie von dem schweren Schlage, den sie durch das Kriegs- jahr erlitten hatte, erholte. Trotz des Verlustes von Elsass und Deutsch-Lothringen, zweier für die Eisenerzeugung sehr wichtiger Provinzen, übertraf die Produktion von 1873 bereits die aller früheren Fig. 127. E = England. A = Amerika, U. S. D = Deutschland. F = Frankreich. B = Belgien. Ö = Österreich-Ungarn. R = Russland. S = Schweden. Jahre und blieb steigend bis 1883, wo sie die Höhe von 2067 Kil.-T. erreichte. Die Handelskrisis von 1873 hat Frankreich viel weniger betroffen als die vorgenannten Länder; dagegen litt es unter der Krisis von 1883 bis 1886 mehr wie Deutschland. Diese beiden grossen Krisen machten sich bei allen Ländern bemerklich, wenn auch lange nicht in dem Masse wie bei den Produktionslinien der beiden grössten Beck, Geschichte des Eisens. 20 Einleitung 1870 bis 1900. Eisenländer, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten von Nord- amerika. Von den übrigen Linien zeigt die russische seit 1885 das grösste Ansteigen. Russlands Produktion übertraf 1891 zum ersten- mal die von Österreich-Ungarn, 1899 sogar die Frankreichs. Fast horizontal verläuft die Linie von Schweden, entsprechend der geringen Zunahme der Roheisenerzeugung von 360 Kil.-T. im Jahre 1870 und 485 Kil.-T. im Jahre 1892. Sie zeigt den grössten Kontrast gegen die Linie der Vereinigten Staaten. Alles Roheisen ist nur ein Zwischenprodukt und dient als Roh- stoff zur Herstellung des Gebrauchseisens. Die einfachste Art der Verarbeitung des Roheisens ist das Umschmelzen und Vergiessen des- selben zu Gusswaren, bei welcher keine chemische Veränderung des Rohmaterials, sondern nur eine Formgebung bezweckt wird. Die Eisengiesserei hat seit 1870 einen grossen Aufschwung genommen, welcher ziemlich mit dem der Roheisenerzeugung Hand in Hand geht. Leider lässt sich keine Statistik der Gusswarenproduktion für die ganze Erde aufstellen, wir müssen uns deshalb begnügen, die Zunahme der Gusswarenerzeugung an dem Beispiel von Deutschland zu zeigen. Gusswarenerzeugung in Deutschland . Diese Zusammenstellung zeigt eine Zunahme der Gusswaren- produktion in der Zeit von 1871 bis 1899 von 361 Prozent, welche nur auf die Zunahme der Gusswaren aus Roheisen kommt, während die Erzeugung der Gusswaren aus Erzen direkt aus dem Hochofen einen weiteren Rückgang erfahren hat. Die bei weitem grösste Menge des Roheisens wird aber zu schmiedbarem Eisen verarbeitet, wobei dasselbe eine chemische Veränderung erfährt. Dieses schmiedbare Eisen ist entweder Schweiss- eisen oder Flusseisen . Unter Schweisseisen werden alle Eisen- und Stahlsorten, welche ursprünglich aus Eisenluppen hergestellt sind, verstanden, während Flusseisen alle Eisen- und Stahlsorten umfasst, welche in flüssigem Zustande gewonnen wurden. Auf den Grund Einleitung 1870 bis 1900. dieser neuen Einteilung und Zeit und Umstände ihrer Einführung werden wir später zurückkommen. Der grosse Aufschwung der Roheisenproduktion hing aufs engste zusammen mit den technischen Fortschritten, sowohl der Roheisen- bereitung selbst, als besonders der Verarbeitung des Eisens zu Guss- waren, Schweisseisen, vornehmlich aber zu Flusseisen. Hinsichtlich des schmiedbaren Eisens stellt sich die ganze Periode als der sieg- reiche Kampf des Flusseisens gegen das Schweisseisen dar . Im Jahre 1870 hatte die Flusseisenproduktion der Welt nur 673 Kil.-T. betragen, die Schweisseisenproduktion dagegen 6749 Kil.-T. Letzteres Quantum erhöhte sich bis 1882 auf 9135 Kil.-T. Von dieser Zeit an nahm es aber langsam ab, so dass es 1892 nur noch 7577 Kil.-T. betrug. Seitdem ging die Schweisseisenerzeugung noch mehr zurück, doch fehlen hierüber zuverlässige Angaben. Sie dürfte 1897 5000 Kil.-T. betragen haben. Die Flusseisenproduktion vermehrte sich dagegen von Jahr zu Jahr und stieg von 1870 bis 1880 von 673 Kil.-T. auf 4192 Kil.-T., bis 1890 auf 11632 Kil.-T. und betrug 1899 25844 Kil.-T. Die Flusseisenerzeugung überholte die des Schweisseisens im Jahre 1887 und übertraf sie 1890 bereits um 3186 Kil.-T., 1899 um mehr als 20000 Kil.-T. Die starke Zunahme seit 1880 rührt von der Erfindung des Thomasverfahrens her. An dem grossen Aufschwung in den neunziger Jahren hatte der Martinprozess einen wichtigen Anteil. Der Grund des Sieges des Flusseisens über das Schweisseisen lag in den überlegenen Eigenschaften des ersteren, wodurch es für die meisten Verwendungen geeigneter und relativ billiger war. Dies gilt besonders von dem Thomaseisen, welches noch mehr wie das Bessemer- eisen in Wettbewerb mit dem Schweisseisen trat. Das Bessemereisen hatte allerdings auch schon die Ausbreitung des Schweisseisens, ins- besondere des Puddeleisens gehemmt, aber wegen seiner Härte und geringeren Schweissbarkeit konnte es das Schweisseisen doch nur teilweise ersetzen. Aus diesem Grunde erfuhr die Schweisseisen- erzeugung der Erde bis zum Jahre 1882 immer noch eine Steigerung, von da an trat aber infolge der erfolgreichen Konkurrenz des Thomas- eisens eine, wenn auch anfänglich nur geringe, Abnahme in der Schweisseisenerzeugung ein. Nachfolgende Tabelle giebt hierüber näheren Aufschluss. 20* Einleitung 1870 bis 1900. Schweisseisenproduktion der Erde 1870 bis 1897 . In Kilotonnen. Die Zu- und Abnahme der Schweisseisenerzeugung schwankt ungleich in den verschiedenen Ländern, Grossbritannien zeigt den Höchststand im Jahre 1870, Frankreich, Österreich, Schweden im Jahre 1882, Belgien 1887, Deutschland 1889 und die Vereinigten Staaten 1890. Während das Schweisseisen eine Verteidigungsstellung annahm und seit den neunziger Jahren zurückgedrängt wurde, zeigt die nach- folgende Zusammenstellung den Siegeslauf des Flusseisens. Flusseisenerzeugung 1870 bis 1899 . In Kilotonnen. Einleitung 1870 bis 1900. An diesem Aufschwung hat der 1879 eingeführte Thomasprozess einen wichtigen Anteil. Thomasstahlerzeugung seit 1879 . In Kilotonnen. Deutschland hatte von Anfang an die führende Rolle in der Thomasstahlerzeugung eingenommen. Die englische Produktion betrug noch nicht ein Viertel der deutschen. Das Flusseisen umfasst erstens das durch den pneumatischen Prozess erzeugte Produkt, und zwar erhält man durch das sogenannte saure Verfahren Bessemereisen und Bessemerstahl, durch den basi- schen Prozess Thomaseisen und Thomasstahl; zweitens das durch den Flammofenschmelzprozess erzeugte Metall, das Flammofenfluss- eisen oder den Martinstahl (richtiger Siemens-Martin-Flusseisen); drittens den Tiegelgussstahl oder den eigentlichen Gussstahl. Hiervon hat in den letzten 25 Jahren der Bessemerstahl den grössten Anteil geliefert. Die amerikanische Bessemerstahlfabrikation hat in dieser Zeit einen ganz besonders grossartigen Aufschwung genommen. Kein Land der Welt besitzt aber auch so mächtige Ablagerungen reicher, phosphorarmer Erze, welche für diesen Prozess so besonders geeignet sind, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die Bessemerstahlerzeugung der Vereinigten Staaten betrug 1870 38 Kil.-T., 1880 1203 Kil.-T., 1890 3746 Kil.-T., 1899 7708 Kil.-T. In Gross- britannien entwickelte sich ebenfalls der Bessemerprozess in hervor- ragender Weise, begründet zum Teil auf den reinen Cumberländer Hämatiten, hauptsächlich aber auf der Einfuhr spanischer und afri- kanischer Erze. An Bessemerstahl wurden erzeugt 1870 215 Kil.-T., 1880 1051 Kil.-T., 1890 1511 Kil.-T. neben 503 Kil.-T. Thomasstahl, 1898 1275 Kil.-T. neben 512 Kil.-T. Thomasstahl. In Deutschland hat zwar ebenfalls die Bessemerstahlfabrikation seit 1870 eine grosse Einleitung 1870 bis 1900. Steigerung erfahren, doch hat seit 1879 der Thomasprozess sich in ganz besonders glänzender Weise entwickelt, weil Deutschland an phosphorhaltigen Erzen reich ist, während es die reinen Hämatiterze für den sauren Prozess grösstenteils aus dem Auslande beziehen musste. In welch verschiedenem Verhältnis sich die Bessemerstahlfabri- kation zu der Fabrikation von Thomasstahl, Flammofenflussstahl und Tiegelgussstahl in den drei Haupteisenländern entwickelt hat, zeigt folgende Zusammenstellung. Prozentualer Anteil der Erzeugungsarten an der ganzen Flussstahlerzeugung . Die Erfindung des Thomasprozesses, welcher ja bekanntlich nichts anderes ist als ein Bessemern mit basischem Futter, führte auch zu einer Reform der Flammofenflussstahlfabrikation durch die Erfindung des sogenannten Siemens-Martin-Prozesses . Auch hierfür wendete man mit Erfolg die basische Ausfütterung an, infolgedessen man mit geringwertigeren Roheisensorten ein besseres, weicheres Material erhielt, welches imstande war, das Schweisseisen zu ersetzen. Das „Martinieren“ erhielt dadurch eine ganz andere Bedeutung und Wichtigkeit. Während in Grossbritannien z. B. die Produktion von Flammofenflussstahl von 1870 bis 1880 von 11 Kil.-T. nur bis auf 251 Kil.-T gestiegen war, betrug sie 1890 1564 Kil.-T., 1898 2852 Kil.-T. In Österreich-Ungarn betrug die Flammofenstahlerzeugung 1870 0,3 Kil.-T., 1880 28,5 Kil.-T. und 1890 212 Kil.-T., 1896 537 Kil.-T., wovon 514 Kil.-T. im basischen Herdofen geschmolzen waren. Die Vereinigten Staaten von Nord- amerika lieferten 1870 1,4 Kil.-T., 1879 50,9 Kil.-T., 1880 102,2 Kil.-T., Einleitung 1870 bis 1900. 1890 521,5 Kil.-T., 1898 2256 Kil.-T. Deutschland erzeugte 1880 3,6 Kil.-T., 1899 1721 Kil.-T. Martinflusseisen, wovon 1694 Kil.-T. auf basischem Herde hergestellt waren. Solange man auf den sauren Prozess allein angewiesen war, spielte der Siemens-Martinprozess nur eine untergeordnete Rolle. Er diente meist als ein Hülfsprozess, um die Flusseisenabfälle besonders bei der Schienenfabrikation vorteilhaft verwerten und in ein brauchbares Produkt überführen zu können, wobei man kaum daran dachte, bessere Qualitäten zu erzielen. Nach Einführung des basischen Futters erhielt man ein viel verwendbareres Produkt und jetzt erst begann das Flamm- ofenflusseisen dem Flammofenschweisseisen ernstlich Konkurrenz zu machen und den Puddelprozess einzuschränken. Die wachsende Bedeutung des basischen Flussstahls ergiebt sich aus folgenden Produktionsziffern: Erzeugung von Flusseisen . In Kilotonnen. Aber auch für den Stahlguss fing das Flussmetall jetzt an, eine grosse Wichtigkeit zu erlangen, und namentlich für Gussstücke, welche zäh und fest sein mussten, das Gusseisen zu verdrängen. Es fand eine so grosse Verschiebung in der Verwendung der nach dem alten und nach dem neuen Verfahren dargestellten Eisensorten statt, dass sich die alten Bezeichnungen als unzulänglich erwiesen und eine ganz neue Einteilung und Benennung der schmiedbaren Eisensorten not- wendig wurde. Hierzu trug ganz besonders der Umstand bei, dass sich ganz allgemein und überall der falsche Sprachgebrauch ein- gebürgert hatte, alles Flusseisen, d. h. alles im Erzeugungszustand flüssige Eisen als Stahl zu bezeichnen. Die Produkte des Bessemer- und Martinverfahrens nannte man in der Praxis stets Bessemerstahl und Martinstahl, obgleich der grössere Teil weiches, nicht härtbares Eisen war. Gegen die Bezeichnung Bessemerstahl hatten in England die Stahlfabrikanten von Anfang an protestiert. Sie fassten es als un- lauteren Wettbewerb auf, dass dieses minderwertige Produkt als Stahl Einleitung 1870 bis 1900. bezeichnet wurde. Die Producenten und die Händler hatten aber das entgegengesetzte Interesse und da letztere das Ohr des Publikums besassen, so bürgerte sich der Name Bessemerstahl für alle Produkte des Prozesses, ob hart oder weich, trotz des Ankämpfens dagegen, ein. Die Vertreter der Wissenschaft und Sir Henry Bessemer selbst erkannten dem Widerspruch der Gussstahlfabrikanten eine gewisse Berechtigung zu. Sie versuchten die Bezeichnung Bessemerstahl durch Bessemermetall und Homogenmetall zu ersetzen. Dieser Versuch blieb aber ohne Erfolg, da man im Handel und Verkehr an der bequemen Bezeichnung Stahl festhielt. Anfangs, solange die Er- zeugung eines stahlähnlichen Produktes das ausschliessliche Bestreben des Bessemerprozesses war, konnte man sich noch bei dieser Bezeich- nung beruhigen, nachdem man aber bei der weiteren Entwickelung des Verfahrens dazu überging, absichtlich weiches Eisen von geringerem Kohlenstoffgehalt zu erzeugen, musste die Bezeichnung auch dieses Materials als Stahl zu Verwirrungen führen. Der wissenschaftliche Begriff Stahl deckte sich nicht mehr mit der Anwendung des Aus- drucks in der Praxis. Man suchte deshalb bereits in den sechziger Jahren nach einer anderen Definition für den Begriff Stahl und nach einer anderen Einteilung der Eisen- und Stahlsorten. Ad. Greiner , Direktor zu Seraing, machte 1869 den Vorschlag, als Stahl alles schmiedbare Eisen, welches vorher geflossen gewesen sei, als Schmiedeeisen alles, welches aus Luppen, d. h. aus einem teigartigen Zustande erhalten worden sei, zu bezeichnen. Gegen diese radikale Reform, welche allerdings dem Begriff Stahl grosse Gewalt anthat, erhoben Gruner in Frankreich, J. Percy und Dr. W. Siemens in England, H. M. Howe in Amerika, Tunner in Österreich und andere Widerspruch. Dennoch fand der Gedanke, dass der Ent- stehungszustand des Eisens die Grundlage der Einteilung bilden müsse, mehr und mehr Anklang. Dr. H. Wedding hatte in Deutschland bereits 1869 für alle aus flüssigem Zustand gebildete Eisensorten die bezeichnenden Namen „Flussstahl“ und „Flusseisen“ in Vorschlag gebracht, die sich bald einbürgerten. Den aus Erzen erhaltenen Stahl bezeichnete er als „Erzstahl“, den Cementstahl als „Kohlen- stahl“; letztere Bezeichnung fand jedoch keinen Anklang. Je mehr die Verwendung von „Flussstahl“ zunahm, je dringender wurde das Bedürfnis für eine allgemein gültige Bezeichnung und Ein- teilung der Eisensorten. Im Jahre 1876 trat deshalb bei Gelegenheit der amerikanischen Weltausstellung in Philadelphia ein Komitee zur Regelung dieser Frage zusammen. Darin waren vertreten England Einleitung 1870 bis 1900. durch J. Lowthian Bell , die Vereinigten Staaten von Nordamerika durch A. L. Holley und Thomas Egleston , Deutschland durch Dr. H. Wedding , Frankreich durch L. Gruner , Österreich durch P. Tunner und Schweden durch Rich. Åkerman . Man nahm den Entstehungszustand, ob flüssig oder teigig, als Prinzip der Einteilung für die schmiedbaren Eisenarten an und verständigte sich im allgemeinen über folgendes Schema Siehe Dr. H. Wedding , Handbuch der Eisenhüttenkunde III, S. 796, Anmerkung. : Die Kommission begründete ihren Beschluss folgendermassen: „In Berücksichtigung, dass die in neuerer Zeit entwickelte Er- zeugung von weichen, gegossenen, schmiedbaren Eisenverbindungen durch den Bessemer-, Siemens-Martin- und Tiegelstahlprozess eine neue Nomenklatur der Eisenverbindungen zu erheischen scheint und zwar aus folgenden Gründen: 1. Das Wort „Stahl“, womit diese weichen Erzeugnisse im Handel- und Gewerbeverkehr in England und in den Vereinigten Staaten bezeichnet werden, scheidet diese Erzeugnisse nicht in scharfer Weise von denjenigen, welche man bisher Stahl genannt hat und welche sich härten und tempern lassen; 2. die Aufstellung einer in allen Sprachen anerkannten Nomen- klatur erscheint wünschenswert, sowohl für den Handel als für die Wissenschaft und dies um so mehr, als die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten, die in der That begonnen haben, von der Bedeutung des Begriffs „Stahl“ abhängig ist; 3. obgleich homogenes Gefüge, wie solches durch die Schmelzung erzeugt wird (homogenity due to fusion) als das bestimmteste Merkmal von weichem sowohl als hartem Stahl gewöhnlich und insbesondere auch von dieser Kommission anerkannt wird, so Einleitung 1870 bis 1900. kann doch das Vorhandensein dieses Gefüges auch auf andere Weise gedeutet und sonach die alte Bezeichnung „Stahl“ den- jenigen Eisenverbindungen belassen werden, welche man härten und tempern kann; — deshalb beschliesst die Kommission, folgende Nomenklatur zur Annahme zu empfehlen: 1. Alle geschmiedeten Eisenverbindungen von gewöhnlicher Zu- sammensetzung, welche entweder aus teigigen Massen der durch Paketierung oder auf irgend eine andere Weise, Schmelzung ausgenommen, hergestellt sind und welche sich nicht merkbar härten und tempern lassen, und welche überhaupt denjenigen Stoffen gleichen, die jetzt als „Schmiedeeisen“ bezeichnet werden, sollen Schweisseisen (engl.: weld iron, franz.: fer soudé, schwed.: vällmetall) genannt werden. 2. Wenn so dargestellte Verbindungen sich aus irgend einer Ursache härten und tempern lassen und demselben Stoffe gleichen, welcher jetzt „Puddelstahl“ genannt wird, so sollen dieselben als Schweissstahl (engl.: weld steel, franz.: acier soudé, schwed.: vällstål) bezeichnet werden. 3. Alle schmiedbaren Eisenverbindungen von gewöhnlicher Zu- sammensetzung, welche durch Giessen aus einem flüssigen Zustande erhalten worden sind und welche dadurch, dass man sie zur Rotglut erhitzt und in Wasser abkühlt, sich nicht merklich härten, sollen Flusseisen (engl.: ingot iron, franz.: fer fondu, schwed.: gotmetall) genannt werden. 4. Alle solche Eisenverbindungen, wie unter 3. beschrieben, welche aber aus irgend einer Ursache sich auf dem angegebenen Wege härten lassen, sollen Flussstahl (engl.: ingot steel, franz.: acier fondu, schwed.: gotstål) heissen.“ Die von der Kommission vorgeschlagene Nomenklatur fand An- nahme und ist heute ziemlich allgemein in Anwendung. Anders verhielt es sich mit der obigen, von Dr. H. Wedding zuerst mit- geteilten Einteilung. Dieselbe stiess auf zahlreichen Widerspruch, weil das, was man seither als Stahl unter einer einfachen Bezeichnung zusammengefasst hatte, durch dieses Schema ganz auseinandergerissen wurde. Puddelstahl, Cementstahl und Raffinierstahl gehörten zum Schweisseisen, Gussstahl dagegen zum Flusseisen. Die Erörterung dieser Frage rief eine weitläufige Litteratur hervor. Das Ergebnis des Kampfes war, dass man in Deutschland, Österreich und Schweden an obiger Einteilung festhielt, während man in England, Frankreich Einleitung 1870 bis 1900. und den Vereinigten Staaten eine abgeänderte Einteilung, welche zwar weniger logisch, dem Sprachgebrauch aber angepasster war, annahm. Dr. Wedding , der an der Einführung der erstgenannten Einteilung einen hervorragenden Anteil hat, nennt die ersteren deshalb die germanische Namenbezeichnung, während er die andere, nach- folgende Einteilung die amerikanische oder neuerdings die romanische Namenbezeichnung nennt Wedding , Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., I, S. 21. . Diese ist wie folgt: Bei dieser Einteilung fällt alles Flusseisen unter „Stahl“ und wird hier das, was in der germanischen Namenbezeichnung Fluss- schmiedeeisen heisst, nicht härtbarer Stahl genannt, was freilich ein starker Widerspruch ist, indem doch gerade die Härtbarkeit von jeher das wichtigste Unterscheidungsmerkmal des Stahls war. Es muss erwähnt werden, dass für diese Einteilung wenigstens in den Vereinigten Staaten zollpolitische Gründe mitgewirkt haben. Im Anschluss an diese Einteilung unterschied man bei den amerikanischen Eisenbahnen alles Eisen in 1. Roheisen, 2. Gusseisen, 3. Schweisseisen, 4. Schweiss- stahl, 5. Flusseisen, 6. Flussstahl; die Bezeichnungen Schmiedeeisen und Gussstahl fielen fort. Die technischen Fortschritte , welche die ausserordentlichen Leistungen der letzten 25 Jahre ermöglichten und welche sich auf alle Gebiete der Eisenindustrie erstrecken, werden wir in den folgenden Abschnitten erörtern. Diese Fortschritte wurden erzielt durch chemisch-metallurgische Verbesserungen, unter denen die Anwendung basischer Auskleidungen von besonderer Wichtigkeit waren, durch Verbesserungen der Brennstoffe und der Verbrennung, wodurch es gelang, höhere Temperaturen in grösseren Apparaten dauernd zu erzielen und endlich durch Verbesserung der mechanischen Hülfs- mittel, worunter namentlich die immer mannigfaltigere und grossartigere Verwendung des hydraulischen Druckes hervorzuheben ist. Anregung zu diesen Fortschritten gaben die immer allgemeinere Verwendung des Eisens und die Steigerung der Anforderungen an die Qualität des Produktes. Letztere zwangen dazu, die Eisenfabrikate viel genauer zu untersuchen und zu prüfen wie früher. Die Hütten- laboratorien erhielten eine erhöhte Wichtigkeit und Bedeutung und Einleitung 1870 bis 1900. wo diese nicht mehr ausreichten, traten grosse Versuchsanstalten, welche vom Staate an den technischen Hochschulen und Akademieen oder auch von grösseren Verbänden ins Leben gerufen wurden, erfolg- reich ein. Eine weitere Anregung gaben die immer häufiger werdenden Aus- stellungen, unter denen die grossartigen Weltausstellungen von ganz besonderer Wirkung waren. Sie verbreiteten nicht nur technische Kenntnisse und regten zum Wettkampf an, sondern sie erweiterten auch den Gesichtskreis, weckten das Interesse und die Achtung vor den Leistungen anderer Nationen, sie knüpften auf dieser Grundlage freundschaftliche Bande und erzeugten das, was wohl die schönste Errungenschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist, das Gefühl internationaler Gemeinschaft auf dem Gebiete der Technik. Allerdings hatten die Weltausstellungen auch ihre Schattenseiten. Dadurch, dass sie durch Schaugepränge grosse Massen von Besuchern anzulocken suchten, und jede nachfolgende bestrebt war, die vorher- gehende zu übertreffen, nahmen sie immer mehr den Charakter riesiger Weltjahrmärkte an und wurden für die Aussteller immer kostspieliger. Die Vorteile überwogen aber die Nachteile, ganz be- sonders der erziehliche Vorteil für die Gesamtheit. Die erste grosse Weltausstellung in dieser Periode war die zu Wien im Jahre 1873. Sie fiel in das Ende des grossen industriellen Aufschwungs und in den Anfang der grossen Krisis, die man deshalb in Deutschland oft als den „Wiener Krach“ bezeichnete. Die Eisen- industrie Österreichs und Deutschlands waren auf dieser Ausstellung vorzüglich vertreten. Die deutsche Reichsregierung hatte auf ein würdiges Auftreten besonderen Wert gelegt, weil das geeinigte Deutsch- land zum erstenmal an einer Weltausstellung teilnahm. Die Zahl der Aussteller betrug 39500, die der Besucher 7254687. 1876 folgte die grosse Weltausstellung zu Philadelphia, zugleich als Jubelfeier der einhundertjährigen Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Nord- amerika (Centennial Exhibition). Sie war von Europa gut beschickt. Von Deutschland nahmen 1001 Aussteller daran teil. Diese Aus- stellung, welche die Veranlassung gab, dass viele europäische und besonders auch deutsche Techniker und Eisenfachleute Amerika besuchten und die amerikanische Eisenindustrie aus eigener An- schauung kennen lernten, knüpfte die Bande zwischen der euro- päischen und amerikanischen Eisenindustrie weit inniger wie zuvor, woraus der Entwickelung des Eisenhüttenwesens beider Gebiete Vorteil erwuchs. Einleitung 1870 bis 1900. 1878 folgte die dritte Weltausstellung zu Paris, welche einen glänzenden Verlauf nahm. Obgleich die deutsche Industrie dieselbe nicht beschickte, so nahmen doch nicht weniger als 53000 Aussteller daran teil, also mehr als die dreifache Anzahl wie bei der ersten Londoner Ausstellung, und die Menge der Besucher betrug 16226742. 1879 bis 1881 folgten die zwei Weltausstellungen zu Sydney und Melbourne, wodurch die Eisenindustrie der europäischen Staaten Ge- legenheit fand, mit Australien in nähere Beziehung zu treten. — Von geringerer Bedeutung waren die sogenannten Weltausstellungen zu Moskau 1882, zu Amsterdam 1883, zu Nizza und Calcutta 1883/84 und zu Antwerpen 1885. 1889 fand dagegen wieder eine grossartige Weltausstellung zu Paris statt, auf welcher das Eisen in dem bis dahin höchsten Bau- werke der Welt, dem „Eiffelturm“, von dem Ingenieur Eiffel ganz aus Eisen konstruiert, einen „hervorragenden“ Triumph feierte. An äusserem Glanz überstrahlte diese Ausstellung alle früheren, man zählte 32½ Mill. Besucher. 1893 erfolgte die noch viel grossartiger angelegte Weltausstellung zu Chicago, zugleich als 400jährige Jubelfeier der Entdeckung von Amerika durch Christoph Columbus (Columbian Exhibition). In ihr war die deutsche Eisenindustrie vorzüglich vertreten, besonders bildeten Friedrich Krupps Stahlerzeugnisse für Krieg und Frieden den Glanzpunkt der Ausstellung. Im Jahre 1900 fand die fünfte grosse Weltausstellung in Paris statt, die alle vorhergegangenen an äusserem Glanz übertraf. Wenn die Ausstellungen auch vielfach die Anregung dazu gaben, dass die Eisenhüttenleute der verschiedenen Länder und Weltteile in nähere Beziehungen zu einander traten, so waren es vor allem die Fachvereine , welche diese Anregung aufnahmen und in Thaten um- setzten. Ihnen gebührt deshalb ganz besonderes Verdienst an dem grossen Werk internationalen Ideenaustausches und internationalen Zusammenwirkens. In Grossbritannien war es das Iron and Steel Institute , welches den Kreis seiner segensreichen Thätigkeit erweiterte, indem es von Zeit zu Zeit seine Wanderversammlungen ausserhalb der heimischen Grenzen in das Ausland verlegte; so hielt es Versammlungen ab in Paris, Philadelphia, Düsseldorf (1880) u. s. w. Es lud hervorragende Fachleute zur Abhaltung von Vorträgen ein und ehrte die bedeutend- sten derselben durch Verleihung der goldenen Bessemermedaille. Einleitung 1870 bis 1900. In Deutschland war es der Verein deutscher Ingenieure , besonders aber der seit dem 28. November 1880 davon abgezweigte Verein deutscher Eisenhüttenleute Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 826. , welche in diesem Sinne wirkten und die Beziehungen zu den verwandten britischen und ameri- kanischen Vereinen pflegten. Hatten schon 1876 eine grosse Zahl von Mitgliedern des erstgenannten Vereins Amerika besucht, so folgten 1890 136 Mitglieder des Vereins deutscher Eisenhüttenleute und an 300 Mitglieder des Iron and Steel Institute einer Einladung des American Institute of Mining Engineers zur Besichtigung der grossen Eisen- und Stahlwerke der Vereinigten Staaten. Der Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller wirkte ausser für die heimischen Interessen namentlich auf dem Gebiete des Unfallwesens, hauptsächlich für die Statistik. Dieselbe Rolle spielte in Amerika die schon früher genannte American Iron and Steel Association, während unter den zahlreichen Fachvereinen das American Institute of Mining Engineers die erste Stelle einnahm. 1889 hatten 270 Mitglieder desselben eine Infor- mationsreise nach England gemacht, bei welcher Gelegenheit auch 45 derselben auf Einladung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute Rheinland und Westfalen besuchten. Ähnliche Vereine waren in Belgien und Frankreich entstanden. Dieser wechselseitige Verkehr wirkte in hohem Masse anregend. Einen wichtigen Anteil an den Fortschritten dieser Periode nehmen auch die Lehranstalten , von denen sich die in Deutsch- land und Österreich eines alten Rufes erfreuten. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika machte das technische Unterrichtswesen ganz besondere Fortschritte. Das mächtigste Förderungsmittel für die Entwickelung der Eisen- hüttenkunde war aber die Litteratur , die sich in grossartiger Weise während der letzten 25 Jahre entfaltete. Bei der Raschheit der Fortschritte erlangte die periodische Litteratur, welche in zahlreichen Fachzeitschriften zum Worte kam, ganz besondere Bedeutung. Daneben erschienen Monographieen in grosser Zahl. Bei alledem blieb aber die Buchlitteratur nicht zurück und erschienen in dieser Zeit eine ganze Reihe vorzüglicher Lehr- und Handbücher über Stahl und Eisen. Wir müssen uns auf ein Verzeichnis der wichtigsten litterarischen Erscheinungen beschränken Der Raum gestattet es nicht, auf die zum Teil vorzüglichen Veröffent- lichungen der Zeitschriften im einzelnen einzugehen. Wer sich hierüber unter- . Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870. Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870. Allgemeines. Geschichte. Statistik . Greenwood , Metallurgy. 1874. Jordan , Album du cours de métallurgie. Paris 1875. Lindheim, W. von , Beiträge zur Beurteilung der Lage der Eisenindustrie. Lindheim, W. von , Kohle und Eisen im Weltverkehr. 1865 bis 1876. Pechar , A., Kohle und Eisen in allen Ländern. Berlin 1878. Ledebur , A., Die Öfen für metallurgische Zwecke. 1878. Gruner , M. L., Traité de Métallurgie. 1875 bis 1878. Gruner L., Abhandlungen über Metallurgie, übersetzt von Fr. Kuppelwieser 1877. Siemens , Dr. W., Einige wichtige technische Fragen der Gegenwart. 1879. Balling , C. A. W., Grundriss der Elektrometallurgie. 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Zeitschrift für Gewerbe, Handel und Volkswirtschaft, mit besonderer Berück- sichtigung des Berg- und Hüttenwesens (herausgegeben vom Oberschlesischen Verein). Zeitschrift des Vereins deutscher Eisenhüttenleute. Düsseldorf (1881 bis 1883 I. bis III. Jahrgang). Stahl und Eisen. Zeitschrift für das deutsche Eisenhüttenwesen. Düsseldorf (seit 1881). Der Berggeist. Zeitung für Berg-Hüttenwesen und Industrie. Köln. Zeitschrift des Oberschlesischen Berg- und Hüttenmännischen Vereins. Breslau und Beuthen. Zeitschrift des Berg- und Hüttenmännischen Vereins für Steiermark und Kärnten (von Höfer und Fuchs ). Klagenfurt, seit 1869. Mitteilungen des Vereins für die berg- und hüttenmännischen Interessen des Aachener Bezirks. Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure. Der Civilingenieur. Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses. Revue universelle des mines, de la métallurgie, des travaux publics etc. (de Cuyper et Habet). Paris et Liège, seit 1867. 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Oktober in Kraft trat. Während die Gesamtzahl der Patente von 1617 bis 1852 nur 14359 betragen hatte, wurden in den folgenden 16 Jahren, 1853 bis 1869, 55886 neue Patente erteilt. Seitdem ist die Zahl der Anmeldungen und Patentverteilungen von Jahr zu Jahr gewachsen. 1893 wurden rund 17000 Patente bewilligt. Übersicht der Litteratur zur Eisenindustrie seit 1870. Noch stärker war die Zunahme der Patente in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Dort war an Stelle des Gesetzes vom 4. Juli 1836 am 4. März 1861 ein neues Patentgesetz getreten. Die Zahl der erteilten Patente betrug: 1855 2024, 1860 4819, 1865 6616, 1867 13015, 1889 22080. In der Zeit von 1877 bis 1896 wurden auf Grund von 655806 Anmeldungen 390700 Patente erteilt. Die Zahl der jährlichen Anmeldungen ist von 765 im Jahre 1840 auf 40753 im Jahre 1892 gestiegen. Die Zahl der öffentlichen Patente betrug Ende 1850 12421, Ende 1892 491507. In Frankreich war am 5. Juli 1844 ein neues Patentgesetz in Wirksamkeit getreten. Die Zahl der Patente betrug: 1852 2855, 1854 4088, 1856 4400, 1859 5439. In Österreich trat am 15. August 1852 ein verbessertes Patent- gesetz in Kraft. Dasselbe beruht, wie das französische, auf dem Anmeldesystem, während in Deutschland, England und den Ver- einigten Staaten die Vorprüfung besteht. Die Zahl der 1864 bis 1870 erteilten Patente betrug im jährlichen Durchschnitt 676, im ganzen 4734. Ein neues Patentgesetz ist mit dem 1. Januar 1899 in Kraft getreten. In Deutschland war die Patentgesetzgebung in den einzelnen Bundesstaaten durchaus verschieden. In Preussen war die Patent- ordnung vom 14. Oktober 1815 sehr ungünstig für den Erfinder, so dass sie mehr die Beschränkung als die Förderung von Erfindungen bewirkte. Dies wurde vollständig geändert durch das Patentgesetz des Deutschen Reiches vom 25. Mai 1877 und die Novelle vom 7. April 1891. Hierdurch wurde den Erfindern derselbe Schutz und dieselben Vorteile gewährt wie in den übrigen Industrieländern. Die Folge war, dass die Zahl der Erfindungen und der Erfindungs- patente eine ausserordentliche Zunahme erfuhr zum Nutzen der deutschen Industrie und zum Vorteil des Deutschen Reiches. Die Zahl der erteilten Patente betrug: 1877 190 1878 4200 1879 4410 1880 3966 1881 4339 1882 4131 1883 4848 1884 4459 1885 4018 1886 4008 1887 3882 1888 3923 1889 4406 1890 4680 1891 5550 1892 5900 1893 6430 1894 6280 1895 5720 1896 5410 1897 5440 Chemie seit 1870. Die Zahl der Anmeldungen von 1877 bis 1893 betrug 157186, der erteilten Patente 73340. Im September 1898 wurde das 100000. Patent auf Grund von rund 220000 Anmeldungen erteilt. In den Vereinigten Staaten hatte Ende 1899 die Menge der Patente die Zahl 600000 überschritten. Da zu jedem Patent eine Patentverschreibung gedruckt und ver- öffentlicht wird, so lässt sich aus den vorstehenden Zahlen ermessen, welchen Umfang diese Litteratur erlangt hat. Chemie. Die Chemie hat zu den grossen Fortschritten der Eisenindustrie seit 1870 in hervorragender Weise beigetragen. Sie durchdringt und beherrscht jetzt alle metallurgischen Betriebe in einer Weise, wie man es früher nicht gekannt hat. Ihr Einfluss hat sich besonders nach zwei Richtungen hin geltend gemacht, erstens in der theoretischen Begründung der Eisenhüttenkunde, zweitens in der praktischen Kontrolle des Eisenhüttenbetriebes. Zu der theoretischen Begründung gehören die genaueren Kenntnisse der Konstruktion der Eisenarten, des Verhaltens und des Einflusses der wichtigsten Gemengteile, besonders des Kohlenstoffs, Siliciums, Phosphors, Schwefels und Mangans, der Gase, welche in Eisen und Stahl gelöst sind, der metallurgischen Vorgänge, insbesondere bei dem neu erfundenen Thomasprozess, der Wärmechemie u. s. w. Die praktische Kontrolle des Betriebes durch die Chemie ist eine viel weitergehende geworden wie früher. In den fünfziger Jahren sah man das Hüttenlaboratorium, das man nur auf Hochofen- werken antraf, noch als eine Art von Luxus an, den sich nur die grösseren Hütten gestatten konnten. Auch in den sechziger Jahren blieben die Hüttenlaboratorien meist auf die Hochofenwerke beschränkt, wo ihre Aufgabe darin bestand, die Qualität der Erze, Zuschläge und Brennmaterialien und die richtige Beschickung der Hochöfen zu kontrollieren. Roheisenanalysen wurden nur ausnahmsweise vor- genommen, und man beschränkte sich in der Regel auf die qualitative Ermittelung eines der als schädlich angesehenen Stoffe. Mit der wachsenden Bedeutung der Flusseisenfabrikation wuchs aber auch die Bedeutung der Analyse des Roheisens als deren Rohstoff, von dessen Zusammensetzung das Gelingen des Prozesses und die Qualität des Endproduktes abhängig war. Allmählich wurde die Roheisenanalyse der Angelpunkt der Betriebskontrolle. Nach ihr wurde der Hochofen- Chemie. betrieb abgeändert, nach ihr musste die Flusseisenfabrikation ein- gerichtet werden. Auch für den Roheisenhandel wurde die chemische Analyse unentbehrlich. Für das Fabrikat selbst blieb zunächst die mechanische Prüfung nach dem Zweck der Verwendung massgebend, da diese aber in erster Linie von der chemischen Zusammensetzung abhängig war, so bildete auch für diese die Analyse die unentbehr- liche Kontrolle. Wenden wir uns zu den Fortschritten der Metallurgie des Eisens Ausführliche Mitteilungen hierüber findet man in Dr. H. Weddings Hand- buch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., Bd. I, 1891. , welche wir der Chemie in den letzten 25 Jahren verdanken, so müssen wir vor allem die Nebenbestandteile des Eisens einzeln betrachten. Von diesen ist der Kohlenstoff bei weitem der wichtigste, denn er bedingt am meisten die Eigenschaften der verschiedenen Eisen- arten. Sämtliche zur Verwendung kommenden Eisenarten sind Eisen- Kohlenstoffverbindungen (Legierungen oder Lösungen), und es ist der Kohlenstoff nicht als ein fremder Bestandteil derselben anzusehen. Das Eisen vermag Kohlenstoff nur in beschränkter Menge aufzulösen. Bestimmte einfache Eisen-Kohlenstoffverbindungen sind bis jetzt nicht mit entschiedener Sicherheit nachgewiesen, wenn auch ihre Existenz wahrscheinlich ist. Das von Karsten angenommene Viertelkarburet Fe 4 C, welches das Spiegeleisen bilden soll, besteht für sich nicht, indem das reine Eisen nicht so viel Kohlenstoff aufzunehmen vermag, als dieser Verbindung entsprechen würde. Es müssten dies 5,08 Prozent sein. Percy hatte durch die sorgfältigen Versuche seiner Assistenten Dick und Hochstätter im Jahre 1862 bereits gezeigt, dass reines Eisen so viel Kohlenstoff nicht aufzulösen vermag; Dick fand 4,56 Prozent, Hochstätter 4,63 Prozent als Maximum. Mannesmann erhielt im Jahre 1879 durch rasches Glühen von reinstem Schmiedeeisen in Holzkohle bei starker Weissglut eine Rinde von weissem Roheisen mit 4,76 Prozent Kohlenstoff. Saniter erhielt beim Schmelzen von reinem Eisendraht mit Lampenruss und gebranntem Kalk in einem Tiegel einen Metallkönig mit 4,81 Prozent Kohlenstoff Journal of the Iron and Steel Institute 1886, II, p. 770; Stahl und Eisen 1897, S. 957. . Bei sehr hoher Temperatur nimmt die Lösungsfähigkeit allerdings zu. Nach Moissan löst Eisen bei 3500° C. 40 Prozent Kohlenstoff. Ganz anders verhält sich diese Lösungsfähigkeit bei gleichzeitiger Anwesenheit anderer Substanzen. Die Gegenwart gewisser Metalloide, Beck, Geschichte des Eisens. 22 Chemie. besonders des Siliciums oder Schwefels, vermindert dieselbe, während die Anwesenheit verschiedener Metalle, insbesondere des Mangans und des Chroms, dieselbe erhöht. Die grössere Lösungsfähigkeit des Kohlenstoffs bei Gegenwart von Mangan kommt bei dem Spiegel- eisen zur Geltung, welches bei einem Gehalt von 10 bis 20 Prozent Mangan oft 5 Prozent und mehr Kohlenstoff enthält. Ferromangan mit 35 Prozent Mangan kann 5,5 Prozent, mit 50 Prozent Mangan 6 Prozent, mit 80 Prozent Mangan 7 Prozent, mit 90 Prozent 7,5 Pro- zent Kohle enthalten. Noch stärker steigert Chrom die Lösungs- fähigkeit des Kohlenstoffs im Eisen. Brustlein fand 1886, dass Chromeisen mit 42 Prozent Chrom 7,3 Prozent Kohlenstoff enthielt Journ. of the Iron and Steel Instit. 1886, II, p. 770. . Riley Ebenda 1888, II, p. 165. fand 1888 in Chromeisen bei 18 Prozent Chrom 5,8 Prozent Kohle, bei 47,7 Prozent Chrom 7,2 Prozent Kohle, bei 49,3 Prozent Chrom 7,8 Prozent Kohle. v. Jüptner giebt die Lösungsfähigkeit von Mangan auf 7,75, von Chrom auf 11,60 Prozent Kohlenstoff an Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1898, S. 537. . Zahlreiche Untersuchungen sind in diesem Zeitraume über den Verbindungszustand des Kohlenstoffs im Eisen gemacht worden und haben zu wichtigen Ergebnissen geführt. Schon Karsten hatte neben dem Graphit und dem gelösten Kohlenstoff, der „ Härtungs- kohle “, die Existenz eines Kohlenkarburets im Eisen behauptet Siehe Abhandl. der Akademie der Wissenschaften in Berlin vom 5. Novbr. 1846, und früher schon im Archiv für Bergbau und Hüttenwesen 1824, S. 3. . Caron und Rinman fanden Karstens Annahme bestätigt und letzterer gab dieser Kohleneisenverbindung, weil er sie im Cementstahl nach- gewiesen hatte, den Namen „ Cementkohle “. Spätere Forscher wählten statt dessen die bessere Bezeichnung Karbid . Besonders war es Fr. Abel in England, dem es zuerst 1885 gelang, die Zusammensetzung des Eisenkarbids genauer nach- zuweisen Siehe Engineering 39, 1885, p. 150 und 200; Stahl und Eisen 1886, S. 374, ( Ledebur ). . Er fand in demselben 6,92 bis 7,12 Prozent Kohlenstoff, so dass es der Verbindung Fe 3 C, welche schon Karsten vermutet hatte, am nächsten kommt. Osmond und Werth in Frankreich, Fr. C. G. Müller Stahl und Eisen 1888, S. 291. und A. Ledebur in Deutschland kamen zu ähn- lichen Ergebnissen und die mikroskopischen Untersuchungen Sorbys und anderer bestätigten die Existenz des Eisenkarbids. Neuerdings haben J. O. Arnold und A. A. Read Journ. Chem. Soc. 1894 und 1895. , sowie H. Behrens und Chemie. A. R. van Linge Zeitschr. für analyt. Chem. 1894, S. 513. weitere Beweise dafür und für die Zusammen- setzung Fe 3 C erbracht. Mylius, Foerster und Schöne Zeitschr. für organ. Chemie. 1896, S. 38. wiesen durch genaue chemische Analyse die Zusammensetzung des Eisen- karbids aus 93,33 Tln. Eisen und 6,66 Tln. Kohlenstoff entsprechend der Formel Fe 3 C nach. Chemisch zeigt das Karbid ein anderes Ver- halten als Graphit und Härtungskohle, besonders gegen Säuren, und lässt sich dadurch von diesen abscheiden. Die Entstehung des Eisenkarbids ist eine Frage von grosser Bedeutung, da sie in engster Beziehung steht zu den Verbindungs- zuständen der Kohle im Eisen überhaupt und zu den Eigenschaften des Eisens und Stahls. Die Thermochemie , welche in dieser Periode eine grosse Bedeutung für die Eisenhüttenkunde erlangte, hat hier- über Aufschluss gegeben, besonders durch die epochemachenden Untersuchungen von Osmond . Den Stahlschmieden war es längst bekannt, dass es gewisse Hitzegrade giebt, bei denen Stahl unter dem Hammer brüchiger erscheint als sonst, die man deshalb beim Schmieden vermeiden muss. Der Schwede Brinell sprach 1884 zuerst die Ansicht aus, dass die Wärmeentbindung, welche sich beim Abkühlen eines glühen- den Eisenstahls an der Grenze der Rotglut durch ein schwaches Aufleuchten und eine Verzögerung der Abkühlung bemerkbar macht, auf bei dem Übergang der Härtungskohle in Karbidkohle frei- werdende Wärme zurückzuführen sei. Dies gab die Anregung zu zahlreichen Untersuchungen, namentlich zu der gründlichen Arbeit von Osmond und Werth , Théorie cellulaire des propriétés de l’acier von 1885 (Ann. des Mines, sér. 8, t. 8, p. 5 bis 84), welcher F. Osmond in den folgenden Jahren noch mehrere Abhandlungen „Transformations du fer et du carbon dans les fers, les aciers et les fontes blanches“, Mém. de l’artillerie et de la marine; im Auszug Stahl und Eisen 1888, S. 364; Études métallurgiques Ann. des mines, Juillet, Août 1888; On the Critical Points of Iron and Steel in Journ. of the Iron and Steel Inst. 1890, Vol. I; ferner Stahl und Eisen 1891, S. 640; Méthode générale pour l’Analyse Micrographique des Aciers au Carbone, Soc. d’Encourag. p. l’Industr. Nat., Paris, Mai 1895 etc. folgen liess. Aus diesen Untersuchungen ergab sich, dass es beim Erhitzen und beim Abkühlen erhitzten Eisens verschiedene Punkte giebt, bei denen Verzögerungen der Wärmeabgabe oder Aufnahme stattfinden und die Osmond , weil sie wegen der Festigkeitsabnahme bei der Bearbeitung gefährlich sind, „kritische Punkte“ nannte. Sie sind wohl auf die Abscheidung oder Umwandlung des Kohlenstoffs in seine verschiedenen Verbindungen im Eisen zurückzuführen. Osmond selbst kam allerdings 22* Chemie. nicht zu diesem Schluss. Er stellte vielmehr die Theorie auf, es gäbe zwei allotropische Zustände des Eisens, die er mit α- und β-Eisen bezeichnet, welche nicht nur durch die Übergänge des einen in den anderen die kritischen Punkte hervorriefen, sondern aus deren Mischung und Übergang sich überhaupt alle die verschiedenen Eigen- schaften der Eisen- und Stahlsorten erklären liessen. α-Eisen ist bei gewöhnlicher Temperatur stabil, β-Eisen entsteht erst bei Tempe- raturen über etwa 700° C. Dem Kohlenstoff würde hiernach nur eine nebensächliche Bedeutung zukommen. Diese Theorie, die mit der Erfahrung nicht übereinstimmt, hat in dieser einseitigen Form nur teilweise Anklang gefunden. Wohl aber haben Osmonds Unter- suchungen die Anregung zu wichtigen Arbeiten über die kritischen Punkte und die Umwandlung der Kohlenstoff-Eisenverbindungen ge- geben, von denen wir die von Pionchon, Forquignon, Ledebur Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 294. , Fr. C. G. Müller Daselbst 1891, S. 634. , Howe Siehe Engineering and Mining Journ. 43, 1887, p. 228. , H. von Jüptner, Arnold, Sauveur, Roozeboom Zeitschr. für phys. Chemie, 34, 4, S. 438; Stahl und Eisen 1900, S. 1205. hervorheben. Das Ergebnis derselben kann kurz, wie folgt, zusammengefasst werden. Der Kohlenstoff des Eisens ist im flüssigen Zustande desselben gelöst in der ganzen Masse gleichmässig verteilt. Ist das Eisen mit Kohlenstoff ganz oder nahezu gesättigt und ist die Schmelzung bei hoher Temperatur erfolgt, so dass die Bedingungen zur Bildung von grauem Roheisen gegeben sind, so zeigt sich nach dem Erstarren bei etwa 1070° C. ein erster kritischer Punkt und findet hierbei die Aus- scheidung eines Teils des gelösten Kohlenstoffs als Graphit statt. Bei weiterer Abkühlung findet bei etwa 700° C. von neuem eine Wärme- verzögerung oder Wärmeabgabe statt. Dieser kritische Punkt liegt bei kohlenstoffarmem Eisen höher, bei 725° C., bei Stahl von mindestens 0,5 Prozent niedriger, bei 670° C. Es befindet sich hier der zweite und für die Bearbeitung wichtigste „kritische Punkt“, bei dem der Übergang eines Teils des Härtekohlenstoffs in Karbid stattfindet. Dass dies wirklich der Fall ist, wurde durch chemische Analysen nach- gewiesen. Der ersterwähnte kritische Punkt lässt sich nur bei Roh- eisen beobachten, weil nur dieses Graphit ausscheidet, der zweite Punkt dagegen erscheint bei allen Eisensorten, bei den kohlenstoff- reicheren härteren Stahlsorten aber deutlicher als bei kohlenstoff- armem, weichem Eisen. Chemie. Bei verschieden zusammengesetzten Eisensorten weichen auch die Wärmegrade der kritischen Punkte voneinander ab, so dass die an- gegebenen Zahlen von 1070° und 700° nur mittlere Werte sind. Ferner haben genaue Beobachtungen bei verschiedenen Eisensorten auch noch andere „kritische Punkte“ ergeben, deren Ursachen in ähnlichen Umlagerungen anderer Bestandteile des Eisens liegen werden, die aber noch nicht genügend aufgeklärt sind. Neuere Forschungen bestätigen immer mehr, dass die Eisensorten Legierungen von Eisen und Eisenkohlenstoffverbindungen sind, wobei sowohl der Kohlenstoff wie das Eisen bei verschiedenen Temperaturen verschiedenes Verhalten zeigen. Das Nähere hierüber folgt im nächsten Kapitel. Neben den drei allgemein angenommenen Kohlenstoffformen im Eisen, Graphit, Karbid und Härtekohle, unterscheidet man vielfach, in Deutschland jetzt allgemein, auf A. Ledeburs Veranlassung (1888) Siehe Stahl und Eisen 1888, November. noch einen vierten Zustand, der als „ Temperkohle “ bezeichnet wird. Glüht man kohlenstoffreiches, manganarmes, weisses Eisen längere Zeit, so scheidet sich — nach Roystons Versuchen Daselbst 1897, S. 629. zwischen 720 und 820° C. — ein Teil des gebundenen Kohlenstoffs als fein- verteiltes schwarzes Pulver aus. Da das zurückbleibende Eisen weich wird und dieser Vorgang bei dem Tempern der Gusswaren verwendet wird, so hat Ledebur diese Form der Kohle Temperkohle genannt. Gegen Säuren verhält sich die Temperkohle wie Graphit. Sie löst sich auch in kochenden Säuren nicht, sondern wird als schwarzes Pulver abgeschieden. Von Graphit unterscheidet sie sich aber durch ihre amorphe Form und dadurch, dass sie mit Eisenoxyd und ähn- lichen oxydierenden Verbindungen geglüht zu Kohlenoxyd verbrannt wird. Beim Glühen in trockenem Wasserstoff entweicht sie nach Forquignons Versuchen als Kohlenwasserstoff Siehe Annales de chimie et phys., sér. 5, t. XXIII, p. 433. . Letztgenannter Forscher fand auch, dass die Ausscheidung von Temperkohle beim Glühen von weissem Eisen auch im Vakuum stattfand Siehe Comptes rendus, vol. 90, p. 237. . Andere Metallurgen haben für die Eisen-Kohlenstoffverbindungen andere Ein- teilung und andere Namen gewählt, auf die wir später zurückkommen. Nach L. D. Campbell tritt das Eisenkarbid in verschiedenen Poly- merien von der Form C n Fe 3n auf. Moissan wies Diamanten in kohlenstoffhaltigem Eisen, welches stark über seinen Schmelzpunkt erhitzt war Daselbst, vol. 118, p. 320. , nach und stellte künstliche Diamanten auf diesem Wege Chemie. dar. Franck will sogar in gewöhnlichem Stahl Diamanten gefunden haben Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 585. . Während der Kohlenstoff ein wesentlicher Bestandteil aller in der Praxis verwendeten Eisenarten ist, sind Silicium, Phosphor und Schwefel unwesentliche Beimengungen, die im Endprodukt in der Regel als Verunreinigungen anzusehen sind. Die Zunahme der Verwandtschaft zum Eisen ist in der Reihe: Silicium, Phosphor Schwefel, Kohlenstoff ausgedrückt. Doch gilt dies nur für Roheisen- schmelzhitze und wenig darüber, bei hoher Hitze ändert sich das Verhältnis, indem dann die Verwandtschaft der Kohle abnimmt, so dass unter Umständen Silicium den Kohlenstoff verdrängt. Auch diese unwesentlichen Beimengungen sind von hoher praktischer Be- deutung. Über das Verhalten des Siliciums sind in den letzten 25 Jahren wichtige Untersuchungen veröffentlicht worden, besonders von Gautier Siehe Gautier , Les alliages ferrométalliques. , W. Mrázek Siehe Jahrbuch der K. K. Bergakademie zu Leoben u. s. w., Bd. XX, S. 406. , T. Turner Siehe Engineering and Mining Journ. 1887, I, p. 403. , Jüngst Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 565. , R. A. Had- field Siehe Journal of the Iron and Steel Institute 1889, II, p. 222. , F. C. G. Müller und A. Ledebur . Die Association for the advancement of Science in England liess 1893 durch eine besondere Kommission, bestehend aus Tilder , W. Ch. Roberts-Austin und T. Turner , Bericht erstatten über den Einfluss des Siliciums auf Eisen und Stahl. Die Ergebnisse dieser Arbeiten lassen sich kurz wie folgt zu- sammenfassen. Das Silicium zeigt in seinem Verhalten zu dem Eisen eine gewisse Analogie mit dem Kohlenstoff. Es beeinflusst das Eisen wie dieser, nur schwächer. Indessen kann Silicium den Kohlenstoff nicht ersetzen. Auch hat sich die frühere Annahme, dass Silicium in zwei Modifikationen im Eisen enthalten sei, wovon die eine dem Graphit entspräche und wie dieser und in ähnlicher Form aus- geschieden werde, nicht bestätigt. Silicium kann sich in unbegrenzten Mengen mit dem Eisen ver- binden oder legieren. Hierbei wird nach Troost und Hautefeuille Siehe Annales de chimie et de physique 1878, t. IX, p. 56. Wärme entwickelt, was bei der Vereinigung von Eisen und Kohle nicht nachgewiesen ist. Moissan hat hochsiliciumhaltige Eisensilicide im elektrischen Ofen dargestellt. 26 prozentige Silicide lassen sich Chemie. noch im Tiegel schmelzen, solche mit mehr als 32 Prozent nur im elektrischen Ofen. Auf den Holcomb Roch Works (U. S.) wird ein von Chalmot entworfener kontinuierlicher elektrischer Ofen zur Dar- stellung von Ferrosilicium im grossen verwendet. Für die Praxis kommen nur die Silicium-Eisenlegierungen bis zu 16 Prozent Silicium in Betracht, die im Hochofen geschmolzen werden. Die Silicium- Eisenlegierungen sind weiss. Enthält Eisen mehr als 5 Prozent Silicium, so wird es als Ferro- silicium bezeichnet. Die nächstniedrige Stufe wird „Schwarzeisen“ benannt, das sogenannte „Glanzeisen“ hat nach Gautier in der Regel mehr als 4 Prozent Silicium. Moissan, Carnot und Goutal wollen bestimmte Eisensilicide, besonders eins nach der Formel Si Fe 2 gefunden haben Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1898, S. 592. . Das Silicium hat die Eigenschaft, den Kohlenstoff bei mehr als 2 Proz. Gehalt als Graphit aus dem Eisen auszuscheiden. Es kann den gebundenen Kohlenstoff ganz verdrängen, so dass siliciumreiches Eisen Kohlenstoff nur noch als Graphit enthält. Da die Verwandt- schaft des Eisens zu Silicium bei der hohen Erzeugungstemperatur des Giessereieisens eine sehr grosse ist, und die Reduktion bei gleich- zeitiger Anwesenheit von Kohle und Eisen leicht von statten geht, so giebt es in der Praxis kein Giessereiroheisen, welches frei von Silicium ist. Der Gehalt desselben beträgt oft 4 bis 5 Prozent, wie z. B. bei englischem von Clarence (4,37 Prozent). Der Siliciumgehalt des Eisens ist für manche metallurgische Operationen von grosser Wichtigkeit. Im Bessemerroheisen bildet das Silicium den wichtigsten Heizstoff für die Operationen im Konverter. Für die Eisengiesserei ist ein hoher Siliciumgehalt ebenfalls oft vorteil- haft, um mehr Brucheisen und Weisseisen einschmelzen zu können, und zu diesem Zwecke wird seit neuerer Zeit häufig Ferrosilicium als Zusatz verwendet ( Gautier, Turner, Jüngst ). Bei der Stahlfabri- kation ist ein Zusatz von siliciumreichem Eisen nützlich und not- wendig, um blasenfreie Güsse zu erzeugen. Es wirkt nämlich Silicium auf das absorbierte Kohlenoxydgas zersetzend (nach Gautier nach der Formel: 2 CO + Si = Si O 2 + C). Das Silicium schützt ferner den Kohlenstoff im Eisen und Stahl vor Verbrennung. Aus alledem folgt, dass ein Siliciumgehalt in manchen Roh- und Zwischeneisensorten erwünscht und vorteilhaft sein kann. Im End- produkt ist dagegen ein Siliciumgehalt nie von Nutzen. Ein Hundert- teil beeinträchtigt das Dehnungsvermögen des Stahls und macht ihn rotbrüchig. Chemie. Auf Flusseisen wirkt es nach Turner Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 297. wie folgt: „Silicium giebt ein blasenfreies Flusseisen und vermehrt, wie der Kohlenstoff, Festigkeit und Härte. Ein Gehalt von mehr als 0,15 Proz. macht das Flusseisen rotbrüchig und ungeeignet zum Walzen. Zuweilen macht es das Flusseisen kaltbrüchig. Silicium macht Flusseisen dicht (sound), jedoch ist jeder Überschuss zu vermeiden, da sonst Brüchig- keit und geringe Dehnbarkeit erfolgen; 0,3 Prozent gilt noch als zulässig.“ Nach Snelus macht ein Siliciumgehalt von 0,1 Prozent Fluss- eisen schon hart und kaltbrüchig. Wo es hauptsächlich auf die Härte ankommt, wie vielfach beim Stahl, ist ein etwas höherer Siliciumgehalt in Verbindung mit einem entsprechenden Kohlengehalt statthaft. So verlangen die englischen Stahlfabrikanten bei mehr als 0,2 Procent Silicium ein Heruntergehen des Kohlenstoffs unter 0,35 Prozent. Guter Werkzeugstahl kann 0,5 bis 0,8 Prozent Silicium enthalten ( Müller ) Daselbst S. 376. . Den Phosphor sah man früher unter allen Umständen als eine nachteilige Beimischung, als einen Feind des Eisens an. Durch die wichtige Entdeckung des Thomasverfahrens (1879) ist das Ansehen des Phosphors gestiegen. Dieser Prozess verlangt ein phosphorreiches Roheisen; infolgedessen wurden die vorher wertlosen phosphorhaltigen Puddelschlacken ein gesuchtes Material und phosphorreiche Eisenerze stiegen im Preise. Das Verhalten des Phosphors zum Eisen wurde genau studiert. Diese Untersuchungen ergaben in Kürze das Folgende: Phosphor verbindet sich mit dem Eisen in allen Verhältnissen bis etwas über 26 Prozent. Hilgenstock fand 25,65 Prozent, Brackels- berg Engineering and Mining Journ. 44, 1887, p. 9. 26,36 Prozent als Maximum. Es bildet aber Phosphor mit dem Eisen im Gegensatz zum Silicium eine Anzahl bestimmter chemischer Verbindungen, Phosphide. Von diesen ist das Drittel- phosphoreisen, Fe 3 P (entsprechend dem Eisenkarbid Fe 3 C) das feuer- beständigste und als ein Gemengteil mancher Roheisensorten nach- gewiesen. Leopold Schneider hat es (1886) aus acht Roheisensorten durch Behandlung mit Kupferchlorid abgeschieden Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1886, S. 735. . Leopold Schneider Daselbst 1896, S. 736. und Hans von Jüptner Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 524. haben neben diesem Eisen- phosphid auch ein Manganphosphid, Mn 3 P 2 , in manchen Eisensorten Chemie. nachgewiesen. von Jüptner unterscheidet schädlichen oder Härtungs- phosphor, der hauptsächlich den Kaltbruch erzeugt, und Phosphid- phosphor und erklärt daraus die verschiedenen Erscheinungen, welche Eisensorten von gleichem Phosphorgehalt zeigen. Carnot und Goutal Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 1064. haben dagegen im gehärteten wie im ungehärteten Stahl Phosphor und Phosphid (Fe 3 P) gefunden. Neuerdings hat J. E. Stead Daselbst 1901, S. 6. wichtige Untersuchungen über Eisen und Phosphor angestellt. Phosphor hat eine grosse Verwandtschaft zu Eisen und die Phos- phorsäure wird in der Hitze durch Eisen und Kohle leicht reduziert. Finkener und Hilgenstock haben sogar nachgewiesen, dass Eisen im Überschuss Phosphor aus Phosphorsäure zu reduzieren vermag. Die Verwandtschaft wächst mit der Temperatur, weshalb es früher möglich war, bei dem Rennfeuerprozess aus phosphorreichen Erzen phosphor- armes Eisen zu erzeugen, während umgekehrt in den hohen Tempe- raturen unserer heutigen Hochöfen fast aller Phosphor aus der Be- schickung in das Roheisen übergeführt wird. Dass der Phosphor das Eisen kaltbrüchig macht, ist eine all- gemein bekannte Thatsache. Er beeinträchtigt die Festigkeit des Eisens, besonders in gewöhnlicher Temperatur, und die Kaltbrüchig- keit nimmt zu mit dem Gehalt an gebundenem Kohlenstoff. Howe hat hierüber Untersuchungen veröffentlicht Engineering and Mining Journ. 44, 1887, p. 135. . Desgleichen ist es längst bekannt, dass Phosphor den Schmelz- punkt des Roheisens erniedrigt. Dadurch ist phosphorhaltiges Giessereieisen leicht- und dünnflüssiger, was für Kunst- und Geschirr- guss benutzt wird. Dagegen steigert Phosphor die Härte des Eisens, jedoch nicht in dem Masse wie Kohlenstoff. Die Härtbarkeit lässt bei gleichem Kohlenstoffgehalt mit steigendem Phosphorgehalt nach Siehe Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., I, S. 257. . Phosphorhaltiges Eisen zeigt ein grobkrystallinisches Gefüge. — Wie das Silicium ist der Phosphor in allen Endprodukten ein nachteiliger Bestandteil des Eisens. Die grosse Verwandtschaft des Eisens zu Schwefel und die schlimme Eigenschaft desselben, das Eisen rotbrüchig zu machen, sind längst bekannt, ebenso aber auch, dass beim Schmelzen der Kalk ein gutes Mittel abgiebt, den Schwefel zu binden. R. Åkerman und A. Ledebur haben durch Schmelzversuche festgestellt, wieviel Chemie. Schwefel bei geringem oder bei hohem Kalkzuschlag, beziehungsweise bei einer Bisilikat- oder einer Singulosilikatschlacke aus denselben Erzen in das Eisen übergeführt wird Siehe A. Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1894, S. 291. . Desgleichen hat Ledebur gezeigt, um wieviel schwächer die Wirkung der Magnesia auf Schwefel ist. Der in das Eisen übergegangene Schwefel ist nur schwer zu entfernen. Durch Oxydation geschieht dies nur in geringerem Masse und hierin weicht das Verhalten des Schwefels von dem des Siliciums und Phosphors ab. Als bestes Mittel zur Entschweflung des Eisens hat sich Mangan bewährt. Wallrand Siehe Revue universelle 1881, X, p. 407. wies 1881 zuerst nach, dass sich durch blosses Mischen von flüssigem, schwefelreichem Eisen mit manganreichem Eisen der Schwefelgehalt beträchtlich vermindern liesse. K. Hilgenstock Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 329. bestätigte dies durch Versuche. Ledebur schreibt diese Erscheinung der Aussaigerung einer leichtflüssigeren Schwefel-Mangan-Eisen- legierung zu, wie dies bei den sogenannten „Wanzen“ Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. CCXIV, S. 48. bei dem Roh- und Gusseisen öfter beobachtet wird. Während Schwefeleisen sich in jedem Verhältnis in flüssigem Eisen löst, besitzt Schwefelmangan eine geringe Lösungsfähigkeit in demselben. Diese Beobachtung bildet die Grundlage eines neuen wichtigen Verfahrens der Entschweflung des Flusseisens durch den Hörder Mischprozess, den wir später genauer beschreiben werden. Ein Mangangehalt vermindert auch die Wirkung des Schwefels auf Rotbruch, so dass bei gleichem Schwefelgehalt manganhaltiges Schmiedeeisen weniger rotbrüchig ist als manganfreies. Bei mangan- freiem Schweisseisen bewirkt schon ein Gehalt von 0,02 Prozent Rotbruch, während bei Schweisseisen von 0,7 Prozent Mangangehalt dieser bei 0,15 Prozent Schwefel noch kaum bemerkbar ist. Janoyers Angabe, man könne den Schwefel im Eisen durch Phosphor vertreiben oder seine schädliche Wirkung vermindern, hat sich dagegen nicht bestätigt. Ebenso suchte Turner Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 580. durch Versuche nachzuweisen, dass Silicium den Schwefel austreibe. Ledebur giebt dies aber nur insoweit zu, als schwefelreiches Siliciumeisen geneigt sei, auszusaigern. Turner hat durch eine Reihe von Roheisenanalysen gezeigt, dass der Schwefelgehalt mit abnehmendem Siliciumgehalt steigt, ein Austreiben des ersteren ist aber dadurch nicht erwiesen. Die fünfte der am häufigsten vorkommenden und wichtigsten Beimengungen des Eisens ist das Mangan . Dieses war schon seit Chemie. einem Jahrhundert als wirksamstes Reinigungsmittel des Eisens bekannt und geschätzt. Durch den Bessemerprozess hatte das kohlen- stoffhaltige Manganeisen eine noch grössere Bedeutung erlangt und man stellte es im grossen dar entweder als Spiegeleisen mit bis zu 20 Prozent Mangan, oder als Ferromangan von 20 bis 83 Prozent Mangangehalt. Durch die Darstellung und Verwendung wie durch besondere Untersuchungen war man mit dem Verhalten und den Wirkungen des Mangans näher bekannt geworden. Die Manganoxydverbindungen sind für sich schwer reduzier- und schmelzbar, bei Gegenwart von Eisen und Kohle werden sie aber unschwer reduziert, und das Mangan legiert sich in jedem Verhältnis mit dem Eisen. Zur Herstellung sehr manganreicher Legierungen sind so hohe Temperaturen erforderlich, dass Mangan anfängt sich zu verflüchtigen und an der Luft zu braunrotem Manganoxyduloxyd zu verbrennen. Mangan-Eisenlegierungen mit mehr als 88 Prozent Mangan zerfallen nach dem Erstarren in Pulver und zwar ohne chemische Ver- änderung durch den Austritt aufgelöster Gase. Gegen Kohlenstoff verhält sich das Mangan ganz ähnlich wie das Eisen, nur vermag es mehr davon aufzunehmen, doch nicht über 7 bis höchstens 7,5 Prozent. Es erhöht deshalb auch in seinen Legierungen mit Eisen die Kohlen- stoffaufnahme. Mangan reinigt das Eisen von Silicium dadurch, dass es sich leicht oxydiert, eine starke Base bildet, die zu Kieselsäure grosse Verwandtschaft hat und mit dieser leicht- und dünnflüssige Silikate giebt. Die Reinigung des Eisens von Schwefel durch Bildung von leichtflüssigem Schwefelmangan haben wir schon erwähnt. Diese reinigende Kraft ist die wichtigste Eigenschaft des Mangans in der Eisenindustrie, doch wirkt ein geringer Mangangehalt auch günstig auf die Härte und Festigkeit des Eisens ein. Manganstahl hatte man deshalb schon früher dargestellt. R. A. Hadfield hat in einer wichtigen Arbeit On manganese steel, Journ. of the Iron and Steel Institute 1888, II, 41; Transactions of the American Institute of Mining Engineers XIII, 233, XV, 461. die Einwirkung des Mangans auf die Härte des Kohlenstoffeisens genauer untersucht. Er fand, dass die Härtezunahme nicht proportional der Manganzunahme ist. Die Härte des Manganstahls von mässigem Kohlenstoffgehalt unter 1 Prozent steigt bis zu einem Mangangehalt von 6 Prozent. 6 prozentiger Manganstahl wird von keinem Werkzeug angegriffen. Von da an sinkt der Härtegrad bis zu einem Gehalt von 10 Prozent Mangan; hierauf nimmt er wieder zu und erreicht bei 22 Prozent Chemie. Mangan ein zweites Maximum. Für die Praxis kommt bis jetzt nur die erstere Reihe in Betracht. Die harten Legierungen von hohem Mangangehalt sind zwar sehr interessant, haben aber noch keine Ver- wendung gefunden. In welchem Grade ein Mangangehalt auf die Härtezunahme innerhalb der Grenze bis zu 6 Prozent wirkt, lässt sich nicht genau bestimmen, weil dabei der Kohlenstoffgehalt von grossem Einfluss ist, doch hat Fr. C. G. Müller Siehe Glasers Annalen X, S. 224. den Satz aufgestellt, dass im schmiedbaren Eisen 5 Tl. Mangan die gleiche Härtezunahme be- wirken wie 1 Tl. Kohlenstoff. Auch die Festigkeit des Eisens wird durch einen geringen Mangangehalt vermehrt, nimmt aber bei höherem Mangangehalt wieder ab. Wedding Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses 1881, S. 509. nimmt 3 Prozent als Grenze an, während er zugleich 0,5 bis 0,6 Prozent bei 0,95 Prozent Kohlen- stoffgehalt als das günstigste Verhältnis bezeichnet. Auch für die Festigkeit hat Hadfield ein zweites Maximum bei 18 Prozent Mangan- gehalt gefunden. Siliciumhaltiges Eisenmangan wirkt stark reduzierend auf über- blasenes Flusseisen und wird deshalb beim Bessemer- und Thomas- prozess öfter als sogenannter Silicospiegel verwendet. Pourcel Siehe Gautier, Les alliages ferrométalliques, p. 96. war der erste, der Silicospiegel im Hochofen darstellte. Er enthält meist 20 Prozent Mangan und 8 bis 12 Prozent Silicium. Ausser den aufgeführten Elementen, welche wesentliche oder häufige Bestandteile des Eisens bilden, giebt es noch eine Anzahl seltener auftretender, welche die Qualität günstig oder ungünstig beeinflussen und deshalb unter Umständen von Wichtigkeit sind. Kupfer findet sich in manchen Eisenerzen, besonders im Spat- eisenstein und geht beim Schmelzen derselben in das Roheisen über. Es bleibt auch bei den verschiedenen Frischprozessen mit dem Eisen verbunden. Es erzeugt bei schmiedbarem Eisen Rotbruch; indes haben neuere Untersuchungen gezeigt, dass die schädliche Wirkung des Kupfers wenigstens bis zu 1 Prozent nicht so gross ist, wie man früher annahm. Sie ist grösser auf kohlenstoffreichere Eisensorten, also grösser auf Stahl als auf Schmiedeeisen. A. Wasum Siehe Stahl und Eisen 1882, S. 192. hat durch Versuche nachgewiesen, dass die Einwirkung auf Eisen mit 0,2 bis 0,3 Prozent Kohlenstoff nur gering ist. Dagegen wird der schädliche Einfluss des Kupfers verstärkt durch gleichzeitige Anwesenheit von Schwefel. Während 0,862 Prozent Kupfer und 0,15 Prozent Schwefel Chemie. für sich noch keinen Rotbruch bewirken, tritt dieser auf bei 0,595 Kupfer und Schwefel zusammen. Nickel und Kobalt kommen nur selten in den Eisenerzen in merklichen Mengen vor. Dass Nickel die Festigkeit des Eisens erhöht, war schon früher bekannt, doch waren die Ergebnisse der angestellten Versuche widersprechend, weil man kein reines Nickel verwendet hatte. Solches wird erst seit neuerer Zeit dargestellt und mit solchem stellte J. Riley 1889 seine wichtigen Versuche über Nickelstahl Transact. of the Iron and Steel Instit. 1889, I, p. 45 und Stahl und Eisen 1889, S. 859. an. Seit- dem wird mit Erfolg Nickelstahl mit 1 bis 5 Prozent Nickel be- sonders bei der Panzerplattenfabrikation verwendet. Ebenso ist die härtende Wirkung von Chrom und Wolfram schon länger bekannt und benutzt. Chromeisen (Ferrochrom) mit etwa 25 Prozent Chromgehalt hat man zu Terre-noire in Frankreich seit 1879 sogar im Hochofen dargestellt. A. Ledebur fand bei Chromstahl von 0,5 Prozent Chrom- und 0,91 Prozent Kohlenstoff- gehalt die Zerreissfestigkeit zu 86,9 kg auf 1 qmm bei 15,7 Prozent Dehnung. Bei höherem Chromgehalt sinkt die Festigkeit und der Stahl wird spröde. 1 Prozent Chrom soll das zulässige Maximum sein. Besonders in Frankreich und in Amerika hat Chromstahl eine wachsende Rolle gespielt und es hat Howe über seine Anwendung nähere Mitteilungen gemacht Engineering and Mining Journal 1887, I, p. 242; s. auch Howe, Metallurgy of Steel I, p. 76. . Aluminium wird, seitdem es so viel billiger hergestellt wird, häufig zur Reinigung des Eisens von aufgelösten Oxyden verwendet; da sich dabei leicht etwas Aluminium im Eisen auflöst, so ist das Verhalten der Eisen-Aluminiumlegierungen von Wichtigkeit. Beim Schmelzen thonerdehaltiger Erze im Hochofen wird Aluminium nicht reduziert. Ein Aluminiumgehalt bis zu 0,2 Prozent vermehrt die Festigkeit, vermindert aber die Zähigkeit des schmiedbaren Eisens, ein hoher Gehalt ist schädlich, bei 0,5 Prozent hört die Schmiedbar- keit des Eisens auf Über die Wirkung des Aluminiums auf Stahl hat Stead 1894 seine Erfahrungen im Journ. of the Iron and Steel Instit. 47, S. 77 veröffentlicht. . Aluminium macht das geschmolzene Eisen dickflüssig. Da sich Aluminium nicht mit Kohlenstoff verbindet, be- wirkt es ähnlich wie Silicium Graphitausscheidung. Das Aluminium ist ein vorzügliches Mittel, um schwerschmelzbare Metalle zu legieren. Henri Moissan in Paris hat hierauf 1894 ein Chemie. Patent (D. R. P. 82624) genommen. Um z. B. Titaneisen herzustellen, führt man dem geschmolzenen Eisen Titan-Aluminium zu. Arsen hat man in neuerer Zeit mehr beachtet wie früher. Es findet sich in vielen Eisensorten. Carnot und Goutal fanden, dass es in weichem Stahl sich unverbunden in Lösung befindet, während es in gehärtetem Stahl an Eisen gebunden als Fe 2 As erscheint Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 1064. . Von grosser Wichtigkeit sind die neueren Untersuchungen über das Verhalten von Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenoxydgas zu Eisen. Dass Sauerstoff sich im verbrannten Eisen und im über- blasenen Flusseisen findet, war schon früher bekannt. Das genauere Verhältnis, in welchem dies der Fall ist, wurde erst durch neuere Untersuchungen, besonders von A. Ledebur , festgestellt. Danach ist der Sauerstoff im überblasenen Flusseisen als Eisenoxydul im Eisen gelöst, doch vermag flüssiges Eisen nur 1,1 Prozent Eisenoxydul, ent- sprechend 0,25 Proz. Sauerstoff, aufzunehmen. Andere wollen allerdings einen grösseren Sauerstoffgehalt gefunden haben, so Bender 0,34, Tucker 1,74 und Parry 2,04 Proz. Howe, Engineering and Mining Journal 1887, II, p. 351. . Auch Ledebur wies in einem Schweisseisen 0,515 Proz. Sauerstoff nach, doch war dieser als Glüh- span oder Schlacke darin enthalten. Proben von überblasenem Thomas- eisen, welche Ledebur analysierte, zeigten einen höheren Sauerstoff- gehalt als den oben angegebenen. Der Sauerstoffgehalt war um so grösser, je weniger Kohlenstoff und Mangan das Flusseisen enthielt, je mehr es entkohlt war. Drei Proben von Hörde enthielten bei 0,037, 0,123 und 0,050 Prozent Kohlenstoff 1,098, 0,837 und 0,774 Proz. Eisenoxydul, entsprechend 0,244, 0,187 und 0,171 Prozent Sauerstoff. Kleinere Mengen Eisenoxydul fand Ledebur auch in kohlenstoff- und manganreichem Eisen, das erstarrt war, ehe die Zusetzung des Eisen- oxyduls durch jene Körper beendet war Siehe Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 253. , und zwar nicht nur im Konverter, sondern auch im Flammofenflusseisen Siehe auch Glasers Annalen X, S. 181. . Die Sauerstoffbestimmungen im Eisen sind sehr schwierig. A. Ledebur war der erste, der ein brauchbares Verfahren hierfür angab Stahl und Eisen 1882, S. 193, 1883, S. 502; Chemiker-Ztg. 1885, S. 17. . Die Beimengung von Sauerstoff beeinträchtigt die Güte des Eisens und zwar erzeugt schon ein Gehalt von etwa 0,1 Prozent Rotbrüchig- keit. Ferner bewirkt die Gegenwart von Sauerstoff im Flusseisen Chemie. Blasenbildung in den Gussblöcken, weil die Wirkung des Eisenoxyduls auf den Kohlenstoff im Eisen bis zum Erstarrungspunkt andauert. Dass das Eisen eine ganz bedeutende Verwandtschaft zum Wasserstoft hat und für dieses Gas eine grosse Absorptionsfähigkeit besitzt, sind Thatsachen, die erst in dieser Periode entdeckt und klargestellt worden sind. Allerdings hatte schon Graham (s. Bd. I, S. 8) vor fast 40 Jahren nachgewiesen, dass Meteoreisen Wasserstoff- gas in beträchtlicher Menge absorbiert enthält, und hat auf diese Beobachtung weitgehende Schlüsse über eine Wasserstoffatmosphäre des Urgestirns, dem die Meteoriten entstammten, gegründet. Dass aber auch alles künstlich bereitete Eisen Wasserstoff in verhältnis- mässig grosser Menge gelöst oder absorbiert enthält, wurde zuerst von Troost und Hautefeuille Compt. rend. 76, p. 482, 565, und 80, p. 788. , welche verschiedene Eisensorten im luftleeren Raum erhitzten und die Gase analysierten, nachgewiesen. Diese Versuche wurden dann von vielen anderen, besonders von Fr. C. G. Müller Zeitschr. des Vereins deutsch. Ingen. 23, S. 493. Ledebur Stahl und Eisen 1882, S. 591. , Stead Iron XVII, 414. , Parry u. a., wiederholt und weiter ausgeführt. Müller fand, dass sich die Gase, welche unter Druck in den Poren des Eisens festgehalten werden, durch Anbohren unter Wasser entbinden und auffangen lassen. Aus um- stehender Tabelle ist die Zusammensetzung einiger dieser von ihm untersuchten Gase zu ersehen. Im allgemeinen nimmt die Löslichkeit des Wasserstoffs im Eisen mit dem Kohlengehalt ab; Mangan (nach Pourcel Es erhob sich 1882 ein Streit zwischen A. Pourcel und Dr. Friedrich C. G. Müller , ob die Wirksamkeit des Mangansilicids zur Verhinderung der Blasenbildung im Flussstahl dem Mangan oder dem Silicium zuzuschreiben sei. Müller nahm an, dass die Blasen von ausgeschiedenem Wasserstoff herrührten, während nach Pourcel Kohlenoxyd sie veranlassen soll. Stahl und Eisen 1883, S. 48. und Silicium (nach Müller ) erhöhen dieselbe. Bearbeitung durch Hämmern und Walzen vermindert den Gasgehalt überhaupt, insbesondere aber den Gehalt an Wasserstoffgas. Die beim Glühen der Bessemerblöcke in den Ausgleichegruben entweichenden Gase bestanden nach Stead aus 82,5 Prozent Wasser- stoff, 12,5 Prozent Kohlenoxydgas und 5 Prozent Stickstoff. Finkener untersuchte auf H. Weddings Veranlassung die Gase in den Hohl- räumen der aus massiven Blöcken gewalzten Mannesmannröhren und fand darin 99 Prozent Wasserstoff und 1 Prozent Stickstoff. Chemie. A. Ledebur bestimmte den Wasserstoffgehalt verschiedener Eisensorten dem Gewicht nach und fand: in Eisenmangan mit 70 Prozent Mangan 0,0028 Prozent „ Siliciumeisen mit 11,29 Prozent Silicium, 2,08 Prozent Mangan und 1,59 Prozent Kohle 0,0028 „ „ Martineisen (gegossen) mit 0,10 Prozent Kohle, 0,14 Prozent Silicium und wenig Mangan 0,0017 „ Howe Engineering and Mining Journ. 1888, I, p. 55. nimmt nach Cailletets Untersuchungen von galvanisch gefälltem Eisen Comptes rendus (1875) LXXX, p. 319. den höchsten Gehalt von Wasserstoff im Eisen zu 0,17 Prozent, entsprechend dem 154fachen Volum an. Chemie. Nach Ledeburs Versuchen ist anzunehmen, dass kein Handels- eisen mehr als 10 Vol.- oder 0,01 Gew.-Prozent Wasserstoff in seiner Masse zurückhält. Ob der Wasserstoff zum Teil an Stickstoff ge- bunden als Ammoniak vorhanden ist, scheint glaubhaft, ist jedoch nicht erwiesen. Einen nachteiligen Einfluss übt das absorbierte Wasserstoffgas auf das Eisen nicht aus, höchstens kann es unter Umständen Blasen- bildung erwirken. Der Wasserstoff verbindet sich unter gewissen Bedingungen, be- sonders wenn er in grösserer Menge im status nascendi mit Eisen in Berührung kommt, zu einer festeren Form, welche Ledebur als Legie- rung bezeichnet Siehe Handbuch der Eisenhüttenkunde 1894, S. 310. . Dann macht er das Eisen kaltbrüchig. Diese Er- scheinung tritt besonders bei der Beizung von Eisendraht mit Säuren auf, weshalb Ledebur , der genauere Untersuchungen darüber angestellt hat, sie als „Beizbrüchigkeit“ bezeichnet. Neuerdings hat E. Heyn in Charlottenburg nachgewiesen, dass das Eisen zwischen den kritischen Punkten A 2 und A 3 etwa zwischen 730 und 1000° C. eine grössere Absorptionsfähigkeit für Wasserstoff hat als über oder unter diesen Temperaturgrenzen Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 837. . Über den Stickstoffg ehalt des Eisens hat A. H. Allen Iron XVI, p. 132. neuere Untersuchungen veröffentlicht, welche bestätigen, dass der Stickstoff- gehalt im Eisen nur gering sein und die Eigenschaften des Eisens kaum beeinflussen kann. Während Allen in Spiegeleisen nur 0,041 Prozent auffand, betrug der höchste in einem Gussstahl mit 1,30 Prozent Kohlenstoff aufgefundene Stickstoffgehalt 0,0172 Prozent. Ebenso fand Tholander Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 115. in verschiedenen Flusseisensorten 0,006 bis 0,022 Prozent Stickstoff. Weit wichtiger ist das Verhalten des Eisens und der Eisenoxyd- verbindungen zu Kohlenoxydgas . Fassen wir zunächst, an das Vorhergehende anknüpfend, die Löslichkeit des Kohlenoxydgases im Eisen ins Auge, so ist diese in kaltem Eisen gering. Fr. Müller fand in den durch Anbohren von kaltem Eisen aufgefangenen Gasen nur sehr geringe Mengen Kohlenoxydgas, wie aus der Tabelle, S. 352, zu ersehen ist. Dagegen wies er einen beträchtlich höheren Kohlen- oxydgehalt in den aus dem flüssigen Metall austretenden Gasen nach. Dies erklärt sich zum Teil schon aus der im flüssigen Metall vor sich Beck, Geschichte des Eisens. 23 Chemie. gehenden Kohlenoxydgasentwickelung. Doch enthält auch das aus überblasenem Bessemer- und Thomasflusseisen austretende Gas 8,8 bis 35 Prozent Kohlenoxydgas, während nach dem Zusatz von Ferro- mangan 34 bis 77,3 Prozent Kohlenoxydgas darin nachweisbar sind. Das Kohlenoxydgas tritt aber vor dem Erstarren aus, wodurch Spritzen- und Blasenbildung entsteht. Silicium, Mangan und Alu- minium wirken durch Reduktion des Kohlenoxydgases dem entgegen. Dass Kohlenoxyd mit dem Eisen unter besonderen Bedingungen eine chemische Verbindung, Eisenkarbonyl, Fe (CO) 5 , bildet, wurde 1891 von Mond und Quincke nachgewiesen, hat aber für das Hüttenwesen vorläufig keine Bedeutung. Von grosser Wichtigkeit für den Hochofenprozess ist dagegen die Thatsache, dass Kohlenoxyd bei Berührung mit Eisenoxyd in einer Temperatur von 300° bis 400° C. in Kohlensäure und Kohlenstoff zerfällt (2 CO = CO 2 + C), wobei Kohle abgeschieden wird. Schon 1851 hatte Stammer eine Abscheidung von Kohle beim Überleiten von Kohlenoxydgas über glühendes Eisen beobachtet. Auch wurden schon früher öfter Kohlenausscheidungen im Hochofen, besonders in Fugen der inneren Ofenwände, beobachtet. Aber erst 1871 wurde diese zuerst von Lowthian Bell beobachtete Erscheinung Siehe Journ. of the Iron and Steel Inst. 1872, I, 43. von Gruner Siehe Annales de chimie et de physique, sér 4, XXVI, 5, und Annales des Mines, sér. 7, XV, 108. genauer in Bezug auf den Hochofenprozess untersucht und nachgewiesen, dass Eisen diese Ausscheidung nur dann bewirkt, wenn gleichzeitig Oxyd anwesend ist. Weitere Untersuchungen dieses sonder- baren Vorganges rühren von Ledebur Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1877, S. 277. und Åkerman Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 157. her Weitere litterarische Nachweise zu diesem Kapitel findet man in A. Ledebur , Handbuch der Eisenhüttenkunde 1899, S. 351. . Die chemische Analyse des Eisens, der Eisenerze, Zuschläge, Schlacken, Gase u. s. w. hat eine so grosse Bedeutung für die Eisen- industrie gewonnen, dass ihre Fortschritte als ein Teil der Geschichte des Eisens behandelt werden müssen, wobei wir uns allerdings nur auf das Wichtigste beschränken können. Die chemische Analyse des Eisens hat sich nach zwei Richtungen entwickelt, nach der rein wissenschaftlichen, welche höchste Genauig- keit erstrebt, und nach der praktischen, welche möglichste Genauigkeit Chemie. mit grösster Beschleunigung zu erreichen sucht. Für die Betriebs- kontrolle verdient oft eine weniger genaue Methode dadurch, dass sie einfach und rasch zum Ziele führt, vor einer genaueren, aber um- ständlicheren, den Vorzug. In diesem Sinne hat sich die Eisenprobier- kunst in den letzten 30 Jahren fortgebildet. Die Analyse des Eisens hat in diesem Zeitraum eine grosse Wichtigkeit erlangt, und sind auf keinem anderen Gebiete so viele Fortschritte und Verbesserungen zu verzeichnen wie hier. Deshalb stellen wir sie in den Mittelpunkt unserer Betrachtung. Wir werden uns aber darauf beschränken müssen, einen kurzen Überblick der neuen oder verbesserten Methoden zur Bestimmung der wichtigsten Bestandteile des Eisens: Kohlenstoff, Silicium, Phosphor, Schwefel und Mangan, zu geben. Die von Regnault und Berzelius , dann von Gmelin und Wöhler angewendeten Methoden der Bestimmung des gesamten Kohlenstoffs durch direkte Verbrennung wurden 1871 von von Jüptner und Weissmann empfohlen. Ülsmann bezeichnet 1877 die von Wöhler eingeführte Verbrennung mit Kupferoxyd als das eleganteste und schönste Verfahren, wenn sich das Eisen fein pulvern liesse. Der Amerikaner Litterwall wendete 1886 zur direkten Verbrennung im Sauerstoffstrom eine Platinröhre an. C. Lorenz empfiehlt, die Verbrennung bei hoher Temperatur in einem Glaser- schen Verbrennungsofen vorzunehmen Andere Methoden der direkten Verbrennung von O. Petterson und A. Schmitt sowie von R. Lorenz und Leopold Schneider siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1894, S. 242. — 1890 wurde von dem Verein zur Beförderung des Gewerbefleisses die Kohlenstoffbestimmung im Eisen zu einer Preisaufgabe gemacht und erhielten die Professoren A. Ledebur, Götting und W. Hempel den 1., 2. und 3. Preis (Stahl und Eisen 1894, S. 359). . Die Methode ist nur an- wendbar, wenn das Eisen in sehr fein verteiltem Zustande, gut zer- kleinert verwendet werden kann. Ihre Nachteile sind: leichtes Zusammensintern des Eisens und infolgedessen unvollständige Ver- brennung, lange Zeit und unbestimmtes Ende des Prozesses. Aus diesen Gründen wird der Gesamtkohlenstoff jetzt meist durch Abscheidung und darauf folgende Verbrennung bestimmt. Die Verbrennung geschieht entweder im Sauerstoffstrom oder nach Ullgren mit Chromsäure. Für die Abscheidung hat man teils die älteren Methoden verbessert, teils neue erfunden. Langley empfahl 1871 Auflösen des Eisens in Kupfervitriol, Sammeln des Kohlenstoffs auf einem Asbestfilter und Verbrennen im Sauerstoffstrom. Ad. Tamm verwirft dagegen Kupfervitriol als Lösungs- 23* Chemie. mittel für Stahl. Jedenfalls hat sich das von A. S. McCreath 1876 in Vorschlag gebrachte Doppelsalz von Kupferchlorid-Chlornatrium und das 1877 von Pearce verwendete Kupferammoniumchlorid viel besser bewährt und allgemeine Anwendung gefunden. Bewegung der Flüssigkeit bei der Lösung, etwa durch einen Schüttelapparat, ist zu empfehlen (H. Brearley, H. Wdowizewski ). McCreath und Pearce benutzten zur Verbrennung nach Ullgrens Vorschlag Chrom- säure. A. Tremus empfahl 1882 die Verbrennung im Sauerstoffstrom; A. Ledebur dagegen die Zerlegung durch Kupferammoniumchlorid, Verbrennung des auf einem Asbestfilter gesammelten Kohlenstoffs mit Chromsäure und Schwefelsäure (nach von Jüptner oder Särnström ) und Auffangen der Kohlensäure in einem gewogenen Kaliapparat. Dies ist denn auch mit manchen kleinen Verbesserungen das ver- breitetste Verfahren für die Kohlenstoffbestimmung geworden. In Frankreich ist allerdings die von Boussingault eingeführte Abscheidung des Kohlenstoffs durch Quecksilberchlorid mehr im Ge- brauch geblieben. Weyl, Binks u. A. verwenden Chlorsilber zur Trennung. Die von Wöhler vorgeschlagene Methode, das Eisen durch Er- hitzen in einem Chlorgasstrom zu verflüchtigen, gab nach J. Gintls Untersuchung (1882) zu niedrige Resultate, weil das Chlor mit Sauer- stoff vermischt war. Um diesen vorher abzuscheiden, schlägt er vor, das Gas erst durch glühende Holzkohlen zu leiten. Nach Watts (1882) genügt es, das Chlorgas vollkommen zu trocknen, da der Sauerstoff als Wasserdampf mitgeführt wird. Watts verflüchtigt erst das Eisen in einem trockenen Chlorgasstrom und leitet dann Sauer- stoff über den Rückstand zur Verbrennung der Kohle zu Kohlensäure. Auch eine Beimischung von Chlorwasserstoff beeinträchtigt die Ge- nauigkeit des Resultats. Um dieses zu entfernen, leitet Hampe (1891) das Chlorgas erst durch konzentrierte Permanganatlösung. Unter Anwendung dieser Vorsichtsmassregeln hält H. Wedding Siehe Wedding , Handbuch etc., S. 646. diese Methode für die zuverlässigste. — Deville benutzte reines Chlor- wasserstoffgas zur Verflüchtigung. Die von Eggertz (1862) vorgeschlagene Auflösung des Eisens durch Jod oder Brom hat sich für die Eisenanalyse nicht besonders bewährt, weil sich dabei flüchtige Kohlenstoffverbindungen bilden. Für Schlackenanalysen ist sie brauchbar. Bei der Behandlung mit Jod soll der Kohlenstoff mit Jod und Wasser nach der Formel C 40 J + 20 H 2 O mit 60 Prozent Kohlenstoffgehalt zurückbleiben. Chemie. Dr. Alb. Brand hat 1887 bromierte Salzsäure zur Abscheidung des Kohlenstoffs und darauf folgende Verbrennung vorgeschlagen. Die Verbrennung des Kohlenstoffs geschieht entweder im Sauer- stoffstrom in einem Verbrennungsrohr unter Glühen oder in Lösung mit Chromsäure und Schwefelsäure in dem Ullgrens chen Siehe a. a. O., S. 626. oder dem von Finkener Siehe a. a. O., S. 628. angegebenen Apparat. Die Kohlensäure wird gewogen oder gemessen . Zum Wiegen bedient man sich des von Liebig angegebenen Kaliapparates oder des Geisslers chen Apparates Siehe a. a. O., S. 629. , oder eines mit Natronkalk gefüllten Rohres. — Zum Messen wendet man den von Wiborgh Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 465. 1887 angegebenen Apparat an. Wiborghs Verfahren wurde von von Reis, Thörner, Reinhardt und 1891 von Lunge und March- lewski Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 666; Zeitschrift für angewandte Chemie 1891, S. 412. verbessert. Die von Eggertz 1862 vorgeschlagene kolorimetrische Kohlen- stoff bestimmung (S. 23) hat sich ihrer Einfachheit und Raschheit wegen als Betriebsprobe erhalten und wurde vielfach verbessert, sowohl von Eggertz selbst, wie von anderen Neuerdings von Spüller in Kladno, siehe Stahl u. Eisen 1900, S. 825. . Da die Normal- lösungen nicht lange ihre Farbe behalten, hat man Lösungen von Kaffee oder gebranntem Zucker vorgeschlagen, die sich aber auch nicht bewährten. F. F. Morell empfahl 1871 künstlich gefärbte Gläser. Britton machte sich 1874 eine Skala von 16 Proberöhrchen, welche Kaffee in Wasser und Alkohol gelöst enthielten und zugeschmolzen wurden. Er verglich damit die in einem gleichen Proberöhrchen eingefüllte salpetersaure Lösung durch Einschaltung. A. Blair bestimmte (1883) die Färbung durch Verdünnung, wozu er sich eines besonderen Probe- rohres Siehe Wedding , Handbuch I, S. 652. bedient. Le Neve Forster hat 1887 einen Apparat zur Farbenvergleichung, den er Tintometer nennt, aus geschliffenen, ge- färbten Gläsern hergestellt. Ukena wendet (1890) farbige Gläser mit einer Milchglasplatte als Hintergrund an. Stead Siehe Stahl u. Eisen 1883, S. 540. hat ein anderes kolorimetrisches Verfahren, welches für kohlenstoffarmes Eisen, für welches die Eggertzs che Probe nicht ausreicht, besonders empfehlenswert ist, angegeben. Es beruht auf Chemie. Vergleichung der Farbentöne einer Lösung des kohlenstoffhaltigen Rückstandes aus salpetersaurer Eisenlösung in Ätzkali. Zur Farben- vergleichung hat er ebenfalls einen besonderen Apparat Siehe a. a. O., S. 667. konstruiert. Weitere kolorimetrische Kohlenstoffbestimmungen wurden vorgeschla- gen (1888) von Ridsdale und (1894) von Walter G. McMillan Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 1073. . Die kolorimetrischen Proben geben nur den Gehalt an gebundenem Kohlenstoff (Härtungskohle, Karbid) an, infolgedessen fallen sie meist etwas zu niedrig aus H. J. Howes ’ Missing carbon, Journ. Iron and Steel Inst. 1896, I, p. 170. . Den Graphit bestimmt man durch Lösen des Eisens in kochender Salzsäure unter Luftabschluss und nachheriges Verbrennen und Wiegen als Kohlensäure. Der Gehalt an gebundenem Kohlenstoff ergiebt sich aus der Differenz von Gesamtkohlenstoff und Graphit. Eine neue Aufgabe stellte die Forderung, die verschiedenen Kohlenstoffformen im Eisen nebeneinander zu bestimmen. Hierüber hat Hans Jüptner von Johnsdorf Versuche angestellt Siehe Österreich. Zeitschr. 1897, S. 341. . Karbid- kohlenstoff entweicht nach A. Ledebur beim Lösen des gehärteten Stahls in Schwefelsäure, die mit der zehnfachen Menge Wasser ver- dünnt ist, während Graphit zurückbleibt. Müller scheidet Karbid- kohle durch stark verdünnte Schwefelsäure ab. Das Silicium im Eisen wird in der Regel durch Auflösen in Salpetersäure und entweder Eindampfen mit Schwefelsäure, Erhitzen des Rückstandes und Wiegen, oder durch Zusatz von Salzsäure, Ab- dampfen, Verdünnen, Filtrieren, Schmelzen des Rückstandes mit Natriumkaliumkarbonat und Bestimmung der Kieselsäure in der Schmelzmasse in der üblichen Weise ermittelt. L. Blum schlug 1883 Lösen in Bromsalzsäure und Verbrennen des Rückstandes im Platinschiffchen vor, welches Verfahren von von Jüptner und O. Gmelin empfohlen wurde. Th. Turner empfahl 1883 die Verflüchtigung von Eisen und Silicium im Chlor- strom und Einleiten der flüchtigen Chloride in Wasser, wodurch Sili- ciumchlorid zersetzt und Kieselsäure abgeschieden wird, welche man bestimmt. Als besonders schnelles Verfahren gab Jos. Morgan (1887) Glühen der Eisenprobe in einer Muffel bei Hellrotglut an, wodurch Silicium in Kieselsäure übergeführt wird, die man dann aus der Lösung abfiltriert. Dieses Verfahren ist nach Drown in Amerika jetzt eingeführt. Chemie. Für die Bestimmung des Mangans stellte sich ganz besonders das Bedürfnis nach schnellen und dabei doch genügend genauen Proben heraus, da die älteren zuverlässigen Bestimmungen als Schwefel- mangan (von H. Rose ) und als Pyrophosphat zu zeitraubend waren. Es wurden dafür in den letzten 25 Jahren eine grosse Zahl von Vor- schlägen gemacht und ist eine beträchtliche Litteratur darüber er- wachsen. Die meisten Schnellproben beruhen auf Massanalysen . Von diesen haben besonders zwei, die Volhards che Permanganatprobe und die Hampes che Chloratprobe, grosse Verbreitung erlangt. 1879 trat Volhard in einem vortrefflichen Aufsatz in Liebigs Annalen der Chemie (198, S. 318) mit seinem Verfahren der Mangan- bestimmung an die Öffentlichkeit. Dasselbe beruht darauf, dass Kalium- permanganat das Mangan aus neutraler, salpetersaurer Lösung als Dioxyd ausfällt, doch geschieht dies nur bei Gegenwart anderer basischer, nicht höher oxydierbarer Metalloxyde, wie z. B. Zinkoxyd, vollständig. Das Zinkoxyd bewirkte zugleich auch die Fällung des Eisens, welches als Eisenoxyd gelöst sein muss. Sobald alles Mangan oxydiert ist, tritt bei weiterem Zusatz von Permanganat die bekannte violette Färbung ein. Schöffel und Donath schlugen 1882 ein etwas abgeändertes Verfahren vor, welches sich besonders für manganreiche Verbindungen, wie Ferromangan, eignet. Die salzsaure Lösung wird mit Kalium- chlorat gekocht, dann auf ein bestimmtes Mass verdünnt. Ein ab- pipettierter Teil wird dann mit Natriumkarbonat neutralisiert und mit Zinkoxyd versetzt in eine nahezu kochende Kaliumpermanganatlösung eingetragen. Unter Kochen scheidet sich das Mangandioxyd aus. Der Überschuss des Permanganats wird mit einer Lösung von arseniger Säure zurücktitriert. C. Meineke Repert. der analyt. Chem. III, 337; Mitteilungen über die amtl. Lebens- mittel-Untersuchungs-Anstalt etc. Wiesbaden 1883/84, S. 63. (1883) löst in Schwefelsäure und Salpetersäure, setzt dann Chromsäure zu und kocht. Nachdem der Überschuss von Chrom- und Schwefelsäure mit Chlorbaryum aus- gefällt ist, wird die Lösung in eine abgemessene Menge einer heissen mit Chlorzink versetzten Kaliumpermanganatlösung eingetragen. Der Überschuss des letzteren wird mit Antimoniumchlorür reduziert und dieses mit Permanganat zurücktitriert. Bei diesem Verfahren soll alles Mangan als Dioxyd gefällt werden, während bei den vorigen Methoden immer etwas Manganoxydul mit dem Dioxyd abgeschieden wird. Chemie. Fast gleichzeitig mit Volhards Methode, im Jahre 1879, wurden von F. Kessler Zeitschrift für analyt. Chem. XVIII, S. 1. in Deutschland und von Pattinson Journ. of the Chem. Soc. 1879, Juniheft S. 365; Zeitschr. für analyt. Chem. 1880, XIX, S. 346. in England zwei andere Manganbestimmungen bekannt gemacht. Letztere er- forderte nur die halbe Zeit. Kesslers Methode, bei welcher das Mangan durch Kochen mit Natriumacetat nach Zusatz von Brom und Chlorzink ausgefällt, der Niederschlag mit einer bestimmten Menge Chlorantimonlösung be- handelt, dann gelöst und mit Kaliumpermanganat titriert wird, leidet, abgesehen davon, dass sie umständlicher ist, ebenfalls an dem Fehler, dass das Mangan nicht als reines Dioxyd, sondern teilweise als Oxydul ausgefällt wird. Pattinsons Methode wurde von A. Ledebur in Deutschland eingeführt und empfohlen. Sie gründet sich auf die Fällung des Mangans als Mangandioxyd durch Kaliumhypochlorid (Bleichkalk) und Kaliumkarbonat in Gegenwart von Eisenchlorid, deshalb wird sie auch öfter als „Chlorkalkprobe“ bezeichnet Siehe H. Wedding , Handbuch I, S. 676. . Der Niederschlag wird mit einer bestimmten Lösung Ferrosulfat unter Zusatz von Schwefel- säure gelöst und der Überschuss des Ferrosulfats titriert. Die Methode ist gut für manganreiche Verbindungen, wie für Spiegeleisen und Ferromangan, geht aber wohl nicht schneller wie die Volhards che. Ausser diesen Verfahren waren bis 1883 noch viele andere in Vorschlag gebracht worden, gewichts- und massanalytische, so von S. Kern (1876), A. Classen (1876), G. Rosenthal, Alf. Riche (1877), Beilstein und Jawein (1879), Kerpely (1879), Särnström (1881), Alex. E. Haswell (1881), Fremy (1881), F. D. Williams (1881). Von hervorragender Bedeutung war die von Hampe Chemiker-Ztg. 1883, S. 1106. (1883) ver- öffentlichte Chloratmethode . Es wird hierbei in Salpetersäure gelöst, hierauf das Mangan durch Zusatz von Kaliumchlorat und Kochen als Superoxydhydrat gefällt, der Niederschlag in verdünnter Schwefel- säure und Ferroammoniumsulfat gelöst und der Überschuss mit Kaliumpermanganat zurücktitriert. Diese Methode ist für grosse und für kleine Mengen von Mangan brauchbar, wenn nicht viel Phosphor anwesend ist. Die zahlreichen Vorschläge veranlassten Dr. Schmitt und C. Meineke , in der Generalversammlung des Vereins analytischer Chemie. Chemiker im Juni 1883 die Wahl einer Kommission zur Aufstellung einheitlicher Normen für die Manganbestimmung in Eisen und Eisen- erzen aufzustellen. Wenn dieser Zweck auch nicht erreicht wurde, so wurden doch die Methoden auf ihre Zuverlässigkeit genauer ge- prüft, und fanden die von Volhard und Hampe mit einigen nach- träglichen Verbesserungen in den deutschen Hüttenlaboratorien die grösste Verbreitung; Ledebur empfahl ausserdem noch die Methode von Pattinson als die schnellste Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1884, S. 452. . Unter den praktischen Ver- besserungen der Volhards chen Methode sind die von N. Wolff 1884 Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 702. angegebenen, welche allgemeine Anwendung gefunden haben, hervorzuheben. Die Hampes che Methode wurde von Ukena ver- bessert. Von den später in Vorschlag gebrachten Manganbestimmungen sind noch die von Meineke 1887 angegebene Quecksilberoxydprobe Rep. der analyt. Chem. 1887, S. 54 bis 67. und die J. Rothes che Ätherprobe Mitteilungen aus den Kgl. techn. Versuchsanstalten 1892, 1. Heft, S. 132. hervorzuheben. Meineke fällt das Mangan als Dioxyd mit Quecksilberoxyd und Brom. Hierbei fällt reines Dioxyd aus, während bei den anderen Proben immer Manganoxydul bis etwa 4 Prozent dem Dioxyd beigemischt ist und eine dementsprechende Korrektur stattfinden muss. Die Rothes che Probe beruht auf der Thatsache, dass Eisenchlorid aus salzsauren Lösungen von Äther vollständig ausgezogen wird, während die übrigen Chloride zurückbleiben. Rothe hat hierfür einen besonderen Apparat konstruiert, mit dem die Trennung mittels Äther leicht auszuführen ist. H. Wedding Siehe Wedding , Handbuch der Eisenhüttenkunde I, S. 680 u. 688. empfiehlt dieses Verfahren als das beste. In den Hüttenlaboratorien hat es aber bis jetzt noch keine Verbreitung ge- funden. Weitere Methoden der Manganbestimmung wurden seit 1883 vorgeschlagen von M. Troilus Jern Kont. Annal. 1883, S. 466. , Tamm Daselbst 1884, S. 74. , Särnström Daselbst 1884, S. 126. (1884), C. Reinhardt (1885), von Jüptner (1885), A. Settenvall (1886), G. von Knorre und M. Illinski (1887), welche Nitrosonaphtol zum Ausfällen des Eisens anwenden, Alb. Brand (1887), Friedmann Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 316. Chemie. (1888), Carnot , der Wasserstoffsuperoxyd zur Oxydation benutzt, Leop. Schneider Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1888, S. 608. (1888), der Wismuttetraoxyd, später Bleisuper- oxyd hierfür anwendet, R. W. Atkinson, Perillon, A. Ghilain (1888), K. Rubicius (1891), M. A. von Reis (1892), Deshay . Kolorimetrische Manganbestimmungen wurden unter anderem empfohlen von Brunner (1874), Volhard (1879), Götz Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 417. (1882), Pichard, Osmond, A. de Rossi (1891), doch haben dieselben keine Verbreitung gefunden. Dagegen hat sich das kolorimetrische Verfahren für die Be- stimmung des Schwefels im Eisen sehr bewährt. Vordem war es die Eggertzs che Probe mit Silberblech (s. Bd. IV, S. 792), seit 1886 ist es die von Wiborgh angegebene Kadmiumprobe, welche in den Hüttenlaboratorien vorzugsweise angewendet wird. Eine mit Kadmium- acetat getränkte Zeugscheibe, welche die obere Öffnung des Apparates verschliesst und durch welche aller bei der Lösung entwickelter Schwefelwasserstoff durchstreichen muss, färbt sich heller oder dunkler gelb. Die Farbentöne lassen sich leicht unterscheiden und mit den auf einer Tafel gedruckten Normalfarben vergleichen. Eine beigefügte Tabelle dient zur prozentualen Berechnung des Gehaltes. Diese Probe ist schärfer als die von Eggertz , weil die Farben leichter zu unter- scheiden sind, das Lösen unter Kochen geschieht und vollständiger ist. Als Betriebsprobe reicht sie aus, für wissenschaftliche Unter- suchungen nicht. Hierfür sind jetzt besonders zwei Methoden in Anwendung, die beide schon älter sind: das Johnstons che Verfahren mit Brom und das Gintls che Verfahren mit Eisenchlorid. Bei der Johnstons chen Methode Siehe Post , Chem.-techn. Analyse I, S. 470. wird der bei der Lösung des Eisens entwickelte Schwefelwasserstoff in eine Lösung von Brom in Salzsäure geleitet und dadurch vollständig zu Schwefelsäure oxydiert. Es geschieht dies unter besonderen Vorsichtsmassregeln in einem eigens dafür konstruierten Apparat. Die Bromlösung mit der Schwefel- säure wird zur Verjagung des Broms eingedampft und die Schwefel- säure mit Chlorbaryum heiss ausgefällt. Dieses Verfahren wird für genaue Schwefelbestimmungen sehr empfohlen Siehe Wedding , Handbuch I, S. 704. . Classen und O. Bauer oxydieren mit Wasserstoffsuperoxyd. Gintls Methode Siehe Zeitschr. für analyt. Chemie VII, S. 427. , welche 1868 veröffentlicht wurde, besteht Chemie. darin, dass das Eisen in Eisenchlorid gelöst wird, wodurch der Schwefel mit dem Kohlenstoff u. s. w. im Rückstande bleibt. Dieser wird mit Salpeter und Ätzkali oder Kaliumkarbonat geschmolzen, die Masse gelöst und die Schwefelsäure mit Chlorbaryum gefällt. Chr. Meineke Siehe Zeitschr. für analyt. Chemie 1871, S. 380. hat 1871 dieses Verfahren dahin geändert, dass er eine saure Lösung von Kupferchlorid zum Auflösen verwendet, wodurch auch ein vorhandener Kupfergehalt ermittelt werden kann. Das neueste Verfahren von Meineke besteht darin, das Eisen unter Zusatz von Kaliumchlorat in Salzsäure zu lösen, nach Vertreiben des Chlors durch Kochen mit Zink zu reduzieren und dann die Schwefel- säure durch Chlorbaryum zu fällen Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 879. . W. Schulte in Bochum Daselbst 1896, S. 865, 1898, S. 326. hat 1896 besonders für die Bestim- mung von Schwefel im Eisen ein Verfahren angegeben, welches darin besteht, dass die Probe in verdünnter Salzsäure gelöst, der entwickelte Schwefelwasserstoff in eine Lösung von essigsaurem Kadmium geleitet und das gefällte Schwefelkadmium durch Kupfervitriol in Kupfersulfid umgewandelt wird. Das Kupfersulfid wird im Platinschälchen geglüht und aus dem entstandenen Kupferoxyd der Schwefelgehalt berechnet. Dieses Verfahren hat sich bewährt A. a. O. 1898, S. 326. . Von den massanalytischen Methoden, welche zur Schwefel- bestimmung in Vorschlag gebracht worden sind, verdient die 1871 von Elliot Siehe Dinglers polyt. Journ. 1871, 199, S. 391. angegebene, von Weil verbesserte Jodprobe den Vorzug. Weitere Schwefelproben sind in diesem Zeitraum ausgearbeitet worden: von Boussingault (1876 mit Silbernitrat), von Drown und Leop. Schneider (mit Permanganat), Craig (mit Wasserstoffsuper- oxyd), Platz (1877, Lösungsprobe mit Salzsäure), Föhr (1866, durch massanalytische Bestimmung mit Zinkvitriol), J. Morgan (1886, kolorimetrisch, mit Bleisalz), desgl. J. Parry . Rollet, Philipps, Compredon und W. Schulte haben nach- gewiesen, dass beim Auflösen von Eisen in Salzsäure ein Teil des Schwefels in anderer Form, nach Philipps als (C H 3 ) 2 S, entweicht, der von Zink- oder Bleiacetat nicht gefällt ist; dies geschieht aber, wenn man das Gas erst durch eine erhitzte Röhre leitet Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 486. . Von besonderer Wichtigkeit ist die Bestimmung des Phosphors Chemie. in diesem Zeitabschnitt geworden und sind hierüber zahlreiche Arbeiten veröffentlicht worden. Die Sonnenscheins che Molybdatprobe (s. Bd. IV, S. 793) mit ver- schiedenen Verbesserungen hat sich immer noch am besten bewährt und zwar für genauere Phosphorbestimmungen nach dem von Finkener angegebenen Verfahren, und als Schnellprobe nach dem von Götz eingeführten Schleuderverfahren. Für die genaue Phosphorbestimmung hat sich eine Verbindung der Molybdat- mit der Acetatprobe am geeignetsten erwiesen. Hierzu sind aber besondere Vorsichtsmassregeln erforderlich. Man kann sagen, dass bis zum Jahre 1878 alle Bestimmungen nach der Molybdat- methode zu niedrige Zahlen ergeben haben. 1878 entdeckte Tamm die Fehlerquelle in unvollständiger Fällung der Phosphorsäure, was er auf die Einwirkung organischer Substanzen zurückführte. Er schlug deshalb, um diese zu zerstören, vor, die Lösung erst einzudampfen und zu glühen. Dies war allerdings eine Verbesserung, der Grund der Ungenauigkeit lag aber weniger in der Einwirkung organischer Sub- stanzen als in der unvollständigen Oxydation des Phosphors, indem sich bei der Lösung in Salpetersäure oder Salpetersalzsäure neben Phosphor- säure phosphorige Säure bildete, welche durch Molybdänsäure nicht mit ausgefällt wurde. Dies wird durch das Eindampfen und Glühen bei 200° C. verhindert. Doch hat man mit Nutzen die Oxydation auch noch durch Zusatz stärkerer Oxydationsmittel befördert. Statt der umständlichen Bestimmung der Phosphorsäure als Magnesiumphosphat genügt für hüttenmännische Zwecke unter Ein- haltung gewisser Vorschriften die Ermittelung als Phosphormolybdat. Nach Finkener Bericht der deutsch. chem. Gesellschaft 1878, XI, S. 1638. , welcher dieses Verfahren zuerst ausgebildet hat, erhält man durch längeres Erhitzen des Phosphormolybdats bei etwa 180° C. eine konstante Verbindung, welche 3,794 Prozent Phosphor- säure oder 1,65 Prozent Phosphor enthält. Meineke Repert. für analyt. Chemie 1885, V, S. 153, und 1886, VI, S. 325. löst in Salpetersäure unter Zusatz von Chromsäure, um die organischen Substanzen zu oxydieren, und glüht das gefällte Phosphormolybdat bei 400 bis 500° C. Der dunkle Rückstand hat einen konstanten Phosphorgehalt von 1,754. Dieses Meinekes che Verfahren kam auf den Rheinischen Stahlwerken bei Ruhrort in An- wendung. Die von W. Götz zu Cleveland, Ohio, 1886 angegebene Schleuder- Chemie. methode Siehe Stahl und Eisen 1887, Nr. 2. bestimmt die Phosphorsäure aus dem Volum des durch einen besonderen Apparat stark geschüttelten oder geschleuderten Niederschlages von Phosphormolybdat in einem tarierten Gläschen. Die Volumbestimmung durch starkes Schütteln hatte Eggertz schon 1869 vorgeschlagen. Götz hat die Methode mit Erfolg weiter ver- folgt. Wedding hat das Verfahren von Götz in Deutschland ein- geführt Sitzung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute am 16. Jan. 1887; Stahl und Eisen 1887, S. 401. und Dr. Braun hat 1880 eine verbesserte Schleudermaschine (Eimercentrifuge) konstruiert und ein Patent darauf genommen. Die Methode ist nach Ukena Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 401. gut für Eisen von weniger als 0,12 Prozent Phosphor und höchstens 0,1 Prozent Kohlenstoff, also besonders für weiches Flusseisen. Es wird deshalb besonders auf den Thomas- werken angewendet. Wdowizewski wendet das Schüttelverfahren auch zur besseren Abscheidung des pyrophosphorsauren Ammonmagnesium-Nieder- schlages an Daselbst 1897, S. 814. . An der Phosphorbestimmung mit Molybdänsäure haben seit 1870 noch besonders gearbeitet Eggertz (1871), E. Richter, Koschelt, Stöckmann, Cairns (1877), Cardwell, J. S. Smith, Mühlenberg, Drown, B. Wright (1881), A. Tamm (1883, 1884), Särnström (1884), Perillon (1884), C. F. Wood (1886), M. A. von Reis (1887), Ukena (1888), Bormann (1889), Blair (1891), Dudley und Pease (1893), Carnot (1893), Emmerton, O. Hertling (1897). Letzterer titriert die Molybdänsäure im Niederschlage mit Kaliumpermanganat. Der Amerikaner Mahon hat endlich 1898 eine Schnellprobe durch Fällung als Phosphormolybdat mit darauf folgendem Titriren, die nur etwa 8 Minuten Zeit erfordern soll Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1898, S. 565. , angegeben. F. Ibbotson und H. Beasly empfehlen neuerdings ein Schnellverfahren, wobei der Phosphor als Pb Mo O 4 gewogen wird Chem. News 1900, 82, 35; Stahl und Eisen 1900, S. 885. . Für die Magnesiaacetatprobe haben Riley 1878, Troilus 1883 und Blair 1891 Verbesserungen angegeben. Eine angeblich genauere Bestimmung der Metalloide, besonders von Schwefel und Phosphor, hat neuerdings H. K. Bamber in Eng- land vorgeschlagen Vortrag im Frühlingsmeeting des Iron and Steel Inst., Auszug in der Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1894, S. 358. . Chemie. Die massanalytischen Phosphorbestimmungen, welche von Pisani, von der Pfordten, Cheever, M. A. von Reis 1886, C. Reinhardt 1887 und Emmerton 1891 vorgeschlagen wurden, und die auf der Reduktion des Phosphormolybdats durch Zink und Titrieren mit Permanganat beruhen, haben ebensowenig Verbreitung gefunden wie die kolorimetrische Probe von Namias (1890), welche auf der blauen Färbung der Lösung des Phosphormolybdats durch Hyposulfit beruht. Über die neueren Untersuchungsmethoden für die weniger regel- mässig auftretenden Beimischungen des Eisens, als Kupfer, Nickel, Kobalt, Chrom, Vanadin, Aluminium, Arsen, Antimon, Zinn, Wolfram und Titan, verweisen wir auf Weddings Handbuch der Eisenhütten- kunde, 2. Auflage, I, S. 717 bis 744. Für die Bestimmung des Nickels im Nickelstahl hat B. Neumann unlängst eine elektrolytische Schnell- probe empfohlen Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 909. . R. Fieber hat neuerdings eine kolorimetrische Bestimmung in Vorschlag gebracht Siehe Chem.-Ztg. 1900, S. 393. . Die technische Gasanalyse , welche ebenfalls eine grosse Be- deutung erlangt hat, ist besonders durch Orsat M. Orsat , Note sur l’analyses industrielles des gaz; Annales des Mines 1875, VIII, p. 501. und Winkler Siehe Dinglers pol. Journ. 219, S. 420. so vereinfacht worden, dass sie von jedem gebildeten Techniker vor- genommen werden kann. Diese haben Apparate konstruiert, in denen die Absorption der Gase vorgenommen und gemessen werden kann. Kohlensäure wird durch Ätzkali, Sauerstoff durch Pyrogallussäure, Kohlenoxydgas durch Kupferchlorürlösung absorbiert. Wasserstoff wird über Palladiumschwamm verbrannt und als Wasser gewogen; der Rest ist Stickstoff. Man zerlegt in dieser Weise ebensowohl die Gase im Eisen, wie die im Hochofen oder die Generator- und Ver- brennungsgase. Die Gase im Eisen können diesem auf verschiedene Weise ent- zogen werden, entweder durch Aussaugen, wie es Graham zuerst angegeben hat, oder durch Anbohren unter Wasser nach Fr. Müllers Verfahren (1882) oder durch Erhitzen ( Parry 1874 Siehe Archiv für Pharmacie 1874, II, S. 280. ). Der Orsats che Apparat wurde 1878 dadurch verbessert, dass er noch mit einem Platinrohr zur Verbrennung und Bestimmung von Kohlenwasserstoffen verbunden wurde. Winklers Apparat wurde Chemie. 1878 von H. Bunte sehr vereinfacht, der ihn durch eine graduierte Gasbürette mit Hähnen oben und unten ersetzte. Alle Absorptionen werden nacheinander in diesem einen Messrohre vorgenommen. Die Buntes che Gasbürette hat ihrer Einfachheit und Handlichkeit wegen eine sehr verbreitete Annahme für Gasuntersuchungen gewonnen. Orsats Apparat wurde weiterhin verbessert von Coquillon (1877), Schwachhöfer (1878), Wiborgh (1887), von Reis (1888), Thörner (1889), Binder, F. Fischer sowie Lunge und March- lewski Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 666. (1891). Zu Buntes Gasbürette wurden Verbesserungen vorgeschlagen von Raoult (1883), Ferd. Fischer (1886). Hempel bedient sich ebenfalls einer einfachen Gasbürette, fängt aber jede Gasart in einer besonderen Pipette auf Siehe Winkler , Gasanalyse, S. 101; Wedding , Handbuch der Eisen- hüttenkunde, I, S. 844. . Dadurch gewährt dieses Verfahren grosse Genauigkeit. Für die Praxis ist es wichtig, dass die analytischen Bestimmungen der Begleitstoffe des Eisens nach den gleichen Methoden ausgeführt werden; man ist deshalb seit mehreren Jahren bestrebt, eine inter- nationale Vereinbarung hierüber herbeizuführen. Auf dem Kongress des internationalen Verbandes für die Materialprüfung der Technik zu Zürich im Jahre 1895 wurde diese Frage erörtert und eine Kommission unter dem Vorsitz von Dr. H. Wedding , Berlin, und Freiherr Jüptner von Jonsdorff , Wien, als erster und zweiter Vorsitzender gewählt, welche sich mit ausländischen Chemikern zu diesem Zweck in Ver- bindung setzen sollten Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 511; 1897, S. 514. . Das Unternehmen fand allgemeinen Beifall und Unterstützung aus allen wichtigeren eisenerzeugenden Ländern. Es wurde 1897 die Gründung eines internationalen sidero-chemischen Laboratoriums beschlossen, als dessen Leiter H. Jüptner von Jonsdorff in Aussicht genommen wurde Daselbst 1897, S. 789. . Die Zahl der in diesem Zeitabschnitt veröffentlichten Analysen von Eisenerzen, Roheisen, Flusseisen, Schlacken u. s. w. ist eine sehr grosse. Sie finden sich zerstreut in den hüttenmännischen und chemischen Zeit- schriften sowie in Ausstellungsberichten, zum Teil gesammelt in den Handbüchern der Eisenhüttenkunde und in Monographieen Z. B. Wachler , Vergleichende Qualitätsuntersuchungen von Giessereiroheisen 1879; Kerpely , Ungarns Eisenstein- und Eisenhüttenerzeugnisse; Ledebur , Das Roheisen etc., 3. Auflage, 1891; Dr. H. Wedding , Handbuch der Eisenhüttenkunde. . Die chemische Analyse hat für alle Eisensorten, ganz besonders für alle Flusseisensorten, eine eminente Bedeutung erlangt, selbst für Physik des Eisens seit 1871. Fabrikate, bei denen nur mechanische Inanspruchnahme in Frage kommt, wie z. B. bei Eisenbahnschienen. Dr. C. B. Dudley Vorträge in den Versammlungen des Institute of Mining Engineers: „Die chemische Zusammensetzung und die physikalischen Eigenschaften der Stahl- schienen“, Oktober 1878, zu Lake George und „Über die Dauerhaftigkeit der Stahlschienen in Beziehung zu ihrer chemischen Zusammensetzung und den physi- kalischen Eigenschaften“, 1881 zu Philadelphia. , Chemiker der Pennsylvanischen Eisenbahngesellschaft, wollte der chemischen Analyse 1878 sogar die ausschlaggebende Rolle für die Be- urteilung der Qualität der Eisenbahnschienen zuschreiben und stellte hierüber sehr gründliche Untersuchungen an. Wenn er damit auch nicht durchdrang, so sind doch hervorragende Sachverständige, wie C. P. Sandberg C. P. Sandberg , Beitrag zum Februar-Meeting (1883) d. Amer. Inst. of Min. Eng. in Boston. , G. F. Snelus G. F. Snelus , Vortrag auf d. Herbst-Meeting d. Iron and Steel Inst. zu Wien. 1883. und Andere auf diesen Gedanken eingegangen und haben darin weiter gearbeitet. Zu einer richtigen Beurteilung der Eisensorten gehört die chemische und die mechanische Probe. Physik des Eisens seit 1871. Nicht minder als die Chemie hat sich die Physik des Eisens vertieft und erweitert. Die Erscheinungen der Wärme stehen mit den chemischen in so enger Beziehung, dass die Thermochemie H. Jahn , Die Grundsätze der Thermochemie. — Thomsen , Thermo- chemische Untersuchungen; Honoré Ponthière , Thermo-chemische Studie über das Raffinieren des Eisens 1897 (Vortrag im Herbst-Meeting des Iron and Steel Institute). ein gemeinschaft- liches Gebiet beider Wissenschaften bildet. Die wichtigen Ergebnisse derselben über den Verbindungszustand des Kohlenstoffs im Eisen haben wir bereits im vorigen Kapitel erwähnt. Die Grundlage aller thermochemischen Untersuchungen bildet die richtige Wärmemessung und sind deshalb zunächst die bedeutenden Fortschritte auf diesem Gebiete zu verzeichnen. Neue Kalorimeter , bei welchen die Wärmezunahme einer ge- wissen Menge Wasser beim Eintauchen des erhitzten Körpers gemessen wird, wurden angegeben von Weinhold 1873, Siemens 1877, Thompson, Fischer 1888, Wilson und Anderen. Doch ist immer noch der ältere von Regnault konstruierte Kalorimeter zu empfehlen, Physik des Eisens seit 1871. wenn die Abkühlung des erhitzten Platincylinders vor dem Ein- tauchen in das Wasser vermieden werden kann. Optische Pyrometer, die besonders in Frankreich Eingang gefunden haben, dienen nur zur Betriebskontrolle. Das erste wurde 1881 von A. Crova auf dem Eisenwerk zu Creusot hergestellt, um die Tempe- raturen in den Martin-Flammöfen zu messen. Das kreisförmige Bild der Öffnung in der Ofenthür wurde auf das Prisma eines Spektro- pyrometers geworfen. Der Apparat diente nur für hohe Temperaturen über 1000° C. 1888 erfanden Mesuré und Nouel einen einfacheren Apparat, den sie lunette pyrometrique, pyrometrisches Perspektiv, nannten. Dieses Instrument wurde 1892 von Cornu-Le Chatelier verbessert. Die Verbesserung bestand in der Verbindung mit einem Cornus chen Photometer. Rotglut entspricht 525° C., Kirschrot 800° C., Orange 1100° C., Weiss 1300° C., blendend Weiss 1500° C. Bequem, aber für wissenschaftliche Zwecke bei hohen Tempe- raturen nicht genügend genau, sind die Pyrometer, welche, wie das alte von Wedgewood , auf der Ausdehnung feuerfester Körper in der Hitze beruhen. Das von Zabel in Quedlinburg (1876) aus Metall- stäben zusammengesetzte misst nur Temperaturen bis zu 520° C., das Graphitpyrometer von Steinle und Hartung (1878) lässt sich für höhere Temperaturen anwenden. Seger hat (1883) eine Skala von Versuchskegeln aus hochschmelzigen Glasurmassen hergestellt, von denen Nr. 26 dem niedrigsten Grade, Nr. 35 dem höchsten Grade der Feuerbeständigkeit von feuerfesten Thonen entspricht. Das Segers che Pyroskop hat auch beim Eisenhüttenwesen Anwendung gefunden. Genauer sind in gewissen Grenzen Legierungen von Silber, Gold und Platin, deren Schmelzpunkte zu 950° C., 1075° C. und 1775° C. angenommen werden, wie sie von Princep angegeben und von der Scheideanstalt (Dr. H. Rössler ) in Frankfurt hergestellt werden. H. Seger empfahl die Anwendung dieser Legierungen bis zu einer Temperatur von etwa 1200° C. (genauer bis zu einer Legierung von 15 Prozent Platin, welche bei 1180° C. schmilzt). Von den Pyrometern, welche auf der ungleichen Ausdehnung zweier verschiedener Stoffe bei der Erwärmung beruhen, ist das von Gauntlett am meisten in Anwendung. Es besteht aus drei feuer- festen Hohlcylindern, die in ein Eisenrohr eingeschlossen sind und bei der Erhitzung auf eine Auswechselung drücken, die einen Zeiger, ähnlich wie bei einem Manometer, bewegen. Viel genauer und für alle wissenschaftlichen Untersuchungen von Beck, Geschichte des Eisens. 24 Physik des Eisens seit 1871. grosser Bedeutung sind die Luftpyrometer , welche in den letzten 25 Jahren sehr verbessert worden sind. Doch werden dieselben meist nur bei niedrigeren Temperaturen bis zu 1000° C. (Wind- erhitzungsapparate usw.) in der Praxis angewendet. Die bekanntesten Luftpyrometer sind die von Hobson (1876), Bradbury, F. Wiske (1881), Friedr. Krupp (1885), Heisch und Tolkard in Brentford (1887, nur für Temperaturen bis zu 540° C.), Wiborgh (1888), Ühling und Steinbart (1894) und das von Walther Dürr und Siegert in München (1894) Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 435. . Alle diese Pyrometer sind aber nicht verwendbar, um die Temperatur von flüssigen Eisen- oder Stahlmassen zu messen. Für hohe Temperaturen sind das verbesserte Wiborghs che und das Dürrs che Luftpyrometer geeignet. In letzterem giebt ein Zeiger auf einer Skala von 0° bis 1500°, ähnlich wie bei einem Manometer, die gemessene Temperatur an. Sehr gut haben sich zum Messen hoher Temperaturen die elektrischen Pyrometer bewährt, die alle auf dem von Siemens zuerst angewendeten Princip, dass der Leitungswiderstand eines Platindrahtes gegen den elektrischen Strom mit der Temperatur sich verändert, beruhen. Das Siemenss che Pyrometer wurde von F. Braun und von Le Chatelier verbessert. Das Le Chateliers che Pyro- meter Daselbst 1892, S. 894; 1894, S. 434. besteht aus einem thermoelektrischen Element von Platin- Platinrhodium, welches Temperaturen bis zum Schmelzpunkt des Platins (über 1700° C.) zu messen gestattet. Die Ablesung erfolgt mit Hülfe eines Spiegelgalvanometers. Sowohl das Le Chateliers che wie das Brauns che Pyrometer geben genaue Temperaturangaben und gestatten Wärmefernmessungen. Ein verbessertes Thermoelement für das Le Chatelier-Pyrometer hat W. C. Heräus in Hanau erfunden Daselbst 1896, S. 662. . In neuerer Zeit hat Professor W. C. Roberts-Austen in London Daselbst 1893, S. 528. mit dem Pyrometer einen Selbstregistrierapparat verbunden (Recording- Pyrometer). Die Schmelztemperatur von weissem Roheisen, das 4,1 Prozent Kohlenstoff, 0,22 Prozent Silicium, 0,12 Prozent Mangan und 0,02 Proz. Phosphor enthielt, mass Osmond F. Osmond , Transformation du fer et du carbone, Paris 1888, p. 24 et 28. zu 1085° C., die von weissem schwedischem Roheisen mit 4 Prozent Kohlenstoff Le Chatelier zu 1135° C., die von grauem schwedischem Giessereiroheisen mit 3,5 Proz. Physik des Eisens seit 1871. Kohlenstoff Le Chatelier zu 1220° C., die von Stahl mit 0,7 Prozent Kohlenstoff Osmond zu 1420° C., die von Flusseisen mit 0,9 Prozent Kohlenstoff Le Chatelier zu 1410° C., die von Eisen mit 0,3 Prozent Kohlenstoff Le Chatelier Comptes rendus, Vol. 140, p. 471. zu 1455° C., die von Flusseisen mit 0,1 Prozent Kohlenstoff Le Chatelier zu 1475° C. Für chemisch reines Eisen, das nach Pouillet bei 1550°, nach Daniell bei 1587° C. schmelzen soll, ermittelte Carnelley 1804° C. Im allgemeinen nimmt man aber den Schmelzpunkt von reinem Eisen niedriger als den von Platin, auf rund 1600° C., an (nach Violle auf 1775° C.). Hadfield teilte neuerdings folgende, mit dem Le Chatelier- Pyrometer bestimmte Temperaturen mit: Weissglut (nicht Schweisshitze) 1240° C. Helle Gelbglut 1130 Gelbglut 1081 Schwache Gelbglut 971 Helle Rotglut 923 Mittlere Rotglut 795 Blutrotglut 667 Temperatur von Bessemerstahl aus einer 6-Tonnen-Birne: In der Giesspfanne 1640° C. in der Gussform 1580 im Wärmofen 1200 unter dem Dampfhammer 1080 im Martinofen nach dem Einschmelzen 1420 in der Frischperiode 1500 im Hochofen, nahe den Formen beim Betriebe auf Bessemerroheisen 1930 Bei sehr hoher Temperatur verflüchtigt sich Eisen, wie die ihm nahestehenden Metalle Nickel, Kobalt und Mangan; letzteres am leichtesten. Nach Fleitmann soll bei nickelplattiertem Eisen schon in der Schweisshitze Verdampfung wahrnehmbar sein. Eine wichtige Entdeckung war der Nachweis, dass die specifische Wärme sich verändert und mit der Temperatur zunimmt. Le Chatelier Annales des Mines 1883, IV. wies dies zuerst durch zahlreiche Versuche an Kohlen- säure und Wasserdampf nach. 24* Physik des Eisens seit 1871. Hieraus ergiebt sich, dass die früheren Berechnungen der Flammen- temperaturen, wobei die specifische Wärme der Gase als konstant angenommen wurde, falsch waren und viel zu hohe Zahlen ergaben, was auch den Erfahrungen entsprach. Während die Flammentempe- ratur von Gas, welches mit kalter Luft verbrennt, früher zu 2650° C. berechnet wurde, stellt sich dieselbe nach Le Chateliers Formeln nur auf 1700° C. Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 893. , was mit der Leistung viel besser übereinstimmt. Nach Messungen mit dem optischen Pyrometer von Cornu- Le Chatelier beträgt die Hitze in einem Ziegelofen nur 1100° C., im Hochofen im Anfang der Schmelzzone 1400° C., in einem Bessemer- konverter während des Blasens 1330° C., gegen Ende des Blasens 1580° C., in einem Stahltiegelschmelzofen 1600° C. Die specifische Wärme hat A. Weinhold (1875) genauer bestimmt. Danach nimmt das Eisen bei der Erwärmung von 0 bis 300° etwa 35 Wärmeeinheiten, bei der Erhitzung von 0 bis 1000° etwa 160 Wärmeeinheiten auf. Bei 1000° ist die specifische Wärme des Eisens ungefähr doppelt so gross als bei 0°. Die Zunahme der specifischen Wärme findet nicht gleichmässig statt, sondern zeigt Sprünge, die nach Pionchon Siehe Compt. rend. 1886, Vol. 102, p. 1454. besonders um 700° liegen. Nach Versuchen von Lürmann und Bethge erwies sich das Welters che Gesetz (s. Bd. IV, S. 231) für den gasförmigen Zustand verbrennender Körper als durchaus richtig, wenn man ihm folgende Fassung giebt: Bei der Verbrennung mit Sauerstoff entwickelt jeder einfache und zusammengesetzte Körper eine Wärmemenge von 33600 W.-E. W.-E. = Wärmeeinheiten. (= der Verbrennungswärme von Wasserstoff zu Wasser), dividiert durch das Atomgewicht des Körpers und multipliziert mit der Anzahl der Sauerstoffatome. Die gewöhnlichsten Verbrennungserscheinungen sind demnach: Physik des Eisens seit 1871. Nach Untersuchungen von K. Zulkowski betrug die gemessene Wärmemenge beim Verbrennen von: (nach Andrews ) (nach Thomson ) Die Dulongs che Formel (Q = 81 c + 345 [h — o/s]), wobei c, h und o die Prozentmengen an Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauer- stoff bezeichnen, ist nach D. J. Mendelejeff nur richtig, wenn der Wasserstoff in Gasform vorhanden ist, für den flüssigen und festen Zustand ist die Zahl 345 zu hoch und muss auf etwa 300 erniedrigt werden Siehe Chemiker-Ztg. 1897, S. 328. . Über die Ausnutzung oder die Ökonomie der Wärme im Hoch- ofen sind ausführliche Untersuchungen angestellt worden, auf welche wir bei dem Abschnitt über Hochöfen zurückkommen werden. Die Ausnutzung der Wärme ist nur erheblich, wo das Brennmaterial mit dem zu erhitzenden Stoff in Berührung ist, wo das nicht der Fall ist, ist sie nur gering, wie aus folgenden Ergebnissen der Untersuchungen von Gruner Gruner , Die Ausnutzung der Wärme bei Hüttenprozessen; Annales des Mines, 7. Ser., t. 8, l. 4, d. 1875, p. 173. Hierüber haben weiter Arbeiten geliefert: Jordan, Kuppelwieser, Åkerman, Kraus . hervorgeht. Die Wärmeausnutzung betrug in Tiegelschmelzöfen beim Stahlschmelzen im Zugofen 1,7 Proz., mit zugeführter Wärme 3 Proz. „ „ Flammofen 2,0 „ „ „ „ 3 „ „ „ Siemensofen 3,0 bis 3,5 Prozent. In Flammöfen beim Umschmelzen von grauem Roheisen bei unterbroch. Betriebe 4 bis 5 Proz. „ „ „ „ „ kontinuierl. „ 8 „ „ „ „ „ im Siemensofen 20 „ Bei Stahlerzeugung im Siemens-Martinofen 9,5 Proz. bei gewöhnlichen Eisenschweissöfen 6 bis 10 „ bei Stahlglühöfen mit sehr langer Herdsohle 15 „ 17 „ beim Bessemern im Konverter 11,5 „ Physik des Eisens seit 1871. beim Schmelzen in Schachtöfen in Prozenten: Über die Anwendung der Thermochemie auf metallurgische Reaktionen hielt A. Pourcel 1889 bei der Frühjahrsversammlung des Iron and Steel Institute einen Vortrag Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 712; vergl. auch Jahn , Grundsätze der Thermochemie. . Dass die chemische Verwandtschaft der einfachen Stoffe von der Temperatur abhängig und bei verschiedenen Temperaturen verschieden ist, war eine längst bekannte Thatsache, und beruhen hierauf viele metallurgische Prozesse. Insbesondere verändert sich die Intensität der Verwandtschaft zum Sauerstoff mit der Temperatur. Wasserstoff hat eine grosse Verwandtschaft zu Sauerstoff und verbrennt innerhalb gewisser Temperaturgrenzen mit Energie zu Wasser. Hohe Tempe- ratur hebt diese Verwandtschaft auf und tritt nach den pyrometri- schen Untersuchungen von V. Meyer (1885) schon bei 1200° C. Dissociation oder Trennung von Wasserstoff und Sauerstoff ein. Kohlensäure zerfällt bei 1300° C. teilweise nach der Formel C O 2 = C O + O, während umgekehrt Kohlenoxydgas bei 1700° C. in Kohlen- säure und Kohlenstoff zerfällt nach der Formel 2 C O = C O 2 + C. Die Verwandtschaft des Eisens zum Sauerstoff ist bei verschiedenen Temperaturen verschieden, was sich bei der Reduktion der Eisenerze geltend macht, wie wir weiter unten beim Hochofenprozess sehen werden. Auch die Verwandtschaft des Eisens zu den übrigen einfachen Stoffen wechselt mit der Temperatur und nimmt bei manchen mit steigender Wärme wenigstens innerhalb gewisser Grenzen zu, so z. B. beim Phosphor. Dass sie zu Kohlenstoff, Silicium, Schwefel und Eisen bei verschiedenen Temperaturen verschieden ist, wusste man längst. Lowthian Bell Siehe Iron 1877, March, p. 390; Dinglers Polyt. Journ. 225, S. 264, 351. hat dies durch Analysen bestätigt. Er fand, dass bei den analogen Prozessen des Feinens und des Bessemerns die relative Abscheidung der genannten Elemente ganz verschieden ist. Im Vergleich zu dem ursprünglichen Zustande wurden ab- geschieden: Physik des Eisens seit 1871. Bei Versuchen im grossen mit einer ganzen Bessemercharge ergab sich, dass der Phosphorgehalt des Roheisens von 1,47 Prozent beim Bessemern auf 1,69 Prozent gestiegen war, beim Feinen war er auf 0,84 Prozent und beim Feinen und Puddeln auf 0,27 Prozent gefallen. Bell schreibt der Erzeugungstemperatur einen so grossen Ein- fluss zu, dass er 1872 einmal die Ansicht aussprach, die Unterschiede der Roheisensorten seien mehr aus der Erzeugungstemperatur, als aus dem Kohlenstoffgehalt herzuleiten. Letzterer ist hauptsächlich von der Erzeugungstemperatur bedingt und A. Schmidt stellte (1889) den Satz auf, jeder Erzeugungstemperatur entspreche ein mit dieser wachsender Sättigungspunkt. Die Härtung des heissen Stahles durch Abkühlung, diese merk- würdige, dem Stahl eigentümliche und für ihn charakteristische Er- scheinung, die für dessen Verwendung von so grosser Wichtigkeit ist, war, wie im höchsten Altertum, so bis in die neuere Zeit, ein nur auf Erfahrung begründetes Verfahren. Durch die Fortschritte in der Chemie des Eisens, durch die richtigere Erkenntnis der Kohlenstoff- verbindungen des Eisens und ihres Verhaltens bei verschiedenen Temperaturen, durch die Thermo- und Mikrochemie ist man dem theoretischen Verständnis näher gekommen. Hierzu haben besonders die Arbeiten von F. Abel, F. Osmond, A. Ledebur, F. C. G. Müller, Howe und Arnold beigetragen. Die Umwandlungen von Karbidkohle in Härtungskohle bei höherer Temperatur und rascher Abkühlung spielt dabei die Hauptrolle. Georges Charpy Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 459 und 745. stellte 1895 Unter- suchungen über die Stahlhärtung an und kam zu folgendem Ergebnis: Bei Erhitzung über 700° C., oder bei langsamer Abkühlung des über 800° C. erhitzten Stahls finden dreierlei Umformungen statt, die durch die rasche Abkühlung oder Härtung gestört werden. Diese Umwandlungen sind 1. die Umwandlung der Karbidkohle in Härtungs- kohle, oder umgekehrt, 2. eine Umwandlung der krystallinischen Be- Physik des Eisens seit 1871. schaflenheit, die durch das Erscheinen oder Verschwinden einer geraden Linie im Schaubilde der Festigkeitsprüfung sich kennzeichnet, und 3. eine zweite Änderung der krystallinischen Beschaffenheit, welche teils durch eine Wärmeentwickelung, teils durch eine Änderung des magne- tischen Verhaltens zur Erscheinung kommt. Bei weichem Stahl vollziehen sich diese Umwandlungen bei ver- schiedenen Temperaturen, bei hartem Stahl von über 0,4 Prozent Kohlenstoff fallen sie in derselben Temperatur zusammen. Die Temperaturen sind eng begrenzt, werden aber durch fremde Bei- mengungen des Stahls verändert. Bei Stahlsorten, die nicht mehr als 1 Prozent fremde Beimengungen enthalten, liegen diese Grenzen zwischen 700 bis 750, höchstens bis 800° C., so dass unter 700° C. keine Härtung mehr erfolgt, und Erhitzung über 750, höchstens 800° C., nichts mehr nützt, sondern eher schadet. Beim Wiedererhitzen des gehärteten Stahls vollziehen sich die Umformungen rückwärts bei erheblich niedrigeren Temperaturen. Eine merkwürdige Erscheinung, der in neuerer Zeit grössere Auf- merksamkeit geschenkt wurde, ist die Wanderungsfähigkeit gewisser Stoffe im Eisen bei mässig hoher Temperatur. Dass Kohlenstoff im Eisen wandert, ist eine Erfahrung bei der Cementierung des Eisens und von Mannesmann und Royston noch im besonderen nachgewiesen. Campbell Journ. of the Iron and Steel Inst. 1897, II, S. 80. hat zuerst gezeigt, dass Eisenoxysulfür durch ein Eisenstück hindurchwandern kann, auf der Aussenfläche sich wiederfindet, ohne an das Eisen Schwefel ab- gegeben zu haben. Fleitmann hat schon vor längerer Zeit nach- gewiesen, dass Nickel in Eisen einwandert, wenn es nur bei Rotglut längere Zeit mit demselben in Berührung bleibt. J. O. Arnold und A. Mc. William Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 617. haben neuerdings weitere Versuche über diese Er- scheinung gemacht. Die Optik des Eisens hat die wichtigsten Fortschritte in der mikroskopischen Untersuchung des Kleingefüges des Eisens gemacht. Dieses von Sorby 1864 angeregte Verfahren hat hervor- ragendes Interesse erweckt und ist demselben in den letzten 30 Jahren ein grosser Aufwand von Zeit, Arbeit und Scharfsinn gewidmet worden. Die grossen Hoffnungen, die man auf dasselbe gesetzt hatte, indem man annahm, darin ein der chemischen Analyse gleichwertiges und dieselbe vielfach ersetzendes Mittel zur Unterscheidung der Eisensorten gefunden zu haben, sind bis jetzt nicht ganz in Erfüllung gegangen; Physik des Eisens seit 1871. trotzdem sind die erzielten Resultate sehr beachtenswert und lässt sich hoffen, dass dasselbe mit der Zeit auch für die Praxis ein wert- volles Hülfsmittel werden wird. Um die mikroskopische Untersuchung des Kleingefüges des Eisens haben sich ausser Sorby in hervorragender Weise A. Martens, H. Wedding, F. Osmond, F. L. Garrison und H. M. Howe ver- dient gemacht. Unter der grossen Zahl, die sonst noch auf diesem Gebiete gearbeitet haben, nennen wir Kerpely, Roberts-Austen, Dolliak, Arnold, S. Stein, Kuppelwieser, Ledebur, v. Jüptner, Kreuzpointner, A. Sauveur u. s. w. Der Holländer van Ruth arbeitete schon 1871 bis 1873 ein Verfahren, um genaue Abdrücke des Kleingefüges des Eisens dadurch herzustellen, dass er eine geglättete Schnittfläche mit Salzsäure ätzte und diese dann abdruckte, aus. Dieses Verfahren verfolgte A. von Kerpely weiter. 1878 machte er A. Ritter von Kerpely , Über Eisenbahnschienen, mit 18 Naturselbst- drucktafeln. Leipzig 1878. ein von ihm erfundenes Verfahren von Selbstdrucken geätzter Bruchflächen bekannt. Derselbe hatte schon vorher (1876 und 1877) Mikrophotographieen Zusammengestellt in der Preisschrift über die ungarischen Eisenhütten- erzeugnisse. Wien 1878. von un- geätzten Bruchflächen mittels eines Hartnacks chen Mikroskops mit 1500 facher Vergrösserung und eigens eingerichteter Camera obscura hergestellt. Kerpely empfahl ferner die Herstellung von Warm- bruchproben, wofür er sich, um die gleichen Temperaturen und Anlauf- farben zu erhalten, eines Bleibades bediente Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 405. . Er gab an, aus diesen Proben die Güte eines Stahles beurteilen zu können. Trotz- dem hat dies Verfahren keinen Anklang gefunden. In Deutschland nahm A. Martens Vorsteher der Kgl. mechanisch-technischen Versuchsanstalt in der techni- schen Hochschule zu Charlottenburg. , angeregt durch den Hinweis des Hüttenmeisters Schott , in seiner „Kunstgiesserei“ 1873 die mikroskopische Untersuchung des Kleingefüges des Eisens auf. Er veröffentlichte 1878 die Ergebnisse seiner auf Grund der Sorbys chen Vorschläge (1865) angestellten mikroskopischen Untersuchungen ge- ätzter ebener Schliffe von Eisen Siehe Zeitschr. d. Vereins deutscher Ingenieure 1878, S. 13, 205 und 481; 1879, S. 22 und 482; 1880, S. 398. . A. Martens benutzte ebenfalls bei seinen Untersuchungen die bei niedriger Temperatur hervorgerufenen Anlauffarben als ein Mittel Physik des Eisens seit 1871. zur besseren Unterscheidung der geschliffenen und geätzten Flächen. Zur Wiedergabe des mikroskopischen Bildes bediente er sich eines Zeichenprismas, mit dessen Hülfe er dasselbe auf Papier übertrug und kolorierte. Zur Beobachtung grösserer Bruchstücke hatte Martens ein besonderes Mikroskop Siehe Dinglers polyt. Journ., Bd. 245, S. 372. konstruiert. O. Dolliak Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 548. machte 1883 in Österreich mikroskopische Untersuchungen über die zur Waffen- technik verwendeten Metalle. Während Sorby (1883) in allen Eisen- sorten bereits sieben Bestandteile unterschied, nahm H. Wedding (1885) nur drei an: Graphit, Homogen- und Krystalleisen. H. Wedding legte auf die photographische Wiedergabe des mikroskopischen Bildes den grössten Wert und hat sich um die Mikro- Fig. 128. Fig. 129. Photographie, welcher er vor dem graphischen Verfahren den Vorzug gab, Verdienste erworben. Osmond und Werth Siehe Compt. rendus 1885, t. 100, p. 450. fanden (1885) eine zellige Struktur des Gussstahls, wobei nach ihrer Annahme der Kern der Zelle von reinem Eisen, die Wandungen von Eisenkarbid gebildet sind. Wedding Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 393. zeigte 1886, dass der Unterschied des Kleingefüges von Holzkohlen- und Koksroheisen (Fig. 128, 129) bei fast gleicher chemischer Zusammensetzung sehr bedeutend ist. Dasselbe wies Lynwood Garrison bei zwei Hartgussrädern nach. Dieser hält indes das Mikroskop mehr für eine Beihülfe für die Prüfungsmaschine als für eine Rivalin dieser und der chemischen Analyse bei Eisenunter- suchungen. Physik des Eisens seit 1871. Indem wir das Wichtigste der umfangreichen Litteratur unten zusammenstellen, müssen wir uns damit begnügen, einen kurzen Über- blick der Ergebnisse der mikroskopischen Untersuchungen des Klein- gefüges des Eisens zu geben. Litteratur über Kleingefüge und Mikrochemie des Eisens . Sorby , Journ. of the Iron and Steel Institute; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1865, S. 352; Iron XX (1883), p. 355; XXVII, p. 458; XXX, p. 27; Stahl und Eisen 1888, S. 90. Kerpely , Über Eisenbahnschienen, Leipzig 1878; Preisschrift über die ungarischen Eisenerze und Eisenerzeugnisse, Wien 1878; Ungar. Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1877, 1878; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 405. Martens , A., Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ing. 1878, S. 11; 1879, S. 482; 1880, S. 397; Sitzungsbericht d. Ver. z. Beförderung d. Gewerbefleisses 1882, S. 233; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 548; 1884, S. 234; 1885, S. 255; 1886, S. 32, 223; Stahl und Eisen 1886, S. 10, 509; 1887, S. 235; 1888, S. 738; 1892, S. 672; Glasers Annalen 1880, S. 119. Wedding , H., Mitteilungen aus den kgl. techn. Versuchsanstalten 1888, Er- gänzungsheft I, S. 6; Stahl u. Eisen, April 1889; Das Kleingefüge des Eisens 1891; Neuer Apparat Stahl u. Eisen 1894, S. 857. Osmond , F., et J. 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Osmond hat 1895 Ätzen und Färben der Schliffflächen vor- geschlagen. Er schleift die Flächen mit selbstbereitetem feinem Schmirgelpapier und poliert mit Polierrot. Hierauf ätzt er die Flächen mit einem Gemisch von Süssholzextrakt und Wiener Kalk (Kalksulfat). Hierbei werden Ferrit und Cementit gelb gefärbt. Eine deutlichere Färbung und Trennung dieser erhält man durch Färben mit Jodtinktur. Für die Untersuchung des mikroskopischen Bildes ist es von Wichtigkeit, dass die reflektierten Lichtstrahlen senkrecht auf die Linse, also parallel zur optischen Achse des Mikroskops einfallen. Das mikroskopische Bild der Eisenschliffe zeigt ausser den scharfen schwarzen Linien des Graphits helle und dunkle Partieen von ver- schiedenartiger Menge, Verteilung und Gruppierung. In der Unterscheidung dieser gehen die Ansichten der Beobachter auseinander. Physik des Eisens seit 1871. Nach H. Wedding Siehe Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Aufl., I, S. 126. ist jedes kohlenstoffhaltige Eisen ein porphyrartiges Gemisch von mindestens zwei Bestandteilen, deren einer anscheinend auskrystallisiert und von einer nicht oder anders krystallisierten Grundmasse eingeschlossen ist; ersteren nennt er Krystalleisen, letzteren Homogeneisen. Fig. 130 zeigt das Kleingefüge von grauem Roheisen (nach Wedding ), um die schwarzen Graphit- linien ist das dunkle Krystalleisen gruppiert, dessen Zwischenräume von Homogeneisen ausgefüllt sind. Weisses Roheisen (Fig. 131) zeigt nur Krystall- und Homogeneisen. A. Ledebur unterschied diese beiden Eisensorten als Grundmasse und Eisenkarbid. Er folgte darin Fig. 130. Fig. 131. zum Teil Osmond , der nach seiner Zellentheorie Körner von reinem Eisen und dieses umschliessendes Eisenkarbid unterschied. Auch Müller und Abel bezeichneten das Homogeneisen als Eisenkarbid. Während nun die Vorgenannten sich mit zwei Gemengteilen begnügten, gingen Sorby, Howe und andere viel weiter und unter- schieden sieben und mehr Bestandteile, nämlich Ferrit, Cementit, Perlit, Hardenit, Sorbit, Graphit und Schlacke, ausserdem noch einen unbestimmten Rückstand in der Lösung der sechs erstgenannten. Die fünf ersten bilden die Gefügeelemente des Eisens. Von diesen schien Sorbit, der vermutlich als Silicium- oder Titanstickstoff in kleinen rubinfarbigen oder dunkelroten Krystallen nur zuweilen auftrat, ein zufälliger Gemengteil zu sein. Hardenit war nur in gehärtetem Stahl vorhanden und wurde für die durch rasches Abkühlen erstarrte Mutterlauge derselben angesehen. Ferrit erschien als nahezu reines Physik des Eisens seit 1871. Eisen und entsprach Weddings Krystalleisen und Osmonds Kern- eisen, doch sollte es nach Howe ein Netzwerk bilden, das Perlit umschloss. Cementit wurde als ein hartes Eisen mit Karbidkohle bezeichnet und entsprach Weddings Homogeneisen. Perlit sollte Fig. 132. Fig. 133. Fig. 134. Fig. 135. eine Mischung von zwei Drittel Ferrit und ein Drittel Cementit sein, die in allen Stahlsorten auftritt und bei mässig hartem Stahl oft die ganze Masse ausmacht. Da sich der Perlit bei starker Vergrösserung als ein Gemenge der beiden Vorgenannten erwies, so blieben genau genommen für weiches Material nur die zwei Komponenten Ferrit und Cementit übrig. Martens unterschied im Spiegeleisen zwei durch ihre Krystall- Physik des Eisens seit 1871. form verschiedene Bestandteile, wovon der eine nach dem rhombischen, der andere nach dem quadratischen System krystallisierte. Er hielt das erstere für Viertelkarburet (Fe 4 C), das andere für kohlenstofffreies Eisen. Stets wird das Kleingefüge in vielfacher Weise beeinflusst sowohl durch mechanische Einmengungen, wie Schlacken und Gasblasen, als durch chemische Bestandteile, wie Mangan, Silicium, Schwefel, Alu- minium, Arsen, Phosphor u. s. w., was besonders Professor Arnold 1894 nachgewiesen hat. Dagegen verneint Kreuzpointner die vielfach angenommene Gefügsänderung durch mechanische Einwirkungen. Nachfolgende Figuren zeigen charakteristische mikroskopische Bilder des Kleingefüges der wichtigsten Eisensorten (nach Wedding ): Fig. 130 (S. 381) graphitisches Roheisen, Fig. 131 weisses Roh- eisen, Fig. 132 gefeintes Eisen, Fig. 133 Spiegeleisen, Fig. 134 Tiegelgussstahl, Fig. 135 Fluss- eisen von 0,12 Prozent Kohlen- stoff, Fig. 136 sehniges Schweiss- eisen mit viel Schlacken. In der Weiterentwickelung der mikroskopischen Analyse des Stahls kam auch F. Osmond dazu, eine grössere Anzahl be- stimmter Bestandteile im Stahl anzunehmen Bullet. d. 1. Société d’Encourag. 1895, Maiheft. . Er unterschied: 1. Ferrit (nach Howe ) als Fig. 136. nahezu reines Eisen, das beim Polieren matt bleibt und keine Fär- bung annimmt. 2. Cementit nach ( Howe ), eine Kohlenstoffeisenverbindung, die dem Drittelkarburet von Karsten und dem Karbid von Abel, Müller und anderen entspricht. Sie hat die Zusammensetzung Fe 3 C und erscheint im Cementstahl in grösseren Lamellen, die sich leicht isolieren lassen. 3. Sorbit entspricht dem Perlit von M. Howe. Osmond gab dieser kohlenstoffhaltigen Verbindung den Namen, weil Sorby ihn als perl- artigen Bestandteil (pearly constituent) bezeichnete und zwar deshalb, weil er bei schief einfallendem Licht Perlmutterglanz zeigt. Dies rührt Physik des Eisens seit 1871. aber daher, weil er aus geschichteten Lamellen von Härtungskohle (Martensit) und Cementit (Karbid) besteht. 4. Martensit ( Howes Hardenit), der Hauptbestandteil des ge- härteten Stahls, bildet kleine, harte Krystalle einer Lösung von Fig. 137. Vergr. = 1240. Martensit . Die Nadeln schneiden sich parallel den drei Seiten eines Dreiecks. Weiches Schienenmaterial, abgeschreckt bei 900°. Ätzung mit Salzsäure in Alkohol 1/300. Fig. 138. Vergr. = 1240. Körniger Perlit . Entnommen aus einem geschmiedeten Quadrateisen von Tiegelstahl mit 0,92 Prozent C. Die ganze Masse bestand aus Perlit. Fig. 139. Vergr. = 270. Thomasroheisen, 108 Stunden in Holzkohle geglüht . Reliefpoliert Cementit in Relief gegen Perlit . Kohlenstoff in Eisen. Er besteht nur in hoher Temperatur (740 bis 825° C.) und ist keine bestimmte Verbindung von Eisen und Kohle. 5. Troostit, der bei mittelhartem Eisen als Zwischenlagerung zwischen Martensit und Ferrit auftritt, der anläuft und sich färbt und eine Über- gangsform bildet. Er erscheint zu- meist an den Rändern des Martensit. Die Figuren E. Heyn , Charlottenburg, Einiges über das Kleingefüge des Eisens, Taf. XVI, Fig. 8, 10, 19. Dabei ist zu bemerken, dass Fig. 137, 138 in 1240 facher Vergrösse- rung, Fig. 139 nur in 270facher Vergrösserung aufgenommen ist. 128 bis 139 sollen dazu dienen, eine Vorstellung von der charakteristischen Verschieden- heit der wichtigsten der angeführten Bestandteile zu geben. Physik des Eisens seit 1871. Fig. 137 ist der in Nadeln anschiessende Martensit. Fig. 138 ist der in runden verschwommeneren Linien erscheinende Perlit (Troostit), und Fig. 139 zeigt Cementit (Karbid) im Relief gegen Perlit. Die Entstehung des Kleingefüges des Eisens und dessen Wieder- gabe mit Hülfe des Mikroskops trug dazu bei, den Schleier von dem geheimnisvollen Wesen des Eisens und seinen vielfältigen Eigen- schaften etwas zu lüften. Doch nur unter Mithülfe von Chemie und Physik konnte diese Aufgabe gelöst werden. Es entstand eine ganz neue Wissenschaft, die allzu beschränkt als „Metallographie“ bezeichnet wird In England erscheint hierfür eine besondere Zeitschrift „The Metallographist“. , deren Aufgabe darin besteht, das Kleingefüge, dessen Ent- stehung, Veränderung und Ursachen und weiterhin das innerste Wesen der Metalle zu erforschen. Die Thermochemie ist hierfür das wichtigste Hülfsmittel. Man erkannte es immer deutlicher, dass die Eisensorten des Handels als Lösungen und Legierungen aufzufassen seien, deren Verständnis deshalb von grösster Wichtigkeit sei. Zur Förderung desselben setzte das Iron and Steel Institute in England eine be- sondere Abordnung — das Alloys Research Committee — ein, welches bereits eine Reihe wichtiger Berichte veröffentlicht hat. Aber nicht nur in England, sondern in Frankreich, Deutschland, Österreich, den Vereinigten Staaten und in Russland beteiligten sich hervorragende Gelehrte an diesen Arbeiten. Es ist nicht möglich, diese Unter- suchungen im einzelnen zu besprechen. Sie haben bereits viele Auf- schlüsse gegeben, zugleich aber auch gezeigt, wie schwierig und ver- wickelt die Erscheinungen sind. Deshalb sind die Ergebnisse für die Praxis bis jetzt erst gering. Unzweifelhaft hat aber diese Wissenschaft eine wichtige Bedeutung für die Zukunft und wird, wenn sie erst noch weiter ausgebaut sein wird, auch für die Technik von Nutzen werden. Um die Ergebnisse der Untersuchungen der letzten Jahre, etwa seit 1895, zu verstehen und in gedrängter Kürze vorzuführen, fasst man am besten mit H. von Jüptner die Eisensorten als Lösungen von Kohlenstoff in Eisen auf Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 506 etc. . Die Löslichkeit des Kohlenstoffs in Eisen wächst mit der Temperatur. Sie beträgt: bei 3500° C. 40,00 Prozent (nach Moissan ) „ ca. 1200° C. 4,63 „ (nach Percy ) „ 1050° C. 1,50 „ (nach Royston ) „ 700° C. 0,90 „ (nach Arnold ) Beck, Geschichte des Eisens. 25 Physik des Eisens seit 1871. Dies gilt für reines Eisen. Fremde Beimengungen ändern die Lösungsfähigkeit; Mangan und Chrom erhöhen sie, Silicium und Schwefel vermindern sie. Man bereitet die reinen Eisenkohlenstoff- verbindungen aus elektrolytisch gefälltem Eisen. Die Temperaturen, die über dem Schmelzpunkte des Eisens liegen, kommen für die Praxis vorläufig nicht in Betracht. Roheisen, dessen Erzeugungstemperatur beträchtlich höher liegt als seine Erstarrungs- temperatur, scheidet in der Nähe dieser sowohl schon etwas oberhalb als noch etwas unterhalb derselben Kohle in Form von Graphit aus, wodurch graues Roheisen entsteht. Da dieser Erstarrungspunkt nur etwa 100° C. über 1050° C. liegt, bei welcher Temperatur das Maximum der im Eisen gelösten Kohlenstoffmenge 1,5 Prozent beträgt, so kann man annehmen, dass von dem Kohlenstoffgehalt des völlig gesättigten Roheisens (4,63 Prozent) die Differenz (also 3,13 Prozent) als Graphit ausgeschieden wird. Bei dem Roheisen kommt ein weiterer Haltepunkt bei der Abkühlung nicht in Betracht. Anders ist es bei dem Stahl. Hier treten bei den Abkühlungen verschiedene Erscheinungen ein, je nach dem Kohlenstoffgehalt und dem raschen oder langsamen Kühlen. Auch bei dem Stahl nimmt man an, dass in ihm in flüssigem Zustande der ganze Kohlenstoff gelöst ist. Bei raschem Abkühlen , dem Ablöschen oder Härten des Stahls bleibt dieser Zustand mehr oder weniger fixiert. Man nahm früher an, dass die ganze Masse des gehärteten Stahls aus Martensit bestehe, Osmond fand aber neuerdings neben diesem harten Körper, der mikroskopisch deutlich erkennbar ist, dessen Kohlenstoffgehalt aber in ziemlich weiten Grenzen schwankt, noch eine zweite, dunkle, weiche Substanz von hohem Kohlenstoffgehalt, der er den Namen Austensit gab. Den harten Martensit bezeichnet Osmond nach seiner allotropischen Theorie als γ-Eisen, während Arnold darin eine chemische Verbindung Fe 24 C sieht. Ganz anders verhalten sich Stahl und Eisen bei langsamer Ab- kühlung . Die Wärmeabnahme ist keine gleichmässige, sondern es treten gewisse Haltepunkte (kritische Punkte Osmonds ) ein, indem durch Wärmeentwickelung infolge eines inneren Vorganges Ver- zögerungen der Abkühlung eintreten. Diese werden hervorgerufen durch eigenartige Vorgänge, wie sie bei Lösungen und Legierungen vorkommen. Es giebt gewisse Gleichgewichtszustände zwischen dem lösenden und dem gelösten Körper, sowie zwischen den Bestandteilen einer Legierung, die in bestimmten Temperaturgrenzen eine grössere Stabi- Physik des Eisens seit 1871. lität haben als in Mischungen, die diesem Verhältnisse nicht entsprechen. Man kann diese „eutektischen“ Legierungen nicht als chemische Verbindungen ansehen und doch zeigen sie eine Verwandt- schaft mit solchen. Die eigentümlichen Erscheinungen, welche Stahl und Eisen bei langsamem Erkalten zeigen, lassen sich am besten aus diesen Ana- logien erklären. Dabei ist das Merkwürdige, dass diese Veränderungen, die offenbar durch molekulare Umlagerungen bedingt sind, in erstarrten Körpern, allerdings nur bei hohen Temperaturen, vor sich gehen. Diese Veränderungen sind nicht leicht zu verstehen und sie sind durch die genaueren Untersuchungen in den letzten Jahren nicht verständlicher, sondern verwickelter geworden. Früher kannte man nur einen „kritischen Punkt“, der bei etwa 750° C. auftrat, jetzt unterscheidet man bereits mindestens drei solcher kritischen oder Haltepunkte, die bei verschiedenen Eisensorten keineswegs gleich sind. Durch die wichtige Erfindung eines selbstregistrierenden Pyrometers, der die Erhitzungs- und Abkühlungskurven (Rekalescenskurven) gra- phisch darzustellen im stande ist, haben diese Beobachtungen sehr an Deutlichkeit und Zuverlässigkeit gewonnen. Diese Registrierung der Wärmelinien mit ihren Unregelmässigkeiten ist noch bestimmter geworden, seitdem Roberts Austen dieselbe nicht mehr direkt, son- dern in Verbindung mit der Wärmelinie eines auf die gleichen Tem- peraturgrade erwärmten Platinstabes aufzeichnet. Wie verschieden das Bild dieser Thermokurven ist, zeigen Fig. 140 und Fig. 141, von Fig. 140. denen erstere die ältere Aufzeichnung Osmonds eines sehr reinen elektrolytisch erzeugten Eisens, letztere die neuere Aufzeichnung Roberts Austens eines ebensolchen Eisens darstellt. Die Kurven und Haltepunkte sind verschieden bei verschiedenem Kohlenstoff- gehalt. Auch der Wasserstoffgehalt hat einen Einfluss auf das mehr oder weniger deutliche Hervortreten einzelner Haltepunkte, wobei die bei den niedrigeren Temperaturen von 261° und 487° C. in Fig. 141 dargestellten erscheinen. Nach der früheren Erklärung zerfällt Martensit bei langsamer 25* Physik des Eisens seit 1871. Abkühlung zuerst in Ferrit und Cementit (Karbid). Ferrit bildet deutliche Ausscheidungen in dem kohlenstoffreichen Cementit. Bei weiterer Abkühlung erscheint bei einem gewissen Wärmegrade Perlit, der unter dem Mikroskop eine andere Gestaltung und Perlmutter- glanz zeigt und als die eutektische Legierung von Ferrit und Cementit gilt. Bei einem Stahl von 0,8 Prozent Kohlenstoff soll die Aus- scheidung von Ferrit bei 760° C., die Perlitbildung bei 680° C. ein- Fig. 141. treten. Nach den neuesten Untersuchungen von Osmond und Roberts Austen Nach dem fünften Berichte an das Alloys Research Committee von Roberts Austen ; Stahl und Eisen 1900, S. 625. zeigt eine Eisen-Kohlenstofflegierung von 0,8 Pro- zent Kohlenstoffgehalt nur einen Haltepunkt, während die Legierungen mit höherem Kohlenstoffgehalt und die zwischen 0,8 und 0,35 Prozent Kohlenstoffgehalt zwei Haltepunkte (bei 720° und 675°), die Legierungen unter 0,35 Prozent Kohle aber drei Haltepunkte (bei 850°, 750°, 675°) zeigen. Aus der Thermokurve von Roberts Austen ergiebt sich, dass schon weit unter 700° C. Unregelmässigkeiten und Haltepunkte bei der Abkühlung und Erhitzung eintreten. Die Vorgänge, welche diese Wärmeerscheinungen bedingen, scheinen sich nicht plötzlich, sondern allmählich zu vollziehen. Infolgedessen spricht man neuerdings lieber von Zonen als von Haltepunkten. Aus dem Mitgeteilten ergiebt sich, dass diese Untersuchungen, so wichtig und interessant sie sein mögen, noch weit von einem klaren Ziele entfernt sind. Dass aber diese kritischen Punkte, ganz besonders der Hauptpunkt (A 2 oder Ar 2 ), bei etwa 750° C. von grosser praktischer Bedeutung sind, beweist nicht nur die Erfahrung der Schmiede mit der gefürchteten „Blauhitze“, sondern auch die physikalischen Unter- suchungen über Festigkeit, Magnetismus und Elektricität. Die magne- Physik des Eisens seit 1871. tischen Eigenschaften des Stahles in Glühhitze haben besonders Pro- fessor Curie Siehe dessen Thèse , 1896. , seine Frau und Dr. Morris näher untersucht. Bei dem Haltepunkte A 2 (750°) hört der Stahl auf magnetisch zu sein oder nach Osmonds Theorie ist das β-Eisen nicht magnetisch. Bei 850° C. treten deutliche Veränderungen des Gesetzes vom elektrischen Widerstande ein. E. Heyn Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 837. beobachtete, dass zwischen den Grenzen 730° und 1000° C. eine stärkere Absorption von Wasserstoff eintritt. Jüptner von Jonsdorff , der schon die „Siderographie“ als ein selbständiges Untersuchungsgebiet ansieht, wies auf den grossen Einfluss der Beimengungen auf die mikroskopische Struktur des Eisens hin A. a. O. 1899, S. 237. . Neuerdings sind auch, namentlich von französischen Gelehrten ( Osmond, L. Dumas, Babu u. a.), die Wärmekurven der Special- stahle, Mangan-, Nickel- und Chromstahl u. s. w. genauer untersucht worden L. Babu , La fabrication et le travail des aciers spéciaux. St. Etienne 1900; siehe Stahl und Eisen 1900, S. 1126. . Die wichtigste physikalische Eigenschaft des Eisens für die prak- tische Verwendung ist seine Festigkeit . Durch den Wettkampf zwischen Stahl und Eisen, zwischen Flusseisen und Schweisseisen und seit 1879 zwischen Thomas- und Bessemereisen haben die Festigkeits- proben eine ausserordentliche Bedeutung und Ausbildung gewonnen. Während früher genaue Festigkeitsbestimmungen nur ausnahms- weise vorgenommen wurden, bilden sie jetzt die Regel, und nicht nur besitzt jedes Walzwerk seine Festigkeitsprüfungsmaschine, sondern es sind auch grosse öffentliche Prüfungsstationen und Versuchsanstalten von Staats wegen gegründet worden, um allen Bedürfnissen für Festig- keitsermittelungen dienen zu können. Die Prüfung des Eisens erfolgt auf Druck, Zug, Biegung und Zerknickung, Abscherung und Drehung. Dadurch ermittelt man die Festigkeit, Zähigkeit (Bildsamkeit, Dehnbarkeit), Härte und Elastizität desselben. Ausserdem unterscheidet man aber noch Ganz- und Teil- probe, Kalt- und Warmprobe, Langsam- oder Dauerprobe und Schnell- probe, wozu namentlich die Schlagprobe gehört. Für die besondere Verwendung und Bearbeitung des Eisens sind ferner erforderlich: Schmiede-, Stauch-, Loch-, Faltungs-, Schweiss-, Härteproben u. s. w. Die Veranlassung zu genaueren Festigkeitsuntersuchungen gab der Wettbewerb des Bessemerstahles mit dem Schweisseisen und Stahl Physik des Eisens seit 1871. im Eisenbahnbau, besonders für Schienen. Kirkaldy (1862) in Eng- land, Wöhler (1870) in Deutschland und Knut Styffe (1870) in Schweden waren es vornehmlich, die auf die Wichtigkeit der Festig- keitsproben hinwiesen und solche systematisch ausführten. Wöhlers Versuche, die im Auftrage der preussischen Staatsregierung ausgeführt worden waren, erlangten besondere Wichtigkeit. Auf Grund derselben schrieben sowohl die preussische Staatsregierung wie der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen Festigkeitsbedingungen bei Lieferun- gen vor. Am 14. Oktober 1871 regte der preussische Handelsminister Graf von Itzenplitz die Feststellung von Normalien für die Eisen- bahnwagen an, wodurch eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Fabriken und eine Herabminderung der Erzeugungskosten erzielt werden sollten. Wöhler , der nach dem Kriege von 1870 Direktor der Reichs- eisenbahnen in Strassburg wurde, hatte sich für seine Versuche einer von ihm selbst erdachten, vortrefflichen Prüfungsmaschine Siehe Erbkann , Zeitschrift für Bauwesen 1870, S. 87. bedient. Solcher Festigkeitsmaschinen wurde dann in den darauffolgenden 25 Jahren eine grosse Zahl erfunden. Wir erwähnen solche von Fairbanks, Richle Brothers in Philadelphia (1872), Tangye Brothers in Birmingham (1875), H. Gollner, Werder, Pfaff, A. Martens, Adamson, Wickstead, Delaloë, Pohlmeyer (1881), Whitworth, L. Weber und Bauschinger (1882), Stummer, Maillard, Chauvin und Maria Daubel, Föppl, Emery, Mohr, Federhaff und M. Rudeloff (1891). Von diesen sind die von Werder und Emery wohl die verbreitetsten. Die von Werder hat ein Hebeldruckwerk und ist einfacher und bequemer, die von Emery arbeitet mit hydraulischem Druck und ist genauer Näheres siehe Wedding , Handbuch etc. I, S. 493. . Ebenso sind die dazu gehörigen Feinmessinstrumente sehr vervollkommnet worden. Hier sind zu nennen: das Thermometer von Jenny , der Messapparat von Henning , die Spiegelapparate von Bauschinger und A. Martens und die selbstaufzeichnenden Dehnungsmesser von Mohr ( Mohr und Federhaff ) und Wickstead . Wöhler hatte auch auf das Bedürfnis nach Errichtung von Prüfungsstationen hingewiesen. Diesen Gedanken hatte H. Wedding schon 1867 angeregt und seitdem weiter verfolgt. Seine Anregung trug wesentlich dazu bei, dass staatliche Prüfungsstationen für Preussen, und zwar eine chemisch-technische in Verbindung mit der Berg- akademie unter seiner Leitung und eine mechanisch-technische im Physik des Eisens seit 1871. Anschluss an die Gewerbeakademie errichtet wurden. Dieselben wurden 1880 eröffnet. Später ging die mechanisch-technische Prüfungs- anstalt an die technische Hochschule in Charlottenburg über und wurde unter A. Martens Leitung sehr erweitert. In Paris bestand eine solche Material-Prüfungsstation in Verbindung mit der École des Ponts et Chaussées schon seit 1843. Weitere Prüfungsstationen wurden errichtet in München 1871 unter Bauschinger und eine Anstalt zur Prüfung der Baumaterialien am eidgenössischen Polytechnikum zu Zürich unter L. Tetmayer 1874, ferner in Prag 1877, in London 1878, in Budapest 1882, in Boston, U. S., 1883 u. s. w. Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 821. . Eine wichtige Anregung hatte ferner 1878 eine Denkschrift von Bauschinger, Funk und Hartwig für den Verband deutscher Archi- tekten- und Ingenieurvereine über die Errichtung von Prüfungsanstalten und Versuchsstationen für Baumaterialien gegeben. Wöhler hatte bei seinen Zerreissversuchen die Bruchfestigkeit und die dabei stattfindende Kontraktion in Prozenten des ursprüng- lichen Querschnittes gemessen. Er schlug vor, aus der Summe dieser beiden Ermittelungen eine Güteziffer für das untersuchte Eisen zu bilden. Diesen Vorschlag nahm der Verband deutscher Eisenbahn- verwaltungen in seiner Versammlung in Konstanz 1876 an und machte dadurch die Zerreissfestigkeit zum ausschliesslichen Massstab der Güte. Hierin lag eine grosse Einseitigkeit, wogegen sich bald Widerspruch erhob. Übrigens war die Ansicht, dass die Zerreissfestigkeit ein aus- reichendes Mass der Güte sei, damals allgemein verbreitet, wie aus den Versuchen von F. B. Steevens über die Festigkeit englischer und amerikanischer Stahlsorten in den Jahren 1872 und 1873 und den Versuchen der Gesellschaft John Cockerill zu Seraing 1875 hervorgeht. Letztere hatte auf Grund dieser Versuche folgende Ein- teilung für Eisen und Stahl getroffen: 1. Körniges und sehniges Eisen . Verwendung: körniges Eisen zu Eisenbahnschienen, sehniges zu Handelseisen, Blech, Waffen und dergleichen. Kohlenstoffgehalt unter 0,10 Prozent. Zug- festigkeit 30 bis 40 kg pro Quadratmillimeter, für körniges Eisen 40 kg, für reine Sehne 37,5 bis 40 kg. 2. Feinkorneisen . Verwendung zu Schienen, Bandagen, Blech, Geschützrohren, Draht, Kabel, Achsen, Schmiedestücken. Kohlen- stoffgehalt 0,10 bis 0,50 Prozent, Festigkeit 40 bis 45 kg pro Quadratmillimeter; schweissbar, wenig härtbar. Physik des Eisens seit 1871. 3. Stahlartiges Eisen . Verwendung zu Schienen, Werkzeugen, Sägeblättern, Kabel u. s. w. Kohlenstoffgehalt 0,40 bis 0,60 Pro- zent, Festigkeit 45 bis 60 kg pro Quadratmillimeter. 4. Bessemer-Flussstahl . a) Extra weicher. Verwendung zu Waffen, Kanonen, Fein- blechen, Kesselblechen, Nieten u. s. w. Kohlenstoffgehalt 0,25 bis 0,35 Prozent, Festigkeit 48 bis 56 kg pro Quadrat- millimeter; schweissbar, nicht härtbar. b) Weicher Flussstahl. Verwendung zu Maschinenstahl, Achsen, Schienen u. s. w. Kohlenstoffgehalt 0,35 bis 0,45 Prozent. c) Halbharter (halbweicher) Stahl. Verwendung zu Bandagen, Schienen, Pumpenkolben, Gleitstücken u. s. w. Kohlenstoff- gehalt 0,45 bis 0,55 Prozent, Festigkeit 56 bis 69 kg pro Quadratmillimeter; härtbar, wenig schweissbar. d) Harter Stahl. Verwendung zu Federn, Schneidwerkzeugen, Feilen, Sägeblättern, Gesteinsbohrern. Kohlenstoffgehalt 0,55 bis 0,65 Prozent. e) Sehr harter Stahl. Verwendung zu feinen Federn, besseren Werkzeugen, Spulen u. s. w. Kohlenstoffgehalt 0,65 Pro- zent und mehr, Festigkeit 69 bis 105 kg pro Quadratmilli- meter; härtbar, nicht schweissbar. Bei dem gleichen Kohlenstoffgehalt von 0,45 Prozent zeigte Der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen beschloss auf Grund der früheren und neueren Untersuchungen Wöhlers im Jahre 1877 folgende Klassifikation: A. Bessemer-, Martin- und Gussstahl als Konstruktionsmaterial: I. Qualität: a) hart, Zerreissfestigkeit mindestens 65 kg, b) mittel, 55 kg, c) weich, 45 kg pro Quadratmillimeter. II. Qualität: a) härter, Zerreissfestigkeit mindestens 55 kg, b) weicher, 45 kg pro Quadratmillimeter. B. Stabeisen (Schweisseisen): I. Qualität: 38 kg pro Quadratmillimeter. II. Qualität: 35 „ „ „ Physik des Eisens seit 1871. C. Eisenblech: I. Qualität: in der Walzrichtung 36 kg, quer der Walzrichtung 32 kg pro Quadratmillimeter. II. Qualität: in der Walzrichtung 33 kg, quer der Walzrichtung 30 kg pro Quadratmillimeter. Inzwischen waren auch deutsche Eisenproduzenten der von Jahr zu Jahr wichtiger werdenden Festigkeitsfrage nähergetreten. Auf Anregung des Direktors Zervaes von der Friedrich-Wilhelms- hütte zu Mühlheim a. d. Ruhr vereinigten sich 1877 die grossen Eisenwerke in Rheinland und Westfalen, um zunächst die in- ländischen und ausländischen Giessereiroheisen einer vergleichenden Prüfung zu unterziehen. Der damalige Handelsminister Achenbach nahm lebhaftes Interesse an dieser Frage. Es wurde eine Kommission aus Eisenindustriellen und Professor Dr. H. Wedding erwählt, welche Hütteninspektor Wachler mit der Untersuchung beauftragte. Diese erwies die Ebenbürtigkeit des deutschen Giessereieisens mit den besten ausländischen Sorten und trug dadurch viel zur Verwendung inländischen Roheisens und zur Hebung der Giessereiroheisen- erzeugung in Deutschland bei. Die Kommission gab dem Wunsche für Errichtung öffentlicher Prüfungsanstalten zum erstenmal öffent- lichen Ausdruck. Die Generalversammlung des technischen Vereins für Eisenhüttenwesen im Jahre 1877 schloss sich diesem Wunsche an, machte aber gleichzeitig Front gegen die einseitigen Festigkeits- vorschriften der Eisenbahnverwaltungen. Ein richtiges Urteil über die Brauchbarkeit des Eisens könne nach ihrer Ansicht nur gefällt werden, wenn neben der Zerreissprobe auch Belastungs-, Bieg- und Schlag- proben vorgenommen würden. Die Versammlung verwarf deshalb auch die von Reuleaux empfohlenen Güteziffern Wöhlers , erwählte aber eine Kommission zur weiteren Prüfung der Festigkeitsvorschriften. Die deutschen Eisenbahnverwaltungen nahmen dagegen die Güte- ziffern Wöhlers an, und solche wurden seit 1878 öfters den Ver- dingungen zu Grunde gelegt. Dass die Güteziffer Wöhlers , welche aus der Summe des Zer- reissgewichtes und der prozentalen Querschnittsverminderung beim Zerreissen besteht, kein richtiges Urteil über die Brauchbarkeit des Eisens gewährt, ist einleuchtend, denn ein sehr hartes Eisen, das kaum schmiedbar ist, kann die gleiche Güteziffer haben wie ein weiches, aber sehr zähes Eisen. Aus diesem Grunde schlug Tetmayer später vor, die Güteziffer statt aus der Summe aus dem Produkte Physik des Eisens seit 1871. der beiden Zahlen zu bilden und dabei statt der Querschnittsvermin- derung die Ausdehnung beim Zerreissen in Ansatz zu bringen. Dabei kam die Zähigkeit gegenüber der Härte allerdings mehr zur Geltung als bei Wöhler , doch geben auch diese Ziffern kein ausreichendes Mass für die Brauchbarkeit des Materials. Viel klarer ist es, beide Werte nebeneinander anzugeben, und da beide doch erst ermittelt werden müssen, um die Güteziffer zu bilden, so ist dies auch das Natürliche. In Frankreich schlug Gruner deshalb 1877 vor, dass die Produ- zenten ihr Eisen mit einem doppelten Festigkeitsstempel versehen sollten, R (résistance in Kilogramm pro Quadratmillimeter) = Zug- festigkeit und A (allongement) Verlängerung eines 200 mm langen Stabes in Prozenten. R = 30 bis 35 kg, A = 20 bis 25 Prozent würde beispielsweise einem guten Kesselblech, R = 70 bis 100 kg, A = 5 Prozent einem Werkzeugstahl entsprechen. Auch die deutschen Eisenhüttenleute sprachen sich dafür aus, die Verlängerung und nicht die Querschnittsverringerung zum Mass der Zähigkeit zu machen. Trotzdem beharrte der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen auf seinem Standpunkte, erklärte in seiner Versammlung zu Salzburg 1879 die Wöhlers chen Festigkeitsvorschriften für massgebend und ver- einbarte für Eisenlieferungen für Bahnzwecke folgende Werte: Für Achsen aus Flussstahl sollte die Zerreissfestigkeit (F) von cylindrischen Stäben von 240 mm Länge und 20 mm Durchmesser 50 kg auf den Quadratmillimeter und die geringste zulässige Kon- traktion (C) 30 Prozent betragen. Für Radreifen für Lokomotiven mindestens F = 60 kg, C = 25 Proz. „ „ „ Tenderwagen „ F = 45 kg, C = 35 Proz. Die Güteziffer F + C sollte aber mindestens = 90 sein. Für Schienen mindestens F = 50 kg, C = 20 Proz., die Güte- ziffer aber nicht unter 85. Gegen diese einseitigen und harten Festigkeitsbedingungen wehr- ten sich die deutschen Eisenhüttenleute mit Recht und ihr Verein stellte 1881 folgende Qualitätsproben Siehe Stahl und Eisen 1881, S. 1, Gutachten der Revisionskommission der Klassifikation für Eisen und Stahl; 1882, S. 81, Vortrag von Wedding über Klassifikationsbedingungen von Eisen und Stahl. fest: I. Proben mit ungeteilten Gebrauchsstücken. a) Kaltproben: 1. Äussere Besichtigung, 2. Klopf-, 3. Schlag-, 4. Bruch-, 5. Belastungsprobe. b) Warmprobe. Physik des Eisens seit 1871. II. Proben mit abgetrennten Stücken. a) Kaltproben: 1. Bieg-, 2. Loch-, 3. Bruch-, 4. Zerreissprobe. b) Warmproben: 1. Bieg-, 2. Loch-, 3. Ausbreite-, 4. Schweiss- probe. Für die Zerreissproben sollten Stäbe von 200 mm Länge und 20 mm Durchmesser genommen werden. Der Kampf zwischen den Eisenproduzenten und Konsumenten spann sich noch jahrelang fort. Doch kam man allmählich, besonders auch nachdem das Thomasflusseisen mit in den Wettbewerb trat, davon ab, der Zerreissfestigkeit und Härte einen so hohen Werth beizulegen im Verhältnis zu der Zähigkeit. Namentlich verschafften die fleissigen Untersuchungen von Dudley die Überzeugung, dass weiches, zähes Material für viele Verwendungen dem harten vorzuziehen sei Vergl. Snelus , Über die chemische Zusammensetzung und Prüfung von Stahlschienen. Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 399. . In diesem Sinne erfolgte nach und nach eine Verständigung auch in Deutschland, wobei man sich dahin einigte, neben dem Zerreissgewichte die prozentuale Kontraktion und Verlängerung anzugeben. 1886 vereinbarten der Verband deutscher Architekten- und In- genieurvereine in Verbindung mit dem Verein deutscher Ingenieure und dem Verein deutscher Eisenhüttenleute Normalbedingungen für die Lieferung von Eisen für Brücken- und Hochbauten Stahl und Eisen 1881, S. 330. . Die Schlagprobe wurde für alle Eisensorten, die auch auf Stoss in Anspruch genommen wurden, ebenfalls vorgeschrieben und Bau- schinger konstruierte hierfür ein Normalschlagwerk. Bauschinger Bauschinger † am 25. November 1893. Nekrolog siehe Stahl und Eisen 1893, S. 1105. gebührt ausserdem das grosse Verdienst, die Ein- führung einheitlicher Prüfungsverfahren angeregt und zu diesem Zwecke 1884 die erste Konferenz zu deren Vereinbarung für Bau- und Konstruktionsmaterialien in München zusammenberufen zu haben. Diese Konferenzen nahmen allmählich einen internationalen Charakter an und wurden von Vertretern aus Österreich, Ungarn, der Schweiz, Russland und seit 1892 auch von Frankreich und Schweden besucht. Die vierte internationale Konferenz zur Vereinbarung einheitlicher Prüfungsmethoden fand am 24. und 25. Mai 1893 in Wien statt. In Frankreich wurde 1892 eine ständige Prüfungskommission als eine Abteilung im Ministerium ins Leben gerufen. Diese nahm die Tetmayers che Güteziffer gleich dem Produkt aus Zugfestigkeit und Dehnung unter dem Namen capacité de travail (deutsch: Arbeitsziffer, Physik des Eisens seit 1871. englisch: resilience) als Vergleichungszahl für die Festigkeitseigen- schaften der Eisensorten an. Über die Lieferungsbedingungen sind zwar internationale Vereinbarungen noch nicht erreicht worden, doch wurden in den ein- zelnen Ländern Normalien festgesetzt. In Deutschland erfolgten 1889 die Vorschriften für Lieferung von Eisen und Stahl (Eisenbahnmaterial, Bauwerkeisen, Bleche, Handelseisen, Draht, Gusseisen) von dem Verein deutscher Eisenhüttenleute Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 350. , 1890 das Reglement des deutschen Lloyds, 1892 die Normalbedingungen der Flusseisenkommission des Vereins deutscher Eisenhüttenleute und in demselben Jahre die von den drei grossen technischen Vereinen Deutschlands, dem oben ge- nannten Verein, dem Verband deutscher Architekten- und Ingenieur- vereine und dem Verein deutscher Ingenieure vereinbarten verbesserten Normalbedingungen für die Lieferung von Eisenkonstruktionen für Brücken- und Hochbau Daselbst 1892, S. 935. . In demselben Jahre wurden in Österreich „grundsätzliche Bestimmungen für die Lieferung und Aufstellung eiserner Brücken in der vom K. K. Handelsministerium genehmigten Fassung“ veröffentlicht Daselbst 1893, S. 238. . Durch diese wurde nur das Martinflusseisen zum Brückenbau zugelassen, ferner wurde ein Unterschied in der Festigkeit der Längs- und Querrichtung gemacht. In den Bedingungen der drei deutschen Vereine über die Güte der Materialien wurde festgesetzt: In den Vereinigten Staaten von Nordamerika verlangte man 1893: Physik des Eisens seit 1871. Neuerdings wurden in den Vereinigten Staaten von Nordamerika Normalvorschriften, Probestücke und Prüfungsmethoden für Eisen und Stahl Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 974, 1017. angenommen und dem internationalen Kongress für die Methoden der Materialprüfung zur Annahme empfohlen. Diese Vor- schriften gehen sehr ins Einzelne und setzen auch Grenzen für die chemische Zusammensetzung fest. Hiergegen erhob R. A. Hadfield Einsprache. Es ist nicht möglich, auf die zahlreichen Untersuchungen zur Ermittelung der Festigkeitsziffern besonderer Eisensorten, welche in den letzten 25 Jahren angestellt worden sind, hier einzugehen. Ausser den bereits angeführten erwähnen wir nur noch die über Thomasstahl von Witkowitz von Kuppelwieser 1881, die von schwe- dischen Flussstahlplatten im Jern. Kont. Annal. 1881 veröffentlichten, die 1884 von Stumm in Neunkirchen veranlassten und von Bauschinger ausgeführten, die von H. Wild in Peine und von Kreutzpointner in Amerika 1887 mit Thomasstahlblech und von James Riley und Parker in Glasgow in demselben Jahre mit Herd- flussstahlblech angestellten, sowie endlich die gründliche Prüfung des Flusseisenmaterials der Fordoner Brücke von Mehrtens Daselbst 1892, Nr. 13 und 1893, Nr. 7. . Bei den vielen Festigkeitsuntersuchungen waren manche andere neue Wahrnehmungen gemacht worden. Schon 1873 hatte Bau- schinger gefunden, dass durch die Inanspruchnahme bis zum Zerreissen eine Erhöhung der Zugfestigkeit eintritt. Ein Stück Flach- eisen, das beim ersten Zug bei 32000 kg zerriss, hielt beim zweiten Versuch 44000 kg aus. Hier wirkt der starke Zug ähnlich wie die mechanische Bearbeitung. Professor Thurston bestätigte dies durch Versuche, dagegen fand er auch, dass Draht bei andauernder Belastung, welche erheblich unter der Bruchbelastung blieb, zerriss. Bau- schinger veröffentlichte 1886 weitere Versuche über die Veränderung der Elastizitätsgrenze bei längerer Belastung. Wichtige Versuche wurden über die Festigkeit des Eisens bei verschiedenen Temperaturen angestellt. Dass im allgemeinen die Festigkeit mit der Erhitzung abnimmt, war allgemein bekannt, dass dies aber nicht regelmässig geschieht, hatten Versuche von G. Pisati und Saporito-Ricca 1877 erwiesen. Valtons Versuche auf den Demidoffs chen Hütten hatten um dieselbe Zeit bewiesen, dass die grössere Brüchigkeit bei beginnender Rotglut, bei sogenannter Physik des Eisens seit 1871. Blauhitze , der Temperatur, bei der die Bleche blau anlaufen, ein- tritt, was namentlich den Kesselschmieden schon längst bekannt war, auf einer allgemeinen Thatsache beruht. Alle schmiedbaren Eisensorten zeigen bei einer gewissen, zwischen 300 und 400° C. gelegenen Temperatur einen Zustand grösserer Sprödig- keit, die man als Blaubrüchigkeit bezeichnet. Die Blauwärme ist also eine weitere kritische Temperatur, die bei der Bearbeitung des Eisens berücksichtigt werden muss Siehe Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen XX, S. 21. . Eingehende Versuche über die Festigkeit der Eisensorten bei verschiedenen Temperaturen stellte Dr. Jul. Kollmann 1880 auf der Gutehoffnungshütte bei Oberhausen an Siehe Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses 1880, zweites Heft. . Danach ist die Festigkeitsabnahme bis 100° nur unwesentlich, bis 350° ist sie gering, von da an vermindert sich die Festigkeit rasch, wie folgende Zusammenstellung zeigt: Versuche über Festigkeit von Kesselblechen in Blauwärme stellte A. Kurzwernhart Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 849. an. Er fand die grösste Sprödigkeit bei der blass- gelben Anlauffarbe. Viele Eisensorten zeigen eine merkliche Zunahme der Festig- keit zwischen 0 und 300°, namentlich zwischen 200 und 300°, wie Versuche von Huston, Walrand und C. Martens Mitteilungen d. Kgl. techn. Versuchsanstalten 1890, Heft IV; Stahl und Eisen 1890, S. 843. bewiesen haben. Le Chatelier Comptes rendus, t. CIX. fand (1891) zwischen 15 und 80° eine Abnahme der Festigkeit um 6 bis 9,3 Prozent, bei 100 bis 240° Verringerung der Dehnbarkeit um 7 bis 9 Prozent bei Eisen und 3 bis 7 Prozent Physik des Eisens seit 1871. bei Stahl bei unverminderter Festigkeit, 240 bis 300° beträchtliche Steigerung der Festigkeit und Dehnbarkeit, über 300° Abnahme beider. Über den Einfluss niedriger Temperaturen machte J. Webster 1880 zwischen + 10 und — 21° C. Versuche. Danach ist die Abnahme der absoluten Festigkeit nur gering, die Abnahme der Stossfestigkeit und Biegsamkeit beträgt dagegen bei — 21° C. bei Eisen 3,0 und 18 Prozent, bei Stahl 3,5 und 17 Prozent. — Nach Versuchen von Martens und Steiner Zeitschr. d. Österreich. Ingen.- u. Architekten-Vereins 1891, Nr. 8 u. 10. ist die Festigkeit des Eisens in der Kälte (bei — 20 und — 50°) bei ruhiger Belastung sogar grösser als bei warmer Witterung. Über die Zunahme der Steifigkeit in niedriger Temperatur haben Köpcke und Hartig Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 196 und 220. Versuche angestellt. Ausglühen erhöht ähnlich wie die mechanische Bearbeitung die Festigkeit des Eisens und Stahls, wenn auch nicht in demselben Masse Tunner , Österreich. Zeischr. f. Berg- u. Hüttenwesen 1877, S. 425. . Dies zeigt sich deutlich beim Glühen von unbearbeitetem Flusseisen in Kirschrotglut Siehe Iron 1880, XVI, p. 487; ferner Holley in Metallurgical Review II, p. 220. . Hiervon macht man bei der Herstellung von Formgussstücken Gebrauch, welche erst hierdurch ihre volle Brauchbarkeit erlangen. Durch andauernde Bearbeitung nimmt die Zerreissfestigkeit zu, die Zähigkeit ab, das Eisen wird hart und spröde. Ausglühen stellt den ursprünglichen Festigkeitszustand wieder her, verbessert ihn sogar unter Umständen Versuche von Wedding , Sitzungsbericht d. Vereins für Beförderung des Gewerbefleisses 1889, S. 91; von Sattmann , Stahl und Eisen 1892, S. 551; von Thurston , Engineering and Mining Journ. XLVII, p. 262; von Wertheim , Annales de chimie et de physique, sér. 3, t. XII. , doch muss dies in gewissen Temperaturgrenzen geschehen. Erwärmung unter 400° bei Schweiss- eisen und unter 450° bei Flusseisen bleibt nach Versuchen von Bau- schinger ohne Wirkung. Dass das Ablöschen von erhitztem Stahl in Wasser dessen Festigkeitseigenschaften verändert, ihn hart und spröde macht, ist eine seit undenklicher Zeit bekannte Thatsache. Hierfür hat C. Fromme Annalen der Physik u. Chemie VIII, S. 352. 1879 Werthe ermittelt. Genaue Messungen Kirkaldys haben ergeben, dass auch beim weichsten Eisen durch das Ablöschen eine Änderung der Festigkeitseigenschaften eintritt, welche in ihrer Grösse mit dem Kohlenstoffgehalte wächst Versuche von Kirkaldy in R. Akermans On hardening iron and steel im Journ. of the Iron and Steel Inst. 1879, II. . Dass auch hierbei der Grad der Er- Physik des Eisens seit 1871. wärmung von Einfluss ist, war längst bekannt und wurde von Satt- mann genauer nachgewiesen Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 557. . Die Veränderungen der Festigkeitseigenschaften des Eisens durch die Bearbeitung sind von grosser praktischer Bedeutung. Sie er- scheinen um so grösser, bei je niedrigerer Temperatur die Bearbeitung erfolgt. Wedding stellte hierüber 1889 Versuche mit Stäben aus weichem Flusseisen, Sattmann 1892 mit gewalzten Blechen an Vergl. Ledebur , Handbuch der Eisenindustrie, S. 676. . Am deutlichsten zeigen sich dieselben, wie längst bekannt, beim Ziehen von Drähten. Hierfür hat Howard Siehe Revue universelle des mines, sér. 2, t. XVIII, p. 338. 1885 genauere Werte ermittelt. Thurston stellte Versuche über den Einfluss des Walzens bei verschiedenen Temperaturen an; desgleichen Kintzlé über den Ein- fluss der Walzrichtung auf die Festigkeit Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 686. . Ebenso entstehen durch das Lochen grosse Änderungen in den Festigkeitseigenschaften der Bleche und Platten, wie durch zahlreiche Versuche von Hill 1883, Tetmayer 1886, Barba 1887, Considère 1887 u. a. nachgewiesen wurde. Auf den grossen Einfluss, welchen die chemische Zusammen- setzung auf die Festigkeit des schmiedbaren Eisens ausübt, haben wir schon hingewiesen Vergl. auch die Untersuchungen von Webster 1894 im Journal of the Iron and Steel Inst. 45, p. 328, und von Arnold , a. a. O., S. 107 u. 156. . Am meisten kommt hierbei der Kohlen- stoffgehalt in Betracht, mit dessen Zunahme bis 1 Prozent die Festig- keit steigt. Versuche hierüber mit Martinflusseisen von Terrenoire hat A. von Kerpely 1878 veröffentlicht A. von Kerpely , Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris im Jahre 1878. . Bleichsteiner giebt 1892 folgende Festigkeitsziffern für die ver- schiedenen Eisensorten nach ihrer Darstellungsweise und ihrem Kohlenstoffgehalt: Physik des Eisens seit 1871. Nach den Ermittelungen des Amerikaners M. R. Webster Vortrag auf dem internationalen Ingenieur-Kongress bei der Weltausstellung zu Chicago im August 1893. soll, unter Zugrundelegung einer Zugfestigkeit von 24,43 kg pro Quadrat- millimeter für reines Eisen, für je 0,01 Prozent Kohlenstoff eine Festigkeitszunahme um 0,56 kg pro Quadratmillimeter sich ergeben. Über den Einfluss des Siliciumgehaltes auf die Festigkeit des Eisens, welcher dem des Kohlenstoffes ähnlich, aber schwächer ist, hat namentlich Hadfield 1889 Ermittelungen angestellt Journal of the Iron and Steel Institute 1889, II, p. 222. . Er fand das Maximum der Festigkeit bei einem Siliciumgehalte von 4,3 Prozent. Mangan, Chrom, Wolfram und Nickel erhöhen die Festigkeit des kohlenstoffhaltigen Eisens. Hierfür haben A. von Kerpely, Had- field, Wedding, Howe, Riley, Gautier Beispiele unter Wert- angaben veröffentlicht. Ebenso hat A. von Kerpely Zahlen für die nachteilige Beeinflussung der Festigkeit des Eisens durch Phosphor mitgeteilt. Eine eigentümliche Veränderung der Festigkeit, ins- besondere der Zähigkeit, ist die „Beizbrüchigkeit“, welche sich beim Beizen des Drahtes mit verdünnten Säuren zeigt. Sie soll nach Ledebur Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 1681; 1888, S. 745, und A. Ledebur , Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 311. , der hierüber 1887 zuerst genaue Versuche angestellt hat, auf einer Wasserstoffaufnahme des Eisens beruhen. Mit der Festigkeit hängt die Härte auf das engste zusammen. Auch für die Härtebestimmung hat man besondere Apparate kon- struiert, von denen wir die von Middelberg und von C. Martens (1889) nennen. Martens’ Härteprüfer ist ein Taster mit rundlicher Diamantspitze, welcher durch Hebeldruck auf die zu prüfende ebene und polierte Fläche wirkt. Die Tiefe des Eindruckes bezogen auf die Einheitsbelastung giebt das Mass der Härte Mitteilungen der Kgl. technischen Versuchsanstalt in Berlin 1890, Heft 5, S. 215. . Der Druck des Wassers und der Luft hat seit 1870 eine immer steigende Bedeutung für die Kraftübertragung von dem Motor auf das Werkzeug, sowie für die Kraftkonzentration erlangt. Die Hydraulik hat in der Eisenindustrie die mannigfaltigste Verwendung gefunden, da sie besonders für schwere Arbeitsleistungen geeignet ist. Von den zahlreichen Verwendungen, wovon viele noch gelegentlich zur Sprache kommen werden, seien nur die hydraulischen Schmiedepressen, die Hebevorrichtungen zur Bewegung der Konverter, der grossen Giess- pfannen, der Martinöfen, der Formmaschinen u. s. w. hier erwähnt. Beck, Geschichte des Eisens. 26 Physik des Eisens seit 1871. Der Luftdruck eignet sich mehr für Kraftübertragung auf kleinere Werkzeuge. Die Pressluft hat deshalb bis jetzt mehr in grossen Städten ( Popps Anlage in Paris) zur Kraftabgabe einer Centrale an Gewerbetreibende Anwendung gefunden, für die Eisenindustrie ist seine Verwendung bis jetzt beschränkt. Für vorgenannten Zweck sind be- sondere Pressluft-Werkzeuge Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 610. konstruiert und eingeführt worden. Magnetismus und Elektricität haben in den letzten Jahr- zehnten eine ungeahnte Bedeutung für die Technik erlangt. Auch für das Eisenhüttenwesen sind dieselben von Wichtigkeit geworden, namentlich seit der Anlage starker Kraftcentralen auf den Hütten- werken in Verbindung mit Gichtgasmaschinen. Trève wies 1875 durch Versuche nach, dass die magnetische Kraft des Stahls mit dem Kohlenstoffgehalte zunimmt. Dieselbe ver- hält sich z. B. bei Stahl von 0,25 Prozent zu Stahl von 0,95 Prozent Kohlenstoff wie 13:47. Rinman fand dies bestätigt und Charles Ryder gründete darauf 1879 ein Verfahren, den Kohlenstoffgehalt des Stahls mittels einer Magnetnadel zu bestimmen, desgleichen A. von Waltenhofen Dingler , Polyt. Journ. 1879, II, S. 145. in Prag 1879. Professor Hughes Comptes rendus de la soc. de l’industr. min. 1884, p. 51. fand 1884, dass sich die molekularen Eigenschaften des Schmiedeeisens und Stahls durch Messung der magnetischen Kapazität mittels der magnetischen Wage erkennen lassen. Er bestimmte die Grenze zwischen Schmiede- eisen und Stahl auf 400°. C. Tetmayer empfahl 1883 die Unter- suchung von Eisen und Stahl mit der Magnetnadel zur Ermittelung der Homogenität; A. Martens erwarb 1884 auf ein thermo-elektri- sches Verfahren ein Patent (D. R. P. Nr. 23580). C. A. Casperson führte 1891 in Schweden eine Härtebestimmung von Eisen und Stahl mittels des elektrischen Stromes ein. Hering empfahl die elektro- magnetische Messung besonders zum Aufsuchen von Blasen im Fluss- eisen. Die Magnetnadel kann auch zur Unterscheidung von Spiegel- eisen und Ferromangan dienen, indem Eisen mit 12 Prozent Mangan aufhört magnetisch zu sein, ebenso Eisen mit 25 Prozent Nickel. Merkwürdig ist, dass ein Zusatz von für sich nicht magnetischem Wolfram die magnetische Kraft von Eisen und Nickel erhöht. Noch merkwürdiger ist, dass, wie Hopkinson 1890 nachgewisen hat, ein 25 Prozent Nickel haltiger unmagnetischer Stahl durch starke Ab- kühlung mittels fester Kohlensäure magnetisch wird. Die Aufbereitung magnetischer Erze durch Elektromagnete Physik des Eisens seit 1871. ist in Schweden und Nordamerika zur Ausbildung gekommen. In Schweden führte Wenström 1888 einen elektromagnetischen Erz- scheider in Dannemora ein, mit dem er 1889 in Örebro das Gruben- klein anreicherte. Wichtiger noch wurde die magnetische Separation in Nordamerika. Hier führten Larue in Quebeck sowie Balch und Nelson in Montreal schon vor 1872 die Konzentration von Magnet- eisensand durch Elektromagneten ein Siehe Journ. of the Iron and Steel Inst., Febr. 1872, p. 163. . In den Vereinigten Staaten war es Th. A. Edison , der schon 1881 einen magnetischen Erzseparator konstruierte und sich seit der Zeit mit dieser Frage beschäftigte Edisons Erzscheider ist abgebildet in Stahl und Eisen 1889, S. 449. . 1892 hatte die magnetische Scheidung in den Staaten New York, Pennsylvanien, Virginien, Nord-Karolina und Michigan Eingang ge- funden. 1891 wurden in den Vereinigten Staaten 110000 Tonnen Erz auf nassem Wege und 100000 Tonnen auf magnetischem Wege separiert Beschreibung der magnetischen Scheidung auf der Tilly Foster-Grube siehe Österreich. Ztg. für Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 377. . Henry Hugh Eames in Baltimore nahm am 16. Oktober 1888 ein englisches Patent (Nr. 14837) zur Abscheidung des Eisens aus den Erzen in senkrechten Retorten bei 550° durch Elektromagnete; also ein ähnliches Verfahren wie das ältere von Chenot . Die elektrische Schmelzung und einen elektrischen Schmelzofen für Stahl schlug Dr. W. Siemens 1881 vor. Auf elektrisches Schmelzen von Eisen- erzen nahmen die Gebrüder Cowles zu Cleveland, Ohio, seit Januar 1886 eine Reihe von Patenten. Nennenswerte Erfolge sind aber auf diesem Wege noch nicht erzielt worden. Dasselbe gilt von der häufig versuchten Reinigung von flüssigem Eisen mittels des elektrischen Stromes. Weder die älteren Vorschläge von A. C. Fleury 1860, Winkler 1861, S. C. Kreeft in London 1865, noch die neueren von Ehrmann und Fourquignon 1873 hatten ein praktisches Ergebnis. Anders verhält es sich mit der elektrischen Schweissung . Diese hat sich in vielen Fällen bewährt, und es sind hierfür zwei Ver- fahren, das von Benardos und das von Thomson , in Anwendung. Nicol. de Benardos in St. Petersburg trat zuerst 1885 mit seinem Verfahren hervor, welches darin besteht, die Schweissung durch die Hitze des elektrischen Lichtbogens zu bewirken. Dieser wird zwischen einem Kohlenstifte und dem zu schweissenden Metall als anderer Pol erzeugt. Der Kohlenstift muss der positive Pol sein. Die starke Hitze des Lichtbogens wirkt wie ein Lötrohr und schmilzt 26* Physik des Eisens seit 1871. das Metall an der Schweissstelle. Hierbei tritt zugleich Oxydation ein; es bildet sich Schlacke, welche die Schweissstelle schützt. Dennoch brannte anfangs zu viel von dem Metall weg. Benardos nahm des- halb eine feuerbeständige Zwischenlage wie Graphit (1889, D. R. P. Nr. 46776 und 7. Juli 1892, Nr. 67615, Stahl und Eisen 1893, S. 436), später streute er Pulver desselben Metalls auf die Schweissstelle. Der Kohlenstift steckt in dem Loche zweier scherenartig verbundener Kupferdrähte, das biegsame Kabel geht durch den hölzernen Griff, mit dem der Arbeiter den Stift führt, hindurch. Dieser trägt bei der Arbeit ausserdem dicke Lederhandschuhe und schützt seine Augen vor dem grellen Licht durch dunkle Gläser. Auf diese Art ist die Schweissung sogar unter Wasser ausführbar. Ein Nachteil des Ver- fahrens, welches der Erfinder besonders zum Flicken von Dampf- kesseln anwendete, besteht darin, dass das Metall an der Schweissstelle hart wird. Eine Verbesserung des Verfahrens wurde durch die Be- nutzung der Entdeckung von Dr. Zerenner , dass sich der elektrische Lichtbogen durch starke Magnete ablenken lässt, eingeführt. Das elektrische Schweissverfahren von Professor Elihu Thom- son D. R. P. Nr. 50243 vom 9. Jan. 1889 und Nr. 57097. wurde 1887 in den Vereinigten Staaten patentiert und auf den Werken der Thomson-Houston Company zu Lynn eingeführt. In Europa wurde das Verfahren durch die Pariser Ausstellung von 1889 und einen dort gehaltenen Vortrag von W. E. Fish aus Boston auf dem Meeting des Iron and Steel Institute Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1890, S. 37. bekannt. Bei diesem Verfahren bilden die beiden Schweissstellen die Pole. Ein elektrischer Strom von geringer Spannung (¼ bis 1 Volt), aber grosser elektro- motorischer Kraft (1000 bis 5000 Ampère) tritt durch eine Klammer, welche die zu schweissenden Metallwände zusammenpresst, ein, durch- strömt die beiden Metalle und tritt durch eine andere Klammer aus. An der Stelle, wo die beiden Metalle stumpf zusammenstossen, ist der Widerstand ein grosser, infolgedessen tritt Erhitzung und Schweissung ein. Nach Fishs Angabe erfolgte die Schweissung von Stahl nach E. Thomsons Verfahren Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 257. bei einem Strom von 1480 Ampère in 40 Sekunden, bei 1900 Ampère in 30, bei 2300 Ampère pro Quadrat- centimeter in 20 Sekunden bei 16 Volt Spannung. Ein Nachteil des Verfahrens soll darin bestehen, dass man die Temperatur nicht regulieren kann; auch beansprucht es viel stärkere Ströme als Be- nardos Verfahren. Trotzdem hat das Thomsons che Verfahren eine Physik des Eisens seit 1871. grössere praktische Bedeutung erlangt und wird in den Vereinigten Staaten in grossartiger Weise verwendet. Die elektrische Schweissung macht Operationen möglich, die bei dem früheren Schweissverfahren nicht ausführbar waren Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 1089. . 1893 wurde ein drittes elektrisches Schweissverfahren von dem belgischen Ingenieur Lagrange und Hoho veröffentlicht; die Schweissung erfolgt hierbei in einem Wasserbade Daselbst 1893, S. 530; 1894, S. 483. . Weitere hüttenmännische Verwendungen des elektrischen Stromes sind vorgeschlagen zur Reinigung des Walzdrahtes von Oxyden (1891) und zur Verstählung des Eisens. J. Garnier fand, dass bei etwa 1000° die Verstählung des Eisens unter dem Einflusse eines schwachen elektrischen Stromes (50 Ampère und 2,5 Volt) sehr schnell sich vollzieht. Ferner wird die Elektricität zum Enthärten und Härten des Stahls benutzt. Die Thomson Electric Welding Company in Lynn, Mass., erweicht auf diesem Wege die Bohrstellen gehärteter Panzerplatten Daselbst 1897, S. 323. . Wie ausgedehnt die Verwendung der Elektricität als motorische Kraft in den letzten 25 Jahren geworden ist, weiss ein jeder. Ab- gesehen von der mannigfaltigen Benutzung im Bergwerksbetriebe, heben wir besonders die Verwendung für elektrische Kräne in Eisen- giessereien und Stahlwerken hervor und zwar sowohl für Lauf- als für Drehkräne. Ein elektrischer Laufkran von Schneider \& Co. in Creusot (1893) hatte 150 Tonnen Tragfähigkeit und 28½ m Spann- weite. Auch elektrische Bohrmaschinen sind bereits häufig in An- wendung, z. B. eine Kranbohrmaschine bei Schwarzkopff in Berlin (1893). Viel mannigfaltiger ist die Verwendung elektrischer Arbeits- maschinen bei der Adjustierung. In der belgischen Waffenfabrik von Herstal -Lüttich ist der Betrieb durchweg elektrisch (1894). Für Ventilatoren und Kreiselpumpen ist der elektrische Betrieb sehr ge- eignet und vielfach angewandt. Die Verwendung der Elektricität für Transport und Beleuchtung ist bereits eine sehr allgemeine. In Amerika sind elektrische Kräne von 150 Tonnen Tragkraft keine Seltenheit Daselbst 1899, S. 1185. . Elektrische Schmelz- öfen haben in der Eisenindustrie bis jetzt noch keine Anwendung gefunden, wohl aber bei der Aluminiumdarstellung und der Gewinnung von Chrom und Wolfram. Neuerdings hat der italienische Hauptmann Brennmaterial. Stassano eine elektrische Eisen- und Stahlgewinnung, wobei das Schmelzen in elektrischen Öfen erfolgen soll, vorgeschlagen Stahl und Eisen 1899, S. 797. . Starke Elektromagnete dienen zum Ausheben der Masseln aus dem Masselbett sowie zum Heben schwerer Eisenstücke Glasers Annalen 1898, Nr. 506; siehe Stahl u. Eisen 1898, S. 780; 1901, S. 419. . Für Kraftmaschinen findet die Elektricität im Kleinbetrieb viel- fach Anwendung. Die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin betreibt auch bereits ein Kupferwalzwerk elektrisch. Die Anlage ist von der Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. Gebr. Klein in Dahl- beuch ausgeführt Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 905. . In Schweden ist das in Gestrikland gelegene Eisenwerk Hofors schon 1893 dazu übergegangen, die Kraft eines 2½ km entfernten Wasserfalles zum Betriebe von drei Walzenpressen und den dazu- gehörigen Hülfsmaschinen auszunutzen Journal of the Iron and Steel Institute 1898, t. II, p. 297; siehe Stahl und Eisen 1900, S. 56. , wobei die ganze Kraft elek- trisch übertragen wird. Die Fortschritte im Hüttenbetriebe. Brennmaterial. Die Bedeutung des Holzes und der Holzkohle als Brennstoff für die Eisenindustrie treten in diesem Zeitraume im ganzen mehr zurück. Dementsprechend waren auch die Fortschritte der Holzverkohlung nicht sehr gross. Die Ofenverkohlung gewann in Schweden und in Nordamerika Siehe Berg- und Hüttenmännische Ztg. 1881, S. 267. gegenüber der Meilerverkohlung an Bedeutung. Die Öfen waren meist, wie z. B. der von Mathien Jernkont. Annal. 1884, Heft 5. , in Form von Re- torten mit Gewinnung der Destillationsprodukte. Eine sehr grosse Erzeugung hatten die kontinuierlichen Ver- kohlungsöfen von E. J. Ljungberg auf dem Domnarfvets Eisenwerk in Schweden Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 932 und 1898, S. 77. . Sie waren in vier Kammern geteilt nach Art der Ringöfen und wurden ähnlich wie diese betrieben. Die erste Kammer diente zum Vorwärmen, die zweite zum Entwässern, die dritte zum Verkohlen des Holzes und die vierte zum Ziehen der Kohlen und zum Besetzen. Obgleich ein Satz 20 Tage brauchte, lieferte 1896 ein Brennmaterial. solcher Ofen doch 15000 cbm Holzkohle im Jahre. Dabei waren die Kosten geringer und das Ausbringen grösser. Die Fortschritte der Koksfabrikation seit 1870 sind dagegen sehr beachtenswert, besonders hinsichtlich der Gewinnung der Neben- produkte der Verkohlung. Von den liegenden Retortenöfen bewährten sich in den siebziger Jahren besonders die schon aus dem Anfange der sechziger Jahre stammenden, seitdem aber mehr- fach verbesserten Coppée-Öfen Nach dem Erfinder Evence Coppée (D. R. P. Nr. 9908). Siehe Vortrag von A. Hüssener , Stahl und Eisen 1883, S. 397. . Fig. 142. Nach A. Gillon Revue universelle 1873, 34, p. 193. waren von diesen 1873 in Belgien 524 im Be- triebe und 192 im Bau, in Preussen 1305 fertig und 138 im Bau, in Frankreich 186 im Betriebe, in England 30 im Betriebe und 30 im Bau. Seit der Zeit hat ihre Verbreitung sehr zugenommen, so dass sie 1894 in Deutschland, Frankreich und Belgien die am meisten benutzten Verkokungsöfen waren Ledebur , Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 84. 1886 wurden ca. 42 Pro- zent der gesamten Koksproduktion Deutschlands (20527 Tonnen in 24 Stunden) in Coppéeöfen dargestellt. . Die Gase des Ofens (Fig. 142, 143 a. f. S.) Brennmaterial. treten durch zahlreiche Öffnungen auf einer Seite nahe der Decke aus und werden durch senkrechte Seitenzüge c in einen geräumigen Seiten- kanal e , wo sie sich mit den Gasen des Nachbarofens vereinigen, ge- leitet. Nachdem sie unter dem einen Ofen durchgestrichen sind, treten sie unter die Sohle des zweiten Ofens und entweichen dann durch g in den Kanal h , der sie der Esse k zuführt. Die Verbrennungs- Fig. 143. luft tritt durch die vertikalen Röhren d d in einen horizontalen Kanal, wo sie vorgewärmt in die Gaskanäle c c eingeleitet die Verbrennung in den vertikalen Seitenkanälen bewirkt. Die Ofenkammern pflegten 9 m lang zu sein, bei 45 cm Breite und 1,20 m Höhe dauerte die Verkokung 24 Stunden, bei 60 cm Breite und 1,70 m Höhe 48 Stunden. Für magere Kohlen wählt man geringere Breite. Die Vorzüge des Coppéeofens liegen besonders in der schmalen, hohen Form der Retorte und den vertikalen Zügen, die stabiler sind wie die horizontalen. Die Höhe der Kammern hat man bis 2,10 m erhöht. Benutzt man die Abhitze zur Dampferzeugung, so liefert ein Ofen den Dampf für drei bis vier Pferdekräfte. Für eine vollständige Bauanlage kann man die Kosten für 1 Tonne Kokserzeugung in 24 Stunden auf 2500 Franken annehmen, während sie sich bei Smetöfen auf 3000 Franken und bei Brennmaterial. Appoltöfen auf 5000 Franken belaufen. Dagegen erfordert der Coppée- ofen zweimal, der Smetofen zweieinhalbmal so viel Terrain als der Appoltofen von gleicher Produktion. Abänderungen des Coppéeofens sind Ringels Koksöfen Siehe Kärntner Ztg. f. Bau- u. Hüttenwesen 1872, Nr. 7 mit Zeichnungen. , die 1871 zu Rokitzan in Böhmen zuerst in Betrieb genommen wurden. Die Öfen von Richard Wintzek in Friedenshütte (D. R. P. Nr. 2005 vom 20. Januar 1878) sind verbesserte Smetöfen; sie wurden auf der Zeche Glückauf bei Beuthen in Oberschlesien zuerst angewendet und kamen dann auf mehreren Werken Schlesiens zur Einführung. Dr. Otto in Dahlhausen verbesserte 1879 den Coppéeofen durch eine vermehrte Ausnutzung der Gase, durch Verbrennung der- selben mit heisser Luft. Zu diesem Zwecke sparte er Lufterhitzungs- kanäle in dem Ofengewölbe aus, die zugleich als Kühlkanäle für den Ofen dienten, und leitete die erhitzte Luft sowohl in den Ofen als in die Seitenkanäle. Auch konstruierte er für leichte Koks einen Re- tortendoppelofen, bei dem zwei Reihen übereinander lagen. Schon früher hatte Lencauchez Koksöfen mit Kühlung und erhitzter Ver- brennungsluft konstruiert und im Modell auf der Pariser Ausstellung 1878 vorgeführt. L. Semet und E. Solvay in Brüssel bauten 1883 Koksöfen, bei denen zu beiden Seiten der die Gewölbe tragenden Wände durch dünnwandige grosse Hohlziegel Kanäle gebildet waren. Die Öfen hatten besondere Rostfeuerung. Die Flammen strichen erst unter dem Ofen her, dann durch die Seitenkanäle. — Gebr. Röchling bauten 1886 horizontale Koksöfen mit senkrechten Heizkanälen und verbesserter Zuführung der Verbrennungsluft. Th. von Bauer und Carl Gödeke suchten dagegen den Appolt- ofen zu verbessern (D. R. P. Nr. 7825), indem sie eine geregelte Luft- zuführung, bessere Verbrennung und Gasführung einrichteten und die Stabilität der Anlagen erhöhten. Dr. von Bauers vertikaler Koks- ofen wurde 1877 zu Dobriv zuerst ausgeführt. Emil Franzen baute 1883 zu Angleur in Belgien Schachtkoksöfen. Der Gewinnung der Nebenprodukte der Koksfabrikation hatte man in den siebziger Jahren in England und Deutschland nur geringe Aufmerksamkeit geschenkt, weil man in dem festen Glauben befangen war, dass dieselbe nur auf Kosten der Güte des Koks aus- geführt werden könnte. In Frankreich dagegen hatte das von Knab Brennmaterial. eingeführte System sich mehr und mehr Anerkennung verschafft und wurde weiter ausgebildet. Öfen mit Kondensation wurden konstruiert von Haupart, Carvés, Pernolet, Pawels (Pauwells) und Dubochet, de Vathaire, Semet und Renaut . Anfang der siebziger Jahre wurden auf den Pariser Gasanstalten zu Ivry und La Villette Öfen nach Knabs chem System unter dem Namen Pauwells - und Dubochet -Öfen erbaut. Carvés zu St. Etienne baute 1876 seine verbesserten Öfen mit Wandheizung und Konden- sation zu Basséges, nachdem er früher schon eine Anlage von 88 Knab- öfen auf der Kokerei du Marais bei St. Etienne gemacht hatte. Carvés System, durch welches man Koks, Teer und Ammoniakwasser gewann, bewährte sich, und es wurde ihm 1879 die Erbauung einer An- lage zu Terre-noire übertragen. Die Carvésöfen bestanden aus einem System nebeneinander liegender hoher, enger Kammern mit horizon- talen Seiten- und Bodenzügen. Die Verkokungsprodukte wurden durch ein Rohr in der Mitte der Gewölbe abgezogen und passierten Kühl- röhren und Scrubbers, ähnlich wie bei der Gasfabrikation. Durch den Erfolg begann man auch in Deutschland auf diese neue Ofenart auf- merksam zu werden. A. Hüssener in Dortmund empfahl sie zuerst und die Gebrüder Möller bauten die ersten 1880 auf ihrer Kokerei zu Brackwede. 1881 bildete sich die Aktiengesellschaft für Kohlen- destillation zu Essen, welche sofort 50 Carvésöfen aufführte. 1881 wurde durch A. Hüssener zu Bulmke bei Gelsenkirchen eine Anlage von verbesserten Carvéskoksöfen mit Gewinnung der Nebenprodukte errichtet. In England hielt man dagegen an den Bienenkorböfen fest. Jameson D. R. P. vom 6. Juni 1883; siehe Stahl und Eisen 1883, S. 564. verband damit eine teilweise Gewinnung der Neben- produkte in der Weise, dass er die Verbrennung von oben nach unten fortschreiten liess, einen durchlöcherten Boden anbrachte, unter dem sich eine Anzahl Kanäle befanden, die zu einem Saugrohre führten, aus welchem die Destillationsprodukte durch Exhaustoren (blowers) abgesaugt wurden Näheres s. Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1884, S. 263. . Der so erhaltene Teer enthielt nur die zwischen 250 und 350° siedenden Öle, kein Naphtalin und kein Anthracen. Infolgedessen war er viel geringwertiger als gewöhnlicher Teer. Doch führte schon damals H. Simon Carvésöfen auf der Koks- anstalt von Mss. Pease bei Crooke (Durham) ein Siehe Journal of the Iron and Steel Inst. 1883; Eisen und Stahl 1882, Heft 7 und 10. . Man nennt Brennmaterial. deshalb dieses Ofensystem, welches mit zweiräumigen Lufterhitzern (Rekuperatoren) versehen ist, in England Simon-Carvés . Obgleich der Teer dieser Öefen reich an Naphtalin und Anthracen war und dem Gasteer glich, so sprach man sich auf der Versammlung des Iron and Steel Institute 1885 doch zu Gunsten der Jameson- gegen- über der Simon-Carvésöfen aus, weil letztere zu kompliziert und zu teuer seien. Versuche von Lowthian Bell ergaben, dass die Koks der Carvésöfen 10 Prozent geringeren Wert im Hochofen haben als die Koks aus Bienenkorböfen. Dennoch fanden diese mehr und mehr Verbreitung. Am Ende der Bodenzüge der Carvésöfen befand sich eine kleine Rostfeuerung. Die Kammern hatten sehr vollkommenen Luft- abschluss. Die flüchtigen Verkokungsprodukte wurden in der Mitte durch ein Rohr abgesogen, durchstrichen einen Wasserkasten, in dem sich Teer und Ammoniakwasser absetzte, dann ein Röhrensystem mit Wasserkühlung und Scrubbers, mit Koks gefüllte Gefässe, in denen Wasser, dem Gasstrome entgegen, rieselte. Dann erst gelangte das Gas in die Verbrennungsräume. Die Öfen von Terre-noire waren 6 m lang, 1,45 m hoch und 0,60 bis 0,75 m breit. Bei Crook in Durham erzielte man 77 Prozent Koks, 2,8 Prozent Teer und 16,6 Prozent Gaswasser. Die von Hüssener verbesserten Öfen zu Gelsenkirchen in West- falen konnten durch eine Ausdrückmaschine entleert werden. Er leitete heisse Luft in den Verbrennungsraum, da ohne solche die Öfen nicht heiss genug gingen. Die Öfen der Kohlendestillations- gesellschaft, die 1882 in Betrieb kamen, waren 9 m lang, 1,8 m hoch und 0,575 m breit. Der Teer enthielt 1,08 Prozent Benzol (bei 80 bis 140° siedend), 0,39 Prozent Naphtalin, 1,37 Prozent Phenol, 0,97 Pro- zent Anthracen. Bei dem wachsenden Bedarf an Teer, besonders seitens der Teerfarbenfabrikation, suchte man auch die bestehenden Koksöfen- konstruktionen mit Kondensation zu verbinden. H. Semet baute 1882 zu Bellevue in Belgien seine ersten sechs Versuchsöfen nach dem System Semet-Solvay . 1883 baute die Solvay -Gesellschaft 25 solcher Öfen auf der Grube Havré. Gustav Hoffmann zu Neulässig bei Gottesberg erfand 1882 einen Regenerativkoksofen mit Kondensation (D. R. P. Nr. 18795), der zuerst 1883 zu Gottesberg in Schlesien in Ausführung kam. Dr. C. Otto verband sich mit Hoffmann , wendete dessen Princip auf seine Kon- Brennmaterial. struktion an und führte diese Öfen (Fig. 144 und 145) in Westfalen, und zwar zuerst auf Zeche Pluto bei Wanne mit sehr vollkommenen Kondensationsvorrichtungen ein Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 396. . Es ist eine Kombination von Fig. 144. Fig. 145. Siemens ’ Regeneratoren mit liegenden Koksöfen, in deren Seitenwänden Vertikalzüge angebracht sind. Die ge- bräuchlichen Masse waren 9 m Länge, 1,60 m Höhe, 0,60 m Breite im Lichten, von Mitte bis Mitte der Kammern aber 0,95 m. Sie haben keine Gasabzüge in den Wänden, sondern nur zwei Öffnungen im Gewölbe. Die Sohlkanäle stehen mit einem Luft- generator in Verbindung; in denselben verbrennen die Gase mit heisser Luft. Die Gase aus dem Ofen treten erst in eine Vorlage, dann in eine Kondensationskam- mer, den Gaskühler, von da in den Scrubber oder Gas- wascher. Hier werden Teer und Ammoniak niederge- schlagen. Die Bewegung der Gase wird durch einen Exhaustor bewirkt, der das gereinigte Gas in die Sohl- kanäle führt, wo sie mit der heissen Luft, welche durch Ventilatoren durch den Re- generator gedrückt wird, verbrennen. Anfänglich liess man auch die Gase Re- generatoren passieren, doch hat man dies bald wieder aufgegeben. Das Ausbringen an Koks auf der Zeche Pluto war 7 Prozent höher Brennmaterial. wie sonst (68 Prozent gegen 61 Prozent). Dabei gewann man 2,78 bis 3,46 Prozent Teer und 14 Prozent Ammoniakwasser oder 1,1 Pro- zent schwefelsaures Ammoniak. Der Teer enthielt 0,954 bis 1,06 Pro- zent Benzin, 4,27 bis 5,27 Prozent Naphtalin, 0,575 bis 0,64 Prozent Anthracen, 50 Prozent Pech und 10 bis 25 Prozent unlöslichen Rück- stand. Von den gereinigten Gasen wurde nur ein Teil zur Ofenheizung verwendet, ein anderer Teil blieb zur Dampferzeugung etc. zur Ver- fügung. Die Hoffmann-Otto -Öfen (D. R. P. Nr. 25825 von 1883) fanden rasch Eingang, so dass bis Mitte 1885 bereits 410 Öfen teils fertig, teils im Bau begriffen waren. Andere patentierte Konstruktionen von Koksöfen mit Gewinnung von Nebenprodukten sind von Stier (D. R. P. Nr. 24717), Klönne (D. R. P. Nr. 25673), Brunk (D. R. P. Nr. 25499), Herberz (D. R. P. Nr. 25526). Dr. Otto brachte das System der Wärmespeicher auch mit den stehenden Öfen ( Appolt, von Bauer ) in Verbindung. Stiers Ofen ist eine Art Appolt , der durch Generatorgase geheizt wird. Klönnes Ofen mit Gewinnung der Nebenprodukte ist dem von Jameson ähn- lich Berg- und Hüttenmännische Ztg. 1884, S. 337. . Dr. Otto verband 1886 auch Bienenkorböfen auf der Zeche Hibernia und Shamrock mit einer verbesserten Gasabführung. Die Thatsache, dass die Verkokung unter Druck ein besseres Produkt und bessere Ausbeute giebt und die Verwendung magerer Kohlen gestattet, hat die Veranlassung zu verschiedenen Verbesserungs- vorschlägen gegeben. Brunck schlug deshalb (1884) eine Schutzdecke von Kleinkoks vor nebst einem Kalkzuschlag zur Erhöhung der Aus- beute an Ammoniak. C. Sachse in Orzesche (Oberschlesien) belastete die Steinkohlen mit schweren Platten. Lürmann verkokte unter Gasdruck und nahm hierauf bereits 1880 ein Patent Siehe Stahl und Eisen 1901, S. 75. . Seine Öfen, die zuerst zu Riemke bei Bochum, dann auf der Kaisergrube bei Gersdorf in Sachsen eingeführt wurden, waren ausserdem mit einem mechanischen Beschickungsapparat verbunden. Die Verkokung unter Druck gestattete die Verwendung gasarmer, anthracitischer Stein- kohlen; für gasreiche, fette Kohlen war sie nicht geeignet. Zu Gers- dorf in Sachsen verarbeitete man Russkohlen. Auch diese Öfen wurden mit Kondensation verbunden. Desgleichen die Öfen von H. Herberz in Langendreer, bei denen Gase und Verbrennungsluft ein Steingitterwerk ähnlich wie bei den Siemensregeneratoren passieren. Grossen Anklang fanden in Bayern, Österreich, Belgien, Frank- Brennmaterial. reich und Deutschland die vertikalen Koksöfen von Th. von Bauer in München mit Bogensohlen Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1883, S. 17, mit Ab- bildungen. . Es waren verbesserte Appoltöfen, die sich vor diesen durch grössere Stabilität und zweckmässigeres Entleeren auszeichneten. Das Ziehen des Koks erfolgte einfach durch Öffnen der senkrechten Thüren am unteren Teile, wobei die ganze Füllung auf der bogenförmigen Sohle herausrutschte. Die Ver- brennungsluft wird durch den Ofen selbst vorgewärmt und in zwei regulierbaren Strömen den Seitenwänden zugeführt. Die Öfen gestatten einen fraktionierten Betrieb. Die fertigen Koks fallen auf ein eisernes Transportband, das von einer kleinen Dampfmaschine getrieben wird und dieselben von der Kammer auf die Ladebühne führt. Im Mai 1886 wurde auf dem Eisenwerk zu Creusot ( Schneider \& Co. ) eine Batterie von 40 Stück von Baueröfen mit gutem Erfolge in Betrieb genommen Siehe Berg- und Hüttenmännische Ztg. 1887, S. 379. . Ähnlich dem Verkoken unter Druck wirkt das von J. Quaglio 1886 erfundene Verfahren des Einstampfens der zerkleinerten Kohlen (D. R. P. Nr. 36097) Dingler , Polyt. Journ. 262, S. 521. zwischen beweglichen Seiten und Boden. Der Kasten ist mit den Koksausdrückmaschinen verbunden und wird der ganze prismatische Körper, welcher eine Füllung bildet, von dieser in den Ofen geschoben. Dieses Verfahren hat sich für magere Kohlen sehr gut bewährt, so in Oberschlesien, auf der Georg-Marienhütte, im Saargebiet. Die erste Einführung erfolgte auf der Friedländischen Koksanlage zu Zabrze. Das Einbringen der ganzen Steinkohlenfüllung in den Ofen mittels einer kastenartigen Vorrichtung und Stempel hatte Ritter von Mer- tens in Trzynietz (Oberschlesien) schon Anfang der achtziger Jahre und R. Wintzek in Friedenshütte 1883 eingeführt. Neuere Kohlenstampfmaschinen sind die von Brinck und Hüb- ner (D. R. P. Nr. 95868 von 1897) und die von Kuhn \& Co. Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 1248 und 1891, S. 73. . In Frankreich fand ein Koksofen von Seibel mit horizontalen Zügen für schwerbackende Kohlen Eingang Daselbst 1889, S. 762. . C. Blauel in Düsseldorf nahm am 22. Oktober 1889 ein Patent (D. R. P. Nr. 52206) auf einen Universalkoksofen. Bei dem Ofen von Fritz W. Lürmann in Osnabrück wird seit 1888 ein ununter- brochener Betrieb dadurch erzielt, dass immer nur die Hälfte der Brennmaterial. Koks ausgedrückt und entsprechend nachgefüllt wird. Zu Kohlscheid im Wurmrevier werden Lürmanns che Öfen auf diese Weise täglich viermal mit je 1000 Tonnen Kohlen von einer Seite der Gruppe aus beschickt Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 821. . An den Gas- und Heissluftführungen wurden zahlreiche Ver- besserungen in den letzten 15 Jahren vorgeschlagen und ausgeführt, z. B. von E. Festner (D. R. P. Nr. 67395 vom 23. Oktober 1891), der die Hoffmann-Ottos chen Regenerativöfen mit einer beständig wirkenden Lufterhitzung ohne Umstellung verband. Er nannte seinen Ofen Recuperatofen oder auch Festner-Hoffmanns chen Koks- ofen Daselbst 1892, S. 827. . Die Semet-Solvayöfen wurden mit grossem Vorteil mit Gewinnung der Nebenprodukte verbunden Daselbst, S. 828. und fanden in dieser verbesserten Form besonders ausserhalb Deutschland grosse Verbreitung. Durch diese Unterfeuerungsöfen wurde auch F. Brunck (Dort- mund) veranlasst, eine neue Koksofenkonstruktion in Vorschlag zu bringen Daselbst 1894, S. 677. . Nach Rossigneux soll 1892 die Koksproduktion Mitteleuropas 22195000 Tonnen betragen haben. Hiervon entfielen 63 Prozent auf England, 20 Prozent auf Preussen, 10 Prozent auf Belgien, 5 Prozent auf Frankreich und nur 200000 Tonnen auf Mähren. Die nord- amerikanische Produktion schätzt er auf 8½ Millionen Tonnen. Man wendet in den Vereinigten Staaten meist noch Bienenkorböfen von 3,7 m Durchmesser und 1,5 bis 2,2 m Höhe an. Im allgemeinen haben sich die kostspieligen Anlagen der Ge- winnung von Benzol, Teer und Ammoniak überall da als vorteilhaft erwiesen, wo man ohne die Koksofengase genug Dampf hat. Man rechnet bei Verwendung der Gase zur Dampferzeugung 0,90 kg ver- dampftes Wasser auf 1 kg Kohle. Die Otto-Hoffmanns chen Re- generativkoksöfen erreichen trotz der Gewinnung der Nebenprodukte nahezu diese Leistung Daselbst, S. 202. . Diese Öfen haben denn auch in Westfalen bei weitem die grösste Bedeutung erlangt und wesentlich zu dem gewaltigen Aufblühen der westfälischen Koksindustrie beigetragen. Während 1894 nur 862 Öfen mit Gewinnung der Nebenerzeugnisse vorhanden waren, betrug deren Brennmaterial. Zahl 1895 schon 1864, wovon 1190 nach dem System Otto \& Co. Der um die Koksfabrikation Deutschlands hochverdiente Dr. Carl Otto , † den 13. November 1897; siehe Nekrolog, Stahl und Eisen 1897, S. 989. gebaut waren. Die Gesamtzahl der Koksöfen betrug 1895 8063 Öfen, von denen 7866 in Betrieb standen, gegen 6464 und 5852 im Jahre 1885 Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 18. . — Von neueren Ofenkonstruktionen haben sich die Dr. von Bauers chen Daselbst 1899, S. 361. , die 1893 und 1894 patentierten, bei der Firma Friedrich Krupp bewährt. Sie zeichnen sich durch rationelle Heizung der Ofenwände aus einer selbständigen Gasquelle aus. Ferner haben im rheinisch-westfälischen Revier die Koksöfen von Franz Brunk ebenfalls wegen ihrer guten Beheizung Anwendung gefunden A. a. O. 1900, S. 685. . In Frankreich und Belgien wendet man bei der Verkokung mit Gewinnung der Nebenprodukte meist noch verbesserte Knabs che Öfen an Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 1000. . Auch in England wendet man neuerdings den Retortenöfen mit Gewinnung der Nebenprodukte grössere Aufmerksamkeit zu als früher Daselbst 1898, S. 486. . Nach einem Berichte der Solvay-Gesellschaft waren Ende 1899 1451 Semet-Solvay-Öfen gebaut, zumeist in Belgien, Frankreich, England und den Vereinigten Staaten. Die Entgasung der Kohlen darf nicht zu rasch vor sich gehen, weshalb man sie vor dem Beschicken annässt. Bei zweckmässiger Anlage der Öfen und der Kondensation liefern westfälische Steinkohlen nach Terhaerst A. a. O. 1898, S. 747. : Ausserdem kann 1 Tonne trockene gasreiche Kohle 3 bis 10 kg Benzol liefern. Wenn von den Fortschritten der Koksfabrikation die Rede ist, so dürfen die Verbesserungen, welche bei der Aufbereitung und dem Brennmaterial. Verwaschen der Steinkohlen gemacht worden sind, nicht unerwähnt bleiben. Für die Zerkleinerung der Grobkohle verbesserte Marsden in Leeds 1872 die Blakes che Steinbrechmaschine; Carr erfand 1872 seine Schleudermühle (Desintegrator). In den folgenden Jahren kon- struierte Dyckhoff seinen schwingenden Backenbrecher, die Maschinen- fabrik Humbold (1878) in Kalk bei Deutz einen Steinbrecher mit kastenförmigen Brechschwingen, Baxter \& Co . in Leeds 1881 eine verbesserte Backenquetsche, die mehr durch Stoss als durch Druck wirkte. Schleudermühlen wurden angegeben von Rittinger und von Vapart (Croyeur Vapart) 1878. Für die trockene Aufbereitung erfand Briart 1878 einen Rätter, Schmitt- Manderbach das Spiralsieb, Neuerburg 1879 ein Trom- melsieb, die Maschinenfabrik Humbold in Kalk ein Schwingsieb, Karlik seinen rotierenden Pendelrätter 1884, Klönne seinen Kreisel- rätter, der besonders für Braunkohlen Anwendung fand. H. Hoch- strate brachte 1878 eine Windseparation in Vorschlag. Am wichtigsten waren aber die Verbesserungen der Kohlen- wäschen. Von diesen nennen wir die von Sievers , welche 1871 auf Grube Heinitz bei Saarbrücken eingerichtet wurde, von Rexroth , die um dieselbe Zeit in Seraing erbaut wurde, von Lührig Die Lührigs che Kohlenwäsche von C. G. Kreischer 1878 bei Gottschalk in Freiberg. , welche von Waldenburg aus sich in Schlesien und Sachsen verbreitete. Diese Systeme, wie das einige Jahre später von Kremer und Schüchtermann in Dortmund erfundene, beruhen auf dem Princip des Setzsiebes mit saugender und rückkehrender Wasserspülung. Da- gegen arbeitet die Pumpensetzmaschine von Coppée , die zuerst zu St. Waarst bei Anzin eingeführt wurde, nur mit aufsteigendem Wasser- strom. Bei der von Max Evrard zu St. Etienne 1875 angegebenen Sortierwäsche wird die Wassersäule direkt durch Dampf bewegt. Weiterhin wurden Kohlenwäschen konstruiert von Neuerburg in Köln 1878, von Marsaut in Bassège 1882, in demselben Jahre von Laporte und Jourjon und von Cl. Joufferey und J. Chevalier . Eine Spitzkastenseparation führte Büttgenbach 1883 ein. 1885 wurden in Frankreich Lührig-Coppées che Kohlenwäschen zu Aubin und zu Aveyron angelegt Annales des Mines 1885, 2. livr., p. 356. . Seit 1889 haben die von Bernard und Beck, Geschichte des Eisens. 27 Brennmaterial. Seibel in Paris und Brüssel gebauten Kohlenwäschen in Frankreich, Belgien, Westfalen und Saarbrücken Verbreitung gefunden. An die Aufbereitungsmaschinen schliessen sich die Stampf- vorrichtungen, um die Steinkohlen in den Kammern festzustampfen oder in Kasten zu pressen, wodurch eine parallelepipedische Masse, deren Gestalt und Grösse der Verkokungskammer entspricht, in die sie eingeschoben wird. Um solche haben sich Ritter von Mertens zu Trzynietz, Baumgarten, Quaglio, Bremme, Röchling, Hoff- mann, Brinck \& Hübner und M. Klein (D. R.-P. Nr. 99492, 106019) verdient gemacht Siehe Aufsatz von Oskar Simmersbach in Stahl u. Eisen 1898, S. 1078. . Der flüssige Brennstoff : Petroleum und dessen Rückstände haben in Pennsylvanien und in Russland eine grosse Bedeutung für die Eisenindustrie erlangt. In Pennsylvanien verwendet man mehr Roh- petroleum, während man in Russland hauptsächlich die Naphtharück- stände (Astaki oder Masut) als Brennstoff benutzt. Bei der Destillation von 100 Tln. Rohöl von Baku bleiben etwa 50 Tle. Rückstand, der 1899 8 Kopeken das Pud oder 1 Mark die 100 kg kostete, durch die Transportkosten erhöhte sich der Preis für Moskau auf 27 Kopeken oder 3,50 Mark. Man unterscheidet Schalenfeuerung, Tropfen- und Forsunkenfeuerung. Schalenfeuerung dient für mässige Hitze z. B. für Trockenöfen, Tropfenfeuerung für Schweiss- und Glühöfen; am wirk- samsten und für hohe Temperaturen ist die Forsunkenfeuerung, wobei Naphtha in einem doppelten Rohre, der Forsunka, ähnlich wie bei einem Injektor, durch Dampf oder Pressluft zerstäubt wird. Letztere Art der Feuerung findet bei Puddelöfen, bei Martin- und Tiegelstahl- öfen Anwendung. Um hohe Temperaturen zu erzeugen, verbindet man die Forsunkenfeuerung mit Siemens-Regeneratoren Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 424. . Die gasförmigen Brennstoffe haben seit 1870 eine immer wachsende Bedeutung erlangt. Hierbei kommen besonders in Betracht das Naturgas in dem Petroleumgebiet der Vereinigten Staaten Nord- amerikas, die künstlichen Gase, als Generatorgas, Wassergas, Dowson- gas, Masut- und Naphthagas u. s. w., die Abgase der Hochöfen, Koks- öfen und anderer Öfen. Das Naturgas hat nur in den Vereinigten Staaten von Nord- amerika eine lokale Wichtigkeit erlangt. Es entströmt dort in grossen Mengen einzelnen Bohrlöchern für Petroleumgewinnung Der Van Buren-well, Ohio, entströmten 1887 täglich 14980000 Kubikfuss Gas. Die Gesamtproduktion der Gasquellen um Pittsburg betrug täglich . Das zuerst Brennmaterial. verwendete kam aus einer 1200 Fuss tiefen Quelle (well) bei Leech- burg und wurde 1873 auf dem Sibiria-Walzwerk von Rogers und Burchfield zu Leechburg, Armstrong County, Pa., zur Eisenfabrikation verwendet. 1879 wurden bereits alle Puddel-, Schweiss- und Kessel- öfen ausschliesslich mit Naturgas betrieben und bald folgten andere Eisenwerke dem Beispiel, so zwischen 1874 und 1881 Spring, Chal- font \& Co . und Graff, Benett \& Co . in Alleghany County und das Walzwerk zu Kittaning in Pennsylvanien, ferner die Millvallhütte und die Etnahütte, wohin 1875 das Gas durch eine lange Leitung geführt wurde. Seit 1881 wurde der Betrieb mit Naturgas auf vielen Werken in Pennsylvanien, Ohio, Indiana und West-Virginien üblich. 1883 legte man die erste lange Leitung nach Pittsburg; seitdem hat der Verbrauch von Naturgas ausserordentlich zugenommen. 1884 wurden 6 Walzwerke nur mit Naturgas betrieben, 1886 bereits 68, 1887 96 und im November 1889 104. Seitdem ist wieder eine Abnahme des Naturgasbetriebes eingetreten. Carnegie verwendete es auf dem Edgar-Thomson -Stahlwerk. Nach Kittaning wurde das Naturgas in einer vierzölligen Rohrleitung von drei engl. Meilen Länge geleitet und unter 18 Puddelöfen verteilt. Trotz der langen Leitung strömte es noch mit starkem Druck aus. Die Puddler arbeiteten mit Vorliebe mit Naturgas, weil es die Arbeit erleichterte, wenig Abbrand, also mehr Gewicht und wegen der Reinheit des Brennstoffs besseres Eisen gab. Früher als das Naturgas verwendete man künstlich erzeugtes Petroleumgas. Mit solchem wurde bereits 1871 in Ohio versuchs- weise gepuddelt. Ein grosser Fortschritt war die Einführung des Petroleumdampfgenerators von Eames 1875 für Schweissöfen zu Jersey City, Pa. 1884 stellte die Vapor Fuel Company in Pittsburg in einem verbesserten Apparat ein vorzügliches Petroleumgas, welches sie Thermogen nannte, dar. Dasselbe wurde auf den Norway-Iron- works mit bestem Erfolg zur Kesselheizung, sowie in Puddel-, Stahl- und Schweissöfen verwendet. Es hatte eine ausserordentliche Heizkraft und doch konnte der Arbeiter die Flammen im Moment zum Verlöschen bringen. Das künstlich erzeugte Petroleumgas hat in Südrussland als Masut- oder Naphthafeuerung in letzterer Zeit Bedeutung erlangt Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 915. . Bei dem aus den gewöhnlichen Brennstoffen, Holz, Torf- und 182 Millionen, die der Quellen Ohios 160 Millionen Kubikfuss. Die Philadelphia- gesellschaft in Pittsburg hatte 1887 58 Gasquellen und 971203 engl. Fuss Röhren- leitung. 27* Brennmaterial. Steinkohlen erzeugten Gas (Generatorgas) unterscheidet man Leucht- gas und Wassergas. Ersteres wird in Gaserzeugern (Generatoren) mit trockener Luft gewonnen. In gewissem Sinne kann jede Rost- feuerung als Gaserzeuger angesehen werden, doch versteht man im engeren Sinne nur die Apparate darunter, in denen die Gas- erzeugung getrennt von der Verbrennung stattfindet. Von diesen haben die mit Steinkohlen betriebenen die grösste Wichtigkeit erlangt. Sie zerfallen in zwei Gruppen, in solche mit natürlichem und solche mit künstlichem Luftzug. Während die älteren Holzgasgeneratoren meist mit Gebläsen betrieben wurden, kam bei der Steinkohlengas- erzeugung in den Siemens-Generatoren, welche sich sehr gut Fig. 146. bewährten und deshalb Anfang der siebziger Jahre grosse Verbreitung fanden, der natürliche, d. h. der Essenzug zur Anwendung. Fig. 146 zeigt die ältere Konstruktion, wobei vier Kammern zu einem System verbunden sind. Die Luft tritt durch einen liegenden und einen stehenden Rost ( b, a ) ein. Die Füllung erfolgt durch den Füllschacht d , welcher mit einem Blechdeckel mit Wasserverschluss geschlossen ist. Swindell in Amerika und Sailler in Österreich konstruierten Gaserzeuger mit Wärmespeicher für kontinuierlichen Betrieb Siehe Kerpelys Fortschritte der Eisenhüttentechnik in 1894 von Th. Beckert, S. 60. . Diese Gaserzeuger in Verbindung mit Siemens ’ Regenerativfeuerung waren ein grosser Fortschritt. Aber dem System der Gaserzeuger mit Essenzug hafteten mancherlei Nachteile an. Sie bedurften guter Kohlen, hatten bei der geringen Rostfläche und dem schwachen Zug nur geringe Leistung; dabei gestattete der schwache Zug nur eine niedrige Brennmaterialschicht im Ofen, wodurch die Zusammensetzung Brennmaterial. der Gase eine ungleichmässige wurde, und endlich musste die Asche öfter entfernt und die Roste gereinigt werden, was mit Wärme- und Kohlenverlust, Unterbrechung des Betriebes und anstrengender Arbeit verknüpft war. Dazu kam noch, dass man die Zuggeneratoren Fig. 147. tiefer stellen musste als die Öfen, in denen die Gase verbrannt wurden, was oft Schwierigkeiten und Kosten verursachte. Aus diesen Gründen ging man bald wieder zu den mit Gebläse- wind betriebenen Generatoren über, welche bei geringerem Brenn- material stärkere Füllung gestatteten und mehr leisteten. Die Schlacke ent- fernte man aus diesen Öfen, die ähnlich wie kleine Hochöfen, nur ohne Erzbeschickung be- trieben wurden, da- durch, dass man sie schmolz und ab- Fig. 148. stach. War die Schlacke für sich nicht schmelzbar, so setzte man Kalk zu. Nach diesem Prinzip wurden in den siebziger Jahren Gas- erzeuger von Brook und Wilson, Tessié du Motay, W. Gorman, Carl Nehse, Kasowalsky, Pütsch, Pintsch, Schulz, W. Siemens, V. Tahon, Sutherland und anderen konstruiert Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1881, S. 21. . Fig. 147, 148 zeigen einen von A. Sailler in Witkowitz 1884 erbauten Gaserzeuger Brennmaterial. mit Schlackenbetrieb, der ohne Beschreibung verständlich ist. Einen Gaserzeuger mit gegenüberliegenden Treppenrosten mit Abschluss durch Aschenkegel und Glockenverschluss konstruierte 1893 Blezinger (Fig. 149). In der Regel wurde eine Anzahl Generatoren zu einer Gruppe vereinigt. Bei der Gaserzeugung in Generatoren findet die Entgasung der Steinkohlen und die Vergasung des Kohlenstoffs gleichzeitig statt. Durch die Entgasung wird viel Wärme gebunden und verlassen infolge- Fig. 149. dessen die Gase den Generator weniger heiss. Aus diesem Grunde erfanden Gröbe- Lürmann 1878 einen Gas- erzeuger mit getrennter Ent- und Vergasung. Bei diesem vermischen sich erst nach- träglich die Gase aus den beiden Räumen; derselbe ist ausserdem mit mechanischer Beschickungsvorrichtung ver- sehen. Dieser Apparat Siehe A. Ledebur, Die Gasfeuerungen, S. 59. hatte anfänglich nur bei der Gas- fabrikation, später aber auch in der Eisenindustrie Eingang gefunden. Allen genannten Gaserzeu- gern haftet der Mangel an, dass das erzeugte Gas mit einer grossen Menge Stickstoff aus der zugeführten atmosphärischen Luft vermischt ist, welcher den Hitz- grad der Flamme und damit die Wirkung derselben sehr vermindert. Man suchte ein an Brennstoff reicheres Gas durch Anreicherung mit Wassergas und Petroleumdampf zu erhalten. Diese Versuche hatten zuerst in den Vereinigten Staaten von Nordamerika Erfolg, indem es 1874 Strong zu Phönixville gelang, ein gutes Wassergas darzustellen. Es diente zunächst als Leuchtgas. Man war in Nordamerika auf diesen Weg der Gaserzeugung um so mehr hingewiesen, weil es an guten Gaskohlen fehlte, während die vorzüglichen Anthrazitkohlen und das Petroleum die besten Rohstoffe für die Wassergaserzeugung an die Hand gaben. Brennmaterial. Dagegen hatten frühere Versuche in Europa keinen Erfolg gehabt. Lowe hatte schon 1832 vorgeschlagen, Wassergas durch Teer- und Petroleumdämpfe leuchtend zu machen. Kirkham war es 1859 gelungen, Wassergas in einem Ofen und nicht in Retorten her- zustellen. Lowe arbeitete nach Strongs Erfolg mit diesem an der Lösung der Wassergasfrage und konstruierte einen Apparat. Strong in Brooklyn erhielt 1877 ein Patent hierfür. 1878 verbesserte Dwight den Lowes chen Apparat. 1880 wurden in Amerika bereits 25 Städte, darunter Baltimore, Lancaster und andere mit Wassergas beleuchtet. In Europa hatte Tessié de Motay in Comines bei Lille 1875 und schon früher ausgedehnte Versuche zur Erzeugung reinerer Generatorgase gemacht, welche ihn ebenfalls auf die Erzeugung von Wassergas führten. Alle Apparate haben dasselbe Prinzip, dass Wasserdampf mit glühenden Kohlen in unmittelbare Berührung tritt, dadurch in Wasser- stoff und Sauerstoff zerlegt wird, welche sich mit Kohlenstoff zu Kohlenwasserstoff und Kohlenoxydgas verbinden. Strong erhitzte erst den Wasserdampf in Regeneratoren, leitete ihn durch schwere Kohlenwasserstoffe und dann den mit diesen gesättigten Dampf durch glühende Kohlen. Lowe erzeugte Wassergas und karburierte dieses hierauf durch schwere Kohlenwasserstoffe (Petroleumrückstände, Naphtha u. s. w.). Tessié de Motay leitete Gas- und Wasserdampf von normaler Sättigung durch eine Reihe hocherhitzter Retorten, in denen die Kohlenwasserstoffe verdampft wurden. Strong arbeitete mit zwei Schächten; der Wassergaserzeuger von Lowe-Dwight (1878) hatte drei getrennte Schächte, 1. einen Überhitzer für den Dampf, 2. den Gaserzeuger, 3. einen Überhitzer für die Luft. Luft und Dampf bewegten sich in entgegengesetzter Richtung. Dabei wurde alle 5 bis 10 Minuten gewechselt, so dass immer einmal nur Luft, dann nur Wasserdampf durchströmte. Die Gase, die natürlich in ihrer Zusammensetzung verschieden waren, konnte man getrennt auf- fangen oder in einem Sammler mischen. Das Wassergas hatte etwa die vierfache Heizkraft des Generatorgases, aber nur die einhalbfache des Leuchtgases. Das Gas kann mit grösserem Nutzeffekt verbrannt werden als der feste Brennstoff. Es gab eine sehr heisse Flamme und bewährte sich vortrefflich zum Schmelzen. In Deutschland erwarb sich Quaglio Verdienste um die Ein- führung des Wassergases und konstruierte 1880 einen Apparat, der dem von Dwight ähnlich war und vier Abteilungen hatte. Bunte in München erzeugte 1883 Wassergas in Koksgeneratoren. Wir erwähnen weiter die Wassergaserzeuger von Granger, Brennmaterial. Hanlon und Leady, C. W. Sutherland in Birmingham, die 1886 an verschiedenen Plätzen in England errichtet wurden. Sutherland erhielt aus einer Tonne Staffordshire-Kohle 55000 Kubikfuss Gas von der Zusammensetzung: 57 Tle. Wasserstoff und Kohlenwasserstoff, 35 „ Kohlenoxydgas, 8 „ Kohlensäure und Stickstoff 100 Tle. Ferner nennen wir die Apparate von Forbacky und Sólcz in Österreich (1883), von der Wassergas-Aktiengesellschaft (1887), von Holtzer und A. Rateau zu Royan in Frankreich und von Arthur Kitson in Amerika (A. P. Nr. 53823 vom 27. Januar 1890). 1888 wurden, nach Quaglio, über 200 Städte in Nordamerika mit Wasser- gas beleuchtet. Es war dies mit Kohlenwasserstoffen karburiertes Anthrazit-Wassergas. Wie sehr das Wassergas das gewöhnliche Generatorgas übertraf, zeigen die nachfolgenden Zahlen (von A. Blass 1888): Trotz der grossen Vorzüge des Wassergases war dasselbe wenigstens in Europa für den hüttenmännischen Betrieb zu teuer. Es erforderte zu seiner Darstellung sehr reine Brennmaterialien, Koks oder Anthrazit, und teure Anlagen. Bei dem Umsteuern entstanden Gasverluste oder geringwertige Gase, die sich schlecht verwenden liessen. Mit grösserem ökonomischen Vorteil liess sich ein Mischgas her- stellen, welches bei kontinuierlichem Betriebe in Gasgeneratoren in Brennmaterial. der Weise hergestellt wurde, dass man nur so viel Wasserdampf zu- leitete, als der fortgesetzte Betrieb der Gaserzeuger gestattete. Die Menge des Wasserdampfes konnte gesteigert werden durch voraus- gehende Erhitzung der Luft und des Dampfes. In dieser Richtung hat sich denn auch die Darstellung der Heizgase in dem letzten Jahrzehnt hauptsächlich entwickelt. Der englische Ingenieur Emerson Dowson hatte 1881 zuerst ein Verfahren zur Erzeugung von Motor- und Heizgasen durch gleich- zeitiges Überleiten von Luft und Wasserdampf über glühende Kohlen veröffentlicht. Man nannte infolgedessen dieses Gas Dowsongas Siehe Stahl u. Eisen 1893, S. 398. ; F. Fischer gab ihm später den Namen Mischgas. F. W. Lürmann hatte aber bereits 1869 auf der Georg-Marienhütte zu Osnabrück den gleichen Vorschlag gemacht Daselbst 1888, S. 831; 1892, S. 477. . Ein normales Mischgas hat folgende Zusammensetzung: Wasserstoff 18,4, Methan 0,6, Kohlenoxyd 26,8, Koh- lensäure 7,2, Stickstoff 4,70 Prozent. Es wird in der Weise erzeugt, dass man durch einen Injektor mit Wasserdampf Luft in einen mit glühenden Kohlen be- schickten Generator einbläst. Fig. 150. 1889 hatte dieses Gas bereits ausgedehnte Anwendung gefunden Daselbst 1889, S. 921, 993. , besonders in Witkowitz und Hörde in Martinöfen, in dem Blechwalz- werk von Schultz-Knaudt bei Essen, in Leeds zum Schweissen von Eisenröhren, in Finsterwalde u. s. w. Von neueren Apparaten A. a. O. 1894, S. 952. zur Erzeugung von Mischgas erwähnen wir den von J. W. Taylor in New Jersey, von dem 1893 bereits 157 in den Vereinigten Staaten im Betriebe standen. Derselbe wird am besten mit einem Fichet- Heurteys chen Wechselapparat, bei dem Luft und Dampf vorgewärmt werden (Fig. 150), verbunden. Dampf und Luft werden durch ein Brennmaterial. Dampfstrahlgebläse von unten mitten in den Ofen eingeblasen. Ausser- dem sind diese Gaserzeuger mit Wasch- und Reinigungsapparaten und endlich mit einem Gasometer versehen. Schmidhammer schlug 1894 Doppelöfen zur Mischgaserzeugung vor. Ein wichtiges Brennmaterial für den Eisenhüttenmann sind die dem Hochofen entweichenden Gichtgase. Sie haben den Nachteil, dass sie einerseits durch mitgerissene feste Teile, Gichtstaub, verunreinigt, andererseits durch einen hohen Gehalt an Stickstoff (ca. 68 Gewichts- prozente), Kohlensäure (ca. 17 Gewichtsprozente) und Wasserdampf (ca. 10 Gewichtsprozente) verdünnt sind. Der Gichtstaub wird durch Staubfänger und Waschvorrichtungen, worauf wir später zurück- kommen werden, entfernt. Der Wasserdampf lässt sich durch Ab- kühlen niederschlagen, wobei allerdings die mitgeführte Wärme verloren geht. Um die Kohlensäure, welche durch die Reduktion der Erze im Ofen entstanden ist, wieder in Kohlenoxydgas zurückzuführen, hat man das Durchleiten der Gase durch glühende Kohlen vor- geschlagen. Besonders hat Josef von Ehrenwerth 1883 die Re- generierung der Hochofengase in einer besonderen Schrift behandelt von Ehrenwerth, Die Regenerierung der Hochofengase, Leipzig 1883, bei Arthur Felix. . Auch der Wasserdampf wurde hierbei zersetzt und nutzbar gemacht. Trotzdem hat diese Regenerierung der Hochofengase bis jetzt keine Anwendung gefunden. Neuerdings ist aber durch das Bestreben, die Hochofengase unmittelbar zur Krafterzeugung zu verwenden, wieder die Aufmerksamkeit hierauf gelenkt worden Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 1140. . Über die Gasfeuerungsanlagen werden wir erst später bei den Fortschritten der Eisen- und Stahlbereitung Mitteilung machen. Dass auch die Elektrizität unter Umständen zur Wärmeerzeugung benutzt wird und dass durch die Umsetzung des elektrischen Stromes in Wärme bis dahin unerreichte Hitzegrade erzeugt werden können, haben wir bereits erwähnt. In der Regel ist der Kohlenstoff in den verschiedenen Formen, in denen uns ihn die Natur bietet, der gebräuchliche Brennstoff für uns. Jeder elementare Körper, der sich mit Sauerstoff verbindet, kann aber als Wärmeerzeuger dienen. In diesem Sinne wirken Silicium bei dem sauren und Phosphor bei dem basischen Bessemer- prozess. Aber auch durch blosse Umsetzung eines Metalls mit dem Oxyde eines anderen, das eine niedrigere Verbrennungswärme erzeugt, kann nutzbare Wärme frei werden. Hierauf beruht das neue Ver- Hochöfen und Hochofenbetrieb. fahren der Wärmeerzeugung mittels Aluminium von Dr. Hans Gold- schmidt Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 1010. (Aluminothermie), das dadurch von praktischer Bedeutung wird, dass es hohe Hitzegrade an Stellen erzeugt, die sonst der Er- wärmung schwer zugänglich sind, wodurch die Möglichkeit gegeben ist, Eisenteile, z. B. Eisenbahnschienen, am Orte ihrer Verwendung zu- sammen zu schweissen. Hochöfen und Hochofenbetrieb. Wenden wir uns zu den Fortschritten im Hochofenbetrieb und zwar zunächst zu den Vorarbeiten dafür. Über die Erze ist im allgemeinen zu bemerken, dass die Fluss- eisenfabrikation eine steigende Verwendung reiner, reichhaltiger, überseeischer Erze zur Folge hatte, die in steigendem Masse von den mächtigen Erzlagerstätten bezogen wurden; besonders ist Spanien ein Erzmarkt für die ganze Welt geworden. Die Erfindung des Thomas- prozesses hat den Wert und die Verwendung der früher gemiedenen phosphorhaltigen Erze ausserordentlich gesteigert. Dadurch sind die ausgedehnten Lager der reichen, phosphorhaltigen Erze Schwedens zu grosser Bedeutung gelangt. Ferner sind durch denselben die phos- phorhaltigen, eisenreichen Schlacken der Schweisseisenfabrikation, besonders die bis dahin fast wertlosen Puddelschlacken gesuchte Eisenerze geworden. Dasselbe gilt von den Kiesabbränden der Schwefelsäurefabrikation aus Schwefelkiesen, dem sogenannten Purpur- erz (purple ore), welches seines hohen Eisengehaltes wegen zur An- reicherung der Beschickung gefragt ist. Die chemische Analyse der Erze hat seit 1870 Fortschritte gemacht in Bezug auf Sicherheit und Raschheit der Methoden. Einzel- analysen wurden in grosser Zahl veröffentlicht. Zusammenstellungen von Erzanalysen finden sich in den Handbüchern von Wedding Siehe besonders H. Weddings Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Auflage, Bd. II, 1897, S. 56 bis 61, 82 bis 117, 128 bis 144, 152 bis 154, 161 bis 170, 173 174, 178 bis 180, 183, 192 bis 195, 198, 223 bis 225. , Dürre und Ledebur, sowie in den Fachzeitschriften, wie z. B. in Iron (1888), Bd. 31, S. 206 und 358. Lowthian Bell hat zuerst darauf hingewiesen, dass gewisse Eisenerze sich leichter zu metallischem Eisen reduzieren als andere von ähnlicher chemischer Zusammensetzung und dass die leichte Reduzierbarkeit den Wert der Erze beeinflusst. Die schwedischen Metallurgen R. Åkerman und D. H. Tholander haben hierfür 1874, Hochöfen und Hochofenbetrieb. und C. G. Särnström in den achtziger Jahren Versuche veröffentlicht. J. Wiborgh hat 1887 eine Methode für die Bestimmung der Redu- zierbarkeit der Eisenerze angegeben Siehe Teknisk. Tidskr. 1887, S. 89; R. Wagners Jahresbericht für 1887, S. 236; Stahl und Eisen 1888, S. 15. . Um die Verbesserung der Apparate zum Zerkleinern der Eisen- erze, der Erzwalzwerke, Kollergänge, Erzquetschen oder Steinbrecher und Kugelmühlen hat sich Hermann Gruson (geb. 13. März 1821, gest. 31. Januar 1895) und das Grusonwerk (jetzt Friedrich Krupp ) grosse Verdienste erworben. Auf die Ausbreitung der elektromagnetischen Aufbereitung haben wir bereits hingewiesen. Dieselbe wurde in Schweden, in Spanien, zu Allevard und Creuzot in Frankreich, zu Traversella in Italien, zu Oberlahnstein, Hamborn und Oberschlesien in Deutschland, mit dem grössten Erfolge aber in Nordamerika angewendet. Die Erze müssen, wenn sie nicht von Natur paramagnetisch sind, meistens erst geröstet werden. Man wendet dauernde Magnete oder Elektro- magnete an. Von den vielen Apparaten für die magnetische Auf- bereitung erwähnen wir den von Werner von Siemens von 1880, von Wernström Resultate in Schweden nach Nordenström in Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1892, S. 485. in Örebro 1885, von H. Kessler 1886 (D. R. P. Nr. 33587), Edison, Ball \& Norton Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1890, S. 422. G. Conkling in Glenfalls (New York), von Beuther 1890 (D. R. P. Nr. 52292) und von Max Patzig 1896 (D. R. P. Nr. 86513). In den Vereinigten Staaten von Nordamerika waren um 1893 folgende Systeme der magnetischen Aufbereitung in Anwendung: 1. Der Separator von Conkling auf der Tilly-Forster-Grube. Derselbe besteht in der Hauptsache aus einem 700 mm breiten Riemen, der über zwei Scheiben läuft. An der oberen befindet sich ein Elektromagnet mit alternierender Polarität. Ein Wasserstrom spült die unmagnetischen Erzteile weg, während die magnetischen mit dem Riemen nach oben geführt werden. 2. Buchanans Separator, bei dem zwei gusseiserne Cylinder die Elektromagneten bilden. 3. Der Apparat von Edison arbeitete 1890 vortrefflich in Ogden. Ein sehr starker Magnet beeinflusst die fallenden Körner in ihrer Fallrichtung, so dass sie vor oder hinter eine Scheidewand fallen. Hierauf folgt die eigentliche Separation. 4. Ball-Nortons Apparat (1891) ist ähnlich Nr. 2. Hochöfen und Hochofenbetrieb. 5. Der Separator von Hoffmann arbeitet auf der Croton- Grube Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 675. . 6. Der von Lowett-Finney auf der Weldon-Grube, er ist ähnlich dem von Wernström Siehe Wedding, Handbuch etc. II, 309. in Schweden. 7. Der Chase-Separator. Eine neue Vorrichtung zur magnetischen Trennung hat Th. Heberle erfunden (D. R. P. Nr. 103024). Zur Entfernung des thonigen Schlammes mancher Eisenerze bedient man sich der Wasserspülung, die z. B. auf der Ilseder Hütte seit Anfang der siebziger Jahre in grossen eisernen Waschtrommeln vorgenommen wird. Ähnlich ist die Wäsche, die Carl Schwarz 1887 zu Reschitza für die thonigen Erze von Moravitza eingerichtet hat, wobei er einen hochgepressten Wasserstrahl anwendete. In England wendete man 1885 die Waschkasten (scrubbers) von J. Alexandre und Mc’Coch und die Waschräder von Young und Beilby an. Von den später eingeführten Apparaten ist der Wetherill- Separator hervorzuheben Siehe Engineering and Mining Journal, Vol. LXII; Stahl und Eisen 1897, S. 209; 1898, S. 133, 1151; D. R. P. Nr. 92212; Wedding, Handbuch, II, S. 310. Ein Wetherill-Apparat, von Grillo gebaut, ist in Hamborn in Anwendung. , mit dem die Erze ungeröstet aufbereitet werden können. Eine Aufbereitungsanlage nach dem System Wethe- rill befindet sich in Deutschland auf der Grube Lohmannsfeld im Siegerland. 1897 legte Edison eine grossartige magnetische Aufbereitungs- anlage in New Jersey Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 133. an, in der die geringwertigen Magneteisen- erze angereichert und in Briketts verarbeitet werden. Zu Pitkäranta in Finland erzielte man mit der elektromagne- tischen Scheidung von Gröndall-Dellwik Daselbst 1899, S. 271. gute Resultate. Die Erze werden in Kugelmühlen gemahlen, in dem elektromagnetischen Erzscheider konzentriert, in Ziegelpressen brikettiert und dann die Briketts in einem Kanalofen gebrannt und alsdann im Hochofen ver- schmolzen. Das Rösten der Erze geschah meistens in Schachtöfen (Kilns) mit Steinkohlenklein oder in Gasöfen (Flammenschachtröstöfen). Ersteres war in England und Amerika Anfang der siebziger Jahre allgemein üblich und zwar in sehr geräumigen Öfen. Gjers Säulen- Hochöfen und Hochofenbetrieb. röstöfen mit Abrutschkegel zu Middlesborough Siehe Wedding, Handbuch etc. 1898, II, Fig. 115. wurden durch pneuma- tische Aufzüge bedient. In Österreich konstruierte Jacobi einen Säulenröstofen mit besonderer Luftverteilung. Sehr grosse Röstöfen zu Gora Blagodat im Ural beschrieb Tunner 1871. Man baute 1874 daselbst Flammröstöfen, die äusserlich den Rachettes chen Hochöfen ähnlich waren. Sie waren länglich-viereckig und hatten eine Anzahl Feuerungen, die wie die Formen bei dem Rachetteofen verteilt waren. Die Feuerung geschah mit Holz, die Füllung betrug 106 Tonnen. Gasröstöfen waren in Schweden und in Österreich zu Anfang der siebziger Jahre sehr verbreitet; doch begannen dieselben seit der Mitte der siebziger Jahre sich auch in England einzuführen, wo W. Siemens, Howson und Wilson 1874 Patente auf Gasröstöfen genommen hatten Siehe Kerpely, Die Anlage der Eisenhütten 1884, Taf. XLII und XLIII. . Die Röstöfen von Howson und Wilson wurden im Clevelanddistrikt eingeführt. In Steiermark wurden auf dem Sesslers chen Werke zu Fridau verbesserte Gasröstöfen von K. Moser Siehe Kerpely, a. a. O., Taf. LI, Fig. 1 u. 2. erbaut. Gasröstöfen mit Regenerativfeuerung wurden 1878 von Schneider \& Co. in Creuzot eingeführt. Die Westmans chen Röstöfen Siehe Wedding, Handbuch 1898, II, S. 327, Taf. XVII. in Schweden, welche durch Verbrennung von Hochofengasen mit Gebläsewind geheizt werden, wurden 1881 mit selbstthätiger Aufgebevorrichtung versehen. Um 1887 erfand Dillner in Schweden einen besonderen Flammröst- ofen für schwefelhaltige Eisenerze Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1887, S. 295. . 1888 nahm M. M. Blair in Paris ein deutsches Patent (D. R. P. Nr. 44115) auf einen Röstofen; desgleichen etwas später H. C. Bull in London (D. R. P. Nr. 46759) auf einen Ofen mit doppelten be- weglichen Rosten. In Amerika hatten 1890 verbesserte Westmans che Schachtöfen mit Gasfeuerung von Davis-Colby Siehe Wedding, Handbuch 1898, II, Fig. 138. besonders in Alabama Eingang gefunden. Diese Öfen, bei denen der Gasverbrennungsraum den Röstraum ringförmig umgiebt, wurden neuerdings von Ch. J. Christian noch verbessert Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 774. . Eine ganz neue Art der Röstung ist die Röstung zum Zweck der Magnetisierung der Eisenerze als Vorbereitungsarbeit für die magnetische Aufbereitung. Diese kann nach der Art der Erze eine Hochöfen und Hochofenbetrieb. oxydierende oder eine reduzierende sein. Der Zweck ist, eine magne- tische Sauerstoffverbindung herzustellen. Eine oxydierende Röstung ist nötig bei den Eisenkarbonaten, wie z. B. zu Allevard in Frank- reich Siehe Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses 1895, S. 353. , eine reduzierende bei den Roteisensteinen, z. B. zu Birming- ham in Alabama Phillips in den Transactions of the Institute of American Mining Engineers, Atalanta Meeting, Oktober 1895; Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1898, II, S. 455. . Diese reduzierende Röstung der Roteisensteine wird am besten mit einem Gemisch von Kohlenoxyd- und Wasser- stoffgas, dem gewöhnlichen Wassergas (Dawsongas) ausgeführt. Fig. 151. Die magnetische Röstung wird hauptsächlich für die Trennung von Zinkblende oder Galmei von Spateisenstein, wie dies in der Nähe von Santander in Nordspanien geschieht, angewendet. Die dafür benutzten Röstöfen sind in Fig. 151, 152 (a. f. S.) dargestellt Siehe Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1898, II, Fig. 152, 153. . Zu Allevard in Frankreich werden die feinen Erze teils in Zickzacköfen (fours à chicanes), teils in Kanalöfen (fours rampants) geröstet Siehe Wedding, a. a. O., S. 465 bis 468, wo diese Öfen beschrieben und abgebildet sind. . Die groben Erze werden in Ringöfen mit Hochofengasen geröstet. Hochöfen und Hochofenbetrieb. Eine Auslaugung gerösteter phosphorhaltiger Erze mit schweflig- säurehaltigem Wasser zur Entfernung der Phosphorsäure führte Jacoby 1871 zu Kladno in Böhmen ein. Dieselbe blieb nicht ohne Erfolg bis 1881 im Betriebe, wurde dann aber nach Einführung des Thomasverfahrens überflüssig. Winderzeugung und Winderhitzung sind die wichtigsten Hülfsmittel für den Hochofenbetrieb. Die Winderzeugung wird bewirkt Fig. 152. durch die Gebläse. Bei dem Hochofenbetriebe kommen nur Cylindergebläse in Anwendung. Die älteste Form derselben, die Balanciermaschine, die sich in England lange allein behauptet hatte, wurde mehr und mehr von den durch John Gjers in den sechziger Jahren in Cleveland eingeführten direkt wirkenden, stehenden Gebläsen mit einer Kurbelstange („Cleveland- maschine“) verdrängt. Bei diesen befindet sich der Dampfcylinder über dem Gebläsecylinder, dessen oberer Deckel zugleich die Fuss- platte für den Dampfcylinder bildet, die gemeinschaftliche Kol- benstange ist unter dem Gebläse- cylinder mit der Kurbelstange, welche die Schwungradwelle bewegt, ver- bunden. Man giebt diesen Maschinen keinen grossen Hub (ca. 1200 mm), damit der Aufbau der Maschine nicht zu hoch wird, aber grosse Durch- messer (ca. 1000 und 2500 mm bei Dampf und Windcylinder) und verbindet zwei oder drei miteinander. Bei Zwillingsgebläsen werden die Kurbeln zu 180°, bei Drillingsmaschinen zu 120° gegeneinander gestellt. Die Zwillingsmaschinen von Kitson \& Co. in Leeds be- währten sich besonders gut. Auf dem Kontinent fand dagegen der Typus der stehenden, direkt wirkenden Gebläse mit doppelten Kurbelstangen von Seraing, wie schon im vorhergehenden Jahrzehnt, so auch in den siebziger Jahren, grössere Verbreitung. Bei diesen befindet sich das Querhaupt, das mit den beiden Kurbelstangen, welche die beiden Schwungräder bewegen, verbunden ist, zwischen Dampf- und Gebläsecylinder und Hochöfen und Hochofenbetrieb. der Dampfcylinder steht über dem Gebläsecylinder. Diese Maschinen haben im Verhältnis grossen Hub, z. B. 2,5 m bei 2,5 m Durchmesser des Gebläsecylinders. Die ganze Anordnung, die sich ebenfalls sehr in die Höhe auf- baut, eignet sich nur für eincylindrige Maschinen, was manche Nach- teile hat, wie das Bedürfnis sehr grosser Cylinder, der Gegengewichte zur Ausgleichung des rascheren Niederganges u. s. w. Versuche zu Hubertushütte und zu Vorwärtshütte in Schlesien, stehende, direkt wirkende Maschinen ohne Schwungrad zu betreiben, hatten keinen günstigen Erfolg. Die Vorliebe für die stehenden Maschinen war durch den gerin- geren Platzbedarf von ca. 5 : 14 und die geringeren Kosten hervor- gerufen. Neben den stehenden Maschinen erhielten sich aber auch nament- lich auf dem europäischen Kontinent liegende Maschinen, die meistens als Zwillingsmaschinen mit gemeinschaftlichem Schwungrad gebaut wurden. Um das Durchbiegen der Achse und das einseitige Aus- schleifen der Cylinder zu vermeiden, machte man die Achsen sehr dick und hohl, wie z. B. bei der Gebläsemaschine von 200 Pfdkr. auf der Hütte von Maizières-les-Metz, und den Gebläsekolben aus Blech, wie zu Creuzot. Beide Maschinen stammen aus den siebziger Jahren. Die liegende Zwillingsmaschine von Hörde hatte Windcylinder von 2200 mm Durchmesser, 2000 mm Hub, bei 18 bis 20 Umdrehungen und 4,5 bis 5 Pfund Druck auf den Quadratzoll. Die 1887 von der Friedrich- Wilhelmshütte bei Mühlheim a. d. Ruhr für Hörde gebaute Zwillings- maschine ohne Kondensation von 3000 Pfdekr. saugte ca. 1000 Kubik- meter Luft in der Minute und lieferte Wind von 11 Pfund Druck. Die hohle Gebläsekolbenstange hatte 400 mm Durchmesser. Sie galt damals als die grösste und leistungsfähigste Gebläsemaschine in Deutschland. Gjers führte in den siebziger Jahren eine Verbesserung bei den Gebläsemaschinen ein, welche darin bestand, dass die Einlassklappen die Luft mittels eines Blechrohres von ausserhalb des Gebläsehauses entnahmen, da die Luft im Maschinenraum meist warm und feucht war. In Amerika gab man den Seraingmaschinen, d. h. Einzelmaschinen mit unterliegender Schwungradwelle und zwei Kurbelstangen, für welche die Naben der beiden Schwungräder als Kurbelscheiben dienten, den Vorzug. Die Hauptabmessungen von F. W. Gordons Beck, Geschichte des Eisens. 28 Hochöfen und Hochofenbetrieb. Normalgebläse Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 465. nach dieser Konstruktion waren: Durchmesser des Dampfcylinders 1067 mm, des Gebläsecylinders 2134 mm, Hub 1524 mm. Die amerikanischen Gebläse hatten aber durchgehends einen rascheren Gang als die europäischen. Die obige Maschine machte 40 Um- drehungen in der Minute und saugte dabei 425 Kubikmeter Luft an. Der ausgeblasene Wind hatte bis zu 15 Pfund Pressung auf den Quadratzoll (1,05 kg auf den Kubikcentimeter). In der Weltausstellung zu Philadelphia 1876 waren bereits Gebläse nach dieser Anordnung als „Schnellläufer“, mit 100 Touren in der Minute, ausgestellt gewesen. Sie waren von der Maschinen- fabrik von Weimer gebaut und für die Libanon-Eisenwerke in Pennsylvanien bestimmt. Diese Gebläse wurden vielfach eingeführt, bewährten sich aber nicht. Man ermässigte deshalb die Umdrehungs- zahl und baute die Maschinen stärker, wodurch man zu der oben beschriebenen Normalmaschine kam. Die Einführung der kurzhubigen, schnell laufenden Gebläsemaschine stand mit der grossartigen Um- wälzung des amerikanischen Hochofenbetriebes in engster Beziehung. Danach trat aber lange Zeit ein Stillstand in der Entwickelung der amerikanischen Gebläsemaschinen ein. Edward P. Albis \& Co. in Milwaukee, Wiskonsin, bauten stehende Verbund-Zwillingsmaschinen, z. B. für die Reliancehütte, welche sich gut bewährten und auch in den Edgar-Thomson-Stahlwerken eingeführt wurden. Auch brachte man Gitterschieber statt der Windklappen und Ventile an. In den neunziger Jahren wurden horizontale Verbundmaschinen mit gesteuerten Windventilen gebaut und empfohlen Daselbst 1893, S. 729; 1894, S. 852. , bewährten sich aber mehr für Bessemer- als für Hochofengebläse. Die Einführung des Verbundsystems bewirkte aber eine grosse Steigerung der Leistung der Gebläsemaschinen. Die richtige Konstruktion der Abschlussorgane der Gebläse- maschinen ist von grösster Wichtigkeit. Anstatt der Gummiventile und Lederklappen hat man mit Erfolg Stahlblechklappen angewendet. Ringklappen mit Spiralfedern wendete die Kölnische Maschinenfabrik bei Hochofen- und Bessemergebläsen seit 1882 an Daselbst 1897, S. 1066. . Ein von der Maschinenfabrik L. Láng in Budapest als „gelenkte Stahlringklappe“ bezeichnetes Gebläseventil, welches zuerst im Jahre 1895 bei dem neuen liegenden Hochofengebläse des ungarischen Eisen- und Stahl- werks in Vajda-Hunyad zur Anwendung kam, soll sich gut bewährt Hochöfen und Hochofenbetrieb. haben Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 941. . Der Windabschluss wird bei dem Saugventil durch eine Federstahlblech-Ringscheibe bewirkt. Saug- und Druckventile lassen sich während des Betriebes auswechseln. Bei schnell laufenden Von Grabau in Dahlbruch konstruiert. und vertikalen Zu Donawitz. Gebläsen bringt man die Ventile in Ringventilkästen an. In Deutschland und Österreich fanden alle Systeme Verwendung. In welchem Verhältnis ergiebt sich aus nachfolgender Zusammen- stellung von A. von Jehring Siehe Berg- und hüttenmänn. Jahrbuch der Bergakademie zu Leoben und Pribram 1892; Stahl und Eisen 1892, S. 1021. , der 1892 182 Gebläsemaschinen auf 89 Hochofenwerken auf ihre Bauart untersuchte. Von diesen Maschinen waren sieben mit gesteuerten Ventilen (System Riedler ) versehen. Die Frage, ob stehende oder liegende Gebläsemaschinen, ob Einzelmaschinen oder Zwillings- und Drillingsmaschinen vorzuziehen sind, ist vielfach erörtert worden, sowohl in Europa wie in Amerika, ohne zu einem übereinstimmenden Ergebnis zu führen. Alle diese Typen finden Anwendung Beschreibung neuer Gebläsemaschinen findet man Stahl und Eisen 1897, S. 132, 941; 1898, S. 21, 929; 1900, S. 35, 401. . Das amerikanische Prinzip, jedem Hochofen seine eigene Gebläse- maschine und Windzuführung zu geben, findet auch bei den neuen Anlagen in Europa mehr und mehr Beifall. Eine gute und ausreichende Winderhitzung ist eine Lebens- frage für eine moderne Hochofenhütte und man hat derselben in den letzten 35 Jahren die grösste Aufmerksamkeit zugewendet. Im allgemeinen lässt sich sagen, dass die steinernen Winderhitzer über die eisernen den Sieg davongetragen haben. Der Grund hierfür liegt in 28* Hochöfen und Hochofenbetrieb. der Thatsache, dass man mit eisernen Winderhitzern dauernd im besten Falle eine Windwärme von ca. 500° C. erreicht, während steinerne Fig. 153. Apparate den Wind auf 750 bis 800° C. erhitzen. Die Heizung geschieht allgemein nur noch durch die Hochofengase. Anfang der siebziger Jahre waren die eisernen Apparate noch weit mehr in Anwendung als die steinernen von Cowper und Whitwell . Da diese teurer in der Anlage waren und man eine Hochöfen und Hochofenbetrieb. Windtemperatur von 500 bis 600° C. für vollständig ausreichend erachtete, so behielt man die eisernen Apparate bei und suchte sie Fig. 154. Fig. 155. nur zu verbessern. Die Winderhitzer mit hängenden oder mit stehenden Röhren bewährten sich für die Erwärmung bis zu 500°, die man jetzt verlangte, am besten. Gjers in Middlesborough hatte einen Apparat (Fig. 153) konstruiert, der aus einer Verbindung von Fuss- kasten mit Hosenrohren bestand. Dabei standen die beiden Schenkel der Rohre in demselben Fusskasten. Die Hosen- rohre, die meist in Kammern zu je 12 Fig. 156. bis 14 Stück eingebaut waren und rings von der Flamme umspült wurden, standen gegeneinander geneigt, wodurch man eine grössere Hochöfen und Hochofenbetrieb. Wirkung der Heizgase erreichte. Um den Wind auf 300 bis 350° C. zu erhitzen, brauchte man nach Gruners Angabe von 1872 Annales des Mines 1878, II, S. 295; Gruner , Traité de la Métallurgie I, S. 352. 1 bis 1½ qm Heizfläche, für 500 bis 600° C. aber 4 bis 5 qm. Ekman in Långsbanshyttan in Schweden baute 1874 einen ähn- lichen Winderhitzer, mit dem er den Wind auf 530° C. erhitzte und der sich von dem Gjers schen durch eine bessere Führung der Heiz- gase auszeichnete, welche er von oben nach unten leitete. Auf der Georgs-Marienhütte bei Osnabrück verbesserte man Anfang der sieb- ziger Jahre die Winderhitzer mit hängenden Rohren. Crossley konstruierte einen Schlangenröhrenapparat mit zwei übereinander liegenden Etagen (Fig. 154, 155, 156 a. v. S.), der sich zu Askan-in- Furness bewährte Engineering XL, S. 422. . Um 1880 bauten Bolkow und Vaughan \& Co. in Cleveland einen verbesserten Winderhitzer aus stehenden Doppelröhren, welche untereinander durch Fusskasten mit Muffen verbunden waren. In einem solchen erbauten Clevelandapparat Zeitschr. für Berg-, Hütten- und Salinenwesen in Preussen 1882, S. 178. in Gleiwitz war es bei seiner grossen Heizfläche nicht schwer, den Wind auf 520° C. zu erhitzen. Die Röhren waren am Scheitel offen und wurden durch Deckel geschlossen. Dadurch war die starke Spannung, welche bei den Pistolenröhren so häufiges Zerspringen herbeiführte, vermieden. Nach Wiebmers Angabe hatte ein Clevelandapparat 3,9 qm Heizfläche auf den Kubikmeter Wind und berechnete sich der Quadratmeter Heizfläche auf 118 Mark Anlagekosten, während ein Gjers-Apparat 1,51 qm Heizfläche auf den Kubikmeter Wind hat und 222 Mark pro Quadratmeter Heizfläche kostete. Trotz aller dieser Verbesserungen konnten sich die eisernen Apparate gegenüber den steinernen nicht behaupten, denn wenn auch deren Anlagekosten höher waren, so war ihr Betrieb billiger und ihre Leistung grösser. Der Wind konnte in denselben ohne Mühe auf 700 bis 800° C. gebracht werden. Die steinernen Apparate hatten aber auch seit 1870 grosse Ver- besserungen erfahren. In dem genannten Jahre waren die Cowper- Apparate noch sehr mangelhaft, kaum 6 m hoch und der Wärme- speicher ganz wie bei den Siemens-Regeneratoren gemauert. Infolge- dessen waren die Züge sehr eng und nur sehr schwer zu reinigen. Letzterer Umstand, der ihrer Verbreitung am meisten im Wege stand, Hochöfen und Hochofenbetrieb. hatte Thomas Whitwell , Direktor der Thornaby-Eisenhütte bei Stockton, 1869 veranlasst, die durchbrochene Steinfüllung durch vertikale Zugkanäle zu ersetzen. Fig. 157. Die Whitwell-Winderhitzer waren damals entschieden ein Fortschritt und fanden ziemliche Verbreitung. 1874 waren in England 70 Whitwell-Apparate im Betriebe und 34 im Bau, in Deutschland 20 im Betriebe, 52 im Bau; in Belgien und Luxemburg 14 im Betriebe, 24 im Bau; in Frankreich 8 im Betriebe, 29 im Bau. Ihre Vorzüge bestanden in der leichteren und billigeren Bauart, im praktischeren Hochöfen und Hochofenbetrieb. Betriebe und in der leichteren Reinigung, dagegen boten sie dem Winde lange nicht so viel Heizfläche dar wie die Cowper-Apparate. Ein Whitwell-Apparat hatte 11,1 qm Heizfläche pro Kubikmeter Wind, ein entsprechender Cowper-Apparat 28 qm. In Deutschland erreichte man damals in den Whitwell-Apparaten kaum 600° C., weil man nur Essen von höchstens 120 Fuss Höhe anwendete, während man in England mit Essen von 300 Fuss Höhe allerdings 800° C. erhielt. An der Verbesserung der Cowper- und der Whitwell-Apparate wurde bereits in den siebziger Jahren eifrig gearbeitet. Ein grosser Nach- teil der Cowper-Apparate bestand darin, dass der Hauptkanal in der Mitte, in dem die Verbrennung der Hochofengase vor sich ging, sehr schwer zugänglich war. Es war deshalb ein wichtiger Fortschritt, dass man 1870 den Hauptkanal an die eine Seite des inneren Raumes legte, wobei man anfangs den kreisförmigen Querschnitt beibehielt (Fig. 157 a. v. S.). Die Whitwell-Apparate, welche man bis gegen Mitte der siebziger Jahre nur 8 bis 9 m hoch baute, verbesserte man dadurch, dass man sie bis zu 18 m erhöhte, wodurch die Heizfläche von 800 qm auf 1500 bis 1600 qm vermehrt wurde. Ferner waren die älteren Wind- erhitzer dieser Art so eingerichtet, dass die Gase und der Wind fünf- mal auf- und niedersteigen mussten, wozu ein sehr starker Essenzug nötig war. Man suchte die Zahl der Krümmungen zu vermindern, zugleich aber die Heizfläche zu vergrössern, indem man die Gase in einem grossen Kanal aufsteigen, dann aber in drei Kanälen nieder- steigen liess. Die drei Kanäle vereinigten sich unten wieder in einem aufsteigenden Kanal, worauf die Gase in sieben Zügen herabgeführt wurden. Diese Verbesserungen wurden eingeführt von Lévêque 1873 zu L’Horme bei Pouzin und von William Whitwell 1876 nach dem Tode seines Vaters Thomas (D. R. P. Nr. 327). Goedecke suchte 1877 die Heizflächen der Whitwell-Apparate durch Einschaltung von Querwänden zu vergrössern (D. R. P. Nr. 952). Ebenso verbesserten Lürmann und Macco die Whitwell-Wind- erhitzer. Die Leistungsfähigkeit der Cowper-Apparate wurde schon dadurch beträchtlich gesteigert, dass man sie höher baute. Durch ihre grosse Heizfläche erzielten diese Apparate 1876 zu Terre-noire gute Erfolge. Ein Übelstand blieben aber die engen, schwer zu reinigenden Züge. Anfänglich versetzte man die Steine des Gitterwerks absicht- lich gegeneinander, um grösseren Heizeffekt zu erzielen. War ein solcher Wärmespeicher durch Flugstaub verstopft, so musste man ihn Hochöfen und Hochofenbetrieb. kalt werden lassen und ausbrechen. Cowper versuchte durch Schiessen mit Böllern in den Hauptkanal die Reinigung von Flugstaub zu be- wirken; andere zündeten Schiesspulver darin an. Alle diese Versuche hatten aber nur geringen Erfolg. Mehr erreichte man durch eine sorgfältigere Reinigung der Verbrennungsgase vor dem Eintritt, besonders aber dadurch, dass man die Öffnungen in dem Steingitter- werk weiter machte und sie genau aufeinander passte, so dass sie senkrechte Kanälchen bildeten, die durch Kugel und Besen, ähnlich wie russische Kamine, oder durch Stahldrahtbürsten (nach Fehland ) zu reinigen waren. Seitdem diese Verbesserungen eingeführt sind und man die Apparate 22, 24 und mehr Meter hoch baut, hat man mit Leichtigkeit eine dauernde Erhitzung des Windes auf 800° erzielt und haben sich diese neuen Cowper-Apparate allen anderen Wind- erhitzern überlegen gezeigt. Nur ganz kurz wollen wir noch einige Verbesserungen und Ver- besserungsvorschläge für die Cowper-Apparate erwähnen Vergl. Stahl und Eisen 1883, S. 611. . Von den steinernen Winderhitzern, sowohl Cowper als Whitwell, müssen immer mindestens zwei für einen Hochofen im Betriebe stehen, der eine, der durch die Hochofengase angeheizt wird, und der andere, durch den der zu erwärmende Wind streicht. Die Erfahrung hat gelehrt, dass man bei den gesteigerten Anforderungen an Windmenge und Temperatur sogar drei Cowper-Apparate für einen Hochofen braucht, wovon zweckmässig immer zwei im Feuer stehen und durch einen der Wind geht. Muss ein Ofen repariert werden, so genügt es, dass nur einer im Feuer steht. Während man anfänglich 5000 qm für einen Hochofen für hinreichend hielt, rechnet man jetzt mindestens 35000 qm. Für zwei Hochöfen pflegte man sechs Cowper-, aber nur fünf Whitwell-Apparate zu rechnen. In neuerer Zeit wendet man nicht selten vier Cowper-Apparate für einen Ofen an, wie z. B. zu Micheville im Minettegebiete Ost- frankreichs, Elizawerke bei Pittsburgh 1889, Duquesne 1896. Natürlich werden hierdurch die Anlagen für die Winderhitzung sehr teuer. Benj. Ford und John Moncur Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 462. suchten um 1879 diese dadurch zu vereinfachen und zu verbilligen, dass sie das Anheizen und die Winderwärmung gleichzeitig in demselben Apparat ausführten. Sie teilten einen grossen Cowper-Apparat durch radiale Wände in vier gleiche Abteilungen, welche so betrieben wurden, dass immer je Hochöfen und Hochofenbetrieb. zwei angeheizt wurden, während die andern zwei den Wind erhitzten. Diese Apparate haben in England auf manchen Hütten, z. B. zu Barrow, der billigeren Anlage wegen, Anwendung gefunden. C. Bull wendete ebenfalls eine radiale Anordnung des Füll- mauerwerks an. H. Massicks und W. Crooke Am. Pat. Nr. 398840, D. R. P. Nr. 17655 vom 26. Juni 1881. bauten seit Anfang der achtziger Jahre Winderhitzer, deren Züge ringförmig umeinander angeordnet sind. Die Heizgase steigen erst in den mittleren Zügen auf, sodann in den äusseren Zügen nach abwärts und von da in die Esse. Die Leistung dieser Apparate bleibt aber hinter den Cowperöfen zurück. Auf einen Kubikmeter Wind kommt nur 11,1 qm Heizfläche, während ein Cowperofen von 18 m Höhe und 6,5 m Durchmesser auf 1 cbm Wind 32 qm Heizfläche hat. Allerdings stehen die Anlagekosten etwa in demselben Verhältnis, sie berechnen sich bei den Winderhitzern von Massicks und Crooke auf nur 155 Mark für 1 qm Heizfläche. Eine wichtige Verbesserung für alle vertikalen steinernen Wind- erhitzer bestand darin, dass man sie oben mit gutem, feuerfestem Material sphärisch wölbte (s. Fig. 157), wodurch eine vollständigere Mischung, Verbrennung und Verteilung der Gase erfolgte. Die Verteilung der Heizgase beim Niedergang war in den Cowper- apparaten nicht gleichmässig, indem die Kanäle von der Esse ungleich angesaugt wurden. Um dem abzuhelfen, bedeckte man die Züge, die stark erhitzt wurden, ganz oder zum Teil mit losen Ziegeln. M. Boecker in Friedenshütte Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 920, Taf. XXII. hat dies dadurch vermieden, dass er die Kanäle nach der Peripherie zu weiter machte (1889, D. R. P. Nr. 49721); Fr. W. Lürmann (1888) dadurch, dass er die Heizgase nicht in dem aufsteigenden Kanal, sondern in dem gewölbten Raume über dem Kanal verbrannte (D. R. P. Nr. 42579). Er konnte deshalb den Gaskanal viel enger machen und legte ihn wieder in die Mitte. Dadurch gewann er zugleich bedeutend an Heizfläche, so dass ein Lürmann scher Apparat von gleichen Abmessungen 28 bis 33 Prozent mehr leistete. Nachdem man den aufsteigenden Gas- und Verbrennungskanal auf die Seite gelegt hatte, gab man ihm statt des kreisrunden einen segmentförmigen oder elliptischen Querschnitt (Fig. 158). Auf den Edgar Thomson-Stahlwerken in Nordamerika Daselbst 1883, S. 521. baute Julian Kennedy schon zu Anfang der achtziger Jahre verbesserte Hochöfen und Hochofenbetrieb. Cowper-Apparate von 6,4 m Durchmesser und 22 m Höhe. Er erweiterte dabei die Heizzüge von 102 mm auf 152 mm und gab dem Ver- brennungsschacht einen kreissegmentförmigen Querschnitt. Die Er- sparnis an Steinkohlen war gegen den früheren Betrieb mit eisernen Winderhitzern sehr bedeutend. Harvey suchte (1882) die Anlage der steinernen Winderhitzer zu verbilligen; er liess die Gase nur in einer Richtung von unten Fig. 158. nach oben durch das Gittermauerwerk streichen. Er hatte 25,5 qm Heizfläche auf 1 cbm Wind und die Kosten stellten sich auf 184 Mark für einen Quadratmeter Heizfläche, während ein eiserner Winderhitzer nach Gjers nur 1,51 qm Heizfläche auf 1 cbm Wind hatte und 222 Mark auf den Quadratmeter kostete. Bei einem Apparat nach Bolkow und Vaughan stellten sich die entsprechenden Zahlen auf 3 qm und 118,9 Mark. Eine Zeit lang legte man grossen Wert auf die Querschnittsform der Heizkanäle, die man statt quadratisch sechseckig, kreisrund, länglich viereckig u. s. w. Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 484; 1890, S. 766; 1896, S. 907. machte. Im allgemeinen geben runde Kanäle die geringste, quadratische Kanäle die grösste Heizfläche; dagegen lassen sich runde und sechseckige Kanäle leichter reinigen. Custor führte mit Erfolg durchlochte Steine ein Daselbst 1897, S. 177. . V. Strobel in Philadelphia legte den Verbrennungsraum der Gase wieder ausserhalb des Winderhitzers in einen besonderen Ver- brennungsraum, mit dem er je drei Winderhitzer verband. Fr. W. Lürmann gab dem Verbrennungsraum eine ringförmige Gestalt (D. R. P. Nr. 51360). Hochöfen und Hochofenbetrieb. Hugh Kennedy in den Vereinigten Staaten konstruierte Wind- erhitzer mit einem Gaskanal und drei Luftwegen, von denen 1892 drei in Warwick, Pa., angelegt wurden Kerpelys Fortschritte von Th. Beckert für 1894, S. 96. . Fig. 159, 160, 161 zeigen die mächtigen Kennedy-Cowper-Apparate des neuen Hochofens in Fig. 159. Fig. 160. Fig. 161. Duquesne von 29,56 m Höhe und 6,4 m Durchmesser mit zentraler Verbrennungskammer, von denen zu jedem Hochofen vier gehören. Léon François zu Esch in Luxemburg verband die Cowper- Apparate einer Hochofenanlage so miteinander, dass die Wärme eines zwecks Reinigung ausser Betrieb zu setzenden Wind- erhitzers auf einen anderen über- tragen und zugleich der ausser Betrieb gesetzte Winderhitzer rascher abgekühlt werden konnte Stahl und Eisen 1898, S. 365. . Da immer mindestens zwei Cowper-Apparate zusammen arbeiten, die Temperaturen der einzelnen Apparate aber nicht gleich sind, so führten Gjers und Harrison 1898 (D. R. P. Nr. 101492) einen Aus- gleicher ein, den sie als geteilten, mit Gittermauerwerk versehenen Hochöfen und Hochofenbetrieb. Cylinder, durch den der Wind der Cowper-Apparate vor dem Eintritt in den Hochofen streichen musste (Fig. 162), konstruierten. Fig. 162. Die Whitwell-Apparate wurden ebenfalls vielfach verbessert; ausser 1879 von C. Gödecke (D. R. P. Nr. 17851), 1883 von Steffen ; in diesem Jahre wurden die Glockenventile zur Umstellung von Gas Fig. 163. Hochöfen und Hochofenbetrieb. und Wind durch Schieber ersetzt; 1885 von John C. Long , der die Verbrennungsluft für die Heizgase vorwärmte, während Wainwright die Gase und die Verbrennungsluft erhitzte; 1886 von Macco , dessen Winderhitzer eine Kombination von Cowpers und Whitwells System ist. Er führt die Gase nur zweimal auf und nieder; die Kanäle, durch welche die Verbrennungsluft nach unten geleitet wird, sind in Fig. 164. Kammern, ähnlich wie bei Cowper angeordnet. Weimer auf den Libanonwerken in Pennsylvanien stellte die Kammern übereinander. Die Whitwell-Apparate, die 1883 auf der Thornebyhütte betrieben wurden, waren 20,72 m hoch, bei 6,7 m Durchmesser; sie hatten 2600 qm Heizfläche. In Hugh Kennedys Winderhitzer für den Isabellahochofen bei Pittsburgh findet die Verbrennung nicht in einer, sondern in jeder Abteilung statt, wobei die Verbrennungsprodukte oben abgeführt werden. Er erzielt auf diese Weise eine gleichmässigere Erhitzung. Bei allen steinernen Winderhitzern ist das rechtzeitige Umstellen von Gas und Wind eine sehr wichtige Sache, und man hat deshalb Hochöfen und Hochofenbetrieb. hierfür selbstregistrierende Apparate konstruiert, wonach die Um- stellung erfolgt. Die steinernen Winderhitzer geben den modernen Hütten ein ganz eigenartiges, von den früheren verschiedenartiges Ansehen, wie dies aus den Abbildungen der neuen Hochofenanlagen von Dnieprovienne in Südrussland von 1894 (Fig. 163, S. 445) und von Duquesne in Fig. 165. Pennsylvanien von 1896 (Fig. 164) ersichtlich ist. Die mächtigen Apparate erreichen, ja übertreffen manchmal die Höhe des Hochofens, zu dem sie gehören. So hat man beispielsweise in Hayingen bei de Wendel Apparate von 30 m Höhe. Früher gruppierte man die steinernen Winderhitzer meist eng um den Ofen herum, jetzt stellt man dieselben bei Neuanlagen in den Vereinigten Staaten meist in eine Reihe oder zwischen die Hoch- öfen, wie dies die neue Hochofenanlage zu Youngstown (Fig. 165), deren Hochöfen 32,5 m und deren Winderhitzer 36 m hoch sind, zeigt. Hochöfen. Sehr wichtig sind die Verschlüsse der steinernen Winderhitzer. Hierfür hat F. Burgers ein Drehventil erfunden (Fig. 166), was auf vielen Fig. 166. deutschen Hütten eingeführt ist, wäh- rend W. Schmidt 1886 einen dreh- baren, brillenförmigen Tellerschieber, die sogenannte Schmidt sche Brille (Fig. 167) konstruierte, die jetzt sehr häufig angewendet wird. Bei der hoch- gesteigerten Temperatur des Gebläse- windes, bei welcher Eisen glühend und rasch an der Luft zerstört wird, wurde es notwendig, die Rohrleitungen, die man entsprechend weiter machte, mit feuerfestem Material auszumauern oder auszukleiden. Zur Ausgleichung der Ausdehnung der Leitung schaltete man Kompensatoren ein, von denen besonders die Scheiben- und die Stopf- büchsenkompensatoren Eingang ge- funden haben. Lürmann empfiehlt Topf- und Sackkompensatoren. Je heisser der Wind wurde, desto wichtiger und schwieriger wurden die Absperrventile, wofür zahlreiche Patente genommen wurden, so von J. Kennedy (Am. P. Nr. 593476), von Neeland und Rothoff in Duquesne, Pa. (Am. P. Nr. 593478). Die ringförmige Windleitung um den Hochofen hing man um die Rast herum auf und führte den Wind von da abwärts den Düsen- Fig. 167. stöcken zu. Diese Siehe Ledebur , Handbuch u. s. w., S. 456. hat man möglichst vereinfacht, indem alle Drehvorrichtun- gen, Zahnstangen u. s. w. wegen der vermehrten Ausdehnung bei dem sehr heissen Winde weggelassen und durch Kugelgelenke ersetzt wurden. Ein solcher Düsenstock aus den siebziger Jahren rührt von Dornbusch her. C. Gödecke konstruierte zu Anfang der achtziger Jahre ähnliche für Geiswerd, Schalke u. s. w. Hochöfen. Heinzmanns und Dreyers Düsenstock (D. R. P. Nr. 36369) vom Jahre 1886 war mit zwei Kugelgelenken versehen, so dass er ohne weiteres aus der Form herausgezogen werden konnte. Ein von Lürmann 1886 erfundener Düsenstock (D. R. P. Nr. 38408) lässt sich nicht nur leicht handhaben, sondern ohne Mühe ganz aus dem Raume vor dem Formgewölbe entfernen. Fritz W. Lürmann liess sich 1890 noch eine derartige Konstruktion patentieren (D. R. P. Nr. 38308) Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 692. . Die Drosselklappen in den Heisswindleitungen wurden durch Schieber ersetzt. Dango und Dienenthal führten wasser- oder windgekühlte Bronzeschieber ein. Boecker wendete statt der Klappen oder Schieber Hahnenverschlüsse an, während Steffen und Rotten die Absperrung durch Drehschieber (D. R. P. Nr. 36301) erzielten. Der heisse Wind machte es nötig, mit geschlossener Form zu blasen. Verbesserte Windformen führten unter anderen G. Hilgenstock und Bansen 1879 ein. An Stelle der aus Bronze gegossenen Formen wendet man neuerdings häufig aus Kupfer geschlagene an. Die Wind- spannung wird meist mit Federmanometern von Schäfer und Buden- berg , die Windtemperatur mit Pyrometern von Wiborgh, Siemens oder Le Chatelier gemessen, wobei Schaulinien die Wärmeschwan- kungen anzeigen. Ein brauchbares Luftpyrometer haben Uehling und Steinbart Daselbst 1894, S. 388; 1899, S. 431. 1894 erfunden. Hochöfen. Die Fortschritte im Hochofenbetrieb in der Zeit seit 1870 finden ihren deutlichen Ausdruck in der Steigerung der Leistung der Hoch- öfen. Hierfür bietet in Deutschland die Ilseder Hütte bei Peine das glänzendste Beispiel dar. Die Durchschnittserzeugung eines Hochofens in 24 Stunden betrug 1870 55 Tonnen, 1880 110 Tonnen, 1885 144 Tonnen, 1890 192 Tonnen, 1895 226 Tonnen, 1896 244 Tonnen. Am grossartigsten stellt sich die Produktionssteigerung der Hochöfen in den Vereinigten Staaten dar. Auf den Edgar Thomson-Eisen- werken bei Pittsburg erzeugte 1876 der Isabellaofen 77 Tonnen, der Lucy-Ofen 1877 93 Tonnen, 1880 134 Tonnen, 1882 183 Tonnen, 1886 207 Tonnen, 1889 315 Tonnen und 1890 sogar 428 Tonnen in 24 Stunden; 1897 erreichte der Duquesneofen bei Pittsburg eine Tagesleistung von 700 Tonnen. Beck, Geschichte des Eisens. 29 Hochöfen. Diese Steigerung der Leistungsfähigkeit wurde herbeigeführt durch Verbesserungen der Ofenkonstruktionen und der Betriebsmittel. Die Verbesserungen der Öfen zeigen sich zunächst in ihrer durch- schnittlichen Vergrösserung und in ihrer Gestalt (Dimensionen). Bei den Holzkohlenöfen stieg die durchschnittliche mittlere Ofengrösse in den Grenzen von 30 bis 70 Kubikmeter, bei den Kokshochöfen von 200 bis 400 Kubikmeter. Doch wurden in einzelnen Gebieten viel grössere Öfen errichtet. Der Clevelanddistrikt in England war darin vorangegangen. Das Streben, die Hochöfen daselbst immer grösser zu bauen, erreichte Anfang der siebziger Jahre einen Höhepunkt. 1871 entstand zu Newport ein Hochofen von 85 engl. Fuss (25,91 m) Höhe, 28 Fuss (8,535 m) Kohlensackweite und 30000 Kubikfuss (850 cbm) Inhalt, 1874 der Riesenofen zu Ferryhill von 105 engl. Fuss (32 m) Höhe, 31 Fuss (9,449 m) Kohlensackweite und 50000 Kubikfuss (1416 cbm) Inhalt. Dieser Ofen blieb aber ein Einsiedler in seinen Grössenverhält- nissen und erfüllte die auf ihn gesetzten Hoffnungen nicht. Man kam zur Erkenntnis, dass die Vergrösserung der Öfen nur bis zu einer bestimmten Grenze von Vorteil sei und dass über diese Grenze hinaus eine weitere Vergrösserung keinen entsprechenden Nutzen bringe. Diese Grenze ist auch bei ausreichender Leistungsfähigkeit der Gebläse- und Winderhitzungsapparate verschieden für verschiedene Erze und Koks. Im Clevelanddistrikt, wo man arme aber leicht- schmelzige Erze in groben Stücken mit dem sehr festen Koks der New-Castle-Kohle verschmelzt, liegt diese Grenze sehr hoch. Sir Lowthian Bell , der vor der Übertreibung in den Ofenmassen warnte, erklärte um 1870 eine Höhe von 80 engl. Fuss (24,385 m), 25 Fuss (7,62 m) Kohlensackweite und 25000 Kubikfuss (708 cbm) Inhalt für den Verhältnissen in Cleveland am besten entsprechend. Thomas Whitwell sagte 1878: Ohne allen Zweifel ist man mit den Dimen- sionen und namentlich mit der Höhe der Hochöfen in England zu weit gegangen, denn das Fassungsvermögen und die Anlagekosten stehen nicht mehr im richtigen Verhältnis. Infolgedessen ging man nicht nur in Cleveland, sondern auch in Cumberland Anfang der siebziger Jahre wieder auf geringere Ofenhöhe zurück, so in Cumber- land zu Askan-in-Furness und zu Barrow von 75 Fuss auf 61 Fuss, zu Consett und zu Wortington von 70 Fuss auf 55 Fuss Höhe. Immerhin hatte die Vergrösserung der Hochöfen im Cleveland- distrikt einen grossen Erfolg gehabt und dadurch Veranlassung gegeben, dass man sowohl im übrigen England, als auch auf dem Hochöfen. Kontinent von Europa und in den Vereinigten Staaten von Nord- amerika die Hochöfen grösser baute. Auf dem europäischen Kontinent geschah dies in mässigen Grenzen. In Deutschland hatten um 1870 die Mehrzahl der Kokshochöfen eine Höhe von 16 bis 18 m und etwa 5 m Kohlensackweite. Man war sich in Deutschland wohl bewusst, dass es nicht auf die Höhe und den Fassungsraum des Ofens an und für sich ankam, sondern auf die vollkommene Reduktion und Kohlung, ehe das Schmelzgut in den Schmelzraum einrückte und dass die Durchgangszeit der Erze länger sein musste, je nachdem Puddeleisen, Thomaseisen, Spiegeleisen oder Giessereieisen erblasen werden sollte. Hierauf hatte H. Fehland 1884 besonders hingewiesen Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 331. . 1895 betrug die gewöhnliche Höhe 20 bis 22 m, bei 6 m Kohlen- sackweite und etwa 400 cbm Inhalt, während England 1894 (nach Hawdon ) nur wenige Öfen unter 566 cbm Fassungsraum hatten. Die neuen Öfen im Minettegebiet, in Luxemburg und Lothringen sind bis 23 m hoch, 6,5 bis 7,25 m im Kohlensack, 4 bis 5 m in der Gicht und 3,5 bis 4 m im Gestell weit. Die letzteren Zahlen zeigen, dass die Vergrösserung der Öfen in neuerer Zeit relativ mehr in der Weite als in der Höhe statthatte. Besonders bemerkenswert ist die bedeutende Erweiterung des Gestells. Bis 1880 galt ein Gestell von 2 m Durchmesser in Deutschland für ein weites und nur wenige Hochöfen hatten eine grössere Gestell- weite als 2,60 m. Nach dieser Zeit fing man besonders in den Vereinigten Staaten von Nordamerika an, den Hochofengestellen eine Weite von über 3 m zu geben. In Deutschland ging man Ende der achtziger Jahre ebenfalls bis zu Gestellweiten von 3 m und steigerte dieselbe in den folgenden Jahren bis 1895 im Minettegebiet auf 3,50 bis 4,5 m. Natürlich erfordern so weite Gestelle sehr heissen Wind und starke Gebläse. Auch die Holzkohlenhochöfen erhöhte man in den Vereinigten Staaten bedeutend. 1876 wurden dort zwei Öfen von 60 und 62 Fuss (18,3 bis 18,9 m) Höhe erbaut. Der grösste Ofen am Ural hatte nur 55 Fuss (16,775 m) Höhe und 2600 Kubikfuss (175,58 cbm) Inhalt. Der Grössenunterschied eines gewöhnlichen Holzkohlenhochofens (zu Fallonica) und eines englischen Kokshochofens (der Clarencehütte) 29* Hochöfen. Masse von Hochöfen seit 1870 . Hochöfen. Anthrazithochöfen Kokshochöfen Hochöfen. Hochöfen. Koks und Kohle Hochöfen. ist in Fig. 168 Nach Gruner . dargestellt, während Fig. 169 Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 815, Fig. 14. den Grössenunter- schied des ältesten Kokshochofens von Gleiwitz von 1796 und eines neuen Kokshochofens daselbst von 1896 zeigt. Fig. 169 zeigt das Fig. 168. Profil des Lucy-Ofens bei Pittsburg im Vergleich mit dem Gleiwitzer Hochofen im Jahre 1890. In den Vereinigten Staaten von Amerika wurden Ende der neunziger Jahre Hochöfen gebaut, deren Dimensionen alle früheren übertrafen, so hatten die 1899 in Betrieb gesetzten Youngstown- Hochöfen der National Steel-Company 32,5 m Höhe, 7 m Kohlensack- und 4,57 m Gestellweite. Vorstehende Tabelle (S. 452 bis 455) giebt Beispiele von Hochofendimensionen und Hochofen- formen aus den Jahren 1871 bis 1880 und 1881 bis 1895. Zu dieser Tabelle ist noch zu bemerken, dass das Verhältnis der Ofenhöhe zur Weite des Kohlen- sacks = von Wichtigkeit ist. L. Gruner Annales des Mines 1877, S. VII, t. XII, p. 472. teilte 1877 die Öfen nach diesem Verhältnis in untersetzte (tapus), mittlere (moyens) und schlanke (élancés); bei den ersteren ist kleiner als 3, bei den mittleren grösser als 3 und kleiner als 4, bei den letzteren grösser als 4. Nach L. Ledebur Handbuch der Eisenhüttenkunde 1893, S. 363. ist = 3,2 bis 3,6 das gebräuchlichste Verhältnis bei neueren Hochöfen. Dabei ist aber die Art des Brennmaterials und des erzeugten Roheisens, ob grau, weiss, Spiegel- eisen u. s. w., von Einfluss. Die Hochöfen für Holzkohlenbetrieb sind meistens schlank. Das Verhältnis der Durchmesser von Gicht und Kohlensack schwankt zwischen 1 und ½, je nachdem der Schacht des Hochofens cylindrisch oder mehr konisch zuläuft, meistens beträgt die Relation ¾ bis ⅚. Das Gestell kann man um so weiter machen, je leichter schmelzbar die Beschickung und je stärker das Gebläse ist. Das Verhältnis der Durchmesser von Gestell und Kohlensack schwankt Hochöfen. meistens zwischen bis . Die weiten Gestelle von über 3 m Durchmesser wurden zuerst 1880 auf dem Edgar Thomson-Eisenwerk eingeführt und zwar hatte der Herd des im April 1880 daselbst angeblasenen Hochofens Nr. 2 3,35 m Durchmesser. Mit der Erweiterung des Gestelles wurde die Rast steiler und zwar um so mehr, als man fast allgemein das Obergestell wegliess, so dass die Rast unmittelbar über der Form begann. Seit Einführung der Lürmanns chen Schlackenform und der Zustellung mit geschlossener Brust unterdrückte man auch zuweilen das Untergestell und liess den Ofen vom Boden an sich konisch erweitern. Dadurch wurde die Rast steiler. Der Rastwinkel betrug meist 70 bis 80 Grad. Die Erweiterung von Gestell und Gicht regte die Frage an, ob es nicht zweckmässig sei, das Innere des Hochofens durchaus cylindrisch zu machen, also auch die Rast ganz zu beseitigen. W. J. Taylor baute 1884 zu Chester in New Jersey (U. S.) einen solchen Ofen, der sich aber Fig. 169. im Betriebe als unvorteilhaft erwies. Trotzdem trat Lürmann für diese Ofenform ein ( Lürmanns rastloser Ofen), indem er auf die nahezu cylindrischen Holzkohlenhochöfen zu Trofayach in Steiermark, Kulebaki und Bjelorezk am Ural (Fig. 170 a. f. S.), welche in gutem Betriebe standen, hinwies. Mit Koksöfen hat man aber keine weiteren Versuche in dieser Richtung gemacht. Dagegen wurden verschiedene andere Ofenkonstruktionen, deren Profile von den gebräuchlichen wesentlich abwichen, vorgeschlagen und auch ausgeführt. Hierher gehört zunächst der selbstkokende Hochofen von Ferry, der zuerst 1870 auf der Monklandhütte in Schottland 81 engl. Fuss (24,69 m) hoch erbaut und in Betrieb gesetzt wurde. Er erregte Aufsehen, und es wurden bis 1875 in Grossbritannien mehrere Öfen dieser Art errichtet, so vier auf dem Calderbank-Eisen- werk, zwei zu Chapelhall und einer zu Dalmellington in Schottland, Hochöfen. sowie einer zu Tipton in Staffordshire. B. Brown baute einen von ihm verbesserten selbstkokenden Hochofen auf der Shottshütte. In Russland erbaute Carl Fröhlich Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 99. , der bereits Ende der sechziger Jahre mehrere Hochöfen mit elliptischem Querschnitt am Fig. 170. Ural aufgeführt hatte, 1870/71 auf dem Demidoffschen Werke Nischne-Salda einen verbesserten Raschetteofen von 60 Fuss Höhe. 1875 baute er einen ähnlichen Ofen mit elliptischem Querschnitt und freistehendem Gestell, Rast und Schacht in Werschne-Salda und 1876 einen ähnlichen mit auswechselbarem Gestell zu Nischne-Tagol. Es waren dies alles Holzkohlenhochöfen. Hochöfen. W. Siemens konstruierte einen selbströstenden Hochofen, bei dem die Röstung der Erze im oberen Teil des Schachtes durch die Ver- brennung der Hochofengase mittels eingeblasenen Windes geschehen sollte. Hawdon und Hawson bauten 1893 auf dem Newport-Eisenwerk bei Middlesborough einen Hochofen mit dem Fig. 171 dargestellten Profil. Es sollte dadurch der Druck der Schmelzsäule auf die Rastflächen vermieden und die Beschickung lockerer erhalten werden. Obgleich der Ofen gute Resultate lieferte, fand er keine Nachahmung. Alle diese Neuerungen erlangten nur eine lokale Bedeutung. Auch A. Wolskis Vorschlag (1896) eines Hochofens mit Wiederbe- nutzung oder, wie er es nennt, Selbst- regenerierung der Gichtgase Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 706, 896, 911. nach J. von Ehrenwerths Prinzip, ist bis jetzt ohne Folgen geblieben. Allgemeine Anerkennung und Verbrei- tung fand dagegen Lürmanns Schlacken- form und damit die Zustellung der Hoch- öfen mit geschlossener Brust, welche sich bei hocherhitztem Winde vortrefflich bewährt hat, und die neueren Öfen wurden fast stets so zugestellt. Eine andere Änderung, die bei Koks- hochöfen allgemeine Anwendung gefunden hat und die ebenfalls mit der Einführung höher Fig. 171. erhitzten Windes zusammenhängt, ist die, dass man den Rüssel der Blaseformen in das Gestell hineinragen lässt. Dadurch kann einer- seits der Wind mehr bis in die Mitte des Gestells dringen, anderer- seits wird eine Schonung der Gestellwände und damit eine längere Erhaltung des Hochofens bewirkt. Dieses Vorragen der Windformen, das schon 1879 auf dem Edgar Thomson-Werk eingeführt wurde, darf aber nicht übertrieben werden. Nach Versuchen von Cochrane im Jahre 1882 nahm die Roheisenerzeugung bei einem Hochofen von 2,44 m Gestellweite von 483 auf 599 Tonnen in der Woche zu, nach- dem man die Form von 305 mm auf 150 mm Vorlage zurückgezogen Hochöfen. hatte. Infolge des Vorliegens der Formen muss man zwischen Gestell- weite und dem Durchmesser des Formkreises unterscheiden. Was die äussere Form der Hochöfen betrifft, so kam man mehr und mehr davon ab, den inneren Ofen in ein dickes Rauhgemäuer einzubauen, wie es noch der Fig. 172 dargestellte Ofen zu Rothehütte am Harz zeigt. Fig. 172. Fig. 173. Blechmäntel und noch öfter eiserne Ringe hielten das gegen früher schwache Schachtmauerwerk zusammen. Bei den Öfen mit Blech- mänteln, den sogenannten schottischen, liess man das äussere Schutz- mauerwerk des Schachtes fort und stellte den aus feuerfesten Schamotte- Hochöfen. steinen aufgeführten Kernschacht direkt in den Blechmantel, wie es z. B. der 1874 auf der Friedrich-Wilhelmshütte bei Mülheim an der Ruhr von J. Schlink erbaute Hochofen (Fig. 173, 174) zeigt. Die Blechmäntel waren aber kostspielig und erschwerten die Zugänglichkeit des Schachtes bei erforderlichen Reparaturen. Ver- suche in Westfalen, die Schachtmäntel statt aus genieteten Platten aus zu- sammengeschraub- ten Ringen und Segmenten herzu- stellen, hatten sich nicht bewährt. Man ging deshalb viel- fach dazu über, die Hochofenschächte ohne Rauhschacht ganz frei zu legen und die feuerfesten Steinlagen mit eiser- nen Bändern zu bin- den. Dies war in Deutschland zuerst auf der Ilseder Hütte 1864 und zu Neuss bei einem von C. und F. Büttgenbach erbauten Hochofen geschehen. Letztere Konstruktion wurde Fig. 174. durch die Weltausstellungen in Paris 1867 und Wien 1873 in weiten Kreisen bekannt und auf verschiedenen Hüttenwerken besonders in Frankreich eingeführt. Das von Büttgenbach empfohlene Weg- lassen der eisernen Bänder hat sich aber nicht bewährt. Freistehende gebundene Schächte ohne Blechmantel fanden, nachdem man sich besonders auf der Gleiwitzer Hütte 1873 davon überzeugt hatte, dass der Betrieb durch dieselben nicht nachteilig beeinflusst wurde Versuche zu Gleiwitz in der Zeitschr. für Berg-, Hütten- u. Salinenwesen XXII, S. 260. , mehr Hochöfen. und mehr Eingang und sind jetzt zur Regel geworden. Hierbei gab man dem Schachtmauerwerk des besseren Anschlusses der Eisenreife wegen zuweilen einen treppenförmigen Aufbau, wie z. B. 1890 auf der Friedenshütte in Schlesien (Fig. 175). Die freistehenden Schächte Fig. 175. bedingten natür- lich eine ganz ver- änderte Konstruk- tion für die Platt- form der Gicht, worauf wir später noch zurückkommen werden. Neuerdings ist F. Burgers Stahl und Eisen 1900, S. 675. noch weiter ge- gangen, indem er den Hochofen zwi- schen Gestell und oberem Teil des Schachtes ganz aus Eisen herstellt. Fig. 176 stellt diese Kon- struktion, wie sie bei einem Hochofen der Hütte Vulkan bei Duisburg mit Erfolg ausgeführt wurde, dar. Die eisernen Ringe, die den mittleren Teil des Ofens bilden, sind aus gusseiser- nen Platten von 1 m × 1½ m zu- sammengeschraubt. Der an dem oberen Teile der Rast befindliche Ring trägt einen Tragkranz, der auf den Trag- säulen ruht. Die vorspringenden unteren Flanschen der Ringe bilden Ringe, in denen sich das Spritzwasser, womit die Platten gekühlt Hochöfen. werden, sammelt. Jeder Ring ist mit zwei Eisenbändern gebunden. Die Innenseiten der Platten haben Rippen, deren Zwischenräume mit Schamottesteinen ausgekleidet werden. Die Vorteile der Konstruktion bestehen in rascher Ausführbarkeit, leichter Kühlung und in der Er- haltung der Ofenform, die bei Steinmauerwerk durch Abschmelzen immer verändert wird. Eine weitere radikale Änderung der Hochofenkonstruktion gegen früher war die Frei- und Hochlegung des Bodens . Von einem Fig. 176. „Bodenstein“ im eigentlichen Sinne des Wortes kann bei den modernen Öfen nicht mehr die Rede sein, indem es bei den weiten Gestellen nicht mehr möglich ist, den Boden durch einen einzigen Stein ab- zuschliessen. Zu diesem Zwecke waren die belgischen Puddingsteine von Marchienne noch am längsten verwendet worden. Sie sind aber fast überall verdrängt worden durch gemauerte Böden aus feuerfesten Steinen, welche gewölbeartig angeordnet sind (siehe Fig. 174, 175), und zwar in der Weise, dass der mittelste Stein eine keilförmige Gestalt hat, die Fugen der folgenden Steine schräg zur Bodenfläche stehen und die äusserste Steinlage unter die Herdwand geht, so dass Hochöfen. diese durch ihre Last den Boden zusammenhält. Gewöhnlich wird der Boden aus zwei Steinlagen zusammengesetzt und erhält eine Dicke von 1 bis 1½ m. Diesen Boden pflegte man mit einem breiten Kranz von Ziegelmauerwerk, welcher die Sohle für die Tragsäulen und für Fig. 177. die den Ofen bedienenden Arbeiter bildete, zu umgeben. Von dieser schützenden Einmauerung des Bodensteins ist man aber in neuerer Zeit abgekommen. Man legt vielmehr jetzt den Boden- stein möglichst frei, so dass er ringsum zugänglich ist und mit Wasser gekühlt werden kann. Dabei legt man ihn nicht selten über die Hüttensohle. Fritz W. Lürmann hatte bereits 1888 einen solchen Ofen (Fig. 177) Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 810, Fig. 13. konstruiert. Aller- dings erfordert derselbe eine be- sondere Arbeitsbühne. Die Frei- legung des Bodens erleichtert die nötig werdenden Reparaturen und befördert seine Erhaltung; die Hochlage erleichtert ferner das Abzapfen des flüssigen Inhaltes. Die Schlacken kann man in viel grössere Schlackenwagen ab- stechen als früher, das Eisen in Pfannenwagen, die auf Schienen laufen und fortgefahren werden, was in vielen Werken, welche Roheisen für Flusseisenfabrikation herstellen, besonders denen, welche Thomaseisen erblasen und mit dem Mischer arbeiten, notwendig ist. Man hat den freiliegenden Bodenstein seit 1888 öfter mit einem Blechmantel umgeben und auf eisernen Schienen frei aufgelagert, so zu Donawitz (Fig. 178) 1892, wodurch man ihn noch besser im Bedarfsfalle von allen Seiten kühlen Hochöfen. konnte. In Amerika wurde hierfür 1888 ein Patent erteilt; fast gleich- zeitig empfahl Lürmann diese Konstruktion in Deutschland Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 303. . Man wendet auch doppelte Panzerung an Untergestell und Boden- stein an. Fig. 179 Daselbst 1898, S. 658, Fig. 1. zeigt eine solche nach dem System von Gorjainow Fig. 178. und Pierron der Alexandrowski- hütte zu Jekaterinoslaw in Süd- russland. Der Hohlraum E zwi- Fig. 179. schen dem inneren und dem äusseren Panzer wird mit Masse aus- gestampft. Über dem oberen dachförmigen Abschluss E F rieselt Wasser, welches in der Rinne G gesammelt wird. Die Grundsätze für die Anlage des Bodens eines Hochofens in früherer Zeit und jetzt haben sich vollständig umgekehrt. Früher legte man den Bodenstein unter die Hüttensohle, mauerte ihn ein und schützte ihn vor Abkühlung und Feuchtigkeit durch den darunter angebrachten Kreuzkanal (Andreaskreuz), kurzum, man versuchte den Bodenstein warm und trocken zu halten. Der Kreuzkanal ist seit Einführung des heissen Windes verschwunden und gehört jetzt bereits Beck, Geschichte des Eisens. 30 Hochöfen. zu den historischen Kuriositäten einer vergangenen Zeit. Heute legt man den Boden frei und kühlt ihn und zwar in Amerika nicht nur ringsum, sondern auch von unten. Der Vorschlag von Konst. Steffen Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 203. von 1887, dem Bodenstein die Gestalt eines Kugelabschnitts zu geben und das Gestell bis zu Fig. 180. den Formen zusammenzuziehen, hat eine praktische Bedeutung nicht erlangt. Die Freilegung des Ofen- gestells, ebenfalls eine Folge der Einführung der Winderhitzung, war schon vor Beginn dieses Zeitabschnitts zur Regel ge- worden. Die Wasserkühlung gestattete überdies, die Dicke der Gestellwandung zu ver- schwächen. In Amerika mauerte man das Gestell in einen Cylin- der von Kesselblech ein (Patent Wheeler ). Zu Firmiry in Frankreich ging man 1891 so weit, das Untergestell eines Hochofens ganz aus einem 150 mm dicken Mantel von Flusseisenstücken herzustel- len Siehe Bulletin de la soc. de l’industr. minerale, März 1892; Stahl u. Eisen 1892, S. 849. . F. W. Lürmann schlug 1888 auswechselbare Gestelle vor. Ein solches hatte Carl Fröhlich schon 1876 bei einem Raschetteofen zu Nischnei-Tagilsk eingeführt. Dieses Gestell hatte elliptischen Querschnitt. Freistehende Gestelle haben meistens eine Wandstärke von 0,9 bis 1 m. So lange man die Gestelle aus Natursteinen her- stellte, wählte man durchgehende, grosse Steine, entsprechend der Dicke der Gestellwand. Diesen Grundsatz hielt man auch anfangs noch fest, als man die Natursteine durch Schamottesteine ersetzte; in neuerer Zeit mauert man aber auch Gestell und Rast ebenso Hochöfen. wie den Schacht aus einer grösseren Anzahl kleiner Steine auf, wie es in Fig. 180 an dem 1892 erbauten Hochofen der Dort- munder Union zu sehen ist. In dieser Weise war der Ofen I der Edgar Thomson-Werke in Pennsylvanien schon 1879 gebaut worden. Übrigens arbeitete Dietrich in Aplerbeck bereits 1867 mit einem aus gewöhnlichen Schachtsteinen Fig. 181. gemauerten Gestell. In Amerika wurden Rast und Gestell der aus kleinen Steinen aufge- bauten Öfen ebenfalls mit starken Eisenschienen gebun- den. Die wassergekühlfen Steinwände machte man (1887) meist nur 450 mm stark. An Stelle der „Krinolinen-Ver- ankerung“, die sich nicht be- währte, trat eine förmliche Panzerung mit Kühlplatten. Der Herd des 1882 an- geblasenen Hochofens der Edgar Thomson-Werke war mit Kühlplatten umgeben und unten um diese eine Rinne angebracht, durch welche das ablaufende Kühlwasser abfloss und so zugleich den Boden- stein schützte. Über diese war eine zweite Reihe Platten zum Schutz der Umgebung der Formgewölbe angeordnet und teilweise in die feuerfesten Steine eingelassen. Die Rast war von einem Blechmantel von 13 mm Dicke eingeschlossen, welcher oben am Tragring befestigt war. Da die Mauerstärke der Rast nur 570 mm betrug, so bewirkte die den Blechmantel bestreichende Luft schon eine ausreichende Kühlung. Auch diese Einrichtung genügte bei dem forcierten Betriebe nicht und man ersetzte sie bei der Neuzustellung 1885 durch das wassergekühlte „Korsett“, wie es der Edgar Thomson-Ofen von 1885 in Fig. 181 zeigt. 30* Hochöfen. Gestell und Rast sind hier mit grösster Sorgfalt geschützt. Der untere Teil des Gestells ist mit 10 Gussplatten umkleidet, auf diesem ruht das wassergekühlte Korsett aus 16 Platten, welche mit Gelenken ver- bunden sind und am oberen und unteren Ende durch Flacheisen- bänder zusammengehalten werden. Die Rast ist nicht durch einen Fig. 182. Blechmantel, sondern durch zwei Reihen von wassergekühlten Platten geschützt. Die Formen liegen in Bronzekühlern, die wieder in eiserne Kühlkasten Formkühlkasten waren auf der Georg-Marienhütte bei Osnabrück seit 1872 mit Erfolg in Anwendung. eingelassen sind. 1887 änderte man diese komplizierte Panzerung in der Weise ab, wie es der Edgar Thomson-Ofen von 1887 (Fig. 182) zeigt. Die Wasser- kühlung über den Formen geschah durch eingemauerte, horizontale Kühlplatten aus Bronze, von denen je acht Stück einen Ring bildeten. Zwischen den Formen wurden gusseiserne Kühlplatten angebracht. Der Herd war durch wassergekühlte Platten geschützt, deren schräge Lage eine grössere Wandstärke am Boden zuliess. Eingemauerte gusseiserne Kühl- platten zur Gestell- und Rast- kühlung waren in England und Deutschland schon in den sech- ziger Jahren in Anwendung. In den Vereinigten Staaten wurden sie 1877 von J. Hunt auf den Crane-Eisenwerken eingeführt. Bronzeplatten führten Cremer (1884) und Kennedy ein Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 424. . Die Wasserkühlung der Rast, die in Deutschland schon früher in Anwendung war, z. B. zu Mülheim a. d. Ruhr (1874), hat sich Hochöfen. gut bewährt. Statt rings umlaufender Kühlkränze wendet man auch verteilte Kühlkästen an, wie es Fig. 174 zeigt Siehe Ledebur, Handbuch, S. 393. . Zu Mülheim versah Schlink 1881 auch den Schacht mit Kühlkasten Siehe Kerpely, Anlagen von Eisenhütten, Taf. 85, Fig. 1 bis 4. . Es waren 13 offene Kühlringe in je 600 mm Abstand voneinander. Zwischen den Formen legt man zur Kühlung des Gestells auch öfter wassergekühlte Blind- formen ein. C. Fron- heiser führte auf dem Cambria-Eisenwerk statt der Platten eine grössere Zahl von Bronzekühl- kasten ein, die in der Weise, wie Fig. 183 zeigt, angeordnet waren. Fig. 184 zeigt Gestell und Rast eines der neuen Riesen- öfen von Youngstown. Zwei Reihen von Kühl- kästen liegen unter den Gebläseformen, neun Reihen liegen in der Rast. Die Zahl der bronzenen Kühlkasten beträgt über 130. In den Vereinigten Staaten baut man neuer- dings auch in den unteren Teil der Schachtmauer wassergekühlte Platten ein, so z. B. 1895 zu Buffalo Stahl und Eisen 1900, S. 1104. . Aus dem Vorhergehen- den ersieht man, welche Wichtigkeit die Kühl- Fig. 183. Fig. 184. vorrichtungen für den Hochofen erlangt hatten. Statt der ringsum geschlossenen wassergekühlten Windformen wendete G. Hilgenstock Hochöfen. in Hörde Wasserformen an, welche hinten offen waren (Fig. 185). Sie waren leichter zu reinigen, liessen sich besser beobachten, wodurch Fig. 185. Fig. 186. namentlich die Gefahr des Leckwerdens und des Ein- tritts von Wasser in den Ofen vermindert war. Diese hinten offenen Windformen wurden auf mehreren Hüt- tenwerken eingeführt. Ähn- liche Formen waren früher schon von Teichmann, Hodgett (1870), Loyd (1876) und Plum (1878) angewendet worden. Die Lürmanns che Schlackenform war eben- falls nicht nur selbst mit Wasserkühlung versehen, sondern wurde auch in einen aus mit Wasser ge- kühlten gusseisernen Platten hergestellten Kasten ein- gesetzt (Fig. 186). Ferner führte Lürmann auch die Wasserkühlung des Abstich- loches ein, indem er das- selbe mit ähnlichen Kühl- platten umgab. Die vermehrte Wasser- kühlung bei dem Hochofen steigerte den Wasserbedarf bedeutend, rechnete man doch auf jede Windform 60 bis 70 Liter in der Minute, für jeden zugehörigen Kühl- kasten 75 bis 100 Liter in der Minute. Bei einem heissgehenden Hochofen beträgt der Wasserbedarf zur Kühlung an 2000 Liter in der Minute, steigert sich aber bei grossen Öfen mitunter auf mehr als das Doppelte. Diese Wasser- Hochöfen. menge entspricht einem ganz stattlichen Bach. Die Umkleidung der Rast und zuweilen auch des Gestells mit einem geschlossenen Blechmantel, wie z. B. bei dem Ofen von Donawitz (Fig. 178 Vergl. auch Stahl und Eisen 1895, S. 120, Fig. 7, Ofen von Rombach. , hat, wie bei dem gemantelten Schacht, den Nachteil, dass sie das Mauerwerk unzugänglich macht und Reparaturen erschwert, anderer- seits gestattet der Blechmantel der Rast eine energische Kühlung durch Anspritzen von Wasser und hierdurch eine Verschwächung des Mauerwerks bis auf 0,33 m. Lürmann schlug 1887 vor, den Blech- mantel der Rast an die Tragsäulen des Ofens zu hängen. Bei einem Holzkohlenhochofen zu Ria bei Prades in den Ostpyrenäen ging man J. Holtzer, Dorian \& Co. 1892 so weit, die gemauerte Rast ganz durch eine wassergekühlte Blechrast, die nur mit feuerfestem Thon ausgestrichen wurde, zu ersetzen Siehe Bulletin de la soc. de l’industrie minerale, T. XII, II, 1892; Stahl und Eisen 1893, S. 236. , und zu Firminy machte man einen Herd ganz aus Gussstahl von 25 cm Dicke. Die Einführung der Hochöfen mit freistehendem Schacht hatte eine veränderte Konstruktion der Ofengicht zur Folge. Die Plattform des Hochofens, welche bei den Öfen mit Blechmänteln auf an diesen befestigten Konsolen ruhte (Fig. 173), musste durch eiserne Säulen oder Ständer unterstützt werden. Büttgenbach hatte dafür eiserne Rohre genommen, die gleichzeitig zur Gasabführung dienten. Diese Konstruktion ist aber durchaus verwerflich und jetzt überall verlassen. Fig. 175 und 178 zeigen zwei verschiedene Konstruktionen solcher Gichtbühnen. Bei dem Ofen zu Donawitz von 1892 (Fig. 178) tragen die starken Hauptständer zugleich den Ofenschacht. Dieses Gerüst trägt auch den Gasfang. Betrachten wir aber zunächst das Material für das Ofenmauer- werk. Schamotteziegel waren auch in dieser Periode am gebräuch- lichsten. Die Herstellung derselben hatte in Deutschland und Frank- reich grosse Fortschritte gemacht, so dass man nicht mehr von dem Bezug von englischen und belgischen Steinen abhängig war. Im Anfang der siebziger Jahre galten zwar Garnkirksteine in Europa immer noch als die besten; so wurden z. B. 1873 Gestell und Rast des neu aufgebauten Karstenofens zu Gleiwitz noch mit solchen Steinen zugestellt. Heute liefern einheimische Thonwerke Hochofensteine von gleicher Güte. Dieselben haben meist einen Thonerdegehalt von Hochöfen. 36 bis zu 44 Prozent. Ein Zusatz von Rakonitzer Schieferthon hat sich in Österreich und Ost-Deutschland bewährt. Während man früher nur Steine von 150 mm Stärke und 600 mm und mehr Länge nahm, verwendet man jetzt für die Schächte Steine von 100 mm auf 300 mm, ja man hat ganze Hochöfen mit Steinen von 70 bis 80 mm Stärke auf 250 mm Länge erbaut. An Stelle der Schamottesteine hat man zuerst 1887 und dann seit 1890 mehrfach Kohlenstoffziegel, deren Herstellung Burgers ver- bessert hat, meist nur für Gestell und Bodenstein angewendet, doch war der Erfolg wenigstens bei der Darstellung von weissem Roheisen den Hoffnungen nicht immer entsprechend. Graphitziegel waren (nach Pourcel ) schon Anfang der achtziger Jahre in Frankreich zuweilen verwendet worden. Magnesiaziegel haben sich als sehr feuerbeständige Herdsteine bewährt Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 984. . Von der Massezustellung ist man fast ganz abgekommen. Eine eigentümliche Veränderung erleiden zuweilen die künstlichen Hochofensteine durch die Einwirkung und Zersetzung der Gase, indem sie von ausgeschiedenem Kohlenstoff durchdrungen und verdrängt werden; es tritt eine förmliche Metamorphose ein, die für die Stabilität des Ofenschachtes unter Umständen bedenklich werden kann. Pattinson beobachtete eine sehr ausgedehnte Umwandlung dieser Art an einem Hochofen von Bees Iron Works bei Middles- borough, der im September 1870 angeblasen und im Oktober 1875 aus- geblasen worden war. Nach den Untersuchungen von Lowthian Bell wird diese Zerlegung durch Oxyde des Eisens in den Schachtsteinen veranlasst und eingeleitet. Es ist deshalb sehr wichtig, dass die Hochofensteine eisenfrei sind Comptes rendus, Septbr. 1877. . Die Abführung der Hochofengase und die geschlossene Gicht kamen allgemein auch in England und Amerika zur Einführung. Bei den freistehenden Schächten konnte der Gasfang nicht mehr auf dem Mauerwerk aufruhen, sondern wurde mit dem eisernen Gerüste, welches das Gichtplateau trägt, verbunden. Da aber der Schacht durch die Hitze ausgedehnt wird oder wächst, während die Gasglocke feststeht, so wurde es notwendig, einen Verschluss herzustellen. Dies geschah in einfacher Weise durch die von C. Steffen und Lürmann um 1887 unabhängig voneinander erfundene Hochofenstopfbüchse, wie solche an dem Ofen von Donawitz und in ähnlicher Form an Hochöfen. einem Ofen zu Aplerbeck aus den beiden Fig. 187 zu ersehen ist. Das untere Schachtmauerwerk kann sich heben und senken, ohne dass der Schluss mit der oberen Wand des Gasfangs aufgehoben wird. Von den Gasfängen lässt sich im allgemeinen sagen, dass in England und Amerika der einfache Parrys che Trichter mit seitlichem Abzug am allgemeinsten in Anwendung war, während man in Deutsch- land die Gichtverschlüsse mit Centralrohr vorzog. Letztere sind verschiedener Art. Bei dem Hochofen der Friedrich-Wilhelm- hütte bei Mülheim a. d. Ruhr von 1874 (Fig. 174) sieht man eine Kombination des Pforts chen Cylinders mit dem Darbys chen Centralrohr. Bei dem Parrys chen Trichter führte Wrightson Siehe Journal of the Iron and Steel Institute 1872, II, p. 236. um 1871 einen automatischen Verschluss durch Hebel, Gegengewicht und Fig. 187. hydraulische Bremse ein. Den von Hoffs chen Gasfang oder den Parrys chen Trichter in Verbindung mit Centralrohr, wie sie besonders im Ruhr- und im Minettegebiet häufig angewendet wurden, hatte man dadurch verbessert, dass man das Gasableitungsrohr nach unten ver- längerte, so dass sein Rand unter die Beschickungsoberfläche hinab- taucht. Dies befördert das Aufsteigen des Gasstroms in der Mitte des Ofens und die Auflockerung der Beschickung daselbst. Zuweilen begnügte man sich, anstatt das Gasrohr zu verlängern, damit, einen offenen Cylinder in die Mitte einzuhängen, den man auch verstellbar machen konnte Siehe Stahl und Eisen 1890, Taf. IX. . Der Langens che Glockenapparat war vielfach, besonders auch in Oberschlesien, verbreitet. Auch bei diesem hatte man öfter das erwähnte Centralrohr angebracht, zuweilen in Verbindung mit einem eingehängten Ringcylinder und Ableitung eines Teils der Gase am Rand, wie z. B. auf der Aplerbecker Hütte. Der 1874 von G. Buderus auf der Main-Weserhütte angewendete Gasfang ist eine Kombination des von Hoffs chen und Langens chen Gasfangs, bei dem der Verteilungskegel verstellbar ist, wodurch ein besseres Aufgichten der Beschickung ermöglicht wird Vergl. Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 407. . Auch Schlinks verbesserter Parry (1881) bezweckte hauptsächlich eine bessere Ver- teilung der Gichten. Hochöfen. Die Wahl des einen oder des anderen Apparates hing teilweise von der Beschaffenheit der Beschickung ab. Die Bewegung der Gas- fänge geschieht jetzt fast überall durch Dampfaufzüge. Alle vorerwähnten Gichtgasfänge öffnen beim Beschicken den Ofen, wodurch ein Teil der Gase ins Freie entweicht. Dies ist lästig für die Aufgeber und hat einen nicht unbeträchtlichen Verlust an Fig. 188. Wärme zur Folge. Durch zweckmässige Konstruktion und das Bewegen der Gasfänge durch Dampfcylinder hat man die Zeit des Offenstehens der Gas- fänge zum Zwecke der Beschickung sehr ab- gekürzt, so dass sie oft nicht mehr als eine halbe Minute dauert. Weit vollkommener wird aber der Gas- verlust durch die neuerdings in Auf- nahme gekommenen doppelten Gichtver- schlüsse verhindert. Diese sind zuerst in den Vereinigten Staa- ten zur Einführung gekommen und zwar hauptsächlich infolge des dort eingeführten automatischen Aufgichtens. Der älteste doppelte Gichtverschluss ist der von Kennedy und Scott, der 1886 bei den Lucy-Hochöfen bei Pittsburg, Pa., in Anwendung kam. Fig. 188 zeigt seine Einrichtung. Das Aufgichten geschieht so, dass der Hund H , dessen Führungsseil über die oben befindliche Trom- mel läuft, seinen Inhalt in den Schütttrichter g entleert, durch Heben des Kolbens des Dampfcylinders p senken sich vier Bodenklappen wodurch die Beschickung aus dem Trichter g in den geschlossenen Raum b 1 fällt, alsdann wird, nachdem die Klappen wieder geschlossen sind, mittels des Dampfcylinders t und des Hebels r der Parrys che Trichter d gesenkt, wodurch die Beschickung in den Ofen rutscht. Hochöfen. Eine noch bessere Einrichtung der automatischen Begichtung hatte der bald darauf von Fayette Brown erfundene doppelte Gichtverschluss Abgebildet in Stahl und Eisen 1898, S. 891, Fig. 3. . Suppes in Lorain (Ohio) hat diesen in der (Fig. 189) dar- gestellten Weise verbessert. Auch hier wird der Hund i auf ein ausgeschweiftes Geleise geführt und durch An- ziehen des am Hinter- teil befestigten Draht- seils in das Möller- gefäss b , das einen beweglichen Trichter- boden hat, entleert. In England hat Lewes einen doppel- ten Gasfang erfunden. In Deutschland war es die Burbacher Hütte, die zuerst einen von der Dinglers chen Maschinenfabrik in Zweibrücken ausge- führten Parrys chen Trichter mit Deckel- verschluss verwendete. 1898 wurde auf der Fig. 189. neuen Donnersmarkhütte ein von Dr. Neumark entworfener Langens cher Gasfang mit Deckelverschluss Siehe Aufsatz von Oscar Simmersbach , a. a. O., S. 893. eingeführt. Der doppelte Gichtverschluss der neuen Hochofenanlage zu Duquesne entspricht im wesentlichen der Fig. 189 dargestellten Ein- richtung von Suppes zu Lorain (Ohio). Fig. 190 (a. f. S.) giebt ein Gesamtbild eines dieser Hochöfen mit dem Gichtaufzug und der Gas- leitung Vergl. die neue Hochofenanlage in Lorain, Stahl und Eisen 1898, S. 855. . Die Ableitung der Gase erfolgt durch Eisenblechrohre, die bei grösseren Kokshochöfen bis 2,5 m und mehr Durchmesser haben. Nahe dem Gasfang befindet sich ein Absperrventil, welches man häufig selbstthätig mit demselben verbindet. Die Gichtgase müssen Hochöfen. von dem mitgeführten Wasserdampf und Gichtstaub gereinigt werden. Seit Einführung der steinernen Winderhitzer ist die Reinigung von Staub eine noch wichtigere Sache geworden wie früher. Die engen Kanäle der Cowperapparate sind sehr der Gefahr ausgesetzt, sich durch den Gichtstaub zu verstopfen. Der gute Betrieb dieser Wind- Fig. 190. erhitzer hängt deshalb wesentlich von der Staubfreiheit der Gase ab, welche durch die mechanische Reinigung derselben erzielt wird. Hierzu trägt die Weite der Rohr- leitung, welche den Gasstrom verlangsamt und das Absetzen des Staubes befördert, bei. Sodann wird die Reinigung sowohl durch Waschkästen als durch grosse Staubsammelgefässe (Trocken- reiniger) bewirkt. Dieselben sind von sehr verschiedener Form, beruhen aber fast alle auf dem Princip, dass der Gasstrom durch Eintritt in einen weiten Raum verlangsamt wird, wodurch der Staub zu Boden fällt und zwar meist in einen Waschkasten, während das gereinigte Gas, das man öfter durch Scheidewände zwingt, vor seinem Austritt mehrmals auf- und niederzusteigen, am entferntesten obersten Punkte Hochöfen. abgeleitet wird. Eine einfache Anlage dieser Art sehen wir an dem Hochofen von Mülheim (Fig. 174). Eine andere wirksamere Anlage ist der Staubreiniger der Hochofenanlage von Metz \& Co. zu Esch in Luxemburg (Fig. 191, 192 Aus Stahl und Eisen 1890, Taf. XI. . Bei der Verhüttung zinkischer Fig. 191. Fig. 192. Erze macht man die Gasreinigungs- apparate noch grösser und kompli- zierter Daselbst 1886, S. 532; 1889, S. 920. . Bei horizontalen Gas- leitungen müssen unten trichterförmige Staubsäcke angebracht werden, um den Staub von Zeit zu Zeit entfernen zu können Daselbst 1896, S. 955; 1897, S. 55. . Patente für Trockenreiniger für Hochofengase nahmen unter anderen H. Macco (D. R. P. Nr. 24557 vom 7. Jan. 1883), H. Macco und O. Schrader (D. R. P. Nr. 28003). Möllers Patent (D. R. P. Nr. 17085) bezweckte Filtration der Hochofengase durch Schlacken- wolle. Fig. 193 (a. f. S.) zeigt eine solche Gichtgasreinigung der Redenhütte in Oberschlesien Vergl. auch die Beschreibung der Cavernes secs zu St. Nazaire von Const. Steffen ; Stahl und Eisen 1883, S. 69. . Für staubarme Gase genügt die Trockenreinigung, für staubreiche Gase wendet man Waschkästen und Brausen an. Belani erfand schon 1876 einen Staubanfeuchter. In England wurden 1883 Gaswaschapparate angegeben von J. Alexandre und M’Cosh , von Young und Beilby , von Neilson , von Addie , von Ingham u. a. Hochöfen. Für die Nassreiniger benutzt man öfter die Körtings chen Streu- düsen, um durch fein verteilten Dampf und Wasser den Staub nieder- zuschlagen Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 145. . Neuerdings ist ein von Eduard Theisen erfundenes Centrifugal- gasreinigungsverfahren Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 1037. in Aufnahme gekommen. Die Reinigung Fig. 193. geschieht in einem Cylinder- kessel mittels einer rasch rotierenden Flügeltrommel, die Staub und Wasser nach der Peripherie treibt. Dr. H. Möller reinigte 1884 die Hochofengase zu Creutzthal mittels Durchleiten durch Schlackenwolle (D. R. P. Nr. 26663). Die bessere Reinigung der Hochofengase hat wesentlich zu der Ver- breitung der für die Fort- schritte des Hochofenbetriebes so wichtigen steinernen Wind- erhitzer beigetragen. Welche Mengen von Gicht- staub die Hochofengase zu- weilen aber mit sich führen, haben (um 1876) die Messungen von Stöckmann, Wolters, Wiebner u. a. bewiesen. Letzterer ermittelte bei einem Hochofen zu Gleiwitz 57 kg auf die Tonne oder 2000 kg in 24 Stunden. Bei den Gichtaufzügen , welche die Schmelzmaterialien auf den Ofen besorgen, sind Fortschritte darin gemacht worden, dass man sie, entsprechend dem intensiveren Betriebe, stärker und geräumiger anlegte. Wasseraufzüge werden bei den hohen Öfen kaum mehr angewendet. Der von Gjers Anfang der siebziger Jahre konstruierte pneumatische Gichtaufzug (Fig. 194), bei dem die Bewegung der Bühne und Förderwagen ( d ) durch einen, in einem hohen Rohr sich Hochöfen. durch Luftüberdruck und Luftverdünnung auf- und abbewegenden Plunger-Kolben erfolgt, hat auf mehreren Hütten Anwendung ge- funden. In den meisten Fällen geschieht aber die Förderung mit unmittelbarer Seilbewegung mit Hülfe einer Dampfmaschine, die man aber bei den hohen Öfen nicht mehr, wie früher vielfach, auf die Gicht, sondern auf die Hüttensohle stellt. Es sind meist liegende Zwillingsmaschinen ohne Schwung- rad, welche eine Seiltrommel bewegen, auf der sich die beiden über Seilscheiben laufen- den Drahtseile in entgegensetzter Richtung auf- und abwickeln. In den Vereinigten Staaten bediente man sich in den siebziger Jahren ebenfalls noch vielfach pneumatischer Aufzüge, neuer- dings ist man infolge der Einführung der mechanischen Beschickung der Hochöfen wieder zu den schiefen Ebenen zurück- gekehrt. Der Niedergang der Gichten im Hoch- ofen und das Zeichen zur Aufgabe einer neuen Gicht wird schon seit langer Zeit durch selbstthätige Signal- und Registrier- apparate bewirkt. Zum Aufgeben der Schmelzmaterialien hat man verschiedene mehr oder weniger selbstthätige Apparate konstruiert. Die Fig. 194. Crane-Elevator-Company baute solche 1872 für die Joliet- und Vulcan- werke. Wrightson erfand Anfang der siebziger Jahre einen hydrau- lischen Chargierapparat für Hochöfen mit Parrys chem Trichter. Gicht- aufzüge mit selbstthätiger Begichtung wurden in den Vereinigten Staaten seit Ende der siebziger Jahre immer mehr eingeführt, unter anderen hatte Weimer einen solchen Apparat für die Lebanonöfen konstruiert. Die österreichisch-ungarische Staatseisenbahngesellschaft hatte auf ihrem Hüttenwerk Anina die Einrichtung getroffen, die ganze Gicht durch einen einzigen Wagen in den Fülltrichter des Hochofens zu stürzen Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 992. . Der von Fayette-Brown erfundene, um 1887 auf dem Riverside- Hochöfen. Fig. 195. Eisenwerk zu Sten- berville, Ohio, er- baute Aufzug besteht aus einer steilen, schiefen Ebene mit selbstthätiger Ent- leerung der Wagen. Eine ähnliche ma- schinelle Begichtung führte Sam. Thomas 1887 zu Catasauqua, Pa., ein Siehe Stahl u. Eisen 1888, S. 303, Taf. VIII. . Fig. 195 zeigt die Einrichtung der Hochöfen in Thomas, Alabama, welche 1887 erbaut wurden. Das Verfah- ren von J. Kennedy und Scott bei dem Lucy-Ofen, Pitts- burgh (1886), besteht in automatischem Öffnen und Schliessen des Gichtverschlusses und Ausstürzen in den Trichter. In Deutschland wurden selbstthätige Beschickungsvorrichtungen angegeben von Sattler 1879, von van Vloten 1886, von F. W. Lürmann 1890 (D. R. P. Nr. 57164), desgleichen von Wiborgh 1886 und Tholander 1891 in Schweden. Zu Anina in Ungarn bediente man sich 1888 eines um den Gasfang fahrbaren Tisches. Eine hydraulische Beschickungsvorrich- tung von Kitson war 1889 zu Barrow in England im Betriebe. Einige neue ameri- kanische Aufgebevorrichtungen, besonders die von Max M. Suppes in Lorain O. Daselbst 1898, S. 409. , haben wir oben (S. 475) bereits erwähnt. Hochöfen. Hierzu kommt noch eine von Walter Kennedy Vergl. auch Stahl und Eisen 1899, S. 771. , die zuerst auf den Hochöfen zu Daluth 1899 eingeführt wurde und dann in Pennsyl- vanien rasche Verbreitung fand; ferner eine von J. L. Stevenson in Redcar patentierte (Engl. Pat. Nr. 27565 vom 24. November 1897) Daselbst 1899, S. 890. . Fig. 196. Bei E. G. Rusts neuem Gichtaufzuge, Fig. 196 Daselbst 1900, S. 1147, Fig. 1. , läuft der eine Wagen über dem anderen her, wodurch die Brücke schmäler ge- halten werden kann. Mit dieser mechanischen Begichtung der Hochöfen sind meist grossartige verbesserte Ladevorrichtungen Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 299. verbunden. Die zweckmässigste Anlage einer Hochofenhütte ist zu sehr von Beck, Geschichte des Eisens. 31 Hochöfen. den lokalen Bedingungen abhängig, als dass es möglich wäre, dafür allgemein gültige Normen aufzustellen. Eine reiche Litteratur über diesen Gegenstand, welche in den letzten 25 Jahren entstanden ist, giebt aber dem Praktiker ausreichende Mittel an die Hand, in jedem einzelnen Falle das richtige zu treffen. Wir verweisen besonders auf die in unserer Übersicht der Litteratur angeführten Werke von Kerpely, Dürre und Wedding . Die Kosten für die Anlage eines Hochofens mit Zubehör sind besonders durch die steinernen Winderhitzer sehr gestiegen. Die Hochofenanlage zu Dognatzka mit zwei Hochöfen kostete 1858/60 525475 Mark, die von Newport bei Middlesborough mit zwei Öfen 1869/70 1126600 Mark, die von Mülheim a. d. Ruhr mit zwei Öfen 1872/74 2786700 Mark. Bei letzterer sind einbegriffen 500000 Mark für eine Lokomotivbahn und 320000 Mark für 80 Coppéeöfen für Koksfabrikation, die beiden Öfen für sich allein kosteten nur 495000 Mark. Sir B. Samuelson und F. W. Lürmann stellten 1887 folgende Kostenberechnungen an: Wenden wir uns zu den Fortschritten im Betriebe der Hoch- öfen seit 1870, so springt zunächst der grosse Einfluss, welchen der Aufschwung der Flussstahlfabrikation ausgeübt hat, in das Auge. Das Bessemerroheisen erfordert phosphor- und schwefelfreie Erze und da diese in den eisenerzeugenden Ländern nicht in ausreichender Menge gefördert wurden, sahen sich die meisten derselben auf die Einfuhr fremder Erze, unter denen die von Spanien, Elba und Algier die wichtigsten waren, angewiesen. Dieser Bezug fremdländischer Eisenerze nahm einen ausserordentlichen Umfang an. Die Ausfuhr von Bilbao, die 1866 nur 12890 Tonnen betragen hatte, war 1878 auf Hochöfen. 1224730 Tonnen, 1890 auf 4272918 Tonnen gestiegen, wovon Eng- land etwa 70 Prozent entnahm. Die Einfuhr fremder Erze betrug beispielsweise 1874 in: England 2728672 Tonnen Belgien 1487748 „ Frankreich 1412710 „ Deutschland 980442 „ Vereinigte Staaten 487820 „ Seit Mitte der siebziger Jahre wurden auch die Kiesabbrände, d. h. die Rückstände der kupferhaltigen Schwefelkiese von Rio Tinto, welche für die Darstellung der Schwefelsäure gebrannt wurden, ihres hohen Eisen- und geringen Phosphorgehaltes wegen unter dem Namen Purple-ore besonders für die Darstellung von Bessemerroheisen ein- geführt. Esskuchen mischt das pulverförmige Purple-ore mit Gicht- staub und brennt daraus Erzsteine Patent von Esskuchen und Haarmann vom 12. Septbr. 1891. Ähnliche Patente nahmen Schüchtermann und Kremer 1894. . Infolge der Verwendung reicher ausländischer Erze sanken die einheimischen, phosphorhaltigen Erze im Wert, und der Eisenstein- bergbau ging an vielen Orten zurück. Dies änderte sich, als nach der Erfindung des Thomasverfahrens im Jahre 1879 phosphor- reiche Erze gesucht wurden und auch die gewöhnlichen phosphor- haltigen Erze im Wert stiegen, denn man erstrebte bei dem meist weissen Thomasroheisen einen Phosphorgehalt von 2 bis 3 Prozent. Auf dem europäischen Kontinent waren es besonders die Minetteerze in Luxemburg und Lothringen, die nicht nur in gesteigertem Masse in diesen Ländern verhüttet, sondern auch in grossen Mengen nach dem Saargebiet, Frankreich, Belgien und nach Rheinland und West- falen ausgeführt wurden. In neuerer Zeit ist der überseeische Bezug der phosphorhaltigen Magneteisensteine aus dem nördlichen Schwe- den in Zunahme begriffen und hat 1897 das Gellivarafeld allein 623110 Tonnen geliefert, wovon der grösste Teil ausgeführt wurde. Man sucht durch diese hochprozentigen Erze gleichzeitig den Eisengehalt der Beschickung und dadurch die Produktion zu erhöhen, ein Bestreben, welches besonders durch die grossen Leistungen nord- amerikanischer Hochöfen angeregt worden ist. Wieweit dies vorteil- haft ist, wird zunächst immer eine Frage der Frachtkosten für jedes einzelne Werk sein. 31* Hochöfen. Eine andere Wirkung der Ausbreitung der Flusseisenbereitung auf den Hochofenbetrieb bestand darin, dass die Öfen mehr wie früher nur auf eine bestimmte Sorte Roheisen betrieben wurden und da der Konsum der grossen Konverter ein sehr gesteigerter war, so trat das Bestreben nach hoher Produktion der Hochöfen noch mehr in den Vordergrund wie vordem. Ganz besonders kam dies in den Ver- einigten Staaten von Nordamerika zur Erscheinung; der dortige forcierte Betrieb erregte Aufsehen und blieb nicht ohne Einfluss auf die Eisenwerke Europas. Bei der grösseren Höhe der Kokshochöfen hatte das Rösten der Erze wenig ökonomischen Vorteil, indem sich die Röstung im allge- meinen genügend und billiger im Hochofen selbst vollzog. Man wendete eine besondere Röstung der Erze deshalb meistens nur noch für Holzkohlenöfen und für gewisse Erz- und Eisensorten, namentlich für Eisenspate, die auf Spiegeleisen verschmolzen wurden, dann aber auch für Magneteisensteine und die Erze des Clevelanddistriktes an. Dagegen hat sich ein Vorwärmen der Beschickung auf manchen Hütten als vorteilhaft erwiesen Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1887, S. 489. , z. B. zu Rokitzan, wo es L. Nessel 1875 eingeführt hatte. Das Trocknen der Holzkohle vor dem Auf- geben bewährte sich in Schweden Siehe Österreich. Berg- und Hüttenmänn. Zeitschr. 1877, S. 179. . Der Koksbetrieb überflügelte noch mehr wie früher den Betrieb mit Holzkohlen oder mit rohen Steinkohlen. Der Versuch, die Stein- kohlen im oberen Teil des Hochofens durch Gichtgase zu ver- koken, hatte keinen besonderen Vorteil gewährt und ist der Ferrie- ofen, der zu Anfang der siebziger Jahre in England Aufsehen erregte und auf mehreren Eisenwerken eingeführt wurde, wieder verschwunden. Ebensowenig haben die Vorschläge für Gas- Gashochofen von Fr. Reiser , siehe Polyt. Centralblatt 1875, S. 170; von Bèrard, D. R. P. Nr. 5900 vom 22. Oktober 1878. und Petroleumhoch- öfen Über einen Petroleumhochofen von Ch. Plagge siehe Dinglers polyt. Journ. 1876, II, S. 213. bis jetzt einen Erfolg gehabt. Zu Kalan in Siebenbürgen schmolz man 1872 mit drei Viertel Braunkohlen und einem Viertel Holzkohlen, später (1874) mit Braun- kohle und Koks. Ebenso seit 1874 zu Zeltweg, wo 40 Prozent Koks durch Braunkohlen ersetzt wurden. In Vorderenberg setzte man 1882 ebenfalls Braunkohlen zu Friederici in Österreich. Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1882. . Nessel brachte 1875 einen liegenden Hochofen mit mechanischer Hochöfen. Vorwärtsbewegung der Beschickung für Braunkohlenbetrieb in Vor- schlag Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1875, S. 197. . Wie das Rösten der Erze, so scheint auch das Brennen des Kalkes als Zuschlag bei den hohen Öfen als überflüssig und nur aus- nahmsweise von Nutzen zu sein. Doch hat diese Frage zu lebhaftem Meinungsaustausch Veranlassung gegeben. Gruner empfahl 1871 die Anwendung von gebranntem Kalk, welche eine Ersparnis von 10 Pro- zent Koks im Hochofen bewirken sollte. Der Kalk wurde in Hofmann- schen Ringöfen totgebrannt. Cochrane trat (1889) in England lebhaft für die Verwendung des gebrannten Kalkes ein Siehe Journ. of the Soc. f. Chem. Indust. 1889, S. 89; Stahl u. Eisen 1894, S. 1011 und 1053. . Von anderen Zuschlägen sind seit Anfang der siebziger Jahre die Manganerze (Braunsteine) wichtig geworden, indem man mangan- reiches Spiegeleisen nicht mehr ausschliesslich aus Spaterzen, sondern auch aus anderen reinen Eisenerzen unter Zuschlag von Manganerzen darstellte. In dieser Weise schmolz man seit 1871 zu Jauerburg in Kärnthen ein spiegeliges Eisen mit 12 bis 22 Prozent Mangangehalt. In Russland erblies man seit 1870 Spiegeleisen aus eisenreichen Manganoxyden, in Schweden unter Zuschlag von Knebelit (manganreichem Eisensilikat). Der deutsch-französische Krieg 1870 hatte zur Spiegeleisenerzeugung in ausserdeutschen Ländern bei- getragen, weil dadurch der Bezug aus dem Siegerland abgeschnitten war. Auch zu Ebbw-Vale in England wurde seit 1872 Spiegeleisen aus manganhaltigen spanischen Eisenerzen (Carthagenaerzen) gemacht; ebenso 1873 auf Siemens ’ Eisenhütte zu Landore und in Cleveland. Eine englische Beschickung für Spiegeleisen aus manganhaltigen spanischen Erzen bestand aus 76 Centner Erz, 16 Centner Kalk und 45 Centner Koks. Das erblasene Spiegeleisen enthielt 84,37 Tle. Eisen, 9,85 Tle. Mangan, 4,20 Tle. Kohlenstoff, 0,32 Tl. Graphit, 0,99 Tl. Silicium, 0,04 Tl. Schwefel und 0,09 Tl. Phosphor. Die dabei gefallene Schlacke bestand aus 29,70 Kieselsäure, 14,90 Thonerde, 48,20 Kalk, 4 Magnesia, 3 Manganoxydul. Man gewann aber nicht nur mangan- reiches Spiegeleisen, Ward in Amerika und Pourcel in Terre noire in Frankreich erbliesen 1883 bei sehr heissem Ofengang auch graues Roheisen mit 15 Prozent Mangangehalt. Eisenverbindungen mit noch höherem Mangangehalt, Ferro- mangan , wurden seit Ende der siebziger Jahre ebenfalls im Hochofen Hochöfen. dargestellt, doch hatte dieser Schmelzprozess mit mancherlei Schwierig- keiten zu kämpfen. Sehr basische Schlacke und hohe Schmelz- temperatur sind Haupterfordernisse. Dabei verflüchtigt sich bei der hohen Hitze ein Teil des Mangans, nach Whiting bei 83 Prozent Mangangehalt des Produktes 5,4 Prozent des Mangans der Beschickung, nach Schilling Siehe Stahl und Eisen 1882, S. 233. bei einem Eisenmangan von 60 bis 70 Prozent Mangan sogar bis zu 17 Prozent. Ferner entsteht bei dem Betriebe auf Ferromangan sehr leicht Oberfeuer im Hochofen, teils dadurch, dass infolge des geringeren Wärmeverbrauchs der ganze Ofen heisser ist, besonders aber dadurch, dass die höheren Oxyde des Mangans im Schacht schon Sauerstoff abgeben, der eine lebhafte Verbrennung daselbst bewirkt. Es ist deshalb zweckmässig, die Manganerze vorher zu brennen, und zwar in einem Herdofen mit geneigter Sohle, wie der Mosers che Röstofen (A. Ledebur ). Ein dritter Übelstand ist, dass das Gestell durch die heisse, fressende, manganoxydulhaltige Schlacke sehr schnell zerstört wird. In Nischne-Tagilsk hat man deshalb für die Darstellung von Ferro- mangan kleine Schmelzöfen mit auswechselbarem Gestell angewendet Siehe Dinglers pol. Journ. 1881, I, S. 232 (Jossa). . Während man früher, freilich vergeblich, versuchte, durch Zu- schläge den Phosphor im Hochofen abzuscheiden, schlägt man um- gekehrt seit Einführung des Thomasverfahrens vielfach phosphorreiche Verbindungen zu, um einen höheren Phosphorgehalt des Roheisens zu erzielen. Hierfür dienten bis jetzt besonders die Puddel- und Schweiss- schlacken, welche als unnützer Abfall der Puddel- und Walzwerke in grossen Halden aufgespeichert waren. Durch diese Verwendung stiegen dieselben sehr im Werte, von 1880 bis 1887 in Westfalen von 8 auf 100 Mark die Tonne; infolge- dessen verschwanden die alten Halden in kurzer Zeit. Das Ver- schmelzen dieser Schlacken im Hochofen nach der Lang-Freys chen Methode kam ganz ausser Gebrauch. Die Darstellung von Thomasroheisen war nicht nur dadurch vorteilhaft, dass grosse Mengen seither minderwertiger Erze mit Vor- teil verhüttet werden konnten, der Hochofenbetrieb selbst war viel ökonomischer als bei Bessemerroheisen. Für das weisse Roheisen ersparte man im Vergleich mit dem grauen Bessemerroheisen etwa 400 kg Koks auf die Tonne; dabei war die Produktion grösser. Man Hochöfen. konnte mit Leichtigkeit in Öfen von 250 bis 300 cbm Fassungsraum 100 Tonnen Roheisen in 24 Stunden erblasen. Man schätzte 1882 in Deutschland die Ersparnis auf 22 Mark für eine Tonne, die Mehr- produktion auf 25 bis 30 Prozent. Ein gutes Thomasroheisen sollte enthalten 1¼ bis 2½ Prozent Phosphor, 1 Prozent Mangan bei schwefelfreiem, 2½ bis 3 Prozent Mangan bei schwefelhaltigen Erzen, der Siliciumgehalt sollte 0,3 bis 0,5 Prozent nicht übersteigen. Hilgenstock wies 1884 nach, dass, entgegen der verbreiteten Meinung, Phosphor im Hochofen in nachweisbaren Mengen nicht ver- flüchtigt wird. Phosphor verdrängt Silicium und Kohlenstoff im Roh- eisen, indem sich beide auf Kosten des Sauerstoffs der Phosphorsäure oxydieren. Zunächst für die Bessemerstahlbereitung, später auch für Giesserei- zwecke stellte man seit Anfang der siebziger Jahre ein sehr silicium- reiches Roheisen unter dem Namen glazed pig in England und fonte glacée in Frankreich dar. Hierzu war nach S. Jordan (1873) ein langsamer, sehr heisser Ofengang bei kieselsäure- und thonerdereicher Beschickung erforderlich. Hierbei fiel ein bis zu 8 Prozent Silicium haltendes Roheisen, das mit zunehmendem Siliciumgehalt hellere Farbe und grösseres Korn erhielt. Pugh Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 934, 1134. , Direktor der Société metallurgique de l’Est zu Longwy, will neuerdings (1898) einen grossen Vorteil und blasenfreies Roh- eisen (fonte à peau lisse) dadurch erzielen, dass er zwischen Wind- erhitzer und den Formen einen Einspritzapparat für schwere Öle ein- schaltet (D. R. P. Nr. 105144). Das Mischen der Erze und Zuschläge vor dem Aufgichten auf einem Möllerboden, das Möllern , liess sich bei der grossen Produktion der Hochöfen nicht mehr durchführen. Statt dessen mischt man die Beschickungsmaterialien beim Aufgeben in den Fülltrichter des Gas- fanges. Das Chargieren geschieht jetzt schon vielfach, namentlich in Amerika, automatisch. Über die Berechnung der Beschickung hat Mràzek Siehe Mràzek, Jahrbuch von Leoben etc., XVIII, S. 282. 1868 eine gründliche Arbeit geliefert. Er ermittelt den Sauerstoffgehalt der Basen und der Kieselsäure und berechnet nach stöchiometrischen Grundsätzen die Beschickung nach dem erforderlichen Silikat in der Schlacke. Die Summe der Säureäquivalente muss sich zur Summe Hochöfen. der basischen Äquivalente so verhalten, wie es die durch den Sili- cierungsgrad der zu bildenden Schlacke angegebene Verhältniszahl vorschreibt. Dieses etwas umständliche Verfahren hat Platz Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 2. ver- einfacht, indem er sich darauf beschränkt, gewisse Gewichtsverhält- nisse zwischen Säuren (SiO 2 und Al 2 O 3 ) und Basen herzustellen. Man suchte den Eisengehalt in der Beschickung zu erhöhen und die Schlackenmenge zu vermindern; während man früher annahm, dass Schlacke zu Eisen mindestens wie 1 : 1 sich verhalten mussten, galt 1880 0,6 : 1 für ausreichend. Das Vorwärmen der Hochöfen und das Anblasen suchte man möglichst zu beschleunigen; so erzielte man beispielsweise bei einem 24,3 m hohen Hochofen in Alabama den ersten Abstich am vierten Tage nach Beginn des Vorwärmens. Für das Abstechen des Roheisens hat man in Amerika zum Öffnen und zum Schliessen des Stichlochs Maschinen konstruiert Daselbst 1892, S. 1090; 1896, S. 88; 1897, S. 642. . Das Schliessen des Stichlochs geschieht jetzt in den Ver- einigten Staaten durch Dampfdruck mittels der sogenannten Thon- kanone Daselbst 1900, S. 474. . Dadurch werden Reparaturen und Stillstände vermindert. Die amerikanische Stichstopfmaschine ist jetzt auch in Witkowitz eingeführt. Das Einformen der Masseln geschieht jetzt meist so, dass man immer ein ganzes Masselbett, d. h. ein Stück Laufrinne mit einer Anzahl Masselformen, gleichzeitig einformt. Ferner wendete man zuerst in Amerika sowohl zum Ausheben der Masseln, als zum Zerteilen derselben Maschinen an. Solche Masselbrecher waren in den Vereinigten Staaten schon 1882 in Anwendung Daselbst II, S. 77. . Zum Ausheben der Masseln hatten Hughes \& Gowthorp 1889 auf der Ausstellung in Pittsburg einen riesigen Elektromagneten in Form einer Glocke von 3300 kg Tragfähigkeit ausgestellt. Auf der Hochofenhütte der Dowlais-Gesellschaft bei Cardiff werden die noch zusammenhängenden Masseln mittels eines elektrisch betriebenen Laufkrahns aus den Gussbetten gehoben und dann auf den von Martin und James 1892 erfundenen hydraulischen Masselbrechern (E. P. 1892, Nr. 12873) Daselbst 1892, S. 881. gebrochen. Hochöfen. Der Masselbrecher von Blake war für Dampf- und Riemen- betrieb Iron, November 1881; Stahl und Eisen 1882, S. 76. . Auch W. Truran in Middlesborough (E. P. vom 11. August 1892, Nr. 14495) und J. W. Armstrong und James (E. P. vom Fig. 197. 19. September 1892, Nr. 16696) A. a. O. 1894, S. 407; Kerpelys Fortschritte für 1894, S. 114. erfanden solche Maschinen. Fig. 197 zeigt das Ausheben der Masseln und Fig. 198 das Brechen derselben nach einer Darstellung von John S. Kennedy Iron age 1894, p. 184; Stahl und Eisen 1894, S. 847. . Da man das Bessemer- und Thomasroheisen jetzt meist flüssig den Konvertern zuführt, so sind hierzu besondere Giesspfannen- wagen erforderlich. Fig. 199 (a. f. S.) zeigt einen solchen, wie er auf der Cambriahütte und anderen amerikanischen Eisenwerken 1897 gebräuchlich war. Henry D. Hibbard in High Bridge, New Jersey, hat 1893 eine bewegliche Fig. 198. Hochöfen. Fig. 199. Fig. 200. Hochöfen. Drehscheibe (Fig. 200 Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 253. ) erfunden, in welche er das flüssige Roheisen einfliessen lässt, um sandfreie Masseln zu erhalten. 1896 wurde ein von Ed. A. Uehling erfundener Apparat zum Giessen und Transportieren der Masseln Daselbst 1900, S. 25. von der Carnegie-Gesell- schaft auf dem Lucyofen bei Pittsburgh eingeführt: Er bestand Fig. 201. aus einem wenig geneigten Paternosterwerk, dessen Becher die Masselformen bildeten, in die das flüssige Roheisen aus dem Hochofen mit Hülfe einer grossen Giesspfanne geleitet wurde. Die endlose Kette mit den Masselformen bewegt sich langsam weiter, das Eisen wird gekühlt, erstarrt und gelangt am Ende auf ein rechtwinklig laufendes Transportband, das die Masseln den Eisen- bahnwagen zuführt und sie in diese fallen lässt. Fig. 201 zeigt die Anlage. A ist der Hochofen, B die fahrbare Giesspfanne, die durch die T -förmige Rinne C das flüssige Eisen der paarweise angeordneten Giessvorrichtung D D' , die sich in der Pfeilrichtung bewegt, zuführt. Die Geschwindigkeit beträgt 4½ m in der Minute, Hochöfen. und da die Länge der Kette von einer Trommel zur anderen 27 m beträgt, so braucht jede Massel sechs Minuten, bis sie auf das Transportband M , das sie den Eisenbahnwagen zuführt, gelangt. Hierbei passieren sie den Wasserbehälter M 1 , wodurch die Abkühlung beschleunigt wird. Die zurückkehrenden leeren Masselformen werden durch eine Vorrichtung bei N mit Kalkmilch bespritzt, um das An- haften des Eisens zu vermeiden. Diese Einrichtung hat sich bewährt und wurde auch auf dem von derselben Gesellschaft erbauten grossen Duquesne-Ofen eingeführt. Fig. 202. Fig. 202 zeigt die Uehlings che Vorrichtung zum Giessen, Fort- bewegen und Verladen der Masseln. Das hier angewendete Verfahren des Transports durch endlose Ketten ist in den Vereinigten Staaten vielfach in Anwendung. Eine ähnliche von David Baker in Chicago 1898 erbaute Vor- richtung hat kippbare Masselformen und Wasserkühlung, wodurch Entleerung und Verladung beschleunigt werden. Howden führte bei den Hochöfen der Cambria-Eisengesellschaft dieselbe Konstruktion zum Schlackentransport ein. Hibbards Zellenrad wurde von R. W. Davies in ähnlichem Sinne verbessert (D. R. P. Nr. 108703) Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 622. . Die Masselformen an der Peripherie sind doppelseitig und drehbar und entladen die Masseln in einen Trichter, der sie den Eisenbahnwagen zuführt Siehe a. a. O. 1898, S. 621; 1900, S. 104, 605. . Eine ähnliche ringförmige Giessmaschine hat Erskine Ramsay neuerdings erfunden. Hochöfen. Der von J. W. Miller in London 1899 patentierte endlose Giesstisch (D. R. P. Nr. 107703) ist der Uehlings chen Maschine ähnlich. Auch K. Orth in Donawitz hat eine Roheisen-Giess- vorrichtung erfunden Siehe a. a. O. 1900, S. 103. . Je grösser die Hochöfen wurden und je mehr ihre Tageserzeugung stieg, um so wichtiger wurde der Materialientransport , wofür immer grossartigere Anlagen erfunden wurden, besonders in den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Doch folgten bald auch die grossen Hüttenwerke Europas diesem Beispiel. Hierzu gehören z. B. die Draht- seilbahnen zu Rümelingen in Luxemburg und zu Krompach in Ungarn Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 132. , von J. Pohlig erbaut, die Gichtseilbahn der Maximilianshütte zu Unterwellenborn von Bleichert \& Co., die fahrbaren Dampfkranen auf Portalgerüsten der Dortmunder Union, die fahrbaren Ent- und Beladebühnen vielfach mit elektrischem Betriebe, die den Lauf- kranen nachgebildeten riesigen Entladevorrichtungen, worunter die amerikanischen von Hunt den grössten Beifall gefunden haben. Solche sind auf deutschen Hütten von J. Pohlig ausgeführt zu Kratzwieck bei Stettin und auf der Vulcanhütte bei Duisburg. Bemerkenswert sind die Vorrichtungen zum Entladen ganzer Eisenbahnwagen von Akron \& Co. in Buffalo Daselbst S. 143. . In der Verwertung der Hochofenschlacken sind ebenfalls in den letzten 25 Jahren grosse Fortschritte gemacht worden. Die Schlackenwolle hat zwar den Hoffnungen nicht immer entsprochen und wurde die Fabrikation derselben auf den meisten Hütten wieder ein- gestellt, um so mehr bewährte sich die Granulation, die Fabrikation von Schlackensand und die Verarbeitung derselben zu Schlacken- steinen und zu Schlackencement Daselbst 1898, S. 205. . Lowthian Bell wollte Anfang der achtziger Jahre noch nicht zugeben, dass eine Erhöhung der Windtemperatur über etwa 530° C. einen entsprechenden Nutzen bringe; Howden wies aber an einem Beispiel nach, dass die Erhöhung der Windtemperatur von 532 auf 768° C. eine Produktionsvermehrung um 60 Tonnen pro Woche und Koksersparnis von 100 kg pro Tonne ergab. W. Howdens Schmelzversuche bei verschiedenen Windtempe- raturen in demselben Hochofen ergaben nachstehendes Resultat: Hochöfen. Der heisse und gepresste Wind ist das wichtigste Mittel für einen guten Betrieb des Hochofens. Durch Erhöhung oder Verminde- rung der Windtemperatur und der Pressung regelt man den Ofen- gang und die Produktion. Die Apparate für die Winderhitzung haben wir oben beschrieben; die steinernen, in denen man den Wind leicht auf ca. 800° erwärmen konnte, fanden immer mehr Anwendung. Die älteren Cowper-Apparate wurden anfangs durch die Winderhitzer von Whitwell verdrängt, die namentlich auf dem europäischen Kontinent vorgezogen wurden. In Deutschland wurden 1881 24 Hoch- öfen mit Whitwell- und nur drei mit Cowper-Apparaten betrieben. Indes genügten auch die älteren Whitwell-Apparate bald nicht mehr, da sie zu wenig Heizfläche hatten. Man verbesserte sie Anfang der achtziger Jahre dadurch, dass man sie beträchtlich erhöhte und die Anzahl der Schlangenwindungen verminderte. Trotzdem konnten sie sich gegen die verbesserten Cowper-Apparate auf die Dauer nicht halten. Die Windtemperatur ist in den letzten 25 Jahren im Durch- schnitt von 500° C. auf 800° C. durch die steinernen Winderhitzer gestiegen. Je heisser der Wind zugeführt wird, je vollständiger voll- zieht sich die Verbrennung vor den Formen, je höher ist die Tempe- ratur im Schmelzraum. Dadurch, dass der Sauerstoff des Windes vor und über den Formen vollständig mit Kohle verbrennt, findet keine Wärmeentwickelung im Ofenschacht statt, kein Oberfeuer und es tritt die auffallende Erscheinung ein, dass die Gichtgase um so kälter den Ofen verlassen, je heisser der Wind ist. Nach J. Wolters’ Versuchen 1875 betrug die Wärme der Gichtgase bei 200° warmem Wind 180°, bei 400° 160°, bei 600° 140°, bei 800° 120°, bei 1000° nur 100° C. Es resultiert also eine viel bessere Ausnutzung der Wärme. Das Trocknen des Windes wurde schon empfohlen von Fryer in Colefort (Glocestershire) 1890 und von W. Henry in Amerika 1891. Bei Störungen und Versetzungen im Hochofen blies man mit dem Winde öfters feste oder gasförmige Substanzen ein. Alberts zu Aplerbeck konstruierte 1878 hierfür einen Apparat. In Nordamerika Hochöfen. bediente man sich einer Art von Petroleumlötrohr zum Wegschmelzen von Ansätzen, welches Kapitän Jones auf den Edgar-Thomsonwerken 1885 eingeführt und, nachdem die Hochöfen von Ende Dezember 1885 bis 20. Januar 1886 infolge eines Arbeiterausstandes gedämpft gewesen waren, mit Erfolg angewendet hat. Zu Schwechat spritzte Toldt 1884 Petroleum mit einer Feuerspritze ein. Pughs Apparat wurde schon S. 488 erwähnt. Mit der Grösse der Öfen und der Temperatur des Windes steigerte man auch die Pressung . Der Druck des Windes ist in erster Linie von der Art des Brennmaterials abhängig. Holzkohlen gestatten nur eine schwache, Anthracitkohlen verlangen eine starke Pressung. Wedding gab 1868 den Überdruck des Windes pro Quadrat- centimeter in Holzkohlenöfen zu 0,050 bis 0,150 kg „ Kokshochöfen „ 0,075 „ 0,220 „ „ Anthracitöfen „ 0,185 „ 0,300 „ an Siehe Wedding , Handbuch der Eisenhüttenkunde etc. Bd. II, S. 68, wörtlich: bei Holzkohlenöfen ¾ bis 2 Pfund pro Quadratzoll „ Kokshochöfen 1 „ 3 „ „ „ „ Anthracitöfen 2½ „ 4 „ „ „ . Bei den Kokshochöfen wächst die Pressung mit der Festigkeit der Koks und der Höhe der Öfen, sie ist aber auch abhängig von der Natur der Erze. Bei reicher, gutschmelziger Beschickung ist ein grösserer Winddruck zulässig als bei armen, schwer schmelzenden Erzen. 1883 blies man auf der neuen Hochofenhütte zu Schalke in Westfalen 1 cbm Wind auf 1 cbm Ofenraum in der Minute; in Seraing rechnete man 5 cbm pro Minute und Tonne der Tagesproduktion. Im Clevelanddistrikt in England, wo man eine geringhaltige Be- schickung verschmolz, betrug die Windpressung 1878 nach Thomas Whitwell 0,2 bis 0,3 kg auf den Quadratcentimeter. Sie stieg von Mitte der siebziger Jahre bis 1894 von 0,24 kg bis auf 0,37 kg; gleichzeitig stieg die Temperatur des Windes von 450° C. auf 750° C. Bei Hämatiterzen bläst man jetzt in England durchschnittlich mit 0,47 kg auf den Quadratcentimeter. Mit noch viel stärkerem Winddruck arbeitete man in den Ver- einigten Staaten von Nordamerika seit Einführung des forcierten Betriebes. Bei dem am 14. Januar 1880 angeblasenen Kokshochofen der Edgar-Thomson-Werke, dem ersten „Schnellofen“, von 24,50 m Hochöfen. Höhe und 6 m Rast blies man mit 580 mm Quecksilber oder 0,7 kg pro Quadratcentimeter und zwar durch acht Düsen von 15 cm Durch- messer. Solche Windmassen waren bis dahin noch niemals in einen Ofen geblasen worden. Um 1886 blies man in den Vereinigten Staaten (nach Hartmann ) in die Koksöfen von 400 bis 450 cbm Inhalt 750 cbm Wind von 700 bis 800° C. pro Minute. Durch das über- mässige Blasen wurden allerdings auch die Hochöfen rasch zusammen- geschmolzen. Infolgedessen trat eine Reaktion ein und man ver- ringerte das Windquantum etwas. Die durchschnittlichen Windmengen bei den grossen amerikanischen Öfen betrugen nach Wedding 1880 840 cbm, 1885 616 cbm, 1889 700 cbm pro Minute. Bei den neuen grossen Öfen (Duquesne, Lorain) arbeitet man aber mit noch viel grösseren Windmengen und Pressungen. Zu Lorain hat jeder Hoch- ofen zwei Gebläsemaschinen, von denen jede über 1400 cbm in der Minute bei 1,76 kg Pressung auf den Quadratcentimeter liefern kann. Der Wind strömt durch 16 Formen von 152,4 mm Weite in den Ofen. In Deutschland und auf dem Kontinent überhaupt blies man meistens viel schwächer, wie aus der nachfolgenden Vergleichung eines Hochofens zu Gleiwitz und des amerikanischen Lucyofens deutlich zu ersehen ist. Indessen gab es später auch in Deutschland Werke, welche ähn- liche Zahlen, wie viele nordamerikanische Öfen aufwiesen. Bei einem Hochofen der Ilseder Hütte blies man 1893 mit einer Pressung von 0,510 bis 0,515 kg pro Quadratcentimeter mit sechs Düsen von 180 mm Durchmesser 600 bis 700 cbm Wind in der Minute. In den Vereinigten Staaten blies man auch bei Holzkohlenhoch- öfen mit einer Pressung von 285 mm Quecksilber (Hinkle furnace der Ashlandgesellschaft Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 351. . In den Anthracitöfen Nordamerikas hat man die Windpressung zuweilen bis 1 kg pro Quadratcentimeter gesteigert. Aus den mitgeteilten Zahlen ersieht man zugleich, wie sehr sich Hochöfen. in einzelnen Fällen die Düsenweite gegen früher vergrössert hat. Auf der Ilseder Hütte bläst man bei sechs Formen mit Düsen von 180 mm Durchmesser, während vor 1870 die Düsen bei mehr als drei Formen in der Regel nur 60 bis 100 mm weit waren und man nur in Belgien zeitweilig mit Düsen von 120 mm Durchmesser in Kokshochöfen ge- blasen hatte. In den Vereinigten Staaten glaubte man durch eine beträchtliche Vermehrung der Zahl der Windformen einen besonderen Vorteil zu haben. In Alabama steigerte man die Zahl der Formen von 8 auf 16 und sogar auf 24. Die Vermehrung auf 24 hatte gar keinen Vorteil, die auf 16 erhöhte die Produktion, veranlasste aber ein schnelleres Wegschmelzen der Rast. Die Zustellung mit 16 Formen wurde indessen bei den neuen grossen Öfen in Ensley und auf anderen Werken beibehalten. Dem Ensleyofen wurden (1899) durch die 16 Formen 849,5 cbm Wind in der Minute zugeführt. Ein Versuch mit 24 Formen fiel auch hier ungünstig aus. Man ging auf 12 Formen zurück und nahm diese von 175 mm Weite. Dabei ergab sich bei Roheisen für basischen Martin- betrieb eine Ersparnis an Brennmaterial. Die neuen Hochöfen in Südrussland haben ebenfalls 12 Formen. Im allgemeinen hatte sich durch das stärkere Blasen das Durch- satzquantum vermehrt und die Durchgangszeit vermindert. In Europa war sie in den 30 Jahren vor 1884 von 84 Stunden auf 36 Stunden heruntergegangen Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1884, Nr. 43. . Der Wind ist die Lebensluft des Hochofens, der durch die Ver- brennung des Brennstoffes die Wärme und die Gase erzeugt, welche für die metallurgischen Vorgänge im Ofen notwendig sind. Man hat diese Vorgänge sowohl als wie die Ausnutzung und den Verbrauch der Wärme im Ofen in den letzten 25 Jahren gründlich studiert und dadurch grössere Klarheit über den Hochofenprozess erlangt. Diese Untersuchungen erstreckten sich auf die Zusammensetzung der Gase in verschiedener Tiefe, auf Wärmemessungen und auf die Ermittelung der erzeugten und verbrauchten Wärmemengen, also auf die Wärme- ökonomie. Eine hervorragende Arbeit über die chemische Zusammen- setzung der Gase in verschiedener Höhe des Hochofens wurde 1871/72 von Schöffel und Kuppelwieser an einem Holzkohlen- hochofen zu Eisenerz vorgenommen, auf deren Ergebnis wir später Beck, Geschichte des Eisens. 32 Hochöfen. zurückkommen. — Von Gichtgasanalysen erwähnen wir die von den Kokshochöfen des Phönix bei Ruhrort von Stockmann 1875, ver- schiedener schwedischer Hochöfen von Rinmann 1877, von Cleveland- öfen von Bell 1882, von Luxemburger Hochöfen von Greit 1890. Carl Schinz in Deutschland, L. Gruner in Frankreich und Lowthian Bell in England hatten in den sechziger Jahren fast gleichzeitig und unabhängig voneinander auf die grosse Bedeutung der Wärmevorgänge im Hochofen hingewiesen und durch ihre Be- trachtungen und Untersuchungen einen Umschwung in der Auffassung des Hochofenprozesses herbeigeführt. Bis dahin hatte man die Vor- gänge im Ofen fast ausschliesslich als chemische Reaktionen betrachtet, während besonders Schinz mit Recht darauf hinwies, dass die ganze Ökonomie des Hochofenprozesses doch nur in der zweckmässigen Aus- nutzung der durch die Verbrennung der Kohlen erzeugten Wärme bestehe. Schinz ’ Ansichten, die anfangs bekämpft wurden, weil er sie in heftiger, aggressiver Sprache vortrug, und weil er nicht eigent- lich Fachmann war, wodurch ihm viele falsche Behauptungen mit unterliefen, blieben siegreich und haben einen grossen Einfluss auf die Theorie des Hochofenprozesses in den folgenden Jahrzehnten gehabt. Hierzu trugen aber besonders die bahnbrechenden praktischen Unter- suchungen von J. L. Lowthian Bell in England bei, welche der- selbe 1869 im Zusammenhang veröffentlichte und die 1870 von P. Tunner unter dem Titel: „Über die Verwendung der Wärme in Eisenhochöfen verschiedener Dimensionen“ deutsch herausgegeben wurden. Bell ging dabei von dem Vergleich eines älteren kleinen Hochofens von 48 Fuss Höhe und eines neuen grossen von 80 Fuss Höhe im Clevelandbezirk aus. Indem er die Koksersparnis möglichst genau zu ermitteln suchte, kam er zu einer genauen Berechnung der erzeugten und verbrauchten Wärme in Kalorien-Centner und indem er diese in kaufmännischer Weise als Soll und Haben gegenüberstellt, kommt er zur Aufstellung der „Wärmebilanz“ , ein Begriff, der sich seitdem bei der Betrachtung des Hochofenbetriebes allgemein eingebürgert hat. Das praktische Ergebnis der damaligen Untersuchung Bells bestand darin, dass der Ofen von 80 Fuss Höhe gegenüber dem von 48 Fuss Höhe eine Koksersparnis von 6,60 Centner pro Tonne ergab, dass aber eine noch weitere Erhöhung der Öfen keine entsprechenden Vorteile erkennen liess. In geistvoller, wissenschaftlicher Weise verarbeitete M. L. Gruner 1872 in seinen „Analytischen Studien über den Hochofen“ die Resultate Bells und trug dadurch wesentlich zu einer richtigeren Auffassung Hochöfen. des Hochofenprozesses bei. C. Schinz und Lowthian Bell setzten ihre Studien über die Wärmeverhältnisse im Hochofen fort. Schinz ver- öffentlichte 1871 seine „Studien über den Hochofen“ und Lowthian Bell fasste die Ergebnisse seiner zahlreichen Untersuchungen und Beobachtungen in der 1884 herausgegebenen Schrift: Principles of the manufacture of iron and steel, with some notes on the economic conditions of their production zusammen. Fast gleichzeitig mit Gruners Studien erschien eine ähnliche Schrift des berühmten schwedischen Metallurgen R. Åkerman , welche Tunner 1872 unter dem Titel: „Studien über die Wärmeverhältnisse des Eisenhochofen- prozesses“ in deutscher Übersetzung herausgab. 1878 veröffentlichte J. Wolters J. Wolters , Des meilleurs moyens pratiques d’obtenir économiquement une grande production dans les hauts-fourneaux sans nuire à la qualité. — Revue universelle 1878, T. II, p. 73; T. III, p. 17; V. IV, p. 770. eine Arbeit über belgische Hochöfen. Sowohl die Wärmemessungen als die chemischen Untersuchungen der Gase des Hochofens hatten ergeben, dass bei richtigem Gang des Hochofens die Verbrennung der Kohle zu Kohlenoxydgas möglichst vollständig vor den Formen im Gestell vor sich gehen muss und dass das gebildete Kohlenoxyd in dem aufsteigenden Gasstrom die chemi- schen Veränderungen der Erze bis zur Roheisenbildung bewirkt. Ein geringer Überschuss von Sauerstoff in Gestalt von Kohlensäure oder freiem Sauerstoff vor oder dicht über der Form, den die meisten Gas- untersuchungen nachgewiesen haben, ist für den weiteren Verlauf des Hochofenprozesses unwesentlich, weil derselbe in kurzer Entfernung über der Form durch Verbrennung eines weiteren Anteils Kohle zu Kohlenoxydgas verschwindet. Für die Konzentration der Hitze vor den Formen und die Energie der Schmelzung selbst ist es dagegen von Wichtigkeit, dass die Verbrennung der Kohle zu Kohlenoxyd durch den Wind möglichst vollständig geschieht und der Überschuss des Sauerstoffs möglichst rasch verschwindet. Diese wird gefördert durch das Vorwärmen des Windes und der wichtigste Nutzen der Wind- erhitzung besteht in der intensiveren Verbrennung vor der Form, der Konzentration der Verbrennung und damit der bedeutend grösseren Wärmeentwickelung in der Schmelzzone. Die Entwickelung von Kohlensäure in dem oberen Teile des Ofens erfolgt durch die Reduktion der Erze und durch Austreibung aus Karbonaten in der Beschickung. Der Kohlensäuregehalt nimmt also in dem aufsteigenden Gasstrome zu. Ein Teil der entwickelten Kohlensäure wird in Berührung mit glühender Kohle wieder zu Kohlenoxydgas reduziert und zwar um so 32* Hochöfen. mehr, je grösser die Hitze im Schacht ist. Auch kann Kohlenstoff unter Umständen direkt die Reduktion bewirken, was aber einen un- nützen Mehraufwand von Kohle zur Folge hat, denn das Kohlenoxyd der Verbrennungsgase reicht aus, die Reduktion der Erze zu bewirken. Je mehr dies der Fall ist, um so ökonomischer ist der Betrieb. Das Verhältnis der Menge der Kohlensäure zu dem Kohlenoxydgas in den Gichtgasen ist deshalb von grosser Wichtigkeit und bildet einen Massstab für den mehr oder weniger guten Gang des Hochofens. Aus diesem Grunde hat Gruner das Verhältnis als Mass der Vollkommenheit des Ofenganges in Vorschlag gebracht. Je höher der Wert von , desto besser der Ofengang, und die Ermittelung dieses Verhältnisses in den Gichtgasen giebt ein Mass der Vergleichung für den mehr oder weniger guten Betrieb. Nach den Ermittelungen Bells betrug bei den neuen Hochöfen im Clevelanddistrikt der Wert von bei gutem Ofengang 0,50 bis 0,70, bei schlechtem Ofengang nur 0,35 bis 0,40. Der ideale Ofengang — der, bei welchem die Reduktion der Erze nur durch Kohlenoxydgas der im Gestell erzeugten Verbrennungsgase erfolgt — würde einem Wert von 1,217 entsprechen. Dieser ideale Gang wird indessen in einem Hochofen nie erreicht. Als Mass für die Zu- oder Abnahme des Sauerstoffs und des Kohlen- stoffs in dem aufsteigenden Gasstrome dient der Stickstoffgehalt, welcher als unveränderlich angesehen werden kann. Der Wind führt mit dem Sauerstoff eine bestimmte Menge Stickstoff dem Ofen zu, welcher un- verändert die Gicht verlässt. Allerdings findet in der Formgegend eine Bildung von Cyangas statt und L. Bell hat gefunden, dass in dem unteren Teile eines 24 m hohen Ofens 1 cbm Gas 15 g Cyan neben 29 g Kalium und Natrium enthielt. Beim weiteren Aufsteigen des Gas- stromes verschwinden aber die Cyanverbindungen wieder, indem sie an der Kohlung des Eisens, die sie wesentlich befördern, teilnehmen wobei der Stickstoff wieder frei wird. Nach diesen Ausführungen werden die nachfolgenden Analysen und vergleichenden Berechnungen der Gase eines Holzkohlenhochofens zu Eisenerz von 13,3 m Höhe, welche Schöffel 1872 veröffentlicht hat Siehe Jahrbuch der Österreich. Bergakademieen, Bd. XXI, S. 188; Ledebur . Handbuch, S. 507. , verständlich sein und ein deutliches Bild der Veränderungen der Gase beim Aufsteigen von der Form zur Gicht geben. Hochöfen. Die Zusammensetzung der Gase in den verschiedenen Höhen- querschnitten oder Zonen ist aber ebensowenig gleich, wie die Temperatur. Dies hatte Rinman Siehe Percy-Wedding , Handbuch etc., II, S. 226. schon 1866 durch seine Unter- suchungen der Gase des Hochofens zu Harnäs bei Dannemora von 12,02 m Höhe nachgewiesen. Er fand z. B. in 2,15 m Höhe über der Form: Über die Abweichungen der Temperaturen an der Ofenwand und dem Inneren hat Wiebmer 1874 Untersuchungen bei einem Hochofen zu Gleiwitz von 13,60 m Höhe veröffentlicht Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preussischen Staate XXII, S. 289. , woraus sich die nach- folgenden Wärmegrade (nach Celsius) ergeben: Hochöfen. Die Schwankungen in der Zusammensetzung der Gase zwischen Wand und Mitte, sowie die Schwierigkeit des Abfangens der Gase in grösserer Tiefe beeinträchtigen den Wert der Gasuntersuchungen des aufsteigenden Gasstromes in verschiedenen Höhen für die Praxis. Infolgedessen hat diese Art der Untersuchungen der Hochofen- gase abgenommen, die der Gichtgase, besonders die Ermittelung des Wertes , aber zugenommen. Es gilt als genügend, die dem Hoch- ofen zugeführten und die abgeführten Stoffe genau zu kennen, um ein richtiges Bild des Schmelzganges zu bekommen. Diese Ergebnisse brachte man dann in Verbindung mit der Ermittelung der Wärme- erzeugung und des Wärmeverbrauchs, d. h. mit der Wärmebilanz . J. Lowthian Bells Abhandlung über die Wärme in Eisenhoch- öfen von 1869, welche 1870 von P. Tunner übersetzt wurde, regte, wie erwähnt, viele hervorragende Metallurgen zur Nacheiferung und zu ähnlichen Untersuchungen an. Richard Åkerman veröffentlichte 1871 im Jern-Kontoret Annaler seine „Studien über die Wärmeverhältnisse des Eisenhoch- ofenprozesses mit besonderer Berücksichtigung auf den hierbei geübten Einfluss des erhitzten Windes“ und schwedischer Verhältnisse. Bald darauf erschienen M. L. Gruners analytische Studien Etudes sur les hauts-fourneaux, deutsche Übersetzung von C. Steffen 1872. , L. Bells Chemical phenomena of iron smelting Siehe Journal of the Iron and Steel Institute 1872, I, p. 1. , R. Kuppelwiesers und R. Schöffels Beiträge zum Studium des Hochofenprozesses durch direkte Bestimmungen Jahrbuch der österreich. Bergakademieen 1872, XXI, S. 169, 367; Kerpely , Fortschritte etc. 1871/73, S. 252. , eine Fortsetzung von Tunners Versuchen von 1860/62, wobei aber nicht nur die Temperaturveränderungen, sondern auch die Veränderung der Gase beim Emporsteigen und der Beschickung beim Niedergang untersucht wurden. Eine vortreffliche Arbeit veröffentlichte F. Friderici Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1882, S. 2. 1882 über einen Holzkohlen- ofen zu Vordernberg, desgleichen Gordon Siehe Revue universelle des mines XXI, p. 442; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1887, S. 391. 1887 über amerikanische Öfen, insbesondere über einen Hochofen zu Nord-Chicago. Ferner erwähnen wir die Arbeiten von Wolters (1876), Schellhammer (1882), C. Cochrane (1882), Fr. Dürre (1885), J. Gayley (1890), Paul Gredt (1890), Wedding (1892). Hochöfen. Gruner Siehe Annales des mines, sér. 7, t. II, p. 18. hat mit besonderer Klarheit die Berechnung der Wärmeelemente im Hochofen dargelegt und durch Beispiele erläutert. Die Wärmeerzeugung wird berechnet aus der Verbrennung der Kohle zu Kohlensäure und Kohlenoxyd und der Wärmezufuhr durch den erhitzten Wind; der Wärmeverbrauch 1. aus der für Reduktion und Schmelzung des Roheisens erforderlichen Wärme; 2. aus der durch die Schlackenschmelzung, Zersetzung des Kalksteins, Verdunstung des Wassers in der Beschickung und Zersetzung des Wasserdampfes im Gebläsewind; 3. aus der mit den Gasen fortgeführten fühlbaren Wärme; 4. aus der durch Ausstrahlung der Ofenwände und durch die Kühlvorrichtungen entzogenen Wärme. Die Berechnung der Wärmeerzeugung ist leicht, wenn das Ver- hältnis in den Gichtgasen bekannt ist. Der zu Kohlensäure verbrannte Anteil Kohlenstoff hat 8080 W.-E., der zu Kohlenoxyd ver- brannte 2473 W.-E. erzeugt. Die Wärmezufuhr durch die Gebläse- luft ergiebt sich aus der Windtemperatur und der Windmenge; die sich ergebenden Zahlen werden durch die Produktion dividiert, um sie auf die Gewichtseinheit zurückzuführen. Nicht ganz so sicher ist die Berechnung des Wärmeverbrauchs. Für die Reduktion der Eisenerze nahm Gruner für das Eisen aus Eisenoxyd 1774 Cal., für andere Körper (Silicium, Phosphor u. s. w.) 210 Cal., zusammen 1984 Cal. an; für die Schmelzung von grauem Roheisen nach de Vathaire Etudes sur les hauts-fourneaux. 330 Cal.; für das Schmelzen der Schlacken 550 Cal. Rich. Åkerman hatte 1886 den mittleren Wärmeverbrauch zum Schmelzen von 74 Hochofenschlacken zu 388° C. gefunden. , ebenfalls nach de Vathaire ; für die Zersetzung des Kalkes 373,5 Cal. nach Favre und Silbermann ; für die Ver- dunstung des Wassers 605,5 Cal. nach Regnault ; für die Zersetzung des Wassers auf 1 kg 3222 Cal. Für die fühlbare Wärme, welche die Gase mit fortführen, er- mittelte Gruner nach den von Regnault ermittelten Werten eine Durchschnittsziffer von 0,237 Cal. für 1 kg, für Wärmestrahlung 186 Cal., für die Wässerkühlung 93 Cal., zusammen 279 Cal. für 1 kg Roheisen nach L. Bell . Diese Ziffern sind durch spätere Untersuchungen teils von Gruner selbst, teils von anderen teilweise modifiziert worden Siehe auch Dürre , Über Wärmeverbrauch im Hochofen; Österreichische Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1885, S. 563. . So fand Hochöfen. Gruner die Schmelzwärme von grauem Roheisen zu 280 bis 285 Cal., bei weissem zu 260 bis 265 Cal.; die Schmelzwärme der Schlacken bei grauem Roheisen zu 500 Cal., bei weissem zu 450 Cal. Die Ver- dampfungswärme des Wassers beträgt 536 Cal. Die Zerlegungswärme des kohlensauren Kalkes beträgt nach Thomson (1880) 425 Cal. Eine ausführliche Zusammenstellung der Reduktionswärme für die beim Hochofenschmelzen in Betracht kommenden Stoffe und Verbindungen findet sich in H. Wedding , II. Ergänzungsband zu seinem Handbuch, S. 40. . Aus Gruners Wärmebilanzen der Hochöfen von Clarence, Ormesby und Consett ergiebt sich der Wärmeverbrauch : Die Wärmebilanz giebt einen sicheren Massstab des Schmelz- betriebes bei demselben Ofen und derselben Beschickung, sie giebt eine gute Vergleichung für gleichartige Betriebe, dagegen weichen die Wärmeziffern oft weit voneinander ab bei ungleichartigen Betrieben, z. B. bei Holzkohlen und Koks, bei weissem und grauem Eisen u. s. w. In der nachstehenden Tabelle geben wir eine vergleichende Wärmebilanz von drei Hochöfen des Clevelanddistriktes nach L. Bell (1869) und eines Hochofens (Nr. 7) von North-Chicago von Gordon (1887). Die Form der Bilanz ist die von Bell und Gruner ein- geführte. Hochöfen. Übersichtlicher ist die Wärmebilanz in der gebräuchlichen kauf- männischen Form. Als Beispiel diene die des Holzkohlenhochofens Nr. 2 zu Vordernberg, welcher auf weisses Puddeleisen ging, nach den Ermittelungen Fridericis 1882: Hochöfen. Friderici hat sich aber nicht darauf beschränkt, die Wärme- bilanz dieses Ofens aufzustellen, sondern er hat ebenso die Mengen und Zusammensetzung sämtlicher dem Ofen zugeführter Schmelz- materialien, einschliesslich der Gebläseluft, sowie sämtlicher End- erzeugnisse ermittelt und gegenübergestellt, wodurch ein noch viel klareres Bild des Schmelzbetriebes gewonnen wird, doch müssen wir uns damit begnügen, auf die Abhandlung zu verweisen. Nach Fridericis Angaben ist das Verhältnis in den Gichtgasen bei Holzkohlenhochöfen günstiger als bei Kokshochöfen; es betrug bei Vordernberg II , in Vordernberg III , bei den Clevelandöfen dagegen . J. L. Bell Vortrag bei dem Meeting des Iron and Steel Institute am 28. Oktober 1882; siehe Stahl und Eisen 1882, S. 494. machte 1882 nach den Angaben Åkermans folgende vergleichende Zusammenstellung schwedischer Holzkohlenöfen und nordenglischer Kokshochöfen für 100 kg Roheisen. Demnach erforderten die Kokshochöfen zu Cleveland an 30 Pro- zent mehr Wärme als die schwedischen Holzkohlenöfen, welche reiche Hämatite und Magnetite verschmolzen, für die gleiche Menge Roh- eisen. Hochöfen. J. Lowthian Bell hat 1884 eine Vergleichung der Wärme- bilanzen eines mit roher Steinkohle betriebenen Hochofens zu Brock- well in Durham mit einem Kokshochofen in Cleveland angestellt Siehe Iron XXIII, p. 373. . Bei dem Brockwell-Ofen war das Verhältnis von CO 2 : CO in den Gichtgasen = 1 : 4,62. Die Temperatur der Gichtgase betrug 190° C., die des Gebläsewindes 427° C.; auf 100 Roheisen wurden 212 Stein- kohle mit 113,2 Kohlenstoffgehalt verbraucht. Im Kokshochofen ver- brannten 111,6 Koks auf 100 Roheisen. Hochöfen. Oskar Simmersbach stellte die Wärmebilanz eines westfälischen Hochofens im Jahre 1895 graphisch in Fig. 203 dar. Die Wärmebilanz wird am meisten durch die Reichhaltigkeit der Beschickung beeinflusst. Aus obiger Zusammenstellung von Gordon ist zu ersehen, dass der amerikanische Ofen mit seiner reichen Be- Fig. 203. schickung nur 19,4 Cal. für 1 kg erzeugtes Roheisen erforderte, während die drei englischen Öfen mit armer Beschickung 94,7 bis 92,3 und 55,9 Cal. brauchten. H. Wedding Siehe Wedding , Die Wärmeverluste bei Hochöfen; Stahl und Eisen 1892, S. 1029. hat berechnet, dass der Wärmeaufwand für das Schmelzen der Schlacken bei sehr reichen Erzen bis auf 209 W.-E. sinken, bei sehr armen Erzen bis auf 7330 W.-E. steigen kann. Der- selbe nimmt einen Wärmeverbrauch im Hochofen von 4500 W.-E. auf 1 kg Roheisen hierfür als normalen Durchschnitt an, während ein Verbrauch von etwa 5000 W.-E. und darüber einen schlechten Schmelzbetrieb anzeige. Über die Bildungstemperaturen der Hochofenschlacken hat Paul Gredt 1889 Untersuchungen veröffentlicht Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 756. . Hochöfen. Am unsichersten ist bis jetzt noch die Ermittelung der Wärme- verluste durch Strahlung und Leitung, welche in der Regel aus der Differenz ermittelt worden sind. Direkte Messungen sind höchst schwierig und bis jetzt noch nicht ausgeführt. Wedding kommt aber bei seiner Berechnung der Wärmeverluste bei Hochöfen zu dem Schluss, dass die englischen und amerikanischen Angaben zu niedrig und des- halb unrichtig sein müssen. Hohe Produktion von Roheisen und niedriger Kohlenverbrauch auf das erzeugte Eisen sind die Hauptziele eines guten Hochofenbetriebes. Dieselben sind zwar zunächst abhängig von der Reichhaltigkeit der Erze und der Natur des Brennstoffs; wie grosse Fortschritte aber verbesserte Betriebseinrichtungen herbeiführen können, haben die Erfolge der letzten 25 Jahre glänzend bewiesen. Diese lassen sich am deutlichsten erkennen, wenn man die Fortschritte der gleichen Gebiete vergleicht. Den Eisenindustriellen des Clevelanddistriktes in Nordengland gebührt der Vortritt, denn von ihnen gingen die Verbesserungen aus, welche die Fortschritte im Hochofenbau und -betriebe in anderen Ländern angeregt haben. Die glanzvollste Entwickelung der Eisen- industrie Clevelands fällt zwar in das vorausgegangene Jahrzehnt, doch marschierte sie auch noch in den folgenden 25 Jahren an der Spitze des Fortschritts. Von 1871 bis 1890 nahm die Eisenproduktion von Cleveland von 1823294 Tonnen bis 2846089 Tonnen zu. 1872 wurden 6300000 Tonnen einheimische Erze zu 1920000 Tonnen Roheisen verschmolzen. 1891 wurden nur 5300000 Tonnen einheimische Erze auf 1493000 Tonnen Roheisen, daneben aber noch 2260000 Tonnen importierte Erze, wovon 2100000 Tonnen aus Spanien kamen, auf 1330000 Tonnen Eisen verschmolzen. Da die Clevelanderze arm sind und nur 30 Prozent Eisen im Durchschnitt enthalten, so war die Erzeugung der einzelnen Öfen lange nicht so hoch als die der grossen amerikanischen Öfen. Sie betrug im Durchschnitt 300 Tonnen in der Woche, der Consettofen lieferte allerdings 850 Tonnen, die ameri- kanischen dagegen 1128 Tonnen die Woche. Wir haben schon mehrfach darauf hingewiesen, welche über- raschenden Fortschritte die Hochofenproduktion in den Vereinigten Staaten von Nordamerika in diesem Zeitraum gemacht hat Siehe James Gayleys Vortrag über die Entwickelung des amerikanischen Hochofenbetriebes 1890, vor dem Iron and Steel Institute in New York gehalten; Stahl und Eisen 1890, S. 1004. , hauptsächlich veranlasst durch das rasche Erblühen der Bessemer- Hochöfen. stahlfabrikation. Bei den vorzüglichen reichen Erzen von durch- schnittlich bis zu 60 Prozent Eisengehalt im Möller war es nicht zu verwundern, dass grosse Öfen mit starken Gebläsen hohe Produktionen gaben. So brachte es Struthers Ofen, Ohio, 1872 bereits auf eine höchste Monatsproduktion von 2064 Tonnen, und eine höchste Tages- produktion von 66,6 Tonnen. Isabellaofen Nr. I bei Pittsburg von 22,86 m Höhe, 6,10 m Kohlensackweite und 42,5 cbm Inhalt erzielte zwischen 1876 und 1880 eine durchschnittliche Monatsproduktion von 2300 Tonnen und eine Tagesproduktion von 76 Tonnen bei Koksverbrauch. Der Lucyofen von gleicher Höhe und Weite des Kohlensacks und 436 cbm Inhalt brachte es sogar 1878 zu einer höchsten Monatserzeugung von 3338 Tonnen und einer Tagesleistung von 119,10 Tonnen bei Koksverbrauch. Sensation erregte es aber, als man 1880 auf den Edgar-Thomson-Werken mit einem ver- hältnismässig kleinen und engen Hochofen von 19,80 m Höhe, 8,96 m Kohlensackweite und 181 cbm Inhalt eine Monatsproduktion von 2226 Tonnen, eine Wochenproduktion von 682 Tonnen und eine Tagesproduktion von 97,5 Tonnen erzielte. Die Ursache lag nur in der besseren Windgebung. Zwei stehende Gebläse führten dem Ofen 425 cbm Wind in der Minute zu, welcher an den Formen 0,44 kg pro Kubikcentimeter Winddruck zeigte und durch drei Siemens- Cowper-Cochrane-Winderhitzer auf 565° C. erwärmt wurde. Dabei war der Koksverbrauch ein sehr günstiger: im ersten Monat , im fünften Monat . Dieser glänzende Erfolg gab das Signal für ein förmliches Wett- blasen auf den amerikanischen Hütten, wobei man aber als Ziel nur die höchste Produktion, durchaus nicht den vorteilhaftesten Betrieb im Auge hatte. Bei dem Ofen Nr. II der Edgar-Thomson-Werke nach dem Muster von Nr. I, nur höher und weiter gebaut (mit 506 cbm Inhalt), wendete man zum erstenmal eine Gestellweite von 3,35 m an. Der Ofen, der April 1880 angeblasen wurde, erzeugte im dritten Monat 4387 Tonnen; im siebenten Monat 4798 Tonnen bei Koksverbrauch. Allerdings hatte man die eingeblasene Wind- menge hierbei bis auf 850 cbm in der Minute gesteigert. Hierdurch wurde der Ofen rasch ausgefressen, der Koksverbrauch steigerte sich Hochöfen. bis auf , während die Produktion sank. Nach zwei Jahren und fünf Monaten musste der Ofen, der in dieser Zeit 113860 Tonnen Roheisen mit Koks erzeugt hatte, ausgeblasen werden. Bei einem anderen Ofen desselben Werkes von ca. 600 cbm Inhalt, welcher 1884 angeblasen wurde, steigerte man die Windmenge auf 935 cbm in der Minute; dabei erzielte man eine Monatsproduktion von 5080 Tonnen, aber mit einem Koksverbrauch von . In ähnlicher Weise ging man auf den übrigen amerikanischen Hütten vor. Das „Festdrauflosblasen“ oder Raschtreiben (American rapid driving) wurde leitender Grundsatz, und den besten „Record“ in der Roheisenerzeugung zu erzielen ein förmlicher Sport, wobei man weder an Brennmaterial sparte, noch die Öfen schonte. Man hielt es zuletzt beinahe für unmöglich, die Tonne Roheisen in den Vereinigten Staaten mit weniger als Koks herzustellen. Gegen diesen rücksichtslosen und verschwenderischen Betrieb erliess 1885 E. C. Potter in Chicago zuerst seinen Warnungsruf, indem er nachwies, dass bei vernünftigem Blasen sich sehr wohl hohe Produktion mit geringerem Koksverbrauch vereinigen liesse Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 789. . Seitdem verringerte man die Windmenge und das rasche Treiben der Hoch- öfen kam in Verruf. Dagegen verbesserte man die Ofenkonstruktion und die Winderhitzer und kam dadurch zu glänzenden Leistungen. Die Verbesserungen bei den Hochöfen bestanden in sehr weiten Ge- stellen (3,35 m) mit besserer Windverteilung, steiler Rast und vor- züglicher Wasserkühlung, besonders der Rast; die Windwärme steigerte man von ca. 500° auf 700° C. Um diese Verbesserungen und den massvolleren, ökonomischeren Betrieb haben sich E. C. Potter , der Erbauer der South-Chicago-Werke, und James Gayley auf den Edgar-Thomson-Werken grosse Verdienste erworben. Bei dem 1885 angeblasenen Lucy-Hochofen von 472 cbm Inhalt verminderte Gayley die Windmenge von 880 auf 799 cbm in der Minute, indem er gleich- zeitig die Windtemperatur auf 650° erhöhte. Dadurch stieg die Monatsproduktion von 5204 Tonnen auf 6146 Tonnen, während der Koksverbrauch von 1283 auf 1071 für die Tonne Roheisen sank. Bei den in den folgenden Jahren von ihm angeblasenen Hochöfen erreichte Hochöfen. er noch viel günstigere Resultate, so 1886 in einem Ofen von 560 cbm Inhalt im vierten Monat nach dem Anblasen eine Monatsproduktion von 8532 Tonnen mit Koksaufwand und 765 cbm Wind von 650° C. in der Minute. Derselbe Lucy-Ofen lieferte in der folgenden Reise, welche Ende September 1889 begann, bei etwas engerer Zu- stellung im Kohlensack und 515 cbm Fassungsraum im Monat April 1890 10236 Tonnen Eisen bei Koksverbrauch. Dies entspricht einer Tageserzeugung von 341,20 Tonnen. Diese Ergebnisse waren allerdings, um Sir Lowthian Bells Ausdruck zu gebrauchen, „staunenswert“. Sie erklären sich zunächst zwar aus der reichen Beschickung, denn während ein Clevelandofen 1400 kg Schlacke auf die Tonne Eisen schmelzen musste, schmolz ein Pittsburgofen nur 536 kg, sodann aber auch aus dem vortrefflichen Zusammenwirken vorzüglicher Betriebsvorrichtungen. Jeder Hochofen hatte seine eigene Gebläsemaschine und man blies durchschnittlich mit einer Pressung von 0,7 kg auf den Quadratcentimeter. L. Bell Siehe Stahl und Eisen 1890, Nr. 1014. hat (1890) zum besseren Verständnis des Unterschiedes zwischen dem englischen und amerikanischen Betriebe eine Vergleichung in Zahlen aufgestellt, welche die Ursachen der ungleichen Leistungen zweier in gutem Betriebe befindlicher Öfen aus beiden genannten Bezirken erkennen lassen. Leistungen der Hochöfen von Hochöfen. Man ersieht hieraus, dass in Cleveland fast die dreifache Schlacken- menge auf dasselbe Gewicht Eisen geschmolzen werden muss. Die glänzenden Erfolge des amerikanischen Hochofenbetriebes blieben auch auf den Betrieb der Länder des europäischen Kontinents nicht ohne Einfluss, obgleich die günstigen Vorbedingungen hier durch- aus nicht vorhanden waren, indem man meistens mit armen und mulmigen oder kleinstückigen Erzen zu thun hatte. Was insbesondere Deutschland betrifft, so hatte die oberschlesische Industrie mit so ungünstigen Verhältnissen zu rechnen, dass sie nicht daran denken konnte, mit so hohen Öfen und so grossen Windmengen zu arbeiten. Die Verschiedenheit erscheint deutlich aus nachstehender vergleichenden Zusammenstellung eines in gutem Betriebe befindlichen Hochofens von Gleiwitz mit dem Lucy-Ofen bei Pittsburg, welche Bergrat Jüngst Siehe Zeitschr. für Berg-, Hütten- u. Salinenwesen in Preussen 1891, S. 121. 1891 veröffentlicht hat. Beck, Geschichte des Eisens. 33 Hochöfen. In Rheinland und Westfalen hatte die Leistungsfähigkeit der Hochöfen bedeutend zugenommen, ohne indes den oben mit- geteilten Zahlen der Öfen von Pittsburg nahe zu kommen. Immerhin lieferten zwei Hochöfen in Ruhrort im März 1896 in 31 Tagen 17069 Tonnen, also für einen Ofen täglich 243 Tonnen. Dagegen zeichnete sich die westdeutsche Hochofenindustrie durch soliden, spar- samen Betrieb aus, der in niedrigem Koksverbrauch ( ) und langen Kampagnen von 13 bis 17 Jahren Ausdruck fand Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 1017; 1895, S. 129. . Glänzender noch waren die Leistungen der Öfen im Minettebezirk sowie besonders die der Ilseder Hütte bei Peine. Im Grossherzogtum Luxemburg hatte die Zahl der Hochöfen von 1871 bis 1895 von 14 auf 23 zugenommen, die Roheisenproduktion dagegen von 142897 Tonnen auf 694814 Tonnen, die Leistung eines Hochofens im Durchschnitt also von 10207 Tonnen auf 30210 Tonnen im Jahre oder von 27,9 auf 82,8 Tonnen im Tage Daselbst 1895, S. 307. . Die neueren Hochöfen lieferten aber täglich 200 Tonnen Roheisen. Die Ilseder Hütte Daselbst 1890, S. 1018, Anmerk. , welche 1890 Erze von 37 Prozent Ausbringen mit Koksverbrauch bei einer Windtemperatur von etwa 450° Hochöfen. verblies, erzeugte durchschnittlich pro Tag und Ofen 1880: 109573 kg, 1885: 143767 kg, 1890: 192000 kg, 1894: 212009 kg, 1896: 243883 kg. Das sind Leistungen, welche, wenn man den geringen Gehalt der Erze in Betracht zieht, den amerikanischen wohl an die Seite zu stellen sein dürften. Die Zahl der Hochöfen in Preussen hatte von 1871 bis 1881 ab- genommen, dagegen war die durchschnittliche Leistung der Kokshoch- öfen von 4500 auf 14000 Tonnen im Jahre gestiegen Siehe Dürre in Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1884, S. 271. . In den elf Jahren von 1882 bis 1893 hatte sich die Leistung der deutschen Hochöfen nahezu verdoppelt. 1882 zählte man 261 Hoch- öfen mit 3381000 Tonnen Produktion, 1893 204 Hochöfen mit 4986000 Tonnen Erzeugung, demnach war sie auf den Ofen von 12954 Tonnen auf 24441 Tonnen gestiegen. 1896 erzeugten 220 Hochöfen in 10846 Betriebswochen 6372575 Tonnen Roheisen. Alle diese Erfolge europäischer Hochöfen wurden aber in den Schatten gestellt durch die grossartigen Leistungen der neuesten Hoch- ofenanlagen in den Vereinigten Staaten. Im Jahre 1896 erreichten die neuen Hochöfen der Edgar-Thomson-Werke bei Pittsburgh (Pa.) eine Wochenproduktion von 3000 Tonnen und eine Tagesleistung von 428 Tonnen Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 1048. . Der betreffende Hochofen A. a. O. 1896, S. 571. hatte eine Höhe von 27,45 m, 6,10 m Kohlensack, 75° Rastwinkel, 4,88 m Gicht, 3,96 m Gestell und acht Formen, welche 2590 mm über dem Bodenstein lagen und 152 mm vor die Innenkante des Gestells vorsprangen; die Düsen hatten 203 mm Weite. Die Cowper-Apparate erwärmten den Wind auf etwa 650° C. Jeder Ofen wurde von zwei vertikalen Gebläse- maschinen bedient mit Dampfcylindern von 1016 mm Durchmesser, Windcylindern von 2134 mm, welche im ganzen 728 cbm Wind in der Minute mit 0,7 kg Pressung lieferten. Der Koksverbrauch betrug nur 843/1000. Charakteristisch war das weite Gestell und die verhältnis- mässig enge Rast, wodurch der steile Rastwinkel bedingt war. Diese damals erstaunliche Leistung wurde aber bei weitem über- troffen durch die Hochöfen der ebenfalls von Carnegie \& Co. neu erbauten Hochöfen von Duquesne, die Anfang 1897 in Betrieb kamen. Jeder der vier Hochöfen hatte eine Höhe von 30,48 m, 6,7 m Kohlen- sackweite, 4,28 m im Gestell und 5,18 m in der Gicht. Die Öfen Nr. I und II hatten zehn Düsen von 177,8 mm, die Öfen III und IV 33* Hochöfen. sollten 20 Düsen erhalten. Der Inhalt eines Ofens betrug 707,5 cbm. Für je zwei Öfen waren fünf Gebläsemaschinen vorhanden. Diese von E. P. Allis \& Co. gebauten Gebläse hatten stehende Balancier- Verbundmaschinen mit Kondensation, mit 1016 mm weitem Hochdruck- und 1981 mm weitem Niederdruckcylinder, 1930 mm Windcylinder und 1524 mm Hub. Das Schwungrad wog 40 Tonnen. Die Maschine lieferte 17,26 cbm Wind von 1,05 kg pro Quadratcentimeter Pressung und machte 66 Umdrehungen in der Minute Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 566. . Die Pressung des Windes konnte bis 1,76 kg pro Quadratcentimeter gesteigert werden. Die Dampfspannung betrug 8,4 Atmosphären. Jeder Ofen war mit vier Kennedy-Cowper-Apparaten versehen, die den Wind auf 1000° C. erhitzten. Die Gase entwichen mit 400° C. Bei einem Eisengehalt der Erze von 57 bis 60 Prozent war bis zum Frühjahr erzielt worden: beste Monatsleistung 17457 Tonnen oder 581 Tonnen im Tage, „ Wochenleistung 4176 „ „ Tagesleistung 701 „ Der beste Monat hatte einen Koksverbrauch von 771,8 kg, der Kalksteinzuschlag betrug 25 Prozent. Die Beschickung geschah auto- matisch mit der Nelands chen Beschickungsvorrichtung. Zu dem enormen Materialienverbrauch bei solcher Leistung waren selbstver- ständlich die Transport- und die Be- und Entladevorrichtungen, die alle von der Brown Hoisting and Conveying-Company in Cleveland gebaut waren, musterhaft. Über noch neuere amerikanische Hochofenanlagen zu Lorain, Youngstown u. s. w. folgen die Angaben unter dem Abschnitt „Die Vereinigten Staaten von Nordamerika“. Die ausserordentlichen Leistungen der amerikanischen Hoch- ofenhütten veranlassten denn auch nach langem Sträuben die englischen Hüttenbesitzer, die amerikanischen Fortschritte sich an- zueignen, namentlich die Windpressung von 5 bis 6 Pfund auf 8 bis 12 Pfund, ja bis zu 20 Pfund auf den Quadratzoll zu erhöhen, jeden Ofen mit einem besonderen Gebläse zu versehen und die Gebläse- maschinen zu verbessern. So führte z. B. die Moss-Bay-Gesellschaft 1899 Dreifach-Expansionsmaschinen ein. Dass die Erzeugungskosten des Roheisens infolge der besseren Betriebsergebnisse geringer geworden sind, ist selbstverständlich. Hierzu haben aber nicht nur die Fortschritte der Roheisenerzeugung Hochöfen. an und für sich, sondern auch die bessere Verwertung der übrigen Ofenabgänge beigetragen. Auf die Verwertung der Schlacken haben wir oben schon hingedeutet. Die Fabrikation von Schlackensand, Schlackensteinen und Schlackencement hat eine grosse Verbreitung bei den Hüttenwerken gefunden. Pflastersteine stellte Woodward in Cleveland zuerst 1875 in der Weise dar, dass er die Hochofenschlacke in eiserne Formen laufen liess und die erhaltenen Steine dann ausglühte oder temperte. Diese Fabrikation kam auch in Belgien zur Einführung. Im Jahre 1894 machte die Tees Scoria-Brick-Company auf drei Hochofenwerken in Cleveland täglich 10000 Stück Steine; die Gesamterzeugung im Clevelanddistrikt belief sich auf 100000 Pflastersteine, von denen 1000 Stück 75 Mark kosteten. Gegossene Bausteine verwendete man in Schweden und in Frank- reich. Aus den zähen Schlacken der Ilseder Hütte wurden Pflaster- steine mit dem Hammer zugerichtet. Die Granulierung der aus dem Ofen fliessenden dünnflüssigen Schlacken der Kokshochöfen geschieht in einem kräftigen Wasserstrahl, der meist von den abfliessenden Kühlwassern des Ofens erzeugt wird. Becherwerke heben den Schlackensand aus den Gruben auf Transport- wagen. Der feuchte Schlackensand wird mit gebranntem, ungelöschtem Kalk gemischt und in Ziegelpressen zu Schlackensteinen von Form und Grösse gewöhnlicher Ziegel gepresst und dann im Freien erhärten und trocknen gelassen. Diese Schlackensteine geben ein gutes Bau- material von grösserer Durchlässigkeit als Thonziegel (nach Petten- kofer ); sie lassen sich durch Zusatz geeigneter Stoffe beliebig färben. Eine gute Presse für Schlackensteine hat Wood 1879 gebaut Journal of the Iron and Steel Institute 1879; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 432, mit Abbildung. . Zur Schlackencementfabrikation verwendet man kalkreiche, thon- erdehaltige Schlacken, bei denen sich das Verhältnis von Kalkerde : Kieselsäure : Thonerde etwa wie 46 : 30 : 16 verhält. Das Verfahren von Farinaux , Cement durch Mischen von Kalk und flüssiger Schlacke zu erhalten, hat sich nicht bewährt. Man verwendet jetzt allgemein granulierte Schlacke. Die im Wasser granulierte getrocknete Schlacke wird staubfein gemahlen und dann mit gesiebtem Kalkpulver im Verhältnis von 100 zu 15 bis 30 Tln. in Kugelmühlen gemischt Vergl. A. Prost , Note sur la fa brication et les propriétés des ciments de laitiers. Annal. d. mines, sér. 8, T. XVI, p. 158. . Hochöfen. Da das Trocknen und Mahlen der Schlacke den Cement aber zu kostspielig macht, hat von Forell auf den Buderuss chen Eisen- werken ein Verfahren erfunden, bei dem Schlacke und Kalk vor dem Mahlen in einem Brennofen gebrannt werden. Hierdurch wird das Mahlen sehr erleichtert Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 1088; 1900, S. 1170. . Weitere Verwendung fanden die Hochofenschlacken zur Glas- fabrikation in England nach Basley Brittons Patent und zur Her- stellung von Schlackenwolle, die schon 1878 auf den Teeswerken Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 434. nach dem Patent von Charles Wood durch Einblasen von Dampf- strahlen durch feinverteilte Schlackenströme betrieben wurde. Noch wichtiger für einen vorteilhaften Hüttenbetrieb ist die zweckmässigste Verwendung der Gichtgase. Diese dienen in erster Linie als Brennmaterial Siehe Paul Gredt , Berechnung und Verwertung der Gichtgase; Stahl u. Eisen 1890, S. 591. , wofür sie sich besonders unter Anwendung des Regenerativsystems vortrefflich eignen. In neuerer Zeit hat man aber auch der Gewinnung der in den Gichtgasen noch enthaltenen brauchbaren Nebensubstanzen, Teer und Ammoniak, grosse Auf- merksamkeit geschenkt. In den Gasen der Kokshochöfen sind diese Stoffe nur in geringen Mengen enthalten, während die Gase der mit Steinkohlen betriebenen Hochöfen nicht unbedeutende Quantitäten davon enthalten. Baird \& Co. zu Gartsherrie bei Glasgow, welche die ersten Einrichtungen zu Anfang der achtziger Jahre hierfür machten, gewannen 1883 13,61 kg schwefelsaures Ammoniak und 102,48 kg Teer auf die Tonne Kohle aus den Gichtgasen Vergl. Musil , Die Motoren für Gewerbe und Industrie, III. Aufl., Braun- schweig 1897. . Man band das Ammoniak an Schwefelsäure ( Neilson ), später an schweflige Säure ( Addie Engineering 35, p. 230; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 382. ). Die Kühl- und Waschräume für die Gichtgase waren von dem Direktor John Alexander erbaut. Theisen erfand 1898 ein Verfahren, durch Centrifugen sowohl Staub als Teer Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 57. und Ammoniak aus den Gichtgasen abzuscheiden. J. Addie nahm 1883 ein Patent (Nr. 4758) auf einen von ihm erfundenen Apparat zur Gewinnung von Ammoniak aus Hochofengasen; ebenso F. N. Mackay Daselbst 1891, S. 683; vergl. auch a. a. O. 1898, S. 749. 1890 (D. R. P. Nr. 56796). Eine andere Verwendung der Hochofengase, die erst in jüngster Hochöfen. Zeit begonnen, aber rasch grosse Bedeutung erlangt hat, ist die der Verwendung zur Krafterzeugung in Gasmaschinen. Der Gedanke Fig. 204. tauchte auf, nachdem man seit Anfang der neunziger Jahre begonnen hatte, Generator-Gasmaschinen mit Erfolg zu bauen Musil , Die Motoren für Gewerbe und Industrie, 3. Auflage, 1897. , ganz besonders, seitdem es der Gasmotorenfabrik Deutz gelungen war, eine gut arbeitende Hochöfen. Otto-Maschine von 200 P. S. mit Generatorgas zu betreiben. Eugen Langen , dem mit dem genialen Dr. Nic. August Otto , der am 26. Januar 1891 verstarb, das Verdienst der Erfindung des Gas- motors gebührt, fasste damals bereits den Gedanken einer grossen Centrale mit Gichtgasmotorenbetrieb für den Bergbau- und Hütten- verein in Hörde. Es sollten sechs Maschinen von je 500 P. S. auf- Fig. 205. gestellt werden. Zu den nötigen Vorstudien wurde 1895 eine 12 P. S.- Maschine aufgestellt. Leider starb Langen am 2. Oktober 1895, ehe das grosse Projekt ausgeführt war. Da eine Einigung mit der Deutzer Fabrik nicht erzielt wurde, vergab der Hörder Verein im September 1896 die Ausführung von zwei Gichtgasmotoren von je 600 P. S. nach dem System Oechelhäuser und Junker (Fig. 204 a. v. S.) an die Berlin-Anhaltsche Maschinenbau-Aktiengesellschaft in Dessau. Die Inbetriebsetzung der ersten dieser Maschinen erfolgte erst im April 1898. In England hatte Thwaite 1894 denselben Gedanken angeregt und bereits im Mai 1894 ein Patent dafür erworben. 1895 machte man zu Wishaw in Schottland damit einen Versuch. Dasselbe that in dem gleichen Jahre die Gesellschaft John Cockerill in Seraing Bericht von H. Hubert , Annales des Mines de Belgique, Vol. 13, Nr. 4 (1897). , die eine kleine Versuchsmaschine (Fig. 205) nach dem System „Simplex“ von Delamare, Deboutteville und Malandin aufstellen liess. Hochöfen. Anfangs hatte man wenig Vertrauen wegen der wechselnden Zu- sammensetzung der Gichtgase und ihren geringen Gehalt an Brenn- gas, ferner wegen des Gichtstaubes. Fig. 206. Fig. 207. In Seraing erforderte in der achtpferdigen Versuchsmaschine eine Pferdekraft 4 cbm Gas. In der hierauf erbauten 200 P.S.-Maschine, die 1898 in Betrieb kam Betriebsergebnisse der Hochofengasmaschine in Seraing siehe Stahl und Eisen 1898, S. 806. Weitere Litteratur über Gichtgasmaschinen: Stahl und Eisen 1899, S. 473, 517, 526, 633; 1900, S. 35, 413, 419, 721, 1005, 1080; 1901, S. 433, 489. , betrug der Gichtgasverbrauch nur 3 bis Hochöfen. 5 cbm. 1899 wurden zwei direkt wirkende Gasmaschinen-Hochofen- gebläse (Fig. 206, 207 a. v. S.) gebaut Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 419. . Die 600 pferdige Maschine nach Fig. 208. dem System Delamare-Deboutteville wird seit dem 20. September 1899 mit ungereinigten Hochofengasen zu Seraing betrieben. Sie ist ein- Hochöfen. cylindrisch, der Gebläsecylinder liegt hinter dem Gaskraftcylinder, die Kolben beider bewegen sich auf derselben Kolbenstange Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 721, Fig. 1. . Fig. 209. Cylinderdurchmesser der Gasmaschine 1300 mm, des Gebläses 1700 mm, gemeinschaftlicher Hub 1400 mm. Um die Lösung der Frage der Hochöfen. Gichtgasmaschinen machten sich Direktor Greiner in Seraing, Professor Hubert in Lüttich und Professor E. Meyer in Göttingen verdient. Fig. 208 (S. 522) stellt eine von der Motorenfabrik Deutz neuer- dings erbaute 1000pferdige Viertaktmaschine des Hörder Bergwerks- und Hüttenvereins dar. Die Krafterzeugung der Gichtgase in Gasmaschinen ist etwa dreimal so gross wie bei Dampferzeugung. Bei einem Hochofenwerk von 600 Tonnen Tagesproduktion rechnet man auf 10000 bis 12000 P. S. Fig. 210. bei Verwendung von Gasmotoren, während die Dampfkessel mit dem- selben Gichtgasquantum nur etwa 4000 P. S. liefern. Hieraus erhellt die grosse Bedeutung dieses Gedankens für die Zukunft. Auf der Friedenshütte bei Morgenroth in Oberschlesien legte der 1899 verstorbene Generaldirektor Eduard Meier eine 1000pferdige, von Hochofengasen getriebene Kraftcentrale für elektrischen Betrieb, (Fig. 209 a. v. S.) an. Es wurden zunächst zwei Maschinen von 200 P. S. von der Deutzer Gasmotorenfabrik, vormals Otto \& Co., erbaut. Fig. 210 stellt den Schnitt durch einen der Cylinder dar; diesen folgten zwei ähnliche zu je 300 P. S. Ein direkt wirkendes Hochofengebläse mit Gichtgasbetrieb nach dem System Delamare-Deboutteville wurde Ende 1899 für die Hoch- ofenanlage zu Differdingen in Betrieb genommen. Entworfen wurde dieselbe von Max Meier und Paul Würth , ausgeführt von der Soc. anonyme John Cockerill in Seraing Siehe Stahl u. Eisen 1900, S. 34. . Die Gesellschaft Phönix Die Eisengiesserei seit 1870. hatte 1898 bei ihren Hochöfen zu Berge-Borbeck eine 150 P. S.- Maschine von Hartley \& Petyt in Bingley, England, in Betrieb. Seit August 1899 befindet sich auf der Donnersmarkhütte eine 100pferdige, von Gebr. Körting in Hannover gebaute Gaskraftmaschine in Thätigkeit Siehe a. a. O. 1900, S. 413. . Enrique Disdier aus Bilbao schlug 1899 vor Siehe a. a. O. 1899, S. 533. , Hochofen- und Koksofengase gemeinschaftlich zu benutzen in der Weise, dass man die Hochofengase zur Erwärmung der Kokskammern verwendet und die Koksgase zur Krafterzeugung. Anfang Juni 1900 nahm die Gutehoffnungshütte zu Oberhausen Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 390, Fig. 13. eine von der Deutzer Gasmotorenfabrik gebaute 600 pferdige Gicht- gasmaschine in Betrieb. Obgleich Gichtgas-Kraftmaschinen erst seit wenigen Jahren in Betrieb stehen, ist ihre Einführung doch als ein grosser Erfolg zu bezeichnen. Bewährt haben sich künstliches Absaugen der Gase, Überhitzung und Kondensation. Die Eisengiesserei seit 1870. Die Fortschritte der Eisengiesserei in diesem Zeitabschnitt waren sehr bedeutend. Äusserlich stellten sie sich durch eine grosse Steige- rung der Produktion, welche einer vermehrten Verwendung von Eisen- gusswaren entspricht, dar. Wenn wir Deutschland als Beispiel wählen, so sehen wir, dass sich hier die Erzeugung von Gusswaren von 1871 bis 1899 wie folgt darstellt: Gusswaren in Tonnen . Die Gesamtmenge der Gusswaren ist also in den 29 Jahren um mehr als das vierfache gestiegen. Diese Zunahme kommt allein auf den Guss II. Schmelzung hauptsächlich in Kupolöfen, während der Die Eisengiesserei seit 1870. Guss erster Schmelzung, d. h. unmittelbar aus dem Hochofen, sich fast auf die Hälfte und relativ von 17,3 auf 3,1 Prozent verminderte. Dass dieser Aufschwung in der Erzeugung auch von Fortschritten im Betriebe begleitet war, ist selbstverständlich. Diese betreffen zunächst die Grundlage des Giessereibetriebes des Roheisens, dessen Kenntnis und Herstellung eine bessere geworden ist. Die grosse Erfindung John Bessemers hatte auch hierauf ihren Einfluss. Sie zwang zu genauerer chemischer Untersuchung der Roh- eisensorten und dadurch wurde über die Rolle, welche die einzelnen Beimengungen, namentlich das Silicium, spielten, Licht verbreitet. Die gewonnenen Resultate gewährten Einblicke in das Verhalten des Giessereiroheisens und man lernte die Wichtigkeit der chemischen Analyse auch auf diesem Gebiete zu würdigen. Während man in den siebziger Jahren die Güte des Giessereiroheisens nur nach dem Bruchansehen beurteilte, geschieht das jetzt schon seit längerer Zeit nach der chemischen Zusammensetzung und man verlangt wie beim Bessemereisen Angabe des Gehaltes von gebundenem und ungebundenem Kohlenstoff, von Silicium, Phosphor, Schwefel und Mangan. Man lernte die Bedingungen für zweckentsprechende Er- zeugung verschiedenartiger Gusswaren Vergl. Abhandlung von R. Åkerman in Jernkontors Annalen 1889, deutsch in Stahl und Eisen 1889, S. 863, 932. genauer kennen. Dadurch wurde die empirische Gattierung im Kupolofen durch eine wissen- schaftliche ersetzt, was die Güte der erzeugten Gusswaren günstig beeinflusste. Von Wichtigkeit war auch die Feststellung der chemischen Ver- änderungen, welche ein Roheisen durch Umschmelzen erleidet. Dies hat Bergrat Jüngst für Gleiwitzer Roheisen bei wiederholtem Um- schmelzen mit Koks in einem Ibrügger Kupolofen durch Analyse 1885 festgestellt. Das Ergebnis war das folgende: Die Eisengiesserei seit 1870. Die Anforderungen an die chemische Zusammensetzung des Giesserei- roheisens haben aber auch auf die Erzeugung desselben im Hochofen weittragenden Einfluss geübt. Durch die Bemühungen, graues Hämatit- roheisen für das Bessemern zu erblasen, wurde man dazu geführt, auch ein gutes, grobkörniges Giessereieisen, welches dem schottischen an Güte gleichkam, auf dem Kontinent zu erzeugen. Infolgedessen wurde die Alleinherrschaft des schottischen Giessereieisens für Quali- tätsguss gebrochen. Für Deutschland waren die von Wachler 1877 ausgeführten Qualitätsuntersuchungen von rheinisch-westfälischen und ausländischen Roheisensorten, auf welche wir in der Geschichte des Eisens in Deutschland zurückkommen werden, von massgebender Bedeutung. Seit dieser Zeit hat im südlichen und westlichen Deutsch- land rheinisch-westfälisches und nassauisches Giessereiroheisen das schottische fast gänzlich verdrängt. Für das Bessemerroheisen war erwiesenermassen ein gewisser Siliciumgehalt notwendig. Dadurch wurde auch die Aufmerksamkeit auf den Einfluss des Siliciumgehaltes auf das Giessereiroh- eisen hingelenkt. Es erregte Sensation, als der englische Metallurg Th. Turner , der sich seit lange mit dieser Frage beschäftigt hatte, 1886 in einer Versammlung des Eisen- und Stahlinstituts in London die Behauptung aufstellte, dass Silicium in gewissen Grenzen das Gusseisen verbessere, indem es seine Festigkeit erhöhe, flüssigere und glättere Güsse liefere Sitzungsberichte der Chemical Society vom 18. Juni und 5. November 1885; Stahl und Eisen 1885, S. 418. . Er stellte folgende Sätze auf: 1. Ein Zusatz von Silicium zu siliciumfreiem Eisen bewirkt eine Verbesserung der mechanischen Eigenschaften desselben. 2. Die Maximalwerte des Siliciumgehaltes sind für die Festigkeit oder den Widerstand gegen Zerbrechen 0,8 Prozent, für den Elasticitätsmodul 1 Prozent, für relative Dichtigkeit 1 (1,7) Prozent, für Zugfestigkeit 1,8 Prozent, für Qualität zur Bearbeitung bis 2,5 Prozent. 3. Wird die gewöhn- liche Festigkeit verlangt, so soll der Siliciumgehalt nicht viel von 1,4 Prozent abweichen; wird Weichheit und Dünnflüssigkeit verlangt, 2,5 Prozent; ein Gehalt von 3 Prozent ist schon schädlich. Wood in Middlesborough hat Turners Tiegelversuche 1885 im grossen wiederholt und kam zu denselben Resultaten. Er fand auch, dass, wenn man weisses Roheisen mit Eisensilicid schmolz, ein Teil des Kohlenstoffs als Graphit ausgeschieden werde und graues Roheisen entstehe. Diese Entdeckungen waren indes an sich nicht neu, indem die zu Grunde liegenden Thatsachen wenigstens in Deutschland längst Die Eisengiesserei seit 1870. bekannt waren. 1847 hatte bereits Bischof über Versuche, die er mit bestem Erfolg angestellt hatte, um durch Zusatz eines Kiesel- gehaltes zu weissem Roheisen graues Eisen zu bilden und den Einfluss des Mangans zu hemmen, berichtet Siehe Bergwerksfreund 1847, Bd. XII, S. 2. . Die Versuche, Stäbe von diesem Eisen zu zerbrechen, hatten eine bei weitem grössere Haltbarkeit als die von Stäben aus schottischem Eisen dargethan. Ebenso hatte A. Ledebur wiederholt auf die Wichtigkeit des Siliciums für das Giessereiroheisen hingewiesen und bereits 1884 vorgeschlagen, nicht mehr nach dem Bruchansehen, welches zu völlig irrigen Schlussfolgerungen führen könne, sondern nach dem Siliciumgehalt zu sondern und zu verkaufen Siehe Glasers Annalen, Bd. XV, S. 41. . Trotzdem hat erst Turners Vortrag im Jahre 1886 den eigent- lichen Anstoss zu der lebhaften Erörterung über die Bedeutung des Siliciums im Roheisen gegeben. Die Zeit war dafür reif und da man bereits Eisensilicid oder Ferrosilicium mit 17 Prozent Siliciumgehalt für die Flusseisenbereitung im grossen darstellte, so lag es nahe, das- selbe zunächst versuchsweise auch dem Gusseisen zuzusetzen. Diese praktische Anwendung machte der Franzose F. Gautier , welcher auf Grund der Versuche von Wood Ferrosilicium als einen geeigneten Zusatz zu Giessereieisen erklärte und folgende Sätze aufstellte: 1. In weissem Eisen scheidet ein Zusatz von Silicium den gebundenen Kohlenstoff in Form von Graphit aus und bewirkt die Entstehung von grauem Roheisen. 2. In grauem Roheisen verändert die Ab- scheidung von Silicium den Graphit in gebundenen Kohlenstoff und bewirkt weisses Roheisen. Das Streben in Frankreich unter Gautiers Führung ging dahin, aus weissem Eisen durch Zusatz von Ferrosilicium ein Graueisen zu erzeugen, das durch seine Güte das schottische Roheisen ersetzen sollte. Da sich nun alsbald die geschäftliche Reklame der Sache bemächtigte und starke Übertreibungen in Um- lauf gesetzt wurden, so liess der Verein deutscher Eisengiessereien mit Unterstützung der preussischen Regierung 1887 durch Bergrat Jüngst zu Gleiwitz sehr gründliche Versuchsschmelzen Schmelzversuche mit Ferrosilicium, Berlin 1890 (Sonderabdruck aus der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen, Bd. XXXVIII). anstellen, auf welche wir hier nur verweisen können, welche aber den gün- stigen Einfluss eines begrenzten Siliciumzusatzes bestätigten und den Beweis lieferten, dass man mit weissem Roheisen durch Zusatz von Die Eisengiesserei seit 1870. Ferrosilicium ein gutes Material für Gusszwecke erzielen kann, aus- gezeichnet durch hohe Festigkeit, geringe Schwindung und geringe Neigung zum Abschrecken. Während Jüngst diese Wirkung dem Silicium zuschrieb, war A. Ledebur der Ansicht, dass dieses nur mittelbar gewirkt habe, indem das weisse Roheisen reiner war, weniger fremde Stoffe enthielt, als es heisserblasenes Graueisen zu haben pflegt; dagegen hob er hervor, dass ein Siliciumgehalt den Graphit im Roheisen schütze, so dass es öfter umgeschmolzen werden könne, ohne weiss zu werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen waren nicht nur von theoretischer, sondern auch von praktischer Bedeutung. Man konnte durch Zusatz von Ferrosilicium geringes Brucheisen und sogar ver- branntes Eisen mit Vorteil verschmelzen. Besonders hat dieser Betrieb in Frankreich eine grosse Bedeutung erlangt, während sich in Deutschland, wo gute Giessereiroheisensorten erzeugt werden, die Verwendung von Ferrosilicium im Allgemeinen als zu teuer erwiesen hat. Dagegen stellten die Hochofenwerke alsbald siliciumreiche Giessereiroheisensorten zur Gattierung dar; so machte z. B. Gjers zu Ayrsome bei Middlesborough schon 1887 in einem Hochofen aus- schliesslich ein solches Eisen mit 9 bis 13 Prozent Silicium für den Gebrauch der Giessereien. Gutes Giessereiroheisen pflegt 2,5 bis 3,5 Prozent Silicium zu enthalten. In ähnlicher Weise wurde auch der Einfluss des Phosphors , des Aluminiums und anderer Stoffe auf das Gusseisen genauer untersucht. Letzteres hat dadurch, dass es ausserordentlich viel billiger geworden ist, seit 1890 Bedeutung für die Eisengiesserei erlangt. Dass ein Zusatz von Aluminium zum Roheisen reinigend wirkt und es dünnflüssiger macht, war schon länger bekannt. Ledebur erklärte 1887 diese Wirkung aus der durch das Alu- minium bewirkten Reduktion im Roheisen enthaltener oxydischer Verbindungen. J. Keep Siehe Iron, Bd. XXXV, S. 444; Ironmonger 1890, N. 860, S. 148; Stahl u. Eisen 1890, S. 696. , der über diese Frage zahlreiche Versuche angestellt hat, schrieb (1888) dem Aluminium folgende gute Ein- wirkungen auf das Giessereiroheisen zu : 1. es erhöht die Dichtigkeit der Güsse; 2. es hält Kohlenstoff gebunden bis zum Moment des Er- starrens, wobei dieser plötzlich als grossblättriger Graphit ausgeschieden wird. Je rascher die Abkühlung eintritt, je mehr Kohlenstoff wird ausgeschieden, deshalb an den dünneren Stellen eines Gussstücks Beck, Geschichte des Eisens. 34 Die Eisengiesserei seit 1870. mehr als an den dickeren; 3. die Widerstandsfähigkeit des Gusseisens gegen Belastung und Stoss wird vermehrt; 4. der Verlust der Elasticität wird vermindert; 5. die Schwindung wird fast ganz auf- gehoben; 6. die Flüssigkeit des Eisens wird erhöht. Man kann also auch durch Zusatz von Aluminium weisses Eisen in graues überführen und zwar wird das hierbei erhaltene Endprodukt für die meisten Zwecke besser sein als das durch Zusatz von Silicium erhaltene. Ein Aluminiumzusatz von 2 Prozent soll die Bruchfestigkeit um das Dreifache vermehren. Dennoch ist die Verwendung des Aluminiums zu diesem Zweck in der Eisengiesserei der Kosten wegen bis jetzt nur eine beschränkte geblieben. Für Qualitätsguss wird es zuweilen in der Giesspfanne zugesetzt. Früher musste man sich des Aluminium- metalls bedienen, jetzt bedient man sich vorteilhafter des im grossen bereiteten Ferroaluminiums, und zwar am besten in der Weise, dass man ein entsprechendes Stück davon in die leere Giesspfanne legt und dann das geschmolzene Gusseisen darüber giesst. Auf den „Mitisguss“, welcher mit Hülfe von Aluminium erzielt wird, kommen wir später zurück. Auch ein Phosphorgehalt ist innerhalb gewisser Grenzen von Nutzen. Er macht das Eisen nicht nur flüssiger, was schon früher bekannt war, sondern er erhöht auch die Festigkeit, und zwar liegt nach R. Åkerman Die Bedingungen für zweckentsprechende Erzeugung von Eisenguss. Jernkontoret An. 1889; Stahl und Eisen 1889, S. 863. die grösste Festigkeit bei einem Phosphor- gehalt von 0,25 Prozent, wenn gleichzeitig der gebundene Kohlenstoff 0,8 bis 1,4 Prozent beträgt. W. J. Keep Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 604. , der ebenfalls 1889 die Wirkung des Phosphors auf das Gusseisen untersucht hat, kommt zu dem Schluss, dass ein mässiger Phosphorgehalt von etwa ½ bis 1 Prozent noch günstig auf das Verhalten des Giessereiroheisens einwirke, ein höherer Gehalt aber die Festigkeit beeinträchtige. Im allgemeinen macht Phosphor das Gusseisen spröde. Ledebur hält deshalb für stark beanspruchten Bauguss ½ Prozent schon für zu viel. Th. D. West giebt 0,7 Prozent als obere Grenze an. Über den Einfluss des Mangans auf die Eigenschaften des Guss- eisens haben namentlich Scheffer und Ledebur Untersuchungen veröffentlicht Siehe Jahrbuch für Berg- und Hüttenwesen im Königreich Sachsen 1880, S. 5. . Dr. Wüst hält einen Mangangehalt von 0,8 Prozent für zulässig, während der Amerikaner Th. D. West 0,35 Prozent als Die Eisengiesserei seit 1870. Grenze angiebt, ausser bei abnorm hohem Silicium- und Schwefel- gehalt. Von Wichtigkeit waren auch A. Ledeburs Arbeiten über Seigerung bei Roheisen 1884. Indem er die Graphitbildung beim Erstarren des grauen Roheisens als eine Seigerung auffasst, kommt er zu dem Schluss, dass das graue Roheisen seine Entstehung einem Seigerungsprozess verdanke und dass sich manche Seigerungserschei- nungen aus der Fähigkeit des Roheisens, in Legierungen von ver- schiedenen Schmelzpunkten zu zerfallen, erklären Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 244, und Ledebur , Handbuch der Eisen- giesserei, S. 31. . Von praktischer Bedeutung war A. Ledeburs Untersuchung der Roheisensorten auf Säurebeständigkeit (1877), wobei er zu dem allge- meinen Schluss kam, säurefestes Roheisen muss so viel gebundenen Kohlenstoff wie möglich enthalten. Erwähnung verdient noch der Vorschlag von Pet. Benj. Talbot (1893), das Giessereieisen durch geschmolzene basische Schlacke zu reinigen Amerik. Pat. Nr. 476091/2; Stahl und Eisen 1893, S. 39. . Obgleich die chemische Prüfung von grösster Wichtigkeit ist, so hat doch auch die mechanische Untersuchung des Gusseisens eine grössere Bedeutung und Anwendung erlangt. Festigkeitsprüfungen sind allgemein geworden. In der Regel wird in der Praxis nur die Biegungsfähigkeit, d. h. die vor dem Bruch eintretende Einbiegung, ermittelt. Die Probestäbe macht man nach Th. D. Wests Vorschlag Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 909. in neuester Zeit (1894) cylindrisch. Sie werden stehend, von unten gegossen. Gleiche Querschnittsform und gleiche Art des Giessens sind von Wichtigkeit, wenn man verschiedene Gusseisensorten miteinander vergleichen will. Bearbeitete Stäbe zeigen eine höhere Biegungs- festigkeit als unbearbeitete. Martens empfahl die Schlagprobe neben der Biegungsprobe für die Ermittelung der Güte des Gusseisens Siehe Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1898, S. 1326 und 1348. . Anstatt des Zerschlagens der Roheisenmasseln mit dem Hand- hammer wendet man jetzt vielfach Masselbrecher, die meist hydraulisch betrieben werden, an. Eine grosse Zahl ist patentiert worden. Fig. 211 (a. f. S.) zeigt eine einfache Konstruktion der Badischen Maschinen- fabrik in Durlach Eine andere Konstruktion von Bopp \& Reuther in Mannheim ist in Stahl und Eisen 1895, S. 1002, beschrieben und abgebildet. . 34* Die Eisengiesserei seit 1870. Das Schmelzen des Roheisens geschah nach wie vor in Tiegel- öfen, Flammöfen und Schachtöfen, doch traten letztere noch mehr Fig. 211. wie früher in den Vorder- grund. Bei den Tiegelöfen brachte Piat in Paris 1878 insofern eine Ver- besserung an, als er einen beweglichen Tiegelofen, Fig. 212 A. Ledebur , Eisen- und Stahlgiesserei, Fig. 8, 9. , konstruierte, der das Ausgiessen des Tiegels ohne dessen Her- ausnahme gestattete. Die Flammöfen baute Friedrich Sie- mens 1884 mit nieder- gezogenen Gewölben. Die Neuerungen und Verbesserungen bei den Kupolöfen sind so zahlreich, dass wir nur eine kurze Aufzählung geben können; das Bedürfnis, rasch grosse Mengen von Roheisen für das Bessemerver- Fig. 212. fahren niederzuschmelzen, hat hierauf wesentlich mit eingewirkt. Für diesen Zweck bewährte sich der 1873 von Swain in Oldham ein- geführte Kupolofen mit geschlossenem Vorherd Siehe Abbildung in Weddings Handbuch der Eisenhüttenkunde III, Fig. 115, 116. , in welchen das Eisen aus dem Schmelzraum unmittelbar abfloss. Der Vorherd war mit einer Esse verbunden und wurde durch die Ofengase geheizt. Die Eisengiesserei seit 1870. Nach Collins Angabe wurde bei diesem Ofen das Roheisen im Vorherd etwas entkohlt. Zum Guss des 600 Tonnen schweren Ambossstocks für einen grossen Dampfhammer zu Perm (1873) wurden 14 Mackenzieöfen gleichzeitig benutzt. In demselben Jahre machte Gerhardi in Lüdenscheid Mitteilung über einen verbesserten Kupolofen. Der 1875 aufgekommene Kupolofen von Voisin hatte zwei Reihen Düsen übereinander, was übrigens bei dem Irelandofen und vielen anderen Kupolöfen, wie namentlich dem von Schmahel 1845 in der königlichen Giesserei zu Berlin erbauten, schon früher versucht und angewendet worden war. Voisin wollte mit der zweiten Düsenreihe die Verbrennung vollständig machen, indem er das Kohlenoxydgas des aufstreichenden Gasstroms durch einen Windstrom verbrannte. Die zweite Düsenreihe sollte 650 mm über der ersten liegen, der Koksverbrauch sollte bei diesen Öfen nur 8,4 Prozent betragen. Sie wurden später (1880/81) von Hamelius noch dadurch verbessert, dass der Wind erst in einen ringförmigen Kasten trat, aus dem sämtliche Düsen gespeist wurden, dass die Zahl der oberen Düsen vermehrt, ihr Querschnitt aber verengert wurde und dass sich die- selben abstellen liessen, um nur während einer gewissen Zeit beim Einschmelzen benutzt zu werden. In Pennsylvanien betrieb man Mackenzie- Kupolöfen mit Anthrazit. Dieselben ruhten auf vier Gusssäulen; der Boden war durch zwei halbkreisförmige Thüren, die durch einen Riegel gehalten wurden, gebildet. War das Schmelzen beendet, so wurde der Riegel auf- geschlagen, die Thüren klappten auf und der Ofen entleerte sich. Diese Art des Verschlusses hat man später auch bei anderen Öfen, z. B. bei dem von Hamelius , angewendet. Bei dem Ofen von Blakeny 1876 trat der Wind aus einem Ring durch viele Kurvenröhren in den Ofen; bei dem von Frank Lawrence (1877) geschah die Wind- zuführung durch drei Reihen übereinander liegender Schlitze. 1878 wurde in Gröditz ein Kupolofen mit wassergekühltem Schmelzraum in Betrieb genommen, doch war der Koksverbrauch kein besonders günstiger. 1880 erfand Gustav Ibrügger zu Norden einen Kupolofen, Fig. 213 (a. f. S.). Bei diesem geschieht die Windzuführung aus einem ringförmigen Windkasten durch zwei Reihen schlitzförmiger Düsen. Das geschmolzene Eisen fliesst durch eine Öffnung am Boden in einen überwölbten Sammelraum unter dem Ofen, der mit einem Vorherd Die Eisengiesserei seit 1870. verbunden ist, welcher durch die Gase des Ofens vorgewärmt wird. Dadurch eignet sich dieser Ofen besonders zum Zusatz von Schmiede- eisen, Ferrosilicium und anderen Substanzen in den Vorherd. Das erste Patent (D. R. P. Nr. 9733) wurde Ibrügger am 11. März 1880 Fig. 213. erteilt und nebst einem zweiten (D. R. P. Nr. 10830) von Dirks \& Co. in Norden erworben. Der 1880 von Ant. Fauler in Freiburg konstruierte Kupol- ofen Siehe C. F. Dürre , Handbuch des Eisengiessereibetriebes I, Fig. 38. ist ein Mackenzieofen mit horizontalem Windschlitz, der aus einer Anzahl aufeinander- gesetzter, auswechselbarer Ringe zusammengebaut ist. In den Vereinigten Staaten bewährte sich ein Kupolofen von Victor Calliau . 1881 erfand Dufréné in Paris seinen Kupolofen Siehe Dürre a. a. O. I, Fig. 41. mit ge- trenntem Gasgenerator (D. R. P. Nr. 18483). Die Generatorgase treten durch einen gemauerten Rost von unten in den Schmelz- raum. Besson in Lyon (D. R. P. Nr. 19051 vom 13. Dezbr. 1881) lässt den gemauerten Rost fort und erzielt dadurch eine raschere Schmelzung. 1882 veröffentlichte Dr. Otto Gmelin in Budapest seinen Kupolofen mit Wassermantel Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1882, S. 526; Dürre a. a. O. I, Fig. 52. . Der Schacht des Ofens, der auf dem gemauerten Eisenkasten ruht, besteht aus einem Doppelcylinder von Kesselblech, dessen ring- förmiger Raum unten wasserdicht abgeschlossen und oben offen ist. Durch den ringförmigen Mantel cirkuliert Wasser. Dieser Ofen sollte Die Eisengiesserei seit 1870. mehr leisten als zwei ausgemauerte und wenig Reparatur erfordern, doch muss der Ofenschacht mindestens 900 mm lichte Weite haben. Er hat sich bei Ganz \& Co. in Budapest gut bewährt. Nach einer Analyse war (1887) das Verhältnis von CO 2 : CO in den Gichtgasen = 16,6 : 3,4. Fig. 214. 1883 trat F. A. Her- bertz Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 542. in Köln mit seinem Dampfstrahl- ofen auf (D. R. P. Nr. 26777 vom 31. Dez. 1883), bei dem die Verbrennungsluft nicht eingeblasen, son- dern eingesaugt wird. Veranlasst war Her- bertz ’ Erfindung durch ein Polizeiverbot, einen flammenden und fun- kenwerfenden Kupol- ofen in der Stadt zu erbauen. Er verband Woodwards Dampf- kupolofen (s. S. 81) mit Mackenzies Schlitzofen; nach ver- schiedenen Versuchen kam er zu der Fig. 214 dargestellten Kon- struktion Siehe Ledebur , Eisen- und Stahlgiesserei S. 118, Fig. 37; Dürre , a. a. O., Fig. 47, S. 567. (D. R. P. Nr. 29539 vom 9. Mai 1884). Wie aus der Zeichnung zu ersehen, ist der Herd verstellbar. Später wurden an diesem Saugkupolofen, der eine ziemliche Ver- breitung erlangte, noch mehrere Verbesserungen angebracht Vergl. Dürre , Handbuch der Eisengiesserei I, S. 565. . Der Dampfverbrauch ist bei dem Herbertz-Ofen bedeutend geringer als bei den früheren Woodward-Öfen und das Eisen ist wärmer; der Koks- verbrauch zum Schmelzen ist sehr günstig Aufsatz von Beckert in Stahl und Eisen 1886, S. 399. , aber der Dampf- Die Eisengiesserei seit 1870. verbrauch ist grösser als bei Gebläsen und die Erzeugung eine be- schränkte. Friedrich Krigar in Hannover verbesserte (Pat. Nr. 29584 vom 28. Dezember 1883) seinen Ofen, Fig. 215, in der Richtung, dass er Fig. 215. den Vorherd mehr ab- schloss, so dass derselbe nur durch eine Durch- flussöffnung mit dem Schmelzraum in Ver- bindung stand. Der Vor- herd wurde durch die Ofengase, welche durch einen Exhaustor ange- saugt und mit Luft ver- mischt wurden, geheizt Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 557. . Hierdurch wurde der Kohlenverbrauch sehr vermindert und ein sehr heisses Eisen erhalten, welches bis zu 30 Prozent Schmiedeeisenzusatz im Vorherdgestattete. Ferner verbesserte Krigar die Windzuführung, indem er den Wind aus zwei seit- lich angeordneten Wind- kasten durch zwei breite, in verschiedener Höhen- lage befindliche Schlitze in den Ofen treten liess. Wie viel ökonomischer der Betrieb der Kupolöfen jetzt gegen früher war, ist deutlich daraus zu ersehen, das Ebelmen 1842 bei einem Kupolofen, der 18 bis 20 kg Koks auf 100 kg Eisen verbrauchte, das Verhältnis von CO 2 : CO in den Gasen = 0,83 fand, während F. Fischer 1879 bei einem Krigarofen, der 7 kg Koks brauchte, das- selbe = 2,5 fand. 1883 schlug G. Winter in Laufach Siehe Dinglers Journ. 1883, III, S. 446. eine einfache Art der Die Eisengiesserei seit 1870. Bodenerwärmung vor, welche sich leicht bei jedem einfachen Schacht- ofen anbringen lässt. 1886 traten Greiner \& Erpff zu Chisnowoda in Ungarn mit ihrem neuen Kupolofen hervor. Derselbe bezweckte, wie die Öfen von Voisin, Bichon und Hamélius , eine grössere Ausnutzung der Gase, was durch eine bessere Verteilung der Oberdüsen erreicht wurde. Diese sind, wie aus Fig. 216 zu ersehen, spiralförmig und in solchem Abstand von den Hauptdüsen angeordnet, dass bei dem geringen Druck infolge der engen Ableitungen die Gase verbrennen, ohne die Koks zu entzünden. Hierdurch wird eine gute Vorwärmung der Beschickung ohne Brennstoff- aufwand erzeugt. Diese Öfen haben sich bewährt z. B. zu Lauchhammer und besonders durch die Bemühungen von Lürmann eine ziemliche Ver- breitung erlangt. Ihr Koksver- brauch soll angeblich nur 4 bis 5 kg auf 100 kg Eisen betragen. Dasselbe Princip fand auch bei dem von J. Boult in London erfundenen Gaskupolofen An- wendung. Das in besonderem Fig. 216. Generator erzeugte Gas wird oben eingeblasen und durch Spiraldüsen verbrannt. Die äussere Gestalt der Kupolöfen ist jetzt meist cylindrisch und werden Ofen und Vorherd mit Blechplatten bekleidet, wie der Fig. 217 (a. f. S.) abgebildete Ofen vom Eisenwerk Karlshütte, Alfeld an der Leine, zeigt. 1887 gab Jens Hansen einen Kupolofen mit Vorwärmung des Windes durch die Ofenwände an. Auf demselben Princip beruht ein von Ambr. Schere Massey angegebener Ofen mit beweglichem Unterteil. In dem von Jukes, Glover und Rosshardt in Manchester angegebenen Ofen, der aus zwei Schächten mit gemeinschaftlichem Sammelraum besteht, wird das Eisen, welches beim Eintritt in letzteren von Windstrahlen getroffen wird, gefeint. Die Eisengiesserei seit 1870. Auch bei dem Ofen von C. Cooper (1889, amerikan. Patent Nr. 392187) sind Schmelzraum und Sammelraum getrennt. Der obere Schmelzraum wird durch ein Gewölbe getragen, das flüssige Eisen fliesst nach unten. Massey in Madras machte den oberen Teil ab- nehmbar zum Zweck leichterer Reparatur. Eine eigentümliche Kon- struktion ist die von dem Amerikaner Thomas D. West Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 323; W. Kirschner , Fortschritte der Eisengiessereipraxis 1901, S. 99. 1893 angegebene mit innerer Blasenform oder Mitteldüse (Fig. 218). Diese Fig. 217. Fig. 218. Konstruktion ist für grosse, weite Ofen gedacht. Sie sollen sich in den Vereinigten Staaten bewährt haben. Dagegen eignet sich R. Baumanns Vorwärme-Tiegelofen Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 547. für den Kleinbetrieb. Er ähnelt den ältesten Giessöfen, wie sie schon Reaumur beschrieben hat (s. Bd. III, S. 171), und den alten Kale- bassen (Bd. IV, S. 533). Fig. 219 stellt Baumanns Tiegelofen und Fig. 220 Baumanns sogenannten Rapid-Kupolofen dar. Man sieht Die Eisengiesserei seit 1870. daraus, dass diese wie der Piat-Ofen bewegliche Tiegelöfen sind, die wie dieser für Fein- und Qualitätsguss dienen sollen. Mit den Verbesserungen der Kupolöfen stehen die der Gebläse in engster Beziehung. Am meisten blieben Ventilator- und Kapsel- gebläse in Anwendung. In Amerika wurde Anfang der siebziger Jahre für das Roheisen- umschmelzen in den Bessemerwerken hauptsächlich das Sturtevant- Fächergebläse mit zwölf leichtgekrümmten Schaufeln und einer jeden Fig. 219. Fig. 220. Verlust hindernden Scharnierdichtung angewendet. Es war öfter mit einem von Dampf geheizten Röhrensystem zur Winderwärmung ver- bunden. 1881 konstruierte E. D. Farcot einen neuen Ventilator, der als ein verbesserter Lloyds cher anzusehen ist. Mehr Aufmerksamkeit hat man den Kapselrädern zugewendet, die auch die Ventilatoren vielfach verdrängt haben. Ellis ’ Gebläse 1876/77 war ein einachsiges Kapselrad, dessen Achse excentrisch zum Mittel der Aussentrommel stand; doch ver- mochte es nicht die zweiachsigen Rootsgebläse zu verdrängen. Die Eisengiesserei seit 1870. Um 1878 konstruierte Heinrich Krigar in Hannover sein zweiachsiges Patentschraubengebläse (D. R. P. Nr. 4121), das ein ver- besserter Roots blower war. Die grösseren machen 100 bis 175 Um- drehungen in der Minute. 1882 erbaute Stewart in Amerika sein einachsiges Kapselgebläse, welches in den Vereinigten Staaten Verbreitung fand. Man wendete bei Kupolöfen höchstens eine Pressung des Windes von 55 cm Wassersäule an. Doch haben neuerdings Krigar und Ihssen Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 70. und C. H. Jäger Hochdruckgebläse erfunden, die Verbreitung gefunden haben. Das Jägergebläse ist Fig. 221, 222 in Ansicht und Fig. 221. Fig. 222. Querschnitt dargestellt. Die Drehkörper dichten gut in breiten Flächen, und es kann eine Windpressung von einer halben Atmo- sphäre erzielt werden. Für die Herbertzöfen kamen Dampfstrahlgebläse in Anwendung. Ein solches war zuerst 1870 C. W. Siemens in London patentiert worden. Verbesserte Gebläse der Art für Hüttenbetrieb brachten die Gebrüder Körting in Hannover zur Einführung. Wenden wir uns zu den Fortschritten der Formerei . Man ver- suchte die natürlichen Formsande durch künstliche Surrogate zu ersetzen. Pet. Gallas schlug 1888 einen künstlichen Formsand aus 19 Tln. reinem Sand und 2 Tln. gepulvertem Harz vor und J. Patrick ebenfalls in Frankfurt 1889 ein Gemisch aus Sand und Teer. In England wendete man schon länger einen Formsand aus gewaschenem Sand und Teer an. Besonders bedient man sich neuerdings zur Herstellung der Die Eisengiesserei seit 1870. Formkerne häufig eines Sandes, dem organische Substanzen beigemengt sind, infolgedessen er nach dem Guss leicht herausfällt. In den Vereinigten Staaten ist hierfür ein Zusatz von Maismehl üblich. Um die Verbesserung der Formsandmühlen hat sich besonders das Grusonwerk zu Buckau-Magdeburg Verdienste erworben. Kugel- mühlen bauten auch P. Zimmermann in Rathenow 1882 für diesen Zweck. Den Carrs chen Desintegrator haben Seebold \& Neff (Badische Maschinenfabrik) in Durlach um 1876 zuerst zum Zer- kleinern und Mischen des Form- sandes verwendet. 1882 erfanden A. Diefenthäler und Schütze eine Schleudermühle mit verstell- baren Stiften zur Vorbereitung des Formsandes und ersterer nahm am 24. Oktober 1882 ein Patent (D. R. P. Nr. 23561) auf einen Apparat zum Mischen und Sieben des feinen Modellsandes. Die Sandmisch- maschine von C. Schütze ist Fig. 223 im Durchschnitt abgebildet. Auch H. Krigar konstruierte 1885 eine Mahl- und Mischmaschine nach dem Carrs chen Princip. A. von der Nahmer in Remscheid liess sich 1886 eine Sandmischmaschine patentieren (D. R. P. Nr. 34948). Zum Sieben des Formsandes hat Fig. 223. Verfasser längere Zeit ein von A. Schmidt-Manderbach erfundenes Spiralsieb verwendet. Ein wagerecht hin und her gehendes Sandsieb hat Max Goerke in Aumühle 1889 sich patentieren lassen (D. R. P. Nr. 48385). Zum Wickeln der Lehmkerne haben sich Holzwollseile statt der Strohseile bewährt. Bei den Formkasten erstrebte man Ersparnis an Kasten durch Zusammensetzung derselben aus Teilen. So führte 1877 die Emersche Eisengiesserei Abschlagformkasten ein, bei denen jeder Kastenteil aus zwei Stücken, die durch Scharniere verbunden waren, bestand, und Auerbach konstruierte in demselben Jahre seine Universalrahmen, in welchen die unbeschlagenen Formkasten befestigt wurden. Schmidt nahm 1894 ein Patent (D. R. P. Nr. 74167) auf diagonal geteilte, ver- Die Eisengiesserei seit 1870. schraubte Kasten. Schmiedeeiserne Kasten werden jetzt fabrikmässig hergestellt und sind leichter wie Gusseisenkasten Siehe Eisenzeitung 1900, S. 815. . Zahlreiche Verbesserungen wurden bei den Formmaschinen , die eine grosse Verbreitung erlangten, gemacht. Wir können nur einzelne derselben in chronologischer Ordnung kurz erwähnen. Auf der Wiener Weltausstellung von 1873 war eine Röhrenform- maschine von Direktor Dewailly von Marquise, Dep. Pas de Calais, die auf dem in Schottland bewährten Princip der rotierenden Stampf- keulen beruhte. Fig. 224. Ende der siebziger Jahre konstruierten Sebold \& Neff in Durlach [später Badische Maschinenfabrik Siehe Ledebur , Eisen und Stahlgiesserei, Fig. 133, 134. ] eine Formmaschine, die grosse Verbreitung in Deutschland fand. Sie arbeitete mit einer Modellplatte, Modell und Schwenkrahmen, presste den Sand in den Formkasten und war mit einer Vorrichtung zum Auslösen des Modells versehen. In der ersten Beschreibung Siehe Dinglers Pol. Journ. 1880, II, S. 19; 1883, III, S. 245, IV, S. 104, 107. war darauf Wert gelegt, dass die Druckplatte keine ebene, sondern eine der Gestalt des Modells entsprechende Druckfläche haben solle. Sie war für Handbetrieb ein- gerichtet. Um dieselbe Zeit (1879) wurde die Formmaschine von G. Woolnough und Fr. Dehne in Halberstadt (D. R. P. Nr. 1391, 8669 und 15271), Fig. 224, die ebenfalls grossen Beifall fand, ein- Die Eisengiesserei seit 1870. geführt. Sie arbeitet mit Modellplatten, die nicht aus Eisen, sondern aus Gips, Cement, einer leichtflüssigen Metallmischung, Hartgummi oder einem anderen leichten Stoff hergestellt sind, um sie besser handhaben zu können, die aber, um sie haltbarer zu machen, mit Rahmen von Eisen umgeben sind Siehe Dinglers Pol. Journ. 1882, II, S. 183. . Die Modellplatte ruht in zwei Zapfenlagern auf zwei Säulen und kann vollständig gedreht werden. Darunter läuft der Formtisch auf Rollen. Das Modell ist auf beide Seiten der Formplatte verteilt. Nachdem zuerst der Unter- kasten eingestampft ist, wird die Platte gedreht und in gleicher Weise der Oberkasten fertig gemacht. Am 21. November 1880 liess sich H. Reusch in Dillingen einen Formkasten mit Doppelpressung zu gleichzeitiger Herstellung von Ober- und Unterkasten Daselbst S. 181. patentieren. Die Marienhütte bei Kotzenau führte eine Specialformmaschine für Ge- schirrguss Siehe Ledebur , Eisen- und Stahlgiesserei, 2. Aufl., S. 252, Fig. 124, 125. ein. Bei der 1881 von Ugé in Kaiserslautern patentierten Formmaschine (D. R. P. Nr. 15570), Fig. 225, geschieht die Auslösung des Modells durch Abwärtsbewegung der Modell- platte und Hindurchziehen der Modelle durch Schlitze der Tischplatte, auf welcher der Formkasten steht. Die Be- wegung geschieht in der Regel durch Hebel und Getriebe. Für die Herstellung von Töpfen mit gleicher Wand- Fig. 225. stärke soll die von J. V. Hope am 19. Oktober 1882 patentierte Formmaschine dienen. Ganz konstruierte eine für geriffelte Walzen bestimmte Formmaschine, bei welcher die Riffeln durch Einpressen auf eine glatte, cylindrische Form hergestellt wurden. Überhaupt lässt sich die Formmaschine viel vollkommener für einen bestimmten Gegenstand anpassen und deshalb sind viele solche Specialmaschinen Die Eisengiesserei seit 1870. erfunden worden. Die früher üblichen durchbrochenen Formplatten mit eingesetzten Modellstücken sind seit Mitte der achtziger Jahre allgemein durch die in Amerika gebräuchlichen Modellplatten ver- drängt worden. 1886 führte die Pneumatic Compagny zu Indianopolis, U. S., die Pressluft zum Festdrücken des Formsandes mit Hülfe eines elastischen Gummikissens ein, doch war das Verfahren zu kostspielig. Gebr. Körting nahmen 1899 ein Patent auf eine Walzenpresse zur Herstellung von Sandformen [D. R. P. Nr. 106925 Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 280. ]. Albert Piat in Paris benutzte in demselben Jahre zuerst die hydraulische Presse zur Herstellung von Gussformen (D. R. P. Nr. 34592). Seitdem haben die hydraulisch betriebenen Form- maschinen eine zunehmende Verbreitung gefunden. Sie sind billig und leicht zu bedienen und gestatten viel höheren Druck als die mit Handbetrieb. Von den zahllosen Specialmaschinen nennen wir die Zahnradform- maschine von Heintzmann und Dreyer auf der Bochumer Eisen- hütte 1886 und die von Rob. Schneider in Düsseldorf 1892; eine Riemenscheiben-Formmaschine von Anton \& Söhne in Flensburg 1888; eine ebensolche von A. Wetzig (D. R. P. Nr. 73731) 1893 und von Petzold \& Co. in Inowrazlaw 1897; ferner eine Spiralform- maschine für Zahnräder, Riemenscheiben u. s. w. der Badischen Maschinenfabrik 1893 (D. R. P. Nr. 71824). Hydraulische Formmaschinen wurden konstruiert von Bopp \& Reuther in Mannheim 1886, bald darauf von Oppenheim in Hain- holz (D. R. P. Nr. 50223), von F. G. Leeder in England 1889 (D. R. P. Nr. 50223), mit doppelter Modellplatte Siehe Ledebur a. a. O., Fig. 135. , von Sebold \& Neff in Durlach und von M. R. Moore in Indianopolis 1890, von M. Dalifol in Paris 1891 (D. R. P. Nr. 64628). In den neunziger Jahren haben die hydraulischen Formmaschinen (Formpressen) immer mehr Anwendung gefunden und sind viele neue und verbesserte Konstruktionen patentiert worden Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 994; 1898, S. 70, 138. , so z. B. Mac Lellan und Alby in Palmadic 1890 (Engl. P. Nr. 14885), der Badischen Maschinenfabrik ( Sebold \& Neff ) in Durlach (D. R. P. Nr. 60204) und F. Weber in Hannover (D. R. P. Nr. 60769) 1891, Bopp \& Reuther in Mannheim 1891 (D. R. P. Nr. 59727), 1892 (D. R. P. Nr. 73514) und 1898 (D. R. P. Nr. 102223), Murray und Fairweather Die Eisengiesserei seit 1870. 1894 (D. R. P. Nr. 82683), Wasseralfingen 1895 (D. R. P. Nr. 84541), S. Oppenheim in Hain- holz (D. R. P. Nr. 82683), E. H. Mumford 1897 Mit Druckluftpresse; siehe Stahl und Eisen 1898, S. 467. u. s. w. Man baut die Maschi- nen entweder mit fest- stehenden oder mit dreh- baren Formkasten. Fig. 226 zeigt eine Form- maschine der ersten, Fig. 227 eine solche der zweiten Art, beide nach Konstruktionen von Bopp \& Reuther . In erster Linie hat der Wasser- druck das Pressen des Formsandes gegen das Modell an Stelle des Einstampfens zu besor- gen, sodann aber auch vielfach das Ausheben des Modells. Bei den Maschinen, die nicht mit doppelter Modellplatte arbeiten, die also bei einer Presse nur eine Modellhälfte in einem Kasten formen [Fig. 228 Formmaschine von F. Oppenheim in Hainholz, D. R. P. Nr. 82683 u. 94382. a. f. S.], geschieht dies in der Weise, dass der Kasten festgehalten wird, und die Modellplatte mit dem Plunger sich senkt oder umgekehrt. Die Modell- platte steht entweder fest Fig. 226. Fig. 227. Beck, Geschichte des Eisens. 35 Die Eisengiesserei seit 1870. oder sie ist drehbar, oder seitlich ausfahrbar. Diese verschiedenen Kombinationen ergaben schon eine grosse Mannigfaltigkeit in der Gestaltung der Formmaschinen. Mit den Modellformmaschinen kamen auch Kernformmaschinen in Aufnahme. Für die Herstellung von Sandkernen hat F. Bollmann in Smichow bei Prag 1890 eine Kernformmaschine (D. R. P. Nr. 57699) erfunden. Armenkernformmaschinen für Riemenscheiben u. s. w. wurden Williams (D. R. P. Nr. 76138) und Oskar Müller (D. R. P. Fig. 228. Nr. 78773) 1894, eine Kernformmaschine für Hohlguss J. Wert- heim 1897 (D. R. P. Nr. 94921) patentiert. Die Zahl der patentier- ten Kernformmaschi- nen ist gross. Ebenso kamen mit den Form- maschinen die Stampf- maschinen in Ge- brauch; beide waren öfter miteinander ver- bunden, wie schon bei der Formmaschine von Eames und Broad- meadow 1874, bei welcher der Sand mechanisch in die Form gepresst wurde. 1880 nahm E. de Simon in Düsseldorf ein Patent auf eine Stampfmaschine (D. R. P. Nr. 10185), deren Antrieb wie bei einem Friktionshammer erfolgte. In demselben Jahr konstruierte R. Döhn in Siegburg seine Stampfmaschine für Sandformen, besonders für Geschosse Siehe Ledebur , Eisen- und Stahlgiesserei, 2. Aufl., Fig. 126 bis 130. ; die in einem Hebelgerüste seitlich bewegten Pressstempel, die aber wie freifallende Stampfer wirkten, wurden durch Maschinenkraft bewegt. 1887 erhielt Math. Rob. Moore zu Indianopolis ein Patent (D. R. P. Nr. 42009) auf eine Maschine mit unabhängig voneinander wirkenden Stampfern Die Eisengiesserei seit 1870. zum Einstampfen des Sandes und 1888 auf eine verbesserte Maschine, bei welcher sich die dicht nebeneinander stehenden Stampfer unab- hängig voneinander in einem gemeinschaftlichen Gehäuse bewegten. Krügers Stampfmaschine (D. R. P. Nr. 75058) mit auswechselbaren Stampfern war durch ein Schneckengetriebe für verschiedene Höhen verstellbar. Hierher gehört auch die Benutzung von Walzen statt Stampfern zum Eindrücken des Formsandes, welche namentlich die Gebrüder Körting in Hannover 1885 beim Formen ihrer Heizkörper eingeführt haben (D. R. P. Nr. 29840 Siehe Glasers Annalen XVI, S. 10. . Aus Skizze Fig. 229 ist das Prinzip des Verfahrens zu erkennen. Fig. 229. Durch die Verbindung von Form- und Stampfmaschinen mit geeigneter Fortbewegung der fertigen Formkasten zu den Trocken- und Schmelzöfen sind besonders da, wo Specialartikel gemacht werden, grossartige Leistungen erzielt worden, wie z. B. auf den Werken von M. Godin zu Guise in Frankreich, wo durch Einführung der kon- tinuierlichen Maschinenformerei an Stelle der Handformerei im Jahre 1888 43 Arbeiter so viel leisteten wie früher 300. Das Formen geschah in drehbar in Zapfen aufgehängten Formkasten auf beweglichen Tischen mit hydraulischen Pressen. Noch grossartiger war der automatische Giessereibetrieb der Westinghouse-Luftbremsen-Gesellschaft Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 605; 1898, S. 461. zu Wilmerding bei Pittsburg 1890. Die Giesshalle ist 97,2 m lang und 47 m breit. Sie besteht aus drei Abteilungen, dem Giessraum von 59 m Länge, dem zweistöckigen Putzraum und dem Sandraum. Das Formen wird auf einer Reihe von auf Rädern laufender Tische, Fig. 230 (a. f. S.), welche untereinander so verbunden sind, dass sie eine endlose Kette bilden, vorgenommen. Auf der einen Aussenseite werden die Formkasten durch hydraulische Maschinen fertiggestampft, alsdann auf einen der 158 Tische gesetzt und auf diesen den Stichlöchern der Kupolöfen gegenüber gebracht 35* Die Eisengiesserei seit 1870. und voll gegossen. Hierauf werden sie durch die endlose Tischkette nach dem Putzraum gebracht, woselbst die Gussstücke in grosse Scheuertrommeln gelangen, während die leeren Formkasten wieder Fig. 230. zu den Formmaschinen zurückkehren. Diese Einrichtung setzt voraus, dass bei jedem Guss nur die gleichen oder sehr ähnliche Modelle zum Abguss gelangen. J. D. Hibbard hat 1893 ein ringförmiges, um eine vertikale Achse drehbares Gestell, das in ähnlicher Weise zum Kastentransport dient, konstruiert. Ein Kasten nach dem anderen wird voll gegossen, alsdann nach dem Erkalten der Kasten in dem Gestell umgedreht, so dass der ganze Inhalt Gussstücke und Formsand herausfallen. Eine von E. Ramsay (V. St.) erfundene Vorrichtung zum Ein- giessen des Metalls bei endlosen Giesstischen (D. R. P. Nr. 117053) ist Fig. 231 abgebildet. Die Verteilungstrommel M fasst immer so viel Eisen, als dem Gussstück entspricht. Für diese Art des kontinuierlichen Giessens hat Arthur Walker (New York) neuerdings Giesshülfsmaschinen, die alle mechanischen Arbeiten, wie Öffnen des Schmelzofens, Drehen des Formträgers etc., bethätigen, erfunden (D. R. P. Nr. 115 603 Siehe Eisenzeitung 1900, Nr. 52, S. 833. ). Die Eisengiesserei seit 1870. Der Formsand wird den Formmaschinen von oben durch Trichter und Schläuche zugeführt. Das Trocknen der Kerne oder Formen geschieht meistens in Trockenkammern mit direkter Heizung. Seltener wendet man Trocken- Fig. 231. öfen mit Röhrenheizung an, wie z. B. die von A. Cramer in Königin- Marienhütte bei Zwickau erbauten Siehe Ledebur , Handbuch der Eisen- u. Stahlgiesserei, S. 164, Fig. 56, 57. . Oft ist es aber auch notwendig oder zweckmässiger, die Formen an Ort und Stelle, wo sie hergestellt worden sind, zu trocknen, wie z. B. bei der Röhrenformerei. Statt des unvollkommenen Verfahrens mit offenem Kohlenfeuer, Kokskörben etc. hat man fahrbare Öfen, deren Verbrennungsgase durch die betreffenden Die Eisengiesserei seit 1870. Formen geleitet werden, konstruiert. Diese werden öfter mit künst- lichem Wind betrieben, wie der 1887 von Briegleb, Hansen \& Co . in Gotha eingeführte und der 1889 der Wilhelmshütte zu Waldenburg patentierte (D. R. P. Nr. 51214 Siehe Ledebur a. a. O., S. 168, Fig. 60. ), Fig. 232. Fig. 232. H. L. Robert in Stenay erhitzt die Gussformen im Innern (1886) durch Gas mit lötrohrähnlichen Brennern. Um dichten Guss zu erhalten, führte Whitworth 1874 das Giessen unter Druck ein, während Stoudly und Drummond in Belgien in demselben Jahre das Luftleerpumpen der Gussformen vor dem Giessen empfahlen. N. Slawianoff erhielt 1890 ein Patent auf Herstellung dichter Güsse durch Elektricität. Dies wird bewirkt durch die Verzögerung der Abkühlung infolge Erwärmung durch den elektrischen Strom. Die Eisengiesserei seit 1870. Die mechanische Reinigung des geschmolzenen Eisens von Schlacke geschieht in der Regel in der Giesspfanne. Als Ersatz für das Ab- streichen durch einen Arbeiter hat man Bleche angebracht, welche in das flüssige Eisen eintauchen, und die obenaufschwimmende Schlacke zurückhalten. Eine solche Giesspfanne ist z. B. 1888 von Goodwin und Howe Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 123, mit Abbildung. angegeben worden. In Deutschland wurde Poetter in Dortmund eine solche patentiert. Statt dessen hat man auch Vor- schläge gemacht, zwischen Einguss und Form einen Reinigungsapparat anzubringen. Einen solchen tragbaren Gusseinlauf empfahl Robert Schneider in Düsseldorf 1886, und J. Gallas in Frankfurt liess sich 1888 einen „Schäumapparat“ patentieren (D. R. P. Nr. 43347). Jak. Frank in Barmen benutzt hierfür (1893) ein Kesselchen mit Schwimmer (D. R. P. Nr. 67350). 1894 erfand van Rict einen künstlichen Ein- guss und die Gebrüder Müller (D. R. P. Nr. 80921) für denselben Zweck einen drehbaren Einlauf. Einen guten Giesstrichter mit Zufuhr hat Treuheit in Düsseldorf A. a. O. 1900, S. 1043. eingeführt. E. Servais und H. Lezias schlugen 1886 eine viel weiter gehende Reinigung des Eisens in der Pfanne vor, indem sie wie beim Besse- mern einen gepressten Windstrahl durch ein Rohr in das flüssige Metall einführten. Der Centrifugalguss, welcher schon früher bekannt war, ist 1888 von Manassah Gledhill in Manchester und von Whitworth \& Co. , 1890 von William Ambler in Bradford und 1892 von J. L. Sebe- nins angewendet und verbessert worden. Für die Erzeugung von Hohlkörpern durch Centrifugalguss hat Walz 1894 einen Apparat (D. R. P. Nr. 72478) erfunden, desgleichen Alexander einen für Massenartikel (D. R. P. Nr. 77768). Das von P. Huth in Gelsen- kirchen 1894 erfundene Centrifugalgussverfahren Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 285. (D. R. P. Nr. 78532) hat den Zweck, hartes und weiches Metall in getrennten Lagen in der Form zur Ablagerung zu bringen. Es bezieht sich dies auf Stahlguss. Die Fortschritte der Hebekräne gehören in die Geschichte des Maschinenbaues, doch darf nicht unerwähnt bleiben, dass man seit mehreren Jahren mit grossem Nutzen elektrische Kräne in Giessereien immer allgemeiner verwendet; anfangs nur leichte Drehkräne, wie z. B. die von E. Becker in Berlin, später aber Laufkräne von be- deutender Tragkraft; so befinden sich z. B. in der neuen Giesserei von Die Eisengiesserei seit 1870. A. Borsig in Tegel elektrisch betriebene Laufkräne von 25 Tonnen Trag- kraft, in dem Gussstahlwerk in Döhlen einer von 40 Tonnen Tragkraft. Fig. 233. Eine einfache hydraulische Heb- vorrichtung, Fig. 233, die auch für Giessereien sich eignet, haben Klein, Schanzlin und Becker in Franken- thal erfunden. Für das Putzen des Gusses ist die Einführung des Sandstrahlgebläses als Putzmaschine eine wichtige Neue- rung. Am 11. Oktober 1870 nahm der Amerikaner R. E. Tilghman zu Philadelphia ein Patent für die Be- arbeitung harter Substanzen mittels Sandstrahlen. Das Verfahren fand zuerst in der Glasfabrikation An- wendung, dann zum Blankputzen eiserner Gegenstände zur Verzinnung (1871/73), zum Putzen und Schärfen von Feilen und endlich auch zum Putzen des Eisengusses. Die Aus- führung war je nach den zu putzenden Gegenständen eine sehr mannigfaltige Der Sandstrahl wird mit Hülfe eines Ventilators in ähnlicher Weise erzeugt wie der Wasserstrahl bei dem Injektor, doch wendet man zum Putzen grösserer Gegenstände auch Dampf-Sandstrahlgebläse an, Fig. 234. Die Eisengiesserei seit 1870. wie Fig. 234 ein solches zeigt Siehe Ledebur , Zeitschr. des Ver. deutsch. Ing. 1899, XXXXIII, S. 10 . Flache Handelsgusswaren werden mit Wind-Sandstrahlen auf einem Drehtisch in einem geschlossenen Fig. 235. Apparat geputzt. Fig. 235 zeigt einen solchen von Alfred Gutmann in Ottensen. a ist der Drehtisch, Fig. 236 zeigt die Sandstrahldüse. Eine möglichst gleichmässige Ver- teilung der Sandstrahlen ist wesent- lich. Die Gusswaren werden ausser- halb des Apparates auf den Drehtisch gelegt und gelangen dann in das verschlossene Innere desselben, wo die Sandstrahlen auf sie wirken, um nach einiger Zeit auf der anderen Seite fertig geputzt herauszukommen. Das Putzen geschieht ganz gleich- mässig bei hoch und tief gelegenen Stellen, eignet sich deshalb z. B. sehr für verzierten Ofenguss. Reicht die Wirkung des Windes nicht aus, so wendet man Dampf an, wie in der Regel für Stahlguss. Fig. 236. Die Eisengiesserei seit 1870. Sandstrahlmaschinen wurden in Deutschland im Jahre 1880 von K. und Th. Moller in Kupferhammer bei Brackwede, dann von Alfred Gutmann zu Ottensen-Hamburg gebaut. Für eine ver- besserte Gussputzmaschine erhielt H. Röchling 1897 ein Patent (D. R. P. Nr. 99677). A. Gutmann nahm 1899 ein neues Patent (D. R. P. Nr. 109648) auf eine Sandstrahl-Gussputzmaschine mit rotierender Putztrommel. Statt des Wind- oder Dampfstrahls dient bei einer von der Badischen Maschinenfabrik 1893 erbauten Gussputzmaschine (D. R. P. Nr. 71824) ein schnell umlaufendes Zellenrad, das den Putzsand gegen die Gussstücke schleudert. Als Ersatz des Handmeissels für das Gussputzen hat James Mac Coy in Brooklyn einen durch Druckluft betriebenen Meissel, Fig. 237, der sehr rasche kurze Stösse ausführt, erfunden. Mc. Ewan Fig. 237. Ross in Glasgow hat 1894 ein ähnliches Werkzeug konstruiert. Selbstthätige Putz- meissel sind in Amerika jetzt allgemein in Ge- brauch. Betrachten wir nun noch die Herstellung besonderer Gusssorten, so hat sich besonders die Röhrengiesserei in diesem Zeitraum zu einer immer mehr entwickelten wichtigen Specialität ausgebildet. Wir können die Fortschritte derselben nur kurz andeuten. 1873 empfahl Cramer zu Königin-Marienhütte das Trocknen der Formen durch die Gase eines Generators mit geringwertigem Brenn- material, weil die Trocknung mit heissem Winde zu kostspielig war. Er liess die Verbrennungsgase durch einen unter den hängenden Kernen herführenden Kanal, der oben verschliessbare Löcher oder düsenartige Ansätze hat, die nach Bedürfnis geöffnet werden, streichen. Um die Röhren, welche stehend gegossen wurden, auch stehend mit geringen Kosten einzuformen, ersetzte er das lange Modell durch ein Modellteilstück, welches durch eine Schraube mit dem fortschreitenden Einstampfen in die Höhe gezogen wurde, wie es Fig. 238 zeigt. Röhrenform- und Stampfmaschinen wurden verschiedene um diese Die Eisengiesserei seit 1870. Zeit erfunden, doch bewährte sich das Einstampfen mit der Hand unter Benutzung von Ganz- und Teilmodellen, wie es namentlich von Haldy zu Pont-à-Mousson (1873) vervollkommnet worden war, am besten. Das 1881/82 von W. Kudlicz in Böhmen erfundene Formver- fahren bezweckt besonders eine Ersparnis an Formkasten. Die Guss- form wird aus einzelnen ringförmigen Stücken, die mit Hülfe von Formmaschinen in Abschlag- kasten hergestellt werden, zusammengebaut. Ein Giesskasten kann täglich 15- bis 20mal gefüllt werden und dieselben Arbeiter machen drei- bis viermal so viel wie früher Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 307. . Jos. Wisley in Leeds erfand 1882 rotierende Gussformen zur Herstellung weiter Röhren. Centrifugal-Giessmaschinen für Muffen und Flanschenröhren wurden 1886 von Büldge, Hildebrandt und Quatram in Berlin an- gegeben. Über die Röhrenfabrikation der Königlichen Eisengiesserei zu Gleiwitz findet sich ein Aufsatz von Jüngst und Deppe in der Zeitschrift für Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preussischen Staate XXXIV, S. 111. Ein Akkumulator dient dort zum Betriebe eines hydraulischen Aufzuges und der Röhrenpresse. Röhrenformmaschinen wurden konstruiert von J. M. Zaski in Hamburg 1886, von Marcel Miller in Naise-aux-Forges bei Ligny, Dep. Moselle, 1887. Fig. 238. John Aug. Brinell in Westenfors goss 1887 die Röhren massiv, ohne Kern, und liess das Innere auslaufen, wodurch das Hohlrohr entstand. Von Röhrenstampfmaschinen erwähnen wir noch die von Jul. Rimer in Düsseldorf von 1893 (D. R. P. Nr. 71830) mit verstellbaren Stampfern und die von Sheperd \& Leigh (D. R. P. Nr. 77640) mit absatzweisem Eintragen des Sandes. Eine neue Stampfmaschine für Rohrformen wurde Hugo Sack patentiert (D. R. P. Nr. 113395 Daselbst 1901, S. 80. ). Eine grosse Bedeutung und Verwendung hat auch der Hartguss Die Eisengiesserei seit 1870. in dieser Zeit erlangt. Die vorzüglichen Leistungen der Amerikaner im Guss von Hartgussrädern haben wir schon früher hervorgehoben. Diese werden in den Vereinigten Staaten nicht nur für Eisenbahn- Güterwagen, sondern auch für Personenwagen und selbst für Lokomo- tiven verwendet. Die 1847 gegründete Rädergiesserei von A. Whitney \& Sons in Philadelphia verschmolz 1875 täglich 30 bis 40 Tonnen Roheisen, was der Produktion von 12 bis 16 kleinerer Holzkohlen- hochöfen gleichkam. Man verwendete nur bestes Holzkohlenroheisen aus Alabama, doch setzte man damals 5 bis 10 Prozent Anthrazit- roheisen zu. Ausser dem Material ist die Abkühlung besonders wichtig. Diese wird in cylindrischen Kühlöfen vorgenommen. Die noch heissen Räder werden in den glühenden Ofen eingesetzt, dann wird noch zwei bis drei Stunden gefeuert und hierauf der Ofen mit den Rädern zwei bis drei Tage abkühlen lassen. Die Räder werden durch die Schlagprobe geprüft, besonders wird die Nabe mit schweren Hämmern geschlagen; dann erst werden sie ausgebohrt. Die Räder laufen meist 32000 bis 60000 englische Meilen und mehr. 1886 führte Wilh. Sellers in Philadelphia verbesserte Metallformen, deren Wände ein ungehindertes Schwinden des Metalls gestatteten, ein. Zahlreiche andere Verbesserungen wurden in den folgenden Jahren in Amerika patentiert Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 1018; 1895, S. 1050. . Von diesen ist die von J. M. Barr in Milwaukee 1890 erfundene bewegliche Gussform mit Ringkanal, durch den während des Giessens Dampf, nach dem Giessen kaltes Wasser geleitet wird, zu erwähnen, weil sie in den neunziger Jahren vielfache Anwendung gefunden hat. In Deutschland hat sich besonders Gruson in Buckau-Magdeburg auf den Guss von Hartgussrädern verlegt und in den zehn Jahren von 1881 bis 1890 390000 Stück nach 700 Modellen gegossen. In Amerika hat jetzt die Pulman-Gesellschaft in Milwaukee die grösste Produktion. Für Hartgusszahnräder erhielt J. R. Weeldon in Wolverhampton ein Patent. Gebr. Glöckner zu Tschirndorf in Österreich erzeugten Ende der siebziger Jahre einen blasenfreien Hartguss dadurch, dass sie erst Roheisen im Frischfeuer oder Puddel- ofen einschmolzen und dieses gefeinte Roheisen dann im Kupolofen aufgaben. Benj. Davis Martin goss 1888 Hartgusswalzen in der Weise, dass er erst eine Walze von kleinerem Durchmesser anfertigte, diese dann erwärmt in die Walzenform einsetzte und Eisen um die- selbe goss. Die Härtung ging hierbei von innen nach aussen vor Die Eisengiesserei seit 1870. sich. Chr. Totten stellte 1889 Hartgusswalzen von grosser Festigkeit dadurch dar, dass er dieselben aus Gusseisen in einer Kokille goss, alsdann aber den gusseisernen Kern durch Nachgiessen von Flusseisen verdrängte. In Amerika liefert A. Garrison in Pittsburg vorzügliche Hartwalzen Das Verfahren ist beschrieben in Stahl und Eisen 1892, S. 781. . Hermann Gruson erwarb sich grosse Verdienste um den Hartguss. Anfangs goss er nur Walzen, Ambosse, Pochschuhe und Räder, dann auch Geschosse und hierauf endlich seine berühmten Hartgusspanzerplatten. Durch diese führte er eine ganz neue Ver- wendung des Hartgusses in die Praxis ein und bildete sie zu solcher Vollkommenheit aus, dass seine Leistungen bis jetzt un- erreicht dastehen. Aus diesem Grunde hat auch die Firma Friedrich Krupp das grossartige Werk erworben, und hierin liegt die grösste Anerkennung für Grusons erfolgreiche Bestrebungen für die Vervollkommnung des Hartgusses. Auf Einzelheiten einzugehen ist hier nicht möglich. Die ersten erfolgreichen Versuche fanden 1869 auf dem Tegeler Schiessplatz bei Berlin statt, wo Gruson eine Giesserei nur für diese einmalige Verwendung erbaut hatte. Nachdem die Hartgusspanzer ihre Widerstandsfähigkeit erwiesen hatten, hat Gruson , wie bekannt, besonders unter Mithülfe des genialen Majors Schumann , ein System der Landesverteidigung mit drehbaren und versenkbaren Hartgusspanzertürmen erfunden, welches epochemachend war und bleiben wird. Hierbei kamen Hartgussstücke in Frage, wie man sie früher nicht gekannt hatte. Die riesigen Panzer von 1100 mm Dicke, die Schartenplatten der 1883 für Italien bestellten Türme von 1600 mm waren nicht nur ganz ungewöhnlich schwere Gussstücke, sondern es bot auch die gleichmässige Oberflächenhärtung so gewaltiger Massen Schwierigkeiten, die bis dahin unbekannt waren. Hierzu ver- wendete man eiserne Kokillen. Die Modelle zu den Panzern, wie zu den Kokillen wurden erst aus Holzgerüsten und Gipsguss her- gestellt. Diese wurden dann in Gusseisen abgegossen. In England zog man dicke Kokillen aus Grauguss oder schwachhalbiertem Roh- eisen vor, in Deutschland und Frankreich dünnere Kokillen aus stark halbiertem Roheisen. Für den Hartguss verwendete Gruson nur Holzkohlenroheisen und zwar bezog er dies früher von Schmalkalden ( Bleymüller ) und aus Nassau ( Buderus ), nachdem aber die Holz- kohlenhochöfen dort eingegangen waren, aus Schweden. Ein halbiertes Eisen ist am geeignetsten für Hartguss. Um aber von den Zufällig- Die Eisengiesserei seit 1870. keiten des Hochofenbetriebes unabhängig zu sein, mischte er graues und weisses Roheisen und schmolz dasselbe in Kupolöfen um. Für den Guss der Panzerplatten benutzte er Sammelbassins, aus denen er es in die in grossen Dammgruben eingebauten Formen abstach. Die chemische Zusammensetzung von gutem Hartguss schwankt in engen Grenzen und zwar beträgt nach Ledebur Siehe Ledebur , Handbuch etc., S. 356; Stahl und Eisen 1891, S. 733. : der Kohlenstoffgehalt 2,5 bis 3,8 Prozent „ Siliciumgehalt 0,7 „ 0,8 „ „ Mangangehalt 0,2 „ 0,5 „ Unter Stahlguss wird zwar in Preussen nach einem Erlass des Arbeitsministers vom 29. Januar 1889 der Guss verstanden, der aus Roheisen unter Zusatz von Stahlabfällen erzeugt ist, dessen Substanz also kein Stahl, sondern ein durch geringen Kohlenstoffgehalt hartes Eisen ist; in der Praxis versteht man aber darunter alle aus Stahl gegossenen Waren, sowohl Tiegelstahl- als Flussstahlwaren. Über diese wie über den Mitisguss werden wir später berichten. Hier wollen wir dagegen noch über die Fortschritte des schmied- baren Gusses sprechen, da dieser in der Regel aus Roheisen ge- gossen wird und erst durch eine Nachbehandlung in seinem Stoff verändert wird. Die Herstellung desselben hatte auch auf dem europäischen Kontinent eine grosse Ausdehnung gewonnen und be- deutende Verbesserungen erfahren. Von dem Aberglauben, dass sich nur das Cumberlander Hämatitroheisen für schmiedbares Eisen eigne, war man schon vor den siebziger Jahren abgekommen. Doch verlangte Brüll noch von dem zu verwendenden Roheisen eine Nei- gung, Stahl zu bilden (propension aciéreuse). Mallet behauptete, jedes weisse Roheisen, auch das gefeinte, sei dafür geeignet. Letzteres ist aber doch nicht der Fall, weil es dickflüssig ist und sich schlecht ver- giessen lässt. Die erstere Behauptung geht aber ebenfalls zu weit, indem nur weisse Roheisensorten von einer gewissen chemischen Mischung verwendbar sind; vor allem dürfen dieselben nur eine geringe Bei- mengung von Mangan — nach Ledebur nicht über 0,40 Prozent — enthalten, weil dieses die Entkohlung durch Glühen sehr erschwert. Über den chemischen Vorgang beim Aducieren ist durch die Unter- suchungen des Amerikaners Davenport Siehe Mechanics Magazine 1872, S. 392. im Jahre 1871 Licht ver- breitet worden. Er fand folgende Veränderungen: Die Eisengiesserei seit 1870. Um jene Zeit kam auch das Umschmelzen von Roheisen und Stahl- abfällen in Kupolöfen und die Herstellung grösserer Stücke in Auf- nahme, besonders in Amerika und Belgien, wo man dieses Produkt als Temperguss bezeichnete. In den Vereinigten Staaten von Amerika wurde 1875 ein Tempern mit Wassergas, „das Andrewsverfahren“ Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 369. , ein- geführt, doch nur vorübergehend. 1877 schmolz man daselbst für schmiedbaren Guss weisses oder lichtgraues Holzkohlenroheisen, welches aus reinen Erzen bei basischer Beschickung mit kaltem Winde erblasen war, im Kupolofen um. Die Formen wurden mit Formmaschinen von Jobson, Eames oder mit der einfachen Maschine von C. F. Hammer , die nur aus einer durch ein Hebelwerk bewegten Formplatte, welche in den Sand gedrückt wurde, bestand, hergestellt. Als Entkohlungs- mittel dienten Roheisenstein oder durch Glühen in Oxydoxydul ver- wandelte Drehspäne, oder durch Begiessen mit Salmiak zum Rosten gebrachter Hammerschlag und Walzensinter. Auburn \& Co . in New York stellten 1876 ausser Sensen, Gabeln, Rechen besonders Teile von landwirtschaftlichen Maschinen aus so bereitetem schmied- baren Gusse her. Dalifol in Paris und Fischer in Schaffhausen machten 1878 schmiedbaren Guss aus Stahlguss, der in Eisenoxyd geglüht wurde. 1881 stellte auch L. Forquignon Siehe Annales de chimie et de physique, V. sér., T. XXIII, p. 433. , durch Cailletet veranlasst, genaue Untersuchungen über die Umwandlung des Eisens beim Adu- cieren an und kam zu dem Schluss, dass die Oxydation eines Teils des Kohlenstoffs dabei nur nebensächlich sei, dass vielmehr die Um- wandlung darin bestehe, dass das weisse Eisen in der Glühhitze wenig unter seinem Schmelzpunkt in Graphit und kohlenstoffarmes, weiches Eisen zerfalle. Diese Erscheinung tritt auch nicht nur beim Glühen im Eisenoxyd, sondern auch beim Glühen in Sand, Kalk, Knochen- kohle, Feilspäne, ja selbst im Stickstoff- oder Wasserstoffstrome ein. Was die Verbesserungen in der Ausführung des Prozesses betrifft, Die Eisengiesserei seit 1870. so beziehen sich diese zumeist auf die Schmelz- und Glühöfen. Siemens hatte letztere schon vor 1870 mit Regeneratoren verbunden. Mallet schlug solche auch für die Schmelzöfen vor. Francis in Birmingham baute seine Schmelzöfen als geteilte Muffel mit zwei Einsatzthüren. Dadurch konnte er einen kontinuierlichen Betrieb erzielen, wobei jedoch bei jedem Giessen eine starke Abkühlung eintrat. C. Nehse baute 1879 zu Traisen einen Temperofen mit zwölf Kammern, ähnlich einem Ringofen, und betrieb ihn mit Gas. Die Anordnung in Kammern hatte übrigens Wedding schon 17 Jahre früher vorgeschlagen. Rott Rott , Darstellung des schmiedbaren Gusses und Tempergusses. D. R. P. Nr. 81193. veröffentlichte 1881 die Zeichnung eines einfachen Ofens mit Glühtöpfen; ein ähnlicher, aber vollkommenerer von Querfurth wurde auf dem Eisenwerk Schönheiderhammer im Erzgebirge mit Erfolg betrieben Siehe Ledebur , Handbuch der Eisen- und Stahlgiesserei, S. 369. . Für gröbere aus dem Kupolofen gegossene Guss- waren wendete man keine Glühtöpfe oder Kasten an, sondern Kisten- öfen, wie bei der Cementstahlfabrikation und wie sie Reaumur schon 1721 vorgeschagen hatte Siehe Ledebur a. a. O., S. 370. . Einen beschleunigten Temperprozess erreichte Carl Rott in Nürnberg dadurch, dass er die Gussstücke in einem breiartigen Gemisch von Roteisensteinpulver und etwas Kalk eintaucht. Die so inkrustierten Gussstücke werden in dünnwandigen Glühkasten in kammerartig geteilten Temperöfen erhitzt Stahl und Eisen 1895, S. 512. . Karl Edler von Querfurth zu Schönheiderhammer (Sachsen) temperte schon zuvor in ähnlicher Weise ohne Glühgefässe, indem er die aufgetragene Tempermasse mit einer Schicht Lehm, Kalk etc. deckte (D. R. P. Nr. 74367 vom 11. Mai 1893). Über die Festigkeit des schmiedbaren Gusses hat Palmer Ricketts eingehende Versuche angestellt, wonach die Zugfestigkeit zwischen 18,7 und 31 kg auf 1 qmm, die Längenausdehnung bis zum Bruch von 1,1 bis 7,6 Prozent schwankten. Zum Schluss sei noch auf das neue Verfahren des Flickens und Anschweissens schadhafter Gussstücke durch das aluminothermische Verfahren von Dr. Hans Goldschmidt Daselbst 1901, S. 23. hingewiesen. Die direkte Eisengewinnung. Die direkte Eisengewinnung. Die unmittelbare Gewinnung des schmiedbaren Eisens aus den Erzen hat auch in dieser Periode nicht aufgehört eine Rolle zu spielen und hat zu vielen Versuchen und Erfindungen Veranlassung gegeben. Dass die älteste und einfachste Methode der Eisengewinnung in Herden bei vielen Naturvölkern Afrikas und Asiens noch in An- wendung steht, haben zahlreiche Reiseberichte bestätigt; auffallender ist es, dass dieses Verfahren wenigstens im Jahre 1880 noch eine festbegründete Industrie in den Staaten New York und New Jersey der Vereinigten Staaten von Nordamerika bildete. Hierüber hat T. Egleston , Professor am Columbia College, eine ausführliche Be- schreibung, der wir die nachfolgenden Notizen entnehmen, ver- öffentlicht T. Egleston , The Bloomary Process for making iron direct from the ore, 1880. . Obgleich man diese Rennwerke mit verschiedenen Namen als Jerseyschmiede, Champlainschmiede, Katalanschmiede, Luppen- schmiede oder einfach als Schmiedefeuer bezeichnet, so ist es doch nichts anderes als das alte deutsche Luppenfeuer, wenn auch in modernisiertem Gewande. Man erzeugt darin aus guten Erzen ein reines, namentlich von Phosphor fast freies Eisen. In New Jersey und New York verschmilzt man in der Regel reiche, reine Erze, die man, um sie möglichst von beigemengter Gang- art zu befreien, röstet, zerkleinert und aufbereitet, so dass das Erz in Körnergrösse aufgegeben wird. Zu Crown Point werden die reichen Erze im Hochofen, die armen, aber reinen Erze in Luppenfeuern ver- schmolzen. Diese armen Erze enthalten nur 40 Prozent magnetisches Oxyd. Das Rösten geschieht in Stadeln mit Holzfeuer; das Schmelzen mit Holzkohlen, wobei man Ofenkohlen (kiln coal) den Meilerkohlen vorzieht. Das Luppenfeuer ist mit Gusseisenzacken von 2 bis 3 Zoll Dicke zugestellt, welche in der Windrichtung 27 bis 36 Zoll, senkrecht dazu 24 bis 30 Zoll lang sind. Man bläst durch eine in der Mitte der Formplatte befindliche Form, die 14 Grad in den Herd geneigt ist. Der Wind wird in drei bis fünf Calder- oder Hosenröhren über dem Luppenfeuer auf 600 bis 800° F. erhitzt. Fig. 239 (a. f. S.) zeigt ein solches Drei-Röhren-Feuer von Saranac, New York, welches wasser- gekühlte Boden- und Seitenplatten hat. Die Crown Point-Werke zu Ironville haben Vier-Rühren-Feuer. Die einfachen Gebläse Beck, Geschichte des Eisens. 36 Die direkte Eisengewinnung. (Kingsland bellows) bestehen aus drei horizontalen oscillierenden Cylindern von 60 Zoll Durchmesser und 60 Zoll Hub, die elf Touren in der Minute machen und von Wasserrädern bewegt werden. Die ganzen Kosten eines Luppenfeuers betragen 550 bis 600 Dollars. Durchschnittlich schmilzt man alle drei Stunden eine Luppe von 300 Fig. 239. bis 400 Pfund. Die Erze werden mit der Schaufel, die Kohlen in Körben aufgegeben. Die Luppe wird unter einem Stirnhammer gezängt in vier Blöcke (billets) von 70 bis 80 Pfund Ge- wicht geteilt, diese dann gestreckt und geglättet. Ein eiser- ner Stirnhammer kann vier bis sechs Feuer bedienen, ein hölzerner nur drei. In der zwölfstündi- gen Schicht von Mittag bis Mitter- nacht werden ca. 2600 Pfund Luppen oder etwa 1 Tonne Stabeisen gemacht, wobei auf die Tonne 300 bis 350 Büschel Holzkohlen verbrannt werden. Das erzeugte Eisen ist sehr rein und von hervorragender Güte; es wird dem schwedischen Stabeisen gleich geschätzt. Dadurch hauptsächlich hat sich der Prozess in jenen Gegenden erhalten, doch glaubt Egleston nicht, dass er nach der Einführung des Thomasverfahrens noch lange werde bestehen können, da er in jeder Beziehung, namentlich durch die hohen Kosten des Brennmaterials und den grossen Eisen- verlust, unökonomisch sei; jetzt schon (1880) sei seine Bedeutung nur eine lokale und er würde erhalten teils aus Gewohnheit, teils wegen des guten, phosphorfreien Produktes. Das erzeugte Eisen werde Die direkte Eisengewinnung. vielfach zu Nägeln und groben Ackergeräten verarbeitet, sei aber am meisten zum Umschmelzen in Tiegeln oder im Martinofen geeignet. 1882 gab es in den Vereinigten Staaten noch 68 Katalanwerke, die 48354 Tonnen Eisen erzeugten. Übrigens waren nach Swank auch auf der Insel Corsica Ende der achtziger Jahre noch zehn Renn- feuer (Corsicanschmieden, s. Bd. III, S. 654) im Betriebe. Auch die zweite uralte Form der direkten Schmiedeeisengewinnung, die in Stücköfen , hat sich nicht nur bei uncivilisierten aussereuro- päischen Völkern, sondern auch noch in einigen Gegenden Europas, wie in Finnland, Ungarn, Siebenbürgen, Bosnien und der Türkei bis in die neueste Zeit erhalten. Über Stücköfen, welche 1880 noch in Ungarn betrieben wurden, berichtet A. Kerpely (Eisenhüttenwesen in Ungarn und Siebenbürgen). Er beschreibt einen zu Toroczko im Tordaer-Komitat, welcher 9 Fuss hoch, 20 bis 24 Zoll im Gestell und 12 Zoll in der Gicht weit war. Der mit Schieferplatten ausgekleidete Schachtofen wurde bei offener Brust mit Holzkohlen gefüllt, diese von unten entzündet und, wenn die Hitze bis zur Gicht durchgedrungen war, Erz aufgegeben. In zehn Stunden wurden etwa 14 Centner Erz mit der Schaufel ein- geworfen. Dann wurde die mit Latten zugemachte Brust aufgebrochen und das 2½ bis 3 Centner schwere Stück herausgeschafft. Mit un- säglicher Mühe wurde es mit Hacken in zwei Richtungen gespalten und mit Hülfe von Keilen vollends zerteilt. Die zerteilten Stücke wurden von den Schmelzern, welche durchweg Zigeuner waren, in einer Art von Löschherd weiter behandelt und unter einem 150 Pfund schweren Hammer zu Pflugeisen, Achsen u. s. w. gestreckt. Das Eisen war fest und sehr hart; es wurde meist zu Scheren und groben Schneidwaren, die als Toroczkoer Waren in ganz Siebenbürgen ge- schätzt waren, verarbeitet. Das gesuchte Stückeisen wurde höher bezahlt als anderes Eisen. Ein weiterer Stückofen war zu Plotzkô bei Vaida Hunyad und zwei andere, die der gräflich Banffys chen Familie gehörten, zu Zalatna im Betriebe. Die Eisengewinnung in jener Gegend geht bis in die Zeit der Römerherrschaft zurück. Ebenso hatten sich in Finnland die Stücköfen erhalten. Chr. Husgafvel J. von Ehrenwerth in Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1891, S. 456. versuchte dieselben zu verbessern, indem er durch Einführung eines auswechselbaren Herdes einen konti- nuierlichen Betrieb herbeiführen wollte. Dies geschah zuerst 1875 36* Die direkte Eisengewinnung. zu Pankakosky, sodann zu Porsaskoski (1879), Wärtsilä, Kontsche- Osero und Dobiansk. In vollkommener Weise führte er dies 1884 in Wärtsilä aus. Der Ofen, der mit einem Blechmantel und mit Wasser- kühlung versehen war, wurde mit heissem Wind betrieben. Drei mit Kalk ausgestrichene Herde gehörten zu einem Ofen. Der Herd ruhte auf gusseisernen Wagen; sobald der Herd mit Eisen und Schlacken gefüllt war, wurde er abgefahren und durch einen anderen ersetzt. Während man in den alten finnischen Bauernöfen zu Anfang des Jahrhunderts 1 Centner Stangeneisen aus 8 bis 10 Centner Seeerz mit 24 Tonnen Holzkohlen in 10 Arbeitsstunden erblasen hatte, lieferte schon der Ofen zu Pankakosky die zehnfache Menge in derselben Zeit. Der Ofen von Wärtsilä war 24 Fuss hoch und 5 Fuss im Kohlensack und 3 Fuss in der Gicht weit; er fasste 250 Kubikfuss, war ganz von Eisen und nur bis 7 Fuss Höhe mit einer 1½ Zoll dicken Auskleidung von feuerfestem Thon versehen. Der Wind trat durch vier Öffnungen in den eisernen Wänden des Wagengestelles ein. Die Erwärmung des Windes geschah durch den Ofen selbst, indem der Wind spiralförmig um den Ofen ge- leitet wurde. Hierdurch kühlte und schützte er zugleich die Ofenwand. Mit dem Anwachsen der Luppe im Herd wurden die Düsen höher gelegt. Nach 40 Gichten war der Wagen voll, der nun durch einen Hebel gesenkt, mit Winden weggezogen und entleert wurde, während ein neuer Wagen sofort untergeschoben, angepresst und befestigt wurde. Dies erforderte nur 5 bis 7 Minuten. Hierdurch war der Prozess ein kontinuierlicher. Den Betrieb regulierte man durch die Windpressung: schärferer Wind gab weicheres, schwächerer Wind, bei geringerem Erzsatz und weniger stechenden Formen, gab stahlartiges Eisen und Roheisen. Bei der niedrigen Schmelzhitze wurde nur sehr wenig Phosphor reduciert. Die Luppe oder das Stück enthielt noch grosse Mengen von Schlacken, Kohlen und selbst unreduciertes Erz. Es eignete sich aber vorzüglich zum Umschmelzen im Martinofen, wobei allerdings ein Schmelzverlust von 30 Prozent etwas gewöhnliches war. 1887 betrug die Tagesproduktion bei Verschmelzung von Seeerzen mit 36 Prozent Eisengehalt 125 bis 170 Pud (2047,5 bis 2784,6 kg), bei Zusatz von 40 Prozent Puddelschlacke stieg die Produktion bis 3400 kg. Die Erzeugung der Stückofenluppen ermöglichte erst den Martin- prozess für Finnland, indem er es von dem teuren Schrottbezug un- abhängig machte. Das Stückeisen war nicht teurer als Roheisen; man konnte es mit Nachsatz von Spiegeleisen oder Ferromangan für sich im Flammofen verschmelzen. Leider musste dieser Betrieb aber infolge der ungünstigen russischen Zölle 1887 eingestellt werden. Die direkte Eisengewinnung. Dagegen verarbeitete man die Luppen zu Stürzen für Schwarzbleche. Das Stückofen-Schmelzverfahren, das im einzelnen noch verschiedene Verbesserungen erfuhr, stand 1889 ausser auf dem genannten Werke noch zu Kontsche Osero und zu Dobiansk in Ausübung. Für Finn- land hatte es also damals eine nicht geringe Bedeutung. Ein noch viel grösserer Aufwand von Geist und Mühe wurde auf diejenigen direkten Eisengewinnungsprozesse, bei denen Reduktion und Schmelzung getrennt ausgeführt wurden, verwendet. Besonders entwickelte Wilhelm C. Siemens in England eine erstaunliche Energie bei der Vervollkommnung dieses Verfahrens. Über seinen „Erzstahlprozess“, bei dem die Erze nur den kleineren Teil des Rohmaterials bildeten, haben wir bereits berichtet (S. 93) und kommen auf die weitere Entwickelung desselben später noch zurück. Hier interessiert uns ein anderes Verfahren, bei dem Eisenerze den einzigen oder hauptsächlichen Rohstoff bildeten und auf welches Siemens durch seine zahlreichen Versuche mit dem Erzstahlprozess geleitet wurde. Es kam ihm hierbei um 1870 die Idee, ob es nicht vorteilhafter sei, statt wie bis dahin die Erze zu einem Eisenschwamm zu reducieren und diesen in ein im Flammofen geschmolzenes Eisenbad einzutragen und zu schmelzen, die Erze mit Flussmitteln zu einer eisenreichen Schlacke zu schmelzen und aus dieser durch Kohle das Eisen in kompakter Form auszufällen und in Form von Luppen zu gewinnen. Versuche auf dem Landore-Siemens-Stahlwerk bei Swansea im rotierenden sowie im Kaskadenofen und auf den Blochairn- Eisenwerken bei Glasgow fielen nicht ungünstig aus. Siemens bezeichnete sein neues Verfahren als Präcipitationsprozess oder Niederschlagsarbeit . Zunächst gab er einem Regenerativ-Gasflamm- ofen, der nach Art eines Kaskadenofens zugestellt war, den Vorzug. Auf dem Boden desselben waren aus den Erzen selbst zwei verschieden hohe Herde oder Betten hergestellt; auf dem höher gelegenen wurden die Erze mit dem Flussmittel zu einem flüssigen Bade geschmolzen, dieses wurde dann durch die aus Erzstücken hergestellte Zwischen- wand in das tiefer liegende Bett, auf dessen Boden zuvor ein Gemenge von gepulvertem Koks oder Anthrazit und Erzstaub aufgestreut worden war, abgestochen. Die flüssige Masse wurde dann umgerührt, wobei sich eine dicke, schäumende Mischung bildete, aus der sich nach 40 bis 50 Minuten metallisches Eisen abschied. Dies wurde zu Luppen vereinigt, welche entweder gezängt oder im Stahlschmelzofen um- geschmolzen wurden. Im weiteren Verlauf seiner Versuche gab W. Siemens dem Drehofen oder Rotator mit Bauxitfutter den Vorzug. Die direkte Eisengewinnung. Später kleidete er nur die Enden des Rotators mit Bauxit aus, während er den mittleren Teil mit einem Eisenoxydfutter versah, das für den Prozess förderlich war und sich leichter flicken und er- neuern liess. Fig. 240 zeigt die von W. Siemens angegebene Ofenkonstruktion. Der Cylinder des Rotators war 9 engl. Fuss lang und 7½ Fuss weit. In den heissen Ofen wird die zerkleinerte mit Kalk gemengte Erzcharge von etwa 20 Centner Gewicht eingesetzt und unter langsamer Um- drehung geschmolzen. Nach etwa 40 Minuten werden 5 bis 6 Centner Kohlenklein eingetragen, worauf das Oxyd zu magnetischem Oxyd und unter Kohlenoxydgasentwickelung teilweise zu metallischem Eisen reduciert wird. Ist die Reduktion des Eisenoxyds fast vollendet, so wird die flüssige Schlacke abgestochen und unter rascherer Um- drehung des Rotators das Eisen zu zwei bis drei Luppen geballt, die herausgenommen und gezängt werden. Sodann wird die übrige Schlacke abgestochen und hierauf neu chargiert. Eine Charge dauerte zwei Stunden und lieferte 10 Centner Eisen, so dass ein Drehofen in 24 Stunden 100 Centner Luppenstäbe liefern konnte. Stahl kann man entweder dadurch erhalten, dass man die heissen Luppen in ein Roh- eisenbad im Stahlschmelzofen bringt, oder im Rotator selbst dadurch, dass man im zweiten Stadium mehr Kohlenstoff und nach dem Schlackenablassen 10 bis 15 Prozent Spiegeleisen zusetzt. Siemens machte seine Versuche auf seinen Sample Steel Works zu Birmingham. Bei Krupp in Essen und zu Stehle wurde der Prozess, der durch die Weltausstellung in Wien bekannt geworden war, ebenfalls versuchsweise eingeführt. Kerpely machte 1874 auf dem genannten Werke von Siemens zu Birmingham Versuchsschmelzen mit ungarischen Erzen, erhielt aber faulbrüchiges Eisen. Kaum besser verliefen die 1875 von W. Hupfeld zu Prävali in Kärnten angestellten Versuche. W. Siemens führte dagegen 1877 seinen Prozess mit Erfolg auf der Eisenhütte zu Towcester in Northhampton ein. Er vergrösserte den Rotator, der aus einem cylindrischen Blechmantel mit gusseisernen Stirnplatten bestand, auf 9½ Fuss Länge und 8½ Fuss Durchmesser, kleidete ihn an den Stirnseiten mit 4½zölligen Bauxitlagen, in der Mitte mit einem 5 bis 6 Zoll dicken Futter von eisenreicher Schlacke aus. Ein gutes Futter hielt 30 bis 40 Chargen aus. Die Beschickung bestand aus 5 Centner geröstetem Thoneisenstein, 5 Centner ungeröstetem und 7½ Centner geröstetem Kohleneisenstein, 4½ Centner Schweissofenschlacke, 2½ Centner Kalkstein und 4 Centner Die direkte Eisengewinnung. Steinkohle. Nach dem Eintragen der Charge liess man den Drehofen noch 5 bis 10 Minuten ruhen, dann begann die Rotation mit 12 bis 15 Umdrehungen in der Stunde, unter selbstthätiger Umsteuerung der Fig. 240. Die direkte Eisengewinnung. in das Innere eintretenden Gas- und Luftströme. Nach 2 Stunden war die ganze Masse in Rotglut, aber noch trocken, nach 2½ Stunden wurde sie klebrig und flüssige Schlacke fing an sich abzuscheiden, nach 3½ Stunden begann die Luppenbildung bei flüssiger Schlacke. Nun liess man den Ofen sich rascher umdrehen, stach bald darauf Schlacke ab, was nach ¼ Stunde wiederholt wurde. Hierauf unterbrach man die Bewegung zeitweilig, um eine Luppe fertig zu machen und herauszunehmen. Die erste erfolgte nach 4 Stunden 8 Minuten, die letzte nach 4½ Stunden. Die Luppen wurden unter dem Hammer gezängt, doch gelang die Entfernung der ein- geschlossenen Schlacke nur unvollkommen. Sie kamen alsdann in einen Siemens-Gas-Schweissofen von 12 Fuss Länge und 6 Fuss Breite, worin sie unter Umwälzen geschweisst wurden. Die überschmiedeten Blöcke gelangten hierauf zum zweitenmal in den Schweissofen und wurden als „reheated blooms“ zu Stürzen für Schwarzblech ausgewalzt. Eine Charge ergab 5½ Centner weiches, körniges Eisen, das in Prozenten 99,71 Eisen, 0,12 gebundenen Kohlenstoff, 0,065 Silicium, Spuren von Mangan, 0,0275 Schwefel und 0,074 Phosphor enthielt. Der meiste Phosphor wurde mit den ersten Schlacken entfernt. Tunner und James Davis Siehe Engineering and Mining Journ. 35, p. 5. äusserten sich sehr günstig über das Verfahren in Towcester Beschreibung von Siemens’ Verfahren zu Landore und Towcester siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 161. , dessen Erfolg auch Veranlassung gab, dass dasselbe in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eingeführt wurde. Den ersten, wenn auch erfolglosen Versuch machten dort Park, Brothers \& Co . in Pittsburg 1878. Im Jahre 1880 begann R. W. Anderson , der 1868 auch den ersten Regenerativofen in Amerika eingeführt hatte, den Prozess aufzunehmen und zu Tyrone bei Altona (Pa.) in Verbindung mit W. Siemens die ersten Versuchs- schmelzen auszuführen. Der gute Erfolg derselben führte 1881 zur Gründung der Gesellschaft Siemens, Anderson \& Co . und zur Er- bauung eines grossen Werkes Siehe Stahl u. Eisen 1883, S. 254; Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1882, S. 508. mit vier Drehöfen bei Pittsburg. Die Drehöfen von 12 Fuss Länge und 11 Fuss Weite waren aus einzölligem Blech mit einem 4½ Zoll dicken Futter hergestellt. Zu jedem Rotator gehörten zwei Gasgeneratoren, 21 Fuss hoch, 20 Fuss lang und 7½ Fuss breit. Jede Charge bestand aus 5000 Pfund Erz, etwa 400 Pfund Kalkstein und 1200 bis 1600 Pfund Steinkohlen. Der Prozess dauerte 8 Stunden. Man machte Luppen von 200 Pfund Gewicht, die unter Die direkte Eisengewinnung. 60 Centner-Hämmern von Schlacke befreit zu Blöcken (blooms) ver- schmiedet wurden. So konnte man in jedem Ofen in 24 Stunden drei Chargen machen. Das Ausbringen aus den Erzen, die 50 bis 60 Prozent Eisen enthielten, betrug 43 bis 46 Prozent; etwa ein Drittel des Eisens ging in die Schlacken. Der Kohlenaufwand betrug 3,25 Tonnen auf eine Tonne Blöcke. Diese wurden mit dem doppelten Gewicht von Roheisen und Abfalleisen im Siemens-Stahlschmelzofen verschmolzen. 1883 befand sich das Werk in regelmässigem Betriebe. Der chemische Zweck des Prozesses, ein von Phosphor möglichst freies Eisen zu erhalten, wurde vollständig erreicht, ein ökonomischer Erfolg gegenüber dem indirekten Betriebe aber nicht erzielt. Das Produkt war zu teuer, der Schmelzverlust zu gross. Gegenüber dem neuerfundenen Thomasverfahren konnte sich deshalb Siemens’ Niederschlagsarbeit nicht behaupten. 1882 liess Professor Sarnström zu Nyhamma und Söderfors in Schweden Versuche mit diesem Ver- fahren machen, jedoch ohne nachhaltigen Erfolg. 1886 war der Erz- prozess in Amerika nur noch in Midvale im Betriebe. Die Amerikaner verwarfen das Verfahren schon aus dem Grunde, weil es ihnen zu langsam ging. Friedrich Siemens suchte den Prozess in der Richtung abzu- ändern, dass er anstatt der Luppen sofort flüssiges Eisen aus den Erzen in einem Flammofen bei grosser Hitze schmelzen wollte. In seinem Patent (D. R. P. Nr. 32309) vom 28. November 1884 lautet sein Anspruch auf „die Herstellung von Flusseisen durch direktes Einschmelzen eines fein pulverisierten Gemisches von Eisenerz, Zu- schlägen und Kohlen in einem Flammofen mit Wärmespeichern unter Einwirkung einer sehr hohen Temperatur, dass die Reduktion des Erzes, die Abscheidung der Schlacken und die Ansammlung des gebildeten flüssigen Eisens nach dem specifischen Gewicht vor sich gehen kann“. Hier liegt die Neuheit nicht in der Idee des Schmelz- verfahrens — denn ganz ähnliche Vorschläge hatten schon F. F. Jones 1873 in England und Fr. Lang und J. von Ehrenwerth 1875 in Österreich gemacht —, sondern in dem dafür angewendeten Mittel, dem Flammofen, der durch rasche Steigerung der Hitze bis zu ausserordentlicher Höhe eine beschleunigte Reduktion und Schmelzung des reducierten Eisens ermöglichen soll. Auf die geistreich erdachten Flammöfen beziehen sich denn auch die weiteren Patente von 1886, 1890 und 1891 (D. R. P. Nr. 37105, 59930, 62904). Der Flammofen ist durch einen wagerechten, ringsumlaufenden, offenen Schlitz in eine obere und eine untere Abteilung zerlegt, der geschlossen werden kann Die direkte Eisengewinnung. und bei Erzeugung der höchsten Temperatur geschlossen wird. In diesem „Ofen mit rundum offener Zone“ sollen Eisenerze in Pulver- form bis Nussgrösse mit Zuschlägen eingeschmolzen und alsdann durch eingetragenen Kohlenstoff reduciert werden. Die Reduktion geht von oben vor sich unter kochender Bewegung der Schmelzmasse; das Eisen sammelt sich in flüssigem Zustande unter der Schlackendecke an, und man kann je nach dem Kohlungsgrad Schrot oder Erzstücke nachschmelzen. Eine praktische Bedeutung hat dieses Verfahren aber bis jetzt nicht erlangt. Schon 1874 hatte G. Kazetl den Vorschlag gemacht, Ein- schmelzen, Reducieren und Ausfällen in demselben Flammofen zu bewirken, dabei aber die Reduktion nicht durch festen Kohlen- stoff, sondern durch eingepresstes Kohlenoxydgas zu bewirken. Letzteres hatten Bessemer selbst und Jones in Middlesborough bereits früher versucht, ebenso Siemens , der aber mit Kohlenoxyd- gas keinen Erfolg erzielt hatte. Gerhardt schlug 1874 vor, das gepulverte Erz mit dem Fluss- mittel und Teer zu mengen und in Ziegelform im Puddelofen direkt auf Puddelluppen zu verarbeiten. In Amerika machte Jac. Reese auf den Fort Pitt-Eisen- und Stahlwerken 1877 den Versuch, Eisenerze im Kupolofen zu einer Schlacke zu schmelzen, diese in Konverter laufen zu lassen und durch die flüssige Masse ein auf 315° erhitztes Gemenge von Benzin und Wasserdampf zu leiten. In demselben Jahre führte Chas. M. Du Puy Journal of the Franklin Instit. 1877, Dezbr., p. 377; Berg- und Hüttenm. Ztg. 1878, S. 197; Stahl und Eisen 1883, S. 588. ein abweichendes Verfahren zur direkten Darstellung von Schweisseisen und Stahl ein, das eine Zeit lang die Beachtung der Hüttenleute auf sich zog. Die zerkleinerten Erze wurden mit Kohlen in Blechbüchsen gepackt, in einem Flammofen erhitzt und die reducierte und zusammengeschweisste Masse mitsamt der Umhüllung unter Luppenquetschen und Walzen zu Rohschienen verarbeitet. Das phosphorarme Eisen wurde in Tiegeln oder Siemens-Martinöfen eingeschmolzen. Anfangs nahm man nur Holzkohlen, später auch Steinkohlen, Anthrazit und andere Kohlenarten zur Reduktion. Der Betrieb war (1881) auf den Werken der Phönix-Iron-Company (U. S.) eingeführt; das in Tiegeln um- geschmolzene Produkt lieferte angeblich einen brauchbaren Werk- zeugstahl. Auf den genannten Werken hatte man das Verfahren Die direkte Eisengewinnung. darin abgeändert, dass man die Blechhülsen wegliess und das Gemenge in die Form von Ringen oder Röhren presste. In drei Monaten hatte man 1371,5 kg Puddelschlacke, 3675 kg Champlain-Erz, 1200 kg Hammerschlag nach dieser Methode verarbeitet. Die Chargendauer betrug drei Stunden, das Ausbringen aber nur 32 Prozent des ein- gesetzten Oxydes. Inzwischen hatte auch das getrennte Verfahren, bei welchem die Reduktion in besonderen Gefässen, die Schmelzung des in denselben erhaltenen Eisenschwammes aber in einem Flammofen und zwar meist in einem Roheisenbade erfolgt, wieder grössere Beachtung gewonnen und zu neuen Vorschlägen und Erfindungen geführt. Von den älteren Prozessen wurde der von Chenot 1872 noch auf einem Werk von Ybarra \& Co . in Spanien fortbetrieben. Ebenso erhielt sich der diesem und mehr noch dem Gurlts chen Verfahren verwandte Touraginprozess (S. 92) in zwei Öfen im nördlichen Spanien bis 1884. In der Weltausstellung zu Paris waren dessen Produkte aus- gestellt. Der gewonnene Eisenschwamm wurde im Frischherde weiter verarbeitet. 1880 war das Chenotverfahren auf der Hütte El Desierto , wo aus Bilbaoerzen in steinernen Retorten Eisenschwamm gewonnen und im Schweissherde zu einem weichen, für Nägel brauchbaren Eisen ver- arbeitet wurde, im Gange. Auf derselben Grundlage beruhte das 1873 von Thomas S. Blair von Pittsburg beschriebene Verfahren The direct Process in iron manufacture by Thomas Blair , Transactions of the American Institute of Mining Engineers, vol. II, p. 175. . 1875 war dasselbe nach Tunners Bericht bereits zu einem hohen Grade der Vollkommen- heit ausgebildet. Die Reduktion der mit Kohlen gemengten reichen Erze vom Missouri oder vom Lake Superior erfolgte mit Gas im oberen Teile hoher schachtförmiger Räume Siehe Wedding , Handbuch etc. 1874, III, S. 556. , in deren unterem Teile der reducierte Eisenschwamm bei völligem Luftabschluss abgekühlt wurde. Dieser wurde sodann unter einer starken hydraulischen Presse kalt in die Form cylindrischer Blöcke gepresst, welche hierauf in einem Roheisenbade eingeschmolzen wurden. Auf Blairs Werk zu Asinwood bei Pittsburg lieferten sechs Öfen wöchentlich 1200 Centner Eisenschwamm. 1882 wurde dieses Verfahren auch zu Glenwood betrieben; man verarbeitete Missourierze. Im Jahre 1881 betrieb man nach Weddings Bericht Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 112. die Reduktion mit natürlichem Gas. Die direkte Eisengewinnung. Petroleum, natürliches Gas und Wassergas erlangten bei der direkten Eisengewinnung in Amerika mehrfach Anwendung und wurden darauf verschiedene neue Verfahrungsweisen gegründet; unter diesen erregte die von H. Clay Bull bei Bull \& Co . 1881 eingeführte Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1882, II, S. 287; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1883, S. 185; Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1883, Nr. 14. (D. R. P. Nr. 22993) besonderes Aufsehen. In einem Schachtofen von 7 m Höhe, der mit Rootsgebläse und vier Cowperapparaten ausgerüstet war, sollte mit Wassergas direkt Eisen und Stahl erzeugt werden. Der Ofen wurde mit geröstetem Erz und gebranntem Kalk ohne festes Brennmaterial beschickt. Die Schmelzung sollte allein durch Gas, welches mit hocherhitztem Wind im Ofen verbrannt wurde, erfolgen. Gleichzeitig hatte das Gas die Reduktion und Kohlung zu besorgen. Ein Versuch, welchen die Gesellschaft John Cockerill zu Seraing im November 1881 ausführte, fiel ungünstig aus, indem der Ofen, obgleich der Wind auf 1560° Fahrenheit erhitzt war, einfror. In Amerika hatten sich zwar mehrere Gesellschaften zur Ausbeutung des Verfahrens gebildet, von einem Erfolg hörte man aber nichts. Dr. G. Duryce in New York Siehe Berg- u. Hüttenmännische Ztg. 1882, S. 499; Kerpelys Jahrbuch etc. 1881/82, S. 141, Taf. VII b. führte 1882 bei der Poughkeepsie Eisen- und Stahlgesellschaft ein Petroleumschmelzverfahren in einem Flammofen mit Ölbehälter und Ventilatorgebläse ein. 1884 machte O. Thiéblemont zu Liverdun den Vorschlag, die Erze mit kohlenwasserstoffreichen Gasen zu reducieren und mit kohlenoxydreichen zu schmelzen. Ähnliches versuchte Arthur in Cowes. Auch der von James Henderson 1886 vorgeschlagene Stahlumwandlungsofen, in dem Erzbricketts reduciert und geschmolzen werden sollten, war mit Naturgasheizung eingerichtet. Mit Gas allein gelang indessen die Reduktion nicht, es mussten dem Erze immer Kohle oder kohlenstoffreiche Stoffe beigemengt werden. W. F. M. Mac Carty zu Hagerstown (Maryland) konstruierte 1888 einen eigentümlich kombinierten Ofen zur direkten Stahl- erzeugung. Es war ein Schachtofen, der ähnlich den Gasreinigern stufenweise geteilt war in Verbindung mit einem Konverter. Das gepulverte, mit Kohle vermischte Erz wurde oben aufgegeben, und indem es von Stufe zu Stufe fiel, begegnete es einem Strom von Wassergas und Luft, wodurch es reduciert, gekohlt und geschmolzen wurde. Das geschmolzene Eisen sammelte sich in einem Kupolofen, in welchem es durch durchgepresste Luft entsiliciert und entkohlt wurde. Die direkte Eisengewinnung. Wainwrights Verfahren (1888), bei dem Schacht- und Regene- rativflammofen kombiniert waren, war dem Bullprozess ähnlich. Man suchte im Herdofen die Schlacke basisch zu machen und setzte Ferro- mangan zu. Einen wirklichen Erfolg errang Eames , dessen Verfahren von der Carbon-Iron Company in Pittsburg ausgebeutet wurde Siehe die Angaben von Wedding in Stahl und Eisen 1891, S. 111. . Eames , der erst eine elektrolytische Gewinnung des Eisens in er- hitzten stehenden Retorten versucht hatte (E. P. 1888, Nr. 14837), kam später auf ein modificiertes Siemensverfahren. Er reducierte reiche Magneteisensteine von 62 Prozent Eisengehalt, die mit Graphit oder später mit Connelsville-Koks gemischt wurden, in einem Flamm- ofen ähnlich einem Puddelofen, formte aus dem reducierten Eisen Luppen und schmolz diese im Siemens-Martinofen zu Flussstahl. Die Carbon-Iron-Gesellschaft hatte 1890 16 Reduktionsöfen im Betriebe. Die Reduktion war in 1½ Stunden beendet. In 24 Stunden konnte man sechs Chargen in jedem Ofen machen. Ein anderes Verfahren, der Conley-Lancaster -Prozess Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1891, S. 35. , welcher in Amerika 1891 mit Vorteil ausgeführt wurde, näherte sich Siemens’ Erzstahlprozess insofern, als das reducierte Erz in einem Roheisen- bade eingeschmolzen wurde. Die Reduktion erfolgte in Retorten, welche in den beiden Enden eines Regenerativflammofens eingebaut waren. Das Erz wurde mit Kohle gemengt in diesen Retorten einer Temperatur bis 800° C. ausgesetzt und der reducierte Schwamm dann in das Schmelzbad geschoben. Das Verhältnis des Eisenschwammes zum geschmolzenen Eisen erreichte 1 : 1. Ein Ofen machte in der Woche 18 Chargen zu 10 Tonnen. Die Anlage zu Brewsters erzeugte angeblich täglich 250 Tonnen Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 727. . Auf 100 Tle. Flusseisen kamen 200 Tle. Erz, 40 Tle. Reduktionskohle und 50 Tle. Heizkohle. 1895 war dies der einzige der kombinierten direkten Prozesse, der noch betrieben wurde und zwar mit der Abänderung, dass die Retorten mit Petroleum nur auf 320° C. erhitzt wurden, bei welch niedriger Temperatur die Reduktion schon erfolgte. Sehr ähnlich war der Adamsp rozess Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1891, S. 359. , welcher 1890 auf den Indianopolis-Eisenwerken bei Pittsburg im Betriebe stand, nur geschah die Reduktion in schachtförmigen Kammern mit Ziegelgitterwerk, von denen vier zu einem Block vereinigt waren. Zur Reduktion wurde Die direkte Eisengewinnung. erhitztes Wassergas angewendet, doch war den Erzen 10 bis 15 Prozent feste Kohle beigemischt. Jos. von Ehrenwerth , der 1891 auf Grund seiner amerikanischen Erfahrungen lebhaft für Einführung des direkten Verfahrens in Österreich eintrat, gab ein auf ähnlicher Grundlage beruhendes Ver- fahren an Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 978. . Ein im Regenerativ-Flammofen bei hoher Temperatur eingeschmolzenes hochgekohltes Eisenbad soll ein eingeschmolzenes Erzbad reducieren. Das entkohlte Bad kann man durch Eintragen von vorgewärmten Kohlungsmaterialien wieder kohlen und hierauf eine neue Menge eingeschmolzenes Erz reducieren. Die Vorreduktionen können in einem Kupolofen, der unmittelbar mit dem Schmelzherd verbunden ist, geschehen. Der Larkins -Stahlprozess (1891) ist dem Lancasterprozess ähnlich, bemerkenswert ist nur die rasche Entleerung des Schwammes unter Zuleitung reducierenden Gases in ein Gefäss, in dem er unter Luft- abschluss erkaltet. Der erkaltete Schwamm wird dann mit Holz- kohle und Harz vermischt in Kuchen geformt und in Tiegeln ein- geschmolzen. Siemens’ Erzstahlprozess ist mit mehreren der letzterwähnten Verfahren so nahe verwandt, dass man wohl seine Beschreibung hier ebenfalls erwarten dürfte; da aber der Erzzusatz gegenüber dem ein- geschmolzenen Roheisen nur gering ist und hauptsächlich als Ent- kohlungsmittel dient, so scheint es doch richtiger, denselben als eine Modifikation des Siemens-Martinprozesses später zu behandeln. Dagegen müssen wir hier noch den Vorschlag des russischen Staatsrats Wladimir F. Berner von 1893 (D. R. P. Nr. 76646) erwähnen, der fertiges Flusseisen direkt aus den Erzen in einem kombinierten Regenerativ-Schachtofen erzeugen will. Der Ofen besteht aus vier Schächten, die am unteren Teile mit Frischräumen verbunden sind und die gleichzeitig durch die verschiedene Art des Betriebes zum Roheisenschmelzen, zur Reduktion der Erze zu Eisenschwamm und als Generatoren zur Gaserzeugung, um in den Frischräumen das Gemisch von Roheisen und Eisenschwamm zu Flussstahl zu schmelzen, dienen sollen. Statt der vier Schächte wendete er später nur zwei an Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 557. . In dem einen Schacht dieses Regenerativdoppelofens wurden durch Einblassen von gepresstem Wind wie bei jedem Hochofen Erze zu Roheisen geschmolzen, während sie in dem anderen unter Ansaugen Die direkte Eisengewinnung. von Luft durch Essenzug nur zu Schwamm reduciert wurden. Die Wassergaserzeugung zum Einschmelzen erfolgte in besonderen Gas- generatoren. Über Erfolge dieses Verfahrens ist aber nichts bekannt geworden. Denselben Gedanken hat aber D. Tschernoff in St. Petersburg weiter verfolgt, indem er sich einen Gashochofen zur Herstellung von Fluss- und Roheisen patentieren liess (D. R. P. Nr. 101952 vom 12. Februar 1898). Die Roh- eisendarstellung auf diesem Wege würde zweifellos zu teuer, also könnte nur die Flusseisendar- stellung in Frage kommen. Von einem Erfolg ist bis jetzt nichts bekannt ge- worden. Neuerdings hat der italienische Ar- tilleriehauptmann Stassano auch einen elektrischen Schmelzofen (Fig. 241) zur direkten Stahlerzeugung er- funden. Er vermengt das magnetisch an- gereicherte Erz- Fig. 241. pulver mit Koks und entsprechenden Zuschlägen in gemahlenem Zu- stande, sodann mit 5 bis 10 Prozent Teer und setzt die breiartige Masse unter einer hydraulischen Presse hohem Druck aus. Die gepresste Masse wird hierauf in Stücke von 4 Kubikzoll Grösse zerbrochen und mit diesen wird der elektrische Schmelzofen, dessen Einrichtung und Betriebsweise aus der Zeichnung ersichtlich ist, beschickt. Zur Her- stellung einer Tonne Stahl sind 3000 Pferdekraft-Stunden erforderlich. Es hat sich in Italien eine Gesellschaft zur Ausbeutung dieses Ver- Vorarbeiten zu den Frischprozessen. fahrens gebildet, die im Thale von Camonica eine elektrische Schmelz- hütte erbaut hat. Einen Gewinn hat aber die Gesellschaft bis jetzt nicht erzielt, da die Herstellungskosten zu hoch sind. Trotz des grossen Aufwandes von Geist und Arbeit auf die Ver- besserung des direkten Verfahrens der Eisengewinnung in den letzten 30 Jahren sind die Erfolge doch nur gering gewesen. Dennoch wird diese wichtige Frage, an deren praktische Lösung hervorragende Metallurgen, wie z. B. Jos. von Ehrenwerth , glauben Siehe J. v. Ehrenwerth , Das Berg- und Hüttenwesen auf der Welt- ausstellung in Chicago 1895, S. 83. , auch in der Zukunft zu immer neuen Versuchen anreizen. Es scheint sich hierfür sogar bereits ein ganz bestimmter Weg zu zeigen. Es ist dieser die elektrische Eisen- und Stahlgewinnung. Länder, die an natürlichem Brennstoff arm, an Erzen und Wasser- kräften reich sind, haben in erster Linie den Beruf diesen Prozess zu entwickeln. Seit Stassanos Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 797. Vorgehen ist dies kein Traum mehr. Vorläufig ist der Erfolg zwar gering, aber bei den raschen Fortschritten der Elektrotechnik einerseits und bei dem Bedürfnis gewisser erzreicher, brennstoffarmer Gebiete andererseits erscheint die Durchführung, die zunächst allerdings nur von lokaler Bedeutung sein wird, durchaus wahrscheinlich. Die indirekte Eisenbereitung. Vorarbeiten. Das indirekte Verfahren , das Verschmelzen der Erze zu Roheisen und die Umwandlung des letzteren in Schmiedeeisen und Stahl, ist immer noch das unbedingt herrschende. Auf die Ent- wickelung desselben in den letzten 30 Jahren haben die Fortschritte der Flusseisengewinnung, besonders die Erfindung des Thomasprozesses Ende der siebziger Jahre den grössten Einfluss geübt. Die Frage der Entphosphorung des Roheisens stand für die immer wichtiger werdende Flusseisenbereitung im Mittelpunkt des Interesses. Da die meisten Eisenerze phosphorhaltig sind, so war das meiste Roheisen für die Flusseisenerzeugung nach dem damals allein bekannten sauren Verfahren unbrauchbar. Die Abscheidung des Phosphors war dem- Vorarbeiten zu den Frischprozessen. nach das Problem der Zukunft. Dieses durch Aufbereitung der Erze vor dem Schmelzen zu bewirken, hatte nur in vereinzelten Fällen teilweisen Erfolg gehabt; in den meisten Fällen, namentlich wenn der Phosphor gleichmässig im Erz verteilt war, bot dieser Weg keine Aussicht auf Erreichung des Ziels. Die Abscheidung im Hochofen zu bewirken, war um so weniger möglich, als der Hochofenbetrieb Steigerung der Produktion durch Verwendung hocherhitzten Windes, also sehr hohe Schmelzhitze erstrebte, wobei fast aller Phosphor in das Eisen ging. Da sich die direkte Eisengewinnung trotz aller Bemühungen als unökonomisch erwies, so erhob sich die Frage, ob es möglich sei, die Entphosphorung bei dem flüssigen Roheisen durch ein Reinigungsverfahren vor dem eigentlichen Frischprozess zu bewirken. Diese Lösung galt vor der Erfindung von Thomas und Gilchrist als die wahrscheinlichste. Auf diesem Wege suchten deshalb die meisten Metallurgen in den siebziger Jahren dieses Ziel zu erreichen und es wurde eine Reihe von Vorschlägen und Erfindungen für eine Reinigung des Roheisens in erster Linie von Phosphor , dann auch von Schwefel gemacht. Wir können dieselben zur besseren Übersicht einteilen in Ver- fahren, welche die Reinigung des Roheisens im allgemeinen be- zwecken, und in die besonderen Entphosphorungs- und Entschweflungs- methoden. Die allgemeinen Reinigungsverfahren lehnen sich zum Teil an den früheren Feinprozess an, andere erinnern mehr an den Renn- prozess, wie z. B. das bereits erwähnte Verfahren von Ellershausen , andere erstreben die Reinigung durch chemische Mittel oder Zu- schläge. Letztere Art war die 1870 von J. E. Sherman in England vorgeschlagene Reinigung mittels Jod durch Zusatz kleiner Mengen von Jodkalium (E. P. vom 25. Juli 1870), die aber viel zu teuer war. Praktischer war das 1870 von Henderson angewendete Reini- gungsverfahren Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1871, S. 257; Dinglers Polyt. Journ. 1871, S. 210. durch Einmengen von feingepulvertem und gut gemischtem Eisenerz und Flussspat in das flüssige Roheisen (Am. Pat. Nr. 347349). Es geschah dies in der Weise, dass man das Pulver ¼ bis ⅜ Zoll hoch auf einer gusseisernen Schale ausbreitete und das flüssige Roheisen etwa 1 Zoll hoch darüberlaufen liess. Es erfolgte ein Aufkochen, das etwa fünf Minuten dauerte. Das gefeinte Eisen Beck, Geschichte des Eisens. 37 Vorarbeiten zu den Frischprozessen. war von Silicium und Phosphor so frei, wie Schmiedeeisen. Dieses Material wurde dann bei Pittsburg, wo Henderson sein Verfahren ausführte, im Puddelofen weiter verarbeitet und lieferte ein sehr reines Stabeisen. Nachfolgende Analysen beweisen die fortschreitende Reinigung: C. M. Tessié du Motay glaubte das Verfahren zu verbessern, indem er das Roheisen im Flammofen einschmolz, hierauf Flussspat und alkalische Chloride und Nitrate einrührte. Wilde und Guillieaume schlugen vor, die Reinigung durch Kryolith zu be- wirken. R. M. Daelen in Düsseldorf liess sich den Zusatz von Eisenoxyd, Flussspat und Kalk in den Vorherd des Hochofens oder Kupolofens patentieren (D. R. P. Nr. 33946). H. Schulze-Berge empfahl 1880 das Durchpressen geschmolzener Haloidsalze (Chlorcalcium mit Chlorbaryum und Fluorcalcium) durch das flüssige Eisen; ebenso J. Braunsdorf . J. Anderson Bericht der Deutsch. chem. Gesellschaft 1873, S. 684; Wedding , Hand- buch III, S. 263. wollte 1873 die Reinigung des Roheisens dadurch erreichen, dass er dasselbe durch einen mit glühendem oxydischem Eisenerz gefüllten Ofenschacht laufen liess; das entkohlte Produkt sollte dann durch eine Säule Koks fliessen und hierdurch wieder gekohlt werden. Warners Vorschlag von 1875, das flüssige Roheisen dadurch zu reinigen, dass man es über ein Gemisch von kalcinierter Soda und Kalk leitet, war nicht neu; dasselbe gilt von den Vorschlägen von Dr. Th. Drown in Easton (Pa.), welcher das schon 1860 von A. K. Eaton erfundene Schmelzverfahren mit kohlensaurem Natron wieder aufnahm. Stein empfahl 1877 den Zusatz von Cyan- ammonium. Vorarbeiten zu den Frischprozessen. Ein von Hamoir 1877 angegebenes und zu Maubeuge (Dep. du Nord) ausgeführtes Reinigungsverfahren bestand darin, dass man durch das flüssige Roheisen, wie es aus dem Hochofen floss, erhitzten Wind durchpresste. Das so gefeinte Eisen wurde verpuddelt. Über diesen Prozess hatte sich P. v. Tunner günstig ausgesprochen Siehe Zeitschrift des Berg- und Hüttenmänn. Vereins für Steiermark und Kärnten 1879, S. 413. . Ein ganz ähnliches Verfahren hatte Professor Jossa seit 1878 in Nischne-Tagilsk eingeführt. Eine Abänderung dieses Verfahrens wurde 1883 von C. Levêque und Pouzin in Frankreich vorgeschlagen, die das Durchpressen der Luft in fahrbaren Herden, welche man an den Hochofen fuhr, vornehmen wollten Dingler , Polyt. Journ. 1883, III, S. 440. . 1880 versuchten E. Servais und M. Feltgen in Luxemburg, das Roheisen durch überhitzten Wasserdampf zu reinigen. Schwefel, Phosphor und Silicium sollten dadurch ausgeschieden werden. Um die Abscheidung des Kohlenstoffs zu verhindern, empfahlen sie, dem Wasserdampf ein kohlenstoffreiches Gas beizumengen. Ohne diesen Zusatz erhielt man angeblich zuletzt Flusseisen. L. Herlitschka wollte durch Einleiten von Wasserdampf in den Kupolofen das Roheisen reinigen (1880); M. Laurent Cely nahm 1883 ein Patent, dasselbe durch feuchtes Wasserstoffgas in Muffeln zu erreichen (Franz. Pat. Nr. 139159 Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1883, S. 209. . Wenden wir uns nun zu den eigentlichen Entphosphorungs- verfahren , so haben sich besonders Lowthian Bell und Alfred Krupp vor der Erfindung von Thomas und Gilchrist um diese Verdienste erworben. Beide suchten ihren Zweck durch einen vor- bereitenden Schmelzprozess zu erreichen. Lowthian Bells Verfahren , welches er 1877 veröffentlichte, beruhte auf der Erfahrung, dass Phosphor durch Eisenoxyd bei niedriger Temperatur aus dem Roheisen abgeschieden wird, ohne dass dabei eine sehr erhebliche Einwirkung auf den Kohlenstoff im Eisen eintritt. Es war dies eine bekannte Erscheinung beim Puddelprozess, bei dem die Abscheidung des Phosphors hauptsächlich nach dem Ein- schmelzen beim Beginn des Rührens eintritt, während bei stärkerer Hitze im weiteren Verlauf des Prozesses der Phosphor wieder aus der Schlacke reduciert wird. Bells Verfahren bestand nun darin, das flüssige Roh- eisen in einem trogartigen Behälter mit eisenoxydreichen Körpern, wie Hammerschlag, Frischschlacke, Eisenerze u. s. w., zu mischen. Der oscil- 37* Vorarbeiten zu den Frischprozessen. lierende Trog war etwa 4 m lang und wurde durch Schwinghebel in zwei Zapfen hin- und herbewegt. Die eisenoxydhaltigen Zusätze waren gut vorgewärmt, der Apparat machte in zehn Minuten 60 bis 80 Schwingungen. Nach dem Schmelzen wurde die phosphorsäure- haltige Schlacke ablaufen gelassen. Bei grauem Clevelandeisen ging hierbei der Phosphorgehalt von 1,50 Prozent auf 0,22 Prozent, der Siliciumgehalt von 1,80 Prozent auf 0,05 Prozent herab. Der Zusatz von gerösteten Clevelanderzen betrug etwa 50 Prozent. Das Puddeln des gereinigten Eisens sollte dann in einem Ponsardofen oder einem sonstigen rotierenden Ofen erfolgen. Die Verwendung eisenoxydhaltiger Zusätze für die Reinigung des Eisens war durchaus nicht neu. H. Bessemer hatte längst Versuche gemacht, das Eisen durch solche Zuschläge oder durch eisen- oxydhaltige Konverterfutter zu reinigen. Ebenso hatte W. Siemens 1863 derartige Futter auf Le Chateliers Rat angewendet. Wedding empfahl 1865 den Zusatz basischer Eisenschlacken als Reinigungs- mittel. Gleichzeitig mit Bells Verfahren wurde die von Fr. Krupp 1877 patentierte Entphosphorung des Roheisens bekannt. Der Prozess war von den Ingenieuren Th. Narjes und Dr. August Bender erfunden „Auf Grund der in der Berliner Bergakademie gehörten Vorträge der Eisenhüttenkunde, worin die Hindernisse der Entphosphorung auseinandergesetzt und der Weg zur Erreichung derselben durch Anwendung von Schlackenfutter angedeutet war“ schreibt Wedding . und ausgebildet worden und beruhte auf der Einwirkung der Oxyde von Eisen und Mangan auf flüssiges, mangan- haltiges Roheisen. Von Bells Verfahren unterscheidet es sich ganz besonders durch die Verwendung oder Zusatz von manganhaltigem Eisen und sollte das Mangan einesteils den Kohlenstoff vor Oxy- dation schützen, andererseits das Manganoxydul als starke Base die Oxydation und Abscheidung des Phosphors befördern. Da die dem Verfahren zu Grunde liegenden Thatsachen bekannt waren, so zögerte die Regierung mit der Patenterteilung und ernannte eine besondere Prüfungskommission, die sich von der Neuheit der Ausführung über- zeugte. Das Verfahren bestand darin, dass man flüssiges Roheisen vom Hochofen in Chargen von 5 Tonnen auf einen rotierenden Pernotofen, dessen eiserne Wände mit einem Futter von reichen manganhaltigen Eisenerzen ausgekleidet waren, brachte, und, während derselbe rotierte, noch Zuschläge von eisenoxydreichen Stoffen einwarf. Die Charge verlief in 15 Minuten und wurde das entphosphorte Metall mit Vorarbeiten zu den Frischprozessen. siliciumreichem Roheisen vermischt in die Bessemerbirne oder den Siemens-Martinofen abgestochen. Ein Reinigungsofen genügte für 12 Siemens-Martinöfen. Der Prozess wurde zuerst in Essen fabrik- mässig betrieben, doch nur wenig länger als zwei Jahre (1878 bis 1880), indem er dann von dem Thomasverfahren verdrängt wurde. Dagegen wurde das Verfahren in Nordamerika in den achtziger Jahren mit Erfolg eingeführt und hat sich der Kruppsche „Waschprozess“ , wie er genannt wurde, dort länger erhalten. Zuerst geschah dies in Ohio. Der Prozess selbst erfuhr verschiedene Abänderungen. Bereits in Essen hatte man nicht ohne Erfolg versucht, das Roheisen in einem mit basischem Futter von Eisenerz, Bauxit, Magnesia und Kohlen- schiefer ausgekleideten Kupolofen zu reinigen. Dieser Ofen hatte gekühlte Wände und einen fahrbaren Vorherd. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika waren Krupps Waschöfen (washers) 1886 auf vier Werken in Gebrauch. Eine Eisen- hütte zu Youngtown bei Cleveland erzeugte drei nach dem Phosphor- gehalt unterschiedene Sorten von „Krupp-Metall“: I mit 0,01, II mit 0,02 bis 0,03 und III mit 0,05 bis 0,06 Prozent Phosphor. In Spring- field, wo man zuerst Krupps Verfahren eingeführt hatte, setzte man Chargen von 10 Tonnen in den Waschofen ein. Das entphosphorte Eisen wurde in zwei Martin-Pernotöfen zu 15 Tonnen weiter ver- arbeitet. Auf den Cambria-Eisenwerken bei Johnstown verarbeitete man Chargen von 6 bis 8 Tonnen. Die Herdsohle des Ofens, die 4,4 m inneren Durchmesser hatte, war aus Hämatit vom Oberen See, der nur 0,04 Prozent Phosphor enthielt, hergestellt. Der Zuschlag bestand aus 1 Prozent des Roheisens an Kalk und 14 Prozent Erze und Walz- schlacke; derselbe wurde gut vorgewärmt. Der Prozess dauerte 25 Minuten und wurden dem Roheisen 70 bis 85 Prozent seines Phosphors entzogen, indem das eingesetzte Eisen 0,10 bis 0,15 Prozent, das gereinigte 0,02 Prozent Phosphor durchschnittlich enthielt. Das Roheisen wurde in einem Kupolofen eingeschmolzen, floss von da in den Wascher; aus diesem wurde es in eine Pfanne ab- gestochen, aus der es in Massel gegossen wurde. Man machte in der Regel nur 6 Chargen zu 6 Tonnen in 24 Stunden, weil das Reinigen des Herdes immer viel Zeit kostete. Der Aufgang an Erzen für Ofen- futter und Zuschläge wechselte von 1 bis 2 Tonnen für die Charge. Der Abbrand betrug 5 bis 6 Prozent, der Kohlenverbrauch 225 bis 270 kg auf die Tonne. Das Produkt hiess Waschmetall (washed metal). 1890 war das Verfahren auf den Cambrawerken noch im Gange. Vorarbeiten zu den Frischprozessen. Andere Vorschläge für die Entphosphorung durch einen vor- bereitenden Prozess schliessen sich teils dem Krupps chen, teils dem 1878 erfundenen Thomas-Verfahren an. 1879 schlug E. Williams vor, flüssiges Roheisen mit flüssigem Eisensinter, unter Zusatz von 20 Prozent reinem Sand, in einem Tiegel etwa eine Viertelstunde lang heftig zu schütteln. S. Kern in Peters- burg machte Versuche mit diesem Verfahren Siehe Iron XIII, Nr. 320. . In ähnlicher Weise änderte Helmholtz das Krupps che Verfahren ab, indem er einen dünnen Strom von Roheisen einem Strom ge- schmolzener, eisenoxydreicher Schlacke in einem Flammofen entgegen- führte. Das entphosphorte, aber auch teilweise entkohlte Eisen sollte durch Überleiten über ein Bett von Kohle wieder gekohlt werden (D. R. P. Nr. 6078). Brauns erlangte 1879 angeblich eine Abscheidung des Phos- phors aus dem Roheisen bis zu 90 Prozent durch Schmelzen der- selben in einem Kupolofen mit basischem Futter. Die Entphosphorungsversuche der Guten Hoffnungshütte 1879 und von Jos. Beasley zu Pensnett in Staffordshire durch Zusätze im Puddelofen werden beim Puddelprozess beschrieben werden. Emil Andre wollte die Entphosphorung in einer Gusspfanne, die mit einem feuerfesten Futter aus rotgebranntem Dolomit mit schwefelsaurem Kalk als Bindemittel ausgekleidet war, bewirken. Ausserdem sollte beim Abstich gepulverter Braunstein durch einen Trichter in das Eisenbad eingetragen werden. C. W. Hoepfner machte 1885 den nicht neuen Vorschlag, die Entphosphorung des Roheisens dadurch zu bewirken, dass man es durch ein Filter aus Kalkziegel und Oxyden von Eisen und Mangan durchfliessen liess. Einen anderen Weg empfahl 1879 Richard Brown , der die Entphosphorung durch Zusatz von doppelt-chromsaurem Kali zu dem geschmolzenen Roheisen bewirken wollte. Bei einem Phosphorgehalt bis 1,5 Prozent sollte ein Zusatz von ½ Prozent des Salzes etwa ¾ Prozent Phosphor neutralisieren Daselbst XIV, Nr. 351. . M. H. Purdy in Brooklyn schlug (1883) Mennige, Bleiglätte oder Zinnober als Entphosphorungsmittel vor (D. R. P. Nr. 34946); Lindenthal empfahl einen Zusatz von 1/10 Prozent Aluminium. Vorarbeiten zu den Frischprozessen. Seit der Einführung des Thomasverfahrens wendete man der Entschweflung des Roheisens, welche man bis dahin durch hohen Kalkzuschlag im Hochofen oder gleichzeitig mit der Entphosphorung erstrebt hatte, besondere Aufmerksamkeit zu, weil die Abscheidung des Schwefels beim Thomasieren nur eine unvollkommene war. Infolge dessen bildeten sich auch für diesen Zweck besondere vorbereitende Reinigungsprozesse, die dem eigentlichen Frischen vorausgingen, aus. Auch hierbei waren es wieder besonders zwei Verfahren, die eine praktische Wichtigkeit erlangt haben, die Entschweflung von Rollet (1881) und die des Hörder Bergwerks- und Hüttenvereins im so- genannten „Mischer“. Antoine Rollet zu Creuzot führte 1881 sein Entschweflungs- verfahren (D. R. P. Nr. 14647), welches auf der Einwirkung einer sehr kalkreichen Schlacke bei hoher Temperatur begründet war, auf dem Eisenwerk Givors in Frankreich ein. Er schmolz das Roheisen in einem mit basischem Futter ausgekleideten Kupolofen unter Zuschlag von Kalk oder Dolomit und Flussspat , um erstere flüssig zu machen, ein. In der Folge Vortrag von Rollet bei dem Meeting des Eisen- und Stahl-Instituts in London, Mai 1890; siehe Stahl und Eisen 1890, S. 516. versah er den Kupolofen mit mehreren Reihen Formen übereinander, von denen die unteren in den Herd geneigt waren. Er kleidete den Ofen mit einem Magnesitfutter aus und erhitzte den Wind auf 400° C. Hierbei erhielt er in 24 Stunden 60 bis 75 Tonnen gereinigtes Eisen von weissem Bruch und poröser, schwammiger Textur. Die dabei fallende gelblich-weisse Schlacke enthielt bis zu 90 Prozent des in dem Roheisen enthaltenen Phosphors als Phosphorsäure und einen grossen Teil des Schwefels als Schwefel- metall. Das kohlenstoffarme gereinigte Produkt wurde im sauren Herdofen anderem Roheisen zugesetzt und zu Flusseisen oder im Puddelofen zu Schweisseisen verarbeitet. Nach Rollet konnte man auch die Reinigung im Flammofen unmittelbar vornehmen, musste dann aber die phosphor- und schwefelhaltige Schlacke vor Eintritt der Entkohlung entfernen. Das Hörder Verfahren der Abscheidung des Schwefels, auf welches der Hörder Bergwerks- und Hüttenverein am 20. Mai 1890 ein Patent (D. R. P. Nr. 54976) erhielt, beruht auf der Wirkung des Mangans auf Schwefeleisen. Mischt man schwefelhaltiges Roheisen mit mangan- haltigem, so scheidet sich bei längerem Stehen eine schwefel- und manganreiche Schlacke ab. Vorarbeiten zu den Frischprozessen. Das Verfahren Siehe P. Tunner , Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1891, S. 205; Stahl und Eisen 1891, S. 798; 1893, S. 455. , um dessen Ausbildung sich Gustav Hilgen- stock besonderes Verdienst erworben hat, besteht erstens darin, dass man flüssiges, schwefelhaltiges Roheisen in einem besonderen Behälter, dem sogenannten Mischer, Fig. 242, mit heissflüssigem Manganeisen versetzt und dann das Eisenbad sich so lange selbst überlässt, bis das durch eintretende Reaktion gebildete Mangansulfid als Schlacke ausgeschieden ist; zweitens durch Verarbeitung der so erhaltenen Fig. 242. manganreichen Schlacken durch reducierendes Schmelzen mit Kalk. Im grossen führt man die Schwefelabscheidung im Mischer in der Weise aus, dass man, wenn mehrere Hochöfen betrieben werden, einen auf manganreicheres Eisen gehen lässt und die Abstiche aus den ver- schiedenen Öfen mischt, anderenfalls schmilzt man manganreicheres Eisen, Spiegeleisen oder Ferromangan im Kupolofen ein. In obiger Abbildung werden die Abstiche in Pfannen durch eine Lokomotive B dem Mischer A zugeführt und in diesen gekippt. Der Mischer, der in seiner Gestallt einem Konverter in geneigter Lage gleicht, wird Vorarbeiten zu den Frischprozessen. dann nach Beendigung der Abscheidung in tiefer stehende Pfannen- wagen C , die ebenfalls durch Lokomotiven zu- und abgefahren werden, entleert, indem der Mischer durch hydraulischen Druck gekippt wird. Dieses Verfahren, das sich als sehr praktisch bewährt hat und jetzt auf den meisten grösseren Stahlwerken eingeführt ist, wurde zuerst in weiteren Fachkreisen durch einen von Direktor Massenez von Hörde bei der Versammlung des Iron and Steel Instituts 1891 ge- haltenen Vortrage bekannt. In dem von ihm vorgeführten Falle der Entschweflung von Thomasroheisen durch Ferromangan enthielt die Schlacke im Mischer 28,01 Prozent Mangansulfid Vergl. auch A. Krafft , „Betriebsergebnisse im Roheisenmischer“ in Stahl und Eisen 1896, S. 100. . Der Mischer fasste 70 Tonnen. Massenez empfahl aber, ihm einen Fassungsraum von 120 Tonnen zu geben. Das Eisen, welches mehrere Stunden flüssig bleibt, stand 15 bis 20 Minuten im Mischer. Aus der Abnahme des Mangangehaltes kann man auf die Menge des Schwefelgehaltes schliessen. Bei 1 Prozent Mangan im Roheisen ist der Schwefelgehalt durchschnittlich 0,9 Prozent. Der Hörder Verein liess sich 1892 auch den umgekehrten Prozess, nämlich die Abscheidung von Mangan durch Zusatz von Schwefeleisen, patentieren (D. R. P. Nr. 67978). Von weiteren Entschweflungsmethoden ist noch der von H. W. Saniter Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 353. in Wigan 1892 angegebene und ausgeführte Prozess (D. R. P. Nr. 73782), der darin besteht, dass das flüssige Eisen mit einer Mischung von Chlorcalcium und Ätzkalk oder Kalkstein in Berührung gebracht wird, erwähnenswert. Dies sollte in der Guss- pfanne, auf deren Boden das Gemisch ausgebreitet war, vorgenommen werden. Die angestellten Versuche verliefen aber ungünstig. Am 20. Juni 1893 nahm Saniter ein Zusatzpatent, wonach die Mischung neben Chlorcalcium auch Fluorcalcium enthalten sollte. Nach G. Hilgenstock Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 828. ist aber auch diese Mischung nur wirksam bei gleichzeitiger Anwesenheit von Mangan. Der Saniterprozess fand in vielen englischen Stahlwerken Anwendung und wurde 1894 auch von Krupp in Essen versucht. Die Vorschläge von Bell und Wigan 1892 Daselbst 1892, S. 647. und von De Vathaire Daselbst 1894, S. 1052. 1894, die Entschweflung durch Zusatz alkalischer Das Frischen im offenen Herd. Cyanide zu bewirken, waren wegen der hohen Kosten im grossen nicht ausführbar. Das Frischen im offenen Herd. Der Herdfrischprozess spielte nur noch in den Ländern und Gebieten eine Rolle, wo ausserordentlicher Waldreichtum diesen Prozess möglich und für die Verwertung des Holzes sogar notwendig machte, oder wo man mit Vorteil durch dieses Verfahren ein besonderes Qualitätseisen erzeugte. In der klassischen Heimat des Frisch- prozesses, in den österreichischen Alpenländern, hatte der Puddel- prozess den Frischprozess so sehr verdrängt, dass z. B. in Kärnten 1871 von 292 Frischfeuern und 295 Hammerschlägen nur noch je 18 im Betriebe waren. In Deutschland wurde damals nur noch eine Frischhütte mit zwei Feuern zu Hammerau betrieben. Dagegen war in Schweden, in dem Uralischen Russland und in einigen Gebieten von Nordamerika dieses Verfahren noch von Be- deutung. Ganz besonders gilt dies für Schweden, wo im Jahre 1871 mit 827 thätigen Herden 4414510 Centner (187692650 kg) Stabeisen von 6073 Arbeitern gemacht wurden. Hier hatte man noch ein grosses Interesse daran, den Frischprozess zu vervollkommnen und ökonomischer zu gestalten. Deshalb stammen die Verbesserungen desselben in dieser Periode fast alle aus Schweden. Namentlich hat die Lankashire-Frischmethode in Verbindung mit Lundins chen Schweissöfen zum Ausheizen dort weitere Vervollkommnung erfahren. Auch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika hatte die Lanka- shireschmiede die alten deutschen Frischfeuer an den meisten Orten verdrängt. 1875 zählte man noch 59 Frischhütten ( Bloomaries ) mit 206 Frisch- und 41 Materialfeuern, welche eine Produktionsfähigkeit von 60200 Tonnen hatten. Die wirkliche Erzeugung betrug aber 1873 nur 26940 Tonnen, 1874 22877 Tonnen und 1877 21845 Tonnen. Eine grosse Konkurrenz erwuchs dem Frischschweisseisen als Materialeisen für die Draht- und Weissblechfabrikation durch das vorzügliche weiche Eisen des basischen Konverter- und Flammofen- prozesses, dem Thomas- und basischen Martineisen. Von Verbesserungen des Frischprozesses erwähnen wir ein von L. M. Lindberg zu Kohlsva in Schweden 1881 versuchtes Verfahren, auf die schlackenfreie Oberfläche des im Herde eingeschmolzenen Roheisens Wind zu blasen, wie in einem Treibherde. Von grösserer praktischer Bedeutung waren die Verbesserungen des Lankashireherdes, Das Frischen im offenen Herd. den man mit zwei Formen, je eine auf den gegenüberliegenden Lang- seiten, versah, wie es in Fig. 243, 244 Nach J. von Ehrenwerth , Das Eisenhüttenwesen in Schweden. Leipzig 1885. dargestellt ist. Dadurch konnte man grössere Einsätze in kürzerer Zeit mit weniger Holz- kohlen frischen. Fig. 243. J. A. Forsberg ging in dieser Richtung noch weiter, indem er 1883 den dreiförmigen schwedischen Herd erfand, bei dem noch eine dritte Form in der Hinterwand angebracht und die Brustseite ge- schlossen war. Das Auf- geben geschah durch einen Fülltrichter. Der Wind strich durch die doppelten Ofenwände über den Herd, wodurch er erwärmt wurde und zugleich die Wände kühlte und dadurch schützte Siehe Jern Kontorets Annal. 1883; Stahl und Eisen 1886, S. 314. . Eine weitere Verbesse- rung Forsbergs , die er zu Kallinge einführte, be- stand darin, dass er den Fig. 244. Herdboden mittels Bodenschrauben verstellbar machte. Die Qualität des Produktes fiel in dem dreiförmigen Herd besser als in dem zwei- förmigen aus und waren dabei weniger geschickte Arbeiter erforderlich. Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Die Brennmaterialersparnis betrug 15 bis 20 Prozent und die Arbeit verlief rascher. Solche dreiförmigen Herde wurden zu Hult und Niby erbaut. 1885 liess sich Forsberg einen vierförmigen Frischherd paten- tieren. Es war dies ein Doppelherd mit zwei Arbeitsöffnungen und je zwei Formen auf jeder Langseite. Ein nach diesem Patent erbautes Frischfeuer zu Stridberg erwies sich aber nicht besser als der dreiförmige Herd. Zu Bofors waren 1885 20 vierförmige Frischfeuer in Betrieb. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika machte man in Lankashire-Frischherden besonders Eisen für die Cementstahlfabri- kation. Man umgab das Feuer mit doppelten Wänden aus Blech, die für Wasserkühlungen dienten, wodurch die Frischer weniger durch die Hitze zu leiden hatten. Während in den Vereinigten Staaten die Frischeisenerzeugung immer mehr verschwand, erhielt sie sich in Schweden auf ihrer Höhe. 1891 betrug die Schweisseisenerzeugung daselbst rund 195000 Tonnen, davon waren 182000 Tonnen Herdfrischeisen, wovon der weitaus grösste Teil in Lankashire-Feuern mit ein bis drei Formen erzeugt war. Bei etwa 100 bis 180 kg Einsatz und 114 bis 120 kg Vorwage und 4 bis 7 hl Kohlenverbrauch wöchentlich wurden 14 bis 16 Tonnen Frischluppen erzeugt. Die Einsätze wurden aus weissem und halbiertem Roheisen gemischt und das fertige Produkt in vier Klassen sortiert: a) für schwere Radreifen, Schieneneisen; b) für Stangeneisen; c) für leichte Radreifen und Schienen; d) für Extraqualität (geschweisste Zaggl) zur Erzeugung von Hufnageleisen und Drahtstangen Siehe J. von Ehrenwerth , Das Berg- und Hüttenwesen auf der Welt- ausstellung in Chicago, Wien 1895, S. 110. . Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Auch das Flammofenfrischen oder Puddeln war um 1871 bereits relativ im Rückgang begriffen, wenn auch seine Erzeugung noch im Steigen war. Das Bessemerflusseisen verdrängte das Schweiss- eisen überall da, wo es sich um ein hartes, festes Material handelte; so namentlich in dem wichtigsten Zweige der Walzindustrie der Schienenfabrikation. Auch das Siemens-Martin-Verfahren begann dem Puddeleisen empfindliche Konkurrenz zu bereiten. Dagegen behauptete sich das Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Puddeleisen siegreich, wo es sich um Weichheit und Schweissbarkeit handelte und in letzterer Eigenschaft erwies es sich dem Flusseisen so überlegen, dass man ihm mit dem Herdfrischeisen zusammen den Gruppennamen „Schweisseisen“ im Gegensatz zu dem in flüssigem Zu- stande erhaltenen Flusseisen beilegte. Auch zeigte der Puddelprozess noch darin einen Vorteil, dass man mit ihm phosphorhaltiges Roh- eisen besser zu einem brauchbaren Produkt verarbeiten konnte, indem der Phosphor bei Gegenwart von reichlicher, garer Schlacke aufgelöst und abgeschieden wurde. Infolge dieser Vorzüge nahm die gesamte Puddeleisenproduktion in den Jahren 1871 bis 1880 an Umfang zu. In England betrug die Zahl der betriebsfähigen Puddelöfen: 1861: 4147, 1875: 7574, 1885: 4902, 1886: 4246. Ihr absolutes Maximum erreichte die Schweisseisenproduktion im Jahre 1882 mit 9135 kt, doch wurden in diesem Jahre bereits 6199 kt Flusseisen erzeugt. Während das relative Verhältnis von Schweisseisen zu Flusseisen 1870 noch 90 : 10 war, hatte 1888 die Flusseisenfabrikation die Schweisseisenproduktion bereits überflügelt. Von 1882 an sank die Schweisseisenerzeugung in England und den Vereinigten Staaten, während sie in Deutschland noch steigend blieb bis 1889, seitdem ist auch hier ein merklicher Rückgang ein- getreten. Die relative Abnahme in Deutschland von 1877 bis 1894 ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung: Der Rückgang der Schweisseisenerzeugung in der zweiten Hälfte unseres Zeitabschnitts, seit 1882, war eine Folge der Erfindung des basischen Verfahrens durch Thomas und Gilchrist , welches sowohl im Konverter wie im Siemens-Martinofen mit basischem Futter ein phosphorarmes, weiches Material lieferte, das, ausser an Schweissbarkeit, das Puddeleisen in jeder Hinsicht übertraf. Ehe der Thomasprozess erfunden war, konnte man sich noch der Hoffnung hingeben, dass sich das Puddeleisen, wenn auch auf beschänkterem Gebiete wie früher, Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. siegreich gegen das Flusseisen behaupten würde und man hoffte, durch Verbesserungen im Betriebe dies um so mehr zu erreichen. In dieser Richtung wurden besonders in den siebziger Jahren bedeutende An- strengungen gemacht. Grosse Hoffnungen setzte man damals auf das mechanische Puddeln . Schon in den vorausgegangenen Jahrzehnten hatte man Versuche gemacht, die mühselige und teure Handarbeit des Puddelns durch mechanischen Betrieb zu ersetzen. Tunner und andere Autoritäten Fig. 245. hatten diese Versuche vom Standpunkte der Menschlichkeit begrüsst, indem sie die anstrengende Puddelarbeit geradezu für menschen- unwürdig erklärten. Die Erfolge waren aber bis zum Jahre 1870 sehr gering gewesen. Da zog im Jahre 1871 ein von Samuel Danks in den Vereinigten Staaten eingeführter rotierender Puddelofen die Aufmerksamkeit auf sich und hoffte man, in ihm die Lösung des Problems gefunden zu haben. Die Idee war nicht neu. 1853 hatten bereits Walker \& Warren , 1856 W. Beatson und H. Bessemer , 1859 W. H. Tooth und 1861 Tooth und Yates Patente auf rotierende Puddelöfen genommen. 1869 trat Danks mit seinem Ofen auf und es gelang ihm, denselben auf einigen bedeutenden Werken in den Vereinigten Staaten einzuführen. Er reiste 1871 nach England, um dort für seine Erfindung zu wirken und er Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. erweckte durch einen Vortrag in dem neugegründeten Iron and Steel Institute ein so lebhaftes Interesse dafür, dass der Ver- ein eine Kommission, bestehend aus den Sachverständigen John A. Jones, John Lester und Geo. J. Snelus , nach Amerika ent- sandte, um die rotierenden Öfen von Danks zu studieren und mit englischen Eisensorten, und zwar mit Dowlais-, Coneygree-, Butterly-, Cleveland- und spanischem Roheisen Versuche darin anzustellen. Die Kommission besuchte die Railway Iron Works zu Cincinnati, wo damals neun Danksöfen im Gange waren, von denen acht ständig betrieben wurden, während einer als Reserve diente. Desgleichen Fig. 246. waren in den Roane Iron Works zu Chattanooga, Tennessee, damals bereits neun Danksöfen errichtet. Die Kommission erstattete einen sehr günstigen Bericht, dem Snelus noch eine besondere Abhandlung, in der er den Verlauf des Prozesses wissenschaftlich erklärte, folgen liess. Dies bewirkte, dass man alsbald auch in England die rotierenden Öfen von Danks einführte. Hopkins, Gilkes \& Co . auf dem Vulkan- eisenwerk erwarben sich (1872) um die Sache grosses Verdienst. Ehe wir die Geschichte der Danksöfen weiter verfolgen, wollen wir eine kurze Beschreibung derselben geben. Aus den Fig. 245, 246 ersehen wir, dass nur der mittlere Teil, ein Cylinder, der aussen mit einem Zahnkranz versehen ist und auf Rollen läuft, beweglich ist, während die Feuerung mit der Feuerbrücke und der Fuchs, durch Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. den der Drehherd mit der Esse in Verbindung steht, fest stehen. Die Feuerung ist ein einfacher Planrost für Steinkohlen, doch wendete man zur Regulierung des Feuers Unterwind (durch b ) und Oberwind (durch a ) an. Der Drehmechanismus des cylindrischen Herdes ist aus der Zeichnung ersichtlich. Der eiserne Drehofen hat einen inneren Durchmesser von 1,65 m, die beiden konischen Öffnungen von 1 m. Die Länge des Cylinders ist 0,85 m. Die konischen Enden auf beiden Seiten sind durch zwei durch Wasser gekühlte Ringe abgeschlossen. Ebenso sind Feuerthür und Feuerbrücke mit Wasserkühlung versehen. Der aus eisernen Platten zusammengesetzte Drehcylinder ist innen mit vorspringenden Rippen versehen, um das Ofenfutter zu halten. Die Herstellung dieses Futters war von besonderer Wichtigkeit. Man unterschied Unterfutter (initial lining) und Decke (fix). Das Unter- futter bestand aus einem mit Wasser angerührten Gemisch von feuer- festem Thon und Erz, das in teigartigem Zustande ⅘ Zoll dick auf- getragen und festgestampft wurde; alsdann wurde es mit Holzfeuer abgetrocknet. Eingeworfener Hammerschlag erzeugte eine Art Glasur. Hierauf wurde die Decke (fix) aus einem Gemenge von Kiesabbränden (fettling) und geröstetem Kohleneisenstein (pottery-mine), dem zuletzt noch reiches Eisenerz zugesetzt wurde, in fünf Abteilungen, bis die ganze Oberfläche von fix bedeckt war, aufgeschmolzen. Am meisten haben sich zur Herstellung des Futters reine Roheisensteine von Bilbao, Marbella in Spanien und von Iron Mountain in Missouri bewährt, weniger Ilmenit und andere Titaneisenerze, die im Anfang empfohlen wurden. Da das Roheisen beim Frischen den nötigen Sauerstoff hauptsächlich aus dem Futter zieht, so leidet dieses sehr und muss fortwährend durch Erzzusatz erneuert werden. Dieser betrug in England für einen Ofen von 320 kg Einsatz 2 bis 2½ Tonnen in 11 Stunden. Infolge dieser Reduktion von Eisen aus dem Futter war das Aus- bringen grösser als der Einsatz. Anfangs schmolz man das Roheisen im Drehofen selbst ein. Beispielsweise betrug ein Einsatz in England 280 kg Coneygree-Roheisen. Derselbe war nach 60 Minuten ein- geschmolzen, nach 65 Minuten wurde Schlacke abgestochen, nach 70 Minuten konnte die Luppe ausgezogen werden, die 317 kg wog. Das Einschmelzen des Roheisens im Drehofen war aber aus ver- schiedenen Gründen unvorteilhaft. Es kostete viel Zeit und Brenn- material und die ungeschmolzenen Stücke beschädigten beim Drehen das Futter. Deshalb gab man es sehr bald auf und brachte das in einem Kupolofen geschmolzene Roheisen flüssig in den Danksofen. Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Der chemische Verlauf des Prozesses wurde von Snelus durch zahl- reiche Analysen erläutert, aus denen hervorging, dass Phosphor und Silicium besser abgeschieden wurden, wie im Puddelofen, während Lester und Jones genaue Berechnungen über die ökonomischen Resultate anstellten. Diese Berichte sind in Weddings Handbuch der Eisenhüttenkunde (Bd. III, S. 315) ausführlich mitgeteilt und genügt es, auf dieselben zu verweisen. Die Mitglieder der Kommission erklärten Danks Frischverfahren für einen Erfolg. Das im Drehofen erhaltene Eisen sei besser als das mit der Hand gepuddelte und wenn auch die Anlagekosten teurer seien, so sei der Betrieb billiger. Ein Danksofen sollte drei Puddel- öfen ersetzen. In England wurde der erste Versuchsofen zu Crewe errichtet, sodann wurde eine grosse Anlage von Hopkins, Gilkes \& Co . auf den Tees-Side-Eisenwerken bei Middlesborough erbaut. Die günstigen Berichte veranlassten auch die belgischen Eisenindustriellen, zwei Delegierte, die Ingenieure Leopold Taskin und Victor Tahon , zum Studium des Danks-Prozesses zu Hopkins, Gilkes \& Co . nach Middlesborough zu schicken. Diese sprachen sich ebenfalls lobend aus. Nach ihren Angaben ersetzen 12 Danksöfen zu 150000 Francs 40 Puddelöfen zu 170000 Francs. Allerdings kostet eine Anlage von 12 Danksöfen mit den zugehörigen Zängevorrichtungen 328000 Francs, eine entsprechende Puddelofenanlage 318000 Francs. Das neue Verfahren erschien um so vorteilhafter, als die Arbeits- löhne damals einen sehr hohen Stand erreicht hatten, weshalb ein Ersatz durch Maschinenarbeit angezeigt war. Wenn trotz alle- dem der Danksprozess bis 1873 nur geringe Verbreitung fand, so lag dies an den hohen Licenzgebühren, welche Danks für seine Dreh- öfen verlangte. Sie betrugen für Amerika 1 Dollar für die Tonne. Für England hatte er sie zwar auf 2 Schilling für die Tonne er- mässigt, doch war auch dies noch zu hoch. Nachdem Danks dies erkannt hatte, zog er 1873 sein Patent zurück und begnügte sich mit einer billigen Abfindung von Fall zu Fall. Daraufhin entstanden 1873 mehrere grosse Anlagen für Danksöfen, so auf den Erimuswerken bei Middlesborough und auf den Carltonwerken bei Stockton on Tees. Auf dem Kontinent waren dagegen, trotz der allgemeinen Auf- merksamkeit, welche das Verfahren besonders seit der Wiener Welt- ausstellung auf sich gezogen hatte, die Erfolge gering, weil es bei den billigen Arbeitslöhnen und dem teuren Bezug der Futtererze im Betriebe kostspieliger als das alte Verfahren war. Aber auch Beck, Geschichte des Eisens. 38 Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. in England wurden die Erwartungen nicht erfüllt. Bei den günstigen Betriebsberechnungen von Lester und Jones waren die Reparatur- kosten viel zu niedrig veranschlagt. Diese waren sehr hoch nicht nur für den Drehmechanismus, als noch mehr für die rasche Zer- störung des Ofenfutters. Ausserdem erforderten die grossen Luppen viel stärkere Zänge- und Walzvorrichtungen als der gewöhnliche Puddelbetrieb. Man bemühte sich, Verbesserungen anzubringen. Das Roheisen in geschmolzenem Zustande einzutragen und zu verfrischen, war zwar billiger, wirkte aber infolge des raschen Verlaufs nachteilig auf die Qualität. Wood in Middlesborough verbesserte 1874 die- selbe dadurch, dass er das Eisen in granuliertem Zustande aufgab und einschmolz. Bodmer zerkleinerte das Roheisen heiss zwischen Walzen. Dennoch wurden bereits 1874 in Staffordshire verschiedene Danksöfen wieder kalt gestellt, weil die häufigen Reparaturen und Störungen kein erspriessliches Arbeiten gestatteten. Auch in den Vereinigten Staaten ersetzten die Roane-Eisenwerke zu Chattanooga ihre zehn Danksöfen wieder durch Puddelöfen. Dagegen war man auf den Carlton- und Erimus-Eisenwerken in England mit dem Betrieb mit granuliertem Roheisen zufrieden; 1875 wurden auf den Erimuswerken wöchentlich 1000 Centner Luppeneisen in Danksöfen erzeugt. Ebenso erzielte Heath in North-Staffordshire angeblich gute Resultate. Ein Nachteil war die Grösse und die Ungleichmässigkeit der Luppen. Der ganze Einsatz gab nur eine Luppe. Versuche, dieselben zu teilen, hatten sich nicht bewährt. Ebenso war die Dickflüssigkeit der Schlacke ein Missstand. In den Vereinigten Staaten erwarb sich John T. Williams , Direktor der Mill-Vale-Hütte bei Pittsburg, Verdienste um die Ver- besserung der Danksöfen, die er erst für dauernden Betrieb tauglich gemacht hat. Es gelang ihm, die Chargendauer auf 50 Minuten abzukürzen. Die Verbesserungen bezogen sich auf Abänderung des runden Querschnitts in einen elliptischen, Wasserkühlungen, auf den besseren Anschluss des Drehofens an Fuchs und Feuerbrücke und auf die Feuerung. Gegen Ende der siebziger Jahre hatte sich die Zahl der Danksöfen in den Vereinigten Staaten und in England bereits sehr vermindert. Am längsten setzten die Otis -Eisenwerke bei Cleveland (Ohio) den Betrieb zur Erzeugung von Qualitätseisen fort Die Drehöfen waren 2 m lang und 2 m im Durchmesser aus Stahl- platten zusammengesetzt. Es wurden 1882 10 bis 12 Tonnen Eisen Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. in 12 Stunden verarbeitet. 1884 wurden sogar täglich 27 bis 30 Tonnen in den Danksöfen gefrischt. Bald nachdem der rotierende Ofen von Danks die Aufmerksam- keit der Eisentechniker auf sich gezogen hatte, entstanden eine Anzahl ähnlicher Konstruktionen, die zwar noch weniger einen dauernden Erfolg hatten, wie der erstgenannte, aber doch Erwähnung verdienen. William Seller in Philadelphia liess sich 1872 einen Drehofen patentieren, der mit den ältesten Öfen dieser Art, dem Östlunds chen Drehtopf (s. Bd. II, S. 862), insofern Ähnlichkeit hatte, als das Schmelz- gefäss nur eine Öffnung zum Ein- und Austritt der Flammen hatte. Er wurde in Europa besonders durch die Wiener Weltausstellung, wo Seller ein gangbares Modell vorführte, bekannt Beschreibung und Abbildung in Weddings Handbuch der Eisenhütten- kunde III, S. 306. . Die um eine horizontale Achse drehbare Birne war mit einer kontinuierlichen Regenerativ-Gasfeuerung versehen. Der Ofen ruhte auf einem drei- rädrigen Fahrgestell, wodurch er sich leicht entfernen liess. Auf den Edge-Moore-Eisenwerken wurden 14 dieser Öfen errichtet. Sie waren genial in der Konstruktion, aber zu teuer. 1878 wurden noch einige nachträgliche Verbesserungen in Bezug auf das Ein- und Austragen des Metalles und die Erwärmung von Wind und Dampf angebracht; seitdem verlautete nichts mehr über diese Drehöfen. Eine andere Konstruktion, die auf der West-Hartlepool-Hütte in England ausgeführt wurde, rührte von Adam Spencer her. Dürre bezeichnet sie als Drehkiste. Der Ofen hatte die Gestalt eines vier- seitigen Prismas. Die Seitenwände bestanden aus hohlen, eisernen Kästen. Dieselben wurden einzeln mit geschmolzener Puddelschlacke ausgegossen, dann zusammengesetzt, erhitzt und mit flüssiger Puddel- schlacke zusammengekittet. Die Drehachse fiel nicht mit der Achse des Hohlraumes zusammen, indem zwar zwei Wände mit der Dreh- achse parallel, zwei dagegen geneigt waren. Dadurch entstand bei der Drehung ein Hin- und Herfliessen der geschmolzenen Masse und ein Zerreissen der sich bildenden Luppe. Der Ofen lief auf Rollen. Er war noch komplizierter wie der von Danks und viel grösser, nämlich 3 m lang bei einem Einsatz von 1 Tonne Roheisen. Grösseren Erfolg hatte eine Zeit lang Th. R. Cramptons Dreh- ofen mit Staubkohlenfeuerung (Dust fuel furnace), der im März 1872 in England patentiert wurde (E. P. 1872, Nr. 931). Der Verbren- nungsraum und der Schmelzraum waren bei ihm getrennt; durch 38* Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. diese hintereinander liegenden Kammern bekam er eine langgestreckte Gestalt. Dieser Ofen arbeitete in dem Arsenal zu Woolwich mit gutem Erfolg. Er war 3,66 m lang und hatte 3,13 m äusseren Durch- messer. Das Brennmaterial wurde zwischen Walzen zerkleinert, mittels eines Injektors zugeführt und zugleich mit der Gebläseluft in den Ofen getrieben. Man verpuddelte in 12 Stunden 8 Chargen zu 5 Centner bei kalt eingesetztem Roheisen. Es fielen grosse Luppen, die besonders für Geschützringe (coils) Verwendung fanden. Später wurden die beiden Kammern des Drehofens vereinigt. 1875 sollten auf dem Stroussbergs chen Walzwerk bei Prag 16 Cramptonöfen errichtet werden, doch kam der Plan nicht zur Aus- führung. Dagegen führten in demselben Jahr Fox, Head \& Co . zu Newport bei Middlesborough solche Öfen ein. Sie hatten den gleichen Nachteil wie die Danksöfen, dass man sehr grosse Luppen erhielt, die zu ihrer Verarbeitung viel stärkere Maschinen und Werkzeuge er- forderten. 1879 befanden sich in England keine Cramptonöfen mehr in Betrieb. 1872 traten Howson und Thomas Siehe Journ. of the Iron and Steel Inst. 1872, p. 102. mit einem Drehofen an die Öffentlichkeit, der mehr für kleine Luppen dienen und den Vorteil bieten sollte, dass man die vorhandenen Einrichtungen beibehalten könnte. Der Drehofen selbst war eiförmig oder aus zwei abgestumpften Kegeln zusammengesetzt und hatte ein Futter aus eisenreichen Erzen und Schlacken. Von einem Erfolg dieser Öfen ist nichts bekannt. Bei dem früher erwähnten Hamoirprozess liess man das mittels Durchblasen heisser Luftstrahlen gereinigte Roheisen ebenfalls in einen rotierenden Puddelofen laufen. Im Jahre 1878 bewährte sich ein rotierender Ofen von Howson und Godfrey Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 161, Taf. III, Fig. 9 bis 12; Dürre , Neue Fortschritte des mechanischen Puddelns in Dinglers polyt. Journ., Bd. 228 (1878). von Topfform mit schiefer Achse, ähnlich dem Östlundofen und mit einem Lötrohrgebläse, bestehend aus einem weiten Gasbrenner, an den ein kurzes Luftzuführungsrohr angeschlossen war, versehen. Der Brenner hatte 12 Mündungen und ermöglichte vollständige Verbrennung. Beim Puddeln hielt man die Temperatur niedrig; die Hitze sollte nur so gross sein, dass die Schlacken eben flüssig blieben. Hierdurch wurde die Abscheidung des Phosphors befördert. Auf mehreren Werken wurde dieser Ofen überhaupt nur zur Entphospho- rung als Vorbereitung für das Bessemern benutzt. Die ersten Ver- Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. suche machten Bolkow und Vaughan . Dann führte ihn Lowthian Bell auf seinen Hütten zu Clarence für Chargen von 500 kg ein; hierauf fand er auch 1877 auf den Erimus- und auf den Britannia- Eisenwerken Verwendung. 1882 tauchte in den Vereinigten Staaten noch der rotierende Petroleum-Puddelofen von G. Duryce in New York Siehe Dingler , Polyt. Journ. 1883, III, S. 445. auf. Damit war die Reihe der bemerkenswerten Drehöfen zu Ende. Neben den Drehpuddelöfen erhielten sich in den siebziger Jahren auch noch verschiedene mechanische Puddler , d. h. durch Ma- schinen bewegte Rührkrücken. Zu Beginn der Periode waren in Eng- land drei Systeme in Übung, das von Whitham , von Griffith und von Stoker Siehe Journal of the Iron and Steel Inst., Vol. I, 1872. . Alle drei waren für Doppelöfen. Whithams mecha- nischer Puddler ist in Weddings Handbuch der Eisenhüttenkunde (III, S. 292) beschrieben und abgebildet. Er war auf der Perseverance- hütte bei Leeds eingeführt und verarbeitete Chargen von 15 Centner. Die schon ältere Konstruktion von Griffith war auf der Northfield- hütte bei Rhymney in Süd-Wales und auf dem Regent-Eisenwerk bei Bilston eingeführt. Harrison versah jede mechanische Rührkrücke mit einer eigenen kleinen Dampfmaschine, wie es schon Schafhäutl vorgeschlagen hatte. Dasselbe Princip befolgte 1874 Pickles mit seiner mit zwei Krücken versehenen Puddelmaschine, welche zu Kirksall Forge bei Leeds eingeführt und noch 1892 angewendet wurde. Sie ahmte ebenfalls möglichst genau die Handarbeit nach, bewährte sich aber ebensowenig wie die mechanischen Puddler mit Drehbewegung. Solche hatten zuerst Brooman 1866 und Darmoy 1872 konstruiert. Der Letztere sollte einfach durch einen umlaufenden Riemen in rasche Drehbewegung gebracht und von einem Arbeiter an einem Griff gelenkt werden. Casson-Darmoy konstruierten hierzu noch einen besonderen Puddelofen, dessen Boden auf eisernen Kugeln, welche selbst wieder in einem mit Wasser gefüllten eisernen Kasten lagen, ruhte. Hier- durch war der Herd leicht nach allen Seiten drehbar. Ein Ofen dieser Art sollte dasselbe leisten, wie drei gewöhnliche Puddelöfen. Solche Öfen waren in den Round-Oak-Eisenwerken in Betrieb und machten 1876 wöchentlich 90 Tonnen Luppeneisen mit einem Kohlenverbrauch von nur 16 Centner gegen sonst 30 Centner für die Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Tonne. Drei Öfen auf dem Trudhoe-Eisenwerk verbrauchten sogar nur 12 Centner Siehe Journal of the Iron and Steel Inst. 1876, Nr. 1, p. 109. . 1876 erfand Espinasse zu Firminy einen Rührapparat. Er bestand aus einem senkrechten Rührer mit zwei Flügeln am unteren Ende, der durch das Ofengewölbe ging und das geschmolzene Roheisen umrührte. Wenn das Eisen dick wurde, verbrannte er leicht. Doch will man in Belgien gute Resultate damit erzielt haben. 1889 erfand Ant. von Kerpely jun . einen mechanischen Rührer mit Dampfbetrieb (D. R. P. Nr. 49100), der in Witkowitz eingeführt wurde. Erwähnenswert ist noch, dass Richardsons hohle Krücke noch 1884 zu Parkhead-Forge bei Glasgow zur Herstellung von Qualitätseisen angewendet wurde. Wichtiger waren die sogenannten Telleröfen , bei denen das mühselige Umrühren durch die Drehung des Herdes sehr erleichtert wurde. Solche waren schon früher von Bedson und von Maudslay in England angegeben worden. Bei diesen Öfen bewegte sich ein tellerförmiger Herd um seine vertikale Achse. 1873 brachte Joseph von Ehrenwerth einen solchen kreis- förmigen Drehherd auf der Wiener Weltausstellung durch ein Modell zur Anschauung. An dem Herdkranz war ein Blechcylinder befestigt, der in ein mit Wasser gefülltes ringförmiges Bassin tauchte. Während Ehrenwerths Tellerofen eine praktische Bedeutung nicht erlangte, trat im folgenden Jahre (1874) A. Pernot , Fabri- kationschef von Petin \& Gaudet zu St. Chammond, Rive de Gier, mit einem Tellerofen mit geneigtem Boden auf, der Erfolg hatte und Verbreitung fand Siehe Aufsatz von M. A. Henry in Annales des Mines, 7. sér., t. VI, p. 65. . Nur der Schmelzherd, aus einem Blechboden und gusseiserner Seitenwand, deren Segmente von aussen verbunden wurden, bestehend, bildete einen runden beweglichen Teller. Unter dem Blechboden befand sich der Bewegungsmechanismus: ein Zahn- kranz und ein vierarmiges Lagergerüst, das die stählerne Drehachse des Apparates fasste und nach aussen auf vier Laufrädern ruhte. Die vier Kranzräder liefen auf einem Schienengeleise und gestatteten bequem die Ein- und Ausfuhr des Herdes. Dieser hatte 6 bis 7 Grad Neigung von der Feuerbrücke nach dem Fuchs, so dass das an der ersteren oxydierte Eisen bei der Umdrehung wieder in die Schlacke niedertauchte. Die Bewegung des Drehapparates beanspruchte 2 bis 3 Pferdekräfte. Ein solcher Pernotofen kostete zu St. Chammond 11200 Mark. Der Herd wurde aus reichen Erzbrocken, Hammer- Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. schlag und Hammerschlacke hergestellt, aufgeschmolzen und glasiert. Dann wurde das Roheisen wie gewöhnlich eingesetzt. Anfangs nahm man nur Sätze von 300 kg, bald aber steigerte man den Einsatz auf 800 bis 1000 bis zu 1200 kg. Man verarbeitete zu St. Chammond gewöhnliches, weisses Puddelroheisen von Pouzin oder für Qualitäts- eisen Roheisen von Toga auf Corsica. Es wurde rasch eingetragen und eingeschmolzen. Das Umrühren erfolgte durch die Drehung des Herdes. Sobald das Eisen dicker wurde, hielt der Arbeiter die Krücke ein und fuhr damit langsam hin und her. Diese Arbeit war wenig anstrengend, mühseliger dagegen das Umsetzen und Aufbrechen der Charge. Das Zängen der 16 bis 22 Luppen nahm viel Zeit in Anspruch. Zeitdauer einer gewöhnlichen Charge im Pernotofen zu St. Chammond . Fünf Arbeiter machten in 24 Stunden 8000 bis 10500 kg Luppen- eisen. Für Qualitätseisen rechnete man 2 Stunden und 50 Minuten für eine Charge. Die Betriebskosten beliefen sich bei dem Pernotofen auf 221,90 Francs pro Tonne, gegen 251,75 Francs bei dem alten Puddelofen, waren also bei ersterem 29,85 Francs geringer. In der Folge fanden diese Art Öfen in Belgien auf den Eisen- werken zu Seraing und zu Ougrée Eingang; die Ersparnisse betrugen 10 Prozent. In Ougrée zeigten die Öfen bei Unterwind lange Haltbar- keit. Die Gewölbe blieben 4½ Monate intakt. In Deutschland wurden Pernotöfen zuerst von der Gesellschaft Humboldt zu Kalk bei Köln angewendet. Der Einsatz bestand aus 600 kg Luxemburger und 400 kg weissstrahligem Roheisen der Niederrheinischen Hütte. In Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Österreich führte sie die Innerberger Gewerkschaft auf ihrem Eisen- werk zu Donawitz ein. Die alten Puddelwerke liessen sich leicht in Pernotofen-Anlagen umbauen. 20 Puddelöfen sollten durch 5 Pernotöfen ersetzt werden. Diese kosteten 102000 Mark und erzeugten soviel Eisen wie 10 Danks- öfen, die 231000 bis 277000 Mark kosteten. Mit gutem Erfolg wurden die Pernotöfen auch zur Flussstahl- fabrikation verwendet, worauf wir später noch zurückkommen werden. Ehrenwerth hatte zuerst die Ansicht ausgesprochen, man könne in dem Pernotofen in Verbindung mit Siemens’ Regenerativfeuerung den Prozess so führen, dass man geschmolzenes Eisen (Flusseisen) bei kontinuierlichem Betriebe erhalte. Das anfängliche Lob der Pernotöfen war aber mindestens insofern übertrieben, als die Arbeitserleichterung dabei nur eine sehr geringe war. In Steiermark blieb auch die Qualität hinter der der alten Puddelöfen zurück. In den achtziger Jahren wendete man, wie es scheint, die Pernotöfen nur noch selten zum Puddeln an. Andere Konstruktionen von Telleröfen hatten keinen grösseren Erfolg. Als solche sind zu nennen Riley und Henleys horizontal drehender Tellerofen The Engineering and Mining Journal XVI, Nr. 22. New York 1873. — Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1875, S. 32. (1873), dessen Rührhaken wie ein Pflug ge- bildet war, der auf dem Boden hinstrich, und Hendersons horizon- taler Drehofen mit direkter Gasfeuerung (1884). Der Herd machte drei bis vier Drehungen in der Minute. Ein Zwischending zwischen den Telleröfen und den rotierenden Öfen waren die Schaukelöfen . Solche hatte Ed. Daelen schon 1874 vorgeschlagen; ausgeführt wurden sie 1875 von Menessier Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1876, S. 442. , Direktor der Forge de l’Onzion bei St. Chammond in Frankreich. Der Herd war cylindrisch, von einem feststehenden Gewölbe überbaut. Durch zwei Bleuelstangen wurde der Herd in oszillierende Schwin- gungen bis zu 90 Grad versetzt. Gruner sprach sich günstig über das System aus. Nessel erfand in Österreich einen Centrifugal-Puddelofen mit Wasserkühlung Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1875, S. 40. . Einen schwingenden Puddelofen mit aufgehängtem Herd konstruierte Gidlow 1880 Siehe Dinglers Polyt. Journ. 1881, I, S. 135; IV, S. 129. . Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Im ganzen hat das Problem des mechanischen Puddelns eine befriedigende Lösung noch nicht gefunden. Mehr bewährten sich die Konstruktionen, welche bessere Be- heizung und grössere Leistung erstrebten. Hiervon gab es eine grosse Zahl, die wir in chronologischer Folge kurz aufführen wollen. Die Durchführung der Gasheizung bei den Puddelöfen kann als der wichtigste Fortschritt in dieser Periode bezeichnet werden. Bei den Versuchen, Regenerativgasfeuerung zu verwenden, hatten sich die Ziegelfüllungen in den Regeneratoren nicht bewährt, weil sie sich zu schnell verstopften und mauerte man dieselben besser als einfache Pfeiler in Schachbrettstellung, wodurch das Reinigen er- leichtert wurde Siehe Kerpely , Fortschritte der Eisenindustrie 1871/73, Taf. VIII, Fig. 1, 2. . 1871 beschrieb Wm. Gorman zu Glasgow einen Puddelofen mit Gasgenerator, bei dem die Gase über der Feuerbrücke mit heisser Luft verbrannt wurden. Die Luft wurde in Thonröhren unter dem Ofen durch die entweichenden Verbrennungsgase erhitzt. Derartige Öfen baute Ponsard mit der Abänderung, dass er Luft und Gase in gemauerten Kanälen oder Kammern vorwärmte. Howatson wärmte die Verbrennungsluft am Fuchs vor. Ebenso baute Head zu Newport 1872 einen verbesserten Puddelofen mit Lufterhitzung Siehe Dingler , Polyt. Journ., Bd. 206, S. 1. . Deftys Ofen (1873) hatte hohle Roststäbe, durch die der Wind eintrat. 1872 liess sich de Langlade ein Puddelverfahren mit Hochofen- gasen patentieren. Die Gase wurden erst in seinem patentierten Waschapparat gewaschen. Die abgekühlten Gase wurden dann mit erhitzter Gebläseluft, wozu ein Siemens-Regenerator nötig war, ver- brannt. Die Anlage war kompliziert und kostspielig. Dies galt über- haupt von der Verwendung der Siemens-Regeneratoren zur Vorwärmung beim Puddelbetrieb. Bei diesen brachte man insofern Verbesserungen an, als man die Kammern anstatt unter den Ofen hinter denselben legte und mehrere kurze Ausströmungsschlitze für Gas und Luft auf der breiten Ofenseite anbrachte. Vorteilhafter als Regeneratoren erwiesen sich damals die mit den Puddelöfen unmittelbar verbundenen Generatorfeuerungen, wie nament- lich die von Bicheroux , Fig. 247, 248 (a. f. S.), mit Verbrennung durch erhitzte Luft. Über die zweckmässigsten Dimensionen der Puddelöfen hat Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. J. Wolters 1873 wertvolle Angaben gemacht, auf welche wir hier verweisen Siehe Revue universelle 1873, T. 34, p. 437; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1873, S. 405, 411. . Piedbeuf hatte 1871 auf seinem Walzwerk vergleichende Ver- suche mit Boëtius- (siehe S. 111) und Bicherouxfeuerung an- gestellt, wobei letztere die besten Resultate gab. Ebenso bewährte sich die Bicherouxfeuerung bei den umgebauten Doppelöfen zu Ougrée Fig. 247. Fig. 248. vorzüglich Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1877, S. 233. . Andere zogen die Boëtiusfeuerung vor, welche weniger Platz erforderte, so z. B. Macar 1877. Die Bicherouxfeuerung war breiter, fasste eine grössere Kohlenmenge, zwischen Rost und Herd befand sich eine besondere Kammer, die Gasentwickelung liess sich leichter unterbrechen. Zu Salgó-Tarjan befanden sich seit Juli 1876 Doppelöfen mit Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Siemens-Gasfeuerung ( Borbelyö fen) in gutem Betrieb. In Woolwich führte man Retortenöfen mit Gasbetrieb von Price statt der ge- wöhnlichen Puddelöfen ein. S. Caddick zu Pembrock (Massachussetts U. S.) baute 1877 Puddelöfen mit verbesserter Luftzuführung und Wasserkühlung. 1878 führten Caddick \& Mayburg zu Old Castle ihre Öfen in England auf dem Weissblechwalzwerk zu Llanelly in Südwales ein. Ein Ventilator blies den Wind für die Verbrennung durch den hohlen Mantel des Doppelofens. Die erhitzte Luft wirkte teils als Unterwind, teils als Oberwind. Auf ähnlicher Grundlage beruhten die Ver- besserungen von Reynold-Thomas zu St. Louis (Missouri U. S.). Eine praktische Verbesserung, welche in den Vereinigten Staaten Verbreitung fand, waren die wasser- oder luftgekühlten Arbeitsthüren. Ein Feuerschirm mit Wasserkühlung war 1872 von A. J. Russel ein- geführt worden. Lemut Siehe Annales des Mines 1878, T. II, p. 324; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 355. in Frankreich kombinierte 1878 seine Puddelmaschine mit einem Ofen, der mit heisser Luft und überhitztem Dampf geheizt wurde. Es wurde Wassergas erzeugt, welches unter den Rost geleitet wurde. Dadurch wurden Kohlen erspart und die Qualität des Produktes verbessert. Zum Rühren bediente sich Lemut seines mechanischen Puddlers. 1878 wurden zu Prävali in Kärnten von A. Sattmann sieben grosse Puddelöfen mit Siemens-Regeneratoren errichtet. In England baute Middleton einen terrassenförmig angelegten Doppelpuddelofen (Cascadenofen). Auf dem oberen Herd wurde das Eisen eingeschmolzen, auf dem unteren gepuddelt. Zu Brezova in Ungarn erzielte Glanzer Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1879, S. 371. 1879 gute Resultate mit einem Holzgaspuddelofen mit Regenerativfeuerung. Für die meisten Gegenden war aber der Betrieb mit Regeneratoren zu teuer. Doch bewährte sich seit 1883 ein damit ausgerüsteter Doppelpuddelofen von Otto Springer , der zuerst auf der Hermannshütte in Böhmen und dann in Völklingen bei Saarbrücken eingeführt worden war Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 586. . Während die gewöhnlichen Doppelpuddelöfen einen doppelt so breiten Herd und eine Arbeitsthür auf jeder Seite haben, sind bei dem Springer- ofen, Fig. 249 (a. f. S.), zwei solcher Öfen in der Längsrichtung unter einem Gewölbe zusammengebaut und die an beiden Enden liegenden Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Regeneratoren gestatten es, die grösste Hitze abwechselnd einmal auf der einen Seite, das andere Mal auf der anderen Seite zu erzeugen, indem Gas und Luft, die den Ofen seiner ganzen Länge nach durch- ziehen, einmal von links nach rechts, dann umgekehrt von rechts nach links streichen, so dass abwechselnd der eine Herd zum Frischen, der andere zum Vorwärmen und Schmelzen des Roheisens benutzt Fig. 249. werden kann. Die kalte Luft strömt unter dem Herdboden her, kühlt diesen und wird selbst schon vorgewärmt, ehe sie in den Wärme- speicher gelangt. Dadurch konnte man letzteren kleiner machen, doch ging man hierin anfangs zu weit. Dass die gefährdetsten Stellen des Ofens mit Wasserkühlung versehen waren, ist aus der Zeichnung zu ersehen. Diese Öfen zeichneten sich durch grosse Produktion und Kohlenersparnis aus. Zu Völklingen verpuddelte man in der Schicht 13,8 Sätze zu 300 kg Minette-Roheisen und erzeugte daraus 3960 kg Puddeleisen. Zu 100 Luppeneisen verbrauchte man 104,1 Roheisen und 56,9 Saarkohlen geringer Qualität. Auf der Maxhütte in Bayern, wo diese Öfen ebenfalls zur Einführung gelangten, verpuddelte man 12 bis 13 Chargen zu 450 kg Roheisen in der Schicht, erzeugte daraus 5300 bis 5730 kg Luppeneisen bei einem Abbrand von 2 Prozent. Man verbrauchte dazu auf 100 kg Luppeneisen 58 kg böhmische Braunkohle. Zu Donawitz bei Leoben in Steiermark betrugen die Chargen 450 bis 520 kg, die Produktion 6200 bis 7000 kg, bei gutem Eisen wurden sogar mit 16 bis 18 Chargen in der Schicht 7656 kg Luppeneisen erzeugt. Der Abbrand betrug dabei 1,5 bis 2 Prozent, der Kohlenverbrauch 45 bis 50 kg. Der Betrieb wurde so geführt, dass, wenn in einem Herd die letzte Luppe ausgezogen wurde, in dem anderen Herde das Roheisen geschmolzen war, worauf die Feuerung umgesteuert wurde. Zu dem Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. geschmolzenen Eisen wurde alsdann Schlacke zugesetzt und mit dem Rühren begonnen. Dieses dauerte 20 bis 25 Minuten, das Umsetzen und Luppenmachen 15 Minuten, das Ausziehen der Luppen 10 Minuten, die ganze Charge also 50 Minuten Näheres in Stahl und Eisen 1889, S. 554, 776. . In den österreichischen Alpen- ländern hatte man getrennte, liegende Wärmespeicher seitlich von dem Ofen unter dem Boden mit dazwischen liegendem Luftkanal. Springer , der später Generaldirektor der Königin-Marienhütte bei Zwickau wurde, führte seine Öfen mit Erfolg auch hier ein. In Frankreich fand der Doppelpuddelofen mit besonderem Ver- brenner und zwei gegenüberliegenden Arbeitsthüren von Dujardin und Frédurau Comptes rendus de la Soc. min. 1884, p. 145. 1884 Beifall. Doppelpuddelöfen mit vier Arbeitsthüren nach Kerpelys System waren 1884 auf verschiedenen ungarischen Werken eingeführt. Schon 1878 hatte sich J. von Ehrenwerth einen Puddelofen mit direkter Gasfeuerung und mit von Regeneratoren erhitztem Wind patentieren lassen. Einen guten Doppelpuddelofen mit Rostfeuerung konstruierte 1886 Carl Küpper . Er war 6,5 m lang, 2,3 m breit, hatte 2 Herde und jeder derselben hatte 2 Thüren, auf jeder Seite eine. Der Arbeits- raum war 4 m lang. Der warme Unterwind wurde durch ein Körting- gebläse unter den Rost geführt. Solche Öfen wurden erbaut in dem Hochfelder Walzwerk bei Duisburg, in dem Phönixwerk bei Ruhrort, zu Witkowitz und Trzynietz in Österreich. Hier erzielte man 9 bis 10 Prozent Kohlenersparnis, hatte aber höheren Eisenabbrand. Einen Regenerativ-Flammofen mit trommelförmigem Drehherd liess sich G. Olberg in Dessau 1888 patentieren (D. R. P. Nr. 47101). Ein von Jüllich angegebener Doppelpuddelofen hatte Regenerativ- feuerung und war dem Springerofen sehr ähnlich. Michaelis’ Puddelofen hatte dreifach geteilten Herd. Der 1889 von Sweeney Engineering and Mining Journ. 1889, Vol. 47, Nr. 16; Kerpely , Fort- schritte 1889, S. 178. in Amerika für natürliches Gas auf den Werken der Philadelphia-Company erbaute Puddelofen war mit Wärme- speicher versehen. In England hatten die Retortenöfen von Price den grössten Erfolg, die nur 33 bis 37 Prozent Steinkohlen bei einem Eisenabbrand von 3,35 Prozent verbrauchten. Ein neues System der Doppelpuddelöfen führte Gottfried Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Pietzka D. R. P. Nr. 40218 und 42573; Stahl und Eisen 1888, S. 418. zu Witkowitz 1887 ein. Er machte die beiden hinter- einander liegenden Herde um eine vertikale Achse drehbar. Infolge- dessen bedurfte es nur einer Feuerung, vor welche man abwechselnd den einen und den anderen Herd brachte. 1888 waren sieben solcher Öfen zu Witkowitz in Betrieb. In Deutschland wurden sie auf dem Zawadski-Eisenwerk des Grafen Strehlitz und zu Friedenshütte in Schlesien eingeführt. Zu Bautzen benutzte man dieselben zur Fluss- eisenbereitung. Sie waren mit Generatoren und Wärmespeichern verbunden. Zu Friedenshütte erzeugten in einem gewöhnlichen Puddelofen 3 Arbeiter in 12 Stunden 2000 kg Luppeneisen, in einem Pietzka-Drehofen 6 Arbeiter in 12 Stunden bei 12 Einsätzen (von 500 kg) 6000 kg. Der Kohlenverbrauch betrug dabei nur 43 Prozent von dem der alten Öfen. Der Gedanke, den Herd des Puddelofens drehbar zu machen, war übrigens nicht neu. Glanzer zu Brezova hatte bereits Mitte der siebziger Jahre einen auf einer Drehscheibe wendbaren Puddelherd konstruiert, doch war der Anschluss an Feuerbrücke und Fuchs zu mangelhaft, weshalb er aufgegeben wurde. Denselben Versuch mit demselben Ergebnis hatte dann Pauckmann zu Lipschitz in Böhmen gemacht. Erst Pietzka gelang es, diese Schwierigkeit zu überwinden. Sein Gaspuddelofen besteht aus den Generatoren, dem drehbaren Ofenteil, dem Recuperator und dem Überhitzkessel. Die Verbrennungsluft wird bei diesem Ofen durch ein Dampfstrahlgebläse unter der Hüttensohle angesaugt und cirkuliert unter dem Boden des Herdes, ehe sie in das Gebläse tritt. Ein Teil derselben gelangt als Unterwind unter den Rost, ein anderer wird erst an der Ausmündung der Feuerung hin- und hergeführt, hier weiter erhitzt und tritt dann als Oberwind an der Stirnwand über der Feuerung ein. Der Kohlenverbrauch war bei den Öfen zu Witkowitz so gering, dass nach Abrechnung der zur Dampferzeugung nutzbar gemachten Wärme nur 28,84 kg Steinkohlen für das Puddeln übrig blieben. Ursprünglich hatte Pietzka seinen Ofen für direkte Feuerung konstruiert, die günstigen Erfolge der Springeröfen ver- anlassten ihn, auch seinen Ofen mit Regenerativfeuerung einzurichten. Diese machte aber den Betrieb zu umständlich und wurde deshalb wieder verlassen. Dagegen bewährte sich die sogenannte Recuperativ- feuerung gut und wurden sämtliche Öfen zu Witkowitz dafür um- gebaut. Der Recuperator war derart konstruiert, dass die Luft den- selben rechtwinklig zu dem Zuge der Feuergase nach dem Gegen- Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. stromprincip in drei hintereinanderliegenden Röhrensystemen durch- streicht. Die Luft tritt dabei an der kältesten Stelle ein, an der heissesten aus, wo sie bis auf 900° erhitzt ist. Der drehbare Mittel- teil des Ofens bildet ein Ganzes und ruht auf einem Drehgestell, das, auf hydraulischem Piston gelagert, von diesem gehoben und dann leicht von einem Mann gedreht wird. Die Drehung erfolgt um 180°. In 12 Stunden machte man 14 Chargen zu 500 kg, mit steirischem Eisen 15 Chargen, zu Charleroi mit Mètis-Eisen (Feineisen) sogar 20, in Oberschlesien dagegen nur 13 Chargen. Wie gross die Kohlenersparnis durch die Verbesserung der Öfen und Feuerungen war, lässt sich auch daraus ermessen, dass in England der Kohlenverbrauch bei den alten Puddelöfen 1200 kg auf die Tonne betrug, dagegen bei den Siemens-Gasöfen nur 400 kg. Das flüssige Roheisen aus dem Hochofen unmittelbar zu ver- puddeln und dadurch die Kosten des Umschmelzens zu ersparen, hatte man schon früher häufig versucht, doch ohne besonderen Nutzen, weil das überheisse Eisen den Schlackenherd rasch zerstörte und der Puddelprozess selbst langsamer verlief. Im Jahre 1895 erzielte indessen E. Bonehill zu Hourpes in Belgien Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 395. nach einem patentierten Ver- fahren auf diesem Wege sehr gute Resultate, indem er in 12 Stunden mit 4 Puddlern 5500 kg Luppen, gegen früher 3200 kg mit 3 Puddlern, zu erzeugen vermochte. Dabei hatte er 10 Prozent weniger Abbrand und eine Kohlenersparnis von etwa 80 Prozent. Während man durch das mechanische Puddeln und die Ver- besserung der Feuerungen hauptsächlich grössere Produktion und Kohlenersparnis erstrebte, suchte man durch chemische Mittel die Qualität des Eisens zu heben, wobei man besonders die Abscheidung von Phosphor und Schwefel im Auge hatte. 1872 hatte Th. Scheerer Siehe Dingler , Polyt. Journ., Bd. 204, S. 482. hierfür den Zusatz von Patronen von einem aus gleichen Teilen von Chlornatrium und Chlorcalcium zu- sammengeschmolzenen Gemenge vorgeschlagen. 1874 empfahl Bower ein Reinigungspulver von salpetersaurem Eisenoxyd oder Bleioxyd, während Zenger die Hydrate der Alkalien hierzu anwendete. Der amerikanische Shermanprozess erregte Anfang der siebziger Jahre infolge geschickter Reklame Aufsehen. Es war ein verbessertes Puddelverfahren, bei dem nach dem Rühren Jodkalium zugesetzt Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. wurde. Versuche wurden damit gemacht in England von Vickers \& Co . in Sheffield, von Hopkins, Gilkes \& Co . in Middlesborough, 1871 auf den Darlaston Works; in Frankreich zu Firminy, Alfort, Terre-noire und in Deutschland zu Hayingen, bis sich 1876 Euverte sehr absprechend darüber aussprach. Hendersons Dingler a. a. O., S. 204, 480. Verfahren, das hauptsächlich auf Zusatz von Braunstein und Flussspat beruhte, war 1875 in England in Anwendung. Der Manganzusatz bewirkte nicht die Abscheidung von Phosphor, sondern nur die Verflüssigung der Schlacke. Vanderhayn empfahl 1879 Aufstreuen von kohlensaurem Natron. In demselben Jahre versuchte man auf der Gutenhoffnungshütte Entphosphorung durch Zusatz von flüssiger kalk- und manganreicher, phosphorfreier Hochofenschlacke zu bewirken. Ein erster Zusatz erfolgte nach dem Abstich der Rohschlacke, ein zweiter vor dem Luppenmachen. Edison schlug 1881 vor, durch die Rührkrücke einen starken elektrischen Strom zu leiten, wodurch Kohlenstoff, Schwefel, Phos- phor u. s. w. am negativen Pol ausgeschieden und verbrannt werden sollten. Jos. Blackley veröffentlichte 1885 folgendes Entphosphorungs- mittel: ⅓ geröstete Puddelschlacke (bull dog) und ⅔ eisenoxydreiches Erz (black billy) sollten gemahlen und gemischt mit 7 Prozent Salz- säure, mit Wasser verdünnt, 3 bis 4 Tage unter öfterem Durchstechen und Durchschaufeln gelagert und dann mit gemahlenem Kalk und Kochsalz gemischt werden. Dieses Gemenge wurde dann auf dem Boden des Puddelofens ausgebreitet und hierauf das Roheisen ein- geschmolzen. Gegen Ende des Prozesses, der 1¼ Stunden dauerte, sollten noch 1½ bis 2 Prozent Eisenoxyd eingeworfen werden. 1889 puddelte man im Departement Haute-Marne mit 1 bis 2 Prozent Sodazusatz. Dieser gab bei kaltgehendem Eisen eine flüssige Schlacke. In Amerika setzte man allgemein die Puddelöfen mit reinen, reichen Eisenerzen aus. Dies that man auch auf manchen europäischen Puddelwerken, z. B. zu Pont-St. Vincent (1885). 1890 erregte das Puddeln mit Aluminiumzusatz die Aufmerksam- keit der Eisentechniker. Mc’Clellan in Glasgow erzielte durch Zusatz von Ferroaluminium ein Eisen von vorzüglicher Qualität, dessen Bruchfestigkeit 48,8 kg pro Quadratmillimeter bei 28 Prozent Dehnung Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. war, während gewöhnliches Luppeneisen 28,5 kg Festigkeit und 10 Prozent Dehnung zeigt. Alle diese chemischen Hülfsmittel verteuern aber das Produkt und sind deshalb nur ausnahmsweise von Vorteil. Auch die theoretische Erkenntnis des Puddelprozesses hat in dieser Periode durch gründliche chemische Untersuchungen Fort- schritte gemacht. Von besonderer Wichtigkeit waren in dieser Be- ziehung die chemischen Analysen des Eisens und der Schlacken eines Puddelofens der Königshütte in Schlesien in den verschiedenen Stadien des Prozesses, welche Dr. J. Kollmann Siehe Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure 1874, S. 326. 1874 machte. Die Ergebnisse Fig. 250. derselben befinden sich in den bekannten Handbüchern von Wedding und Ledebur mitgeteilt. Kollmann wies nach, dass bei der fort- schreitenden Oxydation in einer gewissen Periode Eisenoxyduloxyd (Fe 3 O 4 ) in der Puddelschlacke nachweisbar ist und dass die Entkohlung hauptsächlich während des Umsetzens des Eisens vor sich geht. — Eine ähnliche Untersuchung stellte H. Louis 1874 auf einem englischen Eisenwerk an The Journal of the Iron and Steel Institute 1879, p. 219. . Die Abnahme der wichtigsten Bestandteile des Eisens während des Puddelns nach diesen Analysen zeigen die obenstehenden Schaulinien, Fig. 250. Tucker giebt für englische Verhältnisse folgende Grenzwerte für bestes Puddelroheisen an: Beck, Geschichte des Eisens. 39 Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Silicium 1,50 Prozent Phosphor 1,00 „ Schwefel 0,09 „ Kohlenstoff 3,50 „ Mangan 0,50 „ Kirk will nur 1 Prozent Silicium bei einem guten Puddelroheisen für zulässig erklären. De Wendel stellte 1875 zu Hayange aus Fig. 251. einem Roheisen mit 1 Prozent Phosphor gute Stahlschienen durch Behandeln des Roheisens mit Wasserstoffgas im Puddelofen dar. Fig. 252. Die dem Puddelofen entnommenen Luppen werden, um sie von der ein- gemengten Schlacke zu befreien, unter Hämmern, Zängewerken, oder in Luppenmühlen ausgequetscht und dicht gemacht. Für die Dankss chen Drehöfen wendete man fast überall die Winslows che Luppenmühle (Fig. 251, 252) an. Wir erwähnen ferner Robertsons Luppenmühle Dingler , Polyt. Journ., Bd. 207, S. 128. mit konischen Walzen (1872), bei welcher die Luppe als cylindrischer Stab austritt. W. Siemens erfand 1877 eine hydraulische Luppenpresse Armengaud , Publ. Industr. XXII, S. 501. mit zwei horizontalen und zwei vertikalen Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Presskolben; die vertikalen haben geringeren Durchmesser und üben ihren Druck erst einige Zeit nach den horizontalen aus. Eine dampf- hydraulische Luppenpresse von Breuer, Schumacher \& Co . in Kalk bei Köln zeigt Fig. 253. Fig. 253. Die weitere mechanische Behandlung der Luppen wird bei den Walzwerken vorgetragen werden. Dass man bei den Schweissöfen ebenso wie bei den Puddelöfen die Feuerungen zu verbessern suchte, ist selbstverständlich. Wir wollen die wichtigsten Erfindungen hierfür kurz aufzählen. 39* Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. 1871 führte Howatson sein System zur Erwärmung der Zugluft an Fuchs und Esse zu Round Oak bei Dudley auch für die Schweiss- öfen durch. Schweissöfen mit Siemens-Regeneratoren und Lundins Konden- sation wurden in Prävali in Kärnten erbaut. Ponsard führte eine kontinuierliche Regenerativgasfeuerung in der Weise ein, dass er die Verbrennungsluft durch die Abgase vor- wärmte, den gasförmigen Brennstoff aber möglichst heiss aus dem Generator eintreten liess Siehe Betriebsverhältnisse der Schweissöfen in Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ingen. 1872, Bd. 16, S. 674. . C. W. Wittenström Siehe Wagner , Jahresbericht etc. 1875, S. 101. legte 1875 seine Regeneratoren über die Öfen. Torfgasschweissöfen baute Pütsch auf der Marienhütte bei Danzig. Petroleumgasheizung führte Eames Siehe A. Ledebur , Über das Schweissen des Eisens in Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1875, S. 45. bei Schweissöfen zu Jersey City ein, indem er das Petroleum durch überhitzten Dampf verflüchtigte. Sweets Gasschweissofen in Nordamerika (1875) zeichnete sich durch hohe Temperatur aus, die durch die eigentümliche Zufuhr von Anthrazit und Fettkohlen und Verbrennung mit erhitzter Luft, welche durch die Feuerbrücke und das Gewölbe zugeführt wird, erzeugt wurde Siehe Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1875, Beilage zu Nr. 32, S. 373; Dingler , Polyt. Journ. 1876, Bd. 4, S. 150. . Torfgasschweissöfen mit Lundins Kondensator und besonderem Regenerator wurden 1877 zu Josephsthal in Böhmen mit Torfabfällen mit Erfolg betrieben Siehe Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1877, S. 497. ; ebenso zu Motala in Schweden. Vorzüglich bewährte sich an vielen Orten die Richerouxfeuerung für Schweissöfen, so z. B. 1879 zu Graz. 1881 konstruierte Lürmann einen Schweissofen mit Rekuperator- feuerung Siehe Stahl und Eisen 1882, S. 477. . Stubblebines Schweissöfen in Bethlehem (Pa. 1890) Daselbst 1891, S. 558. erstrebten gleichmässige Verteilung der Hitze dadurch, dass ein Teil der im Feuerraum entwickelten Gase mit Luft gemengt in den Ofen, der ein hohes Gewölbe hatte, eingeführt wurde. In dem seit 1891 aufgekommenen Schweissofen von Biedermann und Harvey (Fig. 254), kurzweg „Neuer Siemensofen“ genannt, wurde Der Puddelprozess oder das Flammofenfrischen. Fig. 254. Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. ein Teil der Feuergase, der nicht zur Heizung der Wärmespeicher er- forderlich war, in den Gaserzeuger zurückgeführt und hier in Brenngas umgewandelt, wodurch eine nicht unbeträchtliche Brennstoffersparnis erzielt wurde. Diese Konstruktion hat auf mehreren Werken in Eng- land Anwendung gefunden. Verschiedene neuere Verbesserungen der Schweissöfen und des Schweissverfahrens werden später noch Erwähnung finden. Das Flusseisen. I. Das Windfrischen . A. Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Das Flusseisen setzte seinen Siegeslauf seit 1870 mit beschleunigter Geschwindigkeit fort. Von Jahr zu Jahr vermehrte sich die Zahl der Konverter und die Grösse ihrer Produktion. Zu dem raschen Auf- schwung Anfang der siebziger Jahre trugen verschiedene Um- stände bei. Zunächst war es das Bedürfnis nach Massenerzeugung. Eine weitere Veranlassung lag darin, dass im Februar 1870 H. Bessemers Patent erlosch, und dass damit die hohe Licenz- gebühr (royalty) von 1 £ pro Tonne, welche er in England bezogen hatte, und die entsprechenden Abgaben in anderen Ländern wegfielen. Manche Werke hatten diese Frist abgewartet, um mit der Einführung des Verfahrens zu beginnen. Eine andere Ursache war der rasche und nicht nur für Deutschland, sondern für den Weltfrieden glückliche Verlauf des deutsch-französischen Krieges von 1870 und der Sturz Napoleons, dessen Politik unablässig den Frieden bedroht hatte. Ein allgemeiner Aufschwung von Handel und Industrie und die Ver- grösserung und Neugründung zahlreicher Eisenwerke war die Folge davon. Dieser Aufschwung war so unaufhaltsam, dass er rasch die Grenzen des Bedürfnisses überflügelte, worauf dann 1873 eine Handels- krisis eintrat und eine Periode des Niederganges folgte. Bei der Flusseisenfabrikation machte sich dieser Niedergang aber nicht fühlbar. Trotz des allgemeinen Rückschlags nahm der Bedarf an Flusseisen von Jahr zu Jahr zu. In welch steigendem Masse dies in dem Zeit- raume von 1870 bis 1880 geschah, ist aus nachstehender Tabelle zu ersehen. Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Erzeugung von Bessemerstahl in Kilotonnen . Zu der raschen Zunahme des Bessemerns trugen nicht nur die Anlage neuer Werke und die Aufstellung neuer Konverter, sondern auch die Verbesserungen des Betriebes und der Betriebsvorrichtungen, die zugleich eine Verbesserung des Produktes herbeiführten, bei. Die nächstliegenden waren die Vergrösserung der Birnen, die von England ausging, und der Schnellbetrieb, der in den Vereinigten Staaten von Nordamerika ausgebildet wurde. Dieser hing zusammen mit zahl- reichen technischen Verbesserungen der Apparate und Einrichtungen, die wir mit denen des Betriebes selbst in folgendem kurz schildern wollen. In erster Linie erfuhr der Konverter oder die Bessemerbirne mancherlei Verbesserungen. Die ursprüngliche Grösse von 1½ Tonnen Inhalt hatte John Brown in Sheffield schon zu Anfang der sechziger Jahre auf 3 Tonnen, später auf 5 Tonnen erhöht und zu Anfang der siebziger Jahre führte er auf denselben Atlaswerken Birnen für 10 Tonnen Einsatz ein. Überhaupt war zu Anfang der siebziger Jahre bereits das Bestreben in England, die Konverter möglichst gross zu bauen. Auf der Bessemerhütte zu Barrow mit 18 Konvertern, die 1872 eröffnet wurde, waren die grösseren Birnen schon für 7½ Tonnen Einsatz, ebenso hatte man zu Workington 7½-Tonnen-Birnen. Im allgemeinen bewährten sich aber die Birnen mit 5 Tonnen Einsatz damals am besten, und auf dem Kontinent ging man in den siebziger Jahren nicht über diese Grenze hinaus. Auch in den Vereinigten Staaten gab man den 5-Tonnen-Konvertern den Vorzug. Neben diesen grossen Apparaten bestanden aber noch vielfach die kleinen Konverter fort, besonders in den österreichischen Alpen- ländern und in Schweden. Die alten stehenden Öfen (s. Bd. IV, S. 936) fingen allerdings auch in letzterem Lande an zu verschwinden. 1871 zählte man in Schweden sieben Bessemerwerke, von denen drei noch Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. die alten Öfen hatten. Ihre Produktion war aber so gering, dass man beabsichtigte, sie bald durch englische Konverter zu ersetzen. Diese behaupteten den Sieg und zwar in fast derselben Gestalt, wie sie zuerst in Sheffield aufgestellt worden waren. 1872 zählte man in England 19 Bessemerhütten mit 91 Birnen, in Deutschland 1873 18 Bessemerhütten mit über 70 Birnen, davon 18 bei Krupp in Essen. Deutschlands Leistungen in der Bessemerfabrikation waren sehr bedeutend, besonders seit dem allgemeinen Aufschwung der Industrie Anfang der siebziger Jahre. Die 5-Tonnen-Birnen (Fig. 255) hatten meist 1,8 m inneren Durchmesser in dem 0,8 bis 1 m hohen cylindrischen Mittelstück. Der Fig. 255. Durchmesser des 0,8 m hohen Bodenstücks zog sich bis auf 1 m, den oberen Durch- messer des Bodens, zusammen, während die Haube von 1,5 bis 1,8 m Höhe eine seitliche Mündung von 0,4 m Durchmesser hatte Siehe Wedding , Handbuch der Eisenhüttenkunde III (1874), S. 343. . Der schmiedeeiserne Mantel bestand in der Regel aus vier Teilen: der Haube, dem Mittelstück, dem Bodenstück und dem Boden, an den sich der gusseiserne Windkasten anschloss. Das Mittelstück war von einem kräftigen Ringe, an dem die Tragzapfen und das Triebrad befestigt waren, umgürtet. Das Futter wurde anfänglich fast überall, nach Bessemers Vorgang hin, aus ge- mahlenem Ganister, der 93 Prozent Kieselsäure enthielt, hergestellt und zwar durch Aufstampfen um hölzerne Schablonen. Wilson und Wood verwendeten 1871 feuerfeste Formsteine. Auch in Seraing und in Österreich mauerte man die Birne mit feuerfesten Steinen aus, die man dann mit einer ziemlich dicken Lage feuerfester Masse bekleidete. Pet. Tunner hatte 1872 vorgeschlagen, das Futter aus Magnesit herzustellen, doch soll dies angeblich nachteilig auf den Prozess ein- gewirkt haben Siehe Zeitschr. für das Berg-, Hütten- und Salinenwesen im preussischen Staate XI, S. 253. . Als Danks rotierende Puddelöfen bekannt wurden, schlug Wedding an Stelle des durch seinen Kieselgehalt nachteiligen Futters ein eisenreiches Futter, wie das der Danksöfen, vor. Daelen nahm auf denselben Gedanken 1873 ein englisches Patent. Doch Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. hatten diese Vorschläge nur geringen Erfolg. Von besonderer Wichtig- keit war die Herstellung der Böden, welche die Windformen ent- hielten, weil dieselben am meisten in Anspruch genommen, rasch zerstört wurden und deshalb oft erneuert werden mussten. In Europa geschah dies zu Anfang der siebziger Jahre noch allgemein durch Einstampfen oder Ausmauern von innen. Hierbei wurden die aus kieselsäurereichem Thon vorher geformten und gebrannten Formen erst eingesetzt und dann der Zwischenraum mit Masse ausgestampft oder mit Ganisterformsteinen ausgemauert. War nur ein Flicken oder eine teilweise Erneuerung des Bodens nötig, so wurden durch die Formöffnungen eiserne Nadeln gesteckt und der freie Raum um die- selben mit feuerfestem Thon ausgestampft oder ausgegossen. Hierbei gab man dem Boden oft unmittelbaren Anschluss an das Futter, was zwar das Auswechseln erschwerte, dagegen aber ein Durchbrennen an der ringförmigen Fuge verhinderte. Es ist klar, dass die Herstellung und Reparatur des Bodens durch Ausstampfen von innen beschwerlich und zeitraubend war. Die Birne musste erst so weit kühl geworden sein, dass ein Mann im Inneren arbeiten konnte; hatte dieser in dem heissen, dunklen Raum den Boden vollendet, so musste erst der Boden durch Koksfeuer vollständig getrocknet werden. Es war deshalb ein sehr wichtiger Fortschritt, als Holley in Amerika 1868 die Losböden erfand, die unabhängig für sich hergestellt, getrocknet, eingesetzt oder ausgewechselt wurden. Die Idee aus- wechselbarer Böden hatte schon Bessemer gehabt, auch hatte man in Österreich solche bereits versucht. Holleys Verdienst bestand hauptsächlich in der ausserordentlich einfachen und praktischen Lösung der Frage. Indem er nämlich den Rand des Bodens kleiner machte als den Rand des Futters, entstand ein ringförmiger freier Raum von keilförmigem Querschnitt, der das Einsetzen des Bodens von aussen bequem gestattete und der danach leicht von aussen mit feuerfestem Thon ausgestampft werden konnte. Dadurch wurde das Auswechseln der Böden ausserordentlich beschleunigt, um so mehr, da man dieselben vorher trocknen konnte. Durch diese einfache Verbesserung erlangten die Amerikaner einen wesentlichen Vorsprung und ohne dieselbe wäre ihr Schnellbetrieb kaum möglich gewesen. In Troy machte man mit einem Paar 5-Tonnen- Birnen 2000 Tonnen Stahlblöcke im Monat, obwohl schon nach fünf bis sechs Hitzen ein neuer Boden eingesetzt werden musste. In Europa fand die Einführung der amerikanischen „ Losböden “ nur langsam statt. Erst 1872 wurde die Aufmerksamkeit durch eine Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Abhandlung von Lenok Smith Lenok Smith , The manufacture of Steel, New York 1872; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1872, S. 297. über die Stahlfabrikation in den Vereinigten Staaten auf dieselben gelenkt. 1875 wurden die Konverter der neuen Bessemerhütte zu Hörde Siehe Aufsatz von Prof. Dürre in Zeitschr. des Vereins deutscher Ingen. XIX, S. 711. mit amerikanischen Losböden Fig. 256. versehen. Das Einsetzen eines neuen Bodens erforderte nur eine Stunde Zeit. Zum Flicken und Ausfüttern verwendete man Ga- nistermasse. Das obere Futter der Birne hielt 200 bis 300 Chargen aus. Die Birnen waren in der Form etwas abweichend, hoch und schmal ohne Schnabel und wurden durch vertikale Zug- stangen bewegt. Obgleich infolge dieser Verbesserung auch in Deutschland ein rascherer Betrieb eingeführt wurde, so blieb der- selbe doch noch weit hinter dem amerikanischen zurück. In Amerika erzeugte man 1875 in einer Birne durchschnittlich 448853 Centner, in Deutschland nur 104707 Centner. Das Ein- setzen des Bodens geschah von unten und zwar durch Andrücken mit Winden. Statt dieser wendete man in Amerika hydraulische Pressen an, infolgedessen war das Auswechseln und Einstampfen in 38 Minuten beendet. — Für den raschen Verlauf des Frischens war Zahl und Weite der Windformen von grossem Einfluss. In England und Amerika gab man mehr Windfläche als in Deutschland. Dieselbe betrug Nach Drown in Chemical News, no. 633, p. 13. Anfang der siebziger Jahre auf die Tonne Roheisen zu Königshütte 5,161, in Neuberg 9,225, in Königin-Marienhütte 11,031, in Heft 11,806, in Crewe 20,515, in Dowlais 22,193 qcm. In Deutsch- land und England hatte man meist 7 Formen mit je 7 Löchern, in Amerika 12 Formen mit 10 Löchern. 1877 fing man an, die Wind- Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. öffnungen direkt in den Boden einzuformen, indem man die Masse um runde Metallstäbchen, die man später auszog, stampfte. F. A. Freeston Siehe Dinglers Polyt. Journal 1877, III, S. 107. Fig. 257. Fig. 258. zu Attercliffe bei Sheffield scheint dies zuerst eingeführt zu haben. Diese „ Siebböden “ fanden alsbald Verbreitung. 1878 wurden sie bereits in Schweden an- gewendet. In Deutsch- land führte A. Rühle von Lilienstern Daselbst 1879, II, S. 140. solche Böden ein. Er verwendete zu ihrer Herstellung eine ent- sprechende Form (Fig. 257, 258) mit in kon- centrischen Kreisen an- geordneten Löchern, durch welche runde Stäbe oder Nadeln ge- steckt wurden, um welche man die Masse ein- stampfte. Alsdann wur- den die Nadeln aus- gezogen und die Form entfernt. Die Gutehoffnungs- hütte bei Oberhausen nahm am 27. März 1879 Fig. 259. Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. ein Patent (D. R. P. Nr. 9701) auf Ausfütterung der Birnen mit Bauxit. A. Holley konstruierte eine verbesserte Aufhängung der Birne in einem Tragring mit Schildzapfen (Fig. 259 a. v. S.), wodurch es möglich wurde, bei Reparaturen die ganze Birne auszuwechseln. R. M. Daelen machte (1880) ausser Boden und Unterteil auch den cylindrischen Mantel auswechselbar. Die Gebläsemaschinen der Bessemerhütten waren meistens zwei- cylindrig und öfter liegend als stehend. In Amerika wendete man entsprechend dem intensiveren Betriebe stärkere Gebläse mit rascherem Gange, die mit Klappenventilen für Ein- und Auslass versehen waren, an. Wie viel kräftiger die amerikanischen Gebläsemaschinen schon Anfang der siebziger Jahre waren, ergiebt sich aus nachstehenden Zahlen: Die hydraulische Bewegung der Birne und der Giesspfanne hatte bereits Bessemer eingeführt. In Amerika, wo man bestrebt war, den Betrieb zu einem durchaus mechanischen zu machen, dehnte man den hydraulischen Druck auch auf die Drehkräne aus, von denen mehrere so verbunden waren, dass vom Eintragen des flüssigen Eisens in den Konverter bis zum Absetzen der erstarrten Blöcke (Ingots) alles durch Kranbewegung geschah. Hierzu wendete man die starken gekuppelten Worthington-Pumpen an. Der Wasserdruck wurde an- gesammelt und reguliert durch Akkumulatoren. Von solchen hatten sich 1878 die Differentialakkumulatoren mit durchgehender verjüngter Kolbenstange nach Twedells Erfindung bewährt. Der Schnellbetrieb wurde ausserdem dadurch wesentlich gefördert, dass alle Hauptapparate doppelt vorhanden waren, so dass immer abwechselnd die einen und die anderen verwendet werden konnten. Eine amerikanische Bessemer- anlage zu Anfang der siebziger Jahre bestand nach der Beschreibung von Lenok Smith aus 2 Birnen von 5 bis 7 Tonnen, 1 Gusspfanne Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. mit hydraulischem Kran und 3 weiteren hydraulischen Kranen, welche über die Giessgrube schwangen, um die Gussformen hin- und weg- zustellen, die Blöcke wegzuheben und zu verladen. Eine gekuppelte grosse Gebläsemaschine blies 266 bis 310 cbm Luft von 25 Pfund Druck auf den Quadratzoll in der Minute. Für die Hydraulik arbeitete eine gekuppelte Worthington-Pumpe mit zwei Wassercylindern von 9 Zoll Weite und 24 Zoll Hub. Die Dampfkessel entsprachen 800 Pferdekräften. Zum Einschmelzen des Roheisens dienten 3 Kupol- öfen, zum Schmelzen des Spiegeleisens 2 Flammöfen. Zwischen den Kupolöfen und der Birne war eine Wage angebracht, welche gestattete, die Giesspfanne zu wiegen, wodurch das Gewicht der Charge genau festgestellt werden konnte. Man machte täglich 6 bis 18, zuweilen bis 24 Chargen von 5 Tonnen Einsatz. Eine solche Anlage kostete etwa 200000 Dollar. Sehr wichtig war die Anordnung der Birnen zu dem Giessraum. Meistens hatte man kreisförmige Giessgruben, welche Form durch den an einem hydraulisch heb- und senkbaren Kolben befestigten, im Kreise schwingenden Tragarm der Giesspfanne bedingt war. Die beiden Konverter stellte man nach der Anordnung von John Brown in Sheffield anfangs meist parallel und in solcher Ent- fernung voneinander auf, dass sie gekippt den von der Giesspfanne beschriebenen Kreis so trafen, dass diese Punkte mit dem Mittelpunkt verbunden einen Winkel von 90° ergaben. Von dieser Anordnung ging man in Dowlais bereits in den sechziger Jahren ab, indem man die beiden Birnen gerade gegenüber stellte, so dass sie um 180° gegeneinander verstellt waren. Wo man mehr als zwei Birnen verwendete, stellte man zuweilen noch eine dritte Birne zwischen den beiden gegenüberstehenden auf, wie dies z. B. in Hörde geschah. Zu Barrow stellte man die drei Birnen näher zusammen, so dass sie nur einen Winkel von 60°, zusammen also von 120° bildeten. Sobald noch mehr Birnen betrieben wurden, war es zweckmässig, dieselben parallel in eine Reihe zu stellen. Die Giess- grube mit der kreisförmig schwingenden Giesspfanne fiel dann fort und wurde durch eine auf einem Geleise fahrbare Giesspfanne ersetzt. Diese Anordnung wurde zuerst auf dem Krupps chen Stahlwerke in Essen eingeführt, wo je fünf oder sechs Birnen in einer Reihe lagen. Die grösseren Stahlwerke in den Vereinigten Staaten adoptierten diese Aufstellung und bildeten sie weiter aus. Sie legten die Birnen hoch über die Hüttensohlen und führten besondere Plattformen um sie herum, wodurch sie leicht zugänglich wurden. Die Kräne konnten frei schwingen; die Funkenessen hemmten nicht. John Fritz zu Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Bethlehem legte schon vor 1873 den Boden der Giessgrube auf die Hüttensohle, so dass die Eisenbahnen von allen Seiten Zugang hatten. In Österreich hatte F. Bleichsteiner 1871 und 1877 Siehe Kärntner Zeitschrift für Eisenhüttenwesen 1877, S. 409. auf die Wichtigkeit der Anordnung der Bessemerhütten hingewiesen und Vorschläge gemacht. In England machte Mich. Scott 1878 Ver- besserungsvorschläge. Er legte besonderen Wert auf Raumersparnis und wollte ohne Giesspfanne arbeiten, indem er den flüssigen Stahl durch Rinnen einer mehrteiligen Form zuleitete, worin die Blöcke mit aufsteigendem Strom gegossen wurden. Der Betrieb erfuhr in den siebziger Jahren überhaupt zahl- reiche Verbesserungen. 1871 waren in Schweden noch stehende Öfen in Betrieb. Diesen wurde das Roheisen direkt aus dem Hochofen zugeleitet. Die Konverter, die man eingeführt hatte, fassten nur 2,3 bis 3,9 Tonnen, und die schwedischen Bessemerhütten wurden alle, ausser zu Sandwiken, mit Wasserkraft betrieben. In Deutschland war die Blasezeit der Chargen grösser als in England, was hauptsächlich an der geringeren Düsenfläche lag. Bis 1871 war das aus den Cumberländer Hämatiterzen erblasene Roheisen fast in ausschliesslicher Anwendung für den Bessemerprozess in England, Deutschland und Frankreich. In Schweden lieferten die einheimischen phosphorarmen Magneterze ein gutes, reines Roheisen von geringem Siliciumgehalt, wodurch es sich mehr für das alte Ver- fahren, d. h. für die Stahlerzeugung mit Unterbrechung des Blasens im richtigen Moment der Entkohlung eignete. Ähnlich lieferten die vorzüglichen Erze der österreichischen Alpenländer ein gutes Bessemer- roheisen. Desgleichen erwiesen sich die reichen Erze der Vereinigten Staaten, besonders die vom Oberen See, als sehr geeignet für Bessemer- roheisen. Die Abhängigkeit von dem Cumberländer Hämatitroheisen war sowohl für Grossbritannien, wie für den grössten Teil des europäischen Kontinents immer noch ein grosses Hindernis für die Entwickelung und den Aufschwung der Bessemerindustrie. Man suchte deshalb nach geeigneten fremden Erzen und fand diese in Spanien, Algier und Elba. Besonders bewährten sich die altberühmten Erze von Som- morostro bei Bilbao als vorzüglich geeignet für Bessemerroheisen. Infolgedessen erlangte der Eisenerzbergbau und der Erzhandel in Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. diesem Gebiet einen staunenerregenden Aufschwung und Umfang. Besonders waren es die englischen Hochofenwerke der Westküste und die deutschen Werke im Rheingebiet, welche ungeheure Massen dieser Erze bezogen und auf Bessemerroheisen verschmolzen. Krupp hatte ausgedehnten Grubenbesitz in Nordspanien erworben. Ausser ihm bezogen die Eisenhütten Hörde, Gute Hoffnungshütte, Dortmunder Union, Phönix, Johannishütte bei Duisburg, Königin Marienhütte bei Zwickau und Georg-Marienhütte bei Osnabrück im Jahre 1872 bereits über 3 Millionen Centner spanische Erze. Nicht ganz ohne Erfolg versuchte man sowohl in England als in Deutschland auch inländische Erze auf Bessemerroheisen zu verschmelzen, was freilich nur vereinzelt bei besonders phosphorfreien Erzen gelang. In Deutschland war es die Georg-Marienhütte, welche seit 1874 Bessemerroheisen aus eigenen Erzen erzeugte. Das Spiegeleisen, welches ebenfalls für den Bessemerprozess un- entbehrlich war, hatte man früher fast ausschliesslich aus dem Sieger- land beziehen müssen. Mit Hülfe ausländischer Erze oder braunstein- haltiger Zuschläge gelang es aber auch in England und in anderen Ländern, Spiegeleisen im Hochofen herzustellen. So machte man 1873 zu Ebbw-Vale mit inländischen, bei John Brown \& Co. in Sheffield mit spanischen Erzen Spiegeleisen mit ca. 13 Prozent Mangangehalt. Ebenso stellte man in Schweden und Russland Spiegeleisen für die Flussstahlfabrikation dar. In Jauerburg und Sava in Krain erblies man um dieselbe Zeit sogar Ferromangan mit 35 bis 40 Prozent Mangan im Hochofen. 1875 erzeugte man bei Marseille im Hochofen ein Spiegeleisen mit 24,4 Prozent Mangan. 1877 fingen in Deutschland die Eisenwerke Phönix und Oberhausen an, Ferromangan im Hochofen darzustellen. Das Spiegeleisen wurde noch meistens im Flammofen umgeschmolzen, doch benutzte man auch bereits Kupolöfen dafür. Diese mussten das Eisen rasch und möglichst unverändert schmelzen. Hierzu eignete sich besonders Mackenzies Ofen, oder ein Ofen mit zusammengezogener Formebene und darunterliegendem Sammelraum Siehe Wedding , Handbuch III, S. 522. . Um das zeitraubende Vorwärmen der Konverter abzukürzen, erfand Larson 1871 einen Gaswärmer für Hochofengase, durch den das Vorwärmen mit den halben Kosten erfolgen sollte. Heissen Wind beim Bessemern anzuwenden, hatte man 1873 zu Zeltweg in Steier- mark wieder versucht. Dem Direktor Heyrowsky gelang es auch, im Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Sommer 1874 50 bis 60 Hitzen weisses Roheisen mit heissem Wind von etwa 700° zu frischen, doch wurden dabei die Böden so rasch zerstört, dass man die Versuche nicht fortsetzte. In den Vereinigten Staaten erfuhr die Produktion der Konverter durch die Verbesserung der Einrichtungen, besonders durch das rasche Auswechseln der Böden und den zweckentsprechenden mechanischen Betrieb, eine fortwährende Steigerung. 1872 erreichte man auf den Cleveland-Eisenwerken bereits 24 Chargen zu 6 Tonnen in 24 Stunden. 1874 machte John A. Griswold am 13. Februar 50 Chargen von 5 Tonnen mit 268 Blöcken in 24 Stunden. Das Umschmelzen der erforderlichen Roheisenmenge geschah in zwei Kupolöfen mit Sturtevant- gebläsen. Die amerikanischen Kupolöfen waren meist elliptisch 6,5 × 3,5 Fuss im Lichten und 14 Fuss hoch. Sie hatten sechs Düsen von 200 Quadrat- zoll Düsenfläche und schmolzen in neun Stunden 1000 Centner. Auf dem österreichischen Stahlwerk zu Neuberg führten Gustav Katzetl und Albert Sailler 1873 ein Verfahren ein, wonach die Rückkohlung des Stahls, das Fertigmachen, nicht in der Birne, sondern in einem Flammofen (Martinofen) erfolgte. In diesen wurde das etwas überblasene Metall ausgegossen, Spiegeleisen zugesetzt und dann etwa zwei Stunden abstehen lassen. Der so erhaltene Stahl war sehr gut für Klingen, Gewehrläufe, Draht u. s. w. In Frankreich stellte man 1874 durch Zusatz von 42- bis 70 pro- zentigem Ferromangan ein weiches Bessemermetall mit nur 0,15 Prozent Kohlenstoff dar. Dieses kam unter dem Namen Métal fondu in den Handel. Es war nicht härtbar, hatte aber eine hohe Festigkeit und eignete sich besonders für Blech, Draht, Achsen und Maschinenteile. In Deutschland war damals die Königin Marienhütte bei Zwickau das einzige Werk, welches ohne Rückkohlung durch Unterbrechung des Blasens Bessemerstahl erzeugte. Das Spektroskop und Schöpf- proben gaben den richtigen Moment an. Beim Guss der Stahlblöcke hatte sich das Giessen durch den aufsteigenden Strom und unter Druck sehr bewährt. Bei ersterem hatte man schon um 1872 zu Seraing 7 bis 8 Prozent mehr dichte Blöcke erhalten und das Giess- verfahren von Sir Jos. Whitworth unter hydraulischem Druck war eine der wichtigsten Verbesserungen der Stahlfabrikation. Zum Guss mit aufsteigendem Strom konstruierte man Gruppenformen, durch welche eine Anzahl schwächerer Blöcke gleichzeitig gegossen wurde. Eine solche von Pink in Hörde 1874 eingeführte bestand aus einem hohlen Schmiedeeisenkörper mit Eingussrohr, wovon am Boden die Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Leitungen nach den Ingotformen abzweigten. Auf dem Elbastahlwerk bei Swansea stand die Gruppenform auf einer sich drehenden Scheibe und wurde nacheinander an die verschiedenen um die Scheibe stehenden Ingotformen angeschlossen. 1875 machte Raymond den Vorschlag, das Spiegeleisen un- geschmolzen, aber rotglühend vorgewärmt zuzusetzen. Dr. Ad. Schmidt empfahl, das Spiegeleisen durch Siliciumeisen zu ersetzen. Für Stahl, der härtbar, hart und zäh sein muss, ist ein Siliciumgehalt aber von Nachteil. S. Kern Siehe Engin. and Min. Journ. New York 1874, Bd. XX, S. 26. schlug Chromeisen statt des Spiegeleisens für sehr weichen Stahl vor. Um für Bessemerwerke, welche ihr Roheisen direkt einem Hoch- ofen entnahmen, die Produktion zu erhöhen, schmolz man in Schweden Roheisen mit den Erzchargen durch. 1874 führte man dies auch zu Heft in Kärnten ein. Man gab 14 bis 16 Prozent des Erzsatzes oder 25 bis 30 Prozent des erzeugten Roheisens darin auf. Dieses Ver- fahren war billiger als die Verwendung eines Kupolofens neben dem Hochofen, auch konnte man dadurch die Qualität des Produktes verbessern. Die französischen Metallurgen Gruner und Gautier unter- schieden 1875 folgende drei Methoden der Bessemerstahl- bereitung : 1. die von Terre noire oder die Eisenmanganmethode. Bei diesem besonders in Frankreich üblichen Verfahren verblies man ein siliciumreiches, manganarmes Roheisen, neigte nach dem Totblasen die Birne horizontal und warf vorgewärmtes Ferromangan ein; man wartete, bis die Reaktion vorbei war, und goss dann aus. 2. die schwedische Methode , bei der man ein sehr mangan- reiches Roheisen verarbeitete. Der Prozess verlief stürmisch, mit viel braunem Manganrauch, wodurch es oft schwer war, den richtigen Punkt der Entkohlung zu erkennen. Das Blasen wurde alsdann unterbrochen und kein Nachsatz gegeben. Ausser in Schweden war dies Verfahren auch in Zwickau und auf der Maxhütte in Bayern eingeführt worden, erlangte aber keine Bedeutung. Am wichtigsten und verbreitetsten blieb 3. die englische und Spiegeleisenmethode . Nach der Natur des Roheisens führte man den Prozess mehr oder weniger heiss. Die Mittel hierfür gaben der Siliciumgehalt und heisses Einschmelzen. Für phosphorhaltiges Roheisen war Heissblasen am besten. Ein Beck, Geschichte des Eisens. 40 Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Phosphorgehalt macht den Stahl kalt und kurzbrüchig. War Phosphor nicht zu vermeiden, so musste der Kohlenstoffgehalt möglichst er- niedrigt werden, damit die Sprödigkeit durch den Phosphor nicht noch durch Kohlenstoff vermehrt wurde. Ein Siliciumgehalt bis 0,5 Prozent galt dagegen für den Bessemerstahl nicht als nachteilig, in Neuberg liess man sogar bis 1 Prozent Silicium zu. Als ein Beispiel des Bessemerbetriebes im Jahre 1875 führen wir Seraing an. Hier wurde das Bessemerroheisen aus algerischen und spanischen Erzen mit 600° C. heissem Winde eingeschmolzen, aus Pfannen in den Konverter gegossen und in 18 bis 22 Minuten ver- blasen. Die Farbe der Schlacken zeigte den Kohlenstoffgehalt an: citronengelb entsprach 0,75 Prozent Kohle, orangegelb 0,60, hellbraun 0,45, dunkelbraun 0,30, und blauschwarz 0,15 Prozent Kohlenstoff im Stahl. Die Ingots wurden glühend aus der Giessgrube unter den Hammer gebracht. Der hydraulische Betrieb mit Akkumulatoren hatte bereits auf den meisten Bessemerwerken Eingang gefunden. Die Seele des Betriebes bildete der Steuertisch, von dem aus die hydraulischen Be- wegungen der Konverter und der Kräne durch einfache Handhebel geleitet wurden. Es waren dies (nach Alfred Musil ) 1. die Bewegung des Ingotkrans, der das Aus- und Einheben der Coquillen und das Ausheben und Fortschaffen der Stahlblöcke besorgte; 2. die des Guss- pfannen- oder Stehkrans, der das flüssige Eisen vom Konverter zu den Coquillen brachte; 3. die der Konverterwendemaschine mit horizontaler oder vertikaler Bewegung; 4. die des Roheisenkrans da, wo das Eisen vom Hochofen oder Kupolofen zum Konverter gehoben werden musste. Am besten wurden nur die wichtigsten Steuerungen auf dem Steuertisch, der erhöht, geschützt und übersichtlich angelegt werden musste, vereinigt. Verbesserte Ingotformen wurden 1875 von Morewood und 1876 von Hackney angegeben. 1877 eröffneten die Herrn Bolkow, Vaughan \& Co. zu Eston in Cleveland ein neues Bessemerwerk, damals eine der schönsten und grössten Anlagen der Welt. Um diese Zeit bediente man sich auf den West-Cumberland-Werken bereits einer fahrbaren Giesspfanne mit Dampfbetrieb von Snelus , um das Roheisen der Hochöfen unmittelbar nach den Konvertern zu fahren Siehe Jeans , Steel, S. 434, Fig. 104. . Eigentümlich war zu jener Zeit der Betrieb zu Creuzot. Man Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. stach 40 bis 50 Centner grelles, hitziges Eisen aus dem Hochofen in den vorgewärmten, eine Partie Stahlabfälle enthaltenden Konverter ab, richtete ihn auf und blies 8 bis 9 Minuten. Dann wurde gekippt, kalte Roheisenstücke in den Konverter geworfen und hierauf aus einem zweiten Ofen geschmolzenes Roheisen zufliessen lassen, aufgerichtet und geblasen. Dies wurde mehreremal wiederholt. Durch das Zusatz- eisen konnte man die Qualität regeln. Ferromangan wurde nur bei manganarmem Roheisen und zwar in festem Zustande zugegeben. Um Roheisensorten, die für sich zu kalt gingen, heiss zu ver- blasen, hatte die Firma Friedrich Krupp einen vereinigten Flamm- und Bessemerofen erfunden (D. R. P. Nr. 2351 vom 18. Dezember 1877). Der Konverter wurde in liegender Stellung als Flammofen mit einer Crampton-Kohlenstaubfeuerung und Siemens ’ Regeneratoren geheizt, alsdann, wenn das Eisen genügend überhitzt war, aufgerichtet und geblasen. Im Jahre 1877 waren nach H. Bessemers Angabe bereits 1873 Kilotonnen Bessemerstahl erzeugt worden. Wedding bezeichnete 1878 als Fortschritte bei dem Bessemer- verfahren die direkte Anwendung des flüssigen Roheisens der Hoch- öfen, die Verwendung der Birnengase zur Erhitzung des Gebläse- windes der Kupolöfen, wodurch auf englischen Hütten der Koksverbrauch beim Einschmelzen von 10 auf 6 bis 7 Prozent vermindert worden war, und die Einführung der Differential-Akkumulatoren. Zu dem oft weiten Transport des flüssigen Roheisens von den Hochöfen zu den Konvertern wendete man in England mit Lokomotiven fahrbare Guss- pfannen an. Über den Bessemerprozess verbreiteten die von Friedr. C. G. Müller in Osnabrück 1878 angestellten Untersuchungen Siehe Zeitschr. des Ver. deutsch. Ingen. 1878, S. 305. neues Licht. Er unterschied 1. den deutschen Prozess mit hoher Anfangs- temperatur und hohem Siliciumgehalt, 2. den schwedischen mit hoher Anfangstemperatur und niedrigem Siliciumgehalt und 3. den englischen mit niedriger Anfangstemperatur und hohem Silicium- gehalt. In Deutschland suchte man das Roheisen im Kupolofen bereits so heiss einzuschmelzen, dass die Entzündungstemperatur des Kohlen- stoffs, welche nach Müller bei 1400° C. liegt, erreicht wurde. Ver- blies man nun dieses heisse Roheisen im Konverter, so trat die Verbrennung von Kohlenstoff neben der von Silicium sehr bald und sehr energisch mit donnerndem Geräusch ein. Man nannte 40* Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. dies die Eruptionsperiode. Die Verbrennung des Kohlenstoffs unter- drückt die Oxydation des Siliciums. Die Temperatur der Eruptions- periode, bei der Schmiedeeisen sofort schmilzt, giebt Müller auf 1600° C. an. Die Verbrennung des Kohlenstoffs bricht plötzlich ab; alsdann beginnen Silicium und Mangan zu verbrennen, wodurch eine Temperatursteigerung von 200° C. eintritt. Einwerfen von kaltem Eisen vermindert die Affinität des Kohlenstoffs zum Sauerstoff und befördert die Verbrennung des Siliciums. Lässt man das Roheisen nicht mit 1400° C., sondern mit nur 1200° C. in die Birne fliessen, so entwickelt sich von selbst der englische Prozess, bei dem anfangs kein Kohlenstoff, sondern nur Silicium und Mangan verbrennen, bis das Bad so erhitzt ist, dass die Entzündung des Kohlenstoffs eintritt. Nach Müllers Beobachtung erhöht 1 Prozent Silicium die Temperatur des Bades um 300° C. In normalen Chargen werden etwa 1,4 Prozent Silicium und etwa ebenso viel Mangan verbrannt; so viel muss also mindestens von diesen Stoffen im Roheisen vorhanden sein. Am Schluss des Blasens tritt eine Sättigung des Bades mit oxydiertem Eisen ein. Die Abfälle von Bessemerstahl in den Konverter nach Beendigung der Charge einzuwerfen, ist nach M. Tschernoffs Erfahrung (1878) nicht so vorteilhaft, als dieselben mit Roheisen im Kupolofen zu ver- schmelzen. F. Osann Siehe Dinglers Pol. Journ. 1878, Bd. 230, S. 511. schlug 1878 vor, den Bessemerprozess zu teilen und das Einsetzen und erste Blasen in einem mit plastischem Kohlenfutter ausgekleideten Konverter vorzunehmen, hierauf den Prozess in einem gewöhnlichen Konverter mit Kieselfutter zu vollenden. Wicks \& Howson bliesen 1879 zerstäubte Kohlenwasserstoffe mit dem Wind in den Konverter. Sehr wichtig auch für den Betrieb waren die Fortschritte der theoretischen Erkenntnis des Bessemerprozesses in den siebziger Jahren. Die Grundlage hierfür bildeten gründliche, chemische Unter- suchungen. Von diesen nennen wir die Analysen von G. J. Snelus von 1871 über den Bessemerprozess in Dowlais Journal of the Iron and Steel Institute 1871, vol. II; Annales des mines, sér. 7, t. II, p. 332. , die von Kessler Siehe Dinglers Pol. Journ., Bd. 205, S. 436. über den eines norddeutschen Stahlwerkes (1872), von E. Barker Siehe Zeitschrift für Bauwesen, Jahrg. XXVI (1876), S. 427. über den eines englischen Stahlwerkes (1876), von Göransson und Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Magnuson Mitgeteilt von A. Tamm in Jern kontorets Annaler 1877; siehe auch Iron, vol. XIV, p. 3. über das Bessemern zu Sandviken in Schweden 1877 und von Fr. C. G. Müller Siehe Zeitschrift des Vereins deutsch. Ingen. 1878, S. 385, 453. über den Prozess der Stahlwerke zu Osnabrück und zu Bochum 1878. Als Beispiel führen wir Müllers Angaben über Osnabrück an, woraus der Verlauf des Prozesses bezüglich der Hauptbestandteile Kohlenstoff, Silicium und Mangan zu ersehen ist. Phosphor erleidet bei dem sauren Prozess keine, Schwefel nur eine geringe Ver- minderung. Chemischer Verlauf des Bessemerns zu Osnabrück 1878 : Silicium, das grösstenteils in der ersten Periode oxydiert, bildet das Heizmaterial. Man verwendete siliciumreicheres Roheisen als früher, welches jetzt auch infolge der stärkeren Erhitzung des Gebläsewindes der Hochöfen leichter zu haben war. Kessler und Barker haben bei ihren Untersuchungen in der ersten Periode des Bessemerns eine relative Kohlenstoffzunahme ge- funden, was bei dem englischen Prozess ganz wahrscheinlich ist. Die Schlacken , die in der Hauptsache ein Manganoxydulsilikat sind, haben bei dem Windfrischen nicht die Wichtigkeit wie bei dem Herd- und Flammofenfrischen und ihre Menge ist relativ gering. Die Oxydation von Silicium, Kohlenstoff und Mangan geschieht nicht durch Oxyde des Eisens in der Schlacke, sondern direkt durch den Gebläsewind. Die Bessemerschlacken sind hochsiliziert, haben grosse Neigung zu krystallisieren und zwar isomorph mit Silikaten der Augitgruppe. Wir erwähnen die Schlackenanalysen von Göransson und Magnuson zu Sandviken (1877). Dass man zu Seraing (1875) den Kohlenstoffgehalt aus der Farbe der Schlacken erkannte, wurde bereits erwähnt. Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Von grossem theoretischen Interesse war die Untersuchung der Gase der Bessemerbirne, welche Snelus 1871 vornahm Siehe Wagners Jahresbericht der chemischen Technologie 1872, S. 103. . Sie hatte nachfolgendes Ergebnis: Der Kohlenstoff verbrennt demnach erst zu Kohlensäure, dann zu Kohlenoxyd. 1873 veröffentlichte A. Tamm in Schweden Analysen von Bessemergasen von Westanfors Jern kontorets Annal. 1873, Heft 5, und weiter noch in demselben 1878, S. 444. und 1878 solche von Bessemergasen von Sandviken Jern kontorets Annal. 1878, S. 444; Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1879, S. 266. . Den Eintritt des „falschen Siebener“ (s. S. 163) erklärte H. Schwarz 1874 aus dem Eintritt der Dissociation der Kohlensäure bei zu hoher Temperatur. Bei sehr grosser Hitze vermindert sich bekanntlich die oxydierende Wirkung des Sauerstoffs. Holley wies 1874 nach, dass Kohlenstoff unter Umständen durch Phosphor oder auch durch Silicium im Bessemerstahl ersetzt werde, und wies auf die Wichtigkeit des Nebeneinandervorkommens dieser Stoffe hin. Ein Stahl mit höherem Kohlenstoffgehalt ist deshalb viel empfindlicher gegen Phosphor als einer mit geringem Kohlenstoff- gehalt. Er wies nach, dass Stahl mit nur 0,30 Prozent Kohlenstoff erst bei 0,15 Prozent Phosphor brüchig wird, während Stahl mit 0,75 Prozent Kohlenstoff dies schon bei 0,05 Prozent Phosphor wird. Der Phosphor wirkt um so nachteiliger, wenn gleichzeitig noch andere Kaltbruch erzeugende Stoffe anwesend sind. In Amerika, wo man sehr reine Erze hat, galt damals 0,20 Prozent als Grenze für den Phosphor- und 0,10 Prozent als Grenze für den Schwefelgehalt. In Deutschland gestattete man nur einen Phosphorgehalt von 0,12 Pro- zent. Durfee , der 1874 in New York eine Reihe von Analysen von Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Bessemerroheisen veröffentlichte Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1874, S. 466. , gab die Grenze für Phosphor zu 0,25 Prozent, die für Schwefel noch um ein geringes höher an. Silicium hatte Karsten für eine besonders schädliche Beimengung angesehen und Eisen mit nur 0,05 Prozent Silicium verworfen. Er hatte aber die Nachteile dieser Beimengung überschätzt, wenigstens war für Bessemermetall ein höherer Gehalt zulässig. Derselbe er- reichte nicht selten 0,5 Prozent, und Neuberg lieferte brauchbaren Bessemerstahl mit 1 Prozent Silicium. Dieses macht das Eisen härter, aber viel weniger als Kohlenstoff. Auch hierbei kommt der gleichzeitige Kohlenstoffgehalt in Betracht. Riley fand, dass bei niedrigem Kohlenstoffgehalt Schienen mit 2 Prozent Silicium noch gut waren. Gautier wies nach, dass Siliciumeisen mit 7 Prozent Silicium sich noch schmieden liess, wenn der Kohlenstoffgehalt fast Null war, dass dagegen bei einem Kohlenstoffgehalt von 0,2 Prozent der zulässige Siliciumgehalt nur 1,5 Prozent betrug. Die Härtbarkeit wird durch Silicium beeinträchtigt. Mangan macht den Stahl schweiss- und dehnbar. Seine schäd- lichen Eigenschaften werden ausgeglichen durch Verminderung des Kohlenstoffgehaltes. Dies wiesen besonders Tessié du Motay und Euverte zu Terre noire nach, und die Eisenmanganmethode beruhte hierauf. 1878 zeigten Dr. Koninck und A. Ghilain , dass das Silicium nicht als solches, sondern in Verbindung mit Mangan im Eisen gelöst sei, woraus sich auch erklären würde, dass der Siliciumgehalt mit dem Mangangehalt zunimmt. Friedr. C. G. Müller hat durch seine interessante Untersuchung 1878 nachgewiesen, wie hoch der pyrometrische Wärmeeffekt des Sili- ciums und wie gering der des Kohlenstoffs beim Verbrennen im Konverter ist. Während 1 Prozent Silicium, welches verbrennt, die Temperatur des Bades um 300° C. erhöht, beträgt die Wirkung des Kohlenstoffs nur etwa 10° C., ja wenn die Temperatur des Bades höher als 1500° C. ist, bringt der zu Kohlenoxydgas ver- brennende Kohlenstoff sogar eine Abkühlung hervor, da das Maximum der Wärme, welche bei dieser Verbrennung erzeugt wird, nur diese Höhe erreicht. Das Silicium ist das wichtigste Heizmaterial bei dem Bessemerprozess; der pyrometrische Effekt beim Verbrennen von Eisen und Mangan ist etwa viermal geringer. Von grosser Wichtigkeit für die Praxis war auch die chemische Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Untersuchung der Gase, welche in dem Stahl aufgelöst ent- halten sind, da dieselben oft die Ursache des Steigens des Stahles in der Gussform und von blasigem und infolgedessen unbrauchbarem oder schlechtem Gusse sind. Dass Eisen Gase auflöst, hatten schon Troost und Hautefeuille nachgewiesen. Über die chemische Natur dieser Gase haben besonders die geistreichen Untersuchungen Dr. Friedr. Müllers (s. S. 352) Licht verbreitet. Er fand, dass die im Bessemerstahl von Osnabrück enthaltenen Gase aus Wasserstoff mit nur ganz wenig Stickstoff bestanden. Kohlenoxydgas war nicht darin. Das im Roheisen aufgelöste Gas zeigt dieselbe Zusammen- setzung. Diese Absorption von Wasserstoffgas tritt erst gegen Ende des Prozesses nach dem Totblasen ein, denn die während des Blasens genommenen Schöpfproben erstarren blasenfrei. Müller nimmt an, dass die reichliche Kohlenoxydentwickelung während des Prozesses die Absorption verhindere oder die gelösten Gase fortführe. Deshalb bewirkt auch die nach dem Zusatz von Spiegeleisen eintretende Reaktion, welche von heftiger Kohlenoxydentwickelung begleitet ist, blasenfreien Guss. War das Eisen nicht totgeblasen, so dass nur wenig Eisenoxydul gelöst war, so trat diese Reaktion nicht energisch genug ein. Silicium, besonders in Verbindung mit Mangan, vermindert die Gasentwickelung. Ein anderes Mittel, blasenfreien Guss zu erhalten, ist, wie wir wissen, das Giessen unter Druck. Dies beruht aber umgekehrt nicht auf einer Entgasung, sondern darauf, dass das flüssige Metall unter Druck mehr Gas gelöst zu erhalten vermag. Zur Herstellung blasen- freier Bessemerstahlgüsse hat H. R. Jones 1879 den Druck der hydraulischen Presse durch den von Wasserdampf ersetzt. Bei seinen erfolgreichen Versuchen in Pittsburg fand er, dass für gewöhnlichen Schienenstahl ein Druck von 7 kg pro Quadratcentimeter genüge, dass aber ein Druck von 11 kg pro Quadratcentimeter den besten Erfolg zeige. Die Hauptverwendung des Bessemerstahls war für Eisenbahn- material, namentlich für Schienen, doch kam er auch für Stahlguss mehr und mehr in Aufnahme. Die amerikanischen Schienen zeigten (1877) ziemlich gleichmässig nachfolgende Zusammensetzung: Kohlenstoff 0,3 bis 0,4, Phosphor 0,09 bis 0,12, Silicium 0,05 bis 0,12, Schwefel 0,04 bis 0,12, Mangan 0,3 bis 0,6. Man bemühte sich, diese Grenzen festzuhalten. Für Kessel- bleche wählte man einen weichen und zähen Stahl mit 0,15 bis 0,20 Prozent Kohlenstoff. Der Kohlenstoffgehalt wurde mit der Der saure oder Bessemerprozess bis 1880. Eggertzs chen Probe kontrolliert. Zu Seraing unterschied man 1879 folgende vier Stahlsorten: Folgende Zusammenstellung zeigt die Produktion und die Ge- stehungskosten der wichtigsten Bessemerstahl erzeugenden Gebiete Europas 1879. Im ganzen soll 1879 die Bessemerstahlproduktion dieser vier Länder 2080000 Tonnen betragen haben. Hierzu wurden 2400000 Tonnen Roheisen verblasen, zu deren Erzeugung folgende Erze nach Ländern und Mengen verwendet wurden: Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. B. Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses . 1878 bis 1883. Einen so grossartigen Aufschwung die Bessemerstahlfabrikation in den siebziger Jahren aber auch genommen hatte, so hing doch wie ein hemmendes Schwergewicht an ihrer Entwickelung der Umstand, dass nur reine, phosphorfreie Erze zur Erzeugung des Bessemerroh- eisens verwendet werden konnten. Phosphorfreie Eisenerze sind aber seltener und teurer als phosphorhaltige. Letztere bilden nach G. Thomas mehr als neun Zehntel aller europäischen Eisenerze. In manchen Ländern kommen erstere gar nicht oder nur in geringen Mengen vor. Diese mussten die Erze oder das Roheisen für den Bessemerprozess oft von weither beziehen, was den pneumatischen Prozess verteuerte und beschränkte. Die Frage der Entphosphorung des Eisens stand deshalb im Mittelpunkte des Interesses aller Eisen- hüttenleute. Ihre Wichtigkeit drängte sich von Jahr zu Jahr mehr auf. Konnte dieses Problem in einfacher Weise gelöst werden, so stand dem Siegeslauf des Flusseisens keine Schranke mehr im Wege. Kein Wunder, dass deshalb zahllose Versuche gemacht wurden, dieses Ziel zu erreichen. Diejenigen, welche bezweckten, die Abscheidung des Phosphors im Konverter selbst zu bewirken, hatten bis dahin den geringsten Erfolg gehabt. Man versuchte, diese deshalb schon bei den vorausgehenden Prozessen zu bewirken, teils durch eine entsprechende Behandlung der Erze, teils durch Zuschläge im Hochofen, teils, und damit hatte man bis jetzt noch die besten Erfolge erzielt, durch einen vorbereitenden Schmelzprozess zur Reinigung des Roheisens vor dem Verblasen. Wir haben diese verschiedenen Vorbehandlungen zum Zwecke der Entphos- phorung bereits geschildert. Billiger und zweckmässiger musste es sein, die Entphosphorung in dem Konverter in Verbindung mit der Entkohlung zu bewirken, auch war der Weg zu diesem Ziel bestimmt genug vorgeschrieben: Ersatz des kieselsauren Futters durch ein basisches. Ein reines Kalkfutter liess eine weitgehende Entphosphorung erhoffen. Aber darin lag eben die grosse Schwierigkeit. Die basischen Stoffe, die hierfür geeignet schienen, waren für sich unschmelzbar, sie hafteten in der Hitze nicht zusammen, zerfielen und lieferten kein haltbares Futter. Alle Versuche, an denen sich erfahrene, hervorragende Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Metallurgen beteiligt hatten, waren hieran gescheitert. Die Hoffnung, auf diesem Wege zu dem ersehnten Ziele zu gelangen, war infolge- dessen sehr gesunken. Deshalb war es nicht sehr zu verwundern, dass, als im Herbst 1878 bei dem Meeting, welches das Iron and Steel Institute gelegentlich der Weltausstellung in Paris abhielt, ein junger Mann von 28 Jahren, zartem Körperbau, unscheinbarem Aussehen, der eine praktische Thätigkeit in der Eisenindustrie nicht aufzuweisen hatte, mit der Be- hauptung auftrat, es sei ihm gelungen, die Frage der Entphosphorung durch die Herstellung eines basischen Futters im Konverter zu lösen, dies nur geringe Beachtung fand und man den von ihm angemeldeten Vortrag wegen vorgerückter Zeit von der Tagesordnung absetzte. Dieser junge Mann war Sidney Gilchrist Thomas , und worüber er berichten wollte und was anzuhören die Versammlung hervorragender Eisenindustrieller verschmähte, war die grosse Erfindung, die bald darauf unter dem Namen des Thomasverfahrens die grösste Sensation erregte und einen Triumphzug durch alle Industrieländer hielt, so rasch und erfolgreich, wie wohl kaum jemals eine andere technische Erfindung. Es lag ihr durchaus keine neue erfinderische Idee zu Grunde, wie z. B. dem Bessemerprozess, sie stellt sich vielmehr nur dar wie die erstaunlich einfache Lösung einer allseitig gestellten Frage — nicht unähnlich dem Ei des Kolumbus. Dass diese Lösung aber eminent praktisch und dabei wohl durchdacht und durchprobiert war, darin liegt das unsterbliche Verdienst des genialen Erfinders, der dadurch ein Wohlthäter der Menschheit geworden ist. Leider hat er nur die Anfänge des grossartigen Erfolges seiner Erfindung erlebt, indem er dem Leiden, dessen Keime schon bei seinem ersten öffent- lichen Auftreten bemerkbar waren, nach wenig Jahren, in seinem 35. Lebensjahr, am 1. Februar 1885 zu Paris erlag. Sidney G. Thomas , geboren 1850 zu Battersea, London, studierte Hüttenkunde auf der königlichen Bergschule (Royal school of mines), wo er John Percys Vorlesungen über Eisenhüttenkunde hörte. Hier fand er wohl die Anregung für sein weiteres Streben. Nachdem er ein gutes Examen abgelegt hatte, richtete er sich in London für seine Studien ein kleines metallurgisches Laboratorium ein. Dass er der Frage der Entphosphorung seine besondere Aufmerksamkeit zuwendete, war fast selbstverständlich. Er schlug dabei den richtigen Weg ein, indem er die Herstellung eines haltbaren, basischen Konverterfutters erstrebte. Die ersten Versuche hierfür stellte er, mit allerdings sehr Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. unvollkommenen Apparaten, im Jahre 1876 an. Der 1877 erschienene zweite Band von Gruners Metallurgie, worin der nachteilige Einfluss der kieselsauren Schlacke auf die Abscheidung der Phosphorsäure besonders hervorgehoben ist, bestärkte ihn in seiner Arbeit. Im Herbst 1877 stellte er mit einem kleinen, von ihm konstruierten Konverter, der 6 Pfund fasste, mit einem Futter aus Ätzkalk und Wasser- glas Versuche an. Nachdem diese befriedigend ausgefallen waren, strebte er danach, seine Versuche in grösserem Massstabe zu wieder- holen. Zu diesem Zwecke wendete er sich an seinen Vetter Percy C. Gilchrist , Chemiker auf dem Bleanavon-Eisenhüttenwerk in Süd- wales. Dieser erwirkte von dem Leiter des Werkes Martin , der die Bedeutung der Versuche der jungen Hüttenleute erkannte, die Er- laubnis, einen vorhandenen kleinen Konverter, der 3 bis 4 Centner fasste, für ihre Versuche benutzen zu dürfen. Diese bestätigten den günstigen Erfolg der Laboratoriumsversuche Siehe Iron 1878, Nr. 331, vom 11. Mai; von Ehrenwerth in Österreich. Zeitsch. für Berg- und Hüttenwesen 1879, S. 277 etc. , und nun meldete Thomas sein erstes Patent an, welches ihm zu Anfang 1878 erteilt wurde. Am 26. März 1878 erhielt er sein erstes deutsches Reichs- patent (Nr. 6080). Der Grundgedanke dieser Patente ist die An- wendung von Wasserglas von 1,5 specifischem Gewicht zur Her- stellung eines haltbaren, basischen Konverterfutters. Hierzu soll Siehe Wedding , Die Darstellung des schmiedbaren Eisens, I. Ergänzungs- band 1884, S. 32. ge- wöhnlicher gemahlener Kalk, möglichst frei von Phosphorsäure, mit 5 bis 15 Gewichtsteilen einer Lösung von Wasserglas (Natrium- oder Kalium- silikat) — oder mit ungefähr derselben Menge Thon oder Thonschiefer — oder mit 10 bis 12 Prozent gemahlener Hochofen- oder Erzschlacke gemengt werden. Portlandcement oder jeder andere hydraulische Kalk oder irgend ein natürliches Magnesiasilikat kann ebenfalls als Bindemittel benutzt werden. Eine Mischung von 3 Tln. Kalk und 2 Tln. Portlandcement sei für sehr zweckentsprechend gefunden worden. Magnesiakalkstein, Magnesia, kohlensaure Magnesia, Kalk oder kohlensaures Baryt können in diesen Mischungen an Stelle des Kalksteins eingeführt werden, wenn auch Kalkstein für gewöhnlich vorzuziehen ist. Als besonders zweckmässig wird eine Mischung von 80 bis 88 Tln. Kalk mit 5 Tln. einer Natronsilikatlösung und 10 Tln. Thon oder Hochofenschlacke empfohlen. „Kalkarten, welche von Natur aus genügende Mengen Kieselsäure und Thonerde enthalten, um als Bindemittel zu wirken, können manchmal allein oder, falls sie Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. so viel Kieselsäure und Thonerde enthalten, dass sie nicht feuerfest sein würden, mit reinerem Kalk gemischt, angewendet werden.“ Bei allen Mischungen soll darauf Bedacht genommen werden, dass die getrocknete Masse nicht mehr als 12 Prozent Kieselsäure enthält. Die Mischungen sollen entweder in feuchtem Zustande in einer Stampfmühle oder einem Mörser eingestampft oder in Ziegel geformt werden. Als Mörtel für letztere wurde eine gleiche basische Mischung empfohlen. Im allgemeinen hielt Thomas ein Trocknen bei mässiger Temperatur und ein Brennen bei hoher Temperatur für nötig, nur bei den Ziegeln, welche lediglich aus Kalk und Wasserglas bestehen sollten, hielt er das Trocknen bei mässiger Hitze für das beste Verfahren. Dieses war der erste und wichtigste Schritt zur Herstellung eines basischen Konverterfutters. Der Grundgedanke war, Kalk oder Mag- nesia oder ein Gemenge von beiden mit nur so viel Kieselsäure zu vermischen, dass die Masse in hoher Hitze zusammenfrittet, aber nicht schmilzt. Die Masse soll dabei plastisch sein, um sich einstampfen oder in Ziegel formen zu lassen. Thomas wählte, um dies zu er- reichen, zuerst Wasserglas. Dieses war auch ganz zweckmässig für seine Laboratoriumversuche. Für die Anwendung im grossen eignete es sich dagegen nicht, weil es einerseits zu teuer war, andererseits die Alkalisilikate mit Kalk oder Dolomit nicht genügend haltbare Produkte gaben. Die praktische Erfahrung bei den Versuchen im grossen führte Thomas bald dazu, dass Dolomit und Thon die ge- eignetsten Stoffe zur Herstellung eines haltbaren basischen Futters seien, und hierauf nahm er sein zweites wichtiges Patent vom 5. Oktober 1878 (D. R. P. Nr. 5869) auf „ein Verfahren zur Herstellung von feuer- festen, basischen Ziegeln durch Mischen von magnesiahaltigem Kalk- stein mit geringen Mengen von Kieselsäure, Thonerde und Eisenoxyd, Formen der Masse zu Ziegeln und Brennen derselben bei Weissglüh- hitze“. Die Enttäuschung, die Thomas 1878 in Paris dadurch erfuhr, dass die englischen Eisenhüttenleute es nicht der Mühe wert fanden, seinen Vortrag anzuhören, schlug zu seinem Glück aus. Damals stand er noch ganz auf dem Boden seines ersten Patentes und hatte nichts dafür vorzubringen als die Erfolge der doch immerhin beschränkten Versuche zu Bleanavon. Infolge der Versammlung in Paris trat er mit einem erfahrenen, vorzüglichen Eisenhüttenmann, der den Wert der Erfindung richtig erkannte, in Verbindung. Es war dies Windsor Richards , Direktor des grossen Eston-Bessemerwerkes von Bolckow, Vaughan \& Co. bei Middlesborough. Dieser lud ihn ein, sein neues Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Verfahren bei ihm im grossen zu versuchen. Durch diese treffliche Unterstützung erweiterte sich rasch der Gesichtskreis von Sidney G. Thomas und der Prozess wurde von ihm zu solcher Höhe gebracht, dass er ihn auf dem nächsten Meeting des Iron and Steel Institute im Frühjahr 1879 als etwas Fertiges und Erprobtes nicht nur vortragen, sondern auch vorzeigen konnte. Ehe wir aber die weitere Entwickelung des Thomasprozesses be- trachten, ist es nötig, einiges über die Vorgeschichte desselben zu berichten. Der Gedanke, durch eine basische Auskleidung des Konverters die Abscheidung von Phosphor und Schwefel herbeizuführen, lag zu nahe, als dass er nicht schon vor dem Jahre 1878 gemacht worden wäre. Der erste Vorschlag derart rührte von Peter Tunner aus dem Anfang der sechziger Jahre her, der eine Auskleidung von ge- branntem Magnesit, also ein Magnesiafutter empfahl. H. Wedding und Daelen schlugen Eisenoxydfutter wie bei den Danksöfen vor. Ausgeführt wurden diese Vorschläge aber nicht. Dagegen machte Wilhelm Siemens auf Chateliers Anregung hin im Jahre 1863 Versuche mit basischem Futter in seinem Regenerativflammofen, die jedoch nicht den gehofften Erfolg hatten. Lencauchez nahm 1865 in Frankreich ein Patent auf basische Ziegel aus gebranntem Kalk unter Zusatz von schweren Kohlenwasser- stoffölen, Zinkoxyd, Borax, Glas oder Sand. Das Gemisch sollte in Formen gepresst, mit Chlorcalcium getränkt werden und zur Aus- kleidung der Bessemerbirnen dienen. Seine Idee kam aber ebenso wenig wie die 1869 von Müller in Paris, der Magnesia empfahl, oder die von Tessié du Motay und Pourcel zur Anwendung. Ein ähn- liches Patent nahm Jacob Reese in Amerika 1866. Auch Emil Andre , der 1865 bei den Versuchen des Bessemer- prozesses auf der Königshütte in Schlesien mit thätig war, schlug schon damals zur Entphosphorung des einheimischen Roheisens ein basisches Birnenfutter aus gebranntem Kalk oder Dolomit mit Zusatz eines Sinterungsmittels vor. Die Bergbehörde lehnte aber die Anstellung eines Versuches ab. Von grösserem Erfolg waren die Versuche und das Patent von George J. Snelus im Jahre 1872. Er war wirklich auf dem richtigen Wege zur Herstellung eines basischen Konverterfutters aus Ätzkalk, setzte aber seine angefangenen Versuche infolge seiner Versetzung in eine andere Stelle nicht fort und liess die Sache fallen. Auf den grossen Erfolg von Thomas hin reklamierte er die Priorität der Er- Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. findung und Thomas gestand dies als nicht ganz unberechtigt zu und fand sich mit Snelus auf gütlichem Wege ab. Das hütten- männische Publikum bekam aber eigentlich erst durch Snelus ’ Reklamation Kenntnis von seinen Versuchen. Knowles schlug am 26. November 1873 eine basische Ausklei- dung von Bauxit mit Eisen- oder Manganoxyd zur Entphosphorung vor. Dass der berühmte französische Metallurg Gruner in seinem Lehrbuch um die Mitte der siebziger Jahre auf die basische Aus- kleidung der Konverter hingewiesen hatte, haben wir bereits erwähnt. Er empfahl gebrannten Dolomit mit Thon oder gebranntem Bauxit, „welcher“, wie er sagt, „durch grosse Hitze ein basisches Eisen- aluminat von Kalk- und Talkerde bildet, das den Vorteil hätte, die Phosphorsäure aufzunehmen“. Im zweiten Bande wies er beim Feinen wiederholt auf eine basische Auskleidung der Konverter- und Siemens- öfen zur Entphosphorung hin, indem er hinzufügte: „Hier sowie in der Anwendung fester Reagentien hat man noch ein weites Feld für die Untersuchung der Hüttenleute.“ Trotz alledem gebührt Sidney Gilchrist Thomas das unbestrittene Verdienst, zuerst ein brauch- bares basisches Konverterfutter erfunden und eingeführt zu haben. Das basische Futter bildete die Grundlage, war aber doch nur ein Teil der Erfindung von Thomas , als deren zweites Glied der reichliche Kalkzuschlag während des Prozesses, um die bei dem Oxydationsprozess gebildeten verschlackbaren Säuren, Kieselsäure und Phosphorsäure, zu binden, und als deren drittes das „ Nachblasen “ zu bezeichnen ist. Die Wichtigkeit des reichlichen Kalkzuschlages und des Nachblasens trat erst bei den Versuchen im grossen, welche Thomas auf dem Estonwerk in einem 10-Tonnen-Konverter im Winter 1878/79 ausführen durfte, deutlich hervor, und aus diesen Erfahrungen ist das dritte grundlegende Patent vom 10. April 1879 (D. R. P. Nr. 12700) hervorgegangen. In diesem wird als Patent- anspruch aufgeführt: „Das Nachblasen nach vollendeter Entkohlung in Verbindung mit dem Zusatz basischer Substanzen, durch welche eine erdbasische Schlacke erzeugt wird, bei der Entphosphorung des Eisens in einer mit basischem Futter versehenen Bessemerbirne.“ Dieses Nachblasen nach der Verbrennung des Kohlenstoffs bewirkt erst die Entphosphorung des Eisens, die nicht früher eintritt, weil vorher der Kohlenstoff reduzierend auf sich bildende Phosphorsäure wirkt. Als hierauf S. G. Thomas am 8. Mai 1879 in der Frühjahrs- versammlung des Iron and Steel Institute seinen Vortrag über die Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Entphosphorung im Konverter hielt, lauschten die Mitglieder, die ihn neun Monate zuvor nicht hatten anhören wollen, mit gespanntester Aufmerksamkeit, und als er ihnen seinen Prozess in Anwendung auf dem Eston-Eisenwerk zeigen konnte, da war nur eine Stimme des Lobes und der Anerkennung und die Kunde von dem neuen Ent- phosphorungsverfahren — dem Thomas-Gilchristprozess, wie er genannt wurde, weil Thomas die praktischen Versuche mit seinem Vetter Percy C. Gilchrist gemeinschaftlich gemacht hatte — verbreitete sich rasch durch alle Länder. Der Altmeister im Eisenhüttenwesen, Peter von Tunner Siehe Zeitschr. für den berg- und hüttenmänn. Verein für Steiermark und Kärnten, Nr. 12. , war einer der ersten, welcher die grosse Bedeutung des Thomasierens, wie er es nannte, namentlich für Herstellung von Qualitäts-Flusseisen, erkannte. Dem Professor der Eisenhüttenkunde Josef Gängl von Ehrenwerth Studien über den Thomas-Gilchristprozess in Österreich. Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1879, S. 599, 619 bis 629. , damals Adjunkt an der Bergakademie zu Leoben, gebührt aber der Ruhm, der erste gewesen zu sein, der (am 25. Mai 1879) in lichtvoller Weise die Theorie des basischen Prozesses entwickelte, der feststellte, dass der Phosphor beim Thomasieren in Bezug auf die Wärmeerzeugung die ähnliche Rolle spielt wie das Silicium beim Bessemern, und rechnungsmässig nachwies, dass die durch die Verbrennung des Phosphors erzeugte Wärme hinreiche, das Eisenbad flüssig zu erhalten Siehe Österreich. Zeitschr. 1879, S. 341 etc. . Im übrigen verlief der Prozess analog dem Bessemern. Mangan, Silicium und Kohlenstoff wurden durch die Gebläseluft oxydiert und unter Bildung von Kohlenoxyd und Mangan-Eisenoxydul Silikat ab- geschieden, dieses dann durch Kalk zerlegt unter Abscheidung von Eisenoxydul und Bildung eines Mangan-Kalksilikates. Phosphor wird von Beginn des Blasens an teilweise verschlackt, seine gänzliche Abscheidung findet also erst nach der Entfernung von Silicium und Kohle statt. Das gebildete Eisenphosphat wird durch Kalk zerlegt und das freigewordene Eisenoxydul teils durch Kohlenstoff des Metalls und der Gase reduziert, teils durch die oxydierende Wirkung der Gebläseluft in Eisenoxyduloxyd (Fe 3 O 4 ) übergeführt und von der Schlacke aufgelöst. Man hatte auch in Österreich und zwar zu Witkowitz bereits im August 1879 Versuche mit dem neuen Verfahren von Thomas- Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Gilchrist angestellt, der erste durchschlagende Erfolg hiermit wurde aber in Westdeutschland zu Hörde und den rheinischen Stahl- werken bei Ruhrort-Meiderich, wo am 22. September die ersten Chargen erblasen wurden, erzielt. Es geschah dies unter Anwendung eines Dolomitfutters und phosphorreichen Roheisens aus Luxemburg und von Ilsede. Direktor Massenez und Oberingenieur Pink zu Hörde und Gustav Pasteur zu Ruhrort gebührt das Verdienst für die gelungene Durchführung. Beide Werke hatten gemeinschaftlich die Patente von Thomas und Gilchrist für Deutschland erworben in der Weise, dass sie gewissermassen die Generalagenten der Erfinder für Deutschland wurden. Wir wollen nun kurz die Entwickelung des Prozesses nach den drei Hauptmerkmalen, dem basischen Futter, den Zuschlägen und dem Nachblasen, betrachten, um dann die Fortschritte der Theorie des Prozesses und seine technische Ausgestaltung weiter zu verfolgen. Die Thomasbirne war dieselbe wie die Bessemerbirne und darin lag ein grosser Vorteil, weil man die in den Bessemerstahlwerken vor- handenen Einrichtungen unverändert für den neuen Prozess verwenden konnte. Es zeigte sich allerdings bald als zweckmässig, grosse Konverter zu benutzen, weil die grössere Schlackenmenge viel Raum erforderte, so dass ein 10-Tonnen-Konverter für das Bessemerverfahren kaum 7 Tonnen Einsatz beim Thomasverfahren gestattete. Aus demselben Grunde erwies es sich (in Eston) als vorteilhaft, die Birnen hoch und symmetrisch zu machen, so dass die obere Öffnung in der Mittel- achse lag. Hierdurch verminderte sich der Verlust durch Heraus- schleudern, indem die flüssige Masse grösstenteils wieder in die Birne zurückfiel. Eigenartig und von grösster Wichtigkeit war die Auskleidung der Birnen, das basische Futter . Zunächst kam dabei das Material in Betracht. Hierfür hatte Thomas , wie (S. 636) erwähnt, zuerst Kalk und Wasserglas vor- geschlagen, dann aber, durch die Erfahrung belehrt, einem Gemenge von magnesiahaltigem Kalk mit Thon den Vorzug gegeben. Er erhob in seinem zweiten Patent vom 5. Oktober 1878 Patentanspruch auf: 1. die Herstellung basischer, feuerfester Ziegel aus magnesiahaltigem Kalkstein — mit variabelem Kalk- und Magnesiagehalt — und 3 bis 4½ Prozent Thonerde, 5 bis 9 Prozent Kieselsäure und mit Eisenoxyd bis zu 2 Prozent oder ohne solches; ferner die An- wendung eines künstlichen Gemenges von Kalk und Magnesia mit diesen Zusätzen in den angegebenen Verhältnissen; Beck, Geschichte des Eisens. 41 Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. 2. das Brennen der aus diesen Materialien hergestellten Ziegel bei einer die Brenntemperatur feuerfester Thonziegel übersteigenden Hitze, nämlich intensiver Weissglut; 3. das Brennen der Ziegel in einem im Innern aus basischem Material hergestellten Ofen oder zwischen neutralen, Kieselsäure nicht abgebenden Substanzen. Die Herstellung der richtigen Mischung von Dolomit und Thon ist für jedes Werk eine Sache des Versuchs und der Erfahrung, bedingt durch die gegebenen Materialien. Zu Hörde und auf den rheinischen Stahlwerken hat man lange experimentiert, ehe man die richtige Mischung ausfindig machte. In Hörde setzte man dem ge- mahlenen Dolomit von Westheim, der schon Thon enthielt, noch 2 bis 4 Prozent Thon zu. Auf den rheinischen Stahlwerken ver- mischte man gemahlenen Kalkstein mit feuerfestem Lehm. Der Thon diente nur als Bindemittel bei dem Brennen der Ziegel, um ein Zusammenfritten der basischen Grundmasse zu bewirken. Auch den grossen rheinischen Fabriken für feuerfeste Steine, besonders Dr. Otto in Dahlhausen und Vygen \& Co. bei Duisburg gelang es, mit Beihülfe des Ingenieurs Pink zu Hörde bald gute basische Ziegel für den Thomasprozess zu erzeugen. An Stelle des Dolomits schlug man vielfach gebrannten Magnesit oder Magnesia vor, der auch auf einigen Hütten in Anwendung kam. In Frankreich hatten Müller in Paris, Caron und Tessié du Motay bereits Anfang der siebziger Jahre Versuche mit Magnesiaziegel aus Magnesit von Euböa gemacht. In Österreich bediente man sich des Magnesits aus dem Veitschthal in Steiermark, in Schlesien kam der von Frankenberg zur Verwendung, der besonders von der Haupts chen Fabrik zu Brieg zu Ziegeln verarbeitet wurde. Die Anwendung reiner Magnesia aus Laugen gefällt empfahl G. d’Adelswärd zu Paris 1879 (D. R. P. Nr. 11321), der Dolomit in Salzsäure löste und daraus die Magnesia durch Kalk fällte. Dieses Verfahren erwies sich als zu kostspielig. Andere schlugen die Verarbeitung gewisser Abfalllaugen vor; so wollte Rümpler die Chlormagnesiumlaugen der Kalifabriken durch ge- brannten Kalk ausfällen (D. R. P. Nr. 8777), Gebr. Ramdohr (D. R. P. Nr. 9473, 11540, 11746) verarbeiteten dieselben Laugen auf andere Art. Closson (D. R. P. Nr. 11456) behandelte gebrannten Dolomit mit gewissen chlormagnesiumhaltigen Laugen, aus denen die Magnesia durch Kalk gefällt wurde. Dieses Verfahren wurde in Hörde versucht, aber bald wieder aufgegeben. Scheibler (D. R. P. Nr. 14936) schied die Magnesia aus dem gebrannten Dolomit durch verdünnte Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Zuckerlösung (Melasse) ab. Auch dieses Verfahren wurde versuchs- weise in Hörde eingeführt. Zu Witkowitz in Mähren und zu Kladno in Böhmen wendete man anfangs wegen Mangels an Dolomit reine Kalkziegel an, die aber schneller als Dolomitziegel Wasser anziehen und zerfallen. In Hörde und Königshütte machte man auch Versuche, den Dolomit durch Calciumphosphat aus Knochenasche oder Phos- phorit zu ersetzen. Strontianit, der bei Münster in Westfalen in grösseren Mengen vorkommt, wurde von Stöckmann 1883 (D. R. P. Nr. 24226) vorgeschlagen. Bauxit versuchte 1879 die Gutehoffnungs- hütte bei Oberhausen (D. R. P. Nr. 9701) zu verwenden. H. D. Poch in Barness probierte es mit einem Futter von Chromeisenstein, was übrigens vor ihm bereits Pourcel zu Terre noire gethan hatte. Alle diese Surrogate wurden aber ebenso wie das von Osann vorgeschlagene Kohlenfutter als zu kostspielig wieder aufgegeben und man blieb bei dem von Thomas angegebenen Dolomitfutter. Noch zahlreicher sind die Vorschläge, welche gemacht wurden, um das Bindemittel, den Thon, welcher das Zusammenfritten der basischen Grundmasse in der Hitze bewirkt, zu ersetzen. Von diesen sind nur zu erwähnen die gründlichen Versuche, welche Althanns in Breslau in Gemeinschaft mit Junghann und Uelsmann 1879 auf der Königs- und Laurahütte vornahm. Sie verwendeten in erster Linie Chlorcalcium als Bindemittel, dann gingen sie zu Fluoriden (Flussspat oder Kryolith), hierauf zu Karbonaden der Alkalien und endlich zu den kaustischen Alkalien über. Bei allen diesen Stoffen tritt beim ersten Brennen der Masse eine grosse Volumverminderung ein. Um Ziegel zu erhalten, muss man die gebrannte Masse mahlen, wieder mit einer geringeren Menge des Bindemittels mengen, in Formen pressen und zum zweitenmal brennen. Die so erhaltenen Ziegel haben sich aber nicht bewährt, einerseits war ihre Haltbarkeit eine ungenügende, andererseits wurden sie zu teuer. Dasselbe gilt von den mit Borsäure als Bindemittel hergestellten Ziegeln der Borsig- werke (D. R. P. Nr. 12196). Noch weniger bewährten sich die Ver- suche mit Mennige, Bleiglätte, Manganerzen, Eisen- und Hochofen- schlacken. Von grosser Wichtigkeit für die Herstellung guter basischer Ziegel war es, dass der Dolomit bei sehr hoher Temperatur totgebrannt wurde, wie dies besonders von Massenez in Hörde hervorgehoben wurde. Thomas verlangt in seinem Patent bereits „Weissglühhitze, bis die ganze Thonerde und Kieselsäure eine Verbindung mit dem Kalk und der Magnesia gebildet hat“. Diese sehr hohe Temperatur 41* Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. (beträchtlich diejenige übersteigend, bei welcher feuerfeste Thonziegel gebrannt werden) ist unbedingt notwendig zur Erzeugung guter basischer Ziegel. Die Brennöfen für den Dolomit und die Ziegel müssen ebenfalls mit basischem Futter ausgekleidet sein. Das Brennen geschah entweder in Schachtöfen, wie z. B. in Alexandrowsky, oder in Gasflammöfen oder in Ringöfen ( Mendheims Gasringofen zu Hörde). Totgebrannter Dolomit ist aber nicht plastisch; um ihm Plastizität zu verleihen, muss man ihm einen Stoff beimischen, der ihn bildsam macht und doch der Glut widersteht, als solcher hat sich Steinkohlenteer, der ebenfalls von Thomas bereits in Vorschlag gebracht worden war, am besten bewährt. Der Teer muss wasserfrei sein und wird deshalb vor seiner Verwendung erst gekocht. Die Mischung mit dem gemahlenen Dolomit, von dem man zuvor das Feinste abgesiebt hat, geschieht in der Regel auf einem Kollergang. Man setzt etwa 10 bis 20 Volumprozent Teer dem Dolomit zu. Die so erhaltene Mischung kann entweder direkt zur Herstellung des Futters durch Aufstampfen mit stark erwärmten Stampfern um eiserne Modelle oder zur Herstellung von Ziegeln verwendet werden. Diese Teerziegel werden dann gebrannt, wobei der Teer abdestilliert oder zersetzt wird, so dass der zurückbleibende koksartige Kohlenstoff den Kitt für die basische Masse abgiebt. Auch für den Teer hat man vielerlei Ersatzmittel vorgeschlagen. Schon 1879 empfahl Riley rohes Petroleum, doch haben die damit angestellten Versuche gezeigt, dass sich dasselbe in der Hitze so voll- ständig verflüchtigt, dass kein ausreichendes Bindemittel zurückbleibt. Sodann wurde Blut vorgeschlagen von Melaun , Mehlkleister von E. Andre , Leim von Closson , Leinöl von Kirkpatrick , Melasse von Ramdohr ; aber weder diese Klebmittel noch die von Kerpely empfohlene Essigsäure oder der gleichfalls von Andre empfohlene frischgefällte schwefelsaure Kalk, oder die von Haarmann angewendete Kalkmilch konnten den Steinkohlenteer verdrängen. Das Futter der Birne wurde aufgemauert oder aufgestampft. Wendete man beim Ausmauern Dolomit- oder Magnesiaziegel an, so verband man dieselben mit Teermörtel; wendete man Teerziegel an, so mauerte man ohne Mörtel, weil beim Erhitzen die Fugen von selbst zuschmolzen. Beim Ausstampfen wurde die basische Masse mit Teer angemacht. Statt des Aufstampfens schmolz man in Middles- borough die mit Teer gemischte Masse, die man in Klumpen in den Zwischenraum zwischen der Wand und eingesetzten Blechringen warf, zusammen. Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Ein basisches Futter hielt nach Thomas ’ Angabe von 1881 durchschnittlich 50 Hitzen aus. Es gelang aber in den folgenden Jahren, die Haltbarkeit des Futters zu erhöhen, so dass Wedding dieselbe 1884 bereits auf 100 bis 120 Hitzen angiebt Siehe Wedding , Ergänzungsband 1884, S. 67. . Dagegen wurde der Boden viel schneller abgenutzt und bedurfte einer häufigen Erneuerung. Thomas gab die Haltbarkeit der Böden 1881 auf 14 Hitzen an, während die gestampften Böden zu Hörde nach Pinks Angabe nur neun Hitzen aushielten. 1884 betrug dagegen die durch- schnittliche Haltbarkeit nach Weddings Angabe bereits 18 Hitzen. Die Herstellung und Auswechselung der Konverterböden war eine besonders wichtige Sache beim Thomasverfahren. Anfangs versuchte man die Windformen im Boden ebenfalls aus basischem Material Fig. 260. Fig. 261. herzustellen, und Thomas gab dafür verschiedene Mischungen Siehe Wedding , a. a. O., S. 72. an. Aber weder diese noch die aus Teermasse hergestellten erwiesen sich als haltbar, so dass man dieselben entweder durch gebrannte Thon- formen, also saure Formen, oder durch Dornböden, Fig. 260, 261, die nach den von Rühle von Lilienstern Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses 1879, S. 316; Wedding , Ergänzungsband I, S. 73. für die Böden der Bessemer- birnen angegebenen Verfahren (S. 619) aus teerhaltiger Masse auf- gestampft wurden. Diese Masse, welche aus etwa erbsengrossen Körnern von totgebranntem Dolomit und 7 bis 12 Prozent Teer bereitet wird, stampft man lagenweise auf. Für einen Boden von der gewöhnlichen Stärke von 420 bis 450 mm trug man 40 bis 50 Lagen auf. Die fertigen Böden wurden dann in Trocken- oder Abflammöfen erhitzt und abgeflammt. Vielfach hatte man hierfür einfache Kanalöfen, welche eine grössere Anzahl Böden gleichzeitig Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. fassen konnten und deren Sohle aus beweglichen, auf Rädergestellen aufgelagerten Platten, welche die Böden trugen, hergestellt war. Zahl und Durchmesser der Windröhren waren, wie beim Bessemerverfahren, auf verschiedenen Hütten verschieden. So hatten die Böden zu Fig. 262. Witkowitz 35 Windöffnungen von 12 bis 17 mm, die zu Rote Erde bei Aachen 64 von 15 mm, die zu Kladno 84 zu 10 mm Durchmesser. Bei der Herstellung der Böden mit gebrannten Thon- formen werden diese entweder ähnlich wie die Nadeln mit teerhaltiger Masse umstampft oder es werden erst Metall- kerne eingesetzt, die dann ausgezogen und durch die Formen ersetzt werden. Die fertigen Böden, die nach Holleys Prinzip mit konischer Verbindungsfläche gestaltet sind, werden dann an das Birnfutter an- gesetzt, indem die Fuge erst durch eine Rolle von geteerter Dolomit- masse, die durch den Boden angedrückt wird, dann durch Verschmieren Fig. 263. und Ausstopfen des verbleibenden freien Raumes bewirkt wird. Das Andrücken geschieht fast überall mit Hydraulik und zwar meistens durch einen Wagen (Fig. 262, 263), dessen Tragplatte mit dem Birnen- boden durch einen hydraulischen Cylinder hochgedrückt wird. Sehr Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. zweckmässig ist es, wenn der unter dem Boden befestigte Windkasten so weit ist, dass sich nach Entfernung der Deckplatte der Boden hindurchbewegen kann, wie dies bei den Birnen des Thomaswerkes zu Peine der Fall war Vergl. Wedding a. a. O., S. 78 und die Abbildungen Taf. I. . — Anfangs verband man, wie bei dem sauren Verfahren, zwei Birnen zu einem System. Obgleich das Auswechseln der Losböden rasch von statten ging, empfahl es sich doch wegen der Häufigkeit des Bodenwechselns, drei Birnen zu einem System zu vereinigen, für die man am besten acht bis zehn Böden in Bereitschaft hielt. Um aber die Einrichtungen der mit zwei Birnen arbeitenden Werke möglichst unverändert bei- behalten zu können, schlug Holley vor, immer eine ganze Birne aus- zuwechseln und die ausgewechselte in einem besonderen Raume wieder herzustellen (D. R. P. Nr. 12830). Um die Birne rasch aus- wechseln zu können, ist sie in einem Zapfenring so aufgehängt, dass sie beim Umkippen um 180° sich loslöst und auf den untergestellten Birnenwagen gleitet. Justice in London machte etwas abweichend hiervon einen Zapfenring, der sich bei der Drehung von 90° leicht lösen liess. Die Zapfenringe der Thomasbirnen müssen sehr kräftig sein. H. Bessemer konstruierte 1882 einen für Bolkow, Vaughan \& Co. von 12 engl. Fuss Durchmesser und 16 Tonnen Gewicht. Ein basischer Konverter von 10 Fuss Durchmesser wog in der Regel 60 bis 80 Tonnen. Versuche von Daelen, Melaun und anderen, den Unterteil der Birnen abnehmbar oder die Birne in eine Anzahl von Segmenten zerlegbar zu machen, haben sich nicht bewährt. Auch Versuche, die Birnenform namentlich in Bezug auf die Aus- gussöffnung zu ändern, wie sie zu Witkowitz und auf der Erimus- hütte eingeführt wurden, haben keine Nachahmung gefunden. Weite, mit saurem Material ausgemauerte Hälse sind zu empfehlen. Be- achtenswert ist es, dass die Mündung der Birne den Einblick in die Birne und den Überblick über den Boden gestattet. Im allgemeinen zieht man die cylindrische Form des Mittelteils des Konverters vor. Fig. 264, 265 (a. f. S.) zeigen eine Thomasbirne von Hörde von 1883, bei welcher ausserdem die von Schmachtenberg erfundene Wasser- kühlung des Bodens, welche den Weg c, c', d, e, f, g, i, k beschreibt, angebracht ist. Diese Wasserkühlung verhindert aber die rasche Aus- wechselung des Bodens. J. H. Harmet in Lyon schlug schon 1879 (D. R. P. Nr. 8549) vor, den Prozess zu teilen und zwar derart, dass die Entkieselung und Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Entkohlung wie seither in einem sauren Konverter vorgenommen, die flüssige Masse sodann in einen basischen Konverter umgefüllt und hier entphosphort wurde. Man hoffte hierbei, durch geringere Schlackenbildung ökonomische Vorteile zu erzielen. Dieses Verfahren wurde auf mehreren Werken versucht, auf einzelnen auch eingeführt, Fig. 264. besonders blieb es zu Witkowitz in Mähren lange Zeit und mit Vorteil in Anwendung. Es eignete sich für Roheisen, das neben Phosphor viel Silicium enthielt. Betrachten wir nun den praktischen Betrieb des Thomas- prozesses, so bildeten die Versuche, welche Sidney G. Thomas mit seinem Vetter Percy C. Gilchrist auf der Bleanavonhütte im Frühjahr 1878 angestellt hatte, hierfür den Ausgangspunkt. Es gelang ihnen, aus phosphorhaltigem Puddelroheisen in einem 4-Centner-Konverter ein gutes Produkt zu erhalten. Dabei blieb die Masse bis zuletzt gut flüssig. Das Blasen musste etwa 40 Minuten fortgesetzt werden, um den Phosphor zu entfernen, indem nach der Entkohlung noch ein Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Nachblasen notwendig war. In dem kleinen Konverter wurden über 50 Chargen verblasen. Als Zuschlag gab Thomas ein Gemisch von 1 Tl. Eisenoxyd (blue billy) und 2 Tln. Kalk. Die Haltbarkeit des Futters ergab sich als die wichtigste Forderung für die Ausführung des Verfahrens. Im Winter 1878/79 folgten dann auf der Estonhütte die Versuche im grossen, welche zur dauernden Einführung des Thomasprozesses daselbst führten. Das graue Roheisen, welches man hier verwendete, hatte nur 1 bis 1½ Prozent Phosphor und Thomas war noch der irrigen Ansicht, dass Roheisen mit ge- ringerem Phosphorgehalt den Vorzug verdiene, weil die Ab- scheidung einer geringeren Menge Phosphor weniger Ar- beit und weniger Abbrand erfordere. Bei 1½ Prozent Phosphor im Roheisen betrug der Abbrand auf der Eston- hütte 17 Prozent und dieser höhere Abbrand gegenüber dem Bessemerprozess bildete anfangs den Haupteinwand gegen das Verfahren. Natürlich war ja die Zu- kunft des Thomasprozesses in erster Linie von der Kosten- frage abhängig, und hierfür Fig. 265. lagen die Verhältnisse in England weniger günstig als in Deutsch- land, indem der Preisunterschied zwischen phosphorreichem und phos- phorarmem Roheisen dort nicht so bedeutend war wie in Deutschland, welches einen grossen Reichtum an phosphorreichen Eisenerzen, be- sonders in Luxemburg und nördlich des Harzes (Ilsede), besass. Dies war der Hauptgrund, warum in England die Fortschritte des Thomas- prozesses nur gering waren, während sich derselbe in Deutschland rasch und in grossartiger Weise ausbreitete. Hierzu kam die prak- tische und theoretische Ausbildung des Prozesses durch deutsche Eisenhüttenleute. Anfang des Jahres 1879 hatten, wie erwähnt, die Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. rheinischen Stahlwerke und der Hörder Verein die Patente von Thomas erworben und im Frühjahr 1879 begannen bereits auf beiden Werken die Versuche. Zuerst setzte man am 10. April 1879 versuchs- weise einen Konverter mit Phosphoritfutter in Betrieb. Diese Art von Futter wurde aber bald verlassen, nachdem J. Massenez sich über- zeugt hatte, dass totgebrannter Dolomit die beste Grundmasse abgäbe. Am 22. September 1879 begann zu Hörde der regelmässige basische Betrieb in zwei 4-Tonnen-Konvertern mit Chargen von 3200 bis 4200 kg Näheres siehe in dem Aufsatz von Tunner in Zeitschr. des steir. und kärnt. Berg- und Hüttenvereins 1880, S. 232. . Man machte höchstens 9 bis 10 Hitzen in 12 Stunden. Das Einsatzeisen bestand aus einem Gemisch von Luxemburger, Ilseder und eigenem Roheisen zu je einem Drittel. Das Roheisen war weiss bis höchstens lichtgrau. Das Ilseder, welches den höchsten Phosphorgehalt zeigte, erwies sich für den Prozess als am geeignetsten. Hieraus schloss Massenez , dass, je phosphorreicher das Roheisen sei, desto besser. Dem Ilseder Roheisen kam aber auch ein hoher Mangangehalt zu statten, der zur Abscheidung des Schwefels beitrug und das Eisen vor Oxydation schützte. Im Durchschnitt enthielt es 3 Prozent Phosphor, 2½ bis 3 Prozent Kohlenstoff, 2 Prozent Mangan, 0,5 Prozent Silicium und 0,1 Prozent Schwefel, während das entsprechende Luxemburger Roheisen etwa 2 Prozent Phosphor, 1 Pro- zent Mangan und 1 Prozent Silicium enthielt. Das Roheisen wurde im Kupolofen gattiert und eingeschmolzen, und dadurch eine gleich- mässige Mischung erzielt. Wo ein Hochofen in der Nähe war, der ein gleichmässiges, für den Prozess geeignetes Roheisen lieferte, war es vorteilhafter, dieses direkt in den Konverter laufen zu lassen. Dies geschah zuerst 1879 zu Creuzot. Zuvor hatte man auf den vorgewärmten Boden der Birne reinen, d. h. kieselsäurefreien gebrannten Kalk mit wenig Kohle ge- bracht. Durch schwaches Blasen wurde der Zuschlag zu heller Rotglut erhitzt und dann das flüssige heisse Roheisen daraufgegossen und mit dem Blasen begonnen. Der basische Prozess verläuft abweichend von dem sauren, indem die Siliciumverbrennung rasch beendet ist, worauf die Verbrennung des Kohlenstoffs unter Aufkochen und starker Gasentwickelung beginnt. Erstere, die Feinperiode, dauert etwa zwei Minuten, während die Ent- kohlung oder die Frischperiode etwa 11 Minuten erfordert. Dann erst beginnt die Entphosphorung oder das Nachblasen, welches in etwa fünf Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Minuten beendet ist, so dass der ganze Prozess etwa 18 Minuten erfordert. Er verläuft rascher und energischer als der saure. Die erste Periode zeigt lebhafteres Funkensprühen durch ausgeworfene Kalkteilchen, die zweite heftigeres Kochen, bei der dritten erscheint ein brauner Rauch von verbrennendem Eisen, der gegen das Ende der Entphosphorung zunimmt. Das Bild des Spektrums ist nicht so deutlich wie bei dem sauren Prozess, aber doch bei einiger Übung gut zu erkennen; ins- besondere das Verschwinden der Manganlinien im grünen Feld, welches zugleich den Moment der Entkohlung und den Beginn des Nach- blasens angiebt. Um die gebildete Kieselsäure und Phosphorsäure zu binden und um das Futter zu schonen, sind nach Thomas ’ Patent vom 10. April 1879 wiederholte basische Zuschläge erforderlich, um eine starke und basische Schlacke von über 40 Prozent Kalk und Magnesia bei nur 8 bis 20 Prozent Kieselsäure zu erhalten. Den Vorgang beschreibt der Erfinder, wie folgt: „Unmittelbar bevor das Metall in die Birne einfliesst, wird eine Quantität Kalk (vorzugsweise magnesiahaltiger Kalk) oder eine Mischung von ungefähr 8 Tln. Kalk auf 1 Tl. Eisen- oxyd in die Birne geworfen. Diese Mischung kann durch Kalcinieren von Kalkstein und Erz zusammen, wie im folgenden erklärt werden wird, hergestellt werden. Dieser erste basische Zuschlag ist zweck- mässigerweise nahezu im Gewichte gleich dem doppelten Betrage von dem in der Charge enthaltenen Silicium und Phosphor. Man bläst dann 6 bis 10 Minuten oder eine erfahrungsmässig notwendige Zeit, um so viel Hitze zu geben, als für den Rest des Zuschlags genügt. — Die Birne wird nach dem ersten Blasen rasch gekippt und dann eine etwas kleinere Menge Basen (ungefähr zwei Drittel des ersten Betrages) hineingeworfen. Dieser Zuschlag besteht zweckmässigerweise aus einer Mischung von 2 bis 3 Tln. Kalk auf 1 Tl. eines kieselsäurefreien Eisen- oxydes, wie z. B. Roteisenstein. — Es ist am zweckmässigsten, diesen Zuschlag ebenfalls sehr heiss oder selbst geschmolzen in die Birne einzubringen. — Nach diesem zweiten Zusatz wird die Birne rasch aufgerichtet und mit dem Blasen fortgefahren.“ Diese ursprünglichen Vorschriften von Thomas erlitten bald durch die Erfahrungen einige Abänderungen. Zunächst erwies sich der angegebene Zusatz von Eisenoxyd als unvorteilhaft, weil derselbe von dem Kohlenstoff im Eisen aus der Schlacke reduziert und durch Kalk aus dem Futter ersetzt wird, dieses also angreift. Dolomitischer Kalk erwies sich als ein weniger geeigneter Zuschlag als reiner Kalk, welcher poröser bleibt und nicht so leicht zusammenbackt, während Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. gerade dieser Umstand den dolomitischen Kalk für das Futter ge- eigneter machte. Andere Zuschläge oder Ersatzmittel für den Kalk, welche man versuchte, haben sich nicht bewährt. Selbst der Fluss- spat, den man (z. B. in Creusot) zusetzte, um die steife Kalkschlacke flüssiger zu machen, hat sich nicht als vorteilhaft gezeigt. Zum Brennen des Kalkes verwendete man meistens gewöhnliche Schachtöfen, in denen der Kalkstein mit Steinkohlen oder Koks lagen- weise geschichtet wurde. Besser erwiesen sich aber Schachtöfen mit besonderer Rostfeuerung, wie z. B. zu Peine Siehe Wedding , a. a. O., S. 101, Fig. 38. , oder mit Gasfeuerung. Zur Erhitzung des gebrannten Kalkes vor dem Aufgeben empfahl Thomas die Benutzung der Birnenflamme. Zu Teplitz erhitzte man in demselben Ofen, in dem man das Spiegeleisen vorwärmte, auch den Kalk. Die Einführung des Kalkes in die Birne geschah meistens durch Schüttröhren, welche den Kalk vom Brennofen in den Hals der wenig geneigten Birne führten Über andere Einrichtungen siehe Wedding , a. a. O., S. 103. . Versuche, Kalk oder andere basische Zuschläge in Pulverform mit dem Winde einzublasen, welche 1881 auf der Erimushütte gemacht wurden, haben sich nicht bewährt. Über das Nachblasen , welches den dritten Patentanspruch von Thomas ausmacht, äussert er sich in dem oben angeführten Patent, wie folgt: „Nach dem zweiten Kalkzusatz wird die Birne rasch aufgerichtet und mit dem Blasen fortgefahren. Das Blasen wird aber nicht, wie jetzt beim Bessemern, unterbrochen, sobald die Flamme sinkt und die sogenannten Kohlenstofflinien des Spektrums, wie sie durch das Spektroskop gesehen werden, verschwinden, sondern man fährt damit, zuweilen selbst noch sechs Minuten lang, fort. Dies Nachblasen dauert um so länger, je phosphorhaltiger das Metall ist, und zwar so lange, bis aus dem Halse der Birne ein fortdauernder, reichlicher brauner Rauch, zugleich mit einem gut begrenzten Saume von weissem Rauch um die Flamme herum erscheint. Die Dauer des Nachblasens soll im allgemeinen ein Viertel bis ein Siebentel der Dauer des bisher üblichen Blasens betragen. Diese Zeit hängt jedoch von der Menge des ursprünglich gegenwärtigen Phosphors ab.“ Man hat vielfach versucht, die Oxydation des Phosphors statt durch den Wind durch Zusatz von Oxyden zu bewirken, das Nach- blasen also durch eine besondere Schlackenbildung zu ersetzen, und hat hierfür Eisen und Manganoxyd, Kryolith, Flussspat, Alkalien mit oder ohne alkalische Erden, Haloidsalze u. s. w. vorgeschlagen. Diese Versuche, die besonders in Hörde in gründlicher Weise vorgenommen Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. wurden, haben aber zu keinem Erfolg geführt. Helmholtz in Bochum gelang zwar die Entphosphorung auf diesem Wege, doch gingen die Chargen dann so kalt, dass sie oft nicht zu giessen waren. Thomas fährt in seiner Patentbeschreibung also fort: „Um sich zu vergewissern, ob beim Eintreten des erwähnten braunen Rauches der Phosphor nahezu entfernt ist, kann, namentlich wenn die Arbeiter noch nicht geübt sind, eine Probe Metall aus der Birne genommen und gehämmert werden. Wenn die Metallprobe hart ist, wird das Blasen fortgesetzt, so lange, bis später genommene Proben den richtigen Zeitpunkt angeben. Die Birne wird dann niedergelassen und das Spiegeleisen zugefügt. Nach dem bisher üblichen Verfahren der Leitung des Bessemer- prozesses findet, wenn die Birne nicht niedergelassen und das Blasen, sobald die Flamme sinkt und die Kohlenstofflinien verschwinden, nicht eingestellt wird, ein beträchtlicher Metallverlust statt, ohne dass der Phosphor entfernt wird. Es musste deshalb bisher die Birne sofort beim Sinken der Flamme niedergelegt werden. Ich (Thomas) fand dagegen, dass zur vollkommenen Entphosphorung eines phosphor- haltigen Roheisens das beschriebene Nachblasen von grösstem Vorteile ist, wenn das Roheisen verblasen wird unter Anwendung einer basisch ausgekleideten Birne und stark basischer Zuschläge, welche geeignet sind, eine stark erdbasische Schlacke in der beschriebenen Art und Weise zu erzeugen. Bei diesem Verfahren findet kein beachtens- werter Eisenverlust statt, da das Eisen unter den beschriebenen Um- ständen durch den Phosphor geschützt wird. Diese Erfindung ist besonders bei Verarbeitung von sehr phosphor- haltigem Roheisen anzuwenden, namentlich von solchem, welches über 0,7 Prozent Phosphor enthält.“ Ist das Nachblasen beendet, so findet, wie beim Bessemerprozess, die Reduktion des überblasenen Eisens und die Rückkohlung durch Zusatz von Spiegeleisen statt. Ehe aber dieser Zusatz erfolgt, giesst man die phosphorsäurereiche Schlacke ab, weil sonst durch den Kohlen- stoffgehalt des Spiegeleisens ein Teil der Phosphorsäure der Schlacke wieder reduziert werden würde. Wenn man das Spiegeleisen in flüssigem Zustande zusetzte, wie es beim Bessemerprozess damals allgemein üblich war, und wie es in Hörde anfangs ausgeführt wurde, so war die Reaktion eine ausserordentlich heftige, so dass öfters Teile der Charge herausgeschleudert wurden. Zweckmässiger war es deshalb, das Spiegeleisen in festem, aber glühendem Zustande einzuwerfen, worauf Thomas in seiner Patent- Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. beschreibung bereits hinwies. Auch empfahl es sich, mehr das Mangan als den Kohlenstoff als Reduktionsmittel zu verwenden und deshalb nur sehr manganreiches Spiegeleisen von mindestens 12 Prozent oder Ferromangan, das bis zu 70 Prozent Mangan enthielt, anzuwenden. Die Anwendung des Ferromangans war besonders dann vorzuziehen, wenn man, wie das bald vorherrschend wurde, auf ein möglichst weiches Produkt hinarbeitete, weil die Rückkohlung durch Ferro- mangan eine viel schwächere war. Auch konnte man die verhältnis- mässig geringe Menge Ferromangan ohne Schaden in kaltem Zustande einwerfen. Häufig wendete man Spiegeleisen und Ferromangan an und kombinierte die beiden Körper je nach der Härte bezw. Weichheit des zu erzielenden Produktes. Wenn man das Spiegeleisen in festem Zustande anwendete, so geschah der Zusatz gewöhnlich nicht in der Birne, sondern in der Giesspfanne, indem man es auf deren Boden legte und das Birnenmetall darüber goss. Ferromangan trug man dagegen meist, wie das flüssige Spiegeleisen stets, in die Birne ein. Ein noch geringeres Aufschäumen der Metallmasse erzielt man durch den Zusatz von Ferro- oder Manganosilicium an Stelle des Ferro- mangans, und dieses fand in Frankreich (zu Terre-Noire) Anwendung. Statt Ferrosilicium lässt sich auch siliciumreiches Roheisen, welches in Hochöfen dargestellt wird, verwenden. Abfalleisen wird vielfach während des Blasens in die Birne ein- geworfen, um dasselbe auf billige Weise zu verwerten. Natürlich darf dadurch die Charge nicht zu sehr abgekühlt werden. In Teplitz konnte man bei einem Einsatz von 6,5 Tonnen 400 bis 800 kg ein- werfen. Was den Gebläsewind anbetrifft, so empfahl Thomas in seinem Patent grosse Düsen von ungefähr 25 mm Durchmesser. In den meisten deutschen Werken machte man aber die Düsen nur halb so weit und vermehrte dafür ihre Anzahl. Dagegen erhöhte man all- gemein die Pressung des Windes, um den basischen Prozess ebenso rasch wie den sauren durchzuführen. Bei letzterem hatte die Pressung meist 1½ Atmosphären Überdruck, bei dem Thomasieren steigerte man denselben auf 2 Atmosphären. Dementsprechend richtete man die Gebläsemaschinen für stärkeren Druck ein Vergl. A. Riedler , Das Bessemergebläse in Heft, in der Zeitschr. des Vereins deutscher Ingenieure 1884, Nr. 1 u. 2. . Die Windmenge bestimmte man aus der Hubzahl der Gebläsemaschinen und richtete sich besonders beim Nachblasen danach. Man rechnete auf 100 kg Einsatzeisen 17 cbm Wind. Über die Bessemergebläse haben besonders Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. von Hauer, Daelen, Schlinck und Riedler (bis 1884) Berechnungen und Konstruktionen veröffentlicht Siehe Wedding, a. a. O., S. 108. . Die rasche Einführung und die Fortschritte des Thomasprozesses wurden wesentlich durch vortreffliche theoretische Unter- suchungen , welche Klarheit über den Verlauf und die Bedingungen desselben verschafften, bewirkt. Thomas selbst hatte den Vorgang bei dem basischen Verfahren vollständig richtig erkannt und in allgemeinen Zügen in seiner Patentbeschreibung geschildert. Hervor- ragende Metallurgen und Chemiker haben diese Darstellung bestätigt und im einzelnen verfolgt und näher erläutert. Chemische Untersuchungen über den Verlauf des Thomasprozesses stellten zuerst Thomas 1878 zu Bleanavon und 1879 Windsor Richards auf den Estonwerken bei Middlesborough an. Richards nahm alle drei Minuten, gegen Schluss in kürzeren Zwischenräumen, Proben der in 16,5 Minuten verlaufenden Charge und erhielt durch die chemische Analyse derselben nachfolgendes Resultat: Danach findet im Anfang des Prozesses keine Abscheidung, sondern sogar eine Erhöhung des Phosphorgehaltes durch Reduktion der Phosphorsäure des Zuschlagkalkes und der Schlacke statt. Die Verbrennung des Phosphors tritt erst nach der Verbrennung des Kohlenstoffs ein. Zu demselben Ergebnis kamen J. von Ehrenwerth Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- u. Hüttenwesen 1879, Nr. 7, 18 u. 25. im Mai 1879 und Friedr. Müller Siehe Glasers Annalen vom Oktober 1880. , der eine am 31. Dezember 1879 zu Hörde erblasene Charge in ähnlicher Weise analysierte. Pourcel stellte dagegen die irrige Behauptung auf, Phosphor und Silicium würden gleichzeitig abgeschieden. Diese Resultate sowie weitere in Hörde gemachte Beobachtungen teilte Massenez in einem Vortrage, Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. den er in Düsseldorf gelegentlich der Industrieausstellung auf der Versammlung des Iron and Steel Institute im Frühjahr 1880 hielt, mit. Das zu Hörde im Kupolofen heiss eingeschmolzene Luxemburger und Lothringer Roheisen enthielt 0,5 Prozent Silicium und 1,2 bis 1,6 Pro- zent Phosphor. Es wurden 20 Prozent Kalk zugesetzt. Schon nach zwei Minuten erschienen die ersten grünen Linien, die etwa nach 11 Minuten verschwanden. Es wurde noch zwei Minuten weiter ge- blasen, wobei dichter brauner Rauch entwich. Die Temperatur des Metallbades, die anfangs 1400° C. betragen hatte, stieg gegen Ende auf 1800° C. Das eingesetzte Roheisen wog 3400 kg, hierzu wurden gegen Schluss 40 kg Spiegeleisen und 30 kg Ferromangan nachgesetzt. Das Ausbringen betrug 2880 kg = 87 Prozent, der Kalkzusatz 700 kg. Die Analyse ergab: Die Schlacke enthielt 13,7 Prozent Kieselsäure, 9,75 Prozent Phosphorsäure und 11,6 Prozent Eisen. Die Ausscheidung der Phos- phorsäure geschieht nach von Ehrenwerth und Pourcel in der Verbindung mit Eisenoxydul als 2 FeOP 2 O 5 Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1879, Nr. 50. . 1880 veröffentlichte Kuppelwieser Daselbst 1880, S. 381. ähnliche chemische Unter- suchungen einer Charge der Thomashütte zu Witkowitz. Diesen folgten 1883 die sehr umfassenden gründlichen Analysen von Finkener Mitteilungen der königl. techn. Versuchsanstalten zu Berlin 1883, S. 28; Wedding , a. a. O., S. 139. in Berlin von Chargen der Hörder und der rheinischen Stahlwerke und in demselben Jahre die von Stead Siehe Engineering and Mining Journal 1883, S. 194; Wedding, a. a. O., S. 145; Chemical News 1883, 47, S. 159; Stahl und Eisen 1883, I, S. 263. in England. In Fig. 266 zeigen die Schaulinien das Verhalten von Silicium, Kohlenstoff, Mangan und Phosphor nach den Analysen von Finkener Aus Ledeburs Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 930. . Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Auch aus diesen erkennt man deutlich, wie die Oxydation der Bestand- teile des Eisens nach dem Grade ihrer Verwandtschaft zum Sauerstoff bei der gegebenen hohen Temperatur aufeinanderfolgen. Silicium, welches am leichtesten oxydiert, verbrennt zuerst, mit ihm bereits ein Teil des Mangans, das sich mit der gebildeten Kieselsäure verschlackt und dadurch das Eisen vor Verbrennung schützt. Erst nach der Ab- Fig. 266. scheidung des Kohlenstoffs beginnt die Oxydation des Phosphors. Der Spiegeleisenzusatz führt dann am Schluss wieder eine geringe Menge Kohlenstoff, Mangan und Silicium zu. Charakteristisch für die Schlackenbildung bei dem Thomasprozess ist, dass die Schlacke nur wenig chemisch gebundenes Eisen enthält. Das im Anfang etwa gebildete Eisensilikat wird durch den Kalk- zuschlag in Kalksilikat umgewandelt und das Eisen durch den Kohlen- stoff des Roheisens reduziert. Ebenso wird das bei der Entphosphorung gebildete Eisenphosphat durch Überschuss von Kalk in Kalkphosphat zerlegt und das Eisenoxydul entweder reduziert oder oxydiert, in welchem Falle es als Oxyduloxyd in der Schlacke gelöst bleibt. Die Schlacke muss sehr basisch sein. Kuppelwieser fand das Verhältnis des Sauerstoffs von Säure und Base der Thomasschlacke von Hörde wie 1 : 2,2, während in dem Futter das Verhältnis wie 1 : 3 war. Man rechnete, dass auf 3 Prozent Phosphor 11 Prozent Kalk erforderlich seien. Die Aufnahme der Phosphorsäure durch die Schlacke erfolgt nach Kuppelwieser erst, wenn der Zustand des Subsilikates erreicht, beziehungsweise überschritten ist. Der hohe Gehalt der Thomasschlacke an Phosphorsäure, Beck, Geschichte des Eisens. 42 Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. 1883 auf deutschen Werken 15½ bis 20 Prozent, liess dieselbe schon früh als ein wertvolles Produkt erscheinen, sowohl als phosphorhaltiger Zuschlag bei dem Hochofenbetriebe auf Thomas- roheisen als für die Landwirtschaft. Anfangs wurde sie fast aus- schliesslich in der erstgenannten Weise verwendet, ihr hoher Wert für die Landwirtschaft wurde erst nach und nach erkannt. Wir werden später hierauf zurückkommen. Nicht minder wichtig als die chemischen waren die thermo- physikalischen Untersuchungen für das Verständnis des Thomasprozesses. Wie schon erwähnt, hat J. von Ehrenwerth bereits im Jahre 1879 hierüber Licht verbreitet und eine Reihe vor- trefflicher Aufsätze über diesen Gegenstand veröffentlicht J. von Ehrenwerth in Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1879, Abhandlungen über den Thomas-Gilchristprozess 1879 und Studien über den Thomas-Gilchristprozess 1881. , deren Hauptergebnis war, dass bei dem basischen Prozess der Phosphor durch seine Verbrennung den Hauptteil der Wärme liefere und dass derselbe ausreiche, die Masse dünnflüssig zu erhalten. Allerdings ist die Wärme nicht so hoch wie die durch die Verbrennung des Sili- ciums erzeugte, denn während 1 kg Silicium zu 2,14 kg Kieselsäure unter Entwickelung von 7830 kg Wärmeeinheiten entwickelt, liefert 1 kg Phosphor bei seiner Verbrennung zu 2,29 kg Phosphorsäure nur 5760 Wärmeeinheiten. Dazu kommt, dass die grössere Schlackenmenge beim Thomasprozess auch eine grössere Menge Wärme bindet. Der basische Prozess wird deshalb in der Regel nicht so heiss verlaufen, um so weniger, je ärmer das Roheisen an Silicium und Phosphor ist. Aus diesem Grunde ist besonders ein hoher Phosphorgehalt erwünscht. Während Thomas noch 1879 der Meinung war, dass der Prozess bei einem weniger hohen Phosphorgehalt besser verlaufe, sprach sich Massenez 1880 auf Grund seiner Erfahrungen mit Luxemburger und Ilseder Eisen dahin aus, dass der Prozess um so besser und wärmer verliefe, je höher der Phosphorgehalt sei, und dass ein Gehalt von 0,75 bis 1,50 die untere Grenze bilde. Diese Ansicht bestätigte sich und blieb lange Zeit herrschend, so dass man das Roheisen hauptsächlich nach seinem Phosphorgehalt schätzte und sich bemühte, beim Hochofenbetriebe Roheisen mit möglichst hohem Phosphorgehalt zu erzeugen. Ilsede lieferte ein Eisen mit nahezu 3 Prozent Phosphor; es enthielt 1883 nach H. Spamer 2,66 Kohlenstoff, 2,94 Phosphor, 2,45 Mangan, 0,01 Silicium und 0,04 Schwefel. Um genügend heissen Stahl zu erhalten, sollte die Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Summe von Silicium und Phosphor mindestens 2,5 Prozent betragen. Wo man mit siliciumarmem Roheisen arbeitete, musste man das Eisen möglichst heiss geschmolzen in die Birne bringen, weil die Ver- brennung des Kohlenstoffs, wie schon früher erwähnt, dem Metallbade keine genügende Wärme zuführt. Je nach der Zusammensetzung des Roheisens, besonders in Bezug auf die Wärmestoffe Silicium und Phos- phor, nahm auch der Thomasprozess einen verschiedenen Verlauf. Die Eigentümlichkeiten des Thomasprozesses bedingten auch manche Änderungen in der allgemeinen Anordnung. Die rasche Zer- störung der Birnenböden und die häufige Auswechselung derselben Fig. 267. machte es notwendig, drei Birnen statt der bisherigen zwei zu ge- meinschaftlichem Betriebe zu verbinden. Zur Vorbereitung der Böden wurden eine besondere Bodenreparaturwerkstätte und geräumige Trocken- oder Brennöfen für die Böden nötig. Die verbreiteten Giess- gruben erwiesen sich, besonders wegen der schwierigen Entfernung der Schlacken, als unbequem. Man legte den Boden der Giessgrube auf die Höhe der Hüttensohle und suchte den Giessraum ganz von dem Konverterraume zu trennen, wie dies bei der Anlage der Thomas- hütte zu Peine 1881 durchgeführt wurde. Obgleich das Thomasver- fahren in Amerika wenig Anwendung fand, so war es doch der Amerikaner A. Holley , der 1880 die zweckmässigsten Vorschläge für 42* Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. die Anordnung der Thomashütten machte Vortrag in der Americ. Soc. of Mechanical Engineers vom 4. November 1880; Iron Nr. 415; Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1881, S. 93; Wedding , a. a. O., S. 165. . Er sah dabei vor, dass die ganzen Birnen ausgewechselt wurden, und stellte die Roheisen- schmelzöfen in ein besonderes Gebäude, von wo das geschmolzene Roheisen in fahrbaren Pfannen zum Schmelzraum gebracht wurde. Zweckmässiger war die Anordnung in Peine, wo man die Kupolöfen Fig. 268. ebenso wie die Kalköfen so hoch stellte, dass ihr Inhalt durch Rinnen direkt in die in einer Reihe liegenden Birnen geleitet werden konnte. Fig. 267 (a. v. S.) zeigt eine schematische Darstellung dieser An- ordnung. Hierbei wird die Giesspfanne durch eine Lokomobile (Fig. 268) nach dem Giessraum und zurück gefahren. Das Giessen der Blöcke geschieht wie bei dem Bessemern in eisernen Koquillen, Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. häufig durch aufsteigenden Strom mittelst eines Verteilungstrichters in mehrere Formen zugleich. Um Blöcke von bestimmtem Gewicht zu giessen, wurde zu Kladno eine von Moro erfundene Wiegevor- richtung (D. R. P. Nr. 10828) eingeführt. Die Koquillen und die Blöcke wurden durch hydrau- lische Blockkräne gehoben und fortbewegt. Die heissen Blöcke gelangten in Rollöfen oder in Gjerss che Durchweichungs- oder Ausgleichgruben (soaking pits), Fig. 269, welche man auch fahr- bar machen kann, wie es in Fig. 270, 271 dargestellt ist. Fig. 269. Der Thomasstahl wurde anfangs zu den gleichen Zwecken wie der Bessemerstahl verwendet, besonders also zu Schienen. Erst all- Fig. 270. Fig. 271. mählich lernte man die grossen Vorzüge des Thomasmetalls als weiches, dehnbares Metall schätzen, welches besonders geeignet war, das Schweisseisen zu ersetzen. Ausser zu Schienen wurde es anfangs zu Blech und für Drahtknüppel verarbeitet. Die Ausbreitung des Thomasprozesses in den ersten fünf Jahren Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. bietet grosses geschichtliches Interesse dar. In England, wo die Er- findung (1878) ins Leben getreten war, blieb sie lange auf die Eston- hütte bei Middlesborough, der Firma Bolckow, Vaughan \& Co. gehörig, und das Stahlwerk von Brown, Bayley \& Dixon zu Sheffield beschränkt. Zu bemerken ist nur, dass das erstgenannte Werk 1880 eine neue Anlage mit 15-Tonnen-Konvertern erbaute. Ausserhalb Englands kam das Thomasverfahren Vergl. P. v. Tunner, Bericht der österr. Kommission zum Studium der Entphosphorung, Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1880, S. 319. in Deutsch- land zur Ausführung und zwar 1879 bei dem Hörder Bergwerks- und Hütten-Verein und von Rheinischen Stahlwerken bei Ruhrort. In demselben Jahre erwarben noch de Wendel \& Co. zu Hayingen und Gebrüder Stumm zu Neunkirchen das Patent und errichteten Anlagen. In demselben Jahre 1879 gingen in Österreich-Ungarn die Prager Eisenindustrie-Gesellschaft zu Kladno, die Eisenhüttengewerk- schaft zu Witkowitz, in Frankreich Schneider \& Co. zu Le Creuzot (seit November 1879), die Stahlgesellschaft zu Longwy und de Wendel \& Co. zu Joeuf, in Belgien die Stahlwerke von Angleur bei Ougrée, zunächst meist versuchsweise, zum basischen Konverterbetrieb über. Im Jahre 1880 folgten in Deutschland die Eisenwerke Rothe Erde bei Aachen, der Bochumer Verein zu Bochum, die Maximilianshütte bei Rosenberg in Bayern, die Burbacher Hütte und von Gienanth in Kaiserslautern; in Österreich-Ungarn die Kaiser-Franz-Josephs-Hütte bei Tryinetz (Ternitz) und das Teplitzer Walzwerk, welches Roheisen von der Ilseder Hütte verblies; in England arbeiteten John Brown \& Co. und Bailey \& Dixon mit je einem basischen Konverter. In Frankreich erwarben die Werke von Denain , von St. Chaumond und Montatair, die der Nord-Ostgesellschaft, von Chatillon und Commentry das Patentrecht. 1881 wurden folgende Thomaswerke gegründet: in Deutschland das der Gutehoffnungshütte bei Oberhausen, das Peiner Walzwerk, das im September 1882 die ersten Chargen blies, das der Dortmunder Union bei Dortmund, das der Gesellschaft Phönix bei Ruhrort. In England trat die North-Eastern Steel Company, bei welcher Thomas und Gilchrist sich beteiligten, ins Leben, kam aber erst am 31. Mai 1883 in Betrieb. Ein anderes Werk errichtete die Lilleshall-Gesell- schaft bei Shifnal. In Frankreich baute die Nord-Ostbahngesellschaft ein Thomaswerk bei Valenciennes. In Belgien führte die Gesellschaft John Cockerill zu Seraing vorübergehend den basischen Betrieb ein. 1882 standen nach einem Vortrage von P. E. Gilchrist im Monat Oktober in England 9, auf dem Kontinent 25 Konverter, die Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. meisten davon in Deutschland, in Thätigkeit. Nach einer anderen Angabe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1883, S. 504. betrug die Zahl der Konverter und die Produktion im ersten Semester 1882 in In diesem Jahre waren in Grossbritannien das Werk bei Glasgow, in Luxemburg Dudlingen und in Russland das Warschauer Stahl- werk (Ostrowietz), in den Vereinigten Staaten Pottstown (Harrisburgh) hinzugekommen. 1883 betrug die Produktion von Thomasflusseisen bereits 634373 Tonnen. Ende des Jahres bestanden folgende Werke Nach Wedding, Der Thomasprozess, S. 193, nach Mitteilungen von Osann . : 1. In Deutschland . a) Ruhrbezirk . 1. Hörder Hütte 3 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 30 Tonnen Inhalt 2. Rheinische Stahlwerke 2 „ „ 6,5 „ „ 13 „ „ 3. Bochum 3 „ „ 4,5 „ „ 13,5 „ „ 4. Oberhausen 2 „ „ 6 „ „ 12 „ „ 5. Union Dortmund 2 „ „ 9,5 „ „ 19 „ „ 6. Hoesch, Dortmund (im Bau) 3 „ „ 10 „ „ 30 „ „ 7. Phönix, Laar 3 „ „ 10 „ „ 30 „ „ b) Aachener Bezirk . 8. Rothe Erde 3 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 30 Tonnen Inhalt c) Hannover . 9. Peine (Ilsede) 4 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 40 Tonnen Inhalt d) Saarbezirk . 10. Neunkirchen (Stumm) 2 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 20 Tonnen Inhalt e) Lothringen und Luxemburg . 11. Hayingen (de Wendel) 4 Birnen zu 8 Tonnen, zusammen 32 Tonnen Inhalt 12. Dudlingen 4 „ „ 10 „ „ 40 „ „ f) Oberschlesien . 13. Friedenshütte (im Bau) 3 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 30 Tonnen Inhalt 14. Königshütte 2 „ „ 10 „ „ 20 „ „ „ 1 Birne „ 7,5 „ = 7,5 „ „ Zusammen 41 Birnen mit 367 Tonnen Inhalt Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. Transport: 41 Birnen mit . . . . . . . . . . 367 Tonnen Inhalt 2. In Österreich . a) Böhmen . 1. Kladno 3 Birnen zu 5 Tonnen, zusammen 15 Tonnen Inhalt 2. Teplitz 2 „ „ 6,5 „ „ 13 „ „ b) Mähren . 3. Witkowitz 2 Birnen zu 8 Tonnen, zusammen 16 „ „ Zusammen 7 Birnen mit 44 Tonnen Inhalt 3. In Russland . Warschauer Stahlwerk . . 2 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 20 Tonnen Inhalt 4. In Belgien . 1. Angleur 2 Birnen zu 6 Tonnen, zusammen 12 Tonnen Inhalt 2. Athus 2 „ „ 10 „ „ 20 „ „ Zusammen 4 Birnen mit 32 Tonnen Inhalt 5. In Frankreich . 1. Creusot (Schneider) 2 Birnen zu 7 Tonnen, zusammen 14 Tonnen Inhalt 2. Joeuf 4 „ „ 10 „ „ 40 „ „ 3. Commentry 2 „ „ 10 „ „ 20 „ „ 4. Mont St. Martin, Longwy 3 „ „ 10 „ „ 30 „ „ 5. Valenciennes 2 „ „ 10 „ „ 20 „ „ Zusammen 13 Birnen mit 124 Tonnen Inhalt 6. In England und Schottland . 1. Eston, Middlesborough 6 Birnen zu 15 Tonnen, zusammen 90 Tonnen Inhalt 2. North-Eastern Steel- Co., Middlesborough 4 „ „ 10 „ „ 40 „ „ 3. Sellerhall-Co., Middles- borough 1 Birne „ 4 „ = 4 „ „ 4. Staffordshire Steel-Wks. 3 Birnen „ 5 „ zusammen 15 „ „ 5. Merry and Cunningham, Glengarnock 2 „ „ 9 „ „ 18 „ „ 6. Glasgow Iron-Co., Wishaw 3 „ „ 7 „ „ 21 „ „ Zusammen 19 Birnen mit 188 Tonnen Inhalt 7. In Nordamerika . Harrisburgh 2 Birnen zu 10 Tonnen, zusammen 20 Tonnen Inhalt Im ganzen 88 Birnen mit 795 Tonnen Inhalt Die Herstellungskosten des Thomaseisens sind höher als die des Bessemereisens. Wedding hat dieselbe für Ende 1883 in Deutsch- Die Kleinbessemerei. land zu 66,50 bis 67,97 für die Tonne Blöcke berechnet. Da aber Thomasroheisen wesentlich billiger ist als Bessemerroheisen, so stellt sich bei günstigen Verhältnissen der Preis des Endproduktes doch billiger als bei dem sauren Prozess. Weitere Entwickelung des Windfrischens von 1880 bis 1899. Die Kleinbessemerei . Das Bestreben, die Konverter immer grösser zu machen, welches in England und Amerika besonders hervortrat, führte zu einer Re- aktion, welche sich so gestaltete, dass sich neben dem Grossbetriebe ein Kleinbetrieb, die sogenannte Kleinbessemerei, entwickelte. Der Schnellbetrieb in den grossen Birnen erforderte höchst kost- spielige Anlagen, sowohl für den Prozess selbst, als für die Ver- arbeitung der Massenproduktion. Der Betrieb kleiner Konverter bot dagegen mancherlei Vorteile, indem er 1. eher die Verwendung bestehender Walzwerksanlagen für den Puddelofenbetrieb ermöglichte; 2. sich besser mit dem Hochofen verbinden liess, um das Roheisen zum Teil zu Flusseisen zu verblasen; 3. für die Herstellung von Stahlgusswaren geeigneter war; 4. für ab- gelegenere Werke, die schwierigen Transport und beschränkten Absatz hatten, zweckmässiger war und 5. auch eher die Erzeugung ver- schiedener Sorten für verschiedene Zwecke ermöglichte, vor allem aber, dass 6. die Anlagen und Einrichtungen weniger kostspielig waren. Aus diesen Gründen wendete man der Kleinbessemerei in den achtziger Jahren ein grosses Interesse zu, und wenn auch auf die Dauer die gehofften Erfolge ausblieben und die Überlegenheit des Grossbetriebes sich erwies, so hat sie sich doch noch an einzelnen Orten erhalten und verdient als geschichtliche Episode unsere Beachtung um so mehr, als sie in neuester Zeit für die Herstellung von Stahlguss eine wachsende Bedeutung erlangt hat. In gewissem Sinne war der Anfang des Bessemerprozesses Klein- bessemerei, denn sowohl die feststehenden Öfen in Schweden, als Bessemers erste bewegliche Birne hatten ebenso geringen Fassungs- raum wie die Öfen der Kleinbessemerei. In Schweden war man mit den feststehenden Öfen überhaupt eigentlich nicht über diesen Zustand hinausgekommen, von hier ging auch die erste Anregung für diesen Kleinbetrieb aus. 1877 erregte eine Mitteilung Aufsehen, dass es einem schwedischen Die Kleinbessemerei. Ingenieur gelungen sei, mit Sätzen von 170 kg guten Flussstahl zu erzeugen. Weitere Folgen hatte diese Veröffentlichung zunächst nicht. Seit 1879 machte man aber zu Avesta in Schweden den Ver- such, kleine Bessemerbirnen bei dem dortigen Hochofen zu betreiben. 1882 fing man an diesem Gegenstande in England Beachtung zu schenken und Versuche darüber anzustellen Hierüber berichtete zuerst Fr. W. Wallner in Köln in der Berg- u. hüttenm. Zeitung 1882, S. 259. . 1883 konstruierten Clapp und Griffith zu Nantiglo in Südwales einen feststehenden Konverter, der Aufsehen erregte und den Anstoss für die Klein- bessemerei gab. Er arbeitete mit niedrigem Winddruck von 0,35 bis 0,40 kg pro Quadratcentimeter. Die Düsen lagen 203 bis 228 mm über dem Boden; die Windventile waren mit automatischer Bewegung versehen; die Chargen wogen 1 bis 3 Tonnen. Diese Öfen erregten allgemeine Aufmerksamkeit namentlich in den Vereinigten Staaten. In Deutschland machte 1883 H. Haedike den Vorschlag, das Frischen direkt in der Giesspfanne mittelst eines von ihm erfundenen hohlen Frischkolbens mit Düsenröhren vorzunehmen. Denselben Vorschlag machte im folgenden Jahre A. Davy in England, der durch seinen Frischkolben jeden Giessereibesitzer in den Stand setzen wollte, be- liebige Mengen Flussstahl in der Giesspfanne zu machen. Sein Apparat kostete 11900 Mark. 1883 konstruierte J. Reese in England einen fahrbaren Kon- verter, um ihn direkt zum Hochofen zu fahren. 1884 wurden bereits Clapp-Griffithöfen zu Pittsburg und Troy in Nordamerika eingeführt. Fig. 272 stellt einen amerikanischen Clapp-Griffith- Konverter dar. Die Düsen dieser Öfen waren nicht nach der Mitte gerichtet und mit Stöpsel verschlossen, das Schlacken- loch lag in halber Höhe. In diesem Jahre veröffentlichte J. von Ehrenwerth in Leoben einen Bericht über den Betrieb in sehr kleinen Bessemerbirnen zu Avesta in Schweden Österreich. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1884; Berg- u. Hüttenm. Zeitung 1884, Taf. VI, Fig. 13. . Diese hatten 1 m im Durchmesser und 1,3 bis 1,4 m Höhe. Die Chargen wogen meistens 352 bis 510 kg und das Ver- blasen einer solchen dauerte 15 Minuten, dabei hatte der Wind 1,04 kg Pressung pro Quadratcentimeter. In 24 Stunden wurden 23 bis 30 Chargen verarbeitet. Nach je acht Hitzen fand ein Auswechseln der Birne zur Ein- setzung eines neuen Bodens statt; dies verursachte nur einen geringen Die Kleinbessemerei. Aufenthalt. Jeder der beiden Hochöfen in Avesta hatte seinen eigenen Konverter, dessen Kosten sich auf 10200 Mark beliefen. Am Schlusse einer Hitze wurden 0,8 Prozent Ferromangan mit 70 Prozent Mangan zugesetzt. Das flüssige Metall wurde direkt aus der Birne zu einem oder zwei Blöcken vergossen. Das Produkt war ein weicher, sehniger Stahl von 0,20 bis 0,25 Prozent Kohlenstoffgehalt. Man war mit dem Fig. 272. ökonomischen Ergebnis damals zufrieden. — J. Macco in Siegen empfahl ebenfalls stationäre Öfen ähnlich den alten schwedischen für den Kleinbetrieb. 1884 machte Chapuis den Vorschlag, das Roheisen in einem Konverter vorzufrischen und dann in einem rotierenden Puddelofen, ähnlich dem Danksofen, fertig zu frischen. Die Kleinbessemerei. In demselben Jahre wurde das Clapp-Griffithverfahren auch in Deutschland und zwar auf dem Remys chen Blechwalzwerk Rassel- stein bei Bendorf eingeführt. An dem Konverter war ein Schlackenloch in solcher Höhe angebracht, dass die Schlacke, sobald die Masse hoch- ging, austreten konnte und so bereits grossenteils entfernt war, wenn das Metall abgestochen wurde. Die drei Winddüsen waren seitlich, in geringem Abstande über dem Herdboden angebracht. Sie waren mit Pfropfen versehen, die von einer kleinen centralen Öffnung durchbohrt waren (Differentialkolben). Zu Ende des Blasens wurden die Düsen mit diesen Stopfen geschlossen und dadurch der Wind bis auf einen dünnen Strahl, der aber hinreichte, zu verhindern, dass dies Metall in die Düsen trat, abgestellt. Die Pressung betrug höchstenfalls 8 Pfund, gewöhnlich nur 4 bis 4½ Pfund. In acht Stunden wurden 12 bis 15 Chargen geblasen. Die Anlage von zwei Konvertern hatte eine tägliche Leistungsfähigkeit von 100 Tonnen Flusseisen. Man verarbeitete Siegener Roheisen mit 0,1 Prozent Phosphor- und ca. 6 Prozent Mangangehalt in Chargen von 1806 kg. Das Flusseisen wurde für Bleche verwendet. Um diese Zeit (1883/84) führten Walrand und Delattre zu Stenay einen schwebenden, um eine horizontale Achse mit der Hand beweglichen Konverter, der den Wind von den Seiten aus in grösserer Höhe über dem Boden erhielt, ein. Ähnliche Öfen hatten Durfee und Laureau konstruiert. Ihre Winddüsen waren geneigt und so angebracht, dass sie beim Neigen der Birne frei wurden. Seit 1884 erlangten die Clapp-Griffithöfen in den Vereinigten Staaten, wo J. P. Witherow das Patent erworben hatte, weshalb sie dort oft als Witherowöfen bezeichnet wurden, grössere Ver- breitung. Oliver Brothers \& Philipps in Pittsburg, Pa., bliesen am 25. März 1884 einen solchen feststehenden Konverter für 2 Tonnen Einsatz an, in dem sie bis 1885 21647 Tonnen Flusseisen erzeugten. Das Roheisen wurde in einem Sturtevant-Kupolofen eingeschmolzen, in Pfannen abgestochen, gewogen und dann in feststehende Konverter gegossen. Diese hingen in eisernen Gerüsten und hatten abnehm- bare Böden, die durch Elevatoren gesenkt werden konnten. 1885 gab es bereits acht Werke in der Union, auf denen Clapp-Griffith- öfen eingeführt waren. Vielfach hatte man dieselben mit den Hoch- öfen verbunden, besonders da, wo genügende Wasserkraft vorhanden war. Hainsworth in Pittsburg stellte seinen kleinen Konverter auf Räder. Solche Hütten konnten dann statt Roheisens gleich Fluss- Die Kleinbessemerei. eisen liefern. In Österreich hatte Hupfeld zu Prävali mit einem Clapp-Griffithkonverter Erfolg. Obgleich der Abbrand bei dem Klein- betrieb um 4 bis 5 Prozent grösser war, so bewährte er sich doch unter besonderen lokalen Verhältnissen als vorteilhaft und war nament- lich geeignet, ein weiches Produkt zu erzeugen. Roheisen mit dem- selben Kohlenstoffgehalt gab beim Kleinbetriebe ein weicheres Fluss- eisen als beim Grossbetriebe. Es tauchten eine Anzahl neuer Konstruktionen nach dem Prinzip der Clapp-Griffithöfen auf, die sich hauptsächlich durch die Wind- führung und den Düsenverschluss unterschieden, so die von Wittnhöft , von Hatton und von Witherow, bei denen am Ende des Blasens der Hauptwindhahn abgestellt, ein kleiner Nebenhahn geöffnet und der Gang des Gebläses verlangsamt wurde. Lambertz gab den Windkanälen eine schiefe Stellung, E. Thomson nahm flache Düsen. A. Trappen schlug vor, die Birne unmittelbar an den Ausleger des Kranes zu befestigen, so dass sie auf der einen Seite vor den Abstich des Schmelzofens gebracht und gefüllt, auf der anderen Seite das Flusseisen ausgegossen werden konnte. Walrand und Delattre führten bei ihren kleinen, beweglichen Birnen auch den basischen Betrieb ein und kombinierten denselben zu Stenay und besonders zu Hollerich in Luxemburg mit dem sauren Verfahren. Sie erbliesen aus phosphorreichem Luxemburger Roheisen in einem sauren Konverter ein Produkt, das 2,10 Prozent Phosphor ent- hielt, und das sie dann in einem basischen Konverter entphosphorten. Die Anlage erforderte zwei Kupolöfen und zwei Birnen. Es wurden 1500 kg Roheisen im Kupolofen eingeschmolzen, in den sauren Kon- verter abgestochen und bei 35 bis 40 cm Druck erst 8 Minuten geblasen, dann begann bei hellem Funken- und Flammenschein die Koch- periode. Nach weiteren fünf Minuten wurde die Masse in eine Umguss- pfanne entleert und aus dieser in den mit 100 kg Kalk beschickten Magnesiakonverter gegossen. Nach vier Minuten Blasen war die Masse entphosphort. Diesen Betrieb nannten die Erfinder procédé de transversement. Dem entphosphorten Produkte wurden in der Giesspfanne 12 Prozent Ferromangan zugesetzt und das Metall dann in kleine Koquillen ausgegossen. Die ganze Operation dauerte 22 Minuten; der Abbrand betrug 18 bis 19 Prozent; das Produkt war sehr weich. Die Anlagekosten eines Werkes von 20 bis 30 Tonnen Erzeugung den Tag betrug ca. 80000 Mark. In Frankreich erwies sich auf den Hütten von Stenay und Frai- sant nur der saure Prozess als vorteilhaft. Die Kleinbessemerei. Franz Horn in Duisburg machte 1886 den Vorschlag, die Birne direkt in einem Gerüst aufzuhängen, das als Wage diente, um sogleich die Chargen abzuwiegen. In den Vereinigten Staaten wurden die Clapp-Griffithöfen seit 1883 mit Erfolg weiter betrieben, 1886 waren sie auf neun Werken eingeführt, am 15. Februar standen sechs, am 1. Juli 10 Öfen im Betriebe. Eine der vollkommensten Anlagen war die der Glasgow-Eisen- gesellschaft zu Pottstown, Pa., welche 100 bis 150 Tonnen täglich erzeugte. Das Produkt war gut walz- und schweissbar, weich und gleichmässig. Der Clapp-Griffithkonverter der Anlage der Nail Com- pany zu Belleville bei St. Louis hatte 1143 mm Durchmesser. Der Wind trat durch sechs 230 mm über dem Boden befindlichen Düsen von zusammen 38 mm Durchmesser mit einem Überdruck von 0,6 Atmosphären ein. Jede Charge lieferte 1800 kg, bei Zusatz von 1,25 Prozent Ferromangan und ca. 86 Prozent Ausbringen. Der Ab- brand schwankte von 12 bis 15 Prozent. Man machte 34 Hitzen in der Stunde und erhielt 80 bis 100 Tonnen den Tag. In Avesta in Schweden war man 1887 zu der Überzeugung ge- langt, dass die kleinen Chargen unvorteilhaft seien, und erhöhte dieselben auf 1020 kg. In Frankreich gab sich Direktor Robert zu Stenay grosse Mühe mit dem Kleinbetrieb in den Öfen von Walrand-Delattre . Dort waren 1887 vier Öfen im Betriebe. Robert änderte den kreisförmigen Querschnitt der Birne in einen halbkreisförmigen, Fig. 273, um, die Düsen brachte er, wie beim Clapp-Griffithkonverter, seitlich an und zwar alle in der flachen Vorderwand. Durch Schrägstellung der Birne kann man den Wind mehr oder weniger tief unter der Ober- fläche des Metalles einführen. Dabei hatten die Düsen eine schiefe Stellung zur Mittelachse, wodurch die Metallmasse beim Blasen in Drehbewegung versetzt werden sollte. Den regelmässigen basischen Betrieb führte man erst 1886 in Stenay ein. Das Futter bestand wie bei den Thomasbirnen aus Dolomit und Teer. Der Einsatz be- trug 800 bis 1100 kg., die Pressung ⅓ bis ½ Atmosphäre Überdruck, die Blasezeit acht bis zehn Minuten. Vor dem Ausgiessen wurde 1 Prozent Ferromangan zugesetzt. Ein Dolomitfutter hielt 80 bis 90 Güsse aus. Mit zwei Konvertern konnte man bequem zwei Güsse in einer Stunde machen. Der Stahl war heiss und geeignet für Stahl- gusswaren. Der Abbrand soll nur 10 Prozent betragen haben. Die ganze Anlage mit zwei Birnen kostete 59730 Mark. — Bookwalter in Springfield, Ohio, erwarb Roberts Patent für Amerika und Die Kleinbessemerei. führte diese Birnen auf mehreren Stahlwerken der Vereinigten Staaten ein. Tropenas, Ingenieur zu Stenay, nahm 1891 ein Patent auf einen Konverter mit seitlich, teils unter, teils über der Oberfläche des Metallbades mündenden Düsen, der sich im übrigen von dem Robert- konverter kaum unterscheidet. Er hat aber eine ziemliche Ver- Fig. 273. breitung gefunden Stahl und Eisen 1898, S. 183. . Auf ähnlichem Prinzip beruhen die neueren Konverter von Sherk und Rutter und von E. Cambier . Um auch die Clapp-Griffithöfen zur Entphosphorung verwenden zu können, schlug M. H. Koppmeyer in Wien 1888 vor, sie mit basischen Herdöfen zu kombinieren. In den Vereinigten Staaten er- höhte man den Einsatz der Clapp-Griffithkonverter von 2 auf 3 Tonnen. Danach konnte man kaum mehr von Kleinbessemerei sprechen. Ein grosser Konverter von etwa 10 Tonnen Inhalt arbeitete aber immer vortheilhafter als eine entsprechende Anzahl kleiner. Infolgedessen kamen auch die Clapp-Griffithkonverter in den neunziger Jahren Die Kleinbessemerei. wieder mehr in Abgang, um so mehr, da sich die Hoffnung, die Hoch- öfen könnten ihr Eisen leichter in Form von Flusseisen als von Roheisen verwerten, nicht bewährte. Die Stahlwerke machten an die Stahlblöcke zu hohe und zu verschiedenartige Ansprüche je nach ihrer Fabrikation, und da den Hochofenwerken die Fühlung mit jener fehlte, so waren die Abnehmer selten befriedigt. Besser bewährten sich die kleinen beweglichen Konverter für den Stahlguss. Diese fanden denn auch in den Vereinigten Staaten Eingang, wo man 1891 auf sieben Werken 11 Robertkonverter zählte. Auch in Ungarn, wo man 1886 Clapp-Griffithöfen zu Bikas (Bujakowa) und Altsohl eingeführt hatte, kamen 1891 Walrandkonverter in Auf- nahme. Damals unterschied man folgende Kleinbessemeröfen: I. Konverter zum Auswechseln (Davy, Horn, Trappen) . II. Konverter nicht zum Auswechseln . A. Drehbar: a) mit Düsen unten ( Avesta ), b) mit Düsen von der Seite ( Walrand-Delattre, Robert, Durfee, Laureau, Tropenas, Sherk-Rutter, Cambier ), c) mit Düsen innen ( Bessemer ). B. Feststehend: a) mit bleibenden Böden, die Düsen über dem Boden ( Clapp- Griffith, Wittnhöft, Rasselstein, Allender-Hunyad ), b) mit auswechselbarem Boden ( Durfee, Witherow, Altsohl ). Der Abbrand stellt sich bei der Kleinbessemerei durchschnittlich um 4 bis 5 Proc. höher als bei dem Grossbetrieb. Folgende Zahlen geben den prozentualen Abbrand bei den verschiedenen Methoden an: Konverter Prozent Feststehender schwedischer 12 bis 15 Avesta 12,6 Clapp-Griffith 12 bis 15 Davy 10 „ 12 Hatton 13 „ 14 Walrand (älterer) 16 Witherow 13 Robert 15 Rasselstein 20 Bujakowa 10 Altsohl 15 Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. Ein Nachteil des Kleinbetriebes ist ferner, dass die Chargen leicht kalt gehen. Man muss das Eisen heiss in die Birne bringen und wenn nötig die Masse gegen Ende des Prozesses noch durch Zusatz von Ferrosilicium aufwärmen. Dies schlugen Walrand und Le- génisel für ihren verbesserten kleinen Konverter 1893 vor. O. Vogel giebt an, dass er dies schon drei Jahre zuvor in Neusohl in Ungarn eingeführt habe. Walrand und Legénisel sind bei ihrem neuen Konverter 1891 (D. R. P. Nr. 60950) wieder zu den kleinsten Dimensionen zurück- gekehrt und empfehlen Birnen mit nur 250 kg Einsatz. Hierbei ist aber der Zusatz von Heizkörpern zur Erhitzung des Flusseisens un- bedingt erforderlich und zwar bei saurem Betrieb Siliciumeisen, bei basischem Betrieb Phosphoreisen, welche Körper kurz vor oder nach dem Verschwinden der Kohlenstoffflamme zugesetzt werden. Bei dem Tropenask onverter, wovon 1898 bereits eine Anzahl in Frankreich, England, Russland und Österreich besonders für Stahlguss betrieben wurde, wird der Gebläsewind durch mehrere horizontal angeordnete Düsen nicht durch das Bad, sondern auf das Bad geleitet. Die Düsen sind auf einer Seite in divergierender Stellung angeordnet. Über der unteren Düsenreihe befindet sich eine zweite, welche nach Bedarf Luft zur Verbrennung des gebildeten Kohlenoxydes zuführt, um die Temperatur, die natürlich nicht so hoch wird wie bei dem Durchblasen, zu erhöhen. Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881 . Wenden wir uns nun wieder dem Grossbetriebe zu und be- trachten wir kurz die Fortschritte bei dem sauren und bei dem basischen Verfahren seit 1881. Das Bessemern mit saurem Futter erfuhr durch die Ein- führung des Thomasprozesses mancherlei Anregung und Verbesse- rungen, um so mehr, als letzterer sich für viele Werke als ein Wett- bewerb fühlbar machte. Die Bessemerwerke suchten durch billige Massenerzeugung dieser Konkurrenz zu begegnen. Dies geschah besonders durch Schnellbetrieb und Ersparnis an Arbeitskraft durch maschinelle Einrichtungen. Während man früher nur 12 Chargen am Tage verblasen hatte, waren um 1882 24 bis 36 Chargen die Regel, ja man hatte schon bei besonderer Anstrengung 50 bis 60 erzielt. Beck, Geschichte des Eisens. 43 Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. Mit dem Maschinenbetrieb gingen die Stahlwerke in den Ver- einigten Staaten von Amerika am entschiedensten vor und ihre Ein- richtungen wurden vielfach mustergültig. Als ein solches Musterwerk galt 1881 das nach den Plänen von A. L. Holley unter Mitwirkung des Betriebsleiters John Fritz neu errichtete Bessemerstahlwerk zu Bethlehem in Pennsylvanien Siehe Engineering v. 28. Okt. 1881; Stahl und Eisen 1882, S. 54; Ker- pely, Fortschritte des Eisenhüttenwesens, S. 273 u. Taf. X, Fig. 3 bis 7. . Bei keiner Anlage waren bis dahin die Vorteile des maschinellen Transportes aller Roh-, Zwischen- und Fertigprodukte so ausgenutzt wie hier. Gerade darin lag aber der Hauptgrund der überlegenen Leistung der amerikanischen Bessemer- werke. Jede Birne hatte dabei ihre besondere Giesspfanne mit Giess- kran, zwei Blockkränen und drei Kränen für den Transport der Blöcke. Die Birnen waren auf Säulen montiert; überall war hydrau- lische Bewegung angewendet. Zum Umschmelzen des Roheisens dienten grosse Kupolöfen von 2300 mm Schachtdurchmesser. Die Weite zwischen den Düsen betrug 1820 mm. Das Spiegeleisen wurde ebenfalls in Kupolöfen von 770 mm Schachtweite und 500 mm zwischen den Düsen, welche mit vier Formen von 100 mm Öffnung versehen waren, geschmolzen. Sämmtliche Pfannen wurden in einem besonderen Heizraum mit Gasfeuerung vorgewärmt. Die allgemeine Benutzung des Wasserdruckes zur Bewegung der Birnen, Kräne u. s. w., welche ebenfalls von Bessemer zuerst ein- geführt worden war, gehört zu den wichtigsten Verbesserungen bei der Flussstahlfabrikation, ferner die allgemeine Anwendung der von Holley zuerst angegebenen Losböden und die Einführung der von John Gjers 1882 erfundenen Ausgleichgruben (soaking-pits, Engl. Pat. 1882, Nr. 3545; D. R. P. Nr. 21712), durch welche ein Teil der Hitze der Blöcke für die Weiterverarbeitung nutzbar gemacht wurde. Alle diese Verbesserungen haben wir schon bei dem Thomasver- fahren erwähnt. Überhaupt lassen sich die mechanischen Verbesse- rungen bei dem pneumatischen Betriebe für den sauren oder den basischen Prozess nicht scheiden, sie kamen beiden zu gut. Dies gilt für alle im folgenden aufgeführten Vorschläge und Erfindungen, wo dies nicht besonders erwähnt wird. Um das flüssige Eisen von Hochöfen, die von dem Flussstahlwerk entfernt lagen, herzuschaffen, konstruierte man fahrbare Giesspfannen mit Dampfbetrieb. Solche führte Snelus 1880 auf den West-Cumber- landwerken ein. Zu Ebbw Vale in Südwales fuhr man 1885 das Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. flüssige Eisen von Sirhowy nach dem Stahlwerk 9,6 km weit. Auch von den Hochöfen der Hütte selbst wurde das flüssige Eisen 1,6 km gefahren, die Giesspfanne war mit einer Lokomotive verbunden, die auf einer Schienenbahn lief. Auf der Erimushütte bei Middlesborough, wo man 1881 die Danks- ofenanlage in ein Thomaswerk umgebaut hatte, benutzte man die Bessemerflamme, um den Gebläsewind für den Prozess selbst zu er- hitzen. Man erzielte eine Temperatur von 232° C. und eine Kohlen- ersparnis von angeblich 25 Prozent. Caspersson in Schweden veröffentlichte 1882 wichtige Unter- suchungen über den Einfluss der Birnentemperatur auf die Beschaffen- heit der Stahlblöcke, besonders auf Blasenbildung und Nachsaugen Stahl und Eisen 1883, S. 71. . Sehr wesentlich war die Anfangstemperatur, der Hitzegrad, mit der das flüssige Roheisen in den Ofen oder die Birne gelangte. Da man in Schweden mit siliciumarmem Roheisen arbeitete, dessen Siliciumgehalt höchstens 1 Prozent betrug, so musste die Charge eine hohe Anfangstemperatur haben. In Schweden gelangte das Roheisen direkt aus dem Hochofen in die Birne, und der Betrieb dieser musste also dementsprechend geführt werden. Das Kochen trat infolge des niedrigen Siliciumgehaltes rasch ein, die ganze Blase- zeit dauerte in der Regel nur sieben bis zehn Minuten. Der Pro- zess wurde im richtigen Moment der Entkohlung unterbrochen, wofür das Aussehen der Flamme massgebend war. Eine Rückkohlung fand in der Regel nicht statt R. Åkermann , „Über das Bessemern in Schweden“ in Stahl und Eisen 1893, S. 920. . Für den Schnellbetrieb, wie er in Amerika geführt wurde, empfahl es sich, den Konverter- und den Giessraum zu trennen und die Giess- pfanne, welche alle in einer Reihe aufgestellten Konverter bestrich, aus dem heissen Konverterraum heraus in einen besonderen Giess- raum zu fahren. Diese Anordnung traf man 1882/83 bei den Thomas- hütten zu Hörde und zu Peine sowie 1884 bei dem neuen Stahl- werk zu Königshütte in Oberschlesien. In England sprach sich Stead 1883 für diese Einrichtung aus. Sie wurde eingeführt in dem Bessemerwerk Ougrée in Belgien und den meisten neueren amerika- nischen Werken. Zur besseren Mischung des Spiegeleisens oder Ferromangans mit dem Flusseisen konstruierte Allen 1881 einen mechanischen Rührer, 43* Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. einer Schiffsschraube ähnlich, was übrigens Bessemer schon früher vorgeschlagen hatte. Solche Rührer kamen damals in Anwendung auf den Werken von Bessemer in Sheffield und zu Donawitz in Steiermark. C. Stöckmann in Ruhrort wollte Strontianit zur basischen Aus- füllung verwenden. Die von P. Kuppelwieser 1881/82 auf der neuen Bessemerhütte zu Witkowitz eingeführten Konverter liessen sich nach zwei Seiten neigen. W. M. Henderson zu Stockton in den Vereinigten Staaten mon- tierte 1882 die Birne, um sie leichter auswechseln zu können, auf Laufräder. Ferner liess er den Wind durch den hohlen Tragring streichen, um ihn vorzuwärmen (D. R. P. Nr. 19635). In ähnlicher Weise konstruierte 1883 J. Reese einen fahrbaren Konverter, um damit direkt zum Hochofen zu fahren. S. G. Thomas gab 1883 eine verbesserte Kippvorrichtung an, wobei das Drehen der Birne durch eine Kippscheibe geschah (D. R. P. Nr. 22014). Bolkow, Vaughan \& Co . fertigten 1883 die Tragringe ihrer grossen 15-Tonnen-Konverter aus Gussstahl, weil Schmiedeeisen dafür nicht mehr genügte. Gjers konstruierte 1881 fahrbare Durchweichungsgruben, die zuerst zu Darlington angewendet wurden. In Nordamerika erfand A. W. Hainsworth 1881 Durchweichungsgruben, die den Gjerss chen ähnlich waren; er verband dieselben noch mit einer Regenerativ- feuerung. Auch Jac. Reese in Pittsburg liess sich 1883 eine fahrbare Durchweichungsgrube patentieren. Seit September 1883 wurden in den Scranton-Stahlwerken mit Hülfe Gjerss cher Gruben vierfache Vignoles-Schienen von 120 Fuss Länge in einer Hitze ausgewalzt. Zur Abkühlung zu heisser Chargen bliesen 1883 W. R. Jones Am. Pat. Nr. 287687 v. 30. Okt. 1883. in den Edgar-Thomas-Werken und 1884 Walker in dem South- Chicago-Walzwerk Dampf in den Konverter. J. Gjers liess sich 1884 ein Verfahren patentieren, wonach er, sobald das Blasen beendigt war, Generatorgas, ein Gemisch von Kohlenoxydgas und Stickstoff durch die geschmolzene Masse hindurch- blies. Das Kohlenoxydgas sollte alles durch das Überblasen ent- standene, oxydierte Eisen reduzieren, also wie der Kohlenstoff im Spiegeleisenzusatz wirken und diesen überflüssig machen (Engl. Pat. 1884, Nr. 6484). Gjers führte dieses Verfahren in Ayrsome (Schott- land) ein. Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. T. Williamson verband 1884 den Konverter mit einer Regene- rativfeuerung. Nachdem er eine Zeit lang wie gewöhnlich Wind durch das Eisen geblasen, senkte er den Konverter und liess die heissen Regeneratorgase über das Metallbad streichen (Engl. Pat. 1884, Nr. 6082; D. R. P. Nr. 31236). Schon im Jahre 1882 hatte sich J. Reese in den Vereinigten Staaten den „Duplexprozess“ patentieren lassen, der darin bestand dass Roheisen zuerst in einer Bessemerbirne entsiliziert und entkohlt, alsdann in einem Flammofen oder offenen Herde mit basischem Futter entphosphort wurde. Dies Verfahren, welches indes keines- wegs neu war, indem es schon seit Jahren in Neuberg in Steiermark angewendet worden war Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 626; vergl. auch Delafond , Der basische Prozess in Creuzot, Annales des Mines 1882, I, p. 366. , stand längere Zeit der Einführung des Thomasprozesses in Amerika im Wege. Ein ganz ähnliches Verfahren, Entkieselung und Entkohlung im Konverter und Entphosphorung im Martinofen empfahl, T. Valton 1884 Siehe Genie civil 1884. . Statt der Entphosphorung im Martinofen wurde von anderer Seite der Krupps che Apparat (S. 580) in Vorschlag gebracht. Zu Longwy wendete man (1887) die Kombination mit dem Martinofen an, um blasenfreien Guss zu bekommen. Das Harmets che Verfahren, d. h. die Entkieselung in einer sauren und die Entphosphorung in einer basischen Birne führte 1885 Paul Kuppelwieser mit Erfolg in Witkowitz ein. Carlsson zu Ulfshytta (1886) unterbrach das Blasen beim Beginne der Kohlenstoffverbrennung, goss einen bestimmten Teil der Charge als „Reduktionsmetall“ aus, blies dann zu Ende, setzte Ferromangan und so viel von dem Reduktionsmetall, als der ge- wünschten Stahlsorte entsprach, zu. Er konnte hierdurch aus dem- selben Roheisen Flusseisen von beliebigem Härtegrad herstellen. Inzwischen hatte man besonders auf den nordamerikanischen Stahlwerken eine noch höhere Leistung der Konverter erreicht. Nach J. von Ehrenwerth Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1881, S. 253. wurden auf der Cambriahütte in zwei 8-Tonnen- Konvertern bei regelmässigem Betrieb in sechs Arbeitstagen bei 551 Chargen 4069,818 Tonnen oder im Jahre 20349,099 Tonnen erblasen. Ähnliche Produktionsziffern erreichte man in England, während die vier alpinen Bessemerhütten in Österreich, Zeltweg, Heft, Prâvali Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. und Neuberg zusammen nur 3/11 der obigen Erzeugung der Cambria- hütte lieferten. Welchen raschen Siegeslauf der Thomasprozess in Deutschland nahm, erhellt aus folgenden Zahlen: Eine sehr wichtige Erfindung war die von J. H. Darby in Brymbo in England 1888 vorgeschlagene Rückkohlung mittels Kohle Stahl und Eisen 1890, S. 920; daselbst 1894, S. 465. . Da- nach sollte die Reinigung und Nachkohlung des fertig geblasenen Flusseisens einfach durch eine Filtrierung durch Holzkohlen in einem mit feuerfestem Thon ausgekleideten Cylinder erfolgen. Später ver- wendete er gemahlenen Graphit, den er durch eine Röhre gleichzeitig mit dem in die Giesspfanne ausfliessenden Strahl des Flussmetalles in Berührung brachte. Er machte seine Versuche mit Martinstahl. Der Phönixhütte bei Ruhrort und ihrem Direktor A. Thielen gebührt das Verdienst, Darbys Erfindung für den Konverterprozess praktisch ausgebildet zu haben Siehe Wedding in Stahl und Eisen 1894, S. 468. . 1889 nahm die Gesellschaft Phönix ihr erstes Patent (D. R. P. Nr. 47215) auf „Kohlung von Eisen, darin bestehend, dass das geschmolzene Metall aus der Giesspfanne durch die in einem Kessel enthaltene Schicht von Kohlenstoff in eine zweite Giesspfanne filtriert wird“. Als geeignetes und billigstes Kohlungsmittel erwies sich Koks- pulver. Statt des Kessels nahm man später einen trichterförmigen Eisenblechbehälter mit durchlöchertem Boden, in welchen regelbare Mengen Kohlungsmaterial gleichzeitig mit dem flüssigen Eisen zu- geführt wurden (D. R. P. Nr. 51353). Hierbei ergab es sich, dass man den Trichter oder Kessel ganz entbehren konnte, wenn man nur das erforderliche Kohlungsmaterial dem fliessenden Eisen so zu- führte, dass es sich mit demselben vermischte; dies konnte ohne ein- geschaltetes Gefäss in der Giesspfanne oder selbst in der Gussform geschehen. Hierauf erwarb die Gesellschaft ihr drittes Patent (D. R. P. Nr. 53784) für eine Abänderung ihres Verfahrens, darin bestehend, „dass behufs Erzielung einer gleichartigen Zusammensetzung der ge- Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. kohlten Blöcke das geschmolzene Metall mit dem zerkleinerten, in gleichbleibenden Mengen zugeführten Kohlenstoff vor dem Eintritt in die Gussform oder während desselben vereinigt wird“. Die Zu- führung des getrockneten Kokspulvers geschah durch ein an der oberen Bühne pendelnd aufgehängtes Rohr mit Trichter und Ent- leerungsschieber Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 925. . Andere Eisenhütten modifizierten das Darbys che Entkohlungs- verfahren wieder in anderer Weise und erwarben Patentschutz für ihre Verbesserungen. Von diesen hat das Düdelinger Kohlungsver- fahren von Direktor J. Meier von 1894 (D. R. P. Nr. 74819) die meiste Anwendung gefunden Zeitschr. f. angew. Chemie 1894, S. 357; Stahl und Eisen 1894, S. 473. . Es besteht zunächst in der Herstellung von Kohlenziegeln aus reinen Anthrazitkohlen oder Kokspulver, welche mit Kalkmilch eingebunden werden. Diese Kohlenziegel werden alsdann in entsprechender Menge auf den Boden der Giesspfanne gelegt und das flüssige Metall darauf gegossen. Ein späteres Patent (Nr. 80340) sieht die Anwendung des Kohlungsmittels in Pulverform und das Ein- tragen desselben in die Guss- oder Blockform vor. Dieses Verfahren wurde auf verschiedenen anderen Werken, wie bei de Wendel zu Hayingen und Joeuf, zu Ougrée, Creuzot u. s. w., mit Erfolg eingeführt. In Oberhausen warf man das in Blechbüchsen eingeschlossene Kohlenpulver direkt in die Birne. Damit sie besser in das Bad ein- tauchten, beschwerte man die mit 10 kg Kokspulver gefüllten Büchsen noch mit je 8 kg zerkleinertem Spiegeleisen. Die Kohlung in der Birne hat sich aber weniger bewährt als die in der Giesspfanne. In Österreich brachte man einfach Holzkohlenpulver auf den Boden der Pfanne. In Amerika warf man Säcke mit 22 kg Kokspulver in das Stahlbad. Es tritt sofort eine heftige Reaktion, aber kein Überkochen ein. Erfahrungsmässig wurde von dem verwendeten Kohlenstoff nur etwa die Hälfte von dem Flusseisen aufgenommen. Andere, zum Teil ältere Vorschläge, wie der 1885 von W. Mathe- sius in Hörde gemachte, Teer, Petroleum oder ähnliche Stoffe vor beginnender Entphosphorung in den Konverter einzublasen, ferner die 1888 von Jos. Toussaint vorgeschlagene Reinigung des Fluss- eisens durch Fett und die von Alf. Griffith empfohlene durch den elektrischen Strom haben eine praktische Bedeutung nicht erlangt. Dagegen will man in den Vereinigten Staaten 1889 durch Einblasen von Naturgas eine Reinigung des Flusseisens erzielt haben. Der grosse Wert des Darbys chen Kohlungsverfahrens ist einer- Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. seits ein ökonomischer, andererseits ein technischer, weil hierdurch die Kohlung ohne gleichzeitige Zuführung von Mangan geschieht, was öfters sehr erwünscht ist. Eine andere an und für sich höchst einfache, aber in ihren Folgen für den Konverterprozess sehr wichtige Erfindung war die des Mischers . Wo man das Roheisen unmittelbar dem Hochofen entnahm, war man gezwungen, das Roheisen zu verarbeiten, wie es gerade fiel. Da aber auch bei sorgfältigster Führung des Hochofen- betriebes das erzeugte Produkt nicht immer das gleiche ist, so hatte auch der Konverterbetrieb unter diesen Schwankungen zu leiden. Standen nun, wie dies auf grösseren Hüttenwerken meistens der Fall war, die Abstiche mehrerer Hochöfen zur Verfügung, so konnte man diese entsprechend mischen, wie dies beim Umschmelzen im Kupol- ofen durch die Gattierung geschah. Diese Mischung für jede einzelne Charge in der Roheisenpfanne vorzunehmen, hatte aber sein Miss- liches. Viel vollkommener musste dies geschehen, wenn man die ganzen Abstiche der Hochöfen in einem grossen Sammelgefässe ver- einigte, mischte und daraus in den Konverter abstach. Dieses Gefäss ist der Mischer. Eines solchen Apparates bediente man sich zuerst, seit 1884, auf den Consettwerken von Carnegie Brothers \& Co . bei Pittsburg. Der erste Mischer war von Kapitän W. R. Jones entworfen und ausgeführt worden. 1889 liess sich John Thomas King in Liverpool einen Apparat zum Mischen verschiedener Roheisensorten in England patentieren. 1889 führte Kapitän W. R. Jones den ersten, Fig. 274 abgebildeten, Robinson-Mischer von 80 Tonnen Fassungsraum in die Hochofen- anlage der Edgar Thomson-Werke in Braddock bei Pittsburg ein Stahl und Eisen 1890, S. 26. . Seit dieser Zeit gewannen die Mischer mehr und mehr Verbreitung und erfuhr nur die Gestalt des Sammelgefässes eine geringe Ver- änderung, indem man die Ecken abrundete, wodurch das ganze Gefäss mehr die Form eines riesigen Konverters in geneigter Stellung erhielt. Solche Mischer wurden ausgeführt von J. Thom- son King in Liverpool (Engl. Pat. vom 4. Juni 1889), von der Youngstown Steel Co., von dem Hörder Verein und danach von Oberhausen und von der Société Cockerill in Seraing. Allen und Davy liessen sich 1894 einen heizbaren Mischer (Engl. Pat. Nr. 15875/93) patentieren. Der Mischer verlangt, wie aus der Ab- Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. bildung hervorgeht, zwei Schienengeleise in verschiedener Höhenlage; auf dem einen wird das Roheisen vom Hochofen zugefahren, auf dem anderen wird das Eisen aus dem Mischer nach dem Konverter ge- bracht. Die betreffenden Pfannen werden mit Lokomotiven fort- bewegt. Man entleert den Mischer nie vollständig, sondern sucht ihn immer möglichst gefüllt zu halten. Der Mischer bietet zumeist den Vorteil, dass man die Abstiche verschiedener Hochöfen mischen kann, um dadurch einen bestimmten mittleren Siliciumgehalt für den sauren oder einen entsprechenden Phosphorgehalt für den basischen Prozess zu erhalten. Sodann giebt Fig. 274. der Mischer Gelegenheit, durch Zusatz gewisser Eisensorten oder anderer Substanzen eine Reinigung des Mischeisens herbeizuführen. Dies hat zu dem richtigen Verfahren der Entschwefelung des Roh- eisens durch Mangan (D. R. P. Nr. 54976) geführt, welches seit 1890 zu Hörde, nachdem der Verein Carnegies Mischerpatent für Deutsch- land erworben hatte, in grossem Massstabe betrieben wurde und um welches sich Direktor Massenez das Hauptverdienst erworben hat. Die Erfahrung, dass Mangan am meisten zur Abscheidung des Schwefels aus dem Roheisen geeignet ist, war längst bekannt (s. S. 18) und wurde beim Hochofenbetrieb in ausgedehntem Masse angewendet, indem man durch Zusatz von manganhaltigen Erzen ein schwefelfreies Roheisen zu erzeugen suchte. Dazu sind aber grosse Mengen manganreicher Erze, die hoch im Preise stehen, erforderlich. Ökonomisch vorteil- hafter wird es deshalb in den meisten Fällen sein, die Beschickung Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. des Hochofens nach der Natur der Erze, ohne besondere Rücksicht auf die Entschwefelung, einzurichten und dann das schwefelhaltige Roheisen im Mischer durch Zusatz von Mangan oder einem mangan- reichen Eisen zu entschwefeln. Mischt man in dieser Weise schwefel- haltiges Roheisen mit manganreichem und lässt das Gemisch 20 Minuten oder länger stehen, so wird der grösste Teil des Schwefels als schwefel- und manganreiche Schlacke an der Oberfläche ab- geschieden, von wo sie leicht abgezogen werden kann. Hochofen- werke, die für den Bessemer- oder Thomasbetrieb mit Mischer arbeiten, werden also ihren Betrieb so einrichten, dass sie in einem Hochofen manganreiches Eisen erblasen, während sie alle übrigen auf gewöhnliches Roheisen gehen lassen. So geschieht es z. B. in Hayingen für den Thomasbetrieb, und man kann die Wirkung des Mischens auf den Schwefel aus folgender Zusammenstellung erkennen: wobei I die durchschnittliche Zusammensetzung des dem Mischer zu- geführten, II die des demselben entnommenen Materials zeigt Stahl und Eisen 1893, S. 626. . Die Schlacke enthielt 14,11 Prozent Schwefelmangan Journ. of the Iron and Steel Institute I, p. 112. . Bei schwefelreicherem Roheisen ist die Entschwefelung noch viel auffallender. Ledebur Ledebur , Handbuch 1894, S. 633. stellt drei Beispiele zusammen, wobei der Schwefelgehalt bei I von 0,137 auf 0,038, bei II von 0,111 auf 0,040, bei III von 0,163 auf 0,06 Prozent sank. Der Mischer bewährte sich nicht nur für die Verwendung von Roheisen direkt vom Hochofen, sondern auch für den Kupolofen- betrieb, so z. B. 1894 auf den Werken der North-Eastern Steel Company in England. In den Vereinigten Staaten gab man den Mischern sehr grosse Dimensionen, so vergrösserte man z. B. ihre Fassung auf den Consett-Works 1895 von 200 auf 600 Tonnen. Meist gab man dem Mischer die Gestalt eines grossen Konverters, Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. doch machte man ihn auch walzenförmig, wie z. B. der in Fig. 275 abgebildete von Friedenshütte in Schlesien. Fig. 275. In neuester Zeit macht man in Amerika die Mischer heizbar und von muldenförmiger Gestalt, Fig. 276, 277 (a. f. S.). In den Vereinigten Staaten von Nordamerika wurde der Schnell- betrieb immer mehr entwickelt. Man arbeitete auf viele Chargen in Fig. 276. kurzer Zeit bei möglichst kaltem Eisen, d. h. bei einem Roheisen mit geringem Silicium- und Mangangehalt. Die Eigenwärme der Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. Charge bei Beginn des Blasens musste um so höher sein. Die Birnen und Pfannen blieben dabei heiss. Man erzielte 1890 auf diese Weise 7 Chargen zu 10 Tonnen in einer Stunde, oder 61 Chargen zu 5 Tonnen in acht Stunden, woraus sich eine Chargendauer von ca. acht Minuten ergiebt. Auf den Edgar-Thomson-Werken wurden z. B. im September 1890 in der Nachtschicht bei 81 Chargen 870 Tonnen Stahl gemacht. Ebenso wurde der mechanische Betrieb namentlich Fig. 277. durch vorzügliche Einrichtungen zur Bewegung der Rohmaterialien immer mehr ausgebildet. Law, Howe und Ward in Chicago nahmen 1889 ein Patent (Nr. 405422) auf Bessemeranlagen mit ausschliess- lich mechanischem Betriebe. Henry M. Howe von Boston charak- terisierte bei dem Meeting des Iron and Steel Institutes in New York am 2. Oktober 1890 den Bessemerbetrieb der Vereinigten Staaten wie folgt: Grosse Produktion, geringer Siliciumgehalt des Roheisens (selten über 1,78 Prozent, zuweilen nur 0,6 bis 0,9 Prozent), infolgedessen niedrige Anfangstemperatur. Die grosse Produktion wird erzielt durch starkes Blasen, rasche Chargen, kurze Pausen. Eins bedingt das andere. Kurze Chargen verlangen niedrigen Silicium- gehalt und rasches Blasen. Dieses erfordert wieder starke Maschinen und strenge Organisation. Heute übertrifft das Durchschnittsausbringen bei weitem das beste Einzelausbringen von 1876. Der geringe Silicium- gehalt ist ökonomisch vorteilhaft, es braucht weniger im Konverter verbrannt zu werden, infolgedessen ist der Verbrauch an feuerfesten Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. Materialien geringer. Koks ist ein billigeres Heizmaterial als das Silicium im Eisen, deshalb lieber ein siliciumarmes Roheisen im Kupolofen recht heiss eingeschmolzen, als erst durch Überschuss von Silicium grosse Hitze in der Birne erzeugt. Dabei ist aber ein Über- hitzen im Kupolofen bei dem raschen Blasen nicht nötig. Der übliche Winddruck ist 1,41 bis 1,76 kg bei 12,9 bis 25,8 qcm Fläche der Düsenquerschnitte auf die Tonne Eisen. In Schweden verarbeitete man ebenfalls Roheisen mit geringem Siliciumgehalt, höchstens bis 1 Proz., möglichst heiss, meist direkt aus dem Hochofen. 1898 machte J. Wiborgh darauf aufmerksam, dass man die fehlende Eigenwärme des siliciumarmen Roheisens durch Blasen mit heissem Wind (400 bis 500° C.) ersetzen könnte Jernkontours Annalen 1898, Heft V. . Pszczolka will dies durch grösseren Druck im Konverter, den er durch Verengen der Birnenmündung erzielt, erreichen A. a. O. 1900, S. 281. . Die Verbesserung der Giesspfannenwagen war um so wichtiger, je grösser die Einsätze wurden, je grössere Massen flüssigen Metalles man darin zu transportieren hatte, und je grösser die Güsse wurden. Man baute nicht nur grosse dampfhydraulische, sondern auch elektrische Giesspfannenwagen; so lieferte z. B. 1899 die Maschinenbau-Aktien- gesellschaft Tiegler zu Meiderich solche für 20000 kg Inhalt Stahl und Eisen 1900, S. 643. , zu deren Bedienung nur ein Mann erforderlich war. Beim Guss der Blöcke hat man die Erfindung von Sir Jos. Witworth , des Giessens unter Druck mit Hülfe eines hydraulischen Kolbens zur Erzeugung dichter Güsse, durch andere Mittel zu er- setzen gesucht. H. R. Jones schlug 1879 Wasserdampf als Druck- mittel vor; Tholander 1882 die Herstellung eines Vakuums in der Form; J. D. Ellis in Bethlehem versah seine Koquillen mit einem Aufsatzstück; F. Alfr. Krupp endlich führte feste Kohlensäure in die geschlossene Gussform ein. R. M. Daelen empfahl für den Guss kleiner dichter Blöcke die Verwendung der Centrifugalkraft Daselbst 1893, S. 242. . Ferdinand Kapfl hatte sich 1889 in Österreich-Ungarn eine mechanische Vorrichtung zur Erzeugung blasenfreier Blöcke paten- tieren lassen, die darauf beruhte, dass die Stahlmasse während des Erstarrens Erschütterungen ausgesetzt wurde, ähnlich wie bei den Setzsieben für die Erzaufbereitung. Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. Zum Loslösen der in den Koquillen festsitzenden Blöcke hatte William B. Jones zu Braddock 1888 eine Maschine erfunden, die in ihrem Hauptteil aus einem horizontalen, hydraulischen Kolben bestand. C. Haudry-Bonfosse in Seraing wollte das Festsitzen der Blöcke durch eine eigens konstruierte Koquille vermeiden (D. R. P. Nr. 47112). Eine andere Vorrichtung zum Ausstossen der Blöcke durch Wasserdruck liess sich John T. Lewis in Turtle Creek (Pa.) 1893 patentieren (Amer. Pat. Nr. 480432) Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 213. ; desgleichen konstruierte Henry Aiken in Pittsburg einen hydraulischen Blockausstosser (Amer. Pat. Nr. 526094/5) Siehe a. a. O. 1895, S. 543. , einen eben solchen Evans 1899 Siehe a. a. O. 1900, S. 241. . Riley stellt die Blockformen umgekehrt auf, so dass das weite Ende nach oben kommt, und hebt die Blöcke aus, anstatt dass sonst die Koquillen abgehoben werden. Die Formen können dann immer an ihrem Platze stehen bleiben, wodurch weniger Zeit verloren geht. Damit die Zange die Blöcke besser fassen kann, werden zwei rinnenförmige Vertiefungen durch Kerneinlagen gebildet. Verbesserte Blockzangen liessen sich J. F. Lundahl in Home- stead (Pa.) 1894 (Amer. Pat. Nr. 510037) A. a. O. 1894, S. 645. , Bayley und Roberts in Stockton on Tees (D. R. P. Nr. 84933), C. W. Bolzinger in Mun- hall, Pa., 1896 (Amer. Pat. Nr. 542985) A. a. O. 1897, S. 593. patentieren. A. G. Dinkey in Munhall erfand einen hydraulischen Blockkran (Amer. Pat. Nr. 542997) A. a. O. 1897, S. 593. . Ein elektrischer Blockkran von Morgan war schon 1894 patentiert worden (Amer. Pat. Nr. 520798 und 522913) A. a. O. 1895, S. 253. . Sehr wichtig für die Fortschritte des Konverterprozesses waren die Verbesserungen der hydraulischen Kräne namentlich bezüglich rascher Bewegung auf- und abwärts und zum Drehen. Eine grosse Beschleunigung des Betriebes und dadurch Erhöhung der Leistung wurde durch das direkte Giessen der Blöcke auf Wagen, welches in Amerika um 1897 aufkam, herbeigeführt. Eine Verbesserung der Qualität des Flusseisens bezweckte 1890 Leop. Pszczolka in Graz dadurch, dass er das überblasene Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. Metall vor dem Zusatz der Entkohlungsmittel mit kieselsäurereichen Substanzen (Schlacke, Glas, Quarz, Feldspat) in einer Pfanne oder einem anderen passenden Gefäss mischte und etwa eine Stunde lang stehen liess, wodurch sich die gebildeten Oxyde grossenteils ver- schlackten. Der Zusatz von Kohlungsmittel war dann entsprechend geringer (D. R. P. Nr. 52848). Alle die angeführten Verbesserungen und Verbesserungsvorschläge beziehen sich auf den Konverterprozess im allgemeinen, dagegen sind für den basischen Prozess , der von Jahr zu Jahr eine grössere Wichtigkeit erlangte, eine Reihe von besonderen Erfindungen zur Verbesserung desselben seit 1885 zu erwähnen. Sie beziehen sich zunächst auf die basische Ausfütterung. Gressler in Düsseldorf empfahl 1885 die Herstellung basischer Ziegel aus Magnesiasulfat, statt aus Chlormagnesium. Einen ähnlichen Vorschlag hatte G. Eschellmann in Mannheim (D. R. P. Nr. 17058) schon 1881 gemacht. W. F. Batho in Westminster wollte dem basischen Futter durch Draht, Bohrspäne und Blechschnitzel einen grösseren Halt geben. In Österreich verwendete man vielfach gebrannten Kalk statt Dolomit zur Herstellung der basischen Konverterfutter, so z. B. zu Teplitz und Kladno. E. Bertrand zu Kladno nahm ein Patent auf Herstellung basischer Ziegel für Birnenfutter, das 1890 von der Pottstown Iron Company zu Pottstown, Pa., erworben wurde Siehe D. C. Bischof in Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenwesen 1893, Nr. 3. . Sehr gut bewährten sich Futter aus gebranntem Magnesit vom Veitsch- thal in Steiermark. Dieser besteht in natürlichem Zustande aus 90 bis 96 Prozent kohlensaurer Magnesia, 0,5 bis 2 Prozent kohlen- saurem Kalk, 3 bis 6 Prozent kohlensaurem Eisenoxydul, 0 bis 1 Pro- zent Kieselsäure und bis 0,5 Prozent Manganoxyd. Der Magnesit lässt sich leichter vollständig totbrennen als der Dolomit. Der stei- rische Magnesit frittet dabei vollständig zusammen Eng. and Min. Journ. 1890, vol. 50, no. 11. . Die gefrittete Masse wird gemahlen und dann zu Ziegel geformt. Ausser dem Magnesit von Veitsch und dem von Euböa kam in Oberschlesien solcher von Frankenstein und in Schweden der bei Christiania gefundene zur Anwendung. Die Magnesitfutter sind den Dolomitfuttern vorzuziehen Siehe Wedding , Stahl und Eisen 1893, S. 279. , aber teurer. Vygen \& Co . zu Duisburg verarbeiten mit Erfolg den aus Abfalllaugen von Stassfurt hergestellten Magnesit. Natürlich muss Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. dem reinen Magnesit eine geringe Menge eines Sinterungsmittels, Kieselsäure, Thon oder Chlorcalcium zugesetzt werden. Der gebrannte Dolomit oder Magnesit wird entweder in Ziegelform verwendet, wobei man an einigen Orten nur den unteren Teil der Birne, soweit der- selbe mit flüssigem Metall in Berührung kam, aus basischem Material herstellte, den oberen Teil, die Haube, dagegen mit gewöhnlichen feuerfesten Chamotteziegeln ausmauerte, oder die Masse wird, meist mit Thon gemischt, aufgestampft. Das Aufstampfen des Bodens erfolgte auf eisernen Platten mit Löchern, in welchen die Düsenkerne eingesetzt waren. Der Teerzusatz bei Dolomitziegeln betrug etwa 12 Prozent. Das Aufstampfen des Bodens geschah mit rotwarmen Stösseln. Dabei kam das mechanische Stampfen mehr und mehr in Aufnahme. Bruno Versen in Dortmund konstruierte hierfür 1885 (verbessert 1891) einen Lufthammer D. R. P. Nr. 30634 und 56181. Beschreibung und Abbildung in Stahl und Eisen 1892, S. 1089. , der 500 bis 600 Schläge in der Minute machte. Er kam auf der Gutehoffnungshütte zu Ober- hausen zuerst zur Anwendung. In Peine hielt 1890 ein Boden 28 Hitzen, ein Futter 162 Hitzen aus; man machte 28 Hitzen in 12 Stunden. Dem basischen Konverter gab man grösseren Fassungsraum. In den Vereinigten Staaten bildeten 1888 schon 12- bis 15-Tonnen-Birnen die Regel. Diese bestanden nach Holleys Angabe aus vier Teilen, die folgende Abmessungen hatten: 1. das cylindrische Mittelstück aus Blech 2,5 m hoch und 2,2 m Durchmesser im Lichten, 2. der konische Oberteil, 2,18 m hoch mit 1,25 m Rüsselweite, 3. der einem Kegel- stutz ähnliche Unterteil von 0,62 m Höhe; 4. der Windkasten von Stahlguss, 0,35 m hoch und 1,6 m im Durchmesser, Gesamthöhe dem- nach 5,6 m, bei 2,2 m lichter Weite. Zur Ausfütterung wurde ge- brannter Dolomit mit 12 Prozent Teer verwendet, welche Mischung mit rotwarmen Stösseln aufgestampft wurde, während der in einem besonderen Raume getrocknete Boden mit einer hydraulischen Vorrichtung eingesetzt wurde. Eine solche Birne wog etwa 100 Tonnen. In Deutschland, Belgien und Frankreich waren zu Anfang der neunziger Jahre 10-Tonnen-Konverter am häufigsten. Der durch- schnittliche Gehalt von Phosphor, Silicium und Mangan auf einigen bekannten Thomaswerken von Westdeutschland und Belgien zeigt nachfolgende Zusammenstellung. Es enthielt das Thomasroheisen: Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. Der Kalkzuschlag betrug meist 17 bis 20 Prozent, bei phosphor- armem Roheisen 12 bis 14 Prozent. Französische Werke setzten, um die Schlacke flüssiger zu machen, noch 1,5 Prozent Flussspat zu. Das Nachblasen geschah meist nach einer festgesetzten Hubzahl der Gebläsemaschine. Die Bestimmung der Nachblasezeit ist die wichtigste, aber auch schwierigste Aufgabe des Leiters des Thomasprozesses. Der richtige Moment der Entphosphorung giebt sich durch ein sicht- bares, äusseres Merkmal nicht zu erkennen, er wird durch Schöpfproben, zu deren Entnahme das Blasen unterbrochen werden muss, festgesetzt. Die sicherste Grundlage für die Kontrolle der Nachblasezeit bildet die chemische Analyse. Roheisen, Zwischenprodukt und Endprodukt müssen analytisch geprüft werden. Dies hat man in Deutschland längst erkannt und gethan und hierin liegt ein Hauptgrund der Über- legenheit des deutschen Thomasbetriebes und der gleichmässigen Güte des deutschen Thomaseisens, während man in England, wo man dies früher vernachlässigte, bis in die letzten Jahre über die Un- zuverlässigkeit und Ungleichheit des Thomaseisens zu klagen hatte. Die Versuche, die Blasezeit aus dem Eisengehalte der Schlacke zu bestimmen Stahl und Eisen 1896, S. 50 u. 125. , haben sich auf die Dauer nicht bewährt. Es findet nach wie vor ein Überblasen statt, dessen üble Folgen durch Rück- kohlung beseitigt werden müssen. Zur Rückkohlung wendete man für grösseren Kohlenstoffgehalt Spiegeleisen, für kleineren Ferromangan an. Im allgemeinen arbeitete man bei dem Thomasprozess mehr auf kohlenarmes, weiches Material. Von den im Jahre 1885 erzeugten 945317 Tonnen Thomasflusseisen hatten 600183 Tonnen unter 0,18 Prozent Kohlenstoff. Auf den nordfranzösischen Thomaswerken unterschied man 1888 10 Härte- grade, nur zu Longwy 9. Als sehr wichtig erwies sich die richtige Temperatur des Bades, da davon die Qualität des Produktes abhängt. Die richtige Temperatur ist auch das wichtigste Mittel zur Erzielung Beck, Geschichte des Eisens. 44 Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. blasenfreier Güsse. Hierfür ist ausserdem längeres Stehenlassen des Metalles von Nutzen. Das Thomasroheisen entwickelt nicht die gleiche Wärmemenge wie das Bessemereisen, weil 1 kg Silicium bei der Verbrennung nach Troost und Hautefeuille 7830, 1 kg Phosphor nach Dulong Siehe Poggendorffs Annalen, Bd. 45, S. 461. Troost und Silliman fanden nur 5745, Thomsen 5767 Kal. nur 5760 Wärmeeinheiten entwickelt. Für Mangan ermittelte Thom- son die Verbrennungswärme von 1 kg Mangan, das zu Manganoxyd verbrennt, zu 2115 Kal. Danach berechnet sich der kalorimetrische Wert von normalen Bessemer- und Thomaseinheiten von folgender Zusammensetzung: bei vollkommener Verbrennung aller Nebenbestandteile auf 325,75 : 243,60 Kal. Der Abbrand beim Thomasieren setzt sich zusammen aus den abgeschiedenen fremden Bestandteilen, dem oxydierten Eisen und dem mechanischen Auswurf aus der Birne. Ersterer ist abhängig von der Zusammensetzung des Roheisens; Eisen verbrennt beim Nachblasen, seine Menge ist also durch die Nachblasezeit und diese durch den Phosphorgehalt beeinflusst; der Auswurf aus der Birne lässt sich durch Grösse und Gestalt derselben vermindern. Die Schlacke wurde in der Regel vor dem Eintragen des Spiegel- eisens oder des Ferromangans abgelassen. In Hörde goss man die phosphorreiche Schlacke, die nach Scheiblers Verfahren verarbeitet wurde, erst für sich ab, später dann nach dem Aufgeben des letzten Zuschlagkalkes die phosphorärmere, welche man wieder in dem Hoch- ofen mit durchschmolz. Der Verlauf des Thomasprozesses, wie ihn Hilgenstock Stahl und Eisen 1886, S. 525. in Hörde 1886 durch Analysen feststellte, ergiebt sich aus den nach- Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. folgenden Zusammensetzungen des Eisens in den verschiedenen Stadien: Im allgemeinen gilt der Grundsatz, dass Thomasroheisen nicht unter 1,8 Prozent Phosphor und 1,5 Prozent Mangan und das erblasene Produkt nicht über 0,1 Prozent Phosphor enthalten soll. Hierbei erfolgt die Oxydation und Abscheidung des Phosphors als dreibasisches phosphorsaures Eisenoxydul, welches durch Ätzkalk in Kalkphosphat übergeführt wird und zwar muss sich zuletzt das durch metallisches Eisen nicht mehr zersetzbare vierbasische Kalkphosphat bilden. Gebildetes Eisenoxydul wird wieder reduciert; bei Gegenwart von 0,3 bis 0,5 Prozent Phosphor geht keine nennenswerte Menge von Eisen in die Schlacke. Hilgenstock sagt: es ist eine der gross- artigsten Reaktionen der Praxis, dass in Massen von 10 Tonnen Roh- eisen der Gehalt an Phosphor und Behandlung von etwa 3 Tonnen Schlacken auf wenige Zehntel in wenigen Minuten heruntergeht, ohne in der Schlacke mehr als einige Prozent Eisenoxydul bestehen zu lassen. Hilgenstock fand deutliche Krystalle von vierbasisch- phosphorsaurem Kalk in der Thomasschlacke. Er legte denselben grosse Wichtigkeit bei und erklärte dies vierbasische Kalkphosphat für den Träger des Thomasprozesses. Finkener nahm dagegen an, dass sich erst dreibasischer phosphorsaurer Kalk bilde, der dann durch Berührung mit einem Überschuss von Kalk vierbasisch werde. Der hohe Gehalt der Thomasschlacke an Phosphorsäure von 10 bis 20 Pro- zent regte bald nach der Einführung des basischen Prozesses die Frage der Verwendbarkeit derselben für die Landwirtschaft an. Anfangs glaubte man dies nur durch chemische Behandlung der Schlacke, Aufschliessen und Überführung der Phosphorsäure in wasser- lösliches Superphosphat erreichen zu können, weil die ersten Ver- suche, die gepulverte Rohschlacke als Düngemittel zu verwenden, an- geblich wegen des Gehaltes an Eisen- und Manganoxydul und an 44* Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. Schwefelverbindungen, keine günstigen Resultate ergeben hatten. Als Aufschliessungsmittel für die Thomasschlacke bewährte sich Salz- säure am besten. Thomas und Gilchrist empfahlen schon 1881 (D. R. P. Nr. 13554) Aufschliessen mit Salzsäure, Fällen als phosphor- sauren Kalk, und Verschmelzen dieses Niederschlages mit Gipspulver zur Verwendung als Düngestoff. Georg Rocour empfahl 1883 redu- cierendes Schmelzen der Schlacke mit Eisen in einem Schachtofen und Behandlung des angereicherten Lechs von Phosphoreisen. Eine grössere praktische Bedeutung erlangte seit 1883 das Verfahren von Professor C. Scheibler (D. R. P. Nr. 25020 und Nr. 34416), welches in Hörde ausgeführt wurde. Er verarbeitete nur die phosphorreichste Schlacke, welche durch ein fraktioniertes Verfahren, d. h. durch Ab- giessen vor dem letzten Kalkzusatz und vor Beendigung der Ent- phosphorung, erhalten wurde. Diese Schlacke wird dann einer oxy- dierenden Röstung unterworfen und hierauf der Einwirkung von Wasserdampf ausgesetzt, wodurch sie unter Bildung von Kalkhydrat zerfällt. Letzteres wird mit Wasser abgeschlämmt und dann die Phosphorsäure mit verdünnter Salzsäure gelöst. Aus dieser Lösung wird die Phosphorsäure mit Kalkmilch ausgefällt. Das Kalkphosphat kann direkt als Dünger verwendet oder zuvor durch Schwefelsäure in Superphosphat übergeführt werden. Diese Phosphatfabrikation kam zu Schalke in Westfalen und zu Stolberg zur Ausführung. Das Scheiblers che Verfahren ist aber nicht nur wegen der Gewinnung phosphorreicher Düngemittel aus Thomasschlacke von besonderem Interesse, sondern es ist auch unter gewissen Umständen als eine Verbesserung des Thomasprozesses anzusehen. Durch das Abgiessen der phosphorsäurereichen Schlacke vor Beendigung des Nachblasens wird der Kalkzuschlag auf etwa zwei Drittel verringert. Damit steht in Verbindung eine Verminderung des Abbrandes und die Möglichkeit grösserer Einsätze. Hierdurch und durch Verringerung der Blasezeit wird auch der Zeitverlust, der durch die Unterbrechung des Betriebes beim Abgiessen der ersten Schlacke entsteht, wenigstens zum Teil wieder eingebracht Vergl. Stahl und Eisen 1894, S. 1097. . Dr. Frank , Charlottenburg, bewirkte die Aufschliessung der Thomasschlacke durch Chlormagnesium, um phosphorsaure Ammoniak- Magnesia als Schlussprodukt zu erhalten (D. R. P. Nr. 27106). Blum zu Esch wollte die Phosphorsäure in wasserlösliches, ba- sisches Natronsalz verwandeln, durch Zusatz von calcinierter Soda Fortschritte des Bessemer- und Thomasprozesses seit 1881. anstatt Kalk beim Thomasprozess. Schüchtermann (1884) be- handelt die gepulverte, mit Chlorcalcium gemischte Schlacke mit glühendem Wasserdampf, wodurch Kalkphosphat gebildet wird. Inzwischen waren die Versuche der direkten Verwendung der Thomasschlacke als Düngemittel fortgesetzt worden und hatte man durch sehr feines Mahlen derselben günstige Resultate erzielt. Besonders war dies 1885 Hoyersmann zu Hoheneggelsen bei Peine gelungen. In der Folge beuteten besonders H. und E. Albert in Biebrich dieses Verfahren aus. Pieper und Wagner wiesen durch Versuche nach, dass Thomas- schlackenmehl das Superphosphat schon im ersten Jahre, sicher aber in seiner Nachwirkung ersetzen könne, besonders bei kalkarmem Sand- und Lehmboden. Seitdem kam die Verwendung der gemahlenen Thomasschlacke als Düngemittel bei der Landwirtschaft in immer allgemeinere Auf- nahme. Die Mahlmühlen wurden verbessert, besonders 1886 durch die Hartgusswalzen mit nachgiebigen Walzenstühlen von Nagel und Kamp in Hamburg und 1889 durch die Kugelmühlen von Gebr. Sachsenberg zu Rosslau an der Elbe, von Gruson in Buckau, von Löhnert in Bromberg und von Jenisch . Ein Preis von 10000 Mark, den Gebr. Stumm zu Neunkirchen 1889 für das beste Verfahren des staubfreien Mahlens der Thomas- schlacke ausgesetzt hatten, wurde zwischen G. F. Zimmer in London und Gebr. Sachsenberg geteilt. Ferner wurden verbesserte Staub- filter erfunden z. B. von Fr. Pelzer in Dortmund, R. Schäffer in Kassel, Fr. Hausloh in Hamburg und anderen. Dr. Fleischer gab ein Normalsieb an zur Bestimmung des Gehaltes an Feinmehl. Den Thomaswerken erwuchs durch die wachsende Nachfrage und die steigenden Preise für ihre Schlacken ein beträchtlicher Neben- gewinn. Nach Prof. Märcker in Halle Stahl und Eisen 1895, S. 290. produciert Deutschland (1895) 12 bis 15 Millionen Zentner Thomasphosphatmehl jährlich Kitson gab schon 1888 den Gesamtverbrauch auf 600000 Tonnen an. . Die durchschnittliche Zusammensetzung giebt er zu 17,5 Phosphorsäure, 48,5 Kalk, 5,0 Magnesia, 8,0 Kieselsäure und 15,2 Eisenoxyd an. Um die Anwendung und Wertbestimmung der Thomasschlacke als Dünge- mittel hat sich Professor Wagner in Darmstadt grosse Verdienste erworben. Auf seinen Vorschlag hin wurde seit dem 1. Juli 1895 die Citratlöslichkeit als Wertmesser des Thomasphosphatmehles neben dem gesamten Phosphatsäuregehalt in Deutschland eingeführt. Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Welchen grossartigen Umfang die Thomasstahlerzeugung von 1879 bis 1892 angenommen hat, ist aus der S. 309 mitgeteilten Zu- sammenstellung von Percy G. Gilchrist Stahl und Eisen 1893, Nr. 11, S. 453 und 1897, S. 352. ersichtlich. Aus dieser Übersicht erhellt auch, welchen hervorragenden Anteil Deutschland an der Entwickelung des Thomasprozesses ge- nommen hat, dessen Produktion 1892 fast 63 Prozent der Gesamt- erzeugung der Welt betrug. 1896 war die Erzeugung von Thomasflusseisen in Deutschland bereits auf 3004615 Tonnen gestiegen. Betrachtet man die neuesten Fortschritte des Bessemerns, ob sauer oder basisch, so bewegten sie sich vornehmlich in der Vervoll- kommnung der Betriebseinrichtungen zur Erzielung grösserer Lei- stungen. Dies wirkte wieder zurück auf die Apparate und benutzt man gegenwärtig bereits Birnen von 50 Tonnen Fassungsraum. Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870 . Auf die Entwickelung der Flussstahlbereitung in Flammöfen oder des Martinverfahrens (Siemens-Martin- oder Open-Hearth-Prozess) hat die Erfindung von Thomas und Gilchrist ebenfalls einen grossen Einfluss ausgeübt. In den siebziger Jahren kannte man nur das Schmelzen auf saurem Herde, das Martinieren. Hierfür konnte, wie bei dem Besse- mern, nur phosphor- und schwefelfreies Eisen verwendet werden, weil bei dem Prozess Schwefel wenig, Phosphor gar nicht abgeschieden wurde. Dies beschränkte und verteuerte diese Fabrikation. Infolge- dessen entwickelte sie sich in diesem Jahrzehnt weit langsamer als in dem folgenden nach Einführung des basischen Verfahrens. Leider ist die Statistik hierüber lückenhaft. Nur für England, die Ver- einigten Staaten, Österreich-Ungarn und Schweden liegen Angaben über die jährliche Erzeugung von Flammofenflusseisen oder Martin- stahl vor. Die anderen Länder, namentlich auch Deutschland, ent- behren einer Statistik der verschiedenen Flusseisen- und Stahlsorten in früherer Zeit gänzlich. Nachfolgende Zusammenstellung zeigt die Zunahme der Martin- stahlerzeugung in den erstgenannten Ländern von 1870 bis 1879 in Kilotonnen. Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Wir ersehen aus vorstehenden Ziffern, dass sich das Verfahren von Jahr zu Jahr ausbreitete. Der saure Herdboden bedingte es, dass man mehr auf ein hartes, stahlartiges Produkt hinarbeitete. Die Erzeugung eines weichen Materiales gelang nicht. Das Martinieren stellt sich in dieser Periode nur als einfacher Mischprozess (nach Kuppelwieser ) oder als Reaktionsprozess (nach Gruner ) dar, indem man die Qualität nur durch Mischung des Roheisens und der Stahl- und Eisenabfälle nach ihrem Kohlenstoffgehalte erstrebte. Eine Re- aktion trat hierbei nur insofern ein, als der Kohlenstoff des Roh- eisens cementierend auf das Schmiedeeisen wirkte. Dieses war das sogenannte Schrottverfahren; daneben bestand das „Erz-Reduktions- verfahren“ oder der Erzstahlprozess von Siemens Vergl. S. 93 und S. 565. C. W. Siemens, Über Gewinnung von Eisen und Stahl, Berlin 1874. , bei welchem nur Roheisen und mehr oder weniger reducierte Erze zur Anwendung kamen; man nannte es gewöhnlich den Landoreprozess nach dem Orte, wo es zuerst mit Erfolg in grossem Massstabe ausgeführt wurde. Dass dies das besondere Verdienst von William C. Siemens war, wurde früher schon hervorgehoben. Verbesserungen suchte man, ausser in den Feuerungsanlagen selbst, hauptsächlich in der Konstruktion der Flammöfen und der Regene- ratoren. Bei der älteren Form von Martin waren die stehenden Regene- ratoren paarweise der Länge nach in der Hüttensohle unter dem Flamm- ofen angebracht (siehe Fig. 278, 279 a. f. S.). Die Regeneratoren lagen also ganz unter dem Schmelzofen und waren deshalb schwer zugänglich. Später legte man vier Regeneratoren quer zum Ofen nebeneinander und zwar so, dass die beiden grösseren Luftregeneratoren in der Mitte, Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. die kleineren Gasregeneratoren seitlich lagen, wie es Fig. 280 Wedding, Handbuch der Eisenhüttenkunde, Abt. III, S. 540, Fig. 156. zeigt. Ein noch entschiedenerer Fortschritt bestand darin, dass man (um 1874) die Regeneratoren nicht unter, sondern neben die Schmelzöfen, Fig. 278. doch noch unter die Hüttensohle, legte, wo- durch die Gefahr der Zerstörung durch durch- brechendes flüssiges Eisen vermieden wurde. Eine andere Verbesse- rung bestand darin, dass man Gas und Luft nicht mehr wie früher durch breite Züge an den beiden Schmalseiten des Ofens einströmen liess, sondern durch abwechselnde schlitzförmige K an äle G und L (Fig. 280), wodurch eine bessere Mischung und Verbrennung bewirkt wurde. Dagegen behielt man die von Martin angegebene Konstruktion des Ofengewölbes, wonach dasselbe in der Mitte ein- Fig. 279. gesattelt, der Zug der Gase also auf den Herd niedergezogen war, bei, weil man der irrigen Meinung war, hierdurch den Schmelz- herd mehr zu erwärmen. Auch im übrigen hielt man an dem von Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. den Gebr. Martin angewendeten Flammofen fest, nur zu St. Cham- mond in Frankreich wendete man seit 1874 den von Charles Pernot erfundenen drehbaren Tellerofen (Engl. Pat. von J. H. Johnson vom 16. April 1874, Nr. 1317) an. Die Grösse der Schmelzöfen hielt sich bis 1875 noch in ziemlich engen Grenzen. Allerdings war bereits ein Ofen für 12 Tonnen Einsatz erbaut worden, die meisten Anlagen hatten aber Öfen für 1½ bis 6½ Tonnen; so waren die Öfen zu Sireuil für 1½ bis 2½, die zu Firminy für 3 bis 3½, zu Terre-Noire für 5, zu Creuzot für 3,35, 6,30 bis 6,35, die der österreichischen Hütten für 3, die der rheinisch-westfälischen für 3 bis 4 Tonnen Einsatz erbaut. Die Herdsohle wurde aus wenig thon- haltigem Quarzsand aufgestampft, der z. B. Fig. 280. in Österreich aus einem Gemenge von 4 bis 9 Tl. Quarzsand mit 1 Tl. feuerfestem Thon hergestellt wurde Kuppelwieser im Österr. Jahrb. Bd. XX, S. 389. . Die Gewölbe wurden aus Dinasziegeln gemauert, dennoch hielten sie in der Regel nur 1½ Monate. Um die Unterbrechung bei der Reparatur oder Erneuerung des Gewölbes abzukürzen und den Ofen nicht ganz kalt werden zu lassen, füllte man vielfach nach Abbruch des Gewölbes den Ofen bis zu den Widerlagern mit Ziegelbrocken und mauerte dann rasch das Gewölbe darüber Revue universelle, 15 ann., t. 28, p. 181. . Der Prozess selbst wurde um 1874 in der Regel so geführt, dass man das vorgewärmte, glühende Roheisen in Brockenform mit einer an einem Kran hängenden Schaufel einwarf und bei geschlossenen Thüren einschmolz. Nach dem Einschmelzen wurde der Herdboden mit einer Kratze untersucht und gereinigt und dabei das Eisenbad Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. umgerührt. Die Schlacke musste das Metall bedecken, sonst mussten schlackenbildende Abfälle, z. B. Gussstahltiegelscherben, aufgegeben werden. Jetzt steigerte man die Hitze auf den höchsten Punkt und trug dann die vorgewärmten Stahlabfälle ein; waren diese in der Masse gelöst, so warf man die ebenfalls vorgewärmten Schmiedeeisen- abfälle ein. Die Einsätze der Abfälle geschahen meist in Posten von 50 kg Gewicht und wurden nach jedem Zusatz mit Holzstangen, wo- für man meist Birkenstämmchen verwendete, umgerührt. Alle 20 bis 30 Minuten erfolgte dann ein neuer Zusatz. Man trieb die Ent- kohlung weiter als dem Schlussprodukt entsprach und bewirkte dann durch Zusatz von Spiegeleisen oder von Ferromangan, je nachdem man härteres oder weicheres Material erstrebte, eine entsprechende Rückkohlung. Die gebildete Schlacke musste hellfarbig, grau oder gelblich sein. Schwarze Schlacke, die auf zu niedrige Temperatur deutete, musste sofort abgezogen und die Hitze gesteigert werden. Die Schlacke wurde meist nach dem Umrühren abgezogen und dann Probe genommen. Die Proben bestanden in Bruch- und Schmiede- proben. Das fertige Flussmetall wurde in eine, in der vor dem Ofen befindlichen Giessgrube stehende Giesspfanne abgestochen. Die Pfanne wurde mittels Krans gehoben, den Blockformen oder den Gussformen zugeführt und in diese entleert. Die Operation dauerte an sieben Stunden, so dass einschliesslich der Reparaturen drei Chargen in 24 Stunden gemacht wurden. Das angewandte Roheisen sollte möglichst frei von Schwefel und Phosphor sein und den Kohlenstoff in gebundenem Zustande ent- halten. Ein Siliciumgehalt war erwünscht zum Schutze des Kohlen- stoffs. Man verwendete weisses, halbiertes und gefeintes Roheisen. Wendete man graues Roheisen an, so musste dies reich an Silicium sein und durch das Umschmelzen erst in gefeintes Eisen übergeführt werden. Auch die Zusätze sollten frei von Schwefel und Phosphor sein. Wedding sagte deshalb 1875 Wedding, a. a. O. III, S. 546. : „Der ganze Flussstahlprozess ist von der Beschaffenheit der Stahl- und Schmiedeeisenzusätze ab- hängig. Er wird da gewöhnlich unrentabel, wo man dies Material erst absichtlich durch irgend einen der Frischprozesse herstellen muss, ist dagegen überall da mit grossem Vorteil zu verwenden, wo diese Materialien als ein Abgang, der sich schwer anderweitig ver- werten lässt, in hinreichender Menge erzeugt werden.“ Doch führt er selbst das Borsigwerk als ein Beispiel dafür an, dass man auch Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. zuweilen erst gepuddelte Rohschienen für den Martinprozess eigens und mit Vorteil darstelle. Was das Gewicht des Roheisens und der Abfälle betraf, so hielt man sich im allgemeinen an die Angaben Martins , doch schwankte der Roheiseneinsatz von 150 bis 1200 kg. Die Einsätze der Abfälle waren im Verhältnis zu dem Roheisen damals noch nicht so hoch wie später. Aus den angeführten Beispielen stellen wir nachfolgende zusammen. Im Verhältnis zum Bessemerkonverter erzeugten 16 Flammöfen im Jahr etwa die gleiche Menge Flussstahl wie ein Konverter mittlerer Grösse. Das Produkt war meist (stahlartig. Nach einer Analyse von Lill Siehe Österreich. Jahrbuch XXI. hatte ein Martinstahl von Neuberg 1873 folgende Zusammen- setzung: Kohlenstoff 0,687, Silicium 0,046, Phosphor 0,036, Schwefel 0,008, Kupfer 0,404, Mangan 0,119, Eisen 98,700. Für Kesselbleche erzeugte man auf dem Stahlwerke Trenton in New Jersey Offenen- Herd-Stahl von nur 0,120 Kohlenstoffgehalt. Bis 1875 wurde fast aller Martinstahl für die Schienenfabrikation verwendet, durch die Verwendung des Ferromangans zur Rückkohlung lernte man verschiedene Sorten herstellen und die Produktion zu steigern. Über die chemischen Veränderungen des Eisens bei dem Schmelzen auf saurem Herde hat Kollmann 1879 Untersuchungen zu Gute- hoffnungshütte angestellt und veröffentlicht Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Gewerbefleisses 1880, S. 221; Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde 1894, S. 961. . Desgleichen in dem- Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. selben Jahre Finkener über die Zusammensetzung der Schlacken einer Charge auf den rheinischen Stahlwerken in verschiedenen Zeit- räumen Mitteilungen der Königl. techn. Versuchsanstalt zu Berlin 1883, S. 31; Ledebur, Handbuch, S. 935. . Der Flammofenflussstahl war, weil man ihn im Herd vor dem Abstich längere Zeit stehen lassen konnte, blasenfreier als der Konverterstahl, deshalb für Stahlgusswaren geeigneter. Dennoch dauerte es ziemlich lange, bis man den Martinstahl zur direkten Herstellung von Gusswaren verwendete. In Schweden begann man damit zu Bofors 1878, doch erlangte die Fabrikation erst im Jahre 1880 eine Bedeutung. Versuche, den Martinprozess durch Ein- oder Aufblasen von künstlichem Wind, die von Würtemberger in Ruhrort, Hamilton in England, Krupp in Essen (1877) und von Lencauchez in Frank- reich (1879 im Forno-Convertiseur) gemacht worden waren, zu be- schleunigen, hatten keinen Erfolg Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 11. . Dasselbe gilt von den Vorschlägen von Osann, Hamilton (1877) und Krupp (1878), durch Einblasen von Generator- oder Leuchtgas das Verfahren und das Produkt zu verbessern. Auch der Roheisen-Erzprozess (Landoreprozess) von W. Siemens liess sich mit Vorteil nur unter Zusatz von Schrott durchführen; so bestand 1876 die normale Zusammensetzung einer Charge aus 6 Tonnen Roheisen, 1250 kg Stahlabfällen und 1000 bis 1200 kg Moktaerzen (Roteisenstein von Algier). Als 1879 die Erfindung der Entphosphorung des Roheisens durch das basische Futter des Konverters bekannt wurde, lag der Gedanke, dasselbe auch im Flammofen zu versuchen, sehr nahe, und wurden die ersten Versuche damit bereits 1879 gemacht. Es geschah dies zuerst in Frankreich zu Creuzot und Terre-Noire, wo man den Herd- boden aus Dolomit und Teer als Bindemittel herstellte. Da sich das Gewölbe aus diesem Material nicht herstellen liess, so machte man dieses wie seither aus Dinassteinen, welche aber bei der hohen Temperatur in Berührung mit dem basischen Material sofort mit diesem zusammenschmolzen. Man versuchte nun einen neutralen Körper zwischen dem basischen und dem sauren Ofenmaterial ein- zuschalten. Versuche mit Bauxit und Graphit hatten keinen dauernden Erfolg. Dagegen gelang es Pourcel 1879 zu Terre-Noire, im Chrom- eisenstein ein sehr geeignetes Isolierungsmittel zu entdecken. Man Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. wendete zu Terre-Noire das Chromeisenerz aber nicht nur als Zwischen- schicht zwischen dem basischen Herd und dem sauren Gewölbe an, sondern stellte den ganzen Herd aus diesem Material her, weil man sich von diesem neutralen Herdboden, der sich als haltbar erwies, den allerbesten Erfolg versprach. Auch wurde dieses Verfahren alsbald in den Stahlhütten zu Bassèges und Tamaris angewendet. In grossem Massstabe führten es dann Valton und de Boissieu auf den Alexandrowski-Stahlwerken bei St. Petersburg ein. Die Chromeisen- erze von Griechenland, Kleinasien und Schweden bewährten sich am besten. Man konnte auf dem Chromeisenerzherde alle Varietäten von Flusseisen machen, so z. B. zu Tamaris ein weiches Material. Auch war das erzeugte Metall gleichmässig und fest. Dieses Verfahren kam dann in Frankreich auch zu Commercy, Blagny und Morvillars zur Anwendung. Es erwies sich als vorteilhaft, dem Chromerz etwas gebrannten Kalk und Teer beizumischen. Indessen war das Verfahren kostspielig durch den Verbrauch von Chromeisenerz. Zu Creuzot setzte man 1880 die Versuche mit dem basischen Herdmaterial fort und gelangte mit Magnesiaböden zu guten Er- gebnissen. In England hatte Gillot auf dem Farnley-Stahlwerk bei Leeds 1882 zuerst Erfolg mit nach dem Thomasverfahren hergestellten basischen Herdböden Siehe Engin. and Mining Journ. 38, Nr. 16; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 131. , dagegen fielen Versuche mit basischem Futter auf den Blochairn-Werken in Schottland ungünstig aus. In Hörde und auf den rheinischen Stahlwerken bei Ruhrort leitete man 1880 in das auf basischem Herd geschmolzene Roheisen Gebläse- wind ein, um die Gare zu beschleunigen (D. R. P. Nr. 11389 und 11390). Die Entphosphorung ging bei dem basischen Verfahren leicht von statten. Man war dadurch imstande, phosphorhaltige, geringwertigere Eisensorten zu verarbeiten, wodurch das Verfahren verbilligt wurde. Ausserdem erzielte man bei dem basischen Verfahren mit Leichtigkeit ein kohlenarmes, weiches Flusseisen, welches geeignet war, das Frisch- und Puddeleisen zu ersetzen. Infolgedessen breitete sich der basische Martinprozess rasch aus und nahm die Erzeugung und Verwendung des Flammofenflussstahls seit 1880 fortwährend und rasch zu, wie aus nachfolgender Zusammenstellung für Gross-Britannien, Deutschland, Österreich-Ungarn, Schweden und die Vereinigten Staaten von Amerika sich ergiebt. Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Erzeugung von Flammofenflussstahl in Kilotonnen . Im Jahre 1890 betrug die Produktion von Frankreich 251,6 kt und von Russland 168,6 kt. Es dauerte nicht lange, bis man es lernte, die Herdmasse ebenso wie das Futter der Thomasbirnen aus scharf gebranntem Dolomit oder Magnesit herzustellen. Dolomit wurde mit Teer angemacht und 0,30 bis 0,45 m dick mit heissen Eisenstampfern aufgestampft. Den Herd hielt man flach bis 0,50 m tief. Da bei dem basischen Betriebe Kalk und öfter auch Eisenerz zugesetzt wurde, so war die Schlacken- menge grösser; infolgedessen musste man den Herd entsprechend grösser machen. Während man bei saurem Betriebe den Fassungs- raum höchstens um ein Drittel grösser machte, als dem Volumen des geschmolzenen Metalles entsprach, bemass man denselben für basischen Betrieb auf zwei Drittel. Der basische Betrieb führte bald zu grösseren Öfen von 8 bis 15 Tonnen Einsatz. Die Wärmespeicher neben die Öfen über die Hüttensohle zu legen, empfahl Const. Steffen 1880, sodann Frank, Wesley, besonders aber James Riley und Dick in Glasgow, welche cylindrische Wärmespeicher einführten und sich entsprechende Konstruktionen patentieren liessen und ausführten Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 718. . Zum Umstellen der Regeneratoren wendete man eine Glocken- steuerung an, welche schon vorher bei den Glasschmelzöfen in Frank- reich in Aufnahme gekommen war. Die Siemens-Martinöfen waren Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. in der Regel Zugöfen, nur hier und da, z. B. in Schweden, wurden sie als Gebläseöfen behandelt. Der Betrieb bei basischem Herde gestaltete sich etwas abweichend. Zunächst brachte man Zuschlagskalk roh oder gebrannt auf den Herd. Die Menge betrug 6 bis 12 Prozent vom Eiseneinsatz. Dann setzte man das Roheisen und meist auch gleichzeitig schon das Schmiede- eisen ein. Nach beendigtem Einschmelzen warf man meist reine oxydische Eisenerze — Magnetit oder Hämatit — ein, um die Ent- kohlung zu beschleunigen. Sobald das Aufkochen beendet und die Masse gut durchgerührt war, wurde mit einem Schöpflöffel Probe genommen. An manchen Orten arbeitete man mit grösseren Erz- mengen, bis zu 20 Prozent, von denen man einen Teil schon mit dem Roheisen einsetzte. Stieg der Erzverbrauch über 20 Prozent, so näherte sich der Prozess schon dem Siemenss chen Erzstahlprozess. Wo man mehr Erz verarbeitete, schmolz man weniger Schmiedeeisen ein. Meist erhöhte man aber den Schmiedeeisensatz im Verhältnis zum Roheisensatz erheblich. So chargierte man 1889 zu Witten für Kanonenmetall 2000 kg Roheisen, 11000 kg eigenen und schwedi- schen Schrott und 300 kg Erz. Zu Dillingen bestand der Satz aus 20 Prozent Roheisen und 80 Prozent Schrott, wozu man nach dem Einschmelzen etwas Somorostroerz aufgab. Der hieraus erzeugte Stahl für Compound-Panzerplatten enthielt 0,58 bis 0,78 Prozent Kohlen- stoff, über 1 Prozent Mangan und unter 0,1 Prozent Phosphor. Zu Seraing setzte man für Schienen auf 1000 kg Roheisen 14000 kg Schrott; in Dortmund für weichen Stahl 20 Prozent Roheisen, für Schienen 9 bis 10 Prozent. Zur Herstellung von Gusswaren setzte man vor dem Giessen meist etwas Ferromangan zu. Die Arbeit im basischen Herde bildete sich allmählich zu einem förmlichen Frischprozess aus, besonders an Orten, wo es an Schmiedeeisenabfällen fehlte, indem die Entkohlung des Roheisens nicht sowohl durch Zusatz oxydischer Erze, sondern auch durch den zugeführten Luftstrom bewirkt wurde. Infolgedessen wurde das Verfahren immer mannigfaltiger, indem man es den örtlichen Verhältnissen anpasste und dass dies so gut möglich war, verschaffte dem Flammofenbetriebe immer grössere Ver- breitung. Dagegen nahm das Landoreverfahren, welches von der Landore Steel Company und von Vickers Sons \& Co. in Sheffield betrieben wurde, trotz der grössten Anstrengungen von W. Siemens keinen rechten Fortgang. Der Zusatz reiner oxydischer Erze zu dem ein- Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. geschmolzenen Hämatitroheisen betrug 30 Prozent; das Endprodukt enthielt 1 Prozent Kohlenstoff. Es war nicht gelungen, den Betrieb ohne Schrottzusatz zu führen. 1880 bestand die Mischung zu Landore aus 70 Prozent Roheisen, 22 Prozent Stahlabfällen und 8 Prozent Spiegel- erzen. Näher dem reinen Roheisenerzprozess kam um diese Zeit Dowlais, wo die Charge aus 6,5 Tonnen Roheisen mit 5 Prozent Stahl- abfällen und 1800 kg Erz bestand. Der billigeren Beschickung stand ein höherer Kohlenverbrauch gegenüber. Derselbe betrug zu Landore 820 kg auf 1000 kg Flusseisen beim Erzprozess, gegen 500 kg beim Schrottprozess. Wir wollen nun die Fortschritte des Martinprozesses seit 1885 in chronologischer Folge kurz vorführen. Nachdem besonders F. W. Dick Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 718. die Vorzüge vertikaler Regene- ratoren neben den Flammöfen über der Hüttensohle klar auseinander- gesetzt hatte, fand dieses System bald Anhänger. So empfahl es z. B. Const. Steffen Daselbst 1885, S. 382, Taf. XVII bis XIX. in Luxemburg in seinem Entwurf einer Martin- anlage 1885, in dem die neuesten Verbesserungen berücksichtigt waren. Er riet zu ovalen Herden mit freiliegenden Wärmespeichern, Glockensteuerung und Gaserzeuger von Gröbe-Lürmann mit Ver- gasung durch gepressten Wind, nicht zu sehr niedergezogenes Gewölbe und Auskleidung des Herdes mit Chromeisenerz nach Valton und Remaury anstatt mit Dinas. Batho legte die Regeneratoren neben den Schmelzofen und führte die Trennung der Eintrittskanäle von dem Herdraum durch runde, mit Eisenblech umkleidete Schmelzöfen, und ebenso gemantelte, daneben stehende Regeneratoren hatten Batho und Dick \& Riley in England eingeführt, und diese sogenannten Bathoöfen, die eine gewisse Ähnlichkeit mit den Hochöfen mit Blech- mänteln und den daneben stehenden Cowperapparaten hatten, fanden Beifall. Öfen mit hohen Gewölben hatte C. A. Rettig 1884 für Holz- feuerung zu Kilafors in Schweden gebaut. Otto Wuth in Pittsburg schmolz phosphorfreies Schmiedeeisen in Stücken mit Graphit geschichtet im sauren Martinofen ein und setzte vor dem Abstechen kleine Mengen von Spiegeleisen und Ferro- mangan zu. Zu Bofors in Schweden stellte man an Stelle der gehämmerten Gussstahlkanonen nicht gehämmerte Kanonen aus Martinstahl nach dem Verfahren von Terre-noire her, die sich bewährten. Man nahm Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. dazu nur ausgesuchte Materialien, Holzkohlenroheisen und weiches, im Lankashire-Herd sorgfältig gefrischtes Schmiedeeisen. Die Siemens- generatoren wurden mit Holz gefeuert. Zur Erzielung von blasen- freiem Guss wurde Eisenmangansilicid zugesetzt. Die Beschickung bestand aus 26 Prozent bestem Roheisen, 63 Prozent Schmiedeeisen- schrott, 6 Prozent Spiegeleisen von 12 Prozent Mangangehalt und 5 Prozent Eisenmangansilicid Compt. rend. de la Soc. de l’industrie min. 1885, p. 154. . In England war zu Anfang des Jahres 1885 die Brymbo Basic Steel Company zu Wresham in Wales die einzige Gesellschaft, die nach dem basischen Verfahren im Flammofen entphosphorte. Der Dolomit für die Herde wurde mit grossen Kosten von Middlesborough bezogen, die Seitenwände wurden aus Chromeisenerz von Smyrna hergestellt. Das verarbeitete Roheisen enthielt 3,32 Prozent Phosphor. Man setzte 20 Prozent Kalk und 15 Prozent Erz zu und trug zum Schluss noch etwas 80prozentiges Ferromangan ein. Das Produkt enthielt nur noch 0,04 Prozent Phosphor. — Zu Alexandrowsky machte man die basischen Herdböden ebenfalls aus gebranntem Dolomit, während sie zu Dombrowa aus gebranntem steirischem Magnesit her- gestellt wurden. Magnesit wurde in Frankreich bereits mehrfach angewendet. Ch. Walrand empfahl solchen von Euböa, Schlesien (Frankenstein) und Steiermark (Bruck, Mittendorf). In Deutschland fand der Magnesit noch wenig Anwendung. 1886 nahm der basische Betrieb bedeutend zu, indem man erkannte, wie leicht die Metalloide des Roheisens sich auf dem basischen Herde abscheiden liessen und welch gutes, leicht schweiss- bares weiches Material dabei erzeugt werden konnte. Ch. Walrand zu Paris veröffentlichte eine Studie, in der er für die Entphosphorung im Flammofen die Magnesiaböden besonders empfahl. Er zog aus Ziegel gemauerte Böden den gestampften vor, weil sie widerstandsfähiger seien. Pernots Ofen habe sich für den basischen Prozess nicht überall bewährt, er gäbe Martinöfen, bei denen die Regeneratoren unter den Öfen senkrecht zur Achse angebracht sind, den Vorzug. Der 30 bis 35 cm dicke Herdboden müsse unab- hängig vom Mauerwerk des Ofens sein. Er chargierte 450 kg Roh- eisen, 4450 kg Schrott, 50 kg Ferromangan, 800 kg Kalk und 100 kg Erz. Das neutrale Verfahren von Valton und Rémaury mit Chrom- Beck, Geschichte des Eisens. 45 Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. eisensteinfutter fand in Frankreich mehrfach Anwendung. Boden und Wände des Herdes wurden aus Chromeisensteinstücken von mindestens 38 Prozent Chrom- und 6 Prozent Siliciumgehalt mit einem aus Kalk und Chromerz bereiteten Mörtel hergestellt. Die Öfen hatten für 6 bis 8 Tonnen Fassungsraum; in 24 Stunden wurden drei Chargen gemacht. Man besetzte erst mit 300 bis 500 kg Kalk- stein und je nach dem Schwefelgehalt des Eisens mit 100 bis 200 kg Manganerz, hierauf mit 1500 bis 1700 kg Roheisen, 500 bis 600 kg Gussschrott, dazu aber ein Drittel Stahlabfälle; nach dem Einschmelzen wurden 300 bis 500 kg Schrott nachgesetzt. Bei hinreichender Tem- peratur wurde dann Schlacke abgelassen und, ehe man Ferromangan zusetzte, Probe genommen. Zeigte sich noch ein zu hoher Gehalt an Phosphor, so wurden Kugeln aus Kalk und Hammerschlag eingeworfen. Es ging bei diesem Betriebe nur wenig Chrom aus dem Futter in das Bad über und man konnte beliebig harten oder weichen Stahl machen. Die Kosten stellten sich auf 26,32 Francs die Tonne, gegen 23,05 Francs beim Thomasieren im Konverter. Eine Anlage von 18 bis 20 Tonnen Erzeugung in 24 Stunden kostete 92000 Francs. Das Verfahren war 1886 eingeführt in Commercy (Dep. Meurthe), Blagny (Ardennen), Morvillars (Dep. Belfort) und Tamari (Dep. Gard), wo der Flussstahl zu Feinblech, Bandeisen, Ketten, Nageleisen, Draht u. s. w. verwendet wurde; ferner war es schon früher in Ausübung zu Terre noire, Bassège und zu Alexandrowsky bei St. Petersburg. G. von Odelst- jerna führte den Erzprozess in Schweden ein und zwar mit aus- giebigerer Verwendung reiner Magnetite auf den Stahlwerken zu Hammarby, Ankarsum, Hellefors und Söderfors, ferner auf Versuchs- öfen zu Domnarfreet-Dale. Man gab 24 bis 30 Prozent des Roheisen- gewichts reine Magnetite und Hämatite auf. Die Charge dauerte 10 bis 12 Stunden, also länger als bei Schrottbetrieb. Auch war der Aufwand an Kohlen und Arbeitslöhnen um 25 Prozent höher. Dabei ging ein beträchtlicher Teil des Eisens aus dem Erz in die Schlacke. Das Produkt war aber ebenso gut wie beim Schrottprozess. Ein Zusatz von Erz kam auch bei dem sauren Verfahren in den Vereinigten Staaten damals allgemein zur Anwendung. Dieser Zusatz gegen Schluss beschleunigt den Prozess und macht das Metall wärmer und gleichmässiger, denn je wärmer das Flusseisen ist, je weniger absorbiert es Gase, je blasenfreier werden die Güsse. Blasenfreien Guss versuchte man auch durch Kombination des Bessemer- und Martinverfahrens zu erzeugen, indem man die im Konverter totgeblasene Charge im sauren Martinofen unter Zusatz Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. von saurer Schlacke bei sehr hoher Temperatur mit siliciumreichem Roheisen und Ferromangan oder Spiegeleisen rückkohlte Pat. der Soc. des Aciéries de Longwy, D. R. P. Nr. 33316. . In den Vereinigten Staaten führte man in dem Martinofen von Lilianberg zuerst den Schmelzbetrieb mit Wassergas ein. Der- selbe kam bereits im Mai 1886 auch in Witkowitz in Anwendung und zwar mit sehr gutem Erfolge. Ein Ofen mit Wassergasbetrieb produzierte daselbst 20 Tonnen Stahl in 24 Stunden und ver- brauchte dabei 8 cbm Gas pro Minute. Die Luft wurde auf 1200 bis 1400° C. erhitzt. Luft und Gas traten unter 110 mm Wasserdruck ein. Die Temperatur im Ofen erreichte fast Platinschmelzhitze. Auf 100 kg Stahl wurden 60 cbm Wassergas und 69 kg Kohlen verbraucht. 1 cbm Mischgas kostete nur 1 Pfennig. Bei gleicher Leistung ver- brauchte der Wassergasofen nur 48,8 Prozent der Wärmemenge der gewöhnlichen Öfen. Die Arbeitsleistung stellte sich 50 Prozent günstiger. Ein anderer verbesserter Martinofen war von Radcliffe in England konstruiert worden. Bei diesem stand der Gasgenerator dicht bei dem Herd, die Wärmespeicher darüber; er hatte ferner besondere Luftheizkammern für den Generator, die unmittelbar über dem Herde lagen. Infolgedessen war das Gewölbe ganz flach, was die freie Flammenentfaltung beeinträchtigte. Der ganze Ofen war aus eisernen Platten auf eisernen Säulen erbaut; dadurch war er sehr kompendiös und leicht zugänglich. Drei dieser Öfen arbeiteten mit gutem Erfolge im Stahlwerk des Arsenals zu Woolwich. Bei dem basischen Schrottverfahren setzte man im allgemeinen auf 25 Prozent Roheisen 75 Prozent Schrott, bei dem Erzverfahren auf 60 Prozent Roheisen 20 Prozent Schrott und 20 Prozent Erz. Es bedurfte hierbei keines so phosphorreichen Roheisens wie bei dem Thomasprozess, und wählte man meistens Sorten von weniger als 1,5 Prozent Phosphorgehalt. Bei keinem Verfahren liess sich ein so gleichartiges, vorzüglich weiches Produkt erzeugen, als bei dem basischen Martinprozess, wes- halb es sich besonders für Qualität empfahl, während das Thomas- verfahren für Massenproduktion den Vorzug hatte. Wie weit übrigens die Beschickungsverhältnisse je nach den Materialien und der Ver- wendung des Produktes bei dem Martinprozess verschieden waren, zeigt folgende Zusammenstellung aus dem Jahre 1886: 45* Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Eine Beschickung für Radreifen der Phönixhütte bei Ruhrort bestand aus: 10000 kg Bessemerroheisen, 2000 kg Schrott, 4000 kg Schienenenden, 1500 kg Blechschnitzel, 1000 kg Gussbrocken, 500 kg Spiegeleisen und 500 kg Erz (Hämatit). Für weiches Eisen schränkte man den Roheisensatz im Ruhrgebiet bis auf 5 Prozent ein. Ueber den chemischen Verlauf des Martinprozesses hat 1886 F. N. Harbord in Bilston eine gründliche Untersuchung veröffentlicht In dem Journal of the Iron and Steel Institute 1886, II, p. 700. Siehe auch Ledebur a. a. O., S. 962. . Er nahm von einer vierstündigen Charge jede halbe Stunde eine Probe des Eisens und der Schlacke und analysierte dieselben. Die Schaulinien, Fig. 281, zeigen den Verlauf der Abscheidung von Kohlenstoff, Phosphor und Silicium. Ein Vergleich mit dem Vorgang im Puddelofen ergiebt eine gewisse Analogie des Puddelns mit der Reinigung im basischen Martinofen. Harbord empfiehlt den Zusatz von Erz gleich aufzugeben und nach einer Stunde Schlacke abzustechen. Die Menge des Schrottzusatzes sei nur eine Frage der Ökonomie. Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Im Jahre 1887 breitete sich der basische Flammofenprozess in allen Haupteisenländern aus. So wurden in Oberschlesien auf dem Borsigwerk drei neue Öfen zu 15 Tonnen und auf der Königshütte zwei Öfen zu 15 Tonnen in Betrieb genommen. In Frankreich ver- wendete man Martinstahl unter Zusatz von Eisensilicid für Geschütz- Fig. 281. guss. In England liefen die Bathoöfen den älteren Ofenformen den Rang ab. J. Riley und Dick hatten sie auf den Blochairn-Stahl- werken bei Glasgow eingeführt, und die Staffordshire-Gesellschaft erstattete im Herbstmeeting des Iron- and Steel-Institute Bericht über die guten Erfolge, die sie im Bathoofen mit basischem Herd erzielt hatten. 28 solcher Öfen waren damals in England bereits ausgeführt, davon hatte Wailes zu Wednesbury allein neun in Betrieb und zwei im Bau. Die Herde waren aus Dolomit hergestellt und von der sauren Steinwand durch eine isolierende Schicht aus Chromeisenstein oder aus mit Kalk und Thon gemischter, gemahlener Retortenkohle getrennt. Am besten bewährten sich diese Öfen für kleinere Einsätze bis zu 7 Tonnen. Bei diesen kleinen Öfen waren häufig die Gewölbe zum Abheben eingerichtet. Hackney und Wailes liessen das Gas aus horizontalen, die Luft aus vertikalen Schlitzen in den Ofen strömen, wodurch eine bessere Mischung erreicht werden sollte. Durch Schmelzen mit Wassergas gelang es, die Zeit des Einschmelzens auf 4½ Stunden zu verkürzen. Thwaite konstruierte einen Schnell- schmelzofen (rapid open hearth), indem er einen Kupolofen mit dem Flammofen verband. Dabei wurde das Eisen in dem cylindrischen Kanal zwischen Kupolofen und Flammofen durch Windstrahlen Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. gefeint Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 332. . Dieses Verfahren führte J. Riley auf den Blochairn- Stahlwerken bei Glasgow ein. H. Burrows liess sich einen Herdschmelzofen in England paten- tieren (E. P. 1887, Nr. 8207), bei dem die Gase aus dem Generator in eine Verbrennungskammer geführt wurden, hier mit heisser Luft verbrannten und dann erst in den Schmelzraum traten. Die Abgase wurden in Regeneratoren unter dem Ofen, welche zur Lufterhitzung dienten, geleitet. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika gab es 1887 nach einem Bericht von Jules J. Fréson sieben Martinstahlwerke mit 17 Öfen von 10 bis 35 Tonnen Einsatz. Durch ihre zweckmässige Anordnung war die Arbeit erleichtert. Die Öfen standen alle in einer Reihe, während man sie in England meist in zwei Reihen ein- ander gegenüber stellte, wodurch der Raum beengt und heiss wurde. Bei den amerikanischen Anordnungen wurden alle Materialien, Gase und Luft nur von einer Seite zugeführt, so dass die andere ganz frei blieb. Meist hatten zwei Öfen eine gemeinschaftliche, kreisförmige Giessgrube mit einem oder zwei Drehkränen. Man zog Giesspfannen dem Giesswagen vor. Vielfach wendete man Pernots drehbare Teller- öfen an. Solche waren mit den von C. M. Rider konstruierten Siemensöfen in Springfield, Johnstown und Bethlehem in Anwendung. Man wollte hierdurch den Betrieb beschleunigen, doch waren die Unterhaltungskosten auch grösser. Das Produkt war gut und hörte man nicht die in Europa üblichen Klagen über ungleichmässige Ware. Auch A. L. Holley war ein Anhänger der Pernotöfen wegen der kräftigen Bearbeitung des Bades, der Leichtigkeit der chemischen Reaktion und der Reparatur. In der Regel wurde am Samstag Nach- mittag der Herd herausgezogen und repariert, so dass er am Sonntag Abend wieder betriebsfähig war. Wegen der Kompliziertheit fanden diese Öfen indessen keine weitere Verbreitung auf anderen Hütten. Öfen für 12 bis 14 Tonnen Einsatz bewährten sich am besten, doch gab es auch grössere mit 24 bis 35 Tonnen Einsatz. Nur die Pernot- öfen hatten hochgespannte Gewölbe. Bei den Öfen der pennsyl- vanischen Stahlgesellschaft waren die Gewölbe abhebbar. Martinstahl wurde in Nordamerika mit Vorliebe für Kesselblech verwendet. Man machte alle Lokomotivfeuerbüchsen aus Martinstahl. Folgendes war die Zusammensetzung einer Charge für gutes Kesselblech von Otis \& Co. , Cleveland (U. S.): Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Holzkohlenroheisen Nr. I mit 0,05 Prozent Phosphor 2750 kg Herd- und Stahlblechabfälle „ 0,04 „ „ 2040 „ Blooms „ 0,015 „ „ 4080 „ Deutsches Spiegeleisen mit 12 Prozent Mangan „ 0,076 „ „ 90 „ Zusätze gegen Schluss: Ferromangan mit 72 Prozent Mangan mit 0,22 Prozent Phosphor 60 kg Eisenerze „ 0,003 „ „ 90 „ Kalkstein „ 0,028 „ „ 50 „ Abfälle von Ingots „ 0,033 „ „ 8800 „ Das erhaltene Flusseisen enthielt 0,15 Proz. Kohlenstoff, 0,41 Proz. Mangan, 0,02 Proz. Silicium, 0,023 Proz. Schwefel, 0,033 Proz. Phos- phor und 0,023 Proz. Kupfer. Die Otis-Werke hatten Niederschlags- kammern zwischen den Austrittskanälen des Ofens und den Wärme- speichern, wodurch letztere nur einmal im Jahre gereinigt zu werden brauchten. G. Hatton liess sich in England einen trommelartigen Drehofen, dessen eine Hälfte sauer, die andere basisch gefüttert war, patentieren (E. P. 1887, Nr. 13242). Odelstjerna in Schweden führte 1887 den Betrieb mit Chrom- eisenerzfutter zu Trollshätta ein und zwar mit norwegischen Erzen. Veranlasst wurde er hierzu durch günstige Berichte über gelungene Versuche zu Wärtsilä in Finnland. Er fand, dass durch den Chrom- eisenerzboden das Frischen beschleunigt wurde und dass, obgleich das Kochen des Eisens bis zum Schluss anhielt, die Güsse blasenfrei und das Eisen sehr zäh war. Zu Wärtsilä und an anderen Orten in Russland hatte man aber dieses Verfahren wieder aufgegeben, sowohl wegen der Kostspieligkeit, als auch weil der Herd zu leicht durch- schmolz. Knut Styffe empfahl auch für Schweden die Magnesitböden, deren Vorzüge Wasum durch Versuche nachgewiesen hatte, und zwar besonders aus Magnesit vom Veitschthal in Steiermark, welcher keine Kieselsäure, aber etwa 6 Prozent Eisenkarbonat enthielt. Er brennt sich dadurch braunschwarz und sintert bei hoher Temperatur zu- sammen und eignet sich mehr zur Verwendung in Ziegelform als zum Aufstampfen. Im Jahre 1888 wurden zahlreiche Versuche gemacht, das Roh- eisen mit oder ohne Vorbehandlung in flüssiger Form in den Martin- Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. ofen einzutragen. Franz Kuppelwieser empfahl, das Roheisen direkt aus dem Hochofen in den Flammofen laufen zu lassen. James Henderson in New York empfahl Einschmelzen des Roheisens in einem Kupolofen, Behandlung desselben auf einem Drehherd unter Zusatz von Erz, Dolomit, Flussspat und sonstigen Zuschlägen. Rollet verband den Martinofen mit einem Kupolofen mit basischer Aus- fütterung, um dadurch den Schwefel und den grössten Teil des Sili- ciums zu entfernen. Das dem Herd dann zugeführte geläuterte Roheisen sollte dem besten schwedischen Holzkohlenroheisen an Güte gleichkommen. Diese Versuche wurden zuerst zu Firminy bei St. Etienne unter Rollets Leitung ausgeführt. B. H. Thwaite und J. Noble schmolzen Roheisen in basisch gefütterten Kupol- oder Flammöfen und behandelten dann das Roh- eisen im basischen Herd weiter. Bei der niedrigen Temperatur sollte der Phosphor schon zu Anfang in die Schlacke gehen, die dann abgezogen wurde. Dann wird Hämatit zugesetzt und heiss entkohlt. Koppmeyer verarbeitete Roheisen von mittlerem Phosphor- gehalt erst im Konverter nach dem Verfahren von Harmet (siehe S. 647), wodurch das Silicium und der grösste Teil des Kohlen- stoffs entfernt wurden, während die Entphosphorung dann auf dem basischen Martinherd erfolgte. Ebenso wurde die Kombination des Thomasverfahrens mit dem Martinprozess wiederholt vorgeschlagen, so auch von Percy Carlyle Gilchrist (D. R. P. Nr. 43623) und von Paul Kuppelwieser . Alle diese Kombinationen hatten den Zweck, den Martinprozess zu beschleunigen und dadurch eine grössere Produktion zu erzielen, Koppmeyer hatte bei seinem oben erwähnten Verfahren eine Tageserzeugung von 50 Tonnen Ingots. Dennoch haben die meisten dieser Versuche, namentlich die, das Roheisen ohne Vor- behandlung flüssig in den Flammofen zu bringen, den Erwartungen nicht entsprochen, weil die gewonnene Schmelzzeit durch verlängertes Frischen grösstenteils wieder verloren ging. Im Jahre 1888 wurden auch mancherlei Verbesserungen an dem Schmelzofen eingeführt. Friedrich Siemens in Dresden trat für das Princip der freien Flammenentfaltung und für hohe Gewölbe ein. Diese waren bei dem von ihm entworfenen Regenerativ- ofen ganz unabhängig von den Seitenwänden, indem der Herd in einen Blechkasten eingebaut war. Dieser hatte am oberen Rande Konsolen, auf denen ein Ring von Winkeleisen ruhte, welcher das Herdgewölbe trug. Die chemisch-kalorischen Studien von Hans Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. von Jüptner und Friedr. Toldt zu Neuberg Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1888, S. 291. bestätigten die Überlegenheit dieser Öfen gegen die älteren mit eingesenkten Gewölben. Koppmeyer arbeitete mit abhebbarem Gewölbe. Bei den mit Wassergas betriebenen Martinöfen waren diese allgemein im Gebrauch. Lash führte in Pittsburg in den Vereinigten Staaten einen Gasschmelzofen mit flachem Herd, Wasserkühlung und mehreren Thüren zum bequemeren Beschicken an der hinteren Seite ein. Diese Öfen waren anfangs für Naturgas bestimmt, wurden aber später mit Generatorgas betrieben. Regenerativ-Gasflammöfen empfahl J. von Ehrenwerth besonders für intermittierenden Betrieb. W. Schmid- hammer in Reschitza brachte kippbare Flammöfen in Vorschlag Stahl und Eisen 1888, S. 369 bis 375. . In England suchte man durch Vergrösserung der Öfen höhere Produktion zu erzielen. Man machte sie 10½ Fuss breit und 16½ Fuss lang, mit festen Gewölben und viereckigen Wärmespeichern, die mehr Heizfläche boten als die runden. Man erzielte mit diesen Öfen an- geblich eine Kohlenersparnis von 25 Prozent. W. Schmidhammer zu Reschitza schlug Öfen mit auswechselbarem Herd vor. Drehbare Trommelherde, wie die von G. Halton vorgeschlagenen, empfahl Const. Steffens, rotierende Öfen G. J. Snelus in Worthing- ton und J. Henderson in New York. A. Gouvy veröffentlichte einen ausführlichen Bericht über die Flusseisenerzeugung auf basischen Herden zu Reschitza Daselbst 1889, S. 396. . Die Öfen hatten durch Rohre gekühlte Feuerbrücken. Ihre Seitenwände waren aus Magnesitziegeln aufgemauert, in welche der Herd 300 mm dick aus Dolomitmasse aufgestampft wurde. Das aus Dinasziegeln hergestellte Gewölbe war von dem Herd ganz unabhängig. Man beschickte 3500 kg graues und halbiertes Roheisen und 4000 kg Abfälle, die auf einmal und kalt eingesetzt wurden, dazu wurden 450 kg Kalk in nussgrossen Stücken zugeschlagen. Man liess die aufschäumende Schlacke verkochen und zog sie dann mit der Krücke ab, worauf man die Probe nahm. War die Entkohlung beendet, so setzte man zur Rück- kohlung eine geringe Menge Ferromangan zu. In 24 Stunden wurden vier Chargen geschmolzen. Das fertige Produkt enthielt 0,011 Prozent Phosphor. Seine absolute Festigkeit betrug 35 kg pro Quadratmillimeter, die Kontraktion 72 Prozent, die Dehnung 28 Prozent. Das Flusseisen diente für Panzerplatten und Material zum Schiffsbau für das K. K. Arsenal zu Pola, wo damals das Panzerschiff „Kronprinz Rudolf“ damit Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. gebaut wurde. Zu Seraing erzeugte man im basischen Martinofen gutes Material für Eisenbahnschienen. Im allgemeinen stellte man geringere Anforderungen an die Qua- lität wie früher, aber grössere an die Gleichförmigkeit des Produktes. Auch verarbeitete man mehr Roheisen im Verhältnis zum Schrott, wie früher; hatte dieses früher 1 : 3 betragen, so war es jetzt meist 1 : 1. St. Williams wendete eine eigentümliche Coquille zur Er- zeugung dichter Güsse durch Erstarren unter Druck an, wobei aber der Druck erst nach Erstarrung der Rinde ausgeübt wurde. 1888 wurde Darbys Verfahren der Rückkohlung mit festem Kohlenstoff bekannt und auf der Phönixhütte bei Ruhrort von Direktor Thielen praktisch ausgebildet. Es liess sich für Martinflusseisen ebenso anwenden wie für Konvertereisen. 1889 liess sich Hilton einen verbesserten Herdschmelzofen paten- tieren. Es war ein abgeänderter Bathoofen mit rechtwinkligem Herd, der die Vorteile des Systems Siemens und Batho vereinigen sollte. Hilton erwarb ausserdem das englische Patent Bathos . E. Gruner äusserte sich dahin, dass es ziemlich gleichgültig sei, ob man den Herd aus Dolomit, Magnesit oder Chromerz herstelle; der Prozess selbst verlaufe bei allen gleich. Wichtig dagegen sei es, dass man ein möglichst schwefelfreies Roheisen nehme. Um dies zu erhalten, empfiehlt er Umschmelzen des Roheisens im Kupolofen mit basischem oder neutralem Futter, bei langsamem Gang und 500 bis 600° C. heissem Wind, bei basischer Schlacke von 15 bis höchstens 18 Prozent Kiesel- säure. Dadurch werde ein Schwefelgehalt des Roheisens von 0,50 bis 0,70 Prozent auf 0,02 bis 0,03 vermindert. Die Entschwefelung im Hochofen sei wegen des hohen Kalkzuschlags zu kostspielig. In diesem Jahre machte der Schmelzbetrieb mit Wassergas Fort- schritte und bewährte sich namentlich zu Witkowitz, wo zwei Martin- öfen mit Wassergas und zwei Siemens-Martinöfen mit Generatorgas betrieben wurden. Bei den zwei ausschliesslich mit Wassergas be- triebenen Öfen betrug der Einsatz 6 Tonnen, wovon 82 Prozent weisses Roheisen und 18 Prozent Blechabfälle waren. Gegen Ende des Pro- zesses wurde etwas Eisenerz zugesetzt. Obgleich nur die Verbrennungs- luft erhitzt wurde, war doch die erzeugte Hitze so gross, dass der ganze Prozess um eine Stunde verkürzt wurde. In Frankreich arbeitete man zu Alevard nach dem Siemens- schen Erz-Reduktionsverfahren und schmolz siliciumarmes Roheisen mit 20 Prozent Erz. — Zu Alais waren drei Öfen mit Chromeisen- erzböden seit fünf Jahren im Betriebe. Ein Boden war seit drei Jahren Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. nicht erneuert worden (Rémaury). Oldenstjerna bezeichnete es als einen Fortschritt bei dem Flammofenbetriebe mit neutralem Boden in Schweden, dass man nicht mehr mit Roheisen kohle und gleich dar- auf absteche, wodurch man früher immer harte Körner in dem Fluss- eisen behalten hatte. Jetzt lasse man die Masse nach dem Roheisen- zusatz noch 1 bis 1½ Stunden verkochen. 1889 wurde auf den Steelton-Works der pennsylvanischen Stahl- gesellschaft von H. H. Campbell der erste kippbare Martinofen ge- baut. Wie Fig. 282 zeigt, ist das Drehgestell eine auf Rollen laufende Schaukel und erfolgt das Kippen hydraulisch. Fig. 282. 1890 fand der Magnesit bei den basischen Martinöfen immer allgemeinere Anwendung und zwar teils für sich, teils mit Dolomit oder Kalk gemischt. Er wurde entweder zu Ziegeln gepresst oder aufgestampft. Auf dem Martinwerk zu Diosgyör Jern. kontor. Ann. 1889, S. 389; Stahl und Eisen 1890, S. 222. in Ungarn, wo Magnesit von Veitsch ohne Teer, aber mit Dolomitmilch an- gemacht verwendet wurde, hatten Versuche grössere Dauerhaftigkeit gegenüber dem Chromeisenstein ergeben. Auch D. Lundström in Schweden fand, dass zwar die Seitenwände aus Chromeisenerz sehr haltbar seien, die Böden der Schmelzherde dagegen nicht. In Nord- amerika bewährten sich aus Deutschland eingeführte Magnesiasteine für die Herdsohlen besser als die Quarzsohlen, auch deshalb schon, weil sie infolge Verzögerung der Oxydation weniger Reparatur er- forderten. Der Herdboden war von einem Blechgerippe umgeben und getragen. In Pennsylvanien wendete man vielfach Naturgas zum Schmelzen an. Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Im März 1890 kam in Witkowitz die neue Anlage, wobei fünf Martinöfen von je 20 Tonnen Einsatz mit einem Konverter verbunden waren, in Betrieb. Die fünf Gasflammöfen waren in einer Reihe zu dem Konverter so aufgestellt, dass die mit vorgefrischtem Metall ge- füllten Pfannen durch einen hydraulischen Elevator unmittelbar vor die Öfen gehoben werden konnten. Das Durchblasen dauerte zwei Minuten und wurde dadurch das Roheisen an Güte dem Koksroh- eisen der Alpenländer nahe gebracht. Es enthielt an Prozenten: Auch kam es wärmer in den Herd. Die Charge betrug 90 Pro- zent Roheisen und nur 10 Prozent Alteisen und Erze. In den drei Öfen wurden in 24 Stunden durchschnittlich 17 Chargen gemacht. Der Brennstoffaufwand betrug dabei nur 10 bis 12 kg auf 100 kg Ingoteisen. Das Hüttenwerk Trynietz führte einige Zeit danach den- selben Betrieb ein. L. Pszezolka Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 611. in Gratz reinigte besonders das durch den basischen Prozess erzeugte Flussmetall, welches oxydiertes Eisen gelöst enthält und ungleich in der Masse ist, durch Einrühren kieselsäure- haltiger Substanzen, wie Schlacken, Glas, Quarz, Flussspat etc., welche die Oxyde auflösen und das Metall verbessern. Auf die Wichtigkeit der Zusammensetzung der Schlacken im Moment des Ausgiessens hat Calbraith Siehe Österr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenkunde 1890, S. 375. in Chesterfield hingewiesen und hierauf eine Reinigungsmethode gegründet. Er arbeitet mit zwei Pfannen, in deren eine die nötigen Zusätze zur Reinigung eingetragen sind. In diese wird das Eisen aus der anderen Pfanne eingegossen, bis die Schlacke den richtigen Zustand der Basicität zeigt. In England war der Roheisenerzprozess mit saurem Herd noch sehr verbreitet; dabei hatte man aber weit grössere Öfen wie früher, so dass man meist mit 25 Tonnen Einsatz arbeitete. In den Vereinigten Staaten hatte man Öfen bis zu 30 Tonnen Einsatz gebaut, doch hatten sich die Öfen mit 20 Tonnen Einsatz am besten bewährt, wobei die Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Wärmespeicher für Luft und Gas unter sich und von dem Ofenkörper getrennt waren. Fig. 283. Die grösste Anlage waren die Homestead-Stahlwerke bei Pitts- burg von Carnegie, Phipps \& Co, die 16 Öfen mit grösstenteils basischen Herdböden hatten, vier davon hatten 25 Tonnen Fassung, die übrigen 20 Tonnen. 1891 erhielt H. Schönwalder , Obermeister der Friedenshütte Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. in Oberschlesien ein Patent (D. R. P. Nr. 55707) auf einen ver- besserten Siemens-Martinofen. Die Verbesserung bestand darin, dass jede Zugöffnung im Kopfe des Flammofens mit einem besonderen Regenerator verbunden war; jeder Kanal von dem Regenerator nach der Reversiervorrichtung war mit einem Schieber versehen, der die Möglichkeit bot, den einen oder anderen der Regeneratoren ganz oder Fig. 284. teilweise abzusperren und damit der Flamme einen ganz be- stimmten Weg vorzuschreiben. Dadurch war die Möglichkeit gegeben, die Kanäle und deren Austrittsöffnungen in dem Ofen mehr als seither vor Zerstörung durch Schmelzen oder Ausspülen zu schützen und eine gleich- mässigere Abnutzung der Wärme- speicher herbeizuführen. Die Ver- doppelung der Regeneratoren ge- schah durch eine in der Mittel- linie des Ofens angebrachte Scheidewand. Hierdurch wurden die vier Kammern in acht geteilt, von denen jede durch einen besonderen Kanal mit dem Ofeninnern und den Aussenkanälen verbunden wurde, wie dies Fig. 283 (a. v. S.) und Fig. 284 Stahl und Eisen 1892, S. 992. zeigen. Während auf der einen Seite des Ofens durch zwei Wärmespeicher Luft und durch zwei Wärmespeicher Gas geht und Luft und Gas an den Öffnungen der vier Kanäle im Ofen sich mischen und verbrennen, strömt die Flamme durch die vier Wärmespeicher der anderen Seite zur Esse. Die Schieber (Fig. 285) sind aus feuerfesten Steinen, die durch eiserne, Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. mit einem Rahmen verbundene Stäbe im Innern zusammengehalten werden, hergestellt. In den Vereinigten Staaten kam auf dem Stahlwerk der Pennsyl- vania Steel Company ein kippbarer Martinofen nach Zeichnungen von H. Aitken, Wood und Campbell in Betrieb A. a. O. 1892, S. 1028. . Aus dem Jahre 1891 ist eine theoretische Studie Stahl und Eisen 1891, S. 546. über den basischen Martinofenbetrieb von W. Schmidhammer zu erwähnen, in der durch mitgeteilte Analysen von zu verschiedenen Zeiten ge- nommenen Schöpfproben einer Charge der Verlauf des Oxydationsprozesses in Zahlen und graphisch dargestellt ist; ferner eine ausführliche Abhand- lung über Martinöfen und Martin- stahlfabrikation von dem ungarischen Professor W. Sóltz Im 1891er Jahrbuch der ungarischen Bergakademie; deutsch in Österr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 1 u. f. mit Angaben über Massverhältnisse der Öfen und Regeneratoren. Die Schönwalders chen Öfen bewährten sich in den folgenden Fig. 285. Jahren auf der Friedenshütte gut A. a. O. 1892, S. 759. . Die Haltbarkeit der Martinöfen wurde sehr gesteigert durch vorsichtiges Anwärmen und Aufmerksam- keit bei der Inbetriebsetzung und Wartung des Ofens. Der Ofen 2 der Friedenshütte wurde erst nach 797 Chargen in Reparatur ge- nommen und zwar nur wegen Verschlackung der Regeneratoren A. a. O. 1893, S. 303, 389 und 480. . In Westfalen bewährten sich die Bathoöfen. 1891 nahm man zu Firminy in Frankreich zur Herstellung I. Qua- lität Flussstahl weisses, aus algerischen und spanischen Erzen erblasenes Roheisen. Dieses wurde nach dem Rollets chen Verfahren entschwefelt und in Puddelöfen auf Luppen verarbeitet. Diese Luppen dienten als Schmiedeeisenzusatz im Martinofen. Bei II. Qualität verwendete man gutes, ausgesuchtes Abfalleisen, während man für III. Qualität gewöhnliches Roheisen und unsortierte Schmiedeeisenabfälle verwendete. Die Klassifikation und Verwendung geschah nach folgender Tabelle: Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Verwendung : Nr. I zu Kanonenkugeln, Sägen, Feilen etc. Nr. II, 1. Qual.: Bei 75 bis 90 kg Zerreissfestigkeit zu Kabeldraht, bei 70 bis 85 kg Zerreissfestigkeit zu Kanonenkugeln, Scheren, Feder- messern etc. 2. Qual.: Messer, Kreissägen, Stricknadeln, Baumscheren, Compoundblech, Papierwalzen etc. Nr. III, 1. Qual.: Kanonen, Walzen, Hämmer, Federn, Werkzeuge etc. 2. Qual.: Wagenteile, Achsen, Kolben, landwirtschaftliche Maschinen und Werkzeuge. 3. Qual.: Eisenbahn- schienen, geringe landwirtschaftliche Geräte. Nr. IV, 1. Qual.: Kanonen, Gewehrteile, ordinäre Walzen, Sicheln, Steinschneidewerkzeuge etc. 2. Qual.: gewöhnliche Reifen, Achsen, Kreuzköpfe, Schaufeln, Hauen, Kolbenstangen. 3. Qual.: Untergeordnete Maschinenbestandteile und Eisenbahnschienen. Nr. V, 1. Qual.: Für Schiesswaffen, Rohre, Wagen- beschläge, Drehwalzen, Kolbenstangen etc. 2. Qual.: Reifen, grobe Schmiede- und Walzstücke, Ketten, Pflüge, Schraubenschlüssel, Hauen, Schaufeln, Streicheisen. Nr. VI, 1. Qual.: Rohre für Schiesswaffen. 2. Qual.: Gewöhnlichen Draht, Schrauben, Schraubenschlüssel, Hauen, Schaufeln, Gartengeräte. Nr. VII, 1. Qual.: Gut schweissbares Material, ersetzt schwedisches Eisen. 2. Qual.: Weicher Draht, Schlüssel, Schiffs- bestandteile, Hufeisen, Hufnägel. W. Sóltz empfiehlt folgende Dimensionen der Schmelzherde: In den Vereinigten Staaten gab es 1892 81 betriebsfähige Martin- anlagen mit einer jährlichen Leistungsfähigkeit von 1767840 Tonnen. Hiervon waren nur drei mit basischem Betrieb. Man baute in Amerika bereits viel grössere Öfen, bis zu 40 bis 50 Tonnen Einsatz, denen man eine Länge des Herdes von 12 m gab. Dabei machte man den Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Herd öfters beweglich, indem man ihn auf Rollen lagerte und ihm durch Wasserdruckcylinder eine wiegende Schwingung gab, wie der Ofen von H. H. Campbell (1890), der dann zur Entleerung gekippt wurde. Ein anderer von Campbell gebauter Ofen liess sich ganz um seine horizontale Achse drehen Siehe Ledebur in Stahl und Eisen 1893, S. 869. . Auch Pernotöfen waren 1893 noch im Gebrauch, jedoch mit beschränkter Anwendung der Dreh- bewegung. Um den nötigen Überdruck von dem in den Verbrennungs- raum eintretenden Gase und Luft zu erlangen, betrieb man nicht nur die Gaserzeuger mit Unterwind, sondern führte auch die Verbrennungs- luft durch Gebläse in den Ofen. Statt der Siemenss chen Wechsel- klappe empfahl Campbell Ventile. Wo man Naturgas anwendete, waren die Schmelzöfen nur mit zwei Wärmespeichern zur Erhitzung der Luft versehen, da das Naturgas nicht vorgewärmt wurde. Campbell hielt nicht viel von dem Verfahren, die Generatorgase nicht durch Wärmespeicher, sondern unmittelbar in den Ofen zu leiten. Wassergas hat sich, wie auch in Europa, als zu kostspielig erwiesen. Auch Petroleum verwendete man in Amerika, welches, mittels überhitztem Dampf verflüchtigt, durch Wärmespeicher in den Ofen geführt wurde. Campbell wies nach, dass bei heissem Ofengang Schwefel und auch Phosphor teilweise verflüchtigt werden, wie dies Wedding bereits 1890 beobachtet hatte. Über die Bedeutung des Magnesits für die basische Ausfütte- rung der Flusseisenöfen hat Wedding Stahl und Eisen 1893, S. 279. und über Magnesiaziegel C. Bischof Österr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 27. 1893 Erfahrungen veröffentlicht. Magnesit vom Veitsch- thal in Steiermark wurde in Schweden und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika verwendet. Bei dem in Witkowitz eingeführten gemischten Verfahren des Verblasens in der sauren Birne und der Entphosphorung und dem Fertigmachen im basischen Flammofen wurde nach P. Kuppel- wieser hohe Produktion bei geringen Selbstkosten erzielt. Die Er- sparnis betrug 10 Mark auf die Tonne gegenüber dem reinen Herd- verfahren. Es waren fünf Martinöfen zu 20 Tonnen und drei Birnen, alle in einer Reihe, im Betriebe. Das Roheisen gelangte direkt aus den Hochöfen in die Birnen. Der chemische Verlauf der Umwandlung, den verschiedene Roh- eisensorten bei diesem Verfahren erleiden, ergiebt sich in anschau- Beck, Geschichte des Eisens. 46 Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. licher Weise aus nachfolgender Zusammenstellung von Analysen, welche W. Schmidhammer von Witkowitz 1897 veröffentlicht hat Stahl und Eisen 1897, S. 775. : Roheisen: Silicium, Prozent 1,36 1,58 1,72 0,82 0,72 0,95 1,02 1,31 Blasezeit, Minuten 8 14 14 4 3 2 3 5 Mittelprodukt: Silicium, Prozent 0,05 0,06 Spur Spur 0,23 0,26 Spur Spur „ Kohlenstoff, „ 1,54 0,88 1,46 1,95 2.65 3,02 2,84 3,02 Martin- flusseisen Silicium, „ — — — Spur — — — — Kohlenstoff, „ 0,13 0,11 0,10 0,15 0,11 0,12 0,11 0,12 Phosphor, „ 0,12 0,03 0,03 0,03 0,11 0,02 0,03 0,03 In England war 1893 der Roheisen-Erzbetrieb auf saurem Herd- boden noch vorherrschend. Auf den Consettwerken Daselbst 1893, S. 1044. z. B. bestand der Einsatz aus 75 bis 80 Prozent Hämatitroheisen und 20 bis 25 Prozent Schrott und Erz. 18 Siemens-Martinöfen erzeugten 3500 Tonnen Roh- blöcke für Bleche, während 1882 170 Puddelöfen nur 1900 Tonnen Schiffsbleche produziert hatten. Dabei machte ein Siemens-Martin- ofen nur zwei Schmelzungen in 24 Stunden. Die Produktion von Martinmetall in England betrug 1893 1479630 Tonnen, wovon nur 79527 Tonnen im basischen Herde erzeugt waren. In Deutschland und Österreich hatte 1893 der basische Martin- prozess den sauren fast ganz verdrängt A. a. O. 1894, S. 300. , nur in Steiermark wurde letzterer zur Stahlerzeugung beibehalten. Selbst für Stahlguss wurden vielfach basische Herde verwendet. Das leichtere Blasigwerden der aus basischen Öfen erzeugten Blöcke wurde durch Zusätze, besonders von Aluminium und dadurch, dass man die Blöcke steigend goss, z. B. zu Witkowitz 30 Blöcke gleichzeitig, vermieden. Der Aluminium- zusatz betrug meist nur 0,002 Prozent vom Gewicht des Eisens. Die Verbesserung der Generatorfeuerungen war von grösster Wichtig- keit. Daelen und Blezinger in Duisburg schlugen Recuperatoren, Erhitzer, die durch Leitung wirken, an Stelle der Wechselgeneratoren, die durch Speicherung wirken, zur Erhitzung von Gas und Luft vor Stahl und Eisen 1893, S. 462. . In Schweden Nach P. G. Odelstjerna in Stahl und Eisen 1894, Heft 16. betrieb man nach Odelstjerna die Martin- flammöfen noch vielfach mit Holz und Holzabfällen. Auf dem Söder- forswerk wendete man hierfür den Fig. 286 abgebildeten Holzgas- generator in Verbindung mit dem Holztrockenapparat, Fig. 287, mit Erfolg an. Die Stahlschmelzöfen hatte man auf 10 Tonnen Einsatz vergrössert. Die Regeneratoren waren sehr geräumig, indem man Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. 2,5 cbm Rauminhalt auf jede Tonne Stahl, die der Ofen in einem Guss liefern sollte, rechnete, so dass für einen 10 Tonnenofen jeder Wärmespeicher 25 cbm, alle vier zusammen aber 100 cbm Fassungs- raum hatten. Die Schmelzöfen wurden sorgfältig umkleidet. Der Brennstoffaufwand betrug bei Steinkohle 20 bis 25 Prozent des Ge- wichtes des erzeugten Stahles. Es wurde nur auf beste Qualität gearbeitet, da der Martinstahl grossenteils als Ersatz für Tiegelstahl Fig. 286. Fig. 287. dienen sollte. Für weiches Flusseisen musste möglichst schwefelfreies Roheisen ausgewählt werden. Hierfür war der Holzgasbetrieb vor- zuziehen. — Seit Anfang der neunziger Jahre hatte man auch in Schweden den basischen Prozess eingeführt. Für das Herdfutter ver- wendete man teils Magnesit aus Deutschland oder billiger Dolomit aus dem Inlande. Um dichte Blöcke zu bekommen, setzte man in der Pfanne im Tiegel geschmolzenes Ferrosilicium oder Ferromangan zu. Die Martinstahlerzeugung war 1886 bis 1892 von 22460 Tonnen auf 76556 Tonnen gestiegen. 1894 veröffentlichte W. Schmidhammer in Reschitza eine be- merkenswerte Studie über Gas- und Luftzuführung bei Martin- 46* Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. öfen Stahl und Eisen 1894, S. 751. . Er empfahl die Gaszuführung durch einen horizontalen, mässig geneigten Schlitz am Kopfende des Flammofens, die Luft- zuführung durch einen runden Fuchs im Gewölbe vor dem Gasfuchs. Die Schönwalders chen Flammöfen hatten sich auf der Friedens- hütte weiter bewährt. Am 17. Februar 1894 wurde Ofen Nr. 1 nach der tausendsten Charge zur Reparatur kaltgestellt. Öfen nach Schön- walders Patent waren im Betriebe zu Riesa in Sachsen, zu Dillingen im Saargebiet, zu Trzinietz in Österr.-Schlesien, zu Milowice und Kamenskoje in Russland und im Bau auf der Burbacher Hütte, zu Altsohl in Ungarn und zu Luzern in der Schweiz. In Frankreich baute Lencauchez 1893 in Anzin einen ver- besserten Herdflammofen, bei dem der Luftgenerator den Gasgenerator an Grösse sehr übertraf und die Luft unter Druck durch ein Gebläse zugeführt wurde. Die kippbaren Öfen zu Steelton, Pa., waren cylin- drisch ummantelt, ähnlich den Danksöfen. Auf der Alexandrowskihütte in Südrussland führte Gorjainow 1894 ein neues Schmelzverfahren ein, das darin bestand, dass er zuerst Erz im Flammofen einschmolz und dann das flüssige Roheisen in das geschmolzene Erz laufen liess. Die Vorteile des Verfahrens bestanden darin, dass man mit wenig Schrott arbeiten konnte und der Prozess rascher verlief, so dass eine Charge nur 6 statt früher 12 Stunden erforderte. Über den Flammofenherdprozess mit besonderer Berücksichtigung amerikanischer Verhältnisse hielt H. H. Campbell am 24. August 1893 in der hüttenmännischen Sektion des internationalen Ingenieur- Kongresses in Chicago einen bemerkenswerten Vortrag Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1894, S. 37 u. 49. . In den Vereinigten Staaten von Amerika, wo auf allen Gebieten das Streben, die Handarbeit durch Maschinenarbeit zu ersetzen, vor- herrschte, hatte man schon seit längerer Zeit das beschwerliche Be- schicken der Martinöfen durch mechanische Vorrichtungen bewirkt. Diese Chargiermaschinen waren allmählich vervollkommnet worden; sie wurden durch Dampf, hydraulisch oder pneumatisch bewegt, namentlich hatte aber Wellman einen durch Elektricität betriebenen Apparat für diesen Zweck konstruiert, welcher zuerst in dem Well- mans chen Stahlwerk zu Thurlow bei Philadelphia angewendet und der 1895 auch in Deutschland auf dem Hüttenwerk Lauchhammer Stahl und Eisen 1895, S. 669 und 940. nachgebaut und in Betrieb genommen wurde. Der Apparat, Fig. 288, Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. der später noch verbessert wurde Stahl und Eisen 1900, S. 748 und 996. , hat Ähnlichkeit mit den Koks- ausdrückmaschinen. Er läuft der Rückseite der Martinöfen entlang auf Schienen. Der Schwengel, an dessen vorderem Ende die Auf- gebemulde angebracht ist, ist fest mit einem Wagen verbunden, der mit Zahngetriebe auf Zahnstangen durch einen Elektromotor vor- Fig. 288. und rückwärts bewegt wird. Der Schwengel ist drehbar und wird diese Drehbewegung und damit zugleich die Entleerung der Mulde durch einen anderen Elektromotor bewirkt. Die Chargiermaschine führt acht verschiedene Bewegungen aus, die durch vier Elektro- motoren, deren jeder vorwärts und rückwärts laufen kann, bewirkt werden. Die Steuerung geschieht durch vier Hebel. In den Fig. 289 u. 290 (a. f. S.) ist eine moderne amerikanische, von Wellman entworfene, Martinofenanlage auf dem Blechwalzwerk der Illinois Steel Company Daselbst 1895, S. 797. , welche anfangs 1895 in Betrieb kam, dargestellt. Fig. 289 zeigt einen der vier 20-Tonnenöfen mit der Beschickungs- vorrichtung und der Giessgrube, die immer für je zwei Öfen gemein- sam ist. Fig. 290 zeigt in gleicher Weise einen der beiden grossen Wellmans chen 30-Tonnen-Kippöfen, die sich in Zahngetrieben auf eisernen Ständern bewegen, mit einem der beiden hydraulischen Press- cylinder, welche die Drehung bewirken. Neuerdings hat die Gutehoffnungshütte bei Oberhausen für eine verbesserte Beschickungsvorrichtung für Martinöfen ein Patent (D. R. P. Nr. 113027) erhalten. Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Fig. 289. Fig. 290. Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. Richards und Hunt liessen sich die Anwendung von Ferro- Mangan-Aluminium als Desoxydationsmittel patentieren (Amer. Pat. Nr. 501233). 1895 hatten in Deutschland die Schachtgeneratoren mit Unter- windbetrieb, von denen sich beispielsweise der S. 425 abgebildete von Taylor bewährt hatte, die alten Siemensgeneratoren verdrängt. Die Gase der Schachtgeneratoren Westfalens enthielten 28 Prozent Kohlen- oxydgas und 12 Prozent Wasserstoffgas, wurden dieselben aber mit überhitztem Dampf und vorgewärmtem Wind betrieben, so betrug der Gehalt an Kohlenoxyd 39 und an Wasserstoff 14 Prozent Siehe Springorum in Stahl und Eisen 1897, S. 396. . Für die Regulierung von Gas und Luft hatte sich die Glockensteuerung gut bewährt; in Österreich zog man teilweise Muschelschieber vor W. Schmidhammer in Stahl und Eisen 1897, S. 622. Verbesserte Wechselklappen und Wechselglocken für Regenerativ- Gasöfen fertigten seit 1895 Gerlach \& Bömcke in Dortmund an Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 388. . Ebenso erfand Franz Svoboda in Altsohl einen solchen 1896 (D. R. P. Nr. 93265). Jedem Ofen gab man ein eigenes gutziehendes Kamin. Die Wichtigkeit der richtigen Mischung von Gas und Luft vor dem Ein- tritt in den Schmelzraum wurde allgemein erkannt und berücksichtigt. Auf dem Princip, Gas und Luft nicht im Ofen, sondern in einer Kammer in der Kopfseite des Ofens zu mischen und die Hitze im Schmelzraum durch die Kammertemperatur zu regulieren, beruhte die von Franz Svoboda in Altsohl erfundene Reguliervorrichtung mit Umschalteglocke (D. R. P. Nr. 93265 vom 13. Mai 1896 Daselbst 1897, S. 924 und 1898, S. 215. ). Den Ge- danken selbst hatte bereits Schönwalder bei seinem Ofen ausgeführt. Er bediente sich einer Klappenregulierung. Die Verbesserungen der Generatoren und der Gasventile haben wesentlich zu den Fortschritten des Martinprozesses beigetragen. R. M. Daelen empfahl 1897 in der Hauptversammlung der Deutschen Eisenhüttenleute das Roheisen direkt vom Hochofen in einem fahrbaren Konverter vorzufrischen und in den Flammofen zu entleeren. Einen ähnlichen Vorschlag hatte W. Schmidhammer schon 1891 gemacht. Der Berthrand-Thielprozess von Direktor E. Berthrand in Kladno und O. Thiel , Kaiserslautern Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 403 u. 733; 1898, S. 86, 146. will die Chargendauer bei dem Martin- Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. prozess durch Kombination mehrerer Flammöfen, Fig. 291, zu gemeinsamem Betrieb abkürzen. Dies geschieht in der Weise, dass in dem einen, höher gelegenen Ofen das Vorfrischen des Roheisens stattfindet; das vorgefrischte Metall wird dann in einen tiefer ge- legenen Ofen, in dem inzwischen der Schrott vorgewärmt worden Fig. 291. war, abgestochen und nun die Charge in dem unteren Ofen fertig gemacht, während in dem oberen Ofen ein neuer Roheisenposten vorgefrischt wird. In Kladno, wo dieser Betrieb 1897 eingeführt wurde, war nach Angabe von O. Thiel der obere Ofen für 13, der untere für 24 Tonnen Eiseneinsatz. Sollte mit hohem Roheisenprozentsatz gearbeitet werden, so wurde auch in den unteren Öfen Roheisen mit dem Schrott aufgegeben. Der Abstich des sehr heissen Metalles des oberen Ofens erfolgte nach zwei Stunden. Nachdem es mit dem im Schmelzen begriffenen Schrott im unteren Ofen in Berührung gekommen war, trat eine sehr heftige Reaktion ein, so dass die Charge in diesem nach 1½ bis 2 Stunden fertig war, während dies bei dem früheren Verfahren 5 Stunden erforderte. Will man mit sehr hohem Roheisenzusatz arbeiten, so empfiehlt es sich, zwei Vorfrischöfen mit einem Schrottofen zu kombinieren, wie es oben skizziert ist. Die Verteilung der Frischarbeit auf zwei Öfen erleichtert die Darstellung verschiedener Qualitäten von Flussmetall; sie gestattet mit flüssigem Roheisen vom Hochofen zu arbeiten, erfordert weniger Kalkzuschlag und erspart deshalb Brenn- material. Der rasche Verlauf des Prozesses bewirkt eine Steigerung der Produktion, während die Ofenwände weniger rasch zerstört werden. Das Ausbringen ist ein höheres. Infolge dieser günstigen Aussichten wurde dieses Verfahren seit- Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. dem auf mehreren grossen Werken, so z. B. auch von Schneider \& Co . zu Creuzot, eingeführt. Die Vorschläge, Roheisen in basischen Birnen vorzufrischen und in Formen zu giessen, diese Stahlflossen in den Handel zu bringen, um in Martinöfen eingeschmolzen und verfrischt zu werden, scheinen bis jetzt keinen Erfolg gehabt zu haben. Um das Roheisen aus dem Hochofen in billiger Weise für den Herdofen vorzufrischen, haben L. Pszezolka in Wien und R. M. Daelen 1898 sich ein Verfahren patentieren lassen, bei dem das flüssige Metall in einem Behälter durch heissen Hochofengebläsewind vor- gefrischt und dann in den Herdofen eingegossen wird (D. R. P. Nr. 104576 und 106576). A. Sattmann sucht dasselbe dadurch zu erreichen, dass er das Eisen in einem schmalen, kaskadenförmigen Vorfrischherde der oxy- dierenden Stichflamme der Herdofengase aussetzt, ehe es in den Herdofen gelangt. (Engl. Pat. Nr. 7287, D. R. P. Nr. 105281 vom 25. März 1898 Stahl und Eisen 1899, S. 889 und 956. ). Hierdurch wird der Zusatz von kaltem, gefrischtem Eisen vermieden. Die phosphorsäurehaltigen Schlacken des basischen Martin- betriebes haben bis jetzt noch keine Verwendung als Düngemittel in der Landwirtschaft gefunden, teils ihres hohen Kieselsäure- und Eisen- gehaltes, teils ihres geringen Phosphorsäuregehaltes wegen. O. Thiel schlug vor Daselbst 1898, S. 750. , sie durch Zusatz von Phosphorit beim Schmelzen anzureichern und dadurch wertvoller und verkäuflich zu machen. Im allgemeinen geht neuerdings das Streben dahin, den Siemens- Martinöfen einen grösseren Fassungsraum zu geben, besonders ist dies in England und Amerika der Fall. Die 1898 erbaute Anlage der Blochairn-Stahlwerke enthält eine Batterie von zehn 40-Tonnen- öfen. Zu Barrow-in-Furness Daselbst 1899, S. 1016. sind 1899 vier 50-Tonnenöfen erbaut worden. Öfen von demselben Fassungsraum führte die Carnegie- Stahlgesellschaft in Homestead (Pa.) auf. Neuerdings hat man in Amerika sogar Öfen für 75 Tonnen Einsatz errichtet. In Amerika ist das Princip der kippbaren Martinöfen mit Erfolg weiter ausgebildet worden. Der erste Ofen dieser Art wurde, wie bereits erwähnt, 1889 von H. H. Campbell auf den Steeltonwerken der Pennsyl- vanischen Stahlgesellschaft errichtet Daselbst 1899, S. 536. . Man steigerte ihren Fassungs- Fortschritte der Herdflussstahlbereitung seit 1870. raum von 4½ auf 45 Tonnen. Sie waren mit basischem Futter versehen. Der Ofen drehte sich um seine Achse. Etwas später baute S. T. Wellman auf dem Martinwerke der Illinois Steel Company A. a. O. 1895, S. 799; 1899, S. 537. seine Kippöfen, die als Schaukeln eingerichtet sind und nach vorn gerollt oder gekippt werden. Diese Öfen fanden grössere Verbreitung und wurden mehr- Fig. 292. Fig. 293. fach verbessert. Fig. 292 und 293 zeigen einen solchen der Alabama Steel and Shlipbuilding Co. in Ensby. Sie sind für 50 Tonnen Einsatz und mit elektrischer Beschickung eingerichtet. Zum direkten Guss hat man die Kippöfen in Amerika neuerdings mit Vorherd versehen, wodurch die Giesspfanne gespart werden soll Stahl und Eisen 1900, S. 882. . Cement- und Tiegelgussstahl. Benjamin Talbot Daselbst S. 263 und 311. baute auf den Pencoyd Iron-Works Öfen dieser Art von ca. 100 Tonnen Fassungsraum und führte kontinuier- lichen Betrieb in der Weise ein, dass von der ganzen Charge etwa 70 Tonnen abgegossen und die zurückbleibenden 30 Tonnen das Bad für das flüssig zugesetzte Roheisen bilden. Man kann hierdurch den Betrieb ohne Schrott führen, was bei der zunehmenden Aus- breitung des Herdstahlprozesses von Wichtigkeit ist. — P. Eyer- mann A. a. O. 1899, S. 310. schlägt einen Verbundofen, d. h. eine Kombination von Bessemerbirne und Martinofen vor. Bei gutem Betriebe einfacher 15-Tonnenöfen werden jetzt (1900) in Deutschland fünf bis sechs Hitzen in 24 Stunden gemacht. Bei dem Bertrand-Thiel-Prozess, der mit zwei Herden arbeitet, werden in Kladno sieben bis acht Chargen in 24 Stunden bei einem Roheisen von 1,5 Prozent Phosphor und 1 Prozent Silicium erreicht Stahl und Eisen 1900, S. 782. . Das Martinieren mit in der Birne vorgefrischtem Roheisen nach dem Verfahren von Daelen-Pszezolka , das jetzt (1900) auch in Czenstochau, Russisch-Polen, in gutem Betriebe ist, gestattet sieben Chargen in 24 Stunden Daselbst S. 750. . Cement- und Tiegelgussstahl . Seit der Ausbreitung der Flussstahlfabrikation hat sich die Tiegelstahlfabrikation noch mehr wie früher auf die Erzeugung von Qualitätsstahl beschränkt. Noch grösseren Abbruch erfuhr da- durch die Cementstahlfabrikation . Gärbstahl oder Raffinierstahl aus Cementstahl wurde kaum mehr hergestellt, weil sich die Fabri- kation nicht mehr lohnte und Cementstahl für Tiegelgussstahl wurde nur noch da gemacht, wo man besten Werkzeugstahl erzeugen wollte, wie in Kapfenberg in Steiermark, in Remscheid in Westfalen und besonders in Sheffield in England. Wo es sich um gröbere Stahl- artikel handelte, wendete man zur Herstellung des Tiegelstahls, wenn derselbe überhaupt noch gegenüber dem billigeren Konverter- oder Flammofenflussstahl in Frage kam, gepuddelten Stahl oder noch billigere Sorten an. Die Cementstahlfabrikation trat hierdurch mehr und mehr in den Hintergrund und wurde nach und nach fast überall aufgegeben. Cement- und Tiegelgussstahl. Von Fortschritten in diesem Betriebszweige ist deshalb nicht viel zu berichten. Dagegen hat sich die Wissenschaft mit Eifer bemüht, die chemischen und physikalischen Vorgänge bei der Cementation mög- lichst klarzustellen. Zwei hierauf bezügliche Arbeiten verdienen besonders erwähnt zu werden, eine mehr chemische von Boussingault von 1874 Comptes rendus etc. LXXVIII; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1874, S. 207. und eine mehr metallurgische von Reinhard Mannes- mann von 1879 E. Mannesmann , Vorgänge bei der Cementstahlbereitung in den Ver- handlungen des Vereins zur Förderung des Gewerbefleisses in Preussen 1879, Heft 1, S. 31. . Die chemischen Veränderungen eines aus Holz- kohlenroheisen von Rio dargestellten Puddeleisens bei der Cementation ergaben sich wie folgt: Bemerkenswert ist hierbei, dass mit der Aufnahme von Kohlen- stoff gleichzeitig die Hälfte des Schwefels verschwindet. Gute Guss- stahlsorten enthalten keinen Schwefel mehr. Die Blasenbildung leitet Boussingault von Wasserstoffgas her, welches das Eisen durchdringt. Reinhard Mannesmann hält es für unwahrscheinlich, dass bei der Cementation die Kohlung durch Kohlenoxydgas bewirkt werde. Hier- gegen spricht auch der Versuch, dass Roheisen mit Spiegeleisen um- gossen nach kurzem Glühen mit einer 1 mm dicken Stahlschicht bedeckt erscheint. Mannesmann nimmt deshalb eine Wanderung der Kohlenstoffatome an. J. O. Arnold und A. M’ William haben neuerdings nachgewiesen, dass das Eindringen des Kohlenstoffs beim Cementieren in zwei ver- schiedenen Arten vor sich geht Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1898, S. 665. . Hier verdient auch ein eigentümliches Cementationsverfahren, das Cement- und Tiegelgussstahl. anfangs der siebziger Jahre in den Vereinigten Staaten angewendet wurde, Erwähnung. Man schmolz Magneteisenstein zu einer breiartigen Masse und hierin weisses Roheisen ein. Tauchte man Eisen in dieses Bad ein, so wurde es cementiert und in Stahl verwandelt. Es ist dies derselbe längst bekannte Vorgang, den schon Biringuccio be- schrieben hat Siehe Bd. I, S. 632; Bd. II, S. 248. und der der Brescianstahlarbeit und anderen alten Stahlfrischprozessen zu Grunde liegt. Sheffield, welches nach wie vor die klassische Heimat des vor- züglichen englischen Werkzeugstahls blieb, hielt hartnäckig an den alten Überlieferungen der Gussstahlbereitung fest. Zu diesen gehörte vor allen die Cementstahlbereitung aus reinstem schwedischem Holz- kohleneisen, das aus den besten Dannemoraerzen mit Holzkohlen im Hochofen geschmolzen und dann mit Holzkohlen in Frischherden in Schmiedeeisen dargestellt worden ist. Gothenburg, Stockholm und Gefle waren seit alters die schwedischen Häfen, von denen dieses Produkt nach Hull verschifft wird. Der grösste Teil geht von hier zu Wasser nach Sheffield, während ein kleinerer Teil nordwärts nach West-Hartlepool und südwärts nach London weiter geht. Man kauft folgende Marken: Dannemora-Stabeisenmarken . Die Einteilung des Cementstahls ist folgende: 1. Spring Heat (Federstahl) enthält ½ Prozent Kohlenstoff 2. Country Heat (Schweissstahl „ 5/8 „ „ 3. Simple Spear Heat (harter Gussstahl) „ ¾ „ „ 4. Double Spear Heat (Meisselstahl) „ 1 „ „ 5. Steel Through Heat (Werkzeug- stahl, sehr hart) „ 1¼ „ „ 6. Melting Heat (Feilenstahl, kaum schweissbar) „ 1½ „ „ Cement- und Tiegelgussstahl. Macintosh hatte schon 1825 vorgeschlagen, die Cementation in Kohlengas, d. h. einem Gemenge von Kohlenoxyd und Kohlenwasser- stoffgas, vorzunehmen. Die Stäbe sollten senkrecht in Kammern auf- gestellt, erhitzt und das entschwefelte Gas durchgeleitet werden. Das Verfahren gab angeblich gute Resultate, war aber zu teuer. Man hat dieses Verfahren auch in den siebziger Jahren wieder versucht, aber ohne praktischen Erfolg. Th. J. Barrow machte Anfang der siebziger Jahre grobe Stahl- werkzeuge in der Weise, dass er sie aus Gusseisen in Formen goss, sie sodann in Eisenoxyd glühte, um sie in Schmiedeeisen überzuführen, und sie zuletzt in glühenden Retorten einem Strom von Gasolin und reinem Holzkohlengas aussetzte, wodurch sie zu Stahl cementiert wurden. Die Werkzeuge wurden alsdann getempert, geschliffen und poliert. 1877 wollte man Bessemer- und Martinstahl in der Weise für feinen Tiegelgussstahl verwenden, dass man Stäbe davon in einem mit Kohlenstickstoff getränkten Brennmaterial cementierte. J. G. Bates nahm 1891 ein Patent (D. R. P. Nr. 57729) auf den Zusatz von Kryolith zum Cementierpulver und Th. Langer liess sich in demselben Jahre (D. R. P. Nr. 55544) ein Gemenge von 15 Tln. Salz, 1 Tl. Borax und 5 Tln. gelbem Blutlaugensalz mit einem kleinen Zusatz von gebrannten Hornspänen als Härtepulver für Schmiedeeisen- Temperguss patentieren. Für denselben Zweck schlugen Coomes und Hyde (D. R. P. Nr. 57880) eine konzentrierte Lösung von Kochsalz, Zucker und Salmiak vor. Le Garnier empfahl 1893 die Anwendung des elektrischen Stromes zur Beschleunigung der Cementation. Der grösste Fortschritt der Tiegelgussstahlfabrikation bestand in der Einführung der Siemens-Regenerator-Schmelzöfen, welche die Produktion erhöhten und den Brennstoffverbrauch ver- ringerten. Man vergrösserte diese Öfen mehr und mehr. 1880 hatte man schon Flammschmelzöfen für 40 Tiegel. Da man die Tiegel nur in zwei Reihen aufstellte, wurden diese Öfen sehr lang. Natürlich erfuhren die Siemens-Stahlschmelzöfen vielerlei Abänderungen je nach den Verhältnissen und wurden viele Patente auf diese abgeänderten Konstruktionen genommen. Um 1875 fand in den Vereinigten Staaten der Swindell-Ofen grössere Verbreitung. Für den Guss kleiner Stahlgusswaren erwies sich Piats beweglicher Tiegelschmelzofen (Fig. 294), der zuerst auf der Pariser Ausstellung 1889 die Aufmerksamkeit erregte, als zweckmässig. Bei diesem wurde Cement- und Tiegelgussstahl. nicht der Tiegel, der fest eingebaut war, sondern das ganze Öfchen gekippt, ähnlich wie bei den Reaumurs chen Kippöfen für Gusseisen. Das Kippen konnte mechanisch geschehen. J. M. Gledhill Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 890. liess sich 1898 Tiegelöfen mit beweglichen Böden patentieren (E. P. 1898, Nr. 2817). Die besten Tiegel bestanden aus Graphit, gutem feuerfestem Thon und Chamotte; da dieselben aber teuer waren, suchte man sie durch Thontiegel oder andere billigere Mischungen zu er- setzen. Die Zusammensetzung der Tiegelsubstanz war von grossem Einfluss auf den Stahl. Troost und Haute- feuille hatten schon vor 1883 nachgewiesen, dass Silicium aus der Tiegelwand reduziert und von Stahl gelöst wird. Bei quarz- haltigen Tiegeln war dies in höherem Masse der Fall als bei reinen Thon- tiegeln und bei diesen wieder mehr als bei Bauxit- tiegeln. Dr. Friedr. C. G. Müller Daselbst 1888, S. 180. wies 1885/86 nach, Fig. 294. dass eine Siliciumaufnahme bis 0,3 Prozent auch im Graphittiegel stattfinden kann, dass dabei der Kohlenstoffgehalt aber nicht ver- mindert wird, während in Thontiegeln ohne Graphit das Silicium den Kohlenstoff teilweise oft bis zur Hälfte verdrängt. In Graphittiegeln betrug dabei die Anreicherung des Siliciums das Doppelte bis Drei- fache derjenigen bei den graphitfreien Tiegeln. Dabei schmolz der Stahl im Graphittiegel ruhig, im Thontiegel aber unruhig und gab blasige Güsse. Nach Ledebur Daselbst 1885, S. 603. befördert ein Mangangehalt die Reduktion der Kieselsäure und die Siliciumaufnahme, während Müller dies anfangs in Abrede stellte. Nach Albano Brand Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 695. erfährt der Stahl Cement- und Tiegelgussstahl. in Koks-Thontiegeln nur geringe Veränderungen beim Schmelzen, doch sind Graphittiegel für Qualitätsstahl vorzuziehen. Für basische Tiegel empfiehlt er Magnesit mit 8 Tln. Thonerde und Teer als Binde- mittel. Diese Untersuchungen und weitere über den Einfluss des Siliciums auf den Tiegelgussstahl beim Schmelzen waren mit angeregt worden durch einen Vortrag von H. Seebohm Abgedruckt im Journal of the Iron and Steel Institute 1884, p. 372. , in dem dieser zum erstenmal auf die Wichtigkeit des Nachkochens, in Sheffield „Killing“ genannt, hinwies. Es ist in Sheffield beim Schmelzen des guten Tiegelstahls Gebrauch, den Stahl nach dem Schmelzen im Ofen bei hoher Hitze noch eine halbe Stunde nachkochen, sich dann beruhigen und auf die erforderliche Temperatur abkühlen zu lassen, um dichte, gute Güsse zu erhalten. Gerade hierbei findet die Aufnahme von Silicium aus der Tiegelwand statt. Das reducierte Silicium wirkt hier gerade so, wie bei dem Zusatz von Eisensilicid oder Eisen-Mangansilicid zu Flusseisen zur Erzielung blasenfreier Güsse. Dass die Anwesenheit von Mangan hierbei sehr förderlich ist, hat auch Dr. Friedr. C. G Müller bei seiner weiteren Untersuchung Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 695. gefunden. Mangan wirkt bei der hohen Temperatur noch energischer wie das Eisen auf die Kieselsäure der Tiegelwand ein, indem es einem Teil der Kieselsäure Sauerstoff entzieht und zu Silicium reduciert, während sich das gebildete Mangan mit einem anderen Teile der Kieselsäure verschlackt (2 Mn + 3 Si O 2 = Si + 2 Si Mn O 3 ). Auf diesem Vorgang beruht die garende Wirkung bei dem Nachkochen, wobei das Silicium als Träger des Prozesses erscheint. Beste englische Gussstahlsorten enthalten bis zu 0,5 Prozent Silicium. Auch M. Böcker Daselbst S. 33. ist der Ansicht, dass Silicium und Mangan für die Herstellung von gutem Tiegelstahl un- entbehrlich seien, dagegen erhöhe der Gehalt von Silicium und Mangan keineswegs die Güte des Gussstahls. Nach Böcker soll idealer Guss- stahl nur Eisen und Kohlenstoff enthalten, jede Beimengung be- einträchtige die Güte desselben und zwar geschähe dies von den gewöhnlichen Beimengungen des Roheisens in folgender abnehmender Reihe: 1. Phosphor, 2. Schwefel, 3. Kupfer, 4. Silicium, 5. Mangan. Mangan und Silicium können erwünschte Beimengungen sein, wenn der Stahl noch weiter im Feuer verarbeitet wird, indem dann diese Körper ihn vor Verbrennen schützen. Cement- und Tiegelgussstahl. Die Härte des Gussstahls hängt unmittelbar von dem Kohlenstoff- gehalt ab. Die in Sheffield üblichen sieben Härtegrade entsprechen folgenden Kohlenstoffgehalten: 1. Rasiermesserstahl (razor temper) 1½ Prozent Kohlenstoff 2. Sägefeilenstahl (saw-file temper) 13/8 „ „ 3. Drehstahl (tool temper) 1¼ „ „ 4. Spindelstahl (spindle temper) 11/8 „ „ 5. Meisselstahl (chisel temper) 1 „ „ 6. Setzmeisselstahl (set temper) 7/8 „ „ 7. Matrizenstahl (die temper) ¾ „ „ In Remscheid bezeichnet man deshalb jetzt die Härtegrade ein- fach nach Nummern, die mit Zehntel-Kohlenstoffgehalt überein- stimmen, so dass Nr. 8 ein Stahl von 0,8 Prozent, Nr. 10 ein Stahl von 1,0 Prozent, Nr. 15 ein Stahl von 1,5 Prozent Kohlenstoffgehalt ist. Zwischen diesen Grenzen liegen die guten Werkzeug-Tiegelstahl- sorten. Wolframstahl bezeichnet man seiner grossen Härte wegen mit Nr. 20. Auf der oben angeführten Wirkung des Mangans beruht der Vorschlag von C. Y. Hermelin Siehe Jern kontor. Ann. 1887, S. 338. , dem Cementstahl nach dem Schmelzen im Tiegel einen Zusatz von Spiegeleisen zu geben. Wenn auch die wichtigste Bedeutung der Tiegelstahlfabrikation im Qualitäts- stahl besonders für Werkzeuge liegt, so verwendete man dieselbe doch auch in dieser Periode noch zur Herstellung grober Waren, wofür man dann selbstverständlich billigeres Material einschmolz. Dieser Verwendung des Tiegelstahls hat allerdings die Erfindung des Kon- verter- und des Flammofenstahls Abbruch gethan, dennoch ist sie noch in Gebrauch, wo es sich um eine besondere Qualität, die man am sichersten im Tiegel erhalten kann, handelt, oder bei besonderen Güssen, wo man jetzt auch oft den Tiegelguss in Verbindung mit dem Flamm- ofenguss anwendet. Wie bekannt, war es zuerst Alfred Krupp in Essen, dem es gelang, erstaunlich grosse Stahlstücke aus Tiegelstahl herzustellen, was er durch die Grossartigkeit seiner Schmelzanlagen und das fast militärisch organisierte Zusammenwirken der Schmelz- arbeiter erreichte. Dieses System, das sich bei Krupp so glänzend bewährt hatte, wurde in den siebziger Jahren auch in anderen Stahlwerken eingeführt, so in Russland in dem Obuchowskis chen Stahlwerke bei Alexandrowsky, wo namentlich für die schweren Kanonen der kaiserlichen Marine grosse Gussblöcke verlangt wurden. Beck, Geschichte des Eisens. 47 Cement- und Tiegelgussstahl. Es gelang dem Direktor Obuchow (Obouchkow, Abukoff ) vor 1875, Güsse von 40 Tonnen Gewicht aus 1200 Tiegeln zu giessen. Hierfür wurde Roheisen und Schmiedeeisen eingeschmolzen, beide Materialien allerdings von besonderer Güte. Es war Holzkohlenroh- eisen vom Ural und Stabeisen aus Sibirien. In Amerika verwendete man mit Vorliebe den sehr reinen mit Holzkohle erzeugten Rennstahl für guten Tiegelgussstahl. Charles Attwood machte zu Wolsingham in England aus Eisen von Weardale und Spiegeleisen Anfang der siebziger Jahre einen guten Tiegelgussstahl, der aber zu teuer war, um mit Bessemerstahl konkurrieren zu können. — Unter vielen anderen Versuchen erwähnen wir noch das Verfahren von C. Casper (1889), welcher reines Fluss- eisen granuliert und die Granalien im Tiegel unter Zusatz von Kien- russ und Magnesia einschmilzt (D. R. P. Nr. 47211). An die Fabrikation des Tiegelgussstahls, worunter ein Produkt von Eisen und Kohlenstoff verstanden wird, reiht sich die Fabrikation der sogenannten Specialstahle Im kleinen werden die nachbeschriebenen Specialstahle und Legierungen von C. W. S. Biermann in Hannover dargestellt und verkauft. an, welche ausser den genannten Elementen noch einen anderen Körper, der seine Güte, meistens seine Härte erhöhen soll, enthält, weil diese Specialstahle ursprünglich ebenfalls in Tiegeln hergestellt wurden. Es geschieht dies noch für kleinere Güsse, während man grosse Güsse oder Massenartikel jetzt öfter aus dem Flammofen giesst. Die Elemente, die man zur Her- stellung dieser Specialstahle dem gekohlten Eisen zusetzt, sind besonders Mangan, Wolfram, Chrom, Phosphor, Silicium, Aluminium, Kupfer, Nickel und Titan. Mushets Titanstahl war, wie schon früher erwähnt wurde, in Misskredit geraten, weil wiederholte chemische Analysen kein Titan in dem danach benannten Stahl nachweisen konnten. Dagegen er- freute sich der Manganstahl besonders als Meisselstahl grosser An- erkennung. Robert und David Mushet hatten 1830 bereits einen Mangan- stahl mit angeblich 30 Prozent Mangan im Tiegel erzeugt. Doch blieb es bei dem Laboratoriumsversuch. Die als Ferromangan bekannte Legierung, welche als Ersatz für Spiegeleisen bei der Flussstahlfabri- kation Verwendung findet, haben wir schon erwähnt. Es ist eine Legierung mit hohem Kohlenstoffgehalt (bis 7,5 Prozent), die hart und spröde ist. A. Pourcel führte 1867 in Terrenoire die Erzeugung von sehr weichem Flussstahl mit Hülfe von 80 prozentigem Ferro- Cement- und Tiegelgussstahl. mangan ein. Da dieses seit Anfang der siebziger Jahre in grösseren Mengen verwendet wurde, versuchte man dasselbe unmittelbar im Hochofen zu erzeugen, und es gelang zuerst in Krain im Jahre 1872, eine solche Legierung mit 28 Proz. Mangan im Hochofen herzustellen. 1873 erhielt das auf der Wiener Ausstellung vorgeführte Produkt schon 37 Prozent Mangan und 1874 erzeugten die beiden Hütten Jauerburg und Sawa bereits Ferromangan von 40 bis 50 Prozent Mangan. In den Vereinigten Staaten stellte in den folgenden Jahren W. G. Ward zu Casterville, Georgia, 50 prozentiges Manganeisen im Hochofen dar. Auch im Kupolofen gelang es, Ferromangan mit 75 Prozent Mangan herzustellen, indem man Ziegel aus mit schwacher Säure angefeuchteten Eisenfeilspänen und Braunsteinpulver herstellte und schmolz. Das im Tiegel nach Hendersons Patent 1876 dar- gestellte Ferromangan enthielt bereits 75 Prozent Mangan. Später erhielt man im Tiegel sogar Produkte mit 80 bis 85 Prozent Mangan. Dass ein Manganzusatz dem Gussstahl grössere Härte verleiht, war bekannt, und es brachte zuerst die von Mayrs che Gussstahlhütte zu Kapfenberg einen Mangangussstahl in den Handel. Hierbei ersetzt nach Gautiers The Iron and Coal Trade Review 1876; Chem. Centralblatt 1876, S. 736. Ansicht (1876) Mangan einen Teil des Kohlenstoffs, denn ein Manganstahl mit 0,38 Kohlenstoff und 1,38 Mangan ist hart, während er seinem Kohlenstoffgehalt nach zu den weichen gehören müsste. Genauere Untersuchungen über Manganstahl und besonders über höhere, stahlähnliche Mangan-Eisenlegierungen veröffentlichte J. A. Hadfield seit 1882. Zusammengefasst sind die Ergebnisse der- selben in einem Vortrage, den er 1888 im Institute of civil engineers hielt. Hiernach verbessert ein Zusatz von Mangan bis zu 2,75 Prozent den Gussstahl, indem es seine Härte erhöht, ohne seine übrigen Eigen- schaften zu beeinträchtigen. Vermehrt man den Zusatz über 2,75 Pro- zent, so wird das Produkt spröde und unbrauchbar und zwar bis zu einem Zusatz von 7 Prozent. Überschreitet der Mangangehalt 7 Pro- zent, so erhält man in den Grenzen von 7 bis 20 Prozent ein Metall von ganz anderen Eigenschaften, aber von ungewöhnlicher Stärke und Zähigkeit. Dieses Produkt ist kaum mehr als Stahl zu bezeichnen, sondern zeigt mehr Ähnlichkeit mit manchen Legierungen, wie z. B. der Bronze. Es wird beim Ablöschen in Wasser nicht härter, sondern eher weicher und zäher; bei 12,5 Prozent Mangangehalt wird es gänzlich unmagnetisch. Übrigens verhält es sich innerhalb der oben 47* Cement- und Tiegelgussstahl. angegebenen Grenzen durchaus nicht gleich. Bei 2½ Prozent Mangan vermindern sich Festigkeit und Dehnbarkeit, während die Härte zunimmt, die bei 6 Prozent ihr Maximum erreicht. Bei 7 bis 10 Prozent Mangan nehmen Härte und Sprödigkeit etwas ab, Festig- keit und Dehnbarkeit dagegen zu Nach Åkermann , Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1889, S. 115. . Am vorteilhaftesten ist die Legierung mit 12 bis 14 Prozent Mangan, die eine Zerreissfestigkeit von 100 kg pro Quadratmillimeter und eine Dehnung von 44 bis 50 Prozent bei einer Stablänge von 203 mm zeigt, also bei grösster Härte eine Zugfestigkeit wie das weichste Eisen Vergl. auch Stahl und Eisen 1891, S. 993. . Eisenmangan- stahl (Hadfieldstahl) von 17 bis 20 Prozent Mangan zeigt die drei- fache Festigkeit wie gewöhnlicher Stahl. Für manche besondere Zwecke kann derselbe also sehr vorteilhaft sein. Die Darstellung erfolgt durch Zusatz von geschmolzenem reichen Ferromangan zu vollständig entkohltem heissflüssigen Martin- oder Thomasstahl unter Umrühren Siehe Ledebur über Manganstahl in Stahl und Eisen 1894, S. 504. . Der Hadfieldstahl lässt sich schmieden und walzen wie ein harter Kohlenstoffstahl mit 1,25 bis 1,50 Prozent Kohlenstoff. Der vorzügliche Werkzeug-Tiegelgussstahl, den Gebrüder Böhler \& Co. unter der Bezeichnung „Rapid“ in Kapfenberg herstellen, ent- hält nur etwa 1 Prozent Mangan A. a. O. 1901, S. 26. . Ein anderer Specialstahl von aussergewöhnlicher Härte ist der Wolframstahl . Dieser war zuerst 1855 von Jakob in Österreich, dann 1857 von Oxland in England dargestellt worden und wurde sodann von Mayr in Leoben 1858 als Handelsartikel dargestellt. 1861 folgte Mushet mit seinem Specialstahl, der etwa 8 Prozent Wolfram enthielt, während der Wolframstahl von Mayr wenig mehr als 1 Prozent enthielt. In Deutschland beschäftigte sich die Bochumer Gussstahlfabrik Ende der sechziger Jahre mit der Herstellung eines Wolframstahls, der nach den Analysen an 3 Prozent Wolfram enthielt. Ende der siebziger Jahre stellte man zu Terrenoire eine Eisen- wolframlegierung im Hochofen zur Bereitung von Wolframstahl dar. Proben dieses Wolframmanganeisens waren 1879 auf der Pariser Weltausstellung zu sehen. Ein Stück davon enthielt nach Kerpely 24,25 Tle. Wolfram, 30,00 Tle. Eisen, 41,50 Tle. Mangan, 5,65 Tle. Kohle und 0,14 Tle. Phosphor. Biermann in Hannover lieferte Wolframeisen und Wolframmanganeisen mit 20 bis 50 Prozent Wolfram. Cement- und Tiegelgussstahl. Mushets Specialstahl, von dem eine Probe nach einer Analyse von Riley 7,98 Prozent Wolfram, 1,40 Prozent Kohlenstoff und 0,24 Prozent Silicium eine andere auch noch 2,48 Prozent Mangan enthielt, war sehr hart und liess sich nur äusserst schwierig bei Rot- glut bearbeiten. Er war doppelt so teuer wie bester Huntsmanstahl und zu hart und spröde, um als Werkzeugstahl allgemein verwendbar zu sein. Nur ausnahmsweise wurde er für Dreh- und Schrotmeissel von besonderer Härte verwendet, z. B. auf der französischen Westbahn zum Abdrehen von Stahlbandagen. Die Titanic Forrest Steel Works zu Coleford stellen noch Mushets Specialstahl dar. Ein grösseres Interesse hat man seit 1870 dem Chromstahl entgegengebracht, der bekanntlich schon 1821 von Berthier unter- sucht und beschrieben worden war und auf dessen Fabrikation Mushet 1861 ein Patent genommen hatte. Eine praktische Bedeutung erlangte die Chromstahlfabrikation aber erst in den Vereinigten Staaten von Nordamerika durch Julius Baur in New York. Dieser erhielt 1865 ein Patent auf die Darstellung eines „edleren, zäheren und härteren Stahls durch den Zusatz von Chrom“. Auf Grund dieses Patentes bildete sich die Chromstahl-Gesellschaft zu Brooklyn, welche seit 1869 Chromstahl fabrikmässig darstellte und mit der in Amerika üblichen Reklame auf den Markt brachte. Anfang der siebziger Jahre liess sich J. Baur auch ein von ihm erfundenes verbessertes Verfahren der Bereitung von Eisenchrom patentieren. Der Erfolg in Amerika lenkte auch in Europa die Aufmerksamkeit auf Chromstahl und Ferrochrom. 1874 hatte Professor Carlington Engineering 1875, S. 178. behauptet, Chromstahl leiste das drei- bis vierfache als gewöhnlicher Stahl, seine Textur sei sehr gleichmässig, er stehe gut in der Hitze und sei schweissbar. 1875 begann Brustlein , Direktor der Gesellschaft Holtzer \& Co. in Unieux bei Firminy in Frankreich, versuchsweise Chrom- stahl darzustellen. Seit 1877 wurde die Chromstahlfabrikation zu Unieux im grossen betrieben. Die Grundlage hierfür bildeten Eisen- chromlegierungen, die entweder im Tiegel oder im Hochofen dar- gestellt wurden. Ein chromhaltiges Roheisen war schon Ende der sechziger Jahre zu St. Stephan in Steiermark im Hochofen erblasen worden; seit etwa 1874 stellten die Tasmanian Iron and Steel Works, U. S., ein solches mit 6 bis 8 Prozent Chrom dar. Hochhaltigeres Chromeisen (Ferrochrom) wurde zu Eston in England, Terrenoire Cement- und Tiegelgussstahl. in Frankreich, zu Hörde in Deutschland im Hochofen und zu Brooklyn, Sheffield, Mostge (Nordwales) und anderen Orten in Tiegeln dar- gestellt. Sergius Kern in St. Petersburg war es 1875 gelungen, im Schmelztiegel ein Ferrochrom mit 74 Prozent Chrom herzustellen. 1876 führten John Brown \& Co. das Verfahren der Chromstahl- bereitung von Jul. Baur , Brooklyn Die Chromstahlbereitung in Brooklyn von G. Roland , Annales des mines 1878, 1. livr., S. 452. , in Sheffield ein. Hierbei wurde erst Ferrochrom mit 48,7 Prozent Chromgehalt im Tiegel dargestellt und dies dann mit Stahl im Tiegel oder in einem Siemensflammofen zusammengeschmolzen. Der erhaltene Chromstahl enthielt nur 0,44 Prozent Chrom. Der gehärtete Chromstahl wurde von keinem anderen Stahl angegriffen. Proben waren 1876 in der Weltausstellung zu Philadelphia vorgeführt. 1877 stellte Sergius Kern einen Chromtiegelstahl Siehe Iron 1877, X, S. 586; Dingler , Polyt. Journ., Bd. 230, S. 505. dar, indem er Bessemer- oder Martin- stahl mit Chromeisenstein und gebranntem Kalk schmolz. Auf dem Obuchow-Stahlwerk wurde die Darstellung von Chromstahl im grossen versucht. Um die wissenschaftliche Untersuchung des Chromstahls machten sich die Franzosen am meisten verdient. Eine Arbeit von Boussin- gault über Chromeisen gab die erste Veranlassung zu Versuchen von Holtzer \& Co. in Unieux. Da diese ergaben, dass Chromzusatz die Härte des Stahls erhöhte, so glaubte man dadurch aus französischem Material einen Werkzeugstahl von derselben Güte, wie der in Sheffield aus schwedischem Eisen erzeugte Gussstahl herstellen zu können. Brustlein Brustlein legte die Ergebnisse seiner Versuche 1886 dem Iron and Steel Institute vor, in dessen Journal von 1886, II, p. 770, sie abgedruckt sind. fand ihn besonders geeignet für Kriegsmaterial, nament- lich für Geschosse und Panzerplatten. Die Resultate der hierauf bezüglichen Versuche zu Unieux wurden 1878 in der Pariser Welt- ausstellung unter Angabe sehr hoher Festigkeitszahlen dem Publikum vorgeführt. Man war damals noch allgemein der Ansicht, dass Chrom im Stahl dieselbe Rolle spiele wie der Kohlenstoff und diesen ersetze. Holtzers Chromstahl enthielt angeblich 2,5 Prozent Chrom, der von Seebohm \& Dickstahl in Sheffield ausgestellte 1 Prozent. 1878 war es zu Terrenoire in Frankreich auch gelungen, Ferro- chrom in ähnlicher Weise wie Ferromangan im Hochofen herzu- Cement- und Tiegelgussstahl. stellen A. v. Kerpely , Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris 1879, S. 78. . Der höchste Chromgehalt der im Hochofen bis jetzt erzeugten Legierungen betrug 40 Prozent, während im Tiegel erzeugte bis 65 Pro- zent enthielten. Ja, es gelang später Brustlein , Tiegelchromstahl mit 84 Prozent Chrom zu schmelzen. 1882 lieferte R. A. Hadfield der englischen Regierung Chromstahlgeschosse, die sich bewährten. Sie durchdrangen achtzöllige Schmiedeeisenplatten ohne Beschädigung. In den achtziger Jahren nahm man auch in Deutschland, Österreich und Schweden die Chromstahlfabrikation auf, so zu Eibiswalde in Steiermark, wo 1885 ein Chromstahl mit 2,14 Prozent Chrom dar- gestellt wurde. Erst um diese Zeit erlangte die Darstellung von Chromeisen im Hochofen eine praktische Bedeutung, 1886 beschäftigten sich bereits mehrere Eisenhütten in Frankreich damit. In den Vereinigten Staaten verwendete man Chromstahl für Geschützmetall, für feuerfeste Geld- schränke und für Werkzeuge. Das Stahlwerk in Brooklyn behauptete 1887, dass sein Chromstahl in kaltem Zustande jeden anderen Stahl an Zähigkeit übertreffe, während H. Bessemer fand, dass was der Gussstahl durch Chromzusatz an Härte gewann, er an Streck- und Dehnbarkeit verlor. 1888 liess sich H. Eckhard in Dortmund ein verbessertes Ver- fahren der Chromeisenbereitung durch Zusatz von saurer Bessemer- schlacke patentieren (D. R. P. Nr. 44896). Um diese Zeit war es auch in Schweden gelungen, Ferrochrom im grossen darzustellen und zwar zuerst der Firma Lyrholm \& Co. in Gothenburg in Witten- ströms chen Masutöfen. Mit diesem wurde dann auf verschiedenen schwedischen Werken in Martinöfen ein Chromstahl mit ca. 1 Prozent Chromgehalt dargestellt. In Christiania wurden 1888 in einer Ferro- chromfabrik Mischungen von 65 bis 70 Prozent Chrom in Tiegeln geschmolzen. Auch in Schweden glaubte man im Chromstahl ein Produkt ge- funden zu haben, das den englischen Gussstahl vollständig ersetzen könne. Namentlich sprach sich Stridberg , der zu Trollshättan Ferro- chrom und Chromstahl fabrizierte, dahin aus, dass Chromzusatz Stahl aus gutem Roheisen dargestellt derart verbessere, dass er kaum hinter Dannemora-Tiegelgussstahl zurückstehe. Allerdings sei er schwieriger zu härten, weil er leicht Kantenrisse bekomme. Chrom erhöht die Aufnahmefähigkeit von Kohlenstoff im Roh- Cement- und Tiegelgussstahl. eisen. Das in der Pariser Weltausstellung von 1889 ausgestellte Ferrochrom enthielt neben 65 Prozent Chrom 12 Prozent Kohlenstoff. Chrom ersetzt also keineswegs, wie man früher annahm, den Kohlen- stoff im Eisen, sondern vermehrt dessen Aufnahme. Auch der Chrom- stahl ist nur als eine Legierung anzusehen. Roheisen mit geringem Chromgehalt ähnelt Spiegeleisen, bei höherem Chromgehalt finden nadelförmige Ausscheidungen statt. Ein geringer Chromgehalt im Stahl erhöht schon seine Härte bedeutend. So wurde ein Stahl mit 0,71 Prozent Kohlenstoff und 0,18 Prozent Chrom von der Feile nicht mehr angegriffen, während derselbe Stahl ohne Chromzusatz gut zu feilen war. Doch soll nach Turners Ver- suchen Chrom diese härtende Eigenschaft nur bei Gegenwart von Kohlenstoff zeigen. Für die Kenntnis des Chromstahls haben sich besonders verdient gemacht Baur, Brustlein, Sergius Kern, Hadfield, Odelstjerna und Osmond . Von neueren Arbeiten sind hervorzuheben R. A. Hadfields Vortrag über Eisenchrom- legierung im Herbstmeeting des Iron and Steel Industry In deutscher Bearbeitung von A. Ledebur in Stahl und Eisen 1893, S. 14. und ein Aufsatz von Sergius Kern über die Erzeugung von Chromstahl- geschossen in Russland Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1895, S. 388. . Nach Hadfields Versuchen wachsen Elasticitätsgrenze und Bruchbelastung (Härte und Festigkeit) mit dem Chromgehalt bis zu 5 Prozent, dann nehmen beide ab; bei mehr als 0,8 Prozent Chrom bei 0,12 Prozent Kohlenstoff wird der Stahl spröder, die Zähigkeit nimmt ab. — Die Schweissbarkeit wird durch einen Chromgehalt verringert. Chromstahl widersteht der Einwirkung der Säuren mehr als gewöhnlicher Stahl. Im ganzen haben sich die allerdings oft übertriebenen Er- wartungen, die man besonders in Frankreich und Amerika auf den Chromstahl setzte, nicht vollständig erfüllt. Doch liefert er für manche Zwecke, wobei die Härte in erster Linie in Frage kommt, ein brauchbares Material. Dies hat sich besonders bei der Herstellung von Geschossen bewährt, wofür man in Amerika, Frankreich und Russland Chromstahl verwendet. Spitzgeschosse aus Chromstahl wurden zuerst von Holtzer \& Co. in Unieux eingeführt und hiessen deshalb Holtzergeschosse. Auch in Russland hat sich, nach dem Berichte von Sergius Kern von 1895, auf dem Poutiloff-Stahlwerk bei St. Peters- burg seit 1889 am besten Tiegelchromstahl, nach dem System von Cement- und Tiegelgussstahl. Holtzer \& Co. dargestellt, bewährt. Dieses System wurde nach Instruktionen von Antoine Rollet dort eingeführt. Aus gegossenen Blöcken wurden die Projektile geschmiedet. Der dazu verwendete Stahl enthielt 0,8 bis 1,15 Prozent Kohlenstoff, 2,20 Prozent Chrom 0,20 Prozent Mangan, 0,18 Prozent Silicium, 0,01 Prozent Schwefel und 0,02 Prozent Phosphor. In den Vereinigten Staaten wird Chromstahl ausserdem besonders für Pocheisen, Brechplatten der Steinbrecher und Laufringe der Walzenquetschen verwendet. Die Wilson Aluminium Company stellt Ferrochrom von 68 bis 71 Prozent zu Holcombs Rock in grosser Menge auf elektrischem Wege dar. Die Verwendung des Chromstahls erlitt in letzter Zeit Einbusse durch die Verwendung des Nickelstahls , der wegen seiner über- legenen Eigenschaften bevorzugt wurde. Nickeleisenlegierungen waren längst bekannt. Sie fanden sich in der Natur im Meteoreisen, sie wurden künstlich dargestellt von Faraday 1820 und von Berthier In Deutschland machte 1832 ein Fabrikant Wolf aus Schweinfurt zuerst einen Nickelstahl (Meteorstahl) Siehe Annalen der Pharmacie 1832, II, S. 237. . Eine technische Bedeutung erlangten diese Verbindungen aber nicht, weil Nickel damals noch zu teuer war und weil die Nickeleisenlegierungen Rotbruch zeigten. Dies rührte zwar nur von der Verunreinigung des verwendeten Nickels durch Schwefel und Arsen her; solange man dies aber noch nicht er- kannt hatte, schrieb man dem Nickel selbst diese Unart zu. Noch in den siebziger Jahren erhielten Troilus , 1873, und Billing , 1878, bei ihren Versuchen, Nickeleisenlegierungen darzustellen, rotbrüchige Produkte. Erst 1885 gelang es der Société anonyme de Ferro-Nickel in Paris, nach ihrem Patent vom 6. Dezember 1885 (D. R. P. Nr. 37376) einen brauchbaren Nickelstahl auf den Markt zu bringen. Eisen wurde mit Nickel und einem Zusatz von Mangan und Wolfram mit Blutlaugensalz im Tiegel eingeschmolzen und dann unter Umrühren etwas Aluminium nachgesetzt. Schon vorher hatte die Nickelgewinnung, besonders seit der Einführung der Nickelmünzen in Deutschland im Jahre 1871, einen grossen Umfang erlangt und mit Eifer suchte man nach neuen Verwendungen für das Metall, dessen Absatz, nachdem der vorübergehende grosse Bedarf für Münz- zwecke gedeckt war, stockte. Hierdurch war der Preis des Nickels gesunken und dadurch die Chancen für seine Verwendung in der Cement- und Tiegelgussstahl. Eisenindustrie günstiger geworden. Seit 1887 mehrten sich denn auch die Versuche der Darstellung von Nickelstahl im grossen. John Fr. Hall zu Newbury stellte 1888 nach seinem Patent (Engl. Pat. Nr. 3410 vom 6. März 1888) Nickelstahl mit angeblich 2,5 bis 50 Prozent Nickelgehalt dar. Von grösserer Wichtigkeit war das Patent von Henri Schneider zu le Creuzot in demselben Jahre (Engl. Pat. 1888, Nr. 14150) für Darstellung von Nickelstahl im Martinofen. Hiernach schmolz er ein Gemenge von 36 Tln. Nickel, 36 Tln. Stahl, 3 Tln. Kohlenstoff und 2 Tln. Mangan, welches zur Verhinderung der Oxydation mit Anthrazit überdeckt wurde, auf dem Herd eines Flammofens und setzte nach dem Einschmelzen der Mischung Eisen und Stahl nach Bedarf zu. Der Stahl floss ruhig und die gegossenen Blöcke waren sauber und glatt. Haupterfordernis war die Reinheit des verwendeten Nickels. Die allgemeine Aufmerksamkeit wurde besonders von James Riley zu Glasgow auf den Nickelstahl gelenkt durch einen vortrefflichen Vor- trag über die Nickeleisenlegierungen auf dem Frühjahrsmeeting des Iron and Steel Institute 1889. Er hob hervor, dass sich Nickelstahl bei genügender Hitze ebensowohl im Martinofen als im Tiegelschmelz- ofen darstellen lasse, dass die geschmolzene Legierung dünnflüssiger sei als reiner Stahl und sich gut giessen lasse. Die Legierung mit Nickel erfolge leicht in jedem beliebigen Verhältnis. Ein Zusatz von 4,7 Prozent Nickel erhöhe die Elasticitätsgrenze von 24,8 auf 38,8 kg, die Bruchgrenze von 46 auf 62,1 kg pro Quadratmillimeter, ohne die Dehnung und Kontraktion erheblich zu beeinflussen. Mit steigendem Nickelgehalt bis 20 Prozent nehme die Härte zu und zeige bei diesem Gehalt ein sehr hohes Maximum; darüber hinaus werden die Eisen- Nickellegierungen wieder weicher. Ein Nickelstahl mit 25 Prozent Nickel zeige viele besondere und beachtenswerte Eigenschaften, er sei sehr dehnbar und fest und leide wenig unter dem Einfluss der Atmosphärilien. Wegen des hohen Preises des Nickels waren aber vorläufig für die Praxis nur die Legierungen bis zu etwa 5 Prozent von Wichtig- keit, welche auch schon hervorragende Eigenschaften in Bezug auf Härte, Widerstandsfähigkeit und Haltbarkeit in der Atmosphäre und im Seewasser zeigen. Verwendung fand der Nickelstahl zunächst ausschliesslich für Kriegsmaterial, so z. B. in Creusot für Panzer- platten, Kanonen und Gewehrläufe. Zu diesem Zweck fand der Nickel- stahl auch in England, Amerika und Deutschland Verwendung. In den Vereinigten Staaten wurden 1891 auf den Homestead-Steel- Cement- und Tiegelgussstahl. Works von Carnegie, Phipps \& Co. die ersten Versuche für Panzerplatten nach der Methode von Creusot mit gutem Erfolg an- gestellt. Der Homestead-Nickelstahl enthielt 3,16 Prozent (gegen 3,32 Prozent zu Creusot) Nickel, seine Elasticitätsgrenze war 42 kg, seine Bruchgrenze 71 kg pro Quadratmillimeter, d. h. fast doppelt so hoch wie bei gewöhnlichem Flussstahl; die Dehnung betrug 15,5 Pro- zent, war also nur wenig vermindert. Die von Jules Garnier Le génie civil vom 24. Dezember 1892; Stahl und Eisen 1893, S. 133. 1892 veröffentlichten Zahlen über vergleichende Versuche mit gewöhnlichem Stahl und Nickelstahl der Cleveland-Walzwerksgesellschaft in Ohio waren zwar nicht so hoch, zeigten aber auch deutlich die grosse Überlegenheit des Nickelstahls. 1894 beschäftigten sich bereits eine Reihe von Werken mit der Herstellung und Verarbeitung von Nickelstahl, so ausser den bereits genannten besonders Friedrich Krupp in Essen, die Bethlehem- Werke in Pittsburg und St. Chammond in Frankreich, Naylor Vickers in Sheffield und Witkowitz in Mähren. Die Darstellung des Nickelstahls kann im Tiegel-, im Flammofen oder im Konverter geschehen, doch hat die Flammofenschmelzung am meisten Anwendung gefunden. Die Nickeleisenlegierungen erforderten hohe Schmelztemperaturen, die aber in Regenerativöfen unschwer zu erzeugen sind. Nickel oxydiert im Flammofen viel weniger als Chrom, was schon einen grossen Vorteil gegenüber dem Chromstahl bietet. Man verwendete anfangs Ferronickel mit hohem Nickelgehalt oder metallisches Nickel als Zusatz. Beides ist aber kostspielig, und da das im Hochofen dargestellte Nickelroheisen ebenfalls nur teuer herzustellen und dabei von sehr schwankendem Gehalt ist, so zogen die grossen Werke es vor, Nickel in anderer Form zuzusetzen, doch hielten die Werke ihre Verfahren geheim. Zu Homestead, Bethlehem und auf dem Stahlwerk der Carbon-Steel-Gesellschaft verwendet man Nickeloxydul, welches im Martinofen selbst reduciert wird Siehe J. v. Ehrenwerth , Das Berg- und Hüttenwesen auf der Welt- ausstellung in Chicago. Wien 1895, S. 139. . Das- selbe wird zu Anfang der Charge mit dem Kalkzuschlag auf dem Boden des Martinofens eingesetzt, darauf das Roheisen und dann die weitere Charge. Das gefällte und getrocknete Nickeloxydul wird mit Holzkohlenpulver gemengt, entweder nach einem Patent von Wood zu Ziegel gepresst, oder, wie es v. Ehrenwerth sah, in einem aus Eisen zusammengefügten Kistchen auf den Boden Cement- und Tiegelgussstahl. des Martinofens eingesetzt. Wendet man Ferronickel an, so wird dies meist erst nach der Entkohlung des Eisens zugesetzt und zwar giebt man zur Reinigung und Rückkohlung erst Ferromangan, sodann Ferronickel auf und setzt hierauf in der Giesspfanne noch etwa 0,6 Prozent Aluminium zu. Wo man nickelhaltiges Roheisen ver- wendet, schmilzt man dies gleich zu Anfang mit der Charge ein. Das Nickelspiegeleisen der Ferronickelgesellschaft zu Paris enthält 72 Prozent Eisen, 20 Prozent Nickel, 5 Prozent Mangan und 2,5 bis 3 Prozent Kohlenstoff. Zur Erhöhung der Härte hat man in Frank- reich zuweilen auch noch Ferrochrom zugesetzt. 1892 setzte der Verein zur Beförderung des Gewerbfleisses in Berlin eine Kommission unter Vorsitz des Geheimrats Wedding zur Untersuchung des Nickels und seiner Legierungen ein und be- willigte 25000 Mark für Versuche. Diese ergaben, dass die Schweiss- barkeit des Nickelstahls bis zu 1 Prozent Nickelgehalt unverändert bleibt, sich dann etwas verringert, doch ist die Legierung bis zu 5 Prozent noch leicht zu bearbeiten. Der Nickelstahl der Bethlehemwerke auf der Weltausstellung in Chicago 1893 enthielt 3½ Prozent Nickel, die Bruchverlängerung war 13 Prozent, die Querschnittsverminderung 28,2 Prozent, die Elasticitäts- grenze 32 kg, die Bruchgrenze 100 kg pro Quadratmillimeter. Er war ein vorzügliches Material für Panzerplatten. Seit 1894 wird der Nickelstahl ausser für Panzerplatten und Geschütze auch als Konstruktionsmaterial verwendet, wofür er sich seiner hohen Elasticitätsgrenze, Festigkeit und Härte, verbunden mit Dehnbarkeit und Schmiedbarkeit in hohem Masse eignet. Einer all- gemeineren Verwendung steht bis jetzt nur sein hoher Preis im Wege, der aber durch die elektrische Gewinnung niedriger geworden ist. Die Erschliessung der Ontario-Nickelgruben hat die Erzeugungs- kosten des Nickelstahls für die Vereinigten Staaten nicht unwesent- lich verbilligt und man hat dort zuerst angefangen, Nickelstahl für Dampfschiffskessel sowie für Elektromotoren zu verwenden. In Seraing wird Nickelstahl besonders für Kriegsmaterial her- gestellt. Hauptsächlich im Hinblick auf die Vorzüge des Nickelstahls für Konstruktionszwecke hat aber Ph. Moulan im Juli 1894 seine dort gemachten Erfahrungen mitgeteilt Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1895, S. 51. . Moulan hat eine grosse Anzahl vergleichender Versuche zwischen Stahlsorten von gleicher Cement- und Tiegelgussstahl. Grundmasse mit und ohne Nickelzusatz angestellt. Wir teilen daraus nur folgende Angaben mit: Weitere Ergebnisse von Versuchsreihen der Canadian-Copper- Company und des Cleveland-Walzwerks (U. S.) sind in der Zeitschrift Eisen und Stahl 1895, S. 720 mitgeteilt. Desgleichen finden sich dort die Ergebnisse der Untersuchungen der Franzosen Cholat und Harmet zusammengestellt. Die Elasticitätsgrenze des Nickelstahls ist höher als bei ge- wöhnlichem Stahl, denn während man bei diesem dieselbe zu ½ des Bruchgewichtes annimmt, steigt sie bei Nickelstahl auf ¾. Henry Wiggins rühmt von einem Nickelstahl mit 3,25 Prozent Nickel fol- gende Vorzüge: er besitzt gegen gleichartigen nickelfreien Stahl eine um 30 Prozent höhere Festigkeit, eine um 75 Prozent höhere Elasti- citätsgrenze, dabei grosse Gleichmässigkeit, er ist gut zu bearbeiten, schweissbar und von grosser Widerstandsfähigkeit gegen Stoss. Der erste Nickelstahl-Dampfkessel wurde für den amerikanischen Kreuzer „Chicago“ geliefert. Für den Lokomotivbau findet Nickelstahl in neuerer Zeit ausgedehnte Anwendung Vergl. Stahl und Eisen 1900, S. 53. . Wiggins hebt die grosse Bedeutung des Nickelstahls für den Schiffsbau hervor, indem ein Material von 20 Prozent Dehnung, 66 kg Bruchfestigkeit und 46,5 kg Elasticitätsgrenze eine Ersparung an Gewicht von 500 bis 600 Tonnen bei dem Bau eines grossen Kriegsschiffs gegen heute gestatte. Vor- züglich dürfte sich Nickelstahl für die Schiffsschrauben eignen, wie auch seine Widerstandsfähigkeit gegen Korrosion durch das Seewasser eine wichtige Eigenschaft für die Schiffsbekleidung ist. Die Bethlehem- Eisengesellschaft lieferte 1895 die Mittel- und Schraubenwellen der amerikanischen Dampfer „Iowa“ und „Brooklyn“ aus Nickelstahl. Hervorragendes leistet in der Herstellung und Bearbeitung eines verbesserten Nickelgussstahls die Firma Friedrich Krupp in Essen. Cement- und Tiegelgussstahl. Als ein Beispiel hiervon führen wir die Kurbelwellen des riesigen Doppelschrauben-Schnelldampfers „Deutschland“ an, der 1899 von Stapel gelassen wurde. Die Länge einer solchen Welle beträgt 18,07 m, ihr Durchmesser 640 m, ihr Hub 1850 mm, ihr Gewicht 101500 kg. Ausser den vorgeschriebenen Stahlsorten giebt es noch mehrere andere Stahllegierungen, die nicht ohne Interesse sind, die aber eine grössere praktische Bedeutung nicht erlangt haben. Es sind dies Siliciumstahl, Phosphorstahl, Arsenstahl, Aluminiumstahl und Kupfer- stahl. Siliciumstahl stellt man kaum absichtlich dar, weil im all- gemeinen ein Siliciumgehalt die Schmiedbarkeit, Schweissbarkeit und Zähigkeit beeinträchtigt. Man setzt aber bei Flussstahl oft Silicium- eisen zu, um blasenfreien Guss zu erhalten. Die üblen Eigenschaften eines Überschusses von Silicium werden durch einen Manganzusatz gemildert. Gruner fand 1874, dass Silicium die Eigenschaft besitze, Stahlsorten mit sehr geringem Kohlenstoffgehalt Härtungsfähigkeit zu verleihen. Silicium wirkt eben selbst wie Kohlenstoff und verdrängt diesen bei grösserem Zusatz teilweise. Ähnlich verhält es sich mit dem Phosphorstahl . Im allgemeinen ist der Phosphor eine schädliche Verunreinigung des Stahls. Hat man aber ein Material, welches fast frei von Kohlenstoff ist, so ver- leiht ein geringer Zusatz von Phosphor demselben Eigenschaften des Stahls, namentlich erhöht er seine Härte. Aus diesem Grunde er- zeugte zuerst T. J. Slade in den Vereinigten Staaten, dann Terrenoire in Frankreich nach der Erfindung von Tessié du Motay Phosphor- Flussstahl für Eisenbahnschienen. Der Phosphorstahl von Terrenoire enthielt 0,035 Prozent Phosphor neben 0,15 Prozent Kohlenstoff. Ein Phosphorgehalt schadet um so weniger, je mehr der Kohlenstoffgehalt abnimmt. Nach Holley wird Flussstahl erst bei einem Phosphor- gehalt von 0,15 Prozent brüchig, wenn derselbe nur 0,30 Prozent Kohlenstoff enthält, dagegen schon bei 0,05 Prozent Phosphor, wenn der Kohlenstoffgehalt 0,75 Prozent beträgt. Überhaupt ist nach einem Vortrage Holleys , den er 1878 in New York hielt, der phosphor- haltige Stahl nur gut bei ruhender Belastung, dagegen schlecht gegen Stoss. Er verlangt ein sehr sorgfältiges Verwalzen, weil er sonst kantenrissig wird. Auch einen geringen Arseng ehalt kann reiner Stahl ohne Nach- teil ertragen. F. W. Harbort und A. E. Tucker hatten 1888 die Mitteilung veröffentlicht, dass ein höherer Prozentgehalt von Arsen Cement- und Tiegelgussstahl. den Stahl nachteilig beeinflusse. Dies veranlasste John Edw. Stead 1895, den Einfluss geringer Arsenmengen auf Stahl genauer zu stu- dieren. Er fand, dass ein Arsengehalt bis zu 0,14 Prozent die Güte des Stahls nicht beeinträchtige. Bei höherem Gehalt bis zu 0,24 Pro- zent erfährt die Kontraktion eine Verminderung, während die Härte etwas zunimmt. Dagegen erzeugte Arsen bei Abwesenheit von Schwefel keinen Rotbruch, vermindert aber die Schweissbarkeit. Dem Aluminiumstahl hat man schon früher besonders gute Eigenschaften nachgerühmt. Genauere Untersuchungen haben er- wiesen, dass ein Zusatz von Aluminium zu Flussstahl diesen von Oxyden reinigt und gesunde Güsse erzeugt, dass dabei aber in den meisten Fällen kein Aluminium im Stahl gelöst bleibt und dass, wenn dies geschieht, seine Qualität nicht verbessert wird. Aluminium ver- hält sich ganz ähnlich wie das Silicium. Aluminiumhaltiger Stahl hat einen dunklen, mehr blättrigen, dem Schmiedeeisen ähnlichen Bruch. Er ist weniger schweissbar und hört bei einem Gehalt von 5 Prozent auf, schmiedbar zu sein. Dem Aluminiumstahl schmilzt bei etwas niedrigerer Temperatur als gewöhnlicher Stahl, doch ist dieser Unterschied nicht gross. Nach Hadfield (1892) schmolz ein weicher Stahl bei 1500° C., während derselbe Stahl mit 5 Prozent Aluminium seinen Schmelzpunkt bei 1475° C. hatte. Kupferstahl wurde von Schneider \& Co. in le Creuzot nach einem 1890 genommenen Patent hergestellt. Während man Kupfer früher für eine sehr nachteilige Beimischung hielt, soll ein Gehalt von 2 bis 4 Prozent den Stahl, besonders für militärische Zwecke, ver- bessern. Thatsache ist, dass bei Abwesenheit von Schwefel ein geringer Kupfergehalt nichts schadet, vielmehr die Zähigkeit des Eisens bessert. Ist aber Schwefel anwesend, wie dies bei kupfer- haltigem Roheisen meistens der Fall ist, so treten dessen Nach- teile schärfer hervor. Dass ein Kupfergehalt bis etwa ½ Prozent nichts schadet, haben Versuche von Wasum 1882 und von Chou- blay 1884 bewiesen. Nach Brustleins Angabe wäre Stahl mit mehr als 1 Prozent Kupfer immer rotbrüchig. Krupps Kanonen- stahl enthält meistens 0,30 bis 0,35 Prozent Kupfer, welches aus den Siegerländer Erzen herrührt. Im Jahre 1885 wurden von der gesamten Gussstahlerzeugung 83 Prozent im Konverter, 13,5 Prozent im Flammofen und 3,5 Pro- zent im Tiegel dargestellt. Die Verwendung des Eisens. Die Verwendung des Eisens. Die Verwendung des Eisens hat entsprechend der steigenden Erzeugung in diesem Zeitabschnitt eine grosse Zunahme erfahren. Hervorzuheben ist die vermehrte Anwendung im Eisenbahnbau, Schiffs- bau, Brückenbau, Häuserbau, als Kriegsmaterial und im Maschinen- bau, wobei besonders der Bau von Elektromotoren und elektrischen Bahnen als etwas Neues zu nennen ist. Die Zunahme der Ver- wendung des Eisens fällt fast ausschliesslich dem Flusseisen zu, welches in dem Wettkampf mit dem Schweisseisen den Sieg errang, ganz besonders seit Einführung des basischen Verfahrens, wodurch man sowohl beim Thomasieren als beim basischen Martinieren ein weiches Flusseisen erhielt, das dem Schweisseisen in vieler Hinsicht überlegen war. Es fand aber nicht nur ein Wettkampf zwischen Schweisseisen und Flusseisen, sondern auch ein solcher zwischen den Flusseisen- sorten untereinander, besonders zwischen Bessemer-, Thomas- und Martinstahl statt. Dabei hat im allgemeinen der Bessemerstahl sich da siegreich behauptet, wo hartes Material verlangt wird, wie namentlich für Eisenbahnschienen, Maschinenteile, die auf Reibung in Anspruch genommen werden, wie Achsen, Gleitbacken u. s. w. Thomaseisen hat sich mehr bewährt für weiches Material, für Draht, Blech und Façoneisen. Martinflusseisen eignet sich in erster Linie zum Vergiessen, für Stahlgussstücke, sodann für sehr grosse Gegen- stände, wie besonders Panzerplatten, schwere Schiffskanonen, im übrigen kann es aber, soweit es die Herstellungskosten gestatten, zu allen Zwecken verwendet werden, da man es bei diesem Betrieb am meisten in der Hand hat, nach Belieben ein härteres oder weicheres Material zu erzeugen. Diese allgemeinen Angaben werden eingeschränkt durch die lokalen Verhältnisse, so ist z. B. in Deutschland, dessen Erze meist phosphor- haltig sind, die Erzeugung und Verwendung von Bessemerstahl sehr zurückgegangen. Einige kurze Bemerkungen über die Fortschritte in der Ver- wendung des Flusseisens dürften hier noch angebracht sein. Im Civilbau war Flusseisen früh benutzt worden, wenn auch anfangs nur in sehr beschränktem Masse. 1863 hatte man in London angefangen, Bessemerstahl bei der Konstruktion von Brücken für Strassenbahnen zu verwenden; bald darauf geschah dasselbe in Holland in den Städten Limburg und Mastricht. 1864 erbaute Die Verwendung des Eisens. Worthington die erste Eisenbahnbrücke aus Flussstahl über den Sankey-Kanal. 1880 wurde die erste grosse Eisenbahnbrücke bei St. Louis über den Mississippi in Nordamerika aus Flusseisen erbaut. Eine sehr ausgedehnte Anwendung fand Flussstahl zum Brückenbau in Britisch-Indien. Seit 1884 verwendete man in den Vereinigten Staaten fast nur noch Flusseisen zum Bau eiserner Brücken und zwar wurde meistens Martinstahl ausbedungen. Wie ausgedehnt die Verwendung von Flusseisen gegenüber dem Schweisseisen damals bereits war, zeigt folgende Zusammenstellung: In Deutschland wurde 1886 die erste Brücke aus Flusseisen (Thomas-) von Bauinspektor Weyrich in Hamburg erbaut. Die erste ganz aus Flusseisen hergestellte grosse Eisenbahnbrücke errichtete Mehrtens 1893 bei Fordon über die Weichsel. Jetzt ist die Ver- wendung von Flusseisen beim Brückenbau ganz allgemein geworden Vergl. den vortrefflichen Vortrag von Mehrtens : Über die Verwendung des Flusseisens für Baukonstruktionen. Stahl und Eisen 1893, S. 581, 631. . In Österreich war die 1886 bis 1889 erbaute Moldau-Thalbrücke bei Czervena in Böhmen die erste aus Flusseisen (Martin-) hergestellte. In England wurde 1883 bis 1890 die berühmte Brücke über den Firth of Forth aus Flusseisen (Bessemer-) errichtet. Auch bei der Verwendung des Flusseisens zum Brückenbau war man allmählich von härterem zu weicherem Material übergegangen. Wichtig wurde die Benutzung des Flusseisens für eiserne Schwellen bei dem Eisenbahnbau. Um die Einführung flusseiserner Querschwellen hat sich Ingenieur Post in Belgien besonders verdient gemacht Stahl und Eisen 1900, S. 1148. . Beim Schiffsbau fand die Verwendung von Flusseisen an Stelle von Schweisseisen langsameren Eingang. Die in den sechziger Jahren in England gemachten Versuche waren nicht günstig ausgefallen. Frankreich gebührt das Verdienst, damit zuerst erfolgreich vorgegangen zu sein, und zwar geschah dies 1870 bei dem Bau des Schiffes „L’Orient“. Das Hüttenwerk Terrenoire hatte sich bemüht, ein weiches Bessemer- Beck, Geschichte des Eisens. 48 Die Verwendung des Eisens. eisen (acier doux) als Ersatz für Schweisseisen zu liefern, doch gelang dessen Einführung nicht ohne heftigen Kampf. Das Material wurde strengen Qualitätsproben unterworfen, sowohl kalt wie warm. 1873 wurden für die Panzerschiffe „Redoutable“, „Terrible“ und „Tempête“ bereits 600 Tonnen Flussstahlbleche und 12000 Tonnen gewöhnliches Flusseisen verwendet. In Frankreich wurde anerkannt, dass Flusseisen für Schiffsrümpfe billiger, weil leichter, sei und bessere Bedingungen im Falle des Strandens oder Zusammenstossens böte. Ausgedehnte Verwendung fand dann in den achtziger Jahren das durch das basische Verfahren erzeugte Flusseisen für den Schiffs- bau; doch waren auch hierbei mancherlei Schwierigkeiten und Vor- urteile zu überwinden. 1883 hatte die grosse englische Schiffsgesell- schaft Lloyd basischen Stahl für zulässig erklärt. Das zuerst ver- wendete Material war aber zu hart, infolgedessen mehrfach Be- schädigungen vorkamen, weshalb der Lloyd am 17. Dezember 1885 die Verwendung des basischen Flussstahls wieder verbot. Percy C. Gilchrist bemühte sich 1886 vergeblich bei der Admiralität, die Wiederzulassung des Thomasstahls zu bewirken. Erst der Glasgow- Iron-Company gelang es 1887, einwandfreies Material zu liefern und dessen Vorzüge nachzuweisen. Vor dem sauren Flussstahl hatte es den Vorteil besserer Schweissbarkeit voraus, auch war ihm die Blau- hitze weniger gefährlich; es eignete sich sehr gut für L - und T -Eisen. Damals war 40,94 kg pro Quadratmillimeter Bruchfestigkeit bei einer Minimaldehnung von 20 Prozent auf 100 mm als Qualitätsbedingung vorgeschrieben. Nach Adamson sollte weicher Stahl so wenig wie möglich fremde Stoffe enthalten und die Summe derselben 0,75 Prozent nicht über- steigen. Allgemein nahm man an, dass Schwefel, Phosphor und Silicium zusammen nur 0,1 Prozent ausmachen dürfen, wobei der Schwefelgehalt unter 0,02 bleiben muss; Mangan galt bis zu 0,5 Proz. als zulässig. 1884 verwendete man in England bei dem Lokomotivbau bereits kein Schweisseisen mehr, sondern nur Bessemer- und Siemens-Fluss- eisen. Beim Dampfkesselb au war Bessemerstahl bereits in den sech- ziger Jahren verwendet worden (s. S. 218), aber erst in den siebziger Jahren begann diese Verwendung eine allgemeinere zu werden. Nach der Erfindung des Thomasprozesses und der Einführung des basischen Herdprozesses verdrängte das weiche Flusseisenblech das Schweiss- eisenblech nach und nach völlig. Auf die Herstellung nahtloser Stahlbehälter aus Flussstahl, die Die Verwendung des Eisens. besonders als Kohlensäureflaschen eine ausgedehnte Verwendung fanden, nahmen How und Lane und Richard Taunton 1886 eng- lische Patente. Mannesmann stellte solche mittels seines Schräg- walzenverfahrens dar. Über die Verwendung des Flusseisens zu Mannesmann- röhren werden wir später berichten. In neuerer Zeit ist die Verwendung von basischem Fluss- eisen zu Façoneisen für Konstruk- tionseisen , be- sonders von Tho- maseisen für I-Eisen in fortwährender Zu- nahme. Erwähnung verdient die aus- gedehnte Benutzung von Flusseisen für Bauzwecke, nament- lich für die Her- stellung eiserner Gebäude, worin beispielsweise die Forges d’Aiseau bei Charleroi in Belgien um 1888 Hervor- ragendes leisteten Stahl und Eisen 1889, S. 103. , insbesondere aber für die Errichtung der vielstöckigen Turmhäuser , der sogenannten Him- melskratzer (sky Fig. 295. scrapers) in den grossen Städten der Vereinigten Staaten. Diese Riesenhäuser haben sich vornehmlich in Chicago, wo das eigentliche Verkaufsviertel auf den engen Raum von 65 Hektar zusammengedrängt 48* Die Verwendung des Eisens. war, entwickelt, weshalb man diese Bauart auch als Chicagostil be- zeichnet. Bei diesen Gebäuden wurde nicht mehr das Eisengerüst in das Mauerwerk eingefügt, sondern der ganze Bau bestand aus Eisen, wobei Steinmaterial nur noch zur Verkleidung diente. Bei dem Frauen- tempel in Chicago waren die Hauptumrisse noch aus Mauerwerk her- gestellt, während das Savoy-Hotel in New York ganz auf Stahlsäulen, die nur mit Steinen umkleidet waren, stand. Dabei wuchs die Höhe dieser Turmhäuser rasch, denn während das erste Gebäude dieser Art in New York, das Lancashire-Fire-Insurance-Building, 9 Stockwerke und 36 m Höhe hatte, zählte der Masonic-Temple in Chicago, Fig. 295 (a. v. S.), bereits 22 Stockwerke und war 300 Fuss hoch Näheres über die Konstruktion dieser eisernen Häuser siehe Stahl und Eisen 1894, Nr. 6 und 7. . Noch höher Fig. 296. (102 m) ist das 1898 von H. Robertson in New York erbaute Geschäfts- haus Park-Row-Building, von dessen Grösse obenstehende Abbil- dung (Fig. 296) durch die Zusammenstellung mit der Trinitykirche und Grants Grabmal in New York, mit dem Capitol in Washington und der Pyramide des Cheops eine Vorstellung giebt. Das höchste Bauwerk war der in Frankreich 1889 für die Weltausstellung in Paris von Eiffel aus Flusseisen erbaute Eiffelturm, 300 m hoch, der die höchsten Bauten der Welt, den Kölner Dom um 141 m, das Washington- Denkmal in Philadelphia um 131 m übertraf und 9 Millionen Kilo- gramm wog. Zu Kriegszwecken fand Flussstahl ausgedehnte Verwendung für Der Stahlguss. — Blasenfreier Guss. Geschütze, Geschosse, Lafetten, Panzerplatten, Drehtürme u. s. w., worauf wir später noch zurückkommen. Die Formgebung . Während bei dem Schweisseisen die mechanische Formgebung durch Schmieden, Walzen und Pressen in Betracht kommt, ist die Form- gebung bei dem Flussstahl eine doppelte, indem das Giessen des flüssigen Metalls in Formen, der Stahlguss, noch hinzukommt. Sowohl dieser, als auch die mechanische Bearbeitung haben seit 1870 grosse Fortschritte gemacht. Der Stahlguss . Alles Flusseisen gelangt flüssig aus dem Schmelzgefäss, in dem es hergestellt wird, und muss erst in eine Form gegossen werden, um ihm Gestalt zu geben. Zur mechanischen Weiterverarbeitung giesst man die flüssige Masse in Blockformen (Ingotformen). Es sind dies in der Regel starke, aus Gusseisen hergestellte Koquillen. Will man dagegen Formguss erzeugen, so giesst man die flüssige Masse in Formen, die ganz ähnlich wie bei der Eisengiesserei hergestellt werden. Da alles Flussmetall erst in eine Form gegossen werden muss, so gelten gewisse allgemeine Grundsätze und Erfahrungen sowohl für den Block- guss wie für den Stahlguss. Blasenfreier Guss . Das geschmolzene Eisen enthält Gase gelöst oder absorbiert, welche beim Erstarren zum Teil ausgeschieden werden und, wenn sie nicht entweichen können, Blasen bilden. Über die Natur dieser Gase, wie über die Bedingungen ihrer Abscheidung hatten gründliche Untersuchungen, deren wichtigste Ergebnisse wir bereits (S. 351) mit- geteilt haben, Licht verbreitet. Doch werden wir später hierauf noch- mals zurückkommen. Diese Blasen sind sowohl für den Stahlguss als für das ver- arbeitete Flussmetall nachteilig, weil sie eine Schwächung an der betreffenden Stelle herbeiführen. Die Vermeidung oder Unterdrückung der Blasenbildung ist deshalb sehr wichtig. Man sucht dieselbe sowohl durch mechanische wie durch chemische Mittel zu erreichen. Die einfachsten mechanischen Mittel sind das Rühren und das Erstarrenlassen unter Druck. Beide wurden schon früher an- gewendet und von uns erwähnt. Die Allans che Rührvorrichtung wurde (1882) in England ziemlich häufig angewendet; doch erzielte Blasenfreier Guss. man nach Riley keinen besonderen Erfolg damit, mehr schon durch Umgiessen des Metalls in eine zweite Pfanne, wie es Gjers in Dar- lington (um 1883) machte. Viel häufiger benutzte man aber Druck. Bessemer hatte schon 1856 das Erstarren unter Druck vorgeschlagen. 1867 regten Whit- worth in Manchester und Bonnisard zu Terrenoire diese Idee von neuem an und Whitworth führte das Verfahren mit Erfolg in die Praxis ein (s. S. 217). Er bediente sich dabei einer hydraulischen Presse Abbildungen davon in Armengaud , Publ. industr. XXIII, p. 331, Dingl. Polyt. Journ., Bd. 125, S. 423, H. M. Howe , The Metallurgy of Steel, p. 155. . Sein Verfahren fand auch auf dem Kontinent Ver- breitung. Zuerst wurde es von Revolier, Biétrix \& Co. in St. Etienne versucht. Sodann Anfang der siebziger Jahre zu Neu- berg in Steiermark. Hier wurden die sehr starken Blockformen mit dem flüssigen Inhalt auf einem kräftigen Wagengestell unter den Press- kolben einer hydraulischen Presse gefahren. Dieser wirkte auf einen Pressstempel, der in die obere Koquillenöffnung eingesetzt wurde. Die Masse wurde eine halbe bis eine Minute dem Druck ausgesetzt und dabei 1 bis 2 Zoll zusammengedrückt. Daelen liess sich 1875 eine Presse patentieren, deren Zweck war, die Zeit zwischen Füllen und Pressen möglichst abzukürzen, was dadurch erreicht wurde, dass die Koquille unmittelbar auf der Presse stand. Bis zu einem gewissen Grade konnte eine flüssige Metallsäule als Drucksäule wirken, deshalb wendete man allgemein bei Stahl- güssen hohe Gusstrichter an. Man goss auch die Blöcke steigend mit hohem Eingussrohr, wobei dasselbe für den gleichzeitigen Guss mehrerer kleiner Blöcke, z. B. für Drahtknüppel durch eine Ver- teilungsform mit einer Anzahl kleinerer Koquillen, die durch die auf- steigende Stahlmasse gefüllt wurden, verbunden wurde. Auf dem Prinzip einer Drucksäule von flüssigem Metall beruhte ein franzö- sisches Patent von 1873, wonach durch eine Säule von 25 Fuss Höhe ein Druck von 10 Atmosphären erzeugt werden sollte. Andere Druckmittel waren Wasserdampf oder Gase. Ältere hierauf beruhende Vorschläge von Galy-Cazalat haben wir bereits S. 217 mitgeteilt. Auf der Hütte zu Caléassière in Frankreich hatte sich 1877 das Erstarren des Flussstahls unter Gasdruck von 6 bis 10 Atmosphären in einer verschliessbaren Form, namentlich für weichen Stahl, gut bewährt. Man benutzte Dampf, der sich zersetzte. Blasenfreier Guss. In England wurden 1878 zu Barrow von Bolkow, Vaughan \& Co. dichte Güsse unter Dampfdruck hergestellt. Man benutzte diesen da, wo die Whitworthpresse, die sich nur für Blöcke oder schwere, massive Gussstücke eignete, nicht mehr verwendbar war. Die Firma Fr. Krupp in Essen erzeugte dichte Stahlgüsse unter Druck von Kohlensäure in geschlossenen Formen, worauf sie 1881 ein Patent erhielt (D. R. P. Nr. 17056). Der Druck, den die Kohlensäure ausübte, stieg bei 200°C. bis zu 800 Atmosphären. F. Gautier Génie industriel 1882, p. 385. berichtete 1882 von Whitworths Verfahren in Manchester, dass die Formen aus Stahlringen zusammengesetzt und mit feuerfester Masse ausgekleidet seien. Diese Formen standen auf Wagen, die nach dem Guss unter die hydraulische Presse gefahren wurden. Auch der Kolben war durch feuerfeste Steine vor der Ein- wirkung des flüssigen Stahls geschützt; er übte einen Druck von 600 Atmosphären aus, mit dem er 20 bis 45 Minuten, je nach der Grösse des Gussstücks, auf die erstarrende Masse wirkte. Hierdurch wurde der grösste Teil der Gase von dem Guss absorbiert, ein kleinerer Teil entwich durch die Fugen der Form. Im Moment des Erstarrens trat trotzdem eine Kontraktion mit Gasausscheidung ein, welche ver- anlasste, dass oft die Hälfte bis ein Drittel des Blockes abgeschnitten werden musste. Der amerikanische Hüttenmann Thomas Egleston sah 1884 das Pressverfahren auf dem neuen Werk von Whitworth in Man- chester, wo es sowohl für kleine Gussstücke, wie für Kanonenrohre angewendet wurde. Der Stahl war im Siemens-Martinofen geschmolzen. Für die Kanonen wurden cylindrische Blöcke gegossen. Um den Formsand fest einstampfen zu können, wurde die Form innen mit Eisenstäben ausgekleidet. Die Form, die auf einem Wagen stand, wurde nach dem Giessen sofort unter die Presse gefahren; der Press- kolben verschloss die Öffnung, und indem er in Bewegung gesetzt wurde, ergoss sich ein Funkenschauer aus derselben. Der Druck betrug 13000 Pfund auf den Quadratzoll, die Druckzeit etwa eine halbe Stunde. Whitworth hatte versuchsweise bis zu 20 Tonnen pro Quadrat- zoll gedrückt, aber gefunden, dass eine Pressung über 6 Tonnen keine besonderen Vorteile mehr biete. Das Volumen änderte sich in den ersten fünf Minuten um ⅙ bis ⅛ der Länge. Nach Beendigung der Druckzeit wurde der Druck auf 1500 Pfund pro Quadratzoll ermässigt und der Guss so erkalten lassen. Blasenfreier Guss. Fig. 297 stellt die grosse Whitworthpresse zum Verdichten des flüssigen Stahls in Blöcken in dem Stahlwerk von Bethlehem in Nord- amerika (1891) dar Stahl und Eisen 1892, S. 170. . H. Tholander schlug vor (1882), blasenfreien Guss dadurch zu erhalten, dass er die geschlossenen Gussformen luftleer machte. Dieses Verfahren wurde weiter ausgebildet, z. B. von der Ellis May-Vacuum- Fig. 297. Steel-Syndicate-Gesellschaft in London, die sich 1898 eine Vorrichtung zum Giessen schwerer Gussstücke im Va- cuum patentieren liess (D. R. P. Nr. 109819). J. B. D. A. Boulton , Jersey City (U. S) Daselbst 1889, S. 767. will durch fortwährendes Auf- einandersetzen von offenen Koquillen ein kontinuierliches Giessen und blasen- freie Blöcke erhalten, weil dann die Gase durch die noch flüssigen Teile leicht entweichen können. Durch Ein- lage eines Blattes Asbest zwischen je zwei Koquillen werden Trennungs- flächen gebildet, die das Abbrechen der einzelnen Blöcke erleichtern sollen. L. Sebenius A. a. O. 1893, S. 152; Jern. kont. Ann. 1893, S. 35. , Direktor der Nykroppa- Eisenwerke in Schweden, benutzte mit Erfolg das nicht neue Mittel der Schleuderkraft zur Herstellung dichter Güsse selbst für Geschützguss (1890, D. R. P. Nr. 52332). 1890 wendete S. T. W. Williams auf den Tacony-Werken (U. S.) Koquillen mit beweglichen Seitenwänden zum Zweck der Verdichtung des Stahls durch hydraulischen Druck an. H. Aitken bediente sich derselben Art von Formen ohne Druck einfach zur Begrenzung des Quer- schnitts Stahl und Eisen 1890, S. 907. . Der Guss unter Druck zur Erzeugung blasenfreier Gussstücke hat sich bewährt und sich im ganzen als zuverlässiger erwiesen als die Verwendung chemischer Mittel zu demselben Zweck. Auch ver- bessert hoher Druck den Stahl. Whitworth erzeugte bei einer Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. Pressung von 30 kg pro Quadratmillimeter Stahl von 63 kg Bruch- festigkeit und 30 Prozent Dehnung. Dagegen sind die erforderlichen Vorrichtungen in vielen Fällen zu kostspielig. Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse haben deshalb eine grosse Wichtigkeit und noch verbreitetere An- wendung erlangt. In Betracht kommen hierbei besonders Zusätze von Mangan, Silicium und Aluminium. Schneider \& Co. zu le Creuzot liessen sich 1888 einen Zusatz von Kupfer zu Stahl für Panzerplatten und Geschütze patentieren (Engl. Pat. Nr. 16569 vom 14. November 1888). Das Mangan ist für den Flusseisenbetrieb unentbehrlich. Mushets Erfindung der Reduktion des überblasenen Konverterstahls und der Nachkohlung durch manganreiches Spiegeleisen hat dem Bessemer- prozess erst die richtige Lebenskraft gegeben. Aber auch das fertige flüssige Metall kann noch durch einen Zusatz von Manganeisen ver- bessert und blasenfreie Güsse damit erzielt werden. Gerade die Bessemergesellschaft in Sheffield wendete mit Vorliebe Ferromangan, welches unter Umrühren in der Pfanne zugesetzt wird, zur Erzielung dichter Güsse an. Dabei ist es nötig, einen grossen verlorenen Kopf zum Nachgiessen vorzusehen. Der 1883 so erzeugte Stahlguss ent- hielt 0,30 bis 0,40 Prozent Mangan, eine Spur von Silicium, 0,06 Pro- zent Schwefel und 0,07 Prozent Phosphor. Als wichtigster Stoff zur Erzeugung blasenfreier Güsse hat sich aber das Silicium bewährt, welches eine grosse Reduktionskraft besitzt, so dass es nicht nur vorhandene Metalloxyde, sondern bei der Schmelzhitze des Flusseisens selbst Kohlenoxydgas zerlegt. Schon lange ehe man sich über die chemischen Vorgänge ganz klar war, wendete man siliciumreiches Roheisen als Nachsatz zur Erzeugung dichten Gusses an. Dies that H. Bessemer in dem Stahlwerk von H. Bessemer \& Co. zu Sheffield schon 1862 Nach W. D. Allen , Stahl und Eisen 1883, S. 342. und etwa um dieselbe Zeit auch bereits Fr. Krupp in Essen. Wirksamer noch als das graue, siliciumreiche Roheisen, Ferro- silicium oder Eisensilicid erwies sich der Silicospiegel, Ferromangan- silicium oder Eisenmangansilicid, welches A. Pourcel zu Terrenoire zuerst darstellte und verwendete. Diese Legierung. von Pourcel im Hochofen erblasen, enthielt meist 20 Prozent Mangan und 8 bis 12 Prozent Silicium. Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. Hierüber hat Gautier Gautier , Les alliages ferro-métalliques. 1876 zuerst Mitteilungen veröffentlicht. Die Legierung wurde rotglühend dem Metallbade zugesetzt, welches sich sofort beruhigte und blasenfreie Güsse lieferte. Gautier, Har- met, Stead und die meisten Metallurgen jener Zeit waren der An- sicht, dass die Wirkung des Silicospiegels auf der Zersetzung des Kohlen- oxydgases durch Silicium und gleichzeitiger Reduktion gelöster Oxyde durch Mangan beruhe, indem sie annahmen, dass Kohlenoxydgas die Blasenbildung veranlasse. F. C. G. Müller , der seit 1878 die Ausscheidung und Absorp- tion der Gase bei Stahlgüssen genauer untersuchte, wies nach, dass das Kohlenoxydgas, welches nur wenig im Eisen löslich ist, bei der Blasenbildung beim Erstarren des Stahls nur eine unwesentliche Rolle spielt, dass das absorbierte Gas neben Stickstoff hauptsächlich Wasser- stoff ist, und dass die Wirkung des Siliciumzusatzes darin bestehen muss, das Metall zu befähigen, eine grössere Menge Wasserstoff in Lösung zu behalten, d. h. die Gasabsorptionsfähigkeit zu steigern. Pourcels Verfahren erwies sich als erfolgreich, und sein — oder, wie man gewöhnlich sagt, das — Terrenoire-Verfahren wurde zur Her- stellung blasenfreier Güsse schon 1876 von Sergius Kern auf dem Obuchkoff-Stahlwerk bei St. Petersburg und in den folgenden Jahren in England, Schweden und den Vereinigten Staaten von Amerika eingeführt. 1880 erzielte man auf dem Cleveland-Walzwerk dichte Stahlgüsse durch Zusatz von Eisensilicid im Martin-Flammofen vor dem Abstechen. Hierzu eignete sich das von Biermann in Hannover im Tiegel dargestellte hochhaltige Eisensilicid oder noch besser Eisen- mangansilicid, wie es Gautier versuchsweise schon 1877 bereitet hatte. Ähnlich war das Verfahren auf den Werken der Schottischen Stahlgesellschaft zu Glasgow, wo man nur in Siemensöfen schmolz. In neuerer Zeit wird Siliciumcarbid, das die Carborundum- gesellschaft am Niagara im grossen darstellt, zur Stahlfabrikation benutzt. Die ersten Versuche machte John Darby 1895 in England, dem dann Fritz Lürmann und Kapitän A. E. Hunt folgten Stahl und Eisen 1900, S. 207. . Bei der Stahlgiesserei aus kleinen Konvertern nach dem Ver- fahren von Ch. Waldrand \& E. Légenisel (D. R. P. Nr. 64950 vom 24. September 1891) hat der Nachsatz von Eisensilicid auch noch den Zweck, die Metallmasse durch die Oxydation des Siliciums zu erhitzen, die Masse dadurch dünnflüssig und zum Guss kleiner Gussstücke geeignet zu machen. Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. Der Zusatz von Silicium, so vorteilhaft er ist, wird aber nach- teilig, wenn ein Überschuss angewendet wird und mehr als eine ganz geringe Menge in den Stahl übergeht, indem derselbe dadurch verschlechtert oder unbrauchbar wird. Diese Frage war wichtig genug, um die British Association for the advancement of Science zu veranlassen, 1886 ein Komitee, bestehend aus den hervorragenden englischen Eisenhüttenmännern Turner, Chandler, Roberts- Austen und Tilden zu beauftragen, auf Vereinskosten diese Frage zu untersuchen und darüber zu berichten. Das Ergebnis lässt sich in folgende Sätze zusammenfassen: 1. Ein kleiner Zusatz von Sili- cium giebt gesunden Stahl und erhöht seine Dehnbarkeit und Härte, soll der Stahl aber gewalzt werden, so darf die Menge 0,15 Prozent nicht überschreiten; 2. für Stahlgüsse ist die Grenze 0,30 Prozent; 3. einige hundertstel Prozent sind nötig, um gesunden Stahl zu er- zeugen und es kann schon ziemlich viel Silicium vorhanden sein, ehe die Güte des Stahls leidet; 4. Mangan scheint die schlechten Eigen- schaften des Stahls, welche Silicium bewirkt hat, zu neutralisieren. Nach F. C. G. Müller Stahl und Eisen 1888, S. 375. soll ein Siliciumgehalt bis 0,8 Prozent nicht nachteilig und ein Gehalt von 0,5 bis 0,6 Prozent sogar noch vorteilhaft sein. Auch R. A. Hadfield Vortrag im Herbstmeeting des Iron and Steel Institute, Stahl und Eisen 1889, S. 1000. hat zahlreiche Versuche über den Einfluss des Siliciums auf Flusseisen gemacht. Danach wird die Schweissbarkeit durch einen Siliciumgehalt beeinträchtigt, die Zugfestigkeit bis zu einem Gehalt von 4 Prozent erhöht, die Zähigkeit aber in gleichem Masse verringert. Bei dem Stahlguss bewirkt ein Siliciumgehalt Dichtigkeit, erhöht aber die Schwindung. Ein mässiger Siliciumgehalt erscheint seiner dichtenden Wirkung wegen nützlich. Ganz ähnlich wie das Silicium wirkt das Aluminium auf flüssigen Stahl und wird deshalb in neuerer Zeit, seitdem durch die verbesserten Gewinnungsmethoden des Aluminiums sein früherer hoher Preis bedeutend heruntergegangen ist, häufig zur Erzielung blasen- freier Stahlgüsse angewendet. Aluminium wirkt noch stärker redu- zierend als Silicium und Mangan und sein Oxyd wird nicht so leicht wieder reduziert. Hierin liegt ein Vorzug. Wie das Silicium scheint es die Lösungsfähigkeit der Gase im Stahl zu steigern. Dagegen muss bei Aluminium noch mehr wie bei Silicium ein Überschuss ver- mieden werden, indem ein solcher das Eisen dickflüssig, brüchig und Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. unschweissbar macht; man setzt deshalb in der Regel nicht über 0,1 Prozent zu. Anfangs macht ein Zusatz von Aluminium das Flussmetall aller- dings dünnflüssig durch die bei seiner Oxydation entwickelte Wärme und nicht, wie man früher annahm, dadurch, dass es den Schmelzpunkt des Stahls bedeutend herabsetze. Noch im Jahre 1891 wurden in einem Aufsatz der Zeitschrift für angewandte Chemie (S. 150) die Wirkungen des Aluminiumzusatzes wie folgt angegeben: 1. der Schmelzpunkt wird um etwa 300° C. herabgedrückt, so dass das Metall nicht überhitzt zu werden braucht; 2. die Schmelze wird ganz dünn- flüssig, gestattet das leichte Entweichen der Gase und füllt die fein- sten Formen scharf aus; 3. der Guss wird völlig dicht; 4. jede Blasen- und Porenbildung wird vermieden; 5. eine bedeutend höhere Festigkeit wird erzielt. Es wird ein Zusatz von 0,3 bis 0,7 Prozent Alumi- nium oder von 3 bis 7 Prozent einer geschmolzenen Ferroaluminium- legierung empfohlen, welche am besten beim Giessen in die Pfanne oder die ausfliessende Schmelze eingetragen werden soll. Osmond Journal of the Iron and Steel Institute 1890, II, p. 177. hat aber durch genaue Messungen schon 1890 nachgewiesen, dass ein Aluminiumzusatz die Schmelztemperatur des Stahls nur ganz unbedeutend herabsetze. Flusseisen, das eine Schmelztemperatur von 1500 C. hatte, zeigte bei 5,8 Prozent Aluminium eine Schmelz- temperatur von 1475° C. Zu der Annahme der bedeutenden Herabsetzung der Schmelz- temperatur durch Aluminium hatte die Erfindung des sogenannten Mitisgusses , die wir deshalb hier besprechen wollen, Veranlassung ge- geben. Mitisguss ist in Tiegeln unter Aluminiumzusatz geschmolzenes und in Formen gegossenes weiches Eisen, das ein besserer Ersatz für schmiedbaren oder Temperguss sein sollte. Die Erfindung rührte von dem Schweden Thorsten Nordenfeldt her. C. G. Wittenström konstruierte den mit Petroleum zu heizenden Schmelzofen. Beide nahmen 1885 Patente in England, Deutschland u. s. w. In Engineering Bd. XXXIX, S. 561. D. R. P. Nr. 32119 1885 erteilt. Engl. Pat. vom 8. Juli 1885. . Faustmann und Oestberg kauften das Patentrecht für Schweden und legten 1886 in Carlsvick bei Stockholm eine Giesserei für Mitisguss an. J. Oestberg aus Stockholm gab in einem Vortrage, den er in der Versammlung der amerikanischen Bergingenieure (mining engi- neers) zu Pittsburg hielt, das Verfahren weiteren Kreisen bekannt. Hierbei behauptete er noch, die Schmelzhitze des Eisens werde durch Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. den Aluminiumzusatz um 160 bis 280° C. erniedrigt. Ein Hauptteil der Erfindung bildet der mit Petroleum geheizte Ofen, in dem die zum Schmelzen des weichen Eisens nötige Temperatur erzeugt wird. Schmiedeeisen oder Stahl wird unter Zusatz von 0,1 bis 0,5 Prozent Aluminium in Tiegeln geschmolzen. Der Ofen von Carlsvick fasste drei hintereinander stehende Tiegel- paare; sobald ein Paar herausgenommen und entleert war, wurde das folgende an dessen Stelle gerückt und ein neues Paar nachgesetzt. So konnte in 24 Stunden acht- bis zehnmal gegossen werden. Der Fig. 298. Einsatz eines Tiegels betrug 60 Pfund. 1890 errichtete die Sächsi- sche Webstuhlgesellschaft zu Chemnitz Siehe Vortrag von Kuntze vom 23. Mai 1893, Glasers Annalen 1893; Stahl und Eisen 1893, S. 665. eine Anlage für Mitisguss. Fig. 298 zeigt die Einrichtung des Schmelzofens, der mit Petroleum oder Petroleumrückständen geheizt wird. Das Öl tritt in drei über- einander liegende flache Öltröge bei a ein, und der Überfluss läuft bei b in den darunterliegenden Tiegel ab, so dass die Tröge immer gleichmässig gefüllt bleiben. Diese Tröge sind gewissermassen die Roststäbe der Feuerung. Zur Vergasung streicht seitlich eintretende vorgewärmte Luft über das Öl. Der Gasstrom tritt in den Kanal K , wo er mit dem erwärmten Luftstrom L zusammentrifft und verbrennt. Man erreicht hierdurch eine Verbrennungstemperatur von 2000° und mehr. Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. Der Mitisguss ist weich und dehnbar, kalt gut zu bearbeiten und schweisst leicht. Der rohe Guss zeigt eine Bruchfestigkeit von 26 kg pro Quadratmillimeter, Dehnung 5 Prozent, Kontraktion 20 Prozent. Durch Überschmieden wird das Material so verbessert, dass die Bruch- festigkeit 40 kg pro Quadratmillimeter, die Dehnung 20 Prozent, die Kontraktion 50 Prozent beträgt Auch in England und Amerika ent- standen Mitisgusswerke. Ludwig Nobel nahm ebenfalls ein Patent auf einen Schmelzofen mit Petroleumheizung. Einer allgemeinen Ver- wendung des Mitisgusses steht aber der hohe Preis von durchschnitt- lich einer Mark pro Kilogramm im Wege; für einzelne Zwecke ist er vorzüglich. Geringwertigerer Stahlguss wird häufig durch Zusammenschmelzen von Roheisen und Stahlabfällen im Kupolofen erhalten. Dazu gehörte z. B. der härtbare Stahlguss, den die Gebrüder Glöckner zu Tschirn- dorf in Schlesien 1883 besonders zum Guss von Eisenbahnglocken und Bremsklötzen verwendeten. Der Stahlzusatz schwankte hierbei zwischen 20 und 80 Prozent. Der Temperstahl, dessen Fabrikation 1876 von Belgien ausging und dann besonders in Rheinland und Westfalen in Aufnahme kam, wurde aus im Kupolofen umgeschmolzenen Flussstahlbfällen ge- schmolzen und war ein zwischen Stahl und Gusseisen stehendes Pro- dukt. Die Gussstücke wurden 11 bis 14 Tage in einem Glühofen erhitzt oder getempert, wodurch sie grössere Festigkeit und Zähigkeit erhielten als Stahlformguss. Er wurde besonders für eiserne Lauf- räder in Belgien, Westfalen, dem Saargebiet und Oberbayern ver- wendet. Auch in England und Amerika bediente man sich des Temperstahlgusses in ähnlicher Weise. James Yate Johnson goss 1888 Stahlräder in Metallformen. Von theoretischer und auch von praktischer Wichtigkeit war der Nachweis, dass geschmolzene Stahlmassen nicht gleichmässig er- starren und dass die chemische Zusammensetzung der äusseren und inneren, der unteren und der oberen Masse nicht gleich ist. Tschernoff hatte schon 1868 auf Grund seiner Versuche auf dem Obuchkoff-Stahlwerk die Theorie entwickelt, dass ge- schmolzener Stahl eine amorphe Flüssigkeit sei, in welcher die Stahl- atome wie in einem Bade schwämmen. Diese Atome schiessen beim Erstarren zu Krystallen zusammen. Heftiges Rühren und Schütteln bewirkt, dass sich nur kleine Krystalle bilden können, infolgedessen feinkörniger Stahl entsteht. Tschernoff konnte auf diese Weise Stahl von fast beliebigem Korn erzielen. Hieraus lässt sich schon ver- Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. muten, dass die beim Erstarren sich abscheidenden Krystalle und die Lösung nicht die gleiche Zusammensetzung haben, dass besonders bei langsamem Erstarren die äussere und innere Stahlmasse nicht gleich sein werden. Diese Ansicht hatte in England Stubbs zuerst ausgesprochen, aber erst 1882 wies Geo Snelus G. J. Snelus , Über die Verteilung der Elemente in Stahlingots. Glasers Annalen IX, S. 179. zu Worthington Fig. 299. durch Versuche und chemische Analysen dies nach. Er fand, dass sich die Nebenbestandteile des Eisens mehr in der Mitte und am Kopfe finden als am Boden und am Rande. Aus den Durchschnittswerten mehrerer Analysen, welche alle von verschiedenen Teilen eines Stahl- blocks gemacht wurden, ergaben sich (nach Ledebur ) folgende Zahlen: Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. Der Amerikaner W. Cheever W. Cheever , The segregation of impurities in Bessemer steel ingots. Transaction of the Americ. Inst. of Mining Engineers XIII, p. 167. hat 1884 ähnliche Untersuchungen angestellt und die Angaben von Snelus bestätigt gefunden. Aus dem Gemenge von Eisen mit Kohlenstoff, Schwefel, Phosphor u. s. w. scheidet sich beim Erstarren von aussen nach innen die schwerer schmelzbare, reinere Eisenmasse zuerst ab, während ein durch seinen grösseren Gehalt an Kohlenstoff, Schwefel, Phosphor u. s. w. leichtflüssigeres Gemenge nach der Mitte zu langsam erstarrt. Es ist deshalb besser, Stahlgüsse rasch abzukühlen. Auch die Blasenbildung schreitet vom Rande nach der Mitte zu konzentrisch vor, wie aus Fig. 299 (a. v. S.) nach einer Abbildung von Fig. 300. Fig. 301. Fig. 302. H. Wedding zu ersehen ist. Nach Tetmajer treibt Silicium die Blasen nach aussen, Mangan nach innen. Letzteres ist besser für Schienen, weil die Laufflächen aussen liegen. Da die Kontraktion des Stahls grösser ist, so ist auch das Saugen oder die Lunkerbildung, Fig. 300 bis 302, stärker als bei Gusseisen, Fig. 303. wodurch noch höhere Trichter und verlorene Köpfe nötig werden. Aus den beiden Gründen kommen bei Stahl- güssen, namentlich in den Blasen- räumen, öfters Aussaigerungen vor, welche besonders von A. Ledebur nachgewiesen und untersucht worden sind Ledebur , Handbuch der Eisen- und Stahlgiesserei 1892, S. 31. . H. Reuss Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 643. analysierte 1891 eine solche Aussaigerung aus einer 7 Tonnen schweren Walze von Bessemerstahl und fand in derselben eine grosse Anhäufung der Nebenbestandteile. Neuerdings haben unter anderen A. Pourcel Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. (1893) und A. Martens Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 797. (1894) sich mit der Saigerung in Eisen- und Stahlgüssen beschäftigt. Der Guss der Blöcke zur Weiterverarbeitung geschieht in guss- eisernen oder Stahlformen. Bei nicht zu grossen Blöcken, die man unter Druck erstarren lassen will, wendet man meist die Fig. 303 dargestellte Konstruktion an, wobei die flüssige Masse nicht bis zum Fig. 304. Rande, sondern bis etwas darunter und der entstehende Zwischen- raum mit trockenem Sand gefüllt wird; über diesen kommt ein eiserner Deckel, der mit Keilen fest angetrieben wird. Bei diesen geschlossenen Formen muss natürlich auch der Boden fest schliessen. Die Gruppenformen für aufsteigenden Guss haben wir bereits erwähnt. Schon 1873 wurden die von Pink in Hörde konstruierten Stahlguss- Beck, Geschichte des Eisens. 49 Die chemischen Mittel zur Erzeugung dichter Stahlgüsse. Gruppenformen auf dem Elba-Stahlwerk bei Swansea eingeführt. Man hat auch verschiedene Arten geteilter Blockformen hergestellt, so z. B. Hill und Henderson 1892. Sebenius giesst auch Blöcke auf einem Drehgestell unter Centrifugaldruck. Die Giesspfannen waren früher meist mit Drehkränen verbunden und wurden durch Wasserdruck bewegt. Die Entleerung erfolgte Fig. 305. durch eine Öffnung am Boden, die mittels eines Pfropfens, der mit Stange und Hebel auf und ab bewegt wird, verschlossen ist. In neuerer Zeit macht man häufiger die Giesspfanne fahrbar, indem man sie auf ein mit einer Lokomobile verbundenes Fahrgestell, Fig. 304 (a. v. S.) und 305, befestigt. Das Kippen der Pfanne geschieht mittels Schneckenrad und Schnecke Siehe Stahlgiesswagen der Duisburger Maschinenfabrik; Stahl und Eisen 1892, S. 626. . Solche Stahlgiesswagen oder Rollkräne Stahlformguss. wendet man für kleineren Betrieb auch mit Handgetriebe an. Eine selbstthätige Giesspfanne liess sich J. Burrow 1887 patentieren. Grosse Lokomotivgiesswagen für 25 Tonnen Stahlgewicht baute 1897 die Baroper Maschinenbaugesellschaft Abgebildet: Stahl und Eisen 1897, S. 569. . Stahlformguss . Der eigentliche Stahlformguss erlangte in dieser Periode eine grosse Bedeutung, wozu ganz besonders die Fortschritte des Marti- nierens beitrugen. Früher hatte man Formguss fast nur aus Tiegel- stahl gegossen und nur für grosse Güsse auch den Bessemerstahl mit zu Hülfe genommen. An Massenstahlgüssen stand Fr. Krupp in Essen unübertroffen da. Am 10. Januar 1872 wurde auf dem Krupps chen Stahlwerk ein Gussstahlblock von 50 Tonnen Gewicht gegossen. In Formguss zeich- nete sich, wie früher, die Bochumer Gussstahlfabrik aus, die z. B. 1873 in Wien ausser ihren berühmten Stahlglocken einen Dampf- cylinder mit Dampfkanälen und Bodenplatte in einem Stück von 7 Tonnen Gewicht ausstellte. Für den Tiegelguss war die Einfüh- rung der Siemensöfen ein grosser Fortschritt. Solche Öfen für 25 Tiegel wurden zuerst in Österreich gebaut. Die später von Krupp errichteten Öfen fassten 80 bis 90 Tiegel. Seit Mitte der siebziger Jahre erlangte erst der Flammofen- Stahlguss grössere Wichtigkeit, die nach Einführung des basischen Verfahrens rasch zunahm, indem dieses ein weicheres Material gab und auch der Guss mit basischem Material besser und sicherer von statten ging als mit saurem, das härter war und sowohl dadurch als durch die stärkere Kontraktion leichter zersprang. Aber schon vor Einführung des basischen Verfahrens goss man direkt aus dem Martinofen, in Frankreich zu Terrenoire seit 1875, in den Vereinigten Staaten seit 1876. Früher waren die Stahlguss- stücke meist sehr blasig gewesen. Die Entdeckung, dass Zusätze von Mangan, Silicium oder Aluminium blasenfreien Guss erzeugten, war deshalb ein wesentlicher Fortschritt für den Stahlformguss. John Percy empfahl 1882 Silicospiegel mit 20 Prozent Mangan und 2 Prozent Silicium, weil er geringeres Aufkochen als gewöhnliches Spiegeleisen bewirke. Sandberg zog Mangansilicid vor Stahl und Eisen 1883, S. 168. . 49* Stahlformguss. In Deutschland kombinierte man an einigen Orten den Martin- und Tiegelofen in der Weise, dass man den im Martinofen geschmol- zenen Flussstahl in Tiegel goss und diese im Tiegelofen noch einige Zeit einer starken Hitze vor dem Vergiessen aussetzte. Ein anderer Fortschritt war die Ausbildung der Kleinbessemerei, welche namentlich in Frankreich für den Stahlguss verwendet wurde und deren Bedeutung heutzutage fast ausschliesslich in dieser Rich- tung liegt. Besonders waren es Charles Walrand und Eugène Legenisel Chemiker-Ztg. 1892, S. 1864. Stahl und Eisen 1892, S. 1004. in Paris (D. R. P. Nr. 64950 vom 24. September 1891), die durch die zweckmässige Konstruktion ihrer kleinen Konverter und durch den Nachsatz von Silicium- oder Phosphoreisen zur Er- höhung der Hitze und Flüssigkeit des Flussmetalls den Stahlguss förderten. Das Formmaterial, worin Stahl gegossen wird, muss sehr feuer- beständig sein; der Formsand der Eisengiessereien ist dazu nicht zu gebrauchen. Man nimmt eigentliche Masse aus feuerfestem Thon, dem man zu grösserer Beständigkeit Chamotte und gemahlene Koks zusetzt. Alle Masseformen werden in Darrkammern scharf getrocknet, in- folgedessen sind mehr und grössere Trockenöfen nötig als in den Eisengiessereien. In den Vereinigten Staaten baute man für diesen Zweck 1878 Darrkammern von 65 Fuss Länge und 12 Fuss Breite. — Für die Formmasse wurden je nach den örtlichen Verhältnissen vielerlei Mischungen gewählt, so z. B. 1883 gebrannter Quarzsand aus Finnland mit 2 bis 3 Prozent Leimwasser zu Mehl angemacht Berg- und Hüttenm. Zeitung 1883, S. 262. . J. Molles in Würzburg veröffentlichte 1885 folgendes Rezept: 34 bis 36 Liter scharf gebrannter, zubereiteter, reiner Thon, 1 Liter Zucker, 1 Liter Wasser, 1/9 Liter Paraffinöl gemischt, getrocknet und vor dem Verwenden gesiebt. Für die Chamotte nahm man anfangs gemahlene Schmelztiegelscherben, dann gemahlene, gebrannte Thon- ziegel. Für kleine Gegenstände mischte man Quarzsand und Mehl, statt des letzteren später Melasse. Beim Guss kleiner Stücke muss das Metall sehr heiss sein. A. Pourcel zu Terrenoire hat sich seit 1875 besondere Verdienste um die Herstellung von Stahlguss für Konstruktionszwecke als Ersatz für Eisenguss, wo es sich um besondere Festigkeit handelt, erworben. Es gelang ihm zuerst, grössere Gussstücke dicht zu erhalten Vergl. Berg- und Hüttenm. Ztg. 1883, S. 474. , die er Stahlformguss. auf der Pariser Ausstellung 1878 vorführte. Er wies auf die Wichtig- keit der chemischen Zusammensetzung hin und empfahl einen Kohlen- stoffgehalt von 1 bis 1,5 Prozent. Seit Einführung des basischen Flammofenbetriebes benutzte man aber weicheres Material mit ge- ringerem Kohlenstoffgehalt. H. L. Gantt , gestützt auf amerikanische Erfahrungen, empfahl 1892 für Getriebe einen Kohlenstoffgehalt von 0,4 bis 0,6 Prozent, für geringe Maschinenteile nicht über 0,4 Prozent und, wenn dieselben starken Stössen unterworfen werden, nicht über 0,2 Prozent. Solche Güsse haben eine Zerreissfestigkeit von 42 bis 45 kg pro Quadratmilli- meter und eine Längenausdehnung von 15 Prozent. Sie eignen sich für Maschinen-, Hoch- und Schiffsbau. Hierfür wählte man in den Vereinigten Staaten in der Regel Flussstahl von 0,2 bis 0,3 Prozent Kohlenstoffgehalt. Unmittelbar vor dem Giessen setzt man neuerdings oft in der Pfanne Aluminium zu, doch nicht mehr als 1 Promille. In Österreich hat man durch grösseren Zusatz von Ferroaluminium, ohne Mangan oder Silicium dichte Gussstücke hergestellt Stahl und Eisen 1894, S. 299. . Grössere Gegenstände werden meistens aus weichem, kohlenstoff- armem Martinflusseisen gegossen, so z. B. die Schuhe des 1888/9 er- bauten Eiffelturms, die nur 0,22 Prozent Kohlenstoff neben 0,52 Pro- zent Mangan und 0,20 Prozent Silicium enthalten Nach Mahler , Génie civil XVIII, Nr. 12. . Nach Sir Williams wurden vor 1899 bereits Stahlgussformstücke von über 35 Tonnen Gewicht für den Schiffsbau gegossen. Von kleineren Gussstücken erwähnen wir den Guss von Stahl- ketten in eisernen Formen, die nach dem Guss nur gereinigt und abgerieben zu werden brauchten. Dieses Verfahren wurde 1882 von Spencer auf den Newbury-Works, 1884 von Imbert \& Leger in Lyon eingeführt. Spencers Ketten ergaben bei Lloyds Proben 22 Prozent grössere Zugfestigkeit, als verlangt war. Infolge der grösseren Härte des Stahls und seiner stärkeren Kon- traktion ist die Spannung in den Gussstücken und infolgedessen die Gefahr des Zerspringens grösser als beim Eisenguss. Es ist deshalb notwendig, die fertigen Gussstücke zu glühen und langsam erkalten zu lassen, um diese Spannung aufzuheben. In den Vereinigten Staaten erhitzte man 1878 die Stahlgussstücke im Flammofen bei ruhiger Flamme und liess sie dann mit der Form zwei bis drei Tage ab- Die mechanische Formgebung. kühlen. A. Pourcel zu Terrenoire legte auf dies Ausglühen den grössten Wert und nahm auf sein Verfahren des Temperns und An- Fig. 306. lassens 1882 ein englisches Patent. Ölhärtung soll an- geblich die Elasticitätsgrenze und Festigkeit um 10 Prozent erhöhen. Pourcels Verfahren zur Herstellung dichter Güsse wurde in England, Schweden und Amerika mit Erfolg ein- geführt. Der aus dem Kupolofen gegossene Temperstahl wird, wie der schmiedbare Guss, in geschlossenen Gefässen mit Oxy- dationsmitteln eingeschichtet, geglüht. Da es sich meist um groben Guss, wie Räder und dergleichen, handelt, so pflegt man gemauerte Glühgefässe, Fig. 306, zu verwenden Siehe Rott , Darstellung des schmiedbaren Gusses und Tempergusses, Leipzig 1881. . Die mechanische Formgebung . Die mechanische Formgebung durch Hämmern, Walzen, Pressen u. s. w. erstreckt sich auf Schweisseisen wie auf Flusseisen. Die Fortschritte hierin wurden in diesem Zeitraum allerdings fast ausschliesslich durch den grossartigen Aufschwung der Flusseisenverarbeitung herbeigeführt, kamen aber grossenteils auch der Schweisseisenfabrikation zu gute. Die Verbesserungen, die sich auf letztere allein beziehen, betreffen besonders die Schweissöfen , die zur Vorbereitung der Formgebung dienen. Diese wurden mit besseren Feuerungen versehen, und nament- lich da, wo man geringwertigere Brennstoffe verarbeitete, gewann der Gasbetrieb ausgedehnte Anwendung. Für Steinkohlenbetrieb wurde Planrostfeuerung mit Unterwind am meisten angewendet. Hierbei benutzte man häufig die Abhitze zum Vorwärmen der Verbrennungs- luft, wie z. B. 1870 bei dem Schweissofen Howartsons zu Round Die mechanische Formgebung. Oak bei Dudley, bei dem die Zugluft in Fuchs und Esse erwärmt wurde. Eine Halbgasfeuerung für Steinkohlen war die von Bicheroux (s. S. 806), welche in Westdeutschland und Belgien in den siebziger Jahren besonders beliebt war. Einen Übergang zur Gasfeuerung bildete 1875 der Petroleum- schweissofen von Eames zu Jersey City, wobei das Petroleum durch überhitzten Dampf verflüchtigt wurde. Bei den Gasschweissöfen wendete man meist Winderhitzung an und unterschied Rekuperator- und Regeneratoröfen. Bei dem 1871 von Ponsard erfundenen Ofen wurde die Luft durch die Verbrennungsgase erhitzt, während der Generator so dicht an dem Ofen stand, dass die Gase heiss eintraten. Dies war also ein Rekuperationsofen. Der 1874 von dem Amerikaner Sweet Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1875, Nr. 22, S. 273; Dinglers polyt. Journ. 1876, IV. Bd., S. 150. angegebene Gasschweiss- ofen hatte eine mit angefeuchtetem Anthrazit oder Fettkohlen durch Trichter und Schlitten kontinuierlich gespeiste Feuerung. Die erhitzte Verbrennungsluft wurde durch die Feuerbrücke und das Gewölbe ein- geführt. Lürmann konstruierte 1882 ebenfalls einen Rekuperator- Schweissofen Siehe Stahl und Eisen 1882, S. 477. . Von den Gasschweissöfen mit Regeneratoren kamen zunächst die von Siemens selbst konstruierten Anfang der siebziger Jahre in England und Amerika — hier besonders grossartig auf den Edgar- Thomson-Werken bei Pittsburg — zu vielfacher Anwendung. Zu Prävali wurden 1872 die Gasschweissöfen mit Lundins Konden- sation verbunden. Bei dem Gasschweissofen von C. Wittenström (1875) lagen die Regeneratoren über dem Ofengewölbe. Pütsch hatte einen Regenerativofen für Torfgas konstruiert. Torfgasschweiss- öfen mit Regeneration und Lundins Kondensation waren 1877 zu Josephsthal in Böhmen und in Motala in Schweden in Betrieb. Erwähnt sei ferner der 1890 von Biedermann und Harvey erfundene sogenannte neue Siemensofen, bei dem der Überschuss der Verbrennungsgase wieder in den Gaserzeuger geleitet wurde; sodann ein Ofen von Stubblebine in Bethlehem (Pa.), bei dem ein Teil der in der Feuerung erzeugten Gase abgeleitet und, mit Verbrennungsluft gemischt, an geeigneten Stellen durch Injektoren in den Ofen geleitet Die mechanische Formgebung. wurde, wodurch eine bessere Verteilung der Wärme bewirkt werden sollte. Die wendbaren Gaspuddelöfen von Pietzka mit Rekuperation haben sich auch als Schweiss- und als Wärmöfen bewährt. Überhaupt wurden viele dieser Verbesserungen auch bei den Ausheiz- oder Wärm- öfen für die Flusseisenblöcke in Anwendung gebracht. Das Flusseisen, welches reiner als das Puddeleisen ist, braucht nicht der Schweissung, deren Hauptzweck doch die Entfernung der eingemengten Schlacke ist, unterworfen zu werden, auch darf es nicht so heiss unter die Walzen kommen, weil das harte, ungeschmeidigere Material sonst zerfällt. Dagegen müssen die Blöcke, die nicht un- mittelbar nach dem Guss ausgewalzt werden können, einer gleich- mässigen Durchheizung in geeigneten Öfen unterworfen werden. Hierzu bediente man sich zunächst geräumiger Flammöfen, die den Schweiss- öfen ähnlich waren, aber keines Sammelraums für ausgeschweisste Schlacken bedurften. An Stelle dieser wendete man seit 1882 in zunehmendem Masse die schon öfter erwähnten Gjerss chen Ausgleichgruben an, die bei starkem, regelmässigem Betriebe für das Ausheizen der Blöcke die Wärmöfen überflüssig machen können. Meist aber bedient man sich beider Ofenarten nebeneinander. Bei den einfachen Gjerss chen Heizgruben ist die Wärme nicht so hoch wie in den Flammöfen. Snelus fand 1882, dass sich die Wärmeausgleichung in den gemauerten Wänden nicht rasch genug vollzog. Er schlug deshalb vor, die Wände aus Flusseisen zu machen und die Abteilungen mit zwei Deckeln, dem einen dicht über dem Block, dem anderen im Niveau der Hüttensohle zu verschliessen. Schon im Jahre 1883 ging aber die Gesellschaft John Cockerill zu Seraing dazu über, die Durchweichungsgruben mit besonderer Gasfeuerung anzuheizen (D. R. P. Nr. 24974). Die Gjerss chen Heizgruben bewährten sich. Ende 1883 wurden auf dem Scranton-Eisenwerk über 85 Prozent der Produktion aus in Gruben geheizten Blöcken zu Eisenbahnschienen von 120 Fuss Länge durchgewalzt. Auf den Darlington-Stahlwerken wurden 1885 die gegossenen Schienenblöcke acht Minuten lang in den Koquillen und dann 8 bis 12 Minuten in Ausgleichsgruben sich abkühlen, beziehungsweise gleich- mässig durchwärmen lassen und alsdann in derselben Hitze vor- und fertiggewalzt. Man hatte 22 Gruben von 400 × 480 mm Querschnitt. In neuerer Zeit ist der Gebrauch der geheizten Gruben oder Tieföfen Die mechanische Formgebung. allgemein geworden. Zum Ein- und Austragen der Blöcke hat man geeignete Hebevorrichtungen konstruiert, so z. B. R. M. Daelen einen hydraulischen Kran Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 916. . Die grossen Flammöfen zum Ausheizen der Flusseisenblöcke, die wie die Schweissöfen entweder mit Rostfeuerung oder mit Gasfeuerung geheizt wurden, hatten ebene, schwachgeneigte, gemauerte Böden. Auf diesen wurden die Blöcke auf der kälteren Fuchsseite eingesetzt und allmählich der Flamme entgegen nach der Feuerbrücke durch Kippen Fig. 307. Fig. 308. und Rollen voranbewegt; deshalb bezeichnet man diese Öfen als Roll- öfen. Fig. 307, 308 zeigen einen Rollofen von Creusot aus dem Jahre 1875. Die Neigung der Sohle betrug meist ein Neuntel. — An der Feuerbrücke, die höher ist als bei den Schweissöfen, erlangen die Blöcke die stärkste Hitze und werden durch die hier befindliche Thüre öfter mittels mechanischer Vorrichtungen, wie beispielsweise der Fig. 309 (a. f. S.) skizzierten amerikanischen Einrichtung, heraus- gezogen. Die Halbgasfeuerungen von Boëtius oder Bicheroux sind in neuerer Zeit ziemlich verschwunden und zumeist durch Regenerativ- Gasfeuerungen ersetzt. Die Öfen von Pietzka und die kontinuier- Die mechanische Formgebung. lichen Stahlwärmöfen von Langhlin und Reuleaux haben sich bewährt Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 900. . In Amerika ist die automatische Bedienung sowohl der Schweiss- als der Wärmöfen ausgebildet worden. Samuel T. Wellman hat sich besonders hierfür verdient gemacht und schon 1889 mehrere Patente (Amer. Pat. Nr. 394419, 394421) auf die hydraulische Be- schickung von Flammöfen mit schweren Blöcken genommen. Fig. 309. Die heissen Schweisseisenpakete kommen in der Regel erst unter einen Dampfhammer und dann unter die Walzen. Die Flusseisen- blöcke dagegen gelangen meistens direkt unter starke Blockwalzen. Ausnahmsweise werden aber auch Flusseisenblöcke unter schweren Hämmern oder neuerdings unter hydraulischen Pressen oder Press- hämmern vorgearbeitet. Die Entwickelung der Werkzeuge in ihren Einzelheiten gehört in die Geschichte des Maschinenbaues; in dem Nachfolgenden kann nur das Wichtigste aus dem überreichen Material kurz berührt werden. Die Verbesserungen der Krafterzeugungsmaschinen liegen ausser- halb des Rahmens unserer Betrachtung. Wir erwähnen nur, dass bei den Dampfmaschinen die Verwendung hochgespannter Dämpfe (8 bis 10 Atmosphären) immer mehr zur Anwendung kam. Dies übte zunächst seinen Einfluss auf den Bau der Dampfkessel, die auf höheren Druck und mit Röhrensystemen zur Überhitzung des Dampfes gebaut Die mechanische Formgebung. wurden, sodann auf den Bau der Dampfmaschinen, wobei die möglichste Ausnutzung der Dampfspannung leitender Grundsatz wurde. Dies geschieht in sehr zweckmässiger Weise durch die in zwei Cylindern, einem kleineren Hochdruck- und einem grösseren Nieder- druckcylinder, fortgesetzte Expansion (Verbundmaschinen). Ein zweck- mässiges Grössenverhältnis der Cylinder bei Walzwerkmaschinen ist 1 : 2, oder 1 : 2,3. Bei den sogenannten Tandemmaschinen liegen die beiden Cylinder so hintereinander, dass sich die beiden Dampfkolben an derselben Achse befinden. Man ist aber Mitte der neunziger Jahre weiter gegangen und hat Dreifach-Expansionsmaschinen für Walzwerke konstruiert, wobei noch ein Mitteldruckcylinder eingeschaltet wird. Die Verbund- und Tandemmaschinen wurden entweder als Schwungradmaschinen mit gleichbleibendem Lauf oder als Reversier- maschinen verwendet. C. Kiesselbach hat in der Versammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute vom 23. April 1899 zu Düsseldorf einen ausführlichen Vortrag Stahl und Eisen 1899, S. 408, 463. über die Motoren zum Antrieb der Walzenstrassen ge- halten, auf den wir verweisen. Als gute Beispiele der obenerwähnten Konstruktionen in Deutschland sind Zeichnungen beigefügt von Tandemwalzenzugmaschinen mit Schwungrad der Maschinenbau- Aktien-Gesellschaft, vormals Gebr. Klein in Dahlbruch (Taf. XI); der Märkischen Maschinenbau-Anstalt zu Wetter a. d. Ruhr (Taf. VIII); der Gutehoffnungshütte bei Oberhausen (Taf. VII); der Sächsischen Maschinenfabrik zu Chemnitz, vormals Rich. Hartmann (Taf. V); der Duisburger Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft, vormals Bechem \& Keet- mann in Duisburg (Taf. IV), von Sack \& Kiesselbach zu Rath bei Düsseldorf (Taf. XII); von einer direkt gekuppelten Tandem-Reversier- Walzenzugmaschine ebenfalls von Sack \& Kiesselbach; von einer Dreifach-Expansions-Walzenzugmaschine der Sundwiger Eisenhütte, Gebr. von der Becke \& Co. und einer Drillings-Verbund-Reversier- maschine der Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft, vormals Gebr. Klein in Dahlbruch. Besonderen Erfolg hatte die Firma Ehrhardt \& Sehmer, Schleif- mühle, mit ihren Drillingsmaschinen Daselbst 1899, S. 859; 1900, S. 879. mit um 120° versetzten Kurbeln, zuerst auf der Burbacher Hütte. Eine Maschine dieser Art erregte auf der Weltausstellung in Paris im Jahre 1900 Aufsehen. Diese Maschinen arbeiten mit grossen Umlaufgeschwindigkeiten ohne Schwungrad. Die mechanische Formgebung. Die Tandemmaschine, System Schmidt [gebaut von W. Schmidt \& Co. in Aschersleben Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 661. ] ist eine Heissdampfverbundmaschine. Sie arbeitet mit überhitztem Dampf von 10 bis 11 Atmosphären Spannung und 350° C. Temperatur. Die beiden Dampfcylinder sind unmittelbar aneinandergeschraubt ohne zwischenliegende Stopfbüchsen, und der Kolben ist als Differentialkolben ausgebildet. Wenden wir uns zur Formgebung selbst, so ist eine Vorbedingung für die Erzeugung guter Flusseisenprodukte die Herstellung dichter blasenfreier Blöcke. Die chemischen und mechanischen Mittel für diesen Zweck haben wir bereits beschrieben, doch ist hier noch etwas nachzutragen. Die angeführten Methoden fanden alle bei dem flüssigen Metall ihre Anwendung. 1882 schlug L. Clémandot vor, die erstarrten Blöcke dadurch dicht zu machen, dass man sie bei Kirschrotglut einem starken Drucke von 1000 bis 3000 kg auf den Quadratcentimeter (trempe à compression) unterwerfe. Er führte dieses Verfahren zu St. Jacques bei Montluçon ein und erhielt dadurch einen beträchtlich härteren Stahl. Die Härtezunahme war um so grösser, je mehr Kohlenstoff der Stahl enthielt. Nach seinen Analysen war im gepressten Stahl mehr Kohlenstoff gebunden als im un- gepressten. Um die gegossenen Blöcke rascher unter die Walzen bringen zu können, liess sich 1873 G. Hasletone für W. Dougherty in Phila- delphia ein Verfahren in England patentieren, wonach er den Fluss- stahl in Formen von Schwarzblech goss und den Stahl mit der Hülle weiter verarbeitete. Wenn erforderlich, kann man die Blechhaut durch Hobeln oder Feilen von dem fertigen Produkt entfernen. Die Arbeit der Hämmer ist teils Verdichtung, teils Formgebung. Für ersteren Zweck dienen meist schwere Hämmer mit langsamem Gang, für letztere leichte Hämmer mit raschem Gang (Schnell- hämmer). Das Gewicht der Hämmer richtet sich nach der Grösse des Gegenstandes, aber auch nach dem Stoff. Die Luppenhämmer der Puddelwerke wiegen 1500 bis 2500 kg, die Schweiss- und Stauch- oder Brammenhämmer der Eisenwalzwerke 5000 bis 10000 kg. Stahl muss bei niedrigerer Temperatur bearbeitet werden und ist härter als Eisen, aus beiden Gründen erfordert er schwerere Hämmer. Da man in den siebziger Jahren auch die Flussstahlblöcke noch meistens vorschmiedete, so musste man die Dampfhämmer stärker bauen, um die schweren Blöcke harten Stahls bearbeiten zu können. Die mechanische Formgebung. Die Hämmer der Flussstahlwerke für Gegenstände mittlerer Grösse wogen 10000 bis 20000 kg, während für grössere Blöcke Hämmer von mehr als 20000 kg Gewicht erforderlich waren. Besonders grosse Hämmer verlangten die riesigen Blöcke für schwere Kanonen. Krupps 1000-Centner-Hammer fand in diesem Zeitraum Nach- folger. Der grosse Dampf- hammer der Kanonenfabrik zu Perm Beschreibung und Abbildung in Kerpely , Fortschritte des Eisenhütten- wesens 1874, S. 338 und Taf. VI, Fig. 9. , von dem die Modelle in der russischen Abteilung der Weltausstellung zu Wien 1873 ausgestellt waren, hatte einen gusseisernen Hammerbär von 23000 kg Gewicht, während die geschmiedete Kolbenstange und der Kolben 27000 kg, diese Teile zusammen also 50000 kg wogen. Dabei arbeitete der Hammer noch mit Oberdampf. Die Hammerschabotte aus Guss- eisen wog 635000 kg Über den Guss derselben siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1874, S. 1. . Noch kräftiger war der 1873 im Arsenal zu Woolwich erbaute Dampfhammer mit Oberdampf von 35000 kg Bärgewicht. Der 1877 von Schneider \& Co. zu Creusot errichtete Dampf- hammer zeichnete sich durch hohen Hub und starke Wirkung aus. Sein Fallgewicht wog 70 Tonnen, der Hub betrug 5 m, der Cylinderdurchmesser 1,9 m. Er schlug auf einen Fig. 310. Amboss von Gusseisen von 890 Tonnen Gewicht; davon wog die Chabotte 750 Tonnen. Dieser Hammer bildete den Mittelpunkt der mit grossen Glühöfen und hydraulischen Kränen ausgerüsteten neuen Die mechanische Formgebung. Stahlhütte, und man schmiedete mit ihm Stahlblöcke von 120 Tonnen Gewicht. Hämmer von 100 Tonnen Fallgewicht wurden in der Folge errichtet zu Rive de Gier in Frankreich und zu Terni in Italien. Alle diese wurden an Grösse übertroffen durch den 1891 zu Bethlehem in den Vereinigten Staaten von Amerika von John Fritz gebauten Riesenhammer von 125 Tonnen Fallgewicht (Fig. 310 a. v. S.), dessen Amboss 475 Tonnen und dessen Chabotte 1400 Tonnen wogen, so dass das Gesamtgewicht dieser Teile 2000 Tonnen betrug. Die schwierige Frage der Fundamentierung solch mächtiger Hämmer wurde schon Anfang der siebziger Jahre dadurch glücklich gelöst, dass man das Fundament des Hammergerüstes von dem Funda- ment von Amboss und Chabotte vollständig trennte. Der grosse Hammer des italienischen Stahlwerks zu Terni von 100 Tonnen Hammergewicht und 5 Fuss Hub, 1885 von der Ge- sellschaft John Cockerill erbaut, wurde mit Pressluft betrieben Mitteilungen darüber von Franz Kuppelwieser in Österreich. Zeitschr- für Berg- und Hüttenwesen 1887, S. 106. , die von vier Gruppen Dubois-Françoiss chen Luftverdichtungs- pumpen geliefert wurde. Der Hammer war von allen Seiten leicht zugänglich. Hinsichtlich der Steuerung haben sich bei schweren Hämmern Ventilsteuerung, bei leichten Hämmern, besonders Schnellhämmern mit Handsteuerung, Schieber oder Hähne am besten bewährt. Die Muschelschieber pflegt man möglichst mit Druckentlastung einzu- richten. Durch zweckmässige Steuerung zeichnete sich ein 1873 in Wien ausgestellter Dampfhammer von W. und C. Seller, der sowohl automatisch als von Hand gesteuert werden konnte, aus, ebenso der Schnellhammer von Keller und Banning mit Schiebersteuerung und Expansion (1873), desgleichen der 1874 bekannt gewordene Schnell- hammer von Massey in Manchester Siehe Kerpely, Fortschritte des Eisenhüttenwesens 1874, S. 277. , der mit Oberdampf arbeitete, 200 bis 400 Schläge in der Minute machte und mit Hand- und Selbststeuerung versehen war. Der um diese Zeit eingeführte Napier- s che Schieber war ein Röhrenschieber. Frischen Oberdampf wendete man mit Vorteil bei Schnellhämmern an, während bei schweren Hämmern nur Unterdampf zum Heben des Fallgewichtes benutzt und der Schlag nur durch das Gewicht des fallenden Hammerbären bewirkt wurde. Die mechanische Formgebung. Schmiedehämmer mit Luftdruckbetrieb sind die pneumatischen Hämmer von Chenot Siehe Dingler, Polyt. Journ. 1878, Bd. 227, S. 426. und von Longworth, letzterer für Trans- missionsbetrieb, beide von 1878; sodann der nach dem Patent von Arns 1886 von Breuer, Schumacher \& Co. zu Kalk ausgeführte Luftdruckhammer, bei dem der Saugkolben den Hammerbär hebt Siehe Kerpely, Fortschritte etc. 1886, Taf. 12, Fig. 10. . Einen elektrischen Hammer erfanden Siemens \& Halske in Berlin 1880 Siehe Dingler, Polyt. Journ. 1880, Bd. IV, S. 91. . Der 1881 bekannt gemachte Hammer von Diot \& Monlebont in Paris hat einen aus Teilen zusammengesetzten Bär, der für stärkere und schwächere Leistungen zugerichtet werden kann. Rigbys 12- Tonnen-Dampfhammer in dem Parkhead-Walzwerk in Schottland zeichnete sich (1882) durch grosse Einfachheit der Bauart aus Siehe Dingler, Polyt. Journ. 242, S. 97. . Eine selbstthätige Vorrichtung zum Festhalten und Bewegen der Schmiedestücke als Ersatz der Handarbeit konstruierte A. Mure in Glasgow 1882 Dingler a. a. O., XV, 1882, IV, S. 266. . — 1885 wurde der erste Gashammer von Rotson in London aufgestellt. Es würde zu weit führen, alle neuen Hammerkonstruktionen, die in dieser Periode patentiert wurden, aufzählen zu wollen. Von Schmiedehämmern seien nur noch erwähnt der Luftfederhammer von Player 1887, der Schmiedehammer von J. Wild , der Lombards che Fallhammer und der Dampfhammer von A. Henckels in Solingen zum Recken, Breiten und Gesenkschmieden. Der Lufthammer von Wilh. Hassel von 1888 (D. R. P. Nr. 44031) war nach demselben Prinzip wie der von Arns gebaut. Von 1888 sind ferner der Luft- und Wasserdruckhammer von H. Wohlenberg in Hannover, der Gashammer von Robinson und Pickney und die Schmiedemaschine mit zwei Hammerwerken von Beaudry \& Co. in Boston zu nennen. 1889 wurde Allens mechanischer Dampf- zuschläger Siehe Kerpely, Fortschritte etc. 1889, S. 205. in England zum Schmieden von Bolzen und Schrauben verwendet. Gasexplosionshämmer erfanden Rob. Kannegiesser, Th. M. Mudd in Hartlepool (Engl. Pat. Nr. 3384 vom 5. März 1888) und Pickney (verbesserter Robsonhammer). Riemenfallhämmer konstruierten F. Steller, Breuer \& Schu- macher in Kalk, C. Friedrich in Paris und Andere. Einen pneu- Die Presshämmer. matischen Hammer mit Luftdrucksammler erfand Rob. Latowski in Breslau. Reineckers Dampfhammer mit expandierendem Oberdampf wurde 1891 nach dem Daelens chen Prinzip erbaut; er hatte zwei über- einanderstehende Cylinder, wodurch man die Expansion des Ober- dampfes beliebig weit treiben konnte. Pearsons Dampfhammer von 1894 zum Schmieden in Gesenken, besonders für Scheibenräder (Amer. Pat. Nr. 503354), hat leichten Kolben, aber schwere, volle Kolbenstange, wodurch der Schlag genau und ohne Erschütterung geführt werden kann. Bei einem von dem Amerikaner Morgan 1896 konstruierten Dampfhammer (Amer. Pat. Nr. 538840) dient ein zweiter kleiner Cylinder über dem ersten, dessen Kolben immer unter Dampfdruck steht, dazu, das Durchschlagen des oberen Cylinderdeckels zu ver- hindern. Die Presshämmer . Durch die Verwendung des Wasserdrucks zur Verdichtung und Formgebung hat man in dem Presshammer ein Mittel gefunden, welches den Dampfhammer für viele Zwecke mit Vorteil ersetzt. Die umfassende Ausnutzung dieses Mittels fällt in diesen Zeitabschnitt. Der Schlag des Dampfhammers wirkt energisch auf die Ober- fläche, seine Wirkung setzt sich aber um so weniger nach innen fort, je rascher der Schlag erfolgt, und je leichter der Hammer ist. Zur Verdichtung wirkt wesentlich der Druck, deshalb hat der Vorteil des Hämmerns bei dicken, schweren Blöcken bald seine Grenze. Die Er- fahrung hat gelehrt, dass der Hammer zum richtigen Durchschmieden das zehnfache Gewicht des Schmiedestückes haben muss. 100-Tonnen- Hämmer sind aber schon sehr unbehülfliche, kostspielige Werkzeuge, während man im Grossbetriebe nicht selten Flussstahlblöcke bis zu 30 Tonnen zu bearbeiten hat. Es leuchtet von selbst ein, dass diese viel besser und billiger durch hydraulische Presshämmer bearbeitet werden. Gautier teilte 1889 vergleichende Beobachtungen von einem Sheffielder Stahlwerk mit Bulletin de la Société de l’industrie minérale, série 21, t. III, livr. 3, 1889. . Danach war für die Bearbeitung eines Flussstahlblocks von 36½ Tonnen, der für ein Geschütz bestimmt war, mit einem 50-Tonnen-Dampfhammer drei Wochen Arbeit und 33 Erhitzungen erforderlich, während ein Block von 37½ Tonnen Die Presshämmer. unter einer Presse von 4000 Tonnen Druck in vier Tagen mit 15 Hitzen fertig bearbeitet wurde. Die Presshämmer, deren erste praktische Ausbildung Haswell (siehe Bd. IV, S. 868) zu verdanken ist, haben deshalb eine grossartige Verwendung bei der Flussstahlverarbeitung gewonnen. S. Haswell hatte (1861) seinen Hammer für einen ganz bestimmten Zweck, zum Pressen von Lokomotivteilen konstruiert. In dieser Richtung hatte er ihn noch vervollkommnet, wie es auf der Wiener Weltausstellung 1873 vorgeführte Proben zeigten. Zur Bearbeitung roher Blöcke hatte er ihn nicht verwendet und hierfür eignete sich auch seine Konstruktion nicht. Ein Fortschritt war es deshalb, als Sir Joseph Whit- worth , der von dem Pressen des flüssigen Metalls zum Zwecke der Verdichtung ausgegangen war, 1884 auf seinem neuen Stahlwerk bei Manchester auch eine nach Haswells Prinzip gebaute hydraulische Schmiedepresse zur Bearbeitung der cylindrischen Güsse für Kanonen- rohre verwendete School of Mines, Quarterly, März 1885; Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1885, S. 558. . Das Schmieden geschah über Dornen von grossem Kaliber und in Gesenken und zwar von der Mitte aus erst nach dem einen, dann nach dem anderen Ende, wobei sich der glühende Stahl wie Teig bewegte. Es erwies sich als vorteilhaft, die Rohre auf nicht mehr als 6 Fuss Länge in der ersten Hitze zu strecken und sie dann wieder in den Glühofen zurückzugeben. Da das Pressschmieden in Gesenken und mit Dornen geschah, wurde grosse Genauigkeit erzielt; ausserdem wurden Festigkeit und Zähigkeit des Stahls be- deutend erhöht, letztere nach Whitwells Angabe um 30 Prozent. Je schwerer das Gussstück war, desto besser der Erfolg. Seit dieser Zeit fing man an, auch massive Flussstahlblöcke statt unter schweren Dampfhämmern unter Schmiedepressen zu bearbeiten. Besonders bewiesen Tannet und Walker in Leeds durch ihre Press- hämmer deren Vorzüge vor den Dampfhämmern. Nach Gautiers Bericht besassen die Krupps chen Stahlwerke in Essen 1889 eine solche Presse von 2000 Tonnen Pressdruck, welche einen Hammer von 75 Tonnen ersetzte, und war eine solche von 4000 Tonnen Druck, die einen 120-Tonnen-Hammer ersetzen sollte, in Ausführung be- griffen. 1888 entstanden bereits eine Reihe weiterer hervorragender Konstruktionen für diesen Zweck. So die am 19. April 1888 paten- tierte Schmiedepresse von Fritz Baare Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 64; 1892, S. 166; Ledebur, Handbuch der Eisenhüttenkunde, S. 730. zu Bochum (D. R. P. Beck, Geschichte des Eisens. 50 Die Presshämmer. Nr. 45323), welche in Fig. 311 dargestellt ist. Das Druckwasser wird von der Pumpe mit 600 Atmosphären Pressung geliefert und übt, wenn es auf die ganze Kolbenfläche wirkt, einen Druck von 4000 Tonnen aus. Dadurch, dass der Presskolben c aus mehreren Stücken von verschiedenem Durchmesser besteht, kann durch ver- Fig. 311. schiedene Hahnenstellung ( a b ) der Druck in drei Stufen im Verhältnis von 1 : 2 : 3 ausgeübt werden. Die Aufwärtsbewegung des Presskolbens wird durch die Hebecylinder g g be- wirkt, welche mit einem Drucksammler (Akkumu- lator) von 50 Atmosphären Belastung verbunden sind. Eine andere bemerkens- werte Konstruktion war die von Alexander Wilson und Samuel Oates in Sheffield (Engl. P. Nr. 9392 vom 27. Juli 1888) zum Pressen grosser Blöcke für Panzerplatten und der- gleichen Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 620, mit Abbildung. . Die schweren Blöcke werden durch zwei Rollbahnen mit je drei Rollwalzen, die durch Wasserdruck angetrieben werden, hin und her bewegt. Die ebenfalls 1888 patentierte pneumatisch-hydraulische Schmiede- presse von Prött und Seelhoff (D. R. P. Nr. 43434), ausgeführt von L. W. Breuer, Schumacher \& Co. Daselbst 1889, S. 298, Taf. XI. , zeichnete sich durch Ein- fachheit, Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit aus. Sie arbeitete mit nur einem Presscylinder für jeden Druck. Die wichtigste Verbesserung lag aber in der Konstruktion des Akkumulators Daselbst 1891, S. 132. , bei dem der Druck nicht durch Gewichte, sondern durch gepresste Luft oder Kohlensäure erzeugt wurde. Die Luft, die in sinnreicher Weise abgedichtet war, Die Presshämmer. wurde beim Pressen nicht verbraucht, konnte also immer wieder ver- wendet, der Drucksammler aber in jeder Höhe abgestellt werden. Die Schmiedepresse von Haniel \& Lueg (D. R. P. Nr. 39658 und 51182) von 1889 war mit Differentialkolben versehen A. a. O. 1890, S. 547. . Eine von A. Trappen Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 690. 1890 erfundene Schmiedepresse, welche von der Maschinenbau-Anstalt zu Wetter a. d. Ruhr gebaut wurde, war mit zwei übereinander angeordneten Presscylindern versehen. Etwa um dieselbe Zeit erfanden B. \& S. Massey \& Co. zu Openshaw bei Manchester eine Compound-Schmiedepresse für billigere Anlagen und kleinere Leistungen, besonders für Herstellung von Bolzen mit viereckigen Köpfen. Auch R. M. Daelen in Düsseldorf liess sich 1888 eine hydraulische Schmiedepresse patentieren (D. R. P. Nr. 48825). Die hydraulische Schmiedepresse von Benjamin Walker Daselbst 1891, S. 247. (Engl. Pat. Nr. 562 vom 11. Januar 1890) bestand aus einer senkrechten und einer wagerechten Presse. Eine von Greenwood \& Batley Daselbst 1894, S. 900. ein- geführte Presse arbeitete ohne Pumpen mit einem einfach wirkenden Druckübersetzer (direct steam driver oder intensifier); bei A. B. Browns Presse (Engl. Pat. Nr. 11069 vom 16. Juli 1890) war ein grösserer Dampfkolben mit einem kleinen hydraulischen Kolben starr verbunden. Die Schmiedepresse von W. D. Allen in Sheffield Daselbst 1891, S. 895. (1891) wurde von einer Dampfpumpe mit Schwungrad ohne Drucksammler betrieben, indem der Pumpstiefel mit dem Presskolben durch eine kurze Leitung ohne Arbeitsventile verbunden war. Eine horizontale Schmiedepresse, bei der sich der Treibkolben in dem Presscylinder bewegte, wurde von R. M. Daelen angegeben Daselbst 1892, S. 160; vergl. auch ebenda 1893, S. 553. . Im allgemeinen ist die unmittelbare Übersetzung der Dampf- und Wasserkolben nur für mässig schwere Pressen vorteilhaft. Eine schwere Schmiedepresse von 4000 Tonnen Druckwirkung (Fig. 312 a. f. S.) mit Differentialkolben erbaute 1891 die Compagnie de Châtillon-Commentry in ihrem Werke St. Jacques in Montluçon Le Génie Civil vom 5. Dezember 1891; Stahl und Eisen 1892, S. 57, 169. . Zum Ersatz für Blockwalzen haben Ch. Davy in Sheffield Siehe Stahl und Eisen 1890, Nr. 6. (Engl. Pat. Nr. 5510 vom 30. März 1889) und B. Walker in Leeds Daselbst 1891, Nr. 3, S. 247. 50* Die Presshämmer. (Engl. Pat. Nr. 562 vom 11. Januar 1890) die Schmiedepressen mit besonderen Einrichtungen versehen. Zwei grosse Schmiedepressen für Panzerplatten erbaute 1895 die Kalker Werkzeugmaschinenfabrik von L. W. Breuer, Schumacher Fig. 312. \& Co. nach ihrem Patent, die eine für das Dillinger Eisenwerk, die andere für Russland bestimmte war für 7500 Tonnen senkrechten Druck, mit zwei Seitenpressen von je 1200 Tonnen Druck konstruiert. Daneben wurden zahlreiche Pressen für kleinere Arbeiten patentiert. Die grosse Schmiedepresse in dem Pressbau von Friedrich Krupp in Essen, von Tannet \& Walker in Leeds erbaut, hat einen Die Walzwerke. Druckkolben von mehr als 1 m Durchmesser und übt bei der Maximal- pressung von 600 kg auf den Quadratcentimeter einen Druck von 5000 Tonnen aus. Die Presse macht etwa 12 Hübe in der Minute. Das lautlose, stossfreie Arbeiten des riesigen Werkzeuges und die Leichtigkeit der Steuerung durch Umstellen der Hähne sind über- raschend. Die Presse ist mit einem Akkumulator, bei dem die Druck- last auf drei Cylinder verteilt ist, verbunden. Durch eine sinnreiche Steuerung kann der Druck entweder nur auf den Mittelkolben wirken, oder auf die beiden Seitenkolben oder auf die drei Kolben zugleich verteilt werden. Dadurch kann der erzeugte Druck 600, 300 oder 200 Atmosphären und die Kraft der Presse 5000, 2500 oder 1750 Tonnen betragen. Pressen von ähnlicher Stärke gab es damals bereits in Amerika in den Bethlehem- und Homestead-Werken. Bethlehem besass 1893 eine Schmiedepresse für 4570 Tonnen Druck und hatte eine für 14225 Tonnen Druck im Bau. Es war dies die grösste Schmiede- presse der Welt; Homestead besitzt die zweitgrösste für 10160 Tonnen. Auf dem Kontinent Europas waren 1899 die zwei grössten Pressen die von der obenerwähnten Firma L. W. Breuer, Schumacher \& Co. in Kalk bei Köln für die Dillinger Hütte und die Obuchowski-Stahl- werke zu St. Petersburg erbauten zu je 10000 Tonnen Druck Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 606. . Nach Sir Williams gab es 1899 bereits Pressen von 14000 Tonnen Druck. Neben diesen Riesenpressen wurden für feinere Arbeiten Schnell- schmiedepressen erfunden, z. B. von der Märkischen Maschinenbau- anstalt in Wetter 1894 (D. R. P. Nr. 80945). Eine Schmiedepresse mit mehreren auswechselbaren Werkzeugen liess sich H. Ehrhardt in Düsseldorf 1894 patentieren (D. R. P. Nr. 83492). Pressen für hohe Temperaturen konstruierte A. Dick (D. R. P. Nr. 83388, 83590). Dampfhydraulische Luppenpressen kamen sogar in Puddelwerken zur Anwendung, so z. B. die S. 611 abgebildete von Breuer \& Schu- macher in dem Huldschinskys chen Hüttenwerk in Schlesien Daselbst 1897, S. 257. . Die Walzwerke . Wie bei den Hämmern so steigerten sich bei den Walzwerken die Anforderungen besonders mit den Fortschritten der Flussstahl- fabrikation. Das harte Metall setzte schon an und für sich der Be- arbeitung einen grösseren Widerstand entgegen, ausserdem durfte es Die Walzwerke. nicht schweisswarm verarbeitet werden. Dementsprechend wurden die Walzwerke stärker gebaut und in ihrer Konstruktion verbessert. Wir können nur eine kurze Aufzählung der vielen Verbesserungen der Walzwerke in diesem Zeitraum hier geben. Die Luppenwalzen der Puddelwerke bestanden Anfang der sieb- ziger Jahre meist aus einem Vorwalzen- und Streckgerüst oder einem Schlicht- oder Fertigwalzengerüst. Für ersteres, öfter auch für beide wendete man das Triosystem an. Um diese Zeit ging man mit Vorteil dazu über, die Luppen auf einem einzigen Triowalzwerk vor- und fertigzuwalzen, was sehr zur Beschleunigung der Arbeit beitrug. Man hatte dabei entweder nur Flachkaliber (Hörde 1873) oder Spitzbogen und Flachkaliber und keine toten oder doppelten Kaliber, vielmehr erhielt der Stab in jedem derselben Druck. Vahlkampf hat sich um die Konstruktion der Spitzbogen- und Flachkaliber verdient gemacht. Dr. Kollmann wies nach Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 53, 97. , dass das specifische Gewicht des Luppeneisens durch Auspressen der Schlacke und Schweissung nicht unbeträchtlich — von 7,3 auf 7,9 — zunimmt und das Eisen zugleich eine chemische Reinigung erfährt. Die Verbesserungen in den Jahren 1870 bis 1875 bezogen sich zumeist auf die Flussstahlwalzwerke, hauptsächlich auf Reversier- und Triowalzwerke für schweres Façoneisen, namentlich für Eisen- bahnschienen. In England arbeitete man an der Verbesserung der Reversierwalzen, während man in den Vereinigten Staaten von Amerika vorzügliche Trio- oder Dreiwalzwerke baute. Ein wichtiger Fortschritt in England bestand darin, dass es gelang, die Klauenkuppelung durch Friktionskuppelungen zu er- setzen. Nasmyth soll zuerst die Idee angegeben haben, welche dann von John Ramsbottom 1865 praktisch verwertet wurde. Ramsbottoms Maschine arbeitete ohne Schwungrad und die Um- steuerung war ziemlich unabhängig von der Geschwindigkeit. Sie glich der bei den Lokomotiven gebräuchlichen Umsteuerung, nur war statt des Steuerhebels ein kleiner hydraulischer Cylinder vorhanden. 1867 erfand dann R. D. Napier seine Umschaltung durch eine Differential-Friktionskuppelung, welche mit der Hand bewegt werden konnte. Th. H. Head erhielt am 11. März 1868 ein Patent (Engl. Pat. 840) auf eine ähnliche Reversiervorrichtung. 1869 konstruierten Kitson und Chalas Mechanic’s Magazine, März 1869; Dingler, Polyt. Journ. Bd. 192, S. 269. zu Monkbridge Iron- Die Walzwerke. works bei Leeds eine Friktionskuppelung, bei welcher flache, konisch geformte Fangscheiben durch hydraulischen Druck gegen die Fläche des Triebrades gepresst wurden. Kitson wendete dieses System mit Erfolg bei seinen schweren Blechwalzwerken in Leeds an. B. Walker von der grossen Maschinenbaufirma Tannet, Walker \& Co. zu Leeds verbesserte diese Einrichtung, indem er die Reibung durch eine schmiedeeiserne Bandbremse auf eine cylindrische Trommel übertrug. Am 6. Oktober 1871 erhielt Graham Stevenson in England ein Patent (Nr. 2654) für eine Friktionsreversierkuppelung, die 1872 auch in Deutschland von Grillo, Funke \& Co. zu Gelsenkirchen mit Erfolg eingeführt wurde. 1872 trat R. D. Napier mit einer verbesserten Differential- Friktionskuppelung auf Engineering 1872, S. 384. . Bei der Anwendung der mit Hydraulik angepressten Friktionsscheiben wurde Walzenbruch dadurch vermieden, dass sich bei einem gewissen Druckmaximum ein Ventil öffnete, wo- durch das Walzwerk zum Stehen gebracht wurde. Statt der Umkehrung der Walzen wendete man in den Ver- einigten Staaten selbst für Blockstrassen mit Vorliebe das Dreiwalzen- oder Triosystem an. Das Prinzip des Lauths chen Blechwalzwerks wurde auf die Kaliberwalzwerke übertragen und zwar sowohl auf Schienen- als auch auf Blockwalzen. Bei den Schienentrios waren Ober- und Unterwalze gefurcht (Matrize), die schwächere Mittelwalze diente als Deckel (Patrize). Die Kaliber öffneten sich abwechselnd nach oben und unten, so dass die Schienen nicht gewendet zu werden brauchten. Die Walzen hatten sieben Kaliber, statt fünf wie in Eng- land. Dreiwalzwerke waren billiger als Zweiwalzwerke mit Umkeh- rung, erfordern aber starke Hebevorrichtungen. A. L. Holley Tunner, Das Eisenhüttenwesen in den Vereinigten Staaten, Taf. I, und Stahl und Eisen 1897, S. 136. stellte im Januar 1871 ein Block-Triowalzwerk auf, bei dem Ober- und Unterwalze festlagen, während die durch Hydraulik bewegliche Mittelwalze nach jedem Stich eingestellt wurde. Zum Heben, Verschieben und Drehen der Blöcke waren noch keine mechanischen Einrichtungen angebracht, und die genannten Arbeiten wurden noch mit Haken und Zangen von Hand bewerkstelligt. In demselben Jahre, 1871, baute George Fritz auf den Cambria- Werken ein neues Block-Dreiwalzwerk, bei dem teilweise mechanische Bedienung angebracht wurde und welches für die Ersparung von Arbeitskraft und für die Entwickelung der amerikanischen Walzwerke Die Walzwerke. von grosser Bedeutung geworden ist. Die Mittelwalze lag fest, während Ober- und Unterwalze nach jedem Stich durch Druckschrauben ein- gestellt wurden. Die Druckschrauben der Unterwalze gingen durch den Ständerfuss. Die beweglichen Walzentische waren mit Rollen versehen. Diese waren durch ineinandergreifende Zahnräder verbunden und wurden von kegelförmigen Friktionsrädern, die durch Riemen von dem Walzwerk selbst ihre Bewegung erhielten, angetrieben. Die Rollen liefen nur in einer Richtung, wenn der Tisch oben, und in entgegengesetzter Richtung, wenn der Tisch unten war. Diesen noch unvollkommenen Mechanismus verbesserte Fritz später dahin, dass er die Rollen durch eine besondere kleine Reversier- maschine in jeder Richtung und Stellung des Tisches antrieb. Diese Verbesserung wurde zuerst auf dem Bethlehem-Stahlwerk eingeführt. Ebenso war die Vorrichtung zum Umwenden und Einstellen der Blöcke eine Erfindung von Fritz , die sich als sehr praktisch erwiesen und allgemeine Verbreitung gefunden hat. Es war dies eine Art Kamm auf horizontalem Gerüst, das gehoben und gesenkt und seit- lich bewegt werden konnte. Der Kamm griff zwischen den Rollen und den Blöcken durch und konnte dann letztere seitlich verschieben; wurden die Zinken des Kammes auf die Ecke des Blocks eingestellt, so kippten sie diesen um. Deby zu Brüssel kombinierte das Lauths che Trio mit dem Universalwalzwerk. Das Modell eines solchen zu Sclessin ausgeführten Walzwerks Dürre, Anlage und Betrieb der Eisenhütten, Taf. XXVI. war 1873 auf der Wiener Weltausstellung zu sehen. In Amerika baute man (1874) Universalwalzwerke mit Umkeh- rung und zwar erfolgte diese durch Friktionskuppelung mit Gelenk- stangen, welche als Kniehebel wirkten nach dem Patent von Andrew Kloman in Pittsburg. Der Eingriff geschah leicht und sanft; die Umsteuerung wurde durch Dampf bewirkt. Die mit Schwungrad versehene Maschine lief immer in demselben Sinne um. Pernot hatte bereits um 1870 ein Universal-Trägerwalzwerk zu St. Chamond gebaut, dessen Haupteigentümlichkeit in der Anwendung der vertikalen Walzen, deren Achsen sich in der Vertikalebene der horizontalen Walzen befanden, bestand. Durch Verstellen der horizon- talen und vertikalen Walzen wurden die Profile gebildet. Es wurden nicht Pakete, sondern Martinstahlblöcke damit verwalzt. Das Prinzip, zwei oder mehr Walzenpaare dicht hintereinander Die Walzwerke. zu legen, um dadurch die Arbeit zu beschleunigen, kam damals in England mehrfach in Anwendung. Bei Whites Walzwerk zu Aberdare (1871) befanden sich mehrere Walzenpaare in einem Walzengerüst; einige waren horizontal, andere vertikal. Das Walzeisen konnte aus einer Walzenspur in die andere, um 180 Grad verdreht, hochkantig durchlaufen und trat in das zweite Walzenpaar ein, ehe es das erste verlassen hatte. Hierdurch wurde Beschleunigung und Vereinfachung der Arbeit erzielt. Zu Aberdare konnte man 90 bis 100 Tonnen in 12 Stunden mit einer Maschine walzen. In der Regel lagen bei Whites „Schweisswalz- werk“ drei Walzenpaare hintereinander, wovon eins und drei hori- zontal, das mittlere vertikal waren. Diese Anordnung ermöglichte grosse Zeit- und Arbeitsersparnis. William Brown hatte schon 1867 ein Patent (Nr. 2588) auf ein Walzverfahren genommen, wobei das Walzgut zwei Walzenpaare, die hintereinander lagen und wovon das hintere mit grösserer Ge- schwindigkeit umlief, gleichzeitig passierte. 1868 kombinierte er drei und mehr Walzenpaare, die durch Zahngetriebe verbunden waren, welche die entsprechende Geschwindigkeitsbeschleunigung bewirkten. Für Eisenbahnschienen und Träger durften aber nur zwei Walzen- paare in dieser Weise verbunden werden (Engl. Pat. vom 22. Oktober 1879, Nr. 3640). In Dowlais hatte man zwei Walzenpaare für das Auswalzen von Eisenbahnschienen in ein Ständergerüst gelegt. B. Lauth in Pittsburg konstruierte ebenfalls ein kombiniertes Walzwerk für Flach-, Band- und dergleichen Eisen (Engl. Pat. 1876, Nr. 4158). Während bei dem Lauths chen Dreiwalzensystem die Mittel- walze kleiner war, bauten Hillon und Dejardin 1874 ein Trio von gleich dicken Walzen, wobei die beiden Oberwalzen sich gemein- schaftlich auf und ab bewegten. In den Vereinigten Staaten erhielt seit Anfang der siebziger Jahre das Kaltwalzen eine grosse Bedeutung, besonders für die Her- stellung polierter Stahlwellen. In England war die Stimmung fortdauernd gegen die Anwendung von Triowalzwerken bei der Schienenfabrikation, die Menelaus, Snelus und Williams als unzweckmässig bezeichneten, während man in den Vereinigten Staaten entgegengesetzter Ansicht war und besonders Alex. L. Holley für deren Verwendung eintrat. Ein nicht unwichtiger Grund dieser Verschiedenheit der Ansichten lag darin, Die Walzwerke. dass in Amerika die mechanischen Hebevorrichtungen, die Wippen und Hebetische besser ausgebildet waren. Bei Holleys Trio waren die Ober- und Unterwalze gefurcht, während die Mittelwalze als Deckel diente. Besonders vorteilhaft waren die Dreiwalzwerke für Träger. John Fritz verbesserte in dem Bethlehem-Eisenwerk die mecha- nischen Vorrichtungen zum Einführen der Schienen in die Walzen. George Fritz hatte, wie erwähnt, bereits für die Vorwalzen eine selbstthätige Vorrichtung zum Vorschieben, Zurückschieben und Wenden der Blöcke erfunden, wodurch gegen früher fünf Arbeiter gespart wurden, und zwei Jungen zur Bedienung der hydraulischen Kolben für die beweglichen Tische und die Hebekräne genügten. In den Stahlwerken zu Troy und zu Bethlehem walzte man 1874 Blöcke von 355 mm Dicke, die über 1 Tonne wogen, auf drei Schienenlängen aus. Für das Fertigwalzen der Stahlschienen verwendete man (1876) in Amerika ebenfalls Triowalzen, bei denen die mittlere Walze nur männlich war. Das Fertigstrecken der Schienen erfolgte in einer Hitze bei 15 Walzendurchgängen. — Bei dem Trio zu Hörde (1875) waren 11 Kaliber auf drei Walzen verteilt. Dadurch, dass alles eng bei- sammen war, ging die Arbeit rasch und walzte man 30 Tonnen in 12 Stunden. In Belgien und Westfalen führte man vor 1877 das Triowalzen- system zum Auswalzen der Eisenluppen ein, welches dadurch rascher von statten ging, infolgedessen weniger Hitze verloren wurde. Man verwendete ein Vorwalzentrio mit Spitzbogenkaliber und ein Fertig- walzentrio mit Flachkaliber. Auf einem solchen Walzenzug liessen sich mit Leichtigkeit die Luppen von 30 Puddelöfen auswalzen. 80 bis 90 Pferdekräfte genügten für bis zu 40 Puddelöfen. Um das tote Gewicht der Walzenstrassen zu verringern, schlug Freytag vor, die Walzen hohl zu giessen. Thomas Engineering 1877, Bd. 24, S. 226; Dingl. Polyt. Journ. Bd. 227, S. 143. führte in Belgien verschiedene Verbesserungen an den Triowalzen ein. Er versah Ober- und Unterwalze nur etwa auf die halbe Länge mit Kalibern und liess sie nach den Walzenzapfen zu konisch verlaufen. Die Unterwalze goss er hohl. Er erzielte damit angeblich um 40 bis 100 Prozent leichtere Arbeit. 1876 verbesserten Chalas und Kitson zu Monkbridge Ironworks bei Leed ihre hydraulische Ausrückvorrichtung für Walzwerke Berg- und Hüttenm. Ztg. 1878, S. 353. . Die Walzwerke. 1878 erfand Andreas Kloman Metallurgical Revue 1878, I, S. 205 und Dingl. Pol. Journ. 1878, Bd. 229, S. 317. in Pittsburg eine verbesserte Friktionskuppelung für Reversierwalzwerke. Universalwalzwerke kon- struierten 1878 A. E. von Zweybergk in Schweden, 1879 Kloman The Iron Age 1879 und Kerpely , Fortschritte 1879/80, S. 387. , 1880 A. Flotat Jern. Kontor. Annal. 1880, Heft 5. , 1881 Edw. Hutchinson Dingl. Journ. 1881, III, S. 338. und W. Wenström Kerpelys Fortschr. 1881/82, XII, S. 16. . Beim Walzen der Eisenbahnschienen wurde durch rasches Auswalzen der heissen Blöcke der Abgang sehr vermindert; der Eisenverlust betrug in England meist nur ¼ bis 1, selten bis 2 Prozent. Bei Brown, Bayley und Dixon wurden 1879 wie in Amerika die heissen Ingots in einen Wärmofen gebracht und so- fort vor- und fertiggewalzt. Die Blöcke hatten zwei- bis dreifache Schienenlängen. In 21 Stunden, d. h. in zwei Arbeitsschichten zu 10½ Stunden, erzielte man hierbei eine Produktion von 370 bis 387 Tonnen. Das Richten der Schie- nen war früher kalt vor- genommen worden, dies war bei Stahlschienen gefährlich. Man richtete deshalb zuerst in Amerika die Schienen heiss zwischen drei verti- kalen, flachen Richtwalzen. — Für Walzenzugmaschinen gab man den Wolfs chen Fig. 313. Compoundmaschinen den Vorzug, doch kamen auch Corlissmaschinen zur Anwendung Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenw. 1879, S. 589. . — Helmholtz konstruierte 1879 ein Walzwerk mit selbstthätiger Rückführung des Walzstückes (D. R. P. Nr. 7134). 1880 erfand Conr. Erdmann Glasers Annalen 1880, Nr. 64; Österr. Zeitschr. f. Berg- u. Hüttenw. 1885, S. 9. einen verbesserten Dreiwalzen- ständer, Fig. 313, bei dem der Druck der Walzen statt auf die Druck- Die Walzwerke. schrauben durch Keile b b auf den Ständer übertragen wurde. Die entlastete, stellbare Lagerung der Walzenzapfen gestattet eine raschere, bequemere und gefahrlosere Einstellung jeder Walze für sich. Kitson hatte in den letzten Jahren seine hydraulische Kuppe- lung für Kehrwalzwerke so verbessert, dass Tunner und Richards dieselbe für die beste Vorrichtung in Theorie und Praxis zur Um- steuerung von Maschinen mit Schwungrad erklärten. F. Braune wies nach, dass beim Walzen von Stahl und Eisen die Umfangs- geschwindigkeit der Walzen zur Erzielung gleicher Leistung sich wie 14 : 11 verhalten muss, dass die reduzierte Arbeit 730 : 260 sei, also bei Stahl 2,8mal mehr als bei Eisen betragen muss. — Nach Blass Stahl und Eisen 1882, S. 283. wird die Kalibrierung der Walzen wesentlich von der Umdrehungs- geschwindigkeit der Walzen und von der Kraft beeinflusst. Je kürzer der Walzprozess sein kann, desto weniger Stiche sind nötig, desto mehr wird aber auch das Material in Anspruch genommen. Bei der Schienenfabrikation hatten sich im Jahre 1880 die An- schauungen bezüglich des zu verwendenden Materials wesentlich ge- ändert. Früher hatte man besonderen Wert auf die Härte gelegt, der harte Flussstahl gab aber zu vielen Brüchen Veranlassung. Jetzt legte man den Hauptwert auf Elasticität und Homogenität und be- vorzugte einen weichen Flussstahl, der dem Flusseisen nahe kam. Als eine gute Zusammensetzung für Schienenstahl galt: Kohlenstoff 0,25, Silicium 0,185, Phosphor 0,087, Schwefel 0,05, Mangan 0,405, Kupfer 0,156, zusammen 1,133 Prozent fremde Bestandteile ausser Eisen. Ein solcher Stahl hatte eine absolute Festigkeit von 55 kg pro Quadrat- millimeter, Ausdehnung 20 Prozent, Kontraktion 30 Prozent. Die gegossenen Blöcke liessen sich nicht unmittelbar auswalzen, weil, wenn auch die Oberfläche fest war, der Kern noch ganz oder halb flüssig war. Der Block wurde deshalb in einen Wärmofen ge- bracht und entweder in einer oder mehreren Hitzen fertig ausgewalzt. In jedem Rollofen lagen etwa 30 Blöcke für 60 Schienen. Der warm eingesetzte Block passierte den Ofen in drei Stunden. Bei den älteren Verfahren mit Vorschmieden unter dem Dampf- hammer waren zwei Hitzen erforderlich. Die Blöcke wurden unter einem Hammer von etwa 150 Centner Gewicht auf 20 cm Seitenlänge vorgeschmiedet und dann in einem Triowalzwerk ausgewalzt. Weit schneller verlief der Zweihitzeprozess, bei dem das Verblocken statt unter dem Hammer unter einem Reversierwalzwerk geschah. Man Die Walzwerke. blockte in 9 bis 12 Stichen in fünf bis sechs Kalibern, wobei das Walzstück jedes Kaliber zweimal, um 90° gedreht, durchlief. Hier- bei walzte man meist grössere Blöcke für zwei bis drei Schienen, die dann zerteilt, gewärmt und in einem Trio fertiggewalzt wurden. Die so erzeugten Schienen waren gleichmässiger als die unter dem Hammer vorgeblockten. Am vorteilhaftesten war es selbstverständlich, gleich dichte Blöcke zu giessen und diese in einer Hitze zu Schienen auszuwalzen, was, wie erwähnt, in Triowalzwerken geschah. Hierbei kam die Ge- schwindigkeit der Arbeitsflächen wesentlich in Betracht, weshalb man möglichst grossen Walzendurchmesser, rasche Umdrehung und dem- entsprechend starke Maschinen konstruierte. Vorwalzen von 1400 bis 1500 mm und Fertigwalzen von 1800 bis 1900 mm Ballenlänge bei 650 mm Durchmesser und 100 Umdrehungen in der Minute er- forderten 1800 Pferdekräfte. Nach einer anderen Angabe Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ingenieure, Bd. 22, S. 467. betrug der Kraftbedarf für Walzen, die in der Minute je eine Schiene fertig walzen, bei Schwungradmaschinen 1068,7, bei Maschinen ohne Schwung- rad 1364,5 Pferdestärke. Man machte die Mittelwalze der Schienentrios öfter aus Stahl. Da die harten Stahlschienen das Lochen nicht vertrugen, so wurden die Löcher gebohrt oder neuerdings häufiger gefräst. Der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen schrieb vor: Zerreissfestigkeit nicht unter 50 kg pro Quadratmillimeter, Kontraktion nicht unter 20 Pro- zent. Bei einer Belastungsprobe von 20000 kg durfte keine bleibende Durchbiegung erfolgen; bei der Biegprobe musste die Schiene auf Kopf oder Fuss gelagert 5 mm Durchbiegung ohne Bruch oder Riss vertragen. Bei der Schlagprobe durfte die Schiene bei 4 m Fallhöhe, 500 kg Fallgewicht und 1 m Stützpunkt bei den ersten zwei Schlägen nicht brechen, bei 2,5 m Fallhöhe keine Beschädigung zeigen; seitlich mussten sich die Schienen bei 3 m Länge auf 22,5 mm durchbiegen lassen. Der Verein deutscher Eisenhüttenleute liess 1881 von einer Kom- mission, bestehend aus den Herren Blass, Daelen und Kollmann , durch Versuche den Arbeitsbedarf und die Arbeitspressungen der Walzwerke feststellen Siehe J. Lüders , Kraftverbrauch und Arbeitspressung bei Walzprozessen, Stahl und Eisen 1884, S. 697. . Von Verbesserungen in der Zeit von 1881 bis 1885 seien genannt: Eine hydraulische Druck- und Reguliervorrichtung für die Oberwalzen Die Walzwerke. der Walzwerke von C. Sachs (D. R. P. Nr. 18451 vom 20. September 1881). Verbesserte Universalwalzwerke für Duo- und Triowalzwerke von Ed. Daelen Stahl und Eisen 1883, S. 161. . Verbesserte Richtmaschine und Abgratmaschine für Winkeleisen von H. Ehrhardt in Düsseldorf Daselbst S. 461. . 1883: Wendevorrichtung von Fr. Asthöver \& Co. in Annen. Selbstthätige Umsteckvorrichtung für Walzdraht und Bandeisen von Erkenzweig in Hagen Siehe Kerpely , Jahresber. d. Fortschritte u. s. w. 1883. . Walzwerk für Gewindeeisen von Rob. Daelen Stahl und Eisen 1883, S. 499. . Verbesserte Walzenkuppelung von Ed. Daelen Zeitschr. d. Vereins deutsch. Ingenieure 1888, Heft 12. . 1884: Einführung des Blockwalzens an Stelle des Schmiedens bei der Blechfabrikation von James Riley auf den Blochairn-Works bei Glasgow. Wellblechwalzwerk von Vital Daelen Stahl und Eisen 1884. . Vertikal- walzwerk für Eisen- und Stahldraht von G. Erkenzweig Österr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenwesen 1884, S. 530. . R. M. Daelen , Vorrichtung zum Anstellen der Oberwalze bei direkt wirkender Maschine Stahl und Eisen 1884, Heft 6. . Rillenschienen-Fertigwalzwerk der Ge- sellschaft für Stahlindustrie zu Bochum (D. R. P. Nr. 29977 und Nr. 47254). 1885: Verbesserte Zapfenlagerung für Dreiwalzen von R. M. Daelen , desgleichen für die Mittelwalze von Meffert . C. M. Pielsticker in London und Fr. C. G. Müller in Branden- burg gaben ein Verfahren zu unmittelbarem Auswalzen von flüssigem, durch eine Formöffnung ausfliessendem und dabei erstarrendem Eisen an (D. R. P. Nr. 29548 und Nr. 32127). 1884 hatte Robert W. Hunt auch die Walzentische vor den Fertig- walzen des Schienenwalzwerks zu Troy (New York) mit angetriebenen Rollen versehen. Diese Tische, die sich gut bewährten, wurden dann auch bei den Vorwalzen angebracht und führten grosse Arbeits- ersparnis herbei: statt früher 15 bis 17 brauchte man jetzt nur noch 4 bis 5 Mann zur Bedienung des Walzwerks Daselbst 1897, S. 137. . Diese Einrichtung fand deshalb rasche Verbreitung. Fig. 314 giebt die Abbildung davon. Für Walzenzugmaschinen hatte sich das Verbundsystem ohne Kondensation bewährt. Gute Maschinen für Schienenwalzwerke, nach diesem System von Tannet, Walker \& Co. zu Leeds gebaut, waren Die Walzwerke. besonders auf den Estonwerken von Bolkow, Vaughan \& Co. Bei Gebrüder Stumm arbeitete eine Reversier-Drillingsmaschine mit drei Dampfcylindern, 1882 von Ehrhardt \& Sehmer erbaut, gut. Ein Fig. 314. Vorteil des Dreiwalzensystems lag darin, dass das Schwungrad immer in derselben Richtung fortlief, wodurch weniger Dampf verbraucht wurde als bei den Reversiermaschinen mit Umsteuerung, obgleich diese bei jeder Arbeitspause ruhten. In Deutschland baute die Mär- kische Maschinenbaugesellschaft vorm. Kamp \& Co. zu Wetter a. d. Ruhr gute Reversier-Zwillingsmaschinen. Die Walzwerke. Bei Schnellwalzen bot die Übersetzung durch Drahtseile Vorteile gegenüber dem Riemenbetrieb. Das Kaltwalzen wurde in Amerika weiter ausgebildet; so wurden 1884 in dem Cambria-Eisenwerk zur Erzielung höherer Festigkeit und Elasticität Rund-, Quadrat- und Flachstäbe kalt gewalzt. Weitere Vorteile des kalt gewalzten Eisens waren: glatte, glänzende Oberfläche, genaues Kaliber und grössere Gleichförmigkeit Siehe Revue universelle, t. XVIII, no. 2, und Stahl u. Eisen 1886, S. 91. . Auch das Kaltziehen kam in Amerika in Aufnahme, wofür Billings einen Apparat erfand. Zu Norway in Massachusetts zog man hohle Stangen von 3 Zoll und mehr Durchmesser. Seit 1885 ging man auch in den Vereinigten Staaten bei Neu- anlagen zu den in England üblichen Duowalzen mit umsteuerbaren Dampfmaschinen (Reversier-Zwillingsmaschinen) über, so zu Cambria, Homestead, Worcester und Scranton. Anfang 1886 zählte man (nach Holley ) 11 Werke mit Trio- und 3 mit Duo- und Reversier- maschinen. Als Muster eines englischen Blockwalzwerks beschrieb Calvus R. Holland Engineering 1885, Bd. 38, S. 421; Österr. Zeitschr. f. Berg- und Hüttenw. 1885, S. 521. 1885 das zu Ebbw-Vale. Es war ein Duowalz- werk, bei dem Ober- und Unterwalze durch hydraulische Kolben ge- tragen war; die Oberwalze liess sich um 2 Zoll heben. Mit demselben wurden Blöcke von 14½ Zoll in einer Hitze auf 6 Zoll vorgeblockt. Sehr vollkommen war die Einrichtung zur Vorwärts-, Seitwärts- und Drehbewegung der Blöcke, was ebenfalls hydraulisch geschah. Als Muster eines amerikanischen Schienenwalzwerks derselben Zeit kann die Anlage der Bethlehem-Stahlwerke von John Fritz angeführt werden. Auf dem Triowalzwerk wurden Schienen von 120 Fuss Länge ausgewalzt. Die Walzen hatten 120 cm Durchmesser und 3 m Bundlänge. Jede Walze hatte ihren Walzentisch. In den 14 Kalibern der drei Walzen wurden die Blöcke von 400 × 400 auf 200 × 200 mm heruntergewalzt. Das Gewicht der Mittelwalze war durch Stahlfedern ausbalanziert. Die Schienen wurden von einem Tisch zum anderen durch Hebelarme, welche durch eine zwischen den Tischen laufende Welle mittels einer Dampfmaschine automatisch bewegt wurden, gehoben. Die rasche Übertragung von einem Tisch zum anderen bewirkte, dass viel mehr in einer Hitze ausgewalzt werden konnte. Durch eine hydraulische Friktionsscheibe liess sich das ganze Walzensystem reversieren. Die Dampfmaschine der Blockwalze hatte 1650 mm Kolbendurchmesser, 2200 mm Hub; das Schwungrad, Die Walzwerke. das 100 Tonnen wog, hatte 9750 mm Durchmesser und machte 35 bis 40 Umdrehungen in der Minute. Die Fertigwalze bestand aus zwei Triogerüsten, die durch eine dreifache Verbundmaschine von 6000 bis 8000 Pferdekräften betrieben wurde. Die Geschwindigkeit konnte auf 120 Umdrehungen der Walzen in der Minute gesteigert werden. Das Auswalzen geschah in zwei Hitzen. Die Schienen wurden schief ab- geschnitten, nach dem Verfahren von Robert Sayer mittels der Schere von John Fritz . Die amerikanischen Blockwalzwerke hatten (1886) 750 bis 900 mm, die Fertigwalzen 550 bis 610 mm Durchmesser; erstere machten 40 bis 45, letztere 80 bis 90 Umdrehungen in der Minute. Das Auswalzen einer Schiene dauerte nicht ganz eine halbe Minute. Eine Erzeugung von 600 Tonnen Vignolschienen in 24 Stunden war nicht selten. Das Edgar-Thomson- Werk hatte es sogar auf 725 Tonnen oder 2650 Schienen von 9 m Länge (30 kg pro Meter Gewicht) im Tage oder 4170 Tonnen in der Woche und etwa 160000 Tonnen im Jahre gebracht. Charakteristisch war dabei, dass fast alle Arbeit mechanisch geschah. Die Blöcke wurden mit Lokomotiven vom Bessemerwerk angefahren, mit Hülfe hydraulischer Hebewerke in die Wärmöfen, die nach Siemens’ System erbaut und mit Naturgas geheizt wurden, ein- gesetzt u. s. w. Universalwalzwerke für Profileisen Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 765; 1887, S. 540. wurden 1886 in Europa von Hugo Sack in Duisburg und fast gleichzeitig in Amerika von J. S. Seaman in Pittsburg erfunden und patentiert. Das Sacks che Universal-Trägerwalzwerk Daselbst 1898, S. 1076. arbeitete gleichzeitig mit vier Walzen, von denen die zwei seitlichen Schleppwalzen waren. 1885 bereits hatte Dr. F. Kögel in Stassfurt das Schrägwalzen- verfahren Zeitschr. d. Oberschl. Berg- und Hüttenm. Vereins 1886, S. 354; Stahl und Eisen 1887, S. 451. (D. R. P. Nr. 34617 vom 27. Januar 1886) erfunden. Mit einem Universalwalzwerk wollte er mit zwei oder mehr Walzen und acht Hülfsmaschinen alle erdenklichen Arten von Profileisen, und sowohl aus massiven als hohlen Blöcken Röhren aller Art für Leitungen, Wellen, Schraubenrohre, Rippenrohre, sowie ganz neue Profile walzen. Durch die erste Hülfsmaschine sollte den Stäben bei dem Ein- und Austrittsende und der periodischen Kompression eine so verschiedene Rotation gegeben werden, dass dadurch den Aussen- fasern eine seilartige Windung erteilt würde; hierdurch würde eine Beck, Geschichte des Eisens. 51 Die Walzwerke. grössere absolute Festigkeit des Walzproduktes und eine solche all- seitige Kompression bewirkt, dass das Material jede Querschnitts- veränderung annähme. Die zweite Hülfsmaschine bestand aus zwei rotierenden Planscheiben mit geneigten Achsen, Fig. 315. Diese Fig. 315. Fig. 316. erteilen dem Werkstück eine rotierende Bewegung und bewirken ausser der Faser- drehung und Kompression eine Vorwärts- bewegung derselben. 3. sollte das Aus- walzen dicker Blöcke entsprechend in gleichzeitig umlaufenden Drei- oder Vierwalzen (Fig. 316) stattfinden. Da die mittleren Partieen sich nicht entfernen könnten, so würde sich eine bedeutende Dimensionsveränderung ohne Hohlwerden des Pro- duktes erreichen lassen; 4. wurde das Durchpressen durch Druck- eisen vorgeschlagen. 5. Um jede nicht runde Querschnittsform herzustellen, sollten „Walznasen“ gegen das aus den Walzen tretende runde, glühende und weiche Walzstück drücken. 6. Durch Vertiefungen in den Walzen sollten Schraubenlinien in das Rund- eisen gepresst werden. Ferner wollte er mit drei Walzen sogar Kugeln walzen. Kögels Walzsystem war ein geistreiches neues Prinzip Es muss indes bemerkt werden, dass derselbe Erfindungsgedanke schon einem englischen Patent von G. W. Dyson und H. A. Hall vom 31. Oktober 1870 (Nr. 2856) zu Grunde lag. , doch gelang es ihm selbst nicht, dasselbe in die Praxis einzuführen. Dies gelang dagegen Mannesmann . Es muss hierbei aber gleich bemerkt werden, dass „Mannesmann“, wonach dieses Schräg- walzverfahren den Namen erhalten hat, nicht eine, sondern mehrere Personen dieses Namens umfasst. Zunächst den Vater Reinhard Mannesmann sen. in Remscheid, der sich für die Feilen- und Stahlfabrikation hoch verdient gemacht hatte und den man wohl als Schöpfer der deutschen Qualitäts-Feilenindustrie bezeichnen darf, sodann seine Söhne Alfred, Max, Reinhard und Carl Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 457. . Der Vater Reinhard Mannesmann stand damals bereits im 72. Lebens- jahre und hat an der Ausbildung des Mannesmann-Walzverfahrens keinen so grossen Anteil mehr genommen wie seine strebsamen Söhne. Dennoch gebührt ihm ein wesentlicher Anteil an dem Ruhm der Erfindung, indem er die Wichtigkeit des neuen Walzverfahrens schon früh erkannte. Er hatte seit 30 Jahren dem Röhrenwalzen Die Walzwerke. seine Aufmerksamkeit zugewendet und war wohl zu ähnlichen Ergeb- nissen gekommen wie Dr. Kögel . Angeblich hatte er seinen Söhnen nach Abschluss ihrer Studien seine Ideen mitgeteilt. Diese kamen dann „nach mehrjähriger, beharrlicher Arbeit mit Hülfe reichen, theoretischen Wissens zum Ziel“. Mannesmann kaufte Kögels Patent und Alfred Mannes- mann erhielt bereits am 18. Februar 1886 ein Patent auf das Schräg- walzverfahren für Österreich-Ungarn. Der Erfindergedanke ist in dem Patente wie folgt ausgedrückt Siehe Dingl. Polyt. Journ. 1887, Bd. 265, S. 542. : Das Schrägwalzverfahren ge- stattet fast beliebige Querschnittsveränderungen, so dass aus einem Blocke unmittelbar fertiges Rund- und Profileisen, ferner durch Ver- stellen der Walzen während des Durchgangs Walzstücke von un- gleichem Querschnitt und endlich ganz oder teilweise hohle Produkte mit oder ohne Anwendung eines Dorns erzeugt werden können. Das Eigentümliche des neuen Walzverfahrens besteht darin, dass die Arbeitsstücke nicht, wie bei den bekannten Darstellungs- weisen, senkrecht zur Achsen- richtung der rollenden Teile, sondern parallel oder schief zu dieser fortschreiten, wodurch Fig. 317. sie dem Einflusse der Walzen viel länger ausgesetzt bleiben. Die Walzen sind im allgemeinen nicht cylindrisch, sondern so geformt, dass verschiedene Punkte ihrer Flächen ungleiche Umfangsgeschwindig- keiten haben, die den Teilen der durchlaufenden Walzstücke verschieden starke Drehungen erteilen, so dass die Aussenfasern derselben eine seilartige Windung erhalten (Fig. 317). Am meisten hat sich das Mannesmann-Walzverfahren für die Darstellung nahtloser Röhren bewährt. Dieselben konnten aus massi- ven Blöcken in einer Operation hergestellt werden. Das Wesen des Mannesmann-Walzverfahrens und das dabei zur Verwendung kommende Walzwerk ist durchaus abweichend von dem gewöhnlichen Walzen. Die Walzen haben stumpfkegelförmige Gestalt, ihre Achsen liegen schräg zu einander, weshalb man das Verfahren auch als „Schräg- walzen“ bezeichnet, und die Walzen laufen in gleicher Richtung mit grosser Geschwindigkeit um. Die Form der Walzen und die Stellung ihrer Achsen bedingen hauptsächlich die Wirkungsweise. Die Walzen- achsen liegen in parallelen Ebenen, Fig. 318 (a. f. S.), sind aber in der 51* Die Walzwerke. dazu senkrechten Ebene gegeneinander geneigt, so dass in der Ansicht die Endflächen voneinander abgewandt erscheinen. Das Arbeitsstück c tritt in horizontaler Richtung zwischen die konvergierenden Walzen a b ein und wird von den Oberflächen der rasch rotierenden Walzen erfasst. Die Walzen wirken mit grosser Energie auf die Oberfläche Fig. 318. des heissen, weichen Blockes ein und ziehen zugleich denselben vor- wärts. Da aber die Wirkung auf die Oberfläche eine viel intensivere ist, so folgt diese rascher als der Kern der Masse, wodurch dieselbe rohrförmig aus dem anderen Ende der Walze heraustritt. Diese Wirkung kann noch verstärkt werden durch schraubenförmige Furchen oder Wulste. Damit das Arbeitsstück in der richtigen Lage bleibt und rund läuft, bedarf es einer Führung, welche am besten durch eine oder zwei Führungswalzen bewirkt wird. Das Ende einer so er- zeugten Röhre bleibt selbstverständlich geschlossen. Bei einem gewissen Verhältnis zwischen der Achsenneigung der Walzen, der Länge und Konvergenz der Arbeitsflächen und der Um- drehungsgeschwindigkeit tritt die merkwürdige Erscheinung ein, dass eine massive Rundstange, entlang ihrer geometrischen Achse, im innern aufgerissen wird, so dass sie ein auf beiden Enden geschlossenes Rohr bildet. Auf diese überraschende Thatsache legten anfangs die Erfinder sowohl als die Erklärer derselben einen besonders grossen Wert. Die Hoffnungen, welche sie für die Röhrenfabrikation daran knüpften, haben sich aber nicht erfüllt. Die Innenfläche dieses Hohlraumes ist unregelmässig und rauh, für praktische Zwecke deshalb nicht zu ver- wenden. Als physikalische Erscheinung ist sie dagegen hochinter- essant. Die chemische Analyse des in der inneren Höhlung ein- geschlossenen Gases von Finkener hat ergeben, dass dasselbe aus 99 Prozent Wasserstoff und 1 Prozent anderen Gasen hauptsächlich Stickstoff besteht. Die rauhen, gestrickten Oberflächen der inneren Röhrenwände, Die Walzwerke. welche sich bei dem oben beschriebenen Walzverfahren bilden, stehen ihrer Verwendung im Wege, wogegen dieser Übelstand fortfällt, sobald das Walzen über einen Dorn erfolgt, wie es Fig. 319 nach dem Patent von 1897 (D. R. P. Nr. 100001) darstellt. Dieses Ver- fahren ist deshalb, weiter ausgebildet, für die Praxis allein wichtig geworden. Es eignet sich ganz besonders für die Herstellung naht- loser Röhren aus Flusseisenblöcken. Die Walzen sind ähnlich wie die oben beschriebenen; zwischen ihren konvergierenden Enden be- findet sich eine verhältnismässig schwache Stange mit dem Dorn, über den sich das Rohr ohne grossen Widerstand vorwalzt. Es tritt näm- lich bei dem energischen Zug der Fasern an der Oberfläche und der raschen Rotation, auch wenn noch keine Öffnung in der Mittelachse des Walzstückes sich bildet, eine schwammige Auflockerung des Kerns ein, welche dem Dorn nur geringen Widerstand bietet. Das ganze Rohr walzt sich deshalb leicht über den Dorn. Durch das Anpressen wider den Dorn wird aber die innere Röhrenöffnung glatt. Durch An- wendung eines zweiten, stärkeren Dorns kann man das Rohr ganz oder teilweise ausweiten und so z. B. eine Muffe anwalzen, was in derselben Hitze oder nach kurzem Anwärmen des Rohres geschehen Fig. 319. kann. Zum Ausweiten eines Rohres kann man tonnenförmige Walzen benutzen, durch welche das Walzstück in entgegengesetzter Richtung, wie oben angegeben, sich bewegt und der Dorn von der divergierenden Seite der Walzen eintritt. Die überraschenden Erscheinungen des Schrägwalzverfahrens er- regten die grösste Bewunderung der Fachleute wie der Laien. — Die Herstellung der Rohre erfordert im Moment des Durchwalzens eine grosse Kraftleistung. Man hat berechnet, dass ein Rohr von 50 bis 60 mm Weite 2000 Pferdekräfte brauche. Aber auch diese Schwierig- keit hatten die Gebrüder Mannesmann in genialer Weise über- wunden. Es genügt nämlich eine verhältnismässig schwache Betriebs- Die Walzwerke. maschine, wenn es nur gelingt, die Kraft in einem schweren, rasch umlaufenden Schwungrad, das als Kraftspeicher dient, anzusammeln und im Augenblick der Arbeit auszunutzen. Die Mannesmann ver- wendeten in Remscheid als Motor eine alte Eisenbahnlokomotive in Verbindung mit einem Schwungrad, das sie nicht aus Gusseisen her- stellten, sondern aus einem Armstern aus Schmiedeeisenstäben, welche sich tangential um eine Nabenscheibe aufbauten und um welche ein starker Kranz von Stahldraht gewickelt war (D. R. P. Nr. 47209). Diesem Radkranz konnten sie die 2½fache Umfangsgeschwindigkeit als einem Kranz aus Gusseisen geben. Bemerkenswert war ferner noch die Verwendung von Flächendruckrädern an Stelle von Kegel- rädern zur Übersetzung und die „Schnittgelenkkuppelung“. Die scheinbare Einfachheit der Erfindung und Ausführung der Gebrüder Mannesmann , die wie das Ei des Kolumbus erschien, er- zeugte einen Hoffnungstaumel, welcher der Sache mehr geschadet als genutzt hat. Berühmte Professoren und Industrielle hielten be- geisterte Vorträge über das Mannesmannverfahren, so namentlich Fr. Siemens in Dresden am 30. April 1888 Im Sächsischen Architekten- und Ingenieurverein. und Professor Reu- leaux im Architektenhause zu Berlin am 16. April 1890 Siehe Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen vom 1. Juni 1890. , worin sie dem neuen Verfahren die glänzendste Zukunft vorhersagten. Die warnende Stimme des klaren, erfahrenen Pet. von Tunner , der in einem am 22. Dezember 1888 gehaltenen Vortrage zwar das Originelle der Erfindung voll anerkannte, vor überschwenglichen Hoffnungen aber warnte, indem er auf die Kosten hinwies und sagte: Die Mehrkosten dieser Fabrikate werden wohl nur in jenen relativ seltenen Fällen gezahlt werden, wo Röhren, „nach dem bisher üblichen Verfahren dargestellt, nicht gut zu verwenden sind“, wurde überhört. Es bildete sich 1890 die Deutsch-österreichische Mannesmann-Röhrenwalzgesellschaft in Berlin mit einem Kapital von 36 Millionen Mark, wovon angeblich 16 Millionen den Gebrüdern Mannesmann für ihre Erfindungspatente gezahlt wurden. Die Ge- sellschaft übernahm die von den Brüdern Mannesmann gegründeten Werke in Deutschland und Österreich. Es waren dies die Röhren- walzwerke Remscheid, Komotau in Böhmen und Bous an der Saar Mitteilungen über diese Werke von J. Castner in Stahl und Eisen 1895, S. 526; 1896, S. 102 u. 144. Ausserdem entstand in England die Mannesmann- Tube-Company zu Landore und ein Werk für Metallröhren von Heckmann zu Duisburg. . Die Walzwerke. Von diesen war das zu Komotau das grösste. Es war aus einem älteren Werk entstanden, das 1887 von der „Kommanditgesellschaft Mannesmann“ nach der Erteilung des österreichischen Patentes er- worben und für den Zweck eingerichtet worden war; 1895 beschäftigte das Werk 700 Arbeiter. Es erzeugt Röhren aller Art, besonders Siede- röhren für die österreichischen Bahnen. Bous an der Saar, das jüngste und kleinste der Werke, lieferte als Spezialität Stahlflaschen für komprimierte Kohlensäure und andere verdichtete Gase, sowie Präzisionsröhren. Erst 1892 erschien das Werk mit seinen Stahlflaschen auf dem Markt. Die Mannesmann-Röhrenwalzwerksgesellschaft hat schweres Lehrgeld bezahlen müssen, bis sie zu einem geregelten Betriebe kam. Wohl hatte sie die Erfindung und die Ausführung der Erfindung erworben, aber die dritte schwere Aufgabe, das neue Produkt mit Vorteil herzustellen und zu vertreiben, musste erst gelöst werden. Viele Jahre hindurch arbeitete die Gesellschaft ohne Nutzen und musste viele Millionen ihres Kapitalvermögens zusetzen. — Anfangs wollte man die mannigfaltigsten Artikel, namentlich auch Gegen- stände für das Kunstgewerbe, hohle Eisenbahnschienen und Träger u. s. w. herstellen. Erst allmählich überzeugte man sich, dass nur in der Röhrenfabrikation für bestimmte Zwecke die Möglichkeit eines gewinn- bringenden Betriebes liege. Die jetzt von den Mannesmannwerken ausschliesslich hergestellten Artikel sind: Leitungsröhren, besonders für Hochdruckleitungen, stufenförmig abgesetzte Masten für Schiffe, für elektrische Beleuchtung und zur Stromzuführung an elektrische Eisenbahnen, Telegraphen- und Telephonstangen, Bohr- und Gestänge- röhren für Tiefbohrungen, Siede- und Wasserröhren für Lokomotiv- und Schiffskessel, Stahlflaschen, ferner durch Kaltziehen hergestellte dünnwandige Stahlröhren (Präzisionsröhren), besonders für Fahrräder. Für militärische Zwecke fauden Mannesmannröhren für Granathülsen und für Lanzenschäfte Verwendung. Die Fabrikation hat sich fortschreitend entwickelt. Anfänglich glaubte man alles auf dem oben skizzierten Schrägwalzwerk, dem sogenannten Blockapparat, erreichen zu müssen. Bald aber überzeugte man sich, dass nur die Vorarbeit, die erste Anfertigung dickwandiger Röhren, vorteilhaft auf dem Blockapparat geschieht, die weiteren Arbeiten, wie besonders das Aufweiten, Umbördlen u. s. w., auf besonderen Apparaten aus- zuführen seien. Hierfür erfand Reinhard Mannesmann jun. (1890 bis 1895) sein sogenanntes „Pilgerwalzwerk“ (D. R. P. Nr. 84778) für schritt- förmiges Walzen durch eigenartige Bewegung der Arbeitswalzen; mit Die Walzwerke. diesem wurden dickwandige Röhren über einem konischen Dorn durch schrägstehende Scheiben (Scheibenstrasse) ausgeweitet, anfangs nur bis zu 150 mm, 1895 bereits bis zu 250 mm lichter Weite. Für noch grössere Weiten bediente man sich eines Aufweiteapparates, bei dem Scheibenwalzen das Rohr über einen feststehenden konischen Dorn pressen. Zuletzt müssen die Röhren noch in einer Art von Zieh- bank kalibriert werden. Für „das schrittweise Walzen“ nahm Rein- hard Mannesmann jun. 1892 zwei Patente Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 290, 550. (D. R. P. Nr. 84778 und Nr. 86162) und Max Mannesmann eins 1894 (D. R. P. Nr. 88638). Das Schrägwalzverfahren erfordert ein geschmeidiges, gleich- mässiges, fehlerfreies Material. Schweisseisen entspricht diesen An- forderungen nicht, wohl aber blasenfreies Flusseisen. Durch den Druck auf die Oberfläche und die durch das Schrägwalzverfahren er- zeugte verstrickte Faserung bieten die Mannesmannröhren einen grossen Widerstand gegen Biegen, Drücken und Zerreissen, angeblich das Fünf- bis Sechsfache gewöhnlicher Rohre gegen Innendruck. Wenn der Erfolg des Verfahrens den hochgespannten Erwartungen nicht entsprochen hat, so muss doch rühmend anerkannt werden, dass in der Erfindung und Ausführung des Mannesmann-Walzverfahrens eine grosse Summe von Geist und Thatkraft zum Ausdruck gekommen ist, die für die Gebrüder Mannesmann höchst ehrenvoll ist. Dass das Schrägwalzverfahren grosse Fortschritte gemacht hat, bewies die Welt- ausstellung zu Chicago 1895, wo Bohrröhren von 508 mm Weite, neben Gewehrläufen, Fahrradröhren und Präzisionsröhren von 38 mm Weite und nur ⅛ mm Wandstärke zu sehen waren. Kehren wir nach dieser Episode über das Mannesmann-Walz- verfahren zu unserer chronistischen Betrachtung der Fortschritte im Walzwerksbetrieb zurück. Wellmans verbesserte Blechwalze Stahl und Eisen 1887, S. 254. (1881) beruhte auf dem Lauths chen System, hatte bewegliche Ober- und Unterwalze und zum Heben und Vor- und Rückwärtsbewegen der Blechtafeln Rollen- tische, die durch einen unterirdischen Dampfmotor bewegt wurden. Hussey, Bing \& Co. in Pittsburg erfanden ein Walzwerk für Schaufeln aus Tiegelgussstahlplatten; G. Balthasar in Hollerich bei Luxemburg 1887 ein Universalwalzwerk A. a. O. 1887, S. 694. und Peter Kick Die Walzwerke. in Workington A. a. O. 1887, S. 509. ein Stabeisenwalzwerk mit Zahnstange und Zahn- getriebe statt des Reversierwalzwerks (D. R. P. Nr. 39054); Fairbairn und Wells ein Walzwerk zur Herstellung von Geschossen zwischen zwei Walzen, die in gleichem Sinne gedreht werden (D. R. P. Nr. 43898 vom 15. Juli 1887). Die Walzenzugmaschinen wurden immer allgemeiner nach dem Verbundsystem gebaut. R. M. Daelen konstruierte Einkurbel-Ver- bund-Walzenzugmaschinen, bei denen zwei um 90° verstellte Dampf- kolben an einer Kurbel angriffen, z. B. für Sandviken-Jernverks in Schweden. Ähnliche Maschinen waren zu Firminy (St. Etienne) in Frankreich und in den Vereinigten Staaten. Der Motor des grossen Triowalzwerks zu Bethlehem bestand aus drei horizontalen Tandem- Verbundmaschinen, die auf eine dreifach gekröpfte Welle von Stahl- guss angriffen. Eine von Otto H. Müller in Gemunden ausgeführte Reversier- maschine, bei der der Hochdruckcylinder über dem Niederdruck- cylinder stand, wurde von Direktor Schmidhammer in Neuberg aufgestellt. Edw. Allis \& Co. Siehe Kerpely , Fortschritte u. s. w. 1888, Taf. IX, Fig. 8. bediente sich auf den Reliance-Works zu Milwaukee einer Umsteuerungs-Zwillingsmaschine. 1888 führte Franklin Hilton zu Middlesborough zuerst bei Bolkow, Vaughan \& Co. das Anwärmen der Walzen vor dem Anlassen mittels Gasbrenner ein, wodurch die durchschnittliche Dauer der Walzen von 79⅝ auf 342 Tage erhöht wurde. In diesem Jahre wurden eine Anzahl von Verbesserungen an den Walzen-Rollentischen patentiert, so ein Kantapparat zum Heben und Wenden der Blöcke von Hugo Sack Stahl und Eisen 1888, S. 436. und eine Wendevorrichtung von Williamson und Nellson . Letztere besteht aus zwischen den Transportwalzen auf Schienen laufenden Wagen, die sich in entgegen- gesetzter Richtung bewegen. Jeder Wagen hat eine oscillierende Walze mit Hebe- und Wendefingern, welche den Block von einem Wagen auf den anderen rollen. Der Blockwender von David Davy in Sheffield Daselbst 1889, S. 239 und 1890, S. 153. ist ein Schlitten mit hydraulischem Antrieb und dreh- barer Gabel. Verbesserte Vorrichtungen zum Transport der Blöcke von einem Walzenpaar zum anderen (Engl. Pat. Nr. 4490 vom 23. März Die Walzwerke. 1888) wurden von David Evans und Anton Harrison zu Barrow- in-Furness eingeführt Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 705. . Von neuen Walzwerkskonstruktionen von 1888 nennen wir: Gubbins Revolverwalzwerk; ein Universalwalzwerk von Adams in Gateshead, bei dem die liegenden und die stehenden Walzen be- sonderen Antrieb haben; ein Walzwerk für Band und Winkeleisen mit vier Walzen von Schmidt in Hagen; ein Bandeisenwalzwerk von Wilh. Bansen in Kattowitz (D. R. P. Nr. 43041) mit drei hinter- einander liegenden Walzenpaaren; ein Universalwalzwerk für Rund- und Quadrateisen von demselben (D. R. P. Nr. 48831); ein Walzwerk von Manassah Gledhill zu Openshaw bei Manchester, um Cylinder zwischen drei Walzen auszuwalzen ( Kerpely , Jahresbericht 1888, S. 253) und das Räderwalzwerk der Contin. Rolled Steel Car-Wheel Company zu Norristown (Pa.), um mit vier Walzen in Winkelstellung Wagenräder zu walzen; ferner ein Radreifenwalzwerk von J. Munton zu Maywood, Illinois (D. R. P. Nr. 43328); sodann ein Nagelwalzwerk von E. Fuller (Engl. P. Nr. 9513). Eigenartig war die Walzmaschine von Simonds Daselbst 1888, S. 255, mit Abbild. , mit welcher Rundstäbe zwischen zwei parallelen, senkrecht in entgegengesetzter Richtung auf und ab gehenden Platten hergestellt wurden. Die Arbeit war ähnlich, wie wenn man Brotkrumen zwischen den Händen reibt. Es sollten allerlei cylindrische Körper, wie Wagenachsen, Spindeln, Wellen, Geschosshülsen u. s. w., damit erzeugt werden. Verwandt mit dem Kögel-Mannesmannverfahren war das von von Flotow und H. Leidig in Danzig erfundene Walzen kleiner Rotationskörper (Kugeln, Langgeschosse, Bolzen) mittels zweier Hyper- boloidscheiben. Das Walzen von Façon- und Ziereisen mit besonderen Walz- werken wurde von L. Mannstädt \& Co. in Kalk bei Köln ver- vollkommnet Daselbst 1889, S. 29, mit Abbild. und Mustern. . W. Lorenz in Karlsruhe erfand ein Verfahren zur Herstellung von Walzen mit unregelmässigen Kalibern (D. R. P. Nr. 49313 und 50063). W. E. Highfield in Philadelphia konstruierte ein Walzwerk für L - und Z -Eisen mit vier konischen Walzen (Amer. Pat. Nr. 399896); Die Walzwerke. E. Stegmann ein Duo-Blechwalzwerk mit heb- und senkbarer Unter- walze (D. R. P. Nr. 50168). 1889 verbesserte J. Munton A. a. O. 1890, S. 57. sein Radkranzwalzwerk durch Anbringung vertikaler Schneidewalzen (D. R. P. Nr. 49889). J. O. Evenson in Pittsburg erfand ein Blockwalzwerk mit zwei hintereinander stehenden Walzenpaaren, desgleichen James Riley in Glasgow (Engl. Pat. Nr. 14044 vom 6. September 1889 Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 889. mit zwei horizontalen und zwei vertikalen Walzen. Für Blockwalzen hatte damals das Zweiwalzensystem mit offenen Kalibern und umsteuerbaren Zwillingsmaschinen ohne Schwungrad die Oberhand gewonnen. Verbesserte Blockwender wurden angegeben von David Davy in Sheffield Daselbst 1889, S. 239; 1890, S. 153. (Engl. Pat. Nr. 10797 vom 25. Juli 1888 und Nr. 18178 vom 12. Dezember 1888), von Jul. Kennedy in Pittsburg (Amer. Pat. Nr. 386324) und von John Fulton, Miller und Finaly Finalyson (Engl. Pat. Nr. 3185 vom 22. Februar 1889 Daselbst 1890, S. 452. . William Davies in South Stockton nahm Patent auf eine Einrichtung zum Transport der Blöcke vom Walzwerk zu der Schere (Engl. Pat. Nr. 5115 vom 25. März 1889 A. a. O. S. 554. . W. Allen Mc Cool zu Beaver Falls erfand eine Richtmaschine (D. R. P. Nr. 48940); Charles Davy in Sheffield einen Walzentisch. Charles Kellog in Findley (U. S.) erhielt Patent auf ein Ver- fahren zum Auswalzen von Röhren und dergleichen aus hohlen Blöcken durch ein System von in einer geraden Linie hintereinander abwechselnd senkrecht und wagerecht gelagerten Walzen über zwischen denselben durchgehende Dorne. E. Norton und O. G. Hodgson in Maywood (Illinois) erfanden ein Walzwerk zur Herstellung von Blech aus flüssigem Metall (D. R. P. Nr. 52002 Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 637. ; desgleichen von Profileisen (D. R. P. Nr. 53731). Von den im Jahre 1890 veröffentlichten Verbesserungen und Vor- schlägen erwähnen wir ein Universal-Trägerwalzwerk von E. und D. York mit vier Walzen Daselbst 1890, S. 614, 640. , die verbesserten Rollbahnen für Walz- werke von P. F. Hanley in Homestead (Pa.) Amer. Pat. Nr. 413141 und 417484; Stahl und Eisen 1890, S. 738, 1077. und die Einrichtungen Die Walzwerke. zum Ersatz der Handarbeit beim Walzen von James Morgan in Pittsburg (Pa); Die Einführung der hydraulisch bewegten „Wiege“ Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 1022. zur Aufnahme der Blöcke und Überführung auf die Zuführungsrollen des Blockwalzwerkes auf den Blochairn-Stahlwerken (J. Riley ) und die Verwendung eines Universalwalzwerkes zum Vorwalzen der Brammen für Panzerplatten auf demselben Werke. Nach R. M. Dael en Vortrag im American Institute of Mining Engineers in New York, 1. Okt. 1890; Stahl und Eisen 1890, S. 1041. wurden in Deutschland 1890 die Block- walzen meistens als Duo mit Reversierung betrieben. Der Durch- messer der Walzen war auf 1100 mm gestiegen, mit Abnahme der Kaliber von ein Achtel bei genügender Stärke der Betriebsmaschinen, deren Kolben 1300 mm Durchmesser und 1500 mm Hub erhielten, wobei die Walzen 120 bis 130 Umdrehungen machten. Reversier- maschinen mit stehendem und liegendem Cylinder, oder mit drei liegenden Cylindern hatten sich am besten bewährt. Für die weitere Verarbeitung der Vorwalzblöcke zu Schienen, Schwellen und Profil- eisen war die Triowalze am meisten in Verwendung mit bis 800 mm Walzendurchmesser für I -Träger von 400 mm Höhe und 16 m Länge. Hierbei hat sich das Trio mit festgelagerter Mittelwalze als am ge- eignetsten erwiesen, während man bei der Blechfabrikation das Trio mit loser Mittelwalze (System Lauth ) meistens anwendete. Hierbei machte man die Mittelwalze schwächer nach dem Grundsatz, dass Walzen infolge der keilförmigen Wirkung um so stärker strecken, je schwächer die Durchmesser sind. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 104. wendete man 1890 sowohl Trios als reversierbare Duos bei den Blockwalzwerken an. Zu Homestead geschah das Vorblocken sogar in einem Universal- walzwerk Daselbst 1889, S. 124. . Die Trio-Blockwalzwerke wurden durch starke, liegende Schwungradmaschinen mit Corliss- oder Porter-Allen-Steuerung be- trieben. Letztere war besonders beliebt, doch hatte die riesige Walzen- zugmaschine des Trägerwalzwerks zu Homestead von 3500 P. S., welche von Rob. Wetherill \& Co. in Chester (Pa.) erbaut war, Corliss- Steuerung. Bei 1372 mm Dampfcylinderdurchmesser hatte sie 1828 mm Hub, das Schwungrad wog 8100 kg. In dem Phönixwalzwerke zu Phönixville (Pa.) waren Tandemmaschinen von 762 und 1168 mm Cylinderweite in Anwendung. Die Walzwerke. Bei allen Schwungradmaschinen wurden Regulatoren angebracht, um den Walzwerken gleichbleibende Geschwindigkeiten zu erhalten, was zu der hohen Produktion der amerikanischen Walzwerke wesent- lich beitrug. Die Reversiermaschinen waren horizontale Zwillingsmaschinen mit Zahnradvorgelege, wie in Europa. Vor und hinter den Walzen befanden sich reversierbare Rollen auf Tischen, die hydraulisch gehoben und gesenkt wurden. Das Kanten der Blöcke erfolgte durch eine Reihe von Daumen, die den Block beim Sinken der Rolltische fassen und um 90° drehen; das Verschieben der Blöcke von Kaliber zu Kaliber wurde durch dieselben Daumen bewirkt, die auf einem gemeinschaftlichen Wagen standen, der durch Hydraulik zwischen den Rollen horizontal verschiebbar war. — Die Mittelwalze lag fest in den Walzenständern, Ober- und Unterwalze wurden durch Druckschrauben gegen die Mittelwalze eingestellt. — Bei den Duo- reversierwalzwerken wurden die Daumen durch hydraulischen Druck auf und ab bewegt und unter die Oberkante der Rollen versenkt. Sie bewirkten das Kanten durch Wälzen des Blockes und das Vorschieben dadurch, dass sie den Block vor das richtige Kaliber trugen. In dem Cambria-Eisenwerk bewegten sich die Rollen in einem beweglichen Rahmen auf der Hüttensohle. Dieser Rahmen wurde durch hydraulische Cylinder hin und her geschoben. Bei den Schienen- walzwerken und teilweise auch bei den Blech- und Drahtwalzwerken wurden alle Arbeiten mechanisch und automatisch ausgeführt. Das seitliche Verschieben von einem Walzgerüst zum anderen geschah unabhängig von der Bewegung der Tische, während das Kanten und Verschieben von derselben Walze meist mit der Bewegung des Tisches zusammenhing. Durch diese selbstthätige Bedienung er- zeugten die Schienenwalzwerke 1600 Tonnen und mehr in der Doppel- schicht. 1891 kam in der Krupps chen Gussstahlfabrik zu Essen das grosse Panzerplattenwalzwerk mit seiner zweicylindrigen Reversier- maschine Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 509; 1893, S. 837. von 3500 P. S. in Betrieb. Diese war von der Märkischen Maschinenbauanstalt vormals Kamp \& Co. in Wetter a. d. Ruhr 1890 gebaut. Der Durchmesser der beiden Dampfcylinder betrug 1,30 m, der Hub 1,25 m. Die Übertragung der Bewegung auf die Walzen erfolgte im Verhältnis von 2,5 : 1 durch zwei geschmiedete Gussstahl- zahnräder. Die wirksame Länge der ebenfalls aus geschmiedetem Die Walzwerke. Gussstahl hergestellten Walzen betrug 4 m, das Gewicht der beiden Walzen 90 Tonnen. Das Vorschieben und Wenden der Platten geschieht selbstthätig durch Rollen und Daumen. Die Bedienung der Dampfmaschine erfolgt von einer über derselben befindlichen Steuerbühne aus. Bemerkenswert war auch die 1890/91 von der Duisburger Maschinen-Aktien-Gesellschaft, vormals Bechem \& Keet- mann , erbaute Reversierwalzwerksanlage des Hörder Bergwerks- und Hüttenvereins zu Hörde Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 12, 181. . Sie zeichnete sich durch eine ausgiebige Verwendung der Hydraulik aus, namentlich waren sowohl die Ober- walzen der Block- und Fertigstrassen hydraulisch ausbalanziert, als auch die Druckschrauben durch hydraulische Cylinder mit Plunger angestellt. Die Blockstrasse wurde durch eine Zwillings-, die Fertig- strasse durch eine Drillings-Reversiermaschine von Ehrhardt \& Sehmer zu Schleifmühle bei Saarbrücken bewegt. Ausgedehnte Rollgänge vermittelten den Transport des Walzguts zwischen den Strassen und den Rollöfen, Scheren, der Adjustage und dem Lagerplatz. Patente auf verbesserte Rollbahnen nahmen 1891 Henry Aiken in Pittsburg (Pa.) (Amer. Pat. Nr. 439925) Daselbst 1891, S. 423. und Thomas J. Price A. a. O. S. 424. in Danville (Pa.) (Amer. Pat. Nr. 441895). H. Aiken und James Morgan in Pittsburg (Amer. Pat. Nr. 450868) erfanden auch eine hydraulische Druckschrauben-Anstellung für Luppenwalzwerke Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1891, S. 550; Stahl und Eisen 1891, S. 249. . Reinhard Mannesmann jun. liess sich am 4. Februar 1891 ein Verfahren des Auswalzens von mit Sand oder ähnlichen zusammen- drückbaren Substanzen gefüllten Röhren schützen (D. R. P. Nr. 58410). Derselbe verbesserte 1896 sein bereits erwähntes schrittweises Walz- verfahren, das „Pilgerwalzwerk“, wobei die Pilgerschrittbewegung der Arbeitsflächen der Walzen zum Teil durch Verschiebung der Walzen bewirkt wurde (D. R. P. Nr. 86162 und 88638). — Ferner nennen wir noch das Scheibenräderwalzwerk von J. R. Jones , Phila- delphia (Amer. Pat. Nr. 457946 Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 342. , Blockwender für Rollbahnen von Fr. W. Wood , Baltimore (Amer. Pat. Nr. 457946) und eine Roll- vorrichtung für Walzwerksscheren von Franz Leonhard (D. R. P. Nr. 61683). Die Walzwerke. Am 18. Dezember 1891 erhielt Otto Klatte in Neuwied ein Patent auf das Walzen von Ketten ohne Schweissung aus Kreuzstäben. Das Walzwerk hatte vier Walzen mit Erhöhungen, welche die Öffnungen in die diagonal gelagerten Rippen des Kreuzstabes eindrückten (D. R. P. Nr. 65549). Bereits im Jahre 1881 hatte der Obermeister Oury in Cherbourg ungeschweisste Ketten aus Kreuzeisen durch Bohren, Stanzen, Schmieden und Gesenkschlagen hergestellt (D. R. P. Nr. 16652). Reid \& Co. nahm diese Fabrikation in England auf. H. Rongier in Birmingham nahm 1889 ein ähnliches Patent zur Herstellung von Stegketten unter Anwendung von Pressen. Das Klattes che Walz- verfahren ist genau beschrieben in dem Augustheft 1894 von „Stahl und Eisen“. Aus dem Jahre 1892 ist das Feinblechwalzwerk von Karl Wittgenstein in Wien, welches auf der Rudolfshütte bei Teplitz erfolgreich arbeitete, hervorzuheben. Es diente zum Walzen von Blechen aus Flussstahlblöcken und bestand aus einem Trio-Universal- walzwerk, auf dem Platinen vorgewalzt wurden, und aus einem Laut - schen Trio mit fünf hintereinandergelagerten Duos zum Fertigwalzen. Der Antrieb geschah durch zwei kräftige Dampfmaschinen. Die Fluss- stahlingots wurden von 50 auf 1½ mm Dicke und von 0,6 m auf 40 bis 50 m Länge ausgewalzt Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 999. . Das damals breiteste Trio-Blechwalzwerk von 3350 mm Ballen- länge hatte S. T. Wellman in Thurlow erbaut Daselbst 1892, S. 782. . Patente wurden 1892 noch erteilt auf ein Blockwalzwerk von A. Robert in Tilleur (Belgien), aus zwei horizontalen und zwei vertikalen Walzen bestehend, wodurch weder Reversion noch Überheben nötig wurde (D. R. P. Nr. 69487 Daselbst 1893, S. 1056. ); — auf ein Universalwalzwerk von H. Aiken (Amer. Pat. Nr. 484767); — auf ein eigenartiges Walzwerk von John A. Potter in Munhall (Pa.), bei dem zwei dünnere an- getriebene Walzen sich oben und unten gegen dicke Schleppwalzen stützten (Amer. Pat. Nr. 477821 Daselbst 1893, S. 85. ); — auf ein Walzwerk von Kratz \& Strassmann in Barmen (D. R. P. Nr. 63307) zum Wickeln und Schweissen von Röhren aus Bändern und Stäben; — auf ein Riffelblech- walzwerk von C. Löhr in Meggen (D. R. P. Nr. 68691); — auf ein Blechwalzwerk von H. Hewitt in Birmingham, bei dem drei Walzen- paare in einem Gerüst angeordnet waren (Engl. Pat. 1892, Nr. 1444); Die Walzwerke. auf ein Plattenwalzwerk der Soc. An. des Aciéries de Longwy in Frankreich (Engl. Pat. 1892, Nr. 23112 Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 770. . 1893 liess sich Th. Morrison in Duquesne (Pa.) mehrere Ver- besserungen an Rollbahnen zur automatischen Wendung und Ein- führung der Walzstücke patentieren Daselbst 1894, S. 454. . Hydraulisch bewegte Walzen- tische von vorzüglicher Konstruktion waren am Blockwalztrio zu Homestead bei Pittsburg Daselbst S. 253, Taf. III. in Betrieb; sie ermöglichten das vollständige Auswalzen eines Blockes in 1 bis 1½ Minuten. A. Reese in Pittsburg (Pa.) erfand ein Universalwalzwerk für -Eisen (Amer. Pat. Nr. 481058) und ein solches für Panzerplatten und schwere Bleche (Amer. Pat. Nr. 499590). Das Schwelmer Eisen- werk liess sich 1894 ein Walzverfahren patentieren (D. R. P. Nr. 79190) mit drei oder mehr Kugelwalzen, wobei die Kaliber diagonal zu den Achsen stehen Daselbst 1895, S. 391. . Bemerkenswert ist ein von Toussaint Bicheroux Daselbst 1896, S. 308, 322. in Duisburg schon 1892 erfundenes neues Walzverfahren (D. R. P. Nr. 63066 und Fig. 320. 70338) zur Herstellung sehr breit- füssiger oder breitschenkeliger Formwalzstücke. Es geschieht dies durch Vorwalzen der Blöcke in Profile mit tiefen Rillen und durch Aufrichten der Flügel in einem Fertigwalzwerk, Fig. 320, welches aus mit Scheiben ver- sehenen horizontalen Hauptwalzen und aus zwei kleineren vertikalen Druckwalzen zur Aufnahme des beim Breiten entstehenden Druckes und zur Profilierung besteht. — Auf ein Rillenschienenwalzwerk nahm die Georgs-Marienhütte in Osnabrück 1895 ein Patent (Nr. 85044). Ebenso liess sich die Société anonyme D’Ougrée Daselbst 1896, S. 359. in Belgien 1894 ein Rillenschienenwalzwerk patentieren (D. R. P. Nr. 84048 und 85373). In den Vereinigten Staaten stellte W. E. Harris widerstands- fähigere Walzen mit Stahlkern in der Weise dar, dass er ein schmiede- Die Walzwerke. eisernes Rohr mit Flussstahl ausgoss und mit Gusseisen umgoss. Die W. Dewees-Company in Mc. Keesport verband ein Trio zum Walzen von Stahlblechen unmittelbar mit einem Glühofen. Chas. W. Morgan baute 1895 in Amerika den ersten automatischen Wärmofen. Platt Fig. 321. \& Goldthorpe in England wollen den elektrischen Strom zum Er- hitzen des Walzeisens benutzen (1896, D. R. P. Nr. 84088). Hatton erfand 1894 in England ein Kehrwalzwerk zum Walzen von Röhren (Engl. Pat. Nr. 12473/92). Die neueren Fortschritte der amerikanischen Walzwerke A. a. O. 1897, S. 136 etc. bestanden namentlich darin, dass man die Triowalzen festlagerte, oder die Mossberg-Granvilles chen Rollenlager anwendete Siehe a. a. O. 1898, S. 200. und die Rollen Beck, Geschichte des Eisens. 52 Die Walzwerke. der Walzentische mit Elektromotoren antrieb; ausserdem verwendete man zum Wärmen der Blöcke Siemens-Regenerativöfen, in welche die Blöcke in senkrechter Stellung eingesetzt wurden. Die Kräne- Fig. 322. Fig. 323. bedienung der neueren Walzwerke geschieht meistens elektrisch. Fig. 321 (a. v. S.) stellt den Grundriss des neuen Blechwalz- werkes der Illinois-Stahlgesell- schaft von Südchicago (1896) dar, während Fig. 322, 323 Ansicht und Durchschnitt des Lauths chen Triogerüstes von dort vorführen. Ferner zeigt Fig. 324 den Durchschnitt des grossen Blechwalzwerks und Fig. 325 die Ansicht des Universalwalzwerks der Bethlehem- Eisengesellschaft. Verbesserte Rollbahnen liessen sich 1896 G. W. Mc Clure in Die Walzwerke. Pittsburg (Amer. P. Nr. 54425) und J. A. Potter in Cleveland (Ohio, Amer. P. Nr. 54623) patentieren. Ch. J. Morgan baute 1899 ein kontinuierliches Walzwerk für Fig. 324. Fig. 325. Handelseisen zu Mingo Junction, Ohio Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 210. . Ein kontinuierliches Band- eisenwalzwerk zu Youngstown, Ohio, beschrieb P. Eyermann A. a. O. 1900, S. 882. . Leistungsfähige Blockstrassen nach amerikanischem System bauten 52* Die Walzwerke. die Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. Gebr. Klein in Dahlbruch und die Duisburger Maschinenbau-Aktiengesellschaft. Fig. 326. Die Fig. 326, 327 machen die Vorwärts- und Seitwärtsbewegung der Blöcke auf den Rolltischen und die hydraulische Umkantevor- richtung bei dem Kleins chen Trio anschaulich. Fig. 327. McClure Stahl und Eisen 1896, S. 1019. bewirkte die Verstellung der Walzenstellschrauben durch gezahnte Kegelräder, die durch einen Elektromotor angetrieben wurden (Amer. Pat. 557861). 1896 wurde auf den Stahlwerken von Mackintosh, Hemphill \& Co. in Pittsburg eine Walzenreversiermaschine von 10000 P. S. Die Walzwerke. aufgestellt Iron Age, 5. November 1896; Stahl und Eisen 1897, S. 109. , deren Cylinder 1270 mm Durchmesser und 1830 mm Hub haben. Die Maschine wog 362400 kg, die Hauptwelle mit Zubehör 54360 kg. Ein automatisches Walzwerk für Knüppel und Blechplatinen konstruierte Huber in Amerika; ein solches war 1898 auf dem Stahlwerke der Buhl- Stahlgesellschaft zu Sharon (Pa.) in Be- trieb Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 712. . Derselbe nahm ein Patent (Amer. Pat. Nr. 605669) auf zwei kombinierte Trios, deren Walzgut durch schwingende Rollen- tische von einem zum andern gehoben oder gesenkt wurde A. a. O. 1899, S. 41. . Morgan Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 1033. in Wor- cester baute kontinu- ierliche Walzwerke mit einer Anzahl hinter- einander stehender Ge- rüste, deren Walzen entsprechend rascher umliefen. Blöcke von 125 mm Dicke wurden in sieben Stichen, also in sieben Gerüsten zu Knüppeln von 37½ mm heruntergewalzt. So- bald der Stab den letzten Stich verliess, gelangte er unter eine Schere und wurde zu Knüppeln zerschnitten. Fig. 328. Die Walzwerke. Henry Grey A. a. O., S. 1034. hat ein Trägerwalzwerk erfunden und in Duluth (U. S.) erbaut, das durch das Zusammenwirken von horizontalen und vertikalen Walzen die Profile bildet und Steg und Fuss einem gleich- mässigeren Drucke aussetzt, als es bei dem gewöhnlichen Verfahren geschieht. Hierdurch können zweckmässigere Profile von grösserer Tragkraft erzeugt werden. Dieses Walzverfahren fand Verbreitung. Auch R. M. Daelen hat sich 1899 ein „Walzwerk mit hinter- einander liegenden, abwechselnd horizontalen und vertikalen Walzen zum Strecken eines Metallstabes in mehr als zwei Kalibern gleich- zeitig“ patentieren lassen (D. R. P. Nr. 109435). Elektricität als Triebkraft für Rollgänge, Schlepper, Scheren und sonstige Hülfsmaschinen der Walzwerke hat 1898 Max Meier zu Micheville-Villerupt in umfassender Weise in Anwendung gebracht. Zum Antrieb von Eisenwalzwerken ist die Elektricität bis jetzt (1900) noch nicht verwendet worden, wohl aber zum Antrieb eines Kupfer- walzwerkes Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 19. . Einen Hebetisch mit angetriebenen Rollen für schwere Trio- strassen, Fig. 328 (a. v. S.), an Stelle der gebräuchlichen Dachwippe hat H. Fahlenkamp in Schalke angegeben A. a. O., S. 836. . Schwingende, an- getriebene Rollentische beschrieb auch G. von Bechen in Charleroi A. a. O., S. 934. . In dem neuen Walzwerke der Maryland-Steel-Company zu Sparrows Point wurden die Bessemerblöcke direkt auf Wagen ge- gossen. Die mechanische Bedienung der Walzwerke durch Rollgänge, bewegte Hebtische, Scheren u. s. w. hatte in den Vereinigten Staaten eine grosse Vervollkommnung erlangt, durch die eine erstaunliche Leistungsfähigkeit erzielt wurde. Es ist unmöglich, auf Details ein- zugehen. Als ein Beispiel führen wir die Walzwerksanlage in Duquesne, Pa. Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 732. , an, die mit fünf grossen Dampfmaschinen und Walzen- strassen mit zusammen 13 Gerüsten von vier einfachen Profilen, kurze Knüppel, lange, dünne Knüppel, Platinen und Lascheneisen, täglich rund 2000 Tonnen liefert. Eisenbahnschienen und -schwellen. Eisenbahnschienen und -schwellen . Die grossen Verbesserungen der Walzwerke erhöhten die Leistung in den einzelnen Zweigen der Eisen- und Stahlverarbeitung, besonders der Formeisen-, Blech- und Drahtfabrikation. Bei Formeisen kommt in erster Linie die Schienenfabri- kation in Betracht. Bei dieser hatte sich der Flussstahl glänzend bewährt und schon in den siebziger Jahren das Schweisseisen mehr und mehr zurückgedrängt. Nach Veröffentlichungen aus dem Jahre 1878 mussten auf der Köln-Mindener Bahn nach 15-jähriger starker Benutzung ausgewechselt werden: Feinkornschienen 82 Prozent, eiserne 74 Prozent, Puddelstahlschienen 41,61 Prozent, Bessemer- schienen 7,71 Prozent. Die Abnutzung der letzteren auf jeden Milli- meter entsprach 6065000 Tonnen Bruttolast, ein sehr günstiges Resultat. Ähnliche Ermittelungen auf der Nicolaibahn in Russland ergeben für die Auswechselung von Feinkornschienen in 15 Jahren 76,7 Prozent, cementierte Schienen 63,3 Prozent, Puddelstahlschienen 33,3 Prozent, Bessemerstahlschienen 3,4 Prozent. Nach Cox hielten auf der Philadelphia-Readingbahn Eisen- schienen 180 Millionen Tonnen, Stahlschienen 484 Millionen Tonnen Güterverkehr (trafik) aus. Nach den Beobachtungen von Baurat Rüppell Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 68, 125. in Köln betrug die durchschnittliche jährliche Auswechselung: 1868/72 1,58 Tausendstel auf die Gesamtmasse 1873/77 0,85 „ „ „ „ 1878/82 0,25 „ „ „ „ 1883/87 0,12 „ „ „ „ In Russland durften seit 1875 nur Stahlschienen verlegt werden. In den Vereinigten Staaten waren 1873 nur ⅙ Stahlschienen, 1883 dagegen 19/20. Der Preis war in dieser Zeit von 108 auf 30 Dollar pro Tonne gesunken. Überhaupt waren Stahlschienen nur noch wenig teurer als Eisen- schienen. Im September 1876 wurden in Deutschland Stahlschienen für 155,50 Mark die Tonne vergeben; Puddelstahlschienen waren teurer als Bessemerstahlschienen. Infolgedessen nahm der Verbrauch von Flussstahlschienen von Jahr zu Jahr zu. Beispielsweise betrug derselbe in Frankreich: Eisenbahnschienen und -schwellen. Für die chemische Zusammensetzung der Stahlmasse für Schienen wurden um 1880 verschiedene Normalzusammensetzungen angegeben, so von Von noch grösserer Wichtigkeit waren die Festigkeitsvorschriften, welche die Eisenbahnverwaltungen den Lieferungen zu Grunde legten. Für die Festigkeit war die Zerreissprobe, für die Zähigkeit die Quer- schnittsverminderung bei dieser und die Schlagprobe massgebend. Die Lieferungsbedingungen für Stahlschienen waren für Preussen durch eine Ministerialverfügung vom 29. September 1879 festgesetzt worden Siehe Stahl und Eisen 1882, I. Bd., Anhang S. 23. . Die deutschen Eisenbahnverwaltungen verlangten Daselbst 1882, März. Anfang der acht- ziger Jahre bei der Zerreissprobe pro Quadratmillimeter: absolute Festigkeit 50 bis 65 kg Kontraktion 35 „ 20 Prozent, so dass die Summe beider Ziffern (Wertziffer) die Zahl 85 ergeben sollte. In den meisten Ländern galt damals noch der harte Bessemer- stahl als bestes Material für Eisenbahnschienen. Die Verwendung des Flussstahls beeinflusste den Betrieb der Schienenwalzwerke. Es erwies sich als vorteilhafter, stärkere Stahlblöcke möglichst in einer Hitze zu mehrfachen Schienenlängen auszuwalzen, anstatt kleine Blöcke, entsprechend den Schweisspaketen der Eisenschienen, für eine Schienen- länge zu verarbeiten, obgleich dazu viel grössere Kraft nötig war. So walzte man erst doppelte, dann dreifache und seit Anfang der Eisenbahnschienen und -schwellen. achtziger Jahre vierfache Schienenlängen. Letzteres geschah zuerst in Amerika auf den Scranton-Eisenwerken. Hier walzte man 1883 mit Hülfe Gjerss cher Durchweichungsgruben 85 Prozent der Schienen- produktion direkt aus der Giessgrube in einer Hitze zu vierfachen Vignoles-Schienen von 120 Fuss Länge aus. Man machte auch deshalb längere Schienen, um weniger Stösse zu bekommen; so verlegte man 1876 auf der Lyon-Mittelmeerbahn Schienen von 12 m Länge. Durch die grössere Haltbarkeit der Stahlschienen ging der Bedarf für Er- neuerung seit Anfang der siebziger Jahre bedeutend zurück. Die Form der Schienen war sehr verschieden. 1876 verwendete man in Deutschland 92 verschiedene Profile. Vorschläge von Pollitzer, Heusinger von Waldegg und Winkler zur Herbeiführung eines einheitlichen Normalprofils hatten keinen Erfolg. Gegen Ende der siebziger Jahre kamen eiserne Schwellen anstatt Holzschwellen mehr in Aufnahme, wodurch der Bedarf an Walzeisen eine weitere Steige- rung erfuhr. Die Zahl der Konstruktionen oder Systeme war eine grosse. Sie zerfielen in Längs- und Querschwellen, oder ununter- brochene oder unterbrochene Schienenunterstützung. Von Längsschwellen verwendete man schon um 1870 ein System Hilf auf den nassauischen Bahnen und ein ähnliches auf der rheinischen Bahn. 1875 waren in Österreich die Konstruktionen von Hohenegger und de Serres-Battig und von Hendl im Arlberg- tunnel, in Bayern die von Menne ; in Deutschland wurden ausser den genannten die von Hartwich, Freudenberg, Heusinger von Waldegg, Scheffler, Daelen, Köstlin und Battig und von Winkler teils versucht, teils eingeführt. Haarmanns Langschwellen- oberbau wurde zuerst 1878 auf der Strecke Osnabrück-Wissingen verlegt. Von Querschwellensystemen, die namentlich in den ausser- deutschen Ländern vorgezogen wurden, nennen wir die älteren von Vautharin in Frankreich, von Coijins und Legrand in Belgien, sodann die von Webb in England, von G. Post in Holland (seit Mitte der achtziger Jahre), von Küpfer in der Schweiz, von Atzinger in Österreich, von Hendl und Hoesch-Lichthammer in Bayern, von Hilf, Haarmann, Schülke u. a. in Deutschland. Haarmanns Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 653. Querschwellenoberbau mit gusseisernen Sattelstücken wurde zuerst 1879 in Holland und Russland, derselbe mit Hakenplattenbefestigung zuerst 1882 auf der Berlin-Görlitzer Bahn verlegt. Haarmanns zweiteilige Schwellenschienen mit versetzten Stossfugen wurden 1883 Eisenbahnschienen und -schwellen. auf der Georgs-Marienbahn eingeführt. Auch bei den Schwellen ging man zur Verwendung des Flusseisens über. Ende 1888 waren in Deutschland schon 10632558 Stück Quer- schwellen verlegt; in England nur 70 Meilen (113 km), dagegen in Britisch-Ostindien 9244,5 Meilen, in Holland 517,05 km, in Belgien 185,85 km, in der Schweiz 639,4 km, in Algier 202 km und in Australien 290 km. Die eisernen Schwellen empfahlen sich überall da, wo Holz- schwellen teuer oder nicht haltbar waren. Nach einer Aufstellung von E. Russel Tratman von 1890 betrug die gesamte Bahnlänge mit eisernem Oberbau damals 39900 km (= 13,21 Prozent der Eisenbahnen der Erde), davon hatten 5850 km Langschwellen, 17800 km Querschwellen. Auf Deutschland entfielen 14139 km (etwa ein Drittel), auf Grossbritannien nur 113 km, dagegen auf Britisch-Ostindien 14850 km, auf Südamerika 6098 km, auf Afrika 2077 km. Nach Einführung der Stahlschienen hatte man anfänglich danach gestrebt, das Schienengewicht zu verringern, so z. B. in Preussen von 37 auf 33 kg pro laufenden Meter. Dies erwies sich aber als un- vorteilhaft. Die stärkere Inanspruchnahme verlangte auch einen stärkeren Oberbau. C. B. Sandberg in London empfahl 1886 eine schwere Schiene mit breitem Kopf und schmalem Fuss, die in fluss- eisernen Unterlagsplatten befestigt war. Diese sogenannten Goliath- schienen, wovon der laufende Meter 52 kg wog, wurden zuerst im März 1887 von Cockerill in Seraing gewalzt und in Belgien mit gutem Erfolg eingeführt. Daraufhin erhöhte man auch in Frankreich und Amerika das Schienengewicht, beispielsweise auf der französischen Nordbahn auf 43 kg pro laufenden Meter, dann auf der Paris-Lyon- Mittelmeerbahn auf 47 kg. In England hatte man schon früher Schienen von 40 bis 45 kg Gewicht pro laufenden Meter eingeführt. Die guten Erfolge, welche man Ende der achtziger Jahre mit dem weicheren Flussstahl von dem Siemens-Martin- und dem Thomas- prozess erzielt hatte, veranlassten die preussische Regierung und andere deutsche Eisenbahnverwaltungen, die untere Grenze der Zerreissfestig- keit für Schienenmaterial von 50 auf 45 kg pro Quadratmillimeter herabzusetzen, indem man gleichzeitig die Vorschriften über die „Wert- ziffer“, d. h. die konstante Summe der absoluten Festigkeit und der prozentualen Querschnittsverminderung beim Zerreissen fallen liess. Seit Anfang der achtziger Jahre wurde Thomasflusseisen für Eisenbahnschienen verwendet, so z. B. 1882 auf der Gotthardbahn. Das anfängliche Vorurteil gegen das neue Material schwand mit der zu- Eisenbahnschienen und -schwellen. nehmenden Erfahrung: natürlich musste auf Reinheit und Gleich- mässigkeit des Flusseisens, dessen Phosphorgehalt 0,1 Prozent nicht übersteigen durfte, gesehen werden. Die deutschen Eisenbahnver- waltungen verlangten deshalb Probeabnahme von jeder Charge. Seitdem durch Darbys Rückkohlungsprozess auch die Möglichkeit, dem Thomasflusseisen eine beliebige grössere Härte zu erteilen, ge- geben war, lag kein Grund mehr vor, dasselbe als Schienenmaterial zu beanstanden. Dennoch geschah dies in Österreich-Ungarn bis 1895, wogegen sich Professor Tetmajer in einem vorzüglichen Gutachten Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 179. wendete. Er wies an zahlreichen Erfahrungen, besonders auch auf Schweizer Bahnen, die Vortrefflichkeit der Eisenbahnschienen aus Thomas-Flusseisen nach. Als Durchschnittsgehalt derselben auf Schweizer Bahnen giebt er an: Kohlenstoff 0,263, Silicium 0,09, Mangan 0,762, Phosphor 0,073, Schwefel 0,043 Prozent. Die Grenzen der Zugfestigkeit und Dehnung betrugen im Mittel für erstere 57,9 bis 64,9 kg pro Quadratmillimeter, für letztere 22,9 bis 39,9 Prozent. Im Vergleich mit Bessemerstahlschienen zeigten die aus Thomasfluss- eisen auffallend wenig Bruch im Betriebe. Die Frage, ob für die Schienenfabrikation Zweiwalzenstrassen mit Reversiermaschinen oder Dreiwalzenstrassen vorzuziehen seien, wurde vielfach erörtert. Ein Trio hat in derselben Zeit eine grössere Pro- duktion. Kann es kontinuierlich betrieben werden, so ist es auch ökonomisch vorteilhafter, ist dies aber nicht der Fall, so veranlasst das Leerlaufen unnützen Dampfverbrauch und ist in diesem Falle der Betrieb mit Reversiermaschine vorzuziehen. Die Produktion der Schienenwalzwerke erfuhr eine enorme Steige- rung durch die mechanische Bedienung, die besonders in den Ver- einigten Staaten von Nordamerika ausgebildet wurde Die bekanntesten Beispiele dafür lieferten das neue Schienenwalzwerk der Edgar-Thomson-Stahlwerke, siehe Stahl u. Eisen 1897, S. 183, und das zu South Chicago, siehe Stahl u. Eisen 1898, S. 1023. . Das neue Schienenwalzwerk der Edgar Thomson-Stahlwerke walzte im Oktober 1894 36200 Tonnen Schienen und in einer 24stündigen Schicht 1945 Tonnen, dabei war die Produktion nur durch die Leistungs- fähigkeit des Stahlwerks beschränkt. Welche Bedeutung und welchen Umfang der Bedarf an Eisen- bahnschienen für die Eisenindustrie erlangt hatte, wird man aus nach- folgenden Tabellen, in denen die Zunahme der Eisenbahnlinien der Erde von Anfang an, besonders aber seit 1876 zusammengestellt ist, erkennen. Eisenbahnschienen und -schwellen. I. Entwickelung des Eisenbahnnetzes der Erde 1840 bis 1885 von fünf zu fünf Jahren . Eisenbahnschienen und -schwellen. II. Entwickelung des Eisenbahnnetzes der Erde von 1886 bis 1895 Die weiteren Angaben folgen später. . Eisenbahnschienen und -schwellen. Nach vorstehenden Tabellen betrug die Länge der Eisenbahnlinien der Erde im Jahre 1890 617285 km, das ist etwa die 15½fache Länge des Erdäquators (49070 km) und die 1⅔fache der mittleren Ent- fernung des Mondes von der Erde (384420 km). Nehmen wir das Schienengewicht für den Kilometer zu 80 Tonnen an, so ergiebt sich ein Gesamtgewicht von 49282800 Tonnen oder rund 49283 kt. Die gesamte Roheisenproduktion aller Länder der Erde betrug 1890 27500 kt, die bei nur 20 Prozent Abgang einer Schienenmenge von 22000 kt entsprechen würde. Es hätte also mehr als die zweijährige Eisenproduktion der Welt von der Höhe von 1890 dazu gehört, um das Schienennetz der Erde zu erneuern. Nehmen wir die jährliche Schienenerneuerung zu ½ Prozent an, so ergiebt sich ein Jahres- bedarf von 247 kt. Für Neubauten betrug der Bedarf in der neun- jährigen Periode von 1886 bis 1894 171672 km × 80 Tonnen = 13734 kt oder 1526 kt im Jahr. Der gesamte Schienenbedarf eines Jahres belief sich demnach auf 1973 kt, also nahezu 10 Prozent der Eisenerzeugung der Erde. Die Anlagekosten des Eisenbahnnetzes der Erde Ende 1890 wurden rund auf 131 Milliarden Mark berechnet. Dies ergiebt durchschnitt- lich 212,10 Mark pro Kilometer. Die Kosten der Bahnstrecken der einzelnen Länder waren aber sehr verschieden je nach den Preisen von Land, Material und Arbeit und nach der Schwierigkeit und Sorgfalt der Anlage; in Europa stellten sie sich am höchsten in Grossbritannien, wo sich der Kilometer auf 555,763 Mark berechnete, am niedrigsten in Norwegen, wo der Blechfabrikation. Kilometer nur 93,053 Mark kostete. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika betrug der Aufwand für 1 km 165,657 Mark, während er in Australien sich sogar auf nur 54,493 Mark belief. Über das Verhältnis der Eisenbahnen zu der Flächengrösse der wichtigsten Länder Europas und Amerikas im Jahre 1890 giebt vorstehende Tabelle Aufschluss. Blechfabrikation . Auch die grossartigen Fortschritte der Blechfabrikation in dieser Periode wurden hauptsächlich durch die Vervollkommnung des Walzwerksbetriebes und die Verwendung des Flusseisens an Stelle des Schweisseisens herbeigeführt. Übten diese Neuerungen am meisten auf die Herstellung der Grobbleche und Panzerplatten ihre Wirkung aus, so förderten sie doch auch die Feinblechfabrikation derart, dass sie eine völlige Umwandlung der Betriebsweise herbei- führten. Die dünneren Bleche unterscheidet man als Feinbleche von 0,1 bis 1,0 mm und als Mittelbleche von 1 bis 4 mm Dicke. Für die Arbeit des Breitens der Blechplatinen hatte längst das Walz- werk den Hammer ersetzt. Der Hammer kam nur noch in einigen Gegenden zur Vorarbeit, dem Ausschmieden der Frischluppen, und zur Fertigarbeit, dem Ausschlagen der Blechbuschen, in Anwendung. In holzreichen Ländern, wie in Österreich, Schweden und im uralischen Russland, stellte man noch das Material für die Feinblechfabrikation mit Holzkohlen im Frischherde dar, wofür sich die Lancashire-Frisch- schmiede am besten bewährt hatte. Man blies mit warmem Wind, der in einer eisernen Windkammer, die das Feuer anstatt des Ge- wölbes überdeckte, erhitzt wurde. Gewöhnlich wurden zwei Feuer nebeneinander gelegt, deren Abhitze dann Vorwärmeräume zum Aufwärmen der Platinen und zum Glühen der Bleche heizte Stahl und Eisen 1890, S. 775. . Die Frischfeuerluppe von etwa 2½ Centner Gewicht wurde unter Dampf- oder Wasserhämmern A. Kerpely , Das Eisen auf der Wiener Weltausstellung 1873, S. 155. zu einem flachen Kuchen von 60 mm Dicke ausgeschmiedet, der dann in Stücke von etwa 20 kg zerteilt wurde. Diese Schirbel wurden ausgeschweisst und zu Platinen von 160 mm Breite ausgeschmiedet, die nach einer nochmaligen Schweiss- hitze ausgewalzt wurden. Das Ausheizen für ganz dünne Bleche ge- Blechfabrikation. schah hierbei meist noch in Hollow-fires. Bei dem Auswalzen der Platinen wurde auf die Herstellung einer reinen, glatten Oberfläche besonderes Gewicht gelegt. Die Walzen liefen deshalb in Wasser. Das letzte Kaliber hatte harte Flächen, sodann passierte der Stab noch Polierwalzen, die mit Abschabern versehen waren und endlich wurde der rotglühende Stab in frischem Wasser abgeschreckt und mit Holzhämmern abgeklopft. Die Frischeisenbleche wurden besonders für dünne Weiss- und Senklerbleche verwendet und konnten bis zu Papierdünne gewalzt werden. Bei der Herstellung der berühmten russischen Glanzbleche spielte der Hammer bei dem Fertigmachen ebenfalls noch eine Rolle. Das Verfahren dabei war nach John Percy The manufacture of Russian sheet iron by John Percy , London 1871. um 1870 kurz wie folgt. Das Rohmaterial war bei kaltem Wind erblasenes Holzkohlen- roheisen. Dieses wurde in Frischfeuern, häufiger aber in Puddelöfen gefrischt, die Luppen zu Flachstäben von 5 Zoll Breite und 1¼ Zoll Dicke ausgewalzt, die dann in Stücke von 29 Zoll Länge und etwa 15 Pfund Gewicht zerschnitten wurden. Diese wurden quergewalzt und in 12 bis 14 Durchgängen in Bleche von 29 Zoll im Quadrat ausgestreckt. Von diesen legte man drei Stück zu einem Pack über- einander, und walzte diese wieder zehnmal durch. Ehe dies geschah, wurden die Oberflächen mit einem Holzbesen abgekehrt, und gepulverte Holzkohlen zwischen die Blätter gestreut. Diese Bleche wurden sodann auf 28 × 56 Zoll beschnitten, jedes beschnittene Blech mit in Wasser angerührtem Birkenkohlenpulver bestrichen und dann getrocknet. Von diesen mit Kohle bestrichenen Blättern wurden 70 bis 100 zu einem Paket (Buschen) geformt, das in ein grösseres Blech ein- gewickelt wurde. Dieser Pack kam in ein Hohlfeuer, in dem es, von langen Holzprügeln umgeben, bei sorgfältigem Luftabschluss fünf bis sechs Stunden lang geglüht wurde. Sodann wurde es mit einer grossen Zange herausgenommen und unter einen Hammer gebracht, wo es regelmässige Schläge in gleichem Abstand und parallel einer Kante von rechts nach links fortschreitend erhielt. Dies wurde etwa sechsmal wiederholt. Sodann wurden die Bleche, die wellenförmige Flächen zeigten, auseinander genommen, zwischen jedes ein glattes Blech gelegt und der so gebildete Buschen von 140 bis 200 Blatt unter einem Hammer mit breiter Bahn in zwei Durchgängen glatt gehämmert. Im ganzen erhielt ein fertiges Blech 2500 bis 3000 Hammerschläge. Alsdann wurde der Pack geöffnet, die heissen Bleche Blechfabrikation. mit einem Besen gereinigt und in einem Gestell einzeln abkühlen gelassen. Diese Bleche wurden auf der Messe zu Nishnij-Nowgorod bis zu 500 Mark die Tonne bezahlt. In den meisten Ländern und Gegenden war der Frischherdbetrieb durch den Puddelbetrieb verdrängt worden, so auch in Russland. Dies war überall der Fall, wo mit Steinkohlen gearbeitet wurde, also in England, Deutschland, Frankreich, Belgien und Nordamerika; selbst in Gebieten, wo man lange das Frischen mit Holzkohlen bei- behalten hatte, wie im Siegerland und Sauerland. Ebenso war das Buschenwalzen, auch belgisches Walzverfahren genannt, fast überall durch das Doublierverfahren, Doppeln oder das englische Walzverfahren ersetzt worden, wobei man stärkere Zaggel auswalzte, diese dann, wenn sie eine gewisse Länge hatten, in der Mitte umschlug oder doppelte und weiter auswalzte und dieses je nachdem mehrfach wiederholte. Hierbei nahm man, wie bei den Buschenwalzen, zwei Platinen zugleich aus dem Wärmofen (Platinen- ofen) und walzte sie mittels der Vorstreckwalzen bis auf 1 mm Dicke herab Stahl und Eisen 1890, S. 856. . Die so erhaltenen Strecker oder Sturzen wurden in der Mitte zusammengebogen und fest zusammengedrückt, was meist durch Schlagen mit Holzhämmern geschah. Der dadurch gewonnene „Doppler“ wurde sofort in einen zweiten Wärmofen, den Fertigofen, eingesetzt, gewärmt und unter den Fertigwalzen zum fertigen Blech oder zum zweiten Doppler gestreckt. In letzterem Falle mussten die Bleche erst durchgeschnitten werden. Je nach der Dünne der Bleche wurde eins-, zwei-, drei- bis viermal gedoppelt und so aus einer Platine 2, 4, 8, 16 Tafeln gewonnen. Das Doublierverfahren, welches zwei Wärmöfen und zwei Walzgerüste erforderte, gab eine grössere Pro- duktion und hatte den weiteren Vorteil, dass die gedoppelten Bleche besser schlossen, also weniger oxydierten, weniger Glühspan oder „Zunder“ bildeten. Es eignete sich besonders für Frischeisen, das nicht zusammenschweisste, was bei Puddeleisen leicht vorkam. Dagegen war es nicht mehr gut anwendbar für Mittelbleche von grösseren Abmessungen. Für diese war das Buschenwalzen vorzuziehen. Auch dünne Bleche bis zu 0,40 mm von über 2 m Länge bei 0,80 mm Breite walzte man besser eintafelig und zwar auf einem Lauths chen Triogerüste, Fig. 329, 330 (a. f. S.). Für die eigentlichen Feinbleche war dagegen das Schlepp- walzen-Duosystem in Verbindung mit dem Doublieren am besten; dabei muss das Walzen, um zunderfreie Bleche zu erhalten, möglichst kalt Beck, Geschichte des Eisens. 53 Blechfabrikation. geschehen, aber ohne Wasserkühlung. Gute Hartwalzen und die An- bringung von zwei Druckschrauben für jeden Ständer waren dafür erforderlich. Ein dritter Wärmofen und ein drittes Gerüst als Reserve waren zur Beschleunigung und Erhöhung der Produktion zweckmässig. Statt des Abdrehens der Walzen in den Ständern mittels eines Dreh- Fig. 329. stahles mit Support bediente man sich öfter des Abschmirgelns mit Schmirgelscheiben, die ebenfalls in einem beweglichen Support be- festigt waren. Nach dem Auswalzen wurden die Bleche ausgeglüht, und zwar die Handelsbleche, von denen eine blauschwarze Anlauffarbe verlangt wurde, an offenem Feuer, die zunderfreien und vorher gebeizten Bleche, besonders für Geschirr und Weissblech, in geschlossenen Kästen. Die Bleche für die Weissblechfabrikation kamen nach der Polierung ohne Glühung zur Weissbeize. Hochpolierte Bleche wurden dadurch erhalten, dass man sie nach dem Glühen in sogenannten Dressier- walzen dressierte, d. h. kalt drei- bis viermal durch hochfein polierte Blechfabrikation. Hartwalzen walzte. Zum Schneiden bediente man sich bei den dünnen Blechen bis höchstens 4 mm mit Vorteil der Circularscheren. Ein anderer Fortschritt bei der weiteren Behandlung der Bleche war die Einführung der mechanischen Beizerei, durch welche ein viel gleichmässigeres Beizen erzielt wurde wie früher. Die Bleche standen Fig. 330. dabei aufrecht in aus Kupferdraht hergestellten Körben, welche in die grossen mit verdünnter Salz- oder Schwefelsäure von 8° Baumé ge- füllten Kästen eine ganz bestimmte, nach der Dicke der Tafeln wechselnde Zeit eingetaucht wurden. Die nachfolgende Entsäuerung geschah in Waschkästen, zu denen die Körbe mit den Blechtafeln durch einen Laufkarren gebracht wurden. Wir hatten oben erwähnt, dass die Verarbeitung von Holzkohlen- 53* Blechfabrikation. frischeisen trotz seiner Vorzüge abgenommen hätte. An seine Stelle war zunächst das Puddeleisen getreten; dasselbe war billiger, aber nicht von derselben Güte wie jenes. Durch eingemengte Schlacken zeigten die Bleche häufig Flecken, die namentlich bei der Weissblech- fabrikation störend hervortraten; ausserdem schweissten die Tafeln beim Walzen leicht zusammen, was die Walzarbeit namentlich beim Doublieren erschwerte. Für Feinbleche kam deshalb fast nur das gepuddelte Feinkorneisen in Anwendung, welches aber höhere Her- stellungskosten erforderte. Ein grosser Fortschritt war es deshalb, als man durch die Einführung des basischen Bessemerverfahrens, des Thomas-Gilchrist-Prozesses und des Martin-Siemens-Prozesses mit basischem Herd, ein weiches, gleichförmiges Flusseisen erzeugte, das sich zur Blechfabrikation, selbst für Feinbleche, vorzüglich eignete. Wohl hatte man den Bessemerstahl schon früher versuchsweise für Feinblech verwendet, aber dieses Material war auch in seinen weichsten Nummern noch zu hart, besonders für die Fabrikation von Geschirr- und Weissblech, von denen grosse Weichheit und Zähigkeit verlangt wurde. Etwas bessere Resultate erzielte man mit Martinflussstahl von dem sauren Prozess um die Mitte der siebziger Jahre. Einer ausgedehnteren Verwendung dieser Flusseisensorten stand aber auch damals noch ihr hoher Preis im Wege, da dieselben nur aus bestem Rohmaterial her- gestellt werden konnten. Dies änderte sich durch die Erfindung von Thomas-Gilchrist und die Einführung des basischen Futters im Martinofen. Hierdurch wurde ein weiches, homogenes und weniger kostspieliges Flusseisen erzeugt, das für die Feinblechfabrikation sehr geeignet war und deshalb seit Anfang der achtziger Jahre in raschem Siegeslauf die Verwendung von Holzkohlenfrischeisen und Feinkorn- eisen fast ganz verdrängte. Thomas-Flusseisen wurde anfangs seiner grossen Weichheit wegen bevorzugt und bewährte sich besonders für Geschirr- und Weissblech. Hierbei war allerdings blasiges Material gänzlich zu vermeiden. Anfangs glaubte man im Guss kleiner Blöcke für die Blechfabrikation einen Vorteil zu finden. Dies hat sich aber nicht bewährt, indem gerade diese kleinen Blöcke oft Blasen ent- halten. Trotz der grösseren Kosten der Verarbeitung ist es vorteil- hafter, Blöcke von grossem Querschnitt zu verarbeiten, diese bis auf etwa 150 mm herabzuwalzen, in Stücke (Knüppel, „Klötzel“ in Öster- reich) zu schneiden, diesen eine saftige Schweisshitze zu geben und dieselben zu Platinen auszuwalzen. Dieser Umweg ist zwar kost- spielig, liefert dafür aber auch ein ausgezeichnetes Material für die Feinblechfabrikation. Blechfabrikation. Ganz vorzüglich hat sich aber auch seit Ende der achtziger Jahre das durch den basischen Prozess erzeugte Martin-Flusseisen erwiesen, welches im allgemeinen blasenfreier und, da es der kost- spieligen Vorbereitung nicht bedarf, auch billiger für diese Ver- arbeitung ist. Der Verlauf der Fein- und Weissblechfabrikation aus Flusseisen ist jetzt im allgemeinen der folgende. Die Gussblöcke, deren Grösse sich nach dem Bedürfnis und nach der Stärke der Blockwalzen richtet, werden in einem kräftigen Blocktrio mit mechanischer Bedienung in einer Hitze zu langen Flachstäben vorgewalzt. Diese kommen noch warm mittels Roll- ganges unter Scheren, wo sie zu Platinen zerschnitten werden, deren Länge sich nach der Breite des herzustellenden Bleches richtet. Die Platinen werden sodann der Breite nach durch Blechwalzen, Duo-Schleppwalzen, zu Blechen ausgewalzt. Diese werden im Wärm- ofen aufgewärmt und durch eine zweite Blechwalze geschickt, alsdann umgeschlagen (doubliert) und an dem unegalen Ende beschnitten. Hierauf wieder gewärmt, auf die doppelte Länge gewalzt und von neuem gedoppelt, was je nach der Dünne der herzustellenden Bleche nochmals wiederholt wird. Hierbei fasst der Walzer am Schlusse jedes Durchwalzens die gedoppelten Bleche mit der Zange und wirft sie mit einem besonderen Schwunge so auf den plattenbelegten Boden, dass sich die Blechtafeln von einander lösen. Der Doppler ergreift sofort die gelockerten Bleche mit der Zange, biegt sie um, wobei er mit dem mit einem starken Holzschuh bekleideten Fuss hilft, drückt sie unter einer scherenartigen Hebelpresse fest zusammen und bringt sie dann unter die Schere, welche die unregelmässigen offenen Ränder abschneidet. Die fertiggewalzten Bleche werden entweder als Schwarzbleche sortiert oder kommen zur Verzinnung in die mechanische Beize, wo sie, wie oben beschrieben, in Gitterkörben, von denen zwei an den beiden Enden einer horizontalen Eisenstange wie an einem Wage- balken hängen, einmal etwa sechs Minuten in der sauren Beize, dann ebenso lange in dem Waschwasser auf- und niederbewegt werden. Die gebeizten Bleche werden dann zu Haufen aufgeschichtet in starken, gusseisernen Glühkisten in einem Ofen ausgeglüht. Diese Glühkisten aus Gusseisen bestehen Auf dem Rasselstein bei Neuwied. aus zwei Teilen, einem plattenförmigen Untersatz mit vier Füssen und einem viereckigen, kistenartigen Deckel, Blechfabrikation. der ähnlich einer Käseglocke die Bleche dicht umschliesst und bedeckt. Zur völligen Dichtung dient noch ein Gemenge von Sand und Hammer- schlag oder Eisenfeile. Der Glühofen ist ein viereckiger Kasten mit beweglichem Deckel, in den durch einen Kran je nach der Grösse 1, 2 oder 4 solcher Kisten nebeneinander gesetzt werden. Der Ofen hat Gas-Regeneratorfeuerung. Nachdem die geglühten Bleche aus- einandergenommen und geprüft sind, gelangen sie, ehe sie zum Ver- zinnen kommen, noch ein zweites Mal kurz in eine reinere Beize und sind dann zum Verzinnen fertig. Um sie vor Rost zu schützen, legt man sie in eine Kufe mit reinem Wasser. Hieraus nimmt sie der Verzinner und taucht sie zunächst in ein Gefäss mit fast siedend heissem Palmkernöl, um die anhaftende Feuchtigkeit zu verjagen und die Tafel einzufetten. Sodann gelangt sie zum Vorverzinnen in den ersten Zinntopf. Diese Operationen geschehen meist noch mit der Hand. Bei dem alten Verfahren Vergl. Nic. Gärtner , Die Weissblechfabrikation, und Stahl u. Eisen 1889, S. 552, 724, 944, 1006. hatte man vier Zinntöpfe neben- einander, die das Blech durchlaufen musste: 1. den Einbrennkessel, worin die erste Verzinnung mit gebrauchtem Zinn aus den folgenden Töpfen erfolgt; 2. den Bürsttopf, der die gleichmässige Verteilung der Zinndecke bezweckt; 3. den Waschtopf, in dem die durch das Bürsten entstandenen Perlen entfernt, aufgelöst, „abgewaschen“ werden und 4. den Fetttopf, in dem mit reinstem Zinn die glänzende Oberfläche gegeben wird. An Stelle dieses umständlichen Verfahrens ist in neuerer Zeit fast überall die Schnellverzinnungsmethode mit Walzenkessel getreten. Hierbei geschieht meist die erste Verzinnung, das Ein- brennen, in derselben Weise, wie angegeben. Um sehr gute Weiss- bleche zu erhalten, kann man aber auch das alte Verfahren noch mit dem Walzenkessel verbinden. Das verzinnte Blech kommt bei dem abgekürzten Verfahren in ein zweites Gefäss mit Fett und von da in den englischen Zinntopf (Walzenkessel), wo es zwischen drei, fünf oder mehr parallelen Walzen in das flüssige Zinn eingetaucht wird. Die Tafel gelangt dann durch ein unteres Walzenpaar nach oben und tritt zwischen den folgenden oberen Parallelwalzen fertig verzinnt heraus, wo es von einem Arbeiter abgenommen wird. Es folgt nun die Reinigung der Weissblechtafel entweder mit der Hand oder mit der Maschine. Erst gelangt das noch heisse Blech in steil geneigter Stellung auf ein Gestell, um überflüssiges Fett und Zinn ablaufen zu lassen, dann wird es in drei Operationen zur Entfettung durch immer reinere Kleie hin und her gezogen und zuletzt mit Filz- Blechfabrikation. lappen abgeputzt. Dieselben Operationen vollführen rascher und sicher die Reinigungsmaschinen, von denen wir besonders die von Goes er- fundene, von Främbs auf dem Rasselstein bei Neuwied mit Erfolg eingeführte erwähnen. Der Verbrauch von Weissblech erfuhr eine ausserordentliche Steigerung durch seine Verwendung als Packmaterial besonders für Konservenbüchsen. Davon entfiel der bei weitem grösste Teil auf die Vereinigten Staaten. Den grössten Vorteil hiervon hatte zunächst noch England Siehe C. Trubshaw , Die Weissblechfabrikation in England 1883, in Stahl und Eisen 1883, S. 473. , das diesen Fabrikationszweig fast monopolisiert hatte und dem es gelang, durch Steigerung seiner Produktion bis in die neunziger Jahre hinein, seine herrschende Stellung zu behaupten. Fast sämtliche Weissblechfabriken Englands lagen in Südwales und Monmouthshire. 1862 zählte man 106 Walzwerke für diesen Zweck mit 50000 Tonnen Produktion, 1872 218 Walzwerke mit 120000 Tonnen, 1881 389 Walzwerke mit 245000 Tonnen Erzeugung, die in 6850000 Kisten verschickt wurden. 1881 betrug der inländische Verbrauch 62500 Tonnen, während fast die ganze übrige Produktion nach Amerika ging. Etwa drei Viertel des Weissblechs wurden zu Büchsen verarbeitet. Von der Weissblechfabrikation in England bis zum Jahre 1883 ist kurz noch folgendes zu bemerken. Das Zinn, was dafür verwendet wurde, kam fast gar nicht mehr aus Cornwall, sondern aus Asien und Australien, zumeist von Banka und Billiton. 1856 hatte man bereits die erste Weissblechplatte aus Bessemerstahl hergestellt, aber erst 1875 gelang es, das Flusseisen mit Erfolg anstatt des Holzkohleneisens in dieser Fabrikation zu verwenden und zwar war dies Flammofen- flusseisen aus Siemens-Martinöfen. Am meisten kam Siemensflusseisen von Landore mit 0,05 bis 0,14 Prozent Kohlenstoff zur Verarbeitung. Dieses Eisen war in Siemens-Regenerativ-Flammöfen mit saurem Futter bei 8,5 Tonnen Einsatz aus eigenem, Cumberländer und schottischem Roheisen und Abfalleisen, wozu nach vier bis fünf Stunden 1200 bis 1500 kg Bilbaoerze gesetzt wurden, erzeugt. Zum Schluss wurde etwas Spiegeleisen oder Ferromangan zugesetzt. 1883 trat dann basisches Flusseisen in erfolgreichen Wett- bewerb. Beliebt war das in Clapp-Griffith-Konvertern erzeugte Eisen. Durch Anwendung des Flusseisens an Stelle des Schweisseisens war die Schwarzblechfabrikation wesentlich vereinfacht. Man veranschlagte Blechfabrikation. in England die Ersparnis durch geringeren Abbrand, weniger Glüh- spanbildung beim Walzen und weniger Ausschussbleche auf 30 Prozent. Die Flusseisenbleche bedurften wegen ihrer glatten Oberfläche weniger Zinn, dagegen mehr Beizsäure bei der Weissblechfabrikation. Das Verzinnen geschah nicht mehr mit der Hand, sondern mechanisch. Fünf gusseiserne Kästen standen nebeneinander, von diesen war der erste und der fünfte mit Petroleum oder Talg gefüllt, die drei mittleren mit flüssigem Zinn. Die zu verzinnenden Bleche passierten die fünf Kästen. Dies geschah nach den Patenten von Cookley und Maywood dadurch, dass sie durch Walzen geführt wurden, um die Dicke der Zinndecke zu regeln und ein schönes Aussehen zu erzielen. Die fertigen Bleche wurden dann von Knaben mit Kleie und Schafs- leder abgeputzt. Zahlreiche Patente für die mechanischen Vorrichtungen bei der Weissblechfabrikation wurden besonders seit 1889 genommen, von denen wir hier nur einige kurz anführen wollen. 1884 erfand Taylor eine Verzinnmaschine (D. R. P. Nr. 27180). 1887 nahmen Edwards, Lewis und Jones in England ein Patent (Nr. 17169) auf einen verbesserten Verzinnapparat, desgleichen Maskrey und Crumbin auf einen verbesserten Zinnherd (D. R. P. Nr. 41779), der aus zwei Abteilungen, dem Grob- und dem Walz- kessel, bestand und bei dem der Transport durch das mit Fett be- deckte Metallbad vermittelst einer über Rollen geführten Mitnehmer- kette und Führungsschienen geschah. 1888 liesen sich Brazier und Thompson einen Verzinnkessel patentieren (Engl. Pat. Nr. 14807). In dem Verzinnkessel von Adolph Gutersohn in Ford Road (D. R. P. Nr. 46857) wurden die Bleche in einem Durchstich durch drei hintereinander stehende Walzenpaare geführt. Die Engländer J. Gl. Thomas und G. H. White nahmen 1889 ein deutsches Patent (D. R. P. Nr. 51446) auf ein Verzinnungsver- fahren, dessen Princip darin besteht, dass das Blech in einem einzigen Bogen durch zwei Zinnkessel von verschiedener Temperatur geführt wird. Der niedrigere Eintrittskessel ist mit hoch erhitztem Zinn gefüllt. Jeder Kessel hat besondere Feuerung und Führungswalzen. Thomas Turner zu Marshalton (Delaware) schlug vor, das Scheuern der Schwarzbleche durch auf 200° C. überhitzte Dampf- strahlen, die in Winkeln von 30° auftreffen, zu vollziehen, während die Bleche durch zwei Walzenpaare gleichzeitig geführt werden. Das Blechfabrikation. Beizen der Bleche sollte unter Zuhülfenahme des elektrischen Stromes geschehen. Putzmaschinen für das Weissblech erfanden Jos. Klee in Schalke 1887 (D. R. P. Nr. 41270), James Abbott in Blaina 1889 (Engl. Pat. Nr. 10116). Gutersohns Patent von 1889 (D. R. P. Nr. 46857) umfasste auch ein Verfahren zum Trocknen und Einfetten der Bleche. Er lässt das Blech durch eine Lösung von Ammoniakkarbonat mit Palmöl und dann durch drei Walzen gehen, eine Streckwalze, eine Gummiwalze, um die Feuchtigkeit abzuquetschen, und eine Walze mit elastischer Oberfläche, deren unterer Teil in Palmöl taucht, zum Einfetten. Von da kommen die Bleche in den Zinnkessel. Bis 1890 beherrschte England den Zinnhandel noch fast aus- schliesslich. Es produzierte 90 Prozent des gesamten Weissbleches. 1889 betrug seine Produktion 430623 Tonnen; hiervon gingen 336692 Tonnen in 5559734 Kisten nach den Vereinigten Staaten. Dies änderte sich durch die McKinley-Bill von 1890, bezw. die Weiss- blechklausel vom Juli 1891, die den amerikanischen Eingangszoll auf Weissblech verdoppelte. Durch diesen Schutzzoll begann die Weiss- blechfabrikation in den Vereinigten Staaten aufzublühen und nach wenigen Jahren zu grossartigem Aufschwunge zu gelangen. Man nahm die englischen Einrichtungen zum Muster, führte aber mancherlei Verbesserungen in der Fabrikation ein. Wie in anderen Betrieben, so stellten auch hier die Amerikaner Massenerzeugung und mechanischen Betrieb in den Vordergrund. Sie emanzipierten sich sofort von dem altmodischen Grundsatze, die Fein- bleche in einzelnen kleinen Tafeln zu walzen, indem sie statt dessen lange, bandförmige Bleche walzten, diese beizten und verzinnten und hierauf erst mit Scheren in die gewünschten Längen zerschnitten. Ein solches System liessen sich David Evans und R. C. Alcott in Ausonia (Conn.) 1889 patentieren (Amer. Pat. 408832); ihre Vor- richtungen bestanden aus langem, horizontalem Tisch, Glättewalzen, Bürstenwalzen in einem Säurebehälter und Quetschwalzen in dem Zinnkessel. S. Y. Buckman , Philadelphia, führt nach seinem Patent von 1891 das Schwarzblechband zwischen Walzen der Beizpfanne zu, nach dem Austritt aus dieser wird es durch Bürsten mechanisch ge- scheuert, durch Spritzrohre abgewaschen, gelangt dann durch einen Trockenofen in einen Salmiakkessel, von da in einen U-förmigen Zinnkessel mit Walzenführung und von da durch Glättewalzen auf eine Trommel, auf der das fertige Weissblechband aufgerollt wird. Blechfabrikation. Putzmaschinen für Weissblech liessen sich Powell und Williams (Pa.) und Sculier 1890 Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 421. (D. R. P. Nr. 55468), sowie Davies und Phillipps Daselbst 1891, S. 935. (Amer. Pat. Nr. 450929) und Andere patentieren. Der Amerikaner D. Edwards , der sich eine Anzahl von Ver- besserungen bei der Weissblechfabrikation schützen liess, erfand 1891 auch ein sinnreiches Verfahren, die einzelnen Bleche eines Buschens oder Stosses durch einen mit Saugnäpfen versehenen Greifer aufzuheben und durch den mit Walzen versehenen Zinnkessel auf den Rechen zu führen (D. R. P. Nr. 66736 und 68015). Die Fortschritte der Weissblechfabrikation in den Vereinigten Staaten kamen in der Weltausstellung zu Chicago 1893 deutlich zur Anschauung. Ausser den vorzüglichen mechanischen Verbesserungen ist dabei auch die rationelle Anordnung hervorzuheben. So erreichen die amerikanischen Fabriken eine Zeitersparnis, also Mehrproduktion dadurch, dass sie die Kaltwalzen hinter die Heisswalzen stellen, während man sie in England nebeneinander anordnet. Das System des Bandwalzens an Stelle des Tafelwalzens wurde in Deutschland durch das früher schon erwähnte, von Direktor C. Wittgen- stein in Teplitz erfundene und von der Märkischen Maschinenbau- gesellschaft in Wetter durch Direktor Trappen ausgeführte, 1893 patentierte (D. R. P. Nr. 69671) Feinblechwalzwerk Daselbst 1892, S. 999; Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1893, S. 307. eingeführt. Der bis auf 50 mm Stärke vorgewalzte Flusseisenblock von 300 mm wird in einem Lauth schen Trio auf 5 mm Dicke vorgewalzt und dann in einer Hitze durch ein System von fünf hintereinander stehenden Duowalzen mit zunehmender Geschwindigkeit auf 1½ bis 2 mm ausgewalzt Zeitschr. deutsch. Ingen. 1893, S. 1242. . Das Band von 14 bis 17 m Länge kommt direkt unter Scheren. Die Leistung betrug 1892 30000 kg Feinblech in 24 Stunden. Nach einem Patent von H. Hewitt in Birmingham (Engl. Pat. Nr. 1414 vom 25. Januar 1892 Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 298. ) wurden zum Herunterwalzen dünner Bleche drei Walzenpaare in einem Gerüst so angeordnet, dass die Tafel immer auf der Arbeitsseite austritt, um gleich wieder in die enger gestellten Walzen eingeführt zu werden. Ähnliches wollte Herm. Meyer in Düsseldorf (D. R. P. Nr. 65878 vom 23. Februar 1892) durch eine selbstthätige Umführung der Bleche mittels endloser Ketten mit einem Walzenpaar erreichen. Blechfabrikation. Die Beiz- und Reinigungsvorrichtungen Aufsatz von W. Strecken in den Verhandl. zur Beförderung des Gewerbe- fleisses 1887; Stahl und Eisen 1893, S. 978; 1897, S. 799. wurden ebenfalls in den Vereinigten Staaten verbessert und dem Grossbetriebe angepasst. In der grossen Weissblechfabrik zu Demmler bei Pittsburg wurden 1893 J. von Ehrenwerth , Das Berg- und Hüttenwesen auf der Weltaus- stellung zu Chicago, S. 296. in einem Apparat nach dem System „Mesta“ in 12 Stunden an 1000 Kisten zu 49 kg gebeizt, wobei nur ein Mann und ein Junge erforderlich waren. Sehr vervollkommnet wurden die mechanischen Verzinnungstöpfe, in denen die Verzinnung durch ein einmaliges maschinelles Durch- führen durch den Apparat erreicht wurde. Fig. 331 zeigt den von der St. Louis Stamping Co. verwendeten Verzinnungstopf von Daniel Fig. 331. Edwards, Richard Lewis und Philipp Jones (Engl. Pat. vom 16. Mai 1887, Nr. 7139). Das Gefäss rechts enthält Zinn, das folgende Fett, das dritte reines Zinn für die Vollenddecke, der vierte Raum über dem Zinn Fett. Die Töpfe werden durch unterhalb liegende Feuerungen erwärmt. Die Bleche werden in das erste Walzenpaar eingeschoben und nehmen dann von selbst den vorgeschriebenen Weg. In 10 Stunden können in einem Apparat 7200 Bleche, also etwa 64 Kisten, verzinnt werden. Die Taylor Co. in Philadelphia bediente sich eines von Taylor und Struve erfundenen Verzinnungs- topfes Siehe von Ehrenwerth , a. a. O., S. 298. (Amer. Pat. Nr. 453304), der als Taylor-Leyshons Ver- zinnungsmaschine auch in Europa Eingang fand. Blechfabrikation. Eine von Rogers \& Player 1894 erfundene Verzinnungs- maschine Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 802, Fig. 3. (D. R. P. Nr. 56665), „The iron man“ genannt, bedarf nur einen Mann zur Bedienung. Bei den Verzinnungsmaschinen von Taylor, Struve \& Co. in Briton Ferry und von Player in Clydach werden die Bleche horizontal bogenförmig ein- und durchgeführt. Bei allen neueren Verzinnmaschinen kommt Palmfett und Zinkchlorid zur Verwendung. Eine mechanische Vorrichtung zum Ausheben des Weissblechs aus dem Zinnkessel erfand E. Norton in Maywood (Ill.) 1895 (D. R. P. Nr. 82897). Zum Trennen der aufeinandergewalzten Schwarzbleche bedient man sich in Amerika einer von Williams \& White erfundenen Maschine Daselbst 1898, S. 695 u. 800. (D. R. P. Nr. 92346); zum Beizen eines der von David Grey in Maesteg, von Milbroock \& Co. in Swansea und von Taylor \& Struve in Briton Ferry patentierten mechanischen Beizverfahren. Das Putzen der Weissbleche geschieht in Amerika ebenfalls nur durch Maschinen Daselbst 1898, S. 807. . Während die englische Weissblechfabrikation in den neunziger Jahren zurückging, nahm die der Vereinigten Staaten rasch zu. Englands Erzeugung erreichte im Jahre 1891 den Höhepunkt mit 448379 Tonnen, dieselbe sank 1895 auf 366120 Tonnen. Die Vereinigten Staaten, die 1891/92 nur 5803 Tonnen Weissblech dargestellt hatten, erzeugten 1897 260711 Tonnen, dementsprechend sank die englische Einfuhr nach Nordamerika und zwar von 535143 Tonnen im Jahre 1891 auf 113046 Tonnen im Jahre 1895/96. Die Herstellung von verzinkten, sogenannten galvanisierten Blechen Jern Kontorets Ann. 1881, Heft 8. hat ebenfalls sehr zugenommen. Die gewellten Bleche waren meistens galvanisiert. Für die verzinkten Bleche nahm man ordinärere Schwarz- bleche und grössere Tafeln. Dementsprechend waren die Beizbottiche und die aus Schmiedeeisen gefertigten Verzinkungskästen viel grösser, als die entsprechenden Gefässe bei der Weissblechfabrikation. So waren beispielsweise 1881 die Verzinkungspfannen in Cleveland (Ohio) 2,5 bis 3,7 m lang, 0,61 m breit und 1 bis 1,3 m tief und fassten 18 bis 25 Tonnen geschmolzenes Zink. Um die Oberfläche der verzinkten Bleche schön geflammt zu erhalten, setzte man dem Bade wöchentlich Blechfabrikation. zwei Zinkblöcke zu. Das geflammte oder krystallinische Aussehen wurde auf die verschiedene Erstarrungstemperatur des alten unreinen und des zugesetzten reinen Zinns zurückgeführt. Eine ganz neue Verwendung fand das Blech als sogenanntes Streckblech (expanded metal) für Betonbauten. Durch parallele Schnitte wurde das Blech zerteilt zu einem Netzwerk ausgezogen, was Drahtgewebe ähnlich war und dieses ersetzte. Es war eine ameri- kanische Erfindung Siehe Stahl und Eisen 1898, S. 761 u. 826. von J. French Golding in Chicago (D. R. P. Nr. 84345 vom 29. August 1894), die aber auch in Europa rasch in Aufnahme kam. In Deutschland stellt die Firma Schüchtermann \& Kremer in Dortmund dieses Streckmetall dar. Sehr bedeutend waren die Fortschritte der Fabrikation der Grobbleche in dieser Periode, infolge der Verwendung des Fluss- eisens und der Verbesserungen der Walzwerke. Auch für sie war die Erfindung von Thomas-Gilchrist und die Einführung des basischen Verfahrens von hervorragender Bedeutung. Unter den Grobblechsorten waren es besonders Wellbleche, Schiffsbleche und Kesselbleche, die immer steigende Verwendung fanden. Bessemer- flussstahl war schon vor dem Jahre 1870 bei dieser Fabrikation verwendet worden, aber nur ausnahmsweise mit ökonomischem Vorteil. Die grosse Verbilligung des Flusseisens nach der Einführung des basischen Verfahrens bewirkte seit 1880 eine rasch zunehmende Verwendung des Thomas- und des basischen Martinflusseisens, so dass diese auch hier den Sieg über das Puddelschweisseisen davon- trugen und dessen Verbrauch für die Blechfabrikation mehr und mehr einschränkten. Bei der Dampfkesselfabrikation ging dieser Übergang nicht ohne Kampf vor sich. Das Flusseisenblech bot für die Verarbeitung manche Schwierigkeiten, die erst erforscht und überwunden werden mussten. Es lässt sich schwieriger schweissen, verträgt keine Bearbeitung in der Blauhitze und rostet leichter. Sein grosser Vorzug liegt bei blasenfreiem Material in seiner Homogenität. Man verlangte mit Recht von den Flusseisenblechen höhere Qualitäts- ziffern als von Schweisseisen. Nach der Stuttgarter Delegierten- versammlung des internationalen Verbandes der Dampfkessel-Über- wachungsvereine im Juni 1890 Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 879. wurde dieselbe für Feuerbleche z. B. wie folgt festgesetzt: Blechfabrikation. Ehe man das weiche Flusseisen kannte und nur höher gekohlte Bessemerstahlbleche verwenden konnte, waren die Festigkeitsziffern ganz andere gewesen. So verlangte man in Frankreich 1861 bis 1863 von Flusseisenkesselblechen eine Zerreissfestigkeit von 60 bis 70 kg und 7 bis 10 Prozent Dehnung, während diese Zahlen 1885 von der französischen Marine auf 40 kg und 28 Prozent festgesetzt wurden. In Deutschland teilte man damals die Flusseisenbleche in weiche von 37,6 kg, mittelweiche mit 39 kg und harte mit 45,45 kg Zerreiss- festigkeit. Die deutsche Marine forderte 1887 für Dampfkesselbleche noch eine Zerreissfestigkeit von 42 kg, die aber dann besonders auf Betreiben Krupps auf 40 kg ermässigt wurde. Sehr hohe Anforde- rungen stellte die amerikanische Marine damals, die meistens mit Bessemerblechen zu thun hatte. Sie verlangte 45 kg Festigkeit bei 53 Prozent Kontraktion, modifizierte dieselben später auf 49 kg Festigkeit bei 43 Prozent Kontraktion oder 46 „ „ „ 50 „ „ „ 42 „ „ „ 55 „ „ Im allgemeinen haben sich besonders die weicheren Flusseisen- sorten, wie sie der Thomas-Gilchrist-Prozess und das basische Siemens-Martin-Verfahren liefern, bei der Kesselblechfabrikation sehr bewährt und hat sich dadurch Deutschland nicht nur von der Über- legenheit Englands befreit, sondern Bleche erzeugt, die an Güte die altrenommierten Sorten von Lowmoor und Bowling erreichten oder übertrafen; besonders leisteten die rheinisch-westfälischen Werke, namentlich Piedboeuf, und das Borsigwerk in Oberschlesien hierin hervorragendes, so dass z. B. schon 1884 Bleche des letztgenannten Werkes von England bezogen wurden. Ebenso zeichnete sich 1887 das Thomasblech von Peine durch seine Weichheit und Güte, die es dem Lowmoorblech ebenbürtig machte, aus. Nach der Ver- öffentlichung von J. Wild hatte es folgende Begleitbestandteile: Kohlen- stoff 0,08, Phosphor 0,05, Mangan 0,40 bis 0,45, Silicium nur in Spuren, Blechfabrikation. Schwefel nicht über 0,03 bis 0,04 Prozent. Nach Wild ist Thomas- blech mit 0,10 Prozent Kohlenstoff schon zu hart, mit 0,06 Prozent zu weich. Nach Kreuzpointner hatte gutes amerikanisches Kesselblech aus Martinflusseisen, das aber keine Bearbeitung in der Blauhitze vertrug, folgende Zusammensetzung: Kohlenstoff 0,11 bis 0,17, Mangan 0,38 bis 0,55, Silicium 0,01 bis 0,05, Phosphor 0,03 bis 0,06, Schwefel 0,02 bis 0,03 Prozent. Von den Fortschritten der Fabrikation erwähnen wir zunächst zwei, die zwar nur interessante Versuche geblieben sind, immerhin aber ein geschichtliches Interesse verdienen. Beide bezwecken, Blech direkt aus dem flüssigen Metall herzustellen. Joh. Whitley wollte Schiffsbleche durch Centrifugalkraft her- stellen Siehe Stahl und Eisen 1884, S. 296, 374. und erbaute hierfür 1884 ein Werk bei Leeds. Sein Apparat bestand aus einem hohlen, rotierenden Metallcylinder, innen mit Ganister oder sonstigem feuerfesten Material ausgefüttert und glatt gestrichen. In diesen Cylinder liess er Flusseisen durch hohle Röhren mit seitlichen Öffnungen einströmen. Durch die Centrifugalkraft ver- teilte sich das Metall an der Innenwand und bildete einen hohlen Cylinder, welcher zerschnitten und zu Schiffsblech ausgewalzt wurde. Dieser Betrieb wurde einige Zeit fortgesetzt. Die Idee des Hohlgusses durch Centrifugalkraft war bekanntlich nicht neu (s. Bd. IV, S. 109). Petin, Gaudet \& Co. hatten ihn in Frankreich in den sechziger Jahren auch bereits auf den Guss von Radbandagen aus Flusseisen angewendet, allerdings ohne Erfolg, weil sich die erhaltenen Bandagen nicht schmieden liessen. Das andere Verfahren, das gegen Ende der achtziger Jahre zahl- reiche Versuche in den Vereinigten Staaten veranlasste, war die Herstellung von gewalztem Blech unmittelbar aus flüssigem Metall durch Eingiessen zwischen Walzen. Diese Idee der Herstellung end- loser Bleche direkt aus flüssigem Metall war durchaus nicht neu. Der grosse Erfinder Henry Bessemer hatte sie schon 1846 für Glas und Blei praktisch zu machen gesucht. Nachdem der pneu- matische Prozess und die Herstellung des Bessemerflussstahls gelungen war, übertrug H. Bessemer seinen früheren Plan auf dieses Metall, indem er sich die direkte Darstellung von Blech und Stabeisen aus flüssigem Bessemereisen am 24. Januar 1857 (Pat. Nr. 221) patentieren liess. Eine praktische Verwertung fand das Patent damals nicht. Blechfabrikation. Derselbe Gedanke wurde in der Folge von anderen Erfindern aufgegriffen, so von James Robertson in seinem Patent vom 20. Dezember 1869 (Nr. 3677) und von James Clarke in zwei Patenten vom 12. Oktober 1870 (Nr. 2699) und vom 11. April 1871 (Nr. 953). Um die Mitte der achtziger Jahre machte Friedr. C. G. Müller in Brandenburg denselben Vorschlag für die Drahtfabrikation und sollen auch in Deutschland Versuche dieser Art damals gemacht worden sein. Mit Ernst wurde aber erst Ende der achtziger Jahre dieser Gedanke in den Vereinigten Staaten zur Ausführung gebracht. O. W. Potter zu Maywood bei Chicago erbaute ein Walzwerk für die Darstellung von Blech aus flüssigem Flusseisen, mit dem er in einer Minute 400 Fuss Blech von 6 bis 8 Zoll Breite und 0,015 Zoll Dicke herstellte. Die hohlen Walzen waren durch Wasser gekühlt. Das Walzwerk war mehrere Monate in Betrieb Siehe Engin. and Mining Journal 1889, p. 483. . Edwin Norton und John George Hodgson in Maywood (Illinois) liessen sich ein Walzwerk zur Herstellung von Blech aus flüssigem Metall im Juli 1889 auch in Deutschland patentieren Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 637 mit Abbildung. (D. R. P. Nr. 52002). Henry Bessemer empfahl darauf 1891 dieses Verfahren auch in England wieder Siehe Iron 1891, p. 38, 309. . Von weit grösserer praktischer Bedeutung war der grossartige Aufschwung, welchen die Fabrikation und Verwendung von Well- blech in diesem Zeitraum nahm. Wellblech war schon in den fünfziger Jahren in England für Dachbedeckungen in Gebrauch ge- kommen Siehe Dingler , Polyt. Journ. 1858, Bd. 149, S. 398. . Es wurde durch Pressung mit einem Stempel hergestellt. Aber schon am 13. Juni 1856 erhielt John Le Chapelaine ein Patent auf eine Art Walzwerk zum Wellen von Blechen, die als Träger dienen sollten (Engl. Pat. Nr. 1403). Eigentliches Träger- wellblech, bei dem die Wellenhöhe grösser ist als die halbe Wellen- breite, wurde zuerst von der Firma Wesenfeld jun . 1875 in den Handel gebracht. C. L. Wesenfeld in Barmen nahm 1877 zwei deutsche Patente (D. R. P. Nr. 2469 und 2490) auf seine Wellblech- presse Vergl. Otto Vogel , Über Fabrikation und Verwendung von Wellblech in Stahl und Eisen 1894, S. 538. . Seit jener Zeit gewann die Wellblechfabrikation rasch an Um- fang und Bedeutung. Anfangs wurde das gewellte Blech nur gepresst. Blechfabrikation. Es folgten in Deutschland die Wellblechpressen von R. Simony (D. R. P. Nr. 4238) und von Jacob Hilgers (D. R. P. Nr. 4238) 1878, von Paul Schröter in Neuwied 1879, von Thyssen \& Co. in Mül- heim a. d. Ruhr 1881 u. s. w. Anfang der achtziger Jahre begann man die Wellbleche durch Walzwerke herzustellen. Bei den ältesten waren die Walzen wellenförmig gefurcht und wurden allmählich nach jedem Durchgang des Bleches durch Senken der Oberwalze einander genähert So z. B. nach dem Patent von A. Bachmeyer in Berlin von 1882 (D. R. P. Nr. 19949). . Dann ging man zu Walzen über, die in ihrer Längs- richtung gewellt waren, in die das Blech seiner Breite nach ein- gesteckt wurde. Bei diesen wie bei den vorhergehenden liessen sich nur geringe Wellentiefen erreichen; auch erforderte jedes andere Profil andere Wal- zen. Diesem Missstand begegnete Vital Daelen in Berlin 1882 dadurch, dass er die Profile durch verstellbare Formringe her- stellte (D. R. P. Nr. 19949). Mit drei Satz Formringen liessen sich auf diese Art Fig. 332. sämtliche gebräuchlichen Profile herstellen. Gottfried Kammerich in Berlin konstruierte 1883 ein Wellblechwalzwerk mit mehreren hintereinander liegenden Walzenpaaren. Zur Herstellung sehr langer Bleche erfanden Ludwig Potthoff und Adolf Schiller 1884 ein Walzwerk (D. R. P. Nr. 31674), welches unter dem Namen Baroper Walzwerk bekannt wurde. Es besteht aus drei Walzen (Fig. 332), die so profiliert sind, dass erst der Wulst H bei dem dritten Durchgang das richtige Profil des Wellblechs erzeugt. Das Blech wird von links nach rechts immer um das halbe Profil verschoben und zeigen a, b, c, d, e die fortschreitende Furchung des Bleches. Zur Herstellung von Wellblechen beliebiger Länge und Breite konstruierte Fr. Moll 1887 eine Maschine (D. R. P. Nr. 42528), die mehr einem schweren Wagen, dessen Räder die Wellen einpressen, Beck, Geschichte des Eisens. 54 Blechfabrikation. ähnlich ist. Die gleichzeitig erzeugten Wellen liegen nicht neben- einander, sondern in einem gewissen Abstand, der aber zur Wellen- breite in bestimmtem Verhältnis steht. Ein rationelles Walzwerk zum Biegen (Bombieren) von Wellblech erfand Adolf Hohenegger zu Karlshütte bei Teschen 1888 (D. R. P. Nr. 45919). Für das Walzen von Blechen mit hohen Rippen, Riffelblech, nahm C. Löhr in Meggen 1893 ein Patent (D. R. P. Nr. 68691). Das Wellblech wurde in der Regel verzinkt (galvanisiert). Nicht nur Dach- und Trägerblech wird gewellt, sondern auch starkes Kesselblech für die sogenannten Kessel- schüsse zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen den Dampf- druck. Solche gewellte Kesselbleche verarbeitete z. B. die Firma Schultz, Knaudt \& Co. in Essen schon Ende der siebziger Jahre und erfand dafür 1879 ein Bombierwalzwerk zum Biegen der Bleche (D. R. P. Nr. 11358). In England stellte S. Fox in Leeds 1885 gewellte Dampfkessel- Flammrohre her. Das Kesselblech wurde erst gewellt und geschweisst, sodann wurden mit Ausnahme der Längsfugen der Schweissnaht Rippen eingewalzt, welche die Widerstandsfähigkeit gegen Druck bedeutend — von 16 kg auf 71 kg pro Quadratcentimeter — erhöhten. Zur Herstellung längsgewellter Kesselschüsse erfand A. Wulf in Berlin 1887 ein Walzwerk, während J. G. Lawrie für quergewellte Kesselschüsse ohne Naht ein Walzwerk mit Anwendung erhitzter Gussformen einführte. Für die Herstellung von Blechringen für Dampfkessel aus einem Stück ohne Naht war 1886 zu Barrow in England ein grossartiges Walzwerk von 3000 Pfdekr. nach Art der Radreifenwalzwerke erbaut worden. Was die Fortschritte der Formgebung bei den Schwarz- und Grobblechen im allgemeinen betrifft, so liegen diese wie bei der Fein- blechfabrikation besonders in dem Walzen sogenannter endloser Bleche, die zerschnitten wurden, an Stelle des Walzens einzelner Tafeln. Dieser Gedanke war schon in dem obenerwähnten Patent von Sir H. Bessemer vom Jahre 1857 enthalten. Er liess sich denselben 1879 von neuem in der Form, dass das Auswalzen in einem einzigen Durchstich erfolgen sollte, patentieren Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 845. . Es geschah dies in der Weise, dass die starken Platinen glühend auf die Breite der Bleche geschnitten und in Platten vorgewalzt wurden. Diese wurden in Blechfabrikation. Retorten gewärmt und dann in einer Hitze fertiggewalzt. Das Walz- werk hatte zwei Zubringewalzen. Die Oberwalze war verstellbar und wurde durch hydraulische Kolben, die in den Ständern angeordnet waren, gegen die mit Wasser gekühlten Lagerschalen angedrückt, dadurch wurde die in den unteren festen Lagerschalen liegende Walze mitgenommen. Hinter den Walzen befand sich ein rotierendes Scherenwerk. Zum Glühen der Platinen und der Bleche wendete man in mehreren Gegenden, z. B. in Österreich, dem Siegerland u. s. w. Flammöfen mit Vorherden, die öfter über einem Teile des Glühherdes lagen, oder Doppelherde an. Die Verbesserung der Walzwerke und Walzenzugmaschinen und die Verarbeitung schwerer Flusseisenblöcke ermöglichten die Her- stellung starker Grobbleche von ausserordentlichen Dimensionen; so sah man 1873 in Wien Brückenblech von Reschitza von 55′ Länge, 12½″ Breite, 3½‴ Dicke. Gutehoffnungshütte zu Sterkrode hatte Kesselblech 17 m lang, 5,3 m breit, 9 mm dick, und Josse Coffin aus Clabesco (Belgien) Lokomotivrahmenblech 25½′ lang, 3½″ breit, 1 3/6‴ dick ausgestellt. Namentlich walzte man Grobbleche viel breiter wie früher; hierfür musste die Ballenlänge der Grobblechstrassen ent- sprechend vergrössert werden. 1886 walzte man auf dem Borsigwerke in Oberschlesien mit Walzen von 3,50 m Ballenlänge Blechplatten von 7000 kg Gewicht sowohl aus Schweisseisen als aus Martinstahl. So schwere Walzwerke mussten als Duo mit Umkehrung arbeiten, obgleich nach Stevensons Angabe (1886) Bleche, die auf in einer Richtung laufenden Walzen hergestellt waren, immer gleichmässiger sein sollten, als die auf Walzen mit Reversierkuppelung gewalzten. In den Vereinigten Staaten zog man auch deshalb für Grobbleche Triowalzwerke vor. Diese erforderten natürlich sehr starke Dampf- maschinen. Ein Musterwalzwerk dieser Art war 1892 das neue Blech- walzwerk von Wellman Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 732. , damals das breiteste Trio in Nordamerika. Es wurde nach Wellmans Angaben von der Garrison Foundry Co. in Pittsburg für die Wellman Eisen- und Stahlgesellschaft in Thurlow, Pa., gebaut. Die Ballenlänge betrug 3350 mm, der Durchmesser der Ober- und Unterwalze je 876 mm, der der Mittelwalze 508 mm. Als Antriebmaschine diente eine direkt wirkende, liegende Corlissmaschine, deren Dampfkolben 1016 mm Durchmesser und 1770 mm Hub hatte. Das Schwungrad wog 50 Tonnen. Die Maschine machte 70 bis 54* Blechfabrikation. 80 Touren in der Minute. Man konnte auf dieser Strasse Bleche von 21½ m Länge und 3200 mm Breite walzen. Die dazu gehörigen Fig. 333. Blechfabrikation. Regenerativwärmöfen Siehe Abbildung Stahl und Eisen, a. a. O. wurden mit Tellerventilen gesteuert. Jeder Ofen hatte ein Ausbringen von 50 Tonnen in 12 Stunden. Dieses System wurde in den Vereinigten Staaten weiter ausgebildet. Das im Jahre 1896 vollendete neue Blechwalzwerk (Fig. 321 bis 323, S. 817, 818) der Illinois-Stahlgesellschaft, Südchicago Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 185. , galt damals als das grösste und bestausgestattete Werk der Vereinigten Staaten. Seine Beschreibung lautete: „Die Walzenstrasse (Fig. 333) besteht aus zwei Lauths chen Triogerüsten; das erste Gerüst in der Nähe der Kammwalzen hat Walzen von 2286 mm Ballenlänge; die Ober- und Unterwalze haben 863 mm und die Mittelwalze 457 mm Durch- messer. Alle sind aus Hartguss. Das zweite Walzgerüst hat Walzen von 3353 mm Länge. Die Ober- und Unterwalzen sind aus Stahl und haben 863 mm Durchmesser, die Mittelwalze ist aus Hartguss und hat 533 mm Durchmesser. Das Walzwerk ist für Blöcke von 610 mm Dicke eingerichtet. Der Tisch handhabt mit Leichtigkeit Blöcke von 7 bis 8 Tonnen Gewicht. Der Antrieb erfolgt von einer Porter-Allen- Maschine, welche bei 1370 mm Cylinderdurchmesser 1925 mm Hub hat und ungefähr 60 Umdrehungen in der Minute macht. Die Blöcke werden von dem Stahlwerk aus mittels einer Schmalspurbahn in das Walzwerk und bis vor die Siemensschen Wärmöfen gefahren. Letztere werden durch eine elektrische hydraulische Beschickungsvorrichtung Vergl. Abbildung Stahl und Eisen 1897, S. 138. bedient. Diese Maschine nimmt die Blöcke aus den Öfen und bringt sie bis zum Ende der Tische, über welche sie auf Rollen gleiten. Nachdem die Blechtafel fertig gewalzt ist, wird sie durch angetriebene Rollen zum Kühlbett geschafft, auf welchem die Tafeln bewegt, gehoben und durch vier Wagen transportiert werden. Letztere laufen auf Schwebebahnen und werden von elektrischen Motoren, wie dies durch punktierte Linien im Grundriss angedeutet ist, bedient. Wenn die Bleche angezeichnet und zum Beschneiden bereit sind, werden sie auf den Tisch hinter die Schere gelegt, in welche sie dann ein- geschoben und nach Bedarf in kurze Stücke zerschnitten werden, während die Kanten auf einer der anderen Scheren zugerichtet werden. Der Raum um jene Scheren wird von zwei elektrischen Kränen von je 5 Tonnen Tragfähigkeit beherrscht. Dieselben dienen dazu, die Tafeln auf Eisenbahnwagen zu legen, welche auf einem am Ende des Gebäudes befindlichen Geleise zur Verladung bereit sind. Die Anlage ist speciell zur Herstellung grosser Blechtafeln be- Blechfabrikation. stimmt, welche in viele kleinere Tafeln zerschnitten werden, wobei man einen grossen Teil des Abfalls, der entstehen würde, wenn die Tafeln einzeln gewalzt würden, erspart. Die Werke besitzen kein Vorwalzwerk, die Bleche werden vielmehr unmittelbar aus den warmen Fig. 334. Blöcken ohne Nachwärmen gewalzt; dabei ergeben sich nur un- bedeutende Störungen durch fehlerhafte Tafeln, aber, wie zu erwarten, entsteht dabei mehr Abfall, als beim Vorwalzen von Brammen. Man bediente sich aber in den Vereinigten Staaten keineswegs Blechfabrikation. ausschliesslich des Dreiwalzsystems bei der Grobblechfabrikation. Das ebenfalls 1896 erbaute grossartige Blechwalzwerk der Bethlehem Eisen- gesellschaft in South Bethlehem Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 215 bis 217. bestand aus einem durch Reversier- maschinen angetriebenen Vorwalzwerk mit je zwei horizontalen und vertikalen Walzen, in Verbindung mit einem Trio- und einem Uni- versalwalzwerk zum Fertigwalzen von Blechen und Platten. In Fig. 324 und 325 (S. 819) und Fig. 334, 335 sind diese Walzwerke im Aufriss, bezw. Längsschnitt dargestellt. Es kommen ganz ausser- ordentliche Kräfte dabei zur Verwendung. Das Vorwalzwerk, das die Produktion von vier 40-Tonnen-Siemens-Martinöfen verarbeitet, wird von zwei von Mackintosh, Hemphill \& Co . in Pittsburg gebauten Maschinen angetrieben, von denen die eine 1168 mm Cylinderdurchmesser bei 1525 mm Hub hat und zum Antreiben der Fig. 335. horizontalen Walzen von 813 mm Durchmesser dient, während die andere von 711 × 1218 mm die vertikalen Walzen von 508 mm antreibt. Beide Maschinen sind mit hydraulischen Reversiervorrich- tungen versehen und imstande, mit einem Dampfdruck von 7 Atmo- sphären 6000 bezw. 2240 H. P. zu leisten. Die Schraubenstellung der Walzen erfolgt durch elektrische Motoren. Die Aikens chen Hebe- tische werden von zwei Zwillingsreversiermaschinen von 305 × 305 mm angetrieben. Der Blockwender wird von zwei hydraulischen Cylindern bewegt. Die hydraulische Schere ist imstande, Brammen von 508 × 1218 mm zu durchschneiden. Das Trio, dessen Ober- und Unterwalze 864 mm, und dessen Mittelwalze 508 mm Durchmesser hat, wird ebenfalls von einer Mackintosh-Hemphill-Maschine von 1168 × 1524 mm angetrieben, die Walzen haben 3251 mm Ballenlänge. Panzerplattenwalzwerk. Das Universalwalzwerk wird von einer 5000 pferdigen Mackintosh- Hemphill-Zwillingsreversiermaschine von 1066 × 1524 mm angetrieben. Die horizontalen Walzen haben 660 mm Durchmesser und 1829 mm Länge; die Oberwalze lässt sich um 457 mm heben; Gewichtsaus- gleichung und Zustellung erfolgen durch Elektromotoren. Die zwei vertikalen Walzenpaare (Fig. 335 a. v. S.) haben je 413 mm Durchmesser. Auf diesem Walzwerke können Bleche von 254 bis 1066 mm Breite und 12,7 mm Dicke auf Längen von 18,3 bis 21,3 gewalzt werden. Bei leichten Blechen kann die Länge bis zu 30 m betragen. Die zahlreichen vorzüglich disponierten Kräne von 5 bis 100 Tonnen Tragfähigkeit, welche diese Walzwerke bedienen, sind sämtlich elektrisch angetrieben. Durch die Verbesserungen der Betriebsvorrichtungen hat man es nach Sir Williams (1898) erreicht, Stahlbleche von 50 mm Dicke zu walzen, die 30 qm bedecken Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 555. . Durch die mechanische Bedienung der Blechwalzwerke hat sich deren Leistungsfähigkeit sehr gesteigert. Als Beispiel nennen wir die neue Blechwalzwerksanlage in Homestead (Pa.) Daselbst 1900, S. 734. , die eine Tagesleistung von 1500 Tonnen hat. Diese gewaltigen Grobblechwalzwerke führen uns unmittelbar zu den ihnen nahe verwandten Panzerplattenwalzwerken . Panzerplattenwalzwerk . Die unablässig fortschreitende Verbesserung der Geschütze und Geschosse zwang zu immer stärkerer Panzerung der Schiffe. Man erhöhte die Widerstandsfähigkeit der Panzerplatten aber nicht nur durch zunehmende Dicke, sondern auch durch die Auswahl und Be- handlung des Materials. Dies war ermöglicht durch die Erfindung des Flussstahls und die Verbesserungen seiner Erzeugung. Die in den siebziger Jahren notwendig gewordene weitere Verstärkung der Panzer- platten war mit Schweisseisen unausführbar, weil man bereits an der Grenze der Dicke und Schwere angekommen war. So wog z. B. der Panzer des französischen Kriegsschiffes l’Admiral Baudin 3942 Tonnen = ein Drittel des Tonnengehalts des Schiffes. Flussstahlplatten boten zwar den Geschossen viel grösseren Widerstand durch ihre Härte, waren aber unhaltbar wegen ihrer Sprödigkeit und zersprangen. Die Idee, Eisen und Stahl zu verbinden, lag nahe. Die Ausführung bot Panzerplattenwalzwerk. freilich Schwierigkeiten. Der erste, dem es gelang, solche Compound- oder Verbund-Panzerplatten aus Eisen und Flussstahl herzustellen, war A. Wilson von der Firma Cammell \& Co . in Sheffield im Jahre 1876. Er goss in einem grossen, aus beweglichen Seitenteilen zu- sammengebauten, aufrechtstehenden Formkasten Flussstahl auf eine eingeformte glühende Eisenplatte auf. Die so hergestellte Verbund- platte wurde in einem Wärmofen erhitzt und dann gewalzt. Erst ver- wendete er Siemensstahl, später auch Bessemerstahl. Die Schweissung zwischen Stahl und Eisen gelang zwar auf diese Weise, liess aber oft zu wünschen übrig. J. H. Ellis bei John Brown \& Co . in Sheffield erfand deshalb (1880) ein anderes Verfahren der Herstellung von Compound-Panzerplatten, dessen Vorzug in der grösseren Schweiss- fläche bestand. In eine starke Eisenplatte wurden 25 cylindrische Stahlklötze eingelassen, hierauf eine Deckplatte gelegt und in einem Formkasten der Zwischenraum mit Flussstahl ausgegossen. Man verwendete Bessemerstahl am besten von 0,6 Prozent Kohlenstoffgehalt. Die Stahllage bildete ein Drittel der ganzen Platte. Man stellte Platten von 483 mm Dicke und 40 Tonnen Gewicht dar. Der Inflexible war das erste englische Kriegsschiff, welches mit solchen Compoundplatten ausgerüstet wurde, die dann in allgemeine Aufnahme kamen. Cammell \& Co . und John Brown in Sheffield waren längere Zeit die einzigen Erzeuger der Compoundplatten. Das 1882 von den Cyklopwerken in Sheffield betriebene Panzer- plattenwalzwerk hatte Walzen von über 140 Tonnen Gewicht und walzte Platten von 485 mm Dicke und 57 Tonnen Gewicht. In Deutschland stellten Dillingen und Friedrich Krupp in Essen zuerst solche her. In Dillingen, wo die Panzerplattenfabrikation auf Anregung des Marineministers von Stosch eingeführt worden war, wurden (1883) starke Eisenplatten aus Paketen von Puddeleisen unter dem Dampfhammer geschweisst, auf 203 mm Dicke ausge- schmiedet, mit einer hydraulischen Presse gerichtet und sodann gehobelt; hierauf wurde die erhitzte Platte mit einem eisernen Rahmen, der durch eine Stahlplatte abgeschlossen war, umgeben und der Zwischen- raum mit Stahl ausgegossen. Die heisse Verbundplatte wurde alsdann mit Vorsicht gewalzt, gerichtet und abgehobelt. Die Stahllage betrug 153 mm, die ganze Dicke also 356 mm, das Gewicht einer Platte etwa 15000 kg. Krupp in Essen goss nach einem patentierten Verfahren (D. R. P. Nr. 25843) Flusseisen und Flussstahl auf beide Seiten einer in der Panzerplattenwalzwerk. Form aufrecht stehenden Platte, wodurch die Cementation des weichen Eisens durch den flüssigen Stahl verhindert werden sollte. Für diese Trennungsplatte verwendete Krupp in der Folge Nickelblech. In Frankreich schlug Sibut ainé ein anderes Verfahren, das er Système cloisonné nannte, vor, welches darin bestand, dass er ein Gerippe oder Gitterwerk von schmiedeeisernen Stäben herstellte und dieses in einer Giessform dann mit flüssigem Stahl ausgoss. — L. Pszczolka in Graz goss erst eine Lage weiches Flusseisen und dann noch, ehe diese ganz erstarrt war, eine Lage Flussstahl darüber. Schneider in Creusot verwendete Martinstahl mit 0,45 Prozent Kohlenstoff. Zu St. Chamond goss man aus zwei Siemens-Martinöfen mit je 10 Tonnen Einsatz eine Lage Stahl von ca. 200 mm auf eine zur Weissglut erhitzte Puddeleisenbramme von ca. 400 mm, erhitzte den Block im Flammofen und walzte ihn dann aus. Diese Masse wurde produit mixte genannt. 1886 verwendete man bereits 550 mm dicke Platten zur Panzerung von Kriegsschiffen. 1889 wurden bei Cammel \& Co . Platten von 65 Tonnen Gewicht gewalzt. Hierzu gehörten ausserordentlich starke Walzwerke. Bereits im Jahre 1886 veröffentlichte die Märkische Maschinenbau-Aktiengesellschaft zu Wetter a. d. Ruhr den Entwurf eines Panzerplattenwalzwerks Siehe Stahl und Eisen 1886, S. 575, Taf. 28, 29. zur Herstellung von Platten bis zu 100 Tonnen Gewicht für Krupp in Essen. Es war als Universal- walzwerk mit 1 m dicken und 3,20 m langen Walzen konstruiert. Die berühmtesten Panzerplattenwalzwerke Frankreichs waren das von Marrel frères zu Rive de Gier, die Marine-Stahlwerke zu St. Cha- mond, wo die Panzertürme des Generals Mougin für die Schiess- versuche in Bukarest 1885/86 hergestellt wurden, die Werke von Chatillon-Commentry, St. Etienne und Creusot. Während die Com- poundplatten in England und Amerika unbedingt bevorzugt wurden, setzte man besonders in Frankreich die Versuche mit Flussstahlplatten fort, indem man sich bemühte, denselben durch Härtung oder Tem- perung eine erhöhte Widerstandsfähigkeit zu geben. Alfred Evrard erhielt 1883 ein Patent auf Härtung (Tempern) von Panzerplatten in einem Bleibade. Die Versuche, welche Lisbonne damit auf dem Stahlwerk St. Jaques bei Montluçon anstellte, ergaben nach einem Bericht des Generals Brialmont , dass 1) die Festigkeit des auf diese Weise gehärteten Stahls vermehrt wird, ohne dass seine Dehnbarkeit abnimmt, und dass 2) Kantenrisse und Werfen vermieden werden. Das Panzerplattenwalzwerk. Härten (Tempern) verbesserte den Stahl in ähnlicher Weise wie das Schmieden. In grossem Massstabe wurde diese Härtung auf den Werken der Compagnie des Forges de Chatillon et Commentry ausgeführt. Zum Erhitzen der Panzerplatten baute man Glühöfen mit abhebbaren Gewölben, aus denen die heissen Platten mittels Kränen gehoben und in das Bleibad getaucht wurden. Schneider in Creusot, der zuerst gehärtete Flussstahlpanzer- platten verwendete, härtete die Stahlplatten in Eis und Kochsalz. Der russische Kapitän Feodosieff schlug 1890 Härtung mit Glycerin und Ammoniak vor. Mehr Anklang fand ein Härteverfahren von T. J. Tresidder in Sheffield mittels Wasserbrause (Engl. Pat. vom 31. März 1891, Nr. 5551, D. R. P. Nr. 74566); einen ähnlichen Vorschlag hatte Jarolimek schon einige Jahre zuvor gemacht Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 144. . Ferner erwies sich ein Zusatz von Nickel als ein vorzügliches Mittel, die Widerstandsfähigkeit der Flussstahlpanzerplatten zu erhöhen. Von Nickelstahl, der zuerst in Frankreich fabrikmässig dargestellt worden war, machten besonders Fr. Krupp in Deutschland und Schneider in Frankreich seit 1886 Gebrauch. In den Vereinigten Staaten hatten Ritchie und Fracy im Sommer 1889 die Aufmerk- samkeit auf Nickelstahl-Panzerplatten gelenkt. Im Jahre 1890 traten bei den Schiessversuchen zu Annapolis in den Vereinigten Staaten Compoundplatten von Cammell \& Co ., gehärtete Flussstahlplatten von Schneider \& Co . in Creusot und amerikanische Nickelstahl- platten von 4 Prozent Nickelgehalt in Wettbewerb. Letztere trugen den Sieg davon, während die Compoundplatten sich am wenigsten bewährten. Ähnlich war das Ergebnis der russischen Schiessversuche vom 11. November 1890 zu Ochta bei Petersburg, wo weiche Fluss- stahlplatten von Vickers \& Co ., Sheffield, harte Flussstahlplatten von Schneider \& Co ., Creusot, Compoundplatten von John Brown \& Co ., Sheffield, mit russischen Holtzer-Granaten beschossen wurden. Auch hierbei zeigten sich die Flussstahlplatten den Compoundplatten überlegen. Eine andere sehr wichtige Verbesserung führte H. A. Harvey in Orange, New Jersey, dadurch ein, dass er weiche Flussstahl-, am besten Nickelflussstahl-Panzerplatten auf einer Seite nachträglich durch Cementation härtete. Am einfachsten geschieht diese einseitige Panzerplattenwalzwerk. Cementation in der Weise, dass man zwei gleiche Panzerplatten in dem Cementierofen aufeinanderlegt, die beiden Aussenseiten in Kohlungs- pulver einpackt und in dem verschlossenen Ofen glüht, was bei Platten von 267 mm etwa 120 Stunden dauern muss Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 760. . Bei den Schiessversuchen zu Indian-Head, Maryland, bewährten sich Harveys gekohlte Nickelstahlplatten am besten. Durch ihre grosse Widerstandskraft gestatteten sie eine beträchtliche Gewichtsersparnis. Sie hatten auch den Vorteil, dass sie weniger schnell rosteten als gewöhnliche Flussstahlplatten. Harveys Fabrikation gekohlter Panzer- platten wurde ausser in den Vereinigten Staaten auch bereits 1892 auf den Aboukoff-Stahlwerken in Russland eingeführt. 1892 wurde in England das damals grösste Panzerschiff der Welt, der Royal Sovereign, mit Harvey-Nickelstahlplatten ausgerüstet. In Amerika pflegte man einen höheren Nickelzusatz zu nehmen als in Europa; so enthielten 1892 Panzerplatten von Annapolis 4 Prozent, von Homestead 3,16 Prozent, französische dagegen nur 0,32 Prozent Nickel. Henri Schneider machte 1896 Platten aus Molybdänstahl (0,2 bis 5 Prozent Mo), dem 0,2 bis 0,3 Prozent Chrom zugesetzt wird (Amer. Pat. Nr. 560150). Harveys Kohlungsverfahren wurde in den folgenden Jahren mehrfach verbessert, z. B. von H. Schneider in Creusot (Amer. Pat. Nr. 515505), H. Lake in London (D. R. P. Nr. 77173), S. Grambow in Rixdorf (D. R. P. Nr. 72547, 74242), besonders aber von Fr. Krupp in Essen, der eine Gaskohlung erfand. Als geeignetes Cementierpulver hatte sich in Amerika eine Mischung von ½ Holzkohle mit ½ Tier- kohle aus den Zuckerraffinerieen erprobt Über Panzerplatten siehe die zahlreichen Aufsätze von J. Castner in Stahl und Eisen 1892, S. 209, 332, 454; 1893, S. 422; 1895, S. 12, 793, 842; 1896, S. 273; 1897, S. 261; 1898, S. 1038; 1899, S. 100. Ferner über französische Panzer- türme 1894, S. 164 und über Panzerforts und Panzerfronten 1894, S. 891. . In den Vereinigten Staaten soll sich nach Weddings Bericht von 1893 Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 1034. die Cementation mit Petroleum gut bewährt haben. Dieses wird auf die glühende Platte aufgespritzt und bewirkt dadurch gleich- zeitig die Härtung. Die Carnegie Stahlgesellschaft in Pennsylvanien presst ausserdem noch die nach dem Harveyprozess behandelten Panzerplatten glühend zwischen den Pressbacken mächtiger hydrau- lischer Pressen, um sie zu dichten (Amer. Pat. Nr. 541594). Auf Panzerplattenwalzwerk. dieses Verfahren erhielt W. E. Corey in Munhall am 11. April 1895 ein deutsches Patent (D. R. P. Nr. 87132). Die Herstellung so starker Panzerplatten aus Flussstahl erforderte grossartige Anlagen, zunächst einer Anzahl grosser Martinöfen von 12 bis 40 Tonnen Einsatz. Aus diesen wird der Flussstahl in eine grosse Giess- und Sammelpfanne abgestochen, aus welcher der Guss in die eingedämmten, mehrteiligen Coquillen erfolgt Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 552. . Der Zusatz von Nickel geschieht in kleinen Säcken zu dem flüssigen Metall entweder im Martinofen oder in der Pfanne. Da Nickelstahl stark lunkert, so schreibt die amerikanische Regierung vor, dass das obere Drittel der Blöcke nicht zur Fabrikation verwendet werden darf. Die ausgehobenen Blöcke kommen in grosse Wärmöfen und von da unter riesige Schmiede- pressen, unter denen sie etwa auf die Hälfte der Dicke herabgeschmiedet werden. Eine von Tannet, Walker \& Co . in Leeds 1889 erbaute Schmiedepresse arbeitete mit 2000 Tonnen, eine von Krupp in Essen 1890 errichtete mit 5000 Tonnen, die im November 1893 auf den Bethlehem Works sogar mit 14000 Tonnen Druck. Die press- geschmiedeten Blöcke werden in den Glühofen des Plattenwalzwerks eingesetzt und unter letzterem auf die verlangte Dicke (meist 270 bis 305 mm) ausgewalzt. Die Panzerplattenwalzwerke sind meistens nach dem Prinzip der Universalwalzwerke mit horizontalen und verti- kalen Walzen versehen. Das 1891 in Betrieb gesetzte neue Panzer- plattenwalzwerk der Homestead Stahlwerke von Carnegie, Phipps \& Co . besass vier horizontale und vier vertikale Walzen. Die vier horizontalen Walzen lagen in einem Gerüste übereinander. Die horizontalen Walzen waren 2800 mm lang, die oberste und unterste hatten 812 mm, die zwei mittleren je 610 mm Durchmesser. Beide Walzenstrassen arbeiteten gemeinschaftlich, obgleich jede für sich von einer eigenen Maschine angetrieben wurde; beides Reversiermaschinen von zusammen 3000 Pferdekräften Siehe ferner: Über die Panzerplattenerzeugung zu Witkowitz, Stahl und Eisen 1894, S. 552. . Weit stärker und von erstaunlicher Leistungsfähigkeit ist das Panzerplattenwalzwerk, welches das Gussstahlwerk von Friedrich Krupp in Essen 1891 in Betrieb nahm. Es wurde nach dem S. 813 erwähnten Programm von der Märkischen Maschinenbauanstalt von Kamp \& Co . in Wetter a. d. Ruhr, nur stärker und mit Ver- besserungen, erbaut. Es ist ein einfaches kräftiges Duowalzwerk mit Reversion und in seiner konstruktiven Anlage Fig. 336 (a. f. S.) ab- Panzerplattenwalzwerk. gebildet. Die Walzen haben 4 m Ballenlänge bei 1 m Durchmesser der grösstmögliche Abstand beträgt 1,3 m. Die Reversiermaschine hat 3500 Pferdekräfte. Die starken geschmiedeten Gussstahlzahnräder übertragen die Bewegung im Verhältnis von 3 : 1 auf die Walzen, die ebenfalls aus geschmiedetem Tiegelstahl hergestellt sind und 90 Tonnen wiegen. Rollbahnen führen auf beiden Seiten die Platte selbstthätig Fig. 336. den Walzen zu, während ein System zwischen den Rollen befindlicher Stahlkegel, welche einzeln oder zu mehreren über das Niveau der Rollen gehoben werden können, das Heben, Versetzen und Drehen der Platten ermöglicht. Das Walzen einer grossen Panzerplatte bietet ein überraschendes Schauspiel, wovon die Zeichnung, Fig. 337 Aus Krupps Gussstahlfabrik von Prof. Dr. Friedr. C. G. Müller . Illu- striert von Felix Schmidt und A. Montan . Düsseldorf 1896. , nur eine schwache Vorstellung geben kann, wenn auf ein gegebenes Panzerplattenwalzwerk. Zeichen die 5 m breite Thür des gewaltigen Wärmofens sich öffnet und die Sohle des Ofens mit der darauf ruhenden weissglühenden Eisenmasse, von unsichtbaren Kräften getrieben, sich vorwärts bewegt, bis die ganze Eisenplatte sich ausserhalb des Ofengewölbes befindet. Fig. 337. Alsbald wird sie an den vier Ecken von starken Haken, die mit Ketten an einem 75-Tonnen-Laufkran hängen, gefasst, schwebend gehoben und auf den Rollgang des Walzwerks gelegt, während die glühende Ofensohle wieder an ihren Platz zurückkehrt. Auf ein Zeichen des Walzmeisters setzt der Maschinist die Rollgänge und das Walzwerk in Bewegung und nun vollzieht sich der ganze Walzprozess Panzerplattenwalzwerk. automatisch. Der Walzmeister, der immer vor der sich vorwärts bewegenden glühenden Platte einherschreitet, giebt mit einer schrillen Pfeife den auf einer erhöhten Kanzel stehenden Maschinisten (rechts auf der Zeichnung) die Signale. Nach jedem Durchgang werden die Walzen durch riesige von Zahnrädern bewegte Stellschrauben enger gestellt, die Maschinen, welche die Rollgänge bewegen, ebenso wie die Walzenzugmaschine umgestellt, so dass alle Bewegungen jetzt in ent- gegengesetzter Richtung erfolgen. Um den Glühspan zu entfernen, werden grosse Reisigbündel auf die glühende Platte geworfen, die, wenn sie von den Walzen gefasst werden, ein knatterndes Knallen, wie ein Pelotonfeuer, hervorrufen. Dies Aufwerfen der Reisigbündel ist die einzige Handarbeit bei dem Plattenwalzen. Die Bramme, die etwa 750 mm dick ist, wird auf etwa 300 mm oder weniger herab- gewalzt. Dabei wird sie anfangs öfter mit Hülfe der oben erwähnten Stahlkegel um 90° gedreht und quergewalzt, bis sie die verlangte Breite hat. Wohl an hundertmal geht die Platte hin und her, bis sie die vorgeschriebene Dicke erlangt hat. Eine von Friedrich Krupp in Chicago 1893 ausgestellte gewalzte Platte war 8270 mm lang, 3130 mm breit und wog 62400 kg. Nach dem Auswalzen gelangt die Platte unter die Biegepresse, eine hydraulische Presse von grosser Stärke, bei Krupp z. B. von 5000 Tonnen Druckkraft, auf der sie gerichtet und nach Bedürfnis ge- krümmt wird. Auch diese Presse gehört zu den Formgebungsapparaten der Neuzeit. Sodann wird die Platte unter Scheren beschnitten. Die nachträgliche Kohlung zum Zwecke der Härtung erfolgt mit Kohlenwasserstoff. Dieses Verfahren war auf den Werken des Kontinents allgemein in Anwendung gekommen, ebenso in England nach dem Patent von Thwaite . Dass die Panzerplatten nicht nur beim Bau der Kriegsschiffe, sondern auch bei der Landbefestigung als gepanzerte Türme, Panzer- lafetten, Panzerforts, Panzerfronten u. s. w. Verwendung fanden, ist bekannt; wir erwähnen nur ihre ausgedehnte Verwendung bei der Maasbefestigung, besonders bei Lüttich und Namur von General Brialmont , die Panzerforts von Bukarest, die Landbefestigung von Kopenhagen, die Panzerfronten am Sereth und an der Donau in Rumänien nach der Konstruktion von Major Schumann . Seitdem man gelernt hat, die Stahlpanzerplatten zu härten und zu biegen, haben sie den Hartguss hierbei vielfach verdrängt. Eine andere wichtige Verwendung der Walzwerke findet bei der Drahtfabrikation statt. Die Drahtfabrikation. Die Drahtfabrikation . Der Bedarf an Draht hatte eine grosse Steigerung durch mancherlei zum Teil neue Verwendungen erfahren. Hiervon ist zu- nächst der Stacheldraht zu erwähnen, der 1873 zu De Kalb in Illinois zuerst dargestellt und anfangs in den Vereinigten Staaten, dann aber auch in der übrigen Welt zu Abgrenzungen und Ein- zäunungen massenhafte Anwendung fand. Die amerikanische Erzeu- gung stieg von 1874 bis 1892 von 5 Tonnen auf 200000 Tonnen. Er wird jetzt meist verzinkt verwendet. Auch die Verwendung von verzinktem und plattiertem glattem Draht fand ausgedehntere Benutzung, ersterer besonders als Geflecht ebenfalls zu Umzäunungen. Grosse Mengen von kupferplattiertem Draht wurden durch die Telegraphie, die elektrische Beleuchtung und die elektrischen Motoren verbraucht. Die Drahtseilfabrikation nahm einen grossen Aufschwung durch die Verwendung zu Treibseilen, Förderseilen und Drahtseilbahnen ( Hodgson, Bleichert, Otto, Pohlig ). Eine neue Verwendung ist die für Bauzwecke in Verbindung mit Cement bei den Monierbauten und in Verbindung mit Glas bei dem von Friedrich Siemens erfundenen Drahtglas. Die Drahtstiftenfabrikation nahm immer grösseren Umfang an. In den Vereinigten Staaten stieg die Drahtnägelerzeugung von 1886 bis 1892 von 600000 auf 4719524 Fass zu je 100 Pfund Gewicht. Für Industrie und Handel war es deshalb von Wichtigkeit, dass im Anschluss an die Wiener Weltausstellung 1874 zwischen den Draht- werken Deutschlands und Österreichs eine neue, einfache, auf das metrische System begründete Drahtlehre vereinbart wurde. 1/10 mm wurde als Einheit zu Grunde gelegt und jede folgende Nummer war um 1/10 mm stärker, so dass also z. B. Nr. 12 1,2 mm dick war. Auch Grossbritannien führte 1883 eine neue, einfachere Drahtlehre ein. Um die Verbesserung der Walzdrahtfabrikation erwarb sich zu Anfang dieser Periode George Bedson in Manchester grosses Verdienst durch die Einführung des kontinuierlichen Walzbetriebes. Einen grossen Aufschwung erfuhr ferner diese Fabrikation durch die Verwendung des Flusseisens, besonders der weichen Produkte, des Thomas- und basischen Herdflusseisens. Man verband Martinöfen mit den Drahtwerken. Die Blöcke für die Drahtbereitung goss man von Beck, Geschichte des Eisens. 55 Die Drahtfabrikation. möglichst kleinem Querschnitt oder legte noch Vorwalzen für die Drahtwalzen an. Die Überlegenheit des Stahldrahts wurde 1876 durch Versuche mit westfälischen Drahtsorten von W. Schultze-Velinghausen in Witten festgestellt. Danach verhielten sich die Festigkeiten von Schweisseisen-, Besssemer- und Tiegelstahldraht wie 1 : 1,46 : 2,46. Die Fortschritte der Walzdrahtfabrikation bestanden vornehmlich in der Steigerung der Leistung und in dem selbstthätigen Betriebe. Die Steigerung der Leistung wurde sowohl durch zweckmässigere Konstruktion und Anordnung der Walzen als durch erhöhte Ge- schwindigkeit, namentlich der Endwalzen, bewirkt. Die Zahl der neuerfundenen und patentierten Drahtwalzwerks- konstruktionen war eine sehr grosse und können wir nur einige der wichtigeren anführen. Sie lassen sich in zwei Systeme teilen, das ältere war das kombinierte Vor-, Rückwärts- und Schlingenwalzen, welches geschulte Arbeiter erfordert, das neuere ist das kontinuierliche Walzen mit mechanischer Einführung, das fast ganz automatisch ver- läuft. Eine Hauptsache dabei ist die richtige Geschwindigkeitszunahme der aufeinanderfolgenden Walzenpaare. In den Vereinigten Staaten erwarben sich J. Washburn und W. Garret besondere Verdienste um die Verbesserung der Walzdrahtindustrie. Für die mechanische Einführung des Drahtes nahmen H. B. Comer 1874 und John Beavis 1876 Patente. Bahnbrechend wurde aber die mechanische Umführung von W. Mc. Callip in Columbus (Ohio) 1877. Die Erhöhung der Umfangsgeschwindigkeit der Walzen erzielte man durch grössere Durchmesser der Walzen, schnelleren Umtrieb und stärkere Antriebsmaschinen. Durch diese Mittel verdoppelte man in der Zeit von 1875 bis 1889 die Leistungen der Drahtwalzwerke. Mitte der siebziger Jahre gehörte zu einer Drahtwalze von 180 bis 200 mm Durchmesser und 300 Umdrehungen ein Schweissofen von 8000 bis 12000 kg Erzeugung in der Schicht, Ende der achtziger Jahre dagegen zwei Gasflammöfen von 25000 bis 30000 kg Leistung für die stärkeren und rascher laufenden Walzen. Die Washburne \& Moen Manufacturing Company in Worcester (Massachusetts) konnte 1876 auf der Weltausstellung zu Philadelphia eine schöne Sammlung amerikanischer Drahtsorten vorführen. Diese grösste Drahtfabrik der Welt, die 1831 von Schweden gegründet worden war, hatte damals bereits eine Jahreserzeugung von 10000 Tonnen. Die Drahtfabrikation. 1876 bediente man sich zum Walzen besserer Drahtsorten des seit 1869 eingeführten Systems von J. Johnson , wobei 16 Walzen zu gleichzeitiger Wirksamkeit kamen und 20 Fuss 5/4zöllige, achteckige Drahtknüppel, die 90 bis 100 Pfund wogen, in einer Minute zu Draht von 3/16 Zoll ausgewalzt wurden. Das erste Walzenpaar machte 16, das letzte 450 Umdrehungen in der Minute. Das System arbeitete bei voller Ausnutzung vorteilhaft und fand auch in England und Russland Eingang. Das Drahtwalzwerk von Bansen Siehe Berg- u. Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 182, Taf. IV, Fig. 22 bis 26. in Bodenbach (D. R. P. Nr. 49 vom 19. Juli 1877) bezweckte dünnere Drähte als seither zu walzen und dadurch das Ziehen des Drahtes teilweise zu ersetzen. Die Kaliber wurden durch drei Walzen, deren Achsen in Winkel von 120° gegen- einander verstellt waren, gebildet. Eine wesentliche Verbesserung war das Universalwalzwerk für Draht und Feineisen von Roy Daselbst S. 181, Taf. IV, Fig. 13 bis 27. in Witten (D. R. P. Nr. 41 vom 25. Juli 1877), bei dem durch sinnreiche Führungen die Zahl der Walzengerüste und der vertikalen Walzen sehr verringert wurde. Nur zwei Walzenpaare lagen hintereinander, alle übrigen darunter. Da- durch konnte das ganze System von acht Walzenpaaren auf einem einzigen Walzengerüst vereinigt werden. Die Knüppel wurden durch Vorwalzen auf 16 mm Quadrat gestreckt und dann auf jeder der acht Walzen mit einem Stich fertiggewalzt. Eine genau gearbeitete Zahn- radübersetzung regulierte die Umdrehungsgeschwindigkeit der Walzen, die im umgekehrten Verhältnis der Kaliberfläche stehen musste. Ein Nachteil bei den kontinuierlichen Walzwerken ist es, dass der Draht mit ungleicher Temperatur die Kaliber passiert. 1878 wurde George Bedsons Walzwerk mit hintereinander liegenden Walzen in den Cambria Works, Johnstown in den Vereinigten Staaten, eingeführt. Die 1877 verbesserten Drahtwalzen von W. Mc. Callip zeichneten sich durch ein System von Drahtführungen (repeaters) aus, welche die Handarbeit überflüssig machten. Auch Morgan Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 74, Fig. 15. erfand 1879 eine selbstthätige Umführung. — J. R. Ramsden gab 1878 eine Vorrichtung zum Härten und Anlassen des Drahtes an, wobei der Draht durch Röhren geführt und durch eine Kohlenwasser- stoffflamme erhitzt wurde. Nach dem Verlassen der Rohre tauchte der Draht in ein Ölbad. 55* Die Drahtfabrikation. Henry B. Comer führte 1880 ein System der stufenweisen Be- schleunigung der Drahtwalzen ein Revue universelle des mines, t. XVII, 2. sér., 1885. . 1880 konstruierte R. Daelen sen . in Düsseldorf ein Drahtwalz- werk, bei dem ähnlich wie bei dem von Roy die Walzen in einem gemeinschaftlichen Gerüste lagen, doch gab er ihnen abwechselnd horizontale und vertikale Stellung. Das Kaltwalzwerk von Alpeter und Horst zu Neuwalzwerk bei Menden sollte wie das von Bansen das Ziehen ersetzen. Im Grunde war es nichts als ein aus Rollen gebildetes Drahtzugkaliber. Zur Reinigung des Walzdrahtes wurden in den siebziger Jahren vielerlei chemische Mittel in Vorschlag gebracht, am besten be- währte sich aber die mechanische Reinigung durch mässiges Biegen zwischen Rollen, wobei die Glühspankruste absprang. Einen Apparat dieser Art erfand Graumann 1876, der von Kugel veröffentlicht wurde. In einem durch Charniere verbundenen Rahmen befinden sich fünf Rollen, drei unten und zwei oben, die etwas ineinander- greifen. Sobald der Walzdraht durchgesteckt ist, wird der Rahmen geschlossen und der Draht durchgezogen. — Eine ähnliche Reinigungs- maschine wurde 1878 von Betz in St. Ingbert eingeführt, worin der Walzdraht in Krümmungen über acht Rollen hin und her gebogen wurde. Hierher gehört auch die Drahtbiegmaschine von Adolf von der Becke zu Ludwigshütte bei Iserlohn. An diese reihten sich die Drahtricht- und Streckmaschinen von Wilh. Böcker in Schalke und von John Adt zu New Haven (Connecticut). 1880 wurde eine Verbesserung zu dem Roys chen Walzwerk, wonach der Draht zwischen den einzelnen Walzendurchgängen selbst- thätig durch einen Glühofen hindurchgeführt wurde, patentiert. Als weitere Fortschritte in den Jahren 1880 und 1881 sind zu erwähnen: das gleichzeitige Ziehen von Draht durch mehrere Zieh- löcher über verschiedene Trommeln, deren Durchmesser im um- gekehrten Verhältnisse der Weiten der Ziehlöcher stehen, von J. Mühl- bacher in Ferlach 1880 und von Kiessing und Möllmann in Iserlohn 1881; eine verbesserte Ziehtrommel von C. D. Rogers zu Providence (V. St.); ein Drahtglühofen von A. Pütsch Siehe Glasers Annalen 1882, Nr. 109. in dem Drahtwerk von Kern \& Co . in Gleiwitz; ein desgleichen von H. Ro- berts in Pittsburg, wobei das Glühen in eisernen Töpfen in einer Muffel geschieht und eine von Roberts 1882 erfundene Zuführung, wodurch mehrere Drähte gleichzeitig durchgewalzt werden konnten; Die Drahtfabrikation. ferner ein Glühtopf, ein Reinigungsapparat und eine Mitnehmevor- richtung (D. R. P. Nr. 23025, 23026, 23027, 23093). 1880 machte Hughes zuerst darauf aufmerksam, dass der Eisen- draht durch Beizen an seiner Festigkeit verliert. Diese „Beizbrüchig- keit“ war die Folge einer Aufnahme von Wasserstoff zu einer Art von Legierung, was A. Ledebur durch Versuche im Jahre 1889 fest- stellte Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 745. . William Garrets verbessertes Schnellwalzensystem wurde 1882 von der Cleveland-Walzwerksgesellschaft in Amerika eingeführt und hierdurch eine grosse Steigerung der Produktion erzielt. Man walzte dabei den Rohblock durch Vorwalzen und Fertigwalzen, deren Kaliber durch Röhrenführungen verbunden waren, in 1½ Hitzen zu fertigem Draht aus. In Deutschland baute die Maschinenbau-Aktiengesellschaft, vor- mals Gebr. Klein in Dahlbruch, 1881 zu Phönix in Laar ein ver- bessertes Drahtwalzwerk, bestehend aus selbständiger Vorwalze, zwei Trios zum Auswalzen und einer Fertigwalze, die alle von einer Ver- bund-Dampfmaschine betrieben wurden. Diese Anordnung fand in Deutschland vielfach Nachahmung, weshalb es Spannagel als „deutsches Walzwerk“ bezeichnete. — Böcker in Schalke A. a. O. 1900, S. 69. arbeitete mit zwei gegenüberliegenden Walzenstrassen, wobei zwei Stiche, wie bei dem kontinuierlichen Walzwerk, selbstthätig vorgingen, während die anderen Stiche durch Umführungen bewirkt wurden. 1882 liess sich Gustav Erkenzweig in Hagen eine selbstthätige Umstechvorrichtung patentieren (D. R. P. Nr. 21498). Durch die Verwendung des Flussstahls nahm die Stahldraht- fabrikation zu Anfang der achtziger Jahre einen grossen Aufschwung, während sich die Erzeugung von Schweisseisendraht noch ziemlich gleich blieb, sie betrug 1880 222322 Tonnen, 1883 214000 Tonnen, während die Stahldrahterzeugung von 1880 bis 1883 von 10800 Tonnen auf 145000 Tonnen stieg. Der Jahresbedarf der Vereinigten Staaten betrug 1884 350000 Tonnen, wovon 125000 bis 150000 Tonnen ein- geführt, 200000 bis 225000 Tonnen auf etwa 30 einheimischen Werken erzeugt wurden. 1884 verband G. Erkenzweig , um dünnen Draht von 3,8 mm Stärke zu walzen, vertikale Walzen, die durch Riemen getrieben wurden, mit den horizontalen. Daelen zog Zahnradübersetzung für die gesteigerte Umdrehungsgeschwindigkeit der Walzen vor. Die Drahtfabrikation. Hugo Kuhne von Hagen erfand eine Drahttrommel mit excen- trischem Anzug und selbstthätiger Auslösung. C. M. Pielsticker in London und Dr. Fr. Müller in Brandenburg empfahlen die direkte Stahldrahtbereitung aus flüssigem Metall. 1884 erfand Sam. Fox einen um eine vertikale Achse drehbaren Glühofen. Selbstthätige Draht-Um- und -Überführungen liessen sich 1885 in Deutschland G. Erkenzweig (D. R. P. Nr. 30752, 37102), Schön- born und Zöllner und 1886 Hoesch in Dortmund patentieren. — Claude Warin in Lyon erfand 1885 eine Drahtziehbank mit un- unterbrochenem Zug (D. R. P. Nr. 35287 und 39316). Das weiche, billige Thomasflusseisen fand besonders in Deutsch- land rasch Eingang in der Drahtfabrikation, während man in anderen Ländern mehr Martinstahl verwendete. Thomaseisen liess sich in den verbesserten Drahtwalzen leicht auf 4,5 mm Stärke auswalzen und noch in derselben Hitze bis 2,6 mm ausziehen. Dieser, so direkt aus Walzdraht fertig gezogene Draht bildete 1886 bereits 70 bis 75 Pro- zent der gesamten Drahterzeugung. Derselbe liess sich ebenso gut wie Mitteldraht blank ziehen und ohne Beize verarbeiten. Das Glühen und Beizen hatte nicht mehr die Wichtigkeit wie früher. 1886 ermittelte Beckert den Verdünnungsfaktor beim Draht- ziehen, den Karmarsch allgemein zu 0,92 angenommen hatte, für westfälisches Eisen zu 0,786 bis 0,940. — In diesem Jahre erfand Daniels (V. St.) einen verbesserten automatischen Haspel. E. H. Martin und E. Beavis bauten in Cleveland, Ohio, ein gut disponiertes Draht- walzwerk mit schrittweise zunehmender Geschwindigkeit der Walzen, die durch Kegelradvorgelege bewirkt wurde Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 181. . 1887 führte W. Garret automatische Drahthaspel in den Ver- einigten Staaten ein, wodurch die Produktion gesteigert wurde. Garrets verbesserter Haspel (Engl. Pat. Nr. 1605 vom 29. Januar 1889) bestand aus zwei Hälften, die, wenn der Draht aufgerollt war, auseinandergeschoben wurden, wodurch die Drahtrolle herunterfiel und durch eine Rinne auf einen Transportwagen geführt wurde. Ver- besserte Drahthaspel liessen sich ferner patentieren F. H. Daniels in Worcester (Engl. Pat. Nr. 6163 vom 25. April 1888), Ch. Hill Morgan A. a. O. 1900, S. 75, Fig. 18, 19. , Worcester (Mass., Engl. Pat. Nr. 1888 vom 17. Februar 1888) und Gustav Erkenzweig (D. R. P. Nr. 46636 vom 21. Juli 1888). Die Drahtfabrikation. Am 1. Dezember 1887 starb Franz Karl Guillaume , Teilhaber der berühmten Firma Felten \& Guillaume in Köln Das Unternehmen war 1824 von Joh. Theodor Felten und Franz H. Guillaume gegründet worden. Ursprünglich Hanfseilerei, nahm es 1882 die Drahtseilfabrikation auf und legte 1859 ein Drahtwalzwerk an. , die sich be- sonders um die Fabrikation von plattiertem Draht für elektrische Kabel grosse Verdienste erworben hatte. 1889 nahmen Eduard und Jos. Louis Martin in Paris Patent auf ein verbessertes Walzverfahren für kupferplattierten Eisendraht für elektrische Leitungen. Sie gossen um Draktknüppel Kupfercylinder in der Weise herum, dass auf beiden Seiten der Drahtknüppel um ein Viertel seiner Länge hervorragte, und walzten dann wie gewöhnlich aus. Durch die grössere Streckung des Kupfers wurde doch der ganze Draht davon bedeckt. Wie grossartig sich in den Vereinigten Staaten von Amerika die Stacheldrahtfabrikation entwickelt hatte, erhellt daraus, dass es 1888 bereits 44 Fabriken mit 2190 Maschinen gab. Den Verbrauch schätzte man auf 150000 Tonnen. Seit 1888 war der Kampf zwischen saurem und basischem Fluss- eisen zu Gunsten des letzteren, das wegen seiner Weichheit sich leichter kalt ziehen liess, indem es dabei nicht hart wurde wie das Bessemereisen, entschieden. Dass weicher Draht die Wärme und Elektrizität besser leitet und zwar im Verhältnis 5 : 3, hat Fr. Kohl- rausch 1888 nachgewiesen. In Deutschland Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 845. goss man meist Blöcke von kleinem Querschnitt, die in einer Hitze bis auf 40 bis 60 mm ausgewalzt wurden, während man in Amerika dicke Blöcke erst bis auf 80 bis 100 mm, dann erst in einer zweiten Hitze auf 40 bis 60 mm auswalzte. 1888 wurden viele verbesserte Drahtwalzwerke, z. B. von Charl. Morgan, Karl Sunstrom, Williams und Edwin Lenox erfunden. Richard Pellenz in Köln liess sich eine Drahtrichtvorrichtung (D. R. P. Nr. 17283), die aus drei festen und zwei losen Rollen bestand, patentieren. Ein sehr gut eingerichtetes kontinuierliches Drahtwalz- werk war zu Domnarfvet in Schweden. R. M. Daelen sen . hatte sich in den letzten Jahren seines Lebens mit der Idee der unmittelbaren Stichfolge bei Drahtwalzen und entsprechend zunehmender Ge- schwindigkeit beschäftigt Siehe Stahl und Eisen 1889, Nr. 3, S. 177. und wurde ein solches Walzwerk von Gebr. Klein in Dahlbruch für die Stahlgesellschaft von Longwy zu Mont St. Martin ausgeführt. Das Führungsrohr, welches den Draht Die Drahtfabrikation. von einem Walzenpaare zum anderen führte, bestand aus einem festen Unterteil und einem entsprechenden beweglichen Oberteil. Zum Scheuern und Putzen des Drahtes verwendete A. Guttmann ein Sandstrahlgebläse. Zu feinem Kratzendraht verwendete man Tiegelgussstahl, der aus schwedischem Ingotstahl (Bessemerrohstahl) bereitet war. Das Härten geschah nach dem Patent von Ashworth Brothers von 1878 mit einer Gasflamme und Eintauchen in ein Ölbad. Die Gewehrfabrik von St. Etienne benutzte 1891 den elektrischen Strom zum Ausglühen des Stahldrahtes. In den Jahren 1891 und 1892 wurden namentlich in Amerika verschiedene neue Patente für das Auswalzen des Drahtes in einer Hitze erteilt Daselbst 1891, S. 503, 510, 1018; 1892, S. 130. . Der Grundgedanke war auch hier die Anlage mehrerer zweckmässig disponierter Walzenstrassen mit zunehmender Geschwindig- keit und selbstthätiger Umführung des Drahtes. H. Roberts erfand dazu noch eine mit Rinnen versehene schiefe Ebene, die den Haken- jungen überflüssig machte. In Österreich konstruierte Direktor Turk zu Kapfenberg ein solches Walzwerk, das 1892 auf der Margarethen- hütte des Herrn Pengg zu Thörl ausgeführt wurde. Wie schon erwähnt, trug die Einführung der Drahtseilbahnen zur Steigerung des Drahtbedarfs bei. Der Grundgedanke der Draht- seilbahnen ist alt. In Deutschland hatte Bergrat Freiher von Dücker die Anregung dazu gegeben. Zu Anfang der siebziger Jahre bauten Theodor Otto und Adolf Bleichert zu Schkeuditz bei Leipzig die ersten grösseren Drahtseilbahnen. Nachdem diese sich 1876 getrennt hatten, vervollkommnete besonders Otto seine Konstruktion. Ausser diesen erwarb P. Pohlig in Köln sich Verdienste um den Bau von Drahtseilbahnen. Im Jahre 1875 wurden in Deutschland und Öster- reich 1500 solcher Bahnen ausgeführt. Die amerikanische Drahterzeugung entwickelte sich rasch und betrug 1892 schon 637875 Tonnen. In dem Drahtwalzwerk der Illinois Steel Company in Joliet kamen 1897 die warmen vorgeblockten Stücke von der Blockstrasse in die Vorstrasse des kontinuierlichen Walzwerks und dann in zwei Garretstrassen, wo sie fertig gewalzt wurden. Die Erwärmung geschah in zwei kontinuierlichen Öfen und wurden in der Schicht 200 Tonnen Draht erzeugt Siehe Eisen und Stahl 1897, S. 429. . In dem neuen Drahtwalzwerk der Ashland Stahlgesellschaft von Die Drahtfabrikation. 1898 A. a. O. 1899, S. 316. geschahen alle Zwischenarbeiten automatisch. Die Leistung betrug angeblich 350 Tonnen den Tag. Um die weitere Entwicke- lung der amerikanischen Drahtindustrie machten sich W. Garret, F. H. Daniels, C. H. Morgan, Baackes, Fitsch u. s. w. verdient. In Deutschland veröffentlichte Edm. Weber in Obercassel bei Bonn Vorschläge über zweckmässige Anlagen von Drahtwalzen A. a. O. 1900, S. 91, 421. . Von den vielen sonstigen Verbesserungsvorschlägen in den neun- ziger Jahren erwähnen wir noch W. Hänels Einrichtung zum Giessen kleiner Blöcke und zum gleichzeitigen Walzen von zwei und mehr Drähten 1891 (D. R. P. Nr. 60309), C. Bremickers Drahtziehmaschine zum Ziehen des Drahtes durch mehrere Zuglöcher in einem Zuge (D. R. P. Nr. 77146, 85473), P. Kriegers Drahtwalzenanlagen mit zwei oder mehreren Gruppen von Fertigwalzen 1894 (D. R. P. Nr. 87463), die Drahtführungen und Führungsrinnen von Polte in Remscheid (D. R. P. Nr. 69722) und von Paul Schrader in Witten (D. R. P. Nr. 75140, 75560); ferner ein Verfahren von C. W. Bildt für Ab- kühlung des Drahtes bis zu einem gewissen Grade in einem Wasser- bade nach seinem Austritt aus der Fertigwalze, das Glühen des Zieh- drahtes unter Luftabschluss in einer in einem Flammofen liegenden langen Röhre von H. Talbot (Engl. Pat. Nr. 229 vom 6. Januar 1891). H. A. und W. Dresler in Creuzthal liessen sich 1893 zuerst das Blankglühen von bewegtem Draht mittels Elektrizität anstatt des Beizens patentieren (D. R. P. Nr. 78986). W. Holland jun . erfand 1895 in England ein Verfahren gleich- mässiger elektrischer Erwärmung des Drahtes (D. R. P. Nr. 82662). Einen verbesserten Glühtopf liess sich W. Frese in Dortmund 1895 patentieren (D. R. P. Nr. 86445). Mechanische Drahthaspel wurden erfunden von M. Baackes , Cleveland (V. St.), von C. Clifford , von Ch. E. Matteson , von H. Roberts (1888, D. R. P. Nr. 47629/30), von P. L. Day (D. R. P. Nr. 57113), von A. Tatro 1890 (Amer. Pat. Nr. 451081), von H. Gedge (Amer. Pat. Nr. 458572), von V. Albis 1891 (Amer. Pat. Nr. 478760), von W. Edenborn 1892 (D. R. P. Nr. 73100 und 85474); 1894 von Kilmer (Amer. Pat. Nr. 501521), J. Stevenson und Ch. J. Johnson (Amer. Pat. Nr. 520942) und von der Österreichisch-Alpinen Montan- gesellschaft (D. R. P. Nr. 73481); 1895 von Otto Frank (D. R. P. Nr. 85670), Carl Mayberg in Witten (D. R. P. Nr. 87019 und 87020). Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb. Eine Drahtziehmaschine zum Ziehen des Drahtes durch mehrere Löcher in einem Zuge erfanden ausser Bremicker W. Körnlein in Nürnberg (D. R. P. Nr. 87799, 96587), L. Heyenberg in Riga 1898 (D. R. P. Nr. 105721) und Ch. C. Baldwin in Amerika (D. R. P. Nr. 106455). Einen automatischen Schweissofen erfand Alex. Laughlin (V. St.). Ch. C. Baldwin nahm 1899 ein Patent (D. R. P. Nr. 108890) auf eine Spulvorrichtung für Drahtziehmaschinen mit selbstthätiger Geschwindigkeitsregulierung der Spule. Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb. Wenn das mehr oder wenig heisse Walzprodukt aus den Walzen kommt, ist es noch nicht fertige Handelsware. Hierfür bedarf es noch mancherlei Zurichtungsarbeiten (adjustage). Es muss glühend oder kalt auf bestimmte Längen abgeschnitten oder abgesägt werden. Es muss gerade gerichtet werden, entweder mit der Hand oder durch Richtmaschinen. Die Fortschritte dieser Vorrichtungen gehören zwar mehr in die Geschichte des Maschinenbaues, doch sind diese Special- maschinen so unentbehrlich für den Walzwerksbetrieb, dass einige kurze Notizen nicht zu umgehen sind. Zum Transport des heissen Walzgutes dienen in ausgedehntem Masse mechanisch angetriebene Rollbahnen, die man neuerdings auch fahrbar macht. Zum Zerschneiden verwendet man Heiss- oder Kaltsägen und Scheren. Das Zerschneiden der Flussstahlblöcke und Panzerplatten erfordert eine hohe Kraftleistung. Ein sehr wichtiges Hülfswerkzeug für die Walzindustrie sind die Scheren , die ebenfalls seit 1870 den gesteigerten Anforderungen entsprechend vervollkommnet worden sind. Der Fortschritt liegt auch hier besonders in der Verwendung des Wasserdruckes, welcher wie für die Presshämmer so für die Scheren, die viel Kraft bei ruhiger Bewegung verlangen, ganz besonders geeignet ist. Deshalb sind auch Schere und Presshammer bisweilen verbunden. Twedell Siehe Dinglers Polyt. Journ., Bd. 229, S. 503. erfand 1878 eine hydraulische Schere, die zugleich als Lochmaschine ver- wendet werden konnte. Die Hebelscheren wurden vielfach durch hydraulische Parallel- scheren verdrängt. Zum Schneiden von zu verzinnendem Schwarz- blech liess sich Daniel Edwards in Morriston 1889 eine Doppel- Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb. schere, die auf einem Rahmen befestigt war, zur Erzielung paralleler Seitenkanten patentieren (Engl. Pat. 1889, Nr. 12790). Sehr starke Parallelscheren mit hydraulischem Antrieb dienten als Blockscheren. Eine solche mit direkter Übertragung des Dampfdrucks auf Wasser konstruierte R. M. Daelen 1884, die in Seraing zum Kaltschneiden statt Säge verwendet wurde. Als Blockschere wurde sie 1887 von Breuer \& Schumacher in Köln gebaut Siehe Stahl und Eisen 1887, S. 308. . Eine von der Dortmunder Maschinenfabrik Wagner \& Co. 1884 ausgeführte Blockschere hatte horizontalen Antrieb mittels zweier Dampfcylinder. Eine 1886 von Ed. Böhme Daselbst S. 352. in Breslau patentierte hydraulische Blockschere (D. R. P. Nr. 8373) war der von Twedell ähnlich. Eine Blockschere für Druckwasserbetrieb konstruierte J. Cope- land 1887. Den Grob- und Façoneisenscheren wurde das Eisen viel- fach automatisch durch Rollentische zugeführt. Eine starke hydraulische Blockschere, von Tannet und Walker in Leeds für das Blochairn Stahlwerk bei Glasgow gebaut, zerschnitt (1886) die von 510 × 760 auf 203 × 660 mm herabgewalzten Stahl- blöcke. Der hydraulische Druck des Kolbens auf das Messer betrug 560000 kg oder 155 kg auf den Quadratcentimeter. 1888 war die stärkste hydraulische Blockschere auf den Homestead Works von Carnegie, Phipps \& Co. zu Munhall bei Pittsburg Iron Age vom 18. Oktober 1888; Stahl und Eisen 1889, S. 23. . Sie war von der Morgan Engineering Co. zu Alliance, Ohio, gebaut, hatte eine Schnittfläche von 600 × 1200 mm, der Durchmesser des Kolbens betrug 1066 mm, der Wasserdruck 280 Atmosphären. Eine riesige Blechschere von 70 Tonnen Gewicht kam Ende der achtziger Jahre zu Springfield (V. St.) in Betrieb. Sie konnte Stahl- platten von 2500 mm Länge und 30 mm Dicke auf einmal schneiden. Eine grosse Blechschere für Dampfbetrieb baute die Friedrich- Wilhelmshütte bei Mülheim a. d. Ruhr damals für Schulz, Knaudt \& Co. in Essen Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 919. . Noch stärker war die von Kitson (1889) an- geführte englische Schere von Buckson \& Co. , welche Stahlplatten von 50 mm Dicke mit Messern von 3,3 m Länge zu 2,3 m breiten Platten mit einem Hub schnitt und die von Bolkow, Vaughan \& Co. für 50 mm dicke Platten mit 1,5 m Schnittlänge. Der hydraulische Antrieb gestattet die direkte Übertragung der Kraft ohne Wellen, Lager und Zahnräder, jeder Hub ist leicht verstellbar, was leicht durch Selbst- Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb. steuerung bewirkt werden kann. Als Beispiel hierfür führen wir eine neuere Blechschere mit hydraulischem Antrieb, Selbststeuerung und verstellbarem Messerhub, welche 1896 von der Duisburger Maschinen- fabrik, vormals Bechem \& Keetmann in Duisburg, welche in Fig. 338 Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 405, Abbildung Taf. XI, Fig. 3. abgebildet ist, an. Die Dampfkolbenstange K ist in Fig. 338. ihrer Verlängerung als Plungerkolben des Druckcylinders M aus- gebildet. Der Plunger C des Presscylinders B ist unmittelbar mit dem Schlitten des Obermessers der Schere verbunden. Die Selbst- steuerung wird durch den Ring e und den Daumen f von der Kolben- stange K bewegt. Die direkte Verbindung von Scherenschneide und hydraulischem Kolben hatte Ernst Naylor , Cleveland (Ohio), schon 1892 bei seiner Hülfsmaschinen für den Walzwerksbetrieb. Schere angebracht Daselbst 1892, S. 1005. . Auf diesem Princip beruhte auch H. Aikens hydraulische Schere (Amer. Pat. Nr. 545759). Eine von Mackintosh, Hemphill \& Co. , in Pittsburg auf dem Blechwalzwerk der Bethlehem-Eisengesellschaft 1897 in Betrieb be- findliche hydraulische Blockschere Iron Age vom 21. Januar 1897; Stahl und Eisen 1897, S. 215. zerschnitt Brammen von 508 × 1218 mm. Man giebt bei Blockscheren für quadratischen Querschnitt öfter der horizontalen Bewegung der Messer den Vorzug vor der vertikalen. In nicht seltenen Fällen hat man Schere und Presswerk verbunden Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 406. . Zum Schneiden von Profileisen gab man vielfach den Scherenmessern entsprechende Gestalt, oder man setzte dieselben aus mehreren ver- stellbaren Teilen zusammen. Kreisscheren kamen besonders bei der Blechfabrikation zum Schneiden von Tafeln von unbegrenzter Länge auf bestimmte Breite zur Anwendung. Das Blech liegt dabei auf einem fahrbaren Tische, der mit verstellbarem Lineal versehen ist und sich den Scheren ent- gegenbewegt. La Verne W. Noyes in Chicago nahm 1889 ein deutsches Patent (D. R. P. Nr. 48788) auf eine Cirkularschere. Kreissägen dienten bei Krupp in Essen (1891) zum Beschneiden der Panzerplatten. Die mit den Walzwerken verbundenen Kreissägen zum Abschneiden der Enden des Profileisens und zum Zuschneiden auf feste Längen sind meist Heisssägen. Kaltsägen mit verschiebbarem Sägeblatt hat H. Ehrhardt in Düsseldorf zu Anfang der achtziger Jahre konstruiert Siehe J. Weisbach , Ingenieur- und Maschinenmechanik. ; desgleichen eine Kaltsäge mit doppelter Abfall- schere und Richtmaschine. Er verband 1888 fünf Profile zu einem Gatter. Heisssägen mit verschiebbarem Kreissägeblatt hat z. B. Otto Froriep in Rheydt, Rheinprovinz, gebaut Siehe A. Ledebur , Lehrbuch der mechanisch-metallurgischen Technologie 1897, S. 529. . Als ein weiteres Hülfswerkzeug der Walzindustrie müssen die Richtpressen und Richtmaschinen besonders für Schienen genannt werden. R. M. Daelen erfand 1877 eine Universalrichtpresse für Façoneisen (D. R. P. Nr. 109) Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1878, S. 183, Taf. IV, Fig. 20, 21. ; ebenso erfand Heinrich Ehrhardt in Düsseldorf Richtmaschinen für verschiedene Profile Siehe Stahl und Eisen 1883, S. 461. . Die Fortschritte, welche bei den übrigen Metallbearbeitungs- Schweissung. maschinen als Lochstanzen, Bohrmaschinen, Fräsmaschinen, Dreh- und Hobelbänke, Nietmaschinen, Präg- und Ziehpressen, Gesenken, Pumpen und Prägen gemacht worden sind, gehören mehr in die Geschichte des Maschinenbaues als der Eisenhüttenkunde; wir be- gnügen uns deshalb, auf die neueste Auflage des Lehrbuchs der mechanisch-metallurgischen Technologie von A. Ledebur (Braun- schweig 1897) zu verweisen. Manche dieser Hülfswerkzeuge, besonders Bohrmaschinen, werden jetzt durch Elektromotoren betrieben, nament- lich bei Montage oder bei sehr schweren Stücken. Dagegen verdienen die Fortschritte der Formgebung durch Schweissung als eine metallurgische Operation hier noch eine kurze Besprechung. Flusseisen schweisst schwerer als Schweisseisen, welch letzteres von seiner Schweissbarkeit benannt ist. Die Schweissbarkeit des Fluss- eisens bildete besonders zu Anfang der achtziger Jahre einen Gegen- stand lebhafter Erörterungen. Die Schwierigkeit desselben wurde vielfach übertrieben, teils aus Unkenntnis der richtigen Behandlung, teils aus Geschäftsinteresse seitens der Schweisseisenfabrikanten. Dass gutes Flusseisen bei richtiger Behandlung sehr gut schweisst, ist heut- zutage eine anerkannte Thatsache. Auf die Schweissbarkeit des Fluss- eisens üben allerdings die fremden Beimengungen einen grossen Ein- fluss aus. Dies hat unter anderen Daniel Adamson 1879 nach- gewiesen, nach dessen Erfahrungen Stahlbleche nicht über 0,125 Pro- zent Kohlenstoff, 0,040 Schwefel und Phosphor und 0,100 Silicium enthalten dürfen, um sich noch gut schweissen zu lassen. Weitere Untersuchungen in den folgenden Jahren ergaben, dass alle Neben- bestandteile des Eisens seine Schweissbarkeit verringern. Der Kohlenstoff setzt den Schmelzpunkt des Eisens herab, ver- mehrt aber seine Krystallisation und macht das Eisen in der Hitze brüchig. Mangan, Chrom und Wolfram erhöhen den Schmelzpunkt des Eisens, erhöhen auch seine Festigkeit in der Hitze, wirken aber durch ihre eigene Unschmelzbarkeit nachteilig auf die Schweissung ein. Phosphor wirkt ähnlich wie Kohlenstoff, aber in noch höherem Masse ungünstig. Silicium verursacht Heissbruch und vermindert die Schweissbarkeit. Schwefel veranlasst Saigerung und bewirkt Störungen. Die Frage der Schweissbarkeit erschien so wichtig, dass der Verein zur Beförderung des Gewerbefleisses in Preussen eine besondere Kommission einsetzte, die eine Reihe von Versuchen im Moabiter Schweissung. Eisenwerk anstellte und im Jahre 1882 Siehe Stahl und Eisen 1882, II, S. 470. Bericht erstattete. Sie kam zu dem sehr ungünstigen Ergebnis, dass eine jede durch Schweissung hergestellte Verbindung auch bei der grössten Sorgfalt des Schmiedes unzuverlässig ist. Deswegen sind aber Schweissverbindungen durchaus nicht immer weniger fest als die ungeschweisste Masse: gut geschweisste und gehämmerte Verbindungsstellen zeigen öfters eine Festigkeit bis zu 100 Prozent. Wedding und Ledebur hoben die Wichtigkeit der chemischen Zusammensetzung des zu schweissenden Flusseisens hervor. Letzterer fand die durchschnittliche Zusammensetzung von Weddings Angabe, dass ein Siliciumgehalt die Schweissung befördere, wurde von Anderen bestritten. Nach Wedding ist die molekulare Anordnung von grösserem Einfluss als der Kohlenstoffgehalt. Die Schweissbarkeit kommt zunächst bei der Vorarbeit zur Schweisseisenfabrikation, sodann aber in tausenderlei Verwendung zur Herstellung geschweisster Gegenstände in Betracht. Dass die Art der Ausführung der Schweissung von grösserem Einfluss ist, bedarf kaum der Erwähnung. Krupp erfand gegen Ende der siebziger Jahre eine besondere Vorrichtung zum Schweissen von Blech und Flacheisen, deren Wesen darin bestand, dass die Schweiss- stelle auf ihre ganze Länge gleichmässig und nur einmal erhitzt und dann geschweisst wurde, und dass das zu schweissende Stück beim Wärmen und Schweissen in derselben Lagerung verblieb. Die Gleich- mässigkeit der Erhitzung der Schweissnaht suchten verschiedene Er- finder durch Gasheizung mit entsprechend verteilten Brennern zu erreichen. Dass auch in dieser Periode zahllose Schweisspulver er- funden wurden, ist selbstverständlich. Wir erwähnen hier nur ein Schweisspulver von Rust (1879) für englischen Gussstahl: 61 Tle. Borax werden mit 17½ Tln. Salmiak im Krystallwasser des ersteren geschmolzen und dann Blutlaugensalz und Kolophonium eingerührt bis zur Dicke eines Breies. Alsdann wird die Masse auf eine eiserne Schweissung. Platte ausgegossen, nach dem Erkalten pulverisiert und das so er- haltene Pulver auf die Schweissstelle aufgestreut. Von den vielen durch Schweissung hergestellten Gegenständen erwähnen wir die spiralgeschweissten Rohre, nach Art der alten Büchsenläufe, die für Dampf- und Luftleitungen in dieser Periode Bedeutung erlangten. Sie wurden 1877 in Amerika hergestellt mit einer Maschine, die aber mangelhaft war und später von Green und Leybold verbessert wurde. 1894 gelang es Ehrhard in Düsseldorf, gute spiralgeschweisste Rohre herzustellen, wozu er Schweisseisenblech in Streifen von 157 mm Breite und 2 bis 6 mm Dicke verarbeitete. Ein wichtiger und grosser Fortschritt war die Erfindung der elektrischen Schweissung , weil bei dieser die grösste Intensität und Gleichmässigkeit der Erhitzung ohne den nachteiligen Einfluss der chemischen Einwirkung eines Brennmaterials erreicht wird. Der Amerikaner Elihu Thomson war der erste, dem dies gelang. Nachrichten darüber kamen 1887 zuerst nach Europa. All- gemeine Aufmerksamkeit zog die Erfindung aber erst auf der Pariser Weltausstellung 1889 auf sich, wo Thomsons Schweissapparat aus- gestellt war und vorgeführt wurde. Das Verfahren ist nach dem Wortlaut des deutschen Patentes (D. R. P. Nr. 58737 vom 18. Nov. 1890) Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 931. folgendes: Die zusammenzuschweissenden Stücke werden in die leitenden Klemmen derart befestigt, dass sie sich ohne nennenswerten Druck berühren; alsdann wird ein elektrischer Heizstrom von mässiger Stärke durch sie hindurchgeschickt. Die Zeitdauer dieses Stromes richtet sich nach der Grösse der Stücke und nach der Anzahl der Strom- wechsel, sowie nach der Druckstärke, die man bei Ausführung der Arbeit in Anwendung bringt. Der Strom wird alsdann entweder ganz unterbrochen oder doch bedeutend abgeschwächt, so dass die Wärme- zunahme in den Stücken aufhört, und hierauf werden die letzteren einem mechanischen Drucke unterworfen, um sie innig gegeneinander zu pressen. Nachdem dieser Druck wieder aufgehoben oder doch bedeutend verringert worden ist, wird der Heizstrom wieder in Wir- kung gebracht, und dann nach Erzeugung der erforderlichen Hitze wiederum unterbrochen, um durch nachfolgenden Druck ersetzt zu werden. Auf diese Weise werden Heizstrom und Druck in stetigem, schnell aufeinanderfolgendem Wechsel zur Anwendung gebracht, bis die Schweissung beendet ist. Schweissung. In der Regel geschieht die Schweissung mittels Transformatoren, die mit den Schweissmaschinen verbunden sind. 1888 hatte sich bereits in Amerika die Thomson Electric Welding Company, welche Schweissmaschinen an verschiedene Eisenwerke lieferte, gebildet. 1889 entstand in London und zwar in Fanshaw Street, Hoxton, eine Schweissanlage, die gute Resultate erzielte Siehe Stahl und Eisen 1890, S. 171. . Bald nach dem Bekanntwerden des Thomsons chen Glühschweiss- verfahrens tauchte eine zweite Erfindung der elektrischen Schweissung von Nicolas von Bernados in St. Petersburg (D. R. P. Nr. 46776 vom 21. Januar 1888), welche auf der Benutzung der Hitze des elektrischen Lichtbogens begründet war, auf. Bei der Ausführung Daselbst 1892, S. 257. wird das Werkstück an der Schweissstelle mit dem negativen Pol einer Gleich- stromquelle verbunden, den anderen Pol bildet ein Kohlenstift, wie er bei den Bogenlampen Verwendung findet; dieser wird über die andere Seite der Schweissstelle hingeführt. In der zwischen 2000 und 4000° C. betragenden Temperatur des Flammenbogens schmilzt das Metall an dem Verbindungspunkte ungemein rasch und findet die Vereinigung der Metallstücke dadurch statt. Da die Erkaltung bei dem Zurückziehen des Stiftes sofort erfolgt, so wird dadurch der Fortgang der Arbeit sehr gefördert. Dieses Lichtbogenschweissver- fahren fand alsbald besonders auf dem europäischen Kontinent eifrige Fürsprecher, die es als dem Thomsonverfahren überlegen verkündeten, und so fand dasselbe namentlich auch in Deutschland rascher Ein- gang als das elektrische Glühschweissen. Es ist klar, dass das Bernadosverfahren auch einige Vorzüge vor jenem besitzt: die Schweissung kann an Ort und Stelle ausgeführt werden, ohne dass man das Arbeitsstück an eine Maschine heranzubringen braucht, sodann lassen sich längere Schweissnähte auf bequeme Art herstellen. Da- gegen zeigte es sich sehr bald, dass das Verfahren sehr geschickte und geübte Arbeiter erfordert, und dass es trotz dieser nicht immer gelingt, die Stromwirkung richtig zu regulieren und sehr leicht das Eisen durch zu grosse Hitze an der Schweissstelle verbrennt. Es ist überhaupt ein Nachteil des elektrischen Schweissens, dass das Metall an der Schweissstelle überhitzt wird, schmilzt und dadurch eine Gefügeveränderung erleidet, die in den meisten Fällen eine Brüchigkeit der Schweissstelle zur Folge hat, wodurch besonders die Biegefähigkeit beeinträchtigt wird. Bei dem Bernadoss chen Ver- fahren ist dies ganz besonders der Fall, weil hier immer eine Ver- Beck, Geschichte des Eisens. 56 Schweissung. flüssigung des Metalls an der Schweissstelle eintritt. Eduard Blass in Essen liess sich 1886/87 ein elektrisches Schweissverfahren paten- tieren (D. R. P. Nr. 30011 und Nr. 46550), wobei er Metalle, die eine grosse Verwandtschaft zum Sauerstoff haben (Rb, Cr, Mg), an die Schweissstelle zur Reduktion des entstehenden Eisenoxyds einfügt. Die grossen Hoffnungen, die man auf die elektrische Schweissung der Blechplatten bei der Dampfkesselfabrikation an Stelle des Nietens hegte, haben sich aus dem angeführten Grunde nicht erfüllt, und man ist vorläufig z. B. ganz davon abgekommen, dieses Verfahren für die Herstellung von Dampfkesseln zu verwenden. Dagegen bleibt noch ein grosses Feld für die Verwendbarkeit der elektrischen Schweissung übrig. Die beiden beschriebenen Methoden wurden deshalb in der Folge weiter entwickelt und verbessert und es trat noch eine neue Ver- fahrungsweise hinzu. Es war dies das sogenannte hydroelektrische Verfahren, das 1892/93 von den belgischen Ingenieuren Lagrange und Hoho erfunden und in Gemeinschaft mit dem Direktor der Brüsseler Elektrizitätsgesellschaft, Ed. Julien , ausgearbeitet wurde Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 530. . Es besteht in der Durchleitung des elektrischen Stromes durch Wasser, wobei mit einem viel schwächeren Strom als bei dem Thomson-Ver- fahren eine raschere und stärkere Erhitzung des Metallstückes erreicht wird. Diese Erscheinung beruht auf der raschen Zersetzung des Wassers in seine Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff, wobei letzterer die Kathode ganz einhüllt und dem Durchgang des elek- trischen Stromes einen so grossen Widerstand leistet, dass dadurch eine sehr starke Wärmeentwickelung entsteht. Die Anode wird dabei in der Regel durch eine Bleiplatte von möglichst grosser Oberfläche gebildet, während man die Kathode als eine Zange mit Holzgriff konstruiert, mit der man das zu erhitzende Eisenstück fasst und in das Bad, welches aus verdünnter Kochsalz- oder Potaschelösung besteht, eintaucht. Das Metall erglüht in kurzer Zeit bis zur Weiss- glut. Eine Spannung des elektrischen Stromes von etwa 150 Volt ist dabei völlig ausreichend. Die Ausnutzung der entwickelten Wärme ist bei dem elektrischen Verfahren viel günstiger als bei jeder anderen Art der Erhitzung. Für die praktische Anwendung des elektrischen Schweissens sind vielerlei Verbesserungen teils eingeführt, teils vorgeschlagen worden. Schon 1889 nahmen Ries und Henderson in Amerika ein Patent (Nr. 402168) für die elektrische Schweissung eiserner Röhren auf Schweissung. Grund von Thomsons Verfahren. Ferner erwirkten E. Thomson und A. Lynn ein Patent (D. R. P. Nr. 54140 vom 31. Dezember 1889), direkt Ringe und Räder auf Bolzen und Wellen zu schweissen. Wichtige Verbesserungen der Transformatoren und Schweissmaschinen für das Thomsonverfahren wurden von der Thomson Electric Welding Company in den Vereinigten Staaten erfunden und ausgeführt Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 259. . Die Schweissung erfolgt unter gleichzeitigem oder nachfolgendem Hämmern. Zu dem Verfahren von Lagrange und Hoho nahm die Kalker Werk- zeugmaschinenfabrik 1896 ein Verbesserungspatent darauf, dass sie die zu schweissenden Metallstücke erst in einem Schmiedefeuer an- heizte. Das elektrische Schweissverfahren hat den Vorzug der Schnellig- keit, Sicherheit und grosser Lokalisierung, doch ist es in der An- wendung beschränkt durch den Querschnitt. Man hat bis 1892 massive Barren nicht über 62 mm Durchmesser schweissen können. Vorzüglich geeignet ist das Verfahren zum Zusammenschweissen von Drahtkabeln. Die elektrische Schweissung macht in der Metall- bearbeitung viele Operationen möglich, welche durch Schmieden nicht ausführbar sind. Auch ist das Zusammenschweissen von Eisen und Stahl mit anderen Metallen dadurch sehr erleichtert. Das Schweissen mit dem elektrischen Lichtbogen nach Bernados Verfahren, in England auch Voltexverfahren genannt, eignet sich besonders für Reparaturen, namentlich im Schiffsbau, die oft nur auf diesem Wege ermöglicht werden Daselbst 1895, S. 1091. . Doch hat die Firma Lloyd \& Lloyd, Coombs Wood Works in Halesowen in England das Verfahren bereits 1891 auch für die Fabrikation schmiede- und fluss- eiserner Röhren mit grossem Durchmesser verwendet. Es hat sich öfter als vorteilhafter herausgestellt, bei dem Lichtbogenschweissen beide Pole mit Kohlenstiften zu verbinden. Gesicht und Augen der Arbeiter müssen bei dem Schweissen geschützt sein. Coffins hat 1891 einen elektrischen Schweiss- und Schmelzofen konstruiert, der auf der Verwendung des Lichtbogens beruht. Zum Schweissen und Löten nach dem Voltexverfahren bedient sich der Arbeiter eines Halters mit zwei um einen Winkel von 90° gestellten Kohlenelektroden. Den Halter hält der Arbeiter in der Hand. Der Lichtbogen wird durch einen Druckknopf gebildet und die eigens präparierten Kohlenstifte mit einer Mutterschraube nach- 56* Schweissung. geschoben. Kohle und Apparat liefert das Electrical Metal Working Sindicate Electrician 1897, 4; Chem.-Ztg. 1897, Rep. 319. . Die Benutzung der elektrischen Stromwärme ist auch da von besonderem Wert, wo es sich um eine vorübergehende Erhitzung handelt, wie dies namentlich bei der Stahlhärtung, z. B. bei der Härtung von Federn, Nadeln u. s. w., der Fall ist. Eine eigene Art der Schweissung zur Verbindung der Schienen- stösse hat die Milwaukee Rail joint and Welding Company 1897 ein- geführt Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 1135. . Die durch Sandstrahlgebläse gereinigten Schienenenden werden in eine Stahlform gepackt, erhitzt und mit flüssigem Stahl umgossen, wodurch sie fest vereinigt werden. Auch die Gasschweissung ist sehr vervollkommnet worden. Julius Pintsch , Berlin, zeigte auf der Pariser Weltausstellung einen mittels Wassergas geschweissten cylindrischen Kessel von 20,2 m Länge und 1,83 m Durchmesser. Ein ganz neues Schweissverfahren ist das von Dr. Hans Gold- schmidt in Essen erfundene Verfahren mit Aluminium, das alu- minothermische Verfahren , mit dem man selbst abgebrochene Walzenzapfen anschweissen soll Daselbst 1891, S. 23. . Wenn die Schweissung in vielen Fällen nötig und nicht zu um- gehen ist, so eignet sich das Flusseisen seiner Natur nach in hohem Masse zur Herstellung nahtloser Gegenstände, wie wir dies z. B. bei dem Walzverfahren von Mannesmann schon kennen gelernt haben. Ein weiteres Beispiel hierfür ist das von Heinrich Ehrhardt in Düsseldorf erfundene Lochverfahren zur Herstellung nahtloser Hohlkörper Daselbst 1893, S. 473. (D. R. P. Nr. 67921, 72573). Es geschieht dies durch Eintreiben eines genau centrierten Dorns in einen vierkantigen, heissen Flusseisenblock in einer runden Matrize. Die gelochten Blöcke werden ausgewalzt. Auf diese Weise können Gewehrläufe, Projektile, Kohlen- säureflaschen und nahtlose Röhren von grosser Festigkeit hergestellt werden. Das Einpressen des Dorns geschieht hydraulisch. Von jeher war das Bedürfnis nach besseren Waffen ein starker Antrieb für die Vervollkommnung der Eisenindustrie, während umgekehrt erst die Verbesserung des Eisens die der Bewaffnung ermöglichte. Die grossen Fortschritte der Feuerwaffen seit 1870 sind haupt- Feuerwaffen. sächlich bedingt durch die Fortschritte der Güte und der Behandlung des Materials, des Tiegel- und Flussstahls und der Herstellung naht- loser Rohre von hoher Festigkeit. Das preussische Zündnadelgewehr hatte sich in dem deutsch- französischen Kriege gegenüber dem Chassepotgewehr von nur 11 mm Kaliber als minderwertig bewiesen. Sofort nach Friedensschluss führte man deshalb ein neues Gewehr (Mausergewehr — M. 71) von geringerem Kaliber und grösserer Fluggeschwindigkeit des Geschosses ein. In dieser Richtung in Verbindung mit einer Steigerung der Lade- geschwindigkeit hat sich die Entwickelung der Handfeuerwaffen seit- dem fortbewegt, wobei an das Stahlmaterial immer wachsende Anforde- rungen gestellt wurden. So betrug z. B. der Gasdruck in dem Ende der achtziger Jahre eingeführten Magazingewehr, Modell 88, von 8 mm Kaliber 3200 Atmosphären, was bei einer Wandstärke am Laufende von 5,5 mm eine Elastizitätsgrenze des Metalls von 68,7 kg auf den Quadratmillimeter erforderte. Die Mündungsgeschwindigkeit war 620 m. Seitdem sind noch kleinkalibrigere Geschosse von höherer Geschwindig- keit, die noch stärkeres Material verlangten, in den verschiedenen Staaten eingeführt worden, doch müssen wir uns mit diesen kurzen Bemerkungen hier begnügen und verweisen auf die Fachlitteratur Eine Reihe vortrefflicher Aufsätze von J. Castner findet man in der Zeit- schrift Stahl und Eisen 1892. . Die Verbesserungen der Handfeuerwaffen zwangen schon zu ent- sprechenden Verbesserungen der Geschütze, an die noch weitere An- forderungen durch die Verstärkung der Panzerung der Schiffe und Forts gestellt wurden. Auch hierfür bildeten das Material und die Behandlung desselben neben Gestalt und Konstruktion die wichtigsten Grundlagen. In letzterer Beziehung machte man die Geschütze, um die nötige grössere Schussweite zu erzielen, schlanker, indem man das Geschützrohr verlängerte, das Kaliber verringerte. Was das Material für die Geschütze anlangt, so mussten Gusseisen und Bronze gänzlich ausscheiden und kam nur noch Flussstahl in Frage. Am besten be- währte sich nach wie vor Krupps Kanonenstahl. Durch Zusatz von Nickel erzielten H. Schneider in Frankreich, J. Riley in England, Carnegie, Phipps \& Co. in Amerika und Fr. Krupp in Deutsch- land sehr gute Resultate. Riley erzielte mit 2 Prozent Nickelzusatz einen Stahl von 125 bis 151 kg pro Quadratmeter Zugfestigkeit und 7 Prozent Streckung. Durch die Bearbeitung der Rohrblöcke, insbesondere durch die Behandlung derselben unter starken hydraulischen Pressen, be- Feuerwaffen. ziehungsweise Presshämmern, wurde das Material noch wesentlich verbessert Weiteres ist in den Abhandlungen von J. Castner nachzulesen in Stahl und Eisen 1891. . Seit 1898 kamen bei der Feldartillerie die Schnellfeuergeschütze zur Einführung, deren Konstruktion mit den Magazingewehren Ahnlich- keit hatte und ein vorzügliches Material verlangt. Mit der Umwandlung der Feldgeschütze ging die der Geschosse Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 500. Hand in Hand. Nicht nur die gusseisernen Vollkugeln, sondern auch die gusseisernen Granaten sind verschwunden. An Stelle dieser traten dünnwandige, röhrenförmige Granaten und Schrapnells (Fernstreu- geschosse) aus Stahl, die durch Schmieden, durch Stanzen und Pressen oder durch Schrägwalzen nahtlos hergestellt werden. Krupp verfertigte bereits Ende der siebziger Jahre solche Granaten. Das Mannesmann- verfahren hat sich für diesen Zweck gut bewährt, ebenso das von H. Ehrhardt . Die Gestalt der Geschosse änderte sich wesentlich. Um eine grössere Wirkung zu erzeugen, mussten die Geschosse schwerer werden, was unter Beibehaltung des Durchmessers nur durch Verlängerung geschehen konnte. Man machte sie bis zu sechs Kaliber Länge, wo- durch sie die Gestalt von länglichen Röhren, ähnlich wie Cigarren, erhielten. Die Härtung der Spitze oder des Kopfes der Geschosse ist, namentlich für die gegen Panzerplatten zur Verwendung kommenden, eine wichtige Sache, wofür zahlreiche Patente genommen worden sind. Lafetten Daselbst 1898, S. 1069. und Protzen werden jetzt ebenfalls nur noch aus Flussstahl hergestellt. Das Holz ist verschwunden. Alle dickeren Teile werden aus Hohlkörpern hergestellt, besonders Achsen, Speichen und Radkranz. Auch hierfür hat sich Mannesmanns Schrägwalz- verfahren bewährt. Gute Stahllafetten liefert das Grusonwerk ( Friedrich Krupp ) nach seinem Patent (D. R. P. Nr. 54029). Für die schweren Geschütze — Belagerungs- und Schiffskanonen — hatte sich das von Armstrong zuerst praktisch durchgeführte Mantel- system am besten bewährt und war auch Krupp dazu übergegangen, nachdem es sich gezeigt hatte, dass entsprechend starke Massivrohre auch von tadellosem Stahlmaterial leichter dem Zerspringen ausgesetzt sind. Hierbei werden vorgewärmte Ringe oder Cylinder über das Seelenrohr gezogen, das sie nach dem Erkalten durch ihre Zusammen- ziehung so dicht umschliessen, als ob Rohr und Ring ein Körper sei. Es ist dies eine Anwendung des Verbundprinzips, wie es beim Feuerwaffen. Hartguss und bei den Panzerplatten zur Anwendung kommt, nur mit dem Unterschiede, dass der zähere Ring mit dem härteren Rohre nicht eine Masse bildet, sondern nur mechanisch verbunden ist. Dass dies in möglichst vollkommener Weise geschieht, ist die Aufgabe der Fabrikation. Friedrich Krupp ist dieses in hervorragender Weise gelungen und dieser Erfolg, in Verbindung mit seinem unübertroffenen Gussstahlmaterial, hat den Weltruhm seiner Geschütze begründet. Der Verlauf der Fabrikation ist kurz folgender: Der aus Tiegeln gegossene Stahlblock, der dicker sein muss als das herzustellende Rohr, wird gründlich durchgeschmiedet. Dies geschah früher unter schweren Dampfhämmern, neuerdings unter Schmiedepressen von 5000 Tonnen Druck. Das Seelenrohr wird dann aus dem massiven Block gebohrt und abgedreht. Die Ringe werden aus vollen Blöcken durch Lochen und Ausschmieden über einen Dorn hergestellt. Nach- dem sie sorgfältig auf den richtigen Durchmesser ausgedreht sind, werden sie auf etwa 500° C. erwärmt und über das wassergekühlte Seelenrohr geschoben. Nach dem Erkalten umschliesst der Ring das Seelenrohr so fest, dass keine Gewalt ihn herunterschieben kann. Schwere Geschütze erhalten mehrere Ringlagen, die schwersten vier bis fünf. Auch bei dem schweren Geschütz wurden Schussweite und Treff- sicherheit durch die Verlängerung des Rohres, die man bis auf 45 Kaliber steigerte, bedeutend erhöht. Die Grösse der Geschütze für Belagerungszwecke, besonders aber für die Küstenverteidigung gegen gepanzerte Kriegsschiffe, ist eine ausserordentliche. 1898 wurden am Eingang des Hafens von New York 14 Geschütze aufgestellt von 15 m Rohrlänge, 0,406 m Bohrung und 128 Tonnen Gewicht. Das Hohl- geschoss dafür wiegt 1066 kg, die Schussweite soll 25,7 km, die lebendige Kraft des Geschosses 18580 Metertonnen betragen. Die Güte des Stahls ist von der grössten Wichtigkeit für die Geschütze. Krupp hat deshalb trotz der hohen Kosten unentwegt an dem Tiegelgussstahl für Herstellung der Geschützrohre festgehalten und denselben nur noch durch einen Zusatz von Nickel verbessert. Fast noch wichtiger ist die Materialfrage bei den Geschossen, be- sonders denjenigen, welche gegen Panzerplatten zur Verwendung kamen. Gusseisen konnte hierbei nicht mehr in Frage kommen. Selbst die vor- züglichen Grusons chen Hartgussgranaten genügten nicht mehr bei der gesteigerten Anfangsgeschwindigkeit und dem Widerstand der gehärteten Stahlpanzerplatten. Auch hier behauptete der Stahl allein das Feld. Krupp gelang es, vorzüglich geschmiedete und gehärtete Feuerwaffen. Stahlgeschosse herzustellen, welche Kompoundpanzerplatten glatt durchschlugen. Holtzer in Frankreich lieferte Chromstahlgeschosse von vorzüglicher Härte. Die schweren Granaten von Holtzer in Unieux und von Firminy wurden aus geschmiedetem Stahl mit Chromstahlspitzen hergestellt. Die Überlegenheit war auf Seite dieser Geschosse, bis die gehärteten Nickelpanzerplatten zur Anwendung kamen. Schneider in Creusot brachte Molybdän- und Wolframstahl in Vorschlag. R. A. Hadfield in Sheffield bereitet einen harten Stahl für Geschosse durch Zusatz von Kohlenstoff, Chrom, Nickel, Silicium und Aluminium. Die gegossenen Kugeln werden geschmiedet, bei etwa 870° C. ausgeglüht, dann fertig bearbeitet und die auf 800 bis 900° C. erhitzte Spitze in Wasser oder Öl abgelöscht (Engl. Pat. Nr. 27754, 27755 vom 25. November 1897). Nach Sir Williams Rede, gehalten bei dem Meeting des Iron and Steel Instituts im Mai 1899. macht man jetzt Stahlgeschosse, die eine Stahlschicht durchschlagen, welche einer 1 m dicken Schweisseisenplatte entsprechen würde. Die schnellfahrenden Torpedoboote gaben die Veranlassung zur Einführung von Revolverkanonen und die schnellfahrenden Kreuzer zur Einführung von Schnellfeuerkanonen für die Schiffs- und Küsten- artillerie, wobei die Kugeln mit Kartuschen, wie bei den Gewehr- patronen, verbunden wurden. Hierdurch wurde erst das Schnellladen ermöglicht. Gleichzeitig versah man die Lafetten mit hydraulischen oder Federbremsen zur Aufhebung des Rücklaufes. Diese Schnell- feuergeschütze erhielten noch längere Rohre als die alten Geschütze, die 5,7 cm-Schnellfeuerkanone von Gruson hatte 70, die von Canet sogar 80 Kaliberlängen. Dieselben Grundsätze sind neuerdings auch auf die Feldartillerie übertragen worden, wozu die Einführung des rauchfreien Pulvers Vor- bedingung war, doch ist es nicht möglich, auf diese Fortschritte und die Leistungen dieser Geschütze hier näher einzugehen Wir verweisen auf die Fachlitteratur sowie auf die Aufsätze von J. Castner in Stahl und Eisen 1893. . Erwähnen wollen wir noch, dass man das Schnellladeprinzip auch auf schwerere Schiffskanonen übertragen hat, und dass in der deut- schen Kriegsmarine die 15 cm-Schnellladekanone eine wichtige Waffe geworden ist. Fig. 339 zeigt ein solches Geschütz mit der neuen Krupps chen Wiegelafette in Feuerstellung. Ein Geschoss steht links vom Geschützboden. Die Abbildung zeigt deutlich, wie verschieden heute Geschütz und Geschoss gegen früher sind. Lieferungsbedingungen. Die Geschütze der Festungs- und Belagerungsartillerie ent- wickelten sich in anderer Weise. Das Steilfeuer, welches bei diesen in Anwendung kam, veranlasste eine Verkürzung der Rohre, so dass die Haubitzen- und Mörserform die vorherrschende wurde. Diese schweren Geschütze erreichen durch den Steilschuss und das rauchlose Pulver Fig. 339. ausserordentliche Schussweiten, so z. B. die Krupps che 28 cm-Haubitze L/12 mit ihrer 216 kg-Granate bei 45° Erhöhung 10 km. Die durch das Steil- oder Bogenschiessen veränderte Angriffsweise zwingt wieder zu einer anderen Art der Verteidigung, wobei die Stahlpanzerung (Panzerscharten, Panzertürme) die Hauptrolle spielt. — Bei allen diesen vielerlei Verwendungen des Stahls kommt dessen Güte zuerst in Frage. Die Sicherstellung der Qualität des Materials ist deshalb bei allen grösseren Lieferungen von grösster Wichtigkeit. Darum werden hierfür Lieferungsbedingungen , in denen dies Mindestmass der Anforderungen bezüglich der Festigkeit, Elastizität, Härte, Art der Herstellung u. s. w. festgesetzt sind, vorgeschrieben. Diese Lieferungsbedingungen werden teils von Fall zu Fall, teils allgemein für gewisse Gebrauchsgegenstände, wie z. B. Eisenbahnbau- und -betriebsmaterial Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 163. , Brückenmaterial, Baueisen Daselbst 1894, S. 1091. , Panzerplatten Daselbst 1893, S. 423. , Guss- waren A. a. O. 1898, S. 1059. u. s. w., aufgestellt. Diese allgemeinen Vorschriften werden teils von den grossen Abnehmern, den Staatsregierungen, Eisenbahnverwal- tungen u. s. w., teils von technischen Verbänden und Vereinen erlassen. So stellten z. B. in Deutschland der Verein deutscher Eisenhütten- Materialprüfung. leute, der deutsche Ingenieurverein und der deutsche Architekten- und Ingenieurverein gemeinsam 1893 Normalbedingungen für Lieferungen von Stahl und Eisen auf. Die Kontrolle liegt in der Materialprüfung , die dadurch in neuerer Zeit eine ausserordentliche Wichtigkeit erlangt hat Vergl. S. 390 u. s. w. . Diese Prüfungen sind chemisch oder physikalisch, oder chemisch und physikalisch. Sie werden ausgeführt auf den Hüttenwerken selbst zur Kontrolle des Betriebes, oder von dem Abnehmer, oder von öffent- lichen Materialprüfungsanstalten. Da es sich dabei, namentlich bei den Kontrollproben für den Betrieb, um möglichst rasche Durchführung handelt, so hat man Schnellproben eingeführt, wie wir dies bereits bei den Fortschritten der chemischen Analyse angeführt haben, und den Versuch gemacht, einheitliche Untersuchungsmethoden Siehe Stahl und Eisen 1895, S. 988. (Normal- proben) international zu vereinbaren. Ebenso hat man sich bemüht, für die mechanischen Proben einheitliche Prüfungsmethoden ein- zuführen Daselbst 1893, S. 572; 1898, S. 791, 910. . Bei den mechanischen Proben sind die Kontrollproben für den Betrieb ebenfalls meist Schnellproben, während die Proben für die Ab- nahme, namentlich aber die von den öffentlichen Prüfungsanstalten vor- genommenen, mit den sorgfältigst gearbeiteten, zuverlässigsten Apparaten ausgeführt werden. Um allgemein gültige Grundsätze für die Material- prüfungen festzusetzen, hatte J. Bauschinger internationale Kon- ferenzen veranlasst, die bis 1893 in München (1884), Dresden, Wien und Berlin abgehalten wurden. Zu den allgemein eingeführten Grund- sätzen gehört neuerdings auch der, für Flusseisenprodukte (Bessemer-, Thomas- oder Martinflusseisen) von jedem einzelnen Satz Probe zu nehmen. In Preussen ist die chemisch-technische Prüfungsanstalt mit der Bergakademie in Berlin verbunden und steht unter der Leitung von Professor H. Wedding , die mechanisch-technische Prüfungsanstalt mit der technischen Hochschule in Charlottenburg verbunden unter der Leitung von Professor A. Martens Bei dieser Gelegenheit verweisen wir auf das vortreffliche Handbuch der Materialienkunde von A. Martens , Berlin 1898. . H. Wedding hat sich um die Gründung der Material-Versuchs- anstalten in Preussen grosse Verdienste erworben Journal of the Iron and Steel Institute 1882, II, S. 464. . Als Professor der Eisenhüttenkunde an der Bergakademie in Berlin hatte er bereits 1867 die Gründung einer solchen für die Eisenindustrie beantragt. Nach seinem Materialprüfung. Vorschlag sollte dies eine selbständige Staatsanstalt sein, die nicht nur mit Laboratorien, sondern auch mit Schmelzöfen, in denen Schmelz- versuche auch im grossen ausgeführt werden konnten, ausgerüstet sein sollte. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt sowohl der Kosten wegen, als weil die preussische Regierung mit dem Prinzip, Muster- werke für die Eisenindustrie zu betreiben, grundsätzlich gebrochen und den Grundsatz der Enthaltung jeder staatlichen Einmischung in die Industrie angenommen hatte. Die deutsche Eisenindustrie konnte sich zur Gründung einer solchen Anstalt ebensowenig aufschwingen. Als aber die Erfolge der Versuchsanstalt des Engländers Kirkaldy bekannt wurden, und als Wöhler seine Festigkeitsversuche über Eisenbahnmaterialien 1870 veröffentlicht hatte, entstanden zunächst 1871 die Privatanstalten von Dr. Böhme in Berlin zur Prüfung von Ziegel- und Bruchsteinen und von Professor Spangenberg zur Fort- setzung der Wöhlers chen Versuche, etwas später die Prüfungsanstalt von Professor Bauschinger in München für Baumaterialien aller Art. Obgleich H. Wedding seinen Antrag auf Gründung einer staat- lichen Prüfungsanstalt für Preussen von Jahr zu Jahr wiederholte, ging die Regierung erst 1876 darauf ein, und zwar nach Beratung des Ministers Achenbach mit den Direktoren der drei höheren technischen Lehranstalten in Berlin in der Weise, dass nicht eine grosse Anstalt, sondern drei kleinere in Verbindung mit diesen Anstalten gegründet wurden. Die chemisch-technische Prüfungsanstalt wurde der Berg- akademie, die mechanisch-technische und eine Prüfungsanstalt für Baumaterialien mit der Gewerbeakademie, an deren Spitze Professor Reuleaux stand, angegliedert und für dieselben am 23. Januar 1880 ein Reglement erlassen. Diese Zersplitterung beeinträchtigte die Leistungen, und das um so mehr, als die Anstalten sich möglichst selbst erhalten, also verdienen sollten. Hierdurch waren grössere, einheitliche Versuche zur Förderung der deutschen Eisenindustrie, wie dies Wedding erstrebt hatte, ausgeschlossen und beschränkten sich die Anstalten auf bezahlte Privatarbeiten. Eine Besserung trat erst ein, als mit der Gründung der technischen Hochschule zu Char- lottenburg im Jahre 1884 auch die mechanisch-technische Versuchs- anstalt reichlicher ausgestattet wurde. Seitdem konnten auch weiter- gehende Arbeiten in Weddings Sinn ausgeführt werden, und hat sich die Anstalt unter Professor Martens vortrefflicher Leitung grosse Verdienste und allseitige Anerkennung erworben. Bayern hat eine allgemeine Prüfungsanstalt in München, die von dem um die Materialienprüfung hochverdienten Professor J. Bau- Technische Lehranstalten. schinger Geboren am 11. Juni 1834 zu Nürnberg, starb am 25. November 1893 zu München. gegründet wurde; die Schweiz besitzt eine gleiche Anstalt in Zürich, an deren Spitze Professor Tetmajer steht. Alle diese Anstalten veröffentlichen jährlich Berichte Die preussischen Anstalten in den „Mitteilungen aus den königl. technischen Versuchsanstalten in Berlin“. über ihre Thätigkeit. Mit dem Wachstum der Industrie erlangten auch die technischen Lehranstalten eine wachsende Bedeutung. Die Zahl und der Besuch dieser Anstalten nahm zu. Deutschland, das von jeher auf dem Gebiete des Erziehungs- wesens Hervorragendes und vielfach Mustergültiges geleistet hat, ent- wickelte neben seinen zahlreichen Universitäten das technische Hoch- schulwesen in glänzender Weise. Technische Hochschulen besitzt Deutschland in Aachen, Berlin (Charlottenburg), Braunschweig, Darm- stadt, Dresden, Hannover, Karlsruhe, München und Stuttgart, geplant ist ferner die Gründung einer solchen Anstalt in Danzig. Aachen allein besitzt einen besonderen Lehrstuhl für Eisen- hüttenkunde, er ist von Professor E. F. Dürre besetzt; in Charlotten- burg, der grössten und besuchtesten technischen Hochschule, hält Professor H. Wedding Vorträge über Eisenhüttenkunde. Deutschland besitzt neben den technischen Hochschulen drei Fachakademieen für Bergbau- und Hüttenkunde. Von diesen ist die älteste Freiberg in Sachsen, die schon 1766 gegründet wurde und sich eines Weltrufes erfreut. Sie hat einen besonderen Stuhl für Eisen- hüttenkunde, den Professor A. Ledebur einnimmt. Die 1811 gegründete Bergakademie zu Clausthal, die 1866 mit Hannover an Preussen fiel, wird mehr von Bergbau- und Metallhüttenkunde-Studierenden besucht. In der seit 1860 bestehenden Bergakademie in Berlin wird die Eisen- hüttenkunde von Professor H. Wedding vorgetragen und vertreten. Neben diesen höheren Lehranstalten besitzt besonders Preussen eine grosse Zahl niederer Lehranstalten. Es gab 1897 in Preussen zehn Bergschulen und 31 Bergvorschulen zur Ausbildung praktischer Grubenbeamten. Bergschulen sind zu Tarnowitz in Oberschlesien, zu Waldenburg in Niederschlesien, zu Eisleben im Oberbergamt Halle, zu Clausthal im Harz, zu Essen und zu Bochum im Oberbergamt Dortmund, zu Saarbrücken, Siegen, Dillenburg, Wetzlar und Barde- leben bei Aachen im Oberbergamt Bonn. Ausschliesslich für Eisenhüttenkunde dient die Hüttenschule zu Duisburg, früher in Bochum, die von den Eisenindustriellen Rheinlands Technische Lehranstalten. und Westfalens erhalten wird und an der als Lehrer Th. Beckert und Dr. F. Wüst Seit Herbst 1901 an Stelle von Dürre in Aachen. wirken. Gute Fachschulen für Eisenarbeiter sind ferner zu Remscheid, wo H. Haedicke als Lehrer wirkt, zu Iserlohn und zu Dortmund. Österreich besitzt zwei Bergakademieen, Leoben und Přibram. In Leoben wirkten P. von Tunner, Franz Kuppelwieser und jetzt Jos. von Ehrenwerth auf der Lehrkanzel für Eisenhüttenkunde. Ungarn hat die alte, schon 1770 gegründete Bergakademie zu Schem- nitz, wo Anton von Kerpely die Eisenhüttenkunde vertrat. Fach- schulen für Eisenhüttenleute befinden sich in Steyr, Waidhofen und Komotau. In Frankreich pflegen höhere Hüttentechniker ihre Studien erst auf der École politechnique zu machen und sich dann einer der beiden höheren Fachschulen für Berg- und Hüttenleute, der École des Mines zu Paris oder zu St. Etienne zuzuwenden. Für die Ausbildung von technischen Unterbeamten sorgen zahlreiche Lehrwerkstätten, deren Ursprung zum Teil in die Zeit der grossen Revolution (1788) zurückgeht und die besonders für die Kleinindustrie segensreich wirken. Für Eisenarbeiter sind die Schulen zu Chalons-sur-Marne und auf dem Boulevard de la Villette zu Paris zu erwähnen. In England ist die Royal School of Mines in London die höhere Lehranstalt für Hüttenleute. In neuester Zeit (1899) ist mit der Midland-University in Birmingham eine Abteilung für den Unterricht in der Hüttenkunde verbunden worden. Russland besitzt als höhere Lehranstalt das Institut für Berg- und Hüttenwesen in St. Petersburg; ausserdem hat es grosse, nach französischem Muster eingerichtete Lehrwerkstätten in St. Petersburg, Moskau und Odessa. In Schweden wurde die altberühmte Bergschule von Falun 1869 nach Stockholm verlegt und mit der technischen Hochschule ver- einigt. Hier wirkten Åkerman, Eggertz, Knut Styffe, J. Wiborgh . Für die Ausbildung von Unterbeamten dienen die 1869 gegründete Schule zu Falun und seit 1871 die zu Filipstadt. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist in den letzten Jahrzehnten viel für die Hebung des technischen Unterrichtswesens geschehen. Durch die Land-grant-Bill von 1862 wurde den Einzel- staaten umfangreicher Grundbesitz zur Verbesserung des Schulwesens zugewiesen. Die meisten der alten grossen Lehranstalten wurden mit Technische Lehranstalten. Abteilungen für technischen Unterricht verbunden. Die altberühmte Harvard-Universität, die 1636 von J. Harvard für Massachusetts zu Newtown gegründet worden war, erhielt eine technische Abteilung unter dem Namen Lawrence Scientific School, die Yale-Universität in Newhaven (Conn.) eine solche unter dem Namen Sheffield Scientific School. Ebenso wurde mit der 1852 gegründeten Washington-Uni- versität in St. Louis eine polytechnische Abteilung verbunden, und der Cornell-Universität in Ithaca (New York) das Lilbey College angefügt. Die wichtigste Anstalt für Bergbau- und Hüttenkunde ist aber Columbian College in New York, das 1869 als School of Mines organisiert wurde. In Houghton befindet sich die Michigan Mining School. Fast jeder Staat der Union hat jetzt seine technische Lehranstalt. Von diesen seien noch angeführt das Renssclaer-Polytechnikum in Troy (N. Y.), das Stevens-Institut in Hoboken (N. J.), welches 1870 von Ed. A. Stevens gegründet wurde, das Massachusetts Institute of Technology in Boston (1865 gegründet), die Leland Stanford Uni- versity in Palo Alto (Cal.), die 1886 gegründete Care School of Applied Science in Cleveland (Ohio) und die New York-Trade-school. Die amerikanischen technischen Schulen zeichnen sich durch gute Lehr- mittel und Werkstätten aus. Neuerdings hat der um die amerikanische Eisenindustrie hochverdiente und durch sie zum 100fachen Millionär gewordene John Carnegie grossartige Summen für die Förderungen des technischen Schulwesens in den Vereinigten Staaten geschenkt. Auch Japan hat seit einigen Jahren mit der Universität zu Tokio einen Lehrstuhl für Eisenhüttenkunde verbunden. Von hoher Bedeutung sind die Wohlfahrtseinrichtungen und die Schutzgesetze zum Wohle der arbeitenden Klassen, womit Deutschland in den letzten Jahrzehnten den übrigen industriellen Staaten voran- geschritten ist. Kaiser Wilhelm I. gebührt das unsterbliche Verdienst, durch seine Botschaften vom 11. November 1881 und vom 14. April 1883 die Anregung hierzu gegeben zu haben. Am 15. Juni 1883 wurde durch Reichsgesetz die allgemeine Krankenversicherung und am 22. Juni 1889 die Invaliditäts- und Altersversicherung der Arbeiter in Deutschland eingeführt und geregelt. Seitdem bemühen sich auch die übrigen Kulturstaaten ähnliche Einrichtungen zu schaffen. Die Geschichte des Eisens in den einzelnen Ländern. Allgemeines . Kein Zeitabschnitt von gleicher Dauer weist so grossartige Fort- schritte in der Eisenindustrie auf, als die letztverflossenen 30 Jahre seit 1870. An diesen Fortschritten nahmen alle Kulturländer, ja man kann sagen, alle Länder der Erde teil, wenn auch nach Eigenart und Verhältnissen in verschiedenem Masse. Die Allgemeinheit, die Inter- nationalität dieser Fortschritte, kann als das wichtigste Merkzeichen dieser Periode bezeichnet werden. Sie war ermöglicht und veranlasst durch die ausserordentliche Entwickelung des Verkehrs, welche selbst wieder eine Folgeerscheinung der fortschreitenden Entwickelung der Eisenindustrie war. An den Erfindungen und Verbesserungen, welche zu dem grossen Aufschwung der Eisenindustrie beitrugen, haben alle Kulturvölker mitgewirkt. Es war nicht mehr möglich, eine wichtige Erfindung auf diesem Gebiete geheim zu halten und für ein Land zu monopolisieren, wie dies früher z. B. mit der Erfindung des Gussstahls von Benjamin Huntsman in England geschehen war. Die ganze Welt, alle Metallurgen der Erde standen in Gedankenaustausch und arbeiteten zusammen, und da diese Arbeiten sich häufig auf denselben Gegenstand bezogen, wurden nicht selten dieselben oder ähnliche Ver- besserungen in ganz verschiedenen Ländern gleichzeitig erfunden und eingeführt. War aber eine wichtige Erfindung gemacht, so wurde sie nicht verheimlicht, sondern veröffentlicht und verbreitete sich alsbald in alle Länder, die daran Interesse nahmen. Dies war um so mehr der Fall, als die Erfindungen durch Patente geschützt wurden, und diese Patente selbst zum Bekanntwerden der Erfindung und zu ihrer Verbreitung beitrugen. Die wichtigsten wissenschaftlichen und tech- nischen Verbesserungen auf dem Gebiete der Eisenindustrie sind im vorhergehenden allgemeinen Abschnitt aufgeführt und beschrieben. Unsere Aufgabe in diesem Teil ist es, den Anteil der einzelnen Länder an Allgemeines. Roheisenerzeugung der Erde in Kilotonnen . Grossbritannien. dieser Entwickelung und die Wirkungen dieser Fortschritte im ganzen wie im einzelnen nachzuweisen. Für letzteres dient als wichtigstes Hülfsmittel die Statistik . Diese zeigt zunächst eine allgemeine, bedeutende Produktionssteigerung, veranlasst durch eine vielseitigere und intensivere Verwendung des Eisens auf fast allen Gebieten der Technik. Der Grund hierfür lag in der grösseren Güte und relativen Billigkeit desselben infolge der technischen Fortschritte. Der wichtigste von diesen war die Vervollkommnung der Flusseisenb ereitung. Der Sieg des Flusseisens über das Schweisseisen, die Verwendung des Flusseisens für alle Zwecke sind die charakteristischsten Er- scheinungen in diesem Zeitraum. Diese begannen mit der Verbesserung des sauren Konverterprozesses, des eigentlichen Bessemerprozesses, besonders durch vermehrte Massenerzeugung; sie wurden gesteigert durch die Erfindung des basischen Konverterprozesses von Gilchrist Thomas 1879 und durch die Übertragung des basischen Schmelz- verfahrens auf den Siemens-Martinprozess. Dieses sind die wichtigsten Etappen auf dem Siegeszug des Flusseisens. Betrachten wir die allgemeine Steigerung der Eisenproduktion und des Eisenverbrauchs an Hand der Statistik. Die Grundlage hierfür bildet die Roheisenerzeugung. Die Entwickelung dieser im Verlauf des 19. Jahr- hunderts ist aus nebenstehender Zusammenstellung (S. 896) ersichtlich. Wir erkennen daraus die riesige Zunahme der Roheisengewinnung, die sich von 1806 bis 1899 um das 54 fache vermehrt hat. Die Schweisseisenerzeugung erreichte ihren Höhepunkt im Jahre 1882 mit 9135 Kilotonnen. Die Flusseisenproduktion betrug in diesem Jahre schon 6687 Kilotonnen, 1899 war sie auf 25844 Kilotonnen gestiegen, während die Schweisseisenerzeugung höchstens noch 5000 Kilotonnen betrug. Über diese Entwickelung finden sich die näheren Nachweise bei den einzelnen Ländern und in den Zusammenstellungen am Schlusse des Abschnitts. Grossbritannien . Im Anfang der Periode der Geschichte des Eisens von 1871 bis zur Gegenwart strahlte Englands Ruhm auf dem Gebiete der Eisenindustrie in hellstem Glanze, seine Führerschaft war unbestritten, übertraf doch seine Roheisenproduktion im Jahre 1871 die aller übrigen Länder zusammengenommen. Werfen wir aber einen Blick auf die nachfolgende Zusammenstellung, welche die Roheisenerzeugung Grossbritanniens vom Jahre 1870 ab und den prozentualen Anteil der- Beck, Geschichte des Eisens. 57 Grossbritannien. selben an der Weltproduktion wiedergiebt, so zeigt sich uns ein eigen- artiges Bild. Grossbritanniens Roheisenerzeugung in Kilotonnen (zu 1000 -Meter-Tonnen) und in Prozenten der Welt- produktion . Grossbritanniens Eisenerzeugung hat zwar in diesem Zeitraum zugenommen, aber durchaus nicht in dem Verhältnis zu der Produktion der übrigen Länder der Erde, so dass der Anteil an der Weltproduktion seit 1871 fortwährend abgenommen hat und von der Hälfte bis unter ein Viertel herabgesunken ist. Grossbritanniens Eisenindustrie war nicht zurückgegangen; aber die Industrie anderer Länder, besonders die der Vereinigten Staaten und Deutschlands, die im Rückstand geblieben war, hat viel rascher zugenommen als die englische, ja im Jahre 1890 hat die Produktion der Vereinigten Staaten die englische überholt und seitdem haben diese die Führerschaft hinsichtlich der Grösse der Erzeugung übernommen. Fig. 340 giebt uns das Bild dieser Produktionsbewegung in Kurven. Ein Vorwurf kann den englischen Eisenindustriellen hieraus nicht gemacht werden. Es muss vielmehr anerkannt werden, dass in keiner Zeit so viele hervorragende, wissenschaftlich hoch gebildete Eisen- industrielle und Metallurgen sich um die Fortschritte der englischen Eisenindustrie bemüht haben. Neben Sir Henry Bessemer, Sir Lowthian Bell, Gilchrist Thomas wirkte eine ganze Reihe vortrefflicher Männer, deren Namen wir zum Teil bereits kennen gelernt haben, theoretisch und praktisch auf allen Gebieten des Eisenhüttenwesens und zahlreiche wichtige Er- findungen, von denen die Entphosphorung des Roheisens durch den Grossbritannien. basischen Konverterprozess von Gilchrist Thomas an Wichtigkeit alle anderen übertraf, sind in England gemacht und erprobt worden. Fig. 340. W = Weltproduktion, E = England, A = Amerika, D = Deutschland. Die Ursache des Zurückbleibens lag nur darin, dass Englands Eisen- industrie bereits einen Umfang, eine Entfaltung erreicht hatte, die unter den gegebenen wirtschaftlichen Bedingungen eine weitere Ent- 57* Grossbritannien. wickelung im gleichen Verhältnis wie früher unmöglich machte, um so weniger, als durch das Erblühen der Eisenindustrie in anderen Ländern, deren natürliche Hülfsmittel bisher noch nicht in gleichem Masse in Anspruch genommen waren, wichtige Absatzgebiete für die Ausfuhr englischen Eisens verloren gingen oder eingeschränkt wurden. Auch richteten diese Staaten zum Schutz ihrer Industrie durch Ein- führung oder durch Erhöhung von Schutzzöllen künstliche Hindernisse gegen die Überflutung mit englischem Eisen auf, wodurch die Ausfuhr Grossbritanniens gleichfalls erschwert und beschränkt wurde. Der Kampf, welchen die englische Eisenindustrie gegen diese und zahlreiche andere Schwierigkeiten führen musste, machte das Gesamt- bild der Geschichte der englischen Eisenindustrie in diesem Zeitraum nicht weniger interessant als irgend ein früheres. Neben den Schwierigkeiten nach aussen fehlte es nicht an Schwierigkeiten im Inneren. Die Überlegenheit Grossbritanniens be- ruht auf den günstigen natürlichen Bedingungen für die Eisenerzeugung und für den Absatz. Mächtige, vortreffliche Ablagerungen von Stein- kohlen liegen in unmittelbarer Nähe von fast unerschöpflichen Erz- lagern. Der Transport ist erleichtert durch Kanäle und günstige Eisen- bahnfrachten, der Absatz durch die insulare Lage Englands und seine Be- herrschung des Seehandels. Durch diese natürlichen Vorteile war England im stande, das Eisen billiger darzustellen und zu versenden als jedes andere Land. Schwierigkeiten im Inneren erwuchsen aber dennoch durch die zunehmende Verteuerung der Steinkohlenförderung, durch die Steigerung der Löhne und durch die Störungen, welche häufig wiederkehrende Lohnkämpfe und Arbeitseinstellungen hervorriefen. Die englische Eisenindustrie konzentrierte sich in den Gebieten der Steinkohlengewinnung. Infolge der günstigen Erzgewinnungs- und Transportverhältnisse gelang es dem Clevelandbezirk in Nord-Yorkshire, dem 1871 Süd-Wales noch die Führerschaft streitig machte, diese von 1872 an zu behaupten und die übrigen Centren der Eisenerzeugung rasch und in steigendem Masse zu überflügeln. Nächst Cleveland sind die wichtigsten Eisengebiete in England Süd-Wales, Staffordshire, Lancashire und Cumberland, in Schottland das Kohlenbecken des Clyde. Oft haben im Laufe der Geschichte die eisenerzeugenden Gebiete Englands die Führerrolle gewechselt. Als man nur Holzkohlenbetrieb kannte, nahm zur Zeit der Römerherrschaft der Forest of Dean in Glocestershire die erste Stelle ein; im Mittelalter, zur Zeit Hein- richs VIII. und der Königin Elisabeth , war Sussex, wo jetzt kaum Grossbritannien. eine Spur mehr von den alten Holzkohlenhütten zu finden ist, die wichtigste Eisenprovinz. Dann erscheint zu Anfang des 18. Jahr- hunderts die Eisenerzeugung des Forest of Dean wieder als die be- deutendste; in der Mitte desselben steht Shropshire durch Coal- brookdale und das Verdienst der Familie Darby an der Spitze. Nach der Erfindung des Puddelprozesses erlangt im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts Süd-Wales die Führerschaft, während durch die Erfindung der Winderhitzung durch Neilson nach 1830 die schottische Hochofenindustrie einen solchen Aufschwung nahm, dass sie eine Zeit lang die von Süd-Wales überflügelte. Zu Anfang der siebziger Jahre fiel dann die Leitung dem Clevelandbezirk zu, der seitdem auch in seinen Einrichtungen die meisten Fortschritte auf- wies, die vielfach vorbildlich auch für die Entwickelung der übrigen Länder der Erde geworden sind. Die Steinkohlenförderung Grossbritanniens betrug im Jahre 1871: 117186278 Tonnen, wovon 12748000 ausgeführt wurden. 1872 war die Steinkohlenproduktion 123386758 Tonnen, während die der übrigen Länder der Erde zusammen nur etwa 70 Mill. Tonnen betrug; die Ausfuhr in diesem Jahre war 13212000 Tonnen, so dass mehr als 110 Mill. Tonnen in Grossbritannien selbst verbraucht wurden. Ein Viertel der Steinkohlenförderung wurde in der Eisenindustrie verwendet. Die Eisenerzgewinnung im Jahre 1871 belief sich auf 16334888 Tonnen. Hiervon waren: Roheisenstein 2955594 Tonnen Magneteisenstein 314594 „ Brauneisenstein 1180805 „ Spateisenstein 116080 „ Thoneisenstein und Sphärosiderit 10690156 „ Kohleneisenstein (Blackband) 1077659 „ Summa: 16334888 Tonnen Von den einzelnen Grafschaften und Provinzen lieferten: Cornwall 21942 Tonnen Devonshire 14025 „ Somersetshire 32884 „ Gloucestershire 207599 „ Wiltshire 159894 „ Oxfordshire 28330 „ Northhamptonshire 779314 „ Lincolnshire 290673 „ Shropshire 415972 „ Warwickshire 34075 „ Staffordshire 2218745 „ Übertrag 4203453 Tonnen Grossbritannien. Übertrag 4203453 Tonnen Derbyshire 492973 „ Lancashire 931048 „ Cumberland 1302704 „ Yorkshire (North und West Riding) 4989898 „ Northumberland und Durham 285297 „ Nord-Wales 51981 „ Süd-Wales 969724 „ Die Insel Man 75 „ Schottland 3000000 „ Irland 107735 „ Summa: 16334888 Tonnen Die Hauptmassen dieser Erze Eine genaue Beschreibung der englischen Eisensteine, ihrer chemischen Zusammensetzung, ihrer Lagerung u. s. w. findet sich in Dr. Hermann Weddings Handbuch der Eisenhüttenkunde, 2. Auflage (1897), S. 66 bis 119. gehören drei Formationen an: dem Steinkohlengebirge, dem Kohlenkalk und dem Jura. Trotz des reichen Segens an Eisenerzen fand bereits damals schon eine wenn auch noch mässige Einfuhr fremder Erze, besonders zur Erzeugung von Bessemerroheisen und Spiegeleisen, statt. Diese Einfuhr betrug 1871 nur 324034 Tonnen, stieg aber im Jahre 1872 bereits auf 801503 Tonnen. Wie sehr sie im Verlauf dieses Zeit- abschnittes zugenommen hat, zeigen nachfolgende Zahlen: Während die eigene Förderung zurückging, ist die Einfuhr be- trächtlich gestiegen. Die Eisenerzgewinnung Schottlands betrug 1872: 3270000 Tonnen, 1900: 849031 Tonnen. Die Wandlungen, welche die Roheisenerzeugung Grossbritanniens in der Zeit von 1871 bis 1899 in den einzelnen Gebieten erfahren hat, sind aus nachfolgender Tabelle ersichtlich. Grossbritannien. Roheisenerzeugung Grossbritanniens . Hier fällt zunächst das riesige Wachstum der Roheisenerzeugung des Clevelandbezirkes (Nord-Yorkshire) ins Auge. Seine Produktion betrug 1871 nur etwas über 15 Prozent der Gesamtproduktion und wurde noch von der von Süd-Wales und der von Schottland über- troffen. 1897 erreichte sie fast 38, 1899 belief sie sich auf etwa 23 Prozent der Roheisenerzeugung Grossbritanniens und übertraf weitaus die aller anderen Gebiete. Sehr bedeutend war auch die Zu- nahme in West-Cumberland, Lincolnshire, Northhamptonshire, sowie in Notts und Leicester. Ein Rückgang der Roheisenerzeugung trat ein in Süd-Staffordshire, Shropshire und in Süd-Wales. Die Schweisseisen- erzeugung sank in der Zeit von 1870 bis 1897 von 2600 Kilotonnen auf 1328 Kilotonnen, während die Flusseisenerzeugung in derselben Zeit von 287 Kilotonnen auf 4540 Kilotonnen stieg. — Genauere Angaben über die Veränderungen der britischen Eisenindustrie von 1870 bis 1899 finden sich am Schlusse dieses Kapitels. Nach diesem kurzen statistischen Überblick wenden wir uns zu den technischen Fortschritten in dieser Periode, zunächst in der Zeit von 1871 bis 1880 und beginnen mit der Darstellung des Roheisens. Grossbritannien. Die vermehrte Nachfrage nach Bessemerroheisen gab die Ver- anlassung zur Einfuhr und Verwendung zunehmender Mengen aus- ländischer Qualitätserze. England besass zwar in dem Hämatit von Cumberland ein vorzügliches Erz für diesen Zweck. War doch der Cumberland-Hämatit der klassische Rohstoff für das Bessemerroheisen, weshalb diese Roheisengattung bis heute mit dem Namen Hämatit- roheisen bezeichnet wird, wenn es auch jetzt meist aus anderen, meist spanischen Erzen erblasen wird. Anfang der sechziger Jahre hielt man es noch für unentbehrlich zur Herstellung von Bessemerstahl. Diesen Erzen verdankt der Cumberlandbezirk sein Emporblühen, indem hier grossartige Hochofen- und Bessemerstahlhütten entstanden, besonders das Riesenwerk von Schneider, Hannay \& Co. zu Barrow-in-Furness, das 1872 schon mit 12 grossen Hochöfen aus- gerüstet war. Dadurch sowie durch die grosse Nachfrage nach dem Cumberlandeisenstein, selbst vom Auslande, wurde dieses Erz bald sehr verteuert und die Werke anderer Bezirke suchten nach Ersatz. Diesen lieferten überseeische Erze, vor allem die vorzüglichen Erze von Sommorostro in Nordspanien, die von Bilbao aus verschifft und des- halb als Bilbaoerze bezeichnet wurden. Diese mit einheimischen Erzen gattiert, ergaben ein sehr brauchbares Bessemerroheisen, das dem aus Cumberland-Hämatit erzeugten gleich kam. Infolgedessen führte England diese und ähnliche Erze in immer wachsenden Mengen ein. Die Einfuhr von Bilbaoerzen betrug: 1870 etwa 200000 Tonnen 1881 1984986 „ 1890 3040562 Tonnen 1899 6186000 „ Aus welchen Ländern England seine fremden Erze überhaupt bezog, zeigt folgende Zusammenstellung für das Jahr 1890: aus Spanien 4028672 Tonnen „ Algier 237609 „ „ Griechenland 112764 „ „ Italien 46517 „ „ Türkei 18968 „ „ Australien 3475 „ „ anderen Ländern 23785 „ 4471790 Tonnen zu £ 3596056 wozu noch 492668 Tonnen geröstete Kiesrückstände (purple ore) von fremden Häfen kamen. Für die Darstellung von Spiegeleisen waren manganreiche Eisenerze und Manganerze nötig, die ebenfalls meist aus Spanien bezogen wurden. Neben Herstellung von Qualitätseisen war Massenerzeugung zur Verringerung der Produktionskosten ein wichtiger Gesichts- Grossbritannien. punkt bei Einrichtung und Betrieb der Hochofenhütten. Hierin war der Clevelandbezirk tonangebend. Seit Ende der sechziger Jahre baute man dort immer höhere Öfen (vergl. S. 450) und dieses Bestreben dauerte noch bis 1873 an, in welchem Jahre zu Ferryhill ein Hochofen von 33 m Höhe aufgeführt wurde. Dieser Ofen war verhältnismässig schlank, er hatte nur 835 cbm Inhalt. Viel weiter war der von Cochrane zu Ormesby 1870 erbaute Hochofen von 27½ m Höhe und 19 m Weite im Kohlensack, der einen Fassungs- raum von 1523 cbm hatte. Die Festigkeit der vortrefflichen Durham- koks erlaubten solche Dimensionen, besonders diese früher unerreichte Höhe. Sir Lowthian Bell sprach sich aber 1872 gegen diese riesigen Öfen aus, die keine Vorteile im Verhältnis zu den Anlagekosten böten. Er empfahl als für den Clevelanddistrikt am geeignetsten Öfen von 354 cbm Inhalt und eine Windtemperatur von 540°. Er hielt höhere Windtemperaturen von 750 bis 800° C., wie sie in den neuerfundenen steinernen Regenerativ-Winderhitzern von Whitwell und Cowper erzielt wurden, für zwecklos. Hierin hat ihm die weitere Entwickelung der Hochofenindustrie allerdings unrecht gegeben. Die Gebrüder Bell hatten damals ihre Hochöfen zu Clarence- Works auf 24,35 m Höhe, 6,10 m Kohlensackweite und 425 cbm Inhalt vergrössert und erzielten bei 540° C. Windtemperatur eine Wochen- produktion von 460 Tonnen Roheisen mit 1150/1000 kg Koks, gegen wöchentlich 220 Tonnen bei 1750/1000 Koksverbrauch in ihren alten Öfen von 14,6 m Höhe, 170 cbm Inhalt, 350° Windtemperatur. Der viel grössere Ofen zu Newport von 25,91 m Höhe, 8,535 m Kohlensack- weite und 850 cbm Fassungsraum lieferte, obgleich man die Wind- temperatur von 400° C. auf 640° C. gesteigert hatte, nicht mehr als 490 bis 500 Tonnen bei einem Koksverbrauch von 1018/1000 Koks. Der Riesenofen zu Ferryhill erzielte angeblich bei 450° Windtemperatur eine Tagesproduktion von 1100 Centner, entsprechend einer Wochen- produktion von 385 Tonnen bei 850/1000 Koksverbrauch. Durchschnittlich rechnete man für die Clevelanderze, die nur 32 bis 34 Prozent Eisen enthalten, im Jahre 1871 einen Koksverbrauch von 110 Prozent. In diesem Jahre waren aus 6300000 Tonnen geförderten Clevelanderzen 1900000 Tonnen Roheisen in Cleveland und den Nachbargebieten erblasen und fast ausschliesslich zu Puddeleisen verarbeitet worden. Grossbritannien. Das Bestreben, die Hochöfen zu erhöhen, führte in Schottland zu der Erfindung des „selbstkokenden Ferrie-Hochofens“. Da die Mager- kohle des Clydebeckens, womit die schottischen Hochöfen betrieben wurden, eine beträchtliche Erhöhung der Schmelzöfen nicht zuliess, so suchte dies William Ferrie 1869 dadurch zu erreichen, dass er dem Hochofenschacht noch einen 20 engl. Fuss hohen Schacht, der im Inneren durch zwei senkrechte, im rechten Winkel sich schneidende Wände in vier gleiche Abteilungen getrennt war, aufsetzte. In diesen Abteilungen sollten die Steinkohlen verkokt werden und die Zwischen- wände einen Teil des Druckes aufnehmen, so dass die Brennstoffsäule nur einen geringen Druck auf die Beschickungssäule im Hochofen aus- üben sollte. Der erste Ofen nach Ferries Konstruktion war 1870 auf dem Eisenwerk Monkland errichtet worden. Er war mit dem cylin- drischen Aufsatz 26 m (83 engl. Fuss) hoch, hatte 5,49 m Durchmesser im Kohlensack und 3,81 m Gicht, der cylindrische Aufsatz war 6,10 m hoch. Die Gase wurden abgeleitet und für Dampfkessel- und Wind- erhitzung benutzt. Der Ofen soll eine Mehrerzeugung von 25 Prozent bei 15 Prozent Kohlenersparung geliefert haben. Aus diesem Grunde fanden diese Öfen in Schottland Verbreitung — bis 1874 wurden sieben Hochöfen nach Ferries System gebaut — und erregten auch ausserhalb Schottlands grosse Erwartungen. Wenn diese sich auch nicht erfüllt haben, so gaben die Ferrieöfen doch die Veranlassung zu manchen Verbesserungen, namentlich zu besserer Ausnutzung der Hochofengase in Schottland. In Süd-Wales führte die Erhöhung und Erweiterung der Hochöfen ebenfalls zu einer beträchtlichen Steigerung der Produktion. Die Wochenerzeugung stieg von 137 Tonnen im Jahre 1859 auf 174 Tonnen 1870 und auf 260 Tonnen 1877. Der Koksverbrauch fiel dabei von 2½ auf 2 und unter 2 Tonnen auf die Tonne Roheisen. Die alten Öfen hatten nur 14 m Höhe gehabt, die um 1870 auf etwa 20 m ge- steigert wurde. Ein sehr wichtiger Fortschritt für die gesamte Hochofenindustrie war die Verbesserung der Winderhitzer und die dadurch erzielte Erhöhung der Windtemperatur. Auch diese Verbesserung wurde im Clevelandbezirk zuerst durchgeführt. Dort hatte zunächst John Gjers, ein Schwede von Geburt, welcher Direktor der Ayrsome-Eisen- hütte bei Middlesborough wurde und viele Verbesserungen in der Eisenindustrie erfunden und eingeführt hat, die eisernen Röhren- apparate verbessert. Der Gjerss che Winderhitzer fand grosse Ver- breitung nicht nur in Grossbritannien, sondern auch auf dem Kontinent. Grossbritannien. Gusseiserne Röhrenapparate konnten aber immer nur eine beschränkte Windtemperatur geben, weil die Röhren bei stärkerer Erhitzung glühend wurden und verbrannten. Es war kaum möglich, mehr als 530° C. darin zu erzielen. Es lag nahe, das von Siemens in die Feuerungstechnik eingeführte Regenerativprinzip auch auf die Wind- erhitzer zu übertragen, und so entstanden die steinernen Winderhitzer von Cowper, Whitwell und anderen. Edward Alfred Cowper war es, der zuerst diesen Gedanken in die Praxis eingeführt hatte (Engl. Pat. vom 19. Mai 1857, Nr. 1404). Das Steingitterwerk seines Ofens gab zwar grosse Heizfläche, verstopfte sich aber leicht und schmolz dann häufig zusammen. Deshalb ersetzte Whitwell (Engl. Pat. vom 10. November 1865, Nr. 2897) dieses Gitterwerk 1865 durch gerade auf und ab steigende Züge. Cowper verbesserte zwar seine Öfen, aber die Whitwellöfen fanden Anfang der siebziger Jahre doch mehr Anklang und Verbreitung als die von Cowper . Die ersten Whitwell- Winderhitzer, die sich bewährten, waren auf der Hütte zu Thornby 1869 errichtet worden, diesen folgten 1870 die Consett-Eisenwerke und andere. Die ersten Cowperapparate, die grossen Erfolg hatten, waren die von A. Cowper selbst auf den Eisenwerken von Cochrane \& Co. 1871 erbauten. Sie führten alsbald eine Koksersparnis von 4 Centner pro Tonne herbei und sind bahnbrechend geworden. In demselben Jahre noch wurden die neuerbauten Hochöfen zu Barrow-in-Furness in Cumberland mit Cowper-Winderhitzern versehen. In den steinernen Winderhitzern erzielte man Windtemperaturen bis zu 800° C. Als Brennmaterial dienten die den Hochöfen ent- zogenen Gichtgase. Man lernte den Wert guter Gichtverschlüsse und der Ableitung und Verwendung der Hochofengase für Heizzwecke schätzen und steuerte damit der Vergeudung eines wichtigen Brenn- stoffes. 1873 hatten selbst die schottischen Hochöfen meist schon Gichtgasfänge. Zu einer besseren Wärmeökonomie trug auch die vortreffliche Untersuchung und Veröffentlichung Sir Lowthian Bells „Die Ent- wickelung und Verwendung der Wärme in den Hochöfen“ im Jahre 1870, wodurch er den Begriff der Wärmebilanz des Hochofens in die hüttenmännische Praxis einführte, bei. Die Clevelanderze wurden geröstet und zwar geschah dies in sehr geräumigen Schachtöfen. Die Borie- Röstöfen der Clarencehütte bei Eston waren 14 m hoch. Gjers führte verbesserte Röstöfen zu Grossbritannien. Ayresome bei Middlesborough ein, die 10 m Höhe und 7,31 m Durch- messer hatten. Wil. Siemens sowie Howson und Wilson nahmen Patente auf Gasröstöfen (1874). 1873 gab es im Clevelandbezirk bereits Hochöfen von 7000 engl. Kubikfuss Fassungsraum. John Gjers hatte schon in den sechziger Jahren in Cleveland stehende, direkt wirkende Gebläsemaschinen eingeführt, die rasch Verbreitung fanden und deshalb in England als Clevelandmaschinen bezeichnet wurden. In Süd-Wales hielt man dagegen noch an den alten riesigen Balanciergebläsen, die den Wind für mehrere Öfen zugleich lieferten, fest. 1874 bauten Dick und Stevenson auf der Govanhütte in Schottland ein neues Gebläse, bei dem der Dampfcylinder über dem Gebläsecylinder stand, wodurch eine leichtere, billigere Funda- mentierung erzielt wurde. Einen verbesserten hydraulischen Gichtaufzug konstruierte T. Wrightson 1874 auf den Teesdale-Eisenwerken, der dann auch auf anderen Hütten eingeführt wurde. Lürmanns Schlackenform und die Zustellung der Hochöfen mit geschlossener Brust fanden mehr und mehr Eingang und waren 1874 schon ziemlich verbreitet. Bei den 12 grossen Hochöfen zu Barrow-in-Furness waren 1871 die sämtlichen Düsenstöcke hängend, indem sie von einem weiten Ringrohr, das höher als die Formen um den Ofen lag, abzweigten, eine Konstruktion, die ihrer Zweckmässigkeit wegen rasch Nach- ahmung fand. Wir haben bereits angeführt, dass viele Hütten auf Qualitäts- roheisen besonders für Bessemerstahl arbeiteten. Zunächst geschah dies in Cumberland und Lancashire mit Cumberlander Hämatit, zu Workington, Cleator, Maryport und Whitehaven. Durch den Bezug spanischer Erze gelang es den grossen Eisenhütten in Süd-Wales, Ebbw-Vale und Dowlais, ein gutes Bessemerroheisen zu erblasen. Dieses Beispiel fand in Cleveland und in anderen Gebieten Nach- ahmung. 1874 bliesen bei Sheffield neun Hochöfen Bessemerroheisen aus ausländischen Erzen. Ebbw-Vale vermochte bereits 1871 auch sein eigenes Spiegeleisen, das bis dahin aus dem Auslande, zumeist dem Siegerlande, bezogen werden musste, darzustellen. Der hohe Preiss von £ 14 pro Tonne sank dadurch um mehr als die Hälfte. Bald folgten die Werke von Dowlais, von W. Siemens zu Landore, von Bolckow, Vaughan \& Co. in Cleveland und J. Brown legte sogar in Grossbritannien. West-Cumberland einen Hochofen an, mit dem er Spiegeleisen aus südspanischen Erzen erblies. Ebbw-Vale und Bolckow, Vaughan \& Co. erbliesen Spiegeleisen mit 12 Prozent Mangangehalt, Siemens auf dem Landorewerk ohne ein Lot Spateisenstein Spiegeleisen mit 10 bis 20 Prozent Mangan. Zu den Spezialeisensorten gehörte auch das siliciumreiche, weisse „glazed pig“ , welches mit einem Gehalt von 8 Prozent Silicium auf der Tawlaw-Hütte bei New Castle aus kiesel- und thonerdereicher Beschickung bei heissem, aber langsamem Ofengang erblasen wurde. In Süd-Wales Vergl. Alphons Petzold, Die Erzeugung der Eisen- und Stahlschienen 1874. beziehungsweise in den Grafschaften Monmouth- und Glamorganshire waren die berühmten grossen Hüttenwerke aus den Händen von Privatbesitzern in die von drei mächtigen Gesell- schaften übergegangen. Die Ebbw-Vale Eisen- und Stahlgesellschaft umfasste die Werke Ebbw-Vale, Sirhowy und Pontypool mit 24 Hoch- öfen, von denen 1873 21 in Betrieb standen; von diesen gingen vier auf Bessemerroheisen, einer auf Spiegeleisen, die übrigen auf Puddel- roheisen. Die Dowlais-Eisengesellschaft besass auf ihrem alten und ihrem neuen Werk 15 Hochöfen. Eine dritte Gesellschaft, der die alten Werke Tredegar, Rhymney und Nantyglo gehörten, war nicht so bedeutend. Die grossen Hochofenanlagen in Süd-Wales waren, von der Natur begünstigt, vorzüglich disponiert, indem sie sich in drei Terrassen auf- bauten. Auf der oberen lagen die Hochöfen mit direkter Zufuhr von Erzen und Kohlen aus den Bergwerken, auf der zweiten die Puddel- und Walzwerke, auf der dritten fand die Verladung in die eigenen Kanäle und Eisenbahnen statt, welche die Werke mit dem Seehafen von Cardiff verbanden. Ausser eigenen Erzen verschmolz man solche aus Cumber- land und aus Spanien sowie Puddel- und Schweissschlacken. Zu Dowlais verwendete man nur rohe, magere, anthrazitartige Steinkohlen, in Ebbw-Vale mit diesen auch Koks. Die Verkokung geschah noch nach alter, wenig sparsamer Weise in Rundöfen, die in langen Massiven von 88 Öfen, 44 auf jeder Seite, vereinigt waren und mit eingelegten Stangen, Ketten und Haspel gezogen wurden. Man hatte dabei nur 50 Prozent Ausbringen. Die Koks waren fest und gut. 1873 begann man zu Ebbw-Vale mit dem Bau von Coppee-Öfen. Der Kohlenverbrauch im Hochofen betrug durchschnittlich 32/21 des Eisen- ausbringens. Über die Erhöhung der Hochöfen in Süd-Wales und Grossbritannien. die dadurch erzielte Steigerung der Produktion haben wir oben berichtet. Die alten Öfen hatten meist cylindrisches Rauhmauerwerk von 28 Fuss Durchmesser. Als Kraftbedarf rechnete man 60 Pferde- kräfte für 100 Tonnen Wochenproduktion. Bei weissem Puddelroh- eisen blies man mit 3 Zoll Winddruck und betrug der Windbedarf 8000 Kubikfuss pro Minute bei 275 Kubikyard Ofeninhalt. Die Öfen von Süd-Wales zeichneten sich durch gute Gichtverschlüsse, die eine peripherische Verteilung des Möllers gestatteten, aus; dieselben wurden von zwei Mann an einem Haspel und von einem dritten an einer Pronys chen Bremse geöffnet und geschlossen. Alle Gase wurden abgeleitet und für Dampferzeugung und Winderhitzung ver- wendet. Die grösseren Öfen zu Ebbw-Vale hatten etwa 40 Tonnen Tages- erzeugung. Die Hochöfen von Süd-Wales zeichneten sich durch regel- mässigen Betrieb und lange Hüttenreisen aus. Sieben Jahre gingen die Öfen zum mindesten, Campagnen von 12 bis 15 Jahren waren nicht selten, ein Ofen von Pontypool erlebte eine Hüttenreise von 33 Jahren. Das Roheisen von Süd-Wales war von guter Qualität, besser als das von Cleveland und Staffordshire. Für Spiegeleisen wurden die besten Sorten ausgewählt und mit Manganerzen von Spanien verschmolzen. Weisses Roheisen wurde auf körniges Eisen für Schienenköpfe, graues auf sehniges Eisen für die Schienenfüsse und halbiertes auf ein mittleres Eisen für die Schienenstege ver- puddelt. Für bessere Qualität wurde graues Eisen in Feineisenfeuern nach alter Weise raffiniert. Die durchschnittliche Zusammensetzung der wichtigsten Roheisensorten war: In Süd-Staffordshire war zu Anfang der siebziger Jahre noch eine grosse Zahl kleinerer Hochöfen in Betrieb. Von den vorhandenen 165 Hochöfen waren etwas über 100 thätig. Die Zahl der Öfen ver- minderte sich aber von Jahr zu Jahr, indem Öfen von grösserer Leistungsfähigkeit an ihre Stelle traten. 1895 standen nur 19 Hoch- Grossbritannien. öfen im Feuer. Die Jahresleistung eines Ofens war aber von 7257 Tonnen auf 18895 Tonnen gestiegen. In Cleveland erreichten die Hochöfen bei Middlesborough durch die eingeführten Verbesserungen 1873 eine Tagesproduktion von 75 Tonnen. Zu Norton hatte man die Hochöfen (1874) mit zwei Abstichen, je einen auf den gegenüberliegenden Seiten, und dem- entsprechend mit zwei Giesshallen versehen und wechselte damit alle 15 Tage. Jeder der vier Öfen hatte seine eigene Dampf- und Gebläse- maschine. Ein Ofen schmolz 5000 kg in der Stunde. In Schottland stand die Hochofenindustrie in den siebziger Jahren in hoher Blüte. Die wichtigsten Hütten waren Carron Works, das älteste Werk mit Steinkohlenbetrieb, Clyde Works, sodann Govan Works mit fünf Hochöfen und Calder Works, beide William Dixon gehörig. Gartsherrie Iron Works bei Coatbridge, der Familie Baird gehörig, war das ausgedehnteste Werk mit 16 Hochöfen. Hierzu erwarb die Firma Baird \& Sons die Eglinton-Werke mit acht Hochöfen, die Lugar-Werke mit vier und die Portland-Werke mit sechs Öfen; im ganzen besass sie 37 Hochöfen; ihre Arbeiterzahl belief sich an 9000. Die Summerlee-Eisenwerke, die 1836 erbaut waren, gehörten J. Neilson \& Wilson . Bei Coatbridge lagen noch die Langloan- Werke, Addin \& Sons gehörig, mit acht, und Monkland mit sieben Hochöfen. Das 1837 von Houldsworth gegründete Coltness-Eisen- werk hatte 12 Hochöfen. Neu erbaut war die Almondhütte mit zwei Öfen. Alle diese Werke lieferten vortreffliches Giessereieisen mit Steinkohle, während nur noch „Lorne Furnace“ bei Burnave Braun- eisensteine und Hämatit von Cumberland mit Holzkohlen schmolz. In England und Schottland führte das Streben nach Vergrösserung der Hochöfen vielfach zu gänzlichem Umbau derselben, wobei die massive Steinumhüllung durch ein leichtes Rauhmauerwerk, das auf einem von Säulen getragenen Eisenring ruhte und durch Blechmäntel oder eiserne Bänder zusammengehalten war, verdrängt wurde. Die Zustellung mit geschlossener Brust und die Lürmanns che Schlackenform sah L. Peletan 1875 zu Clarence, Thornaby und Norton in Cleveland, zu Consett in Durham, zu Workington in Cumber- land und zu Dowlais in Süd-Wales. Die Hütte zu Workington bei Whitehaven war sehr vergrössert worden und besass 1876 sechs Hoch- öfen, welche die vortrefflichen Hämatite von Cleaton-Moor und Barrow zu Bessemerroheisen verschmolzen. Als Gichtverschluss dienten fast überall der Parrys che Trichter und Darbys Centralrohr. 1876 war ein Jahr wirtschaftlichen Niederganges für Gross- Grossbritannien. britannien. Im Clevelanddistrikt fallierten etwa 30 Firmen, in Mon- mouth und Süd-Wales war das Eisengeschäft seit 50 Jahren nicht so gedrückt gewesen. Man suchte überall durch bessere Betriebs- vorrichtungen Ersparnisse zu erzielen. Dass dieses Streben nicht ohne Erfolg war, ersieht man aus dem nachstehenden Kohlen- und Erzverbrauch der Hochöfen von Cleveland von 1874 bis 1876 Metallurgical Review, Febr. 1878, S. 599. : Die Verwendung von gebranntem Kalk als Zuschlag war um diese Zeit in Cleveland ziemlich allgemein geworden. 1877 wurden in Cleveland 6280000 Tonnen Erze gefördert und in 165 Hochöfen 1233418 Tonnen Roheisen erblasen, dessen Phosphorgehalt 1,05 bis 1,86 Prozent betrug. Der durchschnittliche Typus der Clevelander Hochöfen war nach Thomas Whitwell damals 24½ m Höhe, 7 bis 7,6 m Weite im Kohlensack und 2,40 m im Gestell. Am 21. Juni 1878 starb in Ramsgate H. W. T. Bolckow , ein geborener Mecklenburger, der sich um den Aufschwung der Eisen- industrie des Clevelandbezirkes grosse Verdienste erworben hatte und als der eigentliche Begründer der dortigen Eisenindustrie anzusehen ist. Um diese Zeit war die von ihm gegründete Firma Bolckow, Vaughan \& Co. die grösste Produzentin in Grossbritannien; sie besass 28 grosse Hochöfen mit einer Leistungsfähigkeit von 12 Millionen Centner im Jahr. Für das neue Bessemerwerk wurde Hämatiteisen aus Campanil von Bilbao und aus Cumberlanderzen erblasen. Die Cowperapparate, an denen Siemens und Cochrane Ver- besserungen anbrachten, breiteten sich um diese Zeit mehr und mehr aus, da sie bei gleicher Leistung billiger waren als die von Whitwell und weniger Raum erforderten. Ebenso war man bestrebt, die Hoch- ofenschlacken besser zu verwerten. Drei Formmaschinen für Schlacken- ziegel nach Woods Patent waren 1878 auf der Teeshütte im Ge- brauch. Ein Mr. Britton legte bei den Hochöfen zu Fenedon in Northhamptonshire eine Glasfabrik an. Er verarbeitete die Hochofen- Grossbritannien. schlacke, die er flüssig in einen Schmelzofen leitete und mit Sand und Alkalien zu Glas verschmolz. In Staffordshire und zu Moss-Bay in Cumberland machte man Glas und Schlackenwolle aus der Hoch- ofenschlacke. — Seit Mitte der siebziger Jahre hatte man begonnen, die eisenreichen Kiesabbrände der Schwefelsäurefabriken, die frei von Phosphor waren, im Hochofen zu verschmelzen, und diese Verwendung hatte zu Ende des Jahrzehnts noch bedeutend zugenommen. Die Fig. 341. schottischen Hochofenhütten bezogen bereits 1877 Clevelanderze, da die eigene Erzförderung nicht mehr ausreichte. Die durchschnittliche Tagesleistung der britischen Hochöfen war von 1870 bis 1880 von 30 Tonnen auf 46⅛ Tonnen gestiegen. Wenden wir uns nun zu der Verarbeitung des Eisens in Grossbritannien, so sehen wir, dass zu Anfang der siebziger Jahre noch bei weitem das meiste Roheisen im Puddelofen in Schweisseisen verwandelt wurde, dass aber die Flusseisenerzeugung in Bessemer- birnen und auch in Siemens-Martin-Flammöfen von Jahr zu Jahr zunahm. Die graphische Darstellung in Fig. 341 giebt ein Bild der Beck, Geschichte des Eisens. 58 Grossbritannien. Zu- und Abnahme der Fluss- und Schweisseisenproduktion. Die Linien nähern sich bis 1879, bewegen sich dann gemeinschaftlich aufwärts bis 1882, fallen dann gemeinschaftlich, aber ungleich und 1884 beginnt die Flusseisencurve wieder rasch zu steigen und durchschneidet bereits in diesem Jahre die Schweisseisenlinie, die jetzt tiefer und tiefer unter jener bleibt, indem die Schweisseisenerzeugung sich vermindert, die Flusseisenerzeugung nach kurzem Falle 1890 bis 1892 wieder rasch in die Höhe geht, so dass der Abstand beider Linien immer mehr zunimmt. Der Konkurrenzkampf des Schweisseisens gab Anlass zu zahl- reichen Anstrengungen, den Bau und Betrieb der Puddelöfen zu verbessern. Man versuchte Siemens’ Regenerativfeuerung auch auf die Puddelöfen zu übertragen, brachte Wasserkühlungen an den Seiten und unter dem Boden an, versuchte es mit den ver- schiedensten Stoffen zur Auskleidung des Herdbodens, erwärmte die Verbrennungsluft, blies Wind über der Feuerbrücke ein u. s. w. Die Zahl der für diese Verbesserungen genommenen Patente ist eine sehr bedeutende. Die grössten Hoffnungen setzte man aber auf die rotierenden Öfen, besonders seit im Jahre 1870 sehr günstige Berichte über den von Danks in den Vereinigten Staaten erfundenen Rotator nach England gelangten. Das neugegründete Eisen- und Stahlinstitut schickte 1871 eine Kommission von Sachverständigen zum Studium der Danksöfen nach den Vereinigten Staaten (s. S. 591), die sich ebenfalls lobend aussprach, ganz besonders der Berichterstatter George J. Snelus . Man entschloss sich um so lieber zur Einführung dieses neuen Puddelverfahrens, als die Eisenarbeiter infolge des Auf- schwunges der Industrie Lohnerhöhungen verlangten und die Puddler und Schweisser wiederholt die Arbeit einstellten. Da der Betrieb des rotierenden Ofens nur wenige Hände zur Bedienung erforderte, so glaubte man sich dadurch den Forderungen der Puddler entziehen zu können. So wurden die Danksöfen eingeführt und zwar zuerst im Clevelandbezirk. Hopkins, Gilkes \& Co. begannen damit auf ihrem Eisenwerk bei Middlesborough, dann folgte John A. Jones , eins der Kommissionsmitglieder, das bei Middlesborough ein Puddel- und Walzwerk mit 12 Danksöfen, die von drei Kupolöfen gespeist wurden, anlegte; ferner die Carlton-Werke, Tees-Side, hierauf Bolckow, Vaughan \& Co. auf ihrem Eisenwerk Erimus. Aber auch in Süd-Wales sowie in anderen Provinzen wurden Danksöfen errichtet; 1872 waren 74 im Bau. Grossbritannien. Die Danksofenanlage der Erimushütte in Cleveland bestand aus zwei gegenüberliegenden Reihen von rotierenden Öfen, auf der einen Seite acht, auf der anderen sieben, dazwischen Drehkräne zur Be- dienung. Die zuletzt gebauten sechs Öfen waren mit Wasserkühlung versehen. Die Charge von 1000 kg Roheisen wurde flüssig eingegossen. Der Ofen machte anfangs drei, während der Kochperiode fünf Um- drehungen in der Minute und gab nach etwa 40 Minuten 900 kg Luppeneisen. Da aber die Danksöfen den Erwartungen vielfach nicht entsprachen und fortwährende Reparaturen erforderten, so suchte man sie zu ver- bessern. Es fanden besonders zwei neue rotierende Öfen Eingang, der von Crampton (1872) und der von Spencer (1873). Letzterer unterschied sich von dem Danksofen ursprünglich nur dadurch, dass er statt des einen Zahnkranzes in der Mitte zwei Zahnkränze an den beiden Enden des cylindrischen Ofens hatte; später gab man der Drehkiste einen viereckigen Querschnitt, was angeblich eine bessere Entphosphorung bewirkte. Ein anderer Vorteil bestand darin, dass die Luppen nicht so übermässig gross wurden wie bei den Danksöfen. Cramptons Ofen, der für Kohlenstaubfeuerung eingerichtet war, hatte sich in Woolwich zuerst gut bewährt und verdrängte auch auf ver- schiedenen Werken Nordenglands die Danksöfen. 1873 fanden letztere dadurch wieder grössere Verbreitung, dass Danks auf seine hohe Licenzgebühr verzichtete und sich mit einer mässigen Entschädigung begnügte. Heath zu Ravensdale in Staffordshire erzielte gute Resultate mit Danksöfen. Die übertriebenen Erwartungen, die man auf diesen neuen Betrieb gesetzt hatte, erfüllten sich aber im ganzen nicht. William Siemens konstruierte ebenfalls einen Rotator, den er mit seiner Regenerativgasfeuerung verband, um darin direkt Eisenerze durch den „Präcipitationsprozess“ auf schmiedbares Eisen zu ver- schmelzen. Dieses neue Verfahren, das er zu Towcester einführte, erregte die grössten Hoffnungen. Bei der Billigkeit guter Steinkohlen hatte bis dahin der Gasofen- betrieb in England nicht die Bedeutung erlangt wie in den kohlen- ärmeren Ländern des Kontinents. William C. Siemens hatte sich aber schon 1868 einen Puddelofen für Gasbetrieb mit Regenerator- feuerung patentieren lassen (Nr. 1172). William Gorman in Glasgow nahm ein Patent auf den Betrieb von Puddelöfen mit Gasgeneratoren (Engl. Pat. vom 12. Novbr. 1869, Nr. 3267). 1873 wurden zu Hadley in Staffordshire nicht weit von Crewe 40 Puddelöfen mit Siemens- Regeneratoren betrieben. 58* Grossbritannien. Von grosser Wichtigkeit waren die Vorschläge, die eine Reinigung des Roheisens, besonders von Phosphor und Silicium, bezweckten. Dies sollte teils durch das Ofenfutter, teils durch Zusätze erreicht werden. Von den vielen darauf bezüglichen Patenten erwähnen wir das von James Henderson , der Flussspat und Eisenoxyd dafür verwendete (Engl. Pat. 1870, Nr. 1051, 1544, 2940), weil dieses Verfahren eine ziemlich grosse Verbreitung fand. Zugleich mit den Puddelöfen und deren Betrieb verbesserte man auch die Walzwerke, besonders um die Produktion zu steigern. Da diese Verbesserungen dem Puddeleisen und dem Flusseisen gemeinschaftlich zu gute kamen, wollen wir sie später bei dem Flusseisen aufführen. Das meiste Puddeleisen wurde Anfang der siebziger Jahre noch zu Eisenbahnschienen verarbeitet, obgleich man die Überlegenheit der Bessemerschienen bereits erkannt hatte. Der hohe Preis und die geringe Leistungsfähigkeit der Bessemerwerke standen deren all- gemeiner Verwendung damals noch im Wege. Zu den grössten Puddelwerken Englands gehörten die von Ebbw Vale und Dowlais in Süd-Wales; die von Ebbw Vale zählten 173 Puddel- öfen neben fünf Konvertern und vier Schienenwalzwerke mit einer Wochenproduktion von 3000 Tonnen, wovon nur 600 Tonnen Stahl- schienen waren. Die Arbeiterzahl der Eisenwerke der Ebbw Vale- Gesellschaft betrug 20000. Die Dowlais Iron Company arbeitete mit 160 Puddelöfen, 6 Konvertern und 5 Schienenwalzwerken, wovon 2 Stahl- schienen walzten; die Arbeiterzahl belief sich auf 12000. Die Puddel- öfen waren alle einfach mit luftgekühlten Feuerbrücken. Der Roheisen- satz wog 450 bis 550 engl. Pfund; man machte mit sechs Chargen in der zwölfstündigen Schicht 30 bis 40 Centner Luppeneisen bei einem Steinkohlenverbrauch von 16 Centner auf die Tonne. Die Arbeits- löhne wurden nach dem Gewicht bezahlt, und zwar 8 bis 9 Schilling auf die Tonne. Jeder Ofen hatte einen Puddler und einen Gehülfen. Die Arbeit ging verhältnismässig leicht. Das Ausziehen der Luppe geschah mit einer Zange an einer Kette, die durch einen Haspel bewegt wurde. Man rechnete den Roheiseneinsatz zu 22/20 des Aus- bringens, was nur infolge des Zuschlages von pulverisiertem Glaskopf, der während des Puddelns schaufelweise eingeworfen wurde, möglich war. Dieser Zusatz beschleunigte die Oxydation des Siliciums, bewirkte dadurch einen hitzigen Gang, beschleunigte Schlackenabsonderung und beförderte die Entkohlung. Die Luppen kamen unter Quetschen, die meistens doppelarmig waren. Auf 16 Puddelöfen kam eine Luppen- Grossbritannien. quetsche und ein Luppenwalzwerk. Der Luppenwagen, auf dem die Luppe vom Ofen zur Quetsche gefahren wurde, war ein einfacher Ring auf einem Rädergestell. Die gezängte Luppe wurde in derselben Hitze zu Luppenstäben von 2 bis 4½ engl. Zoll Breite und ¾ bis ⅞ Zoll Dicke ausgewalzt. Dies erforderte nur 1½ Minuten. Die Luppenwalzen machten 80 Umdrehungen, Luppenquetsche und Schere 15 Touren in der Minute. Die chemische Veränderung ergiebt sich aus nachstehenden Analysen. William Menelaus , Direktor zu Dowlais, war bekanntlich einer der ersten gewesen, die den feststehenden Flammofen durch einen Drehpuddelofen ersetzen wollten, und hatte einen solchen schon 1865 konstruiert (Engl. Pat. vom 20. März 1865, Nr. 779). Aber weder die mit diesem Ofen noch die mit einem Spencer-Ofen 1873 erzielten Erfolge waren befriedigend. Für die Schienenfabrikation wurde dreierlei Eisen gepuddelt: ein hartes, körniges Eisen (Feinkorneisen, fer dur) für den Kopf, ein Eisen halb Korn, halb Sehne (fer métis) für den Steg und ein sehniges Eisen (fer fort) für den Fuss. Dementsprechend wurden die Pakete aufgebaut, die Kopf- und Fussplatten derselben bestanden aus vorgeschweisstem oder dubliertem Eisen. Das Paket einer schweren Vignolesschiene von 7,532 m Länge und 35 kg Gewicht pro laufendes Meter wog 780 engl. Pfund. Von diesen schweren Paketen wurden drei Stück pro Charge eingesetzt. Das Ausziehen der Pakete geschah wie das der Luppen mit Kette und Haspel. Nachdem das Paket in der Vorwalze geschweisst war, gelangte es zurück in den Schweissofen und erhielt die Vollendhitze, mit der es fertig gewalzt wurde. Ein voller Walzenzug lieferte 120 Tonnen Schienen in 24 Stunden. Hierzu waren acht Vorschweissöfen und vier Nach- schweissöfen erforderlich. Die Vollendwalzen bestanden aus zwei neben- einander liegenden Gerüsten. Das erste derselben, gewissermassen das zweite Vorwalzwerk, war als Universalwalzwerk konstruiert. Das Grossbritannien. Vollendwalzgerüste (finisseur) bestand nur aus einem Walzenpaar mit fünf Kalibern, von denen das letzte in der Mitte lag. Angetriebene Tragwellen führten die fertige Schiene, sobald sie das Fertigkaliber verlassen hatte, selbstthätig der Schere zu. Die volle Leistung eines Waleser Schienenwalzwerks von 120 Tonnen übertraf die der Walz- werke des Kontinents, die damals nicht mehr als 70 Tonnen betrug, beträchtlich. Die Vorteile lagen 1. in der Trennung der Vor- und Vollendwalzen, 2. in der grossen Zahl der Schweissöfen, 3. in der konstanten Tourenzahl der Walzen, 4. und 5. in der mechanischen Beförderung der Pakete und der Schienen, 6. in der Art der Arbeits- verteilung und 7. in der Art der Arbeitsvergütung nach der Leistung. — In Ebbw Vale geschah das Richten der Schienen erst heiss, dann kalt. In Dowlais richtete man die Schienen nur kalt, was dadurch möglich war, dass diese selbst im Kopf sehniges Eisen enthielten, und man bediente sich dazu mit Dampf betriebener Kaltrichtpressen. Die Schienen waren nach dem Richten so passend, dass nur 10 Prozent eines Nachfräsens der Endflächen bedurften. Die Zahl der Puddelöfen und Walzwerke erfuhr bis 1875/76 eine Zunahme, von da bis 1884 eine langsame Abnahme, wie die nachfolgende Tabelle zeigt. Von da ab trat eine raschere Abnahme des Puddelbetriebes ein. 1886 waren nur 2908 Puddelöfen in Betrieb. 1876 entfielen von den 7159 Puddelöfen 1894 auf Cleveland. Hopkins, Gilkes \& Co . erhielten damals in neun Dreh- puddelöfen aus Middlesborough-Roheisen ein Schweisseisen von 0,08 Grossbritannien. bis 0,17 Prozent Phosphor. Ebenso gaben 1876 Danksöfen gute Resultate in dem Eisenwerk von Heath . Einen verbesserten Ro- tator mit Gasfeuerung führten Howson und Godfrey 1878 ein (Patent vom 20. Dezember 1875). In Staffordshire waren 1876 auch Casson-Darmoy-Öfen mit mechanischen Rührern in Anwendung. Bessere Ergebnisse erzielte man in Prices Retorten-Puddelöfen durch Zusatz von reinem Hämatit. Der mechanische Betrieb, namentlich im Rotator, gab in Cleveland zwar ein phosphorfreieres Eisen, konnte aber mit dem basischen Konverter- und Flammofenbetrieb nicht konkurrieren. — Zum Drücken der Luppen wurde vielfach Winslows Luppenmühle und Wil. Siemens hydraulische Luppenpresse (1879) angewendet. In Süd-Staffordshire war 1876 B. Lloyds Patentachsen-Walz- werksgesellschaft das grösste Eisen- und Stahlwerk geworden. Das Patent bezog sich auf die Herstellung kreisförmiger Pakete aus keil- förmig gewalzten Stäben. Die Versuche, durch Verbesserungen den Puddelprozess und sein Produkt, das Schweisseisen, gegenüber dem Flusseisen zu behaupten, hatten nur vorübergehenden Erfolg. Der Siegeslauf der Flussstahlfabrikation war seit dem Jahre 1870 ein unaufhaltsamer. Ihr wendete sich das Interesse der Metallurgen in Theorie und Praxis vorzugsweise zu, weil man ahnte, dass ihr die Zukunft gehöre. Galt dies besonders von dem Konverter- prozess, so nahm doch auch der Flammofen- oder Siemens-Martin- Prozess in dem ersten Jahrzehnt schon einen ganz bedeutenden Auf- schwung, wie die nachstehende Zusammenstellung zeigt. Britische Erzeugung von Siemens-Martinstahl (Herdstahl) von 1870 bis 1880 in Tonnen . Es ist das hervorragende Verdienst des genialen William C. Siemens , dieses Verfahren eingeführt und nach verschiedenen Richtungen ausgebildet zu haben. Er entwickelte den Flammofenprozess in England in dreierlei Weise: 1. als Siemens-Martin-Verfahren, welches in einem Zusammenschmelzen von Roheisen und Schmiedeeisen- oder Grossbritannien. Stahlabfällen im Regenerativ-Flammofen bestand, 2. als Erzstahl- prozess, wobei Roheisen durch Zusatz reiner oxydischer Erze entkohlt wurde, und 3. als Präcipitationsprozess, wobei reine Erze zu einer eisenreichen Schlacke geschmolzen und aus dieser das Eisen durch Kohle ausgefällt wurde. Letzteren bildete Siemens zu Towcester aus und zwar anfangs in einem Kaskadenofen, später im Rotator. 1878 lieferte Towcester so hergestellte überschmiedete Luppen für 114 Mark und daraus geschweisstes Eisen für 139 bis 144 Mark die Tonne. Den eigentlichen Siemens-Martinprozess hatte er erst auf seinen Sample Works in Birmingham, dann 1869 in Landore bei Swansea eingeführt. Dieses Verfahren bürgerte sich bald auf allen grossen Walz- werken zur besseren Verwertung der Schmiedeeisen- und Stahlabfälle, besonders von Schienenenden und dergleichen, ein, so z. B. zu Dowlais, wo 1875 sechs Siemens-Martinöfen von je 12 Tonnen Einsatz in Betrieb standen. Die Heizgase wurden von 48 Gasgeneratoren erzeugt. Besondere Mühe und Sorgfalt verwendete W. Siemens auf den Erzstahlprozess, den er erst zu Hallside und später zu Landore zur Durchführung brachte, weshalb er häufig als Landoreprozess bezeichnet wurde. Auf Grund von Siemens’ Patenten und Entwürfen erbaute 1871 die Hallside Open Heath Steel Company zu Hallside bei Newton, 15 engl. Meilen südlich von Glasgow, mitten im Kohlengebiet ein Stahlwerk mit 16 Regenerativ-Flammöfen, acht zu 6 Tonnen und acht zu 12 Tonnen Einsatz zum Stahlschmelzen. Die Öfen lagen in zwei Reihen einander gegenüber. Jeder hatte seine eigene Giessgrube. Über die Giessgruben lief eine Schienenbahn, auf der sich die Schmelz- kessel bewegten. Die Gasfeuerung wurde von 20 Gasgeneratoren, von denen jeder mit vier Rosten versehen war, gespeist. Die Be- schickung der 6-Tonnen-Öfen bestand 1875 aus 3000 kg Roheisen, 1200 bis 1500 kg Stahlabfällen und 1000 bis 1500 kg spanischen oder afrikanischen Eisenerzen. Das Verhältnis war im allgemeinen ½:¼:¼. Zum Fertigmachen wurden 7 bis 9 Prozent Spiegeleisen zugesetzt. Eine Charge dauerte im ganzen sechs bis sieben Stunden, so dass drei Chargen in 24 Stunden gemacht wurden, die 15 bis 16 Tonnen Stahl ergaben. Zu Landore hatte man erst den gewöhnlichen Siemens-Martin- prozess eingeführt. Später ging man zum Erzprozess über. Die Anlage umfasste ebenfalls 16 Regenerativ-Flammöfen in zwei Reihen. Man erzeugte ein vorzügliches weiches Material, das bereits 1873 versuchs- weise und seit 1875 dauernd für die Weissblechfabrikation und 1878 Grossbritannien. beim Schiffsbau Verwendung fand. Das Bestreben nach Verbesserung des Verfahrens war auf die Vergrösserung der Schmelzöfen und des Erzsatzes gerichtet. — Ferner wurden in diesen Öfen von Siemens und anderen die Entphosphorung des Roheisens in verschiedener Weise versucht, worauf wir später noch zurückkommen. Im Laufe der siebziger Jahre vermehrte sich die Zahl der Eisen- werke, die Herdstahl darstellten. Die 1871 entstandene Stahlgesell- schaft von Schottland war auf dieses Verfahren gegründet, ebenso arbeiteten die Blochairn-Stahlwerke nur mit Siemens-Martinöfen, da sich das schottische Roheisen für den Bessemerprozess nicht eignete. Die Erzeugung eines Ofens betrug 1875 50 Tonnen die Woche. Eine noch viel grössere Bedeutung als die Flammofen-Flussstahl- erzeugung hatte der Bessemerprozess seit dem Jahre 1870 erlangt, wie sich aus folgenden Zahlen ergiebt. Erzeugung von Bessemerstahl in Grossbritannien von 1870 bis 1880. Zu diesem Aufschwung trug auch der Umstand bei, dass mit dem Jahre 1870 Bessemers Patent erlosch und damit die Licenzgebühren in Wegfall kamen. Dazu kam weiter, dass man in den spanischen Bilbaoerzen ein Mittel gefunden hatte, durch Gattieren derselben mit einheimischen Erzen ein sogenanntes Hämatitroheisen zu erzeugen, das dem aus Cumberlander Erzen erblasenen nicht nachstand. Infolgedessen wurde der Bessemerprozess in Süd-Wales erfolgreich eingeführt. Die Hütte zu Barrow in Furness wurde 1870 bis 1872 zu einem grossartigen Bessemerwerk erweitert. Auch in Cleveland, wo 1870 noch ausschliesslich der Puddelprozess herrschend war, entschloss man sich zur Anlage von Bessemerkonvertern. In das Jahr 1871 fällt die wichtige theoretische Untersuchung des Bessemerprozesses von G. J. Snelus in Dowlais. Ferner führten Roscoe, Williams und Snelus die Spektral- beobachtung als ein wirksames Kontrollmittel des Bessemerprozesses ein. Ende 1871 zählte man in Grossbritannien bereits 19 Bessemer- werke mit 91 Konvertern. Bis dahin hatte man das Birnenfutter Grossbritannien. ausschliesslich aus Ganister hergestellt. 1871 führten Wilson und Wood zuerst die Ausmauerung mit künstlichen Steinen ein. 1872 kamen die von Holley in den Vereinigten Staaten erfundenen Los- böden in England zur Anwendung. In diesem Jahre machte Snelus bereits den Vorschlag eines basischen Futters, aber ohne Erfolg. Anstatt das Roheisen im Flammofen umzuschmelzen, führte man grosse Ireland-Kupolöfen hierfür ein. 1873 kamen die Siebböden in An- wendung und zwar zuerst zu Barrow. Die eingeführten Verbesserungen erhöhten die Leistung der Konverter. So erzielten z. B. Wilson und Cammell in 24 Stunden 270 Tonnen Stahlblöcke und 48 Chargen mit zwei Kupolöfen zum Umschmelzen des Roheisens. Die Steigerung der durchschnittlichen Leistung der Birnen, die zum Teil in einem grösseren Fassungsraum begründet war, erhellt daraus, dass 1873 103 Birnen 496000 Tonnen, 1879104 Birnen 847863 Tonnen lieferten. Da von den 104 Birnen im Jahre 1879 nur 66 in Betrieb waren, so ergiebt sich eine Jahresleistung von 12847 Tonnen für eine Birne. Im Jahre 1874 waren die bedeutendsten Bessemerstahlwerke in Grossbritannien: Grossbritannien. Die wichtigste Verwendung fand der Bessemerstahl für die Her- stellung von Stahlschienen, deren Überlegenheit über die Schweiss- eisenschienen allgemein anerkannt war. Als Beispiel einer zeitgemässen Einrichtung aus dieser Zeit (1873) führen wir das Bessemerschienen-Walzwerk in Dowlais an. Die aus der Pfanne gegossenen Stahlblöcke, von denen die schwereren 70 bis 75 Tonnen, die leichteren 32 bis 37 Tonnen wogen, wurden in Block- walzen vorgewalzt, nachdem sie zuvor in einem Flammofen auf die richtige Temperatur vorgewärmt waren. Ein solcher Flammofen wurde mit fünf grossen oder sieben kleinen Blöcken beschickt; eine Charge dauerte 2½ Stunden. In 12 Stunden wurden vier Chargen gemacht. Der Kohlenverbrauch betrug an 400 kg pro Tonne. Ein Ofen erforderte nur einen Mann zur Bedienung, indem die Arbeiter der Nachbaröfen bei schweren Arbeiten sich untereinander aushalfen. Das Ausziehen der Blöcke geschah mechanisch mit einem Haspel wie bei den Schweissöfen. Die Blöcke gelangten in das Reversier-Blockwalzwerk, das von einer liegenden 800 P. S.-Dampfmaschine mit Stephenson - scher Coulisse betrieben wurde. Es waren zwei Walzengestelle vor- handen, eins für die grossen, das andere für die kleinen Blöcke Über die Kalibrierungsverhältnisse u. s. w. siehe A. Petzholdt , Die Er- zeugung von Eisen- und Stahlschienen, 1874. . Die Walzstücke passierten jedes der sechs Kaliber zweimal unter Drehung um 90° und die grossen Blöcke wurden von 363 mm Seiten- länge in 12 Durchgängen auf Stücke von 200 mm Quadrat und 2000 mm Länge vorgestreckt, die dann durch Rollengang unter die Zirkularsäge geführt und in zwei Hälften zur Weiterverarbeitung zerschnitten wurden. Die Zirkularsäge hatte ein Blatt von 2 m Durchmesser und eigene Antriebsmaschine. Die geschnittenen Knüppel erhielten eine zweite Hitze in einem Flammofen von den gleichen Dimensionen. Bei jeder Charge wurden sieben halbe Blöcke oder fünf ganze Blöcke ein- gesetzt. In der zwölfstündigen Schicht wurden vier Chargen gemacht. Das Stahlschienenwalzwerk bestand aus einem Vierwalzensystem, Grossbritannien. einem einfachen Schienen- und einem Deckplattenwalzwerk und wurde durch eine 1000 pferdige Reversiermaschine angetrieben. Die Um- steuerung wurde durch eine Klauenkuppelung mit Hebel bewirkt. In dem Vierwalzensystem — einer Besonderheit von Dowlais — wurden die schweren, ungeteilten Blöcke zu Schienen von doppelter Länge (7,63 m), die dann unter einer Zirkularschere zerschnitten wurden, ausgewalzt. Das untere Walzenpaar enthielt fünf Flachkaliber, das obere in denselben Ständern gelagerte fünf Vollendkaliber. Auf 750 kg Rohblock rechnete man 641 kg fertige Schienen, also 15 Prozent Verlust. Ähnlich war der Betrieb in den benachbarten Ebbw Vale-Eisen- werken, welche mit sieben Birnen zu 6 Tonnen Einsatz arbeiteten. Das Stahlwerk bezog sein Bessemerroheisen von Pontypool, während es das Spiegeleisen selbst bereitete. Das Roheisen wurde in Kupolöfen geschmolzen. Der Einsatz betrug 5500 kg, der Nachsatz von Spiegel- eisen 10 Prozent. Je zwei Konverter hatten eine Giessgrube. Man goss mit aufsteigendem Strom in acht Gussformen, die durch acht Kanäle verbunden waren, Blöcke von je 500 kg Gewicht. Eine Grube mit zwei Konvertern machte in 24 Stunden 12 Operationen. Die Wochenproduktion betrug 800 Tonnen Blöcke. Eine wichtige Erfindung war die Herstellung dichter Blöcke von Whitworth durch hydraulisches Pressen des flüssigen Metalls in den Coquillen (1864), die er 1874 verbesserte (Engl. Pat. von 1865, Nr. 3018 und von 1874, Nr. 3062). Das Eisen- und Stahlwerk zu Workington bei Whitehaven in West-Cumberland, mitten im Kohlenrevier gelegen, wurde 1876 sehr vergrössert. Das Werk erzeugte in sechs Hochöfen aus den vor- trefflichen einheimischen Hämatiterzen sein eigenes Bessemerroheisen, das in vier 7½-Tonnen-Konvertern, die um zwei Giessgruben gruppiert waren, verblasen wurde. Zu jeder Gruppe gehörten vier grosse Kupolöfen, um das Roheisen, und zwei kleine, um das Spiegeleisen zu schmelzen. Die Konverterböden hatten je sieben Formen mit 16 Öffnungen. Die Blöcke wurden unter einem 8-Tonnen-Hammer ausgeschmiedet. 1877 wurde das erste Bessemerstahlwerk im Clevelanddistrikt auf der Bolckow, Vaughan \& Co . gehörigen Estonhütte unter der Leitung von Windsor E. Richards in Betrieb gesetzt. Da die Clevelanderze wegen ihres Phosphorgehaltes nicht verwendbar waren, verschmolz man Bilbaoerze (Campanil) und kieseligen Hämatit von Cumberland. Hier wurde zuerst in England das flüssige Roheisen vom Hochofen direkt in die Birne gebracht. Letztere zeichneten sich durch grosse Windzuführungsfläche aus. Man rechnete 3,15 Quadrat- Grossbritannien. zoll auf jede Tonne Einsatz. Der Wind wurde durch 13 Düsenröhren von 7/16 Zoll Durchmesser eingeblasen. Demnach betrug der Wind- verbrauch pro Tonne nicht halb so viel wie in Schweden. Man blies 14 bis 24 Chargen von 5 bis 8 Tonnen Roheiseneinsatz und 7 bis 15 Centner Spiegeleisen mit 13 bis 18 Prozent Mangangehalt. Eine Charge dauerte 25 bis 30 Minuten. Bei dem heissen Gange gab man etwa 12 Prozent kalte oder bis zu 30 Prozent vorgewärmte Stahlabfälle zu. Ein Boden hielt 6 bis 12 Chargen aus. Das Eston- Stahlwerk war für eine Wochenproduktion von 2000 Tonnen nach amerikanischem Muster eingerichtet. — Man ersieht aus diesen Bei- spielen die rasche Vervollkommnung des Bessemerbetriebes in den fünf Jahren von 1873 bis 1878. Die Abhängigkeit des Bessemerprozesses von reinen, namentlich phosphorfreien Erzsorten war eine lästige und kostspielige Beschrän- kung des Konverterprozesses. Die Frage der Entphosphorung wurde deshalb immer wichtiger und bildete in den siebziger Jahren mehr und mehr den Mittelpunkt der fortschrittlichen Bestrebungen in der Eisenindustrie Grossbritanniens. Die Versuche, die Entphosphorung in dem Konverter zu bewirken, blieben zunächst erfolglos. Von diesen war der von Snelus 1872 angestellte der wichtigste. Er wollte die Entphosphorung durch ein Konverterfutter aus gebranntem Kalk und Einblasen von Kalkstaub durch die Düsen erreichen. So richtig das Prinzip war, so gelang ihm doch die Ausführung nicht. Noch weniger Erfolg hatte Knowles mit seinem Vorschlage, das Konverterfutter aus Bauxit, Eisen- und Manganoxyd herzustellen. Man sah deshalb von diesem Wege ab und versuchte die Ent- phosphorung in Flammöfen, besonders in rotierenden Öfen, mit einer Auskleidung von Eisenoxyd. Lowthian Bell kombinierte beide Verfahren (Engl. Pat. vom 30. Oktober 1875, Nr. 3778), indem er erst das Roheisen im Konverter vorfrischte und es dann in einem Flammofen puddelte. Hierfür kon- struierte er später einen schwingenden Ofen, dessen Herd aus purple ore (dem durch die Röstung von Schwefelkiesen bei der Schwefel- säurefabrikation entstandenen Eisenoxyd) hergestellt war. In dem oscillierenden Ofen floss das eingeschmolzene Metall über dieser basischen Unterlage 60- bis 80mal hin und her. Mit diesem Ver- fahren begann Bell im Jahre 1877. Das vom Hochofen abgestochene Roheisen gelangte in den oscillierenden Ofen und wurde dort noch mit geschmolzener, eisenoxydreicher Schlacke vermischt. Das ent- Grossbritannien. phosphorte Produkt wurde dann in einer Giesspfanne abgestochen und in einem Ponsardofen mit Siemensfeuerung zu Stahl gefrischt. Wil. Siemens erreichte bei seinem Erzverfahren und bei seinem direkten Prozess eine ziemlich weitgehende Entphosphorung. Er versuchte dieselbe dadurch zu steigern, dass er den Herd aus Bauxit herstellte. Andere wollten die Entphosphorung in Prices Retortenofen durch Zusatz von Hämatiterzen erreichen. E. Williams suchte die Entphosphorung durch Behandlung des flüssigen Roheisens mit flüssiger, basischer Eisenschlacke (Sinter) unter Zusatz von Sand zu bewirken. 1878 nahm Baker ein Patent, Roh- eisen durch Einblasen von Chlorgas und Kohlenstaub in dem Konverter zu entphosphorn; desgleichen Richard Brown , der durch Chromzusatz die nachteilige Wirkung des Phosphors neutralisieren wollte und auf diesem Wege guten Stahl mit 1½ Prozent Phosphor darstellen zu können behauptete. Das bei dem Puddelprozess angewendete Reinigungsver- fahren durch Eisen- und Manganoxyd und Flussspat von Henderson bezweckte auch hauptsächlich die Abscheidung des Phosphors und liess sich auch im Siemens-Martinofen anwenden. Alle diese Prozesse erfüllten aber die Erwartungen nicht und erwiesen sich als unökonomisch. Da trat auf dem Meeting des Iron and Steel Institute gelegentlich der Weltausstellung zu Paris im Jahre 1878 ein junger Mann, Gilchrist Thomas , auf mit der Behauptung, das Problem der Entphosphorung in einfacher Weise durch ein basisches Konverterfutter gelöst zu haben. Die Mitteilung des in Fachkreisen unbekannten jungen Mannes fand anfänglich nur wenig Beachtung. Aber einem schien sie doch wichtig genug, um sie sofort ernstlich und im grossen Massstabe zu prüfen, dies war Windsor E. Richards , der Generaldirektor der grössten englischen Eisenfirma Bolkow, Vaughan \& Co . zu Middlesborough. Er hatte kaum ein Jahr zuvor das erste grosse Bessemerwerk im Clevelandbezirk zu Eston in Betrieb gesetzt und wusste wie keiner die Bedeutung eines prak- tischen Entphosphorungsverfahrens für England und besonders für Cleveland zu würdigen. Deshalb lud er G. Thomas ein, sein Ver- fahren auf dem Estonwerk im grossen auszuprobieren. Der Erfolg war ein durchschlagender, und am 4. April 1878 konnten Gilchrist Thomas und W. Richards den Mitgliedern des Eisen- und Stahl- Instituts die Ausführung des im vorhergehenden Jahr vielfach an- gezweifelten basischen Konverterprozesses zu deren Überraschung und Bewunderung vorführen. Wie diese Erfolge und weiteren Ver- besserungen des Verfahrens von Thomas und seinem Vetter Gilchrist Grossbritannien. erreicht worden sind, ist im allgemeinen Teile ausführlich dargestellt. Trotz des glänzenden Erfolges, trotzdem der richtige Weg der Lösung des Problems gezeigt war, trotzdem die Entphosphorung für England ein dringendes Bedürfnis war, indem fünf Sechstel seiner Eisenerze ihres Phosphorgehaltes wegen für den sauren Bessemerprozess unbrauchbar waren und der Entphosphorung bedurften, fand dieses neue Verfahren nur langsame Verbreitung in England. Im Jahre 1879 führte nur noch eine Firma, Brown, Bayley \& Dixon in Sheffield, den basischen Konverterprozess auf ihrem Stahlwerk ein. Die Gesamt- erzeugung von Thomasstahl in Grossbritannien in diesem Jahre betrug nur 1150 Tonnen. Bevor wir die Entwickelung der basischen Stahlgewinnung in Grossbritannien weiter verfolgen, müssen wir die sonstigen Neuerungen und Verbesserungen, die in England in den siebziger Jahren zur Ein- führung kamen, vorführen. Die Tiegel-Gussstahlfabrikation hatte durch die Einführung der von Siemens konstruierten Schmelzöfen mit Regenerativfeuerung einen Aufschwung erfahren. — Zu erwähnen ist ferner die Darstellung von Specialstahlsorten sowohl in Tiegel- als in Flammöfen. Titan-Wolfram- stahl nach Mushets Patent stellte die Titanic Forest Steel Company in Glocestershire 1871 dar. 1876 führten J. Brown \& Co . in Sheffield die Chromstahlfabrikation nach dem Patent von Baur in Brooklyn ein, während 1878 Seebohm \& Dickstahl in Sheffield Chromstahl nach eigenem Verfahren darstellten. Um diese Zeit führte James Riley das Verfahren von Pourcel in Terre-Noire zur Herstellung dichter Güsse in England ein. Von grosser Wichtigkeit waren die Fortschritte auf mechanischem Gebiete. Hierzu gehören auch Verbesserungen des Giessverfahrens, wie die Herstellung von Compound-Panzerplatten durch Aufgiessen von Flussstahl auf erwärmte Flusseisenplatten. Diese Fabrikation kam Mitte der siebziger Jahre in Sheffield in Aufnahme und zwar in dem Stahl- werk von Cammell \& Co . nach dem Verfahren von A. Wilson und bei J. Brown \& Co . nach J. H. Ellis’ Erfindung. Der Inflexible war das erste Kriegsschiff, das mit solchen Platten ausgerüstet wurde. Tresidder gab ein Härtungsverfahren für Stahlpanzerplatten mit Wasserbrause an. Eine wichtige Erfindung zur Herstellung dichter Stahlgüsse war Sir Jos. Whitworths Giessen unter starkem Druck, wofür er eine hydraulische Presse konstruiert hatte. Die Verarbeitung des Flusseisens führte zu zahlreichen Ver- Grossbritannien. besserungen der Walzwerke und des Walzwerksbetriebes. Bei den grossen Schweisseisenpaketen, z. B. für die Schienenfabrikation, war es nötig, dieselben erst unter Dampfhämmern zu bearbeiten, um sie richtig zu schweissen. Bei den Flussstahlblöcken war dies nicht erforderlich. Anfangs verfuhr man allerdings hierbei wie bei dem Schweisseisen und legte auf das Ausschmieden der Stahlblöcke besonderen Wert. Bald aber erkannte man, dass das Vorstrecken der Blöcke ebenso gut unter Walzen geschehen und man der teuren Dampfhämmer entraten könne. So ging man bei der Fabrikation der Bessemerstahlschienen in Dowlais zuerst dazu über, die Blöcke in starken Blockwalzwerken (cogging mills) vorzustrecken oder „vorzublocken“. Welche Ersparnis dadurch herbeigeführt wurde, erhellt daraus, dass, als 1874 dieses Verfahren von John Brown in Sheffield eingeführt wurde, 200 Hammerarbeiter beschäftigungslos wurden. Von weiteren Verbesse- rungen bei den Walzwerken in Grossbritannien erwähnen wir die Friktionskuppelungen für die Reversierwalzwerke an Stelle der früheren Klauenkuppelungen; eine von Kitson und Chalas 1869 erfundene wurde auf dem Monkbridge-Eisenwerk bei Leeds eingeführt und später von B. Walker verbessert. 1871 erhielt Graham Stevenson ein Patent auf die von ihm erfundene Differential-Friktionskuppelung, die zu Monkland und Blochairn in Schottland zur Einführung kam. Das von White angegebene Walzwerk, das auf dem Princip der mit der Querschnittsverminderung zunehmender Geschwindigkeit hinter- einander liegender Walzenpaare beruhte, kam 1871 zu Aberdare in Betrieb. 1892 wurden damit 90 bis 100 Tonnen in 12 Stunden gewalzt. Für schwere Arbeit zog man in England im allgemeinen Reversier- walzwerke den in den Vereinigten Staaten beliebten Triowalzwerken vor. Ramsbottom in Crewe konstruierte ein Reversierwalzwerk für schwere Bleche, dessen Walzen 2125 mm lang und 625 mm dick waren. Die Hydraulik kam auch bei den Arbeitswerkzeugen immer mehr in Anwendung, wie bei Siemens’ Luppenpresse (1874), bei den Press- hämmern, bei A. R. Browns Walzwerk für Kesselbleche (Engl. Pat. vom 1. Mai 1875, Nr. 1607), bei Twedells hydraulischer Schere 1878 u. s. w. Bei der Schienenfabrikation verdrängte der Flussstahl das Puddel- eisen in dieser Periode gänzlich. Über den Umfang der Schienen- fabrikation wie über den Eisenhandel Grossbritanniens werden die statistischen Tafeln am Schlusse des Kapitels die näheren Erläute- rungen geben. Wir wollen hier nur erwähnen, dass die Gesamt- Grossbritannien. ausfuhr von Roheisen, Eisen und Stahl ziemlich den gleichen Schritt einhielt wie die Roheisenerzeugung. Dagegen zeigte die Roheisen- ausfuhr grössere Schwankungen, wie sich aus nachfolgender Zusammen- stellung ergiebt. Der Grund für diese grösseren Schwankungen der Ausfuhrmengen und der Preise lag zum Teil darin, dass der Roheisenhandel besonders durch das zuerst in Schottland zur Ausbildung gekommene Warrant- system Spekulationsgeschäft geworden war. Die Warrants waren Lagerscheine, die von Grosshändlern für bei ihnen eingelagertes, aber noch nicht verkauftes Roheisen ausgestellt wurden. Connal \& Co . in Glasgow war die Firma, welche dieses Geschäft für Schottland nach und nach allein in die Hände bekommen hatte. Die Warrants wurden ausgestellt auf hinterlegte Roheisenmengen von 500 Tonnen, wovon drei Fünftel Nr. I und zwei Fünftel Nr. III sein mussten. Für die Einlagerung zahlten die Produzenten 1 Penny pro Tonne und Monat, oder £ 25 für 500 Tonnen im Jahr. Das hinterlegte Eisen konnte jederzeit gegen Rückgabe des Lagerscheines bezogen werden. Auf diese Lagerscheine gewährten Banken und Private Vor- schüsse bis zu 5 bis 6 Schilling unter dem Verkaufspreis und unter Abzug von einem Monat Zinsen. Lagerscheine waren übertragbar und zwar wurden sie in blanco giriert, so dass es Inhaberpapiere waren. Hierdurch wurden es bequeme und gesuchte Spekulations- papiere, was aber zur Folge hatte, dass die Preise des Roheisens durch den Preis der Warrants, d. h. durch die Spekulation und die Börse bestimmt oder wenigstens sehr beeinflusst wurden. Für die Hüttenbesitzer war dieses System eine grosse Hülfe, deshalb führte es sich, als die Roheisenerzeugung des Clevelandbezirkes einen grösseren Beck, Geschichte des Eisens. 59 Grossbritannien. Umfang annahm, auch in diesem ein. Die Einlagerung geschah in Middlesborough, es wurde nur Giessereiroheisen Nr. III hinterlegt. Die gesamte Ausfuhr und Einfuhr Grossbritanniens von Eisen und Eisenfabrikaten stellte sich im Jahre 1871 folgendermassen: Ausfuhr 1871 in Tonnen . Roheisen 1057458 Stab-, Winkel- und anderes Schmiedeeisen 349084 Eisenbahnschienen etc. 981197 Draht (ausser für Telegraphen) 26200 Weissblech 119605 Reifen, Eisenbleche, Kesselbleche 200337 Guss- und Schmiedeeisen, verarbeitet 243298 Altes Eisen zur Umarbeitung 139812 Unverarbeiteter Stahl 39189 Stahl und Eisen in Verbindung miteinander 13038 Summa 3169218 im Wert v. £ 26124344 Einfuhr 1871 in Tonnen . Eisen in Barren, unverarbeitet 74538 Stahl, unverarbeitet 22301 Verarbeitete Eisen- und Stahlwaren 7569 Summa 104409 im Wert v. £ 1473254 Rechnet man die Eisen- und Stahlwaren durch Zuschlag von 33⅓ Prozent auf Roheisen um, so ergiebt sich die gesamte Ausfuhr in Form von Roheisen zu 3873 Kilotonnen oder fast 58 Prozent der Erzeugung. Im Jahre 1879 wurden von 6072 Kilotonnen 2880 Kilo- tonnen = 47½ Prozent exportiert. In diesem Jahre waren die Eisen- preise sehr gedrückt. Warrants sanken zeitweilig bis auf 40 Schilling die Tonne. Middlesborough-Roheisen kostete 1879 im Jahresdurch- schnitt nur 39 Schilling gegen 109 im Jahre 1873. Die Eisen- werke sahen sich daher zu Lohnherabsetzungen gezwungen, was wieder zahlreiche Arbeiterausstände (Strikes) zur Folge hatte. Erst mit dem Jahre 1880 trat eine Besserung ein, die eine rasche Produktionssteigerung besonders in den Jahren 1881, 1882 und 1883 zur Folge hatte. Dann fand wieder ein Rückgang statt bis 1886, von da ein neuer Aufschwung bis 1889, doch blieb die Roheisenerzeugung dieses Jahres hinter der von 1882 und 1883 zurück. Charakterisiert ist dieser Zeitraum durch den Sieg des Fluss- Grossbritannien. eisens über das Schweisseisen, der sich im Jahre 1885 vollzog, und durch die Ausbreitung und Entwickelung der basischen Flusseisen- Gewinnungsprozesse. Die erfolgreiche Einführung des basischen Konverter- oder Thomasprozesses war ein Ereignis von so grosser Tragweite, dass es angezeigt erscheint, dasselbe in erster Linie zu betrachten. Die günstigen Resultate der ersten Versuche, welche Windsor Richards mit der Erfindung von Gilchrist Thomas auf den Eston- Eisenwerken erzielt hatte, veranlassten die dauernde Einführung des basischen Konverterprozesses daselbst. Trotz dieses Vorgehens trat in den darauffolgenden Jahren die merkwürdige Erscheinung ein, dass diese wichtige englische Erfindung in England selbst langsamere Verbreitung fand als im Auslande, insbesondere in Deutschland. Der Widerstand, der sich der Ausbreitung des Verfahrens entgegensetzte, war teils ein passiver, in dem konservativen Sinne der Engländer begründeter, teils ein aktiver, seitens der Bessemer- und der Puddel- werke, die diese neuentstandene Konkurrenz bekämpften. Die Bessemerstahlfabrikation, die sich in dem letzten Jahrzehnt so glänzend entwickelt hatte, schien durch den billigen Bezug der überseeischen, besonders der spanischen Erze so festbegründet und lieferte ein so anerkannt gutes Erzeugnis, dass ein Abgehen von der erprobten Betriebsweise nicht geboten erschien. Man suchte deshalb das neue Verfahren herabzusetzen und zu verdächtigen, indem man die Qualität des Thomasstahles bemängelte und die Höhe der Herstellungskosten übertrieb. Die Wirkung dieser Angriffe blieb dann auch zum Schaden der Entwickelung der englischen Industrie nicht aus. Die meisten Eisenerze Grossbritanniens sind phosphorhaltig, so die von Yorkshire, Northhampton-, Lincoln-, Stafford-, Oxford- und Shropshire, von Süd- und Nord-Wales und von Schottland. Die Clevelanderze enthalten nach J. E. Steads Analysen 0,89 bis 1,44 Pro- zent Phosphor. Ausserdem lagerten in England ungeheure Mengen von phosphorhaltigen Puddel- und Schweissofenschlacken, die durch das neue Verfahren verwertbar wurden. Auch sprachen sich ausser Thomas und Gilchrist viele hervorragende englische Metallurgen wie Richards, Snelus, Riley und andere entschieden zu Gunsten des neuen Prozesses aus; trotzdem machte der Thomasprozess in den ersten Jahren nur langsame Fortschritte, viel langsamere als in Deutschland, wie nachfolgende Zahlen beweisen. 59* Grossbritannien. Thomasstahlerzeugung in Tonnen 1879 bis 1885. Sidney Gilchrist Thomas und sein Vetter Percy C. Gilchrist liessen es nicht an Anstrengungen fehlen, ihrem Verfahren An- erkennung und Verbreitung zu verschaffen. 1881 unternahm ersterer zu diesem Zwecke eine Reise nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Nach seiner Rückkehr gründete sein Vetter Percy C. Gilchrist mit T. Wrightson und noch zwei Unternehmern die „North Eastern Steel Co. Limited“ zur Ausbeutung des Verfahrens. Das Stahlwerk blies am 31. Mai 1883 unter Leitung Arthur Coopers die erste Charge. 1882 legten Thomas und Gilchrist der Royal Society in London eine ausführliche Denkschrift über ihre Stahlerzeugung aus phosphor- haltigem Roheisen vor, in der sie die Wichtigkeit desselben für Eng- land hervorhoben und die Einwendungen gegen dasselbe entkräftigten. Sie wiesen darauf hin, dass die Menge der phosphorhaltigen Erze in Grossbritannien wenigstens zehnmal häufiger sei als das der nicht- phosphorhaltigen, dass das Roheisen von Cleveland 1,5 Prozent, Schottland 1 Prozent, Lincolnshire 1,25 Prozent, von Staffordshire aus Erzen erblasen 0,5 bis 1 Prozent, mit Zusatz von Puddelschlacken erblasen 2,5 Prozent, das von Northhampton 1,5 Prozent Phosphor enthalte, ferner dass die Mehrkosten des Verfahrens, bedingt durch das kostspieligere basische Futter und das Nachblasen, höchstens 7 Schilling pro Tonne betrügen, und dies viel weniger sei als der Preisunterschied der phosphorhaltigen Roheisensorten und des Hämatit- eisens für den sauren Bessemerprozess. Cleveland-Puddeleisen koste 42 Schilling die Tonne, Hämatiteisen 58 Schilling; bei diesen Preisen stelle sich der basische Stahl also um 9 Schilling billiger als der Hämatitstahl. Ebenso wiesen die Verfasser nach, dass bei guter Ein- richtung des Stahlwerks die Herstellungskosten von basischem Ingot- eisen billiger seien als von gewöhnlichen Luppen. Erstere kosteten nach ihrer Aufstellung 69 Schilling 7 Pence, letztere 74 Schilling 11 Pence die Tonne. Zuletzt wiesen sie auf die grossen Vorzüge des Grossbritannien. Flussstahls gegenüber dem Eisen hin. Ersterer sei beim Schiffsbau über ein Drittel mehr wert als Schweisseisen. Diese Denkschrift und die rührige Agitation der Erfinder blieben nicht ohne Wirkung. Die Erimushütte warf ihre Danksöfen ab und führte statt deren den basischen Konverterbetrieb ein. In Stafford- shire wurden unter Gilchrists Leitung mit gutem Erfolg Schlacken- roheisen mit 3 Prozent Phosphorgehalt im Konverter in guten weichen Stahl verwandelt. Obgleich die Erzeugung von Thomasstahl fort- während zunahm, blieb sie doch weit hinter der nach Bessemers Verfahren mit saurem Futter zurück, wie dies nachfolgende Tabelle zeigt. Sidney Gilchrist Thomas , der durch seine Erfindung ein Wohlthäter des Menschengeschlechts geworden ist, durfte sich leider nicht lange des Erfolges seiner Arbeit erfreuen. Seine zarte Gesund- heit unterlag den geistigen Aufregungen und körperlichen Anstren- gungen. Schon 1882 erkannten die Ärzte ein schweres Lungenleiden, das auch durch längeren Aufenthalt in Australien, Ostindien und Algier nicht gebessert wurde und dem der durch reiche Gaben des Verstandes und des Gemütes ausgezeichnete Mann in dem jugend- lichen Alter von noch nicht 35 Jahren am 1. Februar 1885 zu Paris erlag. Ein glänzender, zu rasch erloschener Stern! Betrachten wir die allgemeine Entwickelung der Eisenindustrie Grossbritannien. Englands in den achtziger Jahren, so bietet die Entwickelung der Hochofenindustrie nicht viel Bemerkenswertes dar. Wohl strebte man nach Materialersparnis, nach Vermehrung der Produktion, nach Ver- besserung der Qualität. Nach diesen drei Richtungen hin wurden auch Erfolge erreicht, aber keine hervorragenden. Ein grosser Auf- schwung in der Gesamtproduktion fand nicht statt. Bei der Roh- eisenerzeugung und dem Hochofenbetriebe machte sich allzu sehr ein konservatives Bestreben geltend. Die von Sir Lowthian Bell wieder- holt aufgestellten Grundsätze, man solle, im Gegensatz zu den Bestre- bungen der Amerikaner, die Öfen nicht zu gross bauen und, um sie zu erhalten, nicht zu stark blasen, auch den Wind nicht zu hoch erhitzen, indem eine über 500° C. getriebene Erhitzung keinen Vorteil mehr bringe, wurden von den meisten als richtig angenommen oder waren vielmehr der Ausdruck der Anschauungen der Majorität der englischen Eisenhüttenleute, die eine Scheu vor kostspieligen Neue- rungen hatten. Dass aber der Hochofenbetrieb Grossbritanniens in diesem Jahr- zehnt trotzdem Fortschritte machte, ergiebt sich aus folgenden Zahlen. Der Kohlenverbrauch für 1 Tonne Eisen betrug 1880 2,19 Tonnen, 1890 2,00 Tonnen. Die durchschnittliche Tagesleistung eines Hoch- ofens betrug 1880 46,33 Tonnen, 1890 64,62 Tonnen. Es wurden nämlich 1880 mit 567 Hochöfen 7873 Kilotonnen, 1890 mit 414 Hoch- öfen 8031 Kilotonnen Roheisen erblasen. Die Produktionsbewegung der verschiedenen Bezirke zeigt nichts Besonderes, nur erfuhr die Roheisenerzeugung von Lincolnshire und Cumberland seit 1880 eine beträchtliche Zunahme. Von Wichtig- keit war die Verbesserung der Winderhitzer. Die Vorzüge der steinernen Winderhitzer wurden von den meisten Hüttenbesitzern an- erkannt, während allerdings einige, wie Gjers und Bell , auch 1883 noch sich prinzipiell für die eisernen Winderhitzer aussprachen und auf ihren Werken Ayrsome ( Gjers, Mills \& Co .) und Clarence Works ( Bell Brothers ) in Cleveland daran festhielten. Bei den steinernen Winderhitzern hatte schon Ende der siebziger Jahre ein Verdrängen der Konstruktion von Whitwell durch die von Cowper begonnen, weil letztere für die gleiche Leistung billiger waren und weniger Raum beanspruchten. Whitwell suchte durch Vergrösserung seiner Apparate hiergegen anzukämpfen. So wurden 1883 auf der Thornaly-Hütte bei Süd-Stockton Whitwellapparate von 20,70 m Höhe, 6,70 m Durchmesser und 2600 qm Heizfläche in Betrieb genommen. Man erreichte damit eine Windtemperatur von durchschnittlich 700° C. Grossbritannien. Auch andere Konstruktionen fanden Eingang, so versah die Glengarnock Eisen- und Stahlgesellschaft in Schottland ihre neue Hütte von neun Hochöfen mit Massicks-Winderhitzern. 1881 waren von 968 Hochöfen 552 in Betrieb, sechs davon schmolzen noch mit Holzkohlen. Diese gehörten alle einer Firma und erzeugten etwa 3000 Tonnen. 1882 wurden die wichtigen Erfolge, welche Alexander und Mc Cosh von der Firma Baird \& Co . zu Gartsherrie in Schottland durch die Gewinnung von Teer und Ammoniak aus den Gichtgasen der mit roher Steinkohle betriebenen Hochöfen erzielt hatten, öffent- lich bekannt. William Baird \& Co . machten kostspielige Ein- richtungen zur Ausnutzung dieser Erfindung. Bei den Hochöfen von Muikirk wurde dieses Verfahren ebenfalls eingeführt. Die Gichtgase wurden durch grosse Rootsgebläse in die von Mc Cosh und Angus konstruierten Kondensatoren getrieben; das Ammoniak wurde aus dem Sulfat gewonnen. Auch bei der Koksfabrikation begann man auf die Gewinnung der Nebenprodukte grösseren Wert zu legen und führte auf mehreren Werken Carvés-Öfen ein. Jameson erfand eine eigene Koksofenkonstruktion für diesen Zweck. Die Einführung des Thomas- prozesses führte zur ausgedehnten Verschmelzung der angesammelten Frischschlacken; namentlich in Staffordshire wurde aus diesen ein sogenanntes Schlackeneisen mit 3 Prozent Phosphorgehalt er- blasen. In Cleveland stellte sich der Koksverbrauch beim Hochofen- betriebe im Jahre 1882 bereits sehr günstig. Nach Cochranes An- gabe hatten seine Öfen einen Koksverbrauch nur von 1072/1000, während Bolckow, Vaughan \& Co . in ihren Hochöfen 1168/1000 verschmolzen. Der Bessemerprozess verlangte grosse Mengen von Spiegeleisen, die damals meist noch eingeführt wurden, so 1881 etwa 100000 Tonnen. Man bemühte sich eifrig, das Spiegeleisen aus importierten Erzen im eigenen Lande zu erblasen. 1883 wurden auch bereits 179500 Tonnen Spiegeleisen und Ferromangan in britischen Hochöfen erblasen, hier- von entfielen 71200 Tonnen auf Süd-Wales. Der Verwertung der Hochofenschlacken wendete man ebenfalls grössere Aufmerksamkeit zu, und es machten 1883 die Tees Eisen- werke gute Schlackensandsteine, während die Aklamhütte gegossene und getemperte Schlackensteine lieferte. Je grösser die Leistungsfähigkeit der Hochöfen wurde, desto mehr Grossbritannien. nahm ihre Zahl ab; von Jahr zu Jahr wurden alte Öfen auflässig, so z. B. in Schottland von 1884 auf 1885 fünfzehn. Schottland be- hauptete indes immer noch seinen alten Ruf für vorzügliches Giesserei- eisen. Die meisten Hütten hatten ein gemeinschaftliches Qualitäts- zeichen G. M. B. = Good Merchantable Brands. Solches lieferten die Werke: Gartsherrie, Summerlee, Longloan, Monkland, Clyde, Calder, Govan, Coltness, Shotts, Glengarnock und Carnbroe, und die grossen Lager von Connal \& Co . gegen Lagerscheine (Warrants). Gegen Ende der achtziger Jahre trat noch mehr das Bestreben hervor, Manganroheisen im Inland zu erblasen, so führte Gautier die Erzeugung von Ferromangan im Hochofen auf den Hütten zu Pyle und Blaina ein. Gjers, Mills \& Co . machten zu Ayrsome Ferrosilicium. Farnley bei Leeds erzeugte ein besonderes gutes Giessereieisen „Farnley Best Yorkshire“, das für den Guss von Dampfcylindern sehr gesucht war. 1889 kam Wrightsons hydraulische Aufgabevorrichtung zur Einführung. Für den Eisenguss waren 1886 Turners Untersuchungen über den Einfluss des Siliciums, die zuerst von Wood in Middlesborough im grossen benutzt wurden, von Wichtigkeit. J. Keep machte 1888 seine Versuche über die Wirkung des Aluminiums auf das Gusseisen. Die englischen Verbesserungen an Kupolöfen und Formmaschinen in dieser Zeit sind im Hauptteile aufgeführt. Die Verwendung des Schweisseisens wurde mehr und mehr ein- geschränkt durch die des Flusseisens, infolgedessen hatte die Schweiss- eisenindustrie einen schweren Verteidigungskampf zu bestehen. Un- geheure Kapitalien waren in ihr angelegt, und um diese zu erhalten, wurden die grössten Anstrengungen gemacht. Am heftigsten ent- brannte der Kampf Anfang der achtziger Jahre, veranlasst durch den Thomasprozess, der als neuer gefahrdrohender Feind der Schweiss- eisenindustrie aufgetaucht war. Den ungeheuren Anstrengungen der Puddel- und Walzwerke gelang es, die Ausbreitung des Thomas- prozesses zu verzögern und ihren Absatz so zu steigern, dass in dem Jahre 1882 die höchste Erzeugung von Schweisseisen in Gross- britannien mit 2887 Kilotonnen erreicht wurde. Von da ab trat aber ein Rückgang ein, und da gleichzeitig die Flussstahlerzeugung zunahm, so kam 1884/85 der Zeitpunkt, in dem die Erzeugung des Flusseisens die des Schweisseisens überflügelte, wie aus der gra- phischen Darstellung, Fig. 341 (S. 913), zu ersehen ist. Besondere Fortschritte in der Fabrikation sind nicht zu erwähnen. Auch die rotierenden Öfen und der mechanische Betrieb hatten die Grossbritannien. Konkurrenzfähigkeit der Schweisseisenfabrikation nicht zum Siege führen können, und als in der Mitte der achtziger Jahre die Kleinbessemerei auftauchte, wandte sich die Hoffnung vieler Walzwerksbesitzer diesem neuen Betriebe zu. Nur in einer Beziehung lässt sich ein Fortschritt in dem Schweisseisenbetriebe konstatieren, die Leistungsfähigkeit der Puddelöfen hatte sich durch Verbesserung der Feuerungen, besonders auch durch Einführung des Gasbetriebes, beträchtlich gesteigert, wie nachfolgende Zahlen beweisen: Die meisten Puddelöfen hatte Süd-Staffordshire, ihre Zahl be- trug 1885 1283. Die Schweisseisenfabrikation wurde überflügelt von der Fluss- eisenfabrikation, wie nachstehende Tabelle der Erzeugung von 1881 bis 1890 zeigt: Während also das Verhältnis von Schweisseisen zu Flusseisen im Jahre 1881 noch 60 : 40 Prozent war, betrug es 1890 nur 35 : 65 Prozent. An der Flusseisenerzeugung hatte der Konverterprozess den grössten Anteil; dieselbe betrug 1881 1464786 Tonnen und 1890 2014843 Tonnen. Hieran hatte den Löwenanteil wieder der eigentliche Bessemer- prozess mit saurem Futter; dieser lieferte 1881 1418286 Tonnen, 1890 1511443 Tonnen. Grossbritannien. Durch bessere Betriebseinrichtungen erhöhte sich die Leistungs- fähigkeit der Konverter. 1880 gab es 28 Bessemerstahlwerke mit 114 Konverter, die 1061092 Tonnen Flussstahl erzeugten, ein Kon- verter im Durchschnitt also 9308 Tonnen. 1885 betrug die durchschnitt- liche Leistung eines Konverters bereits 17582 Tonnen, was freilich unter der Durchschnittsleistung der nordamerikanischen Konverter von 56500 Tonnen bedeutend zurückblieb. 1887 zählte man 126 Kon- verter (sauer und basisch), von denen aber nur 87 in Betrieb waren; diese erbliesen 2097433 Tonnen Flussstahl, also 24108 Tonnen pro Konverter. 1889 betrug die Zahl der vorhandenen Bessemerkonverter 91, die der betriebenen 60⅗, diese erzeugten 16468720 Tonnen Flussstahl, also 27177 Tonnen pro Konverter; in demselben Jahre erbliesen ausserdem 22½ Thomaskonverter 493919 Tonnen, demnach 21951 Tonnen pro Konverter im Durchschnitt. Von wichtigeren Fortschritten und Erfindungen, die in Gross- britannien gemacht wurden, ist zunächst im Jahre 1880 Allens Rührer, um das nachgesetzte Spiegeleisen oder Ferromangan rascher zur Wirkung zu bringen, zu nennen, den Sir Henry Bessemer auf seinem Werke in Sheffield zur Einführung brachte. Eine Erfindung von grösserer Bedeutung, die 1881 gemacht wurde, waren John Gjers Durchweichungs- oder Ausgleichsgruben (soaking pits), die er zuerst zu Anfang dieses Jahres in Darlington einführte. Eine Neuerung, die bedeutendes Aufsehen erregte, war die Kleinbessemerei von Clapp und Griffith zu Nantyglo in Süd-Wales, die im Jahre 1889 zu Ebbw-Vale in Süd-Wales, von Nettlefolds in Birmingham, von Hatton Sons \& Co . in Bilston, von B. Conway \& Co . in Nowort und anderwärts eingeführt wurde. Allerdings war das Prinzip schon 1882 zu Avesta in Schweden zur Anwendung gekommen, aber die kleinen Clapp-Griffith-Konverter fanden besonderen Anklang und rasche Verbreitung. Die fortschreitende Entwickelung der Bessemerstahl- fabrikation führte im Jahre 1880 zur Vergrösserung der Stahlwerke von Atwood zu Wolsingham und der Weardale Eisengesellschaft zu Tudhoe. In Süd-Wales fand eine Verschiebung des Betriebes von dem alten Stammsitz bei Merthyr-Tydwill nach der Seeküste statt. 1887 kam das neue Bessemerwerk bei Cardiff in Betrieb. In diesem Jahre erreichte die Bessemerstahlerzeugung von Süd-Wales die Höhe von 547394 Tonnen, was einer Leistung von 26061 Tonnen pro Kon- verter entsprach. Diese Leistung wurde in demselben Jahre erheblich übertroffen von den Bessemerwerken Cumberlands, bei denen die Durch- schnittsleistung eines Konverters sich auf 35489 Tonnen bezifferte. Grossbritannien. Die Erfindung des basischen Konverterprozesses von Thomas beeinträchtigte die weitere Ausbreitung des älteren Verfahrens mit saurem Futter. Die Zusammenstellung auf Seite 933 zeigt die Er- zeugungsmengen beider Prozesse. Während das Verhältnis von Bessemer- zu Thomas-Flusseisen im Jahre 1881 96,8 : 3,2 war, betrug es 1890 74 : 26 Prozent. Der Thomasprozess war durch den billigeren Preis des phosphorhaltigen Roheisens gegenüber dem Bessemer-Roheisen vorteilhafter, wie dies Snelus schon 1886 durch folgende Rechnung nachgewiesen hatte. Es kostete damals die Herstellung von einer Tonne: Bessemerstahl an Hämatitroheisen von Workington 44,40 Mk. an Umwandlungskosten 18,78 „ 63,18 Mk. Thomasstahl an Clevelandroheisen 29,25 Mk. an Umwandlungskosten 28,— „ 57,25 Mk. Der Thomasprozess als Grossbetrieb entwickelte sich zuerst auf den Estonwerken unter Windsor Richards’ Leitung seit 1878. 1881 wurden daselbst in zwei grossen Birnen bereits wöchentlich 2200 Tonnen Flusseisen dargestellt. Man hatte die Wichtigkeit einer genauen chemischen Kontrolle eingesehen und zu diesem Zwecke ein chemisches Laboratorium zur Untersuchung von Proben eingerichtet. Trotz den Erfolgen zu Eston fand der Thomasprozess, wie erwähnt, nur langsam Verbreitung. Ausser dem Bessemerprozess stand ihm auch das Siemens-Martin-Verfahren, das durch die energische, geniale Initiative von William C. Siemens immer grössere Anerkennung und Verbreitung fand, im Wege. 1881 versuchte John Gjers die Reduktion und Rückkohlung nach dem Nachblasen in einfacherer und billigerer Weise als durch Zusatz von Spiegeleisen und Ferromangan, durch Einblasen von Kohlenoxydgas zu bewirken. 1882 stellten die Estonwerke basisches Flusseisen bereits ebenso billig her wie Schweisseisen; 1883 zählte das Werk 19 Hochöfen, zwei Giessgruben von je drei Konverter zu 8 und 10 Tonnen für basischen und zwei Konverter zu 8 Tonnen für sauren Betrieb. In dieses Jahr fallen die chemischen Arbeiten Steads über den Thomasprozess. 1884 wurden in Schottland, dessen phosphorhaltiges Roheisen für das saure Verfahren sich nicht geeignet hatte, zwei grosse Thomas-Stahlwerke angelegt, das eine zu Glengarnock bei Glasgow von Merry u. Cunningham mit neun Hochöfen und vier 10-Tonnen- Grossbritannien. Konvertern für eine Produktion von 10000 Tonnen Flussstahl, das andere zu Wischaw von der Glasgow-Eisengesellschaft mit drei 7-Tonnen-Kon- vertern. Gilchrist , Teilhaber der North-Eastern Steel Co. zu Middles- borough hatte 1885 auf der Erfindungsausstellung zu London Proben der verschiedenen Stadien des Thomasprozesses mit chemischen Analysen vorgeführt. Die Stahlhütte der Gesellschaft besass damals vier 12-Tonnen-Konverter. Ein Konverter machte 17 Chargen in 24 Stunden. Ein Birnenfutter hielt 50 bis 70, ein Boden 7 bis 15 Chargen aus. Der Einsatz bestand aus 25 Zentner weissem Roheisen und 7 bis 15 Zentner Kalk als Zuschlag. Den Wind lieferten zwei stehende Gebläsemaschinen von 600 P.S. Man nahm Eisen- und Schlacken- proben bei jeder Charge. Der basische Prozess lieferte ein sehr weiches Flusseisen, das sich namentlich gut für Bleche eignete, die auch im Schiffsbau bereits zur Verwendung kamen. Dennoch verbot der englische Lloyd im Jahre 1885 noch die Verwendung von Thomas- stahlblechen, die indes wenige Jahre später freigegeben wurde. Das weiche Flusseisenblech führte sich dagegen im Handwerk, besonders bei den Klempnern rasch ein, wie es denn auch bei der Weissblech- fabrikation ausgedehnte Verwendung fand. In der Kleinbessemerei war der basische Betrieb durch Auskleidung der Clapp-Griffith-Konverter mit basischem Futter ebenfalls zur Einführung gelangt und war das damit erzielte Produkt der Kleinbessemerei für Bleche besonders beliebt. 1888 erfand Darby zu Brymbo sein Rückkohlungsverfahren mit Kohlenstaub. Eine glänzende Entwickelung nahm die Fabrikation des Herd- flussstahls, des Siemens-Martin-Prozesses. Karl Wilhelm Siemens , oder nach englischer Bezeichnung Sir William Charles Siemens Karl Wilhelm Siemens wurde am 4. April 1823 zu Lentha in Han- nover geboren als einer der vier ruhmreichen Brüder ( Werner, Wilhelm, Karl und Friedrich ), denen die Technik so viel verdankt. Er studierte in Göttingen Chemie, trat aber schon im 19. Jahre in die Stolbergische Maschinenfabrik ein, um sich mit dem Maschinenwesen vertraut zu machen. 1830 ging er nach England, um eine Erfindung seines Bruders Werner zu verwerten, und blieb daselbst. 1847 führte er das Regenerativprinzip bei Dampfmaschinen aus. 1857 erfand er mit seinem Bruder den Regenerativ-Gasofen. 1862 baute er den ersten Stahlschmelzofen zu Durham. Zum Zweck der Flammofen-Stahlbereitung gründete er mit Josia Mason das Stahlwerk zu Landore. Seine weiteren Erfindungen für die Eisen- und Stahlbereitung ergeben sich aus dem Text unserer Geschichte. , der an der Erfindung dieses Verfahrens wesentlich beteiligt war, dasselbe als selbständige Grossindustrie ausgebildet und in Gross- britannien mit dauerndem Erfolg eingeführt hatte, starb am 19. No- Grossbritannien. vember 1883 in London, nachdem er kurz zuvor geadelt worden war. 1885 wurde ihm von der englischen Nation eine Gedächtnistafel in der Westminster-Abtei errichtet. Er erlebte noch die Einführung des Flammofenbetriebes mit basischem Futter, wozu der basische Kon- verterprozess von Thomas den Anstoss gegeben hatte und der zuerst im Mai 1882 von der Farnley-Eisengesellschaft bei Leeds unter Lei- tung des Franzosen Gillot zur Anwendung gebracht wurde. Frühere Versuche, 1880 von J. Riley, Thomas und Gilchrist zu Blochairn, waren erfolglos gewesen. Der basische Betrieb gestattete auch beim Flammofenprozess die Verarbeitung phosphorhaltiger Roheisensorten und veranlasste eine rasch zunehmende Ausbreitung des Siemens-Martin-Prozesses, wie aus nachfolgender Tabelle ersichtlich ist. Die Erzeugung von Siemens-Martin-Stahl in Gross- britannien von 1881 bis 1890 in Tonnen . 1881 338000 1882 436000 1883 462788 1884 482854 1885 592761 1886 705256 1887 996802 1888 1313226 1889 1452036 1890 1589227 Im Verhältnis zum Konverterflusseisen war die Produktion in diesem Zeitraume von 18,7 auf 44,1 Prozent gestiegen. 1879 betrug die Zahl der Siemens-Martin-Öfen 102, 1883 175 in 42 Werken. Die Durchschnittsleistung eines Ofens betrug 2600 Tonnen. Am besten arbeiteten die Öfen in Schottland, wo in 38 Öfen 179633 Tonnen, also durchschnittlich in einem Ofen 4727 Tonnen erzeugt wurden. In Schottland nahm der Martinbetrieb in diesem Jahre derart zu, dass man 1884 am Clyde bereits 78 Öfen zählte. Die Blöcke wurden meist zu Blechen verarbeitet. Man baute die Öfen grösser wie früher, wodurch ihre Leistung erhöht wurde. Eine der grösseren Anlagen waren die Blochairnwerke. Sie hatten 1883 13 Stahlflammöfen von 13, 15 und 25 Tonnen Einsatz. Hier wurden damals zuerst fahrbare Gjerssche Durchweichungsgruben eingeführt. Die Blockstrasse hatte hohle Stahlwalzen von 559 mm Durchmesser. Diese verarbeiteten Blöcke bis zu 35 Tonnen Gewicht für schwere Bleche und Platten. Die Leistung der Herdöfen zu Blochairn hatte sehr zugenommen, während sie 1876 50 Tonnen die Woche betragen hatte, stieg sie 1884 auf 140 Tonnen pro Ofen (nach Riley ). In den bekannten Hallside-works (s. S. 920) schmolzen 17 Öfen zu Grossbritannien. 13 Tonnen Einsatz Erzflussstahl nach Siemens’ Verfahren, ausserdem arbeiteten zehn 15-Tonnen-Öfen für Stahlformguss. Auch in Hallside bediente man sich der Gjersschen Gruben. Die Dalzell-Stahl- und Eisen- werke hatten 13 Öfen zu 13 Tonnen Einsatz. Die Stahlöfen waren meist grösser als auf dem Kontinent. Zu Bolton, wo man 1885 schwedisches Roheisen mit spanischen Eisenerzen verarbeitete, hatten die Öfen hohe Gewölbe. In dem West-Cumberland Eisen- und Stahlwerke hatte man 1885 zwei Öfen von 16 Tonnen Einsatz im Betriebe. Jeder Ofen machte 9 Chargen; jede Charge bestand aus 9 Tonnen Roheisen, 6 Tonnen Blechabfällen und 2 Tonnen Hämatit. In diesem Jahre führte man zu Blochairn versuchsweise Bathoöfen ein, die sich be- währten, indem sie rascher schmolzen. Riley und Dick brachten Verbesserungen daran an. Auch zu Hallside, das 1885 mit 22 Öfen arbeitete, ging man zu Bathoöfen über. Auf den Tudhoewerken liess die Weardale Iron and Coal Company 1884 ihr altes Bessemerwerk eingehen und ersetzte die Konverter durch Siemens-Martin-Öfen, da der Herdflussstahl für die Herstellung von Blechen und Platten geeigneter war. Das der Brymbo Basic Steel Company gehörige Stahl- werk bei Wishaw war damals das einzige basische Siemens-Martin- Werk in Wales. 1886 baute Ratcliffe zu Woolwich einen verbesserten Siemens-Martin-Ofen; 1887 konstruierte Hattons einen Drehofen mit halb saurem und halb basischem Futter. 1887 zählte man 28 Öfen mit basischem Futter in England. 1888 setzte J. C. Stodart in Cleveland zwei Öfen mit basischem Futter für 20 Tonnen Einsatz in Betrieb. Thwaite versuchte das Schmelzen des Roheisens in Kupol- öfen mit basischem Futter. In diesem Jahre kam Darbys Kohlungs- verfahren auch bei dem Siemens-Martin-Prozess zur Anwendung. Die Bathoöfen verbreiteten sich immer mehr und wurden 1888 auch in Staffordshire eingeführt. 1889 konstruierte Hilton einen verbesserten Bathoofen. Im allgemeinen blieb, ähnlich wie bei dem Konverterprozess, die Zustellung der Siemens-Martin-Öfen mit saurem Futter vorherrschend. 1890 baute man solche Öfen für 25 Tonnen Einsatz. Man zählte in diesem Jahre in Grossbritannien 302 Siemens-Martin-Öfen, die Durch- schnittsleistung eines Ofens war auf 5180 Tonnen im Jahr gestiegen. Der Herdprozess gestattete, ebenso wie das Schmelzen in Tiegeln, die Herstellung von Spezialstahlsorten. Am 23. Mai 1889 nahm James Riley in Glasgow sein Patent für Nickelstahlbereitung (Engl. Pat. 1889 Nr. 8492). Obgleich sein Verfahren auch für den Tiegel- und den Konverterprozess verwendbar war, empfahl er doch das Grossbritannien. Herdschmelzen als am geeignetsten dafür. Er setzte dem geschmol- zenen Metall erst Eisenmangan, dann Nickel zu. Bei der Formgebung kamen mancherlei Verbesserungen in dieser Periode zur Einführung, besonders der von den Vereinigten Staaten entwickelte automatische Walzwerksbetrieb, durch angetriebene Rollen- gänge, Hebetische, Wendevorrichtungen u. s. w. und die Ausbildung der hydraulischen Schmiedepressen für die Behandlung schwerer Stahl- blöcke anstatt der Dampfhämmer. Hierfür erwarb sich die Maschinen- fabrik von Tannet \& Walker in Leeds grosse Verdienste; sie setzte 1885 bei John Brown \& Co in Sheffield eine Schmiedepresse für 5000 Tonnen Druck in Betrieb. — Um die Schienenfabrikation bemühte sich der schwedische Ingenieur C. P. Sandberg , der 1881 als Vertreter einer schwedischen Eisenbahngesellschaft zur Abnahme von ihr bestellter Eisenbahnschienen nach England gekommen und seitdem in England geblieben war. Nachdem er in einem Aufsatze über die Abnahmebedingungen für Eisenbahnschienen 1881 auch die Anforde- rungen, die an Schienen gestellt werden müssen, eingehend erörtert hatte, trat er mit Entschiedenheit für die Verstärkung des eisernen Oberbaues, besonders für die Herstellung schwererer Schienen, ein und kam 1886 mit seiner „Goliathschiene“ an die Öffentlichkeit. Seine Bemühungen sind nicht erfolglos gewesen sowohl in England als auf dem Kontinent. J. G. Snelus von Workington veröffentlichte 1881 eine wichtige Arbeit über die chemische Probe der Eisenbahnschienen. Durch den Ersatz des Holzkohlenbleches durch Flusseisenblech nahm die Weiss- blechfabrikation einen grösseren Aufschwung. Seit Anfang der acht- ziger Jahre verwendete man Siemens-Martin-Stahl hierfür, seit 1883 auch Clapp-Griffith-Flussstahl. Hierzu kam die Schnellverzinnung. 1883 kam Cockley \& Morwoods Walzenverzinnkessel zur Einführung; 1884 erfand Taylor seine Verzinnmaschine, die 1887 verbessert wurde. 1884 wurden in England 460000 Tonnen Eisen und Stahl für Weissbleche verarbeitet. 1886 bauten Tannet \& Walker eine grosse hydraulische Schere für Blochairn, in demselben Jahre wurde die von Kitson erfundene Parallelschere von Buckton \& Co . aus- geführt und bei Bolckow, Vaughan \& Co . aufgestellt. Buckton \& Co . und Lamberton \& Co . bauten in England grosse Dampfblock- scheren. Blockwender für Walzwerke erfanden 1888 Williamson \& Nelson und D. Davy in Sheffield (Engl. Pat. Nr. 10779 vom 25. Juli 1888). James Riley in Glasgow erbaute 1890 auf den Blochairn Steel Works ein eigenes Universalwalzwerk zum Verwalzen Grossbritannien. von Brammen für Panzerplatten. Ausserdem kamen um diese Zeit mancherlei Spezialwalzwerke zur Einführung. 1889 erbaute Morgan in Worcester ein kontinuierliches Walzwerk mit hintereinander stehenden Walzgerüsten. Der englische Schiffsbau, der mehr und mehr zur Verwendung von Flussstahl überging und enorme Mengen verbrauchte, war in den achtziger Jahren grossen Schwankungen ausgesetzt. 1882 betrug der Tonnengehalt der neuerbauten Schiffe 1200000; sank dann 1886 auf 473675 und stieg wieder 1889 auf 1326240. Am 19. Juni 1889 starb der bekannte Metallurg Dr. John Percy , dessen Werk über Eisen und Stahl einen Weltruf erlangt hat. Er war 1817 in Nottingham als Sohn eines Rechtsanwaltes geboren, studierte Medizin und erlangte schon in seinem 21. Jahre die Doktorwürde. Dann ging er nach Paris, wo er bei Gay-Lussac Chemie studierte und in dessen Laboratorien den Grund zu seiner gründlichen Kenntnis der analytischen Chemie legte. Er liess sich dann als Arzt in Bir- mingham nieder, aber die dortige Metallindustrie veranlasste ihn, seine chemischen Kenntnisse der Metallurgie zu widmen, worin er bald Grosses und Originelles leistete, weshalb ihm die Professur für Metallurgie an der Royal School of Mines in London übertragen wurde. Am 7. Mai 1890 starb auch der Altmeister des Werkzeug- maschinenbaues James Nasmyth , 82 Jahre alt. Im Jahre 1890 wurde die britische Eisenerzeugung zum erstenmal überflügelt. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika, die schon im Jahre zuvor in der Flussstahlproduktion England übertroffen hatten, siegten jetzt auch in der Roheisenerzeugung mit 9350 gegen 8030 Kilotonnen. Diese für das englische Selbstgefühl schmerzliche That- sache machte zwar einen tiefen Eindruck, blieb aber in der nächsten Zeit ohne besondere Wirkung auf die Entwickelung der britischen Eisenindustrie. Man gab sich der Hoffnung hin, dass der Sieg der Amerikaner eine vorübergehende Erscheinung sei, herbeigeführt durch aussergewöhnliche Anstrengungen. Man tadelte das scharfe Blasen bei den amerikanischen Hochöfen, wodurch dieselben rasch zerstört wurden, so dass sie durchschnittlich nur 2¼ Jahre, die englischen dagegen sechs Jahre aushielten. Selbst diese kurze Lebensdauer der amerikanischen Hochöfen wurde nur erreicht durch eine übermässige Wasserkühlung von Gestell und Rost, welche die englischen Öfen nicht oder lange nicht in diesem Masse nötig hatten. Der Sieg der Amerikaner war aber keineswegs ein zufälliger oder vorübergehender Erfolg, wie sich aus nachfolgender Produktionstafel ergiebt. Grossbritannien. Roheisenerzeugung von 1890 bis 1899 in Kilotonnen . Die Jahre 1891, 1892, 1893 waren für die Eisenindustrie un- günstig und für Grossbritannien wurde dieser Zustand noch verschärft durch ausgedehnte Lohnkämpfe und Arbeitseinstellungen, besonders durch die grossen Streiks der Kohlenarbeiter 1891 in Schottland und 1892 in Durham. Erst seit 1895 trat wieder ein Aufschwung ein, der gegen Ende des Jahrhunderts eine Glanzzeit der Eisenindustrie zeitigte. In diese letztere Zeit fallen dann auch viele Verbesserungen im Hochofenbetriebe, wobei die Nachahmung amerikanischer Vorbilder deutlich zu erkennen ist. 1890 zählte man 762 Hochöfen in Grossbritannien, von denen aber nur 346 in Betrieb standen. Von diesen gingen 247 auf gewöhn- liches Roheisen, darunter 20 auf solches für den basischen Flussstahl- betrieb, 91 gingen auf Hämatiteisen, 9 auf Spiegeleisen. Von den 346 betriebenen lagen 54 an der Westküste (Schottland, Cumberland, Lancashire), 102 in Cleveland, 125 in Mittel-England (Staffordshire u.s.w.), 17 in West-Yorkshire, 2 in West-England, 4 in Nord-Wales, 36 in Süd-Wales und 6 im Inlande von Schottland. Clevelands Anteil D. h. der Anteil von Yorkshire North Riding, Durham und Northumberland. an der britischen Produktion betrug 1876 27,5, 1880 32,5 und 1890 33,9 Prozent, war also ständig gewachsen, der Anteil Schottlands betrug 1876 17,5, 1880 13,6 und 1890 13,0 Prozent, hatte also ab- genommen. Der Kohlenstreik in Schottland von 1891 hatte einen grossen Ausfall in der Roheisenerzeugung zur Folge. Seit dieser Zeit haben denn auch die schottischen Warrants aufgehört preisbestimmend zu wirken, und damit hat auch das Börsenspiel mit Warrants nach- gelassen. Schottland und Cleveland bezogen zur Herstellung von Beck, Geschichte des Eisens. 60 Grossbritannien. Hämatiteisen für den Bessemerprozess grosse Mengen ausländischer, besonders spanischer Erze. In Cleveland betrug 1892 die eigene Eisen- erzförderung 5300000 Tonnen, hieraus wurden 1493000 Tonnen gewöhn- liches Roheisen geschmolzen, die Erzeinfuhr belief sich auf 2260000 Tonnen, aus denen 1330000 Tonnen meist Hämatiteisen erblasen wurde. Nach Jeremiah Head Stahl und Eisen 1894, S. 293. betrug die durchschnittliche Wind- temperatur 1871 454° C., 1892 788° C., die Windpressung 1871 0,2 bis 0,3 kg, 1892 0,47 kg pro Quadratcentimeter, die durchschnittliche Wochenleistung eines Hochofens 1871 etwa 300 Tonnen, 1892 548 Tonnen, der Kohlenverbrauch pro Tonne (1000 kg) 1871 1150 kg, 1892 1000 bis 950 kg. Die steinernen Winderhitzer waren 1871 18,5 m, 1892 18 bis 24 m hoch. Die Hochöfen hielten bei Erzeugung von Hämatitroheisen sechs Jahre, bei Erzeugung gewöhnlichen Roheisens aus heimischen Erzen 18 bis 20 Jahre. 1892 kamen Masselbrecher nach der Konstruktion von Arm- strong, Martin, James und anderen zur Einführung. Das von Howdon und Howson vorgeschlagene Hochofenprofil wurde 1893 von Head in Middlesborough und von Samuelson ausgeführt. J. H. Darby führte in diesem Jahre die Verkokungsöfen von Semet- Solvay in England ein. Damit begann die Gewinnung der Neben- produkte der Koksfabrikation. 1899 konnte Darby berichten, dass in England 370 Semet-Solvay-Öfen mit 416000 Tonnen Jahres- erzeugung betrieben wurden. Windsor Richards gab in einem Vortrage über die Entwickelung der englischen Eisenindustrie, die durch die steinernen Winderhitzer erzielte Koksersparnis auf 125 kg pro Tonne Roheisen an. Die neue Hochofenanlage zu Glegarnock wurde mit Gewinnung der Nebenprodukte aus den Gichtgasen nach dem System Dempster , das auf Abkühlung der Gase beruhte, ein- gerichtet. Ebenso waren die Hochöfen von Wishaw 1895 unter James Rileys Leitung mit Teer- und Ammoniakgewinnung ver- sehen. Obgleich man in Cleveland die Öfen nicht so hoch baute wie Anfang der siebziger Jahre, hatten doch wenige Hochöfen unter 566 cbm Fassungsraum. Bereits im Jahre 1894 machte Thwaite den Vorschlag, die Hochofengase zur Krafterzeugung zu benutzen. 1894 stieg die Wochenleistung eines Hochofens zu Eston auf 1000, zu Dowlais auf 1500 Tonnen, was allerdings gegen die Leistung der neuen amerikanischen Öfen von 2400 Tonnen pro Woche noch be- trächtlich zurückblieb. Die Tagesleistung der englischen Hochöfen Grossbritannien. war 1890 bis 1895 von 64,62 auf 75,79 Tonnen gestiegen. Mit der zunehmenden Leistung nahm die Zahl der Hochöfen ab, so z. B. in Süd-Staffordshire von 1871 bis 1894 von 108 auf 22, während die Jahresleistung eines Ofens von 6720 auf 14360 Tonnen gestiegen war. In Dowlais wie in Schottland ging die einheimische Erzgewinnung sehr zurück und wurden immer mehr importierte Erze verschmolzen. Deshalb wurde 1896 die neue Hochofenanlage der Dowlaisgesellschaft am Meere, bei Cardiff, errichtet; hier wurden nur überseeische Erze verschmolzen. Die Erze kamen zu See an und das daraus ge- schmolzene Roheisen ging zu See fort. Man konnte in 48 Stunden das Erz vom Schiff zum Hochofen bringen, es verschmelzen und als Roheisen wieder verladen. 1897 wurde der dritte Teil der englischen Roheisenerzeugung aus fremden Erzen dargestellt. Neben den spani- schen Erzen begannen die schwedischen Erze eine Rolle zu spielen. Englische Gesellschaften betrieben die reichen Magneteisengruben im hohen Norden von Schweden, und Engländer waren es, welche die Bahn von diesen Bergwerken nach Ofoten an der norwegischen Küste zu bauen begannen. In den günstigen Jahren 1998 und 1899 machte der englische Hochofenbetrieb bedeutende Fortschritte. Die Schweisseisenerzeugung ging dagegen mehr und mehr zurück. 1872 gab es in Süd-Stafford- und Ost-Warwickshire noch 2155 Puddelöfen, 1895 nur noch 1152. In Süd-Wales hatte man 1882 die letzten Eisenbahnschienen aus Schweisseisen gewalzt. Damals zählte man noch 255 Puddelöfen, 1897 nur noch 15. Die Consettwerke betrieben 1882 noch 170 Puddelöfen, 1893 nur noch 14, dabei aber 25 Siemens-Martin-Öfen von 17 bis 25 Tonnen Einsatz. Der Rück- gang des Schweisseisen- und der Fortschritt des Flusseisenbetriebes von 1882 bis 1895 in Cleveland erhellt aus folgenden Zahlen. Es betrug die Erzeugung Hieraus ersieht man schon, dass die Herdstahlfabrikation die grössten Fortschritte in diesem Zeitraume machte, während die Bessemerstahlfabrikation nur wenig zunahm. Der Thomasprozess blieb nach wie vor das Stiefkind. Die Fortschritte, die in England bei dem Konverterprozess als solchem gemacht wurden, waren deshalb 60* Grossbritannien. auch nicht hervorragend und bestanden in der Hauptsache in der Einführung der amerikanischen Verbesserungen. In dieser Beziehung ist besonders die Einführung des Mischers zu erwähnen, die Evans 1893 zu Barrow vornahm. Die Leistung der Konverter wurde durch deren Vergrösserung und energischeren Betrieb in dem letzten Decennium gesteigert. Im Jahre 1889 waren in Grossbritannien 125 Konverter vorhanden, wovon 83 in Thätigkeit waren und 2140791 Blöcke erzeugten. 1898 betrug die Zahl der Konverter 90, wovon 62 in Betrieb waren, die 1787536 Bessemerstahl lieferten. Die Leistung eines Konverters war demnach in dieser Zeit von 25792 auf 28831 Tonnen pro Konverter gestiegen. Zahlreicher sind die Verbesserungen, die man bei dem Herd- schmelzprozess einführte. 1890 konstruierten Biedermann und Harvey einen neuen Siemens-Martin-Ofen. 1892 wurde Saniters Entschwefelung durch Zusatz von Chlorcalcium und Ätzkalk auf ver- schiedenen Werken eingeführt. 1895 kamen die verbesserten Genera- toren von Taylor in Betrieb. Der wichtigste Fortschritt war aber wohl die Vergrösserung der Flammschmelzöfen. 1898 hatten die Blochairnwerke in Schottland bereits 10 Öfen für 40 Tonnen Einsatz, während 1899 zu Barrow nur Öfen für 50 Tonnen Einsatz gebaut wurden Stahl und Eisen 1899, S. 1016. . Die Erzeugung von Herdflussstahl stieg von 1890 bis 1898 von 1564200 auf 2851506 Tonnen, hiervon waren nur etwa 10 Prozent auf basischem Herde erzeugt. Obgleich der englische Lloyd seit 1891 den basischen Flussstahl für den Schiffsbau zugelassen hatte, blieb das Vorurteil gegen dieses Produkt in England bestehen und hemmte den Fortschritt der basischen Flussstahlerzeugung. 1890/91 fand sogar ein Rückgang von 511500 auf 443300 Tonnen statt, und 1898 betrug die Erzeugung von Thomasstahl nur 512200 Tonnen. Während 1892 Deutschland an der Gesamterzeugung von Thomasstahl mit 63 Pro- zent beteiligt war, entfielen auf Grossbritannien nur 12,7 Prozent. Dadurch blieb aber England mit der Flussstahlerzeugung über- haupt im Rückstande. Die Vereinigten Staaten waren 1892 an der gesamten Flussstahlproduktion mit 35,2, Grossbritannien mit 24,7, Deutschland mit 21,7 Prozent beteiligt. Das in England durch den basischen Prozess erzeugte Flussseisen war meist von geringerer Güte als das in Deutschland erzeugte, welches deshalb schon 1893 dem britischen Flusseisen Konkurrenz machte und das anerkannter- Grossbritannien. massen C. E. Stromayers Vortrag in dem Instit. Engineers and Shipbuilders. Stahl und Eisen 1898, S. 317. dem in England erzeugten Bessemereisen an Güte gleich- kam oder es übertraf. Dass Englands Erfolge mit dem basischen Verfahren, besonders mit dem Thomasprozess so gering waren, lag keineswegs in den natürlichen Verhältnissen, sondern in dem mangel- haften Betriebe. Bei dem Herdprozess setzte man zu viel Erze zu und für den Thomasprozess wählte man häufig das schlechteste Roheisen für den basischen Prozess aus und erwartete dann noch ein erstklassiges Produkt. Vor allem fehlte aber die sorgfältige chemische Kontrolle, die in Deutschland den basischen Prozess zu einer solchen Höhe gebracht hatte. Auch in Grossbritannien arbeitete man bei dem basischen Prozess auf ein möglichst weiches Produkt hin. 1892 enthielten von 413348 Tonnen Thomasstahl 322664 Tonnen, und 1893 von 363765 Tonnen 298140 Tonnen weniger als 0,17 Prozent Kohlenstoff. Durch die veränderten Verhältnisse erfuhr auch die Tiegel- stahlfabrikation mancherlei Änderungen und Verbesserungen. Zunächst wurden durch die Einführung der Regenerativfeuerung die Schmelzöfen sehr vergrössert. 1894 benutzte man vielfach cemen- tierten Flussstahl anstatt des aus schwedischem Eisen hergestellten Cementstahls zur Gussstahlfabrikation. Atwood in Weardale stellte 1895 Tiegelgussstahl durch Zusammenschmelzen von Fluss- und Spiegeleisen dar. Die wichtigsten Fortschritte lagen aber auf mechanischem Gebiete, auf der besseren Bearbeitung des Flussstahls durch bessere Werk- zeuge. Hierin erwarben sich Tannet, Walker \& Co . in Leeds grosse Verdienste durch ihre erfolgreiche Verwendung des hydrau- lischen Druckes. Sie vervollkommneten besonders die Presshämmer. 1890 bauten sie eine riesige hydraulische Blockschere für die Blochairn- Stahlwerke, während Lamberton \& Co . vorzügliche Dampfblock- scheren lieferten. Die starken Presshämmer von Benjamin Walker für die Herstellung von Panzerplatten waren 1891 von Massey \& Co . zu Openschaw bei Manchester und von W. E. Allen in Sheffield eingeführt worden. Vorzüglich angelegt waren die 1895 neu erbauten Panzerplatten-Walzwerke von Vickers \& Co . in Sheffield und Parkhead-Forge am Clyde. Die in diesem Jahre von J. Brown \& Co . neu aufgestellte 1000-Tonnen-Presse war von Whitworth \& Co . in Manchester gebaut. Vickers \& Co . bearbei- Grossbritannien. teten Blöcke von 70 Tonnen Gewicht mit Hülfe eines Kranes von 150 Tonnen Tragkraft und einer hydraulischen Presse, die 8000 Tonnen Druck ausübte, obgleich das Werkzeug selbst nur 783 Tonnen wog. Hiermit konnte ein Block von 1,3 m Dicke in einer Stunde auf 0,35 m gepresst werden. Die Plattenwalze lieferte Platten von 3 m Breite und 5,5 m Länge. Die Blockwalzen wurden verbessert und mit automatischer Be- dienung nach amerikanischem Muster versehen. Am 27. Dezember 1876 starb im 80. Lebensjahre Sir John Brown , der Gründer der Atlaswerke, der um die Ausbildung des Bessemerprozesses und die Panzerplattenfabrikation sich grosse Ver- dienste erworben hat. Am 15. März 1898 schloss Sir Henry Bessemer , der durch die Erfindung des nach ihm benannten Prozesses der grösste Förderer der Eisenindustrie und ein Wohlthäter der Menschheit geworden ist, die Augen. Durch die Fortschritte der Flussstahlfabrikation und der Be- arbeitungsmaschinen erlangten einzelne Fabrikationszweige einen ausserordentlichen Umfang, wie besonders die Panzerplatten-Walz- werke und die Geschütz- und Waffenfabriken. Die grosse Anlage von Lord Armstrong zu Elswick gab 20000 und die unter der Firma Armstrong, Whitworth \& Co . vereinigten Werke zu Elswick, Walker, Manchester u. s. w. 30000 Personen Unterhalt. Die Weissblechfabrikation, die ihren Hauptsitz in Wales und den Grafschaften Glammorgan, Monmouth und Carmathen hatte und die durch die Verwendung von Herdflusseisen an Stelle der Holzkohlen- bleche zu grosser Blüte gekommen war, verlor durch die hohen Schutzzölle der Mc Kinley Bill und den Aufschwung der amerika- nischen Weissblechfabrikation ihren Hauptmarkt, die Vereinigten Staaten, und kam dadurch in Rückgang und Not. Die Eisenindustrie Grossbritanniens, wie dessen grossartige In- dustrie überhaupt, ist in erster Linie begründet auf dem Reichtum an Steinkohlen und der energischen Ausbeutung derselben. Die Stein- kohlenproduktion Grossbritanniens hat bis 1898 die aller anderen Länder übertroffen, obgleich die Kohlenlager der Vereinigten Staaten viel ausgedehnter und reichhaltiger sind. 1876 förderte Gross- britannien 127017 Kilotonnen = 46,4 Prozent der Weltproduktion, 1898 stellte sich die gesamte Steinkohlengewinnung wie folgt: Grossbritannien. Seit 1899 haben die Vereinigten Staaten auch in der Steinkohlen- förderung Grossbritannien überflügelt. Die britische Kohlenerzeugung ist weit grösser als der wirkliche Bedarf des Landes. Der Überschuss wird entweder ausgeführt oder zu einem ausgedehnten Veredelungsverkehr und zur Herstellung von Waren, die zum Teil wieder über See gehen, verwendet. Dies gilt besonders von der Eisenindustrie, die ungeheure Mengen ausländischer Erze verschmilzt und zu Eisenwaren verarbeitet, von denen ein grosser Teil wieder ausgeführt wird. Ob diese ungeheure Ausbeutung eines kostbaren nationalen Besitztums weise ist, kann fraglich erscheinen, in der Gegenwart verschafft es aber England den Reichtum und die Macht, die es erstrebt. Auf dieser Grundlage ist der britische Ausfuhrhandel der grösste der Welt. England hat in dem abgelaufenen Jahrhundert die erste Stelle im Welthandel eingenommen und nimmt sie noch ein. Nächst der Steinkohle spielt das Eisen dabei die wichtigste Rolle; sein ausgedehnter Export beruht jetzt grossenteils auf einem Veredelungs- verkehr, denn es werden ungeheure Mengen überseeischer Erze nach England ausgeführt, hier mit englischer Kohle geschmolzen und weiter verarbeitet, und teils als Roheisen, teils als Eisen- und Stahlwaren wieder ausgeführt. Die Erzeinfuhr ist seit 1870 gewaltig gestiegen; während in jenem Jahre nur 212 Kilotonnen eingeführt worden waren, Grossbritannien. betrug die Einfuhr 1899 7055 Kilotonnen, wovon 6186 aus Spanien kamen. Die einheimische Erzförderung ist dagegen zurückgegangen. Die englische Eisenausfuhr schwankte im allgemeinen mit der Roheisenproduktion, meist etwas stärker und ohne derselben genau zu folgen. Dabei hatte der inländische Verbrauch zugenommen. Obgleich die Ausfuhr mit der Produktion Schritt hielt und im ganzen noch gewachsen ist, sind in diesem Zeitabschnitte doch grosse innere Verschiebungen vor sich gegangen, indem der Absatz nach den beiden wichtigsten Ländern, den Vereinigten Staaten von Amerika und Deutschland, infolge der Erstarkung ihrer eigenen Eisen- industrie sehr zurückgegangen ist, und es ist ein glänzendes Zeugnis für die Lebenskraft des englischen Handels, dass er diese Ausfälle ohne merkliche Störungen durch den Absatz nach anderen Ländern ausgleichen konnte. Besonders haben sich die britischen Kolonieen als in steigendem Masse aufnahmsfähig für englische Eisenwaren erwiesen. Die Roheisenausfuhr Englands ist in ihrem Steigen und Fallen in der Schaulinie A B , Fig. 342, dargestellt. Diese Linien zeigen zuerst ein rasches Steigen der Ausfuhr und der Preise bis 1872, wo die Ausfuhr 1331 Kilotonnen, die Roheisen- erzeugung 6849 Kilotonnen betrug, dann einen jähen Sturz bis 1874 auf 774 Kilotonnen Ausfuhr und 6005 Kilotonnen Produktion. Diesem folgt eine durch zwei Schwankungen unterbrochene Zunahme bis zu dem Maximum 1882 (1758 Kilotonnen Ausfuhr, 8724 Kilotonnen Er- zeugung), dem ein jäher Absturz bis 1885 und dann eine auf- und niedersteigende Bewegung bis zu dem tiefsten Stand im Jahre 1892 von 767 Kilotonnen Ausfuhr und 6817 Kilotonnen Produktion folgt. Hiernach tritt wieder eine Aufwärtsbewegung ein, die bis 1899 auf Grossbritannien. 1379 Kilotonnen Ausfuhr und 9543 Kilotonnen Erzeugung (dem Höchststand der Roheisenproduktion) steigt. Die Schaulinie C D der Preisschwankungen ist nach den Preisen schottischen Warrants eingezeichnet. Die Eisenausfuhr Grossbritanniens nach Deutschland erreichte ihren Höchststand im Jahre 1884 mit 441713 Tonnen, seit der Zeit hat sie abgenommen, so dass sie z. B. 1887 nur 180792 Tonnen (hiervon 160915 Tonnen Roheisen) betrug. Fig. 342. A B = Roheisenausfuhr; C D = Roheisenpreis. Zu Ende des Jahrhunderts ist aber die Ausfuhr infolge des raschen Aufschwungs der deutschen Industrie und der wegen Koks- mangels ungenügenden Roheisenerzeugung wieder gestiegen, so dass sie 1899 den hohen Stand von 568 Kilotonnen erreichte. Der Absatz von Roheisen nach den Vereinigten Staaten, der früher sehr gross war und 1887 1285 Kilotonnen betrug, hat dagegen fast ganz aufgehört. 1899 betrug er nur noch 36 Kilotonnen, während die Vereinigten Staaten nach England 81 Kilotonnen einführten, so Grossbritannien. dass die Zeit nicht fern zu sein scheint, in der Grossbritannien ein grösserer Abnehmer von Amerika sein wird. Die Eisenausfuhr nach den Kolonieen bezifferte sich 1887 bereits auf 1099 Kilotonnen, wovon allerdings Roheisen nur einen kleinen Teil ausmachte. Dem Wert nach betrug die gesamte Eisen- und Eisenwaren- ausfuhr Grossbritanniens im Jahre 1899 £ 51314000, also über eine Milliarde Mark; hiervon entfielen in £ 1000: auf Eisen und Stahl 28693 „ Kurz-, Messerwaren und Geräte 3570 „ Maschinen 19051 51314 Von dieser Menge ging etwa ein Viertel nach den Kolonieen. Die Ausfuhr von Eisenbahnschienen hat in den neunziger Jahren einen grossen Rückgang erfahren: 1890 betrug sie noch 1035 Kilotonnen, sank 1894 auf 425 Kilotonnen und bezifferte sich auch 1899 nur auf 477 Kilotonnen. Auch hiervon war der Aufschwung der amerikanischen Eisenindustrie, die ihren Bedarf selbst deckte, die Veranlassung. Dieselbe Erscheinung trat bei dem Weissblech ein, dessen Aus- fuhr durch das Aufblühen der amerikanischen Weissblechindustrie von 422 Kilotonnen im Jahre 1890 auf 257 im Jahre 1899 sank. Eine Zunahme erfuhr die Ausfuhr von Stahlwaren und von ver- zinktem Blech. Von geschichtlichem Interesse sind ferner die Verschiebungen, welche durch Steigen oder Sinken der Ausfuhr einzelner Provinzen oder Gebiete entstanden sind. Handel und Industrie der Mittelland- provinzen, besonders Staffordshires, litten infolge der steigenden Ver- arbeitung überseeischer Erze durch die Eisen- und Stahlwerke der Küste. Schottlands Handel wurde bedeutend überflügelt von dem Clevelands, der Hafen von Glasgow trat an Bedeutung für den Eisen- handel hinter den von Middlesborough zurück. Schottlands Giesserei- roheisen wurde Anfang der siebziger Jahre noch nach allen Eisen- industrieländern verschifft. Diese Ausfuhr nahm in den achtziger Jahren erst dadurch ab, dass Deutschland anfing, seinen Bedarf an Giessereieisen selbst zu decken, und dann durch den gewaltigen Auf- schwung der amerikanischen Eisenindustrie. 1871 hatte Schottland 1160 Kilotonnen Roheisen erzeugt und 540 Tonnen exportiert, wovon der grösste Teil über See ging. 1895 produzierte Schottland 1097 Kilotonnen, hiervon gingen aber nur Grossbritannien. 116 Kilotonnen Giessereiroheisen über See, während 198 Kilotonnen nach England verführt wurden. Die Roheisenverschiffungen aus Cleveland betrugen in Kilotonnen: Gegenüber der Ausfuhr erscheint die Einfuhr von Eisen und Stahl nach Grossbritannien nicht bedeutend. Im Jahre 1872 1871 war ein abnormes Jahr; damals erreichte die Einfuhr die Höhe von 528147 Tonnen = 16,6 Prozent. betrug sie 130 Kilotonnen gegenüber einer Ausfuhr von 3383 Kilotonnen = 3,8 Prozent; 1873 117 Kilotonnen = 3,9 Prozent dem Gewichte nach. 1896 für £ 5303000 gegen eine Ausfuhr von £ 44352000 = nahezu 12 Prozent dem Werte nach. Die Einfuhr von Eisen- und Stahl- waren, wie von Maschinen ist im Zunehmen, ihr Wert betrug 1896 für £ 40377, 1898 für £ 6639000. Es ist ein grossartiges Bild der Entwickelung, welches uns die Fortschritte der britischen Eisenindustrie seit 1870 entrollen. Die volle Würdigung desselben wird leicht beeinträchtigt durch den Hinblick auf den noch grossartigeren Aufschwung der Eisenindustrie der Ver- einigten Staaten in dieser Zeit. Betrachtet man aber die Geschichte des Eisens in Grossbritannien in den drei Jahrzenten für sich und unbefangen, so muss man nicht nur die Leistungen und Erfolge, sondern auch das eifrige Streben einer grossen Anzahl ausgezeichneter Metallurgen anerkennen. Wenn einige hervorragende unter diesen, wie Sir William Siemens und John Gjers , eingewanderte Ausländer waren, so macht dies nichts aus, und England nennt sie mit Recht die Ihrigen, da ihre Thätigkeit und Erfindungen in England und für die englische Eisenindustrie gemacht wurden. Es herrscht in dieser Periode ein ganz anderer Geist wie früher in der britischen Eisenindustrie, der Geist wissenschaftlichen Forschens, theoretischer Begründung. Früher war der „practical man“ alles, seine Erfahrung galt für viel wertvoller als alle Theorie. Heute, nachdem das Alte gefallen ist und Neuem Platz gemacht hat, weiss man auch in England den Wert wissenschaftlicher Bildung zu schätzen. Es ist sehr beachtenswert, eine wie grosse Zahl hochgebildeter, vor- züglicher Metallurgen in den letzten 30 Jahren in England aufgetaucht Grossbritannien. sind und mit Verständnis und Geschick an dem Fortschritt der Eisen- industrie nicht nur Englands, sondern der Welt gearbeitet haben. Ein grosses Förderungsmittel hierfür waren die Bildungsanstalten, besonders die durch den Prinzen Albert ins Leben gerufene Berg- akademie, die Royal School of Mines in London, die besonders in dem im Jahre 1887 gestorbenen John Percy einen so vortrefflichen Lehrer der Metallurgie und ganz besonders der Eisenhüttenkunde hatte. Viele der bekannten und hervorragenden Eisenindustriellen Grossbritanniens sind seine Schüler gewesen. Ein anderes wichtiges Förderungsmittel war ein höchst segens- reiches Vereinsleben. Die Vereine haben von jeher in dem wissen- schaftlichen Leben Englands eine grosse Rolle gespielt. Es war dies durch die Verhältnisse bedingt. Die beiden alten Universitäten Oxford und Cambridge bewahrten ihren einseitigen Charakter als Hochschulen klassischer Bildung und ihre mittelalterlichen Einrich- tungen. Dem praktischen Leben standen sie vornehm fern. Der Staat betrachtete es nicht als seine Aufgabe, neue und moderne Bildungsanstalten zu schaffen, und überliess dies den Städten und Grafschaften oder Privaten. Ohne das eifrige Bemühen des Prinzen Albert wäre auch die Bergakademie nicht als Staatsanstalt (govern- ment school) begründet worden. — Auf diesem Wege konnten also grosse Schöpfungen, nationale Hochschulen kaum entstehen. Durch den Mangel an solchen konnte das wissenschaftliche Streben nur in Vereinen sich bethätigen, was dem englischen Wesen und Charakter auch besonders entsprach. In diesen Vereinen, die wie die Royal Society, die Society for the advancement of science, die Geographical society schon lange bestehen, fand das wissenschaftliche Leben Englands einen teilweisen Ersatz für das, was unsere deutschen Hochschulen bieten. Solchen Vereinen anzugehören gilt als eine Ehre und als ein Zeichen von Bildung. Die bequeme Form des Vereins lässt sich jeder Art von Bestrebung anpassen und das geschah denn auch in reichem — manchmal überreichem Masse. Vereine für die Eisenindustrie sind erst in den letzten 40 Jahren entstanden. Älter sind die Gesellschaften der Zivilingenieure und der Maschinenbauer, der Bergingenieure (Soc. of civil engineers, Soc. of mechanic engineers, Soc. of mining engineers), in denen aber die Eisenhüttenkunde nur nebenher Berücksichtigung fand. Um so wichtiger war daher die Gründung des Iron and Steel Institute durch eine Reihe hervorragender Metallurgen unter dem Vorsitz des Herzogs von Devonshire im Jahre 1869. Es wurde rasch der Grossbritannien. anerkannte Mittelpunkt für alle fortschrittlichen Bestrebungen der britischen Eisenindustrie und ist durch seine weise und weitherzige Organisation, die ihm gestattet, seine Thätigkeit nicht auf England zu beschränken, rasch der angesehenste und wichtigste Eisenverein der Welt geworden. Die Mitglieder des Vereins versammeln sich zweimal im Jahre zu einem Frühjahrs- und zu einem Herbst-Meeting in einem von der vorhergehenden Versammlung gewählten Orte, entweder einem wichtigen Centrum der Eisenindustrie, oder einer grossen Hauptstadt, und zwar nicht nur in England, sondern auch im Auslande, wie z. B. in Paris (1879, 1889, 1900), Düsseldorf (1880), Pittsburgh, New York u. s. w. Hierüber werden wertvolle Berichte veröffentlicht. Als Auszeichnung für um die Eisenindustrie besonders verdiente Personen verleiht das Eisen- und Stahlinstitut jedes Jahr eine grosse goldene Medaille, „die Bessemermedaille“, und zwar nicht nur an Engländer, sondern auch an Ausländer, wie z. B. an Peter von Tunner, R. Åkerman, H. Wedding . Welches hohe Ansehen dieser Verein geniesst, und wie hoch die Verleihung der Bessemermedaille geschätzt wird, geht daraus hervor, dass er dieselbe im Jahre 1899 der Königin Victoria für ihre Ver- dienste um die Eisenindustrie Grossbritanniens während ihrer langen, segensreichen Regierung verleihen durfte. Das Eisen- und Stahl-Institut soll alle Fortschritte der Eisen- industrie fördern, ohne ein Interessenverein zu sein. Als ein solcher wurde 1876 die British Iron Trade Association, die ungefähr unserm Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller entspricht, gegründet. Ausserdem wurde eine Anzahl von Bezirksschulen und Bezirks- vereinen, wie z. B. die Victoria-Universität in Leeds, die in ihrem Yorkshire-College auch eine Professur für Bergbaukunde besitzt, das Cleveland Institute of Engineers u. s. w. errichtet. Die Namen der um die Eisenindustrie besonders verdienten Männer dieser Periode sind mit ihren Leistungen teils in dem all- gemeinen, teils in dem speciellen Teil wohl meistens schon erwähnt worden; die folgende Zusammenstellung ist deshalb in der Hauptsache eine Wiederholung, die ausserdem auf Vollständigkeit keinen An- spruch macht. Grossbritannien hat seit mehr als zwei Jahrhunderten aus- gezeichneten Gelehrten, Dichtern, Staatsmännern und um Industrie besonders verdienten Männern den Adel verliehen. Solche wegen ihrer Verdienste um die Eisenindustrie in den letzten 50 Jahren in den Adelstand erhobenen Männer sind: Sir John Bessemer , der Er- Grossbritannien. finder des Bessemerprozesses, Sir William Ch. Siemens , der Mit- erfinder der Regenerativfeuerung, des Siemens-Martinprozesses u. s. w., Lord Armstrong , der Verbesserer des Geschützwesens und gegen- wärtig grösster Arbeitgeber, Sir Frederick A. Abel (Konstitution des Eisens, Verwendung des Flussstahls zu Kriegszwecken), Sir Isaac Lowthian Bell (Hochofen-Wärmeökonomie), Sir James Kitson , Sir Bernhard Samuelson , Sir Henry Roscoe (Spektraluntersuchung der Konverterflamme), Sir James Wilson . Als metallurgische Chemiker zeichneten sich aus Professor John Percy , Professor Roberts-Austen, Jr. E. Stead, G. J. Snelus, W. M. Williams, Saniter (Entschweflung des Stahls), Dr. H. C. Sorby (Mikrostruktur des Eisens), Le Neve Forster, Thomas Turner (Wirkung des Siliciums). Als grosser Erfinder steht der leider so früh verstorbene Sidney Gilchrist Thomas , der Erfinder des Thomasprozesses im Mittel- punkte des Interesses, mit ihm sein Vetter Percy G. Gilchrist . Um die Einführung und Ausbildung des Thomasprozesses, als Grossbetrieb machte sich Windsor Richards besonders verdient. Verdienstvolle Erfinder waren ferner: John Gjers (Winderhitzer, Durchweichungs- gruben), E. A. Cowper und T. Whitwell (steinerne Winderhitzer), Darby (Nachkohlung), James Riley (Nickelstahl), R. A. Hadfield (Manganstahl u. s. w.), Robert Mushet (Specialstahl). Um Hochofen- bau und -betrieb machten sich C. Cochrane und W. Hawdon, R. Howson, Vaughan, W. Ferrie verdient. Daniel Adamson († 13. Januar 1890), baute die ersten Dampfkessel aus Bessemerstahl- blech. S. J. Jeans , der Schriftführer des Iron and Steel Institute, zeichnete sich in seinem Werke über Stahl als Schriftsteller aus. Wir nennen ferner: Josiah S. Smith, Ellis, Jerem. Head, G. Thomas, R. Dixon, Edward A. Cooper, H. Aitkin, Johnston, Elliot, Tilden, W. Chandler, Dick, Watson Smith, Henry Simon, Edward Williams, P. Fauber, T. R. Crampton, J. Henderson, T. Wrighson, A. Bauermann, A. Stansfield . Wir lassen nun eine Zahlengeschichte der Eisenindustrie Grossbritanniens folgen, welche eine statistische Darstellung der Entwickelung seit 1870 geben soll. Grossbritannien. Produktion und Einfuhr in M.-Tonnen Bis 1894 nach Schrödter , Stahl und Eisen 1896, S. 252. . Steinkohlenförderung 1898. England 147811478 Gr. Tonnen Wales 23863505 „ Schottland 30237295 „ Irland 129966 „ Zusammen 202042243 Gr. Tonnen = 205274919 M.-Tonnen Steinkohlenförderung 1900. England 159314365 Tonnen Wales 32618995 „ Schottland 33112104 „ Irland 124699 „ Zusammen 225170163 Tonnen Steinkohlenausfuhr 1885 bis 1899. Steinkohlenausfuhr nach Ländern 1900. Nach Frankreich 8636632 Tonnen „ Deutschland 5985559 „ „ Italien 5345165 „ „ Skandinavien 4485307 „ „ Russland 3227891 „ „ Spanien und den Canarischen Inseln 2619681 „ „ Dänemark 2124435 „ „ Ägypten 1973796 „ „ Holland 1901544 „ „ den übrigen Ländern 9808001 „ Zusammen 46108011 Tonnen Grossbritannien. Eisenerzeinfuhr 1890. Aus Spanien 4028672 Tonnen „ Algier 227609 „ „ Griechenland 112764 „ „ Italien 46517 „ „ Türkei 18968 „ „ Australien 3425 „ „ anderen Ländern 23785 „ Zusammen 4471790 Tonnen Wert £ 3596056 Hierzu kommen noch Rückstände von fremden Kiesen (purple ore) 492668 Tonnen. Eisenerzeinfuhr aus Bilbao . 1870 200000 Tonnen 1883 2314960 „ 1887 2855662 „ 1890 3040562 „ 1891 2245613 „ 1892 2651313 „ 1893 2999907 Tonnen 1894 3072430 „ 1897 5065000 „ 1898 4684000 „ 1899 6186000 „ Eisenerzförderung in Grossbritannien und Irland in Tonnen Aus Wedding , Handbuch der Eisenhüttenkunde, Bd. II, S. 118. . Grossbritannien. Eisenerzförderung in Grossbritannien und Irland . Roheisenerzeugung seit 1873, hierzu Eisenerz- und Kohlen- verbrauch u. s. w. in Tonnen . (Nach „The Iron and Coal Trades Review“ vom 23. Oktober 1896. Erläutert die Zunahme der Hochofenerzeugung und Abnahme des Kohlenverbrauchs.) Beck, Geschichte des Eisens. 61 Grossbritannien. Roheisenerzeugung der einzelnen Provinzen in Tonnen . Grossbritannien. Zahl der Hochöfen nach den einzelnen Provinzen . Nach Sorten wurde erzeugt in Tonnen : 61* Grossbritannien. Die Roheisensorten verteilten sich 1899 auf Provinzen in Tonnen . Rückblick auf die britische Roheisenerzeugung . Grossbritannien. Rückblick auf die Selbstkosten der Roheisenerzeugung in England Siehe Oscar Simmersbach , Die Entwickelung der Roheisenindustrie Grossbritanniens. Stahl und Eisen 1897, S. 268. Vgl. Stahl und Eisen 1889. in Mark (Schilling), welcher deren Abnahme erläutert . Schweisseisen (Puddeleisen) . (1871 bis 1884.) Grossbritannien. Schweisseisen (Puddeleisen) 1871 in den einzelnen Provinzen . Schweiss- und Flusseisenerzeugung seit 1881 in Tonnen . Schweisseisenerzeugung der einzelnen Provinzen in Tonnen . Grossbritannien. Gesamterzeugung an Flusseisen einschliesslich Tiegel- und Spezialstahl 1870 bis 1899 in Tonnen . 1870 286797 1871 410585 1872 497987 1873 558437 1874 643317 1875 723605 1876 851659 1877 904507 1878 1117930 1879 1029522 1880 1320561 1881 1808728 1882 2245666 1883 2041624 1884 1891985 1885 2020450 1886 2403214 1887 3196778 1888 3774670 1889 3605346 1890 3637381 1891 3207994 1892 2961522 1893 2983000 1894 3260453 1895 3312115 1896 4199532 1897 4557735 1898 4639042 1899 4933010 ohne Tiegelstahl Konverterstahl und Herdflussstahl in Tonnen . Übersicht der Flusseisenfabrikation im Jahre 1879. (44 Werke mit 14702 Arbeitern.) Öfen im Betrieb: Bessemerbirnen 31 Flammöfen, Flussstahlöfen 38 Tiegelöfen zur Ezeugung von Flusseisen 17 Tiegelöfen zum Umschmelzen (Gussstahlöfen) 130 Hülfsöfen: Kupolöfen 48 Flammöfen 12 Ausheizöfen 8 Wärm- und Glühöfen 278 Andere Öfen 28 Grossbritannien. Verschmolzen wurden: Roheisen, inländisches 7126212 ausländisches 2137567 Spiegeleisen, inländisches 783186 ausländisches 120 Ferromangan, inländisches 56952 ausländisches 424 Schweisseisen 11002 Flusseisen 701884 Alteisen, Abfälle u. s. w. 436947 (Für Tiegelstahl) Gekaufter Stahl 139611 Zuschläge von Eisen 95288 12479193 Erzeugt wurden: Flusseisen (einschl. Tiegelstahl) in Bessemerbirnen 9292849 „ Flammöfen 1136544 „ anderen Apparaten 25460 Tiegelgussstahl 530186 10985039 Verkäufliche Fabrikate aus Flusseisen 8937372 Konverterstahl in Tonnen . Zahl und Verteilung der Konverter . Grossbritannien. Konverterstahlerzeugung der einzelnen Provinzen in Tonnen . Grossbritannien. Konverterflussstahlfabrikate in Tonnen . Verteilung der Fabrikate aus Konverterstahl nach den einzelnen Provinzen im Jahre 1898 in Tonnen . Konverterstahlschienen in Tonnen . Die ausserordentliche Zunahme der Herdflussstahlerzeugung in Grossbritannien ist aus den folgenden Tabellen ersichtlich. Grossbritannien. Zahl der Siemens-Martinöfen . 1896 nach Bezirken : Herdflussstahlerzeugung der Hauptbezirke in Tonnen Engl. Ton = 1016 kg. . Grossbritannien. Hiervon auf saurem und auf basischem Herd erzeugt : Fabrikate aus Herdflusseisen in Tonnen . Weissblech (meist Herdflusseisen) . 1887 268355 Tonnen = 4526369 Kisten 1888 292626 „ = 5070499 „ 1889 336693 „ = 5559734 „ Aus Siemens-Martinstahl wurden 1897 hergestellt nach Bezirken in Tonnen : Grossbritannien. Roheisenerzeugung und -ausfuhr, und Gesamtausfuhr von Eisen und Stahl Grossbritanniens in Kilotonnen . Eisenausfuhr Grossbritanniens nach Sorten in Tonnen . Einfuhr von Roheisen, Eisen und Eisenwaren . 1871 528147 Tonnen 1872 430047 „ 1873 117198 „ 1894 300929 „ 1895 318138 Tonnen 1898 431907 „ 1899 473614 „ Grossbritannien. Schottland-Roheisen . Roheisenausfuhr nach Ländern dem Werte nach zu £ 1000. Grossbritannien. Roheisenausfuhr in Kilotonnen . Eisenausfuhr nach Deutschland in Tonnen (meist Roheisen) . 1878 289658 (238438 Roheisen) 1879 262219 1880 269135 1881 297006 1882 351884 1883 317150 (238518 Roheisen) 1884 441713 1885 232884 1886 187140 1887 180792 (160915 Roheisen) 1888 225778 1889 316471 1891 249752 1893 214097 1895 182949 1897 415021 1899 591285 (529770 Roheisen) Rückblick auf die englische Roheisenausfuhr in Tonnen . 1806 2549 1836 33860 1846 159163 1856 357326 1866 500500 1876 910065 1886 1044222 1896 1059796 1899 1379296 Roheiseneinfuhr in Tonnen . Grossbritannien. Ausfuhr von Eisen- und Stahlwaren in Kilotonnen . Ausfuhr von Eisen- und Stahlwaren nach Ländern in Kilotonnen In den Ziffern sind nicht mit einbegriffen: Draht, Schwarzblech zum Ver- zinnen und Waren von Eisen und Stahl in Verbindung. . Grossbritannien. Ein- und Ausfuhr in Wertziffern zu £ 1000. Einfuhr in Metertonnen . Beck, Geschichte des Eisens. 62 Grossbritannien. Ausfuhr einzelner Hauptartikel in Tonnen . Weissblech in Tonnen . 1871 119605 1872 118237 1882 265039 1883 269375 1884 288708 1885 298386 1886 334775 1887 360449 1888 391361 1889 430623 1890 421797 1891 448732 1892 398449 1893 379233 1894 354081 1895 365982 1896 266963 1897 271909 1898 251760 1899 256629 Weissblechausfuhr in Tonnen . Grossbritannien. Eisenverbrauch von Roheisen in Kilotonnen . 1871 3672 1872 3681 1873 3644 1874 3544 1875 3825 1876 4030 1877 3819 1878 3746 1879 3310 1880 4190 1881 4400 1882 4387 1883 4476 1884 3949 1885 3733 1886 3926 1887 4364 Die Zahlen vom Jahre 1887 an sind durch Berechnung in der Weise gefunden, dass von der Roheisenerzeugung die Roheisenausfuhr und die durch Zuschlag von 33⅓ Prozent in Roheisen umgewandelte Eisen- und Stahlausfuhr abgezogen wurde. 1888 5104 1889 5221 1890 4913 1891 5045 1892 4735 1893 4905 1894 5464 1895 5614 1896 6078 1897 6072 1898 6256 (1898 nach Rentzsch 5256) 1899 7274 (1899 nach Rentzsch 5466) (1900 „ „ 5438) Roheisenerzeugung und Verbrauch pro Kopf der Bevölkerung . Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Rentzsch) . 62* Deutschland (mit Luxemburg). Deutschland (mit Luxemburg). Die Entwickelung der Eisenindustrie Deutschlands seit dem Jahre 1870 bietet ein erfreuliches, glänzendes Schauspiel. Die Erzeugung und die Ausfuhr von Eisen und Eisenwaren hat beständig zugenommen. Die Roheisenproduktion betrug 1870 1391 Kilotonnen, 1899 8029 Kilo- tonnnen , ist also in den 30 Jahren um das Sechsfache gewachsen. Das Verhältnis zur englischen Roheisenerzeugung war 1870 1391 zu 6060 Kilotonnen, also an 23 Prozent; 1900 8520 zu 9052 Kilotonnen oder 94 Prozent. Graphisch dargestellt zeigt die deutsche Eisen- erzeugung eine aufsteigende Linie (Fig. 343) von viel grösserer Stetig- keit und Regelmässigkeit als die entsprechenden Linien der englischen und amerikanischen Produktion, wie aus Fig. 340, S. 899 zu ersehen ist. In Kilotonnen betrug die Roheisenerzeugung Deutschlands (mit Luxemburg) von 1871 bis 1899: 1871 1564 1872 1988 1873 2241 1874 1906 1875 2029 1876 1846 1877 1933 1878 2148 1879 2227 1880 2729 1881 2914 1882 3381 1883 3470 1884 3601 1885 3687 1886 3529 1887 4024 1888 4337 1889 4425 1890 4658 1891 4641 1892 4937 1893 4986 1894 5380 1895 5465 1896 6372 1897 6881 1898 7313 1899 8029 Nach Rentzsch 8142. 1900 8520 Noch nimmt Deutschland die dritte Stelle unter den Gross- mächten der Eisenindustrie ein, aber das rasche Wachstum in den letzten Jahrzehnten lässt es nicht unmöglich erscheinen, dass es in Deutschland (mit Luxemburg). nicht zu langer Zeit wieder seine frühere Stelle als erstes unter den Eisen erzeugenden Ländern Europas erringen wird. Diese grossen Erfolge verdankt Deutschland in erster Linie seiner politischen Entwickelung. Der glorreiche Krieg von 1870/71 gegen Frankreich brachte ihm zwei alte Eisenindustriegebiete, Elsass und Lothringen, einen Überfluss an Zahlungsmitteln durch die rasche Be- gleichung der Kriegsentschädigung von 5 Milliarden Francs durch Frankreich und die Einigung und Wiederaufrichtung des deutschen Fig. 343. Kaiserreiches, wodurch die feste Grundlage für eine segensreiche Entwickelung geschaffen wurde. Diese wunderbaren Errungenschaften verdankt Deutschland ausser seinem grossen Kaiser Wilhelm I. und dessen Feldherren vor allem dem genialen Reichskanzler Fürsten Otto von Bismarck , dem unsterblichen Staatsmann und grossen Patrioten, dessen Weisheit auch in der Folge in schwerer Zeit es verstand, die deutsche Industrie zu gedeihlicher Fortentwickelung auf die richtige Bahn zu lenken. Ihm ist die deutsche Eisenindustrie den grössten Dank schuldig, den sie ihm als ihrem Befreier, Beschützer und Wohlthäter auch sets dargebracht hat und darbringen wird. Eine unmittelbare Wirkung der Siege in Frankreich war ein rasches Aufblühen der deutschen Eisenindustrie. Die Störungen, Deutschland (mit Luxemburg). welche der Krieg besonders in dem Bahnverkehr zur Folge hatte, wurden ausgeglichen durch den steigenden Bedarf an Eisen, und obgleich eine Million deutscher Männer, darunter eine grosse Zahl von Arbeitern, unter den Waffen standen, so war doch im Jahre 1870 kaum ein Rückgang der Eisenerzeugung zu bemerken und 1871 trat bereits eine grosse Steigerung derselben ein. Die Folgen der Errungenschaften des Krieges, die einheitliche Regierung des Reiches und der wirtschaftliche Aufschwung übten den segensreichsten Einfluss aus. Die Neubewaffnung der Armee, der Bau neuer Eisenbahnlinien waren von grossem Nutzen für die Eisenindustrie. Hierzu kam der sogenannte „Milliardensegen“, der der Industrie billiges Geld in reichstem Masse zur Verfügung stellte. Unter solchen Umständen war es nicht zu verwundern, dass die alten Eisenwerke sich vergrösserten und neue entstanden. Da hierzu Geldmittel erforderlich waren, welche die Kräfte des einzelnen überstiegen, so wurden Aktiengesellschaften gegründet, um die alten Werke zu übernehmen und auszubauen und neue zu errichten. Es begann die „Gründerzeit“, eine Zeit mühelosen Gewinnes und kühner Unternehmungen, die 1872 und in der ersten Hälfte 1873 andauerte. Da folgte in der zweiten Hälfte dieses Jahres der Rückschlag, der am stärksten in Österreich, wo die guten Zeiten und die Wiener Weltausstellung ebenfalls zu grossen, aber vielfach unsoliden Gründungen und Anlagen Veranlassung gegeben hatte, zur Wirkung kam und deshalb als „Wiener Krach“ zur historischen Bezeichnung wurde. Dieser Anstoss wirkte auch erschütternd in Deutschland und führte einen Rückschlag herbei. Ihren Ausgang hatte diese Kata- strophe aber in den Vereinigten Staaten von Amerika, als die natürliche Folge ungesunder Überspekulation bereits im Jahre 1872 genommen. Da alle eisenerzeugenden Länder an dem Rausch des Gewinnes und der Spekulation teilgenommen, so folgte auch in allen der gleiche Rückschlag, ein sichtbares Zeichen, wie sehr die Industrie international geworden war, wie an der Arbeit und den Sorgen auf diesem Gebiete alle Kulturstaaten beteiligt waren. Es folgten Jahre des Niederganges für die deutsche Eisenindustrie, der im Jahre 1876 seinen tiefsten Stand erreichte. Die ungünstige Lage der deutschen Eisenindustrie wurde aber noch sehr verschärft durch eine verkehrte Wirtschaftspolitik. Eine Frucht des deutschen Idealismus war die Schwärmerei für Freihandel. Der Milliardensegen und die scheinbare Blüte der Industrie führte deshalb den Reichstag zu dem unseligen Beschlusse, alle noch bestehenden Eisen- Deutschland (mit Luxemburg). zölle aufzuheben. Hierfür war aber die deutsche Eisenindustrie, die erst begonnen hatte sich zeitgemäss umzugestalten, die durch die politische Umwälzung sich ganz neuen Aufgaben gegenüber sah, kurz, die erst in dem Anfang der Entwickelung begriffen war, viel zu schwach. Der 1870 auf die Hälfte (auf 0,50 Mark pro 100 kg) herabgesetzte Roh- eisenzoll wurde am 1. Oktober 1873 ganz aufgehoben. Diese Mass- regel, in Verbindung mit dem wirtschaftlichen Niedergange, war für die deutsche Hochofenindustrie eine schwere Schädigung. Indem sie dem billigen englischen Eisen ungehinderten Eingang verschaffte, zwang sie die deutschen Hüttenbesitzer, ihr Roheisen zu Preisen zu verkaufen, die verlustbringend waren. Noch verderblicher war die vom deutschen Reichstag am 7. Juli 1873 beschlossene Aufhebung der Zölle auf Schmiedeeisen am 1. Januar 1877. Sie führte einen traurigen Notstand der deutschen Eisenindustrie herbei, aus dem nur fremde Länder, Belgien und besonders Grossbritannien, einen Vorteil zogen. Der deutsche Reichstag verhielt sich ablehnend gegen die Klagen und Bitten der Eisenindustriellen. Die Hülfe kam durch Fürst Bismarck , der, obgleich auch in dem falschen Idealismus des Frei- handels aufgewachsen und befangen, ein viel zu klarer Realpolitiker war, um nicht die schädigende Wirkung der Aufhebung der Eisenzölle und die Notlage der Eisenindustrie zu erkennen. Er ordnete deshalb im Jahre 1878 eine Enquete zur Untersuchung der Lage der deutschen Eisenindustrie an. Auf Grund dieser Enquete wurden die Eisenzölle am 24. Juli 1879 wieder eingeführt und zwar betrug der „Schutzzoll“, wie er von den Freihändlern genannt wurde, auf Roheisen 1 Mark, auf Schweiss- und Flusseisen 2,50 Mark pro 100 kg. Mit dieser Wieder- einführung der Eisenzölle begann ein wichtiger Umschwung in der Wirtschaftspolitik des Deutschen Reiches, zum Segen der gesamten Industrie, ganz besonders der Eisenindustrie. Der Staat erkannte es mehr und mehr als seine Pflicht, das deutsche Eisengewerbe auch dadurch zu unterstützen, dass er seinen Bedarf im Inlande deckte und nicht mehr wie früher aus Vorurteil das Ausland bevorzugte. Hierzu waren Reich und Einzelstaaten in steigendem Masse befähigt, ersteres durch seinen grossen Eisenverbrauch für Armee und Flotte, letztere durch ihre Eisenbahnen, die, nachdem das Reichseisenbahnprojekt Bismarcks leider gescheitert war, von den Einzelstaaten nach dem Vorbilde Preussens im Jahre 1879 verstaatlicht worden waren. Die deutsche Eisenindustrie entfaltete sich hierdurch zu hoher Blüte und stattete der weisen und wohlwollenden Reichsregierung ihren Dank dadurch Deutschland (mit Luxemburg). ab, dass sie durch Vervollkommnung aller ihrer Betriebe Eisen und Stahlwaren von immer grösserer Güte und Vollkommenheit lieferte und darin die Leistungen des Auslandes nicht nur erreichte, sondern vielfach übertraf. Im Jahre 1876 hatte Professor Reuleaux , der deutsche Reichs- kommissar bei der ersten amerikanischen Welt-Industrieausstellung zu Philadelphia, den deutschen Erzeugnissen das Zeugnis „billig und schlecht“ ausgestellt. Wenn dieses Urteil in seiner Allgemein- heit auch übertrieben und ungerecht und der Reichskommissar wohl allzu sehr durch die Stimmen neidischer Konkurrenten in den amerikanischen Zeitungen beeinflusst war, so konnte doch damals dieses harte Urteil auch in Deutschland noch ein Echo finden. Zehn Jahre später wäre dies nicht mehr möglich gewesen. Durch die wohlthätige Wirtschaftspolitik des Reiches wurde die deutsche Industrie immer mehr exportfähig und dehnte ihren Welthandel derart aus, dass dies die britische Industrie zu beunruhigen begann. England glaubte der deutschen Konkurrenz einen gewaltigen Schlag versetzen zu können, dass es das Parlament und die Regierung zum Erlass eines Markengesetzes, wonach jede Ausfuhrware mit dem Lande ihrer Herkunft bezeichnet werden musste, veranlasste. Die Signatur „made in Germany“ sollte nach englischer Ansicht das Brandmal werden, das die deutsche Konkurrenz in England und den englischen Kolonieen vernichten sollte. Der Erfolg war aber ein entgegengesetzter. Der Stempel zeigte erst dem Auslande, wieviel gute, unentbehrliche Artikel von Deutschland kamen und bald wurde die Bezeichnung „made in Germany“ ein Ehrenzeichen für die deutsche Industrie, das nur dazu beitrug, ihren Absatz immer mehr zu steigern. Aber nicht nur die Ausfuhr stieg, sondern auch der Verbrauch an Eisen im Inlande und zwar in überraschender Weise. Die Statistik giebt hierfür den Zahlenbeweis. Deutschland besitzt für seine Eisen- industrie eine gute und vielseitige Statistik, einmal von dem Kaiser- lichen statistischen Amt, sodann von den Landesregierungen und endlich von dem Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, welche von Dr. H. Rentzsch in gediegener, gründlicher Weise be- arbeitet ist. Nach den Angaben des letzteren ist der Verbrauch auf den Kopf von 1871 bis 1899 von 47,5 auf 128,4 kg gestiegen, während die Eisenerzeugung von 31,7 kg auf 150,8 kg sich erhöht hat. In dem Vorhergehenden ist in knappen Strichen der äussere Rahmen gezeichnet, in dem sich die deutsche Eisenindustrie der Deutschland (mit Luxemburg). letzten 30 Jahre entwickelt hat. Wenn auch die politischen Ereignisse in hohem Grade zu ihrer Förderung beigetragen haben, so liegt doch der Schwerpunkt ihrer Entwickelung in den technischen Fortschritten, die so grossartig und mannigfaltig waren wie in keiner früheren Periode. Gefördert wurden diese durch die Schaffung eines Reichs- Patentgesetzes im Jahre 1877. Von ganz besonderer Wichtigkeit für die deutsche Eisenindustrie war die Einführung des Thomasprozesses im Jahre 1879 und die energische, zielbewusste Ausbeutung der Flusseisendarstellung in der darauffolgenden Zeit. Dieses Ereignis bildet für die Geschichte des Eisens in Deutschland einen wichtigen Abschnitt. Betrachten wir zunächst die Zeit vor Einführung des Thomas- prozesses, also die siebziger Jahre. Die Hochofenindustrie machte in dieser Zeit bedeutende Fortschritte, wie schon aus der Zunahme der Produktion von 1871 bis 1880 von 1564 auf 2729 Kilotonnen zu er- kennen ist. Der wachsende Bedarf führte zur Gründung neuer Hütten- werke und zur Vergrösserung der Öfen der alten Werke zwecks Erhöhung ihrer Leistung. Von neuerbauten Hochofenwerken nennen wir die Sophienhütte bei Wetzlar von Gebrüder Buderus 1870, die Anlagen zu St. Johann-Saarbrücken 1871, zu Neustadt am Rübenberg, die Bismarckhütte bei Schwintochlowitz, Schalker Gruben- und Hütten- verein in Westfalen, Johanneshütte bei Siegen 1873. Von neuen grösseren Hochöfen erwähnen wir den von Bütgenbach bei Neuss, 15,70 m hoch, Mathildenhütte bei Harzburg, 17,262 m hoch, beide 1871 erbaut, den neuen Hochofen der Königshütte in Ober- schlesien, 18,831 m hoch (1873), Mülheim am Rhein, 20 m hoch (1874), und Gute Hoffnungshütte bei Oberhausen, 21 m hoch (1876). Im Jahre 1871 wurden in 306 Hochöfen 1563682 Tonnen Roheisen, 1880 in 246 Öfen 2729038 Tonnen geschmolzen. Während die Zahl der Hoch- öfen also abgenommen hatte, war ihre durchschnittliche Jahresleistung in der Zeit von 1871 bis 1880 von 5110 Tonnen auf 11094 Tonnen gestiegen. Diese bedeutende Mehrleistung war aber keineswegs nur durch die Vergrösserung der Öfen, sondern fast noch mehr durch die Verbesserung der Apparate und Maschinen, wodurch erhöhte Wind- temperatur und stärkeres Blasen erzielt wurde, bedingt. Ein sehr wichtiger Faktor war die veränderte Zustellung mit geschlossener Brust infolge Einführung der Lürmanns chen Schlackenform, die immer allgemeiner wurde. Hierdurch wurde eine Erweiterung des Gestells, bessere Windverteilung und grössere Windpressung ermöglicht. Steinerne Winderhitzer waren in den siebziger Jahren noch selten in Deutschland (mit Luxemburg). Deutschland. Dagegen verbesserte man die eisernen Winderhitzer, indem man Apparate mit hängenden Röhren, besonders aber die Gjerss chen oder Clevelandwinderhitzer einführte. Dadurch steigerte man die Windtemperatur auf 400 bis 450 Grad. Ein glänzendes Beispiel für die Fortschritte der deutschen Hoch- ofenindustrie bietet die Ilseder Hütte Über die Gründung der Ilseder Hütte ist leider auf Seite 257 eine un- richtige Angabe mitgeteilt worden. Den Plan zur Anlage der Ilseder Hütte hatte Bankier C. Hostmann in Celle, der 1856 die Berg- und Hüttengesellschaft zu Peine gegründet hatte, zuerst gefasst. Das grossartig gedachte Unternehmen kam aber nicht zur Ausführung, vielmehr geriet C. Hostmann 1858 in Konkurs. Sein Schwiegersohn, Rechtsanwalt C. Haarmann , gründete auf beschränkterer aber soliderer Grundlage 1858 die Aktiengesellschaft Ilseder Hütte, die sich seitdem so glänzend entwickelt hat. Im September 1860 blies dieselbe den ersten der zwei von ihr erbauten Hochöfen an. Die Hüttenbahn nach Peine wurde am 2. Mai 1865 eröffnet. Am 10. April 1867 wurde der dritte Hochofen angeblasen. 1868 übernahm H. Spamer die technische Leitung und damit begann die Zeit des Auf- schwunges der Ilseder Hütte. bei Peine unter der umsichtigen Leitung von Hermann Spamer , wie nachfolgende Tafel beweist Nach F. W. Lürmann , Stahl und Eisen 1888, S. 367. . Durch die Erwerbung von Elsass-Lothringen waren vier Gruppen von Eisenhütten Deutschland zugefallen: 1. bei Forbach die de Wen- dels che Hütte zu Stiering, 2. bei Metz die Werke von Karcher , von Westermann und von Dupont \& Dreyfuss , 3. im Gebiet von Diedenhofen besonders die grossen Eisenwerke bei Hayingen (Hayange) von de Wendel und 4. bei Hagenau im Elsass die Werke von de Dietrich bei Niederbronn. Von noch grösserer Wichtigkeit war die Erwerbung des ausgedehnten, reichen, aber noch wenig er- schlossenen Minette-Erzgebietes von Lothringen, und einheimische wie westdeutsche Eisenindustrielle beeilten sich, nachdem alsbald nach der Vereinigung das preussische Berggesetz in den Reichslanden ein- geführt worden war, Mutungen einzulegen und Grubenfelder zu er- werben. Da die Erze sehr phosphorhaltig waren, kamen sie noch nicht zur vollen Geltung, immerhin stieg die Erzförderung Lothringens von 1870 bis 1880 von 387463 Tonnen auf 995958 Tonnen. Deutschland (mit Luxemburg). Der Umstand, dass fast alle deutschen Eisenerze phosphorhaltig waren, erschwerte die Ausdehnung des Bessemerprozesses. Nur wenige deutsche Hüttenwerke konnten Bessemerroheisen aus ein- heimischen Erzen erblasen. Es waren dies die Georg-Marienhütte bei Osnabrück, die Königin-Marienhütte bei Zwickau und die bayerische Maxhütte. Die meisten übrigen Werke, die Bessemerroheisen schmolzen, wie z. B. Hörde, Gutehoffnungshütte, Dortmunder Union, Phönix, mussten die Erze hierfür aus dem Auslande, aus Cumberland oder Spanien, beziehen. Friedrich Krupp in Essen hatte zu diesem Zweck 1871/72 bedeutende Konzessionen in Nord-Spanien erworben, die ihm einen Bezug bis zu 300000 Tonnen Bilbaoerz sicherstellten. Zu diesem Zweck hatte er mit der Dowlais Iron Company in Wales, der Consett Iron Company in Consett bei Newcastle und mit Ybarra Hermanos , dem Besitzer der Orconera-Gruben bei Bilbao, die Orconera Iron Ore Company gebildet, um diese Bergwerke gemein- schaftlich auszubeuten. Hierfür baute die Gesellschaft 1872 eine Eisenbahn von den Gruben nach Luchana am Nerrion, wo die Ver- ladung auf die Transportschiffe stattfand. Zu den bemerkenswerten Fortschritten im Hochofenbetriebe gehörte ausser der Freilegung und Wasserkühlung von Gestell und Rast, die Freilegung des Ofenschachtes, in der Weise, dass der innere Ofenschacht aus feuerfesten Chamottesteinen nur durch Bänder oder einen Blechmantel zusammengehalten und von einem auf Säulen stehenden gusseisernen Kranze getragen wurde. Die Plattform der Ofengicht und der Gichtgasfang waren dabei durch eiserne Tragsäulen in der Weise unterstützt, dass sie nicht auf dem Schachtmauer- werke ruhten. Einen solchen Ofen hatte Bütgenbach in Neuss bei Köln erbaut und im Modell in der Weltausstellung zu Wien 1873 aus- gestellt. Ein ganz ähnlicher Ofen war aber schon 1869 auf der Ilseder Hütte erbaut worden, derselbe war mit sechs gleichmässig verteilten Windformen von 12 Zoll (31 cm) Durchmesser, in welche passende Düsen eingeschoben wurden, versehen. Die Formen ragten mit ihrer Mündung in den Ofen hinein. Bütgenbachs Hochofen erregte durch seine Vorführung auf der Weltausstellung in Wien Aufsehen und wurde namentlich auf mehreren französischen Hütten eingeführt. Beim Rösten der Eisenerze fand der Gasbetrieb Eingang; A. Thoma wollte denselben auch auf das Hochofenschmelzen ausdehnen. Die Notlage, in welche die deutsche Hochofenindustrie nach dem Jahre 1873 kam, zwang die Hüttenbesitzer, auf Mittel und Wege zu Deutschland (mit Luxemburg). sinnen, um der schwierigen Konkurrenz mit dem Auslande, insbesondere der Überflutung mit englischem Roheisen, entgegenzutreten. Für das Bessemerroheisen lagen die Verhältnisse hierfür wenig günstig, anders verhielt es sich mit dem Giessereiroheisen, das seit Jahrzehnten aus Schottland und England bezogen wurde, und an das nicht nur die Giessereien Norddeutschlands, sondern auch die von West- und Süd- deutschland so gewöhnt waren, dass man an einen Ersatz durch ein- heimisches Produkt kaum dachte. Da aber die Hochofenhütten in Westdeutschland bei den verbesserten Betriebseinrichtungen sehr wohl imstande waren, teils aus einheimischen (nassauischen und lothrin- gischen), teils aus ausländischen (spanischen) Erzen ein vorzügliches Giessereiroheisen zu erblasen, so trat 1877 auf Anregung des Direktors Jos. Zervas an der Friedrich-Wilhelmshütte in Mühlheim a. d. Ruhr und mit Unterstützung des preussischen Handelsministers Achenbach eine Kommission, bestehend aus Professor H. Wedding und mehreren Eisenindustriellen, zusammen, die den Hütteninspektor Wachler in Gleiwitz beauftragte, vergleichende chemische und physikalische Unter- suchungen über rheinisch-westfälische und ausländische Giesserei- roheisensorten anzustellen. Das Ergebnis derselben fiel zu Gunsten des deutschen Giessereiroheisens aus und hat wesentlich dazu bei- getragen, dem deutschen Giessereiroheisen eine allgemeinere Ver- wendung zu verschaffen und die englische Einfuhr zu beschränken. Infolgedessen stieg der Verbrauch von deutschem Giessereiroheisen in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre und zwar 1875 bis 1880 von 236567 Tonnen auf 335363 Tonnen, während der Verbrauch von ausländischem Giessereiroheisen in demselben Zeitraume von 311013 Tonnen auf 247988 Tonnen zurückging. Die oben erwähnte Kommission hat auch das Verdienst, die Ein- richtung öffentlicher und allgemeiner Untersuchungs- und Prüfungs- anstalten für Eisen- und Eisenfabrikate angeregt zu haben, nachdem Professor H. Wedding schon seit Ende der sechziger Jahre dafür eingetreten war. 1878 wurde eine solche Anstalt für Preussen be- schlossen, die 1880 in Berlin eröffnet wurde. Professor Bauschinger in München hatte schon 1871 eine kleine Versuchsanstalt in München gegründet, die dann 1880 zu einer staatlichen Materialprüfungsanstalt erweitert wurde. Die Materialprüfung und die staatlichen Anstalten dafür haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Qualität der deutschen Eisensorten, auch des Roheisens, ausgeübt. Überhaupt hat der deutschen Eisenindustrie die wissenschaftliche Behandlung der technischen Aufgaben in ganz besonderer Weise genützt und viel Deutschland (mit Luxemburg). zu der Vortrefflichkeit ihrer Leistungen und zu ihren Errungen- schaften im Wettbewerb mit den übrigen Eisenindustrieländern bei- getragen. Dies war ermöglicht durch die wissenschaftliche Ausbildung der technischen Beamten und durch die Würdigung der Wichtigkeit theoretischer Klarstellung der technischen Vorgänge und Prozesse, besonders mit Hülfe der chemischen Analyse. Infolgedessen wurden auf allen deutschen Eisenhütten- und Stahlwerken Laboratorien ein- gerichtet, die eine segensreiche Thätigkeit entfalteten, nicht nur für die einzelnen Werke, sondern für Deutschland und die Wissenschaft. Auch die Vereinsthätigkeit ist ein wichtiges Förderungsmittel der deutschen Industrie gewesen. 1870 wurde der Verein deutscher Eisengiessereien gegründet, dessen erster Schriftführer Paul Stumpf zu Gravenhorst war, ihm folgte E. Scheerenberg in Elberfeld. 1880 trennte sich der Verein deutscher Eisenhüttenleute als selb- ständiger Verein von dem Verein deutscher Ingenieure und gründete als Vereinsorgan die wichtige Zeitschrift „Stahl und Eisen“. Der erste Schriftführer war Bueck , ihm folgten Dr. W. Bäumer und Schrödter . Dieser Verein verfolgte mehr allgemeine und wissen- schaftliche Zwecke, während sich der Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller als Interessenverein aus demselben entwickelte. Im Kriegsjahre 1870 wurde die technische Hochschule in Aachen er- öffnet, die auf die Forderung der Eisenindustriellen von Rheinland und Westfalen hin einen besonderen Lehrstuhl für Eisenhüttenkunde erhielt, der durch Dr. Friedr. Wilh. Dürre besetzt wurde. Wir wollen nun kurz die wichtigsten Ereignisse und Fortschritte der deutschen Hochofenindustrie in der Zeit von 1870 bis 1880 vorführen. Die preussische Regierung hatte sich schon Ende der sechziger Jahre des grössten Teiles ihrer staatlichen Eisenhütten entledigt, 1871 verkaufte sie die Königshütte in Oberschlesien an ein Kon- sortium, das auch die Laurahütte mit ihren wichtigen Kohlen- bergwerken erwarb und vom 1. Juli 1871 die Aktiengesellschaft „Vereinigte Königs- und Laurahütte“ in Berlin gründete. Der preussische Staat behielt in Schlesien nur die Eisenhütten zu Gleiwitz und Malapane, am Harz Rothehütte, Lerbacher- und Sollingerhütte. Die Rothehütte ging 1871 vom Holzkohlen- zum Koksbetriebe über. In Luxemburg wurde 1870 nur der kleinere Teil der geförderten Erze (36,3 Prozent) im Lande verhüttet, der grössere Teil wurde aus- geführt und zwar 38,4 Prozent nach Belgien und 25,3 Prozent nach Preussen. Die Roheisenproduktion von Luxemburg betrug damals nur Deutschland (mit Luxemburg). 158000 Tonnen, doch fing man an, grössere Hochöfen zu bauen. Oberschlesien war gegen Rheinland und Westfalen zurückgeblieben, woran seine armen Erze und sein schlechter Koks schuld waren. Die Erze waren mulmig, strengflüssig und nur für graues Roheisen ge- eignet; dieses enthielt 3 bis 4 Prozent Silicium und 0,2 bis 0,5 Pro- zent Phosphor und war zur Flusseisenerzeugung nicht verwendbar. Es wurde in Puddelöfen auf Schweisseisen verarbeitet und hierfür zum Teil noch vorher gefeint. Auf 100 Roheisen wurden 150 bis 160 Backkoks oder 200 Sinterkoks verbraucht. Man konnte meist nur Stückkohlen verkoken. Der grösste Hochofen in Gleiwitz war damals 13,7 m hoch, 5,24 m im Kohlensack und 4 m in der Gicht weit, hatte geschlossene Brust und acht Formen und schmolz 250 Tonnen in der Woche. Im Herbst 1871 begann man mit dem Bau eines grossen Hochofens auf der Königshütte. Friedrich Krupp in Essen erwarb 1871 die Hermannshütte bei Neuwied zur Erzeugung von manganreichem Roheisen und 1872 die Johanneshütte bei Duisburg zum Verschmelzen spanischer Erze zu Bessemerroheisen. Auf der Mühlhofenerhütte wurde 1871 ein pneumatischer Aufzug erbaut. Die Georg-Marienhütte bei Osnabrück blies ebenfalls Bessemerroheisen, und man hatte dort 1872 eiserne Winderhitzer mit Hängeröhren von Burg . Hängeröhren-Wind- erhitzer führte Hupfeld 1872 auch im Siegerland ein. In Hörde baute man dagegen steinerne Whitwellapparate. Die Hochofen- schlacken wurden auf der Georg-Marienhütte zu Schlackensteinen und zu Schlackenwolle verarbeitet. 1872 entstand die Dortmunder Union durch Vereinigung einer grösseren Anzahl Berg- und Hütten- werke, darunter die Hochofenanlagen zu Dortmund, Henrichshütte bei Hattingen, Neu-Schottland bei Duisburg. In diesem Jahre wurden auch die gräflich Einsiedelschen Werke Lauchhammer, Gröditz und Burg- hammer in ein Aktienunternehmen umgewandelt. 1873 erregte, wie bereits erwähnt, Bütgenbachs Hochofen mit dünner Schachtwand auf der Wiener Weltausstellung Aufsehen. Ähnliche Öfen waren aber bereits auf der Ilseder, Georg-Marien- und Königshütte erbaut worden. Die Eisen- industrie in Lothringen und Luxemburg entwickelte sich immer rascher. Zu Esch in Luxemburg erzielte man mit Whitwell-Winderhitzern gute Erfolge und eine hohe Tagesproduktion. Zu Ilseder Hütte hatten die Hochöfen 216 cbm Inhalt, und man erblies durchschnittlich bei 300° C. Windtemperatur und 0,265 kg pro Quadratcentimeter Pressung aus 234,5 Tonnen Erz und 94,25 Tonnen Koks 85,3 Tonnen Roheisen; doch war schon 1872 eine Höchstproduktion von 101,9 Tonnen erzielt Deutschland (mit Luxemburg). worden. Die Hochöfen von Rheinland und Westfalen ergaben eine Tagesproduktion von 35 bis 45 Tonnen, die von Oberschlesien von 20 bis 30 Tonnen. Vergleichungsweise hatte sich die oberschlesische Hüttenindustrie ganz besonders entwickelt und zwar durch eine bessere Ausnutzung der Gichtgase und Vergrösserung der Hochöfen und der Windmengen. Hierdurch war die Roheisenerzeugung von Oberschlesien im Jahre 1873 auf rund 300000 Tonnen gestiegen. Im Siegerland hatte die Erzeugung von Spiegeleisen für die Bessemerstahl- fabrikation sehr zugenommen. 1872 bis 1874 wurde das Eisenwerk Schalke bei Gelsenkirchen nach den Plänen von Gödecke und mit von demselben verbesserten Whitwell-Apparaten erbaut. 1874 wurde am 29. Mai zu Hörde der Hochofen Nr. IV nach einer 19 jährigen Kampagne ausgeblasen. In diesem Jahre wurde auch auf der Vorwärtshütte bei Waldenburg Bessemerroheisen erzeugt. Eine verfehlte Gründung war die Gesellschaft Hof-Pilsen-Schwarzenberg, die alte Holzkohlenöfen zu Kokshochöfen umbaute. 1875 fallierte Strousberg , der tollkühne Eisenbahnspekulant, der zahlreiche Eisenwerke in Deutschland und Österreich aufgekauft und teilweise umgebaut hatte. Am 19. Juli 1875 starb der um die Eisenindustrie verdiente Professor Theodor Scheerer (geboren 28. August 1813). Buderus führte auf der Main-Weserhütte bei Lollar einen neuen Gichtgasfang, der ein besseres Aufgeben und Verteilen der Erze er- möglichte, ein. Die Hochöfen in Luxemburg waren damals meistens nur 15 m hoch und 5 m in der Rast weit, mit einem Fassungsraume von 152 Ctr. Ihre Tagesproduktion betrug an 47 Tonnen, der Koks- verbrauch 1191/1000 bei 180° C. Durch steinerne Winderhitzer (Whitwell) erzielte man Windtemperaturen von 700 bis 800° C. und dadurch Kohlenersparnis zu Esch in Luxemburg und zu Hayingen in Loth- ringen. 1876 fabrizierte man auf der Laurahütte in Oberschlesien Schlackenwolle. 1877 bemühten sich Gödecke, Lürmann und Macco um die Verbesserung der steinernen Winderhitzer und um deren Einführung. In Ilsede erreichte Strohmeyer eine teilweise Entphosphorung der Eisenerze durch Behandlung mit verdünnter Salzsäure. Er brachte dadurch den Phosphorsäuregehalt der Erze von 4 auf ½ Prozent. Friedr. Krupp entphosphorte das Roheisen durch Behandlung auf einem Herde aus Eisenoxyd unter Zusatz von Manganoxyd (D. R. P. Nr. 4391). In demselben Jahre stellten die Deutschland (mit Luxemburg). Eisenwerke Phönix und Oberhausen zuerst Ferromangan im Hochofen dar. Ein nachgesuchtes Patent hierfür war verweigert worden, weil E. Andre kurz zuvor für dasselbe Verfahren ein Patent nachgesucht hatte. 1879 wurden die günstigen Ergebnisse mit dem von Gilchrist Thomas erfundenen Entphosphorungsprozess auf der Estonhütte bei Middlesborough bekannt. Die Eisenindustriellen von Rheinland und Westfalen begriffen sofort den hohen Wert dieser Erfindung für Deutschland, dessen Eisenerze grösstenteils phosphorhaltig waren. Der Hörder Verein und die Niederrheinischen Stahlwerke traten mit Thomas in Verbindung und sicherten sich dessen Patentrechte für Deutschland. Im September 1879 wurde bereits die erste Thomas- charge in Hörde erblasen. Das neue Verfahren kam bald auf an- deren Werken zur Einführung. Dieses Ereignis hatte einen grossen Einfluss auf den Hochofenbetrieb in Deutschland und die Roheisen- produktion erfuhr von 1879 an eine rasche Steigerung. Hilgenstock in Hörde wies auf die Vorteile bei der Erzeugung von Thomas-Roh- eisen für Deutschland hin und bezeichnete sie als den einfachsten und billigsten Hochofenbetrieb, und Baare in Bochum hob die Not- wendigkeit der Einführung des Thomasprozesses hervor, um der Gefahr, die durch die Massenfabrikation Clevelands drohte, zu be- gegnen. Durch diese Erfindung erhielten die phosphorreichen Erze und das Roheisen, besonders von Luxemburg, Lothringen und der Ilseder Hütte, einen viel höheren Wert und grösseren Absatz. Ein Vorteil bestand auch darin, dass man weisses Roheisen, das schon an und für sich billiger darzustellen war, bei dem Thomasverfahren ver- wenden konnte. Von Wichtigkeit war es, dass im Jahre 1879 die neue Wirtschafts- politik Deutschlands mit der Wiedereinführung der Eisenzölle, be- sonders eines Zolles auf ausländisches Roheisen begann. Mit diesem Ereignis und der Einführung des Thomasprozesses steht die Grün- dung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute in unmittelbarem Zu- sammenhange. Die Fortschritte bei der Verarbeitung des Roheisens in den sieb- ziger Jahren waren sehr bedeutend. Bei der Eisengiesserei fanden Formmaschinen zunehmende Verwendung, besonders die von Sebold und Neff in Durlach, doch waren dies meistens Handmaschinen. Ebenso fanden die Kapselgebläse der Amerikaner Roots (Roots- gebläse) grössere Verbreitung. Sie wurden z. B. von Schenk, Mohr \& Elsässer in Mannheim gebaut. 1879 erfand Heinrich Krigar Deutschland (mit Luxemburg). in Hannover ein verbessertes Kapselgebläse unter dem Namen Patent- schraubengebläse (D. R. P. Nr. 4121). 1871 war ein ebenfalls von Heinrich Krigar erfundener Kupolofen mit Vorherd in der Giesserei der Egestorffs chen Maschinenfabrik eingeführt worden, der sich sehr bewährte und grosse Verbreitung fand. So arbeitete z. B. schon 1873 die Röhrengiesserei der Friedrich-Wilhelmshütte zu Mülheim a. d. Ruhr mit Krigaröfen. 1874 wurde auf der früher gräflich Einsiedels chen Giesserei zu Gröditz ein Kupolofen mit Wasser- kühlung eingeführt. A. Ledebur , später Professor der Eisenhütten- kunde an der Bergakademie zu Freiberg, war damals dort Hütten- meister. Die 1877 begonnene vergleichende Untersuchung der Giesserei- roheisen von Wachler , welche 1879 im Druck erschienen, war, wie bereits erwähnt, von grossem Einfluss auf den deutschen Giessereibetrieb. Viele der grossen Eisengiessereien und Maschinenfabriken wurden im Anfang der siebziger Jahre in Aktiengesellschaften umgewandelt, so 1870: J. C. Freund \& Co . zu Charlottenburg, L. Schwarzkopff in Berlin, T. A. Egells in Berlin, die in der Maschinenbau-Aktien- gesellschaft Germania, welche später die Germaniawerft bei Kiel erbaute, aufging; Richard Hartmann in Chemnitz wurde in die „Sächsische Maschinenfabrik, A.-G.“; 1871 Georg Egestorff in Linden in die „Hannoversche Maschinenbau-A.-G.“; 1872 Lauchhammer in „Verein vorm. Gräfl. Einsiedelsche Werke“ und 1873 Cramer-Klett zu Nürnberg in „Maschinenbau-Aktiengesellschaft Nürnberg“ umgewandelt. Von neugegründeten Giessereien sind hervorzuheben: Gebr. Körting zu Körtingsdorf bei Hannover 1871 und Haniel \& Lueg zu Grafen- berg bei Düsseldorf 1873. Bei der Verwandlung des Roheisens in schmiedbares Eisen und in Stahl behauptete sich der Puddelofenprozess noch siegreich gegen die Flusseisenfabrikation. Es betrug die Erzeugung der Schweiss- eisen- und der Flusseisenfabrikation: Schweisseisen Flusseisen 1871 1179794 Tonnen 250947 Tonnen 1879 1150023 „ 478344 „ Die Fabrikation von Schweisseisen hielt sich noch auf demselben Stande, während die Flusseisenerzeugung rasch zunahm. Eine be- deutende Abnahme erfuhr die Verwendung des Schweisseisens für Eisenbahnschienen, während sie für Handelseisen zunahm. Eisenbahn- schienen und Befestigungsmaterial wurden hergestellt aus: Beck Geschichte des Eisens. 63 Deutschland (mit Luxemburg). Schweisseisen Flusseisen 1871 320619 Tonnen 128406 Tonnen 1880 56565 „ 424462 „ Der Puddelprozess war in den siebziger Jahren immer noch das beste Mittel zur Verarbeitung phosphorhaltiger Roheisensorten, doch durfte der Phosphorgehalt nicht zu hoch sein. Man wendete deshalb mancherlei besondere Mittel an, um denselben zu entfernen. In Oberschlesien wurde das graue Roheisen noch vielfach gefeint. 1871 führte Bicheroux seine Halbgasfeuerung auf seinem Walz- werke bei Duisburg ein, die sich sehr bewährte und in Rheinland und Westfalen rasche Verbreitung fand, z. B. auf den Werken des Phönix, zu Oberhausen, bei Harkort, Dortmunder Union, Bur- bach u. s. w. 1872 erfand Theodor Scheerer ein Entphosphorungsverfahren durch Puddeln unter Zusatz von Chlorkalium und Chlornatrium. Das phosphorhaltige Roheisen der Ilseder Hütte wurde durch Puddeln mit Flussspat entphosphort. 1873 wurden Versuche mit rotierenden Puddel- öfen gemacht. Rasmussen und Daelen brachten solche Öfen mit z. B. Eisenoxydfutter in Vorschlag. Gaspuddelöfen kamen in Anwendung zu Halle a. d. Saale mit Braunkohlengas. 1875 wurden rotierende Pernotöfen zu Kalk bei Deutz mit Erfolg versucht. Pernotöfen wendete auch Alfred Krigar 1878 bei seinem Entphosphorungsverfahren (Waschprozess, D. R. P. Nr. 4391) an. Hierbei wurde flüssiges Roh- eisen direkt aus dem Hochofen in einen Pernotofen mit Eisenoxyd- futter abgestochen und in diesem unter Zusatz von Manganoxyd ent- kieselt und teilweise entphosphort, sodann das flüssige Metall, ehe das Kochen eintrat, in einen Puddelofen oder einen Siemens-Martin-Ofen abgestochen und hier fertig gefrischt. Im übrigen hat der Betrieb rotierender Öfen in Deutschland keine Wichtigkeit erlangt. Brauns versuchte 1879 die Entphosphorung in einem Kupolofen mit basischem Futter. Auf Gutehoffnungshütte entphosphorte man 1879 das Roh- eisen so, dass man es mit basischer, phosphorfreier Hochofenschlacke im Puddelofen verschmolz und dann frischte. Bei der Flusseisenfabrikation fand der Martinprozess nur langsam Eingang, weil sich das phosphorhaltige Roheisen für das damals allein bekannte saure Verfahren wenig eignete. 1869 hatte Friedrich Krupp in Essen den ersten Flammofen mit Siemens- Regenerativfeuerung in Betrieb genommen. 1871 setzte er sein grosses Martinwerk (I), das bereits für eine Jahresproduktion von 80000 Tonnen konstruiert war, in Betrieb. Doch zählte man 1871 in Deutschland (mit Luxemburg). Deutschland nur 11 arbeitende Siemens-Martin-Öfen. In Rheinland und Westfalen hatte man 1873 auch zu Steele und Ruhrort gute Erfolge mit dem Martinverfahren erzielt. In Oberschlesien verpuddelte man auf Borsigwerk manganhaltiges Neubeuthener Roheisen und verschmolz die Rohschienen im Martinofen zu Stahlblecheisen. 1873 wurde die Bismarckhütte als Martinwerk gegründet. In Bochum machte man 1873 Stahlfaçonguss in der Weise, dass man den flüssigen überhitzten Stahl aus Tiegeln oder einer Bessemerbirne in einen heissen Siemensofen einführte, ihn hier längere Zeit ruhig stehen liess und dann in Formen goss. Der Martinprozess diente in den siebziger Jahren nur als ein geeignetes Mittel, die Eisen- und Stahlabfälle der Walzwerke zu ver- arbeiten, war also nur ein Nebenbetrieb. Für dieses Verfahren war die Verbesserung der Gasgeneratoren von Wichtigkeit; 1878 kamen die von Gröbe-Lürmann auf. Das theoretische Verständnis der Vorgänge wurde gefördert durch die analytischen Untersuchungen des Martinprozesses auf der Gutehoffnungshütte von Kollmann. Friedrich Krupp verband sein Entphosphorungsverfahren mit dem Martinprozess und erzeugte ein weiches Flusseisen mit 0,15 bis 0,20 Prozent Kohlenstoff, das als Homogeneisen in den Handel kam. Die Erzeugung von Martinstahl belief sich 1879 auf nur 35820 Tonnen. Von viel grösserer Bedeutung war der pneumatische oder Kon- verterprozess , der bis zum Herbst 1879 nur in seiner ursprüng- lichen Form als Bessemerprozess mit kieselsaurem Birnenfutter be- kannt war. In dem Zeitraume von 1871 bis 1879 stieg die Erzeugung von Bessemerstahl von 139 auf 465 Kilotonnen, obgleich die Vor- bedingungen für den Bessemerprozess in Deutschland ungünstig waren, weil es an phosphorfreien Erzen mangelte. Bis 1873 blieb man von der Einfuhr englischen Bessemerroheisens, des Cumberland-Hämatit- eisens, abhängig, seitdem gelang es mehreren Hochofenhütten, teils aus einheimischen Erzen, teils aus spanischen Erzen Bessemerroheisen in Hochöfen zu erzeugen; zu ersteren gehörten Georg-Marien-Hütte bei Osnabrück, Königin-Marien-Hütte bei Zwickau und die bayerische Maxhütte, zu letzteren Hörde, Dortmunder Union, Gutehoffnungshütte, Phönix und Johannishütte bei Duisburg. Das Bessemerroheisen, welches Hörde 1871 zum eigenen Gebrauch darstellte, war arm an Graphit und reich an Silicium und Mangan und verblies sich in der Birne rasch und heiss. Anfang der siebziger Jahre entstanden verschiedene neue Stahlwerke, so Stahlwerk Hösch bei Dortmund 1871/72, Hagener Gussstahlwerke 1872, die aus der 63* Deutschland (mit Luxemburg). Stahlhütte von Friedrich Huth \& Co. hervorgingen. Der Konverter- betrieb wurde nach englischer Art mit Rückkohlung durch Spiegel- eisen ausgeführt; nur die Königin-Marienhütte blies nach schwedischer Weise in einem Konverter mit steigender Pressung und Unterbrechung im richtigen Augenblicke der Gare, also ohne Rückkohlung. In dem von Gienanths chen Gussstahlwerke Kaiserslautern verblies man 1872 in einer Birne 3 Tonnen in 10 bis 15 Minuten. Im ganzen gab es 1873 in Deutschland 18 Bessemerstahlhütten mit 70 Birnen (wovon Friedr. Krupp 18 besass), hiervon waren etwa 60 in Betrieb. Die Tagesproduktion einer Birne betrug durchschnittlich 25 Tonnen, die Erzeugungsfähigkeit demnach 450 Kilotonnen; hierfür waren 500 bis 550 Kilotonnen Roheisen erforderlich. Da aber damals nur 125 bis höchstens 150 Kilotonnen Bessemerroheisen im Inlande dargestellt wur- den, mussten für den vollen Betrieb an 400 Kilotonnen aus dem Auslande bezogen werden. 1873 führte Pink zu Hörde den Guss kleiner Blöcke in von ihm konstruierten Gruppenformen ein. Auf der Steinhäuser Hütte goss man Stahlblöcke um einen Eisenkern und walzte daraus Eisenbahnschienen, die weniger leicht brechen sollten. Der Bessemer- stahl wurde fast ausschliesslich zu Eisenbahnschienen verarbeitet. Hiervon stellte Friedrich Krupp in Essen 1872 50000 Tonnen fertig. Trotz der ungünstigen Jahre nach der Krisis von 1873 nahm die Bessemerstahlerzeugung fortwährend zu, besonders seit 1876. 1874 fabrizierte man auf Königin-Marienhütte bei Zwickau und auf Max- hütte in Bayern einen phosphorhaltigen Stahl mit niedrigem Kohlen- gehalt, wobei der Phosphor einen Teil des Kohlenstoffs ersetzen sollte. 1875 kamen die von Holley in Amerika erfundenen Losböden in den deutschen Bessemerstahlwerken zur Einführung. In diesem Jahre machten in dem neuen Bessemerstahlwerke der Königshütte in Oberschlesien zwei Konverter für 90 bis 100 Centner Einsatz je 20 bis 24 Chargen. 1877 erfand K. von Liliencron seine gestampften Siebböden (D. R. P. Nr. 3472) für Konverter. 1878 stellte Friedrich C. G. Müller wichtige chemische Untersuchungen über den Verbrauch der Bessemerchargen zu Osnabrück und der in den Flussstahlblöcken absorbirten und eingeschlossenen Gase an. Zur Herstellung weicherer Stahlsorten wendete man damals bereits Ferromangan zur Rückkohlung an. Im folgenden Jahre untersuchte Müller in gleicher Weise eine Charge zu Hörde. 1879 war das denkwürdige Jahr der Einführung des Thomas- prozesses. Ein zweckmässiges Entphosphorungsverfahren war ein in Deutschland tief empfundenes Bedürfnis. Es war deshalb eine sehr Deutschland (mit Luxemburg). weise, wichtige und dankenswerte Massregel, dass rheinisch-west- fälische Eisenindustrielle, zuerst die niederrheinischen Stahlwerke zu Meiderich-Ruhrort und der Hörder Bergbau- und Hüttenverein, alsbald nachdem die günstigen Erfolge der Estonwerke in Cleveland bekannt geworden waren, mit dem Erfinder Gilchrist Thomas in Verbindung traten und das Recht der Anwendung des Verfahrens erwarben. Es geschah dies in der Weise, dass diese beiden Werke gemeinschaftlich gewissermassen die Vertreter des Erfinders für Deutschland wurden, indem sie für ihn das deutsche Patent (am 10. April 1879, D. R. P. Nr. 12700) erwarben und die Benutzung desselben gegen bestimmte Abgaben anderen deutschen Hütten- werken gestatteten. Diese bestanden in einmaliger Zahlung von 90000 Mark, wovon Thomas 60000, die Vertreter 30000 Mark erhielten; ausserdem in einer Abgabe von 2½ Mark pro Tonne fertigen Stahls, wovon aber 1½ Mark so lange nicht gezahlt wurden, bis der angesammelte Betrag die Anzahlungssumme erreicht hatte. Von dieser laufenden Abgabe erhielt Thomas 1½ Mark, die Agenten 1 Mark pro Tonne. In einem Jahre nach Erwerbung der Licenz musste das unternehmende Werk gebaut und betriebsfähig sein. Die erste Thomas-Charge wurde auf den Rheinischen Stahlwerken am 22. September 1879 erblasen. Um die Einführung des Thomas- prozesses und die Erwerbung des Patentes für die Rheinischen Stahl- werke gebührt Gustav Pastor das Hauptverdienst. — An demselben Tage wurde auch zu Hörde die erste Thomascharge erblasen. Professor Finkener unternahm bald danach seine analytische Untersuchung über den Verlauf des Thomasprozesses. In Hörde machte man die ersten Versuche mit Lothringer Roheisen mit 2,59 Prozent Phosphor. Man erhielt einen weichen Stahl mit 0,3 Prozent Phosphor. Zur Herstellung des Konverterfutters verwendete man einen Dolomit mit 2 Prozent Kieselsäure und 1½ Prozent Thonerde- gehalt. Der Zuschlagskalk wurde vorgewärmt. Ein Mangangehalt des Roheisens erwies sich als vorteilhafter. Die Dauer einer Charge betrug im Anfang 20 bis 45 Minuten. Um die Durchführung der Versuche und die Einführung des Verfahrens zu Hörde machten sich Massenez, Pink und Hilgenstock besonders verdient. Dr. Otto in Dahlhausen gelang es, gute basische Ziegel für den Thomasprozess aus deutschem Material herzustellen. Zu Anfang des Jahres 1880 arbeiteten zu Hörde vier, zu Ruhrort- Meiderich zwei und zu Kaiserslautern ein Konverter auf Thomas- stahl. Das Hörder Flusseisen enthielt 0,15 bis 0,05 Prozent Kohlen- Deutschland (mit Luxemburg). stoff; es besass eine Zerreissfestigkeit von 41 bis 42 kg pro Quadrat- meter bei einer Kontraktion von fast 60 Prozent. Es eignete sich sehr gut für Stab- und Formeisen, für Bahnschwellen, Nieteisen, Schiffs- und Kesselbleche u. s. w. Auf den Rheinischen Stahlwerken zu Ruhrort-Meiderich bestand die Charge aus 3000 kg Ilseder Roh- eisen, was durch seinen hohen Phosphor- und Mangangehalt ganz besonders geeignet war, aus 1000 kg Luxemburger und 500 kg Siegener, diese drei Sorten waren weiss, und aus 1500 kg grauem Cleveland- Roheisen. Der Roheiseneinsatz enthielt 1 bis 1¼ Prozent Silicium, 1 bis 1¼ Prozent Mangan und 1,2 bis 2 Prozent Phosphor; das Produkt 0,25 bis 0,30 Prozent Kohlenstoff, 0,06 bis 0,09 Prozent Phosphor und 0,03 Prozent Mangan. Der Kalkzuschlag betrug 18 Pro- zent, der Spiegeleisenzusatz am Ende des Prozesses zur Nachkohlung 7 Prozent. Das Hauptblasen dauerte 15 Minuten, dann wurde die Flamme kurz, das Nachblasen beanspruchte 5 Minuten. Vor dem Ausgiessen wurde noch ½ Prozent Ferromangan eingeworfen. Die ganze Charge erforderte 50 Minuten. Das Verständnis des Thomasprozesses wurde wesentlich gefördert durch Vorträge von J. Massenez im technischen Verein für Eisen- hüttenkunde und von Massenez und Pink bei dem Meeting des Iron and Steel Institute in Düsseldorf gelegentlich der dortigen Industrie-Ausstellung, auf der die Fortschritte der Eisenindustrie von Rheinland und Westfalen vorzüglich vorgeführt wurden. Infolge des grösseren Abbrandes und der höheren Kosten des basischen Futters und seiner Instandhaltung waren die Kosten des Thomas- verfahrens in Hörde um 9,18 Mark, auf den Rheinischen Stahl- werken bei Ruhrort um 7 Mark höher als beim Bessemerprozess. Dies wurde aber reichlich ausgeglichen durch den billigeren Preis des weissen phosphorhaltigen Roheisens. Damals kostete Bessemer- Hämatiteisen in Dortmund 70 bis 90 Mark pro Tonne, während Thomasroheisen für 46 Mark zu kaufen war. Hieraus lässt sich er- messen, um wie viel billiger Thomasflussstahl herzustellen war. Nach Massenez wurde in Hörde erst stark gebrannter, kieselsäurefreier Kalk mit einer grossen Menge von Grusskohle und Koks in die vor- gewärmte Birne gebracht, dieser Zuschlag durch schwaches Blasen bis zur Rotglut erhitzt und dann das flüssige Roheisen eingeführt und unter Aufrichtung der Birne mit dem Hauptblasen begonnen. Das Roheisen hatte bis zu ½ Prozent Silicium, 2½ Prozent Kohlenstoff und über 2 Prozent Phosphor. Die Verbrennung des Siliciums ver- lief rasch und bald kam das Kohlenspektrum zur Erscheinung. Trotz Deutschland (mit Luxemburg). des nicht hohen Siliciumgehaltes ging die Charge heiss, indem auch schon ein Teil des Phosphors verbrannte. Sobald die Kohlenstofflinien verschwanden und die Flamme nachliess, begann das Nachblasen zum Zweck der Entphosphorung. Die Dauer des Nachblasens hing von dem Phosphorgehalte ab und betrug 1 bis 4 Minuten, das Hauptblasen in Hörde 8 bis 11 Minuten. Während des Nachblasens wurden gewöhnlich zwei Schöpfproben genommen und ausgeschmiedet. Aus dem Bruch wurde auf den Grad der Entphosphorung geschlossen. Zu dem überblasenen Produkte wurde dann Spiegeleisen und Ferro- mangan zugesetzt, um die gewünschte Kohlung zu bewirken. Mit der Rückkohlung und dem Probenehmen dauerte die Charge 30 Mi- nuten. Der Abbrand betrug 10 bis 11 Prozent. Ein Futter hielt über 100, ein Boden nicht über 17 Chargen aus. Die basischen Ziegel wurden teils in Hörde angefertigt, teils von Otto \& Co. oder von Vygen in Duisburg bezogen. Seit 1880 wurde das Thomasflusseisen mit Erfolg zu Eisenbahn- schienen verarbeitet, zuerst von dem Niederrheinischen Stahlwerke. Hörde und der Bochumer Verein machten auch ein härteres Produkt mit 0,4 bis 0,2 Prozent Kohlenstoff, das sich 7 bis 8 Mark billiger stellte als der entsprechende Bessemerstahl. Schon damals konnte man Flusseisenblöcke billiger herstellen als Puddelluppen. Letztere kamen bei demselben Roheisen um 6 Mark pro Tonne teurer. Folgende Werke hatten ausser den bereits genannten im Jahre 1880 die Licenz für das Thomasverfahren erworben: Ars a. d. Mosel, Athus in Luxemburg, Burbach, Bochumer Verein, von Dieterich in Niederbronn, Dillingen, Dortmunder Union, Gutehoffnungshütte, Ilseder Hütte, Maximilianshütte in Bayern, Phönix in Ruhrort, Rote Erde bei Aachen, Stumm in Neunkirchen und de Wendel in Hayingen. Welche Wichtigkeit die Einführung des Thomasprozesses für Luxemburg hatte, erhellt daraus, dass dessen Roheisenerzeugung 1875 bis 1880 von 1052 Kilotonnen auf 2148 Kilotonnen stieg. Im ganzen waren 1880 bereits 33 basische Konverter in Betrieb, die 626 Kilotonnen Thomasflusseisen erzeugten. Inzwischen hatte auch die Tiegelflussstahl-Fabrikation durch die Einführung der von Siemens erfundenen Tiegelschmelzöfen mit Regenerativfeuerung einen grossen Aufschwung erfahren. An der Spitze marschierte Friedrich Krupp in Essen, dessen Leistungen unerreicht dastanden, wie er auf den Weltausstellungen zu Wien 1873 und zu Philadelphia 1876 bewies. In Wien stellte Krupp einen aus Deutschland (mit Luxemburg). 1800 Tiegeln gegossenen Gussstahlblock von 52½ Tonnen Gewicht, der unter dem grossen Dampfhammer „Fritz“ achteckig geschmiedet war, aus, ferner vielerlei Achsen, Radreifen, Kurbeln, Scheibenräder, Walzen, Kanonen, Lafetten u. s. w. aus Gussstahl. Die Produktion des Essener Werkes betrug 1872 über 125000 Tonnen, die Arbeiter- zahl 10622. Krupps Produktion übertraf die des Bochumer Vereins für Bergbau- und Gussstahl-Fabrikation, dem nächst bedeutendsten Gussstahlwerke in Deutschland um das 2½fache; seine Geschütz- ausstellung in Philadelphia war grossartig. Eine 35½ cm-Kanone in Küstenlafette bildete das Hauptstück. Das Rohr war 8 m lang und wog 57,5 Tonnen. Eine gewaltige geschmiedete Schiffswelle mit drei Kurbeln und Kurbelscheibe für eine 2500pferdige Schiffs- maschine erregte Bewunderung. Ende der siebziger Jahre hatte die Bessemerstahl-Fabrikation in dem Krupps chen Werke sehr zu-, die Tiegelgussstahl-Fabrikation dagegen abgenommen; 1879 lieferte erstere 115895 Tonnen, letztere 8603 Tonnen, während die Gesamt- produktion von Stahl-, Guss- und Schmiedeeisen sich auf 153430 Tonnen belief. Sehr mannigfaltig waren die Fortschritte der mechanischen Bearbeitung . Im allgemeinen baute man die Hämmer und Walzwerke stärker. 1872 führten Grillo, Funke \& Co. zu Gelsenkirchen die Stevensons che Friktionskupplung ein. 1873 liess Krupp eine hydraulische Haswellpresse von 750 Tonnen aufstellen. Das von R. M. Daelen erfundene Bandagenwalzwerk bewährte sich 1874. Im Jahre 1876 baute Krupp zwei Vorwalzwerke, um die Bessermerstahlblöcke für Eisenbahnschienen unmittelbar vorzuwalzen. Es waren mit Hebe- tischen ausgerüstete Triowalzwerke, die durch Corlissmaschinen von 550 Pferdestärken umgetrieben wurden. Desgleichen baute Hörde 1879 ein Trio zum Vorwalzen der Luppen. In diesem Jahre wurde Daelens Universal-Richtpresse und Roys Universal-Walzwerk für Feineisen patentiert. 1879 baute Helmholtz ein Walzwerk mit selbst- thätiger Rückführung der Walzstücke. Seit 1876 war die Eisen- produktion grösser als der Verbrauch, Deutschland also auf die Aus- fuhr von Eisen angewiesen. War die Entwickelung der deutschen Eisenindustrie in den sieb- ziger Jahren schon eine erfreuliche gewesen, so gestaltete sie sich in dem folgenden Jahrzehnt noch viel grossartiger. Die Roheisen- produktion stieg 1881 bis 1890 von 2914 auf 4658 Kilotonnen. Der Schutzzoll und der rasche Aufschwung der Thomasstahlerzeugung im Jahre 1887 waren die wichtigsten Ursachen dieser Zunahme. Deutschland (mit Luxemburg). In diesem Jahre wurde die Schweisseisenerzeugung von der Flusseisen- erzeugung überholt. Erstere betrug 1881 1422 Kilotonnen, erreichte 1889 den höchsten Stand mit 1750 Kilotonnen, während sie 1890 auf 1559 Kilotonnen zurückging. Die Flusseisenerzeugung stieg von 1881 bis 1890 andauernd und zwar von 897 Kilotonnen auf 2232 Kilotonnen, also fast um das 2½ fache. Seit 1891 nahm auch die deutsche Aus- fuhr von Eisen- und Stahlerzeugnissen beträchtlich zu. Da phosphorreiches Roheisen für den Thomasprozess gesucht wurde, wuchs die Roheisenerzeugung des Minettegebietes, besonders Luxemburgs, rasch. Die Erzförderung hatte sich in den fünf Jahren von 1875 bis 1880 schon verdoppelt, indem sie von 1052 auf 2148 Kilo- tonnen gestiegen war. Die Gewinnung des braunen, roten und schwarzen Erzes fand hauptsächlich in den drei Bezirken Esch, Rümelingen und Belvaux und in La Madeleine statt. Der Phosphor- gehalt des Thomasroheisens schwankte von 1¼ bis 2½ Prozent. Die Dillinger Hütte im Saargebiete zeichnete sich durch die Fabrikation von Compound-Panzerplatten aus. Westfalen erzeugte 1881 647490 Tonnen Roheisen, davon 1,6 Pro- zent für Giesserei, 42,7 Prozent für Flussstahl, 51,7 Prozent für Schweisseisen und 6730 Tonnen Holzkohlenroheisen. Bei den Hochöfen waren die eisernen Winderhitzer noch vorherrschend, von steinernen hatten Hörde und Bochum Whitwellapparate, Schalke und Union Cowperapparate. Die Hochöfen hatten 250 bis 400 Centner Inhalt und eine Tagesproduktion von 45 bis 125 Tonnen. Von der Flusseisen- erzeugung Deutschlands im Jahre 1881 von rund 900 Kilotonnen lieferte Westfalen 40 Prozent, davon 8/10 aus Konvertern, 1/10 aus Flamm- öfen und 1/10 aus Tiegeln. Die älteren Bessemeranlagen, wie die des Bochumer Vereins, der Bochumer Stahlindustrie, von Hösch in Dortmund hatten kreisförmige Giessgruben mit Kranenpfannen; die neueren An- lagen, wie die Thomashütte in Hörde, hatten die Konverter in einer Reihe, keine Giessgruben, sondern eine fahrbare Gusspfanne auf einem Dampfwagen. Um die Einführung dieser amerikanischen Anordnung hatte sich R. M. Daelen Verdienste erworben. Nach diesem Systeme wurde auch 1881 das Thomaswerk der Ilseder Hütte bei Peine er- baut. Nur die Dortmunder Union schmiedete noch die Flussstahlblöcke für Eisenbahnschienen; die anderen Werke blockten in Walzwerken vor. Flammofenflussstahl schmolzen Hüstener Gewerkschaft, Asbeck, Osthaus, Eiken \& Co. in Hagen, Annerer Gussstahlfabrik, wo Asthöwer Bicherouxfeuerung eingeführt hatte, der Hörder Verein und Deutschland (mit Luxemburg). Union. Die Öfen fassten 10 bis 15 Tonnen. Temperguss wurde zu Hattingen hergestellt. Am 6. März 1880 verschied im 85. Lebensjahre der ehrwürdige Fritz Harkort , ein echt deutscher Mann, der sich um die vater- ländische Industrie hochverdient gemacht hat. Am 29. Dezember 1881 starb C. Wintzer , dem die Georg- Marienhütte und das Osnabrücker Stahlwerk ihr rasches Emporblühen verdanken. Für Schlesien fand 1881 in Breslau eine Industrieausstellung statt, auf der die grossen Fortschritte der Eisenindustrie ersichtlich waren. Die königliche Hütte zu Gleiwitz, deren Karstenofen im achten Jahre in Betrieb war, führte besonders ihre gleichwandigen Gussröhren, die nach dem neuen Verfahren ihres Hüttenverwesers Deppe hergestellt waren, vor. Auf der Vereinigten Königs- und Laurahütte waren damals vier Hochöfen und zwei Konverter in Betrieb, und es wurde daselbst aus manganhaltigen, phosphorarmen Erzen von Chorzow in Polen gutes Bessemerroheisen geschmolzen. Die Bismarckhütte bei Schwintochlowitz zeichnete sich durch Fein- und Bandeisen, Walzdraht und Bleche aus. Wilhelm Hegenscheid zu Gleiwitz, der 30 Jahre zuvor die Drahtfabrikation in Oberschlesien eingeführt hatte, stellte Draht aus, Kern \& Co. zu Gleiwitz Draht und Bandeisen von der Herminenhütte bei Laband, Huldschinsky \& Co. , ebenfalls in Gleiwitz, geschweisste Röhren, die Marienhütte bei Kotzenau gepresste Blechplatten, Pielahütte, W. Fitzner und Laurahütte geschweisste Blechwaren. Bemerkenswert war noch die Ausstellung vom Borsigwerke und von Baildonhütte bei Kattowitz. Junghan und Uelsmann hatten zu Königshütte ein basisches Futter aus mit Alkalien gebranntem Kalk und Dolomit erfunden. In Bayern beutete die Maximilianshütte die Erzlager von Sulzbach- Amberg, in Thüringen die von Kamsdorf und Könitz aus, letztere wurden in dem Hochofen von Unterwellenborn teilweise auf Spiegeleisen, erstere auf der Hütte zu Rosenberg bei Sulzbach verschmolzen. 1881 wurde von dem Verein deutscher Eisenhüttenleute die Zeit- schrift Stahl und Eisen und eine Fachschule für Eisenhüttenleute in Bochum, die 1882 eröffnet wurde, gegründet. Über die technischen Fortschritte des deutschen Hochofenbetriebes von 1882 bis 1893 findet sich in dem Februarheft der Zeitschrift Stahl und Eisen ein Artikel von van Vlothen (Hörde), auf den wir ver- weisen. Danach war die Roheisenproduktion von 1882 bis 1893 um 47 Pro- zent gestiegen, die Zahl der Arbeiter nur um 5 Prozent, während sich Deutschland (mit Luxemburg). die Zahl der Hochöfen um 22 Prozent verringert hatte. Die Durch- schnittsleistung eines Hochofens hatte von 12953 Tonnen auf 24441 Tonnen zugenommen. Die Hochöfen waren vergrössert worden und zwar nach van Vlothen von 16 bis 18 m Höhe und 5 m Kohlensack- weite auf 20 bis 22 m Höhe und 6 m Weite, so dass der Inhalt der neueren Öfen 1893 400 cbm betrug; die Rast war steiler, der Rastwinkel von 67 bis 70° auf 72 bis 76° erhöht. Das Gestell wurde erweitert und zwar im Durchschnitt von 2 m auf 3 m. Der Schacht wurde freistehend gemacht und mit eisernen Bändern ge- bunden, während Gicht und Gasfang von schmiedeeisernen Säulen getragen wurden. Die feuerfesten Steine für die Hochofenwände wurden ausschliesslich im Inlande dargestellt; die Grösse der Steine wurde verringert. Um das Wachsen des Schachtmauerwerkes zu ermöglichen, brachten Steffen und besonders Lürmann Stopf- büchsen zwischen Schacht und Gasfang an. Lürmann brachte 1886 freistehende, auswechselbare Hochofengestelle in Vorschlag. Auch um eine stärkere Verankerung des Gestelles hat sich Lürmann verdient gemacht, ebenso van Vlothen . Ferner wurde das Gestell kräftiger gekühlt und hierfür Bronzekühlkästen verwendet. Guss- eiserne Panzer für das Gestell nach amerikanischem Vorbilde kamen ebenfalls zur Einführung. 1889 erfand Burgers in Gelsenkirchen künstliche Kohlensteine, aus Retortengraphit oder Koksmehl und Teer hergestellt, als Boden- und Gestellsteine. Sie bewährten sich und man verwendete sie auch zur Rastmauerung. Der wichtigste Fortschritt war wohl die stärkere Winderhitzung, die durch die allgemeine Einführung steinerner Winderhitzer von 450° auf 700 bis 800° erhöht wurde; die Cowperapparate haben den Sieg davongetragen. Sie wurden von 20 m bis auf 25 m erhöht; an Stelle des kreisrunden Schachtes trat ein elliptischer oder ein aus zwei flachen Kreisbogen gebildeter. Lürmann in Osnabrück liess sich 1887 einen verbesserten Cowperapparat patentieren (D. R. P. Nr. 42051 und 51360). Boecker zu Friedenshütte erzielte eine gleich- mässigere Erhitzung dadurch, dass er die Querschnitte der Kanäle nach der Aussenseite zu weiter machte Stahl und Eisen 1889, S. 920. . Für einen grösseren Hochofen mussten mindestens zwei Cowperapparate vorhanden sein und in den achtziger Jahren rechnete man einen weiteren dritten als Reserve. In den neunziger Jahren gab man jedem Hochofen drei Apparate und noch einen vierten als Reserve. Zur Absperrung der Gase und zur Ver- Deutschland (mit Luxemburg). meidung des Rücktritts derselben in die Windleitung bewährten sich 1887 die Steffens chen Brillen. Während Gas und Luft meist aus übereinander liegenden Schlitzen in den Verbrennungsraum eintraten, ordnete Lürmann nebeneinander liegende Öffnungen hierfür an. Hilgenstock führte zu Hörde offene wassergekühlte Formen an Stelle der geschlossenen ein. Bei den Gebläsemaschinen ging man zum Verbundsystem über. Die horizontalen Gebläsemaschinen wurden in Deutschland immer noch bevorzugt. Nach dieser Aufzählung der Fortschritte der Hochofenindustrie in den achtziger Jahren im allgemeinen lassen wir chronologisch zur näheren Erläuterung wichtigere Beispiele folgen. 1882 erzeugte jeder der zwei neuerbauten Hochöfen zu Mühl- heim a. d. Ruhr, welche mit fünf Whitwell-Winderhitzern versehen waren, 67 Tonnen in 24 Stunden. Die neuen Hochöfen zu Burbach und in Luxemburg waren 20 m hoch bei 6 m Rastweite. Die Dort- munder Union hatte Cowperapparate und bezog Eisenerze von Ost- freesen bei Harzburg. 1883 wurde die neue Hochofenanlage zu Amberg in der Ober- pfalz nach den Plänen von Gödecke in Düsseldorf erbaut und mit den von Gödecke verbesserten Whitwell-Winderhitzern und v. Hoff - schen Gasfängen ausgerüstet. Die Gebläsemaschinen waren von der Maschinenfabrik von Gebr. Klein zu Dahlbruch geliefert. Im Saar- gebiete, in Luxemburg und in Lothringen, wo man Minette schmolz, bezog man für das Thomasroheisen manganhaltige Erze aus Nassau und dem Grossherzogtum Hessen als Zusatz. Die königlich preussische Stahlhütte bei Elbingerode am Harz lieferte ein vorzügliches, mit Holzkohlen erblasenes halbiertes Roheisen, das Gruson zu Magdeburg für seinen vortrefflichen Hartguss verwendete. In Oberschlesien hatte der Karstenofen zu Gleiwitz in seiner 506. Blasewoche eine Million Centner Roheisen geliefert. Doch machte sich in Oberschlesien bei der gesteigerten Roheisenerzeugung der Mangel an eigenen Erzen immer fühlbarer. 1883 schmolzen 26 Hochöfen wöchentlich 275 bis 300 Tonnen. Die Zerreiblichkeit der Koks, die billige Beschaffenheit der Erze und ihr Zinkgehalt gestatteten nur eine geringe Ofenhöhe und mässige Windpressung. Man reicherte den armen Möller durch Magneteisenstein von Schmiedeberg und Schwefelkiesabbrände (purple on) an. Nach Ein- führung des Thomasprozesses stieg im Jahre 1884 die schlesische Roheisenproduktion beträchtlich. Von 47 Hochöfen standen 35 in Betrieb, die 409170 Tonnen (gegen 384161 Tonnen 1883), darunter Deutschland (mit Luxemburg). 1160 Tonnen Holzkohlenroheisen erzeugten. Hierzu waren 944979 Tonnen Brauneisenerz, 5179 Tonnen Brauneisenstein, 23999 Tonnen Thoneisenstein, 9804 Tonnen Roteisenstein, 25520 Tonnen Kies- abbrände, 39438 Tonnen Magneteisenstein und 867 Tonnen Blackband, im ganzen 1068913 Tonnen Eisenerze verschmolzen worden. Aus dem Roheisen wurden 24634 Tonnen Gusswaren, 257040 Tonnen Walzeisen und 41695 Tonnen Halbfabrikat hergestellt. Damals fing man an, die Einfuhr schwedischer Erze von Grängesberg und Gellivara, wofür Paul v. Schwarze lebhaft eintrat, in Erwägung zu ziehen. Ein wesentlicher Fortschritt für Oberschlesien war die Einführung stei- nerner Winderhitzer, nachdem man gelernt hatte, in den Apparaten von Macco und Schrader die Gichtgase von dem vielen Staube zu reinigen. Der Koksverbrauch im Hochofen betrug aber immer noch 1700 bis 2000 Tonnen auf 1000 Tonnen Roheisen. Erst seit 1879 war die nasse Aufbereitung der Steinkohlen eingeführt worden. Die Koksfabrikation war 1889 durch die Einführung der Wintzecköfen auf Friedenshütte zuerst verbessert worden. Man erreichte in diesen Öfen ein Ausbringen von 60 bis 65 Prozent. 1886 führte van Vlothen für die Hochöfen der Union in Dortmund einen verbesserten Düsen- kopf Stahl und Eisen 1893, S. 833. ein. Am 17. September 1889 erhielt Dr. Otto zu Dahlhausen das Patent auf seine Regenerativ-Koksöfen (D. R. P. Nr. 50982). 1890 folgten viele Mitglieder des Vereins deutscher Eisenhütten- leute einer Einladung nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, besonders zu einem Meeting der amerikanischen Eisenindustriellen in Pittsburg, wodurch die freundschaftlichen Beziehungen fester geknüpft und mancherlei neue Anregung gegeben wurde. Zu Hörde, wo die Hochöfen von dem Stahlwerk fast 2 km ent- fernt waren, stach man das Eisen in fahrbare Pfannen ab, die von einer Lokomotive dem Konverter, beziehungsweise seit 1890 dem Mischer zugeführt wurden. Dieses Verfahren, das ein häufigeres Ab- stechen bedingte, fand auch auf anderen Werken Anwendung. Um die Verwendung der Hochofenschlacken erwarb sich Lür- mann in Osnabrück Verdienste, der 1890 auch die Schlacken- Cementfabrikation einführte. Die Fortschritte der Eisengiesserei in den achtziger Jahren finden zunächst in der Zunahme der Erzeugung von Gusswaren II. Schmelzung ihren Ausdruck. Diese stieg in der Zeit von 1881 bis 1890 von 560222 Tonnen auf 1027384 Tonnen; hiervon die Guss- Deutschland (mit Luxemburg). röhrenerzeugung von 72985 auf 154034 Tonnen. Der Guss I. Schmel- zung, unmittelbar aus dem Hochofen, erfuhr dagegen keine Zunahme. Anfang der achtziger Jahre kamen die verbesserten Kupolöfen von Ibrügger in Norden und von Krigar in Hannover und die von Jäger erfundenen Hochdruck-Rootsgebläse zur Einführung. Von hoher Bedeutung waren die 1887 von Bergrat Jüngst zu Gleiwitz im Auftrage des Vereins deutscher Eisengiessereien be- gonnenen Schmelzversuche mit Siliciumeisen. 1890 kam der Dampfstrahl-Schmelzofen von Herbertz in Köln zur Anwendung. Zahlreich waren die Verbesserungen der Form- maschinen in diesem Zeitraum, vorzüglich die Leistungen von Gruson in Buckau bei Magdeburg in Hartguss, besonders für die Schumann - schen Panzertürme. Neben schwedischem Roheisen verwendete Gruson (1883) besonders Roheisen vom Harz, von Schmalkalden und von der Lahn ( Gebrüder Buderus ). Die Schweisseisene rzeugung wurde zwar von der Flusseisen- erzeugung überflügelt, erfuhr aber doch noch eine Zunahme, indem sie von 1349019 Tonnen im Jahre 1881 auf 1486658 Tonnen im Jahre 1890 stieg. Der Höchststand der Schweisseisenerzeugung in Deutsch- land fiel in das Jahr 1889 mit 1673449 Tonnen. Technische Fort- schritte sind besonders bei den Feuerungen und dem Bau der Puddel- öfen hervorzuheben. Die Maxhütte in Bayern hatte 1884 zuerst eine grössere Anlage von Springeröfen mit zwei feststehenden Herden und Wendeflamme in Betrieb; gute Erfolge erzielte man 1889 mit diesen Öfen auf der Königin-Marien-Hütte in Sachsen Stahl und Eisen 1890, S. 937. . 1887 wurden auf dem zur Friedenshütte gehörigen Walzwerk zu Zawadski acht Pietzka- Drehpuddelöfen erbaut. Viel mannigfaltiger noch waren die Verbesserungen bei der Fluss- eisenfabrikation , besonders bei dem Thomasprozess, dem sich das Interesse der Eisentechniker vornehmlich zuwendete, und der auch das Bessemerverfahren mit saurem Futter rasch zurückdrängte. Leider ist die Statistik der Flusseisensorten in den achtziger Jahren zu ungenau, um sichere Angaben über die Erzeugung von Bessemer-, Thomas- und Martinstahl machen zu können. Am besten sind wir noch über die Menge des Thomaseisens, worüber Thomas und Gilchrist Angaben veröffentlicht haben, unterrichtet. Die deutsche Statistik fasste die Flusseisenerzeugung in dieser Zeit im ganzen Deutschland (mit Luxemburg). zusammen. Die Thomasstahlerzeugung betrug 1880 nur 18 Kilo- tonnen, 1881 schon 200 Kilotonnen und 1890 1493 Kilotonnen. 1880 betrug die Erzeugung von Bessemerstahl in Deutschland noch 686 Kilotonnen, während nur 18 Kilotonnen Thomas- und 36 Tonnen Martinstahl, im ganzen 740 Kilotonnen Flussstahl erzeugt wurden. 1886 betrug dagegen die Bessemerstahlerzeugung 374 Kilotonnen, die von Thomasstahl 784 und die von Martinstahl 178 Kilotonnen, zusammen 1336 Kilotonnen. 1890 wurden 1493 Kilotonnen Thomasstahl und 739 Kilotonnen Bessemer- und Martinstahl, im ganzen 2232 Kilotonnen Flussstahl erzeugt. Die Thomasbirnen fassten 7 bis 10 Tonnen, hatten mit der Hand gestampfte Düsenböden, die meist als Durchziehböden ausgebildet waren, so dass sie einfach nach Entfernung des Windkastenverschlusses abgenommen werden konnten. In chronologischer Folge sind seit 1881 folgende Ereignisse bemerkenswert. Der Hörder Bergbau- und Hüttenverein hatte 1880 bis 1882 ein neues Bessemerstahlwerk für basischen Betrieb erbaut und das alte Werk niedergelegt. Die Thomasanlage „Peiner Walzwerk“ kam vom November 1882 an in regelmässigen Betrieb. Bei beiden Anlagen waren die Birnen nicht kreisförmig um Gruben, sondern in einer Linie und in paralleler Stellung angeordnet. In Peine wurde der Dolomit für die Futter, der in der Nähe gebrochen wurde, in Kupol- öfen gebrannt, gemahlen, mit Teer gemischt und eingestampft. Man verarbeitete nur eigenes Roheisen von der Ilseder Hütte, das 2,5 bis 3 Prozent Phosphor und 2,5 bis 3 Prozent Mangan enthielt. Nach dem Umschmelzen in grossen Kupolöfen enthielt das Eisen 0,7 bis 1,2 Prozent Mangan und 2,6 bis 3,2 Prozent Phosphor. Das Blasen einer Charge dauerte nur 12 bis 15 Minuten. Während des Schlacken- abgiessens wurde Probe genommen und die Rückkohlung erfolgte dann durch Einwerfen von etwa 12 Prozent rotwarmem Ferromangan von 54 bis 60 Prozent Mangangehalt. Helmholtz in Bochum gelang es 1882, durch Zusatz von Fluss- spat das Nachblasen zu vermeiden, doch erwies sich dies als un- ökonomisch. Das Eisenwerk Rote Erde, das 1882 noch 38 Puddel-, 12 Schweiss- und 8 Schmelzöfen in Betrieb hatte, arbeitete mit drei basischen Konvertern. Alfred Trappen , Direktor der Märkischen Maschinenbauanstalt, vormals Kamp , in Wetter, baute besonders gute Maschinen für Bessemerwerke. Von grossem Vorteil für die Thomaswerke war die Verwendung Deutschland (mit Luxemburg). ihrer Schlacken in der Landwirtschaft als Düngemittel. Anfangs wurden die Schlacken durch Salzsäure aufgeschlossen und die Phos- phorsäure nach einem Verfahren von Scheibler löslich gemacht. 1884 gründete hierauf die Gesellschaft Fertilitas zwei grosse Werke, eins zu Stollberg bei Aachen und eins zu Schalke in Westfalen. 1885 begann G. Hoyermann zu Hoheneggelsen, die Thomasschlacke des Peiner Walzwerks in feingemahlenem Zustande zu verwenden und in den Handel zu bringen. Sie bewährte sich als gutes Düngemittel zunächst für den Moorboden der norddeutschen Tiefebene, fand aber bald allgemeine Anwendung in der Landwirtschaft. 1884 wurde ein basisches Bessemerwerk mit drei Birnen von der Gesellschaft Phönix zu Laar bei Ruhrort erbaut. In demselben Jahre führte das Eisenwerk Rasselstein das Thomasieren im Clapp-Griffith- Konverter für seine Weissblechfabrikation ein. Die Birne hatte sechs horizontale Winddüsen von 3 cm Weite 16 cm über dem Boden. Die Düsen waren durch Klappen verschliessbar. Der Einsatz betrug 1,8 Tonnen, das Gebläse blieb bis nach dem Abstich in Thätigkeit. 1885 erfand Bruno Versen in Dortmund einen mechanischen Stampfer für die Herstellung der Birnenfutter, den er 1891 noch ver- besserte. — Die aus Thomaseisen von Peine hergestellten Bleche wurden an Güte dem Lowmoorblech gleichgeschätzt. 1886 veröffentlichte Hilgenstock in Hörde wichtige Unter- suchungen über den Verlauf des Thomasprozesses. Thomasflusseisen fand auch im Brückenbau immer mehr Ver- wendung; G. Mertens baute die Fortonbrücke aus diesem Material. 1887 hatte die Erzeugung von Thomasflusseisen besonders in Rheinland und Westfalen einen grossen Umfang angenommen: Rote Erde erzeugte in drei 10- bis 12-Tonnen-Konvertern 100000 Tonnen, Hösch in Dortmund 80000 Tonnen, Hörde und Dortmunder Union je 85000 Tonnen. Die Rheinischen Stahlwerke arbeiteten mit zwei Thomas-, zwei Bessemerbirnen und vier Siemens-Martinöfen; Phönix mit drei Thomas-, zwei Bessemerbirnen und zwei Siemens-Martinöfen. Peine hatte eine Jahreserzeugung von 70000 Tonnen Thomas- flusseisen. 1888 wurde die Rückkohlung des Eisens mittels Filtrieren durch eine Schicht Kohlen nach Darbys Erfindung von der Gesellschaft Phönix, deren Direktor Thielen am 28. September das Patent für Deutschland (D. R. P. Nr. 47215) erwirkt hatte, eingeführt. Thielen verbesserte das Verfahren in den folgenden Jahren noch weiter (D. R. P. Nr. 51353, 51963, 53784). Deutschland (mit Luxemburg). Das 1889 in Betrieb gesetzte neue Walzwerk von Hösch in Dortmund machte in drei Thomaskonvertern 15000 Tonnen Fluss- eisen im Jahr. Man goss jedesmal 16 flache Blöcke für Blechplatten auf einmal, die durch drei hintereinander liegende Walzenpaare automatisch geführt und zu Blech gewalzt wurden. 1889 führte Johann Meyer in Düdelingen ein abgeändertes Rückkohlungsverfahren mit Kohlen ein (D. R. P. Nr. 17613, 74819). Wichtig war die Einführung des Mischers durch den Hörder Bergwerks- und Hüttenverein, welcher 1889 von Carnegie, Brothers \& Co. in Pittsburg das Patent für den Mischer von Jones für Deutschland erworben hatte. Derselbe Verein erhielt 1890 für ein von G. Hilgenstock und Massenez ausgearbeitetes Entschweflungs- verfahren mittels Manganzusatz im Mischer ein Patent, das mit dem ersterwähnten Patent kombiniert und verwertet wurde. Die Erzeugung von Flammofenflusseisen nahm in den achtziger Jahren ebenfalls zu, doch nicht in dem Masse, wie die des Birnenflusseisens. Eine zuverlässige Statistik fehlt leider. Der wichtigste Fortschritt bestand darin, dass man auch bei diesem Prozess den Herd basisch machte. Mit basischem Futter erzielte man ein vorzügliches weiches Produkt, das in vieler Beziehung dem Puddel- eisen überlegen war. Das Verfahren blieb das alte Martins che, wobei man dem eingeschmolzenen Roheisen Eisen- und Stahlabfälle zusetzte. Der Erzprozess fand in Deutschland keinen Eingang. Erz und Hammerschlag gab man nur in kleinen Mengen als entkohlenden Zuschlag zu Ende des Prozesses auf. 1881 wurden in Deutschland rund 900000 Tonnen Flusseisen erzeugt, davon 40 Prozent in Westfalen, von diesen vier Fünftel im Konverter, ein Fünftel in Flammöfen und Tiegeln. Die Flammofen- flussstahlerzeugung Westfalens dürfte damals höchstens 60000 Tonnen betragen haben. Die grösseren westfälischen Werke mit Herdstahlöfen wurden oben bereits erwähnt; diese Öfen hatten 10 bis 15 Tonnen Einsatz. Ausser diesen hatten Gildemeister \& Kamp in Dortmund- Witten und Boenhoff in Hörde kleinere Martinöfen mit direkt unter dem Ofen liegenden Generatoren. Zu Ruhrort und Hörde wurde 1882 das Verfahren von Harmet : Vorfrischen im Konverter und Fertigmachen im Flammofen versucht. In diesem Jahre erbaute das Oberbilker Stahlwerk zwei Siemens- Martin-Öfen. 1884 nahm Friedrich Siemens ein Patent auf ein Methode, Flusseisen im Flammofen direkt aus den Erzen zu schmelzen. Beck, Geschichte des Eisens. 64 Deutschland (mit Luxemburg). 1887 erzeugte Krupp bereits 50000 Tonnen Flussstahl in seinem Siemens-Martinwerk. Die Rheinischen Stahlwerke betrieben vier, Phönix zwei Stahl-Flammöfen. Diese Öfen hatten meist basische Herde aus Teerdolomit und hochliegende Gewölbe zur freien Flammen- entfaltung nach dem Prinzip Fr. Siemens . Man machte nur drei bis vier Schmelzungen in 24 Stunden und nahm öfter Proben. Im Flammofen liessen sich Zusätze wie Spiegeleisen, Ferromangan u. s. w. leichter zusetzen und verteilen als im Konverter. 1890 hatte man in Hörde bereits neun Siemens-Martinöfen für 15 Tonnen Einsatz. Die Heizung geschah durch Wassergas. Die neuen Öfen hielten 300 bis 350 Hitzen aus, die alten 7-Tonnen-Öfen nur 180 bis 250. Der Roheisensatz betrug 20 bis 25 Prozent. Von hervorragender Wichtigkeit waren die Fortschritte des Hüttenmaschinenwesens und der Qualität der Erzeugnisse. Chemie und Physik arbeiteten Hand in Hand mit der Praxis und führten zu Ergebnissen, die der deutschen Eisenindustrie zum Vorteil und zur Ehre gereichten. Abgesehen von den vorzüglichen Universitäten und technischen Hochschulen wirkten auch die Vereine, besonders der Verein deutscher Eisenhüttenleute, sehr segensreich. Der Thomas- prozess und sein Produkt wurden in Deutschland sehr gründlich studiert und gaben die Veranlassung zu den mannigfaltigsten chemischen Untersuchungen. Über die wirtschaftliche Bedeutung des Thomas- prozesses hielt 1881 Direktor Brauns einen bemerkenswerten Vortrag in der Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute. Das Flusseisen fand immer mehr Verwendung. Anfänglich ver- arbeitete man das Thomasflusseisen nur zu Eisenbahnschienen. Aber seine Weichheit, Gleichmässigkeit und Festigkeit liess es bald für mancherlei andere Zwecke geeignet erscheinen, so z. B. schon 1881 für Bleche, Draht und Nieteisen. Für Geschirrblech war es vorzüglich. Damals glaubte man noch für Weissblech nur Holzkohlenblech ver- wenden zu dürfen, bald aber erkannte man die Vorzüge des Fluss- stahlblechs für diese Fabrikation. 1881 veröffentlichte die zur Revision der Klassifikation von Eisen und Stahl eingesetzte Kommission ihr Gutachten. In demselben Jahre erfand Otto Klatte ein Walzverfahren für endlose Ketten. 1882 wurde Spannagels neues Stahldraht-Walzwerk in dem Hüttenwerk Phönix bei Ruhrort in Betrieb genommen. 1883 wurde die Einführung einheitlicher chemischer Unter- suchungsmethoden von Dr. Schmitt -Wiesbaden angeregt und vom Verein deutscher Eisenhüttenleute hierfür eine Kommission erwählt. Deutschland (mit Luxemburg). Bauschinger -München berief 1884 eine Konferenz zur Vereinbarung einheitlicher Prüfungsverfahren für Bau- und Konstruktionsmaterial. Erwähnenswert ist, dass in diesem Jahre Krupps cher Stahl in den Eisenbahnwerkstätten zu Darlington in England bevorzugt wurde. Dass Krupp nach allen übrigen Ländern der Welt bis nach Chili, China und Australien damals bereits seinen Stahl lieferte, braucht kaum hervorgehoben zu werden. 1884 beschäftigte die Gussstahl- fabrik zu Essen 10213 Arbeiter und lieferte 200000 Tonnen Eisen- und Stahlwaren. Im Jahre 1887, dem Todesjahr Alfred Krupps , war die Arbeiterzahl auf 12674 gestiegen. 1884 gab C. Scharowsky im Auftrage des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller ein deutsches Musterbuch für Eisen- konstruktionen heraus. Die Eigenschaften des weicheren Flusseisens von den basischen Prozessen liessen eine Abänderung der früheren Qualitätsvorschriften und Lieferungsbedingungen notwendig erscheinen. Mit dieser Frage beschäftigten sich die Regierungen, die Eisenbahnverwaltungen und die grossen technischen Vereine. 1886 stellte der Verband deutscher Architekten- und Ingenieurvereine Normalbedingungen für die Lieferung von Eisenkonstruktionen für Brücken- und Hochbau fest. In demselben Jahre nahm Dr. Kögel in Remscheid die ersten Patente auf sein Schrägwalzverfahren, das 1887 und 1888 von Mannesmann weiter entwickelt und in die Praxis eingeführt wurde. Es erregte das grösste Aufsehen, besonders nachdem 1889 Professor Reuleaux in Berlin einen sensationellen Vortrag darüber gehalten hatte. Hugo Sack in Duisburg erfand 1887 ein verbessertes Universal- walzwerk und 1888 einen Kantapparat zur Bedienung von Reversier- walzwerken Siehe Stahl und Eisen 1888, S. 436, Taf. XIII. . Am 14. Juli 1887 verschied einer der bedeutendsten Männer Deutschlands, Alfred Krupp , der die Gussstahlfabrik seines Vaters, Friedrich Krupp , in Essen zu so wunderbarer Höhe gebracht hatte. Die ganze Welt nahm an seinem Tode teil, denn er hatte durch seinen Gussstahl und seine Kanonen seinen Namen in allen Ländern bekannt gemacht. Alfred Krupp war gross als Mensch und als Industrieller. Was er geworden, dankt er der eigenen Kraft. Der geniale Mann, zu dem unser grosser Kaiser Wilhelm in freund- schaftlichem Verhältnis stand und der dem Vaterlande so hervor- 64* Deutschland (mit Luxemburg). ragende Dienste geleistet hat, wird alle Zeit der Stolz der Deutschen, ein Stern der Eisenindustrie und ein Vorbild für unsere Jugend bleiben. Näher auf die Einzelheiten seines Lebens und seiner Thätig- keit einzugehen, als bisher geschehen ist, gestattet der Raum nicht, auch sind bereits mehrere Lebensbeschreibungen Krupps veröffentlicht worden Dietrich Bädeker , Alfred Krupp und die Entwickelung der Gussstahl- fabrik zu Essen, daselbst 1889. — Hermann Frobenius , Alfred Krupp, bei C. Reissner, Dresden 1898. — Dr. Friedr. C. G. Müller , Krupps Gussstahlfabrik, 1889 bei A. Bagel, Düsseldorf. Eine noch eingehendere aktenmässige Darstellung der für die Technik wichtigsten Momente wäre sehr zu wünschen. . In demselben Jahre, am 6. Dezember 1887, starb noch ein anderer Mann, der sich um die Eisenindustrie Rheinlands und Westfalens wie um die Walzindustrie und das Hüttenmaschinenwesen im allgemeinen verdient gemacht hat, Rainer Daelen , der am 10. Oktober 1813 in Essen geboren war. Besonders bekannt ist er durch seine Thätigkeit in Hörde. Er erfand bereits 1843 ein Universalwalzwerk, 1852 einen Dampfhammer, 1856 die Fabrikation schmiedeeiserner Radscheiben. Zahlreich waren seine Verbesserungen an Walzwerken, besonders an dem Drahtwalzwerk. 1869 trat er in Hörde aus und gründete das Neusser Eisenwerk, zog sich aber wenige Jahre später in das Privat- leben zurück. Am 9. März 1888 starb Kaiser Wilhelm der Grosse , der sieg- reiche Held, der Einiger Deutschlands und Wiederaufrichter der deutschen Kaisermacht, unter dessen glorreicher Herrschaft die deutsche Eisenindustrie zu neuem Leben erwacht war. 1888 fanden die hydraulischen Schmiedepressen in der Eisen- industrie Eingang. Alfred Krupp hatte bereits 1886 den Plan zu einer grossen Anlage mit Schmiedepressen für die Geschützfabrikation gefasst, doch erlebte er die Ausführung des berühmten „Pressbaues“ zu Essen, einer der grössten und schönsten Werkstätten der Welt, nicht. Die erste grosse Schmiedepresse wurde der bekannten Maschinenfabrik von Tannet \& Walker zu Leeds in England in Auftrag gegeben und 1889 aufgestellt. Aber schon im Jahre 1888 baute die Firma L. W. Breuer, Schumacher \& Co. in Kalk bei Köln eine pneu- matisch-hydraulische Schmiedepresse nach dem System Prött \& Seel- hof , mit Akkumulatoren mit komprimierter Luft oder flüssiger Kohlen- säure (D. R. P. Nr. 43434). Seitdem hat die genannte Maschinenbaufirma im Bau von Schmiedepressen grosse Fortschritte gemacht und Hervor- ragendes geleistet. 1889 bauten Haniel \& Lueg in Düsseldorf die erste Schmiedepresse nach ihrem Patent (D. R. P. Nr. 51360). Deutschland (mit Luxemburg). 1889 gründete Haarmann , Direktor der Georg-Marien-Hütte, der sich grosse Verdienste um den eisernen Eisenbahnunterbau erworben hat, in Osnabrück sein bekanntes „Geleise-Museum“. In demselben Jahre veröffentlichte der Verein deutscher Eisen- hüttenleute Vorschriften für Lieferung von Eisen und Stahl. 1890 kam bei Krupp in Essen das grosse Panzerplattenwalzwerk mit Reversierdampfmaschine in dem oben erwähnten Pressbau in Betrieb. — Von technischen Fortschritten in diesem Jahre sind noch die Herstellung spiralförmig geschweisster Röhren und die Blech- reinigungsmaschine von W. Goes in Schalke (D. R. P. Nr. 52817) zu nennen. Der germanische Lloyd erliess ein Reglement zur Prüfung von Schweiss- und Flusseisen. Das Vorurteil gegen Flusseisen im all- gemeinen und gegen Thomaseisen im besonderen war jetzt geschwunden. L. Tetmajer empfahl letzteres ausdrücklich für Baueisen. In den neunziger Jahren setzte die deutsche Eisenindustrie ihren glänzenden Vormarsch fort. Während die Jahre 1889 bis 1893 in Grossbritannien Jahre des Rückgangs waren, kam in Deutschland die Ungunst der Zeit, wenn man die graphische Darstellung der Roheisen- erzeugung auf Seite 981 betrachtet, nur durch einige Zuckungen infolge mässiger Verlangsamung der Zunahme zum Ausdruck, die von 1895 an verschwinden und einer raschen Aufwärtsbewegung Platz machen. Die Roheisenerzeugung von 1891 bis 1899 stieg von 4641 auf 8029 Kilotonnen, also um 3388 Kilotonnen, während diese Zunahme in der gleichen Zeit der achtziger Jahre 1511 Kilotonnen und der siebziger Jahre 663 Kilotonnen betragen hatte. In Prozenten ausgedrückt war die Zunahme in diesen Zeitabschnitten rund um 73, 52 und 42 Prozent. Das Wachsen der Roheisenerzeugung Deutsch- lands von 1871 bis 1899 beziffert sich auf 6465 Kilotonnen oder auf 413 Prozent. Vergleicht man hiermit die Roheisenerzeugung Gross- britanniens, so betrug deren Zunahme 1891 bis 1899 2018 Kilotonnen oder 27 Prozent und die ganze Zunahme von 1871 bis 1899 nur 2846 Kilotonnen oder etwas über 42 Prozent. Hierdurch ist die deutsche Produktion der englischen bedeutend näher gerückt: 1871 war das Verhältnis 1564/6697 Kilotonnen, 1900 8520/9052 Kilotonnen. Deutschlands grossartiger Fortschritt in der Eisenindustrie ist hauptsächlich bedingt durch die rasche Entwickelung des basischen Konverterprozesses, des Thomasverfahrens, während Englands relatives Zurückbleiben aus der Vernachlässigung dieses Verfahrens hergeleitet werden dürfte, wie aus nachstehenden Ziffern erhellt: Deutschland (mit Luxemburg). Erzeugung von Thomasflusseisen in Kilotonnen . Die technischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fort- schritte der neunziger Jahre knüpfen an die vorhergegangenen an und sind als deren konsequente Fortsetzung zu betrachten. Bei dem Hochofenbetriebe kam dies durch stärkere Wind- erhitzung infolge der allgemeinen Einführung und der Verbesserung der Winderhitzer und durch höhere Windpressung infolge der Ein- führung stärkerer Gebläsemaschinen zum Ausdruck. Seit 1892 erlangte die Einfuhr schwedischer Erze besonders von Grängesberg und Gellivara grössere Bedeutung und hat seitdem von Jahr zu Jahr zugenommen. Der Bezug eisenreicher Erze aus dem Auslande und die Anreicherung des Möllers mit denselben erhöhte das Ausbringen und die Tages- erzeugung. Von Wichtigkeit waren auch die Fortschritte der Koksfabrikation, besonders die Erfindung der Koksöfen mit Gewinnung der Neben- produkte von Dr. Otto (Otto \& Co.) zu Dahlhausen 1892. Die Fort- schritte im Transport der Materialien durch die Drahtseilbahnen von Otto, Pohlig und Bleichert \& Co. seit Anfang der neunziger Jahre förderten die Massenerzeugung. Auf theoretischem Gebiete wirkten die von dem Verein für Eisenhüttenleute unterstützten Bestrebungen der Einführung einheit- licher Untersuchungsmethoden förderlich. Dieser Verein war es auch, der auf Einladung amerikanischer Fachgenossen 1891 eine Festfahrt deutscher Eisenhüttenleute nach den Vereinigten Staaten veranstaltete, die zur Erweiterung der Kenntnisse und zur Anknüpfung internationaler Beziehungen beitrug. Der um die Eisenhüttenkunde hochverdiente Professor Dr. H. Wedding veröffentlichte 1892 eine wichtige Arbeit über Wärmeverluste bei Hochöfen Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 1029. . Die technischen Hochschulen und die Fachschulen wurden immer stärker besucht. Die rheinisch-westfälische Eisenhüttenschule wurde Deutschland (mit Luxemburg). 1891 von Bochum nach Duisburg verlegt. Von dem glücklich sich entwickelnden Verein deutscher Eisenhüttenleute zweigten sich 1893 als Untervereine die Eisenhütte Düsseldorf und die Eisenhütte Ober- schlesien zur Wahrung mehr lokaler Interessen ab. Die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten wurden noch enger durch die Columbische Weltausstellung in Chicago im Jahre 1893, die von deutschen Eisenindustriellen gut beschickt und besucht wurde; diese Beziehungen wirkten anregend und fördernd. Über das Berg- und Hüttenwesen auf der Chicagoer Weltausstellung erstattete Professor Wedding Bericht (Stahl und Eisen 1893 und 1894). Im Jahre 1893 verstarben am 14. August Joh. Schlink , der verdiente Direktor der Friedrich-Wilhelm-Hütte zu Mülheim, und am 25. März Professor G. Bauschinger in München, der eifrige Förderer einheitlicher Materialprüfungsverfahren. Beachtenswert sind die Untersuchungen von W. van Vloten über die Verbrennung im Hochofengestell. Die Reinigung der Gichtgase wurde verbessert. Die Erzeinfuhr aus Schweden, die 1890 190329 Tonnen betragen hatte, war 1893 schon auf 455097 Tonnen gestiegen. 1894 wurden 601404 Tonnen spanische Erze von Bilbao, 341632 Tonnen schwedische Magneteisensteine von Gellivara über Luleå und 341632 Tonnen von Grängesberg über Oxelösund importiert. Der grösste Teil der Ein- fuhr ging nach Rheinland und Westfalen. 1894 besuchten rheinisch-westfälische Mitglieder des Vereins deutscher Eisenhüttenleute auf Einladung belgischer Fachgenossen die wichtigsten Eisenwerke Belgiens. Nachstehende Tabelle der deutschen Hochofenwerke nebst Angabe ihrer Leistungsfähigkeit ist einem Vortrage des Herrn Ingenieurs E. Schrödter über die Deckung des Erzbedarfs der deutschen Hochöfen, gehalten bei der Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute am 23. Februar 1896 in Düsseldorf Siehe Stahl und Eisen 1896, II. Märzheft. Diese vortreffliche, auf statistischer Grundlage aufgebaute Arbeit Schrödters ist wie seine Vorträge über die Entwickelung der deutschen Hochofenerzeugung (a. a. O.) und der deutschen Flusseisenerzeugung (a. a. O.) von grossem geschichtlichen Interesse. Ein neueres Verzeichnis der deutschen Hochofenwerke im Jahre 1900 findet sich in der von dem Verein deutscher Eisenhüttenleute 1901 herausgegebenen vierten Auflage der gemeinfasslichen Darstellung des Eisenhüttenwesens, S. 130 bis 135. , entnommen. Deutschland (mit Luxemburg). Deutsche Hochofenwerke und ihre Leistungsfähigkeit Ende 1895 (von E. Schrödter ). Deutschland (mit Luxemburg). Deutschland (mit Luxemburg). Von hervorragendem Interesse war die Gründung des Hütten- und Stahlwerks „Deutscher Kaiser“ in Bruckhausen a. M. 1890 wurde das Martinstahlwerk errichtet; 1895 begann man mit dem Bau der Hochofenhütte, die für sechs Hochöfen vorgesehen wurde. Deutschland (mit Luxemburg). Im Jahre 1895 machten eine grössere Anzahl amerikanischer Ingenieure, Mitglieder der Americ. Soc. of Civil Engineers, der A. S. of Mechanical Engineers und der A. S. of Mining Engineers einen Besuch der deutschen Eisen- und Stahlwerke in Rheinland und Westfalen. Am 22. August 1896 beging das Königl. preussische Hüttenwerk zu Gleiwitz, dem der Ruhm gebührt, den Kokshochofenbetrieb in Deutschland zuerst ein- und durchgeführt zu haben, seine hundert- jährige Gedenkfeier. 1897 wurde von Graf Guido Henckel von Donnersmarck die Hochofenhütte „Kraft“ bei Stettin gegründet und einer der nach modernen Grundsätzen erbauten Hochöfen in diesem, der zweite in dem folgenden Jahre und ein dritter 1899 in Betrieb genommen. Es wurden vornehmlich schwedische Erze verschmolzen. Für dieses Werk war in der steinarmen Gegend die Fabrikation von Schlacken- steinen von grosser, ökonomischer Bedeutung. Die Dinglers che Maschinenfabrik in Zweibrücken konstruierte 1896 einen Gasfang mit Deckelverschluss, desgleichen erfand Dr. Neu- mark auf der Donnersmarckhütte 1898 einen doppelten Gichtverschluss. 1897 begann man auf der Eisenhütte des Hörder Vereins mit Versuchen über die Verwendung der Hochofengase zur Krafterzeugung in Gasmaschinen. Im April 1898 Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 474; 1900, S. 382. kamen in Hörde eine Zwillings- gasmaschine von 600 Pferdestärken von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-Aktiengesellschaft in Dessau, nach dem Patent Oechelhäuser \& Junkers gebaut, in Betrieb, ferner zwei Zwillings- maschinen von 200 Pferdestärken und zwei ebensolche von 300 Pferde- stärken, zusammen von 1000 Pferdestärken, auf der Friedenshütte bei Morgenroth in Oberschlesien, eine Schöpfung des um die ober- schlesische Eisenindustrie hochverdienten Direktors Eduard Meier , der ihre Vollendung nicht mehr erlebte, da er am 8. Januar 1899 aus dem Leben schied. Es waren Viertaktmaschinen der Gasmotoren- fabrik Deutz bei Köln. Bald darauf entstanden noch verschiedene kleinere Anlagen zu Gutehoffnungshütte bei Oberhausen, zu Differ- dingen, zu Berge-Borbeck (Phönix). Die ersten grossen Gichtgas- maschinen wurden zur Erzeugung von Elektrizität verwendet. Deutsch- land hat in kurzer Zeit grosse Fortschritte auf dem wichtigen Gebiete der Gichtgas-Kraftmaschinen gemacht. Am 16. August 1899 starb in Heidelberg Robert Bunsen im Deutschland (mit Luxemburg). 89. Lebensjahre, dessen chemische Untersuchung der Hochofengase für die Verwendung derselben sowie für das Verständnis des Hoch- ofenprozesses grundlegend waren. Wie sehr die Leistung der deutschen Hochöfen zugenommen hatte, zeigt nachstehende Zusammenstellung der durchschnittlichen Tagesproduktion eines Hochofens der Ilseder Hütte: 1870 71611 kg 1880 109573 „ 1890 176345 kg 1899 204038 „ Der Eisengiesserei war durch den Stahlformguss ein gefähr- licher Konkurrent entstanden, dennoch nahm die Gusswarenerzeugung infolge des wirtschaftlichen Aufschwunges und des Wachstums der Industrie in den neunziger Jahren stetig zu. Sie betrug 1890 1060196 Tonnen, 1899 1769101 Tonnen, die Zunahme betrug dem- nach fast 67 Prozent. Von den Fortschritten auf mechanischem Gebiete sind hervor- zuheben die Verbesserungen und die allgemeine Verwendung der Formmaschinen, wobei namentlich die Verwendung des Wasserdrucks von Wichtigkeit war. Von den zahlreichen Erfindern und Erbauern sind besonders die Badische Maschinenfabrik in Durlach vormals Sebold \& Neff und Bopp \& Reuter in Mannheim zu nennen. 1892 wurde das Grusonwerk, das 1855 von Hermann Gruson zu Buckau bei Magdeburg begonnen und durch seinen vorzüglichen Hartguss zu grossartiger Entfaltung gelangt war, mit den Werken von Friedrich Krupp vereinigt. Am 31. Januar 1895 verstarb der hochverdiente Gründer des Werkes. In demselben Jahre verschied hochbetagt Eduard Schott zu Ilsenburg, der sich um den Kleinguss, besonders den Kunstguss, sehr verdient gemacht hatte. 1897 fand gelegentlich der Jahresversammlung des Vereins deutscher Eisengiessereien in Goslar eine Ausstellung statt, wobei die wichtigsten Neuheiten vorgeführt wurden, darunter ein Hoch- druck-Kapselgebläse von Jäger und ein neues Schraubengebläse von Krigar \& Ihssen , Formmaschinen von der Badischen Maschinen- fabrik in Durlach, von S. Oppenheim in Hainholz u. s. w., ein hydraulisches Hebezeug von Klein, Schanzlin \& Becker in Franken- thal u. a. m. 1897 liess sich die Badische Maschinenfabrik auch einen besonders für Giessereien geeigneten hydraulischen Masselbrecher Ledebur , Der Giessereibetrieb am Ende des 19. Jahrhunderts, S. 5, Fig. 1. Sonderabdruck aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. 43. patentieren. Deutschland (mit Luxemburg). Der Wert der chemischen Analyse und der Kenntnis der Zu- sammensetzung des Roheisens wurde auch in der Giesserei immer mehr gewürdigt, und Giessereiroheisen wird jetzt bereits mehr auf Grund der Analysen als nach dem Bruchansehen gekauft Wir verweisen hinsichtlich der Fortschritte der Giesserei auf die vor- genannte vortreffliche Abhandlung von A. Ledebur , ausserdem auf eine Zusammen- stellung von W. Kirchner , Fortschritte in der Giessereipraxis. . Die Schweisseisenerzeugung hat seit 1890 durch die Kon- kurrenz des weichen Flusseisens von den basischen Prozessen eine Abnahme erfahren; über technische Fortschritte ist nichts Wich- tiges zu berichten. Am Schluss des Jahrhunderts bestanden in Deutschland folgende Puddelwerke: Deutschland (mit Luxemburg). Deutschland (mit Luxemburg). Das Flusseisen hatte sich die Herrschaft erobert und die Erzeugung desselben einen grossen Aufschwung genommen. Die deutsche Flusseisenproduktion in Blöcken betrug (nach Rentzsch ) 1890 2232099 Tonnen, 1899 6290434 Tonnen, war also um 282 Pro- zent gewachsen. Der Zuwachs entfällt ganz auf das basische Material, das 1896 88,9 Prozent ausmachte. Es wurden nämlich erzeugt 351500 Tonnen = 7,3 Prozent saures und 3004600 = 62,2 Prozent basisches Konvertereisen, 184100 Tonnen = 3,8 Prozent saures und 1293709 Tonnen = 26,7 Prozent basisches Herdflusseisen. Die technischen Fortschritte beruhten zum Teil auf verbesserten Betriebseinrichtungen, zumeist aber auf Verbesserungen der Bearbei- tungsmaschinen. Die Kleinbessemerei hatte in Deutschland wenig Ver- breitung gefunden. Die zwei Clapp-Griffith-Konverter auf dem Blechwalzwerk Rasselstein bei Neuwied sind neuerdings auch durch Siemens-Martin-Öfen verdrängt worden. Vielmehr ging das Streben dahin, die Konverter zu vergrössern, namentlich für den Thomas- prozess . 1893 hatten die nachfolgend angeführten Werke Nach G. Hilgenstock , Stahl und Eisen 1893, S. 453. den Thomas- prozess eingeführt: Deutschland (mit Luxemburg). 1896 waren (nach Schrödter und Rentzsch ) in Deutschland von Konvertern vorhanden: Mit saurem Futter 2 zu 0,65 Tonnen 19 „ 6 „ 4 „ 7,5 „ 7 „ 8 „ 32 Mit basischem Futter 6 zu 5 bis 5,5 Tonnen 9 „ 9 „ 8 „ 26 „ 10 „ 12 „ 23 „ 12,5 „ 15 „ 6 „ 15 „ 20 „ 70 Von den Birnen mit saurem Futter entfiel der grösste Teil auf das Krupps che Gussstahlwerk in Essen, dem ein vorzügliches Bessemerroheisen zur Verfügung stand und das deshalb an dem sauren Verfahren festhielt. — Die Einführung der Roheisenmischer trug zur Verbesserung der Qualität und zur Erhöhung der Produktion bei. Der Herdflussstahlprozess erlangte in den neunziger Jahren eine wachsende Bedeutung, und das weiche basische Herdflusseisen fand immer mehr Verwendung. Der Herdprozess hat den Vorzug, dass er sich besser dem Bedürfnis anpassen lässt, sowohl in Bezug auf den Umfang der Erzeugung als auf die Qualität. Auch ist er für den Stahlformguss sehr geeignet. Bei dem Herdprozess hat eben- falls das basische Verfahren das saure überflügelt. 1895 stellte die Aktiengesellschaft Lauchhammer eine selbst erbaute elektrische Chargiermaschine nach Welmans chem Sy- steme auf. Deutschland (mit Luxemburg). 1896 wurde bereits mehr als die siebenfache Menge auf basischen Herden erzeugt. Von Formguss wurden 1894 47800 Tonnen, 1896 bereits 65300 Tonnen in 32 Werken hergestellt. Es betrug 1896 die Zahl der Herdöfen: Bei dem Herdprozess sind Fortschritte bei den Öfen und dem Betriebe zu verzeichnen. F. Schönwalders verbesserter Martinofen (D. R. P. Nr. 55707 und 64235) wurde 1891 patentiert und be- währte sich gut auf der Friedenshütte in Schlesien. Ebenso wurde das Kohlungsverfahren von J. Meier in Düdelingen mit Erfolg an- gewendet. Am 20. Juli 1897 starb Alexander Thielen , der um die deutsche Eisenindustrie hochverdiente Direktor der Phönixwerke. 1897 war in Westfalen der saure Prozess nur noch bei Krupp in Essen in Ausübung, doch hatte man auch hier bereits Siemens- Martin-Öfen mit basischen Herden. Das basische Verfahren erlaubte einen noch höheren Zusatz von Eisenabfällen bis zu 90 gegen 85 Pro- zent. Die Gutehoffnungshütte bei Oberhausen erzielte eine Be- schleunigung, sechs Chargen gegen fünf im Tage, durch den Zusatz heisser Abfälle. Die 20-Tonnen-Öfen von Hösch in Dortmund waren nur 7,5 m lang und 3,23 m breit, während die 15-Tonnen-Öfen der Rheinischen Stahlwerke 11 m lang und 4,5 m breit waren. 1897 zog der Bertrand-Thiel-Prozess, wobei Vorfrischen und Garen in zwei oder selbst drei Flammöfen in getrennten Operationen vorgenommen wurden, die Aufmerksamkeit auf sich. In der Her- stellung von Nickelstahl zeichnete sich besonders die Gussstahlfabrik von Friedrich Krupp in Essen aus. Die Fortschritte der Bearbeitung von Eisen und Stahl waren in den neunziger Jahren sehr bedeutend. Zunächst verdient die zu- nehmende Verwendung des Wasserdruckes hervorgehoben zu werden. Hydraulische Schmiedepressen ersetzten vielfach die Dampfhämmer. Diese wurden seit Anfang der neunziger Jahre in Deutschland gebaut und zwar in vorzüglicher Weise. Hierum machten sich verdient die Märkische Maschinenbau-Gesellschaft in Wetter (Direktor Trappen ) Beck, Geschichte des Eisens. 65 Deutschland (mit Luxemburg). 1890, die Duisburger Maschinenbau-Aktiengesellschaft 1891, der Bochumer Verein für Bergbau und Gussstahlfabrikation, der 1891 eine Presse von 4000 Tonnen Druck nach dem Patent von Fritz Baare (D. R. P. Nr. 45323) für den eigenen Gebrauch baute. R. M. Daelen und Haniel \& Lueg in Düsseldorf liessen sich ebenfalls Schmiedepressen patentieren. Besonders Hervorragendes leistete die Firma L. W. Breuer, Schumacher \& Co ., deren Schmiederpressen einen grossen Ruf erlangten und auch vom Auslande bezogen wurden. Ebenso wurden zu Anfang der neunziger Jahre verschiedene Verbesserungen an Walzwerken patentiert. Mannesmann walzte 1892 aus nach seinem Schrägwalzverfahren hergestellten Röhren hohle Eisenbahnschienen. Bicheroux erfand 1892 ein eigenartiges Walz- werk für breitfüssiges Formeisen. Was die deutsche Eisenindustrie leistete, kam bei der Welt- ausstellung zu Chicago 1893 zur Anschauung, besonders durch die vorzügliche Ausstellung von Krupp in Essen, wodurch Friedrich Alfred von Krupp den Beweis lieferte, dass er ein würdiger Nach- folger seines am 14. Juli 1887 verstorbenen grossen Vaters Alfred Krupp geworden ist. Die Krupps chen Werke waren seitdem nicht zurückgegangen, sondern noch bedeutend gewachsen. 1892 be- schäftigte die Firma 25310 Arbeiter, davon 16956 in dem Guss- stahlwerke zu Essen; in den Werken befanden sich 1500 Öfen aller Art, 22 Walzenstrassen, 111 Dampfhämmer, 4 grosse Schmiedepressen, 3000 Werkzeugmaschinen. Die 4200 Tonnen Steinkohlen, welche die Werke verbrauchten, wurden grösstenteils aus eigenen Gruben ge- fördert, ebenso Thon, Sand, Steine und ein grosser Teil der Erze. Für den Transport der spanischen Erze dienten vier grosse eigene Dampfer Ein neuerer Bericht über den Umfang der Gussstahlfabrik von Friedrich Krupp findet sich in dem Jahresberichte der Essener Handelskammer 1900, ein Auszug in Stahl und Eisen 1900, S. 926. . — Die Ausstellung Krupps in Chicago war in einem eigenen, geschmackvollen Pavillon Stahl und Eisen 1893, S. 361. untergebracht. Die Vorführung von Kriegsmaterial, Geschützen, Panzerlafetten u. s. w., war unerreicht. Das Rohr des 42 cm-Geschützes war 14 m lang und wog 122400 kg; es war aus bestem Tiegelgussstahl hergestellt. Die Schussweite betrug 8850 m. Letztere wurde noch übertroffen von einer 28 cm-Küsten- kanone, die bei Versuchen in Meppen bei 45° Elevation eine Schuss- weite von 20300 m erzielt hatte. Auch die gewaltigen Panzerplatten Deutschland (mit Luxemburg). von gehärtetem Nickelstahl, worunter eine von 8,27 m Länge, 3,13 m Breite und 310 mm Dicke, aus einem Block von 75000 kg gewalzt, müssen zu dem Kriegsmaterial gerechnet werden. Mannigfaltiger noch waren die Vorführungen der Leistungen Krupps für Arbeiten des Friedens: Eisenbahnmaterial jeder Art, Stahlformguss, darunter ein Radkranz mit Winkelzähnen, aus einem Stück gegossen von 4200 mm Durchmesser, 1000 mm Breite und 20200 kg Gewicht, sodann bewundernswerte Schmiedestücke aus Guss- und Martinstahl. Aus letzterem eine Kurbelwelle mit drei Kurbelzapfen, sechs Kurbelblättern und sechs Kurbelzapfen im Gewicht von 105000 kg und eine hohle Gussstahlwelle, hergestellt aus einem Tiegelstahlblock von 1,25 m Durchmesser und 2,7 m Länge, ausgeschmiedet auf 300 mm äusseren Durchmesser, abgedreht und auf die ganze Länge mit einer Bohrung von 110 mm versehen. — Von sonstigen deutschen Ausstellungen der Eisenbranche sind die von Stumm in Neunkirchen und die von Mannstädt , der schon gewalztes Ziereisen vorführte, hervor- zuheben. 1894 am 27. April starb Richard Mannesmann Über die Entwickelung der Mannesmann-Werke für Stahl und Eisen 1898, S. 103, 144, 201. , der die Feilenindustrie Remscheids zu hohem Ansehen gebracht hatte, und dessen Namen durch das Schrägwalzverfahren wohlbekannt geworden war. Erwähnenswert sind in diesem Jahre das in Creuzthal ein- geführte Blankglühverfahren des Drahtes durch Elektrizität von H. A. und W. Dresler (D. R. P. Nr. 77986), sodann 1895 die Er- bauung des verbesserten Trägerwalzwerks zu Peine durch die Duis- burger Maschinenbau-Aktiengesellschaft A. a. O. 1896, S. 595. , und des Blockwalzwerks der Dortmunder Union durch Gebr. Klein in Dahlbruch, 1896 eine hydraulische Blechschere mit Selbststeuerung und verstellbarem Messer- hub des Oberbilker Walzwerks von der Duisburger Maschinenbau- Aktiengesellschaft A. a. O. 1896, S. 405. und von derselben ein Trio-Universalwalzwerk bis zu 800 mm Breite, dann eine Schmiedepresse mit auswechselbarem Werkzeug von H. Ehrhardt . Ferner sind aus dieser Zeit zahlreiche Verbesserungen bei der Drahtfabrikation zu erwähnen: Die Draht- haspel von Otto Frank , von L. W. und F. H. Hanne , von W. Eden- born , die Drahtziehmaschinen von Carl Bremicker , der Drahtzug von Carl Berkenhoff . Der deutsche Maschinenbau war überhaupt 65* Deutschland (mit Luxemburg). zu hoher Blüte gelangt, was auch in dem wachsenden Export zum Ausdruck kam. Reinhard und Max Mannesmann liessen sich 1896 ein Walz- werk für schrittweises Walzen von Röhren und anderen Hohlkörpern (Pilgerschritt-Walzwerk, D. R. P. Nr. 88414) patentieren. Am 21. März 1897 starb Toussaint Bicheroux und am 17. Mai L. Baare , der das Bochumer Gussstahlwerk zu hoher Blüte gebracht hatte — beide um die deutsche Eisenindustrie verdiente Männer. Zur Verbesserung der Qualität trug die sorgfältige Material- prüfung wesentlich bei. Hierfür wirkten die staatlichen Prüfungs- anstalten zu Berlin-Charlottenburg, München und Zürich, und die Vereine, wie der Verein deutscher Eisenhüttenleute, der Verein deutscher Ingenieure, der Deutsche Architekten- und Ingenieurverein, und besonders Männer wie Bauschinger, Wedding, Martens, Tetmayer u. a. Am 22. Oktober 1892 nahmen die vorgenannten Vereine Normalbedingungen für die Lieferung von Eisenkonstruktionen für Brücken- und Hochbau an. Von Wichtigkeit war die chargenweise Probenahme, sowohl beim Thomas- wie beim Martinprozess. Hierfür hatte unter anderen G. Mehrtens eifrig gewirkt. 1897 erschien auf Veranlassung der oben genannten Vereine ein deutsches Normalprobe- buch, herausgegeben von den Professoren der technischen Hochschule in Aachen, Heinzerling und Intze , und dem Direktor des Eisenwerkes Rote Erde bei Aachen, F. Kintzlé . Durch die Materialprüfung waren die Vorurteile gegen das Flusseisen nach und nach beseitigt worden, und es haben hierzu Tet- mayer und Mehrtens Stahl und Eisen 1887, S. 449. wesentlich beigetragen. Im Brückenbau wie im Schiffsbau, welche beide Industrieen sich grossartig entfalteten, wurde weiches Flusseisen sowohl vom Thomas- als auch vom Siemens- Martin-Prozess zugelassen und in immer zunehmenden Mengen ver- wendet. Überhaupt nahm die Benutzung des Eisens und namentlich die des Flusseisens von Jahr zu Jahr zu. Von den zahlreichen Brückenbauten neuester Zeit nennen wir die Rheinbrücken bei Bonn, Düsseldorf und Worms und die kühne Bogenbrücke bei Müngsten, die beiden letztgenannten von Rieppel in Nürnberg entworfen und von der Nürnberger Maschinenbau-Anstalt ausgeführt. Am 30. Juli 1898 starb Fürst Bismarck , der grosse Staatsmann, Deutschland (mit Luxemburg). der Gründer des neuen Deutschen Reiches, dem die deutsche Eisen- industrie so viel verdankt. Eine der schönsten Früchte des Zu- sammenwirkens des grossen Kanzlers und des edelgesinnten deut- schen Kaisers Wilhelm I. waren die Arbeiterschutzgesetze: das Unfallversicherungsgesetz, das Krankenversicherungsgesetz und das Invaliden- und Altersversicherungsgesetz, deren Segen die Last, die es der deutschen Industrie auferlegt, bei weitem aufhebt und die Muster und Beispiel für andere Nationen geworden sind. Überhaupt gereicht das Streben nach Fürsorge für die Arbeiter und die Schaffung von Wohlfahrtseinrichtungen für diese zu besonderem Ruhme und keiner hat dies in grossartigerer und vielseitigerer Weise bethätigt als der Gussstahlfabrikant Krupp in Essen. Fürst Bismarck hat auch den Grund zu Deutschlands Kolonial- politik gelegt. Diese in Verbindung mit dem mächtigen Aufblühen des Seehandels führte zu einem Aufschwunge des deutschen Schiffs- baues, welcher der Eisenindustrie zu grossem Nutzen gereichte. Friedrich Krupp in Essen erwarb 1897 die Germaniawerft bei Kiel und baute sie zu einer grossartigen Schiffsbau-Anstalt für grosse Panzerschiffe aus. Am 1. Juni 1899 lief das mächtige deutsche Kriegsschiff „Kaiser Wilhelm der Grosse“ mit einer Panzerung aus Nickelstahl von unübertroffener Stärke vom Stapel, ausserdem lag der russische Kreuzer „Askold“ auf Stapel. Aber auch die übrigen deut- schen Schiffswerften, besonders Vulkan bei Stettin, Blom \& Voss in Hamburg, Schichau in Elbing und Danzig waren für In- und Aus- land reichlich beschäftigt. Meisterwerke in Material und Ausführung sind die Nickelstahl- Kurbelwellen, welche Friedrich Krupp für die riesigen Schnell- dampfer der Hamburg-Amerika-Linie in den letzten Jahren geliefert hat Stahl und Eisen 1899, S. 724. . Die des Schnelldampfers „Deutschland“ ist 18,05 m lang, 640 mm dick und wiegt 101500 kg. Der Stahl hat 60 kg/qmm Festig- keit und 20 Prozent Dehnung. Überhaupt hat die Gussstahl- und die Flusseisenfabrikation Deutschlands sich glänzend entwickelt. Nach E. Schrödter Gemeinfassliche Darstellung des Eisenhüttenwesens. 4. Auflage 1901, S. 136 bis 141. standen Ende des Jahrhunderts die nachverzeichneten Werke in Betrieb. Deutschland (mit Luxemburg). I. Liste der deutschen und luxemburgischen Flusseisenwerke mit Walzwerken . Deutschland (mit Luxemburg). Deutschland (mit Luxemburg). II. Liste der deutschen Stahl-Formgusswerke . Deutschland (mit Luxemburg). Deutschland (mit Luxemburg). Zahlengeschichte für das Deutsche Reich und Luxemburg seit 1870. Steinkohlenförderung in Kilotonnen (= 1000000 kg). Steinkohlenförderung 1881 in Deutschland . Preussen 43781 Kilotonnen Bayern 520 „ Sachsen 3717 „ Übrige Staaten 800 „ Zusammen 48818 Kilotonnen Steinkohlenförderung in Preussen in Kilotonnen . Deutschland (mit Luxemburg). Kokserzeugung in den deutschen Steinkohlenbecken in Tonnen . Ein- und Ausfuhr von Steinkohlen in Tonnen . Eisenerzförderung in Deutschland in Kilotonnen . 1871 4368 1873 4846 1875 4730 1878 5462 1880 7288 1882 8757 1884 9005 1885 9157 1886 8486 1887 9351 1888 10665 1889 11002 1890 11406 1891 10658 1892 11539 1893 11458 1894 12392 1895 12350 1896 14162 1897 15466 1898 1898: 550 Betriebe, 38320 Arbeiter; 1899: 565 Betriebe, 40917 Arbeiter; 1900: 575 Betriebe, 43803 Arbeiter. 15901 1899 1898: 550 Betriebe, 38320 Arbeiter; 1899: 565 Betriebe, 40917 Arbeiter; 1900: 575 Betriebe, 43803 Arbeiter. 17990 1900 1898: 550 Betriebe, 38320 Arbeiter; 1899: 565 Betriebe, 40917 Arbeiter; 1900: 575 Betriebe, 43803 Arbeiter. 18964 Eisenerzförderung nach Staaten in Kilotonnen . Deutschland (mit Luxemburg). Anteil der wichtigsten Gebiete an der Förderung in Prozenten . Anteil an der Förderung in Tonnen . Eisenerzförderung nach Sorten 1878 . Brauneisenstein 3730660 Tonnen Roteisenstein 740918 „ Magneteisenstein 73 „ Spateisenstein 830198 „ Kohleneisenstein 155252 „ 5457101 Tonnen Eisenerzeinfuhr . 1878 321342 Tonnen 1888 1163373 „ 1898 3516577 „ 1899 4165000 „ (20 Proz. des Bedarfs) Eisenerzausfuhr . 1888 2211820 Tonnen 1898 2933734 „ Deutschland (mit Luxemburg). Deutschlands überseeische Eisenerzeinfuhr nach den Herkunftsländern Stahl und Eisen 1901, S. 411. in Tonnen . Gesamte überseeische Einfuhr von Eisen- und Manganerzen nach den Einfuhrhäfen in Tonnen . Roheisenproduktion, Öfen und Arbeiter . Deutschland (mit Luxemburg). Eisenerzförderung und Hochofenerzeugung von 1871 bis 1900 (nach Dr. Rentzsch) . Deutschland (mit Luxemburg). Hochofenproduktion nach dem Brennmaterial in Tonnen . Roheisenerzeugung Ohne Gusswaren I. Schmelzung. nach Sorten in Tonnen . Deutschland (mit Luxemburg). Konverterroheisen . Deutschland (mit Luxemburg). Geographische Verteilung der Roheisenerzeugung in Deutschland in Tonnen . Verteilung der deutschen Roheisenerzeugung nach Sorten und Bezirken in Tonnen . a) Nordwestliche Gruppe : Beck, Geschichte des Eisens. 66 Deutschland (mit Luxemburg). b) Ostdeutsche Gruppe : Deutschland (mit Luxemburg). e) Süddeutsche Gruppe : Geographische Verteilung der Roheisenerzeugung seit 1897. 66* Deutschland (mit Luxemburg). Verteilung der deutschen Roheisenerzeugung nach Sorten und Bezirken seit 1897. Deutschland (mit Luxemburg). Fabrikate aus Roheisen in Tonnen (nach Dr. Rentzsch) . Deutschland (mit Luxemburg). Deutschland (mit Luxemburg). Deutschland (mit Luxemburg). Deutschland (mit Luxemburg). Insgesamt die zum Verkauf hergestellten Artikel dem Werte nach in Mark . Eisengiesserei . Gusswarenerzeugung in Tonnen . Deutschland (mit Luxemburg). Gusswarenerzeugung II. Schmelzung in Tonnen . Deutschland (mit Luxemburg). Übersicht über die Erzeugung von Giesserei-Roheisen und Gusswaren, sowie die Einfuhr von Roheisen . Deutschland (mit Luxemburg). Eisengiesserei (Gusswaren II. Schmelzung) nach Dr. Rentzsch . Erzeugungsmengen von gusseisernen Röhren Nach der amtlichen Statistik. . Deutschland (mit Luxemburg). Schweisseisen und Schweissstahl . Deutschland (mit Luxemburg). Schweisseisen und Schweissstahl 1886 bis 1887 in Preussen . Erzeugung von wichtigen Schweisseisen- und Stahl und Eisen 1897, S. 339, aus den Nachweisungen des statistischen Amtes. Deutschland (mit Luxemburg). Schweisseisen und Schweissstahl 1886 bis 1887 in den einzelnen Ländern . Flusseisenfabrikaten 1871 bis 1896 in Metertonnen Deutschland (mit Luxemburg). Flusseisen und Flussstahl (nach Dr. Rentzsch) . Deutschland (mit Luxemburg). Flusseisenerzeugung nach Sorten in Tonnen . Übersicht der Flusseisenerzeugung 1896. Beck, Geschichte des Eisens. 67 Deutschland (mit Luxemburg). Übersicht der Flusseisenerzeugung 1900 in Tonnen (nach Dr. H. Rentzsch) . Beschäftigte Arbeitskräfte . Deutschland (mit Luxemburg). Deutsches Zollgebiet . Ein- und Ausfuhr von Eisenerzen, Eisen und den wichtigsten Eisenwaren . I. Einfuhr in Tonnen . 67* Deutschland (mit Luxemburg). II. Ausfuhr in Tonnen . (Fortsetzung von voriger Seite.) Maschinen, Fahrzeuge, Instrumente . Ein- und Ausfuhr in Millionen Mark . Deutschland (mit Luxemburg). Ein- und Ausfuhr von Eisen- und Stahlwaren (andere Gruppierung) in Tonnen . Deutschland (mit Luxemburg). Ein- und Ausfuhr von Eisenerzen, Eisen- und Stahl- waren von und nach Ländern in Tonnen . Eisenerze . Roheisen . Deutschland (mit Luxemburg). Ein- und Ausfuhr von Eisen- und Stahlwaren in Tonnen nach Ländern geordnet . Deutschland (mit Luxemburg). Roheisenerzeugung und Verbrauch seit 1871 (auf Grund der Berechnungen von Dr. Rentzsch ). Preise pro Tonne in Mark . Deutschland (mit Luxemburg). Preise pro Tonne in Mark . Preussen. Preussen. — Erzeugung in Tonnen . Einfuhr . Ausfuhr . Preussen. Ausländische Erze verschmolzen . 1872 59661 Tonnen 1873 106196 „ 1876 90931 Tonnen 1880 496796 „ Zahl der Hochofenhütten und der Hüttenarbeiter . Zahl der Eisenwerke Auch mit gemischtem Betriebe. . Preussen. Hochofenproduktion in Tonnen . Preussen. Hochofenproduktion in Tonnen . Preussen. Hochofenproduktion in den Oberbergämtern in Tonnen . Zahl der Hochöfen . Hochofenerzeugnisse in Tonnen . Massel und Gusswaren 4882586 Tonnen Bruch- und Wascheisen 9472 „ Zusammen 4892058 Tonnen Preussen. Roheisenverbrauch in Tonnen . Preussen. Roheisenverbrauch in Tonnen . Preussen. Gusswarenerzeugung in Tonnen . 1879. Zahl der Werke 622 Arbeiter 20558 Kupolöfen (in Betrieb) 864 Flammöfen 85 Andere Öfen 160 Verschmolzen wurden: Centner Inländisches Roheisen 1677493 Zollausländisches Roheisen 3257568 Inländisches Brucheisen 1888180 Ausländisches Brucheisen 209042 Zusammen 7032283 Erzeugt wurden: Centner Maschinenteile 2724678 Geschirrguss (Poterie) 508887 Röhren 910173 Hartguss 174376 Temperguss 34906 Sonstiger Guss 1739215 Zusammen 6092235 Beck, Geschichte des Eisens. 68 Preussen. Roheisenerzeugung in den Oberbergamtsbezirken . Schweisseisenproduktion . Preussen. 1879. Zahl der Werke 277 Arbeiter 40070 Öfen in Betrieb: Frischfeuer 140 Puddelöfen: feststehende 1348 rotierende 9 Schweissöfen 836 Wärm- und Glühöfen 357 Cementstahlöfen 7 Verarbeitet wurden: 1881. Verarbeitetes Eisenmaterial: Schweisseisen und Schweissstahl . 1871 974119 1872 975286 1873 968192 Verarbeitetes Roheisen: 1879 zollinländisch 1213166 zollausländisch 3681 Erzeugt: 1879 Fertige Eisenfabrikate 951512 Rohluppen 16680 1874 1089124 1875 965260 1876 779555 1877 866063 1878 975136 1879 Hiervon Puddeleisen 768252 Tonnen. 1008020 1880 1096478 1881 1159104 1882 1310749 1886 1171225 1887 1327445 68* Preussen. Oberbergamtsbezirk: 1880 Breslau 261675 Halle 17742 Clausthal 12258 Dortmund 509692 Bonn 454993 1256360 Schweisseisen (Schmiedeeisen, Frisch-, Puddel- und Cementstahl) in Preussen 1880. Zahl der Werke 262 Zahl der Arbeiter 40820 Frischfeuer im Betrieb 109 Puddelöfen „ „ 1405 Schweissöfen „ „ 690 Wärm- und Glühöfen im Betrieb 378 Cementstahlöfen „ „ 3 Andere Öfen u. Feuer „ „ 251 Preussen. Verarbeitetes Eisenmaterial: Tonnen Frischroheisen 1340813 Gekaufte Rohluppen und Rohschienen 56921 Gekaufte Abfälle und Alteisen 106915 Dargestellt überhaupt: in Frischfeuer 15664 „ Puddelöfen 1184775 „ anderen Apparaten 55921 Zusammen 1256360 Fabrikate aus Schweisseisen: a) Rohluppen und Rohschienen zum Verkauf 62071 b) Cementstahl zum Verkauf 245 Fertige Eisenfabrikate: Eisenbahnschienen 11720 Schienenbefestigungsteile 7434 Eisenbahnräder 3118 Radreifen 4429 Bahnschwellen 28940 Schwellenbefestigungsteile 1342 Gewöhnliches Handelseisen 290762 Feineisen 111968 Grobes Baueisen 43402 Profileisen zu Brücken, Schiffen u. s. w. 93102 Andere Schmiedestücke 7928 Maschinenteile 1087 Platten und Kesselbleche 107357 Schwarzblech und Platten über 1 bis 5 mm dick 47251 Feinblech bis 1 mm dick 30558 Weissblech 7636 Draht 208522 Röhren 5166 Andere verkäufliche Eisensorten 22440 Zusammen Fertige Eisenfabrikate 1034162 Insgesamt Eisenfabrikate 1096478 (Stahl-) Flusseisen . Flusseisen und Flussstahl . Preussen. An Stahlfabrikaten wurden dargestellt : Flusseisen in Preussen 1880. Zahl der Werke 41 Zahl der Arbeiter 19672 Öfen in Betrieb: Bessemerbirnen 35 Flamm-Flussöfen 29 Tiegelöfen zur Erzeugung von Flusseisen 13 Tiegelöfen zum Umschmelzen (Gussstahlöfen) 100 Kupolöfen 68 Flammöfen 2 Ausheizöfen 3 Wärm- und Glühöfen 338 Andere Öfen 35 Preussen. Verwendetes Eisenmaterial: Für Flusseisen einschl. des für Tiegelgussstahl verwendeten eigenen Stahls: Tonnen Roheisen 531159 Spiegeleisen 51397 Ferromangan 3341 Gekauftes Schweisseisen 4397 „ Flusseisen 17118 „ Alteisen und Abfälle 138837 Für die Herstellung von Tiegelgussstahl: Gekaufter Stahl 6069 Herdfrischstahl 33 Zuschläge von Eisen u. s. w. 5893 Zusammen 858244 Dargestellt: in Bessemerbirnen 617637 „ Flammöfen 89370 „ anderen Apparaten 3359 Flusseisen einschl. des für Tiegelstahl verarbeiteten 710366 Davon zu Tiegelgussstahl verarbeitet 1500 Tiegelgussstahl aus eigenem und gekauftem Material 28854 Zusammen Flusseisen und Tiegelgussstahl 734720 Aus Flusseisen hergestellt: Rohstahlluppen und Rohschienen zum Verkauf 28356 Tiegelgussstahl zum Verkauf 7467 Eisenbahnschienen 394528 Schienenbefestigungsteile 16664 Eisenbahnachsen 12719 Eisenbahnräder 20844 Radreifen 27497 Eiserne Bahnschwellen 24944 Schwellenbefestigungsteile 106 Gewöhnliches Handelseisen 6078 Feineisen 2382 Profileisen für Brücken u. s. w. 1441 Maschinenteile 5606 Geschütze und Geschosse 10363 Werkzeuge und Schmiedestücke 377 Blöcke und Brammen 20040 Platten und Bleche über 1 mm dick 3693 Feinbleche 33 Draht 10800 Stahl- und Fassonguss 150 Andere verkäufliche Eisensorten 34332 Zusammen Fertige Flusseisenfabrikate 598597 Insgesamt Verkäufliches Flusseisen 634420 Bayern. — Sachsen. — Hessen. Königreich Bayern Einteilung in vier Bergämter: München, Regensburg, Bayreuth, Zwei- brücken. . Erzeugung in Tonnen . 16 Hochöfen 40 Giessereien 27 Hammer u. Walzwerke 2 Stahlwerke 903 Bergarbeiter 4985 Hüttenarbeiter Königreich Sachsen . Grossherzogtum Hessen . Luxemburg. Luxemburg . Eisenerze . Wert: 1898 11147349 Mark, 1899 12989818 Mark. Roheisenerzeugung . Wert: 1898 41970780 Mark, 1899 44592255 Mark. Luxemburg. Roheisenerzeugung nach Sorten : Lothringen. Lothringen . Förderung und Erzeugung in Tonnen . Wert in Mark . Wert einer Tonne Roheisen . 1872 100,66 1876 40,33 1880 41,31 1883 40,73 1886 29,02 1887 31,87 Frankreich. Frankreich . Trotz der Niederlagen in den Jahren 1870 und 1871 hat Frankreich seine hervorragende Stellung unter den Eisen erzeugenden Ländern behauptet. Durch den deutsch-französischen Krieg verlor es die mit Eisenerzen gesegneten Provinzen Elsass und Lothringen. Dass es aber Frankreich gelang, diesen Ausfall in wenig Jahren zu über- winden, wie aus den nachfolgenden Zahlen hervorgeht, ist ein glänzendes Zeugnis für seine Lebenskraft. Roheisenerzeugung Frankreichs 1869 bis 1874. 1869 1381965 Tonnen 1870 1178114 „ 1871 859641 „ 1872 1217878 Tonnen 1873 1366971 „ 1874 1402122 „ In der Weltproduktion war Frankreich ja schon vor 1870 auf die vierte Stelle gerückt, indem es ausser von Grossbritannien von den Vereinigten Staaten und von Deutschland überflügelt worden war. Diesen vierten Platz hat es aber seitdem erfolgreich behauptet. In der Wissenschaft der Metallurgie hat Frankreich immer eine hervor- ragende Stellung eingenommen und dies auch seit 1870 bethätigt. Frankreich muss zwar Steinkohlen und Eisenerze einführen, aber es deckt dadurch nicht nur seinen Bedarf, sondern führt noch einen erheblichen Überschuss von Eisen- und Stahlfabrikaten aus. Die Einfuhr von Eisenerzen aus Algier, Spanien, Italien, Griechen- land und Deutschland betrug im Jahre 1897 2137860 Tonnen, die Ausfuhr 289694 Tonnen, die Einfuhr von Eisen und Stahl 11173 Tonnen, die Ausfuhr 268463 Tonnen. Die Eisenerzgewinnung in Algier war sehr bedeutend geworden, besonders am Berge Mokta-el-Hamid bei Bona und neuerdings zu Rar-el-Maden Stahl und Eisen 1899, S. 669. . 1872 wurden 7823720 Centner ausgeführt, zumeist nach Frankreich, wo sie namentlich zu Creusot und den Hütten an der Loire zu Bessemerroheisen verschmolzen wurden. In Algier selbst gab es nur ein namhaftes Hüttenwerk zu Alelik im Departement Constantine. Frankreich. Bezüglich der Fortschritte der französischen Eisenindustrie sind in chronologischer Folge nachfolgende Ereignisse zu erwähnen. 1870 wurde der Schutzzoll für Eisen erhöht, um französisches Puddeleisen gegen schwedisches Schweisseisen konkurrenzfähig zu erhalten. 1871 führte Bérard zu Givors ein neues Stahlschmelzverfahren, das einer Treibarbeit auf beweglichem, auswechselbarem Herde entsprach, ein. Es war dem Martinprozess ähnlich, nur wurde Gebläsewind auf das flüssige Eisenbad geblasen und später dem überblasenen Flusseisen Spiegeleisen zur Rückkohlung zugesetzt. Dieser Betrieb wurde von Whitney in England eingeführt. De Laglade baute 1871 zu Savignac einen Puddelofen mit Regenerator nach Plänen von W. Siemens , in dem gewaschene Hochofengase zur Verwendung kamen. Das Waschen der Gase geschah nach einem von Laglade erfundenen und patentierten Verfahren mit Wasserbrause. Dieser Gaspuddelprozess war wesentlich billiger als der vordem in Burgund übliche und Laglade erzielte damit an- geblich eine Ersparnis von 80 Frcs. für die Tonne. 1872 befürwortete der hervorragende Metallurge Gruner , dessen vortreffliche analytische Studien über den Hochofen 1871 erschienen waren, die Verwendung von gebranntem Kalk als Zuschlag beim Erz- schmelzen. — Valton schmolz in demselben Jahre Siliciumeisen mit 10 bis 12 Prozent Silicium in Tiegeln, während es M. A. Pourcel um dieselbe Zeit zu Terre-Noire gelang, Silico-Spiegeleisen im Hoch- ofen darzustellen. 1873 trat Ponsard mit seinem beständig wirkenden Regenerator, bei dem die Abhitze zur Erwärmung der Verbrennungsluft in zahl- reichen Kanälen verwendet wurde, auf. Unter den hervorragenden Betrieben jener Zeit verdienen die Bandagenfabrik von Petin \& Gaudet , die Röhrengiessereien zu Pont-à-Mousson und Frouard und die Spiegeleisenfabrikation zu Alais Erwähnung. Darmoys mechanisches Puddelverfahren wurde 1873 zu Riancourt eingeführt. Simon und Lemut hatten einen rotierenden Puddelofen konstruiert. Hochöfen nach dem System von Büttgenbach in Neuss wurden in Anzin, Givors, Lyon, St.-Louis bei Marseille und zu St.-Dizier erbaut. Auf der Hütte zu l’Aveyron erzeugte man 1873 ein Roheisen mit 6 bis 7 Prozent Silicium, das als Fonte glacée in den Handel kam; auch die Hütte St.-Louis bei Marseille erblies ein Roheisen mit etwa 4 Prozent Silicium. Frankreich. L. Troost und P. Hautefeuille untersuchten die aus dem flüssigen Roheisen und Flusseisen entweichenden Gase Comptes rendus 1873, XXVI, p. 482. und wiesen nach, dass Wasserstoff mehr absorbiert wird als Kohlenoxydgas. — Jordan veröffentlichte wichtige Studien über die Wärmeentwickelung im Bessemerkonverter. Zu Firminy wurden Säbelklingen aus einem Flussstahl, der 3 Prozent Wolfram enthielt, hergestellt, die an Güte den besten Damastklingen gleich kamen. In den Röhrengiessereien von Marquise, Pas de Calais und zu Pont-à-Mousson ( Haldy \& Röchling ) wurde Devaillys Form- maschine eingeführt. Das Stahlwerk zu Creusot, das sich immer grossartiger ent- wickelte, erzielte einen kontinuierlichen Betrieb seiner Konverter durch auswechselbare, vorgewärmte Böden Annales des mines 1873, Tome III, p. 105. . Hier wurde ferner ein 70 prozentiges Ferromangan in der Weise dargestellt, dass man Braun- stein mit Kohle gemischt in Roheisen, das in einem Siemensofen ein- geschmolzen war, eintrug. Petin \& Gaudet führten zu St.-Chamond Berg- und Hüttenmänn. Ztg. 1876, S. 22. den rotierenden geneigten Herd (Zellenofen) von Pernot ein, und man hoffte damit dem Bessemerprozess Konkurrenz machen zu können. Pernot , der Direktor der Werke von St.-Chamond, hatte daselbst 1868 ein gutes Universalwalzwerk erbaut. — Zu Terre-Noire schmolz 1874 A. Pourcel Ferromangan im Flammofen und erzielte durch Zusatz von diesem im Martinofen einen guten weichen Stahl. 1875 führte Voisin seinen ver- besserten Kupolofen ein, der auch ausserhalb Frankreichs Anklang fand. Gegen Mitte der siebziger Jahre fanden die steinernen Wind- erhitzer bei den Hochöfen allgemeine Verbreitung. Zu Longwy hatte man Whitwellapparate; zu Pont-à-Mousson Winderhitzer von Karcher \& Westermann; Dupont \& Fould und Adelsward bauten Cowper- apparate; zu Terre-Noire hatte man früher mit eisernen Pistolen- röhrenapparaten nur 375° C. Windtemperatur und eine Tagesproduk- tion von 37700 kg mit einem Koksverbrauch von 1466/1000 erzeugt, 1876 erzielte man (nach Dürre ) mit Cowperapparaten 600 bis 700° C. und eine Tageserzeugung von 51500 kg bei 950/1000 Koksverbrauch. Die verbesserten Gichtgasfänge von Coingt-Minary-Lespinats waren zu Maizières bei Metz, Neuves-Maisons bei Nancy und in Longwy, wo auch Minarys-Schlackenzerkleinerung durch Granulation im Wasser verwendet wurde, eingeführt. Frankreich. Ferromangan wurde damals zu Terre-Noire in der Weise dar- gestellt, dass gefälltes Manganoxyd von Chlorkalkfabriken mit ge- pulverten Moktaerzen und 15 Prozent Steinkohlenstaub gemengt zu Briketts geformt, in einem Four dormant (Glühofen) erhitzt und heiss in den Siemensofen eingetragen wurde. Beim Beginn des Schmelzens wurde etwas Spiegeleisen zugesetzt. Die Herstellungskosten von 50 prozentigem Ferromangan betrugen 800 bis 900 Frcs. für die Tonne, der Verkaufspreis 2000 Frcs. Stahl und Eisen 1890, S. 321. . 1874 begann man zu St.-Louis bei Marseille und zu Montluçon-Fourchambault Ferromangan im Hoch- ofen zu erblasen. 1875 ging auch Terre-Noire hierzu über. Espinasses Rührapparat war 1875 zu Firminy bei neun Puddelöfen erfolgreich in Anwendung. Menessiers Puddelofen mit schwingendem Cylinder, der 1874 patentiert worden war, befand sich 1876 auf dem Eisenwerke von Onzion in Betrieb. In diesem Jahre machte Gautier zu Terre-Noire Versuche, dichte Flussstahlblöcke durch Pressen, mit grösserem Erfolg aber durch Zusatz von Mangan- silicid zu erhalten. 1877 kam zu Creuzot der Riesendampfhammer von 70 Tonnen Fallgewicht und 5500 mm Hub, der Krupps 1000-Centner-Hammer um das Doppelte an Leistungsfähigkeit übertraf, in Betrieb. Zu Terre-Noire gewann man unter Pourcels Leitung Ferromangan im Hochofen. Man erzeugte 42 Tonnen von 74 bis 82 Prozent Mangan- gehalt mit Wind von 750° C. Hier führte man ferner statt der Siemens-Martin-Öfen Pernot-Öfen ein. Zu Maubenge im Departement du Nord wurde der Hamoirprozess, bei dem ein Vorfrischen des Roheisens durch Durchblasen heisser Luft im Tellerofen stattfand, versucht, doch erfüllte sich die Hoffnung, durch ihn mit Erfolg den Bessemerprozess zu ersetzen, nicht. — Seit 1877 schmolz Henry A. Brustlein Chromstahl (Ferrochrom) für Geschosse. In Unieux wurde seit 1878 von Holtzer \& Co. Chromstahl im grossen ver- wendet. 1878 fand die dritte Weltausstellung in Paris statt, welche einen guten Überblick der Fortschritte der französischen Eisenindustrie gewährte. Zunächst fiel dabei die bessere Qualität des Eisens auf, teils infolge der Verwendung reinerer fremder Erze, teils infolge besserer Frischverfahren. Die Extrasorten von Stahl und Stahllegierungen, worin Frankreich sich auszeichnete, haben wir bereits angeführt. Holtzer, Dorian \& Co. zu Unieux bei St.-Etienne und Terre-Noire stellten Frankreich. Chromstahl aus; letzteres solchen mit 25 bis 26 Prozent Chrom, sowie auch Manganeisensilicid. Terre-Noire führte auch „Phosphorstahl“ vor, der mehr Phosphor als Kohlenstoff enthielt und zur Schienen- fabrikation Verwendung fand. Von Fortschritten der Betriebsmittel sind zu nennen: die neuen Koksöfen nach Smets System zu Terre-Noire, die Vergrösserung der Hochöfen daselbst, wodurch eine Tagesproduktion von 50000 bis 60000 kg bei einem Koksverbrauch von 1 : 1 erzielt wurde. Einen „Musterofen“ hatte die Compagnie des chemins de fer d’Orléans aus- gestellt. Die neuen Hochöfen waren mit Blechmänteln oder Eisen- bändern bekleidet, die Parryschen Trichter mit Dupont \& Foulds Ver- teilungsring versehen. Der neue Hochofen zu Micheville, in dem gutes Giesserei-Roheisen aus Minetteerzen erblasen wurde, hatte 26 m Höhe und 6,75 m Weite im Kohlensack. Er war mit fünf Whitwellappa- raten ausgerüstet und erzeugte 60000 kg Roheisen den Tag. Für Eisen- und Stahlgiesserei war Piats transportabler Schmelz- ofen (D. R.-P. Nr. 152 von 1877) von Wichtigkeit. Die Hütte von Angleur hatte schönen Stahlguss vorgeführt. Für den Puddelbetrieb dienten Schneiders Puddelöfen mit besonderer Vorrichtung zum Teilen der Luppen, sodann Casson- Darmoys Puddelöfen auf Kugeln beweglich mit Siemens-Gasfeuerung. Lemuts Ofen (1876) war ausser mit mechanischem Puddler mit einer Zuführung von stark erwärmter Luft und Wasserdampf unter dem Rost versehen. Der mechanische Puddler von Epinasse war ebenfalls ausgestellt. Ponsards Forno-Convertisseur war eine Neu- heit, von der behauptet wurde, dass sie die Nachteile des Bessemer- und des Martinverfahrens vermeide. Pernots Tellerofen hatte sich zu St.-Chamond für den Martinprozess bewährt. Tessié de Motay hatte 1876 versucht, die Phosphorabscheidung im Konverter durch ein Futter von Magnesiaziegel zu bewirken, ohne dies Ziel aber zu erreichen. Wie bekannt, hatte Gruner schon Anfang der siebziger Jahre eine Kalkauskleidung der Bessemerbirne zu diesem Zweck vor- geschlagen. Am grossartigsten war wieder die Ausstellung von Schneider- Creusot in einem besonderen Pavillon. Das Werk beschäftigte 15650 Arbeiter und die Maschinen lieferten 13000 Pferdekräfte. 1877/78 waren 165000 Tonnen Roheisen und 155000 Tonnen Eisen und Stahl erzeugt worden. Die grösste Bewunderung erregte ein Gussblock aus Martinstahl von 120000 kg Gewicht, der unter dem 80000 kg-Hammer bearbeitet war. 1867 hatte man gewalzte Platten Frankreich. von 10 bis 12 Tonnen Gewicht angestaunt, jetzt walzte man solche von 25 bis 30 Tonnen ohne Schwierigkeit. Das Stahlwerk zu Firminy zeichnete sich durch seinen in Siemens- Schmelzöfen erzeugten Gussstahl aus. Die Hütte zu Chaléassière führte das Modell eines Blechwalzwerkes mit hydraulischer Ausrückvorrichtung von Kitson und Chalas vor. Zu der anregenden Ausstellung von Terre-Noire wurden folgende geschichtliche Daten mitgeteilt. 1862 war der Bessemerprozess, 1868 das Martinieren eingeführt worden. Seit 1873 machte man Schienen aus Phosphorstahl, seit 1875 Ferromangan; die Werke der Gesell- schaft Terre-Noire, Lavoulte und Bassèges lagen in den Departements Loire, Ardèche und Gard. Sie umfassten ausser den Bergwerken 19 Hochöfen, 8 Bessemerwerke, 15 Martin- und 84 Puddelöfen u. s. w. Die Arbeiterzahl betrug 7442, die Maschinen lieferten 8505 Pferde- kräfte. Die für die Flussstahlfabrikation geeignetsten Erze wurden aus Algier, den französischen Ostpyrenäen und aus Spanien bezogen. Manganerze kamen zum Teil vom Kaukasus. Selbstbereitetes Kiesel- manganeisen (Silicid) diente zur Darstellung von blasenfreiem Flussstahl. Es wurde auch blasenfreier Martinstahl gemacht. Die gehärteten Stahlgeschosse durchschlugen Panzerplatten, ohne zu zer- springen. Man bereitete den Stahl aus Roheisen mit 6 bis 8 Prozent Mangan. Dem Flussstahl wurden nach dem Verfahren von M. A. Pourcel 3 bis 4 Prozent Mangansilicid zugesetzt, die fertigen Spitz- kugeln enthielten 0,45 Prozent Kohlenstoff und 0,70 Prozent Mangan. 1879 erbaute man für diesen Zweck zwei 20-Tonnen-Öfen, die grössten damals bestehenden. Im Jahre 1880 wurde das Entphosphorungsverfahren von Thomas und Gilchrist in Frankreich eingeführt und je ein basischer Kon- verter zu Creusot und Angleur aufgestellt. Dass Ponsards Forno- convertiseur besser sein sollte, war Reklame. Harmets Entphos- phorungsverfahren von 1879 (D. R.-P. Nr. 8549) beruhte auf einer Teilung der Operation, indem das Roheisen erst in einer sauren Birne entkieselt, dann in einer basischen entphosphort werden sollte. Nach Trasenster erzeugte Creusot 1880 Thomas-Roheisen aus Erzen von Mazenay um 40 Frcs. pro Tonne billiger als Bessemer- Roheisen. — Flotat zu Rachecourt konstruierte 1880 ein verstell- bares Triowalzwerk ohne Vertikalwalzen für Flacheisen. Auf den Werken der Terre-Noire-Gesellschaft zu Bassèges wurden Koksöfen mit Teer- und Ammoniakgewinnung nach Carvés Beck, Geschichte des Eisens. 69 Frankreich. System (verbesserte Knab-Öfen) eingeführt. Lencauchez liess sich einen Gebläseofen mit rotierendem Herd patentieren. Nach Delafond verlief der Thomasprozess zu Creusot anfangs ungünstig, weil das Roheisen nur 0,9 Prozent Phosphor enthielt, er besserte sich, als man den Phosphorgehalt bis zu 2,5 Prozent erhöhte. Pourcel trat besonders warm für das basische Verfahren ein, und bis 1881 wurde das Thomaspatent ausser von Creusot und Angleur von Longwy, Montataire, Chatillon et Commentry, Denain, St.-Chammond, de Wendel und der Société du Nord et de l’Est erworben. Pourcels Eisenmangansilicid-Verfahren wurde in England, Russ- land, Schweden und Amerika eingeführt. Das Eisenmangansilicid von Terre-Noire enthielt 13,5 Prozent Silicium und 18 Prozent Mangan. Es wurde in ähnlicher Weise zugesetzt wie Ferromangan. Das von de Wendel \& Co. zu Joeuf an der lothringisch-deutschen Grenze neuerbaute Werk mit zwei Hochöfen wurde mit sechs Thomas- konvertern von 7 bis 8 Tonnen ausgerüstet. — Ebenso wurde 1880 die Hütte St.-Martin, westlich von Longwy, in ein grosses Stahlwerk um- gebaut, nachdem die Gesellschaft die Konzession für das Thomas- verfahren von Angleur zu hohem Preise — gegen eine Prämie von 5 Francs für die Tonne — erworben hatte. Die Anlage umfasste sechs Hochöfen und drei um einen Mittelkran gruppierte Thomas- konverter zu 10 Tonnen. 1881 wurde ein Thomaswerk von der Société du Nord zu Valen- ciennes nach amerikanischem Muster erbaut, während ein anderes zu Thy nach englischem Plan errichtet wurde. Creusot baute 1880/81 den ersten basischen Flammofen, und die Ent- phosphorung gelang damit vollständig Siehe Delafond in Annales des Mines 1882, 2. livr. . Nach Analysen vom September 1881 war der basische Flussstahl reiner und gleichförmiger als saurer und trotz seiner geringeren Zugfestigkeit waren die daraus gewalzten Schienen statisch und dynamisch den Bessemerschienen gleich. Creusot machte Panzerplatten aus Flussstahl. Nach einer Berechnung von Ch. Walrand Revue universelle 1881, September und Oktober. stellten sich die Erzeugungskosten einer Tonne Bessemerstahl aus Roheisen aus Mokta- und Bilbaoerzen, das 100 Frcs. pro Tonne kostete, auf 126,86 Frcs., die einer Tonne Thomasstahl aus Roheisen, das aus inländischen, oolithischen Erzen erblasen war und nur 60 Frcs. die Tonne kostete, auf 94,49 Frcs. Frankreich. Pourcel bediente sich seit 1880 des Chromeisenerzes als Aus- fütterungsmittel für Flammofenherde. 1881 wurde in Paris die Druckluftanlage, System V. Popp , von der Stadt konzessioniert. Ursprünglich nur für den Betrieb pneu- matischer Uhren bestimmt, fand sie bald Verwendung für zahlreiche Motoren der Kleingewerbe. Am 15. Mai 1882 trat der neue Konventionaltarif in Kraft. Ende März 1883 starb zu Beaucaire Louis Emanuel Gruner , Professor der Bergakademie und Generalinspektor der Bergwerke, der sich um die französische Eisenindustrie hochverdient gemacht hatte und als metallurgischer Schriftsteller Weltruf genoss. 1884 erfanden Walrand \& Delattre ihren kleinen, drehbaren Konverter, der sich besonders für Stahlgiessereien eignete. Im Departement Haute-Marne erzeugte man im Puddelofen Fein- korneisen durch Zusatz von kohlensaurem Natron. In Eureville ver- wendete man hierfür Kochsalz. Man arbeitete in Doppelöfen von 500 kg Einsatz mit fünf Arbeitern. Die Werke Denain und Anzin bei Valenciennes (Dep. du Nord) hatten sich sehr vergrössert. Sie zählten 1884 10 grosse Hochöfen, wovon 8 in Betrieb standen, 7 Kupolöfen, 4 Konverter zu 10 Tonnen, 70 Puddelöfen, 2 Pernotöfen u. s. w. Die Werke, welche an Berg- werken bei Bilbao beteiligt waren, hatten zwei eigene Seedampfer für den Erztransport von Spanien. Man verschmolz 180000 Tonnen ausländische Erze. Die Erzeugung von Roheisen betrug 150000 Tonnen, von Schmiedeeisen und Stahl 120000 Tonnen, die Arbeiter- zahl 4000. Nach einer Berechnung von Valton war der basische Prozess wegen der höheren Umwandlungskosten auf Nord- und Westfrankreich beschränkt, weil nur hier das gewöhnliche Roheisen so viel billiger war, dass daraus ein erheblicher Nutzen erwuchs. Wo, wie im Mosel- gebiet, Hütten im stande waren, Roheisen für 40 Frcs. zu erblasen, war der Thomasprozess selbstverständlich. Die Kleinbessemerei war 1885 durch die Société Clapp-Griffith auf mehreren Werken eingeführt, doch fanden die Clapp-Griffith-Öfen weniger Verbreitung als Walrand-Delattres kleiner Konverter, der eine Kombination von Birne und feststehendem Ofen war. Er arbeitete zuerst in Stenay, anfangs mit saurem, dann mit basischem Futter, besonders für die Stahlgiesserei. 1887 vereinigten sich die meisten Hochofenwerke des Depart. 69* Frankreich. Meurthe et Moselle zu gemeinschaftlichem Verkauf ihrer Roheisen- erzeugung (Syndikat). F. Gautier wies 1887 zuerst auf die planmässige Verwendung von Ferrosilicium in der Eisengiesserei hin. 1888 hielt er hierüber bei der Maiversammlung des Iron and Steel Institute in London einen Vortrag. Zu Imphy stellte man 1887 eine Eisen-Nickellegierung mit 25 Prozent Nickel im Tiegel dar. Zu Longwy wurde 1887 in zwei Thomasbirnen zu 15 Tonnen Einsatz ein guter, weicher Stahl erzeugt, der als „Special Longwy“ bezeichnet wurde. Das Roheisen wurde flüssig vom Hochofen in Pfannenwagen zur Birne gebracht, und man schmolz nur noch das Spiegeleisen im Kupolofen um. 1888 erfanden Mesuré und Nouel ihr optisches Pyrometer (lunette pyrométrique). 1889 fand die vierte Weltausstellung in Paris statt, die an Umfang alle früheren übertraf, in der die Eisenindustrie aber sehr unvoll- ständig zur Darstellung kam, weil infolge der ungünstigen politischen Lage die Beteiligung des Auslandes gering war. Um so aus- giebiger hatte die französische Eisenindustrie Siehe Stahl und Eisen 1889, S. 692, 852, 907. ausgestellt, und auch diese Ausstellung bildet einen Markstein ihrer Entwickelung. Das grosse Schaustück der Ausstellung war der ganz aus Eisen erbaute 300 m hohe Eiffelturm. Der Riesenbau bestand aus 12000 Eisen- teilen, die mit 2½ Millionen Nieten verbunden waren; das Eisengewicht betrug 9 Millionen Kilogramm, die Herstellungskosten 6½ Millionen Frcs. Das Eisen war von Fould-Dupont zu Pompey (Meurthe et Moselle) ge- liefert. Das gesamte Eisenwerk wurde in den Eiffels chen Werken zu Levallois Perret fertiggestellt. Von praktischerem Wert und kaum weniger grossartig war die eiserne Maschinenhalle A. a. O. 1889, S. 564. von 105 m Spannweite, 48 m Höhe und 420 m Länge. Es war die grösste Halle der Welt und dabei doch schön. Die Ausführung der Mittelhalle war von zwei Gesellschaften: Fives- Lille und Cail übernommen worden. In der Ausstellung war der Süden Frankreichs, der aus reichen, reinen Erzen Qualitätseisen erzeugt, besser vertreten als das mittlere und nördliche Frankreich, welches mehr die Minetteerze des Mosel- und Maasgebietes zu Massenartikeln verarbeitete. — Von den Werken aus dem südlichen Frankreich thaten sich besonders die Frankreich. Forges de St. Chamond durch schöne und grosse Schmiedestücke, darunter ein Stahlblock von 100 Tonnen und eine hohle, über einen Dorn geschmiedete Welle, sodann Marrel frêres in Rive de Gier durch Stahlplatten, Schmiedestücke und Geschosse und die Aciéries de Firminy und Holtzer \& Co. zu Unieux durch Stahlformguss, letztere besonders durch ihre Chromstahlgeschosse, hervor. Von den Werken im nördlichen Frankreich zeichnete sich die Société anonyme des hauts-fourneaux, forges et aciéries de Denain et Anzin in der Nähe von Valenciennes durch ihre Ausstellung aus. Ein Rückblick auf die verflossenen 10 Jahre von 1877 bis 1887 ergiebt, dass die Roheisenproduktion eine wesentliche Zunahme nicht erfahren, dass die Verschiebung nach dem nordöstlichen Frankreich aber zugenommen hat. Dies zeigt sich schon aus der Verteilung der Hochöfen. Man zählte 1887 in: Gruppe Nord und Pas de Calais 12 „ Meurthe und Moselle 31 „ Champagne 14 „ Franche Comté 2 „ Centre 7 „ Nord West 1 „ Périgord und l’Aveyron 4 „ Pyrénées und Landes 11 „ Loire und Rhone 10 „ Alpen 3 „ Süd-Ost 6 101 Die ersten Gruppen enthielten zugleich die grössten Öfen. — Die Zahl der Hochöfen in Frankreich hatte sich seit 10 Jahren um die Hälfte vermindert, während die Produktion noch etwas gewachsen war, denn sie hatte 1877 1522266 Tonnen betragen und betrug 1887 1567622 Tonnen, die Leistungsfähigkeit der Öfen hatte sich also im Durch- schnitt mehr als verdoppelt. Das Depart. Meurthe et Moselle hatte 1878 442230 Tonnen, 1888 911009 Tonnen erzeugt. Bei der Fabri- kation schmiedbaren Eisens hatte sich das Schweisseisen gegen das Flusseisen, das doch in den anderen grossen Eisenindustrieländern jenes überflügelt hatte, siegreich behauptet. 1877 betrug die Pro- duktion von Flusseisen 269181 Tonnen und von Schweisseisen 884493 Tonnen, oder in Prozenten 21,6 und 78,4. 1887 waren die Zahlen 493294 Tonnen und 771610 Tonnen, oder 39 und 61 Prozent. 1877 gab es 1006, 1887 672 Puddelöfen, die Leistung eines Ofens war demnach von 879 Tonnen auf 1148 Tonnen im Jahre gestiegen. Frankreich. Der Anteil des Puddelstahls war gering, er betrug 1877 20373 Tonnen, 1887 nur 12532 Tonnen. Die Geschicklichkeit der französischen Puddler und die Gewöhnung der Schmiede an das im Verhältnis zum Flusseisen leichter schweissbare und im Feuer zu behandelnde Puddeleisen trug viel zu der Erhaltung des Puddelbetriebes bei. Pernots che Drehöfen waren zu St.-Chamond und Rotationsöfen nach dem System Bouvard zu Creusot in Gebrauch. In den Depart. Nord und Meurthe et Moselle waren auf mehreren Werken Doppel-Puddel- öfen mit 500 kg Einsatz in Betrieb. Die Zahl der in Betrieb befindlichen Konverter zur Flussstahl- erzeugung betrug 1877 24, 1887 28. Allerdings zählte man 1887 44 Konverter, infolge der ungünstigen Konjunktur hatten aber mehrere Werke, wie Terre-Noire, Givors, Saint-Nazaire, Pagny sur Meuse, ihren Betrieb eingeschränkt. Die neueren Bessemerwerke lagen meistens an der Küste und in Verbindung mit Hochöfen, die spanische Erze verschmolzen, so z. B. die von Denain, Isbergues, Saint-Nazaire, Boucau (1883 gegründet) und Beaucaire. Das Stahlwerk zu Isbergues, das von der Société des aciéries de France erbaut war, besass zwei 8-Tonnen-Konverter in unmittelbarer Verbindung mit zwei Hochöfen und hatte eine Jahres- leistungsfähigkeit von 100000 Tonnen. Thomasstahl wurde 1888 nur auf fünf Werken dargestellt: zu Joeuf mit 6 Konvertern und 64 Tonnen Fassung „ Longwy „ 3 „ „ 45 „ „ „ Valenciennes „ 2 „ „ 20 „ „ „ Creusot „ 2 „ „ 20 „ „ „ Pagny sur Meuse „ 2 „ „ 20 „ „ Um die Verwendung der Thomasschlacke als Düngemittel zur Anschauung zu bringen, hatte Creusot einen besonderen Pavillon in der landschaftlichen Abteilung errichtet. Die Gesellschaft von Stenay hatte Stahlproben des von ihr neu eingeführten Robert-Prozesses, einer Kleinbessemerei mit D-förmiger Birne von 1 Tonne Inhalt, ausgestellt. Herdflusseisen nach dem Siemens-Martinprozess wurden im Jahre 143764 Tonnen in 49 Öfen erzeugt, und daraus 13709 Tonnen Schienen, 39557 Tonnen Bleche und 90498 Tonnen sonstige Eisen- sorten hergestellt. Die Grösse der Öfen hatte zugenommen, Marrel frères hatten vier von je 35 Tonnen Fassung. Der Betrieb mit basischem Futter war nur wenig in Anwendung. Fourchambault und Alaise wendeten seit 1884 Futter von Chromeisenstein an. Frankreich. Was die ausgestellten Fabrikate betrifft, so waren die für Kriegs- zwecke am bemerkenswertesten. Panzerplatten lieferten hauptsächlich Chatillon-Commentry und Creusot. Beide Werke sowie St.-Chamond beschäftigten sich auch mit der Herstellung von Panzertürmen. Geschosse lieferten besonders Marrel frères, Firminy, St.-Etienne, Jacob Holtzer \& Co. (aciéries d’Unieux, Loire), die Gesellschaft von Ariège. Von Neuerungen, die bei der Pariser Weltausstellung von 1889 zur Vorführung kamen, ist noch der Rollet-Prozess, ein Reinigungs- prozess, um aus geringem Roheisen Qualitätseisen zu erzeugen, der 1886 in Firminy unter der Leitung des Erfinders eingeführt worden war, zu erwähnen. Das Roheisen wurde in einem Kupolofen mit basischem Futter unter Zuschlag von Flussspat und Kalk mit heissem Wind umgeschmolzen und dadurch Schwefel, Silicium und Phosphor zum grössten Teil entfernt. Firminy und die Gesellschaft de l’Horme hatten die Erzeugnisse dieses Verfahrens ausgestellt. Die Werke von Chatillon und Commentry wendeten die Härtung des Stahls in flüssigem Blei mit Erfolg im grossen an und hatten derart gehärtete Panzerplatten ausgestellt. Osmond hatte zu Creusot wichtige Versuche über Stahlhärtung gemacht und 1888 seine geistreiche Theorie über die Doppelnatur des Stahls, die er aus zwei verschiedenen Allotropieen des Eisens, die bei verschiedenen Temperaturen bestehen und die er als α - und β -Eisen bezeichnete, aufgestellt. Ende 1889 machte Creusot Panzerplatten aus Nickelstahl. 1891 stellte die neugebildete Gesellschaft „Ferro-Nickel“ in Paris ihren Nickelo-Spiegel mit 6 bis 20 Prozent Nickel im Hoch- ofen dar. — Charles Walrand und Eugène Legénisel liessen sich ihr Verfahren, den in einer kleinen Birne erblasenen Stahl durch nachträglichen Zusatz von Silicium zu überhitzen und flüssiger zu machen, patentieren (D. R. P. Nr. 64950 vom 24. September 1891). Im Dezember desselben Jahres erliess die französische Regierung neue Vorschriften für die Prüfung eiserner Brücken. Delafol liess sich eine Formmaschine patentieren (D. R. P. Nr. 64628), die Ver- breitung fand. 1892 gelang es Henri Moissan , Diamanten im Stahl nach- zuweisen. 1892 entstanden die auf den Bezug ausländischer Erze begründeten Hauts fourneaux de Chasse zwischen Lyon und Marseille. Die Aciéries de St.-Etienne machten im basischen Martinofen als Spezialität Chromstahlbleche von 80 bis 90 kg Zugfestigkeit und 9 Frankreich. bis 10 Prozent Dehnung, die aber auch recht teuer waren. St.-Chamond hatte 1892 10 Martinöfen in Betrieb, darunter vier von 30 Tonnen Fassung, ferner eine Schmiedepresse von 4000 Tonnen Druck. 1892 verbesserte Le Chatelier das optische Pyrometer. 1893 wurde zu Creusot ein elektrischer Laufkran von 150 Tonnen Tragkraft, der erste von dieser Stärke, in Betrieb genommen. — 1895 stellte Franz Charpy wichtige Versuche über die Härtung des Stahles an. Im allgemeinen waren die neunziger Jahre weniger reich an neuen Ideen und Erfindungen, um so energischer war das Bestreben, die wichtigen Fortschritte der voraufgegangenen Jahrzehnte zu ver- werten. Die Flusseisenerzeugung, insbesondere der Thomasprozess, erlangten eine von Jahr zu Jahr zunehmende Bedeutung. Dennoch dauerte es bis zum Jahre 1896, dass die Produktion von Flusseisen die von Schweisseisen überflügelte. Das Verhältnis stellte sich in diesem Jahre auf 53 zu 47 Prozent, stieg 1898 auf 60 zu 40 Prozent, auf welcher Höhe es im Jahre 1899 verharrte. Die Verschiebung war nicht durch eine Abnahme des Schweisseisens, sondern nur durch die Zunahme des Flusseisens eingetreten. Die Schweisseisenerzeugung von 1899 war 842755 Tonnen, die höchste dieses Jahrzehnts, und war nur übertroffen worden in den Jahren 1879 bis 1884. Den Höchststand der Schweisseisenerzeugung zeigt das Jahr 1882 mit 1073021 Tonnen. Die Flusseisenproduktion war dagegen von 566197 Tonnen im Jahre 1890 auf 1253701 Tonnen in 1899 gewachsen. Hieran hatte das Thomas-Flusseisen den grössten Anteil. Da dieses zumeist im Nord-Osten Frankreichs in den Departements Meuse et Moselle und Nord hergestellt wurde, so erlangte die Eisen- industrie dieser Provinzen, welche die oolithischen, phosphorhaltigen Erze verschmolzen, immer mehr das Übergewicht. Während die Roheisenerzeugung Frankreichs von 1880 bis 1898 von 1725293 Tonnen auf 2505778 Tonnen, also um 45 Prozent stieg, wuchs sie im Depart. Meurthe et Moselle in derselben Zeit von 538132 Tonnen auf 1571344 Tonnen, also um 192 Prozent. Während 1880 der Anteil der Erzeugung dieses Departements an der Gesamtproduktion Frank- reichs 31,2 Prozent betragen hatte, war er 1898 auf 62 Prozent gestiegen. In dem Reviere von Longwy war die Zahl der im Feuer stehenden Hochöfen in der Zeit von 1887 bis 1895 von 19 auf 33, und im Reviere von Nancy von 10 auf 16 gestiegen. Die Departements Meurthe et Moselle und du Nord erzeugten 1898 zusammen 73 Prozent der gesamten Roheisenproduktion Frank- Frankreich. reichs, so dass auf alle übrigen Departements nur 27 Prozent ent- fielen. — Von den neuen, auf das beste eingerichteten Hochofen- hütten sind die der Société anonyme des Aciéries de Micheville mit fünf Hochöfen und die Hochofenhütte von Pont à Mousson mit fünf Hochöfen, Cowper-Apparaten von 30 m Höhe und Gichtgas-Trocken- reinigern (System Cavallier ) hervorzuheben Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 1262. . Während die Schweisseisenerzeugung von 1880 bis 1900 von 952308 Tonnen auf 745312 Tonnen zurückgegangen war, hatte die Flusseisenerzeugung von 388894 Tonnen auf 1264737 Tonnen, also um 223 Prozent zugenommen. Der grösste Teil des Flusseisens wurde im Konverter erzeugt, doch hatte in der Zeit von 1882 bis 1899 die Herdstahlerzeugung mehr zugenommen als die des Konverterstahls. Letztere war von 273410 Tonnen auf 698053 Tonnen, also um 192 Prozent, erstere von 159561 Tonnen auf 520476 Tonnen, also um 226 Prozent gewachsen. Der Anteil des Konverterstahls und des Siemens-Martinstahls an der ganzen Flussstahlerzeugung betrug 1882 63 und 37 Prozent, 1899 57 und 43 Prozent. Welchen Anteil der basische oder Thomasprozess, welchen der saure oder Bessemerprozess liefert, lässt sich nicht genau angeben, da hierfür die statistische Grundlage fehlt. 1882 betrug der Anteil des Thomasstahls nur 4½ Prozent, aber schon 1887 übertraf die Er- zeugung von Thomasstahl die von Bessemerstahl. 1890 war das Ver- hältnis bereits 71 : 29 und seitdem hat die Thomasstahlerzeugung noch bedeutend zugenommen. Die Fortschritte, welche die französische Eisenindustrie seit 1889 gemacht hatte, kamen auf der Weltausstellung von 1900 in glänzender Weise zur Darstellung. Besonders zeichnete sie sich in Spezialstahlen, namentlich in Nickelstahl aus Daselbst 1890, S. 899. . Frankreich gehört zu den Ländern, welche ihren Eisenbedarf nicht aus sich selbst befriedigen können, es ist vielmehr gezwungen, Eisenerze und Steinkohlen einzuführen. Letztere erhält es aus Belgien, Deutschland und England; Eisenerze bezieht es aus Spanien, Algier, Elba, Griechenland, Schweden und Deutschland. Die Einfuhr von Erzen aus dem Minettegebiete von Lothringen und Luxemburg hat in den letzten Jahren sehr zugenommen, so dass der grösste Teil der ein- geführten Erze aus dem deutschen Zollgebiete stammt. Die Erzeinfuhr ist sehr bedeutend. 1897 betrug die eigene Förderung 3886 Kilo- Frankreich. tonnen, die Einfuhr 2138 Kilotonnen, also 35,6 Prozent der Gesamt- menge, davon kamen 1464,5 Kilotonnen aus Deutschland. Trotzdem Frankreich gezwungen ist, zur Deckung seines Eisenbedarfs Erze und Kohlen einzuführen, erzeugt es doch so viel Eisen und Eisenwaren, dass seine Ausfuhr darin seine Einfuhr bedeutend übertrifft. Vor übermässiger Einfuhr ist Frankreich durch hohe Zölle geschützt. Die Ausfuhr wird von der Regierung durch Prämien in Gestalt von Zollvergütungen durch „titres d’acquits à caution“ geschützt. Durch diese Zollfreiheit für den Veredelungsverkehr erlangte derselbe einen ansehnlichen Umfang. Auf Grund der titres d’acquits à caution betrug: die Einfuhr die Ausfuhr 1888 124078 115432 1898 123645 111749 Daneben besteht aber ein bedeutender Ausfuhrhandel mit den eigenen Erzeugnissen der Eisenindustrie, sowohl mit Roheisen als mit Eisen- und Stahlfabrikaten. Diese Ausfuhr betrug 1888 216771 Tonnen, 1898 313902 Tonnen; zieht man hiervon die Einfuhr mit 73934 Tonnen und 112765 Tonnen ab, so ergiebt sich immer noch ein Überschuss der Ausfuhr gegen die Einfuhr von 142837 Tonnen in 1888 und von 201137 Tonnen in 1898. Bemerkenswert ist ferner die grosse Ausfuhr phosphorhaltiger Schlacken von den Puddel- und Schweissöfen, die vom Auslande für die Herstellung von Thomas- Roheisen aufgekauft werden. Diese Ausfuhr von „Hammerschlag und Schlacken“ ist von 1888 bis 1898 von 130871 Tonnen auf 307273 Tonnen gestiegen. Frankreich hat an den wissenschaftlichen Fortschritten der Eisen- industrie stets den lebhaftesten Anteil genommen und dies auch in der letzten Periode der Geschichte des Eisens glänzend bethätigt. Frankreich. Statistik Die Zahlen sind meistens den offiziellen Veröffentlichungen entnommen, in einigen Fällen den Bulletins des Comité des Forges de France, die nicht immer mit jenen übereinstimmen. der Eisenindustrie Frankreichs 1871 bis 1899 . Erzeugung und Verbrauch an mineralischem Brennstoff seit 1811 . Verbrauch in Eisenwerken 1898. Steinkohlen 2600 Kilotonnen Koks 3200 „ Holzkohlen 16 „ Koks-Einfuhr und -Ausfuhr in Tonnen . Frankreich. Einfuhr 1898 in Kilotonnen . Ausfuhr 1898 in Kilotonnen . Eisenerzförderung in Kilotonnen . Eisenerzsorten in Kilotonnen und Preise pro Tonne . Frankreich. Erzeinfuhr in Tonnen . Ein- und Ausfuhr von Eisenerzen im Jahre 1894 in Kilotonnen . Einfuhr aus: Algier 16 Deutschland (und Luxemburg) 1162 Spanien 396 Belgien 46 Griechenland 8 Anderen Ländern 10 Zusammen 1638 Ausfuhr aus Frankreich nach: Belgien 110 Holland 55 Deutschland 48 Anderen Ländern 35 Zusammen 248 Ausfuhr aus Algier nach: England 172 Holland 103 Frankreich 16 Belgien 12 Österreich und anderen Ländern 5 Zusammen 308 Verhüttet wurden in Kilotonnen . Frankreich. Roheisenerzeugung in Tonnen . Roheiseneinfuhr . Roheisenausfuhr . Frankreich. Roheisenproduktion der wichtigsten der 23 Departements mit Hochofenhütten . Roheisenerzeugung Frankreichs im Jahre 1896. Frankreich. Hochofenwerke und deren Leistungsfähigkeit 1897 pro Tag in Tonnen . (Écho des Mines et de Métallurgie, 20. Jan. 1898. — Stahl u. Eisen 1898, S. 238.) Frankreich. Beck, Geschichte des Eisens. 70 Frankreich. Grösste Hochofenhütten Frankreichs Ende des 19. Jahrhunderts . Erzeugung von Schweisseisen in Tonnen . Frankreich. Schweisseisenfabrikate . 70* Frankreich. Flusseisen und Schweisseisen (fertige Waren) in Tonnen . Übersicht der wichtigsten Flusseisen- und Schweisseisen- fabrikate in Tonnen . Anmerkung: Die Angaben weichen ab, je nach den Quellen. Die mitgeteilten Zahlen sind meistens der offiziellen Statistik entnommen. Frankreich. Erzeugung von Schweisseisen- und Flusseisen(Stahl)- Fabrikaten nach Provinzen im Jahre 1899 in Tonnen . Frankreich. Erzeugung von Stahl (fertige Waren) in Tonnen . Frankreich. Konverterstahl . Erzeugung von Stahlwaren in Tonnen . Frankreich. Erzeugung von Stahlwaren in Tonnen . 1892. 1895. 1898. 1899. 1900. Frankreich. Ein- und Ausfuhr von Eisen und Stahl ohne titres d’acquits à caution in Tonnen . Einfuhr . Ausfuhr . Ein- und Ausfuhr von Eisen und Stahl nach anderem Schema 1896 bis 1898 in Tonnen . Frankreich. Frankreichs Ein- und Ausfuhr 1899 und 1900 in Tonnen . Schienenverbrauch in Tonnen . 1882 200979 1883 341334 1884 284081 1885 249416 1886 170595 1887 108848 1888 93868 1889 58046 1890 66844 1891 112857 1892 163840 1893 129338 1894 110609 1895 85244 1896 77104 Erzeugung, Ein- und Ausfuhr und Verbrauch von Roheisen, Eisen und Stahl seit 1877 in 100 Tonnen . Frankreich. Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Rentzsch). Belgien. Belgien. Das kleine Belgien hat trotz der Ungunst der Verhältnisse den Ruhm, die dritte Stelle im Eisenausfuhrhandel der Welt einzunehmen, lange Zeit behauptet. In der Roheisenerzeugung ist es seit 1870 allerdings von der fünften auf die siebente Stelle gerückt, indem es von Österreich-Ungarn und von Russland überflügelt wurde. Belgien ist im Verhältnis zu seiner Industrie arm an Eisenerzen. Die Ablagerungen, wie besonders die an der Ourthe, die in früherer Zeit die Grundlage der belgischen Eisenindustrie bildeten, und die hinreichten, solange man nur mit Holzkohlen schmolz, sind meistens abgebaut und für den heutigen Betrieb ganz unzureichend. Es muss deshalb zur Aufrechterhaltung seiner Eisenindustrie den weitaus grössten Teil seines Erzbedarfes einführen. Dagegen besitzt Belgien einen so grossen Reichtum an Steinkohlen, dass es im stande ist, Steinkohlen und Koks auszuführen. Auch in seiner Eisenausfuhr führt es Werte seiner Steinkohlen und der Arbeit seiner zahlreichen Industriebevölkerung aus. Belgien ist relativ das dichtbevölkertste Land der Welt, es entfallen auf 1 qkm 224 Einwohner, gegen 97 im Deutschen Reiche, und diese grosse Einwohnerzahl könnte ohne eine bedeutende Industrie sich nicht erhalten. Die Grundlage dieser bildet die einheimische Stein- kohle. Ihre Förderung stieg in der Zeit von 1870 bis 1897 von 13697118 Tonnen auf 21492446 Tonnen. Der Überschuss der Aus- fuhr von Steinkohlen betrug 1870 2953272 Tonnen, 1897 2431200 Tonnen; von Koks 1870 568393 Tonnen, 1897 639880 Tonnen, der Verbrauch im Lande demnach 1870 rund 10 Millionen, 1897 rund 18 Millionen Tonnen. Im Jahre 1900 führte Belgien 6328530 Tonnen Steinkohlen und Koks aus. Belgien. Die Roheisenerzeugung stieg 1870 bis 1899 von 565234 Tonnen auf 1024576 Tonnen. Die durchschnittliche Jahreserzeugung in dem Jahrzehnt 1871 bis 1880 betrug 548786 Tonnen, 1881 bis 1890 750317 Tonnen und in den neun Jahren von 1891 bis 1899 891598 Tonnen. Die Zunahme der Roheisenerzeugung war bei weitem nicht so gross wie in Deutschland, denn diese betrug von 1870 bis 1899 das Sechsfache, die Belgiens nur etwa das Zweifache. Dabei wurde die Herstellung immer mehr von dem Bezug aus- ländischer Erze abhängig, indem die Erzförderung stetig zurück- ging. In dem Jahrzehnt von 1861 bis 1870 hatte diese noch 7853158 Tonnen betragen, 1871 bis 1880 sank sie auf 4271831 Tonnen und 1881 bis 1890 auf 1955325 Tonnen. Man verhüttete ausserdem eine beträchtliche Menge von Puddel- und Schweissschlacken in den Hochöfen. Es wurden verschmolzen: Es betrug demnach der Anteil einheimischer Erze an dem Einsatz 1885 nur 7 Prozent, 1897 etwas über 10 Prozent. Die Entwickelung der belgischen Eisenindustrie in diesem Zeit- abschnitt zeigt viele Ähnlichkeit mit der französischen, insbesondere der nordfranzösischen, was namentlich auch darin zum Ausdruck kommt, dass Belgien wie Frankreich ebenso lange mit Zähigkeit an dem Puddelprozess festhielt und das Flusseisen erst verhältnismässig spät den Sieg davontrug. In Frankreich wie in Belgien geschah dies erst im Jahre 1896, während dies in Deutschland schon 1890 ein- getreten war. Gerade in Belgien hat sich die Puddelarbeit, die der geniale John Cockerill eingeführt hatte, zu einem hohen Grade der Vollkommen- heit entwickelt. Von Belgien aus war dieses Verfahren erst nach Deutschland gekommen. Noch in den fünfziger Jahren waren in Rheinland und Westfalen belgische Puddler die Lehrmeister und tonangebend. Belgien. Auf der erprobten Güte des gepuddelten Eisens beruhte der grosse auswärtige Handel Belgiens. Deshalb waren die Industriellen wie die Arbeiter wenig geneigt, von dem bewährten Verfahren ab- zugehen, und es wurde beibehalten, obgleich die benachbarten Erz- schätze von Luxemburg und Lothringen seit 1880 geradezu zum Thomasprozess aufzufordern schienen. Zum Verständnis der Entwickelung der belgischen Eisenindustrie muss im Auge behalten werden, dass die beste Verwertung der Stein- kohlen der hauptsächlichste Gesichtspunkt war. Da die geförderte Steinkohle weder sehr rein, noch für die Koksfabrikation besonders geeignet war, so erklärt es sich, dass in keinem anderen Lande verhältnis- mässig so viel für die Verbesserung der Aufbereitung und Verkokung der Steinkohlen geschehen ist wie in Belgien. Die Gewinnung der Nebenerzeugnisse der Steinkohlen beim Verkoken, die Knab in Paris zuerst angegeben hatte, wurde in den liegenden Koksöfen von den belgischen Ingenieuren Semet und Solvay in zweckmässiger Weise durchgeführt. Frommont in Brüssel baute Koksöfen mit Wärme- speicher zur Verkokung magerer Kohlen (D. R. P. Nr. 54156 vom 11. Nov. 1889). Verbesserte Ladevorrichtungen wurden Alexandre und E. Coppée in Haïne, St. Paul, 1890 patentiert. Für den Hochofenbetrieb in den siebziger Jahren war die wachsende Bedeutung des Bessemerverfahrens von grossem Einfluss. Belgien selbst besass hierfür keine geeigneten Erze. Diese mussten aus Cumberland in England und aus Spanien bezogen werden. Die Gesellschaft John Cockerill zu Seraing, die im Geiste ihres genialen Gründers stets bereit war, für den Fortschritt und für Verbesserungen in der Eisenindustrie einzutreten und Opfer zu bringen, sicherte sich bei Zeiten den Bezug von Bilbao- und Algier-Erzen. Mit diesen erzielte man ein Bessemerroheisen von 2,25 Prozent Silicium und 3,75 Prozent Mangan. In der Hauptsache dienten aber die Hochöfen dem Puddelbetrieb. Neben dem gewöhnlichen Puddelroheisen stellte man seit 1873 ein manganreiches Roheisen zur Verbesserung der Qualität und zur Er- zielung des beliebten Feinkorneisens, das besonders für Draht, Fein- bleche, Achsen, Bandagen u. s. w. verwendet wurde, her. Solches manganhaltige Roheisen wurde damals in der Umgegend von Lüttich zu Ougrée, Grevignée, Dolhain und Espérance aus Luxemburger Minetteerzen unter Zusatz von einem Drittel Nassauer manganhaltiger Eisenerze erblasen, und man brachte es bis zu 15 Prozent Mangan- gehalt. Belgien. Steinerne Winderhitzer und zwar Whitwellapparate wurden 1875 zuerst zu Seraing und zu Sclessin eingeführt. 1878 wurde eine neue Hochofenanlage zu Ougrée erbaut. Monceau sur Sambre hatte die ersten Cowperapparate. Hier schmolz man neben fonte ordinaire und fonte spéciale aus Schlacken fonte de crasse (Schlackeneisen). Aus diesen Sorten puddelte man fer ordinaire und fer fort. Da in den siebziger Jahren der Puddelprozess das wichtigste Frischverfahren blieb, so sind Fortschritte hauptsächlich bei diesem zu verzeichnen. — Die rotierenden Öfen zogen Anfang der siebziger Jahre die Aufmerksamkeit der belgischen Eisenindustriellen auf sich und veranlassten die Regierung 1872, eine Kommission unter der Führung der Ingenieure Taskin und Tahon nach Middlesborough zu schicken, um die Danksöfen zu studieren (siehe S. 593). Die Ab- gesandten sprachen sich sehr günstig über das mechanische Puddeln in rotierenden Öfen aus. Doch fanden diese weniger Anwendung als die Telleröfen des Franzosen Pernot, mit denen man 1875 zu Ougrée gute Resultate erzielte. Zu Charleroi ergaben diese Öfen 4 Prozent weniger Abbrand. Man ersetzte die gewöhnlichen Rost- feuerungen mehrfach durch Halbgasfeuerungen nach dem System Boëtius, später auch nach Bicheroux (zu Ougrée 1876). Einen grossen Doppelpuddelofen mit einer solchen Gasfeuerung verwendete man 1879 zu Couillet. 1872 kam der erste Siemens-Martin-Ofen für Flussstahlerzeugung in Belgien in Betrieb. Ein Lauts ches Triowalzwerk mit Universalwalzen konstruierte Deby zu Brüssel 1873, es kam in Sclessin zur Anwendung. 1876 bediente sich das Eisenwerk Espérance eines Triowalzwerkes zur Blechfabrikation. Trio-Luppenwalzen waren seit 1877 in Anwendung. Die Schienenfabrikation wurde 1873 von der Gesellschaft John Cockerill zu Seraing schwunghaft betrieben. Man walzte damals Bessemerschienen für die türkischen Bahnen. 1873/74 wurde zu Seraing ein ganz neues Bessemerstahlwerk von Greiner und Philippart gebaut und eingerichtet. Auf der Pariser Weltausstellung von 1876 zeichnete sich die Gesellschaft Cockerill durch vorzügliche Walzenzugmaschinen für ein Doppelwalzwerk mit Umsteuerung aus. In diesen konnten die heissen Stahlblöcke ohne Glühen vor- und fertiggewalzt werden. 1876 kam in Belgien die Fabrikation eines ordinären Stahlgusses durch Schmelzen von Stahlabfällen im Kupolofen auf. Die Gussstücke wurden dann zwischen Roteisenstein in Kisten geglüht und dadurch Belgien. weich gemacht. Dieser Temperstahl eignete sich besonders für Räder von Grubenwagen. Das Verfahren wurde auch in Deutschland und in anderen Ländern eingeführt. Im Jahre 1879 bereits, als der Thomasprozess kaum bekannt geworden war, erwarb das stets zu jedem Fortschritt bereite Werk zu Seraing die Konzession und machte die ersten Versuche in Belgien mit dem basischen Betrieb. Indessen dauerte es viel länger wie in Deutschland, dass man die grosse Bedeutung dieses Verfahrens würdigte, was um so mehr zu verwundern ist, als die für diesen Prozess besonders geeigneten Eisenerzlager in Lothringen und Luxem- burg doch den belgischen Hütten viel näher lagen als den west- fälischen und damals bereits die wichtigsten Bezugsquellen der belgischen Hochöfen waren. Man zog es vor, das phosphorhaltige weisse Roheisen mit manganreichem Eisen zu verpuddeln, oder Bessemer- stahl aus dem mittels spanischer Erze erblasenen Bessemerroheisen zu fabrizieren. Die Erzeugung von Thomasflusseisen betrug in den ersten Jahren: 1880 3395 Tonnen, 1881 14200 Tonnen, 1882 16672 Tonnen, 1883 27366 Tonnen. Angleur bei Lüttich, der Firma de Rossius, Pastor \& Co. gehörig, war das erste Stahlwerk, das das Thomasverfahren erfolgreich aufnahm (1880). 1881 erwarb auch Ougrée (Firma Souheur, Orban \& Co. ) die Licenz für den Thomas- prozess. 1884 wurde zu Athus ein Thomasstahlwerk erbaut. Die Gesellschaft John Cockerill zu Seraing und das Eisenwerk Angleur betrieben schon in den siebziger Jahren den Bessemerprozess in ihren Flussstahlwerken; 1880 wurde der Bau von drei neuen Bessemerwerken zu Ougrée, Athus und Acoz in Angriff genommen. Seraing verarbeitete eigene Erze aus Spanien, auch Athus stellte Bessemerroheisen dar, die übrigen Werke mussten dieses beziehen. 1882 baute Seraing sein Bessemerstahlwerk nach amerikanischem Muster um und steigerte hierdurch seine Erzeugung sehr bedeutend. Ein Konverter lieferte statt früher 110 Tonnen jetzt 310 Tonnen in 24 Stunden. Das Roheisen gelangte teils direkt aus dem Hochofen in den Konverter, teils wurde es in Kupolöfen umgeschmolzen. Das flüssige Roheisen wurde in Pfannenwagen mit Lokomotiven angefahren. Die 12 bis 14 Chargen aushaltenden Böden konnten in ¾ Stunden ausgewechselt werden. Das Giessen geschah in kreisförmigen Gruben mit Centralkran. Jeder Guss lieferte 3700 kg Stahl. Man goss Blöcke bis 250 Tonnen Gewicht. Im Jahre 1883 führte die Gesell- schaft verbesserte Gjerss che Durchweichungsgruben mit Gasheizung (D. R. P. Nr. 24974) ein. Belgien. Die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft John Cockerill zu Seraing war 1885 sehr bedeutend. Ihr Werk umfasste 7 Hochöfen, 66 Puddel- und Schweissöfen, 5 Konverter und 2 Siemens-Martin-Öfen. Die Maschinenbauanstalt hatte eine Leistungsfähigkeit von 100 Loko- motiven, 70 Dampfmaschinen, 1500 Arbeits- und Werkzeugmaschinen, von 10000 Tonnen Brücken- und Kesselbau sowie 14 eisernen Fluss- und Seeschiffen. Die Gesamtproduktion hatte einen Wert von 30 bis 40 Mill. Francs. Die Gesellschaft hatte einen bedeutenden Anteil an der Société Franco-Belge in Somorostro. 1885 baute Seraing den mächtigen 100-Tonnen-Dampfhammer für Terni; 1888 setzte Seraing auch den ersten basischen Martinofen Belgiens in Betrieb und er- zielte damit die besten Resultate bei der Schienenfabrikation. Brachot frères et sœurs zu Montigny war 1885 das älteste be- stehende Tiegelgussstahlwerk in Belgien. Ende der achtziger Jahre begann man die älteren Eisenwerke, die bis dahin noch vielfach in Privatbesitz waren, in grössere Aktien- gesellschaften zu vereinigen. Eine solche Gründung war 1888 die der Aktiengesellschaft von Marcinelle und Couillet, welche ausser den in der Firma genannten Werken noch die Hütte von Chatelineau um- fasste. Couillet hatte damals 5000 Arbeiter; ein Hochofen produzierte 105 bis 110 Tonnen Puddelroheisen in 24 Stunden; die Gebläse- maschine reichte für eine Tagesproduktion von 120 Tonnen aus. 1889 glänzte Seraing auf der Pariser Ausstellung durch eine riesige stehende Gebläsemaschine für Russland. Nach diesem bekannten Type waren bereits 123 Maschinen gebaut. Im Juni 1890 waren in Belgien nachverzeichnete Hochöfen in Betrieb: im Bezirk von Charleroi zu Acoz 2, zu Thy-le-Château 3, Couillet 3, Canbier 1, Benehill 2, Monceau 1, La Providence 2; — im Bezirk von Lüttich zu Seraing (Cockerill) 5, zu Ougrée 2, Sclessin 1, Espérance 2, Grivegnée 1; — in Belgisch Luxemburg zu Athus 2, Halancy 2, Muscon 1; ausser Betrieb waren 19, die Zahl der Hochöfen Belgiens betrug demnach im ganzen 48. Von den 29 Hochöfen in Betrieb gingen 18 auf Puddelroheisen mit 1515 Tonnen Erzeugung in 24 Stunden, 2 auf Giessereiroheisen mit 135 Tonnen, 9 auf Flussstahl- roheisen mit 705 Tonnen Tageserzeugung. Die Eisenindustrie ver- brauchte damals etwa 30 Prozent der Steinkohlenförderung. Infolge der zunehmenden Bedeutung des Thomasprozesses begann eine Verschiebung der Hochofenwerke nach dem Minettegebiet an der Grenze einzutreten, ja es begannen belgische Industrielle ihre alten Werke kalt zu stellen und neue Werke in Luxemburg und Nord- Beck, Geschichte des Eisens. 71 Belgien. frankreich zu errichten. So liess Camille Martin seine Hochöfen zu St. Martin kalt liegen und baute neue Hochöfen zu Chiers, Dep. Meurthe-et-Moselle in Frankreich. Eine belgische Gesellschaft gründete ein Hüttenwerk bei Villerupt. 1892 wurden die Werke Angleur und Sclessin zu einer Gesellschaft vereinigt und zu Sclessin ein Thomas- werk erbaut. 1893 verteilte sich die Flusseisenerzeugung Belgiens wie folgt: Seit dieser Zeit nahm die Erzeugung von basischem Flusseisen sehr zu. 1894 fand eine internationale Ausstellung in Antwerpen statt, auf welcher die belgische Eisenindustrie gut vertreten war. Gillon lieferte einen wertvollen Bericht über die Entwickelung der- selben Siehe Berg- und Hüttenmänn. Ztg., Bd. 84, S. 50; Stahl und Eisen 1894, S. 817. . Die Professoren Aug. Gillon und Paul Trasenster zu Lüttich machten sich um die belgische Eisenindustrie verdient. Die Statistik wurde hauptsächlich von dem Oberingenieur Em. Harzé im Auftrage des belgischen Handelsministeriums bearbeitet. Aus Gillons oben erwähntem Bericht von 1894 ist zu entnehmen, dass die Überzeugung von dem Siege des Flusseisens damals bereits allgemein geworden war; deshalb war die Gründung neuer Stahlwerke in Aus- sicht genommen. Das Verhältnis des Bessemer- zu Thomasroheisen war 1893 noch 70 zu 30. Von belgischen Erzen kamen nur 14 Pro- zent auf die Beschickung. Für die Puddeleisenfabrikation wurden 10 Prozent, für die Flusseisenfabrikation 14 Prozent fremdländisches Belgien. Eisen verwendet. Es wurden 1893 485000 Tonnen Schweisseisen- fabrikate und 225000 Tonnen Flusseisenfabrikate hergestellt. 1896 betrug dagegen das Verhältnis bereits 494032 Tonnen zu 519311 Tonnen. Das neue Stahlwerk zu Sclessin, das drei Konverter zu 12 Tonnen hatte, entnahm das Roheisen mittels einer Pfanne direkt vom Hoch- ofen, ebenso das neue Stahlwerk zu Couillet. In dem Stahlwerk zu Renory waren vorhanden vier Konverter zu je 5 Tonnen für Thomasbetrieb, zwei Bessemerkonverter und zwei kleine Robert- konverter von 2,5 und 1 Tonne Inhalt mit seitlichen Düsen. Gillon giebt folgende Zusammenstellung der Betriebsmittel und Erzeugung der belgischen Stahlwerke nach dem Stand am 1. Januar 1894: Das Erlöschen des Thomaspatentes am 15. April 1894 trug zur Ausbreitung des Thomasverfahrens wesentlich bei. Die neuen Stahl- werke zu Couillet und Marchienne-au-Pont wurden Anfang des Jahres in Betrieb gesetzt. 1894 fand eine Weltausstellung in Ant- werpen statt. Im August besuchten die Eisenhüttenleute von Rhein- land und Westfalen die belgischen Eisenwerke. In dem darüber veröffentlichten Bericht Siehe Stahl und Eisen 1894, S. 775, 820, 864, 912, 947. sind besonders die Werke der Société ano- nyme John Cockerill zu Seraing sowie die Stahlwerke Couillet und Sclessin eingehend geschildert. Seraing zählte damals 9500 Arbeiter einschliesslich von 370 Beamten. Die 355 vorhandenen Maschinen hatten 19255 P.S.; es wurden täglich 1400 Tonnen Steinkohlen verbraucht. 71* Belgien. Von den fünf Hochöfen hatte der grösste, Nr. 5, eine Tageserzeugung von 140 Tonnen. Die Kokerei umfasste 534 Öfen, davon 50 Copées che, 432 Appolts che und 52 Semet-Solvay-Öfen mit Gewinnung der Neben- produkte. Das Stahlwerk umfasste 3 Konverter, 3 Siemens-Martinöfen, 14 Flammöfen und 2 Siemens-Regenerativöfen für Tiegelgussstahl. Die Konverter waren für 600 Tonnen, die Siemens-Martinöfen für je 15 Tonnen Tageserzeugung eingerichtet. Das Schienenwalzwerk hatte eine Leistungsfähigkeit von 2000 Tonnen in der Woche. Auf die Grossartigkeit der Eisengiesserei, Schmiedewerkstätten und Maschinen- bauanstalt können wir hier nur hinweisen Siehe Stahl und Eisen, a. a. O., S. 913. . Die technische Leitung hatte Direktor Greiner. Couillet hatte 1188 Arbeiter und Maschinen von etwa 7000 P.S. Die Thomasblöcke gelangten in Rollöfen und wurden dann in einem starken Triowalzwerk direkt fertig gewalzt. Die Walzenzugmaschine daselbst war eine Drei-Cylindermaschine von Ehrhardt \& Sehmer in Schleifmühle, die sich durch raschen und zugleich ruhigen Gang auszeichnete; die grosse Schmiedepresse von 2000 Tonnen Druck bei einer Dampfspannung von 6,5 Atm. war von der Kalker Werkzeugmaschinenfabrik L. W. Breuer, Schumacher \& Co. geliefert. In der nationalen Waffenfabrik zu Herstal war der Arbeitsbetrieb fast ganz elektrisch. Drei Jahre später, 1897, fand bereits wieder in Belgien eine „Weltausstellung“ in Brüssel Bericht über dieselbe von Professor E. F. Dürre in Aachen, Stahl und Eisen, S. 728, 816, 969. statt, welche die inzwischen gemachten Fortschritte der belgischen Eisenindustrie erkennen liess. Als solche ist besonders die Ausbreitung und Zunahme des basischen Verfahrens der Flusseisenbereitung im Konverter wie im Flammofen hervorzuheben. Die Gesellschaften Couillet und Providence konvertierten direkt vom Hochofen. Letzteres Werk hatte in dem vorausgegangenen Jahre eine neue Hochofenanlage zur Erzeugung von Thomasroheisen erbaut. Die Gesellschaft Bonehill zu Hourpes a. d. Sambre hatte auch ihren Puddelprozess so eingerichtet, dass sie das flüssige Roheisen direkt vom Hochofen in den Flammofen brachte. Es geschah dies mit Hülfe eines Sammelofens, aus dem das Eisen in schwere Gabel- pfannen abgelassen und den Puddelöfen zugeführt wurde. Man be- schleunigte das Frischen unter Zusatz oxydischer Eisenerze (schwe- dischen Magnetits). Die Puddelöfen wie der Sammelofen waren Regenerativgasöfen, wobei aber nur ein Teil der Verbrennungsgase zur Heizung der Wärmespeicher verwendet wurde, während ein anderer Belgien. Teil unter den Rost der Generatoren geführt und in diesen karburiert wurde. Ähnliche Wärmöfen mit teilweiser Wiedererneuerung der abziehenden Gase nach dem System Biedermann waren auch zu Ougrée und Couillet in Anwendung. Ein anderer wichtiger Fortschritt der letzten Jahre war die gross- artige Kolonisationsarbeit der belgischen Industriellen in Südrussland. Fast jede der grossen Gesellschaften hatte eine Tochteranstalt in dem neuerschlossenen Donetzgebiet gegründet. Wir werden auf diese in dem Kapitel „Russland“ näher zu sprechen kommen. Der Eisenhandel Belgiens ist im Verhältnis zur Grösse des Landes ein grossartiger. Besonders gefragt ist belgisches Schweisseisen und dies bildet noch immer den wichtigsten Ausfuhrartikel. 1888 betrug die Ausfuhr von Schmiedeeisen und Eisenwaren 368343 Tonnen, 1898 454365 Tonnen. Verhältnismässig hat die Ausfuhr von Flusseisen- fabrikaten allerdings noch stärker zugenommen. Es betrug die Ausfuhr von Stahl und Stahlwaren 1888 97344 Tonnen, 1898 211449 Tonnen. Belgisches Eisen geht nach allen Ländern der Welt. Ein sehr wichtiger Ausfuhrartikel Belgiens sind Waffen, besonders Handschiess- waffen, die meist in und um Lüttich fabriziert werden. Der Wert dieser Waffenausfuhr betrug im Jahre 1898 über 16½ Millionen Frcs. Auch in den letzten Jahren ist Belgien auf der Bahn des Fort- schritts weitergeschritten und hat seinen Betrieb immer mehr modernisiert. So hat es in der Lösung der Frage der Verwendung der Hochofengase zu direkter Krafterzeugung eine wichtige Rolle gespielt, und wieder war es die Gesellschaft John Cockerill zu Seraing, die darin vorging und der es im Jahre 1898 gelang, eine Hochofengasmaschine von 180 P.S. mit Erfolg zu betreiben Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 474. ; im März 1900 wurde bereits eine grössere Maschine von 600 P.S. in Gang gesetzt A. a. O. 1900, S. 401. . Eine ganz moderne Anlage sind die neuen Hochöfen zu Couillet mit doppelten Parrys chen Trichtern, geneigtem Gichtaufzug nach amerikanischem Muster und selbstthätiger Begichtung Siehe Stahl und Eisen 1901, S. 1. . Belgien. Zahlengeschichte der belgischen Eisenindustrie. Steinkohlenerzeugung 1870 bis 1899 Em. Harzé, „Annales des Mines de Belgique“ 1896, S. 469, 509, 517, und Oscar Simmersbach, Stahl und Eisen 1897, S. 961. . Verteilung in Tonnen. Koksfabrikation Belgiens 1891 bis 1899. Belgien. Koks-Ein- und Ausfuhr 1870 bis 1890 in Tonnen. Ein- und Ausfuhr mineralischer Brennstoffe in Tonnen. Eisenerze. Förderung Belgiens 1850 bis 1890 Iron and Coal Trade Review, 18. Dezbr. 1896. . Eisenerzerzeugung. Belgien. Eisenerzeinfuhr (etwa 90 Prozent des Verbrauchs) in Tonnen. Roheisenerzeugung 1850 bis 1880 in Dezennien. Roheisenerzeugung 1870 bis 1900 in Tonnen. Belgien. Wert der Roheisenerzeugung 1895 bis 1899. Roheisenerzeugung nach Provinzen 1881. Brabant 3550 Tonnen Hennegau 337127 „ Namur 47964 „ Lüttich 204214 „ Luxemburg 32583 „ Zusammen 625438 Tonnen Roheisenerzeugung nach Sorten und Provinzen in Tonnen. Roheisenerzeugung nach Bezirken im Jahre 1896. Belgien. Roheisenerzeugung. Belgien. Stand der belgischen Hochöfen am 1. Juni 1898. Schweisseisenerzeugung 1850 bis 1890 nach Dezennien. Belgien. Schweisseisen-Fertigfabrikate in Tonnen. 1875 436440 1876 399138 1877 — 1878 — 1879 493409 1880 — 1881 456680 1884 471048 1885 469249 1886 470255 1887 534056 1888 547818 1889 577204 1890 514311 1891 497280 1892 479008 1893 485021 1894 453290 1895 445899 1896 494032 1897 474858 1898 485040 1899 475198 1900 362252 Sorten. Erzeugung nach Provinzen. Belgien. Schweisseisen. Belgien. Schweisseisen und Flusseisenerzeugung in Tonnen (Fertig- fabrikate). Flusseisenerzeugung (einschl. Tiegelstahl) 1861 bis 1890 nach Dezennien. Bessemerstahlerzeugung 1864 bis 1876 in Tonnen. 1864 296 (zu 400 Mark pro Tonne) 1865 969 1866 1460 1867 1767 1868 2509 1869 3699 1870 5977 1871 10854 1872 14985 1873 21265 1874 36589 1875 53560 1876 71558 (zu 160 Mark pro Tonne) Belgien. Erzeugung von Thomasstahl nach Gilchrist in Tonnen. 1880 3295 1881 14200 1882 16672 1883 27399 1884 31700 1885 21056 1886 27938 1887 50777 1888 31947 1889 47037 1890 46445 1891 38793 1892 56274 Flusseisen 1884 bis 1900 in Tonnen. Nach Sorten. Nach Provinzen 1886 in Tonnen . Belgien. Verbrauch und Erzeugung 1892 in Tonnen. Verbrauch an Roheisen: Belgisches 204721 Ausländisches 44958 Schrott 42248 Zusammen 291927 Erzeugung: Blöcke 260037 Fertigfabrikate 208281 Wert: 27601000 Frcs. Flusseisen. Fertigfabrikate 1899. Schienen 123119 Tonnen Radreifen 11212 „ Verschiedene Walzeisen 340355 „ Schmiedestücke 32180 „ Grobbleche 68051 „ Feinbleche 37844 „ Draht 21189 „ Zusammen 633950 Tonnen Belgien. Durchschnittspreise für die Tonne in Mark. Einfuhr 1888 bis 1898 in Tonnen. Ausfuhr 1888 bis 1898 in Tonnen. Beck, Geschichte des Eisens. 72 Belgien. 1897: 24455 Eisenhüttenarbeiter. Einfuhr und Ausfuhr 1899 und 1900 in Kilotonnen. Ein- und Ausfuhr 1899 und 1900 im prozentualen Verhältnis zur Produktion. Gesamtausfuhr von Eisen und Stahl 1896 Nach Iron and Coal Trade Review vom 2. April 1897. . Belgien. Ein- und Ausfuhr 1890 in Tonnen. Ausfuhr 1897 bis 1899 in Tonnen. 72* Belgien. Ausfuhr 1898 und 1899 nach folgenden Ländern in Tonnen. Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Rentzsch). Österreich-Ungarn. Österreich-Ungarn. Die uralte Eisenindustrie des Kaiserstaates hat seit 1870 trotz der veränderten Verhältnisse eine höchst gedeihliche Entwickelung genommen. Hierzu haben vielerlei innere und äussere Gründe bei- getragen, am meisten aber ein verständnisvolles, auf wissenschaftlicher Grundlage beruhendes Erfassen der Bedingungen der Eisenindustrie, der gegebenen Verhältnisse und der gebotenen Verbesserungen. Der Mann, dem hierfür das grösste Verdienst zukommt, war Peter von Tunner, der Direktor der Bergakademie zu Leoben, in welchem praktischer Sinn und theoretisches Verständnis in seltener Weise vereinigt waren und der durch sein eminentes Lehrtalent weit über die Grenzen seines Vaterlandes segensreich gewirkt hat, so dass dessen zahlreiche Schüler im Deutschen Reiche ihm ebenso dankbare Ver- ehrung gezollt haben und seinem Andenken noch zollen wie seine Landsleute. Auf dem von ihm vorgezeichneten Wege wirkten dann seine Schüler und Nachfolger, besonders Franz Kuppelwieser, Anton von Kerpely, Josef Gängl von Ehrenwerth, segensreich weiter. Zu den äusseren Gründen, die zur gedeihlichen Entwickelung der österreichisch-ungarischen Eisenindustrie beitrugen, gehörte die weise Politik der kaiserlichen Regierung. Der Ausgleich mit Ungarn, der im Jahre 1867 zustande kam, war der Ausgangspunkt der Entfaltung Österreich-Ungarn. der ungarischen Eisenindustrie. Diese wurde wesentlich dadurch gefördert, dass sich der Staat eines grossen Teiles seines Montan- besitzes entäusserte und diese der privaten Bewirtschaftung überliess. Dies geschah nicht nur in Ungarn, sondern auch in den öster- reichischen Stammlanden, besonders in den Alpenländern. Zu den inneren Gründen gehören die technischen Fortschritte im Eisenhüttenwesen, sowohl durch die Einführung und Entwickelung der neuerfundenen Flussstahlprozesse, des Bessemer-, Martin- und Thomas- verfahrens, als auch durch die verbesserte Verwendung der im Lande vorhandenen Brennstoffe durch Vervollkommnung der Gas- feuerungen. Österreich-Ungarn ist reich an guten Eisenerzen, dagegen arm an Steinkohlen. Braunkohlen und Torf, mit denen es reichlicher versehen ist, müssen aushelfen, was für die Eisenindustrie in den meisten Fällen erst durch deren Vergasung ermöglicht wird. Nach der Natur seiner Eisenerze zerfällt Österreich (Cisleithanien) in zwei Gruppen: die Südgruppe, die Alpenländer umfassend, worin Spateisenstein vorherrscht, und die Nordgruppe: Böhmen, Mähren und Schlesien, mit vorherrschenden Braun- und Thoneisensteinen. Diese Verschiedenartigkeit der Erze beeinflusst nicht nur die Natur und Güte der Erzeugnisse, sondern auch die Betriebsweise. Ungarn hat eine grosse Mannigfaltigkeit an Erzarten und einen solchen Reichtum an guten Erzen, dass es beträchtliche Mengen davon ausführt, be- sonders nach Österreichisch- und Deutsch-Schlesien. In früherer Zeit, als Holzkohlenbetrieb und Frischprozess noch vorherrschten, lag der Schwerpunkt der Eisenerzeugung in der Süd- gruppe, in den Alpenländern. Seit Einführung des Steinkohlenbetriebes und der Flusseisendarstellung hat eine Verschiebung zu Gunsten der Nordgruppe stattgehabt. In Prozenten betrug die Erzgewinnung: Österreich-Ungarn. und die ganze Erzförderung Österreichs dem Gewicht nach 1878 666150 Tonnen, 1899 1725143 Tonnen. Ungarns Eisenerzförderung betrug 1899 1587600 Tonnen, wovon ein Drittel ausgeführt wurde. Die Roheisenerzeugung Österreichs ist in der Zeit von 1871 bis 1899 von 250320 Tonnen auf 996385 Tonnen, also nahezu um das Vierfache, die Ungarns von 132902 auf 471268 Tonnen, die der gesamten österreichisch-ungarischen Monarchie von 424638 Tonnen auf 1467653 Tonnen gewachsen. Die hohe Bedeutung des Bessemerprozesses für Österreich hatte besonders Tunner frühzeitig erkannt und seinen Bemühungen war es gelungen, dieses Verfahren bereits im Jahre 1863 in Turrach ein- zuführen. Die Eisenerze der Alpenländer und anderer Gebiete gestatteten die Herstellung eines guten Bessemerroheisens aus ein- heimischem Roheisen. Eine grössere Anzahl von Werken war deshalb in den folgenden Jahren dem Beispiel der Eisenhütten zu Turrach und in der Heft gefolgt. 1867 hatte man auch die ersten Versuche mit dem Martinprozess begonnen. Als man mit der Flusseisendarstellung anfing, hatte das Puddelverfahren noch keineswegs die alte Holzkohlenfrischerei ganz verdrängt. Das Bessemerverfahren ersetzte dieses zum Teil, und zwar um so vorteilhafter, als der Preis der Holzkohlen immer mehr stieg. Als dann 1878 die Erfindung des basischen Bessemerprozesses durch Gilchrist Thomas auch die Verarbeitung phosphorhaltiger Roheisen- sorten in der Birne gestattete, und als man bald danach lernte, in dem Martinofen mit basischem Futter ein weiches Flusseisen als Ersatz für Frisch- und Puddeleisen herzustellen, da errang dies Fluss- eisen bald den Sieg über das Schweisseisen, und zwar geschah dies in Österreich früher als in irgend einem anderen Lande. Leider fehlt es an zuverlässigen Zahlen über die Schweisseisenerzeugung in der österreichischen Monarchie, während für die Erzeugung des Flusseisens eine Statistik vorhanden ist. Aus dieser, dem Roheisenverbrauch und anderen Angaben lässt sich aber die Schweisseisenerzeugung annähernd berechnen. Danach wurden erzeugt: Im Jahre 1883 hat also bereits die Erzeugung des Flusseisens die des Schweisseisens überflügelt und diesen Sieg seitdem dauernd Österreich-Ungarn. behauptet. In Grossbritannien trat dieser Zustand erst 1885, in Deutschland erst 1890 ein. Zu Anfang der siebziger Jahre bestand noch eine nicht unbedeutende Holzkohlen-Eisenindustrie in den österreichischen Alpen- ländern und in Siebenbürgen fanden sich vereinzelt sogar noch Stück- ofenbetriebe. Solche erwähnt A. von Kerpely in seinem Bericht über die Wiener Weltausstellung im Jahre 1873 zu Thoreczko bei Thorda und zu Plotzko bei Vajda-Hunyad in Siebenbürgen. Auch auf dem Gyalar in Siebenbürgen verschmolz man 1872 gerösteten Brauneisenstein mit Holzkohlen in einem Stückofen. Man erhielt dabei ein direkt verarbeitbares Rohstableisen. Das Roheisen wurde in Südösterreich noch meist mit Holzkohlen geschmolzen. 1870 begann man zuerst in den Alpenländern zu Prävali in Kärnten mit der Erbauung eines grossen Kokshochofens für 15000 Tonnen Jahreserzeugung. 1873 war man in Südösterreich auf folgenden Werken teilweise zum Koksbetrieb übergegangen: zu Prävali in Kärnten (ein Ofen), zu Schwechat bei Wien (zwei Öfen), zu Zeltweg in Steiermark (ein Ofen), ferner war ein Koksofen zu Niklas- dorf im Bau. In Nordösterreich waren 1871 neue Kokshochöfen zu Witkowitz und Mährisch-Ostrau und auf Carl-Emilshütte bei Nusic in Böhmen und 1872 zu Trzynietz in Mähren gebaut worden. Durch Erhöhung der Windtemperatur auf 500 bis 600° C. in Gjers ’ Winderhitzern (Clevelandapparaten) erzielte man auch bei den Holzkohlenhochöfen Mehrerzeugung und Kohlenersparnis, so im Jahre 1871 zu Olsa in Kärnten 25 bis 30 Prozent, zu Treibach und Eisenerz in Steiermark 29 Prozent und brauchte man bei weissstrahligem und weissem Eisen nur 55 Gewichtsteile Holzkohlen auf 100 Eisen. Zu Olsa bei Friesach hatte man 1872 mit gutem Erfolg ein Drittel der Holz- kohlen durch Köflacher Braunkohlen ersetzt. Auf der Adalberthütte bei Kladno in Böhmen hatte Jacobi seine Entphosphorung auf nassem Wege durch Auslaugen der gerösteten Erze mit einer Lösung von schwefliger Säure eingeführt. Ebenso hatte Jacobi dort einen Gasfang und Chargiervorrichtung mit beweglichem Trichterstück konstruiert. Den Wind lieferte ein grosses Balanciergebläse, dessen Windcylinderkolben 2,845 m Durch- messer und Hub hatte. Zu Jauerberg und Putten in Krain wurden 1872 Hochöfen nach Büttgenbachs System gebaut. Auf ersterer Hütte erblies man ein Österreich-Ungarn. sehr manganreiches strahliges Eisen mit 12 bis 22 Prozent Mangan für den Bessemerprozess. In Tirol, wo im Süden vereinzelt noch die alte Müglaschmiede betrieben wurde, hatte man Wagners che Röstöfen und seit 1873 Fillafer-Öfen und Gjers-Winderhitzer. Das Roheisen wurde teils ver- gossen, teils in Frischfeuern mit Holzkohle zu Stabeisen und Stahl verfrischt. In Ungarn regte sich die Eisenindustrie seit Anfang der sieb- ziger Jahre mächtig. Die Werke der Südbahngesellschaft zu Reschitza und Annina hatten schon in dem vorhergehenden Jahrzehnt grosse Bedeutung erlangt. Die Lias-Steinkohle von Steierdorf lieferte den Brennstoff. 1871 wurde dieselbe zu Annina in 60 Öfen für den Hoch- ofenbetrieb verkokt. Braun- und Roteisensteine von Morawitza und Dognacska bildeten den Hauptteil der Beschickung. Ausserdem war die Steinkohle von Blackband begleitet. Mit verbesserten Wasser- alfinger Winderhitzungsapparaten erzielte man eine Temperatur des Gebläsewindes von 350° C. Der Hochofen von Kalán in Siebenbürgen zeichnete sich (1871) durch eigentümliche Bauart aus. Zwischen Raugemäuer und Kern- schacht war ein zwei Fuss breiter Zwischenraum. 1872 schmolz man zu Kalán unter Leitung von Massenez in einem Hochofen nur mit roher Braunkohle, später mischte man derselben ein Viertel Koks bei. Auf dem neugegründeten Königl. ungarischen Staatswerk in Diósgyör war 1870 der erste Hochofen angeblasen und 1871 das Schienenwalzwerk in Betrieb gesetzt worden. Zu Salgo Tarján wurden 1872 zuerst die Siemens-Gasfeuerung und das Walzen von I-Trägern eingeführt. Auf der Weltausstellung in Wien im Jahre 1873 zeigte sich die österreichische Eisenindustrie und die erzielten Fortschritte, wenn auch in zersplitterter Aufstellung, in bestem Lichte. Der grösste Kokshochofen von Witkowitz hatte damals 18,72 m Höhe, 5,44 m Weite im Kohlensack, 4,80 m in der Gicht und 2,24 m im Gestell. Seine Wochenproduktion betrug 240 Tonnen. Ebenso viel lieferte der neue Hochofen zu Prävali von nur 16,96 m Höhe uud 4,68 m Weite im Kohlensack, allerdings mit den vorzüglichen Kärntner Erzen. Zwei weitere grosse Kokshochöfen waren von der Innerberger Haupt- gewerkschaft zu Schwechat bei Wien nach Büttgenbachs System erbaut worden. Ihre Masse waren 18,97 m Höhe, 5,69 m im Kohlen- sack, 4,11 m in der Gicht, 2,21 m im Gestell. Es waren dies damals die grössten Hochöfen Österreichs. Ein Ofen lieferte täglich 50 Tonnen Österreich-Ungarn. Bessemerroheisen mit Koks von Oslavan. Ein Kokshochofen war ferner zu Zeltweg in Steiermark errichtet und in Niclasdorf befand sich, wie erwähnt, einer im Bau. Man setzte damals auch in den Alpenländern grosse Hoffnung auf den Hochofenbetrieb mit Koks. In der nördlichen Gruppe waren ausser zu Witkowitz Koks- hochöfen zu Stefanau, Trzynietz und in Böhmen zu Kladno, Rockycan, Karlshütte und Zbirow. Die Holzkohlenhochöfen von Ritter von Friedau in Vordernberg hatten eine Tagesproduktion von 25 bis 30 Tonnen, während die kleineren Öfen nur die Hälfte erzeugten. In Ungarn hatten die Werke der Staatsbahngesellschaft im Jahre 1873 drei Hochöfen zu Reschitza und einen zu Deutsch-Bogsan in Betrieb, welche Magnet- und Roteisensteine von Morawitza mit Holz- kohle schmolzen. Zu Annina verhüttete man ausser Kohleneisenstein die Erze von Dognatzka in zwei Kokshochöfen. Diese Werke erzeugten etwa ein Viertel der gesamten Produktion Ungarns. 1872 erblies Reschitza 17634 Tonnen, Annina 14604 Tonnen. Nach diesen hatten die ungarischen Staatswerke zu Rhonitz, welche die Werke Rhonitz, Brezova, Teisholz, Libethen, Poinik, Mostenicz, Waiszkova, Jaffena, Polhora, Zeleznik, Dobschau und Gölnicz umfassten, die grösste Er- zeugung, sie betrug 1871 9738 Tonnen Roheisen. Ungarn zeigte auf der Wiener Weltausstellung sein Streben nach Selbständigkeit und Entwickelung seiner nationalen Eisenindustrie Franz Kuppelwieser, Offizieller Ausstellungsbericht, Das Hüttenwesen, S. 77; Anton Kerpely, Das Eisen auf der Wiener Weltausstellung 1873. . Bei dem Puddel- und Schweissbetrieb war das Streben auf Brenn- stoffökonomie gerichtet. Aus diesem Grunde führte man 1871 in Prävali einen Lundins chen Sägespäne-Gasschweissofen ein. Die Benutzung von Siemens ’ Regenerativfeuerung bei den Schweissöfen erzielte in Prävali und Judenburg eine bedeutende Brennstoffersparnis. Eine grosse Bedeutung hatte der Bessemerprozess erlangt. In Österreich waren den ersten Unternehmen zu Turrach und Heft das ärarische Eisenwerk Neuberg, die Stahlhütte der Südbahn zu Gratz, Zeltweg, die Anlagen zu Witkowitz, Kladno, Ternitz, Teplitz gefolgt. Von diesen war Ternitz mit sechs Konvertern 1873 am bedeutendsten. 1873 betrug die Bessemerstahlerzeugung bereits 70000 Tonnen. Es folgten 1873 und rasch danach die Stahlhütten von Prävali und Trzynietz. Ungarn besass 1873 nur ein Bessemerwerk zu Reschitza, das aber zu den grössten der Monarchie gehörte und in zwei Kon- Österreich-Ungarn. vertern im Jahre 1872 7950 Tonnen Flussstahl erzeugte, der haupt- sächlich zu Eisenbahnschienen verwendet wurde. Jos. von Ehrenwerth brachte ein Verfahren direkter Eisen- erzeugung auf einem horizontalen Drehherd in Vorschlag. Lang und Frey führten ihr zu Weidisch erprobtes Verfahren der Roheisen- gewinnung aus Frisch- und Schweissschlacken, die mit Kohlenlösche und Kalk vermengt in einem kleinen Hochofen geschmolzen wurden, vor. Kladno stellte seinen Röhrenguss, Ganz \& Co. in Budapest ihren vorzüglichen Hartguss aus. Von wissenschaftlichen Arbeiten aus jener Zeit sind die „Studien über den Hochofenprozess“ von F. Kuppelwieser und Schöffel, ferner des ersteren Abhandlung „Über Wärmeentwickelung im Bessemerofen“ und M. von Lills Untersuchungen österreichischer und ungarischer Eisenerze hervor- zuheben. Die ersten Jahre des siebenten Jahrzehnts waren auch in Öster- reich eine Zeit grossen Aufschwunges, der durch die Vorbereitung für die Wiener Weltausstellung noch erhöht wurde. Leider folgte auf diese Zeit des Aufschwunges in der zweiten Hälfte des Jahres 1873 ein Rückschlag, der, weil er mit der Weltausstellung in Wien zu- sammenfiel und deshalb dort besonders auffiel, als der „Wiener Krach“ bezeichnet wurde. Die österreichische Eisenindustrie litt schwer darunter. Die Roheisenerzeugung sank von 1873 bis 1877 von 534548 Tonnen auf 388240 Tonnen. Dennoch sind auch aus dieser Zeit manche Fortschritte zu verzeichnen. Die Wiener Weltausstellung hatte die Aufmerksamkeit auf W. Siemens ’ Erzstahlprozess und auf die rotierenden Puddelöfen von Danks und Seller gelenkt. Mit ersterem wurden 1874 Versuche in Neuberg, Prävali und in Ungarn angestellt, aber ohne günstigen Erfolg. Lang und von Ehrenwerth mischten geröstete Eisenerze mit Reduktionsmitteln, trugen dieses „Stahlgut“ in einen rotierenden Ofen ein, reduzierten bei niedriger Temperatur und rauchender Flamme, steigerten alsdann die Hitze, gossen in einem zweiten Ofen geschmolzenes Roheisen über den reduzierten Eisenschwamm und erhielten so Flusseisen Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1875, Nr. 15 und 16. . Ein grossartiges Eisenwerk für eine Produktion von 80000 Tonnen Koksroheisen, das in rotierenden Cramptonöfen verpuddelt werden sollte, legte Strousberg in der von ihm erworbenen Herrschaft Österreich-Ungarn. Zbirow in Böhmen an, doch geriet das Unternehmen schon 1875 in Konkurs, ehe es vollendet war. 1875 gelang es in Jauerburg und Sava in Krain, Ferromangan im Hochofen herzustellen. 1875/76 wurden 6555 M.-Centner Ferro- mangan mit 37 bis 45 Prozent Mangan, 2717 M.-Centner mit 20 bis 36 Prozent, 2061 M.-Centner Spiegeleisen mit 11 bis 19 Prozent und 5043 M.-Centner mit geringerem Mangangehalt erblasen. In Prävali, wo man mit Koks von Fünfkirchener Steinkohle schmolz, kehrte man 1875 wieder zum Holzkohlenbetrieb zurück. In dem 1873 erbauten Bessemerwerk schmolz man das Roheisen in Kupolöfen um. Auf dem Werke befanden sich auch fünf Doppel- puddelöfen und vier Gasschweissöfen. Der Bessemerprozess hatte sich noch mehr ausgebreitet; die Birnen standen meist direkt mit den Hochöfen in Verbindung. 1874 wurden 24472 Tonnen ohne Umschmelzen des Roheisens er- blasen. Wo man in Kupolöfen umschmolz, suchte man durch heisses Einschmelzen und reichlichen Schrottzusatz (bis 60 Prozent) die Mehrkosten auszugleichen. In Ungarn führte Ludwig v. Borbely 1876 mit Erfolg Siemens ’ Regeneratorfeuerung bei den Puddelöfen, die mit Braunkohlen geheizt wurden, ein. Ein solcher Gaspuddelofen machte in der 12stündigen Schicht sieben bis acht Chargen von 450 kg Einsatz. Man erhielt 3000 bis 3500 kg Luppen bei einem Kohlenverbrauch von 160 bis 180 Prozent. Ferner führte Borbely rotierende Pernotöfen und ein Universalwalzwerk ein. 1876 stellte man in Reschitza Ferromangan im Hochofen dar. Zu Altsohl versah man 1878 die Schweissöfen mit Bicherouxfeuerungen und die Puddelöfen mit wassergekühlten Backen. Zu Josephsthal in Böhmen arbeitete man schon 1877 mit Torf- gasöfen mit Regeneratoren nach Pietzkas System. Tunner wies 1878 auf die Wichtigkeit des Siemens-Martin- verfahrens für weiches Flusseisen von unter 0,2 Prozent Kohlenstoff- gehalt hin. 1878 baute J. Prochaska auf dem Eisenwerk der Süd- bahngesellschaft in Graz ein neues Siemens-Martinstahlwerk mit Öfen für 10 Tonnen Einsatz und Gasbetrieb. Mit dem vorzüglichen Altmaterial erhielt man ein sehr gutes Produkt. Da die Unter- haltungskosten geringer waren wie beim Bessemern, so war der Betrieb vorteilhafter, solange genug Altmaterial vorhanden war. Mischung und Entzündung von Gas und Verbrennungsluft fanden erst im Ofenherd statt. Man hatte acht Gasgeneratoren. Auf 100 Tle. Flusseisen wurden 87,6 Tle. Kohlen und 104,57 Tle. Eisenmaterial Österreich-Ungarn. (26,78 Roheisen, 73,80 Alteisen und 3,79 Spiegeleisen) verbraucht. Die Jahreserzeugung betrug 6000 Tonnen Blöcke, die zu Eisenbahn- schienen verarbeitet wurden. Die Qualität wurde durch die Eggertz- sche Kohlenstoffprobe und ein rasches Verfahren der Phosphor- und Manganbestimmung kontrolliert. Infolge der guten Erfahrungen wurde in Graz der Bessemerprozess ganz durch das Martinverfahren ver- drängt. Die in dem Puddelwerk des Grazer Walzwerks eingeführten Crampton-Rotatoren arbeiteten (1877) gut. Pernot-Drehöfen waren zu Annina im Banat für Flussstahl eingeführt worden. Zu Zeltweg schmolz man 1878 im Hochofen mit einem Gemisch von Koks und Braunkohle, und zwar setzte man auf 986 kg Koks 715 kg Braun- kohlen. 1877/78 baute Direktor Goedecke von Düsseldorf verbesserte Whitwell-Winderhitzer nach seinem System zu Trzynietz und Wit- kowitz. 1879 machte sich wieder ein Aufschwung in der österreichischen Eisenindustrie fühlbar, wozu der Zollschutz durch die Einführung des autonomen Zolltarifs wesentlich beitrug. In diesem Jahre wurde das Thomas-Gilchrist-Verfahren zur Entphosphorung und Flusseisen- bereitung bekannt. Josef Gängl von Ehrenwerth wies auf die wirtschaftliche Bedeutung derselben hin Siehe Österr. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1879, Nr. 18. und stellte zuerst eine richtige Theorie des Prozesses auf, indem er nachwies, dass wie bei dem sauren Verfahren das Silicium bei dem basischen Verfahren der Phosphor als Brennstoff wirke und die hohe Temperatur des Eisen- bades erzeuge. Bereits im Sommer 1879 führte man in Kladno und dann in Teplitz und Witkowitz das neue Verfahren ein, allerdings an letzterem Orte mit der Abänderung, dass man erst in einer Birne mit saurem Futter das Silicium abschied und dann in einer Birne mit basischer Auskleidung die Entphosphorung bewerkstelligte. Das Thomasverfahren wurde bald darauf auch in Ternitz eingeführt. 1879 baute Max Glenzer zu Bržova in Ungarn Holzgaspuddel- öfen mit liegenden Regeneratoren. Das Roheisen, welches 1880 zu Witkowitz „thomasiert“ wurde, enthielt ausser dem normalen Gehalt an Kohlenstoff 0,9 Prozent Phosphor, 0,75 Silicium, 0,2 Schwefel und 0,07 Kupfer, das daraus erblasene Flusseisen 0,05 bis 0,15 Prozent Kohlenstoff, 0,02 bis 0,05 Phosphor, 0,02 Schwefel, 0,07 Kupfer und Spuren von Silicium. Die Zerreissfestigkeit betrug 40 bis 42 kg, die Kontraktion 60 Prozent. In den achtziger Jahren nahm die Eisenindustrie Österreichs und Österreich-Ungarn. Ungarns eine sehr gedeihliche Fortentwickelung. Die Roheisen- produktion Österreichs stieg von 1880 bis 1890 von 320302 Tonnen auf 686273 Tonnen, die Ungarns von 143932 Tonnen auf 299107 Tonnen, also in den beiden Hälften der Monarchie um mehr als das Doppelte. 1880 wurden in Steiermark aus Frischherden noch 130826 M.-Centner, aus Puddelöfen 353353 M.-Centner Schweisseisen und 254483 M.-Centner Flusseisen und Flussstahl erzeugt. Das Patent für das basische Thomasverfahren hatten damals die Werke zu Witkowitz, Kladno und Teplitz erworben. Unter der Leitung von Paul Kuppelwieser entwickelte sich die Thomasstahlfabrikation zu Witkowitz in gedeihlicher Weise weiter. Der geringe Phosphor- gehalt des Roheisens zwang anfangs zu der erwähnten Teilung des Prozesses ( Harmets Verfahren). Später ging man zum reinen Thomas- verfahren über, nachdem es gelungen war, phosphorreiches Roheisen durch Zusatz phosphorreicher Puddelschlacken, die aus Peine bezogen wurden, herzustellen. Dabei gab man auch die phosphorreiche Thomas- schlacke immer wieder in den Hochofen zurück. Zur Auskleidung der Thomasbirnen verwendete man gebrannte Dolomitziegel mit geringem Kieselsäuregehalt. Das Thomasflusseisen war besser als das früher erzeugte Bessemerflusseisen, besonders für Schienen, Radreifen, Achsen, Schwellen, Kessel-, Schiffs- und Weissblech, Konstruktions- eisen, Draht, Schrauben und Bolzen, gewalzte Röhren und Schmiede- stücke jeder Art. Für Bleche zog man es dem Schweisseisen vor. Silicium und Phosphor des Roheisens mussten zusammen mindestens 2,5 Prozent betragen, um genügend heisses Flussmetall zu erhalten. Man hatte die auswechselbaren Konverterböden von Holley ein- geführt. Ein Boden hielt 30 Chargen aus, wenn man die sauren Düsen alle fünf bis sechs Chargen erneuerte. Auf dem 1873 gegründeten Stahlwerk zu Teplitz wurde 1879 ver- suchsweise, dann 1881 dauernd der Thomasprozess eingeführt. Man bezog in Ermangelung von genügend phosphorreichem einheimischen Roh- eisen solches von Ilsede am Harz, das 2 bis 2,4 Prozent Phosphor und 2,5 Prozent Mangan enthielt, für den Thomasprozess, da man damals noch kein geeignetes Roheisen erblies. Das Werk, das auf die billige Braunkohle begründet war, hatte zwei 6- bis 7-Tonnen-Konverter für Bessemerbetrieb und einen von 8 Tonnen Einsatz für das Thomas- verfahren. Das Einschmelzen erfolgte in Regenerativ-Gasflammöfen. Das reine Roheisen der Alpenländer eignete sich mehr für den Bessemer- als für den Thomasprozess. P. von Tunner berechnete, Österreich-Ungarn. dass die Mehrkosten des Thomasierens durch das teurere Futter und den Abbrand sich um 1 Gulden (Mark 1,70) pro Tonne höher stellten als das Bessemern, um so viel müsste also das Roheisen zum mindesten billiger sein. Nordösterreich besass mehr phosphorhaltige Erze und so erblühte hier erst das Thomas-, dann das basische Martinverfahren, was nach und nach zu einer Verschiebung der Erzeugung und zu einer Mehr- produktion der nördlichen gegenüber der südlichen Gruppe führte. Unter dieser Verschiebung litt am meisten die oberösterreichische Kleineisenindustrie, welche noch den handwerksmässigen Betrieb bei- behalten hatte und gewohnheitsmässig auf den Bezug des vortrefflichen steierischen Holzkohlen-Frischeisens und Stahls eingerichtet war. Die Zahl der Kleinmeister, welche die mannigfaltigen Eisen- und Stahl- waren lieferten, war eine überaus grosse. 1880 zählte man 3127 Betriebe, wovon 532 auf das Gebiet der Stadt Steyr entfielen. Dennoch hatte sich die Zahl der Betriebe vermindert, denn 1860 gab es deren in der Stadt Steyr noch 783, während man 1880 in der Stadt nur 504 zählte. Hochöfen gab es in Oberösterreich keine, dagegen hatte die Innerberger Hauptgewerkschaft ein bedeutendes Walz- und Hammer- werk zu Reichraming, das 1880 1120 Tonnen steyrisches Roheisen verarbeitete, und Hammerwerke zu Kleinreifling und Weyer. Früher hatten die Eisen- und Stahlwaren aus dem vorzüglichen Eisen und Stahl der Alpenländer gewissermassen ein Monopol. Durch die Fluss- stahlfabrikation hatte sich das wesentlich geändert. Es wurde an sehr vielen Orten guter Flussstahl, der für Kleineisenzeug, für Messer- waren, Sensen, Feilen u. s. w. geeignet war, hergestellt, und diese Fabri- kation war deshalb nicht mehr so wie früher von den Gebieten, aus deren Erzen Qualitätseisen hergestellt wurde, abhängig. Hieraus erwuchs den alten Betriebsstätten eine bedeutende Konkurrenz. Rem- scheid und Solingen hatten sich den neuen Verhältnissen rascher angepasst, die Handarbeit vielfach durch Maschinenbetrieb ersetzt und lieferten ihre guten und billigen Waren nach Österreich. Zum Fabrikbetrieb konnte man sich hier nicht aufschwingen, dazu fehlte es auch an Kapital und die genossenschaftliche Arbeit litt durch den Zerfall der alten Zünfte. Die Handarbeiter waren in Ab- hängigkeit von den Händlern, ihr Verdienst war gering, es fehlte der Nachwuchs. Dabei war der einzelne oft nicht imstande, ein Stück fertig zu machen, indem sich eine weitgehende Arbeitsteilung aus- gebildet hatte, so dass ein Arbeiter meist nur lernte, einen Teil eines Stückes anzufertigen. Es wurde viel beraten und versucht, um dem Österreich-Ungarn. Notstand entgegen zu arbeiten. Um dem Arbeitermangel abzuhelfen, gründete die Landesregierung in der Stadt Steyr eine Lehrwerkstätte. Trotz der schlimmen Lage wurde noch Tüchtiges geleistet, wo sich alte Genossenschaften erhalten hatten oder wo grössere Unter- nehmungen sich entwickelten. Zu letzteren gehörten die berühmte Gewehrfabrik von Franz Werndl zu Unterhimmel bei Steyr, die Schöndorfer Gussstahlfabrik und die Messerwarenfabrik von Ignaz Bandl; zu ersteren gehörten die uralte Trattenbacher Messergenossenschaft, die 1880 noch 20 Meister zählte und be- sonders die Micheldorfer Sensengewerksgenossenschaft, die 46 Ge- werken umfasste, die an 1000 Arbeiter beschäftigten. Die grossen Waffenfabriken der Firma J. F. Werndl u. Co. in Steyer und Ober- letten beschäftigten 3000 bis zu 5000 Mann. Steiermarks Erzeugung betrug 1880: 130826 M.-Centner Herdfrischeisen, 353353 M.-Centner Flammofenfrischeisen und 254483 M.-Centner Flusseisen und Stahl. Zu Gratz und Zeltweg walzte man Eisenbahnschienen aus Bessemer- stahl. Die Sensenwerke in Steiermark umfassten zu Anfang der achtziger Jahre 23 Werke mit 107 Öfen und 140 Hammerschläger, diese be- schäftigten 773 Arbeiter und verarbeiteten 18215 M.-Centner Stahl, und zwar Tiegelgussstahl, Martin- und Bessemerstahl, der weniger Aus- schuss und grössere Produktion gab als Frisch- und Puddelstahl. Sehr bedeutend hatte sich die Fabrikation von Draht und Drahtstiften in Steiermark entwickelt; sie verarbeitete auf den Werken zu Kindberg, Bruck, Thörl, Knittelfeld, Admont, Donawitz und Rottenberg 35000 M.-Centner. Ein wichtiges Ereignis für die Eisenindustrie der Alpenländer war die Gründung der Österreichischen Alpinen Montan-Gesellschaft 1881, welche die wichtigsten Eisenwerke Steiermarks sowie die zu Prävali in Kärnten und Schwechat bei Wien in sich aufnahm; 1886 umfasste sie 31 berg- und hüttenmännische Etablissements, die 650734 Tonnen Braunkohlen, 430530 Tonnen Eisenerze, 151539 Tonnen Hochofenerzeugnisse, 60661 Tonnen Flussstahl und 50312 Tonnen Schweisseisen und Stahl erzeugten. In Obersteiermark hatte 1882 das Fürstl. Schwarzenbergische Bessemerwerk zu Turrach drei kleine Birnen, deren Erzeugnisse auf den Hämmern zu Murau, Frauenberg und Vordernberg zu Streckstahl verarbeitet wurden. Neuberg goss dagegen schwere Blöcke, die unter grossen Hämmern zu Achsen, Bandagen, Platten u. s. w. ausgeschmiedet wurden. Martinöfen gab es 1882 in Neuberg und Donawitz, Guss- Österreich-Ungarn. stahlwerke in Kapfenberg, Mürzzuschlag, Rothenthurm bei Judenburg und Tajagraben. Die wichtigste Gussstahlhütte war Kapfenberg, das der Innerberger Hauptgewerkschaft gehört und mit 12 Siemens-Schmelz- öfen zu je 20 Tiegeln arbeitete. Die vier Hütten lieferten 30500 M.- Centner Gussstahlkönige und 600 M.-Centner Façonguss. Gepresste emaillierte Waren lieferte besonders Handl u. Co. zu Knittelfeld. In Kärnten zählte man 1882 zu Lölling, Treibach, Heft, Eber- stein, Prävali, St. Gertraud, Eisenstrattau, Waidisch und Schwarzenbach 23 Hochöfen. Die Hüttenberger Eisenwerksgesellschaft besass die grössten und besten Hochöfen, ihr gehörten auch die beiden einzigen Bessemerhütten zu Heft und Prävali. Zu Heft wurde das flüssige Roheisen vom Hochofen unmittelbar in die Birne geleitet und die Abfälle in die Birne geworfen. 1878 wurden 115289 M.-Centner Roh- eisen und 127203 M.-Centner Bessemereisen erzeugt. Prävali erblies etwa 100000 M.-Centner, Lölling 150000 M.-Centner und Treibach 100000 M.-Centner Bessemereisen. Die Zahl der Eisenraffinier- und Schmelzwerke in Kärnten war beträchtlich. Es gab 30 Raffinierwerke mit 68 Frischfeuern auf Eisen und 7 auf Stahl, 52 Puddel- und 22 Schweissöfen, 29 Siemensöfen, 71 Glühöfen, 141 verschiedene Feuer und 7 Cementstahlöfen Berg- u. Hüttenm. Ztg. 1884, S. 207. . Sensenfabriken waren in Greifenberg, Himmelberg, Klein-Glödnitz und besonders in Wolfsberg, wo sieben Firmen die Fabrikation betrieben. Die altberühmte Gewehrfabrik zu Ferlach lieferte meistens Jagdgewehre. 1874 war die Villacher Maschinenfabrik gegründet worden. Sehr rührig war Anfang der 80er Jahre der neugegründete Berg- und Hüttenmännische Verein für Steiermark und Kärnten, der auch eine gute Zeitschrift herausgab. Erwähnung verdient auch, dass vom 19. bis 21. Sept. 1882 zu Wien ein Meeting des Iron and Steel In- stitute abgehalten wurde. P. v. Tunner erstattete dabei einen Bericht über die Lage der Eisenindustrie in Steiermark und Kärnten. In Südböhmen hatte sich 1882 im Böhmerwald noch eine alte Holzkohlenindustrie erhalten, hauptsächlich Hämmer und keine Werke. Zu Pisek war ein Hochofen in Betrieb. Drei Giessereien waren in Klabowa, Rǒzmital und Sedletz. Im Königreich Ungarn zählte man 1882 41 Schmelzwerke mit 68 Hochöfen, wovon 52 im Feuer standen. Von diesen wurde nur einer zu Reschitza ausschliesslich mit Koks betrieben, einer zu Kalán mit Koks und Braunkohle, einer zu Annina mit Holzkohle und Stein- Beck, Geschichte des Eisens. 73 Österreich-Ungarn. kohle und einer zu Theisholz mit Holzkohle und Koks, alle übrigen hütteten nur mit Holzkohlen. Ungarn besass grosse Waldungen, die aber meist von den Erzgebieten entfernt lagen. Das Stahlwerk zu Reschitza hatte vier Konverter und zwei Martinöfen. Ein zweites Flussstahlwerk war zu Diosgyör entstanden mit zwei Konvertern und zwei Martinöfen. Das Bessemerroheisen lieferten die oberungarischen Schmelzwerke. Zu Salgó-Tarjan wurden Holzgasöfen betrieben. Tiegel- schmelzöfen mit Regenerativfeuerung waren in Kudsir. Hier und zu Brezova wurde auch Frisch- und Puddelstahl gemacht. Der Verbrauch von Schmiedeeisen in Ungarn betrug 1882 92880 Tonnen, von Guss- waren 40947 Tonnen, hierzu kam noch der Eisenverbrauch für Eisen- bahnen von etwa 77000 Tonnen. 1883 schlug J. v. Ehrenwerth die Regenerirung der Gichtgase vor. Moser führte seine Gasröstöfen in Steiermark ein, Sailler in Witkowitz Gasgeneratoren mit kontinuierlichem Betrieb. Springer baute seinen Doppel-Puddelofen mit Regenerativfeuerung auf der Hermannshütte in Böhmen; K. Wittgenstein und A. Kurzwernhart betrieben in Teplitz die Fabrikation von Flussstahlschienen mit Braun- kohlen. 1885 führte Hupfeld in Prävali die Kleinbessemerei in Clapp- Griffith-Öfen mit Erfolg ein. 1886 wurde diese auch zu Bikas und Altsohl in Ungarn für die Herstellung von Flussstahlblechen auf- genommen. 1885 stellte man zu Eibiswalde Chromstahl, zu Witkowitz Nickelstahl im Martinofen dar; Mangan- und Wolframgussstahl lieferte Kapfenberg. Der Aufschwung der Eisenindustrie Ungarns war um diese Zeit sehr bedeutend und viele wichtige Neuerungen kamen zur Einführung. Annina hatte 1884 zwei Hochöfen im Feuer, wovon der eine nur mit Koks, der andere zu zwei Dritteln mit Holzkohle und zu einem Drittel mit roher Steinkohle (Liaskohle) betrieben wurde. Die Winderhitzung geschah in drei Whitwell-Apparaten, die Winderzeugung durch ein vertikales Cylindergebläse von der Gesellschaft John Cockerill in Seraing. Das Werk hatte eine bedeutende Giesserei, hauptsächlich für Ofen- und Röhrenguss mit 440 Arbeitern. Das Puddel- und Walzwerk hatte 14 Puddel- und 11 Schweissöfen, die etwa 10000 Tonnen Schweiss- eisen lieferten. Das Walzwerk zu Brezova hatte vierthürige Puddel- öfen nach dem System Kerpely und 10 Gasschweissöfen, die durch vier Koksgeneratoren gespeist wurden. Eine Spezialität des Werkes war die Fabrikation gezogener und gewalzter Röhren für Siede- und Gasröhren. Das Ticzolczer Eisenwerk im Gömörer Komitat hatte zwei Österreich-Ungarn. Hochöfen mit Whitwell-Winderhitzern. Kleinere Schmelzwerke waren zu Govardia und zu Vajda Hunyad, ersteres hatte noch einen zwei- förmigen Hochofen. Ferner sind zu nennen das Eisen- und Stahl- raffinierwerk zu Kudsir, das gräflich Dionys Andrássys che Eisen- werk zu Dernö mit Hochofen, Giesserei mit zwei Kupolöfen und 182 Arbeitern. Das dem Grafen Ladislaus Czaky gehörige Eisen- werk zu Prakensdorf im Zipser Komitat hatte einen Hochofen, drei Kupolöfen, drei Puddel- und fünf Schweissöfen und 300 Arbeiter. Viele ungarische Werke suchten durch teilweise Verwendung von roher Braunkohle in Hochöfen Ersparnisse zu erzielen. Dies geschah beispielsweise auf den dem Kronstädter Bergbau- und Hütten-Aktien- verein gehörigen Werke Ruszkitza und Balán. Die Rima-Murany- Salgó-Tarjan-Eisenwerks-Aktiengesellschaft war ähnlich wie die Alpine Montangesellschaft eine grossartige Vereinigung zahlreicher Eisen- werke. Ausser den in der Firma genannten Hauptwerken gehörten dazu die Hochofenhütten Röcze, Nyusta und Likér und die Raffinier- hütten und Walzwerke von Ozd und Nádast. 1886 führte man in Reschitza die Flusseisenerzeugung in Siemens- Martinöfen mit basischem Herd nach Schmiedhammers Konstruktion ein Vortrag über das Verfahren von A. Gouvy auf dem Bergmannstag in Wien 1888; siehe Stahl u. Eisen 1889, S. 396. . 1886 baute G. Pietzka zu Witkowitz Doppelpuddelöfen mit Gasfeuerung (Wassergas) mittels Dampfstrahlgebläse-Generatoren. Die Thomasbirne wurde mit gutem Erfolg mit Magnesitfutter ausgekleidet. Koppmeyer verband die Bessemerbirne mit einem basischen Martinofen mit Wassergasheizung und abhebbarem Gewölbe. Schmiedhammer empfahl Kippöfen mit auswechselbarem Herd. E. v. Skoda baute 1886 in Pilsen eine neue Gussstahlhütte. Die österreichische Alpine Montangesellschaft verbesserte ihre zahlreichen Eisen- und Stahlwerke und baute namentlich Donawitz zu einem grossen modernen Werke um. Hier wie in Kindberg, Pichberg und Eibiswald wurden neue Gas- Puddelöfen angelegt, in Donawitz und Neuberg neue Martinstahlöfen erbaut. 1888 standen von 32 betriebsfähigen Hochöfen der Alpinen Montangesellschaft 19 im Betrieb, ferner 8 Konverter und 8 Siemens- Martinöfen. Die Firma beschäftigte 16711 Arbeiter, davon 8660 bei den Eisen- und Stahlwerken. 1887 wurden auf dem ungarischen Martinwerk Diosgyör neue Schmelzöfen mit gestampften Magnesitböden erbaut. 1888 wurde das Mannesmannswerk zu Kommotau von den Unternehmern Gebrüder Mannesmann , Remscheid, Eugen Langen , Köln, Friedrich 73* Österreich-Ungarn. Siemens , Dresden, und Haardt in Wien erbaut und am 25. August eröffnet. In Witkowitz wurde 1888 die Herstellung von Panzerplatten und die Fabrikation gezogener Röhren eingeführt. Zu diesem Zwecke baute auch die Firma Huldschinsky , die in Preussisch-Schlesien diese Fabrikation schwunghaft betrieb, ein eigenes Werk in Schön- brunn bei Mährisch-Ostrau. Der weitere Aufschwung im neunten Jahrzehnt und die Zunahme der Roheisenproduktion seit 1890 steht auch in Österreich-Ungarn im engsten Zusammenhange mit der zunehmenden Bedeutung des basischen Prozesses. Die Roheisenerzeugung Österreichs stieg von 1890 bis 1899 von 686273 Tonnen auf 996385 Tonnen, die von Ungarn von 299107 Tonnen auf 471268 Tonnen. Die der Gesamtmonarchie demnach von 985380 Tonnen auf 1467653 Tonnen. Der Erfolg des basischen Flusseisenprozesses gab die Veranlassung zu der oben erwähnten Verschiebung der Produktionsverhältnisse in Österreich, deren Folge war, dass die Produktion der nördlichen Gruppe, d. h. die Böhmens, Mährens und Schlesiens, die der südlichen Gruppe, der Alpenländer, überflügelte. Diese Verschiebung wird durch beifolgende Statistik Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 675. noch ge- nauer erläutert: Österreich-Ungarn. In Böhmen war es Karl Wittgenstein , der zu Ende der achtziger Jahre durch seine Initiative die Ausbeutung der bis dahin wenig ge- schätzten Erze des Nucičer Erzberges förderte. Das basische Martin- verfahren wurde durch ihn nicht nur in Kladno eingeführt, sondern es entstanden hierfür durch seine Anregung neue Werke, wie die Carl- Emilshütte zu Königshof bei Beraun, das Blechwalzwerk Rudolfshütte bei Teplitz und 1890 das Gussstahlwerk Goldihütte bei Kladno. Die älteren Eisenwerke von Kladno wurden mit den Fürstenbergischen Eisenwerken in ein gemeinschaftliches Unternehmen, die „Böhmische Montangesellschaft“, vereinigt. Auf allen Gebieten der Eisenindustrie sind in den neunziger Jahren grosse Fortschritte gemacht worden. Durch die Konzentration der Betriebe gingen freilich viele alte Werke, die, abseits der Eisen- bahnen gelegen, hohe Frachtkosten zu zahlen hatten und die gestei- gerten Preise für Holz und Holzkohlen nicht mehr erschwingen konnten, ein. Um so grossartiger entwickelten sich die günstig gelegenen Hauptwerke. Die Hochofenindustrie richtete sich immer mehr für Massenpro- duktion ein. Die kleinen Holzkohlenhochöfen verschwanden entweder ganz oder arbeiteten nur noch auf Spezialeisen für bessere Qualititäten. In Kärnten z. B., wo 1887 noch 18 Hochöfen bestanden, wurden 1892 nur noch die Hochöfen zu Heft, Lölling und Prävali regelmässig betrieben, selbst die altberühmte Hütte zu Treibach war 1888 ein- gegangen. In den Alpenländern war es vor allem die mächtige Alpine Montangesellschaft, welche immer neue Verbesserungen einführte. Ihr gehörten die Hochöfen zu Donawitz, Heft, Hieflau, Lölling, Mariazell, Prävali, Schwechat, Vordernberg und Zeltweg. Sehr wichtig war für diese die Eröffnung der Eisenbahn von Leoben über Vordernberg nach Eisenerz und dem steierischen Erzberg im Jahre 1892. Von den Hütten wurden die steierischen zu Vordernberg, Eisenerz und Hieflau (zum Teil) mit Holzkohlen betrieben, deren Beschaffung für den verstärkten Betrieb aber immer schwieriger wurde und teilweise von weither aus Kroatien und Slavonien geschehen musste Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 767. . Obgleich auch der Koksbezug vielfach aus dem Auslande geschah, erlangten doch die Kokshochöfen für die Massenerzeugung eine immer grössere Bedeutung. Nach dem Ausweis von 1898 war die Roheisenpro- duktion der Alpinen Montangesellschaft 2718383 M.-Centner, wovon Österreich-Ungarn. 780131 M.-Centner mit Holzkohlen, 1938252 M.-Centner mit Koks erblasen waren. Besonders war die Hütte zu Donawitz bei Leoben zu einer grossen Kokshochofenhütte umgebaut worden. Der 1892 errichtete Hochofen war 20 m hoch, 2,75 im Gestell und 6,24 m in der oberen Rast weit. Er hatte einen Fassungsraum von 366 cbm und eine durch- schnittliche Tageserzeugung von 170 Tonnen weissen Roheisens; er wurde mit westfälischem und oberschlesischem Koks betrieben; der Koksaufwand betrug 86 Prozent. Im Jahre 1896 wurde ein noch grösserer Hochofen, der eine Leistung bis zu 240 Tonnen erreichte, angeblasen. Die Gesellschaft betrieb ferner zu Zeltweg und zu Schwechat je zwei und zu Hieflau einen Kokshochofen, die mit niederschlesischem und Ostrauer Koks schmolzen. Die Holzkohlenhochöfen hatten durch- schnittlich 104 cbm Inhalt, 60 Tonnen Tageserzeugung und einen Holz- kohlenverbrauch von 0,45 cbm für 100 kg weisses Roheisen. In Böhmen, das in früherer Zeit auch nur Holzkohlenhochöfen gehabt hatte, entwickelte sich nach Einführung des Thomasverfahrens eine bedeutende Kokshochofenindustrie, deren Grundlage die mäch- tigen Nucičer Erzlager, die den Clevelanderzen ähnelten, aber der Silurformation angehörten, bildeten. Die für den Thomasprozess sehr geeigneten Erze, die geröstet 48 Proz. Eisen, 2,7 Proz. Phosphor, je- doch nur 0,1 Prozent Mangan enthielten, wurden von der Prager Eisen- industrie-Gesellschaft und von der böhmischen Montangesellschaft aus- gebeutet. Um eine grössere Produktion zu erzielen, hatte man bereits in den achtziger Jahren die schlechten Koks von Kladno durch Ostrauer und später durch niederschlesischen und westfälischen Koks ersetzt. Die Prager Eisenindustriegesellschaft baute infolgedessen ihre alte Hütte zu Kladno ganz um und errichtete in den Jahren 1891, 1894 und 1895 je einen grossen Kokshochofen. Die beiden ersten waren mit je drei Gödecke-Whitwell-Winderhitzern, der letztere mit vier Cowperapparaten versehen. Die neuen Kladnoer Öfen, die 280 bis 476 cbm Inhalt und 19,5 bis 22 m Höhe hatten, lieferten täglich je 90 bis 120 Tonnen Thomasroheisen, das flüssig den Birnen zugeführt wurde. Ähnlich waren die Verhältnisse auf der der böhmischen Montangesellschaft gehörigen Karl-Emilshütte in Königshof, die 1896 drei grosse moderne Hochöfen in Betrieb und einen im Bau hatte. Sie verarbeitete nur einen Teil ihrer Produktion auf ihrem Thomas- werke, ein anderer Teil ging an die Stahlwerke in Kladno und Teplitz. 1895 hatten die Hochöfen der Prager Eisenindustriegesellschaft 80178 Tonnen, die der böhmischen Montangesellschaft 106270 Tonnen Roheisen geliefert. Die Hütte in Rokycan blies nur Giessereieisen. Österreich-Ungarn. Die grösste Entfaltung hatte die mährisch-schlesische Gruppe ge- nommen A. a. O. S. 769. . Die Hauptwerke waren in Witkowitz, Trzynietz, Blansko, Stefanau und Friedland. Der Aufschwung erfolgte besonders, nachdem Witkowitz und nach ihm Trzynietz dazu übergegangen waren, statt der armen mährischen und schlesischen Erze reiche Spat- und Brauneisen- erze aus Steiermark und Ungarn zu beziehen. Der Hauptbezug geschah von den reichen Lagerstätten Ungarns zu Rudobanya und Zips. Hand in Hand damit gingen Vervollkommnungen des Hochofenbetriebes, womit Witkowitz zuerst vorging. Dieses erzeugte durch entsprechende Mischungen der mannigfaltigen bezogenen Erzsorten alle möglichen Eisensorten, wie z. B. Spiegeleisen, Ferromangan, Siliciumeisen, Phosphor- eisen und Chromeisen sowohl für den eigenen Bedarf als für den Verkauf. Witkowitz arbeitete seit 1896 mit sechs Hochöfen von 290 bis 363 cbm Inhalt und 150 bis 170 Tonnen Tageserzeugung von weissem Roheisen oder 130 Tonnen Giessereieisen. Bei weissem Eisen wurden 90 Prozent, bei Giessereieisen 105 Prozent Koks im Hochofen ver- braucht. Witkowitz war es gelungen, mit seinen Gusswaren, wovon es 1895 40000 Tonnen verkaufte, das englische Giessereieisen zum Teil zu verdrängen. Das erzherzoglich Albrechtsche Werk zu Trzynietz arbeitete 1896 auf ähnlicher Grundlage mit zwei Kokshochöfen; ausser- dem hatte es mehrere Holzkohlenhochöfen, welche wie die zu Stefanau und Friedland graues Roheisen, das direkt aus dem Hochofen ver- gossen wurde, erzeugten. Stefanau und Blansko betrieben je einen nicht grossen Kokshochofen auf Giessereieisen. Die als Hausarbeit betriebene Kleineisenindustrie war auch in Böhmen und Mähren zu- rückgegangen, immerhin war die Herstellung von Messern und Messer- feilen noch ein wichtiges Gewerbe zu Rudolfstadt und Budweis in Böhmen und zu Rautschka und Hosialkow in Mähren. Ausserhalb der Hauptgebiete waren noch zwei bemerkenswerte Hoch- ofenanlagen im Süden der österreichischen Monarchie in den neunziger Jahren entstanden: zu Vares in Bosnien und die zu Servola bei Triest. Seitdem Bosnien 1878 in österreichische Verwaltung über- gegangen war, wendete die Regierung den reichen Mineralschätzen des Landes ihre Aufmerksamkeit zu. Bei Vares befand sich ein reiches Roteisensteinlager und seit undenklicher Zeit blühte dort in einem Seitenthal der Bosna eine Eisenindustrie, die aber mit Stück- öfen einfachster Art arbeitete. Ein solcher Schmelzofen war ein mit Lehm ausgekleidetes Holzgerüst. Vier Pfähle von etwa 3 m Länge Österreich-Ungarn. wurden in den Boden gerammt, mit Weidengeflecht verbunden und dann innen mit einer dicken Lehmschicht beworfen. In diesem Ofen wurde das Eisenerz mit Holzkohlen mit Hülfe zweier Blasebälge eingeschmolzen. Zweimal wöchentlich wurde aufgebrochen, um das Stück herauszuschaffen, das dann zerhauen und dessen Teile in Herd- feuern gereinigt und weiter verarbeitet wurden. Diese primitive Industrie konnte sich nicht mehr erhalten, nachdem geordnete Handels- und Transportverhältnisse in Bosnien geschaffen waren. Um sie nicht gänzlich untergehen zu lassen und die reichen Erzschätze besser auszubeuten, liess die österreichische Regierung 1891 zwei Hoch- öfen, die mit Holzkohlen und Koks betrieben werden sollten, erbauen. Ihre Produktion betrug 1895 bereits 3771 Tonnen Roheisen, 1899 war die Roheisenproduktion von Vares auf 13730 Tonnen gestiegen. In diesem Jahre wurde nach Plänen von Fritz W. Lürmann ein neuer Holzkohlenhochofen von 182 cbm Inhalt erbaut, der 1900 in Betrieb kam und der leistungsfähigste Holzkohlenhochofen Europas und der Welt wurde. Die Hochofenanlage zu Servola bei Triest wurde von der Krainschen Industriegesellschaft gegründet, teils für den Bedarf ihres grossen Werkes zu Assling, teils um der englischen Einfuhr von Giessereieisen Konkurrenz zu machen. Am 24. November 1897 wurde der nach den neuesten Grundsätzen erbaute Hochofen angeblasen. Man verschmolz algerische, spanische, griechische und bosnische Erze mit englischem Koks. Die Staatsregierung gewährte Steuer- und Gebührenbegünstigung. Der grosse Fortschritt der österreichischen Hochofenindustrie findet ihren deutlichsten Ausdruck in der enormen Produktionssteige- rung der Hochöfen der grossen Werke: in Kladno betrug die Tages- produktion 160 Tonnen, in Witkowitz 180 Tonnen, in Königshof 220 Tonnen und in den neuen Hochöfen zu Donawitz und Servola sogar 240 Tonnen Roheisen. Dementsprechend war die Grösse der Gebläsemaschinen gewachsen, die zu Königshof hatte 2000 P. S. und lieferte 1100 cbm Wind bei einem Überdruck von ¾ Atmosphären in der Minute. Für einen neu projektierten Hochofen der Alpinen Montangesellschaft ist sogar eine Gebläsemaschine von 3000 P. S. für eine Windleistung von 1400 cbm in der Minute in Aussicht genommen. Welche Roheisenmengen die grossen Hochöfenwerke Österreichs lieferten, geht aus nachfolgender Zusammenstellung von E. Heirowsky Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 677. für 1899 hervor. Danach erzeugte Österreich-Ungarn. Witkowitz 275000 Tonnen Prager und böhmische Montan-Industrie-Gesellschaft in Kladno und Königshof in Böhmen 247000 „ Donawitz und Vordernberg in Steiermark 195000 „ Eisenwerksanlage in Schwechat bei Wien 60000 „ Erzherzogliche Eisenwerke in Schlesien 50000 „ Zusammen 827000 Tonnen was 93 Prozent der Roheisenproduktion Österreichs ausmacht. Die Eisenindustrie des Königreichs Ungarn nahm in dieser Zeit einen nicht minder grossen Aufschwung und entwickelte sich zu grosser Mannigfaltigkeit und Selbständigkeit. Ungarn, das sehr reich an guten Eisenerzen ist, besitzt zwei Haupterzgebiete, das eine im Süd- osten zwischen Bazias und Orsowa, von wo es sich nach Siebenbürgen und Grosswardein erstreckt, liefert Magnet-, Rot- und Brauneisen- stein und bildet die Grundlager für die Banater und Siebenbürger Eisenwerke; das zweite oberungarische in den Karpathen, welches Spateisenstein und daraus entstandenen Brauneisenstein enthält, breitet sich in den Komitaten Gömör, Zips, Abanj, Torna, Sohl und Liptau aus. Am wichtigsten sind der Dobschauer Erzberg, die Gömörgrube bei Röcze, welche nur Brauneisenstein förderte, und im Südosten das grosse Erzlager von Rudóbánja bei Telekes. Oberungarn lieferte 1886 146000 Tonnen Eisenerze, hiervon das Gömörer Komitat 82000 Tonnen. In dieser Grafschaft standen 26 Hochöfen in Betrieb. Auch in Ungarn fand ein Zusammenschluss der zahlreichen Einzel- werke zu grossen Industriegesellschaften statt, diese vereinigten sich 1886 zu einem Kartell, das bessere Preise erzielte und für die Entwickelung der Eisenindustrie günstig wirkte. Seit 1884 nahm der Koksbetrieb zu, und zwar stieg er von 1884 bis 1888 von 16 auf 28 Prozent. Oberungarn bezog Koks aus Mähren und Schlesien, wo- hin es Eisenerze ausführte. 1886 erzeugte ganz Ungarn 225500 Tonnen Frischroheisen und 9167 Tonnen Giessereiroheisen; hiervon entfielen 37426 Tonnen auf die ärarischen Werke. Die Erzausfuhr betrug 92107 Tonnen, die Braunkohlenförderung 1567614 Tonnen, davon die der Salgó-Tarjaner Gesellschaft in der Berghauptmannschaft Neusohl allein etwa 500000 Tonnen. Die ungarischen Staatswerke konnten um so mehr als technische Musteranstalten betrieben werden, als die Beamten mit dem Verkauf nichts zu thun hatten, der allein von der königlichen Eisenwerks- direktion in Budapest besorgt wurde. Das bedeutendste ärarische Werk war Rhonitz-Brezowa am Grauflusse im Sohler Komitat. Von Österreich-Ungarn. den Privatwerken Oberungarns war Salgó-Tarjan das grösste. Die ungarische Eisenindustrie beschäftigte 1886 30000 Arbeiter. 1890 erzeugten die ungarischen Hochöfen rund 280000 Tonnen Roheisen, hiervon die nachbenannten fünf grössten Unternehmer: 1. Die k. k. Staatseisenbahngesellschaft 76846 Tonnen 2. Die Rima-Murány-Salgó-Tarjaner-Eisenwerksgesellschaft 58322 „ 3. Die kgl. ungarischen Staatseisenwerke 57077 „ 4. Graf Em. Andrássy 22500 „ 5. Der Kronstädter Bergbau- und Hüttenverein 11076 „ Der Preis des Frischereiroheisens war von 1886 bis 1890 von 2,80 auf 5 Gulden für 100 kg gestiegen. Der grösste Holzkohlenhochofen des Kontinents im Jahre 1890 war angeblich der Hochofen III zu Vayda-Hunyad von 110 cbm Inhalt mit 15000 Tonnen Jahresproduktion. Erze und Holzkohlen wurden von einer über 30 km langen Drahtseilbahn ihm zugeführt. Die drei Hochöfen des Werkes hatten geschlossene Brust und geschlossene Gicht. Die grösste Eisenwerksgesellschaft Oberungarns war die Rima-Murány-Salgó- Tarjaner, deren bedeutendstes Hochofenwerk das Likérer Hüttenwerk bei Nijushtia im Gömörer Komitat war. 1885 wurde hier der erste Koks- hochofen in Betrieb gesetzt. 1893 besass es drei Kokshochöfen, von denen jedoch nur zwei im Betriebe waren, die 50000 Tonnen Thomas- roheisen erzeugten. Die Öfen waren je 18 m hoch, mit zwei Cowper- und drei Gjers-Winderhitzern versehen. Die Erze wurden mit einer 13,2 km langen Drahtseilbahn (System Bleichert ) von den Eisenstein- erzgruben zu Vaschhedi-Rákosch angefahren. Die Koks kamen von Mährisch-Ostrau und Fünfkirchen. Wie die Hochofenindustrie, so entwickelte sich in den neunziger Jahren auch die Industrie des gefrischten oder schmiedbaren Eisens in Österreich, ja das rasche Aufblühen dieser war der Grund für das Wachstum jener. Dieses Aufblühen beschränkte sich indes auf die Entwickelung der Flusseisenindustrie, während die Schweisseisen- industrie, Frischen und Puddeln zurückgingen. Die Einführung des Thomasprozesses hatte hierzu den Anstoss gegeben; bald aber errang der basische Martinprozess solche Erfolge, dass er sich immer mehr ausbreitete und nicht nur die alten Prozesse, sondern auch den Bessemerprozess zurückdrängte und endlich selbst dem Thomasprozess Konkurrenz machte. Teils in Verbindung mit den neuen Hochofenanlagen, teils unabhängig von denselben entstanden neue Flussstahlwerke, so z. B. in Böhmen die Poldihütte, das neue Stahlwerk zu Kladno, die Karl-Emilshütte in Königshof und die Rudolfshütte bei Teplitz. Österreich-Ungarn. Das Flusseisen verdrängte für viele Verwendungen das Schweiss- eisen. Die Massenbetriebe vernichteten die zahlreichen Einzelbetriebe, die früher für die Eisenindustrie Österreichs und ganz besonders der Alpenländer so charakteristisch waren. Die alten Hammerwerke, die die Thäler Obersteiermarks und Kärntens belebten, deren anheimelnde Lage im stillen Waldthal einen so besonderen Reiz als Zeugen mensch- licher Thätigkeit in der Waldeinsamkeit gewährten, sie mussten ver- schwinden vor den Riesenschornsteinen und den gewaltigen Maschinen, von denen eine mehr leistete als vordem alle Pferde und Wasserräder des gewerbreichen Thales; verlassen stehen jetzt die Betriebsstätten, die jahrhundertelang der Nachbarschaft lohnenden Verdienst gaben und der Landschaft den eigenartigen Charakter aufprägten. Dass diese Idylle der Eisenindustrie für immer verschwunden ist, wird das Herz eines jeden, der diese einfache, anspruchslose und doch so thätige, selbstbewusste, in sich glückliche Zeit mit erlebt hat, mit Wehmut erfüllen. Und doch wird keiner, der die Entwickelung der Eisenindustrie kennt, diese schönen, aber für die heutigen Verhält- nisse unmöglichen Zustände zurücksehnen. Der Herdfrischprozess mit Holzkohlen, der einst die Grundlage der ganzen österreichischen Eisenindustrie gebildet hatte, verschwand in dem neunten Jahrzehnt fast vollständig. Wo er noch fortbestand, suchte man ihn durch Brennmaterialersparung in überbauten Lancashire- Herden, die von Schweden überkommen waren, rentabel zu machen. Der Puddelprozess passte in seiner ursprünglichen Form für Österreich, das an Steinkohlen so arm war, überhaupt nur insoweit, als sich die guten Braunkohlen dafür erfolgreich verwenden liessen; und das war zur Erzielung grösserer Produktion zuletzt nur noch durch Gasfeuerung möglich. In der Vervollkommnung der Gas- generatoren und der Gas-, Puddel- und Schweissöfen waren die Fortschritte des Schweisseisenbetriebes in dieser Zeit begründet. Die fortschrittliche Thätigkeit in diesem Jahrzehnt richtete sich vornehmlich auf die Flusseisendarstellung. Der Thomasprozess und der basische Martinprozess waren die wichtigsten Errungenschaften dieser Zeit, die sich schliesslich untereinander den Rang streitig machten, bis der Herdflussstahl Sieger blieb. Den grössten Erfolg errang hierbei die nördliche Gruppe mit ihren grossartigen Werken. In Witkowitz war das erzeugte Roheisen an Phosphor zu reich für den Bessemerprozess und zu arm für den Thomasprozess. Deshalb wendete man ein kombiniertes Verfahren an, das darin bestand, dass man das Roheisen erst in einer sauren Birne so weit verblies, bis das Silicium und Österreich-Ungarn. der grösste Teil des Kohlenstoffs verbrannt waren, und dann das heisse Schmelzgut in einem basischen Martinofen entphosphorte und fertig machte. In Böhmen bildete sich ebenfalls ein ganz eigenartiger Prozess der Flusseisendarstellung aus. Das Roheisen, welches aus den Nucičer- Erzen erblasen wurde, war arm an Mangan, Silicium und Schwefel, also an den Bestandteilen, die durch ihre Verbrennung in der Birne dem Eisenbad am meisten Hitze geben. Infolgedessen führte man den Prozess so, dass man das bei hoher Windtemperatur erblasene halbierte Roheisen direkt in einen Martinofen mit saurem Herdfutter abstach, es hierin eine Stunde lang überhitzte, indem man gleich- zeitig festes Thomasroheisen einschmolz und dieses dann in einem basischen Konverter entphosphorte und fertig machte. In dieser Weise wurde in Kladno und Königshof gearbeitet. In Witkowitz war 1890 ein neues Martinwerk mit fünf Öfen zu je 20 Tonnen Einsatz, die mit einem Konverter zum Vorfrischen ver- bunden waren, in Betrieb genommen worden. W. Schmiedhammer Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 546. empfahl ein Vorfrischen in saurer Birne, Ausgiessen des heissen Metalls über den in einem basischen Martin- ofen eingesetzten Schrott und Fertigmachen mit möglichst wenig, aber stark basischer Schlacke. Die Zahl der basischen Martinöfen hatte sich seit 1888 sehr ver- mehrt, während bei dem Windfrischprozess, sowohl dem basischen wie dem sauren, ein Stillstand eingetreten war. Nach Fr. Kuppelwieser A. a. O. 1891, S. 1009. betrug 1890 die Zahl der Konverter in Österreich-Ungarn 37, die der Martinöfen 48, die Erzeugung von Konverterflusseisen 1888 288347 Tonnen, 1890 287681 Tonnen, wovon 138021 Tonnen Thomasflusseisen; die von Martinflusseisen betrug 1888 392813 Tonnen, 1890 499600 Tonnen, davon basisch 1888 104466 Tonnen, 1890 211919 Tonnen. Das basische Martinflusseisen wurde in Österreich gegenüber dem Thomaseisen sehr bevorzugt, welch letzteres von der Regierung weder für Eisenbahnschienen noch zum Brückenbau zugelassen wurde. Die Fortschritte beschränken sich indessen nicht allein auf die Flusseisenerzeugung. Für die direkte Gewinnung schmiedbaren Eisens aus den Erzen bemühte sich 1890/91 J. v. Ehrenwerth Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 299, 978. . Versuche mit seinem Verfahren wurden in dem Grazer Eisenwerk und zu Donawitz gemacht. Österreich-Ungarn. In Ungarn wurde 1890 zu Diösgyör eine basische Martinfluss- stahlhütte, deren Öfen mit Magnesit von Veitsch ausgestampft waren, in Betrieb genommen. Die Erzeugung von Eisen und Stahl der grossen Gesellschaften Ungarns stellte sich im Jahre 1890 wie folgt: Das basische Flusseisen sowohl vom Thomas-, wie vom Martin- verfahren eignete sich sehr zur Blechfabrikation. Hierfür erfand Karl Wittgenstein ein sehr leistungsfähiges Feinblechwalzwerk, das Alfred Trappen in der Märkischen Maschinenbauanstalt in Wetter a. d. Ruhr für die Rudolfshütte im Jahre 1892 zuerst ausführte. Es bestand aus einem Trio zum Vorwalzen und aus fünf hintereinander liegenden Walzenpaaren mit zunehmender Geschwindigkeit zum Fertig- walzen. Für den Puddelbetrieb bewährten sich in Witkowitz die Rekuperatoren Pietzkas , bei denen der Gasstrom immer in derselben Richtung sich bewegte, der Herd aber drehbar war. Ein Hauptvorteil bestand in der unmittelbaren Verbindung der Gasgeneratoren mit dem Verbrennungsraume. Dieses Prinzip benutzte man auch bei den Stahlschmelzöfen in Witkowitz, wobei Saillers kontinuierlicher Gas- generator in Anwendung kam. Springer-Puddelöfen mit umsteuerbarer Regenerativfeuerung kamen in Donawitz in Steiermark und auf der Hermannshütte in Böhmen zu Einführung. 1894 ging die berühmte, früher von Mayrs che Gussstahlhütte von der Alpinen Montangesellschaft an die Gebrüder Böhler über, Österreich-Ungarn. welche es verstanden, ihren vorzüglichen Gussstahlsorten einen grossen Absatz, namentlich auch nach Deutschland zu verschaffen. In Ungarn hatten sich die Flussstahlwerke ebenfalls bedeutend weiter entwickelt, was die Landes-Millenniums-Ausstellung in Budapest 1896 Anton von Kerpely , Eisenhüttenwesen in Ungarn zur Zeit des Millenniums. — Im Auszug in Stahl und Eisen 1896, S. 932 f. zur Anschauung brachte. Das der Rima-Murány-Salgó-Tarjaner Eisenwerks-Aktiengesellschaft gehörige Ozder Eisen- und Stahlwerk besass ein Martinwerk von 50000 Tonnen Leistungsfähigkeit. Es hatte vier Bathoöfen mit Gasfeuerung, die Krane wurden zum Teil elektrisch angetrieben. Ein Teil der Blöcke wurde auf dem Nádaster Blech- walzwerk zu Blechen ausgewalzt. Das Salgó-Tarjaner Stahlwerk bestand aus Thomashütte und Walzwerk. Die Thomashütte hatte drei 8-Tonnen-Konverter und eine Leistungsfähigkeit von 70000 Tonnen. Das kgl. ungarische Staatswerk in Diósgyör, hauptsächlich für Eisenbahnbedarf gegründet, wurde 1890 unter Ferdinand Försters Leitung durch den Bau eines neuen Walzwerks, Vergrösserung des Martinwerkes und Einführung einer Stahlformgiesserei erweitert; letztere erzielte alsbald glänzende Erfolge Siehe Stahl und Eisen 1896, S. 729. . Die Eisen- und Stahlhütte stand in engster Beziehung und unter gemeinschaftlicher Direktion mit der kgl. ungarischen Maschinenbauanstalt in Budapest, die in grossartiger Weise für Lokomotivbau, Brückenbau und für die Herstellung landwirtschaftlicher Maschinen eingerichtet war. Die Berg- und Hüttenwerke der Österreichisch-ungarischen Staats- eisenbahngesellschaft in Reschitza, Oravicza und Annina gehörten zu den grössten industriellen Anlagen von Österreich-Ungarn und be- schäftigten 1896 über 17000 Arbeiter. Reschitza hatte bis 1893 einen Koks- und drei Holzkohlenöfen in Betrieb gehabt. In diesem Jahre wurden die Holzkohlenöfen ausgeblasen, abgetragen und durch zwei neue Kokshochöfen von je 17 m Höhe ersetzt. Hierdurch stieg die Jahreserzeugung auf 45000 Tonnen. Die Wind- erhitzung besorgten acht Whitwellapparate. Das Stahlwerk zu Reschitza bestand aus einer Bessemerhütte mit vier Konvertern für 8-Tonnen- Chargen und 30000 Tonnen Jahreserzeugung, einer Martinstahlhütte mit sechs Öfen von zusammen 42 Tonnen Einsatz und einer Jahres- erzeugung von 30000 Tonnen Martinstahlblöcken. Dieses Werk wurde umgebaut und sollte auf eine Erzeugung von 45000 Tonnen vergrössert werden. Eine dritte Abteilung bildete die Tiegelstahlhütte mit Österreich-Ungarn. 1000 Tonnen Jahreserzeugung, eine vierte die Martinstahlgusshütte für 3000 bis 4000 Tonnen Stahlgusswaren. Mit dem Werke in Annina zusammen betrug die Produktion 1895 61000 Tonnen Stahl. Reschitza besass ferner eine Puddelhütte und grossartige Walzwerke. Das Plattenwalzwerk hatte eine Reversiermaschine von 3000 P. S. Die Er- zeugung der Walzhütte betrug 1895 44179 Tonnen Flussstahl- und 4073 Tonnen Schweisseisenfabrikate. Reschitza umfasste ferner eine grosse Maschinenfabrik und Brückenbauanstalt. Annina hatte zwei Hochöfen von 34000 Tonnen Jahreserzeugung, eine grosse Giesserei mit Emaillierwerkstätte und ein Puddel- und Walzwerk. Die Hernádthaler ungarische Eisenindustrie-Gesellschaft begann 1896 die Erbauung einer Hochofenhütte zu Krompach für 80000 Tonnen Jahresleistung und einer Stahlhütte (Raffinierwerk) für 70000 Tonnen. Im Gömörer Komitat stieg die Roheisenerzeugung, die 1870 nur 36200 Tonnen betragen hatte, im Jahre 1894 auf 178000 Tonnen, was etwa der Hälfte der ganzen ungarischen Produktion gleichkam. Das Hochofenwerk zu Likér lieferte 1895 mit Karwiner und Ostrauer Koks 97083 Tonnen Roheisen. Das nach dieser Hütte bedeutendste Schmelzwerk der Grafschaft, die königliche Hütte in Ticzolz, erblies 1895 13616 Tonnen, davon 3924 Tonnen Holzkohlen- roheisen. — Die reichen Eisenerzlager im Szepés-Komitat werden zum Teil von den Teschen-Trzynietzer Eisenwerken ausgebeutet. Die 80000 Tonnen im Jahre 1895 geförderten Erze wurden in 23 Schacht- röstöfen an der Station Mariahutta-Zakánfalva an der Göllnitzthal- bahn geröstet und das geröstete Erz dann mit der Kaschau-Oder- berger Bahn nach Trzynietz befördert. Eine andere grosse Bergbauanlage betrieb die Oberschlesische Eisenbahnbedarfs-Aktiengesellschaft. Ferner hatte die Witkowitzer Bergbau- und Eisenhüttengewerkschaft bedeutenden Bergbau im Kotterpatsker Thale, ebenso im Komitat Borsod. Auf der Hütte zu Vajda-Hunyad, die 1894 mit ihren drei Holz- kohlenhochöfen 40000 Tonnen Roheisen erzeugte, wurde 1895 ein Kokshochofen von 20 m Höhe angeblasen. Die Winderhitzung geschah durch drei Whitwellapparate, der Hochofen hatte eine Tagesproduktion von 100 Tonnen Bessemerroheisen. Der Hochofen zu Kalán, der früher mit Koks und Steinkohlen betrieben wurde, ging 1895 mit Koks und Holzkohlen und erzeugte 10000 Tonnen im Jahre. Im ganzen förderte Ungarn 1895 rund 1,2 Millionen Tonnen Eisenerze und schmolz 350000 Tonnen Roheisen und Hochofenguss. Österreich-Ungarn. Die rasche Entwickelung der Hochofenindustrie Österreich- Ungarns geschah im Dienste der grossen Stahlwerke. Natürlich nahm auch die Walzwerkindustrie einen entsprechenden Aufschwung, der seinen Ausdruck in den mächtigen Walzenzugmaschinen fand. Die Flussstahlverarbeitung erforderte schon an und für sich mehr Kraft, und da man immer schwerere Blöcke zur Steigerung der Pro- duktion verarbeitete, so mussten auch die Walzwerke immer stärker werden. Von den neuen grossen Werken Nach Schuster in Stahl und Eisen 1899, S. 676. hatte 1899 das Reversier- walzwerk in Witkowitz 2700, das Trägerwalzwerk in Kladno 2100 und in Witkowitz 4000, das Schienenwalzwerk in Graz 4000, das in Teplitz 6000 und die Blechstrecke daselbst 7000, die Drillingsmaschine bei dem Schienen- und Trägerwalzwerk in Donawitz endlich 9000 P. S. Das daselbst im Bau begriffene Blechwalzwerk soll sogar eine Drillings- maschine von 9500 P. S. erhalten. Die Massenproduktion und die Leistungsfähigkeit der Werke bewirkte, dass die Eisenpreise trotz des höheren Schutzzolls immer mehr sanken. 1868 betrug der Preis für die Tonne noch 64,2 Gulden, 1878 49,5, 1888 37,40 und 1897 35,00 Gulden. Österreich, das wegen seiner Armut an guter Steinkohle bis jetzt immer noch darauf angewiesen war, einen Teil seines Eisens aus dem Auslande zu beziehen, ist auf dem besten Wege, seinen Bedarf selbst zu decken. Was die Umwandlung des Roheisens in Flusseisen betrifft, so hat sich in Österreich-Ungarn der Herdofenprozess hierfür am besten bewährt und über den Konverterprozess den Sieg errungen. Der saure Konverterprozess, das eigentliche Bessemern, ist selbst in den Alpenländern, wo es in den siebziger Jahren zu hoher Bedeutung gelangt war, fast verschwunden vor dem Herdprozess. Von neuen Verbesserungen des letzteren ist der in Kladno ein- geführte und weiter entwickelte Bertrand-Thiel-Prozess zu nennen. Betrachten wir zum Schluss noch kurz den Eisenhandel Öster- reichs. An Eisenerzen hat Österreich-Ungarn immer mehr aus- als eingeführt. 1882 betrug die Ausfuhr aber nur 39775 Tonnen, die Einfuhr 11560 Tonnen, 1898 dagegen die Ausfuhr 302317 Tonnen, die Einfuhr 178235 Tonnen. Die Roheiseneinfuhr war dagegen immer grösser als die Ausfuhr. 1882 betrug die Einfuhr 134760 Tonnen, die Ausfuhr 5331 Tonnen, 1898 die Einfuhr 173957 Tonnen, die Aus- fuhr 15798 Tonnen. Bei den Eisenfabrikaten ist der Unterschied Österreich (ohne Ungarn). zwischen Ein- und Ausfuhr nicht so gross, sie betrugen 1882 33528 Tonnen und 34018 Tonnen, 1898 54887 Tonnen und 45984 Tonnen. Österreich besitzt einige Spezialartikel, die vom Auslande immer ver- langt werden, wie z. B. die steyrischen Sensen. Dagegen ist die Einfuhr von Maschinen grösser als die Ausfuhr, sie betrug 1882 40338 Tonnen gegen 12425 Tonnen, 1898 42519 Tonnen gegen 13125 Tonnen. An der Einfuhr ist Deutschland weitaus am stärksten beteiligt. Zahlengeschichte. Österreich (ohne Ungarn) . Mineralkohlenförderung in Tonnen . Eisenerzförderung in Tonnen . 1874 906485 1875 704984 1876 554966 Hierbei waren 5671 Arbeiter beschäftigt. 1878 666150 1880 696832 1886 796116 1889 1115254 1890 1361548 1892 1214739 1896 1448615 1897 1613876 1898 1733649 1899 1725143 1900 1894458 Eisenerz- und Roheisenförderung 1897 in Tonnen . Beck, Geschichte des Eisens. 74 Österreich (ohne Ungarn). In Prozenten. Eisenerz- und Roheisenerzeugung 1898 in Tonnen . Erzeugung 1899 in Tonnen . (Statistisches Jahrbuch des k. k. Ackerbau-Ministeriums. Österreich (ohne Ungarn). Eisenerzeinfuhr 1899. Aus Ungarn 325224 Tonnen „ Griechenland 72643 „ „ Schweden 23846 „ „ Bosnien 19574 „ „ Spanien 19574 „ „ Preussen 14021 „ „ Bayern 14001 „ „ Russland 16767 „ „ Asien 50909 (?) „ „ Afrika 2757 „ Zusammen 559316 Tonnen im Werte von 10656785 Kronen. Roheisenerzeugung in Tonnen . Roheisenerzeugung in den einzelnen Kronländern in Tonnen . 74* Österreich (ohne Ungarn). Roheisenerzeugung nach Sorten in den einzelnen Kron- ländern 1891 und 1892 genauer in Tonnen . 1891. 1892. Gusswaren II. Schmelzung 1880: 73717 Tonnen. 8199 Arbeiter. Österreich (ohne Ungarn). Flusseisenerzeugung in Österreich durch Birnen- und Herdprozess von 1863 an in Tonnen zu 1000 kg . Österreich. Ungarn. Schweisseisen-Fabrikate 1876 . Stabeisen 78046 Tonnen Schienen 12491 „ Bandagen und Schmiedstücke 3491 „ Schienenzeug 3016 „ Bleche und Platten 23366 „ Weiss- und verzinntes Blech 1288 „ Draht u. s. w. (berechnet) 32274 „ Zusammen 152972 Tonnen Schweisseisen 1880 . 140 Werke mit 30335 P. S. und 16625 Arbeitern Eisen und Stahldraht 17181 Tonnen Eisen und Stahlblech 52265 „ Eisen und Stahlschienen Tyres und Kleinmaterial 71688 „ Ungarn . Erzeugung in Tonnen . Eisenerz-Förderung in Kilotonnen . 1875 398 1880 446 1890 792 1896 1270 1899 1588 1900 1666 Eisenerz-Förderung und Ausfuhr in Tonnen . Ungarn. Beteiligung der Bezirke an der Erzförderung in Tonnen . Beschäftigte Arbeiter . Bersoder Bergbauverein 1379 Vajda Hunyad 1139 Kaláner 815 Staats-Eisenbahn-Gesellschaft 736 Rima-Murány-Salgó-Tarjaner 736 Gräfl. Andrássy Géza 430 Hernádthaler Ungar. Eisenb.-Ges. 716 Erzherzog Friedrich 980 Witkowitzer Eisenwerks-Ges. 827 Friedenshütte-Rostoken 455 Zusammen 8213 Roheisenerzeugung . Ungarn. Roheisenerzeugung der grössten Eisenhütten-Gesellschaften . Roheisenerzeugung 1899 in Tonnen . Ungarn. Bosnien und Herzegowina . Erzeugung von Flusseisen und Stahl in M.-Tonnen . 1871 bis 1896. Österreich-Ungarn. Österreich-Ungarn (Gesamtmonarchie) . Mineralkohlen (Stein- und Braunkohlen) in Kilotonnen . 1870 8356 1871 9994 1873 11894 1875 12852 1880 14800 1885 20435 (einschl. Torf) 1890 27503 1895 30448 1896 33676 1897 35939 1898 37577 1899 38740 einschl. Torf. Eisenerze in Kilotonnen . 1875 1103 1880 1143 1890 2145 1896 2718 1897 3041 1898 3341 1899 3313 Roheisenerzeugung in Tonnen . Österreich-Ungarn. Arbeiterzahl 1894: Eisenerzbergbau 4331, Eisenhütten 6102. Zahl der Hochöfen 1894: 98 (davon 61 in Betrieb, 2648 Wochen); 1895: 97 (davon 61 in Betrieb, 2597 Wochen). Mittelpreise pro M.-Centner 1894: Eisenerz 22,03 fl., Frischroheisen 3,48 fl., Gussroheisen 4,21 fl. Bosnien. Eisenerzeugung in Tonnen . Eisenwerk Vares 1898 1 Hochofen für 80 Tonnen pro Tag, 4 Cowper- statt 1 eisernen Winderhitzer. Erzeugung von Schweisseisen in Kilotonnen . 1870 232 1873 260 1879 175 1880 221 1881 250 1882 310 (252) 1883 244 1887 300 1890 190 1892 191 1894 189 1896 19 (?) Erzeugung von Flusseisen und Stahl in M.-Tonnen von 1871 bis 1896 (nach Kuppelwieser ). Österreich-Ungarn. Einfuhr und Ausfuhr in Tonnen (nach Rentzsch) . Ein- u. Ausfuhr im prozentualen Verhältnis zur Produktion . Österreich-Ungarn. Ein- und Ausfuhr der wichtigsten Eisen- und Stahlwaren in Tonnen . Österreich-Ungarn. Ein- und Ausfuhr 1899 in Tonnen . Ein- und Ausfuhr 1898 nach Ländern in Prozenten . Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Rentzsch) . Schweden. Einfuhrzölle in Gulden ö. W. pro 100 kg. Schweden . Die Eisenindustrie Schwedens zeigt seit 1870 eine rege Ent- faltung auf ihrer natürlichen Grundlage. Diese hat durch den Reichtum an vorzüglichen Erzen und den Mangel an Steinkohlen viele Ähnlichkeit mit derjenigen der Alpenländer Österreichs, dennoch war die Entwickelung seit 1870 in mancher Beziehung eine abweichende. Während man in Österreich in ausgedehnter Weise Dampfbetrieb und in Verbindung damit eine Konzentration der Betriebe und Massenerzeugung einführte, blieb man in Schweden bei der Aus- nutzung der zahlreichen Wassergefälle, welche die Kraft für viele, aber nicht sehr umfangreiche Eisenwerke lieferten. Das Haupt- bestreben war nach wie vor auf Qualität gerichtet, was durch das teure Brennmaterial, die Holzkohlen, die vorzüglichen Erze und die An- forderungen des Handels geboten war. Hierfür waren weniger umfang- reiche Betriebe geeigneter als Massenbetriebe. Auch in Schweden fanden die neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Flusseisen- erzeugung Eingang und Verbreitung, aber sie verdrängten die alten Betriebe doch nicht so rasch und so energisch wie in anderen Ländern. Der Bessemerprozess, der durch die Bemühungen des am 12. Mai 1900 verstorbenen Göran Frederik Göransson 1858 seinen ersten durchschlagenden Erfolg erzielt hatte, entwickelte sich in den siebziger Jahren in einer Anzahl beschränkter Einzelbetriebe, ohne die Schweisseisenfabrikation in Frischherden einzuschränken. Der Bessemerstahl war ein neues Produkt, das zu den alten hinzukam und mehr die Einfuhr ausländischen Stahls als die eigene Erzeugung beschränkte. Auch die Einführung der Martinstahlerzeugung übte zunächst einen solchen Einfluss nicht aus, weil man auch hierbei zunächst ein hartes Produkt, einen billigen Werkzeugstahl darstellte; erst nach der Einführung des basischen Verfahrens, welches ein billigeres weiches Eisen lieferte, machte sich seit 1891 eine nachteilige Wirkung auf die Erzeugung von Herdfrischeisen bemerkbar. Schweden. Eisenerzeugung und Eisenausfuhr haben seit 1870 merklich zu- genommen; am meisten ist aber die Förderung und Ausfuhr von Eisenerzen gewachsen. Durch die Erschliessung der riesigen Erzfelder Nordschwedens, besonders der von Gellivaara, Luossavaara und Kiruna- vaara hat das Nationalvermögen einen grossen Zuwachs und der Aus- fuhrhandel mit Eisenerzen, der früher nur eine untergeordnete Rolle spielte, eine ausserordentliche Steigerung erfahren. 1871 betrug die Förderung von Bergerzen 646662 Tonnen, von Seeerzen 15758 Tonnen, 1898 von Bergerzen 2302546 Tonnen, von Seeerzen nur noch 368 Tonnen. Die Gewinnung von Seeerzen hatte demnach fast auf- gehört, während die von Bergerzen sich um mehr als das 3½ fache gesteigert hatte, die rascheste Zunahme fällt in die Jahre von 1891 bis 1894 durch die umfassende Ausbeutung der Gellivaaraerzlager. Die Erze Nordschwedens sind sehr phosphorreich, deshalb blieben sie früher wie die von Grängesberg in der Provinz Kopparberg wenig beachtet; seitdem aber durch die Einführung des Thomasverfahrens phosphorreiche Erze Verwendung fanden, wurden diese reichen Magnet- erze Schwedens gesucht und stiegen im Wert. Während die Eisenerzgewinnung in Lappmarken und Norbotten Anfang der siebziger Jahre nur ganz unbedeutend war, übertraf 1898 die Förderung dieser Provinzen die aller anderen. 1897 wurden die Eisenerzflächen Schwedens auf 1544000 qm angegeben, von denen 928544 qm dem Betrieb erschlossen waren; Hiervon entfielen: auf Gellivaara 200000 qm mit 623110 Tonnen Förderung „ Luossavaara 54000 „ „ 1118 „ „ „ Kirunavaara 376000 „ „ 3570 „ „ „ Grängesberg 90000 „ „ 652977 „ „ Zusammen 720000 qm mit 1280775 Tonnen Förderung auf das mittlere Schweden 208544 qm mit 805344 Tonnen Förderung. 1886 betrug die Erzausfuhr Schwedens nur 19288 Tonnen, 1898 1150695 Tonnen, hiervon ging das meiste nach Deutschland. Die oberschlesischen Werke hatten schon Ende der achtziger Jahre, West- falen und Rheinland seit Anfang der neunziger Jahre grosse Mengen schwedischer phosphorhaltiger Magneteisensteine bezogen. Es betrug Schweden. Die Roheisenerzeugung Schwedens hat seit 1870 eine beträchtliche Steigerung erfahren. Sie wuchs von 1871 bis 1898 von 299081 auf 523960 Tonnen, dazu kamen 1871 5792, 1898 7806 Tonnen Hochofen- guss. Die Zahl der Hochöfen nahm ab, ihre Leistungsfähigkeit nahm zu. Durch Einführung der Winderhitzung und bessere Gebläse war die Produktion der schwedischen Hochöfen schon in den voraus- gegangenen Jahrzehnten beträchtlich gesteigert worden. 1833, vor Einführung der Winderhitzung war die durchschnittliche Tagesleistung eines Hochofens nur 2,78 Tonnen, 1874 war sie auf 9,85 Tonnen gestiegen. Durch weitere Verbesserungen in der gleichen Richtung erhöhte sich die durchschnittliche Tageserzeugung bis 1898 auf 13,35 Tonnen Roheisen. Die grösste Leistung hatte die Hütte zu Domnarfvet mit 35,81 Tonnen, die kleinste Jönköping mit 5,61 Tonnen. Auch diese grösste Leistung eines schwedischen Holzkohlenhoch- ofens erscheint klein im Verhältnis zu der moderner Kokshochöfen, besonders der amerikanischen. Die Zahl der betriebenen Hochöfen war in der Zeit von 1874 bis 1898 von 217 auf 143 gesunken. Dabei war eine merkliche Verschiebung in der Roheisenerzeugung der ein- zelnen Provinzen eingetreten. Von den drei Provinzen, welche die grösste Produktion hatten, erzeugte 1874 Örebro 29,3, Kopparberg 19,8 und Gefleborg 13,8 Prozent, 1898 dagegen Kopparberg 26,7, Örebro 25,8 und Gefleborg 13,5 Prozent der Gesamtproduktion. Die Schweisseisenerzeugung geschah nach wie vor fast aus- schliesslich in Frischherden mit Holzkohlen. Der Puddelofenbetrieb konnte trotz der verbesserten Gasfeuerungen nicht aufkommen, und die Zahl der Puddelöfen betrug seit 1888 ständig nur vier. Das beste Dannemoraeisen wurde in den alten Wallonschmieden gemacht, an denen man zähe festhielt. Die Zahl der Franche-Comté-Herde nahm dagegen seit Ende der achtziger Jahre ab, 1888 zählte man noch 95, 1898 nur noch 17. Auch die Zahl der Lancashireherde, die am zahl- reichsten waren und den grössten Teil des schwedischen Stangen- eisens lieferten, nahm ab, aber doch nur insoweit, als sich ihre Leistungsfähigkeit durch Verbesserungen der Konstruktion und des Betriebes steigerte. 1888 wurden in 402 Lancashireherden 182380 Tonnen, 1898 in 293184356 Tonnen Frischeisen erzeugt. 1882 waren in 266 Werken 773 Herde und Öfen in Betrieb, 1898 in 126 Werken 336, oder zu- züglich 16 Schrottherden 352. Nachstehende Zusammenstellung zeigt diese Veränderungen von 1888 bis 1898. Beck, Geschichte des Eisens. 75 Schweden. Obgleich die Bessemerstahlbereitung von allen Ländern ausser England zuerst in Schweden erfolgreich durchgeführt wurde, obgleich der Siemens-Martin-Prozess bereits im Jahre 1868 zur Einführung gelangt war, entwickelte sich die Flusseisenerzeugung nur langsam. Der Bessemerprozess wurde in kleinen, feststehenden Öfen ausgeführt. 1870 erzeugten in Schweden neun solcher Öfen 6640 Tonnen Bessemer- stahl, 1875 war die Anzahl der Konverter auf 18, die Produktion auf 19397 Tonnen gestiegen. Die Martinstahlerzeugung war in den siebziger Jahren eine recht bescheidene, sie betrug 1875 3417½ Tonnen. Die ganze Flusseisen- erzeugung in diesem Jahre war 21385 Tonnen. 1880 wurden 30007 Tonnen Konverterstahl, 7716 Tonnen Herdflussstahl und 1551 Tonnen Tiegelstahl, zusammen 39274 Tonnen Flussmetall, gegen 216876 Tonnen Schweisseisen erzeugt. In den achtziger Jahren nahm sowohl die Bessemer- als auch die Martinstahlbereitung zu, blieb aber im Jahre 1890 noch bedeutend hinter der Schweisseisenerzeugung zurück. Es wurden in diesem Jahre erzeugt: Konverterstahl 94247 Tonnen, Herdflussstahl 72985 Tonnen, Tiegelstahl 646 Tonnen, zu- sammen 167878 Tonnen gegen 225632 Tonnen Schweisseisen. Bei der Bessemerstahlfabrikation waren inzwischen bewegliche Konverter, doch nur höchstens zu 5 bis 6 Tonnen eingeführt worden. Bei den Martinöfen war man zu Öfen von grösserem Fassungsraum und zu basischer Herdauskleidung übergegangen. Besonders durch die Einführung des basischen Verfahrens stieg die Flusseisenproduktion; aber erst seit 1895 übertrifft sie die des Schweisseisens. 1895 wurden 97294 Tonnen Konverter- und 96475 Tonnen Herd- flusseisen, zusammen 193769 Tonnen Flusseisen gegen 188726 Tonnen Schweisseisen hergestellt. In dem folgenden Jahre 1896 überflügelte das Herdflusseisen mit 142301 Tonnen Erzeugung das Bessemereisen, obgleich dieses damals Schweden. mit 114120 Tonnen seinen Höchststand erreicht hatte. 1898 wurden 262960 Tonnen Flussmetall und 198923 Tonnen Schweisseisen dar- gestellt. Von dem Flusseisen waren 102254 Tonnen im Konverter und 160706 Tonnen im Flammofen erzeugt. Von dem Konvertereisen waren 29194 Tonnen durch das basische Verfahren im Thomas- konverter erblasen, während von dem Herdflusseisen 55049 Tonnen auf basischem Herd bereitet waren. Das Verhältnis des sauren zum basischen Flusseisen war demnach 1898 178717 Tonnen zu 84243 Tonnen. Die Stahlgusswarenerzeugung aus dem Martinofen betrug 4560 Tonnen. Die Fortschritte der schwedischen Eisenindustrie waren der Intelligenz seiner Metallurgen und dem einmütigen Zusammenwirken von Staatsregierung und Industrie, die in der 1869 nach Stockholm verlegten Bergakademie, in dem Jern-Kontor und in dem Hütten- verband (Bruks-Societät) ihre wichtigsten Vereinigungspunkte fanden, zu verdanken. Wie seit Jahrhunderten, so besass auch in dieser Periode Schweden eine grosse Anzahl hochgebildeter, vortrefflicher Metallurgen, welche die Träger des Fortschritts waren. Wir nennen: Rich. Åkerman, Knut Styffe († 3. Februar 1898), L. Rinman, Victor Eggertz († 17. August 1889), Ullgren, A. Tamm, J. Wiborgh, E. G. Odel- stjerna, J. L. Sebenius, C. G. Sarnström, Caspersson, H. Tho- lander, Troilus u. a. m. Dass die hervorragenden Metallurgen John Gjers und Sandberg in England Schweden waren, wurde bereits früher erwähnt. Versuchen wir es nun, einen kurzen Überblick der Fortschritte des schwedischen Eisenhüttenwesens im einzelnen in chronologischer Ordnung zu gewinnen. Der Grundsatz, welcher die schwedische Eisenindustrie Anfang der siebziger Jahre wie in der Folge leitete, war: nicht Massen- erzeugung, sondern beste Qualität. Dementsprechend behandelte man den Bessemerprozess und das neu eingeführte Herdschmelzverfahren. Bei dem Bessemerprozess wurde dies durch das vorzügliche Holz- kohlenroheisen, den Kleinbetrieb und sehr gewissenhafte Kontroll- proben erreicht. Nach C. Westmans Angabe (1871) gab der hier- durch erzielte Bessemerstahl einen ebenso guten Tiegelgussstahl als der Brennstahl. Die Zahl der Eisenwerke war damals noch eine sehr grosse, und mancher Hochofen wurde nur noch der Holzverwertung wegen be- trieben. Durch die Konkurrenz der kleinen Werke und durch die 75* Schweden. Abhängigkeit von den Wasserkräften wurde die Anlage grosser Werke erschwert. Es gab damals eigentlich nur eine grosse Anlage, die zu Motala, die auch die einzigen Puddelöfen Schwedens besass, und die damals unter der Leitung von Kapitän Carlsund gutes Kesselblech aus Bessemereisen machte. Der Martinbetrieb war 1868 in sehr bescheidenem Massstabe zu Kilafors eingeführt worden; auch der 1869 von J. L. Sebenius in Munkfors erbaute Ofen mit Gasfeuerung nach Lundins System war nur für einen Einsatz von 1 Tonne konstruiert. Zu Losjöfors Af Uhr in Jern Kontor. Annal. 1871. hatte man 1870 einen Ofen für 30 Centner = 1275 kg Einsatz nach Lundins System mit Gasfeuerung und Konden- sation erbaut, bei dem ein kräftiger Zug durch einen Ventilator bewirkt wurde. Dies war nötig, weil das strengflüssige Roheisen von Persberg eine grössere Hitze verlangte als das zu Munkfors ver- wendete Tabergeisen. Der erzielte Martinstahl wurde in kleine Blöcke gegossen, die dann unter dem Hammer ausgereckt wurden. Spiegel- eisen zum Nachsatz beim Bessemern und im Flammofen, obgleich nur wenig verwendet, wurde aus Knebelit und manganhaltigem Eisen- granat erblasen. Im Jahre 1872 entstanden neue Holzkohlenhochöfen und Bessemer- werke bei Nya Kopparsberg, zu Bjorneberg, Stjernfors und Nyahammer. Larsen erfand einen Gasanwärmer für Bessemeröfen, der mit Hoch- ofengasen gespeist wurde und der sich zu Barka in Darne und auf Swartnas Eisenwerk in Stora Kopparberg bewährte. Das gute Kanoneneisen von Finspång und Ankarsrum wurde aus Magnetit mit Holzkohlen erblasen. Eckman goss 1873 zu Finspång sehr feste Geschosse. Die Geschütze goss man der Festig- keit wegen nicht mehr aus dem Hochofen, sondern aus dem Flamm- ofen, worin man das Roheisen umschmolz. 1873 wurden mancherlei Verbesserungen eingeführt. Ein wichtiges Ereignis war die Gründung einer englischen Gesellschaft zur Aus- beutung der grossen Eisenerzlager zu Gellivara in Nordschweden. Fillafers Gasröstöfen kamen zur Einführung. Zu Schisshyttan und Finbo bestand ein regelmässiger Hochofenbetrieb auf Spiegeleisen. Bei dem Frischen kamen die verbesserten Lancashireherde immer mehr in Anwendung. Zum Schweissen wurden Eckmans Holzkohlen- gas-Schweissöfen oder Siemens-Schweissöfen mit Lundins Konden- sation angewendet, so z. B. in Munkfors und Tschilafors. Das Schweden. schwedische Bessemern mit manganreichem, aber siliciumarmem Roh- eisen wurde zu Fagersta erfolgreich betrieben. Auf dem Svartnäs- Bessemerwerk wurde eine Wochenproduktion von 46,8 Tonnen in einem kleinen, mit einem guten Gebläse versehenen Konverter erzielt. A. Tamm veröffentlichte chemische Untersuchungen der Bessemer- gase. Der Martinprozess fand langsam Verbreitung. Der Uchatiusprozess wurde noch zu Wykmanshyttan in vier Zug- schmelzöfen zu je vier Tiegel, die mit Koks geheizt wurden, betrieben. Im Jahre 1873 vereinigte die grosse Stora-Kopparbergs-Bergslags- Aktiengesellschaft ihren in 19 Hütten zersplitterten Eisen- und Stahl- betrieb in einer grossen Neuanlage, dem Domnarfvets-Järnverk, welches das grösste Holzkohlenhochofenwerk der Welt wurde. 1874 führte man zu Långsbanshytta einen von Eckman kon- struierten Winderhitzer, einen Gjersapparat mit abgeändertem Zug, ein. Wittenström erfand einen Regenerativ-Schweissofen mit darüberliegendem Regenerator. Zu Motala stellte man Versuche mit Danks rotierenden Puddelöfen an. Hier standen 1875 sechs einfache und drei Doppelpuddelöfen, die mit englischen Steinkohlen geheizt wurden, in Betrieb. Von den fünf Schweissöfen waren zwei Regenerativ- und drei Wittenströms che Gasöfen. Man puddelte auch Stahl für Kanonenringe. In Norwegen hatte die Eisenerzeugung seit 1860 einen beträcht- lichen Rückgang erfahren. Zu Motala hatte man auch Torfgasgeneratoren, deren Gase Rinman 1877 chemisch untersuchte. Neue Walzwerke entstanden 1877 nicht nur zu Hörneafors und Söfors, sondern auch zu Gellivara. Ahrenberg und Ekman veröffentlichten im Auftrage des Jernkontors ein schwedisches Stempelmarkenbuch. 1878 betrug die Zahl der Arbeiter in den Eisenbergwerken 4397, in den Hütten- und Stahlwerken 16716. Ein Universalwalzwerk wurde 1878 von E. von Zweigebergk in Swedjebacken in Betrieb genommen. In diesem Jahre zählte man bereits sieben Martinstahlwerke mit sieben Schmelzöfen, von denen der grösste indessen nur vier Tonnen Einsatz fasste. Der Brennstoff- verbrauch belief sich auf 200 Prozent. Einen grösseren Ofen baute Odelstjerna auf der Boforshütte. Bei den Bessemerbirnen zu Langs- hyttan führte man Siebböden ein. Göransson und Magnusen ver- öffentlichten Untersuchungen über das Bessemern zu Sandviken. 1878 wurde zu Bofors zuerst der Stahlformguss aus dem Martin- ofen eingeführt. Schweden. 1879 wurde die Kleinbessemerei zu Avesta mit Erfolg betrieben. R. Åkerman, H. Tholander und C. G. Särnström veröffentlichen die Ergebnisse ihrer Versuche über die Reduzierbarkeit der Eisenerze. Das Rösten der Erze, das für Schweden von besonderer Wichtigkeit war, geschah vielfach in Gasröstöfen, von denen namentlich die Westmans chen verbreitet waren. Casperssons verbesserte Stahl- gusspfanne wurde zuerst 1880 auf dem Westanfors Bessemerwerk in Fagersta eingeführt. 1880 schlug R. Åkerman die Verwendung der Thomasschlacke als Düngemittel vor. 1882 nahm man zu Bofors einen Martinofen für 10 Tonnen Einsatz in Betrieb. 1883 stellte C. G. Dahleru s Untersuchungen über den Verlauf des Bessemerprozesses zu Langshyttan, Nykroppa, Bangbro und Westanfors an und veröffentlichte zahlreiche Analysen von Roheisen, Schlacken und Bessemermetall in den verschiedenen Stadien des Prozesses nach bestimmten Zeiträumen. Caspersson , der sich mancherlei Verdienste um das Bessemern in Schweden erwarb, arbeitete 1883 mit einem feststehenden 3-Tonnen- Konverter zu Bofors. Er wies damals auf den grossen Einfluss hoher Anfangstemperaturen des Roheisens beim Einsatz hin, die bei seinem geringen Siliciumgehalt besonders wichtig waren. Paul von Schwarze lenkte 1884 die Aufmerksamkeit auf die grossen Erzfelder Nordschwedens und ihre Bedeutung für Deutschland. Warnström gründete 1885 eine elektromagnetische Aufbereitung in Örebro. Thorston Nordenfeld erfand die weiche Aluminium- Eisenlegierung, die er Mitisguss nannte, und C. G. Wittenström seinen Petroleum-Schmelzofen zu dessen Herstellung, wofür 1886 zu Carlsvick bei Stockholm ein Schmelzwerk erbaut wurde. Schon vor- dem hatte Knut Styffe Aluminium als Reinigungsmittel für das Eisen empfohlen, und Wittenström 1885 ein Patent, durch Zuschlag von 0,2 Prozent Aluminium das Flusseisen dünnflüssig und fest zu machen, genommen. 1886 konstruierte Wernström sein Universalwalzwerk. In Danne- mora betrieb man einen Siemens-Gussstahlschmelzofen mit zwei Kammern zu je 10 Tiegel Einsatz. Man erhielt in 500 Schmelzungen 165 Tonnen Tiegelstahl. Zu Avesta wurde unter Ch. Walrands Leitung der Stahlformguss aus den von diesem erfundenen kleinen Konvertern eingeführt. Carlsson zu Ulfshytta unterbrach das Blasen bei Beginn der Kohlenstoffverbrennung, goss einen Teil als „Reduktionsmetall“ aus blies dann fertig und setzte jenes statt Spiegeleisen zu. Schweden. 1887 wurde die für die Erschliessung der nordischen Eisenlager so wichtige Eisenbahn von Luleå nach Gellivara von einer englischen Gesellschaft vollendet. — Odelstjerna führte den Betrieb mit Chromerzfutter beim Herdbetrieb in Trollshätta ein. Knut Styffe empfahl Magnesiaböden. In demselben Jahre stellte man in ver- schiedenen schwedischen Werken Chromstahl in Flammöfen, in einem bei Christiania in Tiegeln dar; 1888 gelang auch die Darstellung im Hochofen. Chromstahl sollte den Dannemora-Gussstahl ersetzen. In Avesta erbaute man zwei moderne Hochöfen mit zwei Westman-Gas- röstöfen und eisernen Winderhitzern. In diesem Jahre begann man im Norbergbezirk alte Erzhalden durch magnetische Aufbereitung aufzuarbeiten. 1889 erlangte die schwedische Erzausfuhr grössere Bedeutung. Oberschlesien hatte schon seit 1870, wenn auch in kleineren Mengen, schwedische Erze bezogen. Dieser Bezug steigerte sich jetzt bedeutend. 1889 bezog Friedrich Krupp in Essen die erste Dampferladung schwedischer Magneterze aus Grängesberg über Rotterdam für die Johannishütte bei Duisburg. Damals wurde bereits die Fortführung der Gellivara-Eisenbahn bis nach Ofoten an der norwegischen Küste zum Aufschluss der noch mehr landeinwärts liegenden Erzlager von Luossavaara und Kirunavaara geplant. Der Martinofenbetrieb erlangte eine immer grössere Wichtigkeit. Nach einem Bericht Odelstjernas war die Die Werke waren zu Ankarsrum, Avesta, Bofors, Domnarfvet, Elfsbacka, Fagersta, Hagfors, Hammarby, Hellefors, Jäder, Kallinge, Koliva, Losjöfors, Liljedal, Lotorp, Motala, Munkfors, Strömnäs, Sura- hammer, Söderfors, Trollhättan. Es gab bereits Siemens-Martin-Öfen von 15 Tonnen Einsatz. Die Produkte waren Werkzeugstahl, Stahlguss und Eisenguss. Im all- gemeinen arbeitete man mehr auf ein hartes Produkt hin. Der basische Betrieb war zuerst zu Jäder von E. G. Oldenstjerna eingeführt worden. L. Sebenius verwendete die Schleuderkraft zur Herstellung dichter Güsse (D. R. P. Nr. 52332). Schweden. 1891 gelangte der Thomasprozess in Schweden zur Einführung. Das grösste Eisen- und Stahlwerk Schwedens, Stora Kopparbergs Bergslags Actiebolag in Falun, das über eine Wasserkraft von 4000 P.S. aus 15 Turbinen verfügte, erweiterte sein mit fünf 5-Tonnen-Konvertern ausgerüstetes Bessemerwerk um weitere fünf 6-Tonnen-Konverter, davon drei für das Thomasverfahren. Der bekannte deutsche Ingenieur Ferdinand Vahlkampf beaufsichtigte die Anlage und setzte sie am 26. Oktober 1891 in Betrieb. Die 6-Tonnen-Konverter waren von Carl Angström konstruiert. Das Roheisen, das 3 Prozent Phosphor enthielt, gelangte direkt vom Hochofen in die Birne. Die Einfuhr phosphorhaltiger Grängesbergerze nach Deutschland nahm fortwährend zu; 1891 gingen bereits 62689 Tonnen über Rotterdam nach Rheinland und Westfalen und 85941 Tonnen über Stettin nach Oberschlesien. Gellivara war an dieser Ausfuhr noch nicht beteiligt. Erst 1892 begann die grosse Förderung von Gellivara, die von 180 Tonnen auf 178817 Tonnen stieg, während die von Grängesberg von 169016 Tonnen auf 224271 Tonnen in 1892 sich erhöhte. In diesem Jahre gab es bereits neun magnetische Auf- bereitungsanstalten zur Aufarbeitung alter Eisenerzhalden in Schweden. Die Hochöfen zu Domnarfvet erreichten eine Tagesleistung von 36,5 Tonnen. Die Stahlöfen verteilen sich nach Provinzen wie folgt: 1892 wurden 1573224 Tonnen Steinkohlen und 44872 Tonnen Koks eingeführt, die eigene Steinkohlenerzeugung im Regierungsbezirk Malmöns in Südschweden betrug etwa 200000 Tonnen. Holz lieferte immer noch den Hauptbrennstoff; es wurden davon 4900000 cbm im Jahr verkohlt. 1893 wurden schon etwa 200000 Tonnen Erze von Luleå aus verschifft, wovon 75 Prozent über Rotterdam nach Rheinland und Westfalen gingen, England bezog nur 15000 Tonnen. Die Erzförderung Schwedens hatte gegen das Vorjahr um 14,7 Prozent zugenommen. Schweden. 1893 fand die Weltausstellung in Chicago statt, auf der sich die schwedische Eisenindustrie durch ihre vorzügliche Vorführung hervor- that. R. Åkerman hielt daselbst bei dem Meeting des American Institute of Mining Engineers im August einen Vortrag über das Bessemern in Schweden, den wir früher schon erwähnt haben und aus dem wir nur noch nachtragen, dass es gelungen war, durch stärkere Gebläse und heisseren Wind in Schweden Bessemerroheisen mit 0,9 bis 1 Prozent Silicium, gegen 0,2 bis 0,4 Prozent, zu erblasen und dadurch einen heisseren Gang der Chargen zu erzielen. Man unterbrach das Blasen im richtigen Moment der Entkohlung, den man ohne Hülfe des Spektroskops erkannte. Zum Giessen bediente man sich der Casperssons chen Pfanne. War das Flusseisen zu heiss, so liess man es erst durch einen Siebtrichter laufen. 1894 hielt Erik G. Odelstjerna in Amerika einen Vortrag über das Martinieren in Schweden. Bei den Gasgeneratoren wendete man Konden- sation an und war Björklunds Oberflächenkondensator in Aufnahme gekommen. Die Kohlengasgeneratoren waren klein und mit Treppen- rosten versehen. Neuerdings waren zu Löderfors Holzgasgeneratoren mit Trockenapparaten eingeführt worden. Die Schmelzöfen hatten stehende Regeneratoren mit Tellerventilen auf gekühlten Sitzen. Zur Ersparnis an Brennstoff waren die Öfen umkleidet. Schrott war selten und teuer und kam deshalb nur in geringen Mengen zur Anwendung. Manche Werke arbeiteten nur mit Roheisen und Erz. Grössere als 15-Tonnen-Öfen gab es nicht. Man erzeugte drei Sorten: 1. weiches Flusseisen mit bis zu 0,15 Prozent Kohlenstoff, 2. Werkzeugstahl mit mindestens 0,45 Prozent Kohlenstoff und 3. Stahlformguss. Man suchte möglichst wenig Mangan im Produkt zu erhalten. Zu Finspång goss man Panzerplatten aus Martinstahl, die man ohne mechanische Bearbeitung verwendete. Sie brauchten nur wenig stärker zu sein als gewalzte und liessen sich leicht in jeder Dicke herstellen. Seit einigen Jahren war man zum basischen Betrieb über- gegangen. Wie beim Bessemern, so fand auch beim Martinieren keine Rückkohlung statt. Die Erzförderung steigerte sich immer mehr. Von 1870 bis 1894 war sie von 631000 auf 1927000 Tonnen gewachsen Stahl und Eisen 1896, S. 1029. . Von den geförderten Erzen waren 85,4 Prozent Magneteisenstein, 14,6 Prozent Eisenglanz und Blutstein. Von Verbesserungen der letzten Jahre ist zu erwähnen, dass man Schweden. bestrebt ist, bei den Hochöfen bessere Holzverkohlungsöfen anzulegen, und dass man gelagerte Holzkohlen vor dem Aufgeben künstlich trocknet. Der Köhlerei wird eine grössere Aufmerksamkeit zugewendet, und es entstanden Köhlerschulen, die vom Jernkontor unterhalten werden. Sandviken zeichnete sich aus durch seinen guten Bessemerstahl und kalt gewalzten Bandstahl, Söderfors, Fagersta und Bofors durch ihren Martinstahl und Finspång und Bofors durch ihren Stahlguss. Kolschwa und Uddeholm erzeugen die weichsten Flusseisensorten, Surahammer vortrefflichen Puddelstahl. 1898 empfahl J. Wiborg die Anwendung von heissem Wind beim Bessemern, wodurch man siliciumärmeres Roheisen verblasen könne. Die Ausfuhr von Holz erreichte 1896 einen Wert von rund 140 Millionen, die von Eisen von 46 Millionen schwedische Kronen. Bei dem Eisen hatte die Ausfuhr der Rohprodukte — abgesehen von den Eisenerzen — abgenommen, die des verarbeiteten Eisens — des Manufaktureisens — zugenommen. 1854 hatte das Stangeneisen 83,3 Prozent betragen, 1895 machte es nur noch 41,8 Prozent des Wertes der Eisenausfuhr aus. Eine bedeutenden Absatz hatten gewisse Spezialartikel erlangt, besonders gepresste und gedrückte Geschirre namentlich für Molkereibetrieb, Hohlgegenstände, wie Patronenhülsen. Auf die Herstellung dieser Artikel waren grosse Fabriken begründet, wie z. B. Kokums Werke zu Kallinge mit 625 Arbeitern und die Olofström-Werke. Die Eskilstuna-Stahlpress- gesellschaft, die 200 Arbeiter beschäftigte, lieferte Sensen, Äxte, Beile, Schaufeln, Sägen, Pflüge und sonstige landwirtschaftliche Geräte und Maschinen. Eskilstuna war der wichtigste Mittelpnnkt der schwedischen Kleineisengewerbe geworden und beschäftigte an 4000 Eisenarbeiter. 1894 zählte man 120 Fabriken mit 2299 Arbeitern und 88 Hand- werke mit 249 Arbeitern. Die alte handwerksmässige Arbeit wurde aber mehr und mehr zurückgedrängt durch die durchaus moderne Maschinenarbeit nach amerikanischem Muster zur Erzeugung von Qualitätsmassenartikeln. 1897 fand in Stockholm eine nordische Kunst- und Industrie- ausstellung statt, auf welcher die Bedeutung und die Fortschritte der Eisenindustrie Schwedens vorgeführt wurden. Das grösste Eisenwerk Schwedens, Domnarfvets Järnverk, trat besonders hervor und zeigte die Eigenart der schwedischen Eisenindustrie. Die Kraft lieferten 23 Turbinen, die das starke Wassergefälle des Dalelf an den Tuna- fällen in 5000 P.S. umwandelte. Hiervon trieben 900 P.S. 49 Elektro- motoren. Acht kontinuierliche Verkohlungsöfen nach des General- Schweden. direktors E. J. Ljungbergs Erfindung erzeugten aus geflöztem Holz von Dalarne 120000 cbm Holzkohle im Jahre. Diese Öfen arbeiten nach Art der Ringöfen mit vier Kammern. Das Hochofenwerk um- fasste fünf Hochöfen von 16,5 m Höhe, sechs Westman-Röstöfen und sieben Cowper-Winderhitzer. Vier Hochöfen hatten 1896 43397 Tonnen Holzkohlenroheisen geliefert. Die Schlacken wurden grossenteils zu Ziegeln verarbeitet. Das Bessemerwerk hatte zwei saure 6-Tonnen- Konverter und drei basische 5-Tonnen-Konverter, das Martinwerk vier 15-Tonnen-Öfen, wovon zwei sauer und zwei basisch zugestellt waren. Beide Anlagen konnten 60000 bis 70000 Tonnen Flussstahl- blöcke liefern. Das Walzwerk ist für die Fabrikation von 45000 Tonnen Walzprodukte aller Art eingerichtet. Das Werk besitzt ferner eine grosse Maschinenfabrik, Manufakturschmiede, Holzschneiderei u. s. w. Das Bessemer- und Martinstahlwerk Bofors arbeitet ausschliesslich mit elektrischer Kraftübertragung. Uebrigens war auch die Einfuhr von Steinkohle 1899 auf 40300000 Tonnen gestiegen. Den grössten Aufschwung hatte durch die Erschliessung der mächtigen Eisenerzlager in Nordschweden die Erzförderung und die Erzausfuhr Vergl. Dr. H. Wedding in Zeitschr. für das Berg-, Hütten- und Salinen- wesen im preuss. Staate 1898, S. 69. genommen. 1896 wurden 2586705 Tonnen gefördert und 1150695 ausgeführt, hiervon gingen 787581 Tonnen nach Deutschland. 1899 betrug die Erzausfuhr 1627908 Tonnen. Die Erzförderung wird sich noch bedeutend steigern, wenn (1903) die Eisenbahn Luleå— Ofoten Siehe Stahl und Eisen 1899, S. 61, 143, 165, 221, 329, 381, 578, 622, 873. vollendet sein wird und die Erze auch an der norwegischen Küste verladen werden können. Zugleich werden durch diese Bahn die riesigen Erzlager von Luossavaara, Kirunavaara und zahlreiche kleinere Erzfundstellen dem Verkehr erschlossen. Hierzu hatten die Untersuchungen und Berichte von Professor Voigt , der auf die grosse Zukunft der Kirunavaaraerze, von denen drei Tonnen gleichwertig mit 6½ Tonnen Yorkshire- oder mit 5 Tonnen Luxemburger Erzen sind, hinwies, beigetragen, sowie Professor Törnebohm , der 1899 die Expe- dition von Dr. W. Petersson und Dr. F. Svenonius A. a. O. 1900, S. 530, 590. in dieses Erz- gebiet veranlasste. Die Ausbeutung der Erzschätze einerseits und die bessere Ausnutzung der zahlreichen Wasserkräfte Schwedens durch Umwandlung in elektrische Energie andererseits werden einen noch grösseren Aufschwung der Eisenindustrie Schwedens in der Zukunft herbeiführen. Schweden. Zahlengeschichte der schwedischen Eisenindustrie seit 1870. Übersicht der Erzeugung der Eisenindustrie in Tonnen . Hochofenbetrieb . Schweden. Roheisenerzeugung nach Sorten in Tonnen . Roheisenerzeugung der einzelnen Provinzen 1874. Schweden. Roheisenerzeugung nach Hauptbezirken . Schweisseisenerzeugung in Tonnen . Erzeugung nach Sorten . Schweden. Erzeugung 1874 nach Provinzen in Tonnen . Norbotten 180 Westerbotten 1458 Westernorrland 3087 Jemtland 40 Gefleborg 17434 Upsala 6096 Stockholm 2494 Kopparberg 16095 Westmanland 26599 Örebro 37988 Skaraborg 894 Wermland 27692 Elfsborg 3327 Södermanland 1119 Östergotland 11266 Kalmar 5450 Jönköping 1841 Kronoberg 898 Blekinge 3187 Zusammen: 167645 Tonnen. Erzeugung von Schmiedeeisen- u. Stahlfabrikaten nach Sorten . Schweden. Stahlerzeugung im ganzen in Tonnen . Martinstahl-Formguss in Tonnen . 1884 318 1885 593 1886 818 1887 1373 1888 1402 1889 2072 1890 2159 1892 1925 1893 2068 1894 2289 1897 4264 1898 4560 Bessemerflussstahl . Schweden. Martinflussstahl . Flussstahlerzeugung, sauer und basisch . Flusseisen . Eisenerzausfuhr in Tonnen . 1886 19288 1887 41765 1888 117350 1889 118573 1892 320071 1893 484020 Eisenerzausfuhr nach Deutschland: 1895 613920 Tonnen, 1896 787581 Tonnen. Beck, Geschichte des Eisens. 76 Schweden. Eisenerzausfuhr von 1895 bis 1900. Erzeugung, Aus- und Einfuhr 1876 in Tonnen . Ein- und Ausfuhr von Roheisen und Gusswaren und Schmiedeeisen und Stahl in Tonnen . Eisenausfuhr 1886 bis 1890 im einzelnen in Tonnen . Schweden. Wert der Ein- und Ausfuhr von 1889 bis 1894 in 1000 Kronen (1 Krone = 1,125 Mark). Ein- und Ausfuhr 1892 bis 1897 in Tonnen . 76* Schweden. Ein- und Ausfuhr 1898 und 1899. Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Rentzsch) . Russland. Russland . Die Lage der russischen Eisenindustrie war im Jahre 1870 keine günstige. Dies veranlasste die Regierung, die berühmten Eisenhütten- leute P. Tunner von Leoben und A. Grill aus Schweden zu berufen, um in Gemeinschaft mit General Raschette die russischen Eisen- industriegebiete zu bereisen und Bericht zu erstatten. Tunners Ausführung stellte fest, dass die russische Eisenindustrie in den letzten Jahren wenig Fortschritte gemacht habe, und giebt als Ursachen an: den Mangel an Kommunikationsmitteln, die Trägheit der Arbeiter, die, durch die Aufhebung der Leibeigenschaft von dem früheren Zwang befreit, die neuerworbene Freiheit am liebsten im Nichtsthun geniessen wollten, sodann den Mangel an Brennstoff und schlechte Wirtschaft im Hütten- wie im Forstwesen. Die russische Eisenindustrie war zwar durch einen Einfuhrzoll von 5 Kopeken für das Pud Roheisen und von 35 Kopeken für verarbeitetes Eisen geschützt. Derselbe reichte aber um so weniger aus, die ausländische Konkurrenz abzuhalten, als er in dem sehr entwerteten Papierkurs bezahlt werden durfte. Die uralischen Hütten waren auf ihren alten Betriebseinrichtungen stehen geblieben. Die neuen Flusseisenprozesse waren nur in geringem Masse zur Einführung gelangt. In Finnland verschmolz man meist noch Seeerze in alter Weise. In diesen Zuständen trat auch in den folgenden Jahren noch keine Besserung ein. Von grosser Bedeutung für die Zukunft war es aller- dings, dass 1871 ein Engländer Hughes ein Hüttenwerk in dem kaum erschlossenen Steinkohlengebiet Südrusslands am Dnjepr errichtete. In den folgenden Jahren wurde vom Staat ein grosses Tiegel- gussstahlwerk in Motovilicha bei Perm an der Kama zur Herstellung von Kriegsmaterial erbaut. Hier wurden die ersten Stahlgeschütze in Russland gegossen. Im Jahre 1877 ging die russische Regierung zu schärferen Mass- regeln zum Schutze der russischen Eisenindustrie über und zwar zunächst dadurch, dass sie die Zahlung der Zölle in Gold verlangte, was gegen den früheren Zustand einem Zollaufschlag von 30 Prozent gleichkam. In den darauf folgenden Jahren erfolgte ein rascher Auf- schwung der Flusseisenerzeugung, sowohl im Konverter wie im Flamm- ofen. Vom Jahre 1878 zum Jahre 1879 stieg die Flusseisenproduktion von 64283 Tonnen auf 210177 Tonnen. Im Jahre 1880 hatte das Flusseisen das Schweisseisen bereits überflügelt, allerdings nur für Russland. kurze Zeit, indem in den achtziger Jahren ein Sinken der Flusseisen- erzeugung und ein Steigen der Schweisseisenproduktion eintrat, so dass letzteres sich siegreich behauptete, bis vom Jahre 1894 an das Flusseisen das Schweisseisen dauernd überholte. Die Roheisen- und Schweisseisenproduktion stieg in den achtziger Jahren nicht bedeutend und lange nicht im Verhältnis zu der des Flusseisens, wie sich aus folgender Zusammenstellung ergiebt. Es wurden erzeugt: 1880 hob die russische Regierung die zollfreie Einfuhr von Roh- und Stabeisen, soweit sie noch bestand, auf und erhöhte die Einfuhr- zölle vom 1. März 1881 ab beträchtlich. Eine noch grössere Erhöhung der Schutzzölle für Eisen trat mit dem Tarif von 1887 in Kraft, und diesem verdankt die russische Eisenindustrie ihren gewaltigen Auf- schwung in den achtziger und neunziger Jahren. Wie bedeutend derselbe war, zeigen die nachfolgenden Produktionsziffern. Es betrug die Produktion in Tonnen: Wie diese glänzende Entwickelung sich im einzelnen vollzog, soll im folgenden kurz vorgeführt werden. 1870 fand in St. Petersburg eine Industrieausstellung statt, die aber gerade auf die Rückständigkeit der russischen Eisenindustrie aufmerksam machte. Um das Hüttenwesen in Finnland hatten sich die Grossindustriellen Putilow und von Julin verdient gemacht. Ersterer war der grösste Hüttenbesitzer. Sein 1856 gegründeter Hochofen zu Chapakoski lieferte täglich 250 bis 300 Pud, zwei Öfen zu Ekaterienzki 400 bis 600 Pud, zwei Öfen zu Orawi 400 bis 600 Pud und der grosse Hochofen zu Neu-Orawi 1750 Pud Roheisen den Tag. Die Seeerze, die das Haupterz bildeten, waren sehr schwankend in ihrem Gehalt an Eisen und Mangan, im Mittel betrug der Eisen- gehalt 35,07, der Mangangehalt 6,27 Prozent. Die Seeflächen wurden Russland. wie Grubenfelder verliehen, doch waren dieselben selbst bei demselben See sehr ungleichwertig. Am See Mehtalampi waren die Erze der Südseite am reichsten. Putilow walzte Eisenbahnschienen aus alten englischen mit Kopf aus Holzkohlen-Seeerz-Frischeisen. Im Gouvernement Perm standen 63 Eisenhütten in Betrieb. Sie verschmolzen hauptsächlich die reichen Magneteisensteine der uralischen Erzberge. Auf der Demidoffs chen zu Nischnij-Tagilsk wurde unter Zusatz manganreicher Erze Spiegeleisen erblasen, das zumeist nach England ging. Zu Nischnij-Salda hatte man einen neuen Rachetteofen von 50 Fuss Höhe, während die alten Öfen nur 28 Fuss hoch waren. Im Jahre 1871 fing man an, den Schätzen an Steinkohlen und Eisen im Donezgebiet in Südrussland grössere Aufmerksamkeit zu schenken. Der Engländer Hughes legte auf Grund einer Schienen- bestellung der russischen Regierung in Verbindung mit dem russischen Kapitalisten Pastuchow eine Hochofenhütte mit Koksbetrieb, „die Hugheshütte“, an, die 1871 ihren Betrieb eröffnete, während das Schienenwalzwerk erst 1873 in Thätigkeit kam. In diesem Jahre erschien die erste gute Beschreibung der Eisenerzlagerstätten Süd- russlands von dem deutschen Ingenieur Leo Strippelmann in Schlesien. Bereits 1870 hatte die russische Regierung begonnen, sich ihrer unrentabelen Staatswerke (Kronhütten) durch Verkauf zu ent- ledigen, indem sie vier Kronwerke in Polen verkaufte. 1871 wurde auch der Verkauf der uralischen Staatshütten beschlossen. — In dem Gouvernement Moskau gründeten 1872 A. E. von Struve, G. E. von Struve und A. J. Lessing das Eisenwerk Kolomna mit grossen Werkstätten für Lokomotiv- und Brückenbau und 1873 das grosse Hüttenwerk Kulebaki. Die von von Woronzow am Kama erbaute grosse Gussstahlkanonenfabrik zu Perm goss 1872 für einen 50-Tonnen-Dampfhammer den 600 Tonnen schweren Ambossstuhl an Ort und Stelle in einem Stück, wozu 14 Mackenzie-Kupolöfen das Eisen lieferten. Es geschah dies unter der Leitung des hochverdienten Ingenieurs und Professors an der Bergakademie Heinr. Andrewitsch von Jossa , der am 30. Juli 1874 starb. Dieses Werk und das Obouchkow-Stahlwerk Das Obouchkow- oder Abukoffski-Stahlwerk hatte seinen Namen von dem Erbauer und späteren ersten Direktor M. Aboukoff (Obuchow) und lag bei Alexan- drowsky. Es wurde später vom Staat übernommen. im Gouvernement St. Petersburg lieferten hauptsächlich Kriegsmaterial. Letzteres machte 22 verschiedene Stahlsorten, wofür zum Teil ein eigentümliches Verfahren Russland. angewendet wurde. Man schmolz reines weisses Holzkohlenroheisen von Finnland im Kupolofen ein, stach dieses in weissglühende Tiegel, in denen ein Gemenge von Eisen- und Stahlabfällen, Magnet- und Titaneisenstein sich befand, ab, rührte die geschmolzene Masse um und setzte dann noch etwas Arsenik oder Salpeter (?) zu. Die Tiegel fassten 37,5 kg Stahl, und man goss Blöcke bis zu 40 Tonnen Gewicht. Die Blöcke wurden erhitzt und unter einem 50-Tonnen-Hammer ge- schmiedet. 1873 gab es 203 Eisenwerke, 155 Eisengiessereien, 245 Hochöfen, 522 Puddel-, 700 Schweissöfen und 20 Öfen für beide Zwecke, 840 Eisen- und 492 Stahlfrischherde, 191 Kupolöfen und 88 Gussstahl- schmelzöfen. 1873 feierte das Berginstitut zu St. Petersburg sein 100jähriges Jubiläum. In Finnland hatte man 1874 auf dem Eisenwerk Kurino einen Eckmans chen Holzschweissofen und einen Lundins chen Gas- schweissofen erbaut. General Raschette hatte seine Schmelzofenkonstruktion auf die Erzröstöfen übertragen, welche er 1874 zu Gora-Blagodat erbaut hatte. Sergius Kern in St. Petersburg machte Ferrochrom in Tiegeln und wendete Chromeisen statt Spiegeleisen an, um einen weicheren Stahl zu bekommen; ausserdem erfand er ein Verfahren für die Reinigung des Roheisens mit Flussspat, Soda und Manganhyperoxyd. 1874 verlegten die Besitzer der Briankshütte den Schwerpunkt ihrer Thätigkeit von Mittelrussland nach Südrussland, indem sie eine Hütte mit Schienenwalzwerk im Donezgebiet erbauten. Obgleich im Jahre 1875 die Eisenpreise sehr gedrückt und die Lage der russischen Eisenindustrie eine recht ungünstige war, wurde doch eine Anzahl neuer Eisenwerke angelegt. Es waren dies meist Bessemer- Stahlwerke. So entstanden am Ural vier neue Werke, darunter ein grosses Stahl- und Schienenwalzwerk bei der Demidoffs chen Hütte zu Nischnij-Saldinsk für 800000 Pud Jahreserzeugung. Es war dies das erste Bessemerstahlwerk am Ural und das erste, das Stahlschienen aus uralischem Eisen walzte. Zu Suchogarski am Ural war der grösste russische Holzkohlen- hochofen; er hatte 55 Fuss Höhe und 6200 Kubikfuss Inhalt. In dem russischen Mittelland- oder Moskaubezirk entstanden ebenfalls vier neue Werke, wovon das von Istin hervorzuheben ist. In Finnland gab es 1875 21 Hochöfen; diese schmolzen 153704 Centner Roheisen aus 351688 Centner Bergerzen, wovon 338640 Centner Russland. aus Schweden waren, und 330682 Centner Roheisen aus 1085180 Centner See- und Sumpferzen mit 12 Prozent Kalkzuschlag. Ein Hochofen zu Raivola war nach Raschettes System gebaut. Professor Kulibu veröffentlichte Roheisen- und Hochofengasanalysen. Die finnischen Seeerze waren manganhaltig und neigten zu Spiegeleisen- bildung. Man zählte ferner sieben Gas-Schweissöfen, 58 Puddelöfen, 15 Gas- und 20 andere Schweissöfen, sodann 13 Gebläseöfen mit 25 Gestellen (Blasewerke, Stücköfen) und 15 Wasserrädern. Diese schmolzen aus 85125 Centner Seeerz mit 437648 Kubikfuss Holz- kohlen 15756 Centner „Hackeisen“. Das Ausbringen war demnach nur 18,5 Prozent. Die mit diesen Öfen verbundenen Schweissfeuer oder „Hackherde“ mit 15 Hämmern und 24 Wasserrädern lieferten mit 333320 Kubikfuss Holzkohlen 10324 Centner Stabeisen, was 37,70 Prozent Abbrand ergiebt. Husgafvel war seit 1875 bemüht, die Stücköfen in Finnland zu verbessern. 1876 führte Sergius Kern das von Pourcel in Terre-Noire erfundene Verfahren zur Herstellung blasenfreier Güsse durch Zusatz von Silicospiegel in dem Obouchkow-Stahlwerk bei St. Petersburg ein. 1877 wurde von dem finnischen Ingenieur A. Lundgren der Bau eines grossen Martinstahlwerks zu Alexandrowsky bei St. Peters- burg begonnen. Die Gründer waren meist Aktionäre von Terre-Noire in Frankreich; das Martinwerk von Terre-Noire diente als Vor- bild. Die Hütte, die vornehmlich Geschütze und Geschosse liefern sollte, wurde 1879 mit sechs Siemens-Martinöfen zu 7 Tonnen und einem zu 6 Tonnen in Betrieb genommen. Bis zur Einführung der erhöhten Schutzzölle im Jahre 1881 wurde englisches Hämatitroheisen, teilweise englisches und französisches Schrotteisen und schwedisches Spiegeleisen von Schisshyttan verschmolzen; nach Einführung des neuen Zolltarifs verarbeitete man finnisches Holzkohlenroheisen und inländischen Schrott auf basischen Herden. Es wurde schon oben darauf hingewiesen, wie rasch die Fluss- stahlerzeugung Ende der siebziger Jahre zunahm. Veranlasst war dies zumeist durch die allgemeine Einführung von Bessemerstahl- schienen auf den russischen Eisenbahnen. Trotz der Zunahme der einheimischen Eisenindustrie erforderte der wachsende Bedarf noch eine bedeutende Einfuhr von Eisen- und Stahlwaren, besonders aus Deutschland. Die deutsche Einfuhr betrug 1880 2½ Millionen Centner im Werte von etwa 40 Millionen Mark. Der neue Zolltarif erschwerte die Einfuhr beträchtlich. Er forderte einen Zoll von 35 Kopeken pro Pud für Roheisen, von Russland. 45 Kopeken für Eisenbahnschienen und 50 Kopeken für grobe Guss- waren und noch höhere Zölle für alle anderen Eisen- und Stahl- fabrikate. 1881 wurde der Abbau der reichen oolithischen Eisenerzlager von Krivoi-Rog in Südrussland durch Tagebau von einer Gesellschaft be- gonnen. Trotz dieses wichtigen Ereignisses und trotz der Erbauung der Katharina-Eisenbahn im Donezbecken 1883 machte die Eisen- erzeugung Südrusslands bis 1886 nur langsame Fortschritte. Diese nahmen aber rasch zu, nachdem die hohen Schutzzölle von 1887 in Kraft traten. Der Zoll für Roheisen betrug 1884/85 1,76 Mark, 1885/86 2,34 Mark, 1886/87 2,88 Mark und seit 1887 4,89 Mark auf 100 kg. Im Jahre 1884 waren die grössten Eisenhüttenwerke Russlands zu Longansk, Kremsk, Jekaterinenburg, Goroblagodat, Perm, Wotinsk und Artinsk am Ural, ferner zu Dombrowa in Polen und die Putiloff- Werke bei St. Petersburg. In Polen erbaute 1884 die französische Aktiengesellschaft Huta- Bankowa zu Dombrowa ein Stahlwerk mit acht Martinöfen mit basischen Herden. Die grösste Flussstahlerzeugung in den achtziger Jahren hatte aber der Bezirk von St. Petersburg, besonders durch das grosse Putiloffwerk. Im Moskauer Bezirk hatte die Alexandrowski- hütte bei Briansk Anfang der achtziger Jahre den basischen Martin- betrieb eingeführt. 1886 übertraf die Erzeugung von Martinstahl die von Bessemerstahl bereits beträchtlich, und zwar im Verhältnis von 116616 Tonnen zu 67832 Tonnen. Bis zu Ende der achtziger Jahre behauptete die Eisenindustrie des Urals ihr grosses Übergewicht. 1887 nahm Südrussland mit seiner Roheisenproduktion von 68115 Tonnen gegen den mittel- russischen, den Moskaubezirk, mit 71647 Tonnen und gegen den Ural 333543 Tonnen die dritte Stelle ein; 1888 überflügelte es den Moskau- bezirk, und 1890 betrug seine Roheisenerzeugung schon 219782 Tonnen, die des Ural 393325 Tonnen. Das uralische Roheisen wurde zum grössten Teil in Frischfeuern und Puddelöfen in Schweisseisen um- gewandelt, während das Roheisen Südrusslands mehr in Flussstahl übergeführt wurde. Im Ural lieferten die berühmten Eisenberge von Blagodat und der im Wisokajagebirge bei Nischnij-Tagilsk reiche Magneteisen- erze, ebenso die mächtigen Lager im südlichen Ural am Uralfluss, im Distrikt von Werschne-Uralsk und im Gebirge von Ula-Utass-Tan, nur war hier die Abfuhr noch eine schwierige. Der Ural liefert aber vortreffliche Eisenerze jeder Art, besonders auch Brauneisensteine, Russland. am mächtigsten bei Slatoust. Diese Erze verschmolzen die Hütten Kusinsk, Sisert, Kuschewa, Satonkski, Kusi-Alexandrowsk, Kamensk, Alapaewsk, Sakamonny, Rasquliaewsk, Utkinsk. Roteisenstein grub man bei Siswensk und Sphärosiderit bei Peskowsk. 1887 zählte man im Ural 59 Eisenhütten mit 103 Hochöfen, die 340000 Tonnen Roheisen erzeugten, wovon auf die Hütten zu Nischnij- Tagilsk, die 14000 bis 15000 Arbeiter beschäftigten, 37700 Tonnen entfielen. Im Donezbecken in Südrussland waren 1885 nur zwei Eisen- hütten, die der New Russian Iron Co. ( Hughes ) mit zwei Hochöfen und die von Pastuchow in Sulin mit einem Ofen, die zusammen 660000 Tonnen Roheisen erzeugten. Zu dem raschen Aufschwung in den folgenden Jahren trug die Eröffnung der Jekatarina-Eisenbahn, welche dieses wichtige Gebiet mit dem russischen Hauptnetz verband, im Jahre 1886 bei, sowie die Gründung neuer Werke durch belgische und französische Kapitalisten und Industrielle. 1886 verbanden sich die Gesellschaften John Cockerill zu Seraing und Praga zu Warschau und gründeten die Société métallurgique Dniéprovienne du Midi de la Russie zu Kamenskoje, wo sie das Dniéprovienne-Eisenwerk erbauten. Die Kamenskoje-Hütte hatte vier Hochöfen, 152 Coppée-Koksöfen, ferner war ein Bessemerwerk und ein basisches Martinwerk damit ver- bunden. Der Erbauer war der deutsche Ingenieur Basson . 1888 wurde der Betrieb eröffnet. Die Flussstahlerzeugung Südrusslands stieg von 1888 bis 1890 von 39300 Tonnen auf 114000 Tonnen. 1886 hatte Nicolas von Bernados sein elektrisches Schweiss- verfahren erfunden. Die Steigerung der Eisenproduktion Russlands von 1886 bis 1890 betrug 66 Prozent, im Ural 30 Prozent, in Mittelrussland 50 Prozent, in Polen 41 Prozent, in Südrussland 500 Prozent, dagegen ging sie in Nordrussland, dessen Eisenindustrie auf den Bezug aus dem Aus- land aufgebaut war, infolge der hohen Zölle zurück. Auch in den neunziger Jahren hielt der Aufschwung der russischen Eisenindustrie, unterstützt durch die energische Schutzzollpolitik, an. Besonders nahm die Flusseisenerzeugung zu und überflügelte 1893/94 die Schweisseisenerzeugung. Südrussland war an diesem Erfolg am meisten beteiligt. Die Entwickelung von 1880 bis 1890 ist in nach- stehendem Schaubild (Fig. 344 a. f. S.) dargestellt. Vor allem war es der Martinstahl, der immer mehr zur Ver- wendung kam. 1892 betrug die Erzeugung von Herdflusseisenblöcken 366000 Tonnen gegen 131003 Tonnen Bessemerblöcke. Russland. Die Eisenhütten des Ural hatten trotz ihres Reichtums an den besten Eisenerzen zu kämpfen, um ihre führende Stellung gegenüber den neu entstandenen anderen Hüttenwerken in dem Steinkohlen- gebiete Südrusslands zu behaupten. Von den grössten Eisenerzvor- kommen gehört Blagodat dem Staat, Vjsokajagna dem Fürsten Demidoff , Kackauar Fürst Stroganoff , ferner waren im Süden die grossartigen Erzlager der Magnitajagora erschlossen worden. Im Fig. 344. Norden wurde 1890 das Kutimsker Eisenwerk neuerrichtet zur Verwertung der reichen Eisenglanze. Hinderlich war der Entwickelung der uralischen Eisenindustrie die fortschreitende Entwaldung und dadurch Mangel und Teuerung der Holzkohlen und die beschwerliche Abfuhr, die auf der Kama in die Wolga und von da nach Nischnij- Novgorod und nach dem Westen ging. Sie war nur möglich, solange der Kamafluss eisfrei war, und die Werke mussten oft acht Monate auf Vorrat arbeiten. Die Herdfrischerei spielte im Ural noch eine grosse Rolle. Von den 451, die 1890 im russischen Reich gezählt wurden, waren 377 im Ural, die 30 Prozent des Schweisseisens lieferten. Die Puddelöfen waren vielfach mit Gasfeuerung eingerichtet. Ein neues Auskunftsmittel bot die Massutfeuerung mit Petroleumrück- ständen von Baku. Eine grosse Bedeutung hatten die Manganerze des Kaukasus erlangt, wovon 1890 182500 Tonnen gefördert wurden. Hiervon wurde etwa ein Drittel in Russland verschmolzen, der Rest von Batum und Pofi am Schwarzen Meer nach dem Auslande verschifft. Mit Hülfe dieser Russland. Erze wurden 1890 im Ural 360 Tonnen Ferromangan und in Süd- russland 1000 Tonnen Spiegeleisen erblasen. Viel rascher und grossartiger war die Entwickelung der Eisen- industrie im Steinkohlengebiete des Donezbeckens in Südrussland. Dort entstanden mit russischem und mehr noch mit ausländischem Kapital grosse Neuanlagen. Die einer englischen Gesellschaft ge- hörige Hugheshütte in Navorossiks wurde 1890 in die „Neurussische Gesellschaft für Steinkohlenbergbau, Eisen- und Schienenfabrikation“ umgewandelt und bedeutend vergrössert. Sie hatte 1893 vier grosse Hochöfen, ein Bessemerwerk, ein Siemens-Martinwerk, ein Puddelwerk und eine Giesserei. Das von der Briansk-Gesellschaft, richtiger Société anonyme franco-russe, gegründete Stahlwerk Alexandrowsk bei Jekatarinoslaw umfasste zwei Bessemerbirnen von je 10 Tonnen und vier Martinöfen von je 12 Tonnen Fassung. Derselben Gesellschaft gehörte das Sulinowskwerk und das 1894 erbaute Werk bei Druyoska und das 1892 eröffnete Gdanzewskiwerk. Die Société des Aciéries du Donez besass das Stahlwerk Drujkowka (Drouschkowski) mit drei Bessemerkonvertern von je 10 Tonnen und die Société métallurgique russo-belge ein Stahlwerk in Volinezvo (Wolinzewo) mit drei Bessemer- konvertern von je 12 Tonnen und zwei Herdöfen. Die der Société Dniéprovienne gehörige Kamenskihütte enthielt zwei Bessemerkon- verter von je 10 Tonnen und vier basische Martinöfen für 15 bis 20 Tonnen Einsatz. In der Alexandrowskhütte führte Gorjainow 1894 beim Martin- prozess sein Verfahren mit vorgeschmolzenen Erzen ein. Mit derselben Hütte wurde eine grosse Schlackenziegelfabrik verbunden. Das Stahl- werk der Hugheshütte wurde 1895 vergrössert, indem zu den neun sauren Herdöfen von je 20 Tonnen noch zwei grössere von 25 bis 30 Tonnen Einsatz hinzukamen. Eine grossartige Entwickelung nahm die Kamenskihütte Stahl und Eisen 1898, S. 716. . Sie erzeugte 1894 85685 Tonnen Koks, 156520 Tonnen Roheisen, darunter 18350 Tonnen Spiegeleisen, 73860 Tonnen Bessemerstahl, 43300 Tonnen Martinstahl, 10430 Puddelluppen, 55350 Tonnen Stahlschienen, 5540 Tonnen Bandagen, 14540 Tonnen Eisen- und Stahlblech, 27330 Tonnen Stabeisen und Stangenstahl und 6670 Tonnen Gusswaren. Das Werk hatte eine elektrische Centrale von 1500 P. S. — Das Roteisenglanzlager von Krivoi- Rog lieferte 1892 350000 Tonnen Erze. Zu dem Aufschwunge der russischen Eisenindustrie in den neunziger Jahren hat ganz besonders Russland. das grossartige Unternehmen des Staates, die Erbauung der sibirischen Bahn, welche eine enorme Menge Eisenmaterial erforderte, beigetragen. Daraufhin entstanden neue Werke und die alten wurden vergrössert. Auch der Staat beförderte die Vergrösserung der Eisenwerke durch Gewährung bedeutender „Operationskredite“. So erhielten die Werke von Montovilicha, Slatoust und Wotinsk 1893 einen Kredit von vier Millionen Rubel. Sibirien selbst besass 1893 nur vier Eisenwerke: die beiden Staatshütten Gurjewski im Altaibezirk und Petrowski im Bezirk Nertschinsk im Transbaikalgebiet und die beiden Privatwerke Abakowski im Gouvernement Jenisseisk und Nikolajewski im Gouverne- ment Irkutsk. Im Südosten des Gouvernements Tomsk werden Stein- kohlen in den Kuznetzkogruben gewonnen. Die Hochofenhütten be- zahlen für ihren Erzbezug eine Bergsteuer und zwar eine Kopeke für ein Pud aus eignen und zwei Kopeken für ein Pud aus gepachteten Bergwerken. 1893 zählte man in Russland noch 167 Werke, die Schweiss- eisen erzeugten. Die Produktion bezifferte sich auf 30384610 Pud, wovon 2787990 in Frischherden, der Rest in Puddelöfen hergestellt war. 48 Stahlwerke erzeugten 38626551 Pud Stahl und Flusseisen, und zwar 121718 Pud Cementstahl, 162643 Pud Puddelstahl, 10935336 Pud Bessemerstahl, 26963550 Pud Martinstahl und 443240 Pud Tiegelstahl. Letzterer wird besonders in den kaiserlichen Waffenfabriken Obuchow bei St. Petersburg, Perm, Jzew im Gouvernement Wiatka und Slatoust im Gouvernement Ulfa in grossen Mengen dargestellt. Die russische Schienenfabrikation, die 1884 nur 5998617 Pud lieferte, erzeugte 1893 14088235 Pud. Die Giessereien lieferten 1893 4975625 Pud Gusswaren, darunter 205683 Pud Artilleriebedarf und 335665 Geschirrguss, der meistens emailliert wurde. Die Eisen- und Stahlfabrikate beliefen sich auf 6178043 Pud, darunter 1175076 Pud gezogener und. 370985 Pud gewalzter Draht. Ferner wurden 575000 Flintenläufe, 471629 Flintenkasten, 44569 scharfe Waffen u. s. w. angefertigt. Auch die Fabrikation von Sensen hatte zu- genommen. Bei dem Kleineisengewerbe Stahl und Eisen 1894, S. 1019. , das seinen Sitz besonders im mittleren Russland, im Gebiete der grossen Eisenmärkte Moskau und Nischnij-Novgorod hatte, herrschte noch vielfach die Hausindustrie, verbunden mit weitgehender Arbeitsteilung. Einzelne Ortschaften und Gebiete lieferten nur ein und denselben Artikel, den sie zu Markte brachten. Die Eisenarbeiter waren zu Schmiededorfgenossenschaften oder Kleinmeister-Gewerkschaften verbunden, die durch Händler ge- Russland. meinschaftlich ein- und verkauften. Im Gouvernement Novgorod gab es Ortschaften, die nur Nägel schmiedeten, in Wiatka gab es Schmiede- genossenschaften, die nur Ketten und Anker machten, in Nischnij- Tagilsk Genossenschaften, die aus dem guten dort erzeugten Eisen nur Schaufeln, Bicken und Tröge schmiedeten. Diese Genossen- schaften hatten freilich schwer zu kämpfen gegen die grossen Fabriken, die überall entstanden. So gab es grosse Nagelfabriken in Petersburg und Riga, zwei Staatswerke für Kleineisenzeug für die Eisenbahnen zu Kolpinsk bei Petersburg und zu Wotkinsk in Perm nahe der Kama, welch letzteres auch Anker und Schiffsketten lieferte. Verzinnte Blechteller und Blechbüchsen war ein wichtiger Artikel, der ebenfalls vielfach von Kleinmeistern durch Hausindustrie hergestellt wurde; so befasste sich die Ortschaft Kasimow im Gouvernement Riäsan ausschliesslich mit der Anfertigung von Eisen- und Stahlblechtellern. Im Gouvernement Moskau werden in ähnlicher Weise Tröge, Wasch- becken, Brotschüsseln u. s. w. aus Eisenblech gefertigt. Für den enormen Bedarf von Weissblechbüchsen für den Petroleumversand gestattete die Regierung die zollfreie Einfuhr von einer Million Pud Weissblech in Batum. 1896 fand die altrussische Gewerbe- und Kunstausstellung in Nischnij- Nowgorod Stahl und Eisen 1896, S. 781. statt, die über das russische Eisengewerbe einen guten Über- blick gewährte. Auf die Entwickelung des Kunstgewerbes hatte die Er- richtung von Gewerbe- und Zeichenschulen einen günstigen Einfluss geübt und war die Kunstschmiederei sehr in Aufnahme gekommen. Die Ende der siebziger Jahre gegründeten Kunstwerkstätten leisteten Vortreffliches, was die Pariser Weltausstellung von 1900 glänzend be- stätigte. Ein wichtiger Fortschritt war der Erlass eines Patentgesetzes, das am 20. Mai 1896 in Kraft trat. Der mächtige Aufschwung der russischen Eisenindustrie hielt bis Ende des Jahrhunderts in steigendem Masse an, wie sich aus der Steigerung der Roheisenerzeugung ergiebt. Der Zuwachs betrug 1895 141539 Tonnen, 1896 157736 Tonnen, 1897 244966 Tonnen, 1898 366537 Tonnen, 1899 450252 Tonnen In sämtlichen Hauptdistrikten entstanden neue Eisenwerke, nament- lich hat der Bau der sibirischen Bahn die Anlage neuer Hüttenwerke veranlasst, wie z. B. das Schienenwalzwerk zu Bogoslowsk im Ural (Gouvernement Perm), wo der von Gorjainow verbesserte Martin- prozess mit Erfolg zur Einführung kam, und eine neue Schmelzhütte mit vier Holzkohlenhochöfen der Frau N. M. Poloozeff . Gebrüder Russland. Böhler \& Co. in Wien vereinigten sich mit der Gesellschaft Wolga- stahlwerke in St. Petersburg und bauten 1896 die Wolgastahlwerke bei Saratow, die Qualitätsstahl unter der Marke Wolga-Böhlerstahl auf den Markt brachten. In Südrussland sind die Gdanzewskihütte Stahl und Eisen 1898, S. 764. , welche die erste elek- trische Kraftübertragung hatte und die von den französischen Kapitalisten Pastor und Verdu gegründete Druschkowskihütte mit einem Bessemer- und einem Schienenwalzwerk, ferner die von dem deutschen Ingenieur Zix für eine russische Gesellschaft erbaute Donezko-Jurjewskihütte, die mit Langens chem Gasfang und mit Boecker-Cowperapparaten versehen ist, sowie endlich die neue von A. Philippart erbaute Petrowskihütte der russisch-belgischen Metallgesellschaft zu nennen. Mit Anthrazit gehen nur die Hochöfen von Sulin, die 1900 unter der Leitung von Oscar Simmersbach standen. Am Asowschen Meer entwickelte sich eine neue Eisenindustrie, begründet auf den neuerschlossenen Brauneisenlagern bei Kertsch und den Steinkohlen des Donezbeckens. Es entstanden die Hütte bei Taganrog, das grosse Röhren- und Blechwalzwerk bei Mariupol, der Nicopol-Mariupolschen Bergbau- und Metallurgischen Gesellschaft gehörig, und das obenerwähnte Petrowskiwerk, das zwei Hochöfen, ein Bessemer- und ein Walzwerk umfasste. Diese Werke wurden 1896 und 1897 nach den neuesten Grundsätzen erbaut. In Süd- russland errichtete die Jusows che Eisenhütte ein grosses Bessemer- werk; bei Konstantinowka entstand ein neues Walzwerk für Dach- bleche. Diese Neuanlagen waren meist von Ausländern, namentlich von Belgiern ins Leben gerufen. Neuerdings (1899) hat die belgische Gesellschaft Providence den Bau eines neuen Eisenwerkes bei Kertsch Eine schöne Abbildung desselben, siehe Stahl und Eisen 1901, S. 165. begonnen, wo reiche Erzlager glänzende Aussichten er- öffnen. In den 14 Jahren vor 1899 hat sich die Zahl der Hochöfen im Donezbecken von 3 auf 34 erhöht. In Südrussland entwickelte sich die Eisenindustrie am raschsten und am grossartigsten. Die Roh- eisenerzeugung stieg von 1890 bis 1899 von 219782 Tonnen auf 1262063 Tonnen. Bereits im Jahre 1895 überflügelte die Roheisen- erzeugung Südrusslands die des Ural. Letztere nahm von 1890 bis 1899 von 393325 Tonnen bis 785947 Tonnen zu. Indem man diese Zahlen mit den Erfolgen Südrusslands verglich, hat man öfter den uralischen Eisenindustriellen den Vorwurf gemacht, sie seien zurückgeblieben und ruhten sich auf ihren Staatsprivilegien aus. Man muss aber Russland. wohl bedenken, wie verschieden die Grundbedingungen der Eisen- industrie beider Gebiete waren; in Südrussland nur neue, mit allen modernen Verbesserungen ausgestattete Werke mitten im Stein- kohlengebiet gelegen, im Ural meist alte Holzkohlenhütten, die infolge des schwierigen Kohlenbezugs zu kämpfen hatten, um ihren Betrieb in vollem Umfange aufrecht zu erhalten und wovon die meisten an eine Vergrösserung nicht denken konnten. Wenn man dies erwägt, wird man die von den uralischen Werken erzielte Produktionssteigerung für recht beträchtlich halten müssen. Die südrussischen Werke beuteten die Erzschätze des Landes rücksichtslos aus, so dass die reichen Lager von Krivoi-Rog, dem wichtigsten Erzvorkommen jenes Gebietes, in etwa 15 Jahren [nach den neuesten Aufschlüssen in 30 Jahren Stahl und Eisen 1900, S. 861. ] erschöpft sein werden. Seit 1900 machen sich denn auch die Folgen der Überproduktion in empfindlicher Weise geltend. Am Ural verbietet die Erhaltung des Waldes eine solche Ausbeutung. Dadurch werden die Erzschätze geschont und der Ural kann um so hoffnungsvoller in die Zukunft blicken, als die sibirische Eisen- bahn sein Absatzgebiet bedeutend erweitert. So hat sich beispiels- weise der Bedarf des spezifisch russischen Artikels „Dacheisen“ durch die Einwanderung nach Sibirien in den letzten Jahren sehr gesteigert. Zur Ausbeutung der sibirischen Eisenerzlager hat sich bereits eine englische Gesellschaft gebildet. Die Bjeloretzker Gesellschaft hat im Südural fünf, die Ural-Wolga-Gesellschaft drei Hochöfen erbaut. Creusot hat in Verbindung mit der Pariser- und der Niederländischen Bank eine Eisengiesserei und Lokomotivfabrik in Kasan gegründet. Die südrussischen und die uralischen Erze sind so rein und phosphorarm, dass sich das aus ihnen erblasene Roheisen sehr gut zum Bessemer- und mehr noch zum Siemens-Martinprozess eignet, während für den Thomas- prozess die Vorbedingungen fehlen und ein Bedürfnis nicht vorhanden ist. Letzterer hat dagegen in Polen, wo man deshalb auch alte Frisch- schlacken im Hochofen mit verschmilzt, Boden gewonnen. Die Eisen- industrie des centralen Russland hat durch die Entdeckung und Aus- beutung ausgedehnter Eisenerzlager in den letzten Jahren einen neuen Aufschwung genommen. Bis 1897 wurden die Hochöfen nur mit Holzkohlen betrieben, seitdem sind aber zwei grosse Kokshochöfen- anlagen in Tula und Lipetzk entstanden. Beide arbeiten mit Donez- koks. Die beiden ersten Kokshochhöfen wurden zu Tula 1897 und 1899 erbaut. Sie haben 20 m Höhe und etwa 400 cbm Inhalt. Die Hoch- Beck, Geschichte des Eisens. 77 Russland. öfen von Lipetzk, deren Bau 1900 begonnen wurde, sind 25 m hoch mit 600 cbm Inhalt. Da die Holzkohlenpreise infolge der fort- schreitenden Entwaldung immer höher werden, sind die Aussichten der Kokshochöfen günstig, obgleich die grossen Anlagen zunächst eine Überproduktion befürchten lassen. Eine wachsende Bedeutung haben die Naphtarückstände von Baku als Brennmaterial gefunden. Die sogenannte Forsunkafeuerung (siehe S. 418) hat sich namentlich auch für den Martinbetrieb bewährt. Werfen wir noch einen Blick auf die Eisenindustrie Finn- lands, so hat dieses altheimische Gewerbe keine grossen Fort- schritte in der Gesamterzeugung, wohl aber mancherlei Verschie- bungen zu verzeichnen. Die Roheisengewinnung beruht noch in der Hauptsache auf der Gewinnung der See- und Sumpferze, erst seit 1889 begann eine allmählich wachsende Einfuhr von schwedischen Bergerzen. 1873 wurden in 22 Hochöfen 82429 Tonnen See- und Sumpferze zu 28665 Tonnen Roheisen verschmolzen; 1896 schmolzen 13 Öfen 25070 Tonnen Roheisen und zwar vier Hochöfen im Westen Skogby, Trollshofda, Dahlsbruck und Tykö 16706 Tonnen schwedische Stückerze, während ein Ofen im Westen und acht Öfen im östlichen Finnland 46058 Tonnen Seeerze, erstere erzielten 52 Prozent, letztere 37 Prozent, ausbringen. Von den früher zahlreichen Stücköfen war 1896 nur noch einer zu Kimiki im Betrieb, der 90 Tonnen direkt erzeugtes Schmiedeeisen lieferte. Der Husgavfelofen war längst eingegangen. Die Herdfrischerei war ebenfalls zurückgegangen und lieferte 1896 nur noch 3291 Tonnen Stabeisen, während die Puddeleisenerzeugung auf 12685 Tonnen gestiegen war. Daneben gab es drei Martinstahl- werke, Äminnefors, Dahlsbruck und Wartsilä, die 5657 Tonnen Fluss- eisen schmolzen. Die Erzeugung von Schwarzschmiedewaren hatte zugenommen und belief sich 1896 auf 4985 Tonnen, wovon der grösste Teil aus Nägeln bestand. Von diesen waren nur noch etwa 25 Tonnen mit der Hand geschmiedet, während die übrigen Maschinen- nägel waren. Die Giesserei war in Finnland verhältnismässig be- deutend und lieferte 1896 7594 Tonnen Gusswaren. Der grosse Aufschwung der russischen Eisenindustrie findet deut- lichen Ausdruck in der Zunahme des Verbrauches auf den Kopf der Bevölkerung. Dieser stieg von 1893 bis 1898, also in sechs Jahren, von 13,1 auf 25,1 kg pro Kopf. Trotz der grossen Produktionssteigerung genügte die eigene Erzeugung nicht zur Deckung des Bedarfes und musste die Differenz durch Einfuhr ausgeglichen werden. Diese Ein- fuhr war schwankend, sie erfuhr im ganzen eine Zunahme, blieb aber Russland. gegen die Zunahme der eigenen Erzeugung zurück, so dass sie pro- zentual zurückging, weil ein wachsender Teil des Bedarfes durch die eigene Produktion ersetzt wurde. Die Einfuhr erfolgte wie seit vielen Jahrzehnten in erster Linie von England zur See und von Deutsch- land auf dem Landwege. Aber erst durch den russisch-deutschen Handelsvertrag von 1894 hörte die ungleiche Behandlung auf, indem der Einfuhr zu Land die gleichen Zölle wie der Einfuhr zur See zu- gestanden wurden, während bis dahin letztere bevorzugt und erstere mehr belastet war. Die nachfolgende Zahlengeschichte der russischen Eisenindustrie wird in gedrängter Form ein besseres Bild der Entwickelung in diesem Zeitraum geben als eine weitläufige Worterklärung. Zahlengeschichte der Eisenindustrie Russlands seit 1870 . Kohlenförderung in 1000 Tonnen . 77* Russland. Steinkohlenförderung nach Sorten in Tonnen . Eisenerzförderung in Tonnen . Eisenerzförderung nach Gebieten in Tonnen Siehe Wedding , Eisenhüttenkunde I, S. 183. . Eisenerzförderung von Krivoi-Rog von 1895 bis 1899 in 1000 Tonnen . Russland. Überblick der Roheisenerzeugung seit 1825 . 1825 157977 1835 172008 1845 187266 1855 250788 1865 299435 1875 429185 1885 527527 1895 1454298 1900 2887000 Roheisenerzeugung 1871 bis 1899 in Tonnen Die Abweichungen der Zahlen liegen teils an den Quellen, teils an der Umrechnung. . Roheisenerzeugung in 1000 Tonnen . Russland. Roheisenerzeugung von 1877 bis 1891 nach Herkunft in Tonnen . Russland. Roheisenhütten und Hochöfen 1886 . 1893. Öfen und Erzeugung nach dem Brennmaterial 1893 . Erzeugung von Holzkohlenroheisen im Ural und Centrum in Tonnen . 1890 548042 1891 591318 1892 606928 1893 626961 1894 657411 1895 671211 1896 716424 Erzeugung von Koksroheisen in Südrussland in Tonnen . 1890 219787 1891 253186 1892 281736 1893 324357 1894 434643 1895 552272 1896 638744 Russland. Zahl der Hochöfen und Roheisenerzeugung nach dem Brennmaterial in Tonnen . Gusswaren II. Schmelzung in Tonnen . Artilleriematerial von den Hütten 1886 . Slatusk 981 Tonnen Kussinsk 91 „ Satkin 275 „ Werschne-Turin 1917 „ Barutschin 2435 „ Perm 246 „ Lugan 799 „ Alexandrowsk (Olonetz) 2187 „ Putilow 246 „ 9177 Tonnen Russland. Übersicht der Schweisseisenerzeugung von 1837 bis 1870 in Tonnen . 1837 bis 1840 111114 1841 „ 1845 125038 1846 „ 1850 143369 1851 „ 1855 176942 1856 bis 1860 191354 1861 „ 1865 184328 1866 „ 1870 216092 Schweisseisenerzeugung von 1871 bis 1898 in Tonnen . Schweisseisenerzeugung nach Werken und Gebieten von 1877 bis 1891 in Tonnen . Russland. Schweisseisenerzeugung in Tonnen nach Gebieten . (Andere Gruppierung.) Schweisseisenerzeugung nach Sorten in Tonnen . 1886. Frischeisen 78007 Tonnen Puddeleisen 373419 „ Luppen-Rohschienen 451426 Tonnen Fertigfabrikate 363002 „ Schweisseisen- und Flusseisenerzeugung in Tonnen . Russland. Russlands Erzeugung an Fertigfabrikaten von Stahl-, Schweiss- und Flusseisen 1890 bis 1899 in Tonnen . Schweisseisen- und Flusseisenerzeugung 1895 nach Gebieten . Durchschnitts-Jahreserzeugung von Flusseisen und Stahl von 1847 bis 1870 . 1847 bis 1850 1025 Tonnen 1851 „ 1855 1139 „ 1856 „ 1860 1701 „ 1861 bis 1865 2659 Tonnen 1866 „ 1870 7313 „ Flusseisen- und Stahlerzeugung von 1871 bis 1900 . Russland. Flusseisen- und Stahlerzeugung nach Gebieten in Tonnen . Nach Sorten . Fabrikate . Betriebsmittel und Erzeugung 1872 . Betriebsmittel . Eisen und Stahlwerke 214 Hochöfen 222 Puddelöfen 401 Schweiss- und Glühöfen 644 Öfen ohne Angabe 20 Frischfeuer 895 Öfen für Stahlguss (Tiegelöfen) 372 Kupolöfen 151 Flammöfen 83 Erzeugung in Tonnen . Eisenerze 971634 Roheisen 308505 Guss aus den Hochöfen 50772 „ „ „ Cupolöfen 21703 „ „ „ Flammöfen 8700 „ ohne Angabe 2161 Stab-, Form- u. Schieneneisen 203442 Bleche und Platten 50554 Stahl 7244 Russland. Erzeugung und Fabrikate 1886 in Tonnen . Roheisen 532095 Schweisseisen : gefrischt 78007 gepuddelt 373420 verarbeitet 363003 hiervon: Stab- und Formeisen 248000 Bleche 91800 Platten (Kessel-, Schiffs- bleche u. Panzerplatten) 19600 Stahl 241791 hiervon: Puddelstahl 5776 Cementstahl 1620 Tiegelstahl 4476 Bessemerstahl 67832 Martinstahl 116616 Fabrikate : Guss - u. Schweisseisenwaren 63485 Emaill. Geschirre 1444 Sonstige Waren aus Eisen und Stahl 51775 Draht und Drahtnägel 14087 Eisen- und Stahlerzeugung 1898 in Tonnen . Kraftmaschinen für die Eisenwerke . Zahl der Berg- und Hüttenarbeiter . Russland. Grossfürstentum Finnland . Finnland. — Eisenerzeugung in Tonnen . Russland. Aus- und Einfuhr von Steinkohlen und Koks in Tonnen . Einfuhr von 1876 bis 1898 in Tonnen . Einfuhr und Ausfuhr in Tonnen . Einfuhr. Russland. Ausfuhr. Ein- und Ausfuhr nach Wert in 1000 Mark 1899 bis 1900 . Einfuhr 1892 in Tonnen . Einfuhr aus Grossbritannien und Deutschland 1888 und 1889 . Einfuhr 1897 in Tonnen . Roheisen 98700 Stabeisen 158400 Eisenschienen 328 Eisenblech 146600 Stahl in Stäben 52316 Stahlschienen 11768 Stahlblech 22796 Fabrikate 53956 Maschinen u. Apparate 116440 Russland. Einfuhr aus Grossbritannien und Deutschland 1889 und 1897 in Tonnen . Roheisenerzeugung, Einfuhr und Verbrauch in Tonnen . Beck, Geschichte des Eisens. 78 Italien. Eisenverbrauch 1900 . Einwohnerzahl in Millionen 132 1. Hochofenproduktion 2926 Kilotonnen 2. Einfuhr : a) Roheisen, Brucheisen 53 „ b) Eisen und Eisenwaren 332 „ Auf Roheisen berechnet 33⅓ Prozent mehr 111 „ Zusammen Einfuhr (1 + 2) 496 Kilotonnen Insgesamt Produktion und Einfuhr 3422 „ 3. Ausfuhr : a) Roheisen, Brucheisen — „ b) Eisen und Eisenwaren 4 „ Auf Roheisen berechnet 1 „ Insgesamt Ausfuhr 5 Kilotonnen Einheimischer Verbrauch (1 + 2 — 3) 3417 „ Pro Kopf Kilo 25,9 „ Eigene Produktion pro Kopf Kilo 22,2 „ Italien . Italiens Eisenindustrie hatte schon seit Jahrhunderten an dem Mangel an Brennstoff gelitten; da die Natur dem Lande aber auch den Besitz von Steinkohlen versagt hat, so musste Italien in dem Wettbewerb der modernen Industrie im Rückstande und in Abhängig- keit von den steinkohlenreichen und Eisen ausführenden Ländern bleiben. Demungeachtet bietet die Entwickelung seit 1870 manches Interessante dar, da sowohl Private als auch die königliche Regierung bemüht waren, eine nationale Eisenindustrie zu erhalten und neu zu gründen. Das nördliche Italien ist nicht arm an guten Eisenerzen. Von ältester Zeit berühmt sind die reichen Erze der Insel Elba, aber auch die Berge Toskanas, die Insel Sardinien, sodann in der Lombardei die Thäler in dem bergamaskischen Gebiete und in Piemont das Thal von Aosta enthalten altbekannte Eisenerzablagerungen. Nach diesem Vorkommen zerfällt die Eisenindustrie Italiens in verschiedene Gruppen, von denen zwei von hervorragender Bedeutung sind, die lombardische und die elbanische. Schon vor 1870 wurde der grösste Teil der Erze von Elba nach dem Auslande verschifft, während nur der kleinere Teil, etwa ein Drittel, im Inlande verschmolzen wurde. Dies geschah zum Teil noch in Rennfeuern an der ligurischen Küste, hauptsächlich aber in einigen Hochöfen an der Küste Toskanas mit Holzkohlen. 1870 Italien. wurden drei Hochöfen in der Maremma von Toskana, zwei im Thale von Aosta und 11 in den Waldthälern der Lombardei, die zusammen etwa 220000 Centner Roheisen erzeugten, betrieben. Das Roheisen wurde meistens in Frischherden zu Eisen und Stahl in Stäben und diese weiter zu Draht, Waffen, Gewehrläufen, Kugeln, Werkzeugen u. s. w., deren Gewicht auf etwa 180000 Centner geschätzt wurde, verarbeitet. Ausserdem wurden etwa 200000 Centner Eisen und Stahl in Stäben und Fabrikaten aus altem und fremdem Eisen hergestellt. Der Wert der Erzeugnisse der Eisenindustrie betrug etwa 20 Millionen Lire. Die jährliche Einfuhr, grösstenteils aus England, stellte sich damals, d. h. im Durchschnitt der Jahre 1867 bis 1870, wie folgt: Roheisen in Masseln 170000 Centner „ „ Gusswaren 60000 „ Schweisseisen I, Verarbeitung in Stäben und Blechen 470000 „ Schweisseisen II, Verarbeitung in verschiedene Gegenstände 85000 „ Stahl in Stangen 25000 „ Eisenbahnschienen 90000 „ Der Wert dieser Einfuhr betrug etwa 36½ Millionen Lire. Geringwertiges Eisen wurde Anfang der siebziger Jahre hier und da noch in Rennfeuern direkt aus den Erzen gewonnen. Das aus dem Roh- eisen gefrischte Eisen war von guter, zum Teil von vorzüglicher Qualität, so war z. B. Eisen und Stahl von Lovere für Gewehrläufe, Federn, Draht und Werkzeuge geschätzt. Das Frischen geschah meistens in Herden. Zum Schweissen waren einige Siemensgasöfen vorhanden. Mit der Verarbeitung des Eisens, meistens in kleinen Werkstätten in der Lom- bardei, in Toskana, Piemont, Ligurien u. s. w. waren 9700 Arbeiter beschäftigt. Die Jahre 1870 bis 1873 brachten auch für die italie- nische Eisenindustrie einen Aufschwung. Die Erzförderung auf Elba betrug 1872 126075 Tonnen Die Erzausfuhr wird für 1872 sogar zu 168462 Tonnen angegeben. , die gesamte Erzeugung von Roheisen, Schweisseisen und Stahl aus inländischen und ausländischen Eisen 73720 Tonnen. In der Lombardei wurden 1872 in 21 kleinen Hoch- öfen 10095 Tonnen Roheisen erblasen. Im ganzen zählte man damals 32 Hochöfen in Italien. Bei der Verarbeitung des lombardischen Roheisens war schon früher ein Fortschritt dadurch eingetreten, dass an Stelle der alten bergamaskischen Frischfeuer Franche-Comté- schmieden und hier und da auch Gaspuddelöfen eingeführt wurden. Noch vorteilhafter war die Verarbeitung von Alteisen und Abfalleisen. 78* Italien. Für diesen Betrieb entstanden grössere Werke am Comersee in Valsassina, am Iseosee und im Trombia- und Sabbiathal, die den alten Frischhütten in den Thälern der Provinzen Bergamo und Brescia empfindliche Konkurrenz machten. Die Kosten Siehe Österreich. Zeitschr. für Berg- und Hüttenwesen 1899, S. 382. einer Tonne Eisen aus selbsterblasenem Roheisen stellten sich damals auf 540 Lire, während die Herstellung aus Alteisen 341,50 Lire kostete. Die natürliche Folge war, dass die Verarbeitung des Roheisens in Frischherden und Puddel- öfen zurückging und die Verarbeitung von Alteisen, das man aus der Lombardei, aus Toskana und dem Auslande bezog, zunahm. Es ent- stand sogar eine Überproduktion von diesem „verteigten“ Eisen, be- sonders nach Gründung des grossen Eisenwerkes von Volarno am Eingange des Thales Sabbia bei Bergamo im Jahre 1871, und nachdem man nicht nur Alteisen, sondern auch fremde Luppen verarbeitete. Eine weitere Konkurrenz erwuchs dem lombardischen Frischeisen, das seiner Zähigkeit und Festigkeit wegen bis dahin an den Staatswerkstätten für Geschütze und Geschosse verwendet worden war, aus dem Fluss- stahl. Hierdurch wurden die grösseren lombardischen Industriellen gezwungen, ihren alten Betrieb zu verlassen und Siemens-Martinöfen oder Pernotöfen einzuführen und Flussstahl zu machen. Da sich hierfür die Verwendung von ausländischem Roheisen billiger stellte als von einheimischem, so erfuhr der lombardische Hochofenbetrieb hier- durch eine weitere Einschränkung. Der Aufschwung in den Jahren 1872 bis 1874 brachte nur vorübergehend hierin eine Änderung. 1873 stieg die Roheisenerzeugung auf 13000 Tonnen, die doppelte Menge wie zuvor. Da aber das Roheisen sehr teuer war, verarbeiteten die Raffinierwerke um so mehr Alteisen und fremden Schrot. Als dann nach 1874 die Eisenpreise rasch fielen, war der Rückschlag um so stärker und die Roheisenproduktion ging wieder zurück, so dass sie 1878 nur noch 8000 Tonnen betrug. Auf den Werken von Gregorini zu Castro und von Glisenti zu Carcino waren Siemens-Martinöfen eingeführt. Von den übrigen Eisenwerken Italiens ist aus jener Zeit wenig zu berichten. Die von Piombino hatten schon 1866 und 1868 Bessemer- stahl aus elbanischem Roheisen erzeugt. 1876 verarbeitete S. Bozzo Roheisen im Pernotofen zu gutem Walzdraht. Gigli und Ponsard schmolzen 1878 auf ihren Hütten zu Ponte Rifrudi bei Florenz Ferro- mangan, das sie auf der Weltausstellung in Paris vorführten. 1878 wurden in Mittelitalien drei neue Eisenwerke für Wasserkraft- betrieb erbaut: Terni an der Newa, 193 km von Civita Vecchia, Italien. das Werk Cosento an der Maola, etwa 20 km von demselben Hafen, und die Hütte zu Ponte bei Moriano an dem Serchio nahe bei Lucca und 4 km von Livorno. Bei allen diesen Werken wurde indes der Nutzen der Wasserkraft durch die hohen Transportkosten aufgewogen. Die Stahlerzeugung Italiens betrug 1876 2880 Tonnen, die Ein- fuhr 4853 Tonnen. 1880 betrug die Erzförderung 289058 Tonnen. Das Jahr 1881 war für das Schicksal der Erzgruben von Elba von Wichtigkeit, weil in diesem Jahre der Vertrag mit dem Hause Bastogi ablief. Die Insel Elba, vordem im Besitz der Fürsten von Piombino, war 1815 an Toskana gefallen. Die Eisenerzgruben von Elba spielten damals noch keine Rolle und wurden an Bastogi verpachtet. 1851 schloss die Re- gierung mit dieser Firma einen Vertrag auf 30 Jahre zu gemeinschaft- licher Ausbeute. Inzwischen änderten sich die Verhältnisse wesentlich und die Nachfrage nach Erz von Elba steigerte sich so sehr, dass die Regierung wegen gänzlicher Erschöpfung der Erzlager besorgt wurde. Sie beschränkte deshalb nach Ablauf des Vertrages mit Bastogi die Ausbeutung und verpachtete die Bergwerke zunächst nur auf drei Jahre an ein Bankkonsortium unter der Bedingung, dass die Jahres- produktion 200000 Tonnen nicht übersteigen dürfe. Hiervon ging der grösste Teil in das Ausland, da der einheimische Bedarf mit 30000 Tonnen reichlich gedeckt war. — Schon damals schlug P. L. v. Ferrari die Gründung eines grossen Eisenwerkes bei Spezia vor. 1881 erzeugten 1200 Arbeiter 35000 Tonnen Eisenwaren. Die Zahl der Hochöfen war inzwischen immer mehr zurück- gegangen. 1882 zählte man nur noch 16 Hochöfen in Italien, davon 12 in der Lombardei, doch waren auch diese nicht in vollem Betriebe. 1882 wurden noch 11, 1883 8 und 1884 nur noch 7 betrieben, allerdings verminderte sich die Produktion deshalb doch nur wenig, von 1882 bis 1884 von 12000 auf 10878 Tonnen. Die ganze Roh- eisenproduktion Italiens im Jahre 1882 wird zu 20500 Tonnen an- gegeben. Dagegen zählte man 1880 in der Lombardei 15 Puddelöfen mit Siemens-Regenerativfeuerung, 2 Pernotöfen und 10 Martin- öfen. Bessemerwerke gab es zu Perseveranza und Magona d’Italia, doch waren dieselben nicht bedeutend. Zu Tavernole verwendete man die Hochofengase, nachdem dieselben nach dem System Laglade ge- reinigt waren, zum Raffinieren des Eisens. 1884 sank die Roheisen- erzeugung Italiens auf 18000 Tonnen, und es wurden nur noch in drei Bezirken, in Elba, Sardinien und der Lombardei, Erze geschmolzen. 1883 betrug die gesamte Erzeugung von Eisenprodukten aller Art Italien. 50900 Tonnen, während allein 23401 Tonnen Eisenbahnschienen und 24160 Tonnen eiserne Maschinen eingeführt wurden. Das lombardische Hüttenwerk Valarno erzeugte 1880 9500 Tonnen Eisen und Stahl aus Alteisen, während Lovere aus Spateisenstein gutes graues Roh- eisen und Spiegeleisen schmolz und aus diesem 2000 Tonnen Stahl und 1000 Tonnen Eisen frischte. In Dongo am Comersee wurden 3000 Tonnen erzeugt. Das Hüttenwerk Glisenti im Trompiathal war mit einer Waffenfabrik verbunden. Im Aostathal in Piemont waren die Verhältnisse ähnlich wie in der Lombardei, und es wurde meistens Alteisen verarbeitet. Das Drahtwerk zu Bussoleno lieferte 600 Tonnen im Jahr. Die ligurischen Hütten, von denen die grösste bei Savona an der genuesischen Küste lag, hatten ihren Betrieb ganz verändert, sie verarbeiteten Brucheisen mit englischem Anthrazit zu geringen Eisen- sorten, die nur den halben Preis gegen die Holzkohlenprodukte er- zielten. In Toskana wurde zu San Giovanni und Cole Val d’Elsa südlich von Florenz etwas Roheisen, aber weit mehr Brucheisen ver- arbeitet. Alle diese Anlagen waren klein und entsprachen nicht den Anforderungen der Zeit. 1885 fasste die Firma Tardi \& Benoch in Savona den Ent- schluss, ein grosses modernes Stahlwerk bei Terni für Bessemer- und Martinbetrieb zu erbauen. Für die Bessemerhütte waren zunächst zwei Konverter zu sieben Tonnen, für die Martinhütte vier Siemensöfen zu 20 Tonnen Einsatz vorgesehen. Der Ort war gewählt wegen der vor- handenen Wasserkraft von 600 P. S. Es wurden ferner in Aussicht genommen zwei Hochöfen für Koksbetrieb und für das Stahlwerk ein Dampfhammer von 100 Tonnen Hammer- und 1000 Tonnen Amboss- gewicht. Alle Kräne, wovon die zwei grössten 180 und 120 Tonnen Tragkraft hatten, wurden für den Betrieb mit komprimierter Luft von acht Atmosphären Druck eingerichtet. Zuerst sollte englisches Roh- eisen und deutsches Spiegeleisen verarbeitet werden. Der grosse Dampfhammer wurde von der Gesellschaft John Cockerill in Seraing gebaut. 1886 kam dieses grösste Eisenwerk Italiens, auf das grosse Hoffnungen gesetzt wurden, in Betrieb. Aber nachdem 1887 das Werk 40000 Tonnen Stahl und 13300 Tonnen Gusswaren erzeugt hatte, war bereits ein Defizit von zwei Millionen Lire vorhanden. Man schob die Hauptschuld auf schlechte Arbeiter. Dieses Ergebnis machte die Eisenindustriellen indes keineswegs mutlos, vielmehr entstanden im Jahre 1888 eine Anzahl neuer Werke. J. von Baffacio baute eiserne Schiffe; die Firma Pirelli \& Co. in Mailand legte in Spezia eine Drahtseilfabrik für Kabel an; die Eisenwerke im Bezirke von Genua Italien. vergrösserten sich und erhöhten ihre Produktion. Die Firma Ansaldo \& Co. beschäftigte in ihren Werken bei Sampierdarena und Sestri 2000 Arbeiter, Tardy \& Benoch in Savona gegen 1000, Cavero \& Co. in Genua etwa 800, Odero \& Co. in Sestri 600. Ansaldo \& Co. bauten in Sampierdarena besonders Lokomotiven, in Sestri Stahlschiffe. Tardi \& Benoch zu Savona und Raggio, Tassare \& Co. zu Pisa walzten Schienen. Die Eisenindustrie an der Küste von Savona und Spezia nahm fortwährend zu. In demselben Verhältnis verschlechterten sich die Verhältnisse in dem lombardischen Eisengebiete. 1887 sank die Roheisenproduktion auf 6501 Tonnen, die Zahl der betriebenen Hoch- öfen auf sieben. Die eingesessenen Eisenindustriellen, namentlich die Glisendi und Gregorini , liessen es nicht an Mühe und Opfern fehlen, die altberühmte Industrie zu verbessern und zu halten, aber sie konnten den Niedergang nicht aufhalten, dem Flusseisen gehörte die Zukunft und das hatte seine Heimat nicht in dem entlegenen Wald- thal, sondern an der Meeresküste und den Eisenbahnen, nahe dem Centrum des Verkehrs. So vollzog sich hier das melancholische Schauspiel, dass eine Jahrtausend alte hochangesehene Industrie, die einst den berühmten Waffenschmieden von Brescia und Mailand das vorzügliche Stahl- und Eisenmaterial geliefert hatte, zu Grunde ging durch den Siegeszug der Steinkohle und der Flusseisenfabrikation. Die Versuche, die Flusseisenindustrie in die bergamaskischen Thäler zu verpflanzen, hatten keinen Erfolg, weil das in den kleinen Holzkohlenhochöfen erblasene Roheisen zu teuer in der Herstellung war. 1891 wurden noch fünf Hochöfen betrieben, die 6250 Tonnen Roheisen schmolzen, 1896 nur noch drei mit 2932 Tonnen Erzeugung. Die Regierung, die sich in jeder Weise bemühte, die alte einheimische Industrie zu erhalten, liess 1897 durch das königliche Korps der Bergbauingenieure eine Enquete veranstalten, um Mittel und Wege anzugeben, wie der lombardischen Eisenindustrie aufzuhelfen sei; aber der erstattete Bericht lautete wenig tröstlich und riet nur, sich auf Spezialeisen und Qualitätseisen zu beschränken. Dies that bereits die Firma Gregorini auf ihren gut eingerichteten Hochöfen zu Castro am Iseosee und dem von Allione Bergo Demo im Camonicathal. Erstere machten graues, weisses und halbiertes Spezialroheisen, das in den See- und Kriegsarsenalen Verwendung fand, darunter ein Spangel- eisen mit 6,9 Prozent Mangan, das dem Spiegeleisen nahe kam. Das Eisen vom Camonicathale war so teuer, dass es nur zu Spezial- zwecken von den Arsenalen bezogen wurde. Immer mehr entwickelte sich der Betrieb der italienischen Eisenwerke in der Richtung, dass Eisen Italien. und Stahl nicht aus inländischem Roheisen, sondern aus Alteisen oder ausländischem Roheisen mit Steinkohlen erzeugt wurde, und hierfür war die Lage der Werke an der Seeküste, des Eisen- und des Steinkohlen- bezugs wegen viel günstiger als die im abgelegenen Hochgebirge. Die Erzgewinnung auf der Insel Elba war kaum durch die Schicksale der italienischen Eisenindustrie beeinflusst, da der grösste Teil exportiert wurde und die Ausfuhr von dem Weltmarkte abhängig war; diese war in manchen Jahren so gross, dass von neuem ein Gefühl der Beunruhi- gung wegen der Erschöpfung der elbanischen Erzlager entstand, be- sonders seit 1892. Die italienische Regierung verpachtete deshalb vom 1. Januar 1898 ab die elbanischen Eisensteingruben unter gewissen Be- schränkungen an Chevalier Tosetti . Es war dies der grösste Eisen- industrielle Toskanas, der viel zur Entwickelung der Roheisenindustrie in Fallonica beigetragen hatte. Dieser förderte auch die Anlage der Hoch- öfen bei Piombino an der toskanischen Küste. Er beabsichtigte ferner die Anlage von Hochöfen auf der Insel Elba selbst. Die Bedingungen der Regierung für die 20jährige Pacht der elbanischen Eisenberg- werke bestanden darin, dass Tosetti nur 160000 Tonnen Erz jährlich exportieren und 40000 Tonnen den italienischen Werken zur Ver- fügung stellen sollte. Die Abgaben für jede Tonne exportiertes Erz war auf 7,25 Lire, für jede Tonne in Italien verschmolzenes auf 0,50 Lire festgesetzt. Der Hochofen in Fallonica sollte im Betriebe erhalten bleiben. Der Export von 1898 erreichte die ausserordentliche Höhe von 228000 Tonnen, jedenfalls aus angesammelten Vorräten. Die Roheisengewinnung hielt sich in den neunziger Jahren in sehr bescheidenen Grenzen, dagegen nahm die Erzeugung von schmied- barem Eisen und besonders von Flussstahl seit 1888 zu. Terni allein lieferte 1889 14000 Tonnen mehr als im vorausgegangenen Jahre. Für 1898 wird die Produktion von Stabeisen auf 167499 Tonnen, von Stahl auf 87467 Tonnen, grösstenteils aus verarbeitetem Material hergestellt, angegeben. Verschiedene neue Werke wurden damals geplant, zum Teil auch schon in Angriff genommen, wie z. B. das grosse Drahtwalzwerk zu Lecco. Neue Hochofenanlagen planten die Firma Schneider in Creusot der Insel Elba gegenüber und die Società Anonima delle Ferriere Italiane zu San Giovanni im Val d’Arno auf der Insel Elba selbst. Die Hütte Monte Argentario schmolz seit 1899 Ferromangan im Hochofen. Besonders war es der Siemens-Martinprozess, der zugenommen und sich ausgebreitet hatte. Es gelang der Energie der Industriellen, sich ausser für einige Spezialartikel von dem Auslande unabhängig zu machen. Die Italien. bedeutende Einfuhr beschränkte sich immer mehr auf Rohmaterialien, wie Roheisen, Schrot, Rohluppen und Blöcke, aus denen dann im Inlande die fertigen Waren gemacht wurden. Für die Herstellung der Eisen- und Stahlfabrikate waren 1898 13181 Arbeiter beschäftigt, während für die Hochöfen nur 217 nötig waren. Die Steinkohlen kommen fast ausschliesslich von Grossbritannien; Koks teils von da, teils von Deutschland. Durch die Benutzung der Wasserkräfte, sowohl direkt mittels Turbinen, als auch durch Umwandlung in elektrische Kraft, wird die italienische Eisenindustrie noch einer grösseren Ausdehnung fähig werden. Die Regierung unterstützt sie, um sich für ihren Bedarf an Kriegsmaterial vom Auslande möglichst unabhängig zu machen. Die Erfordernisse des Heeres, Waffen und Ge- schütze, werden grösstenteils in Staatswerkstätten hergestellt. Panzer- platten, Kriegs- und Handelsschiffe werden von Privatwerken, denen aber der Staat seine Bestellungen zuweist, gebaut. Eine Belebung der Eisenindustrie ist in letzter Zeit auch durch die vermehrte Bauthätig- keit, insbesondere die Anlage von Kleinbahnen, Strassenbahnen und die Umwandlung dieser in elektrische Bahnen eingetreten. Zahlengeschichte der Eisenindustrie Italiens . Fossile Brennstoffe (Förderung in Tonnen) . Eisenerzförderung in Tonnen . Italien. Roheisenerzeugung in Tonnen . Hochöfen und Hochofenproduktion der Lombardei . (Österreich. Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen 1899, S. 400.) Produktion der Eisen- und Stahlwerke zusammen in Tonnen . 1872 73700 1877 74000 1883 50908 1897 213884 (56,7 Mill. Lire Zahl aller Eisen- und Stahlwerke im Jahre 1897: 216 mit einer Arbeiterzahl von 12991. ) 1898 256000 (66,5 Mill. Lire) 1899 306231 (88,6 Mill. Lire) Eisenproduktion aller Art im einzelnen in Tonnen . Italien. Eisenproduktion 1872 nach Provinzen in Tonnen . Stahlproduktion . Erzeugung der Eisenindustrie 1898 . Italien. Erzeugung der Eisenindustrie 1899 . Fossile Brennstoffe 1899 . Einfuhr 4859556 Tonnen Ausfuhr 20803 „ Ausfuhr von Eisenerzen (meist von Elba) in Tonnen . 1870 65600 1890 189752 1891 160712 1892 208581 1893 115894 1894 176393 1895 145929 1896 219162 1897 257660 Hiervon nach Deutschland 171548, nach Holland (Deutschland) 76101 Tonnen. 1898 217556 1899 234215 (Einfuhr 1899: 20799.) Einfuhr von Stahl in Tonnen . 1870 2234 1875 3478 1876 4853 Einfuhr 1870 in Tonnen . Roheisen in Masseln 17000 Gusswaren 6000 Eisen I. Verarbeitung in Stäben und Blechen 47000 Eisen II. Verarbeitung, Verschiedenes 85000 Bruch- und Alteisen 2580 Stahl in Stangen 2500 Eisenbahnschienen 9000 Wert der Einfuhr 36½ Millionen Lire Italien. Ein- und Ausfuhr nach Wert in 1000 Mark . Einfuhr in Tonnen . Einfuhr von Eisen und Eisenwaren 1889 in Prozenten . aus England 47,6 Prozent „ Deutschland 17,0 „ „ Belgien 8,7 „ „ Frankreich 6,6 „ „ Österreich-Ungarn 3,6 „ „ Holland 0,8 „ „ der Schweiz 0,5 „ Italien. Einfuhr nach Italien in Tonnen . Einfuhr von unbearbeitetem Eisen und Stahl von 1894 bis 1898 in Tonnen . Italien. Einfuhr von bearbeitetem Eisen und Stahl von 1894 bis 1898 in Tonnen . Einfuhr aus den Hauptbezugsländern im Jahre 1898 . Eisen und Stahl, unbearbeitet . Paketeisen: Grossbritannien 37645 Tonnen Deutschland 21078 „ Frankreich 17436 „ Gusseisen in Masseln: Grossbritannien 118809 „ Österreich-Ungarn 15599 „ Spanien 8268 „ Schmiedeeisen, rohes, in Barren, und Stahl in Blöcken: Deutschland 3883 „ Belgien 2556 „ Grossbritannien 2074 „ Eisen und Stahl, bearbeitet . Deutschland 38342 Tonnen Grossbritannien 27615 „ Belgien 11907 „ Frankreich 10174 „ Fertige Waren aus Eisen und Stahl . Deutschland 975 Tonnen Österreich-Ungarn 392 „ Frankreich 301 „ Grossbritannien 118 „ Italien. Eisenverbrauch in Kilotonnen . Spanien . Die Eisenindustrie Spaniens hat seit dem Jahre 1870 eine merk- würdige und sehr bedeutende Entwickelung genommen. In vieler Beziehung ist die Lage Spaniens ähnlich der Italiens; wie dieses besitzt Spanien einen Überfluss von vortrefflichen Eisenerzen und einen Mangel an Brennmaterial. Die Entwaldung gestattete nur einen sehr beschränkten Betrieb mit Holzkohlen, und die Steinkohlenlager Spaniens sind nicht ausgedehnt und waren 1870 noch wenig er- schlossen. Die Steinkohlenförderung stieg von 1870 bis 1897 von 621832 Tonnen auf 2010960 Tonnen. Asturien ist die Provinz, die am meisten Steinkohlen liefert, auf sie entfiel 1897 ein Förderquantum von 1424007 Tonnen. Der Erzreichtum Spaniens war von alters her berühmt, seine Eisenerze sind die Grundlage der europäischen Bessemerindustrie geworden. 1861 betrug die gesamte Eisenerzförde- rung Spaniens 130259 Tonnen, 1880 bereits 3565338, 1890 6065113 und 1899 9344320 Tonnen. Hiervon wurde der weitaus grösste Teil ausgeführt, im Jahre 1899 8613137 Tonnen. Trotzdem hat auch die Spanien. Eisenbereitung einen grossen Aufschwung genommen, allerdings zumeist durch fremdes Kapital und fremde Intelligenz. Auch die grossartige Erzgewinnung im Bergwerksdistrikt von Bilbao entwickelte sich auf diese Weise. 1863 gingen die ersten Probesendungen von Bilbaoerzen nach England und Frankreich. 1871 wurden von Bilbao bereits 286000 Tonnen Eisenerze von Somorostro und 60000 Tonnen von anderen Orten verschifft. 1872 wurde die Orconera-Eisengesell- schaft zur Ausbeutung der Somorostroerze mit einem Kapital von 2½ Mill. Frcs. gegründet. Die Gesellschaft bestand aus der Dowlais- und Consett-Eisenwerksgesellschaft in England, der Firma Friedrich Krupp in Essen in Deutschland und dem Hause Ybarra-Hermanos zu Bilbao in Spanien. Durch den Karlistenkrieg, der sich haupt- sächlich in den baskischen Provinzen abspielte, wurde die Entwickelung der Eisenindustrie gehemmt, dennoch nahm auch die Eisenbereitung ziemlich rasch zu. 1870 wurden schon 54078 Tonnen Roheisen und 36163 Tonnen Schmiedeeisen dargestellt. Bei Santander befand sich ein Hochofen, der schon 1832 erbaut war, in Asturien hatten die Felguerawerke einen, und die Miereswerke im Caredalthal zwei Hoch- öfen. Später wurde auf letzterem Werke noch ein dritter Hochofen erbaut. Das Puddel- und Walzwerk, das 28 Puddelöfen besass, er- zeugte 10000 bis 12000 Tonnen Schmiedeeisen. Es gab in den siebziger Jahren noch viele Catalanschmieden, in welchen Schmiedeeisen unmittelbar aus Erzen geschmolzen wurde Hieraus erklärt sich die grosse Zahl der Eisenwerke im Verhältnis zur Produktion. 1878 gab es 68 Eisenwerke, welche etwa 50000 Tonnen Roheisen und 40000 Tonnen Schmiedeeisen erzeugten. Ybarra \& Co. stellten 1872 Eisen nach Chenots Verfahren auf der Hütte El Desierto bei Bilbao dar. Justino Delpon hatte Gurlts direkte Eisengewinnung schon 1863 zu Bolueta eingeführt. Obgleich die Bilbaoerze ganz besonders für den Bessemerbetrieb geeignet waren, war die Stahlerzeugung Spaniens doch nur gering. Die grösste Stahlhütte war zu Taco, wo 1870 16 Mann beschäftigt waren, die 231 Tonnen Stahl erzeugten. Nach Beendigung des Karlistenkrieges 1876 hob sich die Eisenindustrie Spaniens. Die Biscayahütte wurde den neuesten Anforderungen entsprechend von der Gesellschaft John Cockerill in Seraing gebaut. 1877 wurden in Spanien 577 Tonnen Stahl dargestellt. 1872 hatte die Biscaya- gesellschaft drei Robertkonverter von je 2½ Tonnen Fassungs- vermögen in Betrieb gesetzt. Erst Ende der siebziger Jahre wurde der Bessemerprozess von der Altos Hornosgesellschaft und der Siemens- Beck, Geschichte des Eisens. 79 Spanien. Martinprozess von der Biscayagesellschaft bei Bilbao eingeführt. 1879 war der Eisenverbrauch Spaniens auf 286000 Tonnen gestiegen. Die Eisenbahnneubauten erforderten etwa 100000 Tonnen, die Unter- haltung der bestehenden Eisenbahnen etwa 50000 Tonnen; an 40000 Tonnen wurden für die Kriegsflotte verbraucht. Von der angegebenen Menge des Verbrauchs waren nur etwa 50000 Tonnen im Lande erzeugt. Von den im Lande vorhandenen 45 Hochöfen waren nur 16 in Betrieb, wovon acht mit Koks und acht mit Holzkohlen betrieben wurden; von diesen erzeugten die Kokshochöfen etwa 41000 Tonnen, wovon 35700 Tonnen auf die Provinzen Biscaya und Oviedo kamen. Die drei nach den neuesten Grundsätzen erbauten und betriebenen Öfen bei Bilbao erzeugten allein 21000 Tonnen, während der Rest der Produktion auf die übrigen 13 Öfen entfiel. Die Hochöfen bei Bilbao arbeiteten hauptsächlich mit englischem Koks; der Koksverbrauch war 900/1000. 1880 wurden neue Werke in Bilbao und ein wichtiges von der Quiros-Eisen- und -Stahlgesellschaft in Asturien erbaut. Diese Gesell- schaft führte zur Verkokung Coppée-Öfen ein. 1880 begann auch Spanien, bezw. der Bilbaodistrikt, Roheisen auszuführen, die Ausfuhr betrug 3725 Tonnen. 1881 fingen die besten und reichsten Bilbao- erze, die Roterze Vena dulce und Campanil, schon an selten zu werden und bildete das Braunerz Rubio mit etwa 50 Prozent Eisengehalt das hauptsächlichste Ausfuhrerz. 1880 bestand die Ausfuhr noch aus ⅛ Campanil, ⅜ Vena dulce und 4/8 Rubio. Die Ausfuhr nach Grossbritannien betrug 1881 1713639 Tonnen = 68¾ Prozent, nach Deutschland 345591 Tonnen = 13⅘ Prozent, nach Frankreich 335976 Tonnen = 13 Prozent, nach Belgien 87790 Tonnen = 3½ Prozent, nach Amerika 17536 Tonnen = ¾ Prozent. Den grössten Erzreichtum enthielten die Grubenfelder Triano, Sommorostro und Matomoros. Die grössten Grubenbesitzer waren ausser der obenerwähnten Orconera-Gesellschaft die Société Franco- Belge des Mines de Sommorostro, von den Gesellschaften Cockerill in Seraing, Société Denain-Anzin, Société Montataire und Ybarra- Hermanos in Bilbao gegründet. Sodann folgten die englischen Gesell- schaften: Sommorostro Iron Co., Limit., Bilbao Iron Co., Limit., Biscaya- Santander Iron Co., Limit., San Fermin Mining Co., Luchana Mining Co., M. M. J. B. Roches \& Co., The Landore Siemens Steel Co. 1893 führten fünf Vollbahnen und zahlreiche Seilbahnen nach Bleicherts und Hodgsons System von den Gruben nach den Seehäfen. Spanien. Ausserdem fand noch von Cartagena aus eine sehr bedeutende Ausfuhr von Eisenerzen aus der Provinz Murcia statt, und zwar wurden in den Jahren 1879 bis 1881 etwa an 600000 Tonnen Erze von da nach Frankreich, England und Nordamerika verschifft. Bei dem hohen Eisengehalt, der Reinheit und der leichten Reduzierbarkeit der Bilbaoerze war es nicht verwunderlich, dass die direkte Eisengewinnung, die ja in Spanien von alters her einheimisch war und immer noch vereinzelt in der alten Form betrieben wurde, in allen ihren neueren Formen versucht wurde. So wurde auch das Verfahren Du Puys im Jahre 1878 erst in der älteren Art in Blechbüchsen, dann seit 1883 in der Weise, dass das gemahlene Eisenerz mit Kohle, Thon und Kalk in einer Mischmaschine gemischt, die Masse in Formen gepresst in einem Glühofen reduziert, zu Luppen geschweisst und diese weiter verarbeitet wurden, ausgeführt. Zu Anfang der achtziger Jahre entstanden verschiedene neue Eisenwerke in Nordspanien. Eine englische Gesellschaft „Cantabria“ hatte bei San Nicolas zwei Hochöfen gebaut; das Unternehmen fallierte aber und wurde von dem Marques de Mudela 1880 erworben und durch den Bau von zwei weiteren Hochöfen vergrössert. 1883 erblies Mudela schon monatlich etwa 8000 Tonnen Bessemer- und Giesserei- roheisen. Die Erzausfuhr Spaniens war von 1878 bis 1882 von 1244118 Tonnen auf 3493674 Tonnen gestiegen. 1881 wurden 771 Eisensteingruben mit 13520 Arbeitern betrieben. 37 Hüttenwerke hatten 70 hydraulische und 152 Dampfmaschinen von zusammen 5622 P. S., ferner 84 Hochöfen, 18 kleine Öfen, 103 Flamm- öfen, 103 Raffinieröfen, 84 Schmiedefeuer und 6811 Arbeiter. Es wurden 114394 Tonnen Roheisen und 53279 Tonnen Schmiedeeisen, davon 3602 Tonnen durch direktes Verfahren dargestellt. 1882 gingen die alten Eisenhütten der Gesellschaft Ybarra \& Co. an die Aktien- gesellschaft „Sociedad de los altos hornos y fabrica de hierro y acero“ über, die zu den alten drei Hochöfen weitere nach neuestem Muster von 24 m Höhe nach Plänen von E. Windsor Richards hinzufügte. Die Gesellschaft verfügte über ein Aktienkapital von 25 Millionen Pesetas (= 25 Millionen Frcs.) und war insbesondere zur Herstellung von Eisenbahnmaterial gegründet. Die Gesellschaft der Hochöfen von Bilbao, die 1883 bereits 9526412 kg Roheisen und 10158064 kg fertiges Eisen fabrizierte, liess 1884 durch E. W. Richards zwei neue Hochöfen mit vier Cowperapparaten erbauen. Trotz des Reichtums an Erz und Kohlen wurde nur etwa ein Drittel des Eisenbedarfes im Lande erzeugt, während zwei Drittel eingeführt wurden. Ebenso er- 79* Spanien. langte die Flussstahlbereitung ungeachtet des vorzüglichen Roheisens erst Ende der achtziger Jahre einen grösseren Umfang. 1885 wurden 361 Tonnen, 1889 49124 Tonnen, 1896 aber schon 104571 Tonnen erzeugt und zwar sowohl im Konverter wie im Martinofen. 1896 waren folgende Flussstahlwerke in Betrieb: 1. Die Gesellschaft Altos Hornos in Bilbao mit zwei Bessemer- konvertern für je 9 bis 10 Tonnen Einsatz, einem Siemens-Martinofen für 11 Tonnen und 14 Puddelöfen; diese Gesellschaft, die schon 1891 78300 Tonnen Flussstahlblöcke erzeugte, hatte ihre eigene Kokerei und ein Panzerplattenwalzwerk. 2. Die Biscaya-Companie, ebenfalls am Flusse Nervion bei Bilbao, mit drei Robertkonvertern zu 5 Tonnen und vier Siemens-Martinöfen, zwei sauren und zwei basischen, zu je 12 Tonnen Einsatz, sowie vier Puddelöfen, zusammen mit einer Jahreserzeugung von 25000 Tonnen Flusseisen und 6000 Tonnen Schweisseisen. 3. Duro \& Co. in Asturien mit drei Siemens-Martinöfen, 20 Puddel- öfen und einer Jahresproduktion von 7000 Tonnen Flusseisen und 22000 Tonnen Schweisseisen. 4. Mieres mit einem Siemens-Martinofen von 7000 Tonnen Fluss- eisen Jahresleistung. Im Martinofen arbeitete man meist mit Erzzusatz; so bestand auf dem asturischen Werke La Felguera der Einsatz aus 30 Prozent Roh- eisen und 70 Prozent Alteisen bei einem Erzzusatz von 0,25 Tonnen auf 8 Tonnen fertige Blöcke. Hierbei wurden in 6½ Arbeitstagen 16 bis 18 Chargen gemacht, während bei einem Erzzusatz von 0,5 bis 0,6 Tonnen auf das gleiche Quantum die Chargenzahl auf 14 zurück- ging. Die Herstellungskosten einer Tonne Flussstahlingots betrugen bei Bilbao 45,45 österreichische Gulden, in Asturien beim Martinver- fahren 50,76 Gulden. Die Eisenerzausfuhr nahm nicht nur in Nordspanien, sondern auch in den Südprovinzen zu, so exportierte im Jahre 1892 Murcia 388000 Tonnen, Almeria 174350 Tonnen und Malaga 70700 Tonnen. Die Gruben im südlichen Spanien lagen in der Sierra Alhamilla, Sierra de Bédar, Sierra de Enmadro und Morata. Eine lange Seilbahn, von dem Deutschen J. Pohlig erbaut, führte von den Gruben nach dem Hafen von Garucha. Da im Bilbaodistrikt die besten Erze Campanil und Vena dulce immer seltener wurden, so ersetzte man sie zum Teil durch geröstete Spateisensteine. 1896 wurden in Biscaya 17 Röstöfen betrieben, die 150000 Tonnen geröstete Erze lieferten. 1897 betrug die Förderung der Gesellschaft La Orconera 957710 Tonnen. Es gab im Bilbao- Spanien. distrikt 204 Eisenerzgruben, 15000 Bergarbeiter und 55 Maschinen von etwa 1200 P. S. 1899 entstand in Südspanien eine neue Gesell- schaft belgischer Industrieller und Kapitalisten. Es war dies die Gesellschaft „Hauts-Fourneaux, Forges et Aciéries de Malaga“, deren Hochöfen und Stahlwerke aus der Ferreria Herodia in Malaga entstanden waren und die ihren Sitz zu Marchienne-au-Pont in Belgien hatte. Zahlengeschichte der Eisenindustrie Spaniens . Steinkohlenförderung von 1870 bis 1899 . Kohlen-Förderung, -Einfuhr und -Verbrauch in Tonnen . Steinkohlen- und Kokserzeugung . Förderung 1895 bis 1899 . Spanien. Einfuhr von Steinkohlen und Koks in Tonnen . Steinkohlenförderung und Kokserzeugung 1886: 188523 Tonnen. 1897 nach Provinzen in Tonnen . Steinkohlen- und Braunkohlenverbrauch in Tonnen . 1897 2922046 1898 4014979 1899 4609521 Eisenerzförderung von 1880 bis 1899 . Zahl der Eisenerzgruben und der Arbeiter . Spanien. Eisenerzförderung nach Provinzen in Kilotonnen . Förderung der Hauptgesellschaften im Bilbaodistrikt nach Sorten in Tonnen . Eisenerzförderung im Bilbaodistrikt nach Sorten in Tonnen . Spanien. Eisenerzausfuhr von Bilbao in Tonnen . Spanien. Gesamtausfuhr in Kilotonnen . Eisenerzverbrauch im Inland in Kilotonnen . 1881 308,8 1885 361,7 1886 418,8 1887 521,6 1888 456,4 1898 552,8 1899 621,2 Eisenerzverbrauch 1898 nach Provinzen und Werken . Eisenerzausfuhr aus Gebieten und Häfen in Tonnen . Spanien. Eisenerzausfuhr nach Deutschland . Roheisenerzeugung von 1861 bis 1900 . Erzverbrauch und Roheisenerzeugung 1899 im Distrikt Bilbao in engl. Tonnen . Spanien. Roheisenerzeugung nach Provinzen in Tonnen . Roheisenerzeugung der drei in Bilbao (Biscaya) bestehenden Hochofenwerke . Roheisenausfuhr von 1890 bis 1899 in Tonnen . Spanien. Schmiedeeisen-(Schweisseisen-)erzeugung in Tonnen . 1870 36163 1880 49021 1882 bis 1885 50000 bis 60000 Hiervon direkt aus Eisenerzen: 1882 5553 Tonnen 1883 2304 „ 1884 1906 Tonnen 1885 1901 „ (im Jahresdurchschnitt) 1886 112294 1887 100000 1888 40000 1890 63933 1892 122295 1893 121349 1894 54214 1895 48462 1896 53793 1899 40332 Schmiedeeisen-(Schweisseisen-)erzeugung nach Provinzen in Tonnen . Stahl-(Flusseisen-)erzeugung in Tonnen . Stahl-(Flusseisen-)erzeugung nach Provinzen in Tonnen . Spanien. Übersicht der Erzeugung der spanischen Eisenindustrie . Zahl der Eisenwerke, Gruben und Arbeiter . Eisen- und Stahlfabrikate 1897. In Tonnen. Biscaya 94000 Oviedo 33500 Guipuzcoa 3150 Navarra 3000 Andere Bezirke 600 Zusammen 134250 Eisen- und Stahlerzeugung 1899. In Tonnen. Roheisen 299765 Puddeleisen 66568 Bessemerblöcke 68300 Siemens-Martinblöcke 49350 Eisen und Stahl gewalzt und geschmiedet 173566 Einfuhr in Tonnen . Spanien. Einfuhr in Tonnen . Die Ausfuhr besteht in Eisenerz und Roheisen und ist oben be- reits angegeben. Eine geringe Menge von verarbeitetem Eisen und Stahl geht nach den Kolonieen. Eine genauere Detaillierung der Ein- fuhr und Ausfuhr giebt die nachstehende Zusammenstellung. Ausfuhr in Tonnen . Ein- und Ausfuhr nach Wert in 1000 Mark . Norwegen. Die übrigen Länder Europas. Die übrigen Länder Europas haben für die Geschichte der Eisen- industrie nur untergeordnete Bedeutung. Norwegen , dessen Eisenerzeugung im 18. Jahrhundert noch be- deutend war, musste dieselbe infolge der Konkurrenz des billigeren englischen Steinkohlenroheisens immer mehr einschränken. 1872 sollen noch in 18 kleineren Eisenhüttenwerken mit etwa 1300 Arbeitern 6250 Tonnen Roheisen, in neun Eisengiessereien 1750 Tonnen Guss- waren und in verschiedenen Frischhütten 4000 Tonnen Stabeisen mit Holz und Holzkohlen erzeugt worden sein. Dies entsprach un- gefähr dem halben Bedarf. Es mussten 6200 Tonnen Eisen und Stahl eingeführt werden. Seit 1895 wurden in Norwegen nur noch etwa 400 Tonnen Roheisen jährlich erzeugt. Die Einfuhr von Eisen und Eisenwaren betrug dagegen 1891 13414 Tonnen, 1897: 19757 Tonnen. Der Eisenbedarf des Landes ist nicht bedeutend, weil die Entwicke- lung der Eisenbahnen infolge der Terrainschwierigkeiten und der zer- streuten Lage der Ansiedelungen im Innern des Landes nur eine ge- ringe ist. 1899 betrug die gesamte Länge der norwegischen Bahnen 1952 km, wovon 1802 km Staatsbahnen waren. Es kamen nur 60 km Eisenbahn auf 10000 qkm, es war dies das niedrigste Verhältnis in Europa. Arendal ist der Mittelpunkt der norwegischen Eisengewinnung. Die wenigen Hochöfen, die noch betrieben werden, verschmelzen Magnetit von Arendal. Zu Nås befindet sich ein Tiegelstahlschmelz- werk. Einen hoffnungsvollen Ausblick in die Zukunft gewährt die im Frühjahr 1898 beschlossene Fortsetzung der Luleå-Gellivara-Eisenbahn bis zur norwegischen Küste bei Ofoten Stahl und Eisen 1899. . Dadurch sollen die reichen Eisensteinlager von Kirunavaara und Luossavaara erschlossen und einem eisfreien Hafen an der Nordsee zugeführt werden. Die ein- gleisige Luleå-Gellivarabahn reicht hierfür nicht aus und ausser- dem leidet der Hafen von Luleå an dem grossen Missstand, dass er wegen der Eisverhältnisse nur die Hälfte des Jahres zu benutzen ist. Ist die Bahn Luleå-Ofoten erst eröffnet und sind die reichen Magnet- eisensteinlager im Innern Nordschwedens genügend erschlossen, so kann sich an der norwegischen Küste bei Ofoten eine Eisenindustrie ähnlich wie bei Bilbao entwickeln, indem die englischen Erzschiffe gern Steinkohlen als Rückfracht zu billigen Sätzen verladen werden. Ausserdem befinden sich im nördlichen Norwegen in Dunderland aus- Norwegen. gedehnte Eisenerzlager. Eine andere hoffnungsvolle Aussicht gewähren die zahlreichen Gefälle, die, in elektrische Kraft umgewandelt, der Eisenindustrie nutzbar gemacht werden können. Einer kürzlich erschienenen geschichtlichen Studie von Otto Vogel , „Norwegen als Eisen erzeugendes Land“ Stahl und Eisen 1900, S. 1138. , entnehmen wir nachfolgende statistische Zahlen, die den Rückgang der Eisenerzeugung und die Zunahme des Bedarfes und der Einfuhr beleuchten: Einfuhr in Tonnen . Ausfuhr in Tonnen . Dänemark. Dänemark hat keine eigene Eisenindustrie, muss alles Eisen ein- führen und bietet also nur als Importgebiet ein Interesse. Die Ein- fuhr nach Dänemark stellte sich im Jahre 1893 wie folgt: Die Länge der Eisenbahnen betrug 1897 2465 km, wovon 1750 km Staatsbahnen waren. Einfuhr im Jahre 1897 (nach Rentzsch) . Stabeisen 37595 Tonnen Stahl 4420 „ Eisenbahnschienen 25309 „ Röhren 9336 „ Platten und Bleche 14181 „ Bolzen und Spieker 5975 „ Draht und Drahtwaren 5851 „ Eisenwaren und Materialien 23706 „ Die Einfuhr aus Deutschland stieg von 1889 bis 1898 bedeutend; sie betrug 1889: 19793 Tonnen; 1892: 26328 Tonnen; 1895: 39646 Tonnen; 1898: 49792 Tonnen. Die Hauptartikel waren 1898 Eck- und Winkeleisen 10491 Tonnen, Stab-, Radkranz- und Pflugschar- eisen: 13912, Draht und Drahtstifte 7182 Tonnen. Die Niederlande sind ebenfalls arm an Kohlen und Eisen. Steinkohlen besitzen sie bei Kerkrade in der Provinz Limburg; die Förderung betrug 1889 54400 Tonnen. Raseneisensteine findet man in verschiedenen Provinzen, besonders in Geldern und Oberyssel, aber die geringwertigen Erze vertragen keine hohen Transportkosten, und es werden die geringen Mengen, die gewonnen werden, in den nahen deutschen Hütten bei Lingen-Meppen verschmolzen. 1860 gab es in Holland noch vier Eisenhütten, die mit Holzkohlen etwa 3000 Tonnen Roheisen aus Raseneisenstein erbliesen. Diese konnten aber mit dem billigen Koksroheisen nicht konkurrieren und sind längst eingegangen. Holland muss deshalb seinen Eisenbedarf durch Einfuhr decken. Beck, Geschichte des Eisens. 80 Die Niederlande. Dagegen haben die Niederlande eine grosse Bedeutung als Spedi- teure für die Nachbarländer, besonders für Deutschland. Der See- handel der Niederlande ist sehr bedeutend; sie nehmen unter den Handelsstaaten Europas die vierte Stelle ein, indem sie nur von Gross- britannien, Deutschland und Frankreich übertroffen werden. Durch ihre Schiffe vermitteln sie vielfach für die kontinentalen Nachbar- staaten den Seetransport. Dies ergiebt sich aus den Zahlen der Ein- und Ausfuhr. Der Erztransport, der früher sehr bedeutend war, ist dadurch zurückgegangen, dass die Erze aus Spanien auf dem Rhein direkt nach Deutschland gefahren werden. 1889 betrug die holländische Ausfuhr (Transit) von Eisenerzen noch 395396 Tonnen, 1893 hatte sie sich auf 136691 Tonnen und 1898 auf 46095 Tonnen vermindert. Dagegen geht nach wie vor eine grosse Menge englischen Roheisens über Rotterdam. 1895 betrug die Roheiseneinfuhr 155526 Tonnen, die Ausfuhr 129597 Tonnen, wovon 83384 Tonnen nach Deutschland gingen, der Rest zumeist nach Belgien. Auch die ausgeführten Eisen- und Stahlfabrikate waren meist nur Transitgut. Aus der Ein- und Ausfuhr von Roheisen ergiebt sich, dass in den Niederlanden selbst 1895 nur 25729 Tonnen, 1898 25245 Tonnen, 1899 50773 Tonnen blieben, das in den Eisengiessereien verschmolzen wurde. Walzeisen wurde besonders für die Eisenbahnen, für den Schiffs- bau und die damit zusammenhängenden Gewerbe, wie z. B. Anker- schmiede, und für Maschinenbau verbraucht. 1897 betrug die Länge der Eisenbahnen 2730 km, wovon 1445 km Staatsbahnen waren. Auf 10000 qkm entfielen also 829 km Eisenbahn. Ein- und Ausfuhr nach und von Deutschland in Tonnen . Die Schweiz. Ein- und Ausfuhr 1895 in Tonnen . Ein- und Ausfuhr von Eisen und Eisenwaren in Tonnen 1899 . Die Schweiz ist nicht reich an Eisen und leidet unter dem gänz- lichen Mangel an brauchbarer Steinkohle, darum hat die Eisenindustrie keine Fortschritte gemacht, ist vielmehr infolge der zunehmenden Entwaldung relativ zurückgegangen. Es finden sich Bohnerzablage- rungen in den Kantonen Wallis, St. Gallen, Bern, Solothurn und Neuenburg. 1873 wurden 7112 Tonnen Roheisen mit Holzkohlen ge- schmolzen, dies war 0,05 Prozent der Weltproduktion, und da die Schweiz damals 2669147 Einwohner zählte, so war die Erzeugung auf den Kopf der Bevölkerung nur 2,66 kg. Jetzt beträgt die Roheisen- erzeugung nur noch an 1000 Tonnen. Da die Schweiz aber eine hoch- entwickelte Industrie und ein ausgedehntes Eisenbahnnetz hat, so ist der Bedarf an Kohlen und Eisen gross und infolgedessen die Einfuhr bedeutend. 80* Die Schweiz. Auf der Weltausstellung in Wien im Jahre 1873 hatte die Ge- sellschaft der Ludwig von Rolls chen Eisenwerke zu Solothurn ihre Erzeugnisse vorgeführt. Die Gesellschaft verschmolz in Choindez Bohnerze mit Holzkohlen und Koks zu Roheisen, das sie zum Teil unmittelbar zur Erzeugung von Gusswaren verwendete, teils auf ihren vier Werken zu Gerlafingen, Choindez, Clus und Olten weiter ver- arbeitete. Ein grosser Teil der Produktion wurde zu Gusswaren ver- schmolzen, wovon die Gesellschaft 3500 Tonnen im Jahr erzeugte. Hervorragend waren ihre Hartwalzen und adoucierte Hartwalzen für Feinkaliber; Choindez betrieb Röhrengiesserei. Der Rest des Roh- eisens wurde in Herden mit Holzkohlen verfrischt und zu Walzeisen und Blechen verarbeitet. Hiervon wurden etwa 4000 Tonnen im Jahr erzeugt. Einen alten Ruf hatte das Gussstahlwerk von Georg Fischer in Schaffhausen, das schmiedbaren Guss und Stahlguss fabrizierte. Die Einfuhr von Kohlen und Eisen war sehr bedeutend. 1890 wurden für 34210000 Frcs. Steinkohlen und für 26418000 Frcs. Eisen und Eisenfabrikate eingeführt. 1891 gab es in der Schweiz 249 Maschinenfabriken mit 16490 Arbeitern. 1893 wurden 18510 Tonnen fertige Maschinen im Werte von 23 Millionen Frcs. hergestellt. Der Wert der aus Deutschland im Jahre 1892 eingeführten Kohlen bezifferte sich auf 14½ Millionen Mark, und der von Eisen und Eisen- waren auf 29½ Millionen. Dem Gewicht nach stellte sich die Einfuhr von Eisen und Eisen- fabrikaten in den Jahren 1894 bis 1895 folgendermassen: Die Schweiz. Wenn wir die Eisenerzeugung im Lande in dieser Zeit auf 100000 Tonnen im Jahr veranschlagen, so war der Verbrauch auf den Kopf der Bevölkerung 103 kg. 1897 betrug die Einfuhr aus Deutschland dem Werte nach für Kohlen 23 Millionen Mark, für Eisen und Eisenwaren 55 Millionen Mark. Die Länge der Eisenbahn- linien betrug in diesem Jahre 3706 km, demnach 896 km auf 10000 qkm. 1898 wurden für 28800000 Mark Maschinen in der Schweiz erzeugt. Wert der Ein- und Ausfuhr 1889 in 1000 Frcs . Wert der Ein- und Ausfuhr 1899 in 1000 Frcs . Einfuhr 1895 und 1897 in Tonnen . Balkanstaaten. — Serbien. Neuerdings hat Müller-Landtmann Siehe Stahl und Eisen 1900, S. 500. auf die altbekannten Erz- lager im Mülithal und in Grund bei Innertskirchen, die nachweislich schon im 14. Jahrhundert benutzt wurden, hingewiesen. Die Erzmenge wird nach den Untersuchungen von Dr. Albert Heim und Dr. L. von Tetmayer auf 14276000 Tonnen geschätzt. Müller-Landt- mann giebt der Hoffnung Ausdruck, dass es bald gelingen möge, durch Verwendung der starken Wassergefälle der Aar und anderer Flüsse zur Erzeugung von elektrischer Kraft und Wärme hier eine Eisenindustrie zu schaffen. Er denkt dabei an die Verhüttung der Erze mit Calciumkarbid, das dort dargestellt werden könnte, oder an direktes Ausschmelzen in elektrischen Schmelzöfen. Die Balkanstaaten sind reich an Eisenerzen, ihre Bewohner sind aber in der Technik so zurückgeblieben, dass ihre eigene Er- zeugung ganz unbedeutend und nur noch für den Altertumsforscher von Interesse ist, ihr Bedarf aber fast ausschliesslich durch Einfuhr gedeckt wird. Dass aber die Eisenindustrie in diesen Ländern entwickelungs- fähig ist, zeigt das Beispiel von Bosnien, wo die österreichische Regierung seit der Occupation unter denselben Unständen eine be- deutende moderne Eisenindustrie ins Leben gerufen hat. Serbien , obgleich reich an Eisenerzen, hat keine eigene Eisen- industrie. Die Einfuhr betrug dem Werte nach zu 1000 Frcs.: Den Hauptanteil an der Einfuhr hat Österreich-Ungarn, dann Belgien und diesem folgen Grossbritannien und Deutschland mit an- nähernd gleichen Werten. Bulgarien. Bulgarien besitzt ebenfalls gute Eisenerze an vielen Punkten Siehe Berg- und hüttenmänn. Ztg. 1881, S. 325. , aber nur bei der Stadt Samakow wird Eisen geschmolzen. Hier ist eine alte Industrie, die vormals von grösserer Bedeutung war. Das Eisen von Samakow war seiner Güte wegen nicht nur in der Türkei und Walachei, sondern selbst in Kleinasien sehr geschätzt. Das Schmelzen geschieht in kleinen Wolfsöfen von 60 bis 70 cm Weite mit Holzkohlen, mit Hülfe von Blasebälgen, die durch Wasserräder bewegt werden. Das Eisen kommt nicht zum Fliessen, sondern wird als Luppe (Wolf) ausgebrochen. Diese Luppen werden in 7 km entfernten Schmieden in Herden ausgeschweisst und zu glatten Stücken geschmiedet. Dieses Eisen kostet 41,25 Frcs. (33 Mark) die 100 kg, obgleich das Erz nur die Mühe des Auflesens erfordert und die Arbeits- löhne unerhört billig sind. Ein Arbeiter verdiente (1880) 25 Zent. und 1 Ocka (1¼ kg) Roggenmehl, das der Herr liefern musste. Die 15 bis 16 Hütten, die 1880 betrieben wurden, erzeugten zu- sammen 120 Tonnen Eisen und waren kaum mehr konkurrenzfähig. Das meiste Eisen wurde eingeführt. Es betrug die Einfuhr von Eisen- waren dem Werte nach zu 1000 Frcs.: Hierzu kamen 1892 noch für 2786228 Frcs. Geschosse, davon für 2777222 Frcs. aus Deutschland, und für 2046765 Frcs. Maschinen, davon für 711893 Frcs. aus Deutschland. 1898 betrug die Einfuhr in 1000 Frcs.: Roheisen 1222 Stahl 171 Weissblech 84 Eisenblech 322 Reifen- und Bandeisen 302 Grobe Gusswaren 1057 Drahtstifte 122 Eisenwaren 1684 Maschinen 3528 Rumänien. — Türkei. Rumänien hat gar keine Eisenhütten. Einfuhr in 1000 Frcs . In der Türkei selbst liegen die Verhältnisse ähnlich wie in Bulgarien, trotz des Reichtums an Erzen nur geringe Eisengewinnung nach veraltetem, höchst unvollkommenem Verfahren. Einer Schilderung Wilh. Fischbachs aus dem Jahre 1873 entnehmen wir Nachfolgendes über die damaligen Zustände. Die Gewinnung der Erze ist unendlich primitiv und erinnert an Plinius ’ Schilderung. Aus Spannteichen wird das Wasser durch Schleusen und Rinnen auf die Eisensand (Bohnerze) führenden Felsen geleitet, das diese zerstört. Von Zeit zu Zeit wird mit eisenbeschlagenen Stangen nachgeholfen. Das Erz wird in aus Brettern gezimmerten Schlämmkasten gesammelt und aus- geschlagen, alsdann auf Eseln und Maultieren nach den im Gebirge in den Urwäldern gelegenen Schmelzhütten gebracht. Hier wird es in 2½ bis 3 m hohen, unten 0,75, oben 0,30 m weiten Öfen, von denen gewöhnlich zwei oder vier mit der Rückwand zusammengebaut sind, mit weichen Holzkohlen und etwas grünem Holz in achtstündiger Schicht zu Luppen von 80 bis 100 kg Gewicht geschmolzen, die aus der mit Lehm geschlossenen Brust ausgebrochen werden. Die ober- schlächtigen Wasserräder treiben Spitzbälge, die starke Windstösse liefern. Die ausgebrochene Luppe von zähem Schmiedeeisen wird noch Türkei. — Griechenland. glühend von entkleideten Arbeitern mit Äxten in Stücke zerhauen. Jeder Hieb wird mit heulenden Schreilauten begleitet, um den Takt für den Mitarbeiter anzugeben. Je mehr die Luppe erkaltet, desto schwieriger wird diese Arbeit. Die Luppenhälften werden dann auf Lasttieren nach den Hämmern getragen, dort gefrischt und in flache Stäbe von ungleichmässiger Form ausgestreckt. Die Schmiede hat 37 m Wassergefälle. Der Hammer wog 500 kg und machte 250 Schläge in der Minute. Die Eisenwerksbesitzer müssen feste Abgaben bezahlen und können mit dem nur mit geringem Zoll belegten ausländischen Eisen kaum mehr konkurrieren. Infolgedessen dürften diese Betriebe inzwischen wohl eingegangen sein. Es betrug die Einfuhr dem Werte nach in 1000 Piastern 1 Piaster = 0,1864 Mark. : Griechenland ist reich an Eisenerzen. Zwar sind die klassischen Fundorte im Taygetus im Pelopones verlassen, weil der Transport bis zur Seeküste zu beschwerlich und zu kostspielig ist, um so mehr werden die für den Schiffstransport günstig gelegenen Erzlager in Attika, Böotien, Euböa und auf den Cykladen abgebaut. Besonders ist es die zu den letzteren gehörige kleine Insel Seriphos, die grosse Mengen von vortrefflichem Eisenerz für die Ausfuhr liefert. Im Jahre 1898 betrug die Förderung von: Seriphos 155500 Tonnen Marathon 110200 „ der Insel Kytheros 12600 „ „ „ Kale 5100 „ „ „ Kimolos 1700 „ Haldari bei Athen 2000 „ Zusammen 287100 Tonnen Im Jahre 1900 wurden 531850 Tonnen Eisen- und Manganerze gewonnen. Griechenland. Diese Erze werden grösstenteils nach England und Deutschland verschifft, 1898 gingen auch 40000 Tonnen nach Servola bei Triest. Ausserdem finden sich Manganerze in den Tertiärablagerungen von Attika (zu Laurion), Böotien, Euböa und im Pelopones, die aber bis jetzt kaum ausgebeutet werden; dagegen findet ein bedeutender Ab- bau auf der Insel Milos statt. Die Förderung von Manganerzen im Jahre 1898 betrug 14097 Tonnen. Ein für die Stahlindustrie wichtiges Mineral ist der Magnesit von Euböa, von dem 1898 14829 Tonnen gefördert wurden. Die Verhüttung der Erze im Lande ist sehr beschränkt, es wird nur einiges Manganeisen für den Export erzeugt. Eine Hochofen- hütte besteht noch nicht. Dagegen haben sich Maschinen- und Kesselbau, sowie Schiffsbau kräftig entwickelt. Im Jahre 1862 wurde die Société Hellénique des Constructions Basilades gegründet und 1868 zu einer Maschinenbauanstalt erweitert. Diese ist seitdem noch bedeutend gewachsen. Im Jahre 1872 wurde eine zweite Maschinenbaugesellschaft, die Vulkanwerke der Herren MacDowell und Barbour , ins Leben gerufen, die sich besonders im Dampfkesselbau hervorthat. Ausser- dem war die staatliche Schiffsbauanstalt im Hafen von Piräeus bereit, den Umbau eiserner Kriegsschiffe im Jahre 1898 selbständig über- nehmen zu können. Die Zahlenangaben über Ein- und Ausfuhr geben kein voll- ständiges Bild, immerhin dürfte nachfolgende Zusammenstellung für die Zeit seit 1889 einige Aufklärung geben. Einfuhr 1889 dem Werte nach in Drachmen . (1 Drachme = 1 Frc.) Einfuhr nach Wert in 1000 Drachmen . Griechenland. Ausfuhr nach Wert in 1000 Drachmen . Ein- und Ausfuhr 1896 bis 1898 . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika. Die Entwickelung der Eisenindustrie in den Vereinigten Staaten seit 1870 bietet ein bewundernswertes Schauspiel dar. Es ist ein Siegeszug nach aussen wie nach innen. Die technischen Fortschritte sind ebenso überraschend wie die gewaltige Zunahme der Produktion, die mit dem Jahre 1890 den Vereinigten Staaten die Führerschaft in der Eisenerzeugung erringen lässt. Grossbritannien, das über 100 Jahre diese Rolle unbestritten inne hatte und dessen Produktion um die Mitte des 19. Jahrhunderts grösser war als die aller übrigen Länder der Erde zusammengenommen, wurde von den Vereinigten Staaten überflügelt und muss sich seitdem mit der zweiten Stelle begnügen. Die Roheisenerzeugung ist von 1871 bis 1901 von 1733828 Tonnen auf 16132408 Tonnen, also um mehr als das Neunfache gestiegen. Die Zunahme betrug: Die Vereinigten Staaten besitzen, wie bekannt, unermessliche Schätze an Steinkohlen und Eisenerzen von vorzüglicher Güte. Diese bildeten die Grundlage der gewaltigen Entwickelung der ameri- kanischen Eisenindustrie. Den Anstoss dazu gab aber die Einführung des Bessemerprozesses. Dieses Ereignis ist verhältnismässig spät ein- getreten, obgleich der mechanische Prozess, welcher nur wenig Hand- arbeit erfordert und grosse Massen erzeugt, so ganz dem Geschmack der Amerikaner entsprechend war. Die Gründe dieser Verzögerung haben wir an früherer Stelle mitgeteilt. Nachdem man sich aber einmal von der Überlegenheit der Bessemerschienen über die Schweiss- eisenschienen auch in Amerika überzeugt hatte, warf man sich mit der der Nation eigenen Energie auf die Herstellung von Bessemer- stahl und von Stahlschienen und damit begann der gewaltige Auf- schwung der amerikanischen Eisenindustrie. 1870 hatte die eigene Erzeugung von Eisenbahnschienen nur 620 Kilotonnen, die Einfuhr aber 399 Kilotonnen betragen. 1880 belief sich die eigene Erzeugung auf 1326 Kilotonnen, die Einfuhr auf 260 Kilotonnen. Von den 620 Kilotonnen im Jahre 1880 waren nur etwa 30 Tonnen, also noch nicht 5 Prozent, Flussstahlschienen, Vereinigte Staaten von Nordamerika. während 1886 448 Kilotonnen Eisen- und 878 Tonnen Stahlschienen, von letzteren also über 66 Prozent dargestellt wurden. Mit dem Jahre 1886 erreichte die Fabrikation von Schweisseisenschienen über- haupt ihr Ende und wurden seitdem nur Flusseisenschienen erzeugt, im Jahre 1886 rund 1600 Kilotonnen, während die fremde Einfuhr auf 40 Kilotonnen gesunken war. Die Länge der Eisenbahnlinien der Vereinigten Staaten war von 1871 bis 1886 von 106583 km auf 222010 km gestiegen. Mit dem Jahre 1889 hörte die Einfuhr fremder (englischer) Eisenbahnschienen auf und deckte das Land seinen Bedarf, der 1898 2013 Kilotonnen erreichte, selbst. Die Bessemerstahlfabrikation ist aber von 1870 bis 1899 von 42 Kilotonnen auf 7708 Kilotonnen gewachsen. 1901 betrug die Erzeugung von Blöcken 8853 Kilotonnen. Wohl haben die Vereinigten Staaten einen erstaunlichen Reichtum an den Rohstoffen, die für die Eisenerzeugung erforderlich sind, dennoch befindet sich nur Alabama in der glücklichen Lage wie Schott- land, wo man Erze und Steinkohlen so nahe beisammen findet, dass man sie aus denselben Schächten fördern kann. Die wichtigsten Eisenerzablagerungen liegen von den Steinkohlenlagern weit getrennt und müssen dieselben teils mit Schiffen zu Wasser, teils mit Eisen- bahnen zu Lande dem einen oder dem anderen Gebiete zugeführt werden. So liegen die reichen und vorzüglichen Erze am Oberen See in den Staaten Minnesota, Wiskonsin und Michigan weit ab von dem Steinkohlengebiete und müssen dorthin gebracht werden, während andererseits die steinkohlenreichen Staaten Pennsylvanien, Ohio und Illinois verhältnismässig arm an Eisenerzen und auf die Zufuhr von den reichen Lagerstätten angewiesen sind. Die Frachten sind deshalb in Amerika ein besonders wichtiger Faktor für die Eisenindustrie und sind besonders billige Eisenbahnfrachten und gute Ladevorrichtungen die Existenzbedingung vieler Eisenwerke. Was in Bezug auf billigen Massentransport die nordamerikanischen Eisenbahnen leisten, ist be- wunderungswürdig und unerreicht. Nur dadurch können die ameri- kanischen Eisenwerke so billig produzieren. Dennoch sind es nur Qualitätserze, die die weiten Transporte ertragen können, und dürfen die Werke, die sie beziehen, auch nur Qualitätseisen daraus darstellen. Dies geschieht, indem man das vorzügliche Roheisen an Ort und Stelle in Flussstahl und zwar meist in Bessemerstahl überführt und daraus fertige Waren in vorzüglich eingerichteten Walzwerken herstellt. Anders verhält es sich in den Ländern, wo sich Erze und Steinkohlen zusammen- finden, wie dies namentlich in Alabama und Tennessee der Fall ist. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Diese Staaten erzeugen billiges Roheisen zum Verkauf und können dasselbe mit so geringen Kosten herstellen, dass sie imstande sind, es in Europa auf den Markt zu bringen. So sind die Vereinigten Staaten, die vor 40 Jahren noch den grössten Teil ihres Giesserei- roheisens aus England bezogen, jetzt imstande, Giessereieisen nach England zu verschiffen. Wenn auch die natürlichen Verhältnisse die Grundlage für den grossen Aufschwung der nordamerikanischen Eisenindustrie gebildet haben, so sind doch noch andere wichtige Faktoren hinzugekommen. Zunächst war es die sehr energische Schutzzollpolitik der amerikanischen Staatsregierung. Ursprünglich war der Schutzzoll während des Bürger- krieges im Jahre 1863 aus Geldnot eingeführt worden. Als aber nach dem Friedensschluss und der Rückkehr geordneter Verhältnisse die Frage der Aufhebung des Schutzzolles angeregt wurde, erklärten die pennsylvanischen Eisenindustriellen, die Rückkehr zum Freihandel würde der Ruin der amerikanischen Eisenindustrie sein. Seitdem wurde die Schutzzollpolitik beibehalten und weiter entwickelt mit dem Bewusst- sein und der ausgesprochenen Absicht, dadurch die heimische Eisen- industrie zu gedeihlicher Entfaltung zu bringen. Dieses Ziel ist er- reicht worden, die Schutzzölle sind aber trotzdem geblieben. Andere wichtige Faktoren, die den Aufschwung herbeigeführt haben, waren der kühne Wagemut und der energische Geschäftsgeist der ameri- kanischen Industriellen, sodann aber besonders ihre Intelligenz, ihr Erfindungsgeist, der durch einen starken Patentschutz unterstützt wird, und die wissenschaftliche Bildung der amerikanischen Eisen- industriellen. Die Amerikaner haben den Wert der wissenschaftlichen Grundlage für die Eisenindustrie und die Kontrolle der Betriebe besonders durch die chemische Analyse erkannt; sie haben auf allen grösseren Werken chemische Laboratorien und Prüfungsanstalten eingerichtet und in allen wichtigen Eisenindustriestaaten reich aus- gerüstete Lehranstalten für heranzubildende Techniker geschaffen. Hierzu kommt noch eine reiche und vortreffliche Litteratur. Diese wichtigen und soliden Unterlagen bürgen dafür, dass die amerikanische Eisenindustrie auch in der Zukunft sich gedeihlich fortentwickeln wird. Wenn wir es nun versuchen, die technische Entwickelung des Eisenhüttenwesens in den Vereinigten Staaten seit 1870 in chrono- logischer Folge darzustellen, so kann dies nur in sehr beschränkter Weise geschehen, da der Stoff ein zu umfassender ist. Ende der sechziger Jahre wurde besonders durch den Wiederaufbau Vereinigte Staaten von Nordamerika. und die Vergrösserung des 1868 niedergebrannten Bessemerstahlwerkes zu Troy (New York) und durch die Erbauung der Cambriawerke 1868/69 eine Periode glänzenden Aufschwunges der amerikanischen Eisen- industrie eingeleitet. Die Produktion nahm bei immer steigenden Preisen zu bis in das Jahr 1873, wo plötzlich eine grosse Geldkrisis ausbrach, die auch auf die Eisenindustrie ungünstig einwirkte und einen Rückgang herbeiführte, der bis 1877 andauerte, von wo ab wieder eine Aufwärtsbewegung eintrat, die Ende der siebziger Jahre rasch zunahm. Es ist eine Eigentümlichkeit der Entwickelung der ameri- kanischen Eisenindustrie, dass sie sich nicht stetig, wie die deutsche, sondern sprungweise, graphisch dargestellt in Zickzacklinien entwickelt hat. Es lag dies an der Beweglichkeit des Kapitals und dem spekulativen Geist der Amerikaner. Waren die Verhältnisse günstig, so wendete sich das Kapital dem Industriezweige zu, neue Werke ent- standen in überraschend kurzer Zeit, um dann, wenn die Unternehmungen wenig oder keinen Nutzen mehr bringen, ebenso schnell wieder ein- geschränkt oder ganz kalt gelegt zu werden. Deshalb erscheint z. B. bei der Roheisenerzeugung häufig die Zahl der betriebenen Öfen zu der der vorhandenen so ungünstig; beispielsweise standen 1875 von 735 Hochöfen nur 363, und 1877 von 725 nur 244 im Feuer. Die Roheisendarstellung Siehe Reisebericht von Dr. G. Klüpfel in der Berg- u. hüttenm. Ztg. 1871. geschah 1870 noch hauptsächlich mit Anthrazit, von den östlichen Alleghanies. Philadelphia war der Vorort dieser Industrie im östlichen Pennsylvanien und schmolzen auch die Hütten in New Jersey, New York und Connecticut damals noch mit Anthrazit. Die bituminösen Steinkohlen der westlichen Alleghanies wurden in Westpennsylvanien mit Pittsburgh als Centrum, ferner in Missouri, Wisconsin, Michigan und Canada verwendet. Dies Ver- hältnis erfuhr im Laufe der siebziger Jahre eine Verschiebung zu Gunsten der bituminösen Kohle. Es wurden erzeugt in Tonnen: Von den 697 Hochöfen im Jahre 1880 waren 228 für Anthrazit, 203 für Koks und 266 für Holzkohlenbetrieb bestimmt, davon waren Vereinigte Staaten von Nordamerika. 384 im Betrieb und zwar 165 mit Anthrazit, 126 mit Koks und 93 mit Holzkohlen. Die reichsten Erze des östlichen Bezirkes waren die magnetischen Erze vom Lake Champlain, die in Port Henry verschifft wurden. Die wichtigsten Hochofenhütten im Anthrazitdistrikt lagen in Shuylkill- Susquehanna- und Lebanonthal. Der Brauneisenstein des Eisenlagers von Lebanon war 1870 für diese das Haupterz. Bei Harrisburg war die erste grosse Bessemerhütte Pennsylvaniens, die aber 1870 englisches Hämatiteisen verarbeitete, weil dies billiger war als das Holzkohlen- roheisen vom Lake Superior, das früher verwendet worden war. Im Lehighthal befanden sich die grössten Hochöfen und zwar zu Beth- lehem und Allentown, die aber bereits die Hälfte der Erze kaufen mussten. Die Glentonwerke bei Paston hatten vier Hochöfen von 72 Fuss Höhe. Ein Ofen schmolz 43 Tonnen den Tag aus einer Erzbeschickung von 51 Prozent Eisengehalt. Die Gase wurden abgezogen. Der Wind wurde in eisernen Röhrenapparaten durch Gichtgase erhitzt. Auf der Thomashütte hatte man die Lürmanns che Schlackenform eingeführt. Die Eisenarbeiter im Lehighthal waren meist deutscher Abstammung. Auch die Puddelöfen dieses Gebietes, die meist mit Erz vom Lake Champlain ausgefüttert waren, wurden mit Anthrazit unter Anwendung kräftigen Unterwindes geheizt. Die grösste Bessemeranlage war die von Griswold \& Co . zu Troy, die in zwei Konvertern täglich 12 Chargen zu 5 Tonnen verblies. Von jeder Charge wurden Proben genommen. Die beiden Martinstahlwerke zu Trenton in New Jersey und zu Boston konnten nur durch den Schutzzoll bestehen; sie be- zogen alle Rohmaterialien, selbst die feuerfesten Steine, aus England. Der Zoll betrug damals 6 Dollar in Gold pro Tonne Roheisen. Zu Trenton wurden 16 Chargen zu 4 Tonnen in der Woche gemacht. In Westpennsylvanien mit Pittsburgh als Mittelpunkt wurde nur bituminöse Kohle verwendet. Die Verkokung geschah noch meistens in Haufen, als Öfen waren die runden Backöfen, die sogenannten Bienenkorböfen, in Gebrauch. Es gab sieben Hochöfen in diesem Gebiete. An Eisenerz war Mangel und wurden Erze vom Lake Superior bezogen. Die 1870 errichtete neue Kokshochofenanlage von Schön- berger \& Blair bezog die Hälfte ihrer Erze von Canada, die andere Hälfte von Pilot Kob in Missouri. Auf einen Teil des aus der 60 pro- zentigen Erzbeschickung erhaltenen Roheisens wurden 1¼ Koks ver- braucht. Die Hochöfen hatten Blechmäntel und wurde das Schacht- mauerwerk von sieben Säulen getragen. Man blies mit sechs Formen. Das neue Cambriastahlwerk verblies in seinen Bessemerbirnen zur Vereinigte Staaten von Nordamerika. Hälfte englisches Hämatiteisen, zur Hälfte Holzkohlenroheisen vom Lake Superior. 1871 verarbeiteten 42 Walzwerke in Pennsylvanien mit 15000 Arbeitern 400000 Tonnen Roheisen, etwa ein Viertel der Produktion Nordamerikas: sieben Stahlwerke erzeugten 30000 Tonnen Stahlwaren. Eine bemerkenswerte Anlage war das Kaltwalzwerk von Jones \& Laughlins in Pittsburgh, das besonders polierte Wellen für Transmissionen lieferte. In Ohio verschwanden die alten Holzkohlenöfen mehr und mehr, ebenso der Kohleneisenstein, den man früher verhüttet hatte. Man bezog meistens Erze vom Oberen See. Youngstown war das Centrum der Industrie. Die zwei Hochofenhütten bei Cincinnati schmolzen mit ⅜ Koks und ⅝ magerer Steinkohle Erze von Missouri und Tennessee. In dem Schienenwalzwerk daselbst waren seit 1868 rotierende Puddel- öfen (Danksöfen) im Gebrauche, in die das in Kupolöfen geschmolzene Roheisen flüssig eingeführt wurde. Die neue Bessemerhütte zu Cleve- land war von dem deutschen Ingenieur H. Gmelin erbaut worden. Man walzte dort die Stahlschienenköpfe für sich und setzte sie auf die aus Puddeleisen gewalzten Unterteile auf. Die Bessemerflamme prüfte man mit dem aus gelben und blauen Gläsern hergestellten Chromopyrometer von Silliman . In Missouri, wo sich die Eisenindustrie um St. Louis gruppierte, verschmolz man trotz der berühmten Erzvorkommen des Landes: Iron mountain, Pilot Knop, Sheppards Mountain, vielfach Lake Superior- Erze, besonders geschätzt war das Maramec-Erz. Die sieben Hoch- öfen der St. Louishütte verwendeten ⅓ Koks von Pittsburgh und ⅔ rohe Steinkohle aus Indiana. Die Eisenindustrie am Lake Superior war noch jung. 1851 war der erste Holzkohlenhochofen in Betrieb gekommen. 1869 waren von 14 Öfen 10 in Thätigkeit. 1870 wurde der erste Hochofen für Steinkohlenbetrieb bei Marquette erbaut, der die Kohlen von Cleve- land als Rückfracht erhielt. Bei Chicago waren zwei Hütten, welche, wie die von St. Louis, mit ⅓ Koks und ⅔ Kohlen schmolzen. Sie hatten vier Walzwerke. Erz und Kohlen mussten bezogen werden. Dennoch war die Lage als wichtiges Verbrauchscentrum günstig. Milwaukee, wo 1869 ein Walzwerk und 1870 eine Hochofenanlage am Michigansee entstanden waren, lag günstiger für den Bezug. Die Öfen waren für Steinkohlenbetrieb erbaut, 66 Fuss hoch und mit Blechmänteln versehen. Die Arbeitslöhne waren 1870 durchschnittlich viermal so hoch Beck, Geschichte des Eisens. 81 Vereinigte Staaten von Nordamerika. wie in Deutschland. Ein Puddler in Pittsburgh erhielt 12 Mark, in St. Louis 13½ Mark den Tag. In Missouri war auf den Vulkanwerken ein Hochofen von 100 Fuss Höhe und 25 Fuss Kohlensackweite erbaut worden, von dem man eine Produktion von 180 bis 200 Tonnen den Tag erhoffte. In Richardsons Giesserei zu Hartlepool standen die Formkasten auf einer elliptischen Eisenbahn, die sie dem Stampfraum, dem Giessraum und dem Raum zum Entleeren zuführte. Besonders grosse Eisen- und Stahlwerke ent- standen in Illinois am Südende des Michigansees um die empor- strebende Hauptstadt Chicago. Dorthin konnten die Erze vom Lake Superior auf Schiffen gelangen und ausgedehnte Steinkohlenlager fanden sich in der Nähe. 1872 kamen ausser den älteren South- Chicago-Eisenwerken die Eisen- und Stahlwerke Joliet und North- Chicago in Betrieb. Die Erzeugung von Bessemerschienen besonders in Joliet war von 1869 bis 1871 von 53261 Tonnen auf 91178 Tonnen gestiegen Wir verweisen auf die ausführliche Beschreibung der amerikanischen Eisen- werke von Hugo Hartmann in der Berg- und hüttenmänn. Ztg. von 1872 und auf Lenox Smiths , The manufacture of steel, New York 1872. . Wichtige Fortschritte machte die Bessemerstahlerzeugung in den Vereinigten Staaten Anfang der siebziger Jahre. Hierzu trugen drei Männer, John Holley, John Fritz und George Fritz , besonders bei. Die wichtigsten Werke waren Troy, Harrisburg, Newburg bei Cleveland in Ohio, Johnstown und Bethlehem in Pennsylvanien, die Südchicago- werke bei Bridgeport, Joliet und die Nordchicagowerke. Zu Troy erreichte man 1872 in zwei 5-Tonnen-Konvertern eine Monatsproduktion von 2000 Tonnen, indem man 16 bis 20 Chargen in 24 Stunden blies. Dieses rasche Treiben, welches seitdem immer mehr gesteigert wurde, entsprang nicht allein dem Streben nach Massenproduktion, sondern es entsprach auch dem amerikanischen Bessemerroheisen, das einen ge- ringen Siliciumgehalt hatte und deshalb rasch verblasen werden musste. Das schnelle Verblasen der Chargen wurde wesentlich gefördert durch die Erfindung der Losböden von Alexander Holley in Troy, die 1871 zu allgemeiner Einführung gelangten und eine rasche Wiederinstandsetzung der Birnen ermöglichten. Die Verbesserung, welche John Fritz in den Bethlehem-Works dadurch einführte, dass er den Boden der Giessgrube mit dem Hüttenboden in gleiche Höhe legte, so dass eine Eisenbahn direkt in die Grube fahren konnte, hatte auch den Zweck, den Betrieb zu beschleunigen. Dasselbe lässt sich von der wichtigen Verbesserung der Walzwerke durch John Fritz , Vereinigte Staaten von Nordamerika. die Einführung von Triowalzen, erst nur zum Auswalzen von Schienen, später auch zum Walzen der Blöcke, sagen. George Fritz führte in Troy vertikale Gebläsemaschinen ein und verbesserte den hydrau- lischen Betrieb, besonders durch die Einführung der Worthington- Dampfpumpe ohne Schwungrad. Er baute 1871 das erste Blockwalz- werk mit mechanischer Bedienung auf den Cambriaeisenwerken und begründete damit den sparsamen amerikanischen Walzwerkbetrieb. In Troy machten 1872 ein Paar 5-Tonnen-Konverter 16 Schmelzungen in 24 Stunden, in Harrisburg sogar 18 bis 20; in Cleveland leisteten vier 5-Tonnen-Konverter 24 Schmelzungen in 24 Stunden. Die Union- Walzwerkgesellschaft in South-Chicago machte 14 Schmelzungen von 120-Tonnen-Chargen. Das Einschmelzen des Roheisens geschah allgemein in grossen Kupolöfen mit automatischer Beschickung. Die Stahlblöcke wurden erst überschmiedet. John Fritz hatte bereits bewegliche Walzentische und hydraulische Friktionskuppelungen bei den Walzwerken eingeführt. George Fritz Stahl und Eisen 1897, S. 136. hatte Rollgänge und Blockwender erfunden. Das Aus- ziehen der Blöcke aus dem Wärmeofen geschah mit einem hydraulischen Apparat. Während bei den Holleyschen Triowalzen die Mittelwalze beweglich war und nach jedem Stich eingestellt werden musste, machte G. Fritz in den Cambriawerken Ober- und Unterwalze beweglich. Zur Kontrolle des Bessemerbetriebes wendete man nicht nur mechanische Proben, sondern auch die Eggertzs che Kohlenstoffprobe an. Sellers erfand 1872 einen verbesserten Drehpuddelofen und ein Sandstrahlgebläse, das zunächst zum Putzen der zu verzinnenden Eisenbleche verwendet wurde. 1872 wurden in den Vereinigten Staaten 107 Hochöfen und 36 Walzwerke neu gebaut, davon in Penn- sylvanien 48 und 15, in Ohio 13 und 7, in Wiskonsin 8 Hochöfen, in Illinois 3 Hochöfen und 4 Walzwerke. Die erste grössere rationelle Koksanstalt wurde von den Deutschen Gebrüder Meier , St. Louis gegenüber, auf der Illinoisseite des Mississippi gegründet. Man ver- kokte Belleville-Blockkohle in einer Batterie von 24 Coppéeöfen. Eine Kohlenwäsche gehörte dazu. Zu Titusville versuchte man einen Hoch- ofen mit Petroleum statt mit Holzkohlen zu betreiben. 1873 waren von 147 Holzkohlenhochöfen 105 in Betrieb und zwar die meisten in den Südstaaten und den Küstenländern. Von 126 Anthrazitöfen standen 83 im Feuer, vier wurden mit einem Ge- 81* Vereinigte Staaten von Nordamerika. menge von Koks und Anthrazit betrieben; von den 104 Kokshochöfen gingen 56. Ein Hochofen der Milwaukee-Gesellschaft schmolz 1362 Tonnen Roheisen im Monat. Für Bessemerroheisen wurden Moktaerze aus Algier in Pennsylvanien eingeführt. Im ganzen gab es 681 Hochöfen, 343 Walzwerke und 51 Stahlwerke. Die Erzeugung der Hochöfen war nach dem Brennstoff die folgende: mit Holzkohlen 520749 Net Ton Net Ton = 908,07 kg. mit Anthrazit 1249673 „ mit Koks 873634 „ Steinkohle und Holzkohle 1778 „ Koks und Anthrazit 480000 „ Holzkohle und Torf 1600 „ Zusammen 2695434 Net Ton. Ausserdem waren noch viele Katalan- oder Luppenschmieden zur direkten Schweisseisenerzeugung aus Erzen im Betrieb, besonders in der Gegend zwischen Trenton und New Jersey. Thomas S. Blairs Prozess der direkten Eisenerzeugung aus Eisenschwamm, die zuerst in Blairs Werke zu Glenwood bei Pittsburgh ausgeführt wurde, fand Anklang und Verbreitung. Mit den Danks-Rotatoröfen wollte es nicht vorwärts. In Chatanooga wurden die 10 Danksöfen wieder durch ge- wöhnliche Puddelöfen ersetzt. 1873 wurde zuerst natürliches Gas in der Eisenindustrie angewendet und zwar zu Leechburg Pa. In diesem Jahre erfand Dekalb in Illinois den Stacheldraht, der für die Drahtfabrikation von grosser Bedeutung wurde. Durch die ge- schäftliche Krisis Ende 1873 mussten viele Eisenwerke ihren Betrieb einschränken; alle Eisenbahnbauten gerieten ins Stocken. 1871 waren 7779, 1872 6427 Meilen neue Bahnen gebaut worden. Am 1. Januar 1874 waren von 57 Schienenwalzwerken nur 10 in vollem Betriebe, 7 in halbem und 33 lagen still. An 30000 Eisenarbeiter waren ohne Beschäftigung. Die Schienenpreise stiegen 1871 bis September 1872 von 30 auf 53 Dollar die Tonne, sanken aber Ende 1873 auf 32½ Dollar herab. Die technische Vervollkommnung des Bessemerbetriebes machte immer grössere Fortschritte. Am 13. Februar 1874 blies man bei John A. Griswold in Troy mit einem Paar 5-Tonnen-Konvertern in 24 Stunden 50 Chargen und erhielt 268 Tonnen Stahlblöcke. Das Roheisen dazu wurde in zwei Kupolöfen mit einem Sturtevant - Ventilator geschmolzen. Cambria-Works vollendeten eine Charge von Vereinigte Staaten von Nordamerika. 109 Centner in 52 Minuten. Als die best eingerichteten Werke galten die zu Joliet und Bethlehem. Die Leistungen der amerikanischen Bessemerwerke hatten die der europäischen überflügelt. Englischer Gussstahl war dagegen noch unentbehrlich. Versuche auf dem Joliet-Bessemerwerk, mit nach dem System Bérard gewaschenen Steinkohlen Bessemerroheisen zu erblasen, hatten keinen Erfolg, weil auch die gewaschene Illinoiskohle immer noch zu reich an Schwefel war. Man musste also wieder zu grauem Holz- kohlenroheisen vom Oberensee zurückkehren. Chargierapparate für Hochöfen von Weimer und Birkenbine wurden zu Lebanon, Pa., eingeführt. 1875 führte man auf demselben Werke das Puddeln mit natürlichem Gas ein, nachdem Eames schon 1873 zu Jersey City mit dem von ihm erfundenen Petroleum-Generator Schweissöfen betrieben hatte. Strong bereitete zuerst Wassergas. John Fritz erfand sein Trio-Blockwalzwerk. Die rasch gehenden Dampfmaschinen („Schnellläufer“) kamen immer mehr in Aufnahme. 1876 fand die erste Weltausstellung in den Vereinigten Staaten zu Philadelphia statt, welche die Fortschritte auf dem Gebiete der Eisen- industrie zur Darstellung brachte und wesentlich dazu beitrug, die Auf- merksamkeit der Industriellen Europas zu erwecken. Dies wurde ge- fördert durch die anerkennenden Berichte von P. von Tunner, Wedding, Åkerman und anderen. Am meisten erregten die Leistungen der Bessemerwerke Bewunderung, doch bot auch die Hochofenindustrie viel Bemerkenswertes dar. Ward erzeugte zu Carterville in Georgia in einem kleinen Holzkohlenofen täglich 3 Tonnen Ferromangan. Es gab Holzkohlenöfen von 62 bis 69 Fuss Höhe und 14 bis 16 Fuss Kohlensackweite, welche die grossen Öfen im Ural und in Österreich übertrafen. Dabei war ihre Erzeugung infolge der reichen Erze und der kräftigen Gebläse viel höher als in Europa. Die Erze waren viel- fach so reich an Eisen und so arm an Thonerde, dass man wegen der notwendigen Schlackenbildung den Dolomit dem Kalkstein vorzog. — Das Bessemerroheisen wurde bereits grossenteils im Lande erblasen und zwar aus Erzen vom Oberen und vom Champlain-See. Es fiel meistens sehr grau. Das auf den Edgar-Thomsonwerken erblasene hatte 3,8 Prozent Graphit, 0,6 gebundenen Kohlenstoff, 2 Silicium, 0,2 bis 0,3 Mangan, 0,07 bis 1,11 Phosphor und 0,002 bis 0,020 Schwefel. Für den Bessemerprozess wurde das Roheisen in Kupolöfen, unter denen sich die McKenzie -Öfen gut bewährten, umgeschmolzen. Das Roheisen wurde in eine Pfanne, die auf einer Wage stand, ab- gestochen und dann in die Birne entleert. Die Birnen standen nicht Vereinigte Staaten von Nordamerika. mehr zu zwei sich zugekehrt an einer vertieften Giessgrube, sondern parallel nebeneinander in einer Reihe. In 30 Minuten war eine Charge fertig, wobei am Schluss 10 Prozent Spiegeleisen von 10 bis 12 Prozent Mangangehalt zugesetzt wurden. Der Abbrand betrug 7 bis 9 Prozent. Der in dieser Weise auf den Edgar-Thomsonwerken erblasene Stahl enthielt 0,3 bis 0,5 Prozent Kohlenstoff, 0,015 bis 0,090 Silicium, 0,2 bis 0,5 Mangan, 0,084 bis 0,128 Phosphor und nur Spuren von Schwefel. 210 Tonnen Roheisen gaben in 24 Stunden 180 Tonnen fertige Schienen in 30 Operationen. Das war mehr als die doppelte Leistung der besten europäischen Werke. 22 Birnen in den Staaten leisteten mehr als 76 in Deutschland. 1875 lieferte eine 5-Tonnen-Birne in Amerika 448853 Centner, in Deutschland 104707 Centner. Die Glühöfen waren Gasöfen mit vier Arbeitsthüren. P. Tunner erklärte die Überlegenheit des amerika- nischen Betriebes 1. aus dem raschen Einschmelzen des Roheisens in sehr leistungsfähige Kupolöfen, 2. aus dem raschen Auswechseln der Kon- verterböden, 3. aus dem kommunizierenden Guss grosser Blöcke von 15 bis 30 Centner Gewicht, 4. aus der vorzüglichen Anlage der Hütten und Walzwerke. Man walzte aus einem Blocke unmittelbar zwei bis vier 30 Fuss lange Eisenbahnschienen und erzielte ein Ausbringen von 70 bis 71 Prozent. Die Schienen hatten nur ½ bis 1 Prozent Aus- schuss. Zu dem intensiven Betrieb gehörten starke Gebläse und Walzenzugmaschinen. Die stehenden Gebläsecylinder waren weit und niedrig, z. B. 2,20 m Durchmesser auf 1,26 m Hub, und machten 36 bis 40 Touren in der Minute. Auch die vorzüglichen Transport- mittel erhöhten die Leistungsfähigkeit der Stahlwerke. Die heissen Blöcke wurden durch eine Lokomotive nach den Glühöfen gefahren. Überall waren hydraulische Kräne in Anwendung. Die Schienen ge- langten automatisch durch Rollengänge von den Walzen zu den Scheren. Die Blockwalzwerke waren mit automatischen Walzentischen nach Fritz Holleys System versehen. Nur zu Cambria arbeitete man mit einem Reversierwalzwerk. Die grösste Erzeugung von Stahl- schienen hatte 1876 die Lackawanna Eisen- und Kohlengesellschaft, die 125,15 Tonnen in 12 Stunden walzte. Blairs Prozess hatte sich nicht bewährt und war zu Glenwood 1876 nicht mehr im Gange. Zu Clinton und Millvale Rolling Mill bei Pittsburgh lieferten 10 Danksöfen mit 144/100 Steinkohlen vorzügliches Luppeneisen. Der Siemens-Martinprozess war 1876 auf 16 Hütten im Gange. Auf dem Ohio-Eisenwerke wurde die Hälfte der Charge kalt Vereinigte Staaten von Nordamerika. eingeschmolzen, dann die vorgewärmte andere Hälfte nachgetragen. Die Gussstahlhütte (Crescent Steel Works) von Miller, Metcalf \& Parkin zu Pittsburgh war durch Anlage neuer Siemens-Tiegelschmelz- öfen sehr vergrössert worden. Hier war auch Swindells Gas-Cementier- ofen eingeführt worden. Zu Worcester standen in der Stahldrahtfabrik der Washburn \& Moen Manufacturing Company zwei Walzwerke in Betrieb, von denen sich das eine von Johnson erbaute durch grosse Leistungsfähigkeit auszeichnete. Das Kaltwalzwerk der American Works von Jones und Laughlins zu Pittsburgh erzeugte 1876 be- reits 120000 Centner blanke Wellen. — Carnegie, Phipps \& Co . bauten den Lucy -Hochofen. Die Weltausstellung zu Philadelphia gab vielfach zur persönlichen Annäherung europäischer und amerikanischer Eisenhüttenleute und technischer Verbände Veranlassung, deren nützliche Folgen in den folgenden Jahren sich bemerkbar machten. Auch war gelegentlich der Ausstellung eine internationale Konferenz zur Festsetzung einheit- licher Benennung der Eisen- und Stahlsorten abgehalten worden (siehe S. 320). 1877 begann die Roheisenerzeugung sich wieder etwas zu heben. Ein phosphorarmes Siliciumeisen mit 8 bis 10 Prozent Silicium stellte der Gore -Hochofen in Hocking County, Ohio, her. Die Danksöfen der Millvale-Hütte bei Pittsburgh wurden von deren Direktor John A. Williams durch Wasserkühlungen verbessert. Chromstahl stellte die Chromstahl-Aktiengesellschaft zu Brooklyn dar. Die grösste Produktion an Bessemerstahl und Stahlschienen erzielte die Pennsylvanian Steel Company, die in einem Tage in zwei 5-Tonnen- Konvertern 359 Tonnen Stahl erzeugte und 354 Tonnen Schienen walzte. Im Monat November betrug die Produktion 7196 Tonnen Stahl und 6915 Tonnen Schienen. 1877 erfand McCallip in Columbus seine mechanische Umführung für Drahtwalzwerke. Das Technikum zu Hoboken eröffnete in diesem Jahre eine Versuchsanstalt. 1878 wurde immer noch ein Drittel der Hochöfen mit Holz- kohlen betrieben, die etwa ein Sechstel der Roheisenproduktion lieferten. Birkinbine erzielte grosse Ersparnis durch Einführung der Ofen- verkohlung an Stelle der Meilerverkohlung. Es gab ferner noch 122 Frischfeuer, die 130000 Tonnen Frischeisen lieferten. Siemens- Regenerativöfen zählte man 168, nämlich 101 so eingerichtete Puddel- und Schweissöfen, 27 Martin- und 40 Gussstahlöfen. Seit 1877 hatte das Verfahren der direkten Eisendarstellungen von du Puy in Amerika Eingang gefunden. Auf der Readinghütte (Pa.) wurde durch Vereinigte Staaten von Nordamerika. Ersatz der Holzkohlen durch Anthrazitpulver, auf dem Crescent-Stahl- werke bei Pittsburgh durch Verwendung von Schwefelkiesrückständen (blue billy) Fortschritte gemacht. Dieses Verfahren wurde auf dem Sligo-Eisenwerke bei Pittsburgh verbessert. Das Produkt war nur als Rohmaterial für den Martinprozess verwendbar. Der Martinprozess machte keine besonderen Fortschritte, weil man die Schienenenden beim Bessemern in die Birne warf, sowohl um sie zu verwerten, als um zu heissem Gange entgegenzuarbeiten. 1879 war in Hocking Valley, Ohio, eine Eisenindustrie erblüht auf Grund günstiger natürlicher Verhältnisse, indem sich Kohlen, Erze und Kalkstein in nächster Nähe fanden. 13 Hochöfen, von denen die meisten 1877 erbaut waren, lieferten damals das billigste Roh- eisen der Vereinigten Staaten. Die Edgar Thomson -Werke bei Pittsburgh zeichneten sich unter der Leitung von Kapitän Wm. R. Jones durch hervorragende Leistungen aus. Ein neuer Hochofen (B) wurde mit geschlossener Brust und acht Windformen zugestellt. Er erhielt eine Höhe von 24,511 m und eine Weite von 6,096 m im Kohlensack, 4,767 m in der Gicht und 2,743 m im Gestell. Dieser Ofen erzeugte am 17. Mai 1880 184 Tonnen Roheisen und erzielte eine Wochenproduktion von 1137 Tonnen. Das Bessemerstahlwerk lieferte 2853 Tonnen rohe Blöcke, 2712 Tonnen vorgewalzte Blöcke und 2116 Tonnen Schienen in einer Woche. Diese Leistungen erregten grosses Aufsehen, und seitdem fing, namentlich bei dem Hochofenbetrieb, ein scharfer Wettbewerb grösserer Produktionen an. Diese wurden durch starkes Blasen mit kräftigen Gebläsen erreicht. Auf Brennstoffökonomie wurde dabei keine Rücksicht genommen, auch nicht darauf, dass durch das starke Blasen die Oefen in kurzer Zeit im Innern ausbrannten und zerstört wurden. Diese Methode des rücksichtslosen Darauflosblasens (American rapid driving) hielt in der folgenden Zeit eine Reihe von Jahren an. Der im Jahre 1879 in Europa eingeführte Thomasprozess kam in Amerika zunächst nicht zur Anwendung, weil der Reichtum an reinen Erzen, aus denen sich ein gutes Bessemerroheisen erblasen liess, dies überflüssig erscheinen liess. Doch beschäftigte sich Alexander Holley seit 1880 bis kurz vor seinem Tode mit Projekten und Prin- zipien zur Anlage von Thomaswerken. Dagegen kam die Fabrikation von Herdflussstahl immer mehr in Aufnahme. Die Erzeugung des- selben stieg von 1879 bis 1880 von 56290 Tonnen auf 112953 Tonnen. Die Erzeugung des Roheisens erhöhte sich in derselben Zeit von Vereinigte Staaten von Nordamerika. 2785284 Tonnen auf 3895940 Tonnen. Massenerzeugung war der Gesichtspunkt, der den Betrieb der Hochofen- und der Stahlhütten leitete. Die Verwendung des Flussstahls wurde eine immer aus- gedehntere. 1880 wurde die grosse Brücke über den Mississippi bei St. Louis aus Flussstahl gebaut. In demselben Jahre kam der Bau hoher eiserner Häuser in Aufnahme. In dem Cleveland-Walzwerk erzielte man im Flammofen durch Zusatz von Eisensilicid vor dem Abstechen dichte Güsse. — R. J. Anderson versuchte die direkte Eisengewinnung von C. W. Siemens (das Präzipitationsverfahren) zu Tyrone und gründete die Siemens-Anderson -Stahlgesellschaft, die ein Werk bei Pittsburgh erbaute, das aber nicht reussierte. Auf den von Carnegie Brothers erworbenen Edgar Thom- son -Eisenwerken bei Pittsburgh schmolz der neuerbaute Hochofen 160 grosse Tonnen den Tag. Der Satz für eine Tonne Roheisen bestand aus: Eine Gicht hatte 4,18 Tonnen Erz; man schmolz 65 Gichten den Tag. Der Wind wurde in drei Cowperapparaten auf 565° C. erhitzt. Man blies mit 8 Formen von 5½ Zoll Weite, mit einem Winddruck von 191 Linien Quecksilber, wodurch 1015 Kubikfuss Wind in der Sekunde in den Ofen strömten. Ganz ausserordentlich waren die Er- folge des Bessemerstahlwerkes der Edgar Thomson -Werke, unter Kapitän Jones ’ vortrefflicher Leitung. Er erzielte im November 1889 eine Produktion von 15235 Tonnen mit zwei 8-Tonnen-Konvertern. Diese Leistung wurde noch übertroffen von den Bethlehemwerken, die unter der Leitung von John Fritz in demselben Monat 15729 Tonnen in zwei 8-Tonnen-Konvertern erbliesen. Das neue Stahlwerk zu South-Chicago arbeitete mit drei 10-Tonnen-Konvertern. Die heissen Blöcke wurden in vier Siemensgasöfen ausgeheizt und in einem Trio- walzwerke vorgewalzt. Sodann wurden sie statt in einem Trio- in einem Duowalzwerk mit Reversierung in Schienen von 3 × 30 Fuss Länge ausgewalzt. In dem Otiswalzwerk (Ohio) wurden die gegossenen Stahlblöcke ungehämmert direkt zu Blech ausgewalzt. A. W. Hains- Vereinigte Staaten von Nordamerika. worth erfand eine Durchweichungsgrube mit Regenerativfeuerung. Siemens-Andersons Stahlwerk walzte die Herdflussstahlblöcke unter einem Universalwalzwerk, das mit besonderen Hülfsmaschinen zur Umkehrung versehen war, aus. Ferromangan stellten die Dia- mondhochöfen in Georgia, das an guten Manganerzen reich ist, dar. Die Poughkeepsie-Eisen- und Stahlwerke (New York) machten Eisen direkt aus den Erzen mit Petroleum. Du Puys Verfahren wurde 1881 auf den Phönix-Werken betrieben. Auch das Verfahren von H. Clay Bull kam in Aufnahme. Das American Institute of Mining Engineers hielt regelmässige Jahresversammlungen ab. Das Jahr 1882 riss eine Lücke in die Reihe der Eisenhüttenleute durch den am 28. Januar erfolgten Tod des nicht nur für die Stahlindustrie der Vereinigten Staaten, sondern der ganzen Welt hochverdienten Alexander Lyman Holley. — G. Duryce führte 1882 seinen Petroleum-Puddelofen ein und Cad- dick zu Pembrock (Mass.) seinen Puddelofen mit verbesserter Luft- zuführung und Wasserkühlung. In diesem Jahre baute William Garrett zu Cleveland sein berühmtes Draht-Schnellwalzwerk. Reese in Pittsburgh nahm ein Patent auf den Duplexprozess, eine Kombi- nation von Konverter- und Herdprozess (die indes schon früher in Neuberg ausgeführt worden war). Er goss das flüssige Roheisen direkt aus dem Hochofen in den Konverter, entsilicierte und entkohlte es hier und entleerte das Produkt — dead soft steel — in den Martinofen, wo es vom Sauerstoff befreit, rückgekohlt und fertig gemacht wurde. Ein grosser Streik der amerikanischen Eisenarbeiter, der mehrere Monate anhielt, misslang. Das neue Bessemerwerk der South-Chicago-Stahlwerke, das mit allen Verbesserungen ausgerüstet war, kam 1882 in Betrieb. Es be- zeichnet einen weiteren Fortschritt in der Flussstahlindustrie. Vier Hochöfen von je 22,6 m Höhe und 6,7 m Weite des Kohlensacks er- zeugten 6000 Tonnen Roheisen in der Woche. Dieses wurde direkt in 10 bis 12 Tonnen fassende Pfannen abgestochen und aus diesen zu die 10-Tonnen-Konverter, von denen drei vorhanden, aber zwei nur in beständigem Betriebe waren, abgestochen. Das fertige Metall wurde in einer Lokomotivpfanne in das Giesshaus gefahren und hier zu Blöcken von 1 Tonne vergossen, die in vier Wärmeöfen, welche mit Re- generativ-Gasfeuerungen versehen waren, eingesetzt und dann in einem Blocktrio mit hydraulisch bewegten automatischen Tischen in 11 Durchgängen ausgewalzt wurden. Das Walzgut gelangte dann mittels Rollbahn zu dem Schienenwalzwerk, das von einer Doppelt- Vereinigte Staaten von Nordamerika. Compound-Reversiermaschine von 6000 P. S. getrieben wurde. In sieben Durchgängen wurden die Blöcke in Schienen von 90 Fuss Länge ausgewalzt. Diese wurden dann sofort heiss unter der Schere in drei Schienen der üblichen Länge von 30 Fuss zerschnitten, die warm gerichtet wurden. Man sparte also hierbei das Umschmelzen des Roheisens und das Teilen und Wiedererhitzen der Blöcke, ferner gab es weniger Abfallenden. Die Zeit vom Beginn des Vorwalzens bis zur fertigen Schiene betrug nur 12 Minuten. Auf dem Cambria-Eisenwerk hatte man rotierende Pernotöfen eingeführt, die sich nach einem Bericht von Troilus gut be- währten. Zu den hervorragenden Leistungen der amerikanischen Eisen- hütten trug die Geschicklichkeit und der Fleiss der Arbeiter wesent- lich bei. Trotz der sehr viel höheren Löhne waren die Arbeitskosten, auf das Gewicht des Produktes berechnet, wesentlich niedriger als in irgend einem anderen Lande. Nach Trasenster kamen 1880 auf einen Arbeiter 82 Tonnen Bessemerstahlerzeugung, in Belgien höchstens 42 Tonnen. Man ersetzte ziemlich allgemein die 5-Tonnen-Konverter durch grössere, meist 10-Tonnen-Konverter. 1883 befanden sich folgende Bessemerwerke in Betrieb: Vereinigte Staaten von Nordamerika. Im Bau befanden sich 1883 folgende Werke: Den basischen oder Thomasprozess hatte bis dahin nur die Pennsylvania Steel Co. versuchsweise ausgeführt. Abgesehen davon, dass das Bedürfnis für den Thomasprozess kein so dringendes war, wurde seine Einführung dadurch aufgehalten, dass J. Reese in Pitts- burgh ein Patent erworben hatte, das dem Patent Thomas im Wege stand. Reese , der sehr viele Patente nahm, erhielt auch ein solches für fahrbare Konverter und fahrbare Durchweichungsgruben. Die Pittsburgh Bessemer Steel Co. verkaufte 1883 ihr berühmtes Stahlwerk an die benachbarte Konkurrenzfirma Carnegie Brothers \& Co . Man war immer noch bestrebt, die alten Betriebe zu erhalten und zu verbessern. 1883 gab es in den Unionstaaten noch 68 Luppen- oder Catalanschmieden, in denen Schmiedeeisen unmittelbar aus Erzen erzeugt wurde; hiervon entfielen auf Vermont 2, New York 27, New Jersey 2, Pennsylvania 1, Virginia 2, Nord-Carolina 12, Tennessee 21 und Missouri 1. In Tennessee waren sie meist Nebenbetriebe der Landwirtschaft. Das grösste Werk war die Sable Iron Works in Essex County (New York) mit 22 Herden und 8000 Tonnen Jahreserzeugung. Die ganze Produktion hatte 1882 48254 Tonnen betragen. Die Luppen (Blooms) dienten meist als Material für besten Werk- zeug-Tiegelstahl und für Martinstahl, ein Teil wurde zu Manu- fakturwaren verarbeitet. Ebenso wurde das Eisen der Frischherde des Champlaindistriktes zu Blechen, Draht, Fluss- und Tiegelstahl verwendet. Die Produktion der Holzkohlenhochöfen suchte man durch Er- höhung der Öfen, heisseren Wind und stärkere Pressung zu steigern, wodurch man zugleich Ersparnis an Kohlen und Arbeitslohn erzielte. Man baute die neuen Holzkohlenhochöfen 52 bis 56 Fuss hoch. Für die neuen Hochöfen D und E der Edgar-Thomson-Werke wurden Vereinigte Staaten von Nordamerika. die von Jul. Kennedy verbesserten Cowperapparate erbaut Siehe Stahl und Eisen 1883, Heft 3. . Für die Herstellung von Spiegeleisen aus Franklinit errichtete die New- Jersey-Zinkgesellschaft zwei neue Hochöfen mit Cowperapparaten. 1883 wurde von den pennsylvanischen Stahlwerken das Thomas- verfahren zu Harrisberg endgültig eingeführt, während die Edgar- Thomsonwerke und die Steeltonwerke nur Versuche damit anstellten. Bei dem Konverterprozess versuchte man die Rückkohlung durch Einblasen von Naturgas. Die amerikanischen Eisenindustriellen legten Wert auf eine gute Statistik. Diese wurde besonders bearbeitet und in jährlichen Ver- öffentlichungen mitgeteilt von Richard P. Rothwell in dessen Jahr- buch der Mineralstatistik von Amerika und von J. Swank . Dieser hatte 1876 ein Werk „The American Iron Trade“ veröffentlicht und gab seitdem regelmässig seine vortrefflichen Statistics of the American and Foreign Iron Trades heraus. 1884/85 veröffentlichte J. Trasenster zu Lüttich eine gute Übersicht über die Roheisendarstellung in den Vereinigten Staaten. Danach betrug 1884 die Roheisenerzeugung 4160 Kilotonnen, davon waren 415 Kilotonnen Holzkohlenroheisen, das besonders in Michigan, dann auch in Ohio, Missouri und an der West- küste erblasen wurde. Die Hochöfen mit mineralischem Brennstoff teilt Trasenster nach der Lage zu dem Alleghanygebirge in drei Gruppen: in die Ostgruppe, welche vornehmlich mit pennsylvanischem Anthrazit Erze aus dem Osten, besonders vom Champlainsee, ver- schmilzt; die wichtigsten Werke liegen in den Thälern von Lehigh, Shuylkill und Susquehanna (Pa.), am Champlainsee, am Hudson (N. Y.) und in New Jersey. Die Westgruppe verhüttet Lake Superior- und Missourierze mit Connelsville-Koks; Pittsburgh und Chicago sind die Centren. Die Südgruppe umfasst die Werke, welche mit Koks des Apalachebassins (Arkansas, Tennessee) schmelzen. Die neuesten und grössten Öfen waren die zwei Lucy-Hochöfen von 26,50 m Höhe, 8,10 m Kohlensackweite und 500 cbm Inhalt, und vier Hochöfen der Edgar Thomsonwerke von 24,40 m Höhe, 6,20 m Kohlensackweite und 445 cbm Inhalt. Alle neuen Öfen arbeiteten mit Lürmanns Schlackenform und geschlossener Brust. Die Lucyöfen hatten sieben bis acht Wind- formen und automatische Beschickung. Die Cambriaöfen waren mit Vorrichtungen zum Einblasen pulverförmiger Stoffe in das Gestell ver- sehen. Alle neuen Öfen hatten steinerne Winderhitzer. Ende 1883 besassen 70 Öfen 215 Whitwellapparate und 13 Öfen 33 Cowper- Vereinigte Staaten von Nordamerika. apparate. Die Gebläse waren, wie die Serainggebläse (System Cockerill), stehend angeordnet nach Konstruktionen von Macintosh, Hamphill , besonders aber von Weimer . Starke Weimer-Gebläsemaschinen waren namentlich bei den Anthrazithochöfen, die hohen Winddruck verlangten — bei Versetzungen bis 1 m Quecksilbersäule —, ein- geführt. Die Gichtgase wurden meistens trocken gereinigt. Viele der neuen Öfen, besonders der Westgruppe, waren von Witherow und Gordon in Pittsburgh erbaut. Bei der Darstellung von Bessemer- roheisen aus 60 prozentigen Erzen fielen nur 600 bis 800 kg Schlacken auf 1000 kg Roheisen. Von den vorzüglichen Connelsville-Koks verbrauchten die Chicago-Hochöfen nur 1 auf 1 Roheisen. Puddel- roheisen wurde in Pittsburgh aus reichen, aber für Bessemerroheisen zu phosphorhaltigen Lake-Superior-Erzen unter Zuschlag von Puddel- und Schweissschlacken erzeugt. Der Edgar-Thomson-Ofen A und der Commanghofen bliesen Spiegeleisen aus Cartagenaerzen und reichen Manganerzen. 1884 erfand Captain Jones auf den Consett Works der Carnegie Brothers \& Co. den Mischer. Robert W. Hunt führte verbesserte Walzentische ein. Im Gegensatz zu und gerade wegen der Vergrösserung der Bessemerbirnen, infolgedessen die ganzen Schmelzanlagen und Walz- werke immer grösser und kostspieliger gestaltet werden mussten, fand die Kleinbessemerei nach dem Verfahren von Clapp-Griffith An- klang und Verbreitung in den Vereinigten Staaten. J. P. Witherow hatte 1884 das Patent für Amerika erworben, weshalb diese Öfen dort häufig als Witherowöfen bezeichnet wurden. 1885 hatten Oliver Brothers and Philipps eine grosse Anlage hierfür erbaut. Sie überwanden die anfänglichen Schwierigkeiten und lieferten ein gutes Produkt. In diesem Jahre versah Robert W. Hunt in Troy die Walzentische vor den Fertigwalzen mit angetriebenen Rollen Siehe Stahl und Eisen 1897, S. 137. . 1886 gingen sieben Firmen mit der Aufstellung von Clapp-Griffith- Konvertern vor. 1885 erfand Seeman ein Universalträgerwalzwerk. Um diese Zeit nahm die Verwendung von Naturgas in Pittsburgh auch in der Eisenindustrie ihren Anfang. 1883 hatte man den schon 1878 erbohrten Gasstrom von Murraysville durch Röhren in die Stadt geleitet. Ferner wurde 1884 ein starker Gasstrom im Stadtgebiet von Pittsburgh selbst erbohrt. 1886 wurden in Pittsburgh schon täglich 6⅔ Mill. Kubikfuss Naturgas verwendet, wodurch sich der Kohlen- Vereinigte Staaten von Nordamerika. konsum um ein Drittel verringert hatte. Die Edgar-Thomson-Werke wendeten das Gas zur Heizung von Dampfkesseln, Winderhitzern u. s. w. an, und ersparten allein 147 Arbeiter für Kohlentransport. Die Hochofenindustrie machte immer weitere Fortschritte. Ausser dem leichteren Schachtbau durch die Anwendung von Blechmänteln oder Eisenringumkleidung, der mechanischen Begichtung, des Ab- stechens in grosse Lokomotivpfannen, die mehrere Abstiche fassen konnten, erwähnen wir die Panzerung und Wasserkühlung, die besonders auf den Edgar-Thomson-Werken ausgebildet wurden. Bronzekühl- kasten führte Frohnheiser 1885 auf der Cambriahütte ein. Die starke Wasserkühlung war nötig geworden, um bei dem starken Treiben der Öfen diese zu erhalten. Die grösste Produktion mit einem Hochofen zu erreichen, war damals der einzige Ehrgeiz der Hüttenleute mit Hintansetzung jeder anderen Rücksicht. Das Drauflosblasen war zum Sport geworden und den höchsten Record in der Tageserzeugung zu erreichen schien die einzige Aufgabe der Hochofentechniker. Gegen diese Einseitigkeit und Übertreibung erhob zuerst E. C. Potter in Chicago im Jahre 1885 seine warnende Stimme, indem er darauf hinwies, wie teuer erkauft dieser scheinbare Triumph durch die Verschwendung von Brennstoff und die rasche Zerstörung der Hochöfen infolge des starken Blasens sei. In Hochöfen von 400 bis 420 cbm Inhalt jagte man 750 cbm Luft von 700 bis 800° C. in der Minute. Dabei hatte man beim Verschmelzen 60 prozentiger Erze einen Koksverbrauch von 1075 bis 1350 kg auf 1000 kg Roheisen und die Öfen wurden so rasch zu Schanden geblasen, dass man nur auf einen Betrieb von zwei Jahren rechnete, der aber sehr oft nicht erreicht wurde. Gordon in South Chicago wies 1886 darauf hin, dass er in einem Ofen von 555 cbm Inhalt mit einem Koksaufwand von Koks eine Tagesproduktion von 210 Tonnen erzielte, wenn das Verhältnis von = 0,723 betrug, was günstiger sei als das Ergebnis der grossen englischen und amerikanischen Öfen. Diese ernsten Vorstellungen machten Eindruck und es begann nun eine Periode eines möglichst sparsamen Massenbetriebes. Gordons Konstruktion wurde sofort von der Joliethütte, dem Cleveland-Walz- werk und von der Jefferson-Eisenwerksgesellschaft eingeführt. Joliet hatte bei 260 Tonnen Tageserzeugung nur Koksverbrauch. Von weiteren Verbesserungen bei dem Hochofenbetrieb im Jahre 1886 ist Vereinigte Staaten von Nordamerika. der von Kennedy und Scott erfundene doppelte Gichtgasverschluss zu nennen. Die Flusseisenerzeugung war 1886 eine sehr grosse, sie betrug 2488 Kilotonnen, wovon nur 8,8 Prozent Martinstahl war, während die Produktion Grossbritanniens 2264 Kilotonnen mit 30 Prozent Martinstahl betrug. Übrigens nahm die Martinstahlerzeugung damals rasch zu. Der Erzprozess (ore process) wurde zu Midvale betrieben, während sich alle übrigen Werke des eigentlichen Martinierens oder Schrottschmelzens (scrap process) bedienten. Das Verhältnis zwischen Roheisen und Schrott war ein sehr verschiedenes. Zu Cambria schmolz man 32 Tle. Roheisen und 68 Tle. Schrott, zu Midvale 50 Roheisen, 37 Schrott und 13 Erz, zu Springfield 30 Roheisen und 70 Schrott, zu Otis 20 Roh- eisen und 80 Blooms und Schrott, selbst bis zu 90 Prozent Schrott. Im allgemeinen rechnete man drei Stunden für das Einschmelzen und drei Stunden für die Reinigung des Bades. Zu Cambria brauchte man im Pernotofen nur vier Stunden im ganzen bei 17000 kg Einsatz. Der Brennstoffaufwand betrug gewöhnlich 50 bis 80 Prozent Steinkohle, in den Otis Steel Works nur 35 bis 40 Prozent. Der basische Betrieb war nicht in Anwendung, dagegen bediente man sich in vier Werken, darunter Springfield und Cambria, der Krupps chen Entphosphorung, des sogenannten Waschprozesses. Die Kleinbessemerei gewann an Bedeutung. Zu Pottstown war der basische Betrieb in Walrandöfen eingeführt, und 1886 erzeugte man 100 bis 150 Tonnen den Tag. Otis Steel Works hatten die berühmteste Blechfabrik. Sie arbeiteten mit vier Siemens-Martinöfen zu 20 Tonnen Einsatz, von denen jeder 14 Operationen in der Woche machte. Zum Auswalzen benutzte man ein neues Welmans ches Blechwalzen-Trio, bei dem Unter- und Ober- walze angetrieben waren. Die Zapfen wurden hydraulisch gehoben und gesenkt. Das Carnegie, Phipps \& Co . gehörige Homestead-Stahlwerk wurde durch die Anlage eines grossen Blechwalzwerkes mit vier Martinöfen von 15 bis 40 Tonnen Einsatz erweitert. Alle Werkzeuge wurden hydraulisch betrieben. Die Walzenzugmaschine hatte 1220 mm Kolbendurchmesser und 1350 mm Hub. Ein neues Triowalzwerk für Formeisen, von John Fritz in Bethlehem erbaut, walzte Träger und Eisenbahnschienen von 120 Fuss Länge. Die Schienen wurden von einer von Robert Sayer und Vereinigte Staaten von Nordamerika. John Fritz erfundenen Säge schief abgeschnitten, worin man einen besonderen Vorteil suchte. Im Jahre 1887 nahm die Kleinbessemerei noch zu. Bookwalter in Springfield erwarb Roberts Patent. Clapp Griffiths Verfahren blühte zu Belleville, doch machte man die Öfen bereits grösser, so dass ein Vorteil gegenüber dem Grossbetrieb kaum mehr bestand. 1887 erfand Elihu Thomson sein elektrisches Schweissverfahren, zu dessen Ausbeutung die Thomson \& Howson Electric Welding Company zu Lynn in Massachusetts gegründet wurde. Zur Beschickung der Hochöfen konstruierte Fayette Brown einen automatischen Auf- gebeapparat, den Max M. Suppes später, zugleich mit der von Thomas in Catamauqua (Pa.) 1887 erfundenen schiefen Ebene in Lorain (Ohio) einführte. In diesem Jahre erfand M. B. Moore seine Stampfmaschine für Giessereizwecke. Die Zahl der Stahlflammöfen war von 1886 bis 1887 von 89 auf 104, die Zahl der Gussstahl- schmelzwerke von 40 mit 3391 Tiegeln auf 41 mit 3398 Tiegeln gestiegen. Die Zahl der Rennwerke war von 50 auf 38 gefallen. 1888 war die Produktion der gut eingerichteten Kokshochöfen auf eine Wochenproduktion von 1500 bis 1880 Tonnen gestiegen, während die neuen Hochöfen in Europa selten mehr als die Hälfte erzeugten Rheinische Stahlwerke 1120 Tonnen, Ilseder Hütte 1190 Tonnen. , dafür blies man aber auch in Amerika mit 46 bis 58 cm Quecksilber, in Europa mit 17 bis 23 cm. In Alabama wurde eine neue grosse Hochofenanlage für Koksbetrieb zu Easley bei Philadelphia nach den Plänen von Gordon, Strobel und Lourreau ausgeführt. Sie bestand aus vier Öfen von 24,5 m Höhe und 6,09 Kohlensackweite, jeder Ofen war mit vier Gordon-Whitwell-Cowper-Winderhitzern aus- gestattet und mit eigenartigen Gichtstaubreinigern versehen. Durch die reichliche Wasserkühlung konnte man das Mauerwerk der Hochöfen verhältnismässig schwach halten. Die Gestelle, die mit wassergekühlten Panzern umkleidet wurden, machte man nur 450 mm dick, ebenso die Rast, die man mit wassergekühlten Röhren umgab, die das Mauerwerk auf 300 bis 350 mm erhielten. Als Beispiel für den sparsameren Betrieb führt Hartmann einen Hochofen der Union Steel Company in Chicago an, der nur einen Koksverbrauch von 780 auf 1000 Roheisen hatte, für welche allerdings nur 1600 Erz erforder- lich waren. Das Ausbringen aus den Erzen betrug 62,3 Proz., aus dem Möller 52,7 Proz., die durchschnittliche Tageserzeugung 113 Tonnen. Auf 1 Tonne Roheisen rechnete man 1,67 cbm Ofeninhalt und 3500 cbm Wind. Beck, Geschichte des Eisens. 82 Vereinigte Staaten von Nordamerika. Einen grossen Aufschwung hatte die Drahtindustrie erfahren; in den letzten Jahren vor 1888 waren viele neue Drahtwalzwerke erbaut worden, so z. B. von der Cleveland Rolling Company (Ohio) drei mit 40000 Tonnen Leistungsfähigkeit, von Washburn \& Moen Manufacturing Co. in Worcester (Mass.) vier mit 50000 Tonnen, im ganzen 16 mit 246000 Tonnen Leistungsfähigkeit. Trotzdem wurden noch 147000 Tonnen Draht eingeführt. Der Stahlblock wurde zu vierzölligen Knüppeln gewalzt, auf Längen zu 135 Pfund Gewicht zer- schnitten, die dann direkt zu Walzdraht Nr. 5 ausgewalzt wurden. Die durchschnittliche Leistung eines Walzwerkes betrug 50 Tonnen in der Schicht. Mac Carty erfand einen Puddelofen mit Wassergasbetrieb. Die direkte Eisengewinnung von Eames wurde in Pittsburgh, die von Adami auf den Indianopoliswerken bei Pittsburgh ausgeführt. Am 21. Februar 1888 verstarb der durch seine Verbesserungen der Dampfmaschine weltbekannte G. H. Corliss zu Providence, und am 30. September 1889 verschied der um die Eisenindustrie hoch- verdiente Leiter der Edgar-Thomson-Stahlwerke, W. R. Jones Geb. am 23. Febr. 1839 als Sohn eines Geistlichen in Luzerne County, Pa. , bei einer Hochofenexplosion als Opfer seines Berufes. Seine Erfindungen und Verbesserungen bei dem Bessemerstahlprozess waren zahlreich; am bekanntesten wurde er durch die nicht lange vor seinem Tode gemachte Erfindung des „Mischers“, den er noch 1889 auf den Edgar-Thomson-Werken eingeführt hatte. Verschiedene andere wichtige Verbesserungen und Erfindungen amerikanischer Eisenhüttenleute fallen in dieses Jahr, so Massicks und Crookes verbesserte Winderhitzer (Amer. Pat. Nr. 398840), Hughes und Gowthorbs mechanischer Masselausheber, Samuel T. Wellmans Beschickungsvorrichtung für Flammöfen mit schweren Blöcken (Amer. Pat. Nr. 394419, 394421), ferner Henry Roberts Drahthaspel (D. R. P. Nr. 47630). In diesem Jahre wurden 104 Eisen- walzwerke mit Naturgas betrieben. Sweeney baute Puddelöfen mit Wärmspeicher für Naturgas. 21 Eisenwerke bedienten sich des Petroleums als Brennstoffes. Besonders bemerkenswert war das Jahr 1889 auch dadurch, dass die Beziehungen zwischen amerikanischen und europäischen Eisenhüttenleuten gefördert wurden. Die Pariser Ausstellung und eine Einladung der englischen Kollegen gaben hierzu die Ver- anlassung. Zahlreiche amerikanische Ingenieure, vielfach in officieller Vereinigte Staaten von Nordamerika. Stellung, kamen nach Europa und benutzten die Gelegenheit, die wichtigsten Industriegebiete zu besuchen und mit den Ingenieuren des Landes in nähere Verbindung zu treten. Zu diesem Zwecke hatten die grössten technisch-metallurgischen Vereine ihre Jahresversammlung nach Paris verlegt, und dies gab Veranlassung zu belehrenden Vor- trägen wie zu gegenseitiger Aussprache. 1890 wurden die Vereinigten Staaten das erste der Roheisen erzeugenden Länder der Welt. Einen gewaltigen Aufschwung nahm die Eisenindustrie der Süd- staaten, besonders Alabamas. Hier war 1878 der erste Kokshochofen erbaut worden und 1890 erzeugte der Staat bereits 780000 Tonnen Roheisen. Im Mittelpunkt der Hochofenindustrie lag die rasch auf- blühende Stadt Birmingham Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 19. . Über die Entwickelung des amerikanischen Hochofenbetriebes im allgemeinen und insbesondere im Hinblick auf die Erzeugung grosser Mengen hielt James Gaylay 1890 einen Vortrag in New York Daselbst 1890, S. 1004. — gelegentlich des Besuches europäischer, besonders auch deutscher Eisenhüttenleute in Amerika —, der grosses Aufsehen erregte. Die Mitteilungen über die grossartigen Fortschritte bei dem Hochofen- betriebe und die Leistungen amerikanischer Hochöfen riefen Er- staunen hervor. Danach erreichte z. B. der 1889 angeblasene Lucyofen bei 515 cbm Inhalt, 708 cbm Windzufuhr in der Minute und Koks- verbrauch eine Tageserzeugung von 315 Tonnen. Die Bessemerstahlerzeugung stieg von 1889 bis 1890 von 2281829 N.-Tonnen auf 4123535 N.-Tonnen, hiervon waren die Clapp-Griffith- öfen mit 82850 und mit 76990 Tonnen beteiligt. Die Leistungs- fähigkeit der Konverter hatte sich derart gesteigert, dass eine 10-Tonnen- Birne in 24 Stunden 1200 Tonnen Stahl lieferte. Die Blasezeit einer Charge betrug nur 10 bis 12 Minuten, der Abbrand 8 Prozent. In der Zeitschrift „Stahl und Eisen“ (1896) erschien eine Reihe interessanter Berichte deutscher Ingenieure über diese Amerikafahrt, die zum besseren Verständnis der amerikanischen Eisenindustrie wesentlich beigetragen haben. Ein Vorzug der amerikanischen Hochofenanlagen im Vergleich mit den englischen lag darin, dass jeder Ofen seine eigene Gebläse- maschine und Winderhitzer hatte. Die hohe Pressung des Windes war nicht nur durch die grossen Dimensionen der Öfen und das 82* Vereinigte Staaten von Nordamerika. Streben nach grosser Produktion, sondern auch durch die Natur der Erze, die sich sehr dicht zusammenlegten, bedingt. Die Wassermengen, welche zur Kühlung der Öfen gebraucht wurden, setzten die euro- päischen Ingenieure in Erstaunen. Die grössten Werke waren die Edgar-Thomson Steel Works and Blast Furnaces der Firma Carnegie Brothers \& Co . bei Pittsburgh mit neun grossen Hochöfen, welche ihr Roheisen einem Mischer für 100 Tonnen zuführten, aus dem es in die Bessemerbirnen gelangte. Der erblasene Bessemerstahl wurde 1890 ausschliesslich zu Eisenbahnschienen verarbeitet. Ebenso bedeutend waren die South Chicago Works der Illinois Steel Company, die aus einer Vereinigung von Unternehmungen in den Staaten Illinois und Wisconsin entstanden ist und 1890 19 Hochöfen besass, wovon 14 in Betrieb standen. Die durchschnittliche Tagesleistung der 169 im Jahre 1889 be- triebenen Kokshochöfen hatte 101 Tonnen pro Tag betragen. Die Elizawerke bei Pittsburgh, die im Juni 1889 in Betrieb gekommen waren, erreichten 1890 in einem Ofen von 24,38 m Höhe und 7,01 m Kohlensackweite eine höchste Tagesproduktion von 362,2 Tonnen. Die direkte Eisendarstellung nach dem Verfahren von Eames wurde von der Carbon Iron Co. in Pittsburgh im grossen betrieben Stahl und Eisen 1891, S. 111. . Auch bei der Eisengiesserei wurde die Handarbeit möglichst durch Maschinenarbeit ersetzt. Musterhaft war hierin die neu erbaute Giesserei der Westinghouse-Luftbremsengesellschaft zu Willmerding; besonders durch die Bewegung der Kasten auf beweglichen Transport- tischen zu den Stampfmaschinen und Formpressen in den Giessraum und von da in den Ausleerungsraum [siehe S. 547 Daselbst 1890, S. 605. ]. Der Thomasprozess fasste im Jahre 1890 in den Südstaaten, wo die Verhältnisse dafür günstig waren, Boden. Am 17. September 1890 wurde in Chattanooga (Tennessee) das erste Flusseisen nach dem basischen Verfahren aus Roheisen, das aus einheimischen Erzen er- zeugt war, erblasen. Die Martinstahlfabrikation hatte ebenfalls eine grosse Zunahme erfahren, 1890 erzeugten 53 Werke 50000 Tonnen Flammofenflussstahl, der zu Blechen, Radreifen, Schmiedestücken, Draht und zu Façonguss verwendet wurde. Das Flusseisen erlangte immer allgemeinere Anwendung, seit 1888 benutzte man es für den Dampfkesselbau. Die Panzerplattenfabrikation begann ein wichtiger Industriezweig zu werden, nachdem die Beth- lehemstahlwerke nach den berühmten Schiessversuchen zu Annapolis Vereinigte Staaten von Nordamerika. am 18. September 1890, wobei sich die Überlegenheit der Nickelstahl- platten klar erwiesen hatte, diese Fabrikation in grossem Umfange aufgenommen hatte. Eine grosse Rolle spielte noch die Herstellung geschnittener Nägel. Hierfür arbeiteten 1889 75 Walzwerke und es gab über 600 Nägelmaschinen. 14 Robert-Bessemer-Konverter arbeiteten 1890 auf Stahlguss. Unablässig waren die Maschineningenieure bemüht, neue Hülfs- mittel für den Ersatz der Handarbeit und die Erleichterung des Betriebes zu erfinden und dieselben zu verbessern. Zu erwähnen sind von den zahlreichen Verbesserungen der elektro- magnetische Masselausheber von Samuel T. Wellman, Kennedy- Latropes hydraulischer Blockgreifer, die Chargiervorrichtung von Arthur Harrison Siehe Stahl und Eisen 1891, S. 305. , die verbesserten Rollbahnen von Hanley, Aiken, Morgan , die kontinuierlichen Drahtwalzwerke von H. Roberts in Pittsburgh und von W. Swinbank in Joliet (Illinois). Manche Gesellschaften bauten ihre alten Anlagen, um sie mit den neuen Ver- besserungen zu versehen, um, so z. B. die Illinois-Stahlgesellschaft ihr Schienenwalzwerk South Chicago [Illinois] Daselbst 1897, S. 181. . Wichtig war auch die ausgedehnte Verwendung hydraulischer Transmissionen und die mannigfaltige Benutzung von Schmirgelscheiben zum Schleifen und Fertigmachen von Eisenguss und Eisenteilen. Einen weiteren Vorteil zog die amerikanische Eisenindustrie aus dem verständigen Zusammenwirken der Eisenbahnverwaltungen und der Eisenindustriellen. Dies hatte namentlich billige Tarifsätze und vorzügliche Be- und Entladevorrichtungen zur Folge. — Zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit fand eine Zusammenlegung von Eisenwerken statt, wie z. B. der North Chicago Rolling Mill Co., der Union Steel Co., der Joliet Steel Co. und zahlreicher Werke der Südstaaten. Am 6. Oktober 1890 trat die MacKinley-Tarifbill in Kraft und damit ein erhöhter Schutzzoll für die einheimische Eisenindustrie. Infolge der Erhöhung des Schutzzolls auf Weissblech von 1 Cent auf 2,2 Cent pro Pfund begann sich eine einheimische Weissblech- industrie zu entwickeln. Bis dahin war fast alles Weissblech aus England gekommen, dessen grösster Abnehmer die Vereinigten Staaten waren. 1889 waren vier Fünftel der britischen Weissblecherzeugung dorthin gegangen, 1890 nur drei Viertel. 1891 war ein kritisches Jahr, in welchem die Eisenindustrie einen Vereinigte Staaten von Nordamerika. starken Rückgang erlebte. Dieser machte sich besonders in Alabama fühlbar. Die Zahl der betriebsfähigen Hochöfen der Union ging (nach Swank ) von 575 im Jahre 1889 auf 569 Ende 1892 herab Siehe Stahl und Eisen 1892, S. 305. , dagegen nahm ihre Leistungsfähigkeit zu. Seit 1889 waren sechs neue Bessemer- und 17 Martinwerke entstanden. Die Zahl der Drahtstiftfabriken war von 37 auf 49 gestiegen, während die Zahl der Fabriken für geschnittene Nägel von 75 auf 65 und die Zahl der Nagelmaschinen von 6066 auf 5546 gesunken war. Ferner sind in dieser Zeit 20 Weissblechfabriken entstanden. In Bezug auf die Grösse der Leistung fand 1891 ein Wettkampf zwischen den Edgar-Thomson- Stahlwerken zu Braddock, Pa., und der Illinois-Stahlgesellschaft zu South Chicago statt. In den Bethlehem-Stahlwerken stellte John Fritz einen 125-Tonnen-Hammer auf und begann den Bau einer Schmiedepresse für 12000 Tonnen Druck. Eine wichtige Erfindung war H. A. Harveys Kohlungsverfahren für Panzerplatten [Amer. Pat. Nr. 460262] Daselbst S. 213. . Zu Sparrows Point walzte man 1891 Schienen direkt aus dem Block zu sechsfacher Länge aus. Hier ging man 1892 zuerst zum Vergiessen in fahrbare Coquillen, dem sogenannten „Wagen- guss“, über. 1892 war Pottstown das einzige Thomaswerk in Amerika. Die Wellman Iron and Steel Co. baute das breiteste Trio-Blech- walzwerk. Die Walzen hatten 3350 mm Ballenlänge, Ober- und Unter- walze 876 mm, die Mittelwalze 508 mm Durchmesser. Von den Erfindungen des Jahres 1892 erwähnen wir noch die von E. W. Bliss in Brooklyn durch Pressen aus starkem Stahlblech dar- gestellten Artilleriegeschosse Daselbst S. 614. . 1893 war das Jahr der Columbischen Weltausstellung in Chicago , das 400jährige Erinnerungsfest an die Entdeckung Amerikas durch Columbus. Diese Weltausstellung übertraf an Umfang alle früheren. Die Vorführung der amerikanischen Eisenindustrie war zwar keineswegs vollständig, aber doch sehr bedeutend, ebenso war die Aus- stellung der europäischen Staaten zum Teil glänzend. Deutschland trat besonders hervor, namentlich durch die unvergleichliche Aus- stellung von Friedrich Krupp in Essen, sowie durch die schönen Ausstellungen der Gebrüder Stumm , Neunkirchen, und Rud. Böcking \& Co ., Hallbergerhütte. Viele Eisenhüttenleute Europas besuchten die Ausstellung in Chicago und von da aus ein oder das Vereinigte Staaten von Nordamerika. andere grössere Eisenwerk. Hierdurch wurden die Bande zwischen den Fachgenossen Amerikas und Europas noch enger geknüpft und die Kenntnis der Verhältnisse der nordamerikanischen Eisenindustrie und ihrer Leistungen befördert. Dazu trugen auch die vortrefflichen Berichte bei, welche über die Ausstellung veröffentlicht wurden, von denen wir den von Professor Wedding im 13. Jahrgang von Stahl und Eisen, sowie den umfassenden officiellen Bericht von Josef Gängl von Ehrenwerth (Wien 1895) besonders hervorheben. Wedding wies auf die Bedeutung der Lake-Superior-Lagerstätten im allgemeinen und die des erst eröffneten Mesabibezirkes im be- sonderen hin Stahl und Eisen 1893, S. 374. . Die Fortschritte und Neuanlagen der amerikanischen Eisenindustrie, die zur Vorführung gelangten, haben wir zum grössten Teil bereits erwähnt. Bei dem Hochofenbetrieb hatte sich für die Ge- bläsemaschinen ein Normaltypus für aufrecht stehende Einzelmaschinen ausgebildet, für den besonders F. W. Gordon eintrat A. a. O. 1892, S. 465. . Dagegen empfahl J. Kennedy aus Pittsburgh für den Bessemerbetrieb liegende Gebläsemaschinen mit gesteuerten Rundschiebern und Verbunddampf- maschinen A. a. O. 1894, S. 852. . Carnegie stellte 1893 Ferromangan im Hochofen so billig dar, dass er in der Lage war, es ins Ausland zu verkaufen. In diesem Jahre kamen die ersten Koksöfen mit Gewinnung der Nebenprodukte in Betrieb. Es waren 12 Semet-Solvay-Öfen zu Syracuse, deren Bau schon 1891 begonnen worden war. Trotz des Niederganges der Eisenindustrie im allgemeinen entstanden doch mit jedem Jahre neue und bedeutende Bessemerwerke. 1889 die Duquesne Steel works, 1890 die Stahl- werke von Jones \& Laughlin , 1891 die Werke der Maryland Stahlgesellschaft, 1892 das Werk Shenango Valley Steel Co., 1893 das grosse Bessemerstahlwerk der National Tube Mats Co. zu Mc Kees- port [Pa.] A. a. O. 1894, S. 16. . Letzteres erforderte für seine Dampf-, hydraulischen und elektrischen Maschinen 2500 P.S. Das Einsetzen und Ausheben der Stahlblöcke in den Durchweichungszwecken geschah durch elek- trische Laufkräne. Bei den Siemens-Martinverfahren hatte der basische Betrieb zu- genommen. Von dem erzeugten weichen Flussstahl wurden 75 Prozent für Blech und 25 Prozent für Stahlguss verwendet. Bei der Draht- Vereinigte Staaten von Nordamerika. fabrikation war das fast ganz automatische, kontinuierliche Walz- verfahren von Ichabod Washburn zur Einführung gelangt. Man benutzte bereits mehrfach elektrischen Antrieb für die Rollengänge und Walzentische. Die Weissblechindustrie der Vereinigten Staaten entwickelte sich trotz des hohen Schutzzolls anfangs nur langsam. England gab sich die grösste Mühe, durch billige Preise den wichtigsten und grössten Markt für seine Weissbleche zu behaupten, und die Zollpolitik der Staatenregierung war wegen des grossen Bedarfes eine schwankende. Die McKinley-Bill hatte den hohen Schutzzoll auf Weissblech von 2,2 Cent für das Pfund an die Bedingung geknüpft, dass der Zoll nur aufrecht erhalten werden solle, wenn innerhalb fünf Jahre nach Ein- führung des Tarifs in einem Jahre die einheimische Erzeugung ein Drittel des Bedarfes erreichte. Da die Aussichten hierfür in den ersten Jahren ungünstig waren, so setzten es die Verbraucher durch, dass ein neues Gesetz erlassen wurde, wonach vom 1. Oktober 1892 ab der Zoll auf Weissbleche wieder von 2,2 Cent auf 1 Cent ermässigt und vom 1. Oktober 1894 ab ganz fortfallen sollte. Die Folge war, dass die Morewood Tin Plate Works in New Jersey ihren Betrieb einstellten. In dem Jahre 1892/93 hatte die eigene Erzeugung der Union 49960 Tonnen, die Einfuhr aus England 241543 Tonnen betragen. Die Jahre 1893 und 1894 waren im allgemeinen für die ameri- kanische Eisenindustrie ungünstig. Die Roheisenerzeugung ging von 9303512 Tonnen im Jahre 1892 auf 7238494 Tonnen im Jahre 1893 und auf 6763906 Tonnen im Jahre 1894 zurück. Trotzdem machte die Weissblecherzeugung Fortschritte, sie betrug 189220427 Tonnen, 1893 56050 Tonnen, 1894 75453 Tonnen und stieg 1895 auf 102062 Tonnen. Wie ausserordentlich sich die Leistungsfähigkeit der Walzwerke durch die Einführung der maschinellen Bedienung gesteigert hatte, dafür bot das neue Schienenwalzwerk der Edgar-Thomson-Stahlwerke ein Beispiel dar. Es walzte im Oktober 1894 36200 Tonnen Schienen, die beste Tagesleistung betrug 1945 Tonnen Schienen. Ganz ausserordentlich war die Zunahme der Drahterzeugung, die von 1888 bis 1894 von 284200 auf 684100 Tonnen gestiegen war. Dem entsprechend hatte die Einfuhr abgenommen, so z. B. aus Deutschland von 80000 auf 8566 Tonnen. Dagegen führte die Union Draht aus, 1894 bereits 20000 Tonnen. Die Verwendung des Flusseisens zum Bau eiserner Häuser nahm sehr zu; in den grossen Städten, besonders in New York und Chicago, wurden eiserne Riesenhäuser, die bekannten Vereinigte Staaten von Nordamerika. „Himmelskratzer“ (sky scrapers), errichtet. Ein bedeutendes Bauwerk war der von John Mac Arthur konstruierte eiserne Turm des Stadthauses in Philadelphia. 1895 begann wieder eine bessere Zeit für die amerikanische Eisenindustrie. Die Roheisenerzeugung stieg auf 9597449 Tonnen; die Bessemerstahlproduktion betrug 1894 3628404 Tonnen, 1895 4987674 Tonnen; eine grosse Steigerung erfuhr auch die Herdfluss- stahlerzeugung von 797495 Tonnen auf 1155377 Tonnen. Für letztere war die Inbetriebsetzung der neuen Martinofenanlage und des Blech- walzwerks der Illinois Steel Company Stahl und Eisen 1895, S. 797. von Bedeutung. Die Anlage war nach den Plänen von S. F. Wellman erbaut und umfasste vier Flammöfen zu 20 Tonnen und zwei zu 30 Tonnen Einsatz. Diese Öfen waren als Kippöfen konstruiert und konnten unmittelbar in eine Pfanne entleert werden. Die Joliet-Stahlgesellschaft versah 1894 ihre neuen Siemens-Regenerativ-Wärmeöfen mit Wellmans cher elektrisch- hydraulischer Beschickungsvorrichtung Daselbst 1897, S. 137. . Ein neues Bessemerwerk war das Johnson-Stahlwerk in Lorain am Eriesee, das am 1. April 1895 in Betrieb kam. Es hatte zwei 12-Tonnen-Konverter, die von vier Kupolöfen von 7,6 m Höhe und 2,5 m Weite bedient wurden. Unter jedem Konverter befand sich ein feststehender hydraulischer Stempel zum Auswechseln der Böden. Das Giessen der Blöcke erfolgte auf Wagen. Das Ausstossen der Blöcke aus den Formen geschah in einem besonderen Gebäude durch zwei hydraulische Zwillings-Blockaus- stosser. Die heissen Blöcke kamen dann in Durchweichungsgruben. Die Deckel der Gruben wurden mittels hydraulischer Cylinder bewegt. Jede Grube hatte ihre eigene Gas- und Luftzufuhr. Die Gruben wurden von zwei Morgans chen Laufkränen von 15,8 m Spannweite, die elektrisch angetrieben wurden, bedient. Die Blöcke wurden zu Strassenbahnrillenschienen ausgewalzt, wobei man sich eigenartige Transportwagen Daselbst 1895, S. 903 und Tafel X. zum Bewegen des Walzgutes, von denen sich drei auf jeder Seite der Walzenstrassen befanden, bediente. Diese Ein- richtung hat sich jedoch nicht bewährt. Die neuen Hochöfen der Edgar-Thomson-Werke von 27 m Höhe, 7 m Kohlensackweite und 625 cbm Fassungsraum erzielten 1895 die höchsten Produktionen, nämlich ein Ofen 3000 Tonnen Roheisen in der Woche oder 428 Tonnen in 24 Stunden, also wieder ein bedeutender Fortschritt gegen die Höchstleistungen von 1890. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Dabei war der Hochofen Nr. I über fünf Jahre in Betrieb und hatte über 650 Kilotonnen Roheisen mit einem Koksaufwande von erzeugt. Die Herstellung von Hartgussrädern, die in Amerika auch für Eisenbahnfahrzeuge verwendet wurden, bildete eine umfangreiche Industrie, die viele Werke (Car Wheels Companies) ausschliesslich beschäftigte Stahl und Eisen 1895, S. 1050. . Der Guss wurde in eisernen Formen (Coquillen) aus- geführt, und besonders hatten die von J. M. Barr in Milwaukee erfundenen Formen mit Ringkanälen zur Abkühlung (A. P. 411369) Verbreitung gefunden. Die anfangs günstige Entwickelung der amerikanischen Eisen- industrie führte rasch zu einer Überproduktion, so dass bereits Ende des Jahres 1895 wieder ein Rückgang eintrat. Aus Swanks Führer durch die Eisen- und Stahlwerke der Vereinigten Staaten von 1896 ist zu ersehen, dass die Zahl der betriebsfähigen Hochöfen auf 469 gesunken, ihre Leistungsfähigkeit aber auf 17651615 Tonnen gestiegen war. 1876 zählte man 713 Hochöfen, deren Leistungsfähigkeit 4934158 Tonnen betrug. Die Erzeugung eines Ofens hat sich also in 20 Jahren von 6920 Tonnen auf 37636 Tonnen gesteigert. Von den 469 Hoch- öfen waren noch 96 für Holzkohlenbetrieb bestimmt. 10 neue Kokshochöfen waren im Bau begriffen, darunter vier in Duquesne von der Carnegie Stahlgesellschaft von den grössten Dimensionen. Die Zahl der Puddelöfen war von 1894 bis 1896 von 4715 auf 4408 zurückgegangen. Die Zahl der Bessemerwerke hatte um fünf, die Zahl der Martinstahlwerke um acht zugenommen. Die Zahl der Martin- öfen für Stahlguss war in den zwei Jahren von 28 auf 35 gestiegen. Thomasstahl wurde im Januar 1896 von keinem Werke gemacht. Die Zahl der Weissblechfabriken betrug 69. Mit der direkten Darstellung von schmiedbarem Eisen aus den Erzen beschäftigten sich nur noch 23 Anlagen. Von den Holzkohlenhochöfen erzielte (nach einem Reisebericht Odelstjernas ) der der Ashland Eisen- und Stahlgesellschaft ge- hörige Hinkle-Ofen von 18,3 m Höhe und 3,66 m Kohlensackweite bei einer Windpressung von 285 mm Quecksilber bis zu 125 Tonnen Roh- eisen in 24 Stunden, allerdings aus Erzen von 64 Prozent Eisengehalt. Der Kohlenaufwand betrug . Der Verbrauch an Naturgas in der Eisenindustrie war seit 1888 gesunken, entsprach aber 1893 immer Vereinigte Staaten von Nordamerika. noch einer Steinkohlenersparung von über 14 Millionen Dollar Nach Odelstjerna , Stahl und Eisen 1896, S. 476. . Die Pennsylvanian Steel Works in Steelten heizten ihre zahlreichen Martin- öfen, die alle als Kippöfen eingerichtet waren, mit Petroleum. Das Kippen geschah mit Hydraulik. Die neuesten Öfen waren basisch zu- gestellt für Chargen von 55 Tonnen. Die Homestead Steel Works zu Munhall, der Firma Carnegie \& Co . gehörig, beschäftigten 25000 Ar- beiter und hatten die grösste Produktion der Welt: 1½ Million Tonnen Roheisen und ebenso viel Handelseisen und Stahl, also mehr Roheisen und mehr als doppelt so viel Flusseisen wie Frankreich. Das Werk hatte zwei grosse Martinanlagen, eine für sauren, die andere für basischen Betrieb mit Öfen für 12 bis 35 Tonnen. Die Bedienung derselben war fast ganz mechanisch unter ausgedehnter Anwendung von Elektrizität. Die Rückkohlung des weichen Martinflusseisens zu jeder beliebigen Härte erfolgte mit in Papiersäcken abgewogenem Holzkohlenpulver. Homestead verarbeitet viel Nickelstahl, besonders zu Panzerplatten (mit 3,25 Prozent Nickel). Die neuen Duquesne Steel Works bei Cochrane, ebenfalls Car- negie \& Co . gehörig, zeichneten sich durch ihren Schnellbetrieb aus. Zwei 7-Tonnen-Konverter erzeugten 235000 Tonnen Bessemerstahl, der in vier Walzenstrassen zu Schienen und Billets verwalzt wurde. Sowohl Schienen wie Billets wurden ohne besondere Erhitzung direkt aus den teilweise mit Naturgas geheizten Durchweichungsgruben ausgewalzt. Auf dem Stahlwerke von Johnson \& Co . in Johnstown war das elektrische Zusammenschweissen von Weichenzungen in grossem Massstabe in Anwendung. 1896 kam auch die neue Bessemeranlage Lorain Steel Works in zwei 12-Tonnen-Konvertern in Betrieb. Der Eisenbahnbau nahm 1896 einen grossen Umfang an, 10145 engl. Meilen neuer Linien standen im Bau und über 30000 Meilen in Aussicht. Die folgenden Jahre brachten dann auch einen enormen Aufschwung der Eisenindustrie. Die Roheisenproduktion stieg 1897 auf 9807123 Tonnen, 1898 auf 11962316 Tonnen und 1899 auf 13838634 Tonnen; das ist mehr, als die Eisenerzeugung aller Länder der Erde im Jahre 1871 betragen hatte. Entsprechend dieser Steigerung der Gesamtleistung trat eine Erhöhung der Leistungs- fähigkeit der Eisen- und Stahlwerke ein. Die Förderung der Eisenstein- gruben am Oberen See betrug 1896 9948 Kilotonnen, hiervon lieferte der Mesabidistrikt, der erst 1893 aufgeschlossen worden war, am meisten. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Es förderten die Distrikte: Marquette 2563 Kilotonnen Menominee 1626 „ Gogebic 1789 „ Vermillion 1088 „ Mesabi 2882 „ Zusammen 9948 Kilotonnen Stahl und Eisen 1897, S. 950. Die Ladevorrichtungen in dem Hafen von Duluth waren so vor- züglich, dass ein Erzschiff von 5000 Tonnen Gehalt in 55 Minuten beladen werden konnte. Bei dem Hochofenbetrieb führt Lürmann- Osnabrück als Verbesserungen die Kühlkasten von H. G. Baumann , die Kühlpfeiler (Buckstane) von James Scott, Gaines Windform und einen Sicherheitsgasfang von F. A. Foote an. Fortschritte der Leistungsfähigkeit kamen bei der von Carnegie \& Co . neu erbauten Hochofenanlage in Duquesne am glänzendsten zur Erscheinung. Das Nähere über diese Anlage, die als ein epochemachender Fort- schritt anzusehen ist, haben wir im allgemeinen Teil bereits an- geführt. Jeder Hochofen war imstande, täglich 600 Tonnen Roh- eisen zu liefern. Da die Erze von Lake Superior etwa 1760 km weit herbeigeschafft und dabei zweimal umgeladen werden mussten, so war ein vorteilhafter Betrieb nur möglich durch die vorzüglichen Transport- und Ladeeinrichtungen Stahl und Eisen 1897, S. 354; Paul Trasenster , Lüttich, La Concur, rence Américaine 1897. . Eine grosse Wichtigkeit hatte die Hochofenindustrie der Südstaaten erlangt, die infolge günstiger natürlicher Verhältnisse und des vorteilhaften Betriebes in der Lage war, Giesserei- und Thomasroheisen in Europa anzubieten. Im Jahre 1896 sollen 100000 Tonnen Alabamaroheisen nach England verkauft worden sein. In Hamburg wurde Puddelroheisen zu 44,40 Mark angeboten. Besonders günstig sind die Produktions- bedingungen bei Birmingham in Alabama, wo Roheisenerz, Koks- kohle und Zuschlagmaterial in einem Umkreis von nur fünf engl. Meilen, an einigen anderen Orten von nur einer Meile zusammen liegen Stahl und Eisen 1897, S. 439. . Die Erze werden gewaschen, in Gasschachtöfen geröstet und dann durch magnetische Separatoren auf 58 Prozent Eisengehalt an- gereichert. Die Roheisenerzeugung war 1896 auf 8761100 Tonnen gestiegen, wovon 922175 Tonnen auf Alabama entfielen. Die Her- Vereinigte Staaten von Nordamerika. stellungskosten betrugen, abgesehen von der Verzinsung des Anlage- kapitals, für: Arbeit 1,00 bis 1,25 Dollar Reparaturen 0,40 „ 0,50 „ Materialien 0,40 „ 0,50 „ mit dem Verkauf verbundene Auslagen 0,20 „ 0,25 „ Zusammen 2,00 bis 2,50 Dollar Einschliesslich der Kapitalzinsen und aller sonstigen Kosten kam aber doch die Tonne Giessereiroheisen zu Birmingham auf 6 Dollar zu stehen. Ende 1897 betrug die Zahl der Koksöfen in den Vereinigten Staaten 47668 mit über 12 Millionen Erzeugung; davon waren 180 Otto- Hoffmann-Öfen, 88 Semet-Solvay-Öfen, 30 Newton-Chambers-Öfen und 3 Slocumöfen, alle mit Gewinnung der Nebenprodukte. Carnegie war durch die Leistungsfähigkeit seiner Hochöfen imstande, die Tonne Roheisen für 20 Mark darzustellen. Sonst rechnete man 7 Dollar pro Tonne loco Pittsburgh. Für die Weiterverbreitung des Roheisens hatte sich in Alabama der basische Martinbetrieb als sehr geeignet erwiesen, und es war eine grosse Anlage hierfür projektiert. Das Giessereiroheisen wurde am meisten für Röhrenguss verwendet. 1897 bestanden sieben Röhren- giessereien mit einer Leistungsfähigkeit von 725 Tonnen den Tag. Die Erzeugung von Herdflussstahl nahm ständig zu, während die von Bessemerstahl schwankend war. Die theoretische Leistungsfähig- keit der 1896 vorhandenen 88 Herdstahlwerke mit 245 Martinöfen wurde zu 2430450 Tonnen gegen 1740000 Tonnen am 1. Januar 1894 geschätzt. Die Zahl der grossen Öfen hatte zugenommen, man zählte 50 zu 20 Tonnen, 24 zu 25 Tonnen, 25 zu 30 Tonnen, 8 zu 35 Tonnen, 6 zu 40 Tonnen und 10 zu 50 Tonnen. Pennsylvanien hatte 1895 80 Prozent des amerikanischen Herdflussstahls erzeugt. Eine vorzügliche Anlage war das neu erbaute Blechwalzwerk der Illinois-Stahlgesellschaft zu South-Chicago Stahl und Eisen 1897, S. 185. . Für das Blechwalzwerk der Bethlehem Iron Company wurde zur Bedienung der Gichtgrube ein elektrischer Laufkran von 100 Tonnen Tragkraft erbaut: das Vor- walzwerk war mit zwei von Macintosh, Hemphill \& Co . in Pittsburgh erbauten Reversiermaschinen von 6000 und 2240 P. S. aus- gerüstet. Die Aikens chen Hebetische wurden von zwei Zwillings- Reversiermaschinen bedient A. a. O., S. 215. . Das Werk besass ferner ein Universal- Vereinigte Staaten von Nordamerika. walzwerk, das von einer Zwillings-Reversiermaschine von obiger Firma von 5000 P. S. betrieben wurde. Die Gewichtsausgleichung der Walzen geschah durch Elektromotoren. Infolge der vorzüglichen Leistungen der Stahlindustrie hatte der Bau eiserner Schiffe einen grossen Aufschwung genommen. Erst im Jahre 1870 hatte man mit dem Bau von Kriegsschiffen begonnen und 1897 wurde bereits nicht nur der eigene Bedarf gedeckt, sondern auch Schiffe für andere Staaten gebaut. Welchen Aufschwung der Handel mit Eisen und Eisenwaren, sowie mit Maschinen genommen hatte, erhellt daraus, dass 1890/91 die Einfuhr im Geldwert 53544000 Dollar, die Ausfuhr 32128000 Dollar, 1896/97 dagegen die Einfuhr 16108000 Dollar, die Ausfuhr aber 62740000 Dollar betragen hat. Die europäische Einfuhr von Eisen- und Stahlwaren war sehr zurückgegangen, während die Aus- fuhr nach Europa von Jahr zu Jahr zunahm. 1897 wurde ein neuer Zolltarif, die Dingley-Bill, mit zum Teil noch höheren Schutzzöllen für die Eisenindustrie beschlossen. Auch war am 1. Januar 1897 das schottische System der Lagerscheine (Warrants) von der American Pig Iron Storage Company und der Metallbörse zu New York ein- geführt worden. Die amerikanische Weissblechindustrie hatte sich, trotz der heftigen Gegnerschaft der Weissblechkonsumenten, die gegen den hohen Schutzzoll kämpften und die wenn auch nicht wie erhofft die gänzliche Aufhebung des Schutzzolles, so doch vom 28. August 1894 ab die Herabsetzung des Zolles von 2,2 Cent auf 1,2 Cent durchgesetzt hatte, glänzend weiter entwickelt. Die Weissblecherzeugung stieg 1895 auf 102062 Tonnen, 1897 auf 260711 Tonnen und überflügelte damit die Einfuhr, die in diesem Jahre 230074 Tonnen betrug. Nach Inbetriebsetzung der Hochofenanlage von Duquesne führten Carnegie \& Co . zu Homestead ein ganz neues Verfahren ein, indem sie das Roheisen flüssig in die Martinöfen brachten und nur geringe Mengen von kaltem Schrott nachsetzten. Das flüssige Roheisen wurde in 15-Tonnen-Wagen 8 engl. Meilen weit angefahren und in einem grossen Mischer von 250 Tonnen Inhalt entleert. Ein Abstich eines Hochofens von Duquesne füllte 8 bis 10 Wagen; diese wurden elektrisch umgekippt. Man liess das flüssige Roheisen eine Stunde im Mischer stehen und goss es dann in Kellenwagen von 20 Tonnen Inhalt. Das Füllen des Mischers dauerte 40 Minuten, das Entleeren 10 Minuten. Täglich wurden auf diese Weise 700 bis 800 Tonnen von den Hochöfen angefahren. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Die Anreicherung armer Erze durch elektro-magnetische Auf- bereitung hatte Edison 1898 in New Jersey in grossem Massstabe durchgeführt. Eine neue Hochofenanlage, die an Leistungsfähigkeit mit der von Duquesne wetteifern sollte, legte die Johnson Steel Company 1898 bei Lorain (Ohio) an Stahl und Eisen 1898, S. 1060. . Die Hochöfen waren die grössten in Amerika, 30,48 m hoch, 6700 mm Kohlensackweite, 4570 mm in der Gicht und 4267 mm im Gestell und ein jeder mit je 12 Windformen versehen. Zu einem Ofen gehörten vier steinerne Winderhitzer von 30,48 m Höhe und zwei Ge- bläse. Die beiden Hochöfen sollten 350000 Tonnen im Jahre erzeugen. Die Einführung von Hibbards Drehscheibe für den Guss und die Fortbewegung der Masseln war eine wichtige Neuerung. Nach Swanks statistischem Führer für 1898 hatte die Zahl der Hochöfen abgenommen, ihre Leistungsfähigkeit aber um 2 Mill. Tonnen zugenommen, dasselbe war bei den Bessemerstahlwerken der Fall. Die Kleinbessemerei war sehr zurückgegangen. Die Zahl der Puddelöfen hatte sich seit 1896 um 519 vermindert. Die Zahl der Martinöfen hatte sich um 61, ihre Leistungsfähigkeit um 1 Million Tonnen vermehrt. Die Eisengiesserei der Westinghouse-Luftbremsengesellschaft war bedeutend vergrössert und der mechanische Betrieb noch verbessert worden A. Ledebur in Stahl und Eisen 1898, S. 461. . Zu den vorzüglichen Leistungen der amerikanischen Eisen- giessereien trugen sorgfältige Kontrollproben und genaue Lieferungs- bedingungen bei. Das grossartige Unternehmen des schottischen Handwerkersohnes Andrew Carnegie , die Carnegie Steel Company, stellte 1898 200000 Tonnen Stahl im Monat dar, wovon ⅔ im Inland ver- arbeitet, ⅓ ausgeführt wurde. 1899 errichtete die Gesellschaft vier weitere basische Siemens-Martin-Öfen von je 50 Tonnen Einsatz auf dem Homestead-Stahlwerk. In dem neuen Bessemerstahl-Walzwerke der Maryland Steel Company zu Sparows Point [Maryland] Stahl und Eisen 1898, S. 709. wurden 1898 die Blöcke nicht in Gruben, sondern direkt auf Wagen gegossen. Zum Wärmen der Blöcke dienten 10 Tieföfen, wovon jeder 10 Blöcke fasste; sie wurden mit Petroleum geheizt und von zwei elektrischen Kränen, welche die Blöcke auf Wagen legen, die sie dem Block- walzwerk zuführen, bedient. Für letzteres hatte man ein Duo- Reversierwalzwerk den gebräuchlichen Trioblockgerüsten vorgezogen. Das Schienenwalzwerk war dagegen ein Trio, worin die vorgewalzten Vereinigte Staaten von Nordamerika. Blöcke auf sechsfache Schienenlänge gestreckt wurden. Das Walz- werk verfügte über eine Dampfkraft von 5000 P. S. Das neu erbaute Walzwerk der Buhl-Stahlgesellschaft in Sharon (Pa.) war dadurch interessant, dass darin ein von Huber erfundenes automatisches Walzwerk, das Blechplatinen und kleine Stangenknüppel selbstthätig walzte, betrieben wurde. Die riesige Zunahme der Roheisenerzeugung seit 1897 war nur möglich durch die grossartigsten Vorrichtungen zum Abbau, zur Verladung und zum Transport der Lake-Superior-Erze Stahl und Eisen 1897, S. 948, 1900, S. 513. , aus denen 75 Prozent des Roheisens der Unionsstaaten erblasen wurden. Während man in den älteren Erzgebieten von Marquette, Menominee, Gogebic und Vermillion schon zum unterirdischen Bergbau über- gegangen war, erfolgte der Abbau der reichen Mesabierze noch durch Tagebau mit Hülfe riesiger Dampfbagger, von denen einer von 90 Tonnen Gewicht und 190 P. S. in 10 stündiger Schicht 200 Doppel- wagen zu 25 Tonnen, also 5000 Tonnen, Erze abzuschöpfen und zu verladen vermochte. Die Erze gehen dann während der Saison, d. h. in der Zeit vom 1. Juni bis 1. Dezember, in Eisenbahnwagen, die 25 bis 50 Tonnen fassen, nach den sogenannten oberen Häfen: Duluth, Two-Harbours, Ashland, Marquette und Escanaba, wo sie in die Docks gestürzt werden. Es sind dies hohe, riesige Ladebühnen mit Taschen von 65 bis 180 Tonnen Fassungsraum, aus denen das Erz direkt in die Schiffe gelangt. Doch kommen auch Kräne mit selbst- thätigen Greifkübeln, endlose Ketten mit Fördergefässen oder Förder- bänder zum Verladen von Erzen und Steinkohlen zur Anwendung. Eine Brücke oder Ladebühne bei Duluth ist 712 m lang und 16 m breit und fasst in 384 Taschen 57000 Tonnen Erz. Schiffe führen die Erze aus dem Oberen See an die Südküste des Eriesees, wo die grössten Hüttenwerke lagen und wo die Erze von grossartigen Ent- ladevorrichtungen aus den Schiffen in Eisenbahnwagen gehoben werden. Im Jahre 1899 wurden am Oberen See an 18 Millionen Tonnen Eisenerze aus folgenden Häfen verschifft: Escanaba 3720218 Tonnen Marquette 2733598 „ Ashland 2703447 „ Two Harbours 3973733 „ Gladstone 381457 „ Superior 878942 „ Duluth 3509965 „ Zusammen 17901360 Tonnen Vereinigte Staaten von Nordamerika. Über die grossartigen Verladevorrichtungen der Hüttenwerke und Docks am Südufer des Eriesees, besonders der der Lorain-Stahlgesell- schaft, verweisen wir auf die Schilderung von A. C. Johnston in der Zeitschrift Stahl und Eisen (1891, S. 14). Wir nennen nur den Huleths chen Erzumlader und die Eisenbahnwagen-Entlademaschinen der McMyler -Gesellschaft, ferner die neueste von Carnegie \& Co . in Conneaut (Ohio) erbaute Ausladevorrichtung von George H. Hullet . Diese besteht aus einer hochliegenden Blechbrücke, die wie ein Balancier befestigt und beweglich ist. An dem einen Ende hängt ein grosser Greiferkübel, der 10 Tonnen Erz aus dem Schiffe fasst. Alsdann wird die Brücke mit dem Kübel hochgeschwenkt, das Greifgefäss gleitet an das andere Ende der Brücke und entleert jetzt hier am tiefsten Punkte seinen Inhalt in einen Trichter über dem Eisenbahnwagen. Die neuesten von Rockfeller, Carnegie und anderen aus Stahl gebauten grossen Transportschiffe, die wegen ihres gekrümmten Oberdecks „Walfischrücken“ (whalebacks) heissen, sind 150 m lang und fassen 8000 Tonnen Erz. Starke Dampfer schleppen immer je zwei Erzschiffe über die Seeen, meist zu den Häfen am südlichen Ufer des Eriesees, wie Toledo, Huron, Lorain, Cleveland, Fairport, Conneaut, Ashtabula u. s. w. Die Wasserfracht betrug 1900 5,35 Mark für die Tonne; Carnegie , der im Mesabibezirk die Erze selbst ab- baute und sie auf eigenen Schiffen nach dem Carnegiehafen am Eriesee fuhr, hatte sogar 1897 nur 2,31 Mark Frachtkosten ein- schliesslich zweimaligen Umladens. Die Eisenbahnfracht war ebenfalls weit niedriger als in Europa, besonders als bei uns in Deutschland. Sie wurde nicht nach feststehenden Tarifen berechnet, sondern nach Vereinbarungen und überstiegen oft kaum die Selbstkosten. Die Verfrachtung geschah in zweckmässig konstruierten Erzwagen, die ein hohes Ladegewicht bis zu 50 Tonnen hatten. Im Jahre 1897 stellte sich die Eisenbahnfracht bis Pittsburgh nicht höher als etwa 7 Mark die Tonne. Nur auf dieser Grundlage war es möglich, dass Pitts- burgh das Centrum der Roheisenerzeugung blieb. Für die Südstaaten war der Bezug der reichen Erze von Cuba wichtig geworden. Der Krieg gegen Spanien war hierfür sehr störend. Die immer zunehmende Grösse der amerikanischen industriellen Unternehmungen zwang fast die Einzelunternehmer zum Zusammen- schluss zu grossen Vereinigungen gleichartiger Werke Stahl und Eisen 1900, S. 510. oder zur Bildung Beck, Geschichte des Eisens. 83 Vereinigte Staaten von Nordamerika. sogenannter Trusts. Andrew Carnegie , der ein Gegner der Syndi- kate war, verhinderte zwar anfänglich die Bildung eines grossen Eisen- und Stahltrusts, ähnlich dem Kupfertrust, er verband sich aber mit Rockfeller und sicherte sich dadurch den Erzbezug vom Oberen See und eine beherrschende Stellung. Nach Beilegung des Streites mit Frick wurde 1900 die Carnegie Company mit einem Kapital von 160 Millionen Dollar gegründet. Alle Spezialitäten- fabriken, wie Feinblechwalzwerke, Schraubenfabriken, Röhrenfabriken, selbst Stabeisenwalzwerke verbanden sich dagegen, zur Erzielung besserer Verkaufspreise, zu Trusts. Diese Konsolidationen repräsen- tierten meistens riesige Kapitalien Stahl und Eisen 1900, S. 403. . Carnegie warnte vor den Trusts, doch konnte er trotz seines Einflusses die Strömung der Zeit nicht aufhalten. Es erscheint angezeigt, dass wir einen Blick auf den Lebens- gang dieses für die Eisenindustrie Amerikas so wichtigen Mannes werfen. Andrew Carnegie war der Sohn eines armen Webers, der aus Not im Jahre 1846 mit seiner Familie aus seinem Heimats- orte Dunfermline in Schottland nach Amerika ausgewandert und in dem neu entstandenen Industrieorte Alleghany City in Penn- sylvanien mit seinem kaum 11 jährigen Sohne in einer Baumwoll- spinnerei Arbeit gefunden hatte. Andrew , der am 25. November 1835 geboren war, verdiente sich hier seinen ersten Lohn, 1½ Dollar die Woche, und der spätere Milliardär erzählt, dass ihn niemals Geld so glücklich gemacht habe wie dieses erstverdiente. In Andrew Carnegie steckte das unbändige Bestreben, voranzukommen, was ihm bei grosser Begabung durch Fleiss, Ausdauer, Entschlossenheit und Wagemut in beispielloser Weise gelang. Er ist das Vorbild eines ameri- kanischen self-mademan. In seinem 13. Jahr übernahm er die besser gelohnte Arbeit eines Kesselheizers. Seine freie Zeit verwendete er dazu, sich weiter zu unterrichten, wozu ihm die Bibliothek des Kapitäns J. Anderson , der dieselbe den Arbeitern zur Benutzung überlassen hatte, Gelegenheit gab. Das Dankgefühl für diese Wohlthat war so mächtig in ihm, dass er in späteren Jahren viele Millionen für die Errichtung solcher Volksbibliotheken schenkte. Zunächst brachten ihm seine er- worbenen Kenntnisse einen Schreiberposten auf dem Kontor der Fabrik ein. Jm 15. Jahre starb ihm der Vater und nun musste er auch für den Unterhalt seiner Mutter und eines jüngeren Bruders sorgen. Er wurde Depeschenbesteller, dann Telegraphist und erwarb als solcher so sehr Vereinigte Staaten von Nordamerika. das Vertrauen seines Vorgesetzten Thomas Scott , dass dieser, als er beim Ausbruch des amerikanischen Bürgerkrieges als Chef des Telegraphenwesens in das Ministerium berufen wurde, den jungen Andrew nach Washington mitnahm. Nach dieser Zeit begann Carnegie zu spekulieren. Mit Woodruff verband er sich zur Aus- beutung von dessen Erfindung der Eisenbahnschlafwagen. Hierzu musste er sich das Geld noch leihen. Das Unternehmen rentierte und mit dem erzielten Gewinn beteiligte er sich an der Ausbeutung von Petroleumquellen, die so viel Nutzen abwarfen, dass Andrew ein wohlhabender Mann wurde. Mit scharfem Auge hatte er die Mängel der amerikanischen Eisenbahnen erkannt. Hierzu gehörten besonders die hölzernen Brücken, die so oft einstürzten und zu schweren Unfällen Veranlassung gaben. Er organisierte deshalb die Cyclop-Eisenwerke und die Keystone-Gesellschaft, baute die erste eiserne Brücke über den Ohio, deren Erfolg ihm so viele Aufträge einbrachte, dass er sie kaum bewältigen konnte. 1868 überzeugte er sich auf einer Reise durch England von der Überlegenheit der Stahlschienen, worauf er sofort nach seiner Rückkehr ein Bessemerstahl- und Schienenwalzwerk anlegte. Seine Eisen- und Stahlwerke vergrösserten und vermehrten sich von Jahr zu Jahr und wurden die grössten Anlagen der Welt. Ende 1899 beschäftigten sie 50000 Arbeiter und erzeugten 3½ Mill. Tonnen Stahl, über 12½ Prozent der Weltproduktion. Er hat wie kein anderer zu der glänzenden Entwickelung der Eisen- und Stahl- industrie Amerikas beigetragen. Im Jahre 1900 zog er sich von den Geschäften zurück. Man schätzte sein Vermögen auf mindestens 300 Millionen Dollar. Hiervon machte er den edelsten Gebrauch für zahllose Werke der Wohlthätigkeit, die aber alle praktischen Bedürf- nissen dienen und besonders den Arbeitern zu gute kommen sollen. Vornehmlich gründete er Volksbibliotheken, nach und nach etwa 120, nicht nur in amerikanischen, sondern auch in schottischen und eng- lischen Städten. Dem grössten dieser Unternehmen, dem Carnegie- Institute in Pittsburgh, wendete er 7250000 Dollar, den Freibiblio- theken New Yorks 5200000 Dollar, den Freibibliotheken in St. Louis 1000000 Dollar zu. Er sprach den Grundsatz aus: „Wer immer seinen überschüssigen, nicht festliegenden Reichtum in selbstsüchtiger Weise nur dazu benutzt, um immer mehr Geld zusammenzuscharren, ist ein Dieb. Es ist eine Schande für einen Mann, mit Reichtum überladen zu sterben.“ Andrew Carnegie war nicht nur der grösste Förderer der Industrie der Vereinigten Staaten, er war auch ihr grösster Wohlthäter. 83* Vereinigte Staaten von Nordamerika. Nach dieser kurzen Abschweifung kehren wir zu der Geschichte der Trusts in den Vereinigten Staaten zurück. Zu Beginn des Jahres 1901 kam, besonders durch den reichen Finanzmann Pierpoint Morgan , der gewaltige Stahltrust, der die Werke der Carnegie-Gesellschaft und alle Stahlwerke des westlichen Centralamerika umfasste, zustande. Sein Vermögen betrug über 4½ Milliarden Mark. Technischer Leiter wurde Charles M. Schwab , ein Deutscher von Geburt. Von technischen Fortschritten der letzten Jahre ist die Einführung von besseren Koksöfen mit Gewinnung der Nebenerzeugnisse zu nennen. Ende 1897 gab es 47668 Koksöfen, zumeist Bienenkorböfen mit 12055500 Tonnen Erzeugung in den Vereinigten Staaten. 1898 wurden 400 Otto-Hoffmann-Öfen bei Boston gebaut und 1899 wurde eine grosse Koksofenanlage mit 1200 Otto-Hoffmann-Öfen bei Everett (Mass.) beschlossen. Hatte man noch 1897 die enorme Leistung der Duquesne-Hochöfen von je 600 Tonnen in 24 Stunden für eine Ausnahme angesehen, so erstrebten in den folgenden Jahren bei der grossen Steigerung des Bedarfes an Roheisen alle grossen Gesellschaften ähnliche Produk- tionen. So hatte z. B. 1899 die Ohio-Stahlgesellschaft zwei grosse Hochöfen für je 600 Tonnen Tageserzeugung erbaut. Die Carnegie- Gesellschaft selbst hatte zwei weitere Hochöfen in Duquesne und zwei in Rankin errichtet. Letztere waren 32,3 m hoch, hatten 7,3 m im Kohlensack und für 1400 Tonnen Tagesleistung eingerichtet. Ebenso führte die Illinois-Stahlgesellschaft zwei solche Riesenöfen in South-Chicago auf. Die Zahl der neuerbauten und projektierten grossen Hochöfen betrug Ende 1899 19 mit einer Gesamtleistungs- fähigkeit von 2600000 Tonnen im Jahre. Bei der neuen Hochofenanlage in Columbus [Ohio] Stahl und Eisen 1900, S. 639. hatte man für zwei Hochöfen fünf stehende Gebläsemaschinen, die nach beiden Öfen blasen konnten. Man arbeitete durchgehends mit hoher Pressung, etwa einer Atmosphäre, die aber in einzelnen Fällen bis 1,7 Atmo- sphären gesteigert wurde. Das geschmolzene Eisen für den Flussstahl- betrieb wurde meist in fahrbare Pfannen abgestochen und in diesen den Mischern zugeführt. Zum Schliessen des Stichlochs war die sogenannte Thonkanone (mud gun) in Anwendung. Eine grössere Ver- breitung haben die Giessmaschinen, besonders die von Ed. U. Ueh- ling A. a. O., S. 25. gefunden. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Die Leistungsfähigkeit der Flussstahlwerke erfuhr ebenfalls eine gewaltige Steigerung. Auch hierin fand ein grosser Wettkampf zwischen den grossen Stahlwerken statt. Zu Anfang 1899 erzielten die Joliet-Werke der im September 1898 mit fast 100 Millionen Dollar Aktienkapital konsolidierten Federal Steel Company den höchsten Rekord mit einem Tagesausbringen von 2184 Tonnen. Eine ihrer Knüppelwalzen lieferte in 12 Stunden 963 Tonnen Knüppel. Das Bessemerwerk von Carnegie zu Duquesne machte mit zwei Kon- vertern von 10 Tonnen in einem Tage 120 Chargen und 2400 Tonnen Stahl. Bei den Bessemerwerken kam man immer mehr von den Giess- gruben ab und ging zu dem Wagenguss über Stahl und Eisen 1900, S. 357. , wodurch die Leistungs- fähigkeit erhöht wurde. Das Abstreifen der Koquillen mit dem „stripper“ geschah ebenfalls auf demselben Plattwagen. Auch bei den neuen Martinanlagen der Tennessee-Stahlgesellschaft zu Ensley und der Illinois-Stahlwerke zu South-Chicago war man zum Wagen- guss übergegangen. Das vorzüglich eingerichtete Stahlwerk zu Ensley hatte 10 Wellman-Seaver-Kippöfen von 50 Tonnen Fassung. Das Kippen geschah durch hydraulische Pumpen. Die Thüren der Öfen wurden durch Pressluftcylinder gehoben. Die fahrbaren Begichtungs- wagen wurden elektrisch bewegt. Auf den Werken der Illinois- und der Pennsylvania-Stahlgesell- schaften waren 1899 kippbare Martinöfen, System Wellman und Campbell , von 75 Tonnen, auf dem Pencoyd-Iron-Works bei Phila- delphia ein solcher von 100 Tonnen Fassungsraum in Betrieb. Letzterer wurde nach Talbots-Verfahren kontinuierlich betrieben. Auch hierbei kamen die Giessgruben in Wegfall und wurden durch den direkten Wagenguss ersetzt. Direktor Wood von Sparrow Point wirkte hierfür bahnbrechend A. a. O. . Bei dem Walzwerksbetrieb erzielte das kontinuierliche Walzwerk für Handelseisen von Morgan zu Mingo-Junction gute Erfolge A. a. O., S. 210. . Ausserordentliche Steigerungen erfuhren die Leistungen der Walz- werke durch die mechanische Bedienung, den sogenannten automa- tischen Betrieb und durch die Vervollkommnung der Antriebs- und Arbeitsmaschinen. Grosse Fortschritte machte die Drahtfabrikation, wozu die automatischen Schweissöfen von Alexander Laughlin zu Pittsburgh und die Walzwerke von M. Baackes und Garrett bei- Vereinigte Staaten von Nordamerika. trugen. Während früher die Vereinigten Staaten grosse Mengen von Draht einführten, haben sie jetzt eine bedeutende Ausfuhr von Walzdraht, ge- zogenem Draht und Drahtstiften. Ähnlich verhält es sich mit dem Weissblech. Die Weissblechfabrikation wurde nur durch den Schutz- zoll, den die Mac-Kinley-Bill einführte, ermöglicht und begann erst im Jahre 1891. Anfangs hatte sie mit Schwierigkeiten zu kämpfen, aber seit dem Jahre 1895 entwickelte sie sich rasch. 1895 betrug die Er- zeugung 102062 Tonnen, 1897 schon 260711 Tonnen, 1898 332094 Tonnen. Die Einfuhr von Weissblech, die 1891 noch 327883 Tonnen betragen hatte, war 1898/99 auf 54243 Tonnen gesunken und es ist wahrscheinlich, dass Amerika jetzt schon mehr Weissblech ausführt als einführt. Auf allen Gebieten der Eisenverarbeitung machte die einheimische Industrie der Vereinigten Staaten grosse Fortschritte. So wurden z. B. im Jahre 1898/99 1429 Schiffe mit 320876 Registertonnen Gehalt ge- baut. Im Eisenbahn- und Brückenbau marschiert Amerika an der Spitze, ebenso auf vielen Gebieten des Maschinenbaues. Enorm war die Ausfuhr von Nähmaschinen, Fahrrädern und Schreibmaschinen. Überhaupt hat infolge der grossartigen Entwickelung der ameri- kanischen Eisenindustrie der auswärtige Handel in den neunziger Jahren ein ganz verändertes Aussehen erhalten. Im Jahre 1880 betrug der Wert der Einfuhr von Eisen und Eisenwaren 80 Millionen Dollar, die der Ausfuhr 15 Millionen Dollar; 1890 war das Wertverhältnis von Einfuhr zur Ausfuhr 44540413 Doll. zu 27000134 Dollar; 1893 überstieg der Wert der Ausfuhr bereits den der Einfuhr und in der Periode vom 1. Juli 1897 bis 30. Juni 1898 war der Wert der Einfuhr auf 12626000 Dollar gesunken, der Wert der Ausfuhr aber auf 78017000 Dollar gestiegen. Im Jahre 1898/99 betrug der Wert der Ausfuhr von Eisen und Eisenwaren 106100000 Dollar, der Wert der Einfuhr nur 12098000 Dollar. Die Fortschritte der amerikanischen Eisenindustrie seit 1870 sind staunenerregend und vielfach ist die junge Industrie der Vereinigten Staaten Vorbild und Lehrerin für Europa geworden. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten, so auch hier. Die Konzentration des Kapitals war nötig, um in so kurzer Zeit so Grosses zu leisten. Dies vollzog sich aber nicht stetig dem Bedürfnis entsprechend, sondern oft gewaltsam durch kühne Spekulation sprungweise. Die in Fig. 340, S. 899, dargestellten Schaulinien der Entwickelung der Eisen- industrie von 1871 bis 1899 zeigen dies deutlich. Dazu kam eine Überschätzung der Maschinenarbeit gegenüber der Handarbeit, welche Vereinigte Staaten von Nordamerika. ein Hemmnis für eine richtige Erziehung zur Handfertigkeit bildete. Die Maschinenarbeit prägt der amerikanischen Industrie etwas Scha- blonenmässiges auf und der Geringschätzung der Handarbeit folgte die Geringschätzung der Handarbeiter. Den Amerikanern fehlt der kon- servativ-historische Sinn, den sich die Eisenindustrie Europas noch erhalten hat. Dieser mag ja zwar manchmal den Fortschritt ver- zögern, für die socialen Verhältnisse ist er aber von Nutzen. Der rücksichtslos durchgeführte Grundsatz help yourself und die Gering- schätzung der Handarbeit verhinderten die Fürsorge für die Arbeiter. Von den segensreichen Schutzgesetzen für die Arbeiter, wie sie Deutschland besitzt, von einem gesetzlichen Schutz in Fällen von Krankheit, Unfall, Alter und Invalidität weiss man in Amerika nichts. Dagegen artete der Wettbewerb namentlich in Zeiten des Niederganges zu einem rücksichtslosen Kampfe aus, wobei der Kapitalstärkere förm- lich darauf ausging, den Schwächeren zu vernichten. Bei den Arbeitern aber äusserte sich die Unzufriedenheit in häufigen und oft sehr er- bitterten Ausständen. Noch sind die Arbeitslöhne ja höher wie in Europa. Da jedoch die Löhne in Europa in den letzten zwanzig Jahren gestiegen, in Amerika in der Eisenindustrie aber eher zurückgegangen sind, so haben sich die Lohnverhältnisse nicht zu Gunsten der ameri- kanischen Arbeiter entwickelt. Zahlengeschichte der Vereinigten Staaten von Nordamerika Die Gewichtsangaben sind meist in Metertonnen (zu 1000 kg), zuweilen auch in Net Ton (zu 907 kg), oder Grosstonnen (zu 1015 kg). . Kohlenförderung in Kilotonnen . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Kohlenförderung 1896 in den einzelnen Staaten in Kilo- tonnen (= 1 Mill. kg). Alabama 5214 Arkansas 806 California 64 Colorado 3163 Georgia 223 Illinois 17947 Indiana 3690 Indian Territory 1120 Iowa 3732 Kansas 3093 Kentucky 2938 Maryland 3685 Michigan 77 Missouri 2165 Montana 1050 New Mexiko 594 North Carolina 13 Dakota 85 Ohio 11712 Oregon 82 Pennsylvania 88976 Tennessee 2416 Texas 530 Utah 456 Virginia 923 Washington 1174 Westvirginia 12253 Wyoming 2062 Zusammen 170243 Kilotonnen. Entwickelung der Connellsviller Kokserzeugung . Eisenerzförderung in Kilotonnen . 1870 3081 1880 7234 1890 16263 1894 12070 1895 16213 1896 17542 1897 17798 1898 19745 1899 25000 Eisenerzförderung in den einzelnen Staaten in Kilotonnen . Alle anderen Staaten förderten unter 100 Kilotonnen. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Eisenerzförderung 1893 nach Sorten . Hiervon: Lake-Superior-Eisenerze in Kilotonnen . Eisenerzeinfuhr in Kilotonnen (Wedding) . 1885 426 1886 701 1887 1142 1889 867 1895 524 1896/97 543 1897/98 353 Vereinigte Staaten von Nordamerika. Eisenerzeinfuhr 1895 in Kilotonnen . Von Cuba 367 „ Spanien 78 „ Algier 28 „ Elba 24 „ Griechenland 18 „ British Columbia 1 „ anderen Ländern 8 Zusammen 524 Roheisenerzeugung in Tonnen (zu 1000 kg). Roheisenerzeugung 1871 bis 1899 in Tonnen . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Roheisenerzeugung 1871 bis 1899 in Tonnen . (Fortsetzung.) Roheisenerzeugung 1900 und 1901 in Tonnen . In Betrieb befindliche Hochöfen 1880. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Roheisenproduktion der einzelnen Staaten in Tonnen . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Roheisenerzeugung nach Brennmaterialien getrennt in Tonnen . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Roheisenerzeugung nach Sorten . Spiegeleisen und Ferromangan . 1875 7104 1880 17781 1885 31431 1890 135104 1900 260072 Roheisenerzeugung nach den vier Hauptbezirken . Hochofenstatistik . Zahl der Hochöfen in Betrieb nach dem Brennmaterial . Zahl der vorhandenen Hochöfen . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Leistungsfähigkeit der amerikanischen Hochöfen . Erzeugungskosten einer Tonne Roheisen 1850 bis 1879 in Mark . Erzeugungskosten des Roheisens pro Tonne in Mark . Erzeugungskosten, Verkaufspreis und Gewinn pro Tonne . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Übersicht der Eisenerzeugung 1870 bis 1895 in Tonnen zu 1000 kg. (Aus Mineral Resources of the United States by Alb. Williams . — U. S. Geo- logical Survey 1886.) Betriebsvorrichtungen 1882. Holzkohlenhochöfen 250 Anthrazithochöfen 225 Kokshochöfen 210 Zusammen Hochöfen 685 Walz- und Stahlwerke 393 Puddelöfen (einfache) 5018 Wärmöfen 2598 Walzenstrassen 1424 Bessemerstahlwerke 14 (Konverter 36) Herdstahlwerke 27 (Martinöfen 51) Tiegelstahlwerke 35 (Tiegel 3490) Luppenfeuer 72 (75000 Tonnen Produktion) Schweisseisen (Walzeisen) in Tonnen zu 1000 kg. 1880: 4319 Puddelöfen, 20 rotierende Öfen, 2105 Schweissöfen, 118 Frischfeuer, 495 Raffinierfeuer. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Erzeugung von Luppen aus Renneisen . Walzeisenproduktion (Schweiss- und Flusseisen) der einzelnen Staaten in Tonnen 1875. Maine 8100 New Hampshire 1000 Vermont 6240 Massachusetts 99712 Rhode-Island 9584 Connecticut 9618 New York 181606 New Jersey 55249 Pennsylvania 738830 Delaware 15252 Maryland 46687 Virginia 18843 North-Carolina 10325 Georgia 1000 Alabama 54299 Texas 33961 Westvirginia 13745 Kentucky 237591 Tennessee 44073 Ohio 200676 Indiana 3450 Illinois 42840 Michigan ? Wisconsin ? Missouri 31540 Wyoming 7000 Kansas 5000 California 14194 Walzwerksprodukte (Schweisseisen und Stahl) von 1871 bis 1891 in Tonnen . Beck, Geschichte des Eisens. 84 Vereinigte Staaten von Nordamerika. Walzwerksprodukte in Net Tons . Walzdrahterzeugung in Tonnen . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Weissblecherzeugung in M.-Tonnen von 1892 bis 1898. 1892 20427 1893 56056 1894 75453 1895 102062 1896 167483 1897 260711 1898 332094 Nägelfabrikation . Schweisseisen 1871, Selbstkosten . Roheisen 183,10 Dollar Baumaterial 35,91 „ Arbeitslohn 77,99 „ Sonstige Kosten 29,49 „ Zusammen 326,49 Dollar Stahlerzeugung in Millionen Tonnen . Zum Vergleich . 84* Vereinigte Staaten von Nordamerika. Stahlblöcke u. a. Stahl . Stahlerzeugung nach Sorten in Net Tons (nach Swank) . Stahlverbrauch pro Kopf der Bevölkerung . 1879 74,4 Pfund 1889 213,2 „ 1898 276,2 „ Vereinigte Staaten von Nordamerika. Bessemerblöcke . Herdflussstahl (Siemens-Martin-Stahl) in Tonnen . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Herdflussstahl (Siemens-Martin-Stahl) in Tonnen . Martinstahlguss in Tonnen . Erzeugung von Flussstahlschienen in Net Tons und Durchschnittspreis pro Ton in Dollar . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Erzeugung von Flussstahlschienen nach Staaten . Eisenbahnschienen nach Sorten . Roheiseneinfuhr in M.-Tonnen . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Roheisenausfuhr 1871 bis 1900. Roheisenausfuhr 1897 nach Bestimmungsländern . Nach Österreich-Ungarn 11513 Tonnen „ Belgien 22153 „ „ Deutschland 41767 „ „ den Niederlanden 21460 „ „ Grossbritannien 93151 „ „ Italien 32200 „ „ Kanada 18822 „ „ den übrigen Ländern 21620 „ Zusammen 262686 Tonnen Roheisenverbrauch in M.-Tonnen . 1887 6707770 1888 6589852 1889 7653793 1890 8827261 1891 8257704 1892 9181024 1893 6802650 1894 6619606 1895 9782640 1900 13777000 (pro Kopf der Bevölke- rung 172 kg) Vereinigte Staaten von Nordamerika. Ein- und Ausfuhr von Eisen und Eisenwaren 1899 und 1900. Einfuhr in Tonnen zu 1000 kg. Vereinigte Staaten von Nordamerika. Erzeugung, Einfuhr, Ausfuhr und Verbrauch von Roh- und Walzeisen in Tonnen . Erzeugung, Einfuhr und Verbrauch von Eisenbahnschienen in Tonnen . Vereinigte Staaten von Nordamerika. Anteil der Stahlschienen auf amerikanischen Bahnen von 1880 bis 1890 in Prozenten . 1880 29,1 1881 37,5 1882 47,3 1883 52,7 1884 57,6 1885 61,0 1886 62,9 1887 67,7 1888 73,3 1889 75,0 1890 80,4 Walzeisen ausser Schienen in Tonnen . Ein- und Ausfuhr nach Wert in Dollar . Ein- und Ausfuhr 1897/98 in 1000 Dollar . Einfuhr : Eisenerz 470 Roh- und Alteisen 691 Stabeisen 686 Stahlblöcke 1202 Platten und Bleche 183 Weissblech 3809 Draht und Drahtseile 349 Walzdraht 845 Fabrikate 4781 Maschinen 897 Ausfuhr : Roheisen 2730 Stabeisen 181 Stahlblöcke 290 Eisenbahnschienen 4650 Draht 2593 Gusswaren 1188 Blech 538 Eisenkonstruktionen 1128 Eisenwaren 18180 Maschinen 31196 Vereinigte Staaten von Nordamerika. Aus- und Einfuhr seit 1890 in Millionen Dollar . Ausfuhr nach Ländern in 1000 Dollar . Detaillierte Ein- und Ausfuhr von Stahl und Eisen s. Stahl u. Eisen 1898, S. 963. Durchschnittspreise der Stahlschienen pro Net Ton in Dollar . Preise 1899. Giessereiroheisen ab Philadelphia 23,25 Dollar „ „ Cincinnati 20,75 „ Bessemerroheisen ab Pittsburgh 24,90 „ Graues Puddelroheisen ab Pittsburgh 2125 „ Stahlknüppel ab Pittsburgh 34,00 „ Walzdraht ab Pittsburgh 36,00 „ Schwere Stahlschienen ab Werk im Osten 35,00 „ Hochofenkoks ab Connellsville 2,75 bis 3,00 „ Vereinigte Staaten von Nordamerika. Preise pro Ton loco Pittsburgh in Dollar und in Mark . (Stahl und Eisen 1897, S. 953.) Gestehungskosten von Bessemerroheisen zu Pittsburgh 1897 pro Ton . 1,6 Tonnen Erz 4,00 Dollar Koks 1,50 „ Kalkstein 0,50 „ Löhne 0,75 „ Generalunkosten 0,50 „ Zusammen 7,25 Dollar. Eisenverbrauch in Kilotonnen (nach Dr. Rentzsch ). Vereinigte Staaten von Nordamerika. Ein- und Ausfuhr in 1000 Mark . Ein- und Ausfuhr in Kilotonnen . Ein- und Ausfuhr im prozentualen Verhältnis zur Produktion . Roheisenverbrauch und -erzeugung 1899 und 1900. Kanada. Die übrigen Staaten Amerikas . Die Eisenindustrie der übrigen Länder Amerikas ist im Vergleich mit den Vereinigten Staaten noch wenig entwickelt. Dies hat zum Teil seinen Grund in der grossen Leistungsfähigkeit letzterer, die ihre Erzeugnisse billig anbieten können, hauptsächlich aber darin, dass diese Länder noch von dem Überschuss ihrer Naturprodukte leben und diese exportieren, weshalb eine Notwendigkeit, Werte durch Arbeit zu erzeugen, also für eine industrielle Thätigkeit, kaum vorliegt. An den Vorbedingungen für die Eisenindustrie, besonders an Eisenerzen, fehlt es diesen Ländern durchaus nicht. Kanada (richtiger the Dominion of Canada) besitzt reiche Ablagerungen von Eisen und Steinkohlen, letztere in Neu Schottland, erstere in den St. Lorenzbergen. Im Gneis der St. Lorenzschichten finden sich mächtige Lager von Magneteisenstein, während entlang dem St. Lorenzstrom in den St. Lorenzbergen Raseneisensteine in Menge gefunden werden. Die Ausbeutung dieser Erzlager ist noch nicht bedeutend. Zwei Holzkohlenhochöfen, die 1828 zu Stellarton und 1831 zu Clemensport errichtet worden waren, konnten sich nicht halten. 1892 gab es nur ein grösseres Bergwerk auf Magneteisenstein zu Bristol bei Quebeck. Dasselbe hatte einen einzigen Schacht von 200 Fuss, aus dem es 150 Tonnen den Tag fördern konnte; ferner besass es zwei grosse Gasröstöfen. Das Erz enthielt über 63 Prozent Eisen. Bei weitem der grösste Teil des Eisenbedarfs wurde damals noch eingeführt. Roheisen kam zumeist aus den Vereinigten Staaten und wurde in inländischen Giessereien zu Gusswaren verschmolzen. Eisen- bahnschienen bezog man aus Grossbritannien; Deutschland lieferte Radreifen, eiserne Röhren, Draht, emaillierte Waren, Kleineisenzeug und Messerwaren. 1893 betrug der Roheisenverbrauch von Britisch-Amerika 116541 Tonnen, wovon 46,2 Prozent im Lande erzeugt wurden, während 53,8 Prozent eingeführt wurden. Von dem einheimischen Roheisen waren 7920 Tonnen von der Canada Iron Furnace Company in Radnor Forge bei Quebeck mit Holzkohlen erblasen. Koksroheisen wurde von der Londonderry Iron Company und der New Glasgow Iron Coal and Railway Company, beide in Neu Schottland, hergestellt. Kanada. Dass die Regierung der Industrie immer mehr Beachtung schenkte, geht unter anderem auch daraus hervor, dass sie Anfang 1894 ein verbessertes Patentgesetz erliess. Die Roheisenerzeugung betrug 1894 45508 Tonnen, 1895 38434 Tonnen, 1896 60990 Tonnen. Etwa ein Zehntel der Produktion von 1896 war mit Holzkohlen, neun Zehntel mit Koks erblasen. Es gab damals acht Hochöfen, wovon aber nur zwei in regelmässigem Betriebe waren. Ein Teil des Roheisens wurde in Siemens-Martin-Öfen in Fluss- stahl umgewandelt. 1895 wurden 17000 Tonnen Blöcke in Öfen mit saurem Herdfutter erzeugt, 1896 16000 Tonnen teils mit saurem, teils mit basischem Futter. Es wurden 6100 Tonnen Eisenbahnschienen und 4612 Tonnen Konstruktionsteile aus Martinstahl gewalzt. Die Walzwerke verarbeiteten ausserdem noch importiertes Eisen, was daraus hervorgeht, dass ihre Produktion 1896 76244 Tonnen betrug. Ende 1896 gab es bereits 16 Stahl- und Walzwerke. Ein neues Werk war zu Bridgeville projektiert. Die Steinkohlenförderung stieg von 1895 bis 1898 von 3513500 Tonnen auf 4172655 Tonnen. Eisenerze wurden 1899 69982 Tonnen gefördert. 1898 gab es in Kanada acht Hochöfen, ein neunter war im Bau, die Produktion blieb aber noch unter 100000 Tonnen. Die Zunahme der Roheisenerzeugung von 1880 bis 1901 betrug in Kilotonnen: 1880 23100 1890 25800 1895 32000 1896 60990 1897 54657 1898 76400 1899 101200 1900 87467 1901 248896 Hiervon 232555 Tonnen mit Koks, 16341 Tonnen mit Holzkohle. Der Roheisenverbrauch pro Kopf betrug 1900 42 kg. Die Einfuhr von Eisen und Eisenwaren war sehr bedeutend. Die Nova Scotia-Stahlgesellschaft erzeugte 1899 in drei grossen Herdöfen 20680 Tonnen Flussstahl Siehe Stahl und Eisen 1901, S. 387. . Am 1. Juni 1900 hat die Hamilton Steel and Iron Company bei Ontario ein Stahlwerk Daselbst S. 881. neuester Konstruktion in Betrieb gesetzt. Die kippbaren Martinöfen sind mit Vorherd und elektrisch betriebener Chargiermaschine versehen. Ein elektrischer Laufkran bewegt Giess- pfanne, Blöcke und Coquillen. Eine grossartige Anlage hatte die Dominion-Eisen- und Stahl- Kanada. gesellschaft Siehe Stahl und Eisen 1901, S. 55. zu Sydney am Eingang des St. Lorenzgolfs 1899 zu errichten begonnen. Die Erze kommen von der Wabanagrube auf der Insel Great-Bell. Steinkohlen finden sich in der Nähe. Das Werk soll 4 Hochöfen, 10 kippbare 50-Tonnen-Martinöfen, eine 889 mm- Blockwalze, 400 Otto-Hoffmann-Koksöfen, eine Eisengiesserei und andere Werkstätten umfassen. Während früher England den Hauptteil der Einfuhr lieferte, haben seit einigen Jahren die Vereinigten Staaten England über- flügelt. An der Einfuhr von 1898 waren die Vereinigten Staaten mit 50, England mit 35 und Deutschland mit 15 Prozent beteiligt. Die Einfuhr betrug dem Werte nach in Dollar: Ein- und Ausfuhr in 1000 Mark . In neuester Zeit steht eine grosse Umwandlung in der kanadischen Eisenindustrie dadurch in Aussicht, dass es H. M. Whiney in Boston gelungen ist, eine grosse Aktiengesellschaft, die Dominion Coal and Beck, Geschichte des Eisens. 85 Mexiko. Steel Company mit einem Kapital von 80 Millionen Dollar zu gründen, welche die Anlage eines grossen Hütten- und Stahlwerkes mit vier Hochöfen von täglich je 250 Tonnen und eines Stahlwerkes von täglich 800 Tonnen Erzeugung beabsichtigt. Die Gesellschaft besitzt sieben Steinkohlengruben von 3 Millionen Tonnen Förderung und ein grossartiges Hämatitlager auf Bell-Island. Der Aufschwung ist bereits durch die Roheisenerzeugung von 1901 illustriert. Mexiko befindet sich in ähnlicher Lage wie Kanada; es ist sehr reich an guten Eisenerzen und reich an Steinkohlen, aber die einheimische Eisenindustrie ist noch so wenig entwickelt, dass es doch noch den grössten Teil seines Bedarfes einführen muss. Ein Eisenerzberg von seltenem Umfang ist der „Cerro del Mercado“ bei Durango Siehe Stahl und Eisen 1893, S. 554. , aus Eisenglanz von 54 Prozent Eisengehalt bestehend, welcher der Durango Steel and Iron Company von Des Moines in Iowa gehört. Dieses Erzgebirge ist 1,6 km lang, 500 m breit und 120 bis 180 m hoch. Birkinbine hat die Lagerungsverhältnisse zuerst klargelegt und auf die Grossartigkeit des Erzvorkommens hingewiesen. Die Kohlenfelder von Cohahuila sind durch die Eisenbahn vom Eaglepass in Texas nach der Sierra Mercado mit dem Eisenberg von Durango verbunden. Andere reiche Eisenerzlager befinden sich im Gebiete von Mon- clova und in der Sierra Carissal. Bei Tula in Südmexiko wurden früher Katalanschmieden betrieben. An der Küste von Coynka ist der Cerro Yman ein 300 Fuss hoher, eine halbe Meile langer Berg, der zum dritten Teil aus reinem Magneteisenstein besteht. In Guerrero und Oaxaca finden sich neben reichen Erzfeldern ausgedehnte Kohlenlager. Es werden Eisenerze nach Texas und Alabama ausgeführt. Die Einfuhr von Eisen ist bedeutend und hat in den letzten 30 Jahren sehr zugenommen. 1871 belief sich der Wert der ein- geführten Eisenfabrikate auf 6 Mill. Mark, 1891/92 auf 70 Mill. Mark. Die Länge der Eisenbahnen betrug 1880 1055 km, 1892 10558 km. Es betrug dem Werte nach in Mark: Kuba. Der Wert der Einfuhr betrug in Dollar (zu 4,20 Mark): Im Mai 1900 hat sich eine Gesellschaft (Compania Funditora de Fierro y Acero de Monterey) gebildet, die bei Monterey eine Eisen- hütte und ein Stahlwerk anzulegen beabsichtigt Siehe Stahl und Eisen 1902, S. 116 und 404. . Kuba ist für die Eisenindustrie von Bedeutung durch seinen Reichtum an guten Eisenerzen Dr. H. Wedding , Die Eisenerze der Insel Kuba, in Stahl u. Eisen 1892, S. 545. , die fast ausschliesslich in den Ver- einigten Staaten verschmolzen werden. Die wichtigsten Eisenerzlager befinden sich 3 bis 5 Meilen von St. Jago de Cuba im Maestra- gebirge. Ihre Ausbeutung begann erst Anfang der achtziger Jahre. 1881 erwarb Don José Ruiz de Leon eine Konzession und eröffnete die Lolagrube. Hierauf erschloss Don Francisco Batley Gene die berühmte Jaraguagrube, die Anfang der neunziger Jahre in den Besitz der Bethlehem- und der Pennsylvanischen Eisen- und Stahlgesellschaften überging. Seit 1883 begann der energische Abbau der Erze, nachdem man deren Wert für Bessemerroheisen erkannt hatte. 1884 fing die Verschiffung nach Philadelphia an. Seitdem sind noch viele Gruben eröffnet worden, die nach und nach von Amerikanern angekauft wurden. Die kubanischen Erze haben für die Eisenhütten im Südosten der Vereinigten Staaten dieselbe Bedeutung wie die Bilbaoerze für England und Deutschland. Im Jahre 1892 gab es drei grosse Bergwerksgesellschaften zur Gewinnung der Eisenerze in Kuba: die Jaraguagesellschaft, die spanisch-amerikanische Gesell- schaft und die Sigua-Grubengesellschaft. Die Jaraguagrube konnte damals 50000 bis 60000 Tonnen im Monat fördern. Die Dulithgrube war die wichtigste der Siguagruben, deren Ausbeutung die Gründung einer neuen Stadt Chalia veranlasst hatte. Die Erzausfuhr Kubas betrug in Tonnen: 1884 20011 1885 79920 1886 112755 1888 204425 1889 304406 1890 356985 1893 340406 Ausserdem 13349 Tonnen Manganerze. 1896 405671 1897 452559 Hiervon entfielen auf die Jaraguagrube 246530 Tonnen. 85* Kolumbia. — Brasilien. Nachdem die Vereinigten Staaten 1899 Kuba besetzt hatten, wurde der Zoll auf Eisenerze herabgesetzt und wird die Förderung der kubanischen Eisensteinbergwerke sich voraussichtlich in der Zukunft noch steigern. Die Republik Kolumbia besitzt Steinkohlen und Eisenerze. Das Hüttenwerk Ferreria de la Praderia, 8 Meilen von Bogotá entfernt, hat einen Kokshochofen von 30 bis 40 Tonnen täglicher Leistungs- fähigkeit, mehrere Puddelöfen, Hammer- und Walzwerke. Der Bau eines Stahlwerkes ist beabsichtigt. Brasilien ist reich an Eisenerzen, aber arm an Steinkohlen. Die wenig umfangreiche Verhüttung der Erze geschieht mit Holz- kohlen. Auf der Weltausstellung in Wien im Jahre 1873 hatte Joaquim de Souza Mursa Eisenprodukte ausgestellt. Er verhüttete zu São João de Ipateva Magneteisenstein mit Kalk in einem Holz- kohlenhochofen, das Roheisen wurde in Herden gefrischt, die Luppen zerschroten und zu Stäben ausgeschmiedet. Eine ausführlichere Mitteilung über die Eisenindustrie Brasiliens aus dem Jahre 1893 Im Septemberheft der Revue universelle des Mines von 1893; Stahl und Eisen 1894, S. 370. verdanken wir Paul Ferrand , Professor an der brasilianischen Bergakademie zu Ouro-Preto, der wir folgende Notizen entnehmen. Die wichtigsten Eisenerzlagerstätten finden sich in den Provinzen Minas Geraes, Espiritu Santo, Sao Paulo, Santa Catharina, Rio grande do Sul, Goyaz und Matto Grosso. Die Eisenindustrie ist besonders in den Staaten Minas und São Paulo vertreten. Neben den kleinen Stück- öfen (cadinhos), von denen je vier bis sechs in einem gemeinsamen Mauerwerk vereinigt sind, und den kleinen katalanischen Feuern giebt es auch zwei Hochofenanlagen, beide für Holzkohlenbetrieb ein- gerichtet. Die eine davon ist Eigentum der Provinz Sao Paulo und wurde im Jahre 1810 in Ipateva errichtet. Sie besitzt zwei alte Öfen von 8 m Höhe, von denen abwechselnd einer in Betrieb ist, und einen neuen Ofen von 12 m Höhe, der indessen noch nicht angeblasen war. Zur Verhüttung gelangte ein Magnetit, dessen Analyse 67 Prozent metallisches Eisen, dabei aber eine gewisse Menge Titan und Phosphor aufweist. Das Eisen wird mit kaltem Wind er- blasen, und der Brennmaterialaufwand ist sehr beträchtlich. Die Weiterverarbeitung des Roheisens erfolgt in zwei Feuern, die im Tage Brasilien. etwa 1 Tonne Eisen liefern, das auf Feineisen verwalzt wird. Ausser- dem ist eine Giesserei und ein Cementierungsofen vorhanden. Die Jahreserzeugung betrug 750 Tonnen Guss- und 300 Tonnen Schmiede- eisen. Die Verkaufspreise stellten sich für die Tonne: Roheisen 112 Mark, Gusswaren 480 Mark, Schmiedeeisen 344 Mark. Die zweite Anlage, die Hütte „Esperança“, liegt im Staate Minas in der Nähe von Etabira do Campo. Sie wurde 1888 gegründet und war 1892 im Besitz der „Compania national de Forjas e Estaleiros“. Der 9 m hohe Holzkohlenhochofen liefert in 24 Stunden 5 bis 6 Tonnen Roheisen. Man arbeitet mit schwach erwärmtem Winde (kaum 200°) und erzeugt etwa 2000 Tonnen Roheisen im Jahre. Die Verkaufs- preise waren hier etwas niedriger. Im Bau begriffen war ausserdem eine neue Anlage, etwa 500 km von Rio de Janeiro entfernt und gleichfalls an der Centralbahn gelegen. Man beabsichtigte, dort einen kleinen Hochofen zur Verarbeitung eines manganhaltigen Eisenerzes zu errichten. Ausser den genannten Hütten gab es in Rio und dessen Um- gebung mehrere kleinere Anlagen, die sich mit der Weiterverarbeitung des Roheisens befassten. Die Eiseneinfuhr nach Rio de Janeiro war in den Jahren 1880 bis 1891 von 6363 Tonnen auf 10314 Tonnen, der Wert der ein- geführten Eisenprodukte von 1880/81 bis 1889 von 10269440 Mark auf 17830400 Mark gestiegen. Diese Zahlen zeigen, wie wenig die einheimische Industrie den Bedarf zu decken vermochte. 1894 gab es zwei Eisenindustriegesellschaften in Brasilien: die Compania Usina Wigg und die oben erwähnte Compania de Forjas e Estaleiros. Sie erzeugten Gusswaren direkt aus dem Hochofen, der 25 Prozent billiger war als der eingeführte. Die Compania Wigg schmolz auch Ferromangan zur Ausfuhr nach Europa. Sehr bedeutend hat sich in den letzten Jahren die Förderung und die Ausfuhr von Manganerzen gesteigert. 1899 betrug der Export über 40000 Tonnen. Die Manganerzlager befinden sich in den Provinzen Bahia und Minas. Die ergiebigsten Gruben sind im Besitz von Carlos Wigg . Deren Ausfuhr betrug 1895 6565 Tonnen, 1898 29630 Tonnen und 1899 bis zum September bereits 60107 Tonnen. Die statistischen Angaben über die Einfuhr von Eisen und Eisen- waren sind sehr lückenhaft. Roheisen und Puddeleisen liefert England zumeist, während altes Eisen ausgeführt wird. Guss wird jetzt grossen- teils im Lande erzeugt. Röhren kommen von England und Nord- Brasilien. amerika. Drahtstifte werden aus belgischem Draht im Inlande her- gestellt. Hufnägel, Holzschrauben, Messerwaren und Werkzeuge liefert Deutschland, Eisenbahnmaterial England, Nordamerika und Deutschland, während Lokomotiven und Wagen meist aus den Ver- einigten Staaten kommen, desgleichen elektrische Einrichtungen. Die Einfuhr aus Grossbritannien betrug: Die Einfuhr aus Deutschland betrug: Die Eisenindustrie der übrigen Staaten Amerikas ist noch so unentwickelt, dass sie für die Geschichte des Eisens ohne Be- deutung ist. Sie decken ihren Eisenbedarf durch Einfuhr und nur als Einfuhrländer für die Überproduktion der Industriestaaten sind sie von Wichtigkeit. Argentinien , dessen Gesamteinfuhr im Jahre 1898 einen Wert von 107428900 Pesos oder rund 432 Millionen Mark erreichte, steht an erster Stelle. Seine Einfuhr von Eisen, Eisenwaren und Maschinen betrug in Goldpesos (zu 4,05 Mark): Argentinien. Die deutsche Einfuhr betrug: 1893 verteilt sich die Einfuhr von Eisen und Eisenwaren auf die wichtigsten Länder folgendermassen: Grossbritannien 4427169 Pesos Vereinigte Staaten 2385437 „ Belgien 3142261 „ Deutschland 1200511 „ Frankreich 68776 „ Nach Sorten betrug die Einfuhr aus Deutschland in Pesos: Asien. Asien . Asien, der grösste Weltteil, reich gesegnet mit Eisenerzen und Steinkohlen, spielt doch nur eine sehr untergeordnete Rolle in der neueren Geschichte des Eisens. Durch die Initiative der russischen Regierung hat die moderne Eisenindustrie in Sibirien Wurzel ge- schlagen. Hierüber ist in dem Abschnitt „Russland“ schon berichtet worden. In dem ganzen weiten Gebiet des mohammedanischen Asiens sind die Verhältnisse nicht über die sozusagen prähistorischen Zu- stände, wie wir sie bei der Türkei geschildert haben, hinausgekommen, obgleich dieses Gebiet die ältesten Heimstätten der Eisenindustrie in sich schliesst. Nirgends hat die asiatische Kultur aus sich selbst heraus Fortschritte der Eisenindustrie geschaffen; wo solche zu ver- zeichnen sind, wurden sie von Europäern eingeführt. China , das Riesenreich, dessen Reichtum an Steinkohlen und Eisen- erzen unermesslich ist, hat nur sehr geringe Fortschritte aufzuweisen, die nicht weiter als bis zum Jahre 1867 zurückreichen. Damals Officieller Weltausstellungsbericht von 1873. — Franz Kuppelwieser , Das Hüttenwesen, S. 88. wurde das Arsenal zu Fu-Tschau in der Provinz Fukien teilweise nach europäischem Muster eingerichtet. Es erhielt eine Giesserei, Schmiede, Walzwerk und Kesselschmiede und beschäftigte an 800 Eisen- arbeiter, doch hatte es keine eigene Eisenerzeugung, bezog vielmehr Roh- und Gusseisen, Bleche u. s. w. aus England, kaufte in den Häfen altes Eisen und von den chinesischen Hütten schmiedbares Eisen auf. Letzteres wurde aus Magneteisensand, der durch Waschen bis auf 50 Prozent angereichert wurde, in kleinen 5 bis 6 Fuss hohen Öfen, welche den Wind aus hölzernen, von Menschen betriebenen Gebläsen erhielten, mit gleichen Gewichtsteilen Holzkohlen auf eine Art Roh- eisen verschmolzen, wobei etwa 30 Prozent Eisen aus den Erzen aus- gebracht wurde. Dieses Eisen wurde in denselben Öfen raffiniert und man erhielt aus 100 Roheisen mit 50 Holzkohlen etwa 83 Gewichts- teile schmiedbares Eisen, das unter Handhämmern zu kleinen Schienen abgeschmiedet in den Handel kam. Das Arsenal zu Fu-Tschau be- zahlte für 100 Kilo dieses Materials 27½ Frcs. Diese Anstalt blieb längere Zeit die einzige ihrer Art in China, indes nahm die Eiseneinfuhr mit jedem Jahr zu, und darin zeigte China. sich ein Fortschritt. Sie betrug 1888 rund 83500 Tonnen, ferner 2735 Millionen Nähnadeln und für etwa 2 Millionen Mark Maschinen. Die Erbauung von Eisenbahnen stiess bei den konservativen An- schauungen der Chinesen auf grossen Widerstand. Die Mehrzahl sah darin ein nationales Unglück. 1887 gab es nur die 27 km lange Kohlenbahn Kaiping—Jenschwang. 1888 wurde die Verlängerung der- selben über Taku nach Tientsin (96 km) erbaut. Das englische Eisen- werk Barrow lieferte die dafür erforderlichen Vignolschienen. 1891 tauchte der Gedanke auf, ein grosses Eisenwerk nach euro- päischem Muster am Yangtsekiang in der Nähe von Hankau zu er- richten. Der fortschrittlich gesinnte Vizekönig der Provinz Hupe, Chan-Chi-Tung , fasste diesen Plan und übertrug die Ausführung dem englischen Ingenieur H. Hobson . Am Nordabhange des Hanyang- gebirges am Flusse Han gegenüber der Stadt Hankau sollten zunächst zwei Hochöfen nach dem Typus der Clevelandöfen für eine Erzeugung von täglich 100 Tonnen erbaut werden. Hieran wollte man dann ein Bessemerwerk mit zwei 5-Tonnen-Konvertern, ein Schienenwalzwerk und ein Siemens-Martinwerk anschliessen. Letzteres sollte das Material für Panzerplatten und Kanonen liefern. Sodann war ein Puddelwerk mit 20 Puddelöfen und mit einem Blech- und Trägerwalzwerk verbunden ge- plant. Die Maschinen- und die Eisenteile wurden in England und Belgien bestellt. Den Herren Hobson und White wurde die Leitung übertragen. 1892 sollte das Werk fertiggestellt werden, aber es dauerte bis in das Jahr 1894, dass die Hochöfen und das Walzwerk dem Betrieb über- geben wurden. Die Eisenerze — reiche Magnetite — kamen von Tieh- Schan-Pú in der Provinz Ta-Yeh Näheres siehe Stahl und Eisen 1898, S. 221. an den Yangtsekiang und auf diesem nach Hanyang. Die zwei Hochöfen hatten drei Gebläsemaschinen und Cowperapparate A. a. O. 1896, S. 141. . Das Bessemerwerk hatte je zwei Kupolöfen, einen für das Umschmelzen von Roheisen, einen für Spiegeleisen. Das Arbeitspersonal bestand aus 80 geschulten chinesischen Arbeitern, die zwei Jahre lang bei John Cockerill in Seraing gearbeitet und sich vorbereitet hatten, und aus 30 belgischen Ingenieuren und Arbeitern. Ingenieur Braive hatte das Verdienst, die herrschenden Vorurteile gegen die moderne Industrie einigermassen beseitigt zu haben. In der Direktion befand sich der deutsche Ingenieur G. Toppe . Die Eröffnung des Werkes kurz vor Ausbruch des Krieges mit Japan fiel in keine günstige Zeit, indem die fremdenfeindliche Politik der Regierung, die sich namentlich auch gegen die Industrie richtete, China. wieder schärfer hervortrat. 1894 erliess das Seezollamt ein Verbot der Einfuhr fremder Maschinen, die das Leben gefährdeten und die den Lebensunterhalt chinesischer Unterthanen schmälern könnten. Trotzdem wurde das Werk bei Hankau noch erweitert und eine Maschinen-, Wagen- und Waffenfabrik gebaut. Die finanziellen Er- gebnisse waren aber sehr ungünstig, und der Vizekönig musste im Jahre 1896 monatlich 150000 Mark zusetzen. Er verpachtete es deshalb an ein vielgliedriges chinesisches Konsortium, an dessen Spitze Sheng-Hüen , der Taotai von Tientsin und Direktor der Staats- telegraphen und der grössten chinesischen Dampfschiffahrtsgesellschaft (China Merchants Steam Navigation Company), stand. Dieser er- strebte die Erbauung einer Bahnverbindung von Peking nach Hankau. Im Jahre 1896 erzeugte der Hochofen Nr. I 10983 Tonnen Bessemerroheisen. Das Stahlwerk lieferte 2300 Tonnen Flussstahl, nämlich 1500 Tonnen Bessemerstahl für Eisenbahnschienen und 800 Tonnen Martinstahl für Handelseisen. Die Hanyangwerke kamen aber sehr schnell herunter, nachdem sie 1887 in chinesische Hände gefallen waren, und das ganze Unternehmen erschien jetzt als ein verfehltes. Ein 1896 von Chinesen erbauter Hochofen bei Kweicheo fror beim ersten Anblasen ein. Dagegen hatte ein kleines Martinwerk in Shanghai mit zwei Siemens-Martinöfen besseren Erfolg, es erzielte eine Jahreserzeugung von 1000 bis 1200 Tonnen. Inzwischen entwickelte sich der Eisenbahnbau, wenn auch lang- sam, weiter. 1896 hatten die chinesischen Linien eine Länge von rund 200 km, Ende 1897 von 418 km. Es bestanden drei Linien: 1. Tientsin—Tongku—Shanhaikuan, 270 km, 2. die Tayeh-Eisenbahn, 28 km, und 3. die Bahn Tientsin—Peking, 120 km, die durch kaiser- liches Edikt vom 9. Dezember 1895 angeordnet und von dem eng- lischen Ingenieur C. W. Kinder unter Aufsicht des Taotai Li aus- geführt worden war. Geplant waren die Linien Peking—Hankau, 1400 km, und Wusung—Schanghai—Sutschan—Nanking, 500 km. Besseren Erfolg als die Eisenhüttenwerke hatten die von der kaiserlichen Regierung angelegten Waffenfabriken. Die bedeutendste war zu Kiang-Nan am Flusse Wusung, etwa 20 km von Shanghai ent- fernt. Sie war ganz in europäischer Weise eingerichtet, hatte zwei Siemens-Martinöfen, eine Schmiedepresse von 2000 Tonnen Arbeits- druck, einen Kran für 100 Tonnen Tragkraft, grosses Plattenwalzwerk und Stahlgiesserei; hierzu kam das Arsenal mit der Waffenfabrik und die Docks. Die Anlage beschäftigte 2500 Arbeiter. Das Arsenal China. stand direkt unter dem Vizekönig von Nanking. Die Leitung lag in den Händen einer Direktion, zu der einige englische Ingenieure, meist aber Chinesen gehörten. Eine Gewehrfabrik befand sich in Tientsin, und eine Staatswerft in Futschau. Trotzdem neben den neuen Anlagen die primitive einheimische Eisenindustrie fortbestand und den Bedarf der Bevölkerung zum Teil deckte, war doch China namentlich für seine neuen Unternehmungen auf die Einfuhr von Europa und Amerika angewiesen. Hieran hatte England den Hauptanteil, dann folgten Belgien und Deutschland. In neuester Zeit ist letzteres an die zweite Stelle gerückt. Einfuhr nach China in Pikuls (1 Pikul = 60,45 kg). Einfuhr nach Wert in Haikuan Taëls (zu 5,29 Mark) . Japan. Japan . Früher lagen die Verhältnisse in Japan ähnlich wie in China, es herrschte starrer Konservatismus und eine feindliche Ab- lehnung alles Fremden. Hierin trat aber in den sechziger Jahren eine Wandlung ein, und die Restauration im Jahre 1868 mit der Thron- besteigung des Mikado, des Nengö Meiji, bewirkte einen vollständigen Umschwung. Die Macht der Lehnsfürsten (Daimios), die seither den Fortschritt hauptsächlich gehemmt hatten, wurde gebrochen und die Kaisermacht wieder hergestellt. Mit vollem Bewusstsein wandte sich Regierung und Volk der modernen europäischen Kultur zu und es ist bewunderungswürdig, wieviel das hochbegabte, energische und tapfere Volk seitdem geleistet hat. Nach der Verlegung der Residenz von Kioto nach Jeddo, welches seitdem den Namen Tokio erhielt, wurde daselbst 1872 eine Universität nach europäischem Muster und unter Berufung europäischer Lehrkräfte gegründet, in Verbindung damit entstand eine technische Hochschule, die in der Folge mit der Uni- versität vereinigt wurde. Die technische Hochschule gründete wieder einen Ingenieurverein, der rasch in Blüte kam und segensreich wirkte. Im Jahre 1871/72 wurde auch die erste Eisenbahn gebaut und 1873 nahm Japan bereits an der Weltausstellung in Wien in ehrenvoller Weise teil. Die Eisenindustrie war allerdings noch sehr im Rück- stand und die ungenügende Erzeugung wurde nach recht veralteten Verfahren dargestellt. Hierüber entnehmen wir dem Berichte von Franz Kuppelwieser über die Wiener Weltausstellung von 1873 das Folgende. Japan ist reich an Eisenerzen und Steinkohlen. 1871 wurden über 11000 Tonnen Kohlen gefördert und 9375 Tonnen Schmiede- eisen erzeugt. Ein Bergbau auf Eisenerze findet nicht statt, vielmehr wird das Erz aus erzreichem Sand gewaschen. Dieser Eisensand wird in kleinen Stück- oder Blauöfen mit Holzkohlen geschmolzen. Zur Winderzeugung dienen meist liegende, doppeltwirkende Kastengebläse für Handbetrieb, während man für grössere Öfen auch einfache oszillierende Cylinder-Kolbengebläse, die zuweilen durch Wasserräder bewegt werden, verwendet. Das bei der ersten Schmelzung erblasene Produkt ist entweder schmiedbares Eisen oder ein unvollkommen ge- flossenes graues bis kleinluckiges Roheisen. Ein Stückofen schmilzt in drei Tagen aus 100 Centner Erz etwa 36 Centner Eisen. Dieses Roheisen wird in einer Art von Kupolöfen umgeschmolzen und vergossen. Diese Kupolöfen sind der Höhe nach aus drei Teilen zu- sammengesetzt. Der untere besteht aus einem Gusseisen-Kessel, der mit einer fünf Zoll dicken Masseschicht ausgekleidet ist und Japan. eine Höhe von etwa zwei Fuss hat. Der eigentliche Schacht wird aus zwei gusseisernen Cylindern von vier und zwei Fuss Höhe gebildet; dieselben sind ebenfalls ausgefüttert. Die Thonform von etwa einem Zoll Durchmesser ist sehr geneigt. Das Gebläse ist dasselbe wie bei den Stücköfen. Der Durchmesser des Ofens schwankt zwischen ein und zwei Fuss. Die Holzkohle ist von vorzüglicher Qualität, meist Eichenkohle. Bei Beginn des Betriebes wird der Ofen nahezu gefüllt und dann bei gleich bleibender Holzkohlengicht von etwa ¾ Kubikfuss mit 8 Pfund Eisensatz begonnen und gegen Ende der Kampagne bis 30 Pfund gestiegen. Je nach der Grösse des Ofens besteht eine Kampagne aus etwa 30 bis 70 Centner, welches Quantum in etwa acht Stunden niedergeschmolzen wird. Der Ofen wird nach drei Schmelzungen neu ausgefüttert. Eigentümlich ist noch, dass der Gusseisenkessel, welcher den Boden bildet, etwa 20 Abstichöffnungen hat, weil sehr häufig ein Einfrieren des Abstichs stattfindet. Die von dem auf diese Weise eingeschmolzenen Roheisen erzeugten Gusswaren bestehen der Hauptsache nach aus Hausgeräten, wie Kessel, Pfannen, Schaufeln u. s. w., die recht hübsch und nett gearbeitet sind. Bei Erzeugung der Kochgeschirre, welche sehr dünnwandig sind, wird der Oberkasten der Form aus feuerfester Masse hergestellt, sehr gut gebrannt und an hundertmal hintereinander benutzt, dabei jedes- mal nur ausgeflickt und geschwärzt, während der Unterkasten mit dem Kern aus Sand für jeden Guss neu gemacht wird. Für Kunstguss, der sehr schön ausgeführt wird, verwendet man Wachsmodelle, die dann aus der Lehmform ausgeschmolzen werden. Behufs der Erzeugung von Stahl und Stabeisen werden die aus dem Stückofen erhaltenen Luppen in verhältnismässig kleine Stücke geschroten, dies in kleinen am Boden angebrachten Feuern sorgfältig ausgeheizt und mit Handhämmern zu Schienen von etwa 18 bis 20 Zoll Länge, 5 Zoll Breite und ½ Zoll Dicke ausgeschmiedet. Um schmälere Stangen (Nageleisen) zu erhalten, werden diese Flach- schienen der Länge nach mittelst Setzeisen auseinander gehauen. Die Qualität des Eisens ist eine vorzügliche und die aus dem Eisen und Stahl mit der Hand geschmiedeten Werkzeuge meist sehr schön und sauber ausgeführt. Die einheimische Erzeugung deckte bei weitem nicht den Bedarf; Eisenwaren und Maschinen wurden deshalb in immer wachsenden Mengen aus dem Auslande bezogen. Dass die einheimische Eisenindustrie sich nicht ebenso rasch entwickelte wie die übrigen Industriezweige, lag in der Natur Japan. der Sache, in der Vergangenheit und in dem Umstand, dass es vor- läufig vorteilhafter war, diese Gegenstände gegen andere Industrie- erzeugnisse einzutauschen, als sie selbst zu erzeugen, wozu auch zu- nächst noch die Vorbedingungen fehlten. Die erste moderne Hochofenhütte, allerdings noch für Holzkohlen- betrieb, wurde 1875 in der Nähe der Eisenerzgruben von Haigou erbaut. Der Hochofen war 17,40 m hoch, 3 m in der Rast und 1,80 m in der Gicht weit, er war mit Lürmanns Schlackenform versehen und hatte Whitwellapparate zur Winderhitzung. Die Produktion betrug 70 bis 80 Tonnen in der Woche, das Erz war gewaschener, weicher Magnet- eisensand. Die Anlage war von der englischen Firma Head, Wrightson \& Co. von den Teesdale Eisenwerken bei Stockton on Tees ausgeführt, die feuerfesten Steine waren aus japanischem Material hergestellt, die stehende Gebläsemaschine von der Firma Galloway in Manchester ge- liefert. In demselben Jahre 1875 erbaute David Forbes ein Eisen- werk, das zunächst 12 Puddelöfen und 7 Schweissöfen, sodann ein Blech-, Schienen-, Stabeisen- und Trägerwalzwerk und einen Dampf- hammer umfasste. Alle die letztgenannten Werkzeuge waren von der berühmten Firma Tannet, Walker \& Co. in Leeds geliefert. Bis zum Jahre 1880 waren Bergbau und Metallgewinnung staatlich. In diesem Jahre brach die Regierung mit dem alten System und ging dazu über, die Bergwerke zu veräussern oder zu verpachten. Ein Hindernis für die Entwickelung des Bergbaues war es, dass die Arbeit des Bergmannes in Japan verachtet war. Man hatte vordem nur Sträflinge zur Bergarbeit verurteilt, wie im alten Rom. Nur Leute aus den untersten Schichen der Bevölkerung wurden Bergarbeiter, die schlecht bezahlt und hart behandelt wurden. Wie sehr der Eisenverbrauch in den achtziger Jahren zunahm, geht daraus hervor, dass derselbe von 1877 bis 1888 von 1213675 Yen auf 6189168 (von 4854700 Mark auf 25610000 Mark) stieg. 1888 betrug der Bedarf an Eisenbahnschienen 6142000 Mark, an Roheisen 1676500 Mark, an Werkzeugen 1333460 Mark, an sonstigen Eisen- waren 12651260 Mark. Ein deutliches Bild der raschen Entwickelung Japans in dieser Zeit giebt das rasche Wachstum der Eisenbahnen. Die Länge der Eisenbahnlinien betrug in englischen Meilen (statute miles): 1872/73 18 1882/83 171 1892/93 1871 In Kilometern: 1880 121 1894/95 2118 1896/97 2507 1898/99 3430 1890 2333 1900 5892. Japan. Aus diesen Zahlen ist deutlich ein ausserordentlicher Aufschwung in den letzten 20 Jahren zu erkennen. Der japanische Ingenieurverein zählte 1890 bereits 1000 Mitglieder, die nach Fächern als Maschinen- bauer, Elektrotechniker, Berg- und Hüttenleute, Chemiker, Metallurgen, Architekten, Schiffsbauer und Civilingenieure eingeteilt waren. 1893 besassen die japanischen Bahnen 206 Lokomotiven, 200 eng- lische, 4 deutsche und 2 amerikanische. In diesem Jahre wurde die erste japanische Lokomotive — eine Verbundmaschine — in Kobe erbaut. Bis 1893 gab es nur eine Stahlgiesserei, diese war in Sakei, 1894 wurde eine neue von der Japan Steel Manufacturing Company in Osaka er- baut. 1895 bereiste der berühmte amerikanische Eisenindustrielle Potter im Auftrage der japanischen Regierung das Land und er- stattete ein Gutachten über die Eisenindustrie und ihre Zukunft. Aus seinem Bericht geht hervor, dass die oben erwähnten beiden alten Holzkohlenhochöfen wegen Holzmangels und teurer Holzkohlen- preise nicht mehr konkurrenzfähig waren. Ungünstig war es, dass die besten Eisenerzlager im mittleren und nördlichen Japan lagen, während die Kokskohlen nur im Süden vorkamen. Dennoch gewann die Idee der Anlage eines grossen modernen Hochofen- und Stahl- werks seit der Zeit immer mehr Anklang. 1894 waren 3328879 Tonnen Steinkohlen, 22236 Tonnen Roh- eisen, das grösstenteils zu Gusswaren verwendet wurde, etwa 5000 Tonnen verarbeitetes Eisen und 2000 Tonnen Stahl erzeugt worden. Die Einfuhr von Eisen und Stahl, namentlich für Eisenbahnbedarf und Schiffsbau, war aber sehr bedeutend und verschlang grosse Summen. Aus diesem Grunde bewilligte die japanische Kammer im Jahre 1896 den Betrag von 4095700 Yen (an 18 Mill. Mark) zur Anlage eines grossen Stahlwerkes für etwa 60000 Tonnen Jahreserzeugung und entsandte Ende 1896 eine Kommission zur Information und mit Vollmachten nach Amerika und Europa. Es wurde beschlossen, das neue Werk in Edamitsu bei Yawatamura am Hafen von Wakamatsu nahe den Kohlenlagern von Kiuschu, womit es durch Eisenbahn verbunden war, anzulegen. Die erwähnte Kommission erteilte ihre Aufträge und Bestellungen, wo es ihr am besten schien; Deutschland hat dabei einen ehren- vollen und bedeutenden Anteil errungen Stahl und Eisen 1899, S. 1141. . Die Hochofenanlage wurde von dem bekannten Hütteningenieur Fritz W. Lürmann in Osnabrück entworfen und die Eisenkonstruktionen von der Gute- Japan. hoffnungshütte in Olerhausen ausgeführt. Das ganze Werk wurde nach den neuesten Erfahrungen konstruiert. Die Hochofenanlage enthielt 2 Hochöfen von 23 m Höhe und 7 m Kohlensackweite, 4 Gebläsemaschinen und 8 Cowperapparate von je 30 m Höhe. Das Stahlwerk wurde von der Gutehoffnungshütte entworfen und die Eisenteile dazu geliefert. Zwischen Hochöfen und Stahlwerk wurden zwei Mischer von 160 Tonnen Inhalt eingeschaltet. Zwei Kupolöfen von 200 Tonnen Tagesleistung bedienten die zwei amerikanischen Konverter, die 5763 mm hoch und 3 m weit waren und 400 Tonnen in 24 Stunden erzeugten. Wie die Mischer wurden auch sie hydrau- lisch gekippt. Ferner enthielt die Anlage vier Martinöfen zu 25 Tonnen Einsatz, elektrische Kräne von 20 bis 50 Tonnen Trag- kraft. In dem Blockwalzwerk befanden sich sieben grosse Regene- rativ-Wärmöfen, die mit Generatorgasen geheizt wurden. Die Auf- gabethüren wurden durch Hydraulik geöffnet, ausserdem wurden die Öfen von einem elektrischen Kran von 3 Tonnen Tragkraft bedient. Die Blockstrasse war ein Duo-Reversierwalzwerk, dessen Walzen 2880 mm Ballenlänge und 9100 mm Durchmesser hatten. Es wurde von einer liegenden Zwillingsmaschine von 4000 P. S. angetrieben. Das Schienenwalzwerk, ebenfalls ein Duo-Reversierwalzwerk, wurde von einer Dreicylindermaschine von 5800 P. S. bedient. Das Walzwerk umfasste Grobstrasse, Mittelstrasse und Feinstrasse, Grob- und Fein- blechwalzwerk u. s. w. Das Werk hat eine grosse elektrische Centrale. Von der Herstellung von Kriegsmaterial und Panzerplatten hatte man vorläufig Abstand genommen. Die Erzeugung war geschätzt auf 45000 Tonnen Bessemer- und 45000 Tonnen Martinstahl. Die Leitung legte man in die Hände eines Direktoriums, worin der Deutsche Gustav Toppe als consulting director das einzige ausländische Mitglied war. Wada Tsunastiro wurde Generaldirektor und Vorsitzender des Aufsichtsrates. Im Jahre 1900 war der Bau des grossen Werkes Edanitsu (Yawa- tamura) so weit vorgeschritten, dass man noch im Laufe des Jahres seine Inbetriebsetzung erwartete. Bis dahin waren bereits 14 Mill. Yen (56 Mill. Mark) für das Unternehmen verausgabt worden. Mit grosser Spannung sah man dem Erfolge und den Veränderungen, welche seine Massen- erzeugung auf den auswärtigen Handel ausüben würde, entgegen. Vorläufig gehören noch Eisen- und Stahlwaren zu den Haupteinfuhr- artikeln. An dieser Einfuhr hatte Grossbritannien den Hauptanteil, dann folgten Belgien, Deutschland und Nordamerika. In neuerer Zeit haben aber die Vereinigten Staaten Deutschland und Belgien überflügelt und machen in wichtigen Artikeln selbst Grossbritannien erfolgreiche Kon- Japan. kurrenz, besonders in Eisenbahnschienen, sowie in Lokomotiven, Eisen- bahnwagen und elektrischen Maschinen. Für Lokomotivbau giebt es in Japan jetzt drei Staatswerkstätten, zu Kobe, Tokio und Osaka. An den beiden letztgenannten Orten sind auch Schiffsbauanstalten. 1899 gab es in Japan 5375 Dampfmaschinen mit 58172 P. S. und 2968 Fabriken, die 273792 Arbeiter beschäftigten. Erzeugung und Einfuhr sind in nachfolgender Zusammenstellung aufgeführt. Erzeugung Japans in Tonnen . Erzeugung von Staats- und Privatbetrieben in Tonnen . Einfuhr Die Gruppierung der Einfuhrerzeugnisse ist eine ungleiche und lässt sich deshalb nicht einheitlich darstellen. nach Wert in Yen 1 Yen = 4 Mark, da aber der Yen mit dem Silberwert schwankte, so war er von 1887 bis 1890 nur 3,56 Mark wert. . Beck, Geschichte des Eisens. 86 Japan. Einfuhr nach Wert in Yen . Deutsche Einfuhr 1890. Eisen und Eisenwaren 1009757 Yen Der Wert des Silber-Yen war damals nur 2,25 Mark in Gold. Maschinen 474069 „ Waffen und Munition 354961 „ Einfuhr 1894 in Yen . Roheisen 734522, davon fünf Sechstel aus England, Stahl 289246, „ für 42037 „ Deutschland, Bleche 726738, „ „ 568872 „ England, „ 120193 „ Belgien, Nägel 1332637, „ „ 1017318 „ Deutschland, Telegraphendraht 142214, „ „ 89417 „ Deutschland, Draht 84811, „ „ 50035 „ Deutschland, Stabeisen 1339033, „ „ 571703 „ England, „ 410006 „ Belgien, „ 340681 „ Deutschland, Röhren 484086, „ „ 451585 „ England, Schienen 1209205, „ „ 1150424 „ England, „ 36841 „ Belgien, „ 21904 „ Deutschland, Zusammen 6342492 Yen (14270607 Mark) Lokomotiven 1580272, Spinnmaschinen 2858321, davon für 2785824 aus England, „ 57598 „ Frankreich, „ 14897 „ Deutschland, Webmaschinen 89261, „ „ 56630 „ England, „ 12021 „ Deutschland, Dynamomaschinen 226193, „ „ 154905 „ Nordamerika, Schiffe 8202549, „ „ 453080 „ Deutschland. Japan. Einfuhr 1897 und 1898 in Tonnen und Mark Stahl und Eisen 1899, S. 1142. . Von der Einfuhr an Schienen und Lokomotiven entfielen dem Werte nach in Mark: Einfuhr in 1000 Mark . 86* Ostindien. Ostindien . Indien ist der Sitz einer uralten einheimischen Eisenindustrie (siehe Bd. I), die schon in früher Zeit hochberühmt war und die sich trotz der englischen Konkurrenz erhalten hat. Der indische Wootzstahl wird heute noch so hoch geschätzt und bezahlt, wie der beste englische Gussstahl. Indien ist reich an guten Eisen- erzen und leidet auch an Steinkohlen keinen Mangel. Die Be- dingungen für eine Massenerzeugung in europäischer Weise scheinen demnach gegeben. Die Versuche zur Gründung einer solchen Industrie in Ostindien gehen viel weiter zurück als in China oder Japan. Das älteste Unternehmen war die von Josiah M. Heath angeregte Indian Steel, Chrom and Iron Company im Jahre 1833, welche im südwestlichen Indien zu Porto Novo und Beipur (Beypore) einen Hochofen, sowie Puddel- und Walzwerke anlegte und betrieb. Mit Unterstützung der Regierung zu Madras kam das Werk nach Überwindung vieler Schwierig- keiten in guten Gang, so dass sich die alte Gesellschaft im Jahre 1853 in eine neue mit 400000 £ Aktienkapital umwandelte, die eine grosse Thätigkeit entfaltete. Sie baute zwei neue Hochofenwerke für Holz- kohlenbetrieb zu Poolamputty im Salemdistrikt und zu Trinomally im Süd-Arcotdistrikt The Indian and eastern Engineer 1896, S. 211, und Stahl und Eisen 1896, S. 603. , die ihr gutes Roheisen zu günstigen Preisen in London verkaufen konnten. Dies dauerte aber nur so lange, als Roh- eisen für Ballast nach England ging; als dies aufhörte und die Ver- suche, den Puddelprozess durch den Bessemerprozess zu ersetzen, keinen Erfolg hatten, gingen die Werke zu Grunde und wurde der Betrieb im Jahre 1864 eingestellt. Mehrere andere Anlagen von Holzkohlen- hochöfen verschwanden noch schneller Stahl und Eisen 1901, S. 391. . Mehr Erfolg hatten die Eisenwerke bei Barrakur in Bengalen, wo sich Eisenerz und Steinkohle nahe beisammen finden. Hier gründete 1875 die Bengal Iron Works Company eine Hochofenanlage und Giesserei, die aber 1879 ihren Betrieb einstellen musste. Zwei Jahre später übernahm die englische Regierung das Werk, baute 1881 bis 1883 zwei neue Hochöfen und erweiterte die Giesserei bedeutend. Um 1890 trat die Regierung das Werk wieder an eine Privatgesell- schaft ab, die es noch weiter vergrösserte. In demselben Jahre gründete die englische Regierung ein grösseres Eisen- und Stahlwerk in dem Erzgebiete Ranigaudsch, wo Erze und Steinkohlen zusammen vorkommen. Dasselbe sollte hauptsächlich Eisenbahnmaterial, Schienen und Schwellen liefern. 1883/84 hatte eine „Weltausstellung“ in Calcutta stattgefunden. Ostindien. Die Steinkohlenförderung Ostindiens war von 1866 bis 1892/93 von 1389 auf 2538 Kilotonnen und 1897 auf 4128 Kilotonnen ge- stiegen. Die Bengal Iron and Steel Company erzeugte im Jahre 1892/93 12917 Tonnen Roheisen und 3970 Tonnen Gusseisen. In Südindien, in der Präsidentschaft Madras, hatte sich die Eisengiesserei gut entwickelt. Die gesamte Eisenerzeugung der ostindischen Hoch- öfen im Jahre 1896 betrug 46000 Tonnen. Eine Schwierigkeit fanden die Werke in der Beschaffung von Zuschlagskalk. Die Erzeugung der nach europäischen Mustern angelegten Eisen- werke konnte den Bedarf nur zum kleineren Teil decken, den grössten Teil musste die Einfuhr liefern. Hierüber geben die nachfolgenden Zahlen Aufschluss. Die Ein- fuhr von Eisen und Eisenwaren war in den Jahren 1887/88 bis 1892/93 von 3608405 Centner auf 3722252 Centner gestiegen, die Stahleinfuhr von 1884/85 bis 1892/93 von 253426 Centner auf 1039815 Centner. Grossbritannien, Belgien und Deutschland waren daran hauptsächlich beteiligt. Die belgische Einfuhr hatte Anfang der neunziger Jahre die englische zum Teil überholt. Die Einfuhr nach Sorten in englischen Centnern war: Nach Wert in 1000 Rupien 1 Rupie = 1,20 Mark. betrug die Einfuhr: Ostindien. Einfuhr aus Deutschland in 1000 Rupien . Einfuhr aus England, Belgien und Deutschland in 100 Ctrn. In Hinterindien und auf den Sundainseln haben sich uralte einheimische Eisenindustrieen erhalten, die durch das billige Angebot europäischer Fabrikwaren und Massenerzeugnisse mehr und mehr bedrängt und eingeschränkt werden. Die moderne Betriebsweise hat hier noch keinen Boden gewonnen. Alle diese und die übrigen nicht aufgeführten Länder, Inseln und Staatengebiete kommen für die neuere Geschichte des Eisens nicht in Betracht und haben nur als Einfuhrländer ein Interesse. Nach China, Japan und Ostindien ist Holländisch-Indien (die grossen Sundainseln) das in dieser Hin- sicht wichtigste Gebiet. Nachstehende Zusammenstellung aus dem Jahre 1898 soll das Verhältnis der Einfuhr der vier Hauptgebiete Asiens untereinander erläutern. Einfuhr 1898 nach Wert in Millionen Mark . Afrika. Afrika . Die Völkerschaften Afrikas haben zwar eine uralte einheimische Eisenindustrie (vergl. Bd. I), die sowohl in ihrer Betriebsweise, wie in ihren Erzeugnissen höchst originell ist, die aber durch die Aus- breitung des europäischen Handels immer mehr zurückgedrängt wird. Es ist bequemer und billiger, gutes fremdes Eisen oder fertige Waren zu kaufen oder einzutauschen. Infolge der Aufteilung Afrikas dringen europäische Kultur, Telegraphen, Eisenbahnen, Dampf- schiffe immer tiefer in den lange verschlossenen Weltteil ein und veranlassen einen wachsenden Bedarf an Eisen- und Stahlmaterial, das aus Europa eingeführt wird. Die eigene Produktion verschwindet hierdurch mehr und mehr. Der afrikanische Weltteil wird dagegen ein immer wichtigeres Absatzgebiet für die Eisenindustrie der Kultur- länder. Nur in dieser Richtung hat der Weltteil eine Bedeutung für die moderne Geschichte des Eisens. Das Eisenbahnnetz Afrikas hatte 1870 eine Länge von 1786 Kilometer 1880 „ „ „ 4646 „ 1890 „ „ „ 9386 „ 1896 „ „ „ 14827 „ 1898 „ „ „ 17058 „ 1900 „ „ „ 20114 „ Es betrugen die Eisenbahnlängen in Kilometer: Anfang 1898 wurde die Kongobahn mit 388 km fertiggestellt. Die Ugandabahn in Britisch-Ostafrika, die eine Länge von 886 km erhalten soll, war im März 1899 auf 362 km ausgebaut. Ein kühnes Projekt Afrika. entwarf Cecil Rhodes , eine Nord-Südbahn sollte das Mittelmeer mit dem Kap verbinden. Sie würde eine Länge von 9119 km bekommen und müsste die Verbindung Bulawayo—Berber, 4981 km lang, erst noch gebaut werden. Der traurige Krieg in Südafrika hat dem erfreulichen Aufschwung Afrikas, besonders dem der Südstaaten, einen schweren Schlag versetzt. Transvaal, dessen Eisenbedarf seit 1892 rasch gestiegen war, ist dadurch besonders hart betroffen. Einfuhr in 1000 Mark . Deutsche Einfuhr 1899 nach Wert in 1000 Mark . Australien. 1895 bezog Transvaal für 41108000 Mk. Maschinen, für 5680000 Mk. Eisenbahnmaterial und für 12675000 Mark sonstige Eisen- und Metallwaren. Das meiste kam von England, doch war auch Deutsch- land mit 6 Millionen Mark an der Einfuhr beteiligt. Dem Gewicht nach betrug die Einfuhr 25803 Tonnen Eisenbahnschienen und -schwellen, 1792 Tonnen Lokomotiven, 1266 Stück Eisenbahnfahr- zeuge, 6391 Tonnen Eisendraht, 4204 Tonnen Blechwaren u. s. w. Einen Überblick der Einfuhr der wichtigsten Länder im Jahre 1898 und der Zunahme seit 1889 sowie der deutschen Einfuhr 1899 in Wertzahlen zu 1000 Mark geben die vorstehenden Zusammen- stellungen. Australien . Australien besass keine heimische Eisenindustrie, als es den Europäern bekannt wurde; seine Bewohner lebten — wie zum Teil noch heute — völlig in der Steinzeit. Noch mehr wie Afrika bietet es deshalb für die Geschichte des Eisens nur als Absatzgebiet Ein- und Ausfuhr in 1000 Mark . Gesamteinfuhr, Einfuhr von Eisen, Eisenwaren, Maschinen und Geräten im Jahre 1898 (1897) in 1000 Mark . Australien. Interesse dar. Die Gesamteinfuhr, wie die Einfuhr von Eisen und Maschinen ist allerdings sehr bedeutend, wie die vorstehenden Auf- stellungen zeigen. Australien besitzt indes zahlreiche Eisenerzlager Stahl und Eisen 1902, S. 350. und es wurden auch bereits vor Jahrzehnten zwei Hochöfen erbaut, um die Erze zu verschmelzen: im Jahre 1859 das Fitzroy-Eisenwerk bei Mittagong an der Western-Railway, und im Jahre 1875 das Lithgow-Eisenwerk an derselben Bahn. Beide hatten keinen Erfolg und gingen wieder ein. Dagegen verarbeitet man seit 1885 in Lithgow Alteisen zu Stabeisen und Blechen, auch wurde zu Ende des Jahrhunderts hier ein Martin- ofen angelegt A. a. O., S. 682. . Neu-Süd-Wales hat bedeutende Kohlenfelder, die auf 70000 qkm geschätzt werden. 1892 zählte man acht Kokereien und vier Kohlen- wäschen. Weltproduktion . Übersichten der Erzeugung aller Länder seit 1870. Übersicht der Mineralkohlenerzeugung der Erde von 1870 bis 1899 in Kilotonnen . Steinkohlenförderung 1894 bis 1899 in Kilotonnen . (Nach E. Schrödter .) Gesamtförderung in Kilotonnen . 1870 216472 1880 330649 1890 507599 1899 719510 Weltproduktion. Förderung von Eisenerzen in Kilotonnen . Weltproduktion. Erzeugung von Eisenerz und Steinkohlen um 1890 in Tonnen . (Nach Swank .) Roheisenerzeugung der Erde in Kilotonnen . Weltproduktion. Roheisenerzeugung der Erde in Kilotonnen (Fortsetzung). Weltproduktion. Roheisenproduktion der Erde in den Jahren 1876, 1899, 1900 in Tonnen und Prozenten . Anteil der Länder an der Weltproduktion in Prozenten . Roheisenerzeugung in Kilogramm pro Kopf . Weltproduktion. Erzeugungskosten 1897 in Mark pro Tonne . Schweisseisenproduktion der Erde in Kilotonnen . Flussmetall der Erde in Tonnen . 1865 392365 1866 425003 1867 459142 1868 526432 1869 620323 1870 673343 1871 893420 1872 1183366 1873 1378090 1874 1580143 1875 1911392 1876 2224599 1877 2499852 1878 3041546 1879 3281715 1880 4192008 1881 5362832 1882 6686898 1883 5828118 1884 5645839 1885 5921885 1886 7176668 1887 9184968 1888 9614869 1889 10280029 1890 11631632 1891 11132030 1892 12035052 1893 11494793 1894 12854664 1895 15363061 1896 16802701 1897 18888354 1898 23866308 1899 26848755 1900 27859882 Weltproduktion. Flussstahlerzeugung von 1865 bis 1900 in Metertonnen . (Bis 1899 nach E. Schrödter in Stahl u. Eisen 1897, S. 338, und Gemeinfassliche Darstellung des Eisenhüttenwesens, 4. Aufl., 1901, S. 75.) Beck, Geschichte des Eisens. 87 Weltproduktion. Flusseisenerzeugung in den Jahren 1899 und 1900 in Tonnen und Prozenten . Erzeugung von basischem Flussstahl seit 1880 in Kilotonnen . Weltproduktion. Basische Stahlerzeugung der sechs leitenden Industrie- länder 1899 in Tonnen . Erzeugung von saurem Flussstahl in Tonnen . Erzeugung von Bessemerstahl (saures Konverterflusseisen) nach Ländern in Kilotonnen . Erzeugung von basischem Martinstahl . 87* Weltproduktion. Ein- und Ausfuhr der wichtigsten Staaten Europas und der Vereinigten Staaten von Nordamerika . (Nach Dr. Rentzsch .) Weltproduktion. Produktion in Kilotonnen, Ein- und Ausfuhr der Haupt- staaten Europas und der Vereinigten Staaten im prozentalen Verhältnis zur Produktion 1890 und 1899. Ein- und Ausfuhr 1900 nach Wert in 1000 Mark . Weltproduktion. Ein- und Ausfuhr im prozentalen Verhältnis zur Produktion . (Nach Rentzsch .) Weltproduktion. Inländischer Eisenverbrauch 1890 in Kilotonnen . Weltproduktion. Eisenverbrauch 1900 mit Berücksichtigung der Ein- und Ausfuhr in Kilotonnen (nach Dr. Rentzsch) . Weltproduktion. Eisenerzeugung pro Kopf der Bevölkerung in Kilogramm . Eisenverbrauch 1884 pro Kopf der Bevölkerung in Kilogramm . Deutschland 70,4 Grossbritannien 121,0 Frankreich 58,0 Österreich-Ungarn 20,0 Belgien 94,0 Vereinigte Staaten 88,0 Eisenverbrauch und -produktion pro Kopf der Bevölkerung in Kilogramm . Weltproduktion. Eingangszoll für 100 kg in Mark in den Jahren 1875 und 1899. Eingangszölle für 100 kg in Mark im Jahre 1900. Weltproduktion. Entwickelung der Eisenbahnen der Erde. Gesamtlänge in Kilometer . Länge der Eisenbahnen der einzelnen Länder seit 1896 in Kilometern Für die vorausgegangenen Jahre siehe S. 828. . Weltproduktion. Länge der Eisenbahnen der einzelnen Länder in Kilometern . (Fortsetzung.) Ein Schlusswort sei dem Verfasser, ehe er den letzten Strich unter seine Lebensarbeit setzt, noch gestattet. Es soll ein Wort des Dankes, der Entschuldigung und der Hoffnung sein. Dank sage ich allen denen, die meiner Arbeit mit Teilnahme gefolgt sind und deren Rat und Beifall mich gefördert haben. Entschuldigung erbitte ich für die Unzulänglichkeit der Aus- führung. Bei dem weitgesteckten Ziele war es trotz Fleiss und Mühe nicht möglich, alle Fragen erschöpfend zu behandeln. Dies gilt be- sonders für die Darstellung der kulturgeschichtlichen Bedeutung des Eisens, die gegenüber der der technischen Fortschritte mehr und mehr zurücktritt. Gerade hier setzt aber meine Hoffnung ein, dass der aufmerksame Leser aus den kurzen Andeutungen, sowie aus den Mit- teilungen über die Zunahme der Erzeugung und immer mannig- faltigeren Verwendung des Eisens die kulturgeschichtlichen Ergebnisse sich selbst ergänzen wird. Möge das Buch nicht nur seinen unmittelbaren Zweck, durch die geschichtliche Darstellung der Entwickelung der Eisenindustrie Fach- genossen und deren jugendlichen Nachwuchs zu belehren und zu fördern, erfüllen, sondern auch einem weiteren Kreise gebildeter Leser Neues und Anregendes bieten. Ich hoffe den Beweis erbracht zu haben, dass die geschichtliche Behandlung des Eisens, obgleich nur ein lebloser Stoff, nicht unnütz war; mag ihr auch eine gewisse Einseitigkeit anhaften, so bringt sie doch auch wieder manche Thatsachen klarer zur Erscheinung, als es die politische Geschichte vermag. Unter diesen ist es besonders der stetige Fortschritt, die Vervollkommnung durch menschliches Denken und Schaffen, die uns zugleich mit sichtlicher Befriedigung erfüllt, weil sie einem dem menschlichen Geiste innewohnenden Bedürfnisse entspricht. Hierbei darf man freilich nicht vergessen, dass es sich nur um die Vervollkommnung eines Kulturmittels, nicht um die menschliche Kultur selbst handelt. Beides ist ja leider keineswegs identisch. Dass Schlusswort. aber die Verbesserung wichtiger Kulturmittel zu einer Verbesserung des Menschengeschlechtes führen kann, ja dass sie dazu führen muss, ist zweifellos. Nur Pessimisten oder Phantasten, die in der Rückkehr zu dem Urzustande das Heil der Menschheit erblicken, können dies bestreiten. Mit der Vervollkommnung der Hülfsmittel steigern sich allerdings auch wieder die Anforderungen an die Menschen: jeder Fortschritt verlangt neue Fortschritte. Als eine besonders wichtige dieser neuen Forderungen zeigt sich deutlich in der Geschichte des Eisens die Notwendigkeit des Zusammen- wirkens vieler unter Teilung der Arbeit für einen gemeinsamen Zweck und die dadurch bedingte Unterordnung des einzelnen in dem Wirken für die Gesamtheit. Diese Forderung ist weit mehr wie früher zu einer sittlichen Pflicht geworden, der sich keiner ungestraft auf die Dauer entziehen kann. Was aber durch dieses Zusammen- wirken erreicht wird, zeigen uns vornehmlich die grossen Errungen- schaften auf dem Gebiete des Verkehrswesens, die dem modernen Leben ihren Stempel aufgedrückt haben. Grösseres noch bleibt der Zukunft vorbehalten. Die Geschichte des Eisens giebt uns die Überzeugung, dass dieses, wenn es erreichbar ist, auch erreicht werden wird. Ein Rückblick lehrt uns, dass die Errungenschaften zunehmen und immer grösser werden und sicherlich wird auch den kommenden Zeiten das Eisen das wichtigste Hülfs- mittel hierfür sein. Mit diesem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft rufe ich meinen Lesern zum Abschied ein „Glück auf!“ zu. Biebrich , den 10. Juli 1902. Der Verfasser.