Herrn Hannß Aßmanns Freyherrn von Abschatz/ Weyl. gewesenen Landes-Bestellten im Fuͤrstenthum Lignitz/ und bey den Publ. Con- ventibus in Breßlau Hochansehnl. Deputirt en/ Poetische Ubersetzungen und Gedichte. Mit Koͤnigl. Poln. und Chur-Saͤchs. Privilegio. Leipzig und Breßlau / bey Christian Bauch / Buchhaͤndl. Anno M DCC IV . Hochgeneigter Leser. W Enn der vortreffliche/ nunmehro selige/ Ver- fertiger gegenwaͤrti- ger Poesien in den Ge- dancken gestanden/ Buͤcher/ absonderlich Verse zu schrei- ben/ waͤre eine Sache/ die Standes- Personen und Ritters-Leuten mehr nachtheilig als ruͤhmlich fiele/ so haͤt- te die gelehrte Welt dieses/ was ihr itzt vor die Augen geleget wird/ nicht zu erwarten gehabt/ vielweniger wuͤrden dessen Freyherrliche Nach- kommen es Ihnen vor eine sonderba- re Ehre geschaͤtzet haben/ daß Ihres seligsten Herren Vaters gesegnetes Gedaͤchtniß/ wie auf vielfaͤltige an- )( 2 dere/ dere/ also auch auf diese Art/ bey der spaͤten Nachwelt fortgepflantzet wuͤrde. Sie haben aber beyderseits die Sache besser verstanden/ und die Thorheit der Widriggesinnten billich mit Ihrem allen in die Augen leuch- tenden Exempel/ kraͤfftigst widerle- get. Massen unser seligster Frey- Hr. von Abschatz fest geglaubet/ die wenigen Neben-Stunden/ da Ihm von seinen hochwichtigen zu Ihrer Kaͤyserl Majestaͤt Dienst und des Vaterlandes Heil zielenden Ver- richtungen/ etwas Athem zu schoͤpf- fen erlaubt gewesen/ koͤnten nicht bes- ser/ als mit einer solchen Arbeit hin- gebracht werden/ die von seiner aus- buͤndigen Gelehrsamkeit und mit sel- biger genau verknuͤpfften Geschick- ligkeit/ ein gnugsames Zeugniß able- gen moͤchte. Und ist kein Zweifel/ daß er selbst/ wenn es die Ihm fast angebohrne Bescheidenheit/ vermoͤge wel- welcher die eigene Geburten allemahl von Ihm mit einem weit schaͤrffern Auge/ als frembde/ angesehen wor- den/ und sein fruͤhzeitiges Absterben zugelassen haͤtte/ mit solcher an das Tages-Licht getreten seyn wuͤrde. Haben also die Freyherrlichen Erben mit Ausfertigung dieser Gedichte nichts anders gethan/ als was dem Willen Ihres seligen Herrn Vaters gemaͤß gewesen. Unser Schlesien hat sich billich gluͤcklich zu schaͤtzen/ daß es die schon oben beniemte irrige Meynung/ mit diesem lobwuͤrdigen Beyspiel/ von neuem abweisen und zur Gnuͤge darthun kan/ daß mit Feder und Papier umzugehen/ oder einen wohlgesezten Vers zu machen/ keine Sache sey/ die denen/ welchen/ wie man ietzt zu reden pflegt/ der De- gen angebohren/ zum Schimpff oder Nachtheil gereiche. Wahrhafftig/ wenn Potentaten/ die drey- und viel- )( 3 fa- fache Kronen getragen/ ihre Ergoͤtz- ligkeit nicht selten in der Poesie ge- habt: Wenn in Purpur und mit Fuͤrsten-Huͤtten prangende hohe Haͤubter/ wenn streitbare Feld-Her- ren und durchtriebene Staats- Maͤnner die Hand zu Wercke gele- get/ warum solten sich denn Stan- des-Personen und Edelleute scheuen in so Majestaͤtische und erlauchte Fußstapffen zu treten? Ich wil hier nicht in die alten Zeiten zuruͤcke ge- hen/ und die Koͤnige aller Tichter/ den heiligen David und seinen Nachfol- ger den weisesten Salomon auffuͤh- ren. Ich wil mich auch nicht mit den Provintzialischẽ Troubadours, unter denen Kaͤyser Friedrich der Andere und verschiedene Neapolitanische und Sicilianische Regenten oben an stehen/ auffhalten/ vielweniger mich auff den Frantzoͤsischen Koͤnig Carl den Neundten beruffen/ welcher nicht allein allein den Ronsard und andere Poe- ten hochgehalten/ sondern auch selbst ein artiges Gedichte von der Vogel- Beitze geschrieben/ sondern ich wil nur in das nechst abgelauffene Jahr- Hundert einen Blick werffen/ und aus sehr vielen/ etliche wenige/ die mir gleich in die Augen fallen/ vorstel- len. Urbanus der Achte/ Alexander der Siebende/ und Clemens der Neundte konten sich bey den uner- maͤßlichen Sorgen/ mit welchen die Paͤpstliche Wuͤrde begleitet wird/ dennoch so viel abmuͤßigen/ und die von Ihnen/ bey ruhigen Stunden/ auffgesetzte so Lateinische als Welsche Verse uͤbersehen. Entbloͤdeten sich auch nicht selbige/ so wol unter ver- decktem als eigenem Nahmen her- aus zu geben. Kaͤyser Ferdinand der Dritte war ein herrlicher Welscher Poet/ und itziger unuͤber- windlichster Kaͤyser giebt/ wie in an- dern Kuͤnsten und Wissenschafften/ )( 4 also also auch hierinnen dem Glorwuͤr- digsten Herrn Vater gar nichts nach. Carl der Neundte Koͤnig in Schweden hat seine eigne Lebens- Beschreibung Reimweise verfertiget. Johann Philipp der kluge Churfuͤrst von Mayntz verewigte sich durch ei- ne Teutsche/ Poetische/ nicht uͤbel ge- rathene Ubersetzung der Davidischen Lob-Gesaͤnge. Ein gleiches thaten in Lateinischer Sprache/ Landgraff Moritz/ in Teutscher aber/ Landgraff Ludwig von Hessen-Cassel und Darmstadt. Ertz-Hertzog Leopold Wilhelm von Oesterreich/ Hertzog Augustus zu Braunschweig und dessen Durchlauchtigste Herren Soͤhne/ Hertzog Wilhelm von Sach- sen-Weimar/ der Cardinal Richelieu, der Aeltere Fuͤrst Montecuculi, Carl Freyherr von Gyllenhielm, oben be- niemten Carls des Neundten Schwe- dischen Koͤniges natuͤrlicher Sohn/ und und viel andere Fuͤrsten/ Grafen und Herren/ sonderlich in Spanien/ Welschland/ und Franckreich/ hielten die Poesie vor eine Ihrer edelsten Zeit- Verkuͤrtzungen. In unserm Va- terlande haben sich die von Bibran/ Logau/ Schweinitz/ Geꝛstorff/ nebenst mehrern ihres gleichen/ mit ihren Geist- und Weltlichen Gedichten/ ei- nen unsterblichen Nahmen gemacht. Nunmehr gewinnet es fast das An- sehen/ als solte unser Preißwuͤrdig- ster Freyherr von Abschatz den Rei- hen schliessen/ weil/ wie sich ietzt leider! die Zeiten anlassen/ man die uͤberfluͤs- sigen Stunden/ lieber zu andern/ als gelehrten Ergoͤtzligkeiten anwenden will. Weßwegen der geneigte Leser seine Arbeit um so viel hoͤher schaͤ- tzen/ und wie einen theuren Balsam in Gold und Alabaster verwahren mag. Ich habe nicht noͤthig/ mich bey jeglichem dieser Poetischen Wer- )( 5 cke ckeabsondeꝛlich zu veꝛweilẽ/ doch muß ich von dem getreuen Schaͤffer mit Wahrheit dieses vermelden/ daß eine durch eben dergleichen Arbeit der Welt gnugsam bekannt gewordene vornehme und hochverstaͤndige Per- son mehr als einmal aufrichtig geur- theilet/ des Freyherrn von Abschatz Pastor Fido waͤre vor ein Meister- stuͤck aller Ubersetzungen/ sonderlich in den Choͤren/ zu halten. Wie Er denn auch/ als er eine lange Zeit/ nur geschrieben/ in den Haͤnden vertrau- ter Freunde herum gegangen/ und nachmahls/ durch den Abdruck etli- cher weniger Copeyen/ nicht viel ge- meiner worden/ von allen Liebhabern der Ticht-Kunst solchen Beyfall be- kommen/ daß man/ so gar aus dem eu- sersten Norden/ Nachfrage deswegen gehalten. Welches denn unsern se- ligen Freyherrn dahin bewogen/ daß er ihn von neuem vor die Hand ge- nom- nommen/ und in einen weit vollkom- menern Stand gesetzet. In wel- chem er sich auch itzt vor die Augen des geneigten Lesers stellen/ und des- sen vernuͤnfftiges Urtheil erwarten darff. Wer des Adimari Welsche Sonnette gelesen/ wird sich uͤber dem Nachdruck/ den Ihnen der seel. Frey- Hr. von Abschatz in unsrer Mutter- sprache eingefloͤsset/ billich verwun- dern. Was die uͤbrigen Poesien an- belanget/ so gestehet man gantz gern/ daß unser Hoͤchst-schaͤtzbarer Frey- herr von dem seeligen Lohenstein/ mit dem Er Lebenszeit gantz vertraulich umgegangen/ den Tittel der Him̄el- Schluͤssel entlehnet/ sonst aber wird man wohl wenig oder gar nichts ge- borgtes in selbigen antreffen. Der geneigte Leser bediene sich demnach dieser koͤstlichen Fruͤchte zu seinem Vergnuͤgen. Solte Ihm aber un- terweilen etwas noch herbe oder un- voll- vollkommen vorkommen/ so beliebe Er zu erwegen/ daß sie gleichsam von der Hand des Todes allzufruͤh abge- brochen/ und also derjenigen Lieblig- keit beraubet worden/ die Sie von der lezten Ubersehung des Urhebers er- warten koͤnnen. Wohl- und rechtge- sinnte Gemuͤtter werden diese aus dem Grabe des seligsten Frey-Herrn hervorschiessende Blumen/ niemals durch ein unzeitiges Splitterrichten/ in Dornen oder Nesseln verwandeln; Mißguͤnstige aber moͤgen sich vorse- hen/ daß sie/ wenn sie etwas deroglei- chen ins Werck richten wolten/ sich nicht zu erst darein stechen oder ver- brennen/ und als denn von unpar- theyischen ausgelacht wer- den doͤrfften. Komm K Omm Mißgunst/ setze dich auff deinen Schlangen-Thron/ Bring alle Furien aus Plutons Sitz zu- sammen/ Spey Nebel/ Rauch und Dampff und ungeheure Flammen Mit Gall und Wermut aus. Verknuͤpffe Schimpff und Hohn. Schuͤtt’ auff den Purpur-Rock der Musen Gifft und Geiffer/ Du richtest doch nichts aus mit deinem tollen Eyffer. Bedraͤnge den Parnaß/ und greiff den Lorber-Hayn Des schoͤnen Helicons mit den verwegnen Schaaren Der frechen Thorheit an. Was Kunst und Witz be- wahren/ Das wird vor dieser Wutt mehr als zu sicher seyn. Und solte gleich den Schwarm ein kuͤhner (a) Faber fuͤhren/ Doch werden sie umsonst so Faͤust’ als Armen ruͤh- ren. Die Die Edle Poͤesie / verlacht die Barbarey: Was sich auff ihren Fall und Untergang verschworen/ Hat bey der klugen Welt laͤngst den Credit verlohren; Die Krafft des Himmels steht dem theuren Pindus bey. An seinem starcken Wall und fest gebauten Thuͤrmen Muß sich Enceladus umsonst zu Tode stuͤrmen. Vornehmlich wenn der Stand und Adel Ihn beschuͤzt/ Wenn sich die Ritterschafft zu seinem Vortheil ruͤstet/ So wird ein Goliath/ wie hefftig er sich bruͤstet/ Im Augenblick gestuͤrzt. Was von den Hoͤhen blizt/ Das schreckt durch einen Schall der sonderbaren Lie- der Die ungeheure Brutt der groben Midas-Bruͤder. Dergleichen stellt uns izt der Herr von Abschatz vor: Der Abschatz/ der den Preiß der Pierinnen meh- ret/ Der Abschatz/ den man auch selbst in der Grufft ver- ehret/ Weil ihn die Wissenschafft zu ihrem Trost erkohr. Sein goldner Wappen-Schild beschirmt die Reih der Tichter Vor allem Uberfall der schnoͤden Splitter-Richter. Be- Begluͤcktes Schlesien! verehre diesen Glantz/ Der dir izt wiederum von neuem auffgegangen; Vor diesem kontestu mit einem Bibran prangen. Manch Logau zierte Dich mit einem Lorber-Krantz. Ein Schweinitz und noch mehr Hochedelste Poeten Erhoben deinen Ruhm mit silbernen Trompeten. Izt hat Dein Abschatz Dir was sonders beygelegt/ Der sich in alle Pracht Italiens gekleidet/ Dein Abschatz / welcher sich mit dieser Kost gewei- det/ Die Rom und Grichenland auff seine Taffeln traͤgt. Was Guarini singt und Adimari schreibet/ Hat die geschickte Hand den Teutschen ein verleibet. Man spuͤret auch zugleich die reine Froͤmmigkeit/ Und die verbundne Treu/ die vor des Kaͤysers Gluͤcke Viel heisse Wuͤnsche thut. Die keuschen Liebes- Blicke Sind hier von aller Glutt der Uppigkeit befreyt. Mit kurtzem; was als nett und ungemein zu preisen/ Das kan uns dieses Buch des Helden-Tichters wei- sen. Nun Nun Fuͤrst der Kuͤnste komm/ und lege/ was dich ziert/ Den Lorber und das Spiel der wohlgestimmten Sai- ten Mit gutem Willen hin. Es wird zu unsern Zeiten Ein neues Regiment im Pindus auffgefuͤhrt. Dein abgenuͤzter Schmuck und Zepter muß veralten: Denn Abschatz soll das Reich der Poesie verwal- ten. C. G. Freyherrlich- Abschatzisches Ehren-Gedaͤchtniß. Als Die Gebeine des Liegnitzischen Josephs und Assenath/ Weiland des Hoch-Wohl-Gebohrnen Herrn/ Hrn. Hanns Aßmann/ Frey-Herrn von Abschatz/ Auf Wuͤrbitz/ Nieder-Goͤlschau/ Baͤrsch- dorff/ Petschkendorff und Lederose/ ꝛc. Des Fuͤrstenthums Liegnitz hochverdienten Lan- des-Bestellten/ und bey denen Zusammen-Kuͤnfften der Hochloͤbl. H. H. Fuͤrsten und Staͤnde in Breßlau Ordinär-Deputir ten/ So auch Der Hoch-Wohl-Gebohrnen Frauen/ Frauen Anna/ Freyin von Abschatz geb. von Hund/ Auf Wuͤrbitz/ Nieder-Goͤlschau/ Baͤrsch- dorff/ Petschkendorff und Lederose/ ꝛc. ꝛc. In der Ober-Stadt-Kirchen zu Liegnitz Am Sonntage Quasimodogeniti Anno 1699. des Abends solenniter Zugleich beygesetzet wurden/ parentir ete M. Adam Ludwig Thebesius, Evangel. Prediger daselbst. Anmerckung Des Wohl-seligen Herrn Baron von Abschatz bey seinem Teutsch-redenden treuen Schaͤf- fer des Guarini, aus Ablancourts Vorrede des uͤbersezten Taciti, p. 5. D As grosse Unrecht/ was man einer Copey (und so auch einer Comparation ) thun kan/ ist/ sie neben dem Grund-Gemaͤhlde zu weisen/ indem sie gegen demselben alle Zierligkeit verlie- ret/ und der Natur selbsten zwey einander gantz aͤhnliche und gleiche Sachen vorzustellen selten gelingen will. Hoch- und Wohl-Gebohrne/ Hoch-ansehnliche Trauer-Versammlung. V On Joseph/ dem Egyptischen Landes-Bestell- ten/ hat dessen Parentator, der heilige Geist/ in der Paulinischen Lob-Rede an die Hebraͤ- er/ diß einige/ als etwas Ungemeines ange- mercket: Daß er durch den Glauben geredet von dem Auszuge der Kinder Israel/ da er sterben sollen/ und Befehl gethan von seinen Gebeinen. Welche sonderbare Merckwuͤrdigkeit ihren Grund hatte in der Mosaischen Vorstellung des Eydes/ den dieser Patri- arche bey seinem Tode von den Kindern Israel genommen und gesaget: Wenn euch GOtt wird heimsuchen/ so fuͤhret meine Gebeine von dannen. Wie denn ausser allem Zweifel auch diß leztere Begehren von hoͤchst-gedachtem heiligen Lob- Redner hergeflossen/ als welcher wuste/ was an dem sonst gantz vollkommenen Joseph vornehmlich solle gepriesen wer- den. Denn/ wie alle seine Vaͤter/ so war er versichert durch den Glauben/ daß er dermahleins am ersten Oster-Tage Reuen Testamentes mit dem aufferweckten Meßia im gelob- ten Lande solte lebendig und gen Himmel eingeholet wer- den. Darum verlangte er/ allerlobwuͤrdigst/ daß seine Gebeine von dannen gefuͤhret/ und im Lande der Verheissung beerdi- get wuͤrden. Es ist keine unedle Sorgfalt/ auch in der Asche noch leben/ und im Grabe eine Sicherheit vor sein Todten-Geruͤppe ha- ben wollen. Zumahl/ wo man sich im Glauben die gewisse Aufferweckung von den Todten zu verkuͤndigen weiß. Deß- wegen wurde nunmehro diese beeydete Verordnung denen wehmuͤttigen Bruͤdern zu einem hoch-bedencklichen Geheim- niß; so/ daß uͤber 145. Jahr dessen unvergeßliche Beobach- tung noch in vollem Andencken lebete/ als der Heer-Fuͤhrer Israelis/ unbesorgt/ wie alles Volck dem Egyptischen Ge- raͤthe und andern Kostbarkeiten zueilete und sie mit nahm/ ( A ) 3 nur Freyherrlich-Abschatzisches nur allein sich die Sorge des Gehorsams und Erfuͤllung des Eydes der Vaͤter an den Gebeinen Josephs vorbehielte. Ist doch auch der auffrichtige Gehorsam danckbarer Nach- kommen eine wahre Ursache derer iederzeit Ehren-werth ge- haltenen Reliquien der Heiligen/ in welchem Respect wir sie billich vor inviolables Heiligthuͤmer achten. Solte ie- mand die praͤchtige Ausfuͤhrung und Begleitung des Leich- nam Josephs von 600000. Mann der Israeliten gesehen haben/ und die itzige Fuͤrstliche Beysetzung derer Bruͤder nach dem Tode ihres Erhalters und allgemeinen Vaters sich vorbilden koͤnnen/ so bin ich versichert/ er werde nicht zu sagen wissen/ welche unter beyden der andern was nachgegeben. Denn jene fuͤhreten seine Gebeine von dañen mit ungemeiner devotion, diese aber salbeten ihn/ und legten ihn in eine Lade in Egypten mit vortrefflicher Ehre; honoris supremitate, wie man vor Zeiten bey hohen Leichen-Bestattungen zu reden pflegte. Wer weiß es nicht/ was die Egyptische Nation mit ihren Todten vor stoltze Ceremonien gehalten/ da sie vornehmlich auff ein praͤchtiges Begraͤbniß alle das Ihrige/ wenig aber auff einige Commoditaͤt artiger Wohnungen im Leben gewen- det. Weßwegen zu erachten/ es werde auch diese Funeration so still nicht geschehen seyn/ als mit wenigen Worten sie be- schrieben worden. Die Alten geben Nachricht: Man haͤtte den viel Wochen lang kostbar balsamirten Leichnam mit schoͤ- nen Tuͤchern und theuren Zierrathen eingewickelt/ in einem trefflichen Sarge auf ein erhabenes Castrum Doloris uñ dem gantzen Lande zur allgemeinen Klage vor Augen geleget. ‒ ‒ tandemque beatus in alto Compositus lecto, crassisque lutatus amomis. Nach Vollendung dessen habe man die amomir te Mumie des Hochverdienten Mannes erhoben/ und sie in Fuͤrstlicher Para- de biß in das Koͤnigliche Schatz-Hauß begleitet. Denn so haͤtten es die Egyptischen Gelehrten vor gutt befunden; weil sie wissen wolten/ daß/ so bald man diesen Leichnam wuͤrde aus dem Lande folgen lassen/ eine so grosse Finsterniß gesche- hen muͤsse/ dabey einer den andern/ auch bey angezuͤndetem Lich- Ehren-Gedaͤchtniß. Lichte/ nicht sehen wuͤrde; Gewiß genug von Joseph/ ihrem allgemeinen Lehr-Meister/ also unterrichtet/ deme die sichere Erklaͤrung solcher zukuͤnfftigen Warheit nicht verborgen seyn konte. Schade/ daß keine zuverlaͤßige Nachricht zu finden/ wenn und wie dem so vortrefflichen Joseph seine holdreiche Ge- mahlin/ die Assenath/ im Tode vor- oder nachgegangen sey. Denn ob wohl die Schrifften heutiger Hebraͤer und die Ver- fassung des lezten Willens der Soͤhne Jacob/ ingleichen die alte Geschicht von der Assenath/ welche von der Hebraͤischen/ Griechischen/ Lateinischen endlich zur Teutschen Sprache kommen/ hiervon was melden wollen/ so ists doch ohne son- dern Grund. Auch wenn in der lezten vorgegeben wird/ sie habe laͤngst vor Joseph/ im 20. Jahr ihrer Ehe/ als sie 41/ Joseph 50/ Manasse 19/ Ephraim 18. Lebens-Jahre errei- chet gehabt/ Abschied von dieser Welt genommen/ so erweckt dennoch Moses bey der erzehlten adoption der Soͤhne Jo- sephs an dem Krancken-Bette Jacobs vielmehr die Gedan- cken/ daß Assenath damahls im 56. Jahr des Alters Joseph noch lebhafft und nicht ohne Hoffnung erfolgenden Ehe- Segens moͤge gewesen seyn. Dannenher zu glauben stehet/ weil zumahl ihr Nahme so viel als eine Aerztin bedeutet/ sie sey von GOtt dem hoch-bemuͤhten Abrech zu einer anmutti- gen Pflegerin gegeben/ und so lange gegoͤnnet worden/ biß er sich ihrer im 110. jaͤhrigen Alter und lezten Schwachheit am meisten bedienen koͤnnen. Solte auch was anders zu Jo- sephs grossem Leid-Wesen so zeitig erfolget seyn/ wuͤrde des- sen dis heilige Historie/ wie anderer kleinern Zufaͤlle der wunderlichen Wege GOttes an ihm/ nicht vergessen haben. Die gelehrte Anmerckung eines beruͤhmten Niederlaͤnders vermuthet/ daß die Haupt-Ursache der hohen Vergoͤtterung Josephs/ nach seinem Tode in Egypten/ daher gekommen/ weil die Heliopolitanischen Priester und Fuͤrsten/ ihrer nahen Verwandtin/ der verwittibten Assenath/ und dero beyden Fuͤrstlichen Printzen/ Ephraim und Manasse/ zur Consola- tion nach der Religiosi taͤt des Landes/ die beyden bekandten Statu en zu On oder Sonnen-Stadt/ und Memphis auffge- richtet/ deren eine der Sonne/ die andere dem Mond heilig/ ( A ) 4 und Freyherrlich-Abschatzisches und mit dem Nahmen Mneus und Apis, oder Osiris gezeich- net gewesen/ und haͤtte man dadurch gedachte beyde hohe Personen/ welche dergestalt einander nur kuͤrtzlich uͤberlebt haben muͤsten/ in dergleichen Symbolis, zweyer an beyden Orten erhoͤheten goͤldnen/ und unter diesem Volck hoͤchst-ge- ehrtesten Rinder; oder/ wie andere wollen/ eines Stiers und etlicher Kornaͤhren/ zum Andencken des erklaͤrten Traums Pharao/ allerdings ewig vergoͤttern wollen. Alleine/ was braucht es solcher muͤhsamen Untersuchun- gen? Ich dencke hier an die Worte eines zu itziger Zeit be- kandten Altdorffischen Philologi, da er sein Urtheil uͤber al- lerley dergleichen aus den Juͤdischen Scribenten zusammen getragene Dinge sezte: Quilibet horum è tenebris Ægyptia- cis lucem eruere sategit. Dienet uns zur Nachricht. War- um wollen wir im dunckeln solcherley Muthmassungen irren/ da uns bey gegenwaͤrtigem Frey-Herrlichen Actu darum so viel auffgesteckte Licht-Kertzen in die Augen strahlen/ damit man diese beyden vor uns zugleich stehenden Todten-Laden zu einem unfehlbaren Zeugnisse annehme/ Joseph und Asse- nath seyn allerdings zugleich auff einmahl gestorben und be- graben worden. Wer siehet allhier nicht den Abrech unter unsern Landes- Vaͤtern/ den Sophnat Pahaneach dieses Fuͤrstenthums? Weyland den Hoch-Wohl-gebohrnen Herrn/ Herrn Hanns Aßmann/ Frey-Herrn von Abschatz/ auf Wuͤr- bitz/ Nieder-Goͤlschan/ Baͤrschdorff/ Petschkendorff und Lederose/ des Fuͤrstenthums Liegnitz hoch-ver- dienten Landes-Bestellten/ und bey denen Zusammen- Kunfften der Hochloͤblichen Herren Herren Fuͤrsten und Staͤnde in Breßlau Ordinär-Deputir ten? Und ist das nicht die wohlthaͤtige Gemahlin und ungemeine Pflege- rin unseres Liegnitzischen Herren Landes-Bestelleten/ die Me- dica unsers muͤhsamen Josephs/ weyland die Hoch-Wohl- gebohrne Frau/ Frau Anna/ Freyin von Abschatz/ ge- bohrne von Hund/ Frau auff Wuͤrbitz/ Nieder-Goͤl- schau/ Baͤrschdorff/ Petschkendorff und Lederose? Wenn ich eigentlich sagen soll/ wohin ich mit dieser Ver- gleichung ziele/ so ist es der schrifftlich hinterlassene Eyd von den Ehren-Gedaͤchtniß. den Gebeinen dieses unsers Liegnitzischen Josephs: Dem-” nach ist mein Wille/ wenn der treue GOtt meine Seele nach” seinem gnaͤdigen Willen und Wohlgefallen aus ihrer irrdi-” schen Huͤtte abfodern/ und wie ich in glaͤubigem Vertrauen” auff seine grundlose Barmhertzigkeit/ und das vollguͤltige” Verdienst meines einigen Erloͤsers und Heylandes JEsu” Christi/ so er auch an mir nicht wird lassen verlohren seyn/” festiglich hoffe/ in sein himmlisches Reich zu seiner Gnaden-” Hand auffnehmen wird/ daß mein verblichener Coͤrper mit” einem gewoͤhnlichen Sterbe-Hemde und schwartz-raschenem” langen Rocke bekleidet/ in einem doppelten/ und zwar den” obersten Eichenen Sarg mit folgenden Spruͤchen; oben” auff dem Deckel: HErr/ ich warte auff dein Heyl; auff” der einen Seite: Ich bin die Aufferstehung und das Leben;” auff der andern Seiten: Ich lebe und ihr sollt auch leben;” zu den Haubten: Hier ruhet und erwartet der seligen Er-” scheinung unsers HErrn JEsu Christi/ der weyland Wohl-” gebohrne Herr Hanns Aßmann/ Frey-Herr von Ab-” schatz der juͤngere/ des Fuͤrstenthums Liegnitz gewesener” Landes-Bestellter; zu den Fuͤssen: Im HErrn verschieden/” den Tag/ das Jahr und Alter bezeichnet: Ohne alle andere” Pracht und Zierrath/ zur Hoffnung der Freudenreichen Auf-” erstehung/ eingelegt werden soll.” Und waͤre mir erlaubt die Trauer-Decken von beyden Leichen-Kasten abzuziehen/ so wolte ich in Gegenwart so hoher Zeugen gar zuversichtlich erweisen/ daß dieses lezte Begehren/ vorgeschriebener Mas- sen/ und an dem Sarge der neben-stehenden wohlseligen Frauen Gemahlin in gebundnen Reym-Zeilen/ auff einerley Art sey erfuͤllet worden. Mir wuͤrde auch gantz leicht zu behaubten seyn/ daß des Egyptischen Josephs und Assenath Saͤrge eben mit derglei- chen Inscriptionibus auff dem damahligen Trauer-Geruͤste gestanden. Denn das war der heiligen Patriarchen ge- woͤhnlicher Leichen-Text/ welchen Moses gleichsam an den Sarg des Vater Israels angeschrieben/ bey Erzehlung des- sen Todes/ nemlich: HERR ich warte auff dein Heyl. Und so redete selbter im Tode/ wie er von seinen Geist-vollen Ahnen unterrichtet war/ dessen er auch bey seinen Nachkom- ( A ) 5 men Freyherrlich-Abschatzisches men zu gleicher Glaubens-Folge sich versahe. Um was war es ihnen allen sonst zu thun/ als um die Aufferstehung und das Leben? Weßwegen sie in Canaan durchaus ver- langten begraben zu werden. Nachdem aber hiervon ein mehrers soll geredet werden/ so sey es indessen genug/ wenn wir wissen/ daß/ Was hier zu sehen ist/ und wir zu lesen haben/ Heist: Joseph wird zugleich mit Assenath begra- ben. Hoch-geschaͤzte Anwesende. Ihre vornehme Beglei- tung und Hoch-ansehnliche Gegenwart machet dißmahl die- sen Raum unsers GOttes-Hauses zu einem Castro Doloris. Diese Solenni en locken nicht nur die Hoch-leidtragende Trauer-Versammlung/ sondern auch unsere gesammte Stadt und das loͤbliche Fuͤrstenthum herzu/ mit Thraͤnen zu erfah- ren/ was fuͤr einen Riß der HErr unter uns gethan. Unser Israel wird furchtsam/ was nun nach Josephs Tode erfol- gen werde. Und so beweinen wir diesen Fall durch die an hiesiger Staͤtte angestimmten Klage-Lieder. Unsere Stadt und Vaterland erzehlet gar wenig solche Begebenheiten/ darum ist auch gegenwaͤrtig schmertzliches Vorhaben ein um so vielmehr extra-ordinäir es Leid-Wesen. Wer mitleidig ist/ der wolle zu seiner Consolation an die- sem Trauer-Geruͤste Was Rares sehen und was Rechtes lesen. Zwey Saͤrge auff einmahl sehen und in selbigen zwey ver- ehlichte im Tode unzertrennte Hertzen/ ist was Rares / welches wohl viel tausend Ehe-Hertzen wuͤnschen/ aber so gluͤckselig nicht erlangen koͤnnen. Die Eheliche/ oder auch sonst vertraute Freundschafft/ qualmet zwar insgemein mit Salomo: Wo mein Schatz ist/ da sey auch mein Hertze! A- ber es muͤssen nur Abschatzische Hertzen seyn/ an denen solches erfuͤllet wird. Und ob ein dem David in getreuer Liebe/ als wie angetreueter Ithai/ sich verschweren wolte/ so wahr der HErr lebe/ und sein Herr Koͤnig/ an welchem Orte sein Herr Koͤnig seyn werde/ es gerathe zum Tode oder zum Leben/ da wolle er/ dessen Knecht/ auch seyn/ so muß es doch darum nicht gesche- Ehren-Gedaͤchtniß. geschehen. Ihrer viel muͤssen es vor ein Gluͤcke schaͤtzen/ wenn sie nur noch an die Seite ihrer Ehe-Gatten/ oder in ein Grab dermahleins mit ihren Geliebten gelangen koͤnnen; wo sie gestorben/ auch sterben/ und wo sie begraben worden/ auch begraben werden moͤgen/ wie Davids/ des Koͤniges/ Elter-Mutter wuͤnschete/ ob sie es schon so bald erfuͤllet zu werden nicht hoffen doͤrffen. Aber zugleich auff sanfftem Todes-Bette/ natuͤrlichem Lauffe nach/ sterben/ und zugleich ordentlich und herrlich begraben werden/ ist uͤber alle Rari- taͤten. Wir werden deßwegen dem zu Ende gehenden itzigem Se- culo ein sonderbares Merck-Zeichen beysuͤgen/ massen solcher Faͤlle auff diese Zeit/ zumahl in unserm Lande/ meines Wis- sens/ gar wenig anzutreffen sind. Unserer Polnischen Nach- barn einer zu Frauen-Stadt/ herberget in seinen Trauer- Binden ein einiges Exempel von zwey alten Ehe-Genossen/ die sich Christlich zu erblassen unterredet/ Sterbe-Kleider an- gezogen/ neben einander niedergeleget/ und Anno 1613. auff einmahl verschieden. Der Fuͤrstliche Superintendens zum Brieg/ bey den Zeiten damahligen Piastaͤischen Landes-Fuͤr- stens/ Hertzog Georgii/ Roͤm. Kaͤyserl. Majest. geheimten Raths/ Caͤmmerers und Obersten Haubtmanns des Her- zogthums Ober- und Nieder-Schlesien/ meldet in der Leich- Predigt hochgedachten Hertzogs/ daß selbter von seiner Fuͤrstlichen Frau Gemahlin/ als er sie bey ihrem Sterbe- Bette besuchet/ gebeten worden/ ihr eine Bitte/ die sie an ihn thun wuͤrde/ nicht zu versagen/ alsdenn wolle sie desto williger sterben; und da der Wehmutt-volle Hertzog mit ja geant- wortet/ wofern die Bitte zu gewaͤhren in seinem Vermoͤgen stuͤnde; so habe sie sich ausgelassen: Sie begehre/ daß Ihro Liebden mit ihr sterben wolten. Worauff abermahlige Ant- wort erfolget/ er sey bereit mit Deroselbten zu sterben/ wenn es GOttes Wille auch also sey. Und muͤsse man sich verwun- dern/ daß innerhalb 8. Wochen Anno 1664. beyde Fuͤrstliche Personen abgeredeter Massen einander im Tode gefolget. Vor 12. Jahren am 8. Junii/ Anno 1687. machte der in hiesi- gen Fuͤrstenthuͤmern hoch- renom̃ir te Kaͤyser- und Koͤnigliche Rittmeister/ Herr Conrad von Sack und Damßdorff Herr zu Freyherrlich-Abschatzisches zu Kaufung und dem Koͤnigl. Pfand-Schillinge Altenburg/ ein gleichmaͤßiges Valet durch einen geschwinden Tod im 74. Jahr seines Alters/ dessen Ehren-volle Ehe-Liebste/ Frau An- na gebohrne von Zedlitz/ solche angenehmste Schickung GOt- tes/ da sie schon 14. Tage gekrancket/ mit diesen Worten bewill- kommete: Ich dancke GOtt/ der mein Gebet erhoͤret und mich sehen lassen/ wie mein Ehe-Herr gestorben/ dem ich/ mei- nem steten Wunsche nach/ bald folgen will. Dessen sie auch nach 27. Stunden gluͤckseligst gewaͤhret wurde. Und nun liegen izt in Liegnitz/ zu unserer unversehenen Ehre derglei- chen Seltenheiten vor Augen. Wir zeichnen uns billich den 22. Aprilis vor den Wohl-seligen Herrn Baron mit dem nota bene Davids: Des Gerechten werde nimmermehr verges- sen/ und den 24. folgenden Tag zum Andencken der himmlisch- erfreueten Frauen Baronesse mit dem Asterisco Daniels: Sie leuchte/ wie die Sterne immer und ewiglich. Wird iemand forthin im Plutarcho von der bey denen E- gyptiern bekandten und vielleicht biß an Josephs Zeiten al- ternden Gesellschafft τῶν συναποϑνησκόντων, der mit einander Sterbenden/ lesen/ der vergesse unsers Liegnitzischen/ so gar dem Egyptischen Joseph und Assenath nach-ahnenden raren Exempels nicht. Hingegen verzeihen uns alle Nationen/ welche iemahls was Ungemeines bey sich geruͤhmet/ daß wir dißmahl ihre wunderwuͤrdige Raritaͤten nur obenhin anse- hen. Selbsten die admirabl en Erfinder der kuͤnstlichen Sel- tenheiten in Londen/ zu Paris/ und wo sie sonsten leben; der gelehrte Cassin, hocherfahrne Hevel, weitberuͤhmte Loͤwen- bock/ Boyle in Londen/ Gverike zu Magdeburg/ Papin in Marpurg/ Meretto, Kunckel/ duͤncken uns nichts Rares zu haben vor uns. Denn so uͤbergroß die Kunst ist selig zu ster- ben/ vor allen Kuͤnsten/ um so vielmehr æstimi ren wir das Gluͤck ehelich-unzertrennt und selig zu sterben. Als der in Leiden uͤber dem gewiß ungewoͤhnlich schoͤnen Abschiede der unvergleichlichen Maria/ Koͤnigin in Groß- Britannien/ mitleidende Spanheim/ deßwegen seine Klag- Rede hielte/ wuste er/ wie hochermeldte Regentin mit ihrem allerliebsten Herrn Gemahl sich zulezt unterredet haͤtte/ und da sie keine Rechnung laͤngeꝛ mit selbtem zu leben/ vielweniger zu- Ehren-Gedaͤchtniß. zugleich mit ihm ins Grab geleget zu werden/ sich machen doͤrffen/ endlich diese großmuͤttige Worte gebrauchet: Vale, mi Gvilielme, ac vive intemerati nostri conjugii memor, do- nec Te mihi, aut me Tibi, sors Tua reddiderit. Nec plane mo- rior, dum utriusque nostrum totam imaginem possides. Tu unus, erisque vivus mihi tumulus quovis Mausolæo, quavis mole sanctior \& honoratior. Ist ein Zeugniß/ daß diß all- gemeine Final auch die Grossen in der Welt sich muͤssen gefal- len lassen/ wenn es zum Scheiden koͤmmt/ wie sehr sie einan- der lieben. Aber weit gluͤckseliger waren unsere Abschied- nehmenden Abschatzischen Ehe- und Ewig-vertrauten. Der unversehene Hingang des durch den Schlag-Fluß erstumme- ten/ und nur noch mit den Angst-vollen Augen redenden Herrn Barons, zu dem Krancken-Bette der Frau Gemahlin/ war/ als wie wenn der Todte einen Sterbenden besuchen/ und die Trostlose dem Erschrockenen Mutt einreden solte. Die tieff-geholten Seuffzer/ und die damahls ein wenig bewegte Hand gaben zu verstehen/ daß die hoͤchst-elende Frau Baro- nesse zu gleicher Freude und baldigen Geniessung ewiger Ruhe inviti ret wuͤrde/ welches sie auch mit sehr beweglichen Worten zu ruͤhmen wuste. Dessen allen wir/ die solches wehmuͤttig angesehen/ uns ewig erinnern werden. Es konte doch auch dergleichen Tugendvolle Ehe-Frau nun nicht mehr leben/ denn das Leben wurde ihr mit ihrem sterbenden Ehe-Herrn genommen. Und daß selbter seiner Tod-schwachen Frau Gemahlin biß hieher in Liegnitz nach- gezogen/ war die Ursache/ weil er wuste/ daß wenn sie sterbe/ er zuvor in ihr sterben muͤsse. Sie war seine andere Seele/ denn sie liebte ihn/ so viel ihr moͤglich war/ und das war die Flamme/ womit seine in ihr lebende Seele genaͤhret wurde. Alles/ was an ihr war/ muste zu seiner Pflege dienen/ darum konte sie ihn nicht alleine lassen. Sie hatte ihre Strahlen der Ehre und Gluͤckseligkeit von seiner Sonne/ darum erblas- sete sie/ als er verbliche/ und verlohr ihr Alles bey dem Ver- luste seines Lebens. So/ wie sie ehemahls in Rausse bey er- ster Vermaͤhlung gesprochen hatte: Ich will mit diesem Manne/ also redete sie biß ins Grab. Indi- Freyherrlich-Abschatzisches Indivulsa tibi quondam \& fidissima conjux, Ut fuit in thalamo sic erit in tumulo. Ihr beyden ansehnlichen Archen/ Ihr seyd Josephs und As- senath! gantz Israel begleitet euch heute mit unzehlbarer Frequentz aus Egypten ins gelobte Land. Und ob wohl vor Zeiten Rubens Sarg/ Judaͤ Kasten und anderer Vaͤter Leichen-Behaͤltnisse/ iegliches bey seinem Stamm auch mit fortgefuͤhret wurden/ so blieb doch Joseph die Ehre alleine/ neben der Lade des HErrn begleitet zu werden. Wovon die Juͤdischen Religions-Buͤcher melden: Es waͤre die Lade der goͤttlichen Majestaͤt und Josephs neben einander daher ge- tragen worden/ und wenn Fremde/ die da im Volck des HErrn immer ab- und zugieugen/ gefraget/ was diß vor Ka- sten waͤren/ haͤtte man ihnen gesaget/ sie waͤren GOttes und Josephs/ und daß man solches thue/ geschehe/ weil GOtt in seiner Lade dasjenige schrifftlich liegen haͤtte/ was er uns in der Welt zu thun befohlen; und in der andern sey auffgeho- ben ein Mann/ der/ zu einem raren Exempel/ das/ was GOtt dorten befohlen/ Lebenslang in acht genommen. Ich weiß nicht/ welcher unter diesen beyden vor unsern Au- gen-stehenden Saͤrgen vor eine Lade des HErrn zu achten sey. Beyde Hertzen der Wohlseligen liegen unzertrennt beysammen/ als in einem Sarge/ und in beyden Saͤrgen ru- het auch zugleich der mit ihren Hertzen biß ins Grab durch den Glauben vereinigte HErr der Herrligkeit: Darum sind sie ohne Zweifel wuͤrdig/ als Laden GOttes/ neben einander getragen zu werden. Sehen doch auch alle unsere Saͤrge also aus. Wer mit seinem Goel schlaffen gehet/ der lieget gewiß so gutt als Aarons-Rutte und die Manna-Gelte/ selb- sten an der Seite des Gnaden-Stuls/ und reiset auch den Ge- beinen nach/ mit Christo in Abrahams Erbtheil durch das einsame Land dieser irrdischen Wuͤsten. Allergluͤckseligstes Paar/ im Leben/ im Grabe/ im Him- mel! von GOtt also zusammen gefuͤget/ damit sie auch durch den Tod nicht moͤchten geschieden werden. Raro felicitatis domesticæ exemplo, ut, qui concorditer vixerant, eodem mo- mento ad Deum migrarent, ne alter superstes alterum lu- gere Ehren-Gedaͤchtniß. gere cogeretur, wie Thuanus von Alberti, Marchionis Bran- deb. und seiner etliche Stunden nachfolgenden Gemahlin Tode geredet. Sie haben nun erfahren/ was morte sociata mori heisse/ nach Senecæ Meynung/ und wie gluͤckselig das Grab der Verliebten/ τῶν φιλ ντων, zweyer unter den edelsten Roͤmern/ zu achten gewesen. Quodque ubi idem est \& maxi- mus \& honestissimus amor, aliquando præstet morte jungi, quam vita distrahi. Von ihnen ruͤhmet der Roͤmische Ora- tor mit Recht: Omnia præclara, omnia rara. Sie haͤtten kei- ne erwuͤnschtere Gelegenheit finden moͤgen/ sich noch einmahl irrdisch zu vermaͤhlen und in das Ehe-Bette eines gluͤckseli- gen Todes zusammen zu liegen/ als eben zu itziger Zeit/ welche durch das hoͤchst-begluͤckte Koͤnigliche Beylager Dero Aller- Durchlauchtigsten Majestaͤten/ unsers Allergnaͤdigsten Teutschen Josephs / mit dessen Allererwehltesten Amalia admirabel gemachet/ und zugleich unser Vaterland/ beyder Koͤniglichen Majestaͤten allerunterthaͤnigstes Erb-Land/ zu verwunderungs-vollen Gluͤckwuͤnschungen geleitet wird. Sie bleiben wohl unvergeßlich in unserm Andencken/ und diejeni- gen/ an welchen auch die zukuͤnfftigen Secula was Rares uͤ- berlebt/ erlebt und gesehen haben werden. Wolten sie nur/ Hochgeschaͤzte Anwesende / erlauben/ daß ich diese Leichen-Tuͤcher abnehme/ so wuͤrden sie zu noch mehrer Vergnuͤgung alsofort auch Was Rechtes lesen. Die Geist-vollen Inscriptiones auff beyden Saͤrgen/ eines Theils in der Mund-Art des heiligen Geistes/ andern Theils in eben solcher/ doch mit Poetischen Worten/ vorgeschrieben/ sind Merckmahle des hohen Josephischen Geistes unserer selig Verblichenen. Dero vieljaͤhrige Lebens- Experientz sie zu solchen Christen gemachet/ die von ungemeiner Extra- ction waren. Was andere nur aus Allermanns Cisternen heilsamer Erinnerungen und geistlicher Troͤstungen schoͤpf- fen/ das sucheten sie selbsten bey der Quelle des goͤttlichen Mundes/ mit bestaͤndiger Anruffung/ daß der HERR des Himmels ihnen den Reichthum seiner Erkaͤntniß geben wol- le. Und so denn kosteten sie an den Saͤfften goͤttlicher Weiß- heit Freyherrlich-Abschatzisches heit so lange/ biß sie die Seel-erquickenden Kraͤffte selbsten schmecketen/ welche ihrer Kehle suͤsse wurden. Es war ihnen angebohren ans Sterben immer zugedencken/ darum funden sie unter allen Biblischen Todes-Ergoͤtzligkeiten/ vornehmlich den zu seinen Vaͤtern sich versammlenden Vater Joseph/ und mercketen sich dessen Todes-Seuffzer: HErr/ ich warte auff dein Heyl. So lesen wir auff der Decke dieser beyden Saͤrge. Koͤnte wohl ein inhafftirter Joseph was Großmuͤt- tigers an die Thuͤr seines Gefaͤngnisses geschrieben haben/ womit er so wohl ein Bekaͤntniß von der Religion seiner Vaͤ- ter/ als auch ein Zeugniß seines itzigen Vertrauens zu GOtt/ auffweisen wollen? Und ein von Geburt an in Suͤnden biß in den Tod gefesselter Christ stellet sich diß Memoriale billig an die Thuͤre seines Lebens/ und saget mit grossem Geiste: HErr/ ich warte. Unsere Geist-volle Sterbenden wolten hiermit zeigen/ was sie von ihrem Grabe hielten/ an dessen Thuͤr sie solche Worte anzeichneten/ meynende/ diß sey das Warte-Zimmer/ darin- nen es niemanden zu lang werden koͤnne/ zu verziehen/ biß die Stunde komme/ auffzustehen vom Schlaff/ wenn die Nacht vergangen und der Tag des ewigen Heyls herbey kommen. Im Alten Testamente war der Glaube an Christum nichts anders als ein Warten auff das Heyl GOttes/ den Schilo, der da selig machen konte. Ob gleich ihre Hoffnung sich biß ins Grab verzog/ so wurde dennoch solch Glaubens-volles Warten ihnen gerechnet zur Gerechtigkeit. Sie sagten: Ob mich der HErr gleich toͤdten wuͤrde/ will ich dennoch auff ihn hoffen. Darum der Sohn GOttes auch desiderium gentium, und die Glaͤubigen/ Wartende auff den Trost Isra- els/ genennet wurden. Die jenigen/ welche Josephs und Assenaths Leichen-Kasten wollen gesehen haben/ melden/ daß oben auff dem gantz ver- goͤldeten Deckel der Hebraͤische Nahme GOttes Jehova ge- schrieben/ und noch andere Egyptische Kenn-Zeichen heiliger Bilder-Schrifften angemercket gewesen/ die auff folgenden Sinn ausgegangen: Der/ der da war/ der da ist/ und der da seyn wird/ mache durch seine goͤttliche Krafft diese Abgestor- benen Ehren-Gedaͤchtniß. benen selig. Welches allerdings mit dem hernach dem Mosi in Midian geoffenbarten Nahmen des HErrn/ des seligma- chenden Schilo, uͤberein koͤmmt. Solche heilsame Uberschrifften zieren unsere Grabes-Thuͤ- ren/ wenn es heisset: HErr/ ich warte. Denn darum sind wir allda mit Leib und Seel annoch in statu mortis, im Lande der Todten/ wie der prophetische Evangelist des Alten Testa- ments; oder auch unter der Herrschafft des Todes/ wie der Heyden-Lehrer weissaget. Wir warten im Grabe/ ob wohl der Seelen nach allbereit in prima stola der Seligkeit/ den- noch auch auff unsers Leibes Erloͤsung/ und werden von GOtt getroͤstet/ eine kleine Zeit Gedult zu haben/ biß daß vollend herzu kommen moͤgen unsere Mitknechte und Bruͤder/ wie dem Theologo bey Offenbarung des fuͤnfften Siegels gezei- get wurde. Die vollkommene/ endliche und ewige Seligkeit ist dem gantzen Menschen und nicht allein der Seelen verheis- sen. Selbte Seligkeit ist das hoͤchste Gutt des Menschen/ welches alle Begierde und Verlangen stillet/ daß/ wer es hat/ nichts anders mehr begehren kan. Nun haben die Seelen noch nicht alles Gutte/ sondern noch viel im Verlangen. Ob sie gleich schon selig/ so haben sie doch noch nicht das voͤllige Ende der Verheissungen GOttes/ da sie nicht allein/ sondern auch die Leiber zugleich gekroͤnet werden/ und das Angesicht GOttes anschauen sollen. Welche aber GOtt von Ange- sicht zu Angesicht schauen/ die haben alles in allem/ lehret des HErrn Apostel. Darum heisset es von denen abgeschiede- nen/ aber annoch wartenden Seelen: Wir sind zwar schon GOttes Kinder und allbereit selig/ aber es ist noch nicht er- schienen/ was wir seyn werden. Das wissen wir aber/ wenn es erscheinen wird/ (oder wie der Syrische Dollmetscher es giebet/ wenn er selbst erscheinen wird/) daß wir ihm gleich seyn werden: Denn wir werden ihn sehen/ wie er ist. Es ist billig/ schrieb schon vor 800. Jahren ein andaͤchtiger Mann/ daß die/ so in Leib und Seele GOtt gedienet/ auch zugleich an Leib und Seele die Gnaden-Belohnung empfan- gen. Darum sollen wir die Vollkommenheit erst in der Auf- ferstehung erlangen. Eben wie/ wenn die Soͤhne vom Felde (B) kom- Freyherrlich-Abschatzisches kommen und zu ihrem Vater sagen: Wir haben gearbeitet heute/ haben des Tages Last und Hitze getragen/ es ist Zeit/ daß du uns erquickest: Und der Vater ihnen antwortet/ ge- duldet euch noch ein wenig/ biß alle eure Bruͤder zusammen kommen/ welche gleicher Weise arbeiten/ so sollet ihr mit ih- nen gantz voͤllig essen und satt werden. Diß heist/ ich warte. Aber was vor ein Heyl? Darauff antworten die zu beyden Seiten der Saͤrge angezeichnete Schrifft-Spruͤche/ in welchen der auch im Grabe uns zu bey- den Seiten kraͤfftig bewahrende Seligmacher selbsten redet: Ich bin die Aufferstehung und das Leben. Ingleichen: Ich lebe/ und ihr solt auch leben. Wer hierinnen den Balsam der Gebeine Josephs und As- senath nicht reucht/ womit sie im Glauben perfumi ret sind/ der muß nicht voͤllig unterrichtet seyn in goͤttlicher Weißheit. Hier ist eben das Heyl / auff das er wartet / ausfuͤhrlich ge- machet. Der Ich / der da ist/ der da war/ und der da seyn wird. Der JEsus Christus/ welcher ist der Anfang und der Erstgebohrne von den Todten/ in welchem alle lebendig ge- macht werden/ gleich wie sie in Adam alle sterben: Der ist schon izt unserer Haut und Gebeine/ Adern und Fleisches/ Bewahrer/ Aufferwecker/ Lebendigmacher. Er wird uns aus der Erden aufferwecken/ und wir werden mit dieser Haut umgeben werden. Er bewahret alle unsere Gebeine/ daß deren nicht eines zerbrochen wird. Und diese Gebeine wer- den wiederum zusammen kommen/ ein iegliches zu seinem Gebeine/ und werden Adern und Fleisch drauff wachsen/ und mit Haut uͤberzogen werden/ und der Wind des HErrn wird darein blasen/ daß sie lebendig werden. Wie ehemahls des- sen Vorbild im Prophetischen Gesichte gezeiget wurde. Uns wundert nun nicht/ warum Joseph so sorgfaͤltig vor seine Gebeine gewesen/ daß sie dermahleins mit von dannen gefuͤhret wuͤrden ins Land der Verheissung; es war ihm um den in kuͤnfftigen Zeiten beruͤhmten Josephs Nahmen zu thun. Denn das Heyl der Welt solte seinen Auffenthalt in dem Hause eines Josephs und seine Ruhe in dem Grabe eines Jo- Ehren-Gedaͤchtniß. Josephs finden. Was ists anders/ was heutiges Tages zu Jerusalem so viel curioͤse Christen mit grosser Andacht besu- chen/ und mit vielen Præsent en beehren/ als das Grab/ ob nicht des Egyptischen/ dennoch/ zu mehrer Verwunderung/ eines recht glaͤubigen Josephs. Wie mancher grosser Fuͤrst hat sich gluͤckselig geschaͤtzet/ nur die Steine von diesem Fels zu kuͤssen selbten Grabes/ welches Joseph erbauet/ JESUS aber der Sohn GOttes und Mariaͤ/ zum Grabe und Ort seiner Aufferstehung im Tod und Leben erwehlet hat. Und wer war der Aufferweckte anders/ als ein Joseph/ der da sag- te/ wie jener ehemahls: Gehet hin zu meinen Bruͤdern und sagt/ ich lebe. Einerley Geschichte/ nur zu unterschiedenen Zeiten ist es/ wenn die erschrockenen Bruͤder die Stimme ih- res Erloͤsers hoͤren: Ich lebe/ und ihr solt auch leben. Bey- de Nahmen/ JEsus und Joseph/ haben fast einerley Nach- druck/ und ihren Hebraͤischen Ursprung aus der Wurtzel des Heyls. Darum waren sie Heylande/ jener im Vorbilde/ seines Volckes; dieser in Vollkommenheit/ der gantzen Welt. Und so unmoͤglich es jenem war/ da er in Egypten zu Ehren kam/ seiner Bruͤder in schweren Zeiten zu vergessen/ sondern er nahm sie zu sich/ und gab ihnen das beste Land ein; eben so wenig kan es dieser uͤber sein Hertze bringen/ unser in dem Tode nicht zu gedencken. Wir sprechen: Er wird mich doch zu seinem Preiß Auffnehmen in das Paradeiß/ Des klopff ich in die Haͤnde. Was meynen sie/ Hochzuehrende / wenn die Posteri taͤt diese Saͤrge in ihrer Grufft dermahleinst zu sehen bekoͤmmt? Wird sie nicht sagen: Sie sind Josephs. Wer JEsum/ die Aufferstehung zur Rechten und das Leben zur lincken Hand hat/ der ruhet wie Joseph in Josephs Grabe. Ich uͤberlasse hoͤheren Personen/ welche mit unserm wohlseligen Herrn Landes-Bestellten vertraulich gelebet/ das Urtheil von dero raren Qualitaͤten und vortrefflichen Merit en. Weil ich a- ber die Gnade hatte/ bey dessen und Frau Gemahlin lezten Kranckheit und Tode als Beicht-Vater auffzuwarten/ so kan (B) 2 ich Freyherrlich-Abschatzisches ich nun mit Rechte vor dem Angesichte GOttes auch ruͤhmen/ was ich Loͤbliches gesehen und gehoͤret. Da war eine um- staͤndliche Busse und offenhertzige Bereitung zu einem seli- gen Ende/ auffrichtige Versoͤhnung mit allen Beleidigten/ zuversichtlicher Glaube an JEsum Christum den Erloͤser der Welt/ ungezweifelte Hoffnung der Aufferweckung zum ewi- gen Leben/ und daher eine freudige Begierde auffgeloͤset zu werden. Es hinderte den bißher wohlversuchten Herrn Ba- ron der unversehene Schlag-Fluß/ und die daher entstandene Sprachlosigkeit nicht/ sein Heyl um so viel eyfriger im Her- zen zu ergreiffen/ und sich mit seinem Erloͤser in Busse und Glauben innigst zu unterreden. Wie denn/ was zu sagen keine Moͤgligkeit war/ die Augen-Wincke bestaͤtigen/ und die stets gefaltenen Haͤnde allen Umstehenden deutlich erklaͤren musten. So schlieff er auch ein. Was dagegen die anfaͤng- lich hochbestuͤrzte/ noch vor Abends zum Tode disponir te/ fol- gends in Gebet und GOtt-ergebenster Gedult/ nach genosse- nem allertheuresten Pfande der Vergebung ihrer Suͤnden und Versicherung goͤttlicher Gnade in dem heiligen Abend- mahl/ wohlvernuͤnfftig erblassende Frau Baronesse vor er- wuͤnschte Bezeugungen eines allerseligsten Endes mercken lassen/ ist nicht auszuruͤhmen. Ich bin/ vermoͤge goͤttlichen Wortes/ allzugewiß/ daß die zun Haubten nun auch lesens-wuͤrdige Zeilen nicht anders/ denn gantz wahr sind. Nemlich: Es ruhen allhier und erwarten der seligen Erscheinung unsers HErrn JE- su Christi/ der weiland Wohlgebohrne Herr Hanns Aßmann/ Frey-Herr von Abschatz der Juͤngere/ des Fuͤrstenthums Liegnitz gewesener Landes-Bestellter: So auch die weiland Wohlgebohrne Frau Anna/ Frey- in von Abschatz/ gebohrne von Hund; denn alles diß ist von Joseph und Assenath/ nach dero hohen Geschlechte und Amte geredet. Mir solte es keine sondere Muͤhe machen/ zu erweisen/ daß die Nahmen Joseph und Assenath unserm Frey-Herrlichen Nahmen gantz gleiche lauten. Ich wolte Abrech, Ab oder Apis Ehren-Gedaͤchtniß. Apis und Isis, welches so viel seyn soll/ als Ischa (mit derglei- chen Worten wurden ermeldte hohe Personen in Egypten tituliret/) in Hebraͤischen Buchstaben zusammen setzen/ und gehoͤriger maßen eintheilen/ so solte mir das Wort Abschatz gar fuͤglich heraus kommen/ und die Aehnligkeit mit dem Hebraͤischen Joseph und Assenath um so viel bekandter wer- den. Wer weiß auch/ wie unsere alten Teutschen den Nah- men Abschatz vor Zeiten moͤgen ausgesprochen haben/ und wie sie zu selbter derivation gekommen? Maßen bekandt/ daß diß Geschlechte schon vor fuͤnfftehalb hundert Jahren bey damahliger allhiesigen Tartarischen Schlacht und bey unsern alleraͤltisten Landes-Fuͤrsten in hoher Æstim gewesen. Es geben auch beyderseits Wappen so wohl derer von Ab- schatz / als auch derer von Hund / zu vermutten/ daß diese Famili en vielleicht/ wie damahls gewoͤhnlich/ mit Boleslao aus Polen/ oder alsofort mit Hedwig der Frommen aus Meranien und Italien/ dem alten Helden-Lande/ ehemahls in diese Gegenden transferir et worden. Will mir auch hier- mit die Gnade ausbitten/ vorzutragen/ ob nicht sie beyder- seits/ Hoch-ansehnliche Famili en/ so gar den Joseph in Egy- pten zu ihrem Anherrn belieben wolten. Selbter erzehlet in seinem bekandten Testamente/ wie die Ismaeliten/ als er unter sie verkaufft gewesen/ ihn gemeiniglich ihren Schatz ge- nennet/ welchen Nahmen er hernach wohl behalten und A- pis oder Abrech, der Schatz Egyptens/ gleich als wie/ kurtz ausgesprochen/ Abschatz genennet worden. Und wird von Gelehrten ein gewisser Arabischer Scribent angefuͤhret/ wel- cher meldet/ Joseph habe zum Koͤnig Pharao gesaget: Setze mich uͤber den Schatz des Landes; und so bald solches gesche- hen/ habe man ihn deßwegen Apis, id est Bos, und quasi opti- mum Agricolam, den besten Haußhalter und den Schatz- Meister genennet/ bey Leben; nach dem Tode aber/ Serapis oder Sarapis (der Fuͤrst Apis ) auch wohl Sorapis (den Kasten Apis ) von den Schatz-Kasten und Korn-Haͤusern des Lan- des. Denn alle Gluͤckseligkeit und Schaͤtze Egypti eigneten sie diesem Joseph zu/ aus welchem Nahmen Joseph auch kurtz/ und nach Egyptischer Mund-Art geredet/ das Wort A- (B) 3 pis Freyherrlich-Abschatzisches pis herfliessen soll. Ita Josephi nomen immutarunt in sacris, ut augustius videretur Numen, sagen die/ so von der Egyptier Abgoͤttereyen geschrieben. Andere/ welche ihn Osiris nen- neten/ hatten ihr Absehen auff sein Amt und sagten/ er sey der Egyptier Mund und Auge/ Os und Iris, gewesen/ wie sie sol- che Worte erklaͤren. Man hatte sonst vorhin schon in diesem Lande zu Heliopolis den Mneus, das Bild eines Stiers/ den sie auch Osiris nenneten/ und den Mizraim/ des Chams andern Sohn/ welcher vor Zeiten unter ihnen beruͤhmt gewesen/ be- deutete; Joseph aber zu Memphis und sein Bild hieß man itzo Apis oder Osiris den Juͤngern/ gleich als wie die Inscri- ption des Sarges allhier von Abschatz dem Juͤngern redet. Und wofern heutiger Gelehrten Muttmassung richtig ist/ daß von Pharao/ nach der Hebraͤischen Sprache/ der Nahme Ba- ro, ein Freyherr/ seinen Ursprung habe/ so klingts sehr wohl/ wenn Joseph/ als wie Pharao geehret/ und daher in Egypten ohne Zweifel so gut/ als: der Baron Abschatz / genennet worden. Die Durchlauchte Assenath war eine Tochter von der aͤl- testen Familie des Egyptischen Adels/ und glaube ich/ aus dem Hause Anubis, der ein einiger Sohn war des Typhon und der Nephte, welche des Osiris und Isis Bruder und Schwester ge- nennet wurden. Und stehet dahin/ ob sie nicht den Nahmen Asna, das ist/ schoͤn/ wie die Araber sagen/ oder Egyptisch Assenath, und nach Flavii Josephi Berichte/ Asanete, von da- her bekommen. Wiewohl insgemein Asnat so viel als eine Heylandin und Aerztin/ oder Asse neit auff Egyptisch/ die Aerztin Minerva heisset. Von diesem Anherren Anubis wis- sen die Alten/ daß er dem Osiris, seinem Vetter im Kriege gedienet/ und einen Hund zum Waffen-Zeichen/ zuweilen auch einen Helm von Hundes-Fellen getragen. Daher sein Bild im Tempel zu Heliopel den Kopff eines Hundes wiese/ und vielleicht darum/ weil es der damahligen Priesterlichen und Fuͤrstlichen Familie Anherrn bedeutete/ sehr werth geachtet wurde. Die uhralte Familie derer von Hund/ woraus un- sere gegenwaͤrtige Liegnitzische Asna oder Anna von Hund entsprossen/ hat derogestalt in der Vermaͤhlung mit dem vor- Ehren-Gedaͤchtniß. vortrefflichen Herrn Baron von Abschatz es unvergleichlich wohl getroffen/ und wider Verhoffen eine gluͤckliche Combi- nation der alleraͤltesten Adelichen Haͤuser erlebet/ denen es demnach Lebenslang biß ins Grab nicht anders als ihren gleichaͤhnlichen Uhr-Anherren in Egypten wohl ergehen koͤnnen. Den hohen Ambts-Nahmen ertheilte man dem Joseph in Consessu aller Eltesten des Landes und der damahligen Koͤniglichen Regierung/ als Pharao ihn Sophnath Pahane- ach nennete: Einen solchen Mann/ der hiemit bestellet ” wuͤrde/ dem gantzen Lande heimlich und oͤffentlich mit Rath” und That an der Hand zu stehen. Der im Rahmen aller” die Pflicht auff sich nahm/ vornehmlich vor die Koͤnigliche” Majestaͤt/ als auch des gesammten Landes Wohlfarth und” Auffnehmen bestem Vermoͤgen nach zu wachen. Die theuer” erworbenen Freyheiten/ Recht und Gerechtigkeiten/ gutte” Gewonheit und Verfassungen wohl zu observi ren/ der Lan-” des Acten sich bestens zu erkundigen/ und denen Publicis ” und des allgemeinen Vaterlandes Angelegenheiten/ die vor-” nehmlich zu Memphis befoͤrdert wurden/ insonderheit bey-” zuwohnen; mit denen Herren Officirern fleißig zu commu-” nici ren/ und allemahl zu wichtigen Angelegenheiten sein” Guttachten mit beyzufuͤgen. Er solle/ mit einem Worte/” des Landes Mund und Hand seyn/ die proponenda ad deli-” berandum vorzulegen/ und die Conclusa eigentlich zu pro-” tocolli ren; in Summa/ index \& doctor abditorum zu wer-” den. Wer zuruͤcke siehet/ was unser Wohlseliger Herr von Ab- schatz Anno 1679. den 15. Martii in oͤffentlicher Landes-Ver- sammlung/ vermoͤge wohlerworbener Privilegien, per libera vota vor einen ansehnlichen Characterem verdienet; wie nach Ihr. Kaͤyserl. und Koͤnigl. Majestaͤt unseres Allerdurch- lauchtigsten Erb-Herrens erfolgeten allergnaͤdigsten Confir- mation er von daran biß an sein Ende sich iederzeit loͤblich und hoͤchst nuͤtzlich auffgefuͤhret/ wird ihn anders nicht als ei- nen rechtschaffenen Sophnath Pahaneach ehren muͤssen. Der (B) 4 es Freyherrlich-Abschatzisches es gewiß so sehr/ als jener Egyptische meritir et/ daß ihm das Ebenbild eines admirablen Apidis auffgerichtet werde. Es sey denn/ daß wir die beyden Wapen derer von Abschatz und von Hund an statt aller Ehren-Bilder erhoͤhen wolten/ in welchen zu mahl/ nach Egyptischer Art/ zwey Thier-Bilder zu ersehen sind. In jenem der Hals und Kopff eines Elend- Thieres/ in diesem ein weisser Hund mit gelbem Hals-Ban- de. Eines ist Josephs Wapen/ womit er beyde seine Soͤhne und dero Nachkommen beehrete/ als er zu ihnen sagte bey ih- rer Geburt: Der HErr hat mich lassen wachsen im Lande meines Elendes. Das andere ist der Familie von Anubis und Assenath/ welche die Ehre hatte unter ihres Volcks Ge- lehrten/ daß man ihr Wapen/ den Hund / mit an den Ster- nen-Himmel sezte/ und solchen Sirium oder gestirnten Hund gemeiniglich Isis, eben so/ wie Assenath im Tempel tituliret wurde/ zu nennen pflegte. Ich setze diesem allen noch bey ein Bild von neuerer Er- findung/ und lasse einen lebendigen Adler von diesem Castro doloris, nach Art der edlen Roͤmer in Campo Martio bey den Leichen-Ehren wohlverdienter Leute in die Hoͤhe fliegen/ die apotheosin vorzubilden/ und die Seelen beyder unter unserm hoch-begluͤcktem Roͤmischen Adler biß daher wohlvergnuͤgten und wohlgeschaͤzten Frey-Herrlichen Todten hinauff zu allen Himmels-Buͤrgern zu tragen. Christlich zu reden: GOtt breite seine Gnaden-Fittigen uͤber Unsers Roͤmischen Adlers Schutz-Fluͤgeln aus auff uns und diese allhier-ruhenden Frey-Herrlichen Gebeine/ erquicke aber auch beyde Seelen da/ wo Joseph und Assenath himmlisch ergoͤtzet werden! Denn dahin sind sie ungezweifelt durch die Bothen GOttes begleitet worden/ am verflossenen 22. und 24. April. iedes- mahl des Morgens/ da sie einerseits 53. Jahr/ anderer Sei- ten 48. Jahr meistens uͤberlebet hatten. Solches lesen wir nun vollends zu den Fuͤssen beyder Frey- herrlichen Saͤrge/ und dabey allerruͤhmlichst/ daß sie also im HErrn verschieden. Hoch- Ehren-Gedaͤchtniß. Hoch-Ansehnliche Versammlung; zu dero Consola- tion wird ausser allem Zweifel nichts ferneres zu ersinnen seyn uͤber das einige/ daß Ihre Selig-Todten im HErrn verschieden: Nichts Vergnuͤgteres/ als daß sie mit einan- der auff einmahl im Leben begluͤckt und im Tode selig ge- worden. Sie begleiten/ Hochzuehrende Vaͤter des Lan- des / ihren Lobwuͤrdigen Herrn Landes-Bestellten/ an dem sie gewiß was Rares und was Rechtes verlohren. Ich rede mit dero Erlaubniß: Sie haben an dem wohlseligen Herrn Baron einen Joseph und hiermit zugleich einen Ertz-Vater dieses Landes zu bethauren: Einen Osiris, den Mund und das Auge ihres hochansehnlichen Collegii. Sie sind aller- dings aͤlter/ als dieser ihr Bruder/ den sie aber dennoch nie- mahls anders unter sich/ als wie einen Joseph gehalten; wie einen Abrech, welchem man viel Ehren-Bezeugungen schul- dig sey; wie einen Sophnath Pahaneach, der des gantzen Lan- des heimlicher Rath/ nach Lutheri Verdeutschung/ gewesen. Wolte GOtt/ daß ich sagen doͤrffte: Joseph lebet noch! Viel- leicht wuͤrde unser Allergnaͤdigster Landes-Vater es so gerne vernehmen/ als ehmahln Josephs Vater. Doch/ er lebe in Dero allerseits hochgeneigtem Andencken/ und in des- sen gluͤckseligem Herrn Successore. Allerge-Ehrteste Herren Soͤhne/ Frau Tochter und Herr Eydam / meine Gnaͤdige Patronen, sie sind selbst Fleisch von diesem Fleisch/ Bein von diesen Beinen/ Josephs und Assenath Kinder. Der Allmaͤchtige GOtt bewahre ih- nen diesen Ruhm biß an der Welt Ende! Sie sind wie Ma- nasse und Ephraim: Darum lasse GOTT allen Segen Jo- sephs uͤber sie traͤuffeln/ wie solchen der Koͤnigliche Adoptivus, Moses/ in Egypten ausgesprochen: Ihr Land liege im Se- gen des HErrn/ daß um sie her seyn edle Fruͤchte vom Him- mel/ vom Thau und von der Tieffe/ die hunten liegt! Edle Fruͤchte von der Sonnen und edle reiffe Fruͤchte des Mon- den/ und edle Fruͤchte von der Erden und was drinnen ist. Die Genade des/ der in dem Pusch wohnet/ komme auff das Haubt Joseph/ und auff den Scheitel seiner Kinder! Seine Herrligkeit ist wie ein erstgebohrner Ochse/ (das ist/ Osiris, ) (B) 5 und Freyherrlich-Abschatzisches und seine Hoͤrner wie Einhorns- (oder auch Elends-) Hoͤr- ner! Ich versichere/ daß derogleichen Segens-Worte die lez- ten Gedancken ihres wohlseligen Herrn Vaters und Frauen Mutter uͤber sie gewesen. Unter allen wohlbedachten Reden sahe man das liebreiche Andencken an sie allerseits/ und das ruͤhmliche Auffnehmen in muͤtterliche Gnade aus Mund und Augen reichlich hervor quellen. Die lezten Seuffzer waren die/ welche ihr andaͤchtiger Poet und Herr Vater vor sich und seine Nachkommen selbsten auffgezeichnet hatte. Der extreme Wunsch dieser: daß ihre Kinder GOTT und dem Kaͤyser treu verbleiben wolten. Sie sind/ gnaͤdige Her- ren und Gnaͤdige Frau/ aus uhralten Geschlechtern und Christlichem Gebluͤtte/ und darinnen am gluͤckseligsten/ daß sie zweyer hoch- meritiret en Herren Landes-Bestelleten Lieg- nitzischen Fuͤrstenthumes/ ihres Herrn Vatern und Groß- Herrn Vatern/ und dannenhero vieler gegen dem Ertz-Her- zoglichen Hause Oesterreich/ und weiland Piastaͤischen Fuͤrst- lichen Landen/ geleisteter unterthaͤnigsten Dienste/ ihrer Vorfahren/ gluͤcklich-gerathene Erben sind. Sie imitir en schon/ wie bekandt/ derogleichen loͤbliche Anfuͤhrer/ darum wird die Nach-Welt sagen/ daß Josephs und Assenath Ge- beine in ihnen zu unvergeßlicher Verwahrung auffgehaben bleiben. Die Hoch-schaͤtzbaren Traner-Verwandten/ der hoch-geliebte Herr Bruder/ tieff-leidtragende Frau Schwestern/ hoch-bekuͤmmerte Herren und Frauen Vettern/ hertz-vertraute Herren Schwaͤger und Frauen Schwaͤgerinnen werden beklagen/ daß sie was Ra- res an der ungemein-lieblichen Conversation, und was Rech- tes an einem so hochverdientem Bruder und theuren Schwe- ster verlohren. Beliebt es ihnen/ so lese ich noch einmahl zu dero Gemuͤtts-Auffrichtung die vor Augen stehenden Sarg- Schrifften. Woraus sie ersehen koͤnnen/ daß Schlesien und ihre vornehme Haͤuser einen recht frommen Cavallier und gewissenhafften Politicum ; eine biß ins Sterbe-Bette ihnen treu/ und GOtt biß in den Tod ergebene Freundin/ geliebet. Sie werden beyfallen/ daß der selige Herr Baron ein einsiger Be- Ehren-Gedaͤchtniß. Beter fuͤr sie alle bey GOtt und Menschen gewesen; dessen schrifftlich in sehr devoter Poësi verfaßte Lebens-Historie und die an hohen Orten bey irrdischen Majestaͤten ihrent wegen vorgetragene Special -Angelegenheiten hiervon zur Gnuͤge zeugen. Lassen sie sich die Wege des HErrn an ihren beyden Todten nun auch gefallen/ und beschauen den gerechten Rath- Schluß ihres GOttes in glaͤubiger Gelassenheit/ indenck des Wahl-Spruches unsers seligen Herrn Landes-Bestell- ten: Viel sehn und uͤber nichts sich wundern/ ist mein Schluß. Das ist: viel Wunder-Wege GOttes sehen an den Seini- gen/ aber dabey GOtt vertrauen/ ist was Vortreffliches. Er- leben sie dermahleinst ihre lezte Hinfahrt/ so dencken sie an Joseph und Assenath/ und bitten von GOtt/ daß er derglei- chen selige und gluͤckselige Todes-Begebenheiten sie auch wol- le empfinden lassen. Unser Vaterland hat gnugsame Ursache einen so raren Patriot en zu bejammern/ von welchem es in vielen Stuͤcken hieß/ wie dorten Pharao sagte: Omnis populus ad os tuum osculabitur. So war es auch/ so lange er lebete. Wer hat in diesen Gegenden unsern vollkommenen Staats-Mann ge- kennet/ der dessen Mund/ ich wolte sagen/ die fertigsten Con- silia nicht gekuͤsset haͤtte. Und wie weiland fast in der gan- tzen Welt/ also rieff man in diesem Lande immerfort: Ite ad Josephum. Ich glaube/ unser Fuͤrstenthum wuͤrde Schatzes genung in ihren Schatz-Kasten gehabt haben/ wenn es diesen seinen Abschatz nur behalten moͤgen: Denn es war eitel Segen/ was dieser Joseph vorhatte. Nachdem aber der ge- rechte GOtt es nun sehr aͤndern wollen/ muͤssen wir uns in Gedult vergnuͤgen an der Ehrenwerthen Verwahrung seiner Gebeine und danckbaren Vergeltung in dessen Nachkom- men. Gluͤckseliges Gottes-Hauß! welches heute den Nah- men eines Koͤniglichen Schatz-Hauses verdienet/ nachdem gantz Liegnitz seinen Abschatz in Josephs und Assenath Ge- beinen allhier zur Verwahrung uͤbergiebet. Diese Leichen- Ka- Freyherrlich-Abschatzisches Kasten werden zwar ungezeichnet kenntlich bleiben unter viel tausenden: Doch/ damit nichts fehle/ wollen wir uns muͤhen/ mit einer auslaͤndischen Feder aus folgender von dem Egy- ptischen Abschatz auff unsern Liegnitzischen Joseph sich schi- ckenden Grab-Schrifft/ so viel noͤthig in den vor uns liegen- den Leichen-Stein einzuaͤtzen: H ABET HIC LOCULUS, VIATOR, THE- SAURUM MAXIMUM, NEC ODOR, QUEM SENTIS, EX AROMATIBUS EST, NE FORTE NESCIAS: SED EX VIRTUTIBUS EXI- MIIS, QUIBUS EFFLORESCIT, QUÆQUE CONCERTANT INTER SE, IN HARMONI- AM ODORUM SINGULAREM. FRAGRAT HIC ADMIRABILIS CASTITAS CUM AMA- BILI ÆTATIS FLORE, AC VULTUS, TOTI- USQUE CORPORIS DIGNITATE. HIC LA- TET, QUI EXIMIIS ANIMI CORPORISQUE DOTIBUS, MELIUS, QUAM NARDO, MYR- RHA, CASIA, OPOBALSAMO CONDITUS EST. QUI ANIMI MODERATIONEM, IMO DEMISSIONEM, IN IPSO PENE VERTICE RERUM HUMANARUM TENUIT. QUI DI- DICIT, DOCUITQUE INJURIAS NON Æ- QUARE SED OBRUERE BENEFICIIS, IRA- SCI ET NON PECCARE: AFFLICTIONEM CONSOLATIONE TEMPERARE. QUI PO- TUIT INTER SACRILEGOS IMPIORUM RI- TUS, ET FORTUNÆ BLANDIENTIS CON- STANTEM FLATUM, VERAM ET INTE- GRAM RETINERE PIETATEM ADVERSUS DE- Ehren-Gedaͤchtniß. DEUM. HIC, UT VERBO EXPEDIAM, JOSE- PHUS EST PATRIARCHA. ILLÆ MAGNI JACOBI DELICIÆ, ILLUD INFERIORUM PA- TRIARCHARUM DECUS, ILLUD COLUMEN ET FIRMAMENTUM POPULI DEI, ‒ ‒ IL- LE CONSULTUS, ET INTERPRES SECRE- TORUM DEI, ‒ ‒ IN ÆGYPTO MOR- TUUS, HOCCE LOCULO CONDITUS ANNO MUNDI M M CCC XCIX ‒ ‒ IN CHANANITIDEM TRANSLATUS, DENI- QUE ‒ ‒ CUM CHRISTO, UT PIE CRE- DITUR, RESURGENS, CUM IPSO GEMINA ORNATUS STOLA, BREVEM HUJUS ÆVI GLORIAM ÆTERNA COMMUTAVIT. ‒ ‒ Welches alles der selige Herr Landes-Bestellte nicht weit- laͤufftiger verdeutschet und auff sich applici ret haben wolte/ als wie er selbsten seinen Lebens-Lauff kurtz gefasset: Es ist der beste Ruhm auff kurtzer Grab-Schrifft le- sen: Der ist im Vaterland ein ehrlich Mann gewesen. Ehe wir von sammen gehen/ wird vonnoͤthen seyn/ nach Egyptischer Weise/ eine papierene Rolle mit nachsinnlichen Bildern bemahlet/ in gegenwaͤrtige Saͤrge beyzulegen/ da- mit auch die Posterität lesen moͤge/ mit was vor einer Leichen- Pracht wir unsern Joseph und Assenath bestattet haben. Denn sie schrieben gar eigentlich auff/ wieviel vornehme Goͤt- ter man hinter der Leiche hergetragen/ und wie hoch man hierdurch das Andencken der Verstorbenen im gantzen Lande gepriesen habe. Sie sind selbsten/ Gnaͤdige/ Hoch- schaͤtzbare Anwesende / dieses Landes Goͤtter und Goͤttin- nen. Dero hochansehliche Gegenwart hat unsere Frey- Herr- Freyherrlich-Abschatzisches Herrliche Festivität sehr splendide, und die hohe Æstim von den Merit en unserer Wohlseligen sehr groß gemacht/ worfuͤr ihnen/ im Nahmen des Hoch-leidtragenden Freyherrlichen Hauses unvergeßlicher Preiß und verbundenster Danck hier- mit abgestattet wird. Die beyzulegende Rolle sind ihrer aller hohe und vornehme Nahmen/ Geschlechter/ Aembter und Qualität en/ an denen die Nach-Welt sehen wird/ wie diß gantze Land vom Hohen/ biß zum Niedrigen unsern hoch- verdienten Herrn Landes-Bestelleten und dessen hochgeschaͤzte Frau Gemahlin im Tode beklaget und begleitet haben wollen. Bey Bey Des Weyland Hoch- und Wohlgebohrnen Herrn/ HERRN Hanns Aßmann/ Frey-Herrn von Abschatz/ Auff Wuͤrbitz/ Nieder-Goͤlschau/ Ober- Baͤrschdorff/ Petschkendorff und Lede- rose/ ꝛc. ꝛc. Des Fuͤrstenthums Liegnitz und zugehoͤri- ger Weich-Bilder Landes-Bestellten/ auch bey de- nen Zusammenkunfften der Hochloͤbl. H. H. Fuͤr- sten und Staͤnde in Breßlau Deputirt en/ Anno 1699. in der Oster-Woche in Liegnitz geschehenen Leidvollen Todes-Falle und Leich-Bestattung/ Zu wohlverdienten Ehren offerirten ihre mitleidigen Gedancken Dessen biß ins Grab Getreue Freunde. Ehren-Gedaͤchtniß. W ie irrt der Menschen Wahn/ in irrdischem Ergoͤtzen Den aͤuserlichen Schein der Warheit vorzusetzen. Man sucht am meisten das/ was unsern Leib vergnuͤgt/ Acht selbst der Seele nicht/ woran doch alles liegt. Die Fackel der Vernunfft will offt zu dunckel brennen/ Daß wir uns/ wo wir seyn/ kaum bey uns selber kennen; Wir wandeln taumelnde frey in den Tag hinein/ Als solte hier kein Tod/ und dort kein Himmel seyn. Doch wer sich nicht ein Kind der Finsterniß will nennen/ Kan diesen Fehler leicht der blinden Thorheit kennen. Was unsern Leib erfreut/ sind Rosen kurtzer Zeit: Was das Gemuͤtte ziert/ ein Schatz der Ewigkeit. Denn in der Seele wohnt ein Glantz von reinem Lichte/ Was uns von aussen ziert/ wird offters bald zu nichte. Des Gluͤckes schwacher Grund/ der Zeiten schneller Lauff Baun in der Ewigkeit nicht Ehren-Tempel auff. Der ist Bejammerns werth/ der seinen Sinn und Dencken Nur mit der kurtzen Zeit des Lebens will beschraͤncken. Pflantzt doch ein Gaͤrtner wohl der Nach-Welt einen Baum/ Wie schleust du selber denn dich in so engen Raum? Ein tugendhaffter Geist/ der nach der Krone strebet/ Die uns vergoͤttern kan/ lebt wenn er nicht mehr lebet. Der Nach-Welt Ehren-Krantz wird ihm erst beyge- legt/ Wenn man/ was Eitel hieß/ mit ihm zu Grabe traͤgt. Schaut unsern Abschatz an/ der wird euch alle lehren/ Wie ihr der Tugend Gold solt vor die Schlacken ehren/ Wie man den rechten Grund zu wahrer Tugend legt/ Und zwar die Rosen liest/ doch keine Dornen hegt. Er kandte gar zu wohl der Welt verstimmte Saͤiten/ Und den Syrenen-Klang/ die ihrer viel verleiten; Er aber stopffte stets des Hertzens Ohren zu/ Und blieb bey Sturm und Wind in Felsen-gleicher Ruh. ( C ) Er Freyherrlich-Abschatzisches Er wuste daß er sich nicht sey allein gebohren/ Und hielt denselben Tag vergebens und verlohren/ Wenn er nicht war bemuͤht mit Hertze/ Mund und Hand/ Vor seines Kaͤysers Dienst und vor sein Vaterland. Man wird doch allzusehr den theuren Abschatz missen/ Der allen Rath und That zu geben war beflissen/ Er war Demosthenes durch den gelehrten Mund/ Er war Papinian in aller Rechte Grund. Nun muß der bleiche Tod diß alles uͤberwinden/ Wowider kein Verstand ein Mittel weiß zu finden. Wiewohl er hat allein den Coͤrper hingeruͤckt/ Seine Nahme bleibet doch den Sternen eingedruͤckt. Drum pflantzet um sein Grab zwar traurige Cypressen/ Die man mit Thraͤnen nezt/ doch bleibet unvergessen Auff die geweyhte Grufft auch Lorbern auffzubaun/ Die unsre Nach-Welt soll in steter Bluͤtte schaun. Indessen ruht der Leib in seiner duncklen Hoͤle/ Im Himmel lebt der Geist die hoch-erloͤste Seele/ Und auff des Grabes Stein wird dir zu gutter lezt/ Wie deine Tugend werth/ der kurtze Reim gesezt: Was Froͤmm- und Redligkeit/ was Weißheit Edles haben/ Liegt als ein grosser Schatz/ in dieser Grufft begra- ben. Laß Leser diese Schrifft dir einen Lehrer seyn/ Und sammle vor dein Grab auch solche Guͤtter ein. Hiermit verehrete das tugendhaffte Anden- cken seines im Leben werth-geschaͤzten Herrn Colleg en Carl Siegmund von Mauschwitz/ Landes-Eltester. Ach Ehren-Gedaͤchtniß. J. J! A ch herber Todes-Fall! Abschatz wird uns entrissen/ Das Eh-Gemahl das folgt/ ein Merckmahl das was hat Von Seltenem in sich/ es klaget Land und Stadt/ Es faͤllet uns nun weg/ wir muͤssen nun vermissen/ Von dem der Kaͤyser selbst und seine Grossen wissen. Hier fand man Unterricht/ hier fand man klugen Rath: Die Tugend war sein Weg/ die Treue war sein Pfad. Die Teutsche Tichter-Welt kunt’ ihn vor Meister gruͤssen. Der Edlen Auge schlaͤfft/ es schweigt der Staͤnde Mund: Wer wird uns ferner nun/ was noͤthig/ machen kund? Wer wird des Kaͤysers Dienst/ des Landes Heyl erwe- gen? Danckt unsrem Abschatz recht/ bedenckt was er gethan/ So wird des HErren Huld uns wieder blicken an: Bloß Danck und Danckbarkeit kan bringen uns den Se- gen. Dieses wenige schrieb zum gesegneten Anden- cken seines alten nunmehr wohlseligen/ von Jugend auff von Liegnitz/ Breßlau/ Straßburg und Leiden her/ auch hernach im Vaterlande/ biß zum Ausgange seines Ruhmwuͤrdigen Lebens-Wandels/ treu- erkandten Hertzen-Freundes George Hermann von Schweinitz/ Auff Ober- und Nieder-Kran/ Kaͤyserl. und Koͤ- niglicher Liegnitzischer Land-Hof-Richter. W ie viel/ mein Abschatz/ wird an Schatz mit dir begra- ben? Ein Hertz von Redligkeit/ der edlen Lygjer Kron/ Des Fuͤrstenthumes Mund/ dem selbst der Kaͤyser-Thron Und grosser Fuͤrsten Ohr sich zugeneiget haben/ ( C ) 2 Die Freyherrlich-Abschatzisches Die Feder/ draus mehr Gold geflossen als Buchstaben/ Die Leyer/ so verehrt der gantze Helicon/ Die Schlesien sein Recht bestaͤrckt durch ihren Thon/ Ein Zeug-Hauß klugen Raths und ungemeiner Gaben. Ja/ daß dein Grab noch mehr gefuͤllet moͤge seyn/ Legt sich dein Eh-Gemahl noch selbst mit dir hinein. Was bleibet denn von dir? Die werthen Kinder leben/ Der Nach-Ruhm gruͤnt; Doch diß ist nicht genung vor dich; Was du in GOtt gelebt/ der Glaube/ welcher sich An seinen Heyland hielt/ muß dir das Beste geben. Hanns Christoph von Schweinitz und Kran/ auff Friedersdorff und Leu- be/ Chur-Saͤchsischer Cammer-Herr. B etruͤbte Oster-Zeit! verworffner Unbestand/ Beut Gluͤck und Ungeluͤck einander stets die Hand? Ists moͤglich/ daß man die nach vier und zwantzig Stun- den/ So man gesund verließ/ hat in dem Sarge funden? Ach leider allzuwahr/ Schmertz der zu Boden reist/ Ach Schmertz/ daß man mir izt die schwartze Bahre weist/ Die/ grosser Freund/ dich schnell/ und eh wir es geden- cken/ Durch unverhofften Fall will in das Grab versencken. Der Kummer scheinet mir unaͤnderlich zu seyn/ Ein kurtzer Augenblick gebuͤhret neue Pein. Man siehet hier und da viel hochbetruͤbte Hertzen/ Es scheint kein Freuden-Licht/ nur schwartze Todes-Ker- tzen. Ach Schmertz/ ich weiß fuͤrwahr itzund nicht wo ich bin/ Der theure Abschatz geht so unverhofft dahin/ So Ehren-Gedaͤchtniß. So vieler Naͤchte Muͤh und Schweiß und rares Wissen/ Wird nur durch deinen Fall mit dir dahin gerissen. Gottsfuͤrchtger Abschatz geh/ beschicke nun dein Hauß/ Es ist mit deinem Thun und deinem Wissen aus. Du hast schon Ruhm genung/ du kanst nichts mehr erwer- ben/ Drum weil du wohl gelebt/ so lerne selig sterben. Gelehrter Abschatz geh/ dein Stunden-Glaß nimmt ab/ Man bauet allbereit an Bahre/ Sarg und Grab: Gelehrter Abschatz geh/ und lege deine Glieder In deinem Fuͤrstenthum/ bey deinen Gliedern nieder. Erfahrner Abschatz geh/ wohin dein Amt dich rufft/ Verwechsle Amt und Stand und Ehre mit der Grufft. Erfahrner Abschatz geh/ GOtt wird mit vielen Cronen Dort deine Froͤmmigkeit und Treu und Fleiß belohnen. Gerechter Abschatz geh und thue Rechenschafft/ Bevor dich noch der Tod von deinem Ambte rafft/ Geh zeige denen an/ die offt die Tugend schmaͤhen/ Daß sie zu keiner Zeit dich ungerecht gesehen. Beklagens-werther Mann/ o seltener Verstand/ Der zu des Landes Nutz allzeit war angewand: Betraurens-werther Mann/ soll Leib und Seele brechen/ Und der so kluge Mund kein einig Wort mehr sprechen! Ach Schmertzen sonder Schmertz/ Verlust dem keiner gleicht/ Der kluge Abschatz ist erblasset und erbleicht. Ach Land/ ach Fuͤrstenthum/ laß Klag und Seuffzer schal- len/ Es ist ein Grosser heut aus deinem Volck gefallen! Wohlselger Abschatz geh/ bezieh die Ruhe-Stadt/ Die GOtt durch seinen Tod dir selbst geweyhet hat/ Ruh wohl in kuͤhler Grufft/ befreyt von Noth und Pla- gen/ Wir werden deinen Tod nur allzu offt beklagen. ( C ) 3 Dein Freyherrlich-Abschatzisches Dein Ruhm soll aber nicht mit dir vergraben seyn/ Wir praͤgen ihn itzund in unsre Hertzen ein/ Dein Ruhm/ hochselger Freund/ wird nimmer unterge- hen/ So lange Tugend wird in dieser Welt bestehen. Auff die allzugeschwinde Erblassung der Wohlseligen Baronessen. S eele schicke dich nunmehr zu der lezten Todes-Reise/ Die betruͤbte Zeit bricht an/ so dir mit dem Tode draͤut/ Sieh/ wie dich der Schmertz befaͤllt auff gar unterschiedne Weise/ Deine Kraͤffte nehmen ab: Darum mache dich bereit/ Seele zieh dich von der Welt/ laß ihr falsch geschminck- tes Wesen/ Denn du bist vor diesesmahl zu dem Sterben auser- lesen. Was ist diß vor eine Post/ daß man mir vom Sterben saget/ Da ich zu dem Grabe doch noch nicht grau und zeitig bin/ Dieses ist ja eine Post/ so die meisten Menschen naget/ Die von GOTT gesegnet sind/ und in Ehr und Gluͤcke bluͤhn/ Soll es schon gestorben seyn/ ach so muß ich zitternd spre- chen/ Was den schwachen Leib betruͤbt/ Sterben ist nicht Ro- senbrechen. Freylich geb’ ich dieses zu/ Sterben ist nicht Rosenbrechen/ Sterben macht uns allen Angst/ was den Mensch und Leib betrifft/ Aber wenn in Todes-Noth dich die Suͤnden-Doͤrner ste- chen/ Zeigt dir der erstandne Held eine solche Uberschrifft: Ich Ehren-Gedaͤchtniß. Ich war todt und lebe wieder/ wirst du freudig uͤber- winden/ Alsdenn wirstu auch im Sterben rechte Lebens-Rosen finden. Nun so laß ich Welt und Geld/ Gluͤck und Guͤter dieser Er- den. JEsu zeige mir die Bahn/ wo die rechten Rosen stehn; Gieb daß ich durch dein Verdienst mag gerecht und selig werden; Laß mich freudig aus der Welt in das ewge Leben gehn/ HErr ich sterbe/ nimm mich an/ weil ich kan mit Freu- den sprechen/ Da ich Suͤnd und Tod besiegt/ sterbend muß man Rosen brechen. Nun die Dornen sind vorbey/ und die Rosen abgepfluͤckt/ Noth und Sterben sind besiegt/ du hast selig uͤberwun- den/ Selige/ du bist nunmehr von der Welt dahin geruͤckt/ Und hast in des Herren Hand/ Cron und Sieges-Palmen funden. Wer sich in die Welt verliebt/ nichts vom Tode hoͤren kan/ Dieser trete nur herzu und seh dieses Sterben an. Selige/ es ist vollbracht/ dein so kurtzer Wittwen-Stand/ Den dir nur der Hoͤchste wieß/ hat sich bald in Lust ver- kehret/ Euch vereinigt wiederum dort erfreut des HErren Hand/ Und die Ehe bleibt vergnuͤgt/ weil euch kein Verdruß be- schweret. Selige/ es ist vollbracht/ was du wuͤnschest ist ge- schehn/ Daß du gluͤcklich hast gelebt/ kan man auch im Ster- ben sehn. ( C ) 4 Ver- Freyherrlich-Abschatzisches V erwunderns-werther Tod/ desgleichen nicht geschehen/ Hier muß ein treues Paar auff einmahl untergehn/ Das eine hat noch kaum das andre sterben sehen/ So muß es auch erblast an seiner Seiten stehn. Verwunderns-werther Fall/ auch werth/ daß diese Lei- chen/ Die selbst der Himmel liebt/ unsterblich Lob erreichen. O rares Wunderwerck/ Verwunderns-werthe Liebe! Hier muß des einen Tod/ des andern Sterben seyn/ Damit die treue Pflicht auch unzertrennet bliebe/ So schleust sie beyderseits ein Grab vereinigt ein. Wir setzen sie demnach voll reiner Liebes-Flammen/ Als ein recht Wunderwerck in eine Grufft zusammen. Zwar billich solte man ein solches Grab auffbauen/ Daß noch kein Alterthum vor diesem ie gemacht/ Man solte ihren Ruhm in fremden Marmel hauen/ Allein/ was nutzet doch dergleichen kurtze Pracht/ Es ist doch nichtes fest/ der Zeit muß alles weichen/ Und Graͤber muͤssen offt/ noch selbst ein Grab errei- chen. Ihr aber/ Seligsten/ die wir mit vielen Schmertzen Beklagen iederzeit/ wir hauen keinen Stein/ Die Tugend bleibt nur Grab/ die Saͤulen sind die Hertzen/ Und also soll eur Ruhm auch unvergeßlich seyn. Genug/ Wohlselige/ eh wir die Grufft verschliessen/ Leg ich diß Opffer noch zu den erblaßten Fuͤssen. Ihr aber/ Wertheste/ die ihr zuruͤcke bleibet/ Und die der fruͤhe Tod in tieffes Trauren sezt/ Nehmt guͤtig/ was mein Kiel euch hier zum Troste schreibet/ Glaubt/ daß/ der Wunden schlaͤgt/ auch wiederum ergoͤzt. Die Eltern sind zwar todt/ doch kan ihr ruͤhmlich Le- ben Und auch ihr Sterben euch viel Trost und Lindrung geben. Schau Ehren-Gedaͤchtniß. Schau Leser dieses Grab/ zwey Hertzen ruhen hier/ Die gleiche Lieb und Treu im Leben hat verbun- den/ Weil wahre Liebe sie gezogen allem fuͤr/ So haben sie auch Tod und Grab zugleiche funden. Mein Leser tritt herzu/ beehre diesen Stein/ Denn wahre Liebe muß also begraben seyn. Dieses schrieb seinen seligsten Hochwerthe- sten Freunden zu schuldigstem Andencken/ den Betruͤbten aber zu einem Troste mit wehmuͤttiger Feder Hanns Siegmund von Liedlau. G elehrter Edelmann/ du Phoͤnix unsers Landes/ Dergleichen Schlesien nicht mehr bekoͤmmt zu schaun/ Du Kleinod edler Welt und Crone deines Standes/ Ach koͤnt’ ich deinem Ruhm ein Mahl der Ehre bann! Ach waͤr’ ich doch geschickt in Marmel dich zu aͤtzen/ Und koͤnte mit dem Leib’ auch bilden deinen Geist! So solte meine Faust dich in das Zimmer setzen/ Wo man uns vor das Wohl des Landes sorgen heist. Hier/ leider! pflegt man dich am meisten zu vermissen/ Es ist kein Abschatz mehr der unser Ruder fuͤhrt/ Und dessen grosser Witz und ungemeines Wissen Die schwache Landes-Uhr durch stillen Zug regirt. Ein ieder unter uns muß dir zum Ruhme sagen/ Daß man auff deinen Rath von allen Seiten sah/ Es schien/ als soltest du die Last vor alle tragen/ Wie offters ward gefragt: Ist unser Abschatz da. Drum wird dein hoher Glantz zu allen Zeiten gruͤnen Bey iedem/ der die Ruh des Vaterlandes sucht/ Und nicht aus tollem Wahn mit falsch-geschminckten Mi- nen Die alte Policey und Nedligkeit verflucht. ( C ) 5 Ihr Freyherrlich-Abschatzisches Ihr edlen Schlesier/ ach doͤrfft ich hier was melden! Und moͤcht’ eur werther Geist es guͤnstig nehmen an/ So sagt’ ich: Kunst und Buch beschaͤmen keinen Helden/ Ja Wissenschafft erhoͤht den besten Edelmann. Pferd/ Degen und Pistol sind lobens-werthe Sachen/ Ich laß euch auch die Jagt zur Lust und Ubung zu/ Allein Gelehrsamkeit kan euch unsterblich machen/ Und schafft dem Stamme Glantz/ dem Geiste wahre Ruh. Ein Demant bleibet stets ein Stein/ so hoch zu schaͤtzen/ Doch gilt er noch so viel wenn ihn die Kunst polirt: So ist der Adel auch gantz billich vorzusetzen/ Denn aber glaͤnzt er recht/ wenn ihn die Tugend ziert. Man spart nicht Geld noch Muͤh zu weit-entfernten Rei- sen/ Ja iedes Wort und Thun schmeckt nach der fremden Welt/ Allein kan Engelland und Franckreich uns nicht weisen/ Daß sich der Adel dort meist zu den Buͤchern haͤlt? Drum/ Werthen/ stellet euch den Abschatz zum Exempel/ Und denckt/ daß Wissenschafft wohl kan beym Adel stehn/ So werdet ihr/ wie er/ in grossen Ehren-Tempel Und unser Schlesien vor alle Laͤnder gehn! Mit diesen wenigen Zeilen wolte des vor- trefflichen Frey-Herrn von Abschatz Asche verehren/ auch seine Herren Landes-Leute zu gleichmaͤßiger Tugend auffmuntern Christian Anton Knorr von Rosenroht. S o sieht man/ Abschatz/ dich nun auch zu Grabe tragen/ Du Zierde Schlesiens/ der Weißheit Ebenbild/ Wer ist der deinen Tod genungsam kan beklagen? Da deines Nahmens Ruhm das gantze Land erfuͤllt. Wiewohl die Tugend wird dich niemahls sterben lassen/ Und dieses enge Grab kan nur den Leib umfassen. Drum Ehren-Gedaͤchtniß. Drum wuͤrde man dein Lob biß zu den Sternen treiben/ Wie es/ Hochseligster/ dein seltner Geist verdient/ Wenn sich ein anderer bemuͤhte diß zu schreiben/ Was meine Schwachheit sich zu leisten hat erkuͤhnt. Es solte deinen Tod ein Lohenstein besingen/ Und dir die Grab-Schrifft selbst ein Hoffmanns-Waldau bringen. Ich aber sage nur/ weil das Vermoͤgen fehlet/ Diß ist die schwartze Grufft darinnen Abschatz liegt/ Die Seele ist bey GOtt/ wo sie kein Ungluͤck quaͤlet/ Und sein erworbner Ruhm hat selbst den Tod besiegt/ Denn was in ihm vor Geist und Klugheit ist gewesen/ Das wird die Nach-Welt noch aus seinen Schrifften le- sen. Doch Schlesien das faͤllt erstarrt zur Erden nieder/ Und leget nicht allein die Trauer-Kleider an/ Gantz Teutschland ist bestuͤrzt durch diese Klage-Lieder/ Ach Abschatz unser Licht betritt die Todten Bahn/ Denn weil sein hoher Ruhm weit in der Welt erklungen/ So wird sein fruͤher Fall mit Thraͤnen izt besungen. So ward auch Smirna nicht nur ausser sich gerissen/ Nachdem es den Homer das Wunderwerck verlohr/ Denn Griechenland zugleich ließ heisse Thraͤnen fluͤssen Doch kleidet Liegnitz sich izt sonderlich in Flor/ Weil diesem Fuͤrstenthum er tausend Nutzen brachte/ Und wie ein Krannich stets fuͤr dessen Wohlfarth wachte. Es klagt/ soll denn sein Geist mir ferner nicht mehr nuͤtzen? Ists moͤglich/ daß man dich nun gantz entbehren muß? Soll Schlesien sich nicht auf deine Klugheit stuͤtzen; Und bleibet dieses denn des Himmels fester Schluß/ Daß man die Kluͤgsten sezt am ersten auff die Bahre/ Und was vollkommen ist/ traͤgt selten graue Haare. Doch fuͤhrt der Himmel dich in seine guͤldne Zimmer/ Wo nichts zu sehen ist von leerer Eitelkeit/ Da Freyherrlich-Abschatzisches Da diesen unsern Schatz und dessen Werth und Schimmer Niemahls versehrt der Rost und Moder dieser Zeit. Wer sich also/ wie er/ zum Abschied kan bereiten/ Den wird des Hoͤchsten Gnad zur Himmels-Burg beglei- ten. Nechst Liegnitz solte ich die Gaben auch erheben/ Womit der Himmel dich so reichlich ausgeziert/ Doch Phoͤbus stirbt mit dir und will mir nichts eingeben/ Weil er durch diesen Fall recht toͤdtlich ist geruͤhrt/ Es stehn auff dem Parnaß vor Lorbern duͤrre Fichten/ Daß selbst der Musen-Schaar nicht moͤglich was zu dich- ten. Man darff auch nicht dein Grab mit Reimen erst beeh- ren/ Da du dir selber hast das Grabe-Lied gemacht/ Also erwogest du/ wie billich/ Solons Lehren/ Und warst beym Leben schon auff deinen Tod bedacht. Wohl dem/ der wie ein Schwan sich selbst zu Grabe singet/ Und noch vor feinem Tod sich in den Himmel schwinget. Betruͤbte/ die ihr noch in schwerem Kummer sitzet/ Ermuntert euren Geist/ und wischt die Thraͤnen ab/ Denckt/ ob das Ungluͤck zwar um euren Scheitel blitzet/ Der Hoͤchste sey eur Trost/ eur Vater/ Schutz und Stab. Denn Schmertz und Ungluͤck wird durch Thraͤnen nicht ver- bunden/ Die beste Linderung wird in Gedult gefunden. Denckt/ daß der Seligste sey in den Hafen kommen/ Wo Gluͤck und Herrligkeit in voller Bluͤhte steht/ Er ist nun der Gefahr/ dem Sturm und Wind entnom- men/ Wodurch so manches Schiff zu Grund und Scheitern geht. Wer so geluͤcklich kan an diesen Port gelangen/ Der wird in Ewigkeit den Sternen gleiche prangen. Glaubt/ Ehren-Gedaͤchtniß. Glaubt/ daß sein Geist izt nur der Sterbligkeit entrissen/ Weil sein Gedaͤchtniß doch bey uns lebendig bleibt/ Ihr koͤnnet dieses ja aus dieser Grab-Schrifft schluͤssen/ So Tugend/ Gottesfurcht und eigne Kunst ihm schreibt: Hier lieget unser Schatz in diesem Ehren-Tempel/ Und bleibt verewiget der Lebenden Exempel. Hanns Friedrich von Kreckwitz. S o hat des Himmels Schluß schon wieder wahr ge- macht/ Daß auch ein Cedern-Baum von ungemeiner Hoͤhe Auff seinem Libanon nicht fest und sicher stehe/ Wenn Donner/ Sturm und Blitz um seinen Gipffel kracht: Mich deucht ich hoͤre noch den Streich in Ohren knallen/ Der diesen edlen Baum so bald zu Boden schlug. Die Stimme ruffet laut: Die Saͤule ist gefallen/ Die dieses Landes Heyl auff ihren Schultern trug. Erlaube/ Seligster/ daß dich mein Kiel so nennt/ Indem er zitternd will die lezte Pflicht ablegen/ Und diesen herben Fall noch einmahl wohl erwegen/ Der dich so unverhofft von unsrer Seite trennt. Denn hebt ein solcher Baum sein Haubt biß an die Ster- nen/ So hat dein hoher Stand dich hoͤher noch gesezt: Die Klugen musten selbst von deinem Witz erlernen/ Wie man der Tugend Lob in Ceder-Taffeln aͤzt. Ach ungemeiner Geist! soll dein gelehrter Kiel Und unermuͤdter Fleiß von unsern Augen weichen/ Wie/ laͤstu uns nach dir/ viel die dir werden gleichen? Sezt dir der Himmel denn so kurtze Maaß und Ziel? Der Freyherrlich-Abschatzisches Der Helicon steht wuͤst’ und voller Traur-Cypressen/ Es weint um deinen Tod die gantze Musen-Schaar: Apollo selber kan sein Leid nicht recht ermessen/ Weil er vor andern dir im Leben guͤnstig war. Ach schmertzlicher Verlust! So reist des Todes Hand Den Phoͤnir unsrer Zeit auch endlich von der Erden/ Muß denn ein Seckendorff zu Grauß und Asche werden/ Bey dem ein Uberfluß an Tugend und Verstand? Du edler Abschatz warst ein rechtes Licht zu nennen/ Das seinem Vaterland zu Dienst und Nutzen schien/ Wer nur das Gluͤck gehabt dich als ein Freund zu kennen/ Der muste dich mit Recht den Andern weit vo r ziehn. Wer deiner Wissenschafft und Klugheit Frucht be- tracht/ Schaͤzt dich den Palmen gleich/ die alles reichlich geben/ Was nur ein Mensch bedarff in seinem gantzen Leben/ Denn du hast unsrer Sprach den Nutzen fast gebracht/ Als die Gesellschafft/ so den Palmen gleich gebluͤhet/ Da sie zur Teutschen Preiß Frucht-bringend sich ver- bund/ Guarini selber zeigt wie sehr du dich bemuͤhet/ Und machet deinen Ruhm bey fremden Voͤlckern kund. Sie winden dir nun mehr als einen Lorber-Krantz/ Die vormahls Teutschlands Thun als thoͤricht stets verlach- ten/ Dabey sich freventlich die eitle Rechnung machten/ Bey ihnen sey allein der wahren Weißheit Glantz. Nein/ Abschatz hat bereits das Gegentheil erwiesen/ Daß auch Geschickligkeit in unsern Graͤntzen wohnt/ Deßwegen wird sein Nahm’ in aller Welt gepriesen/ Und mit der Ewigkeit vereinigt und belohnt. Er hat von Jugend auff den besten Weg erwehlt/ Der Himmel segnete das eifrige Beginnen/ Und floͤste seine Krafft in die noch zarte Sinnen/ So daß es ihm niemahls an weisem Rath gefehlt. Die Ehren-Gedaͤchtniß. Die Klugheit hatte sich mit seinem Fleiß verbunden/ Ihm dauchte keine Muͤh und Arbeit allzu schwer: Drum war er endlich als ein Palmen-Baum befunden/ Der nimmer von der Bluͤht’ und suͤssen Fruͤchten leer. Wie treulich er damit dem Vaterland gedient/ Und was vor heilsam Oel aus diesem Stamm geflossen: Wie grosse Nutzbarkeit dem Nechsten draus entspros- sen/ Wie seine Zweige hier zu grossem Nutz gegruͤnt/ Kan Liegnitz aller Welt/ doch kaum nach Wuͤrden/ zei- gen/ Das seinen Ruͤcken offt mit grosser Last beschwert: Bey welcher man ihn doch sich niemahls sahe beugen/ Weil seines Geistes Krafft stets auffwerts sich ge- kehrt. Als dieser edle Baum wie Palmen sich vermaͤhlt/ Von den/ wenn zwey zugleich zusammen sich verbin- den/ An ihren Aesten sich die schoͤnsten Fruͤchte finden/ Wie die Gelehrten viel von ihrer Art erzehlt. So sind aus seinem Stamm so edle Fruͤchte kommen/ Die seines Nahmens Ruhm erhalten und erhoͤhn/ Von dem sie allbereits den Glantz an sich genommen/ Der bey der Nach-Welt wird in frischer Bluͤhte stehn. Vom Palm-Baum weiß man auch/ daß er verdorren muß/ Wenn der/ so bey ihm stund/ von ihm wird weggerissen: So kan/ die er geliebt/ sich nicht getrennet wissen/ Die Eitelkeit der Welt erweckte ihr Verdruß: Nachdem sie schmertzlich sieht den besten Trost erblas- sen/ Der ihr allhier allein die groͤste Freude gab: Drum will sie lieber selbst die Sterbligkeit verlassen/ Und Lieb’ und Treue legt zwey Hertzen in ein Grab. Be- Freyherrlich-Abschatzisches Betruͤbte/ deren Schmertz in Boy und Flor verhuͤllt; Was wollen endlich sie zu diesem Schicksal sagen? Sie sehn ein edles Paar in ihre Grufft hintragen/ Davon der Trauer-Schall das gantze Land erfuͤllt. Sie duͤrffen dieses Gluͤck den Selgen nicht beneiden/ Ihr unverhoffter Tod braucht ihres Klagens nicht: Denn sie sind angelangt im sichern Port der Freu- den/ Und leuchten herrlicher als aller Sternen Licht. Ob gleich der Leib verdorrt/ wie man anitzo meynt/ Wird doch die Seele dort wie Palmen-Baͤume gruͤ- nen/ Die abermahls hierbey zu ihrem Troste dienen/ Weil/ wenn sie unten duͤrr/ ihr Haubt doch herrlich scheint. Mich daͤucht/ ich sehe sie gekroͤnt mit Sieges-Kraͤntzen/ Die ihnen beyderseits des Hoͤchsten Hand mittheilt. Begluͤckt ist/ der so wohl beschritten diese Graͤntzen/ Und so wie Abschatz nach dem Schatz des Himmels eilt! Carl Ludwig von Kottwitz. W er in der weiten Welt sich soll vor andern zeigen/ Mit einem hohen Geist und seltner Weißheit- Pracht/ Zu selbtem pfleget sich des Himmels Gunst zu neigen/ So bald des Schoͤpffers Hand des Lebens Anfang macht. Ein Zeugniß kan hiervon der Herr von Abschatz ge- ben/ Das Kleinod Schlesiens und Wunder kluger Welt; Weil GOtt viel eher ihm als andern gab das Leben/ Der sieben Monath nur ihm zur Geburth bestellt. Nun Ehren-Gedaͤchtniß. Nun hat der Alten Witz nicht ungereimt erwiesen/ Was die und jene Zahl vor andern wuͤrcken kan/ Von Augustino wird die Sieben sehr gepriesen/ Als haͤtte sie viel Krafft und Wunder offt gethan. Drum glaube ich gewiß/ es war ein gluͤcklich Zeichen/ Wodurch dem Seligsten ward gleichsam prophe- zeyt/ Es wuͤrde seinem Geist an Hoheit keiner gleichen/ Noch auch an Tugend-Schmuck und der Gelehrsam- keit. Was Wunder ist es denn? daß er nach sieben Jah- ren/ Uns Bluͤthen nebst der Frucht/ als etwas Seltnes/ weist/ Wem ist wohl dieses Gluͤck sonst iemahls wiederfahren/ Das Phoͤbus ihn schon treibt und Verse machen heist. Mit Zeit und Jahren pflegt die Weißheit groß zu wer- den/ Diß traff in Warheit auch bey unserm Abschatz ein/ Er scheute keine Muͤh/ und drang durch die Beschwer- den/ Was anderen zu fchwer/ das must ihm leichte seyn. Deßwegen sahe man sein Haubt mit Ehren prangen/ Da vieler Kuͤnste Glantz mit Perlen es geziert/ Und in der Sterbligkeit den hohen Ruhm erlangen/ Der seines Nahmens Lob biß zu den Sternen fuͤhrt. Geh/ werthes Schlesien/ beweine deinen Todten/ Des Klugheit iederzeit war deiner Wohlfarth Grund/ Sein ungemeiner Witz zerriß viel Zweifels-Knoten/ Worinn des Landes Heyl offtmahls verwickelt stund. Die Dienste sind zu groß/ die Liegnitz muß vermissen/ Da ihm sein Abschatz stirbt und auff der Bahre steht/ Die Nach-Welt wird noch wohl bestuͤrzt zu sagen wissen/ Ach daß ein solches Licht so zeitlich hier ausgeht! ( D ) Doch Freyherrlich-Abschatzisches Doch sein Verstand hat ihn in diesen Stand gesetzet/ Daß er in hellem Glantz stets unausloͤschlich scheint/ Der Kaͤyser / der die Kunst und Tugend nur hoch schaͤ- tzet/ Und der der Klugheit nicht wie die Tyrannen seind/ Hat unsern Seligsten auch gnaͤdigst angeblicket/ Und ihn durch hoͤhern Stand viel scheinbarer ge- macht; Es bleibt des Nahmens Ruhm so schoͤner ausgeschmuͤ- cket/ Und wird von Soͤhnen selbst in neuen Schein ge- bracht. Wiewohl sein Nahmen ist von ihm laͤngst eingeschrie- ben Ins Buch der Ewigkeit/ o ungemeiner Ruhm! Dem Adel ist hierdurch ein wahres Beyspiel blieben/ Daß Klugheit muͤsse seyn desselben Eigenthum. Und wer den Tempel nicht der Tugend ist durchgan- gen/ Der kommet unverdient in Ehren-Tempel ein/ Zu Rom kont einer gar diß Gluͤcke nicht erlangen/ Denn Tugend solt allein des Adels Quelle seyn. Man muß von andern nicht den besten Zierath neh- men/ Und auff dem Hute nur mit Federn prangen gehn/ Der Feder in der Hand darff sich kein Edler schaͤ- men/ Wer die zu fuͤhren weiß/ dem wird sie schoͤner stehn. Bewundert demnach doch des theuren Abschatz Le- ben/ Der seinen Ahnen selbst durch Tugend Zierde giebt/ Da vieler Unverstand sich will gantz stoltz erheben/ Weil ihrer Eltern Witz war bey der Welt beliebt. Er aber pflegte bloß dasselbe zu verehren/ Was selbst vor andern hat des Himmels Gunst er- hoͤht/ Das Ehren-Gedaͤchtniß. Das unser Tugend-Lob noch weiter kan vermehren/ Damit des Nahmens Ruhm nicht in der Welt ver- geht. Drum muste auch sein Tod allein vom Himmel kom- men/ Da er im Leben war des Himmels Ebenbild/ Indem des Hoͤchsten Hand ihn eilend weggenom- men/ Und mit der Todes-Angst nicht lang’ sein Hertz er- fuͤllt. Er hat den edlen Geist nicht also auffgegeben/ Wie insgemein der Tod die Sterblichen hinrafft/ Die nach demselbigen offt mit Verlangen streben/ Wenn lange Kranckheit sie beraubt der Lebens- Krafft. Des Hoͤchsten Rath-Schluß war/ er solte stehend ster- ben/ Wie diß ein Kaͤyser selbst im Alterthum begehrt. Und vor die Eitelkeit vollkommnes Gluͤck ererben/ Das GOtt nach treuem Dienst den Seinen bald ge- wehrt. Der Neid/ der insgemein zur Tugend sich gesellet/ Der muß die helle Sonn izt wie die Eule fliehn. Und hat sein kluges Thun offt Momus gleich vergaͤl- let/ So kont’ er doch dadurch nichts seinem Ruhm ent- ziehn. Gleich wie sein Leben nun war ungemein zu nen- nen/ So ward es durch den Tod auch wunderbar ge- macht/ Dieweil er nicht vermocht zwey Hertzen zu zertren- nen/ Die stets in Lieb und Tren einander hochge- acht. Denn diese dorffte nicht das Elend laͤnger bauen/ Mit der er hoͤchst-vergnuͤgt auff Erden war ver- maͤhlt/ ( D ) 2 Sie Freyherrlich-Abschatzisches Sie kriegt naͤchst ihrem Schatz den grossen GOTT zu schauen/ Weil ihre Seel zugleich zum Himmel wird erwaͤhlt. Drum muß zu ihrem Ruhm man diese Grab-Schrifft schrei- ben: Das Paar/ das selbst der Tod auffs neu zusammen giebt/ Muß in vollkommnem Ruhm und ewig gluͤcklich blei- ben/ Weil diß/ was andre trennt/ sie nicht einmahl be- truͤbt. Christoph Gotthard von Kreckwitz. ILLU- ILLUSTREM DOMINUM JO. ASMANNUM LIB. BAR. ABSCHATZIUM, WIRWICII, LEDERHOSII, PETSCHKENDORFII, SUPERIORIS BERSCHDORFII ET INFERIORIS GEL- SCHAVII TOPARCHAM, IN LIGNICENSI DUCATU PROVIN- CIALEM SYNDICUM, IN PUBLICIS SILESIÆ CONVENTIBUS ORDINARIUM ASSESSOREM, MULTIPLICI MERITORUM GLORIA CELEBREM, RARISSIMO FATO, IN LIGNICENSIUM TEMPLO PETRO-PAULINO, ANNO M. DC XCIX. DIE XXVI. APRILIS , CUM ILLUSTRI UXORE AD QUIETEM UNI CONDITORIO TRADITUM, HOC MONUMENTO IN MEMORIAM POSTHUMAM PROSEQUENDUM STATUIT Martinus Hankius . Ehren-Gedaͤchtniß. D. O. M. S. Q Uibus Animi Dotibus, seu acquisitis, seu acquirendis, per aspera Viarum Impedimenta, Conatu laboriosum, prosperum Eventu peragere cogitas Iter, Dum, commorandi relictis omnibus Diversoriis, ad habitandi pervenias æternum Domicilium, in præcelsâ Desideriis tuis extructum Patriâ, Genere sublimis, Indole sagax Peregrinator? Eruditionis, an Virtutis, an utriusque Cultor? Cultor utriusque sincerus? Talis erat, cujus ad Reliquias per me Literis mutis loquentes, si pro Regula justum capis Exemplum, Imit atoribus æquandum paucis, paucissimis superandum Æmulatoribus, tuis præfigendum magis Cogitationibus, quam Pedibus, de Gloria securus, pro Conscientia, pro Patria, dexterrimum finies Cursum. Hoc enim sub Marmore jacet ILLUSTRIS HEROS, cujus ex Cineribus Fama quô verior, quô clarior, eô jucundior, eô penetrabilior in Æstimationis Admir ationem surgit, JOHANNES ASMANNUS ABSCHATZIUS, DOMO antiquissima KOSKAVIUS, ( D ) 4 LI- Freyherrlich-Abschatzisches LIBER SILESIÆ BARO, Wirwicii, Lederhosii, Petschkendorfii, superioris Bersdorfii, \& inferioris Gelschavii Dominus: Quem supra multos suspiciendum Sæculo suo, Prosapia Generosum, Eruditio Ingeniosum, Virtus Nobilem ostendit: Magnorum, partim Equitum, partim Dynastarum, si Paternam respicias Originem, Romniciorum, Kreidelwiciorum, Schleiscerorum, Kitliciorum, Falckenhayniorum, Dohnanorum, Rechenbergiorum: Et, si Maternum inquiras Ortum, Kaniciorum, Kotwiciorum, Koserorum, Skoppiorum, Rauchauptiorum, Spillerorum, Seidewiciorum, Bergerorum SANGVINI acceptos retulit Natales. Sua quoque, non Avorum tantum, Dignitate commemorabiles Progenitores. Celebrem Scientiâ Equitem, JOHANNEM ASMANNUM ABSCHATZIUM Koskavii, Bostelvicii \& Zobelii Dominum, in Lignicensium Ducatu PROVINCIALEM ORATOREM: Eminentem VIRTUTE MATRONAM, MARGARETAM KANICIAM, STIRPE URSCAVIAM, In- Ehren-Gedaͤchtniß. Intra Wolaviensium Ducatum clara, Beneficio Naturæ Primo, novo SILESIÆ COMMODO, nactus, Anno M. DC. XLVI. Die IV. Februarii, in Lucem prodibat. Triste post lætum experiri Fatum Divina jussus Providentia, quinquennis Patrem, tredecennis Matrem amittebat, optimos Educationis optimæ Directores: Cui ne quid deesset, vigil Cognatorum præstabat Pietas. A teneris persuasus, esse quidem aliquid, splendere prominentibus Stemmatis Honoribus, \& hæreditariis, \& vetustis: At esse multo plus, quô persona in præcipuis conspicua uno, supra cæteros, quamvis \& fortes \& felices Armis, in Equestris Ordinis Scena \& suavius, \& utilius peragi potest, promicare junctis Recto Justóque Literis. Regimini Populorum salutari servientibus, Hostium declinantibus, dirigentibus Civium in Utilitates communes Arma. Propensior ideo Amator liberalibus devovebat Ingenium Studiis, ( D ) 5 Omni- Freyherrlich-Abschatzisches Omnium capax, inter Initia humanioribus, cæterorum aut Fundamentis, aut Ornamentis: Duces in florente Lignicensium Lyceo secutus tam doctos, quam fidos, Maxime Christianum Primkium, \& Theophilum Pitiscum. Ad solida Incrementa progressus. Anno M. DC LXVI. natale solum egressus, majoribus Officinam Conatibus prius Argentinensem Alsatorum, postea Lugdunensem Batavorum, eligebat Academiam, totus ibi addictus ponderosioribus Disciplinis, commoda Rerum Publicarum Gubernacula æquo formantibus Temperamento: JUDICEM, CONSILIARIUM, LEGATUM, aut efficientibus, aut condecorantibus præcellentem: Jura colebat potissimum Naturalia, \& quæ vocantur, ad privatorum discrimen, Publica, suo applicanda Scopo, civilibus illustrata Monitis, notabilibus corroborata Historiis, perpetuâ intentus diligentiâ in amplius Eruditionis Supplementum. Rerum Cognitioni additurus Peritiam Hominum, spectabiles Belgarum, Gallorum, Italorum Provincias curio- Ehren-Gedaͤchtniß. curiosus, non tam Ædificiorum, Munimentorum, Montium, quam Lingvarum, Morum, Institutorum Observætor, triennio perlustrabat. Singularibus abundans Notitiis, multiplicibus confirmatior Experimentis, feliciter in Silesiam reversus, Lignicensem Provincialium Ordinem Nobilissimis Speciminibus in amorem honoremque sui peculiarem magis magisque trahebat. Horum consentientibus omnium Suffragiis, In Consiliorum Curarumque Partem assumebatur intra Lignicensem Ducatum SYNDICUS PROVINCIALIS. Post illa conspectioribus Industriæ, Fidei, Solertiæ Documentis, Ad opportunas Negotiorum gravissimorum Occasiones, In Rerum prosperarum Stabilimentum, asperarum Lenimentum editis, Publicis Statuum Silesiæ Conventibus Ordinarius constituebatur Assessor. Bis Redituum Provincialium Præfecturæ dabatur Vicarius: Bis Freyherrlich-Abschatzisches Bis ad IMPERATOREM INVICTISSIMUM LEOPOLDUM De Magni Momenti Causis, quarum prior ad Lignicensem Ducatum, Posterior ad Universam Silesiam spectabat, exquisitus mittebatur Nuncius. Eas Dexteritate summâ, mirâ Prudentiâ in communis Salutis optatissimum \& Firmamentum, \& Præsidium expediebat. Pondere simul, simul Copia Meritorum, per multorum annorum Vicissitudines, amabilis apud Exteros, apud Silesios etiam venerabilis, In rarissimæ Virtutis evidentissimum Præmium, CÆSARIS AUGUSTI Manu Potentissima, Clementissimo Affectu, Magnitudinem Equitis in Baronis Fastigium evectam perenni Gentis suæ Gloria recipiebat. Hac Dignitatis accessione pristinam Comitatis Gratiam eô minus amittebat, quô magis rejiciebat ventosum Sæculi Genium, cujus non Voluntatem Ratio, sed Rationem Voluntas regit, statim cum Titulis Animos mutantem: Illos Ehren-Gedaͤchtniß. Illos in Celsiora produci gaudentem, hos in Deteriora subverti patientem. Validus \& acuto, \& recto Judicio, quicquid fas nobis aut præcipit, aut permittit, satis capiebat: Deditus \& composito, \& æquo Desiderio, ultra Justitiam, ultra Decentiam nihil affectabat. Ingeniorum supra modum Celeritati, ut Confidentium, sic Indulgentium Præcipites in Devia Sententias, à fixo Mentis suæ Statu alienas, modestus emendare solitus Censor, Ipse, quô Tardior, eô Circumspectior, eô Nervosior erat in Consiliis: Semper, quo plus Maturitatis admiserunt, eô plus Constantiæ nutrientibus, tantô plus \& in Recessu, \& in Successu habentibus. Strenuus, ut Pietatis, ita Justitiæ Custos, sua devotus reddebat Deo, quantum poterat, \&, quantum debebat, Hominibus. Defatigatas Meditationibus severioribus Cogitationes Amœnioribus Exercitationibus, ad Virorum Maximorum, etiam Principum, Imitationem, Per Freyherrlich-Abschatzisches Per succisivas recreaturus horas, Poëtam agebat, mox Latinum, mox Germanicum, Pium, Doctum, Pulcbrum: Innoxium ratus ingenui Pectoris Oblectamentum, quod Illustribus minime dignum Capitibus vel Invidia, vel Ignorantia judicat. In publicorum Augmentorum Parte privatas Tori Curas reponebat. Ideo Generis sui propagandi memor electam Stirpe simillima Virginem ANNAM, Generoso Patre, WOLFIO CASPARO HUNDIO, EQUITE SILESIO, veteris Grotkavii Domô, Raussii, Wiltschgii, \& Petschkendorfii Domino, Cæsareo Pedestris Cohortis Capitaneo, intra Lignicensem Ducatum Provincialium Seniore: Glorioso Majorum Stemmate, Paterno quidem Kechriciis, Rotkirchiis, Schindeliis, Schafgotschiis, Kaniciis, Puschiis, Nimptschiis: Materno autem Rechenbergiis, Bockiis, Schlaustorniis, Leubeliis, Reimniciis, Mulheimiis, Raynauliis Cohærentem, Nu- Ehren-Gedaͤchtniß. Nuptiali Pacto, in perpetuam Sortis utriusque Sociam Anno M. DC. LXIX. Die III. Decembris, sibi conjungebat. Ex ea Præmissis ad cælestem Beatitudinem Filiis duobus, una Filia, in Possessionum, maxime Virtutum \& Paternarum, \& Maternarum Hæreditatem, ampliore surgentis Nominis non tam Incremento, quam Ornamento, posteris transmittendam reliquit Illustres Barones Liberos, WOLFIUM ASMANNUM ABSCHATZIUM, \& Ingenii felicis Dotibus, \& multiplicis Scientiæ Studiis, eminente Familia dignis, ad Utilitates communes instructissimum, Celsissimi HOLSATORUM DUCIS Plœnensis Aulicum CUBICULARIUM: HENRICUM WENCESLAUM ABSCHATZIUM, JOHANNEM CASPARUM ABSCHATZIUM, spem Exspectationis magnam semper majoribus Indiciis \& confirmantes, \& provehentes: Illustrem Dominam ANNAM MAGDALENAM L. B. ABSCHATZIAM, Illu- Freyherrlich-Abschatzisches Illustri Domino MAXIMILIANO L. B. SCHL ICHTINGIO, Schwusenorum \& Tschwirtschiorum Toparchæ in Matrimonium assumtam. Ita fœcundum, perennibus Fidei mutuæ Documentis, continuis mutuæ Charitatis Certaminibus Amabilius, incertum, an Honorabilius, Conjugium, ad mutuum in Votis Desiderium, intra Dierum trium Spatium, præpropero utriusque Discessit finiebatur. Ægram integerrimus Fœderis semel initi, semper observandi Cultor, Gelschavio Lignicium in Recuperandæ Valetudinis Præsidium transtulerat. Tum Ipse, non Corpore quidem, Animô tamen æger, mox Animi convertens in Corporis Morbum, prævium repentinæ Mortis Nuntium, subitum Apoplexiæ Fatum sentiebat. Hoc Ehren-Gedaͤchtniß. Hoc ad Superos evocatus, post Uxoris unicê suavis Amplexum, Anno Christi M. DC XCIX. Ætatis LIII. Die XXII. Aprilis, firma in Deum Fiducia lætus præibat. Eum, cui per Annos XXX. in Terris adhæserat, in Cœlos abeuntem, cum non eadem Horâ comitari posset, post Dierum non nisi duorum Intercapedinem, Pari sequebatur Excessu, optimi Conjugis, cujus Eruditioni, non Virtuti, cedebat, appetentissima Vidua. Quo, Viator, hæc prosequeris Judicio? Ad veram in Cœlis Patriam unum monstrat omnibus Iter Christiana Pietas: Ad solidam in Terris Gloriam Fœminis unam, geminam Viris commendat Viam Virtus rara Fœminis, Viris etiam rara Eruditio. ( E ) Bey Freyherrlich-Abschatzisches Bey der Frey-Herrlichen Abschatzischen Grufft/ Fuͤhrte nachfolgende Gedancken: W O bin ich? unter Staub/ und Wust/ und schwartze n Saͤrgen. Was hoͤr’ ich? Leider! nichts als Knall und Donner - schlag. Was seh’ ich? Eine Wolck’ auff den gekroͤnten Bergen/ Mit welchen Schlesien vorhin zu prangen pflag. Die bringt uns nichts als Sturm und ungeheure Regen/ Und reist des Landes Heyl und uͤberbliebnen Segen Mit einem Wetter-Stral gantz unvermuttet ein. Ach Elend! welches uns im Augenblick betroffen/ Was darff man Sicherheit und Heyl und Wohlstand hof- fen/ Wenn auch die Lorbern selbst nicht frey und sicher seyn. Dein schneller Untergang/ du Licht des Vaterlandes/ Du Krone des Geschlechts/ das keine Flecken kennt: Du Preiß der Ritterschafft/ du Glantz des Herren-Stan- des/ Den man mit guttem Recht klug und gelehrt genennt. Dein schneller Untergang prest diese Thraͤnen-Klage Aus der gekraͤnckten Brust; Was Wunder/ daß ich zage/ Wenn der gesammte Rath der grossen Maͤnner weint? Geht Pfeiler von dem Staat/ geht weise Censorinen/ Und zittert/ denn der Tod herscht izt auff Euren Buͤhuen/ Und fraget nichts nach dem was groß und edel scheint. Wenn dieses richtig ist/ was helffen denn die Dienste/ Die das bedraͤngte Land von euch zu hoffen hat? Bringt tausendfache Muͤh dergleichen Mord-Gewinste? Warum verfuͤgen sich die Vaͤter in den Rath? Geht / Ehren-Gedaͤchtniß. Geht/ sezt euch zu der Ruh/ geht/ weicht den Ungewittern/ Die das bestuͤrmte Schiff des Hertzogthums erschuͤttern/ Denn derogleichen Fleiß bringt meistens schlechten Lohn. Ihr tragt/ nachdem ihr euch wie Lichter abgezehret/ Und das bestuͤrzte Haubt mit Sorg und Angst beschwe- ret/ Nichts als ein Sterbe-Kleid/ und eine Grufft davon. So dacht’ ich; als der Schmertz noch in der Wunde tobte/ Und wuste selber nicht/ was Hand und Feder schrieb. Ich glaubte/ daß die Welt mein heisses Zagen lobte/ Und fuͤhlte sonst zu nichts Geist/ Regung oder Trieb. Doch wie ich zu mir selbst nur etwas wieder kommen/ So spuͤrt’ ich/ daß die Quaal sehr uͤberhand genommen/ Und daß ich fast zu viel in dieser Angst gethan. Denn warum solte man es so gewonnen geben/ Da doch ein loͤbliches und Ehren-volles Leben/ Der Parzen Tyranney leicht uͤberwinden kan. Ich will nicht nach Athen/ nach Rom und Memphis gehen/ Dein Beyspiel/ theurer Held/ zeigt allen Sonnenklar/ Daß Tugend und Verstand sich aus dem Grab erhoͤhen/ Indem nichts Sterbliches an dir zu finden war. Hat gleich des Todes Hand die Schalen hingerissen/ Doch soll der Wuͤtterich zu seiner Schande wissen/ Daß Abschatz auff der Bahr’ und in dem Sarge lebt/ Indem ein wahrer Ruhm ihn mehr als grosse Tittel/ Als Fahnen/ Helm und Schild/ als Guͤtter/ Stand und Mittel/ Weit uͤber allen Dampff der duͤstern Grufft erhebt. Ich koͤnte diesen Satz ohn alle Sorg’ ausfuͤhren/ Doch weiß ich: dieses Haubt braucht meines Lobes nicht/ Es muß ein Phidias das werthe Bild auszieren/ Indem mir Kunst und Witz zu solcher Muͤh gebricht. Warum verlanget man von mir ein Leich-Gepraͤnge? ( E ) 2 Ist Freyherrlich-Abschatzisches Ist doch die weite Welt vor seinen Preiß zu enge/ Der gegen Ost und West und Suͤd und Norden steigt/ Ich bin nur allzu schwach ihn voͤllig abzuschildern/ Ein Rubens/ ein Bernin gehoͤrt zu solchen Bildern/ Die man der Affter-Welt/ als Meister-Stuͤcke/ zeigt. Doch weil mich ein Befehl/ dem nicht zu widerstreben/ Bey dieser Ehren-Grufft auch etwas setzen heist: So will ich mich zwar nicht auff den Parnaß begeben/ Ich finde mich zu schwach/ und kenne meinen Geist. Des Helden Lebens-Lauff schaͤrfft statt der Pierinnen/ Und statt des Helicons die abgenuͤzten Sinnen; Wer diesen Zunder hat/ fuͤhlt eine Himmels-Glutt/ Der Trieb wird angeflammt/ und dringt biß in die Seele/ Die macht sich aus dem Schmauch der eitlen Kummer- Hoͤle/ Und schoͤpfft/ wie schwer es scheint/ doch einen neuen Mutt. Wo fang’ ich aber an dein Bildniß zu betrachten/ Ich habe schon vorhin Blutt/ Gutt und Stand ver- lacht. Dergleichen Kinder-Tand ist nur alsdenn zu achten/ Wenn sonst nichts Koͤstliches die Leichen ewig macht. Doch hier befind’ ich nicht/ daß derogleichen Zuͤge Und Farben noͤthig sind. Indem sich von der Wiege Biß zu der Todten-Bahr ein Purpur blicken laͤst/ Den Tugend/ Wissenschafft und Redligkeit gewebet; Versichert/ uͤber wen ein solcher Segen schwebet/ Der trozt mit gutem Recht des Todes grimme Pest. Die Jugend/ welche sich der Wollust offt ergiebet/ Ward der Gelehrsamkeit durch Muͤh und Fleiß ge- weyht/ Wenn sonst ein Ritters-Mann Pferd oder Glaͤser liebet/ So hat den Seligsten nichts als ein Buch erfreut. Bald must ihm Curtius den Alexander weisen/ Bald aber Livius die alten Roͤmer preisen/ Und Ehren-Gedaͤchtniß. Und der Herodotus mit ihm zu Bette gehn. Was ein Thucydides und Xenophon geschrieben/ Ist nebst dem Tacitus in dieser Brust beklieben/ Was kunte nun hieraus als Ehr und Ruhm entstehn. Wer von den Helden ließt/ denckt selbst ein Held zu wer- den/ Wer solche Bilder sieht/ nimmt alle Stunden zu. Er schwingt sich in die Hoͤh/ verlacht des Poͤvels Heerden/ Und opffert sich mit Lust vor die gemeine Ruh. Ihm kan kein fremdes Gifft auff seinen Reisen schaden/ Er laͤst ein bloͤdes Hertz im Meer der Laster baden/ Er landet allemahl in gutte Hafen an. Denn wenn er mit Bedacht sich alles beygeleget/ Was Welschland Nuͤtzliches und Franckreich Schoͤnes he- get/ So weiß er/ daß ihn nichts zum Boͤsen leiten kan. Es ist ein Reisender/ dem in den ersten Jahren Der Vorsatz/ den er fuͤhrt/ nach Hertzens Wunsch ge- lingt/ Wie ein beladen Schiff/ das ungemeine Wahren Aus Zeilan/ Manaan und Coromandel bringt. Wenn Stamm und Vaterland sich uͤber ihn erfreuen/ So ruͤcht der theure Ruhm als wie die Specereyen/ Und seine Treffligkeit bluͤht wie die Aloe. Er waͤchst/ wenn andre noch bey ihrem Ofen sitzen/ Und sich/ ich weiß nicht wie/ mit Wein und Bier erhitzen/ Mehr als ein Ceder-Baum bestaͤndig in die Hoͤh. Man traͤgt ihm dieses auff/ was andern schwer gefallen/ Er wird der Majestaͤt durch seinen Witz bekandt. Sein Ruff muß wie bey uns/ so auch bey andern schallen/ Man preist den klugen Kopff und die geschickte Hand. Es will ihm iedes Hauß ein Frauen-Zimmer schencken/ Und diesen Lorber-Ast in seine Schooß versencken; Die Aemter folgen ihm fast auff dem Fusse nach/ So Freund als Feind erstaunt/ ja selbst der Neid erzittert/ ( E ) 3 Weil Freyherrlich-Abschatzisches Weil hier/ wie sehr sein Grimm sich wiedert und erschuͤt- tert/ Der Weißheit Auffenthalt und innerstes Gemach. Wenn aber Gottesfurcht und unbefleckte Sitten/ Wenn Mild- und Maͤßigkeit diß edle Lob vermehrt/ Ist von dem Himmel wohl was bessers zu erbitten? Wird dieses Tugend Bild nicht uͤberall verehrt? Wenn uͤber dieses noch die Zeit/ die sonst mit Spielen/ Mit Trincken/ und mit dem was geile Hertzen fuͤhlen/ Schlecht angewendet wird/ der Pallas eigen ist/ Soll denn die kluge Welt nicht mit Verwundern sprechen: Kommt/ last uns Bluͤht’ und Frucht von diesem Lorber bre- chen/ Den ein geneigter Stern zu unserm Trost erkist. Komm/ werthes Schlesien / komm schau/ ob diese Zuͤge Dem Helden / den du izt beweinest/ aͤhnlich sind? Komm/ sag’ es/ wo ich mich mit falschem Wahn betruͤge/ Ists/ oder ist es nicht/ dein auserleßnes Kind? Hab’ ich aus Lieb und Gunst auch allzu viel geschrieben? Ach nein! du klagst vielmehr/ daß Striche weggeblieben/ Die keines Fremden Kiel der Nach-Welt einverleibt. Drum bleibt es ausgemacht; wofern du seine Gaben/ Sein wahres Ebenbild wilt ausgefertigt haben/ So wende sonst nichts an/ als was er selber schreibt. Wie aber darff ich hier von seinem Schreiben schwaͤtzen/ Stehn einem Cavallier dergleichen Dinge zu? Darff er ein kuͤnstlich Lied und nette Reimen setzen? Vergoͤnnt der hohe Stand ihm derogleichen Ruh? Zwar bey der alten Welt/ wo Printzen Verse schrieben/ Wo selbst ein Barberin/ ein Chigi dieses trieben/ Und wo ein Werther sang/ war alles wohl erlaubt: Izt aber haͤlt man es vor abgenuͤzte Sachen; Doch last die neue Zunfft mit ihren Thoren lachen/ Wenn nur die kluge Schaar was angenehmers glaubt. Dein Ehren-Gedaͤchtniß. Dein Abschatz/ Schlesien / wird diesen Ruhm vermeh- ren/ Den du vor langer Zeit dir zugeeignet hast/ Daß auch die Grossen selbst den Helicon verehren/ Er war auff dieser Hoͤh gewiß kein fremder Gast. Vielleicht wird dieser Glantz aus seinem Grabe schim- mern/ Und auff des Phoͤbus Wort in den gelehrten Zimmern Statt einer steten Glutt und Ehren-Tempel siehn/ Doch soll’ es nicht geschehn/ so laͤst des treuen Hir- ten Zu uns verpflanzte Brunst mit ihren Hochzeit-Myr- ten Sein Lob in diesem Fall gewiß nicht untergehn. Wo aber bleibt die Pflicht/ die sich zu den Verwand- ten Mit unbefleckter Treu und Redligkeit geneigt/ Wo bleiben Hand und Hertz/ die iedem der Bekandten Gehaͤuffte Guͤttigkeit mit Rath und That erzeigt? Es moͤgen Kind und Freund hierinnen sich bemuͤhen/ Sein Angedencken muß in ihrer Seelen bluͤhen/ Die er mit reichem Trost und Unterhalt erquickt: Wie aber? sag’ ich nichts von der Gemahlin Thraͤnen? Von ihrem Angst-Geschrey und kummerhafften Seh- nen? Halt an! ich werde schier im Augenblick entzuͤckt. Ich seh die Arria mit ihrem Poͤtus kommen/ Die Artemisie bringt den Mausolus vor; Die Orestille klagt/ daß ihr der Preiß benommen/ Alcest’ und Portia beschliessen dieses Chor. Sie dachten nur allein mit dem Gemahl zu sterben/ Und ein besondres Lob bey allen zu erwerben; Izt aber muͤssen sie sehr weit zuruͤcke gehn/ Weil unser Schlesien dergleichen Orestillen In seinen Graͤntzen hat/ die um des Liebsten willen Aus uͤbermachtem Schmertz zum Tode fertig stehn. ( E ) 4 Die Freyherrlich-Abschatzisches Die Liebe naͤhret sich mit Asche/ Grauß und Moder/ Und stellt uns wuͤrcklich vor/ daß bey der Toden-Bahr Der Hochzeit-Fackeln Glantz nicht allemahl verloder/ Statt Rosen windet sie Cypressen um das Haar. Die Parzen/ welche sonst auff Leichen-Tuͤcher sinnen/ Sind emsig in der Eil ein Hochzeit-Kleid zu spin- nen/ Die Libitine stoͤst die Saͤngerinnen weg. Mit kurtzem/ alles ist gantz wunderlich vermenget/ Indem ein Frauen-Bild sich zu dem Sarge draͤnget/ Und Hymen selber spricht: Hier ist das Grab mein Zweck. Weil Hymen reden will/ so muß ich billich schweigen/ Was aber deutet er mit wenig Worten an? Schaut/ sagt er/ was euch izt die Sternen Fremdes zei- gen/ Merckt/ was die keusche Glutt vor Thaten wuͤrcken kan. Die treue Hundin will mit dem Gemahl erblassen/ Die Hundin / derer Bild in Jaspis einzufassen/ Die Hundin / die auff nichts Vergaͤngliches ge- dacht. Geht/ last sie beyde ruhn/ geht Ritter und Matro- nen/ Und ehrt das Ebenbild der theuren Stands-Perso- nen / Die Tugend/ Lieb und Witz zu Wunder-Wercken macht. Des Frey-Herrl. Hauses Unterthaͤniger Diener Christian Gryphius. Frey- Ehren-Gedaͤchtniß. Freyherrliche Abschatzische Lob-Schrifft. D As grosse Amt eines Koͤniges laͤsset sich durch einen Menschen nicht verwalten/ sondern es muͤssen damit viel Reyhen der Diener bestellet werden: Diese aber hal- ten des Landes Heyl fuͤr ihr eintziges Au- gen-Merck/ und vermaͤhlen ihre Gedancken nur mit der Wohlfarth der Unterthanen. Zwar ist von vielen Rathgebern der erwuͤnschte Ausschlag der Sache so wenig/ als von vielen Aerzten die unfehlbare Genesung eines Krancken zu hoffen. Sintemahl Franck- reich durch kluge Veranstaltung eines vortrefflichen Staats- Mannes so sehr sich vergroͤssert hat/ daß es/ wie ehemahls die einkoͤpffigte Herrschafft der Roͤmer/ seiner eigenen Ge- walt uͤberlegen ist/ und ihm nichts so sehr/ als das Maaß seiner Kraͤfften gebricht. Jedoch ist dieses mehr von den Staats-Geschaͤfften eines Reiches/ als von Verwaltung der Laͤnder zu verstehen. Diese haben ihre Statthalter und Landes-Haubt-Leute/ die uͤber das Auffnehmen des gemei- nen Wesens das Guttachten der Staͤnde bey denen einer Monarchie hoͤchst-vortraͤglichen Zusammenkuͤnfften verneh- men/ und auff dem Lande und in Staͤdten heilsame Gesetze und gutte Ordnungen erhalten. Weil aber auch hier die Menge derselben den Rathschlaͤgen nicht weniger/ als im Kriege viele Bunds-Genossen einander nur hinderlich sind/ und die abgegebenen Stimmen auff den Land-Taͤgen insge- mein nur pflegen gezehlet/ nicht gewogen zu werden; so ist in iedem Erb-Fuͤrstenthum des Hertzogthumes Schlesien noch ein engerer Rath der Landes-Eltisten und Landes-Be- stellten verordnet/ die ihre Meynungen nach dem Willen Unsers allergnaͤdigsten Kaͤysers und Herrn auff den Zweck der Landes-Haubtmannschafft und Regierung richten/ die Glieder mit dem Koͤnige/ und jene unter sich selbst verknuͤpf- fen helffen. Dieselben sind nun die Saͤulen der Ritter- ( E ) 5 schafft/ Freyherrlich-Abschatzisches schafft/ die Pfeiler des allgemeinen Wohlstandes/ die Lichter des Vaterlandes/ die/ indem sie andern leuchten/ sich selber verzehren. In Betrachtung dessen koͤnnen sie mit allem Rechte eine Lampe im Sinn-Bilde fuͤhren mit den Beywor- ten: Andern/ nicht Mir. Ein preißwuͤrdiges Beyspiel stel- let uns fuͤr Augen der weyland Hoch- und Wohlgebohr- ne Herr/ Herr Hanns Aßmann/ Frey-Herr von Ab- schatz und Koßkan/ Erb-Herr auff Nieder-Goͤlschau/ Wuͤrbitz/ Petschkendorff/ Ober-Baͤrschdorff und Le- derose/ des Fuͤrstenthums Liegnitz hochverdienter Landes-Bestellter/ und bey den Zusammenkuͤnfften der hochloͤblichen Herren/ Herren Fuͤrsten und Staͤnde in Schlesien Ordinar-Abgeordnete/ ꝛc. Die glaͤntzende Lampe dieses lobwuͤrdigsten Todten hat so viel Licht/ als die Gestirne des Himmels Strahlen von sich geworffen/ also/ daß es schwer zu unterscheiden ist/ ob sie mehr dem Nechsten/ dem Fuͤrstenthum/ oder ihrem Schoͤpffer ge- leuchtet habe. Als er aus einem gleichsam angebohrnen Triebe zur Weißheit auff hohen und andern Schulen den Kern der herrlichsten Wissenschafften sich zugeleget hatte/ reizte ihn sein feuriger Geist/ fruchtbare Reisen in entlegene Laͤnder zu thun. Auff diesen aber hat er seine Sitten so wenig mit Lastern/ als der strenge Rhodan seinen Strom mit dem Wasser des Lemannischen Sees vermischen lassen/ und bey seiner gluͤcklichen Ruͤckkunfft zeigte er alsobald/ daß sein Gemuͤtte nunmehr die rechte Vollkommenheit/ wie et- liche Pflantzen auff fremden Beete/ erlanget habe: Maßen er kurtz darauff einem ieden den auskommentlichen Vorrath seines ungemeinen Verstandes dergestalt offenbarte/ daß viele nach der Morgen-Roͤthe dieser auffgehenden Klug- heit mit begierigen Augen sich umsahen. Denn der Ver- stand ist die andere Tugend/ die edlen Gemuͤttern nebst der Tapfferkeit Ruhm und Ansehen erwirbet; ja diese hat je- ner noch immer den Vortheil abgerennet. Die Erfahrung lehret auch zur Gnuͤge/ daß wohin die Tapfferkeit sich nicht erstrecket/ doch der Witz gelangen kan/ und daß die Klugheit Ludwig des XI. den an Heeres-Macht viel staͤrckern und kuͤh- nen Carl von Burgund ins Netze gebracht habe. Wer un- sern Ehren-Gedaͤchtniß. sern fuͤrtrefflichen Frey-Herrn von Abschatz zu seinem Rath- geber erkiesete/ ist niemahls von ihm unvergnuͤgt/ wie von dem wohlthaͤtigen Titus niemand unbegabt/ weggegangen: Die Bekuͤmmerten wuste er zu troͤsten/ verworrene Sachen zu verrichten/ und iedweder erlangte in seinem Hause viel ge- wisser/ als die Griechen bey dem zweydeutigen Apollo zu Delphis/ und Ammonischen Jupiter/ richtigen Bescheid. Hier- bey fiel er niemanden mit verdruͤßlichen Minen beschwerlich/ sondern begegnete allen mit einer grossen Bescheidenheit. Denn er wuste wohl/ daß/ wie ein Edelgestein den rechten Glantz der Faust des polirenden Meisters zu dancken hat/ so auch die Ubermasse des Verstandes von der Demutt ihren voͤlligen Werth bekomme. Die Hohen suchte er mit gezie- mender Ehrerbittigkeit zu empfangen/ gutte Freunde mit aller ersinnlichen Vergnuͤgung/ und der koͤstlichsten Wuͤrtze erbaulicher Reden zu unterhalten/ und die Niedrigen durch freundliches Zureden sich verbindlich zu machen. Die Freundligkeit aber saß nicht nur auff der Zunge/ worunter die meisten so viel Galle/ wie die Nattern Gifft/ zu hegen pfle- gen/ sondern sie war auch im Hertzen feste gewurtzelt. Was der Mund sprach/ billigte das Hertze; und was das Hertze beschlossen/ versicherte der Mund. Die Schmincke der Heucheley/ welche die Zeit eben so wohl von falschen Wor- ten/ als heßlichen Antlitzen abwischet/ war ihm so unbekandt/ wie die Crocodile in Spanien; ungeachtet die itzige Welt niemanden fuͤr klug halten will/ der sich nicht so offt zu ver- stellen/ wie der Monde sich zu aͤndern/ weiß. In seinem redlichem Gemuͤtte war weniger Falschheit/ als in einem wohlgereinigten Magen Galle zu finden; und wiewohl er keines Menschen Unterfangen beurtheilte/ vielweniger ie- manden mit schelen Augen ansahe/ konte er doch der Miß- gunst/ welche auch den besten Tugenden nachzutreten pflegt/ nicht entgehen; die aber seine Großmuͤttigkeit nicht hoͤher/ als das Summen einer unverschaͤmten Fliege zu achten ge- wohnt war. Denn hohe Gemuͤtter muͤssen sich so wenig den Neid; als die Liljen die um sie wachsenden Disteln auff- halten lassen/ ihren geraden Halß gegen den Himmel und zu ruhmbaren Thaten auszustrecken. Und weil die Ge- muͤtts- Freyherrlich-Abschatzisches muͤtts-Regungen sich selber in ihren Schrancken nicht hal- ten/ und der denselben nachhaͤngende Mensch so geschwinde durch sie von dem Stule der Tugend/ als Phaeton von dem Wagen der Sonnen gerissen wird/ so brauchte er allezeit den Zuͤgel der Vernunfft/ und legte seinen Begierden ein Kapzaum an/ daß sie sich durch solch vernuͤnfftiges Anhalten wie die Elephanten von einem Mohr musten regieren lassen. Sonderlich wuste die kluge Vernunfft des seligen Frey- Herrn von Abschatz Zorn und Rache zu bemeistern/ weil selbte allzu deutliche Verraͤther der groͤsten Gemuͤtts- Schwachheit sind/ und loͤschte daher alle Beleidigung mit dem Schwamme der ewigen Vergessenheit aus/ und that auch denen wohl/ welche ihm gleich ein sauer Gesichte mach- ten: Worinnen er ihm selbst das grosse Auge der Welt zu einem Muster vorstellete/ welches nicht nur denen sie anbe- tenden Persen/ sondern auch den sie verfluchenden Mohren ihr guͤttiges Licht mittheilet. Bey solcher angebohrnen und durch eigene Bemuͤhung zugenommenen Geschicklig- keit kam ihm auch die Wirthschafft nicht aus dem Gesichte/ welcher er sich auff seinen Guͤttern aller Orten mit beyden Haͤnden annahm. Sein Thun maͤßigte mit grosser Spar- samkeit die Verschwendung vieler andern/ und stand um das Auffnehmen der Anverwandten Haͤuser so sehr/ als fuͤr das Wachsthum seines eigenen bestaͤndigst in Sorgen/ also/ daß ihn iedermann nach dem mehrmahls erwogenen Aus- spruche der gescheiten Lacedaͤmonier dem gemeinen Wesen fuͤrzustehen faͤhig schaͤzte. Und dieser kraͤfftige Magnet seiner Tugenden zog der Staͤnde Gewogenheit dermassen an sich/ daß ihm im Jahr 1679. durch freye Wahl auff oͤffentlichem Land-Tage das wichtige Amt eines Landes-Bestellten mit der Ordinar-Absendung nach Breßlau anvertrauet/ und seine Person von der iztregierenden Kaͤyserlichen und Koͤ- niglichen Majestaͤt allergnaͤdigst bestaͤttiget worden. Nun sahe man auch die hell-leuchtende Lampe unsers hoch- schaͤtzbaren Frey-Herrn von Abschatz zu des Vaterlandes Diensten brennen/ und seinen ausbuͤndigen Verstand durch Erfahrung vollkommen werden. Denn wer aus Buͤchern allein die Weißheit begreiffen will/ pflegt nur Blumen ohne Fruͤch- Ehren-Gedaͤchtniß. Fruͤchte gleich einem wilden Baume zu tragen. Unterschie- dene haben auch wohl stattliche Gaben/ aber keine Gelegen- heit gehabt solche anzugewaͤhren/ wie die jenigen/ die zwar die besten Fruͤchte zu Marckte/ aber wegen Mangel der Kaͤuffer nicht an Mann bringen koͤnnen: Hingegen andern hat es nicht an Gelegenheit/ sondern am Geschicke/ sich ihrer zu bedienen/ gefehlet. Ihm spielete das Gluͤcke die Gele- genheit/ vor das Vaterland ruͤhmlichst zu sorgen/ selbst in die Hand/ und seine Faͤhigkeit hat sich niemahls besser/ als zu Diensten unsers Allerdurchlauchtigsten Landes-Fuͤrsten bey den hochansehnlichen Versammlungen des Hertzogthums Schlesien gewiesen. Ob er nun gleich die vornehmsten Eh- ren-Stellen bestritten/ wuste er doch dabey sich also auffzu- fuͤhren/ daß niemand einigen Schatten der Einbildung bey ihm zu spuͤren vermochte. Denn nur die niedrigen Gemuͤt- ter blehen sich nach Art der Blase-Baͤlge vom Winde des Gluͤckes auff/ grosse aber fuͤhlen/ wie die obersten Sterne/ kei- ne Veraͤnderung. In solchen Aemtern hat man unsern theuren Frey-Herrn von Abschatz nie mit den Ameisen muͤs- sig/ vielmehr aber an dem Ruder der Muͤhsamkeit schwitzen gesehen. Die Rathschlaͤge der Haͤubter des Landes uͤber- legte er nach der Scharffsinnigkeit seines Verstandes uͤber- aus vorsichtig: Denn er hatte wohl gelernet/ daß ein An- schlag von gar zu grosser Hitze so wenig/ als die durch uͤbrige Waͤrme reiff-gewordenen Aepffel taugen; was aber sein kluger Kopff wohl bedacht/ wuste seine Hand mit einem hur- tigen Eyfer geschwinde ins Werck zu setzen. Er war ihr Janus/ der mit zweyen Antlitzern vor- und ruͤckwerts sahe/ das Gegenwaͤrtige erwog/ das Zukuͤnfftige betrachtete/ und das Vergangene nicht aus dem Gemuͤtte ließ; ihr Pharus/ auff den sie sich bey duͤsterer Nacht verlassen konten; ihr Atlas/ dem die Last alleine auff seinen Schultern lag. Er begieng niemahls einigen Fehler/ weder aus Schwachheit/ noch aus Vorsatz; seine Auffrichtigkeit ließ ihn nieman- den/ seine Vorsichtigkeit aber sich niemanden betruͤgen. Die Geschickligkeit unsers ruhmwuͤrdigen Frey-Herrn von Ab- schatz faͤdmete die Geschaͤffte mit einer besondern Art ein/ und Freyherrlich-Abschatzisches und sein Verstand uͤbersah alle Tieffen der Dinge. Die Nothwendigkeiten des Fuͤrstenthums trug seine Pflicht/ wenn es die allgemeinen Angelegenheiten des Landes nicht verhinderten/ mit unermuͤdetem Fleisse dem koͤniglichen Amte fuͤr/ und konte offtermahls die Nacht von dem Tage nicht unterscheiden. Diesen Geschaͤfften sezte er alles/ wie einem emsigen Staats-Manne oblieget/ seine Wirthschaff- ten/ Kinder und sich selbsten nach. In Verwaltung der Einnahme und Ausgabe der allerunterthaͤnigsten Verwilli- gungen ist die Auffachtsamkeit unsers vollkommenen Herrn Landes-Bestellten bey zweymahligem Abgange des Ober- Steuer-Einnehmers allen Zufaͤllen als ein hundert-aͤugich- ter Argus zuvor kommen/ und hat den Staͤnden nebst den Eltesten des Landes das theure Kleinod der Treue bey den gewoͤhnlichen Landes-Raytungen ohne Eigen-Nutz auffge- opffert. Wolten die wohlhergebrachten Gewohn- und Frey- heiten des Fuͤrstenthums bestritten werden/ so sprach er mit ruͤhmlichen Eyfer der Warheit das Wort/ wie Themisto- cles zu Athen/ und ließ dieselben so wenig/ als seinen Aug- Apffel verletzen. Bey denen unumgaͤnglichen Beschwe- rungen und neuen Anlagen/ ohne welche die Ruhe Schlesi- ens nicht zu erhalten gewesen/ legte er die Kraͤffte des Lan- des auff eine/ und das Vermoͤgen der Staͤdte auff die ande- re Waagschale/ und suchte unter beyden immer eine Gleich- heit zu treffen. Ja wenn auch irgends einem und dem an- dern Theile ein mehrers zugewachsen/ bemuͤhete sich unser hochseliger Frey-Herr als ein kluger Arzt dem Leibe so zu helffen/ daß kein Glied deswegen verlezt/ viel weniger abge- schnitten wurde: Gab also einen Pfeiler ab/ der die Grund- Saͤule des Regimentes/ die Eintracht stuͤzte. Die groͤste Probe seiner Klugheit war die Verschwiegenheit/ die Seele aller politischen Handlungen/ von welcher alle Verrichtun- gen den Nachdruck/ wie vom Gluͤcke den Ausschlag bekom- men: Weswegen er die anvertrauten Geheimnisse in seinem Munde verfaulen ließ/ welcher doch/ wenn es Zeit zu reden war/ nicht weniger Geruch/ als Bisam und Ambra von sich gab. Die durchdringenden Worte der Gelehrten/ und aus den Ehren-Gedaͤchtniß. den scharffsinnigen Teutschen Gedichten bekandte Feder vermochten bey den oͤffentlichen Land-Taͤgen die Gemuͤtter der Anwesenden mit lauter Geist und lebendiger Regung zu erfuͤllen; und welches eine von seinen vornehmsten Verrich- tungen war/ hat seine beredte Zunge dem großmaͤchtigsten Leopold bey zweymahliger Absendung nach dem Kaͤyserli- chem Hofe die gemeine Wohlfarth des Vaterlandes beweg- lichst fuͤrgetragen. Diß alles aber/ was von der stets-bren- nenden Lampe unsers hochverdienten Frey-Herrn von Ab- schatz gemeldet worden/ ist nur ein Schatten zu nennen von dem Lichte/ welches er GOtt zu Ehren auffgestecket hat. Seine erste Gedancken ließ er von Jugend auff den Himmel seyn/ welchen die Tschinesen mit dem ersten Buchstaben ih- res Alphabetes mahlen/ und er betrachtete diese selige Ge- gend so fleißig/ als Prometheus den Lauff der Gestirne/ al- so/ daß es das Ansehen hatte/ als waͤre er wie Anaxagoras nur alleine gebohren/ den Himmel anzuschauen. Denn es war ihm mehr als zu wohl bewust/ daß Witz und kluges Nach- sinnen gleich wie Regen und Sonnenschein von der Freyge- bigkeit desselben herkomme. Die Magnet-Nadel kan sich so sehr nicht nach dem Nordischen Angel-Sterne/ noch die Sonnen-Wende so sehr nach dem gleichen Nahmen-fuͤhren- den Gestirne lencken/ als sein Hertze zu GOtt gerichtet war. Zwar muß heute zu Tage die GOttesfurcht den Lastern/ wie der Glantz bunten Schlangen zum Deckel ihres Gifftes die- nen; allein/ wie das Gemuͤtte unsers seligen Frey-Herrn nichts wuste von Falschheit/ so war seiner Seelen auch das scheinheilige Wesen gantz unbekandt. Denn boͤse Menschen dienen weniger zu Pfeilern des Landes/ als faule Hoͤltzer zu Saͤulen eines Gebaͤues: Daher machten ihm Tempel und Altar die groͤsten Sorgen/ und er bewieß sein Christenthum vielfaͤltig durch das wohlriechende Raͤuchwerck des Gebe- tes/ pflegte so offt mit GOtt/ als Menschen/ wie Carl der Fuͤnffte zu reden/ und vereinbarte sich durch Glauben und Andacht unzertrennlich mit dem ewigen Worte. Alle saure Schleen des Ungluͤcks im Leben/ und die zwey leztern Zufaͤlle vor seinem Tode uͤberwand er mit grosser Gedult/ biß er an dem Freyherrlich-Abschatzisches Ehren-Ged. dem Orte/ wo vormahls die Centner-Last seines Amtes bey 20. Jahren seine Schultern am meisten gedrucket hatte/ der Sterbligkeit entbunden ward. So ist nun das Licht verzehret/ und die Lampe verloschen/ die zu GOttes Ehren und des Vaterlandes Nutzen vielfaͤl- tig geleuchtet hat. Ist das Bildniß unsers hochseligen Frey- Herrn von Abschatz in keinem auff des Landes Unkosten ge- stiffteten Tempel/ wie der wohlverdienten Tschineser ver- goͤttert/ auff keinen silbernen Schau-Pfenning nach dem Beyspiel der vornehmen Roͤmer gepraͤget worden; siehet man im Grabe keine von dem unverbrennlichen Steine zu- bereitete Lampe brennen; so glaͤntzet doch die himmlische Seele unter den ewig-leuchtenden Ampeln/ wie der Monde unter den kleinen Sternen/ ja noch sieben mahl heller/ und der abgezehrte Leib wird in der dunckeln Grufft nicht weni- ger/ als das unbelebte Holtz/ wenn es zu verfaulen beginnet/ im Finstern noch einen Schein von sich geben. Die treuen Verdienste werden die unausloͤschliche Lampe des Nach- Ruhms erhalten/ und die Worte/ welche zu Rom unter des L. Brutus Saͤule geschrieben worden/ in dem Ge- daͤchtniß-Tempel vieler redlichen Patrioten erschallen: Wolte GOtt! er lebte noch! Der Teutsch-redende Treue Schaͤffer Des beruͤhmten Welschen GUARINI . An den Wohlgebornen Ritter und Herrn/ Herrn Hanß Lhristoph von Schweinitz/ auff Friedersdorff/ Wiesenthal/ Leybe/ Churfuͤrstl. Saͤchsischen Caͤmmerer/ Als Alten Schul- und Reise-Freund. M Ein Schweinitz / hast Du dich zum ersten mahl beflissen/ Ein rohes Schaͤffer-Kind zu fuͤhren in die Welt/ Wiewohl es sich zu weit gewagt ins offne Feld/) So wird dichs billich auch zum andern mahl be- gruͤssen. Es kommen Blumen mit/ die sahst du theils ent- sprissen; Auch hat sich ihm anizt ein Lands-Mann zugesellt/ Wie er aus fremder Sprach ein Teutsch Sonnet gestellt. Wird dein geuͤbter Geist den Spruch zu faͤllen wis- sen. Sie kommen nicht umsonst: Es fuͤrchtet unser Land/ Wo nicht ein Orpheus will die Saͤiten wieder ruͤhꝛen/ Den wohlerworbnen Ruhm der Dicht-Kunst zu verlieren: Daß du ihn retten kanst beruht in deiner Hand. Kan ich/ was diese schrieb/ der klugen Welt erlan gen/ So ist mein Hirten-Knecht gluͤckselig ausgegangen. A 2 Wenn W Enn der Teutsche treue Schaͤffer in der Wel so gluͤcklich als der Welsche/ so darff ihn seine Vortritts nicht gereuen. Gvarini ist in die Fußstapffe des Tasso getreten/ und ihm weit zuvor kommen. Ma hat den Amintas zeitlich bey seite gelegt/ und Mirtill hingegen bleibt bey fast hundertjaͤhrigem Alter noch heu tiges Tages unter seinen Lands-Leuten beliebt; ein Gluͤck so zu mahl bey der itzigen neubegierigen Welt in einer si immer veraͤndernden Sprach- und Schreibens-Art we nig seines gleichen wiederfaͤhret. Er hat inmittest alle hand Sprachen gelernet/ und sich an unterschiedliche Orten auff unsere Teutsche gelegt/ biß er endlich auch di Oder-Trifften besucht/ und die in Schlesien gewoͤhnlich Mund-Art an sich genommen. Zwey Lands-Leute da selbst haben ihn ohn vorhergehende Vernehmung unte sich auff zweyerley Weise ausgekleidet/ und auffgefuͤhret Man moͤchte die eine Tracht genauer auff den Italiaͤni schen Schnitt gerichtet/ die andere nach Frantzoͤsische Stich gefertigt/ und nicht so gedrang anliegend nennen Also bleibt dem Leser die Freyheit sich an beyden zu erlu stigen/ und/ was seiner Neigung am besten anstehet/ zu e wehlen. Weil auch ein dritter Schlesier aus besondere Wohlwollen/ was die andern beyde uͤbersehen oder m Fleiß unterlassen/ nachgeholet/ und dieses Schaͤffers Hi ten-Tasche/ auff daß er bald zu Anfangs besser in die Au gen leuchte/ mit einer dem Welschen Muster genau un zierlich nachgemachten Gold-Schnur oder Borte g schmuͤcket; so hat er ihm auch allhier damit zu erscheine iedoch erwehnten Freund (ich will sagen den gelehrte Ubersetzer des Vor-Redners) dabey ausdruͤcklich zu me den die Freyheit genommen; ihm aber ist genung zu ze gen/ daß doch noch auff der Welt lebe mehr als Ein treuer Schaͤffe Innhalt. E S opfferten die Arcadier ihrer Goͤttin Diana jaͤhrlich eine Jungfrau des Landes/ dadurch den ergrimmeten Zorn und die schweren Straffen der Goͤtter abzuwenden/ aller- massen ihnen solches ein gewisser Ausspruch derselben an die Hand gegeben hatte: Von welchen sie auch ferner auf gethane Frage/ wenn solches Ubel ein Ende nehmen wuͤrde/ also beant- wortet waren: Es wird/ was euch betruͤbt/ nicht eh’ sein End erlangen/ Biß Liebe zwey verbindt von goͤttlichem Geschlechte/ Und durch geuͤbte Treu ein Schaͤffer bringt zu rechte Den Irrthum/ den vorlaͤngst ein falsches Weib begangen. Durch diese Weissagung ward Montan/ ein Priester der Dia- a und Nachkoͤmmling des vergoͤtterten Hercules bewogen/ s dahin einzurichten/ daß Amarillis/ eine der edelsten Land- Nympffen und einige Tochter des von dem Pan herstammen- en Titirus seinem Sohne Sylvio oͤffentlich verlobet ward: Die Hochzeit aber/ ohnerachtet beyderseits Vaͤter instaͤndig arauff drungen/ konte noch nicht vor sich gehen/ weil der kuͤh- e und allein in die Jagt verliebte Braͤutigam sich keiner an- ern Liebe theilhafftig machen wolte. Indessen war ein ande- er Schaͤffer Mirtillo ein vermeynter Sohn des Carino/ (wel- er in Arcadien gebohren/ aber lange Zeit in Elis gewohnet atte/) in die verlobte Amarillis sterblich verliebt/ auch von r in der Stille geliebet/ ob sie gleich solches aus Furcht des esetzes/ welches die Untreue der Weiber mit der Straffe des odes belegte/ nicht entdecken durffte. Dieses gab der in den irtillo verliebten und wegen seiner die Amarillis eyfersuͤch- g hassenden Corisca Gelegenheit ihr zu schaden/ und (aus offnung nach dem Tode ihrer Mit-Buhlerin die bestaͤndige reue dieses Schaͤffers zu uͤberwinden/) die ungluͤckseligen ebhaber durch ihre List in gantz andern Gedancken/ als ihnen rnach zugemessen worden/ in eine Hoͤle zu bringen/ darinnen von dem Satyro betroffen/ angeklaget/ und durch die Prie- er gefangen worden: Worauff Amarillis ihre Unschuld nicht weisen kan/ und zu dem Tode verdammet wird: Mirtillo A 3 aber/ aber/ unangesehen er an der Amarillis Verbrechen nicht zwei felt/ auch nach eben demselben Gesetze seines Ortes keine Straf fe zu leiden hatte/ entschliesset sich dennoch/ der durch die Gesetze vergoͤnneten Freyheit nach vor sie zu sterben. Als er nun auff solche Weise von dem Priester Montano seinem obliegendem Amte gemaͤß zum Tode gefuͤhret wird/ koͤmmet Carino ihn su chende darzu/ und findet ihn in so unverhofftem erbaͤrmlichen Zustande. Also ihn nicht minder als sein eigenes Kind lie bende bemuͤhet er sich ihn von dem Tode zu erretten/ und zu be weisen/ daß er als ein Auslaͤnder vor eine andere eingebohrn Person nicht geopffert werden koͤnne/ und entdecket dadurch unvermutheter Weise/ daß dieser sein Mirtillo des Priester Montano leiblicher Sohn sey. Indem sich ermeldter sei rechter Vater schmertzlich betruͤbet/ daß er an seinem eigene Gebluͤtte das grausame Gesetze ausuͤben solle/ lehret ihn de blinde Wahrsager Tirenio das Oracul recht verstehen/ nac dessen Innhalt dieses Opffer nicht zu schlachten/ sondern nun mehr das Elend des betruͤbten Arcadiens zu gewuͤnschtem En de kommen/ und also die goͤttliche Amarillis dem gleichfall goͤttlichem Mirtillo/ als dem rechten treuen Schaͤffer/ zu ve maͤhlen sey. Und nachdem inzwischen der Silvio die ihm aus Liebe fo gende Dorinda statt eiues vermeynten Wildes verwundet daruͤber seine gewohnte Haͤrtigkeit in hertzliches Mitleide und bruͤnstige Liebe verwandelt/ auch ihre von ersten gefaͤhrli geschaͤzte Wunde sich zu gewuͤnschter Besserung angelassen/ s heyrathet er dieselbige Dorinda/ wie Mirtillo Amarille Corisca solch derselben unverhofftes Gluͤcke sehend und dar ber in sich gehend/ bittet und erlanget von ihnen Verzeihung sich entschluͤssende/ der Welt Urlaub zu geben/ und forthin ei besseres Leben zu fuͤhren. R Redende Personen. Silvio/ Sohn des Montano. Linco/ alter Bedienter des Montano. Mirtillo/ Liebhaber der Amarillis. Ergasto/ Vertrauter des Mirtillo. Corisca/ in den Mirtillo verliebt. Montano/ Vater des Silvio/ Priester. Titiro/ Vater der Amarillis. Dametas/ alter Knecht des Montano. Satiro/ alter Liebhaber der Corisca. Dorinde/ Liebhaberin des Silvio. Lupino/ Ziegen-Hirte der Dorinde. Amarillis/ Tochter des Titiro. Nicander/ obrister Diener des Tempels. Coridon/ Liebhaber der Corisca. Carino/ vermeynter Vater des Mirtillo. Uranio/ alter Camerade des Carino. Bothe. Tirenio/ blinder Wahrsager. Chor der Schaͤffer. Chor der Jaͤger. Chor der Nympffen. Chor der Priester. Der Schau-Platz ist in Arcadien. A 4 Vor- Vor-Redner nach Ubersetzung Weyland Hn. Daniel Caspars von Lohenstein. Der Fluß Alfeus in Arcadien. H At euch ein alt Geschrey/ daß niemand nahm in acht/ Und dem man noch nicht Glauben giebet/ Von einem Fluß ein Wunder beygebracht; Wie er so hefftig sey verliebet: Daß seine heisse Bach Durchs Meeres Eingeweid und durch der Erde Schooß/ (Wie ist die Macht der Liebe doch so groß!) Der fluͤcht’gen Arethus’ in Trinacris drang nach; Wo unter Etnens Klufft Der Riese/ der vom Blitz erlegt ist/ und selbst blitzet/ Der Rache Feuer in die Lufft Und gegen den verhaßten Himmel spritzet? Derselbe Fluß bin ich: Ihr habt von mir gehoͤrt/ nun aber seht ihr mich. Meynt euren Augen ihr nicht Glauben zuzustellen? Schaut: Ich veraͤndere den vorgewohnten Lauff/ Ich kieß ein fremdes Meer/ und halte nun die Wellen Des Koͤniges der Fluͤsse auff. Hier mach ich freudig mich herbey/ Wo es mich recht beduͤnckt/ seh ich hier einen Strand/ Wie weyland war mein schoͤn und freyes Vaterland/ Daß izt ist Magd und Wuͤsteney. Ja/ Mutter/ ja du bists/ Alfeus kennet dich/ Ach! so erkenne doch/ Arcadien/ auch mich. Mich/ dein so lieb und hochberuͤhmtes Kind! Ich seh’ es ja/ diß seyn die schoͤnen Waͤlder Und die zur Zeit so wohlbekandten Felder/ Wo Tugend ihre Wieg’ und auch ihr Grab-Mahl findt. D ie Die guͤldne Zeit verkroch in diesem Winckel sich/ Als sie der Welt und Menschen sich entschlug/ Die eisern sind/ voll Laster und Betrug. Allhier ergezt die Freyheit mich/ Die ohne Neid und ohne Maße bluͤhet/ Die ein entwafnet Friedens-Bild In Sicherheit besizt/ sich ohne Wache siehet. Der Unschuld und der Tugend Schild War dieses Volckes Wall/ der besser konte tauren/ Als Thebens starcke Mauren/ Die von beseeltem Stein hat Orpheus aufgefuͤhrt. Wenn auch gleich Grichenland vom Kriege ward geruͤhrt/ Arcadien in Brand gerieth/ Sein kriegrisch Volck zu waffnen war bemuͤht/ So blieb doch dieses edle Theil Der Voͤlcker Zuflucht/ Schirm und Heyl/ Man hoͤrte nichts von dem Geraͤusch und Rasen/ Wenn Feind und Freund gleich ließ Trompeten blasen. So sehr nun Megara/ und Patra/ und Corinth/ Micen und Sparta war begierig obzusiegen/ So eyfrig war diß holde Volck gesinnt/ Das an der Brust dem Himmel schien zu liegen/ Sich zu verwahren in der Ruh. Wenn jene dort verschanzten ihre Staͤdte/ Schrieb dieses sein Geluͤck der Himmels-Festung zu: Die Waffen kaͤmpfften dort/ hier aber das Gebete. Kan dieses Volckes Nahm und Tracht Gleich Schaͤffern auch verglichen werden/ War doch ihr Thun und die Geberden Nicht groben Hirten nachgemacht. Denn einer war aufs eyfrigste beflissen/ Die Heimligkeiten der Natur In Himmel/ Erde/ Meer und in der Luft zu wissen. Ein andrer folgte nach des fluͤchtgen Wildes Spur/ Ein andrer paßte auff Ein Wald-Schwein mit mehr Ruhm/ und Baͤren umzu- bringen. A 5 Der Der uͤbte sich zu schnellem Lauff/ Und jener wolte seyn unzwingbar in dem Ringen. Der warff gekuͤgelt Bley mit Riemen nach den Scheiben/ Ein andrer schoß auf das gesteckte Ziel/ Ja jeden sahe man nach seiner Neigung treiben Ein angenehmes Spiel. Doch war der meisten gantzes Leben Den heilgen Musen stets ergeben/ Der Buhlschafft die man vor fuͤr so sehr edel hielt/ Nun aber wenig bringt und gilt. Wer aber hat nach so geraumer Zeit Arcadien hieher versetzet/ Wo Dora und der Po das fette Land benetzet? Was seh’ ich? dieses ist der Sitz der Einsamkeit/ Und diß das Heiligthum der alten Eryeinen: Dort thuͤrmt der Tempel sich empor In welchem sich ließ Cinthia bedienen. Wie wunderseltzam kommt mir dieses alles vor? Was fuͤr ein grosser Mutt/ fuͤr Tugend muß den regen/ Der ein gantz Land versezt/ und Voͤlcker kan verlegen? O grosses Koͤnigs-Kind/ An der die Jahre jung nur sind/ Die an Verstande schon laͤngst worden ist zur Frauen/ Du laͤst durch deines Ansehns Krafft Durch deines Stammes Eigenschafft/ Durchlauchtste Catharin/ izt mich diß Wunder schauen Denn dieses Vorrecht hat dein hoch Gebluͤtt allein: Daß neue Welten Ihm gebohren worden seyn. Doch alle diese Wunderwercke Sind von Geburts-Art euch gemein/ Und schlechte Thaten eurer Staͤrcke. Wie in dem Meer/ im Himmel und auff Erden/ Lebhaffte Seelen/ Graß/ Gebluͤme/ Laub und Kraut/ Der Sonne/ wenn sie fruͤh aus Thetis Bette schaut/ Zu Lieb und Lust gezeuget werden; So/ wenn Sie/ maͤchtge Sonn/ ihr Haubt hebt in die Hoͤh/ Aus dem durch Ihr groß Hauß erhoͤhten Abende/ Sieht Sieht man an allen Enden Ihr Landschafften bluͤhn/ und Reich aufsteigen/ Die Erde nichts als Palmen zeigen/ Und Sieges-Zeichen gehn herfuͤr. Sie/ Heldin/ ist es nun/ fuͤr der mein Haubt sich neiget/ Die von dem Herrscher ist gezeuget/ Dem/ wenn uns gleich die Nacht bethaut/ Die Sonne doch nicht untergehet; Des grossen Fuͤrsten holde Braut/ Dem wegen Tugend und Verstandes Der Himmel hat die Aufsicht dieses Landes/ Und seiner Mauren anvertraut. Allein Italien darff mehr Nicht sein Gebirg und felsichtes Gefilde/ Denn sie beschuͤzt es noch so sehr; Statt grosser Alpen dient ihr grosser Geist zum Schilde. Sie wird bey kriegrischer Gefahr Fuͤr ein unzwingbar Bollwerck stehen/ Das Kriegsvolck aber sie erhoͤhen Zum Friedens-Tempel und Altar/ In welchem aber sie allein Wird eine neue Gottheit seyn. So lebet nun viel lange Zeit/ Ihr grossen Seelen ihr/ in Eintracht und Vergnuͤgen! Die Welt hofft viel Gluͤckseligkeit Von eurem Buͤndnisse zu kriegen. Zu dieser Hoffnung muß ihr steten Anlaß geben Ihr eingebuͤßtes Reich mit so viel Koͤnigs-Staͤben/ Wenn sie nach Morgenland ihr traurig Antlitz kehrt; O Feld! das/ grosser Carl/ alleine dein ist werth! Indem die Thaten deiner grossen Ahnen Als Stuffen dir den Weg zur Folge bahnen. Diß Land und eure Nahmen sind Hoch-herrlich/ wie’s Gebluͤtt/ ja Sitten und Gedancken/ Laͤst sich wie euer Geist nicht sperren ein in Schrancken/ So kan von Euch nun ruͤhrn kein niedrig Werck noch Kind. Weil ich nun Euch von eitel guͤldnen Kronen/ Mit Mit denen Euch’s Verhaͤngniß wird belohnen/ Treuhertzig sage wahr: Ach/ so verschmaͤht mein kleines Opffer nicht/ Das auf dem Pindus Euch mein reines Hertze flicht Aus Blumen und der Felder Haar/ Durch der neun Jungfern Hand/ die singende das Leben/ Trotz Tod und Eitelkeit/ den Wohlverdienten geben. Verschmaͤht der Himmel doch nicht Sachen/ Die gleich geringes Armut sind. Wird nun ein holder Gnaden-Wind Von eurem Himmel mich mehr reg und geistig machen/ So wird die Harffe/ die allein Von zarter Liebe singt/ von Hochzeit und von Wiegen/ Verwandelt in Trompeten seyn/ Und Ihren Schall erhoͤhn von euren Waff- und Siegen. Erster Erster Handlung Erster Eintritt. Silvio. Linco. B eht die ihr habt das Wild an engem Ort umstellt/ Und gebt das Zeichen zu der Jagt/ Laßt eurer rauhen Hoͤrner Klang Die Augen/ welche noch nicht wachen/ Der lauten Stimme Feld-Gesang Die faulen Hertzen munter machen! Ist iemand/ dem die Jagt, die kuͤhne Jagt/ gefaͤllt/ Ist wo ein Schaͤffer/ der mit Lust Die unverzagte Brust Auf Fang der wilden Thiere wagt/ Der finde sich herbey/ und eile mit dahin Wo zwar ein enger Raum/ doch weiter Kreiß Zu weisen unsre Tapfferkeit/ Das Schrecken unsrer Waͤlder/ Den Schaden unsrer Felder/ Das Ungeheuer unsrer Zeit/ Von dem das Land so viel mit seinem Schaden weiß/ Das Wunder-grosse Schwein mit Tuͤchern ließ umziehn. Geht/ Jaͤger/ geht und rufft herfuͤr/ Durch ein Holla/ Durch ein Sa sa Der traͤgen Morgenroͤthe Zier! Wir/ Linco/ wollen gehn die Goͤtter anzuruffen/ So koͤnnen wir der Jagt ein gluͤcklich Ende hoffen. Ein gutter Anfang ist so viel als halb gethan; Und von des Himmels Gunst faͤngt man am besten an. Ich lobe/ Silvio/ daß man die Goͤtter ehrt/ Gleich wie uns unsre Pflicht/ und ihr Gebieten lehrt; Doch/ daß man den/ der sie bedient/ Sich zu beschwehren nicht erkuͤhnt. Des Tempels Huͤtter sind noch nicht erwacht/ Wie von dem Schatten ich des Berges nehm in acht. Du/ dessen Augen noch der Schlaff genommen ein/ Denckst alle muͤssen faul und deines gleichen seyn. O Silvio/ warum gab dir des Himmels Gunst In GUARINI In deiner besten Zeit im Fruͤhling deiner Jahre So liebliche Gestalt/ so wohlgemachten Leib/ Wenn du ihn vor der Zeit wilt bringen zu der Bahre/ Und man dir den Gebrauch der Kraͤffte weist umsunst? Koͤnnt ich an deine statt erlangen Die Bluͤthe der belebten Wangen/ Ich suchte mir fuͤrwahr weit andern Zeitvertreib. Ich wolte bald Adee den oͤden Waͤldern geben/ Auf einer andern Jagt in Lust und Freude leben/ Im Schatten Sommers-Zeit/ im Winter beym Camin Die Jahre wohl begluͤckt und ruhig bringen hin. Dergleichen Rath hab ich niemahls gehoͤrt von dir/ Wie kommst du mir itzund so gar veraͤndert fuͤr? Der Sinn veraͤndert sich mit Zeit und Sachen. Waͤr ich als Silvio/ so wolt ichs sicher machen. Und ich/ an Linco statt gesetzt/ thaͤt auch so viel: Als Silvio/ das Widerspiel. O junges Hertze voll von Unbedachtsamkeit/ Was suchest du ein Wild und mit Gefahr so weit/ Daß du doch naͤher kanst erlangen Mit weniger Gefahr und leichter Muͤhe fangen. Schertz oder Ernst? Ja Ernst. So nah? Als du dir bist. Wo ist der Ort? In dir: Da wohnt die Grausamkeit/ die dir das Hertze frist. Du kamst mir nicht umsonst voll Traum und Schlaffes fuͤr. Ein also schoͤnes Bild/ ein solches Engel-Kind/ Mit welchem Ros’ und Schwan nicht zu vergleichen sind/ Nach welchem unter uns die reichsten Schaͤffer trachten/ Und trachten ohne Frucht/ will dir der Goͤtter Schluß Der Menschen Will und Gunst mit milden Haͤnden schen- cken. Du kanst fie heute noch ohn Thraͤnen und Verdruß/ (O Gluͤcke/ dessen du nicht wuͤrdig bist zu achten!) In deinen Armen sehn; und du wilt dich bedencken/ Wilt dein Geluͤcke fliehn? soll ich nicht von dir sagen/ Du must ein staͤhlern Hertz und wilde Sinnen tragen? Ists eine Grausamkeit in nichts verliebt zu seyn/ So treuer Schaͤffer. So muß die Grausamkeit mit Tugend stimmen ein: Stimmt sie der Tugend bey/ so kan mich nimmer reuen Daß sie gewohnt in mir: Mich soll vielmehr erfreuen Daß ich durch ihre Macht der Liebe Macht bekaͤmpfft/ Die wilder ist als sie. Wie hast du diß gedaͤmpfft Was du niemals versucht? Durch nicht versuchen. Ach/ soltest du einmal nur aus Erfahrung wissen Welch ein Vergnuͤgen sey besitzen was man liebt/ Was Hertz um Hertz und Lieb um Gegen-Liebe giebt/ Du wuͤrdest nicht so sehr auff deine Freyheit pochen/ Und von der Warheit selbst gezwungen sagen muͤssen: Ach suͤsses Leben voller Lust/ Warum hast du so spaͤt beseligt meine Brust! Laß tummes Kind das Wild im wuͤsten Walde seyn/ Und raͤume deine Schoos den suͤssen Flammen ein. Mein Linco/ muͤhe dich nicht weiter mich zu quaͤlen. Ich sage noch einmahl was ich so viel gesagt: Ein Wild das mir mein Hund Melampus hat erjagt/ Will ich mir tausendmal vor tausend Weiber waͤhlen. Es geniesse solcher Freuden wer sich mit vergnuͤgen kan: Ich vor meinen Theil empfinde weder Lust noch Wollust dran. Und was soll dir denn gefallen/ wenn dir dieses nicht ge- faͤllt/ Was vor tausend andern Stuͤcken Freude giebt der gan- tzen Welt? Glaͤube mir/ O Sohn/ du wirst diß zu seiner Zeit empfin- den/ Wenn die Zeit verlauffen ist und die trocknen Kraͤffte schwinden. Liebe will einmahl mit brennen/ Es sey zeitlich oder spat/ Lassen ihre Macht erkennen. Glaube dem der in der That/ Glaube dem der als ein Greiß Solches aus Erfahrung weiß. Es ist kein aͤrgre Qual/ kein herbrer Schmertzen nicht/ Als wenn den alten Leib der Liebe Kuͤtzel sticht. Wenn GUARINI Wenn sich das wilde Fleisch ie mehr und mehr ergrimmt/ So oft des Artztes Hand zum faulen Schaden kuͤmmt. Bey jungen Hertzen heilt die Liebe selbst den Stich/ Begierde bringt dir Pein/ die Hoffnung troͤstet dich. Verletzet gleich auff eine Zeit ihr Pfeil/ So macht er doch zulezt gesund und heil. Wirst aber du hernach verliebt/ Wenn dir der Jahre Last die muͤden Achseln druͤckt/ Der matte Ruͤcken sich in krumme Bogen buͤckt/ Wenn eigner Mangel mehr als fremde Schuld betruͤbt/ Der Glieder todte Krafft kein voll Vergnuͤgen giebt/ Da geht die Marter an/ die dich zu Grabe schickt. Ungluͤcklich ist der Wunden Pein Wenn sie muß ohne Pflaster seyn; Ungluͤcklicher wenn herbe Gall und Gifft Mit diesem Pflaster selbst in Schaden trifft. Ach/ ziehe dir nicht zu den Mangel grauer Haare/ Weil noch dein Alter bluͤht im Lentzen gruͤner Jahre. Wiltu zu lieben Bißhin verschieben/ Wird das Vergnuͤgen noch so klein/ Noch einst so groß der Schmertzen seyn. Drum laß den Thieren Wald und Haͤyn Und raͤume deine Brust den keuschen Flammen ein. Als wenn man anders nicht gluͤckselig koͤnte leben/ Man habe denn den Sinn der tollen Lieb ergeben. Silvio/ sieh’ mit mir an die beliebte Maͤyen-Zeit/ Da die wieder-junge Welt sich bebluͤmet und verneut/ Wenn dein Aug’ izt solte schauen Sonder Blumen/ Laub und Kraut/ Huͤgel/ Wald und Aue Wuͤrdest du nicht voller Schrecken mit bestuͤrtztem Mund sagen: Erd und Himmel sey erstorben/ die Natur verschwaͤche sich Denck auf dich: Gleiches Schrecken wirst du muͤssen uͤber dein Verfahre tragen. O Sohn/ der Himmel pflanzt uns ein den Jahren gleich Sinnen. Gleich treuer Schaͤffer. Gleich wie sich Liebe nicht und Alter schicken kuͤnnen/ So/ wer der reinen Brunst entzieht die frischen Glieder/ Der ist des Himmels Schluß und der Natur zu wider. Schau um dich/ Silvio/ was schoͤnes diese Welt/ Was lieblichs dieser Kreiß in seinen Armen haͤlt/ Das ist der Liebe Werck. Der Himmel ist verliebt/ Man siehet/ wie sich Erd und Meer im Lieben uͤbt. Der helle Stern/ der dort die Morgenroͤth ansaget/ Die Venus/ die am fruͤhen Himmel glaͤnzt/ Mit klarem Schein ihr stoltzes Haubt bekraͤnzt/ Fuͤhlt selbst das suͤsse Gifft/ womit sie andre plaget: Und izt koͤmmt sie vielleicht von ihres Liebsten Bette/ Verlaͤsst Gradivens angenehme Schoß/ In welcher sie verstohlner Lust genoß: Schau/ wie sie Strahlen schiesst/ wie sie noch winckt und lacht. Es fuͤhlen ihre Macht Die Thiere durch den Wald/ und lieben in die Wette. Die kalte See loͤscht nicht die heissen Flammen aus/ Dadurch die feuchte Schneck entzuͤndt ihr Wasser-Hauß. Die Liebe dringt zu Wallfisch und Delphin Durch Wind und Wellen hin. Die Nachtigall/ die hier so lieblich singt/ Und sich durch geilen Flug von Ast zu Aste schwingt/ Wuͤrd’ ohne Zweiffel/ wenn sie koͤnte/ sagen: Ich brenne vom Triebe Entzuͤndeter Liebe: Ich bin/ mein Verlangen/ Von Liebe gefangen. Auch hoͤret sie ihr Lieb in seiner Sprache klagen/ Und stimmet ihr/ von dem wir Zeugen seyn/ Mit angenehmer Antwort ein. Das Vieh in Staͤllen macht nach seiner Art bekandt Bey seines gleichen seinen Brandt. Der Thiere Fuͤrst der Leu erseufftzet/ daß der Wald Von Liebe/ nicht von Zorn/ mit Schrecken widerschallt. Mit kurtzem: Alles liebt/ nur Silvio will nicht/ Mit Himmel/ Erd und See zu lieben seyn verpflicht. B Laß/ GUARINI Laß/ tummes Kind/ hinfort den Thieren Wald und Haͤyn/ Und raͤume deine Brust den keuschen Flammen ein. Hat dich mein Vater mir darum gegeben bey/ Daß mir dein graues Haar ein schnoͤder Fuͤhrer sey Zu weicher Zaͤrtligkeit/ der Pest der Helden-Geister? Gedenck an dich/ und mich/ mein kluger Hofe-Meister. Ich bin ein Mensch/ dem Himmel Danck/ kein Kind/ Und menschlich mehr/ als du vielleicht/ gesinnt; Du bist/ (und sollt es seyn) ein Mensch; ich trage dir/ Was menschlich und was recht/ mit rechten Worten fuͤr. Du/ schaue zu/ wiltu nach Menschen-Art nicht leben/ Nicht eh’ ein tummes Vieh als einen Gott zu geben. Mein Ur-Ahn Hercules/ der grosse Wunder-Zwinger/ Waͤr’ izt nicht so bekannt/ sein Nahme viel geringer/ Haͤtt er der strengen Liebe Macht Nicht erstlich unter sich gebracht. Schaustu/ Blinder/ wie dir Licht Und Verstand allhier gebricht. Waͤrest du wol izt bey Leben/ wenn er nicht aus reinem Bette/ Wenn er nicht aus suͤssen Flammen dein Geschlecht erzielet haͤtte? Stritt’ er gluͤcklich/ zwang er Wunder: Liebe hatt ihr Theil daran. Weistu nicht was er zu Liebe seiner Omfale gethan? Er entbloͤßte nicht allein von der Leuenhaut den Leib/ Kroch in einen Frauen-Rock/ ließ sich schmuͤcken als ein Weib; Vor den Brauch beknornter Keule ward die kuͤhne Helden- Hand Zu dem unbewehrten Rocken/ zu der Spindel angewandt. Diß ist seiner Arbeit Lohn/ ihre Schooß ein Port der Glieder/ Die er voller Muͤdigkeit legt in ihren Armen nieder/ Durch die Seufftzer holt sein Leib den verlohrnen Athem ein/ Ihrer Kuͤsse Nectar-Safft muß sein kraͤfftig Labsal seyn. Gleich wie mit edlem Stahl vermischt ein spruͤdes Eisen Sich pfleget mehr geschickt zum Brauche zu erweisen/ So/ wenn den wilden Sinn der Liebe Feuer zaͤhmt/ Ist treuer Schaͤffer. Ist er zu edlem Thun und Wercken mehr bequemt. Wiltu dem Hercules nun wuͤrdig folgen nach/ Und ja nicht meiden Wald und Haͤyn/ Verachten voller Mutt der Jagten Ungemach/ So laß doch Liebe bey dir ein. Halt Amarillen werth/ die dir die Goͤtter schencken. Bistu Dorinden feind/ ich kan dich nicht verdencken/ Wenn dein getreuer Sinn haͤlt Glauben seiner Braut. Wie? meiner Braut? Die dir ist gleichsam als ver- traut. O frecher Juͤngling/ siehe zu und reitze nicht Die Goͤtter wider dich durch Brechung deiner Pflicht. Die Freyheit ist des Himmels Gutt; Der liebet nicht gezwungnen Mutt. Und rufft dich nicht der Himmel selbst hierzu/ Dein eigner Ruhm/ des Landes Heil und Ruh? Die Goͤtter werden gleich um diß in Sorgen sitzen/ Und unsers Landes Heil auf zwey Personen stuͤtzen. Mein Linco/ weder die noch jene liebt mein Hertz! Ich bin zur Jagt und nicht zur Buhlerey gebohren: Du brauche deiner Ruh zum Frauen-Dienst erkohren. Treibt so dein rauher Sinn aus meinen Worten Schertz? Koͤmmst du von Goͤttern her? mir will nicht ein/ Daß du des Himmels-Kind/ daß du ein Mensch kanst seyn; Und hat dich ja ein Weib in ihrer Schooß getragen/ So kan ich sicher sagen: Du seyst mit Gift von tollem Zorn und von Megaͤrens Schlangen Nicht mit Citherens suͤsser Kost und Freundligkeit em- pfangen. Erster Handlung anderer Eintritt. Mirtille. Ergasto. A marillis Ruhm der Erden/ Schoͤnes Wunder unsrer Zeit/ Kind an Sitten und Geberden Voll beliebter Freundligkeit/ B 2 Schnee GUARINI Schnee und Purpur kan nicht prangen Wie die Rosen deiner Wangen. Aber/ ach/ die harten Sinnen Kennen reine Liebe nicht/ Sind unmoͤglich zu gewinnen Durch getreuer Dienste Pflicht/ Lassen eh Mirtillen sterben/ Als die mindste Gunst erwerben. Nun wolan! weil meine Schmertzen Stets verborgen sollen seyn/ Will ich sie mit stillem Hertzen Samt dem Coͤrper sencken ein: Aber Berg und Thal/ als Zeugen/ Werden meine Pein nicht schweigen. Dieses tunckeln Waldes Schaten/ Wo so offt dein Nahme schallt/ Wird dein wildes Thun verrathen/ Meine sterbende Gestalt Und die Meng’ erlittner Qualen Aller Welt vor Augen mahlen. Dieser Brunn wird vor mich weinen/ Meine Noth beseufzt der Wind. Wenn die Augen nimmer scheinen Und der Lebens-Faden schwindt. Ist sonst alles stumm auff Erden/ Soll mein Tod doch redend werden. Mirtill/ der Liebe Gift ist nimmer ohne Pein; Doch aͤrger nie/ als wenn man seine Macht haͤlt ein. Gleich wie ein wildes Pferd den harten Zaum veracht Und sich ie mehr und mehr zu seinem Meister macht/ So wenn der Furcht Gebiß verliebte Zungen hemmt/ So wird der Seele Glutt gemehret/ nicht gedaͤmmt/ Biß endlich mit Gewalt der starcke Schaum bricht aus/ Und voller Flammen steht das Hertz/ der Seelen Hauß. Indem du doch den Brand nicht wustest zu verhaͤlen/ So soltestu beyzeit mir/ deinem Freund/ erzaͤhlen/ Was deine Kranckheit sey. Wie oft hab ich gesagt: Schaut/ treuer Schaͤffer. Schaut/ wie Mirtillo sich mit stillem Feuer plagt. Ich habe mich geplagt um dich nicht zu beschweren. Mein Schweigen solte noch auff diese Stunde waͤhren/ Wenn mich die grosse Noth nicht haͤtte kuͤhn gemacht. Es wird mir hier und dar ein Ruff vor Ohren bracht/ (Ein Ruff/ der mir das Blutt in Adern macht er kalten/) Daß Amarillis soll mit naͤchsten Hochzeit halten; Wenn aber/ und mit wem/ da weiß ich nichts davon/ Und darff mich weiter auch zu fragen nicht erkuͤhnen/ Mein Vorwitz doͤrffte sonst zu fremdem Argwohn dienen/ Ein trauriger Bericht seyn meiner Sorge Lohn. Ich weiß/ Ergasto/ wohl (die Liebe blendt mich nicht) Daß meine Sinnen hier sind was zu hoch gericht/ Daß ein so armer Knecht/ ein Schaͤffer meines gleichen/ Nicht so ein edles Bild/ dem tausend andre weichen/ Die dieses Land ernaͤhrt/ zur Braut erwarten kan. Ich klage mein Gestirn und seine Boßheit an/ Daß mir die Unlust nur und keine Lust will guͤnnen/ Mich heisset meine Pein vergebens lieb gewinnen. Doch weil es ie so war im Himmel angeschrieben/ Daß ich mein Leben nicht/ mein Sterben solte lieben/ So wolt ich noch so lieb und unerschrocken sterben/ Wenn meiner Feindin Gnad ich sterbend koͤnnt erwerben: Mein Auge solte sich mit Thraͤnen nicht befeuchten/ Wenn ihre Sonnen mir zum Tode wolten leuchten/ Die Lippen solten nicht in Ungedult ausbrechen/ Wenn mir ihr suͤsser Mund das Urtheil wolte sprechen. Mein einig Wuͤnschen ist/ noch einst gehoͤrt zu seyn/ Eh sie sich ehlich schliest in fremden Armen ein. Hastu mich lieb/ mein Freund/ als wie ich dich/ Erbarmt dich mein; O du mein andres Ich/ So sey bemuͤht mir so viel zu erlangen/ Laß mich von dir den letzten Trost empfangen. Verlangen deiner Liebe werth Und Trost dem Sterbenden zu guͤnnen: Nur zu erlangen hoch beschwert Und wohlbedachtsam zu besinnen! Wie wuͤrd es Ihr der Aermsten gehn/ wenn Vater oder Schwaͤher wuͤsten/ Daß GUARINI Daß sie zu hoͤren fremden Mund sich haͤtte lassen ie g luͤsten/ Und darum flieht sie dich/ den sie vielleicht im Hertze liebt/ Ob sie dir gleich aus Furcht bißher davon kein Zeiche giebt. Das Frauenzimmer ist verliebter weder wir/ Nur schlauer als der Mann/ zu bergen die Begier. Und/ liebte sie dich gleich/ was koͤnte sie sonst machen/ Als dich Mi r tillo fliehn/ bey so gestallten Sachen. Wer nicht kan helffen hoͤrt umsunft: Wo bleiben andern schaden kan Ist weg zu eilen eine Gunst. Wer zeitlich laͤsst aus Haͤnden fahren/ Was er nicht lange kan bewahren/ Hat Recht und handelt wohl daran. Ach! waͤre diß gewiß/ mit Freuden wolt ich sagen: O viel begluͤckte Pein! O angenehme Plagen! Doch sage mir/ Ergast/ wie dieser Schaͤffer heist Dem sich der Sternen Schluß so hoch geneigt erweist. Kennstu nicht Silvien/ des Priesters einigs Kind/ Dem wenig izt an Ruhm und Reichthum gleiche sind. Der muntern Jugend Blum und unsrer Schaͤffer Preiß/ Von dem Arcadien so viel zu sagen weiß? Diß ist der Braͤutigam von deiner Amarillen. O Mensch/ dem Himel/ Erd und Menschen stehn zu willen Der schon die reiffe Frucht des spaten Herbstes sieht/ Weil noch der fruͤhe Lentz auff seinen Wangen bluͤht! Ich neide dich nicht um dein Wohlergehn: Ich klage nur mein Ubelstehn. Auch hastu ihm nicht Ursach Neid zu tragen/ Vielmehr sein Ungluͤck zu beklagen/ Wie so? Weil er nicht liebt. Nicht liebet und kan leben? Nicht annimmt/ was er kan ohn alle Muͤh erheben/ Wenn andre Tag und Nacht darum in Sorgen schweben? Nicht brennet angeflammt von zweyer Sonnen Lichte/ Und hat ein Hertz im Leib/ hat Augen im Gesichte? Wie treuer Schaͤffer. Wiewohl/ wenn sich das meine recht bedenckt/ Es blieb kein Feuer mehr vor andre Hertzen/ Als ihrer Augen helle Kertzen/ Als ihre Glutt in meine Brust gesenckt. Wie aber/ daß man giebt solch Kleinod in die Hand/ Bey der es ohne Danck und uͤbel angewandt? Weil unser Heyl gesetzt der Himmel auff diß Paar. Ist dir noch unbekannt/ wie bey uns iedes Jahr Das unbefleckte Blutt von einer Nimphe dient Zum Opffer/ welches uns Dianens Zorn versuͤhnt? Das hab ich nie gehoͤrt/ als noch ein Gast im Lande Und Freund der Einsamkeit bey meinem Ungluͤcks-Stande. Wo aber ruͤhrt diß her? Mit kurtzem soll mein Mund Die traurige Geschicht ausfuͤhrlich machen kund/ Die nicht den Mensch allein/ die selbst die festen Eichen Und einen harten Felß zu Thraͤnen koͤnt erweichen. Als noch das Priesterthum kam in der Jugend Hand/ So fuͤhrt ein edler Hirt/ Amintas/ diesen Stand/ Lucrina trug davon die Freyheit seiner Sinnen/ Von aussen wunder-schoͤn und wunder-falsch von innen/ Nahm seinen Dienst wol auf/ zum mindsten auf den Schein/ Biß sich ein andrer drang zu seiner Seiten ein. Kaum ließ sich Rustieus ein schlechter Hirte finden/ (Schaut wie so leichtlich kan der Weiber Treue schwinden!) Und gab Ihr einen Blick/ es starb die alte Gunst Bey vollen Flammen aus/ und wich der neuen Brunst. Amintas/ eh’ er drum zu eyfern konte kommen/ Ward ihm Gelegenheit sie mehr zu sehn benommen. Man lachte seiner Pein: ob solches wehe that Urtheile/ wer mit dir die Lieb erfahren hat. O weh! kein aͤrger Schmertz ist auff der Welt zu finden/ Als seiner Liebe Frucht auff falschen Sinn zu gruͤnden. Als alles Klagen nun umsonst gieng dem verlohrnen Her- tzen nach/ So wand er den betruͤbten Sinn zur grossen Zinthia/ und sprach: Zinthia/ wo dir die heilige Hand Jemahl gefaͤlliges Opffer gebrannt/ B 4 Wo GUARINI Wo ich dir iemahl mit heiligem Hertzen Habe geraͤuchert geweyhete Kertzen/ Straffe durch Meineyd verraͤthrischer Hand Weiblicher Treue zurissenes Band. Diana hoͤrte zu voll Zorn und voll Erbarmen/ Fasst ihren Bogen an mit den ergrimmten Armen/ Schoß in Arcadiens des armen Landes Schooß Uns fremde Todes-Pfeil in grosser Menge loß. Es sturben unbeweint/ ohn Huͤlffe/ Jung und Alt Ohn Unterscheid der Zeit/ der Kraͤffte/ der Gestalt. Die Mittel waren schwach/ das Gegen-Gifft umsunst/ Das Fliehen war zu spat/ vergebens alle Kunst. Offt fiel der Arzt im Werck auff seines Krancken Bette/ Und wie man vor gelebt/ so starb man in die Wette. Der Himmel kont allein der Sache finden Rath/ Den man auch seinen Schluß uns zu entdecken bat. Die Antwort folgt alsbald/ die zwar genungsam klar Doch grausam uͤberaus und voller Schrecken war: Es wuͤrde Zinthia nicht weiter sich ergrimmen/ Wenn sie das falsche Blutt Lucrinens saͤhe schwimmen/ Selbst durch Amintas Hand getragen auffs Altar. Doch waͤre sie befreyt/ wenn aus der Schaͤffer Schaar/ Die dieses Land gezeugt/ sie einer retten wolte. Lucrina die gedacht/ daß vor sie sterben solte Ihr neu-geliebter Hirt/ als sie umsonst geschrien/ Geweinet und geklagt/ ward oͤffentlich dahin Gefuͤhret zum Altar: Sie beugte zu den Fuͤssen/ Die ihr so lange Zeit vergebens nachgehn muͤssen/ Mit Zittern ihren Fuß/ sezt auff die Knie nieder Die unbeholffne Last der Ohnmachts-vollen Glieder/ Starb allbereit vor Furcht/ erwartet aller bleich Von der erzoͤrnten Hand den Streich. Amintas unverzagt griff an sein heilges Eisen/ Der Wangen Roͤthe must der Sinnen Feuer weisen/ Er wandte sich zu Ihr/ und sprach sie seufftzend an: Dein Elend weiset dir izt/ was du hast gethan: Wen du geliebet hast/ und wen du hast verlassen/ Kanstu im Augenschein aus diesem Streiche fassen. So treuer Schaͤffer. So saget er/ und stieß den blancken Stahl mit Lust Biß an das Hefft in seine Brust/ Fiel auff die Priester selbst und Opffer gantz verblutt. Schau/ was das arme Weib bey diesem Schau-Spiel thut: Sie erstlich gantz erstarrt weiß von ihr selber nicht/ Weiß nicht/ ob sie der Schmertz/ ob sie das Schwerd durch- sticht. So bald sie sich erholt/ sagt sie mit vollem Weinen: Amintas/ treue Seel und kuͤhner Geist Liebhaber/ dessen reine Brunst zu langsam muß erscheinen. Du/ dessen Tod mir hat das Leben und den Tod gebracht/ Weil dich begeben ein Verbrechen heist/ Schau/ wie ich diß zu buͤssen bin bedacht/ Und meine Seele will mit dir in Ewigkeit vereinen. Hiermit zog sie das Eisen/ das noch warm Von dem so lieben Blutte war aus seiner offnen Seite/ Durchstach damit die zarte Schoß/ fiel in Amintas Arm/ Der noch den Stoß vielleicht so wohl als sie empfand. Und ein solch Ende nahm das Paar verliebter Leute/ Die Lieb und Falschheit bracht in diesen Jammer-Stand. O Schaͤffer/ welchen zwar in seiner Brunst Der Himmel zornig angeblickt/ Doch auch geneigter Sternen-Gunst So wohl und so beruͤhmt zu sterben hat begluͤckt! Was aber folgt im Lande drauff? Hoͤrt euer Ubel und der Goͤttin Eyfer auff? Ihr Zorn ward linder/ nicht gestillt; Als Hecate zwoͤlff mahl ihr Silber ausgefuͤllt Kam eine neue Pest und staͤrcker denn zuvor/ Man fragte noch ein mahl zu Rath der Goͤtter Chor/ Die Antwort war: Das Blutt des Landes zu ersparen Soll kuͤnfftig iedes Jahr der Goͤttin Opffer seyn Ein Weib von drey mahl fuͤnff und unter zwantzig Jahren. Auch setzte sie ein Recht mit Blutt geschrieben ein/ Daß/ wenn man siehet an die Neigung ihrer Sinnen/ Nicht leicht ein Frauen-Bild wird voͤllig halten kuͤnnen: Wenn Jungfrau oder Frau beflecket ihre Treu/ Daß sie ohn Unterscheid des Todes schuldig sey. B 5 Dem GUARINI Dem Ubel dieser Noth sucht unser Priester Rath/ Wie uns der Himmel selbst zu naͤchst entdecket hat: Es wird/ was euch betruͤbt/ nicht eh’ sein End erlangen/ Biß Liebe zwey verbindt von goͤttlichem Geschlechte/ Und durch geuͤbte Treu ein Schaͤffer bringt zu rechte Den Irrthum/ den vorlaͤugst ein falsches Weib begangen. Nun zaͤhlt das gantze Land nicht andern Himmel-Saamen/ Denn die verlobten Zwey. Montanus Vaͤter kamen Vom starcken Herkules/ der Braut vom grossen Pan/ Und ward bißher niemahl kein Paar getroffen an/ Das ehlich koͤnte seyn. Drum hat auff diß Verbinden Sein Hoffen unser Land Ursache gnug zu gruͤnden. Folgt gleich nicht alles bald/ was uns versprochen ist/ Ist doch der Anfang hier/ den Uber-Rest beschlist Verhaͤngniß und die Zeit in ihren Abgrund ein/ Und wird die Frucht ein mahl von dieser Hochzeit seyn. Armseliger Mirtill/ muß denn dein armes Hertze/ Das schon dem Tod im Rachen liegt/ Von so viel Feinden seyn bekriegt/ Die seine Hencker seyn! War Venus Schwefel-Kertze/ War Liebe nicht genung/ daß auch zu deinen Plagen Verhaͤngnis muß die Waffen tragen? Mirtill/ die Liebe wird genaͤhrt Von Thraͤnen/ sonder satt zu werden; Das eigne Hertze wird verzehrt/ Sie fallen ohne Frucht zur Erden. Komm laß uns weiter gehn/ ich spare keinen Fleiß/ Wo ich dir einen Dienst damit zu leisten weiß. Ists moͤglich/ soll sie dir noch heute hoͤren zu; Du goͤnn indeß den muͤden Sinnen Ruh. Es dient nicht/ wie du denckst/ der heissen Seuffzer Lufft/ Zu kuͤhlen deine Brust von Flammen angestecket/ Sie sind vielmehr ein Sturm entrissen aus der holen Grufft/ Der in die Asche blaͤst und neuen Brand erwecket/ Die sonsten heitre Stirn in dicke Wolcken zwingt/ Stets Nebel neuer Noth und Thraͤnen-Regen bringt. Erster. treuer Schaͤffer. Erster Handlung dritter Aufftritt. W Er hat iemahls mit mir empfunden gleiche Schmer- tzen? Wer hat so wunderlich gelitten und geliebt? Es streiten Lieb und Haß vermischt in meinem Hertzen/ Daß stets des einen Tod dem andern Leben giebt/ Nicht weiß ich auff was Art. Schau ich Mirtillen an Von dem beliebten Haubt biß zu den leichten Fuͤssen/ Der glatten Wangen Zier/ der hellen Augen Schein/ Die Glieder/ welche sich so wohl zu schicken wissen/ Den Mund/ der so beredt mit Worten spielen kan/ Der edlen Sitten Art/ sein freyes Thun und Lassen/ So dringet sich die Lieb’ in meinem Hertzen ein/ Und macht den duͤrren Sinn ein solches Feuer fassen/ Daß alle Neigung sonst zu uͤberwinden scheint: Stell ich mir aber fuͤr die felsen-harte Sinnen/ Die meinen Reitzungen noch widerstehen kuͤnnen/ Und wie er andre mehr/ als mich/ mit Liebe meynt/ Wie er (im fall ich soll die Warheit von mir sagen/) Der von so vielen sonst geehrten Glieder Pracht/ Die von so vielen sonst verlangte Gunst veracht/ So fang ich solchen Haß an gegen ihn zu tragen/ Daß mir unmoͤglich scheint der Liebe Glutt zu fangen. Bald denck ich bey mir selbst: Ach koͤnt ich meinen Schatz Mirtillen/ meine Lust/ zum Eigenthum erlangen/ Daß keine fremde Brunst mehr in ihm finde Platz/ Corisca solte sich vor andern gluͤcklich preisen. Denn wird ein suͤsser Zwang in meiner Brust gespuͤrt/ Der mich Mirtillen nach durch Feld und Waͤlder fuͤhrt/ Der mir giebt an die Hand/ ihm meine Brunst zu weisen Und mein Vergnuͤgen/ Ehr und Pflicht zu setzen fuͤr/ Denn brennet in mir selbst so hefftige Begier/ Daß ich den stoltzen Leib wolt ihm zu Fuͤssen neigen Und ihm als einem GOtt in Demuth Ehr erzeigen. Bald wacht mein Eyfer auff/ sagt: Ein verstocktes Hertze/ Ein unbemenschter Sinn/ der andre lieben kan/ Und GUARINI Und dich hergegen flieht? Der deiner Augen Kertze Der deine Schoͤnheit schaut mit starren Augen an/ Und nicht entzuͤndet wird; der sich vor deinen Strahlen So zu beschuͤtzen weiß/ daß er nicht alsobald Vor Liebe siecht und stirbt? Und ich/ gewohnt zu prahlen Mit vielen/ derer Haubt in klaͤglicher Gestalt Zu meinen Fuͤssen liegt und heisse Thraͤnen schwizt/ Soll mein sieghafftes Haubt zu seinen Fuͤssen biegen? Ach! Erd und Himmel soll viel eh’ in Asche liegen/ Als dieses wird geschehn. Denn wird mein Sinn erhizt/ Erzuͤrnet wider ihn/ erzuͤrnet wider mich/ Daß ich ihn hab’ iemahls geschaut mit suͤssen Augen/ Daß mir so tolle Brunst iemahls zu Sinne kam: Denn ist mir meine Glutt und des Verraͤthers Nahm Als wie der Tod verhaßt: Denn wuͤnsch ich meinen Feind Die aͤrmste Creatur/ die Sonn und Mond bescheint/ Und/ koͤnte seyn mein Blick ein scharffer Schlangen-Stich/ Mit Lust wolt ich das Blutt aus seinen Adern saugen. So plagt mich Lieb’ und Haß/ Verachten und Verlangen. Ich/ die ich doch bißher so manchen Sinn gefangen/ Die ich so mancher Seel ein Hencker pflag zu seyn/ Lern’ itzo an mir selbst erkennen ihre Pein. Ich/ die ich so viel Zeit nach Wuͤrden in der Stadt Geehret und bedient doch immer frey geblieben/ Der manch vornehmes Blutt vergebens nachgetracht/ Manch reicher Buͤrgers-Sohn umsonst Geschencke bracht/ Soll itzund auff dem Land unedle Schaͤffer lieben/ Wo Betteley den Sitz und Grobheit Wohnung hat? O unbegluͤcktes Mensch/ wie wuͤrd’ es dir ergehn/ Wenn du izt soltest bloß von andern Buhlern stehn? Wie woltest du die Lust der heissen Regung buͤssen/ Und vor den Kuͤtzel-Trieb der Liebe Mittel wissen? Auff meine Kosten mag die Nach-Welt heut erfahren/ Daß stets ein Buhler sey zu halten auff die Noth. Wie uͤbel thut ein Weib/ die bey den besten Jahren Von einer Hand empfaͤngt ihr sparsam Tage-Brod! Corisca wird gewiß niemahls so naͤrrisch seyn/ In solche Dienstbarkeit den Sinn zu lassen ein. Was treuer Schaͤffer. Was ist Bestaͤndigkeit? Was ist geruͤhmte Treu? Ein Maͤhr/ das Eyfersucht hat auff die Bahn gebracht/ Das bloͤder Maͤnner Hirn zu einer Tugend macht/ Damit es ein Tyrann der jungen Einfalt sey. Die Treue/ welche man in Frauen Sinnen spuͤret/ (Wo eine lebt/ wie ich nicht weiß/ die solche fuͤhret/) Fliest von der Tugend nicht/ ruͤhrt von dem Mangel her/ Den sie nicht aͤndern kan. Wenn ihre Koͤcher leer Von Liebes-Pfeilen sind/ die Augen schlaͤffrig spielen/ Die Wangen den Verlust der Purpur-Farbe fuͤhlen/ Die abgenuͤzte Haut mit Runtzeln sich bezieht/ Der ausgekuͤßte Mund nicht mehr von Rosen bluͤht/ Denn muß sie wohl vorlieb mit einem Buhler nehmen/ Wenn andre sich forthin sie zu bedienen schaͤmen Und ihrer muͤde sind. Ein Weib/ ein schoͤnes Weib/ Der eine muntre Schaar giebt suͤssen Zeitvertreib/ Im fall sie andre laͤst/ sperrt sich zu einem ein/ Und giebt die Freyheit hin/ scheint keine Frau zu seyn/ Und / ist sie eine Frau/ so hat sie nicht Verstand. Was hilfft dich deine Zier/ im fall sie unbekandt Und unverehrt allein zu eines Diensten steht? Je mehr die zarte Hand von Hand zu Hande geht/ Je mehr der suͤsse Blick kan zwingen edle Sinnen/ Die ihrer wuͤrdig seyn/ ie mehr wird ihre Macht/ Der so manch Helden-Geist nicht widerstehen kuͤnnen/ Und ihrer Tugend Ruhm durch alle Welt gebracht. Der schoͤnen Frauen Ehr ist ihrer Buhler Zahl/ Ihr Schimpff/ wenn einer sie bedienet auff einmahl. So sieht man in der Stadt die klugen Frauen leben/ Die mit Verstand und Stand uns Beyfall koͤnnen geben. Nicht hoͤren/ wenn man will mit sie von Liebe sprechen/ Abschlagen eine Gunst/ ist Thorheit und Verbrechen. Was einer nicht kan thun/ verrichten endlich viel: Der eine wart ihr auff/ wenn sie sich weisen will; Der andre haͤlt sie aus mit Kramen und Geschencken; Vor andre kan sie sonst ein ander Amt erdencken. Offt wecket dieser auff des andren todte Brunst/ Durch Eyser gegen ihm; offt hat der eine Gunst/ Da- GUARINI Damit man seine Nach am andern kan veruͤben/ Und was dergleichen mehr in Staͤdten wird getrieben/ Da ich an Jahren jung von kluger Meisterin Die schlaue Liebes-Kunst gelehret worden bin. Liebhaber muͤssen wir/ pflag sie mir offt zu sagen/ Gebrauchen/ als ein Kleid; viel haben/ eines tragen/ Und oͤffters wechseln um. Gemeinschafft bringt Verdruß/ Aus welchem endlich Haß uud Feindschafft folgen muß. Ein Weib/ ein tolles Weib/ kan aͤrgers nichts beginnen/ Als wenn sie ihrer laͤst den Buhler satt gewinnen: Laß ihn/ als ungeacht/ bey dir von ferne stehn/ Niemahls zu viel vergnuͤgt und ecklend von dir gehn. So hab’ ichs stets gemacht: Ich liebe sie bey Schocken/ Such alle nach und nach mit Hoffnung an zu locken: Den druͤckt die weiche Hand/ dem giebt der linde Stoß Des Fusses guten Trost/ den heist das Auge kommen/ Und jenen rufft der Mund/ den Besten faßt die Schoß. Das Hertze wird nicht leicht von einem eingenommen. Nicht weiß ich/ wie ich mich dißmahl hab uͤbersehn/ Daß sich Mirtillo hat mit List darein gefundeu; Wie mir so unverhofft der Possen sey geschehn/ Daß ich/ gleich andern muß empfinden tieffe Wunden. Ich seuffz’/ und welches mich am meisten schmerzt/ umsunst/ Ich brauche gegen ihn vergebens Macht und Kunst/ Ich stehle bey der Nacht den Gliedern ihre Ruh/ Mir schliest kein suͤsser Schlaff die muͤden Augen zu/ Mich druͤckt das leichte Bett/ ich seuffze nach dem Morgen Der Hoffnung meiner Pein/ dem Trost verliebter Sorgen. Ich suche durch den Wald/ auff was vor Bahn gegangen Mein Leben und mein Tod/ mein feindliches Verlangen. Was aber werd ich thun? Soll bitten dieser Mund? Diß wird ihm durch den Haß und Eyfer nicht vergunnt. Soll ich sein Auge fliehn? Das will die Liebe nicht. Was soll ich denn nun thun? Wer giebet mir Bericht? Ich will durch gutte Wort’ ihm erst das Hertze ruͤhren/ Ihn/ die Verliebte nicht/ die Liebe lassen spuͤren. Nuͤtzt dieses nicht/ so soll Betrug das andre seyn/ Stimmt seine Wuͤrckung nicht mit meinem Hoffen ein/ So treuer Schaͤffer. So soll mein Eyfer sich zu rechter Rache sparen. Will er die Liebe nicht/ er soll den Haß erfahren. Die Amarillis soll der schnoͤden Gunst gereuen/ Die sie in ihm erweckt: Es soll sich iede scheuen Vor meinem Grimm/ das Land mit Schrecken sehen an/ Was ein verschmaͤhtes Weib vor Dinge richten kan. Erster Handlung vierdter Eintritt. Montanus. Titirus. Dametas. I Ch weiß/ Montan/ daß dein Verstand Weit uͤber meinen geht/ doch aber ist bekandt/ Wie Goͤtter-Spruͤche sind so uͤbel zu ergruͤnden/ Wie Menschen Witz so schwer kan rechte Deutung finden/ Biß ihn der Ausgang lehrt die vor verfehlte Bahn. Sie sind dem Messer gleich/ das zum Gebrauch ist nuͤtze Dem/ der die Schale faßt; ergriffen bey der Spitze Viel eher lebend Fleisch als todtes faͤllet an. Daß Amarillis soll/ wie du mir redest ein/ Zum Heyl Arcadiens bestimmt vom Himmel seyn/ Ist mir/ als Vater/ wohl vor allen andern lieb. Doch/ wenn ich weiter seh’ auff beygefuͤgte Zeichen/ So wollen sie sich schlecht mit unsrer Hoffnung gleichen. Soll das benennte Paar durch suͤsser Flammen Trieb Zusammen seyn verknuͤpfft/ warum will seiner Braut Der wilde Braͤutigam so wenig Sorge tragen? Was auff des Himmels Schluß hat seinen Grund gebaut/ Find wenig Hindernis: Was sich zu stoͤhren wagen Geluͤck und Menschen-Sinn/ kan das Verhaͤngnis nicht Vor Vater geben an. Hat dieses eingeschrieben In sein Demantnes Buch/ daß meine Tochter soll Heyrathen deinen Sohn/ so muß er nicht so wohl Zum Jagen seyn geneigt/ als zu dem suͤssen Lieben. Giebst du nicht/ Titirus/ auff seine Jugend acht/ Daß er kaum achtzehn Jahr hat hinter sich gebracht? Laß nur noch wenig Zeit verschwinden/ Die Liebe wird ihn schon zu ihrer Straffe finden. Die Liebe/ die er traͤgt zun Hunden/ nicht zu Frauen? M. Was GUARINI Was kan man schicklichers vor solche Jahre schauen? Vor Jahre/ die Natur zur Liebe fuͤhret an? Zu Liebe/ die man nicht vollkommen nennen kan. Sie bluͤhet iederzeit/ doch meist im fruͤhen Lentzen. Wo Bluͤchen ohne Frucht ihr gelbes Haupt bekraͤntzen. Weist sich die Blume nur/ wird auch die Frucht wohl kom̄en Doch hab ich meinen Weg/ Montan/ nicht hergenommen/ (Es wuͤrde solches auch nicht recht noch rathsam seyn/) Mich in Geschwaͤtz und Streit mit dir zu lassen ein. Ich habe nur allein in Freundschafft diß zu bitten/ Daß du bedencken wollst/ ich hab’ ein einigs Kind/ Und/ wenn ich sagen darff/ ein Kind von gutten Sitten/ Um welches ihrer viel bey mir bemuͤhet sind. Mein Freund/ wolt uns gleich nicht des Himmels Vorb- deuten/ Und unser aller Heyl zu solcher Hochzeit leiten: So trieb uns doch darzu die schon versprochne Treu: Wer diese brechen wolt/ erzuͤrnt hiermit auffs neu Die annoch uͤber uns erhizte Goͤttligkeit/ Stuͤrzt unser armes Land in neues Hertzeleid. Im fall mich aber nicht betruͤgen meine Sinnen/ Und Priester was vom Rath der Goͤtter wissen kuͤnnen/ So/ deucht mich/ koͤmmt es selbst von dem Verhaͤngniß her/ Daß zu der Sache sich der Anfang weist so schwer: Doch wird sie mit der Zeit ihr gluͤcklich Ziel erreichen/ Und/ (hoffe nur getrost) all’ unser Sorge weichen. Den Sinn bestaͤrcket mir ein Traum vergangner Nacht/ Der mir das Hertze voll erfreuter Hoffnung macht. Die Traͤume sind wohl Traͤum’: Jedoch was kam dir vor Dich wird wohl/ glaͤnb’ ich/ noch die schwere Nacht gedenckē Als Ladons stoltze Flutt ihr Ufer uͤberstiegen/ Und unser gantzes Land bedraͤute zu ertraͤncken. Wo vor manch Feder-Kind zu Neste pflag zu fliegen/ Schwam um den Weyden-Zweig ein Hecht und Aal empon Die Menschen und das Vieh/ die Staͤlle samt den Heerden Die musten hin und her des Wassers Beute werden. In eben dieser Nacht/ in dieser Nacht voll Schrecken/ Verlohr ich einen Schatz/ mir lieber als das Leben/ Mein damahls einigs Kind mit Windeln noch umgeben. Es treuer Schaͤffer. Es kont uns nicht die Noth so bald vom Schlaffe wecken/ Als ihn der strenge Strom mit sich hinweg gefuͤhrt. Kein Mittel ließ uns Nacht und Schrecken kommen ein/ Dadurch wir ihm so bald behuͤlfflich koͤnnen seyn. Man hat die Wiege selbst im Suchen nie gespuͤrt/ So/ daß ich seither dem hab’ allezeit ermessen/ Es habe Wieg und Kind ein Wirbel eingefressen. Nichts anders freylich ist hierinne zu vermutten. Itzunder kanst du recht von deinen Kindern sagen/ Zwey Soͤhn hat meine Frau und keinen mir getragen/ Den einen vor den Wald/ den andern vor die Flutten. Vielleichte wird durch Gunst des Himmels dessen Leben Mir den Verstorbnen auch mit Wucher wieder geben. Der Hoffnung starcker Grund laͤst uns in Schanden nicht. Izt hoͤre weiter an/ was dich mein Traum bericht: Es war die Stunde gleich/ da zwischen Tag und Nacht Das annoch schwache Licht der Morgen-Roͤthe Pracht Mit tuncklen Farben zeigt/ als mir die suͤsse Ruh/ (Ein fremder Gast bey mir/ den dieser Heyrath Sorgen Gezwungen wach zu seyn biß an den lichten Morgen/) Schloß durch gelinden Schlaff die muͤden Augen zu; Bald traͤumte mir/ ich saͤß im Schatten einer Linden/ (Ich wolte noch den Ort auff diese Stunde finden/) Und stellte bey Alfeens Bach Den Fischen mit dem Angel nach/ Da stund im Wasser auff ein Mann von Jahren alt/ Dem noch ein Silber-Strom aus Bart und Haaren floß/ Den gantz entbloͤsten Leib mit Tropffen uͤbergoß. Er nahte sich zu mir mit freundlicher Gestalt/ Gab mir ein nacktes Kind aus seinen Armen/ Daß durch sein Weinen mich bewegte zum Erbarmen/ Und sprach: Diß ist dein Sohn/ den huͤtte dich zu toͤdten: Mit diesem taucht er sich ins Wasser/ und verschwand. Bald ward der Himmel schwartz/ die Winde rissen loß/ Es draͤuten Wolck uñ Sturm mit schweren Wasseꝛs-Noͤthen/ Es schaurte mich die Haut/ Ich faßte voller Furcht das Kind in meine Schoß/ Schrie/ daͤucht mich/ uͤberlaut: C So GUARINI So giebt mir eine Stund und raubt mir dieses Pfand! Hierauff ward wieder klar das hohe Wolcken-Hauß/ Es fielen haͤuffig in den Fluß In Asch und leichten Staub zermalmte Donner-Keil/ Es zitterte der Linde fester Fuß/ Ließ diesen Schall mit heiserm Rauschen aus: Arcadien wird noch erlangen Gluͤck und Heyl. Und diß ist mir so tieff im Sinne blieben kleben/ Daß ich noch diese Stund es seh vor Augen schweben. Vornehmlich seh’ ich noch des Alten Ebenbild/ Der mich so wohl beschenckt/ lebendig vor mir stehn/ Bin auch deswegen hier in Tempel hin zu gehn/ Zu beten/ daß mein Traum von Goͤttern werd erfuͤllt/ Und Willens anzusehn durch heilger Opffer Zeichen/ Was vor ein Ende noch mein Anschlag wird erreichen. Die Traͤume sind vielmehr der eitlen Hoffnung Schatten/ Als Spiegel/ unser Gluͤck und Ungluͤck zu errathen/ Sind falsche Bilder/ so die Nacht Auff der Gedancken Grund-Riß macht. Nicht allemahl schlaͤfft unser Geist/ Wenn gleich die Augen sind geschlossen/ Der sich am meisten unverdrossen Und hoch zu steigen fertig weist/ Wenn ihn die eingeschlaͤfften Sinnen Nicht hindern/ noch bethoͤren kuͤnnen. In Summa/ mir und dir sind unbekandte Sachen/ Was das Verhaͤngniß will mit unsern Kindern machen; Diß aber ist bekandt/ daß Silvio diß flieht/ Worzu ihn die Natur/ und unser Wille zieht; Mein’ Amarillis soll zur Treue seyn verbunden/ Hat keine Gegen-Treu und Liebe noch empfunden/ Lebt dienstbar ohne Lohn. Diß weiß ich nicht zu sagen/ Ob sie der Liebe Glutt auch in geheim mag plagen. Viel leiden wegen ihr/ und will mir uͤbel ein/ Daß sie nicht fuͤhlen soll auch selbst ein Theil der Schmertzen Mit denen sie bißher plagt so viel Junger Hertzen/ Auch koͤmmt mir fremde vor/ daß ihrer Augen Schein Nicht mehr so munter blickt/ daß ihre zarte Wangen Nicht treuer Schaͤffer. Nicht also freudig mehr mit frischem Glantze prangen/ Daß alles/ wie vorhin/ nicht an ihr lebt und lacht/ Und sie ihr keine Lust von freyen Stuͤcken macht. Es ist ein grosser Schimpff ein guttes Kind zu aͤffen Mit Heyrath/ welche man hernach nicht denckt zu treffen. Gleichwie die edle Ros’ im Mittel bunter Auen/ Der unlaͤngst noch ein gruͤner Flor sich um die zarte Stirne wandt/ Und sie verschlossen hielt/ die fremd und unbekandt Im Schleyer brauner Nacht auff ihrer Mutter Schoß Der stillen Ruh genoß/ So bald sich laͤst ein Strahl der Morgen-Sonne schauen/ Sich fuͤhlet/ und entdeckt mit inniglicher Lust Den gegen sie gerichten Blicken/ Die Balsam-volle Schoß und Brust/ Die ein gelinder Thau mit Perlen muß besticken/ Darauff so manches Honig-Kind Die Zucker-suͤsse Speise findt; Wird aber sie alsdenn nicht zeitlich abgebrochen/ Und laͤst man sie die Glutt der Mittags-Hitze kochen/ So stirbt sie mit der Sonnen ab/ Der Strauch auff dem sie stund/ ist Bahre/ Sarg und Grab; Der todte Leib weist fast kein Zeichen/ Das einer Rose sey zu gleichen; So eine Jungfrau auch/ weil noch der Mutter Pflege Sie eingeschlossen haͤlt in Schrancken keuscher Pflicht/ Weiß ihr unschuldig Hertz von keiner Liebe nicht/ Unwissenheit und Furcht steht ihrer Lust im Wege. Doch/ wenn ein kuͤhner Blick in sie verliebter Sinnen Ihr in die Augen leuchtt/ wenn sie die Seuffzer hoͤrt/ Als stumme Zeugen suͤsser Schmertzen/ So wird durch falsches Gifft der Liebe sie bethoͤrt/ Und thut die Festung auff des vor gesperrten Hertzen/ Laͤst Liebe bey ihr ein. Haͤlt ihren Vorsatz innen Die angebohrne Scham/ treibt ihren Schluß zuruͤcke Die Sorge strenger Zucht/ so schweigt das arme Kind/ Verzehrt sich in sich selbst mit brennendem Verlangen/ Und/ haͤlt das Feuer an/ so stirbt der Glantz der Wangen/ C 2 Die GUARINI Die Rosen fallen ab/ die ungebrochen sind/ Die Zeit verlieret sich/ und mit der Zeit ihr Gluͤcke. Sey/ Titiro/ getrost/ und plage dein Gemuͤtte Nicht mit der bloͤden Furcht. Wer freudig hofft/ Dem hilfft des Himmels Gunst: Wer furchtsam rufft/ Bleibt droben unerhoͤrt. Es wird ja sein Gebluͤtte/ Wer fremden Samen laͤft in vollem Seegen stehn/ In unsern Kindern auch nicht lassen untergehn. Wir wollen uns itzund zugleich in Tempel finden/ Dem Pan und Hercules mit Opffern uns verbinden. Geh/ mein Dametas/ hin/ befiehl/ daß von der Heerde Der schoͤnste Farren mir herzu gefuͤhret werde. Und mir laß einen Bock von Hause bringen hin/ Damit ich meinen Pan zu ehren willens bin. Es soll geschehn. Die Goͤtter wollen geben/ Daß dir/ Montan/ der Traum so gluͤcklich moͤge seyn/ Als du dir bildest ein: Mich daͤucht/ das Widerspiel wird einst vor Augen schweben Erster Handlung fuͤnffter Eintritt. D Er rauhe Winter-Frost/ der heissen Sonne Brand/ Der Hagel-Steine Last/ der Wuͤrme nagend Heer/ Der Netze truͤglich Garn/ der falschen Zweige Stand/ Ist Pflantzen/ Blumen/ Frucht und Wild nicht so gefaͤhr/ Als einem Menschen ist der heissen Liebe Glutt/ Die aus den Adern kreischt/ der Seele Marck/ das Blutt. Wer sie zum ersten mahl ein Feuer pflag zu nennen/ Must ihr boßhafftig Thun wohl aus dem Grunde kennen: Denn schau das Feuer an/ sein Glantz wird dich ergetzen; Doch greiff das Feuer an/ sein Brand wird dich verletzen. Es hat die weite Welt kein aͤrger Ungeheuer/ Gefraͤßig als ein Thier/ gebeißig als ein Eisen/ Geschwinder als der Wind/ wo’s seine Macht will weisen/ Giebt alle Staͤrcke nach/ und weichet alle Macht. Nicht anders pflegt zu thun das innerliche Feuer: Beschaust du seinen Glantz/ besiehst du seine Pracht In treuer Schaͤffer. In heller Augen Licht/ in Flammen goͤldner Haare/ Was scheinet dir es nicht vor angenehme Waare/ Wie freundlich spilt sein Blitz mit Gold und Purpur-Strah- Im fall sich aber will dein Vorwitz naͤher wagen/ (len! Und ihme Zeit vergoͤnnt sich bey dir einzusetzen/ So darff kein Tyger-Thier auff dich die Zaͤhne wetzen/ Es darff dir Libyen nicht Lew und Schlange tragen/ Dein Hertze naͤhrt ihr auch. Es ist mit seinen Qualen Des Pluto schwartzes Reich gelinder/ weder sie/ Sie toͤdtet ohne Tod/ macht sterben/ stirbt doch nie/ Ist Liebe/ die doch nichts von Liebe wissen wil/ Erbarmniß ist ihr Feind/ und Grausamkeit ihr Spiel. Was aber hab’ ich auch der Liebe zuzuschreiben/ Was Menschen nicht aus Lieb/ aus Wahnwitz leiden muͤssen. O falscher Weiber-Sinn/ auff dir muß billig bleiben Der Schimpff/ den sonst die Liebe traͤgt. Die Liebe/ die allein mit Honig pflegt zu flissen/ Wird Galle neben dir; der Weg zu deinem Hertzen Wird ihr durch dich verlegt. Was ist dein Zeitvertreib/ dein Sorgen und dein Schertzen? Nicht die erwiesne Treu mit Treue zu begleiten/ Ein Hertze/ das dich liebt/ mit Liebe zu bestreiten/ In Lieb’ und Leid mit Hertz und Hand zu seyn gepaart: Die Maͤngel der Natur mit Kunst zu uͤbermeistern/ Diß ist dein falsches Thun/ nach Vogelstellers Art/ Der Stirne rauhes Feld mit Gummi zu bekleistern/ Aus deiner Haare Garn zu flechten falsche Schlingen/ Die manch verliebtes Hertz um seine Freyheit bringen. Wem solte nicht vor Zorn die Seele zittern/ Wenn er dich vor dem Spiegel sieht/ Wie sich die leichte Faust bemuͤht Der Wangen todten Glantz mit Purpur zu erheben/ Dem Schwartzen einen Schein mit Oel und Safft zu geben/ Der Runtzeln hole Schoß mit Bleyweiß auszufuͤttern/ Ein iedes Haar/ so nicht am rechten Orte steht/ (Und solte gleich ein Thraͤnen-flissen Der Haͤnde Fehler zahlen muͤssen/) Durch fremden Werckzeug auszuziehn/ C 3 Und GUARINI Und was vor Eitelkeit da mehr zu Schwange geht. Doch gienge diß noch alles hin: Sehn wir die Sitten an/ so finden wir desgleichen. Was um und an dir ist hat falschen Grund. Eroͤffnet sich dein schlauer Mund/ So ist das Hertze weit davon. Die Seuffzer sind ein leerer Thon/ Die mit dem Rauch in leichte Lufft entweichen. Das Auge spielt mit abgerichten Blicken/ Kan einen Strahl an wie viel Orte schicken. Du gehest oder stehst/ du redest oder schweigest/ Du blickest oder nicht/ du weinest oder lachst/ Du singest oder springst/ du schlaͤffest oder wachst/ Du hassest oder liebst/ so weiß ich/ du betreugest; Am meisten aber den/ der dir am meisten traut. Du traͤgest alle Schuld/ so man der Liebe giebt: Doch traͤget sie vielmehr/ wer seine Hoffnung baut Auff deiner Falschheit Eiß. Daß ich dich ie geliebt/ Corisca/ falsches Weib/ und mich verfuͤhren lassen/ Muß ich die Schuld izt selbst auff meinen Ruͤcken fassen. Du bist von Argos mir zur Straffe/ glaͤub ich/ kommen/ Wo alle Buͤberey hat ihren Sitz genommen. Doch weist du so geschickt dein Hertze zu verstellen Mit angemaßtem Schein ertichter Erbarkeit/ Daß du dich ohne Scheu zu denen darffst gesellen/ Die unser Laud erkennt vor Blumen dieser Zeit Und unsrer Jugend Ruhm. Was hab’ ich ausgestanden! Was hab’ ich offt gethan aus Liebe gegen dir/ Das mich izt schamrot macht! Ich werde klug mit Schanden Mit Schaden unterricht. Verliebte lernt von mir. Macht euch ein schoͤnes Weib nicht selbst zum eiteln Goͤtzen; Sie wird euch sonsten Koth/ sich eine Goͤttin schaͤtzen/ Wird ihr vor lauter Ernst und Warheit bilden ein/ Was eure Heucheley pflegt von ihr auszuschreyn. Was nuzt die Dienstbarkeit/ diß Bitten/ dieses Sehnen/ Die Seuffzer ohne Zahl/ die ungemeßnen Thraͤnen/ Das Liegen zu den Knien/ das Buͤcken zu der Erde/ Als daß ihr stoltzer Sinn dadurch gestaͤrcket werde? De- treuer Schaͤffer. Dergleichen Waffen fuͤhr ein Ohnmacht-volles Kind/ Und unbeherztes Weib: Wir/ die wir Maͤnner sind/ Solln uns im Lieben auch als frische Helden weisen. Ich ließ mich auch bißher die eitle Hoffnung speisen/ Man koͤnnt ein Frauen-Hertz durch solche Kunst gewinnen; Mit Schaden werd ich izt gefuͤhrten Irrthums innen. Ist einer Frauen Hertz ein harter Kiesel-Stein/ So wirst du ihn umsonst mit heissen Thraͤnen netzen/ Durch linder Seuffzer Hauch in Flammen wollen setzen; Dein kuͤhnes Hertze muß ein hartes Eisen seyn/ Verbergen seinen Brand biß zu gelegner Zeit/ Und denn die heisse Glutt auff eignem Heerd entzuͤnden. Sie lassen sich zum Schein verschaͤmt und furchtsam finden/ Und suchen ihren Ruhm in scheuer Bloͤdigkeit/ Die sie doch biß in Tod an ihren Buhlern hassen. Corisca findet mich nicht weiter so verzagt: Mein Hertz hat aller Furcht und Demuth abgesagt/ Ich will auff andre Art hinfort mit ihr gebahren. Sie ist mir nun zwey mahl aus meiner Hand entfahren; Ich will das schlaue Thier ins kuͤnfftig enger fassen. Sie hat hier ihren Gang: Ich will bey diesem Stein Ihr warten auff den Dienst. Laͤufft sie mir wieder ein/ Wie will ich mich an ihr mit solchem Ernste raͤchen! Wie will ich sie in diese Nesseln druͤcken/ Wie will ich ihr das Haubt zu rechte ruͤcken/ Biß sie ermuͤdet wird mit schwacher Stimme sprechen: Ach! Schuͤler sehen auch zu lezte/ wo sie gehn/ Und List der Weiber kan die Laͤnge nicht bestehn. G Esetze/ welches selbst in Jovis Schoß geschrieben/ Durch dessen suͤsse Macht wir werden angetrieben Zu lieben unvermerckt ein unbekandtes Gutt/ Durch dessen linden Zwang das innerliche Blutt In Adern wird erhizt/ offt/ eh die bloͤden Sinnen/ Was sie darzu gereizt genugsam wissen kuͤnnen. Daß durch verborgnen Geist und seine Krafft erreget Der Erden schwangre Schoß/ so manches Wunder traͤget/ C 4 Und GUARINI Und iedes was ihm gleich erzeuget koͤmmt von dir. Von dir entsprist/ was uns die Sternen schreiben fuͤr/ Woruͤber einer lacht/ der andre traurig weinet/ Was ein Geschenck und Raub des leichten Gluͤckes scheinet. Ist nun dein fester Schluß/ daß nach so mancher Plage Soll diß betruͤbte Land geniessen gutter Tage/ Wer hintertreibet denn/ was du verordnet hast? Schau einen harten Sinn/ der keine Liebe faßt/ Der von dem Himmel zwar den Ursprung hat genommen/ Doch nicht dem Himmel will in seinen Willen kommen. Schau einen treuen Sinn ein keusches Hertz bestreiten/ Das dein Befehl doch will zu andern Flammen leiten. Je mehr die Hoffnung schlaͤfft/ ie mehr sein Feuer wacht; Er liebt/ was der mit Recht es solte thun/ veracht. Pflegt ein Verhaͤngniß so das andre zu bekriegen? Solln Blinde/ Lieb’ und Haß/ der Sternen Licht besiegen? O Himmel binde du/ was noch getrennt/ zusammen/ Entzuͤnde kaltes Eiß/ und kuͤhle heisse Flammen/ Daß nicht ihr eigen Will in unsern Schaden geht. Jedoch/ wer weiß/ was noch fuͤr Gluͤck hieraus entsteht! Vom Glantz der Sonne muß ein sterblich Aug’ erblinden/ Und Menschen koͤnnen nicht des Him̄els Schluß ergruͤnden Anderer Handlung erster Eintritt. Ergasto. Mirtillo. D Em Himmel Danck/ der mir dich endlich noch beschert/ Nachdem ich hier und dar dich nirgends angetroffen. Was bringest du vor Post/ die solches Eylens werth? Steht Leben oder Tod aus deiner Hand zu hoffen? Das Letzte geb’ ich nicht/ das Erste will ich geben/ Wiewohl es noch allein in Hoffnung steht/ das Leben. Du must dir aber auch diß Leben selber goͤnnen/ Dich selbst und deinen Schmertz/ eh’ andre/ zwingen koͤnnen Nun aber hoͤre mich/ warum ich zu dir kommen/ Orminens Schwester hast du wohl in acht genommen/ Die grosse Jungfrau/ die so munter um sich blickt/ Hat weisses Haar/ und ist mit Farbe wohl geschmuͤckt. M. Das treuer Schaͤffer. Das wird Corisca seyn/ sie ist mir wohl bekannt; Ich bin auch etlich mahl mit ihr zu sprechen kommen. Schau/ das Geluͤcke laufft dir selber in die Hand. Sie ist nun eine Zeit bekandt mit Amarillen/ Und hat/ ich weiß nicht wie/ ihr Hertz gantz eingenommen. Ich hab ihr im Vertraun entdecket deine Brunst/ Und was sie dir dabey erzeigen kan vor Gunst: Sie will/ was du verlangst/ mit allem Fleiß erfuͤllen. Ach/ wie gluͤckselig wird doch dein Mirtillo seyn/ Wofern der Ausgang trifft mit ihrer Zusag’ ein! Wie aber meynet sie/ daß solches kan geschehen? Da muß sie erst zuvor auff Zeit und Mittel sehen/ Und mehren Unterricht von deiner Liebe fassen/ Daß sie der Nimphe Sinn genauer kan ergruͤnden/ Damit sie wissen kan/ was gut zu thun und lassen/ Ob Bitten oder List am besten Stelle finden. Deßwegen sucht ich dich/ und wird vonnoͤthen seyn/ Daß du mir den Verlauff erzehlest deiner Pein. Diß will ich gerne thun: Allein/ diß Angedencken (Ach/ allzu bitter dem/ der sonder Hoffnung liebt) Der abgewichnen Lust wird mich auffs neue kraͤncken/ Und den betruͤbten Geist in Traurigkeit versencken; Wie eine Fackel durch Bewegung und den Wind/ So wird der Seele Brand dadurch nur mehr entzuͤndt; Wie ein geruͤhrter Pfeil vergroͤssert Wund und Schmertzen/ So thu ich auch damit nur weher meinem Hertzen. Doch muß es seyn gesagt/ so wirst du von mir hoͤren/ Wie Liebe pflegt mit eitler Hoffnung zu bethoͤren/ Und wie ihr suͤsser Stamm so herbe Fruͤchte giebt. Es uͤberwand numehr der lange Tag die Nacht/ (Izt wird es jaͤhrig seyn) als im bebluͤmten Lentzen Man dieser Nimphe Zier mein Elis sah’ bekraͤntzen/ Und sie in unser Land noch einen Fruͤhling bracht. Sie kam mit ihrer Mutter hin den Spielen zu gefallen/ Die unserm Jupiter zu Ehren gehen vor. Sie aber selbsten war das schoͤnste Schau-Spiel unter allen. Ich dazumahl noch frey/ ach/ konte sie kaum sehen/ So wars um mich geschehen. C 5 Es GUARINI Es drang ihr erster Blick durch meiner Augen Thor Biß an das Hertze durch/ schrieb meiner Seelen ein/ Mirtillo soll hinfort der Amarillis Diener seyn. Ja/ wer nicht selbsten hat der Liebe Macht gefuͤhlt/ Glaubt nimmermehr/ wie sie mit unsern Sinnen spielt. Schau/ wie der schlauhe Gast die Einfalt macht verschla gen/ Und einen bloͤden Sinn lernt alle Kuͤhnheit wagen. Ich hielt mit meiner Baase Rath/ die stets um Amarillen war/ Ward alsobald von ihr vor Jungfrau angezogen/ Den Leib umgab ihr bester Rock/ mein Haubt bezierte frem des Haar Und Blumen mancher Art/ die Seite/ Pfeil und Bogen. Sie unterrichte mich in abgefuͤhrten Blicken/ Nach kluger Nimphen Art/ im Reden und im Buͤcken: Sie lernte meinen Fuß verbrochne Schritte gehn/ Den annoch glatten Mund in rechter Ordnung stehn. Und fuͤhrte mich hernach zur Amarillen hin: Die hatte gleich zu sich mehr Nimphen lassen holen; Wie man in Gaͤrten sieht bey krichenden Violen Der Blumen Koͤnigin/ die edle Rose/ bluͤhn/ So ließ sie ihre Zier vor allen andern blicken. Als sie nun kurtze Zeit beysammen zugebracht/ Sprach eine von der Zahl: Sind wir nicht auch bedacht/ Daß wir uns unser Haubt mit Sieges-Kraͤntzen schmuͤcken? Ein jeder sucht den Preiß der Spiele zu erstreiten/ Wir suchen keinen Ruhm bey solchen Freuden-Zeiten. Wir haben ja so wol die Waffen bey der Hand/ Als solche die Natur den Maͤnnern zugewandt. Ihr Schwestern/ habt ihr Lust/ so wollen wir im Schertze Versuchen unter uns/ wie scharff die Waffen seyn/ Dadurch wir mit der Zeit (ach/ traͤte sie bald ein!) Im Ernst erlegen solln der Maͤnner freyes Hertze. Lasset uns mit Kuͤssen streiten: die am besten weiß zu kuͤssen/ Die von ihren suͤssen Lippen laͤst den besten Honig flissen/ Deren Haubt zum Sieges-Zeichen soll der bunte Krantz um- schlissen. Sie treuer Schaͤffer. Sie lachten allesamt und lobten solchen Rath. Kein Zeichen dorffte man zum Streite geben lassen/ Man sah sich die mit der/ und jen’ ein andre fassen/ Man konte nehmen ein/ warum man sie nicht bat/ Biß diese/ die den Kampff zum ersten angetragen/ Auch ferner Ordnung gab/ und anfieng vorzuschlagen: Daß die den schoͤnsten Mund von ihrer Anzahl fuͤhrte/ Derselben Richter auch des Spiels zu seyn gebuͤhrte. Alle stimmten uͤberein/ Amarillis solt es seyn/ Amarillis/ derer Zier Ihnen allen gienge fuͤr. Sie schlug mit Sittsamkeit die schoͤnen Augen nieder/ Und weiste gleichen Schmuck der Sinnen/ wie der Glieder. Die Rosen keuscher Scham bemahlten ihre Wangen/ So wuͤrdig als der Mund die Kuͤsse zu empfangen. Wie hat dein Gluͤcke dich zu so gewuͤnschter Zeit Verhuͤllet in das Frauen-Kleid? Es stieg auff ihren Thron die schoͤne Richterin/ Der Nimphen Schaar fand sich dem Looße nach dahin/ Bekuͤßte mit Begier die edlen Zucker-Klippen/ Der Balsam-reichen Lippen. Die Reihe traff mich auch. Ach! daß ich koͤnt entdecken/ Was mich ihr zarter Mund vor Suͤßigkeit ließ schmecken. Des Indianers Rohr/ Himettens Bienen-Safft/ Ist gegen diesem ohne Krafft. O viel-begluͤckter Raub! O allzusuͤsser Kuß! Ja suͤsse/ nicht vergnuͤgt/ weil noch ermangeln muß Zu recht vollkommner Lust das allerbeste Stuͤcke: Was Liebe gab/ kam nicht aus Liebe mir zuruͤcke. Wie war dir aber denn/ als du sie soltest kuͤssen? Ich fuͤhlte meine Seel auff diese Lippen fliessen/ Und ihrem schoͤnen Mund entgegen ziehn: Ich gieng in halber Ohnmacht hin/ Weil meinen Gliedern war die Seel entgangen/ Ein neues Leben zu empfangen. Die ernste Freundligkeit erschreckte meine Sinnen/ Als ihrer Sonnen Glantz mir in die Augen schien/ Die GUARINI Die sich erkuͤhnt durch List und Diebstal zu gewinnen/ Was reiner Unschuld Lohn und Labsal solte seyn. Doch durch ihr Laͤcheln kuͤhn gemacht/ wagt ich mich in den Streit. Gleich wie man offt ein Honig-Kind In schoͤnsten Rosen-Blaͤttern findt: So steckte Liebreitz auch in ihrer Lippen Schoß. Als ihr gekuͤßter Mund sich unbewegt verschloß/ So schmeckt ich nur allein die suͤsse Liebligkeit: Als sie mir aber auch entgegen kam mit Kuͤsseu/ Und den Corallnen Mund sich ließ an meinen schlissen Aus holder Hoͤffligkeit/ (ach Augenblick/ voll Lust! Wie kan ich leben noch beraubet solcher Kost?) Must ich in Marck und Bein der Liebe Stachel fuͤhlen. Ein suͤsses Gifft fieng an um meine Brust zu spielen/ Das Ambra/ das sie von sich bließ/ Erhielt mir noch das matte Leben/ Sonst haͤtt ich ihr durch einen Biß Den letzten Abschieds-Kuß gegeben. Was kan dem Hertzen nicht vor Pein Und Lust die Liebe bilden ein! Das Kuͤssen war nun aus/ man warte mit Verlangen/ Wer von der Koͤnigin das Kleinod solt empfangen; Als Amarillis mir mit ihrer eignen Hand/ Den auffgesezten Krantz auff meine Scheitel band. Kein Sommer kan so sehr die duͤrren Felder brennen/ Wenn sich der Sonnen Rad im heissen Loͤwen findt/ Als von Begier und Lust mein Hertze ward entzuͤndt/ Mein Hertze/ das besiegt/ nicht sieghafft war zu nennen. Doch fasst ich so viel Mutt den Krantz mir abzuheben/ Und meiner Amarill in ihre Schooß zu geben/ Sprach/ Nimphe/ dir gebuͤhrt der Lohn/ Den ich trag unverdient davon. Der Zucker-Lippen Uberfluß Versuͤßte meinen duͤrren Kuß. Sie schmuͤckte mit dem Krantz ihr Gold-gemengtes Haar/ Mein Haubt mit dem/ der vor des ihrgen Zierde war. Ich trag ihn noch allhier zum suͤssen Angedencken/ Ob treuer Schaͤffer. Ob meine Hoffnung gleich/ wie er/ verdorrt und todt. Armseliger Mirtill/ du bist in deiner Noth Ein neuer Tantalus/ den Durst und Hunger kraͤncken. So langes Trauren folgt auff kurtz genoßne Freuden: Wer mit der Liebe schertzt/ muß sich im Ernste leiden. Dein Diebstahl ward zugleich belohnet und gebuͤst. Ward aber sie iemals auch innen solcher List. Das weiß ich nicht: die kurtze Zeit/ Die sie in Elis blieb/ kont ich ohn Unterscheid Der schoͤnen Augen Blick und Freundligkeit genissen. Mein Ungluͤck aber hat sie mir zu bald entrissen/ Und alle Lust zugleich: Ich folgt ihr in diß Land/ Wo ich mein Leben sucht/ und mein Verderben fand. Als sie mich erst gesehn/ entbrandt ihr das Gesicht/ Es senckte sich zur Erd ihr helles Augen-Licht/ Die Fuͤsse muͤhten sich Mirtillen zu entweichen: Ach/ sagt ich alsobald/ betruͤbte Todes-Zeichen! Indessen hatte sich/ betruͤbt ob meiner Flucht/ Mein Vater eingelegt/ und ward von mir besucht/ Genaß/ und sahe mich an seiner Stelle leiden: Mein abgefleischter Leib vergleichte sich dem Schatten/ Ich must ein halbes Jahr von Lieb und Fieber braten/ Biß mich der Goͤtter Spruch durch ihn hieher bescheiden. Ich ward am Leibe frisch/ und kraͤncker am Gemuͤtte/ Die Seele zehrt sich ab/ wie vormahls das Gebluͤtte. Ein Wundernswerther Fall und wuͤrdig zu beweinen. Doch wer verzweiffelt ist/ dem kan kein besser Trost er- scheinen/ Als/ daß er keinen Trost verlanget oder hofft. Izt bring ich nu Coriscen bey/ was ich von dir vernom- men: Erwarte meiner bey dem Brunn/ ich will bald zu dir kom- men. Der Himmel/ den ich offt vergebens angerufft/ Begluͤcke deinen Gang/ ersetze dir den Dienst/ Den ich nicht gelten kan/ mit reichlichem Gewinst. An- GUARINI Anderer Handlung anderer Aufftritt. Dorinda. Lupino. Silvio. O Vielbegluͤckter Hund/ du treuer Wald-Geselle Des schoͤnen Silvio/ sein Sorgen/ seine Lust/ Sein Schatz und Zeit-Vertreib/ wie wuͤnscht ich deine Stelle! Wie wolt ich so vergnuͤgt/ wie du/ Melampo/ thust/ Zu seinen Fuͤssen ruhn/ wie wolt ich so mit Freuden Den sanfften Liebes-Schlag der zarten Hand erleiden! Die dich mit suͤsser Kost von eignem Munde speist/ Da sie mein kranckes Hertz in tausend Stuͤcke reist. Du must bey Tag und Nacht um deinen Herren seyn/ Mir aber goͤnnt er nicht der hellen Augen Schein: Und was mich wohl auff dich am meisten schmertzen muß/ Sein rother Mund giebt dir so manchen suͤssen Kuß/ Daß/ wenn ich einen nur davon erschmecken solte/ Ich mich auff Lebens-Zeit gluͤckselig preisen wolte. Nun/ weil ich nicht mehr kan/ will ich den Mund doch kuͤssen/ Der meines Liebsten Mund so offt beruͤhren muͤssen: Ich will/ was ich nicht selbst vom Herren kan erheben/ Doch deme/ was er liebt/ und ihm durch Wechsel geben. Nun/ wo ein guter Stern dich fuͤhrt auff diese Spur/ Daß du mich Aermste solt zu deinem Herren bringen/ So laß uns gehen hin/ wohin dich die Natur/ Und mich die Liebe fuͤhrt. Was hoͤr ich aber klingen? Das ist ein Jaͤgerhorn. Sa sa/ Melampo/ sa! Rufft hier nicht Silvio/ der schoͤne/ seinem Hunde? Sa sa/ Melampo/ sa! Ach ja/ die Stimme kommt von seinem schoͤnen Munde/ Der Himmel schickt mir zu/ nach was ich ausgegangen. Was Rath ist hier zu fassen? Ich will den Hund zu erst verbergen lassen. Vielleicht ists seine Gunst ein Mittel zu erlangen. Lupin! Was soll ich thun? Nimm diesen Hund zu dir/ Kreuch hinter jene Straͤuch/ und gehe nicht herfuͤr Biß treuer Schaͤffer. Biß du geruffen wirst. Es soll geschehn. Wo soll ich weiter hin die muͤden Fuͤsse wenden/ Da ich/ mein liebster Hund/ dich wieder finden kan? Ich habe dich gesucht an so viel Enden/ Und habe Berg und Thal durchlauffen/ Bin voller Schweiß/ und kan vor Muͤdigkeit kaum schnauf- fen. Verfluchet sey das Wild/ das du getroffen an. Doch/ jene Schaͤfferin hat ihn vielleicht gesehn. Muß mich das Ungluͤck denn zu dieser eben fuͤhren/ Von der ich allezeit so viel Verdruß muß spuͤhren? Es muß vor diesesmahl schon uͤberstanden seyn. Mein schoͤnes Schaͤffer-Kind/ ist dir Nicht mein Melampo kommen fuͤr/ Der von mir angehetzt Hat einem Rehe nachgesetzt? Heist du mich schoͤnes Kind? was koͤmmt dir ein? Was hastu/ Grausamer/ vor Freude/ schoͤn zu nennen/ Was deine Augen nicht vor schoͤn erkennen. Schoͤn oder greulich/ wie du wilt: Weist du mir nicht den Hund zu sagen? Antworte mir hierauff/ sonst muß ich weiter fragen. Ach/ Silvio/ du faͤhrst der treuesten Dorinde Wohl unbarmhertzig mit. Wer solte glauben kuͤnnen/ Daß ein so zarter Leib so Eisen harter Sinnen Behaͤltniß koͤnte seyn/ wenn ich es nicht empfuͤnde? Du suchst ein fluͤchtig Wild/ durchkrichst die oͤden Waͤlder/ Steigst uͤber Felß und Berg/ durchrennst die weiten Felder/ Lauffst einem Hunde nach/ verbrennest dein Gesichte/ Und machest vor der Zeit der Glieder Zier zu nichte. Ich lieb/ ich suche dich/ alleine gantz umsunst/ Du lauffest von mir weg und spottest meiner Brunst. Ach suche/ liebes Kind/ nicht weiter fluͤchtig Wild/ Erwaͤhle dir davor ein zahmes Jungfern-Bild/ Ein Reh/ daß sich laͤst ungejagt in deinen Armen fangen. Ich bin/ O Schaͤfferin/ dem Hunde nachgegangen/ Nicht daß ich hier bey dir die Zeit verlieren soll. Dorinde fahre wohl. D. Bleib GUARINI Bleib hier/ mein suͤsser Tod/ bleib hier/ mein einig Leben/ Bleib hier/ mein Silvio/ ich will dir Nachricht geben/ Wo dein Melampo sey. Du spottest mein. Ach/ schoͤner Engel/ nein. Ich schwere bey der Glutt/ die mich zu deinen Fuͤssen sezt/ Ich weiß den Hund. Du hast unlaͤngst ein Reh gehezt. So ists; im dicken Wald hab ich die Spur nicht funden. Es ist in meiner Hand der Hund und auch das Reh. Dorind/ in deiner Hand? Du hoͤrsts/ und thut dir weh/ Daß du mir solt mit etwas seyn verbunden. Mein allerliebstes Kind/ gib mir doch Hund und Wild. Bedencke/ harter Sinn/ wie weit ich sey gebracht/ Daß mich ein Hund bey dir zum lieben Kinde macht/ Wenn meiner Klagen Meng umsonst die Lufft erfuͤllt! Nun/ allerliebstes Hertz/ ich will dir beydes geben/ Wofern ich was davor zum Lohne kan erheben. Gar recht: Ich will dich schon um deine Muͤh vergnuͤgen. (Bekomm ich nur den Hund/ wie will ich sie betruͤgen.) Womit? Du solt ein paar der guͤldnen Aepffel haben/ Mit denen mich zulezt die Mutter ließ begaben. An Aepffeln fehlt mirs nicht. Ich koͤnte dir ihr weisen/ Die man vor schoͤner und vor suͤsser wuͤrde preisen/ Wenn nicht dein stoltzer Mund vor solchen Eckel truͤge. Was wiltu/ Nimphe/ denn? ein Laͤmmchen? eine Ziege? Ich habe so viel Macht nicht bey des Vaters Heerde. Der Laͤmmer acht ich nicht/ die Ziege stinckt mich an/ Wenn ich nicht deine Lieb’ und dich erlangen kan. Begehrestu sonst nichts? Nichts auff der weiten Erde. Da hast du meine Gunst und Liebe gantz und gar/ Nun mache/ liebe Nimph/ auch deine Worte wahr. Ach/ Silvio/ ach/ daß du moͤchtest wissen/ Was vor ein edles Kleinod ist/ Mit welchem du so milde bist/ Und daß die Wort aus reinem Hertzen fluͤssen! Du pflegst mir allezeit von Liebe viel zu sagen/ Und ich verstehe nicht/ was dieses Lieben sey. Du plagest mich/ ich soll doch Liebe zu dir tragen: Ich treuer Schaͤffer. Ich liebe dich/ so sehr ich immer kan und weiß. Du klagest uͤber mich/ ich sey ein hartes Eyß/ Ein Hertze voller Stahl/ voll Grimm und Tyranney. Ich weiß nicht was ich denn begeh vor Ubelthaten/ Womit ich grausam bin/ noch wie dir steht zu rathen. Armselige/ wo hastu Huͤlff und Trost zu hoffen/ Wenn deinen Silvio kein Funcken noch getroffen Der heissen Liebes-Glutt? holdselger Goͤtter-Sohn/ Du brennest mich/ bist selber kalt/ Zwingst zu der Liebe mit Gewalt/ Und fuͤhlest nichts davon. Du schoͤnes Venus-Kind/ hast deiner Mutter Brand Und Pfeil in deiner Hand: Mein Hertze/ leider! hat die Wunden Davon nur allzusehr empfunden. Setz um die Schultern Fluͤgel ein/ Du wirst ein neu Cupido seyn. Doch mustu auch ein neu und freundlich Hertz erwehlen/ Sonst wird dem Liebes-Gott die Liebe selber fehlen. Du legst mir Raͤtzel vor unmoͤglich zu ergruͤnden: Was ist denn vor ein Ding die Lieb/ und wo zu finden? Such ich sie in deinen Augen; Lieben ist ein Paradeiß: Such’ ich sie in meinem Hertzen; Lieben ist ein Hoͤllen- Schweiß. Nimph’/ es ist genung geschwaͤzt/ schaffe mir den Hund herzu! Schaffe mir die Liebe vor/ welche du mir zugesagt. Wird man von dem Mensche nicht biß in bittern Tod ge- plagt. Hastu sie denn nicht bekommen? nimm sie noch/ und laß mir Ruh. Wer ist der sie widerhaͤlt? Mache mit/ was dir gefaͤllt. Ach Hertzeleyd! ich saͤ’ in duͤrren Sand/ Mein Reden/ meine Muͤh ist uͤbel angewandt. Was machst/ was denckestu? wie lange soll ich noch ver- ziehn? Untreuer Silvio/ so bald du dein Verlangen D Von GUARINI Von meinen Haͤnden wirst empfangen/ So bald wirstu von mir mit Hohn-Gelaͤchter fliehn. Nein/ schoͤne Nimphe/ nein. Gib mir zuvor ein Pfand. Was solls vor eines seyn Ach/ Silvio/ ich sag es nicht; Warum? Ich schaͤme mich. Und wilt es dennoch nehmen? Ich wuͤnsche/ daß du mich verstuͤndest/ ungesagt. Was muß diß immer seyn? das Wort soll dich beschaͤmen Die That wird ohne Scheu gewagt. Versprichstu mirs/ mein Licht/ So will ichs machen kund. Ja/ wenn ichs kan erfahren Ach/ siehstu mirs nicht an? begehrtestus von mir/ Ich wolte dir die Muͤh der Worte schon ersparen. Du gehest mir an List und schlauer Klugheit fuͤr. An Lieb’ und Treue weiß ich dir wohl vorzugehn. Ach/ bin ich nicht betruͤbt! Ich bin kein Rath-Herr nicht; wenn ich dich soll verstehn So rede deutsch und klar. Gib/ was dir oͤffters giebt Die Mutter. Einen Backenstreich? So/ lohnes mit Schlaͤgen Der/ die dich betet an? Mit solchen hat mir pflegen Die Mutter schoͤn zu thun. So hastu Lust zu schertzen? Pflag sie dich aber nicht bißweilen auch zu hertzen? Nein/ weder sie/ noch sonst iemand. So ist ein Kuß das liebe Pfand? Du schweigest/ und wirst roth: nu wohl/ es soll geschehn; Nun laß mich vor das Reh und den Melampo sehn. Wiltu mir aber auch/ was du versprichst/ erfuͤllen? Ja freylich; halt mir nur den Hund nicht laͤnger fuͤr. Lupin herbey/ Lupin/ was machstu? geh herzu! Was? wer ist da? wer rufft? izt komm ich gleich zu dir. Mustu dich denn so weit verstecken? Ich schlieff wohl nicht/ Melampo schlieff/ den kont ich nic erwecken. Da hastu deinen Hund/ der freundlicher/ als du/ Sich den verachtten Arm umschliessen ließ mit Willen/ Der meinen Liebes-Schlag/ mein Kuͤssen nicht verachte/ Und treuer Schaͤffer. Und sich dargegen mir mit Danck behaͤglich machte. Nun ist mir wohl/ du treues Thier/ Nachdem du wieder bist bey mir. Melamp/ ich nehme dich mit tausend Kuͤssen an. Hastu dir irgends auch im Lauffen weh gethan? Laß deinen Fuß/ laß deine Klauen/ Ob du dich wo verwundet hast/ beschauen. Ach! daß ich nicht so viel/ als er/ geniessen kan! Was wirstu endlich noch/ Dorinde/ muͤssen leiden/ Wenn du den stummen Hund must um sein Gluͤcke neyden? Lupin/ geh auff die Jagt/ ich folge bald. Ich geh voran. Andrer Handlung dritter Aufftritt. Dorinde. Silvio. D Er Hund ist unverlezt. Wo ist nu das versprochne Reh? Wiltu es lebend oder todt? Ich finde mich nicht drein. Wie kan es leben/ wenns der Hund darnieder hat gerissen? Wenn er ihm aber nichts gethan. So wirds ja leben muͤssen? Ja freylich lebt es noch. Um so viel lieber wird mirs seyn. Das Hertze thut ihm nur von einer Wunde weh. Du spottest/ oder traͤumst. Wie kan es leben wenn der Hund Es an dem Hertzen hat verwundt? Ach/ harter Silvio! das krancke Neh bin ich. Du suchst ein wildes Thier/ und faͤngest leider! mich. Nimmstu mich gnaͤdig auff/ so werd ich frendig leben; Wo nicht/ so wirstu mich dem Tod in Rachen geben. Ist dieses nun das Reh? Diß und kein anders nicht. Warum verstellet sich dein schoͤnes Angesicht? Ist dir ein stummes Thier/ ist dir ein tummes Wild Denn lieber/ als ein Mensch und zartes Jungfern-Bild? Viel lieber/ weder du/ du abgeschmackte Luͤgnerin/ Der ich biß in den Tod gehaͤßig bin. Grausamer/ ist diß der Lohn/ D 2 Den GUARINI Den ich tragen soll davon? Wiltu mir solchen Danck vor meine Treue geben? Ich schencke dir den Hund auffs neu/ und mich darneben. Ich will dir alles Leid und zugefuͤgte Schmach/ Kehrstu nur wieder um/ mit Freuden lassen nach. Laß deiner Gegenwart mich Aermste nur geniessen/ Melampo soll dir nicht wie ich zu folgen wissen. Wird dir der muͤde Schweiß von deiner Stirne seigen/ So soll dich meine Hand/ wie seine Zunge/ treugen/ Dein matter Leib soll ruhn an meiner weichen Brust/ Der du nicht Ruhe goͤnnst. Ich will mit hoͤchster Lust/ Du magst durch Fels und Wald durch Berg und Thaͤl jagen/ Zu uͤberheben dich Gewehr und Wildbret tragen: Und wenn sich dir kein Wild in Puͤschen weisen will/ Soll dieses Hertz allzeit zu deinen Diensten stehn. Dorinde soll vor Wild und Waffentraͤger gehn/ Dein Koͤcher ist ihr Arm/ die Brust der Pfeile Ziel. Was red’ ich aber/ und zu wem? zu dem/ der mich nicht hoͤr Der mein Erbitten mit der Flucht/ an statt der Antwor ehrt. Fleuch wie du wilt/ du wirst Dorinden nicht entfliehn: Sie wird dir nach ins Grab zu Stix und Lethe ziehn. Andrer Handlung vierdter Aufftritt. W Ie schlaͤget mir das Gluͤck in meinen Vorsatz ein? Man hoͤret es die Welt mit Rechte Goͤttin heissen. Doch der/ bey dem es soll gewuͤnschte Gaͤstin seyn/ Muß sich auch vor sich selbst zu seinem Dienst befleissen/ Muß ihm entgegen gehn/ die Mittel bitten an/ Bereiten einen Weg/ auff den es treten kan. Dem Menschen wird nicht leicht ein Gluͤcke fallen zu/ Der sein erwarten will in unbesorgter Ruh. Haͤtt ich mich nicht mit List und Fleiß zu Amarillen Vorlaͤngsten eingeliebt/ ich wolte gerne sehn/ Wie ich so leicht und gut/ als itzo kan geschehn/ Die treuer Schaͤffer. Die abgefaßte Rach an selber wolt erfuͤllen. Ein andre/ die durch sie um ihren Liebsten kommen/ Haͤtt’ einen andern Weg aus Thorheit vorgenommen/ Sich ihrer Gegenwart mit allem Ernst entbrochen/ Mit Worten voller Gifft und Eyffer sie bestochen/ Und naͤrrisch dran gethan. Man kan sich besser huͤtten Vor offner Feinde Macht/ als vor verborgnem Wuͤtten. An blinden Felsen wird das beste Schiff zerschellt. Der ist kein harter Feind/ der fich nicht freundlich stellt. Die Welt soll heute noch mit Furcht und Wunder schauen/ Wie durch Coriscens Hand soll werden angericht Ein Trauer-Spiel. Allein/ ich bin so naͤrrisch nicht Ihr keine Liebe noch im Ernste zuzutrauen: Viel andern moͤchte sie wohl machen einen Dunst; Mich uͤberredt sie nicht/ die ich in solcher Kunst Vorlaͤngsten ausgelernt. Ein Kind von sechzehn Jahren/ Das noch der Maͤnner List und Falsehheit nicht erfahren/ Das noch nicht schwartz und weiß recht weiß zu unterschei- den/ Das von der Liebe muß den ersten Anstoß leiden/ Dem ein so wackrer Kerl so lange nachgegangen/ Und/ was am schlimmsten ist/ die Kuß um Kuß empfangen/ Soll unbewegt und frey von aller Liebe seyn? Ein Thor ist/ welcher ihm dergleichen bildet ein. Der Himmel/ seh ich/ schickt sie mir zum neuen Gluͤcke dar. Ich trete nach der Seit/ und will mich stellen an/ Als wuͤrd’ ich ihrer nicht gewahr/ Daß ich sie unvermerckt zuvor bethoͤren kan. Anderer Handlung fuͤnffter Aufftritt. Amarillis. Corisca. G Eliebter Ort/ begluͤckter Wald/ Du Wohnung stiller Einsamkeit/ Der Ruhe sichrer Auffenthalt/ Was find ich so mit Lust mich wieder bey dir ein? Wenn mich der Sternen Schluß mein eigen liesse seyn/ Und meinem Wunsche nach vollbringen meine Zeit/ D 3 Wie GUARINI Wie wolt ich so vergnuͤgt bey deinem edlen Schatten Die stoltz-beruͤhmte Pracht Elisiens entrathen! ”Denn die Guͤtter dieser Welt/ ”Wer die Warheit will bekennen/ ”Sind mehr boͤß als gutt zu nennen. ”Wem das Gluͤck an Gutt und Geld ”Hat das meiste zugeschmissen/ ”Hat das mindste zu geniessen. ”Goͤldne Ketten fesseln ihn/ ”Er besizt nicht/ wird besessen/ ”Laͤßt sich Furcht und Sorge fressen: ”Achtt er denn nicht den Gewinn/ ”So kan er auch kein Ergoͤtzen ”Finden bey den stummen Schaͤtzen. ”Frischer Jugend schoͤne Pracht/ ”Hohen Adel/ starcke Glieder/ ”Legt ein krancker Sinn darnieder. ”Wenn uns Erd und Himmel lacht/ ”Wenn uns Gluͤck und Sonne scheinen/ ”Muß doch offt das Hertze weinen. Gluͤcklich ist das Schaͤffer-Kind/ Welche mit vergnuͤgtem Willen/ Ihre Glieder einzuhuͤllen/ Einen Kuͤttel um sich bindt/ Arm ist/ doch nicht mehr verlanget/ Und mit freyen Sinnen pranget. Welche reich durch sich allein/ Uberfluß im Mangel spuͤret/ Keine Sorgen fuͤhlt und fuͤhret/ Die bey Reichen uͤblich seyn/ Arm ist/ doch mit allem pranget/ Was ihr Hertze nicht verlanget. Was ihr die Natur geschenckt/ Wird durch deren Gunst ernaͤhret/ Wenig Geld um Schmuck verzehret/ Und die Qvelle/ die sie traͤnckt/ Ist ihr Bad und Rath zum Prangen. Milch belebt die Milch der Wangen. W treuer Schaͤffer. Wenn uns Krieg und Mangel draͤut/ Wenn uns Furcht und Kummer worgen/ Ist ihr Armut ohne Sorgen. Wenn der Himmel Schlossen streut/ Mitten unter Sturm und Blitzen Kan ihr’ Unschuld sicher sitzen. Nur ein Kummer ist ihr kund: Wenn die ihr vertraute Heerde Zu dem Klee der bunten Erde/ Neigt begierig Brust und Mund/ Sucht ihr Auge mit Verlangen Ihres Schaͤffers Mund und Wangen; Ihres Schaͤffers/ den ihr nicht Freund und fremdes Aug’ erwehlet/ Noch Verhaͤngniß zugezehlet/ Dessen muntres Augenlicht/ Krauses Haar und rothe Wangen Ungezwungne Gunst erlangen. Wo die dicken Myrthen seyn/ Kommen sie vergnuͤgt zusammen/ Sie entdeckt ihm ihre Flammen/ Schwaͤzt von ihrer suͤssen Pein/ Und erfaͤhrt mit hoͤchster Freude/ Daß er gleiches um sie leide. O Leben/ welches recht das Leben kan versuͤssen Und nicht bey Leben stirbt/ koͤnt ich dein auch genuͤssen! Allein Corisca kommt. Willkommen/ liebes Kind! Der Himmel gebe dir/ was dir mein Hertze guͤnnt. Wer rufft mich? werther Schatz/ mein Augen-Trost/ mein Licht/ Wo wiltu so allein die Reise nehmen zu? Die Reise stund nicht weit: ist allbereit verrichtt/ Und gluͤcklich/ weil ich dich so unverhofft gefunden. Du findest/ die bey dir findt ihre Lust und Ruh/ Die sich zu ewiger Gesellschafft dir verbunden. Und daß du solches glaubst/ ich dachte gleich an dich/ Und sagte bey mir selbst: liebt Amarillis mich; Wie kan sie so viel Zeit von mir entfernet leben? D 4 In- GUARINI Indem so will dich mir das Gluͤcke wieder geben. Allein/ du liebest nicht Coriscen/ wie vorhin. Wie so? Was fragstu noch? du bist ja heute Braut. Ich/ Braut? Ja/ wie ich weiß/ und hast mirs nicht ver traut. Wie kan ich/ was mir selbst nicht wissend/ ist entdecken? Wiltu dich/ Falsche/ noch vor mir verstecken? Du spottest. Du vielmehr. Ach nein! entdecke mi Ob dir die Zeitung Ernst. Mein Schatz/ ich schwe es dir. Weistu denn aber auch im Ernste nichts davon? Diß weiß ich wohl/ daß ich vorlaͤngst versprochen bin/ Nicht aber/ daß ich soll so eilends Hochzeit machen. Wer hat es dich bericht? Mein Bruder/ der es scho Von vielen hat gehoͤrt/ und dir sinds fremde Sachen? Es scheint/ als wolte dir die Zeitung nicht belieben/ ”Ist diß wohl eine Post/ ob der sich zu betruͤben? ”Corisc’ es ist ein Werck von grosser Wichtigkeit/ ”Und meiner Mutter Wort schallt noch in meinen Oh- ren/ ”Daß man den Hochzeit-Tag noch einmahl wird gebohren. Gebohren noch einmahl zu mehr vergnuͤgter Zeit/ Drum soll dir dieser Tag zu lauter Lust erscheinen. Was klagst/ was senfftzestu? laß den Mirtillo weinen. Mirtilln? Er war dabey/ als ich die Post bekam. Ich kan nicht sagen/ wie er voller Thraͤnen schwam. Er fiel in Ohnmacht hin/ und waͤre so vergangen/ Wenn er nicht haͤtte Huͤlff und Trost von mir empfan- gen. Ich must ihm sagen zu die Hochzeit zu vernichten. Und bin ich gleich ein Weib/ ich traut es auszurichten. Corisca/ woltestu dich dessen unterstehn/ Und auff was Weise solt es dir von statten gehn? Gar leichte/ wo mir nur dein Wille stimmet bey. Im Fall ich hoffen kan/ daß solches moͤglich sey/ Und du mir sagest zu/ mich nimmer zu verrathen/ Will ich dir meines Hertzens Grund Mit wenig Worten machen kund. C. Die treuer Schaͤffer. Die Falschheit wolle mir der Himmel nicht verstatten/ Die Erde soll mich eh’ eroͤffnet schlingen ein/ Als gegen dir mein Sinn veraͤndert seyn! So wisse/ liebes Kind/ wenn ich bey mir betrachte/ Was vor ein wilder Mensch mir sey zum Mann erkohren/ Der vor die Hunde/ nicht vor Nimpffen/ ist gebohren. Wie er das tumme Wild verfolg’ und mich verachte/ So muß ich unvergnuͤgt und halb verzweifelt leben: Doch aber fuͤrcht ich mich diß an den Tag zu geben/ Theils/ weil mir Scham und Zucht zu reden nicht verguͤnnt/ Theils/ weil mich schon ein Wort bey GOtt und Menschen bindt. Wo aber du/ die Furcht des Himmels unverlezt/ Mein Leben/ Ehr und Treu nicht in Gefahr gesezt/ Ein Mittel finden kanst diß schwere Band zu trennen/ So will ich dich mein Heil und meinen Schutz-Gott nennen. Beseuffzest du dir das? Wer wolte dich verdencken? Wie offt hab’ ich gesagt: Man will das Kleinod schencken Dem/ der es nicht erkennt: Man zwingt das arme Kind Zu lieben/ wo es Haß vor Gegen-Liebe findt. Alleine/ wenn ich dir die Warheit sagen soll/ Du siehest allzuweit und siehest doch nicht wohl. Warum redtst du nicht/ und sagst/ wo dirs fehlt? Ich schaͤme mich. Das ist eine grosse Kranckheit! Lieber wolt ich an mir spuͤ- ren Frost und Hitze/ Krebs und Druͤsen/ ja Verstand und Witz verlieren/ Als an dieser halben Pest wenig Tage liegen siech. Aber halt/ du wirst sie schon mit der Zeit zuruͤcke legen. Es ist um einmahl zu thun/ daß du sie bey Seite thust. ”Wahre Scham/ die die Natur ließ in unsre Sinnen praͤgen ”Wird vergebens unterdruͤckt. Jagest du sie aus der Brust/ ”So wird sie zun Wangen steigen/ ”Und ihr keusches Feuer zeigen. ”Wer kluͤglich seine Noth mit Schweigen will verbeissen/ ”Laͤst endlich die Gedult mit Unvernunfft entreissen. D 5 Haͤttst GUARINI Haͤttst du mir deinen Sinn nur eher kund gegeben/ Du koͤntest allbereit von diesem Kummer ruhn. Nun wohl/ du solt noch sehn/ was ich vermag zu thun. Kein besser Arzt vor dich koͤnt auff der Erde leben/ Und der dir treuer waͤr/ als ich/ mein Kind. Allein/ Wenn du nun wirst erloͤst vom boͤsen Manne seyn/ Legst du dir ja was Gutts zum Lieben wieder zu? Auff dieses wollen wir hernach mit gutter Ruh Und Muße seyn bedacht. Fuͤrwahr/ du kanst Mirtillen Nicht laͤnger unrecht seyn: Sein hurtiger Verstand/ Sein auffrecht-treuer Sinn und Schoͤnheit ist bekandt/ Und du laͤst ihn vergehn und sterben deinet willen. Ach allzu Grausame! du bringest ihn in Tod/ Eh’ er dir kan ein Wort von seinem Schmertzen sagen. Vergoͤnn ihm nur einmahl sein Leiden dir zu klagen. Ach wie viel besser waͤrs/ er zwinge seine Sinnen/ Und suchte nicht/ was doch unmoͤglich/ zu gewinnen. Laß ihn doch diesen Trost vorm Tode noch geniessen. Er wuͤrde nur dadurch ein mehres leiden muͤssen. Da laß dich unbesorgt; hat ers doch auszustehn. Wie wuͤrd’ es aber mir/ wenn mans erfuͤhre/ gehn? Du hast geringen Mutt. Genug/ wenn ich dadurch kan Ehr und Blutt Erhalten ungefaͤhrt. Wo du dir bildest ein/ Dir steh’ hierinnen frey/ mein Bitten abzuschlagen/ So werd ich auch hinfort so viel nicht nach dir fragen/ Und wird mir gleich so viel/ als dir/ erlaubet seyn. Gehab dich wohl. Bleib hier und hoͤre mich doch an Kein Wort/ eh du mir vor Versprechen hast gethan. So sag’ ich dir denn zu/ zu hoͤren seine Klagen/ Doch daß er auch bey mir nichts weiter doͤrffte wagen. Nichts mehres sucht er auch. Und daß er sey bericht/ Ich wisse nichts davon. Ich sag ihm anders nicht. Und daß ich/ wenn ich will/ und unverwehrt kan weichen. So bald es dir gefaͤllt/ und er gehoͤrt wird seyn. Nur daß ers mache kurtz. Auch dieses geh’ ich ein. Und daß er von mir steht/ so weit mein Stab kan reichen. Kanst du denn nimmermehr der Sorgfalt Ende finden? Ich treuer Schaͤffer. Ich will ihm iedes Glied biß auff die Zunge binden/ Damit du ja vor ihm lebst aller Furchten frey. Verlangst du noch was mehr? Nichts anders faͤllt mir bey. Wenn soll es nun geschehn? Das steht in deiner Macht. Ich will nur einen Gang vorhin nach Hause gehn/ Zu forschen/ wie es denn muß um die Hochzeit stehn. So gehe bald/ mein Kind/ und frage mit Bedacht Derselben Sache nach/ den Argwohn zu verhuͤtten. Doch hoͤre/ was mir gleich vor List zu Sinne faͤllt. Komm/ wenn die Sonn itzund den Mittag hat beschritten/ Allein an diesen Ort/ der immer Schatten haͤlt: Du wirst mich auch daselbst zu rechter Stunde finden/ Nerinen neben mir/ Aglauren und Filinden/ Elis’ und Licoris wird sich auch stellen ein/ Die alle klug/ mir treu und auch verschwiegen seyn. Wir wollen/ wie wir offt gethan/ Das Spiel des Blinden fangen an. So glaͤubt Mirtill/ wenn er uns bey dir wird gewahr/ Du seyst zu deiner Lust/ nicht seinet wegen dar. Ja/ das gefaͤllt mir wohl/ nur daß ich ungern wolte/ Daß iemand/ ausser uns/ Mirtillen hoͤren solte. Verstehst du mich? Gar recht/ und du erinnerst wohl. Doch sey nur ohne Furcht: Es wird mir schon gelingen/ Daß ich die Nimpffen werd auff eine Seite bringen/ Und von dir fuͤhren weg/ wenn er sich weisen soll. So geh nun/ und vergiß auch diese nicht zu lieben/ Die dir ihr treues Hertz erb-eigen hat verschrieben. Nachdem mein gantzes Hertz in ihrer Hand geblieben/ Muß ich sie ja/ so viel ihr selbst beliebet/ lieben. Was meynt ihr/ ob sie noch auff festem Fusse steht? Noch groͤßre Macht gehoͤrt vor solche Felsen-Sinnen. Ob meiner Worte Sturm gleich ohne Frucht abgeht/ Mirtillen wird sie doch nicht widerstehen kuͤnnen. Ich hab es auch versucht/ wie einem jungen Blutte/ Wen̄ der geliebt-veꝛliebte Buhl ihm schmeichelt/ ist zu Mutte. Bring’ ich es nur darzu/ daß ihm das tumme Kind Einmahl geneigt Gehoͤre guͤnnt/ Ich GUARINI Ich will sie durch diß Spiel zu einem Spiele fuͤhren/ Daruͤber sie die Lust zu Spielen wird verlieren. Sie suche/ wie sie will/ verdeckter Worte Schatten/ Ihr Reden und ihr Thun wird sie mir doch verrathen/ Ja ihres Hertzens tieffster Grund Muß meiner Klugheit werden kund. Bin ich denn Meisterin von ihren Heimligkeiten/ Kan ich sie ohne Muͤh nach meinem Willen leiten/ Und also fuͤhren an/ daß iederman gedenckt/ Daß sie die Liebe/ nicht die List/ in solchen Unfall senckt. Anderer Handlung sechster Eintritt. Corisca. Satirus. A ch weh! Ich sterb. Ich leb. Ach/ Amarillis/ halt/ Komm/ kehre wieder um: Man uͤbt an mir Gewalt. Dein Ruffen ist umsonst/ du must nur die Gefahr Vor dißmahl uͤberstehn. Ach! Ach! mein Haar! Corise’ ich habe dir vorlaͤngsten auffgepaßt/ Biß du dich nun ins Netz einmahl verworren hast/ Und Schwester/ wirst dus wohl gewahr? Es ist der Mantel nicht/ es ist das Haar. Verfaͤhrst du so mit mir? Ja eben ja mit dir. Bist du Corisea nicht/ die Meisterin zu luͤgen/ Gewohnt durch Worte-Blick und Wincken zu betruͤgen? Die Falsche/ welche mich durch so viel Zeit und Weisen Hat mit Verraͤtherey und Boßheit wust zu speisen? Corisca bin ich wohl/ allein itzunder nicht/ Beliebter Satiro/ wie vor/ dein Schatz und Licht. Bin ich itzund beliebt? Nicht aber dazumahl/ Als mich dem Coridon nachsezte deine Wahl. Dich andern nachgesezt? S. Hoͤrt alle Wunder an! Hoͤrt an die Einfalt/ die kein Wasser truͤben kan! Und/ als ich dir den Rock der Daffne muste holen/ Als ich auff dein Geheiß der Cloris Schleyr gestoh- len/ Der treuer Schaͤffer. Der Lilla Bogen dir zu Hauß und Hofe bracht/ Die Stiefeln Silviens unsichtbar auch gemacht/ Durch Diebstal und Gefahr der Muͤhe Lohn zu heben/ Der mir versprochen war/ und andern ward gegeben/ Als du den schoͤnen Strauß/ mit dem ich dich beschenckt/ Dem Pracher Nisus auffgehenckt/ Als ich so manche Winter-Nacht Zu Liebe dir umsonst gewacht/ Schien ich dir/ boͤses Weib/ auch so beliebt zu seyn? Nun wart’/ ich will dirs izt zum Tuͤgen traͤncken ein. Du schleppest mich/ wie man mit wildem Vieh’ verfaͤhrt. Du bist dergleichen Art/ und wenig bessers werth. Nun schuͤttle dich/ so viel du kanst/ du wirst mir nicht ent- reissen/ Es wird nicht/ wie vorhin/ Betruͤgens mit dir heissen. Dein Kopff muß eher nicht auff seinem Rumpffe stehn/ Als du mir dieses mahl solt aus den Haͤnden gehn. Laß mir doch so viel Zeit/ daß ich dir meine Sachen Und Unschuld nach Gebuͤhr ausfuͤhrlich koͤnne machen. Nun rede. Wie kan ich gefangen? Laß mich frey. Meinst du/ daß Satirus ein solcher Jecke sey? Ich schwer auff meine Treu/ ich will dir nicht entfliehn. Wilst du/ treuloses Weib/ auff Treue dich beziehn? Darffst du es gegen mir noch wagen/ Mir viel von Treue vorzusagen? Ich will dich um den Berg in eine Hoͤle fuͤhren/ Wo nichts als Finsterniß und wilde Thiere wohnen/ Wo dich die Sonne nicht/ geschweig’ ein Mensch/ weiß aus- zuspuͤren/ Das andre sag’ ich nicht/ du wirst es schon erfahren. Ich werde meine Lust mit deiner Unlust paaren/ Und dich mit Schimpff und Spott/ wie du verdient/ beloh- nen. Kanst du denn Grausamer/ den Haaren/ die dich bunden/ Den Augen/ welche du so lieblich hast gefunden/ Die dich so offt getroͤst mit ihrem suͤssen Blicke/ Dem Haupte/ welches dir war lieber/ als dein Leben/ Vor das du offtermahls das deine woltest geben/ So GUARINI So uͤbel fahren mit? Ach Himmel! Ach Geluͤcke! Auff wen hab’ ich gehofft? Wem ist forthin zu trauen? Boßhaffte/ darffst du noch auff deine Kuͤnste bauen/ Und mich durch Heucheley versuchen zu bethoͤren? Ach lieber Satirus/ hoͤr’ auff erzuͤrnt zu seyn/ Und schone/ die dich will in tieffster Demutt ehren/ Du bist kein Tiger nicht/ dein Hertz kein Kiesel-Stein/ Schaue mich zu deinen Fuͤssen/ wo ich dich beleidigt habe/ Goͤldner Abgott meines Hertzens/ bitt ich dirs mit Wehmut abe. Um der starcken Helden-Schenckel/ die die Hand mit Zitter faßt/ Um der alten Liebe willen/ die du vor getragen hast/ Um der Honig-Blicke willen/ die von meinen Augen ronnen Deinen Sonnen/ deinen Sternen izt betruͤbten Thraͤnen Bronnen/ Um der bittern Zaͤhren willen/ die mir auff den Wange stehn/ Fleh’ und bitt ich/ trag Erbarmnis meiner Angst/ und la mich gehn. Die Falsche hat mich doch bewegt: Folgt’ ich der Neigun meiner Sinnen/ Sie wuͤrde/ meiner Treu/ gewinneu. Allein ich glaͤub’ ihr nicht/ sie ist zu abgefuͤhrt/ Betreugt am meisten/ wo sie meisten Glauben spuͤrt. Die Demutt/ die sie weist/ das Bitten/ daß sie treibt/ Koͤmmt von Coriscen her/ die doch Corisca bleibt. Wehrst du dich noch? O weh/ mein Haubt! Ich bitte dich Steh doch ein wenig still allhier/ und hoͤre mich. Du wilt mich nur umsonst mit glatten Worten zwingen/ Und zum Erbarmen durch erzwungne Thraͤnen bringen. Holdselger Satiro/ will denn dein Zorn nicht schwinden? Soll mirs so uͤbel gehn? Nur fort/ du wirsts empfin den. Ist kein Erbarmen? Nein. So ists dein gantzer Ernst? Es muß nicht anders seyn. C. Ha treuer Schaͤffer. Ha! Limmel ohn Vernunfft! und Toͤlpel ohn Verstand! Ha! Bock-Fuß! Esels-Kopff/ den Ochsen anverwandt/ Du Schand-Fleck der Natur/ in Warheit/ wenn du denckst/ Corisca sey dir nicht mit Liebe zugethan/ So thust du recht daran. Was liebte sie an dir? Dein Ratten-Schwaͤntzen gleiches Haar? Der rauchen Ohren spitzigs Paar? Den Borstengleichen Bart/ der als ein Igel sticht/ Und wie ein Vogel-Nest sich in einander flicht? Die Gosche/ welche du in tausend Falten raͤnckst/ Die/ als ein stinckend Aas/ ein Grauen uns erregt/ Die sieben halbe Zaͤhn’ und zwantzig Licken traͤgt? Verruchtes Weib/ darffst du mir solche Worte sagen? Dir eben. Und ich soll dir nicht die Zung’ ausreissen? Wo du mir naͤher koͤmmst! Trotz/ daß du es darffst wa- gen! Ein kahles Weib/ in solchem Stand/ Und noch darzu in dieser Hand/ Soll so vergallte Wort aus Eyfer um sich schmeissen? Soll mich beschimpffen? Wart ich will. Was wilst du thun? Ich will dich lebendig aufffressen/ als ein Huhn. Ja/ laß dir vor darzu die Zaͤhne setzen ein. O Himmel! solcher Ubermuth soll ungerochen seyn? Jedoch ich will dir wohl das lose Maul vertreiben. Komm fort. Das laß ich bleiben. Wilst du nicht fort? Das laß ich dir zu Trotze bleiben. Du must/ und wenn der Arm in Stuͤcken brechen muͤste. Ich muß nicht/ wenn ich gleich den Kopff im Kampff ein- buͤste. Laß schen/ ob dein Halß mehr starck und feste sey/ Als meiner Armen Paar. Du setzst die Haͤnde bey: Die werden dir nicht viel behuͤlfflich koͤnnen seyn. Wir wollens sehn. Nun wohl. Zeuch starck: Strick zu! brich Halß und Bein. Ach weh! mein Kopff! mein Ruͤcken! meine Lenden! O meine Seiten! Weh! Ich kan mich kaum bewenden/ Kaum GUARINI Kaum wieder richten auff. Und dennoch ists gewiß/ Daß sie entlieff/ und mir den Kopff im Stiche ließ. O unerhoͤrter Fall! Ihr Nimphen kommt herbey/ Ihr Schaͤffer trett herzu/ und seht die Zauberey. Corisc’ ist ohne Kopff lebendig durchgegangen. Wie leicht ist dieser Kopff/ von Hoffarth auffgeblasen/ Wie ledig von Gehirn/ und voll von tollem Rasen. Wie aber/ daß kein Blutt nicht weiter fleust herfuͤr? Was seh’ ich? Oder traͤumet mir? Narr/ lebt Corisca sonder Haubt? Du bist des Haubtes/ und der Sinnen selbst beraubt. Du hast dich wohl bedacht/ hast brave Wild gefangen. Schau nun/ wie sie dir hat die Nase koͤnnen drehen/ Als du dich hast gemeynt am besten vorzusehen. Du Hexe/ konte sich dein Falschseyn nicht vergnuͤgen/ Mit Augen/ Hertze/ Mund und Haͤnden zu betruͤgen; Biß auch ein falsch geborgtes Haar Der Treuentbloͤßten Stirne Deckel war. Kommt/ Reimen-Schmiede/ kommt/ und seht das edle Gold/ Das theure Seiden-Garn/ das ihr so hoch erhebet. Faͤrbt eure Wangen an/ bekennet eure Schuld/ Und widerrufft das Lob/ das ihr ihm saͤlschlich gebet/ Sagt/ daß es sey ein Koth von Faͤulnis aus geheckt/ Von Zieg’ und Pferd entlehnt/ von Leichen weggeraubt/ Durch Hencker abgekuͤrtzt/ bey Graͤbern auffgeklaubt/ Womit ein stoltzes Weib die kahle Scheitel deckt: Sagt/ daß Medusens Kopff und die behaarten Schlan- gen Der blauen Furien mit mehrer Anmuth prangen. Verliebte Buhler/ kommt/ und seht die Schlingen an/ Darinn ein schlaues Weib die Einfalt fangen kan/ Die Faden/ die ihr Strick’ und feste Netze nennt/ Und wo eu’r Hertze noch/ als wie der Mund bekennt/ Hier angefesselt liegt/ so hohl ein ieder Ohn Thraͤnen/ Sorg’ und Muͤh das Seine kuͤhnlich wieder. Doch/ was verweil ich mich an allen Ecken/ Coriscens Schande zu entdecken? Der treuer Schaͤffer. Der Berenicen Haar/ das noch durch hellen Schein Den Kreiß der Sterne ziert/ soll so beruͤhmt nicht seyn/ Als diß und seine Frau durch meine Zung’ auff Erden Beruͤchtigt und beschimpfft soll werden. O schwere Missethat/ ein Ursprung unsrer Plagen/ Die durch verlezte Treu der Liebe Satzung brach! Wir muͤssen noch daher den Zorn der Goͤtter tragen/ Und furchtsam stehen aus der Straffen Ungemach. Das Land hat so viel Blutt und Thraͤnen muͤssen schwi- tzen/ Und kan noch heute nicht davor in Ruhe sitzen. So wird die edle Treu/ ein Schmuck der reinen Hertzen Und aller Tugend Brunn/ dort oben hochgeacht; So will der Himmel selbst/ der mit viel tausend Kertzen Und nimmer muͤdem Fleiß vor unsre Wohlfart wacht/ Uns durch Gebet und Zwang zu suͤsser Liebe leiten/ Die eine Mutter ist von allen Froͤligkeiten. ”Ihr Thoren/ angesteckt von der Begier zu haben/ ”Die ihr mit blasser Furcht an euren Kasten klebt/ ”Darinn ein goͤldnes Aaß/ eur Abgott/ liegt begraben/ ”Und den Gespenstern gleich/ um seine Ruhstatt schwebt/ ”Was vor vergnuͤgte Lust kan euren bloͤden Sinnen ”Ein unbelebter Koth und todtes Wesen guͤnnen? ”Ein unempfindlich Gutt/ unfaͤhig zu geniessen ”Der zugetheilten Huld/ ist keiner Liebe werth. ”Die wahre Liebe muß von Seel auff Seele fliessen/ ”Wird von erzeigter Gunst und Gegen-Gunst genaͤhrt. ”Die Seele/ die allein kan Liebe wieder geben/ ”Ist wuͤrdig/ daß sie liebt/ und Liebe soll erheben. Zwar suͤsse schmecket uns das Kuͤssen schoͤner Wangen/ Das den Corallnen Mund an ihre Rosen schließt: Und gluͤcklich/ wer so viel kan unverwehrt erlangen; Doch/ wer begluͤckter Lieb’ ein Meister worden ist/ Wird sagen/ daß der Kuß nicht recht ist angewendet/ Dem die gekuͤßte Zier nicht Gegen-Kuͤsse sendet. E Ach/ GUARINI Ach/ wenn man giebt und nimmt/ versagt und willig giebet/ Corallen auff Rubin und Lipp’ auff Lippe sezt/ Wenn uns entgegen eilt das Muͤndchen/ das man liebet/ Mit Honigsuͤssem Thau die duͤrre Seele nezt/ Wenn Liebe wieder giebt/ was Liebe von sich schicket Und gleichen Wechsel haͤlt/ wie wird der Geist entzuͤcket? Es kuͤsse/ wer da will/ der Stirnen Alabaster/ Und schlaͤffre durch den Kuß die schoͤnen Augen ein/ Der Schnee der zarten Hand/ das glatte Marmel-Pflaster Der wohlgewoͤlbten Brust mag sein Vergnuͤgen seyn. Der Mund kan sich allein im Kuͤssen danckbar weisen/ Und den verliebten Geist mit Staͤrck’ und Nahrung speisen. Die Seelen die sich selbst verlangen zu begruͤssen Ziehn sich dem Munde zu/ bekuͤssen/ was sie kuͤßt/ Bereden unter sich/ was sie alleine wissen/ Von dem ein stummer Zeug ihr stilles Rauschen ist/ Verwechseln ihren Geist/ verdoppeln ihre Flammen/ Und knuͤpffen ihre Lieb’ auff ewiglich zusammen. Dritter Handlung erster Eintritt. J Ugend des verneuten Jahres/ die den Erden-Kreiß ve juͤngt/ Neue Blumen/ neue Kraͤuter/ und viel neue Lieben bringt/ Gruͤner Lentz/ du koͤmmst wohl wieder/ aber die begluͤckte Stunden Meiner vorgenoßnen Freuden/ haben sich nicht wieder fu den: Gruͤner Lentz/ du koͤmmst wohl wieder/ aber bringst mir nich mit dir/ Als ein traurig Angedencken der verlohrnen Lust und Zier. Du bist wie vor dem beliebet/ voller Wonne/ voller Freude Ich verhaßt bey schoͤnen Augen/ voller Schmertzen/ voll Leiden. Bittre Suͤßigkeit der Liebe/ welche schwerer ist vermissen/ Als von Anfang nicht geniessen! Gluͤ treuer Schaͤffer. Gluͤcklich waͤre sie zu nennen/ wenn sie stetes Wohlseyn goͤnnte/ Oder man entwichner Guͤtter auch zugleich vergessen koͤnte. Doch woferne sich mein Hoffen nicht wie sonsten glaͤsern weist/ Oder mein entbrennt Verlangen mich mit leerem Rauche speist/ Wo der Nachricht gutter Freunde voͤllig Gnuͤgen wird ge- schehn/ Soll ich hier die schoͤne Sonne meiner truͤben Augen sehn. Ihre zarte Fuͤsse werden hier auff diesen Blumen gehn/ Und durch mein geaͤngstigt Seuffzen angehalten stille stehn. Hier wird mein begierig Auge nach so langem Hunger leiden An dem himlischen Gesichte die verschmachte Seele weiden. Hier/ allhier wird Amarillis gegen mir die Augen wenden/ Harte Blicke/ wo nicht suͤsse/ wilde/ wo nicht milde/ senden/ Und dadurch nach meinem Wuͤnschen/ mein verhaßtes Leben enden. O gluͤcklicher und lang’ umsonst gewuͤnschter Tag/ Wofern ich nach so vielen truͤben Stunden/ Darinnen sich mein thraͤnend Auge funden/ Zwey Sonnen/ mir geneigt erscheinend sehen mag! Hier aber soll ich ja/ wie mir gedeutet an/ Des Blinden Spielende die Amarillis finden: Wie wiederfaͤhrt mir denn/ daß ich noch keinen Blinden Als meinen blinden Wunsch und Hoffnung finden kan Von fremder Hand bißher umsonst geleitet. Hat wohl mein grausames Geschicke Vielleicht ein neues Ungeluͤcke Zu hemmen meine Lust bereitet? Das lange Warten macht mein Hertze zittern/ Die Seele beben und den Leib erschuͤttern. Verliebtem Hertzen/ dem sein Hoffen bleibt zu ruͤcke/ Wird ein verdruͤßlich Jahr aus iedem Augenblicke. Wer weiß/ ob ich nicht auch zu langsam kommen bin/ Und sich Corisca hier vergebens hat verweilt. Ich habe doch/ so viel mir moͤglich/ hergeeilt. Doch/ waͤre dieses wahr/ so ist mein Leben hin. E 2 Drit- GUARINI Dritter Handlung anderer Eintritt. Amarillis. Mirtillo. Chor der Nimpfen. Corisca. H Ier ist die Blinde schon zum Spiel geschickt. Ach Blick/ der mich entzuͤckt! Was saͤumet ihr? Ach Wort/ daß mich verwundt Zugleich/ und wieder macht gesund! Wo seyd ihr/ die ihr wart so hastig anzufangen? Und du Corisca auch/ wo bist du hingegangen? Izt kan man von der Liebe Blindheit sagen/ Und siehet sie ein Band vorn Augen tragen. Ihr/ die ihr mir bißher gewiesen habt die Bahn/ Und meine Hand gefuͤhrt/ wenn jene kommen an/ So muͤst ihr mit mir weg von diesen Straͤuchen gehn/ Und mich/ wo besser Raum/ alleine lassen stehn/ Macht einen Kreiß um mich/ und schließt mich mitten ein/ So will ich sehen/ wer nach mir wird Blinde seyn. Wie aber gehts mit mir? Ich sehe nicht/ wie ich mein Ziel Erreichen kan durch dieses Spiel/ Merck’ auch Coriscen noch nicht hier. Der Himmel helffe mir. Habt ihr euch nun einmahl/ muthwillge Schwestern/ fun den? Fangt auch das Spiel nun an/ dieweil ich bin verbunden. Blinder Schuͤtz/ ich glaͤube nicht/ Daß dir Aug’ und Licht gebricht; Aber diese machst du blind/ Welche dir ergeben sind. Ob du blind/ ob sehend bist/ So entgeh’ ich deiner List/ Und vermeide durch die Flucht/ Was mich zu bestricken sucht. Ich hab’ einmahl schon gefuͤhlt/ Wie gewiß dein Bogen zielt/ Wie dein vorgeknuͤpfftes Band Nicht verhindert Pfeil und Hand. Nun mein Hertze wieder frey Worden ist der Tyranney/ So treuer Schaͤffer. Solt ich wieder gehen ein/ Muͤst’ ich voller Thorheit seyn. Brauche List/ Gewalt und Kunst/ Dein Bemuͤhen ist umsunst. Deine Lust/ dein bester Schertz Endet sich mit Leid und Schmertz. Ihr macht den Kreiß zu weit/ wolt euch zu wenig wagen. Ihr moͤget wohl entfliehn/ doch solt ihr mich vor schlagen. Ihr sollet mir gewiß nicht allezeit entwerden. Was seh’ ich? Wo bin ich? Im Himmel? Auff der Erden? Das Auge wird durch holden Blick erquickt/ Das Ohre wird durch suͤssen Klang entzuͤckt. Falsches Kind/ du ruffst mir wohl/ Daß ich mit dir spielen soll. Nun ich finde mich bereit Einzugehen in den Streit/ Der geschwinde Fuß entflieht/ Wenn die Hand dich zopfft und zieht. Ich entreisse/ wenn du denckst/ Daß du mich am besten faͤngst. Ich entweich’/ und trete zu/ Goͤnn dir selber keine Ruh. Und du kehrst dich mit Beschwer Nur vergebens um mich her. Fuͤhlst du/ wer dich selber sticht/ Und erwischest mich noch nicht? Blinder Schuͤtze/ lern hierbey/ Daß ich freyer Sinnen sey. Ich dachte/ Licoris/ ich haͤtte dich gefaßt; So hab’ ich (spotte nur und lache/) diesen Ast. Waͤr ich an seiner Stell! Ist nicht Corisca dort Verborgen? Ja sie ists/ und winckt mir immer fort. Freyer Sinn macht leichten Fuß. Lockst du mich durch einen Kuß? Soll das Wincken deiner Hand Werden meiner Armen Band? E 3 Fal- GUARINI Falsches Kind/ voll Heucheley/ Ziehst du mich mit List herbey? Suchst du durch verheischne Lust/ Einzunehmen meine Brust? Nun ich komme wieder an: Schau/ wie ich dich hetzen kan? Wie ich mich in einem Kreiß Um dich her zu wenden weiß. Ich bin hier und da bey dir/ Und du greiffst umsonst nach mir. Blinder Schuͤtze lern hierbey/ Daß ich freyer Sinnen sey. Daß du verdammter Strauch verbrennet muͤssest werden. Elisa/ dacht ich dich nicht eigen zu erwischen. Corisca winckt noch mehr mit zornigen Geberden. Ob ich mich irgend soll zu diesen Spielern mischen? Soll ich den gantzen Tag mein Spiel mit Baͤumen treiben? Ich kan/ wie gern ich will/ nicht mehr verborgen bleiben. Du Feiger/ greiff doch zu/ Was stehst/ was sinnest du? Wartst du biß sie dir selbst ins Maul gelauffen koͤmmt? Wilst du nicht Jaͤger seyn/ so sey sie Jaͤgerin. Fort/ gib mir deinen Stab und gehe zu ihr hin. Ach/ daß mein Mutt so schlecht mit dem Verlangen stimmt! Wie wenig wagt ein Hertz/ das doch so viel begehrt! Macht/ daß ihr noch einmahl zum Spiele wiederkehrt. Ich bin gantz muͤde schon. Ihr nehmet schlecht in acht/ Was eure Hoͤffligkeit mir vor Vemuͤhung macht. Schau/ du kuͤhner Sieges-Held Dem die Welt zu Fusse faͤllt/ Wie dirs diesen Tag ergeht Und dein hoher Ruhm besteht. Wie Minervens Vogel nicht Bey dem hellen Sonnen-Licht Sich der Feinde wehren kan/ Die ihn spoͤttisch greiffen an/ Ob treuer Schaͤffer. Ob er hackt und blaͤst sich auff/ Geben jene wenig drauff: Also wird auch deine Macht Kuͤhnlich unter uns verlacht. Schau/ es ruͤhrt dich/ wer da kan/ Izt von forn/ izt hinten an/ Stoͤst und schlaͤgt dich/ sticht und zwickt/ Und doch keine wird beruͤckt. Aber der Verlust ist auch Endlich aller Spiele brauch. Wer mit Liebe schertzen wil/ Der verliert das lezte Spiel. Dritter Handlung dritter Eintritt. Amarillis. Corisca. Mirtillo. A glaur ich habe dich/ du wirst mir wohl nicht loß. Gewiß/ haͤtt’ ich ihn nicht durch unversehnen Stoß Ihr auff den Hals geschipfft/ er waͤr nicht hingegangen. Du redest mir kein Wort. Bist du es/ oder nicht? Hier liegt sein Schaͤffer-Stab/ ich gebe weiter acht/ Was das verliebte Paar beysammen macht. Izt werd ich erst/ wers ist/ gewahr. Du bists Corisca/ groß und sonder Haar. Schau/ wie mir so nach Wunsch geschicht. Dich eben wolt’ ich fangen Und duͤchte klopffen aus/ mein Muͤthchen abzukuͤhlen: Da hast du einen Stoß/ noch einen und auch den. Wie ist dir? Bist du ohne Maul? Nun/ hast du mich geblendt/ laß mich auch wieder sehn/ Und mache bald mein Schatz/ so geb’ ich dir darzu Den suͤßten Kuß den ich vermag. Was saͤumest du? Mich daͤucht/ es zittern dir die Haͤnde? Bist du muͤde? Gehts mit den Fingern nicht/ versuche mit dem Zahn. Wie bist du doch so ungeschickt und faul? Laß mich/ es wird mir selbst viel leichter gehen an. Mit wie viel Knoten hastu/ Lose/ mich verbunden? E 4 Wenn GUARINI Wenn du wirst Blinde seyn/ will ich dirs auch nicht spa ren. Nun bin ich endlich frey. O weh! Was seh ich? Laß mich loß Verraͤther! Ich vergeh! Mein Kind/ gib dich zu Friede. Laß mich/ gebuͤhrts sich/ so den Nimphen mit zu fahren? Treulose Schaͤfferin/ wo seyd ihr hin verschwunden? Laß mich! Ich lasse dich. Das ist Coriscens falsche List/ und meine Flucht der Lohn/ Den deine Frechheit traͤgt davon. Was fleuchst du/ Grausame? Sieh’ mich auffs minste ster ben: Diß Eisen in der Brust soll mir die Ruh’ erwerben. Was thust du? Was dich reut/ daß dus nicht selber thust. Ach weh/ ich bin halb todt! Und/ wo ich soll allein Ein Opffer deiner schoͤnen Haͤnde seyn/ Hier ist der scharffe Stahl und die entbloͤßte Vrust. Du waͤrest es wohl werth. Wer machet dich so kuͤhn? Die Liebe. Liebe giebt nichts unbescheidnes ein. So glaube denn/ daß ich verliebet muͤsse seyn/ Weil ich bescheiden gnug bißher gewesen bin. Erwege/ daß du mich zu erst in Arm genommen/ Und daß ich mich das minste nicht erkuͤhnt/ Worzu mir die Gelegenheit gedient/ Daß ich mich der Vergnuͤgung selbst beraubt/ Die durchs Gesetz der Liebe war erlaubt/ Und durch die Hoͤfligkeit bin um mein Gluͤcke kom- men. Verweise mir nicht mehr/ was ich als blind gethan. Ach Nahme/ den man mir am besten geben kan! Mit Bitten ohne Zwang/ Liebkosen ohn Betruͤgen/ Nicht mit Gewalt und List soll treue Liebe siegen. Gleichwie ein wildes Thier/ vom Hunger angetrieben/ Den dicken Wald verlaͤßt/ und was es findt/ zureist: So/ weil sich nur allein von dir ernaͤhrt mein Geist/ Und ihm dein suͤsser Blick zur Speiß ist aussen blieben/ Wenn ich den oͤden Pusch voll Hunger einst verlasse/ Dar treuer Schaͤffer. Darinn ich so viel Zeit ungessen zugebracht/ Und mir zum Unterhalt das einge Mittel fasse/ Was mir die hoͤchste Noth vergoͤnnt und billich macht/ Kanstu mich denn darum/ erzoͤrnte Nimphe/ schelten? Die Schuld ist selbst an dir/ wo deine Worte gelten. Wenn treu-verliebte nur mit Bitten streiten sollen/ Und du mir nie dazu hast Zeit vergoͤnnen wollen/ So hastu mir ja selbst Gelegenheit benommen/ Getreuer Liebe Ruhm und Gluͤcke zu bekommen. Mirtillo/ daͤchtestu zu leben recht bescheiden/ So waͤre deine Pflicht/ was vor dir flieht/ zu meiden. Du weist/ daß du um sonst nach meiner Liebe trachtest. Was wiltu denn von mir? Daß du mich nur einmahl Zu einer Linderung der innern Hertzens-Qual/ Vor meinem Tode noch zu hoͤren wuͤrdig achtest. Das ist bereits geschehn. Drum geh im Frieden hin. Ach/ schoͤnste Schaͤfferin! Was ich bißher gesagt von meinem Leid und Weh/ Gleicht einem Tropffen nur der ungeheuren See. So hoͤre lachend doch/ wo nicht mit Beyleid/ an/ Was dir mein sterbend Mund zu gutter Lezte sagen kan. Dich deines Irthums/ mich der Unruh/ zu befreyn/ Vergoͤnn ich dir Gehoͤr: Doch dieses soll dabey von mir beduͤnget seyn: Sey kurtz/ geh fort/ und komm nicht mehr. Ich soll auff dein Geheis’ in allzu enge Schrancken Mein Leiden schliessen ein/ das keine Graͤntzen findt/ Das selbsten uͤbersteigt die menschlichen Gedancken/ Sich an kein Maß noch Ziel und an kein Ende bindt. Daß ich dich lieb/ und mehr als selbst mein eigen Leben/ Wo du es/ Grausame/ bißhero nicht erkennt/ So frage diesen Wald/ der wird dir Zeugnis geben/ Wie offt sein Wiederhall den suͤssen Nahmen nennt/ Sein ungezaͤhmtes Wild/ sein festes Holtz und Steine Zeugt/ wie viel Wasser ich aus meinen Augen weine. Was frag’ ich aber viel nach Zeugen meiner Liebe/ Wenn deine Schoͤnheit prangt mit solchem Anmuths- Triebe? E 5 Schau GUARINI Schau nur die Zierligkeit des heitern Himmels an/ Und was der Erden-Bau beliebtes weisen kan/ Faß alles/ was du siehst/ in engen Kreiß zusammen/ Und denn urtheile von dem Ursprung meiner Flammen. Denn/ wie das Wasser sinckt/ das Feuer auffwaͤrts steigt/ Die leichte Lufft sich ruͤhrt/ die Erde ruhend steht/ Der blau-gewoͤlbte Kreiß in seine Runde geht/ So bin ich von Natur zu lieben dich geneigt. Du bist mein Element/ der Leitstern meiner Sinnen/ Wer den entzuͤckten Geist von dir zu trennen hofft/ Wird eher Himmel/ Erd und Feuer/ Flutt und Lufft/ Ja diese gantze Welt/ als ihn verruͤcken kuͤnnen. Doch/ daß ich auff dein Wort mein Leiden kuͤrtzlich klage/ So sag’ ich wenig/ wenn ich/ daß ich sterbe/ sage/ Und thu noch weniger/ wenn meine Seel erwegt/ Was ihr dein grausam-seyn vor Straffen auffgelegt: Doch thu ich diß/ was mir allein noch uͤbrig bleibt/ Nachdem mein Sehmertz mir mehr zu leiden nicht erlaͤubt. Ach aber/ Grausame/ wiltu/ wenn ich begraben/ Mit meinen Qualen auch zum mindsten Beyleid haben? Quelle vor diesem verzuckerter Schmertzen/ Engel/ ach Leben/ voll himmlischer Zier/ Wende doch/ wende die blinckenden Kertzen Deiner liebreitzenden Augen zu mir. Laß sie mich Sterbenden heiter erblicken/ Meine verschmachtende Geister erquicken. Habt ihr vor diesem zum Leben geschienen/ Sonnen und Wonnen verstrichener Zeit/ Sollt ihr auch billig zum Tode mir dienen/ Habt ihr mein Hertze zur Liebe geleitt/ Sollt ihr auch billig/ ihr flammenden Augen/ Meine verrauchende Geister anssaugen. Aber ihr gestaͤhlten Sinnen lasst noch kein Erbarmen sehn/ Hoͤrt mich sonder Antwort klagen/ werdet haͤrter durch mein Flehn. Armseliger! red ich die stummen Felsen an? Wofern mich ie dein Mund nicht besser troͤsten kan/ So sprich auffs mindste; stirb; es soll alsbald geschehn. Ach treuer Schaͤffer. Ach Lieb! ist dieses nicht Schmertz uͤber allen Schmertz/ Daß ein so unempfindlich Hertz/ Und welches meinen Tod so sehr verlangt zu sehn/ Nicht durch ein einig Wort befoͤrdert meinen Tod/ Auff daß der Tod nicht sey ein Ende meiner Noth. Haͤtt’ ich dir zuvorhin die Antwort zugesagt/ So haͤttestu mit Recht mein Schweigen angeklagt. Dein Reden wirfft mir vor ein wildes grausam-seyn/ Und sucht das Widerspiel bey mir zu fuͤhren ein: Wiss’ aber/ daß mir nicht so suͤß in Ohren klingt Das unverdiente Lob der Schoͤnheit/ die du preisest/ Als meiner Seele Lust und keusche Freude bringt/ Die Tugend/ die du mir als Tyranney verweisest. Ich glaube/ Grausamkeit sey sonsten schwere Suͤnde/ Doch Tugend/ wenn sie sich bey Lieb ins Mittel finde: Was unbarmhertzig heisst/ Zucht/ Scham und Erbarkeit/ Ist schoͤner Frauen Schmuck und bestes Ehrenkleid. Und/ heisse Grausamkeit im Lieben ein Verbrechen: Kanstu die Amarill um solche Schuld besprechen? War dieses Grausamkeit/ als dein verwuͤrcktes Leben Aus lauter Beyleid dir zur Beute ward gegeben/ Als du voll Unbedacht von ungezaͤhmten Lieben/ Von toller Eitelkeit und Vorwitz angetrieben/ In gleicher Frauen-Tracht zu keuschen Nimphen kamst/ Durch dein von uͤppiger Begier entzuͤndtes Hertz Beflecktest ihren reinen Schertz/ Den/ unverdienten Zoll von ihren Lippen nahmst/ Mit Kuͤssen/ die erdichtt und voller Unschuld waren/ Die deinen voller List und Falschheit dorfftest paaren/ Daß man noch ohne Scham davon nicht reden kan. Wiewohl der Himmel weiß/ daß ich dich da nicht kannte/ Und nachmals gegen dir in heissem Zorn entbrannte/ Daß deine List den Mund und nicht den Sinn bezwang/ Und mir der Liebe Gifft nicht zu dem Hertzen drang. Und endlich ruͤhrtestu doch nur die Lippen an. Mit Zwang gekuͤßter Mund darff nur den Kuß wegspeyn/ So wird er aller Schuld und Schande sich befreyn. Was aber haͤttestu vor Lohn/ Im GUARINI Im Fall ich solche That die andern lassen wissen/ Des frevlen Diebstahls bracht davon? Kein Orpheus ward iemahls so grausamlich zurissen Von Weibern Thraciens/ als wie sie dich zerstuͤcket haͤtten/ Haͤtt’ ich nicht/ die du izt so grausam nennst/ dich wollen retten. Doch aber ist sie nicht so grausam/ als sie soll: Denn/ wagstu izt so viel/ und stehest doch nicht wohl Versichert ihrer Gunst/ was wuͤrde nicht geschehn/ Wenn sie sich mehr geneigt und freundlich ließe sehn? Was sie dir goͤnnen kan/ hastu bereits empfangen; Umsonst ists/ daß du mehr begehrest zu erlangen. Es ist ein schlechter Rath/ mit andern Beyleid fuͤhren/ Dadurch man selber Gunst und Beyleid muß verlieren. Bistu in mich verliebt/ wie du hast ausgegeben/ So lieb auch meine Ruh/ mein Ehre/ ja mein Leben. Du bist von dem/ das du begehrst/ zu weit entsezt/ Das Himmel/ Erd und Tod verhindert/ wehrt und raͤcht/ Am meisten aber noch die Ehre widerfecht/ Die iede reine Seel ihr bestes Kleinod schaͤzt. Drum gib dich selbst zur Ruh/ und ficht auch mich nicht an. Fleuch weit/ und bistu klug/ erhalte dich bey Leben. ”Denn sich aus Ungedult dem Tod in Rachen geben ”Ist keine Helden-That: der wahren Tugend Bahn ”Ist diß zu meiden/ was beliebt/ ”Im Fall es schadet und betruͤbt. Kan auch der Mensch dem Tod entfliehn/ Dem sich izt will die Seel entziehn? ”Durch Tugend und Verstand wird alle Noth bekriegt. ”Die Tugend richtet nichts/ wo schon die Liebe siegt. ”Wer nicht kan was er will/ muß wollen was er kan. ”Der Liebe fester Schluß nimmt keine Richtschnur an. ”Wer Feuer loͤschen will/ muß Holtz und Kohlen scheiden. ”Was man im Hertzen traͤgt/ ist uͤbel auszuschneiden. Man sieht/ wie alte Lieb in neuer Brunst verglimmt. Ja/ wo ein andre Seel in diese Glieder kuͤmmt. Die kalt-begraute Zeit wird doch die Glutt verzehren. Den Coͤrper aber vor ins kalte Grab gewehren. A. So treuer Schaͤffer. So stehet deiner Pein kein Mittel offen? Kein Mittel/ als den Tod/ hab ich zu hoffen. Den Tod? so hoͤre mich anizt/ Und nimm ja diese Wort als ein Gesetze wahr: Es ist mir wohl bekannt/ daß bey verliebter Schaar Der Tod mehr auff der Zung als in dem Hertzen sizt/ Doch/ wenn dich ja einmahl die Schwermut so bethoͤrte/ Und deines Ungeluͤcks ein Ende suchen lehrte/ So wisse/ daß dein Tod nicht minder mich bekraͤnckte/ Und meinen gutten Ruhm mit dir ins Grab versenckte. Drum lebe/ wo du mich noch liebest/ geh nun hin/ Und huͤtte dich fortan zu kommen/ wo ich bin. Ach/ allzuschwerer Spruch! wie kan ich sterbend leben/ Und meiner Noth und Pein ohn Tod ein Ende geben. Mirtill/ es ist nun Zeit/ daß man von hinnen eilt/ Du hast dich ohne diß schon allzuviel verweilt. Geh hin/ und troͤste dich/ daß diese nicht zu zaͤhlen/ Die sich/ so wohl als du/ mit heisser Liebe quaͤlen. Es laͤsst manch Hertze noch sein Blutt in Thraͤnen flissen. Und wers empfindet/ kan den Schmertz am besten wissen. Ich bins alleine nicht/ der ungluͤckselig liebt/ Doch der alleine/ der ein klaͤglich Beyspiel giebt/ Wie ein durchaͤchtes Hertz nicht sterben noch genesen kan. Mirtillo/ fort einmahl/ und mach dich auff die Bahn. Ach/ bitteres Scheiden! Ach/ toͤdtliches Leiden! Ich lasse mein Licht/ Und sterbe doch nicht! Muß Klagen/ und Plagen Des Todes ertragen/ Verlasse mein Licht Und sterbe doch nicht! Ein lebendes Sterben Zu neuem Verderben Belebet mein Hertz Zu ewigem Schmertz. Mein GUARINI Mein Hoffen und Sehnen Begraͤbt sich in Thraͤnen. Ich lasse mein Licht/ Und sterbe doch nicht! Dritter Handlung vierdter Aufftritt. M irtillo/ meine Seel/ im Fall du soltest wissen/ Wie dieses Hertze sey bewandt/ Das grausam von dir wird genannt/ Du wuͤrdest mich vielmehr/ als dich/ beklagen muͤssen. O Hertzen/ die zu sehr vor reine Liebe leiden/ Was nuͤzt das lieben und geliebt seyn allen beyden? Warum ersteckt der Zorn des Himmels unsre Flammen/ Die doch die Liebe selbst entzuͤndt! Und woher kommts/ daß Liebe bindt/ Was das Verhaͤngniß doch trennt wiederum vonsammen? Gluͤckselig ist das Wild/ dem die Natur im Lieben Kein anderes Gesetz/ als Liebe/ fuͤrgeschrieben! Der Mensch/ das edle Thier/ muß mehrern Zwang erleiden/ Und durch die Liebe straffbar seyn. Geht suͤndigen so lieblich ein/ Und soll man solche Lust doch so mit Ernste meiden/ Ist die Natur zu schwach/ die dieses Recht muß brechen/ Ist dieses Recht zu scharff/ das die Natur will schwaͤchen. Doch/ wer das Sterben scheut/ muß wenig Lieb empfinden. Wie freudig wolt ich seyn/ wenn man verliebte Suͤnden Mit keiner andern Straff/ als mit dem Tode/ buͤßte! Nun aber stell ich dir/ O unbefleckte Zucht/ Die Lieb-entbrannten Luͤste/ Die biß anher in meiner Brust gekocht/ Durch deine heilge Schaͤrff’ entaͤdert auffs Altar/ Zu einem reinen Opffer dar. Und du/ mein Hertz/ Mirtill! verzeihe dieser Armen Die sich nur hart und ungeneigt Deßhalben gegen dich bezeigt/ Weil sie sich deiner nicht ohn Suͤnde kan erbarmen. Ver- treuer Schaͤffer. Verzeihe der/ die dir wol feind In Worten und Geberden scheint/ Doch dich im Hertzen mehr/ als sich/ mit Liebe meynt. Und wo du wilt darum nach strenger Rache streben/ Was kan dir bessre Rach/ als deine Schmertzen/ geben? Denn/ so du bist mein Hertz/ als wie du es doch bist/ Ob Erd und Himmel gleich darum erzuͤrnet ist/ Wenn deine Thraͤnen sich in lange Stroͤhme ziehn/ Und deiner Seufftzer Zahl bestuͤrmt das Wolcken-Hauß/ So fließt mein mildes Blutt mit solchen Thraͤnen hin/ Mein Lebens-Athem raucht mit solchen Seufftzern aus/ Und was du fuͤhlst in deinem Hertzen/ Sind deine nicht/ sind meine Schmertzen. Dritter Handlung fuͤnffter Aufftritt. Corisca. Amarillis. V erhoͤle mir nicht weiter deinen Brandt/ Geliebtes Kind/ durch falscher Worte Schatten. Ach Himmel/ hilff! ich Aermste bin verrathen! Ich habe dein Anliegen laͤngst erkannt; Ich habe laͤngst gesagt/ du bist verliebt/ Ob gleich dein Wort das Widerspiel ausgiebt. Izt bin ich nun durch deinen eignen Mund/ Mein Tausend-Schatz/ dir kommen auff den Grund. Und warum hastu mirs nicht laͤngst vertraut? Hastu so schlecht auff meine Treu gebaut? Was wirstu roth? die Lieb ist eine Pein/ Die durch die gantze Welt gemein. Ich muß dir nur mein gantzes Hertze sagen/ Und thraͤnend uͤber meine Schwachheit klagen. Nachdem sie ohne diß ist worden offenbahr. Ich thoͤrichte/ nehm izt aus eignem Beyspiel wahr/ Ein Hertz ist viel zu schwach die Lieb in sich zu zwingen/ Die durch so manches Thor ins weite Feld kan dringen. Wie kanstu aber den Mirtill so grausam plagen/ Und dein selbst eignes Hertz in stiller Glutt verbrennen? Mitleiden kan man nicht vor Grausamkeit erkennen. C. Man GUARINI Man sieht kein suͤsses Kraut vergaͤllte Fruͤchte tragen/ Die Liebe zeugt nicht Haß. Was bringt vor Unterscheid Mitleiden ohne Huͤlff/ und harte Grausamkeit? Ach/ Schwester! Seufftzen bringt das Hertze nicht zu Ruh/ Und kommt den Weibern nur von schlechtem Mutte zu. Corisca/ wuͤrd’ ich ich nicht viel unbarmhertzger seyn/ Wenn ich ihm wolte Lieb’ ohn Hoffnung pflantzen ein? Lieb’ ohne Hoffnung? Ja/ dir ist ja unverborgen/ Daß ich dem Silvio von Goͤttern bin bestimmt/ Und daß durch ihr Geheiß die Braut ums Leben kuͤmmt/ Die ihre Treue bricht. Hastu sonst keine Sorgen? Wer ist von uns/ der nicht der Liebe Grundgesetze Mehr als Dianens Schluß alt/ hoch und herrlich schaͤtze. Liebe wird mit uns gezeuget/ Lagert sich in unsre Brust/ Wird von einer Milch gesaͤuget/ Naͤhret sich von einer Kost/ Waͤchst uns mit der Jahre Lauff Ungemerckt zur Seiten auff. Wenn der Jugend Fruͤhling bluͤhet/ Und der Alten kluge Hand Bey der jungen Welt sich muͤhet Zu erbauen den Verstand/ Leitet uns auch die Natur Auff der suͤssen Liebe Spur. Keinen Meister darff man hoͤren Zu begreiffen diese Kunst; Eigne Neigung kan uns lehren/ Was da sey der Liebe Brunst. Ihre strengen Rechte seyn Unsrer Brust geschrieben ein. Wo sie herrscht/ muß ihrem Willen Erd und Himmel gehen nach. Ihr Gebitten zuerfuͤllen/ Scheut der Mensch kein Ungemach. Ihr treuer Schaͤffer. Ihr Gehorsam zwingt die Noth/ Machet suͤsse Schmertz und Tod. Wenn aber ich nach dem Gesetze kaͤm ums Leben/ Die Liebe wuͤrde mirs nicht wieder geben. Du giebst ja gar zu wohl auff alle Sachen acht. Waͤrn alle Frauen so/ Vergnuͤgen gute Nacht! Ich glaube/ dieses Recht geh nur die Einfalt an/ Die ihre Liebe nicht mit Witz verfuͤhren kan/ Die Klugen strafft es nicht: wenn alle solten sterben/ Man wuͤrd’ in kurtzer Zeit viel stoltze Frauen missen. Stuͤrzt eine Naͤrrin sich aus Thorheit ins Verderben/ So widerfaͤhrt ihr recht; der Dieb muß billig buͤssen/ Der/ was er hat geraubt/ nicht wohl zu bergen weiß. Und will man von der Sach ein gleiches Urtheil faͤllen/ Was ist die Erbarkeit? ein Wahn/ ein schlauer Fleiß Und kluge Wissenschafft/ sich erbar anzustellen. So glaub’ ich; Mit mir mags nun halten/ wer da will. Corisca/ diß sind Wort/ ich hab ein ander Ziel. Was mir nicht bleiben kan/ das will ich nie begehren. Wer will dirs Naͤrrin wehren? Das Leben ist zu kurtz/ nur einen lieb zu haben/ Die Maͤnner gegen uns zu karg mit ihren Gaben. Nicht weiß ich/ ob dran Schuld ihr kaltes Hertze sey/ Ob ihrem Willen nicht die Kraͤffte stimmen bey. Und weistu nicht/ daß man uns nur so lange liebet/ Als noch das frische Blutt den Wangen Farbe giebet. Zieht uns das Alter aus der Jugend Ober-Rock/ So bleibt der krumme Leib ein leerer Bienen-Stock/ Aus dem das frische Naß/ der Honig/ ist genommen/ Von iederman veracht. Geh/ laß die Maͤnner brummen Und unsern Wanckelmutt ausschreyen bey der Welt/ Sie wissen nicht/ wie schlecht es ist um uns bestellt/ Sie fuͤhlen nicht/ wo uns die engen Schuhe druͤcken. Wir muͤssen nehmen an/ was uns die Sternen schicken/ Und duͤrffen uns/ wie sie zu waͤhlen/ nicht erkuͤhnen. Was vor ein Unterscheid ist zwischen uns und ihnen? Das Alter wird vor sie zum besten angewandt/ Nimmt ihre Schoͤnheit ab/ so waͤchset der Verstand: F Geht GUARINI Geht uns die Jugend weg/ mit deren Zier wir prangen/ Offt starcker Helden Sinn und kluge Manner fangen/ So ists um uns gethan. Was ist ein altes Weib? Ein Gauckelspiel der Welt/ der Jugend Zeitvertreib/ Ein’ Eul/ um deren Haubt die leichten Voͤgel schertzen/ Ein Ausbund aller Schmach/ ein Auszug aller Schmertzen Drum/ eh den zarten Leib gemeines Elend druͤckt/ So brauche dich/ mein Kind/ wozu du bist geschickt/ Geniesse deiner Zeit. Was hilfft den stoltzen Leuen/ Daß sich vor seiner Macht die Thier im Walde scheuen/ Im Fall er nimmer braucht der Klauen starcke Krafft? Was hilfft den klugen Mann Verstand und Wissenschafft/ Wenn er sich deren nicht bedient zu rechter Zeit? Was nuͤzt dein Eigenthum/ der Glieder Zierligkeit/ Mit welchem die Natur uns Frauenvolck bedenckt/ Wie sie dem Leuen Muth/ Verstand dem Manne schenckt/ Im Fall sie fressen soll der faulen Jahre Rost. Gebrauche dich/ mein Kind/ gebrauche dich der Lust/ Weil noch der Rosen Glantz auff deinen Wangen bluͤhet. Die Jahre streichen hin/ die leichte Zeit entfliehet/ Und kehrt nicht wieder um. Ihr kaltes Alter weiß Noch andern Zeitvertreib vor ihrer Glieder Eiß: Wir schlagen nimmer aus/ wenn unser Lentz vergangen. Ein altes Weib kan Lieb empfinden/ nicht empfangen. Du schwaͤtzest/ glaub ich so/ mein Hertze zu ergruͤnden. Kanstu mir aber nicht ein leichtes Mittel finden/ Die Eh mit Silvio und mir zu hintertreiben/ Dabey auch Ehr und Zucht kan unverletzet bleiben/ So hab ich diesen Schluß/ mich eh’ ins Grab zu stecken/ Als meine Redligkeit und Treue zu beflecken. Hab ich ein haͤrter Weib/ als die/ iemals gesehn? Nun wohl: Ist diß dein Sinn? dein Wille soll geschehn. Meinstu/ daß Silvio so sehr der Treu/ Als du der Erbarkeit/ ergeben sey? Du machst mich lachende. Will Silvio nichts lieben/ Wie solt er Treu an dem/ was er nicht liebt/ veruͤben? Nicht lieben? armes Kind/ du bist gar falsch bericht. Er schweigt/ und weiß dabey der Liebe zu geniessen. Das treuer Schaͤffer. Das weiß ich. Traue du der Einfalt nicht; Am tieffsten siehet man die stillen Wasser fliessen. Verstohlne Liebe flicht sich nirgend fester ein/ Als wo verstellte Scham kan ihre Decke seyn. So wisse/ Schwester/ nun den Silvio verliebt/ Wiewohl er seine Gunst nicht dir zu schmecken giebt. Wer muß die Goͤttin seyn/ Frau ist sie nicht zu nennen/ Durch die sein wildes Hertz kan angeflammet brennen? Nicht Goͤttin/ auch nicht Frau empfaͤht/ was dir versagt. Wer denn? was sagestu? Lisetta/ meine Magd. Seht/ wie er sich so wohl hat wissen zu versorgen? Und weistu was er ihr zu Lieb erdenckt und wagt? Er stellt sich alle Tag als zog’ er auff die Jagt. Ja/ das verdammte Horn erweckt mich alle Morgen. Wenn nun die Mittags-Sonn am allerheißten scheint/ Und andre in der Jagt am meisten emsig seynd/ So stiehlt er sich mit Fleiß von ihnen weg/ Und kommt allein durch unbekannten Steg Zu meinem Garten hin/ zu klagen/ was ihn quaͤlt/ Daß sie mir wieder denn der Laͤnge nach erzehlt. Nun hoͤre/ was mir izt dabey zu Sinne faͤllt/ Ja/ was ich dir bereits zu Diensten angestellt. Dir ist ja wohl bewust/ daß des Gesetzes Schluß/ Dadurch dem Mann ein Weib getreu verbleiben muß/ Die Maͤnner auch verbindt/ und angeordnet hat/ Wenn eine keusche Braut auff falscher Liebes-That Den Braͤutigam betrifft/ sie sich nicht darff vermaͤhlen/ Und einen andern Mann nach Willen mag erwaͤhlen. Ich weiß/ und denckt mich noch/ daß so geschehen sey: Leucippa ward durch diß von Tigurinen frey/ Die Egle vom Licot/ Armilde von Thuringen. Nun hoͤre/ was ich dir noch weiter vorzubringen: Lisetta/ auff mein Wort/ hat die verliebte Seele Auff diesen Tag zu ihr bestellet in die Hoͤle/ Dadurch er hoch vergnuͤgt mit Freuden und Verlangen Bestimmter Stunde wartt. Da must du ihn nun fangen: Ich will dein Zeuge seyn/ daß er durch leugnen nicht Dich uͤberstreiten kan/ so wirstu deiner Pflicht F 2 Mit GUARINI Mit gutem Glimpffe loß. Ja/ das ist wohl erdacht. Was haben wir noch mehr/ das zu verrichten steht? Was ich izt sagen will. Gib du nur eigen acht. Du weist daß in den Berg dort eine Hoͤle geht: Sie ist nicht weit/ doch ziemlich lang/ Hierinnen auff der rechten Hand Fuͤhrt noch ein ander kleiner Gang/ Ich weiß nicht/ ob durch Fleiß/ ob von Natur gemacht/ Bewachsen um und um/ in holen Felß hinein/ Empfaͤht durch ein verstopfftes Loch von oben her des Tage Schein/ Und ist verstohlner Lieb ein Haubt-bequemer Stand. Dahin verstecke dich/ eh jene kommen an/ Lisette wird sich bald zu solcher Hoͤl erheben/ Ich will auff Silvien von weitem achtung geben/ Ihn unvermerckt darinn erschleichen/ Und fest erwischen/ daß er nicht entreissen kan; Drauff will ich und Lisette schreyn/ (Wie ich ihr schon gegeben ein.) Und du durch solches Zeichen Erinnert kommst herzu/ und sagest ihm den Kauff Nach uͤblicher Gewonheit auff. So gehen wir hernach zum Priester mit Lisetten: Und also kanstu dich von dieser Ehe retten. Zu seinem Vater. Ja. Was hat diß zu bedeuten? Gedenckstu/ daß Montan der Goͤtter Willen breche/ Und um den Eigennutz gemeine Wohlfarth schwaͤche? Mein treuer Leitstern nein. Ich schliesse nu Vernunfft und Augen zu/ Und lasse mich nach deinem Willen leiten. Allein/ verziehe nicht/ mein Kind: Geh bald hinein. So bald der Tempel wird von mir besuchet seyn. Denn ja uns Sterblichen kein Werck gelingen kan/ Das nicht des Himmels Gunst und Segen fuͤhret an. Wo man die Andacht nur in reinem Hertzen hat/ Vertritt iedweder Ort der heilgen Kirche Statt. Du haͤltst dich selber auff. Nein; Kirchen-gehen saͤu- met nicht. Die treuer Schaͤffer. Die Zeit kommt wieder ein/ die man ihm zum Gebet ab- bricht. So gehe denn geschwind/ und sey bald wieder hier. Nun/ deucht mich/ hab ich sie auff rechten Weg gebracht/ Wiewohl mir der Verzug noch etwas bange macht. Jedoch wer weiß wozu er mir auch dienen kan. Izt muß ich neue List und Raͤncke spinnen an. Es hat sich Coridon unlaͤngst vergafft an mir/ Ich will ihn als verliebt mit falscher Hoffnung speisen/ Statt mein/ zur Amarill in jene Hoͤle weisen/ Und bald durch andern Weg Dianens Diener schicken/ Das ungescheide Mensch im Netze zu beruͤcken. Man wird sie Zweiffels-frey des Lasters schuldig achten Und dem Gesetze nach/ ohn alle Gnade/ schlachten. Ist meine Feindin todt/ hab ich gewonnen Spiel; Denn ich Mirtillens Gunst gar leicht erhalten will/ Die er mir bloß allein aus Liebe gegen ihr Bißher verweigert hat. Da kommt er gleich gegangen. Wie zu gelegner Zeit; Ich will ein wenig hoͤren/ Weil Amarille noch die Goͤtter wird verehren/ Wie sein Gemuͤtte sey? Komm/ Liebe/ gantz zu mir/ Beseele meinen Mund/ belebe meine Wangen. Dritter Handlung sechster Aufftritt. Mirtillo. Corisca. D Urchkrochene Waͤlder und dunckele Gruͤffte/ Bethraͤnete Matten/ durchseufftzete Luͤffte/ Hoͤrt/ was mir auffs neue vor Marter und Schmertz Durchaͤchtet mein kranckes mein sterbendes Hertz. Ob meinem Betruͤbniß erfreuete Sinnen Hat/ leider! mein Sterben nicht saͤttigen kuͤnnen/ Sie heissen mich leben zu ewiger Noth/ Und taͤglich empfinden unendlichen Tod. Ich will nicht/ daß ich ihn zuvor gesehen/ sagen. Ich hoͤre/ weiß nicht wen/ in dieser Gegend klagen. Bistu es/ mein Mirtill? Ach ja! waͤr ich so wohl ein Staub und todter Schatten. F 3 C. Nun GUARINI Nun wohl/ wie geht es dir? Ist dir numehr gerathen/ Nachdem du hast geredt mit deiner Amarill? Gleich wie der erdurste Krancke Kommend zu verbotnem Trancke/ Zwar den schwachen Magen fuͤllt/ Doch die Hitze nicht bestillt/ Eh des Lebens Licht verloͤscht/ Als den strengen Durst abwaͤscht; So ich/ brennend von Verlangen Schoͤner Augen/ schoͤner Wangen/ Derer Hertz von Eise trifft/ Schoͤpffe nichts als kalte Gifft/ Welche zu dem Hertzen schlaͤgt/ Immer neuen Brand erregt. Der Liebe Glutt vermag nicht mehr in unsern Sinnen/ Als wir ihr selber Staͤrck und Krafft darzu verguͤnnen. Gleich wie der wilde Baͤr erst bildet mit der Zungen Die rohe Mißgeburt der ungestalten Jungen; So sprisst von ersten auch die keimende Begier In voller Ohnmacht aus/ die ein bethoͤrter Geist Mit suͤssem Muͤßiggang und stillem Schweigen speist/ Mit Traͤumen unterhaͤlt: Dann kreucht die Lieb herfuͤr/ Ein erstlich kleines Kind voll Anmutt und Vergnuͤgen/ Bey deme Freud und Lust in einer Wiege liegen: Waͤchst aber dieses auff/ durch Eigen-Lust genaͤhrt/ So schlaͤgt es aus der Art/ bemeistert unsre Brust/ Denn schmeckt wie Gall und Gifft die alte Liebes-Kost/ Wird durch die Zeit in Straff und Schwachheit umgekeh Plagt sich die Seele dann mit einem Gegenstande/ Und hanget selbem an/ wie eine Klett am Bande/ So wird/ was gutten Mutt und Wollust bringen soll/ Zu Schwermutt/ Pein und Angst und ein betruͤbter Tod/ Wo nicht der Aberwitz/ das Ende solcher Noth. Drum/ wer sein Leben offt veraͤndert/ handelt wohl. Muß ich ungluͤckselig leben/ Will ich doch bestaͤndig seyn/ Und das Leben eh begeben/ Als den Wechsel gehen ein; S treuer Schaͤffer. Sie ist unter allen Schmertzen Meine Seel und Hertz allein; Und zwey unterschiedne Hertzen Koͤnnen nicht beysammen seyn. Armseliger Schaͤffer/ wie weistu so schlecht Zu brauchen der Liebe vergoͤnnetes Recht. Das fliehende Suchen/ das suchende Jagen? Da wolt ich viel lieber das Sterben ertragen. Gleich wie das edle Gold durch heisser Kohle Brand/ So wird die reine Treu durch Ungluͤck auch erkannt. Unuͤberwindliche Bestaͤndigkeit im Lieben Wird/ ihre Macht durch Haß zu weisen/ angetrieben. Diß ist mein suͤsser Trost allein In meiner uͤberhaͤufften Pein: Das Aechtzen und Lechtzen/ die thraͤnende See/ Verlassen und hassen ich alles nicht achte/ Ich leide/ verderbe/ ja sterbe vor Weh/ Die Seele zerflisse/ das Hertze verschmachte/ Wenn dieses mein Leben nur eher zerrinnt/ Als meine demantene Treue verschwindt. Denn besser ists/ Leben und Seele verlassen/ Als falsche Gedancken und Aenderung fassen. Schoͤner Vorsatz! tapffre Sinnen! gleich den ungezaͤhm- ten Thieren/ Gleich den unbelebten Felsen/ welche kein Bewegnis spuͤreu. Es ist kein’ aͤrgre Pest/ es ist kein haͤrtrer Gifft/ Als wenn der tolle Wahn der Treu auff Liebe trifft. Ungluͤcklich/ wer sich diß Gespenste laͤsst bethoͤren/ Gewohnt die suͤsse Lust der Liebe zu verstoͤren. Und sage mir/ was hastu vom bestaͤndig-seyn? Was liebestu so treu an der/ die dich veracht? Die Schoͤnheit? welche doch nicht dein. Die Freundligkeit? die dich nicht hilfft. Das Ernst seyn? das dich seufftzen macht. Den Lohn? den du umsonst verlangst. Die Lust? die nicht vor dich bereit. Wenn du dich um und um besiehst/ was liebest du? dein Hertzeleid/ F 4 Dein GUARINI Dein Ungluͤck/ deine Noth/ Wer weiß nicht deinen eignen Tod? Und du bist noch so tumm/ und liebst/ was dich nicht liebt? Erhole dich/ Mirtill/ erkenne deine Gaben. Vielleichte wirstu sonst an Liebsten Mangel haben? Vielleicht ist keine sonst/ die dir ihr Hertze giebt? Es ist mir suͤsser Pein Um ihrentwegen leiden/ Als unter tausend Freuden Bey andern Nimphen seyn. Und laͤßt mich bessre Zeit Der Himmel nicht erwerben/ So mag vor mich ersterben Sonst alle Froͤligkeit. Solt ich durch andrer Gunst Vergnuͤget koͤnnen leben/ Und meinen Sinn erheben Zu neuer Liebes-Brunst? Ich konte meine Pflicht Nicht brechen/ wenn ich wolte; Und wenn ich koͤnnen solte/ So wolt ich dennoch nicht. Und solt es ie geschehn/ Daß eine Zeit das Kuͤnnen Und Wollen meiner Sinnen Veraͤndert moͤchte sehn/ Ruff ich den Himmel an/ Mein Kuͤnnen und Begehren Dem Grabe zu gewaͤhren/ Eh’ ichs erfuͤllen kan. O eingenommner Sinn! giebstu dein edles Blutt Denn einer Grausamen/ zum Spiel und Rauber-Gutt? Wer nichts zu hoffen hat/ hat nichts mehr/ daß ihn reue. Mirtill/ betruͤg dich selber nicht. Du bist vielleicht noch unbericht/ Wie abhold sie dir ist. Wenn du nur soltest wissen/ Was sie offt gegen mich vor Worte laͤsset schiessen. M. Ach treuer Schaͤffer. Ach! dieses alles sind Siegs-Zeichen meiner Treue/ Durch die ich Himmel/ Erd’ und Sterne will bekriegen/ Mein Leiden/ ihren Zorn/ Welt/ Gluͤck und Tod besiegen. Was wuͤrde dieser thun/ wenn er erkennte/ Wie ihr verliebtes Hertz um seinet wegen brennte? Mirtill/ ich klage dich um deiner Schwachheit wegen. Doch sage mir/ hast du auch sonst iemahls zu lieben pfle- gen? Mein erster Brand entstund durch Amarillens Schein/ Und Amarille soll mein letztes Feuer seyn. So hast du nichts bißher/ so viel ich nehme wahr/ Als Zorn und Bitterkeit der Liebe schmecken muͤssen. Ach soltestu einmahl auch ihre Lust genissen Und kosten/ was sie reicht vor Suͤßigkeiten dar. Versuch es ein wenig. Es ist um ein Wagen. Ich weiß es/ du wirst mir beystimmen und sagen: Wie suͤsse schmeckt der Bissen/ Den Gegen-Liebe wuͤrzt/ Bey dem uns das Genuͤssen In keinen Mangel stuͤrzt/ Da wir so viel empfangen/ Als unsre Seelen selbst verlangen. Wenn unter den Corallen Verdecktes Muschel-Hauß Der heissen Seuffzer schallen Die Wette laͤsset aus/ Und mit verliebten Kuͤssen Die Seelen laͤßt zusammen flissen. Sie sagt: Mein Schatz/ mein Leben/ Dich hab’ ich auserkist/ Dir hab’ ich uͤbergeben/ Was um und an mir ist/ Was dein Gesichte schauet/ Ist dir zu Freud und Lust vertrauet. Bin ich vor schoͤn zu schaͤtzen/ So bin ichs nur vor dich/ F 5 Dein GUARINI Dein Auge zu ergoͤtzen/ Schmuͤckt Haubt und Wangen sich: In meinem wohnt das deine/ In deinem Hertzen wohnt das meine. Diß ist ein Vorschmack nur der suͤssen Liebes-Lust/ Die nicht beschreiben kan/ wer sie nicht selbst gekost. O tausend mahl begluͤcktes Kind/ Dem solche Freuden seyn verguͤnnt! Mirtill/ (ich haͤtte bald darzu gesagt/ mein Leben.) Ein edles Nimphen-Blut/ das keiner nach darff geben/ Das deiner Gunst so wohl als du der ihren werth/ Von manchem Schaͤffers-Sohn umsonst bißher begehrt/ Mit Muͤh’ und Fleiß bedient/ verehret dich allein/ Laͤst dich ihr einig Hertz und ihre Seele seyn. Mirtillo/ bist du klug/ du wirst sie nicht verschmaͤhn: Wie wir den Schatten stets dem Leibe folgen sehn/ So wird sie iederzeit an deiner Seite gehn/ Auff Wort/ auff Blick und Winck dir zu Gebote stehn/ Wird dich zu keiner Zeit/ bey Tag und Nacht verlassen. Wiltu das Gluͤcke nicht mit beyden Haͤnden fassen? Du hast auff dieser Welt ja keine suͤßre Lust/ Als die dich keine Zeit/ Gefahr noch Seuffzen kost. Die Freude/ die bequem und wohlgelegen faͤllt/ Ergoͤtzung/ die dir selbst koͤmmt in den Arm gelauffen/ Vergnuͤgung/ welche du nicht darffst mit Muͤhe kauffen/ Die deinem Schmacke nach allzeit bereite Speisen/ Die deiner Essens-Lust sich immer fertig weisen/ Ach die bezahlet ja kein Gold noch Schatz der Welt. Drum hasse/ Mirtillo/ verlasse fort an Der fluͤchtigen Fuͤsse verzweifelte Bahn/ Umfasse dagegen ohn fernere Flucht/ Was hertzlich und schmertzlich dein Lieben gesucht. Trau mir! ich will dich nicht mit eitler Hoffnung quaͤ- len. Es ist mein gantzer Ernst: Du hast nur zu befehlen. Die deine Gunst verlangt/ ist nicht so weit von hier. Wiltu/ so findt sie sich den Augenblick zu dir. Mein Hertz ist solche Lust zu schmecken nicht bereit. C. Ver- treuer Schaͤffer. Versuch’ es nur ein mahl/ Und denn ergib dich wieder der gewohnten Qual/ Daß du auffs wenigste kanst aus Erfahrung wissen/ Was bey der Liebe zu genissen. Verderbtem Schmacke graut vor aller Suͤßigkeit. So t hus auffs wenigste dieselbe zu erquicken/ Die deiner Augen Glutt sonst wird zu Grabe schicken/ Grausamer/ du weist ja auch/ was es um die Armuthey Und das schwere Bettelgehn vor ein elend Leben sey. Was nun dein verliebter Sinn selber wuͤnschet zu erlangen/ Laß die andern/ so darnach hungert/ auch von dir empfan- gen. Wie/ vermag ich wohl andern weg zu geben/ Was ich nicht vor mich selber kan erheben? Kurtz: Ich bin einmahl entschlossen/ treu zu leben und zu sterben/ Ohnerachtet ob ich Feindschafft oder Liebe moͤg’ erwerben. Ach blinder Ungluͤcks-Sohn! wem wirstu treu erzeigen? Ich dachte zwar zu schweigen/ Und dich bey ohne diß gehaͤuffter Pein Nicht mehr in Hertzeleid zu sencken ein; Allein/ du bist zu sehr verrathen und betrogen/ Daß ichs nicht dulden kan/ weil ich dir stets gewogen. Glaͤubstu/ daß Amarill aus Liebe keuscher Zucht Und wahrer Froͤmmigkeit mit ungestuͤmer Flucht Und harter Grausamkeit sich deiner Lieb’ entbricht/ So bistu thoͤricht. Glaub’ es nicht/ Der Platz ist schon berennt/ dir koͤmmt das Weinen zu/ Wenn sie mit andern lacht. Wie ists? verstummestu? Ich weiß nicht ob mir heiß/ ich weiß nicht ob mir kalt/ Ich weiß nicht ob ich leb/ ob ich gestorben bin/ Indem mein aͤngstig Hertz in solchem Zweifel wallt. Drum bin ich so verstarrt. Wiltu iu Zweifel ziehn/ Was ich dir beygebracht? Hielt ichs vor eigen wahr/ So stuͤrb’ ich alsobald. Nein/ leb’ und raͤche dich. Ich glaub’ es aber nicht/ und weiß/ es kan nicht seyn. Dein Mißtraun zwinget mich Noch GUARINI Noch weiter/ was dich kraͤnckt/ zu machen offenbar. Siehstu die Hoͤle dort? diß ist das tunckle Grab/ Wo Amarillis Treu und Ehre leget ab/ Da lacht man deiner Brunst/ da spott man deiner Pein/ Da wuͤrtzt und zuckert man mit Schertz von deinem Leiden Des gluͤcklichen Mitbulers suͤsse Freuden/ Da ist es/ wo dein Schatz verbotner Liebe pflegt/ Und einem groben Kerl sich in die Armen legt. Nun seuffze/ wein und sey bestaͤndig gegen ihr. Das ist der Lohn dafuͤr. Ach weh! so redst du wahr/ und darff ich mich drauff gruͤn- den? Je mehr du forschest nach/ ie aͤrger wirst dus finden. Hast du es denn gesehn? Ach Hertzeleid! Nicht ich allein; auch du wirsts selber sehn/ Und eben heute kans geschehn. Heut’ ist der Tag/ und diß ist die bestimmte Zeit. Wiltu in diesen Hecken Dich eine kleine Zeit verstecken/ Du wirst sie unverlaͤngt sehn in die Hoͤle krichen/ Dem Buhler folgen nach. So nah’ ist mein Verderben? Dort kommt sie allbereit vom Tempel her geschlichen. Mirtillo/ siehstu nicht/ wie ihr verstolner Fuß Durch seinen leisen Tritt den Sinn verrathen muß/ Der mit Betrug und List der Liebe schwanger geht/ Wie sie bald um sich sieht/ bald furchtsam stille steht/ Bald weiter eilt: Erwart itzund was ferner wird geschehn. Wir werden uns hernach wohl wieder sehn. Weil ich der Warheit nun so nahe kommen bin/ Will ich mein Urtheil noch verschieben biß dahin/ Mit samt dem Schluß/ ob ich soll leben oder sterben. Dritter Handlung siebender Eintritt. E s fange ja der Mensch nichts ohn den Himmel an. Ich gieng zum Tempel hin mit Zweifel/ Furcht und Schrecken/ Von treuer Schaͤffer. Von dar ich izt getrost zuruͤcke kommen kan. Als ich mein rein Gebet in Andacht ließ erschallen/ So fuͤhlt ich neuen Mutt in meinem Hertzen wallen/ Ein freudig-freyer Geist beseelte meinen Sinn/ Und sprach mir gleichsam zu: Was fuͤrchtstu dich? Geh wohlgemutt und sicher hin. So will ich meinen Weg nun auch getrost vollstrecken/ Und wuͤnsche noch einmahl: Der Himmel leite mich. Schoͤne Mutter suͤsser Flammen/ ach begnade diß dein Kind/ Daß sich izo deiner Huͤlffe duͤrfftig und benoͤthigt findt; Wo du iemahls suͤsse Wunden/ Und den Brand Deines Sohnes hast empfunden/ Reiche mir die Hand. Holde Goͤttin/ Stern des Gluͤckes/ zeige deinen Gnaden- Schein/ Laß den Anschlag meiner Liebe deiner Gunst befohlen seyn/ Fuͤhre bald des Schaͤffers Fuͤsse An den Ort Da ich mich itzund verschliesse/ Dem verpfaͤndt mein Wort. Du/ o angenehme Hoͤle/ birg’ in deiner treuen Grufft Diese Dienerin der Liebe/ goͤnn ihr/ was sie fuͤrcht und hofft/ Daß sie unter deinem Schatten Ruhen kan/ Und was sie sucht/ unverrathen Moͤge treffen an. Doch/ was wart ich? Hier ist niemand der mich sehn und hoͤren kan. Koͤnte dir Mirtillo traumen/ wo ich izt zu treffen an. Dritter Handlung achter Eintritt. M ir traumet leider nicht; ich wache nur zu wohl/ Und seh nur allzu viel. Ach waͤr ich blind/ ach nie ge- bohren! Hat mich mein Unstern denn zu laͤngerm Leben auserkohren/ Daß GUARINI Daß ich noch solches Leid vor Augen sehen soll? Mirtillo/ der du mehr denn alle Plagen Der Erde must ertragen/ Ach zweifle weiter nicht an dem/ was niemand leugnen kan. Dein eignes Auge hats gesehn/ dein Ohr gehoͤret an. Ein ander hat/ was du geliebt/ Nicht durch das Recht/ dadurch ein ieder um sie kuͤmmt/ Durch Liebe/ die sie dir alleine nimmt Und einem Fremden uͤbergiebt. So kan dich Grausame denn nicht mein Tod versohnen? Mustu mich noch darzu beschimpffen und verhoͤnen? Muß dieser falsche Mund voll Trug und Unbestand/ Der doch Mirtillens Kuß einmahl so gut befand/ Den Nahmen/ der dir izt verdruͤßlich beygefallen Und dein untreues Hertz im Leibe machet wallen/ Damit er dir nicht mehr in deiner Brust/ Als Zeuge der verstolnen Lust/ Beschwerlich koͤnne seyn/ Zuvor von deinen Lippen speyn. Was haͤlt dich auff Mirtill. Die/ so dir gab das Leben/ Hat dir es izt geraubt/ und andern hingegeben/ Und du Elender lebst? Und du bist noch nicht todt? Ach stirb Mirtillo/ stirb/ erstirb auch deiner Noth. Stirb deinen Schmertzen ab/ stirb ab von deinem Leiden/ Wie du erstorben bist zu allem Gluͤck und Freuden. Dein Leben/ deine Lust/ dein Hoffen ist dahin/ Darum du billich auch des Jammers End erlangst: Befrey den muͤden Geist der schweren Todes-Angst/ Die dich zu groͤßrer Qual allein zu leben zwingt. Doch/ soll ich auch vergehn/ eh’ ich gerochen bin? Es sterbe der zuvor/ der mich zu sterben dringt. Es weichen die bluttigen Schmertzen Der Rache des brennenden Hertzen/ Dem flammenden Eyfer zum Streit Erbarmen und weibisches Leid. Es muͤsse dem wuͤttenden Leben Die Liebe zu sterben nachgeben/ Biß treuer Schaͤffer. Biß Rache/ bey Leben gethan/ Mein Sterben befriedigen kan! Ich will die Todes-Lust so lange noch verschieben/ Biß ich gerechte Rach am Feinde kan veruͤben/ Und dessen freches Hertz in eignem Blutte schwimmt/ Der mir ohn meine Schuld das Hertz im Leibe nimmt. Diß Eisen soll mein Blutt nicht ungerochen schmecken. Die Hand soll vor dem Zorn als dem Verzweifeln die- nen. Du/ der du dich mein Gutt zu brauchen darffst erkuͤh- nen/ Du seyest wer du seyst/ mein Fall soll dich erstecken/ Ich will mich wieder her in diese Straͤuche setzen/ Und wenn er sich nunmehr wird zu der Hoͤle nahn/ Will ich ihn unverhofft zur Seite fallen an/ Ihm den gespitzten Stahl durch seine Rippen jagen. Waͤr aber diß nicht auch vor Meuchel-Mord zu schaͤtzen. Und eine feige That/ wenn ich von hinterwerts Mich ungewarnter Sach’ an ihm vergreiffen solte? So will ichs lieber denn auff mein Verzweifeln wagen/ Ihn/ wo er gleich nicht will/ mit mir zu fechten zwingen/ Damit in offnem Kampff sich mein gerechter Schmertz Durch Kuͤnheit weisen kan. Allein auch dieses geht nicht an. Der Ort ist allzu sehr bekandt; Wie leichtlich findet sich iemand Der unsern Streit verhindern wolte? Wie leichtlich moͤchte man auff dessen Ursach dringen. Schweig’ ich/ so setz ich mich vor unrecht in Verdacht; Erticht ich was/ so mißt man mir nicht Glauben bey; Entdeck ich denn/ was Schuld an solchem Kampffe sey/ So wird die Amarill in hoͤchsten Schimpff gebracht/ Von der ich zwar itzund muß wenden meine Sinnen/ Ihr dennoch aber auch nichts Boͤses weiß zu guͤnnen. So sterbe denn der freche Boͤsewicht/ Der ihr die Ehr und mir das Leben bricht. Toͤdt ich ihn aber hier und bleibe gleich allein/ Wird sein vergoßnes Blutt doch mein Verraͤther seyn. Wie- GUARINI Wiewohl/ hab’ ich mir Lust das Leben zu verkuͤrtzen/ Warum wolt’ ich mich nicht in Todes-Straffe stuͤrtzen? Ich fuͤrchte nur dabey die Ursach zu entdecken/ Und sie Undanckbare mit Schande zu beflecken. Drum wird es besser seyn/ daß ich ihn in der Hoͤle Mit List und mit Gewalt auffs best’ ich kan entseele. Der Anschlag ist mir recht. Drum will ich allgemach Und leise gehn hinein/ daß ich nicht werd entdeckt. Sie hat sich Zweifels frey und ihren Worten nach Recht an geheimsten Ort gantz tieff hinein versteckt: Ich will hier vornen bald zur Seite bleiben stehn/ Biß daß es Zeit wird seyn ihm auff den Halß zu gehn. Denn soll der todte Feind zu ihren Fuͤssen liegen/ Damit ich meine Rach an beyden kan vergnuͤgen. Ich will ihm folgen nach mit unerschrocknem Hertzen/ Und Amarillens Fuß mit meinem Blutte faͤrben. Vielleicht wird unser drey auff eine Stunde sterben: Durchs Eisen ich und er/ und sie von Reu und Schmer- tzen. Der Ort/ darinnen sie zu stiller Lust gekehret ein/ Wird denen beyden eine Grufft/ Die ihre Gunst/ doch nicht mit gleichem Gluͤck/ gehofft/ Und/ was mein Liebstes ist/ ein Deckel ihrer Schande seyn. Nun ihr Fußstapffen/ die ich offt bey ihrer Flucht Mit sonderm Fleiß umsonst gesucht/ Wie treff ich euch itzund so frisch und kentlich an? Was fuͤhret ihr mich izt vor eine schoͤne Bahn? Und dennoch folg’ ich euch/ so lang’ ich Athem fuͤhr. Ach ja/ Corisca ja/ nunmehro glaub’ ich dir. Dritter Handlung neundter Eintritt. C oriscen glaͤubt der Mensch und folget ihrer Bahn? Ein Narr ist/ welcher nicht die Ursach rathen kan. Jedoch mein gutter Kerl/ du must ein sicher Pfand/ Darauff du trauen wilt/ schon haben in der Hand/ Du treuer Schaͤffer. Du must sie mehr denn ich zu naͤchst gefesselt haben/ Da sie den falschen Kopff bey mir im Stiche liß. Was aber bindet sie? Nichts anders wohl gewiß/ Als schaͤndlicher Gewinn und uͤberhaͤuffte Gaben. Das unverschaͤmte Thier hat sich gewiß verkaufft/ Und wird anizt den Lohn verbotner Wahr empfangen. Nun wohl! vielleicht hat dich der Himmel in die Erde Gefuͤhrt/ daß du gestrafft/ und ich gerochen werde. Mirtillo sagt/ sie sey bereits hinein gegangen; So mache nun/ daß dir das Gluͤcke nicht entlaufft/ Erobere mit List die vorgestoßne Beute/ Verstopffe dieses Loch durch jenen grossen Stein/ Der wohl von innen nicht wird wegzubringen seyn. Denn geh zum Priester hin/ gib ihre Missethat Als Klaͤger bey ihm an/ und fuͤhre seine Leute Durch den gar wenigen bekandten Steg dahin/ Wo dieser Hoͤle Schlund den andern Ausgang hat/ Damit sie sie zur Hafft und vor Gerichte zihn/ Die Schaͤrffe der Gesetz und ihr verhaßt Verbrechen Wird ohne Zweifel ihr das Todes-Urtheil sprechen. Denn mir ist wohl bekandt/ wie sie mit falschen Sinnen Dem Coridon vorlaͤngst die Ehe zugesagt/ Der solche zu vollziehn sich nie vor mir gewagt. Izt ist die Zeit/ da wir uns beyde raͤchen kuͤnnen. Drum saͤum ich weiter nicht/ ich will von dieser Eichen Abbrechen einen Ast/ den Stein damit zu heben. Der wird schon dienlich seyn. Wie schwer ist/ wie so feste liegt der Stein? Hier will ich staͤngen ein/ daß er sich loß muß geben. Der Nath war gut: Ich will ein Holtz hier unterstreichen. Nun will ich druͤben auch so thun. Wie steuret er sich an? Ich muß ein wenig ruhn. Es koͤmmt mich saurer an/ als ich vorhin gedacht. Ich kan ihn nicht einmahl noch aus dem Lager treiben. Ich glaͤube daß die gantze Welt Hinein gezaubert ist/ die ihn so unbeweglich macht. Wo muß denn meine Krafft und alte Staͤrcke bleiben? Was habt ihr Sternen mir zum Possen angestellt? G Nun GUARINI Nun wohl! du wirst doch endlich weichen muͤssen/ Wie sehrs Coriscen gleich und alle Weiber mag verdruͤssen. Vater Pan/ du starcker Pan/ Welcher alles zwingen kan/ Der du selbst ein wildes Hertz hast vergebens muͤssen lie ben/ Staͤrcke meine Glieder auch/ hilff mir heben/ hilff mir schie ben/ Hilff mir Rache durch diß Weib vor verschmaͤhtes Liebe uͤben. Nun itzo wird es gehn: Nun steht er/ wie er solte. Nun faͤllt er vor das Loch/ wie ich ihn haben wolte. Nunmehr ist der Fuchs verwittert/ daß er nicht entgehe kan: Nun will ich ihn auszuraͤuchern auch das Feuer legen an. Welche Lust werd’ ich mir sehen/ wie ihm wird der Balck ver derben? Ach/ daß alle boͤse Weiber auch zugleiche moͤchten sterben! Wie groß/ O Lieb/ ist deine Krafft/ Die so viel Wunderwercke schafft/ Die oͤffters die Natur bezwingt/ Und alle Welt in Regung bringt? Welch wildes Volck/ welch frecher Mutt Empfindt nicht deine Krafft und Glutt? Welch kluges Hertz/ welch tieffer Geist Ist/ der uns deine Kraͤffte weist? Betracht der forschende Verstand Der ungezaͤhmten Luͤste Brand/ Der sich durch deine Hitz’ erregt/ Offt wider Witz und Wohlstand legt; So bildet er ihm sicher ein/ Du must ein irrdisch Wesen seyn: Des schwachen Leibes Huͤtte sey Die Wohnung deiner Tyranney. Doch treuer Schaͤffer. Doch siehet man hingegen an/ Wie Tugend mit dir wuͤrcken kan/ Und sich durch deine Flamm erregt/ Manch eingeschlaͤffter Geist bewegt; Wie deiner Treue reines Licht Durch Wetter/ Sturm und Naͤchte bricht/ So spricht man dir zum Sitz und Ruh Das beste Theil der Seele zu. Man nennet dich ein Wunder-Feur Und uͤberirrdisch Ungeheur/ Klugmuͤttig/ aber doch ein Kind/ Mit Wissen tumm/ mit Augen blind/ Bey dem Verstand und Sinnligkeit Vernunfft und die Begierde streit/ Und alles dessen ungeacht/ Verehret alles deine Macht. Im fall mir aber ist erlaubt Zu sagen/ was das Hertze glaubt/ So sag’ ich/ daß noch diese Welt Ein groͤsser Wunder in sich haͤlt/ Woruͤber sich der Mensch entsezt/ Was er vor wunderswuͤrdig schaͤzt/ Das wird ja von dir anders nicht/ Als durch ein schoͤnes Weib/ verricht. Geschencke/ das der Himmel bracht/ Und der/ der dich und ihn gemacht/ Was hastu alles nicht an dir/ Das selbst dem Himmel gehet fuͤr? Ein Auge traͤgt sein grosses Haubt/ Das andrer Augen Licht entraubt. Sein Seuffz- und Reden wiederschillt/ Als wenn ein zornig Leue bruͤllt. Dein linder Blitz der Sonnen Paar Erleuchtet/ was vertunckelt war/ Fuͤhrt wieder durch geneigten Schein Den Glantz der todten Hoffnung ein. G 2 Wort/ GUARINI Wort/ Gang und Blick/ Kunst/ Zier und Art Sind also wohl bey dir gepaart/ Daß sich mit dir der weite Kreiß Des Himmels nicht zu gleichen weiß. Das stoltze Thier/ der kuͤhne Mann/ Dem sonsten alles unterthan/ Hat Ursach/ wenn er deine Zier Und deren Ursprung ehrt in dir. Er herrscht nicht/ daß er kluͤger sey/ Daß dir mehr Ehre wachse bey. Des Uberwinders Ruhm erhoͤht/ Der ihm zu seinen Fuͤssen steht. Daß aber auch der Mann vergißt Durch dich/ was menschlich an ihm ist/ Weist iedem heute der Mirtill Ein Beyspiel/ ders nicht glaͤuben will. Diß fehlte noch zu deinem Preiß/ Daß der/ der nichts zu hoffen weiß/ Dich biß an seines Lebens Schluß Doch Treu-bestaͤndig lieben muß. Vierdter Handlung erster Eintritt. allein. I Ch war so bemuͤht vorhin Amarillen zu betruͤgen/ Daß ich gar nicht hatte Zeit zu gedencken an mein Haar/ Noch ein Mittel auszusehn/ wie ichs koͤnte wieder krie gen; Ob mir wohl/ so liebes Pfand zu verlassen/ schmertzlich war/ Wust ich seinen groben Haͤnden doch nicht anders zu ent gehn. Sonsten gleicht sein Hertze wohl einem auffgejagten Ha sen/ Aber ich/ ein schwaches Weib/ haͤtte doch von seinem Ra sen Allerhand Verdruͤßligkeiten leichtlich muͤssen uͤberstehn. Ich treuer Schaͤffer. Ich weiß/ wie die Rache wuͤttet: Ich hab’ ihn allzeit betro- gen/ Weil er Blutt in Adern hatte/ wie ein Aegel/ ausgesogen; Itzund will er/ daß ich ihn nicht wie vormahls liebe/ klagen. Wenn ich ihn iemahls geliebt/ haͤtt er Ursach was zu sagen. Denn zu unbeliebten Dingen Laͤßt sich keine Lieb’ erzwingen. Wie ein Kraut des Brauches wegen wird gesucht und ab- gepfluͤckt/ Aber als ein faules Wesen weggeworffen und veracht/ Wenn der Safft heraus gequetscht; also Satir/ gehts auch hier: Nun ich dich/ wie einen Schwamm/ redlich habe ausgedruͤckt/ Und dein Fettes abgeschoͤpfft/ was hab ich zu thun mit dir? Nun anitzo will ich sehn/ was der Coridon gemacht/ Ob er in der Hoͤle sey. Aber was bedeutet diß? Wach ich? oder traͤumet mir? bin ich voll? hab’ ich den Stahr? Dieses weiß ich ja gewiß/ Daß der Eingang dieser Hoͤle noch gar kuͤrtzlich offen war; Wie ist er denn izt versperret? Wie ist denn der schwere Stein/ Der so lange da gelegen/ so geschwind herunter kommen? Man hat ja kein Erd-Erschuͤttern in der Gegend nicht ver- nommen. Moͤcht ich nur auffs mindste wissen/ ob die beyde drinnen seyn. Coridon wird nach Lisettens Worten laͤngsten hier seyn muͤs- sen. Nun! vielleicht ist er schon drinnen/ und Mirtill hat sie ver- schlossen. Liebe/ die von Eyfer brennet/ koͤnte wohl die gantze Welt/ Schweige denn den Stein/ verkehren. Wo er diß hat ange- stellt/ So haͤtt er mir wohl nichts liebers auff der Welt erzeigen kuͤnnen. Ich will auff der andern Seiten schon der Warheit werden innen. G 3 Vierd- GUARINI Vierdter Handlung anderer Aufftritt. Dorinde. Linco. S O kenntestu mich nicht? Wie solte man Dorinden. Das liebe Maͤgdichen/ in solchen Kleidern finden? Waͤr ich ein Hund so wohl/ als ich vernuͤnfftig bin/ Ich haͤtte dir gewiß den Kater wollen ziehn/ Und durch zurißnen Peltz dich allzuwohl erkennen. Was seh’ ich? Diß was Lieb’ und Ungluͤck wuͤrcken kan. Ein zartes Weibes-Bild soll ich hier treffen an/ Das noch vor kurtzer Zeit war bloß ein Kind zu nennen? Wie lang’ ists/ da ich dich noch trug auff meinen Haͤn- den? Wie lang’ ists/ da ich dir regierte Fuß und Mund/ Als ich in Diensten noch bey deinem Vater stund. Dich konte dazumahl ein rauschend Blat erschrecken/ Du sahest/ wie ein schuͤchtern Reh/ dich um auff allen En- den/ Ein Laub-Frosch konte dir/ ein Vogel/ Furcht erwecken/ Izt lauffestu ohn Sorgen mit Beschwer In unbewohnten Puͤschen hin und her/ Und scheuest weder Wild noch Hunde. Was Liebe schon verlezt/ acht keiner andern Wunde. Ja freylich hats bey dir die Liebe weit gebracht/ Die dich zum Manne/ ja vielmehr zum Wolffe macht. Hier/ Linco/ sizt der Wolff/ der mir das Hertze frißt. Ein Wolff? der Silvius? Ach ja! du hasts erra- then. Drum weil er ist ein Wolff/ wiltu die Woͤlfin seyn. Weil dir die menschliche Gestalt nicht koͤmmt zu statten/ Denckstu den Jaͤger selbst zu fangen durch die List. Wo aber hastu denn die Kleider herbekommen? Von meines Vaters Knecht Lupin/ Wie du vernehmen wirst. Ich gieng sehr fruͤh dahin Mit Furchten und Begier/ wo ich vorhin vernommen/ Daß Silvio zur Jagt sich wuͤrde finden ein. Als ich durch die Eichen kam/ um die Gegend ohngefehr/ Wo das silber-helle Quell von dem Huͤgel fliest daher/ Tra ff treuer Schaͤffer. Traff ich den Melampus an/ meines schoͤnen Jaͤgers Hund/ Der ihm in der kuͤhlen Bach eingefrischt den duͤrren Mund: Ich nun/ die ich alles liebe/ was dem Silvio gehoͤrt/ Deren Hertze selbst den Schatten seines schoͤnen Leibes ehrt/ Schweige denn diß treue Thier/ seine Liebe/ seine Lust/ Lockt ihn zu mir/ faßt ihn an/ druͤckt ihn an die weiche Brust/ Er gieng ohne Widerstreben/ wie ein frommes Lamm/ mit mir: Indem ich ihn nun will wieder sein- und meinem Herren bringen/ Und durch so beliebt Geschencke seine Gnad und Huld er- zwingen/ Koͤmmt er selber ihn zu suchen/ und verweilet sich allhier. Es ist nicht eben Noth weitlaͤufftig anzufuͤhren/ Was zwischen uns gieng vor: Ich will nur diß gedencken/ Nachdem mich Silvio auffs laͤngste wollen kraͤncken Durch falsche Troͤstungen und eitles Wortverlieren/ Lieff mir der Grausame mit dem gehofften suͤssen Lohn Voll Zorn und Ungedult darvon. O grausam wilder Sinn! Was hastu drauff gethan? Hat seine Falschheit dich nicht auch zu Zorn bewegt? Sein Kaltseyn hat bey mir den Brand nur mehr erregt/ Ich folgt ihm nach/ und traff Lupinen wieder an/ Den ich voran geschickt/ bald fiel mir ein/ mich zu verkleiden/ Damit von andern Hirten mich niemand koͤnt unterscheiden/ Und ich an Silvien mein’ Augen sicher doͤrffte weyden. Du bist in Wolffs-Gestalt gewesen auff der Jagt/ Und blieben unverlezt? Gewiß genug gewagt. Wundre dich hieruͤber nicht; was der Jaͤger soll genuͤssen/ Bleibt von Hunden nnzerrissen. Ich stand bey der Hirten-Schaar/ die die Netze zugetragen/ Blickte mit bemuͤhten Augen auff die Jaͤger/ nicht auffs Wild; Wenn die Hunde schlugen an/ fieng mein Hertz auch an zu schlagen/ Wenn mein Silvio sich ruͤhrte/ wars als solt ich zu ihm sprin- gen/ G 4 Aber GUARINI Aber diese meine Freude ward in kurtzer Zeit gestillt; Als man anfieng mit den Hunden auff das grosse Thier zu dringen/ Als es sich zur Gegenwehre mit erzuͤrntem Schnauben stellte/ Mit den schaͤumig-bluttgen Waffen Hund und Mann zu Boden faͤllte/ Ach wie zagt’ ich? ach wie wuͤnscht ich offt mein ungluͤckse- ligs Leben/ Zu Versicher- und Befreyung meines Liebsten hinzugeben? Ach wie offt hatt ich im Willen in die Stallung einzustuͤrmen/ Und mit meinem Leib/ als Schilde/ meinen Jaͤger zu beschir- men. Ach wie offt sagt ich bey mir: Schone doch der schoͤnen Brust/ Schone doch der schoͤnen Schoß/ meiner Augen Wonn’ und Lust/ Du ungeheures Thier. So seuffzt und wuͤnscht’ ich stets/ als er den Hund ließ gleiten/ Im Harnisch seinen Feind begierig zu bestreiten. Wie hertzhafft er sich wieß/ kan ich dir nicht beschreiben: Er ist wohl werth in Gunst des Silvio zu bleiben: Wie ein Leue voller Zorn Bald das zugespizte Horn Des erzuͤrnten Puͤffels flieht/ Bald ihn wieder reitzt und rizt/ Biß er seinen Vortheil sieht/ Und ihm auff den Nacken sizt/ Mit den starcken Tatzen haͤlt/ Und entkraͤfft zu Boden faͤllt: So Melampus voller Mutt Reizt und flieht des Hauers Wutt/ Bald entfernt/ bald wieder nah/ Treibt in einem Kreiß umher/ Zwickt ihn hier und reizt ihn da/ Aeffet seine Gegenwehr/ Biß er ihm mit kluger List Die Gelegenheit erkist: Den treuer Schaͤffer. Denn faͤllt er die Ohren an/ Schuͤttelt ihn und beist sich ein/ Daß er nicht entreissen kan/ Und der Jaͤger Ziel muß seyn: Wie vergnuͤgt hierob/ wie froh Wird mein schoͤner Silvio. Er ergreiffet voller Eil Seinen Bogen/ waͤhlt den Pfeil/ Rufft Dianen eyfrig zu: Goͤttin/ diesen Schuß ach segne du/ So soll auch das beste Theil vom Schwein Heute noch dein Opffer seyn/ Spannt und trifft mit schnellem Flug In den lincken Foͤrder-Bug: Bald erliegt das grimme Thier/ Ach wie leicht und wohl wird mir/ Als mein Leben/ mein Verlangen Der Gefahr nunmehr entgangen. O vielbegluͤcktes Thier/ getoͤdtet durch die Hand/ Die mich mit solcher Lust versezt in gleichen Stand! Was machen sie nun mit? Das weiß ich nicht: Ich lieff vorhin/ Damit mich niemand moͤcht in dieser Kleidung treffen an. Doch bild ich mir wohl ein/ daß sie alsbald vor allen Dingen/ Wie Silvio gelobt/ das Haubt in Tempel werden bringen. Wiltu dich aber nicht umkleiden? Ja/ so bald ich kan. Lupino hat mein Zeug und solte bey dem Brunn verzihn/ Ich fand ihn aber nicht/ mein Linco thu so wohl/ Und such ihn in dem Pusch: Er kan nicht ferne seyn. Er weiß/ daß er auff mich der Gegend warten soll. Ich will mich unterdeß in jene Hecken/ (Du siehst sie ja) zur lincken Hand verstecken. Daselbsten wart ich dein. Ich bin voll Muͤdigkeit und Schlaff/ auch will ich nicht/ Daß mich iemand zu Hauß in diesen Kleidern sicht. Nun wohl/ ich eile fort; geh nicht von hier/ Biß daß ich wiederkommen bin zu dir. G 5 Vierd- GUARINI Vierdter Handlung dritter Eintritt. Der Chor. Ergasto. W ißt ihr/ ihr Hirten/ wie unser Held Der wuͤrdige Sohn des grossen Montan/ Nachfolgend dem Hercules seinem Uhr-Ahn/ Heute hat das grimmige Schwein gefaͤllt/ Die Felder des Schadens/ das gantze Land Der Sorge befreyet/ darinnen es stand? Wißt ihr/ wie er sich anizt bereit/ Der Goͤttin Geluͤbde zu legen ab/ Die seinem Beginnen Geluͤcke gab. Geht ihm entgegen mit Danckbarkeit/ Ruͤhmt euren Wohlthaͤter mit vollem Mund/ Ehrt euren Befreyer von Hertzen Grund. Ob wohl ein Tugend-vollkommener Sinn Nicht achtet der Ehre verfliegenden Thon/ Ist selbsten sein bester und eigener Lohn: So ist doch dieses allein der Gewinn/ Diß bleibet allein der hoͤchste Preiß/ Den Erde der Tugend zu geben weiß. O trauriger Fall! O schmertzliche Klag! Unheilsamer Streich! Ungluͤcklicher Tag! Verhaßte Begebniß! Was mag diß seyn? Wen hoͤren wir da solch Leid ausschreyn? Feindselige Sternen/ Verstoͤrer Unserer Ruh/ Trifft so mit eurem Vertroͤsten der Ausgang zu? Must’ unsre Hoffnung so bluͤhen und blincken/ Nur desto tieffer in Abgrund zu sincken? Ist dieses nicht Ergast? Es ist der gutte Mann. Was will ich aber den Himmel verklagen/ Was will ich von Sternen und Verhaͤngniß viel sagen? Ergasto klage dich selber an: Du hast das Stroh zum Feuer gelegt/ Du hast die toͤdtlichen Flammen erregt. Doch weiß der Himmel/ daß ich nichts boͤses gedacht/ Und daß mich Erbarmen zu solchem Beginnen gebracht. Unselig-verliebte! betruͤbtes Kind! Un- treuer Schaͤffer. Ungluͤcklicher Vater/ voll Jammerstand! Bekuͤmmerter Schwaͤher/ deß Freude verschwindt! Von Goͤttern und Menschen verlassenes Land! Unselig/ mit Schmertzen und Kummer verstrickt/ Was dieses mein thraͤnendes Auge beblickt! Hilff Himmel! sage mir/ was diß vor neuer Unfall ist/ Der auff uns alle trifft/ und alles Elend in sich schluͤßt! Er koͤmmt ohn diß daher/ last ihn darum befragen. (Verhaͤngniß hoͤrestu uns noch nicht auff zu plagen?) Sag’ uns/ mein Freund Ergast/ was dir vor Ungeluͤcke Die heisse Thraͤnen aus den truͤben Augen druͤcke? Ich weine/ lieben Freund’/ um mich und euch/ Und um das gantze Land zugleich. Ach weh! was sagest du? Die Hoffnung von uns allen Ach leider! ist nunmehr in Brunn gefallen. Sprich klaͤrer. Titirs einigs Kind/ des alten Vaters Trost und Stab/ Der einig noch verhandne Zweig vom grossen Wald-Gott Pan/ Der uns zu unserm Heyl bißher allein die Hoffnung gab/ Die selbst der Goͤtter Schluß versprach dem Sohne des Montan/ Die kluge Nimph/ Amarille/ das himmlische Bild/ Das Beyspiel aller Erbarkeit/ der Keuschheit Blum und Schild/ Ach die! das Hertze bricht mir/ wenn ichs sagen muß! Ist todt? Nein/ aber noch am Sterben. Ach Ver- druß! Ja diß ist nicht genung/ das aͤrgst ist noch dabey/ Daß sie im Schimpffe stirbt. Daß Amarillis sey Beschimpfft? und wie? Dieweil vor ohngefehr zwey Stunden Sie in verdaͤchtiger Gesellschafft ward gefunden. Hier koͤnnet ihr sie sehn/ wofern ihr wollt verzihn. Man wird sie/ meyn ich/ bald in Tempel fuͤhren hin. Schoͤnste/ doch schwereste Tugend der Frauen/ Keuschheit/ wie bistu so seltsam zu schauen? Wer- GUARINI Werden denn die nur mit Rechte vor zuͤchtig gepreiset/ Welchen zum Buhlen sich keine Gelegenheit weiset? O boͤse Zeit! verderbte Sitten! Gewiß man haͤtte fast Ursache keiner mehr zu trauen/ Nun dieser Ausbund aller Zucht die Schrancken uͤberschrit- ten. Mein lieber Freund/ laß dich die Muͤhe nicht beschweren/ Von allem/ was geschehn/ uns Nachricht zu gewehren. Das will ich thun: Ihr wißt/ wie heut am fruͤhen Morgen Die Vaͤter beyderseits in Tempel seyn gegangen/ Zu ihrer Kinder Eh/ auff die all ihre Sorgen Bißher gericht/ die Gunst der Goͤttin zu erlangen. Man schlachtete zugleich die Opffer/ und befand Die Zeichen so gewuͤnscht/ so gutt das Eingeweyde/ Die Flamme war so rein/ nnd wieß so gleichen Brand/ Als man iemahls gesehn/ daß auch Tirenio Zu unserm Priester sprach: Montan/ nun lebe froh/ Diß ist der Tag/ an dem dein Sohn verliebt soll leben/ Und/ Titiro/ dein Kind wird eine Braut abgeben; Bereite dich alsbald zum Hochzeit-Fest und Freude. Weissager ohne Witz/ und Haͤupter voller Wind! Und du Tirenio von inn- und aussen blind! Wenn dein verirrter Mund vor Krantz und Hochzeit-Bette Der Amarille Band und Tod verkuͤndigt haͤtte/ So moͤchtstu ein Prophete seyn/ Und deine Deutung treffen ein! Ein ieder war vergnuͤgt; die frohen Alten gossen Vor Freuden Thraͤnen aus/ und Titir gieng schon fort/ Als sich ein unverhofft Gethoͤn und Knall ließ hoͤren/ Die Feuer-Flammen hin und her im Tempel schossen/ Und uns des Himmels Zorn nur allzu klar entdeckten. Wie iederman erschrack auff vorge gutte Zeichen/ Wie einer hier/ der ander dort Sich furchtsam und erstarrt zur Erde niederstreckten/ Koͤnnt ihr/ geliebten Schaͤffer/ leicht erachten. Man sah der Priester Schaar ins innre Chor entweichen/ Mit Thraͤnen und Gebet die Goͤtter zu verehren/ Wie wir hieraussen auch zu thun gedachten. Bald treuer Schaͤffer. Bald kam der Satir her/ und wolt in Eil gehoͤret seyn Vom Priester/ ich fuͤhrt’ ihn/ wie meines Amtes ist/ hinein: Er sprach/ (wie wolt ein solches Maul wohl bessre Zeitung bringen/) Ihr Vaͤter/ wenn ihr seht/ daß euch die Opffer nicht gelingen/ Noch was ihr angezuͤndet habt/ will reine Flammen fan- gen/ So wisset/ daß auch unrein ist/ was heute wird begangen/ Daß Ericinens Hoͤl in sich ein Laster soll vergraben/ Was die gerechten Goͤtter doch bereits entdecket haben/ Daß da ein geil- und falsches Weib/ zu wider den Gesetzen/ Sich unterwindet Ehr und Treu in Unzucht zu verletzen. Laßt die Bedienten mit mir gehn/ so will ich weisen an/ Wie man sie beyd’ auff frischer That ohn Muͤh erwischen kan. Bald/ (wie sich leider denn der Menschen bloͤde Sinnen Nicht leicht in seltne Faͤll und ihr Verhaͤngniß finden kuͤnnen. Izt Hoffnung ohne Frucht/ offt wieder eitle Furcht gewin- nen/) Erholte sich der Vaͤter Mutt/ und dachten sie zu wissen/ Warum die Opffer vor so uͤbel abgehn muͤssen. Nicandern ward nebst uns mit ihm zu gehn befohlen/ Und das verbuhlte Paar gefaͤnglich einzuholen. Man gieng durch krummen Weg/ biß in die Hoͤl hinein/ Das ungluͤckseelge Mensch/ ich glaͤube/ von dem Schein Der Fackeln unverhofft geblendet und erschreckt/ Verließ den kleinen Gang/ darein sie sich versteckt/ Eilt auff den Ausgang zu/ den/ wie er gegen uns ge- meldt/ Der schlimme Satir mit dem grossen Stein verfaͤllt. Was thaͤt derselbe mehr? Er hat sich fortgemacht/ Als er Nicandern nur auff rechten Weg gebracht. Ein ieder unter unserm Hauffen Erschrack/ als man die Amarillis fand: Wir hatten sie kaum unter unser Hand/ Als auch Mirtillo kam/ weiß nicht woher/ gelauffen. Er schob aus aller Macht den Spieß Mit dem er war versehn/ auff unsern Fuͤhrer zu/ Und/ haͤtt er ihn erreicht/ er laͤge schon in Ruh. Allein/ GUARINI Allein/ den Augenblick/ indem er von sich stieß/ Trat jener auff die Seit/ Ich weiß nicht/ obs mit Fleiß/ obs ohngefehr geschach/ Und also blieb der Todtschlag nach. Der Stahl verwirrte sich/ ich weiß nicht wie/ ins Kleid/ Daß ihn Mirtillo nicht zu ruͤcke konte zihn/ Und sich auch muste lassen fangen. Wie ist man mit ihm umgegangen? Man fuͤhrt’ ihn auch von ihr getrennt/ in Tempel hin. Warum? Der Sache Grund genauer auszufragen; Wer weiß auch/ ob man nicht vor straffens-wuͤrdig schaͤzt/ Als haͤtt’ er geistlich Recht und Priesterthum verlezt/ Daß er sich an die Schaar der Kirchen-Diener doͤrffen wa- gen. Haͤtt’ ich zum mindsten nur den Aermsten troͤsten koͤnnen! Warum geschach es nicht? Weil die Gesetze nicht ver- goͤnnen/ Daß Unter-Diener mit Beklagten moͤgen sprechen. Drum bin ich izt mit Fleiß von ihnen abgetreten/ Durch einen andern Weg in Tempel hin zu eilen/ Mit Seuffzen und Gebet des Himmels Zorn zu brechen/ Und den bedeutten Sturm/ wo moͤglich/ zu zertheilen. Lebt wohl ihr lieben Freund/ und helfft mir fleißig beten. Wir wollens thun/ so bald wir unsre Pflicht/ Damit wir Silvien verbunden seyn/ verricht. Ihr Goͤtter/ laßt einmahl den langen Zorn doch schwin- den/ Und euch mehr in Genad als Eyfer ewig finden! Vierdter Handlung vierdter Eintritt. S ieg-prangende Lorbern bekraͤntzet mein Haar/ Umflechtet die Stirne mit gruͤnenden Zweigen: Heut hab’ ich erleget/ was wider mich war: Mirtillo der wilde wird kuͤnfftig mein eigen. Heut hab ich im Schrancken der Liebe gekriegt/ Mit Freuden gewonnen/ mit Gluͤcke gesiegt. Heut treuer Schaͤffer. Heut haben mir Himmel und Erde genuͤzt/ Natuͤrliche Mittel und Kuͤnste gedienet/ Geluͤcke/ Geschicke die Waffen gespizt/ Verhaͤngnis und Zufall mein Wagen erkuͤhnet. Heut hab ich mit freundlich- und feindlicher Hand Mein Gluͤcke versetzet in ruhigen Stand. Der schlimme Satir selbst must wider seinen Willen/ Unwissend/ was mein Thun befoͤrdern kont/ erfuͤllen. Welch Gluͤcke/ daß Mirtill mir in die Augen kam/ Und statt des Coridons den Weg zur Hoͤle nahm Durch meine List verfuͤhrt: Damit wird ihr Verbrechen Viel schwerer/ und weit mehr der Warheit aͤhnlich seyn. Wird man Mirtillen schon zugleiche ziehen ein/ Das Urtheil wird ihn doch in kurtzem ledig sprechen/ Weil nur die Suͤnderin die Straffe traͤgt allein. O gluͤckliches Siegen! Verliebtes Betruͤgen/ Verschmizte List/ erfreuliche Tuͤcke/ Dir danck ich allein mein itzig Geluͤcke! Durch dich kan ich hoͤren Gepraͤnge der Ehren/ Siegs-Zeichen erbaun/ die Waffen durchdringen/ Bemeistern das Gluͤck/ die Sternen bezwingen. Was aber saͤum ich viel? Hier ist nicht Zeit zu stehn. Entfernt ist gutt vorn Schuß. Ich will bey seite gehn/ Biß meine Feindin todt: Sie moͤchte von mir schwaͤtzen/ Und sich durch meine Schuld in Unschuld wollen setzen. Der Priester doͤrffte sich entschluͤssen/ Der gantzen Sache Grund von mir zu wissen. Drum fleuch Corisca/ fleuch: Der sezt sich in Gefahr/ Der auff dem schwachen Fuß der Luͤgen steht/ Und nicht bey Zeiten aus dem Wege geht/ Ich will diß besser nehmen wahr/ Und mich in jener Hecken/ Biß daß ich meine Zeit und Lust erseh/ verstecken. Gluͤckselge Corisca/ wie geht dirs so wohl? Dort seh’ ich schon/ was mich befriedigen soll. Vierd- GUARINI Vierdter Handlung fuͤnffter Eintritt. Nicander. Amarillis. D er muͤst ein Hertz aus Stein/ und wohl kein Hertze fuͤhren/ Kein menschliches Gebluͤtt in seinen Adern spuͤren/ Dem dieser Unfall nicht das Hertze solte ruͤhren. Ein zartes Jungfern-Bild gefangen anzuschauen/ Daß Witz und Schoͤnheit hub zu den gestirnten Auen/ Dem unsre Jugend wolt’ Altaͤr und Tempel bauen/ Und sehen/ wie man sie im Tempel wolle schlachten/ Ist eine Sache nicht ohn Wehmutt zu betrachten/ Ob der ein Hertze moͤcht in heissen Zaͤhren schmachten: Wer aber weiter weiß/ von wem sie ist geboren/ Zu was der Goͤtter Schluß und Wille sie erkoren/ Und wessen Sohn sie hat die Ehe zugeschworen; Wer ihm zu Sinne zieht/ wie in so zarten Jahren/ Die der Natur gemaͤß noch weit vom Sterben waren/ Diß Kind die Bitterkeit des Todes soll erfahren; Wer ferner uͤberlegt/ wie sie ihr junges Leben/ (Das Schoͤnheit/ Ruhm/ Verstand und Adel hoch erhe- ben/) Mit Wissen und mit Schuld hat in Gefahr gegeben; Wer/ sag’ ich/ diß erwegt/ und laͤst nicht Thraͤnen fluͤssen/ Kan sich dabey befreyt von Schmertz und Bey-Leid wis- sen/ Der muß ein Tiger-Hertz in Menschen-Glieder schluͤssen. Wenn ich an meiner Noth mich selber schuldig wuͤste/ Und ich sie vor den Lohn allein der boͤsen Luͤste/ Geschweige boͤser That/ mit dir erkennen muͤste/ So wuͤrd ich mich gewiß mit leichterm Mutt entschluͤs- sen/ Durch zugezognen Tod die schwere Schuld zu buͤssen. Muͤst’ ich mein suͤndlich Blutt mit Schanden gleich ver- giessen/ So wuͤrde doch dadurch der Geist gereinigt werden/ Und die Gerechtigkeit befoͤrdert auff der Erden/ Das arme Land erloͤst von Nemesis Beschwerden. Ich treuer Schaͤffer. Ich koͤnte meinen Geist viel eh zu Friede stellen/ Mir im Gewissen selbst verdientes Urtheil faͤllen/ Und meinen eignen Spruch des Richters zugesellen; Denn wuͤrde die Begier zu leben selbst ersterben/ Mit ruhigem Gemuͤth ich eilen zum Verderben/ Und bey der Goͤtter Schaar vielleicht was bessers erben. So aber ists zu schwer/ daß ich so jnng muß scheiden/ Mein Hoffen/ mein Geluͤck und meine Freunde meiden/ Den herben Tod so bald und ohne Schuld erleiden. Viel besser waͤr es wohl/ wenn wir dir unrecht thaͤten/ Als daß du selbst zu nah dem Himmel bist getreten; Denn jenes liesse sich viel eh/ als diß/ verbeten. Man koͤnte leichter dir die Ehre wieder geben/ Als das befleckte Land der Goͤtter Straff entheben/ Die wegen alter Schuld annoch im Zorne schweben. Allein ich kan doch nicht/ elendes Kind/ ersehn/ Von wem/ als von dir selbst/ dir unrecht sey geschehn. Denn sage mir/ hat man dich nicht gefunden An einem Orte voll Verdacht? Mit dem/ der dir durch Liebes-Brunst verbunden? Was habt ihr da allein gemacht? Hastu dem Silvio nicht schon dein Wort versezt? Und hastu denn durch diß die Treue nicht verlezt? Wie magstu denn noch viel von deiner Unschuld sprechen? Und wenn ihr noch so schwer urtheilet mein Verbrechen/ So weiß ich doch gewiß/ daß wider der Gesetze Schluß Ich nicht gesuͤndigt hab/ und unverschuldet leiden muß. Das Gesetze/ welches uns die Natur und Neigung stellt/ Hastu wohl nicht uͤbertreten: Liebe/ was dir wohl gefaͤllt. Aber diß nur allzu sehr/ womit uns der Himmel bindt/ Und der Menschen Schluß umschraͤnckt: Liebe/ was dir ist verguͤnnt. Boͤse Menschen auff der Erden/ Und der Himmel selbst muß an mir zum Suͤnder werden/ Wo es anders ist gewiß/ daß von seinen Schluͤssen Unser Heil und Unheil soll auff der Welt entsprissen. Denn es muß ja nur allein Des Verhaͤngniß Wille seyn/ H Daß GUARINI Daß ich wegen fremder Missethaten Soll in bittern Tod gerathen. Was sagestu? Halt mit dergleichen Worten an; Dein Eyser wird izt nicht den Weg zum Himmel finden/ Noch dein beaͤngster Geist desselben Schluͤß ergruͤnden/ Die ein andaͤchtig Hertz mit Muͤh erreichen kan. Was hast du viel die Sternen anzuklagen? Wir Menschen schmieden uns nur selbsten unsre Plagen. Ich klage uͤber nichts/ als mein erbost Geschicke/ Und die vielmehr/ die mich verfuͤhrt durch ihre Tuͤcke. Verklage demnach dich/ die du dich selbst betrogen. Ich ward in den Betrug von andern eingezogen. Wer will betrogen seyn/ darff den Betrug nicht klagen. So schaͤzt ihr mich denn gar so unverschaͤmt zu seyn? Daß weiß ich nicht: Du must die eignen Thaten fragen. Offt giebt ein reines Hertz unschuldig boͤsen Schein. Man kan die Wercke nur/ und nicht das Hertze sehn. Durch Augen des Gemuͤths kan solches doch geschehn. Sie sehen aber nichts/ als durch der Sinnen Licht. Die Sinnen irrn/ wo nicht Vernunfft das Urtheil spricht. Was findt Vernunfft vor Recht bey zweifelhaffter That? So weiß ich doch das Recht/ das mein Gewissen hat. Wer hat dich in die Hoͤl/ als du/ zu gehn gezwaͤngt? Mich hat Leichtglaͤubigkeit und Einfalt hingesprengt. Hastu dem Buhler denn dein’ Ehre wolln vertrauen? Der falschen Freundin nur/ (nicht ihm) und ihrem Triebe. Der Freundin? deiner Lust? der Reitzung kuͤhner Liebe? Ach nein! Coriscen/ die mich so gefuͤhret ein. Wie viel noch wuͤnschen sich so angefuͤhrt zu schauen? Mirtill ist ohne mein Bewust zur Hoͤle kommen. Wie/ und warum hastu den Weg hinein genommen? Genung/ daß ich nicht ihm zu Lieb hinein gegangen. Bringstu nicht Ursach her/ so bistu schon gefangen. Ihr koͤnnet nur bey ihm von meiner Unschuld fragen. Ja/ weil er selbsten Theil an deiner Schuld getragen. Von der/ die mich betrog/ werdt ihr der Warheit innen. Man nimmt kein Zeugniß an von falsch-verschreiten Sinnen A. So treuer Schaͤffer. So bin ich einen Schwur zu legen ab bereit. Der klare Schein verwirfft den angebotnen Eyd. Ich sage dir vorher und sonder Heucheley/ Damit dein Hertz hernach nicht mehr verwirret sey/ Wenn dir nicht helffen kan der eitlen Hoffnung Dunst In deiner hoͤchsten Noth; diß alles ist umsonst. Kein truͤbes Wasser waͤscht die angezognen Flecken/ Kein schlimmes Hertz laͤst sich mit schoͤnen Worten decken. Wo schon die That verklagt ein Suͤnden-volles Leben/ Muß all’ Entschuldigung mehr Schwaͤrtz als Schmincke geben. Dir stand doch einmahl zu auff deiner Keuschheit Pflicht Mehr Acht zu geben/ als auff deiner Augen Licht/ Als auff dein Leben selbst. Was laͤst du dir viel traͤumen/ Und wilt durch Selbst-Betrug die kurtze Zeit versaͤumen? So soll und muß ich denn? Ach! soll und muß ich sterben? So muß ich ungehoͤrt und unbeschuͤzt verderben? Ohn alles Hoffen? und von aller Welt verlassen? Beklagt/ doch ohne Frucht? Ach! sterben und erblassen. Befriedige dein Hertz; und hat dein Unverstand Zur Thorheit dich verfuͤhrt/ so sey doch nun gemutt/ Beherzt und wohl getrost zu uͤberstehn Die Straffe/ welcher du nicht kanst entgehn. Laß Augen/ Hertz und Sinn gen Himmel seyn gewand/ Weil du vom Himmel hast gezogen Geist und Blutt. ”Von Wurtzeln waͤchst das Kraut/ der Strom fließt von dem Brunnen: ”Vom Himmel koͤmmt auff uns/ was boͤß und gut/ gerunnen. ”Was boͤß hier scheint/ wo boͤß und gutts im Schwange geht/ ”Ist oben gutt/ wo nichts als gutts zu finden steht. Es kan mir Jupiter und unsre Goͤttin zeugen/ Die mich vor ihrem Thron sieht Knie und Hertze beugen/ Wie leid mirs um dich sey. Hat aber dich bißher mein Mund gegriffen an Mit Worten/ druͤber dir das Hertze bricht entzwey/ So wisse/ daß ich als ein kluger Arzt gethan/ Mitleidend/ aber scharff; der mit gespiztem Eisen Den Grund der Wunde sucht/ wo sie gefaͤhrlich scheint: H 2 So GUARINI So hab ichs auch mit dir im Hertzen gut gemeint/ Dich auff den Weg der Buß’ und Großmutt wollen weisen. Drum gib dich nun zu Fried/ und widerstreite nicht Dem/ was der Himmel dir vorlaͤngsten ausgestellt. O allzuharter Schluß/ Der mich des Todes wuͤrdig nennt/ Ob ihn die Erd/ ob ihn der Himmel hat gefaͤllt. Jedoch/ der Himmel nicht/ der meine Unschuld kennt/ Was hilfft mich aber das/ wenn ich doch sterben muß? Das ist ein saurer Gang! das gehet bitter ein/ Nicander/ sterben/ und nicht kranck/ und ohne Schuld zu seyn! Ach! wo dich mein erbarmt/ als wie dein Mund bericht/ So eile nicht so sehr mit mir. Verweile dich ein kleines noch allhier. Wer sich vorm Sterben fuͤrcht/ stirbt ieden Augenblick. Was zeuchstu laͤnger auff dein leztes Ungeluͤck? Die groͤßte Todes-Pein ist an den Tod gedencken/ Die Sinnen/ eh er kommt/ mit seinem Bildniß kraͤncken: Und wer schon sterben soll/ ie eher daß er stirbt/ Je eher er dem Tod entgeht/ und Ruh erwirbt. Vielleicht erwarten wir noch daß sich Rettung findt. Mein Vater/ liebster Vater/ verlaßt ihr auch eur Kind? Verlaßt ihr euer einigs Kind in seinen letzten Noͤthen? Versagt mir doch auffs mindste nicht den lezten Abschieds- Kuß/ Ich weiß dennoch/ der grimme Stahl wird unser zwey ertoͤd- ten/ Eur Blutt wird fliessen weg durch euer Tochter Wunden. Ach/ Vater-Nahme/ den ich vor so huͤlffreich habe funden/ Den ich niemahls umsonst gerufft! Ist diß die Hochzeit-Lust/ auff die ihr habt gehofft/ Das mich der Morgen Braut/ der Abend Leiche sehen muß? Ach aͤngste dich nicht mehr: Was wiltu mit vergebnem Klagen Dich selbst und andre plagen? Die Stund ist nunmehr da/ in Tempel dich zu fuͤhren/ Und meine Pflicht laͤst mich nicht laͤnger Zeit verlieren. A. Nun treuer Schaͤffer. Nun gutte Nacht ihr Waͤlder! ihr lieben Waͤlder gutte Nacht! Nehmt an den letzten Seuffzer/ den ich bey euch hervor ge- bracht/ Biß mir ein grimmig Eisen die abgematte Seel entreißt/ Und euren Schatten wieder im Schatten sucht mein kalter Geist: Denn/ an den Ort der Qualen verdam̃t ihn keine Missethat/ Bey reinen Geistern findet Schmertz und Verzweifeln keine Stat. Mirtillo/ ach Mirtillo/ wie so ungluͤcklich war der Tag/ An dem ich dich gesehn/ an dem ich dir zu erst gefiel/ Nun ich mein armes Leben/ das ich kein Leben nennen mag/ Soll deinet wegen schluͤssen mit so elendem Trauer-Spiel. Ich soll verurtheilt steꝛben/ als schuldig wegen deiner Brunst/ Da ich/ ohn Schuld zu bleiben/ dir nicht erzeigt die mindste Gunst. Ach/ vor mich allzu hitzig/ vor dich nur allzu lauer Sinn! Viel besser waͤrs gewesen/ geniessen oder gar zu fliehn. Ich muß nun einmahl sterben/ ohn alle Schuld/ die mich be- schwaͤrtze/ Ohn alle Frucht der Liebe/ und leider! ohne dich/ mein Hertze! Ich sterbe. Ach Mirtill! In Warheit sie vergeht/ Die Aermste! kommt herzu/ und helfft sie wieder halten. O wunderlicher Fall! Uber des Mirtillo Nahmen sieht man sie erkalten. Lieb’ und Schmertzen koͤmmt bey ihr Dem geschaͤrfften Eisen fuͤr. O Ungluͤckselige! Doch sie ist noch bey Leben: Ich fuͤhl ihr mattes Hertz ein zitternd Zeugniß geben: Laßt schauen/ ob sie noch zu retten steht/ Tragt sie zu jenem Quall/ Und kuͤhlt sie mit der frischen Flutt. Ob ihr nicht besser waͤr/ in stiller Ohnmacht zu vergehn/ Als oͤffentlich hernach den schweren Streich zu uͤberstehn? Doch/ dem sey wie ihm will/ fahrt fort ihr beyzuspringen/ Und/ was die gegenwaͤrtge Noth erheischet/ zu voll bringen. Der Himmel kan allein urtheilen von zukuͤnfftgen Dingen. H 3 Vierd- GUARINI Vierdter Handlung sechster Aufftritt. Chor der Jaͤger. Chor der Schaͤffer mit Silvio. O junger/ doch beruͤhmter Held/ In den das rechte Bild des Hereules gepraͤgt/ Der so manch Ungeheur vor Zeiten hat erlegt. O junger/ doch beruͤhmter Held/ Durch dessen kuͤhne Hand der Hauer must erliegen/ Den man im Leben schaͤzt unmoͤglich zu besiegen/ Schau hier den Kopff/ schau hier das freche Haubt/ Das gleichsam noch im Tode draͤut und schnaubt. Diß ist der edle Raub/ diß ist das Sieges-Zeichen Des Helden/ dessen Ruhm wird biß zun Sternen reichen. Ihr Hirten feyrt den angenehmen Tag/ Macht/ daß sein Ruhm stets hoͤher steigen mag/ Biß er durchdringt die gantze Welt- O junger/ doch beruͤhmter Held/ In dem das rechte Bild des Hercules gepraͤgt/ Der so manch Ungeheur vor Zeiten hat erlegt. O junger/ doch beruͤhmter Held/ Der du dein Leben selbst vor andre wollen wagen/ Diß ist der rechte Weg der Tugend nachzujagen. Denn Schweiß und Fleiß geht allemahl voran/ Eh man die Ehr’ und Tugend finden kan. Wer endlich suͤsser Ruh und Ruhmes will genuͤssen/ Den muß die saure Muͤh und Unruh nicht verdruͤssen: Wer diese scheut/ bleibt in dem Thale stehn. Wer sich bemuͤht durch Stock und Stein zu gehn/ Erlangt der wahren Ruhe Zelt. O junger/ doch beruͤhmter Held/ In den das rechte Bild des Hercules gepraͤgt/ Der so manch Ungeheur vor Zeiten hat erlegt. O junger/ doch beruͤhmter Held/ Durch deine Tapfferkeit kan man nun sicher schauen Das angebaute Land/ die unzerwuͤhlten Auen. Geh/ Bauer/ nimm mit Sicherheit den Zug/ Und spann ihn vor den halb-verrosten Pflug/ Streu treuer Schaͤffer. Streu deinen Samen aus/ erwarte reicher Fruͤchte/ Kein Ruͤssel wuͤhlet sie/ kein Fuß tritt sie zu nichte. Du wirst mit Lust die Garben sammlen ein/ Und nicht wie vor um Brod bekuͤmmert seyn/ Weil dein Verderber ist gefaͤllt. O junger/ doch beruͤhmter Held/ In den das rechte Bild des Hercules gepraͤgt/ Der so manch Ungeheur vor Zeiten hat erlegt. Der Himmel selbsten lacht zum Zeugniß deiner Ehren/ Weissagend/ wie dein Ruhm sich mit der Zeit wird meh- ren. Alcidens Hand besiegt ein solches Schwein/ Doch must’ es erst die dritte Probe seyn. Das wilde Thier ist dir ein Spiel der zarten Jugend. Du legst damit den Grund zur Tapfferkeit und Tugend. Was wird man sehn vor Thaten deiner Hand/ Wenn sich noch mehr Vermoͤgen und Verstand Dem kuͤhnen Hertzen zugesellt? O junger doch beruͤhmter Held/ In den das rechte Bild des Hercules gepraͤgt/ Der so manch Ungeheur vor Zeiten hat erlegt. O junger/ doch beruͤhmter Held/ Du hast die Gottesfurcht mit Tapfferkeit verbunden. Schau/ grosse Zinthia/ hier hat sich eingefunden Dein Silvio/ bey dir zu legen ab/ Was dir sein Mund durch ein Geluͤbde gab. Schau wie das stoltze Haubt/ bewehrt auff beyden Sei- ten/ Scheint deiner Hoͤrner Glantz hochmuͤthig zu bestrei- ten. Du hast den Pfeil des Juͤnglings angefuͤhrt; Darum dir auch des Sieges Ruhm gebuͤhrt/ Den er zu deinen Fuͤssen stellt. O junger/ doch beruͤhmter Held/ In dich ist recht das Bild des Hercules gepraͤgt/ Der so manch Wunder-Thier zu seiner Zeit erlegt. H 4 Vierd- GUARINI Vierdter Handlung siebender Eintritt. I Ch habe zwar bißher nicht glaubens-werth geacht/ Was von Coriscen mir der Satir beygebracht/ Ich habe mich befuͤrcht/ er moͤchte mich mit Luͤgen/ Um die er unbesorgt/ anfuͤhren und betruͤgen. Es schien mir ungereimt/ daß man sie auff dem Ort/ An den sie mich bestellt/ wofern Lisettens Wort Mich recht berichtet hat/ und fast zu gleichen Stunden Solt haben/ wie er sagt/ in geiler That gefunden. Wenn aber ich itzund die Warheit sagen soll/ Befremdet mich gar sehr/ und stimmet allzu wohl Diß zugestopffte Loch/ der vorgewaͤltzte Stein Mit Seiner Nachricht uͤberein. Corisc/ ich habe wohl vorlaͤngst etwas verspuͤrt/ Du wuͤrdest auff so viel Verstossen endlich fallen. Denn dieses ist der Lohn bey schlimmen Weibern allen. Die Falschheit/ der Betrug/ die List/ die du gefuͤhrt/ Haͤtt’ uns vorlaͤngsten wohl den Ausgang weisen kuͤnnen/ Wenn uns die Liebe nicht verblendt Vernunfft und Sinnen Es ist mir gut/ daß ich so spaͤt bin angelangt. Mein Vater hielt mich auff/ daß ich ihm nie gedanckt; Izt ist es mein Geluͤck: Waͤr ich zu rechte kommen/ Wie leichtlich irgend haͤtt’ ich Ungluͤck hier genommen. Was werd ich aber thun? Soll ich von Zorn entbrant Die Rache nehmen zu der Hand? Ich ehrte sie dadurch: Und wenn wirs recht betrachten/ Ist sie Mitleidens mehr/ als Straffe/ werth zu achten. Erbarmt dich derer denn/ die dich betruͤgt? Nein/ sie betruͤgt sich selbst/ indem sie nicht vergnuͤgt Mit einem/ welcher sie bestaͤndig hat geliebt/ Sich einem schlechten Kerl und Fremdling uͤbergiebt/ Der sie in kurtzen wird mit gleicher Muͤntze zahlen/ Und ihr an meine statt die Rach’ ins Hertze mahlen. Doch hat sie dich verhoͤnt: Vielmehr geehrt/ und ich Bedeute mirs zum Ruhm. Denn wer verachtet mich? Ein Weib/ das allezeit des rechten Urtheils fehlt/ Das treuer Schaͤffer. Das nie recht lieben nicht/ noch recht geliebt kan seyn/ Das sich bethoͤren laͤst durch einen blinden Schein/ Das Beste von sich stoͤßt/ und das Geringste waͤhlt. Sag’ aber Coridon/ wenn dich der Korb nicht beist/ Kan denn nicht solch Verlust erhitzen deinen Geist. Nein/ ich verliere nichts/ als was nicht mein gewesen/ Erlange meine Ruh/ und finde mein Genesen. Ist mein nun freyes Hertz gleich eines Weibs entladen/ So falscher Thorheit voll/ was hab ich des vor Schaden? Und endlich/ was verlier ich mehr/ Als eitle Schoͤnheit sonder Ehr/ Ein Haubt/ das keinen Witz nicht weist/ Ein Hertze sonder klugen Geist/ Ein Thier/ so keine Treue liebt/ Das ein Gespenst der Liebe giebt/ Ein Schatten/ Leich’ und Todten-Schein/ Das Morgen muß verwest/ voll Stanck und Faͤulnis seyn. Ist dieses wohl Verlust? Ists nicht Gewinn zu schaͤtzen? Und wenn Corisca fehlt/ wirds Noth um Weiber setzen? Wer weiß/ wo meine Treu was bessers traͤgt davon? Ihr aber kommt nicht leicht ein ander Coridon. Folgt ich dem Rathe nach/ den Satir mir gegeben/ Und klagte wider sie/ gebrochner Treue wegen/ Ich koͤnnt ihr alsobald das Leichen-Zeichen legen/ So aber ist mein Hertz zu edel/ daß ich mich Solt um ein falsches Weib viel kuͤmmern und bemuͤhn. Die Weiber moͤchten sichs zn einem Ruhm anziehn/ Wenn sie durch Wanckelmuth den Maͤnnern einen Stich Ins Hertze braͤchten bey/ wenn sie die Ruh verstoͤrten Der Seelen/ welche sich zu strenger Rach empoͤrten. Drum mag Corisca heut um meinet willen leben/ Vielmehr noch aber nicht um meinet willen sterben/ Und annoch lebendig vor einen andern bleiben. Ihr Leben selbsten wird vor mich die Rache treiben. Sie leb’ ihr selbst zur Schmach/ die ihren Ruhm wird faͤr- ben/ Leb’ ihrem neuen Schatz/ den ich ihr leicht verguͤnne/ Eh Beyleid gegen ihr/ als Eyfersucht/ gewinne. H 5 Vierd- GUARINI Vierdter Handlung achter Eintritt. O Goͤttin der bethoͤrten Welt/ die in der Eitelkeit ersof- fen/ An faulen Muͤßiggang gewohnt/ mit blinden Aberwitz be- troffen/ Dich mit beflecktem Hertzen ehrt/ Altaͤr und Tempel vor dich baut/ So man durch schnoͤdes Thun entweyht/ Frey-Staͤdte deiner Laster schaut/ Die mit dem Nahmen deines Diensts ihr unverschaͤmtes Thun bedecket/ Und in dem Schatten deiner Macht die Schwachheit ihres Geists verstecket; Du Lehrerin der Uppigkeit/ die du zu bergen deine Schmach Durch fremde Schuld der tollen Lust den freyen Zuͤgel laͤssest nach/ Du strenge Feindin der Vernunfft/ du Meisterin verstolner Thaten/ Verstoͤrerin der Ruh/ durch die die Welt in Krieg und Mord gerathen: Du Tochter ungestuͤmer See/ ein Kind von gleicher wilden Art/ Die durch der Hoffnung sanffte Lufft den Menschen anlockt zu der Fahrt/ Bald aber drauff in seiner Brust so einen starcken Sturm erreget/ Entzwischen der Begier und Furcht das Schiff bald hin bald her verschlaͤget/ Daß dich der kluͤgste Theil der Welt vielmehr die Ungluͤcks- Amme nennt/ Als vor die Mutter suͤsser Lust/ und Brunnquell reiner Lieb’ erkennt: In was vor Elend hastu nun die zwey Verliebten eingesen- cket? Woferne dir der Erden Kreiß nicht gantz vergeblich Opffer- schencket/ Un treuer Schaͤffer. Uñ deiner Staͤrcke Ruhm erhebt/ so mache diese Nimphe frey/ Daß sie nicht deiner suͤssen Gifft ein klaͤglich sterbend Bey- spiel sey. Gluͤckselig ist vor mich der Tag gewesen/ An dem ich mir den keuschen Dienst Dianens ausgelesen. Ich ehre dich allein/ du Goͤttin reiner Hertzen/ Dir ist das beste Theil der Seelen unterthan/ Gleichwie dein helles Licht beschaͤmen kan Den mindern Glantz der andern Himmels-Kertzen. Dein Dienst ist voller Ruhm/ und sicher vor Gefahr/ Der unterworffen ist die ungluͤckselge Venus-Schaar. Wenn ihr Vertrauter muß von einem Schwein erliegen/ So kan ein dir verpflichter Sinn dergleichen grimmes Thier besiegen. O Bogen/ mein siegreich Gewehr/ den ich mit Lust Und nie vergebens setz an meine Brust/ Ihr Pfeile/ Zeugen meiner Staͤrcke/ Und Werckzeug meiner kuͤhnen Wercke/ Laßt nun den schwachen Feind/ die Liebe/ kommen an/ Mit weibischem Gewehr und schauen/ was er kan. Laßt schaun/ ob er/ wie ihr/ kan treffen und verletzen. Was aber will ich ihn der Ehre wuͤrdig schaͤtzen? Ich glaͤub/ ich bin nicht klug/ Daß ein so schwaches Kind mit euch im Streit soll gehn. Ich sage/ daß ers hoͤrt/ und daß ers kan verstehu; Mit ihm zu fechten ist die Ruth allein genug; Widerhall. Genug. Wer untersteht sich da zu reden wider mich. O stummer Bube/ spricht der Widerhall vor dich? Widerhall. Ich. Du kommst mir eben recht: Alleine sage mir/ Bistu Cupido selbst? Red’ ich gewiß mit dir? Widerhall. Mit dir. Bistu Zitherens Kind/ die ihren Mann betrogen/ Geliebet den Adon/ die gantze Welt bethoͤrt? Widerhall. Ehrt. Wohl/ Mavors Kebes-Weib/ die alles gutte stoͤrt/ Nach deren Ankunfft Gluͤck und Ruh ist weggeflogen. Widerhall. Gelogen. Was GUARINI Was soll ich in den Wind die Worte schicken hin? Bistu so kuͤhn/ so komm und schaue/ wo ich bin. Widerhall. Ich bin. Du bist ein Bastard-Sohn/ daß schwer’ ich hoch und theuer. Was aber zeugte dich denn vor ein Ungeheuer? Widerhall. Feuer. Vulcan wird doch umsonst vor Vater angemeldt. Was aber fuͤhrestu vor Titul auff der Welt? Widerhall. Held. Bistu ein Held/ wer muß dir unterworffen seyn? Ein Hertze/ daß sich senckt in alle Laster ein? Widerhall. Rein. Du Siegs-Fuͤrst/ der du wilt von deinen Thaten sprechen/ Kanstu auch straffen die/ die sich an dir verbrechen? Widerhall. Raͤchen. Was wird vor Straffe denn den Hertzen vorgeschrieben/ Die gegen deiner Macht sind widerspenstig blieben? Widerhall. Lieben. Wie wird es mir ergehn/ der dein Gebot noch nie erkennt? Ob auch mein freyes Hertz durch deine Waffen wird berennt? Widerhall. Brennt. Wenn wird es denn geschehn/ daß man zu Sturme leute/ Daß dieses feste Schloß sich dir ergiebt zu Beute? Widerhall. Heute. Die Frist ist ziemlich kurtz/ ich bin noch eben kalt. Gehts denn so eilends zu? Wenn fuͤhl’ ich die Gewalt? Widerhall. Bald. Du koͤmmst mir seltzam vor. Wer aber oͤffnet dir das Thor? Widerhall. Dor. Dem Kinde bleibt das Wort halb auff der Zunge kleben. Wiltu Dorinden mir dadurch zu rathen geben? Widerhall. Eben. Da triffstu eben recht/ du unverschaͤmter Dieb; Die hab ich/ wie der Wolff die Schaffe/ lieb. Widerhall. Lieb. Und wenn ich denn nicht will wie du/ wer zwinget mich? Widerhall. Ich. Ja hinter sich. Wo treuer Schaͤffer. Wo nimmstu Waffen her/ wo soll der Bogen seyn? Taugt deiner wohl darzu? Soll ich dir meinen leihn? Widerhall. Leihn. Den geb ich schwerlich weg; und solt es dir geluͤcken/ Du wuͤrdest dich nur selbst daruͤber ziehn zu Stuͤcken. Widerhall. Ihn zu Stuͤcken. Ist das Gewehr entzwey/ so bleib’ ich wohl zur Ruh. Doch wer zubricht es wohl? was meynestu? Widerhall. Du. Da hoͤr ich/ daß dir traͤumt/ doch lieber/ sage mir/ Wo wird solch Wunderwerck geschehn von dir? Widerhall. Hier. O Thor/ izt geh’ ich weg/ dir zum Verdruͤß: Schau/ wie dein Prophezeyn so ungewiß. Widerhall. Gewiß. Was koͤmmt mir aber dort in jenen Straͤuchen fuͤr? Mich daͤucht/ ich sehe da was graulechtes vor mir/ Das einem Wolffe gleicht. Es wird nicht anders seyn. Es ist gewiß der Wolff. O welch ein starcker Gast! O zu der Jagt gluͤckselger Tages-Schein! O Goͤttin/ wie du mich so gar beguͤnstigt hast/ Daß ich kan einen Tag zwey solche Thiere fangen? Was aber saͤum ich mich/ und laß ihm Zeit zu fliehn? In deinem Nahmen/ dem ich gantz ergeben bin/ Will ich den besten Pfeil aus meinen Koͤcher waͤhlen/ Und seinen schnellen Flug in deine Gunst befehlen. Trifft er/ so soll die Haut in deinem Tempel hangen. So druͤck ich loß. Begluͤckter Schuß! Ich treffe/ wo ich hin- gezielt. Ach haͤtt ich meinen Spieß/ ihm noch den lezten Fang zu gebẽ/ Eh’ er sich wieder in den dicken Wald verstielt. Ist kein Gewehr sonst da/ die Erde wird mir Waffen langen. Die Steine sind ja hier auch trefflich ungemein/ Daß ich kaum einen finden kan. Doch/ was will ich nach Waffen fragen/ Hab’ ich ihr doch noch selbst den Koͤcher voll getragen. Die sind gewisser als der Stein/ Der Pfeil wird ihn schon bringen um das Leben. Was GUARINI Was seh’ ich? Himmel hilff! was hab ich da gethan? Ach ungluͤckselger Weydemann! Ein Hirt in einer Wolffes-Haut ist da von dir verwundt. Ach Unfall! ach betruͤbter Tag! ach ungluͤckselge Stund! Ach Menschen-Jaͤger! ach/ izt wird mir nimmer wohl. Mich daͤucht/ daß ich darzu den Aermsten kennen soll/ An dessen Tod ich schuldig bin/ Der Linco ist bey ihm/ der haͤlt und kuͤhlet ihn. O moͤrdlicher Pfeil/ der Menschen versehrt! Geluͤbde zu lauterem Ungluͤck erhoͤrt! So bin ich nun befleckt von fremdem Blutt/ Der ich vorhin mit solchem kuͤhnen Mutt Vor fremdes Heyl mein eigen Leben Entschlossen war dahin zu geben? Ach! daß ich auff die Jagt iemahls gegangen bin! Geh/ frecher Jaͤger/ geh’ und wirff die Waffen hin/ Thu Pfeil und Bogen weg/ befleckter Menschen-Schuͤtze/ Die dir doch nur allein zu Schimpff und Schaden nuͤtze. Geh’ und zerbrich! Da ist der ungluͤckselge Mensch/ den du verlezt; Doch weit so ungluͤckselig nicht als ich/ Durch solche That in steten Haß und ewge Reu gesezt. Vierdter Handlung neunter Eintritt. Linco. Dorinde. Silvio. M Eine Tochter/ ruhe nur gantz auff meinen Armen Ungluͤckselige Dorinde. Ach Dorinde! ich bin todt! Linco du mein ander Vater. Ja sie ists. Ach Wort! ach Blick! Welcher einen harten Stein in der Erde moͤcht erbarmen. Du bist darzu ausersehn/ mir zu leisten Huͤlff und Treu. Als ich durch den ersten Gall mein zukuͤnfftig Ungeluͤck Auff die Welt gebracht beweinte/ warestu dabey; Nun erlebestu und siehest auch das Ende meiner Roth. Deine Armen/ die mich offt in den Schlaff gewieget ein/ Werden mir zum Sterben auch izt die lezte Ruhstaͤtt seyn. O Tochter/ die ich mehr geliebt/ als mein selbst eigen Kind/ Der Himmel weiß/ was ich bey deiner Roth empfind. Ich treuer Schaͤffer. Ich kan dir keinen Trost zusprechen: Das Hertze will mir/ schweige denn die Wort’ im Munde brechen. Ach/ daß die Erde nicht zerspringt/ Und zu gerechter Rach in Abgrund mich verschlingt! Mitleidger Linco halt doch nur mit Gehn und Weinen inne: Denn jenes thut dem Leibe nur mehr weh/ und diß dem Sinne. Ach aͤrmstes Kind/ wie herben Lohn Traͤgt deine Lieb’ itzund darvon! Getrost Dorind’/ es wird der Schuß nicht toͤdtlich seyn. Dorinde aber bald ihr ungluͤckselges Leben Dem laͤngst-gewuͤnschten Tod in seine Klauen geben. Doch wuͤst’ ich gerne noch vorhin/ wer mich verwundt? Laßt uns mehr vor die Wunde Sorge tragen/ Als nach dem Thaͤter fragen. Denn von der Rache wird man nicht gesund. Was machstu hier? Was saͤumstu dich? Wiltu noch so viel Hertze fassen/ Dich selber von ihr sehn zu lassen? Fleuch der zu rechter Rach’ entbrannten Augen-Schein/ Fleuch der von rechtem Zorn geschaͤrfften Worte Stich. Ach aber! Ich kan nicht entfliehn/ Und lasse mich/ durch unbekandte Macht gehemmt/ Die meinen Fuß verhaͤlt/ den Geist beklemmt/ Dem/ was ich fliehen soll/ nur immer naͤher Ziehn. So soll ich denn mein Leben schliessen/ Und nicht einmahl/ wer mir dasselbe raubet/ wissen? Das ist der Silvio. Ach! Silvio? Wie weistu diß? Ich kenne seinen Pfeil nur leider! zu gewiß. O angenehmer Tod! O suͤsser Lebens-Schluß/ Wo ich von Silvius beschaͤdigt sterben muß! Da siehestu ihn gleich in Stellung und Geberden/ Dadurch er wider sich muß Zeug’ und Klaͤger werden. Run/ Silvio/ der Himmel sey gelobt/ Nachdem du lange gnung mit deinem kuͤhnen Bogen/ Mit deinem stoltzen Pfeil die Waͤlder hast durchzogen/ In frechem Ubermutt getobt/ Ist GUARINI Ist dir ein Meister-Streich gelungen. Sage mir/ Der du wie Silvio und nicht wie Linco woltest leben/ Kan Linco oder Silvio den besten Schuͤtzen geben? Haͤttstu zur selben Zeit gefolgt dem alten Narren/ So duͤrfftest du dich izt nicht hintern Ohren scharren. Wo die Verwundte stirbt/ ey mein/ wie stehts mit dir? Du wirst dich wohl darauff beruffen/ Daß diese That aus Irrthum sey geschehn/ Daß du dir eingebildt den Wolff zu sehn/ Und unter solcher Haut das Mensch im Strauch hast trof- fen. Doch bleibet dir die Schuld der tollen Unvorsichtigkeit/ Weil sich fast ieder Hirt in derogleichen Haͤute kleidt. So geht es Silvio/ wer vor den Federn fleugt/ Ist zu dem Fall geneigt. Wer vor der rechten Zeit den Witz will lassen blicken/ Dem wird die Thorheit nur durch alle Fenster guͤcken. Bildstu dir/ eitles Hertz/ wohl unbedachtsam ein/ Daß dieses ohngefehr geschehen solle seyn? So irrest du gar weit. Ein solcher Wunder Fall/ so seltnes Ungeluͤcke Begiebet sich nicht leicht ohn himmlisches Geschicke/ Erkennestu noch nicht/ wie deine Eitelkeit/ Dein unertraͤgliches Verachten aller Liebe/ Dein unbemenschtes Hertz entfernt von allem Triebe Der guͤttigen Natur/ dein Sinn mit Eiß umlegt/ Den Himmei wider dich zu Nach und Zorn bewegt? Die Goͤtter wollen nicht auff Erden ihres gleichen/ Die strengste Tugend muß vor ihnen Segel streichen/ Und mit der Demutt seyn gesellt. Wie kanstu schweigen/ Der du dich zu vorhin so trotzig pflagst zu zeigen? Silvio/ laß Lincen reden: Er weiß nicht/ Wie die Liebe dir Dorinden hat zum Eigenthum verpflicht/ Wie du uͤber Tod und Leben bey ihr zu gebitten hast. Wenn du mich geschossen hast/ so hastu/ was dein/ geschos- sen/ So hastu das Ziel getroffen/ daß dein Boltzen laͤngst ge- faßt/ Un d treuer Schaͤffer. Und die Haͤnde haben dieses zu verwunden nachgesetzt/ Was der schoͤnen Augen Pfeile schon vorlaͤngst in Tod ver- lezt/ Silvio/ da hastu die/ welche du so angefeindt: Schaue/ wie sie nun vor dir/ deinem Wunsche nach/ er- scheint/ Du woltest sie verwundt/ (und solches ist geschehn) Du woltest ihren Tod/ (und der ist nahe) sehn. Was wiltu mehr von ihr? was kan sie dir mehr geben Als diese Hand voll Blutt/ diß ausgekraͤnckte Leben? Ach/ unempfindlichs Hertz/ du glaubtest vor die Wunde nicht/ Die mir/ durch dich/ die Lieb im Hertzen zugericht; Verlaͤugnestu auch die/ die deine Hand geschlagen? Du glaubtst den Thraͤnen nicht/ die aus den Augen flossen/ Und meiner Seele Blutt/ als Stroͤme/ von mir gossen/ Glaubstu nun diesem/ daß aus meiner Seite rinnt? Ach aber/ grausames doch schoͤn und werthes Kind/ Wofern die Hoͤfligkeit/ die Tapfferkeit und Guͤtte Nicht gaͤutzlich auch bey dir erstorben im Gemuͤtte/ So schlag mir doch nicht ab/ schlag mir nicht ab die letzte Bitte/ Und laß ein Seufftzen nur bey meinem letzten Seufftzen schiessen. Wie wuͤrde mir den Schmertz/ wie wuͤrde mir den Tod ver- suͤssen/ Wenn nur dein schoͤner Mund noch einsten wolte sagen Mitleidig und mit suͤsser Stimm/ eh ich von hier geschie- den: Mein Hertze/ fahr im Frieden. Dorinde/ soll ich dich denn meine nennen/ Die du nicht meine bist/ als nun ich dich verliere? Nun ich dich in den Tod mit meinen Haͤnden fuͤhre? Die du nicht meine warst/ als ich dich retten kunte. Ich will dich aber doch vor mein erkennen/ Du solt dem Ungeluͤck zu Trotz die Meine seyn/ Und wenn mein Unstern dich mir nicht lebendig gunte/ So wirst und bleibstu doch in meinem Tode mein. J Alls/ GUARINI Alls/ was du an mir siehst/ ist willig dich zu raͤchen: Was dir das Leben raubt/ soll auch mein Leben brechen. Hat meine Grausamkeit an dir veruͤbt die Suͤnden/ Ich will auch nichts von dir/ als Grausamkeit/ empfinden. Ich habe dich vorhin aus Ubermutt veracht; Izt will ich diesen Leib zu deinen Fuͤssen biegen/ Will Ehrerbietungs-voll bey deinen Knien liegen/ Und um Verzeihung/ nicht ums Leben/ halten an. Nimm diesen Bogen hin/ und brauche seine Macht/ Versuche diesen Pfeil/ wie scharff er treffen kan. Doch triff die Augen nicht/ die mich verfuͤhrt/ Triff auch die Haͤnde nicht/ die dich beruͤhrt/ Triff diese Brust vielmehr/ diß Ungeheur der Welt/ Das von dem strengen Haß der Liebe gantz erkaͤlt. Durchscheuß das Hertze/ das dich so viel Thraͤnen kost; Hier hastu die entbloͤßte Brust. Ach/ Silvio/ soll ich die Brust durchschiessen? Du haͤttest sie mir nicht vorhero weisen muͤssen. O schoͤner Felß/ so offt umsonst benezt Mit einer See von mir vergossner Thraͤnen/ So offt umsonst bestuͤrmet und durchaͤzt Von Well und Wind/ von Seufftzen/ Aechtzen/ Sehnen/ Ists moͤglich/ daß man Leben in dir spuͤrt? Und daß dein Eiß verborgne Flammen fuͤhrt? Ists moͤglich; oder werd ich nur bethoͤrt durch falschen Schein? Nun wohl/ du magst gleich linder Schnee/ du magst gleich fester Marmor seyn/ Ich will doch nicht/ daß mich dein Alabaster-Glantz ver- fuͤhre/ Wie dein und meinen Herrn die Aehnligkeit von einem Thiere. Solt ich dich? ach! Cupido mag dich schiessen/ Du kanst mir besser nicht/ als durch die Liebe/ buͤssen. Gesegnet sey der Tag/ an dem ich Lieb empfunden! Gesegnet alles Leid und alle Marter-Stunden! Ich will euch izt zu Danck und nicht zu Rache seyn verbun- den. D u treuer Schaͤffer. Du aber/ werther Held/ Beherrscher deren/ die du ehrst/ Ach/ mache dich doch nicht/ wie einen Knecht/ so klein; Steh auff/ und wo du ja forthin mir eigen zugehoͤrst/ So laß das erste Pfand von deiner Folge seyn/ Daß du dich von der Erde hebst/ Das andre/ daß du dich zufrieden giebst und lebst. Der Himmel schick es nun mit mir Zum Leben oder zum Verderben/ So lebt mein Hertz hinfort in dir/ Und kan/ weil du nur lebst/ nicht sterben. Und so mein Tod ja nicht kan bleiben ungerochen/ So straffe man nur diß/ was sich an mir verbrochen. Der Bogen hats gethan/ der soll die Straffe leiden. O recht gerechter Spruch! O guͤttiges Entscheiden! So sey es! daß dein Moͤrder-Holtz nicht ferner toͤdtlich sey/ Flecht ich die Sehne loß/ und breche dich entzwey/ Die Stuͤcke werff ich weg/ und trete sie mit Fuͤssen. Ihr Pfeile/ Bruͤder deß/ der meine Seele wolt entaͤdern/ Solt auch nicht laͤnger gantz in diesem Koͤcher bleiben: Ich will euch alle Macht zum schaͤdlich-seyn vertreiben. Das Eisen ist hinweg/ was helffen euch die Federn? Ach/ Amor! ach/ wie wahr wird nun dein Propheceyn/ Daß mir der Widerhall entgegen muste schreyn? Beherrscher aller Welt/ Bezwinger Felsen-harter Gei- ster/ Mein vormahls aͤrgster Feind/ izt meiner Sinnen Herr und Meister/ Wofern du diesen Sieg dir wilt zu nutze machen/ So laß auch deinen Raub dem Tode nicht im Rachen/ Dem Tode/ der zugleich Dorinden will erlegen/ Und Silvien von dir besiegt Dorindens wegen/ Der/ wo sie sterben muß/ dir selbst wird abgewinnen/ Und siegende den Ruhm des Sieges rauben kuͤnnen. So seyd ihr beyde wund? O gluͤckhafft-suͤsse Wunden/ Doch schmertzlich/ wo vor sie nicht Huͤlffe wird gefunden! Drum lasst uns gehn und Rath zu ihrem Schaden pfle- gen. Ach/ Linco/ fuͤhre mich nicht so in meines Vatern Hauß/ J 2 Und GUARINI Und laß mich zuvorhin die Kleidung ziehen aus. Und wiltu anderswo Denn bleiben/ als bey deinem Silvio? Du solt mir diesen Tag in meinem Haus/ als Braut/ Lebendig oder todt/ noch werden anvertraut: Es soll mich weder Tod noch Leben von dir scheiden. Seht/ wie zu rechter Zeit die neue Lieb entglimmt/ Als Amarillis gleich um Leben/ Ehr und Heyrath kuͤmmt? O werth-erlesnes Paar/ dem seinen reichen Segen Des milden Himmels Gunst beliebe beyzulegen! Ihr Goͤtter/ heilt und macht gesund/ Was eur Verhaͤngniß selbst verwundt/ Rett eines/ und erhalt das Leben allen beyden! Wie matt bin ich! ich kan die Seite nicht mehr ruͤhren. Mein Engel sey getrost/ wir wollen dich schon tragen. Gib/ Linco/ mir die Hand. Da ist sie. Halte fest. Wir wollen einen Sitz vor sie bereiten/ Sie soll uns eine liebe Last/ wir ihre Saͤnffte seyn. Sie kan die Armen beyd’ um unsre Haͤlse schlagen/ So/ hoff ich/ wollen wir sie gut nach Hause fuͤhren. Dorinde setze dich nun maͤhlich ein. Ach weh! wie sticht michs in der Seiten? Mein Schaͤtzgen/ setze dich nur huͤbsch gemaͤhlich nieder/ Izt/ deucht mich/ sitz ich gutt. Nun halt fein feste wider/ Und siehe/ daß du nicht die Hand entgleiten laͤst. Geh steiff/ und laß den Arm nicht wancken. Darff ichs sagen? Diß heisst nicht einen Schweinskopff tragen. Dorinde/ sage mir/ ob dich der Pfeil sehr sticht? Ja freylich/ liebes Kind/ allein in deinen Armen Acht ich das Stechen und das Sterben selber nicht. Wo bistu schoͤne Zeit von Gold/ Da Milch die Speise war der jungen Welt/ Der gruͤne Pusch an statt der Wiegen/ Da noch der fetten Heerde Frucht Kon treuer Schaͤffer. Kont in der Schos der Mutter liegen/ Und nicht zur Speise ward gesucht; Da noch die Erde frey von Schuld Nicht fuͤrchte/ Stahl noch Gifft/ nicht kannte Gold noch Geld? Gedancken voller Eitelkeit Befleckten damahls nicht den reinen Sinn/ ein schnoͤder Geitz hielt ihn gefangen. Izt thut den bloͤden Hertzen weh/ Nach theurem Koth ein sorgsames Verlangen/ Man stoͤrt die Ruhe fremder See/ Kein reiches Land ist uns so weit/ Das kuͤhne Schiff wagt sich durch Wind und Wel- len hin. Der leren Titul eitle Pracht/ Der Ursprung von Betrug und Heucheley/ Den toller Wahnwitz Ehre nennet/ Wornach der blinde Hochmutt rennet Mit List/ mit Sorgen und Verlust/ Was uns itzund zu Sclaven macht/ Ubt unter ihnen nicht der Sinnen Tiranney. Zu prangen mit Bestaͤndigkeit/ Um seiner Liebsten Gunst was auszustehn/ Der Treue strenges Recht zu halten/ Von dem die falsche Welt nichts weiß/ Diß war bey den begluͤckten Alten Der edlen Seelen Ruhm und Preiß: Diß hieß bey unsrer Ahnen Zeit Durchs Thor der Erbarkeit den Weg der Ehren gehn. Da sah man in dem kuͤhlen Haͤyn Die frohen Schaͤffer/ mit der Nimphen-Schaar Ohn Argwohn spielen oder schwaͤtzen/ Das Hertze kam den Worten bey/ Man konte sein Gesicht ergoͤtzen/ Von Eyffersucht und Sorgen frey/ J 3 Weil GUARINI Weil alle Geilheit fremde war/ Und Mann und Liebster noch ein Rahme pflag zu seyn. Zwar jedem gab zu kuͤssen dar Die freye Hoͤffligkeit den zarten Mund/ Doch sonder ihn befleckt zu wissen: Viel fester war der Ehe Band/ Viel suͤsser das verliebte Kuͤssen Bey keuschem Mund und reiner Hand/ Weil Mann und Frau gesichert war/ Daß einem nur allein das Hertze blieb vergunt. Verderbte Zeit/ die du befleckst Der Seelen Schmuck/ der wahren Tugend Zier/ Mit uͤberschminckten Uppigkeiten/ Den Durst der heißen Luͤste naͤhrst/ Bey Mangel der Gelegenheiten/ Das Hertz in stiller Glutt verzehrst/ Biß du beqveme Zeit entdeckst/ Und die gehemmte Brunst mit Wucher bricht herfuͤr. Die Schlinge birgt offt Graß und Blum/ Ein Blick voll Scham/ ein Mund voll Gleißnerey/ Muß schlipffrige Gedancken mahlen. Die Froͤmmigkeit besteht im Schein/ Das Leben in der Kunst zu prahlen. Die Einfalt will betrogen seyn: Man achtets nicht/ man schaͤzts vor Ruhm/ Daß Lieb ein Diebstahl/ nur dabey verborgen sey. O wahre Ehr/ O reine Zucht/ Des Himmels Kind/ der Erde groͤster Schatz/ Du hoͤchstes Gutt der edlen Geister/ Der Tugend Brunn und schoͤner Lohn/ Der irrenden Begierden Meister/ Der du beherrschest Kron und Thron/ Komm wieder/ komm von deiner Flucht/ Und mache dir im Land in unsern Hertzen Platz. Laß deines hellen Glantzes Pracht/ Laß deinen Strahl der von dem Himmel blizt/ D treuer Schaͤffer. Die blind-entschlaffne Welt erwecken. Laß deiner Flammen heilge Glutt Manch ausgebrandtes Hertz entstecken/ Erhebe den entsuncknen Mutt/ Und lehre/ was die Tugend nuͤzt/ Die/ wenn die Laster todt/ im Tode lebend macht. Wir hoffen: wer bestaͤndig hofft/ Erfaͤhrt wie ihm gewuͤnschte Huͤlff erscheint. Die Sonne geht wohl westlich nieder/ Wenn sie vollendet ihren Lauff/ Doch stehet sie des Morgens wieder Mit Gold-beflammten Strahlen auff. Wenn nun der Himmel ausgeweint/ Scheint sein Sapphirnes Blau durch die geklaͤhr- te Lufft. Fuͤnffter Handlung erster Eintritt. Uranio. Carino. E S ist uͤberall gut wohnen/ wo man Brodt zu essen hat; Und der Kunst ist iede Gegend an des Vaterlandes Statt. Es ist wahr/ Uranio: Ich kans aus Erfahrung sagen. Ich verließ in zarter Jugend meines lieben Vaters Hauß/ Achte weder Pflug noch Heerde/ sondern wolte hoͤher aus/ Selbst zu wissen und zu sehn/ was ein ander muß erfragen; Und bin durch manch schoͤnes Land nun gezogen auff und nieder; Gelbes Haar nahm ich mit weg/ graues bring ich itzund wieder. Es ist doch ein suͤsses Ding um das liebe Vaterland: Die Natur pflanzt unsern Siñen eine starcke Neigung ein/ Die nicht stirbet noch veraltet/ zu dem Land/ aus dem wir seyn. Wie der Eisenstein vom Schiffer gegen Ost und West ge- fuͤhrt Die verborgne Krafft und Liebe zu dem Nordsiern nicht verliehrt; J 4 So GUARINI So/ wer in die Fremde reißt/ ob er noch so weit gezogen/ Ob er gleich ein fernes Land ihm zur Wohnung auserkist/ Nimmt er doch die Neigung mit die ihm angebohren ist/ Die er mit der ersten Lufft mit der ersten Milch gesogen/ Und vergisst des Ortes nicht/ da man ihn in Windeln band. Liebstes Land/ Arcadien/ das ich allen ziehe fuͤr/ Das mein Fuß itzund betritt/ aber mein Gemuͤtte kuͤsst/ Werthste Mutter/ wenn ich dich blind und unbewust be- gruͤsst/ Haͤtt’ ich dich doch kennen wolln/ weil ich den verborgnen Zug Bald in meinem Hertzen fuͤhlt’/ und aus Liebe gegen dir Das vor Freud erregte Blutt mir in allen Adern schlug. Nun/ mein Freund/ der du bißher Hast mit mir das Ungemach meiner Reise wollen leiden/ Izt ists recht/ daß du dich auch theilhafft machest meiner Freuden. Ich empfand wohl die Beschwer/ Aber izt nicht gleiche Lust. Denn du bist nun kommen an/ Wo der muͤde Leib zugleich und das Hertze ruhen kan: Ich bin hie an fremdem Ort und entfernt von meiner Huͤtte Habe weit von meiner Armutt den so langen Weg gereiset Da sich zwar ein wenig Ruh vor die matten Glieder weiset Aber ihr nicht faͤhig ist zu geniessen das Gemuͤtte/ Wenn es oͤffters heim gedenckt/ was ich hinter mir vergessen Und wie manche Meil ich denn wieder soll zuruͤcke messen. Ich weiß wohl nicht/ wer mich sonst/ ausser du/ bey dieser Jahren Haͤtt aus meinem Eliß bracht/ ohn die Ursach zu erfahren/ Welche dich dazu beweget. Lieber/ ist dir nicht bewust/ Wie Mirtillo/ den der Himmel mir geschenckt zu Trost un Lust/ Ohngefehr vor zweyen Monden/ und was druͤber/ auff de Rath Welchen mir die Goͤtter gaben/ sich hieher begeben hat/ Seiner Kranckheit zu genesen? Ich/ der ich kaum leben ka Wenn ich ihn nicht um mich habe/ lieff sie bald noch ei mahl an/ Un treuer Schaͤffer. Und fragt um sein Wiederkommen/ Drauff ich diesen Schluß vernommen: Kehr in Arcadien/ dein altes Vaterland/ Wofern du wilt Mirtilln und dich geluͤcklich machen: Der Himmel hat ihn dar bestimmt zu grossen Sachen. Mach aber dieses Wort nicht eh als dort bekannt. Liebster Freund/ mein andres Ich/ Der du boͤs’ und gutte Stunden Stets mit mir zugleich empfunden/ Ruh nur itzo und erquicke dich; Dein Gemaͤtte wird schon auch die gewuͤnschte Ruh erlan- gen. Laͤst mich hier des Himmels Gunst/ was sie zugesagt/ em- pfangen/ Soltu alle meines Gluͤcks/ alle meiner Lust genissen: Denn/ wenn du waͤrst unvergnuͤgt/ wie koͤnt ich mich froͤlich wissen? Alle Muͤhe deinetwegen/ wenn dir nur ein Dienst geschicht/ Acht ich schon genug belohnet: Aber/ gib mir doch Bericht/ Warum du dein Land verlassen/ das dir doch so hertzlich lieb? Bruder/ das ist halt gewesen der erhizten Jugend Trieb/ Und Poetsche Phantasey noch nicht reiff-gewordner Sinnen/ Die an fremden Orten auch wolten Ehr und Ruhm ge- winnen. Denn es dauchte mich verschmaͤhlich nur zu Hause seyn be- kandt/ Meiner Ehrsucht war zu enge zu geringe dieses Land/ Da mir nichts/ als meine Freunde/ meine Bauren/ zugehoͤrt. Ich begab mich hin nach Eliß/ wo man jenen Helden ehrt/ Den der gruͤne Lorber-Krantz und der Purpur reiner Tu- gend/ Als den andern Phebus/ schmuͤckt: diesem weyht ich meine Jugend/ Diesem wolt ich Hertz und Hand/ Spiel und Kiel ergeben wissen/ Und hier haͤtt ich meine Zeit mit Vergnuͤgung koͤnnen schluͤssen/ J 5 Haͤtt’ GUARINI Haͤtt’ ich mir genuͤgen lassen/ und mein Gluͤck so wohl er- kannt/ So wohl wahrgenommen/ als es mir der Himmel zuge- wandt. Wie ich nun hierauff nach Argos und Mizene kommen hin/ Irdsche Gottheit angebetet/ und ihr Sclave worden bin/ Und was diese Dienstbarkeit mir gemacht vor schweres Le- ben/ Wuͤrde dir Verdruß zu hoͤrn/ mir Beschwer zu melden/ geben. Diß sag ich einig/ daß ich Muͤh und Zeit verspielt/ Geschrieben und geweint/ geschwizt und Frost gefuͤhlt/ Gelauffen und gerennt/ gestanden und gewacht/ Gelitten und verschmerzt/ bald froͤlich/ bald betruͤbt/ Bald niedrig und bald hoch/ bald groß/ bald klein geacht/ Gebraucht zu Schimpff und Ernst/ in allem ausgeuͤbt. Ich scheute keine Muͤh und keinerley Gefahr/ Ich machte mich zu nichts/ indem ich alles war/ Vertauscht Ort/ Leben/ Stand/ Sinn/ Sitten und das Haar/ Mein Ungeluͤcke nicht; das ich zulezt erkannte/ Und meine Seufftzer nach der vorgen Freyheit wandte. Nach so viel Ungemach ließ ich die stoltze Stadt/ Die Hoheit/ welche nichts als Elend in sich hat/ Begab mich zu der Ruh bey Pisa auff das Land/ Allwo ich den Mirtill selbst von der Goͤtter Hand Mir zu besondrer Freud und Trost geschencket fand. Tausendmahl ist der begluͤckt/ der den Sinnen steckt ein Ziel/ Und das Kleine nicht verliehrt/ wenn er Grosses suchen will. Aber/ wer haͤtt ihm gedacht bey den Großen immer klein/ Wo man andre wachsen sieht/ und bey Reichen arm zu seyn? Ich vermeint’ in Herren-Schloͤssern wohnte wahre Freund- ligkeit/ Des verhandnen Uberflusses und der Hoheit schoͤnstes Kleid; Aber/ ach! das Widerspiel hab ich/ liebster Freund/ er- fahren/ Leute/ die dem Nahmen nach und mit Worten hoͤfflig waren/ Aber mit den Wercken karg einem Freundschafft zu er- weisen/ Leute/ treuer Schaͤffer. Leute/ die mit guttem Aug’ und geneigter Hoffnung speisen/ Leute/ welche Blick und Wort wissen sittsam vorzustellen/ Aber unergruͤndlich sind/ wie des tieffen Meeres Wellen/ Menschen nur dem Ansehn nach/ die sich treue Diener nen- nen/ Und im Hertzen gegen dir doch von Neyd und Rache bren- nen/ Dieses sagen/ jenes thun/ hieher sehn/ und dorthin dencken/ Wenn sie dir am schoͤnsten thun/ dein Geluͤck am meisten kraͤncken. Was man im gemeinen Leben sonst vor Ehr und Tugend schaͤzt/ Wird der unberichten Einfalt hier zum Maͤngel ausgesezt. Warheit sagen/ ehrlich handeln/ treulich lieben ohne Schein/ Was man zusagt redlich halten/ rein von Hertz und Haͤn- den seyn/ Wird vor eine Niedrigkeit des Gemuͤttes nur geacht/ Als ein Mangel des Verstands eine Zagheit ausgelacht. Zucker um das Maul zu schmieren/ glatte Luͤgen auffzubin- den/ Ausflucht wider alle Schluͤsse/ Gruͤnde widers Recht zu finden/ Dem entziehn/ und jenem geben/ daß man auch sein Theil behaͤlt/ Keinen lieben/ alle neyden/ wachsen/ wenn ein ander faͤllt/ Seinen Eyffer zu bezeigen einen Nachbar geben an/ Und ihm eine Grube graben/ daß man druͤber springen kan/ Ist der Ruhm der falschen Leute. Nicht Verdienst/ nicht Tapfferkeit/ Keine Scheue vor dem Alter/ vor dem Stand/ und den Ge- setzen/ Keine Furcht vor Scham und Schande/ keine Gutthat vor- ger Zeit/ Keine vorbezeigte Liebe/ keine Freundschafft/ noch Gebluͤtte/ Nichts mit allem auff der Welt/ was wir hoch und heilig schaͤtzen/ Findt sich/ gegen dem nicht oͤffters solche Geld- und Ehrsucht wuͤtte. Bru- GUARINI Bruder/ dencke nun wie ich/ der ich rede wie ichs dencke/ Der ich niemahls nicht gebraucht noch verstanden solche Raͤncke/ Und den Rathschluß meines Hertzens laß’ auff meiner Stir- ne lesen/ Ihren unvermutten Pfeilen ein gewisses Ziel gewesen. Wer ist auff dieser Welt zu nennen recht begluͤckt/ Wenn wahre Tugend stets vom Neyde wird gedruͤckt! Haͤtt ich von der Zeit an/ als ich mit Diensten ward ge- bunden/ So viel Gelegenheit zu schreiben/ als zu weinen/ funden/ So wuͤrde meines Helden Ruhm vielleicht bey dem Achilles prangen/ Und unser Vaterland den andern Lorber-Krantz erlangen; So aber ist itzund/ da ieder Reimen macht/ Die edle Tichter-Kunst unfruchtbar und veracht. Ein lustig Rest samt gutter Lufft und Kost Ist der gelehrten Schwaͤne Lust: Mit Sorgen steigt sichs schwer auff des Parnassus Hoͤhen. Wer sich nur immer zu mit dem Verhaͤngnis beist/ Und manchem Sturm der Welt muß unter Augen gehen/ Wird heiser/ ihm vergeht die Stimm’/ entfaͤllt der Geist. Es ist nun aber Zeit Nachfrag’ um meinen Sohn zu thun: Wiewohl die Gegend sich so sehr veraͤndert hat/ Daß ich kaum kennen kan und wissen/ wo ich bin: Richts desto minder wolln wir maͤhlich weiter ziehn. Ein Reise-Mann/ der nur das Maul nicht laͤst dahinden/ Kan dennoch uͤberall zur Noth die Wege finden. Doch dir wird besser seyn/ weils ohne diß schon spat Und du so muͤde bist/ im naͤchsten Wirths-Haus auszuruhn. Fuͤnffter Handlung anderer Aufftritt. Titirus. Bothe. O Tochter/ was soll ich zu erst an dir beweinen? Das Leben/ das du hast verwuͤrckt? die Ehre/ die du hast verlohren? Die Ehre muß es/ leider/ seyn/ In- treuer Schaͤffer. Indem du sterblich zwar von mir/ doch ehrlich/ warst ge- bohren/ Und an des deinen statt/ ach! mein selbst eigen Leben/ Das nun mit Wehmutt sieht den schweren Tag erscheinen/ An dem du Ehr und Leben must begeben. Montano/ ach Montano! du allein Mit deinen falschen und so uͤbel ausgelegten Spruͤchen/ Mit deinem stoltzen Sohn/ der stets die Lieb und sie veracht/ Hastu mein armes Kind in solche Noth gebracht. Ach/ wie viel eigner hat mein heutigs Reden eingetroffen/ Als die Orackel/ die dich so viel guttes hiessen hoffen. Wie wahr befindet sichs/ daß Ehre Scham und Tugend Der Liebe sey zu schwach/ bey Hitze kuͤhner Jugend: Und daß ein Frauen-Bild/ so noch allein und frey/ Nicht wohl verwahret/ und gar schwer zu huͤtten sey. Wofern er nicht vor Hertzeleyd verblichen/ Wofern ihn nicht der Wind hat weggefuͤhrt/ So solt ich ihn fortmehr ja haben ausgespuͤrt. Jedoch da/ daͤucht mich/ seh ich ihn gantz unverhofft. Betruͤbter Vater/ dem ich lang umsonst gerufft/ Den ich zu weit gesucht und noch zu nahe funden. Was neues bring ich dir! Von meiner Tochter Wun- den Und Tode Zweiffels ohn. Nein/ dieses eben nicht; Doch kommt es nahe bey. So ist sie noch nicht hinge- richt? Sie lebt/ und steht bey ihr/ ob sie will leben oder sterben/ Gesegnet seyestu vor solche gutte Post/ Die mich dem nahen Tod aus seinem Rachen zieht! Wie aber/ daß man sie dennoch nicht ledig sieht/ Wenn sie bereits ist frey gesprochen vom Verderben? Dieweil sie selber nicht zum Leben traͤget Lust. Nicht Lust zum Leben? was vor Thorheit? was vor Noth Macht ihr das Leben so verdruͤßlich? Eines andern Todt? Und bringestu sie nicht zu anderem Entschluͤssen/ So hat sie ihren Sinn so feste drauff gesezt/ Daß man sie nur umsonst darvon zu nehmen ist beflissen? T. Was GUARINI Was halten wir uns auff? so lasst uns zu ihr eilen. Verzieh ein wenig noch: der Tempel ist geschlossen/ Und niemand darff hinein/ (damit man nicht verlezt Das hohe Heiligthum) der nicht ein Priester sey/ Biß man das Opffer zubereit’t bringt aus der Sacristey. Wenn aber sie indeß aus Zweiffelmutt der Sinnen Zu Wercke richt ihr leidiges Beginnen? Ach/ nein/ sie kan nicht; denn sie wird verwacht. So sage mir/ indem wir uns allhier verweilen/ Nur alles gleiche zu/ was man mit ihr gemacht. Als deine Tochter nun voll Unmutt/ voller Scham/ (Ach Blick/ ob dem die Thraͤnen aus viel hundert Augen flossen/ Ob dem die Steine gleichsam selbst geweint) vorn Prie- ster kam/ Ward sie fast unter eins verklagt/ Und uͤberzeugt/ und ihr das Urtheil angesagt. Ach/ arme Tochter! und warum in solcher Hastigkeit? Weil die Entschuldigung bestund auff schwachen Gruͤn- den/ Und man dem Augenschein nicht konte widerstreben/ Auch eine Nimphe/ die ihr Zeugnis solte geben/ Nicht gegenwaͤrtig war/ noch man sie konte finden. Die Wunder-Zeichen auch verguͤnnten nicht mehr Zeit/ Die man von dem Tag an/ als des Amintas wegen Die Goͤttin ihren Zorn uns anfieng darzulegen/ Und unser armes Land empfand den schweren Fluch/ So grausam nicht gesehn. Die Goͤttin schwizte Blutt/ die Erd erzitterte/ Die heilge Hoͤl erschuͤtterte/ Mit traurigem Geheul und stinckendem Geruch. Die Priester machten sich nun auff den Weg mit ihr/ Als der Mirtillo brach herfuͤr/ Und (hoͤre Wunder/ was geschehn!) Sich anbot durch sein Sterben Ihr Gnad und Leben zu erwerben. Er schrey mit heller Stimm: Befreyet doch die Hand/ Die man so unverdient mit diesen Stricken band: Soll treuer Schaͤffer. Soll sie ein Opffer seyn/ die nichts verbrochen hat/ Dianens Eyffer zu bestillen/ So fuͤhrt mich zum Altar an ihre Statt/ Damit ich sterb ein Opffer meiner Amarillen. O treuer Lieb’ und Großmutt edle That! Nun hoͤr erst Wunder an: Sie/ von der Todes-Furcht vorher gantz eingenommen/ Hat auff Mirtillens Wort gantz neuen Mutt bekommen/ Antwortete so frisch/ daß ichs kaum sagen kan: Mirtillo/ bildestu dir ein/ Dein Sterben werde deren Leben seyn/ Die in dir lebt? ach nein! Unbillichs Wunderwerck! ihr Priester/ fort mit mir! Fort/ fort/ und bringt mich zum Altar. Was saͤumet ihr? Mirtillo sprach: So viel Erbarmnis hab ich nie Gewuͤnschet; kehre wieder um! dein grausames Mitleiden Muß meiner Seelen bestes Theil zu sehr verletzen und durch- schneiden. Mir kommt das Sterben zu. Nur mir/ (versezte sie) Der solches zuerkannt durch des Gesetzes Schluͤsse: Und also stritten sie zusammen/ Als ob das Leben Tod und Sterben Leben hisse. O edle Flammen! O tugendhafftes Paar/ Das bessers Gluͤcks auff Erden wuͤrdig war! Liebhaber/ deren Ruhm so lang ihr lebt/ auch lebet/ Und lebend bleibt/ wenn euch der Tod von hinnen hebet/ Haͤtt ich so manche Stimm/ haͤtt ich gleich so viel Zungen/ Als bey gestirnter Nacht der Himmel Augen traͤgt/ Als Koͤrner Sand die See in ihrem Abgrund hegt/ So wuͤrde doch eur Lob zur Gnuͤge nicht besungen: Du grosses Himmels-Kind/ du Meisterin der Ehren/ Die von der Tugend Ruhm der Nachwelt giebt Bericht/ Laß dir befohlen seyn die schoͤne Liebs-Geschicht/ Und schreibe sie mit Gold in festen Demant-Stein Zum Wunder aller Zeiten ein. Das Ende moͤcht ich nun von diesem Streiten hoͤren. Der Schaͤffer uͤberwand. (O wunderlicher Krieg/ Da GUARINI Da von dem Lebenden der Tod erhielt den Sieg!) Der Priester sprach zu ihr: Bestill/ O Rimphe/ dich; Denn wer vor andre schon hat augebotten sich/ Kan/ den Gesetzen nach/ durch sie nicht werden frey. Hierauff gab er Befehl/ sie also zu bewahren/ Daß ihr durch eigne Hand nichts koͤnte widerfahren/ Und also stund die Sach/ als er dich suchen hieß. Man sage was man will/ so bleibets doch gewiß: ”Man wird bey klarer Bach’ die Auen/ ”Man wird die Waͤlder in den Gruͤnden ”Eh’ ohne Blum und Blaͤtter finden/ ”Als schoͤne Maͤgdgen sonder Liebe schauen. Wie aber wissen wir/ wenns Zeit zu gehen sey? Diß koͤnnen wir allhier am besten werden innen: Denn dieses ist der Ort/ wie ich vernehmen kuͤnnen/ An dem der gutte Mensch soll werden abgestochen. Warum im Tempel nicht? Wo einer was verbrochen/ Da wird er auch gestrafft. So soll es in der Hoͤle seyn. Ein Opffer muß geschehn bey freyer Lufft und Himmels- Schein. Wo hastu das gelernt? Der Ober-Diener sagte mir. Er sey berichtet von Tirenio dem Alten/ Daß man es ehmals mit Lucrinen so gehalten. Nun ist es Zeit zu gehn: dort kommet eben Die heilge Schaar herab: wir wollen uns von hier Durch diesen andern Weg in Tempel hin begeben. Fuͤnffter Handlung dritter Eintritt. Chor der Hirten. Reyhen der Priester. Montan. Mirtillo. O Tochter des Jupiters/ Schwester der blinckenden Sonne/ Du Fuͤrstin der Sterne/ der braunen Nacht Leben und Wonne. Du/ deren lebhafftes und maͤßiges Licht Die Hitze des brennenden Zinthius bricht/ Lufft/ Wasser und Erde zum wachsen bequemt/ Mit treuer Schaͤffer. Mit Thieren/ mit Kraͤutern und Menschen besaͤmt: Gleich wie du befeuchtest und kuͤhlest das lechtzende Land/ So kuͤhle/ so loͤsche den Eyffer der zornigen Hand/ Der uͤber Arcadiens Suͤnden so hefftig entbrand. O Tochter des Jupiters/ Schwester der blinckenden Sonne/ Fuͤrstin der Sternen/ der braunen Nacht Leben und Wonne. Ihr Schaͤffer/ und ihr meine Leute/ Geht in dem Kreiß ein wenig auff die Seite/ Und kommt/ ohn mein Begehr/ Nicht naͤher zu mir her. O kuͤhner Juͤngling/ der du izt dein junges Blutt Zu Rettung fremdes Heyls giebst hin/ stirb wohlgemutt: Ein einig Augenblick/ ein kurtzes Athem-ziehn/ Daß der gemeine Wahn der furchtsamen Gemuͤtter Aus feiger Bloͤdigkeit/ als waͤr es noch so bitter/ Den Tod zu nennen pflegt/ fuͤhrt deinen Geist dahin/ Wo er/ der Sterbligkeit entrissen/ Von keinem Tode mehr wird wissen. Wenn nun manch hundert Jahr wird hingelauffen seyn/ Wenn schon der Zeiten Neyd manch Helden-Kind be- graben/ Und eine neue Welt wird ausgelebet haben/ Wenn schon zerbꝛochen wird manch stoltzer Leichen-Stein/ Wird doch dein hoher Ruhm noch leben/ Und wahrer Treu ein Beyspiel geben. Weil aber du/ dem Brauche nach/ must schweigend auffge- opffert werden/ So sage/ was du reden wilt/ itzund/ und knie drauff zur Erden. Mein Vater/ wie dich Mund und Hertze willig heist/ Ob ich von deiner Hand gleich itzund soll erblassen/ Ich will nun meinen Leib der Erd und Glutt verlassen/ Der aber/ die allzeit mein Leben war/ den Geist. Ach aber/ solte sie auch/ wie sie draͤuet/ sterben/ Was bliebe denn von mir befreyet vom Verderben? K Wie GUARINI Wie suͤß und leicht ist mir der Tod zu uͤberstehn/ Wenn diß nur mit mir stirbt/ was sterblich war an mir/ Sie/ meine Seele/ nicht zugleich will untergehn. Wofern mein Liebes-Dienst/ den ich itzund erweise/ Noch diesen Liebes-Dienst erwerben kan von dir/ So sorge nur vor Amarillen/ Und muͤhet euch bey ihr die Sterbens-Lust zu stillen/ Damit ich deß gewiß zu besserm Leben reise. Was das Verhaͤngniß uͤber mich verhangen/ Durch meinen Tod sein Ende moͤg’ erlangen/ Wenn ich nun habe mein betruͤbtes Leben Nach so viel tausend Schmertzen/ hingegeben/ Wolle der Himmel der Seele vergoͤnnen/ Daß sie von ihrer Wohnung abgerissen Mit dem vereinigt moͤge leben koͤnnen/ Was sie bey Leben lieb- und meiden muͤssen! Wie gebrechlich sind wir Menschen! ich kan kaum die Thraͤnen zwingen. Lieber Sohn/ gib dich zufrieden. Was du bittst/ will ich vollbringen. Ich schwere dirs bey meinem Haubt/ und reiche dir die Hand/ Als meines willigen Versprechens Unterpfand. Nun scheid’ ich vergnuͤget von hier: Nun komm ich mit Freuden zu dir. Amarille/ mein Leben/ empfange Mirtillen. Hemme dein Leiden/ Empfange die Seele mit Freuden/ Die dir dein sterbender Schaͤffer/ der Treue/ bescheiden/ Der dich numehr zum lezten mit Nahmen begruͤßt/ Darmit sein Seufftzen/ sein Leben/ sein Reden beschluͤßt/ Die Knie zum Tode hinbeugt/ Und fortan ewig stille schweigt. Man saͤume nun nicht mehr. Ihr Priester steckt das Feu- er an/ Und streuet Raͤuchwerck auff/ das in die Hoͤhe steigen kan. H. R. treuer Schaͤffer. O Tochter des Jupiters/ Schwester der blinckenden Sonne/ Du Fuͤrstin der Sternen/ der braunen Nacht Leben und Wonne! Fuͤnffter Handlung vierdter Eintritt. Carin. Montan. Nicander. Mirtill. Reyhen der Schaͤffeꝛ. I st das Land denn ausgestorben/ daß man keinen Men- schen findt? Ja/ die Ursach ist wohl eigen/ daß sie dort beysammen sind Und auff einem Hauffen stehn. Welch ein Anzahl Volck ist das? Es muß wohl ein Opffer seyn/ das von ihnen wird be- gangen. Reiche mir das goͤldne Faß/ Mit dem Bachus-Safft gefuͤllt. Hier ists zu em- pfangen. O heilige Goͤttin/ diß unbefleckte Blutt Erweiche den gegen uns verhaͤrteten Mutt/ Wie diese Tropffen der Kohlen verglimmende Glutt. Nimm dieses hin/ und gib den Napp von Silber her. Mein Vater/ da ist er. Wie diese vergossene Flutt Verloͤschet die wuͤttende Glutt/ So werde dein Zorn/ O Goͤttin/ ersteckt/ Den weibliche Falschheit zum ersten erweckt. Ja/ das ist ein Opffer-Fest: doch seh ich kein Thier zum schlachten. Alles ist numehr gethan/ was ich noͤthig kan erachten. Reichet mir das heilge Beil/ Das das Land soll machen heil. Irr ich/ oder seh ich recht? dorten beugt sich was zur Er- den/ Das sich einem Menschen gleicht: solte der geopffert werden? K 2 Lei- GUARINI Leider ja/ es ist ein Mensch/ und der Priester hat die Hand Schon auff seinen Kopff gelegt. Armes Land/ Sind so viel Jahre nun verstrichen/ Und ist des Himmels Zorn noch nicht von dir gewichen? O Tochter des Jupiters/ Schwester der blinckenden Sonne/ Du Fuͤrstin der Sternen/ der braunen Nacht Leben und Wonne! Hecate/ du Raͤcherin/ die du izt den Lohn der Suͤnden/ Den ein einigs Paar verwuͤrckt/ laͤsst uns allesamt em- pfinden/ Weil wir auch zur Straffe reiff/ und vor unsre Missethat Der gerechte Himmel laͤngst solches ausgesetzet hat; Nachdem dich das falsche Blutt der Lucrine nicht ver- suͤhnt/ Noch die allzuspaͤte Neu die Verzeihung hat verdient/ So nimm nun diß willige/ dieses reine Opffer an/ Welches sich an Lieb und Treu dem Amintas gleichen kan/ Welches izt vor deines Weyh-Tischs Fuͤssen Wird die unbefleckte Seel ausguͤssen. O Tochter des Jupiters/ Schwester der blinckenden Sonne/ Du Fuͤrstin der Sternen/ der braunen Nacht Leben und Wonne! Welch ein Mitleiden faͤngt sich an bey mir zu finden? Ein ungewohnt Erstarrn will meine Sinnen binden/ Das Hertze scheint zu schwer/ die Hand zu schwach zu seyn/ Das dargereichte Beil zum Hiebe zu erheben. Wann ich den Mensch doch vor koͤnt im Gesichte schauen/ Ich wolte mich hernach ja gerne weg begeben/ Denn ich die Grausamkeit nicht wuͤrde sonder Grauen Und Wehmutt koͤnnen sehn. Wer weiß/ ob man mit Recht Das Opffer schlachtet ab/ wenn ihm der Sonnenschein In das Gesichte schlaͤgt/ und ob der Mangel nicht In treuer Schaͤffer. In mir des Leibes und Gemuͤttes Kraͤffte schwaͤcht. Mein/ wende dich herum/ und nach dem Berge zu. So/ so/ nun bistu schon auff rechten Ort gericht. Ach/ was erblick ich? Ist nicht das Mirtill/ mein Sohn? Izt kan ich. Ja/ er ists. Und haue. Prie- ster/ was thust du? O frevler Mensch/ warum greiffstu mit kuͤhner Hand Ans heilge Beil/ und thust dem Opffer Widerstand? Mein Kind/ ach soll ich dich in solchem Stand umfangen! Verwegner/ packe dich. Haͤtt ich mir sollen dencken/ Daß ein so herber Blick mein Alter wuͤrde kraͤncken? Geh hin/ sag ich: was schon den Goͤttern ist geweyht/ Darff von unreiner Hand nicht werden angeruͤhrt. Auch ich bin ihnen lieb/ den sie hieher gefuͤhrt. Nicander; hoͤr ihn an/ und denn geh er von hier/ Und laß uns ungestoͤrt. Mein Priester/ sage mir/ Eh man den jungen Mensch bringt um/ was er begangen. Darum beschwer ich dich bey deiner Goͤttin Thron. In dieser Nahmen weiß ich dir nichts abzuschlagen/ Was du mich fragst: Was ist dir aber dran gelegen? Mehr/ als du dir vielleicht einbildest noch zur Zeit. Er hat vor andre sich zu sterben angetragen. So stirbet er alle in um eines andern wegen; Ach/ toͤdtet mich darvor/ und schont der jungen Jahr: Ich will mein graues Haubt ja gern um seines geben. Mein Freund du phantasirst: was kommt dich an? Warum steht mir nicht frey was ihm vergoͤnnet war? Weil du ein Fremder bist. Und wenn ich es nicht bin? Es kan gleichwohl nicht seyn; denn wer einmahl sein Leben Vor andre dargesezt/ wie dieser hat gethan/ Kan sich durch fremden Tod dem Tode nicht entziehn. Wer bist du aber denn/ wenn du nicht wilt ein Fremder seyn? Es stimmt ja deine Tracht mit unsrer Landes-Art nicht ein. K 3 C. Ich GUARINI Ich bin ein Landes-Kind. Ich kan mich nicht be- sinnen/ Daß ich dich ie gesehn. Ich bin dennoch von hinnen/ Carin genennt/ und Vater zu dem armen Suͤnder. Mirtillens Vater? wie koͤmmst du so ungelegen Vor dich und uns hieher? Eil alsobald von hier/ Die vaͤterliche Lieb in dir Moͤcht in dem Opffer uns ein Hindernis erregen. Ach/ haͤttestu nur Kinder! Ich hab ein einig Kind/ und liebe das von Hertzen; Jedennoch wenn es hier sein Leben muͤste schluͤssen/ Wolt ich sein junges Blutt/ so frey als das/ vergissen. Wer nicht den Eigennutz will aus dem Sinne schlagen/ Vors Vaterlandes Heyl Gutt/ Blutt und Leben wagen/ Ist auch nicht werth ein Amt und Ehren-Kleid zu tragen. Laß mich ihn doch nur noch einmahl vor seinem Tode kuͤssen. Diß kan viel weniger geschehn. O du mein Fleisch und Blutt/ Kanstu so stille seyn zu deines Vaters Schmertzen? Mein Vater/ gebt euch doch zufrieden. Ach/ wir Armen! Das Opffer ist entweyht! Ihr Goͤtter/ lassets euch er- barmen! Wie koͤnt’ ich das von euch empfangne Leben Mit besserm Nuhm/ als izt geschicht/ begeben? Ich dacht es wohl/ wenn er des Vaters Wehmutt solte sehn/ So wuͤrd es um sein Schweigen seyn geschehn. Ach/ was hab ich gethan? Izt werd ich meines Irr- thums inne. Wie kam mir denn so bald der Schluß zu schweigen aus dem Sinne. Je nun/ was saͤumet man? Ihr Diener/ fuͤhret ihn Bald zu der heilgen Grufft des Tempels wieder hin/ Damit er noch einmahl sein williges Geluͤbde thut/ Den treuer Schaͤffer. Denn bringt ihn wieder her/ zugleich auch neuen Wein/ Nen Wasser/ neue Glutt/ und was sonst noͤthig moͤchte seyn. Nun fort/ und foͤdert euch/ daß wir noch fertig werden/ Die Sonne neiget sich mit aller Macht zur Erden. Fuͤnffter Handlung fuͤnffter Eintritt. Montanus. Carin. Dametas. A ber du/ verwegner Greiß/ hast dem Himmel Danck zu sagen/ Daß du Vaters Nahmen fuͤhrst. Nehme man nicht diß in acht/ Sichre dich/ dein Frevelmutt wuͤrde dir nicht Rosen tragen. Ist dir fremde/ wer ich sey? kennestu nicht meine Macht/ Daß ich uͤber Geist- und Weltlich in dem Lande Rich- ter bin? Man kan ja mit Gnade suchen nicht mehr Straffen auff sich ziehn. Wer zu lange traͤgt Gedult/ Reitzet nur zu mehrer Schuld. So wird mein Nachsehn auch von dir nur angewandt Zu mehrer Kuͤnheit: ist dir aber nicht bekandt/ Wenn den gerechten Zorn die Langmutt widerhaͤlt/ Daß er wohl laͤngsamer doch desto haͤrter faͤllt. Großmuͤthger Sinnen Zorn gleicht keinem Sturme nicht/ Der durch die Luͤffte pflegt ohn Unterscheid zu rasen: Er ist als wie ein Wind/ der durch sein gleiches Blasen Des Menschen Hertze ruͤhrt/ und des Verstandes Licht/ Das gleichsam sonst verborgen steckt/ Zu mancher schoͤnen That erweckt. Drum kan ich Gnade nicht/ so laß mich Recht erlangen/ Das ich von deinem Amt doch billich muß empfangen. Wer andern Leuten will Gesetz und Recht fuͤrschreiben/ Kan von demselben auch nicht gar befreyet bleiben. Jemehr du hast Gewalt und Recht dich zu erheben/ K 4 Je GUARINI Je mehr bist du verpflicht jedwedem Recht zu geben. Ich fodre diß von dir um mein- und deinet willen: Mit Ungerechtigkeit ertoͤdtestu Mirtillen. Mit Unrecht? lege mir diß aus. Du hast gemeldt/ Daß keines Fremden Blutt zum schlachten tauglich sey. Ja freylich: diesem stimmt der Schluß des Himmels bey. Der ist ein Fremdling/ der zum Opffer war bestellt. Ein Fremder? Ist er nicht dein Sohn? Laß dir ge- nuͤgen/ Und muͤhe dich nicht mehr Bericht hiervon zu kriegen. Vielleicht weil du ihn nicht bey uns erzeuget hast? Wers meist’ erfahren will/ wird offt das mindste wissen. Das Absehn wird auffs Blutt/ nicht auff den Ort ge- fasst. Weil ich ihn nicht gezeugt/ kan ich ihn Fremdling gruͤssen. So ist er denn dein Sohn/ und nicht von dir ent- sprossen? Weil er nicht von mir kam/ auch nicht mein Kind zu nennen. Hastu nicht vor gesagt/ er sey von dir gebohren? Vor Sohn kont ich ihn wohl/ nicht vor mein Kind/ er- kennen. Du hast vor grossem Schmertz Vernunfft und Witz ver- lohren. Verstuͤnd ich nicht so viel/ doͤrfft ich nicht so viel leiden. Betruͤger oder Narr/ eins bistu von den beyden. Die gleiche Warheit kan nicht mit Betrug umgehn. Wie aber koͤnnen Sohn/ nicht-Sohn/ beysammen stehn? Was er nicht von Natur/ hat er durch Gunst genossen. Ist er dein Sohn/ so kan er nicht ein Fremder seyn/ Und ist ers nicht/ was hastu dich zu mischen ein? So Vater oder nicht kanst du dich nicht verfuͤhren. Wer gleich das Wort; muß nicht allzeit das Recht ver- liehren. Den Glauben doch verliehrt/ wer ihm selbst widerspricht. Ich sage noch einmahl/ daß Unrecht hier geschicht. M. Auff treuer Schaͤffer. Auff mich und meinen Sohn mag dieses Unrecht fallen. Es wird dich dessen reun. Und dich vor andern allen/ Wofern ich nicht mein Amt mit Ruh vor dir verrich- ten kan. Ich ruffe Menschen uͤber dich und Goͤtter an zu Zeugen. Die Goͤtter/ deren Opffer du den Schimpff hast angethan. Wenn du mich denn nicht hoͤren wilt/ so kan ich doch nicht schweigen. Der Himmel hoͤre mich/ es hoͤre mich die Erde/ Die Goͤttin hoͤre mich allhier vor ihrem Thron/ Daß der Mirtillo fremd und nicht mein eigen Sohn/ Und daß das Opffer nicht/ wie recht/ bestellet werde. Ihr Goͤtter/ macht mich von dem ungestuͤmmen Men- schen loß! Wer ist sein Vater denn. Das weiß ich nicht zu sagen: Nur diß/ daß ichs nicht bin. Wie giebst du dich so bloß Durch wanckelhaffte Wort. Ich muß dich weiter fragen: Ist er dir aber von Gebluͤtte sonst verwandt? Auch dieses nicht. Wie hast du ihn denn Sohn ge- nannt? Weil ich ihn lange Zeit in meinem Hauß ernaͤhrt/ Und/ als mein eigen Kind/ gehalten lieb und werth. Hastu ihn denn gekaufft? geraubt? woher genommen? Von einem Fremden hab ich ihn geschenckt bekommen/ In Elis. Und woher mocht ihn derselbe haben? Ich hatt’ ihn ihm verehrt. Dein Wahnwitz rei- tzet mich Zu zuͤrnen/ und zugleich zu lachen uͤber dich. So schenckt er wieder dir die ihm geschenckten Gaben? Ich gab ihm nur das Sein/ und diß gab er mir wieder. Und du/ wo krigtestu das Kind zum ersten her? In einem Mirten-Strauch hatt’ ich es ohngefehr Bey des Alfeus Bach spatzierend auff und nieder K 5 Ge- GUARINI Gefunden kurtz zuvor: drum nennt ich es Mirtillen. Mit was vor Maͤhrlein wirstu uns die Ohren fuͤllen? Hegt euer Land kein Wild/ das diese Frucht gefressen? Die auffgeschwellte Flutt durch ihres Stromes Macht/ Hat sie dahin und auff ein kleines Werder bracht/ Darinnen sie vorm Wild in Sicherheit gesessen. Du schmuͤckst die Luͤgen wohl. War die erzuͤrnte Flutt So gnaͤdig/ daß sie nicht das Kind ließ untersincken? Sind eure Waͤsser denn so fromm und gutt/ Daß niemand drinnen kan ertrincken? Die Wiege/ drinn es lag/ dient ihn vor einen Kahn/ Darinn es mit Gepresch umgeben/ sicher schwam/ Biß daß es zum Geluͤck in diese Straͤuche kam/ Und allda sitzen blieb. So lags in einer Wiege? Nicht anders als ich sag. Ein eingewindelt Kind? Ein schoͤnes Kind dazu. Wie viels wohl Jahre sind? Es werden neunzehn Jahr/ eracht ich/ seyn verflossen/ Zeit dem die Waͤsser sich so grausamlich ergossen/ Und damahls ists geschehn. Da siehstu ob ich luͤge. Ihr Goͤtter/ was koͤmmt mich vor ein Entsetzen an! Was aber hatte der/ von dem du sagst/ vor Recht Zum Kinde? war es sein? Hiervon kan ich nicht Nachricht geben. Ist dir auch sonsten nichts bekandt von seinem Thun und Leben? Nichts anders. Traust du ihn zu kennen? War- um nicht? Es war ein breiter Mann von Leib und von Gesicht/ In rechter Mittel-Groͤß/ und trug ein schwartzes Haar/ Hatt einen starcken Bart und stachlicht Augenbranen. Kommt her/ ihr meine Knecht’/ Und Hirten. Da sind wir. Nun schaue wem der Mann Von dem du hast gemeldt/ am meisten gleichen kan. Er doͤrffte mich gar bald an den/ der mit dir redt/ gemah- nen: Und eben dieser ists. Er ist noch wie er war. Vor treuer Schaͤffer. Vor zwantzig Jahren/ hat kein Haͤrlein nicht verwandelt/ Und ich bin aller weiß. Da sieht man/ wie die Zeit mit uns so ungleich handelt! Geht wieder hin/ ihr andern; Du/ bleib hier/ Damet/ und sage mir/ Kennstu wohl diesen Greiß? Mich deucht wohl/ daß ich ihn vor diesem auch gesehn/ Weiß aber weder Zeit noch Stelle/ wo’s geschehn. Ich will ihn dessen bald erinnern. Laß vor mich/ Mein Freund/ mit ihm was reden/ und entferne dich Ein wenig. Wie du schaffst. Antworte mir itzund Dametas/ und verhalt mir nicht der Warheit rechten Grund. Was wird diß Neues seyn? Als ich dich ausgeschickt dem Kinde nach zufragen/ Das mir die Flutt mit sammt der Wiege weg getragen/ Und du zuruͤcke kamst/ hastu mich nicht bericht/ Du haͤttest ohne Frucht Die gantze Gegend um den Fluß durchsucht? Herr/ warum fragt ihr das? Antworte. Sagst du nicht/ Du haͤttest nichts gefunden? Ja. Wie kommt euch dieses ein? Was wars denn vor ein Kind/ Das du in Elis dazumahl Dem Manne/ der dich hier itzund erkennt/ geschencket? Meynt ihr/ daß einen alten Mann ein Ding so lange Zeit gedencket? Er ist doch auch nicht jung: wie kom̃ts daß er sich drauff besinnt? Ihm traumt. Wir wollens sehn. Mein Fremd- ling/ komm zu mir. Hier bin ich. O der Qual! Ach waͤrestu/ so weit der Pfeffer waͤchst/ von hier! Ist dieses nicht der Mann/ der dich beschenckt soll haben? C. Ja/ GUARINI Ja/ eben dieser ists? Was meynestu vor Gaben? Erinnerstu dich nicht/ als du vom Tempel giengest/ Darinnen du vorher der Goͤtter Spruch empfiengest/ Und numehr wiederum nach Hause woltest ziehn/ Wie ich dir dazumahl entgegen kommen bin; Wie ich dich ausgefragt/ und wie du mich beschieden; Wie ich dich zu mir heim gefuͤhrt; und wie du warst zu- frieden/ Daß ich das Kind behielt? Was wilt du draus er- zwingen? Mirtill ist dieses Kind/ den ihr izt um wolt bringen. O des Verhaͤngnis strenge Macht! Verstellest du dich noch! Ists wahr/ was er hat vorge- bracht? Ach/ waͤr ich so wohl todt! Das soll dir wider- fahren/ Wofern du mir nicht wirst die Warheit offenbahren. Warum denn gabst du weg/ was dir nicht zugehoͤrt? Herr/ fragt mich weiter nichts/ lasst euch an dem be- gnuͤgen. Ja/ desto mehr verlangt mich Grund darvon zu kriegen. Haͤltstu mich annoch auff? Wiltu denn gar verstummen? Frag ich dich noch einmal/ es soll dir schlecht bekommen. Ich thaͤts/ weil mich der Spruch des Jupiters gelehrt/ Daß dem gefundnen Kinde/ Dafern es kaͤm ins Vaterland/ Zu sterben von des Vaters Hand Gefahr entgegen stuͤnde. Ja/ das ist wahr. Ich hab es auch gehoͤrt mit meinen Ohren. Ach weh! Numehr ist alles offenbar. Die gantze Sach ist allzuklar. Es weist sich/ leider/ heute/ Was das Verhaͤngniß schloß/ was mir der Traum be- deute. Verlangst du mehr Bericht? Ich weiß nur all- zuviel. Was treuer Schaͤffer. Was er nicht wuͤnscht/ erfaͤhrt/ wer alles wissen will. Ach/ haͤtt ich weniger gefragt/ Du weniger gewust/ und weniger gesagt! O Carin/ Carin/ Schau/ wie ich itzund selbst an deine Stelle kommen bin! Wie dein Schmertz der meine wird! dieser ist von mir gebohren. O des ungluͤckselgen Vaters allzu ungluͤckselger Sohn. Grausam von der Flutt geraubet/ grausamer errett darvon/ Daß du von dem Vater selbst koͤntest auffgeopffert ster- ben/ Und die Erde/ die dich trug/ hier mit deinem Blutte faͤrben. Bistu des Mirtillo Vater? Wie denn ist er von euch kommen? Das vorhin gemeldte Wasser hat ihn mit sich wegge- nommen. Ich erhielt/ was ich verlohr/ an dem liebsten Kinde/ Und verliehre nun/ was ich au ihm wieder finde. O Himmel/ aus was hohem Rath hastu Bißher gespielt mit solchem Wunder-Faͤllen/ Die sich numehr in einem Nu Der Welt entdeckt vor Augen stellen! Was hastu Großes mit uns vor? Gluͤck oder Ungeluͤcke? Was hoffen wir von dir/ O himmlisches Geschicke? Ach/ dieses ist mein Traum/ mein Traum der mich be- trog/ Der nur das Boͤse traff/ und in dem gutten log! Diß ist die Bangsamkeit/ das Zagen/ das Erroͤthen/ Diß ist das Schauern/ das mich uͤberlieff/ Als ich das Beil ergriff. Da die Natur sich selbst erregt/ Und uͤber solcher That zum Schrecken ward bewegt! Wie aber? denckstu noch die Unthat fortzustellen? Sonst keinem ist erlaubt das Opffer hier zu faͤllen. So soll der Vater denn sein eigen Kind ertoͤdten? M. Wie GUARINI Wie das Gesetz erheischt. Wen kan man davon ma - chen loß/ Wenn der Amintas selbst sein treues Blutt darum ver - goß? Boßhafftiges Geschick/ zu was vor Hertzens-Leide Hastu mich hergebracht! Damit wir an dem Mord Theil haͤtten alle Beyde. Du stuͤrtzest/ was du sachst zu retten/ ins Verderben/ Ich suche deinen Sohn/ und find und mache meinen ster- ben. Hat das Verhaͤngniß nu sein Draͤuen wahr gemacht? O grausamer Fall! Mirtillo/ mein Leben/ Ist dieses die Freude/ die du mir solt geben? Ist dieses das Geluͤck/ daß ich allhier Geniessen solte von dir; Ach Sohn! ach Sohn! der du vorhin Von diesem ungluͤckselgem Alten Vor seines muͤden Alters Stab/ Vor seiner Augen Trost Und Hoffnung warst gehalten/ Izt/ leider! senckstu ihn Mit Weinen in das kalte Grab! Laß mir die Thraͤnen/ die ich muß um mein Gebluͤtte lassen schuͤssen/ Ach aber/ warum mein/ Wenn ichs mit meinen Haͤnden soll vergiessen! O ungluͤckselige Geburt/ warum bistu von mir erzeugt? Warum bistu zur Welt gebracht? war dir die Flutt dar- um geneigt/ Daß izt dein Vater an dir grausam koͤnte seyn? Unsterbliche Goͤtter/ ohn deren hohen Rath Sich keine Welle des Meeres zu ruͤhren hat/ Kein Luͤfftgen unter dem Himmel erregt/ Kein Thier noch Zweigchen auff Erden bewegt/ Was hab ich vor grausame Suͤnden veruͤbt/ Deßwegen euch mein Geschlechte zu straffen beliebt? Und hab ich gesuͤndigt/ was hat mein Sohn gethan? War- treuer Schaͤffer. Warum seht ihr nicht diesen mit guͤttigen Augen an? Warum/ O Jupiter/ daß mich dein Eyffer nicht Durch Blitz und Flammen hingericht? Doch/ sparst du deinen Strahl/ Ich will das Eisen doch nicht sparen; Die Welt soll noch einmahl Des Amintas betruͤbtes Exempel erfahren/ Und eher wird der Sohn des Vaters Leiche sehn/ Als durch des Vatern Hand ein Sohns-Mord soll ge- schehn. So stirb/ Montano/ stirb; das Sterben kommt dir heu- te zu/ Und bringt dich von dem Elend zu der Ruh. Ihr Goͤtter/ ich weiß nicht/ ob der oberen ob der unteren Welt/ Deren rasende Verzweiffelung mich uͤberfaͤllt/ Schauet/ ich bin/ dieweil es euch so beliebt/ Bereit zu erfuͤllen was mir euer Regen eingiebt. Ich wuͤnsche nichts/ als das Sterben/ begehre nichts/ als das Leben zu schliessen: Ein traurigs Verlangen mein Blutt zu vergiessen/ Beduͤstert die Sinnen/ und blaͤset mir ein: Es muß/ es muß gestorben seyn. Betruͤbter Vater/ wie das groͤßre Licht Den Glantz des kleinern daͤmpfft und bricht: So muß mein Schmertz itzund bey deinem kleiner schei- nen. Fuͤrwahr/ man hat dich wohl Ursache zu beweinen! Fuͤnffter Handlung sechster Aufftritt. Tirenio. Montano. Carino. E ile doch/ mein Sohn/ doch so/ daß ich sicher folgen kan/ Der du meinen Fuß/ wie ich dein Gemuͤtte/ fuͤhrest an/ Und wenn du zum Priester kommst/ bleibe vor ihm stille stehn. Ist nicht diß Tirenio/ den ich seh vom Berge gehn/ Wel- GUARINI Welcher auff der Erde blind/ alles in dem Himmel sieht? Es muß etwas Großes seyn/ das ihn aus dem Tempel zieht/ Man hat ihn heraussen sonst nicht gesehn in vielen Jah- ren. Lasse dich der Goͤtter Gunst etwas gutts von ihm erfah- ren. Vater/ wie seh ich euch hier? wo denckt ihr euch hin zu machen? Nur zu dir allein: denn ich such und bringe neue Sachen. Bringst du nicht die Priester mit? Ist das Opffer noch nicht rein? Ist noch nicht auffs neu bereit/ was darzu will noͤthig seyn? Wie offt kan ein blindes Auge mehr/ als was gutt sieht/ erblicken/ Da die unverfuͤhrten Sinnen Alle Wuͤrckung brauchen kuͤnnen/ Und kein aͤusserliches Wesen ihnen kan das Ziel verruͤcken. Einen unverhofften Fall/ mein Montan/ Muß man nicht nur oben hin sehen an/ Da man zwar den Mensch allein wuͤrcken sieht/ Aber ihn doch Gottes Schluß lenckt und zieht. Denn der Himmel laͤsset uns seine Stimme selber hoͤren; Aber was uns oftermahls wunderlichs zu handen kuͤmmt/ Und was das verblendte Volck vor ein blinden Fall auff- nimmt/ Ist sonst nichts als seine Sprach und das Thoͤnen seiner Ehren; Das das Ohr zwar nicht beruͤhrt/ aber tieff ins Hertze geht/ Und geluͤcklich ist der Mensch/ der die Sprache wohl ver- steht! Nicander wolte nun vom Tempel sich erheben/ Ich hielt ihn auff/ weil gleich was neues sich begeben/ Daß/ wenn ich es mit dem vergleichen will und paaren/ Was dir zu einer Zeit fast heut ist widerfahren/ Mit treuer Schaͤffer. Mit ungewohnter Furcht und Hoffnung mich belegt/ Und desto mehr Begier zu wissen mir erregt. Das/ was du nicht verstehst/ ist mir nur/ leider/ zu bekannt. Ist aber denn etwas/ das nicht erreichet dein Verstand? Ja/ koͤnt ein kluger Mensch aus eignem Willen prophe- ceyn/ So wuͤrd’ es der Natur und nicht des Him̃els Gabe seyn. Ich fuͤhle wohl bey mir den Zweiffel meiner Sinnen/ Daß das Verhaͤngnis noch die Warheit nicht giebt bloß/ Und sie verborgen haͤlt in seiner heilgen Schooß. Drum kam ich her/ ob ich was moͤcht erforschen kuͤnnen/ Und nachzufꝛagen/ was man denn vor einen Vater funden Zu diesem Menschen/ der zum heilgen Opffer ist gebunden. Du kennst ihn allzuwohl/ wie wird dichs hernach schmer- tzen/ Daß er dir so bekant und also lieb von Hertzen. Ich lobe deine Froͤmmigkeit. Betruͤbte zu beklagen Ist menschlich. Aber ich muß dennoch weiter nach ihm fragen. Izt seh’ ich/ daß dir gantz vor dieses mahl Der Himmel hat entzogen seinen Strahl: Der Vater/ um den du befragest mich/ Mit dem du reden wilt/ bin leider ich! Des Schaͤffers Vater/ der vor andre sterben will? Deß/ der durch seinen Tod/ die/ die ihn toͤdt’t/ macht leben; Und den/ von dem er lebt/ fuͤhrt an des Lebens Ziel. Ist das gewiß? Der Mann kan dessen Zeugniß geben. Was er gemeldt/ ist wahr. Wer bistu/ der du redst? Ich bín Des Juͤnglings biß anher geglaubter Vater/ der Carin. Ist dieses wohl der Sohn/ den dir das Wasser nahm? Diß leider! ist das Kind/ das in der Nacht entschwam. Und du/ Montan/ wilt dich deßwegen elend nennen! Was kan die Blindheit doch des irdschen Sinns erkeñen? In was vor tieffe Nacht/ in was vor Finsternissen Sind unsre Seelen eingesenckt/ Weñ nicht das Licht/ von dem wir Licht entlehnen muͤssen/ L Uns GUARINI Uns einen Strahl der Gnaden schenckt! Was wolt ihr Sterblichen auff eure Weißheit trutzen/ Was kan euch euer Fleiß und klug Gehirne nutzen? Der Seele bestes Theil/ das Urtheil/ der Verstand Ist nicht eur Eigenthum/ es ist des Himmels Pfand/ Der solches nimmt und giebt Nachdem es ihm beliebt. Montan/ von innen mehr/ als ich von aussen/ blind/ Welch Traum verwirret dich/ welch Dunst benebelt deinen Geist/ Daß du nicht sehen kanst/ wie du auff diesen Tag/ Wo anders dieser Mensch warhafftig ist dein Kind/ Der Allergluͤcklichst/ und dem Himmel liebster Vater seyst/ Der iemahls einen Sohn gezeuget haben mag? Schau das Geheimniß nun entdecket und erfuͤllt/ Das das Verhaͤngnis so vor mir verborgen hilt; Schau den gluͤckselgen Tag gewuͤnscht mit so viel Sehnen/ Erbeten und erseuffzt mit so viel Blutt und Thraͤnen. Schau die erfreute Zeit/ Darinnen sich numehr endt unser Hertzeleid. Wie ist dir denn/ Montan? besinne dich doch wieder! Weist du allein nicht mehr/ was uns die Goͤtter sagten/ Die wir zulezt um Rath in unsern Aengsten fragten/ Mit dem sich unser gantzes Land getragen auff und nieder? Des Himmels Blitz hat dir bereits gantz unverhofft Gezeiget deinen Sohn. Hoͤrstu itzund nicht an/ Wie seine Stimme dich zu voller Freude rufft: Es wird/ was euch betruͤbt/ nicht eh sein End erlangen: Biß Liebe zwey verbindt von goͤttlichem Geschlechte/ Und durch geuͤbte Treu (der Thraͤnen milde See Bricht mir vor Freuden aus/ daß ich nicht reden kan;) Es wird/ was euch betruͤbt/ nicht eh’ Es wird/ was euch betruͤbt/ nicht eh sein End erlangen: Biß Liebe zwey verbindt von goͤttlichem Geschlechte/ Und durch geuͤbte Treu ein Schaͤffer bringt zu rechte Den Irrthum/ den vorlaͤngst ein falsches Weib begangen. Nun ist der Schaͤffer nicht/ der itzund solte sterben/ Als dein leibeigen Kind/ vom Goͤtter-Blutt entsprossen; Und treuer Schaͤffer. Und kommt die Nimphe nicht von Pans beruͤhmten Erben? Was hat/ als Liebe/ sie verbunden und verschlossen? Dargegen Silvio nach seiner Eltern Willen Sich einig und allein verlobt mit Amarillen/ Und Beyde sich vielmehr gehasset/ denn geliebt/ Wie deß bißherge Zeit genugsam Zeugnis giebt. Und siehe weiter nach/ so wird dir klar erscheinen/ Daß das Oracul nur Mirtillen muͤsse meynen. Denn hat man auch gesehn/ das einge Liebes-Treu Nach des Amintas Fall so groß gewesen sey? Diß ist der Schaͤffer/ der Verzeihung wird erlangen Der Untreu/ die vorlaͤngst Lucrina hat begangen. Die wunder-seltne That macht mehr als Menschen- Blutt Den uͤber unser Land erzuͤrnten Himmel gutt. Erstattet zur Genuͤg und bringet wieder ein/ Was der Gerechtigkeit entzogen moͤchte seyn. Drum konte kaum sein Fuß des Tempels Schwell erreichen/ Zu wiederholen sein Geluͤbd/ als alle Zeichen/ Die uns zuvor geschreckt/ auff einmahl sich verlohren: Man sah kein Blutt nicht mehr vom heilgen Bilde rinnen/ Kein Beben fuͤhlte man/ ward keines Stanckes innen/ Ein suͤsser Ruch und Schall erquickte Nas’ und Ohren. Wenn ich so manche Seel als Wort/ ihr Goͤtter/ haͤtte/ Und alle lobten euch und danckten in die Wette/ So waͤre solches doch vor eure Gunst zu schlecht: Doch ehret euch/ so gutt er kan/ eur treuer Knecht Mit tieff-gebognem Knie. Beherrscher dieser Erden/ Die ihr mit wachem Aug ob unsrer Einfalt schwebt/ Wie bin ich euch verpflicht/ daß ich den Tag erlebt! Ich habe hundert Jahr nun hinter mich gebracht/ Und was noch noch druͤber ist; hab aber nie gewust/ Was rechtes Leben sey/ auch solches nie geacht. Itzund bekomm ich erst zum Leben rechte Lust/ Izt fang ich erst recht an auffs neue jung zu werden. Was aber bring ich hier die Zeit mit Worten zu/ Da doch vonnoͤthen ist/ daß man zur Sachen thu? Komm Junge/ hilff mir auff/ indem ich nicht allein L 2 Der GUARINI Der schwachen Glieder kan zum Auffstehn maͤchtig seyn. Verwundrung und Freude beherrschen meinen Sinn/ Daß ich fast keines zu weisen nicht maͤchtig bin. Ich bin recht freudig/ und fuͤhl es doch nicht! Spielt meine Vergnuͤgung zuweilen den Meister/ So hemmt das Entsetzen doch wieder die Geister/ Daß ich es nicht weiß zu geben ans Licht. O Wunderwerck/ vor nie gesehen noch gehoͤrt! O unvergleichliche Genad und Himmels-Gunst/ Die unsre Schuldigkeit mit hoͤchstem Danck verehrt! Begluͤckt Arcadien! O Land/ als eines sonst Der Sonnen Glantz bestralt/ dem Himmel lieb und werth/ Mir ist so angenehm die Lust/ die dir beschert/ Daß ich die meinige daruͤber nicht ermesse/ Daß ich die Wonn ob dem zweymahl gefundnem Kinde Nach doppeltem Verlust mit Lauligkeit empfinde/ Daß ich mein selbst numehr von bitterm Hertzeleid Im Augenblick versezt in hoͤchste Froͤligkeit/ Indem ich nur auff dich gedencke/ gantz vergesse/ Daß meine Freude bey der deinen so verschwindt/ Wie wenn ein Tropffen in die groͤsten Stroͤme rinnt. O schoͤner Traum; nicht Traum/ vielmehr des Himmels Schein/ Arcadien wird/ wie du meldst/ noch schoͤne seyn. Was saͤumestu Montan? kein Blutt darff numehr fliessen/ Es ist itzund nicht Zeit zur Rache/ Zorn und Buͤßen/ Vielmehr zur Froͤligkeit/ zur Gnade/ Lust und Liebe. Die Goͤttin will/ daß man die Hochzeit nicht verschiebe/ Worauff das Land ohn dem gewartet hat. Wie lange/ sage mir/ wird wohl der Tag noch wehren? Ein Stuͤndgen/ wenig mehr. So ist es schon so spat? Kommt/ laßt uns also bald zum Tempel wiederkehren/ Daß Amarillis und dein Sohn zur Trauung kommen/ Und die Heimfuͤhrung auch bald werde vorgenommen/ Weil dieses Helden-Paar noch nach des Himmels Schluß Vor Sonnen Untergang Beylager halten muß. Nun Junge fuͤhre mich: Montano folge mir. M. Wird treuer Schaͤffer. Wird aber auch/ Tirenio/ Gesetz und Recht von uns ge- brochen? Wenn sie Mirtillen giebt das Wort/ das sie dem Silvio versprochen. Bekuͤmmert euch nicht drum/ da ist schon Rath dafuͤr; Es wird auch Silvien die Treu geschworen seyn/ Wo deines Knechtes Wort stimmt mit der Warheit ein/ Daß dieses Kind/ das er mich anders nennen ließ/ Vor diesem Silvio mit rechtem Nahmen hieß. Gar recht/ izt faͤllt mirs ein; weil dieser war verlohren/ Hab ich den Nahmen noch einmahl zum Trost erkohren. Der Knoten ist geloͤst/ der sonsten ziemlich wichtig/ Anitzo folgt mir nach/ nu alle Sachen richtig. Wir gehn zum Tempel nun/ und der Mirtillo hat forthin Zwey Vaͤter/ ich zwey Soͤhn/ und einen Bruder der Carin. Ihm will ich Vater-Hold/ dir Bruder-Gunst verschreiben/ Nach Pflicht und Schuldigkeit eur beyden Diener blei- ben. Und weil dein freundlich-seyn mir solchen Anlaß giebt/ So lasse meine Bitt auch weiter finden statt/ Und meinen Freund/ der mich so weit begleitet hat/ Ohn welchen ich mich nicht vergnuͤget koͤnte wissen/ Der angefangnen Freud und deiner Gunst genuͤssen. Ich seh ihn gerne/ thu mit ihm was dir beliebt. Wie unterschieden seyn doch die verborgnen Stege/ Durch welche zu uns kommt vom Himmel Gluͤck und Segen Vom finster-schluͤpffrigen und oͤffters krummen Wege/ Durch den die Sinnen sich hinauff zu schwingen pflegen! Fuͤnffter Handlung siebender Aufftritt. Corisca. Linco. S O fuͤhlte Silvio der harte Weydemann/ Als ers am wenigsten gedacht/ die Lieb im Hertzen/ Die er so hoch verschmaͤht? Was ward nun weiter draus? Wo kam Dorinde hin? Wir trugen sie ins Hauß? L 3 Die GUARINI Die Mutter Silviens nahm sie mit Thraͤnen an/ Ich weiß nicht ob vor Freud/ ich weiß nicht ob vor Schmertzen. Lieb war ihr ihren Sohn verliebt verlobt zu sehn/ Leid aber/ daß dabey das Ungluͤck war geschehn/ Daß sie zwey Schnuͤrgen nun und keine sicher haͤtte; Die eine waͤre todt/ die andre laͤg im Bette. Ist Amarille todt? Ich weiß wohl nicht recht eigen: Doch glaub ichs/ und geh hin dem Priester anzuzeigen/ Daß er an der verlohrnen statt Bereits ein andre Tochter hat. So ist Dorinde nicht gestorben? Hat sich wol: Sie lebt vergnuͤgt/ als man iemanden finden soll. War sie nicht auff den Todt verwundt? Ein neues Leben Haͤtt ihr des Silviens Erbarmnis koͤnnen geben/ Geschweige sie zn heiln. Wie ward sie denn so bald gesund? Du wirst dein Wunder hoͤrn: Ich will dir alles machen kund. Es stunden Mann und Weib um der Verwundten La- ger her/ Die Haͤnde warn bereit zu helffen/ nur das Hertze schwer Doch ließ sie sich niemand als Silvien beruͤhren; Sie sprach: Die Hand/ die mich verlezt hat/ heile mich So blieben wir allein/ die Mutter/ er und ich: Er muste Wund-Arzt seyn/ wir gaben alles an. Der kuͤhne Juͤngling ließ sich unerschrocken spuͤren/ Nachdem er sachte Kleid und Hemmet weg gethan/ Wolt er den Pfeil ausziehn: Nicht weiß ich wies geschach Daß ihm das falsche Rohr in seiner Hand zerbrach/ Das Eisen stecken blieb/ da war nun Angst verhanden: Durch keinen Handgriff nicht/ mit keiner Art von Zangen Durch sonst kein Mittel war das Eisen zu erlangen. Man solte/ wie es schien/ die Wunde groͤsser schneiden/ (Was haͤtte sie dabey vor Schmertzen muͤssen leiden!) Diß konte Silvio nicht uͤbers Hertze bringen/ Und zu so harter Cur die treuen Haͤnde zwingen. D ie treuer Schaͤffer. Die Liebe pflegt auch nicht durch Zang und Schnitt zu heilen Was sie verwundet hat mit ihren linden Pfeilen. Wiewohl sie feste glaͤubt’/ es braͤcht ihr seine Pflege Der Schmertzen Linderung (o starck Vertrann!) zu wege/ Und alles mit Gedult von ihm haͤtt ausgestanden. Der Mutt entfiel ihm nicht/ er fand bald andern Rath/ Und sprach: du must heraus und ohne groß Bemuͤhn; Wer dich hinein gebracht/ weiß dich auch auszuziehn. Durch Artzney/ welche mich die Jagt gelernet hat/ Will ich auch heilen/ was ich auff der Jagt versehrt. Mir ist ein Kraut bekant/ gebraucht von wilden Ziegen/ Wenn sie den Pfeil nicht aus der Wunde koͤnnen kriegen: Sie habens uns/ und sie hats die Natur gelehrt. Es waͤchst nicht weit von hier/ wir wollens bald bekom̃en. Hiemit lieff er davon/ wo solches Kraͤutig stand/ Bracht einen grossen Busch mit sich/ den er gefunden/ Nachdem er es zerknitscht/ den Safft heraus gewunden/ Den Samen Eisenkrauts/ Centauren-Wurtz darzu ge- nommen/ Und macht ein Pflaster draus/ mit dem er sie verband. O wunderbare Krafft! bald ließ der Schmertzen nach/ Es stillte sich bey ihr des Blutts ergoßne Bach/ In kurtzer Zeit zog sich das Eisen aus der Wunde/ Das Maͤgdgen ward so frisch in einer Viertelstunde/ Als wenn ihr nichts gefehlt. Denn auch der Pfeil allein War in den holen Leib gegangen nebens Bein/ Und weder Flechse/ Mauß noch Darm hat angeruͤhrt. Du sagest mir von Krafft des Krautes Wunderstuͤcke/ Und von dem Maͤgdigen noch groͤsseres Geluͤcke. Was unter ihnen nun sey weiter vorgegangen/ Darff durch Erzehlung nicht erst werden ausgefuͤhrt. Das ist gewiß/ man sieht Dorinden nichts mehr an/ Die izt schon/ wie sie will/ die Seite brauchen kan. Allein mit alle dem so kommt mir dennoch fuͤr/ Und du/ Corisca/ glaubst es Zweiffels ohn mit mir/ Daß sie noch einen Schuß von andrem Pfeil empfangen. Wie aber sie nicht ist von gleichen Waffen troffen/ L 4 So GUARINI So sind die Wunden auch bey ihr nicht einerley: Die eine schmertzet sehr/ die ander ist gelinde/ Die eine will/ daß man zum heilen sie verbinde/ Die andre aber will stets seyn gehalten offen. Und er/ der kuͤhne Mensch/ hat sich bey seinem Jagen Zum Schuͤssen so gewoͤhnt/ daß ers noch nicht vergißt/ Und auch verliebt allzeit zum Schuß begierig ist. Dir wohnen immer noch die alten Schwencke bey. Ach ja/ Corisca ja/ das Hertz ist noch wohl gutt/ Muß gleich der alte Stock den Schnee am Wipffel tra- gen/ Lebt in der Wurtzel doch/ wie vor/ der gruͤne Mutt. Ist mit den Jahren gleich die beste Krafft entgangen/ So brennt in Adern doch das siedende Verlangen. Nun Amarille todt/ so muß ich weiter sehn/ Was dem Mirtillo sey Lieb’ oder Leyd geschehn. Fuͤnffter Handlung achter Aufftritt. Ergasto. Corisca. O Tag voll Wunderwerck/ voll Lust und Liebs-bezeugen O viel-begluͤcktes Land! O Himmel voller Geigen Schau dorten geht Ergast. Der kommt mir gleich recht an. Nun heute freue sich/ was sich nur freuen kan. Es lache und krache die Erde/ das himmlische Feld/ Es mache sich lustig Lufft/ Feur und alle die Welt. Es dringe die Freude durch alle das hefftigste Leiden/ Und zwinge/ was klaget und zaget/ zu munteren Freuden Wie lustig ist der Mensch! Ihr viel-begluͤckten Hayne/ Habt ihr gestimmet ein mit unserem Geweine/ Seyd ihr mit klaͤglichem Geraͤusche beygefallen Den Seufftzern/ die man ließ in euren Gruͤnden schallen So freut euch auch mit uns/ lasst so viel Zungen klingen/ Als Feder-Kinder je auff euren Aesten singen/ Als Zweige lispelnd spieln beym Rauschen sanffter Lufft Die sich mit unser Freud zugleich hat ausgeklaͤrt/ Mach t/ treuer Schaͤffer. Macht/ daß eur Widerhall mit heller Stimm ausrufft Das Gluͤcke/ welches dem verliebten Paar beschert. Der redt vom Silvio gewiß und von Dorinden/ Die wird man heute wohl in allen Maͤulern finden. So geht es in der Welt. Was hilffts/ man muß doch leben! Der Wehmutts-Brunnen hoͤrt bald auff vom Thraͤnen- geben/ Ob gleich der Freuden-Fluß mit vollem Strome quillt: Von Amarillens Todt ist alles schon gestillt. Man ruͤst sich nur zur Lust mit deme/ der sich freut/ Und diß ist wohl gethan/ wenn wir es recht bedencken; Diß Leben hat ohn diß zu viel Verdruͤßligkeit/ Daß wir uns solten viel mit fremden Unfall kraͤncken. Wo gehts so ruͤstig hin/ Ergast? zur Hochzeit-Feyer? Errathen. Weistu schon die gluͤcklich Abentheuer/ Die dem verlobten Paar ist unter Haͤnde kommen? Hastu so seltnen Fall/ Corisc/ iemahls vernommen? Ich hab es izt mit Lust gehoͤret an von Lincken/ Und druͤber gutten theils den Schmertzen lassen sincken/ Den ich sonst um den Tod der Amarill empfinde. Um Amarillens Tod? was bringstu auff die Bahn? Von wem vermeynestu/ daß ich gedacht? Vom zahmen Silvio und seiner Braut Dorinde. Was geht mich Silvio mit samt Dorinden an? Du weist noch/ seh ich/ nichts: So nimm in Acht/ Daß meine Freude viel aus edlerm Quell entsprisst/ Deß Amarillis und Mirtill die Ursach ist/ Das hoͤchst-vergnuͤgte Paar/ Das iemahls auff der Welt von Lieb entzuͤndet war. Ist Amarille denn nicht todt? Wie/ traͤumestu? Sie lebt/ ist lustig/ schoͤn/ und eine Braut darzu. Du aͤffest mich. Du wirst die Warheit bald verspuͤren. Hat sie das Urtheil denn zum Tode nicht verbannt? Sie ward verdammet/ und bald wieder frey erkannt. Ich weiß nicht/ ob ich traͤum’/ ob selber traͤumend hoͤre. Haͤltstu dich hier was auff/ so wirstu sie bald sehn/ Wie man sie mit Mirtillu wird aus dem Tempel fuͤhren/ L 5 (In- GUARINI Indem die ehliche Verbuͤndnis schon geschehn/ Und nun nichts weiter ist/ das ihre Freude stoͤre;) In des Montanus Hauß nach also langem Buͤßen Die Zucker suͤsse Frucht der Liebe zu genuͤßen. Ach/ wenn du haͤttest solln der Freude wohnen bey/ Wenn du haͤttst hoͤren solln das jauchtzende Geschrey/ Wenn du haͤttst sollen sehn des Volckes grosse Menge/ Da fand man Mann und Weib ohn allen Unterscheid/ Da fand man Alt und Jung/ Geweyht und Ungeweyht/ Was Hoch und Niedrig war/ vermischet im Gedraͤnge/ Und alles gantz entzuͤckt vor uͤberhaͤufften Freuden/ Ein ieder draͤngte sich zu den vermaͤhlten Beyden/ Ein ieder eilte/ sie zu sehn/ und zu verehren/ Der lobt die Froͤmmigkeit/ der das Bestaͤndig-seyn/ Der/ was der Himmel/ der/ was die Natur gegeben/ Daß man durch Berg und Thal kan widerklingend hoͤren Des treuen Schaͤffers Ruhm/ mit vollem Hals aus- schreyn. O Gluͤcke/ das nicht bald wird ob Verliebten schweben! Ein armer Hirte seyn/ und bald so hoch zu steigen/ In einem Augenblick vom Tod ins Leben schreiten/ Das nahe Leichen-Fest/ das man ihm sah bereiten/ Zur Hochzeit kehren um/ zu welcher sich vorhin So viel Verhindernis kein Hoffen wolte zeigen. Corisca/ das ist viel; doch aber nichts vor Ihn: Denn in erwuͤnschter Lust und Ruhe der genissen/ Vor welche man mit Lust das Leben wolte schluͤssen/ Den Anmutts-vollen Schatz zum Eigenthum erwerben/ Der mit uns Wettestreit ums Lieben und ums Sterben; Ist solche Suͤßigkeit/ ist so ein hohes Gluͤcke/ Das die Gedancken auch bey weitem laͤst zuruͤcke. Und du erfreust dich nicht mit deiner Amarill/ Als wie ich lustig bin um meinen Freund Mirtill. Ich freue mich wohl auch/ (siehstu es mir nicht an Ergast?) so sehr ich weiß und kan. Haͤttst du nur die schoͤne Braut ihm die treue Hand sehn reichen/ Und Mirtillen wiederum ihr zum festen Liebes-Zeichen Weiß treuer Schaͤffer. Weiß nicht geben oder nehmen einen suͤß- und stillen Kuß/ Ach/ gewiß du waͤrst gestorben/ vor der Freuden Uber- fluß! Was ist Purpur? was sind Rosen gegen ihren schoͤnen Wangen? Alle Farbe der Natur bleichet und erstirbt dafuͤr/ Alle Schmincke kluger Kunst weichet ihrer Pracht und Zier/ Reines Blutt/ und zarte Roͤthe keuscher Scham haͤlt sie umfangen. Dieses ist der glatte Schild/ der sie zu bedecken scheint/ Aber noch zu mehrerm Kampff reizt und anfrischt ihren Feind! Sie/ als wolte sie vermeiden Einen Kuß von ihm zu leiden/ Wendt das Haubt der Seite zu/ Kehrt sich wieder um im Nu/ Daß er keinen Fehlstreich thu/ Und sie unvermerckter kan Solchen von ihm nehmen an/ Bringet uns den Zweiffel bey/ Ob dergleichen Kuß ein Raub/ oder ein Geschencke sey. Ihr anmuttigs Boͤse-scheinen Sagte nein/ und dacht/ ich will/ Fass- und lassen war sein Ziel. Ein so freundliches Verneinen Heischte diß/ was es schlug ab/ Und nichts desto minder gab/ War Verbitten und Gebitten/ Bey dem Furcht und Liebe stritten/ War ein Rauben/ da der Dieb Endlich selbst bestolen blieb/ War ein Warten/ war ein Fliehn/ Das den Feind nur desto mehr konte nach sich ziehn. O suͤsser Kuß! Corisc/ ich kan nicht mehr verziehn; Ich gehe gleich itzund nach einer Liebsten hin. Denn solche Wonn und Lust/ die aus der Liebe flissen/ Kan doch niemand/ als wer verliebt ist/ recht genuͤssen. C. Hat GUARINI Hat dieser wahr geredt/ so hab ich schon genug/ Und werde diesen Tag recht naͤrrisch/ oder klug. Fuͤnffter Handlung neundter Aufftritt. Chor der Hirten. Corisca. Amaril- lis. Mirtillo. H imen/ Himenee komm herbey/ Auff daß unser Wunsch erhoͤret sey: Nimm die Helden/ fuͤhre sie zur Ruh/ Schleuß das feste Band der Liebe zu! Ach/ leider! leider! ja! es ist nur allzu klar! Das ist die schoͤne Frucht der Falschheits-schwangern Sinnen! O Anschlag voller List! O truͤgliches Beginnen! Numehr zu meinem Schimpff und Schaden offenbar! Hab ich die Unschuld selbst zu toͤdten mich beflissen/ Und meine Luͤste wolln auff fremden Kosten buͤßen! Bin ich so grausam denn gewesen? so verblendt? Wer oͤffnet mir itzund die Augen? was seh ich Elende? Meine Schuld wird nun von mir erkennt/ Mein schnoͤdes Ubelthun quaͤlt und beaͤngstigt mich; Das Gluͤcke/ das ich vor bey meinem Thun verspuͤrt/ Hat mich nur allzutieff in Suͤnden eingefuͤhrt! Auff/ O Braut-Gott/ Himen/ nahe dich: Schau/ diß werthe Paar vermaͤhlet sich/ Mache sie von allem Segen reich/ Auff daß sie den edlen Ahnen gleich Nichts um sich als Freude sehen bluͤhn/ Nichts als gleiche Helden-Erben ziehn. Froher Schaͤffer/ du erlangst Reiche Beut auff Schmertz und Angst/ Ehr und Lust auff Sorg und Pein. Ist nicht diß der Schatz/ den dir Heute noch bey Mittags-Schein Erd und Himmel hielten fuͤr/ Reine Zucht/ gegebne Treu/ Recht und Unrecht/ Truͤgerey/ Neyd treuer Schaͤffer. Neyd und Wahn/ ja Tod und Macht Zu entziehen war bedacht? Izt schaue nun/ Mirtill/ ergiebt sich alles dir; Das Antlitz/ das du offt so sehnlich angeblickt/ Die Augen/ welche dir so tieff ins Hertz geschienen/ Die Brust und weiche Hand/ mit der sie deine druͤckt/ Und alles was du siehst und hoͤrst und fuͤhlst an ihr/ Wird dir zum suͤssen Lohn erwiesner Treue dienen. Und du bist stumm dabey? Wie weiß ich viel zu sa- gen? Ich weiß nicht/ ob ich leb und ob ich wachend sey/ Ob ich diß hoͤr und seh/ was man mir bringet bey. Ihr moͤgt das liebste Kind die Amarillis fragen/ Da koͤnnet ihr Bericht von meinem Stand empfangen: Mein Hertze lebt in ihr mein Leben und Verlangen. Von der hell-bestirnten Himmels-Hoͤh Auff diß Feyer komm/ O Himene/ Bind so feste die verliebten Zwey/ Daß der Tod allein ihr Schieds-Mann sey. Was macht ihr noch bey mir ihr Zeugen stoltzer Sinnen/Du Werckzeug/ zugericht die Hertzen zu gewinnen/ Ihr Netze/ die ihr solt die Welt zu Falle bringen/ Ihr Pflaster heißer Brunst/ ihr Kleister-volle Schlingen/ Ihr Steine/ die ihr habt den schnoͤden Leib geziert/ Des Geistes reinen Schmuck verblendet und beschmiert/ Hinweg/ hinweg mit euch! was habt ihr nicht vor Zeit Vergeblich zugebracht mit eurer Eitelkeit! Nun/ weil ihr anders doch nichts seyd als Koth und Erde/ Will ich/ daß eure Pracht in Staub getretten werde. Ich hab euch mißgebraucht zu geil-beflecktem Leben: Ihr sollt der Ehrbarkeit Siegs-Zeichen numehr geben. Stimmt/ ihr Hirten/ Freuden-Lieder an/ Chor der Nimphen/ folget ihrer Bahn/ Haͤget nichts/ als suͤsse Lustigkeit An so lang erwuͤnschter Freuden-Zeit. Thoͤnt und rufft dem edlen Paar Gluͤck zu Zu der suͤssen Ruhe sonder Ruh. Izt ists bequeme Zeit Genade zu erlangen: Was GUARINI Was saͤum ich? fuͤrcht ich mich die Straffe zu empfangen? Nur hingewagt: Ich kan ohndem nicht aͤrger buͤßen/ Als allbereit geschicht von eigenem Gewissen. Schoͤnes und begluͤcktes Paar/ welchem Erd und Himmel hold/ Wenn heut alle irdsche Macht eurem Gluͤck zu Fuͤssen liegt/ So verehrt euch billig auch dieses Hertze voller Schuld/ Das mit aller irdschen Macht eur Geluͤcke vor bekriegt. Schoͤne Braut/ ich kan nicht leugnen/ daß/ was du geliebt/ auch mich In die Augen hat gestochen: Nunmehr aber bleibts vor dich/ Weil du dessen mehr denn ich/ mehr denn alle Nimphen/ werth. Dir ist nun der treuste Schaͤffer/ der das Leben hat/ be- schert: Und der Ausbund keuscher Frauen/ die iemahls die Welt geziert/ Wie ich sicher kan betheuren/ wird Mirtillen heimgefuͤhrt. Denn ich habe beyderseits auff die Probe schon gesezt/ Ihre Keuschheit/ seine Treu/ als ein Schliffstein ausge- wezt. Aber du holdselge Braut/ eh dein Zorn auf mich ausbricht/ Schaue/ bitt ich/ doch zuvor deinem Liebsten ins Gesicht; Da wirst du an meinem Theil Unvermeidligkeit der Suͤnden/ Deines Ortes zum Verzeihn Anlaß gnung geschrieben finden. Um so lieben Pfandes wegen laß numehr seyn frey ge- sprochen/ Was ich/ O verliebte Seele/ nur aus Lieb an dir verbro- chen. Billig ists ja/ daß die Liebe/ die dich selbsten hat entzuͤndt/ Gnade der veruͤbten Fehler an dem Freudentage findt. Ich verzeihe dir nicht nur/ sondern habe dich auch lieb: Denn ich seh den Ausgang an/ nicht den boͤsen Zweck und Trieb: Der treuer Schaͤffer. Der Geheilte muß das Eisen Und des Brandes heisse Glutt/ Ob es noch so wehe thut/ Vor ein heilsam Mittel preisen: Also nehm ich nicht in acht/ Was du mir hast zugedacht/ Sondern denck auff diß allein/ Daß du nach des Himmels Willen Mein Verhaͤngniß zu erfuͤllen/ Hast der Werckzeug muͤssen seyn/ Daß sich selbsten dein Betruͤgen Mir zum besten muͤssen fuͤgen/ Daß dein gluͤckliches Verrathen Meiner Freude kommt zu statten/ Und ich nun den suͤssen Lohn Dein- und meiner Muͤh und Sorgen froͤlich tragen kan darvon. Kanst du dich hieruͤber nun auch vergnuͤgt und freudig wissen/ So komm mit zum Hochzeit-Fest/ unsrer Freuden zu ge- nuͤssen. Ich bin schon erfreut genug/ daß mir Gnade wird ertheilt/ Und das Hertze von der Pest falscher Hoffnung ist geheilt. Ich verzeihe dir sonst auch alles/ was du hast veruͤbt/ Ausser den Verdruß/ den mir dein so langes Warten giebt. Nun so will ich scheiden/ Lebt in Freuden. Himen/ Himenee komm herbey/ Auff daß unser Wunsch erhoͤret sey. Nimm die Helden fuͤhre sie zur Ruh/ Schleuß das feste Band der Liebe zu. Fuͤnffter Handlung zehender Eintritt. Mirtill. Amarill. Reyhen der Hirten. B in ich denn so gewohnt zu leiden/ Daß ich in meinen besten Freuden Noch immer etwas von Verdruß Und Hinderung empfinden muß? Wird GUARINI Wird uns der erbar-faule Gang Nicht ohne diß genungsam lang/ Daß noch Corisca muste fehlen/ Ein Theil der edlen Zeit zu stehlen! Wie eilestu so sehr? Mein Schatz/ ich bin noch nicht In Sicherheit mit dir: ich zittre noch/ mein Licht/ Und weiß nicht eher dich zu schaͤtzen vor mein eigen/ Biß du dich wirst/ als Frau/ in meinem Hause zeigen. Mich daͤucht/ als laͤg ich izt vergnuͤgt In suͤssen Traͤumen eingewiegt; Bald aber wuͤrd ich wieder wach/ Und du verliessst mein Schlaffgemach. Ich wuͤnsche/ daß ich bald gesichert koͤnte bleiben/ Die Zeit mehr wachend/ als mit schlaffen zu vertreiben. Himen/ Himenee komm herbey/ Auff daß dieser Wunsch erhoͤret sey: Nimm die Helden/ fuͤhre sie zur Ruh/ Schleuß das feste Band der Liebe zu. O viel-begluͤcktes Paar/ Dem Lachen Erndte bringt und Weinen Saate war/ Wie hat der Zucker deiner Lust Dich so viel Gall und Gifft gekost! Ihr zarten Sterblichen/ kommt her/ und lernt hiebey/ Was rechte Lust und wahres Ubel sey. Nicht alles/ was ergoͤzt/ ist gutt/ Noch schaͤdlich/ was uns wehe thut. Diß heist genuͤssen rechter Freuden/ Wenn von der Tugend kommt Vergnuͤgung nach dem Leiden. Ale- Alexandri Adimari uͤbersezte Schertz-Sonnette oder Kling-Gedichte uͤber die auch bey ihren Maͤngeln vollkom- mene und Lieb-wuͤrdige Schoͤnheit des Frauenzim̃ers. S Einem Landsmanne/ dem Treuen Schaͤffer/ folget gegenwaͤrtig ein Florentinischer Hof-Mann in gleichmaͤßiger Begierde den Edlen Teutschinnen die Haͤnde zu kuͤssen/ und den tragenden Eyfer vor den Ruhm ihres Geschlechtes bekannt zu machen. Beyder des Urhebers und Dolmetschers Rahme/ welcher ein vielfaͤltiges A fuͤhret/ kan ein Zeuge der hierbey gefuͤhrten Auff- eichtigen Gedancken seyn: Und solte jemand was anders aus hren Worten erzwingen wollen/ so setzet man selbigem den Wahlspruch Koͤnig Eduards entgegen: Arg ist/ wer ihm Ar- ges gedencket. Sie sind beyde der Meinung/ daß wie keine Schoͤnheit leichtlich ohne Fehler/ also nicht leichtlich Fehler ohne Schoͤnheit anzutreffen seyn/ und daß sich offtermahls et- was Lieb-wuͤrdiges befinde/ welches fuͤr vielen Augen verborgen bleibt/ aber dennoch Andere mehr scharffsichtige und durch- bringende entzuͤcket; ja offtermahls ein Gemuͤtte durch einen antz unbekannten Trieb/ wie durch die verdeckten Raͤder eines hrwercks an sich ziehet und hefftet. Des Erfinders Fuͤrsatz ist gewesen/ seiner Sinn- und Lust-reichen Art nach/ im Nahmen edweder von den neun so genannten Kunst-Goͤttinnen Funfftzig Kling-Gedichte zu fertigen/ und solche nicht wie Herodotus sei- e Geschicht-Buͤcher nur ohngefaͤhr und sonder allen Anlaß/ ndern nach Anleitung des Inhalts und ihres Nahmens oder lmtes/ unter sie auszutheilen. Was fuͤr Ruhm die Staats- luge Polymnia und vielleicht andere der Verwunderns-wuͤrdi- en Ubersetzung des Pindarus mitten unter seinen hohen Ge- haͤfften gefolgte Schwestern verdienet/ ist den Welschen be- ust: Uns ist diese Terpsichore bekannt worden/ ein lustig und gleich gelehrtes Werck/ welches etlicher muͤßiger Tage zur erdeutschung wuͤrdig geschienen/ und dessen Absehen Er Adi- ari selbst in folgendem Send-Schreiben berichtet: M 2 An An Titul Herrn Christoff Bronzini von Ancona. T Erpsichore, allhier betrachtet als eine solche Krafft oder Wissenschafft/ vermittelst deren unser Gemuͤtt etwas be- greiffet/ und was es also in Gedancken gefasst/ nach den Gese- tzen der Reim-Kunst ferner vorstellet und ausbildet/ kan (wo ich nicht irre) diesen gegenwaͤrtigen Schertz- oder ungereimten Reimen zur Mutter oder Amme gestellet werden/ weil selbige nach dem Zeugnis Callimachus und Virgilius, da sie die Aemter und Verrichtungen der Musen austheilen/ mit annehmlichen lustigen Sachen bemuͤhet ist/ und die Regungen der Menschen beweget/ beherrschet und vermehret. In solcher Meinung be- staͤtigt mich die Erzehlung der Poeten/ welche die mehr-benenn- te Terpsichore zu einer Mutter der mangelhafften aber zu- gleich schoͤnen Sirenen oder Wasser-Frauen machen/ und durch diese den suͤssen Klang der lieblichen Stimme oder wohlgesezten Worte/ welche das menschliche Gemuͤtte so anmuttig einnehmen und veraͤndern/ verstehen. Also soll Terpsichore nicht ein heuchlerisches Schmeicheln/ welches den Ulysses und seine Ge- faͤrten zu ihrem Verderb und Untergang einschlaͤffern solte/ son- dern ein solch hellklingendes und hochsteigendes Lob/ als das Frauenzimmer verdienet/ zu ihrer Ergoͤtzung erschallen lassen: Allermaßen/ wenn wir den Ursprung des Nahmens Terpsichore untersuchen wolten/ uns auch selbter das Ausputzen oder Ver- schoͤnern der Maͤgdgen/ dessen diejenigen/ welche durch Zufall oder Geburt einen Mangel zu haben scheinen/ am meisten benoͤ- thigt waͤren/ an die Hand geben/ und endlich auff die Anleitung des klugen Seneca bringen wuͤrde/ welcher saget: Lehre die Ehe- Maͤnner/ wie einer mit derjenigen leben solle/ die er Jungfrau geheyrathet/ wie mit denen/ die vorhin in anderwertiger Ehe gelebet/ wie mit einer Reichen/ wie mit einer Armen/ und so fort an: damit ein jeder mit seiner Wahl vergnuͤget sey. Ich ge- stehe zwar/ daß dieser Welt-Weise/ den ich in allen diesen Kling- Gedichten zum Fuͤhrer nehme/ nicht von allen Gebrechen redet/ bescheide mich aber/ daß in allen einzelen Sachen und Faͤllen Gesetze stellen ein unendliches und unbegreiffliches Werck ist. Ich habe indeß aus angeregten Ursachen diese meine Arbeit mit mit dem Nahmen der Terpsichore bezeichnet/ und fuͤr allen Dingen Meinem Hochgeehrten Herrn zugesendet: Welcher/ wo man vom Werth und Lobe des Frauenzimmers handelt/ gleichsam nach Ausweisung seiner hierob gefertigten gelehrten und annehmlichen Gespraͤche der Oberste Schatzmeister dessel- ben ist/ der billig alle dergleichen Muͤntze/ oder ihnen zugehoͤri- ge Steuer in Empfang nimmt: Wiewohl die meinige von so geringem Schrott und Korn ist/ daß sie vielleicht zu nichts an- derm als zu Steigerung des Seinigen dienen kan. Denn so der Glantz des Frauenzimmers auch aus den Schlacken der na- tuͤrlichen oder zufaͤlligen Gebrechen herrlich herfuͤr glaͤntzet/ was fuͤr Schaͤtzbarkeit wird derselben Adel und Wuͤrde von seiner guͤldenen Feder erlangen? Ich schicke nichts desto minder die- sen meinen Zinß/ so roh er aus meiner unfruchtbaren und we- nig gebauten Fundgrube herfuͤr kommen/ mit Bitte/ solchen an den Probierstein seines hochverstaͤndigen Urtheils zu streichen/ und mich/ ob auch diese Muͤntze/ die ich zu einiger Bezahlung der wenig muͤßigen Stunden/ so ich von der Gnade meines Er- auchten Fuͤrsten in dieser meiner anvertrauten Regierung der geruhigen und edlen Stadt San Miniato geniesse/ geschlagen habe/ dem Frauenzimmer gaͤng und gebe seyn/ und deren Ge- raͤge meinen Jahren und Aemtern anstehen moͤchte/ vertrau- ich zu berichten. Ich ersuche aber denselben nochmahls/ mir als ein treuer auffrichtiger Freund die Warheit zu sagen/ und was ihm sein ungemeiner Verstand hierbey an die Hand giebt/ ngescheuet zu entdecken/ mit Bedingung/ wo ich wegen so inghaltiger Muͤntze zur Straffe komme/ die Ersetzung aller Schaͤden und Unkosten bey Ihm zu suchen/ wozu Er auch/ wo mich anders die Rechts-Gelehrten/ die mir allhier taͤglich die Ohren voll schwatzen/ mit ihrem L. omnes ff. de Actio- nibus nicht verfuͤhren/ verbunden seyn wird. M 3 Fran- Franciscus Maria Marchini. S I qua puellarum nitido spectabilis ore Prodit, Fortunæ est non genitricis opus. At tibi, quam natura negat male-fœda puella Reddere quis formam carmina posse putet? Terpsichore tu sola potes, cui carmina dictat, Et melior doctam tangit Apollo Chelim. Jam fœdis cedent Nymfæ Charitesque puellis, Ipsa etiam cupiet turpior esse Venus. D ie Schoͤnheit giebt des Gluͤcks und nicht der Mutter Gunst: Doch was Natur versagt/ giebt schoͤner Reimen Kunst. Durch dich/ Terpsichore, wird iede Frau geziert/ Wenn Adimarens Hand den klugen Pinsel fuͤhrt. Izt wird der Nimphen Ruhm bey dem/ was haͤßlich/ klein: Es wird selbst greulicher die Venus wollen seyn. Dritt Dritt-Reimen oder Kurtzer Begriff des gantzen Werckes. ( Vermerck: Die doppelten Reimungen und beygesezten Stern-Zeichen deuten des Ubersetzers Zusatz/ und Erfindung etlicher Kling-Gedichte an.) I hr Nimphen/ (und die ihr das Frauenzimmer ehrt) Last ein geneigtes Aug auff diß Gedichte fliessen/ Das euer hohes Lob auff neue Weise mehrt. 1. Das schoͤne Kind. Schaut einen Blumen-Maͤy im fruͤhsten Lentz entsprissen. Da kaum die Morgenroͤth uns zeigt der Sonnen Licht/ Und wir schon ihre Glutt eh fuͤhln als kennen muͤssen. 2. Die Schoͤne Kleine. Es schwaͤcht der kleine Leib den Ruff der Schoͤnheit nicht: Den Demant seht ihr ja fuͤr grossen Steinen prangen Und wie die zarte Perl aus hellem Gold absticht. 3. Die Schoͤne Blatternde. Scheut ihr den Blatter-Schmuck der uͤberstickten Wangen/ Die Hitz und Feuchte kocht? So pflegt ein neues Kleid Durch heiße Sonn und Bad der Adler zu erlangen. 4. Die Schoͤne mit hohem Ruͤcken. Klagt ihr das liebe Kind/ dem eine Last bereit Von seiner Buhler Zahl die muͤden Schultern druͤcket? Ach/ nennet sie vielmehr den Atlas dieser Zeit. 5. Die Schoͤne Hinckende. Die/ deren lahmer Fuß sich nicht zum Lauffen schicket/ Wird billig auch gelobt/ weil sie nicht so mit Eil Ihr angenehmes Bild von unserm Aug entruͤcket. M 4 6. Die ADIMARI 6. Die Schoͤne Ubelangelegte. Hat Fleiß und Zierligkeit bey Jener keinen Theil/ Verwendet sie auff Putz und Ordnung wenig Sorgen/ Sie beut/ was die Natur geschmuͤckt/ mit Kunst nicht feil. 7. Die Schoͤne Gelbsuͤchtige. Ein gelbes Wange will der Sonnen Farbe borgen: Manch Brunnenquell muß auch zur Zeit verstopffet seyn; Man holet Ros’ und Gold/ so gelbe/ weit von Morgen. 8. (*Die Schoͤne Rothaͤugigte.*) (Ein rothes Auge will des Feuers Farbe borgen/ Durch neuer Flammen Glutt der Maͤnner Hencker seyn: Matuta zeigt sich so in kuͤhl-bethautem Morgen.) 9. Die Schoͤne Schielende. Die Nimphe/ die mit Fleiß zertheilt der Augen Schein/ Weiß mit mehr Kunst und Gunst die Hertzen zu entzuͤcken/ Als wenn sie auff einmahl uns wolten aͤschern ein. 10. Die Schoͤne Taube. Die/ deren taubes Ohr kein Schmeicheln kan beruͤcken/ Gleicht einer Koͤnigin Aus Abyßiner-Land: Es ehrt sie stille Pflicht/ und sie befiehlt mit Blicken. 11. Die Schoͤne Stumme. Sind Wort’ und Reden gleich den Lippen unbekandt/ Verbirgt der schoͤne Mund sein Hertz in stillem Schweigen/ Schwaͤzt Wang und Auge doch von deiner Seele Brand. 12. Die Schoͤne Kraͤtzigte. Die/ die den Palmen gleich/ will rauhe Rinde zeigen/ Hat doch gelinden Sinn: was ihr Verliebter fuͤhlt/ Muß durch zerrissne Haut ihr selbst zum Hertzen steigen. 13. Die Schertz-Sonnette. 13. Die Schoͤne Zernarbte. Welch Unfall/ was fuͤr Grimm hat dieses Feld zerwuͤhlt? Nicht Feld; den Himmel selbst/ die Thier-bestirnten Auen/ Worauff der Augen Sonn in vollen Flammen spielt. 14. Die Schoͤne Zornige. Laß deinen Helden-Muth in vollem Eyffer schauen/ Und wisse/ daß der Zorn der Liebe Wetzstein heist; Was man an Maͤnnern raͤcht/ vertraͤget man bey Frauen. 15. Die Schoͤne Zerrissene. Was schadets/ ob das Kleid bey dir in Stuͤcken reisst? So wird dein schoͤnes Fleisch erblickt bey offnem Hertzen/ Wie der Granaten Schatz sich durch die Oeffnung weist. 16. Die Schoͤne Kahle. Was darff dich der Verlust der spruͤden Haare schmertzen? Das Gluͤcke zeigt sich auch von Locken meistens bloß: Und dennoch will damit ein jeder spieln und schertzen. 17. Die Schoͤne Lange. Scheint dir der Helden-Leib/ Veraͤchter/ allzu groß? Laͤsst uns nicht Kleines eh als Grosses Mangel leiden? Viel Haselstauden fasst der hohen Fichte Schooß. 18. Die Schoͤne Blinde. Wann Wolcken das Gesicht der Blinden uͤberkleiden/ Und sie den hellen Tag mit finstrer Nacht bedeckt/ Kan man die Liebe selbst und sie nicht unterscheiden. 19. (*Die Schoͤne Rothhaͤrigte.*) (Muß rother Haare Gold dein schoͤnes Haubt bekleiden/ So kan durch solchen Glantz mein schwaches Aug’ erschreckt Die goldne Sonne selbst und dich nicht unterscheiden.) M 5 20. Die ADIMARI 20. Die Schoͤne Falschzuͤngigte. Was schadets/ wenn mein Lieb die Warheit gleich versteckt/ Und/ was sie meynt/ verbirgt mit falscher Worte Schatten? Das Hertze bleibet doch getreu und unbefleckt. 21. Die Schoͤne Lispelnd- und Stammlende. Giebt deren Stammeln uns die Worte zu errathen/ Ein schoͤner Widerhall klingt in des Liebsten Ohr/ Und kommt des schwachen Sinns Vergeßligkeit zu statten. 22. Die Schoͤne immer-Lachende. Dringt zu viel Lachen durch der Lippen offnes Thor/ Die Freundligkeit wird dir ja selbst nicht mißgefallen: So schwebt des Hertzens Freud und Suͤßigkeit empor. 23. Die Schoͤne Weinende. Nezt diese Thraͤnen-voll die Wangen von Corallen/ Die/ wie Egeria/ vertriefft in heiße Flutt/ So siehstu einen Quell von Perlen und Crystallen. 24. Die Schoͤne Einaͤugigte. Den Tag und Himmel ziert nur einer Sonne Glutt/ Verjagt der Sternen Licht: Was ist von der zu sagen/ Bey der ein einig Licht so grosse Wunder thut? 25. Die Schoͤne Zahnluͤckigte. Was wiltu/ schoͤner Mund/ der Zaͤhne Mangel klagen/ Von schoͤnem Purpur voll/ von scharffen Klippen frey? Wer will auff deiner See sich nicht zu schiffen wagen? 26. Die Schoͤne Schwartze. Deucht dich/ daß diese schwartz/ und halbe Mohrin sey? Die Liebe hat sie so zur Kohle wollen brennen: Das hoͤchste Lob schreibt ihr die Tichter-Tinte bey. 27. Die Schertz-Sonnette. 27. Die Schoͤne Kropffigte. Wenn ich den Blasebalg der Liebe die will nennen/ Die Venus Tauben gleicht/ scheint dirs ein Schertz zu seyn: Geh mit ihr um/ du wirst/ wie wahr es sey/ erkennen. 28. Die Schoͤne ohn Geist und Bewegung. Nennt die nicht ohne Wirth ein Hauß von Marmolstein/ Der Sinn und Wort gebricht/ ihr werdet sonst empfinden/ Daß euch zu Steinen macht der starren Augen Schein. 29. Die Schoͤne Naͤrrin. Wer diese Naͤrrin heist/ muß selbst am Hirne schwinden. Die suͤsse Raserey/ die ihr Gemaͤtte treibt/ Laͤst sich durch keinen Zwang gefaͤlschter Liebe binden. 30. Die Schoͤne Unbestaͤndige. Wenn Jene sich itzund zu gleichem Sinn verschreibt/ Und nimmer/ wie vorhin/ will hin und wieder wancken/ Wer ists/ dem von ihr Trost und Hoffnung uͤbrig bleibt. 31. Die Schoͤne Sauersehende. Was Wunder/ daß auch der bleibt in der Liebe Schrancken/ Den steter Ernst und Haß mit lauter Wermuth naͤhrt? Verwehrt- und Schweres liegt am meisten in Gedancken. 32. Die Schoͤne Wundmaͤhlige. Zwar grausam ist der Stahl/ der diese Haut durchfaͤhrt/ Uns aber ist dadurch/ zu unsrer Augenweyde/ Von Perlen und Rubin ein Schatz zu sehn beschert. 33. Die Schoͤne Einfaͤltige. Wenn Rosen-rothe Scham und weisser Einfalt Seide Ein Hertze sonder Gall in Treu und Demutt schmuͤckt/ Ist diß fuͤr deine Braut der beste Zeug zum Kleide. 34. Die ADIMARI 34. Die Schoͤne Listige. Doch ist verschmizter Sinn zum Lieben auch geschickt/ Weiß nicht der schlaue Fuchß dem Netze zu entgehen/ Wenn ein zu frommes Reh von solchem wird bestrickt? 35. Die Schoͤne Kuͤpffrige. Die Wangen/ welche sich mit Bachus Farb erhoͤhen/ Sind Zeugen/ was fuͤr Hitz im innern Hertzen steckt. Den Fuͤrsten pflegt Scarlat und Purpur anzustehen. 36. Der schoͤne bemaͤhlte Hals. Durch braune Narben wird die Lieb in mir erweckt: Hat Amors Meißel nicht den Hals durch solche Striemen Zu deines Ruhms Altar beziert und ausgeeckt. 37. (*Der schoͤne riechende Mund.*) (Ob deine Liebste nicht nach fremdem Bisam schmeckt/ Es will sich sie darum zu hassen nicht geziemen: Weil auch die Biene nicht nur lauter Rosen leckt.) 38. Die Schoͤne Einhaͤndige. Den Mangel einer Hand darff niemand viel verbluͤmen; Dein kuͤhner Freyheits-Raub ist minder offenbar/ Und dennoch kanstu dich manch Hertz zu stehlen ruͤhmen. 39. Die Schoͤne Groß-Nase. Was ist beym Lieben nicht fuͤr Kummer und Gefahr! Daß ich im Liebes-See den Hafen nicht kan fehlen/ Stellt sich der Leuchte-Thurm der hohen Nase dar. 40. Die Schoͤne Pockengruͤbigte. Seht Venus Bienen hier der Liebe Sitz erwehlen: Hier wird so mancher Pfeil und Stachel zugespizt/ Als dieser Wangen Ros’ laͤst Honig-Gruͤbgen zehlen. 41. Die Schertz-Sonnette. 41. Die Schoͤne Unfruchtbare. Mit ihres gleichen hat der Welt noch nicht genuͤzt Die Schoͤne sonder Frucht: was soll sie diß entgelten? Mehr schoͤn und angenehm ist/ was nicht dicke sizt. 42. Die Schoͤne Schwangere. Was will die den Verlust der eignen Schoͤnheit schelten/ Die solche mit Gewinn den Kindern uͤbergiebt? Was nicht verjuͤnget wird/ faͤllt doch und tauret selten. 43. Die Schoͤne Magere. Sey um dein mager-seyn/ du Schoͤne/ nicht betruͤbt. Kan nicht ein duͤrres Holtz am ersten Brand erregen? Pan bleibet in ein Rohr/ wie duͤnn es ist/ verliebt. 44. Die Schoͤne Fette. Jedoch gefaͤllt mir auch der Fetten Schoͤnheit Segen. Ich finde ja bey ihr/ dran ich mich halten kan/ Und weiß ihr volles Lob so kurtz nicht auszulegen. 45. Die Schoͤne Fleckigte oder Schuppigte. Koͤmmt deren fleckigtes Gesicht auch auff die Bahn? Das allerschonste Mehl bedecken erst die Kleyen: Man wird bey Sonn und Mond auch Flecken treffen an. 46. Die schoͤnen grauen Haare. Ein fruͤh-begrautes Haar koͤmmt numehr an den Reyhen/ Wenn nur im Grunde Witz und Krafft der Liebe bluͤht/ Laß immerhin den Berg der Scheitel uͤberschneyen. 47. Die Schoͤne Blasse. Ob sich der Wangen Feld mit todter Blaͤß umzieht/ Mein Feuer wird darum die Roͤthe nicht verlieren/ Weil man noch deine Glutt aus bleicher Asche sieht. 48. Die ADIMARI 48. Die Schoͤne Lange-Geliebte. Was soll dich dann fuͤr Ruhm/ mein alter Schatz/ bezieren? Was meine Jugend hieß der Liebe Morgen-roth/ Muß billig izt den Preiß der Abend-roͤthe fuͤhren. 49. Die Schoͤne Haͤßliche. Wie Lieb und haͤßlich sey zu reimen/ hab ich noth; Doch ein verborgner Zug/ und was ich nicht kan nennen/ Ist mir zu deiner Lieb ein kraͤfftiges Gebot. 50. Die Schoͤne Alte. Ein schoͤner Sommer ist am Herbste noch zu kennen; Will dir der Jahre Zahl der Schoͤnheit Oel entziehn/ So wird ihr Funcken doch biß in die Grube brennen. 51. Die Schoͤne im Fieber. Erbleichestu vom Frost/ must du von Hitze gluͤhn/ So kanstu fuͤhlen/ wie Begier und Furcht mich plagen/ Und sehn/ wie ich in Gluͤck und Leyd dein Diener bin. 52. Die Schoͤne Todte. Schau diß entlebte Bild/ wer will nicht von ihr sagen/ Daß ihr verblasster Mund noch voller Anmutt sey. Der Schatten zeiget noch von ihren Fruͤhlings-Tagen. 53. Die Schoͤne im Grabe. Hier liegt der Leib bedeckt/ der edle Geist ist frey/ Und ihrer Schoͤnheit Ruhm wird Stein und Grab durch- dringen. Ich lege dieser Grufft auch meine Feder bey; Denn nach dem Tode weiß ich weiter nichts zu fingen. Ein- Schertz-Sonnette. Eingang. D Er Himmel pflanzt uns selbst die Neigung zu euch ein/ Drum will ich euer Lob/ ihr Nimphen/ izt erheben. Ob gleich der Warheit scheint mein Wort zu widerstreben/ Wer Frauenzimmer lobt/ kan nimmer unrecht seyn. Was schadet in der Hoͤh der Sonne lichtem Schein/ Ob sie in Wolcken steckt/ ob Duͤnste sie umgeben? So muß auch eure Zier stets siegend oben schweben/ Ist sie gleich dann und wann verdeckt und minder rein. Ein Glantz von oben her feurt eure Sinnen an/ Und spielet unvermerckt auff uns mit so viel Strahlen/ Daß sie kein Mangel nicht von aussen blenden kan. Hilff mir/ Terpsichore/ der Welt fuͤr Augen mahlen/ Daß/ wann man die Vernunfft der Warheit leget bey/ Die Frauen Alle schoͤn/ und keine greulich sey. Autoritates Senecæ \& aliorum. Contra totius generis humani opiniones nunc vox mittenda st. Sen. Philos. Ep. 87 . nam Quæ ego scio, non probat populus, quæ populus probat, ego escio. Ep. 29 . Sapiens non respicit, quid homines turpe judicent aut mise- um: non it, quâ populus, sed ut sidera contrarium mundo iter tendunt, ita hic adversus opinionem omnium vadit. Sen. Tr. in Sap. non cad. Injur . Quidquid in alio reprehenditur, id unusquisque in sinu suo veniet. Sen. de Ira . Omnia ex opinione suspensa sunt. Sen. Epist. 78 . Oculis de homine non credo: Animi bonum animus inveniat. ta quæ spectantur, ad quæ consistitur, quæ alter alteri stupens onstrat, foris nitent, introrsus misera sunt. Quæramus aliquid on in speciem bonum, sed solidum \& æquabile, \& à secretiore rte formosius: Hoc eruamus. Sen. de Vit. Beata . Scias tamen quod occupandi temporis causa, non in præconi- m aliquod hæc simplici stylo scripsi. Tu sic audias, quomodo si tibi præciperem, quâ ratione bo- m valetudinem tuearis. Sen. Ep. 105 . Nihil tam acerbum, in quo non æquus animus solatium inve- iat. Sen. de Tranquill. Vitæ . 1. Das ADIMARI 1. Das schoͤne Kind. U Nreiffer Schoͤnheit Bluͤt und fruͤhes Morgen-Licht/ Mit Tocken mehr gewohnt zu spielen als mit Liebe/ Wenn ich mich wegen dein in stetem Seufftzen uͤbe/ So lacht die tumme Welt und glaͤubt mein Leiden nicht. Doch/ wie im gruͤnen schon die junge Rose sticht/ Wie man die Blume lobt aus ihrer Knospen Triebe; So werd ich auch gewahr/ wie gern ich ruhig bliebe/ Daß/ wo die Flamm entsteht/ auch bald die Hitz ausbricht. Mein Kind/ ein neuer Stein schlaͤgt offt am ehsten Glutt: Ein kleiner Funcke darff in frischen Zunder sincken So faͤngt er/ wo man nicht bald Gegenwehre thut: Zur Fruͤhzeit siehet man die Venus heller blincken: Den Mittags-Glantz besiegt der Morgenroͤthe Zier: Dem heissen Sommer geht der bunte Lentz weit fuͤr. Quibusdam etiam post juventam \& canos puerilitas est. An quicquam isti profecerunt, quibus animi mala auctique in majus errores, qui à pueris magnitudine tantum formaque corporis dif- ferunt? Sen. Tr. in Sap. non cad. Inj . Tenera Ætas tua refugit omne non tantum quod sordidum, sed \& quod sordido simile est. Sen. Pat. Contr. l. 3 . Et quidquid ætati meæ vigoris abscessit, id ad me ex tua: Ignis vero valentem materiam cito occupat. S. Phil. Nat. Quæst . Sol medio die calidissimas nubes evincit, at matutino tempo- re facilius sustineri potest. Lux, quæ Solem antecedit, percutit aerem \& statim calefacit, quia lux ipsa sine calore esse non potest, cum ex calore fiat. Ignis, qui nascitur \& ex saxo prodit, simul \& fit \& cadit. Ignis omnes ætates, omnuium urbium cives, tam viros quam fœ- minas urit. Consol. ad Hels . Pueritiæ maximus in exitu decor est. Sen. Ep. 12 . Fructuosior est adolescentia liberorum, sed infantia dulcior. Ep. 9 . 2. Das Schertz-Sonnette. 2. Die Schoͤne Kleine. D u Mittel-Kreiß der Seel/ ein eng-umschraͤncktes Feld/ Mir aber ausgesezt zum Ruh-Punct meiner Sinnen/ Die nur auff dich allein die Neigung richten kuͤnnen/ Wie sich iedweder Strich vom Rand ins Mittel haͤlt. Klein ist der Angel-Stern/ die Richt-Schnur aller Welt; Klein ist des Schuͤtzen Ziel/ dadurch er muß gewinnen; Klein ist das Bienen-Volck; iedennoch wird man innen/ Wie suͤß ihr Honig und wie scharff ihr Stachel faͤllt. O Auszug alles gutts/ du bist ja billich klein/ Weil auch in tieffer See und in der Berge Gruͤnden Die Muschel-Kinder zart/ Demanten Zwerge seyn: Begriff von aller Lust/ die auff der Welt zu finden/ Den Himmels-Bau entwirfft der kleinen Kugel Riß; Mir ist die kleine Schoß ein irrdisch Paradiß. Nunquam in honorem hujus corpusculi mentiar. Sen. Ep. 65 . Sapiens contentus est magnitudine suâ, non exsurgit in plantas, nec summis ambulat digitis eorum more, qui mendacio staturam adjuvant. Non contemnet se sapiens etiam si fuerit minimæ staturæ. Sen. de Vita Beæta . Majore corporis sarcinâ animus eliditur \& minus agilis est: ecquis unquam de exigua conquestus est Sarcina? Maximis minimisque corporibus par est dolor vulneris. Sen. de Tranquillit. An . Exiguum mellis pondus \& magnum sapore non differt. Sen. Ep. 118 . Exiguum natura desiderat. Sen. Ep. 56 . Habiliora sunt corpora pusilla, quæ in arma sua contrahi pos- unt, quam quæ superfunduntur, \& undique magnitudo sua vul- neribus objecit. Sen. de Tranquillit . Nunquam enim contexti nisi per unitatem corporis nisus est, cum partes consentire ad intensionem debeant \& conferre vires; er autem, si in atomos dividitur, sparsus est. Sen. N. Q . Vitiosum est ubique, quod nimium est. Sen. de Vit B . Quis tam iniquam censuram inter suos agit, ut filium proce- um \& excelsum magis diligat, quam brevem \& modicum. Ep. 66 . N 3. Die ADIMARI 3. Die Schoͤne Blatternde. I hr Perlen/ die ihr seyd vom Eiter-Thau empfangen/ Von innerlicher Hitz’ erhoͤht und ausgekocht! Ihr feuchten Sternen/ wer von Milch die Strasse sucht/ Die sonst am Himmel glaͤnzt/ find sie auff diesen Wangen. Cupido hat allhier ein Stuͤckwerck angefangen/ Das zarte Fell bedeckt/ das Ros’ und Purpur pocht/ Wie wenn der Wolcken Schleyr zu Trost erdurster Frucht Im heissen Sommer wird der Sonnen vorgehangen. Ihr Buhler seyd getrost/ und legt den Kummer hin/ Daß ihrer Liljen Pracht die Faͤulniß wird verletzen: Sie werden freudiger auff diesen Regen bluͤhn. Pflegt die gescheide Welt der Steine Schmuck zu schaͤtzen/ Das zarte Muschel-Kind aus tieffer See zu ziehn/ Hier zeuget die Natur Opal/ Perl’ und Rubin. Amor tegit pulchritudines Scenâ suâ dignas. Sen. de Tranquill . Ignis vivacior est, qui cum lenta difficilique materia commis- sus summoque demersus ex sordido lucet. Consol. ad Marc . Sidera ampliora per nubem adspicienti videntur, quia acies nostra in humido labitur: quicquid videtur per humorem, lon- gè amplius vero est. Sen. Q. N . A c rior est Caniculæ rubor, Martis remissior, Jovis nullus, im lucem puram nitore perducto. Non sentit animus ætatis ac valetudinis injurias, viget, \& magnam partem oneris in infirmitate deponit. Ep. 26 . Papulas observatis alienas, ipsi obsiti plurimis ulceribus: ho tale est, quale si quis pulcherrimorum corporum nævos aut ver- rucas derideat, quem fera scabies depascitur. de V. B . Aqua tempestive data remedii locum obtinet. Sen. de Benef . Aquila pennis gravata fontem petit, cujus aspergine penna egerit, mox in juventam redit. 4. Die Schertz-Sonnette. 4. Die Schoͤne mit hohem Ruͤcken. W ie ists? Verirrte sich die kluge Meister-Hand? Schlieff irgend die Natur/ die alles praͤgt und heget/ Ward sie durch Zorn/ ward sie durch Eyfersucht beweget/ Daß sie dich ohne Schuld versezt in solchem Stand? Als sie dein Angesicht gantz uͤberirrdisch fand/ So hat sie eine Last dem Ruͤcken auffgeleget: Weil deiner Augen Paar des Himmels Feuer traͤget/ So zeigt das Hintertheil der Erde finstres Land. Ach ja/ sie irrte sich durch des Verhaͤngniß Trieb: Denn sie die Liebe nackt und fliegend bilden wolte/ Nur daß ihr zu viel Stoff zu Fluͤgeln uͤberblieb: Und/ hat sie nicht gefehlt/ so sag’ ich/ daß es solte Des Atlas Bildnis seyn/ den Maͤnnern darzuthun: Daß auch der Welt-Kreiß koͤnnt auff einer Frauen ruhn. Quis dixerit naturam maligne cum hac muliere egisse, \& vir- tutes illius in arctum retraxisse. Sen. Cons. ad Marc . Num rem publicam læsit. Sen. Controv . Morbi ad sanitatem inclinant, cum ex abdito erumpunt. Sen. Ep. 56 . Diminutas scapulas in deforme tuber extudit, ut fortunæ ini- quitas in ejus beneficia sævientis magis hominum animos per- elleret. Sen. Controv . Non est illa magnitudo: Tumor est; nec corporibus copiâ itiosi humoris intensis morbus incrementum est, sed Abundan- ia. Sen. de Ira . Cæterum par illi, mihi crede, vigor, par ad honesta libera fa- ultas, laborem doloremque ex æquo, si consvevit, patitur. Sen. onsol ad Marc . Omnium istorum, quos incedere altos vides, bracteata felici- as est. Sen. Ep. 115 . Forma gratior, sed gibbus est tutior. Petrarcha . Quare fortia dorso jumenta sunt quæris? quia eorum hic est sus, sarcinam ferre. Sen. Ep. 76 . N 2 5. Die ADIMARI 5. Die Schoͤne Hinckende. M uß dieses Wunder-Bild/ der Abgott vieler Hertzen/ Auff ungewissem Grund ungleicher Pfeiler stehn? Was Pracht und Witz erhebt/ macht Demuth noch so schoͤn/ Was will uns denn an ihr derselben Bildniß schmertzen? Pflegt nicht die Koͤnigin der goͤldnen Himmels-Kertzen Auch wechsels-weise sich zu sencken/ zu erhoͤhn? Der schoͤnen Venus Wirth/ Vulcan/ muß hinckend gehn: Man sieht sein schoͤnes Feur mit falschen Springen schertzen. Vielleicht wird sie dadurch/ Verliebte/ minder kuͤhn; Und waͤr auch dieses nicht/ so hilfft doch solcher Mangel/ Daß sie euch nicht so bald kan aus den Augen fliehn. Das kleinste Theil der Welt sieht die zwey Himmels-Angel In gleichem Stande ruhn; ie mehr sich einer neigt/ Jemehr sein Gegentheil dort in die Hoͤhe steigt. Nullum habile membrum est, si corpori par est. Sen. Controv . Certissimum argumentum firmitatis suæ capit, si ad blanda nec it nec abducitur. Ep. 18 . Quia vitium non est in rebus. Ep. 17 . Nec tribuendum est insonti naturæ. Ignis enim hâc illâc palpitando discurrit. Quemadmodum flamma surgit in rectum, jacere ac deprimi non potest non magis quàm quiescere. Sen. Ep. 39 . Pars cœli consurgit, pars mergitur. Ep. 107 . Alius incertis sideribus cursus, \& variantur tempora. Luna modo toto ore terris imminet, accessionibus damnisque mirabilis, semper proximæ dissimilis. Sen. Suasor . Non vides quam diversus sit habitus ascendentium \& descen- dentium? Qui per pronum eunt, resupinant corpora, qui in ar- duum, incurvane. Ep. 123 . Bonam spem de te concipio: non discurris. Ep. 2 . Primum argumentum compositæ mentis existimo, posse con- sistere, \& secum morari. Ibid . 6. Die Schertz-Sonnette. 6. Die Schoͤne Ubelangelegte. I ch weiß nicht wo ich nur soll Speil und Naͤgel kriegen/ Geschweige Nadeln gnug und Baͤnder auffzubringen/ Dadurch man Kleid und Haar in Ordnung koͤnte zwingen. Doch/ laß es immerhin nach alter Weise fliegen. Sol streut die Strahlen aus/ die alles Licht besiegen; Viel schoͤner sind zertheilt des Papagoyens Schwingen. Hoͤrt Voͤgel in dem Wald und aus dem Keficht singen/ Die freyen werden euch weit mehr als die vergnuͤgen. Ein muthig Roß nimmt nicht zu harte Zaͤumung an. Dein auff geloͤßtes Gold gleicht Berenizens Haaren/ Die an dem Himmel sich zu weisen wuͤrdig waren. Was nicht zu sehen taugt/ bindt und verdecket man. Uns weißt ein Poͤrsicht Haubt halb-blosser Bruͤste Zier/ Daß dein Unachtsam-seyn geht andrer Auffputz fuͤr. Huic mulieri minimè convenit occupatio exercendi lacertos, \& dilatandi cervicem, \& vestes firmandi. Faciem lenociniis ac coloribus nunquam polluit. Nunquam ei placuit Vestis, quæ nihil amplius, quam ut nu- lam componeret ‒ Sed utcunque res tulit ita vixit. Unicum sibi ornamentum pulcherrima \& nulli obnoxia ætati orma. Æquè exiguè tegitur corpus quàm alitur: nihil homini natu- a, quod necessarium sciebat, fecit operosum. Nec faciunt meliorem equum aurei freni: imo equum emen- ipsa etiam ornamenta sunt suspecta. Otiosas vocas, quibus multæ horæ transmittuntur, dum ecerpitur, si quid proxima nocte succreverit, dum de singulis apillis in consilium itur, dum aut disjecta coma restituitur, aut eficiens hinc atque illinc in frontem compellitur? Has tu otio- s vocas inter pectinem speculumque occupatas? Contemtus corporis sui certa libertas est. Contemne omnia, quæ supervacuus labor velut ornamentum decus ponit. Ep. 8. Placet non in Ambitionem prolata vestis, non ponderibus t tormentis splendere cogentibus pressa, sed domestica \& vilis, ec servata nec sumenda sollicitè. N 3 7. Die ADIMARI 7. Die Schoͤne Gelbsuͤchtige. W er wirfft dir/ Nymphe/ vor das Sonnenfarbne Kleid/ das dein geschickter Halß und dein Gesichte fuͤhret/ Wenn sich manch weisser Stern fuͤr jener Glantz verlieret? Ist nicht das gelbe Gold der Meister unsrer Zeit? Bley/ Kupffer/ Eisen bleibt fuͤr ihm in Tunckelheit. Es wird vom gelben Stroh am ehsten Glutt gespuͤret. Durch gelber Rose Pracht der theure Stock gezieret. Fuͤhlt wohl der Hagedorn um roth und weiß viel Neid? Weil schwer- gesnchtes Gold und Sonne haͤlt den Preiß/ Weil man das nuͤtze Stroh und seltne Rosen liebet/ So seh’ ich nicht/ was man dir auszustellen weiß: Zumahl noch deinem Ruhm den groͤsten Ausschlag giebet: Daß Stahl und Gold dein Tranck/ und du/ was andre scheuen/ Gradivens Eisen selbst mit Nutzen kanst verdaͤuen. Solis vis \& lux integra est, etiam inter opposita. Ep. 92. Et quamvis aliquid interjaceat, in opere est. Adversus solem non potest nebula. Quoties enim inter nubila luxit, non est serenô minor. Hæc quæ vides ossa circumvoluta nervis \& obductam cutem, vultumque \& cœtera quibus involuti sumus, vincula animorum, tenebræque sunt. Consol. ad Helv. Virtutem invenies pulverulentam, coloratam. De V. B. Virtuti opposita nihil durabunt. Nulla dura videtur curatio, cujus salutaris effectus est. Sen. Cur. B. V. Mal. accidant. In corpore nostro ossa nervique \& articuli firmamenta totius \& vitalia minimè speciosa visu prius ordinantur, deinde hæc, ex quibus omnis in faciem aspectumque decor est: post hæc omnia qui maximè oculos rapit color ultimus perfecto jam corpore affunditur. Sen. de Ira. Scito hominem tam benè culmô, quam aurô tegi. Ep. 8. Si pæta est, Veneri similis, si flava Minervæ. Ovidius Lib. 3. de Art. v. 659. 8. * Die Schertz-Sonnette. 8. * Die Schoͤne Rothaͤugichte. * D orinde klaget sich beschwert mit vielen Fluͤssen/ Weil ihr vor langer Zeit ein feuchter Regenbogen Den Himmelblauen Kreiß der Augen hat umzogen: Der heissen Seuffzer Rauch hat sie so sehr gebissen. Die Glutt/ die manchen Pfeil Cupidens schmiden muͤssen/ Ist allzusehr bewegt zur Ess’ hinaus geflogen. Der Angst-Schweiß/ den sie hat viel Hertzen abgesogen/ Muß wieder Tropffenweiß auff ihre Wangen schissen. Die Roͤthe giebt den Preiß Rubinen und Corallen/ Zinober hat den Ruhm vor andern Farben allen: Was schadets/ ob er nicht am rechten Orte steht? Die Sonne sieht so aus/ wenn sie zu Golde geht/ Und also laͤsset sich die Morgen-Roͤth’ im Thauen Mit Perlen-Thraͤnen und in vollem Purpur schauen. Hi sunt oculi, quos extimuistis mariti. Sen. Contr. Quibusdam coloribus infirma acies acquiescit, quorundam splendore præstringitur. Tempestatis ac pluviæ ante ipsas notæ veniunt. Imbecilles oculos esse scias, qui ad alienam lippitudinem \& ipsi suffunduntur. Ignis vivacior est, qui ex sordido lucet. Quid est illud, quod contumelia dicitur? In capitis mei le- vitatem jocatus est, \& in oculorum valitudinem? Quæ contumelia, quod apparet, audire? Sen. in Sap. non cad. inj. N 4 9. Die ADIMARI 9. Die Schoͤne Schielende. B eneiderin des Gutts/ das dir doch selbst gebricht/ Was hat dein kuͤhner Mund Dorinden vorzuruͤcken? Du spottest/ daß bey ihr der Augen doppelt Licht Mit falschen Strahlen nach der Seite pflegt zu blicken. Warum erwehnest du der zarten Wangen nicht? Der schoͤnen Brust/ nach der wir tausend Seuffzer schicken? Soll dieser Fehl allein/ der dich ins Auge sticht/ Den wohlerworbnen Ruhm der Schoͤnheit unterdruͤcken? Ach/ solten wir zugleich das Feuer zweyer Sonnen Erdulden/ da den Mohr nur eine schwaͤrzt und brennt/ Wir waͤren laͤngst/ wie Schnee und muͤrbes Wachs zerron- nen: Wenn Phebus Westenwerts sein flammend Antlitz wendt/ Und gegen Morgen blinckt des Mondens Silber-Schein/ Solln darum mangelhafft des Himmels Blicke seyn? Invidia nos inquietat dum comparat: Hoc mihi præstitit, sed illi plus, illi maturius. Sen. de Benef. Sed marcet sine adversario Virtus. Cur. B. V. Mala. Luna dissimillimum soli lumen accipit. N. Q. Et luna \& sol aliô atque allô occurrentes locô, curiosos nos esse cogunt, quando in rectum feruntur, quare agantur retro. Magnâ vi ignes illos excuti argumentum est, quod obliqui fe- rantur \& prærapidâ celeritate. Estne dedecus, ut omnes stellæ inter se dissimilem aliquatenus habeant faciem, diversissimam soli? Non erit digna suspectu luna, etiamsi otiosum sidus trans- currat? Quinque sidera diversas agunt vias \& in contrarium præcipiti mundô nituntur: ex horum tamen motibus fortunæ populo- rum dependent. Consol. ad Marc. Et quis in Orientem Occidentemque diffusos amnes vitupe- rabit? 10. Die Schertz-Sonnette. 10. Die Schoͤne Taube. W eil deiner Schoͤnheit Ruff die gantze Welt betaubt/ Weil Amors sein Geschoß aus deinen Augen kracht/ Weil meiner Thraͤnen Nil auff deinem Felß zerstaubt/ Bistu vielleicht dadurch/ o Nymphe/ taub gemacht. Betrug verfuͤhret den/ der allzu leichtlich glaubt; Dir wird durch geiles Wort kein Gifft zum Hertzen bracht/ Gleichwie die Schlange (wo diß Gleichnis ist erlaubt/) Mit zugestopfftem Ohr auff kein Beschweren acht. Allein/ du hoͤrst auch nicht die Warheit meiner Klagen. Gedult! ich bleibe doch/ wie vor/ in dich entbrannt. Dein taubes Ohr ersezt der Finger ihr Verstand. Dein Auge mag mein Hertz/ ich will dein Auge fragen. Die Lichter/ welche so/ wie deine Sonnen blincken/ Die sprechen ohne Wort/ befehlen uns durch Wincken. Pavescis ad cœli fragorem \& ad inane nubilum trepidas \& sur- descis, quemadmodum Nilus eluctatus obstantia in vastam alti- tudinem subito destitutus cadit, cum ingenti circumja centium regionum strepitu, quem perferre gens ibi â Persis collocata non potuit obtusis assiduô fragore auribus. Sen. N. Q. Obtemperandum est Potentiori, etsi verbis jussus non fueris \& gravia suopte nutu imperet. Imperat interdum Princeps, non eloquio, non lingvâ, sed o- culis digitisque. Quid necesse est diutius torqueri, cum tam facile remedium Ulysses sociis etiam adversus Sirenas invenerit? Homines amplius oculis quam auribus credunt. Sen. Ep. 6. N 5 11. Die ADIMARI 11. Die Schoͤne Stumme. D U/ die du bist versteckt in ewig stillem Schweigen/ Bist stumm/ und machst dein Lob durch hundert Zeugen kund/ Zwingst tausend Hertzen/ die von deiner Liebe wund/ Des schoͤnen Mundes Ruhm zum Sternen machen steigen. Die Rosen sicht man auch Corallne Lippen zeigen/ Die Liljen goͤldne Zung’/ und dennoch schweigt ihr Mund. Durch Schweigen birget man des schlauen Hertzens Grund. Das kluge Schweigen ist dem Witz/ der Demuth eigen. Ein leer Versprechen stellt den Magen nicht zur Ruh; Die Liebe laͤsset sich mit Worten nicht vergnuͤgen. Wenn deiner Schoͤnheit noch die Sprache wuͤchse zu/ Ihr wuͤrden allzuviel von dir gefesselt liegen. Waͤrn auch so stumm/ wie du/ die falschen Wasser-Frauen/ So wuͤrde man sie schoͤn und nicht betruͤglich schauen. Vox bonum non est. Sen. Ep. 102. Muta animalia humanis affectibus carent. Genus est rogandi rogare non posse. Sen. Controv. Sero beneficium dedit, qui roganti dedit. Sen. de Benef. Si quis fauces oppresserit, stes tamen \& silentio juves. Sen. de Tranq. Nunquam inutilis est opera civis boni: jussu, vultu, nutu in- cessuque ipso prodest. Interdum calamitates in remedium cessere, \& levioribus in- commodis graviora sanata sunt. Loquax est virtus, nec ostendit se tantum, sed ingerit. Sen. Controv. 12. Die Schertz-Sonnette. 12. Die Schoͤne Kraͤtzigte. W enn Perlen-Schnecken auch von Purpur schwanger schie- nen/ Wenn Alabaster sich vermengte mit Porphir/ Wenn ihrem Venus-Blutt und des Zinobers Zier Die Rose sezte bey den Schnee der Gelsaminen/ Wenn ihr die Lilien zum Hemmet muͤsten dienen/ Sie giengen rothem Gold und hellem Demant fuͤr: So eben weiset sich der weisse Leib an dir/ Besprenget mit Coralln und bluttenden Rubinen. Du scheinst an deiner Haut ein Tiger-Thier zu seyn. (Mit deiner Grausamkeit stimmt solche Kleidung ein/) Ein Himmel aber auch besaͤt mit tausend Sternen. Du kanst aus eignem Schmertz izt fremde Qual erlernen: Wenn du dir selber reißst das zarte Fell entzwey/ So dencke/ wie manch Hertz von dir zerrissen sey. Imperari dolori silentium non potest. Sen. Contr. Non venit vulnus ad cicatricem, in quo medicamenta tentan- tur. Sen. Ep. 2. Malignus comes, quamvis candido \& fimplici, rubiginem suam affricuit. Ep. 7. Ulcera quædam nocituras manus appetunt, \& tactu gaudent: non aliter dixerim voluptati esse laborem, vexationemque. Sen. de Tranq. Ulcera mea etiamsi sanata non sunt, serpere desierunt. Ep. 8. Non ignara mali miseris succurrere disco. Virgil. Quibusdam ægris gratulatio fit, cum se ipsos ægros esse sense- runt. Ep. 6. 13. Die ADIMARI 13. Die Schoͤne Zernarbte. W aͤr’ auch ohn Unterscheid und Theilung schoͤn zu nennen Der blau-gewoͤlbten Last geraumes Wunder-Feld? Und wuͤrde Phebus nicht in steter Irre rennen/ Im fall ihm keine Bahn und Strasse vorgestellt? Des Himmels Antlitz laͤst sich eine Narbe trennen/ Die Tag und Nacht/ die Hitz und Frost in Wage haͤlt/ Der Sonnen-Lauff umbschraͤnckt/ und ieder muß bekennen/ Auff diesem Striche ruh der Wohlstand aller Welt. In Gaͤrten liebet man der Felder Unterscheid: Ein unbefurchtes Land ist ohne Fruchtbarkeit; Ein unzertheiltes Haar der Wildniß zu vergleichen: Drum fuͤhrestu mit Recht/ als einen Pol/ diß Zeichen. Ja weil dein Angesicht hegt zweyer Sonnen Schein/ So solten billich auch zwey Strassen drinnen seyn. Omnis de universo quæstio in cœlestia, sublimia \& terrena dividitur. Sen. N. Q. L. 2. c. 1. Omnis rerum naturæ materia dividitur. N. Q. Omnia, quæ in notitiam nostram cadere possunt, mundus complectitur, ex his quædam sunt partes, quædam materiæ loco relicta. Proscissum aratro solum \& iteratum, solutior terra, facilius patet radicibus. Ep. 109. Quamvis magna videatur varietate singulorum vita facies distingvi, summa in unum venit. C. B. V. Mal. acc. 14. Die Schertz-Sonnette. 14. Die Schoͤne Zornige. W enn dein beherztes Blutt/ von Eyfer angefeuret/ Auff deine Lippen steigt und aus den Wangen schwizt/ Der innerliche Brand aus beyden Augen blizt/ Wirst du der Pallas gleich zu seyn von mir betheuret. Der Himmel hat mit Zorn die Helden ausgesteuret/ Die Glutt das Sieges-Schwerdt Achillens zugespizt/ Wiltu nicht zornig seyn/ so werd’ ich selbst erhizt/ Weil der Verliebten Zorn die Liebe nur verneuret. Was schadet mir/ was doch nicht lange waͤhren kan? Hoͤr’ ich ohn Ungedult der Hunde Bellen an/ Wie soll ich um ein Wort mich gegen dir erbittern? Auff Wind und Regen muß es wieder besser wittern; Auff Hitze folget Durst: Ich wette/ daß ein Kuß Dich/ eh der Morgen koͤmmt/ hinwieder kuͤhlen muß. Iram calcar virtutis esse Aristoteles ait, hac ereptâ inermem animum \& ad conatus magnos pigrum inertemque fieri. Utilis est ira, quia contemtum effugit \& malos terret. Ut quidam boni saugvinis sunt, ita quidam incitati \& mobilis \& cito in os prodeuntis. Ingenia naturâ fortia iracundiam ferunt, nihilque tenue \& exile capiunt ignea \& fervida. Animalia generosissima habentur, quibus multum inest iræ. Langvidus animus est, qui irâ caret. Puerorum fœminarumque iræ acres magis quam graves sunt. Solatia exspectas, convicia accipe. Sen. Ep. 99. Fer mores si immutari nequeunt, \& qualiter foris vivas, domi lisce cum Socrate. Franc. Petrarcha de R. U. F. Amantium ira amoris redintegratio est. 15. Die ADIMARI 15. Die Schoͤne Zerrissene. E s mag sich wer da will in stoltzen Purpur kleiden/ In theurer Wuͤrme Grab lebendig huͤllen ein: Du schoͤne Bettlerin kanst nackend schoͤner seyn/ Darffst fremder Hoffart Schmuck im wenigsten beneiden. Die Sonne/ wenn sich izt die dicken Wolcken scheiden/ Giebt durch zurißnen Flor den angenehmen Schein; Hier kan die brennende Begier am Helffenbein Der Glieder hin und her mit Lust die Augen weyden. Das Lust-Hauß deiner Brust/ der Garten deiner Schoß/ Mit Lumpen nur umschraͤnckt/ umzaͤunt mit Spinnen-We- ben/ Giebt uns den reichen Schmuck von tausend Blumen bloß. So pflagen sich in Streit die Kaͤmpffer zu begeben/ (Diß Kleid geht auch der Lieb’ am besten an die Hand/) An Sieges-Kraͤutzen reich und duͤrfftig an Gewand. Cernimus pulchritudinem quamvis sordido obtectam. Huic speciosa facies est: potest mendicus formosus esse. Omnia aliena sunt: non qui parum habet, sed qui plus cupit, pauper est. Illa non est paupertas, si læta est. Lex naturæ scis quos terminos nobis constituit? non esurire, non sitire, non algere. Non splendeat Toga, nihil habeamus, quod cum magno emo- lumento insidiatoris eripi possit. Quàm minimum sit in corpore tuo spoliorum. Nudum latro transmittit. Nudum \& infirmum societas munit. Cum voles veram hominis æstimationem inire \& scire quis sit, nudum respice. Nudos videbis Deos, omnia dantes, nihil habentes. Atletæ ut vires cædentis exhauriant, nudari se patiuntur. 16. Die Schertz-Sonnette. 16. Die Schoͤne Kahle. O b du/ O Nymphe/ gleich der Haare bist beraubt/ So ist es darum nicht um deinen Ruhm geschehen. Laͤst sich die Rose nie ohn Blatt und Doͤrner sehen? Ist nicht der junge Wald im Mertzen unbelaubt? Bestraußter Sternen Haar (Erfahrung hats beglaubt/) Fuͤhrt nach sich Ungluͤck/ Sturm und toller Winde Wehen. Wer pflegt den holden Kuß des Gluͤckes zu verschmaͤhen/ Ob sich von hintenzu gleich zeigt sein kahles Haubt? Wenn andre mit viel Furcht und Schmertz die Haut bepfluͤ- cken/ So bleibstu ungeraufft/ dein Alter unentdeckt. Kan wohl ein Zeug von Schweiß und Faͤulnis ausgeheckt Ein Auswurff der Natur/ verstellen oder schmuͤcken? Das Schiff ist in Gefahr/ wenn Flagg’ und Seegel fliegen: Man sieht es deren bloß im sichern Hafen liegen. Fœmina calva morbis virilibus damnata. Non minus comatis quam calvis molestum est, pilos velli. Cometæ significant tempestatem \& ventorum intemperan- tiam atque imbrium. Quid capillum ingenti diligentia comis? Cum illum vel effu- deris more Parthorum, vel Germanorum modô vinxeris, vel ut Scythæ solent sparseris, in quolibet equo densior jactabitur juba, horrebit in leonum cervice formosior. Nihil eripitur nisi retinenti. Dii immortales vultis aliquam partem corporis? non ma- gnam rem promitto, cito totum relinquam. Magnus gubernator \& scisso navigat velo, \& si exarmavit, ta- men reliquias navigii aptat ad cursum, \& descendit, ut ait ille: Cœrula ad infernas velificata rates. Fronte capillata est, posthæc occasio calua. 17. Die ADIMARI 17. Die Schoͤne Lange. E s setze/ wer da will/ der Laͤnge Maͤngel aus/ Und suche seine Lust an kleinen Niedrigkeiten; Es wird ihn doch samt mir die Warheit selbst bestreiten. Wer nimmt vor Elephant und Pferd die kleine Mauß? Ein hochgesinnter Geist braucht ein geraumes Hauß. Was ungemein/ ist schoͤn: Bey den verderbten Zeiten Pflegt die Natur mehr Klein- als Grosses zu bereiten. Was schmuͤckt der Fuͤrsten Helm? Schnee-Koͤnig/ oder Strauß? Muß sich der Buhler hier nach einem Kusse daͤhnen; Am suͤßten schmecket er auff Muͤhe/ Sorg’ und Sehnen. Die Welt verwundert ja der hoͤchsten Thuͤrme Pracht/ Apellens Kunst weist sich am besten an Colossen. Der schwachen Zwerge Schaar ist uͤberall verlacht; Die Riesen haben selbst das Sternen-Reich beschossen. Senecio orator Romanus servos nolebat habere nisi grandes, \& argentea vasa non nisi grandia, calceos quoque majores sume- bat, ficus non edebat nisi mariscas, concubinam ingentis staturæ habebat, omnia grandia probabat, unde cognominatus Senecio grandis. Suasor. 2. Corpus magnum, bonum est. Ep. 106. Paucitas est fugienda. Ep. 10. Animo magno nihil magnum est. Ep. 8. Parvus est pumilio, licet in monte constiterit: Colossus ma- gnitudinem suam servabit, etiamsi steterit in puteo. Ep. 76. Annon vides, quantum oculis det vigorem fortitudo corpo- ris? Ep. 106. Magna, ut Phœnix, ex intervallo generantur: mediocria \& in turbam nascentia sæpe Fortuna producit, eximia vero ipsa ra- ritate commendat. Ep. 42. Magnitudo non habet cortum modum. Ep. 43. Sapiens se procerum volet. Sapiens \& exilis corpore valebit, malet tamen sibi corporis esse robur. Sen. D. V. N. 18. Die Schertz-Sonnette. 18. Die Schoͤne Blinde. S choͤner Maulwurff blinder Liebe/ mit Erbarmnis nehm ich wahr/ Wie der Augenbronnen Bogen seiner Pfeile muß entbehren/ Wie die roth-beflammten Wangen unbelebte Glutt ernaͤh- ren. Wie du must den duncklen Schatten duͤstrer Naͤchte stellen dar. Wer erkennet in dem Finstern deiner Ros’ und Liljen Schaar/ Wenn sie keiner Sonne Stralen an das helle Licht geweh- ren? Doch der aͤuserliche Mangel kan die Seele nicht beschweren: Wer die Liebe/ wer die Warheit schauet/ sieht genugsam klar. Wird nicht durch den suͤssen Schlaff iedes Auge zugemacht? War die junge Welt nicht selbst voller Finsternis und Nacht? Warum solte dich der Abgang deiner Augen schmertzen kuͤn- nen? Sonne blendet/ Augen truͤgen/ aber das Gemuͤtte nicht/ Welches in sich selbst gezogen/ durch die aͤuserliche Sinnen Unverleitet/ selbst vom Himmel schoͤpffet ein gewisses Licht. Misereri illius oportet, quia luminibus orba est. Contr. L. 1. c. 6. Detestabilis erit cœcitas, si nemo oculos perdiderit. C. B. V. M. Habet \& nox suas voluptates. Oculi irritamenta sunt vitiorum, ducesque scelerum. Quam multis voluptatibus via incisa est, quam multis rebus arebis, quas ne videres, vel oculi eruendi erant. Ubi homines majorem vitæ partem in tenebris agunt, novissi- me solem quasi supervacuum fastidiunt. Magnum exemplum, nisi mala fortuna, non invenit. Nihil acie nostrâ fallacius, \& in his quoque, quæ ad manum ernit. N. Q. O 19. Die ADIMARI 19. * Die Schoͤne Rothhaͤrigte. * W iltu der Haare Brand mit Ziper-Asche decken? Rubelle/ thu es nicht: Der Schoͤnheit hoͤchsten Preiß/ Nach Urtheil kluger Welt/ behalten roth und weiß. Die Morgen-Welt schmuͤckt Pferd und sich mit rothen Fle- cken. Was in den Adern kocht/ muß Etnens Haubt entstecken. Der Scheitel heisse Glutt befaͤrbt der Wangen Eiß/ Der Berenizen Haar glaͤnzt so am Himmels-Kreiß; Mit Stralen solcher Art pflegt Phoͤbus uns zu wecken. Das weisse Schindel-Holtz deckt manch veraͤchtlich Hauß; Man flicht mit gelbem Stroh die Bauer-Huͤtten aus/ Damit das Ziegel-Dach der Schloͤsser Zierde sey. Koͤmmt Silber oder Bley der Pracht des Goldes gleich? Carfunckel und Scarlat macht Stein und Farben bleich: Der rothe Safran ist die theurste Specerey. Non est Æthiopis inter suos insignis color, nec rufus crinis apud Germanos. Utrumque decet. Sen. de Ira. Regia solis erat, sublimibus alta columnis Clara micans aurô. Ep. 115. Aureus axis erat, temo aureus, aurea summæ Curvatura rotæ. Poëtæ quod optimum videri volunt seculum, aureum appel- lant. Crines nodantur in aurum. Virgil. Romanæ mulieres summa diligentiâ capillos cinere rutila- bant. Valer. Maximus. Imò rutilantibus Germanorum capillis emtis utebantur: hinc Ovidius: Jam tibi captivos mittet Germania crines, Culta triumfatæ munere gentis eris. Dicitur Imperator verus tantam habuisse curam flaventium capillorum, ut capiti auri ramenta aspergeret, quo magis coma illuminata slavesceret. Jul. Capitol. Fuit capillo semper fucatô \& auri ramentis illuminatô. Ælius Lamprid. 20. Die Schertz-Sonnette. 20. Die Schoͤne Falschzuͤngigte. E in ieder schaut dich an/ ein ieder schaͤzt dich werth/ Doch keiner hoͤrt dir zu und keiner glaͤubet dir. Die suͤsse Zauberey der angebohrnen Zier Haͤlt nur das Auge/ nicht zugleich das Ohr beschwert. Hat dich Betrug und List von Jugend auff genaͤhrt/ So weiß man nicht/ wenn Haß/ wenn Liebe bricht herfuͤr/ Ich suche deine Gunst/ dein Eyfer weist sich mir. Jedoch werd ich dadurch von dir nicht abgekehrt. Mir ist so angenehm das sonst verhaßte Nein Des Mundes/ welcher nie dem Hertzen stimmet ein/ Daß ich kein lachend Ja begehre zu erlangen. Ich kenne deinen Sinn/ und schaͤtze laͤngst gewiß/ Daß dein Verbot Gebot/ dein Wehrn Gewehren hiß: Sagst du mir aber Ja/ was hab ich zu empfangen? Mentiri solenne est amantibus, ideò non nisi jurantibus credi- mus. Controv. l. 2. Intus omnia dissimilia sint, frons nostra Populo conveniat. Ep. 5. Non quid dicat, sed quid sentiat, refert. Ep. 8. Ego sum similis illi, qui quam vis nihil speret, semper optat. Cons. ad Helv. Fictio \& Mendacium non durant. Petrarcha. O 2 21. Die ADIMARI 21. Die Schoͤne Lispelnd- und Stammlende. M ein Schatz gewohnt die Wort auff Griechisch auszuspre- chen/ Welch Stahl/ welch Tereus macht dir die Zunge schwer? Lernstu/ als Nachtigall zu ziern der Vogel Heer/ Nach Filomenens Art die Worte radebrechen? Der Lippen Fehler kan der Sinnen Lob nicht schwaͤchen/ Dir weicht der Schwan im Fluß/ und die Siren im Meer. Der Widerruff ist offt nicht von Verstande leer. Ein halbgesagtes Wort kan auch ins Hertze stechen. Der unterbrochne Schall/ der aus dem Munde dringt/ Gemahnt mich als ein Pfeil/ der zwar das Ziel nicht trifft/ Doch durch die Luͤffte scherzt und keinen Schaden stifft. Wenn du zu sagen denckst: Izt will ich dich durchschuͤssen. So hoͤr’ ich einen Thon/ der viel gelinder klingt/ (Das Harte bleibt zuruͤck/) izt will ich dich durchsuͤssen. Quid miramur mulierem blæsam, cum disertissimos agnove- rim viros non respondentes famæ suæ, cum declamarent. Nulla illi cura exercendæ vocis fuit. Melius est plus sensus quàm verborum habere. Eloquentia nulli tota contigit. Et quando quidem echo sententiæ genus fuit. Non habeat matrona tibi quæ juncta recumbit dicendi ge- nus. Non à summis labris ista venerunt: habent hæ voces funda- mentum. Ep. 10. Quam expressa vox! quam ex imis visceribus emissa, non expertæ tantùm sed delectatæ. Controv. L. 3. Summa summarum hæc erit, tardiloquam te esse jubeo. Ep. 40. 22. Die Schertz-Sonnette. 22. Die Schoͤne immer-Lachende. D ie suͤsse Froͤligkeit verzuckert ieden Bissen/ Das ernste Sauersehn versaltzet Speiß und Wein. Das Lachen scheidet uns von Thieren/ Holtz und Stein/ Drum kanstu nicht so viel auff Lachen seyn beflissen. Wer wolte stets die Perl in ihre Muschel schluͤssen? Der Elefante weist sein glaͤntzend Helffenbein/ Das freye Licht entdeckt des Silbers hellen Schein/ Vergrabne Schaͤtze kan der Naͤchste nicht genuͤssen. Ach daß ich koͤnte recht den schoͤnen Umkreiß mahlen/ Damit der Liebreitz selbst den offnen Mund laͤst prahlen! Wer aber kan die Glutt recht lebhafft stellen vor? Nun oͤffne/ wie du wilt/ der Lippen schoͤnes Thor: Ein lachend Paar bespannt den Wagen der Zitheren/ Ich werde dich allzeit/ wie solche Taͤubchen/ ehren. Nolo tibi unquam deesse lætitiam, volo tibi illam domi nasci. Ep. 23. Animus debet esse alacer \& fidens, \& supra omnia erectus. Cujus non lacrymas illius hilaritas supprimat? Cons. ad Helv. Hilaritas tristitiam dissipat. de Tranq. An. De humano genere melius meretur qui ridet, quam qui luget. Majoris animi est, qui risum non tenet, quàm qui lacry- m as. Qui prudens est, \& temperans est, qui temperans est, \& con- st ans est, qui constans est, \& imperturbatus est, qui imperturba- tu s est, sine tristitia est, qui sine tristitia est, beatus est. Ep. 85. Humanius est, deridere vitam quam deplorare. de Tranq. Talis est s a pientis animus, qualis mundi status super lunam, se mper illic serenum est. Sen. Ep. 60. O 3 23. Die ADIMARI 23. Die Schoͤne Weinende. D U laͤst/ mein werthes Kind/ die heissen Zaͤhren schiessen: Mein treues Auge schaͤzt dein Weinen lauter Wein. Ich wuͤnschte/ daß du moͤchtst ein andrer Argus seyn/ Und solche Thraͤnen-Bach aus hundert Augen giessen. Du edles Seelen-Blutt koͤntstu in Stroͤme fluͤssen/ Wie wolt ich so mit Lust mich in dir tauchen ein. Die Perlen Indiens sind nicht wie du/ so rein. Jedweder Tropffen ist statt Spiegels zu genuͤssen. O Brunnen/ zugericht ein Blumen-Feld zu netzen/ Man muß eur heilsam Saltz vor kluge Weißheit schaͤtzen; Ihr wascht/ was eurer Zier den mindsten Flecken gab. So wird der Liebe Brand geloͤscht und ausgeschwizt: So kuͤhlt/ was Phoͤbus Glutt den langen Tag erhizt/ Die schoͤne Morgen-Roͤth in linden Thraͤnen ab. Largè ubique flendi \& assidua materia: moderatè id fieri de- bet à nobis, quod sæpe faciendum est. Sen. de Tranq. An. Lacrymæ fluant, quantum affectus ejecerit. Ep. 99. Dolor per lacrymas effluit. Controv. L. 5. Omnis adversa fortuna habet in querelis levamentum: co- git flere, qui non sinit. Excidunt etiam retinentibus lacrymæ, \& animum profusæ levant. Nomini muliebri pene concessum est im moderatum in lacry- mas jus. Cons. ad Helv. Plerique lacrymas fundunt, ut ostendant. de Tranq. Singula stillicidia singula specula sunt. N. Q. Misero si flere non licet, magis flendum est. 24. Die Schertz-Sonnette. 24. Die Schoͤne Einaͤugigte. D U schoͤnes Green Kind/ wer giebet mir Bericht Warum dein zartes Haubt ein einig Auge traͤget? Machts wohl Cupido hier/ als wie ein Schuͤtze pfleget/ Der am gewißten zielt durch unzertheiltes Licht? Thu nun das ander’ auff/ die Jagt ist schon verricht; Was wiltu mehr/ wenn mich der erste Schuß erleget? Gib nicht zu/ daß ein Theil vom Antlitz Schatten heget/ Wenn jenes immersort die heisse Sonne sticht. Ich irre mich/ mein Schatz: Was aͤuserlich gebricht/ Wird innerlich ersetzt: Du kanst dem Himmel gleichen/ Den nur ein grosses Licht auff einmahl muß bestreichen. Man siehet Phoͤbus Glantz dem nahen Monden weichen/ Und diesen wiederum vor jenes Pracht verbleichen. Wer eine Sonne sieht/ acht tausend Sternen nicht. Si quis oculum casus excusserit, reliquiæ sapienti suæ satisfa- cient, \& erit imminuto corpore \& amputatô tam lætus, quam integrô fuit. Ep. 8. Sapiens \& exili corpore \& amisso oculô valebit. De V. B. Luna soli se opponit \& illum tantò majorem subjecto corpore abscondit. N. Q. Nulla nox est, in qua stellæ non videantur ire \& in diversum abduci. Uno sidere omnia implentur. Sol quotidianô cursu diei no- ctisque spatia signat, annum in Æstatem Hiememque æqualiter dividit. Cons. ad Marc. O 4 25. Die ADIMARI 25. Die Schoͤne Zahnluͤckigte. D ein Mund ist mehr gefuͤllt mit Luͤcken als mit Zaͤhnen: Das Gatter fehlet dir von weissen Helffenbein/ So das Corallne Thor der Lippen schraͤncket ein. Doch aber hast du nicht den Mangel zu bethraͤnen. Hier darff kein suͤsses Wort nach seiner Freyheit gaͤhnen/ Des Athems Bisam-Lufft darff nicht gefangen seyn. In einer Purpur-See ohn Klippe/ Banck und Stein/ Kan ihm der Zunge Schiff stets neue Wege baͤhnen. Die Perlen-Mutter ist darum nicht zu verschmaͤhen/ Daß man ihr zartes Kind aus ihrer Schoß entriß. Wer kan darvor/ was durch Gewalt und Zeit geschehen? Du unbewehrter Mund/ ich liebe dich gewiß. Entzaͤhnte Schlangen wird man minder zornig sehen. Stehl ich dir einen Kuß/ so fuͤrcht ich keinen Biß. Quibusdam tremunt genua dicturis; quorundam dentes col- liduntur, lingva titubat, labra concurrunt. Ep. 12. Remedii causa quibusdam \& raduntur ossa, \& leguntur \& extrahuntur dentes, \& quædam amputantur membra, quæ sine totius pernicie corporis hærere non poterant. Cur. B. V. Mala accid. Offendimur, si quis sermonem nostrum imitatur, si quis in- cessum? Si quis vitium aliquod corporis aut lingvæ exprimit? Quasi notiora illa siant aliô imitante, quàm nobis facientibus. In V. Sap. non cad. Inj. Hinc Pupula in deliciis meis facta es, dentes tibi cum maximè cadunt. Veritatis una vis, una facies est. Loqui parantem fracta spes dentium frenabit, \& ab osculis petulantiam cohibebit. Franc. Petr. de Rem. V. F. Non ungvium vis, non dentium terribilem fecit. Sen. de Ira. 26. Die Schertz-Sonnette. 26. Die Schoͤne Schwartze. S chwartz bistu/ aber schoͤn; und wer dich anders nennt/ Betrachte bey der Nacht des duͤstern Himmels-Zelt/ Zwey Sternen fuͤllen hier mit Brand und Licht die Welt/ Man sieht/ wie jener kaum mit tausend Augen brennt. Der reinen Liebe Glantz/ so ich auff dich gewendt/ Wird durch dein helles Schwartz ans klare Licht gestellt. Wenn sonst ein tunckler Stein dem Erzt ein Urtheil faͤllt/ Wird meine Treu an dir dem Golde gleich erkennt. O Kohle suͤsser Glutt/ die dich so schwartz gemacht/ Was hat dein schoͤnes Feur vor Hertzen machen schwitzen/ Eh dich ihr Rauch und Ruß zu solcher Braͤune bracht! Am hellsten siehet manns aus tuncklen Wolcken blitzen/ In Thetis brauner Schoß verbirgt sich Phoͤbus Zier/ Schwartz endlich ist die Nacht/ und bringt den Tag herfuͤr. Adustus color ferventissimi caloris est indicium. Nat. Q. Q. L. 4. Tantus stellarum innumerabilium fulgor quem non inten- tum in se tenet. De Benef. L. 4. Lydius lapis attritu aurum prodit cujusmodi sit. N. Q. Quantum istâ nocte, quam tu in numerum ac discrimen de- mum observas, agitur? De Benef. L. 4. Quanta rerum turba sub hoc fusco colore evolvitur! Mundus per noctem ignes suos fundit. Nigros aspectum virilem præ se ferre ait Plato. Et sol dat spatium noctibus. O 5 27. Die ADIMARI 27. Die Schoͤne Kroͤpffigte. A Uff einem Stocke waͤchst/ was Spinn und Biene naͤhrt/ Auff einer Wiese sucht der Ochse frischen Rasen/ Der Storch die gifftge Schlang’/ ein Jagt-Hund seinen Ha- sen: Was der zu loben denckt/ scheint jenem tadlens werth. Drum lache/ wenn dir auch dergleichen widerfaͤhrt/ Wenn man dein hohes Lob zu niedrig will begrasen/ Weil deiner Kaͤhle Schnee zu hoch sey auffgeblasen. Ich achte dich dadurch im wenigsten beschwert. Ein ander suche Gifft/ ich will dein Honig klauben: Wie mancher Seuffzer/ wie manch suͤsses Wort steckt hier! Die schoͤne Venus ziehn ein paar gekroͤpffte Tauben/ Des vollen Halses Glantz ist ihre beste Zier. Cupido/ wo ich darff dem Augenscheine glauben/ Hat seinen Blasebalg/ o schoͤne Kehl’/ in dir. In eodem prato bos herbam quærit, canis leporem, ciconia lacertum. Sen. Ep. 108. Nos apes debemus imitari, ut quicquid ex diversa lectione collectum est, stylus redigat in corpus. Ep. 84. Columbarum cervix colorem \& sumit \& ponit, utcunque deflectitur. Nat. Q. Q. Unde Neronis versus: Colla Cytheriacæ splendent agitata Columbæ. Quæ contumelia est, quod apparet, audire? Graji quam vos divinitatem dicitis à furore μκντικχν dici vo- lunt. Tr. Petr. l. 2. dial. 115. 28. Die Schertz-Sonnette. 28. Die Schoͤne ohn Geist und Bewegung. D U fremdem Sinne nach zu unbesinntes Kind/ Kind aber/ dessen Glantz der Sonne beyzusetzen/ Weil man nicht lauter Geist und Feuer bey dir findt/ Soll deine Schoͤnheit drum geringer seyn zu schaͤtzen? Wenn mich der Wangen Glutt/ der Haare Gold macht blind/ Wenn mich die Lilien schneeweisser Schoß ergetzen/ Seh ich ein Wunderwerck/ das meinen Sinn verbindt/ Dich/ schoͤner Stein/ zu ehrn als einen Wunder-Goͤtzen. Der Himmel schnizte selbst diß schoͤne Menschen-Bild/ (Ein Bild/ das aber lebt/ und sich bewegen kan/ Der hat die zarte Brust mit Marmol ausgefuͤllt. Es sah dich die Natur von aller ihrer Zier Bereichert/ selbst entsezt und mit Erstarren an: Du schlaͤffst in ihr noch heut/ und jene schlaͤfft in dir. Qui stolidus est, non tam acria \& concitata habet omnia, quam quidam quædam. Non omnia in singulis exstant. Etsi omnis homo sensus habet, nec ideò omnes homines aci- em habent Lynceo similem. Ista, quæ tu in decorem sparsa consideras, singula in opere sunt. Oratio vultus animi est: si circumtonsa est \& fucata \& manu facta, ostendit illum quoque non esse sincerum, \& habere aliquid fracti. Ep. 115. Hoc quoque habet stoliditas, semper incipit vivere. Nemo usque eo tardus \& hebes in terram est, ut ad divina non erigatur, ubinovum aliquod miraculum affulsit. Naturæ admiratores cultoresque sumus; at natura utrumque facere nos voluit, \& agere \& contemplationi vacare. 29. Die ADIMARI 29. Die Schoͤne Naͤrrin. D U schoͤne Naͤrrin du/ dein ausgelaßner Geist Hat mir die Sinnen auch nach Tichter Art entzuͤckt. Ach waͤr ich deinen Ruhm zu preisen so geschickt/ Als du der Welt mit Recht ein kluges Wunder heist. Wie frey ist doch dein Sinn/ der sich mit Macht entreist Den Fesseln/ damit ihn der schoͤne Leib bestrickt/ Du andre Pythias/ aus deinen Augen blickt Cupidens Feuer/ wie die Brust Apollen weist. Hier ist kein falscher Schein/ noch blinder Worte Kunst/ Dein Hertze/ wie dein Leib ist ohne Schminck und Dunst/ Geitz/ Ehrsucht/ Traurigkeit sind bey dir eingestellt; Durch die manch kluger Kopff Vernunfft und Witz verloh- ren. Was Wunder/ wenn du gleich mein’ Einfalt machst zum Thoren? Wie manchem Narren folgt ein grosses Theil der Welt! Aut regem aut fatuum nasci oportet. Sen. de M. Claud. C. Vir magnus animum deduclt à corpore. Ep. 78. Animus in hoc tristi \& obscuro domicilio clausus, quoties potest, apertiora petit. Nullum magnum ingenium sine mixtura dementiæ fuit. Non potest grande aliquid supra cæteros loqui nisi mota mens. O fatua, non gemmæ te, non te margaritæ flexerunt, non tibi divitiæ velut maximum generis humani bonum refulse- runt. Aliquando insanire jucundum est. Sen. de Tranq. Animi. Interdum sanos mœstos \& furentes lætos vidimus. Petrarch. 30. Die Schertz-Sonnette. 30. Die Schoͤne Unbestaͤndige. M ir thut/ du Wechsel-Kind der Lieb’/ an dir nicht weh die Unbestaͤndigkeit der fluͤchtigen Gedancken: Denn/ woltestu niemahls von deinem Sinne wancken/ So waͤrestu ein Felß in meiner Thraͤnen-See. Die heisse Sommers-Zeit zerschmelzt den haͤrtsten Schnee; Man wird dich gegen mir noch schn vor Liebe krancken. Bleibt Sonn und Monde doch nicht stets in gleichen Schran- cken/ Sibyllens kluges Blatt fuͤhrt Zephir in der Hoͤh. Peleens Wunder-Braut ward bald zu einem Drachen/ Bald ward sie mit der Haut des Leuen uͤberdeckt/ Das Feuer konte sie doch endlich zaͤhmer machen. Du/ die du hast in mir den heissen Brandt erweckt/ Wuͤrdstu nicht auch einmahl bestaͤndig/ waͤr’ es viel: Das Boͤse hat so wohl/ als Guttes/ Maß und Ziel. Proprium mulieris est, nihil diu pati, \& mutationibus ut re- mediis uti. Naturâ enim humanus animus agilis est \& pronus ad motum. Mobilis mens homini data est, vaga \& quietis impatiens \& n ovitate rerum lætissima. Cœlestium natura semper in motu est. Una res nos facere potest quietos, mutuæ facilitatis conven- t io. Hæc commovetur quidem, non tamen transit, sed suo loco n utat. Lunam nunquam implet sol, nisi adversam sibi. Desinit morbus, incendium exstingvitur, ruina quos videba- s ur oppressura deponit. Natura autem hoc quod vides regnum mutationibus tempe- r at. Et contrariis rerum æternitas constat. Nec quicquam noxium æternum est. 31. Die ADIMARI 31. Die Schoͤne Sauersehende. D As aͤuserliche Thun zeigt meistens vom Gemuͤtte/ Was angebohren ist/ wird unvermerckt geweist; Beherrschet nur den Leib ein freundlich-edler Geist/ So zeiget sich wohl auch von aussen seine Guͤtte. Wer aber witzig ist/ bemeistert das Gebluͤtte/ Verfaͤlscht das Glaß/ das sonst der Sinnen Spiegel heist. Nicht alles finstr’ ist Bley/ nicht alles Gold/ was gleißt: Offt wohnt ein lindes Hertz in einer rauhen Huͤtte. Zu viele Freundligkeit bringt Eckel und Verdruß/ Die Gall erweckt und reizt des Honigs Uberfluß/ Durch saure Speisen wird die Essens-Lust ersetzet. Den allerstrengsten Durst bestillt das saure Bier; Was keine muͤhe kost/ taugt weder mir noch dir/ Verwehrtes Kleinod wird am meisten werth geschaͤtzet. Ipsa non sub eadem conditione sidera sunt: alia negatis im- bribus exurunt solum, aliis serena clauduntur, \& omne cœlum nubilo grave: alius incertis sideribus cursus est \& variantur rempora, neque soles nimis urgent, neque ultra debitum im- bres cadunt: quicquid asperatum æstu est, quicquid nimio de- fluxit imbre, invicem temperatur altero. Luna interdum occu- pata nubilo sordidiorem ostendit orbem suum. Si quis altum suspirium \& oculos subitò acriores aut quid his simile indicium affectus animique signum putat, fallitur. Quidam, ne unquam riderent, consequuti sunt. Æque facilitas amoris quam difficultas nocet. Optimum est pati, quod emendari non potest. 32. Die Schertz-Sonnette. 32. Die Schoͤne Wundmaͤhlige. W elch unbemenschtes Hertz/ und was vor Tiger-Klauen Sinds/ die der zarte Leib zu seinem Hencker hat? Ach deine Schoͤnheit ist der Ursprung dieser That! Dir schadet deine Zier/ der Federn Schmuck dem Pfauen: Der Moͤrder wolte bald/ da aus dem hellen Blauen Ein blitzend Augen-Strahl ihm an die Seele trat/ Die Wolcken deiner Brust zertrennen/ und die Stat Des Himmels selbst/ den Sitz des edlen Geistes schauen. Ach haͤtt’ er doch geglaubt/ eh du so viel erlitten! Das mindste/ was er fand/ war Perlen und Rubin/ Die aus den Augen und der Wunde flossen hin. Am schoͤnsten Orte wird der Zeug entzwey geschnitten: Wo goͤldnes Haar sticht durch/ trennt man der Haube De- cken/ Der Handschuch wird zertheilt/ wo Stein und Ringe ste- cken. Gravissimum est ex omnibus, quæ unquam in corpus ejus de- scenderunt, recens vulnus, fateor, sed virtus est invulnerabilis. Non pudeat animum tot miseriarum victorem ægre ferre unum vulnus in corpore. Gaudent magni viri rebus adversis. Dum gladio incubuisti, virtutum vivam imaginem palam fe- cisti. Existimavit similia esse quæ laterent his quæ ostenderentur. Militares viri gloriantur vulneribus, læti fluentem meliori ca- su sangvinem ostentant. Et inter redeuntes ex acie magis spectatur, qui saucius redit. Serviant ergo deteriora melioribus, fortes simus adversus fortuita, non contrem iscamus injurias, non vincula, non vul- n era. 33. Die ADIMARI 33. Die Schoͤne Einfaͤltige. M ein liebstes Rosen-Bild/ das nur der Unschuld Kreide/ Kein Firnis schlauer List noch falsche Schmincke ziert/ Mein Taͤubchen/ das kein Hertz/ wie keine Galle fuͤhrt/ Daß du nichts weist/ und viel doch glaͤubst/ ist meine Freude. Dein Sinn bekleidet sich mit reiner Einfalt-Seide/ Durch die man deine Lieb’ ohn langes Suchen spuͤrt: Was solte mir ein Weib/ die gerne disputirt/ Dein Teutsches Ja und Nein vergnuͤgt uns alle beyde. Mein Wunsch ist/ daß ich stets im Friede leben kan/ Dich/ nicht die Eitelkeit/ hab’ ich zur Frau erwehlet. Wenn dort Xantippen nur nichts mehr als dir gefehlet/ So stuͤnde Socrates den Maͤnnern oben an. Bist du ein lindes Wachs/ so ist mirs ein Geluͤcke/ Daß ich nur Ehr und Treu zum Siegel in dich druͤcke. Natura bona conditione te genuit. Columba simplicissimum animal est, sed felle carens. Satius est perpetua simplicitate contemni, quam perpetuâ si- mulatione torqueri. At illa quantum habet voluptatis sincera \& per se ornata sim- plicitas, nihil obtendens moribus suis. Facilius reges animum nulla vanitate tumentem. Non potest muliebris excusatio contingere ei, à qua omnia vi- tia muliebria abfuerunt. Pro optimo est minimè malus. Et magnus est pudicitiæ fructus. Risit Socrates cum ab uxore Xantippe immunda aqua perfu- sus fuit. 34. Die Schertz-Sonnette. 34. Die Schoͤne Listige. I ch gebe dir nicht schuld/ du Ausbund schlimmer Frauen/ Daß du den Witz gebrauchst/ wozu dir noͤthig scheint. Veracht dich iederman/ ich bin dir drum nicht feind; Mein Leben wolt ich dir in deine Schos vertrauen. Ulyssens kluge List halff ja bey Troja bauen/ Warob der Grieche lacht und Hectors Erbe weint/ Was das gemeine Volck nicht recht zu seyn vermeint/ Das mnß man stets bey Hoff’ in vollem Lauffe schauen. Der Netze sind zu viel/ durch die man euch will bey/ Daß/ wenn ihr nicht versteht/ wie einem Schalcke sey/ Und List mit List belohnt/ ihr schwerlich koͤnt entrinnen. So bleib nun wie du bist: denn/ red’ ich dir gleich ein/ (Wo du nicht anderst wilt mit Lust gefangen seyn:) Mau siehet doch den Fuchs nicht andre Haar gewinnen. Non potest Amor cum timore misceri. Consortium rerum omnium inter nos facit Amicitia. Astutia mentis est, qua rebus industriis cautum captatur con- lium, \& acute dispicitur atque judicatur, quid bonum, \& versu- iæ nomen assumit, cum in malum sese contulerit. Qui cavet, ne decipiatur, vix cavet, cum etiam cavet, etiam um cavisse ratus est. Plaut . Astutum fallere difficile est. Hoc habent inter cœtera boni mores, placent sibi \& perma- ent. Hinc Pindarus: neque fulva Vulpes neque graviter rugientes cones mutant mores. P 35. Die ADIMARI 35. Die Schoͤne Kuͤpffrige. M ein Kind/ es fleckt dich nicht die Roͤthe/ die der Wein Dem lieblichen Crystall der Wangen angestrichen. Diß Blutt zeigt die Natur bey dir noch nicht verblichen/ Und kan das beste Raß bey Amors Speise seyn. Der Ehren Hofe-Farb’ hat dich gekleidet ein. Offt koͤmmt so Luna vom Endymion geschlichen/ Wenn Zynthius der Welt mit gleichem Pracht entwichen. Von keiner Schmincke darffst du borgen fremden Schein. Hastu es von Geburt/ wenn deine Mutter mich Zur selben Zeit genau betracht/ so liesse sich Die Flamme/ die ich fuͤhl’/ aus deinen Wangen spuͤren. Allein das Widerspiel ereignet sich bey mir/ Mein bleiches Angesicht erweiset nichts von dir/ Dein unverloͤschlich Bild muß ich im Hertzen fuͤhren. Rubor in juvenibus est bonum signum, quibus \& plus calo- ris est. Ut quidam boni sangvinis sunt, ita quidam incitati \& mobi- lis, \& cito in os prodeuntis. Acrior est caniculæ rubor, Martis remissior. Langvidi \& evanidi albent, \& in vivis caro morticina est. Rubeus color aliis nobilior: ideo vestes hujusmodi perfusas colore honoris causa tantum Principibus \& Senatoribus gestare permissum. Vino natura est hausto accendendi calore viscera. 36. Der Schertz-Sonnette. 36. Der schoͤne bemaͤhlte Hals. E in ander sagt vielleicht/ er will der Schoͤnheit darben/ Die/ was ihr uͤbel steht/ bald an der Seiten spuͤrt/ Bey der das edle Glied/ das zum Gesichte fuͤhrt/ An glatter Weiße statt hegt rauhe Purpur-Farben. Daͤmpfft braune Roͤthe wohl den Preiß der Weitzen-Garben? Der Liebe Pulver-Schlag hat/ Schoͤne/ dich geruͤhrt; Damit des Bildes Haubt der Kuͤnstler mehr beziert/ Graͤbt er in dessen Fuß viel Wunden/ Stich und Narben. Seh ich dich eigen an/ schau ich Trajanus Spitze/ Mausolens Grab erhoͤht vertiefft durch so viel Ritze Und Zeichen/ die allein die Liebe lesen kan. O Spoͤtter/ scheue dich die Fehler dieser Schoͤnen/ Als Wercke der Natur/ muttwillig zu verhoͤnen: Der Koͤnig ruͤhret sie ohn Widerwillen an. Quid intuemini debilia infelicium membra, nescio qua tabe onsumta? Animus nobilis supra humana potest se attollere, \& ulceratio- es \& vulnera circa se frementia securus aspicere. Tace ingratissime mortalium, quis enim e st tam miser, tam eglectus, quis tam duro fato \& in pœnam genitus, ut Deorum unificentiam non sentiat. Aliquando extrinsecus morbus, quo admoneatur mortalita- is, intervenit, sed id leve \& quod summam cutem stringat. P 2 * 37. Der ADIMARI * 37. Der schoͤne riechende Mund.* I st dein Gesicht und Ohr vergnuͤgt bey dieser Schoͤnen/ Kanstu mit Lust den Kuß der Wangen wieder kaͤun/ Durch weicher Glieder Schnee die kuͤhne Hand erfreun/ Was wiltu ihren Mund und Athem viel verhoͤnen? Sol sie den geilen Koth der fremden Katz entlehnen/ Was nach dem Marder schmeckt/ in Haar und Kleider streun? Wiltu Gewinn und Lust der Nase wegen scheun? Geruch/ der schwaͤchste Sinn/ darff Liebe nicht bekroͤnen. Der Rosen Suͤßigkeit beleidigt den Molin, Mit Aepffeln aus dem Stall erquickt sich Constantin . Dein eckelnd Haubt verschmaͤht/ was andre nach sich zeucht. Was Ambra schwaͤcht/ wird offt durch Asa frisch gemacht/ Wird Wild und Koͤnigskron’ um den Geruch veracht? Am besten reucht die Frau/ die nach nichts fremden reucht. Veniet qui te ex contubernio fœdi olidique corporis educat dies. Sen. Ep. 102 . Lucri bonus odor ex re qualibet. Symbol. Vespasiani . In omnem vitam ungvento abstinemus, quia optimus odor in corpore est nullus. Sen. Ep. 108 . Ferre novæ nares taurorum terga recusant Assiduo domitas tempore fallit odor. OSid . 38. Die Schertz-Sonnette. 38. Die Schoͤne Einhaͤndige. Z war kan ich nicht von dir/ mein Kind/ wie jener sagen: Durch schoͤner Haͤnde Band macht mich die Lieb ihr eigen. Doch werd ich mich auch nicht/ wie er betruͤbt/ beklagen: Darum mein bestes Los ist liebend sterb- und schweigen. Du kanst mit einer Hand gnug Holtz zum Feuer tragen/ Darffst unsre Flamme nicht mit beyden Haͤnden zeigen. Wer will/ weil sie so gern uns mit Umfassen plagen/ Dem Vielfuß in der See/ den Affen Gunst zuneigen. Waͤr Hercules wie du mit einer Hand versehn/ Und Bacchus Weiber auch/ koͤnt Anteus noch leben/ Am Orfeus waͤre nicht der schnoͤde Mord geschehn. Wofern der Schoͤnheit Preiß soll an den Haͤnden seyn/ So streicht ihn Briareus mit tausend Fingern ein: Den Ausspruch/ ob diß wahr/ moͤgt ihr/ Verliebte/ geben. Quid ridetis, quod non habeo manus? Nunquam putavi futurum salva pudicitia, ut mulier fortis sen- iret, se manus perdidisse. In mentem vobis venit misereri huic, quæ manus non habet, uam illorum, qui frustra habent sacrilegi \& homicidæ? hæc urti non potest esse suspecta. Polypo nullum animal ad conficiendum hominem in aqua ocentius, luctatur enim complexu. Plin . Si apud antiquos nefas putabatur, brachium extra togam exe- ere, ab his moribus, qui manus non habet, non aberrabit. Sapiens aliquando sui parte contentus est, si illi manum aut orbus aut hostis inciderit. Mucius confecit bellum inermis \& mancus, \& manu trunca eges duos vicit. Ep. 66 . Lex integrum ad animum refert, non ad corpus. Controv. L. . C. 2 . P 3 39. Die ADIMARI 39. Die Schoͤne Groß-Nase. I n einer See voll Milch und Blutt der frischen Wangen Ist deiner Nase Thurm zum Pharus ausgestellt. Damit der Hoffnung Schiff am Felsen nicht zerschellt/ Glaͤnzt ein gedoppelt Licht von oben ausgehangen. Recht/ was dem Himmel schmeckt/ muß in die Hoͤhe prangen. Cupido/ der dein Aug als seinen Bogen haͤlt/ Hat ihm so starcken Pfeil mit Fleisse zugesellt/ Daß er uns desto mehr ins Hertze koͤnne langen. O Nase/ werth dem Stirn-Gebuͤrge beyzuwohnen/ Du kanst in dem Gesicht/ das aller Huͤgel rein/ Der Klugheit Wetzstein und der Schoͤnheit Bruͤcke seyn. Wem deine stoltze Zier in Augen ist ein Dorn/ Der schmaͤh den Adler auch/ das grosse Nasenhorn/ Den Naso/ den Nasic/ und alle Nasamonen. Nihil homini natura, quod necessarium sciebat, fecit ope- rosum. Magnitudo non habet certum modum. Tu fuge paucitatem. Quædam supervacua sunt, quædam tanti non sunt. Gubernaculum quod navi alteri magnum, alteri exiguum est. Emunctæ naris viros dici eos usitatum est, qui acri sunt judicio conspicui. Pier . Hunc ego me - - - non magis esse velim quam naso vivere pravo. Horæt . Nasus ipse in proverbium abiit pro judicio: Nasuti sunt sagæ- ciores . Unde Horatius: Minus aptus acutis naribus horum hominum. 40. Die Schertz-Sonnette. 40. Die Schoͤne Pockengruͤbigte. S ind Amors Auffenthalt zwey angenehme Gruͤbgen/ Die in das schoͤne Wang’ ein suͤsses Laͤcheln druͤckt/ So sag ich/ wenn man der bey dir so viel erblickt/ Dein Antlitz hegt und birgt wohl tausend Venus-Buͤbgen. Du prangst/ o Himmels-Kind/ mit diesen Stich und Hibgen/ Als wie der Himmel mit viel Sternen ausgeschmuͤckt/ Den Hertzen/ die dein Brand gepuͤlvert und zerstuͤckt Durchbohrt Cupido hier ein Rosenblatt zum Siebgen. Die Loͤcher gehn nicht durch/ ich trage keine Sorgen Was unter dieser Schrifft der Wangen liegt verborgen. Haͤlt nur das Hertz den Stich/ wer fraget nach der Haut. Durchfaͤhrt man nicht den Ros/ wenn man will Honig haben? Jemehr das Erdreich wird bepfluͤgt und umgegraben/ Jemehr man Edelstein’ und schoͤne Fruͤchte schaut. Acquiescamus his quæ jam hausimus, \& vultus perforatus ap- areat, dummodo non perforatus sit animus. Fertilibus agris non est imperandum, cito enim exhauriet il- s nunquam intermissa fœcunditas. Non vides quanta subtilitas sit apibus ad fingenda domi- lia? Potest ingenium fortissimum \& beatissimum sub qualibet cute tere. P 4 41. Die ADIMARI 41. Die Schoͤne Unfruchtbare. K an man dich billig hart und eigennuͤtzig nennen/ Weil deines gleichen nicht von dir zu lieben seyn? Die keusche Zynthia zeigt einsam ihren Schein/ Den Febus sehen wir allein am Himmel brennen. Wer seine Sinnen will vom Wahn des Poͤfels trennen/ Wird spuͤren/ daß/ was schoͤn/ unfruchtbar/ ungemein. Was zeuget aus sich selbst ein harter Edelstein? Und dennoch pflegt man ihn fuͤr kostbar zu erkennen. Vermehrte wohl dein Lob der Kinder ihr Geschrey? Was darff dein Ebenbild um deine Bruͤste schertzen? Es lebet allbereit gepraͤgt in tausend Hertzen. Da/ wo des Himmels Gunst die beste Specerey Mit reichem Wucher zeugt/ ist in den Balsam-Gruͤnden Der Phoͤnix auch allein bey hoͤchster Pracht zu finden. Segetem nimia sternit ubertas. Ad maturitatem non pervenit nimia fœcunditas. Sterilitas obsequiosas facit mulieres atque humiles. Petrar . Quæ plurimos parit, jam non uxorem, sed dominam se esse eredit. 42. Die Schertz-Sonnette. 42. Die Schoͤne Schwangere. V or fuͤhrtestu ein Hertz allein in deinem Leibe/ Und bluͤhtest Rosen-gleich in Anmutts-voller Zier; Izt traͤgstu deren zwey/ und macht Verdruß bey dir/ Daß deine Roͤthe nicht in altem Stande bleibe. Nicht klage/ daß die Frucht der Bluͤtte Glantz vertreibe: Geht nicht der volle Mond dem halben Lichte fuͤr/ Und waͤr er noch so blaß? zeigt sich ein Mangel hier/ So dencke/ daß man ihn der Schuld der Zeit zuschreibe. Dir steht wohl an und frey/ was andern ist verwehrt. Das schwangre Schiff im See traͤgt Last/ doch unbeschwert/ Dieweil es an dem Port sich zu entladen sucht. Ulysses keusche Frau beschloß ihr langes Weben/ Daß sie nach gleicher Kost der bitter-suͤssen Frucht/ Was Haͤnd und Fuͤsse hat/ der Nachwelt konte geben. Non te fœcunditatis tuæ, quasi exprobret ætatem, pudeat. Tumescentem uterum ne absconde, quasi indecens onus, ne- que intra viscera tua conceptas spes liberorum elide. Vitem fertilitas commendat. Non tempestate vexaris, sed nausea. Nam Gubernator interdum in tempestate nauseabundus est. Fuisset iniquissima rerum natura, si te sterilem fecisser. P 5 43. Die ADIMARI 43. Die Schoͤne Magere. D urchlauchtigs Himmel-Bild/ gleich Jafpis und Crystallen/ Dir dringt mein kuͤhner Blick biß zu dem Hertzen ein/ Zehlt ieden Tropffen Blutt fuͤr Stern und Edelstein; Dir ist/ was irdisch ist/ des Fleisches Last entfallen. Nimm Stimm und Federn an/ du gleichst den Nachtigallen/ Es kan dem Bartolin dein trucknes Helffenbein Der zaͤrtsten Schoͤnheit unentaͤdert Muster seyn: Man sieht den reinen Geist auff leichten Fuͤssen wallen. Du gleichst bey Leben noch der schnellen Goͤtter Schaar: Ohn Zweiffel war/ wie du/ der Blumen-Nimphen Paar/ Sonst haͤtte sie der Wind nicht koͤnnen so entfuͤhren. Syringe gleichte dir/ umsonst vom Pan geliebt/ Wie ihr verwandelt Rohr noch dessen Zeugnis giebt/ Das er/ wie duͤrr’ es ist/ sich freuet zu beruͤhren. Non est summa felicitatis nostræ in carne ponenda: Bona il- la vera sunt, quæ cadere non possunt nec decrescere quidem aut minui. Vires non faciunt beatum. Hoc multo fortius est, siccum ac sobrium esse. Siccioribus \& frigidis non est ab ira periculum. Animus pulcherrimus cum decore, cum viribus sanus ac siceus. Natura humanus animus agilis est. Rami nimis gravati onere franguntur. Res leves \& perferendæ sunt bonæ. Nulla est sine difficultate subtilitas. Sine ulla exercitatione jacentibus tumor pigrum corpus inva- dit, \& super membra iners sagina succrescit. 44. Die Schertz-Sonnette. 44. Die Schoͤne Fette. I ch muͤst im Golde selbst mit Armutt seyn umfangen/ Im Hunger leiden Durst/ wenn ich mein schoͤnes Kind/ Bey der die kuͤhne Hand ihr voll Vergnuͤgen findt/ Nicht schaͤzte Lobens-werth die auffgepaußten Wangen. Wolt ihr mit Mumien/ Geripp und Geistern prangen/ Die ihr/ was mager/ liebt/ so fuͤrchtet Glutt und Wind. Verbrennt ein duͤrres Scheit nicht/ wenn es kaum entzuͤndt/ Ein gruͤner Stock voll Safft laͤst lange Waͤrmd’ empfangen. Im Uberfluß besteht der Schatz der Amalthé , Der volle Monden leucht am schoͤnsten in der Hoͤh: Man solte wohl dein Lob biß an die Sonne treiben/ Mein Apffel-runder Schatz; doch sag ich diß allein Dir noch zum Lobe nach/ soltstu gleich nackend seyn/ So wird dir doch noch viel zu zeigen uͤbrig bleiben. Omnes tui mirantur, quæ tam crassam cervicem habes. Ego vero non, quia semper debet plus esse virium in latore quam in onere. Venter præcepta non audit, poscit, appellat. Luna deficit, nunc obumbratur, donec totum impleat Or- bem, \& nitidæ surgunt fruges ramique virescunt. Cogita sæpe cœlestia ingenia ex hoc fasce corporeæ molis erumpere \& ad miram altitudinem pervenire. De Baccho pingui cecinit Euripides: Cœloque parvum Jupiter infantem tulit. 45. Die ADIMARI 45. Die Schoͤne Fleckigte oder Schuppigte. A ls dem Neptolemus die Ceres reichte dar Des Kornes edle Frucht/ die uns kan Staͤrcke bringen/ Versuchte/ wie es sey in leichten Staub zu zwingen/ Daß draus gebacknes Brodt erquickt der Menschen Schaar/ So sah sie Kleyh’ und Mehl/ und ward alsbald gewahr/ Wie von derselben Ruhm die Nachwelt wuͤrd’ erklingen/ Darum bezierte sie ihr Kind mit solchen Dingen. Dianens Angesicht ist nicht durchgehends klar. Mein schoͤnes Schuppen-Kind/ daher sind auch entsprossen Die Zeichen/ die dir hin und wieder auffgeschossen/ Die Sternen/ derer Glantz dein Antlitz hat bebluͤmt. Du bist drum nicht so sehr verachtet als beruͤhmt: Die kluge Kleyhen-Schaar hoͤrt alle Welt erheben/ Du wuͤrdest unter ihr das schoͤnste Bild abgeben. Triticum, quamvis sit exiguum, cum occupavit idoneum lo- cum, vires suas explicat, \& ex minimo in maximos actus diffun- ditur. Extrinsecus aliqua sunt incommoda, velut eruptiones pustu- larum \& ulcuscula, nullum in alto malum est. Atriplex lentigines gignit. Plin . Sunt vero lentigines maculæ similes lentibus vel furfuri aut erustæ frumenti à farina segregatæ. Et decentior est facies, in qua aliquis nævus est. Luna nonnunquam maculosa cernitur. 46. Die Schertz-Sonnette. 46. Die schoͤnen grauen Haare. D u klagest dich/ warum? weil dir so fruͤh/ Melinde/ Durch deiner Haare Gold manch Silber-Faden sticht: Weil sich der kalte Schnee um deine Scheitel flicht/ Da noch des Sommers Brand erhitzet deine Gruͤnde: Ich nicht: indem ich noch die alte Glutt empfinde/ Ob schon der kuͤhle Reiff aus deinen Schlaͤffen bricht/ Mein heißes Athem-ziehn und Seufftzen kuͤhlt sich nicht/ Weist dein Gebirge gleich das Zeichen kalter Winde. Weiß Haar zeigt weißen Sinn/ und kroͤnt ein kluges Haubt. Damit der Augen Sonn’ ein Himmel sey erlaubt/ Sieht man ein graues Haar gleich Wolcken ob ihr prangen. Drum sag ich offtermahls: Ihr angenehmen Wangen/ (Verwundert uͤbers Haar/ das keinem Schnee giebt nach/) Hier deckt den Rosen-Stock ein weisses Liljen-Dach. Nascuntur in juvenibus \& viris cani, sæpe etiam præter ætatis congruum tempus. Urit in Ætna flamma. Tectum nitidius argento \& coloribus sparsum num mediocre munus vocabis? Non est quod quenquam propter canos aut rugas putes diu vixisse. Senectutem quidam inviti audiunt, \& canos, \& alia, ad quæ voto pervenitur. 47. Die ADIMARI 47. Die Schoͤne Blasse. M ein gantz entfaͤrbter Schatz/ mein mattes Liljen-Kind/ Das mit Zinober vor und Purpur hat geprahlet/ Izt auff der Wangen Au/ die man erstorben findt/ Die bange Todten-Farb’ in blasse Blaͤtter mahlet/ Vor hat mich deine Roͤth’ in heißer Glutt entzuͤndt/ Da Schmertz und Beyleid izt aus deiner Bleiche strahlet; Gleich wie mich Sonn und Gold vorhin mit dir verbindt/ So haͤlt mich izt dein Bley noch fester angepfahlet. Sieht man die Funcken nicht aus deinem Antlitz schimmern/ So treff ich doch bey dir die alten Kohlen an/ Die mit verborgner Glutt in bleicher Asche glimmern. Du bist es/ die der Welt ein Vorbild zeigen kan/ Wie man doch auch den Tag bey truͤber Zeit erkennet/ Bey blassem Schatten auch die Sonne schwaͤrzt und brennet. Homines gravi valetudine expliciti omnem colorem corporis sui calumniantur. Quæ ad placendum fuco quodam subornantur expectant an- nos, donec paulatim colorem diuturnitas ducat. Sæpe felicitatis causa \& initium fuit, quod calamitas vocaba- tur, etiamsi oculorum aciem contundat \& colorem mutet. Quæ malam faciem habent, sæpius pudicæ sunt. Si quis pallorem \& lacrumas procidentes indicium affectus animique signum putat, fallitur. Et fortissimus plerumque vir, dum armatur, expalluit. Rubor Jovis nullus est, in lucem puram nitore perducto. 48. Die Schertz-Sonnette. 48. Die Schoͤne Lange-Geliebte. M ein erster Hertzensbrand/ ob zwar der Jahre Schatten Den vormahls hellen Glantz der Wangen Feld bedeckt/ Ist doch das alte Blutt bey mir gantz unersteckt/ Ich dencke noch mit Lust der alten Liebes-Thaten. Ist meinem truͤben Geist ein kuͤhner Flug gerathen/ Hat er zu Pindus Haubt die Federn ausgestreckt/ So hat dein muntres Licht mein schlaͤffrig Hertz erweckt/ Und meiner Kaͤlte kam dein Feuer wohl zu statten. Bey Fall und Grauß behaͤlt der Marmor seinen Preiß: Was erst ins Hertze kam/ wird nie daraus versehwinden: Das Blutt gefrieret nicht/ wenn gleich das Haar bereifft. Die Wunde bleibt/ ist gleich der Bogen nicht gesteifft. Verhaͤngnis/ das uns bindt/ kan keine Trennung finden; Und Ætnæ heiße Schos brennt unter Schnee und Eiß. Et futura \& præterita delectant, hæc expectatione, illa me- moria. Nostrum est, quod præteriit tempus, nec quicquam est loco utiore, quam quod fuit. Habet amicitiæ veteris usus magnam voluptatem. Est jucundum redire in antiqua studia, melioresque ad annos espicere. Jucundissima est ætas devexa jam, nec tamen præceps. Complectamur senectutem \& amemus. Plena est voluptatis illa scias uti. Gratissima sunt poma, cum fugiunt. Deditos vino potatio extrema delectat. Ætnæ læta regio in ipso ore montis nives habet, quas nec æstas uidem s o lvi t , adeo tutæ sunt ab igne vicino. 49. Die ADIMARI 49. Die Schoͤne Haͤßliche. W o nehm’ ich Farben her/ dich zierlich auszuschmuͤcken? Wo find’ ich Worte/ die genugsam kraͤfftig seyn/ Der schwachen Geister Schaar von dir zu bilden ein Die Schoͤnheit/ die sie nicht mit bloͤdem Aug’ erblicken? Sie stellen Maͤngel aus an Nase/ Schos und Ruͤcken: Der ist nicht lang genung/ die schwartz und jene klein/ Und was die Spoͤtter mehr zu deinem Schimpff ausschreyn; Und dennoch muͤssen sich fuͤr dir viel Hertzen buͤcken. Ein’ unbekannte Krafft/ diß Blicken/ dieser Geist/ Ein uns verborgner Zug/ den ich nicht nennen kan Und dennoch fuͤhl’/ ists/ der die Hertzen zu dir reist. Der finstere Magnet zieht blanckes Eisen an/ Aus schwartzen Mumien/ aus Gifft-gefuͤrchten Sachen Kan Klugheit und Verstand ein heilsam Labsal machen. Inique se natura gessit \& talem animum male collocavit. Hæc mihi videtur in exemplar edita, ut scire possemus, non de- formitate corporis fœdari animum, sed pulchritudine animi cor- pus ornari. Ex deformi humilique corpusculo formosus animus ac ma- gnus interdum erumpit. Errare mihi visus est qui dixit: Gratior est pulchro veniens è corpore virtus; nullo enim honestamento eget, ipsa \& magnum sui decus est, \& corpus suum consecrat. Philosophia non fuit oculis contenta, majus esse quiddam su- spicata est \& pulchrius, quod extra conspectum natura po- suisset. Quæ malam faciem habent sæpius pudicæ sunt. Non fulgetis extrinsecus: bona vestra introrsus obversa sunt. Ista puella redemit vitia virtutibus, \& plus habet quod laudes, quam quod ignoscas. 50. Die Schertz-Sonnette. 50. Die Schoͤne Alte. W as deiner Jahre Lentz nicht hat vermocht zu fangen/ Steckt deines Herbstes Blitz mit heißen Flammen an. Der Alten Schoͤnheit Glantz/ die nicht ersterben kan/ Hat durch die Zeit mehr Macht und neuen Trieb empfangen. Man erndtet reiffe Treu’ in Furchen deiner Wangen/ Der Jugend Wanckelmutt steht hier auff fester Bahn: Ob Brust/ ob Haare weiß/ beruht in blossem Wahn. Die Liljen sieht man auch mit weißer Krone prangen. Brennt wohl ein gruͤnes Holtz? die Eiche/ wenn sie alt/ Ist fuͤr die Sonn ein Schild/ ein Schirm fuͤr rauhe Winde. Und ihre Zweige seyn der Voͤgel Auffenthalt. Du/ die ich gantz hierinn Cybelen aͤhnlich finde/ Haͤltst in verborgner Flamm ein ewig Feur bereit: Cupid’/ ein Kind zu erst/ ist Riese mit der Zeit. Tunc sanæ mentis oculus acute cernere incipit, cum corporis culus incipit hebescere. Longa conversatio amorem inducit. Unicum tibi ornamentum pulcherrima \& nulli obnoxia ætati orma. Ne forma quidem \& vires beatam te facere possunt: nihil ho- um non patitur vetustatem. Habes aliud argumentum, quo te probes diu vixisse, præter tatem. Omnium virtutum tenera sunt principia, tempore ipsis dura- entum \& robur accedit. Nemo tam senex est, ut improbe unum diem speret. Q 51. Die ADIMARI 51. Die Schoͤne im Fieber. D ie Hitze lob’ ich zwar/ die deine Brust entzuͤndet/ Und die natuͤrliche Bewegung dir verruͤckt/ Doch glaube/ daß sich nicht darauff mein Wuͤnschen gruͤndet/ Daß du mit solcher Qual solt lange seyn bestrickt. Wenn man dich aber in der Hitze schoͤner findet/ Und wenn dein mattes Aug’ uns lindre Stralen schickt/ So dencke/ daß man thut/ worzu Natur verbindet/ Sich selber goͤnnt und hofft mehr so zu seyn begluͤckt. Beklaget sich dein Mund/ gehn Seufftzer von dem Hertzen/ Thut dir verborgner Brand in allen Adern weh/ So hoff’ ich Beyleid auch von dir bey gleichen Schmertzen. Kan ich in Hitz und Frost dich ungescheut verehren/ So mag die gantze Welt mir zum Vergnuͤgen hoͤren: Ich lieb und hoffe stets/ es gehe wie es geh. Hic ardor, quamvis gravis, optabilis est: disce his angustiis il- las evadere, quibus nec Physicus, nec herba medicabitur. Pe- trarcha . Corpus valetudo tenet, non animum. Sen . Quis febricitantis \& frigida prohibiti maledicta in malam partem accipit? Equidem scio, quod malorum ultimum est, amare malum, sed me ipsum diligo. Cui enim non ex alieno incommodo lucrum? Exhibetur etiam in lectulo virtus: aut tu febrim relinques, aut ipsa te. Est virtuti etiam in lectulo locus. Et nemo diu ardet. Consortium rerum omnium inter nos facit amicitia. Magnus est Amor, qui ex misericordia venit. 52. Die Schertz-Sonnette. 52. Die Schoͤne Todte. D u hast numehr/ mein Kind/ den lezten Hafen funden/ Wo Lieb und Hoffen dich nicht ferner haͤlt gebunden: Und bist mir doch so schoͤn in deinem Trauer-Kleide/ Daß ich den Schatten noch des Todes selbst beneide. Ich werde nun gewahr/ indem ich von dir scheide/ Daß man sich auch mit Lust an duͤrren Blumen weyde/ Daß Fruͤchte besser seyn gepfluͤckt/ als da sie stunden/ Daß suͤsser sey die Lust/ ie eher sie verschwunden. Vor blizt’ ein jeder Blick/ es brennt’ ein iedes Haar/ Dein Wort bezauberte/ dein Weigern brach die Sinnen/ Dein gantzes Leben war uns Unruh und Gefahr: Izt wird man keines Streits und keiner Furcht mehr innen. Die Schoͤnheit/ die du hast im Tode/ zu erwerben/ Wuͤrd’ auch der selbste Tod/ im Fall er koͤnte/ sterben. Quicquid ad summum pervenit, ad exitum properat. Cui nasci contigit, mori restat. Sen . Ad extrema pervenisti, jam nec mortem metues, nec optabis, nec corporis animique defectibus subjacebis. Petr . Mors omnium dolorum solutio est \& finis. Sen . Ad immortalitatem moriendo venitur. Solem occidentem contemplari licet. Et non habet spectatorem nisi cum deficit. Minus molestiarum habet funus. Et quando, inquies, tibi proderit istud, quod exitu discis, au in quam rem? In hanc, ut ego quoque exeam melior. Quemadmodum clepsydram non extremum stillicidium ex- aurit, sed quicquid ante defluxit: sic ultima hora, qua desini- mus, non sola mortem facit, sed illam consummat. Quamvis magna videatur varietate singulorum vita distingvi, mma in unum venit: accepimus peritura perituri . Q 2 53. Die ADIMARI Schertz-Sonnette. 53. Die Schoͤne im Grabe. D as Feuer waͤrmt mich noch/ du Ausbund schoͤner Leichen/ So unter deiner Asch itzund begraben liegt: Das Bildniß deines Geists/ wohin dein Staub verfliegt/ Kan weder Zeit noch Ort aus meinem Hertzen streichen. Die Flamme vorger Zeit muß bey der Glutt erbleichen/ Die mir/ nachdem du kalt/ die heiße Brust bekriegt. Mein Hertze/ das so wohl mit deinem war vergnuͤgt/ Wuͤnscht desto mehr/ was ihm so zeitlich muß entweichen. O wunder-grosse Macht der unbesiegten Liebe/ Die noch den todten Leib beseelt mit Anmutts-Triebe/ Aus starrer Glieder Eyß die alte Brunst erzwingt. Sie wird doch nicht ersaͤufft von meinem strengen Weinen/ Weil meine Flammen zwar durch diesen Marmor scheinen/ Doch keine Thraͤnen-Bach den harten Stein durchdringt. Memoria est ex omnibus partibus animæ maxime delicata. Jucundissima amissorum recordatio. Movet lugentem desiderium ejus, quem dilexit. Omnia humana brevia \& caduca sunt. Per lacrymas argumenta desiderii quærimus. Præsentia bona nondum tota in solido sunt, futura pendent \& incerta sunt: quod præteriit, inter tuta sepositum est. ANE- ANEMONS und ADONIS Blumen. V Iel von verliebtem Wesen schreiben stehet weder auff ernstere Dinge sinnenden Gemuͤttern/ noch reifferen Jahren an; Der Ticht-Kunst aber gar keine Feder aus den Fluͤgeln des schon zum deut- schen Buͤrger-Recht zugelassenen und bekandten Cupido vergoͤnnen/ ist so viel als ihr ein Theil ihrer Schwing- Federn ausrupffen oder verschneiden. Zucker und Saltz ha- ben wohl gleiche Farbe/ doch gantz unterschiedenen Geschmack: Beyde wollen mit gewisser maße gebraucht/ und nicht Eines fuͤr das Andere vergriffen werden. Die mit allzuvielem Ve- nus-Saltz marini rten Speisen einiger Welschen stehen der deutschen Mund-Art/ welche die Reinligkeit liebet/ und der Schamhafftigkeit unsers Frauenzimmers/ welches bey zuge- lassener mehreren Freyheit weniger auff Geheimnisse und Rathsel der Liebe nachzusinnen/ und mit Gedancken zu wuchern Anlaß nimmt/ gar wenig an/ unerachtet es Opiz und andere twas fremden Zucker aus Virginien mit unter zu kosten ange- ehnet haben. Diesen ist mit maße nachgefolget/ und all- h ier ein und anderes Blatt mit dergleichen Zeuge gefuͤllet orden. Wer mit auslaͤndischen Poeten bekant/ wird gar eichte finden/ wo ihre/ oder eigene Gedancken und Worte a usgedruͤcket seyn. Wie denn auch manchmahl nicht fuͤr sich/ s ondern fuͤr einen gutten Freund geschrieben worden; zum w enigsten wird sich zeigen/ daß man sich in eitlen und schlipff- rigen Sachen nicht sinnreich zu erscheinen gezwungen/ noch mit vielem Nachdencken den Kopff zerbro- chen habe. Q 4 Die ANEMONS und Die fremde Regung. I m Mittel aller Lust/ die Gluͤck und Zeit mir geben/ Kan ich ohn Silvien nicht froͤlich leben; Und wenn ich bey ihr bin/ so spielet um mein Hertz Ein angenehmer Schmertz. Mein Sinn fuͤhlt sich gereizt von unbekandtem Triebe/ Ich such/ und treffe sie doch ohne Furcht nicht an. Wofern ein Mensch iemahls unwissend lieben kan/ So glaub ich/ daß ich liebe. Der unbekandte Liebhaber. S chau die Kuͤnheit fremder Hand/ Welche/ sonder dich zu kennen/ Macht durch diese Schrifft bekant Ihrer treuen Seele Brennen/ Welche dich nicht kennen will Und nur kennet allzuviel. Fordre meinen Nahmen nicht Biß ihn wird die Zeit entdecken/ Und der treuen Dienste Pflicht Gleiche Flamm in dir erwecken/ Biß man mich auch ungenennt Gleich wie deine Tugend kennt. Mehr ich deiner Sclaven Zahl/ Du bist drum nicht mehr geplaget; Wenn ein andrer seine Qual Dir mit langen Worten klaget/ Sollen stumme Dienst allein Meiner Liebe Zeugen seyn. Mein allein/ oder laß es gar seyn? B eliebe mich fuͤr andern zu erwehlen/ Mein Hertze giebt sich gantz zu eigen dir. Doch ADONIS Blumen. Doch wo du dir ein Fremdes wirst vermaͤhlen/ Nehm ich das Mein hinwieder auch zu mir. Wie sehr mich ie Geluͤck und Himmel hasset/ Bleibt doch mein Hertz und meine Treue rein; Wann aber dich ein fremdes Joch umfasset/ Soll mir dein Strick der Weg zur Freyheit seyn. Die stumme Sprache. W enn ich nicht reden darff/ nimm meine Seufftzer hin; Sie werden dir in ihrer Sprache sagen: Wenn Gluͤck und Himmel haͤtten meinen Sinn/ Ich wolte dir mehr Opffer tragen. Ach! D u fragst/ was sagen will diß Ach! Das ich bey deiner Ankunfft sprach? Es sprach: Ach! seht die holden Wangen/ Seht die beliebte Fillis an; Da kommt auff Rosen-voller Bahn Mein Tod/ mein suͤsser Tod/ gegangen. Wo gieng dieser hin? D u hoͤrest/ wie von mir manch stiller Seufftzer geht: Ach Fillis/ frage nicht/ wohin die Reise steht. Der Weg ist kurtz: dir steht zu rathen frey/ Ob er vielleicht an dich gerichtet sey. Er laͤst sie rathen. W eiß Fillis nicht den Ursprung meiner Plagen? Die Gegend hier wird mein Veraͤther seyn: Diß Holtz/ die Bach/ die Aue wird dir sagen/ Q 5 Wie ANEMONS und Wie ich bey Tag und Nacht pfleg auszuschreyn Die Menge meiner Pein. Den stummen Ort nehm ich zu meinem Zeugen/ Daß Liebe mir entzuͤndet Brust und Geist. Er weiß/ was ich sonst pflege zu verschweigen/ Den Feind/ der mich zu quaͤlen sich befleisst: Rath/ ob er Fillis heist! Mein Leben ist/ wenn ich bey ihr kan leben/ Mein Tod/ wenn ich muß ihre Gegend fliehn. Wilt du auff mein Verhalten Achtung geben/ So kanst du leicht daraus ein Urtheil ziehn/ Daß ich dein eigen bin. Liebe fuͤr Liebe. W ozu will Silvia/ die Werthe/ mich verbinden? Daß ich sie lieben soll? Ich geh es willig ein: Sie soll mich ihren Diener finden. Doch/ wo ihr Hertze will ohn Gegen-Liebe seyn/ Wozu will Silvia/ die Werthe/ mich verbinden? An seine Augen. I hr Augen/ hoͤret auff Silvinden zu beschauen! Mein Hertze/ welches sie kennt besser weder ihr/ Sagt mir/ daß eure Lust wird sein mein Ungeluͤcke. Es zwinget die Begier/ Halt eure Stralen auch zuruͤcke/ Und hoͤret auff Silvinden zu beschauen? I hr Augen/ eure Blicke Gerathen in Verdacht: Nehmt euch fuͤr Ungeluͤcke/ Das eure Kuͤnheit macht/ Hinfort genau in Acht. Man ADONIS Blumen. Man saget/ daß ihr spielet Nach der Verliebten Art/ Wiewohl ichs nie gefuͤhlet/ Und eurer Stralen Fahrt Auff Rosen-Wangen paart. Entdeckt nicht Unbekandten Was ihr itzund allein Solt meiner Amaranthen/ Durch dunckler Farben Schein Ins Hertze schreiben ein. Lasst sie von ferne wissen/ Was dieser treue Mund/ Im Fall sie zu bekuͤssen Ihm moͤchte seyn vergunt/ Ihr wuͤrde machen kund. Bringt mir Bericht zuruͤcke/ Was zu erwarten sey/ Und ob auch ihre Blicke Sich/ sonder Heucheley/ Dem Hertzen nahen bey. Ich will mit Willen tragen Die auffgelegte Schuld/ Nicht uͤber Unrecht klagen/ Wo Amaranthens Huld Ist meiner Blicke Sold. An ihre Augen. I hr Augen/ die ich lieb und ehr/ Ihr meine Lust und suͤsse Pein/ Was netzet ihr die truͤben Wangen/ Was sagt mir euer blasser Schein? Habt ihr mein Hertze nicht empfangen? Was fodert/ was verlangt ihr mehr? Ihr Augen/ die ich lieb und ehr/ Ihr sehet meine Schmertzen an/ Und kennt die Menge meiner Plagen: Wo- ANEMONS und Wofern ich euch vergnuͤgen kan/ Will ich mit Lust den Tod ertragen. Was fodert/ was verlangt ihr mehr? B etruͤger/ die ich ehr/ Untreue/ die ich liebe/ Was stralet ihr so sehr Ihr schlauen Hertzens-Diebe! Wer siehet wie ihr spielt/ und bildet ihm nicht ein/ Ihr werdet voll Erbarmen seyn? Die falsche Freundligkeit Und eur verliebtes Blicken/ Zeigt Sonn und schoͤne Zeit/ Pflegt Blitz und Nacht zu schicken. Wer siehet wie ihr spielt/ und kan ihm bilden ein/ Daß ihr so grausam sollet seyn? Macht Augen/ daß euch nicht Die Welt Cometen nennet! Seyd das gepaarte Licht Dem Tifis Opffer brennet/ Fuͤhrt uns durch euren Glantz in sichern Hafen ein: Man wird euch ewig danckbar seyn. Die bitter-suͤsse Dulcinde. K ind/ deine Freundligkeit Kan Freud und Lust erwecken/ Wo Trauren/ Sorg und Leyd Im innern Hertzen stecken: Man sieht auff deinen Wangen Narciß’ und Rose prangen. Doch will ich was darvon Mit suͤssem Zwange brechen/ So pfleget mich zum Lohn Ein scharffer Dorn zu stechen. Ich darff nicht frey bekennen Wie Hertz und Seele brennen. Wilt ADONIS Blumen. Wilt du mit gutem Recht Dulcindens Nahmen fuͤhren/ Laß deinen treuen Knecht Genad und Gunst verspuͤren. Den Honig auff dem Munde Verderbt die Gall im Grunde. Liebe und Gegen-Liebe. W orzu dient so suͤsses Blicken/ Wenn du bist in nichts verliebt? Ists/ daß unser Seufftzer-schicken Cloris dir Vergnuͤgen giebt? Zwar offt heist das Hertze geben Sich begeben seiner Ruh/ Doch wer immer frey will leben/ Bringt sein Leben uͤbel zu. Schoͤnheit mit Verstand vermaͤhlet Trifft offt schlechte Gleichheit an: Manch getreues Hertz erwehlet Was nicht Farbe halten kan: Fremde Qual heist Achtung geben Was fuͤr eine Wahl man thu; Doch/ wer unverliebt will leben Bringt sein Leben uͤbel zu. Liebe/ Cloris/ lieb in Zeiten/ Liebe was dich wieder liebt/ Was dir/ ohne Widerstreiten/ Sein getreues Hertze giebt. Lieb’ und Gegen-Liebe geben Suͤsse Lust und stille Ruh/ Wer von Liebe frey will leben Bringt sein Leben uͤbel zu. Bedoͤrnte Rosen. R osen bluͤhn auff deinen Wangen/ Liljen fuͤhrt die Stirne mit; Aber ANEMONS und Aber den/ der nahe tritt/ Stechen Dornen/ Bienen/ Schlangen. Die Kuß-Scheue. D u stellest dich so wilde Wenn ich dich kuͤssen will: Wilt du dich nennen milde/ So weigre dich nicht viel. Allmosen bald empfangen Ist einstens noch so lieb/ Als was man muß erlangen Durch langen Bittens-Trieb. Verziehestu zu geben/ Was du doch loß wilt seyn? Ich wills mit Wucher heben Und doppelt bringen ein. Du wuͤrdest meiner spotten Ließ ich dich gehn vorbey/ Und sagen/ daß zum Gutten Ich viel zu furchtsam sey. Drum Cloris laß dich kuͤssen; Und soltest du zum Schein Dich widersetzen muͤssen: Es muß gekuͤsset seyn. Der Liebe Gifft und Gegen-Gifft. D er klugen Aerzte Kunst weiß allem Ubel Rath/ Was fast zu finden ist in weiter Erde Schrancken: Wie kommts/ daß sie kein Mittel hat Fuͤr eine Noth/ daran fast alle Welt muß krancken? Ein Hertze/ welches sich von Liebe wund betrifft/ Kan seine Hoffnung nicht auff ihre Kraͤuter gruͤnden: Die Lieb ist Gifft und Gegen-Gifft: Man muß den Scorpion auff seinen Schaden binden. An ADONIS Blumen. An seine Augen. I hr Augen/ deren Licht mit diesem Lichte spielt/ Das eure Stralen dunckel macht/ Gebt wohl auff eure Sachen acht/ Seht/ wie mein Feind bereits auff unser Ungluͤck zielet. Ich kan den Angelstern in mein Gemuͤtte schluͤssen Der in gewuͤnschten Hafen fuͤhrt; Ihr aber/ Augen/ ihr verliert Das Licht/ ohn das ihr irrt in truͤben Finsternissen. Seht/ weil ihr sehen koͤnt/ eh Nacht und Regen kommen/ Schoͤpfft kurtzen Trost vor lange Pein Von diesen suͤssen Augen ein/ Eh euch Gelegenheit durchs Scheiden wird benommen. Der Liebe verkehrtes Recht. W ie grausam sind/ o Liebe/ deine Rechte! Ein leichter Sinn schmeckt tausendfache Lust/ Der Thraͤnen Tranck/ der Seufftzer schwere Kost Naͤhrt und verzehrt die Hertzen treuer Knechte; Wie grausam seyn/ o Liebe/ deine Rechte! K oͤnte man fuͤr Liebe sterben/ waͤr ich laͤngstens kalt und todt/ Solte sie ein Feuer heissen/ waͤr ich laͤngstens Asch und Koth: Doch ist sie kein Tod zu nennen/ woher fuͤhl ich solche Schmer- tzen? Und ist sie kein brennend Feuer/ was kocht so in meinem Her- tzen? N ach aller meiner Pein/ nach aller meiner Noth/ Dadurch ich nur verbittert deine Sinnen/ Hab ANEMONS und Hab ich gelernt die Kunst dich zu gewinnen/ Fillis/ ich geh’ in Tod. Fillis/ thu ich zuviel/ wenn ich mich untersteh/ Daß ich dir recht gethan/ fuͤr aller Welt zu sagen: Ein Augenblick kan mich und dich vertragen: Ich geh in Tod: Ade! Die schwartzen Augen. W ohin soll ich zu erst die Augen wenden/ Die mir zu einer Zeit zwey Sonnen blenden? Wo soll ich erstlich hin/ Dieweil in meinem Sinn Ich gantz entzuͤcket bin/ Die Blicke senden? Steht unter Steinen nicht der Demant oben? Sein Feuer macht die dunckle Folge loben? Der schwartzen Augen Zier Wird billig auch von mir Fuͤr allen andern hier Mit Ruhm erhoben. Laß Phoͤbus hohen Glantz den Himmel mahlen: Mit tausend Sternen mag der Abend prahlen: Der Augen lichte Nacht/ Mit welchen ihre Pracht Amene kundbar macht/ Wirfft hellre Stralen. Die Sonne kan allein den Leib beschwaͤrtzen/ Bey Nachte scheinen nur die Himmels-Kertzen: Durch dieser Augen Schein Senckt sich dem Hertzen ein Die angenehme Pein Verliebter Schmertzen. Kan ADONIS Blumen. Kan nicht ihr Blick von Hertz zu Hertze steigen? Sie sind des edlen Sinns getreue Zeugen: Was nicht der kluge Mund/ Der manchen Geist verwundt/ Mit reden machet kund/ Entdeckt ihr Schweigen. Wer kan sich an so schoͤnen Feinden raͤchen? Ich bleibe stets bemuͤht ihr Lob zu sprechen/ Ob mir gleich ihre Pracht Hat manche Pein gemacht/ Biß mir zu gutter Nacht Die Augen brechen. Die blauen Augen. W ill noch die schwartze Nacht den Tag bestreiten/ Und als ein irrend Licht bey duncklen Zeiten Der uͤbereitlen Welt/ Die/ was ihr wohlgefaͤllt/ Fuͤr einen Abgott haͤlt/ Den Sinn verleiten? Des Monden Silber kan bey Nacht erquicken/ Und durch den Schatten bricht der Sterne Blicken. Ein stoltzer Diamant Der Dunckelheit verwandt uß manche Fuͤrsten-Hand or andern schmuͤcken. Doch/ kan der Mond den Glantz der Sonn erreichen? Will sich der Sternen Licht dem Tage gleichen? nd muß der Demant nicht o des Carfunckels Licht urch Nacht und Schatten bricht/ Mit Scham entweichen? R Ver- ANEMONS und Verliebte/ wollt ihr wohl die Schiffahrt enden/ Und an den sichern Port des Gluͤckes laͤnden. Last blauer Augen Schein Der Liebe Leitstern seyn/ So wird sich eure Pein In Freude wenden. Traut schwartzen Augen nicht und ihrem Blincken/ Wenn sie Sirenen gleich ins Netze wincken. Sieht man in schwartzer Flutt Voll Falsch und Wanckelmutt Nicht offters Schiff und Gutt Zu Grunde sincken? Ein blaues Auge spielt mit sanfften Wellen: Man sah aus blauer See die Venus quellen. Was Wunder/ wenn noch izt Cupido drinnen sizt/ Und goldne Pfeile spizt/ Die Welt zu faͤllen? Welch kaltes Hertze will nicht Flammen fangen/ Wenn mitten in dem Schnee der Rosen-Wangen Mit blauer Liebligkeit/ Daraus ihm selbst ein Kleid Der Himmel zubereit/ Die Augen prangen! Die weiße Fillis. L asst die bunten Tulpen weisen Ihrer hohen Farbe Zier/ Lasst die edle Rose preisen/ Zeig Nareiß und Naͤgeln fuͤr: Liljen/ die bey Fillis stehn/ Sind fuͤr allen Blumen schoͤn. Zephyr ADONIS Blumen Zephyr mit verliebten Kuͤssen Spielt um ihren zarten Mund/ Laͤsst die stoltze Flora wissen/ Macht mit lindem Rauschen kund/ Liljen/ die bey Fillis stehn/ Sind fuͤr allen Blumen schoͤn. Milch und Schnee kan nicht erreichen Ihrer reinen Weisse Pracht/ Die Narcissen sind ingleichen Gegen ihrem Tage Nacht; Liljen/ die bey Fillis stehn/ Sind fuͤr allen Blumen schoͤn. Amor selbst hat/ sie zu pflegen/ Mich zum Gaͤrtner eingesezt. Meine Thraͤnen sind der Regen Der sie nach und nach benezt/ Biß mir Fillis mit der Zeit Sie zu brechen Gunst verleiht. Die schwartz-braune Nigelline. H ylas mag nach seinem Sinn Andre Farben koͤstlich schaͤtzen/ Sich mit weiß und roth ergoͤtzen; Schwartz ist meine Schaͤfferin. Schwartz vergnuͤget meine Seele/ Schwartz soll meine Farbe seyn/ Biß des schwartzen Grabes Hoͤle Schleust den todten Coͤrper ein. Zwar der hellen Augen Licht/ Welche Pallas blau gewiesen/ Wird von Paris hoch gepriesen/ Aber hebt den Apffel nicht: R 2 Der ANEMONS und Der Zytheren suͤsses Blicken/ Die aus ihrer Augen Nacht Kunte Sonnen-Strahlen schicken/ Hat den Preiß darvon gebracht. Goͤldner Locken stoltze Pracht Mag den leichten Nero fangen: Bleibt das kluͤgste Wild nicht hangen/ Wo die Schlinge schwartz gemacht? Braunes Haar kan auch verdienen/ Gleich dem gelben/ Zahl und Lied: Zeuge/ wer an Nigellinen Ein recht wuͤrdig Beyspiel sieht. Ruͤhmt der rothen Schmincke Zier/ Last die weiße Cloris prangen Mit dem Schnee der glatten Wangen; Schwartz allein beliebet mir. Roth muß von der Sonne bleichen/ Weiß nimmt ihre Brandmahl an; Ists nicht schwartz/ der Treue Zeichen/ Das sich nimmer aͤndern kan. Schwaͤrzt der blaue Himmel nicht/ Zu der Thetis lassen tragen/ Sein gebraͤuntes Angesicht. Liebt man nicht den duncklen Schaten Und der schwartzen Naͤchte Rast/ Wenn die heißen Glieder braten Fuͤr des Tages Uberlast? Wird nach schwartzer Kirschen Frucht Nicht der hoͤchste Baum bestiegen/ Andre/ die man siehet liegen/ Kaum mit fauler Hand gesucht? Muß ADONIS Blumen. Muß der Blumen Preiß nicht steigen/ Muß nicht Ros’ und Tulipan/ Wenn sie sich zur Schwaͤrtze neigen/ Hoͤher seyn gesehen an. Hylas mag nach seinem Sinn Andrer Farben Zier erheben: Will sich mir zu eigen geben Meine schwartze Schaͤfferin/ So sag ich von Grund der Seele: Schwartz soll meine Farbe seyn/ Biß des schwartzen Grabes Hoͤle Schleust den todten Coͤrper ein. Die Wett-streitende Doris. D as schoͤne Kleeblat der Goͤttinnen Das um den Apffel fuͤhrte Zanck/ Gedachte/ naͤchst der Schoͤnheit/ Danck Fuͤr meiner Doris zu gewinnen; Doch Venus selber gab ihr nach Eh noch jemand das Urtheil sprach. Aglaja stund mit ihr im Streite An wem der Vorzug solte seyn: Der beyden Schwestern holder Schein Zog erst viel Hertzen auff die Seite/ Doch ward mit Warheit ausgefuͤhrt/ Daß ihr der erste Stand gebuͤhrt. Apollo ließ die Wolcken schwinden/ Braucht alle seine Glutt und Macht/ Wolt ihrer hellen Augen Pracht Durch seine Stralen uͤberwinden: Was aber kunte gegen Zweyn Der Glantz von einer Sonne seyn? R 3 Man ANEMONS und Man hoͤrte sie die Wette singen Mit einer stoltzen Nachtigall. Wem haͤtte dieser suͤsse Schall Nicht durch das Hertze sollen dringen? Doch ihrer reinen Stimme Zier Gieng tausend Nachtigallen fuͤr. An dem gelinden Oder-Strande Da sezten sie und Amor an/ Wer am gewißten schißen kan; Ihr blieb der Sieg/ und ihm die Schande. Was sonst Cupidens Pfeil verlacht/ Das hat ihr Blicken wund gemacht. Wenn sie denn alles kan besiegen/ Und nichts ist/ das ihr widerspricht/ Warum soll meine Freyheit nicht Zu ihren edlen Fuͤssen liegen? Ich bin ihr willig unterthan/ Und bete meine Faͤssel an. Die erst-auffgestandene Rosilis. I ch kam den andern Tag zur Rosilis gegangen/ Als sie zum Morgen noch unangeleget war. Sie stellte die Auror in eignem Bilde dar/ Wenn sie der fruͤhen Welt zeigt ihre Rosen-Wangen. Die Augen/ welche fast der Schlaff noch hielt umfangen/ Verglichen sich der erst entwichnen Sternen-Schaar/ Ihr uͤber Stirne/ Wang und Hals gestreutes Haar Dem Netze/ welches uns die theuren Wuͤrme langen. Der weißen Haͤnde Schnee schien heller denn der Tag/ Der angebohrne Schmuck/ die lieblichen Geberden/ Beschaͤmten was der Fleiß/ die kluge Kunst/ vermag. Giebt Rosilis/ mein Licht/ zum Morgen solchen Schein/ Wie soll mein Hertze nicht zu lauter Flamme werden Wenn sie wird angelegt in vollem Mittag seyn! Der ADONIS Blumen. Der gluͤckselige Blumen-Strauß. A mor selbst brach diese Blumen/ wo Aurora sammlet ein Ihre Naͤglein/ ihre Rosen/ die bey fruͤhem Tages-Schein An dem blauen Himmel glaͤntzen/ Und ihr schoͤnes Haubt bekraͤntzen. Schoͤne Blumen/ Preiß der Gaͤrten/ welche Florens Hand ge- ziert/ Daß sie von so schoͤnen Haͤnden solten werden angeruͤhrt/ Wie begluͤckt seyd ihr fuͤr allen Amaranthen zu gefallen? Zwar eur Glantz wird muͤssen sterben in der Rimphe schoͤnen Hand/ Aber tausend Hertzen wuͤnschten ihnen derogleichen Stand/ Wuͤrden willig Geist und Leben Ihr zum treuen Opffer geben. War nicht diß ein schoͤner Garten/ der euch erst das Leben gab? Werden nicht die schoͤnsten Finger dieser Welt euch Bahr und Grab? Wer will nicht/ wie ihr/ verderben/ Und so schoͤnen Todes sterben! I ch lege dir mein Haubt zu deinen Fuͤssen: Bestraffe mich/ ich will gedultig buͤssen/ Wofern dein Recht fuͤr schuldig kan erkennen Den/ der da liebt/ was Liebens werth zu nennen. Ach! straffet sich nicht selber mein Verbrechen? Vergehn vor Lieb/ und nichts von Liebe sprechen Ist Pein genung/ wo keine Schuld zu kennen/ Als daß man liebt/ was liebens werth zu nennen. N achdem/ Melinde/ dir mein Seufftzen kund gemacht Ein Theil der herben Schmertzen/ R 4 Dar- ANEMONS und Darein mich deine Zier und meine Liebe bracht/ Und du noch thraͤnen siehst der Augen dunckle Kertzen/ So dencke/ daß noch mehr verborgen ist im Hertzen. Die Seufftzer haben dir alleine kund gethan/ Wie Lieb und Furcht mich plagen: Wilt du nicht fuͤr bekandt diß Zeugnis nehmen an/ Die Thraͤnen werden dir in ihrer Sprache sagen/ Daß deine Grausamkeit mich wird zu Grabe tragen. Sie seufftzen Beyde. D u pflegest dich gantz laut/ ich heimlich zu beklagen/ Die Seufftzer sind gemein bey dir und mir/ mein Kind: Ich weiß/ daß meine nur auff dich gerichtet sind/ Von deinen weiß ich nichts zu sagen. Ein Ander mag uns Neyd um unsre Seufftzer tragen: Ich weiß/ daß meine nur auff dich gerichtet sind. Wohin die deinen gehn/ mein allerliebstes Kind/ Da weiß ich nichts/ und will nichts sagen. An ihre Augen. I ch bin kein Adler nicht/ der deiner Sonnen Blincken/ Der deiner Wangen Glantz kan schauen unverwandt. Wann deiner Augen Glutt in meinen widerstralt/ Und ihrer Flammen Schein auff meine Wangen mahlt/ So muͤssen sie beschaͤmt zur Erde niedersincken; Doch aber will ich nicht der scheuen Eule gleichen/ Die vor des Tages Zier erwehlt die braune Nacht; Ich eile nach dem Feur/ das mich zu Asche macht Verdirbt die Muͤcke gleich durch selbst-gesuchten Brand/ Der edle Phoͤnix wird doch eben so zur Leichen. Auff ihren Nahmens-Tag. A uff Demant und Rubin/ auff Rosen und Narcissen/ Soll billig meine Hand ein Lied Zu ADONIS Blumen. Zu setzen heute seyn bemuͤht; Nichts will in solcher Eil aus meiner Feder fluͤssen/ Nichts faͤllet mir fuͤr Freuden bey/ Das Amaranthens wuͤrdig sey. Nimm/ Nimphe/ guͤtig an das Opffer treuer Haͤnde: Wer wenig/ aber willig giebt/ Ist bey den Goͤttern auch beliebt. Auff Jahre sonder Ziel/ auff Gluͤcke sonder Ende Ist zu Bezeugung seiner Pflicht Silvanders treuer Wunsch gericht. A n diesem wilden Ort/ auff dieser rauhen Spitze/ Wo stille Lufft/ wo Sonn und Sommer Gaͤste seyn/ Wo ich fuͤr Frost halb todt bey lauher Asche sitze/ Begeh ich doch mit Lust des werthen Tages Schein. Ein Lied/ ein schlechter Reim soll meine Nimphe binden: Geschencke/ die ihr werth/ sind um kein Geld zu finden. Verzeihe mir/ im Fall nicht gutte Reimen fluͤssen/ Ein grobes Holtz vertritt der zarten Feder Amt/ Der Schnee ist mein Papir/ doch zeuget mein Gewissen/ Daß dieser kurtze Wunsch aus reinem Hertzen stammt. Des Himmels Gunst laß ihn im Winter auch bekleiben/ Und einen gutten Wind zu deiner Wohnung treiben! Es muͤsse so viel Lust dein edles Hertz erfreuen/ Als mein Gemuͤtte Schmertz und Trauren in sich hegt! Es muͤsse so viel Gluͤck und Wohlfart dich beschneyen/ Als dieser hohe Berg gefrorne Tropffen traͤgt. Es kan dir nimmermehr so wohl und gluͤcklich gehen/ Daß mein getreuer Wunsch dabey wird stille stehen. G eh hin/ begluͤckter Ring/ die Finger zu umschluͤssen/ Die edler als dein Gold/ und werther als dein Stein. Koͤnt ich auff eine Zeit an deiner Stelle seyn/ Wie solte dieser Tausch das Leben mir versuͤssen! Du kanst/ ohn alle Scheu/ die zarten Glieder kuͤssen/ Dir stralet Tag und Nacht der hellen Augen Schein. R 5 Was ANEMONS und Was sonst der schaͤle Neyd der Kleider birget ein/ Kanst du/ von ihrer Hand gefuͤhret/ frey begruͤssen. Ich gebe dich an die/ der ich ergeben bin/ Du bleibest stets um sie/ ich muß zuruͤcke bleiben/ Darff/ wo du oͤffters bist/ nicht sicher dencken hin. Wie sucht das Gluͤcke so sein Spiel mit mir zu treiben! Ich bringe dir zu weg und thue mehr fuͤr dich/ Als mir nicht selbsten wird erlaubt zu thun fuͤr mich. W as rauscht und brummet deine Flutt Du helle Bach/ im Mittel dieser Auen. Du kanst das suͤsse Kind Climenen taͤglich schauen. Was hat bey solchem edlen Gutt Sich zu beschweren deine Flutt? Was klaget sich dein zarter Mund/ Du Feder-Schaar/ in dieser gruͤnen Hecken? Besinge deine Brunst/ sie kommt dich zu entdecken. Wo solche Zeugen sind vergunnt/ Was klaget sich dein zarter Mund? Ihr Luͤffte/ was besenfftzet ihr/ Die ihr den Ort im Sommer pflegt zu kuͤhlen? Ihr koͤnt nach eurer Lust um ihre Wangen spielen. Ach/ waͤr ich Wind und Lufft/ als ihr/ Wie wohl gerathen waͤre mir! I ch rede nicht wie vor so frey/ Mein Auge klebt der Erden an/ Und findet sich mit Furcht herbey/ Wo man dich/ Nimphe/ schauen kan; Verbrochne Seufftzer und gestohlne Blicke Sinds/ die ich dir/ mein Kind/ entgegen schicke. Der strengen Auff sicht scharffe Wacht/ Die Neyd und Eyfer um uns stellt/ Nimmt ein iedweders Wort in acht So uns von ungefaͤhr entfaͤllt/ Heist ADONIS Blumen. Heist unsre Unschuld stets in Sorgen stehen/ Und zwischen Dorn und Eiß behutsam gehen. Die schlimme Welt denckt/ Ich und Du Muͤß ihr an Boßheit gleiche seyn/ Dringt sich mit schaͤlem Aug herzu/ Greifft unsern keuschen Freuden ein/ Und wolte gern/ was sie nicht kan genuͤssen/ Auch andern ohne Schuld verboten wissen. Zwar wehe thut der schwere Zwang/ Zu dem man uns verbinden will; Jedoch wird solcher Uberdrang Auch haben sein gestecktes Ziel. Der Tugend reines Kleid kan nichts beflecken; Die Zeit wird unser Recht der Welt entdecken. Der beste Rath ist hier Gedult: Bleib’ mir bestaͤndig/ wie du bist/ Ich lebe dir in stillem hold/ So brechen wir der Feinde List. Wenn Redligkeit sich kan zun Sternen heben/ Muß der Verleumder Maul im Kothe kleben. Die krancke Fillis. A ch Amor/ soll ich dir nicht klagen meine Noth! Ich seh die Fillis hier in meinen Armen liegen; Die matte Seele will dem siechen Leib’ entfliegen; Stirbt sie/ so ist dein Ruhm und meine Freude todt. Ach/ schick ihr kuͤhle Lufft mit deinen Fluͤgeln zu/ Laß deine zarte Sehn ihr kranckes Haubt umschluͤssen/ Gib deinen Koͤcher her zu legen unters Kuͤssen/ Damit ihr Leib erhoͤht kan nehmen seine Ruh. Verwechsle mit Betrug dem Tode seinen Pfeil/ Daß sie dein heilsam Gold empfind in ihrem Hertzen/ Wenn ihr sein rauher Stahl soll bringen Todes-Schmertzen/ So machest du (in ihr und mir) zwey Hertzen heil. Du ANEMONS und D u stiller Wald/ du rauhe Felsen-Klufft/ Du helle Bach/ ihr Quellen in den Haͤynen/ Last eure Schos seyn meiner Sorgen Grufft: Ihr/ denen wissend ist mein Klagen und mein Weinen/ Sagt/ ob mir nicht/ wenn ich muß sperren meinen Mund/ Zu seufftzen ist vergunnt? Ach/ Seufftzer geht/ doch sonder laut zu seyn/ Weist wie ich muß mein treues Hertze zwingen/ Blast ihrem Ohr in meinem Nahmen ein: Darff ich dir/ suͤsse Frucht/ kein redend Opffer bringen/ Der heißre Widerhall schreyt Tag und Nacht fuͤr mich/ Ich liebe nichts/ als dich. D ie Flutten/ die du siehst von meinen Augen rinnen/ Lieb-werthe Rosilis/ sind nicht gemeine Thraͤnen/ Wie deine Goͤttligkeit wohl irgend moͤchte wehnen! Wo wolt ich solche Stroͤm und Baͤche fassen kuͤnnen? Sie werden ausgebrennt vermittelst meiner Sinnen Von Liljen deiner Schos/ von Rosen deiner Wangen/ Und muͤssen den Geruch von deiner Gunst erlangen/ Dem keine Specerey den Preiß wird abgewinnen. Die Liebe giebt die Glutt/ der Ofen steht im Hertzen/ Der dicken Seufftzer Wind blaͤst mir das Feuer auff/ Der Augen Helm vergoͤnnt dem Wasser freyen Lauff/ Und weil so hitzig ist die Flamme meiner Schmertzen/ So muͤssen in die Hoͤh so viel der Duͤnste steigen/ Und durch der Augen Roͤhr ohn Ende sich verseygen. Die lange Nacht. I hr faulen Stunden ihr/ wie waͤhret ihr so lange! Der sonsten fruͤhe Tag haͤlt seinen Einzug auff/ Der Sternen muntre Schaar steht still in vollem Lauff/ Matuta laͤsset nach von ihrem schnellen Gange. O Him- ADONIS Blumen. O Himmel/ der mit sich die Himmels-Lichter ziehet/ O Kreiß/ der sonst den Weg weist andern Kreißen an/ Was hat mein Unschuld doch zuwider dir gethan/ Daß man zur Plage mir dich also langsam siehet. Minuten sind mir Tag/ und Stunden sind mir Jahre/ Der Zeit geschwinde Fuͤß und Fluͤgel sind von Bley. Ich glaube daß die Nacht der Zimber kuͤrtzer sey/ Und ich fuͤr meinem Tod ihr Ende nicht erfahre. Penelope beschwert von vieler Freyer Menge/ Loͤst auff den Abend auff/ was sie den Tag gemacht: Ich schwere/ Phoͤbus geht zuruͤcke bey der Nacht/ Damit er seinen Weg und meine Pein verlaͤnge. M ein Bette/ glaub ich/ ist mit Disteln uͤberstreuet/ Das weichste Kuͤssen wird fuͤr mich ein harter Stein. Mein Leib/ der weder Stroh noch Erde vor gescheuet/ Klagt sich in Federn noch/ will nimmer ruhig seyn/ Wirfft sich die gantze Nacht mit Seufftzen hin und wieder/ Kein Schlaff erquickt/ wie sonst/ die abgematten Glieder. Es ist schon Mitternacht; die Augen stehen offen/ Haubt/ Leib und Hertze weiß von keiner Ruhe nicht. Komm/ Phoͤbus/ komm herfuͤr/ laß mich nicht laͤnger ruffen/ Steck an dem Himmel auff dein angenehmes Licht. Doch aber hoff ich auch umsonst auff dich/ o Sonne/ Wenn ich nicht sehen kan Lisillen meine Wonne. W enn ich beklagte Tag und Nacht Die Menge meiner herben Schmertzen/ Wenn sie mit Blutt von meinem Hertzen Gleich wuͤrden zu Papir gebracht/ So wird doch mehr als Schrifft und Mund Die Flammen/ die mein Hertze brennen/ Dein Auge geben zu erkennen/ Das meine Seele hat verwundt. Was ANEMONS und Was kein Papir zu melden weiß Und meine Zunge muß verschweigen/ Wird dir zur Gnuͤge koͤnnen zeigen Dein Bildnis und des Spiegels Eiß. J edwedes Thier das wohnt auff dieser weiten Erde / Es haß und fliehe denn/ gleich Eulen/ Licht und Sonne / Lebt/ wie man sieht/ allein in Arbeit bey dem Tage : Wenn aber sich das Haubt des Himmels kroͤnt mit Sternen / Geht diß dem Stalle zu/ und jenes nach dem Walde / Ein jedes ruhet aus biß zu der Morgenroͤthe . Ich/ wenn sich sehen laͤst der Glantz der Morgenroͤthe / Die braune Finsternis zu jagen von der Erde / Viel wilder denn ein Thier/ ein wildes Thier im Walde / Begruͤsse Traurens-voll mit Seufftzen Licht und Sonne / Mit einer herben Bach von Thraͤnen Mond und Sternen / In hoͤchster Ungedult nach kaum verwichnem Tage . Wenn izt der Abendstern sagt ab dem hellen Tage / Und unsre Daͤmmerung bringt andern Morgenroͤthe / So schrey ich klaͤglich an die mir befeindten Sternen / Die mich gemacht zum Spiel und Schauspiel aller Erde / Beklage meine Noth bey Himmel/ Lufft und Sonne / Daß ich mehr elend bin denn iedes Thier im Walde . Kein grimmes Tiger-Thier/ kein frecher Lew im Walde Gleicht der/ die mir geraubt die Freude meiner Tage / Und dennoch sieht mich treu und ohne Falsch die Sonne / Stets muͤde/ nimmer satt von Leid die Morgenroͤthe / Zum Zeichen/ daß der Leib zwar ist von schwacher Erde / Doch mein demantner Sinn sich gleicht dem Oel der Sternen . Ach koͤnt ich/ eh der Geist sich setzet bey den Sternen / Eh sich mein Schatten findt im Elyseer- Walde / Geschieden von der Last/ die werden soll zur Erde / Genuͤssen ihrer Gunst! die Zeit von einem Tage / Bringt funffzig Wochen ein/ ein Blick der Morgenroͤthe / Ein suͤsser Blick ist mir der Mittag heller Sonne . Der ADONIS Blumen. Der lichten Augen Paar laͤst hinter sich die Sonne / Der Sternen-Himmel prangt mit diesen Angel- Sternen / Der Rosen-Wangen Zier beschaͤmt die Morgenroͤthe / Der suͤssen Stimme Schall die Nachtigall im Walde / Wer schaͤzte nicht mit Ihr beseligt seine Tage! Ach aber/ was verlangt der leichte Staub der Erde? Mich decket in der Erd ein duͤnnes Brett vom Walde / Eh mir so suͤssen Tag vergoͤnnen Gluͤck und Sternen / Eh mir die Morgenroͤth erscheint von dieser Sonne. D iesen toͤdtet Bley und Eisen/ Jenen muͤssen Schmertz und Weh Zu dem kalten Grabe weisen; Liebe macht daß ich vergeh! Mancher muß sein Leben schluͤssen In dem Schos der gruͤnen See/ Ich zu Galatheens Fuͤssen: Liebe macht daß ich vergeh! Also klagte seine Schmertzen Filidor im gruͤnen Klee/ Sagend mit betruͤbtem Hertzen: Liebe macht daß ich vergeh! Es bewegten sich die Steine/ Doch nicht seine Galathe: Echo ruffte durch die Haͤyne: Liebe macht daß ich vergeh! An ihre Perlen. D u glatte Muschel-Frucht was bildest du dir ein? Wilt du vor ihre Zier noch neuer Zierat seyn? Du must vor aller Welt ein Zeuge seyn von Ihr/ Wie weit ihr weißer Hals geht deinem Glantze fuͤr. Ade- ANEMONS und A delindens zarte Hand Pfluͤckte Blumen durch diß Land/ An statt deren/ die sie brach/ Schossen neue Bluͤten nach. Wo ihr zarter Fuß tratt hin/ Muste Klee und Schmirgel bluͤhn/ Die Crystallne Bach hielt auff/ Sie zu sehen/ ihren Lauff/ Bott ihr helles Silber-klar Ihr zu einem Spiegel dar: Sagte/ zwar dein schoͤnes Bild/ Wenn du Nimphe scheiden wilt/ Fuͤhrt mein linder Strom mit sich/ Aber dir zu Ruhm laß ich Alle Jahr die bunten Ann Diesen Tag benetzet schaun. Der bestohlne Cupido. E s fand auff einen Tag das schoͤne Schaͤffer-Kind/ Das meinen freyen Sinn mit tausend Faͤsseln bindt/ Der Venus zarten Sohn ins gruͤne Graß gestreckt Mit Rosen/ Lilien und Naͤgeln uͤberdeckt. Er hatte Bogen/ Pfeil und Koͤcher weg gethan/ Hing seiner Ruhe nach; Schaut/ was Cordilla kan! Sie schleicht sich unvermerckt mit leisen Schritten hin/ Nimmt Pfeil und Bogen weg/ verwundet meinen Sinn Und tausend andre noch; doch soll mir solche Pein Von ihrer schoͤnen Hand gar lieb zu leiden seyn/ Wenn sie nur stille steht/ und nicht zu ihrer Flucht Auch seines Fluͤgelwercks sich zu bedienen sucht. Jagd ADONIS Blumen. Jagt der Liebe. I ndem du gehest nach durch Feld und Wald den Thieren/ Schau ich/ ob ich ein Wild der Venus fangen kan. Du redest offt was stumm/ und ich was taub ist/ an/ Du laͤst die Grausamkeit/ ich kuͤhne Freyheit spuͤren. Du laͤst dich einen Hirsch durch Berg und Thaͤler fuͤhren/ Mich bringt ein schoͤnes Bild auff unbekannte Bahn. Du setzest Strick und Netz/ ich Wort und Reden dran/ Wir muͤssen beyderseits offt Muͤh und Zeit verlieren. Wir fragen beyde nichts nach Regen oder Wind/ Und wie dich offtermahls die falsche Spur betriegt/ So werd’ in eitler Furcht und Hoffnung ich gewiegt. Nur diß ist noch/ in dem wir unterschieden sind: Du hast der Muͤhe Lohn zuweilen schon empfangen/ Mir aber ist bißher kein Wild noch eingegangen. I ch bringe wieder her und uͤber mein Verhoffen In diß betruͤbte Land der siechen Glieder Last/ Den Tod/ den ich gesucht/ hab ich nicht angetroffen/ Ich habe mir umsonst zum Sterben Mutt gefast; Weil ich/ mein suͤsser Tod/ von dir entfernt gewesen/ So hab ich nicht gekoͤnnt noch sterben noch genesen. Das macht dein edles Bild/ in meine Brust gepraͤget/ Das ich in deine Hand zu lieffern schuldig bin. Schau deinen Knecht/ der sich zu deinen Fuͤssen leget: Nimm diesen edlen Schatz samt meinem Hertzen hin. Ich sterbe wohl vergnuͤgt/ ich sterbe gnung beklaget/ Wenn nur dein Mund/ Ade du treue Seele/ saget. I ch finde mich im Mittel meiner Schmertzen Bey Amaranthen wieder ein/ Ein suͤsser Blick kan meinem krancken Hertzen Vergelten die erlittne Pein. S Jedoch ANEMONS und Jedoch was soll fuͤr Huͤlffe meinen Schmertzen Durch ihrer Augen Glantz geschehn: Ich habe sie zu Schaden meinem Hertzen Bereits nur allzuviel gesehn. An ihre Augen. I hr Augen/ die ihr mir so tieff ins Hertze scheint/ Erklaͤret euch/ wies sey gemeynt/ Was mir zu hoffen steht/ ob Sterben oder Leben? Seyd ihr geneigt/ ich bin bereit mich zu ergeben/ Und auch bereit zu ehren euren Schein/ Wollt ihr mir gleich nicht guͤnstig seyn. Keine veracht/ Nach einer getracht. C Limen ist hurtig und geschickt/ Mit Gold und Schnee kan Iris prangen/ Belisens Rede macht entzuͤckt/ Amenens Zier haͤlt viel gefangen/ Bey wem kan sich mit Blick und Lachen Nicht angenehm die Fillis machen? Ich stehe zu/ daß solcher Schein Mir oͤffters in die Augen stralet; Doch bleibt mein treues Hertze rein/ Darein ein ander Bild gemahlet/ Und dannenher kan ich erkennen/ Was mich fuͤr edle Flammen brennen. Nicht hofft/ o Wunder unsrer Zeit! Mein Hertze wider zu erheben/ Ein ander/ welcher noch befreyt/ Wird euch das Seine willig geben. Ihr werd’t aus meiner Treu erkennen/ Was mich vor edle Flammen brennen. Ama- ADONIS Blumen. A maranthens braune Wangen Haben meinen Geist besiegt. Koͤnt ich ihre Gunst erlangen/ Ach wie waͤr ich so vergnuͤgt! Neue Glutt fuͤhl ich im Hertzen; Lieb ich nimmer ohne Schmertzen. Tugend-voll ist ihr Beginnen/ Daß man nichts zu klagen weiß/ Als die allzuharten Sinnen/ Und das Hertze voller Eiß. Lieben und nicht Lieb erwerben Macht uns offt und nimmer sterben. Reist sich gleich von ihrem Stricke Mein gesangnes Hertze frey/ Bringt sie doch mit einem Blicke/ Solches auff das neu herbey. Wer kan fuͤr der Augen Blitzen Seiner Freyheit Recht beschuͤtzen? Ich gedachte mir zu leben/ Ohn der Liebe Joch zu seyn: Was ich ihr nicht wolte geben/ Hat sie selbst genommen ein: Besser ist sich leicht entschluͤssen Als gezwungen lieben muͤssen. Man mag streiten/ man mag klagen/ Mag ihr kraͤfftig widerstehn; Niemand wird doch ihren Plagen Zu bestimmter Zeit entgehn. Wer sich ihrer will befreyen/ Faͤngt offt erst recht an von neuen. Ich/ von kuͤhner Lust getrieben/ Wolte wissen/ was die Zier S 2 Schoͤ- ANEMONS und Schoͤner Augen kan veruͤben; Izo buͤß ich nun dafuͤr. Wer weiß/ was er sich erkuͤhnet/ Wenn er/ Nimphe/ dich bedienet? Das abgeloͤsete und unabgeloͤsete Pfand. N imphe/ von der zarten Hand Wird mir wieder zugesandt/ Was ich mich/ durch Ungeluͤcke Weg zu geben/ schuldig fand. Aber deiner Augen Blicke Haben mir noch was entwandt/ Das nicht wieder kehrt zuruͤcke/ Wie diß abgeloͤste Pfand. Deine Tugend/ deine Zier Nahm mein Hertz/ und schenckt es dir/ Ließ mich nichts dafuͤr empfangen; Seit es abgereist von hier Hats ihm wunderlich gegangen: Es muß brennen fuͤr und fuͤr/ Traͤgt doch aber kein Verlangen Wiederum zu seyn bey mir. Nun es bleibe wo es kan! Findt es sein Vergnuͤgen dran/ Ich will mich nicht widersetzen: Schaͤtz und Hertzen/ die der Wahn Vor so koͤstlich pflegt zu schaͤtzen/ Wollen seyn geleget an/ Wenn sie anders solln ergoͤtzen/ Und auff Wucher ausgethan. Die ADONIS Blumen. Die todten Farben. W eil mich die Liebe zwingt zu gehen in den Tod/ Soll dieser Todten-Brieff auch Tod und Liebe weisen: Der Beyeln Farbe zeigt die harte Liebes-Noth/ Der Todten-Blaͤtter/ daß ich muß zum Tode reisen. Vertraͤglich und gedultig. A rdenia/ mein Licht/ was wilt du weiter sagen? Ich kuͤsse mit Gedult die Rutte/ die mich schlaͤgt/ Und bet in Demutt an den Feind/ der mich erlegt/ Verzehre mich in mir mit Leiden und nicht klagen. Ein Hylas will alsbald das volle Jawort wissen/ Ich warte biß dein Mund es von sich selber spricht. Ein Filadon vertraͤgt sich mit Gesellschafft nicht/ Will/ was er noch nicht hat/ bereits allein genuͤssen. Viel andre lieben dich; ich laß es frey geschehen: Ein ieder sucht sein Gluͤck/ und liebt was Liebens werth. Du bist doch einem nur zu seiner Zeit beschert: Man wird mich nie indeß zu dienen muͤde sehen. Dein kluges Urtheil mag ohn allen Zwang erkennen/ Wer deiner Gegen-Gunst am besten wuͤrdig sey. Doch suchet deine Wahl ein Hertze voller Treu/ So bin ich schon gewiß/ du wirst Silvandern nennen. Soll gleich der Ausspruch nicht auff meine Seite fallen/ Ich werde dir darob nicht abhold koͤnnen seyn. Ich will die keusche Brunst ins Hertze schluͤssen ein/ Und bleibe biß ins Grab dein Treuster unter allen. S 3 Die ANEMONS und Die schoͤnen aber gefaͤhrlichen Fruͤchte. Z wey Aepffel sind die Bruͤst/ Erdbeeren ihre Hoͤhen: Hier muß der Schnee verschwarzt/ erblast die Rose stehen. Wie jene Frucht bald fault/ so muͤssen die vergehen: Das Naschen bringt Gefahr: drum laß die Fruͤchte stehen! Der gutte Traum. M ein Gluͤcke lacht/ Melinde spielt mit angenehmen Blicken/ Ihr holder Mund giebt Worte/ die entzuͤcken/ Ich kuͤsse sie bey tunckler Mitternacht/ Mein Gluͤcke lacht. Mir traumt wohl nicht: Ich seh ihr Bild um meine Ruhstatt spielen/ Hoͤr ihre Sprach/ und misse nichts als Fuͤhlen. Ach Schade/ daß das Beste noch gebricht! Mir traumt wohl nicht. Es wird wohl seyn: Die Hoffnung speist nicht stets mit leeren Schalen. Erblickt man nur der Morgenroͤthe Stralen/ So folget auch der nahen Sonne Schein. Es wird wohl seyn. E in einiges Blicken Der funckelnden Augen/ Die mir aussaugen Das Blutt vom Hertzen/ Macht mich die Kertzen Des Himmels nicht achten. Um ADONIS Blumen. Um Seufftzer zu schicken Will ich mich bemuͤhen Noch Odem zu ziehen/ Sonst wolt ich mit Willen/ Mein Leiden zu stillen/ Noch heute verschmachten. I ch leb ohne Ruh im Hertzen/ Von der Zeit/ Da zwey schoͤner Augen Kertzen Mich versezt in Traurigkeit/ Von der Zeit Leb ich stets in Schmertzen/ Fuͤhle keine Ruh im Hertzen. Keine Lust war mir zu nuͤtze Von der Zeit/ Da der kleine Venus-Schuͤtze Seel und Hertze mir bestreit/ Von der Zeit Leb ich stets in Schmertzen/ Fuͤhle keine Ruh im Hertzen. Cartell auff ein Piquet-Spiel. D oris/ dir ist unvergessen/ Was du juͤngster Zeit gethan/ Wie dein Mund sich hat vermessen/ Mich als Feind zu greiffen an: Wie man vor bekandten Ohren Mir Capoth und Martsch geschworen/ Wie man eyfrig war bedacht Mir zu lieffern eine Schlacht. Weil denn ohn Verlust der Ehren Und nach Cavalieres-Pflicht/ Ich nicht schweigend kan verhoͤren/ Was man mir zu Hohne spricht/ S 4 Weil ANEMONS und Weil wir/ sonder uns zu schlagen/ Nimmer koͤnnen seyn vertragen/ So sey/ Doris/ nur bereit Dich zu finden in den Streit. Zwar/ indem ich bin geruffen/ Stuͤnde mir das Waͤhlen frey/ Doch/ damit du nicht darffst hoffen Daß ich abzuschrecken sey/ Wie dein Mund mir wird beschreiben Ort und Art/ so soll es bleiben/ Wenn dirs wird gelegen seyn/ So will ich mich finden ein. Wisse/ daß ohn Ehr-erwerben Ich nicht von dem Platze weich/ Liegen/ siegen/ leben/ sterben/ Soll mir alles gelten gleich/ Auch/ Cupiden ausgenommen/ Mag/ wer will/ vor Beystand kommen. Solt ich gleich drob buͤssen ein/ Hertzen wird mein Rummel seyn. Die bestraffte Naͤscherey. W ohl dem/ der nicht vonnoͤthen hat Gesunde Kost zu nehmen ein/ Dem an der herben Pillen statt Gelinde Zucker-Koͤrner seyn/ Dem der beliebte Reben-Safft Vor suͤssen Julep giebet Krafft. Es schmeckte naͤchst Clorellens Mund Aus ohngefaͤhr geschoͤpffter Lust/ Was krancke Leute macht gesund. Wie schlecht bekam ihr diese Kost. Was ADONIS Blumen. Was andern Krafft und Staͤrcke bracht/ Das hatte sie bald schwach gemacht. Doch geht es dir nicht so allein/ Clorelle/ meine suͤsse Zier: Ich muß auch so gestraffet seyn/ Und leide gleiche Pein mit dir: Dein Blick/ der andre laben kan/ Hat meinem Hertzen weh gethan. Der suͤsse Vorschmack deiner Gunst Erreget mir den kalten Brand; Hier hilfft mir keines Arztes Kunst/ Mein Wohlseyn steht in deiner Hand/ Eh ich kan deinen Zucker-Mund Bekuͤssen/ werd ich nicht gesund. Der ungluͤckliche Spieler. S oll ich mich zu spielen wagen? Hertzen wird mir abgeschlagen/ Amor kehret bey dir ein/ An des Klebern Buben Stelle/ Was ich auch fuͤr Urtheil faͤlle/ Muß das Spiel verlohren seyn. D u wuͤster Ort/ an welchen mich verleiten Climenens Grausamkeiten/ Hier ingeheim zu suchen Grab und Tod/ Dir klag ich meine Noth: Mein Leiden ist zu groß es hier nicht auszubreiten/ Dein stummes Holtz wird mich darum nicht machen roth. Mein Hertze lebt in Hoffen und in Sorgen/ Von dem zu jenem Morgen/ S 5 Ich ANEMONS und Ich suche Ruh/ und weiß nicht wo/ noch wie/ Sey linder weder sie/ Halt mich fuͤr ihrem Haß auff eine Zeit verborgen/ Sey Zeuge wo ich bin/ und doch verrath mich nie. D u angenehmer Haͤyn voll stiller Einsamkeiten/ Wie suͤß und lieblich bist du mir! Was mein betruͤbter Mund verschweigen muß bey Leuten/ Das bringt er ohne Scheu den stummen Baͤumen fuͤr. Ein andrer sey bemuͤht zu bergen seine Plagen/ Verschliesse schweigend seine Zeit; Ich werde dir hinfort mit heller Stimme sagen/ Was meinen Geist versenckt in schweres Hertzeleid. Die Kinder leichter Lufft/ so um die Baͤume stecken/ Wenn ich beginn ein Trauer-Lied/ Veraͤndern ihren Schall alsbald auff deinen Hecken/ Seyn zu beklagen mich durch gleichen Thon bemuͤht. Der heisre Widerhall in deinen Wuͤsteneyen Verdoppelt seinen Leid-Gesang/ Nicht/ daß er seine Lieb und Schmertzen will beschreyen/ Nur daß er meine Klag und Seufftzer mache lang. Die Baͤche welche sonst in ihrer Ordnung fliessen Durch das begruͤnte Blumen-Feld/ Die sieht man von sich selbst die Wiesen uͤbergiessen/ Als waͤren sie von mir mit Thraͤnen auffgeschwellt. Der Eichen fester Stamm/ die Last der harten Steine/ Bewegt durch meine Pein und Qual/ Zerreist in Stuͤck und springt in Druͤmmer/ wenn ich weine/ Zum Zeichen/ daß sie mich beklagen allzumahl. Drum/ angenehmer Wald/ du Trotz der rauhen Winde/ Wie suͤß und lieblich bist du mir! Dieweil ich uͤberall bey dir Erbarmen finde/ So leg ich iederzeit mein Seufftzen ab bey dir. Reise ADONIS Blumen. Reise hinter Neaples. S oll hier ein Helicon voll Lorbeer-Zweige prangen/ Wo nichts als duͤrre Stein und rauhe Felsen sind/ Wo den Cypressen-Baum der Dornstrauch haͤlt umfangen/ Und Clio einen Krantz von Todten-Eppig bindt. Wo statt der Sonne Nacht und Finsternis regieren/ Die viel-beschlangte Schaar der Musen Ort vertritt/ Den Wagen der Vernunfft ein Kind und Blinder fuͤhren/ Furcht/ Zweiffel/ Lieb und Haß in einem Hertzen wuͤtt? Die Erde Lybiens/ der Mohren heißes Land Kocht von der Sonne nicht wie mein verbranntes Hertze: Puzolens gelber Berg/ Vesevens todter Sand/ In dessen Abgrund brennt so manche Schwefel-Kertze Ist Schnee und Eiß bey mir. Soll Aganippe fliessen Wo sich Lovitus Flutt/ Avernus truͤber See Der todten Hoffnung Meer in Thraͤnen-Baͤch ergiessen/ Und scharffe Nesseln stehn fuͤr angenehmen Klee/ Um die das nasse Saltz mit seinen Wellen spielet? Geht hin ihr Musen/ geht/ sucht andern Auffenthalt. Hier sind die Quellen nicht/ wo seine Hitze kuͤhlet Ein Tichter angeflammt von himmlischer Gewalt. Hier ist ein trocknes Bad/ darinn mein matter Geist Verschwitzet seine Krafft; mein Saltz/ mein schlechtes Wissen/ Wird durch ein zweyfach Thor der Augen ausgeweist: Was uͤbrig sey/ koͤnt ihr aus diesem Saffte schluͤssen. Seestrand bey Terracina. H ier/ wo die wilde Flutt mit stoltzen Wellen spielet/ Und Eurus seinen Grimm am nassen Ufer kuͤhlet/ Wo Einsamkeit ist Wirth und Gast ein Wandersmann/ Der voller Furcht betritt die Schrecken-reiche Bahn/ Schneidt seine treue Faust in Stein Den Nahmen meiner Liebsten ein. Es ANEMONS und Es darff den Demant nicht der Voͤcke Blutt umschluͤssen/ Noch scharff-gesaͤurter Wein den harten Fels begiessen/ Kein zugespizter Stahl/ kein Hammer schwer von Last/ Kein Eisen Mulcibers wird in die Hand gefast/ Wo Amor einen Bau giebt an/ Der Neid und Zeit besitzen kan. Getreuer Hertzen Blutt/ die Thraͤnen reiner Seelen Sind maͤchtig ieden Stein und Felsen auszuhoͤlen. Was dieser Eßig-Safft/ diß Scheide-Wasser nezt/ Wird durch Cupidens Pfeil/ als Meißel/ ausgeaͤzt: Mit solchem schreibet meine Hand Diß edle Zeichen an den Strand. Du/ den der Reisen Lauff in diese Gegend fuͤhret/ Verehre solche Schrifft/ wie deiner Pflicht gebuͤhret/ Und/ hast du anders was aus reinem Hertzen lieb/ So wuͤnsche/ daß der Hand/ die diese Worte schrieb: Lisille moͤge linder seyn Als dieser rauhe Felsen-Stein. Pruna manu pronâ pariter prunasque dedisti. P flaumen hast du mit der Hand/ Flam̃en aber auch gegeben; Diese dringen uns ins Hertz/ jene fuͤllen unsern Mund. Pflaumen hat der Baum gebracht/ Flam̃ und Brand von Aug entstund/ Jene streifft der Reiff zwar ab/ diese Glutt wird ewig leben. Rost von Rosen. R oselinde gab Silvandern eine Rose voller Scham/ Daß der zarten Rosen Farbe selbst auff ihre Wangen kam: Er mit Seufftzen sprach dargegen: Ach/ koͤnt ich das Gluͤck er- heben/ Daß die Rose/ die mir Rosen giebet/ mir sich wolte geben! Als ADONIS Blumen. Als er in Gesellschafft/ aber die Un- rechte/ kuͤßte. I ch bin von Kuͤßen satt: was hab ich nun davon? Ein muͤder Uberdruß ist meiner Arbeit Lohn. Der duͤrren Lippen Staub klebt noch an meinen Zaͤhnen. Ich hab aus Hoͤffligkeit Margillens trocknen Mund beruͤhrt/ Corallen/ aber falsch/ und Rosen ohne Krafft gespuͤrt. Die Kuͤsse sind ein Thau/ der ohne Gunst und Gegen-Gunst Wird Meel-Thau oder Reiff. Wer kuͤsset/ wenn er kuͤßt um- sunst/ Dem wird der Safft darvon zu Wasser oder Thraͤnen/ Ein einig Kuß von mir an rechten Ort gesezt/ Der haͤtte mich weit mehr als alle die ergoͤzt. Die Kuͤsse. C upido raubt einmahl den Bienen ihren Safft/ Und ward dabey verlezt. Er trug voll Zorn und Rache Den angenehmen Raub auff meiner Fillis Mund/ Sprach: Daß die Welt niemahls vergesse dieser Sache/ So schmecke/ wer dich kuͤßt/ des Honigs suͤsse Krafft/ Und werde/ gleich wie ich/ doch an dem Hertzen/ wund! M it was vor Suͤßigkeit/ o zarter Mund/ Bekuͤß ich den Rubinen-Grund! Mit was vor Suͤßigkeit hoͤr ich die Lippen sprechen/ Die voller Honig-Worte seyn! Ach aber/ schoͤpff ich ein Vergnuͤgen ein/ So muß ich unterdeß des andern mich entbrechen. Dein Himmels-Geist belebt der Worte Fluß/ Der Seelen Seele deinen Kuß. Wie ANEMONS und Wie soll ich mich der Wahl/ der schweren Wahl entbrechen? Ach/ koͤnte doch dein edler Mund/ Dem so viel Gunst der Himmel hat vergunnt/ Mit Reden kuͤssen/ und mit Kuͤssen sprechen! E in einig Kuß soll meiner Pein/ Soll meiner Treue Zahlung seyn? Du weist ja/ daß der Kuß besiegelt das Versprechen Der zugesagten Gunst/ daß Liebe durch diß Pfand Ein stilles Jawort auff die Lippen druͤckt. Bist du gesinnt dein Wort/ der Freundschafft Recht/ zu bre- chen? Ein Kuß und tausend noch thun schlechten Widerstand: Wo nicht? wie aus den treuen Augen blickt/ Was schadet dirs/ wenn mir zu gutt Dein Mund noch mehr Versichrung thut? D u versprichst/ Clorelle/ mir tausend Kuͤsse nachzusenden: Vielleicht werden sie zu theil unterwegens fremden Haͤn- den: Gib mir sie entweder izt/ oder nach dem Wiederkommen/ So wird ihnen die Gefahr/ mir die stete Furcht benommen. A ls neulich Celadon Bey Amaranthens Wangen Getreuer Liebe Lohn Durch manchen Kuß empfangen/ Zog die verliebte Seele Aus ihres Leibes Hoͤle. Sie zog dem Munde zu Der ihren Mund beruͤhrte/ Zur Wallstatt seiner Ruh Sein treues Hertze fuͤhrte/ Es ADONIS Blumen. Es in ihr Hertz versenckte Und ihr zu eigen schenckte. Ach/ sprach er/ voller Lust/ Seht die Rubinen-Schalen Voll suͤsser Nectar-Kost/ Voll Artzney meiner Qualen! Wer wolte vor die Freuden Nicht willig Mangel leiden? Ach/ wenn man giebt und nimmt/ Versagt und willig giebet/ Wenn uns entgegen kuͤmmt Das Muͤndgen/ das man liebet/ Und Hertz an Hertze druͤcket/ Wie wird der Geist entzuͤcket! Staͤrckt der Corallen Zier Die Ohnmachts-vollen Hertzen/ Ich wehle mir dafuͤr Zum Labsal meiner Schmertzen Die rothen Zucker-Klippen Die Balsam-reichen Lippen. Laßt Bienen auff den Klee Nach suͤsser Nahrung fliegen! Hier quillet eine See Voll Anmutt und Vergnuͤgen. Drum laß ich mir vor allen Den suͤssen Mund gefallen. A -bschied/ ach du herbes Wort/ Welches meinen Sinn bestreitet/ Und an einen fremden Ort Von Lisillens Schos mich leitet/ Wie verhaßt ist mir die Zung/ Auff der du geworden jung. B -itter ANEMONS und B -itter ist der Galle Safft/ Bitter was aus Wermut quillet/ Was der schwartzen Pillen Krafft Myrrh und Aloe verhuͤllet; Doch dein Scheiden bildt mir ein/ Jenes muͤsse Zucker seyn. S -chwer ists/ wenn der muͤde Geist Sein gewoͤhnlich Hauß muß meiden/ Wenn der Lebens-Faden reist/ Und die besten Freunde scheiden/ Scheiden von Lisillens Zier Kommt mir gleich beschwerlich fuͤr. C -inthius/ wenn er entzieht Unsrer Welt die goͤldnen Blicke/ Laͤsset alles/ was man sieht Hinter sich betruͤbt zuruͤcke; Seht/ wie so in Trauren steht Wenn Lisillens Sonn entgeht. H -enckers Haͤnde koͤnnen nicht Uber wenig Tage quaͤlen: Wer Lisillens sich entbricht/ Kan der Pein kein Ende zaͤhlen: Qual und Sorge frist ihn ab/ Leben ist sein taͤglich Grab. I -st gleich in der Todten-Zunfft Der erblaßte Coͤrper kommen/ Bleibt ihm doch die Wiederkunfft Zu der Seelen unbenommen; Ob Lisille mehr sieht mich Wissen Gluͤck und Zeit/ nicht ich. D -och das Beste/ Lisilis/ Wollen wir zusammen hoffen. Wer ADONIS Blumen. Wer weiß/ wo auff den Verdruß Uns noch Gluͤck und Heyl steht offen? Goͤnne mir drauff einen Kuß Eh ich dich verlassen muß. G iebt das Verhaͤngnis uns denn keine Zeit zu letzen? Geht also schleunig fort der Reise fester Schluß/ Daß meinem Munde kaum verlaubt den lezten Kuß In das Corallne Paar der Lippen einzuaͤtzen? O Wort/ wie Diamant und harter Stahl zu schaͤtzen/ Das Hoffnung und Gedult allein erweichen muß! Doch bringt das Scheiden izt dem Hertzen viel Verdruß/ So wird das Wiedersehn uns desto mehr ergoͤtzen. Indessen lebet wohl/ ihr treu-geliebten Sinnen! Es muͤsse Gluͤck und Zeit zu euren Diensten stehn/ Es muͤß euch zu der Hand Lufft/ Erd und Himmel gehn/ Biß wir uns wiederum mit Freud umfassen kuͤnnen. Schliest eurem Hertzen ein/ wie ich/ ein Fuͤncklein Liebe/ So bleibet unsre Glutt verwahrt fuͤr Zeit und Diebe. W eicht von mir Freude/ Schertz und Lust/ Denn Celimen ist weggegangen. Furcht/ Zweifel/ Trauren und Verlangen Haͤlt eure Stell in meiner Brust. Geht hin/ zieht mit ihr auff und nieder/ Und kommet ohne sie nicht wieder. W ie lange soll mich kraͤncken Ein traurig Angedencken Der vor-gepflognen Lust/ Nachdem ich muͤssen scheiden/ Mit Widerwillen meiden Lisillens zarte Brust! Die Liebe will mir sagen/ Sie soll im Hertzen tragen T Die ANEMONS und Die Hoffnung mich zu sehu/ Das meine soll ingleichen Nicht von der Meynung weichen/ Es werde bald geschehn. Sie saget: Wenn dem Hertzen Die uͤberstandnen Schmertzen Beliebt und suͤsse seyn/ So soll vielmehr die Freude/ Die ich voritzo meide/ Mit Lust mir kommen ein. Schweig/ Feindin voller Tuͤcke! Wie sehr mir mein Geluͤcke Vorhin gefallen wohl/ So sehr kraͤnckt izt die Sinnen Was sie nicht haben kuͤnnen Und ich entbehren soll. Kein Hoffen/ kein Ergoͤtzen Kan den Verlust ersetzen Den ich gehabt an ihr: Es wachsen meine Wunden/ Wenn mir die suͤssen Stunden Im Hertzen kommen fuͤr. Ich weiß/ was mir genommen/ Obs moͤchte wiederkommen Weiß weder sie noch ich. Die Mittel sind zu linde Der Pein/ die ich empfinde/ Kein Arzt weiß Rath fuͤr mich. Ach koͤnt ich nur versencken Mein taurigs Angedencken Der vorgepflognen Lust! Gedaͤcht ich nicht ans Scheiden/ So waͤre mir kein Leyden Und keine Noth bewust. Die ADONIS Blumen. Die Sieben Wochen. S ieben Wochen sind nun hin/ Seit ich/ Cloris/ von dir bin; Sieben Monat/ sieben Jahre Bin ich naͤher meiner Bahre/ Weil ich/ liebste Schaͤfferin/ Sieben Wochen von dir bin. Schiffbruch leyd ich in dem Port/ Weil der Hoffnung Ancker fort/ Wenn gleich linde Westen spielen/ Muß ich Sturm und Nord-Wind fuͤhlen/ Weil ich/ liebste Schaͤfferin/ Von dir abgesondert bin. Wie muß Licht und Sonnenschein Finsterniß und Schatten seyn/ Weil die hellen Angel-Sternen Deiner Augen sich entfernen/ Und ich/ liebste Schaͤfferin/ Von dir abgesondert bin. Aus dem Tage wird mir Nacht/ Aus der Nacht ein Tag gemacht/ Denn ich mich bey Nacht und Tage Mit Verdruß und Wachen plage/ Seit ich/ liebste Schaͤfferin/ Von dir abgesondert bin. Die betruͤbte Seele denckt/ Jede Stunde sey verlaͤngt/ Phoͤbus lasse seinen Wagen Spaͤter um die Erde tragen Seit ich/ liebste Schaͤfferin/ Von dir abgesondert bin. Da/ wo ich nicht finde dich/ Kan sonst nichts ergoͤtzen mich/ T 2 Wo ANEMONS und Wo viel andre freudig schertzen/ Da vermehr ich meine Schmertzen/ Weil ich/ liebste Schaͤfferin/ Von dir abgesondert bin. Mein Vergnuͤgen/ meine Freud Ist allein die Einsamkeit/ Da ich dir durch Amors Haͤnde Tausend Kuͤß’ und Seuffzer sende/ Die ich dir/ o Schaͤfferin/ Biß zum Grabe schuldig bin. Die doppelten Sieben Wochen. S ieben Wochen sind nun hin/ Seit ich/ Cloris/ von dir bin/ Und noch einmahl sieben Wochen Hat sich Sonn und Mond verkrochen/ Seit ich/ liebste Schaͤfferin/ Von dir abgeschieden bin. Ich bin nimmer aͤhnlich mir/ Seit ich/ Cloris/ bin von dir: Meine vormahls rothe Wangen Haͤlt des Todes Farb’ umfangen/ Und der Lippen Glantz stirbt hin Seit ich/ Cloris/ von dir bin. Meiner tuncklen Augen Licht Siehet seine Sonne nicht/ Ist in truͤber Naͤchte Schaten Bey dem Tage selbst gerathen/ Bringet sich mit Weinen hin/ Weil ich/ Cloris/ von dir bin. Thraͤnen sind die bittre Kost/ Klagen naͤhret meine Brust/ Ist bey der verhaßten Reise Meiner krancken Sinnen Speise Seit ADONIS Blumen Seit ich/ liebste Schaͤfferin/ Von dir abgesondert bin. Wenn die fruͤhe Sonn auffsieht Und aus Thetis Armen geht/ Siehet sie mich meine Plagen Der erwachten Erde klagen. Weil ich/ liebste Schaͤfferin/ Von dir abgesondert bin. Wenn Apollo sich verkricht/ Weichen meine Schmertzen nicht: Auff den Dornen weicher Bette Wach ich mit der Nacht die Wette/ Denck ohn Unterlaß dahin Wo ich war und nimmer bin. Sieben- und noch sieben mahl Mehrt sich taͤglich meine Qual/ Welche/ wo ichs kan erleben/ Mir nicht eher Frist wird geben Biß ich/ liebste Schaͤfferin/ Einsten wieder bey dir bin. I N dieser tunckel-braunen Nacht/ Wo Furcht und Schrecken um mich wacht/ Wo Leyd und Trauren mich umfangen/ Frag’ ich Dianen/ wie vielmahl Sie seit dem Anfang meiner Qual Ihr glaͤntzend Silber ausgehangen. Ich frage sie/ wie offt ihr Rad/ Celinde/ deine schoͤne Stadt Seit meinem Scheiden hat beschienen. Wie offt der muͤden Augen Licht Hat ihr erblaßtes Angesicht Bißher zur Fackel muͤssen dienen. Ich frage sie/ ob sie nicht weiß/ Wie offt der heissen Thraͤnen Schweiß T 3 Hat ANEMONS und Hat meine Wangen uͤbergossen. Ich frage sie/ wo ist die Zeit/ Da ich Celindens Hoͤfligkeit In suͤsser Gegenwart genossen. Wo sind die schoͤnen Stunden hin/ Da ihre Freundschafft meinen Sinn Mit klugen Reden hat vergnuͤget/ Da wir/ doch sonder Feind zu seyn/ O suͤsse Quelle meiner Pein! Mit Wort und Karten offt gekrieget. Wie bin ich izt so uͤbel auff/ Nun meiner Reise strenger Lauff Von meinem Arzte mich vertrieben. Der blosse Schatten findt sich hier/ Der Geist/ das beste Theil von mir Ist unvermerckt zuruͤcke blieben. Izt fuͤhl ich erst/ was Scheiden sey/ Mit was fuͤr Plag und Tiranney Sich muß ein Hertz von Hertze trennen/ Wo wahre Freundschafft fasset Grund/ Und selbst die Seelen/ nicht der Mund Allein/ von reinen Flammen brennen. Ach Monden dupple deinen Gang/ Mach uns die Monat nicht so lang/ Biß das bestimmte Ziel erschienen/ Und mich geneigter Sternen Schluß/ Dem ich mich unterwerffen muß/ Celinden wieder laͤst bedienen. W ie lange wilt du noch mit deinen Sternen prangen? Wie lange soll mir noch der Mond verdruͤßlich seyn? Zeuch/ bitt ich/ braune Nacht den tuncklen Schatten ein: Mich koͤnt/ und waͤrestu ein Jahr/ nicht mehr verlangen. Die/ welche meinen Geist vor langer Zeit gefangen/ Die/ welche mehr bezwingt/ um Huͤlff und Trost zu schreyn/ Als ADONIS Blumen. Als des Cupido Pfeil durch ihrer Augen Schein Soll mir zu einem Kuß erlauben ihre Wangen. Hat sie nicht gestern mir beym Scheiden zugesagt Mit ihrer Marmol-Hand/ so bald es wieder tagt/ So soll ich meinen Wunsch von ihr erfuͤllet finden? Doch/ was verlier ich Zeit? Du weist von Gnade nicht: Nacht/ ich geh ungesaͤumt zu meiner Roselinden: Ihr Auge machet dir zu Trotze Tag und Licht. Die schwere Wahl. W ie Hercules im Zweifel stand/ Auff welchem Weg er solte treten/ Da Tugend auff der rechten Hand Und Lust zur Lincken ihn gebeten/ So stehen auch izt meine Sinnen In Furcht und Hoffnung mitten innen. Doch sah er ihren Unterscheid/ Und konte nicht im Urtheil fehlen/ Ihm fuͤr die Bahn der Sinnligkeit Den Pfad der Ehre zu erwehlen: Wer aber lehret mich ergruͤnden Wo ich das beste Theil soll finden. Ich sehe gleichen Stand fuͤr mir/ Und frische Bluͤthe gleicher Jugend/ Den Augen weist sich gleiche Zier/ Dem Hertzen gleiche Frucht der Tugend: Wer hier den Unterscheid kan kennen/ Ist wohl ein Oedipus zu nennen. Verblendet einer Sonne Licht/ Was soll von mehrern nicht geschehen? Wenn man dort braune Naͤgeln bricht/ Laͤst sich der Liljen Schnee hier sehen/ Die beyderseits den Liebes-Bienen Zu angenehmer Nahrung dienen. T 4 Diß ANEMONS und Diß ist des Zweiflers aͤrgste Qual/ Wenn er ihm keinen Schluß kan fassen. Ich muß dem Hertzen schon die Wahl Nach seiner Neigung uͤberlassen/ Und nachzufolgen mich bemuͤhen Wohin mich Gluͤck und Sternen ziehen. Vielleichte weist sich der Magnet/ Der meiner Seele Stahl gezogen/ (Wie mein getreues Hoffen steht/) Auch desto eher mir gewogen. Ich wag’ es drauff: Verhaͤngnis schicke Zu meinem Fuͤrsatz Heyl und Gluͤcke! Die stumme Sprache. W ie koͤnnen doch in einem Hertzen Die Lieb und Furcht Geferten seyn? Wie kan sich Freude neben Schmertzen Und Lust bey Unlust finden ein? Wie kan sich plagen und vergnuͤgen An einen Ort zusammen fuͤgen? Wer liebet/ weiß hiervon zu sagen: Er redet/ wenn er stille schweigt: Man darff nicht von dem Munde fragen/ Was seiner Augen Feuer zeigt. Ein stiller Seuffzer bricht fuͤr Worte Durch fest-gesperrter Lippen Pforte. Er suchet Silvien mit Freuden/ Und findet bey ihr seine Pein. Wenn sich die Augen an ihr weyden/ So schmacht das Hertz in Flammen ein. Von ihrer suͤssen Augen Blitze Empfindt sein Hertze Frost und Hitze. Man kan auff seinen Wangen lesen/ Was Amor ihm ins Hertze praͤgt. Im ADONIS Blumen. Im fall er anders soll genesen/ Muß Silvia dadurch bewegt Ihm kuͤssend auff die Lippen schreiben/ Ich will Silvanders eigen bleiben. Die schwere Reise. D es Monden tunckel-bleiches Licht Weist sein ersterbend Angesicht Auff des gestirnten Himmels Auen. Ich sehe bey der braunen Nacht Der muntern Sternen treue Wacht/ Als Zeugen/ meine Schmertzen schauen. Du liegst/ mein Kind/ in stiller Ruh/ Schliest unbesorgt die Augen zu/ Und speisest dich mit suͤssen Traͤumen; Ich muß/ wenn Mitternacht dahin/ Wie muͤd’ an Leib und Geist ich bin/ Das harte Lager wieder raͤumen. Ich muß/ wenn Regen/ Schnee und Wind/ Wenn Sturm und Frost ergrimmet sind/ In Felsen/ Berg und Waͤldern reisen/ Mit Mangel auch im Uberfluß/ Mit Schweigen/ Seuffzen und Verdruß Mein Kummervolles Hertze speisen. Doch dieses gieng’ als Zucker ein/ Koͤnt ich/ mein Engel/ bey dir seyn Und deiner Gegenwart genuͤssen/ Wenn deiner hellen Sonnen Licht Dein Himmelscheinend Angesicht Ein Leit-Stern waͤre meinen Fuͤssen. Ich wolte lustig dahin gehn/ Wo Phoͤbus pfleget auffzustehn T 5 Und ANEMONS und Und wo er wieder geht zu Bette/ Wo kalter Laͤnder lange Nacht Den Tag von zweyen Stunden macht/ Wenn ich dich zur Gefertin haͤtte. Ach aber! Ach! ich such umsunst Bey Gluͤck und Himmel solche Gunst/ Die mir allein die Hoffnung lassen/ Daß mir vielleicht die Zeit verguͤnnt/ Dich wieder einmahl/ liebstes Kind/ Mit frohen Armen zu umfassen. Inmittelst soll Bestaͤndigkeit In das Register grauer Zeit Mit Stahl und Diamanten schreiben/ Daß dir/ Celinde/ suͤsses Kind/ Weil ihm die Augen offen sind/ Silvander wird gewogen bleiben. M Ein Vergnuͤgen will verderben/ Meine Freude wird zur Pein/ Meine Hoffnung muß ersterben/ Doch will ich bestaͤndig seyn. Alle Lust hab ich begeben/ Doch will mir kein Wechsel ein: Muß ich ungluͤckselig leben/ Will ich doch bestaͤndig seyn. Die beflammte Sonnen-Kertze Pflegt zu aͤndern ihren Schein/ Aber mein getreues Hertze Kan nichts als bestaͤndig seyn. Was wir sehn und dencken kuͤnnen Gehet steten Wechsel ein; Aber ADONIS Blumen. Aber meine treue Sinnen Koͤnnen nie veraͤndert seyn. Solte gleich die Erde brechen Und der Himmel sincken ein/ Wuͤrd ich doch mit Freuden sprechen Daß ich will bestaͤndig seyn. Ob mich Gluͤck und Himmel hassen/ Bleibet doch die Seele rein; Muͤst ich Geist und Leben lassen/ Will ich doch bestaͤndig seyn. W er will hinfort bestaͤndig bleiben/ Wenn alles voller Unbestand? Wer will in sein Gedaͤchtnis schreiben Was andre zeichnen in den Sand? Was macht ein Celadon auff Erden/ Wenn jeder will ein Hylas werden? Was will man sich mit Treue plagen? Cupidens Fluͤgel sind bekandt/ Die Venus hat von ihrem Wagen Vorlaͤngst den alten Zug verbannt/ Fuͤr Schwan und Taube sieht man Raben Und Sperling’ um die Deichsel draben. Ich kan ja die von Hertzen lieben/ Und jen’ aus Pflicht und Hoͤfligkeit/ Bey dieser mein Vergnuͤgen uͤben/ Mit jener schliessen meine Zeit: An Ort und Art/ Gestalt und Stunden Ist unser Lieben nicht gebunden. So pflegt manch leichter Sinn zu sagen/ Der sich mit Schaden luftig macht/ Ver- ANEMONS und Verbotnen Raub darvon zu tragen Mit tausend Luͤsten lebt bedacht. Wer sich der Treue will befleissen/ Muß alber oder einsam heissen. Was aber fragt nach solchem Schmaͤhen Der Harnisch tugendvoller Brust. Der Ausgang wird uns lassen sehen/ Auff wen noch wart die beste Lust. Wenn Stein und Gicht die Glieder brechen Wird sie an ihm der Nachbar raͤchen. W as wilt du/ stiller Celadon/ Bey Leuten eitler Sinnen machen/ Wo Trug und List/ ein herber Lohn/ Auff treuer Unschuld Schaden wachen? Der Kittel alter Redligkeit Ist fuͤr die Mode-Welt ein viel zu schlechtes Kleid. Wer anders sagt und anders denckt/ Bey Hoͤll und Himmel sich verschweret/ Sein Hertze dar und hier verschenckt/ Und doch an keinem Ort gewehret/ Verstehet seine Sachen wohl/ Und weiß/ wie er sich recht bey Leuten halten soll. Ich habe zwar vom Amadiß Die meisten Theile durchstudiret/ Ich weiß/ was zu der Argenis Fuͤr Wort’ ihr Poliarchus fuͤhret/ Der Schaͤffereyen schoͤnes Land Und Zipriens Parnaß ist mir nicht unbekandt. Papier und Feder schaͤmt sich nicht/ Laͤst wohl ein eitles Wort entfliegen/ Hat eh ein Liedchen eingericht/ Der ADONIS Blumen. Der Leute Willen zu vergnuͤgen; Doch/ koͤmmts zum Reden/ so hats Roth/ Die Zunge wird mir schwer/ die Wangen werden roth. Ich kan mich an die Heucheley Und Hinterlist der Welt nicht binden/ Noch in die schnoͤde Sclaverey Gezwungner Hoͤfligkeiten finden. Bin allzu sparsam stets verliebt/ Fuͤr Leute freyen Sinns zu stille/ zu betruͤbt. Was meinen Augen nicht gefaͤllt/ Drum kan ich mich nicht viel bemuͤhen/ Und solt ich allen Haß der Welt Mir druͤber auff den Nacken ziehen. Ich halt auff meiner Freyheit Recht/ Weil mich der Himmel nicht gezeuget einen Knecht. Die Redligkeit/ mein bestes Gutt/ Kan ich niemahls von Sinne lassen/ Ich will mir einen frischen Mutt Zu Trotze meinen Neidern fassen: Laß Sturm und Wetter um mich seyn/ Ich huͤlle mich getrost in meine Tugend ein. Wer nicht mein stilles Wesen liebt/ Kan meine Gegenwart nur meiden/ Ich werde mich gantz unbetruͤbt Von seiner rohen Seite scheiden/ Bestaͤndigkeit und reine Treu Ist mein gewisser Schmuck und beste Liverey. M onde/ du Fuͤrste der blinckenden Sternen/ Welcher mein Sehnen und Thraͤnen beschaut/ Glaͤntzende Paphie/ der ich von fernen Meine betruͤbte Gedancken vertraut/ Zie- ANEMONS und Ziehe dein strahlendes Silber nur ein/ Schwaͤrtze mit Wolcken den spielenden Schein. Himmel/ fuͤr dem ich mein Leiden nicht haͤle/ Luͤffte/ mit Seuffzen und Klagen erfuͤllt/ Erde/ bey der ich mit Weinen erzaͤhle/ Wie mir in Stuͤcke mein Hertze zuspillt/ Fuͤhret mein Aechzen in einsame Klufft/ Berget mein Lechzen in finsterer Grufft. Zeugin der stuͤndlich empfindenden Schmertzen/ Tunckele Finsternis/ traurige Nacht/ Welche mein thraͤnendes Auge den Kertzen Himmlischer Lichter zur Wette durchwacht/ Decke mit ewig-vergessener Ruh Meine gehaͤuffte Bekuͤmmernis zu. Schweigende Qualen/ verborgenes Leiden/ Unter der Asche begrabene Glutt Muͤssen die schmachtende Seele durchschneiden/ Kochen in Adern das siedende Blutt/ Bitterer Thraͤnen verschlossene See Kraͤncket mein Hertze mit Jammer und Weh. Meine von Sorgen erblassete Wangen/ Meiner Corallen erstorbener Schein/ Meine Carfunckel mit Nebel umfangen Werden Verraͤther der heimlichen Pein/ Aber der Lippen geschlossenes Thor Darff doch mein Leiden nicht geben hervor. Meine von Kummer verzehrende Jugend Welche kein freudiges Hoffen ergoͤzt/ Meine vom Ungluͤck verfolgete Tugend Aller Vergnuͤgung und Freuden entsezt/ Muͤssen zum oͤfftern durch lachenden Mund Bergen des Hertzens bluttweinenden Grund. Him- ADONIS Blumen. Himmel/ was soll ich noch endlich beginnen/ Wenn mir nicht einsten zu klagen erlaubt! Meine von Schmertzen durchaͤchtete Sinnen/ Mein von Betruͤbnis ermattetes Haubt Dancken mit Frenden der Eitelkeit ab/ Wuͤnschen zu kommen ins ruhige Grab. V ergnuͤge sich/ wer will/ mit grosser Zahl! Ein einig Hertz ist meiner Liebe Wahl. Die Guͤtte/ nicht die Menge/ preist den Wein: Was mir beliebt/ ist werth und ungemein. I ch fuͤrcht/ es ist zu hoch: Doch besser hochgestiegen/ Als unversucht zur Erde liegen. Ein hochgethaner Fall weist doch ein kuͤhnes Wagen. Manch Vorsatz muß zuruͤcke schlagen. Das Gluͤcke stoͤst dem/ der es sucht/ zu handen: Wer ihm nicht traut/ wird ohne Ruhm zu Schanden. W as dienet mir der blassen Sternen Krantz/ Wenn mich erleucht der hellen Sonne Glantz? Der lichte Tag besieget iede Nacht/ Die Mond und Stern nur halb-erleuchtet macht. Verblendt mein schwaches Auge gleich der ungewohnte Schein/ Soll mir doch eine Sonne mehr als tausend Sternen seyn. Laß ANEMONS und L aß dir die suͤssen Schmertzen Der Liebe bringen bey. Dir steht von tausend Hertzen Die Wahl zu nehmen frey: Laß dir die suͤssen Schmertzen Der Liebe bringen bey. Weil noch die Jahre bluͤhen So hege Lieb und Glutt. Die leichten Stunden fliehen/ Das Alter schwaͤcht den Mutt: Weil noch die Jahre bluͤhen So hege Lieb und Glutt. Wiltu vor klug bestehen/ So brauche dich der Zeit. Wie bald pflegt zu vergehen Des Lentzens Froͤligkeit! Wiltu vor klug bestehen/ So brauche dich der Zeit. Geniesse deiner Gaben/ Weil sie im Ruffe seyu: Der Rosen Zier will haben/ Daß man sie sammlet ein: Geniesse deiner Gaben/ Weil sie im Ruffe seyn. Bey vielen Gunst verspuͤhren Ist nicht genung fuͤr dich: Zitherens Rechte fuͤhren Noch mehre Lust mit sich: Bey vielen Gunst verspuͤhren Ist nicht genung fuͤr dich. Das/ dem man Liebe traͤget/ Muß weisen gleiche Gunst: Wer ADONIS Blumen. Wer selbst nicht Flammen heget/ Hat nichts von fremder Brunst: Das/ dem man Liebe traͤget/ Muß weisen gleiche Gunst. Wilt du in Freuden leben/ So liebe/ was dich liebt: Ein Hertz ums andre geben Ists/ was Vergnuͤgen giebt: Wilt du in Freuden leben/ So liebe/ was dich liebt. G emuͤtte/ welches mehr als Wind und See zu fliehen/ Und das mich geben lernt der Liebe gutte Nacht/ Nicht hoffe/ daß du mich/ nachdem ich frey gemacht Wirst wieder an dich ziehen. Thoͤricht muß der Schiffer seyn/ Der dem Schiffbruch ist entgangen/ Und an einem Felsen-Stein Noch das zweyte mahl bleibt hangen. Wer will auff glattes Eiß und deine Worte bauen? Je mehr man schleust die Hand/ ie minder man dich haͤlt/ Ungluͤcklich/ wen der Schluß des Himmels hat bestellt/ Nach dir sich umzuschauen. Du bist ihm zur Qual bestimmt/ Wie der Stein in Sisiffs Haͤnden/ Der/ wenn er zur Spitze kuͤmmt/ Wieder pfleget umzuwenden. Dein Sinn/ der ohne Wahl und kurtze Stunden lie- bet/ Hat unter so viel Glutt erstecket meinen Brand/ Und mir darvor diß Eiß/ die Kaͤlte/ zugewandt Die meine Brust umgiebet. Deine Fessel sind entzwey/ U Dei- ANEMONS und Deine Ketten sind gebrochen/ Hylas ist der Bande frey/ Und von Fillis loßgesprochen. Izt soll ein Lorber-Krantz mein kuͤhnes Haubt umguͤr- ten/ Und meiner Freyheit Ruhm erhoͤhn das gantze Rund. Izt soll mein Palmen-Zweig der Erde machen kundt Die Schwachheit deiner Myrthen. Fama graͤbt in Marmor ein Mir zum stetem Sieges-Zeichen Flammen/ die ein Hertz bestreichen/ Aber ausgeloschen seyn. I hr Nymphen/ deren bluͤhende Wangen Mit Rosen und Lilien prangen/ Geniesset in Zeiten/ Geniesset der munteren Glieder: Verflossene Jahre die kommen nicht wieder. Der duͤrre Staub/ geschrumpffene Wangen Kan wenig Lust vom Lieben erlangen; Muß ohne Geniessen Verzehren die trockenen Glieder. Verflossene Jahre die kommen nicht wieder. W as zwingt die Liebe nicht? Cupideus List und Macht Hat manchen Jupiter in seine Netze bracht. Gradivens kuͤhner Leib in Stahl geschlossen ein Kan fuͤr den Waffen nicht der Venus sicher seyn. Der Schoͤnheit brennend Glantz verstaͤrckt das helle Licht/ Im fall sein Gegen-Schein auff festen Stahl gericht/ Kein ADONIS Blumen. Kein Hertze findet sich so eisenhart und kalt/ Sie bildet in ihm ab die liebliche Gestalt Des Schoͤnen Angesichts/ und heget/ wo nicht Brunst/ Doch eine stille Glutt und zugethane Gunst. Des Menschen Eigenschafft/ des Menschen Sinn und Stand/ Die Ordnung der Natur bringt mit sich solchen Brand/ Den ein verliebter Geist in allen Adern fuͤhlt/ Mit steter Gegenwart zu neuem Zunder kuͤhlt. Nicht lieben/ was man doch fuͤr Liebens wuͤrdig haͤlt/ Ist eine Sache/ die zu schwer dem Willen faͤllt; Dem Willen/ welcher diß zu haben ist bedacht/ Was ihm der Sinnen Schluß als liebbar vorgebracht. Diß Lieben/ was sich uns als unser Bildniß zeigt/ Ja naͤher als ein Bild zu unsrer Gleichheit neigt/ Ist unsre von Natur verpflichte Schuldigkeit/ Die uns/ und was uns gleicht/ zu lieben selbst gebeut. Zu dem noch die Gewalt des Gegenstandes kuͤmmt/ Die durch verborgnen Zug uns unsre Freyheit nimmt/ Und mit dem Wercke selbst bezeugt vor iedermann: Die Frauen-Liebe sey der Maͤnner ihr Tyrann. H offnung gleichet einem Wilde/ Das ein ieder fangen kan/ Sie ist allen Hertzen milde/ Wer sie will/ der trifft sie an/ Aehnlicht einem Schatten-Bilde/ Folget der Begierden Bahn. Hoffnung gleichet einem Wilde/ Das ein ieder fangen kan. Solche Freude quillt vom Hoffen/ Die bey allen kehret ein. Keiner/ der nach ihr geruffen/ Hoͤret ein betruͤbtes Nein/ U 2 Wer ANEMONS und Wer ihr Ohr und Hertz haͤlt offen/ Kan allzeit vergnuͤget seyn. Solche Freude quillt vom Hoffen/ Die bey allen kehret ein. W as machstu noch bey mir/ vergebnes Hoffen? Du hast getroffen Verstaͤhlte Sinnen/ Die zu gewinnen Kein aͤchzend Sehnen Kein’ heisse Thraͤnen Genung seyn kuͤnnen/ Die von den truͤben Augen rinnen. Ist denn nun kein Erbarmniß hier/ Was machst du noch bey mir? D ie Hoffnung/ welche sich kan nimmer ruhig wissen/ Die ists/ die unser Hertz in tausend Stuͤcke theilt. Die Wunden/ welche sonst Gedult und Zeit verheilt/ Hat eitles Hoffen mehr als erstlich auffgerissen. Im fall nicht Tantalus im Wasser muͤste stehen/ Im fall die Aepffel ihm nicht reichten an den Mund/ Da ihm doch Speiß und Tranck zu brauchen nicht ver- gunt/ So wuͤrde seiner Qual ein grosser Theil entgehen. Ihr/ die ihr Ruhe sucht in schwerer Angst und Leyden/ Wie sehr euch auch beschwert die aufferlegte Pein/ Im fall ihr mit der Zeit derselben loß wolt seyn/ So muͤsset ihr die Last der eitlen Hoffnung meiden. Die ADONIS Blumen. Die Hoffnung/ fremdes Gutt und Ehre zu erlangen/ Schickt ein verwegnes Hertz auffs fichtne Wasser- Hauß/ Fuͤllt die erzuͤrnte See mit todten Leichen auß. Die Hoffnung macht das Garn mit reichem Raube pran- gen. Der Hoffnung pfleget sich Bellona zu bedienen/ Wenn sie das blancke Feld mit Menschen-Blutte nezt: Im fall die Hoffnung ihr ein langes Ziel gesezt/ Soll unbeweget stehn der Bau der Himmel-Buͤh- nen. Soll Wind und Wetter sich zu ihren Willen schicken/ Drum hoffe wahren Trost nur von der Hoffnung nicht: Je mehr du diese naͤhrst/ ie mehr die Last wird druͤ- cken. S oll Celadon die stille Glutt Denn sterbend unter einer Flutt Von heissen Thraͤnen sehn verglimmern? Laͤst Celimene keinen Stral Der Guͤtte nach so langer Qual In sein getreues Hertze schimmern? Es ist geraume Zeit dahin Daß ich ihr Diener worden bin/ Mann will mich nicht vor Sclav erkennen. Man sieht die helle Flamme nicht: Wenn Feuer aus den Augen bricht/ Wie solte nicht das Hertze brennen! Es brennet ja so viel es kan/ Und zuͤndt sich stets von neuem an Von der erzuͤrnten Augen Blitzen. U 3 Der ANEMONS und Der muͤste ja ein Demant seyn/ Den der befunckten Lichter Schein Nicht koͤnt erweichen und durchhitzen. Die Glutt/ die unser Hertz entsteckt/ Wenn sie gleich Zorn und Unmutt deckt/ Ist liebens werth und schoͤn zu schaͤtzen. Ach/ wenn sie wolten freundlich seyn/ Wie koͤnten sie die schwere Pein Mit uͤberhaͤuffter Freud ersetzen! Zwar hoffet solche suͤsse Gunst Von Celimenen nur umsunst Ein Hertze/ das verdammt zu leyden. Sie glaubets nicht/ sie achtets nicht/ Daß mich die heisse Sonne sticht/ Biß ich mich werd in Asche kleiden. Nur eine Sonne brennt den Mohr/ Die dennoch offt den schwartzen Flor Der Wolcken hengt fuͤr ihren Wagen: Zwey Feuer sind zu viel! Wer kan Zugleich/ wie ich bißher gethan/ Die Schoͤnheit und den Haß vertragen! Doch/ wo hier kein Erbarmen gilt/ So brenne ferner wie du wilt/ Dein Celadon wird diß nicht achten/ Er bleibet dir in stillem huld/ Und wird mit freudiger Gedult Von Celimenens Augen schmachten. W as vor ein Schmertzen ists/ verliebt zu leben/ Mit stetem Verdruͤssen In enge Ketten schliessen Der Freyheit Schatz/ Den ADONIS Blumen. Den koͤstlichen Platz Der Seel offt falschem Sinn zu Raube geben! Was vor ein Schmertzen ists/ verliebt zu leben! Man stirbet ohn sterben/ Muß offt um diß verderben/ Was ungemahlt/ Die Muͤhe nicht zahlt/ Die Seele falschem Sinn zum Raube geben. Was vor ein Schmertzen ists/ verliebt zu leben! K oͤnte sich ein krancker Mutt Seiner Bande machen loß/ Wenn das Hertz zu wehe thut/ So saͤß in des Gluͤckes Schoß Wer empfindt der Liebe Glutt. Aber weil der Sternen Schluß Selten wieder machet frey Den mit Lieb’ umstrickten Fuß/ Lebt in harter Sclaverey Wer der Liebe dienen muß. O wie gluͤcklich/ wer nicht liebet/ Wer nicht fuͤhlt in seinem Hertzen Heisse Schmertzen Von dem Triebe Blinder Liebe/ Der die Welt sich untergiebet. O wie gluͤcklich/ wer nicht liebet! Den kein falscher Blick betruͤbet/ Dem das Zuͤrnen und Liebkosen Zweyer Rosen U 4 Ohne ANEMONS und Ohne Sehnen Ohne Thraͤnen Weder Furcht noch Freude giebet. O wie gluͤcklich/ wer nicht liebet! Wohlgegruͤndete/ uͤbereilte und ge- theilte Liebe. W enn wahre Glutt In treuem Hertzen brennet/ Den Grund der edlen Flamme kennet/ So taurt ihr ungefaͤrbter Schein/ Biß daß wir Asche seyn/ Ohn allen Wanckelmutt; Es muß ihr ieder Tag verneuten Zunder geben/ Und sie der Treue Ruhm biß zu den Sternen heben. Wenn falsche Glutt Die Augen uͤbereilet/ So wird das Hertze leicht getheilet/ Der Sinnen unbegruͤndter Schluß Gebieret Uberdruß Und leichten Wanckelmutt: Doch aber steh ich an/ ob so vergaͤnglich Brennen Ein Feuer/ oder nur ein Irrlicht sey zu nennen. Wenn gleiche Glutt Aus Wang’ und Auge blitzet/ Zu einer Zeit das Hertz erhitzet/ So schmertzet uns die schwere Wahl/ Und plagt mit tausend Qual Den ungewissen Mutt. Sagt/ Nymphen/ koͤnt ihr denn auch so zertheilte Flam- men/ Die ihr zugleich in uns erweckt/ schlecht hin verdammen? Die ADONIS Blumen Die Einsame und Verliebte. B etruͤbte Nacht/ in der mich Lieb’ und Schrecken Ohn Unterlaß von meiner Ruh erwecken/ Wenn koͤmmt einmahl die angenehme Nacht/ Die meiner Pein ein froͤlich Ende macht? Du gehst dahin/ nicht aber mein Betruͤben/ Der Morgen koͤmmt/ nicht aber mein Belieben: Dein frischer Thau erquickt das duͤrre Land; Wer kuͤhlet mir den ungeloͤschten Brand? Der Sterne Glantz erleuchtet deinen Schaten/ Und lehret dich der heissen Sonn entrathen; Wer troͤstet mich/ wenn dieses Auge weint/ Daß ihm kein Stern und keine Sonne scheint? Philander ruht in suͤssen Schlaff gewieget/ Wenn Einsamkeit in meinen Armen lieget: Die leichte Last der Federn ist zu schwer/ Ich wende mich vergebens hin und her. Endimion kan mit Dianens Kuͤssen Den Uberdruß der langen Nacht versuͤssen: Mein Hunger waͤchst durch fremden Uberfluß: Ach haͤtt ich nur fuͤr tausend einen Kuß! Der stille Brand verzehret mein Gebluͤtte/ Mein Hertze raucht/ wie Bajens Schwefel-Huͤtte/ Die Geister sind bey mir umsonst bemuͤht/ An der man selbst nur duͤrren Schatten sieht. Komm/ Sonne/ komm/ und bringe deinen Morgen/ Komm fruͤher Tag/ du Trost verliebter Sorgen/ Und laß mich den/ den ich verlange/ sehn/ Sonst ists um mich fuͤr Abends noch geschehn. U 5 Die ANEMONS und Die Verliebte und Betruͤbte. B etruͤbte Nacht/ in der mich Furcht und Schrecken Ohn Unterlaß von meiner Ruhe wecken/ Wenn koͤmmt ein mahl die lange Mitternacht/ Die meiner Pein ein endlich Ende macht? Du gehst vorbey/ mein Leyden bleibt zu ruͤcke/ Die Stunden fliehn/ doch nicht mein Ungeluͤcke. Dein kuͤhler Thau erfrischt den trocknen Klee/ Mich uͤberschwemmt der Thraͤnen heisse See. Es ruht die Welt in sanfften Schlaff gewieget/ Wenn meine Seel in tausend Aengsten lieget/ Ich werffe mich mit Seuffzen hin und her/ Das leichte Bett ist mir als Bley zu schwer. Die stille Glutt durchkocht die duͤrre Seele/ Das Hertze brennt wie Etnens Schwefel-Hoͤle/ Mein Wange zeigt der rothen Flamme Schein/ Wird aber bald voll bleicher Asche seyn. Kein schwerer Traum darff mich bekuͤmmert machen/ Ich habe Qual genung bey hellem Wachen. Mein Leben ist ein Traum und Gauckel-Spil/ Damit mich Gluͤck und Zeit bethoͤren will. Komm/ blasser Mond/ und leuchte mir zu Grabe: Da ich forthin die beste Ruhstatt habe. Erreich’ ich gleich des jungen Tages Licht/ So uͤberleb’ ich doch die Sonne nicht. Die junge Frau und der alte Mann. D ie gantze Nacht sitzt mir der Floh in Ohren: Mein Alter schnarcht/ wenn ich die Ruh verlohren. Er ADONIS Blumen. Er kehret mir den kalten Ruͤcken zu/ Wenn ich mit ihm am allerschoͤnsten thu. Der Hitze Macht kan Eiß und Steine zwingen/ Und keinen Safft aus diesem Felsen bringen. Er fuͤhlt vor mich zu wenig/ ich zu viel/ Die Karth entfaͤllt ihm/ wenn ich spielen will. Mein Mund/ gewohnt den Marmor zu entzuͤnden/ Kan keine Glutt in seiner Asche finden. Mein suͤsser Kuß/ mein Zug der linden Hand Wird nur bey ihm vergebens angewandt. Komm/ Liebe/ komm/ mir Aermsten Recht zu sprechen/ Komm meine Glutt/ wo nicht sein Eiß/ zu brechen/ Ich habe gnug bey seinem Schnee geschwizt/ Sein Eiß ist gnug bey meinem Brand erhizt. D ie gantze Nacht liegt mir mein Weib in Ohren/ Sie hat den Schlaff und ich die Ruh verlohren/ Sie schleust mich ein in Armen voller Glutt/ Verbrennt und kocht das ausgefrorne Blutt. Ihr heisser Brand will See und Flutten haben/ Wenn andre kan ein Baͤchlein Necktar laben. Welch Brunnquell kan so unergruͤndlich seyn/ Der nicht von Sonn’ und Duͤrre trocknet ein? Mein Lebens-Oel ist meistentheils verglommen/ Nachdem ich bin zu frischem Feuer kommen; Geb ich den Rest auff eine Zeit dahin/ Wer leuchtet ihr/ wenn ich erloschen bin? Wer kan den Durst der Wassersucht bestillen/ Und die Begier erregter Luͤste fuͤllen? Viel besser ist getheilter Uberfluß/ Als wenn man bald auff einmahl darben muß. Man ANEMONS und Man waͤrmt sich auch bey halberstorbnen Kohlen/ Kan Feuer aus der lauen Asche holen/ Ein spaͤter Herbst gewehrt die beste Frucht/ Die man umsonst im goldnen Lentzen sucht. Aus Felsen muß das beste Wasser springen/ Wiewohl es nicht ohn Muͤhe zu erzwingen. Der Eckel gaͤllt die leicht-erworbne Lust/ Und Hunger wuͤrzt die lang’ erwartte Kost. Muß gruͤnes Holtz mehr Rauch und Thraͤnen schwi- tzen/ Ein duͤrrer Stock kan dennoch besser hitzen. Die Guͤtte/ nicht die Menge/ preist den Wein/ Und Balsam floͤst man nur mit Tropffen ein. Drum/ Liebe/ komm mir Alten Recht zusprechen/ Komm ihre Glutt/ und nicht mein Eiß/ zu brechen/ Damit ihr Brand/ durch meinen Schnee gekuͤhlt/ Mit sanffter Glutt und lindern Flammen spielt? Der berechtigte Kuß. W ohnet nicht auff deinen Lippen/ meine Freude/ mein Vergnuͤgen/ Meine Seele/ meine Wonne/ ja mein Leben/ meine Ruh? Warum soll ich nicht das Meine/ wo ichs finde/ wieder kriegen? Alle Recht und Richter sprechen jedem ja das Seine zu. Schlaf/ ADONIS Blumen. S chlaf/ angenehmes Kind der stillen Nacht/ Arzt der von Muͤdigkeit erstorbnen Geister/ Des Kummers Feind und Tod/ der Sorgen Meister/ Warum halt ich allein in meinem Bette/ (Das mir der Unruh Grab soll seyn) die Wette/ Mit tausend Sternen an dem Himmel Wacht? Wo ist dein suͤsses Thun/ die stille Ruh? Wo sind die Traͤume/ die uns zu vergnuͤgen Bey brauner Nacht um unser Lager fliegen? Du selber schlaͤffst/ o Schlaf/ wie ich vermeyne: Komm/ du des Todes Bild/ komm und erscheine/ Schleuß dieses muͤde Paar der Augen zu. Nicht eine Allein. S oll mein Gesichte denn ein einig Leit-Stern bin- den? Des Himmels rundter Kreiß hegt Lichter ohne Zahl: Wie leicht verirret sich die ungewisse Wahl/ Stets in die Sonne sehn macht starres Aug-Erblin- den; Bey einem Anblick kan ich kein Vergnuͤgen finden. Nur eine allein. K oͤnt ich der Sonnen Glantz in allen Augen finden/ So waͤr ich auch vergnuͤgt mit manchem Sternen- Strahl/ Sie zeigten mir dein Bild als Spiegel allzumahl. Weil ANEMONS und Weil aber Mond und Stern bey heller Sonn erblin- den/ So will ich auch mein Hertz an die alleine binden. S oll denn mein Auge nur an einem Auge kleben/ Viel tausend Lichter hegt des Himmels rundter Kreiß/ Daß man den Unterscheid dabey zu lernen weiß: Stets einerley zu sehn/ kan kein Vergnuͤgen geben. K ein Monde gleichet sich dem hellen Sonnen-Lichte/ Fuͤr tausend Sternen hat ihr Glantz und Schein den Preiß. Weil/ ausser Cloris/ ich nun keine Sonne weiß/ Verehr ich auch allein ihr schoͤnes Angesichte. Vergebene Hoffnung. O ffters traumt dem/ der gebunden/ Daß er seine Freyheit hat: Wenn der Morgen angegangen/ Ist der falsche Traum verschwunden/ Und die Hoffnung findt nicht statt. Er bleibt an den Fesseln hangen/ Das geht ihm viel schwerer ein: Besser ists ohn Hoffnung seyn! Bettler sind offt reich an Schaͤtzen/ Die der falsche Traum gewehrt; Wenn ADONIS Blumen. Wenn der Tag ist angebrochen So verschwindet ihr Ergoͤtzen/ Und der Beutel bleibt geleert. Brod fuͤr fremder Thuͤre suchen Geht hernach viel schwerer ein: Besser ists ohn Hoffnung seyn! F lora saß auff ihrem Throne/ Bey ihr sah man die Napeen Unter tausend Blumen stehen; Loß und Gluͤcke solten weisen/ Welch am meisten sey zu preisen: Was geschach? Die weisse Bohne Ward der Anemone. Flora rieff mit hellem Thone: Manche spuͤrt man uͤbel riechen/ Ob sie schoͤn: die Veyeln kriechen/ Rosen stechen/ Liljen faͤrben/ Nelcken welcken/ Tulpen sterben: Drum fuͤr aller Blumen Crone Gilt mir Anemone. Nord-Wind/ wenn du mir zu Hohne Mit verneutem Winter draͤuest/ Schnee und Hagel um dich streuest/ Will ich zwar gedultig lassen Manche weiche Blum’ erblassen/ Aber diß beding’ ich/ schone Meiner Anemone. Venus mit dem zarten Sohne Kam in Garten Blumen brechen/ Hoͤrte diese Worte sprechen/ Sagte/ daß Sylvanders Treue Bald ANEMONS und ADONIS Blumen. Bald die schoͤnste Blum erfreue? Geh/ und kroͤn’ ihn/ Kind/ zu Lohne Mit der Anemone. Amor war bereit zur Frohne/ Flochte fuͤr den treuen Hirten Anemon auff gruͤne Myrthen: Dieser sang mit tausend Freuden: Weil ich werde Laͤmmer weyden/ Wo ich treibe/ wo ich wohne/ Bluͤh’ mir Anemone! Himmel-Schluͤssel oder Geistliche Gedichte. E S ist bey der itzigen sinnreichen und neugierigen Welt die Sprach-nicht weniger als die Blumen-Kunst auff das Hoͤchste gestiegen. Der sei- nes lobwuͤrdigen Zweckes we- gen hoch-preißbare Palmen- Orden hat die vornehmsten Gewaͤchse dieser und der neuen Welt untersuchet/ nd in seinen Garten versetzet. Was selbige or Frucht getragen/ lieget an offenem Tage. Man muß bekennen/ daß durch Anleitung seiner it-Glieder und Nachfolge vieler andern es da- in kommen/ daß alle Laͤnder und alle Zungen ser Teutschland bereichert haben. Die Kunst er Bemuͤhung hat sich/ die Natur selbsten zu ertreffen/ bearbeitet/ und was in fremdem Bo- en gewachsen/ dem Teutschen erblich machen ollen/ wiewohl mit ungleichem Fortkommen/ dem ein Theil darvon in der ersten Bluͤte er- cket ist/ ein Theil auff dem fremden Stocke Ge- A 2 ruch ruch und Farbe verlohren/ das meiste dennoch wohl gebluͤhet und gefruchtet hat. Allhier zeigen sich auch einige theils inn- theils auslaͤndische Gewaͤchse von unterschiedener Gattung/ gleichwie in einem Garten nicht nur hohe Baͤume und praͤchtige Stauden/ sondern auch niedrige Violen urd kriechende Demutt an- getroffen werden. Ruͤchen viele hiervon noch nach der ungereinigten Lufft des ersten Fruͤhlings/ so ist man ja gewohnet/ zu selbiger Zeit mit schlechten Blumen fuͤr lieb zu nehmen/ und findet hernach die andern desto angenehmer. Die Himmel- Schluͤssel (Primulæ Veris) stehen billich voran. Der HErr des Himmels gebe/ daß wir alle den rechten Himmels-Schluͤssel finden und er- greiffen. Ermun - Ermunterung zur Andacht beym Erwachen. D Seele/ werde wach vom Schlaffe deiner Suͤnden/ Der dich in eine Nacht ohn Ende stuͤrtzen kan. Nimm keinen falschen Schein zu deinem Fuͤhrer an/ Und muͤhe dich das Licht der Ewigkeit zu finden. Geh nicht den breiten Weg der weltgesinnten Blinden/ Die schnoͤder Ehre Blitz/ und falscher Freude Wahn Vom Tugend-Steige fuͤhrt auff glatter Wollust Bahn/ Den Liebe/ Lust und Schertz die Augen pflegt zu binden. Erhebe dich im Geist bey das gestirnte Hauß/ Laß Schatten/ Nebel/ Nacht seyn unter deinen Fuͤssen/ Und klaͤre deinen Sinn mit reiner Andacht aus. So wird das Licht/ dem Licht und Sonne folgen muͤssen/ Mit Strahlen seiner Gnad erleuchten deine Sinnen/ Daß du durch finstres Thal wirst sicher wandeln kuͤnnen. Morgen-Andacht. D er beglaͤnzte Mond erbleichet Von der nahen Sonne Pracht/ Aller Sternen Heer entweichet Mit der hingelegten Nacht: Auff mein Hertz/ und laß der Suͤnden Finsterniß und Schlaff dahinden. Den gewoͤlbten Himmels-Vogen/ Den Saffirnen Wunder-Bau/ Hielt die dunckle Nacht umzogen/ Die geraume Sternen-Au Hegte zu des Hoͤchsten Ruhme Manche Licht- und Feuer-Blume. Ihre Zier muß nun erblassen/ Ihr entlehnter Glantz stirbt hin; A 3 So Himmel-Schluͤssel. So muß auch der Mensch verlassen Ehre/ Wollust und Gewinn: Muͤhe dich das Licht zu finden/ Das zu keiner Zeit kan schwinden. Muß die Welt die Sternen missen/ Und ohn alle Lichter stehn/ Eh sie kan die Sonne gruͤssen/ Also pflegt es uns zu gehn/ Daß wir durch des Todes Schatten Erst zur Ewigkeit gerathen. Folgt der schnoͤden Eitelkeiten Wandelbarer Mond der Nacht/ Weist sich doch zur andern Seiten Des verjuͤngten Tages Pracht; Ach/ daß diese Morgen-Roͤthe Schau das Gold der Sonne glaͤntzen Und am Himmel steigen auff/ Da es in gewissen Graͤntzen Muß vollfuͤhren seinen Lauff; Laß die Menge solcher Wunder Seyn der todten Andacht Zunder. Sieh/ die Perlen-Thraͤnen thauen/ Zu erquicken Laub und Graß/ Wo du deiner Wangen Auen Machst in wahrer Busse naß/ Wird sich GOttes Gnad eraͤugen/ Himmel-Schluͤssel bey dir zeugen. Dencke/ wie ohn alles Weinen/ Ohne Nacht und Tunckelheit/ Wird die Lebens Sonne scheinen In der frohen Ewigkeit/ Da du mit verklaͤrtem Hertzen Gleichen wirst den Himmels-Kertzen. Au ff Himmel-Schluͤssel. Auff! und schwinge dich bey Zeiten Gleich den Vogeln Himmel an/ Eine Stelle zu bereiten/ Die dich ewig bergen kan: Da du kanst in Ruhe stehen/ Wenn die Welt muß untergehen. Ubersteig die Sternen-Buͤhne/ Suche dir ein heller Licht/ Wuͤnsch/ ach/ daß der Tag erschiene/ Der die Welt in Stuͤcke bricht/ Daß mein Licht/ mein JEsus kaͤme/ Und mich ewig zu sich nehme! D er erblaßte Monden ziehet Sein geschwaͤchtes Silber ein/ Und der Sternen Heer entfliehet Vor der Sonne nahem Schein/ Auff/ mein Hertz/ und laß der Suͤnden Truͤbe Nacht bey dir verschwinden. Schau wie Lerch und Nachtigallen/ Die man fruͤher hoͤrt als sieht/ GOtt zu Ehren lassen schallen Ein erfreutes Morgen-Lied/ Folge nach/ mein Hertz/ und finge GOtt dem Schoͤpffer aller Dinge. Herrscher uͤber Tod und Leben/ Meister uͤber Nacht und Tag/ Dir muß billich Ehre geben Was nur Athem ziehen mag/ Und dich/ seine Pflicht zu weisen/ Mit den Morgen-Sternen preisen. Himmels-Fuͤrst und Erden-Koͤnig/ Grosser HERR der Herrligkeit/ Meine Zung’ ist viel zu wenig/ Daß sie deinen Ruhm ausbreit/ A 4 Aber Himmel-Schluͤssel. Aber laß dir doch das Lallen Deines Kindes wohl gefallen. Daß ich deiner Sonne Blincken Und des hellen Tages Zier/ Daß ich deiner Sternen Wincken Und diß gantze Welt-Refier Deiner Wercke voll gesehen/ Ist durch deine Macht geschehen. Daß ich mit gesundem Leibe Froͤlich Athem schoͤpffen kan/ Und in meinem Stande treibe Was mir ist befohlen an/ Daß ich Kleid und Nahrung habe/ Nenn ich billich deine Gabe. Daß ich freudig im Gewissen/ Frey von Suͤnd/ und Hoͤllen Noth/ Auff dein theures Blutvergiessen/ Geh durch Sorge/ Schmertz und Tod. Daß ich ewig dich soll sehen/ Ist/ und wird/ durch dich geschehen. Fahre fort mich so zu pflegen/ Halt mich unter deiner Hutt/ Kroͤne mich mit deinem Segen/ Gieb was hier und ewig gutt/ So soll dir mit Engel-Zungen Werden Lob und Danck gesungen. In Morgen-Andacht veraͤndertes Abend-Lied. Nun ruhen alle Waͤlder. N un klingen alle Waͤlder/ Vieh/ Menschen/ Staͤdt und Felder Sind von dem Schlaff erwacht/ Mein Hertze/ laß dich hoͤren/ Sey deinem GOTT zu Ehren Auff einen Lob-Gesang bedacht. Den Himmel-Schluͤssel. Den schoͤnen Himmel mahlen Der Morgen-Roͤthe Strahlen Mit neuen Farben aus: Laß deiner schwartzen Suͤnden Betruͤbte Nacht dahinden/ Und schmuͤcke deiner Seelen-Hauß. Der Mond ist abgegangen/ Man sieht von Osten prangen Der Sonne goͤldnen Schein/ Mein JESUS/ meine Wonne/ Soll meines Hertzens Sonne/ Das Auge meiner Seele seyn. Der Leib entsagt der Ruhe/ Ergreiffet Rock und Schuhe/ Der armen Bloͤsse Kleid; Umguͤrte deine Lenden/ Und nimm aus JESU Haͤnden Die Kleider der Gerechtigkeit. Du siehest/ wie ein ieder Die ausgeruhten Glieder Zu ihrer Arbeit weist/ So will dir auch gebuͤhren/ Mit Freuden auszufuͤhren/ Was Christenthum und Pflicht dich heist. Das Auge sey gewendet Zu dem/ der Huͤlffe sendet/ Wenn Nacht und Noth bricht ein/ Beschaue seine Wercke/ Und laß sie Trieb und Staͤrcke Zu neu-entflammter Andacht seyn. Die Stimme sey erhoben/ Mit Danck und Preiß zu loben Den Schutz vergangner Nacht/ Die Hand bereit zu heben/ Und Christlich auszugeben/ Was Fleiß und Segen eingebracht. A 5 Der Himmel-Schluͤssel. Der Hoͤchste wird indessen Das Seine nicht vergessen/ Und dir zur Seite stehn/ Daß du nach Roth ergoͤtzet/ Durch keine Roth verletzet/ Ihm danckend wirst zur Ruhe gehn. Abend-Lied. D ie Sonne birgt nunmehr ihr angenehmes Licht/ Der Abend will die Welt der Arbeit uͤberheben/ Es fordert meine Pflicht/ Dem Hoͤchsten fuͤr den Schutz des Tages Danck zu geben. Was mein Beruff erheischt/ ist wohl zu Ende bracht/ Leib und Vermoͤgen sind noch frey von allem Schaden/ Ich kan mich mit der Nacht Ohn Ungluͤck und Beschwer der Sorgen-Last entladen. Viel/ leyder/ klagen sich verlezt durch Feind und Glutt/ Und andre fuͤhlen sich bekraͤnckt durch alle Glieder/ Durch GOttes Engel-Hutt Leg ich mich unversehrt zur sanfften Ruhe nieder. Wie werd ich dir/ O GOtt/ dafuͤr nun danckbar seyn? Mein schnoͤdes Hertz ist voll von leeren Eitelkeiten: Stell ichs zum Opffer ein/ So kan ich solches doch nicht nach Gebuͤhr bereiten. Mein Auge scheuet sich den Himmel anzusehn/ Der Abend-Roͤthe Glantz beschaͤmet meine Wangen/ Was diesen Tag geschehn/ Hat Straffe nur verdient (nicht Segen) zu erlangen. Doch denck ich an die Nacht/ da JEsus mich vertrat Fuͤr deinem Richter-Stul in tuncklem Oelbergs-Schatten/ Was er da thaͤt und bat/ Koͤmmt mir und aller Welt noch heilsamlich zu statten. Die schwere Nacht verbirgt und decket meine Schuld/ Mein Heyland hat sie selbst gebuͤsset und begraben/ Er- Himmel-Schluͤssel. Erworben deine Huld/ Laͤst mich zu dir in Buß und Glauben Zutritt haben. Drum klag ich mich zwar selbst mit Neue bey dir an/ Glaub aber auch durch dich Verzeihung zu erwerben/ Wenn meiner Hoffnung Kahn Den starcken Ancker fast/ so kan ich nicht verderben. Ich dancke fuͤr die Gnad entwichner Tages-Zeit/ Und kan ich diese Nacht derselben auch genuͤssen/ Werd ich aus Schuldigkeit/ Dir neuen Morgen-Danck zu bringen seyn beflissen. D ieser Tag ist nun zum Ende/ Braunen Schattens tunckler Flor Huͤllt sich um des Himmels Waͤnde/ Birgt der muntern Sternen-Chor/ Truͤbe Nacht und duͤstres Schrecken Will den Kreiß der Erde decken. Dunst und Thau umzieht die Felder/ Die man itzo ledig spuͤrt/ Winde spielen durch die Waͤlder/ Deren Haubt sich zitternd ruͤhrt; Thiere ruhen/ Menschen schweigen/ Biß die Sonn ihr Licht wird zeigen. Schwartz und finster sind die Thaten/ Die ich diesen Tag gehegt/ Ich bin aus der Bahn gerathen/ Welche zu dem Himmel traͤgt/ Darum fuͤhl ich auch im Hertzen Reu und Furcht und bange Schmertzen. Stechen heisser Sonnen Blicke/ GOttes Zorn sticht noch so sehr/ Traurt man/ wenn der Himmel dicke/ Wenn GOtt wittert/ noch vielmehr/ Besser ists/ als im Gewissen Seine Gunst/ den Tag vermissen. Adam Himmel-Schluͤssel. Adam muß das Feuer fuͤhlen/ Welches seine Bloͤsse brennt/ Doch da sich der Tag will kuͤhlen/ Wird das Hertzeleid gewendt/ GOttes Ruff/ sein Thau der Guͤtte/ Labt sein schmachtendes Gemuͤtte. Ruffe mich/ O GOtt/ desgleichen/ Doch in Gnaden/ izt zu dir/ Muß ich schon fuͤr Furcht erbleichen/ Weil nichts guttes wohnt in mir/ Tilgt doch dieser mein Verbrechen Der sich ließ die Schlange stechen. Ob mich Grab und Hoͤlle schrecket Und die Todes-Nacht mir draͤut/ Meine Fehler sind bedecket Durch des reinen Lammes Kleid Unter Nacht und Finsternissen Kan ich Licht im Hertzen wissen. Laß die Decke meiner Suͤnden/ Die mein Hertz umnebelt hat/ Mit der finstern Nacht verschwinden/ Segne meine Lagerstatt/ Daß ich mit verneuten Sinnen Morgen kan dein Lob beginnen. Geburts-Nacht. E ine lange Winter-Nacht Hat mich an das Licht gebracht/ JEsu/ welchem Nacht und Licht Zu gehorchen ist verpflicht/ Laß mir deinen Gnaden-Schein Tag und Nacht fuͤr Augen seyn/ Wenn der finstren Wercke Dunst Will vertuncklen deine Gunst; Wenn Himmel-Schluͤssel. Wenn die truͤbe Todes-Nacht Mir die Augen finster macht/ Biß ich dich/ den hellen Tag/ Sonder Naͤchte schauen mag. B ey hellem Monden-Licht ward mir das Licht gegeben/ Laß mich/ o hoͤchstes Licht/ in deinem Lichte leben/ Laß mich diß wahre Licht zu keiner Zeit verlieren/ Wenn mich manch irrend Licht will auff die Seite fuͤhren; Wenn mich der schnoͤde Glantz der eitlen Wollust blendet/ Wenn mir dein helles Licht des Creutzes Wolck entwendet/ Wenn Fleisch und Blutt/ wenn Welt und Hoͤlle sich bemuͤ- hen/ Den Leit-Stern deiner Gunst der Seele zu entziehen/ Laß deine Sonne mir im finstern Tode scheinen/ Und mich dein ewges Licht umgeben bey den Deinen. Tauff-Bundes Erinnerung. W Er weiß das Element des Wassers zu entbehren? Es traͤncket/ kocht und heilt: Wenn heisser Sonnen Glutt/ Der Arbeit Last und Schweiß den Gliedern wehe thut/ So muß uns Labung diß und neue Krafft gewehren/ Diß giebt der Speise Safft/ aus wie viel edlen Brunnen Koͤmmt krancker Glieder Heyl mit Bad und Tranck gerun- nen? Diß naͤhret/ was uns naͤhrt/ gewehrt auff unsre Tische/ Was ihm manch fremdes Volck vor Fleisch und Brod er- wehlt/ Was selbst die Erde nicht in so viel Arten zehlt/ Zu unsrem Unterhalt und Uberfluß/ die Fische. Doch wollen wir den Nutz des Wassers recht ergruͤnden/ Wird sich aus GOttes Wort noch bessre Probe finden: Naemans Aussatz ward in Jordans Flutt geheilet/ Ein heilsam Wasser war in GOttes Volck bekandt/ Zur Reinigung gesprengt von Hohen-Priesters Hand. Von Himmel-Schluͤssel. Von wem Betheßdens Teich am ersten ward ereilet/ Wenn ihn von oben her des Engels Hand beruͤhret/ Der hat sich aller Plag’ und Siechthums frey gespuͤret. Des Hoͤchsten Wasser-Kunst ist hoͤher noch gestiegen/ Die Bilder zeigten uns im Schatten Wercke dar/ Was von des HErren Gunst fuͤr uns bereitet war/ Was in der Tauffe Brunn fuͤr Seelen-Schaͤtze liegen/ Nun Christus/ GOttes Sohn/ das Wasser selbst geweyhet/ Und unsre Tauffe durch die seine benedeyet. Wer weiß diß Sacrament des Wassers zu entbehren/ Des Wassers/ dem das Wort des Hoͤchsten beygesellt/ Viel Wunder-Kraͤffte schenckt: Wir kommen auff die Welt Ohnmaͤchtig uns der Macht der Raub-Fisch zu erwehren/ Als Schleyen/ die im Koth der schnoͤden Erb-Schuld stecken/ Und die das Netze soll des Hoͤllen-Fischers decken. Uns wird durch dieses Bad verneute Krafft gegeben/ Und Wachsthum in dem Geist/ uns macht die Quelle rein/ Daß wir vom Suͤnden-Wust fuͤr GOtt gesaubert seyn/ Und nicht in Dienstbarkeit der Hoͤlle doͤrfften kleben; Den Heil-Brunn gabst du mir/ O GOTT/ auch zu genies- sen/ Laß drauß bestaͤndigs Heyl und Segen auff mich fliessen. V ier Stroͤme sahe man in Edens Garten fliessen/ in Nord/ Suͤd/ Ost und West ihr Wasser theilen ein/ Kan wohl ein besser Quell und edler Spring-Brunn seyn/ Als den sich Zion sieht in alle Welt ergiessen. Diß ist der Tauffe Flutt; der muß Amanens Bach/ Damascus Pharphar und der Jordan geben nach. Der Erbschuld Aussatz wird durch dieses Bad geheilet/ Ein Bad das seinen Brunn allein im Himmel weiß/ Den Brunn der wieder fleust/ und fuͤhrt ins Paradeiß/ Diß ward mir weyland auch zum Leben mitgetheilet/ Der Hoͤchste lege mir desselben Nutzen bey/ Daß seine Gnad und Huld bestaͤndig um mich sey! Der Himmel-Schluͤssel. D er ungluͤckselge Mensch kan kaum die Welt begruͤssen/ Daß nicht ein Thraͤnen-Fluß/ eh das noch schwache Licht Den hellen Tag erkennt/ aus seinen Augen bricht/ Wird frey und laͤsset sich in neue Bande schluͤssen. Bringt seine Jahre zu gewiegt in Freud und Leyd/ In Unruh/ Sorg und Angst/ in Hoffnung/ Furcht und Streit/ Biß ihn der lange Schlaff der Ruhe laͤst genuͤssen/ Was aber klagen wir? wann wir die Welt begruͤssen So hat uns JEsus Hand ein Freybad zugericht/ Waͤscht/ reiniget und staͤrckt der bloͤden Augen Licht/ Befreyet von dem Strick der Erb-Schuld das Gewissen/ Sein Blut ist unsre Milch/ sein Unschuld unser Kleid/ Die Wiege seine Schoß/ der Schlaff die Seligkeit. Diß laß mich auch/ O GOTT/ allhier und dort geniessen. D er alte Teutsche trug die Kinder an den Rhein/ Es solte dieses Bad der Unschuld Probe seyn. Wir haben allesammt ein heilsam Bad von noͤthen/ Wenn uns die Erb-Schuld nicht erroͤthen soll und toͤdten. Allein/ es ist hierzu kein schlechtes Wasser gutt/ Der Rhein macht keinen rein/ die staͤrckste Wasser-Flutt Waͤscht keinen Flecken ab/ der an der Seele klebet/ Wenn aber GOttes Geist ob Jordans Strome schwebet/ Wenn er mit Wunder-Krafft den Teich Betheßda ruͤhrt/ Wenn der Erloͤser uns zu einem Brunnen fuͤhrt/ Durch Geist und Wort geweyht/ so ist ein Bach zu finden/ In dem man sauber wird von allem Koth der Suͤnden. Die Quelle macht dich auch/ geliebte Seele/ rein/ Und wird dir Lebenslang der Unschuld Zeugniß seyn; Sie bring’ an Leib und Seel erwuͤnschtes Wohlgedeyn/ Und fuͤhre dich zum Strom der ewgen Wollust ein. Wir Himmel-Schluͤssel. W ir kommen auff die Welt befleckt/ Mit schnoͤder Erb-Seuch’ angesteckt/ Und hegen des Verderbens Samen: Doch ist zu unsrer Reinigkeit Ein heilsam Wasser-Bad bereit: Diß brauchen wir auff GOttes Nahmen. Des Vatern Gnade zum Gewinst/ Des Sohnes blutiges Verdienst/ Des reinen Geistes Ob-uns-schweben/ (Gleichwie er sich der ersten Welt Nach Mosis Zeugnis fuͤrgestellt/) Wird uns durch diesen Bund gegeben. Vernunfft/ die thoͤrichte/ steht an/ Wie Wasser so viel wuͤrcken kan/ Ich geb’ ihr aber zum Bescheide: Daß GOttes Wort und Krafft mit Flutt Verknuͤpfft so grosse Wunder thut/ Der Glaube traut und sieht auff beyde. Diß Wasser soll ein Denck-Mahl seyn/ Uns iederzeit zu halten rein/ Die Adams-Luͤste zu ersaͤuffen/ Damit ein neuer Mensch entsteh/ Und in desselben Wegen geh/ Der sich am Jordan selbst ließ taͤuffen. Diß Heyl-Bad hat mich auch genezt/ Und in des Hoͤchsten Huld gesezt/ Gantz fest in seinen Bund geschlossen. GOtt Vater/ Sohn und Geist verleih/ Damit ich bleib/ und ewig sey Gezaͤhlt zu deinen Reichs-Genossen. Nahmens-Tag. D er vielgewuͤnschte Tag/ Johann/ ist nun vorhanden/ Die Sonne tritt in Krebs/ nachdem ihr goldnes Rad Den hoͤchsten Himmels-Stand bereit erlanget hat/ Ein Himmel-Schluͤssel. Ein Kummer-reiches Jahr ist wieder uͤberstanden/ Wir leben allerseits bedraͤngt in unsern Landen/ Bedraͤngter in uns selbst/ durch manches Thraͤnen-Bad/ Durch uͤber Seel und Leib gehaͤuffte Frevel-That; Erloͤß uns/ grosser GOTT/ von dieses Todes Banden. Vergieb die Schuld/ und gieb/ was unser Hertz erquicke; Laß unser gantzes Land in vollem Segen stehn/ Damit der Feinde List den Krebs-Gang moͤge gehn/ Und unsre Waffen selbst dein starcker Arm begluͤcke/ Laß deines Dieners Hauß dir unentfallen seyn/ Und fuͤhr uns/ wenn du wilt/ in Himmel selig ein. W Ie soll ich deinen Ruhm/ O GOtt/ zur Gnuͤg erheben/ Das Leben/ die Vernunfft/ O Hoͤchster/ schenckst du mir/ Verlangte Mittel hab ich einig auch von dir/ Durch die ich diesen Tag vergnuͤget kan erleben/ Was werd ich dir davor aus treuem Hertzen geben/ Das izt verhandne Fest haͤlt meinen Augen hier Die Eyd-verbundne Pflicht/ den Schluß der Tauffe fuͤr/ Und dort umschraͤncket mich des Fleisches Widerstreben. Den Willen geb ich dir/ der so viel moͤglich/ gutt/ HErr/ der du alles kanst/ bezaͤhme Fleisch und Blutt/ Vergieb die Schuld/ mit der ich Suͤnder bin beladen/ Gieb wahre Suͤnden-Neu/ gieb einen neuen Geist/ Der von der Erde sich und ihrem Kothe reist/ Und wohne ferner bey den Deinen in Genaden. Jahr-Gedaͤchtnisse. E in Jahr/ O hoͤchster GOtt/ ist wieder bracht zu Ende/ Wiewohl nicht ohne Creutz und untermengte Pein/ Doch daß ich kan gesund und unverletzet seyn/ Ist ein Genaden-Werck/ O Schoͤpffer/ deiner Haͤnde/ Darvor ich Himmel au der Lippen Opffer sende/ Und stelle mich bey dir mit neuem Bitten ein: Gieb/ grosser Himmels-Fuͤrst/ daß dieses Tages Schein/ B Was Himmel-Schluͤssel. Was nuͤtzet/ zu mir her/ was schadet/ von mir wende. Vergieb die schwere Schuld/ vergiß der ernsten Rache/ Verleih/ im fall diß Jahr mein Leben schliessen soll/ Daß ich auff dein Verdienst/ O JEsu/ sterbe wohl. Im fall mich deine Gnad in treuem Schutz erhaͤlt/ So leb ich wohl begluͤckt in der und jener Welt/ So schadet mir noch Tod/ noch Welt/ noch Hoͤllen-Drache. Tag und Nacht/ Kinder einer Mutter/ Geschwister widerwaͤrtiger Sinnen. Aus dem Oedipo Athanasii Kircheri. D ie Fluͤgel-schnelle Zeit/ die Fuͤrstin aller Sachen/ Von welcher/ was nicht ist/ noch immer war entsteht/ Die alle Dinge groß und klein gewohnt zu machen/ Mit welcher/ was da ist/ und nicht stets war/ vergeht/ Zu deren Diensten sich die Erde muß verpachen/ Der unterworffen ist was niedrig/ was erhoͤht/ Sucht das geraume Ziel der ungemeßnen Grantzen Durch ein getreues Paar der Erben fortzupflantzen. Es fuͤhren diese Zwey noch bey der Mutter Leben Den hohen Koͤnigs-Stab in freygewohnter Hand/ Stadthalter muͤssen sie in allen Laͤndern geben/ Wo dieser Koͤnigin Regierung ist bekandt/ Doch will sich mancher Streit bey solchem Paar erheben/ Wer billich haben soll den allerersten Stand/ Wem wohl der groͤste Staat zu halten will gebuͤhren/ Wer kuͤnfftig mit der Zeit soll Kron und Scepter fuͤhren? Dem einen pflichten bey die meisten Reichs-Gesetze/ Der ander gruͤndet sich auff mancher Voͤlcker Recht/ Der eine macht sich groß durch eingetragne Schaͤtze/ Damit er auff den Fall kan werben manchen Knecht/ Durch Freyheit/ daß man sich in sanffter Ruh ergoͤtze/ Wird von dem andern Theil des ersten Heer geschwaͤcht/ Der eine suchet Gunst durch Muͤhsamkeit bey allen/ Der ander will der Welt durchs Widerspiel gefallen. Dem Himmel-Schluͤssel. Dem einen ist das Haubt von denen Hofe-Naͤthen/ Die seine Mutter haͤlt/ zu Diensten beygethan; Die andern sechse sind zum Gegentheil getreten/ Weil sich ihr Kopff zu ihm am besten schicken kan/ Der eine lebet mehr zu Land/ als in den Staͤdten/ Der ander sezt die Stadt dem Dorffe weit voran/ Der eine fuͤhrt nicht viel/ doch guttes Volck zur Seiten/ Den andern aber pflegt die Menge zu begleiten. Der eine laͤsset sich viel kluge Kuͤnste lehren/ Um Wissenschafften bleibt der ander unbemuͤht/ Der eine laͤst von sich viel Wort und Reden hoͤren/ Wenn stille Traͤumerey des andern Kopff durchzieht/ Der eine pflegt allein die Sonne zu verehren/ Wenn jener nach dem Mond und tausend Sternen sieht/ Den einen koͤnnen Schlaff und Liebe nicht bezwingen/ Dem andern muͤssen sie die groͤste Freude bringen. Der eine weiset gern dem Lichte seine Thaten/ Und machet sie/ so weit die Sonne geht/ bekandt/ Der ander laͤst sein Thun nicht sehen/ nur errathen/ Verdeckt/ so viel er kan/ die Wercke seiner Hand/ Bey einem muß sich weiß und roth zusammen gatten/ So scheint der Mohren Reich des andern Vaterland/ Der eine der verstaͤrckt durch Arbeit seine Glieder/ Wenn sie der andre legt auff weiche Kuͤssen nieder. Durchgehe nach und nach die Rechnung aller Zeiten/ Kein mindergleiches Paar der Bruͤder findestu/ Kein Typhon kan so sehr mit dem Osiris streiten/ Kein Zoroaster sagt so schlecht denn Japhet zu/ Kein Lucius kan so von Aruns Sitten schreiten/ Der das noch junge Rom bewohnt in stiller Ruh/ Kein Avidaͤus ist so weit von Alexandern/ Als diese Printzen zwey sind einer von dem andern. Was eher ist zur Welt der eine zwar gebohren/ Doch will der ander auch nicht minder Erbe seyn/ Den hat der West und Nord zu lieben auserkohren/ Und jener setzet sich in Morgen-Laͤndern ein/ B 2 Die Himmel-Schluͤssel. Die Hoffnung zum Vertrag ist meistentheils verlohren/ Indem das Widerspiel beweist der Augenschein/ Dafern es nicht annoch durch Draͤuen und durch Flehen/ Durch Bitten und Befehl der Mutter kan geschehen. Derselben Spruch hat sie in solchen Bund vereydet/ So lange sie noch selbst bey grauem Alter lebt/ Das keiner beyderseits den mindsten Schaden leidet/ Daß ieder haben kan/ nach was sein Hertze strebt/ Das Zeit und Ziel die Macht der Herrschafft unterscheidet/ Und deren Vortheil gantz in Ungewißheit schwebt. Sie herrschen eine Zeit/ doch nicht in einem Lande/ Doch nicht in gleicher Frist/ doch nicht in gleichem Stande. Und diß/ so lange noch die Mutter selbst regieret/ Wie/ wenn sie wird verjagt von grauer Ewigkeit. Wer ist es/ der hernach das stoltze Scepter fuͤhret/ Und auff dem Throne sizt der hingelegten Zeit? Wer ist es/ den hernach der Koͤnigs-Krantz bezieret/ Den ein geheiligt Oel zum Ober-Herren weyht? Nicht wohlgebrauchtes Gutt flieht vor den dritten Erben/ Ich halte Reich und Sitz wird mit der Zeit ersterben. Die Ewigkeit/ nachdem sie unter sich gezwungen Was zeitlich/ was der Zeit gehorsam muste seyn/ Nachdem sie selbst die Zeit/ und ihren Sitz verschlungen/ Nachdem zu Ende geht der Tag und Sonnenschein/ Nachdem sie brauner Nacht die Herrschafft abgedrungen/ Raͤumt ihnen anderweit gewisse Wohnung ein. Es sollen Tag und Licht beym wahren Lichte wohnen/ Und stete Finsternis den finstern Wercken lohnen. O selig dannenher/ ihr Licht- und Tages Kinder/ Die ihr bey Tage sucht das wahre Seelen-Licht/ O weh euch dannenher/ ihr schwartz-befleckten Suͤnder/ Ihr/ denen Tag am Tag’/ im Lichte Licht gebricht/ Die ihr in Suͤnden irrt/ gleichwie die stummen Rinder/ Und schnoͤder Finsternis zu Diensten seyd verpflicht/ Wenn jene stetes Licht und stete Lust geniessen/ So werdet ihr ohn End’ im Schatten irren muͤssen. Wir Himmel-Schluͤssel. Wir warten unterdeß auff dieses Licht mit Freuden/ Biß unser Lebens-Tacht wird ausgebrennet seyn/ Biß wir zu lezt erloͤst von schwartz-gewoͤlcktem Leyden/ Von trauer-truͤber Noth/ von dunckel-grauer Pein/ In weisser Reinigkeit Schneefarbne Seid’ uns kleiden/ Und in die lichte Burg der Sternen gehen ein/ Da alle Finsterniß vom Lichte wird verzehret/ Das uͤber alle Zeit/ ohn allen Abend wehret. Gluͤck zu/ du helles Licht/ von keinem andern Lichte/ Es ehret dich mein Sinn mit ungefaͤrbter Brunst; Gluͤck zu/ o Pol/ nach dem ich meine Segel richte/ Ohn welchen alle Muͤh der Ruder ist umsonst/ Laß sehen/ wie bißher/ dein gnaͤdig Angesichte/ Verdunckle solches nicht durch truͤben Zornes Dunst; Du Sonne reiner Glutt/ laß deine Stralen scheinen/ So darff der Himmel nicht/ noch unser Hertze weinen. D ie Nacht tritt nunmehr ein/ die mich ans Licht gebracht/ Ein Jahr von meiner Zeit ist wiederum verschwunden/ Wie bald verfluͤgen sich des Lebens kurtze Stunden/ Die uns doch manche Noth so lang und bitter macht! Ich habe manchen Tag und manche Nacht gewacht/ Betruͤbniß/ Kummer/ Sorg’ und Muͤhe gnug empfunden: Die mich ohn Unterlaß zum Trauren angebunden/ Und dennoch zehl ich nun des Jahres lezte Nacht. Des Hoͤchsten Gunst hat mir verkuͤrtzet solche Zeit/ Die auffgelegte Last auch selber helffen tragen/ Durch Zeichen seiner Huld versuͤsset alle Plagen/ Was aber hab ich ihm erzeigt vor Danckbarkeit? Der enge Lebens-Rest ist viel zu kurtz darzu/ Was ich bißher versaͤumt/ gebuͤhrlich einzubringen. HErr/ hilff mir bald dahin/ wo tausend Engel singen/ Damit ich meiner Pflicht ein volles Gnuͤgen thu. B 3 In- Himmel-Schluͤssel. Indessen weil ich hier noch Stunden zaͤhlen soll/ So laß mich solche Zeit zu deinem Dienst anwenden; Die Seele forder dann zu deinen sichern Haͤnden/ Und laß den muͤden Leib im Grabe ruhen wohl. N Un hab ich wiederum ein Jahr gelegt zuruͤcke/ Creutz/ Kummer/ Sorg und Angst ist/ leyder/ mein Ge- winn/ Doch wohl mir/ daß ich noch hindurch gedrungen bin/ Durch Nebel/ Wolck und Sturm des Hoͤchsten Huͤlff er- blicke. Der Himmel ist vor mich auff allen Seiten dicke/ Doch meine Wohlfart muß bey truͤbeu Tagen bluͤhn. Der Hoͤchste laͤst mich vor am Wehmutts-Karne ziehn/ Damit ich mich dadurch zu bessern Zeiten schicke. GOTT/ dessen Guͤte mich von Jugend auff ernaͤhrt/ Und unverhofftes Gluͤck aus milder Hand beschert/ Wird ferner auch fuͤr mich vergnuͤgte Nothdurfft schaffen. Der Undanck ist zwar groß/ doch ist mir auch bekandt/ Das sein geneigter Schluß vor Weyrauch-schwacher Hand Uns seinen Segen laͤst mit vollen Armen raffen. Geistliche Lehns-Muttung. H ERR/ der du zaͤhlest unsre Tage/ Den Tod und Leben Meister heist/ Von welchem ich zu Lehen trage Die edlen Guͤtter/ Leib und Geist/ Schau dein getreuer Unterthan Giebt sich in Demutt bey dir an. Ich war der Lehn verlustig worden Durch angeerbter Boßheit Schuld/ Ich mehrte der Verdammten Orden/ Der Tod war meiner Dienste Sold/ Mein stoltzes Schloß/ mein Ritter-Sitz Der Hoͤllen Schlamm und Schwesel-Pfuͤtz. Ach Himmel-Schluͤssel. Ach GOtt/ wie kraͤfftig kanst du lieben! Dein Sohn macht alles vor mich gutt/ Es wird in Holtz und Stein geschrieben/ Versiegelt durch sein theures Blutt/ Daß ich aus Gnaden und umsunst Soll seyn ein Erbe deiner Gunst. Ich soll dir Pflicht und Treue schweren/ Doch weil mein Alter dieses nicht Mit eignem Munde kan gewaͤhren/ Wird ein Gedenck-Brieff auffgericht. Der Tauffe Zeugnis machet kund Den zwischen uns getroffnen Bund. Ich habe drauff bißher genossen Die Gaben deiner milden Hand/ Die Minder-Jahre sind verflossen: Ich baue zwar ein fremdes Land/ Doch dieses auch/ mein GOtt/ ist dein/ Die Pflicht soll abgeleget seyn: Nimm an diß Opffer meiner Haͤnde/ Daß ich dein unverdienter Knecht Zu deiner hohen Wohnung sende/ Sind die unnuͤtzen Dienste schlecht/ So weiß ich doch/ daß deine Gnad O milder HErr/ kein Ende hat. Verzeihe durch dein Blutt/ verzeihe/ Wo ich/ von Fleisch und Welt verfuͤhrt/ Mißbrauche deiner Lieb und Treue/ Veruͤbe/ was mir nicht gebuͤhrt/ Und wie nur/ leider! offt geschicht/ Stell in Vergessen meine Pflicht. Bestaͤrcke gnaͤdig mein Verlangen/ Mein schwacher Wille steht dahin/ Ein neues Leben anzufangen/ Und wenn ich mein selbst eigen bin/ Nicht mir/ nicht schnoͤder Welt so wohl Als dir zu dienen/ wie ich soll. B 4 Laß Himmel-Schluͤssel. Laß mich die Wacht der Engel fuͤhren/ Wohin mich meine Reise traͤgt/ Im Vaterland und hier verspuͤren/ Wie GOttes Hand zu schuͤtzen pflegt/ Und unser aller Wohlgedeyn/ Die Meinigen samt mir erfreun. Ich ruͤhm und ehre deine Guͤtte So lang’ ein Athem lebt in mir/ Und wenn die Seel aus ihrer Huͤtte Nach deinem Willen reist zu dir/ So soll mein Mund in Ewigkeit Dein Lob zu singen seyn bereit. D ie schnellen Jahre gehn und wir mit ihnen hin/ Eh man sich richtet ein/ das Jahr wohl anzuwenden/ Geht uns das meiste Theil desselben aus den Haͤnden/ Bleibt Reue/ Qual und Angst sein leidiger Gewinn/ Ein ieder hat genung sein Beyspiel anzuziehn. Es hat mich GOttes Gunst ein Jahr nun lassen enden/ Das neue Schuld und Last gelegt auff meine Lenden/ Mein Leben will/ noch eh es Knospen traͤgt/ verbluͤhn. Fuͤrst aller Zeit/ durch den ich diese Zeit erlebt/ Gieb/ daß die alte Zeit mir nie vor Augen schwebt Samt ihrer alten Schuld/ regiere meine Sinnen/ Daß sie der schnoͤden Zeit sich recht gebrauchen kuͤnnen/ Und wenn ich schliessen soll nach deiner meine Zeit/ Versetze mich zu dir ins Reich der Ewigkeit. W as ist des Menschen Zeit und Leben/ als ein Tag/ Der einer duͤstren Nacht bey nahe gleichen mag; Der Morgen geht dahin/ eh des Verstandes Licht Sich von der Finsternis der jungen Jahr entbricht. Der kurtze Mittag schließt den zweifelhafften Schein Der Ehren und des Gluͤcks in enge Schrancken ein/ Ein fruͤher Abend raubt unfehlbar Sonn und Licht/ Daß auch der Morgen offt und Mittag unterbricht/ Auff Himmel-Schluͤssel. Auff diesen Abend folgt des Grabes schwartze Nacht. Wohl dem/ der so den Tag des Lebens zugebracht/ Daß er die stille Nacht in suͤsser Ruh verschließt/ Und froͤlich mit der Zeit den andern Morgen gruͤßt/ Der einen ewigs Licht und Leben hoffen heist/ Den andern in das Reich der steten Nacht verweist. O Licht/ von welchem ich empfangen Schein und Licht/ Mein Morgen weiß ohn dich von keinem Lichte nicht/ Mein Mittag muß ohn dich seyn duͤstre Mitternacht/ Mein Abend wird ohn dich in Schrecken zugebracht/ Drauff folget eine Nacht/ die mir in Ewigkeit Mit schwerer Finsternis und truͤben Schatten draͤut. Der Morgen ist nunmehr durch deine Gunst vorbey/ Darinn kein Augenblick von finstren Wercken frey/ Dieselben laß/ verbannt vor deinem Angesicht/ In stete Finsterniß/ mich weiter schrecken nicht; Den Mittag meiner Zeit und Jahre tret ich an/ Gieb/ daß ich von dir Licht und Sonne schoͤpffen kan/ Daß sich mein Auge lenckt nach deiner Lehre Pol/ Biß ich den eitlen Glantz der Welt gesegnen soll/ Und von der truͤben Nacht des Todes unerschreckt/ Zur frohen Ewigkeit von dir werd aufferweckt. Nach dreymahl uͤberstandener Feuers-Gefahr. A ch GOtt/ ein schweres Jahr ist wieder nun zum Ende/ Daß Hauß und Hoff noch steht/ daß Haab und Gutt noch waͤhrt/ Von keiner grimmen Macht des Feuers auffgezehrt/ Ist einig und allein das Wunder deiner Haͤnde. Wir sehn mit Zittern zu/ daß unsrer Andacht Flammen In kalten Hertzen lau/ und fast erstorben seyn. Wolt uns dein strenges Recht zur Straffe laden ein/ So waͤre/ was man hat/ vorlaͤngst geschmeltzt zusammen. Wir haͤtten selbst an Leib und Seele brennen sollen/ Doch deine Guͤtt ohn End’ ist groͤsser als die Schuld. B 5 Du Himmel-Schluͤssel. Du traͤgest noch diß Jahr nach Vaters-Art Geduld/ Und siehest/ ob wir uns auff Warnung bessern wollen. Du laͤst der Flammen Glantz uns in die Augen scheinen/ Dadurch zu zuͤnden an der Andacht todte Glutt/ Du weisest/ wie du uns kanst rauben Haab und Gutt/ Wie langer Jahre Schweiß ein Abend macht beweinen. Du lehrest uns dadurch das Irrdische verachten/ Und von der Welt getrennt nach Himmels-Schaͤtzen stehn/ Diß Vorbild zeiget uns/ wie alles soll vergehn/ Und der Verdammten Schaar in stetem Feuer schmachten. Doch wenn der strenge Brand sich will zu weit erstrecken/ So schickest du das Heer der treuen Waͤchter aus/ Bewahrest unsern Hof/ versicherst unser Hauß/ Und laͤst uns um und um mit deinem Schutze decken. Ein Regen voller Glutt/ getrieben von dem Winde/ Macht einen lichten Tag aus dunckel-truͤber Nacht/ Es wird das Trockne doch von Hitze warm gemacht/ Man sieht mit Furchten zu/ wie bald es sich entzuͤnde. Durch Frevel frecher Hand wird uns zur Brunst gebettet/ Und unser eigen Hauß soll unser Holtz-Stoß seyn/ Du aber siehst/ o HErr/ mit Vaters-Augen drein/ Wir werden unverdient durch deine Gunst gerettet/ Der Wind veraͤndert sich/ die Funcken muͤssen sterben/ Man wird zur rechten Zeit der stillen Glutt gewahr/ Daͤmpfft in der Kohle noch die bluͤhende Gefahr/ So kan dein starcker Arm befreyen vom Verderben. HErr/ laß uns dir darvor von Hertzen Danck erweisen/ Und auch diß neue Jahr in deinem Schutze seyn/ Wend alles Ubel ab/ fuͤhr allen Seegen ein/ Biß wir dich dermahleinst ohn Ende koͤnnen preisen. I ch trett am Leibe kranck/ bekraͤncket an den Sinnen/ Noch kraͤncker an der Seel ins neue Lebens-Jahr/ Mit Seuffzen denck ich noch/ was ich fuͤr diesem war/ Und was ich itzo bin/ werd ich mit Zittern innen/ Das schwache Lebens-Oel in Gliedern will verrinnen/ Der magre Leib schickt sich zur duͤrren Todten-Bahr; Ist Himmel-Schluͤssel. Ist gleich noch nicht so bald des Lebens Ende dar/ So muß ich doch stets Fuß ins Sterbe-Land gewinnen. GOtt heile meine Seel und staͤrcke meinen Leib/ Laß unter Creutzes-Last/ bey Hauß- und Amtes-Sorgen/ Dein Wort und dessen Trost seyn meinen Zeit-Vertreib. Wofern noch Kind und Land mein Leben nuͤtzen kan/ So friste diß/ und laß michs nuͤtzlich legen an/ Wo nicht/ so hole mich zu dir heut oder morgen. D ieses Jahr ist auch vollbracht/ Das der Hoͤchste meinem Leben Hat aus Gnaden zugegeben/ Billich wird der Schluß gemacht Uber Schaden und Gewinn Und was ich noch schuldig bin. Wohl dem/ welcher seine Zeit Und von GOtt geguͤnnten Segen Weiß so kluͤglich anzulegen/ Daß er immer ist bereit/ Wenn sich das gesezte Ziel Seiner Rechnung naͤhern will. Seele/ nimm nun in Empfang/ Was vorm Jahr ward auffgehoben/ Und dir ferner zugeschoben/ Leben/ Nahrung/ Speiß und Tranck/ Zum Beruff erheischte Krafft/ Die dir GOttes Gunst verschafft. Daß die Sonne dich beleucht/ Und der Monde dir geschienen/ Licht und Erde muͤssen dienen/ Thau und Regen dich befeucht/ Schaust du zwar als taͤglich an/ Doch hats GOttes Macht gethan. Wie viel hat des Krieges Pest/ Raub und Sturm und Brand verheeret/ Stete Himmel-Schluͤssel. Stete Furcht und Angst verzehret! Deine Huͤtte steht noch fest Und du bringst in sichrer Ruh Deine stillen Tage zu. Daß der holden Engel-Schaar Um dein Leib und Hauß geblieben/ Daß sie von dir abgetrieben Feinde/ Schaden/ Tods-Gefahr/ Bringt dein froher Lob-Gesang Billich deinem Schoͤpffer Danck. Daß die Deinen unversehrt In das neue Jahr getreten/ Und/ um was du offt gebeten/ Von dem Hoͤchsten ist erhoͤrt/ Schreibst du schuldigst zum Gewinn Nebst viel andrer Wohlthat hin. Hielt dicht nicht dein treuer Hirt In der Weyd’ auff gruͤner Auen/ Wo der Lebens-Quell zu schauen? War er nicht selbst Kost und Wirth/ Der dir einen Tisch beschickt/ Und die matte Seel erquickt? Ob was Creutze dich umfieng/ Schmertz und Kummer ie besprungen/ Bist du doch hindurch gedrungen/ Dencke daß es GOtt verhieng/ Und der Zug der Vater-Hand Von der Welt dich abgewandt. Aber ach! wie steht es nun/ Seele/ frag ich billich heute/ Auff der andern Rechnungs-Seite/ Um dein Dencken/ um dein Thun/ Wie hastu gewendet an/ Was dein GOtt dir Gutts gethan? Schlecht wirds um die Rechnung stehn/ Wo der scharffe Satzungs-Treiber/ Und Himmel-Schluͤssel. Und des Hertzens Gegen-Schreiber Mit dir fuͤr Gerichte gehn; Treu und Glauben liegen kranck/ Bey zerrißner Wechsel-Banck. Viel ist/ leider! angewand/ Wie ich allzu spaͤt erfahre/ Auff verbotne Muͤntz und Wahre/ Glaß fuͤr Gold und blinden Sand/ Eitles Wesen/ leeren Schein Hast du dir gesammlet ein. Ob der kuͤhnen Hoffnung Schiff Eine Zeit mit vollem Winde Durch die blau-Crystallnen Gruͤnde Nach den Gluͤckes-Insuln lieff/ Blieb doch endlich Gutt und Mutt In der ungetreuen Flutt. Deine Schnldnerin/ die Welt/ Der du viel Credit gegeben/ Will izt selber Wechsel heben/ Die sie dir entgegen stellt; Falscher Freunde bester Danck Ist Verfolgung/ Neyd und Zanck. Wo ist deiner Jugend-Schatz/ Und die Anmutt frischer Glieder? Mißbrauch leget die darnieder/ Unmutt haͤlt den leeren Platz/ Neue/ Scham und todter Ruhm Bleiben dir zum Eigenthum. Hast du auff den Leib gebaut/ Dieser hat dich selbst versetzet/ Offt zum Schaden angehetzet/ Wenn du ihm zu viel getraut/ Was er nun nicht zahlen kan/ Koͤmmt auff dich zu gelten an. Wie Himmel-Schluͤssel. Wie viel Gutt ist nicht einmahl Angeschlagen/ nachgetragen/ Wie vergebens muß ich fragen Nach der Seiten rechter Zahl? Manche Luͤcke/ mancher Bruch/ Mancher Fleck verstellt dein Buch. Falscher Regel kluge Kunst Und was Welsche List ersonnen/ Oder schlaue Faust gesponnen/ Ist umsonst und leerer Dunst/ GOttes Augen sehn zu klar/ Denen alles offenbar. Nun bemuͤh dich unverweilt Einen Buͤrgen zu erlangen/ Eh dich nimmt der Tod gefangen/ Und der Rechts-Zwang uͤbereilt: JEsus kan fuͤr dich allein Buͤrge/ Pfand und Zahlung seyn. Anstands-Schreiben suchen die/ Derer Glaube will zerrinnen/ Frist zur Zahlung zu gewinnen; Folge nach und thu wie sie: Fuͤnff bestroͤmter Wunden Quell Ist das beste Quinquennell. Eisern macht ein Gnaden-Brieff: Speer und Naͤgel/ die durchgraben Haͤnd und Fuͤß und Seite haben/ Woraus Blutt und Wasser lieff/ Schreiben dir zur Seelen-Ruh Sicheres Geleite zu. Der erlebten Jahre Frist Zaͤhlt sich sieben mahl mit sieben/ Aber was dir angeschrieben/ Was du GOtte schuldig bist Steigt viel siebzig sieben mahl Uber deiner Jahre Zahl. Den- Himmel-Schluͤssel. Dencke sieben Worten nach/ Die in allem Kummer laben/ Zwey mahl sieben Trost-Buchstaben/ Die der HErr am Creutze sprach/ Sagt er nicht? Es ist vollbracht/ Deine Schuld ist gut gemacht. Schauest du die Hand-Schrifft nicht/ Die durch Satzung dir zu wider/ Bey des edlen Heylands Glieder An dem Creutz mit auff gericht. Durch sein Purpur-Blutt gelescht/ Das dich rein von Suͤnden waͤscht. Nun die Schulden seyn gestillt/ Feind und Klaͤger muͤssen schweigen/ Weil du kanst die Muͤntze zeigen/ Die fuͤr GOttes Throne gilt/ Ewig kanst du nun bestehn/ Frey und loß und ledig gehn. Will dich noch der bleiche Tod Um die lezte Schuld besprechen/ Mit dem Leibe voll Gebrechen Zahlst du ihn in lezter Noth/ Hebst nach kurtzer Zeiten Frist Auff/ was nimmer sterblich ist. Aber lerne kluͤger seyn/ Rechne taͤglich im Gewissen Mit dir ab: Du kanst nicht wissen/ Wenn dein HErr sich findet ein; Wenn die lezte Stunde schlaͤgt/ Und den Handel niederlegt. V ier Creutze sind vorbey/ das fuͤnffte soll ich schliessen/ Ich muß nun abermahl auff Rechnung seyn befliessen/ Erweg ich den Verlust/ betracht ich den Gewinn/ So find sich/ daß ich viel/ und nichts gebessert bin. GOtt Himmel-Schluͤssel. GOtt gab mir manche Gunst und Wohlthat zu genuͤssen/ Doch muß ich sonst dabey am Creutzes-Joche ziehn/ Beschwerden nehmen zu/ die beste Zeit geht hin/ Ich lebe wie zuvor/ bebuͤrde mein Gewissen/ Der Bund mit GOtt gemacht wird offtermahls zerrissen/ Ich hege/ was ich offt am meisten solte fliehn/ Lust/ Eyfer/ Ungedult und eiteles Bemuͤhn; Was kan hieraus als Furcht und Sorg’ und Leyd entsprissen/ Darvon zu mancher Zeit mein Hertze ward gebissen. Hilff Hoͤchster/ daß ich dir ins kuͤnfftig besser dien/ Erweich ein Hertz aus Stein/ erneure Geist und Sinn/ Soll ich im fuͤnfften Creutz mein Creutz und Leben schluͤssen/ Laß deiner Gnaden Thau auff meine Seele fluͤssen. Dein Leyden sey mein Trost/ dein Sterben mein Gewinn/ Gieb/ daß ich ewiglich dein Kind und bey dir bin. E in Jahr ist wieder um! Ich soll mit Danck erscheinen/ Fuͤr Gnade mancher Art/ die mir und auch den Meinen Des Hoͤchsten Hand erzeigt. HErr/ nimm das Opffer hin/ Was ich aus schwacher Krafft zu bringen faͤhig bin. Wer bin ich/ Adams Sohn/ daß du an mich gedenckest/ Daß du mir deine Huld und Vaters-Liebe schenckest? Ein leichter Erden-Kloß/ ein Schatten/ der verschwindt/ Und dennoch haͤltst du mich als dein geliebtes Kind. Was find ich auff der Welt/ daß deinen Ruhm vermehre/ Dein ist der Preiß allein/ dein ist allein die Ehre. Ich sag es frey heraus/ nichts guttes wohnt in mir/ Was ich izt dencke/ schreib und danck’ ist selbst von dir. Nun HErr entzuͤnd in mir der Gegen-Liebe Flammen/ Laß reiner Andacht Brunst aus meinem Hertzen stammen/ Gieb/ daß ich dir diß Jahr getreu und danckbar sey/ Und setz uns was du wilt fuͤr Segen ferner bey. Koͤmmt denn die Zeit heran die Erde zu gesegnen/ So laß uns deine Krafft in lezter Noth begegnen/ Gieb daß man willig folgt/ wenn nun die Stunde schlaͤgt/ Und sich auff dein Verdienst getrost zur Ruhe legt. Come- Himmel-Schluͤssel. Cometen-Gedancken/ An. 1664. O Flamme/ von dem Zorn des Hoͤchsten angesteckt/ Zu welcher unsre Schuld hat Stroh und Holtz gegeben/ Du must vor aller Welt am hohen Himmel schweben/ Damit der schnoͤde Mensch/ vom Suͤnden-Schlaff erweckt/ Die Strahlen deiner Glutt in Marck und Bein empfinde/ Das Feuer heisser Buß in seiner Seel entzuͤnde. Es darff Tisifone der schwartzen Fackel nicht/ Die ein verblendter Heyd als schaͤdlich wird erkennen: Was fuͤr ein Feuer soll ins kuͤnfftig wieder brennen/ Bezeuget mehr als viel dein dunckel-rothes Licht/ Das so viel Strahlen nicht von seiner Ruthe spreitet/ So viel uns Ach und Weh die Nemesis bereitet. Die Nemesis/ die sich nicht eh zu Frieden stellt/ Biß daß sich Blutt und Safft aus unsern Adern zehret/ Biß Krieg/ biß Brand und Pest/ Dorff/ Stadt und Land ver- heeret/ Biß Staub und Asch und Grauß bedecket alle Welt/ Biß dieser rundte Bau vom Feuer auffgefressen/ Und von dem Hoͤchsten selbst Gerichte wird gesessen. Was Rath ist hier zu thun? Ein Epicurer sagt: Was scheuen wir die Glutt der ungewissen Flammen Eh daß sie uͤber Haubt und Hertze schlaͤgt zusammen/ Wofern der Mensch dadurch zur Straffe wird betagt/ Soll er der kurtzen Frist in Ruh und Lust genuͤssen/ Wo nicht/ was will er sich in eitler Sorge wissen? Diß aber heist das Oel dem Feuer setzen bey: Hier muß ein Christen-Hertz auff andre Mittel dencken/ Des Hoͤchsten strengen Zorn und Eyfer abzulencken/ Vor dem der feste Grund der Felsen reist entzwey/ Der uͤber alle Zeit ohn alles Ende waͤhret/ Und nicht wie dieser Stern sich mit der Zeit verzehret. Die Busse muß allhier das beste Mittel seyn/ Das GOttes strengen Grimm in tieffen Abgrund sencket/ C Und Himmel-Schluͤssel. Und in gesaltzner Flutt der Thraͤnen-See ertraͤncket: Der Nachen fuͤhret uns in sichern Hafen ein/ Wenn das geraume Schiff des Himmels und der Erden Am grossen Tage wird des Feuers Beute werden. Hier liegt dein armes Volck/ o viel erzuͤrnter GOtt! In wahrer Reu und Leyd fuͤr deinem hohen Throne/ Wir bitten: strenger HErr und liebster Vater/ schone/ Verschon und wende weg die angedraͤute Noth: Und soll ja unser Leib nach deinem Willen buͤssen/ So laß die Seele doch sich frey und sicher wissen. Zeit-Gedancken. S eel ewig/ wer die Zeit in Acht nimmt in der Zeit/ Bereitet ihm die Bahn zur frohen Ewigkeit. Zeit und Ewigkeit. Z Ur Stunde duͤstrer Mitternacht/ Wenn alles schlaͤfft/ mein Auge wacht/ Erweg’ ich/ wie die Zeit wegeilt/ Die unser kurtzes Leben theilt. E in Tag ist lang/ wenn Schmertz und Noth Wird unser hartes Wochen-Brod: Wie schwer die Angst und Arbeit sey/ Geht Woch und Tag doch bald fuͤrbey. I n Monat theilet sich das Jahr/ Doch wird man unverhofft gewahr/ Wie dieser koͤmmt und jener weicht/ Biß Jahr und Leben mit verstreicht. T rau/ Seele/ keiner Stunde nicht! Du weist nicht/ wenn das Leben bricht/ Und nimmst doch durch die kurtze Zeit Den Weg zur langen Ewigkeit. Ein Himmel-Schluͤssel. E in Tag hat sein geseztes Ziel/ Das ihm die Sonne goͤnnen will/ Wer aber mißt den langen Tag Der keinen Abend finden mag? W ir schreiben nach des Monden Lauff Die Zahl der Jahres-Wochen auff; Wer ist der uns zu rechnen weiß Der Woch ohn Ende rundten Kreiß? J edwe der Monat hat den Schluß/ Damit er sich verlieren muß: Der Monat/ der nicht wechseln kan/ Faͤngt immerdar von neuem an. K ein Jahr taurt uͤber seine Frist/ Wenn sich der zwoͤlffte Monden schluͤst/ Wenn aber koͤmmt das Jahr zum Schluß/ Das alle Jahre schluͤssen muß? E s ist der Erden Weite kund/ Man find des Meeres tieffen Grund/ Wer weiß diß zu beschreiben/ rath/ Was weder Ziel noch Anfang hat. I n tieffster Berge finstrer Schoß Giebt sich Crystall und Silber bloß: Vernunfft forscht nicht mit Fuͤrwitz aus Der Ewigkeit verborgnes Hauß. T rau/ Seele/ dieser Naͤrrin nicht/ Wenn sie dir hier viel Zeit verspricht/ Der Weg ist kurtz durch diese Zeit/ Und fuͤhrt zur langen Ewigkeit. A Dvenit ecce! Novus divinis ritibus annus, Quo lætum Christi grex Hosianna canit. E n! Ego mente tibi quanquam non corpore præsens Devotum, mitis Rex, Hosianna cano. C 2 Vive- Himmel-Schluͤssel. Vivere tu nobis clemens hucusque dedisti, Nos conservasti sub cruce, luce, tuâ. Advenias, orbis Salvator, mentibus ægris, Erige, lætifica, quos mala fata premunt. Subvenias, mansvete Pater, languentibus ægris Consolare, juva, quos mala facta premunt! Advenias sævos belli sedare tumultus, Tempora tu Princeps pacis amœna reduc! Advenias rabidos Satanæ compescere fluctus; Queis sacram satagit mergere naviculam! Advenias placidô vitâ nos solvere somnô, Vel Judex mundi protinus advenias! Thomas-Tag. D ein Thomas sieht und glaͤubt: Hilff/ daß ich ohne Sehen Dir willig glaͤuben mag. Es zeigt dein Naͤgel-Mahl/ Daß ich geschrieben bin in deiner Kinder Zahl/ Vermerckt in deiner Hand; es zeigt der Seiten-Stich/ Daß auch dein heilges Blutt vergossen sey fuͤr mich. Du wirst den Hertzens-Wunsch/ o Heyland/ nicht verschmaͤ- hen: Vom Trauen hilff zum Schann/ vom Glauben hilff zum Se- hen. Kuͤrtzster Tag. D er kuͤrtzste Tag ist hier: Erinnre dich dabey O Mensch/ daß deine Frist auch taͤglich kuͤrtzer sey! Sonnen-Wende. E s naht sich deine Zeit/ als wie das Jahr/ zum Ende/ Halt mit bekehrtem Sinn die rechte Sonnen-Wende. Die Himmel-Schluͤssel. Die truͤben Tage. D es Lebens Nebel ist ein kurtz bewoͤlckter Tag/ An dem man wenig Licht und Sonne sehen mag. Der eiteln Dinge Schnee blendt bloͤder Augen Licht/ Man traut auff glattes Eiß/ daß unterm Fusse bricht/ Mit Sturm und Frost vergeht der Winter dieser Zeit: Der Christen Sommer ist in froher Ewigkeit. Der Christ-Abend. D en Abend pflegt die Welt zum Loßen anzuwenden: Mein Gluͤcks- und Lebens-Loß beruht in GOttes Haͤn- den. Christ-Nacht. D er dir um diese Zeit das Heyl vom Himmel bracht/ Der weyh und klaͤre dir die finstre Todes-Nacht! Die zwoͤlff und vier Naͤchte. V on vielen wird die heilge Zeit Der Wunder-vollen Christus-Nacht Mit Aberglauben/ Uppigkeit Und schnoͤdem Fuͤrwitz zugebracht: Seel Ewig/ laß dich nicht dergleichen Thorheit fahen: Wir wollen uns im Geist zu JEsus Krippe nahen! Zwoͤlff Naͤchte hat die Welt erwehlt/ Die ihr Propheten sollen seyn/ Doch wie man noch die rechten zaͤhlt Stimmt nicht die Meynung uͤberein: Ich will durch andre Naͤcht/ ich will von andern Sternen/ Was zu gewarten sey fuͤr dich/ o Seele/ lernen! Ich seh auff keinen Peters-Stab/ Auff Mond und Himmels-Angel nicht/ Den besten Fuͤhrer giebt mir ab Des Jacobs-Sternes helles Licht: C 3 Was Himmel-Schluͤssel. Was in Sabaͤer Land den Weisen ist erschienen/ Kan mir nach Bethlehem zum sichern Leitstern dienen. Offt bringt die Nacht gewuͤnschte Ruh Auff heisser Tage muͤde Last. Offt bringt man sie mit Schrecken zu/ Und findet weder Ruh noch Rast. Vier Theile zaͤhlt das Jahr: Ich will mein Angedencken In Andacht auch auff vier ungleiche Naͤchte lencken. Eh noch die erste Nacht entstand In unbegraͤnzter Ewigkeit/ War keine Finsternis bekandt/ Kein Schatten oder truͤbe Zeit: GOtt selber war das Licht/ drum hieß ers auch auff Erden/ Als noch der rohe Bau verdunckelt/ lichte werden. Er sezte Tag und Nacht zwar aus/ Doch hatt auch die ihr eigen Licht/ Des Edens lichtes Sommer-Hauß War schoͤn und herrlich zugericht: Der edle Mensch war selbst von aussen und von innen (Als GOttes Ebenbild) voll Licht an Geist und Sinnen. Wie zeitlich aber ward die Nacht/ Durch Lust von List und Neyd erweckt/ Auff ihn und seinen Stamm gebracht/ Die Welt mit Finsternis bedeckt. In solcher Dunckelheit war allen Adams Erben/ Von GOttes Licht entfernt/ gedrohet zu verderben. Die erste Suͤnden-Nacht war diß/ Darinn wir ewig solten seyn/ Doch gab GOtt dieser Finsternis Auch wieder einen Gnaden-Schein: Er ließ uns einen Glantz von Weibes-Saamen blicken/ Den er zu seiner Zeit auff Erden wolte schicken. Nach ausgesezter Jahre Lauff Kam die erseuffzte Nacht herbey/ E s Himmel-Schluͤssel. Es gieng der Stern aus Jacob auff/ Daß er der Heyden Fuͤhrer sey: Ein ungewohntes Licht vom Himmel fuhr hernieder/ Den Heyland sagten an die suͤssen Engel-Lieder. Der zweygestammte Wunder-Held Begruͤßte diesen Erden-Kloß; Der Voͤlcker Trost/ das Licht der Welt Lag in Marien reiner Schoß. Stellt truͤbe Zaͤhren ein/ und hemmt das duͤstre Weinen/ Hier sieht man in der Nacht die hellste Sonne scheinen. Der Stall ist zwar gering und klein/ Es schimmert hier ein schwaches Licht/ Was kan der Sonne finster seyn/ Die durch die dicksten Wolcken bricht? Mein JEsus/ wilt du nicht in meinem Hertzen liegen/ Wenn bange Finsterniß und Schrecken mich bekriegen? Ich bringe dir nur grobes Heu/ Und ungerechter Wercke Stroh/ Bin aber doch in Reu und Treu Dich bey mir zu bewirthen froh. Ach kehre bey mir ein und laß mich dein genuͤssen/ So kan die Weyhnachts-Nacht mir Noth und Nacht ver- suͤssen. Nun koͤmmt die grosse Nacht heran/ Das Lamm voll heiliger Geduld Betritt die rauhe Leydens-Bahn/ Und giebt sich hin fuͤr unsre Schuld: Es ringt mit GOttes Zorn/ und kaͤmpfft mit Tod und Hoͤlle/ Damit es jenen daͤmpff/ und die zu Bodem faͤlle. Eh unser Heyland geht in Streit/ Hat er uns noch zu guter lezt Ein herrlich Nacht-Mahl zubereit/ Zur Kost sich selber auffgesezt: Ach Seele/ nimmst du die/ und woltest den nicht lieben/ Der dir biß in die Nacht des Todes treu geblieben. C 4 Was Himmel-Schluͤssel. Was sag ich: treu biß in den Tod/ Auch treu/ nachdem er wieder lebt/ Der deine Suͤnden/ deine Roth/ Buͤßt an sich selbst/ mit sich begraͤbt. Der so viel Hohn und Spott in dieser Nacht erlitten/ Damit er dir das Reich der Ehren hat erstritten. Pech/ Kohlen/ Tinte/ gleichen nicht An Schwaͤrtze dieser Trauer Nacht/ Die dunckler Leuchten blindes Licht Mehr grausam noch und schrecklich macht: Der Juden grimmer Zorn speyt Laͤsterung und Flammen/ Die schlagen uͤber dich/ mein Heyl und Licht zusammen. Und dieses ist die truͤbe Nacht/ Die uns den Himmel wieder klaͤrt/ Die deines Leydens Anfang macht/ Das uns die Seligkeit gewehrt: Wir haͤtten ohne die in steten Finsternissen Und glimmend blauer Glutt der Hoͤlle sitzen muͤssen. Die Deck ist nunmehr auffgehuͤllt/ Die uns und unsern GOtt getrennt/ Die strenge Rach-Glutt ist gestillt Die biß in tieffsten Abgrund brennt. Mein schwaches Glaubens-Licht kan sich nunmehr erquicken. An GOttes Vater-Aug’ und hellen Sonnen-Blicken. Izt ist noch eine Nacht fuͤr mir/ Dafuͤr dem bloͤden Auge graut/ So offt es seine Grabes-Thuͤr Ihm mehr als halb-geoͤffnet schaut: Es muß hier aller Glantz der Eitelkeit verblinden/ Und was man gerne sah auff Erden/ bleibt dahinden. Ein enger Sarg ist mein Gemach/ Da laͤst mich alle Welt allein/ Und meine Wercke folgen nach/ Ach daß sie moͤchten besser seyn! Die Farben erster Nacht seh ich an ihnen kleben/ Doch glaͤub ich/ Christus Blutt wird beffre Farbe geben. Das Himmel-Schluͤssel. Das suͤsse Nacht-Kind hat fuͤr mich In dieser Nacht die Welt begruͤßt/ Mein Heyland hat ja nicht fuͤr sich/ Er hat fuͤr meine Schuld gebuͤßt. Er ist fuͤr mich geschlacht/ er ist fuͤr mich begraben/ Was soll ich denn fuͤr Furcht ihm nachzufolgen haben. Geb ich der Erde gutte Nacht/ So reiß ich auff den Himmel zu! Die Seele wird zu GOtt gebracht/ Der Leib indeß zu stiller Ruh: Drum finstre Todes-Nacht/ du solst mich nimmer schrecken/ Der/ der sich selbst erweckt/ wird mich zur Freude wecken. Ad Amicum. A Ccipe Romanis quæ quondam habitata Colonis Terra rudi calamô deproperata dedit. Si pęccasse metrô dices, peccamus ubique, Tu veniam verbis, mens ubi recta, dabis. Quid mirum Latii sapiant si carmina feces, Dum dudum Latio Lingva Latina perit? Vulgaris Lingvæ hic strepitus circumsonat aures, Sola loquuturus barbar a verba sono. Quælibet ad laudes \& grates Lingva tenetur; Sive cicada crepet, sive canorus olor. C 5 Gene- Himmel-Schluͤssel. Genethliacum DEO INCARNATO in terris hospiti Nocte Natali in monte Senonum inhospitali vena dextraque frigente affectu calente, sacratum D. 24. Decembris Anni M DC LXVI. P Arve puer, miseri sed mundi Magne Redempto, Cœli rector, homo, frater, amice, DEUS. Jam tua Christicolæ celebrant Natalia gentes, Lætitiæque diem terra fidelis habet. Templa tuas resonant laudes, tibi fervida vota Atque pias grates credula turba parat. Et me tantundem pietas jubet, accipe clemens Quæ tibi devoto pectore thura fero. Quantus Amor! Mundi dives structura creatur, Et tantæ moli qui dominetur, homo. Terra fit, è terra primorum biga parentum, Quod modo pulvis erat, vivit imago DEI. Sed dolor! hanc subitô seducens fœmina marem Perdit, \& ex malo pullulat omne malum. Inde paterna trahit miserandos noxa nepotes, Et pœnæ socios propria culpa facit. Quantus amor! Satanæ sociæque negata cohorti Humano generi vita salusque datur. Non odisse potest inimicos atque rebelles, Illos salvandi pectore cura sedet. Quan- Himmel-Schluͤssel. Quantus amor! summi soboles æquæva Parentis Christus adoptivum quærit in orbe patrem. Quantus amor! tenera de virgine nascitur infans, Et matrem, mater quem colit ipsa, colit. Pro vili stabulo mutantur cœlica tecta, Et, quem non orbis, mansio parva capit. Quæ non pro nobis infans incommoda sentit, Natus in obscuro nudus inopsque loco! Vix nati corpus lex antiquanda cruentat, Tollendoque lubet subdere colla jugo. Hostilem fagiens gladium, timor ipse tyranni, Ægypti terras pauper \& exul adit, Quæ comitantur iter, fugitivum quæque sequuntur, Pro nobis æquô tristia corde subit. Quantus Amor meritos non perdere protinus hostes Insuper at salvos reddere, quantus amor! Quantus amor, minime meritis conferre salutem! At dare quæsitam sangvine, quantus amor! Hic sistit calamum mens nescia verba ligare, Atque meum tanto pectus amore stupet. Divinis emota calent præcordia flammis? Atque pias fundo supplice mente preces. O divine puer, Jesu mihi nate redemptor Quod tibi pro tanto munus amore feram! Me tibi me totum pretioso sangvine porto, Quem te pro nobis fundere fecit amor Da precor, ut tanti non obliviscar amoris, Sed te perpetuo semper amore colam. Donec ad æthereas scandam feliciter arces, Cumque tuis sanctis te sine fine canam. O JE - Himmel-Schluͤssel. O JEsu kleines Kind/ doch ewig grosser Held/ Ein Fuͤrst in deinem Reich/ und Gast auff deiner Welt/ Mensch/ Bruder/ GOtt mein Freund/ du Trost und Licht der Heyden/ Izt koͤmmt der werthe Tag/ der dich zu uns gebracht/ Der Christen frohe Schaar begehet ihn mit Freuden/ Und bringt mit Andacht zu die Wunder-volle Nacht. Man hoͤret wie dein Lob in allen Kirchen klingt/ Von dem ein Engel selbst den frommen Hirten singt/ Jedwedes glaͤubigs Hertz will seinen Eyfer zeigen/ Wuͤnscht/ betet/ lobt und danckt so viel es immer kau/ Wie solt ich denn allein mit stummen Munde schweigen/ Nimm gnaͤdig auch von mir die Hand voll Weyrauch an. Wie billich sing ich dich/ du suͤsses Wunder-Kind/ Durch dessen kraͤfftig Wort der Welt-Kreiß ward gegruͤndt/ Die Finsterniß erleucht/ der Himmel ausgebreitet/ Das Wasser abgetheilt/ die Sternen angebrennt/ Die Erde mir zum Schloß und Garten zubereitet/ Mit Thieren ieder Art besezt ihr Element. Du bauest nicht vor dich/ wie groß die Welt mag seyn/ So waͤre sie dir doch zur Wohnung allzu klein/ Viel hoͤher steigen noch die Wercke deiner Liebe; Du schaffest/ daß sie solln der Erde Meister seyn/ Den Mann vom Erden-Kloß/ das Weib von seiner Riebe/ Du praͤgest in den Thon dein edles Bildniß ein. Ach leider! dieser Thon nimmt fremde Zeichen an/ Der Schlangen List verfuͤhrt das Weib/ und sie den Mann/ Der rein-geschaffne Mensch wird zum befleckten Suͤnder/ Durch einen Apffel-Biß verleurt er GOttes Reich: Der boͤsen Eltern Schuld erbt auff die boͤsen Kinder/ Und gleiche Missethat macht ihre Straffe gleich. O suͤsses Wunder-Kind/ wie kraͤfftig liebest du? Du schleussest dennoch nicht dein Vater-Hertze zu. Was Himmel-Schluͤssel. Was kein gefallner Geist in Ewigkeit kan hoffen/ Ist uns durch dich erlangt/ ein ausgesoͤhnter GOtt; Der Himmel stehet uns durch deine Wohlthat offen/ Der Segen vor den Fluch/ das Leben vor den Tod. Du/ deinem Vater gleich/ an Alter und Gewalt/ Verleugnest uns zu gutt die goͤttliche Gestalt/ Und laͤst dich Pflege-Sohn des armen Josephs nennen: Du grosses Fuͤrsten-Kind wirst an die Brust gelegt/ Der Mutter/ welche dich vor Vater muß erkennen/ Und dich als reine Magd auff keuschen Armen traͤgt. Der Koͤnig aller Welt giebt einem Bettler nach/ Die finstre Stallung ist sein koͤniglich Gemach/ Die Krippe fasset den/ der alle Welt erfuͤllet/ Der/ dem der Himmel ist sein taͤglich Ehren-Kleid/ Wird durstig und entbloͤst in Windeln eingehuͤllet/ Lebt reich von allem Gutt in hoͤchster Duͤrfftigkeit. Der des Gesetzes Joch von unsern Schultern thut Vergeust demselben nach sein koͤnigliches Blutt/ Nimmt die beschwerte Last auff seinen edlen Ruͤcken/ Die unsre Zaͤrtligkeit nicht laͤnger tragen kan: Vor dem sich Koͤnige von fremden Landen buͤcken/ Den nimmt ein fremdes Land vor armen Fremdling an. Der manchen Fuͤrsten-Thron in Asch und Staub verkehrt/ Flieht bey der finstern Nacht vor seiner Feinde Schwerd/ Will einsam und verjagt in zarter Jugend reisen/ Erduldet ungescheut des Fliehens Ungemach/ Damit er uns den Weg zum Himmel moͤchte weisen/ Und wir durch Noth und Tod mit Freuden folgen nach. O suͤsses Wunder-Kind/ wie kraͤfftig liebest du! Du schleust den Feinden nicht dein liebreich Hertze zu/ Du wilt sie ewig auch an deiner Seite wissen/ Giebst ihnen/ was du selbst begiebst/ die Himmels-Ruh/ Versuͤssest ihren Tod durch Tod und Bluttvergiessen/ O suͤsses Wunder-Kind/ wie kraͤfftig liebest du? Hier Himmel-Schluͤssel. Hier steht die Feder an/ der Sinnen Krafft verschwindt Vor solcher Liebe Krafft/ mein Hertze wird entzuͤndt Von Flammen heisser Brunst/ ich kuͤsse deine Wiegen/ Und lade dich zu mir in tieffster Demutt ein. Ach moͤchte dieser Schatz in meinen Armen liegen/ Wie wuͤrd ich so entzuͤckt und voller Freuden seyn! O JEsu GOttes Sohn/ und reines Jungfern-Kind/ Das sich zu gutte mir in unser Armutt findt/ Was soll und kan ich dir fuͤr deine Liebe schencken/ Nichts anders als mich selbst/ gewaschen durch dein Blutt. Gieb/ daß ich moͤge stets an solche Liebe dencken/ Durch Wuͤrckung dieser Flamm entgehn der Hoͤllen Glutt. Gieb/ daß ich dermahleinst/ o JEsu GOttes Sohn/ An dieser Krippen statt verehre deinen Thron/ Den Stern/ der dich geweist/ zu deinen Fuͤssen schaue/ Dich/ Gast der Welt/ begruͤß in deinem Eigenthum/ Und ewig einverleibt der schoͤnen Himmels-Aue/ Mit Engeln ohne Zahl besinge deinen Ruhm. Uber die Worte: Traͤuffelt ihr Himmel von oben. H immel/ ob uns ausgespannt/ Traͤuffelt auff das duͤrre Land! Laß auff Zions matte Stadt Und die ausgebrennten Auen/ Die der Fluch gebraten hat/ Jacobs edlen Segen thauen! Schuͤtte/ blaues Wolcken-Hauß/ Deine reiche Tropffen aus/ Regne die Gerechtigkeit/ Die uns alle soll benetzen/ Durch ihr reines Unschulds-Kleid Unsern Koth und Fleck ersetzen! Reiß Himmel-Schluͤssel. Reiß die Himmels-Fest’ entzwey/ Heyden-Trost/ und komm herbey/ Laß in Saba deinen Stern/ Auff den Bethlehmiter Haͤynen Deiner Schaaren Glantz dem Kern Gott-ergebner Schaͤffer scheinen. Nun du koͤmmst/ Marien-Sohn/ GOtt von GOtt: Ich hoͤre schon Wie der Weynacht-Engel singt: Alles Volck soll freudig werden/ Wie in hoher Lufft erklingt: GOtt die Ehre/ Fried auff Erden. Mache dich zum Wette-Lauff/ Seele/ mit den Hirten auff/ Wo das grosse Wunder-Kind Wird in harter Krippe funden/ Und bey solcher Wiege sind Ochs und Esel angebunden. Binde die Vernunfft hier an/ Welche nicht erreichen kan/ Wie der Erde Niedrigkeit Und die hohen Himmels-Hoͤhen Ewig seyn/ und in der Zeit Mensch und GOtt beysammen stehen. Glaͤube/ was GOtt laͤngst verhieß/ Und der Engel macht gewiß/ Glaͤube/ daß diß Freuden-Kind Dir auch sey zum Heyl gebohren/ Und bey ihm das Leben findt Was im Tode war verlohren. Lege Tasch und Hirten-Stab Deiner Eitelkeiten ab/ Hier ist deiner Seelen Hirt Und der rechte Fuͤrst des Lebens; Wer auff andern Trifften irrt/ Sucht den Himmel nur vergebens. Knihe Himmel-Schluͤssel. Knihe mit erfreutem Sinn Bey des Heylands Krippen hin/ Schaue den beliebten Mund/ Dessen freudigs Trost-Zusprechen Deine Seele macht gesund/ Wenn dir Hertz und Augen brechen. Schau der Augen helles Paar/ Welches eh die Sonne war/ Schau der Wangen zartes Blutt Und die Hand/ die alles traͤget: Steinern bistu/ wo dein Mutt Nicht hieruͤber sich beweget. Dancke dem/ der also bloß Lieget in Marien Schoß/ Daß er deine Bloͤsse deckt/ Der fuͤr dich will Mangel leyden/ Daß du/ von dem Tod erweckt/ Solt genuͤssen seiner Freuden. Flamme/ JEsu/ meinen Geist Der sich so erstorben weist/ Durch dein Liebes-Feuer an/ Daß ich solche Lieb’ erkenne/ Und/ so viel die Schwachheit kan/ Gegen dir mit Danck entbrenne. E dles Kind von Koͤnigs-Stamm/ Aber izt veracht gebohren/ Leu von Juda/ Jacobs Lamm/ Zu der Heyden Trost erkohren; Billich wird mit Lieb entzuͤndt Wer dich in der Krippen findt/ O edles Kind Kleines Kind/ doch grosser GOtt/ Welchen Mensch und Engel ehren/ Desses hohes Macht-Gebot Erd und Himmel zitternd hoͤren/ Liebe Himmel-Schluͤssel. Liebe/ die dich uͤberwind/ Macht daß man dich Mensch hier find/ O grosses Kind! Armes Kind/ doch reicher Fuͤrst/ Deine Mutter wird geschaͤtzet Wo du Ewig herrschen wirst: Mangel hat dir zugesetzet/ Daß der volle Gnuͤge find/ Welcher deine Gunst gewinnt. O reiches Kind! Schwaches Kind/ doch starcker Held/ Schlangen-Tretter/ Hoͤllen-Zwinger/ Der des Starcken Macht gefaͤllt/ Gifft des Todes/ Friedenbringer/ Du bists/ wo man Staͤrcke find/ Wenn der Menschen Krafft zerrint. O starckes Kind! Edles Kind/ mit mir vermaͤhlt/ Grosser GOtt im Menschen-Orden/ Dessen Gutt mir zugezaͤhlt/ Dessen Krafft mein Labsal worden/ Gieb/ daß Geist und Seel entzuͤnd Deine Kripp und Himmel find. O GOttes Kind! Jahres-Schluß. W irstu mit GOtt versoͤhnt die lezte Stunde schluͤssen/ So kanst du Freudenvoll das lange Neu-Jahr gruͤssen. Jahr-Wechsel. D as alte Jahr ist um/ die neue Zeit tritt ein/ Laß meinen Geist in dir/ o GOtt/ verneuet seyn. E in Jahr ist weggelegt: O blieb auch mit zu ruͤcke Des alten Jahres Schuld/ Furcht/ Sorg/ und Ungeluͤcke! D An Himmel-Schluͤssel. A n fremdem Orte schließ ich dieses alte Jahr/ HErr JEsu/ nimm mein auch zu Hause gnaͤdig wahr/ Behuͤtte/ was mir lieb/ fuͤr Schaden und Gefahr/ Und hohl mich/ wenn du wilt/ zu deiner Engel-Schaar! Lichtmeß-Tag. D U must bey diesem Tag/ o Hertze/ nicht vergessen/ Daß dir vorlaͤngst das Licht des Lebens abgemessen/ Miß deine Zeit so ab/ daß du im Lichte gehst/ Und/ wenn denn alles koͤmmt ans Licht/ fuͤr GOtt bestehst. Fastnacht. M ann fuͤllt sich/ eh man fasten muß/ Biß auff den Eckel und Verdruß/ Und macht das Maaß der Suͤnden voll Wenn man daruͤber trauren soll. I n vollem Sauß und Schwarm acht Tage naͤrrisch seyn/ Heist sich zur Fasten-Zeit vernuͤnfftig richten ein. S eel-Ewig/ laß der Welt ihr Schwaͤrmen/ Huͤpffen/ Gei- gen/ Du solt in stillem Geist mit mir den Oel-Berg steigen. Laß jen’ auff Rosen gehn/ tritt die bedornte Bahn. Sie eilen unterwerts/ wir klimmen Himmel an. Was irrdisch ist gesinnt/ gedenckt auff lauter Freuden/ Und dein Erloͤser sagt von nichts als lauter Leyden. Gieb jene willig auff/ und folge diesem nach/ Es fuͤhrt kein ander Weg ins Himmels Lust-Gemach. Wenn Fuͤllerey und Tantz das blinde Volck erhitzen/ So schau du voller Blut den Lebens-Fuͤrsten schwitzen. (Des Hoͤchsten Zorn-Kelch ist ihm voll geschencket ein/) Was kan dir lieblicher als diese Tropffen seyn. Es Himmel-Schluͤssel. Es jauchzt der nasse Mund mit uͤppigem Gethoͤne; Dein Heyland seuffzt/ damit er GOttes Grimm versoͤhne; Man bringt die lange Nacht in schnoder Kurtzweil zu/ Dein JEsus hat fuͤr Angst und Feinden keine Ruh. Es dient ein fremdes Kleid Gelaͤchter zu erwecken/ Dein JEsus ließ sich auch mit fremden Lumpen decken/ Sein Unschuld und Verdienst sey deiner Bloͤsse Kleid/ Und bringe dich geschmuͤckt ins Reich der Ewigkeit! Am Tage Christi Menschwerdung und Empfaͤngniß. Jesu Salve! J auchze Palaͤstins Gefilde/ Freu dich kleines Ephrata! Was dir laͤngst gezeigt im Bilde Koͤmmt nun deinen Graͤntzen nah. Neues Wunder laͤst sich schauen Auff den Nazarether Auen. Eine Jungfrau ohne Flecken Zeuget einen Wunder-Sohn/ (Klare Schrifften/ tunckle Decken Haben laͤngst gezeugt darvon:) GOtt mit uns und Heyl der Erden Soll das Kind genennet werden. Suͤnde bracht uns Tod und Sterben/ Boͤser Mutter herbe Zucht/ Sodoms Aepffel zum Verderben/ Argen Stammes bittre Frucht: Jesse Wurtzel will nun gruͤnen Und zum Lebens-Balsam dienen. Unter truͤben Finsternissen Lag die Welt/ und seuffzet ihr: Daß die Wolcken doch zerrissen/ Und die Sonne braͤch herfuͤr! D 2 Schaut Himmel-Schluͤssel. Schaut ihr nicht ihr goldnes Blincken Schon der frischen Erde wincken? Sey willkommen/ Licht der Heyden/ Auff der Hebroniter Feld! Wilt du dich ins Fleisch verkleiden/ GOtt von Art und Mensch ein Held? Sohn Mariens/ Gast auff Erden/ Mein Gefert und Bruder werden? Ach! wie kan ich dich umfassen! Ach! wie mag ich danckbar seyn! Deinen Himmel zu verlassen/ In die Welt zu treten ein/ Reich und Herrschafft/ Thron und Leben Fuͤr den Feind in Raub zu geben! Liebe/ du thust solche Wunder! Liebe/ deren keine gleich! Ach! daß solcher Liebe Zunder Mein gefrornes Hertz erweich! Ach! daß sie mich auch entzuͤnde Und zur Gegen-Brunst verbinde! Veyeln/ Rosen last uns pfluͤcken/ So viel ihr zu finden seyn/ Und dem liebsten Kinde schicken! Last uns Palmen sammlen ein/ Und auff Salems frischen Hoͤhen Ihm damit entgegen gehen! Eitle Blumen muͤssen bleichen Gegen dieser Roß im Thal/ Was die Erde kan erreichen Gleichet nicht des Himmels Saal. Drum ich Hertz-Kraut/ Sonnenwende/ JEsu/ dir zum Opffer sende! A Uff ihr edlen Zioninnen/ Salems Toͤchter/ macht euch auff! Auff! Himmel-Schluͤssel. Auff! ermuntert Geist und Sinnen/ Last der Freude freyen Lauff/ Singt und spielt ein Lied zu Ruhme Aller Jungfern Cron und Blume! Unter allen Welt-Geschlechtern Faͤllt das Loß auff Judaͤ Reiß/ Und von tausend Davids-Toͤchtern/ Die das Land zu zaͤhlen weiß/ Hat Marien GOtt erlesen/ Seines Sohnes zu genesen. Eva hat den Tod gebohren Durch verbotne Kost und Lust: Diese hat GOtt auserkohren/ Der kein fremder Trieb bewust/ Aller Welt durch ihr gebaͤhren Heyl und Leben zu Gewehren. Macht die List der falschen Schlange/ Die uns bracht ums Paradiß/ Unsern ersten Eltern bange Fuͤr den kuͤhnen Apffel-Biß; Den Zertreter dieser Schlangen Hat Maria heut empfangen. Aus der Hoͤhe koͤmmt hernieder Selbst der reine Wunder-Geist/ Uberschattet ihre Glieder/ Daß sie JEsus Mutter heist/ GOtt hat sie zur Braut erwaͤhlet/ Und sich selbst mit ihr vermaͤhlet. Reine Mutter/ keusch von Hertzen/ Voll von heisser Andachts-Glutt/ Die ohn Jungfrauschaffts Verschertzen Bracht zur Welt das hoͤchste Gutt/ Billich wird von allen Zungen Deine Seligkeit besungen. D 3 Idu- Himmel-Schluͤssel. Idumaͤa komm mit Kraͤntzen Binde tausend Blumen ein/ Veyeln von dem fruͤhen Lentzen Solln der Demutt Bildnis seyn/ Rosen/ Liljen/ die sich weisen/ Ihre Scham und Keuschheit preisen? Augen Trost/ der Heyden Wonne Zeigt sich selbst auff ihrer Schoß/ Himmel-Schluͤssel/ Thau der Sonne/ GOttes Gnade giebt sich bloß/ Ehren-Preiß und Liebes-Flammen Schliessen diesen Krantz zusammen. Paschologium NOCTE SACRA Anno 1667. Æræ Christianæ Romæ formatum. E Bria criminibus pigrum mens excute somnum! Pervigil ipse DEus te vigilare jubet. Pervigil expendas sacræ mysteria noctis, Quod toto expendas pectore, semper erit. Commendat pietas affectum prodere verbis, Sermonis digni nescia vena vetat. Tu DEus ingenium, tu cor largire loquenti Et mentem calamo deficiente cape. Tres Sol quadrifido menses signavit in orbe, Implevitque suas tertia Luna vices, Ex quo nocturno nascuntur in æthere luces Et nova cœlesti sidera ab axe micant. His ducibus pueri veneror præsepia Christi Atque incarnatum lætor adesse DEum. Side- Himmel-Schluͤssel. Sidera nunc toto fugiunt perterrita cœlo Pro stellis pingves sulfure cerno faces. His ducibus veneror patientis vulnera Christi Illius \& tristi lugeo corde necem. Quid video? Nostro depressus crimine sudat Æternâ poterat qui requiete frui. Quid video? Sangvis divino stillat ab ore Indignam tingit ros pretiosus humum. Solamen capit Angelicum solaminis autor, Et Domino servi redditur ore vigor. Prostratus votis tentat placare Parentem, Cui supplex flectit credula turba genu. A justo patitur tristem genitore repulsam Et quod non aliis vult fieri, ipse subit. Somni tempus adest, \& nox sacrata quieti, Insomnem nostræ cura quietis habet. Somni plena poli comitatur triga monarcham, Est solus, solum quem colit omne solum. Cœlum Luna facit dubium sub nubibus hærens, Splendorem vultus cura dolorque tegunt. Quam negat Authoris lucem reverentior æther, Gens cœca à surdi luminis igne petit. In Dominum furibunda cohors armatur inermem, Quæ solo verbi fulmine tacta cadit. Verus amor falsi signo monstratur amoris, Indicium pacis classica sæva canit. Brachia stringuntur vinclis queis nititur orbis, Insontemque ligat noxia dextra manum. Ad falsi rapitur Rex justus judicis ædes, Examen rigidum vir sine labe subit. D 4 Liber- Himmel-Schluͤssel. Libertas verbi sonti concessa negatur, Innocuum præceps percutit ira reum. Cogitur injustum quater heu! mutare tribunal, A quo justitiæ fons \& origo fluit. Quod non impietas facinus Judæa peregit, Pagani debet sæva patrare manus. En homo, quem verbis ludunt, quem verbera lædunt! Os obscœnum hominis conspuit ora DEI. Tangit dira manus faciem, digitique rigentes, Quâ non in toto svavior orbe fuit. Percutiunt dextræ vultum digitique profani, Quo non in toto sanctior orbe fuit. Cingit spina caput rutilis quod cingitur astris, Sunt gemmæ sangvis, fit diadema cruor. En lacerum lacero corpus circumdatur ostro Vile cui cœli purpura tegmen erat. Sceptrum canna levis dextra mentitur in illa, Quæ vasto mundi præsidet imperio. Scurriles sannæ, verum proferre coactæ, Ex cultu Domini sordida probra parant. Sulcis corpus arant, liventi in tergore pingunt, Instantis faciem flagra cruenta necis. Saxea Caucasei mollescunt pectora Pontî, Svetaque supplicium cernere deficiunt: En homo! non hominis, sed imago cadaveris! inquit, Agnoscis Regem, terra Judæa, tuum. Carnificum exhaustos quæ reddit pœna rigores Extingvat virus, grex truculente, tuum. Est lapis, est monstrum Libyæ de Tigribus ortum, Qui non cum lacrumis ista videre velit. Susti- Himmel-Schluͤssel. Sustinet immotus spectaclum triste Judæus, Cœlorum horrescunt atria, terra gemit. Ille tamen pœnis alias superaddere pœnas Adfixumque cruci cernere gaudet eum. Innocuum esse manus profitetur tota Pilati A se qui crimen vult removere suum. Ipse moras noctit, populi sed territus ira Servili punit supplicio Dominum. Repit sub tanto depressus pondere ligni, Et vix ad mortem langvida membra trahit. Transfigunt artus clavi, comitata latronum Stat cruce, crux tua quam, quam mea culpa premit. Deficiens felli mixto potatur aceto, Ridetur, verbis luditur, \& moritur. Compatitur tellus morienti, commoritur Sol Soli justitiæ, saxa revulsa fremunt, Disruptæ cautes \& hiulca sepulcra loquuntur Fractas æterni carceris esse fores. Excitus defunctorum grex sedibus exit Abscondunt umbræ hoc noxque diurna scelus. Infertur tumulo Israëlis vita salusque, Et, quem non orbis, parvula tomba capit. Horreo, devotâ cum talia pensito mente, Dextra stupet, rigeo pectore, penna cadit. Plangamus, quoniam proles dilecta Jehovæ Absque suo patitur crimine supplicium. Plangamus, quoniam proles dilecta Jehovæ Pro nostro patitur crimine supplicium! Non scelus omne facit scelerati dextra Judæi, Non pagana manus perficit omne nefas. D 5 Tu Himmel-Schluͤssel. Tu ludis, lædis, cædis, crucifigis Jesum, Et tua non sontem crimina conficiunt. Sint fontes oculi lacrumis sine fine fluentes, Ut mortem hanc toto pectore flere queas. Te lacrumis macera, lacera tua corda dolore, Radices fœdi criminis ure, seca. Sit cor contritum, præcordia mollia luctu, Ut culpam hanc toto pectore flere queas. Sed tamen \& tristi sint gaudia mixta dolori, His siquidem pœnis est tibi parta salus. Adspice divinum sed mirabundus amorem Sitque tibi calidi fomes amoris amor. Divinæ commota agitent præcordia flammæ, Ut Domino grates, \& sine fine, ferant. Sic tu cœlesti poteris gaudere salute, Adspectuque DEI, sed sine fine, frui. D U Suͤnden-truncknes Hertz/ begieb die faule Ruh/ Laß dir den matten Schlaf die Augen nicht verbinden/ Und bringe diese Nacht mit strengem Wachen zu/ Wie dein Erloͤser ließ sich dir zum besten finden. Erwege durchs Gebet zur Andacht wohl bereit/ Was dir in dieser Nacht zu Nutze sey geschehen/ Wer an dem Creutz/ um was/ und wem zu gutt er leyd/ So wird man eh den Tag am hellen Himmel sehen/ Als alles wird von dir genungsam seyn bedacht. Mein Eyfer treibet mich/ diß danckbar zu erwegen/ In heisser Andachts-Beunst zu feyern diese Nacht/ Mein schecht Vermoͤgen will die Feder niederlegen/ Und hemmt der Reime Lauff: Du ungeschaffnes Licht/ Erleuchte meinen Geist/ entzuͤnde meine Sinnen/ Daß/ was ich schreibe/ dir zu Ehren sey gericht/ Und schau das Hertze/ wenn die Hand nicht mehr wird kuͤnnen. Man Himmel-Schluͤssel. Man sieht zum dritten mahl des Monden vollen Schein/ Bey dunckel-brauner Nacht am Himmels-Saale prangen/ Die Sonne findet sich ins vierdte Zeichen ein/ Zeit dem der Morgen-Stern aus Jacob auffgegangen/ Zeit dem der Weisen Schaar/ durch einen Stern gefuͤhrt/ Den Koͤnig aller Welt verehrt in Stall und Krippen/ Zeit dem ich lassen seyn durch GOttes Geist geruͤhrt/ Den Mensch-gewordnen GOtt das Lob-Spiel meiner Lip- pen. Izt seh ich/ wie der Mond am Himmel sich verkreucht/ Der Sternen blasses Heer in Wolcken sich verstecket/ Der Fackeln schwartzes Pech die truͤbe Nacht erleucht/ Die solche Frevelthat mit ihrem Schatten decket. Diß tunckel-bleiche Licht fuͤhrt meine Augen hin/ Wo ich den Heyland seh fuͤr meine Suͤnde buͤssen/ Macht/ daß ich gantz in mir und ausser mir doch bin. Daß Thraͤnen ohne Zahl aus meinen Augen fluͤssen/ Daß sein und meine Noth mir durch die Seele dringt. O traurens-volle Nacht/ o Nacht/ voll Angst und Schrecken/ Die unser suͤndlich Hertz in Furcht und Zagen zwingt/ Und diß/ was steinern ist/ zur Andacht kan erwecken! Was seh ich armer Mensch? Der Suͤnden schwere Last/ Den Menschen abgeborgt/ macht meinen JEsus schwitzen/ Der Himmel/ Erd und See mit seinen Haͤnden fast/ Der ewig koͤnt in Ruh auff seinem Throne sitzen; Was seh ich armer Mensch? Das unbefleckte Blutt Rinnt von den Wangen ab/ die voller Unschuld bluͤhen: Man sieht den edlen Thau/ die heilge Purpur-Flutt Die Erde/ welche nicht der Fuͤsse werth/ durchziehen. Der das Saphirne Feld/ das bund-bebluͤmte Land/ Die blaulicht-gruͤne See geschaffen und bemahlet/ Mahlt seiner Schmertzen Bild izt in den gelben Sand/ Drauß seine Seelen-Angst und Liebe wiederstrahlet. Die Brunnquell alles Trosts/ der edle Lebens-Fluß/ Durch GOttes Zorn erschoͤpfft/ schoͤpfft Trost von einem En- gel/ Dem HErren/ welchem Tod und Leben dienen muß/ Ersetzet izt ein Knecht der todten Kraͤffte Maͤngel. Der/ Himmel-Schluͤssel. Der/ dem sonst alle Welt die Knie in Demutt beugt/ Der sich durch unsre Bitt und Thraͤnen laͤst versoͤhnen/ Hat zu der Erden hin sein mattes Haubt geneigt/ Sucht seines Vaters Zorn vergebens abzulehnen/ Der bittre Creutzes-Kelch muß ausgetruncken seyn/ Es waͤre Schlaffens-Zeit/ die Nacht ist eingetreten/ Nebst seinen Feinden wacht mein JEsus nur allein/ Und sorgt vor unsre Ruh mit Wachen/ Seuffzen/ Beten. Des Himmels grosser Fuͤrst/ dem aller Engel Schaar Zu Dienste steht/ laͤst sich drey Juͤnger nur begleiten/ Bey denen lauter Schlaf und wenig Leben war/ Die ihn mit Todes-Angst alleine lassen streiten. Ein truͤbes Wolcken-Dach verbirgt des Monden Licht/ Der hellen Augen Glantz benebeln Schmertz und Sorgen/ Der Himmels-Lichter Schein verraͤth den Schaͤffer nicht/ Drum muß das blinde Volck bey Pech und Schwefel borgen Das ungewisse Licht/ der rechte Friedens-Fuͤrst/ Der ohnbewaffnet war in Garten ausgegangen/ Wird von der Schaar/ die so nach seinem Blutte duͤrst/ Gesucht mit Dolch und Schwerd mit Spissen und mit Stan- gen/ Wiewohl sie auff ein Wort zur Erde sincken muß. Das Friedens-Zeichen muß zur Krieges-Losung dienen/ Die wahre Liebe wird durch falschen Liebes-Kuß Den Feinden Preiß gemacht. Sie duͤrffen sich erkuͤhnen/ Den Arm/ der uns so viel zum besten hat gethan/ Auff dem der Welt-Kreiß ruht/ mit Stricken zu bewinden/ Die Suͤnden-schwartze Faust fast dessen Unschuld an/ Der uns ohn einge Schuld von Schulden will entbinden. Der Koͤnig aller Welt/ der zu der lezten Zeit Wird durch gerechten Spruch der Menschen Wandel richten/ Muß vor den Richter-Stul verbannter Billigkeit/ Hoͤrt an/ was wider ihn die falschen Zeugen tichten/ Darff nicht/ wie dennoch steht dem Ubelthaͤter frey/ Dargegen einig Wort mit sichrem Munde fuͤhren/ Und wenn er frey bekennt/ was seines Amtes sey/ So muß ein harter Streich die zarten Backen ruͤhren/ Damit ein stoltzer Knecht aus frechem Ubermutt Des Himmel-Schluͤssel. Des HErren Rede strafft. Der Mann gerechter Sinnen/ Dem keine Falschheit ie befleckt das reine Blutt/ Wird biß ins vierdte mahl der Richter Falschheit innen/ Und ist ein Gauckel-Spiel der Ungerechtigkeit. Was nicht der Juden Grimm und Boßheit kan vollenden/ Was sie ihm nicht gethan vor Quaal und Hertzeleid/ Das uͤberlassen sie der Heyden frechen Haͤnden. Ach sehet/ welch ein Mensch! durch Gifft gefuͤllten Mund Verspeyt die Krieges-Schaar sein holdreich Angesichte/ Sie macht die linde Haut mit rauhen Naͤgeln wund/ Den Sanfftmutt vollen Sinn mit scharffem Hohn-Gedichte. Ach sehet/ welch ein Mensch! das edle Fuͤrsten-Haubt/ Um welches Sonn und Mond in vollem Scheine glaͤntzen/ Dem aller Sternen Heer zur Krone sind erlaubt/ Muß ein geschraͤnckter Zweig von Dornen izt bekraͤntzen Die Edelsteine sind das ausgezwaͤngte Blutt/ Mit dem/ o Hertzeleid! der Koͤnge Koͤnig pranget/ O Haͤubter voller Wind? bedencket/ was ihr thut/ Wenn ihr nach theurem Gold und weichen Rosen langet/ Zu kroͤnen euer Haubt/ den Sitz der Eitelkeit/ Seht unsers Haubtes Haubt fuͤhrt andere Rubinen/ Ihn sticht der harte Dorn/ wenn euch zu Pracht und Freud Das linde Wurm-Gespinst und zarte Blaͤtter dienen. Der Hertzog/ welchen nicht nach Wuͤrden kleiden kan Der Sonnen strahlend Gold/ des Monden Silberstuͤcke/ Legt ein zurissen Kleid voll Staub und Motten an/ Daß uns der seidne Rock der reinen Unschuld schmuͤcke. Den reichen Koͤnigs-Stab vertritt ein armes Rohr. Der Buben Schaar/ die ihn zu martern ist beflissen/ Muß wider Willen auch die Warheit bringen vor/ Indem sie ihn zur Schmach als HErr und Koͤuig gruͤssen. Ach sehet/ welch ein Mensch dort angebunden steht! Seht/ wie der heilge Leib mit Ruthen wird zerhaueu/ Seht/ wie das milde Blutt aus allen Adern geht! Man kan des Todes Bild auff seinem Ruͤcken schauen/ Doch leucht die Liebe vor/ die ihn darzu gebracht. Unselig bist du Mensch/ du Ursach dieser Plagen/ Doch selig/ wo du klug durch fremde Pein gemacht/ Nicht Himmel-Schluͤssel. Nicht weiter Ruthen wirst auff deine Schultern tragen. Wofern du nach Gebuͤhr diß unbefleckte Blutt Mit Thraͤnen waͤschest ab von deines JEsu Ruͤcken/ Und in dein Hertze senckst/ so wird es dir zu gutt In Tods- und Hoͤllen-Angst die matte Seel erquicken. Ach sehet/ welch ein Mensch! Es kan auch seine Pein Der harte Richter selbst nicht unbewegt betrachten/ Er sagt: Seht/ welch ein Mensch! kein Mensch/ vielmehr ein Schein/ Siehstu/ o Juden-Land/ nun deinen Koͤnig schmachten? Die Besem brechen ab! die Riemen gehn entzwey/ Der Hencker Grausamkeit sieht man ihr Ziel erreichen/ Laͤstu nicht deinen Grimm nunmehr auch gehn vorbey? Ach! moͤchte dieses Bild doch einen Stein erweichen/ Ob dem die Erde seuffzt/ der Himmel sich entsezt/ Der Juden hartes Hertz ist doch nicht zu bezwingen/ Und ob Pilatus gleich mit Wasser sich benezt/ Und draͤuet alle Schuld allein auff sie zu bringen/ So ruhen sie doch nicht/ biß er ein Urtheil giebt/ Er soll nach eurem Wunsch als Ubelthaͤter sterben/ Wiewohl er nichts vorher des Todes werth veruͤbt/ So muß der Lebens-HErr als wie ein Knecht verderben. Es kan kaum vor sich selbst der abgematte Fuß Die unbeholffne Last der schwachen Glieder tragen/ Der dennoch uͤber diß sein Creutze schleppen muß. Es werden Fuß und Hand mit Naͤgeln angeschlagen/ Die aller Welt hinfort des Himmels Schluͤssel seyn/ Zwey Moͤrder werden ihm gestellet an die Seiten/ Der HErr/ dem auff ein Wort giebt Wasser/ Stein und Bein/ Der unsre Seelen kan zum Lebens-Brunnen leiten/ Klagt uͤber schweren Durst/ sein honigsuͤsser Mund Ist brennend vor Begier nach unserm Heyl und Leben/ Macht solche seine Noth mit lautem Ruffen kund/ Bald wird ihm bittre Gall und Eßig hingegeben/ Zu mehren seine Pein. Ach Suͤnder! tritt herbey/ Dem schnoͤde Trunckenheit so zu belieben pfleget/ Sieh wie dein JEsus hier vor Liebe truncken sey/ Und Himmel-Schluͤssel. Und wie er solchen Durst nach deiner Seelen traͤget/ Schaustu ihn duͤrstende mit trocknen Augen an/ Und traͤnckst sein Hertze nicht mit heisser Busse Thraͤnen/ So glaub ich nicht/ daß ie dein Auge weinen kan/ Und daß dein Hertze sich nach eignem Heyl kan sehnen. Man spottet seiner Angst/ man lachet seiner Schmertzen/ Biß ihm der blasse Tod die matten Augen bricht. Man bahnt noch einen Weg durch Spieß und Stahl zum Hertzen/ Das schon der schwere Tod des Creutzes hingericht/ Draus kommet eine Bach von Blutt und Flutt geronnen. Die Erd’ entsetzet sich/ der Himmel huͤllt sich ein/ Die Sonne stirbet mit der ungeschaffnen Sonnen/ Des schwartzen Tages Nacht will eine Decke seyn Der grossen Ubelthat/ die harten Felsen brechen/ Die Graͤber springen auff/ die Todten gehu hervor/ Weil Simson ausgesezt der Schlangen Macht zu schwaͤchen/ Auff seine Schultern hebt der Hoͤllen festes Thor. Das Leben Israels wird in die Grufft gesencket/ Ein enges Grab beschleust den HErren aller Welt/ Mein Hertz entsetzet sich/ wenns diesen Tod bedencket/ Die Hand verstarrt/ der Mund verstummt/ der Kiel entfaͤllt. Ach last uns Wang und Brust mit Thraͤnen uͤbergiessen/ Weil GOttes liebster Sohn stirbt und nicht schuldig ist. Last Thraͤnen ohne Maß aus unsern Augen fliessen/ Weil GOttes Liebster Sohn fuͤr unsre Schulden buͤst. Nicht Jud und Heyde nur hilfft ihn ans Creutze schlagen/ Nicht Jud und Heyde nur bringt ihn in Noth und Spott/ Wir Suͤnder alle seyn der Ursprung seiner Plagen/ Und unsre Missethat verursacht seinen Tod; Zerfleischet nicht die Haut/ die Geisseln sind zu linde/ Die Riemen sind zu schwach/ zu buͤssen solche That/ Zureist und reiniget die Hertzen von der Suͤnde/ Die JEsum ohne Schuld ans Creutz gehefftet hat. Erweichet euren Geist/ zerknirschet eure Sinnen/ Fuͤhlt wahre Seelen-Angst/ tragt ernste Reu und Leyd/ Ihr werdet dennoch nicht genung betrauren kuͤnnen/ Daß ihr gecreutzigt habt den HErrn der Herrligkeit. Doch Himmel-Schluͤssel. Doch aber muͤst ihr nicht in solcher Angst verzagen/ Des HErren JEsu Tod soll euer Leben seyn/ Er hat des Vatern Zorn/ der Hoͤllen Angst getragen/ Und fuͤhrt euch frey davon in Himmel selig ein. Schaut mit Verwunderung/ wie euch der Hoͤchste liebet/ Und last euch solche Brunst zur Liebe treiben an/ Gebt eure Hertzen dem/ der euch das seine giebet/ Indem er/ als sich selbst/ nichts Edlers geben kan. Last eure Andachts-Glutt durch seine Flamm entzuͤnden/ Schwizt Thraͤnen wenn das Blutt aus seinen Wunden fleust/ Und wenn eur Lebens-Oel will in dem Tode schwinden/ Befehlet/ wie er that/ dem Vater euren Geist. Christi Leyden. W er schonet einen Wurm? muß nicht ein ieder Stein/ Muß nicht ein ieder Fuß desselben Moͤrder seyn/ Indem er hin und her auff schwartzer Erde kreucht/ Und seinem Feinde sich durch blosse Flucht entzeucht. So eben geht es dir/ o JEsu GOttes Sohn/ Dein himmelischer Sitz/ dein hoher Ehren-Thron Ist itzund Erd und Staub. Des glatten Leibes Zier Mit Narben angefuͤllt/ verwandelt sich bey dir In heßliche Gestalt/ o uͤberhaͤuffte Pein! Es dringen sich ins Haubt die scharffen Dornen ein/ Es schneiden Haut und Fleisch die Riemen schwer von Bley/ Es schneiden Marck und Bein/ die Laͤster-Wort entzwey/ So die erboßte Schaar der Juden speyet aus. Pilatus fuͤhret dich vors hohe Richter-Hauß/ Wo das gehaͤuffte Volck in langer Reihe steht/ Er weiset/ wie das Blutt aus allen Adern geht/ Wie durch das strenge Band die Glieder seyn umschraͤnckt/ Und dein zufleischter Leib kaum an einander heuckt. Hier solt ein Diamant und Felsen-harter Stein/ Wie von der Hitze Schnee und Eyß zuschmoltzen seyn/ Und dein erwaͤhltes Volck sieht hocherfreuet an/ Was Tag und Sonne nicht ohn Schrecken sehen kan/ Indem nun uͤber dich der Eyfer-volle Sturm Des Himmel-Schluͤssel. Des blinden Volckes geht/ indem du als ein Wurm Zutretten und zuknirscht in eignem Blutte schwimmst/ An Schmertzen immer zu- und ab an Kraͤfften nimmst. Waͤchst mit den Plagen auch die heilige Geduld/ Die der ergrimmten Schaar vergiebet alle Schuld/ Und ohne Zucken sich zu tode martern laͤst. O mehr als wohl gethan! denn also wird zur Pest Dem Tode dieser Tod. Du suͤsser JEsu siegst/ Besiegt von Noth und Tod/ du starcker JEsu kriegst Gefangen deinen Feind/ der dich gefangen haͤlt/ Und fuͤhrest im Triumph Tod/ Teufel/ Hoͤlle/ Welt. Das Sieges-Mahl hastu dir selber auffgesteckt/ Als du das muͤde Paar der Armen ausgestreckt/ Genagelt an das Holtz. Laß unsre Ehre seyn/ O JEsu/ deine Schmach: Von Suͤnden wasch uns rein Dein rosin-farbnes Blutt/ der theure edle Safft/ Von Wunden mach uns heil/ HErr/ deiner Wunden Krafft. Die sieben Worte unsers Erloͤsers. M an nimmt die letzten Wort’ in Acht/ Die unsre Freunde vorgebracht/ Wer wolte das nicht fassen Was JEsus/ der uns selig macht/ Am Creutz hat hinterlassen. Erst JEsus zu dem Vater spricht: Raͤch an dem blinden Volcke nicht Was sie an mir veruͤben/ So ist er/ biß das Leben bricht/ Der Feinde Freund geblieben. Des HErren ander Wort erfreut Den Schaͤcher/ der mit Reu und Leid Der Suͤnden war umgeben: Ich sage dir/ du wirst noch heut Im Himmel mit mir leben. Der HErr stellt der bedraͤngten Schaar Sein sorgend Vater-Hertze dar/ E Laͤst Himmel-Schluͤssel. Laͤst ihnen Schutz und Segen/ Nimmt der betruͤbten Mutter wahr/ Heist ihr den Juͤnger pflegen. Ihn duͤrstet nach der Menschen Heyl/ Ihn duͤrstet/ weil des Hoͤchsten Pfeil Der Glieder Safft verkreischet; Ach dencke/ daß er auch ein Theil Buß-Thraͤnen von dir heischet! Merck auff/ o Hertz/ und dencke nach/ Warum er zu dem Vater sprach: Wie hast du mich verlassen. So schwer ists/ was der Mensch verbrach/ Auff seine Schultern fassen! Es ist vollbracht/ die Schrifft erfuͤllt/ Die Schuld bezahlt/ der Zorn gestillt/ Hoͤrt man den Heyland ruffen. Diß Wort/ draus Trost und Leben quillt/ Haͤlt uns den Himmel offen! O Vater/ meinen matten Geist/ Der sich nunmehr vom Leibe reist/ Befehl ich deinen Haͤnden! Wer so versorgt das Leben schleust/ Kan seliglich vollenden. Ach Worte voller Lebens-Safft! Bin ich mit Sorg und Angst behafft/ Erschreckt mich Tod und Suͤnde/ So hilff/ daß ich derselben Krafft/ O JEsu/ stets empfinde. Meine Liebe ist gecreutziget. W eine Zion du Betruͤbte/ Weil dein Heyland der Geliebte Nun aus Creutzes Stamm verschmacht! Stirbt der Schoͤpffer aller Dinge? Reiß Himmel-Schluͤssel. Reiß o Himmel! Felß zerspringe! Sonn erschwartz/ und Tag sey Nacht! An dem Creutz wird meine Liebe/ Einem Moͤrder oder Diebe Gleich/ die Unschuld umgebracht. Billich lieb ich den von Hertzen Der in tausend Angst und Schmertzen Meine Schuld hat gut gemacht. Der am Creutz ist meine Liebe/ Daß er mich vom Tod erhuͤbe/ Wird er hier mit Schmach erhoͤht/ Schau/ wie meine Suͤnden-Flecken Abzuwaschen und zu decken/ Blutt aus seiner Seite geht. Meine Liebe haͤngt am Creutze/ Ach! daß seine Noth mich reitze/ Nicht zu leben mit der Welt! Hier will ich mich niederlassen/ Diesen Lebens-Baum umfassen Wenn mich lezte Noth befaͤllt! Besuchung des heiligen Grabes. K ommt Sterbliche/ die ihr die Graͤber scheuet/ Besucht mit mir/ was mich im Geist erfreuet/ Und koͤnt ihr nicht nach Palestina gehn/ So bleibet hier in Andacht stille stehn. Es prangt die Welt mit ausgeschmuͤckten Zimmern/ Hier blinckt Crystall und dort muß Silber schimmern/ Der HErr der Welt/ den sie gestossen auß/ Entlehnet ihm ein schlechtes Todten-Hauß. Der Lebens-Fuͤrst/ durch den wir alle leben/ Laͤst sich verschmacht ins Grab zu ruhen heben: Die Sonne/ die der Sonne gab den Schein/ Senckt sich erblaßt in finstern Winckel ein. E 2 Weil Himmel-Schluͤssel. Weil Adam must aus Schuld vom Garten scheiden/ Fieng Christus auch im Garten an zu leyden. Im Garten wird er nun zur Ruhe bracht/ Weil diese Schuld ist wieder gutt gemacht. Im Garten bluͤht die edle Sarons-Blume/ Das Paradieß wird uns zum Eigenthume. Den Saamen und die Zwiebel stecken wir/ Doch bricht heraus die schoͤnste Bluͤth herfuͤr. Du stille Grufft/ in harten Felß gehauen/ Man wolte dir den Felß des Heyls vertrauen/ Gleichwie ihn nicht mag halten deine Klufft/ So oͤffnet er auch kuͤnfftig unsre Grufft. Du dunckles Hauß/ in festen Stein gebauet/ Wer ist/ dem noch fuͤr solcher Wohnung grauet? Es hat dich ja der Glantz der Herrligkeit/ Und unser Grab zugleich mit eingeweyht. Es darff ihn nicht die Schaar der Waͤchter huͤtten/ Ich will fuͤr mich derselben Stell erbitten/ Ich will bey ihm mein Hertze schliessen ein/ So werd ich auch mit ihm erwecket seyn. Gegen-Satz/ Wechselweise zu singen. L asset uns nach Zion wallen/ Und die Schaͤdel-Staͤtte sehn/ Wo dem Schoͤnsten unter allen So viel Ubels ist geschehn! Last uns ihm ein Grab-Lieb singen! Nun sie ihn zur Ruhe bringen! Der die Erde selbst ließ werden/ Der den Himmel ausgespannt/ Hat nichts Eignes auff der Erden/ Borgt ihm Josephs fremden Sand/ Wenn er aus der Grufft wird steigen Ist der Himmel unser eigen. An Himmel-Schluͤssel. An dem Creutze starb das Leben/ Ruht im Grabes Schatten aus/ Und die Sonn hat sich begeben In das duͤstre Todten-Hauß/ Aber last das truͤbe Weinen/ Bald wird sie uns wieder scheinen. Evens suͤsser Apffel-Bissen Bringt die herbe Todes-Post/ Solche wieder zu versuͤssen Hat viel Schweiß und Blutt gekost; GOttes Gnad an statt Napellen Waͤchst an den benetzten Stellen. Last uns in den Garten eilen/ Wo die Myrrhen-Puͤschel stehn/ Unsre Seelen auszuheilen/ Zu den Balsam-Stauden gehn/ Hier kan man ohn Dornenstechen Edle Lebens-Rosen brechen. Du Durchbrecher harter Steine/ Den kein Marmor halten kan/ Ich will dir auch mein Gebeine Zu verwahren trauen an! Du/ das Haubt/ du lebest wieder/ Und erhebst auch deine Glieder. Schatten mag die Erde decken/ Finsternis die Lufft umziehn/ Wenn mich Tod und Nacht erschrecken Will ich in diß Lager fliehn. Zu verschlaffen allen Jammer/ Waͤhl ich hier die Ruhe-Kammer. Nun so sey gegruͤßt/ o Hoͤle/ Drauß des Lebens Echo klingt/ Drauß fuͤr meine matte Seele Labsal in dem Tod entspringt! Eh man mich ins Grab soll sencken Will ich dein zum Trost gedencken. E 3 Oster- Himmel-Schluͤssel. Oster-Gedancken. L ast uns mit den frommen Frauen/ Nun der fruͤhe Tag anbricht/ Fuͤr erwachtem Sonnen-Licht Zu des HErren Grabe schauen. Last uns Salb’ und Specerey/ Seinem Coͤrper bringen bey. Seht Aurorens Roͤth auffsteigen/ Und der helle Morgen-Stern Wird uns selbst den Weg zum HErrn Durch den kuͤhlen Thau anzeigen. Aber ach! der schwere Stein Koͤmmt mir unterwegens ein. Kan ich mit dem Stein der Suͤnden/ Der mir auff dem Ruͤcken liegt/ Tausend Centner uͤberwiegt/ Mich zur heilgen Staͤtte finden? Wo treff ich den Simson an Der den Stein abweltzen kan? Unverzagt! dir ist gerathen/ Der/ den du besuchen wilt/ Hat den Kummer schon gestillt: Seine Treu koͤmmt dir zu statten/ Hebt den Stein fuͤr sich und dich/ Und nimmt deine Last auff sich. Mag ihn Suͤnd und Tod nicht zwingen/ Haͤlt ihn nicht der Hoͤllen Klufft/ Kan er sich durch Stein und Grufft Lebend in die Hoͤhe schwingen/ So wird auch kein Suͤnden-Stein Ihm bey dir zu maͤchtig seyn. Schau/ das leere Grab ist offen/ Wo dein liebster Heyland lag/ Nun hast du den Oster-Tag Froher Seligkeit zu hoffen/ Und Himmel-Schluͤssel. Und durchs kuͤhle Schlaff-Gemach Folgst du ihm in Himmel nach. D er fruͤhe Morgen zeiget sich/ Auff/ meine Seel/ und finde dich Zu JEsu Grab und Fuͤssen wieder! Hier legte man vons Creutzes Stamm Am Freytag deinen Braͤutigam Zur stillen Todten-Ruhe nieder. Was fuͤrchtestu den schweren Stein Der dir im Wege moͤchte seyn/ Des HErren blassen Mund zu kuͤssen: Er ist durch unbekandte Macht Bereits von seiner Staͤtte bracht/ Und kan das Grab nicht mehr verschliessen. Nun meine Seele/ du bist hier/ Doch faͤllt ein neuer Kummer fuͤr/ Wer weiß dich dessen zu entbinden? Begieb dich in diß Todten-Hauß/ Such alle Winckel drinnen aus: Dein JEsus ist hier nicht zu finden. Er ward in Tuͤcher eingehuͤllt/ Mit Myrrh und Aloe gefuͤllt/ Der gantze Coͤrper war umwunden. Hier zeiget sich des Lagers Platz/ Wo aber ist der beste Schatz/ Der theure Heyland hin verschwunden? Wer ist der mich berichten kan/ Wo man den HErren hingethan/ Den meine Seele sucht und liebet? Find ich des Hertzens Trost und Licht/ Das Leben meiner Seele nicht/ So bin ich biß in Tod betruͤbet. Was aber such ich den der lebt/ Wo man die todte Schaar begraͤbt? E 4 Mein Himmel-Schluͤssel. Mein JEsus ist ja aufferstanden. Was scheu ich nunmehr Tod und Grab/ Nachdem ich die Gewißheit hab/ Mein Aufferwecker ist verhanden! Ich seh ihn schon von ferne stehn/ Und mir mit Trost entgegen gehn/ In angenommnem Gaͤrtner-Kleide/ Damit ich fortan sicher weiß/ Daß mich vom frohen Paradeiß Und ihm nicht Tod/ nicht Hoͤlle scheide! An den edlen Pfingst-Wind/ GOtt den heiligen Geist. K omm/ linder West/ laß deinen Athem spuͤren/ Die Sulamith verlangt und seuffzt nach dir/ Ihr Garten will Geruch und Schmuck verlieren/ Drum finde dich mit Hold und Trost zu ihr. Der strenge Nord bestuͤrmet ihre Sinnen/ Das Hertze wird als ein gefrornes Eiß/ Die Hoffnung will nicht Bluͤtt und Stock gewinnen/ Die Andacht starrt/ die keine Flamme weiß. Ein duͤrrer Ost entzieht die welcken Kraͤffte/ Sein Blasen hemmt den frischen Perlen-Thau/ Der trockne Staub verzehret Marck und Saͤffte/ Manch Tugend-Blat erstirbt auff matter Au: Offt muß sie auch den heissen Suͤd empfinden/ Wenn Creutzes-Brand in Blutt und Adern wallt/ Bey Mittags-Glutt will aller Schatten schwinden/ Und sie verliert Mutt/ Anmutt und Gestalt. Komm/ linder West/ laß deinen Athem spuͤren/ Daß Sulamith die schwache wird ergoͤzt/ Ihr Garten wird viel neue Fruͤchte fuͤhren/ Wenn ihn durch dich ein Gnaden-Regen nezt. Dein sanffter Hauch/ dein angenehmes Wehen Besaͤmet ihn mit Gott-beliebter Frucht/ Das wilde Land wird sich verbessert sehen/ Durch deinen Geist und Trieb anheimgesucht. Komm/ Himmel-Schluͤssel. Komm/ linder West/ laß deinen Athem spielen/ Daß sich bey uns der Glaub’ an GOtt entzuͤnd. Komm/ reiner Geist/ laß deine Regung fuͤhlen/ Daß sich die Brust von Liebe heiß befind. O werther Gast/ zeuch ein mit deinem Worte/ Komm/ finde dich mit deinen Gaben ein/ Wir oͤffnen dir mit Lust des Hertzens Pforte/ Und Seel und Geist soll deine Wohnung seyn. In duodecimam Octobris Anni 1696. H Eu! quam clara dies atro carbone notatur, Et quam sit fumo proxima flamma docet! Flamma leves stipulas quasi ludens lambit \& ambit, Mox urit postes, nec cohibenda furit. Parva metu primo volitat scintilla per orbem, Mox egressa solo culmina summa petit, Mobilitate viget, viresque acquirit eundo, Qua vento rapitur strata domusque rapit, Undique firma ruunt subductis tecta columnis, Ardendi finis pruna, favilla, cinis. Quam nuper fœtis messem congessimus agris, Ignis eheu! tristis dente rubente vorat. Annua decollat miseri spes una coloni, Qui nil quod comedat, quove tegatur, habet. Quid nostris superest curis, nostroque labori? Quod querula quærit tegmina voce, pecus. Indictas nondum Accisas respublica sentit: Accisæ nobis diminuuntur opes. An sic continuo stimulatum crimine Numen, In nos vindictæ commovet arma, faces? An meliora licet sperare, \& gratia Jovæ Ad frugem fruges eripiendo trahit? E 5 An Himmel-Schluͤssel. An nos injustos ferventis imagine flammæ, Quæ sontes maneant flammea tela, monet. An nos impense quærentes lucra caduca, Quam sint terrarum lucra caduca docet? An immorigeros talparum more morari, In cœno, \& cœlo vertere terga vetat? Offensum mœsto placemus pectore Numen? Exstingvat rutilas lacruma crebra faces! Parce Deus meritos æternis urere flammis! Radices fœdi criminis ure, seca? Supplice placatum rogitemus pectore Numen, Ut nocumenta rei sint documenta reis. Da Deus, ut discam perituris posse carere, Et duraturis posse studere doce? Da, Deus, elatos humili contemnere fastus Mente, tuasque probe discere posse vias. Da, Deus, æternas ut possim evadere flammas, Perpetuaque Poli, te Duce, Luce frui! Thau-Wetter. D er Winter weicht/ der Schnee zuweicht/ die Rinnen thraͤ- nen/ Der hart-gefrorne Strom/ das Eiß/ beginnt zu gaͤhnen: Ach laß/ o harter Mensch/ auch die verstockten Sinnen Mit weicher Busse Thraͤnen rinnen! Man spuͤrt die warme Lufft der lauhen Mittags-Winde/ Sie rauschen in der Hoͤh/ und streichen durch die Gruͤnde. Der Zorn des Hoͤchsten raucht; ach laß ihn in dich dringen/ Und dein befelßtes Hertze zwingen! Die Erde schwimmt voll Koth/ du voller Missethaten: Ach saubere dich bald/ dieweil dir noch zu rathen! Bereite Geist und Sinn/ auff daß du kanst im Lentzen Fuͤr GOTT mit neuer Zierde glaͤntzen. JEsu/ Himmel-Schluͤssel. J Esu/ meiner Seelen Ruh/ Meine Wonn und Lust bist du! Stoͤst mir Creutz und Ungluͤck fuͤr/ So besprech ich mich mit dir: Du/ mein Trost und bester Rath/ Der mich nie verlassen hat/ Laß der offnen Wunden Schoß Seyn mein sichres Ehren-Schloß/ Dein Creutz meinen Wander-Stab/ Deinen Arm mein Sorgen-Grab/ Meine Freude deine Noth Und mein Leben deinen Tod! Uber die Worte der Schoͤpffung: Im Anfang schuff GOtt Himmel und Erden. O Anfang sonder Ort/ o Anfang sonder Ende/ Wo warestu/ eh Welt und Menschen fiengen an? Eh man bereitet sah des blauen Himmels Waͤnde/ Eh noch bewohnet war der Erde Kugel-Plan? Ein Archimedes will den gantzen Bau verruͤcken/ Weiß aber ausser ihm zu finden keinen Stand: Wo laͤst sich denn ein Raum vor deine Groͤsse blicken/ Eh sich die gantze Welt noch ungebildet fand? Ich schwoͤr es/ Fleiß und Witz kan deinen Sitz nicht finden/ Das unerschaffne Schloß der Sternen schloß dich nicht In seine Mauren ein/ die du noch soltest gruͤnden/ Die Erde trug dich nicht/ die noch unzugericht: Und dennoch warestu/ o dreyvereintes Wesen/ O Schoͤpffer aller Welt/ GOtt Vater/ Sohn und Geist/ Wie wir davon Bericht in deinem Worte lesen/ Und deiner Haͤnde Werck uns dessen uͤberweist. Seh ich den Himmel an/ so muß ich dich erkennen/ Und glauben/ daß ein GOtt sein Meister muͤsse seyn. Wie koͤnten Sonn und Mond aus eignen Kraͤfften brennen/ Wenn nicht ein hellers Licht entzuͤndet ihren Schein. Die Himmel-Schluͤssel. Die Sternen loͤschten aus/ ihr Feuer muͤst erkalten/ Wenn sie der Hoͤchste nicht zum Leuchten auserwaͤhlt. Wie koͤnte sich die Erd in freyer Lufft erhalten/ Dafern sie nicht die Hand des Schoͤpffers angepfaͤhlt? Wer heisset Finsternis und Licht die Tag’ entscheiden/ Das ungeheure Meer in seinen Graͤntzen stehn? Gewaͤchse mancher Art die Felder uͤberkleiden/ Die Lufft befiedert/ Land und See voll Thiere gehn? Wer hat dem Menschen Geist und Odem eingegossen/ Die Sinnen in das Haubt/ die Sprach in Mund gelegt? Von wem ist Fruchtbarkeit und Segen hergeflossen/ Daß die verallte Welt sich nimmer muͤde traͤgt? Es muß doch etwas seyn/ von dem diß alles kommen/ Das alle dem sein Ziel und Ordnung hat bestimmt/ Das/ eh als alles diß/ den Anfang hat genommen/ Und welches folgbarlich von nichts den Anfang nimmt. Was aber dieses sey/ und wo es sey zu wissen/ Ist keinem/ welcher noch die Erde baut/ erlaubt/ Wohl dem/ wer die Vernunfft legt zu des Glaubens Fuͤssen/ Zwar wenig weiß/ doch viel nach GOttes Worte glaubt. Ich glaube/ grosser GOtt/ und ehre dich mit Schweigen/ Mein Suchen suchet ihm in deinem Worte Ruh/ Ich lasse mir den Weg zu dir darinnen zeigen/ Und frage nun nicht mehr/ wie vor/ wo warest du? Verzeihe/ wo sich hier mein Vorwitz hat vergangen/ Und nachgeforscht von dir/ was unergruͤndlich ist. Du wohntest in dir selbst/ an keinem Ort gefangen/ Da/ wo du heute noch und immer wohnend bist. Wo ewig um dich her die reinen Geister schweben/ Wo deinen Ruhm besingt der frohen Vaͤter Schaar/ Wo ich nach dieser Zeit werd ohne Sterben leben/ Und unge fr agt verstehn/ was hier zu dunckel war. O Anfang sonder Ort/ der alles angefangen/ O Anfang/ welcher nichts von keinem Ende weiß/ Gieb/ daß ich dessen bald den Anfang moͤg erlangen/ So singet dir mein Mund ohn Ende Lob und Preiß. GOtt Himmel-Schluͤssel. G Ott birgt sein helles Licht in Wolck und Schatten ein/ Des Menschen bloͤdes Aug’ erblindet fuͤr dem Schein Der goͤttlichen Gericht und uns verborgnen Wege; Drum wohl mir/ wenn ich mich zu seinen Fuͤssen lege/ Und mehr nicht/ als vergoͤnnt/ zu wissen bin bedacht/ Denn fuͤhl ich seinen Strahl in tieffster Mitternacht. Uber die Worte: Ach GOtt/ wie theuer ist deine Guͤte/ daß Men- schen wohnen unter dem Schatten deiner Fluͤgel. G OTT/ wie theur ist deine Guͤtte/ Daß der Menschen schwache Schaar/ Als in einer sichern Huͤtte/ Frey von Plagen und Gefahr/ Von betruͤbter Angst verschont Unter deinen Fluͤgeln wohnt. Ach wie theur ist deine Guͤtte/ Die uns Geist und Athem schenckt/ Ziert an Gliedern und Gemuͤtte/ Stets auff unser Wohlseyn denckt. Die uns/ weil wir in der Welt/ Traͤgt/ verpflegt und unterhaͤlt. Ach wie theur ist deine Guͤtte/ Die uns unermuͤdet liebt/ Die uns uͤber unsre Bitte/ Leibs- und Seelen-Guͤtter giebt/ Die uns warnet/ die uns fuͤhrt/ Die man taͤglich neu verspuͤrt. Unter deinem Gnaden-Schirme Leben wir in sichrer Ruh/ Wenn des rauhen Ungluͤcks-Stuͤrme Noch so hefftig dringen zu/ Sa- Himmel-Schluͤssel. Satans List/ der Feinde Macht Schadt uns nicht bey deiner Wacht. Wie ist deine Guͤtte theuer/ Wenn dein Blitz und Donner draͤut/ Wenn ein unvermuttes Feuer Tausend Funcken um sich streut/ Loͤschest du sie selber aus/ Und beschirmst uns Hoff und Hauß. Grosser GOtt/ in solche Guͤtte Laß uns stets befohlen seyn/ Segne ferner und behuͤtte Was wir durch dich sammlen ein/ Segne uns an Leib und Geist/ Biß dich beydes ewig preist. Z wey Stuͤcke bitt ich HErr von dir/ Die wollestu nicht wegern mir/ Eh ich von hinnen scheide: Behuͤtte mich vor Uberfluß/ Doch gieb/ daß ich nicht darben muß/ Und schweres Armutt leyde. Lebt ich ohn alle Sorg und Noth/ So moͤcht ich sagen: Wer ist GOtt/ Vor dem ich mich soll schmiegen? Und kehrte Mangel bey mir ein/ So moͤcht ich voller Kummer seyn/ Unrechtes Gutt zu kriegen. Drum laß mich mein bescheiden Theil Zur Leibes Noth/ zum Seelen-Heyl Aus deiner Hand empfangen/ So ruͤhm ich deine Guͤttigkeit/ Wenn ich nach wohlgeschloßner Zeit In Himmel eingegangen. Das Himmel-Schluͤssel. Das beste Andencken. W as ist/ o Himmels-Fuͤrst/ der Mensch/ die Hand voll Koth/ Daß du ihm unverdient so holde Liebe schenckest? Was treibt dich/ grosser GOTT/ Daß du so vaͤterlich an Adams Erben denckest? Auff Erden ruht dein Fuß/ im Himmel ist dein Thron/ Du bist der Heilige/ der Starcke/ der Gerechte/ Der Mensch ist sproͤder Thon/ Befleckt/ ohnmaͤchtig/ kranck/ ein suͤndliches Geschlechte. Doch haͤltstu uͤber ihm genaͤdig Aug’ und Hand/ Es wallet gegen ihm dein brennendes Gemuͤtte/ Dein Sohn ist selbst das Pfand Der ungefaͤrbten Huld/ ein Zeuge deiner Guͤtte. Wie aber denckt/ o GOtt! der schnoͤde Mensch an dich/ Hier ist nur Undanck und Vergessenheit zu finden/ Erforsch ich selber mich/ So seh ich alle Spur der Danckbarkeit verschwinden. Ich denck am meisten/ wie mirs zeitlich gehe wohl/ Und lasse hin und her zerstreute Sinnen wancken; Was ich bedencken soll/ Drauff richt ich offtermahls nur fluͤchtige Gedancken. Ich bin mir wenig Lieb’ und Treu zu dir bewust/ Drum muß mich schwartze Reu’ und bange Furcht bekraͤncken/ Es kocht in meiner Brust Gehaͤuffter Suͤnden Schuld/ betruͤbtes Angedencken. Ich leider! bins/ der dich/ o Heyland/ band und schlug/ Der dein geaͤngstes Haubt mit Suͤnden-Dornen rizte/ Dir Holtz zum Creutze trug/ Und selbst fuͤr Hand und Fuß die scharffen Naͤgel spizte. Ach HErr/ gedencke nicht die Schulden junger Zeit/ Roch wie ich war bedacht das Suͤnden-Maaß zu fuͤllen/ Denck in Barmhertzigkeit An mich und deinen Sohn/ um deiner Guͤtte willen. Denckst Himmel-Schluͤssel. Denckst du in Gnaden mein/ so bin ich wohl bedacht/ Mein Frevel aber bleibt in Ewigkeit vergessen. Nun Erde gutte Nacht! Ich dencke nur an den/ des Liebe nicht zu messen. W ohl dem/ der nicht im Rath der Ungerechten wandelt/ Der nicht der Suͤnder Weg/ der Spoͤtter Stul beruͤhrt/ Der GOttes Wort mit Lust und reinem Hertzen handelt/ Und sein Gesetze Tag und Nacht im Munde fuͤhrt. Der gruͤnet wie ein Baum gepflantzet an den Baͤchen/ Der seine Fruͤchte bringt zu ausgesezter Zeit. Kein rauher Wind noch Herbst kan seine Blaͤtter schwaͤchen/ Was er beginnt/ geraͤth/ und was er wuͤnscht/ gedeyt. So gehts den Leuten nicht/ die sich vor GOtt nicht scheuen/ Der Grund/ auff dem sie stehn/ ist ungewisser Sand/ Sie lassen sich wie Spreu und Staub durch Wind verstreuen; Was Gold und Eisen hieß/ wird Koth und Wachs erkandt/ Drum kan der Falschen Sinn nicht bleiben im Gerichte/ Noch/ wer gesuͤndigt hat/ bey reiner Schaar bestehn; Denn auff der Frommen Weg scheint GOttes Angesichte/ Wenn boͤser Leute Pfad mit Schanden muß vergehn. W ie tobt der Heyden-Volck mit so vergebnem Schwaͤtzen? Die Koͤnge wollen sich dem HErren widersetzen. Der Landes-Fuͤrsten Schluß/ der stoltzen Herren Rath Geht wider GOtt und den/ den er gesalbet hat. Sie wollen seine Band’ in tausend Stuͤcke reissen/ Und seiner Herrschafft Seil von ihren Schultern schmeissen. Doch der im Himmel wohnt/ lachr ihre Klugheit aus/ Ihr Eyfer stuͤrmt umsonst sein unbesiegtes Hauß/ Er wird sie dermahleinst mit seinem Grimm erschrecken/ Durch seine Donner-Stimm aus ihrem Schlaffe wecken. Mein Koͤnig ist gesezt auff Zions heilgen Thron/ Da lebt und herrscht vor mir/ mein heut erzeugter Sohn/ Dem ich zum Erbe will die stoltzen Heyden geben/ Dem/ was auff Erden lebt/ soll unterthaͤnig leben/ Der Himmel-Schluͤssel. Der einen Koͤnigs-Stab von festem Eisen traͤgt/ Der ihren harten Sinn wie Toͤpffe niderschlaͤgt. So last euch weisen nun/ ihr Koͤnge dieser Erden/ Ihr Richter lernt gerecht und eingezogen werden/ Dient ihm mit Furcht/ und freut euch zitternd seiner Macht/ Kuͤßt ihn/ damit sein Zorn nicht uͤber euch erwacht. Damit er euch den Weg der Boßheit nicht verkuͤrtze/ Und eh ihr Busse thut in euren Suͤnden stuͤrtze/ Denn man wird seinen Zorn bald angebrennet schaun/ Doch alle denen wohl/ die seiner Guͤtte traun. A ch HErr/ wie sind so viel der Feinde/ die mich hassen/ Die mir durch Macht und List zu schaden seyn bedacht. Sie sagen unter sich: Er ist von GOtt verlassen/ Wie bald wird seine Seel in unser Netze bracht. Du aber bist der Schild/ der mich zu Ehren bringet/ Und mein verachtes Haubt hebt aus dem Staub empor/ Wenn vor des HErren Thron mein Angst-Geschrey erklin- get/ So neiget er zu mir sein gnaͤdig Vater-Ohr. Ich lege mich getrost zur sanfften Ruhe nieder/ Und schlaff in GOttes Hutt von Feinden sicher aus. Sind hundert tausend mir und noch vielmehr zu wider/ So legen sie sich doch vergebens um mein Hauß. Auff/ HERR/ und hilff mir/ GOtt/ du schlaͤgest auff den Ba- cken Der Feinde stoltzes Heer/ zerschmetterst ihren Zahn/ Und druͤckest in den Koth die hochgesinnten Nacken/ Beym HErren trifft man Huͤlff’ und reichen Segen an. E rhoͤre mich/ wenn ich mit Seuffzen vor dich trete/ GOTT/ meiner rechten Sach ein GOtt/ Der du mich troͤst in Angst und Noth/ Sey mir genaͤdig und erhore mein Gebete. Wie lange werdet ihr noch spotten meiner Ehren/ Ihr stoltzen Herren dieser Welt/ F Die Himmel-Schluͤssel. Die Eitelkeit gefangen haͤlt/ Und die ihr euch so gern die Luͤgen last bethoͤren. Erkennet/ daß der HErr durch wunderliche Wege Doch allemahl zum Besten fuͤhrt/ Die er von reinem Hertzen spuͤrt/ Der HErr erhoͤrt/ wenn ich ihn anzuruffen pflege. Betruͤbet euren Geist der Boͤsen Wohlergehen/ Die offt den Rosen gleiche bluͤhn/ So murret doch nicht wider ihn/ Und lernet seinem Creutz und Pruͤfung stille stehen. Ermahnet bey der Nacht auff eurem Thraͤnen-Bette Das Hertze zur Geduld im Leid/ Befleißt euch der Gerechtigkeit/ Und glaubet/ daß der HErr/ die auff ihn traun/ errette. Viel sagen/ solt uns der was Guttes koͤnnen weisen/ Dem selbsten Huͤlff und Rath gebricht. HERR/ wend auff uns dein Gnaden-Licht/ Daß wir und alle Welt dein’ Huͤlffe muͤssen preisen. Es mag die falsche Schaar viel Wein und Korn besitzen: Mein Schatz und meine Lust bist du/ Ich lieg und schlaff’ in stiller Ruh/ Weil mich der Hoͤchste will vor allem Unfall schuͤtzen. Wunsch aus dem 10. und 119. Psalm. M eine Seele liegt im Staube/ daß mein Hertz fuͤr Gram verschmacht/ Heb mein Haubt empor/ und staͤrcke mich durch deines Trostes Macht. Ja du hoͤrst/ HERR/ das Verlangen der betruͤbten Seelen an. Mein Hertz weiß/ daß deine Guͤtte helffen will und helffen kan. Diesen Trost Immanuel/ will ich fest zu Sinne fassen/ Zeit und Ort/ wenn/ wie es gutt/ deinem Willen uͤberlassen. Aus Himmel-Schluͤssel. Aus dem 20. Psalm. E S hoͤre der HErr dein Klagen in Noth/ Es schuͤtze dich Jacobs gewaltiger GOtt/ Er sende dir Huͤlffe vom heiligen Thron Und Labsal und Staͤrcke vom Berge Zion. Er dencke genaͤdig an dein Geschrey/ Dein Opffer der Lippen ihm angenehm sey. Er gebe dir/ was dein Hertze begehrt/ Und mache dein Christliches Wuͤnschen gewehrt/ Damit du nach selig vollendeter Zeit Ihn lobest und ruͤhmest in Ewigkeit. I ch kan nicht lustig seyn/ mein traurig Hertze weinet/ Wenn mein verstellter Mund erfreut zu lachen scheinet/ Die Sprache zwinget sich/ das Hertze saget nein/ Es komme wie es will/ ich kan nicht lustig seyn. Ich weiß nicht was mir fehlt; ich darff nicht Mangel leyden/ Des milden Himmels Gunst hat mir mein Theil bescheiden/ Obgleich kein Uberfluß im Kasten wird gezaͤhlt/ So reicht es immer zu/ ich weiß nicht was mir fehlt. Mir mangelt freyer Mutt/ ich darff nicht Liebe klagen/ Kan keuscher Ehe Frucht auff beyden Armen tragen/ Die Ehrsucht plagt mich nicht/ die manchem wehe thut/ Nur das ist mein Beschwer/ mir mangelt freyer Mutt. Der schwache Leib empfind wohl offt Beschwerligkeiten/ Und sieht ihm allgemach sein fruͤhes Grab bereiten/ Traͤgt seinen Tod mit sich/ doch iedes Adams Kind Fuͤhlt unterweilen/ was der schwache Leib empfind. Die krancke Seele druͤckt wohl auch ein schwer Gebluͤtte/ Jedoch am meisten steckt der Mangel im Gemuͤtte/ Durch Hoffnung naher Grufft wird offt der Geist erquickt/ Wenn matter Glieder Last die krancke Seele druͤckt. Ich leide steten Zwang/ bin bey vergnuͤgten Stunden An stille Traurigkeit/ Verdruß und Angst gebunden/ F 2 Bin Himmel-Schluͤssel. Bin wachend voller Schlaff/ und bey Gesundheit kranck/ Bey Leben halber Tod/ ich leide steten Zwang. Ich bin mir selber gram/ daß ich mich nicht kan zwingen In ungezwungner Lust ein Stuͤndchen hinzubringen/ Und mehre den Verdruß durch Ungedult und Scham/ Doch thu ich was ich will/ ich bin mir selber gram. Wer lindert meine Qual? Last Gold und Silber fliessen/ Last mich der Perlen Staub/ Corallen-Blutt geniessen/ Bringt saure Quellen her/ und zieht den Geist aus Stahl/ Diß alles hilfft mich nicht: Wer lindert meine Qual? Kein Arzt verschafft mir Rath/ gluͤckselig ist im Leben Wem GOtt ein froͤlich Hertz und freyen Sinn gegeben; Wofern der Hoͤchste diß nicht mitgetheilet hat/ Ist alle Muͤh umsonst/ kein Arzt verschafft mir Rath. Ach komm gewuͤnschter Tod/ du Artzney vieler Klagen/ Du Anfang suͤsser Ruh/ du Ende schwerer Plagen/ Lust-Pforte/ Freuden-Schlaff/ Besieger aller Noth/ Ich sehne mich nach dir/ ach komm/ gewuͤnschter Tod. Willkommen liebes Grab/ du Wohn-Hauß vieler Bruͤder/ Der Muͤden Schlaff-Gemach/ du Ruhstatt sichrer Glieder/ Ich lege meine Noth mit Freuden bey dir ab/ Und sage wohlgemutt: Willkommen liebes Grab! Ruhe der Seelen in GOtt. A ch/ wo soll ich Ruhe finden Fuͤr den Ohnmachts-vollen Geist? Wenn der Sonnen Glantz verreist/ Und des Tages Kraͤffte schwinden/ Eil ich zwar dem Lager zu/ Doch wo findt das Hertze Ruh? Nach der rauhen Stuͤrme Bellen/ Welche manches Schiff bekriegt/ Unter Furcht und Angst gewiegt/ Eilt es bey gestillten Wellen Auff Himmel-Schluͤssel. Auff den sichren Hafen zu/ Wo findt meine Seele Ruh? Nimmt der lange Tag ein Ende/ So hoͤrt auch der Arbeit Lauff Und das heisse Schwitzen auff/ Muͤde Ruͤcken/ matte Haͤnde Werden frey von ihrer Last: Wo findt meine Seele Rast? Auff der Wolcken nasses Weinen Zeiget sich der Sonnen Licht; Wenn der kalte Winter bricht Muß die Fruͤhlings-Lust erscheinen/ Fuͤr mein truͤbes Hertz allein Will nicht Licht/ nicht Sonne seyn. Vogel nehmen unter Zweigen Gruͤner Baͤume sichern Stand/ Thiere streichen durch das Land/ Haben doch ihr Lager eigen/ Ruhen offt bey duͤstrer Nacht/ Wenn mein feuchtes Auge wacht. Ob ich bey den eitlen Freuden Irrdsche Ruhe suchen will/ Fehl ich doch das rechte Ziel. Lust wird mir zu Last und Leyden/ Was ich mich zu zwingen thu: Wo findt meine Seele Ruh? Nehm ich Zuflucht zu den Hoͤhen Dieser ungetreuen Welt/ Manches Fall-Bret ist gestellt/ Wo man sicher denckt zu stehen/ Gunst verschwindt in einem Nu; Wo findt meine Seele Ruh? HErr des Himmels und der Erden/ Zeige mir die gutte Bahn/ Wo ich Ruhe finden kan/ F 3 Wo Himmel-Schluͤssel. Wo ich sicher fuͤr Beschwerden/ Frey fuͤr Creutzes-Bangigkeit Schließ im Frieden meine Zeit. Unter deine Gnaden-Fluͤgel Berg ich mich/ und ruhe wohl; Wird das Hertz offt Traurens voll/ Laß ich ihm doch nicht den Zuͤgel/ Bey dir findt die Seele Rast/ Welche du geschaffen hast. Nun so last das Hertze puffen/ Last das Aug in Thraͤnen stehn/ Und den Pulß mit Zittern gehn! Mein Geist soll zum HErren ruffen/ Unter aller Angst und Noth Ruhet meine Seel in GOTT. Diß/ was Erde nicht kan geben/ Was die Welt umsonst verspricht/ Mangelt mir bey GOtte nicht/ Trost und Huͤlffe/ Ruh’ und Leben/ Fuͤr das Voͤlck/ das GOtt vertraut/ Ist die Ruhstatt doch gebaut. G edenck/ o Mensch/ dich zu beschicken/ Wie bald ists nicht mit dir geschehn/ Wer heute seine Macht laͤst sehn/ Liegt leichtlich Morgen auff dem Ruͤcken; Ein Tag voll Sonn und heller Lufft Schickt mehrmahls in die dunckle Grufft/ Was schien kein Ende zu gewinnen/ Und was man liebet und erhebt/ Verschwindet bald aus Hertz und Sinnen/ Wanns uns nicht mehr fuͤr Augen schwebt. Indeß haͤlt dein verstocktes Hertze Der Sinnen Irrlicht so verblendt/ Daß es nicht fuͤhlet/ sieht noch kennt/ Was Himmel-Schluͤssel. Was ewig freu’ und ewig schmertze. Die traͤge Schlaff-Sucht wiegt dich ein/ Daß keiner heilgen Flamme Schein Die todte Finsterniß durchdringet/ In Blindheits-voller Mattigkeit/ Die den erstorbnen Geist bespringet/ Verschlaͤfft/ verderbst du deine Zeit. Ach aͤndre/ bessre die Gedancken/ Besinne kluͤger/ was du thust/ Und zwinge deine freye Lust Mit Ernst in ausgesteckte Schrancken/ Denck/ handle/ liebe so mit Fleiß/ Als ob der lezte Todes-Schweiß Dich stuͤndlich uͤbereilen wolte/ Als ob dein lezter Augenblick Eintraͤt/ und nun entscheiden solte Dein ewig Weh/ und ewig Gluͤck! Wer Sorge traͤgt fuͤr sein Gewissen/ Der schaut den Tod nicht anders an/ Als eine Freuden-volle Bahn Zu wuͤnschens-wuͤrdigem Genuͤssen. Er kan das klappernde Gebein/ Der duͤrren Wangen bleichen Schein Mit unverwandtem Mutt ertragen/ Denn jenes bildet ihm nur hier Das Ende seiner Muͤh und Plagen/ Und die der Freyheit Eingang fuͤr. Fleuch fuͤr der Schuld/ und thue Busse/ Wiltu genuͤssen ewger Ruh/ Damit du nicht in fauler Muße Dem grossen Hauffen rennest zu. Bereite dich ja ohn Verdruß: Denn/ hast du heute nicht den Schluß/ Wird er dir morgen leichter fallen? Hast du das Ziel in deiner Hand/ F 4 Daß Himmel-Schluͤssel. Daß dir bey deinem rohen Wallen Der Morgen noch wird zugewand? Was hilfft dich auch dein Laͤngerleben/ Wenn keine Besserung dabey/ Als daß es mehrer Suͤnd ergeben/ Auch mehrer Straffe schuldig sey? Wird mit der hohen Jahre Zahl Nicht offtermahls zu Stein und Stahl Der Schwamm so unsre Seel umgeben? Das Hertze will dem Peche gleich Nur laͤnger an der Erde kleben/ Und sehnt sich nicht nach GOttes Reich. Ach wolte GOtt/ daß unsre Sinnen Nur moͤchten in sich selbst entzuͤckt Zum gutten Recht und wohlgeschickt Bißweilen einen Tag gewinnen! So sehn wir/ daß der schwere Geist Sich nur auffs Irrdische befleißt/ Prangt offt mit hinterlegten Jahren/ Doch fragt man/ wie sie zugebracht/ So laͤst der stumme Mund erfahren/ Daß man auff wenig Gutts gedacht. Scheint dir der Tod voll Furcht und Schrecken/ So wisse/ daß dir mehr Gefahr Und Schen/ als ie zu fuͤrchten war/ Dein laͤngres Leben kan erwecken; Wohl ist es um den Mann bestellt/ Der diesen stets in Augen haͤlt/ Sich mit ihm umzugehn bereitet/ Der von sich selbst sich trennt und theilt/ Sich selbst noch eh als ihn bestreitet/ Der wird von ihm nicht uͤbereilt. Gewoͤhne dich/ dir selbst zu sagen/ Wenn einer izt sein Leben schliest: Es Himmel-Schluͤssel. Es wartt auff dich/ was du izt siehst/ Bald wird auch deine Stunde schlagen. Wenn izt der fruͤhe Tag erwacht/ So zweifel/ ob sich biß zur Nacht Dein fluͤchtig Leben werd erstrecken/ Und schlaͤffst du ein/ so dencke gern/ Ob dich auch wieder werd erwecken Der angenehme Morgen-Stern. Koͤmmt nun die lezte Lebens-Stunde/ So denckt man anders als vorhin/ Die alte Schuld koͤmmt uns zu Sinn/ Und brennet in verharschter Wunde; Da wird uns bitter und vergaͤllt/ Da Hoͤllen-straffbar vorgestellt/ Was man anizt mit Frevel treibet/ Wie wuͤnscht man offt in solchem Nun (Und gluͤcklich/ wenn der Wunsch bekleibet!) Noch Zeit zu wahrem Busse thun. Wohl dem/ der eh die Kraͤffte schwinden/ Der Eitelkeit und Suͤnd ablebt/ Sich so in Buß und Ren begraͤbt/ Daß ihn der Tod bereit muß finden! HERR/ der du hast den Tod geschmeckt/ Daß er uns nicht zur Hoͤlle schreckt/ Lehr mich der Erde taͤglich sterben: Wenn ich denn schliesse meinen Lauff/ Laß mich im Tode nicht verderben/ Und nimm den lezten Seuffzer auff! Buß-Gedancken/ Als er sich unterweges verirret. M ein Gang verirret sich/ doch noch vielmehr mein Leben/ Mein ungewisser Schluß waͤhlt nicht den rechten Pfad/ Der wanckelhaffte Sinn erkiest nicht gutten Rath: Das schwache Wollen folgt des Fleisches Widerstreben/ F 5 Ich Himmel-Schluͤssel. Ich fuͤhle die Vernunfft mit meiner Regung streiten/ Ich weiß fast/ was ich thun und was ich meiden soll. Doch jenes faͤllt mir schwer/ und diß gefaͤllt mir wohl/ Des Geistes Krafft entsinckt/ der Fuß beginnt zu gleiten. Das Aug’ erlustigt sich an fremd-verbotner Wahre/ Das Ohre nimmt mit Lust die suͤsse Reitzung ein/ Das Hertze giebet nach/ beruͤckt durch gutten Schein/ Die matte Tugend liegt erstorben auff der Bahre. Wo aber will ich hin? Des dicken Waldes Schatten Vermehrt der langen Nacht betruͤbte Dunckelheit. Ich seh und hoͤre nichts/ als wie die Eule schreyt/ Wie Kroͤt und Otter pfeifft/ wo bin ich hingerathen? Der erst-gebahnte Weg will nach und nach verschwinden/ Ich halte voller Furcht auff unbetretner Bahn/ In Hecken und Morast die muͤden Zuͤgel an/ Weiß weder vor mich hin/ noch hinter mich zu finden/ Die Freude geht vorbey/ die Wollust ist verschwunden/ Gelegenheit entflieht/ die schnelle Zeit fließt hin/ Furcht und Betruͤbnis bleibt der leidige Gewinn Von aller Froͤligkeit/ die ich zuvor empfunden. Was Rath ist/ bloͤdes Hertz! kanst du nicht mehr zuruͤcke? So brich zur Seiten aus/ halt dich zur rechten Hand/ Vermeide falschen Grund und suche festes Land/ Der Pusch und Himmel ist nicht aller Orten dicke. Die braune Nacht entweicht/ die Mehrerin der Sorgen/ Der Monde weiset mir sein erstgebornes Licht/ Ich lerne wiederum erkennen Weg und Pflicht/ Mein frohes Hertze gruͤßt den nunmehr nahen Morgen. Mein Urtheil weckt nun auff die eingeschlaͤfften Sinnen/ Der Geist erholet sich/ gestaͤrcket durch den Geist/ Der das verirrte Volck zu rechtem Wege weist. HERR/ richte meinen Fuß/ und foͤrdre mein Beginnen! Buß-Gedancken bey grosser Hitze. W o soll ich fliehen hin/ daß ich im Schatten sitze? Es brennt des Hoͤchsten Zorn mit angeflammter Hitze Den von Gerechtigkeit und Unschuld-blossen Geist/ Der Himmel-Schluͤssel. Der Thraͤnen aus dem Aug/ und Blutt vom Hertzen schweist. Kein Kuͤrbiß-Blat beschirmt mich nicht/ Wenn dieser Sonne Feuer sticht/ Kein dunckler Wald noch duͤstre Hoͤle Kuͤhlt oder birgt die matte Seele. Der Unschuld reines Kleid/ zu dem ich war erkohren/ Hab ich durch Evens Lust und Adams Biß verlohren/ Mein Wahnwitz reist mir selbst den Rock des Heiles ab/ Den mir der Tauffe Bund doch zu gebrauchen gab. Die mit viel Schuld beschwaͤrzte Schoß Ist leider aller Zierde bloß/ Nichts hab ich mehr mit Furcht und Zagen/ Als nackte Duͤrfftigkeit zu klagen. Wo soll ich fliehen hin? der Tag will kuͤhle werden/ Die Gnaden-Sonne neigt sich weit von mir zur Erden/ Von fernen draͤuet mir Zahnklappern finstrer Grufft/ Von Hinten schrecket mich das Stuͤrmen schwartzer Lufft: Wie sich ein Aespen-Laub bewegt/ Wenn Eurus Zweig an Zweige schlaͤgt/ So sieht man unter solchem Wittern Mein hoͤchsterschrocknes Hertze zittern. Wohin verberg ich mich fuͤr GOttes Angesichte? Der tieffsten Berge Klufft ist seinen Augen lichte! Sezt ich dem Ruͤcken gleich Matutens Fluͤgel an/ So weiß ich/ daß sein Blick mich doch ereilen kan. Des abgelegnen Meeres Grund Ist ihm durch alle Flutten kund/ Wolt ich mir in die Hoͤlle betten/ So findt sich da auch kein Erretten. Last’ Decken Babylons mit stoltzem Ruhme sticken/ Mich kan kein fremder Zeug bey eignem Mangel schmuͤ- cken/ Ich poche nur umsonst auff Arbeit meiner Hand/ Und wuͤrcke nichts als Muͤh und Frevel zum Gewand. Mit Adams welckem Feigen-Blat Bedeck ich meine Missethat/ Mein Himmel-Schluͤssel. Mein Thun gleicht leichten Spinnenweben/ Und kan mir keine Kleidung geben. Weg mit geborgtem Schmuck und eigner Flecken Kleide/ Mein JEsus beut mir an die Rosin-rothe Seide/ Durch sein selbst eigen Blutt gefaͤrbt ans Creutzes Stamm. Ward nicht das erste Kleid/ (er ist das reine Lamm Fuͤr mich von Anbeginn geschlacht:) Durch GOtt von Fellen selbst gemacht? In sein Verdienst will ich mich kleiden/ Und so getrost von hinnen scheiden. Uber die Worte: Ich armer Mensch/ wer will mich erloͤsen von dem Leibe dieses Todes. W er macht mich armen Kloß der Erde Vom Leibe dieses Todes frey? Wenn koͤmmt die goͤldne Zeit herbey/ Daß ich erloͤst und ruhig werde/ Daß Suͤnde/ Noth und Kuͤmmernisse Sich legen unter meine Fuͤsse? Wie matt ist meine krancke Seele/ Der Suͤnden Aussatz greifft sie an/ Daß sie sich nicht erholen kan; Ihr draͤut die finstre Schlangen-Hoͤle/ Die ewig heissen Schweiß erwecket/ Und dennoch nicht das Gifft ablecket. Richts wird an ihr gesund erfunden/ Voll Schmertzen ist der sieche Geist/ Der Thorheits-Wunden Eiter beist/ Die nicht gehefftet noch verbunden/ Von Fuͤssen an biß zu der Scheitel Ist sie bekraͤnckt/ verderbt und eitel. Will sie sich manchmahl gleich gewinnen/ Aus Delilens verdammter Schoß Mit Himmel-Schluͤssel. Mit Simsons-Kraͤfften machen loß/ Bald wird sie ihrer Schwachheit innen/ Giebt wieder nach und faͤllt zuruͤcke In neue Suͤnd- und Kummer-Stricke. Das Wollen hat sie offt zu leben/ Wie GOttes Wort und Ordnung heist/ Wenn sie sich aber drauff befleist/ Will ihr Vermoͤgen widerstreben/ Die ungewissen Tritte wancken/ Es bleibt am meisten bey Gedancken. Wie kan nun des Gesetzes Draͤuen/ Der eignen Thaten boͤser Grund/ Der allzu ungewisse Bund Der Sinnen/ die sich selbst zerstreuen/ Nicht steten Kummer/ Streit und Schrecken In meiner armen Seel erwecken? Der Knecht des Todes und der Suͤnden/ Der Leib/ in dem die Seele wohnt/ Wird eben so wie sie belohnt/ Und hat mit Wehthat zu empfinden/ Wie Wollust schoͤne Fruͤchte weiset/ Und doch nur Sodoms-Aepffel speiset. Das Haubt/ das oͤffters hat gesonnen Auff Ehre/ Lust und Gutt der Welt/ Verspuͤrt/ wie sein Bedacht verfaͤllt/ Die Kraͤffte nach und nach zerronnen/ Wie Dunst und Schwindel im Gehirne Mit Schweiß und Schmertz erfuͤllt die Stirne. Die Augen schienen als Carfunckel/ Izt mindert sich ihr Glantz und Schein/ Sie werden truͤb und fallen ein/ Ihr Licht wird unvermercklich dunckel/ Den blaß- und abgezehrten Wangen Ist Fleisch und Farbe meist entgangen. Am Himmel-Schluͤssel. Am Gaumen klebt die duͤrre Zunge/ Die man nach Labung lechzen schaut/ Vor Hitze reist der Lippen Haut/ Ein stilles Feuer doͤrrt die Lunge/ Der Magen will sich kaum bequemen/ Die weichen Speisen anzunehmen. Es zuͤchtigen mich meine Nieren/ Die trockne Leber zeigt sich schwach/ Der bange Miltz wird reg’ und wach/ Bald laͤst sich sonst ein Zufall spuͤren/ Es sincken die entmarckten Glieder Im besten Gehn entkraͤfftet nieder. Ruht gleich der Geist/ schlaͤfft das Gewissen/ Doch ist das Hertze nicht vergnuͤgt/ Es wird Gemuͤtt und Sinn bekriegt Von Sorge/ Kummer und Verdruͤssen/ So muͤssen wir mit stetem Quaͤlen Die kurtzen Lebens-Tage zaͤhlen. Wer macht mich armen Kloß der Erde Vom Leibe dieses Todes frey? Wenn koͤmmt die goͤldne Zeit herbey/ Daß ich erloͤst und ruhig werde? Daß Suͤnde/ Noth und Kuͤmmernisse Sich legen unter meine Fuͤsse. O JEsu/ Trost und Heyl der Erde/ Befrey die Seele von der Schuld/ Dent siechen Leibe gieb Geduld/ Biß ich erloͤst und ruhig werde/ Biß Suͤnde/ Noth und Kuͤmmernisse Gehn voͤllig unter meine Fuͤsse. I hr/ die die harte Last der schweren Suͤnde druͤckt/ Die ihr mit Hertzens-Angst muͤhselig seyd beladen/ Kommt/ Himmel-Schluͤssel. Kommt/ spricht der HErr/ kommt her zum Tische meiner Gna- den/ So werdet ihr mit Trost und Huͤlffe seyn erquickt/ Die Seele wird euch rein/ das Hertze leicht gemacht/ Das Brod/ das ich euch will zur suͤssen Speise schencken/ Ist mein selbst eigner Leib/ vor eure Schuld geschlacht/ Der Tranck/ damit ich will die matten Glieder traͤncken/ Ist mein selbst eignes Blutt/ am hohen Creutz-Altar Vor eure Missethat geopffert und vergossen. O JEsu/ was du sagst/ ist ohngezweifelt wahr/ Die Worte/ welche selbst aus deinem Munde flossen/ Sind ohne Widerstreit. Wie schwach ich immer bin/ Wie sehr sich die Vernunfft dir will entgegen setzen/ So will ich solche doch in keinen Zweifel ziehn/ Vor Wercke deiner Gnad und deiner Allmacht schaͤtzen. Ich fasse sie mit Lust von deinen Lippen auff/ Und lasse sie erfreut durch Marck und Seele dringen. Ich eil/ O HErr/ zu dir/ doch hemmen meinen Lauff Die Suͤnden/ welche mich zum oͤfftern Falle zwingen/ Die uͤberhaͤuffte Schuld/ so mein Gewissen nagt/ Spricht/ daß ich deiner Gunst ohnwuͤrdig sey zu achten/ Macht/ daß ich mich zu dir zu finden bin verzagt/ Und mein betruͤbter Geist von Aengsten will verschmachten. Und dennoch wiltu/ HErr/ ich soll mich finden ein/ Auff deine Guͤttigkeit vertroͤsten mein Gewissen/ Und offtermahls ein Gast bey deiner Taffel seyn/ Im fall ich deiner Gnad und Guͤtter will genuͤssen/ Dein Goͤttlich Himmel-Brod soll meinen schwachen Geist Mit hoͤchster Suͤßigkeit zum ewgen Leben staͤrcken. Ach HErr/ wer bin ich doch/ dem du so viel verheißt/ Wie hab ich diß verdient mit meinen schnoͤden Wercken! Ihr/ die die harte Last der schweren Suͤnde druͤckt/ Die ihr mit Hertzens-Angst muͤhselig seyd beladen/ Kommt/ sagstu/ her zu mir/ zum Tische meiner Gnaden/ So werdet ihr mit Trost und Huͤlffe seyn erquickt/ Die Seele wird euch rein/ das Hertze leicht gemacht/ O suͤsse Liebes-Wort! O Worte voller Leben! Ein armer Suͤnder wird an deine Taffel bracht/ Du Himmel-Schluͤssel. Du wilt ihm selber dich zur edlen Speise geben. Du hast es/ HErr/ gesagt: daran begnuͤget mir/ Ob dich die Engel gleich mit hoͤchster Ehr-Furcht schauen/ Ob die Gerechten gleich mit Schrecken nahn zu dir/ So kan ich Suͤnder doch auff deine Worte trauen/ Und zu dir treren hin/ HErr/ nimm mich gnaͤdig an/ Und weil ich nicht genung mit vorgenommner Reue Die auff geladne Schuld vor dir beweinen kan Aus Suͤnden-voller Art/ mich dannenher mit Scheue Vor dir befinden muß/ und deiner hohen Gunst/ O Gnadenreicher HErr/ nur leyder! ohnwerth nennen; Erwecke du in mir der wahren Busse Brunst/ Und laß mein kaltes Hertz in wahrer And acht brennen. Reiß/ was noch weltlich ist/ von meinen Sinnen aus/ Und laß mich wuͤrdiglich zu deiner Taffel gehen/ Und wenn gereinigt ist der Seelen edles Hauß/ So laß es dir allein zur Wohnung offen stehen! J ESU/ deine Taffel fliehn/ Ist die Lebens-Quelle meiden/ Solche nicht recht unterscheiden/ Ist sich ins Gerichte ziehn/ Ohn dich muß die Seele schmachten Und vergehn/ ohn Recht betrachten. Schau ich deine Hoheit an/ Und wie niedrig ich zu schaͤtzen/ So umgiebt mich ein Entsetzen/ Das ich kaum begreiffen kan/ Mitten stehn die schwachen Sinnen Unter Furcht und Hoffnung innen. HERR erleuchte meinen Geist Durch die Strahlen deiner Gnade/ Daß ich nicht auffs Hertze lade Was mich ins Verderben reist/ Auch mich des nicht mag verzeihen/ Was zum Heyl mir soll gedeyen. Nim- Himmel-Schluͤssel. Nimmer werd’ ich wuͤrdig seyn/ (Wenn du mich nicht selbst bereitest/ Furcht und boͤse Lust bestreitest/) Dich zu mir zu nehmen ein; Ich muß in des Todes Schatten Dein ohn deine Huͤlff’ entrathen. Doch rufft mich dein Wort zu dir/ Du heist alle zu dir kommen/ Die mit Schuld sich uͤbernommen/ Dieses sagst du auch zu mir. Gleiche Schuld und gleiches Ruffen Laͤst mich gleich Erbarmnis hoffen. Schick mich aber selber zu/ Wie du mich bereit wilt haben/ Schencke mir die gutten Gaben/ Weil ich selbst nichts Guttes thu/ Reu und Glauben/ Krafft und Willen/ Dein Wort besser zu erfuͤllen. Laß mich einen Spiegel seyn/ Der dein reines Bildnis fassen/ Und in sich mag wuͤrcken lassen Deiner Sonne Gnaden-Schein/ Daß ich deine Glutt empfinde/ Mich zu neuer Lieb’ entzuͤnde. Der III. Psalm. M eine Seele danckt dem HErrn Unter reiner Christen Kern/ Wo die Frommen sich berathen/ Groß sind unsers GOttes Thaten/ Wer sie recht erwegen kan Findet eitel Lust daran. Was er ordnet/ was er thut/ Das ist loͤblich/ das ist gutt/ G Herr- Himmel-Schluͤssel. Herrlich und von grosser Staͤrcke Sind des Allerhoͤchsten Wercke/ Sein Recht und Gerechtigkeit Bleiben uͤber alle Zeit. Er/ der HErr/ voll Gnad und Treu/ Des Erbarmen immer neu/ Hat uns/ seiner zu gedencken/ Manche Wohlthat wollen schencken/ Auch ein Denck-Mahl noch zu lezt Seiner Wunder ausgesezt. Ewig haͤlt er seinen Bund/ Speist der Frommen Geist und Mund/ Giebt dem Volck/ das ihn will ehren/ Sein gewaltig Thun zu hoͤren/ Schleust der fremden Heyden Hauß Nicht von seiner Erbschafft aus. Recht und Warheit uͤbet GOtt/ Drauff sich gruͤndet sein Gebot/ Treu und redlich soll mans treiben/ Darum muß es ewig bleiben/ Wenn sich Erd und Himmel regt Steht sein Wort gantz unbewegt. Er erloͤset seine Schaar/ Sein Versprechen bleibet wahr/ Ewig bluͤh der Frommen Saamen/ Hehr und herrlich ist sein Nahmen/ Billich wird sein Preiß erhoͤht Weiter als die Sonne geht. Furcht des HErren kan allein Rechter Weißheit Anfang seyn. GOtt gehorchen/ GOtt recht kennen Muß man wahre Klugheit nennen/ Wer diß lernt mit allem Fleiß/ Dessen Lob kein Ende weiß. Him Himmel-Schluͤssel. H immel/ der mit so viel Augen ob uns unermuͤdet wacht/ Als du hell-beglaͤnzte Lichter steckest aus bey brauner Nacht/ Warum regnet auff die Boͤsen deines Segens Uberfluß/ Wenn die Unschuld duͤrren Mangel/ harte Sorge tragen muß. Aber was will ich ergruͤnden deinen unerschoͤpfften Sinn/ Der ich nichts als Staub der Erden/ nichts als Rauch und Schatten bin? Kan nicht diß/ was Freude scheinet/ andern Plag und Unge- deyn/ Was vor Ungluͤck wird gehalten/ unser Nutz und Bestes seyn? Ich bemuͤhe mich vergebens zu ergruͤnden deinen Sinn/ Der ich nichts als Staub der Erden/ nichts als Rauch und Schatten bin. G OTT liebt/ drum straffet er; Wir wuͤrden/ uns gelassen/ Die Eitelkeit der Welt zu sehr ins Hertze fassen/ Und als ein wildes Roß/ wenn keine Straffe waͤr/ Ohn Zaum und Zuͤgel irrn: GOtt liebt/ drum straffet er. GOtt strafft/ drum liebet er: Damit wir uns erkennen/ Wie wir/ zur Straffe reiff/ in Glutt der Suͤnden brennen/ Koͤmmt seine Zuͤchtigung; doch koͤmmt sie nie so schwer/ Als unsre Schuld verdient: GOtt strafft/ drum liebet er. GOtt liebt/ drum straffet er: Auff daß wir zu ihm fliehen/ So muß uns seine Hand offt lind/ offt harte ziehen; Bald lockt/ bald dringt er uns zur Buß und Wiederkehr/ Will uns doch nicht verderbt: GOtt liebt/ drum straffet er. GOtt/ dessen Vater-Hand uns will in Wehmutt sencken/ Woll uns in Unmutt Mutt/ nach Regen Sonne schencken; Er wende groͤsser Leyd/ und geb uns den Verstand/ Daß wir mit Lieb und Furcht ihm kuͤssen Rutt und Hand. G 2 GOtt Himmel-Schluͤssel. G OTT lebt: was trauren wir? Er lebet uns zum Besten; Wie sehr uns Hertzeleid/ Furcht/ Sorg’ und Suͤnde questen/ So lebet seine Gnad/ und oͤffnet uns die Thuͤr Aus Angst zu Freud und Ruh: GOtt lebt; was trauren wir? GOTT liebt: was trauren wir? Wir fuͤhlen manche Pla- gen/ Es wird uns Hertz und Geist und Bein und Marck zerschla- gen/ Aus Liebe/ nicht aus Haß; was schreiben wir ihm fuͤr! Er hilfft uns/ wenn es gutt/ GOTT liebt: was trauren wir? Eitelkeit. I hr bejahrten Eich- und Tannen/ deren dick-umlaubtes Haubt Diesem Bache Schatten giebet/ ihre Macht der Sonnen raubt/ Wie vergleicht sich euer Stand also wenig mit dem meinen! Wie so wenig kan der Mensch eurem Wesen aͤhnlich schei- nen! Hundert Jahre sind verstrichen/ und ihr seyd noch frisch und gantz/ Eure Rind’ und Blaͤtter haben noch vollkommen ihren Glantz. Ich/ bey Leben mehr als todt/ muß dem Rest der Jahre wei- chen/ Eh ich noch das halbe Theil eures Alters kan erreichen. Euch muß nutzen/ mehr als schaden der beflammte Sonnen- Schein/ Was der kalte Winter raubet/ bringt der warme Sommer ein; Ich erfriere/ wenn es kalt; ich verbrenne/ wenn es hitzet/ Weder Lentz noch Winter ists/ welcher mich vorm Tode schuͤtzet Ihr Himmel-Schluͤssel. Ihr erhebet eure Wipffel fast biß an das Sternen-Dach/ Ihr umarmet Lufft und Wolcken/ gebet keinem Sturme nach; Ich vor Blitz und Donner scheu/ muß das Haubt zur Erden biegen/ Deren offne Schoß fuͤr mich machet Raum und Platz zu lie- gen. Sind nun mehr als wir die Baͤume/ was erhebt sich unser Geist? Was ists/ daß man in Gedancken uͤber Mond und Sternen reist? Last uns iede Stund und Tag/ ieden Morgen also leben/ Als wenn auff den Abend wir muͤsten Gutt und Blutt be- geben. D ie Zeit laͤst ihre Flucht uns taͤg- und stuͤndlich schauen/ Und dennoch wollen wir auff ihre Laͤnge bauen: Ein Sclave fremder Guust stirbt/ eh er ihm gelebt/ Ein Knecht der blinden Lieb/ ein Diener seiner Guͤtter/ Macht ihm sein Leben selbst durch Furcht und Hoffnung bit- ter. Wer kuͤhner Hitze voll/ nach fremden Blutte strebt/ Sucht offters vor der Zeit sein eignes zu verlieren/ Wer sich den schnoͤden Dunst der Ehre laͤst verfuͤhren/ Dient vor ein Gauckel-Spiel des Gluͤckes und der Zeit. Was trachtet ihr denn viel/ ihr Buͤrger dieser Erden/ Beguͤnstigt/ reich/ geliebt/ gefuͤrcht und hoch zu werden? Wenn ihr doch Erd aus Erd und Staub und Asche seyd. Vergleichung des Jahres und menschlichen Lebens. D er Winter ist hin/ die Blumen bezieren Huͤgel/ Gruͤnde! Sanffte Winde Durch bisamte Luͤffte sind itzo zu spuͤren. Mit Diamanten Des nassen Zolls bemuͤhn sich einzustellen G 3 In Himmel-Schluͤssel. In vollem Lauff ans Meeres Kanten Die fluͤchtige Kinder bestaͤndiger Quellen. Fleucht der Winter mit schnellem Gefieder/ Er koͤmmt wieder. Wenn neun Monate seyn verstrichen. Ist der Mensch im Tode verblichen/ So wird er Staub/ der Geist als Schatten schwebet. Er liegt im Grab/ als haͤtt’ er nie gelebet. Der Lentz ist hin/ man fuͤhlet nicht spielen Kuͤhle Luͤffte: Heisse Duͤffte Mit brennenden Duͤnsten beschweren im schwuͤlen. Der gruͤnen Buchen Vertrocknet Laub haͤngt an den matten Zweigen/ Die Sonne macht/ ihr Kuͤhlung auszusuchen/ Durch feurige Strahlen die Baͤche verseigen: Entfleucht der Lentz mit schnellem Gefieder/ Er kommt wieder Wenn neun Monate seyn verschlichen. Ist der Mensch im Tode verblichen/ So wird er Staub/ der Geist als Schatten schwebet/ Er liegt im Grab/ als haͤtt er nie gelebet. Der Sommer entweicht/ es kuͤhlet die Blaͤtter Frisches Thauen: Duͤrren Auen Bringt wachsendes Grummet das feuchtende Wetter. Man schauet hangend Den krummen Baum voll schoͤner Fruͤcht am Anger/ Mit Trauben/ gleich Schmaragd und Purpur prangen Der Ulme Verliebten/ den Reben-Stock/ schwanger. Entfleucht der Sommer mit schnellem Gefieder/ Er kommt wieder Wenn neun Monate sind entwichen. Ist der Mensch im Tode verblichen/ So wird er Staub/ der Geist als Schatten schwebet/ Er liegt im Grab/ als haͤtt’ er nie gelebet. Der Himmel-Schluͤssel. Der Herbst verstreicht/ die Tage verdunckeln/ Dicke Nebel/ Schnee-Gewebel Fuͤllt Thaͤler/ muß Gipffel der Berge befunckeln. Von Sturm und Winden Hoͤrt man mit Furcht die Eich und Tanne brechen/ Wenn izt das Scheit die glimme Funcken zuͤnden/ Bemuͤht sich der Pusch am Winter zu raͤchen. Entweichet der Herbst mit schnellem Gefieder/ Er koͤmmt wieder Wenn neun Monate seyn verstrichen. Ist der Mensch im Tode verblichen/ So wird er Staub/ der Geist als Schatten schwebet/ Er liegt im Grab/ als haͤtt er nie gelebet. Doch moͤgen die Monden der Fluͤchtigen Jahre Gleich den Pfeilen Von uns eilen/ Was schadet uns Alter und Winter und Bahre? Gesezte Sinnen/ Die in der Zeit zum Wechsel sich bereiten/ Und Eitelkeit nicht lieb gewinnen/ Kan Sterben zu keinem entsetzen verleiten. Laͤst die Seele die schmachtenden Glieder/ Sie koͤmmt wieder Wenn die Tage der Ruhe verstrichen: Ist der Mensch im Tode verblichen/ Er stehet auff/ sein Geist ist unverdorben/ Er lebt auffs neu/ als waͤr er nie gestorben. D as junge Jahr bekroͤnt unlaͤngst ein Blumen-Strauß/ Es legte seine Pracht im bunten Mayen aus; Bald wieß es mehr erstaͤrckt der Felder gelbes Haar/ Der Leib/ der von der Gunst des Himmels fruchtbar war/ Schickt/ an der Seuffzer statt/ aus seiner heissen Schoß Die Duͤnste nach der Lufft/ draus Thau und Regen floß. G 4 Bald Himmel-Schluͤssel. Bald kleidet sich sein Herbst mit braunen Fruͤchten an/ Gab was uns saͤttigen/ gab was uns traͤncken kan. Nun ist sein frostig Haubt voll Runtzeln und beschneyt: So eilends aͤndert sich auch unser Stand und Zeit! Der Jugend Bluͤtte geht/ den Blumen gleich/ vorbey/ Der Mannschafft Sommer fuͤhlt/ was Kummers Hitze sey/ Wenn sich der Jahre Herbst will schicken zum Genuß/ Erstarrt der Glieder Eiß/ und folgt des Lebens Schluß. Marini. D er ungluͤckselge Mensch kan kaum die Welt begruͤssen/ Daß nicht ein Thraͤnen-Fluß/ eh das noch schwache Licht Den hellen Tag erkennt/ aus seinen Augen bricht: Wird frey und laͤsset sich in neue Bande schluͤssen. Ist er der zarten Milch und ersten Speiß entrissen/ So faͤsselt seinen Mutt der Zucht gezwungne Pflicht/ Befreyet ihn die Zeit/ wie muß sein Hertze nicht Sich lebend offt und tod von Gluͤck und Liebe wissen! Was hat er denn fuͤr Sorg’ und Kummer auszustehn/ Was muß ihm nicht fuͤr Schmertz und Leid zu handen gehn/ Biß er gebuͤckt und matt ergreifft den schwachen Stab. Zulezt entflieht der Geist/ der Leib wird hingetragen/ So ploͤtzlich/ daß ich muß mit tieffem Seuffzen sagen: Wie nahe grentzen doch die Wieg’ und unser Grab. E itelkeit der schnoͤden Welt/ die von aussen suͤsse schmeckt/ Unter Zeitvertreib und Lust Zeitverderb und Reue deckt! D ie leichte Stunde fliegt darvon/ Indem man hoͤrt der Glocke Thon. Sterb- Himmel-Schluͤssel. S terbliche/ was wolt ihr trauen Auff vergoͤnnten Freuden-Stand! Des Geluͤckes Wunder-Bauen Sincket vor der Zeit in Sand/ Eure Wollust gleicht den Traͤumen/ Welche mit der Nacht vergehn/ Gleicht den Wurtzel-losen Baͤumen/ Die auff schwachem Fusse stehn. D ie Vlaͤtter siehet man izt gruͤnen/ izt verderben/ Die Leute siehet man izt werden jung/ izt sterben. Sinn-Bilder und Wahl-Spruͤche. Die auffgehende Sonne mit abfallendem Thau: Inter lacrumas oritur. Der Thraͤnen herbe Morgen-Frucht. Ein Pferd mit auffgelegtem Cap-Zaum und Sprung- Riemen: Lenta pati frena docetur. Das harte Band der strengen Zucht. Ein Habicht mit Fesseln und Schellen auff der Kruͤcke: Ardet \& hæret. Der eitlen Liebe tolle Sucht. Eine Feuer-Lust-Kugel oder Raquete: Micando necatur. Der schnoͤden Ehre schnelle Flucht. Ein Schiff im Sturme: Hostes venti, cœlum, unda, procellæ. Gehaͤufften Ungluͤcks bittre Zucht. G 5 Eine Himmel-Schluͤssel. Eine rothfalbe Erd-Mauß/ oder Erd-Schlieffel: Effosso concolor Auro. Die blaß-besorgte Gelder-Sucht. Ein verdorrender Pfersing-Baum/ der noch etliche Blaͤtter und Fruͤchte hat: Obrepit non intellecta senectus. Der matten Kraͤffte fruͤhe Flucht. Juͤden-Kirschen:V Fallaces hominum spes. Ist unsers Lebens beste Frucht. Eine Graß-meyhende Sense: Rapit inclementia mortis. Biß uns der Tod zum Grabe sucht. M it Thraͤnen gruͤßt der Mensch das erste Tages-Licht/ Wie sich die Sonn im Thau aus Osten zu uns bricht. D es Fohlen frechen Mutt bricht Capzaum und Gebiß/ Dem Knaben bringt die Zucht viel Nutzen und Ver- druͤß. M ein scharffes Aug’ erblickt von weiten Haaß und Tau- be/ Die luͤsternde Begier schwingt sich nach ihrem Raube/ Wird offt daran gehemmt/ buͤst eigne Federn ein/ Drum muß der Liebe Lohn Stab/ Schell und Fessel seyn. M ein Glantz verzehret mich/ mein Steigen wirfft mich nieder. Je schneller ich mich heb/ ie eher fall ich wieder. Wind/ Himmel-Schluͤssel. W ind/ Himmel/ Feind und Flutt bestuͤrmen meinen Kahn/ Ist eine Noth vorbey/ die andre tritt heran. D er Erde kleb ich an/ von der ich kommen bin/ Das Geld/ was sie mir gab/ geb ich ihr wieder hin. D er Pfirsing-Baum verdorrt/ eh Eich’ und Ceder bluͤht/ Der Menschen Krafft erliegt/ eh man sie fallen sieht. W as gutter Hoffnung voll erfreuet die Gemuͤtter/ Wird offters in der Hand und fuͤr dem Munde bitter. W as noch in Blaͤttern steht/ was Vluͤth und Saamen traͤgt/ Wird durch des Maͤders Stahl an einen Ort gelegt. Die Erd-Mauß: Fuͤrbild des Geitzes: Ich vergrabe/ was ich habe. Palleam dum polleam. E s gilt mir gleich/ Bin ich nur reich/ Ob roth ob bleich. Z eit und Jahre/ Tag und Stunden gehen nach und nach da- hin/ Daß man naͤher koͤmmt zum Sterben ist der beste Jahr-Ge- winn. Exi- Himmel-Schluͤssel. Exilium tellus, carcer caro, patria cœlum. U nser Noth-Stall ist der Leib/ unser Bann der Erden- Kreiß/ Droben ist das Vaterland/ daß uns zu vergnuͤgen weiß. U nser Leib ist wie ein Hauß/ dem man Stuͤtzen unterstellt/ Biß der schwache Grund entsinckt/ und es uͤber Hauffen faͤllt. W as nuͤzt des Waͤchters Fleiß/ was schuͤzt der Waffen Macht/ Der Mauren schwere Last/ der Waͤlle fester Grund/ Der Graͤben tieffe Schooß/ der Stuͤcke Donner-Mund/ Im fall nicht vor die Stadt des HErren Auge wacht. W as stecket ihm der Mensch der Sorgen Ziel so weit/ Die gantze Welt ist ja voll leerer Eitelkeit. D ie beste Zeit vergeht den Menschen unter Haͤnden/ Die Kranckheit findet sich/ das Alter schleicht sich ein/ Verdruß und Muͤhsamkeit muß ihr Ergoͤtzen seyn/ Biß sie/ nach vieler Qual/ das kurtze Leben enden. W ie eine Blume bluͤht/ so fliehet unser Leben/ Wir muͤssens/ ehe wir recht leben/ uͤbergeben. Ge- Himmel-Schluͤssel. Gedancken uͤber einen grossen Wind-Sturm und gesunckenen Berg. W o soll ich hin? Der rauhe Sturm der ungeheuren Winde Erregt das ungestuͤme Meer/ Rauscht uͤber das bestuͤrzte Feld/ Wirfft nieder/ was sich ihm entgegen stellt/ Und streut mit Zweigen hin und her: Hier liegt die Eiche/ dort die Linde/ Hier kracht die Tanne/ dort die Buche/ Es knackt und reist das feste Dach/ Manch harter Stoß wiegt das Gemach/ Darinn ich feste Zuflucht suche: Wo ist ein Ort/ an dem ich sicher bin? Wo soll ich hin? Wo soll ich hin? Ich schaue selbst der Huͤgel Haubt zerrissen/ Der Boden sinckt wo Baͤume stehn/ Es schaͤlt sich von der Mutter Schooß Die Schaar der schweren Steine loß/ Man muß auff Ritz und Bruͤchen gehn. Ein stiller Pfuhl entsteht fuͤr unsern Fuͤssen/ Die Verge rauchen/ Thuͤrne zittern. Hier fliegen Steine durch die Lufft/ Dort spuͤrt man eine neue Grufft/ Gebaͤue prasseln/ Haͤuser splittern: Wo ist ein Ort/ an dem ich sicher bin? Wo soll ich hin? Bleib Seele feste stehn/ Sagt nicht der HErr/ dem Meer und Windt/ Dem Erd und Himmel dienstbar seyn: Entwerffen sich der Berge Gruͤnde/ Verfaͤllt die hohe Spitz’ ins Thal/ Und brechen stoltze Huͤgel ein/ Bedro- Himmel-Schluͤssel. Bedrohen dich die Flutten allzumahl/ Genung ists/ daß ich mich in Gnaden zu dir finde/ Last Erde beben/ Thuͤrne falln und Winde streichen/ Es soll doch meine Gunst und Treu nicht von dir wei- chen. Der laͤngst mit dir geschloßne Friedens-Bund Hat ewig unverruͤckten Grund. Bleib Seele feste stehn. Tauff- und Pathen-Wuͤnsche. J Esu Christi Blutt allein/ Das am Creutze sich ergoß/ In den Brunn der Tauffe floß/ Macht von allen Suͤnden rein. W enn Wasser durch das Wort des HErren wird geweyht/ (Die beyden sind der Grund/) so wird ein Bad bereit/ Das unsre zarte Seel ererbter Schuld befreyt/ Uns unser Lebenslang zu Nutz und Trost gedeyht: Diß/ Pathe/ bringe dir auch Heyl und Seligkeit. D U gruͤssest diese Welt zu naher Oster-Zeit/ Des HErren Purpur-Schmuck wird deiner Bloͤsse Flecken Und angeerbte Schuld nach diesem Heyl-Bad decken/ Der Unschuld Christi Schnee wird dir ein Feyer-Kleid: Dich moͤge durch die Welt ein steter Lentz begleiten/ Biß du den Sommer siehst der selgen Ewigkeiten. R uͤhmt heisser Brunnen Nutz und saurer Quellen Krafft/ Wie sie verlohrne Staͤrck und neues Leben bringen/ Ich seh ein edler Bad in Christi Kirch entspringen/ Durch Geist und Wort geweyht: das hat die Eigenschafft/ Die Himmel-Schluͤssel. Die angebohrne Schuld zu machen hell und rein. Diß/ Pathe/ soll dir auch ein sicher Denckmahl geben/ Daß du in GOttes Huld wirst unveraͤndert leben/ Und Wohlfarth/ Gluͤck und Heyl dein Erbtheil werden seyn. D U bist das zehnde Pfand von GOttes mildem Segen: Ist dir mein treuer Wunsch was kraͤfftig beyzulegen/ So zehlet sich dein Gluͤck und Heyl mit zehn mahl zehn/ Und wird dein Stamm an dir viel tausend Freude sehn. W usch dir das erste Bad den zarten Coͤrper rein/ So wird diß andre Bad/ durch GOttes Wort ge- weyht/ Mit Christi Blut besprengt/ der Seele dienlich seyn/ Und Zeugniß legen ab erworbner Seligkeit. D es Menschen Hertze lebt im Blut/ Blutt haͤlt uns kaum gezeugt umschlossen: Des Menschen Seele koͤmmt zu gutt/ Das Blutt/ das GOtt fuͤr uns vergossen. In Christus Lieb- und Blutt-gefaͤrbten Wunden Wird unser Heyl und Seligkeit gefunden; Der/ der sich selbsten fuͤrgestellt Den Weg/ die Warheit und das Leben/ Wird dich begleiten durch die Welt/ Und nach der Welt gen Himmel heben: Diß/ Pathe/ troͤste dich in gutt und boͤsen Stunden! D es Leibes schnoͤden Koth pflegt Wasser abzubaden/ Vom Suͤnden-Kothe kan der Tauffe Flutt entladen; Damit du/ Pathe/ moͤgst von Suͤnden sauber seyn/ Schleust dieser Quell-Brunn dich/ GOtt gebe selig/ ein. Uns Himmel-Schluͤssel. U ns haͤlt zu dieser Zeit der Hitze Last beladen/ Dich GOttes schwerer Zorn und angeerbte Schuld! Damit du kommen moͤgst in deines Schoͤpffers Huld/ Soll dich der Tauffe Brunn von Suͤnden sauber baden/ Und dir/ o Pathe/ seyn ein Pfand des Thaus der Gnaden. U ns pflegt/ wenn wir zu erst das Tage-Licht erblicken/ Die Last ererbter Schuld und GOttes Zorn zu druͤ- cken. Der heilgen Tauffe Bad macht uns davon befreyt/ Und hilfft/ o Pathe/ dir zu Heyl und Seligkeit. D U begruͤssest diese Welt in der Erb-Schuld schwartzem Kleide/ Da das ewig-reine Kind unsre Menschheit ziehet an. Dein Erloͤser/ der die Tage ward mit Purpur angethan/ Kleidet dich mit Bad und Blutt/ mit der Unschuld weisser Seide. Tugend-Purpur/ Ehren-Sammt/ Gluͤck und Alter soll dich zieren/ Biß du ewger Herrligkeit schoͤnen Oster-Schmuck wirst fuͤh- ren. D er Mehl-Thau fremder Schuld klebt allen Fruͤchten an/ Nachdem der Eltern Mund den kuͤhnen Biß gethan/ Doch/ der die Kelter von den Voͤlckern tritt allein/ Der durch sein eignes Blutt bespritzet sein Gewand/ Macht sie durch Wein und Blutt/ durch Wort und Wasser rein/ Der/ Pathe/ reicht auch dir die milde Gnaden-Hand: Dir ist vor Seel und Leib ein solches Bad bereit/ Daraus dir quellen wird Gluͤck/ Heyl und Seligkeit! Wen Himmel-Schluͤssel. W enn GOttes strenger Zorn ob angeerbten Suͤnden In heissem Grimm entbrandt/ erkuͤhlen soll und schwin- den/ So ist hierzu die edle Flutt/ Uns durch sein Wort/ geweyht im Bad der Tauffe gutt/ Diß/ Pathe/ wirst du auch zur Seligkeit empfinden! D er Tauffe Flutt befreyet aller Flecken/ Womit uns pflegt die Erb-Schuld anzustecken/ Auff daß du auch erlangest solches Gutt/ Nezt/ Pathe/ dich der heilgen Tauffe Flutt. Des Hoͤchsten Gunst/ woraus der Brunn geflossen/ Macht dich dadurch zu seinem Reichs-Genossen/ Es raube dir kein Erden-Koth noch Dunst/ So lange du hier lebst/ des Hoͤchsten Gunst. D es Sohnes GOttes Blutt macht rein von allen Suͤn- den/ Durch dieses kanst du recht der Reinen Nahmen finden/ Dich moͤge langes Gluͤck und stetes Heyl umwinden. W ohl/ Pathe/ dir/ denn dich befreyt das neue Jahr Der alten Adams-Schuld/ die angeerbet war/ Du trittst den neuen Bund mit GOtt im Tauff-Bad ein: Die Guͤtte GOttes muß auch taͤglich neu dir seyn/ Mit neuem Segen dir/ den Deinen beyzustehn/ Biß du ins neue Land der Ewigkeit wirst gehn. H Mein Himmel-Schluͤssel. M ein Pathe/ freue dich: Denn deines Schoͤpffers Huld/ Die dich zur Welt gebracht/ befreyt dich izt der Schuld Von Adam angeerbt in heilger Tauffe Flutt/ Schreibt dich in seine Hand durch JEsu Christi Blutt/ Darinn du wirst getrost im gantzen Leben stehn/ Und freudig durch die Welt ins Reich der Ehren gehn. D er Tauffe Flutt Und Christi Blutt Macht wieder gutt Was wir verderbt/ An uns geerbt/ Und selbst verkerbt. D es Christenthumes Grund/ Der heilgen Tauffe Bund Heilt uns und macht gesund Was Erb-Schuld hat verwund/ Wie Christus selbst/ der Mund Der Warheit/ machet kund: Den/ Pathe/ trittst du an/ Damit dir solches auch zu statten kommen kan. M it dir tritt in das Hauß ein doppelt Segen ein/ Ein doppelt Bad macht dich an Leib und Seele rein/ Dich waͤscht der Tauffe Flutt mit Christi Blutt verbunden/ Wer diese Quelle braucht/ hat Heyl und Leben funden. Ich wuͤnsche/ daß dein Gluͤck allzeit verdoppelt sey/ Was hier und ewig gutt/ dir zehnfach falle bey! Grosse Himmel-Schluͤssel. G rosse Flutten bringen Schaden/ Druͤber unser Land izt klagt/ Aber durch die Flutt der Gnaden Wird dir/ Pathe/ zugesagt/ Weil dich JEsus Blutt genezt/ Was dir Leib und Seel ergoͤzt. G eht GOttes Huld vorher/ so folgen seine Gaben/ Ein Hold-benahmter Tag fuͤhrt dich ins Leben ein/ Heut wird der Unschuld Schmuck dein Tauff-Geschencke seyn/ Von beyden kanst du so ein freudig Denck-Mahl haben. D er Tag Bestaͤndigkeit legt dir den gutten Grund Zu wahrem Christenthum/ schreibt dich in Lebens- Bund/ Wir nehmen diß fuͤr dich zur Vorbedeutung an/ Daß dir bestaͤndig Gluͤck und Heyl nicht mangeln kan. Denck in Bestaͤndigkeit an dieses Tages Nahmen/ So spricht der Himmel selbst zu meinem Wuͤnschen Amen. M ein Encklin/ auff die Welt kommst du befleckt mit Schuld/ Das Tauff-Bad reinigt dich und bringt dir GOttes Huld. Mein Wunsch ist: Bleibe stets in dir geschlossen ein/ GOtt lasse seine Ruh in deiner Seele seyn. W ie viel euer seyn getaufft Haben Christum angezogen/ Der euch durch sein Blutt erkaufft/ Bleibt euch ewig treu bewogen/ Seiner Unschuld reines Kleid Schmuͤcket euch zur Seligkeit. H 2 Lie- Himmel-Schluͤssel. Liebes Kind/ der schoͤne Rock Wird dir auch anizt gegeben/ Froͤmmigkeit der beste Schmuck/ Putze dich im gantzen Leben/ Biß dich Christus wohlgeziert/ Seine Braut in Himmel fuͤhrt. W as Adam hat befleckt/ macht Christus hell und rein/ Diß/ Pathe/ soll dein Trost/ dein Heyl und Leben seyn. D er Unschuld Christi Kleid/ mein Pathe/ legst du an/ Den Schmuck/ der dich fuͤr GOtt und Menschen zieren kan/ Den keine Motte frist/ den keine Zeit verzehrt/ Der dir/ was zeitlich nuͤtz und ewig gutt/ gewaͤhrt. Dich kleide Gluͤck und Heyl in langer Lebens-Zeit/ Dich kleide dieser Rock in selger Ewigkeit. D U gruͤssest diese Welt zum Anfang rauher Zeit/ Der Unschuld Christi Schnee wird izt dein Winter- Kleid/ Dich muͤsse durch die Welt ein steter Lentz begleiten/ Biß du den Sommer siehst der kuͤnfftgen Ewigkeiten. G OTT/ der dich lieben Sohn den Eltern hat gegeben/ Gab seinen eignen Sohn fuͤr unser aller Leben Aus holder Lieb und Gunst/ der ist auch dir geschenckt/ Wenn dein verneutes Hertz stets glaͤubig an ihn denckt. See - Himmel-Schluͤssel. Seelen-Ermunterung. S eel Ewig/ es ist Zeit von hinnen zu gedencken/ Was klebst du an der Welt vergaͤllter Eitelkeit/ Ihr bester Zeitvertreib ist ein Verderb der Zeit/ Sie kan dir nichts/ als Reu und Gall/ auff Honig schencken. Seel Ewig es ist Zeit von hinnen zu gedencken. Seel Ewig/ es ist Zeit die Erde zu verachten! Was nuͤtzet dir bey GOtt der Erden-Goͤtter Gunst? Die Hoheit dieser Welt ist Schatten/ Rauch und Dunst: Wie muß der edle Geist bey Dienst der Ehr-Sucht schmach- ten! Seel Ewig/ es ist Zeit die Erde zu verachten! Seel Ewig/ es ist Zeit/ was fluͤchtig ist/ zu fliehen/ Wie dein vergaͤnglich Gutt/ so waͤchst der Suͤnden Zahl/ Dein eigner Uberfluß versalzt dir offt die Wahl Mit Sorge/ fuͤr Verlust und Lust noch mehr zu ziehen/ Seel Ewig/ es ist Zeit/ was fluͤchtig ist/ zu fliehen. Seel Ewig/ es ist Zeit von hinnen zu gedencken/ GOtt mahnet dich hierzu durch manch Erinnern an/ Du siehest/ hoͤrst und fuͤhlst was dich bewegen kan/ Bey Zeiten Hertz und Fuß vom Eitlen abzulencken/ Seel Ewig/ es ist Zeit von hinnen zu gedencken. Seel Ewig/ es ist Zeit von hinnen zu gedencken/ Die Jahre gehen hin/ die Kraͤffte lassen nach/ Wie bald wohl koͤmmt der Tag/ der dich ins Schlaff-Gemach Der kuͤhlen Erde (GOtt gieb selig!) soll versencken/ Seel Ewig/ es ist Zeit an Himmel zu gedencken. Sterben ist nicht Rosenbrechen. Satz. D ie betruͤbte Zeit bricht an/ Da die matten Kraͤffte schwinden/ Und der Geist die enge Bahn Zu der Himmels Ruh soll finden. H 3 Laß Himmel-Schluͤssel. Laß die Welt von Großmutt sprechen: Sterben ist nicht Rosenbrechen. Bittre Wermutt/ saure Qual Ist der herbe Todes-Saamen: Solche Kosten allzumahl/ Die von Adams Stamme kamen. Drum muß ich mit Seuffzen sprechen: Sterben ist nicht Rosenbrechen. Leib und Seele trennen sich/ Aller Safft entgeht dem Hertzen/ Suͤnd und Reue druͤcken mich/ Bey viel tausend Angst und Schmertzen Muß ich nicht mit Zittern sprechen: Sterben ist nicht Rosenbrechen. Gegen-Satz. D ie gewuͤnschte Zeit bricht an/ Da die blassen Sorgen schwinden/ Und der muͤde Lebens-Kahn Soll den sichern Hafen finden: Laß das Fleisch die Dornen stechen/ Sterbend muß man Rosen brechen. Eine Rose bluͤht im Thal/ Sarons Blum in eignem Nahmen/ Diese leben allzumahl Die zu diesem Stocke kamen: Wenn mein Mund vergist zu sprechen/ Will ich diese Rose brechen. JEsus/ der mein ander Ich/ Der mein Alles/ lebt im Hertzen/ Sein Blutt labt und reinigt mich/ Wenn mich tausend Schulden schwaͤrtzen/ Daß ich wohlgemutt kan sprechen: Sterbend muß man Rosen brechen. Nach- Himmel-Schluͤssel. Nach-Satz. E dle Bluͤtte Davids Reiß/ Das ich sah am Oelberg liegen/ Kuͤhle mich im Todes-Schweiß/ Labe mich in lezten Zuͤgen/ Ob des Todes Doͤrner stechen/ Laß mich Lebens-Rosen brechen! Gedult und Hoffnung. M ein Mund ist zugethan/ Mein Hertz in GOtt zu GOtt sich neiget in der Stille/ Was ich nicht aͤndern kan/ Steht ja in GOttes Hand. Es laͤst sein weiser Wille In seinem Rath kein Widersprechen ein: Drum soll mein Auffenthalt Gednlt und Hoffnung seyn. Wer hemmt Noth und Gefahr/ Wer kan mit Macht entgehn dem grossen Allmachts-Grim- me? Das erste Menschen Paar/ Da nach dem ersten Fall des Hoͤchsten Eyfer-Stimme Den Fluch zwar sprach/ doch Segen sezte drauff/ Nahm jenes mit Gedult / und diß mit Hoffnung auff. So sollen alle wir Uns/ wie es immer laufft/ in das Verhaͤngnis schicken/ Und GOtt nicht schreiben fuͤr/ Er kennet unsre Krafft/ und pruͤfet unsern Ruͤcken. Schwaͤcht Unfall gleich Hertz/ Sinnen/ Bein und Marck/ Macht uns doch Stille-seyn/ Gedult und Hoffnung starck. Mag Ungedult und Sturm Auch einen blossen Winck des Hoͤchsten widerfechten? Ach Mensch! du Suͤnden-Wurm/ Wilstu dich unterstehn mit deinem GOtt zu rechten? H 4 Wirff Himmel-Schluͤssel. Wirff Frevel weg/ erkenne deine Schuld/ Und schmuͤcke deinen Lauff durch Hoffnung und Gedult . Druͤckt GOtt/ so buͤcke dich/ Tritt er/ so strecke dich zu seinen Gnaden-Fuͤssen/ Such ihn/ verbirgt er sich/ Schlaͤgt er/ laß nur nicht ab die Gnaden-Hand zu kuͤssen. Nimmt er/ giebs hin/ und wenn er dir nichts laͤst/ So halt den theuren Schatz Gedult und Hoffnung fest. Lauff aus dem Bade nicht/ Will schon das Wasser schier biß an die Seele dringen/ Thraͤnt gleich dein Angesicht/ Du must ja deinem GOtt was abzuwischen bringen: Diß freuet ihn/ er ist recht treu geneigt Fuͤr die/ bey welchen sich Gedult und Hoffnung zeigt. Wie wohl ist es gemeynt/ Wenn er durch Ungemach uns beuget das Gemuͤtte! Ob es zwar bitter scheint/ So schmeckt man doch darbey die holde JEsus-Guͤtte. Sein Joch ist suͤß/ und seine Last ist leicht/ Wo nicht das edle Paar/ Gedult und Hoffnung weicht. Bleibt meine Schwestern/ bleibt/ Ihr Glaubens-Toͤchter/ dort im Paradieß gebohren/ Nichts/ nichts von euch mich treibt/ Ich hab auff euren Bund mit reiner Treu geschworen. Ein andrer seh/ wornach er eyfrig strebt/ Genung/ wenn nur in mir Gedult und Hoffnung lebt. So lebt denn allezeit/ Es soll/ wolt ihr mich stets biß an mein Ende fuͤhren/ Gedult mein Sterbe-Kleid/ Die Hoffnung aber mich zu jenem Leben zieren. Diß sey der Spruch/ der auff mein Grab sich fuͤgt: Hier ruht/ der mit Gedult und Hoffnung obgesiegt. Ube r Himmel-Schluͤssel. Uber die Worte Syrachs: O Tod/ wie bitter bist du! W ie bitter bistu herber Tod/ Wenn du uns das entziehst/ Was uns auff dieser Welt naͤchst GOtt Am allerliebsten ist/ Wenn mit betruͤbtem Hertzzerschneiden Die treusten Freunde von uns scheiden! Wie bitter bistu blasser Tod/ Wenn du dich findest ein/ Weil noch die frischen Wangen roth Und unverfallen seyn/ Wenn wir/ weil keine Kraͤffte fehlen/ Noch wollen lange Jahre zehlen! Wie bitter bist du herber Tod/ Wenn du den Thron umschmeist/ Worauff ein stoltzer Erden-GOtt Zu prangen sich befleist/ Wenn der von dir muß unten liegen/ Der viel noch dachte zu besiegen! Wie bitter bistu herber Tod/ Wenn den dein Pfeil beruͤhrt/ Der frey von Kummer/ Sorg und Noth Sein sichres Leben fuͤhrt/ Der sich bey Ehre/ Gutt und Schaͤtzen Noch lange meynte zu ergoͤtzen! Wie bitter bistu herber Tod/ Wenn einer wird beziehlt/ Der von dem schweren Suͤnden-Koth Sich uͤberladen fuͤhlt/ Der seine Rechnung so getrieben/ Daß er zu tieff in Schulden blieben! H 5 Wie Himmel-Schluͤssel. Wie bitter bist du herber Tod/ Wenn deine Sand-Uhr schreckt/ Den voemahls seine Seelen-Noth Vom Schlaffe nie erweckt/ Den sein Gewissen selbst verklaget/ Und in der Hoͤllen Aengste jaget! Wie leichte bistu stiller Tod Dem/ der verfolgt/ gepreßt/ Und arm/ bey seinem Thraͤnen-Brod Viel Seuffzer nach dir laͤst/ Biß du ihn solcher Angst enthebest/ Sein Elend neben ihn begraͤbest! Wie leichte bistu sanffter Tod/ Wenn dich empfindt der Leib/ Dem stetes Siechthum/ Weh und Noth Sein bester Zeitvertreib/ Wenn du die Foltergleichen Schmertzen Benimmst den abgekraͤnckten Hertzen! Wie suͤsse bistu selger Tod/ So offt du wohlbereit Die muͤde Seele schickst zu GOtt Aus allem Kampff und Streit. Den Leib mit Ruh’ in seine Kammer Fuͤhrst/ zu verschlaffen Leid und Jammer! HERR uͤber Leben und den Tod/ Der du den Tod gekost/ Damit wir auch auff dein Gebot Zum Sterben haben Lust/ Gieb/ daß fuͤr mich in deinen Wunden Auch werd im Tode Trost gefunden! Ich Himmel-Schluͤssel. I ch soll nunmehr die Schrecken-reiche Bahn/ Die keiner koͤmmt zuruͤcke/ treten an/ Die Seele bebt/ das Hertze will erkalten/ Doch JEsus wird mich auch im Tod erhalten. Ein schmaler Weg voll Dornen/ Sand und Stein Fuͤhrt mich durch Berg und Thal in Himmel ein/ Doch JEsus hat mir schon die Bahn gebrochen/ Viel Vaͤter sind ihm freudig nachgekrochen. Entgleitet mir der Ohnmachts-volle Fuß/ Der allbereit von unten sterben muß/ Ich falle nicht/ weil ich zum Stul und Stabe Des HErren Creutz und offne Seiten habe. Er ist der Arzt/ der mit durchgrabner Hand/ Befuͤhlet wie mein schwacher Pulß bewand/ Sein theures Blutt/ das er mir selbst verschreibet/ Macht/ daß man auch im Tode lebend bleibet. Sein Liebes-Brand entzuͤndt der Glieder Eiß/ Sein kuͤhler Trost wischt ab den Todes-Schweiß/ Sein suͤsses Wort bestillt mein klaͤglich Aechzen/ Sein Myrrhen-Tranck der matten Seelen Lechzen. Die Zunge schweigt/ das Hertze glaubt und hofft/ Ich hoͤre nichts/ als wie mir JEsus rufft/ Ich sehe nichts/ als wie mich JEsus fuͤhret/ Wo ewge Lust und Wonne wird gespuͤret. Wer wolte nicht mit Freuden folgen nach? Besucht der Leib sein kaltes Schlaff-Gemach/ Er wird auch da des HErren Erde finden/ Und ihn der HErr/ wenn alle Welt muß schwinden. Drum ob der Tod mich auff die Folter zieht/ Ob Schmertz und Weh durchgehen iedes Glied/ Ob Himmel-Schluͤssel. Ob man den Leib zur Wuͤrme Kost begraͤbet/ So weiß ich doch/ daß mein Erloͤser lebet. Ich bin gewiß/ daß mein Erloͤser lebt/ Vor dessen Thron die reine Seele schwebt/ Die durch sein Blutt gewaschen ist von Suͤnden/ Die Noth und Tod aus seiner Hand nicht winden. Ich bin gewiß/ daß mein Erloͤser lebt/ Der meinen Leib aus seiner Asch’ erhebt/ Der meine Bein’ erfuͤllt mit neuen Kraͤfften/ Und diese Haut/ diß Fleisch daran wird hefften. Ich bin gewiß/ daß mein Erloͤser lebt/ An dem mein Aug’ und gantzes Hertze klebt/ Mein Auge/ das nicht fremdem Auge trauet/ Das GOtt ihm selbst/ und keinem andern/ schauet. Wie selig/ wer diß ungeschaffne Licht Kan sehen mit verklaͤrtem Angesicht/ Besizt/ wornach manch glaͤubigs Hertze strebet/ Und sieht und weiß/ daß sein Erloͤser lebet! F reue dich/ bekraͤnckte Seele/ Die gewuͤnschte Zeit ist hier/ Da du aus der finstern Hoͤle Deines Leibes brichst herfuͤr/ Da du aller Sorge loß/ Die dich in der Welt umschloß/ Aller Bande frey solt gehen Wo viel tausend Engel stehen. Zwar die matten Glieder klagen/ Daß du sie verlassen wilt/ Und dein Auge sieht mit Zagen/ Das verhaßte Todes-Bild/ Was dir Blutt und Mutt verband/ Nezt Himmel-Schluͤssel. Nezt mit Thraͤnen deine Hand/ Was gesuͤndigt/ muß der Suͤnden Bittern Sold/ den Tod/ empfinden. Warum aber wilt du scheuen Einen Christlich-sanfften Tod? Solte dich der Wechsel reuen/ Der dich selig fuͤhrt zu GOtt/ Der dich aus der truͤben Welt Bringt zum lichten Himmels-Zelt/ Der/ was sterblich war/ begraͤbet/ Aber dich zu GOtt erhebet. Muß der todte Coͤrper liegen Und im Grabe ruhen aus/ Dich kan unterdeß vergnuͤgen Das beflammte Sternen-Hauß/ Der verschmachten Glieder Last/ Und was du verlassen hast/ Wirstu/ wenn die Welt muß schwinden/ Neu und besser wieder finden. Hoͤre deinen Heyland ruffen: Komm du auserkohrne Braut/ Meine Wohnung steht dir offen/ Wo man nichts als Freude schaut/ Sulamithin komm herzu Und genuͤß der stoltzen Ruh/ Komm/ genuͤß der suͤssen Freuden/ Die ich sterbend dir bescheiden. Meiner Unschuld weisse Seide/ Meines Bluttes Purpur-Rock Dienet dir zum Ehren-Kleide/ Wird dein theurer Hochzeit-Schmuck. Dich hab ich mir auserwaͤhlt/ In Gerechtigkeit vermaͤhlt/ Weil man Ewig Ewig nennet/ Bleibstu von mir ungetrennet. Wiltu Himmel-Schluͤssel. Wiltu nicht mit Freuden gehen/ Wenn dich JEsus nach sich zieht/ Wiltu laͤnger stille stehen/ Wo dir dein Verderben bluͤht/ Wiltu bleiben/ wo die Welt So viel falscher Stricke stellt/ Wo dich zwischen Eiß und Eisen Thraͤnen-Brod und Galle speisen? Auff/ erhebe deine Fluͤgel/ Die der Erde kleben an/ Suche dir die Sternen-Huͤgel/ Wie dein Heyland weist die Bahn. Laß das Sodom dieser Zeit/ Laß den Leib der Sterbligkeit/ Fleuch/ wo sich zu deinen Fuͤssen Sonn und Monde neigen muͤssen! Freu dich nun/ bekraͤnckte Seele/ Die gewuͤnschte Zeit ist hier/ Da du aus der finstern Hoͤle Deines Leibes brichst herfuͤr: Deine Augen schliessen sich/ Und der Himmel fasset dich: Ihr Grab soll die Schoß der Erden/ JEsus Arm das deine werden. H Err/ die Stund ist angebrochen/ Da dein Kind im Friede faͤhrt. Wie dein theures Wort versprochen/ Wo es laͤngsten hinbegehrt/ Da mein schwacher Lebens-Kahn Langt am stillen Hafen an. Meine Glaubens-Augen haben Deinen Heyland angeschaut/ Dem Himmel-Schluͤssel. Dem du deiner Weißheit-Gaben Und der Voͤlcker Heyl vertraut/ Welcher Jacobs Sonnen-Schein Und der Heyden Licht soll seyn. Ach mit was vor tausend Freuden Scheid’ ich aus der boͤsen Welt/ Da uns Angst und Noth bekleiden/ Sorg’ und Furcht gefangen haͤlt/ Da man/ wenns am besten geht/ In Gefahr der Seelen steht. Ach/ mit was vor tausend Freuden/ Schluͤß ich meiner Augen Licht/ Das sich ewig dort soll weiden An des Hoͤchsten Angesicht/ An der Sonne/ deren Schein Keine Wolcken huͤllen ein. Ach mit was vor tausend Freuden Zieh ich heim ins Vaterland/ Da mein abgekuͤrztes Leyden Wird in ewge Lust gewand/ Da man JEsu fuͤr und fuͤr Redet/ denckt und singt von mir. Arm und Hertze steht dir offen/ Gieb mir einen Liebes-Kuß/ Hoͤr mein mattes Hertze ruffen Wenn der Mund verstummen muß: Du mein Alles/ du mein Ich/ JEsu/ komm und hole mich! N Un hab ich uͤberwunden Durch Christi theures Blutt/ Und in dem Himmel funden Das allerhoͤchste Gutt. Ich Himmel-Schluͤssel. Ich gebe dieser Erden Mit Freuden gutte Nacht/ Die mir so viel Beschwerden Und wenig Lust gemacht. Mein Glaub hat uͤberstiegen Den Berg der schweren Zeit/ Sieht ihm zu Fuͤssen liegen Das Thal der Eitelkeit. Ich lege freudig nieder Der Hoffnung Wander-Stab/ Die Last der siechen Glieder Verwahrt das kuͤhle Grab. Viel lassen sich verblenden Der falschen Hoheit Schein/ Und wollen auff den Haͤnden Der Welt getragen seyn. Ein sanffter Engel-Wagen Fuͤhrt mich vor GOttes Thron/ Da werd ich ewig tragen Die Siegs- und Ehren-Kron. Es stehn ihr viel nach Schaͤtzen/ Der theure Schlacken-Koth Soll ihre Seel ergoͤtzen/ Sie wehlen Gold fuͤr GOtt. Was Zeit und Dieb nicht stehlen/ Was nirgend findet Platz/ Was keine Zahl kan zehlen/ GOtt selber ist mein Schatz. Wohnt ihr in stoltzen Zimmern/ Schmuͤckt sie mit Marmor aus/ Last auff der Erde schimmern Ein andres Himmel-Hauß. Me in Himmel-Schluͤssel. Mein Schloß hat GOtt gebauet/ Wo man vor Stein Saphir/ Vor Fenster Sternen schauet/ Wo Licht ist fuͤr und fuͤr. Man dienet seinem Leibe Mit schwer-erworbner Kost/ Sucht/ wie man Zeit vertreibe In offt vergaͤllter Lust: Hier darff ich nicht mehr wissen Was Sorg’ und Hunger war/ Kan mir die Zeit versuͤssen Mit aller Engel Schaar. Viel wolln den Himmel finden Durch unermuͤdten Fleiß/ Und suchen zu ergruͤnden Was GOtt alleine weiß: Ich kan mich hoͤher schwingen/ Durch JEsus Mund gelehrt/ Und weiß von solchen Dingen/ Die noch kein Ohr gehoͤrt. Darum ihr Eitelkeiten/ Lust/ Wissen/ Schaͤtze/ Pracht/ Ihr Freude meiner Zeiten/ Ihr Freunde/ gutte Nacht! Und gutte Nacht ihr Glieder/ Schlafft wohl in stiller Grufft/ Wir sehn uns freudig wieder Wenn GOttes Stimme rufft. J Sarch- Himmel-Schluͤssel. Sarch-Gedancken. W as hab ich hier vor mir? Diß ist mein leztes Hauß. Zwar einen engen Platz bedeckt das schmale Dach/ Doch Raum genung fuͤr mich: Diß ist mein Schlaff-Ge- mach. Hier ruh’ ich fuͤr dem Sturm der Nord-Lufft sicher aus. Mich stoͤrt kein boͤser Traum/ mein Kuͤssen ist der Span/ Wo aller Span und Streit der Welt ist abgethan. Diß ist mein Schnecken-Hauß und sichrer Auffenthalt/ Wenn Erd und Himmel zuͤrnt/ wenn Blitz und Donner draͤut/ Diß ist mein Garten-Saal; wenns Schnee und Hagel streut/ So bin ich wohl bedeckt; bin ich erblaßt und kalt/ Wie bald werd ich auffs neu in stetem Sommer bluͤhn/ Als reine Lilien und zarter Gelsamin. Diß ist der Nachen/ der zur Gluͤckes-Insul laͤufft/ Die Bruͤcke/ drauff ich kan mit sichrem Fusse stehn/ Die Pforte/ da ich durch ins Paradiß soll gehn/ Diß ist der Kasten/ den die Suͤndflutt nicht ersaͤusst/ Mein JEsus schleust nach mir die Thuͤre selber zu/ Und weckt mich/ wenn es Zeit/ zur Himmels-Lust und Ruh! Fidei-Commissari scher lezter Wille. M ein Vater/ liebster GOtt/ die Zeit kommt bald herbey/ (Und ist vielleicht nicht weit/) diß Leben zu verlassen/ Damit kein Irrthum nun nach meinem Tode sey/ Will ich den lezten Schluß in diese Zeilen fassen. Halt druͤber feste Hand/ daß ich ihn selbst nicht breche/ Noch Zanck/ Gewalt und List nach meinem Tode schwaͤche. Die Seele/ welche du mir eingeblasen hast/ Will ich dir wiederum zu treuen Haͤnden geben. Laß sie/ durch Christi Blutt befreyt der Suͤnden Last/ Von Schulden rein gemacht/ vor deinem Throne schweben/ Ein Grab ohn alle Pracht bedecke die Gebeine/ D ie Himmel-Schluͤssel. Die Erd ist uͤberall durch ihn geweyht und deine. Wenn dein Gerichts-Tag koͤmmt/ und die Posaune rufft/ Die alle Todten soll vom langen Schlaffe wecken/ So fordre meinen Staub hinwieder aus der Grufft/ Und laß mich fuͤr dem Spruch des Richters nicht erschre- cken. Laß Seel und Leib vereint sich in dem Himmel schwingen/ Und ewig Preiß sey GOtt! mit heller Stimme singen. Laß ich von Guͤttern was/ wie viel es moͤge seyn/ So weiß ich/ daß ich nichts/ ohn deine Gunst kan haben/ Drum setz ich dich hiermit zum Erben wieder ein/ Inzwischen laß mich recht gebrauchen deiner Gaben; Du hast allein die Macht zu mehren und zu mindern/ Gieb/ was du wilt davon/ wies selig meinen Kindern. Wer traurig hinterbleibt dem schencke Trost und Schutz/ Sey Vormund/ Vater/ Mann/ zeuch was noch unerzogen Zu deinen Ehren auff/ beut allen Feinden Trutz/ Erhalte sie von Welt und Suͤnden unbetrogen. Laß/ die du mir geschenckt/ und die ich dir geb eigen/ Auch deinem Creutze nach/ wie mich/ in Himmel steigen. Diß ist mein Testament: Solt eine Zierligkeit/ Solt etwas/ welches noth bey lezten Rechts-Geschaͤfften/ Allhier vergessen seyn/ so bleib es doch zur Zeit Als lezter Vater-Will/ als Todes-Gab’ in Kraͤfften. Dein Geist/ dein JEsus zeugt mit Siegel/ Hand und Nah- men/ So schluͤß ich nun getrost: hilff Helffer selig Amen! Sonntags- und Fest-Gedancken. S ey freudig Israel/ dein Koͤnig koͤmmt zu dir: Genad ist seine Pracht/ und Sanfftmutt seine Zier. L aß immerhin die Welt ihr eitles Netze flicken/ Ich lasse diß/ und will mich GOtt zu folgen schicken. J 2 HErr Himmel-Schluͤssel. H Err laß mich wuͤrdig seyn fuͤr deinem Stuhl zu stehn/ Mit Wachen und Gebet dir stets entgegen gehn. L aß mich nicht falschen Sinn und weiche Kleider tragen/ Noch als ein schwaches Rohr die Zweifels-Winde jagen. H alt nicht zu viel von dir/ bekenne rund und frey/ Daß Sagen und nicht Thun dein bestes Ruͤhmen sey. D U wirst das schwache Rohr des Glaubens nicht zu bre- chen/ Und mich: mein HErr/ mein GOtt / mit Thoma lehren- sprechen. F reude wird der gantzen Welt von dem Engel angetragen/ Freude laͤst auch dir/ mein Hertz/ dein gebohrner Heyland sagen: Eile seiner Krippe zu/ laß in deinen Glaubens-Armen/ Heisser Brunst und Liebe voll/ dieses edle Kind erwarmen/ Stimme Wiegen-Lieder an/ laß mit frohem Mund erschal- len: Ehre sey GOtt in der Hoͤh/ Fried auff Erd und Wohlgefal- len! G Ott lockt mich offtermahls gleich einer treuen Henne/ Ach daß ich mich niemahls von seinen Fluͤgeln trenne! I ch Himmel-Schluͤssel. I ch liebe dich/ o GOtt/ doch hilff/ daß ich mein Lieben/ Wenn ich zum Creutze dir muß folgen/ auch mag uͤben. D U Fleischgewordnes Wort/ wohn auch in meinem Her- tzen/ Erleuchte Sinn und Geist mit Gnad und Warheits-Ker- tzen. D U wilt/ O HErr/ den Schnitt des scharffen Messers ley den: Ach laß mich auch mein Hertz und eitle Lust beschneiden! D U fleuchst/ o zartes Kind; Ach/ fleuch doch nicht von mir/ Nimm mich wohin du zeuchst/ mein Heyland/ auch mit dir. I ch kan zwar Drey und Eins mit Sinnen nicht begreiffen/ Doch werd ichs uͤberzeugt/ o HErr/ bey deinem Taͤuf- fen. L aß mich des Glaubens Gold der Andacht Weyhrauch brin- gen/ Mit Myrrhen in Gedult durch alles Creutze dringen. E ntzeuch dich nicht von mir: Ich suche dich mit Schmertzen/ Wer dich verlohren hat muß alles Heyl verschertzen. J 3 Mein Himmel-Schluͤssel. M ein Wasser-Krug ist voll (vom Weine nicht/) vom Wei- nen/ Laß Huͤlffe/ Trost und Rath zu rechter Zeit erscheinen! W as machstu blinder Saul! Es geht dir/ wie uns allen; HErr/ laß die Schuppen auch von unsern Augen fallen! G icht/ Aussatz plagen uns: Arzt mach uns heil und rein/ Und lehr uns dir in Treu und Furcht gehorsam seyn! D U opfferst/ reines Lamm/ fuͤr dich zwey reine Tauben. Ach gieb uns Hannens Geist und Simeonens Glauben. E s wollen Well und Sturm das lecke Schiff versencken/ HErr hilff: Du kanst uns bald zum sichern Hafen len- cken. V iel Unkraut waͤchst bey mir! HErr/ laß mich fleißig jaͤ- ten/ Damits der lezte Schnitt nicht raͤume von den Beeten. I ch bin in deinem Dienst gar spaͤt und traͤg’ erschienen/ Doch wart ich auff Genad’/ und ruͤhme kein Verdienen. Der Himmel-Schluͤssel. D er Saamen ist wohl gutt/ der Acker ist geringe/ Gieb Hoͤchster/ daß er nicht fuͤr Weitzen Unkraut bringe. I ch komme/ weil du ruffst/ muͤhselig und beladen/ Erleichtre meine Last/ erquicke mich in Gnaden. Z Um Leyden gehst du HErr/ und heilest einen Blinden/ Laß mich durch Creutz und Welt den Weg in Himmel fin- den. D U fastest/ grosser GOtt/ den Apffel-Biß zu buͤssen/ Laß mich den Trost darvon versucht zur Frucht genuͤssen. V erklaͤret wirstu HErr: Ach moͤchte mirs geschehen/ Von deiner Klarheit nur den Schatten anzusehen. G edencke mein/ o GOtt/ nach deiner grossen Guͤtte/ Wenn ich nicht Kindes-Theil/ nur Huͤndels-Brocken bitte. L aß mich mein Hertzens-Hauß so schmuͤcken und bequemen/ Damit dein gutter Geist mag drinnen Wohnung nehmen. D U kanst mit wenig Brod ein grosses Volck verpflegen/ Gieb uns nach Brand und Glutt auch wieder deinen Se- gen! J 4 HErr/ Himmel-Schluͤssel. H Err/ ewig vor der Zeit/ und in der Zeit gebohren/ Gieb mir dein Lebens-Wort zu fassen Hertz und Ohren. W as ist diß fuͤr ein Gruß? fuͤr Mutter zu erkennen/ die keinen Mann erkennt/ mich Bruder zu benennen/ Was fuͤr ein Wunder-Schluß? der Suͤnder Heyl zu seyn/ Sich GOtt von GOtt/ durch GOtt ins Fleisch zu kleiden ein? Erblinde du Vernunfft/ und Glaube tritt herbey/ Zu sehn/ wie GOtt ein Mensch/ und Jungfrau Mutter sey! A ch HErr/ zeuch bey mir ein/ laß mich die Palmen wey- hen/ Gehorsam und Gedult zu deinen Diensten leyhen. I ch borgte/ du bezahlst/ ich reizte/ du versuͤhnst/ Mein Leben ist dein Tod/ dein Sterben mein Gewinst. W eg bange Grabes-Furcht! mein JEsus liegt im Grabe/ Was fehlt mir/ wenn ich den zum Schlaff-Geferten habe? Weg zage Todes-Angst/ mein JEsus lag im Grabe/ Was fehlt mir/ wenn ich den zum Aufferwecker habe? M Uß ich nach Emauß offt betruͤbtes Geistes wallen/ Mein Heyland/ geh mir auch die Strasse zu Gefallen. La ß Himmel-Schluͤssel. L aß mich den Honigseim des suͤssen Trostes schmecken/ Wenn ich in Angst und Noth muß eingeschlossen stecken. D U edler Friedens-Fuͤrst/ gieb Fried in Geist und Sinnen/ Gieb Fried in Kirch und Land von aussen und von in- nen. I ch will dich lieber HErr zum treuen Hirten wehlen/ Du wollst mich allezeit zu deiner Heerde zehlen. E in Kleines soll ich dich/ mein Licht/ zu sehn entrathen. Erscheine bald/ ohn dich ist nichts als Nacht und Schat- ten. I ch bin ein schwacher Mensch/ geneigt zu Fall und Gleiten/ Ach laß mich deinen Geist in alle Warheit leiten. D U lehrest uns getrost zu deinem Vater treten/ Verleihe daß wir stets in deinem Nahmen beten. D U faͤhrest in die Hoͤh/ ich bleib auff Erden kleben/ Gieb/ daß sich Aug’ und Geist allzeit zu dir erheben. D en Troͤster wilt du uns an deine Stelle senden/ Ach GOtt/ wir duͤrffen ihn ja izt an allen Enden. J 5 Auff Himmel-Schluͤssel. A Uff Erden will ich nur als wie in Mietung leben/ Im Himmel wird mir GOtt bestaͤndge Wohnung ge- ben. W ir Menschen sind wohl schwach an GOttes Wort zu dencken/ Doch will er seinen Geist uns zu erinnern schencken: Komm angenehmer Gast und blaß mir Troͤstung ein/ Wenn Auge/ Zung’ und Ohr in lezter Ohnmacht seyn. D U eingebohrner Sohn bist mir zum Heyl geschenckt/ Gieb/ daß mein glaubend Hertz an dieses Licht gedenckt/ Wenn mich die Finsternis der boͤsen Wercke kraͤnckt. L aß mich zur rechten Thuͤr in deinen Schaffstall gehn/ Und deiner Stimme stets zu treuer Folge stehn. K omm edler Himmels-Wind/ und blaß in meinem Her- tzen/ Damit ich nicht mein Heyl unglaͤubig mag verschertzen! H Err/ laß fuͤnff Bruͤder mich (die Sinnen) nicht bethoͤren/ Vielmehr auff Moses Wort und deine Warnung hoͤ- ren. Da s Himmel-Schluͤssel. D as Abendmahl ist groß/ und diß nicht zu versaͤumen/ Last uns was weltlich ist nur bald zur Seite raͤumen. D ein Schaaff verirret sich/ HErr/ hol es wieder ein/ Laß dein Gepraͤg auch nicht an mir verlohren seyn. W ie du barmhertzig bist/ so laß michs auch geniessen/ Dein reiches Gnaden-Maß auff meine Seele fliessen. E s scheinet uns nunmehr der Auffgang aus der Hoͤhe/ Ach daß doch unser Fuß den Weg des Friedens gehe! I ch bin zwar Suͤnden-voll/ doch wiltu bey mir bleiben/ O HERR/ so soll mein Kahn nach deinem Willen trei- ben. I st auff den Felß des Heyls mein Glaubens-Hauß gegruͤn- det/ So bin ich sicher/ daß kein Sturm es uͤberwindet. W ohl dem/ der sich mit GOtt im Glauben kan verbinden/ Des Geistes Freud und Ruh ist nur bey ihm zu finden. Weil Himmel-Schluͤssel. W eil Unversoͤhnligkeit und Rach’ uns selbst verletzen/ So last uns Zorn und Haß ja gern bey Seite setzen. T rau GOtt/ und sey vergnuͤgt/ was dir ie mag begegnen: Er weiß auch deinen Korb und uͤbriges zu segnen. L aß mich des Glaubens Traub’ und guter Wercke Feigen/ Als einen gutten Baum/ o Himmels-Gaͤrtner/ zeigen. W ill deine Gnade nicht fuͤr Hundert Funffzig schreiben/ So werd ich falscher Knecht dein Bettler ewig blei- ben. A ch Hertz/ die Gnaden-Zeit ist mir vorlaͤngst erschienen/ Drum dencke was dir mag zu Heyl und Friede dienen. I ch klage daß mein Thun und Fromm-seyn wenig tauge/ Drum fleh ich dir/ o GOtt/ mit Demutts-nassem Auge. Z Um Gutten bin ich stumm und gantz verschloßner Ohren: HErr/ oͤffne was verstopfft/ sonst ist mein Heyl verlohren. I m Himmel-Schluͤssel. I m Jericho der Welt empfieng ich tieffe Wunden/ Doch hat sie JEsus Hand mit Oel und Wein verbun- den. V oll Aussatz ist die Seel/ und heischer ist der Mund/ HErr mache mich/ dein Lob zu ruffen aus/ gesund! W eg schnoͤder Mammons-Dienst/ weg truͤbe Nahrungs- Sorgen/ Was GOtt nicht heute giebt/ das findet sich wohl morgen. K ein Ort verjagt den Tod/ es schuͤtzen keine Jahre/ Schleuß selbst/ HERR/ wenn es Zeit/ und oͤffne mir die Bahre. L aß mich/ o Himmels-HErr/ nur in den Himmel ein/ Ich will ja drinnen gern der Allerkleinste seyn. W er selber sich erhoͤht/ der soll erniedrigt werden/ Am besten bleibt man zwar nicht an doch bey der Er- den. Du Himmel-Schluͤssel. D U bist der Krancken Arzt/ und nimmst die Suͤnder an: Damit ich auch zu dir um Huͤlffe kommen kan. A ch/ daß ich Davids Sohn und HErren hertzlich liebte/ Am Nechsten so viel Gutts/ als an mir selbst/ veruͤbte. R eizt Auge/ Fuß und Hand durch Aergernis zu Suͤn- den/ So laß mich ohne die den Weg zum Himmel finden. W enn du mir/ GOTT/ die Suͤnd aus Gnaden hast ver- geben/ Laß mich das Suͤnden-Bett auch auff die Seite heben. H Err schencke mir das Kleid/ das mir zur Hochzeit fehlt/ Daß ich mit wenigen mag bleiben auserwehlt. D as Creutze fuͤhrt zu GOtt/ drum will ichs willig kuͤssen/ Er wird schon seine Stund und Zeit zur Huͤlffe wis- sen. Ach Himmel-Schluͤssel. A ch Hoͤchster/ lehre mich dem Schuldner zu verzeyhen/ Damit ich mich von dir dergleichen moͤg’ erfreuen. D ein Zinß-Mann bin ich/ HErr! laß mich ein Christlich Leben/ Das deinem aͤhnlich sey/ zur Zinse-Muͤntze geben. G etuͤmmel gutte Nacht/ ich will mich schlaffen legen/ Und wenn mir JEsus beut die Hand/ mich wieder re- gen. W ie groß die Seelen-Noth und Angst des Leibes sey/ So bleibt/ wer GOtt vertraut/ vom Untergange frey. W enn uͤber alle Welt wird dein Gericht ergehen/ O trauter Heyland/ laß du mich zur Rechten stehen. D er Schlaff berennet mich/ das Glaubens-Oel will schwin- den/ Komm/ mich zu wecken auff/ und jenes zu entzuͤnden. Be- Himmel-Schluͤssel. Betrachtung funffzig-jaͤhrigen Lebens-Lauffs. M it Weinen legt ich hin das erste Lebens-Jahr/ Doch wohl mir/ daß ich da von Suͤnden freyer war! Sie wuchsen mit mir groß. O GOtt/ dein lieber Sohn/ Das suͤsse Gnaden-Kind/ befreye mich davon! Zwey Jahre zehlt ich nun und lernte fuͤr mich gehn/ Doch kan ich izt noch nicht auff sicherm Fusse stehn. HErr/ laß mich deine Hand als wie die Jugend leiten/ So bleibt mein Gang gewiß den Himmel zu beschreiten! Ich tratt ins dritte Jahr/ und brauchte meinen Mund/ Wiewohl ich noch den Brauch der Worte schlecht verstund. Wie manch vergeblich Wort schleicht noch wohl taͤglich ein. GOtt/ laß die Rechenschafft dafuͤr erloschen seyn! Als ich das vierdte Jahr des Lebens angeschaut/ Bedeckte Brand und Wust der Blattern meine Haut/ Viel Blattern seither dem benarben mein Gewissen: Ach Hoͤchster sey du sie zu heilen selbst beflissen. Ich muste Vaters Treu im fuͤnfften Jahr entrathen/ Sah Hauß und Hoff/ und mich bey nah/ im Feuer braten. GOtt trat an Vaters Stell/ und seine Wunder-Treu/ Ob ich ein freches Kind/ ist mir noch taͤglich neu! Ich fieng mein A/ B/ Ab/ mit GOtt/ sechsjaͤhrig an/ Und baut auff diesen Grund was ich noch heute kan: Doch bin ich erst alsdenn gelehrt und klug zu nennen/ Wenn ich das A und O im Himmel werde kennen. Ich lernte nun den Kiel der leichten Feder fuͤhren/ Ließ gleiche Fluͤchtigkeit in meinen Sinnen spuͤren. Wenn ich/ wie Nero sich gewuͤnscht/ niemahls geschrieben/ So waͤre manches Boͤß/ auch manches Gutte/ blieben. Ich gieng ins achte Jahr und schritte zum Latein/ Man floͤßte mir den Grund des wahren Glaubens ein; Di ß Himmel-Schluͤssel. Diß ist die beste Kunst/ wer GOtt und sich wohl kennt/ Wohl dem/ der seine Zeit auff diß am meisten wendt! Neun Jahre ruͤckten an/ daß ich hierbey nahm zu An Alter und Verstand/ o GOtt/ verliehest du: Gieb/ daß ich nicht bey dir mit Neunen geh vorbey/ Vielmehr in Lob und Danck der Zehnde Reine sey. Der erste Kreiß der Zeit und Alter trat zuruͤcke/ Ich reiß das schwache Paar der Kinder-Schuh in Stuͤcke. Doch weiß ich/ daß ich selbst durch Beyspiel zeigen kan/ Dem Knaben klebe noch manch Thorheits-Fehler an! Es wird der zehnden Zahl noch eines beygesezt/ Ach/ daß man doch die Zeit nicht recht nach Wuͤrden schaͤzt/ HErr/ geh ich um eilff Uhr in deinen Berg erst ein/ Laß mich vom Gnaden-Lohn nicht ausgeschlossen seyn. Als JEsus war zwoͤlff Jahr/ so sah ihn Solyms Stadt/ Wie er das Gottes-Hauß und Heiligthum betratt/ Ich nahm um diese Zeit das Brod des Lebens ein/ GOtt laß mir solche Kost zum Himmel angedeyhn. Ein Monat war hinweg von zwoͤlff zu dreyzehn Jahren/ Der treuen Mutter Tod muß ich bestuͤrzt erfahren/ Ihr Beten war mein Schatz/ ihr Segen war mein Theil/ Ich wuͤnsche mir/ was sie geneust/ der Seelen Heyl. Wie gehn die Monden hin mit so geschwinder Flucht/ Mein Knaben-Alter kam aus stiller Kinderzucht. Der Jugend zartes Wachs nimmt Gutt und Boͤses an/ Ach haͤtt ich dieses nicht/ und jenes nur gethan! Zwey Dinge sind/ die sich gar selten reimen kuͤnnen/ Die strengen Zehn Gebot und Freyheit der fuͤnff Sinnen/ Daß bey der Jugend diß wie bey dem Alter war/ Lehrt mich izt fuͤnffmahl zehn/ vor zehnd und fuͤnfftes Jahr. Ich rechne meine Zeit mit acht und aber achten/ Mein Sinn und Sorgen ist nach Wissenschafften trachten. Wohl dem/ der so bedacht die Jugend angewehrt/ Daß ihn des Richters Spruch nicht in die Acht erklaͤrt. K Die Himmel-Schluͤssel. Die Jahre lauffen fort/ nach zehnen zehl ich sieben/ Als ich zum andern mahl bin Vater-Waͤise blieben. Mein Pflege-Vater stirbt/ doch nimmt sich meiner an Und unterhaͤlt mich noch der nimmer sterben kan. Das dreymahl sechste Jahr weicht meistens hinter sich/ Als ich Piastens Stadt sechsjaͤhrger Gast entwich/ Hab ich an Witz und Kunst alldar was zugenommen/ So ist die Frucht darvon zu ihrer Wurtzel kommen. Nun schwing’ ich in die Welt/ als Icarus/ die Fluͤgel/ Der Jugend Unbedacht regirt die freyen Zuͤgel/ Doch ists zuweilen gutt/ wenn solche kurtz geschnitten/ So wird der Tugend-Weg viel minder uͤberschritten. Mich hegt ins andre Jahr der Musen Silber-Stadt/ Argentoratum. Die izt der strenge Mars mit Stahl gefesselt hat/ Diß und mein eigen Bild lehrt mich nunmehr erkennen/ Daß nichts auff dieser Welt bestaͤndig sey zu nennen. Der damahls freye Rhein schickt mich auff engen Nachen/ Wo fuͤr des Landes Heyl gepichte Schloͤsser wachen: Fuͤhrt mich ein grosses Schiff/ traͤgt mich ein kleiner Kahn/ Es gilt mir beydes gleich/ laͤnd’ ich nur sicher an. Das freye Niederland/ durchs Land der engen Hosen/ Gewaͤhrt mich in das Reich der herrschenden Frantzosen. Von dar ich kurtze Zeit den Welschen sprechen muß/ Viel sehn/ und uͤber nichts sich wundern/ ist mein Schluß. Ich lange wieder heim nach dreyen Reise-Jahren/ Und soll nun legen aus/ was ich gebracht an Wahren/ Viel Eiteles gesehn/ viel Thoͤrichtes gedacht/ Den Leib und Geist bemuͤht/ den Beutel leer gemacht. Es soll die Lebens-Art izt gantz geaͤndert seyn/ GOtt will mich in das Joch der Wirthschafft spannen ein/ Was meinen Eltern hat entzogen Krieg und Brand/ Gewaͤhrt mir seine Gunst durch fremde Mutter-Hand. I ch Himmel-Schluͤssel. Ich habe nun zu Freud und Leyd Gesellschafft funden/ Und leb’ aus GOttes Rath mit treuer Hand verbunden. Erhalt die reine Glutt/ GOtt/ die du angebrennt/ Und laß uns dort/ wie hier verbleiben ungetrennt. Zwey Bruͤder werden mir nicht hochbejahrt zu Leichen/ Mir selber mehren sich die Ungesundheits-Zeichen: So wechseln Freud und Leyd bey gutt und boͤsen Tagen/ Doch hilfft auch GOttes Gunst viel Creutze selber tragen. Wie der/ der ob uns wacht/ fuͤr Schaden kan bewahren/ Hab ich diß Jahr drey mahl in naher Glutt erfahren. Du Huͤtter Israels bleib unser Schutz und Schild/ Der bleibet unverlezt/ den du bedecken wilt. Die Kinder keuscher Eh’ sind wohl der Augen Lust/ Doch wird auch offt um sie bekraͤnckt der Eltern Brust/ Ich stell in GOttes Hand ihr Leben und ihr Sterben/ Nur daß sie allesamt nebst uns den Himmel erben. Das Feld bringt sparsam Frucht/ wiewohl wir muͤhsam saͤen/ Und zeigt den Fluch/ der drauff nach erster Schuld geschehen: Wir streun auch/ leider! selbst viel Suͤnden-Disteln aus/ Was Wunder/ wenn uns denn der Mangel koͤmmt ins Hauß. Piastens Enckel stirbt/ dem wir gehuldigt haben/ Die Freyheit Schlesiens wird neben ihm begraben/ Ob seinem Tod erseuffzt manch treuer Unterthan/ Der/ was noch kuͤnfftig sey/ von weitem sehen kan. Es heist mich GOttes Ruff aus meinem Winckel gehn/ Ich soll mich fuͤr das Land zu sorgen unterstehn/ Wie wenig richt offt aus der allerbeste Fleiß/ Wie ruhig ist/ wer nichts von solchen Sorgen weiß? Mir wachsen nun Verdruß und Kummer unter Haͤnden/ Die Welt-Lust will mir auch die schwachen Augen blenden/ Was ist diß Erden-Rund? Voll Unlust und voll Wust/ Im Himmel ist allein zu suchen wahre Lust. K 2 Wir Himmel-Schluͤssel. Wir haben schlimme Zeit/ ist die gemeine Klage/ Doch schmiedet ihm der Mensch nur selber seine Plage; Ist Zeit und Nahrung schlecht/ wo wir nicht besser werden So findet sich gewiß nicht Besserung auff Erden! Ich ließ mich weiter ein in Wirthschafft und Geschaͤffte/ Besegne GOtt mein Thun/ und mehre meine Kraͤffte/ Wir bauen ohne dich nur Haͤuser in den Sand/ Und schreiben was nicht taugt/ wo du nicht fuͤhrst die Hand. Ich gebe den Bescheid/ wer von mir wissen will Was treu und redlich sey: Der Boßheit Spiel und Ziel/ Doch wenn beschaͤmtes Falsch sein eigen Gifft muß saugen/ Geht jenes iederman auffrichtig unter Augen. Die treue Schwester/ und der wohlgerathne Schwager Begruͤssen fast zugleich das schwartze Todten Lager/ Mich schmerzt/ daß beyder Fall in Monats Frist geschehn/ Gedult! Auff einmahl folgt ein freudigs Wiedersehn. Neyd/ tobe wie du wilt/ wenn ich nicht heucheln kan/ Diß geht wohl fuͤr der Welt/ doch dort fuͤr GOtt nicht an/ Es ist der beste Ruhm auff kurtzer Grab-Schrifft lesen: Der ist im Vaterland ein ehrlich Mann gewesen. Ich ließ mich fuͤr das Land berufft/ nach Hofe brauchen/ Und sah’ unfern von Wien der Tartarn Feuer rauchen/ GOtt riß mich aus Gefahr/ auch aus des Todes Schoß/ Den ich zu Hause bald gefunden haͤtte loß. Man hieß mich noch einmahl an Donau-Strom verreisen/ Dem grossen Leopold den Landes-Kummer weisen/ Ist was gerichtet aus/ so hat es GOtt gethan: Was ist es daß der Mensch durch seine Klugheit kan. Des treuen Schwaͤhers Gunst/ der mich als Sohn geliebt/ Die mir der Tod entzeucht/ macht mich als Sohn betruͤbt. So fallen nach und nach gemeiner Wohlfart Mauren/ Ich habe fuͤr das Land und auch fuͤr mich zu trauren. Die Himmel-Schluͤssel. Die lezte Schwester stirbt/ ich halte noch allein Hier Hauß/ so lang’ es wird des Hoͤchsten Wille seyn/ Ich bin zum lezten auch in dieses Leben kommen/ GOtt hat uns mehrentheils der Reyhe nach genommen. GOtt segnet Hauß und Hoff/ man neydet mein Geluͤcke/ Weiß aber nicht dabey/ wo mich der Schuh hindruͤcke/ Daß wir der Eitelkeit zu viel nicht raͤumen ein/ Muß stets ein spitzer Dorn mit eingemischet seyn. Uns druͤckt der schwere Krieg im Beutel/ nicht im Lande/ Und dennoch schickt man sich so schlecht zu solchem Stande/ Man bauet/ kaufft und prahlt: GOtt gebe daß uns nicht Zulezt bey vollem Maß/ als andern/ auch geschicht. Die Sorgen nehmen zu/ die Kraͤffte lassen nach/ Es fuͤhlet Leib und Geist manch stilles Ungemach/ Diß ist des Hoͤchsten Zug/ so will uns GOtt bey Zeiten Vom Irrdschen abgewehnt/ zur Himmelfahrt bereiten. Man fuͤhret Sorg’ und Fleiß das Seine wohl zu nuͤtzen/ Weiß aber doch nicht wer/ und wie ers wird besitzen; Das beste Sorgen ist/ um das zu seyn bemuͤht/ Was uns kein Raͤuber stielt und keine Zeit entzieht. Die Tochter wird verlobt: GOtt/ Stiffter keuscher Ehen/ Verknuͤpffe dieses Band mit selgem Wohlergehen/ Dir selber ist bewust/ daß ich auff keine Pracht Noch Schaͤtze dieser Welt/ wie izt der Brauch/ gedacht. Wohin bringt unser Land die uͤberhaͤuffte Steuer? Zu trncknem Saltz und Brod: Doch ist auch diß zu theuer. Bey seiner Kleyhen-Bruͤh ist der am besten dran/ Der sich noch mit Gedult und Hoffnung speisen kan. Das alte Spruͤchwort ist: Das Land ernaͤhrt die Staͤdte/ Wenn izt der Staͤdte Geld nicht was zum Besten thaͤte/ So wuͤrd erlegnes Land noch sich noch jen’ ernaͤhren/ Ach/ woll uns Fried und Brod der treue GOtt bescheren. K 3 Es Himmel-Schluͤssel. Es will sich allgemach zur Jahre Neige neigen/ Ich muß mit schwerem Tritt auff neun und viertzig steigen/ Ein doppelt Stuffen-Jahr wird unbegluͤckt geacht/ Doch mehr die viele Schuld/ die wir bey GOtt gemacht. Man stehet in der Welt nach Wind/ nach Rauch und Dunst/ Verschertzet offt dabey des groͤsten HErren Gunst: Laß sich die stoltze Welt um Reich und Stelle schmeissen/ Der beste Titul ist/ von GOttes Gnaden heissen. Die Helfft’ ist hinterlegt mit GOtt von hundert Jahren/ GOtt laß mich Gnad und Schutz auch dieses Jahr erfahren/ Ach nimm/ weil ich dir izt nichts Bessers geben kan/ Gereinigt durch dein Blutt/ des Alters Haͤfen an. Vermoͤgen-Steuer hat Vermoͤgen abgezogen/ Vermoͤgen ist im Rauch und Feuer auffgeflogen/ Gieb/ Hoͤchster/ daß ich recht in gutt und boͤsen Tag/ Den deine Hand mir schickt/ zu schicken mich vermag. Die Jahre zaͤhl ich nun nach Zahl der Jahres-Wochen/ Wie aber zaͤhl ich diß/ was ich an GOtt verbrochen? HERR/ rechne nicht mit mir/ gieb daß mir ieder Tag Zur Buß und Todes-Stund ein Wecker werden mag! A D mortem firmo gressu perrexit Agagus, Et prompta ad strictam porrexit colla securim, Tristia nec molli perfudit lumina planctu, Pallida nec gemitu nec questu polluit ora, Sic ait, excipiamus inevitabile fatum, Et fortes miseræ linquamus tædia vitæ! Præripuisse mei juvat hosti gaudia luctus: Dulce mori est nunquam morituræ laudis amore: Dulcia sic fiunt quæ vulgus credit amara! No n Himmel-Schluͤssel. Non facit ille fidem simulata fronte tyrannus, Componit faciem, vapidi non pectoris æstus, Mendacem dicti affectata protervia prodit; Et sic jactator patulum descendit ad orcum! Cum sors lethali cujusvis exeat urna. Tardius aut citius, mors ultima linea rerum, Unicuique suæ præfigat tempora vitæ, Mox rapiat juvenes, mox corpora pigra senectæ, Mille modos \& mille vias ex orbe migrandi Ostendat, reditum dias præcludat in auras, Membrorumque animas grata compage solutas. Vel Paradisiacos puras deducat in hortos, Vel sontes Erebi tristes detrudat in umbras, Et multos videas ob fœdæ crimina vitæ. Heu! nunquam, nunquam exstingvendo mergier igni, Paucos ad cœli lætos emergere sedes, Non est dulce mori, bene posse mori leve non est. Curæ præpediunt mordaces, officiosæ, Officiunt curæ quæ cunctis anteferenda. Plures inviti gazas vel chara relinquunt Pignora, delicias oculorum \& gaudia mundi. Mors aliis festina \& præmatura videtur, Paucula qui numerant actorum lustra dierum! Hi crassos transisse dies, lucemque palustrem, Et sibi jam seri vitam ingemuere relictam: Adsunt tortores morbi, sævique dolores, Deplorant miseri pondus prægrande reatus, Perpetuasque sibi despondent pectore pœnas. Non est dulce mori, bene posse mori leve non est. K 4 Ut Himmel-Schluͤssel. Ut sit dulce mori, bene posse mori leve quo sit, Tabificæ facies si terret lurida mortis, Vivens disce mori, mundo moriare caduco, Et mundi adsvescas immundum spernere mundum. Quid sit mors? Quo ducat? \& unde? expende sub- inde, Si tibi quaque die veniente, manente, cadente, Si tibi sub noctis depingis imagine mortem, Assidua illius notam meditatio reddet, Horrebisque minus sociam comitemque perennem, Expedit imprimis mortis perpendere mortem, Regnantem à ligno vitæ, mortisque furores Vincentem rabidos, inferni carceris ædes Rumpentem, æternam redimentem morte salutem, Et clausi nobis reserantem limina cœli, Contra vim mortis tutum si quæris asylum, Ecce! patent precibus patientis vulnera Christi, Excipiunt animas fugientes obvia Christi Brachia salvificis qui nos amplectitur ulnis: Sunt clavi claves paradisi, pharmaca sangvis, Crimina quæ potat sitientem spongia delet, Qui Christo moritur, cum Christo vivit, ovatque Christe, mori memori da semper corde revolvam, Cumque mihi tandem suprema illuxerit hora, Membra queam placido componere langvida somno, Sit mihi dulce mori, bene posse mori leve fiat, Et tecum æternam liceat mihi vivere vitam! Todes Himmel-Schluͤssel. Todes-Post zu dreyen Stimmen. Baß. 1. B eschicke dein Hauß/ die Boten erscheinen/ Welche dir nach und nach kuͤndigen an/ Daß dein Abscheiden nicht ferne seyn kan: Bestelle dein Grab/ versorge die Deinen. 2. Beschicke dein Hauß! die bleichenden Haare/ Die streichenden Jahre sind Leiter zur Bahre/ Schwindel im Haubte/ Beklemmung und Schmertzen Drohen mit toͤdlichen Stoͤssen dem Hertzen. 3. Bestelle dein Hauß/ berathe die Seele! Stunden entfuͤhren/ verlieren die Zeit: Wer sich zur Reise nicht weißlich bereit/ Geht irre/ verfaͤllt zur hoͤllischen Hoͤle. 4. Bethraͤne mit Sehnen was Ubels veruͤbet/ Fall deme zu Fuͤssen der Suͤnde vergiebet! Eyfriges Ruffen und glaͤubiges Hoffen Haͤlt dir die Pforte der Himmels-Burg offen. Tenor. 1. T raurige Stimme/ bekuͤmmerte Post/ Die zagende Seele vom Leibe zu scheiden/ Behagende Freuden und Freunde vermeiden/ Wuͤrmern im Grabe gedeyhen zur Kost! 2. Sollen die Glieder so zeitlich erkalten? Zeigt sich kein Mittel die Seele zu halten? Wissen denn keine geuͤbte Chymisten/ Laͤnger den fliehenden Athem zu fristen. K 5 3. Beg- Himmel-Schluͤssel. 3. Begeben das Leben/ verlassen das Gutt/ Aechzen und lechzen nach Labsal und Trost/ Wenn sich die Wellen der Hoͤllen erbost/ Verblassen/ erstarren betruͤbet den Mutt. 4. Man dencket bekraͤncket was Jugend begangen/ Wie reiffere Jahre mit Schulden umfangen! Find sich kein Retter/ kein Buͤrge zu zahlen/ Bleibet nichts uͤbrig als Kercker und Qualen. Discant. 1. F roͤliche Zeitung/ erfreuende Post/ Von Leyden und Hertze-durch schneiden sich scheiden/ Beschwerden der Erden in Ruhe vermeiden/ Ewig geniessen die Englische Kost! 2. Lasset die siechenden Glieder erkalten/ Weiß sich die Seele nur sicher zu halten! Wenn Erd und Himmel zerschmeltzen in Flammen/ Kommen sie beyderseits wieder zusammen. 3. Wohl sterben giebt Erben zum himmlischen Gutt/ Unser Erloͤser geht selber voran/ Machet uns eben die stachlichte Bahn: Drum folget demselben mit freudigem Mutt. 4. Wie will uns veruͤbete Missethat druͤcken? Sie lieget auff JEsu geduldigem Ruͤcken. Suͤnden verschwinden und bleiben dahinden/ Wenn wir uns feste mit diesem verbinden. All e Himmel-Schluͤssel. Alle drey Stimmen. O JESU/ verleyhe bey Schmertzen Geduld/ Verzeyhe/ befreye von schwaͤrtzender Schuld! Zeige zu lezteren Stunden die Wunden/ Drinnen wir Leben und Labsal gefunden! Hilff mir wohl schliessen den irrdischen Lauff! Vater/ am Ende nimm meinen Geist auff! D es Leydens Maaß ist voll/ mein Heyland ist erblichen! Seht/ wie der holde Mund nach leztem Ruffen schweigt: Wie durch des Speeres Stich das lezte Blutt entwichen/ Wie sich das muͤde Haubt vom Creutz herunter neigt: Die Glieder hangen welck/ die ausgespannten Sehnen Erstarrt: Die fromme Schaar vergeust viel Todten-Thraͤ- nen. O Seele/ billig ists/ den HErren zu beweinen: Das reinste Seelen-Blutt soll ihm geopffert seyn/ Laß deine Lieb und Treu zu ihm noch ferner scheinen/ Und seinen Leichnam nicht am Holtze mehr entweyhn: Es bitt ihn Joseph loß/ so wirst du dich nicht schaͤmen/ Ihn von des Creutzes Stamm in deinen Arm zu nehmen. Bringt Leitern her/ den Baum des Sieges zu besteigen/ Daran der grosse Held im Tode triumphirt: Diß ist die Seule die der Simson muste neigen/ Des Dagons Schwarm verfaͤllt/ wenn diese wird geruͤhrt. Zieht nun die Naͤgel aus/ und legt die bleichen Glieder/ Zur Reinigung vom Blutt/ auff saubre Tuͤcher nieder. Wo find ich einen Ort bey diesen rauhen Klippen/ Da man des HErren Leib gemaͤchlich strecken kan? Ach wehle meine Schoß! Ach nimm von meinen Lippen/ Verstorbner Lebens-HErr/ den Kuß im Glauben an. Laß mich dein Todten-Bild fest in mein Hertze druͤcken/ Und mich in lezter Angst mit reichem Trost erquicken. Ich Himmel-Schluͤssel. Ich kan dich nicht so bald aus meinen Armen geben; Zwar ob dem Schmertzen-Bild erschauret mir die Haut. Dein Haubt ist voller Blutt/ an dem die Haare kleben/ Die Stirne gantz durchrizt/ die man verfallen schaut/ Der Augen Glantz ist weg/ der Wangen Schein entwichen/ Der suͤsse Mund gesperrt/ der Lippen Zier verblichen. Die Haͤnde sind durchbort/ die Fuͤsse sind durchgraben/ Der Ruͤcken ist durchpfluͤgt/ die Glieder ausgereckt/ Als sie dir Arm und Bein an Pfahl gespannet haben/ Der gantze Leib mit Blutt und Striemen uͤberdeckt. Wo find ich einen Ort an Schultern/ Lenden/ Rieben/ Der frey von Striemen/ Blutt und Beul und Eiter blieben? So warst du durch und durch biß an den Tod voll Schmertzen: Voll Blutt/ doch aber auch voll heisser Liebes-Glutt. Drauff sucht der scharffe Speer dir noch den Weg zum Her- tzen/ Und quillt fuͤr mich daraus die edle Doppel-Flutt: Ich kan dich laͤnger nicht in solchem Stande sehen/ Du wirst die Thraͤnen/ dich zu waschen/ nicht verschmaͤhen. Blutt schwizt ein todter Leib/ die Wunde wird geruͤget/ Wenn sie der Thaͤter ruͤhrt: O Suͤnder/ tritt herbey/ Wo JEsus GOttes Sohn verblaßt/ erstarret lieget/ So wird sich zeigen/ wer desselben Moͤrder sey. Er schwizt fuͤr Liebe Blutt/ die er zu dir getragen/ Und deine Missethat hat ihn ans Holtz geschlagen. Rufft Abels Blutt zu GOtt/ das Cain hat vergossen/ Muß Zittern uͤber ihm bey stetem Fliehen ruhn; Nun dieses theure Blutt durch dich in Sand geflossen/ Was soll sein Vater nicht an dir zur Rache thun? Erkenne deine Schuld/ beweine dein Verbrechen/ So wird diß edle Blutt fuͤr jenem besser sprechen. Klagt dort das Bruder-Blutt/ so bittet diß um Gnade; Des HErren erstes Wort am Creutz ist vom verzeyhn/ Daß er das Juden-Volck und uns der Straff entlade/ Das andre fuͤhrt den Feind mit sich in Himmel ein. Er- Himmel-Schluͤssel. Ergreiffe dieses Wort mit thraͤnendem Gesichte/ So wirst du loßgezaͤhlt fuͤr GOttes Blutt-Gerichte. Diß/ Seele/ laß dir selbst wie andern seyn gesaget/ Du bists/ fuͤr die der HErr in seiner Marter bat: Wenn dich dein boͤses Thun fuͤr GOttes Stul betaget/ So glaube/ daß er dich darvon erloͤset hat; Sprich: Da wo JEsus starb/ ist meine Schuld gestorben/ Durch seine Wunden ward mir Gnad und Heyl erworben. Nun Nicodemus koͤmmt/ und will dich/ JEsu/ fassen: Es soll dich Aloe nebst Myrrhen huͤllen ein. Ich will dich nimmer doch aus Hertz und Sinne lassen/ Du solt mein Schatz/ mein Trost/ mein Licht/ mein Leben seyn! Geh zu der kurtzen Ruh/ erwecke dich bald wieder/ Du bist des Lebens Haubt/ wir bleiben deine Glieder! L aßt Solyms Mauren Voll Freude stehen/ Ich will ins Trauren Mit JEsu gehen. Bey duncklem Schatten Mich bey ihm zeigen/ Durch Kidron watten/ Den Oel-Berg steigen. Betracht/ o Hertze/ Mit Buß’ erweichet/ Ob auch ein Schmertze Dem seinen gleichet! Schau JEsum sitzen Auff seinen Knihen/ Und Blutt verschwitzen Fuͤr Angst-Bemuͤhen. Sieh Himmel-Schluͤssel. Sieh an das Sehnen Den Zorn zu stillen/ Die bittern Thraͤnen Um deinet willen. Die bangen Stunden Sieht man sich mehren: Es wird gebunden Der HErr der Ehren. Das Mord-Geschlechte Fuͤhrt ihn gefangen/ Gleich einem Kuechte/ Mit Spieß und Stangen. Fuͤr Hohen-Priestern/ Die auff ihn zielen/ Gleich den Philistern/ Soll Simson spielen. Man tritt zusammen Und suchet Zeugen/ Ihn zu verdammen/ Das Recht zu beugen. Sein Warheit-sagen Muß Schlaͤge leyden/ Man schickt die Klagen Samt ihm dem Heyden. Was Juden tichten Ohn Scham-Erroͤthen/ Soll jener richten/ Und JEsum toͤdten. Ihr Hertze brennet Von Haß und Neyde/ Biß er vergoͤnnet Daß Unschuld leyde. Scha u Himmel-Schluͤssel. Schau/ JEsus traͤget Bedornte Krone/ Wird angeleget Zu Schimpff und Hohne Mit einem Kleide Voll Staub und Motten/ Zur Augen-Weyde Der/ die ihn spotten. Sein Angesichte Wird angespihen/ Das allem Lichte Ist fuͤrzuziehen. Man schlaͤgt die Backen Mit groben Haͤnden/ Die unserm Nacken Die Straff abwenden. Er schwimmt im Blutte Von Peitsch und Riemen/ Wird uns zu gutte Voll rother Striemen. Ach Mensch erbleiche! Fuͤr deine Suͤnden Muß GOtt der Streiche So viel empfinden. Das Holtz der Plagen Muß seinen Ruͤcken Mit schwerem Tragen Zu Boden druͤcken. Er wird durchgraben An Haͤnd und Fuͤssen/ Die Naͤgel haben Sie gantz zurissen. Er Himmel-Schluͤssel. Er hengt verachtet Bey Diebs-Gesinde/ Lechzt und verschmachtet Von Schmertz und Winde. Es naht zum Ende; Man hoͤrt das Leben In GOttes Haͤnde Den Geist auffgeben. Er schleust das Leyden Mit lautem Ruffen/ Macht durch sein Scheiden Den Himmel offen. Die offne Seite Vom Speer durchritzet Wird zum Geleite Das allen nuͤtzet: Flutt/ Blutt gemenget Fliest zu der Erden/ Wen diß besprenget Kan selig werden. Solch Labsal fange/ Betruͤbte Seele/ Wenn dir gedrange/ Aus dieser Hoͤle. So wird dein Leyden Dir leichte fallen/ Und du mit Freuden Gen Himmel wallen. Gluͤckwuͤnschungen an Bekroͤnte und Erlauchte Haͤubter. Uber die erste Kaͤyserliche Vermaͤhlung. W enn Tagus goͤldne Flutt zur Donau Perlen schickt/ Wird unser Oesterreich mit goͤldner Zeit begluͤckt. D er Große LEOPOLD sezt PERLEN in die Crone: Wir wuͤnschen neuen Glantz daher dem Kaͤyser-Throne. Uber die andere Kaͤyserliche Vermaͤhlung. W ann GLuͤCK und LEUEN-MUTT in Liebe sich ver- maͤhlen/ So kan es nicht an Lust/ an Sieg und Helden fehlen. Gluͤckseligs Oesterreich/ du hast mit deinem LEUEN Dich uͤber Sanfftmutt/ Gluͤck und Hoffnung zu erfreuen! Uber die dritte Kaͤyserliche Vermaͤhlung. W ann Rhein- und Donau-Strom in Liebe sich verbinden/ So muß sich Gluͤck und Heyl im Mittel Deutschlands finden. V erneue deine Burg/ o Oesterreichs August/ Und schau dir lange Zeit an Kaͤyser-Erben Lust! Z um dritten Bande spricht das Hoͤchste Drey den Segen/ Ihm dreyfach/ was bißher ermangelt/ beyzulegen. a 2 Kaͤy- Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte Kaͤyserliche Nahmens-Feyer. L ange lebe LEOPOLD/ Unsers Gluͤckes Mittags-Sonne. Lange lebe LEOPOLD/ Der getreuen Laͤnder Wonne/ Welchem Erd und Himmel hold/ Lange lebe LEOPOLD. Lange lebe LEOPOLD/ Daß Ihm Hahn und Monde weiche. Lange lebe LEOPOLD/ Und kein rauher Unfall bleiche Seines Zepters hohes Gold: Lange lebe LEOPOLD! Lange lebe LEOPOLD! Ewig bluͤhen seine Zweige! Lange lebe LEOPOLD/ Und die Gunst des Hoͤchsten zeige/ Daß das Gluͤck der Tugend Sold: Lange lebe LEOPOLD. Lange lebe LEOPOLD/ Wuͤnscht Elysien von Hertzen. Lange lebe LEOPOLD! Es vergeh in tausend Schmertzen Wer nicht treulich wuͤnschen wolt/ Lange lebe LEOPOLD! Geburts-Feyer/ Ertz-Hertzogs JOSEPH S/ numehro Roͤmischen und Hungarischen Koͤnigs. V erneute Kaͤyser-Burg/ mit was fuͤr hellen Stralen Bezierst du unser deutsches Land! Der Himmel muß sich dir mit neuen Farben mahlen/ Sein Purpur nehmen zum Gewand. und Erlauchte Haͤubter. Er zeigt mit Freuden an/ wie bey der Kaͤyser-Wiege Gluͤck/ Segen/ Wonn und Heyl und Cron und Zepter liege. Q uot circum cunas Augustas lumina fulgent, Tot caput Augustum felicia fata coronent: K leiner Hertzog/ großer Fuͤrst/ Izt beleuchten deine Wiege Lichter/ Fackeln/ tausendmahl; Wenn du kuͤnfftig herrschen wirst/ Sollen Gluͤck/ Triumph und Siege Dich bestralen ohne Zahl. N acht/ wir lassen dir die Wahl/ Ob dein blauer Himmels-Saal/ Oder diese treue Stadt Izt mehr helle Lichter hat. Oesterreiches Morgenstern Ist doch aller Sternen Kern/ Dieser kan uns propheceyn Stetes Heyl und Wohlgedeyn. U rbs hæc luce tibi natali tota relucet. Clarior at nostro pectore flamma micat. V iel Fackeln brennen dir/ du anderer August/ Du Hoffnung goͤldner Zeit/ der treuen Voͤlcker Lust/ Zu m Opffer; doch vielmehr das Feuer unsrer Brust. Ertz-Hertzog LEOPOLDS. wey Sternen leuchten uns in diesen truͤben Zeiten: Sie sollen Sonn und Mond an Glantz und Licht bestreiten. a 3 So Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte S o ruhen Thron und Cron auff zweyen festen Stuͤtzen/ Der Himmel wird diß Hauß in Ewigkeit beschuͤtzen! U rimus in signum devotæ lumina mentis: Illa licet pereant, non peritura fides. D ie Lichter/ die wir dir/ o Printz/ zu Ehren zuͤnden/ Sind helle Zeugen unsrer Pflicht: Sie tauren zwar die Laͤnge nicht/ Doch nimmer wird das Tocht von unsrer Treue schwinden. W ohl billig daß die Stadt in vollem Lichte steht/ Weil dir/ Erlauchter Printz/ das Lebens-Licht auffgeht/ Doch flammen keine Kertzen Wie unsre treue Hertzen. Ertz-Hertzog CARLENS. V ivat Dux CAROLUS, mundo Carolumque reduca t Francia cui tremuit, Turcia quem timuit! Vivat Dux CAROLUS, Patris Natique triumphis Lilia marcescant, pallida luna cadat! E s leb Ertz-Hertzog CARL/ und werde Carlen gleich/ Der Franckreich zittern macht ob unserm Oesterreich/ Vor dem der stoltze Tuͤrck aus deutschen Graͤntzen weich! Die Lilje muͤß ihm welck/ der Monde werden bleich! D um tibi Sol oritur nascenti, Luna recedit, Sol nobis oritur novus, Austria ridet ab Austro, Rorida gemma cadit, pallescit Turcica Luna. O neu es und Erlauchte Haͤubter. O neues Licht von Oesterreich/ Die Sonne gieng dir auff/ als du die Welt beschienen; Der Monden wurde bleich Und Stambols Monde weich/ Z um Zeichen/ daß dir Sonn und Monde sollen dienen! F uͤrsten sind das Licht der Welt und der Unterthanen Leben: Drum wir ihnen billig auch Hertz und Licht zum Opffer geben. So viel Licht- und Fackel-Stralen die geraume Stadt izt hegt/ So viel Leben/ Heyl und Gluͤcke sey dir Hertzog zugelegt! CAROLO. ARCHI-DUCI INTER PATRIS. AUGUSTI VICTORIAS. ET. TRIUMFOS SOLE. ORIENTE LUNA. PALLESCENTE RECENS. NATO CAROLORUM PRIMI. MAGNITUDINEM QUINTI. FORTITUDINEM UTRIUSQUE. FELICITATEM VITAM. VICTORIAS. TRIUMFOS! Roͤmisch-Hungarisch-Koͤnigl. Vermaͤhlung/ Gluͤckwuͤnschendes Europa. O Himmel klaͤre dich/ zeuch deine Wolcken ein! IRENE koͤmmt herbey mit goͤldnen Friedens-Schaͤtzen De s Großen JOSEPHS Thron und Reiche zu ergoͤtzen. O Himmel klaͤre dich mit hellem Sonnenschein! a 4 Laß Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte Laß ihr auff sanffte Bahn Narciß- und Rosen schneyn! Zur Friedens-Unterschrifft sieht man die Feder netzen/ So bald sie kan den Fuß auff deutsche Graͤntzen setzen: Soll nicht AMALIA die Friedens-Goͤttin seyn? Komm/ holde Koͤnigs-Braut! es eilet mit Verlangen Der Held von Oesterreich/ IRENEN zu empfangen: Der treuen Laͤnder Wunsch begleitet ihn zu dir. Es schallet durch die Lufft/ daß JOSEPH und IRENE Gluͤck/ Segen/ Wonn und Heyl in langem Leben kroͤne! So bricht die goͤldne Zeit der Welt auffs neu herfuͤr! Europa. K ommt/ Helden-Toͤchter/ kommt/ last in die Wette hoͤren/ Womit ihr seyd bereit Die Hoffnung unsrer Zeit Des Großen LEOPOLDS Sohn/ JOSEPH/ zu verehren Portugall. Ich/ weil Europens Haubt sich auff mein Kuͤssen leget/ Will erst an Reyhen gehn. Ihm soll zu Dienste stehn Was eine fremde Welt und Goa seltnes heget. Spanien. Was bringt Iberien zu seinem Doppel-Throne? Pactol und Peru fuͤhrt Was ihm zum Zins gebuͤhrt; Darzu den besten Stein aus meiner theuren Krone. Europa. Stein/ Silber/ gelbes Marck der Berg’ ist zu geringe: Der große Held verdient/ Mit dem mein Hoffen gruͤnt/ Daß man ihm zum Geschenck ein ander Opffer bringe. Engelland. Der wohlgeneigte Sinn ist offt zu schwach an Kraͤfften: Was thut denn Albion? Ich will an seinen Thron Orangen und Oliv’ an Palm und Lorbern hefften. Schw e- und Erlauchte Haͤubter. Schweden. Was hab ich rauher Nord dem Helden zu gefallen In meinem Eigenthum? Zu mehren seinen Ruhm Durch neuen Glantz und Schein verehr’ ich Berg-Crystallen. Daͤnnemarck. Was ich dir Wuͤrdiges fuͤr andern koͤnne zeigen Ist wohl nicht viel bey mir: Doch/ Koͤnig/ bleibet dir Der Daͤnen offner Sund und Hertz auff ewig eigen. Polen. Mein Bley ist viel zu schwer in Oesterreich zu fuͤhren/ Mein Saltz und Wachs zu schlecht. Doch/ steht das alte Recht/ So wird noch Haubt noch Glied die alte Gunst verlieren. Moscau. Wolt ich Siberien von Zobeln gleich entleren/ Was braͤcht ich Wuͤrdigs dar? Genung/ daß ihm ein CZAAR In seiner eignen Burg muß Lieb und Hold gewehren. Europa. Die Meinung ist wohl gutt/ die ein- und anders fuͤhret; Doch bildt euch/ Kinder/ ein Diß wird eur Gluͤcks-Stern seyn/ Und dencket nach/ daß noch was anders ihm gebuͤhret. Deutschland. Mein JOSEPH schaue nicht nach weit-geholtem Wesen/ Daß der und jener ruͤhmt. Was seinen Jahren ziemt Hab ich ihm aus der Schos der Weser ausgelesen. Welschland. Die Kaͤyser waren ja gewohnt bey mir zu wohnen: Ich sehe noch fuͤr ihn In meinen Lande bluͤhn Der Koͤnigs-Kertzen Zier/ die Pracht der Kaͤyser-Kronen. a 5 Franck- Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte Franckreich. Kommts auff die Blumen an/ so bleib ich nicht dahinden: Wie manches Fuͤrsten Hand Vom Po- und Weser-Strand Ließ ihm den liebsten Krantz in meinen Gaͤrten winden! Deutschland. Eur schlauer Geist erraͤth/ wohin mein Raͤtzel zielet! Doch/ weil mein eigen ist/ Was JOSEPH hat erkist/ So ist der Danck fuͤr mich gewonnen/ euch verspielet. Franckreich. Ist nicht die Helden-Blum aus Franckreich her entsprossen? Welschland. Vom Stocke fremder Art: Franckreich. In Gallien gepaart. Welschland. Doch daß von Welschem Blutt an seinen Stamm geflossen. Deutschland. Ich lache/ daß sie sich um fremde Blumen zancken. Wer Guelffens Felder kennt/ Die Necker-Wisen nennt/ Der suchet sie gewiß nicht ausser meinen Schrancken. Europa. Die schoͤnste Weser-Blum ist dein/ o Deutschland/ eigen. Der Deutschen Donau Strand Wird nun ihr fester Stand: Daselbsten wird ihr Glantz zu voller Bluͤte steigen. Deutschland. Blumen/ welche Braunschweig giebt/ Solln auff Pannons Auen bluͤhen? Blumen/ welche JOSEPH liebt/ Sollen neue Blumen ziehen! Blu- und Erlauchte Haͤubter. Blumen meiner Nieder-Sachsen Sollen biß an Stambol wachsen! Portugall. Lasst uns einen Blumen-Krantz Dem vermaͤhlten JOSEPH binden/ Ob gleich aller Blumen Glantz Muß fuͤr seiner Blume schwinden! Was die Gluͤckes-Inseln tragen Soll sich ihn zu zieren wagen. Spanien. Seht/ hier seyn schon ausgespreit Tuberosen und Jeßminen! Franckreich. Meine Liljen seyn bereit Seine Scheitel zu bedienen. Welschland. Roßmarin und frische Myrten Schmuͤckt den großen Voͤlcker-Hirten! Engelland. Nehmt der fetten Trifften Klee/ Und die Bluͤten goͤldner Fruͤchte! Schweden. Was auch unter Eiß und Schnee Bluͤhet/ bring ich zu Gesichte. Daͤnnemarck. See-Blum um den Belt entsprossen Soll auch nicht seyn ausgeschlossen. Moscau. Von der nahen Tartarey Will ich meinen Borez senden. JOSEPHS edle Schaͤferey Mehre sich an allen Enden! Po- Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte Polen. Draus die Bienen Honig saugen Leg’ ich fuͤr des Helden Augen. Deutschland. LEOPOLD/ den werthen Sohn Siehst du izt mit Lust vermaͤhlen. Laß dich GOTT auff deinem Thron Noch viel Enckel von ihm zaͤhlen! Die getreuen Laͤnder ruffen: GOTT bestaͤttig’ unser Hoffen! Europa. Brachtst du unserm Oesterreich/ Große Kaͤyserin/ den Segen/ Dieser soll sich auch zugleich Deinem Sohn zur Seite legen/ Und von JOSEPHS schoͤnem Bronnen Komme Deutschlands Heyl geronnen! Uberschrifft auff die Grufft Hertzog CARLS von Lotthringen/ sieghafften Kaͤyserlichen Generalissimi. S o geht zur Mittags-Zeit der Tugend Sonne nieder/ Und laͤst die schwartze Grufft verdunckeln ihren Schein/ Nein: Ihre Stralen schleust kein duͤstres Grabmahl ein/ Ihr Ruff schallt in der Lufft wie Memnons Saͤule wider. Muß hier der theure Zweig von Boullion verwesen/ So kan man seinen Ruhm doch bey den Sternen lesen. Vor CARLES großen Geist war Lotthringen zu enge; Nachdem er keinen Raum in seinen Graͤntzen fand/ So waren Ost und West sein Sitz und Vaterland. Der Rhein- und Donau-Strom zaͤhlt seiner Thaten Menge. Er hieß die stoltze Sonn in vollem Lauffe stehen/ Den Monden von Byzanz in truͤben Wolcken gehen. Uber und Erlauchte Haͤubter. Uber die Grufft dessen Gemahlin ELEONORA verwittibter Koͤnigin in Polen/ gebohrner Ertz- Hertzogin von Oesterreich. Z wey Kronen trug ich hier/ des Creutzes und der Polen: Izt will ich mir die lezt’ und best’ im Himmel holen. E s war Fuͤrst MICHAEL mein erster Braͤutigam/ Der Thron Sarmatiens fuͤr mich die Morgengabe. Mich liebte wohl vergnuͤgt/ doch ohne Reich und Land/ Der Held von Lotthringen: Izt reichet mir die Hand Der Ertz-Fuͤrst Michael/ der Fuͤrst aus Juda Stamm/ Wo ich um Kron und Thron nicht ferner Kummer habe. W ann Tugend jederzeit ihr Gluͤcke koͤnte machen/ So schriebe man von mir viel ungemeine Sachen: Doch muß der beste Ruhm das groͤste Gluͤcke seyn/ Wenn Großmutt und Verstand beysammen treten ein; Wo sich die Froͤmmigkeit/ wie hier/ damit verbindet/ So ist der Grund gelegt/ daß kein Geluͤcke schwindet; Was in der Zeit nicht koͤmmt/ muß nach der Zeit geschehn: Die Welt wird dieses noch an meiner Nachkunfft sehn. Pindarische Ode Uber das Hoch-Fuͤrstl. Braunschweig-Luͤnebur- gische bey Philippsburg und in Bulgarien vergossene Helden-Blutt. Satz. T heurer Stamm von alten Helden/ der fuͤr Deutschlands Freyheit wacht/ Der vermeinten Welt-Bezwinger Macht und List zu nichte macht/ Wann dein kuͤhnes Fuͤrsten-Blutt fuͤr das Heyl der Christen- Welt / Fuͤr Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte Fuͤr des Rhein-Stroms Sicherheit kaͤmpffend in den Sand verfaͤllt/ Soll man dir mehr heiße Zaͤhren Oder Ruhm und Danck gewaͤhren? Gegen-Satz. Deine Großmutt ist zu groß unsre Klagen zu verlangen: Nicht Cypressen/ Lorbern nur/ solln bey deiner Trauer prangen. Unsre Wehmutt ist zu schwach/ unsre Thraͤnen zu geringe/ Daß man fuͤr so theures Blutt sie zum treuen Opffer bringe: Drum wir mit erstarrtem Schweigen Unsre Traurigkeit bezeigen. Abgesang. Ertz und Jaspis kan den Helden fuͤr ein Grab-Mahl nicht be- stehn/ Purpur-Dint’ und goldne Farben sind zu blaß sie zu erhoͤhn/ Schwanen-Federn sind zu hart/ und zu heischer unser Mund/ Ihr Verdienst und unser Leyd nach Gebuͤhr zu machen kund/ Beydes bleibt ins Hertz gepraͤget Und der Nachwelt beygeleget. Auff die gluͤckliche Eroberung der Festung Ofen in Hungarn. F reue dich du edles Land/ Welches von den wilden Scythen Und des Tuͤrcken strenger Hand So viel Qual bißher erlitten! Deine schwere Faͤssel springen/ Und du kanst gewonnen! singen. Guͤtt und Treue sind bereit Deine Graͤntzen zu umschluͤssen/ Frieden und Gerechtigkeit Werden sich ins kuͤnfftig kuͤssen/ Wuͤtten/ Wuͤrgen/ Rauben/ Brennen Wirst du nur von ferne kennen. Unsre und Erlauchte Haͤubter. Unsre Sonn aus Oesterreich/ Welche keine Nebel daͤmpffen/ Machet Oßmans Monden bleich; LEOPOLDS gerechtes Kaͤmpffen/ LEOPOLDS begluͤcktes Kriegen/ Weiß von nichts als lauter Siegen. Mechmets Hochmutt faͤllt dahin/ Und der Christen Volck hat Ofen/ Hatwan/ Erla/ Segedin/ Weissenburg sind seine Zofen/ Temeßwar/ Canischa zittern/ Essecks Bruͤcke muß zersplittern. Tuͤrcke/ Waradein war dein/ Bald verehrt es unsern Kaͤyser/ Wo der Bulgarn Graͤntzen seyn/ Bluͤhn ihm frische Sieges-Reiser. Adrians erschrockne Thuͤrne Bitten uns mit Furcht die Stirne. Bullions beruͤhmtes Blutt Laͤst sich keine Muͤhe dauren/ Denckt mit unerschrocknem Mutt Allbereit auff Solyms Mauren/ Bojus weist/ wie Deutsche Fuͤrsten Stets nach Ruhm und Ehre duͤrsten. Wittekinds und Brennus Sohn Lassen ihre Waffen schauen/ Deutsch und fremde Nation Ficht die Wett’ auff Pannons Auen. Maͤrcker/ Schwaben/ Sachsen/ Fꝛancken Streiten/ stuͤrmen sonder wancken. Zwar das Grab wird hier bestellt Manchem theuren Christen-Ritter/ Aber/ wer so ruͤhmlich faͤllt/ Dem ist Wund und Tod nicht bitter; Auff dem Ehren-Bette sterben Heist unsterblichs Lob erwerben. Nicht Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte Nicht nur vieler Jahre Zahl Und die Reyhe grauer Ahnen/ Nicht ein praͤchtig Ehren-Mahl Und die stoltzen Leichen-Fahnen/ Tugend muß dabey das Leben Und den wahren Nachruhm geben. Was ist eine Hand voll Zeit/ Die wir laͤnger Athem ziehen/ Gegen langer Ewigkeit? Uns ereilt doch was wir fliehen. Besser jung mit Ruhm gestorben/ Als durch langes Weh verdorben. Edlen steht der Degen au/ Land und Kirche zu verfechten: Wer hier seine Pflicht gethan/ Traͤgt die Krone der Gerechten. Vor dem Christen-Feinde sterben Heist das Reich der Christen erben. Nur der Coͤrper faͤllt in Sand/ Nur die Asche wird begraben; Fama schreibt in Diamant Welche wohl gefochten haben/ Spaͤte Nachwelt wird die Helden/ Die vor Ofen blieben/ melden. Lasst dem Hoͤchsten/ ders gethan/ Danck- und Freuden-Lieder schallen/ Zuͤndet Freuden-Feuer an/ Lasst Mußquet und Stuͤcke knallen/ Heget Spiele/ last die Saͤiten Toͤdten alle Traurigkeiten. LEOPOLD du grosser Fuͤrst/ Wir erkiesen schon mit Freuden/ Wie du kuͤnfftig herrschen wirst/ Wo der Thracer Heerden weiden. Oesterreich wird ewig bluͤhen/ Und zu Stambol Erben ziehen. Unsr e und Erlauchte Haͤubter. Unsre Pflicht soll Leib und Gutt Dir zu treuen Diensten weyhen/ Und der hegt kein deutsches Blutt/ Der nicht wird mit Freuden schreyen: Oesterreich soll ewig bluͤhen Und zu Stambol Erben ziehen! BUDA CADIT! CASU felici Buda RESURGIT Turcaque Cum gemitu fugit indignatus ad Orcum. Spectat Exitium \& Flammas Urbis Excidium suorum Trux Thracum Exercitus Fremit, gemit, tremit, \& fugit. Urbs redit ad Dominum, qui fuit ante, suum. Felix mutatio Captivitatis in Libertatem Superstitionis in Religionem, Barbaræ Tyrannidis in Mite Imperium! ORIENTI Sol oritur ab Austro: Aperto Claustro reperta Clavi Ottomannici vasti Dominatus mole ruentis sua Majoribus via victoriis aperitur. Oritur Bosphoro Phosphorus Propinquæ lucis nuncius Oræ Pannonicæ Aurora: Noctifugo Solis Austriaci Splendori in ipso Pleni-Lunio b Nocti- Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte Noctiluca Thracum Luna cedit. Siderata Turcarum Arma Veluti Sidera Sub adventum Diei, Toto fugiunt perterrita Cœlo: AQUILÆ VICTRICIS . non Carmina, sed Arma Cœlo possunt deducere Lunam. Vesirius: Væ! Sirius! Syriæ Canis, occidit. Sol Augusti Per Augustum in Leone Martio versatus VIRGINEM Secunda Septembris Ante sesqui Seculum raptam Secunda Septembris Secundis ominibus ingreditur. SPICAMO Regia Spes \& Sedes Sub Bootis Barbari pede languentem erigis. Quam Ego Post aliquot tua Regna videns mirabor Aristas! Vivant Heroes Paranymphi Tibi Constantinopolim, Solymas sociaturi! VIVAT LEOPOLDUS VICTOR! TRIUMFATOR! Be- und Erlauchte Haͤubter. Bestuͤrmtes Tuͤrckisches Lager und gewonnene Feld-Schlacht an der Donau/ gegen Semlin in Sclavonien/ den 19. Augusti An. 1691. Satz. Die Sau. W as will sich fuͤr ein muttig Heer Zu meinem stoltzen Ufer nahen? Der Thrazer kuͤhne Gegenwehr Hemmt so getrostes Unterfahen. Bezaͤhmte Bojus meinen Ruͤcken/ So soll es izt nicht mehr geluͤcken. Ob Belgrad in dem Sturm erlag/ So war auch Buda schon bezwungen. Nun ist durch einen Pulver-Schlag Der Christen Gluͤcke weggesprungen. Es soll an meinen frechen Wellen Ihr Sturm und Mutt zuruͤcke prellen. Wer zaͤhlet wie manch kostbar Zelt Mein Lust-Gefild anizt bekleidet? Wie manches Stuͤck ist auffgestellt? Wie manch Cameel und Pferd hier weydet? Wer will den Deutschen offenbaren Was sich allhier fuͤr Voͤlcker paaren? Was von den Hungarn uͤbertrat/ Was Boßnien nur kan entbehren/ Was Bulgarey Verwegnes hat/ Das weiß ich einem zu gewehren; Das Reich Dalmatiens/ nicht minder Albanien weist seine Kinder. Bastarn und Gete schuͤtzen mich/ Der Araber denckt Raub zu holen/ Natolien versammlet sich/ Und Africa schickt Volck wie Kohlen/ b 2 Die Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte Die frechen Scythen und Odrysen Bedecken meine gruͤne Wiesen. Wie wird von mir das Volck genennt/ Das um das rothe Meer entsprossen/ Und kaum ein Christ von Nahmen kennt? Ich hab auch solche Bunds-Genossen/ Die selbst mit Christen-Kunst und Waffen Die Christen wissen zu bestraffen. Man schanzt das grosse Lager ein/ Es wird mit Lust und Kunst gestritten/ Doch wird mein Volck nicht feige seyn Der Helden-Schaar den Kopff zu bitten/ Wenn sie mit Hitz und Durst bekraͤncket/ Sich halb gezwungen an uns hencket. War unsers Mechmets Gluͤcke todt/ So kont es Solymann erwecken/ Und leidt es auch bey diesem Noth/ Wird Achmet neue Siege hecken; Ja/ eh es solte gantz verderben/ Muß Mustapha den Zepter erben. Hier ist der kluge Groß-Vezir/ Der Oßmanns Reich kan unterstuͤtzen; In dessen Schutze wollen wir Forthin nach alter Weise sitzen. Niemand soll sich an mich mehr reiben: Sclavonien wird Sclave bleiben. Gegen-Satz. Die Donau. W as bildet ihr die Sclavin ein Die grausen Flutten auffzublehen? Soll dir denn eine Freude seyn Das und Erlauchte Haͤubter. Das Land in Dienstbarkeit zu sehen? Soll ich/ zu decken deinen Ruͤcken/ Auffs neue Schiff und Helden schicken. Ob Belgrad durch der Flammen Wutt Aus Christen-Haͤnden ward gerissen/ So wisse/ daß aus diesem Blutt Wird eine scharffe Rach entsprissen; Den Muselmaͤnnern zum Verderben Wird sich dein Strom mit Blutte faͤrben. Was ruͤhmest du manch kostbar Zelt? Der Sieger weiß sie schon zu zaͤhlen. Bedeckt ein grosser Schwarm dein Feld/ Es wird ihm bald am Raume fehlen. Schau/ wie ein kluger Printz von Baden Sich fertig macht zu ihrem Schaden. Sind dort der tollen Voͤlcker viel/ Hier ist der Kern/ ob nicht die Menge. Der fremden Waffen Gauckel-Spiel Vermehrt des Fuͤrsten Siegs-Gepraͤnge. Ost/ Sud/ Nord/ West bringt Lorbeer-Reiser Fuͤr ihn und unserm Großen Kaͤyser. So manch entlegne Voͤlckerschafft Vom Mittag und der Sonnen Wige/ Diß Heer zusammen hat gerafft/ So manches Zeugniß unsrer Siege Erschallet in entfernte Lande Zur Christen Ruhm/ der Tuͤrcken Schande. Du selbsten wirst den Ruff darvon Mit mir zum schwartzen Meere bringen. Wie traurig wird mein Freuden-Thon In Bunds-Verwandten Ohren klingen! Die Straffe/ die der Tuͤrck empfunden/ Wart solcher Christen alle Stunden. b 3 Das Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte Das feste Lager hilfft hier nicht/ Es wird mit Freudigkeit bestritten/ Biß man durch Daͤmm und Pforten bricht/ Wodurch der Feind heraus geritten/ Den Durst mit Tuͤrcken-Blutt abspuͤhlet/ Die Hitz in ihren Adern kuͤhlet. Macht ledig/ und ersezt den Thron/ Erwuͤrgt und faͤsselt Oßmanns Erben/ Nehmt Vetter/ Vater oder Sohn/ Es soll doch keiner sieghafft sterben. Des hoͤchsten GOttes Zorn und Rache Beschuͤzt der Christen rechte Sache. Erkenne forthin den August/ Der dir die Faͤssel laͤst benehmen. Was darff sich deine stoltze Brust So Edlen Uberwinders schaͤmen? Kein Knecht soll sich an dich mehr reiben: Die Sau soll frey und Christlich bleiben! Nach-Klang. Die Sau. I ch kenne dich/ beruͤhmter Ister/ Nachdem die Blende weggethan. Wir lauffen/ als vertraut Geschwister/ Numehr in ungehemmter Bahn/ Mit vollem Strom des Pontus Wellen Die Thaten GOttes fuͤrzustellen. Der Barbarn Macht hielt mich gefangen/ Umschraͤnckte meinen freyen Mund: So bald sie von mir weg gegangen Und deinem Ufer naͤher stund/ Erhob ich meinen Kopff/ zu schauen Was fuͤrgieng um Semliner Auen. Gra- und Erlauchte Haͤubter. Gradiv verzwillingte sein Draͤuen/ Saturn ließ saure Stralen gehn; Ich sah ein Heer voll kuͤhner Leuen In Salankemens Feldern stehn: Zu sterben/ oder obzusiegen War nur ihr Wuͤnschen und Vergnuͤgen. Auff ihrer Stirne brañt ein Feuer Voll Mutt/ nicht von der Sonnen Glutt. Kein Helden-Blutt war hier zu theuer/ Man wagt es fuͤrs gemeine Gutt/ Der staͤrckre Feind kan hinter Graben Und Wall die Sicherheit nicht haben. Hie dient die freye Brust zum Walle/ Auff jenen steigt der kecke Fuß/ Ob gleich von Pfeil/ von Stahl und Knalle Der Stuͤcke mancher fallen muß/ So faͤllt er doch nicht ungerochen/ Sieht noch wie andre durchgebrochen. Man weicht/ doch wieder anzusetzen/ Und zu verdoppeln seine Krafft/ Man acht kein Sterben/ kein Verletzen/ Weil keine Furcht im Hertzen hafft/ Weil nimmer-welcke Sieges-Kronen Den theuren Schweiß/ das Blut/ belohnen. Die Barbarn trauen ihrer Menge/ Gehn endlich in das weite Feld; Wie bald wird ihnen diß zu enge/ Weil Hertz und Haubt zusammen haͤlt/ Sie wieder in das Lager zwinget Und selbst in ihre Nester dringet! Wie schau ich ihre Haͤubter fliegen/ Die Fahnen fallen in den Sand: Die Christen muͤssen voͤllig siegen/ b 4 Der Gluͤckwuͤnschungen an gekroͤnte Der Todten Zahl bedeckt das Land. GOtt zeigt/ wie er durch wenig Haͤnde Zu machen weiß des Hochmutts Ende. Komm/ Schwester Drav/ und hilff besingen Die Helden/ die den Feind verjagt/ Laß denen Ehren-Saͤulen bringen/ Die Geist und Leben hier gewagt: Doch nein: Ihr Ruhm soll noch bestehen Wenn Ertz und Marmor untergehen. Sieghaffte Bestuͤrm- und Eroberung des Tuͤrcki- schen Lagers bey Senta an der Theisse/ den 11. Septembr. An. 1697. Die Donau. T oͤchter/ auff Triumph zu singen! Hebt eur schilfficht Haubt empor/ Lasst der feuchten Nimphen Chor Siegs- und Freuden Lieder klingen! Lasst eur Silber heller fliessen Pannons Auen zu begiessen. Oßmann wagt sich/ meinen Flutten/ Welche frey in Thetis Reich Flossen vor und hinter euch/ Zaum und Faͤssel anzumutten; Aber deutsche Helden Sinnen Halten seinen Hochmutt innen. Die Teiße. Schwestern/ lasst mich in dem Reyhen An der ersten Stelle seyn! Di e- und Erlauchte Haͤubter. Dieser Sieges-Tag ist mein/ Der uns alle kan erfreuen. Von der Tuͤrcken Stoltz und Zagen Kan ich euch am besten sagen. Meinen Strom hielt fest gezwungen Mechmets ungestuͤmer Schwarm/ Aber kuͤhner Christen-Arm Hat den tollen Feind verdrungen: Seinen unverzagten Streichen Musten Get und Parthen weichen. Wall und Graͤben sind erstiegen/ Wo der freche Janitschar Seiner Brust gesichert war/ Sieht man ihn entkraͤfftet liegen; So viel Tuͤrcken-Koͤpff als Fische Schick ich Hecaten zu Tische. Die Sau. Theiße/ du warst noch zuruͤcke: Nun dir dieser Tuͤrcken-Krieg Auch gegoͤnnet solchen Sieg/ Wuͤnsch ich dir von Hertzen Gluͤcke: Was ich sah fuͤr etlich Jahren Laß uns GOtt noch offt erfahren! Die Drav. Temes/ schicke dich bey Zeiten Unserm Großem LEOPOLD/ Der die Faͤssel kehrt in Gold/ Furth und Pforten zu bereiten! Was vergangnes Jahr verschoben Ist darum nicht auffgehoben. b 5 Die Gluͤckwuͤnschungen an gekr. und Erl. Haͤubt. Die Donau. Kommt ihr treuen Reichsgenossen/ Fuͤhrt zum fernen Pont Euxin Derer Helden Nachruhm hin/ Die fuͤr uns ihr Blutt vergossen. Last mit unsern frischen Wellen Stets ihr Lob von neuem quellen. So viel Tropffen in uns fliessen/ So viel Stauden um uns stehu/ So viel Heyl und Wohlergehn Soll/ der uns befreyt/ genuͤssen! LEOPOLDS und JOSEPHS Gluͤcke Geh nicht eh als wir zuruͤcke! Leichen- und Ehren-Gedichte. Leichen-Gedichte. Auff den Tod Hertzog GEORGE WIL- HELMS/ lezten Piastischen Fuͤrstens zu Li- gnitz/ Brig/ und Wolau. F liesst nasse Thraͤnen/ fliesst auff Wangen und Papier/ Das lezte Koͤnigs-Blutt Sarmatiens liegt hier: Der Purpur/ der ihm war von Ahnen angeerbt/ Hat seinen siechen Leib umkleidet und gefaͤrbt. Fliesst milde Thraͤnen fliesst auff Wangen und Papier/ iastens lezter Zweig/ der Edle Fuͤrst/ liegt hier/ Der hohe Cedern-Baum versinckt mit ihm ins Grab/ Der durch achthundert Jahr dem Lande Schatten gab. Fliesst truͤbe Thraͤnen/ fliesst auff Wangen und Papier/ Des Großen Kaͤysers Lust/ der kluge Fuͤrst/ liegt hier. itz hub ihn vor der Zeit auff seinen Fuͤrsten-Thron: Der Blitz des Todes fuͤhrt ihn vor der Zeit darvon. Fliesst dicke Thraͤnen/ fliesst auff Wangen und Papier/ D as Auge Schlesiens/ der theure Fuͤrst/ liegt hier/ D er truͤbe Himmel weint/ die Sonne birgt ihr Licht/ W eil dir/ Erlauchtes Haubt/ die Lebens-Sonne bricht. Fl iesst heiße Thraͤnen/ fliesst auff Wangen und Papier/ D er treuen Laͤnder Schutz/ der werthe Fuͤrst/ liegt hier. D er seinem Ur-Ahn solt an Jahren gleiche gehn/ sst uns an Jahren jung betruͤbte Waͤysen stehn. Fl iesst bittre Thraͤnen/ fliesst auff Wangen und Papier: D er Unterthanen Schatz/ der liebste Fuͤrst/ liegt hier/ I hr Hertze neben ihm. Es decket eine Grofft/ W as sie geliebt/ geehrt/ gewuͤnschet und gehofft. Fliesst Leichen-Gedichte. Fliesst bluttge Thraͤnen/ fliesst auff Wangen und Papier/ Der Tugend Ebenbild/ der fromme Fuͤrst liegt hier: Die Kirche GOttes weint/ der hohe Richtstuhl klagt/ Das gantze Land erseuffzt/ erbebet/ aͤchzt und zagt. Fliesst herbe Thraͤnen/ fliesst auff Wangen und Papier/ Der jungen Helden Preiß/ der tapffre Fuͤrst/ liegt hier. Doch hat der Tod nur dem/ was sterblich/ obgesiegt/ Die Seele wird bey GOtt mit Ehr und Ruh vergnuͤgt. Fliesst bange Thraͤnen/ fliesst auff Wangen und Papier: Der selge Fuͤrst ruht wohl: Wo aber bleiben wir? HErr/ nimm dich unser an/ erhalt uns durch dein’ Hold Die suͤsse Friedens-Ruh/ und unsern LEOPOLD. Das eintzele Grab zweyer Verliebten zu Lyon. K ein leichtgesinnter Mensch mit wanckelhafften Fuͤssen Beflecke diesen edlen Stein/ Er muß mehr hart/ als Felsen seyn/ Im Fall ihn dieser Ort nicht soll zu schrecken wissen. Wo Asche reiner Brunst in Marmor ist begraben/ Wo Liebe Zeit und Tod besiegt/ Wo Redligkeit und Treue liegt/ Zwey Hertzen einen Sinn und eine Grabstaͤtt haben. Klage uͤber den toͤdtlichen Hintritt Herrn George Friderichs von Abschatz/ Koͤnigl. Mann-Recht- Sitzers und Landes-Eltisten des Fuͤrsten- thums Breßlau. I ch/ zweyer Vaͤter Sohn/ ein Wahlkind fremder Guͤtte/ Muß izt zum andern mahl verlassne Waͤyse seyn. Ich war ins fuͤnffte Jahr nicht laͤngst getreten ein/ Als mir entzogen ward mein Vater von Gebluͤtte/ Sein Bruder zeigte sich als Vater von Gemuͤtte/ Vor- Leichen-Gedichte. Vorsorge/ Zucht/ Verlag und eigner Tugend Schein War Fackel/ Stab und Bahn zu meinem Wohlgedeyn. Nun seh ich wie der Tod mein Gluͤck auffs neu zerruͤtte. Gedult! der Hoͤchste wird noch ferner Vater bleiben. Dein Nachruhm/ edler Freund/ schwebt um des Him̄els Pol. Der reinen Seelen gehts in GOttes Haͤnden wohl: Ich will zur Danckbarkeit auff deine Grabstaͤtt schreiben: Durch Tugend und Verstand nach wahrer Ehre streben Heist seinen Ahnen gleich/ wie der von ABSCHATZ/ leben. Auff das selige Absterben Frauen Anna Magda- lena Abschatzin gebohrner Reibnitzin. D ich solt ich/ Edler Geist/ und deiner Tugend Gaben/ So dich ins Sternen-Reich numehr versetzet haben/ Nach meiner Schuldigkeit durch kluger Worte Zier Zu ehren seyn bemuͤht; allein es heist mit mir: Wo Thraͤnen auffs Papier und in die Dinte schiessen/ Kan kein gelinder Reim aus reiner Feder fliessen. Da/ wo der schwartze Rock allein im Leyde gehet/ Der Florne Feder-Pusch zum Sprunge fertig stehet/ Und nach dem Winde tanzt/ wenn der gezwungne Fuß Sich irgends auff ein Jahr davon enthalten muß/ Kan wohl der freye Sinn ein schoͤnes Grab-Lied schreiben. Doch daß nicht meine Pflicht mag gantz zuruͤcke bleiben/ So soll der Seligsten die kurtze Grabschrifft stehn: Nein Leser/ der du wirst die Grufft voruͤber gehn/ Ein Schatz der Froͤmmigkeit/ ein Spiegel Edler Frauen/ ieß hier/ was sterblich war/ der Erden anvertrauen. hr wohlverdienter Ruhm wird in viel Hertzen leben/ iß sie des Hoͤchsten Hand wird in den Himmel heben. errn Wolff Caspars von Hund/ Roͤm. Kaͤyserl. Najest. wohl-verdienten Hauptmanns/ und des Fuͤrstenthums Lignitz Landes-Eltistens. wey Dinge sind/ die sich im Grabe nicht begraben/ Die/ wann der Leib verdirbt/ vom Tode bleiben frey: Der Leichen-Gedichte. Der Nach-Ruff/ welchen uns die Tugend leget bey/ Die Seele/ welche wir von GOtt empfangen haben. Kein unverzehrlich Tacht/ kein immer-brennend Licht Gleicht dieser Himmels-Flamm und hellem Zunder nicht; Weñ gleich solt Oel und Schein erblaßter Sternen schwinden/ Laͤst sich der beyden Glantz noch unvertunckelt finden. Das Unverweßlich-seyn sucht Morgenland vergebens/ Die theurste Specerey ist selbst verderblich Gutt/ Ertz/ Steine/ Saͤulen zwingt Zeit/ Sturm/ Wind oder Glutt Der beste Balsam ist der Nachruhm reines Lebens/ Wer dieses Kleinod zu der Ahnen Schilde legt/ Das Bild der Gottesfurcht in seine Seele praͤgt/ Lebt in und ob der Welt/ und wenn sich die begraͤbet/ So weiß er/ daß er doch die Zeit selbst uͤberlebet. Hier liegt der edle Geist verstrickt in seinen Banden/ Das allzu schwere Fleisch/ der Eitelkeiten Koth/ Klebt seinen Fluͤgeln an/ doch kennt er keinen Todt: Wann die gewuͤnschte Zeit der Freyheit ist verhanden/ Im Fall ihn nicht die Last der Laster unterdruͤckt/ Und in das schwartze Reich betruͤbter Naͤchte schickt/ So klimmt er an das Licht/ und uͤbersteigt die Sonne/ Bewohnt bey GOttes Thron das Reich der steten Wonne. Die Duͤnste dieser Welt umnebeln das Gesichte/ Ein neidig Auge streicht der Sonne Flecken an. Man mindert oder mehrt was der und du gethan/ Wenn unser Lebens-Licht verloͤscht/ so wird es lichte. Wenn Lust und Nutz entweicht/ kein Zwang uns mehr umgiebt So ruͤhmt und schilt die Welt/ was ieder ausgeuͤbt. Der Fuͤrnis springet ab/ die wahren Lebens-Farben Erheben unsre Zier/ entbloͤßen unsre Narben. Wir sencken zwar nunmehr die abgelebten Glieder Des Edelen von Hund mit Thraͤnen in die Grufft: Das beste Theil von ihm hat GOtt zu sich gerufft/ Sein wohl verdienter Ruhm schallt aus dem Grabe wider. Die Plagen dieser Welt/ das Siechthum dieser Zeit Ersetzet ihm nunmehr die Schos der Ewigkeit: Der Leichen-Gedichte. Der muͤde Leib verschlaͤfft/ der Geist darff nimmer fuͤhlen Die Stuͤrme/ welche noch auff unsre Haͤubter zielen. Rom ziert des Siegers Haubt mit gruͤnen Lorberzweigen/ Durch saure Muͤh errang der Kaͤmpffer seinen Preiß/ Die Ehre des Triumphs erworben Blutt und Schweiß; Hat nicht die theure Seel izt gleichen Schmuck zu eigen? Auff Streiten folget Sieg/ auff Arbeit Ruh und Lohn; Sie traͤget beydes izt von GOtt bekroͤnt darvon/ Kan gegenwaͤrtig sehn/ vor-wissen und genuͤssen/ Was wir im Schatten nur zu Trost und Hoffnung wissen. Das Tuschwerck dieser Welt/ der ungewisse Schimmer Verfuͤhret ferner ihr verklaͤrtes Auge nicht: Sein heller Leitstern ist das ungeschaffne Licht: Vor war der enge Leib/ der Himmel izt/ ihr Zimmer. Knallt hier die Mord-Carthaun/ und draͤut des Saͤbels Wutt/ Kein Unfall ficht sie an/ kein Feind entfuͤhrt ihr Gutt; Wird hier der Mensch durch Streit und Sorgen abgezehret/ Ihr ist die volle Gnuͤg und suͤsse Ruh gewaͤhret. Die kurtze Lebens-Zeit durch kluge Thaten strecken/ Durch freye Tapfferkeit dem Tode beugen fuͤr/ Dem man entgegen geht/ ist deren beste Zier/ Die ihrer Eltern Schild zur Tugend soll erwecken. So steckte der von HUND durch tugendhafften Lauff/ Bey seiner Ahnen Helm noch neue Naͤgeln auff/ Sein angeerbter Ruhm/ durch eignes Lob erhoͤhet/ Verfaͤllt nicht/ weil die Welt und diese Grabschrifft stehet: Der Tugend festen Grund legt ich in jungen Jahren: Was meiner Ahnen Faust erwarb zu ihrer Zeit/ Das pflanzt ich weiter fort durch eigne Tapfferkeit; Wie edel mein Gemuͤtt/ hat Freund und Feind erfahren. Ich diente sonder Scheu und treulich GOtt und Land/ Drum bot mir Gnad und Gunst von Hoch- und Niedern Hand. Muß ich der Jahre satt/ das irdsche Leben schluͤssen/ Viel Tugend-Naͤgeln solln aus meinem Grabe sprissen. c Frauen Leichen-Gedichte. Frauen Eva von Nimtschin gebohrner von Kottwitzin. E in Ausbund aller Froͤmmigkeit/ Der Schmuck vom keuschen Frauen-Stande/ Vertraute diesem schlechten Sande Der edlen Seele duͤrfftigs Kleid. Kan wohl jemand ein schoͤner Grabmahl haben? Die Tugend selbst hat sich mit ihr begraben. Verwest der Leib; der Nachruhm waͤhrt/ Und wird/ wie schlecht er hier geschienen/ Mit Geist und Welt die Wette gruͤnen Von Sorg’ und Siechthum unversehrt. GOTT hat ihm selbst den Schatz zur Braut erlesen/ Deß diese Welt nicht laͤnger werth gewesen. Auff Frost und Mertzen folgt der Maͤy/ Auff Wind und Schnee der Sonne Blicken; Sie troͤstet ewiges Erquicken/ Nachdem der Erde Sturm vorbey. Wir sehn ihr nach; Ihr steht schon frey und offen/ Was wir zum Trost nach so viel Thraͤnen hoffen. Herrn Heinrichs von Schweinitz/ Chur-Fuͤrst Durchlaucht. zu Sachsen Obrist- Lieutenants. H ier liegt ein Rittersmann/ den Schlesien gebahr/ Den Sachsen aufferzog und mit zu Felde fuͤhrte/ Den Tapfferkeit/ Verstand und Froͤmmigkeit bezierte/ Der sich am Rheinstrom gab zu kennen was er war/ Der Wien befreyen halff von Mechmets frecher Schaar/ Der/ was ein Deutscher kan/ zu See und Land probirte/ Deß kuͤhnen Helden-Mutt Moreens Krone spuͤrte/ Der Cefala beschuͤzt in stuͤrmender Gefahr. D Leichen-Gedichte. Den keine Noth geschreckt/ kein Barbar uͤberwand/ Den hat der fruͤhe Tod zur besten Zeit bezwungen; Doch ihn nicht/ nur den Leib: die Seel in GOttes Hand/ Der unverblichne Ruhm schwebt auff viel tausend Zungen. Was wiltu Schlesien mehr Thraͤnen lassen fliessen Als Sachsen/ Grichenland/ zu seiner Asche giessen. VIATOR SISTE. GRADUM HEIC HENRICUM. DE. SCHWEINIZ. ET. CRAIN EQUITEM. SILESIUM GENERE. NOBILEM. CLARUM. MERITIS PRO- TRIBUNUM. LEGATUM. LEGIONIS. SAXONICAE POST. FORTITER. SUSCEPTAS AD. RHENUM PRO. DEFENDENDA. GERMANIA CONTRA. GALLOS AD. DANUBIUM PRO. LIBERANDA. VIENNA CONTRA. TURCAS AD. JONIUM. ET. AEGAEUM. MARIA PRO. EXPUGNANDA. PELOPONNESO CONTRA. BARBAROS EXPEDITIONES POST. TERRA. MARIQUE. PARTAS. LAURUS POST. PROFLIGATOS c 2 AU- Leichen-Gedichte. AUSPICIIS. VENETIS. COPIIS. SAXONICIS QUARUM. IPSE. PARTEM. DUXIT PROPE. CALAMATAM. CORONAM THRACUM. EXERCITUS OCCUPATAS. CORONAM. MODONAM. NO- VARINUM ALIASQUE. MOREAE. URBES CONSERVATAM. CONTRA. IMPETUS. OBSI- DENTIUM. CEFALIAM DELIIS. ORNATUM. FOLIIS. DUCEM JUVENEM. ANNIS SENEM. MERITIS AB. HOSTE. INVICTUM NON. NISI. MORTI. VINCENDUM VIX. ANNOS. VITAE. TRIGINTA. OCTO. NU- MER ANTEM IN. MEDIO. GLORIAE. CURSU. MORS. IMMA- TURA. STITIT CONDOLE. PATRIAE CONDOLE. FAMILIAE TANTAE. SPEI. HEROEM. TAM. SUBITO PERDENTI APPLAUDE. VICTORI IN. COELIS. TRIUMPHANTI. Herrn Hañs Friderichs von Schweinitz/ Chur Fuͤrstl. Saͤchß. Obrist-Lieutenants. W as nuzt die Tapfferkeit/ was hilfft der freye Mutt/ Nun Schwartzens schwartze Kunst mit Rauch und Re- bel spielt/ Nach Leichen-Gedichte. Nach Meuchelmoͤrders Art auff frische Helden zielt/ Und offt ein feiger Knecht erlegt das kuͤhnste Blutt? Nun unter Wolck und Dampff der Buͤchsen und Granaten Verborgen muͤssen seyn die besten Helden-Thaten? Ich/ eines Helden Sohn/ hab als ein Held gelebt; Das Kriegs-Spiel war mein Spiel von zarter Jugend an: Ich lieff mit Freudigkeit die strenge Ritter-Bahn/ Auff der des Adels Fuß nach wahrer Ehre strebt. Mein Feld-Herr hat erkennt/ mein Feind hat selbst gepriesen Wie ich in Stadt und Feld mich unverzagt erwiesen. Vors Vaterland hab ich mein Leben auffgesezt: In meinen Diensten ward noch Schweiß noch Blutt geschont/ Biß mir ein fruͤher Todt/ wie andern Helden/ lohnt/ Und mein bekroͤntes Haubt ein harter Schuß verlezt/ Doch must ich noch den Sieg mit eigner Faust erlangen/ Mein Feind ist vor im Tod/ ins Leben ich gegangen. Streut Palmen um mich her und nicht Cypressen aus! Mein Bruder starb von Hitz/ ich durch erhiztes Bley: Gleich ist der Ruhm und Tod/ die Art nicht einerley. Die Tugend/ nicht die Zahl/ erhaͤlt/ erhoͤht das Hauß. Wer dentsch Gebluͤtte fuͤhrt wird mich an Frantzen raͤchen/ Und Lorbern auff mein Grab in ihren Gaͤrten brechen. A uffrecht/ ohne falschen Schein/ Tapffer/ treu und redlich seyn/ (Seltne Schaͤtze dieser Zeit) Funden hier die Grufft bereit. Uberschrifften zu einer Grufft. Von der einen Seiten: in Stammbaum mit 14. Zweigen/ an deren jeden ein Schild/ die zwey Haubt-Schilde an dem Stamme/ darunter eine eingehauene Art. c 3 Stem- Leichen-Gedichte. Stemmata quid faciunt? Den alt-erworbnen Ritter-Stand. Ein junger Adler der in die Sonne siehet/ aber unten von einem Pfeile geschossen wird: Ante Diem. Die Zier der angebohrnen Tugend. Eine vollbluͤhende Nose/ deren der Wind etliche Blaͤtter ab- wirfft: Exspirat Odorem. Den Preiß der wohl-gerathnen Jugend. Zwey Hertzen an Schnuͤren hangend/ die oben mit einem Zweiffels-Knoten zusammen gefuͤget/ und ein solchen Knoten entzwey hauender Saͤbel. Sic dulcia fœdera rumpo. Der treu-verknuͤpfften Seelen Band. Ein Puͤschel mit fettem Klee/ an den eine Sichel oder Sense ihn abzumeyen geleget. Succidit in herba. Faͤllt/ bricht/ verwischt und trennt des Todes Hand. Von der andern Seiten. Eine goldene Feder die ins Wasser schreibet: In spem futuræ oblivionis. Der hohen Wissenschafften Pfand. Eine fallende Sternputze: Ascendi ut descendam. Der Ehre Glantz/ damit wir prangen. Eine Trompete mit schoͤnen Quasten: Tenues in auras. Der Ruhm durch alle Welt gegangen. Ein Leichen-Gedichte. Ein eingesponnener Seiten-Wurm: Aliis Sericum mihi sepulcrum. Die Dienst erzeigt vor Freund und Land. Eine Hand die Staub ausstreuet/ welcher theils in die Lufft flieget/ theils zur Erden faͤllt: Ludibria temporis. Verfliegen in die Lufft/ verfallen in den Sand. Im Mittel. Ein praͤchtiges Grabmahl/ dessen Statuen theils abgeschla- gen/ theils zerstuͤmmelt/ im Mittel eine zurissene Fah- ne/ darinne geschrieben: Perituris condimur. Auch das Grabmahl so wir haben/ Wird in Asch’ und Staub vergraben. Uberschrifften auff eine mit Quater-Steinen gepflasterte Grab-Staͤtte. Der erste Stein bildet einen Florentinischen von Natur mo- sirten Stein/ mit den Worten: Quod insitum. Die angebohrne Zier. Der andere/ einen halb rauhen/ halb polirten Marmor/ unter der Uberschrifft: Dum poliar. Bricht voller Glantz herfuͤr. Der dritte/ einen gevierdten Eckstein/ mit der Beyrede: Basis est pietas. Die Froͤmmigkeit der Grund. Der vierdte/ ein Porphyr/ mit der Umschrifft: Non pondere sed pretio. Die Guͤtte nicht das Pfund. c 4 Der Leichen-Gedichte. Der fuͤnffte/ einen mit einem ausgehauenen Lorber-Krantz gezierten Stein/ mit den Beyworten: Quod lædit ornat. Mich zieret Wund und Streich. Der sechste/ einen wuͤrffelichten Quaderstein/ mit der Bey- schrifft: Semper idem. Ich bin mir immer gleich. Die Staffel/ damit sich die Ruhstaͤtte erhoͤhet/ bezeichnet ein Jaspis in einen Ring gefaßt/ mit dem Beysatze: A pulvere decus accedet. Ich werd ein Edelstein In GOttes Haͤnden seyn. Andere Uberschrifften. Eine Corallen-Staude: Ex fluctibus robur \& decus. Durch manchen Sturm und Schweiß Erwachßner Ehre Preiß. Ein Zelt mit darauff steckenden Schiff-Wimpel. Terra Marique. Auff Land und wilder Flutt Versuchter Helden-Mutt. Ein nach dem Quadrant gerichtetes Stuͤcke: Rationis ad usum. Verstand und Witz erwaͤhlt das Ziel/ Was Tapfferkeit beruͤhren will. Eine Rolle Papier und ein Degen uͤbers Creutze gestellt. Ad utrumque. Bereit mit guttem Rath/ Und fertig zu der That. Ei- Leichen-Gedichte. Eine in der Erden steckende mit einer Weinrebe umwachsene Lantze: Pace \& bello. Ihm und dem Lande nuͤzt Was sich und Land geschuͤzt. Ein von dem Magnetstein in die Hoͤhe gezogener und schwe- bender Degen: Vim sponte seqvutus amicam. Mich zieht mit Willen der Magnet/ Der ob dem Angel-Sterne steht. Ein mit dem Pfal/ daran er gehefftet/ umfallend- und abbre- chender Weinstock: Dein Sincken zieht mich Zum Falle nach sich. Ein Paradieß-Vogel: Von irdischer Klufft Zu himmlischer Lufft. Ein zuspaltener Felß/ aus dessen Riß ein Palm-Baum waͤchst: Aus Tugend/ gleich Felsen/ entsprist Was ruͤhmlich und tauerhafft ist. Eine Gemse auff einem hohen Felsen stehende: Sturm und Wolcke bricht Meine Ruhe nicht. Auff einer Lantze allerhand Gewehr: In allen versucht. Eine Lantze im Boden steckend/ mit einem Weinstock um- wunden: Gab Schutz und Frucht. c 5 Ein Leichen-Gedichte. Ein gegen den Himmel fliegender Paradieß-Vogel: Nur Himmel an Geht meine Bahn. Eine einbrechende Mauer den daran gewundenen Epheu umreissend: Was Treu und Liebe haͤlt Zugleich verfaͤllt. H ier liegt ein edler Zweig/ in Knospen ausgebluͤht/ Verwelcket/ eh er noch die Mittags-Sonne sieht/ Doch hat ihn kein Aprill der falschen Welt verlezt/ Indem ihn GOttes Hand in Zions Land versezt: Da wird er auff den Maͤy des juͤngsten Tages bluͤhn/ Wie reine Lilien und zarter Gelsamin. Ante Diem. In Dies. Cum DEO \& Die. W as fuͤr der Zeit verwelckt/ gruͤnt wieder mit der Zeit/ Und bluͤhet wenn die Zeit vergeht in Ewigkeit. D ie Sonne weiset mir den Weg zur finstern Grufft/ Ich scheide/ da ich kaum geschoͤpffet frische Lufft/ Die Erd umwindelt mich/ der Sarg ist meine Wiege/ Doch wohl mir/ daß ich hier von Stuͤrmen sicher liege! Ich schlaff in GOttes Hutt/ von Angst und Sorge frey/ Denckt/ ob ich wachend nicht/ eur Leben schlaffend sey. M ein junges Leben schien kaum in der Bluͤtte seyn/ GOtt aber ließ mich reiff zur Lebens-Erndte schneiden. Ihr Eltern saͤt mich hier mit bittren Thraͤnen ein/ Dort aber erndtet ihr mich wieder ein mit Freuden. Prima quæ vitam dedit hora carpsit. Die Leichen-Gedichte. D ie Stunde/ die zu erst das schwache Leben gab/ Brach auch das erste Theil desselben wieder ab. Ehren-Gedaͤchtniß Herrn Christoph Fibings. H ier ruhst du graues Haubt und schlaͤffst nach langem Wa- chen/ Die Jugend fuͤrcht’te GOtt/ dient’ ihrem Herren treu/ Und wagte Leib und Blutt bey ihnen ohne Scheu/ Ergab sich nicht der Welt und Wollust eitlen Sachen/ Mied falschen Eigennutz/ die Pest der besten Leute/ Drum ruͤhmt und klaget dich ein edles Hauß noch heute. Als dich nun wolten Sorg und Alter muͤrbe machen/ Gabst du die Sorgen auff/ erwehltest dir die Ruh/ Und brachtst der Jahre Rest mit frommer Andacht zu/ Izt hastu sie erlangt biß Erd und Himmel krachen. Dir goͤnnte GOttes Gunst ein ruͤhmlich langes Leben; Und wird dir izt darzu ein ewigs Erbe geben. Trost-Schreiben an Herrn Friderich Ortlob/ weit-beruͤhmten Doctorem Medicinæ und Breßlauischen Physicum. M ein Freund/ des HErren Hand hat ihn wohl harte trof- fen/ Indem die liebsten Zwey von seiner Seite ziehn. Wo aͤusserlicher Schein hieß langes Leben hoffen/ Das riß der fruͤhe Tod/ eh mans gedacht/ dahin. Was treue Bruͤder-Lieb und Einigkeit verbunden/ (Ein schoͤn und seltnes Gutt) wird unvermutt getrennt. Was aber reiss’ ich auff die kaum verharschten Wunden/ Wenn noch ein neuer Leyd in heisser Wehmutt brennt? Der Seelen halbes Theil von GOttes Hand geruͤhret/ Weist schon ein Ebenbild der blassen Leichen aus. Es Leichen-Gedichte. Es wird durch treuen Fleiß was Besserung gespuͤret/ Daruͤber staͤrcket sich mit ihr das gantze Hauß. Verwandt-Bekandter hofft ein voͤlliges Genesen/ Und bildet ihm annoch ein langes Wohlseyn ein; Er aber/ der versteht wie die Gefahr gewesen/ Kan nimmer ohne Leyd und stille Sorgen seyn. Sein eigner Leib empfindt/ wie er von andern jage Durch Kunst und GOttes Gunst/ was seinem Hause stellt/ Wie er den Samen deß/ gleich andern/ bey sich trage/ Worwider doch kein Kraut zu finden in der Welt. Der vor-erwehnte Fall muß solchen Schmertz vermehren/ Biß GOttes Hand numehr noch einmahl wiederkuͤmmt/ Und wir mitleidig die betruͤbte Zeitung hoͤren/ Daß sie das liebste Pfand aus seinen Armen nimmt. Den Epheu kan man nicht aus seiner Mauer bringen/ Daß nicht in selbiger die tieffe Narbe bleibt: Wie wolte Thraͤnen-Blutt nicht aus dem Hertzen springen/ Von dem der Keil der Noth das Angewachßne treibt! Die wahre Gottesfurcht/ der Geist voll Andachts-Flamme/ Die treue Haͤußligkeit muß nun vermisset seyn; Der Freund/ des Armen Mund beklagt die Wohlthats- Amme/ Der Spiegel der Gedult verlieret seinen Schein. Der treu-erkandte Sinn/ der immer gleiche Wille/ Sezt numehr von ihm ab/ will izt nicht/ was er will. Des Tages Einsamkeit/ der Nacht betruͤbte Stille Steckt seinem Leyd kein Maaß/ und seiner Angst kein Ziel. Wir sind nicht Felsen-Art/ daß wir nicht fuͤhlen solten/ Wenn unser Hertze wird von solchem Weh beklemmt: Und wenn wir/ als erstarrt/ die Schmertzen bergen wolten/ So wuͤrden sie doch nur auff eine Zeit gehemmt. Jedennoch muͤssen wir in Thraͤnen nicht zerrinnen/ Die Zaͤhren muͤssen uns nicht selber zehren auff: Wir kuͤnnen doch dadurch vom Tode nichts gewinnen/ Verkuͤrtzen uns nur selbst den kurtzen Lebens-Lauff. We Leichen-Gedichte. Wer aber nun ergaͤnzt die Wunden in dem Hertzen? Die/ aller Urtheil nach/ vor toͤdtlich sind erkandt. Welch Julep kuͤhlet ab die heiß-entbrannten Schmertzen? Welch Mittel/ welcher Arzt/ wird nuͤtzlich angewandt? Kein Heydnisch Wundkraut heilt dergleichen suͤchtge Wunden/ Kein Pflaster vom Parnaß/ kein Anstrich von Athen/ Hier hat kein Podalir vergnuͤgte Mittel funden/ Man heisset uns umsonst zur harten Stoa gehn. Die Wehmutt ist ein Glaß/ das falsche Farben zeiget/ Ein thraͤnend Auge sieht den heitern Himmel nicht/ Der Monde der Vernunfft/ der in die Hoͤhe steiget/ Ist doch zu schwach/ daß er die dicken Wolcken bricht; Es muß ein ander Glantz vom hohen Himmel scheinen/ Der solchen Nebeldunst mit Krafft zertheilen kan: Die irdsche Sonne macht ein bloͤdes Auge weinen; Die Ungeschaffne frischt zu wahrer Großmntt an. Nun/ mein geehrter Freund/ er folge deren Leiten/ Die ihn aus einer Nacht des tieffen Traurens zieht/ Die ihm hat Zeit vergoͤnnt sich Christlich zu bereiten Zu dem/ was er itzund vor seinen Augen sieht. Wer uns geschlagen hat/ kan auch am besten heilen. Die Hand/ die uns verlezt/ thu auch den ersten Bund. Erfahrung und Natur heist uns nach diesem eilen/ Was uns durch seine Gifft und zorngen Biß verwundt. Zwar hier ist keine Gifft/ hier ist kein Zorn zu finden: Es thuts des HErren Hand/ die alles wohl gemacht/ Des HErren Hand/ gewohnt zum Schlagen und verbinden/ Des HErren Hand/ der nie zu unserm Schaden wacht. Schwer ist es/ unsern Schmertz bald erstlich zu bestillen/ Die Eigen-Liebe denckt offt mehr auff sich/ als GOtt/ Sieht ihren Kummer an durch falsch-geschliffne Brillen/ Verdoppelt ihren Harm/ vergroͤssert ihre Noth. Wir suchen nur/ was wir an unsrer Seite missen/ Und klagen/ daß uns Freud/ und Huͤlff/ und Trost entgeht/ Er- Leichen-Gedichte. Erwegen aber nicht/ daß wir diß Liebe wissen/ Wohin auch unser Wunsch und bruͤnstig Seufftzen steht: Bedencken nicht/ wie es dem Tode kan entrinnen/ Wie es verlassen hat das Siech-Hauß dieser Welt/ Und wollen ihm gar bald die Freude nicht verguͤnnen/ Die ihm des HErren Hand in seiner Schos bestellt. Wir sehen nicht/ wie GOtt auff seine liebsten Kinder Das Siegel iederzeit des heißen Creutzes druͤckt/ Wenn er die wilde Schaar der Gotts-vergessnen Suͤnder/ Bey bluͤhendem Geluͤck in ewge Straffe schickt. Wir wissen nicht/ was die vor Ungluͤck offt entkommen/ Die ein noch fruͤher Tod aus unsern Augen reist; Und anders/ was ich mir zu melden vorgenommen/ Wenn nicht die Schwachheit noch beschwerte Leib und Geist. Doch wird sein Christenthum/ mit welchem kluges Wissen/ Vernuͤnfftges Urtheil und Verstand gesellet gehn/ Sein stets gemaͤßigt Sinn/ und maͤnnliches Entschluͤssen/ So diß und mehr betracht/ dem Hoͤchsten stille stehn. Der selge Geist ruht nun in seines HErren Haͤnden/ Der Kranckheits-muͤde Leib schlaͤfft in dem Grabe wohl! Man wird der Tugend Ruhm zur spaͤten Nachwelt senden: Kein ORT ist/ welcher nicht ihr LOB vermelden soll. Grabschrifft aus dem Ausonio. N Ahmen/ Eltern/ Vaterland/ Und mein gantzer Lebens-Stand Mag verbleiben unbekandt/ Ich muß ewig-schweigend seyn Asche/ Staub und duͤrres Bein. Ich bin Nichts/ wie ich Nichts war/ Und ein Nichts/ das mich gebahr; Laß mich in der finstern Ruh/ Decke meine Fehler zu: Meines gleichen wirst auch du! Eh- Ehren-Gedichte. Zu Herrn Daniel Caspars von Lohenstein Deutschem Arminius. W as ist der kurtze Ruff/ der mit ins Grab versinckt/ Dafern er aus der Grufft nicht ewig widerschallet? Ein schneller Blitz/ der zwar von Ost biß Westen blinckt/ Doch bald vergessen ist/ wenn drauff kein Donner knallet/ Ein Rauch/ der bald verfliegt/ ein Wind/ der bald verstreichet/ Ein Irrlicht/ dessen Schein fuͤr neuer Sonn erbleichet. Wie bald verkocht in uns die Hand voll kuͤhnes Blutt? Wie eilends pflegt das Tacht des Lebens auszubrennen/ Noch Hand noch Schaͤdel weist den edlen Geist und Mutt; Wer will den Zunder in der Todten-Asch erkennen? Der/ welcher unser Lob erhalten soll auff Erden/ Muß deß in kurtzer Zeit ein stummer Zeuge werden. Was hilffts deñ/ daß ein Mensch nach grossem Nahmen strebt/ Wenn sein Gedaͤchtnis nicht kan zu der Nachwelt dringen? Fuͤr Agamemnons Zeit hat mancher Held gelebt/ Den seiner Tugend Preiß zun Sternen koͤnnen bringen/ Weil aber kein Homer zu ihm sich hat gefunden/ Ist seiner Thaten Glantz in dunckler Nacht verschwunden. Braucht allen Aloe und Balsam alter Welt/ Bemahlt/ nach Sothis Art/ die theuren Leichen-Kittel/ Schnizt feste Cedern aus mit fremden Leim verquellt/ Bezeichnet Tuch und Sarg mit Bildern großer Tittel; Wird nicht ein Oedipus die schwartze Brust entdecken/ Bleibt im Verwesen doch eur Stand und Wesen stecken. Baut hohe Graͤber auff/ bedeckt mit einer Last Von Jaspis und Porphyr die dorrenden Gebeine/ Schreibt Ehren-Gedichte. Schreibt Nahmen/ Thun und Amt in Taffend und Damast/ In Holtz/ in Gold und Ertz/ in festen Stahl und Steine; Zeit/ Moder/ Faͤule/ Rost weiß alles zu entstalten: Des Nachruhms Ewigkeit ist anders zu erhalten. Sucht in des Coͤrpers Glutt fuͤr todten Nahmen Licht/ Es wird sein Glantz so bald als diese Flamme schwinden. Ein unverzehrlich Oel/ wenn sein Gefaͤsse bricht/ Muß durch die Lufft beruͤhrt samt eurem Ruhm erblinden. Der Mahler pflegt sein Licht mit Schatten zu erhoͤhen: In schwartzen Schrifften bleibt die Tugend helle stehen. Weil in Pelaßger-Land die Kuͤnste hielten Hauß/ Sind seine Lorbeer-Zweig auch unversehrt beklieben; Rom breit’te seinen Ruhm durch Schwerdt und Feder aus: Was Caͤsar hat gethan/ das hat er auch geschrieben. Der Deutschen Dichterey/ der Barden Helden-Lieder Belebten Mannus Geist/ Tuiscons Asche wieder. Wem waͤr Epaminond/ ohn kluge Schrifft/ bekandt? Wer wolte nach Athens und Spartens Fuͤrsten fragen? Wo bliebe Lysimach/ der Leuen uͤberwand? Wuͤrd auch die Welt was mehr vom Großen Grichen sagen? Es haͤtt ihr Nahme laͤngst/ wie sie/ vermodern muͤssen/ Wenn sie kein weises Buch der Sterbligkeit entrissen. Izt waͤr Horatius auff beyden Augen blind/ Die Flamme kuͤhner Hand/ die sich so frey vergriffen Und freyer noch gestrafft/ verrauchet in den Wind/ Duil umsonst/ so offt er Essen gieng/ bepfiffen/ Roms Schutz-Stab/ Scipio/ verfaulet und zerbrochen/ Wenn nicht ein Livius fuͤr sie das Wort gesprochen. Doch weil der Eitelkeit ein enges Ziel gesteckt/ Weil Buͤcher auch vergehn/ und Ehren-Saͤulen wancken/ Siegs-Zeichen fallen um/ und Grauß den Marmel deckt/ Weil Schrifften sich verliern aus Augen und Gedancken/ Muß sie ein kluger Geist zu Zeiten wieder regen/ Und auff die alte Muͤntz ein neues Bildnis praͤgen. Ehren-Gedichte. Eh Guttenberg die Kunst zu schreiben ohne Kiel/ Zu reden fuͤr das Aug und Woͤrter abzumahlen In Deutschland auffgebracht/ als nur ein Rohr vom Ril/ Als Leinwand oder Wachs/ als Blaͤtter oder Schalen/ Als eines Thieres Haut allein gedient zu Schrifften/ Wer konte da der Welt ein lang Gedaͤchtnis stifften? Wie sind Polybius und Dio mangelhafft? Was hat uns nicht die Zeit vom Tacitus genommen/ Vom Curtius geraubt/ vom Crispus weggerafft/ Was ist vom Ammian in unsre Haͤnde kommen? Viel andre haben zwar von andern viel geschrieben/ Ihr Nahmen aber selbst ist uns kaum uͤbrig blieben. So hat der leichte Wind vorlaͤngst davon gefuͤhrt Was Libis auffgesezt/ die Barden abgesungen. Wo wird der zehnde Theil von diesem mehr gespuͤrt/ Was noch zu Celtens Zeit geschwebt auff tausend Zungen? Und muß/ was uͤbrig ist/ nicht vollends untergehen/ Weil kaum der Deutsche mehr den Deutschen kan verstehen? Manch Ritter edlen Blutts besang was er gethan/ Ob gleich sein Helden-Reim nicht klang in zarten Ohren/ Man trifft von alter Zeit mehr als ein Merckmahl an/ Daß unser Schlesien zur Dichterey gebohren/ Wann selber dessen Fuͤrst/ ein Heinrich/ uns sein Lieben (Und anders mehr vielleicht) in Liedern hat beschrieben. Die Stuͤcke sind zwar schlecht die auff uns kommen seyn/ Und kan man wenig Licht in solchem Schatten finden/ Die Funcken geben bloß aus bleichen Kohlen Schein/ Doch sind sie unsern Sinn noch faͤhig zu entzuͤnden: Und daß die Kinder auch/ was Ahnen thaͤten/ lernen/ So muß ein neuer Glantz ihr dunckles Grab besternen. Ein Fremder schreibt von uns mit ungewisser Hand/ Sieht mit geborgtem Aug’ und redt mit andrem Munde/ Ihm ist des Landes Art und Gegend unbekandt/ Gemeiner Wahn und Ruff dient ihm zum falschen Grunde. d Offt Ehren-Gedichte. Offt nimmt er Ort fuͤr Mann/ und/ was er recht soll nennen/ Wird doch der Landsmann kaum in seiner Sprache kennen. Rom klebt die Hoffart an/ was nach der Tiber schmeckt Geht Tagus goͤldnem Sand und Isters Stroͤmen oben/ Wird nicht der Nachbarn Ruhm durch Eyffersucht befleckt/ So sieht man selten doch den Feind nach Wuͤrden loben; Weil sich die halbe Welt gelegt zu seinen Fuͤssen/ Hat aller Barbarn Preiß fuͤr ihm verstummen muͤssen. Des Grichen Buch ist offt ein leerer Fabel-Klang/ Der eingebildte Witz umnebelt sein Gehirne/ Und weil der Deutschen Schwerdt ihm biß ans Hertze drang/ So scheint ihm noch der Gram zu stecken in der Stirne; Zeugt nicht von seinem Haß und Irthum zur Genuͤge/ Daß er den Galliern schreibt zu der Deutschen Zuͤge? Koͤmmts auff die neue Zeit: wo selber Francken seyn/ Die haben deutsch zu seyn durch Lufft und Zeit vergessen. Ihr stoltzer Hochmutt waͤchst/ macht andre Voͤlcker klein/ Und trachtet allen Ruhm sich selber beyzumessen. Will man den Spanier/ will man den Welschen fragen/ Ihr wenig werden uns gleich-zu vom Deutschen sagen. Doch schwaͤtz ein Fremder/ Feind und Neyder was er will/ Das Lob der Tapfferkeit muß unsern Deutschen bleiben. Ist ihre Redligkeit verschmizter Nachbarn Spiel/ Kan sie doch keine List aus ihrem Lager treiben/ Und was nicht fremde Faust der Warheit will verguͤnnen/ Wird noch wohl von sich selbst der Deutsche schreiben kuͤnnen. Was aus Minervens Stadt zum Capitol ward bracht/ Deß weiß sich unser Land mit Nutzen zu bedienen/ Die Straß ist zum Parnaß aus Deutschland laͤngst gemacht/ Man sieht manch Lorbeer-Reiß bey unsern Palmen gruͤ- nen/ Corinthus und Athen hat Deutschlands Faust erstiegen. Wer weiß schreibt sie nicht auch von ihren Ritter-Siegen? Nur Ehren-Gedichte. Nur um die Helden ists am meisten izt zu thun/ Die/ durch die lange Zeit zum andern mahl gestorben/ An unbekandtem Ort/ ohn einig Denckmahl/ ruhn: Doch haben sie nunmehr/ was sie gesucht/ erworben/ Begehrestu Bericht/ was Deutsche vor gewesen/ So kanst du LOHENSTEINS beruͤhmten HERMAN lesen. Das Feuer dieses Geists ist deutscher Welt bekannt/ Man weiß wie Mund und Kiel mit Nachdruck konte spielen. Was er fuͤr Land und Stadt fuͤr Arbeit angewandt/ Wird noch mit mehrem Danck die spaͤte Nachwelt fuͤhlen. Was ich bey dieser Schrifft am seltzamsten gefunden/ Ist/ daß sie die Geburt der seltnen Neben-Stunden. Floͤst Argenis mit Lust der Klugheit Lehren ein/ So spuͤrt man solche hier mit vollem Strome quellen/ Entdeckt man hier und dar Poetscher Farben Schein/ Der Deutsche pflag sein Lob in Dichterey zu stellen. Hat sich Erlauchte Hand bemuͤht mit Aramenen/ So muß ein Lorber auch die Schreibens-Art bekroͤnen. Was sonsten Muͤh und Fleiß aus hundert Buͤchern sucht/ Wird hier als im Begriff mit Lust und Nutz gefunden/ Wie Chautz und Catte streit/ Cherusc und Frise fucht/ Wie Quad und Hermundur verachten Tod und Wunden/ Vom alten Gottesdienst/ der Fuͤrsten Reyh und Leben/ Kan dieses edle Werck vergnuͤgte Nachricht geben. Doch bindt sich diß nicht nur an deutscher Graͤntze Ziel/ Es zeigt den Kern von Roms und Morgenlands Geschichten. Wer sich gelehrt/ verliebt und Staats-klug weisen will/ Sieht was er nur verlangt in Reden und Gedichten. Er kan auch/ will er sich zu suchen unterwinden/ In diesem Buche viel von naͤhern Zeiten finden. Den Mann und Ort verkehrt der Zeiten schneller Lauff/ Ein neuer Schau-Platz zeigt was Vor-Welt auch gesehen. d 2 Loͤst/ Ehren-Gedichte. Loͤst/ doch mit Unterscheid/ manch Nahmens-Raͤthsel auff/ So find ihr/ was vorlaͤngst und neuer ist geschehen. Das Wachsthum Oesterreichs/ den Ruhm von seinen Helden/ Wird euch der Unterricht von Hermans Vorfahrn melden. Zieht izt die Sein an sich der Tiber alte Pracht/ Tracht durch Gewalt und List zu seyn das Haubt der Erden/ Genung/ daß Herman noch fuͤr Deutschlands Freyheit wacht/ Daß Varus und Segesth von ihm besieget werden/ Der Sonn aus Oesterreich die Neben-Sonnen weichen/ Die Hochmutt auffgefuͤhrt/ und Stambols Monden bleichen. Diß hat der kluge Geist gewuͤnscht und vorgesagt/ Der Sultan Ibrahims verdienten Fall besungen. Wann er die Zeit erlebt/ da dieser Wunsch vertagt/ Haͤtt’ er mit Hermans Lob noch hoͤher sich geschwungen: Er haͤtte dieses Buch noch weiter fuͤhren muͤssen/ Und mit dem hoͤchsten Ruhm der Kaͤyser Siege schluͤssen. Wir nehmen unterdeß zum frohen Zeichen an/ Das jene/ wie diß Buch/ solln seyn ohn Schluß und Ende. Daß aber auch die Welt den Schatz genuͤssen kan/ Ist dieses Buches Schluß ersezt durch Freundes Haͤnde. So lange man nun wird der Tugend Ehre geben/ Wird unser LOHENSTEIN in seinen Schrifften leben. Ißbrands Barden-Lieder/ in der Drachen-Inse zwischen der Oder und Bartsch in der weit-beruͤhmter schoͤnen Eiche gefunden/ und nach itziger Mund- Art verbessert. Winter-Gruͤn verstorbener Helden. H oͤr spate Nach-Welt an/ was dir von Alten Helden/ Die Quaden-Land gekennt/ mein Barden-Lied soll melden Ich schließ in diesen Stamm die Rinden-Buͤcher ein/ Damit sie ihres Ruhms ein Zeugniß koͤnnen seyn. Wen Ehren-Gedichte. Wenn Gallien dem Rhein die Faͤssel wird bereiten/ Wenn L wird wider L um Deutschlands Freyheit streiten; Wenn Hermans neuer Ruhm aus Grufft und Moder bricht/ Koͤmmt diese meine Schrifft auch wieder an das Licht. Ein Phoͤnix wird alsdenn aus meiner Asch entstehen/ Und deutscher Ahnen Preiß biß an die Stern erhoͤhen; Daß nun manch kuͤhnes Blutt gantz unvergessen sey/ Legt ihm Ißbrandes Hand hier diß Verzeichnis bey. Klingt dir mein rauher Reim nicht wohl in linden Ohren/ Er ist auff gruͤner Heyd in Schweiß und Staub gebohren/ Die Bircke war mein Buch/ mein Griffel war ein Schwerdt/ Der Helden Thaten seyn dergleichen Feder werth. Als Varus unser Land zu Diensten wolte zwingen/ Augustus uͤber uns Triumph-Gethoͤne singen/ So wachte Hermans Mutt nebst andern Fuͤrsten auff/ Und hemmte seinen Sieg/ verbeugte seinen Lauff. Die Adler haben hier die Fluͤgel sencken muͤssen/ Es trat Cheruscens Pferd den Roͤmschen Wolff mit Fuͤssen/ Den Drachen ward der Durst geloͤscht mit eignem Blutt/ Der stoltze Feldherr selbst vergieng in Zweiffel-Mutt. ns war der Feind an List und Waffen uͤberlegen/ Doch unerschrockner Mutt ist beste Wehr und Degen. Wir stuͤrmten unverzagt zu ihten Fahnen ein/ Es muste wohl-gesiegt und frey gestorben seyn. Wie Hermundur/ Cherusc/ und Chanz und Catte rungen/ at jedes Volckes Bard und Landsmann abgesungen; ch habe mir zum Theil der Quaden Lob erwaͤhlt/ nd was der Lygier in seine Graͤntzen zaͤhlt. ein Falcke hat sich so in hoher Lufft geschwungen/ ein Donnerstral so bald den Tannen-Baum durchdrungen/ ein auffgeschwellter Fluß/ vom Ufer ungehemmt/ o bald das nahe Land ersaͤufft und uͤberschwemmt/ ls eine kuͤhne Schaar/ in diesem Land entsprossen/ o Elb und Weichsel quillt/ izt Hermans Bundsgenossen d 3 Auff Ehren-Gedichte. Auff Varus Schaaren dringt/ sticht/ hauet/ wirfft und rennt/ Durch Spisse/ Schild und Schwerdt/ die ersten Glieder treñt. Zwar der und jener faͤllt/ doch keiner ungerochen. Ans Weichen denckt man nicht/ biß daß man durchgebrochen/ Und wenn ein neues Heer fuͤr Augen fertig steht/ Mit neu-gefaßtem Mutt ihm in die Seite geht. Wer also faͤllt/ faͤllt nicht; er steiget zu den Sternen/ Du kanst noch/ wer er war/ aus diesen Reimen lernen: A xleben/ Busewey/ Coͤlln/ Eicke/ Doberschiz/ Faust/ Gruͤnberg/ Jorniz/ Hund/ Keul/ Lucke/ Motschelniz/ Nez/ Oppel/ Prizelwiz/ Neinbaben/ Reder/ Stibiz/ Schaffgotsche/ Sommerfeld/ Schoͤn Eiche/ Stange/ Schlibiz/ Trach/ Unruh/ Waldau/ Wuntsch/ Zirn/ Zetriz/ Zabeltiz/ Rotkirche/ Falckenhain/ Unwuͤrde/ Nadelwiz/ Loß/ Zedliz/ Wenzky/ Lest/ Dachs/ Spiller/ Hoberg/ Tschischwiz Braun/ Nostiz/ Nastelwiz/ Klinkowsky/ Hase/ Stischwiz/ Buchwinckel/ Rotenburg/ Felß/ Oppersdorff/ Malzan/ Paczinßky/ Schreibersdorff/ Skor/ Bischoffsheim/ Bibran/ Sehr/ Logau/ Schweinichen/ Schkopp/ Tschamer/ Posadowsky Borschniz/ Sebottendorff/ Mohl/ Pakisch/ Stabelowsky/ Kanz/ Lemberg/ Regensburg/ Stentsch/ Seidliz/ Kreischelwiz/ Kalckreuter/ Franckenberg/ Kottlinsky/ Nibelschiz/ Pfeil/ Panwiz/ Langenau/ Veeß/ Doͤbschiz/ Sturm/ Latowsky/ Horn/ Thader/ Brockendorff/ Skal/ Sigrot/ Ozerowsky/ Rohr/ Nisemeuschel/ Pusch/ Petsch/ Bedau/ Landescron. Filz/ Uchtriz/ Reideburg/ Kuhl/ Victor/ Schelion/ Marcklowsky/ Schellendorff/ Mehwalde/ Wirsewinzky/ Laßota/ Gelhorn/ Axt/ Damm/ Ebersbach/ Stwolinsky/ Taur/ Popschiz/ Rechenberg/ Danbrofsky/ Schlichting/ Dyhr/ Keltsch/ Kitliz/ Reichenbach/ Salz/ Peterswalde/ Schir/ Plach/ Mauschwiz/ Winterfeld/ Hock/ Eicholz/ Wuͤrben/ Dol- nau/ Stosch/ Abschaz/ Knobelsdorff/ Sack/ Reibniz/ Wise/ Rol- nau/ Mosch/ Heyde/ Falckenberg/ Brockt/ Schindel/ Jarotschin/ Branchtsch/ Tschirnhauß/ Portugall/ Koppsch/ Profe/ Zirotin/ Bock/ Glaubiz/ Widebach/ Droschk/ Aulig/ Poser/ Promniz/ Ber g/ Ehren-Gedichte. Verg/ Borwiz/ Raußendorff/ Schweinz/ Seefeld/ Schleußer/ Romniz/ Schenck/ Obisch/ Mesenau/ Leitsch/ Lestwiz/ Kreidelwiz/ Sitsch/ Muͤhlheim/ Talkenberg/ Odersky/ Keseliz/ Sterz/ Schwobsdorff/ Schwudiger/ Mettsch/ Oderwolff/ Ka- rizky/ Streit/ Raschwiz/ Frogelwiz/ Aff/ Elbel/ Morawizky/ Senz/ Baruth/ Biberstein/ Tschesch/ Ulbersdorff/ Ratschin/ Nimz/ Bohrau/ Koschenbar/ Skribensky/ Nimtsch/ Gaschin. Saur/ Schwettlig/ Schneckenhauß/ Schimonsky/ Sedenizky/ Bornstaͤtt/ Dreßk/ Adelsbach/ Gfug/ Hohendorff/ Kochtizky/ Bludowsky/ Biberitsch/ Burghauß/ Ungnade/ Stolz/ Grodizky/ Gregersdorff/ Gurezky/ Loͤben/ Schmolz. Postolzky/ Koͤckeriz/ Sternberg/ auch Leubel/ Kottwiz/ Larsch/ Kunhein/ Stadion/ mit Gersdorff/ Rime/ Rottwiz/ Viltsch/ Krekwiz/ Pogrel/ Bucht/ Naͤf/ Haugwiz/ und Zigan/ (Verzeiht mir/ wenn der Reim nicht alle fassen kan.) Salsch/ Sunek/ Studeniz/ dann Lidlau/ Strzela/ Pritwiz/ Auch Tschirschke/ Koschelig/ nebst Warnsdorff/ Wirbsky/ Lirwiz. Diß ist der Helden-Stamm/ so viel ich mich besonnen/ Die nicht den schlechtsten Theil der grossen Schlacht ge- wonnen. Ich weiß wohl/ wenn diß Lied das Licht auffs neue sieht/ Daß mancher edler Stock fuͤrlaͤngst wird seyn verbluͤht/ Jedoch erlangt er hier durch mich ein neues Leben: Den Andern aber soll diß Zeugniß Anlaß geben/ Wenn sie nicht Mißbrutt wolln von Falck und Adler seyn/ Durch Tugend sich auffs neu dabey zu schreiben ein. Deutscher Ehren-Preiß. H oͤrt/ Helden-Soͤhne/ Mein Barden-Gethoͤne/ Gebt fleißig Acht/ Was aus dem Haͤyne Darinn ich erscheine/ Wird an euch bracht. d 4 Ihr Ehren-Gedichte. Ihr muͤst euch fleissen/ Im Fall ihr wollt heissen Ein Edles Blutt/ Bey Schwerdt und Eisen Im Felde zuweisen Den kuͤhnen Mutt. Der Jugend Gaben In Ruhe vergraben Steht uͤbel an: Auff Kriegs-Geschaͤffte Verwenden die Kraͤffte Ist wohl gethan. Zu Hause liegen/ Die Glaͤser bekriegen Und stifften Zanck/ Bringt euch ja Schande/ Vom Fuͤrsten und Lande Geringen Danck. Lasst euch doch tauren Im Miste zu sauren Auff fauler Haut: Geht/ liebe Deutschen/ Die Feinde zu peitschen/ Und fecht’t ums Kraut. Wo Waffen knallen Und Hoͤrner erschallen/ Das ist das Feld/ Wo euren Tagen Auff Ehre zu jagen Der Raum bestellt. Diß hat der Alten Gedaͤchtnis erhalten/ Das man noch weiß: Mit Sturm und Ringen Die Feinde bezwingen Gibt Ehr und Preiß. Alru- Ehren-Gedichte. Alrunens Warnung an Deutschland. M Ein Deutschland! mercke wohl/ was ich dir mit Verdruß/ (Doch hats der Himmel so verhangen) melden muß? Dein Herman hat zwar izt der Roͤmer stoltze Pracht Durch wohlerfochtnen Sieg zu unsern Fuͤssen bracht/ Die Woͤlffin ist erlegt durch deinen kuͤhnen Arm/ Der Affter-Gott August frist sich in Leyd und Harm/ Der frey-gemachte Rhein hebt nun sein Haubt empor/ Die Weser dringet sich der frechen Tyber vor: Ach aber! daß dein Gluͤck auch moͤchte feste stehn/ Und nicht manch rauher Sturm auff deine Scheitel gehn! Dein Unfall spinnet sich aus deiner eignen Brust. Daß du durch Einigkeit gesiegt/ ist dir bewust. Die Zwietracht wetzet schon auff dich ihr gifftigs Schwerdt/ Und laͤst nicht eher ab biß dirs ins Hertze faͤhrt. Man neidet Hermans Mutt/ verkleinert seinen Ruhm/ Gibt fuͤr/ er achte dich sein dienstbars Eigenthum: Es will jedweder Fuͤrst bey dir ein Koͤnig seyn/ Und fragt nicht/ ob dazu die Mittel treffen ein; Drauff folget Reyd und Haß/ samt Zwietracht/ Mord und List Biß du der Tummelplatz auch fremder Waffen bist. Zwar wirst du auff einmahl zu Bodem nicht gelegt/ Weil sich dein Mutt noch offt in groͤster Ohnmacht regt. Es schleust dir Welschland nie so strenge Faͤssel an/ Daß sie nicht manchmahl noch dein Arm zubrechen kan/ Du dringest Kaͤyser aus/ und setzest Kaͤyser ein/ Doch must du fremder Macht Gehuͤlff und Werckzeug seyn. Die Beute/ die du hast erfochten/ ziehet Rom/ Die Woͤlffin naͤhrt dein Blutt/ dein Schweiß den Tiberstrom/ Sie fuͤhrt dich durch die Welt in Kriegen hin und her/ Nacht dich an Ruhme reich/ an Volck und Tugend leer. Ihr falsch-vermummter Sinn/ die Luͤste fremder Welt/ Die uns noch unbekant und manches Reich gefaͤllt/ Sind deiner Dienste Sold/ den man als eine Pest Dein junges Volck mit sich zu Hause nehmen laͤst. Indessen finden sich entlegne Voͤlcker zu/ Die schmaͤlern deine Graͤntz und stoͤren deine Ruh/ d 5 Die Ehren-Gedichte. Die Mannschafft ist zerstrent/ die Mannheit ist zu weich/ Die Einigkeit zutrennt: so faͤllt das deutsche Reich! Ein Theil von deinem Volck erwehlt der Gallen Land/ Laͤst deutschen Mund und Sinn/ ein Theil sucht seinen Stand/ Mit fremder Art vermischt/ in Welschlands weicher Schoß/ Giebt seinem Feinde Rom zulezt den haͤrtsten Stoß/ Der Uberrest bleibt hier/ pruͤfft mancherley Gefahr; Mit kurtzem: Deutschland wird nicht wieder was es war/ Biß sich ein Grosser Carl zur Francken Krone schwingt/ Und den zertheilten Leib zusammen wieder bringt. Der goͤldne Kaͤyser-Stuhl bleibt dir von solcher Zeit: Wo aber bleiben Fried? und Macht? und Einigkeit? Dein eigen Eingeweyd ist deine liebste Kost: Offt bistu allzufaul/ die Waffen frist der Rost/ Wenn Fremde sie/ auff dich zu schmeissen/ ziehen aus/ Offt bistu allzu gach und stuͤrmst dein eigen Hauß. Man streitet nicht um Ehr und Freyheit/ wie vorhin/ Der Deutsche dienet Freund und Fremden um Gewinn/ Die Nachbarn aͤffen dich/ dein Einfalt wird verlacht/ Dein treu- und redlich seyn giebt leider! gutte Nacht/ Dein junges Volck ersaͤufft in Pfuͤtzen geiler Lust/ Bedeckt an Eisen statt mit Golde seine Brust/ Will sonder Ungemach vollfuͤhren Krieg und Streit: Diß ist der rechte Weg zu schwerer Dienstbarkeit. Alrune hat mir diß/ als kuͤnfftig/ offenbahrt/ Und ich/ auff ihr Geheiß/ in diesem Stamm verwahrt. Ach/ daß wenn diese Schrifft wird kommen an den Tag/ Sie fuͤr manch deutsches Hertz ein Wecker werden mag! Wacht/ Helden-Kinder/ auff/ scheut Muͤh und Arbeit nicht; Bedoͤrnert ist der Weg/ auff dem man Rosen bricht. Was nuͤzt euch/ wenn ihr faul/ der Ahnen lange Zahl? Sie haben ihren Ruhm gepraͤgt in harten Stahl/ Drum daurt er heute noch; wolt ihr euch schreiben ein In Sand und Mos/ so wird eur bald vergessen seyn. Was ist es/ daß ihr dann mit vielem Schmucke prahlt? Sie haben ihren Schild mit eigner Faust gemahlt. Das unverzagte Roth/ das unbefleckte Weiß/ Das treu-bestaͤndge Schwartz behielt den besten Preiß. Folg t Ehren-Gedichte. Folgt ihren Tritten nach/ verlangt ihr ihren Ruhm/ Sonst ist kein deutsches Blutt eur wahres Eigenthum! Eisen-Huͤttel. N un ist es Zeit zu wachen Eh Deutschlands Freyheit stirbt/ Und in dem weiten Rachen Des Crocodils verdirbt. Herbey/ daß man die Kroͤtten/ Die unsern Rhein betretten/ Mit aller Macht zuruͤcke Zur Son und Seine schicke. Der Feind braucht Gold und Eisen Wendt Stahl und Silber an/ Der deutschen Welt zu weisen/ Was List und Hochmutt kan; Last euch das Geld in Haͤnden Die Augen nicht verblenden/ Damit euch hinterm Ruͤcken Die Faͤssel nicht bestricken. Lasst Lerch und Falcken fliegen/ Sezt alle Kraͤffte bey/ Mit ihnen zu besiegen Des Hahnes Pralerey. Er prangt mit euren Federn/ Drum muͤsst ihr ihn entaͤdern/ Und ieder sich bemuͤhen Das Seine weg zu ziehen. Wollt ihr euch unterwinden Zu thun was sich gebuͤhrt/ Ein Hermann wird sich finden/ Der euch an Reihen fuͤhrt. Lasst euch verstellten Frieden Zum Schlaffe nicht ermuͤden. Mit Wachen und mit Wagen Muß man die Ruh erjagen. In Ehren-Gedichte. In recens natum Perillustri domui septimum filium. E st vetus hoc verbum: Numero Deus impare gaudet, Septenus felix creditur atque sacer. Impare gnatorum numero stirps incluta gaudet, Stat septem fulcris firma vigensque Domus. Septem Romulidum cinxerunt mœnia colles, Heic septem Franci culm ina Montis habes. Septenis Helice præfulget in æthere stellis, Et cum contigui voluitur axe poli. Sex heic spe certa stellæ nituntur ad astra, E medio cœli septima clara micat. Tertria complendis numeris rediguntur in unum, Atque novem cingi gaudet Apollo Deis. Ecce duas septem Natis simul esse Sorores, Sic stat concordi fœdere juncta domus. Tertria, bis quatuor, tria bis numeramus in uno, Prospera quæque addat multiplicetque Trias! Schertz- Schertz-Grabschrifften. Bellhumor im Garten begraben. W ind-Faͤnger/ Steige-Dach/ Teich-Meßer/ Enten-Fechter/ Lufft-Springer/ Wage-Hals; Grund-Fischer/ Flutt- Veraͤchter/ Stein-Traͤger/ Buͤchsen-Hold/ Nacht-Waͤchter/ Bettler- Feind/ Zeit-Kuͤrtzer/ Stunden-Dieb/ Lust-macher/ Gaͤste-Freund/ Bring-wieder/ Trage-nach/ Post-Renner/ Such-verlohren/ Klug von Verstande/ zart von Ras’/ und schoͤn von Ohren/ Thuͤr-Oeffner/ Sperre-Thor/ Feld-Mauser/ Schuͤssel-Held. Wild-Stoͤrer/ Katzen-Mord/ Wett-Lauffer/ Spring ins Feld/ Diß war mein wahrer Ruhm; doch werden die mich missen/ Noch mehr von kluger Treu mir nachzusagen wissen. Als ich von Jahren satt mein muͤdes Leben schloß/ Gab mir Pomona selbst ein Grab in ihrer Schoß. Dachses Grabschrifft. H ier liegt ein strenger Katzen-Feind/ ein schlauer Hasen- Faͤnger/ Ein Stuͤrmer mancher festen Grufft/ ein kuͤhner Fuchs-Be- draͤnger/ Man sah kaum so viel Haar auff seinen abgelebten Ruͤcken/ Als er sein Lebenlang hat Wild zu Grabe helffen schicken. Man wird/ wie er zugleich der Hund und Jaͤger sey gewesen/ Mit Wunder in den Chronicken beruͤhmter Hunde lesen. Die Treue/ die er Lebenslang erzeiget Herr und Frauen/ Dieß er an der Gespielin noch in seinem Tode schauen. Wie sie zusammen Waͤydewerck ins zehnde Jahr getrieben/ So sind sie auch in kurtzer Frist von gleichem Tode blieben. Sieht gleich die Welt kein Ebenbild von seinen Kindern leben/ So wird ihm der gestirnte Hund doch seine Stelle geben. Spe- Schertz-Grabschrifften. Sperantzens Grabschrifft. D es Jaͤgers Hoffnung ist nun todt/ als sie schloß ihr bejahr- tes Leben/ So hat ihr Herr das Waͤyde-Werck voll Leyd und Unmutt uͤ- bergeben. Wer ohne Hoffnung jagt/ wird wenig Wildpret fangen/ Verdruß vor seine Muͤh zum besten Lohn erlangen. Er schrieb mit Trauren bey ihr Grab: Hier liegt der Preiß von tausend Winden/ An zarter Schoͤnheit/ Guͤtt und Treu ist ihres gleichen nicht zu finden. In sechzehn Jahren war ihr wenig Wild entgangen/ Izt muß sie selber sich vom Tode lassen fangen. Uder Sperantzens und Dachses Tod. E s will der stoltze Mensch ein Grab von Ertz und Marmol haben; Man sieht wie Zinn und Kupffer ihm die lezte Wohnung ist. Der treuen Hunde Paar hat sich weit praͤchtiger begraben/ Ihm eine Grabstaͤtt in Crystall und Spiegeln auserkist. Der große Kuͤnstler/ die Natur hat solche selbst gebauet. Der gruͤnen Flutt Crystall grub die beruͤhmten Bruͤder ein/ Worauff man ihr gepaartes Licht vom Himmel glaͤntzend schauet. Ich wette/ Dachs und Hoffnung wird ein neuer Hunds- Stern seyn. Eines Englischen Hundes. M ein Leser/ unter diesem Steine/ Ruht Rodomonds Gebeine/ Der in der Bluͤtte seiner Jahr Ein Ausbund schoͤner Hunde war/ Der sich als einen Held in Kampff und Streit erwiesen/ Und wegen seiner Treu vor andern wird gepriesen. Der Schertz-Grabschrifften. Der unter tausend klugen Hunden Verstaͤndig ward erfunden. Der ihm durch ungemeine Kunst/ Verdient des Herren gutte Gunst/ Der Freunde Lieb und Hold/ der Feinde Furcht und Schre- cken/ Das nach dem Tode noch sein Nahme kan etwecken. Zwar hat das Ende seinem Leben Ein schwerer Tod gegeben/ Doch fiel er als ein kuͤhner Held/ Von keiner schnoͤden Hand gefaͤllt. Er kan die Kranckheit nicht/ sie ihn nicht uͤberwinden/ Ihn muß ein heißes Bley auff gruͤner Au entbinden. Der Schiffer fuͤrcht sich nicht in Wellen Sein Grabmahl zu bestellen. Der Bergmann zieht dem Tode nach In Pluto finstres Schlaff-Gemach: Ein Held wird ihm sein Grab mit Blutte lieber faͤrben/ Als auff gemeine Weis’ in siechen Lager sterben. Nuß gleich der Leib im Tode buͤssen/ Den Staub der Bahre kuͤssen/ So bleibt doch der bekandte Ruhm Sein unvergaͤnglich Eigenthum. Es schreibt sein hohes Lob bey Phoͤbus Wagen-Raͤder Mit Diamanten an gelehrter Leute Feder. Du/ dem sich im fuͤruͤber-reisen Diß schlechte Grab wird weisen. Spreit uͤber dieses Todten-Hauß Mit vollen Haͤnden Blumen aus/ U nd wo noch Rodomund so viel ist werh gewesen/ B emuͤh dich beygefuͤgt sein Testament zu lesen. Rodo- Schertz-Grabschrifften. Rodomonds Testament. N achdem das Lebens-Oel in heißer Glutt verzehret/ Und mein entmarckter Leib zu leben nicht begehret/ Fuß ich den lezten Schluß in wenig Zeilen ein/ Und soll die juͤngste Bitt an meinen Herren seyn/ Um mir/ erzeigter Lieb und treuen Dienste willen/ Was mein halb todter Geist begehret/ zu erfuͤllen. Der Seele: die bey mir seit ihrer ersten Flucht Die sechsmahl-zehnde Stell und Wohnung ihr gesucht/ Die manches Helden Leib vor diesem hat belebet/ Die Wechsels-weiß um Thier und Menschen hat geschwebet/ Die bald ein munter Pferd/ bald ein gefuͤrchtes Schwein/ Bald ein beherzter Baͤr und Lewe muͤssen seyn/ Biß daß sie mit der Zeit in meinen Coͤrper kommen; Nun das Verhaͤngnis ihr auch diesen Sitz genommen/ Nimmt sich kein ander Thier mit meinem Willen an/ Als Mavors eignes Kind/ ein kriegerischer Han/ Der sich im Streit und Kampff nach meinen Sitten uͤbet/ Und muntre Wachsamkeit vor saule Ruhe liebet. Mein treues Hertze schreibt die wahre Danckbarkeit Dem werthen Herren zu/ bey dem ich meine Zeit Vergnuͤgend zugebracht. Das Fell will ich bescheiden/ Nach jenes Kaͤmpffers Art/ die Drummel zu bekleiden/ Die wider meine Feind in steten Krieg soll ziehn/ Vor der ein feindlich Heer der Katzen soll entfliehn. Die weiche Lager-Statt/ des Herren milde Gaben/ Soll Vetter Goliath als Erb und Nachfahr haben/ Dem/ der den muͤden Geist der schweren Last entbindt/ Bleibt als ein Eigenthum mein lezter Leibes-Wind. Den hinterlassnen Rest der abgelebten Glieder/ Leg eines Freundes Hand ins Grab fein sanffte nieder/ Und wo mein treuer Dienst so viel erworben hat/ So decke mich manch Myrth- und Oel- und Pappel-Blat. So wird mich Cerberus mit vollem Hals empfahen/ Wenn sich mein Schatten wird zu seiner Huͤtte nahen/ So werd ich Hecatens Gefert und Diener seyn/ Und sich der Ewigkeit mein Nahme schreiben ein/ Den Schertz-Grabschrifften. Den ich mit eignem Blutt in diese Zeilen aͤtze/ Und daß man selbe nicht vor unvollkommen schaͤtze/ So zeuge/ wer du diß Papir mit Augen siehst/ Daß drauff mein lezter Will und Schluß verfasset ist. Der edle Schecken. W ie schade/ daß ich hier nunmehr darnieder liege! Mich zeugte Zimber-Land/ ein Schiff war meine Wiege/ Mein Kleid war Schnee und Sammt/ mein Auge voller Glutt/ Mein Schenckel voller Krafft/ mein Hertze voller Mutt. Mein spielend Maul voll Schaum; mein wohl-gewoͤlbter Ruͤcken/ Trug jeden starcken Mann: Ich wuste nichts von Tuͤcken/ Die unanstaͤndig seyn; nur gerne war ich frey/ Und ließ mir nicht den Schmid von hinten kommen bey. Piastens lezter Sohn hat mich mit Lust beschritten/ Wenn er den Kopff gefaͤllt/ wenn er den Ring erritten. Mein Gluͤcke fiel mit ihm/ wies an den Hoͤfen geht/ Wo auff des Herren Heyl der Diener Wohlfart steht. Doch fiel mir nicht der Mutt: wer sich nur wohl gehalten/ Und redlich hat gedient/ kan doch mit Ehren alten/ Die Liebe/ die mein Herr den Seinen hinterließ/ Die Treue/ die ich ihm nach meiner Pflicht erwieß/ Hat mir noch so viel Gunst bey Lebens-Zeit erworben/ Daß ich/ der Jahre satt/ im Herren Dienst gestorben. Zieht manch veraltet Pferd den Karn und Glocken-Strang/ Daruͤber klag ich nicht/ und weiß dem Herren Danck/ Der mich bey Ruhe/ Lust und Futter lassen leben/ Und keiner schnoͤden Hand zu Diensten untergeben. Der mich/ so alt als ie nicht leicht ein Pferd/ beklagt/ Und mehre Kosten noch auff mein Gedaͤchtnis wagt. Wer saget aber/ daß ich hier darnieder liege? Ich liegen? stand ich nicht in meiner ersten Wiege? Wer mich gesehen hat wird noch ein Zeuge seyn/ Wie sich mein Haubt zum Schlaff im stehn gewieget ein. e Nach Schertz-Grabschrifften. Nach muntrer Fohlen Art scherzt ich mit Sprung und Streiche/ Kein Riese Pferdes-Art thaͤt mirs an Kuͤnheit gleiche/ Biß Reuter/ Fleiß und Kunst mich in die Ordnung bracht/ Und ein bequemes Roß voll Mutt aus mir gemacht. Die Jahre wolten mir zwar das Vermoͤgen brechen; Sie konten nicht das Hertz/ als wie die Lunge/ schwaͤchen: Ich schritt und drabte frey: und wenn mich nicht die Macht Des Todes unverhofft in seine Stricke bracht/ Ich waͤr ihm noch zulezt aus Stall und Stand gesprungen. Ist mir der lezte Sprung nun gleich nicht wohl gelungen/ So fehl ich dennoch nicht der Ehren Renne-Bahn; Die Sonne spannt mich izt an ihren Wagen an/ Weil diese Welt noch Lob wird kuͤhnen Pferden geben/ Wird mein Gedaͤchtnis auch in meinen Enckeln leben/ Wenn Fohlen in die Lufft mit hellem Wyhern schreyn/ So dencket/ daß sie sich ob meiner Ehr erfreun! S chau Wandersmann/ hier lieget deines gleichen/ Zerbrechlich Thon und auffgeblaßner Koth/ Leg einen Stein/ und schreibe drauff zum Zeichen: Hier liegt der Preiß von allen Kruͤgeln todt; Doch/ koͤnt es seyn/ so wuͤnscht ich mich begraben/ Wo so viel Kruͤg ihr edles Grabmahl haben. (Zu Rom auff dem so genannten Scherben-Berge.) Zwar bleibt mein Ruhm der Nachwelt unverholen/ Mich baut aus Thon des klugen Toͤpffers Hand/ Mein stoltzes Kleid war Purpur der Violen/ Ich ward durch Glutt dem Golde gleich erkannt. Wie offt hab ich der Frauen Mund getraͤncket/ Und ihr den Safft der Ceres eingesencket. Es neidten mich die edlen Porcellanen/ Gold/ Silber/ Zinn/ trug Feindschafft gegen mir/ Biß Schertz-Grabschrifften. Biß endlich sich/ nicht sonder ihr Ermahnen/ Ein frecher Feind gewagt an meine Zier/ Ich Aermstes must am Steffans Tage stertzen/ Dieweil ich nicht mit Steinen konte schertzen. Doch soll darum mein Nahme nicht erliegen; Mein Bruder theilt Junonens Nectar aus; Beym Wassermann werd ich die Stelle kriegen/ Da schmuͤckt mein Glantz das blaue Sternen-Hauß. Ihr Kruͤge groß und klein/ lasst Thraͤnen fluͤssen/ Ihr werdet mir in kurtzen folgen muͤssen. Grabschrifft eines sehr zahmen und artigen Lach-Taͤubers. H ier find ich Ruh und Grab/ ein Phoͤnix meiner Art/ Der Edlen Taͤuber Ruhm/ nach meiner Todes-Fahrt/ Nicht lache dieser Schrifft: Ich konte mich mit lachen (Des Menschen Eigenthum) dir selber aͤhnlich machen. Mein treues Artlich-seyn/ mein angenehmer Schertz/ Erwarb des Herren Gunst/ gewann der Frauen Hertz. Wird Heucheley und List zu Hofe sonst getrieben/ Ich bin stets ohne Fleck/ wie ohne Galle/ blieben. Es ehrt mit Schrifft durch Reim und Grufft um Treu/ und um Verstand Manch Fuͤrst/ manch kluger Mann/ Hund/ Pferd und Ele- phant: Die Tauben werden nicht von jenen uͤberwunden: Ein kluger Taͤuber hat die neue Welt erfunden. Christophorus Columbus, Indiarum inventor. Ihr Boten in der Lufft bringts nach Aleppo hin/ Thut Post auff Babylon/ daß ich gestorben bin/ Nahnt alle Kroͤpffer an/ daß sie zu lezten Ehren Ein trauriges Ragu und Drommeln lassen hoͤren. e 2 Cy- Schertz-Graffschrifften. Cythere spannt mich nun an ihren Wagen an/ Am Himmel weichet mir der Leda weicher Schwan. Mein wohl-verdienter Ruhm mit Papogeyen-Schwingen Wird den gestirnten Pfau aus seinem Neste dringen. Sagt ein Pythagoras von unsern Geistern wahr/ So erbt den meinigen ein wohlgeschickter Stahr: Doch soll er hundert Jahr gleich einer Kraͤhe leben/ Und meiner Herrschafft/ an statt mein/ Vergnuͤgen geben. Vermischte Gedichte. MARINI. D as stoltze Rom ist hin/ der Tyber Pracht verflossen/ Quirinens Ruff ist todt/ der alle Welt erfuͤllt: Was ewig wird genannt hat kurtze Zeit genossen Den angemaßten Ruhm/ und weist ein wahres Bild Der schnoͤden Eitelkeit. Was Rom vorhin gewesen/ Ist nun desselben Grab/ ist Asche/ Schutt und Grauß: Was wir vom Cœlius und Aventinus lesen Sucht unser thraͤnend Aug anizt vergebens aus: Die eingefallne Last mit Graß und Moß bedeckt/ Haͤlt seine Leiche selbst fuͤr ihm und uns versteckt. Jedoch was seh ich hier? ein neues Rom entstehen: Man fuͤhret/ wie vorhin/ viel Schloͤsser in die Lufft/ Man lernt den Tyber-Strom in Marmol-Graͤntzen gehen/ Jerneuert und bestaͤrckt manch halb-begrabne Grufft/ Der Tempel Poliphem hat neuen Schmuck und Auge/ Man baut die alten Gaͤng und Laͤuben wieder nach. Welch angehobnes Werck ist/ das dem Nachfahr tauge? Man bessert/ bricht und baut/ damit man auch ein Fach Fuͤr Nahm und Wappen findt/ und geht die Welt nicht ein/ So wird das neue Rom ein ander Phoͤnix seyn. B ezwingerin der Welt/ wer hat dich zu dem Fall Von deinem Thron gebracht? wer hat der stoltzen Glieder en großen Leib beraubt? wer hat dir hin und wieder ie Bein umher gestreut? kein schlauer Hannibal at dich in Grund gestuͤrtzt/ kein Brennus umgekehrt. om muste seinen Tod in eignem Busen haben/ ich selbsten feinden an/ ertoͤdten und begraben: ie Hoffart war der Feind/ die Zwietracht war das Schwerdt. e 4 O große Vermischte Gedichte. O große Naͤhrerin beruͤhmter Helden/ Ich seh entzuͤckt und mit Verwundern an/ Was man von deiner Pracht noch weisen kan/ Und was uns mehr von dir die Schrifften melden: Ich ehre deinen Grauß/ dein Grab/ den Todten-Schaten/ Doch noch vielmehr als diß den Ruhm der hohen Thaten. Betracht ich aber wie dein Glantz erblichen/ Wie man die Tapfferkeit erloschen sieht/ Wie deiner Kinder Ruhm mit dir verbluͤht/ Wie Ehr und alte Treu von dir entwichen/ So sag ich thraͤnende: Was will man Ewigs finden/ Wenn mit den Staͤdten auch die Tugenden verschwinden? Die angenehme Wuͤsteney St. Amants. W iewohl schlaͤgt mir die oͤde Gegend zu! Diß brauner Nacht geweyhte Feld/ Entfernet vom Geschrey der Welt/ Ist meiner Unruh suͤsse Ruh: Diß Thal/ darinn ich mich verborgen Ist ein Vegraͤbnis meiner Sorgen. Mein Auge schaut hier mit Vergnuͤgen an Der dick-belaubten Baͤume Schaar/ Darvon so mancher gleiche Jahr Mit Welt und Erde zaͤhlen kan/ Den seiner Faunen Gunst bewahret Und biß auff diese Zeit gesparet. Die frische Lufft spielt um ihr stoltzes Haubt/ Und Zephyr kuͤst sie Tag und Racht/ Nichts als der hohe Wipffel macht Ihr greises Alterthum beglaubt: Wie sie den ersten Tag geschienen So sieht man sie noch heute gruͤnen. Hi er Vermischte Gedichte. Hier ists/ wo mir in stiller Einsamkeit Das Schatten-Kind die Nachtigall Mit ihrer suͤssen Stimme Schall Vertreibt so manche schwere Zeit/ Wo sie den Luͤfften saget wieder Den Inhalt meiner Trauer-Lieder. Hier wird von mir mit hoͤchster Lust geschaut Wie auff den Felsen dar und hier Umklettert manch verwegnes Thier/ Wie die Natur so kuͤhn gebaut/ Und offt so schlechten Grund/ offt keinen Gegeben hat den schweren Steinen. Hier schau ich wie die Silber-helle Bach Dort von dem hohen Berge fliest Und dieses gruͤne Thal begiest/ Da geh ich ihrem Ufer nach Und seh die glaͤntzenden Forellen Aus ihren frischen Steinen quellen. Hier bild ich mir die schoͤne Gegend ein/ Die man der Musen Wohnung hieß/ Wo ieder Tropffen/ ieder Kieß Crystall und Perle muste seyn/ Wo man nichts auff bebluͤmten Auen Als Edelsteine konte schauen. Wiewohl gefaͤllt mir dieser stille See/ Um den so mancher Erlen-Baum Bey Weyd und Ilme nimmet Raum/ Der nie kein scharffer Stal thaͤt weh: Wo unter den begruͤnten Hecken So manche Feder-Kinder stecken. Hier siehet man wie in der Nimphen Hand Sich die geflochtne Semde biegt/ Wie die zerstreute Kolbe fliegt Um den beschilfften Wasser-Rand/ Wie sich die Froͤsch am Lande soͤnnen Und in der Flutt verbergen koͤnnen. e 5 Bald Vermischte Gedichte. Bald schliest aus Furcht die feuchte Schneck ihr Thor/ Bald oͤffnet sie ihr Muschel-Hauß/ Die Ganß pfluͤckt ihre Federn aus/ Der Taucher sinckt und schwebt empor; Man sieht wie Schnepff- und Wasser-Hennen Auch in der Flutt vor Liebe brennen. Hier finden Aahr und Reiger ihre Kost/ Dort schluckt der Hecht den Weißfisch ein/ Hier pflegt der schlaue Fuchs zu seyn/ Der Fischen schaͤzt fuͤr seine Lust/ Dort siehet man den glatten Otter Sich muͤhen um sein schuppicht Futter. Kein Kahn noch Karn kam ie der Gegend bey/ Kein Wandersmann von Durst geplagt/ Kein Reh von Hunden auffgejagt/ Sucht/ ob ihm hier zu helffen sey; Kein Angel giebt Verraͤthers-weise Den Fischen Stal und Tod zur Speise. Da weiset sich verlebter Mauren Pracht/ Ein Thurn/ der hundert Nitze kriegt/ Und mehr als halb zu Boden liegt/ Ein Schloß/ das wuͤst und unbedacht Auff ungewissen Pfeilern schwebet/ In eigner Asche sich begraͤbet. Was bleibet nur von Tod und Zeit verschont? Was stoltzer Herren Lust-Sitz war/ Muß/ eh verlauffen tausend Jahr/ Von Schlang- und Ottern seyn bewohnt/ Muß seyn ein Auffenthalt der Eulen/ Ein Ort/ wo Woͤlff und Baͤren heulen. Dem Raben dient das Schlaffgemach/ Ein Rittelweib bemahlt die Wand/ Im Saale zu der rechten Hand/ Haͤlt Hex und Unhold ihr Gelag; Wer sieht durch die gebrochnen Fenster Als schwartze Geister und Gespenster? Die Vermischte Gedichte. Die Eiche steht wo sie vor diesem lag/ Die Birck ein ander Phoͤnix gruͤnt/ Wo sie zu Feuer vor gedient: Wo Noßmarin zu bluͤhen pflag/ Wo Neb und Rose war zu finden Sieht man sich Dorn in Dornen winden. Die Schnecke kriecht/ die bunte Kroͤte quarrt/ Wo vor die Wendelstiege stund/ Der hohe Sparn/ der tieffe Grund/ Liegt izt zusammen eingescharrt/ Manch Brett/ das vor bedielt den Soͤller/ Steckt in dem Wasser-vollem Keller. Da stehet noch in harten Stein gehauen Ein Denckspruch von der alten Zeit/ Da kan man deutscher Redligkeit Ein Bild in trenen Ziffern schauen/ Da kan man in der Baͤume Rinden Noch halb-verweste Woͤrter finden. Dort zeiget sich ein Hauß ohn Axt und Stal Gezimmert in den holen Berg/ Ein unterirdisch Wunderwerck/ Ein Schloß ohn Stuͤtze/ Dach und Pfahl/ Ein Ort befreyt von Sturm und Winden/ Den Phoͤbus selbst nicht weiß zu finden. Der Schlaff schliest hier die schweren Augen zu/ Ein stilles Schweigen wiegt ihn ein/ Die Erde muß sein Bette seyn/ Auff dem er nimmt die sanffte Ruh/ Der feuchte Moß sein Schulter-Kuͤssen/ Vergnuͤgung liegt zu seinen Fuͤssen. In dieser Hoͤl an dieser kuͤhlen statt Klagt Echo/ die ohn Ende brennt/ Wie sich Narciß von ihr entwendt Und keine Brunst empfunden hat: Hier ists/ wo wir die Wette klagen/ Und uns um Rath zusammen fragen. O suͤsser Vermischte Gedichte. O suͤsser Ort/ wiewohl schlaͤgst du mir zu/ O angenehme Einsamkeit! Ach/ daß ich koͤnt auff Lebens-Zeit Bey dir genuͤssen stoltzer Ruh/ Und meine Lieb und Treu ausschreyen In deinen oͤden Wuͤsteneyen. Die kleine und große Welt. Gvarini. D er Mensch ist eine kleine Welt/ Groß wenn er sich vereinigt mit der Frauen/ Die wir zu solchem End erschaffen schauen/ Er weiset uns das Bild der Erden/ Den Leib/ der wieder soll zur Erde werden: Die Frau/ der Ursprung suͤsser Schmertzen/ Der Himmel im Gesicht/ die Hoͤll im Hertzen. Der Schuͤtze. E in Bogen ist mein Leben/ Mein Thun der Pfeil/ die Sehne mein Entschluß/ Die Ehre soll das Ziel/ ich will den Schuͤtzen geben/ Nach bester Moͤgligkeit richt ich den Schuß/ Trifft er nicht nach Verlangen an/ So troͤsten mich Gewissen und Gedult/ Dem Gluͤcke bleibt die Schuld: Mein Absehn geht auffs rechte Ziel/ Der Bogen breche wenn er will/ Ich spann ihn/ weil ich Athem holen kan. Taback: uͤbersezt aus dem Barclayo. P flantze/ deren Rauch das Gifft Bunter Schlangen uͤbertrifft/ Welche die Natur verbannt In ein weit-entlegnes Land. Wo Vermischte Gedichte. Wo der Wilden tummer Geist Seine Larven Goͤtter heist/ Wo der Barbarn freche Schaar Weyland unbeherrschet war. Wer/ o mehr als Hoͤllen-Kraut/ Hat der Fichte dich vertraut? Wessen unbehirntes Haubt War der Sinnen so beraubt/ Daß es dich in unser Land Durch die weite See gesandt? Kunte nicht Neptun das Schiff/ So durch seine Wellen liff/ Und dergleichen schnoͤde Last Hielt gefangen um den Mast/ Durch der Winde rasend Heer Stuͤrtzen in das tieffste Meer/ Treiben auff erhoͤhten Sand/ Schlagen an der Klippen Wand/ Fuͤhren auff ein falsches Bay Schmettern in viel Stuͤck entzwey! Konte nicht der Jupiter Aller Sternen Ober-Herr/ Auff das schwancke Wasser-Hauß Blitz und Donner schuͤtten aus/ Und verzehren durch die Glutt Schneller Flammen Schiff und Gutt. Aber/ ach! als Streit und Krieg Uberall behielt den Sieg/ Als sich unser Vaterland Richte hin mit eigner Hand/ Als das Blutt aus naher Schoß Durch des Freundes Haͤnde floß/ Als die Mutter ihrem Sohn Halff durch arge Gifft davon/ Fehlte bey dem Krieges-Joch Diese Pest/ diß Ubel noch. Dieses must auff frischer Bahn Seyn den Fremden nachgethan/ Die- Vermischte Gedichte. Dieses must in kurtzer Zeit Seyn gelitten weit und breit/ Biß es worden so gemein Daß es aͤrger nicht kan seyn. O verkehret-neuer Brauch! O beschwerter Hoͤllen-Rauch/ Wer kan deinen Nebel-Dunst Uns beschreiben nach der Kunst? Wer kan bringen auffs Papir Was fuͤr Schaden steckt in dir? Des Avernus schwartzer See Schicket nimmer in die Hoͤh Aus dem faulen Schwefel-Bruch Einen solchen Mord-Geruch; Wenn sie Flegeton bewegt Und Cocytus uͤberschlaͤgt. Wann in Radamantus Haus Ihre Fackeln loͤschet aus Die um Schultern Haubt und Haar Viel-beschlangte Schwester-Schaar/ Findet sich kein solcher Rauch Als auff dieses Krautes Brauch/ Welches um die Stirne flieht Und den tollen Kopff durchzieht/ Welches den Verstand bekriegt/ Angebohrnes Naß besiegt. O Gewaͤchse/ dessen Gifft Basiliscen uͤbertrifft/ Haͤtte bey der alten Welt Herculem den kuͤhnen Held Cacus der verschlagne Mann Mit Tabac geblasen an/ Seiner Helden-Armen Krafft Haͤtte nichts an ihm geschafft. Haͤtte deinen Nutz erkannt Das beruͤhmte Grichen-Land/ Wuͤrde man/ statt andrer Gifft/ Haben deinen Brauch gestifft/ Wuͤ r- Vermischte Gedichte. Wuͤrdestu der Dichter Schaar/ So damahls im Leben war/ Von des Hoͤllen-Hundes Speyn Zweiffels-frey entsprossen seyn. So den Vater denn durch Mord Haͤtt ein Sohn geschicket fort/ Wuͤrde fuͤr ihn Brand und Glutt/ Hahn und Affe/ Sack und Flutt/ Creutz und Galgen/ Rad und Strang/ Schweffel/ Pech und Folter-Banck/ Geissel/ Bley und andre Pein/ Allzuschlecht gewesen seyn: Des Tabackes Nebel-Nacht Wuͤrd ihn haben umgebracht. Antwort. W arum verweist man uns der edlen Blaͤtter Brauch? Spielt nicht der kluge Hof/ die meiste Welt mit Rauch? Ranch gutter Einfall glimmt aus unser Pfeiff herfuͤr. Wer spielt und buhlt verderbt mehr Zeit und Geld/ als wir. Des Portes. N ichts/ was des Himmels Zorn auff unsre Schultern legt/ Was unsre Zaͤrtligkeit mit Furcht und Schrecken traͤgt/ icht Sorge/ Leyd und Qual/ nicht Kummer/ Angst und Wehe/ icht Armutt/ Streit und Haß/ nicht Brand noch Wassers- Noth/ icht Hitze/ Kaͤlt und Frost/ nicht Hunger/ Mord und Tod/ leicht sich an Grausamkeit dem schweren Joch der Ehe. esetze/ welches dient zum Hencker unsrer Lust/ urch dessen rauhen Zwang entsteht in unsrer Brust erachtung/ Eyffer/ Neyd/ Verdruß und Widerwillen! efaͤngnis/ welches Leib und Geist zugleich bestrickt/ ifft/ welches unsre Rast und Ruh zu Grabe schickt/ as zu vergleichen steht den bitter-suͤssen Pillen. Man Vermischte Gedichte. Man sagt/ als Jupiter Prometheus kuͤhne That Zur Straff in vollem Grimm und Zorn gezogen hat/ Als sein verfluchter Leib den Vogeln ward zur Speise/ So habe sich noch nicht sein Eyffer abgekuͤhlt; Damit man nicht wie vor mit seiner Gottheit spielt/ Strafft er die arme Welt auff mehr denn eine Weise. Es wird ein Weib von ihm den Menschen zugeschickt/ Der Lieb- und Freundligkeit aus ihren Augen blickt. Die Alabaster Hand traͤgt alles Ubels Saamen Gefuͤllet in ein Horn/ Furcht/ Feindschafft/ Traurigkeit/ Die Sorge samt dem Schmertz/ das Alter/ boͤse Zeit Und was man auff der Welt hat vor verhasste Nahmen. Aus ihrer Stirne macht die Venus Helffenbein/ Apollo floͤsset ihr beliebte Reden ein/ Ihr Hertze staͤlt Vulcan/ Mars giebet ihr zur Steuer Den kuͤhn- und frechen Mutt/ den man noch heute schaut. Der Mensch erkieset sie alsbald zu seiner Braut/ Wie wird doch ihm und uns die schnoͤde Wahl so theuer! Hiervon soll der Tyrann/ der Ehstand/ kommen her: Zu herrschen uͤber uns ist einig sein Begehr/ Die Freyheit/ seinen Feind/ kan er nicht um sich leiden: Sein Auge winckt/ es lacht der Mund/ uns lockt die Hand/ Den/ der zu nahe traut/ umfast ein solches Band/ Daß ihn der blasse Tod allein davon kan scheiden. An seiner Seiten haͤlt die Muͤhsamkeit die Wacht/ Der Fleiß/ die Arbeit giebt auff Thun und Wincken Acht. An der Trabanten statt pflegt um ihn her zu lauffen Neyd/ Eyffer/ nebst der Furcht/ die unbekannte Pein/ (So schaͤtzet sie der Wahn) Actaͤons Hirsch zu seyn/ Die spaͤte Reue sieht man schluͤssen diesen Hauffen. Die blasse Traurigkeit/ der Zorn verfolgen ihn/ Die Liebe/ wo er herrscht/ pflegt weiter fort zu ziehn/ Die seiner Grausamkeit soll Deck und Larve geben. Denn sie von langer Zeit zu siegen abgericht/ Ihr eigen Ober-Herr kennt kein Gesetze nicht/ Laͤst keinen schnoͤden Zwang an ihrem Hofe leben. D er Vermischte Gedichte. Der Dichter Schaar erzehlt von Plagen ohne Zahl/ Vom Steine Sisyphus und von Ixions Qual/ Vom schwartzen Cerberus und von Megaͤrens Schlangen/ Und was sie uns noch mehr Erschrecklichs bilden fuͤr: Diß alles geht noch hin: viel schwerer scheinet mir Zu leiden/ wen das Joch der Ehe haͤlt gefangen. In ein Gefaͤngnis seyn versteckt auff Lebens-Zeit/ Ertragen tausend Muͤh und Widerwaͤrtigkeit/ Ein greulich Weib bey sich im Hauß und Bette wissen/ Sie huͤtten/ wo sie schoͤn/ nachforschen was man sagt/ Mit steter Furcht/ mit Zorn/ und Sorge seyn geplagt/ Ist mehr als Tityus von seinem Geyer buͤssen. Ich schweige/ was uns mehr vor Kummer wird gemacht/ So manchen schweren Tag/ so manche boͤse Nacht/ So manch verdruͤßlich Wort/ und so viel herbe Klagen: Wer diese zaͤhlen will/ wird eh der Sternen Heer/ Die Blumen durch den Maͤy/ den leichten Sand am Meer/ Die Aehren durch das Feld in ein Register tragen. Warum denn brauchen wir Vernunfft und Augen nicht/ Zu fliehen diesen Ort wo andern weh geschicht! Warum denn wollen wir nicht diesen Abgrund meyden? Selbst unser Untergang gefaͤllt uns allzuwohl/ Wir schmieden dieses Schwerdt/ das uns verletzen soll/ Und suchen uns den Fels/ an dem wir Schiffbruch leiden. Hielt unsre Augen nicht ein tieffer Schlaff verblendt/ Es wuͤrde die Gefahr am Hochzeit-Tag erkennt/ Und was vor Gluͤck und Lust ins kuͤnfftig sey zu hoffen. Der hellen Fackeln Brand stimmt unserm Brande bey/ Der Musicanten Schall/ die Unruh/ das Geschrey/ Scheint unser kuͤnfftig Leyd und Leyden auszuruffen. Hoͤrt Menschen/ die ihr nicht auff rechtem Wege seyd/ Und eilet gleich/ als blind/ in schwere Dienstbarkeit/ Seht auff das mindste wie und wen ihr sollet nehmen: Bringt euch ein reiches Weib viel Schaͤtz und Guͤtter ein/ So muß eur Ohre taub/ die Zunge stumm zu seyn/ Das Auge nicht zu sehn sich alsobald bequemen. f Was Vermischte Gedichte. Was bildet ihr nicht ein ihr auffgeblasner Geist/ Der den verachten Mann bald so/ bald anders heist/ Und taͤglich/ daß er ihr nicht werth noch wuͤrdig/ saget? Was sie gedenckt und thut ist voller Tyranney. Ein Sclave/ welchen stets der schweren Geissel Bley/ Der harte Pruͤgel treibt/ ist nicht/ wie er/ geplaget. Bringt sie die Armutt euch zur Steuer in das Hauß/ So weichet alle Lust und alle Freude draus/ Der nackten Kinder Last/ die Brodt zu heischen pflegen/ Der leeren Kasten Zahl/ des Mangels Uberfluß Macht/ daß man Tag und Nacht in Sorgen leben muß. Da/ wo die Armutt ist/ koͤmmt alles ungelegen. Nehmt ihr ein schoͤnes Weib/ so dencket zuvorhin/ Daß Furcht und Sorge nie von eurer Schwelle ziehn/ Des Nachbars Blicke kan eur Eyffer nicht verbitten/ Ihr stellt ein jeder nach: Wer jeden hindern will Der richtet wenig aus und unterfaͤngt sich viel/ Ein schoͤnes Frauensbild ist sehr beschwert zu huͤtten. Nehmt ihr ein haͤßlich Weib/ Vergnuͤgen gutte Nacht! Aus eurem Hauße wird ein Kercker euch gemacht/ Kein Sonnenschein wird euch erfreuen oder plagen/ Die Thraͤnen sind eur Tranck/ Betruͤbnis eure Kost. Denckt bey euch selber/ was ihr haben koͤnt vor Lust/ Des schoͤnsten Weibes kriegt man satt in dreyen Tagen. Wen ein vergiffter Pfeil von Amors Bogen trifft/ Der brauche nur alsbald das starcke Gegen-Gifft: Es wird ihm Lieb und Lust in kurtzer Zeit vertreiben. Hat dein verliebtes Hertz entzuͤndet fremde Zier: Begehrstu kalt zu seyn? vermaͤhle dich mit ihr. Kein besser Mittel kan Hippocrates verschreiben. O Leben/ welches uns das Leben sauer macht/ Tod/ den der Tod allein kan toͤdten/ gutte Nacht! Zur Rache muͤsse sich mein aͤrgster Feind vermaͤhlen. Mein ungezwungner Geist bleibt von dir ungefaͤllt/ Die Freyheit gehet mir vor alles in der Welt/ Ich will mir eh ein Grab/ als eine Frau erwaͤhlen. A nt- Vermischte Gedichte. Antwort hierauff. D u Stieffkind der Natur/ der eignen Mutter Schande/ Du Freund der Uppigkeit/ und Feind vergoͤnnter Lust/ Du hassest was dir nicht erlaubet noch bewust: Sind alle so gesinnt in deinem Vaterlande/ So haben sie nicht mehr der Edlen Francken Sinnen/ Und wird man nur zu sehr der Bastardirung innen. Die Schiff-Fahrt. D Er muste wohl ein Hertz aus Stal und Eisen tragen/ Mit dreyer Maͤnner Mutt bepantzern seine Brust/ Der zwischen See und Lufft sein Leben hinzuwagen/ Sich erstlich unterstand: der Tod war seine Lust/ Das Leben seine Pein: O Menschen harter Sinnen/ Stieff-Soͤhne der Natur/ Schos-Kinder wilder Flutt/ Denckt ihr nicht/ daß ohn euch die Fische leben kuͤnnen? Das weite Meer ist groß genung ohn euer Blutt. Was suchet ihr den Tod bey den entlegnen Inden/ Der euch zu Hauß und da gleich bald erreichen kan? Ihr wollet Perl und Gold in fernen Landen finden/ Trefft theuren Schaum der Flutt und kostbar Erdreich an/ Dem schnoͤder Wahnwitz hat so hohen Preiß gegeben/ Bringt in die Alte Welt der Neuen Uberfluß/ Den Raub von Land und See/ der wider euer Leben/ Zur Rache Rauber/ See und Land verhetzen muß. Was traget ihr darvon? vom Scharbock matte Glieder/ Frost/ Hunger/ Hitze/ Durst/ Sturm/ Ungemach und Tod/ Gebt eur gewonnen Gutt mit Geist und Seele wieder/ Seyd bey dem Reichthum arm/ empfindet duͤrre Noth/ Bey vollem Uberfluß/ muͤst offt wie Tantal buͤssen/ Der ungesaͤttigt Flutt und Aepffel fuͤr sich sieht/ Schaut Wasser ohne Maaß fuͤr euren Augen fluͤssen/ Mit dem ihr doch umsonst zu laben euch bemuͤht. Ihr untergebet euch der Herrschafft leichter Winde/ Schliest euren freyen Leib in wenig Ellen ein/ V erstosset Weib und Kind/ verlasset Hauß und Gruͤnde/ f 2 Und Vermischte Gedichte. Und waͤhlt euch zwischen See und Lufft verbannt zu seyn. Eur fichtnes Wasser-Hauß schwebt ohne Grund in Wellen/ Offt stuͤzt den frechen Bau der schweren Ancker Last/ Die eure Sicherheit auff Sand und Stricke stellen. An statt der Thuͤrne prangt der hoch-gesinnte Mast/ Der sich zu Nutz und Zier mit Pech hat uͤberkleidet/ Mit Lumpen ausgeschmuͤckt; den Mund/ die Nase fuͤllt Das Felsen-harte Brod/ das fast kein Eisen schneidet/ Der Tranck/ aus dem manch Wurm von langer Faͤule quillt/ Der Kaͤse schwere Kost/ der duͤrren Fische Graͤtten/ Der suͤsse Wohlgeruch von feistem Talg und Thaͤr/ Den muͤden Leib erquickt die Lust der Lagerstaͤtten/ Da manches Thier mit euch sich schwencket hin und her. Eur edler Zeit-Vertreib ist auff- und ab zu steigen/ Um den beseilten Mast zu suchen was euch beist/ Das grobe Segel-Tuch dem Winde nach zuneigen/ Und was euch sonsten Wind und Zeit fuͤr Arbeit heist. Solt ihr denn euren Mutt im Kriege lassen sehen/ Ein einig Feind vergnuͤgt eur freches Hertze nicht: Kan euch durch Waffen nicht eur voͤllig Recht geschehen/ So muͤst ihr seyn durch Flutt und Flammen hingericht/ Gemetzget und gewuͤrgt/ gesotten und gebraten/ Nach Himmel und nach Hoͤll halb lebend zugeschickt. Das ungewisse Grab muß euch die See verstatten/ Wo nicht den todten Leib ein wilder Fisch zerstuͤckt. Doch eure Grausamkeit eur ungezaͤhmtes Leben Schleust billig euren Leib in solch Gefaͤngnis ein/ Und wem das fromme Land nicht Auffenthalt will geben/ Dem muß die wilde See Hauß/ Grab und Hencker seyn. Die Blattern oder Kinder-Pocken. I hr Kinder schnoͤder Eitelkeit/ Die ihr mit theuren Steinen pranget/ Was eine Muschel zubereit Aus weit-entfernter See verlanget/ Kommt/ seht die Perlen und Rubinen Die mir itzund zum Schmucke dienen. Ihr Vermischte Gedichte. Ihr/ die ihr eurer Farbe traut Und auff ein Fleckgen zweyer Haͤnde Das Schloß der stoltzen Hoffart baut/ Vergoldt das Dach/ bemahlt die Waͤnde/ Seht den Zinnober und die Kreyde Darein ich meine Wangen kleide. Ihr/ die ihr vor des Spiegels Eyß Den Mund in seine Falten richtet/ Und wie euch der zu rathen weiß Das Auge nachzuthun verpflichtet/ Kommt seht/ hier koͤnt ihr in Geberden Und Blicken unterrichtet werden. Ihr/ die ihr Oel und Bisam braucht/ Zibeth und Balsam an euch schmieret/ Um die ein Staub von Zypern raucht/ Der Mosch und Ambra mit sich fuͤhret/ Kommt her zu meinem Krancken-Bette/ Und riechet mit mir in die Wette. Ihr/ die ihr Sammt und Seide kaufft Der Glieder Bloͤße zu verhuͤllen/ Nach Gold-gewuͤrckten Zeugen laufft/ Die Neu- und Ehrsucht zu bestillen/ Kommt/ seht die ausgestuͤckte Decke/ Darein ich meinen Leib verstecke. Ihr/ die ihr noch mit guttem Mutt Und ungekraͤnckten Gliedern prahlet/ Bey denen noch ein frisches Blutt Die unbenarbten Wangen mahlet/ Seht mich mit Blattern angefuͤllet/ Aus denen Stanck und Faͤulnis quillet. Der Schnee der vormahls zarten Haut Ist von den Wangen weg gewichen/ Die Glutt/ die man mich brennen schaut/ Hat sie mit Purpur angestrichen/ Die Stirne starrt von Edelsteinen/ Durch welche Blutt und Eyter scheinen. f 3 Mein Vermischte Gedichte. Mein mattes Haupt haͤngt nach der Seit/ Und kruͤmmt den Mund ob seinen Plagen/ Der Fuß voll schwacher Muͤdigkeit Kan nicht den magern Leib mehr tragen/ Der fast verschlossnen Augen Kertzen Bethraͤnen rinnend meine Schmertzen. Diß ist der Suͤnden Liberey/ Die ich an meinen Gliedern fuͤhre: Vielleicht koͤmmt bald die Zeit herbey Die euch nach gleicher Art beziere/ Den stoltz-gesinnten Hochmutt lege/ Des Todes Bildnis in euch praͤge. Thuͤringer Wald. O schoͤne Gegend/ welche mir Das alte Deutschland stellet fuͤr/ Wie unsrer Tuisconen Schaar Vorzeiten so vergnuͤget war/ Wie sie dem linden Strome nach Der Silber-hellen Spiegel-Bach In ein begruͤntes Thal hinaus Gebauet manch geringes Hauß/ In welchem sie mit Fried und Ruh Ihr langes Alter brachten zu/ Und/ ohne schnoͤdes Mein und Dein/ Mit dem vergnuͤget konten seyn/ Was sonder viel-gebrauchte Muͤh Darreichte Wiese/ Wald und Vieh. O selig/ wer zu dem bereit Beschluͤssen kan den Lauff der Zeit/ In seines Vaterlandes Schoß/ Von gutten Freunden nimmer bloß/ Um Schaͤtz und Guͤtter unbetruͤbt/ In keine Pracht der Welt verliebt/ Laͤst seine beste Lust allein Freund/ Buͤcher und Gewissen seyn/ Geniest des Orts in stiller Ruh D er Vermischte Gedichte. Der seinen Sitten saget zu. Ihm zeiget sich der gruͤne Wald Nicht minder nuͤtz als wohlgestalt/ Der Glutt und Kuͤhlung bey sich traͤgt/ Und tausend Saͤnger in sich hegt. Da sieht er/ wie der klare Fluß Zum Tranck und Spiegel dienen muß: Da giebt ihm Ruhe bey der Nacht Vor Sorgen-voller Bette Pracht/ Die mehr als Bley und Centner schwer/ Das auffgebreitte Blumen-Heer/ Wenn seine Lichter schlaͤffet ein Der viel beschaute Monden-Schein/ Der Himmel und ein freyer Mutt Deckt seine Glieder mehr als gutt/ Zur Speise dienet Frucht und Wild/ So den gesunden Magen fuͤllt Ohn eitle Sorge fuͤr den Leib. Gedancken seyn der Zeit-Vertreib/ Die sich ohn allen Kummer frey Dem Sternen-Dache schwingen bey/ Und hat er keinen Uberfluß So ist nichts/ was er darben muß. Grißbacher Sauerbrunn. O rt/ wo man die Artzney ohn theure Kosten hat/ Wo die Natur vertritt des Apothekers Statt/ nd uns der Erde Schos den Geist von Stal bereitet/ er Tod und Traurigkeit/ den aͤrgsten Feind bestreitet/ o unsren Mund erfrischt der halb-gesaͤurte Safft/ o unsre Leber kuͤhlt der frischen Quelle Krafft/ o unser Aug ergoͤzt durch so viel schoͤne Gaͤnge er gruͤnen Huͤgel Schaar/ der kuͤhlen Thaͤler Menge/ er Baͤche Glaß-Crystall/ der Luͤffte Reinigkeit/ d was uns mehr zur Lust des Himmels Gunst geweyht. r Nimphen dieses Orts/ ihr freundlichen Najaden/ ch will in eurer Flutt mein Eingeweyde baden: f 4 Trifft Vermischte Gedichte. Trifft kuͤnfftig diese Cur mit meinem Wuͤnschen ein/ So soll eur Nahme nie bey mir vergessen seyn; Das Grißbach/ das von mir hat Griß und Sand getrieben/ Soll meinem Hertzen stets mit Ruhm seyn eingeschrieben. Beschwer uͤber den Bart. W as ist bey schoͤnem Mund ein starck gewachsner Bart/ Der Liebe Wespen-Nest/ ein Dornstrauch um die Rosen/ Ein Stoppel suͤsser Frucht/ ein scharffer Distel-Zaun/ Ein Schrancken/ welchen wir den Hafen sperren schaun/ Ein spitzer Schifer-Felß in stiller Venus-Fahrt? Wer preist die Kaͤste/ so die Stachel-Schale deckt. Die Perle/ welche noch in rauher Muschel steckt? Mit was fuͤr Anmutt ist dem Barte liebzukosen? Antwort. S potte wer da will den Bart: Knaben bleiben unvollkommen/ Biß der Bart hat zugenommen: Kahle Jugend muß sich schaͤmen/ Glattes Mauls ein Weib zu nehmen/ Biß sich Bart und Witz gepaart. Wenn der Bart den Mund schattirt/ Und die linden Haare stechen/ Muß der Maͤdgen Hertze brechen: Koͤmmt Cupido auffgezogen/ Pfeile/ Schlingen/ Saͤhn und Bogen Sind von Baͤrten die er fuͤhrt. Baͤrte sind der Helden Pracht: Wer nicht viel ums Maul kan leiden Laͤst ihm nicht leicht Ehr abschneiden/ Simsons Staͤrcke wohnt’ in Haaren/ Weil kein Stahl sein Haubt befahren/ Der ihn blind und schwach gemacht. Hertz og Vermischte Gedichte. Hertzog Heinrichs Bart und Mutt Macht ihn weit beruͤhmt in Polen; Sollman weiter Zeugnis holen/ Friedrich Rothbarts Helden-Siege Keunt der Welsche zur Genuͤge/ Zeugt der Saracenen Blutt. Den gefoͤrchten Janitschar Zieret der beraste Knebel/ Wenn bey dem geschaͤrfften Saͤbel Die gekruͤmmten Haar auffsteigen/ Sich als Ygel-Stacheln zeigen/ Steht sein Gegner in Gefahr. Haare sind der Weißheit Nest/ Socraten und viel Gesellen Will ich dir zu Zeugen stellen/ Daß im klugen Grichen-Lande Langer Bart beym Weisen-Stande Sey der beste Schmuck gewest. Sieht man nicht gantz Morgenland Nur die Hutt der bloͤden Frauen Glatt-bemaͤulter Wacht vertrauen/ Baͤrte/ Land und Haar regieren/ Weil/ die keine Baͤrte fuͤhren/ Nicht verdienen bessern Stand? Nichts zeugt die Natur umsonst/ Baͤrte koͤnnen manche Flecken/ Manches Mahl und Runtzel decken. Fehlten Baͤrte den Balbiren Wuͤrden sie viel Brod verlieren/ Lieber tragt den Baͤrten Gunst. E s rede wer was weiß/ und welcher reden soll/ Von was er reden mag/ schau ob es stehe wohl/ Obs Ort und Zeit vergoͤnnt/ obs Ehr und Recht ihn heist/ Obs ihm die Treu erlaubt. Wer Schweigens sich befleist/ f 5 Heist Vermischte Gedichte. Heist sittsam/ wo er jung; wofern er alt/ gescheu t ; Wo er in Diensten steht/ voll Ehrerbietigkeit/ (Betrifft es eine Frau/ ein Wunder ihrer Zeit/) Bey Fuͤrsten heist es Witz/ bey Hof-Bedienten/ Pflicht/ Wen also ziert und hilfft das kluge Schweigen nicht? Den Edlen Scelen steht vernuͤnfftigs Schweigen an/ Weil fast kein schlechter Geist das Schwatzen lassen kan/ So rauscht durch Kiß und Sand die offt halb trockne Bach; Der allertieffste Fluß hingegen laufft gemach. Es weist der einge Mund/ der Aug- und Ohren- Paar / Daß Hoͤrn und Sehen mehr als Reden nuͤtzlich war. Das Wort verraͤth den Mann/ auch wider sein Vermeynen/ Doch kan ein schweigend Narr zu Zeiten weise scheinen. A llzeit war Tugendhafft das Schweigen; Alles machen offenbar Ist der Thorheit eigen: Allzeit war Tugendhafft das Schweigen/ Reden kan Leichtlich Unlust bringen: Irthum ficht den selten an Der die Zunge weiß zu zwingen/ Allzeit war Tugendhafft das Schweigen. W er herrscht/ lebt immerdar in harten Dienstbarkeiten/ Verdacht/ Gefahr und Furcht sind seine Wacht und Hutt/ Sein wollen pflegen Ehr und Wohlstand zu bestreiten/ Und goldner Ketten Pracht umfaͤsselt seinen Mutt/ Schliest ins Gefaͤngnis ein die Freyheit seiner Sinnen; Der Richt-Spruch/ den er faͤllt/ faͤllt wieder auff sein Hauß/ Die Mißgunst und der Neyd durchhechelt sein Beginnen/ Und stellen seiner Schuld und Unschuld Maͤngel aus. Wer Vermischte Gedichte. W er durch der andern Fallen Zu hohen Ehren steigt/ Ist zu dem Fall geneigt: Der Himmel wachet uͤber allen. Manch Ungluͤck kan auch Kron und Thron vergallen. Wer sich durch fremden Schaden Hoch an das Brett will ziehn/ Faͤllt vor der Zeit dahin. Ein Hertze mit viel Schuld beladen Bleibt bey dem Gluͤck nicht lange Zeit in Gnaden. Z eit-Verderber/ Ruhe-Stehler/ Thron und Hof/ dich geb ich loß: Frische Waͤlder/ gruͤne Thaͤler Fassen mich in ihre Schoß/ Ich herrsche da und bin gefangen/ Hier kan ich erst die freye Ruh erlangen. Unter Gold-gewuͤrckten Decken Liegt die bange Furcht verhuͤllt: Die sich dort im Grase strecken Schuͤzt der sichern Armutt Schild: Wer andern herrscht/ ist selbst gefangen/ Kan keine Ruh als in der Grufft erlangen. D as Leben verschwindt In Trauren und Leyd/ Die fluͤchtige Wonne Stirbt/ eh sie die Sonne Zu Grabe begleit. Das Boͤse sich findet/ Das Gutte kommt weit/ Das Leben verschwindet In Trauren und Leyd. Wer Vermischte Gedichte. Wer Hoffnung empfindet Hegt Schatten und Dunst. Das Gluͤcke zu lencken Ist muͤhsames Kraͤncken Und sorgen umsunst. Die Hoffnung verbindet Mit eiteler Gunst/ Das Leben verschwindet Wie Schatten und Dunst. W ahr ists/ daß Sterne reitzen kuͤnnen/ Doch kan man ihnen widerstehn/ Nur daß der Menschen bloͤde Sinnen Gar offt auff falschem Wege gehn: Ein tapffrer Mutt und kluge Geister Sind ihres Gluͤcks und aller Sternen Meister. Der Himmel uͤbet uns zum Schaden Wohl keine Sinnen-Tyranney/ Nur daß der Mensch sich zu entladen Die Schuld dem Gluͤcke misset bey. Ein tapffrer Mutt und kluge Geister Sind ihres Gluͤcks und aller Sternen Meister. SANNAZAR. N Eptun sah in der Flutt Venedigs edle Stadt/ Die das gezaͤhmte Meer zu ihrem Willen hat/ Er sprach: Laß Jupitern Tarpejus Schloͤsser preisen/ Gradivens kuͤhnen Bau und freche Mauren weisen: Sagt/ wenn ihr in der See Venedigs Wunder schaut/ Ob Menschen/ Goͤtter nicht? diß edle Werck gebaut? RAIMUNDUS. I zt mag die alte Welt von Sieben Wundern schweigen/ Und Rom nicht mehr wie vor die stoltzen Berge zeigen: Gradivus ruͤhme nicht die Wercke seiner Hand/ D ie Vermischte Gedichte. Die laͤngstens sind verstoͤrt durch Alter/ Raub und Brand. Ists nicht ein groͤsser Ruhm/ wenn man Venedig schaut/ Daß Menschen/ Goͤtter nicht/ diß edle Werck gebaut. T horheit ists/ daß unsre Zeit soll in Furcht und Angst ver- fluͤssen/ Besser ists in Freud und Lust der bestimmten Frist genuͤssen/ Nimm die Stunden willig an/ Die dir GOtt und Gluͤcke schencken/ Warum soll dich heute kraͤncken Was sich morgen aͤndern kan? Laß das ernste Sauersehn/ laß die eingezogne Stirne/ Laß den ausgehangnen Mund/ laß die Grillen im Gehirne/ Laß die Mucken um das Haubt Biß ins Alter seyn verschoben/ Biß sich allgemach von oben Kopff und Hals zum Grabe schraubt. Laß der alten Weisen Schaar frey und ohnbewegt erscheinen/ Laß den tollen Heraclit gantze Thraͤnen-Stroͤme weinen. Menschen die empfindlich seyn Halten mehr von Schertz und Lachen; Sich vergebens traurig machen Gehet ja wohl bitter ein. Wir an Beutel/ Weib und Ort/ Zeit und Zustand ungebun- den/ Brauchen billig/ weil es geht/ unsrer Jugend freye Stunden/ Was bringts einem Kargen ein/ Wenn er noch so reich an Schaͤtzen: Also/ was kan ohn Ergoͤtzen Unser bestes Leben seyn? Rosen/ die der Sommer giebt/ kan man nicht im Winter pfluͤ- cken/ Freude/ so die Jugend hegt/ kan das Alter nicht erquicken/ Wenn Vermischte Gedichte. Wenn des siechen Leibes Hauß Sich zum schnellen Falle neiget/ Wenn der Lebens-Strom verseiget/ Glutt und Hitze daͤmpffen aus. Drum last uns den edlen Schatz der erlaubten Zeit gebrauchen Eh die Kraͤffte noch in uns/ eh noch Marck und Blutt ver- rauchen. Last uns dieses Tages Schein/ Der sich offte noch soll finden/ Dich mit Freuden anzubinden/ Frey und froh und freudig seyn. Unter Freunden eine Lust kan uns kein Gesetze wehren/ Wer weiß/ was das Gluͤcke noch ein- und andern kan besche- ren. Ey so geht es Sorgen-bloß Auff die unverzehrten Guͤtter Unsrer lieben Schwieger-Muͤtter/ Bruder/ im Vertrauen loß. E s zeiget diese Taub ein Bildnis reiner Liebe/ Daß ich mit dir ins Grab getreue Freundschafft uͤbe. W ie dieser Vogel ist gantz unbefleckt und rein/ So soll auch ohne Schminck und Falsch mein Hertze sey E in Band von Jugend auff knuͤpfft mich und dich zusammen Zeit und Gelegenheit vermehret unsre Flammen/ Wer weiß/ wie weiter uns das Gluͤcke kan verbinden? Wer will sich dieses Band zu trennen unterwinden! W as ist der suͤsse Safft der schwancken Reben/ Liaͤus starcker Tranck/ der theure Wein? W o Vermischte Gedichte. Wo ein Poet hiervon soll Zeugnis geben/ Muß er die beste Kost der Musen seyn. Diß ist die klare Bach auff Pindus Spitzen Wor aus die nasse Schaar der Saͤnger trinckt; Auff diesem Pegasus muß feste sitzen/ Wer von der Erde sich zum Sternen schwingt. Mit dieser Tinte muß die Feder schreiben/ Was vor der klugen Welt bestehen soll. Was sonst wuͤrd’ ungethan beym Wasser bleiben/ Giebt sich hernach beym Trunck und Weine wohl. Ein Gaͤrtner muß zuvor das Land beguͤssen/ Eh die gewuͤnschte Frucht sein Aug ergoͤzt: Dem Dichter werden nicht die Reime fluͤssen/ Eh er den duͤrren Mund mit Weine nezt. Der scharffe Wein erhizt Verstand und Sinnen Nicht minder als den Leib und und das Gesicht/ Und lehrt sein treues Volck ein Werck beginnen Das weder Neid noch Zeit noch Tod zubricht. Nicht minder kan ein Krantz von gruͤnen Reben/ Den Berezinthius zum Lohne schenckt/ Den Preiß der Ewigkeit Poeten geben/ Als wenn ein Lorber-Zweig ihr Haar umschraͤnckt. So/ ohne Zweiffel wird ein Dichter sagen/ Der Paͤans Liberey in Wangen traͤgt: Izt will man um Bescheid und Urtheil fragen/ Die Schaar/ die nasses Glach zu lieben pflegt. So wird man vor gewiß zur Nachricht hoͤren/ Wer Freud und Freunde sucht/ wer Hoͤse liebt/ Wer sich erheben will zu Gunst und Ehren/ Muß seyn in Bachus Schul und Zucht geuͤbt. Ist Vermischte Gedichte. Ist iemand/ welchen Sorg und Kummer druͤcken/ Den um das Hertze Furcht und Trauren nagt/ Er darff den Podalir nicht erst beschicken Den sonst die krancke Stadt zu Rathe fragt. Es wohnt ein besser Arzt beyn Sieben Kannen/ Lenaͤus heisset er und Dionys/ Des Traurens schnoͤden Wust hinweg zu bannen Ohn Purgantz und Clystir ist er gewiß. Ich wolte fast aus ihm Galenum machen/ Er theilet ziemlich starck die Doses ein/ Doch einen Paracels in seinen Sachen Laͤst ihn der zarte Geist des Weines seyn. Sein Artzney reitzet an zum heißen Schwitzen/ Greifft an den warmen Kopff/ der Sinnen Haus/ Macht manchen Punct um Nas’ und Stirne sitzen/ Fuͤhrt unter sich so wohl als oben aus. Laß nun die stoltze Schaar berauchter Weisen/ Das Wunder ihrer Kunst den goͤldnen Tranck/ Als ein durchgehend Stuͤck und Mittel preisen: Dem Weine wissen wir nicht mindern Danck. Kein Nisen-Pulver darff nicht in sich ziehen/ Wer sein durchgrilltes Blutt will haben rein: Wo Schmertz und Hertzeleyd soll von ihm fliehen/ Brauch er das Sechstheil nur vom Eymer Wein. Diß wird ihm so viel Freud und Lust erwecken/ Als sein benezter Geist kaum fassen kan. Will man die weite Zahl der Freund erstrecken/ So fuͤhrt uns dieser Trunck am besten an. Vertrauligkeit der Welt und Bruͤderschafften Sezt der gebrauchte Wein bey Freunden ein. Gleich wie beysammen Reb und Ulmen hafften Und ungefaͤrbter Lieb ein Bildnis seyn. So Vermischte Gedichte. So muß zwey Hertzen auch ein Glaß verbinden/ Ein Glaß gegebner Treu und Liebe Pfand/ Die sich nicht eher soll getrennet finden/ Biß ihren Leib bedeckt der kuͤhle Sand. Ein volles Glaß erwirbt uns tausend Knechte/ Wenn uns sonst einer kaum zum Dienst erscheint/ Ein volles Glaß bringt Streit und Zorn zurechte/ Ein Glaß verbindt den Freund/ versoͤhnt den Feind. Will unser Vorwitz das/ was heimlich/ wissen/ Er darff hierzu kein Sicht- noch Spiegel-Glaß/ Darff keinen Hammon nicht darum begruͤssen/ Ein Glaß mit Wein gefuͤllt thut eben das. Er darff kein kluges Weib von Cuma fragen/ Er wird vom Serapis umsonst gehoͤrt. Der Dreyfuß kan vielmehr die Warheit sagen/ Als den die blinde Welt zu Delphis ehrt. Will man gewissen Grund der Sach erfahren/ Man darff der Folter-Banck/ des Daͤumelns/ nicht; Ein harter Sinn wird doch nichts offenbaren/ Es wird offt mehr durch Glimpff und Wein verricht. Kein schlauer Hannibal darff Eßig guͤssen/ Damit er einen Weg durch Felsen macht: Im Fall man laͤsset Wein die Fuͤlle fluͤssen/ Wird gleiches Wunderwerck zuwege bracht. Der feste Diamant laͤst sich gewinnen/ So bald ihn uͤberschwemmt der Boͤcke Blutt: Ists nicht das Trauben-Blutt/ das unsern Sinnen/ Wie steinern sie auch seyn/ dergleichen thut? Will man die Zier der Sprach und Red erheben/ Darff kein Quintilian zur Stelle seyn/ Kein Tullius Gesetz und Lehren geben; Die beste Redner-Kunst ist ein Glaß Wein. g Wer Vermischte Gedichte. Wer bey Gesellschafft vor als stumm gesessen/ Kaum Sylb auff Sylb und Wort auff Wort gefuͤgt/ Und gleichsam hinter sich das Maul vergessen/ So bald er was in Hirn und Stirne krigt/ Kan er die Worte wohl und fuͤglich setzen/ Die Zunge/ die zuvor voll Stammlens war/ Weiß vor den Leuten sich nicht satt zu schwaͤtzen/ Stellt ihre gantze Kunst und Weißheit dar. Will man beherzte Leut und Helden schauen/ Damit der Officier die Rolle fuͤllt/ Die ihnen vor Gefahr nicht lassen grauen/ Wenns Mann vor Mann/ wenns Schlacht und Stuͤr- mens gilt/ Es muͤssen sonst Trompet und Paucken klingen/ Man blaͤst Allarm/ und wird das Spiel geruͤhrt/ Man sieht den Mahomet sein Maßlah schlingen/ Sein Maßlah/ das ihm Krafft und Mutt gebiert. Der Wein hilfft mehr/ denn diß im Streit und Kriege. Daß Bachus gleich so viel als Mars gethan/ Zeigt Indien/ die Werckstatt seiner Siege/ Zeigt Deutsch- und Niederland durch Beyspiel an. Ein Elephante wird mit Safft bespruͤtzet/ Der von der Tißbe Baum ist ausgeprest/ Wenn dieser Elixir den Mann erhitzet/ Den uns der Rebenstock genuͤssen laͤst/ Da brennet die Begier zur Rach im Hertzen/ Da wird dem Hahne Kamm und Schnabel roth/ Da weiß der kuͤhne Leib von keinen Schmertzen/ Da gehet man getrost in Noth und Tod. Will sich iemand bey Hoͤff- und Herren finden/ Das Meisterstuͤcke muß seyn abgelegt: Ein Becher Ellen hoch muß vor ergruͤnden Was er in seiner Brust verborgen traͤgt. E s Vermischte Gedichte. Es mag der Jupiter getraͤncket werden Mit Nectar/ das noch du/ noch ich gekost; Was Fuͤrst- und Goͤttlich ist bey uns auff Erden/ Sieht/ hoͤrt und trincket ihm am Weine Lust. Der Wein macht klug/ erfreut und wohl beliebet/ Was wahr/ was heimlich/ bringt der Wein hervor/ Wein ists/ der Mutt zu Red und Fechten giebet/ Das Wasser sinckt/ der Wein hebt sich empor. So wird des Weines Ruhm und Lob erhoͤhen/ Wer seine Seel an Krug und Becher hengt. Will man zur ernsten Schaar der Weisen gehen/ Die Nutzen/ Ehr und Lust zugleich bedenckt/ So wird das Widerspiel durchaus erschallen. Ein rauher Seneca/ ein Arrian/ Laͤst ihm vor Malvasier und Sect gefallen/ Was er aus seiner Bach genuͤssen kan. Des Weines Uberfluß schwaͤcht sein Gemuͤtte/ Druckt zu der Erde den erhobnen Geist. Die noch von gestern her beschwerte Huͤtte Ists/ die die Seele mit zu Boden reist. Ein Sitten-Lehrer wird dich so bescheiden: Ein Glaͤßgen uͤber Durst/ ist schon zu viel. Das suͤsse Gifft/ den Wein/ muß fleißig meiden Wer ihm das hoͤchste Gutt erwerben will. Ein Redner nennt den Wein die Pest der Sinnen/ Und widerlegt was der Poet erhebt. Wie wolte der den Mund gebrauchen kuͤnnen/ Dem Zunge/ Witz und Hertz am Glase klebt? Der kuͤhle Wasserstrohm von Hippocrenen/ Der zu der Poesie soll geben Krafft/ Im Fall man Glauben giebt den Phoͤbus-Soͤhnen/ Fuͤhrt mit sich weder Korn-noch Reben-Safft/ g 2 Es Vermischte Gedichte. Es sind die Musen nicht/ es sind Menaden/ Die/ wo das freche Volck der Thracer haust/ Zu Bachus Ehren sich mit Wein beladen/ Daß einem sie zu sehn und hoͤren graust. Die also gar entfernt von den Poeten/ Von aller Freundligkeit entaͤussert seyn/ Daß sie den Orpheus selbst im Grimm ertoͤdten/ Dem zu Gebote steht Wild/ Wald und Stein. Wer diesem Pegasus sich will vertrauen/ Und fliegen von der Erd ins Sternen-Feld/ Wird sich in kurtzer Zeit ein Bildnis schauen Des kuͤhnen Icarus/ ein Spicl der Welt. Wer dieser Dinte sich bedient im Schreiben/ Tunckt nicht im Sinn/ verderbt Papier und Zeit/ Will nicht von eigner Krafft ein Kraut bekleiben/ Beguͤssen dienet schlecht zur Fruchtbarkeit. Das Wasser macht den Acker hart und strenge/ Den ohne diß der Sonnen Hitze sengt. Was anders richtet aus der Glaͤser Menge/ Als daß sich Geist und Leib zu Boden hengt? Was manchen vor der Zeit geschickt zur Erden/ Wie will es vor den Tod ein Mittel seyn? Wie manchem muß ein Todten-Eppig werden Der Reben-Krantz/ ein Sarg der Eymer Wein. Die Grillen werden nicht vom Wein erstecket/ Die angefeuchte Glutt giebt staͤrckern Rauch. Geringe Freundschafft wird beym Suff erwecket/ Zubricht das schwache Glaß/ so bricht sie auch. Wer sich getreuen Knecht und Diener nennet/ Winckt oͤffters bald dem Herren mit der Hand/ Wer voller weise dich vor Freund erkennet/ Dem bistu wohl zum Morgen unbekandt. E in Vermischte Gedichte. Ein Trunck auff Hofe-Recht kan nicht verjagen Die Feindschafft/ deren Grund im Hertzen wohnt. Ein volles Maul wird im Vertrauen sagen/ Was nuͤchtern Strang und Schwerdt mit Angst belohnt. Durch Wein erkauffter Mutt macht schlechte Helden/ Faͤllt/ wenn der dichte Rausch vorbey/ in Koth. Wer sich wohl nuͤchtern darff bey Hofe melden/ Wird truncken abgeweist mit Schimpff und Spott. So wird ein Reben-Feind den Wein verachten. Wem sollen wir nun Glauben messen bey? Wenn ich den Grund der Warheit will betrachten/ Daͤucht mich/ daß der und jener unrecht sey. Es schuff ja selber GOtt die edlen Reben/ Und Roah must ihr erster Gaͤrtner seyn/ Der rechte Brauch ist drum nicht auffzuheben/ Ob gleich ein Mißbrauch ist geschlichen ein. Ich weiß/ ihr Bruͤder werdt mir Beyfall geben/ Und diesen Tag nicht ohne Wein begehn/ Nun wohl/ euch schmecke gutt das Naß der Reben/ So lang eur Rahme wird im Zeit-Buch stehn. Legt euch den Tag mit einem Raͤuschgen nieder/ Und stehet in Gesundheit wieder auff/ Ein reiches Weib bringt kuͤnfftig alles wieder/ Und gienge gleich ein halbes Doͤrffgen drauff. Der Gluͤcks-Topff. W enn wir der finstern Hoͤl und Wohnung sind entgangen/ Darinn uns die Natur neun Monat haͤlt gefangen. on solcher duͤstern Nacht und tieffem Schlaff entrissen/ es hellen Tages Licht zum ersten mahl begruͤssen/ o pfleget uns alsbald der Himmel vorzuschreiben/ as der und jener Mensch vor Lebens-Art soll treiben. g 3 Es Vermischte Gedichte. Es hat die Ewigkeit den Sternen eingepraͤget/ Was ein iedweder Sinn vor Neigung bey sich traͤget/ Man siehet dannenher aus schwacher Reiser Bluͤhen/ Was ihr bejahrter Stamm vor Fruͤchte wird erziehen. Bey diesem sehn wir Lust zu Wissenschafft entspringen/ Und unterschiedner Art verschiedne Fruͤchte bringen/ Der Eine folget nach dem Triebe seiner Sinnen/ Sucht seinen Auffenthalt durch Kuͤnste zu gewinnen/ Lehrt die verkehrte Welt nach Gottes Willen leben/ Beym Richter einen Spruch vor seinen Theil erheben/ Der eingefallnen Hand den schwachen Puls beruͤhren/ Durch zweiffelhafften Satz das Gegentheil verfuͤhren/ Sich um ein jedes Wort in tausend andern zweyen/ Durch suͤsser Reime Schall ein zartes Ohr erfreuen/ Und durch was Mittel mehr die Sicherheit vom Sterben Ein Weißheit-schwangres Hirn gedencket zu erwerben. Ein andrer mag nicht stets in fauler Ruhe sitzen/ Bey seiner Mutter Schos und hinterm Ofen schwitzen/ Will lieber in die Welt durch Hagel/ Eyß und Eisen/ Auch durch erzuͤrnte See/ durch Wind und Wellen reisen/ Und gegenwaͤrtig selbst erfahren/ sehn und hoͤren/ Was ungewisser uns die stummen Buͤcher lehren. Ein andrer/ voll von Mutt und kuͤhner Helden Hitze/ Beut seinem Feinde dar die kriegerische Spitze/ Wo Trommel und Trompet im freyen Felde klingen/ Wo ihren rauhen Paß die groben Stuͤcke singen/ Wo man ein festes Ort bestuͤrmet und beschuͤtzet/ Wo man das heiße Blutt aus hundert Wunden schwitzet/ Da hat er einen Sitz und Wohnung auffgeschlagen/ Bereit vor Ehr und Gutt das Leben hinzuwagen. Ein andrer/ den sein Sinn zu Ruh und Friede traͤget/ Denckt emsig nach/ wie er der stillen Wirthschafft pfleget/ Wo er den Tuͤnger soll dick oder duͤnne breiten/ Wie er das fette Feld soll seicht und tieff bereiten/ Ob er die reiffe Frucht laͤst hauen oder schneiden/ Wo er die Schafe soll/ wo Pferd und Rindvieh weyden/ Wo Erbsen/ Ruͤben/ Kraut und Hierse wohl gerathen/ Wo Jagt und Fischerey am besten gehn von staten/ Wie Vermischte Gedichte. Wie Schweine/ Federvieh und Bienen auffzubringen/ Und was ein Land-Wirth mehr weiß von dergleichen Dingen. Ein andrer nahet sich zu grosser Fuͤrsten Throne/ Waͤhlt vor den Hutt von Stroh die Demant-reiche Krone/ Will lieber Tag und Nacht in hohen Sorgen schwitzen/ Als weit von Hof und Stadt in stiller Ruhe sitzen/ Will lieber tieff gebuͤckt an fremde Zepter ruͤhren/ Als seinen Hirtenstab in freyen Haͤnden fuͤhren/ Will lieber fremder Macht zum Dienste sich ergeben/ Als sein selbst-eigen Herr und seines Willens leben/ Sucht vor ein niedrigs Hauß die stoltzen Pracht-Gebaͤue/ Giebt oͤffters hin um Ehr und Guͤtter/ Seel und Treue/ Muß sich/ ie mehr er steigt/ ie mehr zum Falle wagen/ Und/ als ein leichter Ball/ vom Gluͤcke lassen schlagen. Ein andrer machet sich zum Sclaven blinder Liebe/ Folgt seiner Eigenschafft und Luͤste kuͤhnem Triebe/ Bett seine Goͤttin an/ abgoͤttert ihren Augen/ Vor denen Sonn und Mond und Sternen wenig taugen/ Macht lauter Edelstein aus ihrem Mund und Wangen/ Ruͤhmt/ wie der Haare Gold sein Hertze nimmt gefangen/ Wie sein verliebter Geist in hellen Flammen brennet/ nd keine Kuͤhlung sonst/ als ihre Kuͤsse/ kennet/ ringt Taͤg und Naͤchte zu vor seiner Liebsten Pforte/ iebt seine Freyheit hin um ein paar suͤsser Worte. in andrer schleust sich ein in seines Closters Waͤnde/ in Raum sechs Ellen breit ist ihm der Erden Ende/ ein Zeit-Vertreib ein Buch/ Gedancken sein Geselle/ ein Koͤnigreich die Kutt/ und sein Pallast die Zelle/ r will den geilen Leib durch Sparsamkeit casteyen/ erbannt sich von der Welt in oͤde Wuͤsteneyen/ erstellet/ kraͤnckt und schwaͤcht die sonst geschickten Glieder/ gt all Empfindligkeit vor seiner Schwelle nieder. n andrer will der Welt und ihrer Lust genuͤssen/ st seine Fruͤhlings-Zeit in Froͤligkeit verschuͤssen/ st vor die spaͤte Nacht/ laͤst vor den andern Morgen/ or Hauß/ vor Weib und Kind die grauen Alten sorgen/ st ihm ein frisches Glaß voll Wein und Bier gefallen/ n thoͤnendes Ronda in seinen Ohren schallen/ g 4 Hat Vermischte Gedichte. Hat Hertze/ Wort und Glaß auff eine Zeit im Munde/ Wendt auff dergleichen Lust bey Freunden manche Stunde. So fuͤhrt der Eine diß/ der Andre das im Schilde/ Wir Bruͤder sind nach Holtz geschickt zu jedem Bilde. Laß uns von allem was zu unserm Vortheil wehlen/ So kan ja unser Schluß das Beste nicht verfehlen/ Zwar unsre Jugend hat zum erstren sich geneiget/ Gleich wie das Werck izt selbst des andern Probe zeiget; Wer weiß wo noch Gradiv des dritten uns gewehret! Das vierdte wird uns schon zu seiner Zeit bescheret/ Das fuͤnffte mag dem Gluͤck anheim gestellet bleiben/ Das sechste muͤssen wir ohn alle Mittel treiben. Denn wo dergleichen nicht von Adam her geschehen/ Wer wolt uns dieser Zeit in Straßburg sitzen sehen? Was folget/ giebt sich selbst/ wenn wir zu Witwern werden/ Und unser halbes Theil verscharren in die Erden/ Wenn mit der Zeit die Kraͤfft in unsrer Brust verseigen/ Und wir des Todes Bild in allen Gliedern zeigen. Da lernen wir der Welt Ade und Urlaub geben/ Und mitten in der Welt als Closter-Leute leben/ Da muͤssen wir offt Speiß und Tranck gezwungen missen In Bett und Schlaffgemach den siechen Coͤrper schluͤssen. Drum Bruder/ weil so viel die Jahre noch verguͤnnen/ Laß deinen Nahmens-Tag nicht ohne Lust zerrinnen/ Laß gutte Freund hiervon das beste Theil genuͤssen/ So soll er dich noch offt in Freud und Lust begruͤssen. Und weil wir noch zur Zeit in Ungewißheit schweben/ In welchem Stande wir ins kuͤnfftig werden leben/ So wollen wir vor Lust in diesen Gluͤcks-Topff langen/ Vielleichte koͤnnen wir/ was uns vergnuͤgt/ empfangen. B ruder/ senck in diesen Hafen deine Finger kuͤhnlich ein/ Und versuche/ was vom Gluͤcke dir wird zuerkennet seyn Bild eines Frauenzimmers. M an loͤsche/ weil es geht/ der Jugend heisse Flammen/ Wie bald schlaͤgt uͤber uns der Jahre Last zusammen. E in Vermischte Gedichte. Ein Glaß. M an loͤsche/ weil es geht/ des Durstes strenge Flammen/ Wir kommen doch so jung nicht wiederum zusammen. Ein Degen. M an such ihm Ehr und Gutt mit Blutte zu erwerben/ Wir koͤnnen doch nicht mehr denn eines Todes sterben. Ein Buch. M an such ihm Ehr und Gutt durch Kuͤnste zu erwerben/ So wird auch unser Ruhm im Tode nicht ersterben. Eine Landkarte. E in Buͤrger dieser Welt lern auch die Welt erkennen/ Damit er iedes Land kan seine Heymat nennen. Ein Pflugeisen. D er Mensch/ ein Erdenkloß/ soll billig Erde pfluͤgen; Wo er gewachsen ist/ da wird er wieder liegen. Ein Federpusch. Z um Sterne soll mein Leib und nicht zum Steine werden/ Faͤllt er/ so faͤllt er doch nicht ohne Glantz zur Erden. Ein Gebauer. D er Leib/ der Seele Stock/ muß im Gefaͤngnis stehen/ Im Fall dieselbe soll in ewge Freyheit gehen. F reund/ den ein gedoppelt Band mir auff ewig hat verbunden/ Liebster Freund/ wo seyn nunmehr die so angenehme Stun- den/ Die in unsrer Unschuld wir Weyland so vergnuͤgt begiengen? Wie doch geht in allen Dingen Ein so schneller Wechsel fuͤr! g 5 Keine Vermischte Gedichte. Keine Sonn in kurtzem sieht der sonst heitre Tag erscheinen/ Wer zum fruͤhen Morgen lacht/ muß auf spaͤten Abend weinen/ Sizt er in der glatten Schoß An Vermoͤgen reich dem Gluͤcke: Wie ist er im Augenblicke/ So von Gutt und Hoffnung bloß. Hat jemand/ so haben wir diß nur allzuviel erfahren/ Unser Gluͤcke strich dahin/ eh wir dessen faͤhig waren. Nichts als ein getreuer Sinn/ Nichts als redliche Gemuͤtter Ist vom Schiffbruch unsrer Guͤtter (Edles Kleinod!) der Gewinn. Diese/ diese wie wir sie allbereit verwechselt haben/ Wollen wir in eine Grufft/ neben unsern Leib/ vergraben. Treues Hertze/ treue Hand/ Muͤssen sie sich izt gleich schmiegen/ Unter fremden Fuͤssen liegen/ Gehen doch durch jedes Land. Liebet das Verhaͤngnis gleich unsre Gegenwart zu trennen/ Soll doch dessen strenge Macht unsre Freundschafft nicht er- kennen/ Die/ auff ewig steiff und fest/ An welch End und Ort der Erden Sie auch mag verschlagen werden/ Ihre Flammen scheinen laͤst. Wer weiß/ was das Gluͤcke noch ein und andern kan bescheren/ Wo dir das Verhaͤngnis noch in die Armen kan gewaͤhren Deinen N. N . P hœbi deliciæ, Musarum gloria, Primki, Quem dignum meritô semper amore colam. A te quæ veniunt, quæ dextera mittit alumni Ad te jure tuô metra redire vides. No n Vermischte Gedichte. Non sunt in manibus poliam queis carmina libri, A solo fuci nescia corde fluunt. Te novus annus \& hæc invisat epistola lætum, Incolumes adeat teque tuosque precor. Te morbi fugiant te mors \& tristia quæque, Undique te cingant gaudia, vita, salus. Non Fortuna tibi concedet prospera tantum, Quin mea quid majus vota dedisse velint. Si quædam rerum te tangit cura mearum, Subsequa te paucis pagina cuncta docet. Scis, credo, patriis quod discessurus ab oris Cum sociis Genevam tendere jussus eram: Ast Argentinæ quod non habet altera visô, Consilium in melius vertere promtus eram. Hanc clarum nomen Bœcleri, fama Rebhani, Nascens Speneri condecorabat honos. Hæc magis atque magis semper dilecta per annum Et medium nobis hospes amica fuit. Hinc me cymba levis devexit ad infima Rheni Et Leidæ menses tres quatuorve tero. Inde solum Batavum terraque marique pererro, Et lustro raras quas dedit Indus opes. Heic, heic attonitus castella natantia cerno, Et quas in cœlum fert sua flamma rates. Heic Pisces-homines, audacia pectora, miror, Et quibus haut unâ morte perire placet. Mox linquo fratres, fidissima corda, sodales, Et cogor querulâ dicere voce: Vale: Inde per Iberici patientia jugera sceptri Ad Galli terras continuatur iter. Non Vermischte Gedichte. Non hic pro voto concedunt Fata morari, Francica vix raptim regna videre datur. Urgent à tergo cessantem jussa meorum, Castigatque meas littera crebra moras. Lætorum socius fidissimus atque malorum It mecum ductor quo DEUS ire jubet. Cuncta viatores vexant incommoda seros, Quæ comitantur iter, commoda nulla juvant. In summi celebro Natalia culmine montis, Hospes ubi Boreas, strata fuere nives. Heic peregrinandi decrescit fota libido Ignotique sitim ponere disco soli; At mox illa redit pulchras ubi cogito terras Et quam quod loquitur fama videre juvat. Cum terra cœlum spero mutare, sed idem Cum trans-Alpino sævit ubique rigor. Splendida magnifici mox cernitur aula Sabaudi Atque urbs Cæsaribus tàm malê fida suis. Brescia pergentem Vulcania suscipit hospes, Benacesque feri littora tango lacûs. Sirmio lascivi natalis terra Catulli, Verona antiquo marmore plena tenet. Ad matrem Livii Vincentia visa remittit, Et magni veneror publica busta Viri. Post aliquot luces mihi vitreus Adria monstrat Urbem, quam tumido continet ille finu. Heic ego longarum fastidia pello viarum, Otia per mensem quæro, nec invenio. Ingeniosa animos heîc Bacchanalia pascunt, Et spectacla mihi fert nova quæque dies. A m- Vermischte Gedichte. Ambio filiolas-\& matrem negligo lingvas Sola locuturus barbara verba sono. Hinc urbem meditor Dominam, præsensque videbo Romani cineres nominis \& tumulos. Parthenope sequitur tumulato clara Marone, Bajarum regio deliciosa subit. Florida mox reducem capiet Florentia, cernent Cætera, quæ cerni promeruere loca. Quot me clarorum morientia busta virorum! Temporis antiqui quot monumenta manent! His ego lustratis patriam salvere jubebo, Atque tibi præsens plura subinde loquar. Jam cape-sis toto quas pectore mitto salutes, Illas quæso domi distribue atque vale. Scribebam Veneta festinabundus in urbe Qui tuus ad vitæ tempora cultor ero. D es Monden halb-erstorbnes Licht Weist sein erblaßtes Angesicht/ Durch truͤber Wolcken finstre Decken. Der Schatten tunckel-brauner Nacht/ Der Aug und Ohren irrend macht/ Umgiebt den Erdenkreiß mit Schrecken. Du liegst/ mein Freund/ in sanffter Ruh/ Schleust die verliebten Augen zu/ Kanst/ was du wilt/ im Traum umfassen. Ich muß zu ungewohnter Zeit/ An Leib und Geist voll Muͤdigkeit/ Das kaum erwarmte Lager lassen. Ich muß durch alles Ungemach/ Das Wind und Winter ziehen nach/ In unbekandter Gegend reisen/ Wo- Vermischte Gedichte. Wohin mich durch ein schlimmes Land Des Welt-Beschreibers kuͤhne Hand Und theur-gekauffte Fuͤhrer weisen. Ich aͤndre taͤglich Kost und Heerd/ Vertausche Wohnung/ Bett und Pferd/ Nichts/ und doch alles ist mein eigen/ Nichts ruhet an mir/ als der Mund/ Dem offt den gantzen Tag vergunt In stiller Einsamkeit zu schweigen. Wo gehn wir izt mit gleichem Sinn In zwey ungleiche Strassen hin/ Die ich und du so offt gemessen? Wo koͤnnen wir izt unsrer Pein Und Lust geheime Zeugen seyn/ Zusammen schlaffen/ trincken/ essen? Wer sieht uns/ wenn der Tag entsteht/ Und Phoͤbus gegen Westen geht Um Leydens schoͤne Stadt spatzieren? Wer sieht uns in Vertrauligkeit/ Auff nahen Graͤntzen steten Streit Und suͤssen Krieg zusammen fuͤhren? Ach/ Hertze/ koͤnnt ich bey dir seyn! Doch weil der Himmel nicht stimmt ein Mit meinem Wuͤnschen und Verlangen/ So lebe wohl-begluͤckt/ mein Kind/ Biß mir die Vater-Erde guͤnnt/ Dich mit Vergnuͤgen zu umfangen. Indessen soll die Ewigkeit In das Register grauer Zeit Und an des Himmels Waͤnde schreiben/ Daß dir und deiner Bruͤderschafft Biß ihn der blasse Tod wegrafft/ Dein Damon treu und hold wird bleiben. Co n- Vermischte Gedichte. C oncives, animi dulcissima pignora, fratres, Et tu, qui felix nomen, amice, tenes, Parthenopa reduces exultans dextra salutat, Musaque Pindæi portio parva chori. An non Herculeos dicam superâsse labores, E mensos spatio tam mala tanta brevi? Non loquor ardentes immiti sidere Soles, Qui non adsvetis langvida terga premunt. Sudans meta deest, non turbo pulveris atri, Qui luctatores obruat atque tegat. Adsunt incultæ fastidia longa, necesse est Quam bis cancrorum repere more, viæ. Sunt quibus in reditu terra humida maduit imbres, Qui vix supportent tam leve pondus, equi. Non desunt homines æternæ occasio rixæ Quosque viatori tædia ferre juvat. candere opus montes, opus est superare paludes, Invitum pisces quærere sæpe juvat. ed sunt deliciæ merces optata laborum, Quas fovet in gravido Parthenopea sinu. st aliquid, totas si pergustare liceret, Nec ceu Niliacas deproperanter, aquas. on hic est requies, non hic est mansio certa, Nec possunt molli membra jacere toro. otam subripuit cum lucem cura videndi Quæ mons, quæ vallis Neapolitana tenet. octe dein totâ fessos insecta lacessunt, Et mordax angit ruffa vel atra cohors. Est Vermischte Gedichte. Est hæc hydra velut, quam si tua clava domavit, Surgit vindictam sævior illa petens, Esset opus totas insomnem ducere noctes Hanc si quis pestem perdomitare velit. Esset opus manibus venari semper apertis, Artes fœminei perdidicisse chori. Cum lux prima novo stellas deducit Olympo, Nec dum maturo percalet aura die. Membra levare decet, placidumque expellere somnum , Qui matutinæ frigora lucis amat. Ardua flammivomi scanduntur culmina montis, Et fallax Sisiphos ludit arena novos. Hic tristis campi species offertur adusti, Suspirat clades terra sonora suas. Luce sequente juvat fugientes quærere Bajas, Eque suis tumulis Puteolum eruere. Pars absorbta mari, pars flammis cessit \& iræ Victoris, partem terra revulsa tegit. Primò hic Pausilipus squallenti nocte sepultis Pectora captivo pulvere tota tegit. Flavi dirus odor pergentes sulphuris angit, Non opus est tabaco, non opus helleboro. Repere per cellas, saxis hærere voluptæ est, Et sua præcipiti fidere colla jugo. Non satis in superas hic est enitier auras, Si non \& terræ viscera visus adit. Alcidæ similes tentatis limen Averni, Quod paucis nummis nocte dieque patet. Sed revocare gradum, superasque evadere ad auras Hoc opus hic labor est, est tamen arte minor. S unt Vermischte Gedichte. Sunt isthæc animis ludi quærentibus alta, Alcides superat, vos superatis idem. Non vos Elysii carcer suavissimus arvi Detinet, aut nobis invidet iste lacus. Ad nos lætantes, dulcissima triga, reditis, Pergite sic læti patrium adire solum. En mea jam vobis Silesia brachia tendit, Atque in complexus hospes amica ruit. Sat jam terrarum vidistis, satque locorum Vos casta aspectat Penelopeja domi. Ite domum saturi, tempus venit, ite laborum, Curaque vos faustæ posteritatis agat. Parvulus AEneas vestra sic ludet in aula: Qui, quæ vos olim, regna videre queat. Qui, quid mutatum, quæ sint perfecta, reversus, Barbato patri sæpe referre queat. Abschied von gutten Freunden. W as soll die trunckne Feder schreiben? Was aus des Hertzens Grunde quillt/ Worzu mich Lieb und Treue treiben/ Die Oder/ Mayn und Rhein bestaͤndigst unterhilt. Nimm an diß Denckmahl meiner Haͤnde Du treue Freund- und Bruͤderschafft/ Der ich zu Diensten mich verpfaͤnde So lang in diesem Leib ein Lebens-Athem hafft. Der Brauch der Welt ist viel zu sagen/ Ich schweige was ich leiden muß: Du kanst mein Hertz in deinem fragen/ Ob ich befreyet sey von Schmertzen und Verdruß. Doch weil es so der Himmel schicket/ So muͤssen wir zufrieden seyn; h Wer Vermischte Gedichte. Wer weiß noch wo es uns geluͤcket/ Daß wir uns hier und dar zusammen finden ein. Indessen leb in Lust und Freuden/ Du meiner Seelen halbes Theil/ Auff kurtzer Zeit betruͤbtes Scheiden Folgt mit dem Wieder-sehn erwuͤnschtes Gluͤck und Heyl. A de! o werthes Land/ du Anfang meiner Reisen! Ade von Wasser/ Wein und Nimphen reiche Stadt. Wo so manch gutter Freund mit mir gelebet hat/ Und ihren hohen Thurm die edlen Buͤrger preisen. Kan ich dir nicht den Leib auff laͤngre Jahre schencken/ So stirbet doch in mir niemahls dein Angedencken. Ade/ o Vater Rhein/ ich gruͤsse deinen Ruͤcken/ Der mich geluͤcklich trug nach seinem Niederland In mir getreuer Flutt. Ich ehre deinen Strand/ Den so viel schoͤne Staͤdt und Schloͤsser uͤbersticken. Es muͤsse keine Kroͤt an deinem Ufer wohnen/ Die Waffen deinen Strom und freyen Schilff verschonen! Ade/ o Land/ dem Wind und Wellen muͤssen dienen/ Dem Indien graͤbt Gold/ Molucca Pfeffer traͤgt/ Und Moscau seine Frucht in Wasser-schauren legt/ Das sich mit Koͤnigen zu kriegen darff erkuͤhnen: Du Zaum der frechen See/ die dein Gestade netzet/ Der dein Be Reuter izt fast neue Rechte setzet! Ade/ o Land/ beruͤhmt von Ubung gutter Sitten! Ade zu-grosse Stadt/ zu-kleines Land Pariß/ Das ich nicht unbereut so zeitlich hinterließ! Ade/ o Reich/ das izt so vielen wil gebitten/ Wo sich mit Dienstbarkeit der Freyheit Schein vermaͤhlet/ Wo stete Neuigkeit hat ihren Sitz erwaͤhlet! Ade/ o schoͤnes Land/ du Paradiß der Erden! Ade/ o Fluß/ dem vor gehorsam war die See! Du weyland andre Welt/ der Erden Haubt/ Ade! A de Vermischte Gedichte. Ade/ o reiche Stadt/ der Wellen Waͤlle werden/ Zum Graben dient das Meer! Und du der Staͤdte Preiß/ Die von Vesevus Glutt so viel zu sagen weiß. Ade/ o Berg und Thal! Ade/ o Puͤsch und Waͤlder/ Durch welche mich die Lust zu reisen hat gefuͤhrt! Weil mein gesezter Lauff nunmehr sein Ziel beruͤhrt/ Muß mein gezwungner Leib gesegnen fremde Felder/ Und eilen den Befehl der Sternen zu vollbringen: Jedoch den freyen Sinn soll kein Vergessen zwingen. Ade/ o werthe Schaar/ o Auszug meiner Lieben/ Die treue Redligkeit mit Freundschafft mir verband! Ich trenne mich von dir: nimm hin zum Unterpfand Ein Hertze/ das sich dir zur Dienstbarkeit verschrieben. Dich Filidor/ mein Kind/ will ich mit GOtt noch schauen/ Weil nicht allhier/ doch in den Elyseer Auen. Ich gehe nun dahin die Freyheit zu begeben/ In einen Winckel mich der Welt zu sperren ein/ Ein Moͤnch und wilder Mensch bey wilder Welt zu seyn/ Der Sorgen schweres Joch auff meinen Hals zu heben/ Der kurtzen Reisen Lauff in wenig deutsche Meilen/ Die Zeit in Ritterspiel der Bauren zu vertheilen. Mein Wechselbrieff ist dar der karge Wochen-Zedel/ Mein Koͤnigreich ein Dorff/ der Zepter Kerb und Stab/ Darauff geschnitten steht was mir die Erndte gab/ Mein Thron ein Rasen-Fleck/ mein stoltzer Fliegen-Wedel Der Alten gelbe Schweiff; mein Schweiß bekroͤnt die Stirne/ Dian und Fillis ist die starcke Scholtzen-Dirne. Nein Hofe-Rath der Vogt/ mein Ambra Mist und Thuͤnger/ Nein Nectar Hopffen-Safft/ ein Apffel mein Confect/ Die Music/ Hund und Hahn/ so mich vom Schlaffe weckt/ Der Hunger Wuͤrtz und Koch/ Vorschneider Zahn und Finger/ Nein Zeit-Vertreib/ daß ich der Wirthschafft Kummer fuͤhre/ Bey einem groben Volck Verstand und Witz verliere. h 2 Ein Vermischte Gedichte. Ein Bienen-Stock mit aus- und einfliegen- den Bienen. Non nobis solum. D ie Biene sucht nicht ihr den Honig nur allein: Manch Mensch und Thier pflegt Gast bey ihrer Kost zu seyn. Wer andern nicht zu Nutz anwendet seine Gaben/ Muß einen Stachel nur und keinen Honig haben. Ein Seiden-Wurm in seinem Gewebe. Aliis Sericum, mihi sepulcrum, sed pulcrum. M ir zum Grabe/ dir zum Kleide Spinn ich die beruͤhmte Seyde Selbst aus meinem Eingeweyde: Andern dienen/ sich verzehren/ Kan dem Grabe zwar gewaͤhren Doch im Tode Lob gebaͤhren. Eine herab-fallende Stern-Putze. Micat igne caduco. S o steiget und faͤllt die Ehre das Gluͤcke der Welt. M an findet wenig Pracht in alten Adels Schilden/ Der Ahnen tapffre Faust hat solche selbst gemahlt/ Ein Denckmahl ihres Sinns den Erben einzubilden/ Da izt die neue Welt mit vielem Schmucke prahlt. Wo man den Vogel kan aus seinen Federn kennen/ So mag man manchen wohl des Adels Mißbrutt nennen. D er Vermischte Gedichte. Der Alten Einfalt wieß die ungefaͤlschten Sitten Mit schlechten Farben aus: das unbefleckte Weiß Die rothe Tapfferkeit/ die manchen Sieg erstritten/ Das treu-bestaͤndge Schwartz behielt damahls den Preiß. Izt muß offt alles voll und bund gemahlet stecken/ Der aͤusserliche Pracht den innern Mangel decken. Wenn izt ein Alter solt in seine Hoͤrner blasen/ Damit er seinen Feind zu schrecken war geruͤst/ Und manchen edlen Held auff Blut-gefaͤrbten Rasen Zum Streite fodern aus/ zu weisen/ was er ist/ Wie wuͤrde Schild und Helm offt auff die Seite fliegen/ Der neu-erworbne Stand und Schmuck im Kothe liegen. Doch muß der Ahnen Rauch nicht so zu Kopffe steigen/ Daß man beschimpffen will/ was Tugend edel acht/ Das Wappen/ nicht der Ruhm der Vaͤter/ ist uns eigen. Man setze weiter nach/ wie sie die Bahn gemacht; Wann vieler Jahre Schweiß nicht soll umsonst zerrinnen: Erhalten schaͤtzet man so kuͤnstlich als gewinnen. W ie ist die deutsche Welt in Neuigkeit ersoffen! Man deckt und kleidet sich/ man schreibet/ singt und spricht/ Man reiset/ schlaͤfft und isst/ man reitet/ tanzt und ficht Nach neu-erwaͤhlter Art: Wer Gluͤck und Gunst will hoffen/ Muß sich in allem Thun der Neuigkeit bequemen/ Sonst wird ihn Uberwitz mit Hohn und Spott beschaͤmen. Es bleibet nicht darbey: Man aͤndert auch die Sitten/ Der Kuͤttel alter Treu und deutscher Redligkeit Ist unsrer Mode-Welt ein viel zu schlechtes Kleid: Die junge Neuigkeit will uͤberall gebitten. Was Wunder/ wenn nun auch in manchem deutschen Lande Der neue vor will gehn dem alten Adel-Stande? Das Alter wird veracht/ das doch so viel begehren: Doch will ich lieber Alt- als Jung-gebohren seyn; h 3 Mit Vermischte Gedichte. Mit Auffgeld tauschet man die alten Muͤntzen ein: Der Firne-Wein gilt mehr/ als der noch soll verjaͤhren. Man sieht die Aloe nach hundert Jahren bluͤhen/ Der jungen Tulpe Pracht in kurtzer Zeit entfliehen. Der verkleidete Comoͤdiant. K und und zuwissen sey der Compagnie gethan/ Hier kommt ein neues Paar Comoͤdianten an. Ich der Comoͤdiant bin Edel zu erkennen Und darff manch hohes Hauß der Anglen Vaͤtter nennen. Mich hat das falsche Recht zu dieser Nahrung bracht/ Das meinen Bruder reich und mich zum Bettler macht. Doch mag er/ wie er will/ mit seinen Guͤttern prangen/ Ich kan/ was er niemahls/ in einer Stund erlangen. Der goͤldne Koͤnigs-Stab/ die Kronen sind mein Spiel/ Ich trag und lege sie hinweg/ so offt ich will. Ihr fuͤhret allesamt mit mir ein gleiches Leben/ Und muͤsset/ weil ihr lebt/ Comoͤdianten geben. Wer mein Gefaͤrte sey/ streich ich nicht viel heraus/ Es weists der kluge Mund/ die suͤssen Wangen aus/ Wenn eine Goͤttligkeit soll vorgestellet werden/ So schicke sich hierzu nichts bessers auff der Erden. Sie ist/ die nicht allein zum Scheine macht verliebt/ Die Wunden ohne Schwerdt/ und biß auffs Hertze giebt. Was der Gesellschafft wir nun willens vorzutragen/ Wird dieser Zeddel euch mit kurtzen Worten sagen: Wir stellen kuͤnstlich fuͤr/ was zu Athen erklang/ Was Roscius nur wieß/ und Seneca besang/ Was Tasso und Guarin/ die klugen Welschen/ lehrten/ Corneille/ Molliere in Franckreich neu vermehrten. Was Londen und Madrit Verliebtes weisen kan. Die Zeit ist/ die ihr uns selbst werdet zeigen an/ Der Preiß/ um welchen wir erlauben zu zuschauen/ Ein Kuß/ zu legen ab bey mir und meiner Frauen. Der Vermischte Gedichte. Der erste verkleidete Schaͤfer. E s hat mich meine Braut geziert mit mancherley: Der rothen Muͤtze Schmuck deckt mein Gold-gelbes Haar/ Das nechst bey Sonnenschein vor roth verdaͤchtig war. Der steiffe Kragen steht geziert mit schoͤnem Bande/ Und mein gefoͤrmelt Peltz ist wohl der schoͤnst im Lande. Das Leder haͤlt den Stich/ von dem ich Hosen trage/ Was meynt ihr das ich von den schmucken Stiefeln sage? Der Kober ist mir gutt/ den Kaͤß hinein zu stecken; Ich weiß/ ihr esst mit mir auff meinen Wolle-Saͤcken. Die Keule schuͤzt mich auch fuͤr Unthier und fuͤr Dieben. Jedoch mit alle dem ist was vergessen blieben/ Das/ leider/ mir noch fehlt: Rath’t alle/ was es sey? Der andere verkleidete Schaͤfer. S choͤne Wilden/ seynd gelinder/ Lernt verliebt und freundlich seyn/ Liebt beliebte Schaͤfers-Kinder/ Ihr muͤst euch doch finden drein. Unsre Hertzen sind ergeben Zu empfinden suͤsse Brunst/ Warum wolt ihr widerstreben/ Wo doch alle Muͤh umsunst? Geht und sucht die Lust beyzeiten Die aus reiner Lieb entspringt/ Eh euch tausend Bitterkeiten Eur verlebtes Alter bringt. Leben und ohn Liebe leben Ist bey Leben seyn halb todt/ Lasst uns Hertz um Hertze geben/ So habt ihr und wir nicht Noth. h 4 Drit- Vermischte Gedichte. Dritter verkleideter Schaͤfer. W eil uns noch die Jahre guͤnnen Zu genuͤssen unsrer Zeit/ So lasst keinen Tag verrinnen/ Kinder/ sonder Froͤligkeit. Lasst uns leben wohl vergnuͤgt Weil es Zeit und Gluͤcke fuͤgt. Geht in Matten auff und nieder/ Schaut die bunten Heerden an/ Wie dem Bocke/ wie dem Widder Schaf und Geiße liebeln kan: Lebet so wie sie vergnuͤgt/ Weil es Zeit und Gluͤcke fuͤgt. Traurigkeit heilt keine Wunden Fuͤllt den leeren Saͤckel nicht: Brauchet eurer Jugend Stunden/ Eh den Mutt das Alter bricht/ Lebet so mit uns vergnuͤgt/ Wie es Zeit und Gluͤcke fuͤgt. Die verkleidete Schaͤferinnen. H ier schauet uns die Nimphen von dem Lande/ Die wohl vergnuͤgt mit ihrem freyen Stande/ Durch schlaue List und falsche Pracht Niemand zu fangen seyn bedacht. Kein stoltzes Band muß unser Haubt beziehn/ Kein theurer Staub beruͤhret unser Haar/ Gold/ Liljen/ Rosen die ihr nehmet wahr/ Pflanzt die Natur mit eigner Hand dahin: Der Maͤyen-Thau/ der reine Bronnen/ Die Flutt der Spiegel-hellen Bach Muß unsrer frischen Wangen Anstrich seyn. Weil fauler Schlaff verdunckelt andre Sonnen Die ihrer Wollust hengen nach/ Und Vermischte Gedichte. Und schoͤner Wangen Purpur bleicht/ Beschaͤmen wir durch unsern Schein Der Morgenroͤthe fruͤhes Licht/ Daß sich entfaͤrbt der Erd entbricht: Dem klaren Antlitz gleicht die Reinigkeit der Sinnen. Kein truͤglich Wort/ kein abgestohlner Blick/ Kein Zucker falscher Hoͤffligkeit Ist fremder Freyheit Fall und junger Hertzen Strick. Der Buhler Kunst/ die diese Zeit An Hoͤfen treibt/ wird man bey uns nicht innen. Ein treues Hertz/ ein freyer Mutt Ist unsrer keuschen Seele gutt. Um Geld und Pracht stehn wir nicht feil/ Betrug und List hat hier kein Theil. Wer unser Hertze will erheben Muß seines um das unsre geben. Braut-Gedichte. G old/ Seide kan nicht Ind und Perse nur gewaͤhren/ Noch Mogols reiches Land sein theures Helffenbein/ Arabien hat nicht die schoͤnste Ros’ allein/ Es kan Golkonda nicht allein Demanten naͤhren/ Den strahlenden Rubin die Morgen-Welt gebaͤhren/ Die Muschel-reiche See der Perlen Mutter seyn/ Und Paros geben her den weisen Marmolstein. Wendt keine Kosten auff/ euch hin und her zu zehren. Zieht unserm Queisse zu/ schaut seine Nimphen an/ Beauget unsre Braut: ihr werdet sagen muͤssen/ Daß unser Schlesien diß alles zeugen kan. Wohl dem/ der solchen Schatz in Ruhe kan genuͤssen! Herr Braͤutigam seht zu/ legt die Jubelen an/ Daß sich die Nachwelt auch/ wie ihr/ erfreuen kan. D ergleichen Ahnen Zahl/ von denen sie entsprissen/ Der Eltern gleiche Gunst/ das gleiche Vaterland/ In welchem sie gezeugt/ dergleichen Neigung Band h 5 Von Vermischte Gedichte. Von Jugend auff verknuͤpfft/ und niemahls abgerissen/ Der gleich-gearte Sinn/ die Gleichheit der Gewissen/ Der gleichen Tugend-Zier/ die sich in Beyden fand/ Versezt euch/ Edles Paar/ numehr in gleichen Stand. Was wolte denn hieraus/ als lauter Segen/ fliessen? Schaut wie die Venus dort am Himmel blinckt und lacht! Sie spielet gegen euch mit Blicken in die Wette/ Sie eilet nach der Ruh/ und leuchtet euch zu Bette. Geht/ gebet eurem Stand in Freuden gutte Nacht/ Ich wuͤnsche/ daß sich bald moͤg eures gleichen finden/ Und eure gleiche Glutt ie mehr und mehr entzuͤnden. N un werff ich ab das Joch der stillen Einsamkeit/ Und suche mehr vergnuͤgt zu schluͤssen meine Zeit; Der falschen Freyheit Schein Soll uͤber meine Sinnen/ Die selber herrschen kuͤnnen/ Nicht mehr Tyranne seyn. Wer unverehligt lebt/ nennt sein Gemuͤtte frey: Urtheilet/ wer von uns doch mehr gebunden sey! Mich hat mein freyer Schluß Zu einer Wahl verbunden/ Um die er alle Stunden In Sorgen stehen muß. Was er verlieren will/ hebt er mit Sorgen auff/ Erwartet offtermahls dafuͤr den schlechtsten Kauff: Er weiß nicht was er kriegt/ Deuckt/ iedes sey das Seine; Ich habe schon das Meine Und bin damit vergnuͤgt. Jedweder Gegenstand ist seiner Liebe Ziel/ Er muß ein Sclave seyn/ wo er nicht herrschen will: Ich lebe wo ich lieb/ Und liebe wo ich lebe; Was ich empfang und gebe Ist freyer Sinnen Trieb. Die Vermischte Gedichte. Die Augen aller Welt sind auff ihn zugericht; Seht/ wie ihm jederman ein scharffes Urtheil spricht. Bald lebet er zu frey/ Bald will man uͤbel deuten/ Daß er zu stoltz bey Leuten/ Zu bloͤd und traurig sey. Was bringt ihm nicht fuͤr Furcht der heißen Liebe Macht/ Wenn manch Lieb-reitzend Blick nach seiner Freyheit tracht/ Wenn manche Venus ihn/ An der ihm nichts gelegen/ Auff unbekandten Wegen Will in ihr Netze ziehn! Loͤscht wohl der Seelen Brand ein abgestohlner Kuß/ Wenn man fuͤr Augen sieht der andern Uberfluß/ Wenn andre nehmen ein Mit ungezaͤhlten Zahlen/ Was uns zu vielen mahlen Muß abgeschlagen seyn? Der Ehre Rauch verfliegt/ ein Zufall raubt das Gutt/ Die Wissenschafft verfuͤhrt/ das Alter schwaͤcht den Mutt/ Der Freundschafft Glutt wird Eyß Darvon man offt die Asche Bey ausgeleerter Tasche Nicht mehr zu finden weiß. Was reine Brunst verknuͤpfft das bleibt unauffgeloͤst/ Durch dieses werden wir erfreuet und getroͤst: Getreue Liebe steht/ Wenn wir von hinnen muͤssen/ nd unter unsern Fuͤssen ie Welt zu Druͤmmern geht. rum sag ich gutte Nacht der bangen Einsamkeit/ nd suche mehr vergnuͤgt zu schluͤssen meine Zeit/ er Freyheit danck ich ab/ nd will sie izt verschluͤssen n dieser sanfften Kuͤssen ewuͤnschtes Feder-Grab. Ihr Vermischte Gedichte. Ihr Nimphen lebet wohl/ und denckt nicht mehr an mich! Wem gutts zu rathen steht/ der mach es so wie ich! Du angenehmer Tod Der Freyheit/ sey willkommen! Wer dich in Arm genommen Empfindet keine Noth. Sinnen-Bilder auff ein Braut- Bette. Ein Spiegel: Hierwider scheint Was du gemeynt. Eine Laute: Deren Steigen/ jener Fall Giebt den angenehmen Schall. Ein Pfersing-Baum/ dessen Blaͤtter der Zunge/ die Frucht dem Hertzen gleichet: Des treuen Hertzens Grund Macht Kuß und Zunge kund. Ein Paradieß-Vogel/ eine Naͤgel-Blum im Munde fuͤh- rend: Die Liebe fuͤhrt darvon Der treuen Muͤhe Lohn. Cupido mit verbundenen Augen/ auff einem Felsen im Meer sitzend: Wer mich nicht wehlt Den Weg verfehlt. Die Sonne im Thier-Kreiß: Nicht neben sich/ Nicht hinter mich. Eine Pfauin mit ihren Jungen: Der keuschen Zucht Gewuͤnschte Frucht. E in Vermischte Gedichte. Ein Krantz/ welchen die Spinne mit ihrem Gewebe um- ziehet: So haubt sich eine Nacht Des Krantzes edle Pracht. Andere Sinnbilder/ auff die Wappen der Vermaͤhlten. Ein Einhorn/ darauff geschrieben: Freyheit. Carior auro. Vor Gold geschaͤzt. Ein Einhorn mit einem Gold-farbigten Haar-Bande be- wunden: Clarior auro. In Gold versezt. Eine in der Lufft mit ausgespauneten Fluͤgeln schwebende weiße Taube: Intacta libertas. Was unbeschwungen. Eine von einem mit Adlers-Federn befiederten Pfeile ge- troffene/ mit hangenden Fluͤgeln und schwindenden Federn gegen der Erde sinckende Taube: Lentô consumitur igne. Wird doch bezwungen. Ein Schiff welches mitten durch etliche Syrenen mit vol- len Segeln durchlaufft: Odi nec patior moras. Mein freyer Lauff. Ein in See-Blumen verwickelter Kahn: Siste gradum. Haͤlt sich hier auff. Ein Vermischte Gedichte. Ein brennender Balcken/ welcher einen andern mit sich an- stecket: Uror ut uram. Mein Brand entzuͤndet dich. Ein Reyger/ welcher mit dem verwundeten Falcken zugleich herab faͤllt: Mocum te trahere cum peream libet. Du stirbst so wohl als ich. I ch bin das reine Glaß/ das noch kein Staub befleckt/ Die Lilje/ welche noch die Bienen nicht besessen/ Die Rose/ deren Blatt kein Kaͤfer noch durchfressen/ Das Muschel-Kind/ das noch der Mutter Schale deckt/ Das Ziel/ auff welches noch kein fremder Pfeil gezweckt/ Der suͤsse Freuden-Brunn/ den noch kein Bley gemessen/ Die Nuß/ aus der man kan das Lebens-Oele pressen. Die Schnecke/ welche noch die Hoͤrner nie gestreckt/ Die Tochter keuscher Scham/ der Unschuld liebstes Kind/ Die Aepffel-Bluͤtte/ die nun fertig auff zuspringen/ Das Muͤntzhauß/ drinnen man Vergnuͤgungs-Schaͤtze find/ Die Festung/ welche durch ein einig Thor zu zwingen/ Der Liebe Feuer-Zeug/ die Artzney deren Krafft Auch Todte lebend macht/ die edle Jungfranschafft. Wie geht mirs aber nun? man floͤst mir Nectar ein/ Cupido will bey mir den Jungfern-Honig finden/ Der Liebe Brand muß mir die Roͤthe mehr entzuͤnden/ Die Perle kan auch in der See nicht sicher seyn/ Ein Bogen scharff besaͤhnt zielt auff mein Helffenbein/ Was ich verborgen hielt/ will Fuͤrwitz doch ergruͤnden/ Die Liebes-Presse sucht aus mir den Safft zu winden/ Mein Wohnhauß wird bestuͤrmt/ und waͤr es noch so klein. Die Mutter laͤst ihr Kind/ und weichet selbst darvon/ Die Knospe platzet auff/ der Schatz wird mir gestohlen/ Aus meiner Brustwehr wird des Uberwinders Thron/ Der Venus-Zunder faͤngt und brennet endlich Kohlen/ D en Vermischte Gedichte. Den Arzt ertoͤdtet selbst die fremd-erweckte Krafft/ Und endlich stirbt dahin die edle Jungfrauschafft: So hab ich viel Gefahr von aussen und von innen/ Und sehe wie der Tod schon auff der Zunge sizt/ Die Poltzen/ welche man mich zu verletzen spizt/ Die List/ durch welche man mich trachtet zu gewinnen/ Die stets genaͤhrte Glutt der angefeurten Sinnen/ Die Thraͤnen/ welche man bey meinem Grabe schwizt/ Die Vortheil/ welche man mich zu verletzen/ nuͤzt. Sind Feinde die ja leicht mich Schwache faͤlleu kuͤnnen. Ich muß/ doch will ich nicht gantz ungerochen sterben/ Den Sieger soll sein Schweiß nebst meinem Blutte faͤrben/ Wird mir der Ring entfuͤhrt/ die Lantze biegt vom Streit/ Man muß mir diesen Ruhm der Großmutt hinterlassen/ Ist gleich mein Helden-Tod nicht ohn Empfindligkeit/ Ich will doch meinen Feind und Moͤrder nimmer hassen. Nun Nimphe/ finde dich nur willig zu der Bahre. Ich dancke/ was ich kan/ der treu-gepflognen Hutt: Gib ohne weigern hin mein unbestaͤndigs Gutt. Der gruͤnen Jugend Preiß verfaͤllt bey grauem Haare/ Wer uͤber rechte Zeit verhalten will die Wahre/ Wird innen/ daß er ihm den meisten Schaden thut. Ihr Schwestern folget nach mit kuͤhnem Helden-Mutt/ Was schadets/ daß man noch/ was unbekannt/ erfahre? Seht/ wie beherzt ich geh auff dieser heissen Bahn: Julinde/ gutte Nacht/ ich kan nicht laͤnger bleiben/ Der suͤsse Tod klopfft schon bey meinen Lippen an: Im Fall ich nicht bey dir zu lange Zeit gehafft/ So laß mir auff mein Grab mit steiffem Griffel schreiben/ ier liegt/ was muͤhens werth/ Julindens Jungfrauschafft. S o giebt Lorette nun dem Kraͤntzgen gutte Nacht/ Und will sich allgemach zum Frauen-Netze schicken? er Gaͤrte reicher Schmuck/ der Blumen Krone Pracht oll izt ihr Silber-Haar nicht mehr wie vormahls schmuͤcken? as schadets/ wenn nur noch die Scham-gefaͤrbten Wangen/ er roth-gekuͤßte Mund mit Ros- und Naͤgeln prangen! Den Vermischte Gedichte. Den Lippen gleichet sich die Zucker-Rose nicht/ Die Liljen/ die bey ihr auff Hals und Bruͤsten schweben/ Die Tulipen/ die ihr bebluͤmen das Gesicht/ Sind Blumen die mehr Glantz und Anmutt von sich geben; Als wenn ihr Rubars Zier und Spanjens Gelsaminen/ Ja Florens gantzes Reich zum Krantze muͤsten dienen. Zwar Kraͤntze sind beliebt/ auch in der Goͤtter Hauß/ Ein rund-geflochtner Zweig muß Nimph- und Helden zieren/ Der Himmel schmuͤckt sich selbst mit Sternen-Kraͤntzen aus/ Laͤst Kraͤntz um Sonn und Mond und andre Lichter spuͤren; Doch wenn die Sonne brennt/ wuͤnscht man ihn mit Verlange n Vom Schleyer brauner Nacht/ der Wolcken Haub/ umhange n Es huͤllt sich alle Welt in Schaub- und Hauben ein; Soll sich Lorett allein der Mode nicht bequemen. Der Himmel will heut selbst mit ihr gehaubet seyn/ Daß sie sich nicht allein des Haͤubgens doͤrffe schaͤmen. Wir sehn auch izt das Feld mit Faden uͤbersponnen/ Was Wunder/ wenn Lorett ein gleiches hat begonnen. Den Erden-Krantz verderbt der ungestuͤme Nord/ Des Herbstes rauhe Lufft macht Blum und Laub entfliehen: Hier blaͤst ein warmer Sud die welcken Blaͤtter fort/ Und macht den bunten Krantz der Liebe Glutt verbluͤhen: Wann jene fruͤher Frost und scharffer Reiff entfaͤrben/ So kan wohl dieser auch von heissem Thau ersterben. Man geht bey Tag und Nacht mit Garn und Netzen aus/ Manch leichtes Feder-Kind mit Lust und List zu fangen; Was ist die Haube denn? der Freyheit Vogel-Hauß/ Ein Netze/ nach der Jagt zur Siegs-Pracht ausgehangen. Muß hier die Jaͤgerin gleich selbst im Netze liegen/ So zeuget solches doch von ihrem Fang- und Siegen. Nun Braͤutel/ gib mit Lust dem Kraͤntzgen gutte Nacht/ Laß Venus Sieges-Fahn um deine Scheitel fliegen/ Und dencke/ weist der Krantz gleich mehr von Gelder-Pracht/ So weiß die Haube mehr von wuͤrcklichem Vergnuͤgen. Das Gluͤcke wird dein Netz aus edler Seyde weben/ Die Zeit viel neuen Zeug zu Kraͤntz- und Hauben geben. Raͤt h- Vermischte Gedichte. Raͤthsel aus dem Italiaͤnischen uͤbersetzet. I ch bin der Schoͤpffer nicht/ noch in Geschoͤpffes Orden/ Auch unter Lebenden niemahls gesehen worden/ Bey Menschen sieht man mich/ biß sie erblichen seyn/ Doch schleust mich kein schlecht Grab/ wie sie/ nur Mar- mor ein. Galante Mode-Welt gibt mir die erste Stelle/ Die Erde traͤgt mich nicht/ mich hegt noch Flutt noch Welle/ Ich mag nicht in die Lufft noch in das Feuer gehn/ Und will im Mittel-Punct der Elementen stehn. Es weiß noch Jahr noch Tag noch Stunde mich zu messen/ Beym Monat-Wechsel bleib ich dennoch unvergessen/ In gegenwaͤrtiger und in vergangner Zeit Schweb ich so wenig als in kuͤnfftger Ewigkeit. Gebohren bin ich nicht wie andre/ welche leben/ Doch muß mir Mars und Mors den ersten Mordstich geben/ In Marter bin ich stets/ doch von der Hoͤllen fern: Im Himmel bin ich auch/ doch ohne Sonn und Stern. Wahre Freundschafft/ Sechstinne. W as ist das hoͤchste Gutt auff diesem Erdenkreiß? Es halten ihrer viel davor den theuren Koth Der Erde gelbes Marck/ das man mit strenger Hand Aus fest-verschloßner Schos der großen Mutter reist/ Sie setzen gegen Gold die Seele selber auff/ Im Fall sie lachet an ein Nutzen und Gewinn. Was ist auff dieser Welt der edelste Gewinn? Viel schaͤtzen sich vor reich/ im Fall der Riegelkreiß Erdienter Herren-Gunst gehoben aus dem Koth Ihr vor verachtes Haubt/ im Fall die Gnaden-Hand Des Fuͤrsten sie erhoͤht und aus dem Staube reist/ So blaͤset sich ihr Sinn aus allen Kraͤfften auff. i Was Vermischte Gedichte. Was hebet man mit Recht vor alle Gaben auff? Es nehmen ihrer viel den kurtzen Jahr-Gewinn/ Dadurch erweitert wird der enge Lebenskreiß/ Vor Ehre/ Geld und Gutt/ sie kleben an dem Koth Der irrdnen Sterbligkeit mit Hertze/ Mund und Hand/ Biß sie zulezt davon ein traurig Ende reist. Was ist darnach man sich mit bestem Rechte reist? Was nur den geilen Leib zur Freude muntert auff/ Diß acht der meiste Theil der Menschen vor Gewinn/ Da doch so lange Zeit den rundten Jammerkreiß In Ach und Weh bewohnt der schwache Bau von Koth/ Verwechselt Leyd und Freud einander reicht die Hand. Was ist zu nehmen an mit ausgestreckter Hand? Nicht stoltze Wissenschafft/ die von der Erde reist Den Wind-gefuͤllten Sinn/ zu steigen Himmel auff/ Die vielen zwar verheist der Ewigkeit Gewinn/ Doch wenn sich kehret um der Ehre falscher Kreiß/ Wird durch der Feinde Grimm gestuͤrtzet in den Koth. Geld/ Gnade/ Zeit und Lust und Wissen faͤllt in Koth/ Ein treuer Jonathan des Freundes rechte Hand/ Der von dem Freunde sich in keinen Noͤthen reist/ Der Gutt und Blutt vor ihn mit Freuden setzet auff/ Ist/ meinem Sinne nach/ der edelste Gewinn/ Den uns gewaͤhren kan der Erde Kugelkreiß. F remde Kleider/ falsche Haare/ Falsche Treu/ verfaͤlschter Wein/ Glatte Worte/ falscher Schein/ Sind anizt die beste Waare. Wer will sich bey solchen Tagen Mit der albern Warheit plagen? Leug die groͤsten Tummel-Plaͤtze/ Gib die Wort um gutten Kauff/ Schneid von Ost und Westen auff/ Darum strafft dich kein Gesetze! Wilt u Vermischte Gedichte. Wiltu viel die Warheit geigen/ Wird man dir die Feigen zeigen. F riedlich ists am besten leben: Ins gemein verliert nicht viel Wer mit Schlaͤgen handeln will/ Was er einfach ausgegeben/ Kommt ihm uͤber Haubt und Glieder Offt mit reichem Wucher wieder. Doch ist Friede nur zu fuͤhren Weil der stoltze Nachbar will/ Ehr und Auge leidt nicht viel Und ist schwerlich zu curiren/ Soltu fuͤr die Ehre streiten Thu es hurtig und bey Zeiten. T ieffe See ist zu ergruͤnden/ Und des Himmels hohes Hauß Misst der kluge Stern-Witz aus; Aber wo sind die zu finden Die des Frauenzimmers Luͤsten Gruͤndlich zu beschreiben wuͤsten? So die Worte was verneinen/ Spricht das Hertze vielmahl ja/ Und der groͤste Sturm ist nah Wenn die Augen heiter scheinen. Gluͤcklich/ wer bey solchem Handeln Die Gedancken auch kan wandeln. L ieb und Zorn erhizt die Jugend/ Toller Wahn und Eitelkeit Stihlt der Menschen beste Zeit/ Mittel-Straße fuͤhrt zur Tugend. Kohlen die am meisten rauchen Sind am mindsten zu gebrauchen. i 2 Lie- Vermischte Gedichte. Liebe/ wann die Zeit verhanden Und Vernunfft den Weg geweist. Zuͤrne/ wanns die Ehre heist/ Daß du nicht bestehst mit Schanden. Rede/ was du kanst bekennen; Gleiche zu ist gutt zu rennen. E rgoͤtzet die Sinnen Mit frohem Beginnen/ Doch dencket dabey/ Daß Leyden und Scheiden Der irdischen Freuden Verwechselung sey. Die Saͤhne vom Bogen Die immer gezogen/ Bricht endlich und reist; In stetigem Trauren Das Hertze vermauren Erstecket den Geist. Vernuͤnfftiges Schertzen Ermuntert die Hertzen Erfrischet das Blutt/ Drum brauchet der Jugend In Ehren und Tugend/ Mit froͤlichem Mutt. Lacht/ spielet und singet/ Schwaͤzt/ tantzet und klinget/ Die Bluͤtte geht hin/ Diß was ihr empfunden In lustigen Stunden/ Ist euer Gewinn. Die traurigen Tage Verdruͤßliche Plage/ S amt Vermischte Gedichte. Samt kraͤncklicher Zeit/ Sind Fruͤchte der Jahre/ Biß Sterben und Bahre Ja Rechnung bereit. Schertz-Gespraͤch zwischen Bruder und Schwester. W enn dir nicht mehr das Brodt der Eltern schmeckt/ So schau wo dir ein besser Tisch gedeckt. Geh in die Welt und schau wo dir das Gluͤcke bluͤht: Die Frucht taugt selten viel die eigner Mist erzieht. Man jagt uns in die Welt/ und holt uns aus der Welt; Weil wir die Stuͤtze seyn die jedes Hauß erhaͤlt. Man sucht uns/ biß man uns beruͤckt/ Und wird doch selber mit bestrickt. Ihr werfft den Nahmen weg/ verlihret das Geschlechte. Und dennoch nennen sich die Maͤnner unsre Knechte. Die Herrschafft taugt nicht viel/ hat selten auch Bestand. Man spanner uns ins Joch/ doch bauen wir das Land. Unvergnuͤgung/ aus dem Horatius. W ie kommts/ daß jeder fast mit dem nicht ist zufrieden/ Was ihm die Wahl bestimmt/ des Gluͤckes Schluß be- schieden/ nd Fremdes hoͤher schaͤzt? der alte Landsknecht spricht/ enn ihm der lange Dienst die morschen Glieder bricht: ie gluͤcklich lebt vor mir der Kauffmann in den Staͤdten/ uͤr dem ich muß dem Feind und Tod entgegen treten! ergegen dieser sagt/ wenn Sturm und falsche Flutt fft zu verschlingen draͤut sein ungewisses Gutt; eit besser ists im Krieg/ als so das Leben wagen/ d was man hat erscharrt: was ists nun mehr im Schlagen. i 3 Man Vermischte Gedichte. Man weiß in kurtzer Zeit/ wer sieget/ oder liegt. Den starcken Ackersmann schaͤzt Arzt und Rath vergnuͤgt/ Daß er sich unbesorgt in seiner Huͤtte strecket/ Wenn den Beruff und Sorg aus seiner Ruhe wecket/ Eh kaum der Hahn gekraͤht; hingegen jener meynt/ Daß in der Stadt allein des Gluͤckes Sonne scheint. Was soll ich weiter viel von solcher Art erzehlen? Mir wird eh Tag und Wort als weiter Anlaß fehlen. Ich schrenck in diesen Schluß izt meine Reden ein; Wenn das Verhaͤngnis wolt einmahl so guͤttig seyn/ Zu hoͤren solchen Wunsch/ und einem jeden sagen: Du solt den Mantel izt/ und der den Degen tragen/ Nimm du den Pflug zur Hand/ der soll die Feder fuͤhren. Tauscht um! was steht ihr noch? Es wird sich keiner ruͤhren/ Und steht doch jedem sein vermeyntes Gluͤcke vor. Ach/ waͤr ich Jupiter/ wie schluͤg ich sie fuͤrs Ohr! Damit ich aber nicht nur scheine Schertz zu treiben/ (Wiewohl mit Lachen auch die Warheit einzureiben/ Die groͤste Weißheit ist/ und Zucker-volle Hand Das A B C dem Kind am besten macht bekandt/) So lasst uns auch mit Ernst von unserm Wandel sprechen: Der sich im Schweiße muͤht das harte Land zu brechen/ Der Schencke voller List/ der muttige Soldat/ Der Schiffer/ der sein Hauß auff wilden Wellen hat/ Steht alles dieses aus/ wenn wir ihn druͤber fragen/ Daß er auffs Alter leb in Ruh und gutten Tagen. Wie sich das kleine Heer der Emsen emsig weist/ Auff Vorrath in der Zeit mit grosser Muͤh befleist; Da kommt die schwartze Schaar durch Pusch und Graß ge- lauffen/ Schleppt zu mit Fuß und Mund/ vermehret seinen Hauffen/ Und weiß was kuͤnfftig folgt/ macht sich darauff bereit/ Doch wenn der Wassermann sein Eiß-gefrornes Kleid Der Erde ziehet an/ so lieget sie verborgen/ Verzehrt was sie gespart gedultig ohne Sorgen. Was aber thut der Mensch? Noch Hitze/ weder Frost/ Eiß/ Eisen/ Glutt noch Flutt ersteckt in seiner Brust/ Die thoͤrichte Begier/ daß er noch reicher werde/ Was Vermischte Gedichte. Was hilfft die große Last der Gold- und Silber-Erde/ Die du mit schwerer Muͤh in feste Kasten hebst/ Auch wohl/ nicht ohne Furcht/ tieff in die Erde graͤbst? Du must sie klein gemacht nach leichten Hellern schaͤtzen/ Im Hauffen ungebraucht/ wird sie dich schlecht ergoͤtzen. Ob tausend Saͤcke Korn auff deinem Tenne stehn/ Wird mehr in deinen Bauch/ als eines andern/ gehn? Gleich wie so viel vom Brodt/ der nichts getragen/ krieget/ Als dem ein gantzer Korb darvon den Ruͤcken bieget. Was lieget dem wohl dran/ der sich in Graͤntzen haͤlt Die die Natur gesteckt/ ob er ein weites Feld/ Ob er ein enges pfluͤgt. Du sagst/ es sey bequeme/ Daß man mit voller Hand vom grossen Hauffen nehme. Wenn mir beym kleinen nur die Nothdurfft nicht gebricht/ Beneydt mein schmales Hauß die großen Speicher nicht. Ein Becher saͤttigt dich: wilt du vom Fluß empfangen/ Was dieser Brunn vergoͤnnt? die allzuviel verlangen Ersaͤuffen offt den Schmack Durst; wer/ was er darff/ begehrt/ Trinckt reiner/ oder wird nicht von der Flutt gefaͤhrt. Allein/ wie viel verfuͤhrt das Irrlicht schnoͤder Luͤste? Nichts ist/ womit ihr Sinn sich zu vergnuͤgen wuͤste/ Sie sagen: Immer her. Man gibt/ so viel man hat; Wer darbet/ ist veracht. Wie ist den Leuten Rath? Dieweil sies wollen seyn/ so laß sie elend bleiben/ Was jenem zu Athen geschach/ von ihnen schreiben Zu ihrer Thorheit Ruhm. Der Schimmel-Pfenning sprach/ Wenn ihm die Buͤrgerschafft viel seltzams sagte nach: Der Poͤfel rauscht mich aus/ ich lobe mich alleine/ ach aller Thorheit aus bey angefuͤlltem Schreine. Man mahlt/ daß Tantalus voll Durst in kuͤhler Flutt msonst nach Wasser schnappt/ du lachst mit stoltzem Mutt/ nd siehst dein Ebenbild in seiner Larve stecken. Du schlaͤffst mit offnem Mund/ und wachst bey deinen Saͤcken/ Darffst sie/ als Heiligthum/ nicht kuͤhnlich greiffen an/ ast so viel Lust darvon/ als der empfinden kan Der ein Gemaͤhlde schaut. Wilt du das Geld genuͤssen/ So sey auff rechten Brauch zu deiner Noth beflissen/ i 4 Ver- Vermischte Gedichte. Versorge deinen Leib mit Kleidung/ Tranck und Kost/ Und sey kein Schabehalß. Was bringet dir fuͤr Lust/ Die bange Wachsamkeit/ das Huͤtten fuͤr den Dieben/ Die Sorge fuͤr den Brand/ die Furcht/ was die veruͤben Die du im Dienste brauchst? Ich wuͤnsche daß ich frey So schwer-erworbner/ schwer-bewahrter Guͤtter sey. Wenn dich ein Fieber doͤrrt/ das Miltzweh niederleget/ Wer ist/ der bey dir sizt/ wen hastu/ der dich pfleget/ Der deinen Arzt ermahnt zu ungesparter Muͤh/ Die dich dem nahen Tod aus seinem Rachen zieh? Dein Weib bekuͤmmert sich nicht um dein laͤnger Leben; Der karg-gehaltne Sohn will gern die Koͤrbgen heben/ Die Nachbarn hassen dich/ noch koͤmmt dir seltzam fuͤr Daß/ was du keinem thust/ auch keiner thut an dir/ Weil du das schnoͤde Geld fuͤr alles hast geliebet/ Daß keiner ohne Geld auch Lieb an dir veruͤbet. Verwandter oder Freund haͤlt dir so wenig Stand Als wohl zum Ritterspiel ein Esel wird gewandt. Drum/ Lieber/ mach einmahl dem Geitzig-seyn ein Ende: Was du zu erst begehrt/ das fuͤllt dir schon die Haͤnde Weil du zu leben hast/ so wirst du wohl bestehn/ Vergnuͤge dich/ sonst moͤcht es dir wie jenem gehn: Uvidius ist reich/ hat Geld/ er moͤcht es messen/ Und dennoch furcht er sich zur Gnuͤge satt zu essen/ Traͤgt ein beschabtes Kleid: der Kummer wird gelegt/ Als ihn der starcken Magd ihr Beyl darnieder schlaͤgt. Du sagst/ so soll ich denn nur stets vom Schlemmer fingen/ Was mir der Tag erwarb/ des Abends durchzubringen. Mein Freund/ du faͤllst von dem auff jenes Widerspiel. Der grade Mittelweg fuͤhrt auff das rechte Ziel. Drum muͤhe dich den Geitz (nicht Wirthligkeit) zu meiden/ Friß nicht dein Hertze selbst durch hungerleidisch Neiden/ Wenn deines Nachbarn Zieg ein groͤsser Euter traͤgt/ Erforsche nicht was der und jener hinterlegt/ Und denck ihm vorzugehn. Dich wird bey solchem Eilen Noch immer einer/ der dich uͤberwiegt/ verweilen. Es wird dir so ergehn wie auff der Rennebahn Da einer hinter dir/ der ander fornen an: Fr agst Vermischte Gedichte. Fragst du nach dem nicht mehr/ der schon zuruͤcke blieben/ So sorgst du desto mehr dem ersten fuͤrzuschieben. Diß machts/ daß sich nicht leicht iemand fuͤr gluͤcklich preist/ Noch als ein satter Gast vergnuͤgt von hinnen reist. Der Fehler liegt an uns und unserm Unvergnuͤgen: Die beste Weißheit ist/ wies Zeit und Gluͤcke fuͤgen Fuͤr sich zufrieden seyn. Damit ihr mich nicht schaͤzt Gleich andern unvergnuͤgt/ es ist genung geschwaͤzt. Fuͤnff Frauenzimmer/ fuͤnff Sinnen. F uͤnff Sinnen geben sich uns itzund anzuschauen: Wie aber sollen wir dieselben theilen ein? Daß wir nicht stossen an bey Fraͤulein oder Frauen/ So wird des Wirthes Rath darzu vonnoͤthen seyn. Zwar zeigt sich das Gesicht in hold-beflammten Blicken/ Und frisches Feuer ist der Fraͤulein Eigenthum; Doch will sich noch ein Sinn zu ihrer Anmutt schicken. Wo schoͤne Blumen bluͤhn/ hat der Geruch den Ruhm. Der Wirthin Hoͤfligkeit will man sich selbst entdecken/ Ob ihr von jedem Sinn ein sonders Lob gebuͤhrt/ Daß sie es diesen Tag am meisten sucht vom Schmecken/ Indem sie uns zum Glaß und gutter Speise fuͤhrt. Wo hoher Tugend Preiß mit vollem Glantze spielet/ Erschallet auch der Klang darvon mit hellem Thon. Wenn Auge/ Ruch/ Geschmack und Ohr Vergnuͤgun g fuͤhlet/ So bleibt noch uͤber diß der fuͤnffte Sinn mein Lohn. Verbuͤndnis-Regeln der Gesellschafft zum weltlichen Einsiedler. W er kommen will in dieses Hauß/ Darff nicht die ungetreuen Sinnen Mit falschen Farben zieren aus; Ein treues Hertz allein ist angenehm hierinnen. i 5 Wer Vermischte Gedichte. Wer in die treu-verknuͤpffte Zahl Will willig werden auffgenommen/ Muß durch geneigter Stimmen Wahl Erlaubnis neben uns zu treten uͤberkommen. Auff gleiche Jahr und gleichen Stand Pflegt unser waͤhlen sich zu gruͤnden/ Der Tugend reichen wir die Hand/ Auch Demutt und Gedult kan bey uns Stelle finden. Wer in diß Buͤndniß schreitet ein Muß dreyerley zuvor versprechen: Bestaͤndig/ Andachts-voll zu seyn/ Und sich zu keiner Zeit Gehorsams zu entbrechen. Wo Andacht in dem Hertzen brennt/ Laͤst sie sich auch durch Wercke spuͤren/ Wer sich ein frommes Mitglied nennt/ Wird unsre Wohnungs-Statt durch ein Gedaͤchtnis zieren. Der beste Zeit-Vertreib und Spiel Besteht in schwaͤtzen oder singen: Wem nicht die Stimme folgen will Kan Lieder nach Befehl der andern Schwestern bringen. Die Andacht leitet auch dahin/ Daß man ein taͤglich Angedencken Soll in dem Hertzen lassen bluͤhn/ Wenn Zeit und Gluͤcks-Fall uns durch schweren Abschied kraͤncken. Bestaͤndigkeit macht uns verpflicht/ Bey diesem Stande treu zu leben/ Und keinem fremden Orden nicht/ Biß sieben Jahre sind vorbey/ sich zu ergeben. Auch lehret uns Bestaͤndigkeit Bey einerley Gedancken bleiben/ Den Nahmen den wir uns geweyht Mit Gold und Diamant in Sinn und Hertze schreiben. Ge- Vermischte Gedichte. Gehorsam ist jedwedes Glied Dem Orden schuldig zu erweisen/ Wohin es sein Verordnen zieht/ Bey hoͤchster Ungenad und Straffe zu verreisen. Ein Kuß soll jedem seyn verguͤnnt Beym Wiederkommen und beym Scheiden/ Wer straffens-wuͤrdig sich befindt/ Soll/ was ihm aufferlegt/ mit allem Willen leiden. Wer sich mit List gedrungen ein/ Wer Treu und Hoͤfligkeit verletzet/ Wer irrt/ und ungestrafft will seyn/ Wird durch gemeinen Schluß aus unsrer Zahl gesetzet. Wer der Gesellschafft sich entreist/ Und einen andern Stand will fassen/ Soll von uns werden ausgeweist/ Und seines Wanckelmutts ein Denckmahl hinterlassen. Abschied von der Gesellschafft zum welt- lichen Einsiedler. I ch muß nun von dir scheiden/ Bißher geliebtes Hauß/ Ein angenehmes Leiden Treibt mich von hinnen aus. Bezwungner Andacht Brunst Laͤst schlechte Glutt verspuͤren/ Viel staͤrcker Feuer fuͤhren Freywillge Gunst und Gegen-Gunst. Was man befohlen thut Geht nimmer so von statten/ Als was ein freyer Mutt Uns pfleget einzurathen. Viel lieber will ich seyn Verbunden biß zur Bahre/ Als Vermischte Gedichte. Als auff gewisse Jahre Umsonst in Dienst mich lassen ein. Wie kan ein einig Kuß Mir voll Vergnuͤgen geben/ Wenn andrer Uberfluß Mir muß fuͤr Augen schweben. Wenn andre ziehen ein Mit ungezaͤhlten Zahlen/ Was mir zu vielen mahlen Kaum einfach will verguͤnstigt seyn. Mag unsrer Schluͤsse Pflicht Celind und andre brechen/ Die mir erlauben nicht Sie kuͤssend anzusprechen. Wie will man mich allein Zur Straff und Schuld verbuͤnden/ Da andrer ihre Suͤnden Noch frey und ungebuͤsset seyn? Wer wird Geluͤbd erfuͤllen/ Die man nicht halten kan? Man nimmt den gutten Willen Hier vor die Wuͤrckung an. Zu leben gantz fuͤr sich/ Ohn Tisch- und Bettgenossen Seyn einsam eingeschlossen/ Ist ein zu schweres Thun fuͤr mich. Will man gleich meinen Sinn Voll Wanckelmutt beschreiben/ Ich werde/ wie ich bin/ Doch hier ein Diener bleiben. Man lasse mit der Zeit Mein Amaranthe sagen/ Ob sie wird koͤnnen klagen Von meiner Unbestaͤndigkeit. Nu n Vermischte Gedichte. N un mag ich nicht mehr leben/ Mit dir/ o Eitelkeit/ Noch deinem Dienst ergeben Die Bluͤtte meiner Zeit. Der Welt geschmuͤckte Pracht Hat uͤber meine Sinnen Hinfuͤro keine Macht. Was ist vor Lust auff Erden Die sich befinde frey Von Wechsel und Beschwerden/ Und sonder Galle sey? Offt muß uns in der Hand Zu Gifft und Wermutt werden Der suͤsste Zucker-Cand. Der Ehre Dunst muß schwinden/ Ein Zufall raubt das Gutt/ Der Freund ist falsch zu finden/ Das Alter schwaͤcht den Mutt/ Der Liebe Glutt wird Eiß/ Wenn Uberdruß und Eyffer Sich einzuspielen weiß. Auff helles Sonnen-scheinen Folgt truͤbe Regens-Zeit/ Wir schluͤssen offt mit Weinen Die beste Froͤligkeit/ Eh wir sie recht gekost/ Entgeht uns aus den Haͤnden Die angenehmste Lust. Vergnuͤgen bringt dem Hertzen Wenn man bey Freunden kan/ Mit Lachen/ Reden/ Schertzen/ Die Stunden legen an/ Wenn wir vonsammen ziehn Und sich Gesellschafft scheidet/ Bleibt Trauren der Gewinn. Was Vermischte Gedichte. Was bringt uns nicht vor Schmertzen Der eiteln Liebe Macht/ Wenn man nach unserm Hertzen Mit falschen Blicken tracht/ Die Freyheit von uns jagt/ Mit Sorgen und mit Hoffen Die krancke Seele plagt. Wohl dem/ der so kan leben In dieser Eitelkeit/ Daß er ihr nicht ergeben Die Bluͤrte seiner Zeit/ Der mitten in der Welt Die Freyheit seiner Sinnen Zum Eigenthum behaͤlt. Wer/ mit sich selbst zufrieden/ Der Tugend strebet nach/ Und/ von der Welt geschieden/ Nicht fuͤhlt ihr Ungemach/ Ansiehet ihre Lust/ Ihr aber nicht ergiebet Die ungezwungne Brust. Wer ohn den Zwang der Mauren In stiller Ruhe lebt/ Sein Hertze/ sonder Trauren/ Von dieser Erd erhebt/ Und an die Eitelkeit Der Menschen ungebunden/ Beschluͤsset seine Zeit. Er kan vergnuͤgt genuͤssen Was ihm das Gluͤcke guͤnnt/ Sein Schiffgen ruhig wissen Von Wetter/ Sturm und Wind. Es gehe wie es will/ Die Freyheit der Gedancken Ist sein vergnuͤgtes Ziel. O edles Vermischte Gedichte. O edles Freyheits-Leben/ Voll Freud und Suͤßigkeit/ Dir will ich uͤbergeben Die Bluͤtte meiner Zeit/ Zwar weltlich in der Welt/ Doch ohn die Welt zu leben So lang es GOTT gefaͤllt. E s hielten mich Verdruß und Kuͤmmernis begraben/ Ich schien fast meiner selbst nicht Sorg und Acht zu haben/ Mein Unmutt-volles Haubt war von Gedancken schwer/ Es irrten/ weiß nicht wo/ die Sinnen hin und her. Was nicht zu aͤndern steht/ und man doch bessern solte/ Was uͤber Kraͤffte steigt/ und man doch zwingen wolte/ Betruͤbte meinen Geist/ der Leib zugleich empfand Wie das Gemuͤtte nicht in seiner Ordnung stand/ nd fuͤhlte manche Last/ die auff dem Hertzen steckte/ ls eine Maͤyen-Post vom Queiße mich erweckte/ en unbedachten Schlaf/ dem ich ergeben blieb on so geraumer Zeit/ aus dem Gehirne trieb/ ie Feder in die Hand/ den Wunsch ins Hertze spielte/ en nichts als alte Treu und Redligkeit erzielte: er izt die Blumen zehlt/ seh auch der Fruͤchte Lust/ em Friede-Garten sey kein Winter-Sturm bewust! D er Sommer endet sich/ die warmen Tag entfliehen/ Die Fruͤcht und Blumen sieht man fallen und verbluͤhen; ier aber findet sich ein neuer Sommer ein; er neu-gebohrne Sohn kan dessen Zeuge seyn. ein treuer Wunsch bekleibt: der Sommer wird gerathen/ er lange Tag blickt vor durch seiner Kindheit Schaten/ urch Himmels-Glantz bestrahlt/ gepflegt durch gutte Zucht/ waͤchst/ geraͤth und reifft die zarte Sommer-Frucht/ ie wird des Sommers Art mit wohlgediegnen Zweigen/ it Bluͤtte voll Geruch/ mit Frucht voll Safftes zeigen/ r Eltern Sommer-Lust wird seyn diß Sommer-Kind: enn sich des Haubtes Schnee/ der Jahre Winter find. Wird Vermischte Gedichte. Wird sie zuweilen gleich der Sonnen Hitze druͤcken/ Muß sie zu seiner Zeit die Hand des Gaͤrtners pfluͤcken/ So wird sie doch dadurch nur an den Ort gebracht Wo sie kein Reiff verlezt/ und steter Sommer lacht. Umwechslung aller Dinge. D ie Armutt fuͤhrt den Fried/ und dieser Reichthum ein/ Bey Reichthum pfleget man verschwenderisch zu seyn/ Verschwendung zeucht herbey des Krieges Ungemach/ Dem Kriege folgen Noth und Jammer stetig nach. Haß/ Leben/ Ruhe gibt Gunst/ Tod und Muͤhsamkeit/ Es steht und liegt/ was lag und stand vor kurtzer Zeit. Der vor Gefangne faͤngt/ der vor Besiegte siegt/ Sieht wie der stoltze Feind zu seinen Fuͤssen liegt. Es muß das freche Volck den frechen Herren scheuen; Dem wilden Fuͤrsten muß der wilde Poͤfel draͤuen. So kehrt das Schicksal um/ was die geraume Welt/ Was Mensch/ was Stadt und Land an um und in sich haͤlt. Jahrzahl der Eroberung Stettin. N a C h Bog I s L aens To D/ LI gst U be I C ar L ens Throne/ B I ß DIC h e I n Brenn U s-Sohn entze UC ht V on se I ner C rone. A l Hombre spielt mit uns der bleiche Schatten-Mann: Er geht mit Spaden ein/ die uns das Grab bereiten/ Laͤst manchen Mantad or der Kranckheit uns bestreiten/ Ripuesta kommt in Sarg: wir muͤssen alle dran: Kein Laugnen gilt/ kein Koͤnig nuͤzt. Kein Gano hilfft/ kein Basta schuͤzt: Wer ist so starck/ der ihn an Totos hindern kan? Labet oder der in den Pamphilius ver- kleidete Tod. W er will sich auff Labet mit mir zu spielen wagen? Ich lasse Gruͤn und Roth der Jugend manchmahl h in/ U nd Vermischte Gedichte. Und dennoch bleibet mir zulezte der Gewinn. Spielt Hertzen/ wie ihr wollt/ ich werde contra sagen/ Gewohnt gewaͤhltes Aeß und Koͤnig wegzuschlagen/ Die Schellen bleiben euch vergebens in der Hand/ Wo ihr die Karte nicht bescheiden angewandt/ Wenn meiner Eicheln Brett euch muß zu Bette tragen. D as Trappeli ren ist der Welt gemeines Spiel/ Ihr meistes Absehn ist ein vortheilhafftig Du. Wie offt betruͤget sich/ wer bessers waͤhlen will? Die herrlichste Figur vergeht in einem Nu. Wie mancher wird von Tré durch List und Geitz gespielt! Doch irrt nicht/ wer allzeit auffs lezte Blatt wohl zielt. Das Gluͤcke spielt Verkehren. V erkehren kan bald Lust/ und bald Verdruͤß gewaͤhren: Wer muͤßig sizt am Brett/ traͤgt wenig aus dem Spiel/ Der beste Wurff ist nie zu wenig noch zu viel. Verkehret wie ihr wolt/ ihr muͤst mit mir verkehren. Der versperrte Naͤscher. I ch war nach fremder Kost verstohlen ausgegangen/ Ward druͤber unverhofft verschlossen und gefangen/ Dem kleinen Leibe ward der grosse Raum fast klein/ Doch must ein Loch zu Speiß und Tranck mein Trost noch seyn. Wann jeder Naͤscher so solt jedern Bissen buͤssen/ Was wuͤrde Weisens Buch von so viel Naͤschern wissen! Doch macht Geluͤck und Gunst viel schlimme Naͤscher frey: Drum bleibt die gantze Welt voll List und Naͤscherey. Uber zwey Spiegel. I ch kan dir nichts als Glaß/ mein Kind/ fuͤr dißmahl schen- cken/ Doch hab ich auch dabey mein sonderlich Bedencken. k Das Vermischte Gedichte. Das weiße Silber ist ein Bild der reinen Treue/ Die sich bey mir und dir von Jahr zu Jahr verneue. Betruͤgt zu Zeiten gleich ein glattes Spiegel-Eiß/ Genung/ daß unser Sinn von keiner Falschheit weiß. Ein Spiegel ist das He r tz/ in welchem widerscheinet Was sein vertrautes Hertz in Lieb und Treue meynet. Ein Spiegel faͤngt durch Kunst von andern Licht und Flam- men/ Dein Auge knuͤpfft mein Hertz/ das deine meins zusammen. Dergleichen Sinnen Bild sind Spiegel gleicher Art. GOtt halte sie und uns noch lange Zeit gepaart. I ch will dir nichts als Glaß/ mein Kind/ fuͤr dißmahk schencken. Was sind wir selbst als Glaß/ wenn wir uns recht beden- cken! Von Asche kommt diß her; wir sind von Staub und Erden; Diß wird in Glutt gezeugt; wie heiß muß uns offt werden! Diß/ wann es ausgeklaͤrt/ wie pranget seine Zier: Des Schoͤpffers liebstes Werck und schoͤnstes Bild sind wir. Doch leichte bricht das Glaß/ und waͤr es von Crystallen; Wie leichtlich kan der Mensch in Noth und Tod verfallen! Daß wir den lieben Tag in Freuden wieder sehen/ Ist durch des Hoͤchsten Schutz und Gunst allein geschehen. Wir dancken ihm dafuͤr! Ich wuͤnsche diß dabey/ Daß er noch offt erschein/ und dir erfreulich sey! Maria Medicea/ verwittibte und vertriebene Koͤnigin von Franckreich/ zu Coͤlln lebende! G eschencke wird mir von drey Koͤnigen gegeben: Der in Castilien regiert/ giebt Gold zu leben/ Mit Hoffnungs-Weyhrauch naͤhrt der Fuͤrst aus Albion/ Und Myrrhen von Pariß gewaͤhrt der eigne Sohn. Dr ey Vermischte Gedichte. D rey Koͤnge schencken mir auff unterschiedne Weise: Der aus Hesperien giebt etwas Gold zur Speise/ Aus Britten-Landes Schatz ist Weyhrauch zu erheben/ Mein Sohn aus Gallien laͤst mir die Myrrhen geben. D rey Koͤnge zahlen mir verdienten Mutter-Sold; Der Spanien regiert/ giebt Indianisch Gold/ Den Weyhrauch schickt der Herr der Britten/ Schotten/ Irren/ Aus Franckreich kommen mir des Sohnes herbe Myrrhen. Trost in allerhand Verdruͤß. S o gehts mein Pithias/ mir muͤssen immer leiden Beschwerden ohne Maaß/ ungleicher Buͤrde Last/ Aufflagen ohne Grund/ Verleumdung/ Ehr-Abschneiden/ Neyd/ Undanck/ falsche List/ und was diß Blatt nicht fast. Man weiß die Luͤgen-Wort auffs schoͤnste zu bekleiden/ Die Lieb und Redligkeit ist ein verachter Gast. Der Himmel hat mir auch hiervon mein Theil bescheiden/ Wie du vielleicht/ und mehr als ich/ vernommen hast. Gedult! dieweil wir hier mit rauhem Dorn und Hecken/ Wie GOttes Wort fuͤrlaͤngst gemeldt/ umgeben stecken; So wuͤrden wir uns mit viel ruͤhren weher thun/ Laß den gesezten Geist in GOtt gelassen ruhn; Wenn/ was uns rizt und sticht am Ende muß verbrennen/ Wird GOtt und alle Welt/ was treu und redlich/ kennen. A m Bober ist der Ruhm der deutschen Reim’ entsprungen/ Bald wurden Sachse/ Franck und andre Nachbarn wach/ Um unsern Oder-Strom hat mancher Schwan gesungen/ Und hin und her entstand ein Castalinnen-Bach. Nun kuͤhne Helden-Faust halb Grichen-Land bezwungen/ Und selbst besichtigt hat der Musen Schlaffgemach/ k 2 Ist Vermischte Gedichte. Ist auch die Dichter-Kunst in Norden durchgedrungen/ Und ihr-verwandtes Blutt gibt keinem Opiz nach. Man sucht in Morgenland vergebens Amazonen/ Und mißt der Mitternacht nur Eiß und Kaͤlte bey/ Daß Feuer/ Geist und Krafft allda mit Hauffen wohnen/ Zeigt Auge/ Schrifft und Mund: Ich sage Zweiffels-frey: Der Norden zeugt Magnet/ und dieser zeucht die Hertzen: Diß zeugen neben mir Amenens Hand und Kertzen. S oll wahres Lob die Schuld der Schmeicheley verdienen/ So darff ich mich forthin zu schreiben nicht erkuͤhnen. Doch kenn ich deine List: des klugen Mahlers Hand Birgt ihre groͤste Kunst in wohlgetheilten Schatten. Die dunckle Folg erhebt den hellen Diamant; So kan die Demutt dir auch groͤssern Glantz erstatten. Doch will ich uͤber dem mit dir nicht weiter zancken/ Die unpartheysche Welt sey Richter der Gedancken. Ich nehme den Vergleich fuͤr ungewissen Streit Gantz willig von dir an! Nur muß ich diß noch setzen: Ein Reim von zarter Hand aus freyer Faust bereit/ Ist fuͤr gelehrte Kunst der Maͤnner hoch zu schaͤtzen. Die Gicht-Accisen. N achdem man uͤberall Accisen fordert ein/ So will Frau Podagra auch nicht die lezte seyn. Sie fodert den Accis von vormahls freyen Knochen/ Der wird ihr durch Balbier und Aerzte zugesprochen. Einnehmer ist der Schmertz und Contralor Gedult/ Doch zahlet einer fruͤh/ der andre spaͤt die Schuld. Ubersezte Spruch-Reimen. S charffe Zungen/ stumpffe Degen/ Werden wenig Feind erlegen. Mi t Vermischte Gedichte. M it Worten wird der Feind vergebens angegriffen/ Wo nicht die Waffen auch von seinem Blutte trieffen. D amit der starcke Feind aus seinem Vortheil weiche/ So brauche gegen ihn nicht Worte/ sondern Streiche. W ie sehr ein kuͤhner Held gefuͤrchtet ist in Kriegen/ So furchtsam muß er sich vor GOTT zur Erde biegen. D as Gluͤck im Kriege steht auff ungewissem Grunde/ Man sieget offtermahls und lieget eine Stunde. E s laͤst nicht allemahl der weise GOTT geschehen/ Was Weißheit und Verstand der Menschen gerne sehen. V on GOttes starcker Hand wird gluͤcklich ausgefuͤhret/ Wozu der Menschen Arm sich allzuschwach verspuͤret. W er sein vertrautes Amt gedencket wohl zu fuͤhren/ Dem will/ die gantze Nacht zu schlaffen/ nicht gebuͤhren. W em anvertrauet seyn des Vaterlandes Sachen/ Muß muͤhsam manche Nacht fuͤr andre Schlaͤffer wachen. W er kan mit starcker Hand dem Hoͤchsten widerstehen/ Was er befoͤrdern hilfft/ kan nicht zuruͤcke gehen. M an wird in kurtzer Zeit des schweren Krieges muͤde/ Legt Schwerdt und Waffen weg/ und machet wieder Friede. k 3 Wer Vermischte Gedichte. W er sieget/ wann nicht GOtt das Gluͤcke selber giebet? Wer lieget/ wann nicht GOtt die Rache selber uͤbet? U lysses kan er nur sein Ithaca begruͤssen/ Will willig diese Lust mit eignem Tode buͤssen. D er Menschen meister Theil will lieber Geist und Leben/ Als seine Lieb und Lust/ das Vaterland/ begeben. E s wird das Vaterland von uns so hoch gehalten/ Daß wir noch einst so lieb in seiner Schoß erkalten. W en GOttes starcker Arm in Sicherheit will setzen/ Den kan die eitle Macht der Menschen nicht verletzen. W er mit dem Hoͤchsten sich in einen Streit will wagen/ Wird von ihm ohne Muͤh erleget und geschlagen. D urch Behuff der Zeit Mindert sich das Leyd. S o bald der erste Thraͤnen-Guß ist uͤberhin geschossen/ Macht uns zu stetem traurig-seyn die lange Zeit verdrosse n D er faule Schlaff ist nicht den wachen Musen hold/ Die fruͤhe Morgen-Zeit bringt Phoͤbus-Soͤhnen Gold. B esser Honig in dem Hertzen/ auff den Lippen Galle fuͤhre n Als wo Galle steckt im Hertzen/ eitel Honig lassen sp ü- ren. D aß Vermischte Gedichte. D aß man vor dem Feinde moͤg unbewehret sicher bleiben/ Muß man mit bewehrter Faust ihn vorhin zuruͤcke treiben. E s seyn zur Eyffersucht geneigt des Menschen Sinnen/ Die das geringste Wort verdaͤchtig machen kuͤnnen. W ie will mit Fremden sich vertragen und begehen/ Der nicht in Friede kan mit seinem Wirthe stehen. D en Fremden huͤtte dich was Leydes zuzufuͤgen/ Indem sie GOtt so wohl/ als du/ in Armen liegen. D es Hoͤchsten starcker Arm kan heilen und verletzen/ Kan heben auff den Thron/ und auff die Erde setzen. W er neue Kraͤffte sieht vertrauet seinen Haͤnden/ Pflegt oͤffters solche Macht zum Boͤsen anzuwenden. E s aͤndert offtermahls die vor-geliebten Sitten/ Wer neue Macht bekuͤmmt ihr vielen zu gebitten. D es Hoͤchsten starcker Hand/ die alles kan erreichen/ Mag durch geschwinde Flucht kein Sterblicher entwei- chen. W ann grosser Herren Zorn bricht aus in hartes Draͤuen/ So hat der Unterthan vor Straffe sich zu scheuen. W ann ein erzuͤrnter Fuͤrst mit Draͤuen pflegt zu wuͤtten/ Hat sein verhaßter Knecht vor Straffe sich zu huͤtten. k 4 Es Vermischte Gedichte. E s fuͤhrt der leere Bauch zu allem Boͤsen an/ In Fall man selben nicht mit Speise fuͤllen kan. E in Armer/ will er nicht in hoͤchster Noth verderben/ Der muß sich ohne Scheu um Brodt und Geld bewerben. E s koͤnnen sich der Schlaf und Sorgen nicht vertragen/ Die Sorge muß den Schlaf/ der Schlaf die Sorge jagen. W er ohne Nutzen reist in weit-entlegne Lande/ Nim̃t kleine mit sich weg/ bringt wieder grosse Schande. L aͤst gleich der hoͤchste GOtt die Rache manchmahl schlaffen/ So pfleget er hernach doch desto mehr zu straffen. W er muͤßig geht/ der ist bey Leben todt/ Lebt ohne Ruhm/ verderbet Zeit und Brodt. W as die Vernunfft nicht hat zum festen Grunde/ Geht vor und hinter sich in einer Stunde. L aß dich aus Unbedacht zu keiner Sache treiben/ Denn was gewaget ist/ das muß gewaget bleiben. W ieg/ was du wagen wilt/ und handle nicht verwegen/ Sonst wirst du manche Last auff deine Schultern lege I m Fall den feigen Leib kein Helden-Blutt erhitzet/ Wird auff den Feind umsonst der Degen zugespitzet. Wer Vermischte Gedichte. W Er scheu und furchtsam ist/ geht zeitlich auff die Seite/ Wer frisch und unverzagt/ haͤlt freudig aus im Streite. W as dir die leichte Gunst des Gluͤckes raͤumet ein/ Vermeyne nicht alsbald dein Eigenthum zu seyn. N imm nicht vor eigen an/ was vom Geluͤcke kuͤmmt/ Weil/ was der Morgen giebt/ der Abend oͤffters nimmt. E in jeder lasse sich zur Folge willig finden/ Zu welcher ihn Natur und Billigkeit verbinden. V ors Vaterlandes Heyl sich nicht erweisen traͤge/ Bringt uͤber Noth und Tod gewissen Sieg zuwege. W as wenig greiffen an/ bleibt aller Orte stecken; Was viele greiffen an/ geht fort an allen Ecken. D as starck getriebne Werck/ die Arbeit vieler Haͤnde/ Geht unverzoͤgert fort/ und kuͤmmet bald zu Ende. W ie kan der schwache Leib dem Willen gleiche streiten/ Im Fall den kuͤhnen Mutt die Kraͤffte nicht begleiten? W o nicht beysammen stehn das Wollen und das Kuͤnnen/ Ist eitel und umsonst das muͤhsame Beginnen. G leich dem leichten Spinnen-Netze Seyn die eitelen Gesetze: k 5 Wo Vermischte Gedichte. Wo ein grosser durchgegangen/ Bleiben kleine Voͤgel hangen. W er Lust zu Haͤndeln hat/ entbloͤße nur das Eisen/ Es wird sich alsobald ein Widersacher weisen. G leiche Straffe gleicher Suͤnden Soll die gleiche That empfinden. B illig tragen gleichen Lohn/ Die in Thaten gleich/ davon. E in tugendhaffter Helden-Sinn Giebt eher Geist und Leben hin/ Als er mit ungetreuer Hand Zureist der festen Treue Band. W ann GOtt zuruͤcke zeucht die reiche Gnaden-Hand/ Verkehrt sich unser Witz in tollen Unverstand. W as ist der schwache Mensch/ als Erde von der Erden/ Die zu bestimmter Zeit muß Staub und Asche werden. E s hielt die alte Welt vor besser Seyn als Schein/ Es haͤlt die neue Welt vor besser Schein als Seyn. E in tugendhaffter Sinn/ ein kuͤhner Helden-Mutt/ Im Fall er Ehr und Ruhm durch dieses kan erwerben/ Will lieber alsobald verlieren Gutt und Blutt/ Als langsam und beschimpfft in grauen Haaren sterben. Die Vermischte Gedichte. D ie zu Nutz dem Vaterlande mit bewehrter Faust gestor- ben/ Haben ewig neues Leben/ ewig-neuen Ruhm erworben. W er auff Bestaͤndigkeit gerichtet seine Sinnen/ Laͤst sich den wilden Schwarm des Volckes nicht gewin- nen/ Wie sauer ein Tyrann zu seinen Worten sieht/ Wie sehr er seinen Kopff zu brechen sich bemuͤht/ So wenig giebt er nach/ wie sehr die Winde blasen/ So wenig achtet er derselben tolles Rasen. Und fiele gleich die Welt vor seinen Augen ein/ So wird sein freyer Sinn doch unerschrocken seyn. W er den Hoͤchsten zum Gehuͤlffen/ Tugend zur Gefer- tin hat/ Dessen Welt-bekandter Nahme schwinget sich zur Sternen- Statt. W ers mit GOTT und Tugend haͤlt/ Kan verdienen Ehr und Geld. D iß sind wahre Freunde nicht/ welche gutte Worte geben/ Und/ was von dem Freunde kommt/ alles in den Himmel heben. E in ritterliches Schwerdt und weises Buch erhaͤlt Die sonst zum Untergang und Fall gerichte Welt. G old und Eisen/ Schwerdt und Geld Stuͤtzet und beschuͤzt die Welt. Schaue Vermischte Gedichte. S chaue was du faͤngest an Obs dein Arm auch tragen kan. S uͤsser Freunde Gegenwart dient zu Felde vor den Wagen/ Ist in Staͤdten unsre Lust/ unser bestes Wohlbehagen. Stehet uns auff Gastereyen vor den theuren Goͤtter-Wein/ Kan gewisser Trost in Schmertzen/ Linderung in Trauren seyn. L eg andern ja nicht auff dergleichen harte Buͤrde/ Die deinem Ruͤcken selbst beschwerlich fallen wuͤrde. W er mit Gedancken mehr als mit den Worten liebet/ Der ist es/ welcher recht getreue Freundschafft uͤbet. L iebe/ Nacht und kuͤhler Wein/ Geben uns nichts guttes ein. D as Gluͤcke wendet sich/ der Ehre Rauch verschwindet/ Man koͤm̃t um Geld und Gutt/ das schoͤne Weib wird alt Ein Freund bleibt wie er ist. Nicht Alter/ noch Gewalt/ Nicht Neyd noch Gluͤcke trennt/ was Lieb und Treue bindet: Was die Natur verknuͤpfft/ wird offtermahls zurissen/ Was Freundschafft feste macht/ wird ewig halten muͤssen. E s mag vom Spiel und Balle scheiden/ Wer nicht zum Tantzen traͤget Lust; Es mag die volle Tafel meiden/ Wem nicht beliebet Tranck und Kost. Der darff zur See nicht Schiff-Fahrt treiben/ Der in Gefahr nicht kommen mag; U nd Vermischte Gedichte. Und der mag weit von Hofe bleiben/ Der/ was er denckt/ giebt an den Tag. D es schoͤnen Leibes grade Pracht/ Der schwartzen Angen lichte Nacht/ Der suͤsse Blick/ der kluge Geist/ Der sich in Thun und Lassen weist/ Macht uns um Haubt und Hertze warm/ Um Kuͤch und Beutel kalt und arm. Doch find ich diß/ so frag ich nicht/ Ob sonsten Geld und Gutt gebricht. Was fehlt dem der Vergnuͤgen hat? Ein schoͤnes Weib macht halber satt. Petrarcha, Est aliquid bene qui meminit. Z war das Gedaͤchtnis ist ein Schatz von grossem Werth/ Doch waͤr es offtermahls viel besser nichts gedencken/ A ls mit Erinnerung deß/ was uns widerfaͤhrt/ Sich taͤglich sonder Noth und Frucht auffs neue kraͤncken. D ie blasse Sorge wird mit dir zu Segel gehn/ Und unter Welt und Wind dir an der Seite stehn/ ie sitzet hinter dich auff deines Pferdes Ruͤcken/ ie laͤst sich Tag und Nacht vor deinen Augen blicken. ie haͤlt kein blanckes Schwerdt/ kein starckes Waffen auff/ es schnellen Adlers Flug/ der leichten Hunde Lauff st langsam gegen ihr/ sie ist vielmehr geschwinde enn der bepfeilte Stahl und die erzuͤrnten Winde. S chaue daß du nicht zu sehr dich die Hoffart zwingen laͤst/ Wenn des gutten Gluͤckes Wind dir in volle Segel blaͤst/ chau auch/ daß du nicht zu sehr den gefallnen Mutt laͤst sin- cken/ enn dein lekkes Schiff beginnt die gesaltzne Flutt zu trincken. Bau Vermischte Gedichte. B au auff der Tugend Grund der Ehre festes Hauß/ Nimm zur Besatzung ein Bestand und Tapfferkeit/ Setz auff den Wall zur Wacht Verstand und Vorsicht aus/ So lebt dein freyes Hertz in Ruhm und Sicherheit. T runck/ Spiel und Lieben ists/ was der und jener thut; Wenn aber die bestimmte Gicht Des morschen Stammes Aeste bricht/ Bereuet er zu spat verthanes Gutt und Blutt. E s wird/ weil sich ein Geist in meinen Adern reget/ Vor GOtt/ vor Freund und Land das Leben angeleget. D ie Natur laͤst ihre Gunst gegen alle gleich erscheinen/ Tugend macht den Unterscheid zwischen Edlen und Ge- meinen. W er einen Edelmann ohn eigne Tugend schaut/ Der sieht ein leeres Hauß auff fremden Grund gebau W ie ohne Widerkunfft der Strom das Wasser fuͤhrt/ So eilt der schwache Mensch/ der Jahr auff Jahr liert/ Dem lezten Ziele zu: die schleichende Gewalt Des Schicksals waͤlzt sein Rad ohn allen Auffenthalt. K anst du nur die Heller sparen/ Laß den gutten Nahmen fahren/ Wer fragt itzo viel nach Flecken Die man kan mit Gelde decken? Wilt Vermischte Gedichte. W ilt du in der Welt was seyn/ muͤhe dich was zu erwerben/ Feige Froͤmigkeit hat Lob/ aber muß wohl frostig sterben. fuͤr Frost verderben. G eht mir gleich der lahme Reim von Natur nicht wohl von statten/ Muß er doch aus Zorn und Zwang offt/ so gutt er kan/ gerathen. W as kan die Nachwelt mehr zu unsern Lastern thun? Die Boßheit steigt zu hoch/ muß fallen oder ruhn. W ill dein bethoͤrter Geist der falschen Stirne trauen/ Du wirst dich offtermahls durch sie betrogen schauen. W o der Schalck im Hertzen sizt/ Wenn man auff die Laster blizt/ Wird das rothe Wang erhizt/ Und das Hertze schlaͤgt und schwizt. Des Gewissens Trieb und Pein/ Kan doch nicht verlaͤugnet seyn. B ey Stieffel und Sporn/ Schwindt selten der Zorn. M itgifft ist der Maͤnner Gifft/ Die der Weiber Herrschafft stifft. W er da tracht auff schoͤnen Leib/ Liebt die Schoͤnheit/ nicht das Weib. Wenig Vermischte Gedichte. W enig koͤmmt wohl in Gedancken/ Drob ein Weib nicht weiß zu zancken. W as ist Ehre/ wanns allein bey der blossen Ehre bleibt? Wind und Schatten/ Rauch und Dunst/ den ein jeder Wind vertreibt. W as bleibt von Reichen unbekant? Haͤlt gleich der Diener reinen Mund. So schreyt das Pferd/ so redt der Hund/ Und widerschallt die stumme Wand. W ie wenig koͤnnen doch das wahre Gutt erkennen? Man sieht uns dieses scheun und nach dem andern rennen; Laͤst sich der Fuß hernach nicht mehr zuruͤcke ziehn/ So hat man eitle Muͤh und Reue zum Gewinn. M anch Hauß stuͤrzt eigner Wunsch/ der zeitlich koͤmmt zu Wercke/ Den Klugen seine Kunst/ den Helden seine Staͤrcke. V iel muß ihr Geld und Gutt zum fruͤhen Grabe brin- gen: Der leere Wandersmann kan fuͤr dem Moͤrder singen. W unsch um Wohlgehn und Vermoͤgen/ Schallt aus ieder Kirch entgegen. Was uns wohl am meisten noth/ Sucht man nicht so viel bey GOtt. B ey Vermischte Gedichte. B ey Holtz und Thon wird frey getischt/ Wenn Gifft im Golde wird gemischt? W irst du dich/ wer du bist/ nur selbst zu Rathe fragen/ So darff dir fremder Mund nicht deine Maͤngel sagen? S ey nicht in der Rechnung faul/ Miß den Beutel/ nicht das Maul. I st ein Kressel in der Taschen/ Mustu nicht Lampreten naschen. V iel lernen/ wenig nuͤtzen/ viel wissen/ sich nicht kennen/ Mag man mit guttem Grunde die groͤste Thorheit neñen. B ist du schoͤn; so lehrt der Spiegel auch der Seele Glantz zu schaͤtzen; ist du greulich; solchen Fehler durch die Tugend zu erse- tzen: ist du jung; die Zeit zum Gutten nuͤtz- und schuͤtzlich anzu- legen/ ist du alt; der Jugend Thorheit und das Ende zu erwe- gen. S iehst du einen elend seyn/ Bild ihn dir als Mensch nur ein. W en du siehst gedultig seyn/ Bilde dir nicht elend ein. l Gib Vermischte Gedichte. G ib selber GOtt anheim/ was er dir schicke zu/ Er kennt dein Gluͤcke baß und liebt dich mehr als du. W as man an dem armen Baur offt fuͤr straffbar will e kennen/ Pflegt der Reiche Lustigkeit und Galanterie zu nennen. W er gesuͤndigt/ wird zuerst hassen was er hat verbr chen/ Dringt die Gunst beym Richtstuhl durch/ er ist drum nicht lo gesprochen/ Sein Gewissen/ das sich fuͤhlt/ steht am ersten wider ihn/ Eigne Reu und Scham und Angst muß ihn zur Bestraffu zichn. R auher Kuͤttel/ raucher Peltz kennt und treibt viel mind Suͤnden/ Als sich unter Seid und Sammt/ unter fremdem Schmu finden. I tzund fragt die meiste Welt Nicht/ woher? nur: hast du Geld? H ast du nur Hunger/ Durst und Kaͤlte zu vertreiben/ So kanst du schon vergnuͤgt bey wenig Mitteln bleiben. B eym Wein wird mancher Freund gemacht/ Beym Weinen auff die Probe bracht. V ier Winde sind die unsre Ruhe stoͤren! Bald scherzt um uns der Hoffnung leichter West/ Bald Vermischte Gedichte. Bald spuͤrt man daß ein furchtsam Ostwind blaͤst; Bald pfleget uns der besten Sinnen Pest/ Ein fauler Suͤd der Freude zu bethoͤren; Bald laͤst sich drauff des Traurens Nordwind hoͤren. So mancher Sturm kan unsre Ruhe stoͤren. W as hilfft der auff sich selbst erzuͤrnten Sinnen Streiten/ Ob man mit Grauen sieht den Fleck/ und laͤst ihn kle- ben/ Die krummen Weg erkennt/ und will sie nicht begeben/ Urtheilet die Gefahr/ und weicht ihr nicht bey Zeiten. E s ist kein guttes Weib: und schlaͤgt dir eines bey/ So weiß ich nicht/ wie Gutts aus Boͤsem worden sey. W er viel von Rache spricht/ fuͤr dem laß dir nicht grauen: Verdecktem Feuer ist am wenigsten zu t ra uen. B etruͤgliches Versprechen Pflegt neuer Trug zu brechen. K uͤhner Mutt bezwingt das Gluͤcke: Feiger Sinn bleibt stets zuruͤcke. U ngluͤcke raubt das Gutt; Doch loͤscht es auch den freyen Mutt. W er nicht hoͤrt auff beyden Theilen/ Kan sich leichtlich uͤbereilen: Ob schon billig sein Erkennen/ Ists doch nicht gerecht zu nennen. l 2 Die- Vermischte Gedichte. D ieses ist der Fuͤrsten Ruhm/ den kein Feind vertunckel kan/ Den Bedraͤngten Huͤlffe thun/ sich der Armen nehmen an. B ey den Thraͤnen seiner Erben Ists am allerbesten sterben. W o die Sachen uͤbel stehn Muß es auff das Wagen gehn. N iemand hebt zu spaͤt diß an Was nur einmahl wird gethan. W er allen zu bekant/ ihm selber fremde lebt/ Hat einen schweren Stand/ wenn ihn der Tod auffhebt. G luͤcke wird gar selten alt/ Lust und Schmertzen wechseln bald: Den der Morgen hoch sieht fliegen Schaut der Abend wieder liegen; Drum erheb dich nicht zu viel Wenn der Wind dir fugen will/ Aber auch bey boͤsen Tagen Must du nicht im Zweiffel zagen. W em hat GOtt gesagt den Tag Den er uͤberleben mag? L ange gnug hat der gelebt Welchen man mit Ruhm begraͤbt. Wah - Vermischte Gedichte. W ahrer Tugend heller Glantz kan niemahls im Schatten gehen: Wenn der Lebens-Abend koͤmmt sieht man sie beyn Sternen stehen. N ur die Guͤtter des Gemuͤttes bleiben fest und unver- ruͤckt: Von des schoͤnen Leibes Bluͤte wird was taͤglich abge- zwickt. J ugend ist der Liebe Mutter/ Fuͤll und Muͤßiggang die Amme/ Wann sie die nicht unterhalten/ faͤllt die Frucht gar bald vom Stamme. M ehr falscher Schein und minder Sicherheit/ Ist zwischen Hoff und Land der Unterscheid. B eute soll der Knechte seyn: Ehre streicht der Feldherr ein. W er hat eine Zeit erblickt Die sich nicht zur Tugend schickt? Alt und jung und Mittel-Mann Stehet ihre Tracht wohl an. B esser ists mit Ruhm erkalten Als mit Schimpff das Blutt erhalten/ Wie ihr Schwind ist diß verdorben! Schande lebt/ wenn wir gestorben. l 3 Hel- Vermischte Gedichte. H elden-Mutt sucht seinen Feind/ nicht des Feindes Geld zu fangen. Ist der erste recht besiegt/ so kan er auch diß erlangen. D es Menschen Haubt ist auffgericht Damit sein Hertz und Angesicht Sich soll zu GOtt und Ehr erheben/ Und nicht an Gold und Erde kleben. D as schnoͤde Geld vertreibt und bringt viel Harm/ Macht mehrentheils den eignen Herren arm. W enn du etwas geben wilt/ hoͤre mit gelinden Ohren. Wer sich zweymahl bitten laͤst/ hat den halben Danck verlohren. E in guter Nahm ist keiner Zeiten Raub/ Die Ehre folgt uns wenn wir Asch und Staub. Was Tugend hat zu ihrer Zeit gethan/ Schreibt ihr zu Ruhm die spaͤte Nachwelt an. W enn Adel ohn Tadel laͤst scheinen die Flammen/ So stimmen Gemuͤtte Gebluͤtte zusammen. L aß deinen Sinn das Gluͤcke nicht verdrehn/ Das selten lang auff ebnem Fusse steht; Bleib unbewegt/ und lerne wie es geht/ Gutt oder schlimm/ mit gleichem Auge sehn. Z un- Vermischte Gedichte. Z ungen sind der Weiber Schwerdt; Wer ist der sich ihr erwehrt? D em Alten das Grab/ dem Jungen das Weib; So haben sie beyde versorget den Leib. J ungen buhlet selbst das Gluͤcke/ Von den Alten tritts zuruͤcke. M it schlaffen wird niemand den Sieg erlangen/ Noch liegende den Wolff im Walde fangen. W er den Sturm hat uͤberstanden Mag am naͤchsten Ufer landen. W as man nur von hoͤren-sagen/ Nicht aus eignem Grunde weiß/ Da gehoͤret nachzufragen/ Und zu uͤberlegen Fleiß. N icht die Mauren/ nicht die Waͤnde/ Sondern tapffre Menschen-Haͤnde/ Sind die beste Gegenwehr/ Ist das Schloß von diesem leer/ Muß es sonder Widerstreben Sich in kurtzer Zeit ergeben. W ir leben allesamt dem Irthum unterthan: Kein Mensch ist der nicht durch die Huͤlsen sehen kan. l 4 Jed- Vermischte Gedichte. J edwedem bleibet schon sein Mangel auffgelegt/ Nur daß man uͤbel sieht was unser Ruͤcken traͤgt. D er Sonnen Glantz verfaͤllt/ doch steigt sie wieder auff; Was von dem Winter stirbt/ sieht man im Sommer bluͤhn. Beschluͤssen wir einmahl den kurtzen Lebens-Lauff/ So schlaffen wir hernach die lange Nacht dahin. Doch wenn wir uns nur wohl zur suͤssen Ruhe strecken/ So folget endlich auch ein freudig Aufferwecken. W as ist doch seliger/ als sorgen ohne Sorgen/ Wenn das Gemuͤtte nun die Last beyseite legt. Der Arbeits-muͤde Leib/ der fremde Buͤrde traͤgt/ Sein Eigenthum versaͤumt/ zu seiner Huͤtte kuͤmmt/ Die laͤngst-gewuͤnschte Ruh auff seinem Lager nimmt. Und drinnen ungestoͤrt erwart den lichten Morgen. W er Liebe meiden will/ dem sey der Mund geschlossen: Sie spielt sich bey uns ein durch Schwaͤtzen/ Spiel und Possen. S choͤnen/ traut der Farbe nicht/ Die sich leicht verwischt und bricht. W ie der Vogel eignen Flug/ So hat ieder seinen Zug. U ntersteht sich diß der Knecht/ Was ist denn dem Herren recht. Wi e Vermischte Gedichte. W ie t h oͤricht/ wer sich will an einen Menschen binden/ Man kan noch immerzu desselben gleichen finden. D er Bodem/ dem gutt Korn und Weitzen anvertraut/ Beingt vielmahl Trespe/ Brand und leeres Ziegen- Kraut/ An welcher Veyeln statt/ vor riechende Narcissen/ Sieht man offt Quecken-Graß und spitzge Disteln sprissen. S olt ein jeder alles kuͤnnen/ Wer denn wuͤrde Brodt gewinnen? U nwiederbringlich ist der edlen Zeit Verlust: Drnm schau bey Zeiten zu/ wo du die Zeit hinthust. U ngleiche Zahl Der Goͤtter Wahl. B ald schickt des Gluͤckes Gunst die reichsten Gaben aus/ Bald schuͤtt es wiederum/ und leert ein volles Hauß. A lles kommet mit der Zeit/ Auch Witz und Bescheidenheit. U nabgebrochne Muͤh kan alles uͤberwinden/ Die Nothdurfft schwerer Zeit der Kuͤnste Schluͤssel fin- den. l 5 Alles Vermischte Gedichte. A lles wird numehr schlimmer auff der boͤsen Welt/ Welche stets zuruͤck und in tieffern Abgrund faͤllt. W as man oͤffters jung gethan Haͤngt auch noch dem Alter an. G rosse Guͤtter magstu preißen/ Dich von einem kleinen speisen. W er die Ursachen nur vorhero kan ergruͤnden/ Wird sich in alles/ und aus allem leichtlich finden. W ann die Baurn ihr Gluͤcke wuͤsten/ Wuͤrden sie sich hoͤher bruͤsten. Sie erhalten alle Welt/ Gleich wie sie das Feld erhaͤlt/ Leben von der Tyranney Vieler Herren Sorgen-frey: Was der Fuͤrst und Buͤrger essen Wird von ihnen zugemessen. J edweder bester Tag geht uns zu erst dahin/ An dessen statt pflegt Muͤh und Kranckheit einzuziehn/ Ein traurig Alterthum folgt auff geschwinder Fahrt/ Biß uns der bleiche Tod ins kalte Grab verwahrt. D en Lastern die man nicht entdeckt Wird neuer Zunder angesteckt. O fft Vermischte Gedichte. O fft kan wohl eine Sache klein/ Doch nicht ohn Ruhm und Muͤhe seyn. M an muß in Noth den Mutt nicht lassen fahren/ Und sich allzeit auff besser Gluͤcke sparen. D es Poͤfels ungewisser Sinn Wanckt/ wie die Wellen/ her und hin. W as izt bitter gehet ein/ Wird einmahl erfreulich seyn. D er Uberwundnen Heil ist auff kein Heyl zu hoffen/ Wer vor geschlagen war/ hat offt den Schlaͤger troffen. B in ich Feind/ so steht mir frey Ob ich kuͤhn/ ob listig sey. G old-Hunger/ schnoͤder Durst nach ungewissen Guͤttern/ Was hast du nicht vor Krafft bey menschlichen Gemuͤt- tern? D essen Hauß steht lang und fest/ Der sich gerne warnen laͤst. W er ist so klug/ der den ins Netze zieht/ Der mit zwey Paar verliebter Augen sieht. Was Vermischte Gedichte. W as gegenwaͤrtig Hertz und Sinnen pflegt zu kraͤncken/ Das koͤnnen wir mit Lust zu seiner Zeit gedencken. W em ieder Zufall soll ein Ungluͤcks-Bote seyn/ Der steckt sich sonder Noth in stete Sorgen ein. W as kan ein blinder Zorn und scheeler Eyfer nicht/ Der offt die beste Lust und Freundschafft unterbricht? W o deutsche Redligkeit wohnt in getreuen Sinnen/ Kan Lieb und Freundschafft leicht gewissen Grund ge- winnen. K ein Ubel ist so rasch und schnell/ als das Geschrey/ Sein Wachsthum ist ein Lauff/ Bewegung ist sein Leben/ Sein erste Frucht ist klein/ bald lernt es sich erheben/ Geht auff der Erd und sezt das Haubt den Wolcken bey. K urtzer Sinn/ und lang Gewand Ist den Frauen wohl bekant. W enn du deine Thaten/ die nichts taugen/ Uberschielst mit eingeschmierten Augen/ Wiltu noch wie Falck und Luchs besehn Was bey deinem Nachbar ist geschehn. L anger Roͤcke/ kurtzer Sinnen Wird man bey den Weibern innen: Min - Vermischte Gedichte. Minder als des Mondes Schein Koͤnnen sie bestaͤndig seyn/ Ja heist oͤffters ihr Verneinen/ Gutt gemeynt ihr Boͤse-scheinen. G utter Rath kommt uͤber Nacht/ Zeit hat viel zuwege bracht. W as der Abend nicht vollbracht/ Wird am Tag offt klar gemacht. F uͤhrt mich ein grosses Schiff/ traͤgt mich ein kleiner Kahn/ Ich fahre gleich so gutt/ land’ ich nur sicher an. H ab ich ein grosses Schiff zur Fahrt/ Muß ich auff kleinem Kahne treiben/ So werd ich doch bey gleicher Art Und unverwandtem Sinne bleiben. O b mich ein grosses Schiff/ ein kleiner Nachen traͤgt/ Ich bleibe/ wie ich bin/ vergnuͤgt und unbewegt. F uͤhrt mich ein grosses Schiff/ ein kleiner Kahn dahin/ Es gilt mir beydes gleich: Ich bleibe wie ich bin. S itzstu gutt/ so sitze feste: Alter Sitz der ist der beste. M ahler und Poeten Doͤrffen nicht erroͤthen/ Was Vermischte Gedichte. Was es immer sey Stehet ihnen frey. M an sucht durch Land und See das Gluͤcke wohl zu he- ben: Was wiltu/ Mensch/ darnach mit solcher Muͤhe streben? Ein kleiner Ort kan dirs bey gleichen Sinnen geben. D ie Frau/ die dich zu Tisch und Bette soll ergoͤtzen/ Muß nicht nach Redners Art die langen Worte setzen/ Muß nicht nach kluger Kunst die rundten Schluͤsse drehen/ Nicht wissen/ was fuͤr ihr und uͤberall geschehen. Aus Buͤchern steht ihr frey daß sie ein wenig wisse/ Doch daß sie den Verstand bey dir erholen muͤsse. W enn du den Grauß betrittst und schaust die alten Mau- ren an/ So dencke was auch Zeit und Tod an dir veruͤben kan. S chon/ o Tod/ was zu dir kuͤmmt/ Sind wir doch fuͤr dich bestimmt. Bist du faul/ und wilt verweilen/ Siehst du uns doch selber eilen. Stunde/ die das Leben gab Bricht demselben wieder ab. W er hat den Papagay gelehrt sein hoͤfflich Gruͤssen/ Die Elster/ Menschen gleich/ auff Worte seyn beflissen? Der Meister kluger Kunst und Schaͤrffer schwacher Sinnen Der Brauch/ der/ was Natur verschraͤnckt/ doch lehrt be- ginnen. Dei n Vermischte Gedichte. D ein Wissen ist ein bloͤder so viel als Unverstand/ Dafern es nicht auch andern wird bekandt. W as nutzet dir alleine viel zu dein unbekandtes wissen Wenn du es nicht zu weisen bist beflissen. A hnen die man rechnen kan/ Und was wir nicht selbst gethan/ Schaͤtz ich fuͤr entlehnten Ruhm/ Nicht fuͤr wahres Eigenthum. O fft wo ein voͤllig volles Korn der Furche ward vertraut/ Waͤchst ungluͤckselge Tresp’ und fliegend Haber-Kraut. Vor liebliche riechende Narciß- und riechende zaͤrtliche Violen. Ist nichts als rauche Raͤhm und Distel zu erholen. G rosse Kieffern muͤssen offt fuͤr der Winde Macht erzit- tern/ Und mit desto schwererm Fall hohe Thuͤrme sich erschuͤt- tern/ Ja der Felsen Riesen-Haubt von dem Donner-Keil zersplit- tern/ Wenn das sichre Thal nichts weiß von dergleichen Ungewit- tern. Ein Vermischte Gedichte. E in Tag stoͤsst den andern fort/ unter Sorgen und Beschwer- den/ Und es hoͤren nimmer auff neue Monden alt zu werden. N iemands-Freund die schwartze Nacht Ist voll Schrecken und Verdacht. N icht zu weit auff hohe See/ nicht zu nah auch am Ge- stade! Dort koͤmmt offt von freyem Sturm/ hier von blinder Klipp ein Schade. W ie ich heute bin gesinnt/ warum war ichs nicht vor- hin? Oder/ warum bin ich nicht/ was ich vor gewesen bin! Die vier Alter. E in Knabe/ der nun Fuß und Zunge brauchen kan/ Hebt gerne Kinderspiel mit seines gleichen an/ Zuͤrnt und versoͤhnt sich leicht/ ist wandelbarer Sinnen/ Wuͤnscht alle Stunden ihm was neues zu beginnen. Ein Juͤngling ohne Barth in Freyheit nun gestellt/ Hat Hund und Pferde lieb/ streicht durch das freye Feld/ Zum Boͤsen weich/ als Wachs/ zum Straffen hart als Stahl/ Geneigt zum Geld-verthun/ thut langsam gutte Wahl; Will leichtlich oben aus/ ist voll Begier und Lust/ Es wechseln Lieb und Haß gar bald in seiner Brust. Bey nunmehr reiffem Mann ist alles umgewandt/ Er sucht durch Geld und Freund zu bessern seinen Stand/ Strebt Ruhm und Ehren nach/ vermeidet zu begehn/ Woraus ihm spaͤte Reu und Schande kan entstehn. Vie l Vermischte Gedichte. Viel Ungelegenheit sieht man beym Alter bluͤhn; Es scharrt/ und will ihm doch selbst den Genuͤß Gebrauch entziehn/ Greifft alles furchtsam an und rechnet annoch weit/ Ist traͤge/ voll Verdruß/ schiebt gern auff laͤngre Zeit/ Lobt seiner Jugend Thun/ und tadelt andrer Leben/ Pflegt Juͤngern Jungen gern Verweiß/ auch unersucht/ zu geben. E in Knabe/ der nun redt und sicher lauffen kan/ Liebt stilles Sitzen nicht/ spielt gern mit seines gleichen/ Erzuͤrnt sich bald/ und laͤst den Zorn auch bald verstreichen/ Faͤngt iede Viertelstund ein neues Wesen an. Der Juͤngling ohne Bart/ der strengen Zucht entgangen/ Hat Pferd und Hunde lieb/ sucht ihm das gruͤne Feld/ Wehlt langsam was ihm gutt/ haͤlt selten lange Geld/ Hoͤrt kein Erinnern an/ hat Boͤses bald gefangen/ Hochtrabend/ voll Begier/ geschwinde Brunst zu fassen/ Und was er werth geacht hinwieder zu verlassen. Bey reiffer Mannbarkeit ist alles umgekehrt/ Man nimmt des Beutels wahr/ damit man solchen spicke/ Sucht Freundschafft in der Welt/ muͤht sich um Ehr und Gluͤcke/ Und huͤtet sich zu seyn mit Reu und Schimpff beschwert. Viel Ungelegenheit umgiebt den gutten Alten/ Er sucht/ und was er findt deß muß er sich enthalten us Kargheit/ Furcht und Geitz/ greifft alles laulicht an/ Schiebt auff/ und hofft noch viel/ lobt was man hat gethan ey seiner jungen Zeit/ klagt uͤber Zeit und Sitten/ nd laͤst der Jugend Thun nicht leichtlich unbestritten. W er das goͤldne Mittel liebt/ steckt nicht unter Spinnen- weben chwartzer Huͤtte stets verdeckt/ weiß auch ohne Neyd zu leben m Der Vermischte Gedichte. Der bey stoltzen Hoͤfen herrscht/ hofft bey rauher Winde Bruͤllen/ Fuͤrcht den Wechsel des Geluͤcks/ wenn ihm alles geht nach Willen. Denn der Winter koͤmmt und weicht/ Freude wechselt mit Be- schwerden/ Gehts izt schlimm/ so bleibt der Trost/ daß es bald wird besser werden. Cynthius fuͤhrt nicht allzeit bey sich den gespannten Bogen/ Unterweilen hat er auch linde Saͤiten auffgezogen. Schaue daß man dich allzeit im Gedrangen muttig finde/ Aber halt die Segel ein bey dem allerbesten Winde. G utt sprost von gutter Art: der Hengst weist sein Gestuͤtte/ Kein kuͤhner Adler heckt die Taube sonder Galle/ Doch Unterweisung weckt den Zunder im Gebluͤtte/ Wehrt/ daß der rohe Geist nicht aus dem Mittel falle; Schlaͤgt aber Boßheit bey/ sinckst du in Laster ein/ So mehret sich dein Schimpff durch Wohlgebohren-seyn. O b die Eiche wird belaubt Und der Frost die Blaͤtter raubt/ Pflegt sie doch der Lentz zu weisen/ Unbesiegt durch Eyß und Eisen/ Neue Zweige schuͤssen nach Wo man Laub und Aeste brach: Unter Sturm/ Gefahr und Graͤmen Weiß die Tugend zuzunehmen. D aß nichts Ewigs hier zu hoffen/ lehret uns das schnelle Jahr/ Macht die rauberische Stunde/ die den Tag entfuͤhret/ wahr. Linde Vermischte Gedichte. Linder Sudwind bricht den Frost/ Sommers Glutt vertreibt den Maͤyen/ Weicht dem Herbst/ der Fruͤchte streut/ und bald will es wieder schneyen. Doch der Mond erholt sich wieder/ wenn er abgenommen hat; Wir/ wenn wir einmahl erreichen unsrer Vaͤtter Lagerstatt Werden nach dem Leibe Staub/ sehen diese Welt nicht wieder. Wer weiß ob uns morgen noch geht die goͤldne Sonne nieder! Warum suchst du denn dein Geld so begierig auffzuheben? Was des Erben Geitz entgeht/ bringt dir Danck bey deinem Leben. D er Nachruhm kluger Schrifft ist zwar der Tugend Lohn/ Schweigt das Papier/ so hast du hier sonst nichts darvon. Als kein Homer nicht war/ blieb mancher Held verschwiegen: Verborgne Tugend muß bey todter Faulheit liegen. N icht wer viel hat/ ist begluͤckt/ Sondern wer es recht geneust/ Wer sich auch in Armutt schickt Und von Lastern sich entreist/ Wer fuͤr Freund und Vaterland Freudig braucht Haubt/ Haut und Hand. O b dich gleich der Pfenning sticht/ Aendert sich dein Stamm doch nicht. T rag manchen biß nach Rom/ setz ihn nicht leyse sanffte nieder/ Er giebt dir keinen Danck fuͤr alle Muͤhe wieder. m 2 Kraͤtze Vermischte Gedichte. K raͤtze nehm den Lezten ein: Ich mag nicht zuruͤcke seyn. T hut ein gesezter Geist/ Was Recht und Tugend heist/ So kan noch Poͤfels-Wutt Die Boͤses heist und thut/ Noch saures Fuͤrsten-Blicken Den steiffen Sinn verruͤcken/ Ob Wind und Welle braust/ Ob Sturm und Wetter saust/ Ob schon der Kreyß der Welt In einen Hauffen faͤllt/ Sieht er sich ohn Erschrecken Flutt/ Staub und Schutt bedecken. Uberschrifften und Sinn- Gedichte. Hercules Bildnis. I ch bin der Hercules/ dem Himmel/ Hoͤlle/ Welt/ Doch nicht ein schwaches Weib vergebens nachgestellt. Nerons Bildnis. S eht diesen Kaͤyser an/ der Liebsten Haar zu zaͤhlen Wird vor den Koͤnigs-Stab die stoltze Faust erwaͤhlen. Sim - Vermischte Gedichte. Simson. D er so viel Feinde war gewohnt zu uͤberwinden/ Laͤst sich die schwache Faust der Philisterin binden. Unterschied der Sprachen und Gemuͤtter. G emeines Spruͤchwort schaͤzt den Mann aus seinem Gange/ Den Groschen nach dem Klang/ und Voͤgel vom Gesange: Der Frantzmann bricht die Red/ haͤlt Sylb und Hertz zu- ruͤcke/ Der Welsche faͤlscht das Wort/ steckt insgemein voll Tuͤcke/ Ein stoltzer Spanier wird Pracht in Worten fuͤhren/ o Der Britten Wanckelmutt laͤst ihre Zunge spuͤren: um Zeichen/ daß man deutsch und unveraͤndert bleibt/ So schreibt man/ wie man redt/ und redet wie man schreibt. D u wirst zwar Jungfrau noch/ doch zweiffelhafft genennt/ Ein Hauß das bleibt ein Hauß/ wiewohl es abgebrennt. in Dieb muß offtermahls den Titel/ Ehrlich/ fuͤhren/ o will der Titel dir der Jungfrau auch gebuͤhren. E s lies um ihren Mann Mannholde Thraͤnen fluͤssen/ Und schwur/ sie wolte sich nicht weiter ehlich wissen/ och als die Leinwand sie zum Sterbekuͤttel schneid/ rieff/ auff Befehl der Hand/ die Scheere nicht zu weit. ie ward befragt/ warum sie spart in diesen Sachen: amit man uͤbers Jahr kan Hochzeit-Hemde machen. D er Wirbel traͤget Gold und Ertz der rothe Bart/ Das Hertz ist grobes Bley/ das Antlitz Silber-Art/ m 3 Das Vermischte Gedichte. Das unverschaͤmte Maul gleicht sich dem harten Eisen; Wer wolte nicht vor reich so viel Metalle preisen? L iegt nicht bey iedem Hauß ein wachsam Hund an Ketten Der vor der Diebe List den Bauren warnen kan? Warum legt Mopsus nicht dergleichen Waͤchter an? Des Hundes Stelle kan sein boͤses Weib vertreten. E s hat des Hoͤchsten Mund dem Menschen anbefohlen Die Lebens-Mittel ihm mit Schweiß und Fleiß zu holen Was geht den Kuͤster an diß ernstliche Gebot? Mit lauter Fried und Freud erwirbt er ihm sein Brodt. D u billst nach Hundes-Art/ und schmeichelst wie ein Hund So schlaͤget nach an dir dem Hunde Schwantz un Mund. E s kan dein gantzer Leib die Ele kaum erreichen/ Und will sich doch dein Wort der langen Klaffter gleicher D ein Arm will meinen Leib/ dein Mund mein Hertz u schluͤssen/ Und deine Rechte sich bey meiner Rechten wissen/ Im Fall noch koͤmmt darzu der Kuͤsse Freundligkeit/ So heissestu mit Recht ein Indas unsrer Zeit. W ann dein beredter Mund sich einmahl auffgethan/ So flicht sich Stuͤck in Stuͤck/ und Glied in Glieder Daß manche Stunde kaum das Ende finden kan. Die Nase muß gewiß der Rede Maßstab seyn. Vermischte Gedichte. D ein grosses Geld und Gutt halff dir Filinden freyen/ Sie kroͤnt dein duͤrres Haubt mit frischen Hirsch-Ge- weyhen: Diß heist Cerofilus, die Hoͤrner theuer kauffen; Man kan um leichtern Preiß damit nach Hause lauffen. D er Schleiffstein schaͤrffet nicht/ man muß ihn vor beguͤssen; Trinckt ein Poete nicht/ so wird der Reim nicht fluͤssen. D er Wetzstein machet scharff/ thut selber keinen Schaden; Nichts boͤses thut der Wein/ nur die sich mit beladen. D er Jungfrau-Nahme will den Jungen nur gebuͤhren/ Wer alt wird unverfreyt/ soll andern Nahmen fuͤhren. W er dich und die Nessel schont/ Wird mit Brand und Schimpff belohnt; Wer dich und die Nessel druͤckt/ Brennt sich nicht/ und wird begluͤckt. W ie vielen hat der Wein das Leben abgestohlen/ Es fallen ihrer mehr durch Glaͤser als Pistolen. W einholden sollen wir zur Zahl der Weisen lesen/ Speusippus wird gewiß sein Lehrer seyn gewesen. W er ihm zum Ziel den Grund der Glaͤser vorgenommen/ Wird leichtlich auff den Grund des leeren Beutels kom- men. m 4 Die Vermischte Gedichte. D ie Handschuh sollen noch Zibeth und Bisam schmecken/ Wiltu die zarte Hand mit solchem Koth beflecken. I hr Alchymisten last eur Geld in Rauch verspringen: Der arme Bauersmann ist kluͤger weder ihr: All-Kuͤh-Mist laͤst er ihm die magern Aecker thuͤngen/ Und erndtet was er denn versilbern kan dafuͤr. E s laͤst ihm Pollio viel schoͤne Wagen mahlen; Wer nicht mit eignen kan/ muß mit gemahlten pralen. M anvarten wolte man mit Handschuh naͤchst begaben/ Sie sprach: Ich will das Fleisch und nicht das Leder haben. D u hast dein eitles Haubt mit Balsam angefeucht/ Manch theures Wasser muß die stoltzen Wangen zieren: I st einem Raben nicht ein Heuchler zu vergleichen? Er frist die Lebenden und jener nur die Leichen. Auff das Schroͤpffen. W o der Mund zuviel gethan/ Muß die Haut sich leiden an. Theue r Vermischte Gedichte. T heuer Brodt/ gesteigert Saltz/ hohe Steuer/ fallend Geld/ Sind vier Stuͤrm auff unser Land: Sagt mir/ wo es hin ver- faͤllt. Fastnacht. U nnoth ists/ daß man izt nach viel Verkleidung frage: Die Welt vermummet sich ja nunmehr alle Tage. Z war heute zieht die Welt viel falsche Kleider an/ Doch dencke/ daß man die auch taͤglich finden kan. V erdecke das Gesicht/ veraͤndre Bart und Haar/ Es wird der blinde Tod doch wer du seyst gewahr. N imphe/ schafft den Spiegel ab/ welcher euch forthin ver- kennt/ Euer Bild ist schon bekannt/ wenn man nur Alt-Schoͤnau nennt. N imphen/ eure kluge Brust Schoͤpfft von unsrer Schwachheit Lust/ Aber denckt/ die kluͤgsten Geister Seyn nicht stets ihr eigen Meister. Spruͤchwoͤrter. D ie Jungen bestaͤnckt/ Die Alten ertraͤnckt. m 5 Der Vermischte Gedichte. D er Jungen Noth Der Alten Tod. E ine Feder auff einmahl Macht zulezt die Henne kahl. S ein Auskommen weiß der Mann/ Der nichts weiß und schweigen kan. A llzufetter Heerd Selten lange waͤhrt. F ette Braten/ mager Muhß: Mangel folgt auff Uberfluß. F ette Schuͤsseln/ steten Schmauß/ Schweifft zulezt die Armutt aus. E s giebt bey Muͤhlen und Frauen Sich immer ein Mangel zu schauen. E in boͤser Schreiber wird gewahr Daß ihn verhindert iedes Haar. W er zu hoch will steigen/ Muß zum Falle neigen. W er Vermischte Gedichte. W er hat seinen Eyffer nicht? Auch die schwache Fliege sticht. W eit entlegne Wasser-Flutt Loͤscht dir keine nahe Glutt. F uͤr langen Zorn Ein kurtzes Horn. B oͤser Hund/ Kurtz Gebund. W enn er kaltes Wasser sieht/ Schreyt der Hund der sich verbruͤht. H eller Hellern beygelegt/ Machen daß man Thaler traͤgt. E in Narr ist genung fuͤrs Hauß: Sonsten muß der Klug hinaus. E in Narr minder/ oder mehr/ Schadet in der Stadt Welt nicht sehr. G utter Wein hat diesen Lohn/ Daß man lange redt darvon. Gutter Vermischte Gedichte. G utter Wein giebt dieses frey Daß man laͤnger schwaͤzt dabey. W er das Sein’ allein verricht Schmutzet ihm die Haͤnde nicht. D er alten Hunde Bellen Ist nicht aus Acht zu stellen. N icht leicht ohne Floͤh auffsteht Wer mit Hunden schlaffen geht. W er fuͤr andr’ auff Raub gegangen/ Bleibt Wird offt fuͤr sich selber hangen. selbst gehangen. N ichts behaͤlt wer allzuviel Auff einmahl ergreiffen wil. A llzuscharffes Schneutzen Muß zum Blutten reitzen. R Oland auch der kuͤhne Mann/ Nahm es nicht mit zweyen an. H ast du Geld/ so giltst du viel: Wer nichts hat/ taugt nicht ins Spiel. Zwey- Vermischte Gedichte. Z weymahl muß den Beutel ziehn Wer zu fruͤh das Geld giebt hin: D ie Suppe schmeckt nach Rauche Wo gruͤnes Holtz im Brauche. W er sich nicht mißt Verdorben ist. W er das Schmaltz in Haͤnden hat/ Findt ihm leicht zur Suppe Rath. W er das Schmaltz in Haͤnden hat Macht das Muhs nach seinem Rath. J e hoͤher der Affe die Leiter ansteigt/ Je mehr er die Bloͤße des Hintersten zeigt. W er trocken maurt/ Maurt fest/ und taurt. B estaͤndigkeit Bricht Gluͤckes Neyd. W er da weißt sein Hauß Beuts zum Mitten aus. Wenig Vermischte Gedichte. W enig Tuch/ Kurtze Bruch. W er auff iede Feder acht/ Nie das Bette fertig macht. W enn du wilt haben der dir Dienste thut/ So ist der alte Spruch: Bezahle gutt. W o die Gall im Hertzen stockt/ Wird kein Honig ausgespockt. N ach der That Gilt der Rath. G eld/ der Meister aller Sachen/ Weiß aus Nein offt Ja zu machen. V on Waffen/ Vogel/ Hund und Lieben/ Folgt kurtze Lust und viel Betruͤben. V on dem/ was nicht angeht dich/ Weder Gutts noch Boͤses sprich. W o man Gaͤnß und Weiber hat / sicht/ Findet auch Geschnader statt. Fehlt es an Gepapper nicht. Bess er Vermischte Gedichte. B esser Wolle weggeschoren/ Als das gantze Schaf verlohren. B esser ist es/ daß das Ey Als das Hun verlohren sey. J unger Thaten/ Alter Rathen Geht von staten. G rosses Hoffen/ groß Betrug: Wie so bald mißraͤth der Zug! K atze zieh die Handschuh aus/ Sonsten faͤngst du keine Maus. M an mißt den Mann nicht nach der Elen aus; Offt hat ein grosser Geist ein kleines Haus. F remden Gluͤcks und Ungluͤcks Schein Kan des Weisen Spiegel seyn. Z ucker und sich freundlich weisen/ Dient zur Wuͤrtz in alle Speisen. S oll die Muͤhle fertig gehn/ Muß sie nicht im Trocknen Thale stehn. Uber- Vermischte Gedichte. U bermaß Sprengt das Faß. K raͤht die Henn/ und schweigt der Hahn/ Ist das Hauß gar uͤbel dran. L aß deinen Mund verschlossen seyn/ So schluckst du keine Fliegen ein. S agen ist der Weiber Ruhm/ Thun der Maͤnner Eigenthum. F leisch ohne Bein Ist nie allein. V om Fasse quillt Was eingefuͤllt. S chande hinterm Sattel fuͤhrt Wer in Hoffart galoppirt. I n steter Sorge liegt Wer nimmer sich vergnuͤgt. N icht schlaffen/ und dennoch liegen im Bette/ Vergebens erwarten was man gern haͤtte/ Treu dienen/ und kein Erkaͤntnis genuͤssen/ Sind Dinge/ die einen auffs Sterben verdruͤssen.