Anlage zur Architectonic, oder Theorie des Ersten und des Einfachen in der philosophischen und mathematischen Erkenntniß, durch J. H. Lambert . Zweyter Band. Riga , bey Johann Friedrich Hartknoch . 1771 . Jnhalt des zweyten Bandes . Dritter Theil. Das Reale der Grundlehre. Dreyzehntes Hauptstuͤck. Die Kraft. §. 372. Vierzehntes Hauptstuͤck. Verhaͤltnisse. §. 411. Funfzehntes Hauptstuͤck. Der Zusammenhang. §. 463. Sechzehntes Hauptstuͤck. Das Bestimmen. §. 505. Siebenzehntes Hauptstuͤck. Das Zusammensetzen. §. 531. Achtzehntes Hauptstuͤck. Dinge und Verhaͤltnisse. §. 564. Neunzehntes Hauptstuͤck. Arsachen und Wirkungen. §. 584. Zwanzigstes Hauptstuͤck. Substanzen und Accidenzen. §. 613. Ein und zwanzigstes Hauptstuͤck. Zeichen und Bedeutung. §. 649. Vierter Jnhalt. Vierter Theil. Die Groͤße. Zwey und zwanzigstes Hauptstuͤck. Das Allgemeine der Groͤße. §. 679. Drey und zwanzigstes Hauptstuͤck. Die Einheit. §. 699. Vier und zwanzigstes Hauptstuͤck. Die Dimension. §. 725. Fuͤnf und zwanzigstes Hauptstuͤck. Die einfache Gestalt der Groͤße. §. 740. Sechs und zwanzigstes Hauptstuͤck. Der Maaßstab. §. 759. Sieben und zwanzigstes Hauptstuͤck. Das Ausmeßbare. §. 784. Acht und zwanzigstes Hauptstuͤck. Die Gleichartigkeit. §. 810. Neun und zwanzigstes Hauptstuͤck. Das Einfoͤrmige. §. 835. Dreyßigstes Hauptstuͤck. Die Schranken. §. 850. Ein und dreyßigstes Hauptstuͤck. Das Zahlengebaͤude. §. 871. Zwey und dreyßigstes Hauptstuͤck. Vorstellung der Groͤßen durch Figuren. §. 885. Drey und dreyßigstes Hauptstuͤck. Das Endliche und das Unendliche. §. 903. Dritter Dritter Theil. Das Reale der Grundlehre . Dreyzehentes Hauptstuͤck. Die Kraft . §. 372. Unsere Erkenntniß der Dinge ist uͤberhaupt so eingerichtet, daß wir ohne Verhaͤlt- nisse dabey fast ganz zuruͤcke bleiben, weil sie ohne dieselbe in einer Reihe oder Haufen von ein- zelnen Vorstellungen bestehen wuͤrde, darinn alle Ord- nung, Zusammenhang, Verbindung ꝛc. wegbliebe. Von solchen Verhaͤltnissen haben wir nun bisher vor- nehmlich den idealen Theil abgehandelt. Wir be- trachteten die Dinge in Absicht auf ihre Aehnlichkeit und Verschiedenheit, und daraus ließe sich die Theo- rie von ihren Arten und Gattungen herleiten. Die Theorie des Veraͤnderlichen nahmen wir nur in so ferne mit, als noͤthig war, zu bestimmen, wie ferne die Dinge ihrer Veraͤnderungen ungeachtet, als eben dieselbe angesehen werden koͤnnen? Da ferner in je- den Saͤtzen ein Ding mit seinen Eigenschaften oder Lamb. Archit. II. B. A mit XIII. Hauptstuͤck. mit andern verglichen wird, so ist das meiste, was wir von den Bestimmungen des Bindewoͤrtchens ge- saget haben, von dieser an sich idealen Vergleichung hergenommen, und wir nahmen dabey die Betrach- tung des Soliden und der Kraͤfte nur in so ferne mit, als noͤthig war, anzuzeigen, daß solche ideale Vorstellungen nicht eben ein bloßer Traum waͤren, son- dern daß die Anlage dazu in den Dingen selbst vor- komme. Diese Anlage werden wir nun an sich be- trachten, und daher bey den Kraͤften anfangen, weil auf diesen ohnehin jede in den Dingen selbst vorkom- mende Verbindungen, reale Verhaͤltnisse, Zu- sammensetzungen, positive Moͤglichkeiten ꝛc. beruhen, deren deutlichere und ausfuͤhrlichere Ent- wickelung den Erfolg hat, daß sich dadurch sehr vie- les allgemein in die Kuͤrze ziehen laͤßt, weil mit den Dingen die Verhaͤltnisse, mit Verhaͤltnissen noch mehrere, und mit Dingen und Verhaͤltnissen zugleich noch mehrere Dinge und Verhaͤltnisse bestimmet sind, (Dianoiol. §. 476-484. 497.). §. 373. Wir haben im vorhergehenden schon oͤfters ange- merket, daß wir die Kraͤfte des Verstandes und des Willens von den bewegenden oder koͤrperli- chen Kraͤften unterscheiden muͤssen, weil unsere Er- kenntniß und die Sprache bey diesen anfangen, und weil wir beyde erstere Arten nur nach der Aehnlich- keit, die sie mit der letztern haben, benennen. Diese Aehnlichkeit geht nun allerdings sehr weit (§. 110. 68. 221. 301.), und die Sprache selbst scheint schon ganz da- zu eingerichtet. So weit sie aber geht, ist sie dennoch weiter nichts, als eine Aehnlichkeit, und das tertium comparationis muß immer erwiesen und angezeiget werden. Die Kraft. werden. Wir werden demnach nicht eine Theorie davon angeben, die sich auf alle drey Arten der Kraͤfte erstrecke, sondern aus den anfangs (§. 29. 39.) an- gezeigten Gruͤnden eben der Ordnung folgen, nach welcher wir zu solchen Begriffen, Vergleichungen und ihren Benennungen gelangen, weil auf diese Art die Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit in der Sprache am sichersten vermieden wird. Diese Ordnung wird zugleich die Folge nach sich ziehen, daß wir die von jedem dieser Arten der Kraͤfte herruͤhrende Verhaͤlt- nisse, Verbindungen und Zusammenhang der Dinge besonders werden anzeigen, und die Theorie davon, eben dadurch, daß sie specialer und umstaͤndlicher wird, brauchbarer machen koͤnnen. §. 374. Den Ursprung des Begriffes der Kraft, welcher an sich einfach ist, haben wir bereits oben (§. 97.) angezeiget. Wir empfinden naͤmlich, daß wir eine Kraft anwenden muͤssen, um eine Last zu heben, um einen Koͤrper in Bewegung zu setzen, um einen bewegten Koͤrper aufzuhalten, und bey allem diesem empfinden wir auch die verschiedenen Stufen oder Grade der Kraft. Wir empfinden ferner, daß wir bey lange anhaltendem Gebrauche unserer Kraͤfte muͤde werden, daß wir ausruhen und neue Kraͤfte sammlen muͤssen. Ferner bemerken wir, daß wir einen Koͤrper vermittelst eines andern aufhalten, oder auch in Bewegung setzen koͤnnen, und daß ein Koͤr- per, den wir in Bewegung gesetzt haben, einen an- dern Koͤrper ebenfalls in Bewegung setzen kann. Auf diese Art werden wir unvermerkt verleitet, zu schlies- sen, daß wir durch den Gebrauch unserer Kraͤfte die- selbe verlieren, daß sie in die Koͤrper, und aus einem A 2 Koͤrper XIII. Hauptstuͤck. Koͤrper in den andern uͤbergehe, wenn dieser von je- nem gestoßen wird, daß die Kraft in einem Koͤrper, dem sie mitgetheilet worden, bleibe, so lange dersel- be nicht andere Koͤrper beruͤhret, daß sie aber unter dieser Bedingung nicht anders weder in dem Koͤrper sey, noch in denselben gebracht werden koͤnne, es sey denn, daß der Koͤrper sich bewege, und in der Bewegung gerade hin und mit gleicher Geschwindig- keit fortfahre, daß die Geschwindigkeit sich nach der Kraft und der Masse richte, daß weil eben nicht wir alle Koͤrper in Bewegung setzen, eine Quantitaͤt von Kraft in der Welt seyn muͤsse ꝛc. §. 375. So lange wir nun hiebey nur a posteriori gehen, und die hier angefuͤhrten Ausdruͤcke nur gebrauchen, um das, was uns die Erfahrung zeiget, zu benen- nen, geht alles ordentlich, und es liegt an sich nichts daran, ob diese Ausdruͤcke metaphorisch, oder ihrer eigentlichen Bedeutung nach dabey vorkommen. Denn die Erfahrung leget das, was wir dadurch anzeigen wollen, vor Augen. Allein, in so ferne dienen sol- che Erfahrungen auch nur vornehmlich zu demjenigen Theile der Dynamic, welche unmittelbar in Absicht auf die wirkliche Welt statt hat, und es faͤllt schwe- rer, daraus zu entscheiden, ob nicht auch das Gegen- theil davon moͤglich bleibe, und in einer andern Welt, die ebenfalls existiren koͤnnte, vorkommen wuͤrde? Man hat die Frage, ob die Gesetze der Bewegung, die wir in der gegenwaͤrtigen Welt finden, eine geo- metrische Nothwendigkeit haben, laͤngst schon auf- geworfen, und in Aufsuchung ihrer Beantwortung die Schwierigkeiten ehender vermehret als vermin- dert. Huygens und Wrenn haben durch viele Ver- Die Kraft. Versuche die Gesetze der Bewegung bey dem Stoße der Koͤrper heraus gebracht, und aus denselben er- hellet, besonders fuͤr die sogenannten elastischen Koͤr- per, daß wenn jede Masse mit dem Quadrate ihrer Geschwindigkeit multiplicirt wird, die Summe der Producte vor und nach dem Stoße gleich groß sey. Bey weichen Koͤrpern hat dieses Gesetz nicht statt, weil sie ihre Figur aͤndern, und wir haben bereits oben (§. 96.) angemerket, daß in Absicht auf die Grade der Geschwindigkeit jede Koͤrper als weich an- gesehen werden koͤnnen, und daß man daher immer mehr oder minder die Bewegung in den kleinsten Theilen mit in die Rechn n ng zu ziehen habe. Wo aber keine Aenderung der Figur vorgeht, oder wo sie wieder hergestellet wird, da nimmt man erst an- gefuͤhrtes Gesetz an, und setzet, das Quadrat der Geschwindigkeit mit der Masse multiplicirt, sey das Maaß der Kraft, oder ihrer Staͤrke (§. 95.), und da die Summe fuͤr beyde Koͤrper vor und nach dem Stoße einerley bleibt, so schließt man daraus, daß immer einerley Quantitaͤt der Kraͤfte in der Welt sey. Man sehe, was wir bereits oben (§. cit. seqq. ) hieruͤber angemerket haben. §. 376. Hier koͤmmt aber vornehmlich die Frage vor, was wir von allem diesem a priori, oder ohne Ruͤcksicht auf die specialern Erfahrungen wissen koͤnnen? Diese Frage loͤset sich von selbst in verschiedene andere auf. Einmal fragt es sich, ob der klare und an sich ganz einfache Begriff der Kraft, den wir durch das Ge- fuͤhl erlangen, nicht etwann bloß ein sinnliches Bild von etwas sey, das zwar in der Koͤrperwelt vorkom- me, aber an sich betrachtet, ganz anders beschaffen A 3 sey, XIII. Hauptstuͤck. sey, ungefaͤhr, wie die Begriffe der Farben solche bloße Bilder sind, die von den auf das Augennetz fallenden Lichtstralen erreget oder veranlaßt werden? Dabey ist nun offenbar genug, daß wenn wir z. E. sagen, die Kraft gehe aus einem Koͤrper in den an- dern, nicht dieser klare Begriff dadurch verstanden werde, sondern das, was dieser Begriff vorstellet. Sollen wir nun hier nach unserer Empfindung ur- theilen, so empfinden wir, wenn wir eine Kraft an- wenden oder gebrauchen, eigentlich das, was wir einen Druck nennen, und demnach muͤßten wir sa- gen, daß ein solcher Druck aus einem Koͤrper in den andern uͤbergehe, und diese Redensart gebrauchen wir auch wirklich bey Koͤrpern, die einander be- ruͤhren, wenn wir sagen, daß einer den andern fort- druͤcket, wie z. E. die Raͤder an einer Uhr, die Theile einer Maschine ꝛc. §. 377. Dieses Fortdruͤcken laͤßt sich nun, uͤberhaupt be- trachtet, aus der bloßen Undurchdringbarkeit des So- liden begreifen, weil dieses jedes andere nothwendig von seinem Orte ausschleußt. Das eine kann nicht an die Stelle des andern kommen, es sey denn, daß dieses weiche, und daher von dem andern fortgedruͤ- cket werde. Dieses kann man nun allerdings ohne Ruͤcksicht auf speciale Erfahrungen sagen, weil wir das Solide ohne die Undurchdringbarkeit nicht ge- denken koͤnnen. Hingegen ist die Frage von dem er- sten Drucke schwerer. Denn nehmen wir nur an, daß eine gewisse Quantitaͤt von Kraͤften in der Welt sey, so gehen wir a posteriori. Es sollte aber die metaphysische Wahrheit derselben, oder ihre noth- wendige Moͤglichkeit zu existiren, a priori erwiesen werden. Die Kraft. werden. Dieses wird nun wohl nicht anders, als aus dem §. 297. geschehen koͤnnen, weil wir dabey weiter nichts, als die bloße Gedenkbarkeit der Be- wegung zu fordern haben. Denn mit der Bewegung ist die Faͤhigkeit, einen Druck zu aͤußern, und die wirkliche Aeußerung des Druckes, sobald das be- wegte Solide an ein anderes stoͤßt, unaufloͤslich ver- bunden. Demnach wird es an der Moͤglichkeit, durch den Druck die Bewegung fortzusetzen, nicht fehlen, sobald einmal Bewegung da ist. Jst aber die Be- wegung an sich gedenkbar, so sind auch die dazu er- forderlichen Kraͤfte derselben vorexistirend, (§. 297.) §. 378. Wir koͤnnen ferner anmerken, daß die Empfindung der Kraft, die wir anwenden, eben so, wie jede an- dere Empfindungen, ihre Stufen oder Grade hat. Wenn demnach von dem Maaße der Kraͤfte die Rede ist, so wird man bey den Versuchen, die man dar- uͤber anstellet, der Quelle am naͤchsten kommen, wenn man diese Empfindung mit zu Rathe zieht. Hiebey ist nun aber die Frage nicht, ob wir vermittelst der Empfindung die verschiedenen Grade der Kraft genau schaͤtzen koͤnnen? Wir koͤnnen nicht wohl zuverlaͤßig urtheilen, als wenn wir z. E. mit beyden Haͤnden gleiche Kraft anwenden, um zu druͤcken, zu stoßen ꝛc. und auch hier muͤssen wir aus vielen wiederholten Schaͤtzungen das Mittel nehmen, um dem wahren naͤher zu kommen. Wir haben daher oben (§. 97.) schon angemerket, wie die Geschwindigkeit, den Ab- gang der Masse ersetzen, und die Verhaͤltniß zwischen beyden mit der Empfindung der Kraft verglichen werden koͤnne? A 4 §. 379. XIII. Hauptstuͤck. §. 379. Die Gedenkbarkeit der Bewegung sollte natuͤrlicher Weise keinen Schwierigkeiten unterworfen seyn. Jn- dessen hat Zeno, der alle Bewegung in Zweifel zog, solche Schwierigkeiten aufgesucht. Sie sind aber, wie uͤberhaupt alles, was man wider Wahrheiten saget, theils aus Unwissenheit theils aus Sophiste- reyen zusammengesetzet, und wer die Mechanic ver- steht, wird sich dadurch, so scheinbar sie auch Bayle vorzutragen gesucht hat, nicht irre machen lassen. Ueberhaupt wer die Bewegung laͤugnet, wird die Frage, ob einerley Solides nach und nach an ver- schiedenen Orten existiren koͤnne, nicht anders koͤnnen zugeben, als wenn er zugiebt, daß es an jedem Orte vernichtet und am andern neu geschaffen werden muͤsse, wenn es nach und nach an allen seyn soll. Jn einer solchen Succession waͤre aber hoͤchstens nur eine locale Ordnung (§. 327.), welche, wenn die Bewe- gung gelaͤugnet oder dabey nicht gebraucht wird, auf eine schlechthin willkuͤhrliche Art zu Stande gebracht werden muß, (§. 330.). Ob ferner die Kraft zu schaf- fen verstaͤndlicher sey, als die Kraft zu bewegen, be- darf keiner langen Untersuchung. Laͤugnet man aber beyde, so ist die Gedenkbarkeit, daß einerley Solides nach und nach an verschiedenen Orten seyn koͤnne, und zugleich auch der an sich einfache und daher fuͤr sich gedenkbare Begriff der Continuitaͤt, ungeachtet in dieser Vorstellung schlechthin kein Widerspruch ist, ein leerer Traum, und ohne metaphysische Wahrheit. Dieses geht aber nicht an, (§. 297. 298.). §. 380. Die Lehre von der Mittheilung der Bewegung hat aͤhnliche Schwierigkeiten gefunden, allem Ansehen nach Die Kraft. nach aber, weil man etwas, das an sich ganz einfach ist, noch ferner hat entwickeln, und das, was die Grund- lage zur Erkenntniß a priori ist (§. 237. Alethiol.), noch ferner hat a priori erweisen wollen. Daß das Solide sich nicht selbst in Bewegung setze, sondern fuͤr sich in Ruhe sey, und daß es folglich erst in Be- wegung gesetzet werden muͤsse, kann man ohne Be- denken unter die Grundsaͤtze rechnen. Soll es dem- nach in Bewegung gesetzet werden, so muß dieses durch Kraͤfte, und zwar durch einen Druck geschehen, (§. 376.). Dieser Druck geht nun vor, es sey, daß ein Solides an das andere stoße, oder, wenn man auch setzen will, daß die Kraft etwas reales und von dem Soliden verschiedenes sey (§. 298.), die Kraft unmittelbar angebracht werde. Hingegen hat es mit den Gesetzen, nach welchen die Bewegung mitgetheilet wird, eine andere Bewandniß. Denn setzt man, daß die Kraft etwas reales und von dem Soliden verschiedenes sey, so kann die verschiedene Modifica- tion der Kraft bey dem Anstoßen eines Soliden an ein anderes, allerdings eine andere Wirkung herfuͤr- bringen, und daher selbst andere Gesetze voraussetzen. Nimmt man aber an, daß das Solide an sich schon durch die bloße Bewegung, ein anderes in Bewe- gung setzen koͤnne, und keine andere Kraft als das Andruͤcken dabey vorkomme, so bleibt in den Gesetzen, wie die Bewegung mitgetheilet werde, nichts Will- kuͤhrliches, das will sagen, sie koͤnne nicht auf meh- rerley Arten durch die Masse und Geschwindigkeit be- stimmet werden. Jm letzten Falle waͤren die Gesetze der Mittheilung der Bewegung in allen Welten einer- ley, im erstern Falle aber koͤnnen sie in andern Wel- ten anders seyn. A 5 §. 381. XIII. Hauptstuͤck. §. 381. Ein allgemeiner Satz, den wir hiebey vortragen koͤnnen, ist folgender. Man setze zwo solide Massen oder Theilchen A, B, die ihre Figur im Anstoßen nicht aͤndern, oder, wenn sie geaͤndert wird, dieselbe durch Kraͤfte wieder erlangen. Man lasse sie mit beliebi- gen Geschwindigkeiten an einander stoßen. Mit den Geschwindigkeiten, die sie nach dem Stoße erhalten, lasse man sie wiederum an einander stoßen, so werden sie nach diesem zweyten Stoße die anfaͤnglichen Ge- schwindigkeiten wiederum erlangen, und folglich alles so seyn, als wenn beyde Stoͤße nicht vorgegangen waͤren. Dieses muß nun nothwendig statt haben, wie auch immer die Gesetze des Stoßes beschaffen seyn moͤgen. Denn was man dabey anders gedenken will, so wird entweder mehr oder minder Bewegung herauskommen, als anfangs war. Und dieses geht nicht an. §. 382. Jn der wirklichen Welt haben wir fuͤr den Stoß der Koͤrper, die ihre Figur nicht aͤndern, oder bey welchen sie durch Kraͤfte wiederhergestellet wird, zwey Gesetze. Einmal bleibt die Geschwindigkeit, mit welcher sie sich nach dem Stoße von einander entfer- nen, derjenigen gleich, mit welcher sie sich vor dem Stoße einander naͤherten. Sodann ist die Summe jeder mit dem Quadrate ihrer Geschwindigkeit mul- tiplicirten Masse vor und nach dem Stoße einerley. Wenn man nun hiebey annehmen kann, daß die Masse mit dem Quadrate der Geschwindigkeit mul- tiplicirt dem Drucke oder der Kraft proportional sey, so wird letzteres von diesen beyden Gesetzen nothwen- dig statt haben, weil man annehmen kann, daß bey dem Die Kraft. dem Stoße weder Kraft verloren gehe, noch neue zum Vorscheine komme. Uebrigens sind diese beyde Gesetze so beschaffen, daß, wenn man beyde annimmt, das vorhin angefuͤhrte allgemeinere (§. 381.) dabey statt hat. Ob man aber vermittelst dieses allgemei- nern eines aus dem andern herleiten koͤnne, ist eine andere Frage, deren Aufloͤsung in die mathematische Analysin gehoͤret. §. 383. Liegen viele solide gleiche Theile in einer Reihe an einander, so geht der Druck, so dem ersten mit- getheilet wird, durch alle durch, bis in den letzten, welcher, weil er keinen folgenden mehr zu druͤcken hat, in Bewegung koͤmmt. Denn von allen zwischen lie- genden kann keiner in Bewegung kommen, so lange die folgenden noch in Ruhe sind. Demnach koͤnnen sie nur den dem ersten mitgetheilten Druck fortpflan- zen. Da aber dieser Druck eine Sollicitation, oder wenn man es so nennen darf, eine Anreizung zur Bewegung ist, so wird der letzte Theil in Bewegung gesetzet, und die uͤbrigen bleiben liegen, weil der Druck aus denselben weg ist. §. 384. Man setze ferner, viele gleich große solide Theile seyn feste mit einander verbunden, und nach der Di- rection der Laͤnge in Bewegung, so wird die Faͤhigkeit bey dem Stoße zu druͤcken in jedem seyn, und zwar eben so groß, als wenn jeder fuͤr sich mit gleicher Ge- schwindigkeit bewegt wuͤrde. Hingegen aͤußert sich der wirkliche Druck in jedem Theile nicht, weil jedes mit gleicher Geschwindigkeit fortgeht. Stoͤßt aber das erste irgend an etwas Solides, so hoͤret seine Bewe- XIII. Hauptstuͤck. Bewegung auf, und der in den folgenden liegende Druck aͤußert sich, und pflanzt sich in die vorhergehen- den fort. Man setze, daß eine beliebige Anzahl D E F | A B C mit einander verbundener soliden Theile A B C an eine gleich große Anzahl D E F stoße, so wird der Druck, der in A, B, C war, zugleich in D, E, F kommen. Da nun sowohl D als E, als F mit einem male glei- che Bemuͤhung zur Bewegung erhaͤlt, und nichts voran ist, welches noch fortzudruͤcken waͤre, so gehen die mit einander verbundene Theile D E F mit eben der Geschwindigkeit fort, mit welcher A B C ange- stoßen hatte, und da aller Druck aus A B C in D E F uͤbergegangen ist, so bleibt A B C liegen. Das will nun sagen, wenn eine solide ihre Figur nicht aͤn- dernde Masse an eine andere von gleicher Groͤße stoͤßt, so theilt sie derselben ihren Druck, und mit dem Drucke ihre Bewegung ganz mit. §. 385. Setze man nun, die Anzahl der soliden Theile D E F | G H A B C sey ungleich, so daß zu dem anstoßenden noch einige Theile G H hinzukommen, so ist aus der Fortpflan- zung des Druckes leicht zu begreifen, wie der Druck, der in jedem der Theile G H A B C war, bey dem Anstoßen an D E F, in die Theile D E F G H komme. Ungeachtet nun auf diese Art die Theile D E F eben die Geschwindigkeit haͤtten, welche vor dem Anstoße die Theile G H A B C hatten; so bleibt doch noch der Druck in den Theilen G H, und dieser muß sowohl noch D E F vor sich stoßen, als A B C nach sich ziehen, und die Theile G H selbst noch vorwaͤrts druͤcken. Dadurch aber wird derselbe auf alle Theile D E F G H A B C vertheilt. Die Kraft. vertheilt. Der Antheil, den jedes bekoͤmmt, findet sich, wenn man die Anzahl der Theile G H durch die Anzahl von allen D E F G H A B C dividirt. Man setze, die Anzahl der Theile D E F sey = m, die An- zahl der anstoßenden G H A B C = M, so ist M + m die Summe von allen, und M - m die Anzahl der- jenigen, deren Druck auf alle zu vertheilen ist, dem- nach wenn der anfaͤngliche Druck eines jeden = C ge- setzet wird, so ist \frac {M - m} {M + m} \cdot C der Druck, den jedes erhaͤlt. Nun aber haben die Theile D E F oder m schon den Druck C, weil dieser aus den Theilen A B C in dieselbe uͤbergegangen. Demnach ist der Druck, den jede Theile m erhalten = C (1 + \frac {M - m} {M + m}) = C (\frac {2 M} {M + m}) , und der Druck, der jeden Theilen GHABC uͤbrig bleibt, ist schlechthin nur = C (\frac {M - m} {M + m}) . Da nun jede Theile gleich groß sind, so verhaͤlt sich der Druck wie die Geschwindigkeit, die sie dadurch erhalten. Demnach ist C die anfaͤngliche Geschwin- digkeit der Masse M, und eben dieselbe nach dem Stoße ist V = C (\frac {M - m} {M + m}) , und die Geschwindig- keit der Masse m nach dem Stoße ist v = C (\frac {2 M} {M + m}) = C + C (\frac {M - m} {M + m}) = C + V , folglich C = v - V . §. 386. Setze man aber, G H A B C sey in Ruhe, und werde von D E F angestoßen, so kann man sich wie- derum leicht vorstellen, daß der Druck, der in den Theilen D E F ist, bis in die Theile A B C fortge- pflanzt XIII. Hauptstuͤck. pflanzt werde. Da aber auf diese Art in den Thei- len G H kein Druck ist, so kann sich das Ganze nicht bewegen, es sey denn, daß ein Theil des Druckes in G H komme, und dieser Theil geht demnach dem Drucke, der in A B C war, ab. Dieser Druck kann nun nicht in G H ruͤckwaͤrts kommen, um sich sodann vorwaͤrts zu aͤußern, es sey denn, daß er auch die Theile D E F ruͤckwaͤrts stoße, weil diese noch an G liegen. Demnach geht den Theilen A B C so viel von ihrem Drucke ab, als erfordert wird, um D E F ruͤck- waͤrts zu treiben, und zugleich auch G H mit eben dem Drucke, der noch in A B C bleibt, vorwaͤrts zu stoßen. Demnach, wenn man die Masse D E F = M, die Masse G H A B C = m setzet, so geht D E F mit dem Drucke C \cdot \frac {m - M} {m + M} ruͤckwaͤrts, und hingegen G H A B C mit dem Drucke C - C \frac {m - M} {m + M} vorwaͤrts. §. 387. Bey dieser Art zu schließen, die eben noch nicht alle erforderliche Evidenz hat, setzet man in beyden Faͤllen (§. 395. 396.), daß der Druck, der in G H entweder zu viel ist, oder ganz mangelt, auf beyde Massen zugleich vertheilt werden muͤsse, und der An- theil, den jeder Theil bekoͤmmt, die anstoßende Masse im ersten Falle vorwaͤrts, im andern ruͤckwaͤrts treibe, hingegen bey der Masse, welche gestoßen wird, den anfaͤnglichen Druck, welcher derselben als ganz com- municirt angesehen wird, im ersten Falle vermehre, im andern aber vermindere. Denn so geht in dem Falle des §. 385. der Druck, der in den Theilen A B C war, in die Theile D E F ganz uͤber, und es koͤmmt noch der Antheil hinzu, welcher gefunden wird, wenn man Die Kraft. man den in den Theilen G H noch ganz bleibenden Druck auf alle vertheilt. Hingegen in dem Falle des §. 386. geht der ganze Druck der anstoßenden Theile in die Theile A B C, und der Theil, welcher in G H ebenfalls kommen sollte, wird den Theilen A B C entzogen, und auf alle dergestalt vertheilt, daß der Druck in der ganzen Masse G H A B C dadurch vermindert, und hingegen D E F dadurch ruͤckwaͤrts gedruͤckt wird. Uebrigens wird der Fall des §. 386. unmittelbar aus dem Falle des §. 385. hergeleitet, wenn man in den daselbst gegebenen Formeln m groͤßer als M setzet. §. 388. Wir haben in beyden Faͤllen gesetzt, daß die eine Masse vor dem Anstoßen der andern in Ruhe sey. Setzet man aber, daß sie sich auch bewegen, so geben die angefuͤhrten Formeln (§. 385.) nur die respective Geschwindigkeit. C ist diejenige, mit welcher beyde Massen sich vor dem Stoße einander naͤhern, und v - V ist diejenige, mit welcher sie sich nach dem Stoße von einander entfernen. Man setze im §. 385. die wahre Geschwindigkeit der Masse m vor dem Stoße sey = g, die Geschwindigkeit der Masse M aber = G, so ist G - g = C. Und eben so, wenn die wahren Geschwindigkeiten nach dem Stoße = k, und K sind, so hat man k - g = v, und K - g = V. Werden diese Werthe in den angegebenen Formeln gesetzt, so erhaͤlt man Und XIII. Hauptstuͤck. Und folglich §. 389. Eben diese Formel giebt die Erfahrung fuͤr den Stoß elastischer Koͤrper, und daraus wuͤrde folgen, daß, wenn auch die (§. 385.) vorgebrachte Art zu schließen alle Evidenz haͤtte, bey ganz harten soliden Theilchen und bey vollkommen elastischen Theilchen einerley Gesetze statt haben wuͤrden. Jch weiß sehr wohl, daß man dieses eben nicht so unbedingt zugiebt, und erstbemeldete Art zu schließen laͤßt sich auch so veraͤndern, daß fuͤr ganz harte solide Theilchen andere Regeln des Stoßes herauskommen. So z. E. kann man in dem §. 385. fragen, warum sich der in den Thei- len G H A B C vorhandene Druck nicht ganz, sondern nur ein Theil davon, auf alle Theile D E F G H A B C vertheile; oder wenn auch dieser Druck als sich fort- pflanzend angesehen werden muͤßte, warum die Theile D E F, nachdem der Druck bis in D gekommen, sich nicht weg bewegen, und der in den Theilen G H zu- ruͤck bleibende sich folglich nur auf die Masse GHABC vertheile? Von diesen beyden Fragen kann die erstere a posteriori dergestalt verneint werden, daß, wenn man sie annimmt, die Elasticitaͤt nicht moͤglich sey. Denn die Elasticitaͤt kann bey zusammengesetzten Koͤr- pern nicht statt finden, es sey denn, daß schon die kleinsten soliden Theilchen dergestalt koͤnnen an ein- ander stoßen, daß sie nicht nach dem Stoße saͤmmtlich mit Die Kraft. mit gleicher Geschwindigkeit fortgehen, sondern eines von dem andern weggestoßen werde. Man setze nun, der in den Theilen G H A B C (§. 385.) vor dem An- stoße befindliche Druck vertheile sich bey dem Anstoße auf die beyde Massen D E F G H A B C gleichfoͤrmig, so werden jede Theile D, E, F ꝛc. mit gleicher Ge- schwindigkeit fortgehen, und demnach beyde Massen an einander bleiben. Auf diese Art aber, so viel man auch den Raum mit Materie und Bewegung ausgefuͤllt gedenken will, erhaͤlt man nichts anders, als daß zuletzt alles klumpenweise zusammenfalle oder sich klumpenweise in das Unendliche zerstreue. Wir schließen hieraus a posteriori, daß, weil die Welt nicht so beschaffen ist, die kleinsten soliden Theilchen entweder elastisch seyn, oder wenn sie nicht elastisch, sondern nur hart sind, dennoch solche Gesetze des Stoßes haben muͤssen, daß sie nach dem Stoße sich von einander entfernen koͤnnen. §. 390. Dieses hat nun gewissermaßen statt, wenn man setzet, die zweyte von der erst vorgelegten Frage muͤsse bejaht werden. Denn man setze (§. 385.), der Druck, der vor dem Stoße in jeden der Theile G H A B C ist, komme bey dem Stoße der Ordnung nach in D E F G H, so haben nun die Theile D E F saͤmmtlich eine Geschwindigkeit, und zwar diejenige, welche die Theile G H A B C vor dem Anstoßen hat- ten, und mit dieser koͤnnen sie sich entfernen. Da wird nun der Druck, der in den Theilen G H bleibt, schlechthin nur auf die Masse G H A B C muͤssen ver- theilt werden, und folglich derselben Geschwindigkeit in eben der Verhaͤltniß kleiner machen, in welcher M Lamb. Archit. II. B. B zu XIII. Hauptstuͤck. zu M - m ist. Demnach waͤre die Geschwindig- keit V = \frac {M - m} {M} \cdot C , und die Geschwindigkeit v = C, folglich diese groͤßer als jene. Letztere wuͤrde sich demnach gar nicht nach der Masse richten, und wenn auch die kleinere m an M stoͤße, so wuͤrde sie die- ser ihre Geschwindigkeit nicht nur ganz mittheilen, son- dern selbst noch mit der Geschwindigkeit \frac {M - m} {M} \cdot C ruͤckwaͤrts gehen. Ersteres geht nun schlechthin nicht an, weil aus m mehr Druck in M kaͤme, als in m selbst ist. Ueberdieß pflanzt sich der Druck bey ganz harten soliden Theilen nicht nach und nach fort, und wir haben aus diesem Grunde in dem §. 385. ange- nommen, daß ungeachtet der Druck aus G H A B C schon als bis in D E F G H fortgepflanzt angesehen wird, und folglich in D E F eine Bewegung erfolge, man dennoch nicht annehmen muͤsse, daß diese Bewe- gung vor sich gehe, weil die Vertheilung des in den Theilen G H zuruͤck gebliebenen Druckes auf beyde Massen noch erst vorgenommen werden muͤsse, um die Geschwindigkeiten V, v ganz zu haben, mit wel- chen sich beyde Massen nach dem Stoße von einander entfernen. §. 391. Wir sehen hieraus, daß die in dem §. 289. vor- gelegte Fragen so beschaffen sind, daß letztere unge- reimt ist (§. 390.), erstere aber wenigstens der Er- fahrung zuwiderlaͤuft, (§. 389.). Sie laͤuft aber auch wider den oben (§. 381.) angefuͤhrten Grundsatz, weil man denselben dabey schlechthin nicht anbringen kann. Denn da nach dem Stoße beyde Massen bey einander bleiben, und mit gleicher Geschwindigkeit fortgehen, so Die Kraft. so bleiben sie so, wenn man auch beyde Geschwindig- keiten ruͤckwaͤrts annimmt, und daher koͤmmt die erste Geschwindigkeit nicht wiederum heraus. Dieses ge- schieht aber bey den (§. 388.) herausgebrachten For- meln. Wir machen diese Anmerkungen hier, um zu zeigen, daß, wenn auch in der (§. 385.) gebrauch- ten Art zu schließen, nicht alle Evidenz ist, man doch den Druck, der in den anstoßenden Theilen ist, nicht wohl anders vertheilen koͤnne, als wir es daselbst gethan haben. §. 392. Da wir ferner (§. 389.) a posteriori gefunden ha- ben, daß, weil wirklich elastische Koͤrper sind, schon die kleinsten soliden Theile entweder elastisch seyn, oder wenn sie hart sind, dennoch mit den elastischen einer- ley Gesetze des Stoßes haben muͤssen; so koͤnnen wir hier ferner anmerken, daß, wenn man die Frage, ob sie elastisch sind, a priori entscheiden will, es schlecht- hin auf den Beweis der Moͤglichkeit ankomme. Diese Frage laͤßt sich nun auf diejenige reduciren, welcher wir in dem §. 91. und §. 143. und so auch in der Ale- thiologie (§. 96.) gemacht haben, ob sich naͤmlich bey dem Soliden innere Unterschiede der Dichtigkeit ge- denken lassen, so daß ein gleicher Raum mit mehr oder minder Solidem ausgefuͤllt seyn koͤnne, ohne daß der Continuitaͤt etwas abgehe oder leere Zwischen- raͤumchen bleiben? Hievon kann man nun die Moͤg- lichkeit nicht widerlegen. Ob aber die wirklich existi- renden Theilchen so verschieden sind, ist eine andere Frage, die meines Wissens, außer von Herrn Euler, noch nicht untersucht worden ist. Dieser große Meß- kuͤnstler hat in seinen Opusculis daraus, daß die Schwere der Koͤrper auf der Erdflaͤche, so weit man B 2 die XIII. Hauptstuͤck. die Versuche mit Penduln angestellet hat, ihrer Masse oder Jnertie proportional sey, hergeleitet, ihre in- nere Dichtigkeit muͤsse gleich, und hingegen von der innern Dichtigkeit derjenigen Materie, welche die Schwere verursacht, ganz verschieden seyn, und die Gruͤnde, die zu diesem Beweise gebraucht werden, lassen sich eben nicht so leicht wankend machen. §. 393. Kann aber bey verschiedenem Solidem die innere Dichtigkeit von 0 bis in das Unendliche gehen, so haben wir nur einen Schritt mehr zu thun, um zu setzen, daß die innere Dichtigkeit bey einerley Soli- dem sowohl bestaͤndig als veraͤnderlich, und zwar der- gestalt veraͤnderlich seyn koͤnne, daß sie entweder jedem aͤußerm Drucke nachgiebt, oder wenn derselbe auf- hoͤrt, sich wiederum herstellet. Jm ersten Falle sind die soliden Theilchen ihrer Natur nach hart, im an- dern Falle schlechthin weich, im dritten aber elastisch. Den elastischen wird man auf dieses hin, eine innere Kraft sich auszudehnen, nicht absprechen koͤnnen, und sollte man auch diese Kraft nicht in etwas Materiel- lem, sondern in etwas Geistigem bestehen machen. Wir betrachten hier bloß die Gedenkbarkeit und Moͤg- lichkeit, ohne zu sehen, ob solche solide Theilchen in der wirklichen Welt vorkommen. So viel ist gewiß, daß, wenn die Luft, z. E. aus Theilchen be- stuͤnde, die eine innere veraͤnderliche Dichtigkeit und Elasticitaͤt haͤtten, die Elasticitaͤt der Luft keiner fer- nern Erklaͤrung beduͤrfte. Und eben so wuͤrde auch die Elasticitaͤt der Materie der Waͤrme, des Lichtes ꝛc. ohne andern Mechanismum begreiflich seyn, und selbst der Begriff der bewegenden und druͤckenden Kraͤfte dadurch faßlicher werden. Jst aber die Elasticitaͤt eines Die Kraft. eines Koͤrpers auch bey harten soliden Theilen durch irgend einen Mechanismum moͤglich, so muß aller- dings aus andern Gruͤnden ausgemacht werden, ob derselbe vorkomme, oder ob die soliden Theilchen selbst elastisch sind? §. 394. Man hat, um das Maaß der Kraͤfte durch Erfah- rungen zu bestimmen, besonders elastische Koͤrper da- zu gebraucht, und diese lassen sich allerdings am fuͤg- lichsten dazu gebrauchen, wenn wir den Begriff der Kraft so nehmen, wie wir ihn unmittelbar durch das Gefuͤhl haben (§. 97. 374.), und genau dabey bleiben wollen. Wir wollen die Sache in folgender Ord- nung vortragen. Einmal setzen wir, daß, wenn wir ein Gewicht mit der Hand heben oder in der Hoͤhe halten, wir doppelt, drey und mehrfach so viel Kraft anwenden muͤssen, wenn das Gewicht doppelt, drey und mehrfach schwerer ist, und daß folglich, bey glei- cher Art, das Gewicht zu halten, die Kraft, die wir anwenden, in gleicher Verhaͤltniß, wie das Gewicht groͤßer sey. Jch sage: bey gleicher Art, das Gewicht zu halten. Denn es ist unstreitig, daß wir z. E. mehr Kraft anwenden, wenn wir es mit ausgerecktem Arme halten wollen. Zweytens ist ebenfalls unstreitig, daß wir eben die Kraft laͤn- ger anwenden muͤßten, wenn wir eben das Gewicht laͤnger in die Hoͤhe halten wollen, und daß folglich dabey in der Anwendung der Kraft etwas in einem fortdauerndes sey. Auf diese Art koͤnnen wir das Gewicht zum Maaße der Kraͤfte machen, und die Groͤße und Dauer jeder Kraͤfte muß sich darauf reduciren lassen. So z. E. wenn in beyden Wagschalen gleiche Gewichte liegen, B 3 so XIII. Hauptstuͤck. so haͤlt nicht nur das eine das andere auf, sondern es faͤhrt auch fort es aufzuhalten, und dabey ist etwas fortdauerndes. Dieses vorausgesetzt, so werden wir es nun folgendermaßen anwenden. §. 395. Man nehme einen staͤhlernen Reifen oder Ring, der nach jedem Zusammendruͤcken seine erste Rundung genau wieder erhalte, und daher vollkommen elastisch sey. Diesen befestige man aufrecht stehend auf eine feste stehende Tafel. Oben an denselben haͤnge man eine Wagschale an, die auf diese Art in dem Ringe oder Reifen nach dem verticalen Diameter desselben herunter haͤnge. Man beschwere diese Wagschale mit beliebigen Gewichten, so wird jedes den Ring mehr oder minder in eine ovale Rundung zusammen druͤcken, und, so lange man will, in dieser Rundung erhalten. Hiebey hat nun unstreitig ein Gleichge- wicht statt, und die Kraft, die der Ring anwendet, aufwaͤrts zu druͤcken, ist dem angehaͤnkten Gewichte gleich. Eben so koͤnnen wir auch den Fall setzen, daß der Ring bey einer noch groͤßern Zusammendruͤckung breche, und da wird die Kraft, die dazu erforderlich ist, ebenfalls dem Gewichte gleich zu schaͤtzen seyn, welches, wenn es auf den Ring geleget wird, den- selben bis dahin zusammen druͤcket. §. 396. Nun koͤnnen diese Zusammendruͤckungen noch auf eine andere Art erhalten werden, und dieß geschieht, wenn ein Gewicht gegen den Ring geworfen wird, oder wenn man es auf denselben fallen laͤßt. Jn diesem Falle muß das Gewicht, an sich kleiner seyn, weil seine Kraft durch die Geschwindigkeit verstaͤrket wird. Hiebey Die Kraft. Hiebey aber aͤußert sich nun die Frage, was man in diesen Faͤllen Kraft zu nennen habe, und wie das, was man dabey Kraft zu nennen hat, durch die Masse und Geschwindigkeit bestimmet wer- den soll: Denn in denen Faͤllen, wo ein Gleichge- wicht statt hat, gedenkt man sich ohne allen Wort- streit, Kraft und Last. Die Aeußerung der Kraft ist dabey ein bloßer Druck, welcher, so lange man will, gleichfoͤrmig fortdauert. Man gedenkt sich auch ohne Anstand dabey, daß dieser Druck durch das Fortdauern weder groͤßer noch staͤrker werde, das will sagen, daß die Dauer des Druckes keine Dimension desselben sey, ungeachtet sie sich allemal dabey einfin- det, und wo es, wie z. E. bey Maschinen, darauf ankoͤmmt, fuͤr sich gemessen und mit Geschwindigkeit und Raume verglichen wird. §. 397. So fern nun der Ring durch ein angehenktes Ge- wicht zusammen gedruͤcket und im Gleichgewichte er- halten wird, sieht man das Gewicht als eine Last an, und eignet dem Ringe eine Kraft zu, diese Last zu halten, und da ein Gleichgewicht da ist, so wird die Kraft des Ringes, und damit auch der Druck, den er aufwaͤrts aͤußert, dem Gewichte gleich geschaͤtzet, und die Dauer dieses Gleichgewichtes machet eben- falls keine Dimension der Kraft des Ringes aus. Da zu einem groͤßern Zusammendruͤcken ein groͤßeres Gewicht erfordert wird, so laͤßt sich fuͤr jedes Gewicht der verkuͤrzte Diameter ausmessen, und mit dem Ge- wichte vergleichen. Wenn demnach der anfaͤngliche Diameter = a, der verkuͤrzte = x, das Gewicht = P ist, so laͤßt sich P als eine Function von x ansehen. B 4 §. 398. XIII. Hauptstuͤck. §. 398. Man setze nun, der Ring sey bis auf den verkuͤrz- ten Diameter b zusammen gedruͤcket, und das dazu erforderliche Gewicht sey = Q. Der Ring werde in dieser Zusammendruͤckung durch einen gespannten Fa- den erhalten, und in eine horizontale Lage gebracht, und in derselben befestiget. Man lege eine elastische Kugel vor, deren Gewicht p kleiner sey als Q, und brenne den Faden ab, so wird der Ring loßschnellen, und die Kugel von sich treiben, so daß sie mit einer gewissen Geschwindigkeit wegfaͤhrt. Diese Geschwin- digkeit waͤchst, so lange der Ring die Kugel beruͤhret, und demnach bis der Ring sich so weit ausbreitet, daß er seinen natuͤrlichen Diameter a hat. Denn von da an breitet er sich immer langsamer aus, so daß er die Kugel nicht mehr erreichet, weil diese mit der einmal erlangten Geschwindigkeit fortgeht. Dieses ist nun der Verlauf der Sache, so weit man sie sich ohne Muͤhe vorstellen kann. Da wir uns nur vor- setzen, das, was man hiebey Kraft zu nennen hat, aufzusuchen, so werden wir setzen, die Geschwindig- keit des Ringes, mit deren er sich allein ausbreiten wuͤrde, sey unzaͤhlige mal groͤßer, als diejenige, so die Kugel erhaͤlt, so daß der Ring immer den ganzen Druck P bey jeder Ausbreitung x gegen die Kugel aͤußert. §. 399. Die Aeußerung dieses Druckes hat nun den Erfolg, daß die Kugel dadurch eine Zunahme von Geschwin- digkeit erhaͤlt, welche sowohl nach der Kraft als nach der Zeit proportionirt wird. Diese Zunahme der Ge- schwindigkeit besteht nun darinn, daß, da die Kugel ohne diese Aeußerung des Druckes, durch die bereits erlangte Die Kraft. erlangte Geschwindigkeit c in der Zeit dt einen Raum dx wuͤrde durchlaufen haben, sie nunmehr ei- nen Raum dx + ddx durchlaͤuft. Nun laͤßt sich waͤhrend der unendlich kleinen Zeit der Druck P als gleichfoͤrmig ansehen. Demnach ist ddx groͤßer, je groͤßer der Druck P ist, und je laͤnger derselbe ge- dauert hat. Folglich haben wir ddx ~ Pdt, und weil dt als bestaͤndig angenommen wird, so koͤnnen wir um alles auf gleiche Dimensionen zu bringen nddx = Pdt^2 : p setzen, weil ddx kleiner wird, je groͤ- ßer das Gewicht der Kugel ist. Da nun uͤberhaupt cdt = dx und dcdt = ddx ist, so haben wir npdc = Pdt npc = sPdt Ferner, wenn man mit c multiplicirt npcdc = Pcdt = Pdx ½npcc = sPdx §. 400. Um nun hiebey den Coefficienten n so zu bestim- men, daß alles zum Gebrauche auf bekannte Maaße gebracht wird, so wendet man die Formel auf den Fall der Koͤrper an. Denn da ist die druͤckende Kraft P dem Gewichte p gleich, und wenn g den Raum bedeutet, durch welchen ein Koͤrper in der Zeit = 1 faͤllt, so ist 4 gx = cc. Da nun hier P = p bestaͤndig ist, so haben wir sPdx = Px. Und daher 2ng = 1 n = \nicefrac {1}{2}g B 5 Wird XIII. Hauptstuͤck. Wird nun dieser Werth von n in den beyden For- meln gesetzet, so haben wir Und da ist cc : 4g der Hoͤhe gleich, durch welche ein Koͤrper fallen muß, um die Geschwindigkeit zu er- reichen, c : 2g aber ist der Zeit gleich, die er dazu anwendet. Wird demnach die Hoͤhe = v, die Zeit = τ gesetzet so ist Und damit sind beyde Formeln auf bekannte Maaße gebracht. §. 401. Wir werden aber die beyden Formeln wieder vornehmen, um sie in Absicht auf das zu be- trachten, was man dabey Kraft nennen koͤnne. §. 402. Dabey ist nun ohne alle Widerrede, und nach der urspruͤnglichen Bedeutung des Wortes, P eine Kraft, weil P einen Druck vorstellet (§. 376.), und mit dem Gewichte verglichen wird, welches den Ring in der Zusam- Die Kraft. Zusammendruͤckung x erhalten kann. Man hat diese Kraft auch, weil sie den Lauf der Kugel beschleuniget oder geschwinder machet, die Accelerationskraft (Be- schleunigungs- oder Vergeschwinderungskraft) genen- net, und daruͤber war meines Wissens kein Anstand. §. 403. Ob aber auch die Jntegralien sPdt, sPdx koͤnnen Kraͤfte genennet werden, oder ob sie Ganze nach Zeit und Raum aufgehaͤufte Summen von Kraͤften vor- stellen, oder uͤberhaupt, was man aus denselben ma- chen soll, das ist eine ganz andere Frage, woruͤber sich indessen folgendes anmerken laͤßt. 1°. Der Ausdruck: der Zeit und dem Raume nach aufgehaͤufte Kraͤfte: hat hier keinen Verstand. Er wuͤrde angehen, wenn man z. E. in eine Wagschale Wasser gießt. Denn da haͤufet sich mit dem Wasser die druͤckende Kraft der Zeit nach auf. Hier aber ist nichts dergleichen. Wir haben bereits (§. 396.) angemerket, daß der Druck P durch die Dauer dt nicht vergroͤ- ßert wird. Und so stellet Pdt nicht einen groͤßern, sondern nur einen dauernden Druck vor. 2°. Hingegen stellet Pdx in dieser Absicht betrachtet gar nichts vor, weil die Redensart, daß der Druck P sich durch den Raum dx ausbreite oder aͤußere, weder etwas sagen will noch etwas auf sich hat. 3°. Will man dessen unerachtet, daß sPdt und sPdx Kraͤfte vorstellen, so mag es angehen, wenn man sPdt durch die Zeit = 1, und sPdx durch den Raum = 1 dividirt. Und eben so kann man, wo es vorkoͤmmt sPdc durch die Geschwindig- keit XIII. Hauptstuͤck. keit = 1 dividiren. Dadurch wird die Dimen- sion wiederum linear, sPdt, sPdx, sPdc wer- den mit P gleichartig, so daß sie sich addiren und subtrahiren lassen. 4°. Fragt man nun, was denn z. E. die Kraft sPdx : 1 vorstelle, oder in der Sache selbst be- deute, so ist die Antwort, etwas ganz will- kuͤhrliches, weil die Einheit, womit man den Raum ausmißt, und wodurch hier sPdx divi- dirt wird, schlechthin willkuͤhrlich ist. 5°. Will man dessen unerachtet noch eine Bedeu- tung finden, die in der Sache selbst etwas vor- stelle, so kann man die ganze Zusammendruͤ- ckung des Ringes ( a - b ), als die Einheit an- nehmen, womit a, b, x, g, c ausgemessen wer- den muͤssen, und da wird das ganze Jntegrale sQdx : (a - b) = sQdx das Mittel aus al- len Pressionen vorstellen, womit der Ring die Kugel durch den ganzen Raum a - b fort- gedruͤcket hat. 6°. Dieses Mittel ist nun von der Art, daß wenn die Kugel durch den ganzen Raum a - b mit der bestaͤndig gleichen Kraft sQdx : (a - b) = sQdx waͤre fortgedruͤcket worden, dieselbe eben die Geschwindigkeit C wuͤrde erhalten haben, welche sie von dem Ringe erhaͤlt, dessen druͤ- ckende Kraft P von veraͤnderlicher Groͤße ist. 7°. Hieraus erhellet nun ganz augenscheinlich, daß weil ist, dasjenige, was von Leibnitz und seit dem- selben die lebende Kraft ist genennet, und dem Die Kraft. dem Producte pCC gleich oder wenigstens pro- portional gesetzt worden, in so fern einen Ver- stand hat, daß man sagen kann, diese so ge- nannte lebende Kraft, sey das Mittel aus den von dem Ringe zum Fortdruͤcken der Kugel ge- aͤußerten druͤckenden Kraͤften, und zwar unter der Voraussetzung, daß a - b zur Einheit an- genommen werde, oder wenigstens, daß man die ganze Formel durch a - b dividire, und sie folglich setze. Jch glaube aber nicht, daß Leibnitz dieses weder gedacht noch verstanden habe. 8°. Man sieht ferner hieraus, daß die mittlere, oder, wenn man so will, die lebende Kraft K dem Producte pCC proportional bleibt, so lan- ge ( a - b ) bestaͤndig ist. Das will nun sagen, daß wenn man Kugeln von verschiedener Masse gegen den Ring wirft, so daß die Quadrate der Geschwindigkeiten umgekehret, wie die Massen sind, der Ring allemal gleich viel zusammen gedruͤcket werde. Und dieses ist die erste Haͤlfte des Leibnitzischen Satzes von der Erhaltung der lebenden Kraͤfte. 9°. Soll aber der Ring mehr oder minder zusam- men gedruͤcket werden, so faͤllt dieser Satz ganz anders aus, weil sodann a - b groͤßer oder klei- ner wird, und damit die Proportionalitaͤt pCC ~ K wegfaͤllt, worauf doch Leibnitz das Maaß der lebenden Kraͤfte gruͤndete. Demnach geht die andere XIII. Hauptstuͤck. andere Haͤlfte des Leibnitzischen Satzes von der Erhaltung der lebenden Kraͤfte nicht an. 10°. Da ferner die druͤckende Kraft des Ringes in die Kugel uͤbergeht, so kann man sich aller- dings gedenken, daß auch die Kugel eine Kraft erhalte, und mit dieser sieht es noch wunderli- cher aus. Man kann erstlich fragen, wie groß sie sey? Und da laͤßt sich antworten, sie ist so groß, daß wenn die Kugel mit der zuletzt erhaltenen Geschwindigkeit C wiederum gegen den Ring geworfen wird, sie den Ring bis auf den ver- kuͤrzten Diameter b zusammen druͤcken koͤnne. Da nun die Kraft des Ringes in diesem Zu- stande = Q ist, und die Kugel ihre ganze Kraft hat verwenden muͤssen, um endlich dieser Kraft das zwar nur einen Augenblick dt dauernde Gleichgewicht zu halten, so koͤnnte man die Kraft der Kugel dem Gewichte Q gleich setzen, und zwar deswegen, weil jeder kleinerer Wider- stand noch von der Kugel uͤberwaͤltiget wird, ein jeder groͤßerer aber nicht mehr uͤberwaͤltiget werden kann. Jn der That auch, wenn man sich vorsetzte den Ring bis dahin zusammen zu druͤcken, und pCC waͤre kleiner, als es hiezu erfordert wird, so wuͤrde man immer sagen, daß die Kugel nicht Kraft genug habe, und entwe- der die Masse oder die Geschwindigkeit, oder beydes muͤsse vermehret werden. 11°. Wollte man demnach die Kraft der Kugel nach dem letzten Effecte Q schaͤtzen, so ist Q nicht immer dem sQdx, und so auch nicht im- mer dem pCC proportional. Denn sonst wuͤr- de dQ ~ Qdx, folglich x ~ log Q seyn, wel- ches Die Kraft. ches aber, außer in ganz besondern Faͤllen, nicht statt hat. 12°. Man darf ferner auch nur die Figur und Staͤrke des Ringes aͤndern, so daß P eine an- dere Function von x werde, und so wird man mit eben der Kugel p und eben der Geschwin- digkeit C nicht mehr eben den letzten Effect Q erhalten, wie wohl es in einigen ganz besondern Faͤllen, und gleichsam per accidens, wenn naͤm- lich die Umstaͤnde dazu gewaͤhlet werden, oder sich zufaͤlliger Weise einfinden, statt haben kann. 13°. Es ist demnach pCC weder das Maaß der mittlern Kraft \frac {\longs Qdx} {a - b} noch das Maaß Q der letzten oder groͤßten angewandten Kraft des Ringes, ungeachtet es zufaͤlliger Weise der einen oder der andern den Zahlen nach gleich werden kann. Ueberhaupt auch auf welche Art man immer pCC, als eine mit p, P, Q gleich- artige Kraft ansehen will, kann man zwar For- meln erhalten, die aber, weil sie mit veraͤnder- lichen Coefficienten multiplicirt werden, keine Proportionalitaͤt von der Allgemeinheit geben, wie Leibnitz sie gefunden zu haben geglaubet hatte, und wovon, wie wir N°. 8. gesehen ha- ben, nur die Haͤlfte allgemein wahr ist. Ueber das Cartesische Maaß pC lassen sich ganz aͤhn- liche Betrachtungen machen. §. 404. Man befestige nun eine beliebige Anzahl von gleich elastischen Ringen in gerader Linie an einander. Die Anzahl sey = n, so ist unstreitig, daß wenn einer der- selben XIII. Hauptstuͤck. selben mit einem Gewichte P, z. E. bis auf die Haͤlfte zusammengedruckt erhalten werden konnte, nunmehr ein n mal groͤßeres Gewicht nP erfordert werde, um sie saͤmmtlich bis auf die Haͤlfte zusammen zu druͤ- cken, und so zu erhalten. Die Kraft eines Ringes ist demnach = P und die Kraft von allen = nP (§. 395. 394.). Nun kann man leicht zeigen, daß wenn eine Kugel, deren Masse = 1 ist, mit einer Ge- schwindigkeit, die wir ebenfalls = 1 setzen, gegen alle diese Ringe laͤuft, und sie bis auf die Haͤlfte zusam- men druͤcket, sodann eine andere Kugel, deren Masse = n ist, nur den \frac {1} {n} Theil der Geschwindigkeit der erstern gebrauche, um einen von diesen Ringen bis auf die Haͤlfte zusammen zu druͤcken, folglich eine n mal kleinere Kraft zu uͤberwaͤltigen. Man setze p. abcdef | ghi. P. a b c d e f g h i seyn die Ringe, und zwar bis auf die Haͤlfte zusammen gedruͤcket, p, P seyn die zwo Ku- geln, welche, wenn die Ringe loßschnellen, von den- selben weggetrieben und in Bewegung gesetzet wer- den. Nun schnellen die Ringe saͤmmtlich gleich loß, und treiben die Kugeln nach Verhaͤltniß ihrer Mas- sen, von sich, so daß P um desto langsamer fortruͤ- cket, als p, je groͤßer die Masse P als p ist. Man vertheile die Ringe dergestalt in zwo Classen a b c d e f, und g h i, daß sich die Anzahl der erstern zu der letz- tern verhalte, wie die Masse P zu p, folglich, wie die Geschwindigkeiten, mit welchen P und p fortge- trieben werden, so wird der Punct der zwischen f und g faͤllt in Ruhe seyn, und es ist eben so viel, als wenn die Ringe daselbst befestiget, gewesen waͤren, und folglich P nur von den Ringen g h i, und p nur von den Die Kraft. den Ringen a b c d e f waͤre getrieben worden. Man setze, die erstere Anzahl verhalte sich zur letztern, wie 1 zu n, in eben dieser Verhaͤltniß ist folglich die Masse p zu P, und die Geschwindigkeit des P zu der Geschwindigkeit des p; und in eben dieser Verhaͤlt- niß ist auch die Summe der Kraͤfte, welche dem P sind mitgetheilet worden, zu der Summe der Kraͤfte, welche dem p sind mitgetheilet worden. Wenn wir demnach die Geschwindigkeit sowohl, als die Masse des p, = 1 setzen, so ist des P Masse = n, und seine Geschwindigkeit = \frac {1} {n} . Nun sage ich, wenn zu- gleicher Zeit die Masse n mit der Geschwindigkeit \frac {1} {n} , und die Masse 1 mit der Geschwindigkeit 1 auf die nicht zusammengedruͤckte Ringe zugefahren waͤre, so wuͤrden sie dieselben ebenfalls bis auf die Haͤlfte zu- sammen gedruͤcket haben, und zwar erstere die Rin- ge g h i, letztere aber die Ringe a b c d e f g. Denn beyde Massen haͤtten ihre Geschwindigkeiten auf eben die Art verloren, wie sie dieselben im ersten Falle erhielten. Da nun die Kraͤfte, die die Massen n und 1 zu diesem Zusammenpressen anwenden, sich wie die Anzahl der Ringe verhalten, so sind sie wie n zu 1. Demnach 1°. Die Masse 1 mit der Geschwindigkeit 1 hat die Kraft n. 2°. Die Masse n mit der Geschwindigkeit \frac {1} {n} hat die Kraft 1. Um nun in diesen beyden Saͤtzen die Massen gleich zu machen, so merken wir an, daß sich bey gleicher Geschwindigkeit die Kraͤfte, wie die Massen ver- Lamb. Archit. II. B. C halten. XIII. Hauptstuͤck. halten. Dieses verwandelt den zweyten Satz in folgenden: 3°. Die Masse 1 mit der Geschwindigkeit \frac {1} {n} hat die Kraft \frac {1} {n} . Aus diesem Satze und dem ersten folget nun dieses Gesetz: 4°. Wenn sich bey gleichen Massen die Geschwin- digkeiten, wie \frac {1} {n} zu 1, oder wie 1 zu n ver- halten, so verhalten sich die Kraͤfte, wie \frac {1} {n} zu n, oder wie 1 zu nn, folglich, wie die Qua- drate der Geschwindigkeiten. §. 405. Dieser Beweis findet sich in den Operibus Ioh. Bernoulli, wie wohl etwas anders vorgetragen. Da hiebey ebenfalls die Zusammendruͤckung von elasti- schen Ringen oder Federn vorkoͤmmt, so sieht man aus dem vorhin angefuͤhrten, daß die Kraͤfte der Kugeln, die hier den Quadraten der Geschwindigkeit proportional gefunden werden, diejenigen sind, wel- che bey dem Zusammendruͤcken zugleich mit der Ge- schwindigkeit aufhoͤren, folglich auf das Zusammen- druͤcken ganz verwendet werden, und eine schlechthin nur augenblickliche Wirkung hervor bringen, unge- achtet sie dieselbe stufenweise erhalten, sich nach und nach verlieren, und, um die Wirkung voͤllig zu ma- chen, eine gewisse Zeit gebrauchen. Wir merken noch an, daß wenn man die Ringe a b c d e f an die Masse P, und die Ringe g h i an die Masse P befe- stiget, Die Kraft. stiget, und sie mit Geschwindigkeiten, welche der An- zahl der Ringe proportional, oder in umgekehrter Ver- haͤltniß der Massen sind, gegen einander beweget, die Ringe ebenfalls gleich werden zusammen gedruͤckt werden. Der Ruhepunct wird gleichfalls zwischen f und g seyn, und nach der groͤßten Zusammendruͤ- ckung werden die Massen mit eben den Geschwindig- keiten von einander gestoßen werden, mit welchen sie gegen einander beweget worden. Eben dieses hat auch statt, wenn gleich die Anzahl der Ringe nach Belieben vertheilet wird. Denn so bald bey dem Anstoßen die Ringe einander beruͤhren, so ist es eben so viel, und das Zusammendruͤcken erfolget, als wenn sie an einander befestiget waͤren. Der Ruhepunct wird immer zwischen f und g fallen. Man sieht hier- aus leicht, daß man statt der elastischen Ringe die Koͤrper selbst elastisch setzen, und sie unmittelbar an einander stoßen lassen kann. Jst die Geschwindigkeit umgekehret, wie die Massen, so gehen sie nach dem Stoße jeder mit seiner Geschwindigkeit von einander weg. Nun laͤßt sich jeder andere Fall auf diesen re- duciren, weil man bey dem Stoße eigentlich nur auf die relative Geschwindigkeit zu sehen hat, mit wel- cher sich beyde Koͤrper einander naͤhern. Diese muß nach dem Verhaͤltnisse der Massen vertheilet werden, und sie wird vor und nach dem Stoße eben so ver- theilet bleiben. Man kann beyden Massen vor und nach dem Stoße eine gemeinsame Geschwindigkeit zugeben oder benehmen, ohne daß dadurch der Wir- kung des Stoßes etwas benommen werde. Es ist uͤbrigens fuͤr sich klar, daß hiebey die Elasticitaͤt absolute und vollkommen angenommen wird. Denn widrigenfalls koͤmmt dabey, die bereits oben (§. 96.) gemachte Anmerkung vor, welche den Beweis ent- C 2 kraͤften XIII. Hauptstuͤck. kraͤften wuͤrde. Wir werden aber im Folgenden An- laß haben, dieses naͤher zu betrachten. §. 406. Bey fluͤßigen Koͤrpern koͤmmt das Quadrat der Geschwindigkeit ebenfalls in die Rechnung. Der Unterschied besteht aber erstlich darinn, daß da die voͤllige Wirkung bey festen Koͤrpern nur einen Augen- blick d τ dauert, dieselbe hingegen bey den fluͤßigen Koͤrpern, so lange man will, fortdauernd erhalten werden kann, wie wir es bey Muͤhlen, Windmuͤh- len ꝛc. sehen. Der andere Unterschied befindet sich darinn, daß die Masse bey festen Koͤrpern anders in Betrachtung gezogen werden muß, als bey fluͤßigen, wenn bey diesen der Zufluß in einem fort erhalten wird. Denn bey den festen Koͤrpern ist sie allemal bestimmt, und kann als ein Ganzes angesehen wer- den. Bey den Fluͤßigen aber, wenn sie in einem fort zu- und abfließen, geht dieses nicht an. Man zieht daher nicht die Masse, sondern die Dichtigkeit derselben in die Rechnung, und setzet, die Kraft, die sie aͤußern, wenn sie in einem fort und gleichfoͤrmig zufließen, verhalte sich, wie das Quadrat der Ge- schwindigkeit mit der Dichtigkeit und der Breite des Flusses oder der Flaͤche multipliciret, auf welche sie stoßen. Dieses giebt nun Einheiten von einer andern Art, die ebenfalls nur unter sich verglichen werden koͤnnen. Jndessen lassen sie sich dennoch auch und um desto ehender mit dem Drucke eines bloßen Ge- wichtes vergleichen, weil die Wirkung ebenfalls in einem fortdauert. Dieses kann a posteriori auf vielerley Arten geschehen. Will man es aber a priori thun, so wird man nicht wohl anders zu rechte kommen, als wenn man die Bewegung jeder Theil- Die Kraft. Theilchen und die Cohaͤsionskraͤfte mit in die Rech- nung bringt. §. 407. Wir werden nun, ohne uns hiebey laͤnger aufzu- halten, zu dem §. 374. zuruͤcke kehren, und die bey- den andern Arten von Kraͤften, naͤmlich die Kraft zu denken, und die Kraft zu wollen mit in Be- trachtung ziehen, um zu sehen, wie weit sich das tertium comparationis ausdehne, oder wie ferne sich das bisher gesagte auf diese beyde Arten von Kraͤf- ten ausdehnen lassen. Dabey findet sich nun, wenn wir auf uns selbst Acht haben, daß das in angefuͤhr- tem §. 374. erwaͤhnte Anstrengen der Kraͤfte, das Muͤde werden, und das neue Kraͤfte sammeln, und das Ausruhen ebenfalls dabey vorkoͤmmt. Das Bewußtseyn und die mit demselben verbundene Auf- merksamkeit, ist es eigentlich, was wir hier als die Kraft des Verstandes ansehen koͤnnen. Wir koͤnnen die Aufmerksamkeit auf mehreres zugleich richten, und dabey laͤnger anhalten, und das Bewußtseyn selbst auch der Staͤrke nach veraͤndern. Und von die- sen dreyen Dimensionen (§. 108.) nimmt bey uns or- dentlich die eine zum Nachtheile der andern zu, und wir ermuͤden auch mehr, wenn wir in kuͤrzerer Zeit zugleich auf mehrerley und staͤrker nachdenken, und folglich die Aufmerksamkeit zugleich weiter ausdeh- nen und mehr verstaͤrken wollen. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, daß bey allem diesem, die mit den Gedanken und Vorstellungen zugleich sich bewegenden Fibern des Gehirnes hiezu viel beytragen, und das Vermoͤgen der Seele zu denken, auch wenn es an sich anhaltender, ausgedehnter und staͤrker seyn koͤnn- te, dennoch so einschraͤnken, daß das Product aus C 3 diesen XIII. Hauptstuͤck. diesen dreyen Dimensionen der Aufmerksamkeit eine gewisse und ziemlich bestimmte Groͤße nicht uͤberschrei- tet, und bald bey jedem Menschen auf einen beson- dern Grad gesetzet ist. §. 408. Wir finden ferner, daß wir besonders bey fort- dauernden Empfindungen, wenn die aͤußere Ursache in gleichem Grade bleibt, das Bewußtseyn derselben verlieren, theils, weil die Empfindlichkeit der Sin- nen abnimmt, theils, weil wir uns daran gewoͤhnen. So z. E. verlieren wir das Bewußtseyn des Unter- schiedes der Waͤrme und Kaͤlte der aͤußern Luft, wenn wir uns eine Zeitlang darinn aufhalten, und aus diesem Grunde ist der Grad der Waͤrme, welche wir temperirt nennen, an sich betrachtet, oder nach dem Thermometer gemessen, des Sommers groͤßer, als des Winters. Unser Urtheil von der Helligkeit aͤn- dert sich ebenfalls vom fruͤhen Aufwachen an bis zum Abend, weil die Empfindlichkeit des Auges unter Tagen abnimmt, und auf diese Art kommen uns glei- che Stufen der Morgen- und Abenddaͤmmerung un- gleich helle vor. Das Gehoͤr und die uͤbrigen Sin- nen haben aͤhnliche Abwechslungen, und wir haben Muͤhe, selbst die Gedanken lange auf eben dieselbe Sache zu richten, ohne Abwechslungen mit einzu- nehmen. §. 409. So fern nun bey allem diesem das Bewußtseyn, dessen Staͤrke, Ausdehnung und Dauer, theils von den Fibern des Gehirnes, theils von den Empfin- dungsnerven abhaͤngt, oder damit in einer bestaͤn- digen Die Kraft. digen Harmonie und Verbindung ist, lassen sich bey uns die Kraͤfte des Bewußtseyns nach den Kraͤften schaͤtzen, die in diesen Fibern und Nerven sind, und bey dem Anstrengen derselben nach und nach verloren gehen, und die Berechnung von jenen ließe sich auf die Berechnung von diesen reduciren, wenn uns der bey diesen Fibern und Nerven vorkommende Mecha- nismus, wovon wir in dem dritten und vierten Haupt- stuͤcke der Phaͤnomenologie einen kurzen Entwurf ge- geben (Phaͤnom. §. 98. seqq. §. 132. seqq. ), bekann- ter waͤre, als er noch dermalen ist. Wir begnuͤgen uns hier anzumerken, daß wenn wir dem Verstande eine Kraft beylegen, das tertium comparationis sich so weit ausdehnen lasse. Daß dem Verstande ebenfalls eine Vis inertiae beygeleget werden koͤnne, haben wir bereits in der Alethiologie (§. 230.) an- gezeiget, und so auch oben (§. 93.) angemerket, daß den Begriffen Ausdehnung, Ort, Abstand, Soliditaͤt und Dichtigkeit zugeeignet werden, und folglich das tertium comparationis bis dahin aus- gedehnet werden koͤnne. Man sehe auch, was wir oben (§. 252.) in Absicht auf das beysammen und in einander seyn der Begriffe, und (§. 87.) von der in dem Gedankenreiche vorkommenden Geschwindig- keit gesaget haben. §. 410. Daß sich das tertium comparationis bey den Be- gehrungskraͤften ebenfalls sehr weit ausdehne, haben wir bereits in dem §. 110. angezeiget. Der Wille hat an sich eine Vis inertiae, und wird durch die Vorstellungen des Guten, als durch Kraͤfte in Be- wegung gesetzet, welche ihm gleichsam die Richtung C 4 und XIII. Hauptstuͤck. Die Kraft. und Geschwindigkeit geben. Es hat Boͤhme in seiner Abhandlung de Quantitate Motiuorum das Gute mit der Masse, die Deutlichkeit oder Lebhaf- tigkeit der Vorstellung des Guten mit der Geschwin- digkeit, den daraus entstehenden Trieb mit der Groͤ- ße der Bewegung ( quantitas motus ) verglichen. Jn der That richtet sich auch der Trieb des Wollens, theils nach dem, ob man sich das Gute, als ein groͤ- ßeres Gut vorstellet, theils auch nach dem, ob die Vorstellung selbst lebhafter ist, und daher einen staͤr- kern Eindruck machet. Die Unentschlossenheit und das Verlegen seyn aͤußert sich gemeiniglich bey Vorstellungen, die einander entgegen sind, und eben dadurch, daß jede den Willen auf besondere Seiten lenket, denselben im Gleichgewichte und gleichsam in Oscillationen halten. Wird aber die eine dieser Vorstellungen durch das laͤngere anhalten fruͤher schwaͤcher, oder kommen zu den andern noch neue hinzu, so wird auch der Wille auf eine Seite gelen- ket. Und auf diese Art kommt das, was man in der Mechanic die Zusammensetzung der Kraͤfte nen- net, bey den Kraͤften, die den Willen in Bewe- gung setzen, ebenfalls vor, und man kann diese, so gut, wie die von den Koͤrpern, in lebendige und todte unterscheiden, wozu sich das tertium comparationis, und zugleich der Unterschied, der sich in dem Gebrauche von beyden Arten aͤußert, in dem §. 403. findet. Vierzehn- Vierzehnte s Hauptstuͤck. Verh aͤ ltnisse . §. 411. W ir werden nun die Kraͤfte besonders mit den Verhaͤltnissen vergleichen, und dabey etwas umstaͤndlicher sehen, in welcher Verbindung jene mit diesen stehen. Es faͤllt uͤberhaupt schwer, den Be- griff eines Verhaͤltnisses genau zu bestimmen, weil wir dieses Wort bey gar zu vielen und verschiedenen Faͤllen gebrauchen, und weil die Sprache hiebey eben nicht einen Vorrath von Woͤrtern hat, die von gleich transcendentem und genau bestimmtem Umfange waͤ- ren. Ueberhaupt bezieht sich der Begriff des Ver- haͤltnisses auf ein denkendes Wesen, und setzet immer wenigstens zwey Dinge voraus, die mit einander ver- glichen werden. Diese Dinge selbst sind nicht das Verhaͤltniß, und das Verhaͤltniß ist auch nicht in dem einen oder andern dieser Dinge, sondern es ist gleichsam zwischen denselben, und an sich nur etwas Jdeales, ungeachtet dennoch das, was dabey in den Dingen selbst zum Grunde liegt, real seyn kann. Jch habe daher in der Dianoiologie (§. 12. 476.) ein Verhaͤltniß dasjenige, oder einen Verhaͤltnißbegriff denjenigen Begriff genennet, wodurch eine Sache ver- mittelst einer andern, oder ein Begriff vermittelst eines andern kenntlich gemacht oder bestimmet wird. Diese Erklaͤrung, welche vornehmlich von dem Ge- brauche der Verhaͤltnisse hergenommen ist, ist noch die beste, die ich nach vieler darauf verwandten Muͤhe habe finden koͤnnen. Jch werde sie nun durch die C 5 Anzeige XIV. Hauptstuͤck. Anzeige der verschiedenen Arten der Verhaͤltnisse um- staͤndlicher aufzuklaͤren suchen. §. 412. Da sich die Verhaͤltnisse, wie wir erst bemerket haben, immer auf ein denkendes Wesen beziehen, welches die Dinge, zwischen welchen ein Verhaͤltniß vorkoͤmmt, mit einander vergleicht und gegen einan- der haͤlt, so ist unstreitig die erste und unmittelbarste Classe von Verhaͤltnissen diejenige, welche zwischen den Dingen und dem denkenden Wesen selbst vor- kommen, und zwar schlechthin nur so fern es ein den- kendes Wesen ist, folglich so fern es sich die Dinge vorstellet, und so fern diese einen Eindruck auf das- selbe machen. Dieses sind demnach die Verhaͤltnisse zwischen den Begriffen und den Sachen, und damit zugleich auch die Verhaͤltnisse zwischen den Begriffen unter sich betrachtet. Wir koͤnnen diese Classe von Verhaͤltnissen uͤberhaupt logisch nennen, weil sie vor- nehmlich in der Vernunftlehre betrachtet werden. Die erste Anlage dazu ist die Aehnlichkeit und Verschie- denheit der Begriffe, und so auch der Dinge selbst, weil die Begriffe nichts widersprechendes, sondern Dinge vorstellen sollen, in welchen metaphysische Wahrheit ist. Da wir die meisten Dinge nach dem Eindrucke, und so auch nach der Aehnlichkeit des Ein- druckes benennen, den sie in uns machen (§. 81. und Alethiol. §. 46.) so mengt sich hier das Symbolische in unserer Erkenntniß mit ein, und es kann daher kommen, daß wir durch die Benennungen verleitet werden, etwas als eine in den Dingen selbst vorkom- mende Eigenschaft anzusehen, ungeachtet es eigent- lich nur der Eindruck ist, den sie in uns macht. Dieses Blendwerk des Scheins haben wir in der Phaͤno- Verhaͤltnisse. Phaͤnomenologie ausfuͤhrlicher untersucht, und das, was die Benennungen dazu beytragen koͤnnen, in der Semiotic angezeiget. §. 413. Die zweyte Classe von Verhaͤltnissen betrifft die- jenigen, so von dem Orte, dem Raume und der Lage hergenommen sind, und die wir uͤberhaupt die geometrische nennen koͤnnen, weil eigentlich die Geometrie sich damit beschaͤfftiget, diese Verhaͤltnisse zu betrachten, so fern sie, und vermittelst derselben die Lage, die Groͤße und der Abstand der Dinge aus- gemessen werden. Jnsbesondere kommen solche Ver- haͤltnisse auch bey der localen Ordnung und ihren Gesetzen vor, so fern naͤmlich nach jeder der drey Dimensionen des Raumes eines vor oder nach dem andern ist. §. 414. Die dritte Classe der Verhaͤltnisse geht auf die Zeit und Dauer, und koͤnnen demnach, so fern sie aus- gemessen werden, die chronometrischen heißen. Jnsbesondere aber kommen sie ebenfalls bey der loca- len Ordnung vor, so fern naͤmlich ein Ding der Zeit nach vor oder nach dem andern ist. §. 415. Die vierte Classe machen die phoronomischen aus, welche naͤmlich bey der Bewegung vorkom- men, so fern bey dieser weiter nichts als Raum, Zeit und Geschwindigkeit mit einander verglichen wird. Auch bey diesen koͤmmt eine bloß locale Ord- nung zu betrachten vor, (§. 344.). §. 416. Ueberhaupt betrachtet sind diese drey Arten der Verhaͤltnisse (§. 413-415.) ideal, aber anders ideal, als XIV. Hauptstuͤck. als es die logischen (§. 412.) sind. Die logischen gehen unmittelbar auf das denkende Wesen, und was dabey zum Grunde liegt, besteht theils in den Kraͤften des Verstandes theils in der Gedenk- barkeit der Dinge. Sie kommen demnach außer dem denkenden Wesen nicht vor, (§. 299.). Hin- gegen kommen Raum und Zeit außer dem denkenden Wesen vor, ungeachtet beydes nicht in den Dingen, sondern die Dinge in denselben sind. Dieses macht erstlich, daß Raum und Zeit ohne Ruͤcksicht auf die Dinge betrachtet, und die in den Theilen vorkommen- den Verhaͤltnisse fuͤr sich koͤnnen bestimmet werden. Zweytens aͤndert der Raum und die Zeit in den Din- gen selbst nichts, ungeachtet die Aenderungen in den zusammengesetzten Dingen, dem Raume nach, und in jeden Dingen der Zeit nach, vorgehen. Endlich sind drittens die Dinge nicht nothwendig an diesen oder jenen Raum und Zeit gebunden, ungeachtet sie, so bald sie existiren, in Ort und Zeit sind. Ein Ding kann demnach, der Veraͤnderung der Zeit und des Ortes unerachtet, an sich durchaus eben dasselbe blei- ben. Hingegen wird in der wirklichen Welt, wo alles mit einander verbunden ist, keine Aenderung der Zeit und dem Orte nach vorgehen, ohne daß so- wohl in dem Dinge selbst, als in seinen Verhaͤltnissen zu andern Dingen etwas veraͤndert werde, wie wohl nicht jede Veraͤnderung hinreichend ist, zu machen, daß es nicht eben dasselbe koͤnnte genennet werden, (§. 220.). §. 417. Man hat aus diesen Betrachtungen in der Me- chanic als einen Grundsatz angenommen, daß die allen Theilen eines Systems von Koͤrpern ge- meinsame geradlinichte Bewegung, in der re- lativen Verhaͤltnisse. lativen Bewegung unter sich keine Aenderung hervorbringe, und folglich, wo man nur letz- tere zu betrachten hat, aus der Betrachtung weggelassen werden koͤnne. Ein solches System ist in der Newtonschen Theorie der Schwere das Sonnensystem. Man setzet bey demselben den ge- meinsamen Mittelpunct der Schwere in Ruhe, wenn man nur die Lage der Planeten und Cometen unter sich betrachtet. Man kann auch zeigen, daß dieses statt habe, wenn die zu diesem Systeme gehoͤrenden Weltkoͤrper von der Ruhe an angefangen haben, durch ihre bloße Schwere sich in Bewegung zu setzen, und wenn ihre Schwere gegen andere außer diesem Sy- steme befindliche Koͤrper = 0 gesetzet werden kann. Haben sie aber nicht von der Ruhe angefangen, son- dern jeder ist nach einer bestimmten Richtung und Geschwindigkeit in Bewegung gesetzet worden, so kann man aus der Theorie der Schwere leicht zeigen, daß der gemeinsame Mittelpunct der Schwere nicht an- ders in Ruhe seyn kann, als wenn wenigstens einem dieser Koͤrper eine solche Richtung und Geschwindig- keit gegeben worden, die bis auf unendlich kleine Zah- len zu der Richtung, Geschwindigkeit, Lage und Groͤße der saͤmmtlichen uͤbrigen Koͤrper des Systems so pro- portionirt ist, daß der gemeinsame Mittelpunct der Schwere in Ruhe bleibe. Wo dieses nicht geschehen, da geht dieser Mittelpunct in gerader Linie fort, und wird von derselben nur dann abgelenkt, wenn das Sonnensystem gegen andere Weltkoͤrper eine Schwere hat. Da uͤberhaupt das Solide natuͤrlicher Weise oder fuͤr sich in Ruhe ist, so kann auch ohne aͤußere Kraft, und bloß aus der Wirkung der Kraͤfte, die in den Theilen des Systems sind, keine gemeinsame geradelinichte Bewegung des ganzen Systems ent- stehen, XIV. Hauptstuͤck. stehen, und dieser Umstand macht, daß unter den in dem Systeme wirkenden Kraͤften eine aus den uͤbri- gen kann gefunden werden. Denn sie kann weder groͤßer, noch kleiner, noch anders angebracht seyn, als erfordert wird, das System oder seinen gemeinsamen Mittelpunct der Schwere in Ruhe zu lassen. §. 418. Dieser Umstand giebt demnach in der Be- rechnung der Kraͤfte immer eine Gleichung an. Man gebrauche denselben auch bey dem Stoße be- wegter Koͤrper. Denn laufen sie mit Geschwindig- keiten gegen einander, die umgekehrt wie ihre Massen sind, so ist der Mittelpunct der Schwere vor dem Stoße in Ruhe, und bleibt es auch nach dem Stoße, die Koͤrper moͤgen nun viel oder wenig oder gar nicht elastisch seyn. Sind sie vollkommen elastisch, so ge- hen sie nach dem Stoße mit eben den Geschwindig- keiten wiederum von einander, mit welchen sie gegen einander liefen. Haben sie aber einen geringern Grad der Elasticitaͤt, so wird ihre Geschwindigkeit, mit welcher sie nach dem Stoße von einander gehen, zwar beyderseits geringer, dabey aber den Geschwindigkei- ten vor dem Stoße proportional seyn. Bey ganz wei- chen Koͤrpern wird alle Kraft auf die Veraͤnderung der Figur verwendet. Da bey den Koͤrpern in der Natur die Elasticitaͤt selten vollkommen ist, so koͤmmt bey denselben der zweyte Fall vor. Ungeachtet nun aber in den wenigsten Faͤllen, in welchen zween Koͤr- per an einander stoßen, der gemeinsame Mittelpunct der Schwere in Ruhe ist, so kann man jeden Fall dennoch auf diesen reduciren, weil man die Bewe- gung des Mittelpuncts der Schwere als beyden Koͤr- pern gemeinsam ansehen, und sie daher aus der Rech- nung weglassen kann, (§. 405.). §. 419. Verhaͤltnisse. §. 419. Man wird ohne Muͤhe hieraus sehen, was von den beyden oben (§. 382.) angefuͤhrten Gesetzen abgeht, wenn die Koͤrper nicht vollkommen elastisch sind. Die Geschwindigkeit, mit welcher sie sich nach dem Stoße von einander entfernen, ist geringer, als die, mit welcher sie sich vor dem Stoße einander naͤherten, und zwar in eben der Verhaͤltniß, in welcher sie sich vor dem Stoße dem gemeinsamen Mittelpuncte der Schwere naͤherten, und sich nach dem Stoße von ein- ander entfernten. Setzet man demnach die Masse A, a, ihre Geschwindigkeiten vor dem Stoße nach einer gleichen Gegend C, c, so ist die relative Ge- schwindigkeit C - c. Diese ist nach dem Stoße ge- ringer, wenn die Koͤrper nicht vollkommen elastisch sind. Man setze dieselbe = m (C - c ). Die Geschwin- digkeit, mit welcher der gemeinsame Mittelpunct der Schwere fortruͤckt, sey = x, so ist A. (C - x) = a (x - c), folglich x = (AC + ac) : (A + a). Der Koͤrper A naͤhert sich dem Mittelpuncte der Schwere mit der Geschwindigkeit C - x = a (C - c) : (A + a), hingegen a naͤhert sich mit der Geschwindigkeit x - c = A (C - c) : (A + a). Nach dem Stoße aber werden beyde diese Geschwindigkeiten in der Ver- haͤltniß 1 : m vermindert. Demnach sind die wahren Geschwindigkeiten nach dem Stoße §. 420. XIV. Hauptstuͤck. §. 420. Jn diesen beyden Formeln druͤckt nun m den Grad der Elasticitaͤt aus. Jst dieser vollkommen, so ist m = 1, und folglich Sind hingegen die Koͤrper ganz weich, so ist m = 0, und folglich Man wird aus der oben (§. 96. 375.) gemachten An- merkung leicht sehen, daß sich m nicht nur nach der Natur der beyden an einander stoßenden Koͤrper, son- dern auch noch nach der relativen Geschwindigkeit C - c richte, und daß, wenn diese Geschwindigkeit sehr groß wird, m sehr geringe oder gar = 0 werde. Die Figur bey elastischen Koͤrpern laͤßt sich nur bis auf einen ge- wissen Grad aͤndern, wenn sie sich entweder ganz oder beynahe ganz wiederherstellen soll. Jst demnach die Geschwindigkeit groͤßer, so bleibt die geaͤnderte Fi- gur, weil die elastische Kraft ganz uͤberwogen worden. Hingegen sind bey geringern Graden der Geschwindig- keit bald jede Koͤrper mehr oder minder elastisch. §. 421. Man hat ferner aus eben dem Grunde (§. 417.) die Zusammensetzung der Bewegung auf Grundsaͤtze gebracht, und dadurch der Linie, in welcher sich ein Koͤrper bewegt, eine Bewegung angedichtet. Der Umstand Verhaͤltnisse. Umstand selbst koͤmmt zuweilen vor, und besonders bieten uns die Schiffe Beyspiele an. Man setze, daß auf einem Schiffe, waͤhrend dem es fortsegelt, eine Flintenkugel abgeschossen werde, so hat die Kugel, so lange sie noch in dem Flintenlaufe von dem Pulver fortgetrieben wird, eine solche gedoppelte Bewegung, wovon die eine nach der Laͤnge des Laufes, die andere nach der Linie geht, in welcher sich die Flinte zugleich mit dem Schiffe bewegt. Stellet man sich nun die Geschwindigkeit einer jeden von diesen beyden Bewe- gungen als Seiten eines Parallelogrammes von glei- cher Lage vor, so wird die Kugel, sowohl waͤhrend dem sie noch in dem Laufe ist, als nach dem sie heraus ist, sich nach der Diagonal dieses Parallelogrammes bewegen, und in der Luft folglich schlechthin nur die Bewegung fortsetzen, die sie bereits in dem Flinten- laufe hatte. Hinwiederum kann man jede Linie als eine Diagonal von unzaͤhlig vielerley Parallelogram- men, und die Bewegung nach der Diagonal als aus zwoen Bewegungen nach den Seiten des Parallelo- grammes zusammengesetzt ansehen. Und diese Auf- loͤsung einer Bewegung in zwo andere gebraucht man, wenn der Stoß zweener in schiefer Richtung gegen einander laufender Koͤrper zu bestimmen ist. Wir halten uns aber hier damit nicht auf, weil wir das bisher Gesagte nur als Beyspiele anfuͤhren, welche den Satz: daß Zeit und Raum in den Dingen nichts aͤndert, ungeachtet die Aenderung in den Dingen selbst dem Raume und der Zeit nach vorgeht, einiger- maßen erlaͤutern, und dessen Brauchbarkeit zeigen. §. 422. Die Verhaͤltnißbegriffe, welche in Absicht auf Zeit und Raum statt haben, kommen auf eine transcen- Lamb. Archit. II. B. D dente XIV. Hauptstuͤck. dente Art auch in dem Gedankenreiche und in der Jntellectualwelt vor. Wir haben in dem vorher- gehenden, wo erstere betrachtet wurden, allemal an- gezeiget, welche Vergleichungsstuͤcke sie angeben, wie es z. E. aus den in dem §. 407. und §. 409. angefuͤhr- ten Stellen zu sehen ist. Da wir uͤberhaupt die Dinge der Jntellectualwelt nach den Dingen der Koͤrperwelt benennen; so ist gar nicht zu zweifeln, daß die Theorie in beyden nach einerley Ordnung in das Reine ge- bracht werden koͤnne. Wir haben demnach den Grund zu der Aehnlichkeit des Eindruckes in dem §. 409. und §. 252. angezeiget. Uebrigens ist es, wenn diese Theorie vollstaͤndig werden soll, vornehmlich um die Vergleichungsstuͤcke zu thun, welche die Grund- saͤtze und Maaßstaͤbe zu dem Abstande und Lage der Wahrheiten im Reiche der Wahrheit, zu der Richtung des Weges, oder der Methode, und zu der Geschwindigkeit und Zeit, in welcher der Weg zuruͤck gelegt wird (§. 87.), genau angeben. Aus diesen laͤßt sich sodann die Groͤße und Staͤrke der Kraͤfte des Verstandes, der Aufmerksamkeit und des Bewußtseyns (§. 407.) leicht finden. §. 423. Die Statischen Verhaͤltnisse, welche bey dem Gleichgewichte und Ruhestande, und die Dynami- schen, welche bey der Ueberwucht der Kraͤfte vor- kommen, machen die fuͤnfte und sechste Classe aus (§. 64. 66. 68.), und werden aus aͤhnlichen Gruͤn- den auch auf die Jntellectualwelt ausgedehnt. Da sich bey denselben ohne die Ausmessung nicht viel Be- stimmtes sagen laͤßt, so begnuͤgen wir uns, sie hier nur uͤberhaupt anzuzeigen, um die Abzaͤhlung voll- staͤndig zu machen. Man wird in den §. 67. 68. 221. noch Verhaͤltnisse. noch Anlaͤsse zu einigen specialern Unterschieden und Arten von Verhaͤltnissen finden, die von der Art der wirkenden Kraͤfte hergenommen sind. §. 424. Wir koͤnnen in die siebente Classe uͤberhaupt die von den Kraͤften des Willens hergenommene Ver- haͤltnisse rechnen, und sie eben so, wie bereits §. 221. das gemeinsame Band zusammengesetzter moralischer Dinge, moralisch nennen. Die daselbst beyspiels- weise angefuͤhrten moralischen Ganzen, naͤmlich Staa- ten, Provinzen, Staͤdte, Gesellschaften, Familien ꝛc. jede auf den Willen und die freyen Handlungen ge- hende Gesetze und Verbindungen, zeigen, daß uͤber- haupt diese Classe von Verhaͤltnissen sehr weitlaͤuftig und ausgedehnt ist. Wir werden nun uͤber diese sieben Classen der Verhaͤltnisse einige allgemeinere Anmerkungen machen. §. 425. Einmal beziehen sich, wie wir bereits (§. 411.) er- innert haben, die Verhaͤltnisse saͤmmtlich auf ein den- kendes Wesen, und sind in so ferne Mittel von einem der in Verhaͤltniß stehenden Dinge auf das andere zu schließen. Jn dieser Absicht sind sie uns zur Er- weiterung und besonders zur Allgemeinheit der wissen- schaftlichen Erkenntniß unentbehrlich, und zwar so, daß wir auch da, wo in der Sache selbst wenig oder nichts zum Grunde liegt, dennoch Verhaͤltnisse zwi- schen denselben erdichten. Dahin gehoͤren nun die meisten von denen, die wir in die erste Classe genom- men haben, oder die schlechthin nur ideal sind. So z. E. ob eine Sache der andern aͤhnlich oder un- aͤhnlich sey, das aͤndert an der Sache nichts, und D 2 sie XIV. Hauptstuͤck. sie bleibt, was sie an sich ist. Jndessen giebt uns dennoch die Theorie ihrer Aehnlichkeit und Verschie- denheit (§. 124-160.) und die darauf gebaute Einthei- lung der Dinge in Arten und Gattungen (§. 160-200.), ingleichen die ebenfalls darauf beruhende Theorie des Bestaͤndigen und Veraͤnderlichen (§. 201-230.) die erste Anlage zu der Allgemeinheit der wissenschaftli- chen Erkenntniß, (§. 165. 201.). Auf eine aͤhnliche Art ist viel von den Verhaͤltnissen der Zeit und des Ortes schlechthin nur ideal (§. 416.), besonders wenn wir, um es fuͤr sich zu betrachten, wie es in der Geometrie, Chronometrie und Phoronomie geschieht (§. 63. 64. 68. 80. 86.), von dem dabey zum Grunde liegenden Realen abstrahiren. Wir haben daher (§. 416. seqq. ) etwas umstaͤndlicher angezeiget, daß Zeit und Raum in den Dingen selbst nichts aͤndert, daß man aber dennoch nicht davon abstrahiren koͤnne, weil die Dinge, so bald sie existiren, nothwendig in Zeit und Ort sind, und wenn sie veraͤndert werden, der Zeit und dem Orte nach veraͤndert werden. Auf diese Art, da sich die Wirkung eines Koͤrpers in den andern schlechthin nur nach der relativen Direction und Geschwindigkeit richtet, muß man, um die Wir- kung zu bestimmen, dieselben aus der absoluten Di- rection und Geschwindigkeit herleiten, und wenn die Wirkung und die dadurch geaͤnderte relative Geschwin- digkeit und Direction gefunden worden, so muß man aus dieser die Aenderung der absoluten Geschwindig- keit und Direction finden. Man nimmt dabey gleich- sam eine gedoppelte Uebersetzung vor, und kann da- mit am kuͤrzesten fortkommen, wenn man den Mit- telpunct der Schwere des Systems dazu gebraucht (§. 417. seqq. ), welcher uͤberhaupt derjenige Punct ist, den man findet, wenn der Abstand beyder Koͤrper in Verhaͤltnisse. in Verhaͤltniß der Massen so vertheilt wird, daß jeder Koͤrper in umgekehrter Verhaͤltniß seiner Masse da- von entfernt bleibt, oder desto naͤher bey demselben ist, je groͤßer seine Masse ist. Die absolute Richtung und Geschwindigkeit dieses Puncts bleibt vor und nach der Wirkung einerley, und die Wirkung der Koͤrper ist einerley, wie auch immer diese Richtung und Geschwindigkeit seyn mag. Man hat demnach nur so ferne darauf zu achten, als das System vor und nach der Wirkung mit andern zu vergleichen ist. Und auch in dieser Absicht bleiben die Wirkungen, welche das System und seine Theile betreffen, nach der unter sich vorgegangenen Veraͤnderung, eben so, als wenn die Veraͤnderung nicht vorgegangen waͤre. Wir muͤssen nur anmerken, daß diese Saͤtze in der Natur nicht wohl anders, als bey vollkommen elasti- schen Koͤrpern durch Versuche wahr gefunden werden koͤnnen. Denn bey den weichen und nicht vollkom- men elastischen Koͤrpern gehen die Kraͤfte, welche auf die Veraͤnderung der Figur verwendet werden, in die anliegenden Materien uͤber, und daher kann das System nicht fuͤr sich oder ohne die Verbindung mit diesen Materien betrachtet werden. §. 426. Wir merken ferner an, daß bey den statischen, dynamischen und moralischen Verhaͤltnissen (§. 423. 424.) in der That etwas in der Sache selbst zum Grunde liegt, weil sie auf den dabey wirkenden Kraͤf- ten beruhen. Da sich aber die Verhaͤltnisse eigent- lich auf ein denkendes Wesen beziehen (§. 411.), so giebt uns auch die Sprache Ausdruͤcke an, um das, was in der Sache selbst vorkoͤmmt, und worauf sich das Verhaͤltniß gruͤndet, zu benennen. Von diesen D 3 Benen- XIV. Hauptstuͤck. Benennungen sind die allgemeinsten folgende: 1°. Die Verbindung, und dieser Ausdruck bezieht sich auf das, was in dem Systeme fortdauernd und gleichsam im Ruhe- oder Beharrungsstande ist. Die Theile sind uͤberhaupt durch Kraͤfte verbunden, und desto fester, je staͤrker die Kraͤfte sind. 2°. Was das ge- meinsame Band bey Ganzen zu sagen habe, haben wir bereits oben (§. 213. 220. 350.) umstaͤndlicher aus einander gesetzet. 3°. Der Zusammenhang und das Von einander abhaͤngen setzet ebenfalls eine Ver- bindung voraus, und ist davon nur in der Art, wie man sich die Sache vorstellet, verschieden. Denn Verbindung geht mehr auf die wirkenden Kraͤfte und auf die Theile zugleich betrachtet, Zusammen- hang aber mehr auf den Erfolg dieser Kraͤfte, und Abhaͤngen mehr auf die Ordnung, in welcher die Theile verbunden sind und zusammenhaͤngen. Man bindet sich aber im gemeinen Gebrauche zu re- den, an solche feinere Unterschiede nicht so genau. Man sehe auch (Alethiol. §. 252.), wo wir diese Aus- druͤcke, in Absicht auf die logische Wahrheit der Be- griffe, betrachtet haben. 4°. Der Einfluß bezieht sich mehr auf die Zeit und Veraͤnderung, so wie die Verbindung mehr auf das geht, was zugleich und fortdauernd ist. A hat einen Einfluß in B , will sagen, daß die Veraͤnderungen in A ebenfalls Veraͤnderungen in B nach sich ziehen. Dabey kom- men nun allerdings wirkende Kraͤfte vor, und A und B sind in Verbindung. §. 427. Solche Ausdruͤcke gebrauchen wir, um das, wor- auf sich die realen Verhaͤltnisse der Dinge gruͤnden, besonders zu benennen. Es kommen aber auch immer die Verhaͤltnisse. die idealen Verhaͤltnißbegriffe mit vor, um so mehr, da wir beyde Arten in der Sprache nicht so genau unterscheiden. Wir bemerken ferner, daß wo Kraͤfte wirken, von Ursachen und Wirkungen die Rede vorkomme, und dabey ist 1°. die wirkende Ursache, 2°. ihre Kraft, 3°. wenn sie nicht unmittelbar wirket, die Mittelursachen, 4°. die Art, wie die Kraft an- gewandt wird, und 5°. die Sache, in welcher die Wir- kung vorgeht, von einander zu unterscheiden. Der Unterschied, welcher sich in dem ganzen Systeme vor und nach der Wirkung befindet, macht zusammenge- nommen die ganze Wirkung aus, welche auf die wirkende Ursache, auf die Sache, in welche sie wirkte, und in die Verhaͤltnisse von beyden gegen einander und gegen andere Dinge vertheilt wird, oder aus allen in diesen Stuͤcken vorgegangenen Veraͤnderungen zu- sammengenommen besteht. §. 428. Endlich merken wir an, daß auch die realen Ver- haͤltnisse sich auf ein denkendes aber zugleich mitwir- kendes Wesen beziehen koͤnnen, so fern naͤmlich dieses sich die Wirkung, als eine Absicht, vorsetzt, und die Ursachen als Mittel gebraucht, anordnet und anwendet. Dabey koͤmmt nun die Wirkung oder Ab- sicht als ein Beweggrund des Willens, und folg- lich der Begriff des Guten vor, welches uͤberhaupt theils in idealen, theils in realen Verhaͤltnissen der Sache zu dem denkenden Wesen (§. 110.) besteht. §. 429. Außer diesen Ausdruͤcken haben wir noch einige, die sich vornehmlich auf die Art beziehen, wie die Kraͤfte angewandt werden. Dahin rechnen wir 1°. das Be- D 4 stimmen, XIV. Hauptstuͤck. stimmen, und dieses koͤmmt besonders bey allgemei- nen und unbedingten Moͤglichkeiten vor, welche in vorgegebenen Faͤllen nach Belieben oder zu vorgesetz- ten Absichten gewaͤhlt werden koͤnnen, gemeiniglich aber, wo mehrere vorkommen, einander theils ein- schraͤnken, theils nach sich ziehen, (§. 15. 16. 139. 176. 197. 209. 222. 229.). Uebrigens hat das Wort be- stimmen einige Vieldeutigkeit. Wir bestimmen zu- weilen unsere Begriffe der Sache nach, zuweilen die Begriffe, um die Sache nach denselben einzurichten, zuweilen den Umfang der Begriffe und die Bedeutung der Woͤrter ꝛc. 2°. Das Zusammensetzen, Tren- nen, Theilen und Aufloͤsen. Diese Ausdruͤcke, welche uͤberhaupt Handlungen anzeigen, gehen mehr auf die Sache selbst, bey welchen die Kraft ange- wandt wird, weil sie die Art der Veraͤnderung anzei- gen, die dadurch in der Sache hervorgebracht wird. 3°. Ueberdieß geben die meisten Zeitwoͤrter in der Sprache specialere Begriffe von Handlungen und Wirkungen an, die daher auch mehr in den beson- dern Theilen der Erkenntniß, als in der Grundlehre vorkommen. §. 430. Die bisher angefuͤhrten Begriffe (§. 426. seqq. ) zeigen nun uͤberhaupt das an, was bey den realen Verhaͤltnissen in der Sache selbst zum Grunde liegt. Es ist aber die Sprache reich genug an Woͤrtern, daß wir nicht nur Verhaͤltnisse benennen koͤnnen, die unmittelbar zwischen den Sachen selbst sind, sondern, da wir durch eine Art von Erdichtung (§. 164.) die Verhaͤltnisse, und so auch die Verbindungen, Zusam- menhang, Einfluß ꝛc. als Dinge ansehen, so dichten wir auch Verhaͤltnisse zwischen diesen an sich abstracten Begrif- Verhaͤltnisse. Begriffen, und ohne einen solchen Vorrath wuͤrden wir in unserer Erkenntniß, und besonders in Absicht auf die Allgemeinheit und den Zusammenhang dersel- ben merklich zuruͤck bleiben, (§. 372.). §. 431. Die Verhaͤltnisse sind uͤberhaupt Mittelbegriffe, wodurch wir von einer Sache auf eine andere schließen, (§. 411.). Und sollen wir denselben eine locale Stelle anweisen, so werden wir sie, wie wir bereits erwaͤhnt haben (§. cit. ), nicht in den Begriffen der Sachen selbst, sondern zwischen denselben setzen muͤssen. Neh- men wir naͤmlich nach der vorhin (§. 409. 252.) an- gefuͤhrten Theorie des Mechanismus der Fibern des Gehirns an, daß jeder Empfindung und Vorstellung einer Sache die Bewegung einiger Fibern von be- stimmter Lage entspreche, so koͤnnen wir, wo zwo oder mehrere Sachen zugleich empfunden werden, theils das Bewußtseyn, daß es andere Fibern sind, theils die Empfindung, daß die Bewegung dieser Fibern sich von einer der andern mittheilt, als die erste An- lage ansehen, wie wir zu Verhaͤltnißbegriffen gelan- gen. Denn die Verhaͤltnisse koͤnnen nicht fuͤr sich als ein Ganzes und ohne die Dinge, zwischen welchen sie vorkommen, vor Augen gelegt, oder uͤberhaupt empfunden werden. Werden aber die Dinge zugleich empfunden, so sind auch viele von den zwischen den- selben vorkommenden Verhaͤltnissen mit empfindbar, (Dianoiol. §. 659.). §. 432. Da bey zweyen Dingen, die man zugleich empfin- det, mehrere Verhaͤltnisse vorkommen, so faͤllt es auch schwerer, genau anzugeben, was man zu jedem be- D 5 sonders XIV. Hauptstuͤck. sonders rechnet. Diese Schwierigkeit fand sich bey den ersten Urhebern einer Sprache, in Absicht auf jede Verhaͤltnisse, die sie zu benennen hatten, und zwar nicht um sie nur zu benennen, sondern um an- zuzeigen, wie viel oder wie wenig sie unter dem Na- men verstehen. Die Dinge mußten nicht nur von beyden zugleich und auf einerley Art empfunden wer- den, sondern der, so das Verhaͤltniß, das er bemerkte, anzeigen wollte, mußte so lange Proben machen, bis er merken konnte, der andere stelle sich nun dasselbe auch vor. Ungeachtet aber nun die Sprachen bereits eingefuͤhret sind, so kommt diese Schwierigkeit den- noch noch ganz vor, und sie ist der Hauptgrund, warum die Woͤrter, welche Verhaͤltnisse anzeigen, in ihrer Bedeutung unbestimmter und veraͤnderlicher sind, weil man leicht die Jndividualien von den Em- pfindungen mit einmengt, und weil nicht jeder das Wort in allen Faͤllen, wo es vorkoͤmmt, gehoͤrt, noch auf die Umstaͤnde genau Achtung gegeben hat. Man sehe auch §. 153. 154. §. 433. Die Meßkunst giebt uns die Verhaͤltnisse, so dar- inn vorkommen, noch am deutlichsten und bestimm- testen an, weil sie zugleich die Operationen angiebt, wodurch aus den Groͤßen ihr Verhaͤltniß, und hin- wiederum eine Groͤße aus der andern und dem Ver- haͤltnisse gefunden werden kann. Sie hat nach Anlei- tung dieser Operationen nur zwo Arten von einfachen Verhaͤltnissen. Die eine zeiget an, um wie viel, die andere wie vielmal eine Groͤße groͤßer oder klei- ner ist, als die andere. Z. E. 6 ist um 4 groͤßer als 2. Und 6 ist 3mal groͤßer als 2. Aus diesen zwo Arten einfacher Verhaͤltnisse werden unzaͤhlige andere zusammen- Verhaͤltnisse. zusammengesetzet, wovon jede algebraische Gleichung ein Beyspiel ist. So z. E. druͤckt die Gleichung xx = aa - yy die Verhaͤltniß zwischen den Abscissen und Ordinaten eines Cirkels aus. Solche zusam- mengesetzte Verhaͤltnisse werden Relationes, die ein- fachen aber Rationes genennet. Reihen von Zahlen, worinn einerley einfache Verhaͤltnisse zwischen jeden zwo auf einander folgenden vorkommen, heißen Pro- gressionen, und zwar arithmetische, wenn jede fol- gende Zahl um gleich viel groͤßer ist, als die vor- hergehende; geometrische aber, wo jede folgende gleich vielmal groͤßer ist, als die vorhergehende. Hingegen nennet man solche Reihen, worinn einerley zusammengesetzte Verhaͤltnisse oder Relationen unter den auf einander folgenden Gliedern vorkommen, Se- ries recurrentes. Jn diesen wird jedes Glied auf einerley Art durch eine bestimmte Zahl der vorher- gehenden bestimmet. So z. E. ist in der Reihe 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55 ꝛc. jedes Glied die Sum- me der beyden naͤchst vorhergehenden, hingegen ist in der Reihe 2, 3, 6, 18, 108, 1944 ꝛc. jedes Glied das Product der beyden naͤchst vorhergehenden. Man sieht leicht, daß in solchen Reihen eine locale Ordnung vorkoͤmmt, und folglich jedes Glied auch schlechthin durch seine Stelle gefunden werden kann, (§. 327.). §. 434. Außer der Meßkunst, wo naͤmlich nicht von Groͤßen, sondern von Ganzen, Theilen und Eigenschaften die Rede ist, haben wir ebenfalls einige Operationen oder Verrichtungen, wodurch Verhaͤltnisse zu Stande ge- bracht werden, und die mit den erst angefuͤhrten ma- thematischen eine merkliche Aehnlichkeit haben, und diese sind das Zusammennehmen, das Zusammen- setzen, XIV. Hauptstuͤck. setzen, das Trennen, das Aufloͤsen, das Bestim- men und das Abstrahiren. Um die Bedeutung dieser Woͤrter, wie wir sie hier gebrauchen, und die Aehnlichkeit der dadurch vorgestellten Operationen mit den arithmetischen umstaͤndlicher aufzuklaͤren, werden wir anmerken, daß die arithmetischen eigentlich nur auf gleichartige Dinge gehen. Man addirt z. E. Linien und Linien, Flaͤchen und Flaͤchen, Gewichte und Gewichte ꝛc. Hingegen wuͤrde die Frage in das Ungereimte fallen, wie groß z. E. die Summe von einem Cubicschuhe Raum und einem Jahre Zeit sey? Man kann auf Fragen von dieser Art nicht anders, als nach der oben (§. 149.) erwaͤhnten Rechenkunst antworten, diese Summe sey ein Cubicfuß Raum und ein Jahr Zeit. Es besteht naͤmlich diese Rechen- kunst bloß im Numeriren. Ein Rodel oder Inuen- tarium von Hausgeraͤthe, liegenden Guͤtern, Capita- lien, Pfaͤndern ꝛc. giebt ein Beyspiel davon. Man rechnet darinn nur die gleichartigen Stuͤcke wirklich arithmetisch zusammen, indessen fordert die Vollstaͤn- digkeit des Inuentarii dennoch ein Abzaͤhlen aller Ti- tel und aller zu jedem Titel gehoͤrenden vorraͤthigen Stuͤcke. Die Stuͤcke seyn a, b, c, d ꝛc. so wird die Summe dennoch = a + b + c + d + ꝛc. koͤnnen ge- setzet werden, und der Unterschied dieser Zeichnung von der algebraischen (Semiot. §. 234.) besteht nur darinn, daß a, b, c, d ꝛc. nicht einerley Maaßstab haben, und ungleichartig sind. Sie werden schlecht- hin nur vorgezaͤhlt oder zusammengenommen. So fern man bey solchen Faͤllen die Ausdruͤcke, zaͤh- len, rechnen ꝛc. gebraucht, stellet man sich die un- gleichartigen Dinge als Ganze, und in so fern als Einheiten vor. Sie lassen sich nicht durchaus, son- dern nur in gewissen Absichten, auf einerley Maaßstab bringen, Verhaͤltnisse. bringen, wie z. E. bey den Jnventarien in Absicht auf den Werth der darinn verzeichneten Stuͤcke. Und auch nur in so ferne koͤmmt die mathematische Rechenkunst dabey vor. Hier sehen wir aber darauf nicht, sondern verstehen durch das metaphysische Zu- sammenrechnen, nur das Zusammennehmen mehrerer ungleichartiger Dinge. Das Wegnehmen ist die entgegengesetzte Operation. Beyde sind an sich nur ideal oder Verrichtungen des Verstandes, ungeachtet dabey allerdings die Frage vom Zusammengehoͤren und Nicht zusammengehoͤren mit vorkommen, und daher das Zusammennehmen und das Wegneh- men bestimmen kann. §. 435. Bey diesem Zusammennehmen koͤmmt gleichsam ein bloßes Aufhaͤufen der Dinge vor, weil dabey we- der auf die Ordnung noch auf die Verbindung gese- hen wird, und gleichsam nur die ganze Summe oder der ganze Haufen in Betrachtung koͤmmt. Das Zusammensetzen begreift schon mehr, weil es noch die Ordnung und Verbindung der Theile in sich schließt. Wenn wir demnach durch a + b oder b + a ein bloßes Zusammennehmen der Dinge a, b, verstehen, so muß die Ordnung und Art der Ver- bindung bey dem Zusammensetzen auf eine an- dere Art bey dieser Zeichnung angezeiget werden. Und auf eine aͤhnliche Art muß man bey a - b, noch besonders anzeigen, wie der Theil b von a getrennet werde. Denn hiebey wird a als ein Ganzes, oder als eine Summe, oder als ein Haufen angesehen, in welchem b wirklich vorkoͤmmt. Kaͤme aber b nicht in a vor, so wuͤrde - b nur anzeigen, daß es von irgend Etwas muͤsse weggenommen werden, und dieses Etwas XIV. Hauptstuͤck. Etwas muß in der Rechnung vorkommen. Diese metaphysische Rechnungsart ist demnach von der ma- thematischen darinn verschieden, daß es in der letztern gleichguͤltig ist, von welcher positiven Groͤße die Ne- gative abgezogen werde, weil z. E. a + c - b = a + (c - b) = (a - b) + c ist. Jn der erstern aber geht dieses so schlechthin nicht an, weil ungleichartige Dinge eigentlich nicht koͤnnen verwechselt werden. Wenn man demnach durch die Rechnung endlich x = a + c - b findet, so kann man, auch wenn man es sonst nicht weiß, daraus schließen, daß die durch b ausgedruͤckte Dinge unter denen durch a + b ausgedruͤckten wirklich vorkommen, weil sonst x der Voraussetzung zuwider etwas unmoͤgliches waͤre. §. 436. Bey diesem metaphysischen Calcul, welcher sich nicht uͤber das Numeriren oder Vorzaͤhlen der zu- sammen genommenen ungleichartigen Dinge erstre- cket, sind die Operationen + und - einander ent- gegengesetzt, und sie leiden einerley Verwechslungen, wie in der Algeber. Denn so sind die Ausdruͤcke a - b = c a - c = b a = b + c einander gleichguͤltig. b + c und a stellen einerley Haufen von einerley Dingen vor, und die Jdentitaͤt bleibt, wenn man zu beyden einerley Dinge zusetzet, oder davon wegnimmt. Man sieht auch leicht, daß c eine Art von Verhaͤltniß von a und b, ingleichen b eine Art von Verhaͤltniß von a und c vorstellet. Denn der Haufen Dinge a enthaͤlt außer den Din- gen b noch die Dinge c, oder außer den Dingen c noch Verhaͤltnisse. noch die Dinge b. Diese Art von Verhaͤltniß ist derjenigen aͤhnlich, die man in der Mathematic die arithmetische nennet, (§. 432.). §. 437. Das Bestimmen (§. 429.) giebt uns die andere Art von Verhaͤltnissen an, welche den Geometri- schen (§. 432.) aͤhnlich sind. Wir bestimmen aber erstlich bey ausgedehnten Dingen oder Koͤrpern ihre Figur und Groͤße, und in dieser Bedeutung thun wir eigentlich noch nicht mehr, als das Zusammen- setzen und Trennen an sich schon begreift, weil wir mehr oder weniger Theile an dem Koͤrper lassen. Ferner bestimmen wir allgemeinere Begriffe durch Zusetzung von Merkmalen. Diese werden nun nicht bloß zusammengesetzt oder nur aufgehaͤuft, sondern gleichsam damit multiplicirt, weil das, was der ab- stracte Begriff vorstellete, noch neue Eigenschaften bekoͤmmt. Die Sprache hat hievon gewisse Spuren. Denn so sind die Beywoͤrter, welche man den Haupt- woͤrtern zusetzet, ungefaͤhr, was in der Algeber die Coefficienten sind (Semiot. §. 176.), und dieses um desto mehr, weil sie im Comparatiuo und Superlatiuo, die Gradus intensitatis vorstellen, (Semiot. §. 186. seqq. ). Auf eine aͤhnliche Art verhalten sich die Zu- woͤrter zu den Zeitwoͤrtern, (Semiot. §. 223. seqq. ). Endlich bestimmen wir auch ein Ding durch ein an- deres, vermittelst Verhaͤltnißbegriffe, welche nicht Dinge, sondern schlechthin nur Verhaͤltnisse vorstellen (§. 411. 431.), und diese werden daher nicht addirt, sondern gleichsam multiplicirt. Um nun auch hiebey eine der algebraischen aͤhnliche Zeichnung anzugeben, so koͤnnen wir durch A : B uͤberhaupt die Verhaͤltniß, oder besser zu sagen, die Summe der Verhaͤltnisse ausdruͤ- XIV. Hauptstuͤck. ausdruͤcken, die zwischen A und B sind, und B : A wird die umgekehrte Verhaͤltniß oder die Summe derselben vorstellen. Setzet man demnach A : B = m, so ist A = mB, und B = A : m = nA, und B : A = 1 : m = n, daher m . n = 1. Sind nun zwischen A und B einerley Verhaͤltnisse, wie zwischen C und D; so haben wir B : A = D : C, und A : B = C : D. Hieruͤber lassen sich nun folgende Anmerkungen machen. §. 438. Einmal wird der Ausdruck A : B = C : D, so ge- lesen: A verhalte sich zu B , wie sich C zu D verhaͤlt: oder A unterscheide sich von B eben so, wie C von D. Z. E. Das Vermuthen ver- haͤlt sich zum Kuͤnftigen, wie das Erinnern zum Ver- gangenen. Ein Postulatum zum Grundsatze, wie eine Aufgabe zum Lehrsatze. Man sieht leicht, daß die Gleichnisse, Allegorien, Anspielungen, Meta- phern ꝛc. Stoff zu solchen metaphysischen Propor- tionen angeben, und daß man die Verhaͤltnisse, so zwischen zwoen vorgegebenen Sachen sind, durch die Verhaͤltnisse anzeiget, die zwischen zwo andern z. E. bekanntern Sachen vorkommen, und man ist dazu genoͤthiget, so oft die Sprache nicht bereits Woͤrter hat, wodurch die Verhaͤltnisse fuͤr sich benennet wer- den koͤnnen. Denn da gebraucht man entweder Bey- spiele oder aͤhnliche Faͤlle, (§. 431. 432. 144. Dianoiol. §. 483. seq. ). §. 439. Bey solchen Proportionen koͤmmt nun eine Ver- mengung des Aehnlichen und Verschiedenen vor, die sich nach Gesetzen richtet, wenn die Proportion ge- nau seyn soll. Es sey die Proportion A : B = C : D so Verhaͤltnisse. so muͤssen 1°. die Glieder A, B in eben den Stuͤ- cken und auf eben die Art verschieden seyn, wie die Glieder C, D verschieden sind, und hin- wiederum diese, wie jene. 2°. Hingegen muͤs- sen die Glieder A, C in eben den Stuͤcken und auf eben die Art aͤhnlich seyn, wie die Glie- der B, D , und hinwiederum diese, wie jene. 3°. Eben dieses muß sich finden, wenn die bey- den aͤußersten, oder die beyden mittlern Glieder verwechselt werden, und folglich die Proportion in A : C = B : D oder D : B = C : A verwandelt wird. Denn abstrahirt man in den Ausdruͤcken A : B , und C : D , von dem, was in beyden aͤhnlich ist, so verhalten sie sich, wie die Verschiedenheiten. Diese Verschiedenheiten sind daher eben das, was bey mathematischen Pro- portionen die Numeri inter se primi sind. Z. E. 21 : 35 = 12 : 20 giebt = 3 : 5. 21 : 12 = 35 : 20 giebt = 7 : 4. Auf eine aͤhnliche Art Forderung : Grundsatz = Aufgabe : Lehr- satz, giebt = Frage : Satz Forderung : Aufgabe = Grundsatz : Lehr- satz, giebt = unbeweisbar : beweisbar Denn 1°. Forderungen und Aufgaben sind Fragen, Grundsaͤtze und Lehrsaͤtze aber sind Saͤtze. Hingegen 2°. Forderungen und Grundsaͤtze sind unbe- weisbar; Aufgaben und Lehrsaͤtze aber muͤssen bewiesen werden, (Dianoiol. §. 146. seqq. Lamb. Archit. II. B. E §. 440. XIV. Hauptstuͤck. §. 440. Benennet man in der Proportion A : B = C : D die gemeinsamen Merkmale der Dinge A, B mit m, die engern mit a, b, so daß A = ma und B = mb sey, so wird nothwendig C = na und D = nb muͤssen ge- setzet werden. Und dadurch wird die vorgegebene Proportion in folgende ma : mb = na : nb verwandelt. Denn a, b sind die Verschiedenheiten, und diese muͤssen zwischen A, B und C, D einerley seyn, wenn anders die Proportion statt haben soll. §. 441. Man sieht hieraus uͤberhaupt, wie man zu drey Gliedern einer Proportion das vierte finden koͤnne. Die drey vorgegebene Glieder A, B, C sind ma, mb, na. Demnach wird das erste A dergestalt in m und a zerfaͤllt, daß m in B, und a in C vor- komme. Sodann abstrahirt man in B von den Merk- malen m, und in C von den Merkmalen a, so blei- ben in B noch die Merkmale b und in C noch die Merk- male n. Wird nun n und b mit einander verbun- den, so hat man das vierte Glied D = nb. §. 442. Man kann dieses Verfahren, welches der arith- metischen Regel Detri ganz aͤhnlich ist, auch so aus- druͤcken. Man verbinde das zweyte Glied B mit dem dritten C , und von BC abstrahire man das erste A , so wird BC : A = D seyn. Denn BC ist = mnab und A = ma; folglich BC : A = mnba : ma = nb = D. Man setze z. E. m = unbeweisbar, n = Verhaͤltnisse. n = beweisbar, a = Frage, b = Satz; so ist A = ma = Postulatum, B = mb = Grundsatz, C = na = Auf- gabe, und D = (mnab : ma) = nb = Lehrsatz. §. 443. Wenn die drey Glieder A, B, C einige gemeinsa- me Merkmale p haben, so werden sie mpa, mpb, npa, und folglich D = npb, und die Proportion A : B = C : D mpa : mpb = npa : npb seyn. Man abstrahirt demnach erstlich von den Merk- malen p, welche allen drey Gliedern gemeinsam sind, so dann von den Merkmalen m, welche A und B ge- meinsam haben, damit von A nur a, und von B nur b bleibe. Endlich wird a von C abstrahirt, damit man noch n habe, und so erhaͤlt man npb = D das ge- suchte vierte Glied. §. 444. Hiebey ist es nun gar wohl moͤglich, daß B nur = mp, oder C nur = pa sey, und so wird im ersten Falle D = np, im andern aber D = ap seyn. So kann auch schlechthin nur C = a seyn, und da ist D = b. A : B = C : D = a : b Denn man sieht leicht, daß a, b hier ungefaͤhr eben das sind, was bey arithmetischen Proportionen die Numeri inter se primi, (§. 439.). §. 445. Diese letzte Analogie A : B = a : b ist nun an sich betrachtet immer moͤglich, weil die Dinge in Verhaͤltniß ihrer Unterschiede oder eigenen E 2 Merk- XIV. Hauptstuͤck. Merkmale sind, welche a, b vorstellen. So viel sich nun mit a, b andere gemeinsame Merkmale n ver- binden lassen, so viel Proportionen A : B = na = nb = C : D wird man auch finden. Da wir nun die Wahl ha- ben, von den gemeinsamen Merkmalen des A und B wegzulassen oder besonders zu nehmen, so viel wir wollen (§. 162. N°. 4.), so kann man auf sehr vie- lerley Arten von mp Merkmale weglassen, daß die uͤbrigen = n seyn, und so vielerley Proportionen A : B = na : nb wird man auch finden. Jn diesen stellet nun na so wohl, als nb eine Definition vor, wovon das Defi- nitum zuweilen in der Sprache schon durch ein Wort benennet ist, welches man aber, weil die Sprache nicht wissenschaftlich genug ist, nicht immer so leicht findet, (Semiot. §. 40. 346. seqq. ). §. 446. Hiedurch wird aber nur die Aufgabe aufgeloͤset, wie man, wenn zween Begriffe vorgegeben, auf vielerley Arten zween andere finden koͤnne, welche zu den zween vorgegebenen einerley Verhaͤltniß haben. Man findet auch in der That vielerley Paare der gesuchten Begriffe. Denn sind A, B Indiuidua, so kann man von ihren gemeinsa- men Merkmalen stufenweise weglassen, und andere dafuͤr setzen, und die Verhaͤltniß wird immer einer- ley bleiben, (§. 137. Axiom. 5.). Sind aber A, B abstracte Begriffe, so kann man ebenfalls von ihren gemeinsamen Merkmalen weglassen, und andere dafuͤr setzen, ohne die Verhaͤltniß zwischen beyden zu aͤndern. Oesters kann man denselben auch so, wie sie sind, noch Verhaͤltnisse. noch gemeinsame Bestimmungen zu setzen, und da- durch specialere Begriffe herausbringen, die zu A, B einerley Verhaͤltniß haben. Man sehe specialere Faͤlle hievon in der Dianoiologie (§. 499-524.). §. 447. So weit nun dieses angeht, hat die Aufgabe mit der Arithmetischen eine Aehnlichkeit, wie man zu zwoen vorgegebenen ganzen Zahlen A, B jede andere ganze Zahlen finden koͤnne, die zu denselben einerley Verhaͤltniß haben. Denn lassen sich A, B verklei- nern, so suchet man den groͤßten gemeinsamen Thei- ler m, und bringt dadurch a = A : m und b = B : m heraus, so daß a, b Numeri inter se primi sind. Sellet nun n jede beliebige ganze Zahl vor, so werden na, nb die gesuchten ganzen Zahlen, und A : B = na : nb seyn. Jst nun in vorgegebenen Faͤl- len C nicht eine von den Zahlen na, so wird auch D nicht eine ganze Zahl nb, sondern eine gebrochene Zahl seyn. §. 448. Man wird aus dem (§. 443.) leicht sehen, daß dieser Fall bey unserer metaphysischen Regel de tri ebenfalls vorkommen koͤnne. Die drey vorgegebenen Dinge seyn A, B, C, und das vierte D soll so be- schaffen seyn, daß A : B = C : D sey. Nun laͤßt sich immer, nach der daselbst gegebenen Vorschrift, A in map, und B in mbp aufloͤsen, und p ist vermoͤge der Voraussetzung in C enthalten. Da aber C = npa seyn soll, so muß auch a ganz und positiv in C ent- halten seyn. Findet sich dieses, so findet man auch n, weil npa zusammen C ausmachen. Und in diesem Falle wird man D = npb haben. Findet sich aber E 3 a nicht XIV. Hauptstuͤck. a nicht ganz in C, sondern nur etwann α, so daß αμ = a sey, und folglich μ in C gar nicht vorkomme, so sieht man leicht, daß n = ν:μ seyn muͤsse, so daß ν die eigenen positiven Merkmale des C andeute, μ aber solche, die es noch haben muͤßte, oder die da- mit noch verbunden werden muͤßten, wenn auch D aus lauter positiven Merkmalen bestehen sollte. So aber findet man D = γpb : μ und die Proportion A : B = C : (γpb : μ) Nun koͤmmt μ unter den Merkmalen ν, p, b nicht vor. Demnach kann es auch nicht wirklich davon abstrahirt werden. Will man daher fuͤr das vierte Glied durchaus positive Merkmale haben, so muß μ mit C verbunden werden, und so findet sich A : B = μC : νpb. Diese Proportion laͤßt sich aber auch in folgende A/μ : B = C : νpb verwandeln, und μ kann von A wirklich abstrahirt werden, weil A = map = μαmp ist. Dadurch aber wird das Verhaͤltniß vergroͤßert. Ungeachtet nun aber in dem Ausdrucke ( νpb : μ ) die Merkmale μ von den Merkmalen νpb nicht koͤnnen abstrahirt wer- den, so kann dieser Ausdruck dennoch von Gebrauche seyn, weil man in den Calculn, wo solche Proportio- nen vorkommen, allemal wiederum Ausdruͤcke findet, welche die Moͤglichkeit eines solchen Abstrahirens wie- der herstellen. §. 449. Wir haben vorhin (§. 436.) gesaget, daß wenn die Verhaͤltniß zwischen B und A durch A : B ausge- druͤcket, und A : B = m gesetzt wird, alsdenn auch A : m = B, Verhaͤltnisse. A : m = B, und A = mB gesetzet werden koͤnne. Denn m ist hier statt des Wortes, wodurch die Ver- haͤltniß ausgedruͤcket wird, und zeiget uͤberhaupt an, worinn B von A verschieden ist, folglich, welche Bestimmungen dem B muͤssen zugesetzet oder auch da- von weggenommen werden, damit es sich in A ver- wandele. Nun werden die Bestimmungen den Din- gen nicht bloß zusammensetzungsweise zugesetzet, son- dern damit gleichsam multipliciret, und zwar des- wegen, weil, wo es auf Grade ankoͤmmt, jede Be- stimmung, die man zusetzet, eine Dimension mehr giebt, und jede, die man weglaͤßt, eine Dimension wegnimmt. Demnach konnten wir, wie in der Al- geber, A = mB, und A : m = B setzen. Man setze z. E. nur, A bedeute eine Flaͤche, B eine Laͤnge, m eine Breite, so sind m, B die zwo Dimensionen von A. Und der Ausdruck 3m . 4B = 12A, will sa- gen, daß bey der Flaͤche zwoͤlf Einheiten heraus kom- men, wenn vier nach der Laͤnge, und drey nach der Breite gerechnet werden muͤssen. §. 450. Man habe nun A : B = m, und B : C = n, so wird A : C = mn seyn. Denn A = mB, und B = nC folglich A = mnC, und daher A : C = mn. Dem- nach, wie auch immer die Verhaͤltnisse m, n beschaf- fen seyn moͤgen, so machen sie mit einander verbun- den einen Verhaͤltnißbegriff mn aus. Denn weil B sowohl mit A als mit C in Verhaͤltniß steht, so steht auch A mit C in Verhaͤltniß. Setzet man demnach A : C = p, so ist p = mn. Und dieses muß sich aus der Verbindung der Verhaͤltnisse m und n unmittel- bar finden lassen. (Dianoiol. §. 480. 516.). E 4 §. 451. XIV. Hauptstuͤck. §. 451. Wir haben bisher vorausgesetzt, die Verhaͤltnisse A : B seyn einfach, und dieses fordert auch die Art der Zeichnung, wenn sie der algebraischen aͤhnlich bleiben soll. Die Bedingung, daß, was sowohl der Art als den Graden nach bestimmt ist, nicht noch einmal bestimmet werden koͤnne, zeiget, daß jede Bestimmung, die man noch hinzusetzet, von anderer Art, oder nach einer andern Dimension seyn muͤsse. Jede Bestimmung, wenn sie anders Grade haben kann, muß auch den Graden nach durchaus gleich- foͤrmig seyn. Man hat nach diesen Regein bereits in der Metaphysic zu verfahren gesuchet, um die Grade der Ordnung, Vollkommenheit ꝛc. zu schaͤtzen. Z. E. wenn man saget, die Vollkommenheit sey die Uebereinstimmung des Mannichfaltigen in einer oder mehrern Absichten, so hat man die Groͤße der Voll- kommenheit nach der Groͤße der Uebereinstimmung und der Mannichfaltigkeit, und nach der Anzahl und Erheblichkeit der Absichten geschaͤtzet, und aus diesen vier Bestimmungen eben so viele Dimensionen ge- macht. Jch fuͤhre dieses Beyspiel nur an, um zu zeigen, daß man dabey sich wirklich die Regel vor- gesetzet hat, die Dimensionen nach den einfachen Be- stimmungen zu schaͤtzen. Hingegen kann man aller- dings sagen, daß solche einfache Bestimmungen nicht immer genau getroffen worden, und die Faͤlle, wo es bisher gelungen ist, die Ausmes- sung vorzunehmen, haben immer auf eine an- dere Art zergliedert werden muͤssen, als es in der Metaphysic geschehen war. §. 452. Wir werden den Grund hievon im folgenden deut- licher anzeigen koͤnnen, und dermalen noch aus der Jdentitaͤt Verhaͤltnisse. Jdentitaͤt der Dimensionen und einfachen Bestimmun- gen, den Satz herleiten, daß in den algebraischen Gleichungen die Zeichen und Buchstaben nicht nur Groͤßen und deren Verhaͤltnisse, sondern zugleich auch Dinge und deren Bestimmungen und Verhaͤltnisse vorstellen. Denn einmal bleibt man mit der Anwendung der Algeber bey einer Sa- che, die der Ausmessung nach, einer oder mehrern Di- mensionen faͤhig ist, nothwendig zuruͤcke, wenn man die einfachen Bestimmungen noch nicht weiß, welche diese Dimensionen angeben. Weiß man aber diese Bestimmungen, so druͤcken die algebraischen Buch- staben nicht nur ihre Grade aus, sondern sie dienen auch, sie der Art nach von einander zu unterscheiden, und so wie die Gleichung nach den Regeln des Cal- culs veraͤndert wird, und die Buchstaben in dersel- ben anders mit einander verbunden werden, aͤndert sich auch die Verbindung der dadurch vorgestellten Bestimmungen. Es sind aus diesem Grunde die algebraischen Formeln, die man bey der Aufloͤsung einer Aufgabe herausbringt, einer Uebersetzung faͤ- hig, welche nicht etwann nur anzeiget, was man addiren, subtrahiren, multipliciren, dividiren ꝛc. muͤsse, sondern vornehmlich, was jede von diesen einfachen Operationen (§. 364.), oder mehrere zu- sammen genommen in der Sache selbst vorstellet. Auf diese Art kommen z. E. in den algebraischen For- meln, welche man bey mechanischen Aufgaben her- ausbringt, sehr oft solche Ausdruͤcke vor, welche eine Eigenschaft oder Modification des Mittelpunctes der Schwere vorstellen, und zugleich verursachen, daß nicht nur die Formel kuͤrzer vorgestellet, sondern et- wann auch kuͤrzer gefunden werden kann. Da fer- ner einerley und sehr zusammengesetzte Verhaͤltnisse E 5 in XIV. Hauptstuͤck. in mehrern Dingen vorkommen koͤnnen, so kann man von diesen das bekanntere zur Erklaͤrung und kuͤrzern Vorstellung der uͤbrigen gebrauchen. Das oben (§. 364.) uͤber den Ausdruck \sqrt {(aa - ab + bb)} an- gemerkte mag auch hier als Beyspiel dienen. §. 453. Man setze nun zwey Dinge A, B, die aus un- gleichartigen Theilen bestehen. A sey = a + α, und B = b + β, so daß die Verhaͤltnisse ( a : b ) und (α : β) wirklich einfach, aber nicht von gleicher Art seyn. Macht man nun a = mb, und α = nβ, so hat man A : B = (mb + nβ) : (b + β). Diese Ana- logie giebt nun allerdings an, wie man A durch B finden koͤnne. Denn B wird in die zween Theile b, β zerfaͤllt, und durch die Zusetzung der Bestimmungen m, n, erhaͤlt man A = mb + nβ. Da aber die symbolische Moͤglichkeit sich viel weiter als die wahre erstrecket (§. 288. 295.), so bindet man sich in der Sprache auch nicht genau an eine so sorg- faͤltige Zergliederung, sondern druͤcket die Ver- haͤltniß A : B durch ein einiges Wort M aus, und dieses geschieht fast nothwendig, wenn man die Vermischung der einfachen Verhaͤltnisse m, n und Theile b, β nicht unterscheiden kann, und noch leich- ter geschieht es, wenn nur m und b in die Augen faͤllt, oder der aͤußerliche Schein die Theile confun- dirt, so daß man sie, wie bey den weißen Lichtstralen, die Farbichten, daraus sie zusammengesetzt sind, ohne besondere Aufmerksamkeit und Kunstgriffe nicht un- terscheiden kann. §. 454. Soll nun in dem erst angefuͤhrten Falle, das Wort M , welches die Verhaͤltniß A : B vor- stellet, Verhaͤltnisse. stellet, definirt werden, so kommen dabey leicht einige Verwirrungen vor. Z. E. Man sieht et- wann, daß in der Definition die einfachen Verhaͤlt- nisse m, n vorkommen muͤssen, weil man sie uͤber- haupt in A : B bemerket. Sieht man aber die Un- gleichartigkeit der Theile b, β nicht ein, oder man bemerket nicht, daß m nur mit b, und n nur mit β verbunden werden muͤsse, so wird man leicht verlei- tet, M = mn zu setzen, und dadurch statt einer Di- mension zwo heraus zu bringen. Die Difinition muͤßte aber mb + nβ seyn, und kann daher ohne die besondere Vorzaͤhlung der ungleichartigen Theile b, β nicht richtig gemacht werden. Da man aber das Wort M allerdings als einen abgekuͤrzten Aus- druck gebrauchen kann, so laͤßt sich uͤberhaupt die Ver- haͤltniß A : B dadurch vorstellen. Es zeiget im Gan- zen die Summe der Veraͤnderungen an, die mit B muͤssen entweder in der That oder in Gedanken vor- genommen werden, wenn A heraus kommen soll, und mb + nβ ist die Sacherklaͤrung von M, weil da- durch die Entstehensart von A vollstaͤndig und theils- weise angezeiget wird. Man sieht auch leicht, daß man, dem Worte nach, A durch MB erklaͤren kann. Wollte man aber hieraus schließen, daß A desto groͤßer sey, je groͤßer M und je groͤßer B ist, so waͤre dieses gar nicht mathematisch, sondern in der That unrichtig. Und eben so unrichtig wuͤrde man die Groͤße von M nach der Groͤße von mn schaͤtzen, weil M nicht = mn ist. Hingegen ist die wahre Groͤße von A = mb + nβ, und zwar der Jntensitaͤt und der Ausdehnung nach zugleich. Der Ausdeh- nung nach wuͤrde A = a + b und folglich = B seyn. Hieraus kann sich nun die Groͤße von M ergeben, so fern man M = A : B auch der Groͤße nach schaͤtzet. Denn XIV. Hauptstuͤck. Denn so wird man M = (mb + nβ) : (b + β) finden. Es geht aber auch dieses nur an, so fern b und β der Ungleichartigkeit ungeachtet auf einerley Maaßstab gebracht werden kann. Denn wo dieses nicht ist, da ist der Ausdruck M schlechthin symbolisch. §. 455. Von solchen Ausdruͤcken kommen in der Sprache eine Menge vor, und es laͤßt sich auch aus der Ent- stehensart der Sprachen leicht begreifen, weil die er- sten Urheber der Sprache anfangen mußten, solche Ganze zu benennen, die vorgezeiget werden konnten. Auf diese Art wurden nicht einfache, sondern ganze Summen von Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten, und so auch ganze Summen von Veraͤnderungen mit einem Worte benennet. Und nachdem einmal die erste Anlage von solchen unmittelbaren Benennungen da war, so fieng man an, dieselbe metaphorisch und transcendent zu machen, ohne so genau bestimmen zu koͤnnen, wie weit sich das tertium comparationis er- strecket. Die Regel, a potiori fit denominatio, ist in der Sprache bald durchgaͤngig, weil auch die ab- geleiteten und zusammengesetzten Woͤrter die Sache mehrentheils nur von einer gewissen Seite betrachtet, benennen, (Semiot. §. 264.). Dazu koͤmmt noch, daß wenn mehrere einfachere Empfindungen zusam- menfließen, das Bild der ganzen Empfindung oͤfters ganz einfach scheint. Denn so scheint die weiße Farbe so einfach zu seyn, als jede andere, ungeachtet sie aus denselben zusammengesetzt ist. Dieses alles aber vergroͤßert die Schwierigkeit, in solchen vermischten Vorstellungen die einfachen Bestimmungen, und die Theile, worinn sie vorkommen, aus einander zu lesen. Bis dahin bleibt allemal die Moͤglichkeit der Aus- messung Verhaͤltnisse. messung zuruͤcke, und man kann daher richtig den Schluß machen, daß so schoͤn ein System von me- taphysischen Definitionen zu seyn scheint, noch nothwendig Vermischung und Verwirrung darinn seyn muͤsse, wenn die einfachen Bestim- mungen, und wie weit jede sich erstrecket, nicht so angegeben sind, daß die Ausmessung nach jeden Dimensionen und Theilen vorgenommen werden koͤnne. Denn bis dahin hat man anstatt mb + nβ nur noch M, oder mn, oder m + n ꝛc. (§. 454.). Es ist demnach in einem viel nachdruͤck- lichern Verstande wahr, wenn Wolf die mathema- tische Erkenntniß uͤber die historische und philosophi- sche hinaus setzet. Denn die Philosophische hat noth- wendig noch Verwirrung, wenn sie nicht jede Be- stimmungen, die ein Mathematiker, als Dimensio- nen zu gebrauchen hat, entwickelt, und ausfuͤhrlich aus einander setzet. Die philosophische Erkennt- niß wird demnach bey der mathematischen nicht nur vorausgesetzt, sondern diese dienet gleichsam zur Pruͤfung, wie fern jene richtig und vollstaͤndig ist, und in der Naturlehre dienet sie nicht selten, dem Philosophen anzu- zeigen, welche einfache Bestimmungen er auf- zusuchen habe, weil man diese, als Dimensio- nen betrachtet, leichter finden kann. Die Lehre von der Schwere der Koͤrper mag zum Beyspiele die- nen. Der Philosoph weiß kaum, was er zum Be- hufe ihrer Theorie zu suchen hat. Der Mathemati- ker hingegen vergleichet den im Fallen durchlaufenen Raum mit der Zeit und Geschwindigkeit, und findet die Verhaͤltnisse zwischen diesen drey Dimensionen einerley und in freyem Raume von der Groͤße und dem Gewichte der Koͤrper unabhaͤngig, und dadurch zeiget XIV. Hauptstuͤck. zeiget er dem Philosophen naͤher an, wie seine Theorie von der Ursache der Schwere aussehen soll, weil er ihm Saͤtze angiebt, die daraus folgen muͤssen, wenn sie richtig seyn soll. Die Keplerschen Gesetze von der Bewegung der Planeten sind auf eben die Art der Probierstein der Theorien gewesen, die man bisher ausgedacht hat, den Mechanismus dabey zu erklaͤren. §. 456. Die erst betrachtete Moͤglichkeit, Begriffe zu benennen, in welchen die Theile und ihre Bestimmungen vermengt sind, dehnt die darinn liegende Verwirrung ebenfalls auf die Saͤtze aus. Denn so wird man in dem vorhin (§. 453. seqq. ) angefuͤhrten Falle, aus A : B = M, leicht A = MB machen, und daher die beyden Saͤtze folgern: A ist B , und A ist M. Jn dem ersten dieser Saͤtze wird das Praͤdicat B, in dem andern aber das Praͤdicat M, gleichfoͤrmig auf das ganze Subject A ausgedehnt (§. 242.), da doch eigentlich nur a = mb, und α = nβ ist, und weder nβ von a, noch nb von α bejaht wer- den kann. Es gebraucht auch oͤfters ein feineres Ge- fuͤhl (Dianoiol. §. 620. seqq. ), um solche Dissonanzen genau zu empfinden, und von dem Richtigen und mit der Wahrheit Harmonirenden (Alethiol. §. 179. seqq. ) zu trennen. Denn wenn man solche Saͤtze in das Reine bringen will, so kann man sie nicht, so wie sie sind, beybehalten, sondern man muß mehrere ein- zelne daraus machen, und sie stuͤckweise vortragen, (§. 242. N°. 4.). §. 457. Es zieht aber die Bedingung, daß das Praͤdicat sich gleichfoͤrmig auf das ganze Subject ausbreiten muͤsse, Verhaͤltnisse. muͤsse, wenn anders der Satz genau, richtig und ohne Verwirrung seyn soll, verschiedene Erfordernisse sowohl des Subjectes als des Praͤdicates nach sich. 1°. Stellet das Subject ein zusammengesetztes Ding vor, so muͤssen jede seiner Theile, wenigstens in Ab- sicht auf das Praͤdicat, eine durchgaͤngige Gleichar- tigkeit haben, (§. 141. N°. 5.). 2°. Kann das Praͤdicat aus diesem Grunde nicht M oder = (mb + nβ) : (b + β) seyn, weil dieser Ausdruck schlechthin nur symbolisch ist, (§. 453.). 3°. Demnach ist das Praͤdicat ent- weder ein einfacher Bestimmungsbegriff m, oder aus solchen zusammengesetzet, deren jeder sich gleichfoͤrmig auf das ganze Subject ausbreitet. §. 458. Man kann hieraus ohne Muͤhe sehen, warum man in der Mathematic so sehr auf die Homo- geneitaͤt oder Gleichartigkeit sieht, und wo etwas Ungleichartiges vorkoͤmmt, dieses durch schickliche Verhaͤltnisse so gleich auf die Gleich- artigkeit zu reduciren sucht. Man sieht aber auch zugleich hieraus, daß nicht nur die mathemati- sche, sondern auch die logische und metaphy- sische Genauigkeit dieses Verfahren erfordert. Und in der That kann man keinen Grund angeben, warum ein Metaphysiker bey der Verwirrung soll stehen bleiben, die ein Mathematiker zu heben suchen muß, wenn er die so sehr geruͤhmte Genauigkeit und Schaͤrfe seiner Wissenschaft erreichen will. So z. E. wenn derselbe einen Satz von der Art: A ist M , vor sich hat (§. 456.), und er setzet sich vor, zu bestimmen, wie sich die Groͤße und Grade von A nach der Groͤße und den Graden von M richten: so ist seine erste Be- muͤhung, die Gleichartigkeit von A und M aufzusu- chen. XIV. Hauptstuͤck. chen. Bey genauerer Betrachtung findet es sich, daß nicht alles, was ihm der Begriff M vorstellet, durchaus in A vorkomme, sondern, daß man statt A die Theile b, β, und statt M, die Bestimmungen m, n nehmen, und A = mb + nβ = a + α setzen muͤsse. Bey allem diesem thut er nichts anders, als daß er nach der Regel verfaͤhrt, das Praͤdicat muͤsse sich gleichfoͤrmig uͤber das Subject ausbreiten (§. 242.), und wo dieses sich nicht findet, muͤsse die Sache genauer aus einander gelesen, und statt des Praͤdicats M, welches etwas Verwirrtes enthalte, die einfachen Bestimmungen und Theile mb + nβ genommen werden. §. 459. Breitet sich aber das Praͤdicat wirklich ganz uͤber das Subject aus, so ist es, wie wir erst angemerket haben (§. 457.), entweder an sich ein einfacher Be- stimmungsbegriff, welcher demnach nur eine Dimen- sion hat, oder es ist aus mehreren einfachen Bestim- mungsbegriffen, als aus eben so vielen Dimensio- nen, verbunden. Nach der Anzahl dieser ein- fachen Bestimmungsbegriffe wird uͤberhaupt die Groͤße des Praͤdicates geschaͤtzet, wenn sie nur extensive genommen wird. Denn die wahre Groͤße ist in jedem Falle das Product aus den Graden, die jede dieser einfachen Bestimmun- gen hat. Wir machen hier diese Anmerkung zum Behufe der Berechnung der Wahrscheinlichkeit, (Phaͤ- nomenol. §. 162. 191.). Man setze, das Praͤdicat D sey = NP, und N = mn, P = qpr, so daß mnpqr = D und wirklich einfache Bestimmungen seyn, so ist N = ⅖D, und P = ⅗D. Weiß man nun von dem Subjecte A nur noch, daß es N sey, ohne weder fuͤr noch Verhaͤltnisse. noch wider P etwas zu wissen, so wird man sagen koͤnnen, A sey ⅖ D. Und auf diese Art werden die von dem Praͤdicate herruͤhrende Grade der Wahr- scheinlichkeit berechnet, welche wir in angezogenem §. 191. der Phaͤnomenologie als bekannt vorausgesetzet haben. Man sieht zugleich hieraus, daß auch bey der Berechnung des Grades der Wahrscheinlichkeit die Bedingung von der Gleichartigkeit des Subjectes vorausgesetzet wird, wenn diese Berechnung genau und ohne Verwirrung seyn soll. Man wird dieses ebenfalls fuͤr den §. 162. und §. 167. der Phaͤnomeno- logie finden. Denn soll, um bey dem hier gegebenen Beyspiele zu bleiben, der Satz: A ist D , aus seinen Folgen bewiesen werden, so sieht man leicht, daß es genug ist, wenn man findet, daß A sowohl N als M sey, weil D = NM ist, und folglich N und M das Praͤdicat D ganz erschoͤpfen. §. 460. Die Gleichartigkeit eines zusammengesetzten Din- ges bezieht sich sowohl auf die einzelnen Theile, als auf die Art ihrer Zusammensetzung. Es muͤssen einer- ley Theile und auf einerley Art zusammengesetzte seyn. Demnach ist bey gleichartigen zusammengesetzten Din- gen, das gemeinsame Band (§. 220.), welches die- selben in Verbindung erhaͤlt, durchgaͤngig einerley. Jn der Natur koͤmmt eine solche absolute Gleichartig- keit selten oder gar nicht vor, und daher finden wir nach aller Schaͤrfe genommen, wenige Praͤdicate, die sich gleichfoͤrmig auf das ganze Subject ausbrei- ten, und diejenigen, die es etwann sind, sind es nur in einer gewissen Absicht, weil sie sich entweder mehr auf die Theile selbst, oder mehr auf ihre Zusammen- setzungsart beziehen. Z. E. die Theile sind solid, Lamb. Archit. II. B. F schwer, XIV. Hauptstuͤck. schwer, durch Kraͤfte verbunden ꝛc. Da aber die Sprache, nach ihrer natuͤrlichen Entstehensart, bey den empfindbaren Dingen anfaͤngt (§. 117-125. Semiot.), so ist es sich nicht zu verwundern, daß ihre meisten Woͤrter Begriffe vorstellen, die man vorerst ausein- ander lesen muß, wenn die Erkenntniß wissenschaftlich werden soll, (§. 455. und Dianoiol. §. 617.). §. 461. Man sieht aus dem bisher Gesagten, daß das Hauptwerk, bey der Art, unsere Erkenntniß, Saͤtze und Verhaͤltnisse, genau, richtig und wissenschaftlich zu machen, auf die einfachen Bestimmungen ankom- me, weil die Gleichartigkeit der Subjecte dadurch eroͤrtert wird, und weil man sie eben dadurch, wenn sie ungleichartig sind, in Theile zerfaͤllen, und der Ungleichartigkeit sowohl metaphysisch als mathema- tisch Rechnung tragen kann, und daß, wenn man es so weit bringt, selbst die Zeichnung sowohl fuͤr die philosophische als fuͤr die mathematische Erkenntniß der Sache einerley bleiben kann (§. 452. seqq. ), und letztere der erstern zum Leitfaden und Probe diene, (§. 455.). §. 462. Unter den Begriffen M = A : B kommen einige vor, die sehr allgemein sind. Dahin rechnen wir die Begriffe: Ursach, Wirkung, Mittel, Absicht, Grund, Art und Gattung. Dabey lassen sich nun nicht nur einzelne Proportionen, sondern ganze Rei- hen derselben, oder Progressionen und Series re- currentes (§. 433. 332.) gedenken. Denn so kann A die Ursache von B, B die Ursache von C, C die Ursache von D ꝛc. seyn. Wenn man demnach die Ursache, als Verhaͤltnisse. als einen Bestimmungsbegriff betrachtet, u, die Wir- kung w nennet, so hat man A = uB, B = uC, C = uD ꝛc. folglich A = uB = u^2C = u^3D = ꝛc. B = uC = u^2D ꝛc. C = uD ꝛc. und auf eine aͤhnliche Art D = wC = w^2B = w^3A ꝛc. Auf eine aͤhnliche Art kann man durch u den Begriff Mittel, durch w Absicht, oder durch u Grund, und durch w das Gegruͤndete verstehen, und man erlangt eben solche Progressionen. Eigentlich aber druͤckt hiebey u die Verhaͤltniß u : w, und w die Verhaͤltniß w : u aus, weil man sagen kann, daß sich A zu B, wie u zu w verhalte. Sodann ist auch hiebey alles wiederum einfach. Denn sonsten kann Ursach und Wirkung, Mittel und Absicht, Grund und das Gegruͤndete vielfach und zusammengesetzt seyn. Man wird auf eine aͤhnliche Art, wenn γ den Begriff einer Gattung vorstellet, durch Aγ , A\zeta2 , A\zeta^3 ꝛc. jede hoͤhere Gattung von A ausdruͤcken koͤn- nen, und dieses ist mehrentheils determinirt. Hin- gegen wenn man die niedrigern Arten von A auf diese Art zeichnen will, so kann man sie zwar durch A\gamma^-1 , A\gamma^-2, A\gamma^-3 ꝛc. ausdruͤcken, allein dadurch wird nicht diese oder jene der niedrigern Arten, sondern nur die Stufe derselben angezeiget, weil jede Gattung mehrere Arten unter sich hat. Haͤtten aber die Arten einer Gattung unter sich eine Rangordnung, so wuͤrde man jede Art in jeder Ableitungslinie ebenfalls an- zeigen koͤnnen, und die Zeichnung wuͤrde der Art, wie wir die Zahlen zeichnen, aͤhnlich seyn koͤnnen. Denn so waͤre z. E. 2, 1, A die zweyte Art der ersten Gat- tung, die unter A gehoͤret ꝛc. Es ist uͤberhaupt leicht moͤglich, aus dieser Vorstellungsart allgemeine und logische Regeln von den Verhaͤltnissen der Begriffe herzuleiten, dergleichen wir oben (§. 235.) vorgetra- gen haben. Uebrigens, da die Arten durch Zusetzun- F 2 gen XV. Hauptstuͤck. gen von Bestimmungen entstehen, so gilt auch davon, was wir bisher von diesen Bestimmungen gesagt ha- ben (§. 451. seqq. ), und dieses laͤßt sich mit dem oben schon (§. 197. 198.) Gesagten besser verbinden, weil beydes auf die genaue und wissenschaftliche Gestalt unserer Erkenntniß geht. Funfzehentes Hauptstuͤck. Der Zusammenhang. §. 463. W ir koͤnnen nun nach der allgemeinen Betrach- tung der Verhaͤltnisse das besonders vorneh- men, was bey den realen Verhaͤltnissen zum Grunde liegt, und da bieten sich die vorhin (§. 426.) ange- zeigten Begriffe, der Verbindung, des Einflusses und des Zusammenhanges nebst verschiedenen mit denselben verwandten Begriffen an. Die Verbin- dung bezieht sich mehr auf Dinge, die zugleich sind, der Einfluß aber auf Dinge, die der Zeit nach auf einander folgen, der Zusammenhang aber ohne Unterschied auf beydes, und nach jeden Dimensionen. Man hat daher das Allgemeine oder das Gemeinsame der beyden erstern dieser Begriffe in den letztern zusammengenommen, und der Theorie des Zusammenhanges gleich im Anfange der Grund- lehre und Metaphysik eine Stelle gegeben, so daß sie, weil der Satz des zureichenden Grundes dabey vor- kam, unmittelbar nach der Theorie des Moͤglichen und des Widerspruches folgte, (§. 75. 123.). Wir haben bereits (§. 426.) angemerket, daß man die Bedeu- Der Zusammenhang. Bedeutung dieser Woͤrter nicht so genau nimmt. Daher werden wir, wo Dauer und Ausdehnung zu unterscheiden ist, den Unterschied anzeigen. §. 464. Der Zusammenhang setzet uͤberhaupt Kraͤfte voraus, wodurch die Dinge verbunden sind, und einen Einfluß in einander haben. Wir koͤnnen daher nach den drey verschiedenen Arten der Kraͤfte auch den Zu- sammenhang in besondere Arten eintheilen. 1°. Der logische Zusammenhang koͤmmt in dem Reiche der Wahrheit vor, und die Merkmale und Beschaffenheit desselben haben wir in der Alethiologie, besonders in dem vierten Hauptstuͤcke, entwickelt und kenntlich ge- macht. Daß er sich auf die Kraͤfte des Verstandes gruͤnde, erhellet aus dem §. 297. 229. wo wir die Verhaͤltnisse der logischen und metaphysischen Wahr- heit angezeiget haben. 2°. Der moralische Zusam- menhang geht auf die Kraͤfte des Willens, auf wel- chen die Vorstellung des Guten einen Einfluß hat, und welcher sich zu Absichten und Mitteln und deren Gebrauch determinirt, besonders aber so fern dadurch das oben (§. 221. 424.) erwaͤhnte gemeinsame Band bey mehrern denkenden und wallenden Wesen gewirkt und bey Kraͤften erhalten wird. 3°. Der physische Zusammenhang ruͤhrt von den bewegenden Kraͤften her, so fern dadurch die Theile der Koͤrperwelt ver- bunden werden, und einen Einfluß in einander haben. §. 465. So weit nun in den Dingen Zusammenhang ist, gehoͤren sie in dieser Absicht zusammen, und machen ein Ganzes aus, welches nicht bloß als eine arithmetische Summe von mehrern Einheiten, F 3 sondern XV. Hauptstuͤck. sondern als eine Summe von Theilen angesehen wer- den muß, die wegen des durchgaͤngigen und gemein- samen Zusammenhanges nicht getrennet werden koͤn- nen, ohne daß sie theils selbst, theils in ihren Ver- haͤltnissen Veraͤnderungen litten. So weit demnach der Zusammenhang geht, muß man sie zusammen- nehmen, und folglich als ein Ganzes ansehen, wel- ches, so fern es nicht noch mit anderm in Zusammen- hange ist, so ferne als fuͤr sich bestehend angesehen werden kann. §. 466. Wir koͤnnen nun auch umgekehrt sagen, daß in jedem realen Ganzen, so fern wir diese naͤmlich von einer bloß arithmetischen Summe von Theilen oder Einheiten unterscheiden, ein solcher durch- gaͤngiger Zusammenhang sey. Denn eben da- durch wird ein Ganzes von Stuͤckwerken und von einem Cahos unterschieden. Was dabey der durch- gaͤngige Zusammenhang und das gemeinsame Band sagen will, wie fern dieses einiger Veraͤnderungen ungeachtet bleibe, wie es durch groͤßere Kraͤfte ge- trennet werde, und dadurch das Ganze aufhoͤre, ein Ganzes zu seyn ꝛc. haben wir oben (§. 220. 221.) be- trachtet, und auf brauchbare Saͤtze gebracht. §. 467. Eben so koͤnnen wir aus dem §. 350. anmerken, daß jedes Ding, so fern es soll koͤnnen existiren, und folglich fortdauern, und im Beharrungs- stande bleiben, eine Anordnung der Theile, ein gemeinsames Band und Zusammenhang erfor- dere, und daß dabey ein Maximum vorkommen muͤsse. Da auf diesen Bedingungen die meta- physische Der Zusammenhang. physische Wahrheit, Einheit und Guͤte beruht, die wir in angezogenem §. 350. deutlicher bestimmet haben, so koͤnnen wir auch diesen Zusammenhang, der bey einem Dinge nothwendig statt haben muß, wenn anders seine Existenz soll moͤglich seyn koͤnnen, einen metaphysischen Zusammenhang nennen. Dieser erstreckt sich demnach auf jedes, was, wenn es existirt, fuͤr sich bestehen kann. Da demnach die Moͤglichkeit, existiren zu koͤnnen, bey jedem Dinge, dafern es ein reales Ding heißen soll, schlechthin er- forderlich ist (§. 297.), so koͤmmt dieser metaphysische Zusammenhang und das gemeinsame Band ebenfalls schlechthin nothwendig dabey vor, und dieses scheint auch der Grund zu seyn, warum man in der Meta- physic, wo man das allen Dingen Gemeinsame vor- tragen wollte (§. 2. 3.), die Theorie dieses Zusam- menhangs gleich anfangs vornahm, und die Defini- tionen dazu einrichtete, (§. 42.). §. 468. Jn einem Ganzen, oder so weit in den Din- gen der Zusammenhang geht, gruͤndet sich eines auf das andere. Dieses will schlechthin nichts an- ders sagen, als daß eines das andere erfordere, vor- aussetze oder nach sich ziehe, (§. 211. seqq. 229.). Die- ses hat nun nothwendig statt, weil der Beharrungs- stand ein genaues Ebenmaaß zwischen den Kraͤften und den Theilen erfordert, (§. 350.). Wiefern nun das, was man in einem Dinge das Wesen oder die wesentlichen Stuͤcke nennet, der Anfang sey, worauf sich das uͤbrige gruͤndet, oder wovon es abhaͤngt, ha- ben wir bereits in angezogenem §. 229. angezeiget, wo wir zugleich auch anmerkten, wie das, was nach unserer Art, solche Ganze auszusinnen, willkuͤhrlich F 4 zu XV. Hauptstuͤck. zu seyn scheint, im Reiche der Wahrheit, wo alles, als bereits auseinander gelesen und in Ordnung ge- legt, betrachtet werden muß, aufhoͤret, willkuͤhrlich zu scheinen. §. 469. Man hat aus diesem, aber nicht genug entwickel- ten Grunde, in der Metaphysic mit der Theorie des Zusammenhanges auch die Theorie des Grundes und des Gegruͤndeten gleich nach der Theorie des Moͤgli- chen angefangen, und besonders den Satz des zurei- chenden Grundes dem Satze des Widerspruches an die Seite gesetzet, seit dem Leibnitz denselben auf- gebracht und gleichsam Mode gemacht hat. Den Satz selbst druͤckt man gemeiniglich so aus, daß alles seinen zureichenden Grund habe, oder daß nichts ohne zureichenden Grund sey. Wir ha- ben in der Alethiologie (§. 222. seqq. ) angemerket, daß das Wort Grund etwas Vieldeutiges habe, daß, wenn man, in Absicht auf die Kraͤfte des Ver- standes, Gruͤnde des Wahren dadurch versteht, die Gruͤnde a priori von den Gruͤnden a posteriori muͤssen unterschieden werden; daß was fuͤr sich als wahr erkennbar ist, keines Grundes beduͤrfe; daß, wenn nichts moͤgliches fuͤr sich als wahr erkennbar ist, alles Moͤgliche nothwendig einen Grund haben muͤsse; daß wir von allem, was wir nicht fuͤr sich als wahr erkennen, befugt sind, einen Grund zu fordern; daß nothwendig etwas fuͤr sich erkennbares zugegeben werden muͤsse, das keinen fernern Grund a priori habe; daß aber, wenn man den Unterschied der Gruͤn- de a priori und a posteriori weglaͤßt, man von allem Moͤglichen vorwaͤrts oder ruͤckwaͤrts Gruͤnde finden koͤnne ꝛc. §. 470. Der Zusammenhang. §. 470. Alles dieses geht nun auf die sogenannten Principia cognoscendi, und in so ferne konnten wir es in der Alethiologie aus einander setzen, weil die Art, wie das Wahre zusammenhaͤngt, in der Vernunftlehre schon von des Aristoteles Zeiten an, deutlich ent- wickelt ist. Das metaphysisch Wahre geht nun mit dem logisch Wahren durchaus zu gleichen Schritten, (§. 299. 302. 303.). Demnach werden die aus der Alethiologie hier angefuͤhrten Saͤtze in Ab- sicht auf das metaphysisch Wahre oder Principia es- sendi nicht verschieden seyn koͤnnen. Wir haben in dem Vorhergehenden Stoff dazu, daß wir diese Saͤtze hier nur aus der logischen Sprache in die metaphy- sische uͤbersetzen duͤrfen. Es sind folgende. §. 471. Wenn nichts Moͤgliches schlechthin durch sich existiren kann, so kann jedes Moͤgliche des- wegen existiren, weil ein anderes vorexistirt, in welchem es den Grund des Daseynkoͤnnens hat. Man setze, es habe keinen solchen Grund. Da es nun weder durch sich noch durch etwas anders exi- stiren kann, so kann es vollends gar nicht existiren. Demnach ist es schlechthin nicht moͤglich, (§. 297.). Da nun dieses der Voraussetzung zuwider, so muß das Moͤgliche, das nicht durch sich existiren kann, durch ein anderes existiren koͤnnen. §. 472. Unter den Dingen, die zugleich existiren, existirt wenigstens eines schlechthin durch sich selbst. Man setze keines, so wird A durch B, B durch C, C durch D ꝛc. existiren, das will sagen, sein F 5 Prin- XV. Hauptstuͤck. Principium essendi und existendi haben, welches noth- wendig a priori ist. Auf diese Art verfaͤllt man auf eine dem Raume nach ausgedehnte Reihe von Din- gen, so daß A ohne B, B ohne C, C ohne D ꝛc. nicht existiren kann. Soll nun dieses unendlich fortgehen, so koͤmmt dasjenige, ohne welches alles Glieder der Reihe nicht existiren koͤnnen, nirgends vor. Dem- nach existirt mit demselben die ganze Reihe nicht. Da nun dieses der Voraussetzung zuwider, so kann die Reihe a priori nicht unendlich seyn. Demnach muß das erste, ohne welches A, B, C, D ꝛc. oder die uͤbri- gen Glieder der Reihe nicht existiren koͤnnen, noth- wendig durch sich existiren. §. 473. Man traͤgt diesen Satz sonst gemeiniglich so vor, daß man die Dinge nicht zugleich, sondern der Zeit nach auf einander folgend betrachtet. Jch habe aber von der Zeit abstrahirt, um den Satz dem in der Alethiologie (§. 236. b. ) vorgetragenen durchaus aͤhn- lich zu machen, und daher nicht die Prioritatem tem- poris, sondern die Prioritatem rationis, wie sie auch bey den Wahrheiten vorkoͤmmt, zu gebrauchen. Man koͤmmt aber sowohl der Zeit als dem Raume nach im- mer auf einen Anfang, und dadurch wird der zurei- chende Grund sowohl in Absicht auf das Wahre, als in Absicht auf das Existirende, so eingeschraͤnkt, daß man irgend aufhoͤren muß, nach fernern Gruͤnden a priori zu fragen, und der Verstand muß sich bey dem, was durch sich selbst oder schlechthin fuͤr sich existirt, eben so wie bey dem beruhigen, was fuͤr sich gedenkbar ist, (Alethiol. §. 237.). Man kann uͤbri- gens den hier vorgetragenen Satz mit dem verglei- chen, was wir oben (§. 299.), in Absicht auf die Noth- Der Zusammenhang. Nothwendigkeit eines durch sich existirenden denken- den Wesens gesaget haben: so wird man finden, daß ein Wesen existire, ohne welches logische und meta- physische Wahrheit schlechthin nichts waͤre. §. 474. Wir merken nun ferner an, daß die Art, wie wir vorhin (§. 468.) herausgebracht haben, daß in einem Ganzen sich ein Theil auf den andern gruͤnden muͤsse, zugleich anzeiget, wie es sich darauf gruͤnde, weil naͤmlich eines das andere erfordert, voraussetzet, oder nach sich zieht, und weil dieses nothwendig ist, so bald die Sache ein Ganzes seyn, und mit der Moͤg- lichkeit zu existiren die Moͤglichkeit zu dauern und im Beharrungsstande zu seyn, haben soll. Nun hat das, was das uͤbrige erfordert und nach sich zieht, oder die wesentliche Stuͤcke, den Grund von dem uͤbrigen in sich, und dieses setzet jenes voraus. Demnach haben wir hier in Absicht auf die Prioritaͤt der Gruͤn- de allemal einen Anfang, und die Art, wie alles, was dabey willkuͤhrlich scheinen kann, wegfalle, ha- ben wir in dem §. 229. gewiesen. §. 475. Es ist ferner der Satz des zureichenden Grundes, auch wenn er uneingeschraͤnkt waͤre, von keinem gro- ßen und sichern Gebrauche, zumal wenn man aus dem Mangel des Grundes auf das Nicht - seyn oder Unmoͤglich - seyn der Sache schließen will, weil man dabey gar leicht verleitet wird, das Nicht - finden mit dem Nicht - daseyn des Grundes zu verwechseln. Wo aber wirklich kein Grund ist, da faͤllt allerdings das Gegruͤndete, als ein correlatum, weg. XV. Hauptstuͤck. weg. Man kann aber in diesen Faͤllen allemal eine andere Art zu schließen gebrauchen, welche sich schlechthin auf den Satz des Widerspruches bezieht. Um das Beyspiel zu gebrauchen, von welchem Leib- nitz seinen Satz des zureichenden Grundes abstrahirt hat, so schließt Archimedes, daß eine Wage inn- stehen muͤsse, wenn sie in beyden Wagschalen mit gleichen Gewichten beladen ist, und zwar, weil kein Grund da sey, warum das eine Gewicht uͤberwiegen sollte. Dieses will nun eigentlich so viel sagen, daß aus einerley Voͤrdersaͤtzen einerley Schlußsatz folge, und daß, wenn in dem einen Schlußsatze mehr seyn muͤßte, als in dem andern, nothwendig auch mehr in seinen Vordersaͤtzen seyn muͤßte. Denn die Kraft, die jedes Gewicht gebraucht, seine Wagschale her- unter, und dadurch die andere herauf zu druͤcken, eben diese Kraft gebraucht auch das andere Gewicht gegen das erste. Man gedenket demnach fuͤr jedes Gewicht und fuͤr jede Wagschale einerley, und was auch immer daraus kann gefolgert werden, kann fuͤr das eine weder mehr noch minder enthalten, als fuͤr das andere, weil sonst aus einerley Vordersaͤtzen A und nicht - A folgen wuͤrde. Da nun hier der Erfolg dieser ist, daß jedes Gewicht durch seinen Druck den Druck des andern destruirt, oder zu allem andern unwirksam machet, weil eine Kraft nicht doppelt angewandt werden kann, so erfolget kei- ne Bewegung, und die Wage steht inne. Archime- des verstund allem Ansehen nach so viel durch sei- nen Grund, daß wenn die eine Wagschale herunter gedruckt werden sollte, noch ein Gewicht darinn seyn muͤßte. Da aber kein solches darinn ist, so erfolge auch die Wirkung nicht, die es haben wuͤrde. §. 476. Der Zusammenhang. §. 476. Man kann diese Art zu schließen uͤberhaupt so vor- stellen. Der Satz: A ist nicht B , sey wahr, weil in der That kein Grund da ist, warum es B seyn sollte. Nun sage ich, man koͤnne in diesen Faͤllen immer etwas in A finden, aus dem sich schließen laͤßt, daß A nicht B sey, oder auch nicht B seyn koͤnne. Ersteres geht an, wenn man findet, daß A, um B zu seyn, C seyn muͤßte, und man weiß, daß es nicht C ist. Das andere, wenn man in A etwas findet, welches das B ausschleußt, oder mit B nicht zugleich in A seyn kann. Jn diesem Falle findet man, daß A Nicht - B sey, und dieses kann immer ge- funden werden, so oft A ein Indiuiduum ist, (§. 261. N°. 6. §. 262. N°. 1.). §. 477. Hinwiederum sey der Satz: A ist B , wahr, weil in der That kein Grund da ist, warum A nicht sollte B seyn: so werden wir leicht finden, daß, wenn hier vom wirklichen oder positiven Seyn die Rede ist, A ein Indiuiduum seyn muͤsse. Denn ein Indiuiduum, welches nicht Nicht - B ist, ist eben dadurch an sich schon B, (§. 261. N°. 5.). Wenn aber vom Seyn koͤnnen die Rede ist, so mag A ein allgemeiner Be- griff seyn, denn so laͤßt sich demselben die Bestim- mung B zusetzen, so bald in A nichts vorkoͤmmt, wel- ches Nicht - B ist, das will sagen, dem B wider- spricht, oder mit B nicht zugleich in A seyn kann. §. 478. Man sieht nun leicht, daß in diesen beyden Faͤllen die Redensart, daß kein Grund da sey, war- um ꝛc. eigentlich nur als ein abgekuͤrzter Ausdruck ange- XV. Hauptstuͤck. angesehen werden koͤnne, daß aber, was man da- durch versteht, immer muͤsse bewiesen werden, und daß der Unterschied, den wir oben (§. 254-267.) zwischen Indiuiduis und allgemeinen Begriffen ge- macht haben, sich hier nothwendig aͤußere und vor- komme. Denn ist A ein Indiuiduum, so ist es durch- aus bestimmet, und es lassen sich demselben keine Bestimmungen mehr zusetzen, dafern nicht einige von denen, die es hat, weggenommen werden, (§. 259.). Wenn es demnach nicht B ist, so hat es nothwendig sol- che Bestimmungen, die mit B nicht zugleich seyn koͤn- nen, und die demnach Nicht - B sind. Jn diesem Falle kann man demnach nicht nur sagen, es ist kein Grund da, warum A sollte B seyn, sondern viel po- sitiver, es sind Gruͤnde da, warum es nicht B ist, und so lange es unveraͤndert bleiben soll, nicht B seyn kann. Jm andern Falle, wenn ein Indiuiduum wirklich B ist, koͤmmt die Redensart, es ist kein Grund da, warum es nicht sollte B seyn, nur als- dann vor, wenn man nicht weiß, daß es B sey. Denn da muß man seine uͤbrigen Merkmale saͤmmt- lich vor sich haben, und B mit jedem derselben und mit allen zusammen genommen vergleichen. Kann man diese Abzaͤhlung und Vergleichung vollstaͤndig machen, so wird man nicht nur finden, daß B den uͤbrigen Bestimmungen nicht widerspricht, und folg- lich in der That kein Grund da sey, warum es nicht in dem Indiuiduo seyn sollte, weil ein Indiuiduum alle Bestimmungen hat, die es zugleich haben kann: sondern man kann hiebey viel kuͤrzer gehen, weil in dem Indiuiduo, wegen des durchgaͤngigen Zusam- menhanges und gemeinsamen Bandes, die Bestim- mung B nothwendig von den uͤbrigen Bestimmungen erfordert, vorausgesetzt oder nach sich gezogen wird, (§. 468.). Der Zusammenhang. (§. 468.). Es sind demnach auch in diesem Falle Gruͤnde da, warum A, B ist. Jst hingegen A ein allgemeiner Begriff, so leidet derselbe Bestimmungen, die er noch nicht hat, und hier ist demnach nicht vom Seyn und Nicht seyn, sondern vom Seyn koͤn- nen und Nicht seyn koͤnnen die Rede, wenn man von Gruͤnden reden will. A kann nicht B seyn, will in diesem Falle sagen, A hat bereits solche Merk- male, die Nicht - B sind, oder die B schlechthin ausschließen. Hinwiederum: A kann B seyn, will sagen: Unter den Merkmalen, welche A bereits hat, findet sich keines, welches Nicht - B waͤre, oder mit B nicht zugleich in A seyn koͤnnte. Demnach laͤßt sich die Bestimmung B noch zusetzen, und so wird der Begriff A specialer. Dieses will nun uͤberhaupt so viel sagen: Was mit einander verbunden werden kann, laͤßt sich mit einander verbinden, und daran hat noch niemand gezweifelt. Man sieht demnach hieraus, daß, wenn man finden will, ob wirklich kein Grund da sey, welcher B ausschließe, die Sa- che darauf ankomme, daß man die Merkmale des A, die es bereits hat, abzaͤhle, und sodann sehe, ob eines oder mehrere weggenommen werden muͤßten, wenn man dem A die Bestimmung B noch zusetzet. Findet sich dieses nicht, so kann B zugesetzet werden. §. 479. Eben dieses geht auch an, wenn man mehrere Merkmale und Bestimmungen willkuͤhrlich zusam- men nimmt, um zusammengesetzte zu bilden. Da wir dieses bereits oben (§. 229.) umstaͤndlich ausge- fuͤhret haben, so halten wir uns hier damit nicht auf. Jndessen koͤnnen wir noch anmerken, daß die in vor- hergehendem Hauptstuͤcke vorgetragene Lehren von den Propor- XV. Hauptstuͤck. Proportionen Anleitung zu solchen Zusammensetzun- gen geben koͤnne. Denn so hatten wir (§. 443.) A : B = C : D mpa : mpb = npa : npb. Weiß man hier, daß die drey ersten Glieder mpa, mpb, npa moͤgliche Begriffe sind, so sieht man, daß in dem zweyten p mit b, in dem dritten p mit n ver- bunden ist, und man kann daraus folgern, daß die Verbindung der drey Bestimmungen npb, die wir hier einfach und positiv setzen, im vierten Gliede ebenfalls angehe. §. 480. Die Gruͤnde des Wahren beziehen sich auf die Kraͤfte des Verstandes, die Gruͤnde des Seyns und der Veraͤnderung auf die Kraͤfte, wodurch die Din- ge zur Existenz gebracht, existirend erhalten, und veraͤndert werden. Wir haben daher noch die mo- ralischen Gruͤnde, welche sich auf den Willen be- ziehen, und besonders Beweggruͤnde genennet wer- den, zu betrachten. Diese machen ebenfalls eine besondere Classe aus, und bestehen in dem Guten, dessen verschiedene Arten wir oben (§. 110.) angezei- get haben. Die Mittel und Absichten, die sich hiebey gedenken lassen, haben nun ebenfalls eine ge- wisse Ordnung unter sich, weil jede Absicht als ein Mittel, eine entferntere zu erhalten, angesehen wer- den kann. Man kann hiebey leicht eine gedoppelte und einander ganz entgegengesetzte Ordnung gedenken. Denn in Ansehung des Vorsatzes gehen die Absichten den Mitteln vor, hingegen gehen diese vor, wenn sie zur Erreichung der Absicht angewandt werden sollen. Dieses Vorgehen bezieht sich sowohl auf die Mittel und Der Zusammenhang. und Absichten, die zugleich sind, als auf die, welche der Zeit nach auf einander folgen, (§. 345. seqq. 355. 363. 366.). §. 481. Ueberhaupt stehen die Kraͤfte zu denken, zu wir- ken und zu wollen in genauer Verbindung, und eben daher sind auch die dabey vorkommenden drey Arten der Gruͤnde mit einander verflochten. Die Vorstel- lung des Guten treibt den Willen an, und dessen Wirkung aͤußert sich durch die Anwendung der Kraͤfte, das vorgestellte Gute zu erhalten. Verstand und Willen tragen dazu bey, die Ursachen zu Mitteln, und die Wirkungen zu Absichten zu machen, und da- durch das, was sonst schlechthin nur physisch und me- taphysisch waͤre, ins Moralische zu verwandeln. Hier biethet sich nun vielerley zu eroͤrtern an, welches wir aus einander setzen wollen. §. 482. Einmal, so fern Mittel Ursachen sind, enthalten sie den Grund zum Daseyn dessen, was die Absicht ist, wenn sie angewandt werden. Daher giebt es, wie bey den Gruͤnden des Wahren und des Daseyns, bey den Mitteln ein Erstes, oder ein Anfang, so viel man auch der Zeit und der Ausdehnung nach zusam- mengeordnete gedenken will. Setzet man nun, daß Mittel, das will sagen, Dinge und Kraͤfte so zu- sammen geordnet werden, daß immer eines aus dem andern folget, so entsteht eine Reihe von Mitteln und Absichten, die ins Unendliche fortgehen kann, und da giebt es kein wirklich existirendes Letztes. Jn- dessen, da die Reihe nach Gesetzen fortgeht, und jedes Glied durch die vorhergehenden bestimmet ist, so ist Lamb. Archit. II. B. G es XV. Hauptstuͤck. es an sich moͤglich die Beschaffenheit, und die Guͤte eines jeden Gliedes, und die Summe von jeder be- liebigen Anzahl zu bestimmen. Hierinn giebt uns nun die Algeber Beyspiele, welche zeigen, daß un- geachtet in unendlichen Reihen kein letztes Glied ist, dennoch dasjenige, welches das letzte seyn muͤßte, gefunden, und zugleich die Summe der Reihe, auch wenn sie unendlich groß ist, mit andern verglichen werden kann, die von gleicher Dimension sind. Hie- bey kann man sich nun die letzte Absicht nicht anders, als auf eine bloß ideale, oder nur auf eine symboli- sche Art vorstellen, und man sieht leicht, daß, wenn derselben allein zu Gefallen, die ganze Reihe ange- ordnet waͤre, so daß jedes Glied nur als Mittel, nicht aber fuͤr sich schon als eine Absicht angesehen werden muͤßte, die ganze Reihe fruchtlos seyn wuͤrde, weil das letzte Glied niemals existiren kann. Jst aber hingegen jedes Glied an sich schon eine Absicht, und zugleich ein Mittel die folgenden Glieder zur Wirk- lichkeit zu bringen, so ist hier von einer letzten Ab- sicht nicht die Rede, sondern es koͤmmt auf die Sum- me aller einzeln Absichten an, und diese besteht in der Summe des Guten, das in jedem Gliede der Reihe ist. Diese kann nun vermittelst der Gesetze, nach welchen jedes Glied durch die vorhergehenden bestimmet wird, auch bey Voraussetzung der Unend- lichkeit der Reihe und der Summe gefunden, und mit jeden andern Arten von Reihen verglichen werden. §. 483. Es wird nun nicht schwer seyn, dieses auf die wirkliche Welt anzuwenden, wenn wir dieselbe als eine fortdauernde Wirkung aller goͤttlichen Vollkom- menheiten zusammen genommen betrachten. Der Welt- Der Zusammenhang. Weltbau, als ein Ganzes betrachtet, muß an sich schon, wenn er soll existiren und im Beharrungs- stande bleiben koͤnnen, in seiner innern metaphysi- schen Guͤte, Ordnung, Zusammenhang und Voll- kommenheit ein Maximum haben, (350. 358. 368. 427.). Und eben so wird er auch dem goͤttlichen Willen, der auf das Beste geht, gemaͤß angenom- men. Die Guͤte und Vollkommenheit in dem Ein- fachen ist die Realitaͤt, und diese ist zugleich die erste Anlage zu jeden Vollkommenheiten im Zusammen- gesetzten, (§. 358.). So weit nun in dem Weltbaue die goͤttlichen Vollkommenheiten thaͤtig wirken, ist die Wirkung Realitaͤt und Vollkommenheit. Dem- nach ist das metaphysische Uebel, welches bey endli- chen Dingen schlechthin in dem Mangel fernerer Rea- litaͤt und Vollkommenheit besteht, nur da, wo die goͤttlichen Vollkommenheiten nicht wirken, und sie wirken da nicht, weil die Summe ihrer Wirkungen jedesmal complet, und allem Ansehen nach, wegen der Unveraͤnderlichkeit Gottes, bestaͤndig gleich ist. Dieses ist auf die Frage zu antworten, warum in jeden endlichen Dingen Unvollkommenheiten oder ein Mangel mehrerer Vollkommenheiten zuruͤcke bleibt und nicht gehoben wird. Jn die Berechnung der Summe dieser Wirkungen, und ob sie jedesmal rich- tig angebracht ist, wird sich wohl kein Sterblicher einlassen. Man kann aber uͤberhaupt einsehen, daß die Erforderniß des Beharrungsstandes in den Thei- len und im Ganzen, Maxima erfordert, daß diese Summe fuͤr jedes Moment eine Absicht, und die Summe jeder Momente zugleich die Summe jeder dieser Absichten sey, und daß sie, ungeachtet sie niemal complet wird, sondern immer anwaͤchst, dessen unerachtet mit aͤhnlichen Summen von je- G 2 den XV. Hauptstuͤck. den moͤglichen Welten verglichen werden koͤnne ꝛc. (§. 482.). §. 484. Das Gute hat irgend einen Anfang, das will sagen, es giebt etwas, welches schlechthin fuͤr sich zu begehren ist. Hierinn ist naͤmlich das Gute dem Wahren aͤhnlich, als welches ebenfalls bey dem fuͤr sich gedenkbaren anfaͤngt, (§. 409.). Bey- des wird auch auf eine aͤhnliche Art erwiesen. Denn wenn A wegen B, B wegen C, C wegen D ꝛc. zu be- gehren waͤre, und dieses unendlich fortgehen sollte, so kaͤme das, was man eigentlich zu begehren haͤtte, nirgends vor. Demnach muß irgend etwas fuͤr sich zu begehren seyn. Und dieses ist nun genau betrach- tet die Realitaͤt, als die innere Guͤte des Einfachen, und die erste Anlage jeder zusammengesetzten realen Ordnung und Vollkommenheit (§. 358.), auf welche der Wille, wenn er von dem Verstande geleitet wird, eigentlich geht, (§. 110.). Bey uns finden sich, wie wir in erst angefuͤhrtem §. 110. angemerket haben, noch zween andere Triebe, und diese sind in Absicht auf die Empfindungen das Angenehme und Schoͤne, in Absicht auf die Kraͤfte uͤberhaupt aber das Leichte oder minder Muͤhsame. Doch sind diese Triebe allem Ansehen nach nur auf eine scheinbare Art von dem erstern verschieden. Jn dem Angeneh- men und Schoͤnen muß selbst Realitaͤt und Dauer seyn, wenn der sinnliche Schein nicht taͤuschen soll, und das wahre Schoͤne ist an sich schon nur der sinnliche Abdruck der Vollkommenheit, die dabey zum Grunde liegen muß. Das Leichte oder das weniger Muͤhsame geht auf die Ersparung der Kraͤfte und des Soliden, und dieses beydes ist es eigentlich, was die Realitaͤt ausmachet, (§. 358.). Jn Der Zusammenhang. Jn dieser Absicht betrachtet, haben wir demnach das Muͤde werden, und die damit verbundene widri- ge Empfindung, als eine Anzeige anzusehen, wo- durch wir gleichsam erinnert werden, zwischen der Realitaͤt, welche wir durch die Anwendung der Kraͤfte zu erhalten suchen, und derjenigen, die wir durch diese Anwendung verlieren, ein solches Ebenmaaß zu beobachten, daß ein Maximum heraus komme, und nur bey diesem hat der Beharrungsstand statt. Unsere Kraͤfte sind ohnehin dazu eingerichtet, daß sie um staͤrker zu werden und sich in Fertigkeiten zu verwandeln, geuͤbet werden muͤssen, und daß sie folglich sowohl bey zu wenigem, als bey zu vielem Gebrauche geringer sind, folglich auch in dieser Absicht ein Maximum dabey vorkoͤmmt. (§. 110. Alethiol. §. 108. 109. Phaͤnome- nolog. §. 131.). §. 485. Aus dem, daß das Gute einen Anfang hat, fol- nun, daß man in Absicht auf die Beweggruͤnde, eben so, wie in Absicht auf die beyden andern Arten von Gruͤnden, keine Reihe gedenken koͤnne, da des Fra- gens nach Gruͤnden kein Ende waͤre. Die Beurthei- lung, ob in vorkommenden Faͤllen kein Beweggrund da sey, der den Willen lenke, und die Vorsichtigkeit, das bloße Nicht finden mit dem Nicht da seyn nicht zu verwechseln (§. 475.), koͤmmt hier ebenfalls vor, und zwar um desto mehr, weil das Gute, nicht wie das Wahre und die Existenz, eine ab- solute Einheit ist, sondern von 0 bis ins Unendliche fortgehen kann, weil der Wille auf das bessere geht, und weil bey uns die dunkeln Empfindungen und Triebe eben so, und oͤfters noch staͤrker, als die G 3 deut- XV. Hauptstuͤck. deutlichen auf den Willen wirken. Der Beweis, ob ein Beweggrund da sey, etwas zu begehren, koͤmmt demnach nicht bloß darauf an, daß man zei- ge, daß es Gut sey, sondern man muß auch sehen, ob nicht statt dessen ein anderes, das besser ist, ge- waͤhlet werden koͤnne. Sodann koͤmmt es wegen der Schranken unserer Kraͤfte hiebey nicht immer auf das Begehren und Waͤhlen, sondern auch auf die Moͤg- lichkeit des Erreichens an, die man, um nicht, nach der in solchen Faͤllen uͤblichen Redensart, Schloͤsser in die Luft zu bauen, allerdings mit in die Rechnung ziehen muß. Diese Moͤglichkeit vorausgesetzt, so koͤmmt es auf das Uebergewicht der Beweggruͤnde an, wo man sich mehrere Gute von verschiedenem Grade vorstellet. Die Zeit und Kraͤfte und uͤber- haupt das Gute so man auf die Erreichung eines andern Guten verwenden muß, und anderes, das man dabey versaͤumet, alles dieses mit der ganzen Summe des Guten so man hat, und zu erreichen gedenket, und oͤfters selbst auch mit der Lebenszeit verglichen, machet die Rechnung, die hiebey vorzu- nehmen waͤre, weitlaͤuftig und um desto schwerer, weil die Agathometrie noch fast ganz aus unserer Er- kenntniß zuruͤck bleibt, und weil uͤberdieß die Unge- wißheit des Zukuͤnftigen sich noch mit einmenget, und statt genau erweisbarer Saͤtze nur wahrscheinliche giebt. Oefters auch, wo die Beweggruͤnde fuͤr und wider einen Entschluß des Willens, gleich stark sind, erfolget der Entschluß gar nicht, oder, wenn er den- noch erfolgen soll, so muß man auf Gerathewohl hin waͤhlen, und den Erfolg erwarten. Aus eben die- sem Grunde ist die Art, wie ein Richter das Wahre zu suchen hat, von der Art, wie ein Weltweiser das- selbe suchen soll, merklich verschieden. Dieser kann sein Der Zusammenhang. sein Urtheil aufschieben, bis er es nach den streng- sten Regeln findet. Jener hingegen muß kuͤrzer ver- fahren, damit die Rechtsstreitigkeiten zu Ende kom- men, und jeder wisse, was er habe. Daher glaubet er den Zeugen, wenn die Gegenpart nichts erhebli- ches wider deren Aechtheit einzuwenden hat, und laͤßt, was etwann dabey zuruͤcke bleibt, durch den Eid ergaͤnzen. So kurz kann ein Weltweiser nicht verfahren. §. 486. Wenn die Mittel, die man, um ein Gutes zu er- reichen, waͤhlet und anwendet, ganz unterlassen wuͤr- den, wenn diese Absicht wegfiele, so sind es auch schlechthin nur Mittel, und die ganze Anordnung derselben, so schicklich sie an sich auch seyn mag, bringt nur eine einfache Vollkommenheit in dieses System. Diese wird demnach allerdings zusammen- gesetzt, wenn die Mittel selbst auch Absichten sind, so daß, wenn man damit auch nicht ganz ausreichen kann, sie dennoch fuͤr sich schon ein Gegenstand des Willens seyn konnte, und eben so auch, wenn diese Mittel zugleich zu Erreichung mehrerer Absichten dienen, die man sodann gleichfalls wiederum als Mittel gebrauchen kann. Da wir dieses oben schon bey der Lehre von der Ordnung und Vollkommenheit betrachtet haben (§. 346. 363. 365. 366. 371.), so hal- ten wir uns hier nicht laͤnger damit auf. §. 487. Die bisher (§. 469. seqq. ) angebrachte Unterschei- dung und Eintheilung der Gruͤnde in Gruͤnde des Wissens, des Wollens und des Koͤnnens er- schoͤpfet die Vieldeutigkeit des Wortes noch nicht, G 4 weil XV. Hauptstuͤck. weil diese drey Arten von Gruͤnden immer beysam- men seyn koͤnnen, und eben dadurch leicht mit ein- ander verwechselt und vermenget werden. Die Gruͤnde des Wollens und des Koͤnnens koͤnnen an sich als Gegenstaͤnde des Verstandes angesehen wer- den, und in so ferne verwandeln sie sich in Gruͤnde des Wissens. Jch sage: sie verwandeln sich, weil wir statt der Objecte die Begriffe, und statt der Wirksamkeit, die in den Gruͤnden selbst ist, die Saͤ- tze nehmen, die sie uns anbiethen. Hinwiederum koͤnnen die Gruͤnde des Wissens sich in Gruͤnde des Wollens und Koͤnnens verwandeln, ungefaͤhr so, wie uͤberhaupt aus der Theorie die Praxis hergeleitet wer- den kann. Die Verwandlung geht auch hiebey so vor, daß wir uns von den Begriffen zu den Objecten wenden. Diese Verwandlungen und die dabey leicht entstehenden Vermengungen der drey Arten von Gruͤn- den sind nun um desto haͤufiger moͤglich, weil die dreyer- ley Kraͤfte, worauf sich diese Gruͤnde beziehen, an sich und uͤberhaupt betrachtet, von gleichem Umfange sind, (§. 243. 297. 303. 304. 358. 484.). Wir stellen uns daher zuweilen die ganze Sache, zuweilen den Theil der Sache, in welcher der Grund ist, als den Grund vor, es mag nun daraus erhellen, daß das darauf gegruͤndete sey, oder warum es sey, oder wie es darauf gegruͤndet sey, davon herruͤhre, da- durch veranlasset oder verursachet, oder gewirket oder auch gehindert, entkraͤftet, ꝛc. werde. Da wir uͤbri- gens, so oft wir nach Gruͤnden fragen, wenn es theoretisch geschieht, nach der Erkenntniß der Gruͤn- de fragen, so laͤßt sich der Grund in dieser Absicht immer in Form eines oder mehrerer Saͤtze angeben, welche den Grund, oder wenn mehrere sind, die Gruͤnde anzeigen, und von dem Beweise, den man daruͤber Der Zusammenhang. daruͤber geben kann, unterschieden werden muͤssen. Denn die Saͤtze geben den objectiven Grund in An- sehung der erst angefuͤhrten Fragen an. Der Be- weis aber geht darauf, daß es wirklich der Grund sey. Daher sind die Gruͤnde, die in dem Beweise vorkommen, immer Gruͤnde des Wissens, so wie es auch das bekannte: Stat pro ratione voluntas, zu verstehen giebt. Dahingegen der Grund, den der zu beweisende Satz anzeiget, sowohl ein Grund des Wissens als des Wollens und des Koͤnnens seyn kann. Jn der wirklichen Ausuͤbung hingegen fragen wir nicht nach Gruͤnden, sondern wir fragen den Dingen nach, von welchen wir wissen, daß sie die Gruͤnde enthalten, damit wir sie gebrauchen und anwenden koͤnnen. Man sollte auch hieraus schließen, daß das Wort Grund, wenn es nicht nach seiner urspruͤnglichen Bedeutung, wie z. E. in den Ausdruͤcken der Grund des Meeres, Grund und Bo- den ꝛc. sondern abstract genommen wird, immer theo- retisch vorkoͤmmt, und so wie das Wort ratio, raison, wenn es so viel als Grund bedeutet, auf die Er- kenntniß geht. §. 488. Wir wollen nun das vorhin (§. 475.) aus dem Archimedes angefuͤhrte Beyspiel mit dem erstge- sagten vergleichen. Wenn beyde Wagschalen mit gleichen Gewichten beladen sind, so steht die Wage inne. Fragt man nun warum? so antwortet Archi- medes, es sey kein Grund da, warum die eine Wag- schale mehr als die andere niedergedruͤckt werden soll. Hiebey ist nun gar kein Zweifel, daß kein Grund des Koͤnnens da ist, denn sonst muͤßten die Gewich- ter ungleich seyn, welches der Voraussetzung zuwider G 5 ist, XV. Hauptstuͤck. ist, oder gleiche Gewichter muͤßten ungleich seyn, wel- ches an sich ungereimt ist. Demnach folgert Archi- medes mit Rechte, daß keine Bewegung erfolge, weil keine erfolgen kann. Daß auch kein Grund des Wissens da sey, haben wir oben (§. 475.) der- gestalt gezeiget, daß einerley Vordersaͤtze einerley Schlußsatz geben, und so wurde die Frage auf eine schlechthin logische reducirt. §. 489. Nach den erst angefuͤhrten Vieldeutigkeiten haben wir noch eine andere, welche in der Vermengung der Woͤrter Grund, Quelle, Ursache, Anfang, Ur- sprung, Principium, primordium, Caput rei ꝛc. be- stehen. Diese Woͤrter koͤnnen in der That zuweilen fuͤr einander genommen werden, wo man naͤmlich die Sache nur uͤberhaupt anzeiget, wo sie Praͤdicate sind (§. 267.), und wo der Zusammenhang der Rede die Bedeutung vollends bestimmet, (Alethiol. §. 156. Semiot. §. 349. seqq. ). So z. E. will Principium contradictionis so viel als der Grund oder der Grund- satz des Widerspruches sagen. Jn dem Horazischen Verse Scribendi recte sapere est et principium et fons kann durch Principium et fons, der Anfang und die Quelle, die Grundlage, die erste Anlage ꝛc. verstan- den werden. Um aber diese Verwirrung zu entwickeln, merken wir an, daß diese Woͤrter hier saͤmmtlich in diejenige Classe gehoͤren, die wir in dem §. 338. 343. u. f. der Semiotic betrachtet haben. Sie sind von der Koͤrperwelt hergenommen und metaphorisch gemacht. Demnach wird ihre Bedeutung der Natur der Sache und der Sprache am gemaͤßesten bestimmet, wenn man Der Zusammenhang. man das tertium comparationis zum Grunde legt, (§. 343. Semiot.). Der Anfang hat etwas Abso- lutes, er kann aber auch relativ genommen werden. Die Quelle ist der Anfang des Flusses, aber nicht des Wassers, welches aus derselben fleußt, und sich in dem Flusse sammelt. Die Quelle ist eben so der Ursprung des Flusses, und so bedeutet das Ablei- tungstheilchen Ur immer etwas erstes, wie das Prim in primordium, principium ꝛc. Die Ursache wird daher als die erste, oder relativ, als die der Sache vorgehende Sache genommen, welche nicht nach einer bloß localen, sondern nach einer gesetzlichen Ord- nung auf dieselbe folget (§. 327.), z. E. von derselben entspringt, herruͤhrt, hervorgebracht, gewirket, ver- aͤndert wird ꝛc. Die Quelle wird ferner nicht nur schlechthin als der Anfang des Flusses betrachtet, sondern auch so fern sie demselben immer Wasser giebt. Diesen Unterschied scheint auch das erst angefuͤhrte Horazische Principium et fons anzuzeigen. Denn ohne etwas zu verstehen, koͤmmt man in der guten Schreibart nicht einmal zum Anfange, und man hat bald ausgeschrieben, wenn man nichts mehr weiß, wenn das Wissen, als die Quelle, aufhoͤret. Vom Anfange, vom Principio, Primordio an kann etwas fortgehen. Daß aber immer neues nachkomme, muß eine Quelle, fons , seyn. Das Caput rei ist zuweilen das Wesentliche, die Hauptsache, zu- weilen auch der Anfang, Principium, Summum ꝛc. Wir werden nun diese Anmerkungen folgendermaßen gebrauchen. §. 490. Man definirt das Principium in der Metaphysic durch dasjenige, was den Grund einer Sache enthaͤlt. Nun XV. Hauptstuͤck. Nun haben wir vorhin (§. 487.) gesehen, daß man bald die ganze Sache, bald den Theil, worinn uͤber- haupt der Grund liegt, den Grund nenne, und da- durch die Sache mit dem Grunde verwechsele. Die Redensart: immer naͤher auf den eigentlichen Grund kommen, zeiget, daß man zuweilen an- fangs nur uͤberhaupt suchet, wo der Grund ist, und sodann ausschließungsweise, das Bezirk, innert wel- chem derselbe zu finden ist, immer naͤher einschraͤnkt, bis man endlich nichts mehr wegzulassen oder auszu- schließen findet. So fern nun der Grund in seinen Folgen sich ausbreitet, kommt man auf diese Art allerdings zu dem Anfange, Principium , und man koͤmmt zur Quelle, fons , wenn immer neue Folgen daraus entspringen, oder wenn sie fortdauernd sind, oder wenn ihre Moͤglichkeiten in das Unendliche gehen ꝛc. §. 491. Wir haben nun im Vorhergehenden (§. 469. 473. 484.) gesehen, daß die drey Arten von Gruͤnden des Wissens, des Koͤnnens und des Wollens einen An- fang haben, und diesen Anfang koͤnnen wir demnach Principium nennen, so wie man in der Metaphysic bereits das Principium cognoscendi und das Princi- pium essendi und fiendi so benennet hat. Das er- stere koͤnnen wir den Anfang des Wissens nennen. Das andere ist der Anfang des Moͤglich seyns, oder des metaphysisch Wahren, (§. 297.). Und das dritte der Anfang des Wirklich seyns, (§. 472. 473.). Diese beyden letztern koͤnnen gewisser- maßen unterschieden werden. Sie treffen aber ge- nau zusammen, (§. 299. 304.). Das Principium volendi oder den Anfang des Guten hat man allem Ansehen nach aus der Metaphysic in die Moral ver- wiesen, Der Zusammenhang. wiesen, und folglich von den drey Arten von Kraͤften nur zwo in der Grundlehre beybehalten, ungeachtet sie saͤmmtlich zu Paaren gehen (§. 487.), und folg- lich, so fern man das Gemeinsame davon betrachtet, saͤmmtlich mitgenommen werden sollen. §. 492. Wie wir vorhin (§. 489.) angemerket haben, so hat der Anfang etwas Absolutes, er kann aber auch relativ genommen werden. Der relative ist nur in Absicht auf dasjenige ein Anfang, was auf denselben folgt, ungefaͤhr wie wir vorhin (§. cit. ) sagten, daß die Quelle nur in Absicht auf den Fluß, nicht aber in Absicht auf das Wasser selbst ein Anfang sey. Die Geschichte beut uns, in Ansehung ihrer Epochen, aͤhn- liche relative Anfaͤnge an, und wenn man eine Reihe von Veraͤnderungen zusammengenommen als ein Gan- zes ansieht, das irgend seinen Anfang genommen, so ist der Anfang in diesem Verstande ebenfalls relativ. So z. E. forschet man dem Anfange einer Republik, Monarchie, Empoͤrung, Aufruhr, Staatsveraͤnde- rung ꝛc. nach. Man sieht leicht, daß, wenn man sich hiebey nicht einen Grund vorsetzet, nach welchem die Epoche bestimmet werden soll, man immer bis zum Anfange der Welt kommen kann, und daß man den ersten oͤffentlichen Ausbruch, den ersten Vortrag, den ersten Einfall, die erste Veranlassung von den Umstaͤnden unterscheiden muͤsse, die unvermerkt dazu den Weg bahnen, die Sache moͤglich machen, sich dazu anschicken ꝛc. und die oͤfters nur von scharfsinni- gern bemerket werden. Der Geschichtschreiber an sich betrachtet, geht nicht so weit hinauf. Sein Thun ist, zu erzaͤhlen, und nicht Schluͤsse zu machen. Hin- gegen macht der Staatsmann diese Schluͤsse sich zum Haupt- XV. Hauptstuͤck. Hauptwerke, damit er so wenig, als moͤglich ist, auf den Erfolg muͤsse ankommen lassen, und in Zeiten beytragen oder vorbeugen koͤnne. Seine Erkenntniß soll nicht bloß historisch, sondern mehr wissenschaftlich seyn, (§. 610. Dianoiol.). §. 493. Dieses Relative in den Anfaͤngen finden wir in allen drey Arten von Zusammenhange. Bey der An- ordnung der Mittel und Absichten ist gewoͤhnlich eine, die wir als die letzte ansehen, und deren zu Gefallen die uͤbrigen gewaͤhlt und angeordnet werden. Bey dieser faͤngt der Entwurf an. Jn den Wissenschaf- ten suchen wir ebenfalls fuͤr jede, und oͤfters auch fuͤr jeden Theil derselben, einen Anfang fest zu setzen, und sie daher auf ein Principium zu bringen, und man sieht es fuͤr einen Fehler und Mangel der Er- kenntniß an, wenn ein Lehrgebaͤud nicht auf ein, son- dern auf mehrere Principia gebauet ist, die wir als von einander unabhaͤngig annehmen, und jedes fuͤr sich zugeben muͤssen. Denn haͤngen sie von einander ab, so ist es ein Fehler, daß man diese Abhaͤnglichkeit nicht zeiget, oder ein Mangel der Erkenntniß, wenn man sie nicht zeigen kann. Sind sie aber in der That von einander unabhaͤngig, so schließen wir dennoch, daß man ein allgemeiner Principium muͤsse finden koͤnnen, von welchem sie sich, und vielleicht noch meh- rere andere koͤnnten herleiten lassen. Und dieses hat auch allen Anschein der Richtigkeit. Denn da diese mehrern Principia zu einem Lehrgebaͤude dienen, und eben diese Einheit es zu einem Ganzen macht, das sich fuͤr sich soll koͤnnen betrachten lassen, so werden sie in demselben mit einander combinirt und verfloch- ten. Dieses wuͤrde nun nicht angehen, wenn sie nicht bey- Der Zusammenhang. beysammen seyn koͤnnten, und demnach etwas Ge- meinsames haͤtten, welches den Stoff zu dem er- waͤhnten allgemeinern Principio hergaͤbe. So hat ein Fluß mehrere und oͤfters in entlegenen Laͤndern zerstreuete Quellen, von welchen nicht eine der an- dern Wasser geben kann. Dagegen aber haben sie in der Art, wie sie das Wasser bekommen, und es dem Flusse geben, etwas Allgemeines. §. 494. Man sieht aber sowohl aus diesem tertio compara- tionis, als aus der Art, wie man sich die Nothwen- digkeit eines einigen Principii vorstellet, daß man bey zusammengesetzten Ganzen oder bey Systemen so- wohl ein als mehrere Principia, Anfaͤnge und Quel- len gedenken kann, je nachdem man die Sache ent- weder in Absicht auf ihre Theile oder in Absicht auf deren Verbindung betrachtet. Denn es koͤmmt dabey die oben (§. 353. seq. 361. seqq. ) angefuͤhrte Verflechtung des Aehnlichen und Verschiede- nen vor, wozu die erste Anlage, wie wir sie oben (§. 155-160.) angegeben und in Tabellen vorgestellet haben, und mit dieser zugleich die erste Anlage der categorischen Nothwendigkeiten, positiven Moͤglich- keiten, absoluten und categorischen Widerspruͤchen (§. 275. N°. 8. §. 243. 250. seqq. ) bereits in den ein- fachen Begriffen vorkoͤmmt. Man stelle sich das ganze Reich der Wahrheiten, und dieses ist bey den logischen, metaphysischen und moralischen, so wie die dazu gehoͤrenden Kraͤfte von gleichem Umfange, als ein durch alle Theile verbundenes und zusammenhaͤn- gendes Ganzes vor, welches eben dadurch ein Maxi- mum hat, weil es muß seyn koͤnnen: so wird man bey dem, was darinn verschieden ist, mehrere Anfaͤnge XV. Hauptstuͤck. Anfaͤnge finden, hingegen wird man bey den Aehn- lichkeiten, die darinn sind, und die das Verschie- dene in Verbindung bringen, immer auf einfachere und allgemeinere, und eben daher endlich auf eins kommen, welches man als das gemeinsame Band des Ganzen ansehen kann. Man sehe auch (§. 253.) und (Alethiol. §. 176. 179. 181. 184. 185. 270. 267.). Auf diese Art nun sagt man, daß man eine Wissen- schaft auf einen Grundsatz oder Principium bringe, wenn man einen Satz findet, welcher zeiget, wie die zu der Wissenschaft gehoͤrenden und zu- sammengenommenen Grundbegriffe uͤberhaupt und dergestalt mit einander verbunden sind, daß in jedem vorkommenden besondern Falle die specialern Bestimmungen, welche der eine darinn hat oder erhaͤlt, durch die specialern Bestimmungen, welche die uͤbrigen darinn ha- ben (§. 194. Dianoiol. §. 81.), gefunden werden koͤnnen. Bey der Aufloͤsung dieser an sich logischen Aufgabe wird vorausgesetzet, die Grundbegriffe seyn von einander verschieden, und von ihren besondern Bestimmungen abgeloͤst; sodann wird dabey erfor- dert, daß sie koͤnnen zusammengenommen werden, und daß man sie alle, so viel ihrer zusammengehoͤren, habe, (§. 176. seqq. 184. seqq. 211. seqq. 229.). Jst dieses, so koͤmmt sodann die Frage darauf an, daß man die Verhaͤltniß und Verbindung, die sie so in Abstracto unter sich haben, dergestalt ausdruͤcke, daß sie, wenn den zusammengenommenen Grundbegriffen ihre specialeren Bestimmungen wiederum zugesetzet werden, ebenfalls die specialere Bestimmung in den Verhaͤltnissen angebe, und zugleich diene, die Schran- ken des Willkuͤhrlichen in der Zusetzung der specialen Bestimmungen zu zeigen, das will sagen, wie ferne, wenn Der Zusammenhang. wenn man eine oder einige derselben willkuͤhrlich an- nimmt, in Ansehung der uͤbrigen eine Auswahl bleibt, (§. 13. 20.). Bey diesen Erfordernissen bleibt man nun sehr leicht zuruͤck, und dieses macht, daß die Principia, so man fuͤr diese oder jene Wissenschaft findet, mehrentheils nicht allgemein genug sind, so daß man entweder mehrere zusammennehmen muß, oder wenn man einige vergißt, Luͤcken zuruͤck bleiben, wenn man die Sache nicht von allen Seiten betrachtet, und die dazu gehoͤrenden Stuͤcke und Grundbegriffe nicht alle aufsucht. Da indessen jedes Principium reicht, so weit es reichen kann, das will sagen, so weit es Grundbegriffe verbindet, so dienet es wenig- stens allemal zu einzelnen Theilen von Wissenschaften, (Dianoiol. §. 687.). Wir haben daher, was die besondern Theile der Grundlehre betrifft, gleich anfangs dafuͤr gesorgt, (§. 70-75. §. 113-125. 161.). Die Art, wie wir zu unserer Erkenntniß und zu der Sprache gelangen, machte, daß wir anfiengen, den eigentlichen Stoff zur Grundlehre zu sammeln, weil dieser immer zur Probe dienet, ob die Principia, die man dabey fuͤr allgemein und durchgaͤngig ange- ben will, eine solche Allgemeinheit wirklich haben? (Dianoiol. §. 40. 619-633.). §. 495. Wir koͤnnen diesen Betrachtungen noch folgende beyfuͤgen. Man giebt in der Vernunftlehre an, daß man einen Satz durch eine Schlußrede beweise, daß die beyden Vordersaͤtze dieser Schlußreden wiederum durch andere neue Schlußreden bewiesen werden muͤs- sen, und daß man damit fortzufahren habe, bis man auf erste Grundsaͤtze koͤmmt, die keines fernern Be- weises beduͤrfen. Hiebey nimmt nun die Anzahl der Lamb. Archit. II. B. H Grund- XV. Hauptstuͤck. Grundsaͤtze, die man zu dem Beweise eines Satzes gebraucht, mit der Anzahl der Schlußreden zu, so daß z. E. zu sieben Schlußreden acht Grundsaͤtze, zu zwoͤlf Schlußreden dreyzehen Grundsaͤtze erfordert wer- den, (Dianoiol. §. 317.). Und auf diese Art sollte man wohl nicht gedenken, daß eine Wissenschaft, wor- inn zuweilen lange Reihen von Schlußreden an ein- ander gehaͤngt werden, sich auf ein einiges Principium gruͤnden sollte. Und in der That kann dieses Princi- pium nur einen Vordersatz abgeben, und es laͤßt sich daher allerdings fragen, woher dann die uͤbrigen Vor- dersaͤtze genommen, und wie sie benennet werden muͤs- sen? Hierauf kann man nun nicht anders antworten, als das Principium betreffe nur die allgemeine Ver- bindung der Grundbegriffe, und die uͤbrigen Vorder- saͤtze kommen von der allgemeinen Moͤglichkeit her, die Bestimmungen, so die Grundbegriffe in jedem Falle leiden, hinzuzusetzen. Und dieses ist es eben, was wir in vorhergehendem §. angefuͤhret haben. Soll ein Principium allgemein seyn, und durch alle Theile einer Wissenschaft durchlaufen, so kann es auch nur das betreffen, was allen zu der Wissenschaft gehoͤrenden Stuͤcken gemeinsam ist. Das eigene von jedem ruͤhrt daher nothwendig aus andern und zu- gleich aus mehrern Quellen her, und besteht in jeden einzelnen Bestimmungen, die diese Stuͤcke haben koͤn- nen, und die in dem Principio noch unbestimmt ge- lassen, aber doch uͤberhaupt angegeben werden, da- mit man in jedem besondern Falle wisse, worauf man zu sehen habe. §. 496. Auf diese Art betrachtet geht demnach das Princi- pium auf das Allgemeine und Durchgaͤngige im Zusammenhange oder in der Verbindung der Theile, Der Zusammenhang. Theile, und in so fern wird es oͤfters auch das erste Grundgesetz genennet, nach welchem sich jede Theile richten und bestimmen, und aus welchem die specia- lern hergeleitet werden, wenn man die besondern Be- stimmungen mitnimmt, und das Principium darauf anwendet. Die ganze Theorie faͤngt dabey an, wenn sie durchaus a priori seyn soll, ungeachtet wir, nach unserer Art zur Erkenntniß gelangen, anfangs immer so weit a posteriori gehen, bis wir das Principium nicht nur gefunden, sondern vornehmlich uns von des- selben Allgemeinheit und durchgaͤngigen Anwendbar- keit versichert haben, (§. 494.). Uebrigens koͤnnen wir noch folgende Anmerkung beyfuͤgen, welche von dem Gebrauche zu reden hergenommen ist. Jn der Geometrie spricht man nicht von Principiis, sondern man nennet die Grundsaͤtze dieser Wissenschaft Axio- mata. Hingegen hat man bisher in der Metaphysic nur Principia, die Axiomata aber fast gar nicht auf- gesucht oder vorgenommen. Der Grund hievon ist, weil man sich mehr an die Form als an die Materie der metaphysischen Erkenntniß hielte. Denn in der That sind die Axiomata von den Principiis, wie die Materie von der Form oder die Theile des Ob- jectes von ihrer Verbindung und Zusammenrich- tung verschieden. §. 497. Wir werden nun zu den oben (§. 491.) angefuͤhrten dreyen Anfaͤngen der Gruͤnde des Wissens, des Wol- lens und des Koͤnnens zuruͤck kehren. Der Anfang des Wissens ist das fuͤr sich Gedenkbare, und dem- nach die einfachen Begriffe und ihre Bestimmungen, (§. 469.). Diese haben wir in den beyden Tabellen (§. 157. 158.) dergestalt unter einander verglichen, daß H 2 wir XV. Hauptstuͤck. wir die Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten, die sie uns anbieten, ausfuͤhrlich anzeigten, und besonders haben wir das Solide dabey zum Grunde gelegt, weil sich die uͤbrigen einfachen Begriffe allemal auf dieses beziehen, und Bestimmungen desselben sind. Die Gruͤnde des Koͤnnens setzen die Kraft und das Solide voraus, (§. 298.). Und der Anfang des Guten und folglich der Gruͤnde des Wollens ist die Realitaͤt, und daher, nur von einer andern Seite betrachtet, eben- falls wiederum das Solide und die Kraͤfte, (§. 484.). Demnach hat das Wissen, das Wollen und das Koͤn- nen, im Grunde betrachtet, einerley ersten Anfang, und laͤßt sich in so fern auf ein gemeinsames Princi- pium reduciren, welches sodann nach den verschie- denen Modificationen, Bestimmungen und Verhaͤlt- nissen specialer wird. §. 498. Wir koͤnnen uns dieses so vorstellen, daß erstlich ohne das Solide diese drey Arten von Kraͤften, da- fern sie nicht besondere Substanzen sind, nicht existiren noch existiren koͤnnen, und folglich das Solide das Subject derselben ist, in welchem sie existiren, oder mit welchem sie wenigstens verbunden sind. Sodann haben diese drey Arten von Kraͤften ohne das Solide ebenfalls kein Subject, in dem sie sich aͤußern koͤnnten. Demnach ist das Solide in diesen beyden Absichten betrachtet, Subject und Object zugleich. Man setze eine Substanz, die denke, wolle und koͤnne. So fern diese sich selbst denkt, so fern sie sich als eine Realitaͤt, und folglich als die Anlage des metaphysi- schen Guten und Vollkommenen (§. 484.) vorstellet, und durch ihre Kraft subsistirt; so fern ist sie sich selbst ihr Object. So fern aber dieses Denken, Wollen und Der Zusammenhang. und Koͤnnen sich außer ihr aͤußert, so fern sind immer andere Substanzen das Object. Dieses nun mit demjenigen verglichen, was wir in dem §. 472. und §. 299. gesagt haben, und die Betrachtung von der Einheit des ersten Principii noch mitgenommen, wird, wo ich nicht ganz und gar irre, der aͤchte und wahre Weg seyn, die einige und erste Quelle, Grundlage und Anfang aller drey Reiche der logischen, meta- physischen und moralischen Wahrheiten, des Moͤgli- chen, des Realen und des Wirklichen zu bestimmen. §. 499. Soll man nun nach dieser Anleitung ein wissen- schaftliches Principium finden, welches in der absolu- testen Allgemeinheit auf die drey Reiche der Wahr- heiten gehe, und in denselben durchgaͤngig und durch- aus anwendbar sey (§. 494.), so wird allem Ansehen nach eine betraͤchtliche Erweiterung der Sprache dazu erfordert, da wir ohnehin schon daran gewoͤhnt sind, die Woͤrter, welche auf diese drey Reiche zugleich gehen, transcendent zu nennen. Es liegt nicht daran, daß wir nicht schon mehrere Woͤrter haben, welche, wenn man sie in ihrem abstractesten und transcenden- ten Verstande nimmt, oder das tertium compara- tionis rein und genau bestimmt beybehaͤlt, sich auf diese Art gebrauchen lassen. Wir haben solche Aehn- lichkeiten in dem Vorhergehenden schon haͤufig und bey jedem Anlasse angezeiget. Es liegt auch nicht daran, daß diese drey Reiche der Wahrheiten von un- gleichem Umfange seyn sollten. Sie treffen durch alle Theile zusammen. Daran aber fehlt es, daß wir die Vergleichungsstuͤcke weder alle, noch in be- hoͤriger Ordnung haben, und ohne dieses kann man fuͤr die wahre und richtige Allgemeinheit eben nicht H 3 gut XV. Hauptstuͤck. gut stehen, (§. 494.). Sodann ist es, wie wir schon oͤfters erinnert haben, der Art der Sprache und un- serer Erkenntniß angemessener, wenn wir bey der Koͤrperwelt anfangen, und die tertia comparationis darinn aufsuchen und fest setzen. Dieses ist auch groͤßtentheils der Weg, den wir hiebey genommen, um wenigstens die besondern Stuͤcke zu sammeln. Und dabey haben wir die Aehnlichkeit der Koͤrperwelt und der Jntellectualwelt, nicht nur in so fern ange- zeiget, als wir sie uns in Gedanken und Worten vor- stelleten, sondern die Aehnlichkeit des Eindruckes, den sie in uns machen, selbst auch in dem Mecha- nismo des Gehirnes aufgesucht, um auch von dieser Seite her noch anzuzeigen, wie fern wir etwann durch naͤhere Anleitung zu der fernern Aufklaͤrung der Ver- gleichungsstuͤcke koͤnnten gefuͤhret werden. Die Sache selbst koͤmmt uͤberhaupt betrachtet nun darauf an. §. 500. Einmal wird, um ein so absolut allgemeines Prin- cipium aufzusuchen, das Solide, und zwar wie wir vorhin (§. 497.) gesehen haben, in allen drey Reichen der Wahrheiten, zum Grunde gelegt. Das erste, was wir nun demselben entweder als eine Bestim- mung oder als eine besondere Art von Substanz zu- setzen koͤnnen, ist die Kraft, im transcendenten Ver- stande genommen, es moͤgen nun das Denken, Wollen und Koͤnnen wirklich verschiedene Arten oder nur besondere Bestimmungen oder auch nur Mo- dificationen derselben seyn, oder auch uns nur als drey verschiedene Gestalten oder sinnliche Bilder einer und eben derselben Kraft vorkommen. Wie nun das So- lide das Subject dieser Kraͤfte ist, so ist es auch hinwiederum das Object derselben. Sodann wird das Der Zusammenhang. das Solide mit den uͤbrigen einfachen Begriffen ver- glichen, als welche saͤmmtlich sich auf dasselbe bezie- hen und Bestimmungen davon sind, (§. 157.). Die- ses geschieht nun, um die tertia comparationis zu fin- den, besonders in Absicht auf die Koͤrperwelt. Wel- che Moͤglichkeiten nun diese Bestimmungen nach den oben (§. 77-103.) angegebenen Postulatis zulassen, die werden auf das Solide bezogen. Hiebey koͤmmt nun aber die Schwierigkeit vor, das tertium compara- tionis nicht nur zu finden, sondern dasselbe auch so auszudruͤcken, daß es abstract genug und verstaͤndlich sey, und daß die besondern Bestimmungen, die es in jedem der drey Reiche der Wahrheiten hat, leicht beygefuͤget werden koͤnnen. Denn bey dem Abstra- hiren laͤßt man alles dieses gewoͤhnlich so weg, daß man es bald nicht mehr wiederfinden kann, (§. 194.). Die Postulata sind nun an sich von der Art, daß sie allgemeine und unbedingte Moͤglichkeiten zu naͤhern Bestimmungen angeben, und dieses ist es eben, was bey einem allgemeinen und durchgaͤngigen Principio erfordert wird, (§. 494.). Da aber bey der Zusam- mensetzung von solchen Moͤglichkeiten Einschraͤnkun- gen vorkommen, so haben wir dieselben bereits auch bey den Grundsaͤtzen, so die einfachen Begriffe geben, angezeiget, (§. 114.). Die einschraͤnkende Grundsaͤtze muͤssen nun ebenfalls transcendent gemacht, und in dem Principio mitgenommen werden, und dieses ge- schieht in Form von Bedingungen, die es in den Faͤl- len, wo es angewandt wird, das will sagen, in allen, weil außer diesen keine moͤglich bleiben, voraussetzet. §. 501. Man wird aus diesen Erfordernissen leicht sehen, daß es mehrere Umstaͤnde erfordert, wenn man ein H 4 so XV. Hauptstuͤck. so allgemeines Principium finden will, und warum man ehender dergleichen fuͤr einzelne Theile der Er- kenntniß findet. So z. E. hat man in der Mechanic nur die Masse, Geschwindigkeit, Zeit, Direction und Kraft des Soliden in Vergleichung zu bringen, und daher mag es leichter angehen, daß man ein allgemeines Gesetz finde, vermittelst dessen man von diesen Stuͤcken eines durch die uͤbrigen in jedem Falle und nach allen besondern Bestimmungen, die diese haben koͤnnen, finden kann. Dieses geht aber nur noch auf die bewegende Kraft. Es soll aber auch auf die Kraft zu denken und zu wollen (§. 409. 410.) ausgedehnt werden. Hierinn aber bleiben wir theils in Ansehung der Erkenntniß, theils auch vornehmlich in Ansehung der Sprache zuruͤck. Man sehe hier- uͤber, was wir §. 454-461. in beyden Absichten und auch zum Behufe besserer Zeichen angemerket haben. §. 502. Jndessen hat man, wie wir oben (§. 239.) erwaͤhnt haben, aller dieser Schwierigkeiten ungeachtet, einen ersten obersten Grundsatz, ein allgemeines und durch- gaͤngiges Principium der Erkenntniß in der Meta- physic eingefuͤhret, und dieses ist der Satz des Wi- derspruches. Nun ist dieser Satz die Graͤnzlinie, wodurch das Wahre von dem bloß Symbolischen ge- trennet wird (§. 288. 297.), und in so fern allerdings durchgaͤngig, weil jedes, was nicht in das Reich der Wahrheit gehoͤret, daran erkennet und gepruͤfet wer- den kann. Er schleußt aber auch nur aus, und die positiven Moͤglichkeiten und Wahrheiten lassen sich daran weder directe erkennen, noch vielweniger fuͤr jede besondere Faͤlle bestimmen. Man sehe (§. 19. 243.). Wenn man daher den Satz des Widerspruches den- noch Der Zusammenhang. noch als ein Principium ausgeben will, so geschieht es in einer andern Bedeutung. Denn diejenige Be- schaffenheit, die wir (§. 494-496.) zu einem wissen- schaftlichen Principio erfordert, und (§. 501.) durch das Beyspiel der Mechanic erlaͤutert haben, sieht ganz anders aus. Ein Principium soll die allgemeine Art der Verbindung der Grundbegriffe der Erkenntniß, oder auch einer besondern Wis- senschaft so angeben, daß man sie in jeden be- sondern Faͤllen leichte und ohne weiters finden koͤnne, und hiebey ist alles positiv. Hingegen giebt der Satz des Widerspruches weder Grundbegriffe noch Verbindung an, sondern zeiget nur, daß wo keine Verbindung seyn kann, das will sagen, wo ein Widerspruch ist, das, worinn der Widerspruch vorkoͤmmt, aus unserer Erkenntniß wegbleibe. Die- ses ist nun ohnehin schon nicht gedenkbar, sondern schlechthin nur symbolisch. Der Satz des Wider- spruches ist demnach nicht so fast ein Principium der Erkenntniß selbst, sondern vielmehr das Principium der Probierkunst der Erkenntniß, und zwar nur des theoretischen Theils, der a priori geht. Denn der andere Theil dieser Probierkunst beruhet auf der Erfahrung. Er dienet auch aus eben dem Grunde nicht bey directen, sondern nur bey apogogischen Be- weisen, wenn man vermittelst desselben nicht bloß Jrrthuͤmer und Ungereimtheiten entdecken, sondern positive Wahrheiten herausbringen will. Man sehe auch §. 273. §. 503. Die specialen Principia oder Gesetze (§. 496.) ge- hen auf besondere Systemen, so fern man sie ohne Ruͤcksicht auf ihre Verbindung mit andern, als fuͤr H 5 sich XV. Hauptstuͤck. sich bestehend ansehen kann (§. 465.), und in diesen geben sie die Art an, wie der Zusammenhang in den Theilen durchgaͤngig ist, welche Veraͤnderungen in den uͤbrigen Theilen, die, so in einem oder einigen vorgeht, nach sich ziehe, und hinwiederum, wie die Bestimmungen eines jeden Theiles sich nach den Be- stimmungen der uͤbrigen richten. Solche Principia fuͤr besondere Systemen lassen sich nun sowohl a priori aus ihrer Zusammensetzungsart, als a posteriori durch sorgfaͤltigere Beobachtung ihrer Veraͤnderun- gen finden. A priori betrachtet man jede einzele Ver- bindung fuͤr sich, um sodann, nach dem man ihre Ge- setze und Moͤglichkeiten bestimmet hat, sehen zu koͤn- nen, wie fern bey der Zusammensetzung dieser Ver- bindungen, die Moͤglichkeiten eingeschraͤnkt, und die einfachen Gesetze selbst, theils etwas veraͤndert, theils zusammengesetzter werden. Auf diese Art untersuchet man in der Mechanic anfangs nur die einfoͤrmige geradlinichte Bewegung, um Zeit, Raum und Ge- schwindigkeit mit einander zu vergleichen, und die Gesetze davon zu bestimmen, auf welche man sodann die allerzusammengesetztesten Bewegungen zu redu- ciren suchet. §. 504. Hingegen, wenn die Anordnung der Theile des Systems und die Art der Theile nicht bekannt ist, so faͤngt man bey der Beobachtung der Veraͤnderungen an, und suchet ihre Aehnlichkeiten und Mannichfal- tigkeiten zu entdecken, damit man aus jenen das All- gemein in den Gesetzen der Verbindung, aus diesen aber die Anzahl und Verschiedenheit dieser Gesetze finden koͤnne. Auf diese Art leget man der Natur Fragen vor, wenn man Versuche anstellet. Da- fern Der Zusammenhang. fern aber die Natur nur die Summe oder das Pro- duct von mehrern einfachern Antworten angiebt, so muß die Frage immer so eingerichtet und abgeaͤndert werden, daß man nach und nach finde, wie sich die abgeaͤnderte Summe der einfachen Antworten nach denen richte, die sie stufenweise anders beantworten muß. Auf diese Art sind die Gesetze des Stoßes und des Falles der Koͤrper gefunden worden. Und die Astronomie giebt das vollstaͤndigste Beyspiel, wie man zu verfahren hat, wenn man jede einfache Ge- setze eines Systems finden will, wo man die Veraͤn- derungen, die in der Natur selbst geschehen, schlecht- hin nur beobachten muß. Sechzehentes Hauptstuͤck. Das Bestimmen. §. 505. W as wir in dem vorhergehenden Hauptstuͤcke be- trachtet haben, betrifft diejenigen Begriffe, welche das vorstellen, was bey den realen Verhaͤlt- nissen in der Sache selbst zum Grunde liegt, so fern diese Verhaͤltnisse auf den dabey wirkenden Kraͤften beruhen, (§. 426.). Wir koͤnnen nun zu der Be- trachtung derjenigen Begriffe fortschreiten, welche sich auf die Art beziehen, wie die Kraͤfte angewandt werden (§. 429.), und die wir bereits (§. 434. seqq. ) in so fern betrachtet haben, als die Verhaͤltnisse die dabey vorkommen, in Absicht auf dieselben von ver- schiedener Art sind. Der erste dieser Begriffe, der sich hier anbeut, ist das Bestimmen, welcher, un- geachtet XVI. Hauptstuͤck. geachtet wir ihn in dem vorhergehenden fuͤr besondere Faͤlle schon haͤufig gebraucht haben, aus vielen Gruͤn- den fuͤr sich betrachtet werden soll, weil er sowohl in dem wissenschaftlichen, als in dem characteristischen Theile der Erkenntniß, einer der durchgaͤngigsten und brauchbarsten Hauptbegriffe ist. §. 506. Das Wort Bestimmen beut uns, wie wir oben (§. 429. 434.) angemerket haben, einige Vieldeutig- keiten an, welche vornehmlich von der Vermengung des Bestimmens, des Bestimmten und der Erkennt- niß von beyden herruͤhren. Diese Stuͤcke sind zwar mehrentheils beysammen, indessen sollen sie dennoch von einander unterschieden bleiben, weil auch bey uns oͤfters eines ohne das andere ist, oͤfters auch eines dem andern vor- oder nachgeht. Wir werden demnach an- fangen, die verschiedenen Faͤlle, die hiebey vorkommen, herzusetzen. 1°. Jn seiner urspruͤnglichen Bedeutung scheint das Bestimmen eine Handlung des Willens zu seyn, und so viel als beschließen oder als ein Entschluß zu bedeuten. Und da heißt es so viel als festsetzen, und in Absicht auf die Sache, die man zu etwas bestimmt, will es eben so viel als zu etwas widmen sagen. 2°. Das Determinare, welches durch bestimmen uͤbersetzet wird, ist von den Schranken herge- nommen, und will so viel sagen, als Ziel und Schranken setzen, damit es dabey blei- be ꝛc. 3°. Jn dieser Bedeutung nehmen wir das Bestim- men, wenn wir den Umfang eines Begriffes, die Bedeutung eines Wortes festesetzen. 4°. So Das Bestimmen. 4°. So fern wir die Begriffe nach den Sa- chen bestimmen, thun wir eigentlich nichts anders, als daß wir die Bestimmungen, die die Sache hat, finden, und den Begriff mit Bewußtseyn nach denselben richten. 5°. So fern die Eigenschaften und Grade, die eine Sache hat, anders seyn koͤnnen, und in andern Dingen anders sind, so ferne sehen wir sie als Bestimmungen an. 6°. So fern wir das, was mehrere Dinge gemein haben zusammen in einen allgemeinen Begriff nehmen, dem sich folglich noch das in jedem dieser Dinge eigenes beysetzen laͤßt, so ferne nennen wir dieses eigene Bestimmungen, den allgemeinen Begriff aber sehen wir als be- stimmbar, oder als noch mehrerer Bestim- mungen faͤhig an. 7°. So fern endlich bey mehrern Bestimmungen eine die andere nach sich zieht, erfordert, oder voraussetzet: so ferne wird die Moͤglichkeit da- bey eingeschraͤnket, und das Bestimmen kann auch nicht weiter eine Handlung des Willens seyn, als diese Moͤglichkeit reichet. §. 507. Wir sehen uͤberhaupt hieraus, daß bey dem Be- stimmen die drey Gattungen von Kraͤften durch ein- ander laufen, und folglich genauer untersuchet wer- den muͤsse, wie ferne jede dabey vorkoͤmmt. Dahin dienen nun folgende Saͤtze. 1°. Das Bestimmen setzet uͤberhaupt zweyerley Moͤglichkeiten voraus. Denn einmal muß die Sache, so wie man sie bestimmen will, ange- hen XVI. Hauptstuͤck. hen koͤnnen: sodann muß sie zugleich auch noch auf andere Arten koͤnnen bestimmet werden. Das will nun sagen: So, wie man die Sache bestimmt haben will, muß sie weder unmoͤglich noch an sich nothwendig seyn. 2°. Demnach muß sowohl die Sache selbst, als das Gegentheil moͤglich seyn, weil man ohne dieses nichts zu bestimmen hat. 3°. Dem Bestimmten wird sowohl das Unbe- stimmte, als das auf eine andere Art Be- stimmte entgegengesetzt, jedoch beydes in be- sondern Absichten. 4°. Das Unbestimmte, es mag nun viel oder we- nig unbestimmt seyn, existirt nicht, es mag nun nur noch die Bestimmung der Existenz, oder mit dieser noch mehrere fehlen. Fehlet nur noch die Bestimmung der Existenz, so ist das Bestimmte ein Indiuiduum, welches noch im Reiche der metaphysischen Wahrheit zuruͤcke bleibt, und dieses kann mit dem Plane der wirklichen Welt so verflochten seyn, daß ehe es mit jeden seinen Bestimmungen existirt, noch andere Veraͤnderungen vorgehen muͤssen, oder auch, daß es durch eine unmittelbare Schoͤ- pfung wirklich gemacht werde. 5°. Fehlen aber außer der Existenz noch mehrere Be- stimmungen, so sind es wiederum entweder solche, die das Indiuiduum noch nicht hat, sondern statt derselben andere hat, wenn es existirt; oder es sind solche, die das Unbestimmte im Reiche der logischen Wahrheit nicht hat, das will sagen, es ist nur ein allgemeiner Begriff, welchem ohne die uͤbrigen Bestimmungen, die noch, um ihn Das Bestimmen. ihn individual zu machen, hinzu kommen muͤs- sen, die Moͤglichkeit zu existiren fehlet. 6°. Diese letzte Art von dem, was wir unbestimmt nennen, ist daher (§. 164. 163.) schlechthin ideal und symbolisch, und in so fern bezieht sich das Bestimmen dabey allein auf die Kraͤfte des Verstandes. Die Bedingungen dabey sind die Gedenkbarkeit und das Nicht widersprechen, (§. 288. 297.). 7°. Dabey aber thut der Verstand an sich betrach- tet weiter nichts, als daß er die Bestimmungen aufsuchet, die sich zusetzen lassen, folglich nicht widersprechend, sondern gedenkbar sind. 8°. Wo aber von mehrern moͤglichen Bestimmun- gen eine oder einige gewaͤhlet werden, da kom- men Absichten und mit diesen die Kraͤfte des Willens vor. 9°. Wir haben eben dieses von dem Bestimmen im Reiche der Wirklichkeit anzumerken. Denn was man zu einer Absicht bestimmt oder widmet (§. 506. N°. 1.), das muß dazu tauglich seyn, und oͤfters noch tauglich gemacht werden. Hie- bey thut nun ebenfalls der Verstand nichts an- ders, als daß er diese Moͤglichkeiten untersu- chet, und falls sie gefunden worden, angiebt. Zur wirklichen Ausfuͤhrung gehoͤrt sodann Wol- len und Koͤnnen. 10°. So fern das Bestimmen, actiue genommen, von dem Willen abhaͤnget, scheint es etwas Willkuͤhrliches zu haben. Wie aber dieses Will- kuͤhrliche in Absicht auf das Reich der Wahr- heiten, wo alles nach allen Combinationen schon bestimmt und in Ordnung gebracht ist, weg- falle, XVI. Hauptstuͤck. falle, haben wir oben (§. 229.) umstaͤndlich an- gezeiget, und zugleich gewiesen, wie fern es in Absicht auf uns wegfalle. §. 508. Ungeachtet nun also der Verstand, das, was, wie und wozu es bestimmt werden kann, schlecht- hin nur findet, so legen wir demselben dennoch durch eine Art von Namenwechsel, das wirkliche und thaͤ- tige Bestimmen bey, und so mag auch das Wort, als ein abgekuͤrzter Ausdruck gebraucht werden. Durch einen aͤhnlichen Namenwechsel, nennen wir diejenigen Merkmale, die den abstracten Begriffen zugesetzet werden, und so auch die Veraͤnderungen, die ein zu etwas bestimmtes Indiuiduum leiden muß, um dazu tauglich zu seyn, schlechthin Bestimmun- gen, da sonst dem buchstaͤblichen Verstande nach Be- stimmung active so viel als widmen, positive aber so viel als gewidmet seyn, sagen will, wenn man anders solche Substantiua abstracta durch Woͤrter von einer andern Classe genau angeben oder definiren kann, (Semiot. §. 138. 140.). Nach dieser Erinne- rung, welche hier nur dahin geht, daß wir bey dem Bestimmen die Mittel und Absichten, und so auch das Wissen, Wollen und Koͤnnen unterscheiden muß- ten, werden wir nun bey der verwechselten Bedeu- tung bleiben, weil sie in der Vernunftlehre und Me- taphysic laͤngst schon eingefuͤhret ist, wo man ohnehin das meiste von dem, was den Willen angeht, in die Moral und Teleologie verweiset, (§. 491.). Wir setzen demnach, daß der Verstand etwas bestimme, wenn er die Merkmale, so in einem Begriffe seyn oder dazu kommen muͤssen, feste setzet oder hinzusetzet, und diese Merkmale selbst werden wir Bestimmun- gen Das Bestimmen. gen nennen. Jn Absicht auf den Willen koͤnnen wir, wo es vorkoͤmmt, das Wort widmen gebrauchen. §. 509. Hiebey laͤßt sich nun das a priori von dem a po- steriori unterscheiden. Da wir sehr viele Begriffe nur vermittelst der Worte, und auch sehr oft die Woͤrter ohne die Begriffe lernen, so ist dieses ein Hauptgrund mit, warum wir in unsern Begriffen fast immer noch mehr zu bestimmen und feste zu se- tzen finden, zumal, wo die Bedeutung des Wortes selbst noch nicht fest gesetzt, oder gar nothwendig von veraͤnderlichem Umfange ist, (§. 31. 33. Semiot. §. 349. seqq. Alethiol. 140-157.). Daß ein Begriff, den man von einem andern abstrahirt, indem man des letzern eigene Merkmale, und mit diesen etwann noch mehrere weg laͤßt, allgemeiner werde, ist oͤfters bald eroͤrtert und leicht gefunden. Wie weit sich aber die Allgemeinheit desselben erstrecke, in wie vielen andern specialern Begriffen er vorkomme, und wie groß folglich dessen Ausdehnung und Umfang sey, das sind Fragen von ganz anderer Art, welche be- sonders die Erfindung eines wissenschaftlichen Sy- stems der Metaphysic schwer machen, weil diese lau- ter solche allgemeine Begriffe, und zwar die abstra- ctesten zum Gegenstande hat. (§. 499-502. und Dia- noiol. §. 40. 619-633.). Jndessen ist es in der wis- senschaftlichen Erkenntniß eigentlich um die Allge- meinheit und um den genau bezeichneten Umfang der Begriffe zu thun, wenn man anders einen richtigen Zusammenhang und solche Saͤtze herausbringen will, von deren allgemeinen und bestimmten Anwendbar- keit man versichert seyn koͤnne, (§. 38. 39.). Man hat es aber in Ansehung der meisten bey dem Ab- Lamb. Archit. II. B. J strahiren XVI. Hauptstuͤck. strahiren bewenden lassen, und es ist eben nicht so leicht, den wahren Umfang und Ausdehnung solcher durch das Abstrahiren gefundenen Begriffe zu be- stimmen, daferne man es nicht will auf ein dunkles Gefuͤhl und confuses Bewußtseyn ankommen lassen, welches aber statt richtiger Sacherklaͤrungen mehren- theils Worterklaͤrungen von der in dem §. 454. an- gefuͤhrten Art giebt. §. 510. Wenn wir a posteriori unsere Begriffe bestimmen, oder sie naͤher und genauer bestimmen, so haben wir theils das Wort, theils die Sache, und zwar vor- nehmlich diese vor uns, damit wir durch eine sorg- faͤltigere Betrachtung derselben, ihrer Theile, Eigenschaften und Verhaͤltnisse vollstaͤndiger und genauer nachsehen, wie die Theile be- schaffen sind, welche und wie viel deren sind, auf welche sich jede Eigenschaft erstrecket, und welche Verhaͤltnisse sie unter sich und zum Ganzen, und so auch dieses zu andern Din- gen habe? Auf diese Art verwandeln wir den Be- griff der Sache A, welcher den Worten nach etwann aus MB bestunde, in mb + nβ (§. 454. 456.), der Begriff wird zugleich umstaͤndlicher und genauer, und eigentlicher bestimmt. Wir kommen auch durch die- ses Verfahren den wahren einfachen Bestimmungen und mit diesen der mathematischen Kenntniß der Sa- che naͤher (§. 455.), und erreichen sie vollstaͤndig, wenn wir die Theile nach ihren absoluten Gleichartigkeiten in Classen bringen und die Dimensionen einer jeden finden koͤnnen, (§. 458. 461.). Da hiebey der Be- griff schlechthin nach der Sache eingerichtet werden muß, so sehen wir denselben, ehe dieses geschehen, nur Das Bestimmen. nur deswegen als unbestimmt an, weil wir noch nicht wissen, wie wir ihn eigentlich bestimmen sollen, oder wie er aussieht, wenn er nach der Sache einge- richtet ist. Dabey ist demnach die Moͤglichkeit, den Begriff so oder anders zu bestimmen (§. 507. N°. 1.), nur eingebildet, weil er, um die Sache genau vor- zustellen, nicht anders, als der Sache gemaͤß be- stimmet werden kann. Und hierinn geht das, was nach logischen Gruͤnden bestimmet wird, von dem, was nach Beweggruͤnden bestimmet wird, ab, weil letzteres, wenn anders Beweggruͤnde auf freye Hand- lungen gehen sollen, mehrere Moͤglichkeiten voraus- setzet. §. 511. Hingegen, wo wir Begriffe bilden wollen, die eben nicht diese oder jene Sache vorstellen, sondern uͤberhaupt nur in das Reich der Wahrheiten gehoͤren sollen, da sehen wir nur auf die Moͤglichkeit und Ge- denkbarkeit. Hiebey giebt es nun mehrere, und wenn man so will, unzaͤhlige Arten und Abwechslun- gen, so daß wir dabey allerdings eine Auswahl ha- ben, die Begriffe so oder anders zu bilden. Die einige Einschraͤnkung, die dabey vorkoͤmmt, ist, daß wir nicht widersprechende Begriffe in einen zusam- men setzen, sondern die bloß symbolischen Moͤglich- keiten von den wahren Moͤglichkeiten genau unter- scheiden, (§. 288. 297. 502.). §. 512. Hiezu haben wir nun zweyerley Mittel. Das erste ist gleichsam nur eine Probe, ob die symbolische Zu- sammensetzung angeht, wenn wir naͤmlich die Sache auf die Erfahrung ankommen lassen, und da koͤmmt viel darauf an, daß man in den Vermuthungen J 2 gluͤcklich XVI. Hauptstuͤck. gluͤcklich sey. (Dianoiol. §. 579. seqq. 677. Phaͤno- menol. §. 164.). Trifft nun die Erfahrung zu, so sind wir von der Moͤglichkeit der Zusammensetzung a posteriori versichert. §. 513. Das andere Mittel ist das Abstrahiren. Denn wenn wir in mehrern und verschiedenen Dingen ge- meinsame Merkmale finden, und diese besonders her- ausnehmen, um einen allgemeinen Begriff zu bil- den: so sind wir versichert, daß diesem Begriffe noch mehrere Bestimmungen koͤnnen zugesetzet werden, wenn es auch keine andere waͤren, als die, in denen Dingen, wovon man derselben abstrahirt hat, wirk- lich dabey sind. Bey diesem Abstrahiren gehen wir ebenfalls a posteriori, und sind daher nicht unmittel- bar versichert, ob außer diesen beobachteten Moͤglich- keiten noch mehrere sind. So fern wir aber die Dinge, von welchen wir den Begriff abstrahirt ha- ben, in eine gewisse Ordnung bringen koͤnnen, und in dieser Ordnung Luͤcken bemerken, so koͤnnen wir oͤfters diese Luͤcken durch eine Art von Jnterpolation ausfuͤllen (Dianoiol. §. 594. seqq. ), welches beson- ders angeht, wo die Unterschiede nur in Graden be- stehen. Jndessen stellet man sich die Dinge der wirk- lichen Welt in einer solchen Reihe oder Kette vor, die stufenweise vom Staube bis zum ersten der Erz- engel geht, und setzet, daß in dieser Reihe die Glie- der vollzaͤhlig, und die Rangordnung nach jeden Stufen da sey. §. 514. Da man aber bey dem Abstrahiren selten weiter reichet, als die Erfahrung geht, und daher, was man Das Bestimmen. man den abstracten Begriffen willkuͤhrlich zusetzen will, wiederum durch die Erfahrung auf die Probe setzen muß, ob es angehe oder nicht: so wuͤrden wir dabey niemals ohne die Besorgniß des Fehlschlagens seyn. Die Frage koͤmmt demnach eigentlich auf all- gemeine und unbedingte Moͤglichkeiten an, und man muß aus den symbolischen Moͤglichkeiten dieje- nigen aussuchen, welche auch in der Sache selbst durchaus moͤglich sind, und sich gleichfoͤrmig uͤber dieselbe, als uͤber ihr Subject ausbreiten, (Semiot. §. 41. 23.). Dieses geht nun nur bey den einfachen Begriffen und bey den Postulatis an, die sie angeben, (Alethiol. §. 246. 11. und oben §. 458.). Dabey hat man demnach anzufangen, wenn man a priori Be- stimmungen zusetzen und sie mit einander verbinden will, so daß, was man mit den Worten oder Zei- chen thut, so gut auch in der Sache moͤglich sey, als wenn die Probe waͤre angestellet worden. §. 515. Dieses Einfache hat man in der Metaphysic durch das Abstrahiren zu finden, oder wenigstens demselben naͤher kommen zu koͤnnen geglaubet. Es ist auch allerdings ein Begriff, von welchem man viele Be- stimmungen weggelassen, eben dadurch nicht mehr so viel zusammen gesetzet, sondern ungleich einfacher, als er vor dem Abstrahiren war. Hingegen ist bey diesem Abstrahiren einige Verwirrung, welche daher koͤmmt, wenn man die verschiedenen Absichten, in welchen es geschehen kann, nicht genau unterscheidet, und wie es gewoͤhnlich geschieht (§. 194.) mit den specialen Bestimmungen auch wirklich viel allgemei- nes weglaͤßt. Jm eigentlichsten Verstande abstra- hirt man, um aus den specialen Begriffen das All- J 3 gemeine XVI. Hauptstuͤck. gemeine heraus zu gen, und dieses soll vollstaͤn- dig geschehen, um ch die Begriffe in Arten und Gattungen zu vertheilen, damit in unsere Erkenntniß eine wissenschaftliche Allgemeinheit gebracht werde. Wir haben dieses Verfahren bereits oben (§. 161-201.) ausfuͤhrlich zergliedert, und besonders auch dasjenige angegeben, was man hiebey eigentlich zu suchen habe, wenn die Eintheilungen wesentlich seyn, und das willkuͤhrliche daraus wegbleiben soll. §. 516. Wird hingegen ein Begriff in jede seine einfachen Merkmale und Theile aufgeloͤset, damit man den wahren Umfang desselben bestimmen oder finden koͤn- ne, was er alles in sich enthaͤlt, so ist dieses Verfah- ren von dem erst gemeldeten Abstrahiren verschie- den, weil man hier den Begriff an sich betrachtet, und denselben laͤßt, wie er ist, bey dem Abstrahi- ren aber das allgemeinere besonders nimmt, und den Begriff eben dadurch mit andern vergleicht, (§. 178.). Man sieht leicht, daß wenn ein allge- meiner Begriff auf diese Art in seine einfachen Merk- male aufgeloͤset wird, das Abstrahiren bereits schon vorgegangen sey, und daß man folglich nimmer alle Merkmale darinn so bestimmt finde, wie sie in den unter denselben, als unter ihre Art oder Gattung ge- hoͤrenden Indiuiduis waren. §. 517. Es ist aber auch jede dieser beyden Arten zu ver- fahren in Absicht auf den Erfolg von einander ver- schieden. Denn bey dem Abstrahiren suchet man das Allgemeine nach den Aehnlichkeiten (§. 178.) bey dem Aufloͤsen aber das Einfache. Und da trifft Das Bestimmen. trifft es nicht so zusammen, daß das Allgemeinste zu- gleich auch das Einfachste waͤre, wenn man anders das Allgemeine vollstaͤndig beybehalten will. Und uͤberdieß ist das Einfache auf eine ganz andere Art allgemein. So z. E. ist man in der Metaphysic durchgehends darinn einig, daß die hoͤchste Gattung, und folglich der allgemeinste Begriff das Etwas und das Nichts, das Ding und das Unding sey, und daß eben daher die Metaphysic, und besonders die Ontologie dasjenige, was noch allen Dingen ge- mein bleibt, angeben, und in ein wissenschaftliches Lehrgebaͤude bringen muͤsse. Da nun das Einfache dem Zusammengesetzten entgegen gesetzt wird, bey- des aber in Dingen vorkoͤmmt, so ruͤcket man da- durch den allgemeinen Begriff eines Dinges hoͤher hinauf, und stellet sich demnach denselben so vor, daß weder das Einfache noch das Zusammengesetzte, sondern nur die Moͤglichkeit das eine oder das andere zu seyn, gleichsam als ein Fundamentum di- visionis darinn bleibt. Demnach abstrahirt man hie- bey von dem, was man bey dem vollstaͤndigen Auf- loͤsen eines Begriffes in seine einfache Merkmale eigentlich suchet. Daß man von diesen oder jenen einfachen Merkmalen und ihren specialen Combina- tionen, Stufen und Verbindungen noch mehr Ab- strahiren muͤsse, ist fuͤr sich klar. Denn man laͤßt sie ganz weg, und behaͤlt gewoͤhnlich auch das Allge- meine nicht, welches noch darinn ist, (§. 515.). Hin- gegen werden diese bey dem Aufloͤsen eines Begriffes beybehalten, wenn man seinen Umfang genau bestimmt haben will. §. 518. Setzen wir nun voraus, der Begriff eines Dinges soll so abstract bleiben, und die Metaphysic soll an- J 4 geben, XVI. Hauptstuͤck. geben, was demselben in dieser so absoluten Allge- meinheit betrachtet, noch zukomme (§. 2.), so wird nun an sich schon wenig uͤbrig bleiben, um so mehr, da man bey dem Abstrahiren ohnehin alles speciale so weglaͤßt, daß man es nachgehends kaum mehr finden kann, (§. 194. 500.). Dieses sollte aber nicht seyn. Wir koͤnnen nunmehr erzaͤhlungsweise anfuͤh- ren, wie man hiebey verfahren, und dieses wird zu- gleich dienen, den Unterschied der bisherigen On- tologien und ihrer Ordnung von der gegenwaͤrtigen kenntlich zu machen, und gleichsam mit einem An- blicke vor Augen zu legen. §. 519. Man faͤngt bey dem Unterschiede des Etwas und Nichts, das will sagen, des Gedenkbaren und des bloß symbolischen (§. 288.) an, und machet den Satz des Widerspruches zu der Graͤnzlinie zwi- schen beyden (§. 502.). Gleich darauf ließ man in den neuern Grundlehren die Theorie des zureichenden Grundes folgen, (§. 469. seqq. ). Und nach diesem betrachtete man den Begriff eines Dinges ( Ens ), weil man diesen Begriff so bestimmte, daß das exi- stiren koͤnnen mit dazu genommen wurde, so daß jedes Ding metaphysische Wahrheit haben muß- te (§. 288. 297.), welche man aber aus einer ange- nommenen Definition (§. 304.), als einem jeden Din- ge zukommend zu beweisen suchte. Nunmehr war es um die Eigenschaften, Affectiones, Praͤdicata eines so abstracten Dinges zu thun, welche man bey dem Abstrahiren weggelassen hatte. Da nun auf diese Art in dem abstracten Begriffe fast nichts benennba- res mehr zuruͤckbliebe, so kehrte man zu den Indiui- duis zuruͤcke, und zwar um desto natuͤrlicher, weil bey Das Bestimmen. bey dem Abstrahiren bald alles weggelassen worden, und weil die Bedingung, daß ein Ding muͤsse exi- stiren koͤnnen, gewissermaßen als eine Folge nach sich zog, ein Ding muͤsse ein Indiuiduum seyn. Jn der That war auch dieses Verfahren eben nicht so weit vom Ziele weg. Man haͤtte nur das, was man ein allgemeines Ding, Ens vniuersale, nennete (§. 178. N°. 8.), zu den idealen Erdichtungen und zu dem symbolischen (§. 163. seqq. ) rechnen doͤrfen, so wuͤrde der Begriff eines Dinges und eines Indiuidui von gleicher Allgemeinheit gewesen seyn. Jch sage, man kehrte zu den Indiuiduis zuruͤcke, um von diesen die Begriffe: Bestimmung, Realitaͤt, Aehnlich, Einerley, Wesen, Affectiones, Eigenschaften, Modificationen ꝛc. zu abstrahiren, und daraus endlich herzuleiten, daß ein jedes Ding eine innere metaphysische Einheit, Wahrheit und Guͤte habe. Man sehe das in dem §. 304. und 350. hieruͤber an- gemerkte. Dieses waren nun die drey innern allge- meinen Eigenschaften oder Praͤdicate eines Dinges uͤberhaupt betrachtet, denen noch das quale, quan- tum, numerabile, possibile, cogitabile, ordinatum, relationis capax, existentiae capax, reale, ꝛc. bey- gefuͤget werden kann, und zwar 1°. das Quale , so fern ein Ding innere Eigenschaften hat, und wenn es in seine Arten getheilet wird, haben kann, und in den Indiuiduis wirklich hat. 2°. Das Quantum , so fern jedes Ding eine absolute Groͤße hat, diese mag nun mit andern verglichen werden koͤnnen oder nicht. 3°. Das Numerabile , so fern es eine Einheit ist, und auch so fern sich mehreres in demselben gedenken laͤßt. 4°. Possibile , so fern es keinen Widerspruch hat. 5°. Cogitabile in Verhaͤltniß oder in Absicht auf ein denkendes Wesen. 6°. Ordinatum , so fern das meh- J 5 rere XVI. Hauptstuͤck. rere in demselben ( N°. 3.) zum existiren koͤnnen und folglich zum Beharrungsstande eingerichtet seyn muß, (§. 350.). 7°. Relationis capax , so fern es mit andern Dingen verglichen und in Verbindung gebracht wer- den kann, (§. 411. seqq. 426. 463. seqq. ). 8°. Exi- stentiae capax , so fern metaphysische Wahrheit in dem- selben seyn muß, (§. 297.). 9°. Reale , so fern das Solide und die Kraft die Grundlage eines Dinges ist, welches soll existiren koͤnnen, (§. 358.). §. 520. Hiebey koͤnnen wir noch anmerken, daß es solcher Affectionen oder Praͤdicate eines Dinges noch mehrere gebe, wenn die Sprache Woͤrter haͤtte, sie auszu- druͤcken. Man schreitet daher zu den Praedicatis entis disjunctiuis (§. 267. N°. 6.), und dadurch wird der allgemeine Begriff eines Dinges in sehr vielerley Absichten (§. 181. 199.) in besondere Arten oder Gat- tungen eingetheilt. Nun hat jede dieser Eintheilun- gen ihr Fundamentum diuisionis, und dieses sollte mit Worten benennet, und dem Begriffe eines Din- ges uͤberhaupt als ein Praͤdicat koͤnnen beygefuͤget werden. Statt aller dieser besondern, genau be- stimmten und vorgezaͤhlten Benennungen haben wir das quale und das relationis capax. Es lassen sich die Arten der Verhaͤltnisse noch ziemlich angeben, und wir haben sie in den naͤchst vorhergehenden Haupt- stuͤcken, und die schlechthin idealen oben mit der Theorie der Jdentitaͤt und des Allgemeinen und Be- sondern (§. 124-231.) vorgetragen. So fern das Nothwendige aus der Unmoͤglichkeit des Gegentheils geschlossen wird, ist die Theorie davon schlechthin ideal und symbolisch, (§. 273.). Auf eine realere Art aber wird die Theorie des Nothwendigen und des Das Bestimmen. des Zufaͤlligen auf die Theorie der Kraͤfte reducirt, als welcher der Maaßstab zu den Graden der Zufaͤl- ligkeit sind, (§. 283.). Demnach ist die Kraft das eigentliche Fundamentum diuisionis bey dem Noth- wendigen und Zufaͤlligen, so wie man ebenfalls die Eintheilung in Substanzen und Accidenzen darauf gruͤndet. Man sehe aber §. 247. und §. 178. N°. 9. §. 521. Aus allem diesem erhellet nun, daß der Begriff eines Dinges uͤberhaupt, oder in der Allgemeinheit, wie derselbe in der Metaphysic genommen wird, im geringsten nicht einfach ist, zumal, wenn man alle Fundamenta diuisionis, und mit diesen auch die Fun- damenta subdiuisionum mit in seinen Umfang nehmen soll, wie es die vollstaͤndige Sacherklaͤrung erfordert. Denn um diese ist es in der Ontologie eigentlich zu thun, weil das Wort Ding so haͤufig vorkoͤmmt, daß man der Worterklaͤrung entbehren kann, und statt der- selben besser die Vieldeutigkeiten desselben anmerket. Will man aber die Worterklaͤrung dazu gebrauchen, damit man die Sacherklaͤrung daraus herleiten koͤnne, so will dieses im Grunde betrachtet nichts anders sa- gen, als man wolle von den verschiedenen Bedeu- tungen des Wortes eine herausnehmen, die etwas Brauchbares und Reales habe, und das, was man sich auf eine noch confuse Art darunter vorstellet, in den Indiuiduis aufsuchen, um zu finden, was man alles in den Begriff mitnehmen muͤsse. So verfuh- ren Aristoteles und seine Nachfolger. Man hat aber in den neuern Zeiten geglaubt, daß man aus der Worterklaͤrung eines Dinges, possibile, qua exi- stentiam determinabile, alle Praͤdicate desselben und zwar a priori herleiten koͤnne, und dazu gebrauchte man XVI. Hauptstuͤck. man eine gute Menge von Worterklaͤrungen. Um diese aber zu finden gab man den Rath, den Begriff, den das Wort vorstellet, aus einzelnen und mehrern Beyspielen zu abstrahiren, (§. 250.). Das heißt nun ungefaͤhr eben so viel, als man wolle aus den wirk- lichen Dingen alles das, was sie gemeinsam haben, jedes besonders, und so fern man es mit Worten be- nennen kann (§. 520.), abstrahiren. Aristoteles verfuhr in dieser Absicht kuͤrzer und unmittelbarer. Jndessen, wenn man als ein Postulatum voraussetzet, daß es unendlich vielerley von einander ver- schiedene Dinge gebe, so laͤßt sich daraus mit Zuziehung des Satzes des Widerspruches alles Jdeale herleiten, was man zum Behufe der wissen- schaftlichen Erkenntniß von einem Dinge uͤberhaupt wissen kann, dergleichen die Theorie der Jdentitaͤt, des Allgemeinen und Besondern, der ideale Theil der Theorie vom Veraͤnderlichen, vom Seyn und Nicht seyn, vom Nothwendigen, von der Ordnung, Voll- kommenheit, von Verhaͤltnissen ꝛc. sind. Allein, man wird auch nicht wohl uͤber das bloß Jdeale hinausreichen, da fern man nicht die einfachen Begriffe des Soliden, der Existenz, der Kraft ꝛc. gleich anfangs mitnimmt. Und aus diesen haben wir auch, was hier als ein Postulatum nur vorausgesetzet werden muͤßte, oben (§. 118-123.) hergeleitet. §. 522. So wie nun aber der allgemeine Begriff eines Dinges nicht einfach, sondern gleichsam ein Scele- ton, allgemeines Bild, Abdruck, Schattenriß ꝛc. von den Indiuiduis ist (§. 193-196. 154. und Dianoiol. §. 111. 112.) so sind ebenfalls die meisten Praͤdicate, die Das Bestimmen. die man dazu gefunden (§. 519. 520.), nicht einfach, wenn man nicht bloß bey der Worterklaͤrung bleiben, sondern die Sache selbst entwickeln will. Denn jedes von diesen Praͤdicaten hat, weil es gedenkbar ist, die Praͤdicate der Gedenkbarkeit, weil es Etwas ist, die Praͤdicate des Etwas, und daher die meisten Praͤ- dicate eines Dinges uͤberhaupt, und uͤberdieß hat es noch seine besondere Fundamenta diuisionis und sub- diuisionum, weil es in den Indiuiduis eigene Bestim- mungen erhaͤlt. Jn dieser Absicht betrachtet koͤnnte man demnach allerdings fragen, ob denn des Ana- lysirens und Definirens (§. 7. 27.) kein Ende sey, und diese Frage selbst zeiget an, wie sehr zusammen- gesetzt das Sceleton, das uns der Begriff eines Din- ges uͤberhaupt von den Indiuiduis vorstellet, und mit diesem die Sacherklaͤrung desselben seyn muͤsse. §. 523. Jndessen findet sich allerdings hiebey ein Anfang, wenn man die Sache anders angreift, als man es gethan hat, das will sagen, wenn man anstatt des Abstrahirens das Aufloͤsen (§. 516.) vornimmt. Man muß naͤmlich statt allgemeiner Aehnlichkei- ten (§. 178.), wodurch die Dinge stufenweise in Ar- ten und hoͤhere Gattungen unterschieden und einge- theilet werden, allgemeine und unbedingte Moͤg- lichkeiten und deren eigentliche Subjecte (§. 13. 14. 514.) aufsuchen. Diese letztere Allgemeinheit ist nun von der erstern merklich verschieden, weil man erstere so nimmt, daß sie auf alle Dinge gehe, hingegen hat letztere ihr eigen Subject, und bey diesem ist sie uneingeschraͤnkt. Z. E. daß ein in Bewegung gesetz- ter Koͤrper eine Direction und Geschwindigkeit habe, ist ein Satz, welcher in der erstern Absicht allgemein ist, XVI. Hauptstuͤck. ist, weil darinn alle bewegte Koͤrper einander aͤhn- lich sind. Hingegen daß ein Koͤrper nach jeder Rich- tung und mit jeder Geschwindigkeit in Bewegung gesetzet werden koͤnne, ist eine Allgemeinheit von der andern Art, oder eine uneingeschraͤnkte Moͤglich- keit. Die erstere Art von Allgemeinheit geht auf das Subject, so daß man saget: Alle A sind B. Die andere aber auf das Praͤdicat, so daß man saget: A kann, nach jeden Modificationen des B, B seyn. Die Aehnlichkeit der Dinge ist an sich schlecht- hin ideal (§. 372. 164. 425.), und in so fern ist sie nicht der Grund von der Moͤglichkeit der Dinge, son- dern diese hat ihre eigene Gruͤnde, und faͤngt, wo sie uneingeschraͤnkt seyn soll, bey dem einfachen an, (Alethiol. §. 239. 246. 250.). Thut man dieses in dem wissenschaftlichen Vortrage, so wird man einen Anfang haben, und die zusammengesetzten Be- griffe werden darinn, wie in dem Reiche der Wahrheit (Alethiol. §. 241.), als Praͤdicate vor- kommen, ehe sie als Subjecte vorkommen. So aber verfuhr man in der Metaphysic nicht, son- dern man nahm den Begriff eines Dinges gleich an- fangs als Subject vor, welcher, wie wir vorhin ge- sehen haben (§. 521. 522.), so sehr zusammengesetzet ist, daß man des Analysirens kaum ein Ende findet. Und allem Ansehen nach findet man gar keines, wenn man alle Fundamenta diuisionis aufsuchen soll, (§. 520. 184. 247.). Die Eintheilungen der Dinge in Arten und Gattungen ist gleichsam eine bloß locale Ord- nung (§. 338.), dahingegen die gesetzliche bey den ein- fachen und unbedingten Moͤglichkeiten anfaͤngt, und eben dadurch einen ganz andern Weg geht. Es ist daher gar wohl moͤglich, daß, da man bey der letztern anfangen und Schritt fuͤr Schritt fortgehen kann, bey Das Bestimmen. bey der erstern hingegen die Ordnung nur stuͤckweise, im Ganzen aber schlechthin eine absolute Unordnung vorkomme, (§. 181.). Denn so waͤre es eben so viel, als wenn man in der Quadratwurzel von 2, den Num- mern ihre Stelle nach ihrer Aehnlichkeit bestimmen wollte, (§. 323.). Jede Stelle haͤtte etwas beson- deres, welches keine allgemeine Regel zulassen wuͤrde, ungeachtet die ganze Decimalreihe 1, 41421356237309 5048 ꝛc. nach einem und zwar sehr einfachen Gesetze gebildet und gefunden wird. §. 524. Dieses will nun nicht sagen, man soll auf hoͤren, den Begriff eines Dinges uͤberhaupt oder andere der- gleichen allgemeine metaphysische Begriffe zu analy- siren, weil man doch dabey nie fertig wird. Die ganze Sprache ist nach Aehnlichkeiten der Dinge ein- gerichtet, weil die Aehnlichkeit am kenntlichsten ist, und weil die Sprache zu weitlaͤuftig wuͤrde, wenn man jedes Ding besonders benennen wollte. Dem- nach ist es auch aus diesem Grunde vortheilhaft, Saͤtze zu haben, die nach der Aehnlichkeit allgemein sind. Ueberdieß fuͤhret die wahre synthetische Theorie der Dinge selbst auf Aehnlichkeiten, und zwar auf die genauesten und brauchbarsten. Man kann die ganze Geometrie zum Beyspiele nehmen. Sie hat nicht nur allgemeine Saͤtze, weil die Allgemeinheit in der wissenschaftlichen Erkenntniß das Hauptwerk ist, sondern diese Allgemeinheit ist noch uͤberdieß von der eigentlich recht brauchbaren Art, und von der metaphysischen sehr verschieden (§. 193-196.), weil sie das Subject nach der Moͤglichkeit der Praͤdicate bestimmet, und in dem Satze: A kann, nach je- den Modificationen des B, B seyn, (§. 523.). Die XVI. Hauptstuͤck. Die Allgemeinheit des Subjectes A nach der Anzahl und Moͤglichkeit der Modificationen des B schaͤtzet. Nach der localen metaphysischen Ordnung wuͤrde man in der Geometrie anfangen muͤssen, das aufzusuchen, was alle Figuren gemein haben, z. E. jede Figur ist ausgedehnt, hat eine Groͤße, Schranken ꝛc. Dieses laͤßt man sich aber in der Geometrie nicht in Sinn kommen, sondern man faͤngt bey Puncten, Linien und Winkeln, als bey den einfachsten Elementen an, setzet ihre Grundsaͤtze und Postulata fest, und sieht sich sodann um, welche Figuren daraus entstehen koͤn- nen, wie weit ihre Moͤglichkeit reiche ꝛc. Nach die- ser Art zu verfahren haben wir oben (§. 118-123.) das vorhin angefuͤhrte Postulatum von der unendlichen Mannichfaltigkeit der Begriffe und Dinge heraus- gebracht, und eben so (§. 197. 198.) gezeiget, daß man nach eben dieser Art zu verfahren zu einem wissen- schaftlichen Systeme von wesentlichen Eintheilungen gelange, wobey alles genau abgezaͤhlt werden koͤnne. §. 525. Es ist ferner das Abstrahiren von dem Aufloͤsen (§. 516. 523.) darinn verschieden, daß man bey dem Abstrahiren die Merkmale herausnimmt, die in meh- rern Dingen gemeinsam sind, und in so fern sieht man auf die Gleichartigkeit mehrerer Dinge, und setzet sich dabey auf eine sehr mißliche Art (§. 183.) vor, stufenweise zu gehen, und bey der groͤßten Gleichartigkeit oder kleinsten Unterschiede anzu- fangen. Hingegen bey dem Aufloͤsen eines Begrif- fes in seine Merkmale bleibt man bey dem Begriffe selbst, und sucht darinn, nicht das Gleichartige oder Aehnliche mit andern Begriffen, sondern das Un- gleichartige in dem Begriffe selbst und die Moͤg- lichkeit Das Bestimmen. lichkeit auf, wie dasselbe beysammen seyn kann, und damit geht man schlechthin nur so weit, bis man auf einfache Ungleichartigkeiten koͤmmt. Dieses sind sodann die eigentlich einfachen Bestimmungen und Begriffe (§. 134.), die wir oben, weil sie die Grund- lage zu jeden Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten sind, in Tabellen vorgestellet und auf eine abgezaͤhlte Art gegen einander gehalten haben, (§. 155-158.). Alle andere Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten, auch bey den zusammengesetztesten Dingen sind, wie wir (§. 118-123. 197. 198.) gesehen haben, nur Mo- dificationen von diesen einfachen Ungleichartigkeiten, und solche Modificationen waren eigentlich aufzusu- chen, wenn man zu recht brauchbaren und bestimmten allgemeinen Saͤtzen gelangen will, (§. 524.). §. 526. Man hat in der Vernunftlehre und Metaphysic diejenigen Merkmale, die man einem allgemeinen Begriffe zusetzet, um ihn specialer zu machen, Be- stimmungen genennet. Es macht dieses aber nur eine besondere Art von Bestimmungen aus, weil man uͤberhaupt etwas bestimmet, wo man aus meh- rern Moͤglichkeiten eine nimmt oder setzet, (§. 507.). Es lohnt sich aber zum Behufe der abstracten Erkennt- niß immer der Muͤhe, diese Art von Bestimmungen besonders zu betrachten. Und da koͤmmt vornehm- lich die Frage vor, was die Merkmale, die man einem abstracten Begriffe zusetzet, um ihn specialer zu machen, eigentlich sind? Denn wir nehmen hier den abstracten Begriff nicht so von allem entbloͤst, wie ihn etwann die Worterklaͤrung angiebt, sondern als ein Sceleton von den darunter gehoͤrenden Indiuiduis , mit allen Anlagen zu den Eintheilungen Lamb. Archit. II. B. K und XVI. Hauptstuͤck. und Untereintheilungen, die damit vorgenommen werden muͤssen, wenn man jede darunter gehoͤrenden Indiuidua herausbringen will. Denn alles dieses ist schon in dem Begriffe, und darf folglich demselben nicht erst zugesetzet werden, und wenn wir es thun, so richten wir eigentlich nur unsern Begriff oder die Vorstellung, die wir von der Sache haben, der Sache gemaͤß ein (§. 509. 510.), und machen dadurch die Sacherklaͤrung, die wir davon haben, vollstaͤndiger. Hier setzen wir voraus, dieses alles sey schon geschehen, und da koͤmmt die Frage vor, was man einem solchen Begriffe noch zusetzen muͤsse, um ihn specialer zu ma- chen, oder wie diese Bestimmungen beschaffen seyn? §. 527. Um diese Frage behoͤrig zu untersuchen, werden wir den abstracten Begriff mit den Indiuiduis verglei- chen, in welchen er vorkoͤmmt. Der Begriff sey B, eines von diesen Indiuiduis, welches man wolle, sey C, so haben wir immer den individualen Satz: C ist B. Soll nun dieser genau bestimmt und richtig seyn, so muß sich das Praͤdicat B gleichfoͤrmig uͤber das ganze Subject C ausbreiten, (§. 242.). Was nun hiebey fehlen kann, ist, daß B nicht in allen Theilen des C vorkomme, und folglich dem C nur deswegen zugeeignet werde, weil C in einigen seiner Theile B ist. Jn so fern ist demnach C ungleichartig, und man muß eigentlich nur die Theile nehmen, in wel- chen B vorkoͤmmt. Dieses vorausgesetzt, so ist C von jeden andern Indiuiduis C nur der Zahl und den Graden nach verschieden, und widrigenfalls hat man statt eines abstracten Begriffes B, mehrere und von einander verschiedene, (§. 458.). Es koͤmmt hiebey auf den Begriff B an, ob in demselben der Begriff des Das Bestimmen. des Soliden vorkomme, oder nicht? Denn im ersten Falle ist B ein Abstractum von Indiuiduis, im andern Falle aber nur eine Bestimmung oder Verhaͤltniß. Daher enthaͤlt der Begriff B an sich schon den Begriff von soliden Theilen und deren Zusammensetzung und Verbindung, und ist daher gleichsam ein allgemei- nes Bild oder Modell von den Indiuiduis, welche unter denselben gehoͤren. Auf diese Art stellen wir uns z. E. den allgemeinen Begriff eines Baumes vor, und gedenken dabey so gleich Holz, Blaͤtter, Aeste, Wurzeln ꝛc. und uͤberdieß noch verschiedenes von der Structur derselben, der Fibern, Fasern ꝛc. so fern wir diese kennen. Und soll der allgemeine Begriff vollstaͤndig seyn, so wird darinn weiter nichts als die Anzahl und Grade unbestimmt bleiben, so sehr auch die verschiedene Arten von Baͤumen von einander verschieden sind. Jn diesem Verstande sagte Cartesius, daß, um eine ganze Welt herauszubrin- gen, weiter nichts als Materie und Bewegung erfor- dert werde. Erstere giebt den Grundstoff, letztere aber die Gesetze der Ausbildung und Structur dessel- ben, (§. 197.). Es giebt aber auch nur die Koͤrper- welt, wenn man nicht noch das Bewußtseyn und die Empfindbarkeit mitnimmt. Man sieht zugleich hieraus, daß wenn B nur eine Bestimmung oder Verhaͤltniß ist, das Solide dabey vorausgesetzet wer- de, und B entweder die Gesetze der innern Structur oder die Verhaͤltnisse betreffe, und daher in dem allgemeinen Begriffe B schon durchaus so weit be- stimmet sey, daß in den Indiuiduis nur die Grade und Anzahl der Theile, auf welche sich B bezieht, und welche eben dadurch gleichartig sind, bestimmet werden muͤssen. K 2 §. 528. XVI. Hauptstuͤck. §. 528. Die eigentlichen und individualen Bestimmungen sind demnach schlechthin nur Zahl und Grade, alles uͤbrige muß das Sceleton des allgemeinen Begriffes an sich schon enthalten, und bey dem Analysiren des- selben thun wir auch weiter nichts, als daß wir es schlechthin nur finden, um unsere Vorstellung und die Sacherklaͤrung davon vollstaͤndiger zu machen, (§. 526.). Die Anomalien, so die Sprache hiebey veranlaßt, haben wir bereits oben (§. 453-461.) aus- fuͤhrlich angezeiget. §. 529. So sehr nun aber das Sceleton, so ein abstracter Begriff von den Indiuiduis vorstellet, zusammenge- setzet ist, so laͤßt es sich, an sich betrachtet, auf eine ideale Art in Theile zerfaͤllen, und so fern jeder Theil in der Sprache einen Namen hat, kann auch das Ganze durch die Zusammensetzung dieser Namen, nach seinen Haupttheilen und vollstaͤndig vorgestellet werden, und diese Vorstellung ist sodann ein abge- kuͤrzter, dabey aber dennoch vollstaͤndiger Ausdruck, welchen man statt des Namens des ganzen Begriffes gebrauchen kann, weil er die Anlage zu der vollstaͤn- digen und ausfuͤhrlichen Sacherklaͤrung ist. Bey diesem Verfahren muß die Moͤglichkeit, das Sceleton auf mehrerley Arten in Theile zu zerfaͤllen, mit der Moͤglichkeit, jeden Theil und dessen Verbindung mit den uͤbrigen, durch schickliche Woͤrter zu benennen, verglichen werden. Denn dabey bleibt man zuweilen zuruͤck, zuweilen aber findet man mehrere solcher ab- gekuͤrzten Erklaͤrungen, welche demnach, wenn sie saͤmmtlich richtig sind, einen und eben denselben Be- griff aber nach verschiedenen Arten der Zergliederung vor- Das Bestimmen. vorstellen. So fern man nun solche Theile als zu- sammengenommen ansieht, saget man, daß sie saͤmmtlich dazu beytragen, den Umfang des Begriffes zu bestimmen, und aus diesem Grunde werden sie ebenfalls Bestimmungen genennet, (§. 508. und Dianoiol. §. 55-58.). §. 530. Auf diese Art koͤnnen wir nun sagen: Ein (zu- sammengesetztes) Ding sey ein aus einer Anzahl solider und durch Kraͤfte dergestalt mit einan- der verbundener Theile, bestehendes Ganzes, welches fuͤr sich betrachtet, in solcher Verbin- dung existiren oder fortdauern koͤnne, (§. 500. 197. 118-123.). Es ist aber hiebey, wie man leicht sieht, der Begriff eines Dinges, oder, besser zu sa- gen, die Vieldeutigkeit des Wortes (§. 178. N°. 8.) so eingeschraͤnkt, daß nicht bloße Merkmale, Bestim- mungen und Verhaͤltnisse, sondern mit diesen das da- bey zum Grunde liegende Solide und die Kraͤfte dar- inn begriffen werden. Siebenzehentes Hauptstuͤck. Das Zusammensetzen. §. 531. D as Zusammensetzen ist der andere Hauptbe- griff, welcher sich auf die Art bezieht, wie die Kraͤfte angewandt werden (§. 505. 429. 434.), und welcher eben so, wie der Begriff des Bestimmens, eine besondere Theorie verdient. Diese beyden Be- griffe sind uͤberhaupt und in einem weit allgemeinern K 3 Ver- XVII. Hauptstuͤck. Verstande so von einander verschieden, wie in der Arithmetic das Addiren und das Multipliciren. Wir haben daher oben (§. 434.), wo wir sie in Absicht auf die daher entstehenden Verhaͤltnisse betrachteten, einer- ley Zeichnungsart dabey gebraucht, und in so fern das Zusammensetzen eine Handlung, Operation und Wirkung der Kraͤfte ist, demselben das Theilen und Trennen entgegengesetzet, (§. 429. 434.). Jn Ab- sicht auf die Sache selbst, setzet man dem Zusam- mengesetzten das Einfache entgegen. Bey dessen Betrachtung werden wir nun anfangen. §. 532. Daß bey dem Zusammengesetzten, welches uͤber- haupt aus mehrern mit einander verbundenen Theilen besteht, und sich eben dadurch von einem bloßen Hau- fen und bloß arithmetischen Summe unterscheidet, eines einfacher oder minder zusammengesetzt sey, und folglich aus wenigern, mit geringern Kraͤften und nach weniger Dimensionen verbundenen Theilen bestehen koͤnne, als ein anderes, ist fuͤr sich klar, (§. 119-122.). Hier ist aber nicht von diesem rela- tiven Einfachen, sondern von dem, was absolut oder schlechthin einfach ist, die Rede. Dieses werden wir im Folgenden schlechthin einfach nennen, und das Relative durch Umschreibungen oder aus- druͤckliche Benennungen anzeigen, wo von demselben die Rede ist. Dieses vorausgesetzt, so merken wir an, daß das Einfache auf dreyerley Arten so genennet werden koͤnne: 1°. Das einfache Solide, so fern dieses entweder nicht mehr getheilt ist, oder nicht mehr in klei- nere Theile wirklich getheilet werden kann. 2°. Jst Das Zusammensetzen. 2°. Jst dasjenige einfach, was nicht mehrere der Art nach von einander verschiedene innere Merk- male oder Bestimmungen hat. Dergleichen z. E. die einfachen Begriffe des Raums, der Dauer, der Existenz ꝛc. sind. 3°. Koͤnnen wir auch einfach nennen, was eine ab- solute Einheit ist, z. E. die Existenz, das Seyn, das Wahre ꝛc. §. 533. Die erste dieser Benennungen bezieht sich auf die Theilbarkeit des Soliden, oder Materie, und dabey hat man laͤngst schon die Frage aufgeworfen, ob die Materie unendlich getheilt oder wenigstens un- endlich theilbar sey? Diese Frage, auf die wir im Vorhergehenden schon einige andere reducirt haben, werden wir nun hier etwas umstaͤndlicher untersuchen, um zu sehen, wie ferne sie in ihr gehoͤriges Licht ge- setzet werden koͤnne. Dem Unendlichen wird das Endliche, und beyden das Nichts entgegengesetzet. Ferner ist das Unendliche entweder ein Terminus infinitus vom Endlichen, das will sagen, Nicht - endlich, so daß es etwas in sich enthaͤlt, welchem das endlich seyn schlechthin widerspricht (§. 257.), oder es ist eine bloße Privation, so daß es schlechthin nur nicht endlich ist, (§. 254. seqq. ). Nun trifft beydes zusammen, so oft von einem unendlichen Indiuiduo die Rede ist, (§. 259. 261. N°. 6. 8.). Eben dieser Unterschied findet sich auch bey dem Nichts. Das Nicht - Etwas ist schlechthin symbolisch, und als ein Indiuiduum betrachtet, das eigentlich cate- gorische Nichts (§. 262. N°. 12.), A und Nicht - A zugleich, und weder A noch Nicht - A , (§. 262. N°. 13.). Hingegen privative bedeutet das Nichts K 4 schlecht- XVII. Hauptstuͤck. schlechthin Nicht etwas seyn, oder man kann arith- metisch sagen, das, was uͤbrig bleibt, wenn das Et- was weggenommen wird, das heißt 0 = 1 - 1 = 2 - 2 = a - a = b - b, ꝛc. Denn das, was man weg- nimmt, mag groß oder klein seyn, so bleibt nichts, wenn man es ganz wegnimmt. §. 534. Auf diese Art bringt man durch das Subtrahiren ein eigentlich Nichts heraus. Man fragt aber, ob es auch durch das Dividiren geschehen koͤnne? Hie- bey muͤssen wir nun das Symbolische von dem Wirk- lichen unterscheiden. Wir setzen demnach als einen Grundsatz fest: Was in einem, immer oder ohne Aufhoͤren fortgeht, da koͤmmt von einem letz- ten die Rede schlechthin nicht vor. Denn dieses wuͤrde dem Fortgehen ein Ende machen, und folg- lich die Voraussetzung umstoßen. Stellet man sich demnach die Theilung so vor, daß man z. E. in einem fort halbirt, so werden die Theile nach der Reihe 1, \frac {1} {2} , \frac {1} {4} , \frac {1} {8} , \frac {1} {16} , \frac {1} {32} , \frac {1} {64} , \frac {1} {128} ꝛc. immer kleiner, und in dieser Reihe faͤllt der Begriff eines letzten Gliedes schlechthin weg. Jn dieser Absicht kann man in der Theilung immer weiter gehen, und zwar schlechthin, weil die Moͤglichkeit ferner zu thei- len, immer bleibt, so weit man auch darinn gekom- men. Jndessen kann man zeigen, daß die Theile nicht nur kleiner, sondern dergestalt kleiner werden, daß so klein man einen gedenken will, durch die Fortsetzung dieser Theilung ein noch kleinerer herausgebracht wer- den koͤnne. Aus diesem Grunde aber stellet man sich, auf eine bloß symbolische Art, ein letztes Glied der Reihe vor, und setzet dasselbe = 0, und zwar des- wegen, weil die Glieder der Reihe dergestalt kleiner werden, Das Zusammensetzen. werden, daß sie von 0 so wenig man will unterschie- den bleiben. Setzet man nun, man wolle, daß die- ser Unterschied = 0 sey, so hat man fuͤr das Glied, welches diesen Unterschied giebt 0 - 0 = 0. Und dieses sieht man fuͤr das letzte an. Fragt man nun, wie groß der Theiler seyn muͤsse, der dieses Glied herausbringt, so findet sichs ebenfalls auf eine bloß symbolische Art, er muͤsse = \frac {1}{0} , das will sagen, groͤßer seyn, als jeder, den man sich gedenken kann. Dieses nennet man nun unendlich groß. Man stellet sich daher vor, daß, wenn dieses Unendliche durch \infty ausgedruͤckt wird \frac {1} {\infty} = 0 seyn muͤsse. Dieses alles ist nun schlechthin nur symbolisch. Denn die Zahl \infty muͤßte die letzte seyn. So groß man sie aber gedenken will, lassen sich noch Einhei- ten zusetzen, und folglich noch groͤßere gedenken. Der Ausdruck \frac {1} {\infty} = 0 , will auch nicht mehr sa- gen, als daß sich zwischen 1 und \infty keine determi- nirte Verhaͤltniß gedenken lasse, und dieses ist noth- wendig, weil \infty dabey nicht determinirt seyn kann, sondern so groß es auch genommen wird, die Moͤg- lichkeit des noch groͤßern mit in sich begreift. §. 535. Was keine absolute Einheit hat, wie z. E. der Raum, die Zeit, die Kraft ꝛc. kann so groß und so klein man will, gedacht und angenommen werden, und die Theilbarkeit ist dabey unendlich, das will sagen, die Moͤglichkeit, noch ferner zu theilen, hoͤret niemals auf, oder so klein man einen Theil annimmt, K 5 lassen XVII. Hauptstuͤck. lassen sich noch kleinere gedenken. Hingegen, was eine absolute Einheit hat, wie z. E. die Existenz, das Seyn, das Wahre ꝛc. dabey faͤllt die Frage vom Groͤßern und Kleinern, vom Theilen ꝛc. ganz weg, und so fern man dabey rechnen will, wird die Bedeutung geaͤndert, (§. 104. 106.). §. 536. Nun kann man jeden Raum als mit Solidem aus- gefuͤllet gedenken. Der Raum laͤßt sich, so klein man will, theilen. Diese Theilung aber ist schlecht- hin nur ideal, weil die Theile des Raumes weder von einander abgesondert, noch versetzt werden koͤn- nen, (§. 80.). Da hingegen dieses Absondern und Versetzen bey dem Soliden angeht; so fragt es sich, wie weit die Theilung und Theilbarkeit des Soliden gehe? Hieruͤber koͤnnen wir nun anmerken, daß das Solide, wo es existirt, nicht a - a = 0, sondern etwas sey, und daher eine Groͤße habe, so klein man diese auch gedenken will. So klein naͤmlich der Theil des Raumes ist, den das solide Dichte oder mit einer absoluten Continuitaͤt ausfuͤllt, so laͤßt sich noch ein kleinerer Theil des Raumes gedenken. Oder in dem existirenden Soliden, so weit es eine absolute Continuitaͤt hat, lassen sich auf eine ideale Art klei- nere Theile gedenken, die weder davon wirklich ab- gesondert, noch = a - a = 0 sind. Ob sich aber sol- che Theile davon absondern lassen, ist eine andere Frage. So fern sich dieses thun laͤßt, ist das Soli- de nicht einfach, sondern zusammengesetzt, und die absolute Continuitaͤt besteht nur darinn, daß die Theile so an einander schließen, daß alle leere Zwi- schenraͤumchen ganz wegbleiben oder = a - a = 0 sind. Sollte aber die fernere Theilung nicht mehr angehen koͤnnen, Das Zusammensetzen. koͤnnen, so giebt es letzte oder kleinste Theile, und diese haben, wie die epicurischen Atomen (§. 207.) eine Haͤrtigkeit, die durch keine Kraft, so groß man sich auch gedenken will, uͤberwunden werden kann, und sie lassen sich weder ganz noch theilsweise vernich- ten. Wir haben daher schon oben (§. 90.) ange- merket, daß wer die Moͤglichkeit der Vernichtung und der Schoͤpfung aus Nichts zugiebt, an der unendlichen Theilbarkeit der Materie keine große Schwierigkeit finden werde, und daß man hiebey nur die Zeit nicht mit einmengen muͤsse. Das will nun so viel sagen. §. 537. Wenn das Solide vernichtet, und so auch aus Nichts erschaffen werden kann, so lassen sich ab- gesonderte Theile des Soliden von jeder Groͤße ge- denken, die in sich eine absolute Continuitaͤt haben, die sich mit eben der Continuitaͤt an anderes ansetzen lassen, und mit demselben, so lange sie nicht wieder getrennet werden, ein Ganzes ausmachen koͤnnen, welches ebenfalls eine durchgaͤngige und absolute Con- tinuitaͤt hat. Die Moͤglichkeit, die Theilung dieses Ganzen, so weit man will, fortzusetzen, und damit immer kleinere Theile abzusondern, ist dabey positiv und uneingeschraͤnkt. Sie geht aber nicht anders bis zur Vernichtung, als wenn ein Theil, der eine wirk- liche Groͤße hat, so klein diese auch seyn mag, mit einem Male vernichtet, folglich, nicht \frac {1} {\infty} = 0 , sondern 1 - 1 = 0 wird. Denn bey \frac {1} {\infty} bleibt im- mer noch etwas, welches aber zu 1 keine bestimmte Verhaͤltniß hat, weil \infty die Moͤglichkeit weiter zu theilen XVII. Hauptstuͤck. theilen in sich begreift, (§. 534.). Hingegen bey 1 - 1 = 0 bleibt schlechthin nichts mehr uͤbrig, (§. 533.). Wir haben daher dieses Nichts privativ genennet, und es dem categorischen Nichts, wel- ches A und nicht - A zugleich, und daher schlechthin symbolisch ist, entgegen zu setzen, (§. cit. ). Ein solches Nichts ist nun \frac {1} {\infty} , wenn man durch ∞ die groͤßte Zahl versteht, weil diese groͤßte Zahl, eben dadurch, daß es noch groͤßere giebt, zugleich auch Nicht die groͤßte waͤre. §. 538. Bey dem existirenden Soliden koͤmmt man dem- nach immer auf Theile, die nicht ferner mehr getheilet sind, ungeachtet sie sich noch ferner theilen lassen, die aber, wenn sie vernichtet werden sollen, nicht durch die immer fortgesetzte Theilung vernichtet werden koͤnnen, sondern in ganzen Theilen und mit einem Male vernichtet werden muͤssen. Nun ist die Ver- wandlung des Etwas, das will sagen, des Wirk- lichen und Gedenkbaren in das categorische Nichts, oder in A und nicht - A zugleich, schlechthin un- moͤglich, so wie hingegen dieses nicht in Etwas ver- wandelt werden kann. Dieses ist demnach nicht der Begriff des Vernichtens und des Erschaffens. Hingegen, daß a von a weggenommen, folglich, wo a war, a - a = 0 seyn koͤnne, ist allerdings gedenk- bar, und welche Kraͤfte auch immer dazu erfordert werden, so sind sie dem Gedenkbaren vorexistirend, (§. 297. seqq. ). §. 539. So fern wir bey dem existirenden Soliden immer auf Theile kommen, die, ungeachtet sie noch ferner getheilet Das Zusammensetzen. getheilet werden koͤnnen, dennoch in der That nicht ferner getheilet oder getrennet sind; so ferne koͤnnen wir sie nur noch als einen Haufen von kleinern Theil- chen ansehen, in welchem keine andere Verbindung ist, als daß sie dichte aneinander liegen, und folg- lich den Raum ganz ausfuͤllen, daferne wir nicht Kraͤfte mit annehmen, durch welche sie verbunden sind, und durch diese Verbindung ein ganzes ausma- chen. Diese Kraͤfte sind nun Nicht das Solide selbst, sondern das Solide hat sie, oder sie sind in demsel- ben. Wir haben dieses bereits oben a posteriori daraus hergeleitet, daß es elastische Koͤrper giebt, (§. 389. 392. 393.). Denn die erste Anlage zur Ela- sticitaͤt kann man, ohne den Begriff der Kraft mit- zunehmen, in dem Soliden selbst nicht finden, weil z. E. ohne dieselbe, die Luft so wenig elastisch seyn wuͤrde, als ein Haufen Staubes. Ferner haben wir oben (§. 96.) bereits angemerket, daß die Ela- sticitaͤt nur relativ ist, und ihre Grade von der Ge- schwindigkeit abhaͤngen, mit welcher die Figur des Koͤrpers bey dem Stoße veraͤndert wird, (§. 420.). Das will nun sagen, die Kraͤfte, womit die Theile des elastischen Koͤrpers verbunden sind, und zur Wieder- herstellung der Figur bey dem Stoße sich aͤußern, ha- ben eine bestimmte Staͤrke und Groͤße, welche, wenn sie uͤberwaͤltiget wird, sich nicht mehr wieder herstellet. §. 540. Man hat in der Metaphysic die Dinge in einfa- che und zusammengesetzte eingetheilet, und den Beweis, daß es einfache Dinge gebe, darauf ge- gruͤndet, daß die Theilung des Zusammengesetzten nicht ins Unendliche fortgehen koͤnne, folglich irgend- wo aufhoͤren muͤsse. Meines Erachtens ist alles, was XVII. Hauptstuͤck. was man hiebey heraus bringt, dieses, daß solche Thei- le nicht mehr aus kleinern, wirklich von einander getrennten und nur durch Kraͤfte verbundenen, oder in ein System gebrachten Theilchen bestehen; sondern so wie sie sind, eine absolute Continuitaͤt ha- ben, und folglich nur auf eine ideale Art, als in kleinere Theile getheilet; aber nicht getrennet, an- gesehen werden koͤnnen, ungeachtet die fernere Tren- nung noch immer moͤglich bleibt. Diese koͤnnen wir nun in verschiedenen Absichten einfach nennen. Ein- mal wegen der absoluten und durchgaͤngigen Conti- nuitaͤt, ist der Begriff von ihrem innern Wesen in eben dem Verstande einfach, wie der Begriff des Raumes, der Dauer, (§. 533.). Sodann ist auch die Kraft, so die Theile, die sich noch in denselben geden- ken lassen, in solche Verbindung bringt, daß sie nicht bloß an einander liegen, an sich einfach, und machet diese Theile zu einem realen Ganzen, und erhaͤlt sie auch, mit einer wenigstens hypothetischen Nothwen- digkeit (§. 287. N°. 2. §. 284.), als ein Ganzes. Sie bleibt ganz in demselben, und soll sie weggenom- men werden, so wird sie ganz weggenommen. Sol- che Theilchen der Materie haben nun dadurch mit den Atomen einige Aehnlichkeit, und sind gleichsam die Elemente oder der Urstoff der Koͤrperwelt. §. 541. Man hat ferner daraus, daß ein einfaches Ding keine Theile hat, und aus gemachten Worterklaͤrun- gen der Groͤße, der Ausdehnung, des Raumes ꝛc. geschlossen, daß den einfachen Dingen schlechthin alle Groͤße und Ausdehnung abgesprochen werden muͤsse. Meines Erachtens aber sind hiebey einige Begriffe vermenget worden. Das Zusammengesetzte hat un- streitig Das Zusammensetzen. streitig Theile, und das Einfache, im absoluten Ver- stande genommen, hat unstreitig nicht mehrere Theile. Hieraus folget nun noch nicht, daß jedes Zusammengesetzte nothwendig aus absolute einfachen Theilen bestehen muͤsse. Es kann dergestalt zusam- mengesetzt seyn, daß immer noch eine fernere Thei- lung moͤglich bleibt, und auf diese Art ist Zeit und Raum, und alles das zusammengesetzt, was eine ab- solute Continuitaͤt hat. Ohne eine solche innere absolute Continuitaͤt laͤßt sich das eigentlich Solide nicht ge- denken. Demnach behaͤlt es eben so, wie der Raum, noch immer eine Ausdehnung und Groͤße, so klein man es auch gedenken will, und so muß es auch mit einem Male vernichtet werden, wenn es ver- nichtet werden soll, weil es durch die Theilung zwar in kleinere Theile abgesondert, aber nicht vernichtet wird. Wo nun aber immer die wirkliche Theilung nicht mehr fortgesetzt ist, da hat das Solide nicht in der That keine Theile, sondern keine getrennete oder von einander abgesonderte Theile mehr, un- geachtet es noch gar wohl in kleinere Theile getrennet werden koͤnnte, wenn die Kraft, so sie in Verbin- dung erhaͤlt, daraus weggenommen wuͤrde. Die Groͤße der Ausdehnung ist, wie die Ausdehnung selbst, ein einfacher Begriff, worinn sich nichts als Grade unterscheiden und bestimmen laͤßt. Die Ein- heit ist dabey willkuͤhrlich, und demnach kann die Groͤße nicht durch die Vielheit der Theile definirt wer- den, weil diese Theile ebenfalls, entweder als eine will- kuͤhrliche Einheit angenommen, oder nach einer will- kuͤhrlich angenommenen Einheit muͤssen gemessen wer- den. Bey der Ausdehnung ist alles, was man groß oder klein nennet, nur verhaͤltnißweise groß oder klein. Und wenn man je von absoluten Groͤßen sprechen will, so XVII. Hauptstuͤck. so muß es da geschehen, wo schlechthin nur eine ab- solute Einheit ist, welche weder Bruͤche admittirt, noch vielfach genommen werden kann, dergleichen z. E. die Existenz, das Seyn, das Wahre ꝛc. in Absicht auf die Gradus intensitatis ist. Die Defini- tionen, so man von Raum und Zeit gegeben, daß naͤmlich der Raum in der Ordnung der Dinge, die außer einander sind, die Zeit aber in der Ordnung auf einander folgender Dinge bestehe, zeigen keine innere Merkmale, sondern nur Verhaͤltnisse an, das außer, neben, nach ꝛc. enthaͤlt diese Begriffe schon ganz, und diese beyden Definitionen sind einander viel zu aͤhnlich, als daß man daraus herleiten koͤnnte, die Zeit habe nur eine, der Raum aber drey, und weder mehr noch minder als drey Dimensionen. Daß man endlich durch diese Theorie der einfachen Dinge, die Geisterwelt hat heraus bringen wollen, da gestehe ich gerne, daß es mir erweisbarer vor- koͤmmt, wenn man die Kraͤfte als Substanzen an- sieht, die von dem Soliden verschieden sind, und denken, wollen und wirken koͤnnen, und in solchen Substan- zen die Geisterwelt aufsuchet. Denn die Kraͤfte be- leben ohnehin das an sich todte Solide, welchem man laͤngst schon nur eine Vim inertiae zugeschrieben, und sind von dem Soliden verschieden ꝛc. (§. 539.). §. 542. Wir muͤssen hiebey noch anmerken, daß man in der Metaphysic eigentlich nicht das Solide, welches man darinn so viel als Materie nennet, sondern die Dinge uͤberhaupt in Zusammengesetzte und Ein- fache eingetheilet hat, und da mag es bey der Viel- deutigkeit, die das Wort Ding hat, wohl angehen. Das Solide wird demnach unter die Classe der Dinge gehoͤren, Das Zusammensetzen. gehoͤren, die schlechthin zusammengesetzt sind, und wobey sich nur verhaͤltnißweise einfacheres gedenken laͤßt, weil es an sich immer noch theilbar bleibt. Zu dem schlechthin einfachen hingegen wird man das nehmen muͤssen, was eine absolute Einheit ist, (§. 535.). Und da ist es gar wohl moͤglich, daß die Dinge oder Substanzen der Geisterwelt solche abso- lute Einheiten sind, die nur in gewissen Absichten, z. E. der Jntensitaͤt der Kraͤfte nach, Grade haben, und die folglich, so fern sie in dem Soliden sich aͤu- ßern, das an sich noch theilbare dabey zusammen- halten, und machen, daß das Solide in seinen klei- nern Theilen, als ein beysammen bestehendes Ganzes angesehen werden kann, welches so lange bleibt, bis es durch staͤrkere Kraͤfte getrennet wird. §. 543. Wir halten uns aber hiebey nicht laͤnger auf, son- dern merken nur an, daß wir im obigen, wie wir bereits (§. 90.) vorerinnert haben, unter dem Worte Solides zuweilen die bloße Materie, zuweilen auch die Kraͤfte und Substanzen der Geisterwelt mit inbegriffen haben. Wie weit sich nun diese Bedeu- tung ausdehnet, dieses muß sich an jedem Orte aus dem Zusammenhange der Rede, und aus der Ab- sicht ergeben, in welcher das Wort gebraucht wird. Ohne diese Betrachtung lassen sich die verschiedenen Stellen nicht so unbedingt mit einander vergleichen, wenn man Schluͤsse von vier Gliedern vermeiden will, (§. 350. Semiot.). So z. E. so theilbar auch das Solide ist, bleibt es an sich undurch- dringbar, und schleußt dadurch anderes Solides von seiner Stelle aus. Daher leitet sich nun ein Theil des Druckes, den das Solide aͤußert, wenn Lamb. Archit. II. B. L es XVII. Hauptstuͤck. es an ein anderes stoͤßt. Zu diesem Drucke und zu der ersten Verursachung desselben werden aber noch Kraͤfte erfordert, und von diesen, auch wenn man sie als immaterielle Substanzen ansieht, muß das Solide durchdrungen werden koͤnnen, weil der Druck sich durch das Solide fortsetzt, und eben diese Kraͤfte sind es, die die Theilchen des Soliden zusammen- halten, und aus demselben ein Ganzes machen, und es mit anderm Solidem verbinden, die demselben mehr oder minder Festigkeit geben, seine Figur wie- der herstellen ꝛc. (§. 393. 380. 298.). §. 544. Jndessen erhellet aus allen Erfahrungen, daß in der wirklichen Welt das Solide mit den Kraͤften auf eine sehr enge Art verbunden ist. Die Kraͤfte, wo- mit die Theilchen fester Koͤrper zusammen haͤngen, sind sehr betraͤchtlich, und man findet sie in den klein- sten Theilchen vergleichungsweise am groͤßten. Nach den Musschenbroekischen Versuchen muß man ein Gewicht von dreyhundert bis fuͤnfhundert Pfund an- haͤngen, ehe ein metallener Drat von Kupfer, Sil- ber, Eisen, Gold zerreißen wird, dessen Diamter nur \frac {1} {10} eines rheinlaͤndischen Zolles ist. Hingegen scheint es, die eigentliche Erde haͤnge in ihren Theil- chen weiter nicht zusammen, als in so fern sie mit andern Materien, z. E. mit Wasser, Oel, Sal- zen ꝛc. vermischt ist, weil sie sich bis in die kleinsten Theilchen zerreiben laͤßt. Sie stellet demnach gewis- sermaßen vor, was das Solide fuͤr sich betrachtet ist, wenn die Kraͤfte, so die Theilchen verbinden koͤnnen, daraus weg, oder nicht damit verbunden sind. Ohne solche Kraͤfte wuͤrden wir von harten, elastischen und fluͤßigen Materien in der Welt nichts finden, deren Das Zusammensetzen. deren verschiedene Arten und Stufen schlechthin von den besondern Modificationen der Kraͤfte abhaͤngt, womit die Theilchen verbunden sind. Die meisten Versuche zeigen, daß jede Kraft einen Wirkungs- kreis hat, in welchem sie gleichsam im Ruhestande ist, und daß die Vergroͤßerung und die Verkleine- rung dieses Wirkungskreises das Gleichgewicht auf- hebt, und die Kraft zur Wiederherstellung desselben ihre Wirkung aͤußert. §. 545. Da wir den Begriff der Kraͤfte, sowohl des Den- kens als des Wollens und des Wirkens, nur aus den Wirkungen derselben haben, so faͤllt es auch schwe- rer, die Art, wie sie wirken, sich vorzustellen, wenn man es nicht bey dem bloß symbolischen, welches al- lerdings uͤber unsere Sinnen und Einbildungskraft hinaus reichen kann, will bewenden lassen. Man ist, vermuthlich wegen dieser Schwierigkeit, auf den Einfall gekommen, die Wirkung der Kraͤfte bloß ideal zu machen, und den physischen Einfluß dersel- ben in eine bloße Harmonie zu verwandeln. Die Kraft wurde durch den zureichenden Grund definirt, warum die Accidenzen in den Substanzen sind, un- gefaͤhr eben so, wie man die Existenz durch das Com- plementum possibilitatis, oder durch das Comple- mentum complexus determinationum definirte. Das will nun sagen: die Kraft ist die Ursache, warum das Solide mit anderm Solidem verbunden, und dadurch etwas mehr als ein bloßer Haufen ist, und die Existenz machet; daß das, was wirklich ist, et- was mehr als schlechthin nur moͤglich ist. Dieses sind aber Saͤtze, und keine vollstaͤndige und reale Erklaͤrungen. Denn da die Begriffe der Kraft und L 2 der XVII. Hauptstuͤck. der Existenz schlechthin einfach, und eben dadurch sich selbst ihr eigenes und einiges inneres Merkmal sind, so koͤnnen wir um diese Begriffe fuͤr sich klar zu erlangen, weiter nichts thun, als daß wir an- geben, durch welche Empfindungen wir dazu gelan- gen koͤnnen, ungefaͤhr, wie wir die Farbe selbst vor- legen, wenn wir einem andern begreiflich machen wollen, welche wir eigentlich verstehen oder zu haben verlangen ꝛc. Jndem man aber die Kraft in dem zureichenden Grunde bestehen machte, und durch die- sen dasjenige verstunde, woraus das Warum von Etwas erkennbar wird, so war es sehr natuͤrlich, alles aufs Jdeale hinaus zu leiten. Wir haben die Erzaͤhlung der dabey gebrauchten Art zu verfahren, bereits in dem §. 521. vorgetragen. Die einfachen Begriffe sind schlechthin ungleichartig, und jeder fuͤr sich gedenkbar. Auf diese Art aber laͤßt sich das, was der eine vorstellet, aus dem, was der andere vorstellet, nicht herleiten. Man versuche es, z. E. ob sich aus dem Begriffe der Zeit der Begriff des Raumes herleiten lasse, oder ob aus diesem jener ge- funden werden koͤnne? Man muß es naͤmlich auf die Art versuchen, wie, wenn ein Blinder aus dem Be- griffe des Schalles den Begriff des Lichtes herleiten wollte. Die Hauptschwierigkeit hiebey ist, daß man sich, aus Erfahrungen zu schließen, gleichsam genoͤ- thiget sieht, den Wirkungskreis einer Kraft auch außerhalb das Solide, in welchem sie ist, zu erstre- cken, und dadurch ohne zwischenliegendes Solides, eine actionem in distans anzunehmen, die schlechthin durch die Wirkung der Kraft hervor gebracht wird. Denn mit Solidem kann man die Welt nicht wohl dichte und bis zur absoluten Continuitaͤt ausfuͤllen, weil man statt localer Bewegungen nur Erschuͤtte- rungen Das Zusammensetzen. rungen haben wuͤrde, wie etwann in einem Sacke voll Mehls, oder in einem Haufen Staubes. So- dann faͤllt es uns schwer, Substanzen anzunehmen, die nicht solid sind, und dennoch in dem Soliden Ver- bindungen verursachen, Bewegungen und Veraͤnde- rungen hervor bringen, und man wird dadurch leichte verleitet, das Solide, die Dauer, den Raum und die Bewegung fuͤr bloßen sinnlichen Schein und Bil- der der Einbildungskraft anzugeben, welche uns das, was eine bloße Art der Vorstellung des Verschiede- nen und des Veraͤnderlichen und der Harmonie zwi- schen denselben ist, als etwas reales vorstellen. Man gienge hierinn anfangs stufenweise. Die Farben z. E. und das Licht wurde dem Auge zugeschrieben, und man glaubte, daß die Stralen aus dem Auge ausflossen, bis sie die Objecte beruͤhrten, ungefaͤhr, wie man mit der Hand etwas betasten muß, um zu finden, ob es hart oder weich sey. Man hatte aber nur einen Schritt zu thun, um diese Vorstellung zu aͤndern, weil man bey geringer Ueberlegung finden konnte, daß das Auge im Dunkeln vergebens seine Blicke gegen die Objecte richtet. Dadurch kehrte man um, und eignete die Farben den Koͤrpern zu. Genauere Versuche aber zeigten, daß nicht die Koͤr- per, sondern die Lichtstralen der eigentliche Grund sind, warum die Koͤrper mehrerley Farben haben koͤnnen, und daß das Bild auf dem Augennetze eben so gefaͤrbt aussehe. Aus diesem konnte man nun schließen, daß die Begriffe der Farben eigentlich in der Seele, die Veranlassung dazu aber in den Licht- stralen, in den Koͤrpern und in der Structur des Au- ges, der Gesichtsnerven und der Fibern des Gehir- nes ist. Zu allen diesen Schluͤssen verhalf die Er- fahrung; und die Natur, so bald sie richtiger befragt L 3 wurde, XVII. Hauptstuͤck. wurde, antwortete richtig und zuverlaͤßig, (§. 6.). Man fand aͤhnliche Antworten, in Absicht auf die Be- griffe des Schalles, des Geschmackes ꝛc. Darauf hin aber gieng man weiter, und in dem man vermuthete, es moͤchte des Betrugs der Sinne mehr seyn, so zoge man Solides, Raum, Dauer, Bewegung ꝛc. das will sagen, so viel in Zweifel, daß die Natur, welche man dadurch fast ganz laͤugnete, weder befragt werden, noch mehr antworten konnte, (Phaͤnomenol. §. 9. 35.). Dieses heißt nun, meines Erachtens, so viel, als die Sache durchaus auf das Ungereimte bringen, weil man die Erfahrung, die doch in den ersten Faͤllen der Probierstein bliebe, bey diesem durch- gaͤngigen Laͤugnen unbrauchbar machte. §. 546. Um nun wiederum zu dem §. 532. zuruͤck zu kehren, so sehen wir aus dem bisher Gesagten, daß das So- lide eben dadurch, daß es immer noch getheilt werden kann, an sich betrachtet, nur verhaͤltnißweise einfach, dagegen aber auch nicht bis in das unendlich Kleine getrennet seyn kann, und daß man folglich diejenigen Theilchen einfach nennen koͤnne, die von den uͤbrigen getrennet sind, in sich aber eine absolute Continuitaͤt haben, und durch Kraͤfte ein Ganzes ausmachen, welches in seinen kleinern Theilen durchaus verbun- den ist. Diese Kraͤfte sind demnach das gemeinsame Band des ganzen Stoffes, und erhalten dasselbe in seiner Jndividualitaͤt, so lange es nicht durch die Ein- wirkung staͤrkerer Kraͤfte getrennet wird, (§. 220.). Da die Kraͤfte in der wirklichen Welt bestimmet sind, so ist es gar wohl moͤglich, daß es solche einzelne so- lide Theilchen gebe, die schlechthin bleiben, wie sie sind, und eben dadurch, wie auch durch den Unter- schied Das Zusammensetzen. schied ihrer Figur und Groͤße, die Grundlage zu dem Unterschiede der Koͤrper und Materien ausmachen. §. 547. Wir koͤnnen ferner nach (§. 532. N°. 2.) dasjenige Solide einfach nennen, welches in seinen Theilen durchaus gleichartig ist, und daher aus einerley und auf einerley Art zusammengesetztem und verbundenem Grundstoffe besteht. Da in der wirklichen Welt die verschiedenen Arten des Grundstoffes oder der einfa- chen soliden Theilchen (§. 555.) und die Kraͤfte gar zu sehr mit einander durchflochten sind, so koͤmmt eine solche absolute Gleichartigkeit allem Ansehen nach nir- gends vor, und man sieht daher mehr auf die durch- gaͤngig gleiche Vermischung und auf das Wegseyn aller zu derselben nicht gehoͤrenden Theile, wenn man z. E. von vollkommen reinem Wasser, feinem Golde, Silber ꝛc. spricht. Wenn man demnach von solchen Koͤrpern saget, daß sie in ihren Theilen durchaus gleichartig sind, so saget man es eigentlich nur in einer oder mehrern bestimmten Absichten, z. E. so fern sie durchgaͤngig einerley Schwere, Dichtigkeit, Cohaͤ- sionskraͤfte, Erwaͤrmbarkeit ꝛc. haben. §. 548. Da die Verschiedenheit der Koͤrper von der ver- schiedenen Groͤße und Figur der einfachsten oder nicht ferner getrennten Theilchen, von den Kraͤften, die in denselben sind, und von denen herruͤhrt, durch welche sie mit einander verbunden werden: so hat man nur die Modificationen dieser einfachen Bestimmungen mit einander zu combiniren, um mehrere Hauptclas- sen der Koͤrper herauszubringen. Es lassen sich aber a priori uͤberhaupt nur Moͤglichkeiten finden, die folg- L 4 lich XVII. Hauptstuͤck. lich auf die wirkliche Welt nicht so unbedingt anwend- bar sind, wenn man so gleich schließen wollte, daß eine derselben in einem vorkommenden Falle statt finde. Man muß diese Theorie so weit treiben, daß man auf Saͤtze komme, welche sich allgemein umkehren lassen, (Dianoiol. §. 404. seqq. ). Von solchen Saͤtzen giebt naͤmlich das Subject die mechanische Structur des zusammengesetzten Soliden an, so wie man dieselbe willkuͤhrlich, oder um alle zu haben, nach vorgegan- gener Combination angenommen. Das Praͤdicat hingegen muß eine Eigenschaft angeben, die in die Sinne falle, oder sonst in den Koͤrpern leicht gefun- den werden koͤnne, und der Satz muß auch umgekehrt allgemein wahr bleiben. Naͤmlich Was die Structur S hat, hat die Eigen- schaft A. und hinwiederum Was die Eigenschaft A hat, hat die Structur S. §. 549. Man setze sich z. E. vor, die Structur der Koͤr- per aufzusuchen, welche hart, weich, zaͤhe, sproͤde, fluͤßig, elastisch ꝛc. sind, so wird man sich leicht vorstellen, daß die Figur der Theilchen und die ver- bindenden Kraͤfte bey jeder dieser Arten ganz verschie- dene Modificationen und Bestimmungen haben, und eben so wird man sich auch leicht folgende Moͤglich- keiten vorstellen koͤnnen. 1°. Die Theilchen seyn nicht rund, sondern sie ha- ben ebene Flaͤchen, und liegen diesen Flaͤchen nach dergestalt an einander, daß sie dichte an- schließen und den Raum ausfuͤllen, und in die- ser Das Zusammensetzen. ser Lage seyn sie durch Kraͤfte verbunden, die sie schlechthin zusammendruͤcken. Soll nun ein solcher Koͤrper getrennet werden, so sieht man leicht, daß alle die Kraͤfte, welche nach einer durch den Koͤrper gehenden Flaͤche die Theilchen zusammendruͤcken, mit einem male uͤberwaͤltigt werden muͤssen, und daher lange nicht jedem Eindrucke nachgeben. 2°. Liegen die Theilchen nach ihren Flaͤchen an ein- ander, ohne daß sie eben den Raum ganz aus- fuͤllen, so hat zwar eben dieses statt, doch wird der Koͤrper gebruͤchlicher seyn, oder leichter ge- trennet werden koͤnnen. Dieser Koͤrper wird demnach hart seyn. 3°. Haben die Theilchen sehr viele Flaͤchen oder sie sind ganz abgeruͤndet, so liegen sie auch nicht nach allen Flaͤchen an einander, oder falls sie rund sind, so beruͤhren sie sich nur in Puncten. Daher ungeachtet sie durch Kraͤfte verbunden sind oder zusammengedruͤckt werden, so geben sie jedem Eindrucke leichter nach, und aͤndern auch ihre Lage, und mit dieser die Figur des Koͤrpers leichter. Demnach ist derselbe weich. 4°. Sind aber die verbindenden Kraͤfte sehr stark, so werden die Theilchen dennoch muͤhsamer ganz getrennet, und da sie immer zusammengedruͤckt werden, so folgen sie zwar der Direction, nach welcher man sie zieht, hingegen weichen sie da- von seitwaͤrts ab, um sich an die nebenliegenden Theilchen anzulegen. Der Koͤrper wird dem- nach zaͤhe und ziehbar seyn, oder eine Zieh- barkeit ( Ductilitas ) haben. L 5 5°. Setzet XVII. Hauptstuͤck. 5°. Setzet man die Kraͤfte von der Art, daß sie die Theilchen schlechthin in einer gewissen Ent- fernung von einander halten, so wird jedes, so lange es in dieser Entfernung bleibt, (und es muß bleiben, wenn die Kraft unveraͤnderlich ist), sich frey um die andern bewegen koͤnnen, und der Koͤrper wird im eigentlichsten Verstande fluͤßig, aber nicht elastisch seyn. 6°. Jst hingegen diese Entfernung der Theilchen nur da, so lange das Gleichgewicht der Kraͤfte jeder Theilchen statt hat, so ist es auch moͤglich, durch aͤußere Kraft den Raum kleiner, oder durch das Vermindern der aͤußern Kraft den- selben wiederum groͤßer zu machen, und der fluͤßige Koͤrper wird elastisch seyn. 7°. Erstrecket sich die Kraft eines jeden Theilchens nicht nur auf die naͤchst anliegenden, sondern auch auf die entferntern, so daß auch diese da- durch in der Verbindung erhalten werden, so ist es bey zaͤhen Koͤrpern moͤglich, daß sie ihre Figur, wenn sie bis auf einen gewissen Grad geaͤndert wird, wiederherstellen, und dadurch elastisch werden. §. 550. Da das Solide unendlich theilbar ist, so kann man sich alles dieses im Großen vorstellen, weil doch der Maaßstab oder die Einheit dabey willkuͤhrlich ist, und hiezu beut die Mechanic Saͤtze an. Die Modification der Kraͤfte kann man schlechthin auf eine aͤhnliche Art annehmen, wie sie, fuͤr einen an sich noch sehr specia- len Fall, bey der Newtonschen Attraction angenom- men wird. Das Solide ist zu der Erklaͤrung eines Mecha- Das Zusammensetzen. Mechanismus nicht hinreichend, (§. 539. 545.). Es ist daher an sich moͤglich und sehr wahrscheinlich, daß außer den Kraͤften, die die kleinsten und nicht ferner getheilten Theilchen der Materie in ihrer Continuitaͤt erhalten, noch solche sind, die sich nicht nur auf die Verbindung dieser kleinsten Theilchen, sondern auf die Verbindung ganzer Systemen groͤßerer Koͤrper, und so auch des ganzen Weltbaues erstrecken, so un- begreiflich uns, nicht die Wirkung, sondern ihre Art zu wirken (§. 545.) seyn mag. Jn der That zeigen die chymischen Processe des Aufloͤsens, des Praͤci- pitirens ꝛc. und die Arten der Affinitaͤten, daß sich in den Koͤrpern mehrerley stufenweise staͤrkere, feinere und groͤßere Kraͤfte gedenken lassen, und die einen gehoben, getrennet, veraͤndert, umgewechselt werden koͤnnen, ohne daß die andern immer nothwendig da- durch eine wesentliche Veraͤnderung leiden, (§. 207.). §. 551. Setzet man nun die vorhin (§. 549.) angefuͤhrten Saͤtze durch eine umstaͤndlichere Theorie aus einander, so ist es gar wohl moͤglich, es so weit zu bringen, daß man findet, ob sie auch umgekehrt allgemein blei- ben; und dieses kann auf eine gedoppelte Art gesche- hen. Einmal sieht man, daß die bey jedem dieser Saͤtze angenommene Structur verschieden ist; und eben wegen dieser Verschiedenheit kommen die Praͤ- dicate so heraus, daß sie nicht durchaus bey einerley Structur statt haben koͤnnen, sie moͤgen nun der Art oder nur den Graden nach verschieden seyn. Denn so ist z. E. das Sproͤde nicht zaͤhe, das Harte nicht weich, nicht fluͤßig ꝛc. Man kann sich demnach schon dadurch versichern, daß das Fluͤßige die Structur des Harten, das Zaͤhe und Weiche die Structur des XVII. Hauptstuͤck. des Sproͤden ꝛc. nicht haben koͤnne. Werden dem- nach bey der ausfuͤhrlichen Theorie die verschiedenen Arten der Structur vollstaͤndig abgezaͤhlt, so laͤßt sich aus der Verschiedenheit und aus dem Nicht bey einander seyn koͤnnen der Praͤdicate schließen, wie fern sich die Saͤtze umkehren lassen. Denn wenn zu einem Praͤdicate keine von den uͤbrigen Zusammen- setzungsarten passet, so kann man dadurch ausschlies- sungsweise finden, daß es derjenigen, bey welcher man es gefunden, allein zukomme, und dadurch laͤßt sich der Satz umkehren, (§. 277. seqq. ). §. 552. Sodann kann man sich in Form einer umgekehr- ten Aufgabe, uͤberhaupt die Frage vorlegen, welche Structur und Zusammensetzung der Theile erfordert werde, damit ein Koͤrper z. E. hart sey? (Dianoiol. §. 166. 511.). Man wird dabey finden, daß schon die kleinsten Theilchen desselben hart seyn, das will sagen, eine durch staͤrkere Kraͤfte verbundene Conti- nuitaͤt haben muͤssen, und daß, wenn diese Continui- taͤt nicht in dem ganzen Koͤrper durchgaͤngig ist, die Bestandtheilchen desselben nicht rund seyn, sondern nach ihren Flaͤchen an einander liegen, und durch Kraͤfte zusammengedruͤckt werden muͤssen. Man wird in der Art, wie sich die Crystallen erzeugen, deren kleinste Theilchen sich den Flaͤchen nach an einander anlegen, und durch Kraͤfte verbunden werden, Bey- spiele hiezu finden, und allem Ansehen nach muß die- ses bey den Diamanten am vollkommensten und mit den staͤrksten Kraͤften geschehen. Jhre Durchsichtig- keit, Glanz und Haͤrtigkeit sind Proben davon. Man sieht leicht, daß man sich, in Absicht auf die Structur der weichen, zaͤhen, fluͤßigen und elastischen Koͤrper, aͤhnliche Das Zusammensetzen. aͤhnliche Aufgaben gedenken kann, deren vollstaͤndige Aufloͤsung vornehmlich dahin gehen soll, daß man die besondern Arten und die Ausmessung der Grade dieser Eigenschaften genau und auf eine brauchbare Art bestimme. Wir haben, in Absicht auf die Grade der Elasticitaͤt, oben (§. 419. 420.) eine Formel an- gegeben, und dieselbe uͤberhaupt aus allgemeinen me- chanischen Gruͤnden, und besonders auch daraus her- geleitet, daß Zeit und Ort, an sich betrachtet, in den Dingen nichts aͤndert, und daher bey der Bewegung nur die relative Geschwindigkeit in Betrachtung zu ziehen ist, wenn die Wirkung derselben bestimmet werden soll. Da aber die ausfuͤhrliche Theorie der ersterwaͤhnten Aufgabe und Saͤtze viel zu weitlaͤuftig ist, so koͤnnen wir uns hier nicht dabey aufhalten. Das bisher Gesagte mag demnach als eine Anleitung dazu genug seyn. Denn uͤberhaupt, wenn man nicht bey dem gar zu Allgemeinen will stehen bleiben, son- dern die Theorie so einrichten, daß sie in der gegen- waͤrtigen Welt und ihren Koͤrpern anwendbar sey, so muß man theils auch auf diese zugleich sein Augen- merk richten, und zu der Auswahl des Stoffes die Erfahrung mit zu Rathe ziehen. Bey der Anwen- dung einer solchen Theorie auf die Eigenschaften der Koͤrper, welche uns die chymischen Versuche zeigen, machet sich die Erfahrung noch ungleich nothwendiger. §. 553. Wir koͤnnen hiebey noch anmerken, daß die Woͤr- ter hart, weich, zaͤhe, fluͤßig, sproͤde ꝛc. meta- phorisch und transcendent gemacht, und auf die Kraͤfte der Jntellectualwelt bezogen werden, besonders aber werden sie gebraucht, um die Gemuͤthsbeschaffenheit und das daher ruͤhrende Verfahren, Thun und Lassen zu XVII. Hauptstuͤck. zu characterisiren. Es ist daher gar nicht zu zweifeln, daß eine genaue und vollstaͤndige Theorie dieser Eigen- schaften der Koͤrper nicht mehrere und brauchbare tertia comparationis angeben sollten, dergleichen wir in dem Vorhergehenden bereits schon haͤufig ange- zeiget haben, um Stoff zu einer systematischen und wissenschaftlichen Vergleichung der Koͤrperwelt und der Jntellectualwelt zu sammeln, zu welcher die erste Anlage bereits schon in der Sprache liegt. Der Mechanismus in den Fibern des Gehirnes, welcher bey jedem Menschen seine individualen Modificatio- nen hat, mag ebenfalls zu diesen Benennungen Anlaß gegeben haben, und zu der Theorie derselben dienen. §. 554. Die Kraͤfte des Willens geben uns noch eine andere Art von Verbindung an, wodurch die Substanzen der Jntellectualwelt verbunden, und auf eine tran- scendente Art zusammengesetzet werden. Das Band der Freundschaft ist ein daher genommener Aus- druck. Es gruͤndet sich nicht, wie die Societaͤten, auf einen vorsetzlichen und wegen des gemeinen Nu- tzens geschlossenen Vertrag, sondern auf die Gleich- heit der Gesinnung und auf die Harmonie der Gemuͤ- ther, und ist daher, wo diese vorkoͤmmt, an sich na- tuͤrlich. Die Societaͤten, welche sich auf Verpflich- tungen und Vertraͤge gruͤnden, haͤngen mehr von einem vorbedachten Vorsatze ab, so fern man sich frey dazu entschließt. Die Ueberlegung, die dabey vor- hergeht, ist ein Werk der Erkenntnißkraͤfte, und diese muͤssen das Gute in der Sache uͤberwiegend zeigen, ehe sich der Wille dazu determinirt. Geschieht aber dieses, so macht der Vorsatz, bey dem Vertrage zu bleiben, und demselben gemaͤß zu verfahren, das gemein- Das Zusammensetzen. gemeinsame Band der Societaͤt aus, welche in dieser Absicht als ein zusammengesetztes, oder aus mehrern mit einander in Verbindung stehenden Indiuiduis be- stehendes Ganzes ist. Auf diese Art sind groͤßere Societaͤten aus stufenweise kleinern zusammengesetzet. Jede neue Zusammensetzung hat darinn ihr beson- deres gemeinsames Band, und jedes Band, wenn es anders nicht von den uͤbrigen oder einigen derselben abhaͤngt, das will sagen, deswegen verknuͤpft wor- den ist, weil die uͤbrigen oder einige derselben da wa- ren, kann fuͤr sich bestehen, und eben so kann es fuͤr sich wegfallen oder geaͤndert werden, dafern diese Aenderung nicht eine Aenderung in dem Ganzen oder in einigen der uͤbrigen nach sich zieht. Denn widri- genfalls muß es entweder bleiben, oder die Vertraͤge, worauf sich das Band des Ganzen oder die uͤbrigen gruͤnden, muͤssen geaͤndert werden. Alles dieses hat mit der Art, wie die kleinern und groͤßern Theilchen der Koͤrper, und mehrere Koͤrper unter sich ꝛc. ver- bunden sind, eine durchgaͤngige Aehnlichkeit. Wir haben daher die Regeln, nach welchen solche Veraͤn- derungen mehr oder minder Folgen nach sich ziehen, in dem §. 220. uͤberhaupt, und ohne Ruͤcksicht auf die drey Arten der Kraͤfte, vorgetragen, und diese, um die allgemeine Anwendbarkeit und den weitlaͤuftigen Umfang derselben zu zeigen, in dem §. 221. angegeben. §. 555. Bey solchen durch die Kraͤfte des Willens verbun- denen Ganzen, kommen, wenn sie anders sollen wirk- lich seyn und fuͤr sich oder ohne aͤußere Gewalt fort- dauern koͤnnen, die Erfordernisse und Bedingungen des Beharrungsstandes vor. Hievon haben wir die einfachern Gruͤnde bereits in dem §. 484. und 485. vor- XVII. Hauptstuͤck. vorgetragen. Die Absicht einer Societaͤt geht auf die Erreichung des allgemeinen oder gemeinsamen Besten, als welches ohnehin der Gegenstand des Willens ist. Um dieses zu erreichen, muͤssen Kraͤfte und wirklich schon vorhandenes Gutes angewandt wer- den. Die Frage ist demnach, zu bestimmen, was jedes Mitglied in Ansehung dessen zu thun hat, und auch hiebey muß schon das gedoppelte Maximum in die Rechnung gezogen werden, das wir oben (§. 484.) angefuͤhret haben, wenn man das Maximum heraus- bringen will, welches der Beharrungsstand des Gan- zen erfordert. Das Ebenmaaß, so hiebey heraus- koͤmmt, ist nun ordentlich so beschaffen, daß bald jedes einzelne Gute, fuͤr sich betrachtet, groͤßer seyn koͤnnte, und daß, wer etwann nur darauf sein Au- genmerk richtet, ohne das Ganze zu uͤbersehen, leicht verleitet wird, dieses zu tadeln, und etwann auch die einzelnen Stuͤcke zum Nachtheile des Ganzen besser machen zu wollen. Jn der That kann man auch aus diesem Grunde auf die natuͤrlichste und schluͤßigste Art herleiten, warum mehrentheils solche Verordnun- gen, die wegen ihrer Absicht, unverbesserlich scheinen, nicht nur nicht lange so dauern, sondern am schlechte- sten gemißbraucht werden. Sie fordern gewoͤhnlich eine staͤrkere Verwendung der vorhandenen Kraͤfte, als Mittel da sind, sie wiederum zu ersetzen, und oͤfters setzen sie auch Kraͤfte voraus, die noch nicht vorhanden sind, oder wenn sie vorhanden sind, bald verbraucht werden, und eine Ermuͤdung nach sich las- sen, die, wenn man auch wieder ausruht und die Kraͤfte erholt, die Lust, sie noch einmal so anzuwen- den, verschwinden macht, und sie nicht selten auf das Gegentheil, oder von einem Excesse auf den andern lenkt, bis man endlich, gleichsam wie durch Oscilla- tionen, Das Zusammensetzen. tionen, wiederum zum Beharrungsstande koͤmmt. Durch eine solche an sich ganz natuͤrliche und noth- wendige Ermuͤdung wird oͤfters das, was sich von einer sehr begehrenswuͤrdigen Seite zeigte, und wor- auf man anfangs mit feurigem und heftigem Triebe alle Kraͤfte verwendete, halb angefangen, und sodann ganz im Stecken liegen gelassen, bis etwann wiederum neue Vorstellungen einen neuen Anfall veranlassen. §. 556. Das gemeine und das eigene Beste schraͤnken ein- ander aber nicht nur dadurch ein, daß man der Kraͤfte Rechnung tragen muß, um die Maxima dabey in Verbindung zu bringen, sondern der Mangel des Wissens und des Wollens verursachen, daß man das eine zum Nachtheile des andern suchet, und oͤfters auch beyde verderbt. Dieses macht Gesetze und eine Subordination nothwendig, und in Absicht auf beyde entscheidet der Unterschied der Talente und besonders der dazu erforderlichen Klugheit und Ein- sicht die Rangordnung dergestalt, daß das so ge- nannte Fac totum nicht immer derjenige ist, der den Namen davon hat, sondern den Natur und Geschicke zum ersten Triebrade der Maschine gewidmet hat, und mit dessen Tode oͤfters die Seele des ganzen Sy- stems weggenommen ist, und alles ruͤckwaͤrts geht. §. 557. Da die Kraͤfte des Willens, worauf solche Sy- stemen beruhen, und mit denselben das meiste von dem Wesentlichen ihrer Zusammensetzung nicht in die Augen faͤllt, so hat man, um denselben eine aͤußer- liche Gestalt zu geben, vornehmlich die Formalitaͤten eingefuͤhret, und auch fuͤr die Rangordnung aͤußerliche Lamb. Archit. II. B. M Unter- XVII. Hauptstuͤck. Unterscheidungszeichen ausgedacht, um einer Sache, deren Wesen in der Jntellectualwelt gleichsam ver- borgen ist, einen Koͤrper zu geben. Die Weitlaͤuf- tigkeit verschiedener Verrichtungen, welche macht, daß man dazu von Kindheit auf gewoͤhnt und erzogen werden muß, besonders wo die Natur die Talente zu anderm gegeben hatte; die natuͤrlichen Triebe der Aeltern, fuͤr ihre Kinder zu verdienen; der daher genommene Anlaß, sie dazu noch mehr anzutreiben; die Nachtheile der ohne wichtigere Gruͤnde vorgenom- menen Neuerungen, welche den Beharrungsstand aͤn- dern, ohne ihn zu bessern oder dauerhafter zu machen; die Nothwendigkeit, weniger auf das Neue, als auf das Gute und Dauerhafte zu sehen ꝛc. alles dieses hat bey der aͤußerlichen Gestalt von nothwendigen und an sich fortdauern sollenden Societaͤten verschiedenes erblich gemacht, zugleich aber auch verursacht, daß das Wesentliche oder die Seele derselben nicht nach der Gestalt des Koͤrpers beurtheilet werden kann. §. 558. So fern die gesetzliche Einrichtung einer Societaͤt nicht nach dem Beharrungsstande getroffen ist, richtet sich diese, wenn sie dennoch seyn muß, von selbst in eine Art von Beharrungsstand, welcher aber aller- dings nicht immer der beste moͤgliche ist, und gewoͤhn- lich geht es dabey wie bey den lebenden Kraͤften der Koͤrperwelt und ihrer Systemen, oscillationsweise vom zu vielen zum zu wenigen, besonders, wo die wirkenden Kraͤfte lebendig oder von dem wahren Gleichgewichte weit entfernt sind. Hingegen giebt es auch Faͤlle, wo sich die Sache ohne Oscillationen und gleichsam auf eine asymtotische Art, dem Behar- rungsstande naͤhert, und dieses geschieht, wo die Vor- stellungen, Das Zusammensetzen. stellungen minder lebhaft sind, wo man nur stufen- weise zur Kenntniß der noͤthigen Aenderung und der Mittel koͤmmt, und wo die Beweggruͤnde sich nur nach und nach zeigen, und so wie sie sich zeigen, oder ohne sich vorerst aufzuhaͤufen, den Willen lenken ꝛc. §. 559. Die Subordination verursacht eigentlich zwischen der Ausdehnung und Staͤrke der Kraͤfte, wodurch eine Societaͤt in ihrer Wirksamkeit und in dem Be- harrungsstande erhalten wird, ein gewisses Eben- maaß, weil eine Kraft, die sich auf mehrere Objecte zugleich erstrecken soll, auf jedes schwaͤcher wirkt, und daher auch langsamer ihre Wirkung ganz hervorbringt. Wo demnach etwas, wozu mehrere einzelne Kraͤfte erfordert werden, mit einem Male und ohne Zeitver- lust geschehen soll, da wird die Subordination unent- behrlicher und strenger erfordert, besonders wo alle die einzelnen Kraͤfte sich lebendig (§. 410.) aͤußern muͤssen, und wo die Art, wie sie muͤssen angewandt werden, sehr zusammengesetzet ist, und nach der Be- schaffenheit der sich aͤußernden Umstaͤnde so gleich ge- aͤndert werden muͤssen. §. 560. Die Kraͤfte des Willens sind gewissermaßen eine Mittelstufe zwischen den Kraͤften des Verstandes und den Kraͤften zu wirken, und mit diesen beyden genau verbunden. Jn Absicht auf den Verstand, dessen Object an sich das Wahre ist, erfordern sie die Vor- stellung des Guten, und durch dieses in Bewegung gesetzet, ergießen sie sich gleichsam in die Kraͤfte zu wirken, um diese in Activitaͤt zu bringen. Es ist aber nicht zu vermuthen, daß man diese drey Arten M 2 von XVII. Hauptstuͤck. von Kraͤften als drey von einander verschiedene Sub- stanzen ansehen muͤsse, sondern vielmehr, daß sie eine und eben dieselbe Substanz, und folglich nur Modificationen davon sind, so wie sie, nur unter drey verschiedenen Gestalten, einerley Object haben, weil das Solide und die Kraͤfte selbst, das gemein- same Object und die erste Anlage zu dem Reiche der logischen, moralischen und metaphysischen Wahrheit sind, (§. 497. 500.). Jndessen ist diese dreyfache Gestalt des Objectes so verschieden, daß jede beson- ders betrachtet werden muß, wenn man sie mit den uͤbrigen vollstaͤndig will vergleichen koͤnnen. §. 561. Wir haben nun noch das zu durchgehen, was durch die Kraͤfte des Verstandes zusammengesetzt, oder als solches angesehen wird. Das sind nun uͤberhaupt Wahrheiten, weil diese der unmittelbare Gegen- stand der Erkenntnißkraͤfte sind. Hier ist nun eigent- lich nicht von dem ganzen Reiche der Wahrheiten die Rede, wo alles schon als zusammengesetzt, in Ord- nung gebracht und mit einander verbunden angesehen werden muß, und wo jede Zusammensetzung, die in den Dingen selbst ist, bereits schon in den Begriffen und Saͤtzen, als in den Bildern und Abdruͤcken der Sachen vorkoͤmmt. Wir werden hier die Kraͤfte des Verstandes und den Jnbegriff der Wahrheiten so nehmen, wie sie in einzelnen denkenden Wesen in ge- wissem Grade vorkommen, und daher diesen Jnbe- griff als ein individuales Ganzes betrachten, wie wir bereits oben (§. 221.) einzelne Gedenkensarten, Glau- bensbekenntnisse, Hypothesen, Lehrgebaͤude, Lebens- arten ꝛc. als solche Ganze, beyspielsweise angefuͤhret haben. So fern nun solche Ganze sollen existiren, und eben dadurch fortdauern koͤnnen, wird ebenfalls eine Das Zusammensetzen. eine Art von Beharrungsstand dazu erfordert, dem sich das System, wenn es denselben nicht ganz hat, oscillations- oder auch asymtotenweise naͤhert. Denn darinn kommen alle drey Arten von Kraͤften uͤberein, wenn sie sich dem Gleichgewichte und Beharrungs- stande, aus dem sie verruͤckt sind, wiederum naͤhern sollen (§. 555. 558.). Das erstere geschieht nun hier gewoͤhnlich, wenn das System sich mit einem Male, und demjenigen, der es betrachtet, gleich anfangs von seiner fehlerhaften oder wenigstens fehlerhaft schei- nenden Seite so aufdeckt, daß man des Wahren, das noch etwann darinn ist, nicht wahrnimmt, oder die Geduld nicht hat, es aus einander zu lesen. So z. E. ist ein Satz allerdings irrig, wenn etwas wi- dersprechendes daraus gefolgert werden kann. Da- durch aber wird derselbe gewoͤhnlich ganz verworfen. Es ist aber der Begriff irrig ein solches Praͤdicat, welches sich selten ganz, und niemals gleichfoͤrmig uͤber das Subject, welches hier einen Satz oder auch auch ein ganzes System vorstellet, ausbreitet. (Ale- thiol. §. 194. 202. 259. und oben §. 242.). Man ver- faͤhrt noch aͤrger, wenn man einen Satz nur wegen des Beweises verwirft, den man unschluͤßig und mangelhaft findet. (§. 200. Alethiol. §. 243. Dia- noiol.). Dieses geht nur an, wenn die Gruͤnde, aus welchen man einen Beweis verwerfen muß, zugleich auch zeigen, daß und so auch wie der Satz muͤsse geaͤndert werden. Jch uͤbergehe uͤbrigens hier, was die Ungeduld, der Geist der Neuerung und andere Leidenschaften zu solchen Oscillationen beytragen koͤn- nen, (Phaͤnomenol. §. 148.). Beut sich hingegen bey der Betrachtung solcher Systemen das Wahre und das Jrrige durch einander gemenget, und gleich an, so verursachet die Muͤhe des Auseinanderlesens, M 3 und XVII. Hauptstuͤck. und das Bewußtseyn, man wuͤrde mit dem Wahren auch Jrriges annehmen, oder mit dem Jrrigen auch Wahres verwerfen, daß man sich dabey mehr Zeit und Geduld laͤßt, und die Sache wird nicht oscilla- tions- sondern asymtotenweise nach und nach ins Rei- ne gebracht. §. 562. So fern die Kraͤfte des Verstandes bey dem staͤr- kern Anstrengen, ebenfalls wie die andern zwo Ar- ten von Kraͤften, ermuͤden, und sich wiederum erho- len muͤssen, so ferne haben auch hierinn die oben (§. 484.) angefuͤhrten zwey Maxima statt; und be- sonders ist hiebey auch darauf zu sehen, daß die Kraͤfte so wenig als moͤglich ist, vergebens ange- wandt werden, welches dadurch erhalten wird, wenn man die Erkenntniß, die man zu erlangen suchet, vorerst von der Seite betrachtet, ob sie sich erlangen und finden lasse, und ob, wenn es auch angeht, nicht so viel Zeit darauf gehe, daß man statt deren eine Summe von andern haͤtte erlangen koͤnnen, welche vorzuziehen waͤre? Dieses will nun allerdings nicht sagen, daß man das Wahre nur nach der Zeit, Muͤ- he und Vortheil schaͤtzen muͤsse. Man wuͤrde viel nuͤtzliches nicht wissen, wenn weder jemand curios gewesen waͤre, noch die bloße Neugierde einen Trieb zum Erfinden abgegeben haͤtte, und wenn sich die Erfinder von jeder Schwierigkeit haͤtten abschrecken lassen. Diese ziehen die Muͤhe gar nicht, oder erst zuletzt in die Rechnung, (Phaͤnomenol. §. 136.). Jn- dessen suchen sie auch nicht mit Gewalt, was von der Art ist, daß es von gluͤcklichen Einfaͤllen und Anlaͤs- sen abhaͤngt, denen man nicht gebiethen kann, und was daher bey aufgeraͤumtem Kopfe sich eher als bey ermuͤdendem Nachsinnen anbiethet. §. 563. Das Zusammensetzen. §. 563. Die Kraͤfte des Verstandes bleiben nicht bloß bey dem Wahren stehen, sondern haben auf die andern Arten von Kraͤften einen starken Einfluß. Sie ha- ben saͤmmtlich einerley Gegenstand (§. 560.), und es ist daher sehr natuͤrlich, daß das Wahre, in sei- nem Objecte betrachtet, unter dem Bilde des Gu- ten vorkomme, und daher den Willen in Bewegung setze. Man findet sich daher bey dem Jrrthume nicht nur dadurch betrogen, daß es ein Jrrthum ist, son- dern auch dadurch, daß er den Willen und die Kraft zu wirken auf die Seite lenket, wo nichts Gutes und nichts Moͤgliches ist, das will sagen, wo in bey den Absichten weder Realitaͤt ist noch seyn kann. Dadurch bestimmt sichs nun wiederum, wie fern ein individuales System fortdauern koͤnne, worinn Wah- res und Jrriges durchflochten ist, wenn es weiter nicht untersuchet, sondern nur aus den Folgen beur- theilet wird, die auf das Wohlseyn dessen, der das System hat, einen Einfluß haben, wohin folglich besonders die Lehrgebaͤude der Religion, der Moral und der Staatslehre gehoͤren, in so fern man densel- ben wirklich folget. Diejenigen Systemen werden immer die dauerhaftesten seyn, die weder vorausse- tzen, daß der Mensch ein Engel sey oder seyn muͤsse, noch daß er ein Thier sey, sondern daß in dem Men- schen eine Anlage zum Guten vorkomme, welche ih- rer Natur gemaͤß und stufenweise vergroͤßert werden koͤnne, und daß dieses Anwachsen nicht dem Unend- lichen, sondern den Maximis immer naͤher kommen muͤsse, die wir oben (§. 484.) angefuͤhret haben. Man sehe auch §. 555. M 4 Achtzehn- XVIII. Hauptstuͤck. Achtzehntes Hauptstuͤck. Dinge und Verhaͤltnisse . §. 564. N ach der bisherigen Betrachtung der Kraͤfte und ihrer Vergleichung mit den Dingen und Verhaͤltnissen haben wir nun die beyden letztern selbst mit einander zu vergleichen, um etwas umstaͤndlicher zu sehen, welche Verbindung zwischen Dingen und Verhaͤltnissen statt finde. Wir werden uns dabey das oben (§. 15.) angefuͤhrte Requisitum der Grund- lehre und uͤberhaupt jeder wissenschaftlichen Erkennt- niß zum Augenmerke setzen, wie man darinn naͤmlich aus der geringsten Anzahl gegebener Stuͤcke, die uͤbrigen finden koͤnne, die dadurch bestimmt oder damit in Verhaͤltniß sind. Denn dazu sind die Verhaͤltnißbegriffe eigentlich geschaffen, weil wir ohne dieselben kaum von einem Dinge auf das andere einen Schluß machen koͤnnten, (§. 372.). Diese Nothwendigkeit zeiget sich nun wiederum in der Geometrie am augenscheinlichsten, und es ist sich daher nicht zu verwundern, wenn auch hierinn Eu- clid den Philosophen mit seinem Beyspiele vorgegan- gen ist, und mehr Nachfolge verdienet haͤtte, als sich wirklich gefunden. Die Sache selbst hat folgen- de Bewandtniß. Man weiset in der Geometrie, daß man aus Nichts nichts finden kann, und daß man folglich, um etwas zu finden, wissen muͤsse, wo man es zu suchen habe, und woraus es koͤnne gefunden werden. Und dieses unterscheidet man von jenem dadurch, daß man letzteres die Data oder gegebe- nen Dinge und Verhaͤltnisse. nen Stuͤcke, ersteres aber das Quaesitum oder die gesuchten Stuͤcke der Aufgabe nennet. Dabey weiß man nun ferner, daß die Data zureichend seyn muͤssen, um das Quaesitum daraus zu finden, und man ist uͤberdieß so genau, daß man alles Ueber- fluͤßige aus den Datis weglaͤßt, das will sagen, man fordert und giebt auch nicht mehr als die gering- ste Anzahl gegebener Stuͤcke, und sieht es fuͤr eine Art von Fehler an, wo irgend mehr, als zureichend waren, vorkommen. Ferner weiß man, daß jedes der gegebenen Stuͤcke von den uͤbrigen unabhaͤngig seyn muͤsse, und nicht aus den uͤbrigen muͤsse koͤnnen gefunden werden, und zwar aus einem gedoppelten Grunde. Denn entweder ist dasselbe schlechthin als ein Datum uͤberfluͤßig, wie, z. E. wenn man um einen rechtwinklichten Triangel zu construiren, alle drey Seiten angeben wollte, denn da sind zwo schon genug, weil der Triangel rechtwinklicht seyn soll. Oder das Datum, welches aus den uͤbrigen an sich schon kann gefunden werden, machet, daß man statt dessen noch ein anderes haben muß, und daß die Aufgabe bis dahin unaufgeloͤset bleibt, wie z. E. wenn man einen Triangel aus den drey Winkeln construiren wollte. Denn da wuͤrde man keine Seiten, sondern hoͤchstens nur die Verhaͤltnisse zwischen den Seiten finden koͤn- nen. Die Hauptfrage, die demnach hiebey vor- koͤmmt, ist diese, wie fern man es den Datis anse- hen koͤnne, ob sie von einander unabhaͤngig und zureichend sind, das Quaesitum heraus zu bringen. Dieses veranlaßte Eucliden, seine Data zu schreiben, in welchen er auf eine synthetische Art von den ersten Gruͤnden an festsetzet, was mit jeden Arten ge- gebener Stuͤcke zugleich gegeben ist, damit man es weder erst fuͤr sich suchen muͤsse, noch als von dem M 5 uͤbrigen XVIII. Hauptstuͤck. uͤbrigen unabhaͤng ansehe, oder sich dadurch blenden lasse, die Aufgabe fuͤr determinirt anzusehen, wenn in der That noch nicht genug Data da sind. §. 565. Sollen wir nun dieses Verfahren mit dem philoso- phischen vergleichen, so weiß man zwar in der Me- taphysic mit ziemlicher Gewißheit, daß aus Nichts nichts gefunden werden kann, hingegen weiß man nicht immer, was man eigentlich suchen will, und noch seltener, woraus man es finden koͤnne, oder wo man es suchen muͤsse. Wir haben daher schon an- fangs (§. 14.) angemerket, daß in der Wolfischen Metaphysic, die doch noch am meisten geometrische Methode hatte, von Datis und Quaesitis die Rede nicht vorkoͤmmt. Es haben zwar schon die alten Metaphysiker einige sogenannte Canones vorgetragen, welche mit den Euclidischen Lehrsaͤtzen einige Aehn- lichkeit haben, nur daß sie statt des Wortes geben das Wort setzen gebrauchen, vermuthlich, weil man in der Methaphysic nicht so leicht geben kann, als in der Geometrie, oder wenigstens nicht so leicht fand, wo man es hernehmen soll. Denn sonst koͤmmt es hiebey auf den Unterschied der Worte nicht an, ungeachtet Wolf das geben der Mathematic so ganz zueignet, daß er es als ein wesentliches Unterschei- dungsstuͤck der Groͤßen ansieht, daß sie nur gege- ben, fuͤr sich aber nicht gedacht, oder durch Worte verstaͤndlich gemacht werden koͤnnen. Dieses gilt aber nur von denen Groͤßen, die keine bestimmte Ein- heit haben, oder bey welchen alles schlechthin nur relativ ist, wie z. E. bey dem Raume, der Dauer, der Kraft ꝛc. §. 566. Dinge und Verhaͤltnisse §. 566. Solche Canones sind nun ungefaͤhr folgende: 1°. Wenn man einen Widerspruch setzt, so setzt man auch die einander widerspre- chenden Stuͤcke. Eine besondere Anwendung von diesem Satze findet sich in dem §. 19. an- gefuͤhret. 2°. Wenn man die widersprechenden Stuͤcke wegnimmt, so wird auch der Wider- spruch gehoben. Hiebey koͤmmt es auf die geringste Anzahl der wegzunehmenden Stuͤcke und auf die moͤglichen Abwechslungen dessen an, mit dessen Wegnehmen auch der Widerspruch wegfaͤllt, und oͤfters muß fuͤr das weggenom- mene anderes gesetzt werden, damit ein durch- aus gedenkbares Ganzes bleibe. 3°. Mit dem Gegruͤndeten wird auch der Grund, und hinwiederum mit dem Grun- de das Gegruͤndete gesetzt und gehoben. Man sehe hieruͤber den §. 469. seqq. 484. 485. 4°. Wenn dasjenige gesetzt wird, wodurch ein anderes bestimmt wird, so wird auch dieses gesetzt. Oder: Wenn das Gesetzte A das B erfordert, oder nach sich zieht, oder vo r aussetzt, so wi r d B zugleich gesetzt. Man will uͤberhaupt sagen: A kann nicht gesetzt werden, es sey denn, daß man auch B setze. Man sehe auch §. 229. 429. 5°. Mit dem Wesen werden die Eigeschaf- ten gesetzt, und mit diesen jenes gehoben. Man sehe hieruͤber §. 222. seqq. 6°. Mit XVIII. Hauptstuͤck. 6°. Mit dem Ganzen werden die Theile ge- setzt, und mit den Theilen das Ganze ge- hoben. Man sehe hierber §. 220. 215. 7°. Mit dem Anfange ( Principium, Aζχη) wird auch das gesetzt und gehoben, was einen Anfang hat. (Man sehe §. 488. seqq. ) Mit der Ursache die Wirkung. (Man sehe §. 287. 427.). Man wird in Ansehung der Begriffe Gattung, Art, Indiuiduum; Subject, Praͤdicat; Praͤmissen, Schlußsatz; Definition, Definitum; Absicht, Mittel; Thun, Leiden ꝛc. leicht aͤhnliche Saͤtze finden, und selbst die Sprache giebt uns in den Mit- telwoͤrtern der thaͤtigen und leidenden Gattung gleich- sam auf eine bloß characteristische Art Anlaß zu spe- cialern Saͤtzen von dieser Art; z. E. das Geliebte setzet das Liebende, das Gelesene den Lesenden ꝛc. voraus. Die angefuͤhrten Saͤtze lassen sich durch sol- che Mittelwoͤrter ebenfalls ausdruͤcken, und der Un- terschied besteht nur darinn, daß sie allgemeinere zu- sammengehoͤrende Stuͤcke angeben. §. 567. Dieses sind nun aber die Saͤtze nicht, die wir ei- gentlich zu suchen haben. Sie sind zwar gewisser- maßen ein Anlaß zu schließen, daß, wo man das eine von den zusammengehoͤrenden Stuͤcken findet oder vermißt, auch das andere da sey oder vermißt werde. Hingegen muß man die Sache aus diesem Gesichtspuncte ansehen, und man muß wissen, daß sie sich aus demselben ansehen lasse, z. E. sie sey eine Ursache, eine Wirkung, ein Theil von einem Ganzen, welches bereits unter einem Namen be- kannt Dinge und Verhaͤltnisse. kannt ist ꝛc. Wenn man aber auch dieses thut, und sich durch Uebung gleichsam eine Fertigkeit erlanget hat, darauf Acht zu haben, so findet man vermittelst solcher Saͤtze nur, daß die uͤbrigen der zusammenge- hoͤrenden Stuͤcke da seyn muͤssen, oder auch hinwie- derum, daß sie nicht da sind. Jndessen, wenn man ersteres auch weiß, so faͤngt die rechte Aufgabe erst an, wenn man sich vorsetzt, aus der gegebenen Beschaffenheit dessen, aus dem man auf das Daseyn des Uebrigen geschlossen hat, die Be- schaffenheit dieses Uebrigen zu finden. (Dia- noiol. §. 330. seqq. 510. N°. 3.). Und da kann man nun bey so allgemeinen Saͤtzen nicht stehen bleiben, weil die Data und Quaesita specialer werden. So z. B. kann man in der Natur jede Veraͤnderung als eine Wirkung ansehen. Der Schluß, daß ihre Ur- sache vorhanden seyn muͤsse, ist dabey bald gemacht. Welches aber die Ursache sey, wie sie wirke ꝛc., das sind hingegen Fragen von ganz anderer Art. Wie- derum ist in der Natur alles in so gar enger und vielfacher Verbindung, daß man jedes einzelne Ding, und so auch mehrere zusammengenom- men, als Theile von mehrerley und stufenweise Groͤßern, sowohl realen als idealen Ganzen ansehen kann, die folglich auch mitgenommen wer- den koͤnnen. Fraget man aber, welches die uͤbrigen Theile sind, wie sie im Ganzen verbunden sind, wie viel ihrer dazu gehoͤren ꝛc. so muß man sich sogleich um specialere Data und Verhaͤltnisse derselben zu den Quaesitis umsehen. (§. 411. und Dianoiolog. §. 163. 465. 461.). §. 568. Euclid hatte nun dieses fuͤr die Geometrie ge- than, wiewohl er eigentlich nur das, was mit den Datis XVIII. Hauptstuͤck. Datis zugleich gegeben ist, oder davon abhaͤngt, zu bestimmen gesuchet, und folglich von vier Fragen, die hiebey vorkommen, und die wir in der Dianoiologie (§. 468.) angegeben haben, nur eine mitgenommen hat. Es haͤngen aber auch hinwiederum die Data von den Quaesitis ab, weil man eben nicht so unbedingt zu jedem Quaesito jede Data anneh- men kann, und uͤber dieß muͤssen die Data zu- reichend seyn. Wir werden nun hier nicht wider- holen, was wir in dem VII ten Hauptstuͤcke der Dia- noiologie ausfuͤhrlich hieruͤber gesaget haben. Da aber daselbst eigentlich nur die Theorie von der Form der Aufgaben und der Methoden vorkam, so haben wir das, was die Verhaͤltnisse dazu beytragen, da- selbst auch nur in so ferne betrachtet, und es auch in dem §. 475. angemerkt. Die daselbst in dieser Ab- sicht vorgetragenen Saͤtze sind folgende. 1°. Wenn von zwoen Sachen oder zweenen Begriffen einer, und das Verhaͤltniß zwi- schen beyden gegeben, so kann der andere Begriff oder die andere Sache dadurch gefunden oder bestimmt werden. (§. 476. l. cit. ). 2°. Wenn zwo Sachen gegeben oder be- stimmt sind, so ist auch das Verhaͤltniß zwischen beyden bestimmt. (§. 477. l. cit. ). 3°. Ohne das Verhaͤltniß zwischen beyden zu wissen, kann die eine Sache bloß aus der vorgegebenen andern nicht gefunden wer- den. (§. 478. l. cit. ). 4°. Aus bloßen Verhaͤltnissen wird keine Sa- che bestimmt. (§. 479. l. cit. ). 5°. Hin- Dinge und Verhaͤltnisse. 5°. Hingegen lassen sich ohne die Sachen, Verhaͤltnisse durch Verhaͤltnisse bestim- men. (§. 480. l. cit. ). 6°. Wenn zwo Sachen mit einer dritten in Verhaͤltniß stehen, so stehen sie auch un- ter sich in Verhaͤltniß. (§. 481. l. cit. ). §. 569. Diese Saͤtze betreffen nun eigentlich die Verhaͤlt- nisse ( Rationes ), die wir oben (§. 433.) einfach ge- nennet haben, um sie von den zusammengesetzten zu unterscheiden, welche Relationes oder Rationes com- plexae, genennet werden. Der Unterschied, der sich sowohl in Absicht auf die Groͤßen, als in Absicht auf die Dinge selbst, zwischen beyden befindet, ist, daß die Relationen, ohne die Sachen selbst mit einzu- mengen, nicht anders, als auf eine symbolische Art vorgestellet werden koͤnnen (§. 453. seqq. ), und daß man diese, wenn man damit zurechte kommen will, immer in ihre Theile und einfachen Verhaͤltnisse auf- loͤsen muß. Man habe nun zwo Sachen A=mb+nζ, und B=b+ζ (§. cit. ), so druͤcket zwar oͤfters die Sprache die Verhaͤltniß A : B durch ein Wort M aus. Dieses ist aber sodann immer von der Art, daß man sowohl A als B kennen muß, um sich ei- gentlich vorzustellen, was M sagen will, und daß man dadurch ( mb + nζ ) : ( b + ζ ) verstehe. Denn da sind vermoͤg der Voraussetzung m, b, n, ζ un- gleichartig, und zwar m, n, weil es einfache Be- stimmungen sind; b, ζ aber, weil es andere und an- derst bestimmte Theile der Sachen A, B sind. Nun sind die Verhaͤltnisse zwischen ungleichartigen Dingen schlechthin symbolisch, weil man statt deren, wenn man sie wirklich gebrauchen will, die ganze Sache ausein- XVIII. Hauptstuͤck. auseinanderlesen, und die einzelnen Theile b, ζ und ihre Bestimmungen besonders nehmen muß. Denn so, z. E. wenn man, nach dem ersten Satze (§. 568.) vermittelst der Sache B und ihrer Verhaͤltniß zu A, diese finden will, muß man B in zween Theile b + zerfaͤllen, und durch Zusetzung der Verhaͤltnisse oder Bestimmungen m, n das Ganze mb + nζ = A daraus machen. §. 570. Wenn wir demnach hier bey den einfachen oder nicht complexen Verhaͤltnissen bleiben, so sehen wir, daß von den vorhin (§. 568.) angefuͤhrten Saͤtzen, die beyden ersten und die beyden letzten anzeigen, was mit den gegebenen Stuͤcken zugleich gegeben ist. Hin- gegen zeiget der vierte und fuͤnfte an, was nicht da- mit gegeben, folglich davon unabhaͤngig ist. Man habe nun drey Begriffe A, B, C, und ihre Verhaͤlt- nisse m, n, p, die wir so vorstellen wollen m A B n C P so daß A = mB, C = nA, B = pC sey. Nun ist die Frage, wie fern aus drey von diesen sechs Stuͤ- cken, die uͤbrigen drey koͤnnen gefunden werden? Und da haben wir, vermoͤg der vorhin (§. 568.) angefuͤhr- ten Saͤtze, folgende Faͤlle. 1°. Aus A, B wird m, aus C, A wird n, und aus B, C wird p gefunden. Demnach, wenn A, B, C gegeben, koͤnnen m, n, p gefunden werden. 2°. Wenn A, B und n gegeben, kann p, B, m ge- funden werden. Denn C ist = nA, und p = B : C und m = A : B. 3°. Wenn Dinge und Verhaͤltnisse. 3°. Wenn A, n, m gegeben, kann B, p, C gefun- den werden. Denn es ist B = A : m, C = nA und p = B : C. 4°. Wenn A, n, p gegeben, kann C, B, m ge- funden werden. Denn es ist C = nA, B = pC = npA, m = A : B = 1 : np. 5°. Aus A, B, m laͤßt sich nichts finden. Denn m wird an sich schon durch A, B gefunden. 6°. Aus m, n, p laͤßt sich nichts finden, weil es bloße Verhaͤltnisse sind, und daher hoͤchstens nur die Art der Dinge vorstellen, wobey sie vorkommen. Aus m, n kann p an sich schon gefunden werden, so oft man weiß, daß m, n, p Verhaͤltnisse zwischen den drey Dingen A, B, C sind, so daß A = mB, C = nA und B = pC ist. Denn daraus hat man B = pC = pnA = pnmB, folglich pnm = 1, welches anzeiget, daß von den drey Verhaͤltnissen p, n, m eines ein um- gekehrtes Verhaͤltniß der beyden andern ist. Z. E. wenn n = Ursache, m = Mittel, so ist A das Mittel um B zu erhalten, C die Ursache, so A hervorbringt. Demnach ist C die Ursache des Mittels, um B zu erhalten, und C = mnB; und hinwiederum B = pC = \frac {1} {mn} C . Demnach B die Absicht der Wirkung von A. Dabey kann nun aber A jedes Mittel, C jede Ursache desselben vorstellen, und B wird die dazu gehoͤ- rende Absicht seyn. Demnach lassen die Ver- haͤltnißbegriffe m, n, p, wenn man nichts wei- ters als bekannt annimmt, alles dieses noch un- bestimmt. Wird aber A individual angegeben, so ist auch B und C individual bestimmt. Lamb. Archit. II. B. N §. 571. XVIII. Hauptstuͤck. §. 571. Dieses sind aber nur die einfachen Faͤlle. Denn wenn die Dinge A, B, C aus verschiedenen und un- gleichartigen Theilen zusammengesetzt sind, so muͤssen jede davon und ihre Bestimmungen und Verhaͤltnisse besonders betrachtet, gegeben oder gesuchet werden; und da kann man uͤberhaupt leicht einsehen, daß un- zaͤhlige und sehr mannichfaltige Combinationen dabey vorkommen koͤnnen, und daß man alles genau aus einander lesen muͤsse, bis man sieht, wie fern die Data zureichend und genug bestimmt sind. So z. E. wenn A ganz gegeben, und ein Theil von dessen Ver- haͤltnissen zu B: so kann B zum Theil, oder so weit diese Verhaͤltnisse reichen, bestimmt werden. Weiß man nun das uͤbrige von B an sich schon, oder aus den Verhaͤltnissen des B zu C, oder aus irgend an- dern Gruͤnden, so ist B ganz bestimmt. Dieser Fall koͤmmt nun sehr oft und besonders in historischen Sachen vor, wie z. E. wenn man den Thaͤter einer Sache aufsuchen, oder auch nur ein Indiuiduum, des- sen Namen man nicht weiß oder vergessen hat, durch aͤußerliche Umstaͤnde und Verhaͤltnisse kenntlich ma- chen will. Man kann, an sich betrachtet, dabey im- mer solche und so viele aufbringen, daß sie bey kei- nem andern Indiuiduo zugleich vorkommen. §. 572. Man kann sich eben so drey Dinge A, B, C der- gestalt vorstellen, daß man einige Verhaͤltnisse des B und des C zu A weiß. Dadurch wird nun B und C zum Theil bekannt. Ferner kann man sich gedenken, daß das Verhaͤltniß des bekannten Theils von B zu dem durch A noch nicht bestimmten Theile in C, und hinwiederum das Verhaͤtniß des durch A bestimmten Theils Dinge und Verhaͤltnisse. Theils in C, zu dem noch unbestimmten Theil in B gefunden werde, oder gegeben sey. Dadurch aber werden B und C vollstaͤndig bestimmt seyn, und so auch die Verhaͤltnisse zwischen B, C und A ganz ge- funden werden koͤnnen. Auch dieser Fall koͤmmt im gemeinen Leben haͤufig vor. Man hoͤret z. E. etwann drey Personen mit einander reden. Man kennet die eine von Person, und aus dem, was sie mit einan- der sprechen, schließt man, und zwar oͤfters ganz stuͤckweise, daß die andern beyden Personen diejeni- gen sind, die man bereits dem Namen nach, oder aus andern Erzaͤhlungen der ersten Person gekannt hatte. §. 573. Es kann ferner eine Sache, sowohl ihren Theilen, als ihren Eigenschaften nach, besonders genommen, und durch deren Verhaͤltnisse zu mehrern andern Dingen dergestalt bestimmt seyn, daß jeder Theil mit einer andern Sache verglichen wird. Sollte nun die Sache aus diesen angegebenen Verhaͤltnissen ge- funden werden, so sieht die Frage eigentlich proble- matisch und oͤfters raͤthselhaft aus. Jn der That sind auch die wirklichen Raͤthsel, die man zu errathen aufgiebt, nicht anders davon verschieden, als daß man sich vorsetzt, die Sache zu verstecken, und folg- lich alle die Verhaͤltnisse weglaͤßt, welche sie gar zu leicht und unmittelbar entdecken wuͤrden, und aus diesem Grunde druͤcket man sie auch lieber durch Me- taphern, als durch eigene Worte aus. Man hat dabey ebenfalls darauf zu sehen, daß man genug Data angebe, damit nicht mehrere Aufloͤsungen moͤg- lich bleiben. Die Regel Falsi, welche zur Erfindung der Algeber Anlaß gegeben zu haben scheint, mußte anfangs fast nothwendig als eine Regel angesehen N 2 werden, XVIII. Hauptstuͤck. werden, arithmetische Raͤthsel aufzuloͤsen, weil man aus der Zahl, die gefunden werden soll, alles andere leicht herleiten koͤnnte, wenn man sie wuͤßte, und folglich die Kunst just darinn bestuͤnde, wie man erst diese aus jenem finden soll. Jn der That haben auch die meisten Beyspiele, die man den Lehrlingen zu berechnen vorgab, auf eben die Art muͤssen verstecket werden, wie man es bey den Raͤthseln thut. Man nahm eine Zahl, und verwandelte sie durch Addiren, Multipliciren ꝛc. dergestalt, daß man nur angab, wie man damit gerechnet hatte, und was herausge- kommen ist. Und aus diesem sollte man die Zahl wiederum finden. Man verfiel erst nachher darauf, daß solche und noch viel zusammengesetztere Faͤlle wirklich vorkommen, wo man an nichts wenigers ge- denket, als nur ein arithmetisches Raͤthsel daraus zu machen, sondern, wo es aus andern Gruͤnden der Muͤhe lohnt, die Aufloͤsung zu suchen. Und so ent- stand aus dem, was anfangs nur ein Spiel des Wi- tzes zu seyn schien, die Algeber. Hingegen ist es bey den andern Raͤthseln bisher geblieben, und zwar so, daß man noch wenig daran gedacht hat, die Kunst zu ihrer Aufloͤsung wissenschaftlich zu machen, und mit gutem Vorbedachte Raͤthsel auszusinnen, um sich in den Regeln dieser Kunst zu uͤben, unge- faͤhr, wie man es in Ansehung der Regel Falsi ge- than hatte. Daß es aber auch Faͤlle gebe, wo man diese Kunst oder Wissenschaft nicht bloß als ein Spiel des Witzes, sondern aus ernstern Gruͤnden und mit Vortheil gebrauchen koͤnnte, daran ist gar nicht zu zweifeln. Man sehe hieruͤber Dianoiol. §. 567. seqq. 404. Semiot. §. 56. Alethiol. §. 176. Phaͤnomenol. §. 162. seqq. 167. seqq. 170. 173. 176. seqq. 240. seqq. Die Erfindung eines Mittels, wodurch mehrere Ab- sichten Dinge und Verhaͤltnisse. sichten zugleich erreichet, mehrere Schwierigkeiten, Hindernisse, Unschicklichkeiten, Jnconvenienzen ꝛc. zugleich gehoben, eines Systems von individualen Saͤtzen, das genau in eine Luͤcke passe ꝛc. wird im- mer erleichert und methodisch gemacht werden koͤnnen, wenn die ersterwaͤhnte Wissenschaft auf Regeln ge- bracht seyn wird. §. 574. Wir haben die besondern Arten von Verhaͤltnissen bereits oben (§. 411. seqq. ) betrachtet und sie in Clas- sen eingetheilet, deren wir sieben heraus gebracht ha- ben, und diese sind 1°. Die Logischen (§. 412.), welche auf der Aehn- lichkeit und Verschiedenheit der Dinge beruhen. 2°. Die Geometrischen (§. 413.), die bey dem Raume vorkommen. 3°. Die Chronometrischen (§. 414.), die bey der Zeit vorkommen. 4°. Die Phoronomischen (§. 415.), welche bey der Bewegung oder Veraͤnderung des Ortes vorkommen. 5°. Die Statischen, die bey dem Gleichgewichte, und 6°. Die Dynamischen, die bey der Ueberwucht vorkommen, (§. 423.). 7°. Die Moralischen, die auf das Gute und die Kraͤfte des Willens gehen, (§. 424.). Diese Classen von Verhaͤltnissen sind nun, jede an sich, von besonderer Art, und in so fern scheinen sie von einander unabhaͤngig. Jndessen sind sie es weder in allen Absichten, noch durchaus. Wir haben daher N 3 zu XVIII. Hauptstuͤck. zu untersuchen, wie fern sie von einander abhaͤngen, so daß, wenn einige gegeben sind, die Bestimmung von andern nicht mehr willkuͤhrlich bleibe. §. 575. Dahin dienen nun folgende Saͤtze: 1°. Die logischen Verhaͤltnisse lassen sich uͤber- haupt an sich betrachten, so wie wir es oben bey der Theorie der Jdentitaͤt und in den dar- auf folgenden Hauptstuͤcken gethan, (§. 372.). 2°. Hingegen haͤngen sie in vorkommenden Faͤllen von den uͤbrigen Classen in so fern durchaus ab, daß was in diesen veraͤndert wird, auch eine Veraͤnderung in den logischen nach sich zieht, weil unsere Vorstellung immer den Sachen selbst angemessen seyn muß. 3°. Die geometrischen, und so auch die chrono- metrischen, lassen sich ebenfalls durchaus an sich betrachten; hingegen werden sie durch 4°. Die phoronomischen, statischen und dy- namischen in besondern Faͤllen bestimmt, so wie hingegen auch diese durch jene bestimmt werden koͤnnen. Demnach ist in dieser Absicht die Abhaͤnglichkeit reciprocirlich. 5°. Besonders aber koͤmmt dabey die Einschraͤn- kung vor, daß weder verschiedenes Solides zu- gleich an einem Orte, noch einerley Solides zugleich an verschiedenem Orte seyn, und eine Kraft nicht zugleich doppelt oder mehrfach an- gewandt werden koͤnne. 6°. Die moralischen Verhaͤltnisse, die das Gute, folglich die Realitaͤt und Vollkommenheit zum Gegenstande haben, haͤngen davon ab, so fern darinn Dinge und Verhaͤltnisse. darinn Aenderungen vorgehen, und so fern der Grad der Erheblichkeit sich aͤndert. 7°. Ferner haben wir schon oben (§. 415. seqq. ) umstaͤndlicher angemerket, wie fern man sagen koͤnne, daß Zeit und Raum in den Dingen selbst nichts aͤndere, ungeachtet die Veraͤnderungen selbst der Zeit und dem Raume nach vorgehen, und wie man dabey das Absolute mit dem Re- lativen vergleichen koͤnne, um eines aus dem andern zu finden. §. 576. Sollten wir nun nach Anleitung des §. 573. diese Arten von Verhaͤltnissen zusammennehmen, so wuͤr- den wir ein Ding A zu finden angeben, welches z. E. dem B aͤhnlich, in der Naͤhe von C be- findlich, dem D vorgehend, auf E folgend, eine Ursache von F, eine Wirkung von G, eine Absicht bey H, und ein Mittel zu I sey. Jn dieser Formel koͤnnen nun B, C, D, E .... I fast im- mer leicht gefunden werden, wenn man A weiß, und oͤfters findet man mehrere Dinge, die fuͤr B, C, D ꝛc. koͤnnen gesetzet werden. Demnach leidet diese Formel in dieser Absicht noch gar vielerley Abwechselungen. Soll hingegen A gefunden werden, so muß von B, C, D, E.... I so viel gegeben seyn, daß man es dar- aus finden koͤnne, naͤmlich B, C, D, E .... I muͤssen außer A bey keinem andern Dinge zugleich vorkommen. Man sieht auch leicht, daß je specialer B, C, D ꝛc. an- gegeben werden, und je naͤher alles dieses dem Jn- dividualen ist, desto weniger Data der Zahl nach erfor- dert werden, hingegen gebraucht es auch eine specialere Erkenntniß, um von B, C, D ꝛc. ruͤckwaͤrts auf A zu schließen. Man setze z. E. F habe nur einerley Art N 4 von XVIII. Hauptstuͤck. von Ursachen, so ist die Art bald gefunden, und unter dieser muß das Indiuiduum oder die specialere Art A seyn. Dieses fordert nun, daß B nicht uͤberhaupt der ganzen Art, sondern dem Indiuiduo oder der specia- lern Art A aͤhnlich sey, weil man sonst aus B nicht mehr finden wuͤrde, als aus F. Waͤre nun B dem A allein aͤhnlich, so waͤren auch die beyden Data F, B an sich schon hinreichend, und sie sind es, man mag die Jndividualitaͤt dieser Aehnlichkeit angeben oder nicht. Waͤre aber B dem A nur in einigen Stuͤcken aͤhnlich, so muͤßte man noch ein oder einige Data mehr haben, bis A dadurch dergestalt bestimmt ist, daß keine an- dere Sache den angegebenen Bedingungen saͤmmtlich Genuͤgen thut. §. 577. Auf diese Art kann man Raͤthsel erfinden, wenn man es auch nur als eine Uebung und Spiel des Witzes vornehmen will. Es legt uns aber die Na- tur, die Geschichte und selbst das gemeine Leben solche Raͤthsel oder Problemata in Menge vor, die schon gemacht und aufgegeben, und folglich nur noch auf- zuloͤsen sind. Jn der Kraͤuterkunde stellet A ein Ge- waͤchs vor, und der Lehrling, der es nicht vor sich sieht, muß es aus Merkmalen kennen lernen, die den Verhaͤltnissen B, C, D .... I sehr aͤhnlich sind. Wiederum stellet A etwann eine Materie vor, von welcher die Theorie gesucht wird. Z. E. die magneti- sche, electrische ꝛc. Die electrische ist der magneti- schen, in Absicht auf das Anziehen, dem Blitze, in Absicht auf das Licht und den Knall, aͤhnlich, sie be- findet sich im Glase, Harze ꝛc. Jhre Wirkung erfolgt auf das Reiben ꝛc. Man sucht naͤmlich da- bey alle Verhaͤltnisse und Umstaͤnde, als eben so viele einzelne Dinge und Verhaͤltnisse. einzelne Data und Fragmente zur Theorie auf, und diese muͤssen eben so unter einander verglichen werden, wenn man die geringste und dennoch zureichende An- zahl finden will, wie wir es vorhin (§. 576.) bey der allgemeinen Formel gethan haben. Denn welches von diesen Fragmenten aus den andern an sich schon hergeleitet werden kann, das wird nicht unter die Data gerechnet, sondern unter das, was aus diesen Datis nothwendig folgt, und es traͤgt auch zur Erfindung des A nichts mehr bey, als die uͤbrigen Data schon beytragen. Behaͤlt man auf diese Art die von ein- ander unabhaͤngigen Data allein, so muß man von denselben ruͤckwaͤrts auf A schließen koͤnnen, das will sagen, man muß finden koͤnnen, was jedes dersel- ben im A nothwendig voraussetzet, so daß ohne diese Voraussetzung das Datum nicht statt haben koͤnnte, (Dianoiol. §. 404.). §. 578. Wir muͤssen ferner bey der Betrachtung der Ver- haͤltnisse und ihrer Verbindung mit den Dingen selbst, den Begriff des Ganzen und der Theile gleichsam oben an rechnen, weil die Theorie davon sehr aus- gebreitet ist. Denn 1°. ist jedes Ding, an sich betrachtet, ein Ganzes, und hinwiederum kann man jede zusammenge- hoͤrende Stuͤcke in einen Begriff bringen, und sie als ein Ganzes, und so auch als ein Ding ansehen. 2°. Die Verhaͤltnisse selbst, so zwischen den Thei- len eines Ganzen sind, machen an sich auch, und in dieser Absicht betrachtet, ein zusammengehoͤ- rendes Ganzes aus. N 5 3°. Sofern XVIII. Hauptstuͤck. 3°. Sofern ein Ding mit andern in Verbindung steht, kann es mit denselben zusammengenom- men, als ein Ganzes angesehen werden. Und da machen 4°. die Verhaͤltnisse, die sich dabey mit einfinden, wiederum an sich, und in dieser Absicht betrach- tet, ein Ganzes aus. 5°. Alles dieses laͤuft durch die vorhin (§. 574.) an- gefuͤhrten sieben Classen von Verhaͤltnissen, nnd wird daher allerdings ausgebreitet und weit- laͤuftig genug. §. 579. Nun giebt der vollstaͤndige Begriff eines Ganzen allemal die Abzaͤhlung der dazu gehoͤrenden Theile. Sofern demnach diese nicht getrennet werden koͤnnen, laͤßt sich von denen, die man findet, schließen, daß die uͤbrigen auch da seyn muͤs- sen, (Dianoiol. §. 394. seqq. ). Jn andern Faͤllen, wo gewisse Theile nicht sind, ist die Luͤcke oͤfters mit etwas anderm ausgefuͤllt (§. 264.), und dieß giebt Anlaß, die innern Gruͤnde dieses Andersseyn aufzusuchen, oder zu finden, was statt des Theiles, der da seyn sollte, da ist. Da man den Dingen der Jntellectualwelt auf mehrere Arten eine aͤußerliche Gestalt oder einen Koͤrper gegeben (§. 557.), und auch die Formalien in Ganze ver- wandelt hat, so dehnen sich diese beyden Faͤlle auch darauf aus, und oͤfters laͤßt sich aus der besondern, gekuͤnstelten, uͤbel zusammenhaͤngenden aͤußern Form der Dinge auf die innern Umstaͤnde schließen, welche dieselben mit sich bringen. Ueberhaupt aber muß man sich die Ganzen, ihre Theile und Modificationen wohl Dinge und Verhaͤltnisse. wohl bekannt gemacht haben, um in Schluͤßen von dieser Art eine Richtigkeit und Fertigkeit zu erlangen, welche sie nicht mehr bloß wahrscheinlich, sondern ge- wiß und bestimmt mache (Phaͤnomenol. §. 174. 176.). §. 580. Es lassen sich ferner die Ganzen fast eben so, wie die Verhaͤltnisse, in Classen bringen. Wir koͤnnen sie fuͤglich nach den drey Arten von Kraͤften einthei- len, wodurch ihre Theile verbunden sind. Und da haben wir 1°. in Absicht auf den Verstand, logische Ganze. α) Die Gattungen und ihre Arten, (§. 178-200.). β) Einfache Bestimmungen, die beysammen, oder Dimensionen des Ganzen sind, (§. 449. 452. 458.) γ) Principia oder erste Gruͤnde, und das dar- auf gebaute System, mit allen seinen Thei- len, (§. 503. 198.). 2°. Jn Absicht auf die Kraͤfte zu wirken, physi- sche Ganze. α) Einzelne Koͤrper, (§. 549. seqq. ). β) Systemen von Koͤrpern, Ursachen und Wir- kungen, (§. 550. 567. 427. 197.). 3°. Jn Absicht auf die Kraͤfte des Willens, mo- ralische Ganze. α) Societaͤten, (§. 555. seqq. ). β) Freundschaften, (§. 554.). γ) Systemen von Mitteln und Absichten, (§. 345. seqq. 355. 365. 480. seqq. 555.). §. 581. XVIII. Hauptstuͤck. §. 581. Von diesen drey Classen hat nun die erste entweder sich selbst oder ein Ganzes aus den zwo andern Classen zum Objecte. Jm ersten Falle gehoͤret die Theorie davon in die Psychologie und Vernunftlehre, und zwar so fern diese die Logica pura genennet werden kann, um sie von der adplicata zu unterscheiden, wel- che da vorkoͤmmt, wo das Object aus den beyden an- dern Classen genommen ist. Sodann kann die zweyte Classe mit der dritten so verbunden seyn, daß einerley Ganzes fuͤr beyde zum Grunde liegt, weil uͤberhaupt das Solide und die Kraͤfte die erste Grundlage zu den drey Reichen der Wahrheiten sind. Die Unter- suchung und Theorie eines vorgegebenen Ganzen wird daher immer am vollstaͤndigsten, wenn man es nach allen drey Classen betrachtet. §. 582. Dabey wird es nun an Anlaͤssen zu Combinationen nicht fehlen. Denn welches Ganze man nach diesen drey Classen zu durchgehen vornimmt, so kommen so- gleich die vorhin angefuͤhrten Faͤlle (§. 578.), und mit denselben die (§. 574.) angegebenen sieben Classen von Verhaͤltnissen vor, und zeigen gleichsam an, wo man zu suchen habe, um sich das vorgegebene Ganze durchaus und in jeden Absichten bekannt zu machen. Und diese Untersuchung muß dahin gehen, daß man bestimmet: 1°. Welche Theile nothwendig beysammen sind, so daß man von einem auf das andere schließen koͤnne, (§. 579.). 2°. Welche von einander abhaͤngen, so daß eines das andere voraussetzet, erfordert, oder nach sich zieht, (§. 575.). 3°. Welche Dinge und Verhaͤltnisse. 3°. Welche hingegen nicht von einander abhaͤngen, doch aber beysammen seyn koͤnnen. Und endlich 4°. welche nicht beysammen seyn koͤnnen, folglich zu andern Anlagen und Combinationen gehoͤren. §. 583. Wenn man nun in Ansehung dieser Fragen nicht will bey dem Allgemeinen stehen bleiben, so gehoͤ- ret allerdings eine vorlaͤufige Kenntniß der Sache dazu. Denn die Ganzen sind uͤberhaupt von der Art, daß die Kenntniß und Abzaͤhlung ihrer Theile eher eine Gedaͤchtnißsache ist, besonders da wir dieselben mehrentheils a posteriori finden muͤssen. Die Be- sorgniß der Widerspruͤche macht, daß wir sie nicht so schlechthin auf eine willkuͤhrliche und bloß symbo- lische Art zusammensetzen koͤnnen, und daß wir folg- lich bey den Postulatis und bey den Grundsaͤtzen an- fangen muͤssen, wodurch die Combination der Moͤg- lichkeiten eingeschraͤnkt wird (§. 13.). Was wir in Ansehung dessen im Vorhergehenden gethan haben, erhellet aus den vorhin (§. 580.) bey der Vorzaͤhlung der Classen von solchen Ganzen angezogenen §. §. Die folgenden Hauptstuͤcke werden ebenfalls noch da- hin dienen. Die ausfuͤhrlichere Betrachtung davon gehoͤret in die Systematologie, weil jedes Ganzes als ein System angesehen werden kann. Neun- XIX. Hauptstuͤck. Neunzehentes Hauptstuͤck. Ursachen und Wirkungen . §. 584. D ie Theorie der Ursachen und Wirkungen, und die damit in enger Verbindung stehende Theo- rie der Mittel und Absichten (§. 427. 428.) macht einen der vornehmsten Theile von der allgemeinen Theorie der Kraͤfte aus, weil die Kraͤfte, so fern sie sich aͤus- sern, als Ursachen oder als wirkende Ursachen angesehen werden muͤssen, und weil sie die eigentliche Quelle jeder Wirkungen sind. Das Wort Ursache hat uͤberhaupt und dem Sprachgebrauche nach, etwas Vieldeutiges, und wird sehr oft mit dem Worte Grund, nach allen seinen Bedeutungen (§. 487. 489.) verwechselt. Der Ableitung nach, bedeutet Ursache so viel, als die erste Sache, oder diejenige Sache, die den ersten Anfang macht, und so wird das Ab- leitungstheilchen Ur auch in den Woͤrten Ursprung, Urstoff, Urbild, Urheber ꝛc. gebraucht, da es ungefaͤhr so viel, als das griechische Αζχη bedeutet, welches Aristoteles in die Metaphysic eingefuͤhret hat, und durch Principium uͤbersetzet worden ist. § 585. Wir werden hier bey dieser Bedeutung bleiben, und durch Ursache nicht etwann nur das Principium cognoscendi, sondern die Sache selbst verstehen, die das Principium essendi ist oder in sich enthaͤlt, so fern naͤmlich Kraͤfte in derselben sind, die ihre Wirkung aͤußern. Hiebey muͤssen wir ferner den bloßen Stand des Ursachen und Wirkungen. des Gleichgewichtes der Kraͤfte, wobey gleichsam alles in Ruhe bleibt, von der Ueberwucht unter- scheiden, welche eine Veraͤnderung nach sich zieht. Man ist gewoͤhnt, mehrentheils nur da von Ursachen zu reden, wo die Wirkung in die Sinne faͤllt, und demnach vornehmlich nur, wo Veraͤnderungen vor- gehen. Hingegen, wo ein bloßes Gleichgewicht statt hat, wo folglich die Sachen bleiben, wie sie waren, da bringt man den Begriff der dennoch dabey befind- lichen Kraͤfte und des Gleichgewichtes, das dabey statt hat, fast immer nur durch Schluͤsse heraus, und spricht daher eher von Gruͤnden als von wir- kenden Ursachen, ungeachtet diese allerdings mit dabey sind. Nach diesen vorlaͤufigen Anmerkungen werden wir anfangen, die Ursachen der Veraͤnde- rungen zu betrachten. §. 586. Die Ursachen und Wirkungen setzen immer wenigstens zwo Substanzen voraus. Jn der einen soll eine Veraͤnderung vorgehen. Sie kann daher auf zweyerley Arten betrachtet werden. 1°. Ehe die Veraͤnderung vorgegangen. 2°. Nachdem sie vorge- gangen. Die Veraͤnderung selbst macht, daß sie nicht mehr durchaus und in allen Absichten eben dieselbe Substanz ist, die sie vor der Veraͤnderung war; und alle Verschiedenheit, die sich bey der Vergleichung des ersten und andern Zustandes befindet, ruͤhrt von der geschehenen Veraͤnderung her; und wenn man den letztern Zustand mit dem erstern identificiren will, so muß man, was zu der Substanz bey der Veraͤnde- rung hinzugekommen, in Gedanken wegnehmen, und im Gegentheile wiederum hinzusetzen, was weg- gekommen war, es mag nun dieses durch die Zei- chen XIX. Hauptstuͤck. chen +, - (§. 435.) oder durch die Zeichen. : (§. 437.) geschehen, je nach dem es wirkliche Theile oder Be- stimmungen betrifft. Denn daß hiebey eine Art von Calcul vorkomme, das zeiget nicht nur die Spra- che schon an, welche das Wort Calcul bereits bis dahin metaphorisch gemacht hat, sondern die Aehn- lichkeit der Sache mit arithmetischen Rechnungen be- rechtiget diese Benennung, und zeiget, daß man sich Rechnung mache, wo von Zahlen kaum die Rede ist. Denn dieser Calcul koͤmmt vornehmlich vor, wo man die Veraͤnderungen in Ueberschlag bringt, welche die Ausfuͤhrung eines Vorhabens nach sich zieht, und man thut es, um zu sehen, ob eine Jdentitaͤt (um nicht zu sagen, eine Gleichung ) herauskomme? Die Absicht, die man sich vorsetzet, zeiget, wie die Sache ausfallen solle. Man nimmt sodann Ursachen und Triebfedern an, und calculirt oder macht die Rechnung, oder den Ueberschlag, ob die Veraͤnderungen, die diese Ursachen und Triebfe- dern in den vorgegebenen Umstaͤnden nach sich ziehen, endlich und zu vorgesetzter Zeit, der vorhabenden Ab- sicht gemaͤß ausfallen? Damit geht es nun am rich- tigsten, wenn man von der Absicht ruͤckwaͤrts auf die Mittel schließen kann. Widrigenfalls muß man, wie bey der Regel Falsi, verfahren (§. 573.), und nach willkuͤhrlich angenommenen Ursachen und Mitteln, aus der Verschiedenheit der Wirkung auf die Aende- rung der Ursachen, und besonders auf die Art, wie sie geaͤndert werden muͤssen, den Schluß machen, (§. 571-577.). §. 587. Die ganze Veraͤnderung, die in der einen Sub- stanz vorgegangen, werden wir nun die Wirkung nennen, Ursachen und Wirkungen. nennen, welche demnach in der Summe jeder einzeln Veraͤnderungen besteht, die sie nach jeden Theilen, Bestimmungen und Verhaͤltnissen erlitten hat. Die andere Substanz nennen wir die Ursache, und wo von Absichten die Rede ist, das Mittel. Sie ist die Ursache, in so fern durch sie die Veraͤnderungen geschehen, und in so fern schreibt man derselben eine Kraft zu, die Veraͤnderung hervorzubringen, diese Kraft mag nun die Substanz selbst, oder in derselben seyn. Sie ist ein Mittel, in so fern man sie wirk- sam gemacht hat, um die Wirkung hervorzubringen, es sey, daß man derselben die Wirkung gegeben, oder die, so sie schon hatte, in dem gehoͤrigen Grade auf die Sache gerichtet hat. §. 588. So fern in der andern Substanz, in welcher die Wirkung vorgeht, selbst auch Kraͤfte sind, welche bis dahin im Gleichgewichte waren, so fern wird auch durch die Action der erstern Substanz dieses Gleich- gewicht gehoben, und es aͤußert sich eine Reaction oder Gegenwirkung, welche selbst die wirkende Sub- stanz zu aͤndern vermag; und in dieser Absicht be- trachtet, ist die Wirkung die Summe von allen ein- zelnen Veraͤnderungen, welche durch die Action und Reaction in beyden Substanzen vorgegangen sind. Man kann aber, dessen unerachtet, jede Substanz vor und nach der Aenderung mit sich selbst vergleichen, und die Aenderung, die sie erlitten, als die in der- selben geschehene Wirkung ansehen. Denn uͤberhaupt sind hiebey die Woͤrter, Ursache, Wirkung, Action, Reaction ꝛc. nur relativ, und man nimmt sie unge- faͤhr folgendermaßen. Lamb. Archit. II. B. O §. 589. XIX. Hauptstuͤck. §. 589. Wenn naͤmlich eine Veraͤnderung geschehen soll, und die eine Substanz ist in Ruhe, so muß in der andern vorerst eine Aenderung vorgehen, ehe sie in diese wirkt. Der Grund ist offenbar, weil sonst die Wirkung bereits vorgegangen waͤre. Damit sie dem- nach anfangen koͤnne, zu wirken, muß sie gleichsam zu diesem Anfange vorbereitet werden, oder wenn sie eine Kraft ist, das will sagen, den Grund ihrer Wirk- samkeit in sich, oder eine eigene Activitaͤt hat, sich selbst dazu anschicken. Dieses Anfangen macht, daß man sie Ursache nennet, (§. 584. 585.). Es ist aber gar nicht nothwendig, daß nur eine anfange, weil es bey beyden zugleich eben so gut moͤglich ist. Jn diesem Falle werden demnach beyde zugleich Ursa- chen genennet werden muͤssen, weil bey der Veraͤn- derung, die sie, eine in der andern, verursachen, jede ihre Wirksamkeit und Gegenwirkung aͤußert. Da es nun hiebey nicht darauf ankoͤmmt, wie viel oder wenig jede der beyden Substanzen sich zu der Veraͤn- derung angeschickt hat, und man nur auf die Summe der Veraͤnderungen selbst sieht, so kann die Summe der Veraͤnderungen, die jede Substanz besonders er- litten, fuͤr sich eine Wirkung genennet werden. §. 590. Wir benennen nun mehrentheils sehr zusammen- gesetzte Veraͤnderungen, und so auch die Ursachen, die sie hervorbringen, mit einem einzigen Worte, wel- ches gewoͤhnlich ein Zeitwort oder davon abgeleitet ist. Dieses zeiget folglich die Sache uͤberhaupt an, ohne jede einzelne Theile zu benennen, und in so fern ist es nur ein abgekuͤrzter Ausdruck, welcher statt einer Sacherklaͤrung gebraucht wird, es sey, daß wir diese Ursachen und Wirkungen. diese a priori herausbringen, oder daß wir sie a po- steriori erst noch finden muͤssen. Und dazu ist auf eine sehr natuͤrliche Art die ganze Sprache eingerich- tet, (Semiot. §. 122. seqq. ). Traͤgt es sich nun schick- lich zu, daß die Sprache Woͤrter angiebt, auch die einzelnen Theile der Veraͤnderung so zu benennen, daß man nicht ganz bis zu dem Einfachsten alles zerglie- dern muͤsse, so lassen sich auf diese Art die Haupt- theile derselben durch wenige Woͤrter, oder in das Kurze gezogen, anzeigen, und diese Anzeige ist eine Anlage zu der vollstaͤndigen und ausfuͤhrlichen Sach- erklaͤrung, die aber, wenn sie ausfuͤhrlich seyn soll, noch mehr entwickelt werden muß. §. 591. Man setze nun z. E. A werde in B verwandelt, und die Sprache gebe die Verhaͤltniß A : B durch das Wort q an, so daß A : B = q, oder A = qB sey. Nun kann es gar wohl seyn, daß q ein complexer Ver- haͤltnißbegriff ist (§. 569.), und daß man bey ge- nauerer Untersuchung z. E. B = \frac {Am} {p} + \frac {Cn} {r} findet; das will sagen; die Bestimmung p sey, bey der Ver- wandlung, von A weggenommen, und statt dersel- ben m gesetzet, oder p sey in m verwandelt worden, und uͤberdieß sey noch ein neuer Theil \frac {Cn} {p} hinzugekommen und mit \frac {Am} {p} zusammengesetzt worden. Setzet man nun, A sey durchaus gleichartig, so kann es auch seyn, daß m und p dabey durchgaͤngige Bestimmun- gen sind, und in so fern mag der Ausdruck \frac {Am} {p} blei- ben. Wenn demnach dieser Theil allein waͤre, so O 2 wuͤrde XIX. Hauptstuͤck. wuͤrde B = \frac {Am} {p} folglich A : B = \frac {m} {p} = q sey. Dem- nach waͤre q nicht ein complexes Verhaͤltniß. Da aber \frac {Cn} {r} noch dabey ist, so ist eigentlich B = \frac {Am} {p} + \frac {Cn} {r} folglich q = B : A = \frac {m} {p} + \frac {Cn} {Ar} . Nun kann es auf eben die Art seyn, daß n und r complexe Verhaͤltnisse sind, und keines dem C ganz zukommt. Man setze z. E. \frac {Cn} {r} = nD + \frac {E} {r} + \frac {nF} {r} so ist B = \frac {Am} {p} + nD + \frac {E} {r} + \frac {nF} {r} und folglich q = \frac {B} {A} = \frac {m} {p} + \frac {nD} {A} + \frac {E} {rA} + \frac {nF} {rA} welches uͤberhaupt anzeiget, das Wort q druͤcke ein solches Verhaͤltniß aus, welches sich auf vielerley Theile erstrecke, und bey jedem besonders genommen werden muͤsse. Bey dem ersten sey es = \frac {m} {p} und folglich einfoͤrmig, bey dem andern stelle es das Ver- haͤltniß zwischen nD und A, bey dem dritten E : r A, bey dem vierten nF : r A vor. Wenn nun diese Zer- gliederung nichts Complexes mehr hat, so sind auch die Verhaͤltnisse bey jedem dieser vier Theile einfoͤrmig und die Sacherklaͤrung B = \frac {Am} {p} + nD + \frac {E} {r} + \frac {nF} {r} hat ihre erforderliche Ausfuͤhrlichkeit. Sie zeiget zugleich Ursachen und Wirkungen. zugleich an, wie die Veraͤnderung des A in B vorge- gangen, und wie die Ursachen muͤssen gewirkt haben, um diese Veraͤnderung hervorzubringen. Zu solchen entwickelten Sacherklaͤrungen gelangen wir immer, so fern die Theile und Bestimmungen groͤßer und in die Sinne fallend sind. Wir muͤssen aber noch der- malen Worte dazu gebrauchen, und die hier angege- bene Zeichnungsart dienet uns nur noch, wo wir die Bedeutung der Buchstaben A, B, q, m ꝛc. wissen, und sie nach den Groͤßen und Graden mit einander vergleichen, (§. 452. seqq. ). §. 592. Wir begnuͤgen uns ferner mehrentheils, die Ursa- chen und Wirkungen nur in gewissen Absichten zu be- trachten und zu benennen; und in Ansehung der Wir- kung ist es auch oͤfters nur um die ganze Summe der Veraͤnderungen, oder um das letzte Product zu thun, ohne daß wir so genau auf die Ordnung sehen, in welcher die Veraͤnderung vorgegangen, noch auf die Ursachen und Mittel, die dazu gebraucht worden sind, wenn nur das herausgekommen, was wir, uͤberhaupt betrachtet, herausgebracht haben wollten, und die da- bey noch etwann mit unterlaufenden Veraͤnderungen, die zugleich mit vorgegangen, und die die Sache nach sich zieht, nichts geachtet werden, oder nichts auf sich haben ꝛc. Dabey ist nun allerdings weder geo- metrische noch metaphysische Schaͤrfe, und es koͤmmt auch daher, daß die Saͤtze, welche die metaphysische Theorie der Ursachen und Wirkungen angiebt, bey allen solchen Faͤllen von geringer Anwendbarkeit sind, und daß man sie eigentlich nur da zu gebrauchen hat, wo die Sache nicht so obenhin, sondern nach aller Schaͤrfe genommen werden soll. Wir werden einige von solchen Saͤtzen in dieser Absicht naͤher betrachten. O 3 §. 593. XIX. Hauptstuͤck. §. 593. Die Wirkung ist der Ursache aͤhnlich, oder: Wie die Ursache, so die Wirkung. Diese Aehn- lichkeit hat man nun oͤfters Muͤhe zu finden, beson- ders, wenn man sie in den entferntern Ursachen oder nur in einigen Theilen aufsucht, oder auch, wenn man Theile zu der Ursache mitrechnet, die es nicht sind. Denn sie koͤmmt eigentlich nur bey der unmittelbaren oder naͤchsten Ursache vor, und da muß man nicht nur die Ursache, sondern auch die Art, wie sie wirkt, die Gegenwirkung der Sache, und etwann auch noch Nebenumstaͤnde mit in Betrachtung ziehen, welches alles machen kann, daß, da die naͤchste oder unmittel- bare Ursache der Wirkung aͤhnlich ist, schon die nur um einen Grad entferntere mit der Wirkung wenig Aehn- lichkeit mehr hat. Jn dieser Absicht kann man den angefuͤhrten Satz als ein Criterium ansehen, wenn man die Art, wie eine Wirkung vorgegangen, ausfuͤhrlich aufklaͤren will. Man muß die Untersu- chung so weit treiben, bis man diese Aehnlichkeit durch alle Theile zeigen kann. Denn wo man hierinn zuruͤck bleibt, da zeiget man hoͤchstens nur, daß die einzelnen Theile der Wirkung erfolgt sind; und mit Zuziehung aͤhnlicher Faͤlle kann man etwann auch die Moͤglichkeit zeigen, daß sie haben erfolgen koͤnnen, oder auch, daß sie haben erfolgen muͤssen. Denn uͤberhaupt ist in solchen Faͤllen das daß eher und leichter zu beweisen, als das wie? Man kann die ersten Saͤtze der Mechanic und Hydrostatic zum Bey- spiele nehmen, wenn man nicht nur den Satz, daß sie wahr sind, sondern wie sie wahr sind, beweisen und zeigen will. Die algebraischen Rechnungen ge- ben uns ebenfalls mehrentheils nur das daß, selten aber das wie an, weil dieses fast nothwendig die synthe- Ursachen und Wirkungen. synthetische Methode erfordert, und wenn es durch- aus erhalten wird, eine aͤchte und vollstaͤndige Klar- heit und Deutlichkeit giebt. §. 594. Jn der Wirkung ist nicht mehr, als in der Ursache. Dieser Satz will nur sagen, daß nichts von sich selbst entstehe, und daß folglich jede einzelne Veraͤnderung, die in der Wirkung mit inbegriffen ist, von irgend einer Ursache herkommen, und folglich jede Ursachen und Theile derselben zusammengerechnet werden muͤssen. Wenn man demnach die Wirkung sich vollstaͤndig bekannt gemacht hat, so dient dieser Satz wiederum als ein Criterium, ob man jede ein- zelne Ursachen und jede Theile derselben habe, und ob folglich die Kenntniß der Ursache vollstaͤndig sey? Hiebey muß nun allerdings die Zeit mit in die Rech- nung gezogen werden. Denn nimmt man von der Wirkung solche Theile zusammen, die nicht zu gleicher Zeit erfolgt sind, so kann auch eine schlechthin nur eine Folge der andern seyn, und man wuͤrde demnach ohne Grund fuͤr jede eine besondere Ursache suchen oder unmittelbar von einer und eben der Ursache her- leiten wollen. Daß z. E. ein ganzes Magazin von Pulver durch einen einigen Funken Feuer entzuͤndet und dadurch so große Kraͤfte rege gemacht werden koͤnnen, wuͤrde man aus dem Satze, die Wirkung muͤsse ganz in der Ursache seyn, nicht finden koͤnnen, wenn man dabey den Funken Feuers als die einige Ursache ansehen wollte. Denn dieser Funken dienet nur, um anzufangen, ein Gleichgewicht zu heben, welches sodann die Aufhebung des Gleichgewichtes in jeden Koͤrnern durch aͤußere wirkende Kraͤfte nach sich zieht. O 4 §. 595. XIX. Hauptstuͤck. §. 595. Die Reaction ist mit der Action einerley, außer daß jene dieser entgegengesetzt ist. Dieser Satz will nicht mehr sagen, als daß eine angewandte Kraft angewandt sey, und nicht doppelt oder mehr- fach angewandt werden koͤnne, und daß sie, so wie sie ganz angewandt ist, nicht zugleich noch anders angewandt sey. Die Wirkung ist gleichsam immer der Abdruck der unmittelbar wirkenden Ursache, und wird von dieser gebildet. Denn darinn besteht auch die Aehnlichkeit zwischen beyden, (§. 593.). Der Unterschied liegt nur darinn, daß der Abdruck eine gleichsam umgekehrte Form oder Gestalt hat, und daß die Sache, in welcher die Kraft der Ursache sich aͤußert, derselben entgegen wirke, und sie dadurch derstalt aufhalte, daß man sagen kann, sie sey an- gewandt, und so viel davon angewandt ist, lasse sich nicht als nochmals anwendbar gedenken. §. 596. Die voͤllige Wirkung ist den gesammten wir- kenden oder angewandten Kraͤften der Ursa- che gleich, und von einerley Form. Dieser Satz will ungefaͤhr sagen, die Wirkung erstrecke sich nicht weiter als die angewandte Kraft der Ursache; und da auch kein Theil von dieser Kraft mehrfach an- gewandt seyn koͤnne, so finde sich zwischen der Wir- kung und der Kraft ein solches Ebenmaaß, daß je- dem Theil der Wirkung ein Theil der angewandten Kraft, und hinwiederum jedem Theil der angewand- ten Kraft ein Theil der Wirkung entspreche, und von allem diesem nichts doppelt oder mehrfach in die Rechnung komme; daß endlich jeder Theil der Wir- kung sich genau nach der Art richte, wie die Kraft, um Ursachen und Wirkungen. um ihn hervor zu bringen, angewandt worden, und die Ursache die Wirkung gleichsam bilde, oder der- selben ihre Gestalt gebe, (§. 593.). Dieser Satz die- net ebenfalls, wie die vorhergehenden, als ein Cri- terium, wenn man bey Untersuchung einer Ursache dieselbe aus der Wirkung vollstaͤndig und ausfuͤhrlich entwickeln, und die Art, wie die Ursache gewirket hat, durch alle Theile deutlich aus einander setzen will. Man nehme aus dem §. 586. seqq. mit hinzu, daß man um erstlich die Wirkung an sich vollstaͤndig zu kennen, genau wissen muͤsse, wie die Sache vor der- selben beschaffen war, welche Theile und Kraͤfte, und welche Verbindungen und Bestimmungen von bey- den da waren; daß eben diese Kenntniß der Sache nach geschehener Wirkung erfordert werde, damit man den letzten Zustand mit dem ersten vergleichen und identificiren koͤnne, (§. 586.). Wo es um die Groͤße zu thun ist, da ist man hiebey in der Mathe- matik so genau, daß man die Wirkung nach den Differentialtheilen der Zeit, des Raumes ꝛc. betrach- tet, und aus den Verhaͤltoissen der unendlich kleinen Theile der Wirkung auf die Summe schließt, wel- ches man vor der Erfindung des Jntegralcalculs sel- ten, und nur in den einfachsten Faͤllen thun konnte. So beut uns auch die Naturlehre Beyspiele an, daß, so weit wir in dieser Kenntniß kommen koͤnnen, die Ursachen sich eben so weit kenntlich machen, und daß wir hingegen zuruͤck bleiben, so bald die Theilchen, in welchen die Veraͤnderung geschieht, unempfindbar sind, und wo wir folglich nur die Summe der gan- zen Wirkung, oder oͤfters auch nur die Summe oder das Product von einigen Theilen, sehen oder empfin- den, wie z. E. bey der Schwere, Cohaͤsion, Electri- citaͤt, magnetischen Materie ꝛc. Jn allen solchen O 5 Faͤllen XIX. Hauptstuͤck. Faͤllen muͤssen wir fast immer bey Ausmessungen anfangen, um zu sehen, wie fern sich gleichartige Bestimmungen und Dimensionen dabey finden lassen. Man sehe das oben (§. 455.) hieruͤber ange- merkte, ingleichem was wir (§. 548-552.) zum Be- hufe der allgemeinen Theorie der Hauptarten der Koͤr- per in Absicht auf die Kraͤfte und Structur ihrer Theil- chen angemerket haben. §. 597. Die Wirkung ist nicht besser als die Ursa- che. Dieser Satz ist eine besondere Anwendung des §. 594. Man druͤcket ihn auch so aus, daß man sa- get, die Wirkung sey nicht edler, nobilior, als die Ursache. Dieses versteht man nun von der innern Guͤte, Wuͤrde, Vortrefflichkeit, Vollkommen- heit der Sache, und zwar, so fern diese wesentlich und fortdauernd ist. Denn einmal ist die relative Guͤte davon so verschieden, daß eine an sich schlechtere, gemeinere, geringere Sache zuweilen nuͤtzlicher seyn kann, als eine an sich viel bessere; und so kann uns auch an der Wirkung mehr gelegen seyn, als an der Ursache, so daß wir diese jener zu gefallen etwann aufopfern. Sodann kann auch die Wirkung zufaͤlli- ger Weise besser ausfallen, als es die Ursache mit sich bringt. Das lateinische Spruͤchwort: Quandoque et olitor vera locutus, oder das deutsche, daß auch zuweilen ein Blinder ein Hufeisen finde, giebt diesen Unterschied an, und zeiget zugleich, man muͤsse aus solchen Zufaͤlligkeiten keine Regel machen, weil solche Wirkungen nicht der Ursache, die sie sonst etwann hervorbringt, sondern den Nebenumstaͤnden, die sich in einem gewissen Falle mit einfinden, zuzuschreiben sind. Und von eben solchen Umstaͤnden ruͤhret es hin- wiederum Ursachen und Wirkungen. wiederum auch her, wenn man in Betrachtung der Ursache zuweilen weniger in der Wirkung findet, als man von derselben erwartet haͤtte. Man saget da- her, daß zuweilen auch Homer schlafe, und in den Rechten wird die Culpa leuissima als ein von solchen Umstaͤnden herruͤhrendes geringes Versehen geachtet. Alles dieses zeiget, daß man die wirkende Ursache mit den dazukommenden Umstaͤnden genau verglei- chen muͤsse, um das, was gewoͤhnlich und ihrer Natur nach geschehen soll, von dem zu unterschei- den, was die Umstaͤnde daran besser oder schlechter machen koͤnnen, und daß eben so das Gewoͤhnliche von dem Seltenern dadurch unterschieden werden muͤsse. §. 598. Zeit und Ort aͤndern das Jnnere einer Wir- kung nicht, sondern nur das Aeußere und Re- lative. Dieser Satz ist ebenfalls so zu verstehen, daß der Erfolg einer Wirkung einerley ist, ob sie heut oder morgen, hier oder da geschehe, so fern man die- selbe an und fuͤr sich betrachten kann, und so fern die Sache nicht mit solchen Dingen in realer Verbindung steht, die zu andern Zeiten und an andern Orten an- ders sind. Und dieses muß man genau wissen. Daß z. E. ein Pfund Bley unter dem Aequator leichter ist, als unter den Polen, haͤtte man anfangs nicht ver- muthet. Man kann aber, so oft man mit der Aende- rung der Zeit und des Ortes in der Sache eine Aen- derung findet, aus dem Grunde, daß sie nicht von der Zeit noch von dem Orte, an sich betrachtet, her- ruͤhret, den Schluß machen, daß mit der Aenderung der Zeit und des Ortes reale Verhaͤltnisse und Ver- bindungen der Sache muͤssen geaͤndert worden seyn, und dieses giebt Anlaß dieselben aufzusuchen. Auf diese XIX. Hauptstuͤck. diese Art findet man, was auch in dem unsicht- barn Theile der Natur und Koͤrperwelt an verschiedenen Oertern und zu verschiedenen Zei- ten anders ist, wenn man an einerley Sachen bloß durch die Aenderung des Ortes und der Zeit und mit Beybehaltung von einerley bekannten und sichtbaren Umstaͤnden, Aenderungen bemerket. Man sehe auch §. 416-421. Da in der Welt alle Dinge und ihre Veraͤnderungen an Zeit und Ort gebunden sind, so geschieht es auch oͤfters, daß eine Wirkung nicht zu jeder Zeit und an jedem Orte, wo die Ursache ist, so erfolget, wie man sie verlanget, weil sie von dem Zusammenlaufe und Eraͤugung der Umstaͤnde und mitwirkenden Ursachen abhaͤnget, welche, wenn sie zusammentreffen und sich anbiethen, die Gelegenheit und den Anlaß, die Wirkung zu er- halten, ausmachen. Solche Gelegenheiten und Anlaͤsse koͤnnen nun oͤfters durch behoͤrige Vermit- telung, Anstalten und Vorbereitungen befoͤrdert und verschaffet oder gegeben werden. Uebrigens haben wir bereits oben (§. 415.) angemerket, daß un- geachtet Zeit und Raum in den Dingen selbst nichts aͤndern, die Aenderungen selbst dennoch der Zeit und dem Orte nach vorgehen. Und in so fern geht auch allemal die Ursache der Wirkung vorher, oder sie ist fruͤher, als die Wirkung. §. 599. Wenn einerley Ursache mit einerley Kraͤften und auf einerley Art in einerley Sache und Umstaͤnden wirket, so ist die Wirkung einer- ley. Dieser Satz giebt uͤberhaupt nur an, daß wenn alles, wodurch eine Wirkung durchaus be- stimmt wird, einerley ist, die Wirkung ebenfalls einerley Ursachen und Wirkungen. einerley seyn muͤsse. Die Bedingung des Satzes zaͤhlet die dabey zusammengehoͤrenden und vorkom- menden Stuͤcke vor. Man gedenke sich die wirkende Ursache, ihre Kraͤfte, die Lage und Direction dersel- ben, die Umstaͤnde und die Sache, in welcher die Wirkung erfolget, zusammengenommen, als ein System, so laͤuft der erst angefuͤhrte Satz mit dem bereits oben (§. 139. 140.) noch allgemeiner vorgetra- genen auf eines hinaus, und ist nur eine besondere Anwendung davon. Man sieht leicht, daß man in dieses System alles mitnehmen muͤsse, was in die Wirkung einen Einfluß hat, und was folglich, wenn es veraͤndert wird, die Wirkung ebenfalls verschieden ausfallen machet. Das System muß daher von al- lem uͤbrigen unabhaͤngig und als ein Ganzes betrach- tet werden koͤnnen, welches als fuͤr sich subsistirend angesehen werden kann. Was Zeit und Ort dabey zu sagen haben, haben wir im vorhergehenden §. 598. erinnert. §. 600. Die Frage ist nun, wie fern sich dieser Satz um- kehren lasse, oder, wie fern man von der Jden- titaͤt der Wirkung auf die Jdentitaͤt der Ursa- chen, Kraͤfte, Umstaͤnde, Art zu wirken ꝛc. einen Schluß machen koͤnne? Dieser Schluß geht nun an, wenn die Wirkung individual und ein Stuͤck der wirklichen Welt ist, und wenn man alle Jndividualien bis auf die kleinsten Theilchen, und was die Ausmessung betrifft, nach geometrischer Schaͤrfe nimmt. Auf diese Art aber wird man nicht zwo oder mehrere, sondern schlechthin nur eine und eben dieselbe Wirkung, Ursache, Umstaͤnde ꝛc. mit sich selbst vergleichen, weil in der wirklichen Welt eine solche vollstaͤndige Jdentitaͤt zwischen zweyen oder mehrern XIX. Hauptstuͤck. mehrern Dingen nicht statt findet, (§. 130. 131.). Jm Reiche der Moͤglichkeit mag es angehen, daß die Wirkung, in zwey oder mehrern Faͤllen, nur den Unterschied der Zahl nach ausgenommen, einerley sey. (§. 129. 132.). Aber aus eben dem Grunde kann auch der Unterschied der Zahl nach bey der Ursache statt finden, und man wird daher in Absicht auf die- selbe nicht nothwendig ein und eben das Indiuiduum herausbringen, weil statt dessen ein anderes demsel- ben durchaus aͤhnliches (§. 129.) gesetzt werden kann. Man kann daher nur von der Aehnlichkeit der Wir- kung auf die Aehnlichkeit der Ursachen einen Schluß machen. §. 601. Da ferner bey der Ursache die Theile, Kraͤfte, Art zu wirken, die Ordnung, in welcher die Wirkung der Zeit und der Ausdehnung nach vorgeht, und die Umstaͤnde, mit einander in Betrachtung gezogen werden muͤssen; so ist es auch moͤglich, daß, was in dem einen dieser Stuͤcke anders ist, in dem andern dergestalt anders seyn kann, daß beyde Unterschiede, in Absicht auf die Wirkung, sich aufheben oder com- pensiren. Und dieses machet, daß man aus der Aehnlichkeit der Wirkung auf die Jdentitaͤt der Ursache gar nicht nothwendig, auf die Aehnlichkeit der Ursache aber, nur in so fern schließen kann, als eine solche Compensation der Verschiedenheiten nicht angeht. §. 602. Die Wirkungen in einerley Sache sind in Verhaͤltniß des Unterschiedes der wirkenden Ursachen, ihrer Kraͤfte, und Art zu wirken, und der Umstaͤnde, in welchen Sache und Ursa- che Ursachen und Wirkungen. che sind. Denn jede Wirkung ist uͤberhaupt ihrer Ursache aͤhnlich (§. 593.), und aͤhnliche Dinge sind in Verhaͤltniß ihres Unterschiedes, (§. 439.). Die Wirkungen in einer Sache sind demnach in so fern verschieden, in so fern sich in den Ursachen, ihren Kraͤften und Umstaͤnden, Unterscheide finden. Eben diese Unterscheide finden sich nur einzeln in den Wir- kungen auch. Demnach sind diese in Verhaͤltniß von jenen. So viel nun von diesen Verhaͤltnissen sich ge- gen einander aufheben, so viel wird auch die Aehn- lichkeit der Wirkungen wieder hergestellet, (§. 601.). Uebrigens ist fuͤr sich klar, daß hiebey einfache und complexe Verhaͤlnisse unterschieden werden muͤssen (§. 591.), weil die Vergleichung dabey ganz anders ausfaͤllt, (§. 451.). §. 603. Dafern wir nun, wie es gewoͤhnlich geschieht, die Ursachen und Wirkungen nicht durchaus, sondern nur in gewissen vorgegebenen oder vorhabenden Ab- sichten betrachten (§. 592.), so begnuͤgen wir uns auch mit derjenigen Jdentitaͤt und Aehnlichkeit, die in der vorgegebenen Absicht vorkoͤmmt; und in so fern kehren wir uns an den Unterschied der Ursachen nicht. Dieses machet aber, daß wir die erst ange- fuͤhrte Analogie (§. 602.) sehr haͤufig gebrauchen, wo wir uns Wirkungen als Absichten, und Ursachen als Mittel vorstellen, und zu den Absichten die Mittel finden wollen. Die Art dabey zu verfahren ist, daß wir die Absicht als eine Wirkung betrachten, und sie mit andern Wirkungen, wovon uns die Ursachen aus der Erfahrung oder sonst bekannt sind, vergleichen. Die Hauptfaͤlle, die dabey vorkommen, sind nun folgende. 1°. Wenn XIX. Hauptstuͤck. 1°. Wenn die vorhabende Absicht oder Wirkung A mit der aus der Erfahrung oder sonst bekannten Wirkung E einerley, oder von eben der Art und Beschaffenheit ist: so ist es ganz natuͤrlich, das Mittel oder die Ursache M fuͤr den ersten Fall, mit der Ursache C fuͤr den andern Fall einerley, oder von eben der Beschaffenheit, zu setzen: und dafern es die uͤbrigen und vorgegebenen Um- staͤnde leiden, das der Ursache C aͤhnliche Mit- tel M zu waͤhlen, (§. 599.). 2°. Wenn in E mehr ist, als in A, so hat man darauf zu sehen, von welchem Theile der Ursa- che C, und in welchem Theile der Sache E es vorkoͤmmt. Kann nun dieses in dem der Ur- sache C aͤhnlichen Mittel M abgesondert, oder der Effect davon durch eine Gegenwirkung, Hin- derniß ꝛc. fruchtlos gemacht werden, so laͤßt sich M wiederum waͤhlen; widrigenfalls ist ein Mittel N zu suchen, welches an sich schon we- niger enthalte. 3°. Wenn hingegen in A mehr ist als in E, so mag zwar M der Ursache C aͤhnlich angenommen werden; allein, da man dadurch in A nicht mehr als in E erhaͤlt; so bleibt der uͤbrige Theil noch nachzuholen, indem man noch ein besonderes Mittel m dazu suchet. Und da ist allerdings das schicklichste, wo man M und m irgend bey- sammen findet. 4°. Der vierte Fall ist aus dem zweyten und drit- ten zusammengesetzt, und koͤmmt vor, wo naͤm- lich in A zugleich etwas mehr und etwas weni- ger ist, als in E. Da muß auch, wenn M dem C aͤhnlich ist, von M weggenommen und hinzu Ursachen und Wirkungen. hinzu gesetzt werden, bis man die Analogie E : A = C : M vollzaͤhlig hat. 5°. Aus diesen an sich einfachern Faͤllen lassen sich nun leicht zusammengesetztere gedenken, wo man naͤmlich die Wirkung A in ihre Theile zerglie- dern, und sowohl fuͤr jeden Theil, als fuͤr ihre Zusammensetzung und Verbindung, und oͤfters auch zu der Vorbereitung, Veranstaltung, Ver- anlassung und zur Vereitelung der Hindernisse, Mittel suchen muß. Denn fuͤr so verwickelte Faͤlle lassen sich nicht so leicht einfache Analo- gien finden. §. 604. Da die genaue Kenntniß einer jeden Wirkung, fuͤr sich betrachtet, eine ausfuͤhrliche Vergleichung der Sache vor und nach der Veraͤnderung voraussetzt (§. 586. seqq. ), so setzet die Vergleichung zwoer Wir- kungen zwo solche Vergleichungen voraus. Dem- nach muͤssen die Sachen und Umstaͤnde, in welchen die Wirkungen A und E vorgehen sollen, vor und nach der Veraͤnderung mit einander verglichen wer- den. Thut man dieses stuͤckweise durch alle Theile, so laͤßt sich, oͤfters die Ursache von A, welche man vermittelst der Vergleichung mit E suchet, unmit- telbar selbst finden, weil man die vorhin (§. 593. seqq. ) angegebenen Criteria dazu gebrauchen kann. Jndessen kann dennoch die Vergleichung mit E dabey leichter auf die Spur fuͤhren, weil man die Ursache C kennet, und folglich durch alle Theile sehen kann, wie fern sie diese Criteria an sich hat, und folglich zu A brauchbar ist. §. 605. Gebraucht man aber zur Entdeckung des Mittels oder der Ursache M die vorhin (§. 603.) angegebene Lamb. Archit. II. B. P Ana- XIX. Hauptstuͤck. Analogie, so hat das Verfahren dabey mit demjeni- gen, welches wir oben (§. 586. 573.) mit der Regel Falsi verglichen haben, eine voͤllige Aehnlichkeit, und es wird dadurch erleichert, weil man statt einer ganz willkuͤhrlich angenommenen Ursache, vermittelst die- ser Analogie eine solche annimmt, welche die gesuchte Wirkung A wenigstens zum Theil hervorbringt, und woran folglich, um sie ganz genau zu bestimmen, nur noch einige Theile muͤssen geaͤndert werden. §. 606. Es machet sich aber diese Analogie theils nothwen- diger, theils wird sie auch in der Anwendung miß- licher, wo A und E nur die Summe oder das Pro- duct von einzelnen Wirkungen, die in jedem Theil- chen der Sache vorgehen, vorstellet, und wo man nur diese Summe oder das Product im Ganzen kennet. Denn da kann man nur diese Summen mit einander vergleichen, und machet aus ihrer Aehnlich- keit auf die Aehnlichkeit der innern Structur der Theile, und so auch auf die Aehnlichkeit der Ursachen den Schluß. Jndessen zeigen sich uns die Dinge in der Natur noch lange nicht mit allen ihren Bestim- mungen, Materien und Kraͤften, und das, was uns in die Sinne faͤllt, kann aͤhnlich seyn, obgleich das uͤbrige ganz verschieden ist. Damit geht nun die Analogie nur da an, wo die Ursache und Wirkungen in beyden mit einander verglichenen Faͤllen, nur das Aehnliche in beyden betrifft, und das verschiedene keinen solchen Einfluß dabey hat, der den Erfolg aͤn- dern koͤnnte. Hievon muß man sich aus Gruͤnden oder durch angestellte Proben versichern, sonsten fin- det sich gar zu leicht das duo cum faciunt idem, non est idem des Phaͤdrus bekraͤftiget. §. 607. Ursachen und Wirkungen. §. 607. Wir koͤnnen die Erklaͤrung des Blitzes zum Bey- spiele nehmen, wie leicht solche Analogien fehlschla- gen koͤnnen. Anfangs wußte man keine andere Aehn- lichkeit, wie der Blitz einschlagen koͤnnte, als daß man sich den Jupiter vorstellte, welcher die Donner- keule werfen mußte, und hoͤchstens konnte man ur- theilen, daß sie schweflicht seyn. Nach der Erfin- dung des Pulvers hatte man fuͤr Blitz und Knall eine neue Art von Aehnlichkeit; und verschiedene chy- mische Materien, die sich theils bey der Vermi- schung, theils auch in freyer Luft, von selbst entzuͤn- deten, gaben ebenfalls Anlaß, solche Vermischun- gen in der Luft selbst zu setzen. Die Electricitaͤt gab endlich neue Analogien an, da man durch bloßes Rei- ben Licht und Knall hervorbringen, und bey dem Ungewitter die Koͤrper ohne das Reiben electrisch ma- chen konnte. Bey allem diesem wurde die Aehnlich- keit stufenweise groͤßer, doch nicht so, daß sie nicht groͤßer werden koͤnnte. Denn wenn auch schweflichte und andere chymische Materien in der Luft sind, und etwas electrisches sich gleichfalls mit einfindet, so kann es dennoch seyn, daß ersteres nur Materialen, letzteres aber nur Wirkungen sind, die sich mit ein- finden, und saͤmmtlich durch eine noch unbekannte Ursache nur rege gemacht werden. Die Natur hat ohnehin Mechanismos und chymische Processe, die die Kunst nicht erreichet, weil man weder alle feinere Materien und Kraͤfte der Natur kennet, noch sie zu seiner Disposition hat, (§. 214.). §. 608. Jn allen solchen Faͤllen muß man genau untersu- chen, wie weit man mit solchen Analogien reichet. P 2 So XIX. Hauptstuͤck. So z. E. kann man in Ansehung des Blitzes zuge- ben, daß sich dabey wirklich etwas schweflichtes ent- zuͤnde. Ob aber nichts mehr sey, und ob die Ent- zuͤndung bey den schweflichten Theilchen anfange, das bleibt noch uneroͤrtert. Man kann zugeben, daß bey der Entzuͤndung wirklich electrische Erschuͤtterungen vorkommen; ob diese aber vorgehen oder folgen, oder zugleich mit dabey sind, und von einer gemeinsamen Ursache herruͤhren, ist wiederum eine andere Frage, und eben so auch, ob zu der Entzuͤndung eine chymi- sche Fermentation und Aufhaͤufung des dazu gehoͤri- gen Stoffes vorgehen muͤsse. Die Erfahrungen von den Ausduͤnstungen lehren uns zwar, daß die Luft voller Theilchen von allen Arten Materien ist, und daß dabey vielerley Vermischungen vorgehen koͤnnen. Von dem Mechanismo aber, der dabey statt hat, und von den erforderlichen Jngredientien lehren sie uns nichts. Und daher koͤnnen wir hiebey auch nur die Analogien gebrauchen, so weit sie reichen, das will sagen: was wir bey dem Blitze beobachten, und was wir demselben aͤhnlich finden, koͤnnen wir dabey nur als Praͤdicat, nicht aber als Subject gebrau- chen, weil wir sicher schließen koͤnnen, der Blitz habe noch mehrere Bestimmungen, und lasse sich folglich mit den bisher bekannten noch nicht identificiren. Denn diese Jdentification muß bewiesen werden, und ein solcher Beweis fordert, daß man zeige, es kom- me bey dem Blitze weiter nichts unbekanntes vor, welches aber allerdings so leicht nicht angeht. §. 609. Man ist, wie wir bereits (§. 596.) angemerket haben, mit der Kenntniß der Ursache mehrentheils bald fertig, wenn man die Wirkung selbst vollstaͤndig kennet, Ursachen und Wirkungen. kennet, und besonders, wo der Mechanismus und die Structur der Theile ganz in die Sinne faͤllt. Man kann eine Uhr, eine Muͤhle und die meisten Maschi- nen, die wir selbst erfinden und verfertigen, als eben so viele Beyspiele ansehen. Die Beschreibung, wie dabey ein Theil den andern in Bewegung setzet, und wie die Kraft sich nach der Zeit und Geschwindigkeit richtet, kann so ausfuͤhrlich vorgelegt werden, als man will. Hingegen suchet man in der Physic meh- rentheils Ursachen zu Wirkungen, die man noch lan- ge nicht genug kennet, und wo weder die Theilchen noch ihre Structur in die Sinnen fallen. Gemeinig- lich aber nimmt man die Ursache gleich anfangs und mit zu vielen Bestimmungen willkuͤhrlich an, anstatt, daß man sie anfangs, so viel moͤglich ist, unbe- stimmt lassen, und nur das beybehalten sollte, von dem man sicher schließen kann, daß es in der Ursache, oder eine Eigenschaft, seyn muͤsse. So z. E. fieng Kepler an zu vermuthen, die Pla- neten muͤßten durch eine Kraft von der geraden Linie abgelenket werden, weil sie nicht in gerader Linie fortgehen, und diese allgemeine Benennung waͤre an- fangs genug gewesen. Er machte aber, auf eine fast individuale Art, diese Kraft magnetisch, und setzte statt des Ablenkens den viel bestimmtern Aus- druck des Anziehens. Newton behielt das Wort anziehen, wenigstens als eine Metapher, und ver- schiedene von seinen Nachfolgern, so, daß sie es dem Druͤcken entgegen setzten. Cartesius und seine Nachfolger verfuhren noch viel bestimmter, indem sie den ganzen Himmel mit Materie anfuͤlleten, und dieser eine solche Structur und so mannichfaltige Be- wegungen gaben, bis sie glaubten, die Keplerischen Gesetze daraus herleiten zu koͤnnen, welches aber nie P 3 recht XIX. Hauptstuͤck. recht gelingen wollte, und ihre erbauten Wirbel lies- sen sich bald wieder umstoßen. Dafern aber die Kraͤfte immaterielle Substanzen sind, die sich uns nur durch ihre Wirkungen zu erkennen geben (§. 539. 541. 543.), so ist es auch gar wohl moͤglich, daß sie das Sonnen- system ohne so viele materielle Wirbel in Verbindung erhalten (§. 550.), und daß man sich folglich damit begnuͤgen kann, wenn man saget, sie aͤußern ihre Wirkung in demselben in umgekehrter Verhaͤltniß des Quadrates der Distanz. Und da faͤngt das Me- chanische erst nach dieser Voraussetzung an. §. 610. Will man nun in solchen Faͤllen, wo die Structur und der Mechanismus der Theile nicht in die Sinne faͤllt, ordentlich verfahren, und in Ansehung der Entdeckung der Ursache und ihrer Art zu wirken, Schritt vor Schritt gehen, so kann man sich anfangs begnuͤgen, aus der Wirkung zu schließen, daß eine Kraft da sey, und diese Kraft muͤsse so wirken, wie es der Erfolg angiebt. Und dabey ist es eben nicht nothwendig, der Kraft von freyen Stuͤcken und nach irgend einer Analogie einen specialen Namen zu ge- ben, oder dieselbe sogleich dieser oder jener Materie zuzuschreiben, wenn man nicht offenbar sieht, daß sie davon herruͤhret. So z. E. da man findet, daß ein Koͤrper bey dem Erwaͤrmen ausgedehnter wird, so ist es unnoͤthig, und daraus noch unerweisbar, daß, der Aether diese Ausdehnung verursache. Man kann aber immer schließen, daß, weil ohne Kraft und ohne Aufhebung des Gleichgewichtes der Kraͤfte keine Ver- aͤnderung vorgeht, bey der Ausdehnung durch die Waͤrme, eine solche Kraft und eine solche Aufhebung des Gleichgewichtes da seyn muͤsse. Dabey bleibt nun Ursachen und Wirkungen. nun noch unbestimmt, ob das Feuer eine Kraft habe, welche in die Koͤrper hinein dringt und sie ausdehnet, oder ob das Feuer nur das Gleichgewicht zwischen den Kraͤften hebe, welche in und außer dem erwaͤrmten Koͤrper sind, und welche bis dahin seine Theilchen in einer gewissen Entfernung erhalten hatten, welche nun durch die Aufhebung des Gleichgewichtes vergroͤßert wird. §. 611. Nach diesem ersten Schritte, wodurch man sich schlechthin von dem Daseyn der Kraͤfte und ihrer Art zu wirken versichert, koͤmmt es darauf an, daß man sehe, ob sich die Wirkung, der Ausdehnung und der Dauer nach, und wenn man beydes zusammen nimmt, auch der Geschwindigkeit nach, ausmessen lasse. Der Grund davon ist, daß man sich von den verschiedenen einfachen Bestimmungen und Dimensionen ver- sichere, welche sowohl in Ansehung der Wirkung, als in Ansehung der Kraft und ihrer Art zu wirken vor- kommen. (§. 449-458.). Denn da wir voraussetzen, daß nicht die einzelnen Theile der Sache und der Wir- kung, sondern nur die Summe von allen in die Sin- ne falle, so geht es nicht wohl an, die einfachen Be- stimmungen jede fuͤr sich zu finden. Hingegen kann jede ohne Ruͤcksicht auf die andern groͤßer oder kleiner, oder dem Grade nach staͤrker oder schwaͤcher werden (§. cit. ); und da dieses einen Einfluß auf die Sum- me hat, so ist es auch bald das einige Mittel, jede einfache Bestimmung dadurch zu finden, daß man die Wirkung nach jeden Dimensionen aufsuchet und ausmißt. Hiebey giebt nun die Analogie Anlaß zu Vermuthungen, welche sodann die Art bestimmen, wie das Experiment vorgenommen werden soll, um sich zu versichern, ob sie wirklich statt habe? Man P 4 untersuchet XIX. Hauptstuͤck. untersuchet, zum Beyspiele, die magnetischen Wirkun- kungen, und will sehen, ob die Kraͤfte dabey sich, wie die meisten andern Kraͤfte, nach dem Sinu incidentiae richten, und dieses laͤßt sich durch Versuche auf meh- rerley Arten bekraͤftigen. Man bestimmt eben so, wie sie sich nach der Entfernung richten ꝛc. Es ist unstreitig, daß so bald man genug Mittel findet, in Ansehung der Electricitaͤt solche Ausmessungen anzu- stellen, man ebenfalls Bestimmungen und Gesetze finden werde, die immer zum Grunde gelegt werden muͤssen, wenn man eine physische Theorie davon aus- sinnen will. Wir haben oben (§. 455.) in Ansehung der Keplerischen Gesetze eben dieses angemerket. Solche Ausmessungen sind aber, auch wenn diese Theorie dabey noch zuruͤck bleibt, an sich brauchbar. Denn so z. E. weiß man noch kaum, was das Licht ist. Da es sich aber in allen Absichten ausmessen laͤßt, so hat man, ohne die physische Theorie, die Optic, Dioptric, Catoptric ꝛc. ungemein brauchbar gemacht. §. 612. Da ferner einerley Kraft in verschiedenen Materien und Umstaͤnden verschiedene Summen von einzelnen Wirkungen hervorbringen kann, so kann man sich, so- bald man bey deren Vergleichung etwas aͤhnliches fin- det, der Analogie bedienen, um zu sehen, ob nicht die Kraft dabey eine und eben dieselbe sey, wenn die Ver- suche gehoͤrig dazu angewandt werden. So z. E. kann man vermuthen, es moͤchte wohl einerley Kraft die Theilchen der Koͤrper zusammenhalten, und das Licht brechen. Man loͤse stuffenweise mehr Zucker oder Salze in Wasser auf, und bestimme bey der Aufloͤsung die specifische Schwere oder vergroͤßerte Dichtigkeit, die Hoͤhe, zu welcher das Wasser nach jeder Ursachen und Wirkungen. jeder Verdickung in den Haarroͤhrchen steigt, und die Verhaͤltniß des Sinus des Einfalls und Brechungs- winkels, so wird man Anlaͤsse haben, zwischen diesen Kraͤften Vergleichungen anzustellen. Man wird auf eine aͤhnliche Art, wenn man Weingeist stufenweise waͤrmer macht, beobachten koͤnnen, wie sich bey die- ser Verduͤnnerung sowohl die Stralenbrechung als seine Hoͤhe in den Haarroͤhrchen und seine Schwere veraͤndert. Das uͤbrige, was zum Behufe der Er- forschung der Ursachen a posteriori anzumerken ist, findet sich (Dianoiol. §. 583. seqq. ). Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. I. E s wird nicht undienlich seyn, wenn ich hier noch einige die Theorie der Ursachen betreffende An- merkungen einschalte. Aristoteles hat vermuthlich wegen der Vieldeutigkeit des Wortes viererley Ursa- chen angegeben, und seine griechischen Benennungen sind, von seinen Anhaͤngern und Nachfolgern mit latei- nischen Woͤrtern ausgedruͤckt, bisher immer in der Metaphysic geblieben, wiewohl von Zeit zu Zeit einige Aenderungen und Neuerungen versucht worden. Die Namen sind: Caussa efficiens, materialis, for- malis, finalis oder auch efficiens, materia, forma, finis, und auf Deutsch moͤgen sie die wirkende Ur- sache, der Stoff, die Gestalt, der Endzweck, genennet werden. P 5 II. Diese Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. II. Diese deutschen Benennungen reimen sich mit dem Worte Ursache nicht wohl so zusammen, daß sie vier Arten von Ursachen bezeichnen sollten. Sie lassen sich aber, von einer andern Seite betrachtet, den- noch zusammenreimen. Als Arten einer Gattung betrachtet, sind sie zu viel ungleichartig. Besser aber moͤgen sie als Theile eines Ganzen angesehen werden. III. Denn man stelle sich vor, daß eine Wirkung geschehe, so wird unstreitig 1°. eine wirkende Ursa- che dazu erfordert, und diese verdient den Namen von Ursache im eigentlichsten Verstande. Damit aber die Wirkung nicht ein leerer Luftstreich sey, so muß allerdings etwas da seyn, worinn die Wir- kung sich aͤußert; und dieses mag der Stoff heißen. Dieser erhaͤlt durch die Einwirkung der Ursache eine Veraͤnderung. Und wenn der Stoff selbst in seinen Theilen, ihrer Lage, ihrer Verbindung, Zusammen- hang ꝛc. veraͤndert wird, so erhaͤlt derselbe eine andere Gestalt. Endlich, wenn alles dieses nicht bloß fuͤr die lange Weile geschehen seyn soll, so muß auch darauf gesehen werden, wohin die nunmehr geaͤnderte Gestalt, oder uͤberhaupt die geschehene Veraͤnderung, abzwecken kann, wohin es damit gezielt ist, wozu nun der umgeaͤnderte Stoff dienet ꝛc. Und dieses mag der Zweck oder Endzweck ꝛc. heißen. IV. Daß nun hiebey zuweilen der wirkenden Ursa- chen mehrere seyn koͤnnen; daß nebst denselben noch Mittel und Werkzeuge koͤnnen gebraucht werden; daß unter dem Namen von Veraͤnderungen auch Tren- Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. Trennungen, Zusammensetzungen, Vermischun- gen, Ausbildungen, Anordnungen ꝛc. koͤnnen verstanden werden; daß der Zweck ein wirklicher Vorsatz eines denkenden Wesens seyn, und die Wirkung uͤberhaupt mit unter die Zwecke der Schoͤpfung gerechnet werden koͤnne ꝛc. das alles ist fuͤr sich klar. Man sieht auch ohne Muͤhe, daß die Form mit dem Zwecke in sehr unmittelbarer Verbindung stehe, und besonders der Zweck sich immer mehr oder minder auf ein denkendes Wesen beziehe. V. Unter den vier Begriffen, die Aristoteles hiebey hervorgezogen, hat der dritte, naͤmlich die Form, immer, in Absicht auf die Aufklaͤrung desselben, die meisten Schwierigkeiten angebothen. Man nahm diese vier Begriffe nicht immer zugleich und in ihrer ganzen Verbindung vor, sondern man abstrahirte sehr oft sowohl von der wirkenden Ursache, als von dem Endzwecke, und betrachtete die Materie und die Form besonders, und setzte diese zween Begriffe ein- ander so entgegen, daß was an einer Sache nicht Materie war, Form seyn mußte. Und so wurde die Form gewissermaßen ein Terminus infinitus. Das Chaos allein sah man als eine materiam infor- mem an, bis nach Ovids Erzaͤhlung Hanc litem Deus et melior natura diremit. Bey allen andern Dingen war immer Form und Materie unzertrennt. VI. Jndessen blieb man bey diesen Bestimmungen, die Aristoteles vielleicht mehr empfinden als ausdruͤcken und deutlich machen konnnte, nicht, sondern wich auf verschie- Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. verschiedene Arten davon ab. Einmal gab der aus der Vieldeutigkeit des Wortes ωτια herruͤhrende Be- griff, daß die Form eine Ursache seyn, und daher doch auch etwas zur ganzen Wirkung beytragen mußte, Anlaß, daß man sehr geneigt wurde, beson- ders in koͤrperlichen Dingen, das, was nicht im phy- sischen Verstande Materie, das will sagen, koͤr- perliche Materie war, mit zu der Form zu rechnen. Jn dieser Absicht aber mußten die Kraͤfte, so fern sie nicht auf eine koͤrperliche Art materiell sind, mit zur Form genommen werden. Und so laͤßt sichs be- greifen, wie es zugieng, daß die menschliche Seele als die Form des Menschen angesehen wurde. Eben so wurden nach und nach bald jede einzelne Be- stimmungen Form genennet. Endlich sah man, wenigstens in gewissen Faͤllen, Form und Figur so ziemlich als eins an. VII. Hiebey wurde nun außer der Zweydeutigkeit, die in dem Worte Materie vorkam, durch ein unver- merktes Clinamen principiorum, der Begriff Form mit fremden Bestimmungen theils verwechselt theils vermengt, so daß man bey Durchlesung der schola- stischen und auch neuerer metaphysischen Schriften, Muͤhe hat, genau zu finden, in welchem Verstande das Wort Form jedesmal muͤsse genommen werden. Jch erinnere mich nicht, eine nette und der Sache selbst angemessene Bestimmung, und noch viel weni- ger eine eigentliche Abzaͤhlung alles dessen, was zur Form gerechnet werden muß, irgend gefunden zu haben, ungeachtet ich nicht leicht ein metaphysisches oder dialectisches Werk weglegte, ohne mich umzu- sehen, was darinn von der Form gesagt wird. Der Begriff schien von Wichtigkeit zu seyn, und so sah ich, selbst Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. selbst auch in Woͤrterbruͤchern, besonders in Gesners Thesauro, die Redensarten nach, in welchen das Wort Form vorkam; auch war uͤbrigens das Wort Form nebst mehrern damit verwandten Woͤrtern, selbst im Deutschen und uͤberhaupt in den jetzt leben- drn Sprachen so selten nicht, daß ich mich nicht ohne Muͤhe sehr vieler Redensarten sollte erinnern koͤnnen, worinn das Wort Form von Erheblichkeit war. Sol- che Redensarten und Ausdruͤcke zeichnete ich mir, so wie sie mir beyfielen, auf, um wenigstens meine Un- tersuchungen, besonders dem dermaligen Sprachge- brauche nicht zuwider anzustellen. VIII. Jndessen fand ich dennoch, daß schlechthin auch die Sache selbst mit zu Huͤlfe genommen, und darinn, so zu reden, die Luͤcke aufgesucht werden mußte, wel- che das Wegbleiben des Begriffes Form lassen wuͤr- de, wenn man nur die drey uͤbrigen Begriffe (§. I. ) beybehalten wollte. Die Frage war sodann, zu sehen, ob dieser Begriff, dem Sprachgebrauche gemaͤß, diese Luͤcke nett ausfuͤllt? Auf diese Art brachte ich die Sache auf ein logisches Problem, wobey die gegebenen und gesuchten Stuͤcke und zugleich die Bedingnisse zu ihrer Vergleichung und zu Be- stimmung der letztern angezeiget waren. Die Be- merkung, daß auch in abstracten Dingen von Ursa- chen, Wirkungen, Materien, Formen und End- zwecken die Rede vorkoͤmmt, gab endlich auch die Methode vollends an, weil die aͤchte Vernunftlehre will, daß man in solchen Faͤllen bey der Koͤrperwelt anfangen, und sodann, um zum Metaphorischen und zur Jntellectualwelt hinuͤber zu gehen, die tertia com- parationis finden muͤsse. IX. Auf Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. IX. Auf diese Art zeigte sich nun bey dem vorhin ( III. ) Gesagten weiter keine andere Schwierigkeit, als die genauere Bestimmung dessen, was zur Form ge- rechnet werden mußte. Denn in physischen Dingen verstund man urspruͤnglich durch Materie die mate- riellen Substanzen, woraus die Koͤrper zusammen- gesetzt sind, und zwar ohne Ruͤcksicht auf die Form. Sodann sind die wirkenden Ursachen im engsten Verstande die Kraͤfte; und wenn man auch setzet, daß diese vermittelst der Materie wirken, so kann die Materie hiebey nicht wohl fuͤr etwas mehrers als fuͤr Mittel und Werkzeuge angesehen werden, so fern naͤmlich die Wirkung vermittelst der Materie geschieht. Dabey geht es nun noch immer an, daß, so fern die Kraͤfte unmittelbar in die Materie wir- ken, z. E. ihre Theilchen in Verbindung erhalten ꝛc. die Materie hier als Materie, das will sagen, als der Gegenstand der Wirkung, betrachtet werde. Uebri- gens bindet man sich im gemeinen Leben an so genaue Unterschiede nicht, sondern man sieht die Kraͤfte und die Materie, vermittelst welcher sie wirken, zusam- mengenommen, als die wirkenden Ursachen an. X. Die Form ist nun besonders in solchen Faͤllen am kenntlichsten, wo die Materie dabey ziemlich gleich- guͤltig, und die Benennung von der Form und der Absicht hergenommen ist. So z. E. ist ein Becher ein Becher, er mag von Golde oder Silber, oder irgend einer andern Materie seyn: das ist dabey, uͤber- haupt betrachtet, einerley. Also sagt man, daß nicht diese oder jene Materie, sondern die Form einen Becher zum Becher mache; und in diesem Verstande wird Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. wird wohl das: Forma dat esse rei, muͤssen genom- men werden. Man sieht, daß die Form eigentlich die zweckmaͤßige Ausbildung, so wie auch die Nachbildung der Dinge betrifft, so fern diese, wie z. E. die Becher aus einer Masse gebildet, oder einem vorgegebenen Modelle nachgebildet werden. Denn wenn Theile von verschiedenem Stoffe hinzukommen, so moͤgen zwar die einzelnen Theile gebildet werden, im Ganzen aber koͤmmt noch uͤberdieß die Anord- nung, die Zusammensetzung, die Einrichtung ꝛc. hinzu, welches alles auch mit zur Form gerechnet wird. XI. Bey materiellen und sichtbaren Dingen werden oͤfters die Woͤrter, Form, Figur, Gestalt, Bildung ꝛc. verwechselt, und ohne Unterschied gebraucht. Jn- dessen sagen die lateinischen Denkverse Formam viuentis, picti dic esse figuram. Und dieses will vermuthlich uͤberhaupt sagen, daß das Wort Form besser auf koͤrperliche Dinge, das Wort Figur aber besser auf Flaͤchenraͤume passe. Der Unterschied scheint im Deutschen nicht wohl anzugeben zu seyn. Denn wenn man Form durch Gestalt, Bildung, aͤußerliches Ansehen ꝛc. uͤbersetzet, so be- haͤlt man das Wort Figur gewoͤhnlich selbst. Es faͤllt mir auch kein gleichbedeutendes deutsches Wort bey. XII. So fern nun aber die Form die zweckmaͤßige Aus- bildung, Einrichtung, Stellung, Zusammensetzung, Verbindung, Anordnung, und die dabey zum Grunde liegenden, oder daher ruͤhrenden Verhaͤltnisse ꝛc. der Dinge und ihrer Theile betrifft, so fern scheint das Wort Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. Wort Form vornehmlich auf das zu gehen, was von Menschen gemacht wird. Jndessen haben die Scho- lastiker, vom Aristoteles an, den Begriff der Form auch bey den Dingen der Natur angewandt, und da- bey die Form von der Materie unterschieden. Sie gestunden aber, daß ihnen die Form natuͤrlicher Din- ge schlechthin unbekannt sey, und daß sie hoͤchstens nur vom Menschen wissen, daß seine vernunftfaͤhige Seele die Form des Menschen ausmache. Diese Aussage bezieht sich aber offenbar auf einen ganz besondern Begriff, den sie sich von der Form machten, und der dem eigentlichen Begriffe weder ganz angemessen war noch denselben erschoͤpfte. Der menschliche Koͤr- per, so wie jede einzelne Theile desselben, und jede andere Koͤrper und Materien, haben allerdings ihre Form; und eben dieß kann man selbst auch von jeden einzelnen Bestandtheilchen sagen. Jhre Bildung, Zusammensetzung, Stellung, Anordnung, Verbin- dung ꝛc. und jede daher ruͤhrende Eigenschaften und Unterscheidungsstuͤcke koͤnnen zusammengenommen zur Form gerechnet werden. Und auf diese Art betrach- tet, kann man wenigstens uͤberhaupt angeben, worinn diese Form zu suchen sey, so sehr man auch zugiebt, daß das Jnnere, der Natur nach, vielen seit der Scho- lastiker Zeiten angestellten mechanischen, dynamischen physischen und chymischen Untersuchungen, noch merk- lich verborgen bleibe, wenn es gleich lange nicht mehr so viel verborgen ist, als es bey den Scholastikern war, die es freylich aus bloßen Worten und Termi- nologien nicht herausbringen konnten. XIII. Es wird aber der Begriff Form ungleich erheb- licher, wenn wir uns zur Jntellectualwelt wenden. Hier Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. Hier faͤllt der Begriff Figur theils weg, theils wird er auf eine etwas gezwungene Art metaphorisch. Hin- gegen wird das, was in der Koͤrperwelt Figur und Form ist, in der Jntellectualwelt uͤberhaupt Form genennet. XIV. Auf diese Art wird nun, in Absicht auf den Ver- stand und das Gedankenreich, die Form der Er- kenntniß in der Vernunftlehre betrachtet, und beson- ders in der Theorie der Saͤtze und Schluͤsse sehr genau von der Materie unterschieden. Die Form bezieht sich dabey auf das Bejahen und Verneinen, auf die arithmetischen Woͤrter, alle, etliche, ein, kein ꝛc. ingleichen auf die Bestimmungen, wenn, entweder, oder; sowohl, als; weder, noch ꝛc. und auf alle dahin gehoͤrenden logischen Kunstwoͤrter, Verhaͤltniß- begriffe ꝛc. Die Materie hingegen bezieht sich auf die Begriffe selbst, die im Subjecte und Praͤdicate vorkommen. Wenn man demnach statt solcher Be- griffe allgemeine Zeichen, z. E. Buchstaben setzet, und damit die Materie nur uͤberhaupt mitnimmt, so betreffen z. E. die Ausdruͤcke Alle A sind B, Kein C ist D, Wenn A, B ist, so ist C, D. ꝛc. schlechthin nur die Form, und in so fern lassen sie sich auch als allgemeine Formeln ansehen. XV. Jn Ansehung der Begriffe giebt die Vernunftlehre groͤßtentheils nur das Allgemeine ihrer Form an. So z. E. laͤßt sich die Form eines einfachen Begriffes Lamb. Archit. II. B. Q einzeln Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. einzeln betrachtet mehr empfinden, als mit Wor- ten ausdruͤcken, hingegen laͤßt sich von der Form ein- facher Begriffe uͤberhaupt betrachtet mehr sagen. Bey zusammengesetzten Begriffen sind die einfachen ihre Bestandtheilchen, und diese werden dabey als Materie betrachtet, aus deren Anordnung, Zusam- mensetzung und Verbindung die Form des zusammen- gesetzten Begriffes bestimmet wird. Hiezu koͤmmt noch die Benennung, und die Vergleichung des Be- griffes mit der Sache selbst, die er uns vorstellet. Der Unterschied, ob der Begriff die Sache an sich oder nur unter einem Bilde vorstelle, und ob im letz- ten Falle das Bild vom Worte hergenommen ist, oder durch eine Metapher vorgestellet wird, ist hiebey ebenfalls von Erheblichkeit, weil die Sprache und der Schein, unter dem sich die Dinge uns vorstel- len, unserer Erkenntniß eine besondere Gestalt giebt. Eine Theorie der Formalursachen der menschli- chen Erkenntniß, schien mir immer von aͤußerster Wichtigkeit zu seyn, und war ein Hauptgrund mit, warum ich mich um den aͤchten Begriff der Form umzusehen bemuͤht war. XVI. Die von dem Willen abhaͤngende Dinge und Hand- lungen bieten uns in der Jntellectualwelt noch eine Menge von Anlaͤssen dar, wo die Theorie der Form von Wichtigkeit wird. Hier graͤnzt die Form mit der Absicht am unmittelbarsten und kenntlichsten an einander. Die Form der Gesellschaften und ganzer Staaten betrifft, wie man leicht sieht, die ihrer Ab- sicht gemaͤße Einrichtung, Anordnung, Zusammen- setzung und Verbindung derselben, so fern hierinn etwas Fortdauerndes ist. Hiezu koͤmmt noch die Regie- Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. Regierungsform, so fern diese durch die Absicht und durch das derselben angemessene System der Handlungen bestimmt wird. Bey diesen Hand- lungen muͤssen ferner besonders diejenigen, die die ganze Einrichtung, ganze Theile derselben, und die Anordnung der uͤbrigen Handlungen betreffen, eine dazu eingerichtete Form haben. Diese Form ist immer so einzurichten, daß dadurch Unordnung ver- mieden, Zeit und Ort beobachtet, und die uͤbrigen Handlungen zu ihrem Ziele gelenket werden. Oefters erhalten sie auch wegen ihrer Wichtigkeit und um desto authentischer zu seyn, durch Cerimonien und aͤu- ßerliches Gepraͤnge ein desto feyerlicheres Ansehen. Aehnliche Gruͤnde finden sich auch in Proceßsachen, wo die Anordnung des ganzen Verfahrens, das will sagen, die Form so vorgeschrieben und bestimmet wird, daß, wenn man dieselbe behoͤrig beobachtet, der Proceß am zuverlaͤßigsten zu Ende gebracht, und Unrecht vermieden wird. XVII. Hiebey wird nun die aͤchte und zweckmaͤßigste Form, so viel moͤglich, auf das Allgemeinste bestimmet, da- mit sie auch in schwerern und verwickeltern Faͤllen noch anwendbar bleibe. Dieses macht sie aber weit- laͤuftig, und fuͤr gewisse Faͤlle, die viel einfacher sind und weniger Bedenken verursachen, langwierig. Es koͤmmt daher bey contrahirenden Parteyen oft schlecht- hin nur auf den Grad der Redlichkeit und des Zu- trauens an, um einen Contract eher zu Ende zu brin- gen, als er mit Beybehaltung aller Formalien wuͤrde geschlossen werden. Dafern aber nicht alles liquid ist, und die Sache sich in die Laͤnge ziehen kann, so ist es unstreitig das Rathsamste, wenn man sich nur Q 2 Schritt Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. Schritt fuͤr Schritt einlaͤßt, und die Form ganz beybehaͤlt. Dieses muß oͤfters und selbst in einfachen und leichten Dingen bloß deswegen geschehen, damit, wenn man gegen den einen von der strengen Form nachlaͤßt, weil man weiß, daß er keinen Misbrauch davon machen werde, nicht ein anderer eben das Nachlassen fordere, dem man in Ansehung des Mis- brauches nicht so viel trauen kann. Jn Gesellschaf- ten wird besonders das Wesentliche der Form selten uͤbergangen, ohne daß sich eines oder das andere der Mitglieder dabey beleidigt oder vernachtheiligt finde, es mag nun dieses unmittelbar oder erst in den Fol- gen geschehen. XVIII. Die Absicht einer Gesellschaft steht mit der Dauer und der Groͤße derselben in einem sehr bestimmten Ebenmaaße. Denn daß eine groͤßere Gesellschaft und in laͤngerer Zeit und so auch mit mehrern Huͤlfs- mitteln groͤßere und weiter aussehende Absichten vor- nehmen koͤnne, ist fuͤr sich klar. Die Anordnung und besonders die Subordination wird durch alles die- ses bestimmt, und macht sodann einen betraͤchtlichen Theil der Form aus. Was aber zu der Form noch hinzukoͤmmt, betrifft das System derjenigen Hand- lungen, die vorgenommen werden muͤssen, damit die zweckmaͤßigen Verhaͤltnisse erhalten werden, und da- mit jeder sich in die nach und nach abgeaͤnderte oder abzuaͤndernde Verhaͤltnisse finden koͤnne. So z. E. muß, was jeder zu wissen noͤthig hat, in behoͤriger Form, und nach Maaßgabe der Wichtigkeit mit behoͤrigen Feyerlichkeiten kund gemacht werden. Selbst auch die Art, es jedem bekannt zu machen, muß so zu reden das Gepraͤge der Verhaͤltnisse, in welchen Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. welchen er steht, an sich haben. Und eben so fordert die Form, daß alle Handlungen, die gesellschaftlich sind, und zum Systeme der Gesellschaft gehoͤren, so vorgenommen und angeordnet werden, daß man da- bey sehe, daß, warum und wie sie dazu gehoͤren. Dieses ist es, was ihnen die gesellschaftliche Form oder so zu sagen das Gepraͤge gesellschaftlicher Handlungen giebt. So lange alle Glieder der Ge- sellschaft ein Herz und eine Seele haben, und den gemeinsamen Zweck sich in Ernste vorsetzen, so kann eine solche Form nach aller Strenge statt haben, und so lange geht es auch gut. Die Erfahrung zeiget aber, daß solche Gesellschaften selten sehr groß sind, und selten lange bey solcher Jntegritaͤt dauern. Jn- dessen weist doch die Geschichte der Entstehensart eini- ger Republiken solche Muster auf, die aber selten zum Muster dienen, weil sich selten alle Umstaͤnde bey- sammen einfinden. Jn solchen Staaten, wo schon alle Verhaͤltnisse auf unzaͤhlige Arten mit einander durchflochten sind, ist es schlechterdings nicht moͤglich, daß jeder das Ganze nach allen einzelnen Theilen und Verhaͤltnissen und damit die ganze Form uͤbersehe. Die Subordination wird dabey nothwendiger, und jeder hat genug zu thun, wenn er sich in seine Stelle finden, seine besondere Verhaͤltnisse kennen, und allen genug thun will. XIX. Wir koͤnnen nun zu einigen allgemeinern Betrach- tungen zuruͤck kehren, um zu sehen, wie fern die wir- kenden Ursachen, die Materie, die Form und die Absicht einander bestimmen, von einander abhaͤn- gen, einander voraussetzen und nach sich ziehen. Dahin gehoͤren nun folgende Saͤtze. Q 3 XX. Die Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. XX. Die Materie hat immer an sich schon eine Form, und sollte es auch nur die Form eines Klumpens, eines Haufens oder einer Menge seyn. Wenn es aber die Frage ist eine Materie zu gebrauchen, so muß derselben gewoͤhnlich eine andere Form gegeben werden. Der Klumpen Goldes soll zu Gefaͤßen, der Haufen Korns zu Brodt, die Menge Menschen zur Republik gemacht werden. Eben so sucht man auch verworrenen Kenntnissen eine wissenschaftliche Form zu geben, indem man sie aus einander liest, und sie nach und nach in Zusammenhang bringt. XXI. Die jeder Materie eigene oder ihre urspruͤngliche, wesentliche Form, bestimmet diejenigen Formen, de- ren sie bey Veraͤnderungen faͤhig ist, so daß nicht jeder Materie jede Form gegeben werden kann. Das non ex quouis ligno fit mercurius will eben dieses sagen. So fern aber eine Materie mehrerer Formen faͤhig ist, kann man allerdings sagen, daß die Ma- terie die Form wenigstens nicht durchaus be- stimme, dagegen aber vielerley Formen schlecht- hin ausschließe. Dieses ist uͤberhaupt ganz richtig. Jn besondern Faͤllen aber wird es sehr schwer zu ent- scheiden, ob eine vorgegebene Materie einer vorgege- benen Form faͤhig sey oder nicht. So z. E. glauben die Alchymisten noch immer, daß das Bley allenfalls mit gewissen Zusaͤtzen und Veraͤnderungen die Form des Goldes annehmen koͤnne. Denn darauf koͤmmt die Frage an, weil alle Veraͤnderungen in der Welt nur Veraͤnderungen der Form, nicht aber der Ma- terie selbst sind. Es sind dem buchstaͤblichen Ver- stande Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. stande nach Metamorphoses, so fern μοζφή so viel als Form bedeutet. Oft muß auch eine Materie durch mehrere Formen gehen, ehe sie die verlangte Form erhaͤlt. Es lassen sich daher bey den Formen Stufen gedenken, und zwar um desto nothwendiger, weil die Verwandlungen nicht sprungsweise geschehen. XXII. Hinwiederum laͤßt auch die Form die Materie mehr oder minder unbestimmt. Dieser Satz muß naͤher beleuchtet werden. Jch habe bereits oben schon angemerket, daß wir gewoͤhnlich nur das All- gemeine der Form kennen. Es koͤmmt demnach auf den Grad der Allgemeinheit an. Der Begriff der Form kann in besondern Faͤllen so sehr bestimmt seyn, daß er eine ganz besondere Materie voraussetzet, so daß in Ansehung der Materie wenig oder keine Aus- wahl bleibt. Jn den meisten Faͤllen aber fordert die Form nur, daß die Materie gewisse zu der Form nothwendige Eigenschaften habe, das will sagen, der Form faͤhig sey. Die Form schleußt aber allemal auch viele Materien aus, so wie hinwiederum jede Materie viele Formen ausschleußt. Man sieht leicht, daß hiebey eine wechselseitige Vergleichung der Ma- terien und der Formen ankoͤmmt, die, wenn sie in Ordnung gebracht und vollstaͤndig gemacht werden koͤnnte, in allen Kuͤnsten und Wissenschaften von großer Wichtigkeit seyn wuͤrde. Seit der Erneue- rung der Wissenschaften und besonders seit der Ein- fuͤhrung der Experimentalphysic, wohin auch die Ver- suche der Kuͤnstler und der noch immer mehr zu laͤu- ternden Chymie gerechnet werden koͤnnen, ist hiezu bereits schon viel Stoff gesammelt worden. Q 4 XXIII. Jn- Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. XXIII. Jndessen wird es immer schwer seyn, aus der Form die Materie durchaus und bis auf das Jndivi- duelle zu bestimmen. So z. E. lassen sich von den einfachen Begriffen viele die Form der Erkenntniß betreffenden Saͤtze logisch erweisen, woraus ihre Be- schaffenheit, die Art ihrer Verbindbarkeit, die dar- aus fließende Vortheile zur Errichtung eines wissen- schaftlichen Systems, und die Art, wie sie die Quelle vieler metaphysischen Begriffe sind ꝛc. sehr umstaͤnd- lich eroͤrtert wird. Dadurch aber wird noch keiner der einfachen Begriffe an sich kenntlich gemacht. Wir muͤssen sie als schon vorhanden ansehen, und sie aus dem Haufen der gleichsam vor uns liegenden Begriffe herfuͤrsuchen. XXIV. Was nun in vorkommenden Faͤllen theils die Ma- terie theils die Form noch unbestimmtes hat, das wird gewoͤhnlich durch die Absicht naͤher bestimmt. Jedoch giebt es auch hiebey Einschraͤnkungen in An- sehung der Umstaͤnde. Die Materien muͤßten zur Auswahl vorraͤthig seyn. Sie sind es aber aller- dings nicht immer, und so begnuͤgt sich mit Kupfer, Meßing, Zinn ꝛc. wer weder Silber noch Gold zu selnem Geraͤthe haben kann. Eben so sind auch die auszuwaͤhlenden Formen nicht immer alle bekannt, und viele setzen Geschicklichkeiten voraus, die man nicht bey jedem, der der Materie die Form geben sollte, findet. Die Wirkende Ursache bringt in- dessen immer eine Form herfuͤr. Sie mengt aber auch oͤfters ihre Jndividualien so mit ein, daß die verlaͤngte Form verfehlt wird. — Amphora coepit Institui currente rota cur vrceus exit? Es Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. Es wird eben so auch kein, selbst auch kein geuͤbter Schriftsteller seyn, der immer sagen koͤnne, daß er gerade das geschrieben, was er anfangs zu schreiben vorgenommen, weil die Reihe der Gedanken, so durch das Schreiben veranlasset wird, sich sehr leicht mit in den vorgefaßten Plan einmenget, und densel- ben mehr oder minder vom ersten Ziele ablenket. XXV. Das will nun freylich nicht sagen, daß man das Ziel soll fahren lassen, weil die Jndividualien der Ausfuͤhrung davon ablenken koͤnnen, oder nicht im- mer alles bereits vorraͤthig ist. Besonders ist bey ganzen Systemen sehr anzurathen, daß ehe man sich zur Materie wendet, man sich die Form umstaͤnd- lich bekannt mache, und besonders sehe, ob es die der Sache und der Absicht angemessenste Form ist. So z. E. wenn Tournefort, Linnaͤus und andere sich vorsetzen, die Kraͤuterkunde in ein Sy- stem zu bringen, und ihre Absicht ist nur die Pflan- zen kenntlich zu machen; so kann man immer sagen, daß ihre Systemen eine dazu mehr oder minder gut eingerichtete Form haben. Die von ihnen gewaͤhlte Form geht nach Aehnlichkeiten, und die daherruͤh- rende Anordnung des Systems ist local aber nicht gesetzlich. Wenn man daher fraget, ob das Lin- naͤische System das System der Natur sey, so laͤßt sich diese Frage so ziemlich verneinen. Einmal aus eben dem Grunde, warum bey Eucliden, des- sen System nicht nach der localen, sondern nach der gesetzlichen Ordnung eingerichtet ist, von Gattun- gen und Arten nichts vorkoͤmmt. Sodann machen die Pflanzen eben so wenig ein besonder und fuͤr sich zu betrachtendes System aus, als die Raͤder an einer Q 5 Uhr, Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. Uhr, wenn man sie auf dem Tische aus einander leget und nach Aehnlichkeiten ordnet, ein System aus- machen. Man kann sie freylich auch in Steigraͤder, Sternraͤder, Kronraͤder, Schneckenraͤder, Sperraͤ- der, Trillinge ꝛc. eintheilen. Sie gehoͤren aber ei- gentlich zum Systeme der ganzen Uhr, und da muͤs- sen sie ihren Absichten und der Hauptabsicht zu Folge, das ist, in Verbindung mit dem ganzen Uhr- werke betrachtet werden. Eben so gehoͤret das Pflanzenreich zum Systeme des ganzen Erdballs, als zum eigentlichen Systeme der Natur. Die Be- stimmung der Absichten, wohin jedes Geschoͤpfe so zum Erdkreise gehoͤret, dienet, welcher Grad der Fruchtbarkeit jede Pflanzen und Thiere haben muͤssen, wie lange ihre Dauer seyn soll, damit keine Art weder zu haͤufig werde, noch ganz aussterbe, sondern sich inner gesetzten Schranken erhalte, die Eroͤrterung, was, wenn eine Art wegfiele, noch zugleich mit weg- fallen wuͤrde, die daher zu bestimmende Frage, wie jede Art Geschoͤpfe die uͤbrigen Arten voraussetze, erfordere oder nach sich ziehe ꝛc. damit das System des Erdballes ein Ganzes sey und fortdauern koͤnne, dieses ist es, was man zu finden hat, wenn man das System der Natur kennen lernen will. Man muß anfangen sich die eigentliche Form dieses Systems umstaͤndlich bekannt zu machen, um genauer zu se- hen, wie die Natur den Stoff dazu gebildet hat. Freylich werden dadurch die einzeln Pflanzen, Thiere, Stein und Erdarten ꝛc. nicht kenntlich gemacht. Man muß diese auf andere Arten, durch Beobach- tungen ꝛc. kennen lernen, und dazu mag immer die Eintheilung nach Classen, Arten, Gattungen ꝛc. und aͤußerliche Kennzeichen dienlich seyn. Nur wird durch solche Eintheilungen das System der Na- tur Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. tur nicht zum Vorscheine gebracht. Dieses gehoͤret mehr zur Teleologie, als zur dermalen sogenannten Naturgeschichte. XXVI. Die wechselseitige Abhaͤnglichkeit der Materie, der Form und der Absicht machet, daß man in practi- schen Faͤllen diese drey Stuͤcke immer zugleich vor Au- gen haben muß, so fern man nur sehen will, was an sich und ohne Ruͤcksicht auf die Vorraͤthigkeit der er- forderlichen wirkenden Ursachen und die uͤbrigen Um- staͤnde geschehen kann. Jst die Materie vorhanden so fragt sichs, wozu man sie brauchen koͤnne oder wolle, was man damit anzustellen habe, damit sie zu etwas brauch- barem diene ꝛc. Dieß bestimmt die Absicht und die Form so, daß die Materie die Form zulasse, die Absicht aber sie erfordere. Denn diese beyden Bedingungen sind dabey schlechthin nothwendig. XXVII. Jst hingegen die Absicht vorgegeben, so muß man vorerst uͤberhaupt wissen, daß es dazu dienen- de Materien und Formen giebt. Denn sonst setzt man sich vor Schloͤsser in die Luft zu bauen, oder Gold zu machen ohne zu wissen aus was noch wie? Wenn man aber uͤberhaupt weiß, daß die Absicht erhalten werden kann, so kann es doch Faͤlle geben, wo die Materie erst nach und nach aufgesuchet werden muß, und die Form sich nur alsdann zurei- chend bestimmen laͤßt, wenn man die Materie vor sich hat, und sie naͤher kennen lernet. Das vorhin ( XXV. ) angefuͤhrte Beyspiel von dem Systeme der Natur kann auch hier zur Erlaͤuterung dienen. Das Horazische: Verbaque prouisam rem non inuita sequentur gehoͤret Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. gehoͤret ebenfalls hieher. Denn die Anordnung und uͤberhaupt die ganze Form des Vortrages ergiebt sich erst dann besser und leichter, wenn man das, so man vortragen will, bereits gesammlet und vor Augen hat, zumal, wo die ganze Sache noch erst aus einander gelesen, berichtiget und in Zusammenhang gebracht werden muß. Dann erst zeiget es sich genauer und umstaͤndlicher, welcher Formen die Sache faͤhig ist, und zu welchen speciellern Absichten sie theils unmit- telbar, theils in andern Verbindungen dienen kann. Wenn man z. E. die Ontologie hoͤchstens nur als ein philosophisches Woͤrterbuch wollte gelten lassen, so glaubte man, daß sie noch zu keiner andern Absicht eingerichtet sey, als daß man die Bedeu- tung einer gewissen Anzahl abstracter und theils bar- barischer Woͤrter daraus lernen koͤnne. Von den dadurch angezeigten Begriffen und Dingen selbst, von den Absichten, wohin sie dienen koͤnnen ꝛc. muß also in einigen solcher Ontologien wenig oder gar nichts zu finden gewesen seyn. XXVIII. Das, was man die rechte Form heißt, kann in besondern Faͤllen die Uebereinstimmung mit der uͤber- haupt vorgeschriebenen Form bedeuten. Man muß aber auch bey dieser voraus setzen, daß sie recht oder richtig vorgeschrieben, und demnach der Sa- che und der Absicht gemaͤß sey. Soll aber etwas in der rechten Form geschehen, so bezieht sich dieses auf die Anordnung des Verfahrens. Die Form, so die Sache erhalten soll, entsteht nicht sprungsweise, sondern gewoͤhnlich muß die Sache durch mehrere Formen durchgefuͤhret und stufenweise mehr ausgebildet, zusammengeordnet, in Verbin- dung Zusatz zum neunzehnten Hauptstuͤcke. dung oder in Gang gebracht werden, bis sie ihre Finalform erhaͤlt. Oft muß die Form sich nach der Ordnung, so die Theile haben sollen, uͤber die Sache verbreiten. Ueberhaupt aber geht das Vorauszuse- tzende und von dem uͤbrigen Unabhaͤngige voran, nebst dem, was es an sich schon mit sich bringt. Die dar- auf folgende Verbindung zieht sodann noch verschie- denes und besonders das davon abhaͤngende nach sich, und auch dieses zuweilen noch mehr anders, bis endlich die Sache dahin gebracht wird, daß es dabey sein Bewenden haben kann, und der Beharrungs- stand erfolget. Geschieht alles dieses der Absicht ge- maͤß, so wird auch die Sache ihre rechte Form haben. Jndessen ist allerdings darauf mit zu sehen, wie fern die Form alle erforderliche Schicklichkeit, Geschmei- digkeit, Zierlichkeit ꝛc. hat, und wie fern sie auf die einfachste, bequemste, schicklichste, geschmeidigste Art, oder auch hinwiederum mit behoͤriger Feyerlichkeit und Anstand erhalten werden kann. Zwanzigstes Hauptstuͤck. Substanzen und Accidenzen . §. 613. D ie Lehre von den Substanzen und den denselben entgegengesetzten Accidenzen oder Zufaͤlligkei- ten (§. 279. 247. 520. 178. N°. 9.) mag uͤberhaupt betrachtet, als eine der schwersten in der Metaphysic angesehen werden. Die meisten Definitionen, die man davon gegeben, haben theils an sich, theils in der Anwendung ihre Schwierigkeiten gefunden, so daß XX. Hauptstuͤck. daß man bald Gott, bald den Weltbau, als eine, und zwar als die einige Substanz angesehen, bald aber auch die Substanzen nur in den einfachen Din- gen aufgesuchet, die Koͤrper aber, als bloße Phaeno- mena substantiata betrachtet hat, die gleichsam nur dem Scheine nach Substanzen sind; und dabey ver- fiel man auf Schwierigkeiten, ob man den Raum, die Zeit, die Kraͤfte ꝛc. als besondere Substanzen, oder als Accidenzen ansehen soll ꝛc. Die Sache laͤßt sich uͤberhaupt so vorstellen. §. 614. Man hat bey der Betrachtung der Dinge ange- merket, daß ihrer Veraͤnderungen unerachtet, etwas fortdauerndes dabey sey und zum Grunde liege, in welchem eigentlich die Veraͤnderungen vorgehen. So- dann bemerkte man auch, daß es Eigenschaften und Modificationen giebt, die, wo sie vorkommen, im- mer in etwas anderm sind. So z. E. die Groͤße an sich betrachtet, existirt nirgends, hingegen existiren unzaͤhlige Dinge, die eine Groͤße haben. Dadurch verfiel man allerdings und sehr leicht auf den Unter- schied, den man zwischen Dingen, die fuͤr sich exi- stiren, und zwischen dem, was nur in anderm exi- stirt, zu machen hatte. Erstere nennete man Sub- stanzen, letztere aber Accidenzen. §. 615. Diese Woͤrter koͤnnen nun in Absicht auf verschie- denen Gebrauch verhaͤltnißweise genommen werden, weil es gar wohl moͤglich ist, daß ein Accidenz a nicht unmittelbar in der Substanz S, sondern ver- mittelst eines andern Accidens A in derselben ist, welches derselben unmittelbarer anhaͤngt. Denn so ist Substanzen und Accidenzen. ist A in S, a aber in A, und zwar so, daß a mit A zugleich gesetzt und gehoben wird. So z. E. sind die Kreaturen eben nicht bloße Accidenzen; hingegen sind sie auch nicht so absolute Substanzen, die von Gott ganz unabhaͤngig waͤren, oder ohne seine Kraft subsistirten. Da sie aber in so fern etwas fortdauern- des haben, so werden sie verhaͤltnißweise, und in Ab- sicht auf die denselben anhaͤngende Bestimmungen und Modificationen, als Substanzen, oder als fuͤr sich bestehend angesehen. §. 616. Die Hauptfrage aber, die hiebey zu machen ist, koͤmmt auf die Allgemeinheit und Nothwendigkeit der Disjunction an, daß ein Ding entweder fuͤr sich oder in einem andern, oder durch ein anderes exi- stire, oder einem andern anhaͤngig sey? ꝛc. Denn diese Ausdruͤcke haben etwas Vieldeutiges und Unbe- stimmtes in ihrer Bedeutung. Das fuͤr sich und das in einem andern existiren, scheint einander nicht so entgegengesetzt, daß nicht beydes zugleich an- gehen sollte, oder, daß ein Ding, welches fuͤr sich existirt, nicht eben so gut zugleich auch in einem an- dern sollte existiren koͤnnen, wenn man das in als eine Bestimmung des Ortes ansieht, oder auch, wenn man mit dem Apostel saget: Jn ihm leben, we- ben und sind wir. §. 617. Hingegen scheint der Gegensatz: entweder fuͤr sich, oder durch ein anderes etwas genauer, er scheint sich aber nicht so ganz auf den Unterschied zu beziehen, den man zwischen Substanzen und Acci- denzen gesuchet hat. Denn nach dieser Disjunction wuͤrde XX. Hauptstuͤck. wuͤrde Gott die einige Substanz seyn, weil alle an- dere durch Gott existiren. §. 618. Der dritte Ausdruck: Ein Ding existirt entwe- der fuͤr sich, oder es ist einem andern so anhaͤn- gig, daß es ohne dasselbe nicht existirt, scheint demnach dem Unterschied zwischen Substanzen und Accidenzen naͤher zu kommen, ungeachtet man, wenn man diese Worte in einem gewissen Verstande nimmt, ebenfalls sagen kann, daß die Kreaturen ohne Gott nicht existiren, und folglich in diesem Verstande eben- falls nicht Substanzen waͤren. §. 619. Es ist aber nicht zu vermuthen, daß man bey dem ersten Gebrauche des Wortes Substanz ( ὑποϛασις ), die Bedeutung desselben so enge habe einschraͤnken wollen, daß es außer Gott von keinem andern Dinge sollte gebraucht werden koͤnnen. Der Wortforschung nach bezieht es sich auf dasjenige, was zum Grunde liegt, daß bloße Eigenschaften und Modificationen seyn oder existiren koͤnnen. Man begriff auch wohl, daß ungeachtet sich eine Eigenschaft auf die andere, diese auf die dritte, diese auf die vierte ꝛc. gruͤnden kann, man dennoch nicht diese Reihe unendlich fort- setzen muͤsse, sondern, daß es dabey ein Erstes gebe, und das dieses Erste unmittelbar einem Etwas an- haͤngig seyn muͤsse, welches nicht bloß eine Eigen- schaft, sondern etwas mehr ist, und dieses hat man Substanz genennet. Dieser Begriff ist nun aller- dings bestimmter, als der Begriff von Subject und Praͤdicat. Eine Eigenschaft ist ein Praͤdicat, sie kann aber auch ein Subject seyn, und wenn sie ein Subject Substanzen und Accidenzen. Subject ist, so kann die Substanz nicht anders ein Praͤdicat seyn, als wenn der Satz sich allgemein um- kehren laͤßt, oder wenn die Eigenschaft der Substanz, mit Ausschließung jeder andern, eigen ist. §. 620. Nach diesem anfaͤnglichen Begriffe haͤtte man nun meines Erachtens ohne Bedenken das Solide unter die Substanzen rechnen koͤnnen. Denn dieses liegt dabey zum Grunde, daß wir Eigenschaften existiren sehen, (§. 103.). Die andere Hauptclasse von Sub- stanzen geben uns die Kraͤfte an, weil diese das So- lide in Verbindung erhalten, und eben dadurch von demselben verschieden sind. Will man hiebey, wie es einige Englaͤnder gethan, den Raum, als eine dritte und von dem Soliden und den Kraͤften ver- schiedene Art von Substanz ansehen, oder besser zu sagen, den Raum mit einer von Materie und Kraͤf- ten verschiedenen Substanz, gleichfoͤrmig ausgefuͤllet gedenken, so mag es meines Erachtens ohne Aerger- niß angehen, nur daß man nicht etwann eine Defi- nition der Substanz willkuͤhrlich annimmt, und nach derselben sodann blindhin urtheilet. Wir wollen aber die beyden ersten Arten von Substanzen, naͤmlich das Solide und die Kraft hier etwas umstaͤndli- cher mit einander vergleichen. §. 621. Dem Soliden eignen wir, als eine wesentliche Eigenschaft, die Undurchdringbarkeit zu, so naͤmlich, daß es jedes andere Solide von dem Orte aus- schleußt, da es ist. Jn so ferne setzen wir demnach, es koͤnne, wenigstens von anderm Solidem nicht durchdrungen werden. Und dieses ist es auch alles, Lamb. Archit. II. B. R was XX. Hauptstuͤck. was uns der an sich einfache Begriff des Soliden an- giebt. Ferner setzen wir dasselbe dergestalt theilbar, daß so weit man es getheilet oder wirklich getrennet ansehen will, es noch ferner in kleinere Theile getheilet oder getrennet werden koͤnne. Und aus dieser unend- lichen Theilbarkeit, haben wir oben hergeleitet, daß das Solide, ungeachtet es in seinen kleinsten Theil- chen eine absolute Continuitaͤt hat, an sich weder hart noch elastisch seyn koͤnne, weil beydes der Theilbar- keit im Wege stehen wuͤrde. Die Haͤrtigkeit, die die kleinsten Theilchen haben muͤßten, waͤre so, daß sie auch durch eine unendliche Kraft nicht ferner ge- trennet, und weder ganz noch theilsweise vernichtet werden koͤnnten, (§. 207. 536.). Die Elasticitaͤt wuͤrde, wenn sie in dem Soliden selbst waͤre, von dieser Haͤrtigkeit herruͤhren. Da aber dieses nicht ist, so laͤßt sie sich ohne Kraͤfte, die zuruͤck wirken, und die geaͤnderte Figur wider herstellen, nicht gedenken, (§. 393. 539.). Dadurch aber laͤßt sich die Kraft nicht als eine bloße Eigenschaft des Soliden ansehen, sondern sie muß eine von dem Soliden verschiedene Substanz seyn. §. 622. Wir haben nun schon oben (§. 545.) angemerket, daß es uns, uͤberhaupt betrachtet, schwer falle, Sub- stanzen anzunehmen, die nicht solid sind, und den- noch in dem Soliden Veraͤnderungen verursachen, das- selbe in Bewegung setzen, seine Theile in Verbin- dung erhalten, die das Solide durchdringen, und hinwiederum von dem Soliden durchdrungen werden, die folglich mit dem Soliden, seiner absoluten Con- tinuitaͤt unerachtet in gleichem Raume oder an glei- chem Orte sind ꝛc. Jndessen da man bey genauerer Betrach- Substanzen und Accidenzen. Betrachtung dessen, was bey der Bewegung vor- geht, findet, daß sich aus der bloßen Undurchdring- barkeit des Soliden, eben deswegen, weil es unend- lich theilbar ist, nicht alles herleiten laͤßt, so wird man genoͤthiget, diese Paradoxa einzuraͤumen. Was man in der Chymie Materia friabilis und Puluis im- palpabilis nennet, wo man naͤmlich eine Materie so fein zerreiben kann, daß die Theilchen unempfindbar werden, oder keine empfindbare Groͤße mehr haben, das wuͤrde bey dem Soliden bis in das unendlich Klei- ne wahr seyn, oder so fein man es zerrieben gedenket, wuͤrde es noch immer feiner zerrieben werden koͤnnen, und um es zu theilen, wuͤrde es auch nichts weiter, als ein bloßes Zerreiben erfordern, wenn nicht Kraͤfte da waͤren, die seine kleinsten Theilchen dergestalt in einer absoluten Continuitaͤt erhielten, daß es ohne fei- nere und staͤrkere Kraͤfte nicht getrennet werden kann. Diese Kraͤfte lassen sich aus der bloßen Undurchdring- barkeit des Soliden nicht herleiten, weil diese nichts anders in sich begreift, als daß das Solide jedes andere Solide von dem Orte ausschleußt, da es ist. Das Zerreiben aber fordert nichts anders, als die Veraͤnderung des Ortes, und diese kann vorgehen, wenn Kraͤfte da sind, die es verursachen, und hin- gegen keine da sind, die es hindern, oder wenn we- nigstens diese schwaͤcher sind. Ohne solche Kraͤfte aber ist das Solide an sich eine todte und zu eigener Bewegung untaugliche Masse. §. 623. So fern nun die Undurchdringbarkeit des Soli- den sich nur auf ein anderes Solides bezieht, so mag es allerdings Substanzen geben, welche weder das Solide ausschließen noch von demselben ausge- R 2 schlossen XX. Hauptstuͤck. schlossen werden. Da bey dem Anstoßen des Soli- den an ein anderes, der Druck aus jenem in dieses uͤbergeht, und sich durch das Solide fortpflanzet, dieser Druck aber von den Kraͤften herruͤhret, welche die Theile des Soliden in Verbindung erhalten, so ist kein Zweifel, daß nicht die Kraͤfte sollten Sub- stanzen von der Art seyn, welche sich in dem Soliden befinden koͤnnen, und in welchen hinwiederum das Solide ist, ohne daß eines das andere von dem Orte ausschließe. Dazu wird nun eine voͤllige Ungleich- artigkeit erfordert, und wenn das Solide materiell genennet wird, so werden die Kraͤfte nothwendig im- materielle Substanzen seyn. Wir haben von den Kraͤften, welche das Solide in Bewegung setzen, keinen andern Begriff, als daß wir sagen, wir em- pfinden, daß wir eine Kraft anwenden muͤssen, um eine Last zu heben, zu stoßen, zu bewegen ꝛc. (§. 97. 374. 378.), und diese Kraft besteht allerdings aus der Summe der Kraͤfte, die in den einzeln Thei- len des Leibes, und besonders der Gliedmaßen, Mus- keln ꝛc. sind, die wir zu dem Heben, Stoßen, Be- wegen ꝛc. der Last gebrauchen. Ob in dieser Em- pfindung etwas vorkomme, welches uns die Kraft von dem Soliden dergestalt unterscheiden machen koͤn- ne, daß wir die Kraft nicht als etwas Solides oder Materielles ansehen, lasse ich dahin gestellet. Die Empfindung giebt uns die Kraft, als etwas von dem Soliden verschiedenes an, weil wir dieses immer außer uns, die Kraft aber in uns empfinden. §. 624. Giebt es aber außer dem Soliden noch andere Ar- ten von Substanzen, welche schlechthin nicht solid noch materiell sind, so faͤllt es uns schwer, die Ab- zaͤhlung Substanzen und Accidenzen. zaͤhlung derselben vorzunehmen, oder zu bestimmen, welche und wie vielerley es deren giebt, die ohne einander zu hindern, in einander seyn koͤnnen. Jn dieser Absicht ist das Leere, woruͤber man so viel ge- stritten, nur relativ, und es folget nicht, daß gar keine Substanz da sey, wo nichts Solides oder nichts Materielles ist. Die Kraͤfte, die in dem Soliden sind, muͤssen ihre Wirkung nothwendig auch außer dasselbe erstrecken, weil sie dessen Theile und ein So- lides mit dem andern verbinden. Und da finde ich noch keine Moͤglichkeit, zu beweisen, daß der Raum nicht ebenfalls eine Substanz seyn koͤnne. Man muß nur nicht eine materielle Substanz aus demselben ma- chen wollen. So viel ist gewiß, daß man die Lehre von der Mittheilung und Fortsetzung der Bewegung, welche immer so viele Schwierigkeiten gefunden, da- durch am leichtesten vortragen koͤnnte, wenn man den Raum als eine Substanz ansieht, in welcher das Solide und die Kraͤfte so gut, als diese beyde in ein- ander seyn koͤnnen, welche aber nicht, wie das So- lide und die Kraͤfte beweglich ist, sondern durch ihre Unbeweglichkeit die Mittheilung und Fortsetzung der Bewegung des Soliden und der darinn liegenden Kraͤfte moͤglich machet ꝛc. Denn wenn auch etwas in Bewegung kommen soll, ohne von etwas anderm gestoßen zu werden, so scheint es sehr klar zu seyn, daß es sich irgend ansperren muͤsse, um die Kraft gegen die entgegengesetzte Seite zu aͤußern. So stoͤßt z. E. ein Schiffer das Schiff, in welchem er sich befindet, vom Ufer weg, und setzet sich dadurch mit dem Schiffe in Bewegung. Es gehoͤret ein Grund des Koͤnnens dazu, (§. 488.). Wir sind aber an den Begriff des ganz leeren Raumes, den wir als ein Receptackel der Dinge ansehen, so sehr R 3 gewoͤhnet, XX. Hauptstuͤck. gewoͤhnet, daß es schwer faͤllt, zu dem Raume, als eine Substanz betrachtet, nicht noch einen Raum anzunehmen, in welchem diese Substanz befindlich ist, und welchen wir als deren Receptackel ansehen. §. 625. Ohne uns aber bey solchen Untersuchungen laͤnger aufzuhalten, werden wir vielmehr auf den Gebrauch sehen, den man von der Eintheilung der Dinge in Substanzen und Accidenzen machen koͤnnte, wenn sie richtig getroffen und durchaus bestimmt waͤre. Dieser koͤmmt nun vornehmlich darauf an, daß, da die Accidenzen ohne die Substanz, deren sie anhaͤngig sind, nirgends vorkommen, man von dem Daseyn eines Accidens auf das Da- seyn der Substanz den Schluß soll machen koͤnnen. Und dieses ist nun der oben (§. 15.) an- gegebenen Erforderniß einer wissenschaftlichen Grund- lehre allerdings gemaͤß. Denn da Substanzen und Accidenzen in einer gewissen Abhaͤnglichkeit von ein- ander sind, so giebt die umstaͤndlichere Entwickelung dieser Abhaͤnglichkeit Saͤtze an, welche zeigen, was mit einigen gegebenen Stuͤcken noch mehr gegeben ist. §. 626. Zu dem erstgedachten Schlusse, den man von dem Accidens auf das Daseyn der Substanz machen kann, wird nun allerdings erfordert, daß man das Acci- dens auf eine dreyfache Art kenne. Einmal muß man wissen, daß es ein Accidens sey, und folglich irgend eine Substanz voraus setze. Weiß man nur dieses, so giebt es Anlaß, die Substanz aufzusuchen. Kennet man aber zweytens diese Substanz selbst, wenigstens unter einem allgemeinen Namen, so ist es Substanzen und Accidenzen. es noch drittens um die Erfindung der besondern Be- stimmungen und der Art zu thun, wie das Accidens der Substanz anhaͤngig ist. §. 627. Waͤren uns nun in Absicht auf die ersten von diesen drey Erfordernissen, die verschiedenen Arten von Sub- stanzen bekannt, oder wir wuͤßten, daß es außer dem Soliden und den Kraͤften keine mehr gebe, so wuͤrde sich die Frage, ob etwas ein Accidens oder eine Sub- stanz sey, leichter entscheiden lassen, weil man nur untersuchen doͤrfte, ob es unter eine von diesen Arten Substanzen gehoͤre, oder nicht? Jndessen koͤnnen wir auf eine andere Art dabey verfahren. Denn das Solide hat seine ihm eigene Accidenzen und die Kraft hat ebenfalls solche, die derselben eigen sind. Sodann entstehen aus der Combination und Verbindung des Soliden und der Kraͤfte ebenfalls Accidenzen, die nicht von dem Soliden oder den Kraͤften besonders, sondern von beyden zugleich herruͤhren, und folglich wo sie gefunden werden, beyde voraus setzen. Dieses giebt demnach an sich schon drey Hauptclassen von Ac- cidenzen. Sollten demnach nun noch Accidenzen vor- kommen, die von diesen Classen verschieden und da- von ausgeschlossen waͤren, so wuͤrde man allerdings noch mehrere Arten von Substanzen aufsuchen muͤssen, ungefaͤhr, wie wir im vorhergehenden gefunden, das Solide allein sey nicht hinreichend, die Haͤrtigkeit und Elasticitaͤt der Koͤrper moͤglich zu machen, son- dern es muͤssen noch Kraͤfte dazu kommen, welche von dem Soliden verschiedene Substanzen, oder solchen Substanzen anhaͤngig sind. Es ist sehr vermuthlich, daß der Anfang, die Mittheilung und Fortsetzung der Bewegung außer dem Soliden R 4 und XX. Hauptstuͤck. und den Kraͤften noch andere Substanzen erfordert. (§. 624.). §. 628. Wir koͤnnen ferner den Unterschied anmerken, daß man die Substanz von dem Substantialen in dersel- ben so unterscheidet, daß man das Substantiale den Accidenzen schlechthin entgegen setzet, unter dem Worte Substanz aber das Substantiale zugleich mit den demselben wirklich anhaͤngigen Accidenzen zu- sammenfaßt, und gleichsam ein Ganzes daraus ma- chet. Man kann nun oͤfters aus einem einigen Acci- dens auf das dabey zum Grunde liegende Substan- tiale, ob es naͤmlich ein Solides, oder eine Kraft oder beydes sey, den Schluß machen. Hingegen finden sich in besondern Faͤllen außer dem vorgegebe- nen Accidens noch mehrere, und mit specialern Be- stimmungen, und diese lassen sich in so fern finden, als mit dem vorgegebenen Accidens, auch die beson- dere Bestimmungen desselben gegeben sind, und so fern diese noch andere Accidenzen und ihre Bestim- mungen voraus setzen, erfordern oder nach sich ziehen. §. 629. Das Substantiale, und so auch der Begriff des- selben, ist demnach etwas an sich ganz einfaches, und daher laͤßt sich statt einer Definition nur angeben, wie wir zu diesem Begriffe gelangen, als welcher an sich schlechthin klar bleibt, und da er nicht mehrere innere Merkmale hat, durch dieselbe auch nicht ent- wickelt oder deutlich gemacht werden kann. Die Ent- stehensart des Begriffes der Substanz, haben wir nun theils in dem (§. 614.), theils in dem (§. 619.) angezeiget. Man darf daher nur von allem, was einer Substanzen und Accidenzen. einer Substanz schlechthin nur anhaͤngig ist, abstra- hiren, so bleibt das Substantiale allein, und dieses wird bey dem Abstrahiren eigentlich mehr empfun- den, als daß es sich mit mehrern Worten sollte be- schreiben lassen, weil man es eben so, wie die uͤbri- gen einfachen Begriffe, oder das, was sie vorstellen, nur benennen, oder etwann auch nur durch Ver- haͤltnisse anzeigen kann. §. 630. Die Folge, die wir hieraus ziehen, ist, daß so lange der Begriff, den wir uns von dieser oder jener Substanz machen, zusammengesetzt ist, wir dabey noch nicht das Substantiale allein, sondern noch mehr oder minder demselben anhaͤngige Accidenzen, geden- ken, und daß folglich in dieser Absicht betrachtet, von allem, was wir von einer Substanz gedenken koͤnnen, ein einiges Stuͤcke, naͤmlich das Substantiale aus- genommen, alle uͤbrigen, Accidenzen genennet wer- den muͤssen. §. 631. Hieraus ergiebt sich nun der Unterschied, den wir zwischen solchen Accidenzen machen muͤssen, die dem Substantialen nothwendig, schlechthin oder wesentlich anhangen, und zwischen solchen, die davon weg oder anders seyn koͤnnen. Erstere koͤnnten wir Eigenschaf- ten ( Attributa ), letztere aber Zufaͤlligkeiten, zufaͤllige Bestimmungen ( Modificationes ) nennen, wenn diese Woͤrter nicht eine allgemeinere Bedeutung haͤtten. Da sie aber nicht nur bey den Begriffen der Substanzen, sondern bey jeden andern vorkommen: so koͤnnen wir auch nicht Erklaͤrungsweise, sondern nur in Form von allgemein bejahenden aber nicht identischen Saͤ- R 5 tzen XX. Hauptstuͤck. tzen sagen, daß die wesentlichen Accidenzen Eigen- schaften, die veraͤnderlichen aber Modificationen sind. Fuͤgen wir aber diesen Praͤdicaten die Bestimmung einer Substanz oder des Substantialen bey, so werden diese Saͤtze dadurch identificirt, und wir koͤn- nen sagen: die wesentlichen Accidenzen sind Ei- genschaften, die veraͤnderlichen aber Modifica- tionen des Substantialen. §. 632. Dieser Satz ist nun dadurch wahr, und die Ein- theilung, darauf er sich gruͤndet richtig, daß wir das Substantiale schlechthin, als einen einfachen Begriff ansehen, und bey diesem Begriffe von allem abstra- hiren, was dem Substantialen, auf welche Art es immer sey, anhaͤngig ist. Denn da in der That et- was einfaches dabey zum Grunde liegt, so sind wir befugt, dieses besonders heraus zu nehmen, und es zu benennen, und zu dieser Benennung ist der Aus- druck: das Substantiale, nicht unschicklich. Nimmt man nun die wesentlichen Accidenzen mit dem Sub- stantialen in einen Begriff zusammen, so machen sie zusammen genommen das Wesen der Substanz aus. Die veraͤnderlichen Accidenzen aber sind die in der Substanz vorkommenden oder dabey moͤglichen Zu- faͤlligkeiten oder Modificationen. §. 633. Wir werden nun in einigen Saͤtzen angeben, wo- hin alles dieses dienen kann. Der erste ist folgender: Wenn das Praͤdicat eines bejahenden und wah- ren Satzes eine Substanz ist, so ist das Sub- ject desselben nothwendig auch eine Substanz, oder ein Begriff, in welchem der Begriff einer oder Substanzen und Accidenzen. oder mehrerer Substanzen mit vorkoͤmmt. Denn wo dieses nicht waͤre, so wuͤrde in dem Be- griffe des Praͤdicates etwas vorkommen, welches in dem Begriffe des Subjectes nicht waͤre, und folglich auch nicht von demselben bejaht werden koͤnnte. Die- ses stoͤßt aber die Voraussetzung um, folglich muß das Subject eine Substanz oder wenigstens ein Be- griff seyn, in welchem der Begriff einer oder mehrerer Substanzen vorkoͤmmt. §. 634. Wenn die Art eine Substanz ist, so ist auch die Gattung eine Substanz. Denn, um aus den Arten die Gattung zu finden, laͤßt man die eigenen Merkmale der Arten allein weg, und behaͤlt die ge- meinsamen. Da nun vermoͤge der Voraussetzung die vorgegebene Art eine Substanz ist, so sind auch ihre Nebenarten Substanzen, weil Accidenzen und Substanz gar nicht oder hoͤchstens nur auf eine ideale und bloß symbolische Art in eine Classe gehoͤren. Dem- nach ist der Begriff Substanz den Arten gemeinsam, und gehoͤret folglich mit in den Begriff der Gattung. §. 635. Auf diese Art geht es stufenweise hoͤher, bis man auf den Begriff der Substanz uͤberhaupt koͤmmt, welcher gleichsam eine Einheit ist, womit sich alle Accidenzen multipliciren lassen. Wir merken dieses deswegen an, weil etwann auch Saͤtze vorkommen, in welchen das Praͤdicat ausdruͤcklich eine Substanz ist, das Subject aber dem Namen nach ein Acci- denz zu seyn scheint, folglich diese Einheit darunter verstanden werden muß. Denn es lassen sich immer die einer Substanz eigenen Accidenzen zu solchen Sub- jecten machen. §. 636. XX. Hauptstuͤck. §. 636. Die Accidenzen, die dem Substantialen we- sentlich anhaͤngig sind, sind eben so viel beson- dere Bestimmungen und Dimensionen desselben. Denn da das Substantiale an sich ein einfacher Be- griff ist, so koͤnnen auch die demselben anhaͤngenden Accidenzien nicht so wie etwann in zusammengesetzten Substanzen zusammengesetzt seyn, sondern sie sind an sich einfach, und demnach nicht durch die Zei- chen (+ -), sondern durch die Zeichen (. :) unter einander und mit dem Substantialen verbunden, (§. 434. seqq. ). §. 637. Eben dieses gilt auch, wenn ungleichartiges Substantiales mit einander verbunden wird. Von solchen ungleichartigen Substantialen sind uns vornehmlich nur die Kraͤfte und das Solide bekannt. Und diese koͤnnen allerdings mit einander verbunden seyn. Es lassen sich aber bey der Verbindung dersel- ben ihre Dimensionen nicht addiren oder subtrahiren, sondern sie multipliciren und dividiren einander, z. E. die Masse des Soliden wird mit dem Quadrate der Geschwindigkeit, die es durch die Aeußerung der Kraft erhaͤlt, multiplicirt ꝛc. §. 638. Hingegen wird gleichartiges Substantiales durch die Zeichen + - verbunden, das will sa- gen, es haͤuft sich schlechthin nur auf, und wird der Zahl nach groͤßer. Auf diese Art erhaͤlt man die Summe von einzelnen Kraͤften, die Summe von einzelnen Massen des Soliden ꝛc. Die Aufhaͤu- fung der Kraͤfte giebt etwas Jntensives, die Auf haͤu- fung des Soliden aber etwas Extensives ꝛc. §. 639. Substanzen und Accidenzen. §. 639. Wir koͤnnen nun ferner erzaͤhlungsweise anmerken, daß man in den aͤltern Metaphysiken eine Liste von Accidenzen angegeben, und sie uͤberhaupt in zwo Clas- sen, naͤmlich in die physischen und logischen getheilt hat. Die physischen waren 1°. Quantitas. 2°. Qualitas. 3°. Relatio. 4°. Actio. 5°. Passio. 6°. Quando. 7°. Vbi. 8°. Situs. 9°. Habitus, und diese machen nebst dem Begriff der Substanz die bekannten zehen Categorien des Aristoteles aus Die logischen hingegen, 1°. Genus. 2°. Species. 3°. Differentia. 4°. Proprium. 5°. Accidens in specie (Modus). Es ist unnoͤthig, hier zu untersuchen, wiefern diese Eintheilung richtig getroffen, oder die Abzaͤhlung vollstaͤndig sey. Man sieht uͤberhaupt daraus so viel, daß, wenn man bey den Substanzen von allen diesen Accidenzen abstrahirt, eben nicht viel mehr als der einfache Begriff des Substantialen uͤbrig bleibt, und daß die Metaphysi- ker die Absicht hatten, eigentlich nur diesen uͤbrig zu lassen. Sodann sieht man, daß sie zwischen den realen Accidenzen, die etwas in der Sache selbst sind, und zwischen den bloß idealen die sich auf ein denkendes Wesen und dessen Er- kenntniß beziehen, einen Unterschied machen woll- ten, und in so fern erstere physisch letztere aber logisch nenneten. Hingegen geben sie in dieser Abzaͤhlung so eigentlich nicht an, welche von diesen Accidenzen dem materiellen Soliden, welche andere der Kraft eigen sind, und welche endlich beyden zugleich anhaͤn- gen, (§. 627.). Und so finden sich auch einige dar- unter, die nicht bloß unmittelbare Accidenzen von Substanzen, sondern zugleich auch Accidenzen von Accidenzen sind, (§. 619.). Dieses aber machet, daß sie in der Metaphysic nicht nur in Absicht auf die XX. Hauptstuͤck. die Substanzen, sondern allgemeiner und ohne Ruͤck- sicht auf den Unterschied zwischen Substanzen und Accidenzen abgehandelt werden muͤssen, wie wir es auch im vorhergehenden gethan haben. §. 640. Man wird ferner ohne Muͤhe den Schluß machen koͤnnen, daß jede wirkende Ursachen Substanzen, und zwar ins besondere und unmittelbar Kraͤfte sind, und daß hingegen das Solide nur mittelbar wirket, und daher ehender, so fern es wirket, als ein Mittel angesehen werden muͤsse, weil es an sich keine andere Kraft, als die sogenannte vim inertiae hat, wodurch es, ohne aͤußerliche Ursache der Veraͤnderung, in sei- nem Zustande beharret. Es kann aber dieses Be- harren eben so gut von dem Gleichgewichte der wirk- lichen Kraͤfte hergeleitet werden, die die Theilchen des Soliden unter sich, und das Ganze mit anderm Solidem in Verbindung erhalten, wie denn ein sol- ches Gleichgewicht bey dem Beharrungsstande uͤber- haupt nothwendig ist. §. 641. Da sich endlich das Gleichartige substantiale zu- sammensetzen, das Ungleichartige aber verbinden laͤßt (§. 638. 637.), so entstehen daraus ungleichartige zusammengesetzte Substanzen, welche so lange in ih- rer Zusammensetzung und Verbindung verbleiben, bis die Kraͤfte, die sie verbinden, durch die Einwir- kung staͤrkerer Kraͤfte getrennet werden, und das ge- meinsame Band, welches sie zum Ganzen machet, wegfaͤllt, (§. 220.). Besonders ist bey Substanzen, wo das Solide mit unter dem Substantialen ist, die Zusammensetzung wegen der unendlichen Theilbarkeit wesentlich, (§. 542. 546.). §. 642. Substanzen und Accidenzen. §. 642. Wir uͤbergehen uͤbrigens hier einige Schwierig- keiten, die man in Ansehung der Substanzen gefun- den. Sie ruͤhren groͤßtentheils von den Definitionen her, die man von diesem Worte gegeben. Spi- noza gieng in Aufsuchung der Substanz so weit, daß er glaubte, der Begriff einer Substanz bedoͤrfe keines Begriffes einer andern Sache, von welchem er formirt werden muͤsse. Cartesius machte jede Sub- stanz dergestalt fuͤr sich existirend, daß sie keiner andern Substanz beduͤrfe, und daher von jeder andern un- abhaͤngig existire. Wolf hingegen, nennet die Sub- stanz ein Ding, welches fortdauern koͤnne und Modi- ficationen faͤhig sey, ( Ens perdurabile et modificabile ). Nun koͤmmt man bey dem Aufsuchen des Substantia- len, welches eigentlich die Substanz zur Substanz ma- chet, allerdings zu etwas Erstem. Man muß aber bey diesem Aufsuchen einerley Leitfaden folgen, und nicht, wenn man bey diesem Ersten ist, den Leitfaden aͤndern, um noch etwas Ersteres aufzu- suchen. Der Leitfaden bey Aufsuchung des Substan- tialen war eigentlich, wie wir es oben (§. 614. 619.) angemerket haben, man wolle erstlich von den Mo- dificationen, und sodann von den Eigenschaften ab- strahiren, bis man auf das komme, was nicht eine bloße Modification oder Eigenschaft, sondern etwas mehr ( id quod his substat ) ist. Dieses ist nun an sich einfach (§. 629.), und daher haͤtte man es nicht definiren und noch vielweniger analysiren (§. 7.), sondern nach der Lockischen Anatomie der Begriffe (§. 9.) es nur benennen sollen, und so waͤre man auf das Solide und die Kraͤfte verfallen, welches an sich klare und einfache Begriffe sind, die gleichsam unmittelbar ihr Substantiales anzeigen. Man ließ es XX. Hauptstuͤck. es aber dabey nicht bewenden, sondern aͤnderte den Leitfaden, und da die Accidenzen dem Substantialen anhaͤngen, und als Bestimmungen und Dimensio- nen in demselben sind (§. 636.), und außer demsel- ben nirgends vorkommen, so suchte man nunmehr die Abhaͤnglichkeit auf, und da ein Substantiales in und außer dem andern seyn kann (§. 623. 621.), so suchte man, wie fern eines ohne das andere seyn kann? Diese Frage laͤßt sich nun allerdings machen, aber sie geht dem Unterschied zwischen Substanzen und Accidenzen nichts mehr an, sondern bezieht sich vielmehr auf den Unterschied, der zwischen den Sub- stanzen selbst ist. Etwas finden, welches nicht mehr bloß Eigenschaft ist, sondern Eigenschaften anhaͤngig hat, und etwas finden, welches von jedem existiren- den unabhaͤngig existirt, von dem hingegen das uͤbri- ge existirende abhaͤngt, sind zwo ganz verschiedene Fragen. Erstere betrifft das Aufsuchen der Sub- stanzen, letztere aber das Aufsuchen des ersten Princi- pii existendi, welches wir oben (§. 470. seqq. ) betrach- tet haben. Auf diese Art kann man nun allerdings sa- gen, Gott sey die erste Substanz, von welcher jede uͤbrigen abhaͤngen, ohne welche diese nicht existi- ren ꝛc. Ferner kann man sagen, daß so fern die uͤbrigen Substanzen in gemeinsamer Verbindung exi- stiren, und ein Ganzes ausmachen, sie Modificatio- nen haben, die von dieser Verbindung herruͤhren, und ohne dieselbe nicht oder anders seyn wuͤrden ꝛc. End- lich kann man auch sagen, daß in jeder Substanz das Substantiale dasjenige sey, ohne welches jede Eigen- schaften, Modificationen, Bestimmungen ꝛc. die die Substanz hat, nicht existiren wuͤrden, und daß diese außer derselben nur ideale Abstracta sind, und ohne ihr Substantiales nirgends vorkommen ꝛc. §. 643. Substanzen und Accidenzen. §. 643. Bey allem diesem bleiben die hier gebrauchten oder durch die Woͤrter Eigenschaften, Modificatio- nen, Bestimmungen, anhaͤngen, anhaͤngig, abhaͤn- gen ꝛc. angezeigten Begriffe schlechthin klar, und die Woͤrter selbst sind, der Art der Sprache gemaͤß, metaphorisch. Man muß dabey gleichsam als ein Postulatum voraus setzen, daß zum Beyspiel der Aus- druck: eine Eigenschaft, Modification ꝛc. sey in der Substanz dem Substantialen anhaͤngig, richtig verstanden werden koͤnne, und daß man dieses anhaͤngen (ankleben, inhaerere, inesse, ꝛc.) nicht so verstehe, wie etwann ein Koͤrper an dem andern haͤngt, an demselben anklebet, in demselben ist ꝛc. Man muͤßte sagen: die Eigenschaft, so weit sie sich in der Substanz erstrecket, klebe durch und durch in derselben an, und dennoch wuͤrde auch dieses den an sich klaren und einfachen Begriff nicht genug aus- druͤcken, wie die Eigenschaft in der Substanz ist. Da aber dieser Begriff an sich klar, und zwar schlecht- hin klar ist, so kann der Satz: daß die Eigen- schaften, Modificationen ꝛc. irgend einem Sub- stantialen ankleben, oder anhaͤngig sind, unter die Grundsaͤtze gerechnet werden. §. 644. Man sieht aus dem bisher gesagten, daß, wenn je die Eintheilung der Dinge in Substanzen und Ac- cidenzen von einiger Erheblichkeit ist, diese eben nicht darinn besteht, worinn man wegen unschicklicher De- finitionen geglaubet hat, daß sie bestehe. Man kann vielmehr fragen, wozu dieser Unterschied dienen soll, nachdem man ihn gefunden. Hiebey scheint es uͤber- Lamb. Archit. II. B. S haupt, XX. Hauptstuͤck. haupt, daß der, so ihn zuerst aufgesuchet und gefun- den hat, einen richtigern Begriff davon gehabt habe, als seine Nachfolger, die von ihm das Wort ohne den Begriff abgelernet zu haben scheinen, und sich an Definitionen hielten, die dabey gar nicht haͤtten vorkommen sollen, (§. 629.). Dem sey aber, wie ihm wolle, so hat der Gebrauch, den man in der Metaphysic von diesem Unterschiede gemacht hat, fast schlechthin nur darinn bestanden, daß man nach der vorlaͤufigen Erklaͤrung eines Dinges uͤberhaupt, so gleich zu der Eintheilung der Dinge in Substanzen und Accidenzen fortgeschritten, und sodann die vor- hin (§. 639.) angefuͤhrten Classen der Accidenzen der Laͤnge nach abgehandelt, mehrentheils aber nur sub- dividirt hat. Es liegt aber dabey ein Fundamentum diuisionis zum Grunde, welches machet, daß sich außer den Substanzen und Accidenzen noch andere Begriffe gedenken lassen, die zu andern Fundamentis diuisionum gehoͤren, dergleichen z. E. die Begriffe der Zeit, des Raumes, der Verhaͤltnisse ꝛc. zu seyn scheinen. Man sehe hieruͤber oben (§. 247. 520. 521.). Der Hauptgebrauch aber, den man am unmittelbar- sten von der Eintheilung in Substanzen und Acciden- zen machen kann, wird allem Ansehen nach der oben (§. 625. seqq. 633. seqq. ) angefuͤhrte seyn, weil er sich schlechthin nur auf den Unterschied der Substanzen und Accidenzen gruͤndet. Wir koͤnnen noch beyfuͤ- gen, daß der Begriff eines Accidens sich immer auf eine Substanz bezieht, und daß man folglich, wo von dieser Beziehung nicht die Rede ist, statt dieser Worte besser und allgemeiner, die Worte Ding, Eigen- schaft, Bestimmung, Modification ꝛc. und die Namen von ihren besondern Arten gebrauchen koͤnne. §. 645. Substanzen und Accidenzen. §. 645. Endlich wollen wir noch anmerken, daß man auf ver- schiedene Arten Accidenzen erdichtungsweise als Sub- stanzen betrachtet. So z. E. sieht man in der Geometrie die Theile des Raumes, Linien, Figuren, Flaͤchen ꝛc. als Substanzen, hingegen Winkel, Groͤße, Lage ꝛc. als Accidenzen an. Und in der Sprache hat man eine ganze Classe von Substantiuis abstractis, z. E. Tugend, Laster, Freyheit, Weisheit, Klugheit ꝛc. die man gleichsam als Substanzen ansieht, unge- achtet sie eigentlich nur den Substanzen als Acciden- zen anhaͤngen. Da es Accidenzen giebt, die nicht unmittelbar der Substanz, sondern andern Acciden- zen anhangen, so sieht man diese erdichtungsweise als Substanzen an, damit man sie, ohne immer auf die Substanz, deren sie anhaͤngen, zuruͤck zu sehen, fuͤr sich betrachten, und alles, was denselben besonders anhaͤngig ist, durchgehen koͤnne. Dieses scheint auch der eigentliche Grund zu seyn, warum man sie durch Substantiua abstracta ausdruͤcket. Man sehe Semiot. §. 138. seqq. 201. 202. Ein und zwanzigstes Hauptstuͤck. Zeichen und Bedeutungen. §. 646. N achdem wir nun die verschiedenen Hauptarten der Verhaͤltnisse durchgangen, so koͤnnen wir das, was man in der Ontologie zuletzt noch mit- nimmt, ebenfalls noch beruͤhren, und die Verbin- dungen untersuchen, welche zwischen Zeichen und S 2 den XXI. Hauptstuͤck. den dadurch bedeuteten Sachen vorkommen. Jn dieser Untersuchung koͤnnen wir hier das weglassen, was die willkuͤhrlichen und die wissenschaftlichen Zeichen betrifft, weil wir diese in der Semiotic be- sonders betrachtet haben. Es bleiben demnach hier eigentlich nur die sogenannten natuͤrlichen Zeichen vorzunehmen, wovon wir in dem §. 47. Semiot. Er- waͤhnung gethan haben, und welche von den beyden erstern Arten und so auch von der Zeichnung des Scheines, (Phaͤnomenol. §. 266-288.) ganz ver- schieden sind. §. 647. Das erste, was wir in Ansehung der natuͤrlichen Zeichen anzumerken haben, ist, daß sie mehren- theils nicht nur Zeichen von einer Sache, son- dern zugleich auch Zeichen von unserer Unwis- senheit, und zuweilen letzteres ohne das erstere sind. Es ist naͤmlich zwischen dem natuͤrlichen Zei- chen, und der Sache, die es bedeutet, eine solche Verbindung, daß sie entweder zugleich sind, oder das Zeichen der Sache vorgeht oder darauf folget. Dafern uns nun diese Verbindung bekannt ist, so daß wir sie beschreiben und mit ihrem eigenen Na- men benennen koͤnnen, so gebrauchen wir das Wort Zeichen hoͤchstens nur als einen abgekuͤrzten Aus- druck. Jst uns aber diese Verbindung nicht be- kannt, so muͤssen wir bey dem Worte Zeichen, oder andern demselben gleich geltenden Ausdruͤcken bleiben, und in so ferne zeiget es an, daß wir die Verbin- dung nicht wissen. Zu diesen beyden Faͤllen koͤmmt oͤfters noch der dritte, da wir uns naͤmlich nur ein- bilden, daß eine Sache ein Zeichen von einer andern sey, wenn sie es in der That nicht ist, oder etwas anders Zeichen und Bedeutungen. anders oder gar nichts bedeutet. Jn diesem Falle findet sich demnach Unwissenheit und Jrrthum bey dem vorgeblichen Zeichen beysammen. Man wird aus dieser Zergliederung der drey Faͤlle ohne Muͤhe den Schluß machen koͤnnen, daß je duͤmmer und unwissender die Zeiten sind, desto mehr von Zeichen und Bedeutungen, und besonders von irrigen, gesprochen werde. Noch kaum vor hun- dert Jahren war Europa damit gleichsam noch ganz uͤberschwemmet. §. 648. Dieses Phaͤnomenon hat sehr natuͤrliche Ursachen. Die Menschen sind uͤberhaupt begierig, das Kuͤnf- tige zu wissen, und in Ermanglung einer genauen Theorie, die Wirkungen aus den Ursachen zu schlies- sen, setzet man blindhin einen Einfluß voraus, und begnuͤget sich, etwann aus einer einigen Erfahrung zu schließen, was auf eine vorgegangene Sache er- folget. Dieses muß sodann die Sache, so oft sie wieder koͤmmt, bedeuten. Nach dieser Regel ver- fuhr man bey jeder neuen Erscheinung, die sich am Himmel zeigete. Ein Comet mag etwann fuͤrchter- lich ausgesehen haben, oder es mag sich kurz oder spaͤth nach seiner Erscheinung Krieg eraͤugnet haben, so war dieses genug, um alle Cometen, als Un- gluͤcksbothen anzusehen. Und in der theologischen Sprache schickte sie Gott zur Drohung und Warnung, so sehr auch die Schrift sagete, daß man sich vor den Zeichen des Himmels nicht fuͤrchten solle. §. 649. Man kann nicht sagen, daß bey allem diesem nicht etwas richtiges seyn sollte. Eine Ursache hat S 3 aller- XXI. Hauptstuͤck. allerdings ihre Wirkungen, und diese folgen auf die- selbe. Man kann daher, auch wenn man die Art ihres Wirkens nicht kennet, aus sorgfaͤltiger Beob- achtung der Folgen, und besonders, wenn diese im- mer wieder eintreffen, den Schluß machen, daß es auch ins Kuͤnftige so geschehen werde. So geduldig war man aber in Ansehung der Zeichen der kuͤnftigen Witterung und anderer Vorfaͤlle nicht, sondern man ließ es bey der ersten Beobachtung bewenden, und war darum, ob eine nothwendige Verbindung zwi- schen dem Zeichen und der Sache sey, unbesorgt, wel- ches doch immer das Hauptwerk, und zuerst zu un- tersuchen gewesen waͤre. §. 650. Wir wollen aber, um die Beschaffenheit natuͤr- licher Zeichen genauer zu untersuchen, vorlaͤufig an- merken, daß das Wort Zeichen etwas Vieldeutiges habe. Jm weitlaͤuftigsten Verstande kann man jedes Mittelglied einer Schlußrede als ein Zei- chen ansehen, daß die beyden aͤußersten Glie- der derselben einander zukommen oder nicht zukommen. Wir gebrauchen auch jedes Zeichen auf diese Art, weil wir schließen, daß, wo das Zeichen ist, auch die dadurch bedeutete oder angezeigte Sache sey. Man sieht leicht, daß die- ser Obersatz in jedem besondern Falle allgemein seyn muß, und daß, wenn er nicht allgemein ist, der Schlußsatz nur einen gewissen Grad von Wahrschein- lichkeit haben koͤnne. (Phaͤnomenol. §. 189. seqq. ) §. 651. So allgemein aber werden wir hier das Wort Zei- chen nicht nehmen, sondern es durch einige Bedin- gungen Zeichen und Bedeutungen. gungen naͤher einschraͤnken. Ein Zeichen muß naͤmlich in die Sinnen fallen, hingegen muß die Sache, die es anzeiget, nicht zugleich mit in die Sinnen fallen, und uns schlechthin nur durch das Zeichen bekannt werden. Denn fiele das Zeichen nicht in die Sinnen, so muͤßte es aus etwas anderm geschlossen werden, und dieses wuͤrde sodann eigentlich das Zeichen seyn, (Semiot. §. 10.). Fiele aber die Sache zugleich mit in die Sinnen, oder waͤre sie uns an sich schon bekannt, so wuͤrde das Zeichen uͤberfluͤßig seyn, weil wir seiner Bedeutung nicht beduͤrften. §. 652. Hiebey wird nun der Ausdruck, die Sache muͤsse nicht zugleich mit in die Sinnen fallen, so ge- nommen, daß sie entweder bereits vorgegangen, oder erst noch folge, oder dergestalt zugleich mit sey, daß die unmittelbare Empfindung derselben durch ande- res verhindert werde, oder auf irgend eine andere Art, z. E. wegen der Kleinheit der Theile ꝛc. nicht gesehen oder empfunden werden koͤnne. Dadurch un- terscheiden sich auch die Zeichen von den eigentlich sogenannten Kennzeichen und Merkmalen. Denn bey diesen kann die Sache selbst zugleich mit in die Sinnen fallen, und das Kennzeichen, welches sich auch gemeiniglich an derselben befindet, dienet nur, um uns anzuzeigen, daß es diejenige Sache sey, die wir bereits dem Namen nach kennen, oder aus an- dern Umstaͤnden einigen Begriff davon haben. Auf solche Kennzeichen oder Merkmale, die an der Sache selbst sind, sieht man, wenn man durch Definitio- nen, oder auch nur durch Beschreibungen eine Sache kenntlich machen will, so daß man, wenn und wo S 4 sie XXI. Hauptstuͤck. sie vorkoͤmmt, dieselbe erkennen, oder fuͤr das anse- hen koͤnne, was sie ist. Die Zeichen aber sind mei- stens außer der Sache, die sie anzeigen oder bedeu- ten, oder in anderen Sachen, die mit derselben in Verbindung sind. §. 653. Wenn wir nun zu den zween ersten in dem §. 647. betrachteten Faͤllen zuruͤcke kehren, und diese Verbin- dung naͤher betrachten, so findet in Absicht auf die Zeichen mehrentheils der zweyte statt, indem wir naͤmlich aus der Erfahrung lernen, daß eine Sache als ein Zeichen einer andern angesehen werden koͤnne. Denn in Ansehung des ersten Falles, wo wir naͤm- lich die Verbindung genau kennen, da gebrauchen wir gewoͤhnlich den eigenen Namen derselben, und solcher Namen giebt es nothwendig desto mehrere, je umstaͤndlicher uns jede Arten von Verbindungen, Verhaͤltnissen, Zusammenhang ꝛc. bekannt sind, und je wissenschaftlicher unsere Erkenntniß davon ist. Da die menschliche Erkenntniß uͤberhaupt, und so auch die von jedem Menschen besonders, bey den Sinnen und der Erfahrung anfaͤngt; so ist es auch aus die- sem Grunde sehr natuͤrlich, daß wir auch von Zei- chen und Bedeutungen reden, und dabey anfangen, ehe uns die Begriffe von den besondern Arten der Verbindungen, Verhaͤltnisse ꝛc. bekannt werden. Denn diese Begriffe sind in Laͤndern und Zeiten, wo keine wissenschaftliche Erkenntniß ist, und auch da, wo sie ist, dennoch dem groͤßten Haufen unbekannt, und man hat sich nicht zu verwundern, wenn in Er- mangelung derselben auch die Kennzeichen fehlen, woran aͤchte natuͤrliche Zeichen von solchen, die nichts bedeuten, unterschieden werden muͤssen, und wenn bey Zeichen und Bedeutungen. bey dieser Verwirrung Aberglaube vorkoͤmmt, des- sen wesentlichster Theil auf Zeichen und Bedeutun- gen beruht. §. 654. Da die Haupterforderniß der Zeichen darauf an- koͤmmt, daß ihre Bedeutung richtig und allgemein sey, oder daß, wo das Zeichen vorkoͤmmt, auch die bedeutete Sache ebenfalls vorgekommen sey, oder mit vorkomme oder vorkommen werde (§. 650.), so ist es, an sich betrachtet, gleich viel, ob man sich hievon durch die Erfahrung, oder mit Zuziehung einer Theo- rie versichere, und wenn letztere mit unbewiesenen Hypothesen vermenget ist, so ist die Erfahrung un- streitig besser. Die Arzneygelehrtheit befindet sich in Absicht auf die meisten Symptomata der Krankheiten in diesem Falle. Die Symptomata sollen die innere Natur der Krankheit, diese, die innere Natur der Mittel, und diese, die Namen der Medicinen an- geben. Und so waͤre es allerdings der wissenschaftli- chen Methode gemaͤß. Die Erfahrung aber giebt nur an, welche Mittel bey jeden Arten von Sympto- men gute Dienste gethan haben. Und dieses erklaͤret gewissermaßen, warum Arzneygelehrte, die verschie- dene und oͤfters ganz entgegengesetzte Theorien haben, dessen unerachtet bey einerley Symptomen einerley Arzneyen vorschreiben. §. 655. Der Weg, den die Erfahrung angiebt, zu schlies- sen, daß eine Sache als ein Zeichen einer andern angesehen werden koͤnne, ist etwas weitlaͤuftig. Denn um sich dadurch zu versichern, daß das Zeichen nie triege, muß die Erfahrung sehr ofte wiederholet wer- S 5 den, XXI. Hauptstuͤck. den, und das Zeichen muß immer eintreffen. Die- ses geht nun bey Dingen, die gar keine naͤhere Ver- bindung mit einander haben, und nach ganz ungleich- artigen Gesetzen und Perioden in den Lauf der Dinge verflochten sind, nicht an. Jndessen ist es gar wohl moͤglich, daß zwo Sachen eine Verbindung mit ein- ander haben, die aber durch andere dazwischen kom- mende Ursachen so veraͤndert wird, daß nicht immer beyde beysammen sind, oder daß die eine, die ein Zeichen seyn sollte, nicht immer bemerkbar ist, und die andere durch Einmengung anderer Umstaͤnde un- kenntlich wird. Dieses thut aber der Allgemeinheit des Zeichens in Absicht auf den Gebrauch Abbruch, und man erhaͤlt hoͤchstens nur einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit, (§. 650.). Soll dieser nun von einigem Gebrauche seyn, so muß das Zeichen mehrmalen zutreffen als fehlen. So sind z. E. die Abendroͤthe in Absicht auf das folgende schoͤne Wetter, und die barometrischen Veraͤnderungen in Absicht auf die Witterung uͤberhaupt. §. 656. Es hat aber der Umstand, daß sich fremde Ursa- chen, die ihre besondere Perioden und Gesetze haben, in die Verbindungen zwoer Sachen mit einmengen, die Folge, daß man aus dem nicht immer zusammen- treffen auf den Mangel der Verbindung nicht schließen kann, sondern diese Ursachen machen nur das Zei- chen unzuverlaͤßig, und man muß sich aus andern Gruͤnden versichern, daß eine solche Verbindung da ist. Sie ist nun aber wirklich da, so oft das Zeichen mehrmal zutrifft als fehlet, und wenn es weit die meisten male zutrifft, so kann man auch richtig den Schluß machen, daß die hindernde Ursachen weder stark Zeichen und Bedeutungen. stark noch haͤufig seyn muͤssen, und daß die Verbin- dung zwischen dem Zeichen und der Sache sehr merk- lich und unmittelbar sey. §. 657. Diese Untersuchung des Zutreffens und Fehlens, ist aber auch das einige Mittel, wenn man sich ohne Zuziehung einer Theorie versichern will, ob zwischen zwoen Sachen eine Verbindung sey, und eine als ein Zeichen der andern dienen koͤnne? Man wird uͤberhaupt verleitet, eine solche Verbindung zu ver- muthen, wenn man mehrmalen bemerket hat, daß entweder zwo Sachen beysammen sind, oder eine auf die andere folget. Und lohnet es sich der Muͤhe, sich umzusehen, ob man daraus ganz oder groͤßtentheils allgemeine Regeln (§. 655.) machen koͤnne, so muß man auch die Beobachtung oͤfters anstellen und auf- zeichnen, um zu sehen, ob alle Faͤlle, oder wie viele zutreffen, und wie viele hingegen fehlen, (Dianoiol. §. 585.). §. 658. Will man nun, wenn man solche Verbindungen gefunden, nachsuchen, worinn sie eigentlich bestehe, so gehoͤret uͤberhaupt schon einige Theorie dazu. Sind die zwo Sachen jedesmal wirklich zugleich, so kann man den Schluß machen, daß sie eine gemeinsame Ursache haben, weil in der wirklichen Welt alles viel zu sehr durch einander laͤuft, als daß zwo von einan- der ganz unabhaͤngige Ursachen immer zusammen- treffen, und folglich entweder gleiche Perioden oder gleiche Abaͤnderungen von Perioden haben sollten, (§. 131.). Geht aber die eine der andern vor, so kann erstere die Ursache der andern seyn, sie koͤnnen aber auch beyde von einer gemeinsamen Ursache her- ruͤhren. XXI. Hauptstuͤck. ruͤhren. So z. E. wird wohl niemand sagen, die Abendroͤthe sey die Ursache des darauf folgenden hel- len Wetters. Sie ist nur eine Anzeige desselben, und man wird bey naͤherer Betrachtung der Umstaͤn- de, die eine Abendroͤthe moͤglich machen, ohne Muͤhe finden, daß sie nicht statt haben kann, dafern nicht die Luft abendwaͤrts funfzig, hundert und mehr Mei- len in die Laͤnge hin bereits helle ist. Man kann die- ses aus dem Wege schließen, den das Sonnenlicht des Abends durch die Luft nehmen muß, um eine Wolke, die am westlichen Horizonte ist, beleuchten zu koͤnnen. Nimmt man nun noch den Umstand mit hinzu, daß die Wolken uns mehrentheils von Westen her kommen, so kann man allerdings den Schluß machen, daß wenn auch uͤber dem westlichen Meere Wolken sind, diese noch immer einen Weg von funf- zig, hundert und mehr Meilen zuruͤck zu legen haben, ehe sie zu uns kommen, daß dieses durch einen West- wind geschehen muͤsse, welcher sich aber bey der Abend- roͤthe gewoͤhnlich nicht einfindet ꝛc. §. 659. Wir haben das allgemeine der Theorie, durch wel- che die Verbindung zwischen dem Zeichen und der Sache, die es bedeutet, gefunden, und oͤfters vor- aus bestimmt werden kann, in den vorhergehenden Hauptstuͤcken, worinn wir die verschiedenen Arten der realen Verhaͤltnisse durchgangen haben, umstaͤnd- lich angegeben, und koͤnnen daher hier desto kuͤrzer davon handeln. Um bey dem naͤchst vorhergehenden Hauptstuͤcke anzufangen, so erhellet aus dem daselbst gesagten, daß uͤberhaupt jedes empfindbare Ac- cidens ein Zeichen eines dabey zum Grunde lie- genden Substantialen seyn koͤnne, (§. 625. 650. 651.). Zeichen und Bedeutungen. 651.). Es ist demnach unnoͤthig hier zu wiederholen, was wir daselbst (§. 626. seqq. ). Ueber die Art, von dem Accidens auf das Substantiale zu schließen, gesaget haben. Hingegen ist weder ein Accidens noch eine Substanz schlechthin ein Zeichen eines Accidens, wenn naͤmlich dieses auf eine determinirte Art genommen wird. Denn da die Accidenzen nicht alle wesentlich sind (§. 631.), so kann man auch nicht so unbedingt von dem Daseyn des einen auf das Daseyn des andern, und so auch nicht von dem Da- seyn der Substanz auf das Daseyn des Accidens ei- nen Schluß machen, und folglich auch nicht noth- wendig erstere als ein Zeichen des letztern ansehen, (§. 650.). Soll aber dieser Schluß ganz oder doch zuweilen angehen, so muß man sich voraus versichern: 1°. Ob das vorgegebene Accidens der vorgegebe- nen Substanz bestaͤndig, oder 2°. Wenigstens zuweilen anhaͤngig sey? 3°. Ob die beyden vorgegebenen Accidenzen, deren eines das Zeichen des andern seyn solle, in einer- ley Substanz wesentlich sey? oder 4°. Wenn nur eines wesentlich ist, ob das andere in eben der Substanz vorkomme? Koͤmmt von diesen vier Faͤllen einer vor, so laͤßt sich von Zeichen und Bedeutungen reden, und zwar im ersten und dritten Falle nothwendig, im zweyten und vierten Falle mit einem bestimmten Grade von Wahr- scheinlichkeit. Sind hingegen beyde Accidenzen an sich mit einander verbunden, so daß eines dem an- dern wesentlich anhaͤngig ist (§. 645. 619.), so ist eines ein Zeichen des andern, ohne Ruͤcksicht auf die Substanz, in welcher sie vorkommen. Sind sie aber nicht nothwendig weder unter sich noch mit einer Sub- stanz XXI. Hauptstuͤck. stanz verbunden, sie kommen aber doch zuweilen in einerley Substanz vor, so sind die Accidenzen, und so auch die Substanz, nur solche Zeichen von einander, die einen bestimmten und oͤfters sehr geringen Grad von Wahrscheinlichkeit haben. Dieses alles geht nun auf das zugleich da seyn. Denn sind die Ac- cidenzen entweder an sich einander widersprechend, oder sie koͤnnen in einer vorgegebenen Substanz nicht zugleich beysammen seyn, so ist immer das Daseyn des einen ein Zeichen von dem Wegseyn des andern. Man kann sich hiebey leicht noch den Fall gedenken, wo man von dem Wegseyn des einen auf das Daseyn des andern einen Schluß machen kann. Dieser wird nothwendig seyn, wenn außer den beyden Accidenzen kein drittes ist. Hingegen ist er nur wahrscheinlich, wo statt beyder noch andere seyn koͤnnen. Endlich laͤßt sich auch der Fall gedenken, wo eines das an- dere nach sich zieht, weil auch in diesem Falle nicht beyde zugleich sind. Da aber dieses wirkende Ursa- chen voraussetzet, so gehoͤret das, was hieruͤber ge- saget werden kann, in die andere Classe von Zeichen. §. 660. Man kann naͤmlich jede Wirkung als ein Zeichen der Ursache ansehen, (§. 584. 650.). Und da hin- gegen jede uͤberwiegende Kraft, und so auch jede nicht verhinderte Ursache ihre Wirkung aͤußert und hervor- bringt, so kann man auch unter dieser vorausgesetz- ten Bedingung, die Ursache als ein Zeichen der er- folgenden Wirkung ansehen. Die Kraft naͤmlich, muß uͤberwiegend seyn, oder nicht verhindert werden. Solche Kraͤfte kommen nun in der Natur allerdings vor, und groͤßere Wirkungen bereiten sich mehren- theils eine Zeit lang vor, und ihre Folgen dauern auch Zeichen und Bedeutungen. auch laͤnger, und vermengen sich in den allgemeinen Lauf der Dinge. Hingegen ist diese Vorbereitung nicht immer sichtbar. Denn so hat man, meines Wissens, noch kein Zeichen oder Spur der Vorbe- reitung zu einem bevorstehenden Erdbeben ausfuͤndig gemacht, ungeachtet kaum zu zweifeln ist, daß die wirkenden Ursachen dabey sich nicht nach und nach aufhaͤufen sollten, bis endlich die Sache zum Aus- bruche koͤmmt, (§. 285. N°. 8. §. 220. N°. 4.). §. 661. Findet man nun aus der Erfahrung, daß eine Sa- che oder Veraͤnderung immer oder wenigstens die mei- sten male auf eine andere folge (§. 655.), so kann die eine als ein Zeichen von der andern angesehen wer- den, und welche davon man in jedem Falle vor sich findet, so laͤßt sich mit voͤlliger oder wenigstens mit einem bestimmten Grade der Gewißheit auf die an- dere schließen. Wie fern hingegen eine die Ursache der andern sey, oder ob sie eine gemeinsame Ursache haben (§. 658.), das ist eine andere Frage. So fern man aber wirklich beyde etwas umstaͤndlicher kennet, kann man sie nach den oben (§. 593. seqq. ) angege- benen Erfordernissen und Kennzeichen der Ursachen mit einander vergleichen. Die Bedingungen, daß die Wirkung der Ursache aͤhnlich sey (§. 593.), daß in der Wirkung nicht mehr seyn koͤnne, als in der Ursache (§. 594.), daß die voͤllige Wirkung den ge- sammten wirkenden Kraͤften gleich, und von einerley Form sey (§. 596.), daß die Wirkung nicht besser sey, als die Ursache (§. 597.), daß die Ursache der Wir- kung vorgehe (§. 598.) ꝛc., koͤnnen hiebey allerdings dienen, um zu sehen, ob von den zwo vorgegebenen Sachen eine die Ursache der andern sey, ob sie die voͤllige XXI. Hauptstuͤck. voͤllige Ursache, oder nur zum Theil oder gar nicht sey? ꝛc. Man verfaͤhrt hiebey eben so, als wenn man vermittelst einer Analogie die Ursache suchet (§. 599. seqq. ), und das in dem §. 608. von den Ur- sachen des Blitzes gegebene Beyspiel mag auch hier zur Erlaͤuterung dienen. Denn die Analogie ge- braucht man mehrentheils nur, um auf eine wahr- scheinlichere Art die Ursache zu vermuthen, (§. 605.). Eine solche Vermuthung aber hat hier ebenfalls statt, und in beyden Faͤllen kann die (§. cit. ) erwaͤhnte Re- gel Falsi gebraucht werden. §. 662. Wir koͤnnen die Begriffe der Theile und des Gan- zen (§. 578. seqq. ), als die dritte Classe von Zeichen und bedeuteten Sachen ansehen. Der Begriff eines Ganzen gehoͤret nun uͤberhaupt mit zum existiren koͤnnen einer Sache, (§. 467. 465. 530.) Wenn man demnach einzelne Theile findet, von denen man weiß, daß sie irgend zu einem Ganzen gehoͤren, und ohne dasselbe nicht vorkommen, so kann man erstere als ein Zeichen desselben ansehen, (§. 579. 650.). Man sieht aber leicht, wie wir es oben (§. 583.) an- gemerket haben, daß hiezu eine vorlaͤufige Kenntniß der Sache erfordert werde. §. 663. Es lassen sich aber außer den oben (§. 580.) ange- gebene Arten von Ganzen, die wir im vorhergehen- den bereits unstaͤndlicher betrachtet haben, noch die Eintheilungen derselben in Absicht auf die Zeit an- geben, wodurch ebenfalls specialere Bestimmungen, Merkmale und Zeichen erhalten werden. Und da haben wir 1°. Ganze, Zeichen und Bedeutungen. 1°. Ganze, deren Theile zugleich sind, und fort- dauern. 2°. Ganze, deren Theile auf einander folgen. 3°. Ganze, wobey beydes zusammen vorkoͤmmt. Von diesen Classen geht die erste auf den Behar- rungsstand, und folglich auf das fortdauernde Gleich- gewicht der Kraͤfte, womit die Theile verbunden sind. Die andere Classe aber setzet ein Uebergewicht von Kraͤften, die von außen her dazu kommen, und folg- lich Ursachen und Wirkungen voraus. Bey der dritten aber sind beyde Umstaͤnde vermenget. §. 664. Da nun in der wirklichen Welt keine Wirkung ganz aufhoͤret, sondern sogleich wiederum zur wir- kenden Ursache wird, und sich mehrentheils auf die angraͤnzenden Dinge verbreitet; so hat man hiebey eigentlich Reihen von Ursachen und Wirkungen, die nicht aufhoͤren, und daher, an sich betrachtet, nie zu einem Ganzen werden. So strenge aber nehmen wir hier die Sache nicht, sondern merken nur an, daß wir gewoͤhnlich als ein Ganzes ansehen, was nur in einer gewissen Absicht oder verhaͤltnißweise ein solches ist. Und in diesem Verstande laͤßt sich dabey Anfang und Ende gedenken, wenn man dieses nicht so absolut, sondern verhaͤltnißweise nimmt, wie wir es oben (§. 492.) angemerket haben. Die naͤhere Moͤglichkeit dieses Verfahrens gruͤndet sich auf die erst erwaͤhnte Verbreitung der Wirkung, oder auf ihr Uebergehen in die naͤchst angraͤnzende Dinge. So z. E. hat ein Ungewitter allerdings seine Ursachen in den vorhergehenden Umstaͤnden der Witterung, und einen Einfluß in die folgenden. Dessen uner- Lamb. Archit. II. B. T achtet XXI. Hauptstuͤck. achtet aber setzen wir demselben einen Anfang und Ende. Wir bemerken, wie es sich zusammenzieht, ob es sich vertheilet oder wegzieht, und wenn dieses nicht ist, so sehen wir den ersten Donnerschlag, als den An- fang, und den letzten, als das Ende an. Ueber- haupt rechnen wir zu solchen Ganzen die Vorberei- tung, den wirklichen Erfolg und die Vollendung der Sache. Sofern nun dieses nach ordentlichen Ge- setzen der Natur, und ohne viele sich mit einmengende fremde Umstaͤnde vor sich geht, da laͤßt sich durch forg- faͤltiges beobachten der Verlauf der Sache stuͤck- weise erkennen, und man lernet dadurch die Ordnung, wie eines auf das andere folget, und daher eines ein Zeichen des andern ist. Auf diese Art suchet der Arzt sich den Verlauf jeder Krankheit, und die Aen- derungen und Symptomata, die auf jede Arzney fol- gen, sich umstaͤndlich bekannt zu machen, und dieses giebt ihm ein solches Ansehen, daß wenn der Kranke nach seinem Voraussagen stirbt, man mehr auf ihn haͤlt, als wenn er seiner Aussage zuwider aufgekom- men waͤre. §. 665. Eine Wirkung wird fuͤr vollendet angesehen, wenn die Sache in dem Zustande beharret, in wel- chen sie durch die wirkende Kraͤfte der Ursache gesetzet worden ist. Denn soll sie weiter gebracht werden, oder ist es dadurch zu weit damit gekommen, so muͤs- sen neue Kraͤfte darauf verwendet werden, im ersten Falle, um das, was man suchet, noch voͤlliger zu erhalten, im andern aber um das, was zu viel war, wiederum gut zu machen, beydes, wenn und so fern es angeht. Hat man aber dabey keine Absicht, oder die Wirkung geht ohne unser Zuthun in der Natur vor, Zeichen und Bedeutungen. vor, so nehmen wir die Sache so weit sie reichet, und die Wirkung ist, wenigstens bis auf neue sich aͤu- ßernde Umstaͤnde zu Ende, wenn die dadurch geaͤn- derte Sache so bleibt und zu bleiben fortfaͤhrt. So endet sich etwann ein Ungewitter auf die Art, daß noch Stoff da ist, daß es den folgenden Tag wieder komme. Und so bleibt man auch nach einigen Er- schuͤtterungen eines Erdbebens ungewiß, ob nicht noch einige Stoͤße kommen werden. So hoͤret auch etwann eine Krankheit mit der Besorgniß der Wie- derkehr auf. Man sieht leicht, daß bey allem die- sem besondere Zeichen oder Kennzeichen erfordert werden, wenn man von der gaͤnzlichen Endigung sich voraus und voͤllig versichern will. Man hat sich daher auch in vielen Faͤllen bemuͤhet, Proben aus- fuͤndig zu machen, wodurch man sich davon versichern kann, und solche Proben sind immer gewissermaßen Zeichen, und wenn man den Grund davon nicht weiß, schlechthin nur Zeichen von der Sache. §. 666. Da der Anfang und das Ende in solchen Ganzen, deren Theile auf einander folgen, relativ ist; so kann zwar ein solches Ganzes fuͤr sich betrachtet werden, es ist aber dennoch nicht immer so sehr von allem Vor- und Nachgehenden, und so auch nicht von allem, was zugleich mit vorgeht, unabhaͤngig, daß nicht auch dabey Zeichen sollten koͤnnen gedacht werden, wodurch von dem einen auf das andere der Schluß gemacht werden kann. Und da giebt es sehr viele Wirkungen in dem Laufe der Natur, die nicht an- ders, als nach bereits vorgegangenen andern Wir- kungen erfolgen, und die hinwiederum, nach dem sie in einer Sache oder an einem Orte vorbey sind, sich T 2 in XXI. Hauptstuͤck. in andern Sachen oder an andern Orten auf eine merkliche Art aͤußern. So zieht sich bey einem Kran- ken ein Uebel oͤfters in dem Leibe herum, wenn es durch die Arzeneyen weder ganz vertheilet noch weg- geschafft, sondern nur von dem Orte, da es war, vertrieben wird. Jn der Natur geschieht dieses be- sonders in Absicht auf diejenigen Kraͤfte, die, wenn sie schon angewandt sind, und ihre Wirkung in einer Sache gethan haben, theils sich aufs neue wiederum aufhaͤufen, theils auch in solche Materien uͤbergehen, wo sie zu neuen Wirkungen bereits zubereiteten Stoff finden. §. 667. Jns besondere aber, da man die Endigung einer Wirkung aus dem Beharrungsstande der Sache schließt (§. 665.), hat man darauf zu sehen, wie sich dieselbe dem Beharrungsstande naͤhert. Wir haben bereits oben (§. 558. 561.) in Absicht auf alle drey Arten von Kraͤften angemerket, daß dieses entweder oscillationsweise oder asymtotenweise geschieht. Jm ersten Falle naͤhert sie sich gewoͤhnlich anfangs lang- samer und nachgehends dergestalt geschwinder, daß sie gleichsam von einem Excesse zu dem andern uͤber- geht, und sodann von diesem wiederum zu jenem zu- ruͤcke kehret, bis sie sich nach und nach, und wenn nicht neue Ursachen inzwischen hinzukommen, ergiebt. Auf diese Art wechseln oͤfters starke Sturmwinde aus entgegengesetzten Gegenden mit einander ab, und auf ein starkes und schnelles Steigen des Barometers erfolget, besonders zu Winterszeit bald ein starkes und schnelles Fallen, und hinwiederum auf dieses jenes. So mag es auch nach lange anhaltendem Regen- wetter einige helle Tage geben. Wenn aber dadurch noch Zeichen und Bedeutungen. noch zu viel Feuchtigkeit auf dem Lande ist, so dienen sie gleichsam nur zur Erzeugung neuer Wolken, und dieses wechselt so ab, bis sich die zu viele Feuchtig- keit durch den ordentlichen Lauf der Fluͤsse in das Meer gezogen. Naͤhert sich aber die Sache dem Beharrungsstande immer langsamer und gleichsam asymtotenweise, so hat es auch ordentlich dabey sein Bewenden, daferne nicht neue Ursachen hinzukom- men, und den Gang der Sache aͤndern. Auf diese Art z. E. koͤmmt man nach ausgestandenen langen Krankheiten am dauerhaftesten wiederum zu Kraͤften. Wer hingegen, und auch bey gesunden Tagen, mit einem Male, oder gleichsam zusehens fett und stark wird, hat sich gewoͤhnlich darauf nicht viel zu gute zu halten, weil es aus Ursachen geschieht, die dem ordentlichen Laufe der Natur nicht gemaͤß sind, und die etwas aufhaͤufen, das zur Krankheit bald reif wird. So wird ein Funke vor dem Erloͤschen glaͤn- zender, und so koͤmmt auch im Moralischen, Hoch- muth vor dem Falle, und Sorglosigkeit vor dem Fehler. §. 668. Bey denen Ganzen, deren Theile zugleich sind (§. 663.), kann ebenfalls ein Theil ein Zeichen eines andern, oder auch ein Zeichen des Ganzen seyn, wenn dieses nicht an sich schon in die Sinnen faͤllt. Wir muͤssen aber hieruͤber die Anmerkung machen, daß es so zu reden, Ganze in Ganzen giebt, und daß folglich ein Ganzes, in welchem ein anderes ist, gar wohl in die Sinnen fallen kann, ohne daß deswegen dieses letztere Ganze zugleich mit und durchaus in die Sinnen falle. So z. E. machet in dem Menschen eine innerliche Krankheit an sich ein Ganzes aus, T 3 welche XXI. Hauptstuͤck. welche von dem Menschen an sich oder uͤberhaupt be- trachtet verschieden ist, und wovon sich aͤußerlich kaum einige Symptomata zeigen. Die Gaben des Verstan- des und des Gemuͤthes werden ebenfalls als solche Ganze betrachtet, die eben nicht nothwendig die Bil- dung des Leibes und Gesichtszuͤge zum Maaßstabe haben, ungeachtet sich zuweilen eine merklichere Verhaͤltniß dazwischen findet, und oͤfters hat das aͤußere Ansehen und Lineamente etwas durchaus einfaches, wo die Natur alle Erkenntniß und Ge- muͤthskraͤfte in dem schicklichsten Ebenmaaße ausge- bildet hat. §. 669. Es haben aber solche Ganzen, die in andern sind, ungeachtet sie fuͤr sich betrachtet werden koͤnnen, im- mer etwas relatives, und sie sind mit dem uͤbrigen in einer Verbindung, die eben nicht durchaus die Wahl laͤßt, wie viel oder wie wenig man dazu rech- nen wolle. Oefters weiß man dieses auch nicht so genau, und daher nimmt man wenigstens einige Haupttheile zum Kennzeichen, und suchet sodann in jedem Falle, die besonders hinzukommende Bestim- mungen besonders auf, um zu sehen, wie viel, und wie sie der Art und dem Grade nach beschaffen sind. So verfaͤhrt man bey den erst angefuͤhrten Beyspielen der Krankheiten, der Talente und Ge- muͤthsart eines Menschen. Auf eine aͤhnliche Art dehnet sich auch der Gebrauch der Zeichen, daß in einem Berge Metalle und Mineralien seyn muͤs- sen, nicht weiter als auf dieses Allgemeine aus, und man suchet die naͤhern Umstaͤnde durch das Nachgraben zu entdecken. §. 670. Zeichen und Bedeutungen. §. 670. Besonders aber hat man bey solchen Ganzen, die in andern gleichsam verstecket sind, und aͤußerlich kaum einige Spuren zeigen, darauf zu sehen, ob diese aͤußerlichen Anzeichen etwas fortdauerndes, wesent- liches, natuͤrliches, nothwendiges haben, oder ob sie nur gelegentlich, zufaͤlliger Weise aus Ursachen her- ruͤhren, die in der Sache selbst ganz fremd sind, und daher auch nicht laͤnger dauern. Wir haben diesen Fall bereits oben (§. 597.), bey Anlaß des Satzes, daß die Wirkung nicht besser sey, als die Ursache, betrachtet, und die daselbst angefuͤhrten Beyspiele moͤgen auch hier zur Erlaͤuterung dienen. Wir mer- ken noch mit an, daß diese Anmerkung desto noth- wendiger ist, je oͤfters man wider dieselbe verstoͤßt, und gar zu leicht von Umstaͤnden und Zufaͤlligkeiten, die man ein einiges mal an einer Sache wahrgenom- men, auf ihre wesentliche Art und Natur schließt. Daß man ex vngue leonem, an der Klaue den Loͤ- wen erkennen koͤnne, ist an sich richtig. Man muß sich aber in besondern Faͤllen versichern, daß es wirk- lich eine Klaue, das will sagen, ein dem Loͤwen we- sentlich anhangender Theil sey. Denn sonst laͤßt sich auch aus dem Schafspelze, der darunter versteckte Wolf erkennen, weil ihn nicht die Natur damit be- kleidet hat. §. 671. Zu diesem erst betrachteten Bestaͤndigen koͤnnen wir noch das Haͤufige rechnen, welches ebenfalls ein sichereres Zeichen von Ganzen ist. So z. E. machet man aus einem irgend gefundenen Stuͤckchen Erzte oder Muͤnze nicht sogleich den Schluß, daß daselbst T 4 in XXI. Hauptstuͤck. in der Erde Metalle oder Schaͤtze seyn muͤssen. Es kann aus tausend guten Gruͤnden allein da gewesen seyn. Das deutsche Spruͤchwort, daß eine Schwal- be noch keinen Sommer machet, zielet ebenfalls da- hin, daß man von einem nicht auf das schließen soll, was, wenn es da ist, etwas Haͤufiges mit sich bringt. Das oben (§. 597.) angefuͤhrte quandoque et olitor vera locutus zeiget ungefaͤhr eben das an. §. 672. Trifft man aber solche Zeichen, die in mehrern Theilen eines Ganzen vorkommen, haͤufiger an, so faͤngt man natuͤrlicher Weise an, etwas Allgemeine- res zu vermuthen, und wird dadurch zum Nachsuchen veranlasset, besonders, wo es von Folgen seyn kann. So z. E. lassen sich etwann die ersten Spuren einer einreißenden allgemeinen Krankheit, der Contagion und Pest, die im Finstern schleicht, der Verderbniß der Sitten ꝛc. bemerken. So vermißt man etwann, bey genauerm beobachten, haͤufiger solche Stuͤcke, die zu einem physischen oder moralischen realen, po- sitiven Ganzen nothwendig gehoͤren sollten, und sieht die Luͤcken mit anderm ausgefuͤllet (§. 579.), welches dem Fortdauern ein Ende machen kann. §. 673. Wenn man das Ganze, zu welchem ein gefunde- ner Theil gehoͤret oder gehoͤren kann (§. 670.), nur uͤberhaupt kennet (§. 669.), und daher sehen will, ob die uͤbrigen dazu gehoͤrenden Theile mit da sind, so kann man dabey auf verschiedene Art verfahren. Denn einmal lassen sich von diesen gesuchten Theilen etwann Zeichen und Bedeutungen. etwann Spuren, Anzeichen, Folgen, Wirkungen ꝛc. finden, oder man stellet daruͤber Proben an, oder sieht sich um die Stelle um, wo sie seyn sollten, und suchet, ob sie da sind, oder ob die Luͤcke mit etwas anderm ausgefuͤllet sey ꝛc. Man sieht leicht, daß alles dieses voraussetzet, man habe sich das Ganze und seine Theile uͤberhaupt genau bekannt gemacht. Da dieses nun in jedem Falle specialere Kenntnisse erfordert, welche oͤfters einen großen Theil der ge- waͤhlten Lebensart eines Menschen ausmachen, so geben auch die bisher gemachte Anmerkungen nur die allgemeineren Arten der Moͤglichkeiten und Leitfaͤden an, denen man in besondern Faͤllen zu folgen hat. §. 674. Wir koͤnnen diejenigen Zeichen, wodurch uͤber- haupt nur Grade angezeiget werden, als die vierte Classe ansehen. Diese finden sich demnach da, wo die Dinge entweder den Graden nach verschieden sind, und so bleiben, oder wo sie sich den Graden nach ver- aͤndern. Hiebey ist nun oͤfters etwas absolutes, wie z. E. bey der Laͤuterung des Silbers auf der Capelle, wo der sogenannte Blick das Zeichen der voͤlligen Laͤuterung und Scheidung des Silbers vom Bley und Kupfer ist. Zuweilen verlanget man auch nur den Grad so, wie er ist, zu wissen, oder die Sache bis dahin zu bringen, und da werden in Ermangelung von Maaßstaͤben und Jnstrumenten, ebenfalls ge- wisse zuverlaͤßige Zeichen aufgesuchet, die man in be- sondern Faͤllen mehrentheils nur durch Versuche und wiederholte Beobachtungen findet. T 5 §. 675. XXI. Hauptstuͤck. §. 675. Sofern nun dasjenige, dessen Grade man durch Zeichen kenntlich machen will, eine wirkende Ursache ist, so sind jede Dinge, worinn sie ihre Wirkung nach ihren Stufen sichtbar oder empfindbar aͤußert, dazu dienlich, die Unterschiede dieser Grade anzuzei- gen. Man nimmt aber gewoͤhnlich solche dazu, die bey dem gewaͤhlten oder vorgegebenen Grad eine be- merkbare Veraͤnderung leiden. Z. E. man laͤßt et- was auf dem Feuer bis es nicht mehr rauchet, bis es eingesotten, geschmolzen, so lang es gebraucht, ein Ey hart zu sieden ꝛc. Jm Winter schließt man von den Graden der Kaͤlte aus dem Zufrieren der ste- henden und fließenden Wasser, aus dem Bersten der Baͤume ꝛc. die dauerhafte Waͤrme des Fruͤhlings aus dem Ausschlagen des Maulbeerbaumes, welcher von der Art zu seyn scheint, daß die Waͤrme sich bis ganz unter seine Wurzel in die Erde dringen, und so tief einen gewissen Grad haben muß, ehe der Saft in denselben eindringen und steigen kann. Wenn aber das Erdreich einmal so tief erwaͤrmt ist, so moͤgen ein paar Regentage zwar die oberste Flaͤche des Bodens erkaͤlten, aber ohne, daß es von Dauer waͤre ꝛc. Uebrigens sind die meisten von diesen Zeichen der Waͤrme und Kaͤlte von der Art, daß sie mit andern Umstaͤnden in Verbindung ste- hen, und daher von dem, was das Thermometer zeiget, verschieden sind. §. 676. Da ferner die Ursache der Wirkung immer vor- geht, so zeigen solche Zeichen nicht genau den Grad, den die Ursache in dem Augenblicke hat, sondern einen andern, Zeichen und Bedeutungen. andern, den sie fruͤher gehabt hat, es mag nun viel oder wenig fruͤher gewesen seyn. Dieses hat beson- ders statt, wo sich die Wirkung etwas langsamer fortpflanzet, und sich nur nach und nach aufhaͤufet. So z. E. wird ein Thermometer, welches eine klei- nere Kugel hat, von Morgen bis Nachmittag hoͤher, und nachgehends tiefer stehen, als ein anderes, des- sen Kugel groͤßer ist, und dieses letztere wird den hoͤchsten Grad, zu welchem jenes gestiegen, nicht ganz erreichen, und aus gleichem Grunde bis auf den folgenden Morgen nicht so tief fallen, als das erstere, wenn auch beyde uͤbrigens durchaus in einer- ley Luft, Ort und Umstaͤnden sind. Auf eine aͤhn- liche Art hat das Wasser den Grad der Kaͤlte zum Frieren eine Zeitlang ehe es gefriert, so wie es auch hinwiederum, ehe es schmelzt, den Grad der Waͤrme dazu fruͤher und staͤrker, als beym Ein- frieren haben muß. §. 677. Endlich laͤßt sich uͤberhaupt der Schein als ein Zei- chen von etwas darunter liegendem Realen ansehen, es mag nun dieses Reale das seyn, was der Schein an sich betrachtet anzeiget, oder statt dessen etwas an- deres, dem der Schein nur zum Blendwerke dienet. Da ich diese Materie in der Phaͤnomenologie beson- ders abgehandelt, so werde ich sie hier ganz uͤberge- hen, und nur anmerken, daß, da die natuͤrlichen Zeichen in die Sinne fallen sollen (§. 651.), eigentlich auch nur der sinnliche Schein (Phaͤno- menolog. Cap. 3.) vornehmlich Stoff giebt, wel- cher auf eine naͤhere Art mit den Zeichen verglichen werden kann. §. 678. XXI. Hauptst. Zeichen u. Bedeutungen. §. 678. Ein Zeichen ist uͤberhaupt ein Principium cogno- scendi, und bezieht sich auf ein denkendes Wesen, welches sich die Verbindung zwischen dem Zeichen und der dadurch bedeuteten Sache wenigstens uͤber- haupt vorstellet, um aus jenem auf diese zu schließen. Es dienet demnach in so fern zur wissenschaftlichen Er- kenntniß, als das Bewußtseyn dieser Verbindung jedesmal ein Datum ersparet (§. 15.), und nach dem ordentlichen Lauf der Dinge gehen die Zeichen der wissenschaftlichen Erkenntniß unmittelbar vor. Ein Volk, welches nach seiner ersten Dummheit anfaͤngt, auf Zeichen zu merken, und sie aufzusuchen, hat nur noch einen Schritt mehr zu thun, um auf ihre Ver- bindung zu merken, und durch diese Kenntniß die truͤglichen Zeichen von den zuverlaͤßigen unterscheiden zu lernen. Es koͤmmt auf den Einfall an, daß bey zuverlaͤßigen natuͤrlichen Zeichen in der Sache selbst etwas zum Grunde liege, welches man aufsuchen muͤsse, und dazu haben in den neuern Zeiten Baco und Cartesius den Weg gebaͤhnet, und man kann sagen, ersterer auf eine positive, letzterer auf eine negative Art, (§. 6.). Vierter Vierter Theil. Die Groͤße . Zwey und zwanzigstes Hauptstuͤck. Das Allgemeine der Groͤße. §. 679. D as Bishergesagte betrifft uͤberhaupt das, was wir die Beschaffenheit nennen koͤnnen, so fern wir diese der Groͤße entgegen setzen. Wir werden demnach nun die Einheit, die damit verwandten Begriffe, und was davon abhaͤngt, besonders vornehmen, und die Dinge, oder uͤberhaupt das Gedenkbare in Absicht auf die Groͤße betrachten. Man wird aus dem §. 56. sehen, daß diese Betrach- tung die zweyte Columne der in dem §. 53. vorgeleg- ten Tabelle, und demnach uͤberhaupt das betrifft, was wir daselbst (§. 56.) die allgemeine Mathesis und das Organon quantorum genennet haben. Damit werden wir uns nun in diesem und folgenden Haupt- stuͤcken beschaͤfftigen, und hier damit anfangen, diese beyden Begriffe ausfuͤhrlicher zu entwickeln, wohin folgende Anmerkungen dienen, die wir voraus schicken. §. 680. Es ist in der gelehrten Welt laͤngst schon uͤblich, die sogenannte angewandte Mathesin je laͤnger je mehr mit neuen Theilen zu bereichern, und die Schwie- XXII. Hauptstuͤck. Schwierigkeiten, die man dabey findet, in Ansehung jeder Dinge zu bestimmen, wie sie ihrer Groͤße nach ausgemessen und mit einander verglichen werden koͤn- nen, machet, daß es damit eben nicht so geschwinde zugeht, als man es wuͤnschen koͤnnte. Es ist bisher auch groͤßtentheils nur in einigen Theilen der Physic gelungen, und diese Beyspiele haben gelehret, daß die Kenntniß der Sache viel genauer und umstaͤnd- licher seyn muͤsse, wenn man dadurch in Stand ge- setzt seyn solle, Ausmessungen dabey vorzunehmen. Man hat auf der andern Seite auch betraͤchtliche Vortheile dabey gefunden, weil man durch die Kennt- niß der Groͤße das zu viel und zu wenig, welches gemeiniglich alles verderbt, vermeiden, und das, was man hat, suchet, brauchet ꝛc. nach geometrischer Schaͤrfe genau bestimmen kann. §. 681. Aus diesen und andern solchen Betrachtungen hat man angefangen, in der menschlichen Erkenntniß einige Stufen zu unterscheiden, und zwischen der historischen, philosophischen und mathemati- schen Erkenntniß eine Rangordnung feste zu setzen, (§. 455.). Man kann hieruͤber nachsehen, was Wolf in seinen beyden Vernunftlehren, und besonders auch Bilfinger in einer Dissertation, die eigentlich diese Untersuchung zum Gegenstande hat, hieruͤber saget. An den Namen dieser drey Stufen hat man sich nicht aufzuhalten. Sie sind in Ermangelung anderer, die genauer passen koͤnnten, gewaͤhlet worden. Die hi- storische Erkenntniß nimmt die Dinge, wie sie die Sinnen und Erfahrungen angeben. Die Philosophi- sche suchet ihren Zusammenhang, Verbindung, Ursa- chen und Gruͤnde dazu auf. Die Mathematische aber Das Allgemeine der Groͤße. aber bestimmt bey allem diesem das genaue Maaß von ihrer Groͤße, und daher besonders auch das zu- reichende dabey. Wir koͤnnten die beyden letztern Erkenntnisse zusammengenommen, wissenschaftlich nennen, und so haben wir sie auch in dem letzten Hauptstuͤcke der Dianoiologie betrachtet, und theils ihren Unterschied und Vorzug vor der gemeinen oder bloß historischen Erkenntniß gezeiget, theils auch angegeben, was zu thun sey, wenn man Stuͤcke der gemeinen Erkenntniß in eine wissenschaftliche ver- wandeln will. Sofern man aber die philosophische Erkenntniß der mathematischen entgegen setzet, da abstrahirt man bey der erstern von allem, was Groͤße und Ausmessung heißt, und machet gleichsam aus dem Philosophen das, was man purus putus Philo- sophus nennet, und eben so wird auch der Mathema- tiker eingeschraͤnket, wenn man demselben nichts als die bloße Groͤße zu betrachten uͤberlaͤßt, und ihm außer der Rechenkunst und Analyse nichts zur An- wendung seiner Erkenntniß uͤberlaͤßt. §. 682. Dieser Unterschied findet sich zuweilen bey den Ge- lehrten ziemlich wirklich. Man findet etwann Phi- losophen ohne alle Kenntniß der Mathematik, und hinwiederum Mathematiker ohne philosophische Er- kenntniß. Das Phaͤnomenon, das sich dabey ge- woͤhnlich eraͤugnet, ist nicht nur, daß es keinem recht gelingt, wenn er sich in das Gebieth des andern hin- ein waget, sondern, daß einer den andern zuruͤcke weiset, und daß die Luͤcken, die der eine in der Er- kenntniß des andern ausfuͤllen sollte, unausgefuͤllet bleiben, und damit ist weder der Philosophie noch der Mathematik, der Wahrheit aber durchaus nicht gedienet. XXII. Hauptstuͤck. gedienet. Es koͤmmt dabey oͤfters so heraus, daß man glauben sollte, das philosophisch Wahre, sey mathematisch falsch, und hinwiederum das mathe- matisch Wahre philosophisch falsch, ungefaͤhr, wie wenn eine Wahrheit die andere umstoßen muͤßte. §. 683. Bey diesen Ungereimtheiten liegt es nun aller- dings nicht daran, daß die philosophische und ma- thematische Erkenntniß weder mit einander verglichen noch verbunden werden sollten. Denn sie sollen es seyn, und man wird der philosophischen Erkenntniß nicht den Namen einer voͤllig wissenschaftlichen Erkenntniß beylegen koͤnnen, wenn sie nicht durch- aus zugleich mathematisch ist. Man kann außer dem, was wir in dem dritten Hauptstuͤcke der Ale- thiologie (§. 130-134.) hieruͤber gesaget haben, be- sonders das oben (§. 452-462.) hieruͤber angemerkte nachsehen, und man wird die mathematische Erkennt- niß bey der philosophischen unentbehrlich, und durch- aus und leicht anwendbar finden, so ofte aus der letz- tern alle Verwirrung weggebracht ist. Denn die einfachen Bestimmungen, die der Philosoph aufzusuchen hat, wenn er zur netten und voͤlli- gen Deutlichkeit gelangen will, sind eben die- jenigen, welche der Mathematiker als Dimen- sionen gebraucht, und gebrauchen kann, so bald sie ersterer gefunden, (§. 455.). Man sehe auch (§. 569. 591.). §. 684. Sodann liegt es auch nicht daran, daß der Phi- losoph nicht auch seine Betrachtung auf das erstrecken koͤnne, was eigentlich in das Gehieth der Mathe- matik Das Allgemeine der Groͤße. matic gehoͤret. Denn die Meßkunst hat bis derma- len noch immer dem Philosophen Stoff gegeben, seine Theorie von allem, was Methode heißt, zu berei- chern und auszubessern. Wir haben bisher den Euclid sehr oft und nicht anders, als in dieser Ab- sicht angefuͤhret. Man wird auch zu dem in dem (§. 455.) angefuͤhrten Beyspiel der Schwere, in der Physic und Mathesi adplicata noch leicht mehrere fin- den, welche zeigen, daß der Mathematiker dem Philosophen nicht selten Stoff angiebt, ohne welchen dieser kaum wuͤßte, was er zu suchen hat, und daß sich letzterer des erstern Verfahren zur Regel machen kann, (§. 611.). §. 685. Hingegen ist man in der Philosophie anders ver- fahren. Wolf machte sich eine Ehre daraus, daß er die Euclidischen Grundsaͤtze erweisen koͤnnen. Es hat aber einmal nur die betroffen, an deren Deut- lichkeit, Evidenz und Wahrheit noch kein Mensch den geringsten Zweifel und Anstand gefunden. Hin- gegen von dem eilften Euclidischen Grundsatze, den man sich mit mehrerer Muͤhe und weniger Evi- denz als wahr vorstellet, war bey diesem Ruͤhmen nicht die Rede. Und die Art, wie Wolf mit Zu- ziehung des philosophischen Begriffes der Aehnlich- keit diese Schwierigkeit vermeiden, und die Geome- trie anders vortragen wollen, hat wenig Beyfall ge- funden. Von den uͤbrigen Grundsaͤtzen aber kam der ganze Beweis darauf an, daß Wolf die Defi- nitionen so einrichtete, daß sie sich daraus beweisen ließen, (§. 11. 21. seqq. ). Es war dabey vergessen, daß man keiner Worterklaͤrung bedarf, wo man die Sache unmittelbar selbst vorzeigen kann, (§. 26.). Lamb. Archit. II. B. U So- XXII. Hauptstuͤck. Sodann fielen diese Worterklaͤrungen auch nicht im- mer so genau und richtig aus. Man sehe, was wir (§. 541. 565.) uͤber die Definition des Raumes und der Groͤße angemerket haben. Doch kann man sa- gen, daß Wolf noch einiger Maaßen in Schranken geblieben, darinn ihn die Kenntniß, die er von der Mathematic hatte, zuruͤcke hielt. Man nehme hin- gegen Definitionen und Saͤtze von folgender Art, Minimum est solo nihilo maius; maximum est solo nihilo minus; vnitas minima est, si paucissimae mi- nimae determinationes vnici minimi sint insepara- biles \&c. und uͤberhaupt den ganzen sechsten Abschnitt der Baumgartischen Ontologie (Metaph. §. 165-190.) zum Beyspiele, so wird man beynahe glauben muͤs- sen, das philosophisch richtige sey mathematisch un- richtig und hinwiederum. Denn in der That lehret man in der Metaphysic, daß sich das Etwas mit dem Nichts nicht vergleichen lasse, weil nichts gemeinsames darinn ist. Hingegen in der Defini- tion: Minimum est solo nihilo maius, zeiget das Wort maius eine Vergleichung an, die man vorneh- men soll, um sich von dem Kleinsten einen Begriff zu machen. Hingegen in der Mathematic saget man, daß bey solchen Groͤßen, die keine bestimmte Einheit haben, weder kleinstes noch groͤßtes, absolute betrach- tet vorkomme, daß man aber Maxima und Minima findet, wo eine Groͤße sich innert bestimmten Schran- ken veraͤndert, wie z. E. die Diameter einer Ellipse, die Mittagshoͤhen der Sonne ꝛc. Und dabey gebraucht man den Begriff des Nichts und die Vergleichung des Etwas mit demselben gar nicht. So hat auch der Ausdruck paucissimae in vorangezogenen Saͤtzen keinen Verstand. Denn die an sich geringste Anzahl untrennbarer Bestimmungen ist weder groͤßer noch kleiner Das Allgemeine der Groͤße. kleiner als zwo, verhaͤltnißweise aber kann man da- durch verstehen, weder mehr noch minder als noͤthig ist, dieses oder jenes Ganze, so man als eine Ein- heit betrachtet, auszumachen. Ueberdieß ist die kleinste Einheit wiederum entweder an sich unmoͤg- lich, oder nur vergleichungsweise zu nehmen, wenn die Dinge, die man als Einheiten ansieht, innert bestimmten Schranken sind ꝛc. Vieldeutigkeiten von dieser Art muͤssen aus Saͤtzen und Definitionen schlechthin wegbleiben, welche eine mathematische Schaͤrfe haben, oder als Principia matheseos inten- sorum angesehen werden sollen. Solche so gar un- mathematische Saͤtze werden gar leicht auf die Philo- sophie den Verdacht, daß, da die Philosophen in Dingen, die in der Mathematic sonnenklar und evident sind, so blind urtheilen, das uͤbrige, was bis jetzt noch nicht hat koͤnnen bis zur ma- thematischen Erkenntniß deutlich aus einander gesetzet werden, eben nicht viel besser aussehen werde, wenn man es etwann mit der Zeit am Lichte werde betrachten koͤnnen. Man wird auch aus den oben (§. 452-462.) gemachten Anmer- kungen ohne Muͤhe einsehen koͤnnen, daß dieser Ver- dacht gar nicht ungegruͤndet ist, und die Baumgar- tischen sogenannten Prima matheseos intensorum principia, daraus wir den vor angefuͤhrten Satz von der kleinsten Einheit genommen, sind eben so viele Beyspiele, davon wir ein einiges oben (§. 451.) in die- ser Absicht angefuͤhret haben, welches vielleicht noch das ertraͤglichste ist. Man nehme das erste von die- sen Principien: Possibilitas minima est non repu- gnantia minimorum paucissimorum, so ist dabey or- dentlich alles verkehrt. Fuͤr paucissimorum wuͤrde man zwey setzen muͤssen. Denn in einem, das ist U 2 im XXII. Hauptstuͤck. im Einfachen koͤmmt von Widerspruͤchen die Rede gar nicht vor (§. 243.), und die Moͤglichkeit darinn ist nicht die kleinste, sondern schlechthin absolut. Der Widerspruch mißt die Moͤglichkeit nicht aus, weil er aus allem Moͤglichen schlechthin wegbleiben muß. Will man aber, wie es bey der Berechnung des Wahrscheinlichen geschieht, von Graden der Moͤg- lichkeit reden, ob naͤmlich etwas moͤglicher sey, als das andere, so versteht man dadurch nicht die Gradus intensitatis, sondern ob es auf mehrere Arten moͤg- lich sey, das ist, geschehen koͤnne, ob mehrerley Mittel da sind, ob es haͤufiger und oͤfters vorkom- me ꝛc. und so wird die Berechnung des leichter und oͤfter Moͤglichen auf das gleich Moͤgliche reducirt, (Phaͤnomenol. §. 153. seqq. ). Auf diese Art aber sieht man deutlich, was man eigentlich will, und zu- gleich auch, wie man es finden koͤnne. Und dadurch wird, als durch ein Beyspiel erlaͤutert, was wir oben (§. 451.) angemerket haben, daß, wo der Philo- soph etwas auszumessen vorgiebt, der Mathe- matiker gemeiniglich vorerst dabey etwas aus einander zu lesen, das Unmoͤgliche und Absur- de wegzulassen, und das uͤbrige in eine ver- staͤndlichere und deutlichere Sprache zu uͤber- setzen habe, wenn er der in der Mathematic so sehr geruͤhmten Evidenz nichts vergeben will. Es ist fuͤr den Philosophen ein Ungluͤck hiebey, daß man ohne die Mathesin auf eine durchaus und im strengsten Verstande wissenschaftliche Art erlernet zu haben, von allem diesem keine deutliche Begriffe ha- ben kann, und daß er ohne diese deutliche Begriffe zu haben, von seinen an sich klar scheinenden Begrif- fen nicht abgeht, sondern den Mathematiker vielmehr beschuldiget, daß dieser der Einbildungskraft zu viel einraͤume, Das Allgemeine der Groͤße. einraͤume, und von seinem Vorgeben abstehen wuͤrde, wenn er den reinen Verstand ( Intellectus purus ) mehr walten ließe. Man sehe aber, was wir in dem dritten Hauptstuͤcke der Phaͤnomenologie (§. 119-125.) uͤber den reinen Verstand angemerket haben. Wolf hat die Beyspiele, wo der Verstand rein vorkoͤmmt, aus der Mathematic, und besonders aus der Rechen- kunst und Algeber genommen, und ohne diese Wis- senschaften erlernet zu haben, kann man nicht aus eigener Empfindung und Bewußtseyn urtheilen, ob dieses richtig ist oder nicht. Baumgarten sieht die Reinheit des Verstandes ( Puritas intellectus ), als einen groͤßern Grad von Tiefsinnigkeit an, und setzet sie demnach nur relativ, da doch die Reinheit ( Pu- ritas ) eine Einheit ist, die schlechthin nur Bruͤche admittirt, wie z. E. Wasser, Silber, Gold ꝛc. nicht mehr als rein, hingegen durch unzaͤhlige Stu- fen mit fremdem Zeuge vermenget seyn kann. Das Wegseyn fremder Bilder und des sinnlichen Scheines machet den reinen Verstand aus. Baumgarten aber suchte denselben durch das Analysiren der Begriffe zu erhalten. Man sehe hieruͤber den §. 523. wo die Mit- tel, zur netten Deutlichkeit und Vollstaͤndigkeit der Begriffe zu gelangen, ganz anders angegeben sind. §. 686. Wir uͤbergehen hiebey mehrere Faͤlle, wo man theils wider mathematische Wahrheiten metaphysische Einwuͤrfe gemacht, theils erstere aus metaphysischen Definitionen und Gruͤnden erweisen, theils auch z. E. aus metaphysischen Gruͤnden Quadraturen des Cirkels hat erfinden wollen, und etwann dabey gesetzt hat, eine Linie bestehe aus einer Anzahl Puncte, eine Flaͤ- che aus einer Anzahl Linien ꝛc. Oefters auch, nach- U 3 dem XXII. Hauptstuͤck. dem man in der mathematischen Erkenntniß mit Muͤ- he und Sorgfalt ein Cahos aus einander gelesen, blie- be man in der Metaphysic dabey, und beurtheilete nach demselben das Mathematische. Wir koͤnnen aus allem diesem den Schluß machen, daß man es anders angreifen muͤsse, wenn die wissenschaftliche Erkenntniß zugleich und durchaus mathematisch und philosophisch werden solle, (§. 683.). Die Meßkunst laͤßt sich allerdings philosophisch betrachten, und zwar erstlich in Absicht auf die Methode, und sodann in Absicht auf die Sache selbst. Jn Absicht auf die Methode hat es Wolf schon ziemlicher Maaßen ge- than, und wir haben oben (§. 11. seqq. ) angemerket, wo er zuruͤcke geblieben. Wir werden hier noch bey- fuͤgen, daß es besonders auch noch da geschehen, wo die Methode am naͤchsten an die Sache graͤnzet. Die Sache koͤmmt uͤberhaupt auf die Frage an, wie es die Mathematiker angegriffen haben, um nach und nach ihre Begriffe von der Groͤße bey Dingen anzuwenden, die sich ohne diese Kunst- griffe nicht auf Zahl und Maaß bringen ließen? Die vollstaͤndige und ausfuͤhrliche Eroͤrterung dieser Frage, machet nun eine Wissenschaft aus, die wir im eigentlichsten Verstande das Organon quantorum nennen koͤnnen. Sie ist das Werkzeug und Mittel, das man gebrauchen muß, um die Mathesin adpli- catam mit neuen Theilen zu bereichern. Diese Wis- senschaft laͤßt sich nun ohne eine sehr deutliche und ausfuͤhrliche Kenntniß der Mathematic nicht erfinden, und es gebraucht ebenfalls eine philosophische Kennt- niß dazu, wenn man aus dem Specialen, so die Mathematic hiezu anbeut, brauchbare Regeln ab- strahiren, und sie durch schickliche Worte ausdruͤcken will. So viel kann man uͤberhaupt leicht einsehen, daß Das Allgemeine der Groͤße. daß in dieser Wissenschaft die Theorie von der Ein- heit und ihren verschiedenen Arten, die Theorie der Dimensionen, die Theorie von den Kennzei- chen, wo man addiren, subtrahiren, multipli- ciren, dividiren ꝛc. soll, die Theorie von den ein- fachen Arten und Gestalten der Groͤßen und Verhaͤltnisse, die Theorie von den Maaßstaͤben und ihren Arten, die Theorie der Gesetze des Gleichartigen, und der Vergleichung des Un- gleichartigen ꝛc. vorkommen muͤsse. §. 687. Man sieht aus dieser kurzen Vorzaͤhlung der ein- zeln Theile, daß dabey allerdings eine Art von Metaphysic vorkoͤmmt, weil man dabey das Gemeinsame und Eigene von allem ausmeßba- ren in Absicht auf die Ausmeßbarkeit und deren verschiedene Arten aufzusuchen hat. Es finden sich auch in den aͤltern Metaphysikern Spuren davon. Allein, da die vorhin angezeigte Absicht dabey fehlte, so sind die Begriffe und ihr Umfang nicht so genau abstrahirt und bestimmt worden. Wir wollen, aber ohne dieses umstaͤndlicher zu untersuchen, vielmehr anmerken, daß die erst angegebenen Theorien eigent- lich da vorkommen und gebraucht werden koͤnnen, wo die Gruͤnde zur Ausmessung der Groͤße und Grade erst noch muͤßten von den ersten Anfaͤngen an gefun- den werden. Dabey aber giebt es oͤfters, wenn man auch die Theorie im Ganzen schon weiß, beson- dere Faͤlle, wo man die Data, die man gebrauchte, um die Aufgaben durchaus zu bestimmen, oder die all- gemeine Formeln auf solche Faͤlle anzuwenden, nicht so- gleich alle, und oͤfters auch weder genau noch vollstaͤn- dig finden kann, und wo man folglich aus andern Be- U 4 trach- XXII. Hauptstuͤck. trachtungen, z. E. vermittelst der Theorie der Schran- ken, der Naͤherung, der Gesetze der Einfoͤrmig- keit, des Mittels aus mehrern Faͤllen ꝛc. sich aushelfen, und die allgemeinen Symptomata mit zu Rathe ziehen muß ꝛc. Die hieher dienende Kunst- griffe sind nun von den vorhin (§. 686.) angezeigten, sowohl der Absicht, als dem Gebrauche und der Art nach verschieden, und machen fuͤr sich ein besonderes Ganzes aus, welches wir als den zweyten Theil zu demselben ansehen koͤnnen. §. 688. Sodann koͤmmt hin und wieder der Begriff einer allgemeinen Mathematic vor, ohne daß eben die Bedeutungen, die dieser Ausdruck haben kann, ge- nau angegeben waͤren. Jm allgemeinsten Verstande soll sie die Groͤße an sich betrachtet, zum Gegenstan- de haben, und in so ferne wird sie die Algeber und Analyse des Unendlichen, den Calcul der Fun- ctionen, und wenn noch allgemeinere Bezeichnungen moͤglich sind, auch diese begreifen, besonders aber sollen darinn die allgemeinen Symptomata der Groͤ- ße, ihre Maxima und Minima , ihre Zunahme und Abnahme ꝛc. angegeben, kenntlich und anwendbar gemacht werden. Hievon ist nun eigentlich die Geo- metrie ausgenommen, und zwar aus gleichem Grun- de, wie die Chronometrie und Phoronomie, weil die allgemeine Mathesis bey diesen Wissenschaften zwar am leichtesten und unmittelbarsten angewandt, aber indessen angewandt und dadurch special wird. Da wir aber die meisten Groͤßen von Dingen, die nicht in die Augen fallen, durch Linien und Flaͤchen, und uͤberhaupt durch die Dimensionen des Raumes vor- zustellen, und gleichsam vor Augen zu malen gewoͤhnet sind, Das Allgemeine der Groͤße. sind, so kann diese geometrische Vorstellung bey der allgemeinen Mathesi, als ein Huͤlfsmittel mitgenom- men werden, so weit sie reichet. Und in dieser Ab- sicht werden auch darinn die Symptomata der krum- men Linien betrachtet, weil sie eben so viele Sym- ptomata von Gleichungen und Functionen gleichsam vor Augen legen. Alles dieses muß auch besonders in der Absicht geschehen, daß dadurch die Anwendung auf jede vorkommende Faͤlle erleichtert werde. Wir werden nun dabey anfangen, die erste Anlage zu al- lem diesem aufzusuchen. §. 689. Diese erste Anlage faͤngt, wie unsere uͤbrige Er- kenntniß bey den Sinnen und Empfindungen an, und so, wie wir nach und nach zu den Begriffen der Din- ge und ihrer Eigenschaften gelangen, gelangen wir zugleich mit zu den Begriffen ihrer Groͤße und Grade. Hiebey beut sich aber gleich anfangs ein Hauptunter- schied an, welcher darinn besteht, ob wir jeden Theil von dem, was wir empfinden, beson- ders empfinden, oder, ob wir nur immer die Empfindung von ihrer Auf haͤufung oder gan- zen Summe haben? Und sodann, ob im erstern Falle die Empfindung uns die Theile gleich- artig und in einer Continuitaͤt vorstelle, oder ob die Theile ungleichartig und einzeln, oder jeder als ein von dem andern abgesondertes Ganzes empfunden werden? Denn in diesen Un- terschieden findet sich uͤberhaupt betrachtet, derjenige, den wir zwischen der Ausdehnung und Staͤrke ma- chen, ob naͤmlich etwas der Ausdehnung nach ( extensiue ), oder der Staͤrke nach ( intensiue ) groͤßer oder kleiner sey, und eben so auch der Unter- U 5 schied XXII. Hauptstuͤck. schied zwischen den Groͤßen die eine Continuitaͤt ha- ben, und zwischen solchen, die als Ganze muͤssen betrachtet werden? §. 690. Es faͤllt nicht schwer, diese Unterschiede durch viele Beyspiele zu erlaͤutern, wodurch zugleich erhellet, daß die Ausdehnung und Staͤrke zuweilen beysammen sind, zuweilen aber auch eine ohne die andere vor- koͤmmt. So z. E. stellet uns die Empfindung die Theile des Raumes gleichartig und außer einander und in einer durchgaͤngigen Continuitaͤt vor. Wir gebrauchen auch das Wort Ausdehnung im eigent- lichsten Verstande bey dem Raume und dem darinn befindlichen materiellen Soliden. Auf eine aͤhnliche Art stellen wir uns die Theile der Zeit vor und nach einander, und folglich, weil sie nicht in einander sind, außer einander vor, und dieses machet, daß wir auch der Dauer eine Art von Ausdehnung zugeben. Hin- gegen urtheilen wir, daß sich in dem Raume und der Zeit keine Gradus intensitatis unterscheiden lassen. Naͤmlich ein Theil des Raumes oder der Zeit, ist nicht intensiue mehr Raum oder Zeit, als ein jeder anderer. Hingegen unterscheiden wir allerdings ein groͤßeres Licht ( Lumen maius ), und ein staͤrkeres oder helleres Licht ( Lumen intensius ), einen groͤ- ßern Koͤrper und einen schwerern Koͤrper ꝛc. Auf eine aͤhnliche Art finden wir in dem Raume und der Zeit eine absolute Continuitaͤt, hingegen so untrenn- bar die Theile des Raumes und der Zeit sind, so finden wir in beyden Dinge, die sich von einander trennen lassen, oder getrennet sind, und deren jedes als ein Ganzes oder als eine Einheit fuͤr sich genom- men, und folglich eine Abzaͤhlung derselben gedacht werden Das Allgemeine der Groͤße. werden kann, die nach lauter ganzen Zahlen fort- geht. Und so nehmen wir durch eine Art von Nach- ahmung, auch gleiche Theile des Raumes und der Zeit willkuͤhrlich als Einheiten an, um sie auf diese Art abzaͤhlen zu koͤnnen. §. 691. Es ist ferner ebenfalls nicht schwer, Beyspiele auf- zuweisen, welche zeigen, daß in einer und eben der Sache auf mehrerley Arten oder in mehrerley Absichten Grade der Jntensitaͤt vorkommen koͤnnen. So z. E. giebt eine gleiche Saite, wenn sie mehr gespannt ist, einen hoͤhern Ton, und wenn sie bey gleicher Span- nung groͤßere Vibrationen machet, einen staͤrkern Ton. Denn bey einer gleichen Saite laͤßt sich das, was den Ton verursachet auf diese zweyerley Arten modificiren, auch wenn man von der Beschaffenheit der Luft, von der Lage des Ohres ꝛc. abstrahirt. §. 692. Hinwiederum koͤnnen in die Grade der Jntensitaͤt, auch wenn man diese in einer und eben derselben Ab- sicht betrachtet, mehrere und von einander verschie- dene Umstaͤnde einen Einfluß haben. Denn so z. E. richtet sich die Erleuchtung eines Objectes und seine Helligkeit nach der Groͤße, Staͤrke und Abstand des Lichtes, nach dem Ausflußwinkel und Einfallswinkel der Stralen und nach der dem Objecte eigenen Weiße, da es, wenn es an sich weißer ist, von den auffallenden Stralen mehr zuruͤcke wirft. Die Staͤrke des Stos- ses haͤngt eben so von der Masse, Geschwindigkeit und dem Einfallswinkel des Koͤrpers ab, der an einen andern gestoßen wird, oder sich gegen denselben beweget. Da in solchen Faͤllen die Wirkung nur die Summe XXII. Hauptstuͤck. Summe oder das Product von allen solchen Ursachen anzeiget, so hat man dabey auch oͤfters Muͤhe, bis man alles, was dazu beytraͤgt, findet. Und uͤber- haupt erhellet aus den angefuͤhrten Beyspielen, auf wie vielerley man zu sehen habe, wenn man die Gruͤnde zu der Ausmessung der Groͤßen und Grade finden will. §. 693. Bey allem diesem aber koͤmmt die schwerere Frage auf den Unterschied und die Kennzeichen des extensiven und des intensiven an, oder woran man erkennen koͤnne, was an dem Ausmeßbaren der Groͤße, und was hingegen der Staͤrke nach muͤsse genommen werden? Diese Frage hat nun in Absicht auf den Raum und die Zeit, und so auch in Absicht auf das, was dem Raume und der Zeit nach aus- gedehnet ist, keine Schwierigkeit. Denn so weit dieses geht, wird alles der Ausdehnung nach genom- men, die Theile existiren gleichsam außer einander, und man denket ihre Summe, ohne daß die Theile sich darinn vermengen, oder aufhoͤren, außer ein- ander zu seyn. Hingegen, wo die Sache inten- siue genommen werden muß, da stellen wir uns nur die Summe vor, und diese besteht dergestalt in der Aufhaͤufung der Theile, daß wir keines davon besonders empfinden. Der Unterschied zwischen diesen beyden Faͤllen hat seine Folgen, weil bey dem erstern allemal Entwickelung, Deutlichkeit und Klarheit, bey dem letztern aber schlechthin nur Klarheit in der Empfindung und Vorstellung desselben ist. Daher ist auch im erstern Falle das Zaͤhlen leichter als im letztern, und um desto mehr hat man darauf zu sehen, wo der erstere vorkoͤmmt, und wie fern der letztere auf denselben reducirt werden kann. §. 694. Das Allgemeine der Groͤße. §. 694. Nun haben wir das Außereinander seyn der Theile als ein Kennzeichen angegeben, welches aber mit dem Außereinanderseyn der Begriffe nicht so schlecht- hin kann verwechselt werden. Letzteres naͤmlich fin- det immer statt, wo das erstere ist (§. 252.), aber nicht umgekehrt. Denn so sind die Eigenschaften und Qualitaͤten in der Sache, ungeachtet wir uns jede besonders vorstellen, und indem wir sie mit Worten aus einander setzen, so setzen wir sie gleichsam auch in Gedanken aus einander, wenn sie es gleich in der Sache selbst nicht sind. Jndessen giebt es auch al- lerdings Absichten, in welchen sie als außer einander betrachtet, und gezaͤhlet werden koͤnnen. Dieses ge- schieht z. E. bey Jnductionen, wenn man naͤmlich, um zu zeigen, daß eine vorkommende Sache diese oder jene sey, die Eigenschaften, die dazu erfordert werden, vorzaͤhlet, und zeiget, daß sie dieselbe saͤmmt- lich, und weder mehr noch minder habe. Sind die Eigenschaften einfache Bestimmungen (§. 525.), so muͤssen die Begriffe derselben schlechthin als außer einander angesehen werden, (§. 252.). Und wo die Jnduction nicht vollstaͤndig gemacht, aber auch nichts darwider bewiesen werden kann, da stellet jede dieser Bestimmungen in der Berechnung der Wahrschein- lichkeit eine Einheit vor, und die Wahrscheinlichkeit verhaͤlt sich zu der voͤlligen Gewißheit, wie die An- zahl der erwiesenen Eigenschaften oder Merkmale, zu der ganzen Anzahl von allen, die die Sache haben soll, um die zu seyn, fuͤr die man sie ausgeben will. (§. 459.). §. 695. Was keine absolute Einheit ist, sondern der Jn- tensitaͤt nach Grade haben kann, verstaͤrket diese Grade nicht XXII. Hauptstuͤck. nicht schlechthin von sich selbst, sondern sie werden entweder von außenher aufgehaͤufet und dadurch ver- staͤrket, wiewohl die Moͤglichkeit dazu immer auch mit in der Sache selbst ist, oder wenigstens ist die Ursache und Veranlassung zu der Verstaͤrkung und Aufhaͤufung der Grade außer dem Intenso. Unge- achtet es demnach bey den Intensis immer nur um die ganze Summe zu thun ist, so laͤßt sich bey ihrer Ver- groͤßerung eine Aufhaͤufung von neuen Theilen ge- denken, und diese werden vor der Vergroͤßerung der Summe allerdings, als noch nicht dabey und folglich als außer derselben angesehen. Wir machen hier diese Anmerkung in einer gedoppelten Absicht. Denn einmal sind wir gewoͤhnet, das Maaß der Staͤrke oder Jntensitaͤt eben so, wie das Maaß der Aus- dehnung durch Zahlen und Linien vorzustellen, weil darinn Klarheit und Deutlichkeit ist. Sodann zei- get diese Anmerkung, daß eine solche Vorstellungs- Art ihren Grund habe, und bey der Jntensitaͤt immer etwas mit vorkomme, welches entweder wirklich aus- gedehnet oder dem ausgedehnten aͤhnlich ist, und auf eben die Art tractirt werden kann. Man hat daher, wo die Grade der Jntensitaͤt zu bestimmen sind, dar- auf zu sehen. 1°. Was sich aufhaͤufet und gleichsam in dem Intenso dichter wird? 2°. Wie es sich aufhaͤu- fet und dadurch den Grad der Summe groͤßer ma- chet? 3°. Woher die Aufhaͤufung moͤglich ist, das will sagen, was außer dem Intenso ist, das die Auf- haͤufung veranlaßt und verursachet? §. 696. Sollen wir nun die eigentliche Quelle der Jnten- sitaͤt in irgend einer Substanz finden, so wird diese nicht das Solide, als welches schlechthin nur aus- gedehnet Das Allgemeine der Groͤße. gedehnet ist, sondern die Kraft seyn, welche an sich Grade haben, und staͤrker und schwaͤcher seyn kann. Auf diese koͤnnen wir auch die Empfindung der Jn- tensitaͤt reduciren, welche sich uns nach der Verschie- denheit der Sinnen und Empfindungsnerven unter mannichfaltigen Bildern zeiget, in Ansehung aller aber, wenn sie uͤber einen gewissen Grad geht, die Empfindung des Schmerzens erwecket. Auch in dem Gedankenreiche hat z. E. die Staͤrke der Aufmerk- samkeit mit den Fibern des Gehirnes eine genaue Verbindung, und ist mit diesen staͤrker und schwaͤcher. §. 697. Wir koͤnnen ferner anmerken, daß man oͤfters Jn- tensitaͤten suchet, wo eigentlich entweder gar keine, oder wo sie nicht durchgaͤngig sind, oder wo sie nur in einer gewissen Absicht vorkommen. Jn diesen Faͤllen befinden sich die meisten Baumgartischen Principia intensorum, die wir bereits vorhin (§. 685.) ange- fuͤhret haben. So z. E. heißt es: Minime contin- gens est, cuius oppositum minime possibile. Daß das Minime in diesem Satze nichts bedeute, haben wir bereits (§. 685.) gezeiget. Ferner hat die Con- tingentia an sich betrachtet etwas absolutes, und von allem, was nicht schlechthin nothwendig ist, ist eines so contingent, als das andere. Will man aber z. E. sagen, das Zusammengesetzte sey zufaͤlliger als das Einfache, weil bey ersterm jede Theile und ihre Zu- sammensetzung zufaͤllig sind, so ist dieses nicht inten- siue, sondern extensiue. Eben so, wenn man das zufaͤlliger nennen will, was auf mehrerley Arten ge- aͤndert werden kann, so zaͤhlet man auch hier die Ar- ten ab, und bey dieser Abzaͤhlung muß man immer die Sache bis auf jede einfache Zufaͤlligkeiten zerglie- dern, XXII. Hauptstuͤck. dern, weil diese absolut, folglich einander gleich sind, und bey der Berechnung der Zufaͤlligkeit Einheiten abgeben. Eben so ( Metaphys. Baumgarten. §. 265.) Aequalitas minima est in duobus, in quibus vnica minima quantitas est communis. Die Gleichheit der Groͤßen hat schlechthin keine Gradus intensitatis, weil sie eine absolute Einheit ist. Hingegen kann die Un- gleichheit groͤßer oder kleiner seyn. Ferner kann man nicht sagen, daß die Gleichheit 1 = 1, eine intensiue kleinere Gleichheit sey, als 5 = 5 oder 100 = 100 ꝛc. weil zwo gleiche Zahlen oder Groͤßen einander gleich sind, sie moͤgen groß oder klein seyn. Dieses thut zur Gleichheit nichts. Saget man endlich in zwey Dingen seyn mehrere einzele Theile, wenn man sie je zween und zween vergleichet, von gleicher Groͤße, A = A, B = B, C = C ꝛc. so findet man darinn Gleichheiten in mehrern Stuͤcken, die Gleichheit der Ganzen ist extensiue groͤßer, das will sagen, es bleiben weniger ungleiche Stuͤcke darinn ꝛc. Auf eine aͤhnliche Art ( l. cit. §. 283.): Motus minimus esset, si vnici minimi vnicus tantum positus erga vni- cum minimum extra ipsum actuale mutaretur. Hier scheint das esset anzuzeigen, daß man zugebe, es gebe keine kleinste Bewegung, (§. 685.). Dagegen aber sind dabey ordentlich alle Bewegungen vermenget, und statt des Wortes Bewegung muͤßte der Aus- druck: die Summe der gesammten localen Ver- aͤnderung gesetzet werden. Denn diese ist unstreitig groͤßer, wenn alles durch einander laͤuft, und gleich- sam wimmelt, als wenn nur die Bewegung eines eini- gen Punctes gegen oder von einem unbewegten Pun- cte betrachtet wird. Sodann wird hier die sogenannte Quantitas motus, welche aus dem Producte der Masse in die Geschwindigkeit besteht, und wobey die Di- rection Das Allgemeine der Groͤße. rection schlechthin einfach genommen wird, mit dem Begriffe des bloßen Fortruͤckens vermenget ꝛc. Es ist unnoͤthig anzumerken, daß, wenn man die Grund- saͤtze von der Bewegung festsetzen will, man bey der geradlinichten und gleichfoͤrmigen Bewegung an- faͤngt, und daraus zu bestimmen, wie vielerley Ein- heiten und Maaßstaͤbe bey der Bewegung, das ist bey der bloßen Veraͤnderung des Ortes vorkommen. Wiederum ( l. cit. §. 190.), mutatio minima est vnici minimi in vnico minimo successio. Die klein- ste Veraͤnderung ist nichts (§. 685.), das unicum minimum succedens ebenfalls nichts. Und wenn die Veraͤnderung in mehrerm vorgeht, so ist sie nicht intensiue, sondern extensiue groͤßer. Hingegen wuͤr- de die Geschwindigkeit der Veraͤnderung ehender eine Art von Jntensitaͤt abgegeben haben, weil die Kraͤfte, die sie hervorbringen, kraͤftiger, impetuoser, staͤrker wirken ꝛc. Doch wir wollen keine weitlaͤuf- tigere Beyspiele anfuͤhren. Es waͤren diese schon ge- nug, daß man denken sollte, das metaphysisch rich- tige sey mathematisch unrichtig, und hinwiederum (§. 682. 685.). Der Unterschied koͤmmt fast immer darauf an, daß die Philosophen abstrahiren, und bloß nach den Aehnlichkeiten analysiren, die Ma- thematiker aber aufloͤsen und zergliedern, (§. 525. 683.). Man wird in den §. 452-462. noch mehrere hieher dienende Anmerkungen finden. Und daraus, eben so, wie aus dem 189. und folgenden §§, wo von wesentlichen Eintheilungen die Rede war, leicht sehen, daß das Aufloͤsen und Zergliedern dem Ma- thematiker nicht eigen ist, sondern aus guten Gruͤn- den auch von dem Philosophen vorgenommen wer- Lamb. Archit. II. B. X den XXII. Hauptstuͤck. Das Allgemeine ꝛc. den solle, und daß dadurch, wo es gelingt, viele Verwirrungen, Unvollstaͤndigkeiten und Weitlaͤuf- tigkeiten vermieden und erspahret werden. §. 698. Es ist unnoͤthig uns bey allgemeinen Betrachtun- gen uͤber die Groͤße uͤberhaupt hier laͤnger aufzuhal- ten, sondern die oben (§. 686. seqq. ) angegebenen Absichten erfordern, daß wir die daselbst angezeigten Haupttheile und Grundbegriffe, sowohl des Organi quantorum, als der Mathesis vniuersalis der Ord- nung nach durchgehen. Dieses kann nun ohne eine ziemliche Kenntniß der Arithmetic, Algeber, Analyse und Geometrie voraus zu setzen, nicht wohl gesche- hen. Wir setzen demnach diese Kenntniß um desto mehr voraus, weil sie schon haͤufig abgehandelt sind, und weil wir daher ihren Vortrag hier nicht beson- ders vornehmen, sondern auf das bedacht seyn wer- den, was zu ihrer Erweiterung dienet, und was ein Philosoph daruͤber anzumerken, und daraus auf all- gemeine und brauchbare Begriffe zu bringen, finden kann. Man wird aus den angefuͤhrten §. 686. seqq. leicht voraus sehen, daß philosophische Betrachtun- gen von der Art, wie wir sie hier anzustellen haben, ganz anders beschaffen sind, als die, so man gemei- niglich in den Metaphysiken uͤber die Groͤße und ihre Beschaffenheit angestellet findet. Drey Drey und zwanzigstes Hauptstuͤck. Die Einheit . §. 699. W ir haben nach dem erst gemeldeten Entwurf bey der Einheit anzufangen, und da werden wir anstatt eine Definition von diesem Worte zu geben, vielmehr die verschiedene Bedeutungen davon auf- suchen. Wir gebrauchen dasselbe uͤberhaupt, wo von einem Ganzen die Rede ist, es mag dieses nun an sich ein Ganzes, oder nur willkuͤhrlich als ein sol- ches angenommen seyn, oder auch nur als ein Gan- zes angesehen werden koͤnnen. So z. E. sagen wir ein Haufen, und dadurch verstehen wir etwas, das entweder ohne wirkliche Verbindung beysammen ist, oder, wo die Verbindung dabey nicht wesentlich noch nothwendig ist, oder wo wir derselben nicht Rechnung tragen. Eben so sagen wir z. E. ein Haus, ein Gar- ten, eine Uhr, ein Mensch ꝛc. und dieses sind Ganze, deren Theile Natur und Kunst in Verbindung ge- bracht hat. Ferner, wenn wir das Wort ein mit Nachdruck aussprechen, so verstehen wir dadurch so viel als ein einiges, oder nur eines, und zuweilen so viel, als einerley, eben dasselbe, z. E. es ist ein Haus, ungeachtet es den Schein von zweyen hat. Das ist mir ein Ding, will sagen, es gilt mir gleich viel. Es ist einer da, will sagen, nicht mehrere. §. 700. Jnsbesondere aber ist ein der Anfang, den wir bey dem machen, was sich zaͤhlen laͤßt, und die Wie- derholung dieses eins, oder die Aufhaͤufung solcher X 2 Ein- XXIII. Hauptstuͤck. Einheiten machet der Ordnung nach, die Zahlen 2, 3, 4, 5, 6, 7, ꝛc. aus, welche, weil sie aus lau- ter ganzen Einheiten bestehen, ganze Zahlen genen- net werden. Die Einheiten oder Ganzen, die wir auf diese Art zusammen zaͤhlen, sind nun gewoͤhnlich solche, die wir wenigstens in gewissen Absichten in eine Classe rechnen, sie moͤgen nun an sich von einer- ley Art und Groͤße seyn oder nicht. Der Unterschied ist nur, wie wir es bereits oben (§. 149. 434.) ange- merket haben, daß es in dem letztern Falle gemeini- glich bey dem Zaͤhlen sein Bewenden hat, da hinge- gen, wenn die Einheiten von gleicher Art und Groͤße sind, mehrere Rechnungen damit vorgenommen wer- den koͤnnen. §. 701. Wir werden nun hier besonders den letztern von diesen beyden Faͤllen betrachten, wo naͤmlich die Din- ge, die man als Einheiten zu der Rechnung nimmt, von einerley Art und Groͤße sind. Dabey koͤmmt es nun viel auf eine schickliche Auswahl an, und wir haben uͤberhaupt zu sehen, wie fern etwas Willkuͤhr- liches dabey ist. Zu diesem Ende merken wir an, daß die Einheiten, die man zu einer Rechnung annimmt, dasjenige sind, welches uͤberhaupt die ganze Rechnung und die Bedeutung jeder darinn vorkommenden Groͤßen und Zahlen ver- staͤndlich und begreiflich machen solle, und demnach das, was die Einheiten vorstellen, so viel moͤglich ist, fuͤr sich das verstaͤndlichste und begreiflichste seyn muͤsse. Dieses wuͤrde nun wohl nicht so unbedingt angehen, wenn alle Groͤßen von derjenigen Art waͤren, daß sie, ohne unmittel- bar vorgezeiget und empfunden zu werden, nicht be- griffen Die Einheit. griffen werden koͤnnten, wie es die Wolfianische Weltweisheit angiebt, welche von jeder Groͤße den Satz behauptet: Quantitas dari sed non per se intel- ligi potest. Dieser Satz ist aber nur in denen Faͤllen wahr, aus welchen man ihn abstrahirt hatte. Denn so koͤnnen allerdings die Theile des Raumes, der Zeit, der Kraͤfte ꝛc. von 0 an bis so weit man will groͤßer oder kleiner angenommen werden, und welchen man immer annimmt, so ist er nicht verstaͤndlicher, als jeder andere, wenn man ihn fuͤr sich und ohne einige Verhaͤltniß zu andern Dingen betrachtet, die in der Welt eine determinirte Groͤße haben. Jn Ansehung solcher Faͤlle haben wir im vorhergehenden den Aus- druck gebraucht, daß sie keine bestimmte Einheit haben, und dieses will nun vermoͤge der erst gemach- ten Anmerkung so viel sagen, daß, welche Theile man immer annimmt, nach demselben zwar die uͤbri- gen proportionirt werden koͤnnen, daß aber keiner vor dem andern voraus etwas kenntlicheres an sich habe. §. 702. Dieses sind aber noch lange nicht alle Faͤlle, wo von Groͤßen und Einheiten die Rede vorkommen kann, sondern es giebt deren eine Menge, wo es Theile giebt, die eine fuͤr sich kenntliche Groͤße haben, und die eben dadurch am schicklichsten durch Einheiten vorgestellet werden koͤnnen. So z. E. wenn man eine Linie von beliebiger Laͤnge auf einer Flaͤche um einen Punct herum drehet, so wird sich allerdings ohne Muͤhe zaͤhlen lassen, wie vielmal man sie herum- drehet, und jedesmal, wenn sie wiederum zu der Lage koͤmmt, bey welcher man angefangen, wird man eine Einheit mehr haben, die von gleicher Art und Groͤße, und ohne alle Widerrede fuͤr sich verstaͤndlich ist. X 3 Man XXIII. Hauptstuͤck. Man weiß, daß hierauf das Maaß der Winkel be- ruht, denen man wenigstens deswegen, weil sie groͤ- ßer oder kleiner seyn koͤnnen, eine Groͤße zueignen kann. Ob sich nun diese Groͤße in jedem Falle ver- staͤndlich angeben lasse, ohne daß man eben den Win- kel gezeichnet vorlegen muͤsse, daran hat noch niemand gezweifelt. Man ist gewoͤhnt, die erst bemeldete Ein- heit, oder die Summe aller Winkel, die um einen Punct herum liegen, und mit diesen den Umkreis des Cirkels, dessen Bogen man zum Maaße der Winkel machet, in 360 Theile oder Grade zu theilen, und auf diese Art kleinere Einheiten anzunehmen, damit man nicht immer mit Bruͤchen zu rechnen habe. Diese kleinere Einheiten werden aber immer auf die erstere bezogen, weil diese am leichtesten und schlechthin verstaͤndlich ist. Diese Einheit ist nun ferner von der Art, daß sie nicht nur so vielmal ge- nommen werden kann, als man will, sondern sie laͤßt sich auch in jede beliebige Anzahl von kleinern Thei- len eintheilen, und dienet demnach als ein fuͤr sich verstaͤndliches Maaß von einer Groͤße, die von 0 bis ins Unendliche geht. §. 703. Wir machen diese letztere Anmerkung deswegen, weil es noch andere Arten von Einheiten giebt, die entweder das Kleinste oder das Groͤßte von derjenigen Groͤße sind, bey welchen sie vorkommen. Von der letztern Art ist alles oder das meiste von dem, was wir rein nennen. Denn so z. E. gedenken wir rei- nes Wasser zum Unterschied dessen, was mit irdi- schen, salzichten und andern Theilchen vermischet ist. Wir sehen dabey den Grad der absoluten Reinheit, als eine absolute Einheit an, welche nicht groͤßer werden, Die Einheit. werden, dagegen aber Bruͤche haben kann. Auf eine aͤhnliche Art nennen wir in der Photometrie einen Koͤrper absolute weis, wenn derselbe alles Licht zu- ruͤcke wirft, welches auf seine Flaͤche auffaͤllt, und die geringere Grade sind Bruͤche, welche sich auf diese an sich absolute Einheit beziehen. Eben so nennen wir einen Koͤrper absolute durchsichtig, wenn von allen durch denselben gehenden Lichtstralen keiner auf- gefangen noch zerstreuet wird. Die geringere Grade der Durchsichtigkeit sind ebenfalls Bruͤche von dieser an sich absoluten Einheit. Auf eine aͤhnliche Art wird das Wahre und die voͤllige Gewißheit als eine Einheit angesehen, wovon die Grade der Wahr- scheinlichkeit Bruͤche sind. Man wird oben in dem §. 419. seqq. ebenfalls finden, daß die geringere Gra- de der Elasticitaͤt Bruͤche sind, die sich auf die voͤl- lige Elasticitaͤt beziehen, welche dabey schlechthin als eine Einheit vorkoͤmmt, die nur Bruͤche admit- tirt, und fuͤr sich verstaͤndlich erklaͤret werden kann. Man wird aus diesen Beyspielen leicht abnehmen koͤn- nen, daß es solcher Einheiten eine Menge giebt. §. 704. Hingegen lassen sich auch Einheiten gedenken, die keine Bruͤche admittiren, dagegen aber groͤßer werden. So z. E. ist die Schwere des reinen Wassers am geringsten, und nimmt zu, wenn man Salze in dem- selben aufloͤset. Auf eine aͤhnliche Art faͤngt die Di- latation der Koͤrper durch die Waͤrme bey dem Grade der absoluten Kaͤlte an, und das Volumen derselben waͤchst mit der Erwaͤrmung. Es findet sich aber in solchen Faͤllen bey dem kleinesten Grade immer auch ein groͤßter. Denn so z. E. kann das Wasser nur bis zur Saturation mit aufgeloͤstem Salze angefuͤllet X 4 seyn, XXIII. Hauptstuͤck. seyn, und die Ausdehnung der Koͤrper durch die Waͤr- me geht ebenfalls nur bis die Kraͤfte, welche ihre Theilchen beysammen hielten uͤberwogen werden, wo- bey dann der Koͤrper in Duͤnste aufgeloͤset, oder cal- cinirt wird ꝛc. §. 705. Außer diesen Arten von Einheiten giebt es noch eine gute Menge von solchen, die schlechthin absolut sind, und weder Bruͤche admittiren noch intensiue groͤßer werden koͤnnen. So z. E. ist nicht eines exi- stirender als das andere, und eine Wahrheit ist we- der mehr noch minder als wahr. Was gleich ist, ist ebenfalls weder mehr noch minder als gleich, und die Moͤglichkeit hat ebenfalls etwas absolutes. Die Schullehrer haben solche absolute Einheiten in ihren Metaphysiken bereits schon angemerket, und bey den Begriffen, die sie betrachtet haben, angezeiget, ob sie das magis und minus zulassen oder nicht? Es ist aber dabey nicht immer alles weder deutlich noch rich- tig aus einander gelesen. §. 706. Fraget man nun, wo diese verschiedene Arten von Einheiten vorkommen, und woran sie sich in jeden besondern Faͤllen erkennen lassen, so muß mehrentheils eine genauere Betrachtung der Sache selbst, und zu- weilen auch wirkliche Versuche die Sache entscheiden. Wir koͤnnen hieruͤber so viel anmerken, daß an sich betrachtet eine Groͤße entweder schlechthin eine abso- lute und unveraͤnderliche Einheit seyn soll, oder wenn sie veraͤnderlich ist, so koͤnnen ihre Veraͤnderungen von 0 bis ins Unendliche gehen, dafern nicht noch ein oder mehrere Gruͤnde hinzukommen, welche diesen Veraͤnderungen Schranken setzen, die sie nicht uͤber- schreiten Die Einheit. schreiten kann. Denn die einfachen Moͤglichkeiten sind an sich unbedingt. Man kann hieraus auch um- gekehrt den Schluß machen, daß, wo eine Groͤße nur zwischen bestimmten Schranken veraͤnderlich ist, dabey allemal mehrere einander einschraͤnkende Moͤg- lichkeiten und Bedingungen zusammen treffen. Zu- weilen beziehen sich solche Groͤßen auf eine willkuͤhr- lich angenommene Einheit. Denn so z. E. wird ein Koͤrper absolute weiß genennet, wenn derselbe alles auffallende Licht zuruͤck wirft, und er ist in einem ge- ringern Grade weiß, wenn er nicht alles zuruͤcke wirft. Da er nun nicht mehr alles, was auffaͤllt, zuruͤcke werfen, hingegen mehr oder minder davon absorbiren kann, so druͤckt die Verhaͤltniß zwischen dem auffal- lenden und zuruͤck geworfenen Lichte den Grad der Weiße des Koͤrpers aus. Und dabey bleibt die ab- solute Quantitaͤt des auffallenden Lichtes unbestimmt. §. 707. Solche Einschraͤnkungen und Bedingungen finden sich mehrentheils schon in der Sache und in dem Be- griffe den man sich davon machet, und da muͤssen sie auch eigentlich aufgesuchet werden, wenn sie nicht aus- druͤcklich angegeben sind. So z. E. kann eine Linie an sich betrachtet von jeder beliebigen Laͤnge seyn. Da man sich aber z. E. jeden Cirkel von einer be- stimmten Groͤße vorstellet, so dehnet sich diese Be- stimmung an sich schon auf die Chorden aus, die man in demselben ziehen kann, und ist der Cirkel gezeich- net, so hat man nicht mehr die Wahl, in demselben Chorden von jeder beliebigen Laͤnge anzunehmen. Diese Einschraͤnkung liegt nun an sich schon in dem Begriffe einer Chorde, weil man diesen Namen den- jenigen Linien giebt, die von einem Puncte des Um- X 5 kreises XXIII. Hauptstuͤck. kreises zum andern gehen, und daher sich weder außer den Cirkel ausdehnen, noch innert demselben zuruͤcke bleiben. Da in der wirklichen Welt ohnehin alles bestimmt ist, so kann man leicht gedenken, daß darinn sowohl bestaͤndige, als zwischen bestimmten Schranken veraͤnderliche Groͤßen in Menge vorkom- men. Der Beharrungsstand erfordert solche schlecht- hin, und machet es gewissermaßen zum allgemein- sten Gesetze der Natur, daß jede Ursache, die an- faͤngt sich aufzuhaͤufen, in solchen Umstaͤnden wir- ke, die sie nicht zu groß werden lassen, und daß sie gleichsam den Saamen zu ihrer Destruction schon in sich habe. Und dieses giebt oͤfters bey der Theorie und Berechnung der veraͤnderlichen Groͤßen in der Natur an sich schon eine Gleichung an, wodurch folg- lich andere Data erspahret, oder vermittelst dieser Glei- chung gefunden werden koͤnnen. §. 708. Bey dem Aufsuchen der Einheiten koͤmmt die Fra- ge uͤberhaupt darauf an, daß man sehe, 1°. was in der Sache, und in welchen Absichten dasselbe groͤßer und kleiner werden kann; 2°. was es ohne Ruͤcksicht auf das andere werden kann; 3°. welche Stufe der Groͤße dabey etwas vor den andern aus kenntliches hat? Denn die Fra- ge: wie man die Groͤße einer Sache finden, berechnen, und ihre Ausmessung auf Regeln bringen soll, hat oͤfters viel verwirrtes, und das schlechthin Symbolische ist mit dem Gedenkbaren dar- inn durchmenget. Wir werden dieses stuͤckweise aus einander zu setzen suchen, um zu finden, was man eigentlich suchet, wenn man Groͤßen zu bestimmen und auszumessen suchet oder vorgiebt. §. 709. Die Einheit. §. 709. Der erste Fehler, den man dabey begehen kann, ist, wenn man die Bestimmungen verwechselt, nach welchen eine Sache groͤßer oder kleiner seyn kann. Der Begriff der Existenz mag uns hier zum Bey- spiele dienen. Man fraget, ob sie Grade habe? Hiebey ist nun unstreitig, daß man sagen kann, eine Sache koͤnne laͤnger oder kuͤrzer existiren, und die- ses ist in Absicht auf die Dauer; sie koͤnne mit groͤ- ßern oder kleinern Kraͤften zu denken, zu wollen, zu wirken, existiren, und dieses ist in Absicht auf die Kraft; sie koͤnne mit mehrern Theilen, Ver- bindungen und Verhaͤltnissen existiren, und dieses geht darauf, ob sie mehrere Theile habe, zusam- mengesetzter, fester verbunden, in mehrern Verhaͤlt- nissen sey ꝛc. Dieses alles aber will nur sagen, daß an und mit der Sache mehr oder minder zugleich mit existirt, aber weder die Sache, noch was aus dersel- ben ist ꝛc. von allem diesem ist keines existirender als das andere, oder eines existirt weder mehr noch min- der als das andere, so lange es existirt. Die in dem §. 685. und 697. angefuͤhrten Beyspiele von der Moͤg- lichkeit, Zufaͤlligkeit, Gleichheit und Bewegung gehoͤren ebenfalls mit hieher. Die Redensarten: es ist mehr Bewegung da, und: es ist eine groͤ- ßere Bewegung da, oder, die Bewegung ist groͤßer, sind allerdings von einander verschieden, wenn man durch die beyden letztere Ausdruͤcke nicht eine Art von Tumult, sondern die in der Mechanic vorkommende Quantitas motus verstehen will, wel- che aus dem Producte der Masse in die Geschwin- digkeit erwaͤchst, und bey jeder einzeln Bewegung fuͤr sich betrachtet wird. §. 710. XXIII. Hauptstuͤck. §. 710. Der andere Fehler, wenn man auf das Ganze aus- dehnet, was nur in einzeln Theilen ist, haben wir bereits oben (§. 458.) betrachtet, wo wir zeigten, wie der Philosoph sich, eben so, wie der Mathematiker, um die Gleichartigkeit umsehen muͤsse, wenn er Ver- wirrung vermeiden und sich versichern will, daß das Praͤdicat sich gleichfoͤrmig uͤber das ganze Subject ausbreite. So z. E. ist es sehr gewoͤhnlich, daß man eine Sache ganz vollkommen nennet, ungeachtet sie naͤher betrachtet nur in einzeln Theilen eine Art von Vollkommenheit hat, und wenn in mehrern Thei- len, in jedem besonders, einige Vollkommenheit ist, so verlanget man etwann auch die Summe zu wissen, welche aber, wenn die Theile und Vollkommenheiten ungleichartig sind, schlechthin nur durch das Vorzaͤh- len angegeben werden kann, weil sie sich nicht immer auf einen gleichen Maaßstab bringen lassen, (§. 434.). §. 711. Der dritte Fehler koͤmmt vor, wenn man zusam- menrechnen will, was an sich kein Ganzes machet, oder wenn es auch als ein solches angesehen werden koͤnnte, zu nichts dienet. Man muß naͤmlich ver- nuͤnftiger Weise eine Absicht haben, wozu das Zu- sammenrechnen dienen soll, und das, was man Zu- sammenrechnen will, muß entweder gleichartig seyn, oder wenigstens in eine Classe genommen werden koͤn- nen. So z. E. addirt man nicht Linien und Flaͤchen, Raum und Zeit. So wuͤrde es ebenfalls eine leere Curiositaͤt seyn, wenn man z. E. finden wollte, wie viel Raum alle Planeten zusammengenommen in ei- ner Stunde durchlaufen, weil diese Summe zu nichts weiter dienet, und hoͤchstens nur alsdenn dienen kann, wenn Die Einheit. wenn man noch andere Data mitnimmt, welche das Planetensystem und seine Verbindung naͤher angehen. Das erst vorhin (§. 710.) von der Vollkommenheit angemerkte, gehoͤret ebenfalls mit hieher. Man setze z. E. ein Mensch sey scharfsinnig und maͤßig. Dieses sind zwo einzelne Vollkommenheiten, die aber weder ein Ganzes ausmachen, noch in eine Summe gebracht werden koͤnnen, wenn man sie nicht in ge- wissen beyden gemeinsamen Absichten betrachtet, um einen gleichen Maaßstab zu haben. §. 712. Der vierte Fehler, wenn man die Extensa mit den Intensis vermenget und verwechselt. Wir koͤnnen zu den oben (§. 697.) angefuͤhrten Beyspielen, noch einige hersetzen. Ordo minimus est minima in con- iunctione identitas, und: Identitas minima est, si unica minima determinatio sit paucissimis minimis communis. Hier muß anstatt paucissimis das Wort duobus gesetzt werden. Und dessen unerachtet wird die Jdentitaͤt dadurch nicht intensiue, sondern exten- siue kleiner, weil sie schlechthin keine Grade der Jn- tensitaͤt hat. Bey der Ordnung lassen sich mehrere Dimensionen gedenken. Sie kann aus mehrern Reihen, jede Reihe aus mehrern Gliedern bestehen, und beydes machet sie extensiue groͤßer. Ferner koͤn- nen die Glieder der einen Reihe mit den Gliedern der andern der Ordnung nach verbunden seyn, dieses machet aus einer bloßen Summe von einfachen Ord- nungen eine zusammengesetzte, und ein Product aus denselben. Sodann kann in jeder Reihe die Verbin- dung, die von Glied zu Glied geht, nach mehrern Bestimmungen fortgehen, oder eine mannichfaltigere Verbindung seyn, und dieses machet die Ordnung in jeder XXIII. Hauptstuͤck. jeder Reihe zusammengesetzter. So lange nun hie- bey die Verbindung bey jeden Gliedern eben dieselbe ist, so saget man, sie sey bey jedem Gliede vielfa- cher, und dehne sich auf mehrere Glieder aus. Beydes ist extensiue. Sodann ist der Ausdruck, daß die Anzahl der Glieder die Ordnung groͤ- ßer mache, etwas uneigentlich, weil die Groͤße der Ordnung vielmehr nach der Anzahl der Regeln ge- schaͤtzt wird, nach welchen eine und eben dieselbe Sa- che geordnet ist, und diese Groͤße nennet man die Mannichfaltigkeit, (§. 341.). Was man anordnet, ist außer einander, ungeachtet die angeordneten Theile in dem Ganzen sind, welches in Ordnung gebracht wird. Dieses außer einander seyn machet aber, daß dabey in Absicht auf die Ordnung nichts intensives vorkoͤmmt, ungeachtet es in andern Absichten dabey vorkommen kann. Z. E. die Ordnung kann unzer- trennlicher, die Theile fester verbunden ꝛc. seyn. §. 713. Durch die Anzeige der erst beruͤhrten Fehler, wel- che sich oͤfters beysammen finden, sieht man, was man zu vermeiden hat, wenn man eine mathemati- sche Theorie einer Sache ausfuͤndig machen will. Wir gaben dadurch auf eine verneinende Art zu er- kennen, was man dabey zu thun habe. Ungeachtet dieses nun auch directe angezeiget werden kann, so konnten wir desto ehender bey der Betrachtung der Fehler anfangen, weil man bey Aufsuchung solcher Theorien gemeiniglich zuerst fehlet. Die mathema- tische Erkenntniß fordert eine solche deutliche und ge- naue Entwickelung der Sache, daß man selten alles gleich anfangs trifft, und ihre Redensarten und Be- griffe sind so bestimmt in ihrer Bedeutung, daß man sie Die Einheit. sie nicht mit den gemeinen zu verwechseln hat, son- dern sich dieselben genau bekannt machen muß, um sie, besonders bey Erfindung neuer Theorien, richtig anwenden zu koͤnnen. Wir wollen, um dieses noch mehr aufzuklaͤren, noch einige Betrachtungen beyfuͤ- gen, um die Quellen solcher Fehltritte kenntlicher zu machen. §. 714. Einmal druͤcket die Sprache bald alles, was auch im weitlaͤuftigsten Verstande mehr oder minder seyn, oder genennet werden kann, durch ihre Comparatiuos aus, und nimmt das Wort groͤßer und kleiner in einem eben so ausgedehnten Verstande. Dadurch wird man nun ohnehin schon leicht verleitet, in dem, was solche Comparatiui anzeigen, ganz einfache Di- mensionen aufzusuchen, und die Grade gleichfoͤrmig uͤber die ganze Sache auszudehnen. Sieht man aber genauer nach, so werden dadurch nicht selten Dinge zusammen addirt und subtrahirt, die nicht mehr Gleichartigkeit unter sich haben, als z. E. ein Cubic- fuß Raum und ein Jahr Zeit. Wir haben dieses Beyspiel in dem §. 434. angefuͤhret, um daselbst den Begriff einer Art von Rechenkunst zu erlaͤutern, wel- che schlechthin sich nicht weiter als auf das bloße Nu- meriren auszudehnen scheint, wie z. E. wenn man jemand der Laͤnge nach vorzaͤhlet, was man unter einem Haufen Hausgeraͤthes gefunden. Jndessen kann man auf gut metaphysisch sagen, dieser Haufe Hausgeraͤthes sey desto groͤßer, je mehr und je groͤ- ßere Stuͤcke denselben ausmachen, und dabey bliebe nun unbestimmt, in welcher Absicht das Wort Groͤße genommen wird. Ein Mathematiker aber ist dar- auf bedacht, daß er bey seinen Groͤßen koͤnne Sum- men, Differenzen, Producte ꝛc. finden. Und so wuͤrde XXIII. Hauptstuͤck. wuͤrde man hiebey darauf sehen muͤssen, ob man die Groͤße des Raumes, oder die Groͤße des Werthes ꝛc. verstehe. Dadurch aber kaͤme anstatt zwoer Dimensio- nen, die der Metaphysiker angiebt, nur eine heraus, welche naͤmlich die bloße Summe aller einzeln Raͤume oder Preiße anzeiget. Es ist gar nicht zu zweifeln, daß man in der Metaphysic die Groͤße der Vollkom- menheit auf eine solche Art zu berechnen vorgiebt, wenn man saget, sie sey desto groͤßer, je mehrere und je groͤßere Dinge, in je groͤßeren Stuͤcken, je mehrfach und je mehr sie uͤbereinstimmen. (Baumgarten Metaph. §. 185.). Dieß sind fuͤnf Dimensionen, statt deren man oͤfters kaum eine her- ausbringt. Denn bey dem, was man vollkommen nennet, muͤssen die Theile schlechthin so zusammen gerichtet seyn, daß ein Maximum in einer oder auch in mehrern Absichten herauskomme. Z. E. bey dem Menschen muͤssen die Kraͤfte des Verstandes, des Willens und des Leibes so in Fertigkeiten verwandelt, zusammen gerichtet, und mit seinen aͤußern Umstaͤn- den proportionirt werden, daß die Summe des Gu- ten, was er Zeit Lebens thun kann, die groͤßte sey, und bey dieser Berechnung koͤmmt es darauf an, daß man das Gute auf einerley Maaßstab bringe, welches allerdings nicht so leicht ist. Die Summe des Guten, so von ganzen Societaͤten kann gewirket werden, ist allerdings noch ungleich zusammen- gesetzter. §. 715. Sodann giebt die Sprache in Menge Woͤrter M von der Art an (§. 453.), daß M = A : B = (mb + nβ) : (b + β) seyn muͤßte, und da wird man wiederum leichte verleitet, die Groͤße von M gerade hin nach der Groͤße von A, und umgekehrt nach Die Einheit. nach der Groͤße von B zu schaͤtzen, ungeachtet meh- rentheils die Theile b, β und Bestimmungen m, n so ungleichartig sind, daß sie entweder gar nicht oder nur in gewissen Absichten auf einerley Maaßstab ge- bracht werden koͤnnen. Man sehe, was wir in dem §. 454. hieruͤber angemerket haben. Wir haben die beyden erst gemachten Betrachtungen vornehmlich deswegen angefuͤhret, um zu zeigen, daß die Spra- che uns, wie in vielen andern Stuͤcken, so auch hier- inn, solche Moͤglichkeiten anbeut, die anfangs einen Schein der Realitaͤt haben, genauer betrachtet, aber schlechthin symbolisch sind. So wird man nach dem §. 369. die Bedingungen, die man voraussetzet, um das Gesetz der Reflexion aus dem kuͤrzesten Wege oder aus der kuͤrzesten Zeit zu finden, fuͤr nicht viel besser ansehen koͤnnen, bis sie vorerst erwiesen sind. §. 716. Wir werden nun zu den in dem §. 708. angegebe- nen Fragen zuruͤcke kehren, um sie auch directe zu betrachten. Sie setzen saͤmmtlich voraus, daß man alles, was in der Sache, davon man die Groͤße und Grade auszumessen suchet, verschiedenes seyn kann, genau aus einander lese. Dieses sind nun entweder Theile oder Bestimmungen, die den Theilen anhaͤn- gig sind. Jn Ansehung der Theile hat man nun be- sonders auf ihre Gleichartigkeit, und in Ansehung der Bestimmungen darauf zu sehen, ob sie allen oder nur einigen Theilen anhaͤngig sind. Denn das letz- tere wuͤrde an sich schon die Theile ungleichartig ma- chen, und dadurch verursachen, daß sie entweder gar nicht, oder nur in gewissen Absichten auf einerley Maaßstab gebracht werden koͤnnten. Lamb. Archit. II. B. Y §. 717. XXIII. Hauptstuͤck. §. 717. Sodann haben wir anzumerken, daß man selten oder gar nicht eine Sache fuͤr sich, sondern in gewissen und einzeln Absichten auszumessen suchet, weil bald jede Sache, außert mehren absoluten Einheiten, die sie hat, und die weiter kein mehr und minder zulassen, auf sehr vielerley und durch aus verschiedene Arten etwas auszumessen darbeut, wie z. E. ein Koͤrper in Absicht auf den koͤrperli- chen Raum, in Absicht auf die Schwere, Gewicht, Dichtigkeit, Haͤrtigkeit, Elasticitaͤt, Klang, Farbe, Helligkeit, Erwaͤrmbarkeit, Dilatation, Cohaͤsion der Theile, Masse ꝛc. Dieses nimmt man nun nicht gleich alles zusammen, sondern entweder jedes einzeln, oder wenigstens nur so viel, als zusammen genommen fuͤr sich betrachtet werden kann. Und erst, nach dem man die Art, in solchen einzeln Absichten Ausmessungen vorzunehmen, bestimmet hat, sieht man sich etwann um, wie fern, was nach der einen Absicht veraͤndert wird, Veraͤnderun- gen nach den andern Absichten nach sich ziehe, und dieses geht sodann um desto ehender und leichter an, weil man jede Veraͤnderung fuͤr sich durch Zahl und Maaß bestimmen, und sie folglich desto leichter und genauer mit einander vergleichen kann. Da die wissenschaftliche Erkenntniß groͤßtentheils auf der Theorie von solchen Abhaͤnglichkeiten beru- het (Dianoiolog. §. 605. seqq. ), und selbst auch der aͤchte Weg zur Entdeckung der Ursachen dahin geht (§. 611.), so sieht man uͤberhaupt, daß dieses Vornehmen von nicht geringer Erheblichkeit ist. Man wird eben dieses auch aus den in den §. 452-462. gemachten Anmerkungen ersehen. §. 718. Die Einheit. §. 718. So viel oder wenig man nun von solchen einzeln Absichten zusammen nehmen muß, um die Ausmes- sungsart zu finden, so wird erfordert, daß sie bey jeden Theilen der Sache vorkommen, und wo dieses nicht ist, da muͤssen die Theile, wobey sie vorkom- men, besonders genommen werden, damit man nicht das Gleichartige mit dem Ungleichartigen vermenge, (§. 458.). So z. E. haben wir oben (§. 283.) gese- hen, daß sich die Grade der hypothetischen Noth- wendigkeit nach den Kraͤften proportioniren, womit das gemeinsame Band des Ganzen getrennet oder uͤberwaͤltiget werden muß, wenn es solle anfangen koͤnnen, anders zu seyn, als es ist. Dabey wird nun an sich vorausgesetzt, das gemeinsame Band er- strecke sich gleichfoͤrmig auf jede Theile des Ganzen, und habe durchaus gleiche Staͤrke. Denn ist diese in verschiedenen Theilen verschieden, so koͤmmt eine ganz andere Berechnung der hypothetischen Noth- wendigkeit des Beharrens heraus, und es laͤßt sich dabey ein Groͤßtes, ein Kleinstes, das Mittel zwi- schen beyden, das Mittel aus allen ꝛc. gedenken. §. 719. Es giebt uͤberhaupt verschiedene Wege, wodurch wir uns versichern, daß eine Sache in einer oder mehrern Absichten groͤßer oder kleiner seyn koͤnne. Denn 1°. entweder sehen wir aus der Erfah- rung, daß es Veraͤnderungen in ihrer Groͤße giebt; oder 2°. wir koͤnnen uns die Art, wie die Groͤße veraͤndert, oder die Sache groͤßer oder kleiner seyn kann, klar vorstellen. Sollten wir hiebey die schon oͤfters angefuͤhrte Theorie von dem Me- chanismus der Fibern des Gehirnes zu Huͤlfe nehmen, Y 2 so XXIII. Hauptstuͤck. so wuͤrden wir sagen, daß die Empfindung der ex- tensiven Groͤße der Sache, in mehrern Fibern, die Empfindung der intensiven Groͤße aber in jeder Fi- ber einen staͤrkern Eindruck mache, (§. 252. 689. 694.). Bey wirklichen Empfindungen verhalten sich die Fi- bern passiue, weil sie den Eindruck annehmen, und wir haben schlechthin das Bewußtseyn davon. Hin- gegen ist es auch moͤglich, daß wir actiue bey der Vorstellung der Sache gleichsam eine Probe machen, ob die Fibern uns ein Bewußtseyn von der veraͤnder- lichen Ausdehnung und Jntensitaͤt einer Groͤße geben koͤnnen, oder nicht, das will sagen, ob diese Veraͤnde- rung und Veraͤnderlichkeit gedenkbar sey oder nicht? §. 720. Hiebey haben wir nun allerdings die Moͤglichkeit an sich betrachtet, von der Moͤglichkeit in einem vor- gegebenen Falle, und beydes von der Wirklichkeit zu unterscheiden; und dieses machet, daß wir die Frage, ob eine Groͤße in der wirklichen Welt bestaͤndig oder veraͤnderlich sey, nicht so unbedingt entscheiden koͤn- nen. Jst die Veraͤnderung an sich unmoͤglich, wie bey allen absoluten Einheiten, so ist die Frage bald entschieden. Jst aber die Veraͤnderung moͤglich, so hat man in Absicht auf die wirkliche Welt mehr Gruͤnde zu vermuthen, daß sie vorgehe, weil die wirkenden Kraͤfte gar zu sehr durch einander laufen. Man sieht aber leicht ein, daß man nicht wirkliche Veraͤnderungen setzen kann, die einander widerspre- chen, und daß folglich hiebey die Frage nicht von dieser oder jener Veraͤnderung, sondern von einer Veraͤnderung uͤberhaupt betrachtet, sey, weil jede Veraͤnderung dem Bestaͤndigen entgegen gesetzt wer- den kann. Auf diese Art hat man in den neuern Zeiten Die Einheit. Zeiten bey sorgfaͤltigerer Betrachtung der Dinge in der Natur Veraͤnderungen wahrgenommen, die man sich vorhin nur nicht haͤtte in Sinn kommen lassen. Daß ein Pfund Bley unter dem Aequator leichter sey, als bey den Polen, und auf den Bergen leichter, als bey dem Meere, gehoͤret unter die neuern Para- doxa. So ist auch die Veraͤnderung in der Lage der Fixsterne zu langsam, als daß man sie viel fruͤher haͤtte bemerken koͤnnen. §. 721. Man hat aber in physischen Sachen nicht nur uͤberhaupt aus der Erfahrung zu lernen, daß die Dinge, die sich ihrer Groͤße nach veraͤndern und ver- schieden seyn koͤnnen, wirklich sich veraͤndern und ver- schieden sind, sondern man muß besonders auch die Art und Mannichfaltigkeit, und die Gesetze, die da- bey vorkommen, unmittelbar aus der Erfahrung ler- nen, und dieses wird nothwendig, so oft mehr als eine Art moͤglich ist. Man sieht leicht, daß hiebey eigentlich zween Faͤlle zu unterscheiden sind. Denn es kann ein Indiuiduum fuͤr sich betrachtet, in ver- schiedenen Absichten dem Grade nach Veraͤnderungen leiden. Sodann koͤnnen auch mehrere Indiuidua von gleicher Art, den Stufen nach, von einander verschie- den seyn. Man gebraucht nun vornehmlich den er- sten Fall, wo man die Gesetze, nach welchen die Grade zu- und abnehmen, in jeder einzeln Absicht fuͤr sich betrachtet, finden will. Denn da erhaͤlt man das ceteris paribus (§. 151.) am zuverlaͤßigsten, und wird dadurch in Stand gesetzet, das, was in jedem Indiuiduo besonders ist, desto leichter und genauer zu finden. Y 3 §. 722. XXIII. Hauptstuͤck. §. 722. Wo es aber nicht um die Jndividualitaͤten der wirk- lichen Welt, sondern nur um allgemeine Moͤglich- keiten zu thun, da reichet man mit der Gedenkbar- keit der Groͤßen und ihrer Veraͤnderlichkeiten noch ziemlicher Maaßen aus. Man muß aber diese von bloß symbolischen Moͤglichkeiten, als welche sich auf das Gedenkbare und Widersprechende fast ohne Un- terschied erstrecken, genau unterscheiden. Wir koͤn- nen ebenfalls hiebey anmerken, daß diejenigen me- taphysischen Begriffe, welche man durch das Abstra- hiren der Aehnlichkeiten mehrerer specialern Begriffe findet, hiebey nicht viel taugen, und auch nicht die- jenigen sind, bey welchen man anfangen muß. Denn so einfach sie ihren Worterklaͤrungen nach zu seyn scheinen, so sind sie im Grunde betrachtet, und wenn man alles, was dazu gehoͤret mitnimmt, das Scele- ton von den darunter gehoͤrenden Indiuiduis, und nicht minder als diese zusammengesetzt (§. 517-529.), und aus diesem Grunde in unserer Erkenntniß selten voll- staͤndig, zu geschweigen, daß sie oͤfters mit Begrif- fen durchmenget sind, dergleichen wir vorhin (§. 715.) aus dem §. 453. angefuͤhret haben. Man muß bey dem Einfachsten anfangen, und dieses giebt sodann der Ordnung nach die Arithmetic, Geometrie, Ana- lyse, Chronometrie, Phoronomie, Dynamic ꝛc. aus welchen Wissenschaften sodann theils besondere An- wendungen gemacht, theils das Allgemeine und Me- taphysische genauer und richtiger abstrahirt werden kann. §. 723. Das Einfache hat an sich schon das voraus, daß es fuͤr sich gedenkbar ist, und die Moͤglichkeit, groͤ- ßer oder kleiner zu seyn, geht dabey entweder von 0 bis Die Einheit. bis ins Unendliche, wie bey der Ausdehnung, der Dauer, der Kraft, der Bewegung ꝛc. oder es ist eine absolute Einheit, die keine Gradus Intensitatis zulaͤßt, sondern nur extensiue bey mehrern oder weni- gern Dingen vorkommen kann, wie z. E. die Exi- stenz, die Wahrheit ꝛc. Den Grund, warum bey dem Einfachen von diesen Extremis eines vorkomme, haben wir bereits (§. 706.) angezeiget, weil naͤmlich, wenn die Groͤße nur innert gewissen Schranken ver- aͤndert werden kann, allemal etwas zusammengesetz- tes in dem Begriffe ist, oder einschraͤnkende Bedin- gungen dabey vorkommen, (Alethiol. §. 248.). Und diese geben gemeiniglich eine bestimmte und fuͤr sich erkennbare Einheit an, auf welche die uͤbrigen Grade bezogen werden koͤnnen. §. 724. Hingegen, wo jede Stufen der Groͤße an sich gleich und uneingeschraͤnkt moͤglich sind, da ist die Einheit nothwendig unbestimmt, und daher kann sie von jeder beliebigen Groͤße angenommen werden. Es ist dabey alles nur verhaͤltnißweise groß oder klein. Wir haben daher bereits angemerket, daß, wenn man fuͤr solche Faͤlle kenntliche Einheiten haben will, man sie in der wirklichen Welt aufsuchen muͤsse. Die- ses sind aber sodann nicht so fest Einheiten in der Sache selbst, als vielmehr Maaßstaͤbe dazu, der- gleichen man fuͤr die Zeit, den Raum, die Geschwin- digkeit, das Gewicht ꝛc. einige ziemlich genau ge- funden. Sie haͤngen saͤmmtlich von der in dem 702ten §. betrachteten, an sich kenntlichen Einheit ab. Denn die gleichfoͤrmige Umwaͤlzung der Erdkugel giebt uns das Maaß der Zeit, und dieses vermit- telst der Pendul das Maaß der Laͤnge, und diese Y 4 vermit- XXIV. Hauptstuͤck. vermittelst der specifischen Schwere der Koͤrper das Maaß des Gewichtes ꝛc. wiewohl auch hiebey aller- dings kleine Unrichtigkeiten und Veraͤnderungen vor- kommen, welche eine geometrische Schaͤrfe nicht zu- lassen, die ohnehin bey physischen Ausmessungen nie- mals erhalten werden kann. Vier und zwanzigstes Hauptstuͤck. Die Dimension . §. 725. N ach der Einheit haben wir die Dimensionen zu betrachten, als welche in der naͤchsten Verbin- dung mit derselben stehen, weil jede Dimension fuͤr sich, und so auch mehrere zusammengenommen, ihre besondere Einheiten und Arten derselben haben. Wir haben das, was bey den Dimensionen zum Grunde liegt, bereits oben (§. 449. seqq. ) angezeiget, und dabey angemerket, daß es die einfachen Bestimmun- gen sind, die eine und eben dieselbe Sache zugleich hat, und daß, wenn die Sache ein Substantiales ist, die wesentlichen Accidenzen desselben Dimensionen abgeben, (§. 636. 637. 642.). Diese werden wir nun hier nicht metaphysisch, sondern von der ma- thematischen Seite betrachten, und auch dadurch die Verhaͤltnisse, so zwischen diesen Begriffen sind, aufzuklaͤren suchen. §. 726. Das Wort Dimension giebt seiner buchstaͤblichen Bedeutung nach etwas an, nach welchem eine Aus- messung Die Dimension. messung vorgenommen werden, und wobey folglich die Einheit Bruͤche haben und wiederholet werden kann. Hiebey haben wir nun den ersten Begriff von den drey Dimensionen des Raumes, die in der Geo- metrie betrachtet werden. Von diesen gebraucht man bey der Ausmessung der Laͤngen nur eine, bey den Flaͤchen aber zwo, und bey den koͤrperlichen Raͤumen alle drey. Man findet naͤmlich, daß sich eine Linie nur der Laͤnge nach gerade hin an eine andere anlegen laͤßt, daß hingegen ein Quadrat, sowohl der Laͤnge als der Breite nach an ein anderes gelegt werden kann, und daß bey dem Cubo nicht nur die Laͤnge und Breite, sondern auch die Hoͤhe oder Tiefe vor- koͤmmt, und daß man auf diese Art anlegen muß, wenn man mit gleichen Quadraten eine Flaͤche bede- cken, oder mit gleichen Cubis einen Raum dichte ge- schlossen ausfuͤllen will. Dieses haͤtte nun, an sich betrachtet, nichts zu sagen, wenn sich nicht eine leichte und betraͤchtliche Abkuͤrzung daher leiten ließe, die Anzahl aller Quadrate oder aller Wuͤrfel zu bestim- men, wenn man weiter nichts weiß, als wie viele der Laͤnge, Breite und Tiefe nach an einander liegen, wenn mit Quadraten ein viereckichter und mit Cubis ein wuͤrflichter Raum ganz ausgefuͤllet ist. Denn so lassen sich bey den Cubis Reihen, Schichten und An- zahl von Schichten gedenken, so daß die in einer Linie liegen, eine Reihe ausmachen, die Reihen, die in einer Flaͤche neben einander liegen, eine Schichte abgeben, und die Schichten, die uͤber einander lie- gen, das ganze Gelage oder den koͤrperlichen Raum ausmachen. Um nun die Summe von allen zu fin- den, sieht man nur, wie viele Cubi der Laͤnge, Breite und Tiefe nach an einander liegen, und diese drey Zahlen werden mit einander multiplicirt. Dieses ist Y 5 nun XXIV. Hauptstuͤck. nun eigentlich die Abkuͤrzung. Denn ohne diese muͤßte man die gelegten Cubos Stuͤck fuͤr Stuͤck ab- zaͤhlen, und dadurch wuͤrde man ihre Summe oder Anzahl finden, ohne zu wissen, wie dieselbe entsteht und anwaͤchst. §. 727. Der Begriff der Dimensionen gruͤndet sich dem- nach hiebey darauf, daß eine Linie nur der Laͤnge nach, eine Flaͤche der Laͤnge und Breite nach, und ein koͤr- perlicher Raum der Laͤnge, Breite und Dicke nach groͤßer wird. Die Einheiten, die man dabey ge- braucht, sind von gleicher Art, weil sich Linien mit Linien, Flaͤchen mit Flaͤchen, Koͤrper mit Koͤrpern ausmessen lassen, und daher kommen an dem Cubo, den man zur Einheit annimmt, die drey Dimensio- nen des koͤrperlichen Raumes an sich schon vor. Wenn man daher saget, daß man die Laͤnge mit der Breite, und das Product mit der Dicke multiplici- ren muͤsse, um den Raum eines viereckichten Koͤrpers zu finden, so ist dieses nur ein abgekuͤrzter Ausdruck, weil sich Linien mit Linien nicht multipliciren lassen. Man setze z. E. die Laͤnge, Breite, Dicke, sey 5, 4, 3. Faͤngt man nun bey der Laͤnge an, so versteht man es liegen fuͤnf einzelne Cubi nach der Laͤnge, und dieses vorausgesetzt, so bedeutet nun das vierte, welches die Breite vorstellet, nicht mehr einzelne Cubos, son- dern Reihen von Cubis, so daß in jeder Reihe fuͤnf Cubi sind. Dieses giebt demnach eine Schichte von zwanzig einzeln Cubis, und das dritte, welches die Dicke ausdruͤcket, bedeutet nunmehr weder einzelne Cubos, noch einzelne Reihen, sondern drey solcher Schichten, deren jede zwanzig einzelne Cubos hat. Man druͤcket demnach solche Zahlen fuͤglicher so aus: Es Die Dimension. Es seyn drey Schichten, jede bestehe aus vier Reihen, und jede Reihe aus fuͤnf Cubis. Und daraus erhellet sodann ohne Muͤhe, daß man 3, 4, 5 mit einander multipliciren muͤsse, um die Anzahl von allen Cubis heraus zu bringen. Bey den Flaͤchen giebt die Laͤnge einzele Reihen von solchen Quadraten, die zur Einheit angenommen werden, die Breite aber giebt an, wie viel solcher Reihen der Breite nach an einander liegen. Bey den bloßen Linien oder Laͤngen hingegen koͤmmt nur eine einfache Reihe von solchen Linien vor, die zur Einheit angenommen werden. §. 728. Wir koͤnnen hieraus die Folge ziehen, daß von Dimensionen die Rede vorkoͤmmt, wo dasjenige, was wir uns unter einem Begriffe vorstellen, in meh- rern Absichten oder aus mehrern Gruͤnden, und nach jedem ohne Ruͤcksicht auf den andern, groͤßer oder kleiner werden kann. Jndessen scheint dieser Begriff einer Dimension darinn zu allgemein zu seyn, daß in der Geometrie jede Dimension des Raumes, naͤmlich die Laͤnge, Breite und Dicke linear, und eben dadurch gleichartig sind, so daß es einerley ist, welche man lang, breit oder dick nennet. Sollen wir diese Ein- schraͤnkung beybehalten, so wird der Begriff einer Dimension viel bestimmter. Denn so z. E. wenn man saget, die Kraft eines bewegten Koͤrpers ver- groͤßere sich nach seiner Masse und nach dem Quadrate der Geschwindigkeit; so wird hiebey die Geschwindig- keit nach zwoen Dimensionen, die Masse aber nach einer Dimension genommen, und ungeachtet, die Masse mit dem Quadrate der Geschwindigkeit multi- plicirt werden muß, und dadurch, den Zahlen nach, drey Dimensionen herauskommen, so koͤnnte man doch wegen der Ungleichartigkeit der Sache nicht von drey XXIV. Hauptstuͤck. drey Dimensionen reden, wenn das Wort in dem erst gemeldeten engern Verstande genommen werden sollte. Man sieht aber leicht, daß es hiebey auf das Wort nicht ankoͤmmt, weil die Sache selbst deutlich angegeben werden kann. Denn wollte man das Wort Dimension nach seiner buchstaͤblichen Bedeutung nehmen, so wuͤrde es nur anzeigen, welche Ausmessungen vorgenommen werden muͤssen, und so haͤtten wir hier nur zwo, naͤm- lich die Masse und die Geschwindigkeit, und bey die- ser wird die Ausmessung nur einmal vorgenommen, weil das Quadrat derselben, welches man hier ge- braucht, ohne neue Ausmessung daraus gefunden werden kann. Wir koͤnnen aber uͤberhaupt dabey bleiben, daß eine Groͤße desto mehrere Dimensionen habe, je mehr einzele Groͤßen, deren jede fuͤr sich veraͤnderlich ist, mit einander multiplicirt werden muͤssen. Und dieses wird die allgemeinste Bedeu- tung des Wortes seyn. Denn in einem engern Ver- stande werden die Dignitaͤten von ein und eben dersel- ben Groͤße dadurch verstanden, und in so ferne saget man, daß sich Groͤßen nicht addiren lassen, es sey denn, daß sie sowohl in Absicht auf die Sache gleichartig, als in Absicht auf die Anzahl der Factoren von gleich vielen Dimensionen seyn. Diese letztere Bedingung machet die Homogeneitaͤt oder Gleichartigkeit absolut. Diese Vieldeutigkeit des Wortes, die bereits einge- fuͤhret ist, kann man nicht wohl aͤndern, und die Be- deutung, die es jedesmal hat, muß demnach entwe- der angezeiget, oder aus dem Zusammenhange der Rede geschlossen werden, welches letztere fast immer leicht ist, wo das Wort als Praͤdicat vorkoͤmmt. §. 729. Hier werden wir nun anfangs das Wort Dimen- sion in der erst erwaͤhnten allgemeinern Bedeutung nehmen, Die Dimension. nehmen, weil wir die Frage zu untersuchen haben, woher eine Groͤße nach mehrern Dimensionen zu- und abnehmen kann, und wie sie nach jeder derselben zu- und abnimmt? Hieruͤber merken wir an, daß in den meisten ausmeßbaren Dingen, und besonders, wo Kraͤfte mit vorkommen, zwo Hauptdimensionen sind, nach denen die Sache ex- tensiue und intensiue groͤßer und kleiner werden kann. Jn physischen Dingen, wo der Raum mehrentheils mit in Betrachtung koͤmmt, wird das extensiue fast immer von demselben hergenommen. So z. E. rich- tet sich, bey gleicher Dichtigkeit, die Masse nach dem Raum, und auf eine aͤhnliche Art sehen wir das Licht fuͤr groͤßer an, welches einen groͤßern Raum ein- nimmt, und eben so laͤßt sich auch die Summe der Waͤrme extensiue nach dem Raume schaͤtzen, durch welchen sie verbreitet ist. Hingegen wird die Jn- tensitaͤt nach der Menge der Lichtstralen, der Waͤrme, der Materie ꝛc. geschaͤtzet, die in einem gleichen Rau- me ist. Man sieht hiebey, ohne mein Erinnern, daß bey solchen Berechnungen eine oder zwo, oder alle drey Dimensionen des Raumes in Betrachtung kom- men. So z. E. bey der Dichtigkeit und Waͤrme nimmt man gewoͤhnlich den koͤrperlichen Raum, hin- gegen bey Bestimmung der Jntensitaͤt des Lichtes, wird gewoͤhnlich nur der Flaͤchenraum genommen. Jch sage gewoͤhnlich. Denn es koͤnnen gar wohl Faͤlle vorkommen, wo man diese Anzahl der Dimen- sionen aͤndert. §. 730. Wo aber der Raum die Groͤße extensiue bestimmt, da wird die Jntensitaͤt gewoͤhnlich so berechnet, wie sie bey gleichem Raume statt findet, und sie ruͤhret mehren- XXIV. Hauptstuͤck. mehrentheils von der Aufhaͤufung der Substanz, Ma- terie, Kraft ꝛc. in gleichem Raume her. Dieses fin- det in erst angefuͤhrten Beyspielen statt. Die Kraͤfte der Schwere, welche, in dem sie durch groͤßere Sphaͤ- ren verbreitet sind, schwaͤcher werden, werden ihrer Groͤße und Staͤrke nach, ebenfalls so bestimmt. Denn so ist die Summe von allen Kraͤften der Schwere auf jeder sphaͤrischen Flaͤche, die um die Sonne beschrieben werden kann, und mit derselben concentrisch ist, von gleicher Groͤße, demnach in je- dem Puncte in umgekehrter Verhaͤltniß der Flaͤche kleiner, wenn die Sphaͤre groͤßer ist. Bey der Luft, welche durch das Zusammendruͤcken elastischer wird, bringt man eine gleiche Quantitaͤt von Kraͤften in einen kleinern Raum, und daher sind nunmehr in gleichem Raume mehr Kraͤfte. Dieses machet sie gleichsam dichter, und dadurch die Summe von al- len staͤrker. Man findet auch, daß die Elasticitaͤt, welche allemal dem zusammendruͤckenden oder auflie- genden Gewichte gleich ist, sich in umgekehrter Ver- haͤltniß des Raumes verhaͤlt, in welchen eine gleiche Menge von Luft zusammengedruͤcket worden. Uebri- gens wird dadurch die Elasticitaͤt nicht intensiue groͤ- ßer, weil nur eine gleiche Menge von Kraͤften in einem kleinern Raume ist. Hingegen ist es eigent- lich die Waͤrme, welche die Elasticitaͤt intensiue groͤ- ßer machet, oder diese Kraͤfte, jede fuͤr sich ver- staͤrket. Und auf diesen Unterschied hat man genau Achtung zu geben, wenn man das Mariottische Gesetz von der Art, wie die Luft in groͤßern Hoͤhen duͤnner wird, bestimmen will. Mariotte hatte bey Voraussetzung, daß die Waͤrme durch die ganze Hoͤ- he der Luft gleich sey, gefunden, daß die Hoͤhe eines jeden Ortes in Verhaͤltniß des Logarithmus der Ba- rometer- Die Dimension. rometerhoͤhe sey. Die Subtangente dieser logarith- mischen Linie druͤcket den Grad der Elasticitaͤt der Luft aus, und ist bestaͤndig, wenn die Waͤrme be- staͤndig ist. Wird aber die Waͤrme groͤßer, so wird die Elasticitaͤt staͤrker, und die Subtangente in glei- cher Verhaͤltniß verlaͤngert. Jst die Waͤrme in ver- schiedenen Hoͤhen ungleich, so ist auch diese Subtan- gente ungleich, und die krumme Linie mehr oder min- der von der logarithmischen verschieden ꝛc. §. 731. Die Jntensitaͤt nimmt aber nicht nur mit der Auf- haͤufung der Substanzen, Materien, Kraͤften ꝛc. zu, sondern sie veraͤndert sich auch nach der Art, wie die Kraͤfte wirken, und in solchen Faͤllen richtet sie sich gewoͤhnlich nach dem Sinu incidentiae, wie wohl sich auch in vielen Faͤllen nur die Groͤße darnach richtet. So z. E. kann man leicht zeigen, daß die Anzahl oder Menge der Sonnenstralen, die schief auf eine Flaͤche fallen, in Verhaͤltniß dieses Sinus zu- und ab- nimmt, und daher aus diesem Grunde die Erwaͤr- mung der Flaͤche geringer wird. Man hat aber auch schließen wollen, die Staͤrke der erwaͤrmenden Kraft der Sonnenstralen werde in eben dieser Verhaͤltniß, und folglich die ganze Wirkung nach dem Quadrate dieses Sinus geringer. Letzteres aber, welches bey der Theorie des Stoßes groͤßerer Koͤrper statt findet, geht hier nicht an, weil die Flaͤche in Vergleichung gegen der Feinheit der Lichtstrahlen, als sehr hoͤcke- richt angesehen werden muß, und weil auf der Flaͤche eines Koͤrpers Kraͤfte sich aͤußern, die das Licht von seinem Wege ableiten, und ganz andere Einfalls- winkel hervorbringen, und uͤberdieß vielmehr darauf zu sehen ist, wie viel von dem auffallenden Lichte wirklich XXIV. Hauptstuͤck. wirklich in den Koͤrper hineindringt, ohne, wie es bey durchsichtigen Koͤrpern geschieht, gerade durch zu gehen ꝛc. §. 732. Die Jntensitaͤt vergroͤßert sich durch eine Aufhaͤu- fung. Werden nun dadurch die Kraͤfte verstaͤrket, so kann es gar wohl geschehen, daß mehr erfordert wird, noch groͤßere Grade hinzuzuhaͤufen, als davon wegzunehmen. Wir finden etwas von dieser Art bey den lebenden Kraͤften, wenn sie durch die Geschwin- digkeit sollen verstaͤrket werden. Denn da muß die Geschwindigkeit, wie die Quadrate zunehmen, wenn die Kraft nur wie die Zahlen oder Wurzeln der Qua- drate zunehmen soll, so daß eine 4, 9, 16. ꝛc. mal groͤßere Geschwindigkeit nur eine 2, 3, 4, ꝛc. mal groͤ- ßere Kraft hervorbringt. §. 733. Ueberhaupt kommen bey dem Aufsuchen der Di- mensionen einer Groͤße folgende Faͤlle vor. Einmal, wenn die Groͤße einer Bestimmung, Eigenschaft, Ac- cidens ꝛc. zu finden, so hat man, wenn diese Be- stimmung mehrern Theilen gemeinsam ist, eine ex- tensiue Dimension, welche nach der Anzahl der Theile geht. Sodann kann es auch geschehen, daß diese Be- stimmung, Eigenschaft, Accidens ꝛc. sich uns unter einem einfachen Bilde, als ein ganzes zeiget, unge- achtet sie genauer betrachtet aus einfachern zusammen- gesetzt gefunden wird, deren jedes fuͤr sich groͤßer oder kleiner seyn kann, so daß wir eigentlich nur die Sum- me oder das Product von allen empfinden, wie z. E. bey den Farben, als welche selten so einfach sind, wie die prismatischen. Jn solchen Faͤllen laͤßt sich die zusammengesetzte Bestimmung, Eigenschaft ꝛc. nicht immer Die Dimension. immer durch das Product der Einfachern vorstellen, besonders, wenn dieses in jeden Theilen verschieden ist. Wir haben bereits oben (§. 96. 375. 419. seqq. ) angemerket, daß die Berechnung des Stoßes elasti- scher Koͤrper, und so auch die Berechnung der Ela- sticitaͤt selbst auf solche Bedingungen gesetzet ist. Endlich kann auch die Bestimmung, Eigenschaft, Ac- cidens ꝛc. durch aͤußere und zusammenwirkende Ur- sachen groͤßer oder kleiner werden, und da hat man ebenfalls darauf zu sehen, was jede fuͤr sich, nach ihren besondern Modificationen, und in Absicht auf die Verbindung mit den uͤbrigen dazu beytraͤgt. §. 734. Was man in dieser letztern Absicht in der Natur- lehre gewoͤhnlich thut, koͤmmt darauf an, daß wenn man findet, eine Bestimmung, Eigenschaft ꝛc. ver- mehre und vermindere sich immer zugleich mit einer andern, man nicht nur den Schluß machet, daß sie in gemeinsamer Verbindung sind, so daß sie entwe- der von einer gemeinsamen Ursache herruͤhren, oder daß die eine von der andern verursachet werde; son- dern man sieht zugleich auch die eine als eine Fun- ction der andern an, und suchet, wie, wenn die Groͤ- ße der einen gegeben, die Groͤße der andern daraus koͤnne gefunden werden. Dieses alles ist ganz na- tuͤrlich und ungezwungen. Hingegen biethen sich uͤber die Art, wie man es angreift, um solche Relationen zu finden, verschiedene Anmerkungen an, davon wir wenigstens einige hier anfuͤhren, die uͤbrigen aber bis in die folgenden Hauptstuͤcke verschieben muͤssen. §. 735. Man suchet naͤmlich dabey sogleich einfache Ver- haͤltnisse, oder man nimmt sie mehrentheils ohne ge- Lamb. Archit. II. B. Z nauere XXIV. Hauptstuͤck. nauere Untersuchung gleich anfangs an. Die eine Groͤße sey A, die andere B. Nimmt nun A und B zugleich zu, so setzet man, daß A in Verhaͤltniß und zwar in gerader Verhaͤltniß von B sey. Bemerket man aber, daß B staͤrker zunimmt als A, so setzet man B sey in Verhaͤltniß von A 2 , A 3 , A 2:3 , A n , ꝛc. Nimmt hingegen B ab, wenn A zunimmt, so ver- faͤllt man sogleich auf umgekehrte Verhaͤltnisse, und setzet A sey umgekehrt, wie B, B 2 , B 3 , B n , ꝛc. oder B umgekehrt, wie A, A 2 , A 3 , A n , ꝛc. Solche willkuͤhr- liche Voraussetzungen haben nun in einigen Faͤllen zugetroffen. So z. E. sind bey der Stralenbrechung die Sinus der Neigungswinkel in Verhaͤltniß der Sinus der Refractionswinkel. So ist bey den im luftleeren Raume fallenden Koͤrpern der durchlaufene Raum, wie das Quadrat der Zeit, und in dem Sonnensy- stem die Attraction oder Schwere umgekehrt, wie das Quadrat des Abstandes ꝛc. Es hat aber auch Faͤlle gegeben, wo solche einfache Verhaͤltnisse nicht haben angehen wollen. So z. E. fand man bey der anziehenden Kraft des Magneten, der Electricitaͤt ꝛc. schon mehr Verwirrung, wenn man sie mit der Di- stanz vergleichen wollte. Bey groͤßern Geschwindig- keiten steht man noch dermalen an, ob der Widerstand der Luft sich nach dem Quadrate derselben richte, und die oben (§. 419. seqq. ) gemachte Anmerkungen zei- gen ebenfalls, daß bey dem Stoße elastischer Koͤrper mehrere Dimensionen und Umstaͤnde mit in die Rech- nung gezogen werden muͤssen, wenn man die Formeln fuͤr jede Koͤrper und Geschwindigkeiten allgemein ha- ben will. Jn der Astronomie ist die mittlere Bewe- gung bald nichts anders, als daß man anfangs alle Veraͤnderungen am Firmamente den Zeiten propor- tional setzte, und man hat sie in den astronomischen Tafeln Die Dimension. Tafeln nur deswegen beybehalten, weil man der Ano- malien auf eine bequeme Art Rechnung tragen konnte. Daß man aber die Veraͤnderung in der Schiefe der Eccliptic ebenfalls der Zeit proportional machen, und dadurch ihre Periode voraus bestimmen wollte, dazu hatte man weniger Gruͤnde. Es ist mit der Veraͤn- derung der Abweichung der Magnetnadel auf eine aͤhnliche Art ergangen. Man setzte sie gehe gleich- foͤrmig von Osten gegen Westen, und man wollte daraus die Zeit bestimmen, in welcher sie in dem ganzen Cirkel herum koͤmmt, ungeachtet die genauere Vergleichung aller Parisischen Observationen angiebt, daß sie erst seit ungefaͤhr 1580 anfienge, wiederum nach Westen ruͤckwaͤrts zu kehren, und nun dermalen allem Ansehen nach in wenigen Jahren ihr westliches Maximum erreichen, und sodann wiederum ostwaͤrts zuruͤcke kehren wird. Jch sage, allem Ansehen nach, wenn naͤmlich nicht Ursachen hinzukommen, die sich seit A°. 1550, das ist seit dem man Observa- tionen hat, nicht geaͤußert haben. Eine Veraͤnde- rung, die der Zeit nach ein Maximum hat, ist der Zeit schlechthin nicht proportional, sondern hat meh- rere einander einschraͤnkende Ursachen, die sie nicht lassen groͤßer werden, wenn sie auch der einen Ursache nach groͤßer werden koͤnnte. §. 736. Jn Absicht auf ein solches Verfahren, ist nun fuͤr sich klar, daß man es eigentlich vornimmt, wo die wahren Verhaͤltnisse nicht aus Gruͤnden bestimmt werden koͤnnen, und in solchen Faͤllen ist es unter gewissen Bedingungen allerdings zulaͤßig. Es muß naͤmlich die angenommene Verhaͤltniß von der Er- fahrung wenigstens nicht merklich abweichen, und Z 2 man XXIV. Hauptstuͤck. man muß sie auch so unbedingt nicht weiter ausdeh- nen, als die Erfahrung angestellet worden. Denn da in der Natur der Mannichfaltigkeiten und Abaͤn- derungen so gar viele sind, so kann auch leicht ein kleiner Umstand alles aͤndern. Endlich, wenn in der Sache, wobey man die Verhaͤltniß annimmt, noch mehr veraͤnderliche Groͤßen mit vorkommen, so muß die angenommene Verhaͤltniß den Gesetzen, nach wel- chen diese sich veraͤndern, nicht zuwider seyn, und be- sonders hat man zu sehen, ob und wie fern diese muͤs- sen mit in die Rechnung gezogen werden? Bey allem diesem wird schlechthin vorausgesetzt, daß die Erfah- rungen, nach welchen man eine Formel accommodiren will, richtig und zuverlaͤßig seyn muͤssen, und hieran fehlet es oͤfters nicht wenig, besonders, wo man vor der genauern Kenntniß der Sache nicht alle Umstaͤnde weiß, in welchen die Erfahrungen gemacht werden muͤssen, und welche man mit in Betrachtung zu zie- hen hat, wenn man aus denselben etwas schließen will. So z. E. wurde die Hoͤhe mehrerer pyrenai- schen Gebirge ausgemessen, und die Hoͤhe des Baro- meters auf denselben beobachtet. Es verursachte aber der Mangel der Kenntniß von der Stralenbrechung, deren Wirkung sich in vielen Faͤllen bis auf 50, 80, und in einem Falle bis auf 160 Toisen belaͤuft, daß die gemessene Hoͤhen von der wahren um eben so viel abwichen. Und dieses machte, daß sich diese Hoͤhen mit den Barometerhoͤhen nie wollten recht zusammen reimen, da hingegen die vermittelst der Stralenbre- chung genauer bestimmten Hoͤhen klar anzeigten, daß man das Mariottische Gesetz zu fruͤh verworfen, und daß es hoͤchstens nur in der untern Luftgegend einer sehr kleinen Verbesserung bedarf. Jn Ansehung der Stralenbrechung der Athmosphaͤre, ist sowohl die Theorie, Die Dimension. Theorie, als die Beobachtung aͤhnlichen Schwierig- keiten unterworfen. Die Hawksbeische Regel von der Verminderung der Stralenbrechung in verduͤnnter Luft mag in Absicht auf die Luft statt finden, die man in einem Gefaͤße verduͤnnert, hingegen in der freyen Luft, wo man sie eigentlich zur Bestimmung der Stra- lenbrechung gebrauchte, geht sie nicht an, weil die Stralenbrechung viel schneller abnimmt, als die Dichtigkeit der Luft, wenn diese nach dem Falle des Barometers geschaͤtzt wird. §. 737. Uebrigens haben wir hiebey besonders anzumerken, daß man auch da, wo einfache Verhaͤltnisse wirklich statt haben, gar leicht statt derselben auf zusammen- gesetztere verfaͤllt, und dieses geschieht vornehmlich, wenn man den Anfang der Groͤßen, deren Verhaͤlt- nisse man finden will, anders nimmt, als er genom- men werden sollte. So z. E. hat die Parabel und die Hyperbola aequilatera zwischen den Asymtoten eine sehr einfache Gleichung, die erstere ist ax = yy, die andere aber aa = xy. Man darf aber nur den Ab- scissen und Ordinaten eine andere Lage und Anfang geben, um sehr verwickelte Formeln heraus zu brin- gen. Nimmt man nun noch die Betrachtung hinzu, daß sich uns die Erfahrung oͤfters nur von dieser ver- wickeltern Seite her zeiget, und daß wir lange nicht immer in dem wahren Gesichtspuncte sind, um sie am einfachsten zu finden, so laͤßt sich wohl begreifen, daß man alsdenn erst nach langem suchen auf die ein- fache Seite verfaͤllt, und dadurch den Calcul leichter machen, und die Verwirrungen und Anomalien weg- schaffen kann. Das ganze Sonnensystem mag uns hier zum Beyspiele dienen. Es gebrauchte viel dazu, Z 3 bis XXIV. Hauptstuͤck. bis Kepler uns die wahre und einfache Seite auf- deckte, von welcher man die Theorie anfangen muß. Nach dem sie aber gefunden war, so konnte man mit großen Schritten weiter gehen, als man es vorhin haͤtte denken doͤrfen. So viel ist daran gelegen, daß man die Natur richtig und nach der einfachsten Ord- nung befrage. Man kann uͤberhaupt den Schluß ma- chen, daß, wenn die angestellten Erfahrungen For- meln von der Art angeben: x = ay m + by m+n + cy m+2n + dy m+3n + ꝛc. man entweder nicht den einfach- sten Fall vor sich habe, oder daß, wenn man ihn vor sich hat, andere Abscissen und Ordinaten gesuchet wer- den muͤssen, und daß die beobachteten Groͤßen nur Fol- gen von andern viel einfachern sind, so daß ungeachtet man eigentlich jene gebraucht, die Theorie, wenn sie anders in ihrer wahren Ordnung zu Stande kommen solle, bey diesen anfangen muß. Um diese aber zu finden, muß man, besonders wo die Erfahrung nur Summen und Producte angiebt, sich zu den Differen- tialgroͤßen wenden, um das Einfache da aufzusuchen, (§. 596.). §. 738. Fragt man nun, wo die einfachen Functionen x 2 , x 3 , und so auch die umgekehrten, \frac {1} {x} , \frac {1} {x^2} ꝛc. vorkom- men, so lassen sich aus der Natur derselben einige Criteria herleiten. Einmal kommen x 2 , x 3 vor, wo von Flaͤchen und koͤrperlichen Raͤumen die Rede ist, weil jene zwo, diese aber drey Dimensionen haben. Denn so geschieht es sehr oft, daß man aͤhnliche Figu- ren und Koͤrper vergleicht, und z. E. den Jnhalt der Cirkel, Cylinder, Kugeln ꝛc. durch die Functionen des Diameters ausdruͤcket. Sodann kann etwann xy der- gestalt Die Dimension. gestalt vorkommen, daß man x = y setzen muß, wie z. E. bey dem Falle der Koͤrper, wo die Geschwindig- keit zugleich mit der Zeit anwaͤchst, oder wie bey dem Stoße fluͤßiger Materien auf schiefe Flaͤchen, wo we- gen der Menge und Staͤrke, der Sinus des Einfalls- winkels doppelt vorkoͤmmt, und die Kraft sich nach dem Quadrate desselben richtet. Hingegen koͤmmt \frac {1} {x} vor, wo eine Groͤße auf eine andere muß vertheilet werden, weil sie dadurch in jedem Theile geringer wird. Auf diese Art z. E. verhaͤlt sich die Dichtigkeit umgekehret, wie der Raum, und die Staͤrke einer Kraft in jeden Theilen nimmt mit der Verbreitung derselben auf mehrere Theile in umgekehrter Verhaͤltniß ab. So giebt auch die Sprache eine Menge von Woͤrtern an, welche solche umgekehrte Verhaͤltnisse in sich schließen. Z. E. die Geschwindigkeit und Langsamkeit, die Dichtig- keit und Duͤnnigkeit, die Schwere und die Leichtigkeit, die Durchsichtigkeit und Undurchsichtigkeit ꝛc. Das, was diese Woͤrter vorstellen, muß eben nicht jedes be- sonders ausgemessen werden, weil die Ausmessung des einen, die Ausmessung des andern fuͤr sich angiebt. Jndessen ist das, was sie vorstellen nicht immer in umgekehrter Verhaͤltniß, und besonders, wo sie auf bestimmte Einheiten bezogen werden muͤssen, ist eines nur der Zusatz des andern. So z. E. wenn die Wahr- scheinlichkeit = ¾ ist, so ist die Unwahrscheinlich- keit = ¼, wenn man durch diese die Wahrscheinlich- keit des Gegentheils oder des Verneinens versteht. Denn beydes druͤcket die Verhaͤltniß zur voͤlligen Ge- wißheit aus. Hingegen kann man sagen, die Wahr- scheinlichkeit verhalte sich zur Unwahrscheinlichkeit in diesem Falle, wie 3 zu 1, jene sey demnach dreymal groͤßer als diese, oder diese nur ⅓ von jener. Mit der Z 4 Durch- XXIV. Hauptstuͤck. Durchsichtigkeit hat es eine aͤhnliche Bewandtniß. Sie ist absolut, wenn alles Licht durchgeht, und die Grade richten sich nach der Menge der durchgehenden Stralen, die Grade der Undurchsichtigkeit aber nach der Menge derer, die zuruͤck geworfen oder zerstreuet werden. Beyde Mengen aber machen immer die ganze Summe der auffallenden Stralen aus, welche in dieser Absicht als eine Einheit genommen wird. Die Kuͤrze wird der Laͤnge so entgegengesetzt, daß letztere zuweilen und mehrmalen absolute, erstere aber nur vergleichungsweise genommen wird, und da be- zieht sie sich entweder auf etwas laͤngeres, oder auf diejenige absolute Laͤnge, welche zu einer Absicht er- fordert wuͤrde, wie z. E. wenn man saget, die Kuͤrze der Zeit erlaube nicht, mehr zu thun, oder sie lasse etwas nicht zu ꝛc. Dabey koͤmmt schlechthin nur eine Verhaͤltniß vor. §. 739. Um nun wiederum zu dem §. 742. zuruͤcke zu keh- ren, so koͤmmt da, wo man die Dimensionen einer Groͤße durch die Erfahrung aufsuchet, die Frage vor, ob man sie alle habe? Das will nun sagen, ob man alle diejenigen Bestimmungen und Umstaͤnde, mit deren Veraͤnderung sich auch die vorgegebene Groͤße veraͤndert, gefunden habe? Diese Frage laͤßt sich oͤf- ters nicht so leicht eroͤrtern, weil sich, wie wir bereits vorhin (§. 720.) erwaͤhnet haben, oͤfters erst mit der Veraͤnderung des Ortes und der Zeit, neue Veraͤn- derungen hervor thun, an die man nicht gedacht hat- te, (§. 598.). Jndessen kann man es bey diesem Nicht - wissen unter der Bedingung bewenden lassen, daß man die gefundene Formel nicht weiter aus- dehnet, als die Erfahrung geht, und indem man diese Die Dimension. diese angiebt, zu noch fernern Bestimmungen und Veraͤnderlichkeiten Raum laͤßt. Man kann aber auch Proben anstellen, und die Umstaͤnde abwechseln, oder dieselben aufsuchen, um zu sehen, ob sich mit dieser Abaͤnderung neue Symptomata aͤußern, die die Formel angeben sollte, aber nicht angiebt. Denn ist dieses, so machet man ohne Bedenken den Schluß, man muͤsse die Formel noch vollstaͤndiger und allge- meiner machen. Die Astronomie befindet sich noch fast durchaus in dem Fall, weil der kleinern Anoma- lien von den Berechnungen fast kein Ende ist, und sich noch immer mehr wirkende Kraͤfte und Umstaͤnde am Firmamente aͤußern, je schaͤrfer und genauer man die Beobachtungen anstellet, und es giebt deren viele, die erst durch eine langsame Aufhaͤufung bemerkbar werden. Es koͤmmt bey allen solchen Versuchen sehr viel auf die geschickteste Abwechslung des Ceteris pa- ribus (§. 721.) an, weil man die Umstaͤnde aufzusu- chen hat, bey welchen jede Dimension fuͤr sich am kenntlichsten wird. Uebrigens kann man bey solchen Groͤßen, die sich zwar veraͤndern, aber wobey die Veraͤnderung nicht einfoͤrmig ist, immer den Schluß machen, daß etwas Zusammengesetztes dabey sey, oder Ursachen und Umstaͤnde vorkommen, die ihre besondere Gesetze haben, und die Veraͤnderung un- gleichfoͤrmig machen. Man sehe aber auch §. 737. Z 5 Fuͤnf XXV. Hauptstuͤck. Fuͤnf und zwanzigstes Hauptstuͤck. Die einfache Gestalt der Groͤße . §. 740. A ußer den Einheiten und Dimensionen haben wir noch zween andere Begriffe zu betrachten, wel- che bey der allgemeinen Theorie der Groͤße vorkom- men muͤssen, und in der Anwendung ihren Nutzen haben, und diese sind wir ebenfalls, wo nicht ganz, doch wenigstens die deutlichsten Beyspiele davon der Geometrie schuldig. Sie beziehen sich beyde auf die Ausmessung der Groͤße, und haben daher theils mit der Einheit, theils mit den Dimensionen eine genaue Verbindung, ungeachtet sie auch wesentlich davon ver- schieden sind. Um dieses in sein behoͤriges Licht zu setzen, wollen wir die Beyspiele, so uns die Geome- trie giebt, gleich anfangs vornehmen, und diese bey- den Begriffe aus denselben zu bilden suchen. Wir bemerken demnach, daß, da der Raum uns Linien, Winkel, Flaͤchen, koͤrperliche Raͤume zu messen, an- beut, jedes von diesen Stuͤcken Einheiten von der ihm eigenen Art, und eine ihm eigene Anzahl von Dimensionen angebe. Naͤmlich die Einheiten sind ebenfalls Linien, Winkel, Flaͤchen und koͤrperliche Raͤume, und haben daher an sich auch eben die An- zahl von Dimensionen. Man nimmt daher, um Li- nien, Winkel, Flaͤchen und koͤrperliche Raͤume aus- zumessen, eine Einheit von gleicher Art an, und be- stimmt, wie vielmal sie genommen wird. Dieses geht nun bey den Linien und Winkeln fuͤr sich an, weil sie nur eine Dimension haben, und die Einheit ist eben- Die einfache Gestalt der Groͤße. ebenfalls nur eine Linie oder Winkel. Nun kann man zwar sagen, daß bey den Flaͤchen und Koͤrpern die Einheit, die man zur Ausmessung derselben an- nimmt, nothwendig auch eine Flaͤche oder koͤrperli- cher Raum seyn muͤsse. Allein damit ist noch nicht alles ausgerichtet. Denn die Einheit, die man da- bey gebraucht, kann unzaͤhlig vielerley Gestalten ha- ben, und es ist dabey gar nicht gleichguͤltig, welche man annimmt. So z. E. sollte natuͤrlicher Weise bey der Ausmessung der Cirkel ein Cirkel, bey der Aus- messung einer Kugel eine Kugel, und uͤberhaupt bey der Ausmessung jeder Figur eine aͤhnliche Figur zur Ein- heit angenommen werden, und so waͤre man mit der Ausmessung bald fertig. Es giebt auch wirklich Faͤlle, wo man dieses thut. Denn so z. E. bestimmt man in der Artillerie den Diameter einer pfuͤndigen Kugel, und daraus sind sodann die Diameter von Kugeln von jedem andern Gewichte bald gefunden, weil sich die Cubi der Diameter, gerade wie die An- zahl der Pfunde, und umgekehrt, wie die specifische Schwere der Materie verhalten, aus welcher die Kugel besteht. Allein, damit reichet man in der Geo- metrie nicht aus, weil man dadurch zwar jede Figur mit ihrer Einheit, aber weder die Figuren noch die Einheiten unter einander vergleichen kann. Man hat daher auf allgemeinere Mittel denken muͤssen, sol- che Vergleichungen anzustellen, und dadurch wuͤrde die Gestalt der Einheiten, die man durchaus zum Grunde legen konnte, naͤher bestimmt. §. 741. Dieses ist nun auf eine gedoppelte Art geschehen. Einmal, da man bey Flaͤchen, deren Seiten gerade sind, und bey Koͤrpern, deren Flaͤche aus solchen Flaͤchen XXV. Hauptstuͤck. Flaͤchen bestuͤnde anfieng, so kam erstlich die Frage von derjenigen Gestalt der Flaͤchen und Koͤrper vor, die unter allen am einfachsten waͤre, und in welche sich jede Zusammengesetztere zertheilen ließe. Dieses fand man nun in Absicht auf die Flaͤchen bey den gerade- linichten Triangeln, in Absicht auf die Koͤrper aber bey triangulaͤren Pyramiden, die naͤmlich aus vier von solchen triangulaͤren Flaͤchen zusammengesetzt sind, weil man sah, daß jede Flaͤche sich in solche Triangel, und jeder Koͤrper sich in solche Pyramiden vertheilen ließe. Jn dieser Absicht konnte man sie als einfache Groͤßen, und gleichsam als die Elemente jeder Flaͤ- chen und koͤrperlichen Raͤume ansehen. §. 742. Damit war aber noch nicht alles ausgerichtet. Denn solche Triangel und Pyramiden waren mehren- theils ungleich an Groͤße, und unaͤhnlich an Gestalt, und so konnte man aus ihrer Anzahl auf die Groͤße des Raumes keinen Schluß machen. Man fienge daher an, Flaͤchen und Koͤrper aufzusuchen, die gleich und aͤhnlich waͤren, und sich an einander anlegen, und einen Raum dichte und genau ausfuͤllen konnten, und dazu waren in Absicht auf die Flaͤchen die Qua- drate, in Absicht auf die Koͤrper aber die Cubi oder wuͤrfliche Raͤume in allwegen die tauglichsten, weil sie auf das genaueste nach der Laͤnge, Breite und Hoͤhe an einander gelegt werden konnten. Damit war es nun nur darum zu thun, wie man die Triangel und Pyramiden mit diesen Quadraten und Cubis verglei- chen konnte. Und nach dem man dieses gefunden, so gebrauchte man die Triangel und Pyramiden, als die einfachsten Theile der Figuren und Koͤrper, die Quadrate und Cubi aber, als die bequemsten Ein- heiten, Die einfache Gestalt der Groͤße. heiten, nach welchen die Groͤße jeder Flaͤchen und koͤrperlichen Raͤume bestimmt und kenntlich gemacht werden konnte. §. 743. Man sieht uͤberhaupt hieraus, daß es in Ansehung des ersten Verfahrens (§. 741.), auf eine schickliche Vertheilung der Groͤßen ankoͤmmt, die nicht unmittelbar im Ganzen, sondern nur stuͤckweise koͤnnen ausgemessen werden, und daß hingegen das zweyte Verfahren (§. 742.) vornehmlich die Art betrifft, wie man die Ausmessung unaͤhnlicher Groͤßen sowohl vornehmen als erweisen koͤnne, und wie besonders die Einheiten zu diesem Endzwecke gewaͤhlet und angenommen werden muͤssen. Ungeachtet nun diese zwo Fragen auch au- ßer der Geometrie haͤufig vorkommen, und besonders die schickliche Auswahl der Einheiten viel auf sich hat; so scheinen doch diese von dem Raume hergenommene Beyspiele etwas voraus zu haben. Einmal ist es dabey merkwuͤrdig, daß obgleich die Triangel und Pyramiden die einfachsten Theile von Flaͤchen und koͤrperlichen Raͤumen sind, man dennoch nicht diesel- ben, sondern die Quadrate und wuͤrflichte Raͤume zum Grunde legen muß, wenn man Flaͤchen und Raͤume ausmessen, und die Art der Ausmessung be- weisen will. Sodann sind Flaͤchen und koͤrperliche Raͤume solche extensiue Groͤßen, wobey die Einthei- lung derselben in Triangel und Pyramiden am offen- barsten in die Augen faͤllt, und solche Triangel und Pyramiden nur der Groͤße und Lage nach so verschie- den sind, daß man, um sie auszumessen, weiter nichts als die Basin und Hoͤhe gebraucht. §. 744. XXV. Hauptstuͤck. §. 744. So entwickelt und in die Augen fallend finden wir aber die erst betrachtete Begriffe von der einfachsten Gestalt der Groͤßen und Maaßstaͤbe von mehr als ei- ner Dimension in andern Faͤllen selten oder gar nicht. Jndessen wollen wir doch einige von diesen Faͤllen durchgehen, um die Unterschiede anzumerken. Der erste, welcher noch am meisten Aehnlichkeit damit hat, findet sich in der Mechanic bey der Lehre von der Zusammensetzung und Aufloͤsung der Kraͤfte. Denn da gedenket man sich drey ebene Flaͤchen, die einander rechtwinklicht durchschneiden, und wenn man will, saͤmmtlich durch den Koͤrper gehen, welcher von mehrern Kraͤften nach mehrerley Directionen getrie- ben wird. Jede Kraft, wird nach ihrer Direction durch eine derselben proportionale Linie vorgestellet, und in drey andere Kraͤfte aufgeloͤset, welche nach Di- rectionen wirken, die auf erst gedachte drey Flaͤchen perpendicular sind. Dadurch ist man sodann in Stand gesetzt, daß man die gegen jede dieser Flaͤchen wirkende Kraͤfte besonders zusammen addiren, und die Summen von ihren Wirkungen bloß durch dieses addiren bestimmen kann. Diese Summen lassen sich sodann wiederum zusammen setzen, um die mittlere Direction und die nach derselben erfolgende Bewe- gung des Koͤrpers und seine Geschwindigkeit zu fin- den. Dieses Beyspiel hat mit dem aus der Geome- trie hergenommenen, noch die groͤßte Aehnlichkeit, zu- mal da hier die drey Dimensionen des Raumes eben- falls vorkommen, und die Absicht dabey ist, die Wir- kung der Summe von Kraͤften zu finden, welche sich wegen der Verschiedenheit der Directionen nicht so unbedingt, oder ohne vorhergehende Decomposition zusammen addiren lassen. §. 745. Die einfache Gestalt der Groͤße. §. 745. Durch solche Reductionen, die man theils mit den Groͤßen, theils mit den Einheiten vornimmt, lassen sich nun oͤfters Ausmessungen allgemein machen, die den Anschein haben, als wenn jede besonders vorge- nommen werden muͤßten. Wir wollen die Spuren, denen man hiebey zu folgen hat, durch einige Bey- spiele anzeigen. Man weiß, daß jede Biquadrat- gleichung auf eine Cubische herunter gesetzt werden kann, und daß, wenn jene vier reale Wurzeln hat, diese ebenfalls drey reale Wurzeln habe. Schaffet man nun aus einer solchen cubischen Gleichung das zweyte Glied weg, so hat sie folgende Form: x^3 - ax^2 = b, und da ist a nothwendig negativ. Aendert man nun hierinn die Einheit dergestalt, daß man x = y \sqrt a setzet, so erhaͤlt man y 3 - y = b : a 3:2 oder y 3 - y = c. Und da ist c nothwendig kleiner als \sqrt \frac {4} {27} , oder kleiner als 0, 38523....., und y klei- ner als \sqrt {\frac {4} {3}}, oder kleiner als 1, 1547006 ....... Da also sowohl c als y zwischen bestimmten Schranken ist, so laͤßt sichs ohne viele Muͤhe eine Tabelle be- rechnen, worinn fuͤr jeden Werth von c jede Werthe von y sogleich koͤnnen aufgeschlagen, und durch Jn- terpolationen, wo es noͤthig ist, genauer bestimmt werden. Jn Ermangelung solcher Tabellen kann man c \sqrt \frac {27} {4} = \cos w setzen, und so wird y = \sqrt {\frac {4} {3}} \cdot \cos \frac {1}{3} w seyn. Bemerket man nun hiebey, daß \sqrt {\frac {4} {27}} und \sqrt {\frac {4} {3}} die groͤßten Werthe von c und y sind, so wird man dabey ebenfalls wiederum Anlaͤße finden, die Einheiten darnach zu aͤndern. Wir koͤnnen uns aber hier, wo wir dieses nur beyspielsweise anfuͤhren, nicht laͤnger aufhalten. §. 746. XXV. Hauptstuͤck. §. 746. Das andere Beyspiel, welches noch ungleich all- gemeiner ist, werden wir von den elliptischen Lauf- bahnen der Planeten und Cometen nehmen. Setzet man naͤmlich eine Ellipse, deren laͤngere Axe = 1 ist, werde in der Zeit = 1 durchlaufen, so lassen sich die Zeiten, in welchen jede Bogen von jeden Ellipsen durchlaufen werden auf einen, und noch uͤberdieß ganz einfachen und geradlinichten Maaßstab bringen. Da ich die Art, wie diese betraͤchtliche Abkuͤrzung erhal- ten wird, in den Proprietatibus insignioribus orbitae cometarum angegeben, so werde ich mich hier eben- falls nur mit der bloßen Anzeige begnuͤgen. Man wird daraus sehen, wie viel es darauf ankomme, die Einheiten und Groͤßen, die zur Ausmessung die ge- schmeidigsten sind, und dieselbe allgemein machen, aufzusuchen und auszulesen. §. 747. Man kann aus diesen Beyspielen, eben so, wie aus dem ersten (§. 740. seqq. ), uͤberhaupt abnehmen, daß die zween Begriffe, davon in angezogenem 740 §. die Rede ist, eigentlich die Mittel betreffen, unaͤhn- liche Groͤßen, ihrer Unaͤhnlichkeit unerachtet, zu vergleichen, und in eine Summe zu brin- gen. Der erste Erfinder der Geometrie mußte sich durch die Betrachtung der unendlichen Mannichfal- tigkeit der Figuren, fast nothwendig abschrecken las- sen, und so einfach das Mittel scheint, das er ge- brauchte, um sie saͤmmtlich nach einer allgemeinen Regel auszumessen, so war doch die Erfindung dessel- ben ehender ein gluͤcklicher Einfall, als ein aus Ueber- legung gefundener Satz. Metaphysische Betrach- tungen Die einfache Gestalt der Groͤße. tungen von der Art, wie wir sie in dem 524sten §. an- gefuͤhret haben, haͤtten dazu wenig getaugt. Wir haben auch daselbst erinnert, daß man es in der Geo- metrie ganz anders angegriffen habe, um sie zu erfin- den und in eine wissenschaftliche Form zu bringen. Die Figuren, so verschieden sie auch in ihrer Gestalt sind, haben allerdings viel gemeinsames. Es sind Figuren, und sie haben einen Raum, und diesem Raume nach lassen sie sich mit einander vergleichen, und selbst die Gruͤnde und Mittel zur Vergleichung muͤssen etwas gemeinsames haben. Durch solche ab- stracte Betrachtungen aber wuͤrden sich diese Mittel schwerlich finden lassen, weil hiebey noch gar zu viele Unaͤhnlichkeiten zuruͤcke bleiben. Man hat daher an- gefangen auf Mittel zu denken, diese Unaͤhnlichkeit zu vermindern, und diese fand man darinn, daß sich die Flaͤchen, so vieleckicht sie auch seyn moͤgen, in Triangel und die koͤrperliche Raͤume, so viele Flaͤ- chen sie auch haben moͤgen, in triangulaͤre Pyrami- den zertheilen ließen. Und dadurch wurde die Aus- messung jeder Flaͤchen und koͤrperlichen Raͤume auf die Ausmessung der einfachsten Figuren reducirt. §. 748. Dieser Einfall war eben nicht so leicht, so einfaͤltig er auch nunmehr scheinen mag. Jndessen mag er al- lerdings in Absicht auf die Geometrie noch am leichte- sten gewesen seyn. Hingegen giebt es unzaͤhlige andere Faͤlle, wobey Ausmessungen und allgemeine Regeln da- zu moͤglich sind, die aber, wenn man sie saͤmmtlich uͤber- denket, nicht weniger Mannichfaltigkeit und Verwir- rung anbiethen, als die unendlich viele Arten von Flaͤ- chen und Raͤumen in der Geometrie, und da man mehr Muͤhe findet, nur die Moͤglichkeit einzusehen, wie Lamb. Archit. II. B. A a man XXV. Hauptstuͤck. man dasjenige einfache, welches in denselben durch- gaͤngig ist, und in jeden Faͤllen vorkoͤmmt, aufsuchen, und dasselbe so anwendbar machen koͤnne, wie die Tri- angel, Pyramiden, Quadrate und Cubi in der Geome- trie sind angewandt worden. Man nehme z. E. unter wie vielen und mannichfaltigen Gestalten sich uns die Bewegung zeiget, so wird man leicht finden, daß es eben nicht so geschwinde damit hergehen konnte, das vorhin erwaͤhnte allgemeine und durchaus anwend- bare Gesetz zu finden (§. 744.), welches wir in dieser Allgemeinheit Hr. Eulern zu verdanken haben. §. 749. Jn noch zusammengesetztern Faͤllen, die, wenn man sie uͤberhaupt und mit einem Anblicke uͤbersieht, einem wahren Cahos gleichen, koͤmmt es besonders darauf an, wie viele einfache Gesetze gefunden werden muͤssen, so daß man mit deren Combi- nation durch jede besondere Faͤlle durchkomme, und die Ausmessung durchaus vornehmen koͤn- ne? Man nehme das Licht zum Beyspiele. Man kann leicht zeigen, daß von jedem sowohl selbst leuchtenden als erleuchteten Puncte nach jeden Directionen Licht- stralen ausgehen, und wiederum andere Puncte beleuch- ten, so daß des Durchkreuzens der Lichtstralen kein En- de ist. Wo soll man hiebey anfangen, etwas auszumes- sen? Man sieht leicht, daß man bey solchen Allgemein- heiten, die lauter Verwirrung anbiethen, nicht anfan- gen kann, sondern, daß man die einfachern Gesetze aufsuchen, und das reflectirte, das durchfallende, das zerstreute und das absorbirte, oder zu fernerer Be- leuchtung unbrauchbar gemachte Licht, besonders un- tersuchen, und eben so weder jede Dichtigkeit der Stralen noch jede Ausfluß und Einfallswinkel zu- gleich Die einfache Gestalt der Groͤße. gleich in Betrachtungen ziehen, dagegen aber bestim- men muß, wie das Licht nach denselben vertheilet und modificirt werde. Alle solche einfachen Faͤlle werden anfangs besonders betrachtet, damit man sie da, wo sie zusammengesetzt sind, ohne Muͤhe zusammen nehmen, und das Product aus denselben bestimmen koͤnne. §. 750. Da dieses in der Photometrie bereits geschehen, so nehme man die magnetische Materie zum Beyspiele. Von dieser weiß man noch kaum das Gesetz, daß sich ihre Kraft nach dem Sinu des Jncidenzwinkels richtet. Wie sie sich aber in Absicht auf die Masse, Figur und intensiue Kraft des Magneten, in Absicht auf seine Lage und Distanz verhalte, wie sie in der Erde sich allmaͤhlig der Staͤrke und der Lage nach aͤndere, da- von hat man, außer den Beobachtungen, welche dieses uͤberhaupt anzeigen, noch kaum Muthmassun- gen. Und von richtigen, einfachen und anwendbaren Gesetzen, meines Wissens, noch gar nichts, und die Hauptfrage koͤmmt dabey darauf an, wie man die Experimente anstellen solle, so daß man nicht nur wisse, was die Natur, die man dadurch befraget, antwortet, sondern, daß man auch genau wisse, was man sie eigentlich befraget habe, und ob die Frage weder mehr noch minder als das Einfache enthalte, das man haͤtte wissen wollen. §. 751. Da wir das Allgemeine, welches nach Aehn- lichkeiten geht, dem Einfachen, welches durch- gaͤngig vorkoͤmmt, in dem vorhergehenden schon oft entgegengesetzt haben, so ist hier der Ort beydes genauer gegen einander zu halten. Wenn man naͤm- lich ersteres aufsuchet, so nimmt man mehrere Dinge A a 2 zusam- XXV. Hauptstuͤck. zusammen, und man suchet, ohne jedes besonders und fuͤr sich zu betrachten, nur das auf, worinn sie saͤmmtlich uͤbereinkommen, und daher einander aͤhn- lich sind. Hingegen, wo man das Einfache suchet, so betrachtet man ein Ding fuͤr sich, und suchet die Verschiedenheiten, die in demselben sind, ohne dar- auf zu sehen, ob sie in andern Dingen auch vorkom- men oder nicht. Dadurch kommt man nun dem Ein- fachen naͤher, und man erreichet es ganz, wenn man auf solche Bestimmungen koͤmmt, die nichts mehr in sich haben, das der Art nach von einander zu un- terscheiden waͤre. Diese beyde Arten zu verfahren sind nun allerdings einander entgegengesetzt, unge- achtet sie im Grunde betrachtet auf eines hinaus lau- fen sollten, weil das einfache, so man nach der letz- tern Art findet, ebenfalls, wie wohl mit andern Com- binationen, in mehrern Dingen vorkoͤmmt, weil diese sonst schlechthin nicht aͤhnlich seyn koͤnnten. Jndes- sen, wo man nur die Aehnlichkeiten aufsuchet, da machet man sich eine Regel daraus, dieselben in ei- nen Begriff zusammen zu nehmen, und diesen, als die Art oder Gattung anzusehen. Und hiebey muß man sich gewoͤhnlich nach der Sprache richten, als welche noch lange nicht zu jeden Stufen von Aehn- lichkeiten Woͤrter angiebt. Hingegen, wo man das Einfache aufsuchet, da kann man sich nicht darnach richten, ob von den Bestimmungen, die man findet, mehrere oder weniger auch in andern Dingen vor- kommen, und ob sie demnach muͤssen beysammen ge- lassen werden oder nicht; sondern sie werden, auch wo man sie beysammen findet, getrennet, damit man jedes fuͤr sich betrachten, und sowohl seine Grade als seine Combinabilitaͤt mit andern bestimmen koͤnne. Der Vortheil, den man davon hat, ist, daß wenn man Die einfache Gestalt der Groͤße. man dieses gefunden, man nicht noͤthig habe, aͤhn- liche Dinge erst aufzusuchen, weil man aus diesen Einfachen und nach den gefundenen Gesetzen und Moͤglichkeiten ihrer Combination so viele, stufenweise aͤhnliche und verschiedene zusammen setzen kann, als man will. So bringt man in der Geometrie ver- mittelst der Linien und Winkel Figuren von jeder Groͤ- ße, Art und Gestalt hervor, und versichert sich von ihrer Moͤglichkeit, ohne Ruͤcksicht auf die Frage, ob sie irgend vorkommen oder nicht. Hingegen bey dem bloßen Aufsuchen der Aehnlichkeiten muͤßte man alle schon vor sich haben, um sie vergleichen zu koͤnnen. §. 752. Jndessen da der Grund der Aehnlichkeit mehrerer Dinge, eben darauf beruhet, daß sie mehrere ein- fache Bestimmungen gemeinsam haben, so ist es auch moͤglich, in Ansehung der Ausmessung eine solche Aehnlichkeit und in gleicher Allgemeinheit beyzube- halten, oder sie, wenn man bey dem Einfachen an- faͤngt, bis dahin auszudehnen, wenigstens so weit die einfachen Bestimmungen gemeinsam sind, und gleich viele Dimensionen angeben. Denn so z. E. nimmt man in der Geometrie die Raͤume von Flaͤ- chen und Koͤrpern nicht in eine Classe, weil letztere eine Dimension mehr haben. Hingegen, da sich Flaͤ- chen mit Flaͤchen, und Koͤrper mit Koͤrpern in Ab- sicht auf den Raum vergleichen lassen, so war es sehr natuͤrlich, daß man der Mannichfaltigkeiten und Un- aͤhnlichkeiten ungeachtet, auf allgemeine Mittel, sie zu vergleichen und auszumessen bedacht war, und diese hat man in Absicht auf die Flaͤchen bey den Triangeln und Quadraten, in Absicht auf die Koͤrper aber bey den Pyramiden und Cubis gefunden. A a 3 §. 753. XXV. Hauptstuͤck. §. 753. Die Aehnlichkeiten geben uns demnach uͤberhaupt Anlaß zu vermuthen, daß die Dinge auch in Absicht auf die Mittel zur Ausmessung in eine Classe genom- men, und diese Mittel in Absicht auf die ganze Classe allgemein koͤnnen gemacht werden. Dieses ist aber nicht der Anfang, sondern man muß anfangen, das zusammengesetzte, so darinn liegt, zu decomponiren, um die einfachsten Verschiedenheiten zu finden, um diese nach jeden Modificationen, die sie haben koͤnnen, ausmessen zu lernen. Denn so fande man unter den vieleckichten Figuren und vielflaͤchichten koͤrperlichen Raͤumen, die Triangel und triangulaͤre Pyramiden, deren Verschiedenheiten nicht mehr ein- facher gemacht werden konnten. So kommen bey der Ausmessung des Lichtes die leuchtende Flaͤche, die Dichtigkeit der Stralen, der Abstand, der Ausfluß- winkel, der Einfallswinkel, der Grad der Weiße ( Gra- dus albedinis ), der Grad der Durchsichtigkeit ꝛc. in Be- trachtung, und von diesen lassen sich nur die erste und die beyden letztern noch ferner decomponiren. Wie aber hiebey die absolute Erleuchtung, wo naͤmlich die Ent- fernung des leuchtenden Koͤrpers von dem erleuchte- ten = 0 ist, die absolute Weiße und die absolute Durchsichtigkeit ungefaͤhr den Dienst thun, den die Quadrate und Cubi in der Geometrie thun, das koͤn- nen wir hier aus der Photometrie nicht ausfuͤhrlich hersetzen, sondern bemerken nur, um die Aehnlich- keit anzudeuten, daß man dadurch in Stand gesetzt ist, die Klarheit, sowohl der leuchtenden, als der be- leuchteten Koͤrper nach jeden Modificationen mit ein- ander zu vergleichen. Denn auf eben diese Art mißt man mit Quadraten und Cubis auch die unaͤhnlichsten und ungleichsten Raͤume aus. §. 754. Die einfache Gestalt der Groͤße. §. 754. Die Hauptbedingungen, die bey dem Aufsuchen solcher einfachen Verschiedenheiten, und zugleich bey der Frage, wie fern sie sich auf das Allgemeine be- ziehen lassen, wenn dieses nur nach den Aehnlichkei- ten genommen wird, sind die Gleichartigkeit und Unabhaͤngigkeit. Letztere fordert, daß wenn zwo oder mehrere Dimensionen in Betrachtung kommen, die Sache nach jeder fuͤr sich groͤßer oder kleiner wer- den koͤnne, ohne daß dieses einen Einfluß auf die uͤbrigen habe. So z. E. wird in der Photometrie gesetzt, die Verhaͤltniß des auffallenden und zuruͤck- geworfenen Lichtes bleibe unter einerley Einfallswinkel bestaͤndig, das Licht mag staͤrker oder schwaͤcher seyn. Dieses wird nun allerdings nur so weit gelten, als ein gar zu starkes Licht, wie z. E. die Sonnenstralen im Brennpuncte eines Brennglases, die Flaͤche des Koͤrpers nicht ganz zerstoͤret, und denselben entweder schmelzt oder verbrennt, oder seine Farbe aͤndert. Denn dieses sind nicht Wirkungen des Lichtes, son- dern der Waͤrme. Man findet bey dem Stoße ela- stischer Koͤrper aͤhnliche Graͤnzen von den Gesetzen, nach welchen man denselben berechnet, weil, wenn die Geschwindigkeit betraͤchtlich genug ist, die Elasti- citaͤt zerstoͤret werden kann. Auf solche Umstaͤnde hat man allerdings zu merken, damit man die Formeln, so man findet, nicht weiter ausdehne, als sie wirklich gehen. §. 755. Hingegen bezieht sich die Bedingung von der Gleichartigkeit auf die mehrern Faͤlle, auf welche man gleiche Formeln und Regeln der Berechnung an- bringen will. Und da ist die Entscheidung, wie weit A a 4 diese XXV. Hauptstuͤck. diese gehen koͤnnen, nicht immer leichte, und beson- ders kann die Sprache durch ihre Vieldeutigkeiten Anlaß zur Verwirrung geben. Denn so z. E. kann man leicht die Frage von der Ausmessung eines jeden Raumes aufgeben, und eine allgemeine Regel for- dern. Hingegen weiset die Geometrie, daß man den linearen Raum, den Flaͤchenraum und den koͤrper- lichen Raum nicht in eine Classe setzen koͤnne, sondern fuͤr jede dieser drey Arten besondere Regeln finden, und diese nicht mit einander verwechseln muͤsse. Es ist gar kein Zweifel, daß nicht auch bey der in den neuern Zeiten, und besonders von Wolfen aufgeworfenen Frage von der Ausmessung der Grade der Vollkom- menheit solche Heterogeneitaͤten vorkommen, die noth- wendig eine Vertheilung der Vollkommenheiten in besondere Arten erfordern, deren jede ihre besondere Regeln hat. Man wird die Hauptarten, die hiebey unterschieden werden muͤssen, in dem §. 367. und §. 371. angezeigt finden, und daraus zugleich sehen, daß sie auf ganz verschiedene Art berechnet werden muͤssen. §. 756. Jndessen muß man sich von dem Anschein der gar zu vielen Unaͤhnlichkeiten und Variationen auch nicht sogleich abschrecken lassen, weil oͤfters die Regeln, die man fuͤr einige einfachere Faͤlle findet, weiter aus- gedehnet werden koͤnnen, als es anfangs den Anschein hatte. Denn so werden z. E. viele Lehrsaͤtze, die man in der Geometrie fuͤr ebene Flaͤchen findet, auch bey sphaͤrischen Flaͤchen entweder von Wort zu Wort oder mit geringer Aenderung anwendbar. So lassen sich viele von den Saͤtzen, die man fuͤr die Parabel fin- det auf jede Kegelschnitte, und zuweilen auf jede krumme Linien ausdehnen. Besonders aber beut etwann Die einfache Gestalt der Groͤße. etwann auch die Sprache durch ihre Metaphern und Vieldeutigkeiten Mittel an, die Regeln in groͤßerer Allgemeinheit beyzubehalten. So z. E. ist das Wort Basis von der Art, daß es sowohl Grundlinie als Grundflaͤche bedeuten kann, und dadurch erhaͤlt man so viel, daß sowohl bey den Triangeln als bey den Pyramiden, die Regel vorkoͤmmt, daß sie desto groͤßer sind, je groͤßer die Basis und die Hoͤhe dersel- ben ist. Man sieht leicht, daß in solchen Dingen, die erst noch benennet werden muͤssen, ein Mittel zur Allgemeinheit hergenommen werden kann, wenn man die Benennungen nach solchen Aehnlichkeiten einrich- tet, die zugleich die Regeln zur Berechnung allge- meiner machen. Es ist aber eine solche Allgemein- heit groͤßtentheils nur symbolisch, weil man dadurch Regeln, die in jeden Faͤllen etwas besonders haben, mit einerley Worten ausdruͤcket, und dadurch das Ansehen zuwege bringt, als wenn es durchaus nur eine Regel waͤre. Denn, um bey dem erst gege- benen Beyspiele zu bleiben, so wird zwar bey den Triangeln, wie bey den Pyramiden die Hoͤhe mit der Basis multiplicirt, hingegen muß man erstlich bey den Triangeln die Haͤlfte, bey den Pyramiden aber den ⅓ des Productes nehmen, um den Jnhalt des Raumes zu finden. Sodann wird bey den Triangeln die Basis ganz anders ausgemessen, als bey den Pyramiden, weil jene eine Linie, diese aber eine Flaͤche ist. Diese gedoppelte Verschiedenheit machet demnach, daß die Regel von der Multipli- cation der Basis in die Hoͤhe nicht auf eine durchaus gleichfoͤrmige Art allgemein ist, ungeachtet sie es den Worten nach zu seyn scheint. Es geht ungefaͤhr eben so, wenn man aus der Aehnlichkeit der Gesetze auf die Aehnlichkeit der Sache schließt. Denn so z. E. A a 5 wird XXV. Hauptstuͤck. wird das Licht ebenfalls, wie die Schwere nach dem Quadrate der Distanz schwaͤcher. Man kann aber noch daraus weiter nichts schließen, als daß sich in Absicht auf das Licht die Dichtigkeit der Stralen, und in Absicht auf die Schwere der Druck, oder die Kraͤfte der Schwere in umgekehrter Verhaͤltniß der Flaͤchen vermindern, durch welche sie sich ausbreiten, in dem jene aus einem Puncte ausgehen, diese aber gegen einen Punct gerichtet sind. Hingegen kann dessen unerachtet der Mechanismus bey beyden sehr verschieden seyn. §. 757. Von solchen Aehnlichkeiten, wie auch von den erst erwaͤhnten symbolischen, muͤssen die vollstaͤndigen, die man bey den Ausmessungen suchet, welche man allgemein machen will, unterschieden werden. Diese bestehen in der Combination und Verbindung von solchen verschiedenen Bestimmungen, welche der Zahl, der Eigenschaft und den Dimensionen nach einer- ley bleiben. So weit nun solche vorkommen, so weit ist auch die Formel oder das Gesetz, nach welcher das Product aus denselben bestimmt wird, dergestalt all- gemein, daß man die Formel weder einfacher noch zusammengesetzter machen darf, und daß man, wo das Ganze in Theile zerfaͤllt, und die Formel bey jedem besonders anwenden muß, die Summe aus allen Producten durch bloßes addiren finden kann. Denn so z. E. wenn man eine Flaͤche in Triangel theilet, hat man schlechthin nur so viele Bases und Perpendicularen auszumessen, als Triangel sind, die Ausmessung geschieht nach einerley Einheit und Maaßstab, und die Producte aus jeder Grundlinie in die Haͤlfte von ihren Hoͤhen, geben saͤmmtlich Flaͤ- chen, Die einfache Gestalt der Groͤße. chen, und zwar solche, die dem Jnhalte der Trian- gel gleich sind, die folglich zusammen addirt werden koͤnnen, und deren Summe dem Jnhalte der gan- zen Flaͤche gleich ist. Wir fuͤhren dieses mit Vor- bedachte umstaͤndlicher an, weil daraus erhellet, was die mathematische Gleichartigkeit zu sagen habe, von welcher wir oben (§. 458.) anmerkten, daß sie eben- falls dem Philosophen zum Muster und zur Probe diene. Das vorhin (§. 746.) angefuͤhrte Beyspiel von der Summe der Kraͤfte, zeiget, daß man diese, so bald ihre Direction verschieden ist, decomponiren muͤsse, um sie zu derjenigen Gleichartigkeit zu brin- gen, welche erfordert wird, damit sie schlechthin ad- dirt werden koͤnnen. Und bey der Bestimmung der Klarheit einer von mehrern Seiten her und von un- gleich großen, und ungleich entfernten leuchtenden Puncten beleuchteten Flaͤche, kommen noch mehrere Verwandlungen vor, ehe man jede einzelne Be- leuchtungen finden, und zusammen addiren kann, (§. 753.). §. 758. Es giebt uͤberdieß auch Faͤlle, wo Groͤßen von verschiedenen Dimensionen zusammen treffen, und wo es folglich mehrere Deutlichkeit erfordert, wenn man sie nicht mit einander vermengen will. Das ein- fachste Beyspiel von dieser Art giebt uns ein fallen- der Koͤrper. Dieser erhaͤlt durch das Fallen eine Geschwindigkeit, und mit der Geschwindigkeit eine Kraft, die dem Quadrate der Geschwindigkeit und der Masse proportional ist, und welche, wenn der Koͤrper eben so geschwinde horizontal geworfen wuͤr- de, ohne Ruͤcksicht auf das Gewicht des Koͤrpers, ihre Wirkung hervor bringen wuͤrde. Faͤllt er hin- gegen gerade herunter, so koͤmmt zu dieser Kraft noch das XXVI. Hauptstuͤck. das Gewicht der Koͤrper hinzu, als vermittelst dessen er, ohne eben eine Geschwindigkeit zu haben, durch den bloßen Druck, eine Wirkung hervor bringen kann. Bey dem Fallen kommen nun beyde Wirkungen zu gleich vor, und die Summe ist aus beyden zusam- mengesetzt. Jndessen sind sie von ungleichen Dimen- sionen. Zwar wird die Masse nach dem Gewichte geschaͤtzt, hingegen muß sie in Absicht auf die lebende Kraft mit dem Quadrate der Geschwindigkeit multi- plicirt werden, und da ist der Stoß so viel als au- genblicklich, weil die Geschwindigkeit gleich aufhoͤret. Hingegen in Absicht auf den von dem bloßen Ge- wichte abhaͤngenden Druck koͤmmt die Geschwindig- keit nicht vor, aber die Wirkung dauert fort. Wenn es absolute weiße Koͤrper gaͤbe, die naͤmlich alles auf- fallende Licht zuruͤcke wuͤrfen, so wuͤrde in vielen Faͤl- len die Erleuchtung auf eine bemerkbare Art succes- siv seyn, und da haͤtten wir in Absicht auf die Ver- gleichung der Klarheiten aͤhnliche Schwierigkeiten, weil in einigen Faͤllen die Zeit muͤßte mit in die Rechnung gezogen werden. Sechs und zwanzigstes Hauptstuͤck. Der Maaßstab . §. 759. D a wir hier uͤberhaupt die zu der Groͤße und der Ausmessung gehoͤrenden Grundbegriffe unter- suchen, so haben wir zu den erst betrachteten noch den Begriff des Maaßstabes, Meßleiter oder Scale be- sonders vorzunehmen, weil derselbe von den vorher- gehenden Der Maaßstab. gehenden verschieden, zugleich aber auch mit densel- ben in genauer Verbindung ist. Wir werden damit anfangen, daß wir sie in dieser Absicht mit einander vergleichen. Einmal ist die Einheit von dem Maaß- stabe darinn verschieden, daß jene in der Groͤße selbst ein oder mehrmal vorkoͤmmt, oder diese wenigstens ein Theil davon ist. Sodann ist die Einheit mit der Groͤße von gleicher Art und von gleich vielen Di- mensionen. Alles dieses kann man von dem Maaß- stabe nicht so unbedingt sagen, weil dieser außer der Sache ist, und weil man denselben so einrichtet, daß man ihn am bequemsten zu der Ausmessung gebrau- chen kann. Denn so z. E. wird in der Geometrie der Maaßstab, wo er im eigentlichsten Verstande diesen Namen hat, zur Ausmessung der Linien, Flaͤchen und koͤrperlichen Raͤume nur linear angenommen, und dieses kann deswegen geschehen, weil die Dimensionen des Raumes saͤmmtlich linear sind, und weil man in der Geometrie Mittel gefunden, die Ausmessung der Raͤume auf die Ausmessung von Linien zu reduciren. So eingeschraͤnkt ist aber die Bedeutung des Wortes Maaßstab nicht, weil man uͤberhaupt dasjenige einen Maaßstab nennet, wodurch eine Groͤße ausgemessen, und jeder Grad der Veraͤnderung in derselben ange- zeiget werden kann, er mag nun von gleich vielen oder von wenigern Dimensionen seyn. §. 760. Bey dieser Allgemeinheit aber vermenget sich die Bedeutung des Wortes Maaßstab, mit der Bedeu- tung der Woͤrter Meßleiter, Scala, μετρον , wie es uͤberhaupt mit Woͤrtern geht, die stufenweise meta- phorisch werden. Da es aber hier mehr um die Sa- che als um die Woͤrter zu thun ist, so werden wir uns auch XXVI. Hauptstuͤck. auch daran nicht halten, und indem wir die Sache selbst vorstellen, wird sich deren Bedeutung in jedem Falle ohne Muͤhe ergeben. Wir merken demnach an, daß ungeachtet auf dem Maaßstabe ebenfalls Einheiten vorkommen, dieselben doch weder die sind, welche in der Sache vorkommen, noch auch nicht nothwendig von gleicher Groͤße sind, und daß es in Ansehung der Dimensionen eben die Bewandniß ha- be, weil es zu einem Maaßstabe, uͤberhaupt betrach- tet, genug ist, daß die Groͤße vermittelst desselben ausgemessen werden koͤnne. Jndessen erhaͤlt derselbe in besondern Faͤllen besondere Namen, zumal, wenn die Eintheilung zu bestimmten Absichten gemacht ist, wie z. E. der Visirstab zur Ausmessung der Faͤsser, der Caliberstab zur Ausmessung der Stuͤckkugeln und Bomben, und ihres Spielraumes ꝛc. Zuweilen wird anstatt des Wortes Maaßstab lieber der Aus- druck, daß etwas zum Maaße des andern diene, oder andere demselben gleichgeltende Ausdruͤcke ge- braucht, und man sieht dabey, wenn sie etwann auch metaphorisch sind, auf die groͤßere Grade der Aehn- lichkeit, und folglich auf das Natuͤrlichere der Me- tapher. Wir fuͤhren diese Betrachtungen nur an, um anzuzeigen, daß in allen diesen Benennungen ein allgemeiner Begriff sey, und daß die Benennungen nach den besondern Modificationen desselben abgeaͤn- dert werden. Dieses leitet uns nun zu der Betrach- tung der einzeln Arten, die wir aufsuchen werden, um die Mannichfaltigkeiten, die hiebey vorkommen, anzumerken. Denn mit allgemeinen Betrachtungen richtet man da, wo neue Ausmessungsarten gefunden, oder eine der bereits bekannten angewandt werden sollen, nicht viel aus. §. 761. Der Maaßstab. §. 761. Der erste und einfachste Fall koͤmmt nun da vor, wo die Groͤße, welche ausgemessen werden soll, und der Maaßstab von gleicher Art ist, und zwar sowohl der Qualitaͤt als den Dimensionen nach. Denn die mathematische Gleichartigkeit erfordert beydes, (§. 757. 485.). Dieses kann nun bey Groͤßen, die ausgedehnet sind, fast immer geschehen, weil sie mit gleich ausgedehnten Groͤßen am natuͤrlichsten und ein- fachsten gemessen werden koͤnnen, es mag nun dieses der Zahl nach, wo man nur die Theile als einzelne Ganze vorzaͤhlet, oder den Graden nach geschehen, wie es bey Groͤßen geschieht, die der Ausdehnung nach eine Continuitaͤt haben. Beyspiele von dieser Art giebt uns die Geometrie, als in welcher Win- kel, Linien, Quadrate und Cubi zur Ausmessung von Winkeln, Linien, Flaͤchen und koͤrperlichen Raͤumen als Maaßstaͤbe gebraucht werden koͤnnen. Da man aber dabey auf Erleichterungen und Abkuͤrzungen denket, so werden auch zu den Flaͤchen und Raͤumen nur lineare Maaßstaͤbe gebraucht, und entweder gleich, oder zu gewissen Absichten, wie z. E. bey den Caliberstaͤben, nach besondern Gesetzen ungleich ein- getheilet. Aus eben dem Grunde werden nicht die Winkel selbst, sondern Cirkelboͤgen zum Maaße der Winkel gebraucht, und bey den geradelinichten Transporteurs werden statt der Winkel die Tangen- ten genommen, und die Grade dahin gezeichnet, wo die Tangenten derselben hinfallen. Da solche geo- metrische und lineare Maaßstaͤbe an sich die einfach- sten sind, so suchet man auch jede uͤbrigen, so viel moͤg- lich ist, auf dieselben zu reduciren, und erhaͤlt diese Absicht in allen denen Faͤllen, wo andere Groͤßen durch Linien und Flaͤchen vorgestellet werden koͤnnen. §. 762. XXVI. Hauptstuͤck. §. 762. Dabey giebt es aber eine Menge von Faͤllen, wo eine solche Vorstellung nur symbolisch und ein sinn- liches Bild von den Groͤßen ist, und der Vortheil, den man davon hat, ist daß, wenn sie richtig getrof- fen wird, die Lehrsaͤtze der Geometrie dabey anwend- bar sind, und nach dem man die Hauptlinien gezo- gen, sodann auch andere, so man in der Figur zie- hen kann, eine Bedeutung erhalten. Man stelle z. E. die Hoͤhen der Luft als Abscissen, die Barome- terhoͤhen aber als Ordinaten vor, so werden die Sub- tangenten der dadurch construirten krummen Linie das Maaß der Elasticitaͤt der Luft und zugleich auch der Waͤrme in jeder Hoͤhe seyn, wenn man von den in der Luft schwebenden Duͤnsten abstrahirt, oder setzet, sie seyn nach der Dichtigkeit der Luft vertheilet ꝛc. (§. 730.). §. 763. Hingegen giebt es auch Groͤßen, die sich selbst der- gestalt ihr eigener Maaßstab sind, daß man sie nur unter sich vergleichen kann, und die eine oder die an- dere nach bestimmten Gesetzen vermindern muß, um sie zur Gleichheit zu bringen. Denn so haben wir z. E. noch dermalen kein anderes Mittel, die ver- schiedenen Grade der Klarheit unter einander so zu vergleichen, daß man finden koͤnne, wie viel die eine heller sey als die andere. Jn Ansehung der Gewichte finden wir uns in einem aͤhnlichen Falle, ausgenom- men, daß uns die Wage und Schnellwage dienet, die Vergleichung anzustellen, welche in dieser Absicht betrachtet, schlechthin ein Mittel ist, ein Gleichge- wicht zu erhalten. Auf eine aͤhnliche Art vergleichen wir die lebenden Kraͤfte unter sich dadurch, daß wir sie Der Maaßstab. sie den Massen und Geschwindigkeiten proportional setzen, und man hat lange daruͤber gestritten, wodurch sie sich sonsten koͤnnten ausmessen lassen, zumal da dieser Satz anfaͤnglich nur da gefunden wurde, wo elastische Koͤrper an einander stoßen, und einer den andern in Bewegung setzet, und wo man sich, ohne das Wort Kraft zu gebrauchen, mit dem Quadrate der Geschwindigkeit und der Masse aushelfen konnte. §. 764. Außer diesen Faͤllen giebt es noch eine große An- zahl solcher, wo wir nicht die Groͤße selbst, sondern nur eine damit verbundene und zugleich mit derselben zu- oder abnehmende Groͤße ausmessen koͤnnen, es sey, daß diese eine Wirkung oder eine Ursache von jener sey, oder daß beyde eine gemeinsame Ursache haben. Und da ist die Sache noch mißlicher und unvollstaͤn- diger, wenn letztere nur angiebt, daß erstere groͤßer oder kleiner sey, ohne daß wir daraus folgern koͤnn- ten, wie viel es betrage? Von solcher Art sind die Thermometer, und mehr noch die Hygrometer, weil diese eine sehr unvollkommene Anzeige der Veraͤnde- rung in der Feuchtigkeit der Luft sind. Hingegen ha- ben die Thermometer doch das zum Besten, daß sie correspondirend gemacht werden koͤnnen, und bey glei- cher Waͤrme wiederum eben den Grad zeigen, unge- achtet man aus diesem noch nicht auf den absoluten Grad der Waͤrme schließen kann. Man kann aber auch noch nicht so eigentlich bestimmen, was derselbe sagen will. §. 765. Es geht aber auch nicht bey allen Faͤllen, wo wir zur Ausmessung einer Groͤße ungleichartige Maaß- staͤbe gebrauchen, so unvollstaͤndig zu. Senn so z. E. Lamb. Archit. II. B. B b giebt XXVI. Hauptstuͤck. giebt uns die Hoͤhe des Barometers ein noch ziemlich zuverlaͤßiges Maaß von der Schwere der Luft an die Hand, und noch viel genauer koͤnnen wir die gleich- foͤrmige circulare Bewegung der Sterne und die Schwankungen der Pendul zum Maaße der Zeit ge- brauchen. So hat auch der Satz, daß die Laͤngen der Cirkelboͤgen das Maaß der Winkel sind, eine voͤllig und im eigentlichsten Verstande geometrische Schaͤrfe; und das Maaß der Geschwindigkeiten wird in der Mechanic durch die Quadratwurzel der Hoͤhe des Falles im luftleeren Raume, als verstaͤndlich und genau angegeben und gebraucht. Auf eine aͤhnliche Art hat man in Absicht auf die Tonkunst schon viel dazu beygetragen, das Maaß der Toͤne und ihrer Jn- tervallen durch die Laͤnge, Dicke und Spannung der Saiten verstaͤndlich zu machen, und zwar nicht nur, daß man ihre Verhaͤltnisse in Zahlen, und ihre In- terualla durch die Logarithmen dieser Verhaͤltnisse vor- stellen, sondern auch den Ton selbst angeben kann. §. 766. Außer diesen Faͤllen giebt es noch andere, wo man es schlechthin auf das Zaͤhlen muß ankommen lassen, wo naͤmlich alles nach ganzen Zahlen geht. Dabey aͤußert sich wiederum der Unterschied, ob man es schlechthin bey dem Zaͤhlen muͤsse bewenden lassen, oder ob man die Summe und ihre Theile zu andern Rech- nungen gebrauchen koͤnnen. Dieser Unterschied ruͤhret daher, ob die Theile oder einzelne Ganze gleichartig oder ungleichartig sind, und in dieser Absicht haben wir denselben im vorhergehenden (§. 149. 434. 700. 710. 711. 714.) bereits betrachtet. Man sieht auch ohne ferneres Erinnern, daß in dem ersten Falle von Maaßstaͤben die Rede nicht vorkoͤmmt, weil, was auf einen gleichen Maaß- Der Maaßstab. Maaßstab gebracht werden soll, gleichartig seyn muß, wenigstens in derjenigen Absicht, in welcher man es ausmißt, und wozu der Maaßstab dienet, (§. 717.). Kann man aber die einzeln Ganzen als Einheiten anse- hen, die in solcher Absicht in eine Classe gehoͤren, so kann sich auch die dabey vorkommende Rechnung weiter als auf das Numeriren erstrecken. Das allgemeinste Beyspiel hievon giebt uns die Berechnung der Wahr- scheinlichkeit, als bey welcher die Abzaͤhlung der zu jeder Classe gehoͤrenden Faͤlle (§. 152. seqq. Phaͤno- menol.), und so auch der zu einem Begriffe gehoͤren- den einfachen Bestimmungen (§. 459.) vorkoͤmmt, und wobey jeder Fall und jede einfache Bestimmung als eine Einheit angesehen wird. §. 767. Man sieht aus den bisher angefuͤhrten Faͤllen und Beyspielen, auf wie vielerley Arten man es ange- griffen, um die Ausmessung nach jeder Verschieden- heit derselben moͤglich zu machen, und Maaßstaͤbe dabey anbringen zu koͤnnen. Um nun daruͤber eini- ge allgemeinere Betrachtungen zu machen, so bemer- ken wir erstlich, als etwas fuͤr sich offenbares, daß es zur Ausmessung einer Groͤße nicht genug ist, daß man wisse, sie koͤnne stufenweise groͤßer oder kleiner werden, und daß zwey, drey, vier Grade, zwey, drey, viermal groͤßer sey als einer. Denn ersteres zeiget nur an, daß Ausmessung und Maaßstaͤbe da- bey moͤglich sind, das andere aber ist weiter nichts als einer der ersten Saͤtze der Arithmetic, welcher die Grade in der Sache selbst weder angiebt noch kennt- lich machet. Dieses wird aber eigentlich zu der Aus- messung erfordert, und setzet zugleich voraus, daß etwas da seyn muͤsse, woran und wodurch die B b 2 Grade XXVI. Hauptstuͤck. Grade unterschieden und kennbar gemacht werden koͤnnen. Hiebey bezieht sich nun das woran meh- rentheils auf die Sache selbst, das wodurch aber auf den Maaßstab, oder auf dasjenige, was man zur Erkenntniß, Schaͤtzung, Bestimmung ꝛc. der Grade gebraucht oder gebrauchen kann. Jn beyden Absichten aber will man bey der Ausmessung nicht nur wissen, daß ein Grad groͤßer sey als der andere, wie z. E. in den Faͤllen des §. 764, sondern genauer und eigentlicher, wie vielmal derselbe groͤßer sey. §. 768. Will man nun hiebey nach der wahren und natuͤr- lichen Ordnung verfahren, so muß man anfangen zu sehen, woran sichs erkennen lasse, ob bey einer vor- gegebenen Art von Groͤßen, die einzeln Theile gleich sind oder nicht, und welche Bedingungen zu der Gleichheit derselben erfordert werden. Dazu thut nun uͤberhaupt betrachtet der oben (§. 139.) in Absicht auf die Jdentitaͤt angefuͤhrte Satz sehr gute Dienste, und man faͤngt mit dessen specialern Anwendung ge- meiniglich die besondern Theile der mathematischen Wissenschaften an, wie es aus den im §. 140. ange- fuͤhrten Beyspielen erhellet. Es wird aber dabey die Gleichheit der Groͤßen besonders aus dem hergeleitet, ob alles das, wodurch sie veraͤndert werden koͤnnten, einerley ist. Jst dieses, so sind die Groͤßen aller- dings gleich. Hingegen giebt es Faͤlle, wo sie des- sen unerachtet ebenfalls gleich seyn koͤnnten, wo naͤm- lich ein Umstand den andern compensirt, (§. 601.). Dieses machet, daß man erst bemeldeten Satz nur directe gebrauchen kann, und daß es aus den beson- dern Umstaͤnden der Sache muß bewiesen werden, wenn derselbe auch umgekehrt angewandt werden soll. Dieses Der Maaßstab. Dieses geht nun nothwendig an, wo die Veraͤnde- rung in der Groͤße nur von einem Umstande abhaͤngt. Wo aber mehrere Umstaͤnde sind, da muß man bis auf einen wissen, daß sie gleich oder einerley sind, und sodann laͤßt sich aus der Gleichheit der Groͤßen auch auf die Gleichheit dieses einen Umstandes den Schluß machen, wenn man diese auch aus andern Gruͤnden nicht weiß. Es giebt demnach erst erwaͤhn- ter Satz eigentlich eine Gleichung an, vermittelst de- ren man von den darinn vorkommenden Groͤßen eine durch die uͤbrigen so bestimmen kann, daß, wenn die uͤbrigen in zween oder mehrern Faͤllen einerley sind, auch dieselbe einerley sey. §. 769. Es giebt aber in besondern Faͤllen auch specialere Benennungen solcher Umstaͤnde, und specialere Kenn- zeichen von der Gleichheit zwoer oder mehrerer Groͤ- ßen. Denn so z. E. hat man in der Geometrie den Satz, daß die Figuren, deren Ende auf einander passen, einander (sowohl der Groͤße als der Art und der Aehnlichkeit nach) gleich sind. Dieser Satz gilt bey geraden Linien und Winkeln auch umgekehrt, weil diese nicht von gleicher Groͤße seyn koͤnnen, ohne auf einander zu passen. Er enthaͤlt auch den eigentlichen und absolutesten Grundbegriff von der unmittelbar- sten Vergleichung zwoer Groͤßen, weil man sich da- bey nicht nur Worte, sondern unmittelbar die Sache selbst vorstellet. Hingegen haben wir nicht selten die Gruͤnde zur Gleichheit zwoer Groͤßen aufzusuchen, wo mehrere und der Art nach von einander verschiedene Umstaͤnde vorkommen, von denen diese Gleichheit abhaͤngt. So z. E. sagen wir, daß zween Koͤrper gleiche Dichtigkeit haben, bey welchen in gleich gro- B b 3 ßem XXVI. Hauptstuͤck. ßem Raume gleich viel Materie ist. Da muß nun schon Raum und Materie mit einander verglichen werden, und zur Vergleichung der Menge der Ma- terie muͤssen wir entweder die Schwere oder die Be- wegung gebrauchen. So werden bey dem oben (§. 475. 488.) betrachteten archimedischen Satze von der Gleichheit zweyer Gewichte bey instehender Wage, oder umgekehrt von der instehenden Wage bey glei- chen Gewichten, Schluͤsse erfordert (§. §. cit. ), und wenn man ihn auch will als fuͤr sich klar gelten las- sen, so kommen dennoch dabey mehrere Umstaͤnde zugleich in Betrachtung, und besonders wird dabey vorausgesetzt, daß die Schwere aller Orten gleich sey, welches zwar von der Wahrheit nicht merklich abgeht, aber abgehen wuͤrde, wenn die Erde sich schneller um ihre Axe drehete ꝛc. Uebrigens laͤßt er sich allgemeiner und ohne Ruͤcksicht auf die Umstaͤnde der wirklichen Welt vortragen. Man wird aus dem §. 692. sehen, daß die Saͤtze von der Vergleichung der Klarheiten und der Erleuchtung noch von mehrern Umstaͤnden abhaͤngen, und aus dem §. 140. daß auch da noch die Vergleichung nicht einfach ist, wo man es auf die Empfindung will ankommen lassen. Jn solchen Faͤllen koͤmmt nun allerdings die Schwierig- keit mehr auf das Aufsuchen aller Umstaͤnde an, von welchen die Groͤße der Sache abhaͤngt. Denn weiß man diese saͤmmtlich, so ist der vorhin erwaͤhnte Satz des §. 139. schlechthin dabey anwendbar, (§. 768.). Uebrigens ist hiebey fuͤr sich klar, daß man leichter damit fortkoͤmmt, wo man von den bestimmenden Umstaͤnden einige in einen Begriff zusammen nimmt, so viel naͤmlich fuͤr sich betrachtet ein Ganzes ausma- chen koͤnnen, und zu einer vorhabenden Absicht die- nen. So z. E. um den Grad der Durchsichtigkeit, oder Der Maaßstab. oder auch der Weiße eines Koͤrpers zu bestimmen, ist es genug, daß man das auffallende Licht mit dem durchgehenden oder zuruͤck geworfenen vergleicht, ohne dabey den Abstand und die absolute Helligkeit mit in Betrachtung zu ziehen, und auf eine aͤhnliche Art mißt man die Geschwindigkeit nur durch den Raum und die Zeit aus, ohne auf andere Umstaͤnde, z. E. auf die Masse, Direction, Kraft ꝛc. Acht zu haben, weil diese nicht nothwendig dazu erfordert werden. §. 770. Um aber zu dem erst angefuͤhrten geometrischen Begriff von dem zusammen- oder auf einander passen der Figuren zuruͤck zu kehren, um denselben naͤher zu betrachten, so koͤnnen wir erstlich anmerken, daß man bey diesem Zusammenpassen eigentlich auf die Enden oder den Umriß der Figur sieht, weil dieser die Figur zur Figur machet, und weil, wenn die Umrisse zusammen passen, auch nothwendig die Figu- ren, sofern sie flach sind zusammen passen. Jn so fern aber ist der Satz unter dem viel allgemeinern enthalten, den wir oben (§. 139.) vorgetragen haben. Sodann koͤnnen wir das in dem §. 80. erwaͤhnte ideale Herumtragen der Theile des Raumes dabey mit vornehmen, als welches von dem physischen Her- umtragen der Koͤrper verschieden, und deswegen bloß ideal ist, weil es mit den Theilen des wirklichen Raumes nicht angeht. Durch dieses ideale Herum- tragen aber legen wir in Gedanken jede Seiten und Winkel der einen Figur auf die Seiten und Winkel der andern, um uns dadurch zu versichern, daß sie durchaus auf einander passen. Wollen wir demnach bey solchen idealen Vorstellungen bleiben, so laͤßt sich der Satz vom Zusammenpassen weiter ausdehnen, ungeachtet er in Absicht auf den Raum immer eine B b 4 groͤßere XXVI. Hauptstuͤck. groͤßere Klarheit und Brauchbarkeit hat. Denn so z. E. koͤnnen wir in Gedanken die Theile der Zeit herum tragen, und wenn wir uns zwo Stunden von gleicher Laͤnge vorstellen, so stellen wir uns ebenfalls vor, daß wenn der Anfang von beyden zugleich waͤre, auch das Ende von beyden zugleich seyn wuͤrde. Die- ses Zusammenpassen giebt uns, eben so, wie in der Geometrie, den absolutesten Begriff von ihrer glei- chen Laͤnge oder Dauer. Sofern wir der Kraft eine Ausdehnung und Dauer geben, laͤßt sich der Begriff des Zusammenpassens ebenfalls dabey anwenden. Jndessen aber vergleichen wir zwo Kraͤfte ehender mit der Ausdehnung der Dinge, auf welche sie angewandt werden koͤnnen, und in Absicht auf die Kraͤfte des Verstandes und des Willens nehmen wir statt der Ausdehnung die Anzahl der Gegenstaͤnde. Hingegen geht der Begriff vom Zusammenpassen bey den Gra- den der Jntensitaͤt nicht anders an, als wenn wir die einzeln Aufhaͤufungen uns als außer einander vorstel- len. Daher schaͤtzen wir die Gleichheit zwoer Kraͤfte der Jntensitaͤt nach ehender aus der Gleichheit der Wir- kung, und sehen, ob diese einerley bleibe, wenn eine Kraft statt der andern gesetzt wird. Es hat aber der Begriff des Zusammenpassens bey dem Raume desto mehrern Gebrauch, weil bey den Figuren Seiten und Winkel auf einander passen muͤssen, und weil dieses Anlaͤsse giebt viele Lehrsaͤtze daher zu leiten, wodurch man von dem Zusammenpassen einiger Linien und Winkel auf das Zusammenpassen der uͤbrigen den Schluß machen kann. Und dieses ist es eben, was in der Geometrie die Anzahl der gegebenen Stuͤcke ver- mindert, und zugleich ein Grund mit, warum man andere Groͤßen auf Linien und Raͤume reducirt, (§. 762. 82.). §. 771. Der Maaßstab. §. 771. Man hat daher, um das Kennzeichen der Gleich- heit allgemeiner zu machen, statt des Begriffes vom Zusammenpassen, den Satz angenommen, daß Groͤ- ßen, die einander gleich sind, fuͤr einander gesetzt oder einander substituirt werden koͤnnen (§. 142. Postul. 1.), und daß hinwiederum Groͤßen gleich sind, wenn sie fuͤr einander koͤnnen gesetzt werden, (§. 137. Axiom. 11.). Wir untersuchen hiebey nicht, wie fern der letztere von diesen Saͤtzen als eine Definition der Gleichheit gelten koͤnne, wie ihn Wolf dafuͤr ausgegeben. Der Begriff der Gleichheit ist an sich einfach, und laͤßt sich durch die Anzeige, wie wir dazu gelangen, besser und natuͤrlicher klar machen, (§. 126. 136.). Und so wird man erst angefuͤhrten Satz immer als ein Kennzeichen der Gleichheit ansehen koͤnnen, wel- ches fuͤr sich zureichet, ungeachtet statt dessen etwann auch andere gebraucht werden koͤnnen. Wir werden daher vielmehr untersuchen, wie weit wir damit rei- chen? Dieses koͤmmt nun auf die Fragen an, 1°. wie die Groͤßen fuͤr einander koͤnnen gesetzt, oder einan- der substituirt werden; 2°. woran sich die Moͤglichkeit erkennen lasse, und 3°. wie man sich dabey versichere, daß wenn man die eine fuͤr die andere setzet, man we- der mehr noch minder setze, als diese war? Denn kann man in besondern Faͤllen diese Fragen nicht er- oͤrtern, so faͤllt der Gebrauch dieses Kennzeichens weg, und die Groͤßen bleiben unverglichen, oder man muß andere Kennzeichen gebrauchen. §. 772. Wir muͤssen hiebey die zween Faͤlle unterscheiden, ob man naͤmlich die Groͤßen nur in dem Calcul ver- gleicht, oder ob man sie in der Sache selbst nimmt. B b 5 Denn XXVI. Hauptstuͤck. Denn in dem ersten Falle reichet man mit dem Sa- tze, daß jede Groͤße sich selbst gleich sey, (§. 137. Axiom. 1.), und daß man sie, eben so, wie die Einheiten, so vielmal nehmen kann, als man will (§. 77. Postul. 1.), in Absicht auf die bloße Ver- gleichung aus, ungeachtet der Calcul sodann noch an- dere Grundsaͤtze und Postulata fordert, welche die Verwandlung der Groͤßen, und so auch die Faͤlle be- treffen, wo zwo Groͤßen mit einer dritten verglichen werden. Jn Ansehung des andern Falles aber reichet man ebenmaͤßig aus, wo die einzeln Theile der Sa- che schlechthin nur als Ganze angesehen werden, die man in Absicht auf die Rechnung in eine Classe nimmt, wie es in dem vorhin (§. 766.) angefuͤhrten Beyspiele von der Berechnung der Wahrscheinlichkeit geschieht. Denn da es hiebey nur auf das Abzaͤhlen der Faͤlle ankoͤmmt, so hat es in Ansehung der Frage, ob man gleich viele oder mehr oder weniger Faͤlle ha- be, keine Schwierigkeit. Das Zahlengebaͤude ist so eingerichtet, daß die Vergleichung der Zahlen unter allen die leichteste ist. §. 773. Hingegen in andern Faͤllen, wo die Groͤßen der Ausdehnung und Staͤrke nach zu vergleichen sind, muͤssen wir allerdings Kennzeichen aufsuchen, die dem vorhin betrachteten Zusammenpassen (§. 759. seqq. ) sehr aͤhnlich sind. Wir bemerken zu diesem Ende, daß man in Ansehung der Theorie, selbst in Absicht auf den Raum, das Zusammenpassen einiger Linien und Winkel hypothetisch oder als Bedingungen an- nimmt, damit man sodann das Zusammenpassen der uͤbrigen daraus schließen koͤnne. Solche Lehrsaͤtze zei- gen demnach die Abhaͤnglichkeit einiger Stuͤcken von den Der Maaßstab. den andern, und dadurch wird der Satz des §. 139. anwendbar. Hingegen um sich in individualen Faͤl- len von der Wirklichkeit des Zusammenpassens zu versichern, da muͤssen die Linien in der That auf ein- ander gelegt werden, oder, wo dieses nicht angeht, oder zu weitlaͤuftig ist, da bedienet man sich eines Maaßstabes, und versichert sich von der Gleichheit oder Ungleichheit durch die Ausmessung. Auf diesen Unterschied zwischen der Theorie und Ausuͤbung hat man bey der Aufloͤsung der vorhin (§. 771.) vorgeleg- ten Fragen allerdings zu sehen, weil daraus erhellet, daß die Theorie immer vielmehr auf die Abhaͤnglich- keit der Groͤßen von einander, die Ausuͤbung aber auf die wirkliche und absolute oder individuale Be- stimmung derselben geht. Und so bedarf die Theorie im eigentlichsten Verstande keiner Maaßstaͤbe, da hingegen diese in der Ausuͤbung unentbehrlich sind. Dieses aber vorausgesetzt, so ist der Satz des §. 139. immer die erste Grundlage zur theoretischen Verglei- chung der Groͤßen, und loͤset daher fuͤr die Theorie die erst vorgelegten Fragen (§. 771.) in so fern auf, daß man sich in jedem Falle nur von den Umstaͤnden versichern darf, von welchen die Veraͤnderungen einer Groͤße abhaͤngen. Solche Umstaͤnde nimmt die Theo- rie hypothetisch, als gleich an, und folgert die Gleich- heit der Groͤßen daraus. Wir koͤnnen noch anmer- ken, daß dieser Schluß immer der leichteste ist, weil derselbe von den besondern Gesetzen, nach welchen jeder Umstand die Groͤße aͤndert, nicht abhaͤngt. Denn so z. E. war man bey der Streitigkeit, ob die Kraft sich nach der Geschwindigkeit oder nach dem Quadrate derselben richte, beyderseits darinn einig, daß wenn zween Koͤrper gleiche Massen und gleiche Geschwindig- keit haben, auch die Kraft derselben gleich sey. §. 774. XXVI. Hauptstuͤck. §. 774. Wir haben nun allerdings in den meisten uͤbrigen Faͤllen die Schicklichkeit nicht, daß wir die Groͤßen so an einander legen koͤnnten, wie die Linien in der Geometrie, und dieses machet, daß wir andere Mit- tel zu ihrer Vergleichung, und daher andere Arten von Maaßstaͤben gebrauchen und aufsuchen muͤssen. Denn so z. E. mag das vorhin (§. 770.) angezeigte ideale Aufeinanderpassen der Theile der Zeit uns nach aller geometrischen Schaͤrfe den Begriff von ihrer Gleichheit angeben. Soll aber die Zeit gemessen werden, so muͤssen wir die Bewegung dazu gebrau- chen (§. 765.), als welche uns bey gleicher Geschwin- digkeit die Theile der Zeit durch die Theile des durch- laufenen Raumes vorstellet, bey den Pendulen aber die Einheiten durch ihre Schwankungen vorzaͤhlet. Daher entstehen sodann die verschiedenen Arten von Maaßstaͤben, die wir in den vorhergehenden Absaͤ- tzen in Classen gebracht und durch Beyspiele erlaͤutert haben, (§. 761-767.). Die meisten davon sind von der Art, daß zwo Groͤßen gleich sind, wenn zwo an- dere Groͤßen gleich sind, oder wenn sie bey einer und eben derselben gleichen Groͤße vorkommen. Jn vie- len Faͤllen muͤssen wir die Schaͤtzung der Gleichheit schlechthin nur auf die Empfindung ankommen lassen, bis sich etwas Ausmeßbares findet, dessen Groͤße sich nach der vorgegebenen Groͤße richtet. §. 775. Die bisherigen Betrachtungen (§. 768-776.) ge- hen nun vornehmlich darauf, daß sie angeben, wor- an sich die Gleichheit zwoer Groͤßen erkennen lasse, die von einerley Art sind. Dieses ist aber nur der Anfang zu den im §. 767. vorgelegten Fragen. Denn wenn die Groͤßen, die man gegen einander zu halten hat, Der Maaßstab. hat, ungleich sind, so fordert die Ausmessung, daß man muͤsse angeben koͤnnen, wie vielmal die eine groͤßer ist als die andere, und dieses ist es auch eigentlich, was man von den Maaßstaͤben erwartet, die dabey sollen angewandt, oder auf welche die Groͤßen sollen ge- bracht werden koͤnnen. Wir haben in dem §. 767. daher bereits angemerket, daß man zu diesem Ende darauf zu sehen habe, woran und wodurch die Grade unterschieden und kennbar gemacht werden koͤnnen? Dieses hat nun in denen Faͤllen keine große Schwie- rigkeit, wo die Theile außer einander sind, oder von einander getrennet und gleichsam vorgezaͤhlet werden koͤnnen, wie es z. E. bey dem Raume, der Zeit und der Bewegung geschehen kann. Hingegen, wo sie theils unsichtbar, theils in einander aufgehaͤufet sind, wie bey den Graden der Jntensitaͤt, da giebt es leicht mehrere Schwierigkeiten, und man hat genau darauf zu sehen, was eine solche Aufhaͤufung nach sich zieht. Denn so z. E. werden etwann fluͤßige Materien von ungleicher Schwere und Dichtigkeit zusammen gegos- sen, oder Salze darinn aufgeloͤset, oder Metalle zusam- men geschmolzen, und die vermischte Materie ist gar nicht nothwendig in Verhaͤltniß der Dichtigkeit derer die man vermischet hatte. Sie kann mehr oder minder Raum einnehmen als sie vor der Vermischung ein- nahm, je nach dem die Zwischenraͤumchen groͤßer und haͤufiger, oder kleiner und seltener werden. Man kann eben so, wenn man zwo ungleich warme Ma- terien zusammen gießt, nicht unbedingt auf den Grad der Waͤrme schließen, den die Vermischung dabey erhaͤlt, weil die Kraͤfte, wodurch in jeder Materie die Theilchen verbunden waren, bey der Vermischung aus dem Gleichgewichte gehoben werden koͤnnen, in welchem sie unter sich und mit der ausdehnenden Kraft XXVI. Hauptstuͤck. Kraft der Waͤrme waren. So entsteht z. E. eine Erkaͤltung, wenn man Salze im Wasser, und hin- gegen eine Erwaͤrmung, wenn man Metalle in Scheidewasser aufloͤset, oder Vitrioloͤl mit Weinstein- oͤl vermischet ꝛc. Auf eine aͤhnliche Art hat man den Schluß gemacht, daß in bewegten Koͤrpern die Ge- schwindigkeit leichter vermindert als vermehret wird, weil einem Koͤrper, der einen andern einholen soll, um ihm noch einen Grad von Geschwindigkeit durch den Stoß mitzutheilen, eine groͤßere Geschwindigkeit gegeben werden muß, als dieser andere hatte. §. 776. Wir fangen aber gemeiniglich bey den Empfin- dungen an, uns von der Vermehrung und Vermin- derung der Grade einer Groͤße zu versichern, und bis dahin hat dieses mit unserer ganzen Erkenntniß etwas gemeinsames, als welche ohnehin bey den Empfin- dungen anfaͤngt. Dieses giebt uns gleichsam das erste Bewußtseyn von der Groͤße, und besonders auch von ihrer Veraͤnderlichkeit, und von dem Unterschie- de, den wir zwischen denselben und den absoluten und unveraͤnderlichen Einheiten machen. So giebt es auch Faͤlle, wo wir vielmehr die Veraͤnderung als die Groͤße selbst empfinden, wie z. E. die temperirte Waͤrme, woran wir uns so gewoͤhnen, daß wir da- bey weder Waͤrme noch Kaͤlte empfinden, und wo hingegen diese Empfindung anfaͤngt, so bald sich die Temperatur aͤndert. Wo wir aber unser Urtheil nicht wollen schlechthin nur auf die Empfindung ankommen lassen, da suchen wir sodann in der Sache selbst et- was auf, woran sich die Veraͤnderung der Groͤße er- kennen oder abnehmen laͤßt. Denn so haben wir z. E. bey der Waͤrme, die dadurch verursachte Aus- dehnung Der Maaßstab. dehnung der Koͤrper, und besonders auch solche Faͤlle, wobey wir gewiß schließen koͤnnen, daß sich die Waͤr- me aufhaͤufen und verstaͤrken muß, wie, wenn z. E. in den Ofen doppelt, drey und mehrmal mehr Holz eingelegt, und dadurch das Feuer vergroͤßert wird, oder wenn wir schließen, daß die Waͤrme des Feuers mit der Entfernung von demselben abnehme, oder daß die durch ein Brennglas verdichte Sonnenstra- len einen staͤrkern Grad von Waͤrme verursachen ꝛc. Alle solche Umstaͤnde zusammen genommen, lassen uns sodann von dem Satze, daß die Waͤrme die Koͤr- per ausdehne, und die Ausdehnung mit der Waͤrme groͤßer werde, nicht zweifeln. Denn da wir dieses nicht unmittelbar sehen, so muß es durch Schluͤsse herausgebracht werden. Jn Ansehung des Lichtes haben wir außer der Empfindung seiner verschiedenen Helligkeit nur die Faͤlle, wo wir offenbar sehen, daß eine Aufhaͤufung da seyn muͤsse, wie z. E. wenn eine Flaͤche von mehrern Lichtern beleuchtet wird, oder, wo die Stralen wegen des geringern Abstandes dich- ter beysammen sind. Bey dem Schalle laͤßt sich ebenfalls eine Aufhaͤufung gedenken, welche durch die Anzahl von Trommeln, Pfeifen, Saiten, Stim- men ꝛc. vermehret, oder auch von einem dieser Jn- strumente der Schall verstaͤrket wird. Man faͤngt in solchen Faͤllen immer am natuͤrlichsten bey dem an, was sich dabey zaͤhlen laͤßt, um dadurch gleichsam einen Maaßstab zu dem uͤbrigen zu haben. Man kann aber auch nicht immer schließen, daß sich das uͤbrige schlechthin nach solchen Zahlen richte, weil zu- weilen die Aufhaͤufung mehrere Umstaͤnde nach sich zieht, zuweilen auch schon Umstaͤnde dabey sind, die die Sache nach andern Verhaͤltnissen ausfallen ma- chen. So z. E. hat der Hr. von Musschenbroeck die XXVI. Hauptstuͤck. die Ausdehnung metallener Drate, die von 1, 2, 3, ꝛc. Lampen erwaͤrmet wurden, der Anzahl dieser Lampen nicht proportional gefunden. Man haͤtte dieses leicht voraus sehen koͤnnen, weil die Erwaͤrmung nicht durch alle Theile gleichfoͤrmig, noch die Luft zwischen den Lampen gleich warm war. Die vorhin (§. 775.) von der Dichtigkeit und Waͤrme vermischter Materien und von der Vermehrung der Geschwindigkeit angefuͤhr- ten Beyspiele gehoͤren ebenfalls mit hieher. §. 777. Hingegen muͤssen wir uns bey Dingen, die uns nicht unmittelbar in die Sinnen fallen, mehrentheils durch Schluͤsse versichern, sowohl, daß sie da sind, als daß sie sich ihrer Groͤße und Staͤrke nach veraͤn- dern, oder den Graden nach verschieden sind. So z. E. hatte man vor der Erfindung des Barometers und der Luftpumpe von der Schwere dem Drucke und der Elasticitaͤt der Luft keinen Begriff, ungeachtet es eben nicht unmoͤglich gewesen waͤre, ohne diese Jnstrumente dazu zu gelangen. Auf eben die Art wuͤrde man ohne den Magneten von der magnetischen Materie, ihrer Direction und Kraft keinen Begriff haben. Und so sind uns, allem Ansehen nach, noch viele wirkende Ursachen, und ihre Grade und Ver- aͤnderungen unbekannt, weil wir entweder auf die Wir- kungen nicht Acht haben, oder weil sie sich gar nicht, oder nur auf eine entferntere Art entdecken. Wir befinden uns, in Ansehung des Firmamentes, in glei- chen Umstaͤnden, weil uns nur das Sichtbare davon in die Sinnen faͤllt. Man hat daher den Satz, daß die Weltkoͤrper gegen einander schwer sind, und die Schwere sich nach der Masse und dem Quadrate des Abstandes richte, durch Schluͤsse herausbringen muͤssen. §. 778. Der Maaßstab. §. 778. Wie man aber auch immer zu dem Begriffe einer Groͤße und ihrer Veraͤnderlichkeit gelanget, so muß man, um die Verhaͤltnisse dieser Veraͤnderungen zu finden, und zu Maaßstaͤben zu gelangen, bey dem Einfachen anfangen. Wir haben dieses Verfahren bereits oben (§. 706. 723.) angegeben, weil man, wenn jedes Einfache fuͤr sich betrachtet wird, dabey entweder absolute Einheiten oder Grade findet, die ganz einfoͤrmig von o bis ins Unendliche fortgehen. Man wird auch in denen Faͤllen, wo man unvermu- thet Einschraͤnkungen oder ein nicht gleichfoͤrmiges Zunehmen einer Groͤße bemerket, immer finden, daß dabey das Einfache nicht gleich anfangs allein vor- genommen, und nach seinen Modificationen und Um- staͤnden betrachtet worden war. Was dieses nun sa- gen will, werden wir durch Beyspiele umstaͤndlicher aufklaͤren und kenntlich machen, die wir im vorher- gehenden in dieser Absicht nur noch uͤberhaupt ange- zeiget haben. So z. E. nimmt man den Satz an, die Dichtigkeit verhalte sich, wie die Menge der Ma- terie in gleichem Raume. Da die Materie oder das Solide jedes andere Solide von seinem Orte aus- schleußt, so wird unstreitig zur Aufhaͤufung desselben groͤßerer Raum erfordert, und da ist die Frage, wie fern mit der Aufhaͤufung zugleich und in eben der Verhaͤltniß der Raum anwachse? Man sieht leicht, daß dieses nur unter gewissen Bedingungen statt fin- det. Denn so geschieht es, wenn bey der Aufhaͤu- fung eine absolute Continuitaͤt der Materie erhalten wird, und folglich alle leere Zwischenraͤumchen weg- bleiben. Sodann geschieht es auch, wenn die Zwi- schenraͤumchen in gleicher Groͤße und Zerstreuung blei- ben, oder wenn die Groͤße in umgekehrter Verhaͤltniß Lamb. Archit. II. B. C c der XXVI. Hauptstuͤck. der Zerstreuung ist. Dieser letztere Umstand haͤngt nun von der Figur der Theilchen und von den Kraͤf- ten ab, womit dieselben in Verbindung bleiben. Man verfiel aber auf diese Betrachtungen, die man gleich anfangs und gleichsam a priori haͤtte machen koͤnnen, erst nachdem man gefunden, daß die Archi- medische Regel von der Vermischung der Materien Ausnahmen litte, und daß sie dem Archimedes, der eine Vermischung von Gold und Silber zu unter- suchen hatte, gluͤcklicher Weise zutraf, ohne daß er vor angestellter Probe davon nothwendig haͤtte ver- sichert seyn koͤnnen. §. 779. Der Satz, daß die Waͤrme die Koͤrper ausdehne, und die Grade der Ausdehnung zugleich mit den Gra- den der Waͤrme in gleicher Verhaͤltniß wachse, ist aͤhnlichen Einschraͤnkungen unterworfen. Man kann durch Versuche zeigen, daß ein Thermometer in Ver- haͤltniß der Dichtigkeit der darauf fallenden Sonnen- stralen steigt. Der Versuch bleibt allemal in ge- wissen Schranken, und die Abweichungen lassen sich folgender Maaßen vorstellen. Man setze den Grad der Kaͤlte viel groͤßer als zum Gefrieren des Wein- geistes noͤthig ist, so wird sich bey abnehmender Kaͤlte oder zunehmenden Waͤrme der gefrorne Weingeist ausdehnen, bis er entfriert. Nachgehends wird der fluͤßig gewordene Weingeist weniger Raum einneh- men, und folglich weniger ausgedehnet seyn, als er vor dem Entfrieren war. Jndessen dehnet er sich bey noch mehr zunehmender Waͤrme mehr aus, und diese Ausdehnung nimmt zu, bis er anfaͤngt zu sie- den. Jst nun das Thermometer oder das Gefaͤsse offen, so mag der Raum eine Zeitlang bey dem Sie- den Der Maaßstab. den bleiben, hingegen duͤnstet der Weingeist aus, und seine Masse nimmt ab. Man stelle nun die Grade der Waͤrme durch Abscissen, die Grade der Ausdeh- nung durch Ordinaten einer Linie vor, so wird diese Linie nicht nur krumm seyn, sondern, da wo der Weingeist entfriert, ein Maximum, einen Wen- dungspunct und ein Minimum haben, und das an- dere Maximum wird bey dem Grade des siedenden Weingeistes seyn. Statt alles dessen wuͤrde die Linie gerade seyn, wenn die Ausdehnung in einfacher Ver- haͤltniß der Waͤrme waͤre. Will man nun zu der erst bemeldeten krummen Linie eine Gleichung finden, so sieht man leicht, daß man die Kraͤfte der Waͤrme, die Cohaͤsionskraͤfte des Weingeistes, die Vermi- schung der Theilchen desselben mit den Lufttheilchen ꝛc. in Betrachtung ziehen, das will sagen, das Einfache und dessen Zusammensetzung stuͤckweise untersuchen muͤsse. Dieses wird bey der Untersuchung der Waͤr- me und Kaͤlte, die bey Vermischungen entsteht (§. 775.) ebenfalls nothwendig. Man wird in dem §. 96. und §. 459. noch andere hieher dienende Bey- spiele finden. §. 780. Sofern wir es bey der Aufsuchung dieses Einfachen auf die Empfindung und Vorstellung der Sache muͤs- sen ankommen lassen, wird allerdings ein feineres Ge- fuͤhl, eine fertigere Bemerkung aller, und besonders der einfachern Verschiedenheiten (§. 751. seqq. ) eine gelaͤufigere Kenntniß der Sache und eine Uebung da- zu erfordert. Da diese Umstaͤnde sich nicht so oft bey- sammen finden, so hat man auch schon lange den Ge- danken gehabt, als wenn es gewissen Zeiten und Per- sonen vorbehalten waͤre, in einer Sache das Eis zu C c 2 brechen, XXVI. Hauptstuͤck. brechen, und ein lange herumgeworfenes Chaos in Ordnung zu bringen, und daß derjenige die Thuͤr, so gegen das neue Feld geoͤffnet werden muß, noch am ehesten finde, der auch im Dunkeln noch am besten sieht, und die Spuren erkennen kann. Es beut uns auch die Geschichte, sowohl der reinen als angewand- ten Meßkunst bey jeden Theilen derselben Proben da- von an. Denn ungeachtet man, ehe sie in eine wis- senschaftliche Ordnung gebracht worden, immer schon einige dazu gehoͤrende Saͤtze und Erfahrungen wußte, so waren diese dennoch mit andern durchmenget, und ohne Zusammenhang. Man datirt daher z. E. die Hydrostatic vom Archimedes, die Tonkunst vom Pythagoras, und von eben demselben die erhebli- chern Saͤtze der Geometrie, die richtigere Kenntniß des Weltbaues vom Copernicus und Kepler, die Penduluhren vom Huygens und Galilaͤus, die Be- rechnung des unendlich Kleinen vom Newton und Leibnitz, die Kenntniß der Schwere und der Far- ben vom Newton ꝛc. Und wenn man schließt, daß dieses große Leute waren, so traͤgt der Begriff, daß sie in Dingen das Eis gebrochen, das meiste zu die- sem Schlusse bey. §. 781. Laͤßt man es aber, um die einfachen Verschieden- heiten zu entdecken, auf Erfahrungen und Versuche ankommen, so muß man auch bey diesen wissen, wie man sie anzustellen, und die Umstaͤnde zu waͤhlen habe, weil man sonst gar leicht, anstatt die Verwir- rung zu heben, dieselbe noch groͤßer machet, und noch neue hinzu thut. Was wir in den §. 779. 776. 731. 764. 676. 610. von der Waͤrme, und in den §. 777. 750. 735. 611. von dem Magneten angemerket haben, mag Der Maaßstab. mag hier als Beyspiele dienen. Die meisten von den Versuchen, die man zur Erfindung der einfachen Gesetze dieser Materien gemacht hat, muͤssen umge- aͤndert und zu dieser Absicht genauer eingerichtet wer- den. Da aber solche Versuche, jeder etwas beson- deres hat, welches durch die demselben eigene Um- staͤnde gefunden und bestimmt werden muß, so koͤn- nen wir uns hier nicht dabey aufhalten. Wir mer- ken demnach nur uͤberhaupt an, daß wenn man eine Groͤße nach jeder Dimension und Ursache, so sie ver- aͤndern kann, durch Versuche bestimmen und das Ge- setz davon finden will, alles mit Beybehaltung uͤbri- gens gleicher Umstaͤnde geschehen muͤsse, und wo die- ses nicht angeht, so muß man ebenfalls auf Mittel bedacht seyn, der Ungleichheit dieser Umstaͤnde und ihres Erfolges Rechnung zu tragen, und zwar so, daß man bis auf jede einzele und einfache Bestim- mungen erweisen koͤnne, daß vermittelst des gewaͤhl- ten Versuches die Absicht rein und richtig erhalten, und alle Bedingungen erfuͤllet werden, so dieselbe in den Umstaͤnden des Versuches veraussetzet. §. 782. Das bisher angemerkte (§. 767-681.) betrifft die verschiedene Arten, wie man zur Ausmessung der Groͤßen und daher zu den dabey dienlichen Maaß- staͤben gelanget. Wir haben die verschiedenen Ar- ten derselben gleich anfangs (§. 761-767.) angezeiget, so fern sie den Sachen nach verschieden sind. Wir haben sie daher noch an sich zu betrachten, so fern sie den allgemeinen Formeln und den Tabellen entgegen gesetzt werden. Die Formeln stellen naͤmlich die Verhaͤltniß zwischen zwoen oder mehrern Groͤßen uͤberhaupt vor, so daß in jedem Falle eine durch die C c 3 uͤbrigen XXVI. Hauptstuͤck. uͤbrigen kann berechnet werden, wenn diese in Zahlen gegeben sind. Hingegen stellen die Tabellen diese Zah- len bereits schon ausgerechnet vor, so daß man sie nur nachschlagen darf. Vermittelst beyder lassen sich die Maaßstaͤbe construiren, der Unterschied aber be- steht uͤberhaupt darinn, daß die Formeln auf jede Zahlen und Bruͤche gehen, die Tabellen aber meh- rentheils nach Einheiten oder ganzen Zahlen berech- net werden, und daher fuͤr die Bruͤche eine Jnter- polation fordern. Hingegen koͤnnen sie bis auf klei- nere Theile berechnet werden, da hingegen die Maaß- staͤbe, wenn man sie nicht gar zu groß machen will, so gar kleine Theile nicht angeben. §. 783. Die einfachsten Arten der Maaßstaͤbe sind gerade Linien, und diese haben gewissermaßen zwo Dimen- sionen. Die erste ist die Laͤnge der Linie, die andere aber wird durch die Eintheilung und Zahlen angezei- get, die man zu jeder Laͤnge oder zu jedem Theilungs- puncte setzet. Sind diese Zahlen in Verhaͤltniß der Laͤnge, so ist der Maaßstab in gleiche Theile ge- theilet. Jst aber die Laͤnge eine Function der Zah- len von mehrern Dimensionen, so werden die Theile ungleich. Man sieht leicht, daß solche letztern Maaß- staͤbe dazu gewidmet sind, daß sie eine Rechnung er- spahren. So z. E. schreibt man auf den Caliber- staͤben zu jedem Diameter der Kugel das Gewicht derselben, damit man dieses durch die bloße Aus- messung des Diameters so gleich finde, ohne daß man es durch Rechnung, oder durchs Abwaͤgen zu suchen habe. So wuͤrde man auf der Scale des Thermometers bey jeder Ausdehnung den dazu erfor- derlichen Grad der Waͤrme schreiben koͤnnen, wenn die Der Maaßstab. die Verhaͤltniß zwischen beyden bekannt waͤre. Der in dem §. 746. angefuͤhrte Maaßstab zur Ausmessung des Laufes der Planeten und Cometen ist von noch ausgedehnterm Gebrauche. So lassen sich auch ver- mittelst zweener Maaßstaͤbe alle perspectivische Zeich- nungen ohne Grundriß zeichnen. §. 784. Wo aber mehrere Dimensionen vorkommen, da reichet man auch mit einem linearen Maaßstabe nicht aus, sondern es werden mehrere dazu erfordert, so daß man entweder einen nach dem andern gebraucht, wie man z. E. auf den Landcharten die Entfernung der Oerter, wenn man zween Maaßstaͤbe gebrauchen will, genau finden kann, oder man dehnet den Maaß- stab auf eine ganze Flaͤche aus, so daß man der Laͤnge nach die eine, der Breite nach aber die anderen Di- mensionen aufsuchet, und da, wo sich die Linien durch- schneiden entweder die Zahl oder die verlangte Groͤße findet. Diese letztere Art ist aber wenig uͤblich, un- geachtet sie in vielen Faͤllen gute Dienste thun kann. Man suchet aber dabey Abkuͤrzungen von der Art, wie ich sie in dem §. 855. und 929. der Photometrie fuͤr zween Faͤlle, wo mehrere Dimensionen und bestim- mende Umstaͤnde vorkamen, angegeben habe. C c 4 Sieben XXVII. Hauptstuͤck. Sieben und zwanzigstes Hauptstuͤck. Das Ausmeßbare . §. 785. N ach der Betrachtung der bey dem Ausmessen vorkommenden Hauptbegriffe koͤnnen wir nun den Gegenstand selbst, oder das, was ausmeßbar ist, zu betrachten vornehmen. Wir haben zwar in dem vorhergehenden verschiedenes hieher gehoͤrendes mit- genommen, weil wir erst erwaͤhnte Hauptbegriffe immer auch in Absicht auf die Sache selbst betrachtet haben. Jndessen, da das Ausmeßbare fuͤr sich zu untersuchen ist, so werden wir um aus dieser Unter- suchung ein Ganzes zu machen, das davon bereits gesagte nur in so fern mitnehmen, als es mit dem Ganzen und den uͤbrigen Theilen desselben verbunden ist, und in dieser Absicht nicht weggelassen werden kann. Die Hauptfrage, die wir demnach hier zu eroͤrtern haben, koͤmmt darauf an, daß wir naͤher zu bestimmen suchen, was einer Ausmessung faͤhig ist, und von welcher Seite betrachtet es eine Ausmessung zulaͤßt? Die Veranlassung zu dieser Frage ist an sich ganz ungezwungen, und gruͤndet sich darauf, daß weder alles Kennbare, noch alles Ge- denkbare, ohne alle Einschraͤnkung eine Ausmessung zulaͤßt. Denn so laͤßt sich mit den absoluten und un- veraͤnderlichen Einheiten in Absicht auf die Ausmes- sung nicht viel oder gar nichts ausrichten. Sodann koͤnnen ungleichartige Dinge, in so fern sie ungleich- artig sind, hoͤchstens nur gezaͤhlet werden, und koͤmmt je eine Ausmessung dabey vor, so werden sie nicht an sich, Das Ausmeßbare. sich, sondern in Absicht auf etwas denselben gemein- sames betrachtet, welches sodann der eigentliche Ge- genstand der Ausmessung ist. Auf eine aͤhnliche Art lassen sich Groͤßen von verschiedenen Dimensionen z. E. Linien und Flaͤchen, Geschwindigkeit und Kraft ꝛc. nicht addiren und subtrahiren. So beut uns auch die Sprache eine gute Menge von Woͤrtern an, da bey dem, was sie vorstellen, noch viel auseinander zu lesen ist, ehe man an das Ausmessen gedenken kann, (§. 714. 715.), und wobey das wie viel, wie groß, wie oft, wie leicht, wie haͤufig, wie sehr, ꝛc. genau muß unterschieden werden, wie die- ses aus den im §. 697. angefuͤhrten Beyspielen ohne Muͤhe zu ersehen ist, und wovon wir die dabey gar leicht mit unterlaufende Fehler bereits (§. 709-715.) angezeiget haben. §. 786. Man sollte allerdings nicht gedenken, daß an sich sehr einfache Fragen, dergleichen das wie viel, wie groß ꝛc. sind, so leicht koͤnnten vermenget werden, zumal da der Unterschied zwischen denselben so beschaf- fen ist, daß, wo die eine derselben vorkoͤmmt, die uͤbrigen bey eben derselben Sache und in eben dem Sinne nicht statt finden koͤnnen, und auch nicht sel- ten eine ohne die andere statt hat. Jndessen erhellet aus den erst angefuͤhrten §§, daß diese Vermischung nicht selten vorkoͤmmt. Man kann einen Theil der Ursache hievon darinn finden, daß diese Fragen, welche eigentlich zur Meßkunst gehoͤren, in derselben in einem sehr genau bestimmten Verstande vorkom- men, und daß ihre Bedeutung darinn besser aus den Faͤllen, wo sie gebraucht werden, als aus dem ge- meinen Leben oder aus Umschreibungen erlernet wird, C c 5 wie XXVII. Hauptstuͤck. wie wir dieses bereits in dem §. 685. angemerket ha- ben. Unterlaͤßt man dieses, so kann man sich leicht Moͤglichkeiten einbilden, wo keine sind, und z. E. nach Anleitung des in dem §. 697. angefuͤhrten Sa- tzes von der Bewegung den Schluß ziehen, daß die Bewegung eines Koͤrpers desto groͤßer sey, nach je mehrern Directionen oder Gegenden derselbe zugleich laͤuft, oder daß eine Kraft groͤßere Wirkung hervor- bringe, welche zugleich mehr als einmal angewandt wird. Solche Schluͤsse aber sind bloß symbolisch und ohne Bedeutung. §. 787. Es loͤset sich aber die Frage von dem, was aus- meßbar ist, eigentlich in die erst erwaͤhnten einfa- chern Fragen auf, weil, wo diese vorkommen, theils eine bloße Abzaͤhlung, theils auch eine wirkliche Aus- messung vorkommen kann, und weil dieselben zugleich anzeigen, wobey und wie beydes vorzunehmen ist, wenn sie einmal richtig und da angebracht sind, wo sie angebracht werden sollen und koͤnnen. (Dianoiol. §. 427.). Es beut aber die Sprache mehrere An- laͤsse an, wobey die Bedeutung dieser Fragen ver- menget wird. Man fraget z. E. etwann, wie stark ein Regiment, eine Compagnie, ein Bataillon sey? Diese Frage will dem gemeinen Gebrauch zu reden nach nicht mehr sagen, als aus wie viel Mannschaft es bestehe? Jn dem historischen Ausdrucke: es ent- stund eine große Bewegung, wird die Groͤße der Bewegung in einem viel verwickeltern Verstande ge- nommen, als man es in der Mechanic nimmt, wo man das Product aus der Masse in die Geschwindig- keit dadurch versteht, wobey von Lermen, Tumult, Aufstand, Erbitterung ꝛc. gar nicht die Rede ist. So Das Ausmeßbare. So saget man etwann auch: eine große Wahrheit, und versteht dadurch, daß sie einen starken Ein- druck auf das Gemuͤth mache, wichtig sey, sich auf viele Dinge ausbreitte, von vielen wichtigen und lange dauernden Folgen sey ꝛc., und in diesem Sinne wird die Wahrheit mit der dadurch verstan- denen Sache, und das logisch Wahre mit dem meta- physisch und moralisch Wahren und mit dem Wirk- lichen durchmenget. Dieses alles aber muß, wenn man eine solche Groͤße ausmessen und schaͤtzen will, aus einander gelesen werden, und dabey findet man zu addiren, zu multipliciren und auch getrennet zu lassen. Bey den Ausdruͤcken: eine große Absicht, eine große That, eine große Veraͤnderung, Ord- nung, Vollkommenheit, Gesetz, ꝛc. finden sich aͤhnliche Vermischungen. §. 788. Ueberdieß muß man das Ausmeßbare auch nicht immer so schlechthin in dem suchen, was sich gleich anfangs darbeut. So z. E. kann man uͤberhaupt sagen, daß man eine Sache desto deutlicher sehe, je kleinere Theile man daran unterscheiden kann. Nach diesem Ausdrucke aber wuͤrde man die Deut- lichkeit nach der Kleinheit der Theile schaͤtzen, und folglich den Maaßstab dazu in der Sache selbst auf- suchen. Es kann aber auch ein Vergroͤßerungsglas noch kleinere Theile, als man mit bloßem Auge sieht, und dennoch undeutlich vorstellen, wenn es nicht recht gerichtet ist. Will man hingegen die Deutlichkeit wirklich ausmessen, so suchet man die Gruͤnde dazu in der Structur des Auges, und nicht in der Sache auf. Dabey setzet man die Deutlichkeit absolut, wenn die aus einem Puncte in das Auge fallende Stralen XXVII. Hauptstuͤck. Stralen sich auf dem Augennetze wiederum in einen Punct vereinigen, und die anliegenden Fibern nicht zugleich mit in Bewegung gesetzet werden. Sind aber diese Stralen auf dem Augennetze in einen Cirkel zerstreuet, und wird dieser Cirkel durch die Aufhaͤu- fung der Stralen und Mittheilung der Bewegung noch groͤßer, so sieht man undeutlich, und die Un- deutlichkeit ist in Verhaͤltniß des Raumes dieses Cir- kels, (Photometr. §. 1102-1125.). Auf diese Art erhaͤlt man das absolute Maaß der Undeutlichkeit, welches man sodann ohne Muͤhe auf die Objecte an- wenden kann. Es ist kein Zweifel, daß nicht auch in den Fibern des Gehirnes etwas aͤhnliches vorkom- me, welches veranlasset, daß man Unterschiede und Harmonien von sehr verschiedenen Graden der Fein- heit in den Vorstellungen der Dinge empfinden kann, und daß oͤfters wie durch einen Nebel im Ge- hirne die feinern Empfindungen gehemmet werden, (Phaͤnomenol. §. 133. 135. 100.). §. 789. Die Begriffe der Moͤglichkeit, Nothwen- digkeit, Zufaͤlligkeit, Erwartung, Verwunde- rung, biethen uns aͤhnliche Beyspiele an. Wir ha- ben das, was man, in Absicht auf die Groͤße, bey der Moͤglichkeit zu fragen hat, bereits oben (§. 685.) angefuͤhret, und (§. 243.) die Kraft als den positiven Grund, oder als das Principium essendi (§. 298. 491.) der Moͤglichkeit angegeben. Diese Anmer- kungen gehen ebenfalls auf die Nothwendigkeit und Zufaͤlligkeit, sofern man jene durch die Unmoͤg- lichkeit, diese durch die Moͤglichkeit des Gegentheils definiret. Wir haben daher im vorhergehenden (§. 283. 697. 718.) die Berechnung der Grade der hypo- Das Ausmeßbare. hypothetischen Nothwendigkeit ganz anders angege- ben, weil sie intensiue auf die Staͤrke und Groͤße der zur Veraͤnderung erforderlichen Kraͤfte, extensiue aber auf die Oefternheit der Veraͤnderung und auf die Vielfaͤltigkeit solcher Kraͤfte reducirt wird. Man wird aus dem §. 151. der Phaͤnomenologie sehen, daß die Grade der Erwartung und der Verwunderung ebenfalls darauf reducirt werden, und daher alle diese Begriffe in Absicht auf die Ausmessung und Berech- nung eine genaue Verbindung unter sich haben. §. 790. Ueberdieß wird auch sehr oft das absolute mit dem relativen vermenget. Der Begriff der Durchsich- tigkeit mag uns hier als Beyspiel dienen. Man wird uͤberhaupt einen Koͤrper durchsichtiger nennen, wenn derselbe mehr Licht durchfallen laͤßt, weniger zerstreuet, zuruͤcke wirft, absorbirt ꝛc. Diesem nach wird das Maaß der Durchsichtigkeit in der Verhaͤlt- niß des auffallenden und durchfallenden Lichtes beste- hen. Nun kann man diese Verhaͤltnisse in vielen Faͤllen sehr gut gebrauchen. Hingegen kann man anstehen, ob man zur Ausmessung der Durchsichtig- keit nicht vielmehr anstatt dieser Verhaͤltniß den Lo- garithmus derselben nehmen soll, weil doch die Loga- rithmen der eigentliche Maaßstab der Verhaͤltnisse sind. Und nimmt man diese, so werden sie eigent- lich die Undurchsichtigkeit angeben, weil, wenn alles Licht durchfaͤllt, die Verhaͤltniß = 1 : 1, und folglich der Logarithmus = 0 ist. Es ist aber hiebey noch al- les verwirrt. Denn einmal muß man, um die ab- solute Durchsichtigkeit des Koͤrpers zu finden, die Di- cke desselben mit in die Rechnung nehmen, und da- bey kommen sodann ohne allen Anstand Logarithmen heraus. XXVII. Hauptstuͤck. heraus. Sodann muß man von dem auffallenden Lichte dasjenige abziehen, was von der ersten Flaͤche reflectirt wird, und zu dem durchfallenden dasjenige addiren, was von der innern Flaͤche reflectirt wird. Das will nun sagen, man muß schlechthin nur das- jenige Licht in Betrachtung ziehen, was in dem Koͤr- per selbst in gerader Linie fortgeht. Dieses nimmt bey gleicher Undurchsichtigkeit nach den Ordinaten einer logarithmischen Linie ab, und die Subtangente dieser Linie ist das absolute Maaß der Durchsichtig- keit des Koͤrpers. (Photometr. §. 484. 876.). Man sieht hieraus, daß die beyden Fragen unterschieden sind, deren die erstere nur die Verhaͤltniß des auf- fallenden und durchfallenden Lichtes betrifft, die an- dere aber diese Verhaͤltniß bestimmt annimmt, und hingegen zu finden angiebt, wie dick der durchsichtige Koͤrper seyn muͤsse, bis von dem auffallenden Lichte ein bestimmter Theil aufgefangen, zerstreuet und ab- sorbirt werde? Diese letztere Frage giebt die absolute Durchsichtigkeit des Koͤrpers, erstere aber, und zwar in einem ganz andern Sinne, nur die relative. Man sieht auch zugleich daraus, daß beyde Ausmessungs- arten angehen, und daß die Sache selbst real sey, wenn man auch gleich das Wort Durchsichtigkeit nur in dem einen Verstande nehmen, oder demselben beyde Bedeutungen lassen, oder es dabey gar nicht ge- brauchen will. Denn wo die Sache selbst kann vor- gezeiget werden, da sind solche Benennungen nur abgekuͤrzte Ausdruͤcke, und der Wortstreit ist bald gehoben. §. 791. Wir machen diese letztere Anmerkung zu dem En- de, weil man in sehr vielen Faͤllen anstatt ein Wort, und dessen noch etwann ganz unbestimmte und viel- fache Das Ausmeßbare. sache Bedeutung vorzunehmen, besser bey der Sache selbst anfaͤngt, und die dadurch uͤberhaupt vorgestell- ten Dinge, nebst denen, die damit einige Verwandt- schaft und Verbindung haben, zusammen nimmt, um durch eine genauere Vergleichung derselben zu sehen, wie vielerley man darinn zu unterscheiden hat, und welchem Stuͤcke etwann das Wort als eine schickliche Benennung beygelegt werden koͤnne? Der Vortheil, den man davon hat, aͤußert sich da, wo etwas ausgemessen werden soll, am offenbarsten, weil man ohne ein solches Auseinanderlesen alles verschie- denen und einfachen selten zu einer richtigen und evi- denten Ausmessungsart gelanget. §. 792. Um nun aber die vorhin angefuͤhrten Fragen an sich zu betrachten, so merken wir an, daß sie in eini- ge Hauptclassen koͤnnen getheilet werden. Die erste dieser Classen wollen wir durch die Frage, welche? anzeigen. Es ist zwar dieses Wort im Deutschen vieldeutig, weil wir es durch quales eben sowohl als durch quaenam uͤbersetzen. Es koͤnnen aber hier diese beyden Bedeutungen vorkommen. Um dieses zu zei- gen, bemerken wir, daß die Frage: welche? bey dem Vorzaͤhlen der Theile vorkommen kann. Denn, wo nicht von allen die Rede ist, da kann man fra- gen, von welchen dann die Rede sey, und man kann verlangen, daß man diese stuͤckweise anzeige. Sind sie nun der Art nach verschieden, so lassen sie sich durch ihre Beschaffenheit und eigene Merkmale kennbar machen, und da kann die Frage quales vor- kommen. Hingegen koͤmmt quaenam vor, wenn man gleichsam mit Fingern darauf deuten oder sie vorzei- gen muß, oder sie durch dieses, jenes, das erste, das XXVII. Hauptstuͤck. das zweyte ꝛc. anzeiget. Ohne uns aber bey diesem Unterschiede besonders aufzuhalten, so bemerken wir vielmehr, daß die Frage: welche? eben so, wie das bloße Vorzaͤhlen eigentlich bey den Dingen vor- koͤmmt, die zwar wegen gewissen Absichten und aͤu- ßerlichen Verhaͤltnissen in eine Classe genommen, da- bey aber wegen ihrer Ungleichartigkeit schlechthin, als eben so viele Ganze vorgezaͤhlet oder vorgesaget werden, wie es z. E. bey den Jnventarien, Ver- zeichnissen, Rodeln ꝛc. geschieht. Was nun in diese erste Classe gehoͤret, das kann, so fern es in dieselbe gehoͤret, weiter keiner anderen Berechnung noch Aus- messung, als eines solchen Vorzaͤhlens faͤhig seyn, weil solche Einheiten nicht zusammen gehoͤren, (§. 700. 766.). Bey dieser ersten Frage, hat man auch der natuͤrlichen Ordnung nach anzufangen, wenn man besonders in zusammengesetzten und complexen Be- griffen und Dingen eine Ausmeßbarkeit, und wie fern sie statt hat, finden will. Denn man muß sich dabey ohnehin um die einfachen Verschiedenheiten umsehen (§. 778. seqq. ), und da wird allerdings ge- fraget, welche es sind, welche davon in eine Classe gehoͤren, welche hingegen abgesondert werden muͤs- sen ꝛc. Z. E. von welchem Theile der Ursache jeder Theil der Wirkung herruͤhre? welche Theile des Koͤr- pers demselben eigen, oder durch das gemeinsame Band desselben verbunden, und welche hingegen fremde Theile sind? §. 793. Die andere Classe koͤnnen wir durch die Frage, wie viele? anzeigen. Diese kann uͤberhaupt auch bey der vorhergehenden vorkommen, weil sich dem Sprachgebrauche nach auch die ungleichartigsten Dinge Das Ausmeßbare. Dinge zusammen zaͤhlen lassen, wiewohl es dabey so- dann auch sein Bewenden hat, und haben soll, wenn man nicht ohne genugsame Kenntniß der Sache auch da noch Rechnungen und Ausmessungen fordert, wo keine vorkommen koͤnnen, und z. E. wissen will, wie viel ein Jahr Zeit und ein Cubicfuß Raum zusam- men ausmachen. Jnsbesondere aber koͤmmt die Frage: wie viele? da vor, wo Einheiten von glei- cher Art zusammen gezaͤhlet werden, und bey diesen koͤmmt eigentlich das arithmetische Addiren und Sub- trahiren vor. So rechnet man Thaler mit Thalern, Stunden mit Stunden, Meilen mit Meilen, Cent- ner mit Centnern ꝛc. zusammen. Dieses wird in al- len Anfangsgruͤnden der Rechenkunst angemerket. Hingegen kann es auch Faͤlle geben, wo es bey der Frage, wie viele? eben so, wie vorhin bey der Frage: welche? sein Bewenden hat, und wo sich das, was man von der Groͤße einer Sache fraget, auf das wie viele reducirt. Dieses will nun nicht schlechthin nur sagen, daß, wenn man fraget, wie groß z. E. eine Linie sey, man nur anzeigen doͤrfe, wie viele Ruthen, Klafter, Fuß, Zoll ꝛc. sie enthalte. Denn so wird auf die Frage von jeder Groͤße geant- wortet, welche aus mehrern Einheiten zusammenge- setzt oder aufgehaͤufet ist: Sondern, wenn wir sagen, daß es oͤfters bey dem: wie viele? sein Bewenden habe, so ist es besonders in dem Verstande, wo die Frage von der intensiven Groͤße nicht vorkoͤmmt. Man kann das, so wir oben (§. 709.) von der Exi- stenz, imgleichen (§. 697.) von der Gleichheit ange- merket haben, als hieher dienende Beyspiele ansehen. Denn da die Existenz und die Gleichheit keine Gra- dus intensitaris haben, so koͤmmt der Begriff einer groͤßern Existenz und groͤßern Gleichheit nicht vor, Lamb. Archit. II. B. D d son- XXVII. Hauptstuͤck. sondern man kann etwann nur fragen, ob mehrere Dinge existiren oder einander gleich sind, und da hat es bey dem: wie viele? sein Bewenden. §. 794. Die dritte Classe zeigen wir durch die Frage: wie groß? an, und dadurch wird nach der Anzahl auf- gehaͤufter, oder auch der Continuitaͤt nach zusammen- gesetzter Theile gefraget, welche zusammen nach einer- ley Maaßstab gemessen werden. Die Bedeutung des Wortes bringt es so mit, daß man diese Frage sowohl bey den extensiven, als bey den intensiven Groͤ- ßen machet, ungeachtet die Beantwortung und die Art der Ausmessung dabey sehr verschieden seyn kann, und daher auf diesen Unterschied allerdings muß ge- sehen werden. Wir koͤnnen daher die Faͤlle, wo von den Graden der Jntensitaͤt die Rede ist, als die vierte Classe ansehen, und werden nun uͤber diese saͤmmt- lichen vier Classen einige allgemeinere Anmerkungen machen, um zu sehen, wohin diese Eintheilung dienen kann. §. 795. Einmal werden die angezogenen und an sich sehr einfachen Fragen nicht immer so gar von allen Um- staͤnden entbloͤßt vorgetragen, sondern theils in be- stimmtern Ausdruͤcken, theils in ganzen Redensarten gleichsam versteckt und verwickelt, aus welchen man sie herausziehen muß, um dadurch auf das Einfache, so sie anzeigen, zu kommen. Denn so z. E. geht die Frage: wie lang? sowohl auf die Ausdehnung als auf die Dauer, und die Fragen: seit wenn? bis wenn? von woher? bis wohin? ꝛc. gehen nur auf den Anfang und das Ende, ungeachtet beydes allemal durch die Anzeige einer Ausdehnung oder Dauer Das Ausmeßbare. Dauer und ihrer Groͤße bestimmt werden muß. Die Fragen, wie ofte? wie haͤufig? fordern eine Ab- zaͤhlung, erstere in Einheiten der Zeit, z. E. alle Tage, dreymal des Jahres ꝛc. die andere aber, so- wohl in Einheiten der Ausdehnung, als der Dauer, besonders aber der Ausdehnung, wo viel einzele Dinge beysammen sind. §. 796. Sodann beziehen sich solche Fragen nicht immer unmittelbar auf die Saͤtze, sondern mehrentheils auf das, was an derselben groͤßer oder kleiner, haͤufiger oder seltener ist, und auf die Absicht, in welcher die- selbe ausmeßbar ist, und von denen, wie wir bereits oben (§. 717.) erinnert haben, entweder jede fuͤr sich allein, oder hoͤchstens nur so viel deren nothwendig zusammen gehoͤren, betrachtet werden. Wir merken dieses hier an, weil man in vielen Faͤllen leicht ver- leitet werden kann, einer Sache Grade und Groͤße zuzuschreiben, wo eigentlich keine vorkommen, und weil man etwann auch die Groͤße der Sache in einer dieser Absichten, einer von den andern Absichten zu- schreibt, wie z. E. wenn man die Existenz einer Sa- che desto groͤßer setzen will, je mehrere Theile sie hat, oder je groͤßern Raum sie einnimmt. Denn da ist der Ausdruck, daß die Existenz groͤßer sey, uneigent- lich, weil man statt dessen sagen muß, daß die Sa- che mit mehrern Theilen, oder, daß an der Sache mehrere Theile existiren, daß sie einen groͤßern Raum einnehme ꝛc. Jn der That kann man auch, wo von der Anzahl der Theile, oder von dem Raume die Rede ist, den die Sache einnimmt, den Ausdruck der Existenz weglassen, weil davon eigentlich nicht die Rede ist. Hingegen ist zwar mit dem Begriffe D d 2 der XXVII. Hauptstuͤck. der Existenz der Begriff der Dauer enger verbunden, doch nicht so, daß mit der Dauer zugleich die Exi- stenz groͤßer werden sollte, weil man statt dessen schlechthin saget, die Sache existire laͤnger, oder auch nur sie sey von laͤngerer Dauer, sie waͤhre laͤnger ꝛc. Auf eine aͤhnliche Art saget man auch, daß eine Sa- che mit groͤßern Kraͤften existire, oder auch nur, daß sie groͤßere Kraͤfte habe. Denn da wird in dem Worte haben, wenn von wirklichen Dingen die Rede ist, der Begriff der Existenz, wenn aber von bloß moͤg- lichen Dingen die Rede ist, die Moͤglichkeit zu exi- stiren bereits mit inbegriffen, oder wie vorausgesetzt, und die Kraͤfte werden nicht der Existenz, sondern der Sache zugeeignet. Wenn man aber jedoch der Existenz Grade geben will, so kann dieses mit Veraͤn- derung der Bedeutung auf eine symbolische und bloß eingebildete Art geschehen, weil sich dadurch die Gra- de der Wahrscheinlichkeit vorstellen lassen, (§. 104.). §. 797. Da demnach die vorhin angefuͤhrten Fragen nicht so unbedingt bey allem Gedenkbaren vorkommen, so muß man, wo man das Ausmeßbare an einer Sa- che finden will, die Theile und die Verschiedenheiten in derselben sorgfaͤltig aus einander lesen, um zu se- hen, wo und wie fern jede dieser Fragen gemacht wer- den kann. Wir weisen hiebey unmittelbar auf die Sache selbst und auf den Begriff, den man sich da- von zu machen hat, weil die Definitionen ebenfalls erst aus demselben muͤssen gebildet werden, und weil diese gewoͤhnlich nicht alle Verschiedenheiten angeben, auf die man zu sehen hat, wenn man das Ausmeß- bare aufsuchen und die Regeln dazu finden will. Denn es ist allerdings da etwas Ausmeßbares, wo diese Das Ausmeßbare. diese Fragen wirklich koͤnnen gemacht werden, (§. 787.). Dieses muß aber, und besonders bey den einfachen Bestimmungen, die Betrachtung der Sache und ihre Gedenkbarkeit angeben, (§. 776. seqq. §. 719. seqq. ). Wir haben hiebey die vorhin angegebenen vier Classen, worein sich solche Fragen vertheilen las- sen (§. 792-794.), so geordnet, daß, was bey dieser Zergliederung schlechthin nur zu einer der erstern ge- hoͤret, bey den folgenden, wenigstens in eben der Ab- sicht, nicht vorkomme. Besonders aber hat man auf den Unterschied zu sehen, der zwischen der ersten und der zweyten Classe ist, und der die Frage betrifft, ob man die Schaͤtzung der Summe bey dem bloßen Vor- zaͤhlen der einzeln Stuͤcke muͤsse bewenden lassen, oder ob man dabey noch andere Ausmessungen und Be- rechnungen vornehmen koͤnne. Man sieht leicht, daß dieser Unterschied gleichsam die Graͤnzlinie zwischen dem Mathematischen und dem bloß Symbolischen ausmacht, und daß es der Muͤhe lohne, denselben so viel moͤglich ist, kenntlich zu machen. §. 798. Wir haben die erste Anlage zu der Betrachtung dieses Unterschiedes bereits in dem vorhergehenden (§. 434. 714.) angegeben, und dabey bemerket, daß, indem wir auch die ungleichartigsten Dinge, wenig- stens unter dem Begriffe, daß es Dinge sind, zu- sammen nehmen, wir dadurch verleitet werden, einem solchen Haufen eine Groͤße zuzuschreiben, und etwann auch zu setzen, daß sie einen gemeinsamen Maaßstab haben, nach welchem sie nicht bloß, wie einzelne ab- gebrochene Zahlen vorgezaͤhlet, sondern eben so, als wenn sie eine Continuitaͤt haͤtten, ausgemessen, mit einander verglichen und in Verhaͤltniß gebracht wer- D d 3 den XXVII. Hauptstuͤck. den koͤnnten. So z. E. zaͤhlen wir an einem Trian- gel drey Seiten und drey Winkel, und sehen sie zu- sammen als sechs Stuͤcke an. Nun kann man die drey Seiten besonders, und so auch die drey Winkel besonders addiren. Fraget man aber nach der Summe der Seiten und Winkel eines geradelinichten Trian- gels zugleich, so fraget man etwas ungereimtes, weil sich Winkel und Seiten nicht addiren lassen. Denn man kann hoͤchstens nur sagen, daß es sechs Stuͤcke sind. Wir fuͤhren dieses an sich offenbare Beyspiel an, damit es nicht so unmoͤglich scheine, wenn etwann in dem, was ein Philosoph dem Mathematiker aus- zumessen vorgiebt, bey der genauern Untersuchung, die letzterer anstellet, solche Antworten zum Vor- schein kommen, (§. 685.). Denn zum eigentlichen Zusammenrechnen werden gleichartige Dinge erfor- dert, deren jedes durch Zahlen vorgestellet werde, die einerley Einheiten haben, oder sich auf solche re- duciren lassen, und zum Ausmessen muͤssen sie eine Continuitaͤt haben, die nach einerley Maaßstab und Einheit gemessen werden kann. §. 799. Die Ungleichartigkeit der Dinge und ihrer Theile, welche machet, daß sie nicht so schlechthin im Gan- zen gemessen, sondern etwann nur gezaͤhlet und in ein Verzeichniß gebracht werden koͤnnen, faͤllt nun mehrentheils leicht in die Augen, und verursachet, daß man dabey diejenigen Absichten und Arten von Continuitaͤten aufsuchet, die etwann, jede fuͤr sich, oder einige zusammen genommen, eine Ausmessung zulassen. Wir haben bereits in dem §. 717. ange- merket, daß dieses gewoͤhnlich geschieht, und aus der erst gemachten Betrachtung erhellet, daß es nicht wohl Das Ausmeßbare. wohl anders seyn kann. Die vornehmste Schwierig- keit koͤmmt daher in den verwirrtern Faͤllen, und be- sonders bey abstracten metaphysischen und morali- schen Begriffen darauf an: worinn solche Conti- nuitaͤten bestehen, und wo man sie aufzusuchen habe? Zu dieser Frage koͤnnen wir noch die beyfuͤ- gen: wie ferne selbst solche Continuitaͤten, wenn man deren mehrere findet, ungleichartig sind, und nicht auf einerley Maaßstab koͤnnen ge- bracht werden? Und so auch, wie diese Conti- nuitaͤten von dem, was schlechthin nur kann gezaͤhlet oder in ein Verzeichniß gebracht wer- den, zu unterscheiden sind? Und endlich, wie fern bey sehr weitlaͤuftigen Begriffen, die be- sondern Faͤlle und Modificationen, besonders genommen werden muͤssen? Denn so z. E. kann man fuͤr die Ausmessung des Lichtes allgemeine Re- geln angeben, es wird aber auf den Flaͤchen der Koͤr- per, und innert den durchsichtigen Koͤrpern durch die daselbst sich aͤußernden Kraͤfte und Theilchen so modi- ficirt, daß man mit den allgemeinen Regeln dabey nicht ausreichet, weil solche Umstaͤnde neue Data und zusammengesetztere Regeln angeben. §. 800. Auf diese viererley Fragen und Umstaͤnde hat man zu sehen, wenn man das Ausmeßbare in einer Sa- che finden, und nach jeden Modificationen aus ein- ander setzen will. So z. E. haben wir bereits in dem §. 149. angemerket, daß, wo man die Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten zweyer oder mehrerer Dinge schaͤ- tzen will, es dabey schlechthin auf das Verzeichniß der einzeln Stuͤcke ankomme, worinn sie aͤhnlich oder verschieden sind, und wenn man dabey etwann noch den D d 4 Grad XXVII. Hauptstuͤck. Grad der Erheblichkeit eines jeden Stuͤckes mit- nimmt, so wird dieser gemeiniglich so genommen, daß man sieht, ob das Aehnliche oder Verschiedene darinn bey gewissen vorhabenden Absichten etwas zu sagen habe, einen staͤrkern Eindruck mache, ꝛc. Und nachdem dieses viel oder wenig auf sich hat, laͤßt man das Stuͤck, worinn die Aehnlichkeit oder Ver- schiedenheit vorkoͤmmt, so viel gelten, als einige von den uͤbrigen zusammen genommen. Setzet man aber, eine der aufgezeichneten Aehnlichkeiten oder Verschie- denheiten, sey kleiner, weil sie in einem kleinern Theile vorkoͤmmt, oder unmerklicher ist, oder dem taufend- sten Menschen nicht in die Augen faͤllt, oder nicht in Sinn koͤmmt, so sind dieses ebenfalls Gruͤnde, wo- durch man den Werth oder die intensiue Groͤße der- selben herunter setzet, und wenn man eine andere = 1 setzet, diese nur durch einen Bruch ausdruͤcket. Es ist fuͤr sich klar, daß man bey solchen Schaͤtzungen die Vergleichung so anstellen muͤsse, daß man nicht mit Vorsatz unaͤhnliche Stuͤcke gegen einander halte, sondern durchaus auf die groͤßte Aehnlichkeit sehe. Denn so z. E. koͤnnen zwey ungleichseitige Vierecke einander gleich und aͤhnlich seyn, und daher, wenn man die correspondirenden Seiten und Winkel auf einander legt, genau zusammen passen, da man statt dessen lauter Verschiedenheiten finden wuͤrde, wenn man die groͤßere Seite oder Winkel des einen auf die kleinere des andern legen wollte. Durch unschickliche Vergleichungen kann man Verschiedenheiten und Un- gereimtheiten herausbringen, die nicht in der Sache, sondern in der Vergleichung sind, und auf dessen Rechnung gesetzet werden, der die unschickliche Ver- gleichung anstellet. Wir haben in dem §. 353. ange- merket, daß man in der schicklichsten Verflechtung des Aehn- Das Ausmeßbare. Aehnlichen und Verschiedenen eine Art von Schoͤn- heit und Vollkommenheit suche, und daß sich zwi- schen dem zu viel Aehnlichen und zu viel Verschiede- nen ein Maximum gedenken lasse, wobey die Aehn- lich k eiten und Verschiedenheiten in solcher Anzahl und so verflochten sind, daß sie saͤmmtlich wahrge- nommen werden koͤnnen, und weder durch die zu gro- ße Menge noch durch die Verwickelung ehender einem Cahos und bunten Wesen, als einer wohlgeordneten Sache gleichen. Hiebey ist nun das Wahrnehmen, sowohl in Absicht auf die Sache, als in Absicht auf die Faͤhigkeiten dessen, der sie wahrnehmen soll, re- lativ, und daher koͤnnen die Dinge zwar unter sich stuͤckweise verglichen und mit andern von gleicher Art gegen einander gehalten werden, hingegen in Absicht auf die Faͤhigkeiten derer, die sie bemerken, laͤßt sich dieses nicht so unbedingt thun, und man kann im Ge- gentheile die Dinge selbst ehender als Maaßstaͤbe zur Bestimmung des Grades der Faͤhigkeiten ansehen, weil sonsten der eine eben dasjenige bunt, schwuͤlstig, uͤbertrieben ꝛc. nennet, was der andere ganz recht und natuͤrlich findet, und der dritte etwann als ein- faͤltig, kahl, kriechend ansieht. Denn diese Aus- druͤcke sind relativ, und Kunstrichter nehmen dabey sehr leicht und unvermerkt, theils ihre Erkenntniß- kraͤfte, theils gewisse Stuͤcke, die sie diesen Kraͤften angemessen finden, und daher fuͤr Muster angeben, als Maaßstaͤbe und absolute Einheiten an, die man entweder nicht uͤberschreiten, oder nicht innert den- selben zuruͤcke bleiben soll. Jndessen richten sich sol- che, und besonders die einfachen Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten, wo man sie schaͤtzen will, theils nach der Anzahl, und zwar so fern man sie als gleich er- heblich und gleich bemerkbar ansieht, theils auch jede D d 5 beson- XXVII. Hauptstuͤck. besonders nach dem derselben eigenen Grade der Er- heblichkeit und Bemerkbarkeit. Jn so ferne wird bey jeder das Product aus diesen Graden genommen, wenn diese Grade bey allen in einerley Absicht ge- schaͤtzet werden, und die Summe dieser Producte giebt sodann die gesuchte Groͤße der Schoͤnheit. Es koͤmmt aber diese an sich einfache Berechnung nicht so oft vor, weil gewoͤhnlich die Erheblichkeit aus sehr verschiedenen Gruͤnden geschaͤtzet wird, und weil da- bey nicht nur auf die Anzahl der Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten, sondern auch auf die Verflech- tung von beyden zu sehen ist. §. 801. Wir werden aber diese Betrachtung hier nicht wei- ter fortsetzen, weil sie nur als ein Beyspiel dienet, wodurch die vorhin vorgelegten Fragen (§. 799.) ge- wissermaßen erlaͤutert werden. Denn wir sehen dar- aus, daß man es mehrentheils bey dem Vorzaͤhlen der Aehnlichkeiten und Verschiedenheiten bewenden laͤßt, und daß, wenn man dabey Stufen gedenken will, die eine gewisse Continuitaͤt haben, man auf den Grad der Erheblichkeit, auf die Staͤrke des Ein- druckes, auf den Grad der Bemerkbarkeit ꝛc. zu se- hen habe. Desgleichen auch, daß der Grad der Er- heblichkeit ebenfalls mehrere einfachere Gruͤnde ha- ben koͤnne, dergleichen, z. E. die oben (§. 353.) schon angemerkte Verhaͤltnisse der einzeln aͤhnlichen und verschiedenen Stuͤcken zum Ganzen sind, und so auch, ob man bey Anbringung mehrerer verschiedenen Stuͤ- cke nicht auch bey jedem besondere Gruͤnde habe, war- um man sie wegen anderer Absichten anbringt ꝛc. Man sieht aber leicht, daß, wo solche andere Absich- ten vorkommen, die Betrachtung der Aehnlichkeit und Das Ausmeßbare. und Verschiedenheit nicht mehr allein vorgenommen, sondern mit Vollstaͤndigkeiten und Vollkommenheiten von ganz anderer Art verbunden wird. Denn so z. E. sieht man bey Anlegung eines Gartens zugleich auf die Anzahl und Art der Pflanzen, auf die Ex- position in Absicht auf die Sonne, auf den Unter- schied des Erdreiches, der Jahreszeiten ꝛc. und da koͤmmt eine ganz andere Berechnung von der Voll- kommenheit der Anlage des Gartens heraus, als wenn man denselben nur in Gaͤnge, Beeten, Alleen, Gelaͤnder ꝛc. einzutheilen hat. §. 802. Die Schaͤtzung der Groͤße einer Veraͤnderung hat mit diesen Betrachtungen uͤber das Aehnliche und Verschiedene eine sehr nahe Verwandtschaft, und der Unterschied besteht vornehmlich nur darinn, daß bey der Veraͤnderung die Betrachtung der Zeit mit vor- koͤmmt, und daß dabey nicht zwo verschiedene Sa- chen, sondern eine und eben dieselbe Sache, wie sie vor und nach der Veraͤnderung war, mit sich selbst verglichen wird. Die Zeit koͤmmt dabey mit in die Rechnung, sofern die Veraͤnderung geschwinder oder langsamer vor sich geht, und außer dem, daß dieses einen merklichen Einfluß auf die Sache selbst hat, so wird die Veraͤnderung dadurch intensiue groͤßer, weil die Kraͤfte und Ursachen staͤrker wirken muͤssen, um die Geschwindigkeit zu vergroͤßern. Sodann, so fern bey Veraͤnderungen die Sache mit sich selbst ver- glichen wird, geht auch die Vergleichung leichter und ordentlicher an, weil man nur auf die Theile, Ver- bindungen und Verhaͤltnisse zu sehen hat, die sich ge- aͤndert haben. Man laͤßt es auch hiebey gewoͤhnlich bey dem Abzaͤhlen bewenden, und schaͤtzet hoͤchstens nur XXVII. Hauptstuͤck. nur bey jeden einzeln Veraͤnderungen, ob sie erheb- licher und bemerkbarer sind, und sich theils in der Sache, theils in den Folgen weiter ausbreiten. Die- ses letztere betrifft aber nicht die bloße Vergleichung der Sache vor und nach der Veraͤnderung, sondern den Grad der Wichtigkeit derselben, und bezieht sich daher zugleich auch auf die Verhaͤltniß, in welcher die Sache mit andern steht. Dabey kommen sodann Abzaͤhlungen, Continuitaͤten, Einheiten und Maaß- staͤbe von ganz anderer Art vor. §. 803. Wir koͤnnen nun noch ferner anmerken, daß die Faͤlle, wobey Continuitaͤten vorkommen, von denen, wobey bloße Abzaͤhlungen muͤssen vorgenommen wer- den, nicht immer leicht zu unterscheiden sind, und daß man hinwiederum auch da, wo sie unterschieden werden koͤnnen, dieselben in Absicht auf die Rechnung und Construction, jedoch unter gewissen Bedingun- gen verwechseln kann. Man sieht uͤberhaupt leicht, daß wir die Continuitaͤten von den Abzaͤhlungen so unterscheiden, daß bey den letztern sowohl die Menge, als die Verhaͤltnisse zwischen beyden immer durch ganze Zahlen vorgestellet werden koͤnnen, da hingegen die Continuitaͤten, wie Linien sind, wovon Theile ge- nommen werden koͤnnen, deren Verhaͤltniß zu einander nicht durch ganze Zahlen koͤnnen angegeben werden. Dieses vorausgesetzt, so koͤnnen wir die Verwechs- lung von beyden durch das Beyspiel der Todtenlisten erlaͤutern. Die Zeit, welche das Alter der Men- schen ausmißt, hat allerdings eine absolute Continui- taͤt, und man kann auch nicht sagen, daß die Moͤg- lichkeit zu sterben bey allen Menschen auf gewisse Au- genblicke gesetzt sey, so daß andere Augenblicke da- von Das Ausmeßbare. von ausgeschlossen waͤren. Sieht man demnach das Alter der Sterbenden als Abscissen an, und stellet die Anzahl derer, die von jedem Alter sterben, durch Ordinaten vor, so kann dieses nicht wohl anders ge- schehen, als daß man das Alter jahrweise nimmt, und indem man die Abscissen in Jahre eintheilet, die Anzahl derer, die z. E. zwischen dem funfzigsten und sechzigsten Jahre sterben, durch den Raum einer krummen Linie vorstellet, welcher zwischen den Ordi- naten des funfzigsten und sechzigsten Jahres ist. Die Anzahl solcher Sterbenden ist nun immer eine ganze Zahl, dahingegen erst besagter Raum Continuitaͤ- ten hat, und nicht bloß nach ganzen Zahlen fortgeht. Das Mittel, so man hiebey findet, eine solche Ver- wandlung vorzunehmen, ist, daß die gesammte An- zahl der Sterbenden dieser Continuitaͤt desto naͤher koͤmmt, je weiter die Observationen in uͤbrigens glei- chen Umstaͤnden fortgesetzt werden. Man verfaͤhrt ungefaͤhr auf eine aͤhnliche Art, wenn man saget, daß die Summe der natuͤrlichen Zahlen 1 + 2 + 3 + 4 + ꝛc. dem halben Quadrate der letzten Zahl desto naͤher kom- me, je weiter die Reihe oder das Addiren fortgesetzt wird. Denn die Summe ist eigentlich = \frac {1} {2} xx + \frac {1} {2} x, und da wird das letzte Glied dieses Ausdruckes, in Vergleichung des ersten, desto unmerklicher, je groͤ- ßer x ist. §. 804. Jn der Naturlehre kommen nun solche Faͤlle haͤufig vor, wo man Abzaͤhlungen in Continuitaͤten verwan- delt, und besonders aͤußern sie sich da, wo man jedes Theilchen der Materie einzeln in Betrachtung ziehen, und die Summen, so man suchet, durch das Addiren der Glieder, eine Reihe herausbringen muͤßte, wie z. E. XXVII. Hauptstuͤck. z. E. bey der Bewegung fluͤßiger Materien, bey dem Stoße der Koͤrper, wo die Figur derselben veraͤndert wird ꝛc. Es giebt aber dabey auch Faͤlle, wo man eine solche Verwandelung nicht wohl vornehmen kann. So z. E. kann man sich einen metallenen Drat von solcher Laͤnge gedenken, daß er durch sein eigenes Ge- wicht zerreißet. Dadurch werden die Cohaͤsionskraͤfte derjenigen Theilchen getrennet, die an den zerrissenen Durchschnittsflaͤchen lagen, und die Summe dieser Kraͤfte ist nun etwas kleiner, als die Summe der Kraͤfte, womit die Schwere alle Theilchen des abge- rissenen Stuͤckes herunter druͤcket. Demnach koͤnnen beyde Summen mit einander verglichen werden. Es ließen sich aber auch die beyden Arten von Kraͤften, so fern sie auf ein einzelnes Theilchen wirken, mit einander hieraus vergleichen, wenn die Anzahl der Theilchen, so wirklich getrennet worden, sich mit der Anzahl aller, die in dem abgebrochenen Stuͤcke sind, vergleichen ließe, das ist, wenn man wuͤßte, wie viele in einer gegebenen Laͤnge der Ordnung nach an einander liegen. Denn hier koͤmmt es auf die groͤ- ßern Theilchen an, die durch schwaͤchere Kraͤfte ver- bunden sind, als das Solide, daraus sie bestehen. Und da diese eine endliche Groͤße haben, so koͤmmt in beyden Absichten eine bestimmte Anzahl heraus. Wir fuͤhren dieses hier nur beylaͤufig als ein Beyspiel an, weil dabey noch mehrere Umstaͤnde zu erwaͤgen sind, wenn man eine solche Vergleichung nach aller Schaͤrfe anstellen, und die dabey vorkommenden Con- tinuitaͤten mit in die Rechnung ziehen will. §. 805. Man sieht aber aus diesen Betrachtungen, daß das Abzaͤhlen da vorkomme, wo sich untheilbare Ein- heiten Das Ausmeßbare. heiten finden, es sey nun, daß diese an sich, oder we- nigstens in der vorhabenden Absicht, als untheilbar muͤssen angesehen werden. So lange nun solcher Ein- heiten nur wenige in der Rechnung vorkommen, muß man es bey der Abzaͤhlung bewenden lassen, und den Erfolg fuͤr jede Einheit fuͤr sich betrachten. Jst aber die Anzahl so groß, daß eines mehr oder minder fuͤr nichts zu achten, so kann man auch Bruͤche gelten lassen, und dadurch verfaͤllt man auf Continuitaͤten, und laͤßt in der Anwendung der Rechnung, wo es seyn muß, die Bruͤche weg, oder giebt ihnen eine andere Bedeutung. Man stelle z. E. die Jahre des Alters durch Abscissen, die Anzahl derer, die von jedem Alter leben, durch Ordinaten vor, so wird die krumme Linie, so man auf diese Art zieht, haͤufig solche Ordinaten angeben, die außer einer ganzen Zahl von Lebenden noch einen Bruch anzeigen. Jst nun die ganze Zahl sehr groß, so kann man den Bruch weglassen, widrigenfalls aͤndert man die Be- deutung, und wenn z. E. der Bruch \frac {1} {2} ist, so nimmt man zwey Jahre zusammen, und anstatt zu sagen, daß von einem gewissen Alter jedes Jahr \frac {1} {2} sterbe, saget man, daß von diesem Alter in zweyen Jahren einer sterbe ꝛc. Man kann uͤbrigens zugleich aus der hier gemachten Anmerkung sehen, daß die Faͤlle, wo man die Continuitaͤt mit dem Abzaͤhlen leicht ver- menget mehrentheils diejenigen sind, wo man sie in der That in Absicht auf die Rechnung ohne merklichen Fehler verwechseln kann, und daß die Vermengung wenigstens in dieser Absicht nichts zu sagen habe. §. 806. Es fordert aber die Continuitaͤt nicht nur, daß die Einheiten nicht untheilbar seyn, sondern sie muͤssen auch XXVII. Hauptstuͤck. auch nicht ungleichartig seyn. Diese letzte Bedin- gung koͤmmt nun bey dem Abzaͤhlen nur in so fern vor, als sie den Unterschied zwischen der ersten und zweyten der vorhin angefuͤhrten vier Classen aus- macht, (§. 792. 793.). Und in dieser Absicht kann das Abzaͤhlen, theils in seinen zweyerley Arten (§. cit. ), theils mit den Continuitaͤten unschicklich und unrichtig vermenget werden. Denn wo das Un- gleichartige nur durch feinere Unterschiede erkennet werden kann, die nicht jedem sogleich in die Sinnen fallen, oder nicht so leicht in Sinn kommen, da werden die Dinge nicht nur bald vermenget, sondern auch als nach einer und eben derselben Continuitaͤt fortge- hend angesehen. So z. E. faͤllt von undurchsichtigen Koͤrpern Licht zuruͤck, man kann dasselbe aber in Ab- sicht auf die Berechnung nicht so ansehen, als wenn es auf einerley Art zuruͤcke fiel, sondern man muß dabey das eigentlich reflectirte, von dem nach allen Gegenden zerstreuten, und beydes von dem gefaͤrb- ten, welches nicht von der Flaͤche, sondern von den unter derselben liegenden Theilchen zuruͤcke faͤhrt, un- terscheiden, und noch das Absorbirte mitnehmen, wenn man die ganze Summe des Auffallenden wie- der herausbringen will. (Photometr. §. 622. seqq. ). §. 807. Sodann koͤnnen Continuitaͤten von ganz verschiede- ner Art dergestalt an einander graͤnzen, daß sie dem ersten Ansehen nach nur eine auszumachen scheinen, ungeachtet jede ihre besondere Gesetze hat. So z. E. be- schreibt man etwann vermittelst vier Cirkelboͤgen eine Ovalfigur, oder vermittelst stufenweise groͤßerer Cir- kelboͤgen von 60, 90, 180 Graden eine Schnecken- linie, wobey aber die wahre Continuitaͤt, wie sie z. E. bey Das Ausmeßbare. bey Ellipsen und Spiralen ist, nicht statt findet. Man kann die Anomalie, die sich bey der Ausdeh- nung fluͤßiger Materien findet, wenn sie gefrieren, und die wir oben (§. 779.) umstaͤndlicher angefuͤhret haben, als ein Beyspiel ansehen, weil sich vor und nach dem Gefrieren, die Ausdehnung wiederum nach dem Grade der Waͤrme richtet, ungeachtet es nicht in eben der Verhaͤltniß geschieht. Gemeiniglich kom- men auch bey dem Anfange der Veraͤnderungen klei- nere Anomalien vor, die ihre eigene Continuitaͤten haben, und tangenten- oder asymtotenweise abneh- men, und wodurch sich die Sache in ihren Behar- rungsstand richtet. So z. E. wird ein Schiff, wenn die Seegel aufgezogen werden, nach und nach in Be- wegung gesetzt, bis es die Geschwindigkeit hat, mit welcher es, bey gleicher Staͤrke des Windes gleich- foͤrmig fortgehen kann, und legt sich der Wind mit einem Male, so hoͤret diese Geschwindigkeit wieder- um nur nach und nach auf. Diejenigen Faͤlle, wo eine Groͤße anfangs nach Logarithmen, nachgehends aber nach Cirkelboͤgen zu- oder abnimmt, kommen seit der Erfindung der Differentialrechnung nicht sel- ten vor. Man kann sie aber eigentlich nicht als Un- terbrechungen der Continuitaͤt ansehen, ungeachtet sie in der Rechnung eine Aenderung machen, weil sie aus einer und eben derselben Differentialformel her- geleitet werden. Hingegen aͤußert sich z. E. bey der Schwere eine andere Art von Unterbrechung, weil dieselbe, so lange die Koͤrper uͤber der Erdflaͤche sind umgekehrt, wie das Quadrat der Distanz vom Mit- telpuncte; hingegen in der Erde gerade hin, wie diese Distanz abnimmt, und daher an der Erdflaͤche am groͤßten ist, und zwar, ohne daß das Differen- tiale derselben = 0 wird. Vor der Newtonischen Lamb. Archit. II. B. E e Theorie XXVII. Hauptstuͤck. Theorie der Schwere haͤtte man von allem diesem nichts vermuthet, sondern jeden Koͤrper ohne Ruͤck- sicht auf seine Lage und Entfernung fuͤr gleich schwer angesehen. Wird dem Koͤrper, der sich allmaͤhlig in die Erde versenket eine endliche Groͤße zugegeben, so koͤmmt zu der erst gedachten Unterbrechung der Continuitaͤt noch eine besondere hinzu, welche von dem allmaͤhligen Versenken herruͤhret. Wir finden einen aͤhnlichen Umstand bey dem Satze, daß die Erleuchtung einer ebenen Flaͤche sich nach dem Sinus des Einfallswinkels richte. Denn hat der leuchtende Koͤrper eine endliche Groͤße so kann er auch gegen die Flaͤche so gestellet werden, daß nur noch ein Theil davon uͤber derselben ist, und dieses aͤndert sodann die Berechnung der Helligkeit der Flaͤche. §. 808. Wo sich hingegen kleinere Continuitaͤten der Ord- nung nach in einander verlieren, da nimmt man statt derselben mehrentheils eine durchgaͤngige und einfoͤr- mige Continuitaͤt an, und dieses mag unter gewis- sen Bedingungen angehen. Denn so z. E. giebt man dem ganzen Koͤrper eine Elasticitaͤt, ungeachtet dieselbe eigentlich bey den Theilchen vorkoͤmmt, aus denen er zusammengesetzt ist, und man kann sie auch nur im Ganzen in so fern annehmen, als die Ver- bindung der Theilchen durch groͤßere Kraͤfte nicht zer- ruͤttet und getrennet wird, (§. 96.). Auf eine aͤhn- liche Art wird die Continuitaͤt den Koͤrpern ohne Ruͤcksicht auf die sich in denselben befindlichen leeren Zwischenraͤumchen angedichtet, besonders so fern sie eine Festigkeit haben. Jn andern Absichten aber geht dieses nicht an, (§. 778.). Man setzet auf eine aͤhnliche Art, daß die Dichtigkeit und stralenbre- chende Das Ausmeßbare. chende Kraft der Luft in Ansehung der Hoͤhe nach einer genauen und einfoͤrmigen Continuitaͤt abnehme, ungeachtet die in der Luft schwebenden fremden Theile und die Lufttheilchen selbst, weil sie eine endliche Groͤße haben, eben so viele einzelne und kleinere Continuitaͤten verursachen, statt deren zusammen ge- nommen, man jene annimmt, die man aber jedoch wegen der in der untern Luft viel haͤufiger schweben- den Duͤnste und groͤßern Waͤrme aus drey und meh- rern besondern Continuitaͤten zusammen setzen muß. (§. 730. 736.). §. 809. Endlich wird das Abzaͤhlen und so auch das Aus- messen noch in verschiedenen besondern Faͤllen und Absichten eingeschraͤnket. Denn einmal existirt von jeden Moͤglichkeiten, die einander ausschließen, jedes- mal nur eine, und da muß man sich besonders an diese halten, wenn von dem, was existirt, die Rede ist. Man kann zwar auch alle zugleich vornehmen, um mit Ausschließung der uͤbrigen die so wirklich exi- stirt zu finden, und dadurch zu beweisen, daß sie exi- stire. Dieses Verfahren hat aber mit der Groͤße derselben keine unmittelbare Verbindung, weil sich diese nicht nach der Anzahl der uͤbrigen Moͤglichkei- ten schaͤtzen laͤßt. Hat man aber aus andern Gruͤn- den solche Moͤglichkeiten vorzuzaͤhlen, so kann man die Vorzaͤhlung ebenfalls merklich abkuͤrzen, wenn man sogleich alle, die bloß symbolisch sind, schlecht- hin weglaͤßt, und so auch diejenigen nicht mit ein- ander verbindet, oder in ein System bringt, die einander ausschließen oder nicht zugleich seyn koͤnnen, wie z. E. wenn man setzen wollte, daß ein Koͤrper sich zugleich nach mehr als einer Direction wirklich bewege, E e 2 an XXVIII. Hauptstuͤck. an mehrern Orten sey ꝛc. Uebrigens ist fuͤr sich klar, daß man bey dem Abzaͤhlen einerley Stuͤcke nicht dop- pelt nehmen muͤsse, wie dieses geschehen wuͤrde, wenn man die Vertheilung derselben nicht richtig trifft, und das Einfache mit dem daraus zusammengesetz- ten, die naͤchsten Folgen mit den entferntern, die an sich schon in den naͤchsten enthalten sind, als eben so viele besondere Stuͤcke ansieht, die von einander ver- schieden, unabhaͤngig und von gleichem Range und Werthe sind. Acht und zwanzigstes Hauptstuͤck. Die Gleichartigkeit . §. 810. W ir haben noch in Absicht auf das Gleichartige und Ungleichartige, wovon in dem vorher- gehenden bereits schon haͤufig die Rede vorgekommen war, einige Betrachtungen zu machen, die dasselbe besonders angehen, und desto weniger weggelassen werden koͤnnen, weil der Unterschied zwischen diesen beyden Begriffen, sowohl da, wo er an das Philo- sophische graͤnzet, als in der Mathematic ins beson- dere, von nicht geringer Erheblichkeit ist, und weil beydes genau von einander getrennet werden muß, wo man nach geometrischer Schaͤrfe und Richtigkeit Ausmessungen vornehmen will. Wir koͤnnen hiebey mit der Anmerkung anfangen, daß man sich in der Mathematic mit einzeln- und sehr genauen Gleichar- tigkeiten beschaͤfftiget, und sich, wo diese vorkommen, daran nicht kehret, daß alles uͤbrige, oder das mei- ste Die Gleichartigkeit. ste davon ungleichartig ist. Dieses koͤnnen wir durch einige Beyspiele aufklaͤren und außer allen Zweifel setzen. Man nimmt z. E. vor, die Grade der Un- durchsichtigkeit der Luft zu bestimmen. Diese ruͤh- ret nun groͤßtentheils von den fremden Theilchen her, die in der Luft schweben, und das Licht auffangen. Man betrachtet dieselben demnach schlechthin und durchaus nur in der Absicht, wie fern sie das Licht auffangen, ohne sich daran zu kehren, von welcher besondern Art von Materie jedes dieser Theilchen ist, weil es dazu genug ist, daß sie einen Raum einneh- men, und den freyen Durchgang des Lichtes hemmen. Sodann setzet man sie dergestalt vertheilet und durch die Luft ausgestreuet, daß man anstatt Abzaͤhlungen vorzunehmen, eine durchgaͤngige Continuitaͤt in der Rechnung anbringen koͤnne, (§. 808.). Und dadurch wird alles auf eine an sich ganz einfache Gleichartig- keit reducirt, so ungleichartig auch jede einzelne Theil- chen in jeden uͤbrigen Absichten seyn moͤgen. Soll hingegen das Gewicht der Luft fuͤr jede Hoͤhe be- stimmt werden, so verfaͤhrt man in Ansehung dieser Theilchen, welche als eine todte Last schlechthin nur das Gewicht vermehren und die untere Luft zusam- men druͤcken, in Absicht auf das Gewicht derselben, auf eine ganz aͤhnliche Art, und kehret sich an die uͤbrigen Ungleichartigkeiten derselben nicht, und eben so verfaͤhrt man auch, wenn man untersuchen will, wiefern sie, weil sie nicht elastisch sind, den Schall, und besonders den Klang desselben hemmen. Man wird in dem (§. 717.), wo wir bereits die An- merkung gemacht haben, daß die Ausmessungen in solchen einzeln Absichten vorgenommen werden, meh- rere Beyspiele finden, die das erst gesagte an den Tag legen, und zeigen, wie man bey den Ausmes- E e 3 sungen XXVIII. Hauptstuͤck. sungen genaue Gleichartigkeiten und Continuitaͤten aufsuchet. §. 811. Der Grund, warum man nothwendig darauf be- dacht seyn, und auf diese Art verfahren muß, ist die- ser, daß Groͤßen, wenn sie anders nicht bloß vorge- zaͤhlet, sondern in eine Summe gebracht, und mit einander sollen verglichen werden koͤnnen, in einem so genauen Verstande gleichartig seyn muͤssen. Denn es waͤre ungereimt, zu sagen, ein Jahr Zeit sey so groß als ein Pfund Gewicht, oder eine Linie so groß als eine Flaͤche, weil eigenlich nur Zeit mit Zeit, Gewicht mit Gewicht, Linien mit Linien, Flaͤchen mit Flaͤchen ꝛc. in Absicht auf die Groͤße verglichen wer- den koͤnnen. Wir haben daher schon oben (§. 141. N°. 4.) angemerket, daß man im strengsten Verstan- de diejenigen Dinge gleichartig nenne, die schlechthin nur der Groͤße nach verschieden sind, und hingegen (§. cit. N°. 5.), daß ungleichartige Dinge auch nur in so fern ungleichartig sind, als sie den Eigenschaf- ten nach verschieden sind. Da es nun unter den Din- gen, die eine reale Moͤglichkeit haben, nicht zwey durchaus Verschiedene und Ungleichartige geben kann (§. 146.), so giebt es in jeden Dingen mehr oder min- der etwas Gleichartiges und Gemeinsames, so daß sie in Absicht auf dasselbe Ausmessungen und Verglei- chungen der Groͤße zulassen. Jch sage in Absicht auf dasselbe. Denn darinn unterscheidet sich die Gleich- artigkeit, die der Mathematiker aufsuchet, von der Philosophischen, daß jener jede einzelne Gleichartig- keit, nach welcher etwas gemessen werden kann, in Absicht auf diese Ausmeßbarkeit fuͤr sich betrachtet, und dabey ungemein weitlaͤuftige Theorien zu Stande bringen kann, da hingegen der Philosoph es bey der Bemer- Die Gleichartigkeit. Bemerkung, daß die Dinge in diesem oder jenem Stuͤcke gleichartig sind, bewenden laͤßt, und die Din- ge dessen unerachtet mehrentheils in ganz verschiedene Classen vertheilet, zumal, wenn sie in allem uͤbrigen verschieden sind. Jn dieser Absicht wird der erst er- waͤhnte vierte Satz des §. 141. bestimmter so vorge- tragen, daß die Dinge gleichartig sind, die sich nur durch die Groͤße unterscheiden lassen, und daß, in welcher einzeln Absicht sie sich nur durch die Groͤße unterscheiden lassen, sie aller- dings, aller uͤbrigen Unterschiede unerachtet, in eben dieser einzeln Absicht gleichartig sind. Mit solchen einzeln Absichten kann man sich der Aus- messung halber begnuͤgen, und zwar um so viel desto mehr, weil nicht nur die Ausmessung in jeder beson- ders vorgenommen wird (§. 717.), sondern weil man, wenigstens in der wirklichen Welt nicht zwey Dinge findet, die in allen Absichten betrachtet, gleichartig waͤren (§. 130.), und weil uͤberdieß der Philosoph die absolute Gleichartigkeit ohne Verwirrung nicht weiter ausdehnen kann, als sie der Mathematiker zur Aus- messung und Berechnung tauglich findet, (§. 458. 455.). §. 812. Ungeachtet man aber da, wo es um das Addiren und Subtrahiren, und um die Vergleichung der Summen und Differenzen der Groͤßen zu thun ist, dieselben nothwendig und im strengsten Verstande gleichartig nehmen muß; so hat man dennoch in der Mathematic Mittel gefunden, auch ungleichartige Groͤßen, so zu vergleichen, daß sich die einen ver- mittelst der andern bestimmen lassen. Um dieses mit der behoͤrigen Deutlichkeit ins Licht zu setzen, werden wir den Unterschied zwischen dem, was man E e 4 eigentlich XXVIII. Hauptstuͤck. eigentlich Groͤßen nennet, und zwischen den Ver- haͤltnissen etwas naͤher betrachten. Wir merken zu diesem Ende an, daß jede Groͤße, fuͤr sich betrachtet, etwas absolutes hat. Man kann daher z. E. eine Linie von gegebener Laͤnge, wie es in der Algeber geschieht, durch einen Buchstaben anzeigen, und so wird dieser Buchstabe die absolute Laͤnge derselben vorstellen. Auf eben die Art kann man, wenn meh- rere Linien, jede von gegebener Laͤnge, in der Rech- nung vorkommen, jede derselben durch einen beson- dern Buchstaben ausdruͤcken, und so wird ebenfalls jeder dieser Buchstaben, die dadurch angezeigte Linie nach ihrer absoluten Laͤnge vorstellen. Dabey wuͤrde man aber in Absicht auf die Rechnung nicht weit kommen, und uͤberdieß muͤßte jede dieser Linien fuͤr sich besonders angegeben werden. Man nimmt da- her lieber und gleichsam unvermerkt eine Einheit an, welche ein fuͤr allemal bey der Rechnung eine absolute Laͤnge vorstellet, und dabey kommen sodann folgende Faͤlle vor. 1°. Wenn keine von den zu der Rechnung angenommenen Linien dieser Einheit gleich ist, so wird jede wenigstens durch einen Buchstaben angezei- get. 2°. Jst aber eine dieser Linien der Einheit gleich, so gebraucht man keinen Buchstaben dafuͤr, und die- ses kann 3°. auch da geschehen, wo die Linie, welche man vermittelst der Rechnung zu suchen hatte, der dabey zum Grunde gelegten Einheit gleich ist, wie dieses zuweilen geschehen kann. Nimmt man nun von diesen Faͤllen den ersten vor, so daß naͤmlich jede Linie fuͤr sich durch einen besondern Buchstaben ange- zeiget wird, so hat man den Vortheil davon, daß man nicht nothwendig an eine Einheit gebunden ist, und folglich dieselbe nach vollendeter Rechnung nach den Umstaͤnden, oder auch so waͤhlen kann, daß die Rech- Die Gleichartigkeit. Rechnung oder die herausgebrachte Formel geschmei- diger wird. §. 813. Wir merken nun hiebey an, daß, wenn die Ein- heit einmal angenommen worden, jeder Buchstabe dadurch eine gedoppelte Bedeutung erhaͤlt. Denn einmal stellet derselbe an sich noch immer die absolute Laͤnge der Linie vor, welche er bezeichnet, und daher eine wirkliche Groͤße. Sodann stellet derselbe eine Zahl, naͤmlich die Anzahl von Einheiten vor, denen, die dadurch angezeigte Linie gleich ist, das will sa- gen, er zeiget an, wie vielmal die durch denselben bezeichnete Linie laͤnger ist, als die Linie, welche man bey der Rechnung als eine Einheit ansieht, und dem- nach stellet jeder Buchstabe zugleich auch die Ver- haͤltniß der dadurch angedeuteten Linie zur Einheit, oder zu derjenigen Linie vor, die als eine Einheit an- genommen worden. §. 814. Auf diesen Unterschied hat man genau zu merken, wenn in der Rechnung mehrere Dimensionen vorkom- men, damit man nicht Verhaͤltnisse, Linien oder Groͤßen und Dimensionen verwechsele. Es stellen z. E. a, b, c, d Linien vor, bey welchen noch keine Ein- heit angenommen ist, so hat im eigentlichsten Ver- stande der Ausdruck ab keine Bedeutung, es sey denn, daß man auf eine ganz willkuͤhrliche Art ein Rectangel dadurch verstehe, dessen zwo Seiten a, b sind. Liegt hingegen bey diesen Buchstaben eine Ein- heit zum Grunde, so kann der Ausdruck ab sowohl eine Linie, als ein Rectangel, und wenn man will einen koͤrperlichen Raum, und so auch nur ein blo- ßes Verhaͤltniß vorstellen. Eine Linie, wenn man E e 5 ab = XXVIII. Hauptstuͤck. ab = ab : 1 setzet, und da stellet z. E. a eine Linie, b : 1 aber Zahlen oder ein bloßes Verhaͤltniß vor. Ein Rectangel, und da stellet sowohl a als b schlecht- hin nur Zahlen oder Verhaͤltnisse vor, weil man hier ab = 1. ab : 1. 1 setzet, und in diesem Ausdrucke durch das erste 1 ein Quadrat versteht, dessen Seite = 1 ist, durch den Ausdruck ab : 1. 1 aber anzeiget, wie viel- mal dieses Quadrat genommen wird. Da man nun aber auch da, wo jede Linie durch einen Buchstaben angezeiget wird, immer eine willkuͤhrliche Einheit zum Grunde legen kann, so begnuͤget man sich uͤber- haupt mit dem Ausdrucke ab, und behaͤlt sich gleich- sam vor, bey der Construction der Rechnung, Linien, Flaͤchen oder auch nur Verhaͤltnisse daraus zu ma- chen. Um aber dieses zu thun, muß man allerdings darauf sehen, welche und wie viele Einheiten man mit dazu nehmen muß. §. 815. Diese Betrachtungen, die wir hier nur durch sehr einfache Beyspiele aus der Geometrie vorgestellet ha- ben, dehnen sich auf jede Arten von Groͤßen und Verhaͤltnissen aus, und werden in solchen Faͤllen noch merklicher, wo die in der Rechnung vorkommenden Groͤ- ßen der Art nach ganz verschieden sind. Es sey z. E. t eine Zeit, c eine Geschwindigkeit, so sieht man in der Mechanic den Ausdruck ct als einen Raum an, welcher in der Zeit t mit der Geschwindigkeit c durch- laufen wird. Dieses setzet nun nothwendig drey ver- schiedene Einheiten voraus, und der Ausdruck ct will eigentlich sagen, daß, wenn in der Zeit = 1 mit der Geschwindigkeit = 1 der Raum = 1 durchlaufen wird, sodann in der Zeit t mit der Geschwindigkeit c ein Raum s durchlaufen werde, welcher so vielmal groͤ- ßer Die Gleichartigkeit. ßer als seine Einheit sey, so vielmal das Product der beyden Zahlen t, c groͤßer als 1 ist. Denn da sind t, c zugleich auch als Zahlen zu betrachten, und es geschieht durch die Multiplication ct keine Ver- wechselung der Einheiten, wie es dem ersten Anblicke nach scheint, sondern die dreyerley Einheiten der Zeit, der Geschwindigkeit und des Raumes liegen bereit bey der Benennung c, t, s zum Grunde, und ihre Mul- tipla werden durch den Ausdruck s = ct nur in Ver- gleichung gebracht. Man wird aͤhnliche Betrachtun- gen zu machen haben, wenn man die lebende Kraft eines bewegten Koͤrpers, als das Product aus der Masse in das Quadrat der Geschwindigkeit ansieht. §. 816. Anmerkungen von dieser Art sind nun erst seit der Erfindung der Buchstabenrechnung bekannter, und theils auch nothwendiger geworden, weil die Gesetze der Gleichartigkeit dabey mehr in die Augen fallen. Sie verhelfen aber auch sehr viel dazu, wenn man algebraische Formeln in die gemeine Sprache uͤber- setzen, und etwas genauer nachsehen will, was die einzeln Stuͤcke derselben, jedes fuͤr sich, und sodann in ihrer Verbindung bedeuten, und man behaͤlt dabey, wenn mehrere Arten von Einheiten zugleich in der Formel vorkommen, die Wahl, zu sehen, nach wel- cher derselben die Formel am geschmeidigsten uͤbersetzet und in die Kuͤrze gezogen wird. Das oben (§. 364.) in Absicht auf die Formel \sqrt {(aa - ab + bb)} gegebene Beyspiel, und der vorhin (§. 746. 783.) erwaͤhnte allgemeine Maaßstab zur Ausmessung des Laufes der Weltkoͤrper in dem Sonnensysteme moͤgen auch hier als Beyspiele dienen, und in der Photometrie bin ich um desto mehr darauf bedacht gewesen, solche Ueber- XXVIII. Hauptstuͤck. Uebersetzungen, so viel sichs nur thun ließe, vorzu- nehmen, weil man es sonst gemeiniglich bey den For- meln bewenden laͤßt, ungeachtet sie, wenn man sich die Muͤhe sie naͤher zu betrachten nicht will reuen las- sen, nicht selten in die nettesten Lehrsaͤtze uͤbersetzet werden koͤnnen. §. 817. Sofern nun bey jeder Groͤße, ungeachtet sie fuͤr sich betrachtet, absolut ist, eine Einheit von gleicher Art zum Grunde liegt, sofern wird sie unmittelbar mit dieser Einheit, mittelbarer Weise aber mit an- dern Groͤßen von gleicher Art in Verhaͤltniß gebracht, und in so fern verhalten sie sich gegen einander, wie Zahlen zu Zahlen, wenn man naͤmlich nicht nur ganze Zahlen, sondern auch jede gebrochene Zahlen und De- cimalreihen dadurch versteht. Vermittelst solcher Verhaͤltnisse ist man nun in Stand gesetzt, auch un- gleichartige Groͤßen in Vergleichung zu bringen. Man muß aber immer von jeder Art zwo nehmen, und zwar solche zwo, die einerley Verhaͤltniß haben, weil eigentlich dadurch nicht die Groͤßen, sondern die Verhaͤltnisse mit einander verglichen werden. §. 818. Wir muͤssen aber auch hiebey das bloß Symboli- sche von dem, was bey einer solchen Vergleichung in der That zum Grunde liegt, unterscheiden. Denn so z. E. kann man allerdings sagen, daß sich ein Fuß Raum zu zween Fuß Raum verhalte, wie eine Minute Zeit zu zwo Minuten Zeit. Liegt aber hiebey nichts anderes zum Grunde, weswegen man diese Ver- gleichung anstellet, so hat sie auch weiter nichts zu sa- gen, und sie ist gleichsam bloß arithmetisch, weil man die Die Gleichartigkeit. die Begriffe von Raum und Zeit dabey ohne alles Bedenken weglassen kann. Man nehme aber den Begriff der gleichfoͤrmigen Bewegung mit hinzu; so wird der Satz sogleich Verstand und Nachdruck ha- ben, und gleichsam belebet werden. Denn da koͤmmt es so heraus, daß was in einer Minute Zeit einen Fuß Raum durchlaͤuft, in zwo Minuten zween Fuß durchlaufen werde. Hiebey liegt in dem Begriffe der gleichfoͤrmigen Bewegung der Grund, daß Raum und Zeit in gleicher Verhaͤltniß zunehmen, und da- her die Analogie zwischen der Zunahme von beyden eine reale Bedeutung erhaͤlt. §. 819. Man sieht ohne Muͤhe, daß dieses Beyspiel einen ungleich allgemeinern Grund enthaͤlt, und daß man ungleichartige Groͤßen nicht fuͤr die lange Weile ge- gegen einander proportionirt, sondern, daß man es eigentlich da thut, wo die eine zugleich mit der an- dern, und zwar in einerley Verhaͤltniß groͤßer und kleiner ist oder wird, und folglich zwischen beyden eine wirkliche Verbindung statt findet, oder die eine von der andern abhaͤngt. Von solchen Verbindungen und Abhaͤnglichkeiten giebt es nun eine große Menge. Man kann aber nicht umgekehrt den Schluß machen, daß allemal, wo solche vorkommen, die Verhaͤltniß zwischen den Groͤßen schlechthin nur einfach sey. Wir haben daher bereits in dem §. 735. angemerket, daß man zwar mehrentheils damit anfaͤngt, solche Ver- haͤltnisse einfach zu setzen, bis sich etwann aus meh- rern Erfahrungen und genauerer Untersuchung der Sache zeiget, daß man davon abgehen, oder wenig- stens, wie wir es in dem §. 737. anmerken, den An- fang der Groͤßen aͤndern, oder statt derselben andere anneh- XXVIII. Hauptstuͤck. annehmen muͤsse. So z. E. setzte Kepler die Stra- lenbrechung den Winkeln proportional, und dieses gieng fuͤr kleinere Winkel noch ziemlich an. Hinge- gen ergab sich bey der Vergleichung der groͤßern Win- kel, daß man statt derselben die Sinus nehmen muͤsse, wenn man eine einfache und durchgaͤngige Verhaͤltniß haben wolle. Man hat auf eine aͤhnliche Art an- faͤnglich den Widerstand fluͤßiger Materien den Ge- schwindigkeiten proportional gesetzet, nach genauerer Untersuchung aber fand es sich, daß man das Qua- drat der Geschwindigkeit nehmen muͤsse. Eben so fand Kepler endlich bey der Bewegung der Planeten die Zeiten, nicht den Winkeln, Linien, Boͤgen ꝛc. sondern den Flaͤchenraͤumen proportional. Da dieses nun an sich nicht den geringsten Schein der Wahrheit hat, das will sagen, nicht von selbst einleuchtend ist, so mußte es auch aus andern einfachern Gruͤnden be- wiesen werden, und dazu verhalf die Theorie der Cen- tralkraͤfte und die uͤber die Schwere gemachten Be- obachtungen, daß es sich erweisen ließe. §. 820. Wir koͤnnen hiebey anmerken, daß auf solchen Ver- gleichungen ungleichartiger Groͤßen der meiste Theil der angewandten Mathematic beruht, und daß man dadurch nicht nur die Abhaͤnglichkeiten jeder Groͤßen von einander findet, sondern auch ohne solche Ver- gleichungen gar nicht weit koͤmmt. Denn die gleich- artigen Groͤßen lassen sich schlechthin nur addiren und subtrahiren, und dadurch, daß man darauf sieht, wie vielmal sie addirt und substrahirt werden, bringt man sie unter sich in Verhaͤltniß. Mit allem diesem aber reichet man nicht weiter, als man in der Arith- metic mit Zahlen, und in der Geometrie mit bloßen Linien Die Gleichartigkeit. Linien reichen wuͤrde, deren Theile man schlechthin nur addirt, subtrahirt, und das Verhaͤltniß ihrer Laͤngen aufsuchet. Jede Art von Groͤßen wuͤrde da- durch von den uͤbrigen wie ganz unabhaͤngig seyn, und an sich ließe sie sich fast immer nur auf eine bloß ideale Art betrachten, weil man sie ganz willkuͤhrlich groͤßer und kleiner annehmen wuͤrde, ohne zu wissen, was in Absicht auf andere Arten von Groͤßen daraus folget. Dieses waͤre aber wenig wissenschaftlich, weil die wissenschaftliche Erkenntniß vornehmlich darauf geht, daß man Verbindungen und Abhaͤnglichkeiten aufsuche, und vermittelst der gefundenen aus der ge- ringsten Anzahl gegebener Stuͤcke die uͤbrigen alle fin- den und bestimmen koͤnne. Wir koͤnnen noch beyfuͤ- gen, daß es uns in vielen Faͤllen schwer fallen wuͤr- de, zu finden, daß in einem vorgegebenen Falle eine reale Verbindung und Abhaͤnglichkeit statt habe, wenn wir es nicht daraus schließen koͤnnten, daß in demselben die eine Art von Groͤßen zugleich mit der andern zu- und abnimmt. §. 821. Die Verbindungen und Abhaͤnglichkeiten, wodurch solche Verhaͤltnisse und Vergleichungen ungleicharti- ger Groͤßen moͤglich sind, lassen sich nun in verschie- dene Hauptclassen bringen, wenn wir dabey nur auf die unmittelbarsten sehen wollen. Denn durch fort- gesetzte Vergleichungen solcher Verhaͤltnisse, koͤnnen oͤfters auch Groͤßen mit einander verglichen werden, die bald nichts gemein haben, zumal, wenn man dabey nur auf Aehnlichkeiten sieht, und einen Fall durch den andern wegen gemeinsamer Vergleichungs- stuͤcke vorstellen, aufklaͤren, oder faßlicher machen will. Denn auf diese Art stellet man z. E. bald alle Arten XXVIII. Hauptstuͤck. Arten von Groͤßen durch Figuren und krumme Linien vor, ungeachtet diese an sich betrachtet in die Geome- trie gehoͤren, und eben so kann man z. E. die Lehr- saͤtze von dem Mittelpuncte der Schwere da gebrau- chen, wo von Kraͤften und Gleichgewicht gar nicht, oder hoͤchstens nur auf eine metaphorische Art, die Rede ist, wie etwann bey der Berechnung der Argu- mente in der Lehre von der Wahrscheinlichkeit, oder bey der Bestimmung des Mittels aus mehrern Ob- servationen, die saͤmmtlich vom Wahren mehr oder minder abweichen ꝛc. §. 822. Die erst erwaͤhnten Classen aber sind vornehmlich folgende. 1°. Jst mit der wirkenden Ursache zugleich auch die Wirkung groͤßer oder kleiner. Man muß aber hiebey zu demjenigen, was man als die wirken- de Ursache ansieht, und welche den ersten Anfang machet, noch alles mitnehmen, was sich theils in den Umstaͤnden, theils in der Sache selbst befindet, in welcher die Wirkung vorgeht (§. 594.), weil man sonst leicht mehr in der Wirkung findet als in der Ursache war, und zuweilen, wo naͤmlich durch besondere Um- staͤnde die Kraft der Ursache unwirksam gemacht wird, eine groͤßere Wirkung erwartet, als in der That erfolget. Man hat diese Betrachtung beson- ders auch als einen Grund mit angegeben, warum man sich mit der bloß philosophischen Erkenntniß nicht so schlechthin begnuͤgen koͤnne, sondern die mathema- tische mitnehmen, und dazu gebrauchen muͤsse, sich von der Richtigkeit und Vollstaͤndigkeit der philoso- phischen zu versichern, (§. 681.). Denn die Ursachen muͤßten nicht nur in der That Ursachen, sondern be- sonders auch in Absicht auf die Groͤße, Staͤrke und Dauer Die Gleichartigkeit. Dauer der Wirkung genau und weder mehr noch min- der als zureichend seyn. Was in jedem Fall hieran fehlt, da hat man noch nicht alles gefunden, und zuweilen statt des wahren etwas irriges. So hatte man z. E. vormals geglaubt, das Steigen des Was- sers in den Pumpen lasse sich aus dem Satze, daß in der Natur nichts leeres seyn koͤnne, voͤllig erklaͤ- ren. Man fand aber nachher, daß die Folge aus diesem Satze weiter als die Erfahrung gehe, und wurde dadurch veranlaßt, die Ursache in dem Drucke der Luft zu finden. So machten auch die Haarroͤhr- chen an den hydrostatischen Saͤtzen eine Ausnahme, welche zeigeten, daß man dabey außer der Schwere noch andere wirkende Kraͤfte zu suchen habe. Die Naturlehre beut zu diesen Beyspielen noch eine Men- ge anderer an. §. 823. Die zweyte Classe betrifft solche Groͤßen, die mit andern zugleich sind, und besonders, auf die mit die- sen letztern vorkommenden Verhaͤltnisse gehen, diese moͤgen nun real oder ideal seyn. So z. E. findet sich bey der Bewegung immer Masse, Kraft, Geschwin- digkeit, Raum, Direction und Zeit beysammen, und die Mechanic beschaͤfftiget sich damit, die Verhaͤlt- nisse zwischen diesen an sich ganz ungleichartigen Groͤßen zu bestimmen. Jn der Geometrie werden mit den Linien zugleich, und an sich schon auch Win- kel gezeichnet, wodurch ihre Lage und die Verhaͤltnisse der Theile, die zwischen den Durchschnittspuncten liegen, angezeiget und bestimmt werden. Die Ab- haͤnglichkeiten dabey sind von der Art, daß in einem geradelinichten Triangel zween Winkel den dritten be- stimmen, und aus drey von den dabey vorkommen- Lamb. Archit. II. B. F f den XXVIII. Hauptstuͤck. den sechs Stuͤcken (§. 798.) die drey uͤbrigen gefunden werden koͤnnen, wenn die erstern drey von einander unabhaͤngig sind. §. 824. Jn die dritte Classe koͤnnen wir diejenigen Verbin- dungen ungleichartiger Groͤßen rechnen, wo in Anse- hung der einen, die uͤbrigen als ihre Dimensionen koͤnnen angesehen werden (§. 728.), oder derselben ein- fache Bestimmungen sind, so, daß jene deswegen groͤ- ßer und kleiner wird, weil diese groͤßer und kleiner werden (§. 451. seq. ). Von dieser Art ist z. E. in der Mechanic die Quantitas motus, welche aus dem Pro- duct der Masse in die Geschwindigkeit besteht, und so auch die lebende Kraft, welche sich nach der Masse und dem Quadrate der Geschwindigkeit vergroͤssert. Solche aus mehrern einzelen und an sich einfachen Bestimmungen zusammengezogene Begriffe, bilden wir nun entweder aus den einfachen, weil das Pro- duct aus diesen, in Absicht auf die Rechnung, als ein brauchbares Ganzes angesehen werden kann, der- gleichen z. E. die erst erwaͤhnte Quantitas motus ist, oder das, was dieses Product vorstellet, ist etwann eben das, was in die Sinnen faͤllt, oder mit etwas in die Sinnen fallendem verglichen werden kann. Von dieser Art ist z. E. der Begriff der Dichtigkeit, wel- che desto groͤßer ist, je mehr Masse in gleichem Raum ist; der Begriff der Weisse eines Koͤrpers, welche desto groͤßer ist, je mehr von den auffallenden Licht- stralen der Koͤrper zuruͤcke wirft; der Begriff der le- benden Kraft, welche sich vermittelst elastischer Koͤr- per mit dem Drucke, als welcher eigentlich eine Kraft oder die wesentliche Wirkung derselben ist, verglei- chen laͤßt (§. 376. 396. seqq. ). Die scheinbare Groͤ- ße, Die Gleichartigkeit. ße, welche sich gerade wie die wahre, umgekehrt aber, wie die Entfernung, oder auch, wie das Qua- drat derselben verhaͤlt, je nachdem von Linien oder Flaͤ- chen, die gegen das Auge senkrecht liegen, die Rede ist, im allgemeinsten und genauesten Verstande aber einen flachen oder soliden Winkel zum Maaße hat, der sich findet, wenn man setzet, das Auge liege an der Spitze einer Pyramide, welche den Gegenstand dichte anschließend umgiebt ( Photom. §. 98.). Man hat bereits schon in der angewandten Mathematic eine Menge solcher Begriffe, die eine Groͤße vorstel- len, welche sich in Verhaͤltniß von mehreren einfa- chern Groͤßen veraͤndert, und daher durch diese be- stimmt wird, und auch hinwiederum zur Bestimmung von einer derselben dienen kann. §. 825. Wir haben solche einfache Bestimmungen bereits in dem §. 451. seqq. besonders in Absicht auf die Qualitaͤt derselben betrachtet, dabey aber zugleich auch ange- merket, daß es eigentlich diejenigen sind, welche dem Begriffe, in dem sie vorkommen, in Absicht auf die Groͤße, seine verschiedene Dimensionen geben, und daß sie sich uns folglich in dieser gedoppelten Gestalt, naͤmlich als einfache Bestimmungen und Dimensio- nen zeigen. Dabey aͤußert sich nun aber ein Unter- schied. Denn als Bestimmungen oder einfache Quali- taͤten koͤnnen sie in einen Begriff zusammengenom- men werden, weil sie in der That in der Sache selbst beysammen vorkommen. Hingegen als Dimensio- nen gehet dieses nicht so allgemein an, sondern da werden gewoͤhnlich nur einige zusammengenommen, und zwar solche, nach welchen die Sache in der da- bey zum Grunde liegenden Absicht betrachtet, groͤßer F f 2 oder XXVIII. Hauptstuͤck. oder kleiner seyn, oder werden kann. Dieses haben wir hier nun etwas umstaͤndlicher und deutlicher auf- zuklaͤren, und werden die besondern Arten der Faͤlle durch Beyspiele begreiflicher zu machen suchen. §. 826. Wir koͤnnen das erste von einem Circulbogen her- nehmen. Die zwey Bestimmungsstuͤcke seiner abso- luten Groͤße sind die Laͤnge des Halbmessers, womit der Bogen beschrieben wird, und der Winkel, den die von den beyden Enden des Bogens in den Mit- telpunct gezogenen Linien oder Halbmesser daselbst machen. Nach jedem dieser beyden Bestimmungs- stuͤcke wird der Bogen, und zwar in gleichem Ver- haͤltnisse, groͤßer. Jn dieser Absicht haben wir fuͤr den Winkel wiederum eine kenntliche Einheit, weil sich naͤmlich derjenige = 1 setzen laͤßt, dessen Bogen dem Halbmesser gleich ist. Denn nimmt man diese Einheit an, so ist in jedem Fall die Laͤnge des Bo- gens das Product des Winkels in den Halbmesser, und der Bogen wird = 1, wo sowohl der Winkel als der Halbmesser = 1 ist. Diese drey Stuͤcke koͤnnen nun fuͤr sich betrachtet werden, und der Bogen ist da- bey ein Begriff, dessen zwo einfachere Bestimmungen, in Absicht auf seine Laͤnge, der Halbmesser und der Winkel sind. Man setze nun eine circulaͤre gleichfoͤr- mige Bewegung, so wird diese Bewegung der Haupt- begriff, und es kommen noch die Begriffe von Zeit und Geschwindigkeit als einfache Bestimmungen hin- zu. Die Einheiten, die hiebey vorkommen, lassen sich nun schon auf mehrere Arten bestimmen, weil man sowohl die angulaͤre Bewegung als auch die Be- wegung in dem Circulbogen besonders betrachten kann. Jm ersten Fall koͤmmt weder der Halbmesser, noch der Die Gleichartigkeit. der Bogen, sondern schlechthin nur der Winkel in Betrachtung. Jm andern Fall aber, wo die Laͤnge des Bogens den durchlaufenen Raum ausmißt, kann der Winkel und der Halbmesser zur Bestimmung die- ser Laͤnge gebraucht werden. Der Winkel wird der Zeit und der Geschwindigkeit nach groͤßer, hingegen desto kleiner, je groͤßer der Halbmesser ist. Setzet man nun ferner, der Koͤrper werde durch Centralkraͤfte im Circul herum getrieben, so wird der Begriff dieser Bewegung wiederum zusammengesetzter, weil mit den Begriffen der Zeit, der Geschwindigkeit, des Halbmessers, Bogens und Winkels, noch die Kraft und die Maße mit in die Rechnung gezogen werden muß. Man sieht aus diesem Beyspiele, wie man stuffenweise mehr einfache Bestimmungen zusammen nehmen, und die dadurch entstehende Groͤßen, deren jede eine ihr eigene und benennbare Einheit hat, mit einander vergleichen kann. Man nimmt aber auch jedesmal nur so viele zusammen, als noͤthig ist, um die Groͤße der einen durch die Groͤße der uͤbrigen zu bestimmen, und dieses thut man nach allen dabey moͤglichen Combinationen, um eine vollstaͤndige Ab- zaͤhlung derselben zu haben. §. 827. Jn diesem Beyspiele waren alle einfache Bestim- mungen aus einander gesetzt, und jede fuͤr sich kennt- lich. Es giebt aber eine Menge von Faͤllen, wo sie sich in einander so verlieren, daß sich uns nur die ganze Summe oder das Product von allen zeiget, und wo man mehrere Muͤhe hat, jede einzelne Jngredi- entien oder bestimmende Stuͤcke zu finden. So z. E. weiß jedermann den Unterschied, den man zwischen einer todten und lebhaften Farbe machet. Man hat F f 3 aber XXVIII. Hauptstuͤck. aber Muͤhe, die Bestimmungsstuͤcke alle zu finden, die diesen Unterschied verursachen. Die Helligkeit des Lichtes, welches die gefaͤrbte Flaͤche beleuchtet, traͤgt unstreitig viel dazu bey. Man muß aber den fuͤrnehmsten Grund in der Flaͤche selbst aufsuchen, und da koͤmmt es viel darauf an, ob an dieser die kleinsten Theilchen glaͤtter sind, und die gefaͤrbten Stralen mit einigem Glanze zuruͤcke werfen, ob die gefaͤrbten Stralen von gleicher Art, oder mit Stra- len von anderer Farbe vermenget sind, und ob in der Flaͤche nicht auch viele schattichte Vertiefungen sind, die unter die hellern Stralen etwas dunkeles und tod- tes mit einmengen. Alle diese Umstaͤnde sind nur von der Art, daß dabey einzelne Producte vorkommen, welche addirt werden muͤssen, und daher die Summe auf sehr vielerley Arten aͤndern koͤnnen. Alle diese Bestimmungsstuͤcke werden hiebey nur in so ferne zu- sammen genommen, als sie zur Berechnung der Hel- ligkeit und Lebhaftigkeit der Farbe des Koͤrpers in Betrachtung gezogen werden. Man nimmt auch nur alsdann noch mehrere mit hinzu, wo man die Structur des Koͤrpers, theils, so ferne sie in die Helligkeit sei- ner Farbe einen Einfluß hat, theils auch, so ferne man beydes noch mit andern Bestimmungen in Ver- gleichung bringen will, umstaͤndlicher untersucht. §. 828. Zu solchen Vertheilungen der Bestimmungen, die in einer und eben derselben Sache beysammen sind, ist nun die Sprache schon ziemlich eingerichtet, und sie wird es vollkommen seyn, wenn alles, was sich dabey auf besondere Einheiten bezieht, in Absicht auf dieselben, besonders benennet wird. So z. E. wenn von der Groͤße eines Koͤrpers die Rede ist, so ver- stehet Die Gleichartigkeit. stehet man an sich schon dadurch die Groͤße des Rau- mes, den er einnimmt, und selbst auch diese benen- net man, wo es seyn muß, nach seinen drey einfa- chern Dimensionen besonders. Und dabey versteht sich ebenfalls von selbst, daß, wo von der Groͤße die Rede ist, die Frage von der Haͤrtigkeit, Dichtigkeit, Elasticitaͤt, Schwere, Durchsichtigkeit ꝛc. nicht vor- komme, ungeachtet sie in andern Absichten betrachtet vorkommen kann, weil diese Eigenschaften mit der Groͤße allerdings auch eine Verbindung haben koͤn- nen. Man nimmt aber, wie wir bereits vorhin (§. 826.) angemerkt haben, in Absicht auf die Groͤ- ßen, immer nur so viele zusammen, als erfordert werden, die eine durch die mit dazu genommene zu bestimmen. So z. E. ist, um das Gewicht zu bestim- men, die Groͤße nicht hinreichend, weil man noch die Dichtigkeit mit hinzu nehmen muß, dabey aber wuͤrde die Haͤrtigkeit, Elasticitaͤt, Durchsichtigkeit ꝛc. ganz uͤberfluͤßig seyn. Man sieht uͤberhaupt leicht, daß es bald bey jedem Dinge eine Menge solcher einfa- chen Bestimmungsstuͤcke giebt. Ein Philosoph hat dieselbe, um den Begriff der Sache vollstaͤndig zu machen, nur vorzuzaͤhlen, und zu sehen, daß er die, in welchen andere einfachere enthalten sind, besonders nehme. Der Mathematiker aber combinirt sie der- gestalt, daß er finden koͤnne, wie viele Einheiten, sowohl von einer als von mehrern Dimensionen er da- bey heraus bringen kann, weil er dadurch eben so viele Verhaͤltnisse, Vergleichungen und Ausmeßbar- keiten findet. Ueber die Menge hat man sich desto weniger zu verwundern, weil das Substantiale etwas an sich einfaches, alles uͤbrige aber solche Bestim- mungen sind. F f 4 §. 829. XXVIII. Hauptstuͤck. §. 829. Es ist ferner die Bedingung, die den Philosophen bey dem Zusammennehmen, einfacher Bestimmun- gen einschraͤnket, wenn er a priori geht, von derje- nigen einiger Maßen verschieden, die der Mathema- tiker zu erfuͤllen hat. Der Philosoph kann nicht meh- rere zusammen nehmen, als zum existiren koͤnnen er- fordert werden, und nimmt er so viele, so ist der Be- griff des ganzen, den er bilden will, vollstaͤndig. Nimmt er aber weniger zusammen, so geschieht die- ses nur, um einen einfachern Begriff zu bilden, und dabey muͤssen immer die zusammengenommenen nicht an sich schon andere nach sich ziehen oder erfordern, weil diese ebenfalls auch mit angenommen werden koͤn- nen. Hiebey ist nun die Regel, nach welcher der Mathematiker solche einfache Bestimmungen zusam- men nimmt, wo nicht die einige, doch eine sicher und zuverlaͤßige Richtschnur. Denn dieser nimmt allemal so viele solcher einfachen Bestimmungen zu- sammen, als erfordert werden, die Groͤße der einen durch die Groͤße der uͤbrigen zu bestimmen, und die- ses ist allemal eine Anzeige, daß unter solchen Be- stimmungen eine gemeinsame Verbindung ist, wel- che macht, daß sie zusammen genommen als ein gan- zes angesehen werden koͤnnen. Dabey giebt es nun unstreitig vielerley Combinationen, aber mit densel- ben zugleich auch eben so viele Begriffe, die ein fuͤr sich gedenkbares Ganzes vorstellen, in welchem die dazu genommenen Theile eine gemeinsame, genaue und gleichsam fuͤr sich bestehende Verbindung haben. Wie nun hiebey verschiedene Verwirrungen, die sich gar leicht in philosophische Definitionen und Saͤtze ein- schleichen, am sichersten vermieden werden, das haben wir bereits oben (§. 453-461.) ausfuͤhrlich angezeiget. §. 830. Die Gleichartigkeit. §. 830. Nun bringt zwar der Mathematiker nach seinem Verfahren solche Bestimmungen und Dinge zusam- men, die außer einander oder auf eine ganz ungleich- artige Weise von einander verschieden sind, da hinge- gen der Philosoph Begriffe und Bestimmungen sucht, die in einander sind, um sie durch sein Analysiren stuf- fenweise heraus zu bringen, weil er anfaͤngt, ganze Summen von Merkmalen, die mehrern Dingen ge- meinsam sind, zusammen zu fassen, und von diesen sodann nach und nach die specialern weglaͤßt. Wir haben den Unterschied zwischen diesem Verfahren, das ist, zwischen dem Aufsuchen des Aehnlichen und des Verschiedenen, bereits oben (§. 751-757.) umstaͤnd- lich betrachtet, und dabey gesehen, daß es eben nicht so durchaus einander entgegen gesetzet ist, wenn man beydes in richtigen und brauchbaren Absichten vor- nimmt. Wir koͤnnen dieses noch durch folgende Be- trachtung klar machen. Man setze zwischen den Be- griffen oder Bestimmungen, a, b, c sey eine solche Verbindung, daß die Groͤße der einen durch die Groͤ- ße der beyden andern bestimmt, oder a = bc sey. Sind nun a, b, c an sich einfach, so hat der Philo- soph darinn weiter nichts mehr zu suchen, und die Verbindung, die aus diesen dreyen Bestimmungen ein fuͤr sich gedenkbares Ganzes macht, muß er gleich- falls, weil sie so einfach ist, annehmen. Man setze hingegen, daß z. E. b nicht einfach sey, sondern aus zwoen einfachern Bestimmungen p, q bestehe, so laͤßt sich daraus, daß a = bc sey, schließen, es muͤsse b = pq seyn, und zwar deswegen, weil b , so groß oder klein es ist, gleichfoͤrmig mit c multiplicirt wird. Dieses wuͤrde nicht angehen, wenn b = Ap + Bq waͤre, das will sagen, aus zweyen oder mehrern un- F f 5 gleich- XXVIII. Hauptstuͤck. gleichartigen Theilen bestuͤnde. Man setze, z. E. a sey das Gewicht, b die Dichtigkeit, c die Groͤße ei- nes Koͤrpers, so wird bey der Formel a = bc noth- wendig voraus gesetzt, daß die Dichtigkeit in dem ganzen Koͤrper durchgaͤngig einerley oder gleich sey, weil man sonst jeden Theil besonders vornehmen, und die Formel in a = bc + β + BC + \&c. verwan- deln muͤßte. Nun wird die absolute Dichtigkeit nach aller Schaͤrfe betrachtet, durch die Verhaͤltnisse der soliden Theilchen und der Zwischenraͤumchen be- stimmt, und dieses Verhaͤltniß muß, wenn b wirk- lich einfoͤrmig seyn solle, durch den ganzen Koͤrper ei- nerley seyn. Jch sage, nach aller Schaͤrfe betrach- tet, denn in der Naturlehre und in Absicht auf den Gebrauch, begnuͤgt man sich mit kleineren Ungleich- heiten, die einander, so viel sichs bemerken laͤßt, com- pensiren. Nach der strengsten Schaͤrfe aber setzet die Formel a = bc nothwendig eine durchgaͤngige Einfoͤr- migkeit voraus, und wo der Mathematiker beweisen kann, daß a = bc statt finde, da kann zwar b und c aus einfacheren Bestimmungen bestehen, sie sind aber von der in dem §. 456 angemerkten Verwirrung frey. Wir koͤnnen noch mit anmerken, daß der Beweis, wenn er anderst a priori seyn soll, gemeiniglich bey den in b, c vorkommenden einfachern Bestimmun- gen, und bey der Versicherung anfaͤngt, daß sie durch- gaͤngig sind. Denn a posteriori geschieht es durch eine Jnduction, wenn man stuffenweise die Probe anstellet, ob in allen Versuchen a = bc heraus komme, man mag b oder c groͤßer oder kleiner nehmen. §. 831. Was aber das erstgedachte Außereinander oder auf eine ungleichartige Weise verschieden seyn, der Die Gleichartigkeit. der Bestimmungen sagen will, die der Mathemati- ker in Vergleichung bringet, das erhellet aus den vorhin angefuͤhrten Beyspielen ohne Muͤhe. Bey dem Circulbogen (§. 826.) sind der Bogen, der Halb- messer und der Winkel dem Buchstaben nach, oder im eigentlichsten Verstande außereinander. Die Ver- bindung zwischen diesen dreyen Stuͤcken besteht aber offenbar darinn, daß der Halbmesser und der Winkel wesentliche, nothwendige, und zureichende Bestim- mungsstuͤcke des Bogens sind, theils, weil der Bo- gen durch die Umdrehung des Halbmessers um einen Punct erzeuget wird, theils, weil sich die absolute Groͤße oder Laͤnge des Bogens eben so wohl nach der Groͤße des Halbmessers als des Winkels richtet. Nun kann zwar der Bogen fuͤr sich gedacht werden, allein eben dieses ist es, warum wir sagen, die beyden Be- stimmungsstuͤcke seyn außer demselben, und dennoch so damit verbunden, daß selbst die Verstellung des Bogens, wenn man sich diesen als einen Circulbo- gen und von bestimmter Groͤße vorstellen will, noth- wendig den Begriff des Halbmessers und des Winkels erfordert. Die Quantitas motus ist ein Begriff, den man eigentlich wegen seiner Jngredientien bildet, weil man dadurch das Product aus der Masse in die Ge- schwindigkeit versteht, weil diese beyden Stuͤcke das sind, was man bey der Bewegung verschiedenes fin- det, wenn diese an sich und ohne Ruͤcksicht auf die Dauer und Direction nebst deren Verhaͤltnissen be- trachtet wird. Dabey hat nun die Masse und die Ge- schwindigkeit fuͤr sich betrachtet, bald nichts mit ein- ander gemein, indessen stehen sie dieser Ungleichartig- keit unerachtet in genauer Verbindung, und die Ab- haͤnglichkeit zeiget sich besonders bey der Mittheilung der Bewegung, weil sie dabey gegen einander propor- tionirt XXVIII. Hauptstuͤck. tionirt werden muͤssen, wenn einerley oder auch ver- schiedene Bewegung und Kraft heraus kommen solle. §. 832. Man hat in der Mathematic einige Gesetze in An- sehung der Gleichartigkeit der Groͤßen ( leges homoge- neorum ), die man sich besonders da zu beobachten vorleget, wo man Gleichungen heraus bringen, die Coefficienten bestimmen, und die Formeln theils an- wenden, theils in einander verwandeln, oder auch mit einander vergleichen will. Das Grundgesetz da- bey, wovon die uͤbrigen nur besondere Anwendungen sind, ist dieses, daß sich nur solche Groͤßen addiren und mit einander vergleichen lassen, die der Beschaf- fenheit und den Dimensionen nach gleichartig sind. Wir haben nun dieses Gesetz bereits vorhin (§. 811.) betrachtet, und dabey zugleich angezeiget, wie man diese Erforderniß verstehen solle, und wie man ver- mittelst der Verhaͤltnisse und Einheiten, da wo diese ungleichartig sind, die behoͤrigen Verwandlungen vor- zunehmen habe (§. 814. seqq. ). Wir werden demnach das daselbst gesagte hier nicht wiederholen, sondern nur uͤber die Anwendung desselben einige Betrachtun- gen anfuͤhren. §. 833. Einmal erfordert die Anwendung dieses Gesetzes, daß man mehrentheils mit gleichartigen Groͤßen eini- ge Verwandlung vornehmen muͤsse, bevor sie sich ad- diren oder subtrahiren lassen, das will sagen, man kann sie nicht immer so schlechthin nehmen, wie man sie an sich findet oder ausmißt, theils, weil dabey noch einige Unaͤhnlichkeiten vorkommen, theils weil noch be- sondere Modificationen dabey sind, die sie groͤßer oder kleiner machen. Das in dem §. 744. von der Aufloͤ- sung Die Gleichartigkeit. sung und Zusammensetzung der Kraͤfte angefuͤhrte Beyspiel, und so auch uͤberhaupt, was wir daselbst von der einfachen Gestalt der Groͤße aus einander ge- setzet haben (§. 740-758.), mag hier zu Erlaͤuterung die- nen, daher wir auch schlechthin nur uns darauf beziehen. §. 834. Sodann da man in der Rechnung die Einheiten, sofern sie multipliciren, nicht ausdruͤcket, und auch da, wo man sie ausdruͤcket, die Bedeutung derselben nicht immer besonders anzeiget; so kommt es fuͤr- nehmlich darauf an, daß man sich darein recht zu fin- den wisse. Man stelle z. E. die Geschwindigkeit durch eine Linie vor, so wird offenbar hiebey darunter ver- standen, diese Linie werde in der Zeit = 1 durchlaufen. Wenn demnach die Einheit fuͤr die Zeit in der Rech- nung bereits angenommen ist, so hat man nicht mehr die Wahl, eine bestimmte Geschwindigkeit, durch eine Linie von beliebiger Laͤnge auszudruͤcken, wenn naͤmlich eine absolute oder bereits nach einem Maaß- stabe bestimmte Laͤnge dadurch verstanden wird. Man nimmt auf eine aͤhnliche Art Einheiten der Zeit und des Raums an, wenn man, wie es nunmehr in der Mechanic gewoͤhnlich ist, die Geschwindigkeit durch die Quadratwurzel derjenigen Hoͤhe ausdruͤcket, durch die ein Koͤrper im luftleeren Raume fallen muͤßte, um diefe Geschwindigkeit zu erlangen. Denn aus einer Linie laͤßt sich ohnehin nicht die Quadratwurzel ausziehen, weil sie nur eine Dimension hat. Dem- nach ist hier die Hoͤhe des Falls mit einer Einheit, welche ebenfalls von einer linearen Dimension ist, mul- tiplicirt, und diese stellet den Raum vor, durch wel- chen der Koͤrper in der Zeit = 2 faͤllt, wenn die ge- suchte Geschwindigkeit den Raum vorstellen solle, der in der Zeit = 1 durchlaufen werden kann. §. 835. XXVIII. Hauptst. Die Gleichartigkeit. §. 835. Man nimmt ferner da, wo man weiß, daß eine Groͤße der andern oder einer Function derselben pro- portional ist, einen Coefficienten an, um die Verhaͤlt- niß in eine Gleichung zu verwandeln. Solche Coeffi- cienten haben nun immer in der Sache selbst auch eine Bedeutung, und druͤcken entweder Groͤßen oder Ver- haͤltnisse aus. So z. E. wenn ein Koͤrper in einer fluͤs- sigen Materie beweget wird, welche in Verhaͤltniß des Quadrates der Geschwindigkeit widersteht, so kann man, wenn die Zeit dt bestaͤndig ist, die Geschwindig- keit dem durchlaufenen Raume dx proportional setzen, und so wird die Wirkung des Widerstandes ddx dem Quadrate dx 2 proportional seyn. Da nun ddx nur von einer, dx 2 aber von zwoen Dimensionen ist, so se- tzet man addx = dx 2 , und da stellt nun a eine Linie vor. Nun findet sichs, daß wenn die anfaͤngliche Ge- schwindigkeit = G , die Geschwindigkeit zu der Zeit τ, = c ist, sodann a log (G:g) = x , und folglich a die Sub- tangente der logarithmischen Linie ist, nach welcher die Geschwindigkeit abnimmt. Jn Absicht auf den Koͤrper aber ist a desto groͤßer, je groͤßer der Diameter dessel- ben ist, und je mehrmal seine specifische Schwere die specifische Schwere der fluͤßigen Materie uͤbertrifft, in welcher der Koͤrper beweget wird. Und uͤberdiß laͤßt sich a auch durch das Quadrat der Geschwindigkeit aus- druͤcken, welche der Koͤrper, wenn er in der fluͤßigen Ma- terie gerade herunter faͤllt, zuletzt erreicht. Es kommen in Ansehung der bestaͤndigen Groͤßen, welche man den Jntegralien zusetzen muß, aͤhnliche Betrachtungen in Absicht auf ihre Bedeutung vor. Wir koͤnnen uns aber hier nicht laͤnger damit aufhalten, weil wir dieses nur Beyspielsweise anfuͤhren. Neun Neun und zwanzigstes Hauptstuͤck. Das Einfoͤrmige . §. 836. D a wir in den beyden vorhergehenden Hauptstuͤ- cken das Ausmeßbare theils an sich, theils auch in Absicht auf die Continuitaͤt und Gleichartig- keit betrachtet haben, so bleibt dabey noch ein Be- griff zuruͤcke, welcher von diesen beyden Begriffen zwar verschieden, daneben aber mit denselben in ei- ner sehr genauen Verbindung ist. Wir haben naͤm- lich bereits in dem §. 811. gesehen, daß das Gleich- artige, welches man in den Dingen eigentlich aus- mißt, nicht die Dinge selbst nach allen Absichten be- trachtet, sondern mehrentheils eine sehr speciale Be- stimmung, Eigenschaft, Verhaͤltniß ꝛc. derselben be- trifft, und (§. 808.) daß man dabey, auch wo etwas unterbrochenes darinn vorkoͤmmt, dasselbe dennoch, so viel es sich thun laͤßt, als eine Continuitaͤt anzu- sehen, und dadurch die Berechnung leichter und ein- facher zu machen suche. Um dieses zu erhalten, nimmt man den Begriff der Gleichfoͤrmigkeit oder Ein- foͤrmigkeit und die Gesetze zu Huͤlfe, die dieser Be- griff angiebt, und welche fordern, daß die wirkliche oder angenommene Continuitaͤt nicht nur in einem fortgehe, sondern, daß sie nach einem und eben dem- selben Gesetze, gleichfoͤrmig fortgehe, (§. 807.). Was dieses nun sagen will, das werden wir in ge- genwaͤrtigem Hauptstuͤcke aufzuklaͤren suchen. §. 837. XXIX. Hauptstuͤck. §. 837. Einmal merken wir an, daß die Gleichfoͤrmigkeit in der reinen Mathematic immer vorkoͤmmt, und zwar deswegen, weil man darinn die Groͤßen, ihre Verhaͤltnisse und Formeln nach aller Schaͤrfe betrach- tet, und jede Groͤße schlechthin nur so weit annimmt, als die Formel oder das Gesetz reichet, nach welcher sie groͤßer oder kleiner wird. Denn so z. E. haͤngt man an eine Parabel keine Spirallinie an, weil dabey die Einfoͤrmigkeit des Gesetzes ihrer Kruͤmmung ganz unterbrochen wuͤrde, und weil die Gleichungen fuͤr jede dieser Linien von ganz verschiedener Art sind. Wir haben daher bey der Betrachtung der Gleich- foͤrmigkeit unser Augenmerk eigentlich auf die ange- wandte Mathesin zu richten, und da haben wir in Absicht auf die Dinge der Natur und Kunst verschie- dene Saͤtze, welche mit einander verglichen werden muͤssen. Der erste ist, daß die geometrische Schaͤrfe und Genauigkeit in der Natur nirgends vorkomme, das will nun sagen, daß wo wir etwann gerade Linien, Winkel, einfoͤrmige Wendungen, runde Zahlen ꝛc. suchen, die genauere Beobachtung uns unzaͤhlige klei- nere Abweichungen davon aufdecket. Der andere Satz aber ist, daß dessen unerachtet nichts durch ei- nen Sprung geschehe, und keine Continuitaͤt mit ei- nem Male und in allen Absichten betrachtet, abge- brochen werde, sondern, daß es immer auf eine tan- gentiale oder asymtotische Art geschehe. Da sich also solche Zu- und Abnahmen immer ins unendlich Kleine verlieren, und auch im Kleinern noch neue Anomalien zum Vorschein kommen, so entsteht dabey immer die Frage, wie man der Untersuchung von allen solchen Kleinigkeiten ausweichen koͤnne, wo uͤberhaupt nur vom Ganzen oder von groͤßern Theilen die Rede ist, und Das Einfoͤrmige. und diese Frage loͤset sich immer in die auf, wie fern bey solchen kleinern Anomalien entweder wirklich et- was Gleichfoͤrmiges sey, oder wie fern es wenigstens um die Rechnung nicht gar zu sehr zu verwickeln, ohne merklichen Fehler angenommen werden koͤnne? Diese letztere Frage ist nun um desto zulaͤßiger, weil es in Absicht auf den Gebrauch sehr natuͤrlich ist, von allen solchen kleinern Unrichtigkeiten und Anomalien zu abstrahiren, die einzeln oder auch mehrere zusam- men genommen von uns schlechthin nicht bemerket, oder wenn sie bemerkbar sind, in Ansehung der vor- habenden Absicht, aus der Acht gelassen werden koͤnnen. §. 838. Man sieht nun leicht, daß es hiebey darauf an- koͤmmt, wie fern solche kleinere Anomalien, theils einander compensiren, theils auch, wie fern sie ent- weder gleichfoͤrmig vertheilet sind, oder als nach ei- nem gleichfoͤrmigen Gesetze vertheilet angesehen wer- den koͤnnen, so daß, wenn sie auch in der That nicht genau so vertheilet sind, dennoch dabey ein solcher Ersatz statt finde, daß die Anomalien in den Erfolg der Rechnung keinen merklichen Einfluß haben. Al- les dieses muß nun aus der Betrachtung der Natur der Sache und der Umstaͤnde eroͤrtert werden, und dazu koͤnnen verschiedene allgemeinere Saͤtze verhel- fen, die theils von der Vielfaͤltigkeit der wirkenden Ursachen und individualen Umstaͤnde, theils auch eben deswegen von dem Unterschiede der gesetzlichen und der localen Ordnung (§. 327.) hergenommen sind, und aus diesem Grunde die Berechnung der Wahr- scheinlichkeit dabey anwendbar machen. Man hat aber allerdings hiebey die groͤßern Anomalien, die etwann auch wenig an der Zahl sind, von den klei- Lamb. Archit. II. B. G g nern XXIX. Hauptstuͤck. nern und haͤufigern zu unterscheiden, weil man erstere mehrentheils fuͤr sich betrachten, und besonders in die Rechnung ziehen muß. Wir werden nun dieses alles stuͤckweise aus einander setzen, und durch Bey- spiele erlaͤutern. §. 839. Von solchen Beyspielen finden wir eine ganze Classe bey der Vermischung ungleichartiger Materien, und diese Classe ist desto allgemeiner und weitlaͤuftiger, weil die Koͤrper und Materien in der Natur durch- gehends mit fremden Theilen durchmenget sind. Wir haben daher bereits in dem §. 808. angemerket, daß dadurch die Groͤßern und merklichern Continuitaͤten aus einer Menge von kleinern bestehen, die sich in einander verlieren, und daß daher jene nur in so fern koͤnnen angenommen werden, als diese darinn kei- ne merkliche Ausnahm und Anomalie verursachen. Das Beyspiel, so wir in ermeldetem §. 808. von der Luft angefuͤhret haben, dienet hier ebenfalls zur Er- laͤuterung. Die Luft ist bestaͤndig mit fremden Theilchen, die darinn schweben angefuͤllet, und man kann leicht zeigen, daß es die untere Luft mehr sey, und auch mehr seyn koͤnne, als die obere. Will man nun die in groͤßern Hoͤhen stufenweise abnehmende Schwere, Dichtigkeit, Waͤrme, Undurchsichtigkeit, Stralenbrechung ꝛc. berechnen, so kann man sich da- bey allerdings nicht mit der Untersuchung der Lage eines jeden fremden Theilchens aufhalten, sondern man muß in ihrer Vertheilung etwas Gleichfoͤrmiges und gleichfoͤrmig abnehmendes zum Grunde setzen, und dieses kann man wegen der Vielfaͤltigkeit der Ur- sachen und Umstaͤnde thun, so oft man nicht einzelne Theile, sondern die ganze Summe zu suchen hat. Jn Das Einfoͤrmige. Jn dieser Absicht wird die Luft in horizontale Schich- ten eingetheilet, die der Ordnung nach uͤber einander liegen, und der Zustand einer jeden Schichte wird der horizontalen Lage nach als gleichfoͤrmig, der Hoͤhe nach aber als nach gleichfoͤrmigen Gesetzen veraͤndert angesehen, und die Rechnung so gemacht, daß die dabey vorkommenden Coefficienten nicht nach den ein- zeln Schichten, sondern nach der Summe oder dem Producte von allen bestimmt werden. §. 840. Jch sage, daß man dieses wegen der Mannichfal- tigkeit der wirkenden Ursachen und Umstaͤnde thun kann. Denn man weiß, daß erstlich die Luft wegen der derselben eigenen Elasticitaͤt unten an der Mee- resflaͤche am dichtesten ist, und mit der Hoͤhe nach einem sehr einfachen Gesetze abnehmen wuͤrde, wenn die Waͤrme und Duͤnste darinn gleichfoͤrmig verthei- let waͤren. Nun aber ist die Waͤrme unten groͤßer und die Duͤnste haͤufiger, und dieses giebt zwo Ano- malien, die, fuͤr sich betrachtet, ebenfalls sich nach einfoͤrmigen Gesetzen richten. Alles uͤbrige koͤmmt nun auf die Vermengung der groͤßern und kleinern Theilchen der Duͤnste und fremder Materien an, de- ren Summe zwar in der obern Luft kleiner, als in der untern ist, die aber in jeder Schichte eben nicht im- mer nach einer geometrisch genauen Proportion durch- menget sind. Es kann daher seyn, daß sie so unor- dentlich auf einander folgen, wie die Numern bey den Gluͤcksspielen, oder wie die Zahlen in den oben (§. 319. 323.) erwaͤhnten Reihen, so daß man nichts Einfoͤrmiges findet, wenn man nur einige wenige nimmt. Da aber die Anzahl so ungeheuer groß ist, so koͤmmt, wenn man sie nach den Schichten zusam- G g 2 men XXIX. Hauptstuͤck. men rechnet, allezeit die Summe und die Verhaͤltniß so heraus, wie es die vorhin erwaͤhnte allgemeinere Gesetze erfordern. Wenn aber auch, wie es z. E. in Absicht auf die Durchsichtigkeit wegen der Wolken geschieht, Anomalien von der Art vorkommen, so sieht man leicht, daß dieses Umstaͤnde sind, von wel- chen man in solchen Rechnungen abstrahirt, weil man allerdings dabey denjenigen Zustand der Luft voraus setzet, bey welchem die Rechnung statt finden kann, und welcher wirklich seyn kann, ungeachtet er es nicht immer nothwendig ist. §. 841. Wir haben in Ansehung der Dinge, die sich der Zeit nach aͤndern, aͤhnliche Betrachtungen zu machen. Die Veraͤnderung, im Ganzen betrachtet, kann dabey nach allgemeinern Gesetzen auf eine sehr einfoͤrmige Art fortgehen, ungeachtet in den kleinern Theilchen bestaͤndig Anomalien vorkommen. Jn den astrono- mischen Berechnungen, wo man eine mittlere Bewe- gung zum Grunde legt, sind solche Anomalien be- traͤchtlich, und daher suchet man derselben besonders Rechnung zu tragen, und findet auch dermalen noch desto mehr nachzuholen, je genauer die Beobachtun- gen angestellet werden, (§. 735.). So findet sich auch bey genauerer Beobachtung der Magnetnadel, daß ihre Abweichung und Neigung sich taͤglich und stuͤndlich so veraͤndert, daß sie bald vorwaͤrts bald ruͤckwaͤrts geht. Diese kleinern Anomalien hin- dern aber nicht, daß man bey dieser Veraͤnde- rung nicht eine groͤßere und einfoͤrmigere Continui- taͤt sollte annehmen koͤnnen, nach welcher die Nadel, wie wir es oben (§. 735.) angemerket haben, nicht im Kreise herum koͤmmt, sondern nach Verfluß von eini- gen Das Einfoͤrmige. gen hundert Jahren eine Art von Oscillation von Osten nach Westen und wiederum zuruͤcke nach Osten vollendet. §. 842. Solche allgemeinere Gleichfoͤrmigkeiten machen nun, daß man der kleinern Anomalien unerachtet, fuͤr die Groͤße, deren Zu- und Abnahme man bestimmen will, eine einfachere Gleichung, oder wenn sie construirt wird, eine solche krumme Linie annimmt, die sich zwischen den durch die Beobachtungen gefundenen Puncten dieser Linie auf eine einfoͤrmige Art durch- zieht, zumal da man auf diese Art auch ein solches Mittel trifft, welches den kleinern Fehlern, die im Observiren unvermeidlich sind, auf die zuverlaͤßigste Art vor- und nachgiebt. Da ich die Art hiebey zu verfahren fuͤr den Fall, wo diese Linie schlechthin nur vermittelst der Observationen gezogen werden muß, nebst den dabey nothwendigen Vorsichtigkeiten in dem §. 396. seqq. der Photometrie umstaͤndlich angegeben, so werde ich mich hier dabey nicht laͤnger aufhalten, zumal da dieser einzele Fall zu noch mehrern andern gehoͤret, welche zusammen genommen eine eigene Theorie verdienen, die uͤberhaupt dahin geht, wie man aus Versuchen und Beobachtungen, wobey et- was ausgemessen wird, zuverlaͤßigere Folgen zu zie- hen habe, als wenn man sie so, wie man sie anstellet, und mit den dabey unvermeidlich kleinern Fehlern anwendet. §. 843. Wo es nur um einzelne kleinere Stuͤcke von krum- men Linien zu thun ist, die man auf solche Art zie- hen kann, und von denen man weiß, daß sie vor und nach einfoͤrmig fortgehen, da sieht man solche kleinere Stuͤcke entweder als gerade, oder als Stuͤcke von G g 3 Para- XXIX. Hauptstuͤck. Parabeln an, und setzet daher im ersten Falle a + x = b + my, im andern aber a + x = b + my + ny^2. Man sieht leicht, daß dieses so viel als die ersten Glieder einer Reihe sind, wovon die folgenden weg- gelassen werden, weil y nur einen kleinen Bruch vor- stellet. Muͤßte man aber a + x = b + my + ny^3 annehmen, so kann man immer daraus schließen, daß man denjenigen Theil der krummen Linie vor sich habe, wo dieselbe einen Wendungspunct hat, und da laͤßt sich ein betraͤchtlicheres Stuͤck derselben als gerade ansehen. Man sieht aber leicht, daß man sol- che einfachere Gleichungen nur da gebrauchen kann, wo in der That nicht mehr als ein so kleines Stuͤck der Linie vorkoͤmmt, und daß man folglich, wo diese ganz vorkoͤmmt, andere Gleichungen gebrauchen muͤsse, um sie durchaus zu bestimmen. §. 843. Jn vielen Faͤllen koͤnnen auch teleologische Gruͤn- de, und besonders die Gesetze und Bedingungen des Beharrungsstandes dazu dienen, daß man in einem vorgegebenen Falle etwas einfoͤrmiges annehmen, und dadurch auf die Beschaffenheit und Anlage der Sache einen Schluß machen kann, besonders, wo die Fra- ge ist, daß man die Luͤcken ausfuͤlle, die in den Be- obachtungen deswegen vorkommen, weil man diese nicht durchaus angestellet hat. So z. E. finden sich in der Halleyischen Tafel nur vier und zwanzig Co- meten. Es zeigen aber diese schon ganz deutliche Spuren, wie man sich die Vertheilung ihrer Lauf- bahnen um die Sonne vorzustellen habe. Der Herr de la Caille hat diese Liste bis auf vierzig ausgedeh- net, und auch aus dieser fast doppelt groͤßern Anzahl zeiget es sich, daß die Laufbahnen der Cometen um die Das Einfoͤrmige. die Sonne gleichfoͤrmig vertheilet sind, und daß, wenn die Luͤcken sollen ausgefuͤllet werden, die An- zahl derjenigen, die auf der Erde sichtbar sind, be- traͤchtlich groß seyn muͤsse. §. 844. Der Beharrungsstand setzet, wie wir im vorher- gehenden schon einigemal erwaͤhnet haben (§. 65. 350. 358.), immer ein Maximum, und mit diesem sehr gewoͤhnlich, einfache und elegante Eigenschaften vor- aus, welche um desto mehr veranlassen, etwas Ein- foͤrmiges dabey aufzusuchen. Wir koͤnnen ebenfalls die Bedingung des Beharrungsstandes als eine Er- forderniß ansehen, daß von allen Anomalien, die sich durch die Mannichfaltigkeit der wirkenden Ursa- chen und Umstaͤnde aͤußern, keine vorkomme, welche die derselben gesetzte Schranken uͤberschreiten, und dieses machet, daß man die allgemeinern und Haupt- gesetze der Veraͤnderungen in dem Laufe der Dinge, sobald man mehrere Observationen zusammen nimmt, leichter aus diesen finden kann, weil sich durch die aufgehaͤufte Anzahl der Observationen die kleinern Anomalien unter einander compensiren. Man hat dabey vornehmlich auch darauf zu sehen, daß man nicht bloß locale Ordnungen suche, wo in der That und oͤfters sehr einfache gesetzliche sind, welche die locale nicht zulassen, (§. 327. seqq. ). Auf diese Art lassen sich aus einer Reihe von barometrischen Ver- aͤnderungen sehr viele von den allgemeinern Gesetzen fin- den, nach welchen sie sich richten, und aus den Sterb- registern hat man derselben aller einzeln Anomallen ungeachtet, in Absicht auf die Grade und Gesetze der Sterblichkeit bereits mehrere gefunden. (Phaͤnome- nolog. §. 158. 156. 154.). G g 4 §. 845. XXIX. Hauptstuͤck. §. 845. Wo sich aber die Anomalien nicht compensiren, da geschieht es, entweder, weil nur wenige sind, die folglich nicht als Anomalien, sondern als besondere Gesetze angesehen werden muͤssen, oder es geschieht, weil man noch nicht genug Beobachtungen hat. Denn in denen Faͤllen, wo solche Anomalien keine locale Ordnung haben, da muß die Menge der Observatio- nen dazu gebraucht werden, wenn man die allgemei- nern und durchgaͤngigen Gesetze darinn finden will, die sich bey einer geringern Anzahl von Observatio- nen mit den einzeln und kleinern Anomalien confun- diren. Man nimmt daher, um zu finden, wie sich die Grade der Sterblichkeit nach dem Alter, nach dem Monate der Geburt ꝛc. richten, die Sterbregi- ster von groͤßern Staͤdten, ganzen Provinzen und mehrern Jahren, weil eben nicht alle Jahre einerley Zufaͤlle wiederkehren, und weil der Tod, was er in einem Jahre in Ansehung dieser oder jener Krankheit wegnimmt, in Ansehung eben derselben in dem fol- genden Jahre an sich schon weniger Stoff findet. Denn die epidemischen Zufaͤlle sind nur gewissen dazu schon disponirten Temperamenten toͤdtlich. §. 846. Dafern sich aber auch da, wo man nach und nach mehrere Observationen aufhaͤuft, bey dem, was man anfangs als einzelne Anomalien ansahe, keine Com- pensation findet, so ist dieses eine Anzeige, oder we- nigstens ein Anlaß zu vermuthen, daß sich bey ferne- rer Fortsetzung der Beobachtungen ein Gesetz aͤußern werde, welches sich allgemeiner auf das Ganze aus- breitet, und folglich bey einer groͤßern Zahl von Ob- servationen fuͤr sich bestimmt werden kann, und seine eigene Das Einfoͤrmige. eigene Ursachen hat. Das vorhin (§. 841.) von der Magnetnadel angefuͤhrte Beyspiel mag auch hier zur Erlaͤuterung dienen. Denn wird sie nur einige Tage oder Wochen beobachtet, so findet sichs, daß sie sich bald vorwaͤrts, bald ruͤckwaͤrts wendet, ohne daß man daraus schließen koͤnnte, daß aus so viel klei- nern Oscillationen dennoch etwas progreßives und eine groͤßere Oscillation erwachse, die von mehrern Graden ist, und eine Zeit von etlichen Jahrhunderten erfordert. §. 847. Der Beharrungsstand selbst fordert uͤberhaupt etwas einfoͤrmiges, und das Wegseyn der Ursachen, welche denselben durchaus stoͤren wuͤrden. Die Sa- che, die im Beharrungsstande seyn solle, muß naͤm- lich sie, wie sie ist, und mit den Veraͤnderungen, die darinn vorgehen, fortdauern koͤnnen, so lange sie nicht durch fremde Ursachen und gleichsam auf eine gewaltsame Art umgekehrt und in eine ganz andere Form gebracht wird. Diese Bedingung macht nun die Sache entweder an sich unveraͤnderlich, so, daß sie schlechthin bleibt, wie sie ist, oder wenn in der- selben Veraͤnderungen vorgehen, so sind diese entwe- der periodisch, oder sie naͤhern sich immer wiederum, theils oscillationsweise, theils asymtotenweise dem Beharrungsstande, wobey naͤmlich die wirkenden Kraͤfte im Gleichgewichte sind (§. 555. 558. 561.). Und wo dieses zu einem bestaͤndigen Fortdauern eingerich- tet ist, da bleiben die Veraͤnderungen immer in ge- setzten Schranken. Alles dieses finden wir in dem Laufe der Dinge auf der Erdflaͤche und bey den Ab- wechselungen der Witterung. Bey der Witterung sind die merklichern Perioden jaͤhrlich und taͤglich, weil man die Sonne als die Hauptquelle solcher Veraͤnde- rungen ansehen kann. Und dieses bemerket man G g 5 nicht XXIX. Hauptstuͤck. nicht nur in Ansehung der Waͤrme und Kaͤlte, deren Abaͤnderungen am unmittelbarsten von der Sonne herruͤhren, sondern auch in Ansehung der barometri- schen Veraͤnderungen, weil diese in den Sommermo- naten kaum halb so groß sind, als um die Zeit der kuͤrzesten Tage, und weil dieselbe sich eben so, wie die Abaͤnderungen der Waͤrme und Kaͤlte, vom Ae- quator gegen die Pole, auf eine sehr einfoͤrmige Art vergroͤßern, wie es sich aus vieljaͤhrigen Beobachtun- gen von verschiedenen Polhoͤhen offenbar erweisen laͤßt. Jn Ansehung jeder uͤbrigen Dinge findet sich das zum Beharrungsstande erforderliche Gesetz allgemein, daß was sterblich ist, sein Geschlecht fortpflanzet, und was der Veraͤnderung unterworfen ist, sich erneuere, und dazu ist alles so eingerichtet, daß man zur Be- stimmung der dazu erforderlichen Gesetze, immer ein Datum oder eine Gleichung daher nehmen kann. §. 848. Es giebt ferner bey der Art, wie sich die Dinge dem Beharrungsstande naͤhern, immer solche Faͤlle, wo diese Naͤherung nach der Beschaffenheit der Um- staͤnde am einfoͤrmigsten ist, und dieser Fall ist gleich- sam die Asymtote fuͤr die uͤbrigen nicht so einfachen Faͤlle, so, daß die Dinge sich demjenigen Fall naͤ- hern, in welchem sie am einfoͤrmigsten zum Behar- rungsstande kommen koͤnnen, und dieses geht zuwei- len so, daß sie sich anfangs von dem Beharrungs- stande wirklich entfernen, um sich demselben sodann desto einfoͤrmiger und ordentlicher zu naͤhern. §. 849. Man gebraucht aber den Begriff der Einfoͤrmig- keit nicht nur da, wo man bey den Beobachtungen Luͤcken Das Einfoͤrmige. Luͤcken ausfuͤllen, und zu der Kenntniß der allgemei- nern und einfachern Gesetze gelangen will, die man aus den kleinern Anomalien gleichsam heraus ziehen muß; sondern man faͤngt gemeiniglich auch die Theo- rie dabey an, daß man die Faͤlle vornimmt, wobey etwas ganz einfaches und einfoͤrmiges ist, damit man sodann daraus andere Faͤlle zusammen setzen, und der Abweichungen von dem Einfoͤrmigen Rechnung tragen koͤnne. Hievon geben uns nun alle Theile der Mathematic Beyspiele. Jn der Rechenkunst faͤngt man bey der ganz natuͤrlichen Ordnung der Zah- len an, ohne sogleich auf die dazwischen fallende Bruͤ- che zu sehen, und in der gemeinen Geometrie hat man sich ein Gesetz daraus gemacht, daß man deren Gebieth nur so weit ausdehnen wolle, als man mit Lineal und Zirkel reichen kann. Es ist aber sowohl die Strecke der geraden Linie als die Kruͤmmung des Circuls das einfoͤrmigste, das sich in der Geometrie ge- denken laͤßt. Jn der Mechanic macht man ebenfalls mit der Theorie der geradelinichten und gleichfoͤrmigen Bewegungen den Anfang, um sodann diese bey allen uͤbrigen zum Grunde zu legen, und von derselben geht man zu derjenigen fort, wobey die Geschwindigkeit auf eine einfoͤrmige Art zunimmt. Jn der Hydrosta- tic wird gleichermaßen die Dichtigkeit der Materien gleichfoͤrmig angenommen, und in der Aerometrie fieng Mariotte ebenfalls mit dem Gesetze an, daß die Dichtigkeit in einfacher Verhaͤltniß der aufliegenden Last sey. Es ist auch uͤberhaupt ganz natuͤrlich, bey solchen einfachen und durchgaͤngigen Gesetzen anzufan- gen, weil man sodann, nachdem diese in eine Theo- rie gebracht sind, zu den zusammengesetztern fort- schreiten kann. Sofern man nun auch solche zusam- mengesetztere auf eine bloß hypothetische Art vor- nimmt, XXIX. Hauptstuͤck. Das Einfoͤrmige. nimmt, so geschieht es sodann besonders, damit man Saͤtze daraus herleiten koͤnne, die sich allgemein um- kehren lassen, und dadurch werden die gefundenen Eigenschaften in Criteria und Kennzeichen verwandelt, welche, wo sie in der Natur vorkommen, sogleich den Schlußsatz angeben, daß sich die ganze Theorie dabey anwenden lasse. Der Satz, daß die Erde eine Ku- gel sey, wurde auf diese Art aus dem runden Schat- ten derselben in den Mondsfinsternissen hergeleitet, und daß alle um die Sonne laufende Koͤrper in Ke- gelschnitten um dieselbe laufen muͤssen, in deren Brennpunct die Sonne ist, wurde auf eben diese Art vermittelst der umgekehrten Saͤtze der Theorie der Centralkraͤfte gefunden. Hiebey ist nun fuͤr sich klar, daß es viel darauf ankoͤmmt, wenn man gleich an- fangs die Theorie der Sache von derjenigen Seite be- trachtet vornimmt, welche am naͤchsten an solche Kenn- zeichen graͤnzet. Dazu verhilft nun allerdings, wenn man die Erfahrung zum Grunde legen, das Einfoͤr- mige darinn aufsuchen, und von diesem, so weit es angeht, ruͤckwaͤrts schließen kann, indem man nach- forschet, wie die Sache beschaffen seyn muͤsse, damit die Erfahrung und das darinn gefundene Einfoͤrmige statt haben koͤnne. Man sehe hieruͤber Dianoiol. §. 404. seqq. wo wir diese Methode umstaͤndlicher aus einander gesetzt haben. Dreyßig- Dreyßigstes Hauptstuͤck. Die Schranken . §. 850. S ofern man bey dem im vorhergehenden Haupt- stuͤcke betrachteten Aufsuchen des Einfoͤrmigen bey den Groͤßen und ihren Veraͤnderungen dieses gleich- sam aus einer Menge kleinerer Anomalien heraus zieht, werden dadurch allerdings allgemeinere und einfachere Gesetze zur Bestimmung solcher Groͤßen ge- funden, und dieses giebt, wie wir erst angemerket haben (§. 849.), die Anlage zu der Theorie dersel- ben. Es ist aber auch nur die erste Anlage dazu, und wenn sie nicht weiter getrieben wird, so giebt sie auch nur das Allgemeine der Sache, und die Groͤße derselben in jedem besondern Fall auch nur beylaͤufig an, weil man noch der Anomalien Rechnung tragen muß, und so lange diese nicht ebenfalls auf eine The- orie gebracht sind, so lange kann man auch in jedem besondern Fall nicht wissen, welche davon statt findet, wie groß sie ist, und wie viel folglich die nach dem einfoͤrmigen Gesetze allein heraus gebrachte Berech- nung von der Erfahrung abweichet. §. 851. Dieses ist nun auch dermalen noch der Fall, in welchem sich die angewandte Mathematic durchaus befindet. Alle Theorien in derselben gruͤnden sich schlechthin nur auf solche einfachere und allgemeinere Einfoͤrmigkeiten, und man hat sich noch immer da- mit XXX. Hauptstuͤck. mit zu beschaͤfftigen, die Anomalien nachzuholen. Auf diese Art werden z. E. die astronomischen Tafeln noch taͤglich weitlaͤuftiger, und wenn man darinn anfaͤngt, den Ort eines Planeten nach seiner mittlern Bewe- gung zu berechnen, so bleiben noch eine Menge ein- zeler Gleichungen, dadurch man diesen mittlern Ort, welcher oͤfters um mehrere Grade von dem wahren abweicht, stuffenweise zu verbessern hat, um die Ab- weichung von dem wahren unmerklicher zu machen, und da bleibt man noch so zuruͤcke, daß man auch, wo man es am weitesten gebracht hat, fuͤr eine \frac {1} {2} Minute eines Grades nicht gut stehen kann. Wir fuͤhren dieses Beyspiel vorzuͤglich an, weil die Anomalien in dem Laufe der Planeten eben nicht so gar unordent- lich und ohne Perioden sind, wie die von der Witte- rung und dem Laufe der Dinge auf der Erdflaͤche, den einigen Fall ausgenommen, wo etwann von den Co- meten einige Anomalien herruͤhren koͤnnen, wiewohl man bisher noch keine bemerkbare gefunden, die sich haͤtte erweisen und berechnen lassen. Die uͤbrigen haben saͤmtlich etwas periodisches, und von vielen laͤßt sich die Groͤße aus dem newtonschen Gesetze der Schwere erweisen, und auf analytische Formeln brin- gen. Es ist aber dabey nur zu bedauern, daß man oͤfters die Coefficienten nicht anders bestimmen kann, als daß man sie anfangs, wie bey der Regel falsi, willkuͤhrlich annimmt, und so lange daran bessert, bis sie mit einigen Erfahrungen oder Beobachtungen uͤbereinkommen, bey welchen aber gar leicht noch Ano- malien zuruͤcke bleiben, die von andern Ursachen her- ruͤhren, und eben dadurch, daß sie in der Formel nicht vorkommen, die Coefficienten derselben unrich- tig machen wuͤrden, auch wenn man diese auf eine nicht so willkuͤhrliche Art bestimmte. Dieses alles macht Die Schranken. macht so viel, daß astronomische Tafeln, die fuͤr eine gewisse Zeit mit den Beobachtungen uͤbereinkommen, nachgehends immer mehr davon abweichen. Es ist kein Zweifel, daß die Sonne mit ihrem ganzen Ge- folge nicht einen Kreislauf um einen Mittelpunct ha- be, der hinterhalb etlichen Fixsternen ist, und dieses kann in dem Laufe der Planeten und Cometen Ano- malien herfuͤr bringen, auf die man bisher, beson- ders auch bey Bestimmung solcher Coefficienten gar nicht Achtung gegeben. §. 852. So weit man nun solcher Anomalien genaue Rech- nung tragen kann, erhaͤlt auch die Theorie dadurch eine groͤßere Vollstaͤndigkeit. Jn Ermangelung des- sen aber ist es in der Mathematic laͤngst schon uͤblich, daß man, wo eine Groͤße nicht nach aller Schaͤrfe bestimmt werden kann, wenigstens anzugeben sucht, wie viel sie zum hoͤchsten von dem wahren abweiche, das will sagen, man bestimmt die Schranken, in- nert welche sie nothwendig fallen muß, und je enger diese Schranken koͤnnen gesetzt werden, desto mehr hat man sich der wahren Groͤße genaͤhert. Da man nun dadurch angeben kann, wie viel man zum hoͤchsten vom wahren abweicht, so wird auch dieses Verfahren mit unter die Vorzuͤge der mathemati- schen Genauigkeit gerechnet, und zwar um desto mehr, weil man in Ansehung der Qualitaͤten sich noch wenig Muͤhe gegeben hat, zu bestimmen, wie- fern man bey dem Aufsuchen derselben zuruͤcke bleibt, und wie nahe das, so man bereits gefunden, an das Ganze graͤnzt, wiewohl dieses eben nicht so gar unmoͤg- lich ist. ( Dianoiol. §. 41. 626. 628. Alethiol. §. 217. Phaenomenol. §. 162. 166. seqq. 170. 176.) §. 853. XXX. Hauptstuͤck. §. 853. Das bisher angefuͤhrte betrifft nun nur noch einen von den Faͤllen, wobey von Schranken und Naͤ- herung die Rede ist, weil es außer den Anomalien, welche verursachen, daß die einfachern Formeln die wirkliche Groͤße nicht ganz genau angeben, noch meh- rere Ursachen giebt, dadurch man sich genoͤthigt fin- det, oder bis zu mehrerer Aufklaͤrung der Sache ge- nuͤgen lassen muß, eine Groͤße so zu bestimmen, daß sie entweder nicht merklich von dem wahren abweicht, oder daß man doch angeben kann, wie viel es zum hoͤchsten betragen mag. Dieses letztere besonders, welches den Grad der Zuverlaͤßigkeit angiebt, und zeiget, wie weit man das gefundene gebrauchen kann, ist nun immer von mehrerer Erheblichkeit. Denn seit der Erfindung der Buchstabenrechnung hat man sich, um die Rechnung leichter zu machen, oder auch gar nur um eine wenigstens beylaͤufige Rechnung vornehmen zu koͤnnen, schon so sehr an solche Naͤhe- rungen gewoͤhnt, daß man bey etwas weitlaͤuftigern Rechnungen die kleinern Quantitaͤten weglaͤßt, und sich eben nicht immer umsieht, ob nicht durch so haͤu- figes Weglassen endlich die Summe alles weggelasse- nen betraͤchtlich geworden sey, so, daß man sich, anstatt der wahren Groͤße naͤher zu kommen, in der That davon entfernet hat. §. 854. Wir werden daher die Begriffe der Schranken und der Naͤherung hier in ihrer groͤßern Ausdehnung be- trachten, um das, was sie in jedem Fall auf sich ha- ben, umstaͤndlicher aus einander zu setzen. Man sieht uͤberhaupt leicht, daß es hiebey auf den Grad der Genauigkeit ankoͤmmt, den man erhalten will. Und Die Schranken. Und dieses hat den Erfolg, daß, weil sich oͤfters die Genauigkeit und Leichtigkeit der Berechnung gar nicht beysammen finden, diese beyden Absichten, so gegen einander muͤssen proportionirt werden, daß man das, so man nur beylaͤufig zu wissen verlanget, eben nicht muͤhsam suchen duͤrfe, und daß man sich hingegen etwas mehr Muͤhe gefallen lasse, wo man die gesuch- te Groͤße schaͤrfer bestimmt haben will. Die Anwei- sung, auch da, wo man nach aller Schaͤrfe rechnen koͤnnte, einen beylaͤufigen Ueberschlag zu ma- chen, hat aus diesem Grunde ihre Vortheile, weil man lange nicht immer alles bis aufs genaueste zu wissen noͤthig hat, und oͤfters erst sich durch einen sol- chen Ueberschlag versichern will, ob es allenfalls der Muͤhe lohnen wuͤrde, die Rechnung genauer anzu- stellen, und sich um alle einzele dazu gehoͤrende Da- ta und Regeln umzusehen. Auf diese Art begnuͤget man sich z. E. in vielen Faͤllen mit dem Augenmaaße, oder man mißt eine Laͤnge mit Spannen oder Schrit- ten aus. Eben so setzet man, der Sinus eines Win- kels von 30, 20, 15, 10, 5 Graden sey \frac {1} {2} . ⅓. ¼. ⅙. \frac {1} {12} . des Halbmessers, der Diameter verhalte sich zum Umkreise wie 1 zu 3, oder genauer wie 7 zu 22. Jn der Astronomie, und selbst auch zur Berechnung der Festtage des julianischen und gregorianischen Calen- ders gebraucht man den Sonnencircul, die guͤldene Zahl und die Epacten, und in sehr vielen Faͤllen ge- braucht man statt der Rechnungen eine Construction. §. 855. Man sieht aus diesen Beyspielen, daß die Bestim- mung der Schranken und die Naͤherung selbst auch in der reinen Mathematic vorkoͤmmt. Die erste Art, wie man dabey verfaͤhrt, ist, wenn man, um Lamb. Archit. II. B. H h zu XXX. Hauptstuͤck. zu beweisen, daß A = B sey, beweist, daß A weder groͤßer noch kleiner als B seyn koͤnne. Denn in die- sem Fall treffen die Schranken, innert welchen die fuͤrgegebene Groͤße seyn muß, vollkommen zusammen. Euclid bedienet sich dieser Art, eine voͤllige Gleich- heit zu beweisen, sehr oft, und besonders bey den Saͤ- tzen, daß Pyramiden von gleicher Hoͤhe und gleichen Grundflaͤchen einander gleich sind ( Prop. V. Libr. XII. ) und daß sich die Flaͤchenraͤume der Circul wie die Quadrate ihrer Diameter verhalten ( Prop. II. Libr. XII. ) daß ein Kegel der dritte Theil des Cylinders sey, der mit demselben gleiche Grundflaͤche und gleiche Hoͤhe hat ( Prop. X. Libr. XII. ) ꝛc. Die andere Art hat Ar- chimedes vornehmlich in die Geometrie eingefuͤhrt, indem er dadurch, daß der Circul groͤßer als die in denselben beschriebene, kleiner aber als die um den- selben beschriebene Vielecke seyn, den Jnhalt des Circuls zu berechnen suchte. Er nahm daher Viel- ecke von so vielen Seiten an, daß der Unterschied zwischen dem Jnhalt von beyden unmerklich wurde, und erhielt nach der angenommenen Zahl der Seiten und nach der damaligen Art, ohne Decimalbruͤche zu rechnen, die Verhaͤltniß des Diameters zum Um- kreise wie 7 zu 22, welche den Umkreis um etwas zu groß giebt, weil dieser, wenn der Diameter = 1 ist, = 3 + \frac {1} {7} - \frac {1} {800} - \frac {1} {70000} - \frac {1} {5000000} - ꝛc. muß ge- setzt werden, oder auf eine andere Art ausgedruͤcket = 3 + \frac {1} {7} - \frac {1}{7} \cdot 113 - \frac {1} {7 \cdot 113 \cdot 4739} + \frac {1} {7 \cdot 113 \cdot 4739 \cdot 47051} + \frac {1} {7 \cdot 113 \cdot 4739 \cdot 47051 \cdot 499762} - ꝛc. ist. Von welcher letztern Reihe die drey erstern Glieder 3 + \frac {1} {7} - \frac {1} {7 \cdot 113}= \frac {355} {113} sind, und folglich die metianische Ver- haͤltniß geben, welche, wie es auch aus dieser Reihe er- hellet, unter den kleinern Verhaͤltnissen die genaueste ist. §. 856. Die Schranken. §. 856. Seit der Erfindung der Decimalzahlen und der Buchstabenrechnung hat man sich noch mehr darauf beflissen, solche Groͤßen, die nicht genau ausgedruͤckt werden koͤnnen, durch unendliche Reihen vorzustellen, wovon man sodann, wenn sie convergiren, die letz- ten Glieder saͤmtlich weglassen, und von den ersten so viele behalten kann, als man zu jeder Absicht noͤthig erachtet. Die Decimalreihen stellen nun solche Groͤ- ßen vor, die zu ihrer Einheit ein durchaus bestimm- tes Verhaͤltniß haben, und weder durch ganze Zah- len noch durch rationale Bruͤche ausgedruͤckt werden koͤnnen, und in diesem Fall sind dieselben nicht nur unendlich, sondern die Ziffern darinn haben auch durchaus keine locale Ordnung (§. 328.). Man hat daher die brauchbarsten davon, dergleichen der Um- kreis des Circuls, die Sinus, Tangenten und Se- canten, die Logarithmen ꝛc. sind, bis auf solche klei- ne Decimaltheile ausgerechnet, daß der Fall, wo man sie noch genauer gebraucht, selten vorkoͤmmt. Und dieses ist es auch alles, was man dabey thun konnte, weil man sie doch niemal vollkommen genau haben kann. Da aber solche Zahlen aus sehr vielen Ziffern bestehen, so hat man auch darauf gedacht, sie durch Bruͤche, die aus kleinern Zahlen bestehen, dennoch ziemlich genau auszudruͤcken, und dazu hat man verschiedene sehr allgemeine Mittel gefunden. Von dieser Art sind z. E. fuͤr den Umkreis des Cir- culs die Bruͤche \frac {3} {1} , \frac {22} {7} , \frac {333} {106} , \frac {355} {113} ꝛc. fuͤr die Cir- culflaͤche die Bruͤche \frac {3} {4} , \frac {4} {5} , \frac {7} {9} , \frac {11} {14} , \frac {172} {219} , \frac {355} {452} ꝛc. fuͤr den koͤrperlichen Raum der Kugel \frac {1} {2} , \frac {11} {21} , \frac {111} {212} , \frac {122} {233} , \frac {233} {445} , \frac {355} {678} ꝛc. Da man aber bey diesen Bruͤ- chen multipliciren und dividiren muß, so kann man statt eines Bruches etliche finden, bey welchen schlecht- H h 2 hin XXX. Hauptstuͤck. hin nur zu dividiren ist. Von dieser Art sind die zwo vorhin (§. 855.) fuͤr den Umkreis des Circuls an- gegebenen Reihen von Bruͤchen, wovon die erstere in Absicht auf das Dividiren bequem faͤllt, letztere aber unter allen solchen Reihen diejenige ist, die am ge- schwindesten convergirt, und wobey jedes Glied aus dem naͤchst vorhergehenden gefunden wird. Man kann sich auch mehrentheils mit den drey erstern be- gnuͤgen, weil das vierte Glied \frac {1} {7 \cdot 113 \cdot 4799} = \frac {1} {3748549} ist. Einen solchen Theil des Diameters aber kann man mehrentheils weglassen. Behaͤlt man aber dieses vierte Glied, so ist das folgende noch 47051 mal kleiner, und da geschieht es selten, daß man auch die- ses noch mitnehmen muͤßte. Uebrigens ist fuͤr sich klar, daß man solche Bruͤche vornehmlich da ge- braucht, wo der Umkreis in Decimalzahlen gesucht wird. Denn eben dazu sind sie so auseinander gesetzt. §. 857. Wo man aber andere Reihen hat, da ist man ebenfalls darauf bedacht, dieselben, so viel es sich thun laͤßt, convergiren zu machen, und auch dazu hat man bereits schon viele Kunstgriffe ausgefunden, weil bald jede Art von Reihen hierinn etwas besonde- res hat. Man aͤndert aber gewoͤhnlich entweder die Groͤße, nach deren Dimensionen die Glieder der Rei- he fortgehen, oder man zieht die Reihe von einer an- dern ab, deren Summe bekannt ist, und welche un- gefaͤhr gleich viel convergirt, oder man setzet die Summe der Reihe einem Bruche (a + bx) : (c + dx) gleich, den man durch die Division in eine Reihe verwandelt, und die Coefficienten a, b, c, d so be- stimmt, daß die ersten Glieder dieser Reihe den er- sten Gliedern der fuͤrgegebenen Reihe gleich werden, und Die Schranken. und die folgenden weggelassen werden koͤnnen. So z. E. wird, wenn der Halbmesser = 1 ist, der Bo- gen sehr genau durch \frac {sin v (3 - \frac {1} {5} (1 - cos v))} {3} - \frac {6} {5} (1 - cos v) = \frac {14 sin v + sin v \cdot cos v} {9 + 6 cos v} = \frac {28 sin v + sin 2 v} {18 + 12 cos v} ausge- druͤcket, und vermittelst der ersten dieser drey For- meln leicht construirt werden koͤnnen. Es geben aber diese Formeln, wenn sie durch den Bogen v ausgedruͤckt werden, anstatt v eine Reihe, deren zwey erste Glieder v - \frac {1} {2100} v^7 sind, und folglich koͤnnen sie, wo man den \frac {1} {2100} Theil der siebenden Dignitaͤt des Bogens nichts zu achten hat, sicher ge- braucht werden. Man wird eben so, wiewohl nicht so genau den Bogen v = \frac {2 sin v + tang v} {3} setzen koͤn- ken. Denn dieser Ausdruck giebt v + \frac {1} {20} v^5 + \frac {1} {56} v^7 + ꝛc. woraus man sieht, daß man denselben nur da ge- brauchen kann, wo \frac {1} {20} v^5 nichts zu achten ist. Man findet eben so \log (a + x) = \log a + 2x : (2a + x) und dieser Ausdruck weicht von dem wahren um ( \frac {1} {12} x^3 : a^3 ) ab. So findet man auch, wenn \sqrt (AA + B) = x = A + y gesetzt wird, die Glei- chung y^2 + 2Ay = B , und aus dieser y = B : (2A + y) daher durch ein fortgesetztes substituiren: woraus man fuͤr die Quadratwurzel von AA + B stuf- fenweise genauere Bruͤche herleiten kann. Fuͤr die Cu- H h 3 bicwurzel XXX. Hauptstuͤck. bicwurzel von a^3 + b findet man ebenfalls a + \frac {a b} {3} a^3 + b , welcher Ausdruck von dem wahren nur um \frac {2 a b^3} {81 a^9 + 27 b a^6} abweicht. §. 858. Man hat aber bey den unendlichen Reihen, deren Form gemeiniglich y = a + bx m + cx m+n + dx m+2n + ex m+3n + ꝛc. ist auf eine gedoppelte Art des Con- vergirens zu sehen. Denn einmal koͤnnen die Coeffi- cienten a, b, c, d, e, ꝛc. Bruͤche seyn, davon jeder folgende dergestalt kleiner wird, daß sie immer we- niger von 0 unterschieden sind. Sodann kann auch die geometrische Progreßion x m , x m+n , x m+2n , ꝛc. sich ins unendlich kleine verlieren. Dieses letztere haͤngt an sich betrachtet davon ab, ob x groͤßer oder kleiner als 1 ist, und ob m und besonders n positiv ist. Nimmt nun diese Progreßion zu, so muͤssen die Coefficienten noch staͤrker als dieselbe abnehmen, wenn die Reihe convergirend seyn solle, wie es z. E. in den Reihen y = v - \frac {1} {2 \cdot 3} v^3 + \frac {1} {2 \cdot3 \cdot 4\ cdot5 v^5} - ꝛc., x = 1 - \frac {1} {2} v^2 + \frac {1} {2 \cdot 3 \cdot 4 v^4} - ꝛc. z = 1 + v + \frac {1} {2} v^2 + \frac {1} {2 \cdot 3 v^3 + \frac {1} {2 \cdot 3 \cdot 4 v^4 + ꝛc. geschieht, wo in den bey- den erstern v ein Circulbogen, y dessen Sinus und x dessen Cosinus ist, in der letztern aber v einen Loga- rithmus und z die demselben zugehoͤrende Zahl vor- stellet, und welche saͤmtlich convergirend bleiben, so groß man auch v annehmen will. Nimmt hingegen die geometrische Progreßion x m , x m+n , x m+2n , ꝛc. ab, so muͤssen die Coefficienten a, b, c, d ꝛc. wenig- stens nicht staͤrker zunehmen, und sie muͤssen selbst noch Die Schranken. noch merklich abnehmen, wenn der Fall, wo x = 1 ist, auch noch so convergirend bleiben soll, daß man eben nicht die ganze Reihe berechnen muͤsse, um die Summe ziemlich genau zu haben, wenn anders die- selbe nicht unendlich ist. §. 859. Man sieht aber vornehmlich darauf, daß die Coef- ficienten stark convergiren, und dieses erhaͤlt man nun nach der Art, wie solche Reihe theils durch die Ausziehung der Wurzeln, theils durch die Division, und theils durch das Jntegriren gefunden werden, gewoͤhnlich nur fuͤr die Coefficienten der ersten Glieder der Reihen, weil die folgenden anstatt noch schneller abzunehmen, gemeiniglich langsamer abnehmen. Sol- len nun solche Reihen in andere verwandelt werden, die staͤrker convergiren, so hat man vornehmlich dar- auf zu sehen, daß die Werthe der folgenden Glieder, wo nicht ganz, doch wenigstens groͤßtentheils in die vorhergehenden gezogen werden. Um dieses durch ein sehr allgemeines Beyspiel zu erlaͤutern, so setze man die Reihe z = \frac {c} {a} x^n - \frac {c + d} {a + b} x^n + m + \frac {c + 2d} {a + 2b} x^n + 2m - \frac {c + 3d} {a + 3b} x^n + 3m + ꝛc. in welcher die Coefficienten oͤf- ters so viel als gar nicht convergiren. Man nehme nun folgende Reihe an: ꝛc. Wird nun diese durch die wirkliche Division aufge- loͤset, so erhaͤlt man H h 4 Z = XXX. Hauptstuͤck. Diese Reihe kann nun mit der fuͤrgegebenen verglichen werden, um die Coefficienten A, B, C ꝛc. zu bestimmen. Und da erhaͤlt man nach angestellter Rechnung folgende Reihe, wenn man Kuͤrze halber 1 + x m = y setzet Diese Reihe convergirt nun desto geschwinder, je lang- samer die erste convergirt. Man setze z. E. welche Reihe die Leibnitzische von dem ein und funf- zigsten Gliede an ist, so findet sich, wenn man diese mit der ersten vergleicht, x = 1, c = 1, d = 0, a = 101, b = 2, y = 2, und folglich vermittelst der gefundenen Reihe Diese Die Schranken. Diese Reihe convergirt nun so, daß sie sich einer geo- metrischen Progression naͤhert, in welcher jedes fol- gende Glied die Haͤlfte des vorhergehenden ist, dabey aber staͤrker als diese convergirt. §. 860. Will man hingegen statt einer Reihe einen einfa- chern Ausdruck haben, welcher die Summe der Rei- he ziemlich genau angebe, so kann dieses vermittelst eines Bruches geschehen, der sich auf folgende Art finden laͤßt. Es sey z. E. die Reihe man multiplicire dieselbe mit einer Reihe z = 1 + Ab : a + Bb^2 : a^2 + Cb^3 : a^3 + ꝛc. von einer beliebigen Anzahl von Gliedern: so hat man Jn diesem Producte werden nun einige der ersten Co- lumnen gelassen, von den folgenden aber der Ordnung nach so viele = 0 gesetzt, als man Coefficienten A, B, C ꝛc. angenommen hat. Wir wollen Kuͤrze halber, und um den herauskommenden Bruch einfacher zu H h 5 machen, XXX. Hauptstuͤck. machen, den einigen Coefficienten A beybehalten, und in diesem Producte die dritte Columne = 0 setzen, so ist B = C = 0 , und n \cdot \frac {n - 1} {2} + A \cdot n = 0 folglich A = - \frac {n - 1} {2} Wird nun dieser Werth substituirt, so ist das Product und Behaͤlt man nun in dem Producte nur die zwey er- sten Glieder, so erhaͤlt man oder Dieser Ausdruck weicht von dem Wahren um \frac {n \cdot n - 1 \cdot n + 1 \cdot a^n - 2 b^3} {C (2a - (n - 1) b)} ab. Man sieht leicht, daß derselbe eigentlich zu der Ausziehung der Wurzeln dienen soll. Setzet man demnach n der Ordnung nach =\frac {1} {2}, ⅓, ¼ ꝛc. so erhaͤlt man \sqrt {(a + b)} Die Schranken. ꝛc. So z. E. findet man fuͤr \sqrt [5] 40 den Bruch \frac {23} {11} . Denn man setze 40 = 32 + 8, so ist 32 = a , 8 = b , und , folglich Es ist aber \frac {23} {11} = 2, 09091 der wahre Werth \sqrt [5] 40= 2, 09128 folglich der Unterschied = 0, 00037 §. 861. Man gebraucht uͤberhaupt solche Methoden, den Werth einer Groͤße durch Naͤherung zu finden, oder den- selben ziemlich genau auszudruͤcken, wo man den wah- ren Werth derselben entweder gar nicht, oder nur durch sehr weitlaͤuftige Rechnungen finden kann, und dabey suchet man daher auch vornehmlich, daß die Naͤhe- rung XXX. Hauptstuͤck. rung eben nicht muͤhsam sey. Da man uͤberhaupt die Aufloͤsung der Gleichungen, die uͤber den vierten Grad sind, noch nicht hat auf allgemeine Regeln bringen koͤnnen, so hat man sich besonders auch Muͤ- he gegeben, die Wurzeln derselben durch Naͤherung zu finden. Von den hiezu dienenden Methoden wird folgende die allgemeinste seyn. Es sey die Gleichung o = x n - ax n - 1 + bx n - 2 - + r. x 2 - qx + p. so ist in der Formel die Quantitaͤt y so beschaffen, daß, wie man sie auch immer annimmt, der dadurch gefundene Werth z, der einen der Wurzeln x naͤher koͤmmt, und zwar derjenigen, welcher der fuͤr y angenommene Werth an sich schon am naͤchsten ist, die Faͤlle ausgenom- men, wo man fuͤr y eine solche Zahl setzet, da der Theiler der Formel = 0 wird. Man setze z. E. x^2 - 5 x + 6 = 0 , so ist a = 5, b = 6, und z = \frac {y^2 - 6} {2y - 5} Hier wuͤrde nun z unendlich, wenn man y = 2 \frac {1} {2} se- tzen wollte. Setzet man nun y = 10, welches offen- bar zu groß ist, so findet sich z = \frac {94} {15} , und folg- lich etwas mehr als 6. Man setze y = 6, so ist z = \frac {30} {7} = 4 \frac {2} {7} . Macht man y = 4, so ist z = \frac {10} {3} = 3 \frac {1} {3} Bis dahin ist z noch immer kleiner als y. Setzet man aber y = 2¾, so ist z = 3⅛, und demnach groͤ- ßer als y, welches eine Anzeige ist, die eine Wurzel muͤsse zwischen 2¾ und 4 fallen. Setzet man dem- nach y = 3, so ist auch z = 3, und folglich ist 3 die eine der Wurzeln, und zwar die groͤßere. Man setze nun Die Schranken. nun y = 0, so hat man z = 1⅕. Man setze y = 1, so ist z = 1⅔, und folglich noch immer groͤßer als y. Setzet man aber y = 2¼, so erhaͤlt man z = 1⅞, wel- ches nun kleiner als y ist. Demnach faͤllt die andere Wurzel zwischen 1 und 2¼. Man setze nun y = 2, so ist ebenfalls auch z = 2. Und dieses ist demnach die andere Wurzel. §. 862. Die Jntegralrechnung und dabey die Quadratur und Rectification der krummen Linie, hat ebenfalls haͤufigen Anlaß zu Naͤherungen gegeben, es sey, daß man diese vor dem Jntegriren vorgenommen, um die Formeln geschmeidig und integrabel zu machen, oder daß man es nachher wegen bequemerer Anwen- dung gethan. Sofern man sich, wie es in sehr vie- len Faͤllen hinreichend ist, mit einer Construction be- gnuͤgen kann, giebt es hiebey sehr allgemeine Me- thoden, sowohl den Raum einer krummen Linie, als deren Laͤnge zu finden. Jn Ansehung des Raumes beschreibt man in dieselbe ein geradelinichtes Vieleck, dergestalt, daß jede Chorde einen Bogen abschneidet, der als ein Stuͤck des Kruͤmmungskreises, oder auch als ein Stuͤck einer Parabel angesehen werden kann. Der Jnhalt des Vieleckes kann nun fuͤr sich berechnet werden. Man hat daher nur noch den Jnhalt der Segmente oder Abschnitte der krummen Linie zu fin- den. Zu diesem Ende ziehe man mit jeder Chorde eine Parallellinie, welche die krumme Linie beruͤhre, und messe die Distanz derselben von der Chorde. Wird nun diese Distanz mit ⅔ von der Laͤnge der Chorde multiplicirt, so giebt das Product den Jn- halt des Abschnittes, welchen man folglich zu dem Jnhalte des Vieleckes addirt oder davon subtrahirt, je XXX. Hauptstuͤck. je nach dem das Segment außer oder in dasselbe faͤllt. Der Grund von dieser Art zu verfahren ist dieser, daß alle parabolische Segmente, welche auf eben der Chorde stehen, und die mit dieser Chorde parallel- gezogene Linie beruͤhren, den hier angegebenen Jn- halt haben, und daß man folglich diejenige waͤhlen kann, welche von der vorgegebenen krummen Linie zwischen den beyden Enden der Chorde unter allen am wenigsten abweicht. Um desto genauer ist demnach der hier angegebene Jnhalt. §. 863. Sind hingegen von solchen kleinern Stuͤcken einer krummen Linie Abscissen und Ordinaten gegeben, so lassen sich die Segmente oder ihr Flaͤchenraum fol- gender Maaßen berechnen. Es seyn drey Abscissen A, B, C, die dazu gehoͤrenden und darauf senkrechten Ordinaten D, E, F. Man setze nun B - A = a C - A = b E - D = e F - D = d so wird der Jnhalt des Segmentes beynahe s = \frac {dd (bc - ad)} {6 c \cdot (d - c)} seyn. Es ist aber diese Formel nicht uͤberhaupt so genau als die erst angegebene Construction, weil sie sich auf eingeschraͤnktere Bedingungen gruͤndet. Denn es ist dabey angenommen, das Stuͤck der krummen Linie sey von einer Parabel, deren Axe mit den Ab- scissen parallel laufe. Diese Voraussetzung schraͤnket daher die Formel, uͤberhaupt betrachtet, auf kleinere Bogen ein. Sofern man aber die Abscissen nach Belieben ziehen kann, koͤnnen sie dieser Bedingung gemaͤß Die Schranken. gemaͤß gezogen werden, und da geht die Formel auch noch bey groͤßern Segmenten an. §. 864. Die Rectification der krummen Linien wird selte- ner gebraucht. Es hat sie aber Joh. Bernoulli angerathen, in dem er gewiesen, wie man die Jnte- grationen darauf reduciren koͤnne, und zwar gab er dieses als einen Vortheil an, weil die Laͤnge einer krummen Linie sehr leicht mittelst der Umspannung eines Fadens gemessen werden koͤnne. Man kann eben so den Cirkel darauf herum tragen, wenn man solche kleine Stuͤcke fasset, die kaum zwey oder drey Grade Kruͤmmung haben. Denn so ist die Chorde eines Bogens von vier Graden kaum um \frac {1} {5000} , und die von drey Graden kaum um \frac {1} {8700} kleiner als der Bogen. Und auf so kleine Unterscheide kann man bey den Constructionen, wenn sie nicht in sehr gro- ßen Figuren gemacht werden, nicht sehen. Leibnitz hingegen schlug den Kruͤmmungskreis zur Bestim- mung der Laͤnge von den Bogen krummer Linien vor. So lange nun dieser von der Linie nicht sichtbar ab- weicht, lassen sich die vorhin (§. 857.) fuͤr die Laͤnge der Cirkelbogen angegebenen Formeln und Constru- ction gebrauchen, und es ist eben nicht ganz unmoͤg- lich, vermittelst der um die krumme Linie und in der- selben gezogenen Chorden und Tangenten die Laͤnge derselben durch Construction zu bestimmen. Wenn die Kruͤmmung des Bogens einfoͤrmig und nicht uͤber zehn bis funfzehn Grade ist, so lassen sich von den beyden Enden der Chorde Tangenten ziehen, welche zugleich mit der Chorde einen Triangel bilden. Ad- dirt man nun die Laͤnge der Chorde doppelt genom- men zu der Summe der beyden Tangenten oder Sei- ten XXX. Hauptstuͤck. ten dieses Triangels, so wird der ⅓ Theil der heraus kommenden Summe sehr genau die Laͤnge des Bo- gens angeben. Der allgemeine Beweis dieses Sa- tzes laͤßt sich hier nicht wohl anbringen. Wir mer- ken daher nur an, daß, wo bey einer fuͤrgegebenen krummen Linie ein Wendungspunct vorkoͤmmt, die hier angegebenen Regeln (§. 862. seqq. ) bey dem Stuͤ- cke der Linie, wo derselbe vorkoͤmmt, nicht angehen, weil bey diesem Puncte die Linie ehender fuͤr gerade als fuͤr ein Stuͤck eines Circuls oder Parabel kann angesehen werden, (§. 843.) §. 865. Ungeachtet man die Constructionen uͤberhaupt vor sehr unzuverlaͤßig ansieht, und daher in den meisten Faͤllen denselben die Berechnung, auch wenn diese ungleich muͤhsamer ist, vorzieht, weil man dadurch alles viel schaͤrfer finden kann; so geschieht es doch oͤf- ters, daß man sich mit der Construction gar wohl genuͤgen lassen koͤnnte, und zwar nicht nur, wo man die Sache nur beylaͤufig zu wissen verlanget, sondern wo die Genauigkeit, die man durch die Berechnung zu erhalten sucht, nur ertraͤumet ist. Die Faͤlle, wo dieses geschieht, sind diejenigen, wo die Data zur Rechnung aus Observationen und Versuchen gefun- den werden muͤssen, oder aus denselben genommen sind. Kann man nun hiebey genauer construiren, als man hat beobachten koͤnnen; so ist die Constructi- on nicht nur scharf genug, sondern sie legt gewoͤhnlich auch alles, was in den Rechnungen verstecket wird, vor Augen, zumal da sich die oben (§. 842.) erwaͤhnte Methode dabey anwenden laͤßt. Man setze z. E. ein Micrometer, mit dem sich nur \nicefrac {1} {2} oder ⅓ Minuten eines Grades unterscheiden lassen, so werden alle Be- obachtun- Die Schranken. obachtungen, die man mit demselben bey Sonnen- und Mondsfinsternissen anstellet, auf einem Risse von mittelmaͤßiger Groͤße construirt werden koͤnnen. Koͤmmt dabey noch der Umstand hinzu, daß man Zeiten von 10, 15, 20 Secunden in die Rechnung zie- hen, und damit multipliciren und dividiren muͤßte, so hat man sich, weil sich eine halbe Secunde nicht wohl beobachten laͤßt, zu Fehlern zu versehen, die sich auf ein \frac {1} {10} , \frac {1} {15} , \frac {1} {20} des Ganzen belaufen. Die Construction ist nun nicht nur leicht eben so genau, sondern kann auch mehrentheils gebraucht werden, zu beurtheilen, woher solche Unrichtigkeiten kommen, zumal wo alle Stuͤcke der Observation construirt wer- den. Jn vielen Faͤllen kann es auch geschehen, daß man einen Theil construirt, und das uͤbrige sodann berechnet. Man muß aber, wo man diesen Unter- schied macht, richtig beurtheilen koͤnnen, wie derselbe zu treffen ist. So z. E. lassen sich etwann durch die Construction die zuverlaͤßigern Observationen erken- nen, wo man deren mehrere angestellet hat, und diese koͤnnen sodann zum Grunde der Rechnung gelegt wer- den, oder, wenn man aus denen durch die Constru- ction gefundenen Groͤßen das Mittel zu nehmen hat, so wird jede derselben auf den Maaßstab getragen, um sie in Zahlen zu haben, weil sich aus diesen so- dann das Mittel bis auf kleinere Theile berechnen laͤßt; und diese kann man nunmehr suchen, weil man uͤberhaupt ein solches Mittel fuͤr das Zuverlaͤßigste haͤlt. §. 866. Man gebraucht ferner die Theorie der Schranken, zwischen welchen eine Groͤße faͤllt, wo zur voͤlligen Bestimmung derselben noch ein Datum fehlt, und in dieser Absicht hat die Theorie der Schranken so Lamb. Archit. II. B. J i wohl XXX. Hauptstuͤck. wohl ihre besondere Gruͤnde als ihren Nutzen. Die zween Saͤtze, die man dabey immer heraus bringet, haben die Form, daß x nicht groͤßer seyn koͤnne als a , und nicht kleiner als b. Man sieht leicht, daß der Beweis solcher Saͤtze so beschaffen ist, daß man das Gegentheil aufs unmoͤgliche bringt, welches heraus kommen wuͤrde, wenn man x groͤßer als a , und klei- ner als b setzen wollte. Dieses Unmoͤgliche ist nun entweder schlechterdings unmoͤglich, wie z. E. wenn man in dem Ausdrucke \sqrt {(aa - xx)} das x groͤßer als a setzen wollte; oder wenn man wollte eine Groͤße ne- gativ annehmen, die vermoͤge der Bedingungen der Aufgabe positiv seyn muß, oder es laͤuft wider die Erfahrung, wie z. E. wenn man setzen wollte, daß A , wenn es von B bedecket wird, naͤher als B sey, oder das z. E. die Venus, wenn sie von der Sonne ganz beleuchtet wird, zwischen der Sonne und der Erde, das will sagen, der Erde naͤher sey als die Sonne. §. 867. Man muß nun zu solchen Beweisen immer so viele Data haben, als zu Bestimmung der Schranken er- fordert werden. Demnach muͤssen in der Gleichung, die man zur Bestimmung der Groͤße findet, noch zwey Stuͤcke unbekannt seyn. Findet sich nun, daß eines dieser Stuͤcke zwischen gewissen Schranken ist, so lassen sich auch die Schranken bestimmen, zwischen welchen das andere seyn muß. Man sieht demnach die beyden Stuͤcke als veraͤnderlich an, und da ist mehrentheils die Gleichung so beschaffen, daß sich ein maximum oder minimum finden laͤßt, welches folg- lich auf eine bloß analytische Art Schranken angiebt. So z. E. wenn man observirt, wie viele Grade ein Comet von der Sonne entfernt ist, so kann man bloß dadurch Die Schranken. dadurch den kleinsten moͤglichen Abstand desselben von der Sonne finden, so oft der Entfernungsbogen nicht uͤber 90 Grade ist. Denn dieser kleinste Abstand ist die Perpendicularlinie, welche aus der Sonne auf die Linie faͤllt, die von der Erde durch den Come- ten geht. §. 868. Außer diesem Fall, wo ein Maximum oder Mini- mum vorkoͤmmt, kann es auch solche geben, wo man den Satz gebrauchen kann, daß eine Groͤße nicht groͤßer als unendlich seyn koͤnne. Dabey koͤmmt nun etwas asymtotisches vor. So z. E. wenn man die Gleichung x^2 = a : y + b hat; so sieht man leicht, daß wenn y unendlich ist, sodann x^2 = b sey. Weiß man nun ohnehin, daß y in dem fuͤrgegebenen Fall positiv ist, so weiß man auch, daß x nicht kleiner als \sqrt {b} seyn koͤnne. Kann hingegen y negativ seyn, so wird x = \sqrt {(b - a : y)} und da muß y groͤßer als b : a bleiben. Newton hat sich dieses Umstandes bedient, um aus der scheinbaren Laͤnge des Schweifes eines Cometen und dessen Entfernung von der Sonne den groͤßten moͤglichen Abstand des Cometen von der Er- de zu bestimmen. Man weiß, daß der Schweif des Cometen von der Sonne gerade weggekehrt ist. Setzt man nun, derselbe sey unendlich lang, so laͤßt sich aus den beyden beobachteten Winkeln der Ort des Cometen finden, wo derselbe in solchem Fall seyn muͤßte, und die dadurch gefundene Entfernung ist die groͤßte moͤgliche. Uebrigens laͤßt sich diese Bestim- mung nur da mit Vortheil gebrauchen, wo der Co- met wenige Grade von der Sonne entfernt, und die Laͤnge des Schweifes von vielen Graden ist. J i 2 §. 869. XXX. Hauptstuͤck. §. 869. Auf eine aͤhnliche Art laͤßt sich auch oͤfters der Satz gebrauchen, daß der Theil nicht groͤßer seyn koͤnne, als das Ganze. So z. E. wenn man annimmt, daß der Mond alles Licht der Sonne zuruͤcke werfe, so fin- det sichs, daß der volle Mond nur \frac {1} {69250} Theil von der Helligkeit der Sonne habe, und dieses ist die groͤßte moͤgliche, weil der Mond nicht mehr Licht zu- ruͤcke werfen kann, als von der Sonne auf denselben faͤllt. Daß aber in der That nicht alles zuruͤcke ge- worfen wird, laͤßt sich nothwendig aus den Flecken des Mondes schließen, und wenn die Koͤrper auf dem Monde nicht alle viel weißer sind, als die auf der Er- de, so wird die Helligkeit des Vollmondes noch gut 7 mal kleiner, und daher kaum \frac {1} {500000} Theil von der Helligkeit der Sonne seyn. §. 870. Zuweilen findet sich auch, wie viel eine Groͤße zum meisten oder zum wenigsten betragen mag, weil sichs, wenn sie kleiner oder groͤßer waͤre, Proben davon muͤßten finden lassen. So z. E. kann man aus die- sem Grunde schließen, daß die von Huygens ange- gebene Entfernung des Sirius zu klein sey, wenn er sie durch einen mehr sinnreichen als zuverlaͤßigen Ver- such 27664 mal groͤßer als die Entfernung der Sonne von der Erde setzt. Denn dieses wuͤrde die jaͤhrliche Parallaxe desselben von 10 Secunden geben, da hin- gegen Bradley durch seine genaue Beobachtungen durch die er die Aberration des Lichtes und die Nuta- tion der Erdaxe bestimmt hat, versichert, daß er ei- ne Parallaxe, wenn sie uͤber eine Secunde gewesen waͤre, wuͤrde haben beobachten koͤnnen. Man kann daher aus diesem Grunde setzen, die Fixsterne muͤs- sen Die Schranken. sen uͤber 400000 mal weiter entfernet seyn, als die Sonne. §. 871. Endlich lassen sich die Schranken, innert welchen eine veraͤnderliche Groͤße bleibt, oͤfters auch durch Be- obachtungen bestimmen. So z. E. mißt man die groͤßte Entfernung der untern Planeten von der Son- ne durch angestellte Beobachtungen wirklich aus, und dadurch lassen sich Linien bestimmen, welche die Bahn derselben beruͤhren. Man kann auf eben diese Art in Ansehung des zodiacallichtes verfahren, weil seine Figur nicht circulaͤr, sondern elliptisch ist. Auf eine aͤhnliche Art lassen sich aus vieljaͤhrigen Beobachtun- gen die groͤßten und kleinsten Barometerhoͤhen fuͤr je- den Monat bestimmen, und man wird die groͤßten und mittlern monatliche Veraͤnderungen derselben des Sommers nur halb so groß als des Winters finden. Ein und dreyßigstes Hauptstuͤck. Das Zahlengebaͤude . §. 872. W ir haben nun noch die Groͤße an sich zu betrach- ten, und zwar in so fern sie theils durch Zah- len und Zeichen, theils durch Linien und Figuren vor- gestellet wird. Das erste, was sich hiebey zu unter- suchen darbeut, ist das Zahlengebaͤude, dessen wis- senschaftliche Structur wir den Arabern zu danken ha- ben. Die Griechen und die orientalischen Voͤlker ge- brauchten ihr Alphabet, um die Zahlen vorzustellen, und die Roͤmer begnuͤgten sich mit den Buchstaben J i 3 M , XXXI. Hauptstuͤck. M, D, C, L, X, V, I , welche gleichsam das we- sentliche des Zahlengebaͤudes enthalten, und womit sich noch ziemlich hurtig und methodisch rechnen laͤßt. Es giebt auch dermalen noch eine Menge Leute, die nicht anderst als mit ihren I, V, X rechnen koͤnnen. Jhre Rechnungen erstrecken sich aber auch nicht viel weiter. Man hat hingegen an dem arabischen Zah- lengebaͤude, welches nach 1, 10, 100, 1000 ꝛc. fort- geht, und die Bedeutung der Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 durch die bloße Anzeige der Stelle in 10, 20, 30, 40 ꝛc. oder in 100, 200, 300 ꝛc. oder in 1000, 2000, 3000 ꝛc. verwandelt, und daraus sodann jede Zahlen, z. E. 34, 546, 8725 ꝛc. zusammensetzt, eine solche Vollkommenheit der Einrichtung gefunden, daß man schwerlich mehr davon abgehen wird, zumal da die Gewohnheit, nach 10, 100, 1000 ꝛc. zu zaͤhlen, durchgaͤngig ist, und die Sprachen schon ganz dazu eingerichtet sind. Das willkuͤhrliche dabey wird gleichsam vergessen, oder nur wie fuͤr die lange Weile angemerket. Dieses hat nun bereits Aristoteles gethan, indem er die Frage aufwarf, warum alle, auch selbst die barbarische Voͤlker darinn uͤber- ein kommen, daß sie bis auf 10 zaͤhlen, und so- dann wie von neuem anfangen? Aristoteles be- antwortete diese Frage nur durch andere Fragen, statt deren er die letzte schlechthin haͤtte bejahen koͤnnen, daß naͤmlich die Menschen ihre Rechenkunst bey dem Ab- zaͤhlen an den Fingern anfangen. Diese Antwort wuͤrde nun seine Frage in die verwandelt haben, war- um die nicht barbarischen Voͤlker bey eben der Art, bis auf 10 zu zaͤhlen verbleiben, und ob nicht ein schicklicheres Zahlengebaͤude gewaͤhlt werden koͤnne? darauf kann man nun nicht anderst antworten, als daß man, wenn man auch ein schick- licheres Das Zahlengebaͤude. licheres finden wuͤrde, die Sprache ganz darnach ein- richten, und sich von Kindheit auf daran gewoͤhnen muͤßte. So lange dieses nicht geschieht, muͤssen wir jedes andere Zahlengebaͤude immer wiederum in das bisher gewoͤhnliche uͤbersetzen. §. 873. Laͤßt man aber eine solche Uebersetzung gelten, so haben wir allerdings noch andere Zahlengebaͤude. Jn der Astronomie z. E. zaͤhlet man nicht nach 10, 100, 1000 ꝛc. sondern nach 60, 60 mal 60, oder 3600, 60 mal 3600, oder 216000 ꝛc. Und dazu hat man be- sondere Einmal Eins, welche von 1 bis auf 60 ge- hen, und so oft das Product uͤber 60 ist, 60 weg- werfen, und in den naͤchst hoͤhern Rang 1 setzen. Das einige, was dabey fehlt, ist, daß man dazu nicht 60 einfache Zeichen hat, sondern sich mit den gemeinen Zahlen behilft, und deren, so oft man uͤber 9 zu zaͤhlen hat, zwo gebrauchen muß. Man koͤnnte aber, wenn es der Muͤhe lohnte, in Absicht auf die Zeichnung zwo zusammenschlingen, und denselben dergestalt eine einfachere Gestalt geben, daß sie sich leicht erkennen ließen. Statt dessen aber unterschei- det man die Stellen durch andere Zeichen, und schreibt z. E. den Bogen, dessen Laͤnge dem Halbmesser gleich ist. 57°. 17′. 44″. 49‴. ꝛc. Man hat uͤbrigens die Eintheilung der Grade und Stunden in Minuten, Secunden, Tertien ꝛc. des- wegen angenommen, weil sich 60 in 2, 3, 4, 5, 6, 10, 12, 15, 20, 30 Theile eintheilen laͤßt. Die Ein- theilung der Fuͤße in Zolle, Linien, Puncte ꝛc. wel- che nach 12 geht, stellt ebenfalls eine Art von Zahlen- gebaͤude vor, wozu man aber, weil es dabey nicht so viel zu multipliciren giebt, und weil es nicht so weit reicht, kein besonderes Einmal Eins hat. Ueberdiß J i 4 hat XXXI. Hauptstuͤck. hat man bald in allen arithmetischen Lehrbuͤchern die sogenannte italiaͤnische Practic, wodurch solche Mul- tiplicationen und Divisionen leicht gemacht werden. §. 874. Unter den uͤbrigen Zahlengebaͤuden, welche man versuchet hat, ist das dyadische des Herrn von Leib- nitz vorzuͤglich, als welches nur bis auf 2 geht, und keines Einmal Eins bedarf. Dieses ist aber auch fast alles, was man zum Behufe desselben sagen kann, weil man immer ein Register noͤthig hat, um das, was man nach demselben rechnet, kenntlich zu machen, oder durch die gemeine Zahlen auszudruͤ- cken. Leibnitz glaubte zwar, daß weil dabey nur 0 und 1 vorkommen, alle Zahlen dadurch in ihre erste Elemente aufgeloͤset wuͤrden, und daß sich folglich viel merkwuͤrdiges dabey muͤsse finden lassen. Nun kom- men zwar außer den 0 und 1 keine andere Ziffern da- bey vor, hingegen aber macht die Stelle, an welcher die 1 stehen, daß sie immer eine von den Zahlen 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, ꝛc. bedeuten, welche aber nichts wenigers als Elemente von Zahlen sind. Das einige, was diese geometrische Progreßion besonders hat, ist, daß sich durch die Glieder derselben alle Zahlen vorstellen lassen, und daß, wenn man weder subtrahiren noch eines der Glieder doppelt nehmen will, diese Vor- stellung nur auf eine Art moͤglich ist, z. E. 3 = 1 + 2 5 = 1 + 4 6 = 2 + 4 7 = 1 + 2 + 4 9 = 8 + 1 10 = 8 + 2 11 = 8 + 2 + 1 12 = 8 + 4 ꝛc. Man hat daher die Aufgabe genommen, wie man mit der geringsten Anzahl einzelner Gewichte, jede Lasten abwaͤgen koͤnne, und diese Aufgabe so aufge- loͤst, daß man sich Gewichte von 1, 2, 4, 8, 16, 32 ꝛc. Pfunden, Lothen, Quentgen ꝛc. anschaffen muͤsse. Und Das Zahlengebaͤude. Und auf diesen Fuß sind auch die Gewichte eingethei- let. Denn so kann man mit 7 Gewichten bis auf 127 waͤgen, wo man hingegen nach der Decimalprogres- sion Gewichte von 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 20, 30, 40, 50 ꝛc. Pfunden oder Einheiten haben muͤßte. Mit der Progreßion 1, 3, 9, 27, 81 ꝛc. reicht man noch wei- ter, hingegen muß man dabey addiren und subtrahi- ren, wenn man durch deren Glieder alle Zahlen vor- stellen will. Uebrigens hat die Progreßion 1, 2, 4, 8, 16, 32 ꝛc. noch das besonders, daß sich dadurch alle Combinationen vorstellen lassen. Und in dieser Absicht kann bey der leibnitzischen Dyadic der Rang oder die Stelle der Ziffern die combinirten Dinge vorstellen, so werden die Zahlen selbst nach ihrer natuͤrlichen Ord- nung geschrieben, die Combinationen und ihre Anzahl angeben. Z. E. J i 5 Stellen XXXI. Hauptstuͤck. Stellen nun hiebey A, B, C, D ꝛc. einfache Bestim- mungen vor, so erhaͤlt man durch diese Zeichung alle Combinationen derselben. Es ist aber dabey eben das anzumerken, was wir in dem §. 462. in Ansehung einer aͤhnlichen Zeichnung angemerkt haben. §. 875. Man sieht nun uͤberhaupt leicht, daß wie man auch ein Zahlengebaͤude annimmt, dasselbe deswegen an- genommen werde, damit sich durch wenige einfache Zeichen alle moͤgliche ganze Zahlen vorstellen lassen, und daß man dabey uͤberhaupt auf die Einfoͤrmigkeit der characteristischen Structur zu sehen habe. Denn an sich betrachtet haben die ganze Zahlen eine schlecht- hin nothwendige und von den characteristischen Zah- lengebaͤuden ganz unabhaͤngige Ordnung, und wenn man sie so unter einander vergleicht, so geschieht es, um zu sehen, um wie viele Einheiten die eine groͤßer ist als die andere, und ob die eine mehrmal genom- men die andere ausmacht? Jn dieser Absicht werden die Zahlen in Primzahlen, und in solche, die Multi- pla von einer andern Zahl sind, unterscheiden. Die Primzahlen lassen sich durch keine andere theilen, die groͤßer als 1 waͤre. Man hat noch bisher kein Mit- tel finden koͤnnen, die Ordnung, wie sie auf einander folgen, und woran sich jede fuͤr sich kennbar mache, durch einfache Merkmale zu bestimmen, und wenn eine Zahl fuͤrgegeben, zu entdecken, ob sie Theiler habe, oder nicht? Euclid hat in Ansehung der Prim- zahlen den Satz bewiesen, daß so viele man deren auch gedenken mag, es noch mehrere gebe. Hinge- gen in Ansehung der Ordnung, wie sie auf einander folgen, hat man noch nichts finden koͤnnen, und zwar allem Ansehen nach, weil gar keine locale Ordnung Das Zahlengebaͤude. Ordnung dabey vorkoͤmmt. Jndessen kann man folgende Reihe angeben, \frac {x} {1 - x} + \frac {x^2} {1 - x^2} + \frac {x^3} {1 - x^3} + \frac {x^4} {1 - x^4} + \frac {x^5} {1 - x^5} + ꝛc. welche, wenn sie durch die wirkliche Division aufge- loͤst wird die Reihe x + 2x^2 + 2x^3 + 3x^4 + 2x^5 + 4x^6 + 2x^7 + 4x^8 + 3x^9 + 4x^10 + 2x^11 + 6x^12 + 2x^13 + 4x^14 + 4x^15 + 5x^16 + 2x^17 + 6x^18 + 2x^19 + 4x^21 + 4x^22 + 8x^24 + ꝛc. herfuͤr bringt. Werden nun in dieser Reihe die Ex- ponenten als Zahlen angesehen, so zeigen die Coeffi- cienten an, wie viele Theiler sie haben, die Einheit und die Zahl selbst mitgerechnet. Wo demnach der Coefficient 2 ist, da ist der Exponent eine Primzahl. Wird hingegen die Reihe \frac {x} {1} - x + \frac {2 x^2}{1 - x^2} + \frac {3 x^3} {1 - x^3} + \frac {4 x^4} {1 - x^4} + \frac {5 x^5}{1 - x^5} + ꝛc. durch die Division aufgeloͤset, so zeigen in der Reihe x + 3 x^2 + 4 x^3 + 7 x^4 + 6 x^5 + 12 x^6 + 8 x^7 + 15 x^8 + 13 x^9 + 18 x^10 + 12 x^11 + 14 x^13 + ꝛc. die Coefficienten die Summe der Theiler der Expo- nenten an. Jn diesen beyden Reihen haben aber die Coefficienten gar keine locale Ordnung, und unge- achtet die Entstehensart derselben leicht angegeben werden kann, so laͤßt sich aus dieser schwerlich herlei- ten, wie der Coefficient eines jedes Gliedes ohne die vor- und nachgehenden bestimmt werden koͤnne. Die Aufgabe von der Erfindung der Theiler einer Zahl ist unter allen die unbestimmteste, weil man weder weiß, ob sie Theiler habe, noch wie viele sie habe, noch ob unter XXXI. Hauptstuͤck. unter denselben einige Verhaͤltniß statt finde? Nun hat man zwar einige leichte Kennzeichen, ob eine fuͤrge- gebene Zahl z. E. durch 2, 3, 5, 6, 9, 11 ꝛc. theilbar sey. Sie gruͤnden sich aber mehrentheils auf die Structur des Zahlengebaͤudes. So hat auch Euclid schon die Aufgabe, wie man, wenn zwo oder mehrere Zah- len fuͤrgegeben sind, finden koͤnne, ob sie gemeinsame Theiler haben, und welches der groͤßte gemeinsame Theiler derselben sey? Dieses dient aber fuͤr den Fall nicht, wo nur eine Zahl fuͤrgegeben ist, deren Thei- ler sollen gefunden werden. Alles, was man hiebey thun kann, ist, daß man eine Progreßion finde, in welcher wenigstens einer der Theiler fuͤrkommen muß, wenn die Zahl deren mehrere hat. So z. E. weiß man, daß wenn eine Zahl durch 2 und durch 3 nicht theilbar ist, so wohl die Zahl, als deren Theiler un- ter der Formel 6 m ± 1 enthalten seyn muͤsse. Man kann aber auch eine allgemeine Regel geben, wodurch die Zahlen, von welchen es vermuthlicher ist, daß sie Theiler sind, sprungsweise erkannt und gefunden werden koͤnnen, und diese Regel ist nicht sehr weit- laͤufig, so oft die Zahl solche Theiler hat, welche von der Quadratwurzel derselben wenig unterschieden sind. Man setze z. E. die Zahl 65247, welche = 3. 7. 13. 239 ist. Da nun die naͤchst kleinere Qua- dratwurzel = 255 ist, so setze man den Theiler = 255 - x , so muß \frac {65247}{255} - x = 255 + x + \frac {xx + 222}{255 - x} eine ganze Zahl seyn. Solle nun dieses in Ansehung des Bruches \frac {xx + 222}{225 - x} angehen, so sieht man leicht daß Das Zahlengebaͤude. daß x wenigstens groͤßer als 6 seyn muß. Man setze demnach x = 6 + y , so verwandelt sich dieser Bruch in folgenden \frac {258 + 12 y + y^2}{249 - y = 1 + \frac {9 + 13 y + y^2}{249 - y} welcher ebenfalls eine ganze Zahl seyn muß. Man sieht aber wiederum, daß y nicht kleiner als 10 seyn koͤnne. Setzt man demnach y = 10 + z , so wird der letzte Bruch \frac {9 + 13 y + y^2}{249 - y} in folgenden \frac {239 + 33 z + zz}{239 - z} verwandelt, und dieser muß ebenfalls eine ganze Zahl seyn. Diese Bedingung wird nun offenbar erfuͤllt, wenn man z = 0 setzt, demnach ist 239 ei- ner der gesuchten Theiler. Man kann aber auf eben die Art fortfahren. Denn dividirt man bey der letz- ten Formel wirklich, so hat man 1 + \frac {34 z + zz}{239 - z} welcher Bruch ebenfalls eine ganze Zahl seyn muß. Daher kann z nicht kleiner als 6 seyn. Macht man also z = 6 + v , so erhaͤlt man fuͤr diesen Bruch den folgenden \frac {240 + 46 v + vv}{233 - v} = 1 + \frac {7 + 47 v + vv} {233 - v} woraus man sieht, daß v \> 5 seyn muß ꝛc. Man kann statt solcher Substitutionen, die Sache durch bloßes XXXI. Hauptstuͤck. bloßes addiren und subtrahiren erreichen. Man neh- me zu diesem Ende den ersten Bruch \frac {xx + 222}{255 - x} so ist die Rechnung folgende: Jn dieser Rechnung sind die zwo ersten Zahlen 255, 222 aus dem Bruche \frac {xx + 222}{255 - x} genommen. Wird x stufenweise 1, 2, 3, 4, 5, ꝛc. gesetzt, so enthaͤlt die erste Columne die Theiler, die zweyte aber die Zaͤh- ler dieses Bruches, doch letzteres mit der Bedingniß, daß, so oft der Zaͤhler groͤßer wird als der Theiler, dieser davon abgezogen werde, wie es z. E. bey den Stellen *, ** geschieht. Die zweyte Columne stellet demnach die Ueberreste, die vierte aber die Quotienten vor, wenn die fuͤrgegebene Zahl 65247 durch die Zahlen der ersten Columne getheilet wird. Um die zweyte Columne durch eine bloße Addition zu berechnen, kann man leicht sehen, daß die Differen- zen ihrer Zahlen eine arithmetische Progreßion aus- machen, welche in der dritten Columne bis zu der Stelle Das Zahlengebaͤude. Stelle *, 1, 3, 5, 7, 9, 11 ist, von da an aber bis zu der Stelle ** sich in 14, 16, 18 ...... 32 verwandelt, und von da an 35, 37, 39 ꝛc. wird, bis wiederum eine Subtraction muß vorgenommen werden, welches wir aber hier nicht weiter fortsetzen, weil wir es Kuͤrze halber bey dem ersten Theiler 239, der bey ** vor- koͤmmt, bewenden lassen. §. 876. Um aber wiederum zu der Betrachtung des Zah- lengebaͤudes zuruͤcke zu kehren, so merken wir an, daß man sehr viele Eigenschaften von Zahlen gefunden, die sich oͤfters nur darauf gruͤnden, daß wir von 1 bis auf 10 zaͤhlen, und folglich entweder schlechthin nur deswegen wahr sind, oder, wenn man ein anderes Zahlengebaͤude haͤtte, etwas geaͤndert werden muͤß- ten. Um solche Untersuchungen anzustellen, muß man eine allgemeine Formel von jeden Zahlengebaͤu- den zum Grunde legen, und dieses ist nun seit der Erfindung der Algeber moͤglich. Die Frage koͤmmt nur darauf an, nach welchen Grundregeln man es allgemeiner machen solle. Wir werden hiebey stuf- fenweise gehen, und anstatt der Progreßion 1, 10, 100, 1000 ꝛc. jede Progreßion a, a^2, a^3, a^4 ꝛc. anneh- men, doch so, daß a eine ganze Zahl, und die Coef- ficienten m, n, p, q, r ꝛc. ebenfalls ganze Zahlen und kleiner als a seyn. Auf diese Art stellet b = m + na + pa^2 + qa^3 + ra^4 + ꝛc. jede ganze Zahl nach jedem Zahlengebaͤude vor. Da diese Formel im eigentlichsten Verstande nun das ist, was man in der Algeber eine Gleichung von 1, 2, 3, 4 ꝛc. Grade nennet, so lassen sich dabey alle Saͤtze anwenden, die man in Absicht auf solche Gleichungen bereits XXXI. Hauptstuͤck. bereits gefunden, zumal wenn man hier den Fall nimmt, wo b, a, m, n, p, q, r ꝛc. ganze Zahlen sind. Bey den gemeinen Zahlen ist a = 10, bey der leibnitzischen Dyadic ist a = 2, bey der astronomischen Sexagesimalrechnung ist a = 60, oder auch umge- kehrt a = \frac {1}{60},\frac {1} {2}, \frac {1}{10} , je nachdem man ganze Zah- len oder Bruͤche berechnet. Da ferners angefuͤhrte Formel eine Gleichung vorstellt, so kann von den Buchstaben oder Zahlen b, a, m, n, p ꝛc. eine ver- mittelst der uͤbrigen gefunden werden, und besonders, wenn a gesucht wird, so hieße dieses so viel als, das Zahlengebaͤude finden, bey welchem die Gleichung statt haben kann. Jn der Algeber aber und in der angewandten Mathematic, heißt diese Aufgabe, die Gleichung aufloͤsen, oder deren Wurzeln finden. Da wir aber diese Formel hier in Absicht auf das Zahlen- gebaͤude betrachten, so werden wir nun Beyspielsweise einige Faͤlle anfuͤhren. Man dividire die Zahl λ λ - 1 λ - 2 λ - 3 ka + ma + na + pa + ꝛc. durch a - μ, so ist der Quotient λ - 1 λ - 2 2 λ - 3 3 λ - 4 ka + μka + μka + μka + ꝛc. + m ..... + mμ ..... + mμ 2 .... + ꝛc. + n ..... + nμ .... + ꝛc. + p .... + ꝛc. + ꝛc. Wird in diesem Quotienten jede beliebige Columne mit a multiplicirt, so stellt sie den Ueberrest vor, welcher um diese Columne in den Quotienten zu brin- gen, noch ferners zu dividiren ware. Ferner kom- men in jeder Columne die ersten Glieder der Pro- greßion Das Zahlengebaͤude. gression 1, μ, μ 2 , μ 3 ꝛc. vor, welche in umgekehrter Ordnung mit den Coefficienten k, m, n, p ꝛc. mul- tiplicirt sind. Hoͤret nun die fuͤrgegebene Reihe mit pa λ - 3 auf, so ist der Ueberrest (= μ 3 k + μ 2 m + μ n + p ) a λ - 3 . Jst nun dieser durch a - μ theilbar, so ist auch die ganze fuͤrgegebene Zahl durch a - μ theilbar, weil sich das uͤbrige bis auf diesen Ueberrest theilen ließe. Dahin gehoͤren nun folgende Beyspiele. I °. Man will sehen, ob sich 8748 durch 9 theilen lasse? Hier ist nun a - μ = 9. Man setze a = 10, so ist μ = 1, k = 8, m = 7, n = 4, p = 8, folglich k + m + n + p = 27. Da nun \frac {27}{9} = 3, so laͤßt sich auch 8748 durch 9 theilen. II °. Man will finden, ob 518368 durch 97 theil- bar sey. Hier ist a - μ = 97. Man setze a = 100, so ist μ = 3, folglich k = 51, m = 83, n = 68, p = 0. Demnach 1. 68 = 68 3. 83 = 89 9. 51 = 459 776 Diese Summe soll durch 97 theilbar seyn. Demnach ist wiederum k = 7, m = 76, folglich 1\cdot76 = 76 3\cdot7 = 21 97 Da nun hier 97 heraus koͤmmt, so ist auch 518368 durch 97 theilbar. III °. Man will finden, ob sich 34°, 15′, 8″ durch 58 theilen lasse? Hier ist a = 60, a - μ = 58, Lamb. Archit. II. B. K k folg- XXXI. Hauptstuͤck. folglich μ = 2, 34 = k, 15 = m, 8 = n, demnach 1. 8 = 8 2. 15 = 30 4. 34 = 136 174 Nun ist \frac {174}{58} = 3, folglich ist 34°, 15′, 8″ durch 58 theilbar. §. 877. Wenn in einem jeden Zahlengebaͤude die Zahl b = m + na + pa^2 + qa^3 + ꝛc. vorgegeben, und die Progressionszahl a sich durch m theilen laͤßt, so laͤßt sich auch die ganze Zahl b durch m theilen. Denn der Quotient ist \frac {b}{m}= 1 + (n + pa + qa^2 + ꝛc.) \frac {a}{m} Bey dem gemeinen Zahlengebaͤude ist a = 10, folg- lich sind nur die Zahlen 2 und 5 von der Art, daß, wenn z. E. 5 die letzte Zifer einer Zahl ist, wie z. E. in 475 die ganze Zahl durch 5 getheilet werden kann. Bey dem Sexagesimalzahlengebaͤude, wo a = 60 ist, giebt es solcher Zahlen mehrere, naͤmlich 2, 3, 4, 5, 6, 10, 12, 15, 20, 30. Auf diese Art laͤßt sich z. E. 49°, 37′, 48″ durch 2, 3, 4, 6, 12 theilen, bloß weil 48″ sich dadurch theilen laͤßt. §. 878. Bey einem jeden Zahlengebaͤude sind die letzten Zi- fern der Quadratzahlen nicht jede moͤgliche, sondern hoͤchstens nur halb so viel, als die Progressionszahl a, Einheiten hat. Denn die letzte Zifer einer Zahl ist entweder Das Zahlengebaͤude. entweder groͤßer oder kleiner als \nicefrac {1} {2}a . Man setze fuͤr den letzten Fall m, fuͤr den ersten a - m, so ist das Quadrat im letzen Falle + mm, im ersten a 2 - 2ma + mm. Es mag nun mm groͤßer oder kleiner als a seyn, so bleibt die letzte Zifer des Quadrates in beyden Faͤllen einerley. Demnach sind an der letzten Stelle einer Quadratzahl nur halb so viel Zifern moͤglich, als a Einheiten hat. Jst aber a eine gerade Zahl so er- haͤlt man eine Zifer mehr. So z. E. sind bey dem gemeinen Zahlengebaͤude, wo a = 10 ist, die letzten Zifern aller Quadratzahlen 0, 1, 4, 5, 6, 9. Laͤßt sich a durch 4 theilen, so werden die moͤglichen En- dungen der Quadratzahlen auf den ¼ Theil von a her- unter gesetzt. Man setze a = 4b, so ist \nicefrac {1} {2}a = 2b , folglich das Quadrat \nicefrac {1} {4}aa = 4bb = ab . Da nun die- ses durch a theilbar ist, so gehoͤret es nicht mehr zu der letzten Stelle. Demnach faͤngt nach \nicefrac {1} {2}a die Ord- nung der letzten Zifern der Quadratzahlen von neuem an, wie sie nach 1 war. Da nun diese Ordnung von a gegen \frac {1} {2}a ruͤckwaͤrts eben die ist, wie von 1 ge- gen \nicefrac {1} {2}a , so ist sie von 1 gegen ¼ a, und von \nicefrac {1} {2}a ge- gen \nicefrac {3} {4}a , wie sie ruͤckwaͤrts von \frac {1} {2}a gegen 1, und von a gegen ¾ a ist. Demnach sind hoͤchstens nur so viel Endungen moͤglich, als in ¼ a Einheiten sind. So z. E. bey dem Sexagesimalzahlengebaͤude ist a = 60, und folglich durch 4 theilbar. Da sind die letzten Stellen der Quadratzahlen von 1 bis auf 15 folgende 1, 4, 9, 16, 25, 36, 49, 4, 21, 40, 1, 24, 49, 16, 45. und eben so auch von 31 bis auf 45. Hingegen von 15 bis 30, und von 45 bis 60, sind sie in umgekehrter Ordnung 45, 16, 49, 24, 1, 40, 21, 4, 49, 36, 25, 16, 9, 4, 1, 0 K k 2 Hier XXXI. Hauptstuͤck. Hier kommen nun noch einige Zahlen doppelt vor. Demnach, sind in allem nur zwoͤlf Endungen 0, 1, 4, 9, 16, 21, 24, 25, 36, 40, 45, 49. Man kann daher, wenn man z. E. 37°, 16′, 26″ vor sich hat, sicher schließen, daß dieses keine Qua- dratzahl ist, weil die letzte Stelle 27″ unter den erst angefuͤhrten zwoͤlf Endungen nicht vorkoͤmmt. Setzet man a = 80, so finden sich ebenfalls nur zwoͤlf solcher Endungen, naͤmlich 0, 1, 4, 9, 16, 20, 25, 36, 41, 49, 64, 65. Setzet man aber a = 100, so sind zwey und zwanzig Endungen, naͤmlich 1 4 16 9 21 24 36 29 41 44 25 56 49 61 64 76 69 81 84 96 89 Wenn man demnach eine Zahl durch 60, 80, 100 dividirt, und findet die Ueberreste unter diesen En- dungen, so ist es sehr vermuthlich, daß sie eine Qua- dratzahl sey. §. 879. Wenn bey jedem Zahlengebaͤude die Reihe b = m + na + pa^2 + ma^3 + na^4 + pa^5 + ma^6 + ꝛc. unendlich fortgeht, so daß die Coefficienten m, n, p immer in der Ordnung widerkehren und keine Stelle leer bleibt, so laͤßt sich b durch den rationalen Bruch \frac {m + na + pa^2}{1 - a^3} ausdruͤcken. Denn dividirt man diesen Bruch, so koͤmmt die fuͤrgegebene Reihe heraus. Dieses ma- chet, Das Zahlengebaͤude. chet, daß bey dem gemeinen Zahlengebaͤude alle De- cimalreihen, in welchen einerley Zifern in eben der Ordnung widerkehren, wie z. E. 0, 35493549354935 ꝛc. einen rationalen Bruch vorstellen, welchen man fin- det, wenn man unter die Zahlen 3549 eben so viele 9 schreibt. Denn so ist \frac {3549}{9999} = \frac {1183}{3333} = 0, 3549354935 ꝛc. Eben dieses findet sich bey dem Sexagesimalzahlen- gebaͤude. So z. E. ist \frac {5}{7} Gr. = 42′, 51″, 25‴, 42′ v , 51 v , 25 v' , 42 v'' , ꝛc. = \frac {42^\prime, 51^{\prime\prime}, 25^{\prime\prime\prime}}{59^\prime, 59^{\prime\prime}, 59^{\prime\prime\prime}} . §. 880. Der Bruch \frac {1}{(1 - a)^2} giebt die Reihe 1 + 2a + 3a^2 + 4a^3 + ꝛc. Hieraus laͤßt sich erlaͤutern, warum bey dem gemeinen Zahlengebaͤude \frac {1}{81} = 0, 0123456790123456790123 ꝛc. ist. Denn \frac {1}{81} ist = \frac {1}{(10 - 1)^2} . §. 881. Hingegen koͤmmt bey denen Reihen, welche irra- tionale Groͤßen, z. E. √ 2, ∛ 5, ꝛc. vorstellen, kei- ne solche periodische Widerkehr bey keinem Zahlen- gebaͤude vor, es sey denn, daß entweder die Einheit, so dabey zum Grunde liegt, oder die Progressions- zahl a eine solche Jrrationalgroͤße sey. Wo dieses K k 3 nicht XXXI. Hauptstuͤck. nicht ist, da wird bey jedem Zahlengebaͤude jede pe- riodische Reihe einen rationalen Bruch vorstellen, weil sie sich in einen solchen verwandeln laͤßt. §. 882. Wir werden nun von der Voraussetzung, daß (§. 876.) a, b, m, n, p, q, r ganze Zahlen seyn muͤs- sen, abgehen, um den Begriff des Zahlengebaͤudes allgemeiner zu machen. Dabey beut sich nun sogleich die Anmerkung an, daß ungeachtet alle Dignitaͤten von 1 ebenfalls 1 sind, dieses dennoch nicht immer so gleichguͤltig koͤnne genommen werden. Die Reihe - log (1 - a) = a +\frac {1} {2}a^2 + \frac {1}{3}a^3 + \frac {1}{4}a^4 + \frac {1}{5}a^5 + ꝛc. giebt uns ein merkwuͤrdiges Beyspiel hievon. Denn wird darinn a = 1 gesetzt, so ist die Summe derselben - \log (1 - 1) = 1 +\frac {1} {2} + \frac {1}{3} + \frac {1}{4} + \frac {1}{5} + \frac {1}{6} + ꝛc. unendlich, oder der Logarithmus von 0. Zieht man nun, uͤberhaupt betrachtet, diese Reihe von sich selbst ab, so bleibt 0. Auf diese Art findet man z. E. 1 +\frac {1} {2} + \frac {1}{3} + \frac {1}{4} + \frac {1}{5} + ꝛc. - 1 -\frac {1} {2} - \frac {1}{3} - \frac {1}{4} - ꝛc./ 0 = 1 -\frac {1} {2} - \frac {1}{6} - \frac {1}{12} - \frac {1}{20} - ꝛc. folglich 1 =\frac {1} {2} + \frac {1}{2 \cdot 3} + \frac {1}{3 \cdot 4} + \frac {1}{4 \cdot 5} + ꝛc. Werden aber die Glieder sprungsweise abgezogen, z. E. 1 +\frac {1} {2} + \frac {1}{3} + \frac {1}{4} + \frac {1}{5} + \frac {1}{6} \frac {1}{7} + \frac {1}{8} + ꝛc. - 1 -\frac {1} {2} - \frac {1}{3} - \frac {1}{4} - ꝛc. so bleibt 1 -\frac {1} {2} - \frac {1}{3} + \frac {1}{4} - \frac {1}{5} + ꝛc. welche Das Zahlengebaͤude. welche Reihe nun nicht mehr = 0, sondern der Lo- garithmus von 2 ist. Eben so 1 +\frac {1} {2} + \frac {1}{3} + \frac {1}{4} + \frac {1}{5} + \frac {1}{6}\frac {1}{7} + ꝛc. - 1 -\frac {1} {2} - ꝛc. giebt 1 +\frac {1} {2} - \frac {1}{3} + \frac {1}{4} + \frac {1}{5} - \frac {2}{6} + \frac {1}{7} + ꝛc. oder 1 + \frac {1}{2 \cdot 3}- \frac {1}{3 \cdot 4} + \frac {1}{5 \cdot 6} - \frac {1}{6 \cdot 7} + ꝛc. welches der Logarithmus von 3 ist. Denn bey sol- chen Versetzungen ist die erste Reihe = - \log (1 - a) , die andere aber = \log (1 - a^n) , und folglich die Dif- ferenz von beyden = \log (\frac {1 - a^n}{1 - a}) = \log (1 + a + a^2 + a^3 + ..... + a^n-1) Man wird auf eine aͤhnliche Art 1 + \frac {1}{3} + \frac {1}{5} + \frac {1}{7} + \frac {1}{9} + \frac {1}{11} + \frac {1}{13} + \frac {1}{15} + ꝛc. - 1 - \frac {1}{3} - \frac {1}{5} - ꝛc./ 1 - \frac {2}{3} + \frac {1}{5} + \frac {1}{7} - \frac {2}{9} + \frac {1}{11} + \frac {1}{13} - \frac {2}{15} + \frac {1}{17} + ꝛc. oder \frac {2}{1 \cdot 3} - \frac {2}{3 \cdot 5} + \frac {2}{7 \cdot 9} - \frac {2}{9 \cdot 11} + \frac {2}{11 \cdot 13} - ꝛc. finden, welche Reihe dem \frac {1} {2} \log 3 gleich ist. Man muß daher solche Reihen in der That so betrachten, als wenn sie mit den Dignitaͤten von 1 multiplicirt waͤren, damit man die Glieder derselben, so man auf diese Art sprungsweise von einander abzieht, in Absicht auf diese Dignitaͤten als gleichartig ansehen koͤnne. §. 883. Ungeachtet sich nun jede Groͤße nach jedem Zahlen- gebaͤude vorstellen laͤßt, so ist doch mehrentheils eines schicklicher als das andere. Man sieht daher, beson- K k 4 ders, XXXI. Hauptstuͤck. ders, wo unendliche Reihen vorkommen, darauf, daß sie staͤrker convergiren, und daß die Coefficien- ten nach einem einfachen Gesetze auf einander folgen, oder eine locale Ordnung unter sich beobachten, da- mit man die Reihe leicht fortsetzen koͤnne. Es ist unnoͤthig hier, viele Beyspiele davon anzubringen, zumal, da man in der Algeber, in Absicht auf die Gleichungen und unendliche Reihen, andere Namen gebraucht, weil man nicht aus der Betrachtung des Zahlengebaͤudes, sondern aus Aufgaben, welche man aufzuloͤsen hatte, darauf verfallen, mit den Glei- chungen vielerley Aenderungen vorzunehmen, die Summe von unendlichen Reihen zu suchen, und die Reihen in andere zu verwandeln. §. 884. Wir haben bisher angenommen, daß bey einem Zahlengebaͤude eine geometrische Progression zum Grunde liegen muͤsse, wie es in der That die einfachste Gestalt desselben mit sich bringt. Nimmt man aber statt der Producte a, a^2, a^3, a^4, a^5 ꝛc. ungleiche Producte a, ab, abc ꝛc. an, so verfaͤllt man auf ein weniger regelmaͤßiges Zahlengebaͤude, dergleichen z. E. bey den Muͤnzsorten vorkommen, wie, wenn ein Pfund zu 20 Schilling, und 1 Schilling zu 12 Pfenning gerechnet wird, wozu wiederum ganz be- sondere Einmaleins erfordert werden, die man zum Behuf derer, so nicht so weit im Rechnen gekommen sind, bereits hin und wieder findet. Es giebt aber auch Systemata von Zahlen, wo nicht Producte, son- dern Summen und Differenzen vorkommen. Von diesen sind nun die sogenannten figurirte Zahlen die brauchbarsten, weil sie in der Lehre von den Combi- nationen und Permutationen von sehr haͤufigem Ge- brauche Das Zahlengebaͤude. brauche sind, und außer dem viele merkwuͤrdige Ei- genschaften haben, die in der Bernoullischen Arte coniectandi großentheils angegeben sind. Sie sind auch zugleich die Grundlage zur Erfindung jeder an- dern Summen, welche durch fortgesetztes Addiren von fuͤrgegebenen Zahlen gefunden werden, und in dieser Absicht werden sie zum Jnterpoliren gebraucht. Zwey und dreyßigstes Hauptstuͤck. Vorstellung der Groͤßen durch Figuren. §. 885. M an stellet bald alle Groͤßen durch Figuren vor, und dieses geschieht, theils um sie gleichsam sichtbar zu machen, theils auch weil sich die Lehr- saͤtze der Geometrie dabey anwenden lassen. Da- durch werden die Figuren gleichsam in Zeichen ver- wandelt, und die dabey gezogenen Linien erhalten eine Bedeutung. Ungeachtet nun der Raum nur drey Dimensionen hat, und von diesen, weil man die Figuren auf Flaͤchen zeichnet, mehrentheils nur zwo gebraucht werden, so hat man doch Mittel ge- funden, diesem Mangel in vielen Faͤllen abzuhelfen, und dazu sind besonders die krummen Linien gewaͤhlet worden, zumal, da man vermittelst derselben die Verhaͤltniß zwischen zwoen veraͤnderlichen Groͤßen gleichsam vor Augen malen kann, weil man die eine derselben durch die Abscissen, die andere aber durch die Ordinaten einer krummen Linie vorstellet. Da- bey erhaͤlt nun mehrentheils die Lage der Tangenten, K k 5 die XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung die Subtangente, der Halbmesser des Kruͤmmungs- kreises, der Flaͤchenraum ꝛc. eine Bedeutung, welche sich auf die Gesetze der Veraͤnderungen der beyden Groͤßen beziehen, die durch die Abscissen und Ordi- naten, und zuweilen auch durch den Raum vorge- stellet werden. §. 886. Um hieruͤber nun einige allgemeinere Betrachtun- gen anzustellen, so hat man zwar die krummen Linien schon haͤufig in Classen getheilet. Man hat aber bey solchen Eintheilungen die Gleichungen zum Grunde geleget, wodurch die Verhaͤltniß zwischen den Ordi- naten und Abscissen ausgedruͤcket wird. Die allge- meinen Formeln dieser Classen sind I°. 0 = x + ay + b. II°. 0 = x + ay + bxy + cx^2 + dy^2 + e. III°. 0 = x + ay + bxy + cx^2 + dy^2 + exy^2 + fyx^2 + gx^3 + hy^3 + k. ꝛc. ꝛc. Von diesen Classen hat man nun gesuchet, die beson- dern Arten, die darunter begriffen sind, abzuzaͤhlen. Man ist aber noch nicht bis uͤber die dritte gekom- men, und auch bey dieser geht Herr Euler von Newton, in Absicht auf die Gruͤnde zur Einthei- lung ab, in dem er einfachere und zum Theil auch kenntlichere Gruͤnde aufsuchet. Man sehe hieruͤber den zweyten Theil von seiner Analysi infinitorum. Wir koͤnnen dabey uͤberhaupt so viel anmerken, daß man mit solchen Eintheilungen nicht viel ausrich- tet, weil die krummen Linien auf eine viel zu viel- fache Art an einander graͤnzen. Es giebt Faͤlle, wo man eine gerade Linie als eine Parabel, Hyperbel, Ellipse der Groͤßen durch Figuren. Ellipse ansehen muß, wie z. E. wenn man den para- bolischen, hyperbolischen, elliptischen Fall eines Koͤr- pers in die Sonne berechnet, um dadurch einen Maaßstab zu jeden andern Bewegungen der Welt- koͤrper um die Sonne zu haben, (§. 746.). So ist die Gleichung x = \sqrt (a + byy + cy^3) uͤberhaupt vom dritten Grade. Sie stellet einen all- gemeinen Fall vor, wo fuͤr jeden einzeln darunter begriffenen Fall die Coefficienten a, b, c besonders bestimmet werden muͤssen. Unter diese gehoͤret nun allerdings derjenige auch mit, wo c = 0 ist. Fuͤr diesen Fall wird die Formel eine Gleichung vom zweyten Grade, und wenn uͤberdieß noch a = 0 wird, so stellet sie eine gerade Linie vor. So kann eben diese For- mel nur als ein specialer Fall zu einer noch viel allge- meinern gehoͤren, welche irgend anwendbar ist. Wir ziehen hieraus uͤberhaupt die Folge, daß die Ein- theilung der krummen Linien den verschiedenen Gra- den nach, nicht so wesentlich sey, daß nicht solche, die von verschiedenen Graden sind, in Absicht auf die Sache, die sie vorstellen, zusammen gehoͤren koͤnnten. §. 887. Jndessen koͤnnen wir hiebey anmerken, daß Herr Euler solche Gruͤnde zur Eintheilung genom- men, die viel Wesentliches haben, wenn wir auf die Sache sehen, die dadurch koͤnnen vorgestellet werden. Denn da stellet man sich die Gesetze, nach welchen die beyden mit einander verglichenen Groͤßen sich ver- aͤndern, auf eine kenntlichere Art vor, wenn man weiß, ob eine krumme Linie in sich selbst zuruͤ- cke kehre, ob sie Aeste habe, die bis ins Un- endliche XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung endliche hinaus laufen, oder ob sie zwischen zweyen Puncten liege, und sich uͤber dieselbe nicht ausdehne, ob ein oder mehrere Maxima oder Minima dabey vorkommen, ob sie einen oder mehrere Wendungspuncte habe, ob der Halbmesser des Kruͤmmungskreises irgend = 0 werde, ob die Linie aus abgebrochenen Stuͤ- cken bestehe, ob sie sich in Form von Spira- len um einen Punct wende, ob sie Asymtoten habe, ob dabey eine solche Axe vorkomme, wo die auf beyden Seiten derselben liegende Theile einander aͤhnlich bleiben, wie die Abscissen und Ordinaten sollen genommen werden, damit die einfachste Gleichung zwischen denselben statt finde, ꝛc. Dieses sind nun Symptomata von krum- men Linien, die, wo sie vorkommen, gewisse Be- dingungen voraus setzen, und Kennzeichen ange- ben, woran sie sich erkennen lassen. §. 888. Das erste, was wir nun hiebey anmerken koͤnnen, betrifft die Gleichguͤltigkeit der Ordinaten und Ab- scissen, wenn diese naͤmlich verwechselt werden koͤnnen. Dieses kann man nun mehrentheils den Gleichungen ansehen. Denn so z. E. ist es in den Formeln ax^2 + ay^2 = b ax^2 + bxy + ay^2 = c ax^3 + bx^2y + cxy + bxy^2 + ay^3 = d ꝛc. gleich viel, ob man x oder y nehme, und eben so haͤngt auch in den Formeln x = \sqrt (ay^2 + byz + az^2) x^3 = ay + byz + az ꝛc. die der Groͤßen durch Figuren. die Groͤße x von den Groͤßen y, z auf eine gleichguͤl- tige Art ab, und y, z lassen sich dabey verwechseln. Was man demnach fuͤr y findet, wenn z bestaͤndig bleibt, ist auch fuͤr z gefunden, wenn y bestaͤndig bleibt. Man hat bey Rechnungen auf solche Faͤlle, wo sie vorkommen, zu sehen, weil sie immer eine be- sondere Schicklichkeit und Eleganz haben. §. 889. Sodann merken wir an, daß, wenn man die vor- hin angefuͤhrten Symptomata der krummen Linien in einem fuͤrgegebenen Fall finden will, man immer die Gleichung so einrichtet, daß y = A + φ x sey, wobey φ x eine jede Function von x vorstellet. Da wir hier y, x als die Groͤßen ansehen, zwischen welchen die Verhaͤltniß und das Gesetz der Veraͤnde- rung kenntlich gemacht werden solle, so werden wir x als eine Abscisse, y als die dazu gehoͤrende Ordinate ansehen, und uns die krumme Linie als schon gezogen vorstellen. Hiebey werden wir nun x = P + ζ, und y = Q + η setzen, dergestalt, daß wenn x = P wird, zugleich auch y = Q werde, das will sagen, ζ und η zugleich anfangen. Daraus lassen sich nun folgende Symptomata der krummen Linie uͤberhaupt betrach- tet herleiten. §. 890. Einmal, wenn die Abscisse P da genommen wird, wo Q ein Maximum oder Minimum ist, da hat die Gleichung zwischen ζ und η folgende Form ± \eta = a\zeta^2 + b\zeta^3 + c\zeta^4 + ꝛc. Denn η wird zugleich mit \zeta, = 0 . Demnach faͤllt in dieser Formel die bestaͤndige Groͤße, welche sonst dabey XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung dabey seyn kann, weg. Ferners wird, wo Q ein Maximum oder Minimum ist, ζ zugleich mit ζ groͤ- ßer, man mag ζ positiv oder negativ nehmen. Die- ses wuͤrde nicht geschehen, wenn das Glied mζ mit in dieser Formel waͤre, weil dieses Glied mit ζ posi- tiv und negativ wird, und weil ζ immer so klein an- genommen werden kann, daß m\zeta \> a\zeta^2 ist. Dem- nach kann mζ in dieser Formel nicht vorkommen, und so muß dieselbe wenigstens bey a\zeta^2 anfangen. Koͤmmt aber in dem fuͤrgegebenen Fall a\zeta^2 vor, so kann auch b\zeta^3 vorkommen, ungeachtet dieses Glied mit ζ positiv und negativ wird. Denn ζ kann im- mer so klein angenommen werden, daß aζ 2 \> bζ 3 ist, und unter dieser Bedingung hat das Maximum oder Minimum statt. Trifft es sich aber zu, daß in dem fuͤrgegebenen Fall a = 0 ist, so muß auch b = 0 seyn, weil aus gleichen Gruͤnden Q nicht ein Maximum oder Minimum seyn kann, es sey denn, daß die Formel ± y = a\zeta^2 + b\zeta^3 + c\zeta^4 + ꝛc. mit einer geraden Dimension anfange, oder die nie- drigste Dimension des ζ gerade sey. Faͤllt nun in ei- nem fuͤrgegebenen Fall diese Formel so aus, daß lau- ter gerade Dimensionen ± y = a\zeta^2 + c\zeta^4 + d\zeta^6 + ꝛc. darinn vorkommen, so ist die Ordinate Q nicht nur ein Maximum , sondern die krumme Linie ist sich auf beyden Seiten dieser Ordinate aͤhnlich, und hinwie- derum, wo dieses letztere vorkoͤmmt, da hat auch eine solche Formel statt. Hingegen weicht die krum- me Linie von dieser Aehnlichkeit nothwendig ab, wo ± y = a\zeta^2 + b\zeta^3 + c\zeta^4 + d\zeta^5 + ꝛc. ist, der Groͤßen durch Figuren. ist, und zwar wird diese Abweichung desto naͤher bey dem Punct, wo das Maximum oder Minimum vor- koͤmmt, merklich, je groͤßer die Coefficienten b, d ꝛc. in Absicht auf die Coefficienten a, c sind. Uebrigens ist hiebey anzumerken, daß der Begriff eines Maxi- mi und Minimi etwas relatives hat, weil dasselbe von der Lage derjenigen Linie abhaͤngt, auf welcher die Ab- scissen genommen werden. Je nachdem diese Lage geaͤndert wird, faͤllt auch das Maximum oder Mini- mum auf andere Puncte der krummen Linie, naͤm- lich immer auf solche, wo die Tangenten mit der Ab- scissenlinie parallel sind. Es kann daher Faͤlle geben, wo bey einer und eben derselben krummen Linie bald von mehrern bald auch von gar keinem Maximo die Rede ist. Hingegen sind bey jeder krummen Linie solche Lagen der Abscissen moͤglich, wo wenigstens ein Maximum oder Minimum vorkoͤmmt. §. 891. Das Maximum und Minimum hat demnach nichts, das sich an der krummen Linie unterscheiden ließe, wenn man nicht eine Abscissenlinie dabey zum Grun- de legt. Hingegen hat es mit den Wendungspuncten eine andere Bewandniß, weil diese die Kruͤmmung und folglich das Wesentliche der krummen Linie betreffen. Man setze, die Abscisse P falle dahin, wo die Ordi- nate Q in den Wendungspunct trifft, so wird die Gleichung zwischen ζ und η folgende Form haben. ± \eta = a\zeta + b\zeta^3 + c\zeta^4 + d\zeta^5 + ꝛc. Denn η wird zugleich mit ζ = 0. Demnach faͤllt eben so, wie vorhin, (§. 890.) die bestaͤndige Groͤße aus dieser Formel weg. Sodann bleibt aζ in allen de- nen Faͤllen, wo die krumme Linie in dem Wendungs- punct XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung punct mit der Abscissenlinie nicht parallel laͤuft. Die- ses Glied aber giebt der Linie keine Kruͤmmung, un- geachtet es die, so von den uͤbrigen Gliedern entsteht, in eine andere und gleichsam verzogene Lage bringen kann. Ferners kann in dieser Formel das Glied mζ 2 nicht vorkommen, weil es positiv bleibt, man mag ζ positiv oder negativ annehmen, und weil ζ so klein genommen werden kann, daß mζ 2 \> bζ 3 seyn wuͤr- de. Dieses aber wuͤrde machen, daß sich die Kruͤm- mung der Linie nicht von dem Punct Q an, wenden wuͤrde, wie es vermittelst des Gliedes bζ 3 , als wel- ches mit ζ zugleich positiv und negativ wird, gesche- hen muß. Demnach bleibt m \zeta^2 aus der Formel nothwendig weg. Wird nun in einem fuͤrgegebenen Fall auch b = 0, so muß aus gleichem Grunde auch c = 0 werden. Das will nun uͤberhaupt sagen, daß in erst angegebener Formel die niedrigste Dimension des ζ ungerade seyn muß. Kommen nun in einem fuͤrgegebenen Fall lauter ungerade Dimensionen ± y = a \zeta + b\zeta^3 + d\zeta^5 + ꝛc. vor; so theilt der Wendungspunct die krumme Linie dergestalt in zwo Haͤlften, die einander durchaus aͤhn- lich sind, und nur eine anders gewendete Lage haben. Muß aber die Formel ± \eta = a\zeta + b\zeta^3 + c\zeta^4 + d\zeta^5 + e\zeta^6 + ꝛc. ganz beybehalten werden, so weicht die krumme Linie von dieser Aehnlichkeit desto ehender ab, je groͤßer die Coefficienten c, e ꝛc. in Absicht auf die Coefficienten b, d ꝛc. sind. §. 892. Nimmt man aber fuͤr die Abscissen und Ordinaten P, Q solche an, wo weder ein Maximum oder Mini- mum, der Groͤßen durch Figuren. mum , noch ein Wendungspunct ist, da kommen in der Formel ± \eta = a\zeta + b\zeta^2 + c\zeta^3 + d\zeta^4 + e\zeta^5 + ꝛc. die beyden ersten Glieder nothwendig vor. Denn ohne das erste wuͤrde ein Maximum oder Minimum , ohne das zweyte aber ein Wendungspunct bey P, Q statt haben (§. 890. 891.). Wir wollen aber in An- sehung dieser Formel noch folgende allgemeine An- merkung hersetzen. Wenn von den Coefficienten a, b, c, d, e ꝛc. einer = 0 ist, so ist der vorhergehende ein Maximum oder ein Minimum. Um dieses zugleich zu erklaͤren und zu beweisen, so setze man ζ = q + x , so verwandelt sich diese Formel in folgende: ± \eta = aq + ax bq^2 + 2bqx + bx^2 cq^3 + 3cq^2x + 3cqx^2 + cx^3 dq^4 + 4dq^3x + 6dq^2x^2 + 4dqx^3 + dx^4 ꝛc. Demnach sind die Coefficienten des ersten Gliedes = aq + bq^2 + cq^3 + dq^4 + \&c. = p des zweyten = a + 2bq + 3cq^2 + 4dq^3 + \&c. = p' des dritten = b + 3cq + 6dq^2 + \&c. = p'' des vierten = c + 4dq^3 + \&c. = p''' des fuͤnften = d + \&c. = p'''' \&c. Man sehe nun q als veraͤnderlich an, so werden diese Coefficienten ebenfalls groͤßer und kleiner. Welchen davon man nun = 0 setzt, so wird das Differentiale des vorhergehenden ebenfalls = 0, welches eine Anzeige ist, daß derselbe ein Maxi- Lamb. Archit. II. B. L l mum XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung mum oder Minimum sey. Denn differentiirt man alle, so findet man dp = p'\cdotdq dp' = 2p''\cdotdq dp'' = 3p''' dq dp''' = 4p'''' dq \&c. Demnach wird dp mit p', dp' mit p'', dp'' mit p''' ꝛc. = 0. Wenn demnach in der Formel ± \eta = a\zeta + b\zeta^2 + c\zeta^3 + d\zeta^4 + e\zeta^5 + ꝛc. einer der Coefficienten = 0 ist, so ist der Coefficient des vorhergehenden Gliedes ein Maximum oder ein Minimum , und die krumme Linie folgt der Kruͤm- mung, welche dieses Glied der Formel nach sich zieht, am meisten oder am wenigsten. Man kann auch hinwiederum hieraus den Schluß machen, daß wenn η ein Maximum oder ein Minimum seyn solle, der Coefficient a = 0 seyn muͤsse. Man kann diese An- merkung noch weiter ausdehnen. Denn setzt man dq bestaͤndig, so ist ddp = dp'\cdot dq = 2p''\cdot dq^2 ddp' = 2dp''\cdot dq = 2 \cdot 3 \cdot p'''\cdot dq^2 ddp'' = 2dp'''\cdotdq = 3\cdot4\cdotp''''\cdotdq^2 \&c. Demnach wenn einer der Coefficienten a, b, c, d ꝛc. = 0 ist, so ist nicht nur der naͤchst vorhergehende ein Maximum oder ein Minimum , sondern der, so die- sem vorgeht, hat die Eigenschaft, die bey einem Wendungspunct vorkoͤmmt, naͤmlich die geschwinde- ste oder langsamste Veraͤnderung, oder Zunahm. Man sieht demnach auch hieraus wie in der Formel \eta = ax + cx^3 + dx^4 + ꝛc. wo der Groͤßen durch Figuren. wo bx 2 = 0 ist, der Wendungspunct fuͤr η, und das Maximum oder Minimum fuͤr a zusammen treffen, und so auch, daß in den Formeln \eta = ax + cx^3 + ex^5 + gx^7 + \&c. \eta = bx^2 + dx^4 + fx^6 + \&c. die Coefficienten a, c, e, g ꝛc. b, d, f, lauter Maxima oder Minima sind, und in der erstern η ei- nen Wendungspunct haben. Wir haben aber bereits vorhin (§. 890. 891.) angemerket, daß die Formeln nur da vorkommen, wo die auf beyden Seiten der Ordinate Q liegende Theile der krummen Linie einan- der durchaus aͤhnlich sind. Demnach treffen diese Schicklichkeiten auch nur da zusammen, wo letzteres statt findet, und folglich nicht nur nicht bey allen krum- men Linien, sondern bey denen, wo sie zusammen tref- fen, nur in einigen und oͤfters nur in einem Puncte. Denn so ist der Circul die einige krumme Linie, bey welcher alle Diameter gleichguͤltig sind, und jeder den Diameter in zwey gleiche und aͤhnliche Theile theilt. Bey den Ellipsen sind nur die beyden Axen von dieser Art, weil bey den uͤbrigen Diametern, die Stuͤcke zwar aͤhnlich sind, aber anders gelegt werden muͤssen, um auf einander zu passen. §. 893. Bey der Formel \eta = ax + bx^2 + cx^3 + dx^4 + \&c. zeiget der erste Coefficient a uͤberhaupt an, wie stark sich die krumme Linie bey der Ordinate Q gegen die- selbe neigt, und diese Neigung behaͤlt sie desto laͤn- ger merklich, je kleiner die Coefficienten a, b, c ꝛc. sind. Besonders wenn b = 0 ist, so behaͤlt die Linie diese Neigung sehr merklich, weil die Tangente die L l 2 Linie XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung Linie bey dem Wendungspunct unter einem Winkel durchschneidet, der kleiner ist, als jeder, der sich ge- denken laͤßt, und weil cx 3 vor und nach Q unmerklich klein bleibt. Wie demnach a uͤberhaupt die Lage der Linie und ihrer Tangente anzeigt, so zeigt hingegen b die Kruͤmmung derselben dergestalt an, daß, wo b nicht = 0 ist, diese Kruͤmmung sich mit der Kruͤm- mung eines Circuls vergleichen laͤßt, dessen Halbmesser R = \frac {(1 + aa)^3:2}{2b} ist, und folglich mit a zunimmt, und hingegen desto kleiner ist, je groͤßer b ist. Setzt man nun b sey = 0, so wird R unendlich, und dieses will sagen, die Kruͤmmung der Linie lasse sich mit der Kruͤmmung eines Circuls nicht vergleichen, und in der That dif- ferirt sie davon, wie eine Linie von einer Flaͤche, weil sie kleiner ist, als die von jedem Circul, indessen aber dennoch eine Kruͤmmung ist, so lange die Coefficien- ten c, d, e ꝛc. nicht = 0 sind. Man kann aber, wo die Formel η = ax + px n + qx n+1 + \&c. ist, die Kruͤmmung der Linie bey Q mit der Kruͤm- mung einer Linie vergleichen, die durch z = px n : (1 + aa) (n + 1):2 vorgestellet wird. Es hat aber eine solche nicht cir- culaͤre Kruͤmmung nur bey demjenigen Puncte der krummen Linie statt, bey welchem die Gleichung ± η = ax + px n + qx n+1 + \&c. anfaͤngt, oder wo x = 0 ist. Denn so wenig man sich davon entfernt, faͤngt die Kruͤmmung wiederum an, circulaͤr zu werden, welches leicht daraus erhel- let, der Groͤßen durch Figuren. let, wenn man in dieser Gleichung x = A + v setzet, und dadurch die Abscisse P um die bestaͤndige Groͤße A verlaͤngert. §. 894. Wir haben in dem vorhergehenden die Abscissen und Ordinaten P, Q dergestalt angenommen, daß dieselben bey einem Maximo, Minimo, oder Wen- dungspunct vorkommen. Wir werden nun diese Be- dingungen weglassen, und fuͤr P, Q jede Abscisse und Ordinate annehmen, von welcher ζ und η fortgezaͤhlt werden. Dadurch erhaͤlt die allgemeine Gleichung zwischen ζ und η folgende Form: \eta = a\zeta + b\zeta^2 + c\zeta^3 + d\zeta^4 + \&c. Man setze nun η = q + x, so werden wir die in dem §. 892. angegebene Formel und Coefficienten haben, von welchen der zweyte = a + 2bq + 3cq^2 + 4dq^3 + \&c. = p' der dritte = b + 3cq + 6dq^2 + \&c. = p'' die Formel aber \zeta = p + p'x + p''x^2 + p'''x^3 + \&c. ist. Soll demnach η ein Maximum werden, so muß p' = o seyn, folglich setzet man o = a + 2bq + 3cq^2 + 4dq^3 + \&c. So viel nun diese Gleichung reale Wurzeln hat, so viele Maxima und Minima hat auch die fuͤrgegebene krumme Linie. Hinwiederum da fuͤr den Wendungs- punct, p'' = o seyn muß, so wird sie auch so viele Wendungspuncte haben, als in der Gleichung o = b + 3cq + 6dq^2 + \&c. L l 3 reale XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung reale Wurzeln vorkommen. Da nun bey jeder krum- men Linie, die Maxima und Minima abwechseln, wenn sie in Absicht auf die angenommene Lage der Abscis- senlinie deren mehrere hat, und da zwischen zwey auf einander folgende immer wenigstens ein Wendungs- punct faͤllt, so laͤßt sich daraus, wenn p' = o mehrere reale Wurzeln hat, schließen, daß p'' = o ebenfalls ei- nige haben muͤsse. Hingegen ist es leicht moͤglich, daß diese letztere Gleichung mehrere reale Wurzeln hat, als die erstere p' = o , weil, wie wir bereits vorhin (§. 90.) erinnert haben, die Maxima und Mi- nima von der Lage der Abscissenlinie abhaͤngen, die Wendungspuncte aber nicht. Der Halbmesser des Kruͤmmungskreises ist dabey uͤberhaupt R = \frac {(1 + p^\prime \cdot p^\prime)^{3:2}}{2p^{\prime\prime}} und folglich eben so viele male unendlich, als die Glei- chung p^{\prime\prime} = o Wurzeln hat. §. 895. Wenn man bey einem fuͤrgegebenen Fall eine Glei- chung oder unendliche Reihe von der Form \eta = a\zeta + b\zeta^2 + c\zeta^3 + d\zeta^4 + \&c. annimmt, so kann man sich oͤfters aus Betrachtung der Sache selbst versichern, wie die Coefficienten a, b, c, d ꝛc. beschaffen, und ob einige davon = o seyn muͤssen. Denn so z. E. wenn man voraus weiß, daß η einerley seyn muͤsse, man mag ζ positiv oder nega- tiv nehmen, so werden nothwendig die geraden oder die ungeraden Dimensionen von ζ allein behalten, und demnach koͤmmt von folgenden Formeln \eta = a\zeta + c\zeta^3 + e\zeta^5 + \&c. \eta = b\zeta^2 + d\zeta^4 + f\zeta^6 + \&c. noth- der Groͤßen durch Figuren. nothwendig eine vor, und zwar die erste, wenn η an- fangs wie ζ zunimmt, die andere aber, wenn η an- fangs wie ζ 2 zunimmt. Man setze z. E. η sey die Stralenbrechung, ζ aber der Entfernungsbogen des Sterns vom Scheitelpunct, oder dessen Sinus, oder dessen Tangente: so ist erstlich η einerley, man mag ζ positiv oder negativ nehmen. Demnach koͤmmt ei- ne von diesen Formeln vor, und zwar die erste, weil man weiß, daß in den groͤßern Hoͤhen η in Verhaͤlt- niß von ζ zunimmt. Vergleicht man nun die erste dieser Formeln mit den Observationen, so findet sichs, daß, wenn fuͤr ζ die Tangente des Entfernungsbo- gens vom Scheitelpunct genommen wird, die Reihe am staͤrksten convergirt. Man wird eben so finden, daß in dieser Reihe, wo ζ die Tangente ist, die Zei- chen + - abwechseln muͤssen. Will man hingegen die Kruͤmmung des horizontalen Lichtstrals in der Luft durch eine solche Formel bestimmen, so, daß ζ die gerade horizontale Entfernung, η aber die derselben entsprechende Vertiefung des Lichtstrals vorstellet, so, daß ζ von dem Punct an gerechnet wird, wo der Licht- stral horizontal ist, oder die Horizontallinie beruͤhrt: so wird man wiederum η einerley finden, ζ mag positiv oder negativ seyn, und da in beyden Faͤllen η abwaͤrts geht oder positiv bleibt, so koͤmmt hiebey die zweyte Formel \eta = b\zeta^2 + d\zeta^4 + f\zeta^6 + \&c. vor. Vergleicht man diese mit den uͤber die Stra- lenbrechung irdischer Gegenstaͤnde gemachten Obser- vationen, so findet sich, daß b nicht = o ist, sondern daß der Halbmesser des Kruͤmmungskreises, welcher bey dieser Formel fuͤr den Anfang der Abscissen R = \frac {1}{2 b} L l 4 ist XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung ist (§. 893.), siebenmal so groß ist, als der Halb- messer der Erde. Wird dieser = 1 gesetzt, so ist 7 = \frac {1}{2 b} b = \frac {1}{14} Dieses ist demnach der erste Coefficient dieser Formel, mit welchem man bey irdischen Gegenstaͤnden ziemlich ausreicht. Setzet man, daß der Lichtstral asymto- tisch ist, so werden von den folgenden Coefficienten nothwendig einige negativ, und es ist nicht zu zwei- feln, daß dieses nicht wechselsweise geschehe. Da der Lichtstral in der Luft keinen Wendungspunct, und η nur ein Minimum hat, wo naͤmlich ζ = o ist, so laͤßt sich daraus schließen, daß in den zwoen For- meln des §. 894. o = a + 2bq + 3cq^2 + 4dq^3 + \&c. o = b + 3cq + 6dq^2 + \&c. welche sich hier, wegen a = c = e = \&c. = o , in folgende o = 2bq + 4dq^3 + \&c. o = b + 6dq^2 + \&c. verwandeln, die erstere, welche fuͤr das Maximum ist, nur eine, die andere aber, welche fuͤr den Wen- dungspunct ist, gar keine reale Wurzeln hat. §. 896. Wir haben diese beyden Beyspiele umstaͤndlicher angefuͤhrt, weil daraus erhellet, wie man die allge- meinen Betrachtungen uͤber die krummen Linien sehr gut gebrauchen koͤnne, in vielen Faͤllen die Groͤßen, so in der Natur vorkommen, leichter zu bestimmen, und Formeln, die gleichsam bloß analytisch sind, auf eine der Groͤßen durch Figuren. eine gegruͤndete und schickliche Art dabey anzuwenden. Denn so lassen sich, ohne daß man die stralenbre- chende Kraft der Luft und ihre Abnahme in groͤßern Hoͤhen wisse, die Coefficienten der erstern Formel \eta = a\zeta + c\zeta^3 + e\zeta^5 + \&c. unmittelbar aus den beobachteten astronomischen Re- fractionen bestimmen, ohne daß man im geringsten eine Hypothese dabey anzunehmen genoͤthigt sey. Wir muͤssen uͤbrigens hiebey noch anmerken, daß es nicht immer gleichguͤltig ist, welche von den beyden Groͤßen, die man durch solche Formeln vorstellet, als Abscisse und Ordinate angenommen werde. Die Ab- scissenlinie, das will sagen, diejenige, worauf man ζ nimmt, muß die krumme Linie, wenigstens nicht bey dem Anfange, oder wo ζ = o ist, rechtwinklicht durchschneiden, weil man sonst statt der bisher be- trachteten Formeln, andere von folgender Art \eta = a \sqrt {\zeta} + b\zeta \sqrt {\zeta} + \&c. \eta = a\zeta^1:3+ b\zeta^2:3 + \&c. ꝛc. haben wuͤrde, mit deren Betrachtung wir uns hier nicht laͤnger aufhalten werden, zumal, da man mit Verwechselung der Abscissen und Ordinaten diese For- meln und deren Wurzelgroͤßen vermeiden kann, wenn anders der Fall, den man vor sich hat, einfoͤrmiger ist. Aendert man aber nur den Anfang der Ab- scissen, so, daß man ζ = A ± x setzet, so las- sen sich solche Wurzelgroͤßen leicht wiederum in unendliche Reihen verwandeln, die aus rationa- len Gliedern bestehen, ꝛc. L l 5 §. 897. XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung §. 897. Sodann wenn auch eine der beyden Formeln \eta = a\zeta + c\zeta^3 + e\zeta^5 + \&c. \eta = b\zeta^2 + d\zeta^4 + f\zeta^6 + \&c. bey einer fuͤrgegebenen krummen Linie statt findet, so geschieht dieses nicht durchaus, sondern nur bey eini- gen und zuweilen nur bey einem Punct (§. 892.). Man hat demnach nicht nur diesen zum Anfange der Ab- scissen zu machen, sondern es muͤssen in Ansehung der zweyten dieser Formeln die Abscissen auf der Tan- gente genommen werden, weil die Ordinate η dabey zwischen die krumme Linie und die Tangente faͤllt. Dieses findet sich nun, wie es aus den beyden vorhin (§. 895.) angefuͤhrten Beyspielen erhellet, aus der Natur der Sache, auf welche die Formel angewandt wird, oͤfters sehr leicht. Wir wollen nun noch se- hen, wie die Coefficienten bestimmt werden koͤnnen, wenn man nichts als Observationen vor sich hat. Zu diesem Ende wird die erste dieser Formeln \eta = a\zeta + c\zeta^3 + e\zeta^5 + \&c. in folgende \eta = A\zeta + B\zeta (\zeta^2-m^2) + C\zeta (\zeta^2-m^2).(\zeta^2-n^2) + D\zeta (\zeta^2-m^2).(\zeta^2-n^2).(\zeta^2-p^2) + \&c. aufgeloͤset. Man setze nun, daß wenn ζ = m ist, η = α sey, = n = β = p = γ = q = δ \&c. \&c. so werden A, B, C, D \&c. folgendermaßen bestimmt. I.° Man der Groͤßen durch Figuren. I.° Man setze ζ = m, so ist η = α folglich α = A m A = α:m II.° Man setze ζ = n, so ist η = β, folglich β = \frac {\alpha n}{m} + Bn (n^2-m^2) B = \frac {\beta m - \alpha n}{n \cdot m \cdot (n^2-m^2)} = \frac {\beta - An}{n \cdot (n^2-m^2)} III.° Man setze ζ = p, so ist η = γ, folglich \gamma = Ap + Bp (p^2-m^2) + Cp \cdot (p^2-m^2) (p^2-n^2) C = \frac {\gamma :p-A-B (p^2-m^2)}{(p^2-m^2) \cdot (p^2-n^2)} IV.° Auf eine aͤhnliche Art findet sich fuͤr x = q, D = \frac {\delta : q - A - B (q^2-m^2) - C (q^2-m^2) \cdot (q^2-n^2)}{(q^2-m^2) \cdot (q^2-n^2) \cdot (q^2-p^2)} \&c. §. 898. Jn Ansehung der andern Formel \eta = b\zeta^2 + d\zeta^4 + f\zeta^6 wird \eta = A\zeta^2 + B\zeta^2 (\zeta^2-m^2) + C\zeta^2 (\zeta^2-m^2) \cdot (\zeta^2-n^2) + ꝛc. angenommen, und eben so verfahren, wodurch man sodann A = \alpha :m^2 B = \frac {\beta :n^2 - A}{n^2 - m^2} C = \frac {\gamma :p^2 - A - B (p^2-m^2)}{(p^2-m^2) \cdot (p^2-n^2)} D = \frac {\delta :q^2 - A - B (q^2-m^2) - C (q^2-m^2) (q^2-n^2)}{(q^2-m^2) \cdot (q^2-n^2) \cdot (q^2-p^2)} ꝛc. findet. §. 899. XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung §. 899. Hat aber die Formel, deren Coefficienten man durch Beobachtungen bestimmen will, alle Glie- der, so daß \eta = a\zeta + b\zeta^2 + c\zeta^3 + d\zeta^4 + \&c. ist, so muß man \eta = A\zeta + B\zeta (\zeta - m) + C\zeta \cdot (\zeta - m) \cdot (\zeta - n) + D\zeta \cdot (\zeta - m) \cdot (\zeta - n) \cdot (\zeta - p) + ꝛc. annehmen, und die Coefficienten A, B, C, D ꝛc. auf die erst angezeigte Art bestimmen. Der Grund, warum man dieser Formel in jedem Fall eine andere Gestalt giebt, ist dieser, daß, wenn man dieselbe durch die wirkliche Multiplication aufloͤset, die her- auskommende Reihe keine andere Glieder haben, als die, so in derjenigen Reihe vorkommen, fuͤr die man sie annimmt. Es koͤmmt uͤbrigens hiebey viel darauf an, daß die Coefficienten A, B, C, D ꝛc. geschwinde convergiren, weil man auf diese Art derselben weniger gebraucht. Man kann zwar diese letztere Formel auch bey den beyden erstern Faͤllen gebrauchen, allein sie wird dabey weitlaͤuftiger und weniger convergirend. So z. E. wenn man den Sinum durch den Bogen ausdruͤcken will, so geschieht dieses durch die erste Formel des §. 897, weil die kleinern Bogen wie die Sinus zunehmen, und beyde positiv und negativ einerley bleiben. Man setze nun αβγδ, ꝛc. die Sinus von 10, 20, 30, 40 ꝛc. Gra- den fuͤr m, n, p, q aber 1, 2, 3, 4, so ist α = 0,1736482, m = 1. β = 0,3420202 n = 2. γ = 0,5000000 p = 3. δ = 0,6427876 q = 4. \&c. η = η ζ = ζ und der Groͤßen durch Figuren. und (§. 897.) \eta = A\zeta + B\zeta \cdot (\zeta^2-m^2) + C\zeta \cdot (\zeta^2-m^2) \cdot (\zeta^2-n^2) + \&c. Hieraus erhaͤlt man nach der erst angegebenen Art zu verfahren A = + 0,1736482 B = - 0,0008794 C = + 0,0000013⅓ \&c. und folglich, wenn diese Werthe substituirt werden \eta = 0,1745329\zeta-0,0008860\zeta^3+0,0000013 \frac {2}{5}\zeta^5 + ꝛc. Jn dieser Reihe ist ζ = 1 der Bogen von 10 Graden, und folglich der erste Coefficient 0,1745329 die wirk- liche Laͤnge desselben in eben den Theilen, in welchen die Sinus genommen worden, naͤmlich in solchen, da der Halbmesser = 1,0000000 ist. Setzet man \zeta =\frac {1} {2} , so giebt diese Reihe den Sinus des Bogens von 5 Graden = 0,0871557. Setzet man ζ = 1½, so giebt sie den Sinus von 15 Graden = 0,2588190, alles so genau als in den Tafeln, woraus die Sinus αβγδ, ꝛc. genommen sind. Nimmt man hin- gegen die Sinus von 30, 60, 90, 120 ꝛc. Graden, und setzet demnach \alpha =\frac {1} {2} m = 1 \beta = \sqrt {\frac {3}{4} n} = 2 \gamma = 1 p = 3 \delta = \sqrt {\frac{3}{4} q} = 4 \&c. \&c. so XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung so erhaͤlt man A =\frac {1} {2} = + 0,50000000 B = - \frac {1}{6} (1 - \sqrt {\frac {3}{4}}) = - 0,02232910 C = + \frac {7 - 8 \sqrt {\frac {3}{4}}}{240} = + 0,00029919 D = - \frac {13 - 15 \sqrt {\frac {3}{4}}}{5040} = - 0,00000191 \&c. welches alles weniger convergirt. Setzet man α,β, γ,δ ꝛc. seyn die Sinus von 90, 180, 270, 360, 450 ꝛc. Graden, so ist α = + 1 m = 1 β = 0 n = 2 γ = - 1 p = 3 δ = 0 q = 4 ε = + 1 r = 5 \&c. \&c. Und hieraus erhaͤlt man A = 1 B = - ⅓ C = + \frac {1}{2 \cdot 3 \cdot 5} D = - \frac {1}{2 \cdot 3 \cdot 3 \cdot 5 \cdot 7} E = + \frac {1}{3 \cdot 3 3 \cdot 3 \cdot 5 \cdot 7 \cdot 8} \&c. welches ebenfalls weniger convergirt. Jndessen con- vergiren alle diese Faͤlle ungleich staͤrker, als wenn man die Formel η = Aζ + Bζ (ζ-m) + Cζ (ζ-m) (ζ-n) + \&c. genom- der Groͤßen durch Figuren. genommen haͤtte. Denn da wuͤrde man fuͤr den er- sten Fall, wo α,β,γ,δ ꝛc. die Tabellarsinus von 10, 20, 30 ꝛc. Graden sind, A = 0, 1736482 B = - 0, 0026381 C = - 0, 0008527 D = + 0, 0000132 E = + 0, 0000012 \&c. gefunden haben, und dabey wechseln die Zeichen + - anders ab, weil, wenn man diese Formel durch die wirkliche Multiplication aufloͤset, die Glieder, wo ζ gerade Dimensionen hat, = 0 werden muͤssen. Un- geachtet uͤbrigens die Coefficienten A, B, C ꝛc. in allen diesen Faͤllen stark convergiren, so ist dieses den- noch nur dem Schein nach, weil sie sodann durch m, n, p, q ꝛc. wiederum multiplicirt werden. Man thut demnach besser, wenn man die Formeln folgen- der Gestalt annimmt. I°. \eta = A\zeta + B\zeta \cdot \frac {\zeta^2-m^2}{m^2} + C\zeta \cdot \frac {\zeta^2-m^2}{m^2} \cdot \frac {\zeta^2-n^2}{n^2} + ꝛc. II°. \eta = A\zeta^2 + B\zeta^2 \cdot \frac {\zeta^2-m^2}{m^2} + C \cdot \zeta^2 \cdot \frac {\zeta^2-m^2}{m^2} \cdot \frac {\zeta^2-n^2}{n^2} + ꝛc. III°. \eta = A \zeta + B\zeta \cdot \frac {\zeta - m}{m} + C \cdot \zeta \cdot \frac {\zeta - m}{m} \cdot \frac {\zeta - n}{n} + ꝛc. Auf diese Art faͤllt das bloß scheinbare Convergiren in den Coefficienten A, B, C, D ꝛc. weg, und wenn sie in diesen Formeln in einem fuͤrgegebenen Fall noch stark convergiren, so gebraucht man derselben nur wenige, XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung wenige, um ζ zu bestimmen. So z. E. findet man fuͤr das erste der angefuͤhrten Beyspiele A = 0, 1736482 B = - 0, 0008794 C = + 0, 0000053 E = - 0, 0000000 ꝛc. Bey dem dritten Beyspiele aber findet man A = 1 B = - \frac {1}{3} C = + \frac {2}{3 \cdot 5} D = \frac {2}{5 \cdot 7} E = \frac {8}{5 \cdot 7 \cdot 9} F = \frac {8}{7 \cdot 9 \cdot 11} ꝛc. welche Zahlen schon viel langsamer convergiren. Sie machen aber, wenn sie saͤmmtlich positiv genommen werden die Reihe a = 1 + \frac {1}{3} + \frac {1 \cdot 2}{3 \cdot 5} + \frac {1 \cdot 2 \cdot 3}{3 \cdot 5 \cdot 7} + \frac {1 \cdot 2 \cdot 3 \cdot 4}{3 \cdot 5 \cdot 7 \cdot 9} + ꝛc. aus, und dieses ist der erste Coefficient der Formel \eta = a\zeta + c\zeta^3 + e\zeta^5 + ꝛc. um deren Coefficienten zu bestimmen die Formel \eta = A\zeta + B\zeta \cdot \frac {\zeta^2 - m^2}{m^2} + ꝛc. angenommen worden. Da nun in dem Beyspiele fuͤr ζ = 1, 2, 3, ꝛc. Bogen von 90, 180, 270 ꝛc. Gra- den, und fuͤr η deren Sinus angenommen worden, so ist dieser Coefficient a die wirkliche Laͤnge des Qua- dranten, oder = 1, 5707963 ꝛc. und dieses ist auch die Summe der Reihe a = 1 + \frac {1}{3} + \frac {1 \cdot 2}{3 \cdot 5} + \frac {1 \cdot 2 \cdot 3}{3 \cdot 5 \cdot 7} + ꝛc. welche sich leicht in a = 2 - \frac{1}{3} - \frac {1}{3 \cdot 5} - \frac {1 \cdot 2}{3 \cdot 5 \cdot 7} - \frac {1 \cdot 2 \cdot 3}{3 \cdot 5 \cdot 7 \cdot 9} - ꝛc. verwandelt. §. 900. der Groͤßen durch Figuren. §. 900. Wir haben uns bey diesen Beyspielen laͤnger auf- gehalten, weil sie nicht nur die angegebenen Formeln erlaͤutern, sondern weil zugleich auch daraus erhellet, daß man, um die Laͤnge des Quadranten eines Cir- kels zu finden, weiter nichts wissen darf, als daß die Sinus von 90, 180, 270, 360 ꝛc. Graden = 1, 0, - 1, 0, 1, ꝛc. sind. Das uͤbrige alles leitet sich aus ganz allgemeinen Betrachtungen uͤber die Kruͤmmung des Cirkels her. Die Vergleichung des ersten und des dritten Beyspieles zeiget zugleich, wie viel es darauf ankomme, daß die Coefficienten A, B, C ꝛc. stark convergiren, und dieses wird besonders noth- wendig, wo man es bey einer Naͤherung will bewen- den lassen, so daß man nur einige der ersten dieser Coefficienten gebraucht. Dieses geht aber immer an, so oft man nur kleine Stuͤcke einer krummen Li- nie vor sich hat, und in dieser Absicht lassen sich die angefuͤhrten Formeln zu Jnterpolationen gebrauchen, wohin nun ebenfalls noch folgende Betrachtungen dienen. §. 901. Wenn man eine construirte krumme Linie vor sich hat, so lassen sich leicht gerade Linien ziehen, welche dieselbe beruͤhren. Hingegen ist der Beruͤhrungspunct schwerer zu bestimmen. Um dieses zu thun, so ziehe man mit der Tangente parallele Chorden, so viel man will, und theile jede derselben in zween gleiche Theile, so laͤßt sich durch diese Theilungspuncte eine andere Linie ziehen, welche die fuͤrgegebene krumme Linie in dem gesuchten Beruͤhrungspunct durchschnei- det. Diese Linie ist nun nothwendig gerade, so oft Lamb. Archit. II. B. M m die XXXII. Hauptstuͤck. Vorstellung die fuͤrgegebene krumme Linie eine von den Kegel- schnitten ist, und sie ist es auch in sehr vielen andern Faͤllen. Da man nun, den einigen Fall ausgenom- men, wo der gesuchte Beruͤhrungspunct zugleich ein Wendungspunct ist, fuͤr ein kleines Stuͤck der krum- men Linie den Kruͤmmungskreis derselben, oder ein osculirendes Stuͤck eines Kegelschnittes substituiren kann, so folget daraus, daß die durch die Theilungs- puncte der Chorden gezogene Linie nahe bey dem Be- ruͤhrungspuncte, den sie durchschneidet, eine sehr ge- ringe und einfoͤrmige Kruͤmmung habe, und daher um desto leichter gezogen werden koͤnne. Man wird aus dem §. 864. sehen, daß man sich dieses Mittels bedienen kann, durch Ziehung solcher Tangenten die Laͤnge der construirten krummen Linie genauer zu fin- den, als man sie construiren kann, das will sagen, daß, wo man sich mit einer Construction begnuͤget, dieses Verfahren sicher kann gebraucht werden. §. 902. Hat man nun zwey solcher Tangenten, die einen Winkel von 5, 10 oder 15 Graden mit einander ma- chen, gezogen, und auf erst bemeldete Art die Be- ruͤhrungspuncte gefunden, so zieht man diese zween Puncte durch eine Linie zusammen, welche zugleich eine Chorde ist, und mit den beyden Tangenten einen Triangel bildet, durch welchen die krumme Linie durchgeht. Sie theilet den Flaͤchenraum dieses Tri- angels so, daß das Segment ⅔ von demselben ist, so oft die krumme Linie eine Parabel ist, und daß es so groß angenommen werden kann, so oft die Kruͤmmung der Linie von der von einem paraboli- schen Stuͤcke nicht merklich abweicht. Von dieser Bedin- der Groͤßen durch Figuren. Bedingung kann man sich versichern, wenn man die Chorde in zween gleiche Theile theilet, und aus dem Theilungspuncte in den Punct, wo sich beyde Tan- genten durchschneiden eine Linie zieht. Wird diese von der krummen Linie in zween Theile getheilet, die so gleich sind, daß man sie mit dem Zirkel nicht un- gleich finden kann, so unterscheidet man auch das Stuͤck der krummen Linie nicht von einem Stuͤcke ei- ner Parabel, welches man folglich, so weit dieser Triangel geht, in allen Absichten dafuͤr substituiren kann, so fern man sich mit der Construction und de- ren Genauigkeit begnuͤget. (§. 865.). Drey und dreyßigstes Hauptstuͤck. Das Endliche und das Unendliche. §. 903. D er Begriff des Unendlichen wird sowohl in Ma- thematic als in der Methaphysic gebraucht, und aus beyden Gruͤnden gehoͤret auch die Theorie davon hieher. Die Schwierigkeit wird aber wohl diese seyn, im Vortrage der Theorie alles das zu vermeiden, wodurch die Sache sehr oft schon verwor- ren gemacht worden. Jch werde bey den Definitio- nen anfangen, die in einigen Metaphysiken vorkom- men, und wodurch man das reelle Unendliche, im Gegensatze des Jdealen, kenntlich zu machen bemuͤhet gewesen. M m 2 §. 904. XXXIII. Hauptstuͤck. §. 904. Wolf glaubte eine Realdefinition des Unendlichen heraus gebracht zu haben, als er sagte, das Unend- liche sey ein solches Ding, welches alles hat, was es zugleich haben kann. Dawider hat man bereits an- gemerket, daß diese Erklaͤrung auf jedes Indiuiduum angewandt werden koͤnne, und daher zu weit sey. §. 905. Ferner hieß es, dasjenige sey unendlich, was nicht groͤßer werden kann. Es scheint aber auch, daß hie- durch das Unendliche von dem, was man in der Ma- thematic ein Maximum nennet, nicht genug unter- schieden werde. Ein Sinus kann nicht groͤßer als der Halbmesser des Cirkels werden, deswegen ist der Si- nus von neunzig Graden nicht unendlich, sondern ge- rade nur so groß als der Halbmesser. §. 906. Die dritte Definition ist bloß grammatisch. Man nennet naͤmlich unendlich, was keine Schranken hat. Die Woͤrter Ende und Schranken sind hoͤchstens darinn verschieden, daß ersteres mehr bey lineaͤren letzteres mehr bey raͤumlichen Dingen und Graden vorkoͤmmt, ersteres sich mehr auf die Sache selbst, letzteres aber auf die umliegende und einschraͤnkende Dinge sich bezieht. Diese Erklaͤrung setzet uͤberdieß voraus, daß man vom Endlichen und von Schran- ken klaͤrere Begriffe habe, als vom Unendlichen. Die Scholastiker sagten aber, daß idea infiniti prior idea finiti sey, und so wuͤrden sie mit der Definition auch nicht zufrieden seyn. Das Abstrahiren von den Schran- Das Endliche und das Unendliche. Schranken leitet auch nicht unmittelbar zum Unend- lichen, sondern zu einem allgemeinern Begriff, wel- cher das Endliche und das Unendliche, als zwo Ar- ten unter sich begreift, und eine Groͤße ohne Ruͤck- sicht auf ihre Endlichkeit oder Unendlichkeit vorstellet. §. 907. Jch sehe also nicht, daß man mit Definitionen von der Art, wie die drey angefuͤhrten sind, weit reiche, noch daß sehr richtige Schluͤsse daraus gezo- gen werden koͤnnen. Es wird inzwischen nicht un- dienlich seyn, die Erklaͤrung der Groͤße uͤberhaupt, die man seit Leibnitzen in den meisten Metaphysi- ken findet, vorzunehmen. Sie heißt: Eine Groͤße sey der innere Unterschied aͤhnlicher Dinge, und sie koͤnne zwar gegeben oder vorgezeiget, aber nicht mit Worten deutlich erklaͤret oder ohne Zuziehung eines dritten deutlich gemacht werden. Jch habe nun bereits schon oben angemerkt, daß diese Erklaͤ- rung ebenfalls nur bey solchen Arten von Groͤßen angeht, die keine bestimmte Einheit haben, und daß sie daher zu enge ist, weil sie auf solche Groͤßen, die eine bestimmte oder vollends eine absolute Einheit haben, nicht passet. Jch habe aber auch angemerkt, daß diejenigen Groͤßen, die keine bestimmte Einheit haben, solche sind die von 0 bis ins Unendliche fort- gehen. Will man demnach die erst angefuͤhrte De- finition bey diesen Arten von Groͤßen gelten lassen; so wird sie auch bey dem Unendlichen, wenigstens ge- wissermaßen anwendbar seyn. Nun kann man mei- nes Erachtens sagen, daß eine unendliche Groͤße gegeben werden koͤnne. Denn sie kann viel leichter, kuͤrzer und unmittelbarer gegeben werden, als eine M m 3 endliche XXXIII. Hauptstuͤck. endliche Groͤße, weil bey dieser nicht nur die Art der Groͤße, sondern auch ihr bestimmtes Maaß gegeben werden muß, wenn man sie sich vorstellen soll, dafern sie nicht eine bestimmte Einheit hat. §. 908. Das Geben der unendlichen Groͤße scheint aber auch das einige zu seyn, was man um sie deutlich zu machen thun kann. Eine unendliche Groͤße ist eine Groͤße schlechthin oder per eminentiam. Der Begriff davon ist ganz positiv und einfach, und daher auch keiner Definition faͤhig. Denn will man ihn durch Vorzaͤhlung der innern Merkmale definiren, so findet sich nichts darinn, als was wir per eminentiam die Groͤße nennen koͤnnen, ohne al- len Zusatz von Schranken. Dieser Zusatz wuͤrde ebenfalls etwas positives seyn. Er wuͤrde aber die Groͤße endlich, und den Begriff zusammengesetzt machen. Es setzet ferner jede Groͤße eine absolute Homogeneitaͤt voraus. Und eben dieses machet, daß der Begriff der Groͤße uͤberhaupt, und so auch der Begriff der unendlichen Groͤße, nicht durch Merk- male, die der Qualitaͤt nach verschieden waͤren, de- finirt werden kann. Also bleiben nichts als die Ver- haͤltnisse, die die Groͤße ihren Stufen oder Schran- ken nach haben kann. Das ist nun aber eben die Natur des Unendlichen, daß sich zwischen demsel- ben und dem Endlichen, welches Schranken hat, kein in Zahlen angebliches Verhaͤltniß gedenken laͤßt. Und damit ist ganz klar, daß sich mit dem Definiren des Unendlichen nichts thun laͤßt. Es muß und es kann auch gegeben werden. §. 909. Das Endliche und das Unendliche. §. 909. Jndessen bleibt hiebey, wie bey jeden einfachen Begriffen das Mittel, daß man anzeige, wie man zu demselben gelange. Dieses Mittel haben nun die Mathematiker laͤngst schon gebraucht. Sie ge- brauchten es aber bey solchen Groͤßen, die keine be- stimmte Einheit haben, und die folglich von o bis zum Unendlichen anwachsen koͤnnen. Von diesen gebrauchten sie, wenn vom Unendlichen die Rede war, die Ausdruͤcke: quauis data quantitate maior; quouis numero dato maior; lineam rectam quousque libet producere etc. §. 910. Wenn man demnach von daher eine Definition nehmen wollte; so muͤßte immer dabey vorausgesetzt werden, daß sie nur bey solchen Groͤßen anwendbar waͤre, die von 0 bis ins Unendliche gehen koͤnnen, und eben dadurch des Unendlichen faͤhig sind. Dieses wuͤrde aber ein Cirkel im Definiren seyn. Und so waͤre mit solchen Definitionen dennoch nichts ausgerichtet. Besser wird alles in Saͤtzen vorge- tragen. Unter diesen Saͤtzen muͤssen die eigentlichen Grundsaͤtze und Postulata vorgehen, so wie diese in jeden Wissenschaften den Definitionen, dafern diese nicht hypothetisch bleiben sollen, vorgehen muͤssen. §. 911. Da der Begriff des Unendlichen nicht bey jeden Groͤßen, sondern nur bey gewissen Arten von Groͤ- ßen vorkoͤmmt, die naͤmlich von 0 bis ins Unendliche fortgehen koͤnnen; so muß in einer aͤchten Theorie des M m 4 Unend- XXXIII. Hauptstuͤck. Unendlichen vorerst angegeben werden, von welchen Arten von Groͤßen die Rede seyn kann. Dieses for- dert, daß man die verschiedene Arten von Groͤßen durchgehe, um zu sehen, in Ansehung, welcher man in Form eines Postulatum setzen kann, daß dabey Quantitates data quauis quantitate maiores gedacht werden koͤnnen, und wie diese gedacht werden muͤs- sen. Jch sage gedacht. Denn um ordentlich zu verfahren, kann das, so allenfalls bloß ideal ist, zu- erst vorgenommen werden. Das Reale hat mit dem Begriffe des existiren koͤnnens und des wirklichen Existirens eine Verbindung, die aus eigenen Gruͤn- den eroͤrtert werden muß. §. 912. Nach diesem Leitfaden laͤßt sich nun erstlich Nume- rus quouis dato maior gedenken. Dieses Postula- tum hat man Eucliden immer eingeraͤumt. Frey- lich versteht es Euclid nur von Zahlen an sich be- trachtet. Daher entsteht die Frage, von welchen gezaͤhlten Dingen es ebenfalls angehe. So fern es nun Dinge giebt, die die einigen in ihrer Art sind, so fern laͤßt sich weder von vielen, und noch weniger von unendlich vielen reden. Es muß daher entweder bey der Anwendung der Euclidischen Forderung auf bestimmte Arten von Dingen fuͤr sich klar seyn, oder bewiesen werden, daß sich ihre Anzahl groͤßer, als jede angebliche Anzahl gedenken lasse. §. 913. Hievon habe ich nun bereits oben (§. 122.) eine Anwendung auf die unendliche Anzahl zusammen- gesetzter Das Endliche und das Unendliche. gesetzter Begriffe gemacht. Der Satz war; daß so viel man zusammengesetzte Begriffe gedenken will, sich noch mehrere gedenken lassen, die den Graden und der Art nach stufenweise und so viel man will, von einander verschieden sind. Dieses will nun sa- gen; die Anzahl der gedenkbaren Begriffe sey abso- lut unendlich. Nun ist in allen diesen Begriffen me- taphysische Wahrheit, und demnach in den dadurch vorgestellten Dingen die positive und im eigentlichsten Verstande genommene Moͤglichkeit zu existiren (§. 302. 303.). Zu dieser Moͤglichkeit aber wird schlechthin erfordert, daß die Kraft, wodurch sie zur Existenz gebracht werden kann, bereits existire. Eine Kraft aber, die unendlich viele Dinge positiv moͤg- lich, das will sagen, wirklich machen kann, muß an sich unendlich seyn. Hieraus folgt nun meines Erachtens die Existenz einer Kraft, die groͤßer, als jede gegebene Kraft, das will sagen, absolut unendlich ist. Die Existenz eines Verstandes, der alle, das will sagen, unendlich viele Begriffe wirklich denke, wird, weil zur metaphysischen Wahrheit die- ser Begriffe, die positive Moͤglichkeit des Denkens gehoͤrt, und diese das wirkliche Denken voraus setzt, ebenfalls folgen. §. 914. Doch ich will dieses hier nur zu fernerer Ueberle- gung hergesetzt haben. Es bezieht sich unter andern auch auf die Frage: ob etwas unendliches, das groͤßer als jede angebliche, das will sagen, endliche Groͤße ist, wirklich existiren koͤnne oder nicht? Die- se Frage schien bisher auch deswegen erheblich, weil die Metaphysiker das, was groͤßer als jede angeb- liche Groͤße ist, als das bloß ideale mathematisch M m 5 Unend- XXXIII. Hauptstuͤck. Unendliche ansahen, und das reale in ganz was an- derm suchen wollten. §. 915. Es wird aber hiebey nicht undienlich seyn, noch- mals zu erinnern, daß das Unendliche zum End- lichen kein angebliches Verhaͤltniß hat, und dem- nach mit einem endlichen Maaßstabe nicht aus- gemessen werden muß noch kann. So klar die- ses an sich ist, so leicht verstoͤßt man dawieder, weil man nicht immer auf das Endliche Acht hat, das in den Worten liegt, die man gebraucht. So z. E. will der Ausdruck: niemals sagen: vor oder nach keiner endlichen Zeit. Das Wort Zeit selbst ist ein Ausdruck, der die Bestimmung des Endlichen in sich schleußt, es sey, daß man dadurch einen bestimm- ten Zeitpunct oder einen bestimmten Theil der Dau- er gedenke. Jn diesem letztern Verstande kann ein tempus quouis dato maius gedacht werden. Hinge- gen hat die Dauer etwas absolutes, so fern man die Ewigkeit dadurch versteht. Alle wirkliche Zeit ge- hoͤret mit in den Strom der Ewigkeit. Dieses macht sie absolut unendlich, so sehr man bey dieser absoluten Unendlichkeit, eben weil sie absolut ist, gleichsam per eminentiam einen Anfang und ein Ende gedenkt, und beyfuͤgt, daß vor diesem Anfang und nach diesem Ende runde Vierecke existiren. So absolut unendlich naͤm- lich die Ewigkeit ist, so ist sie dennoch in ihrer Art ein Ganzes, eine absolute Einheit, und so wird sie auch von einem unendlichen Verstande gedacht. Un- ser nicht gedenken koͤnnen, ruͤhrt von der Endlichkeit her, die in dem Worte ich liegt. Denn, wenn wir Jahre fuͤr Jahre fortzaͤhlen, oder wie Haller sagt, Gebuͤrge von Millionen Jahren aufhaͤufen wollen, so reichen Das Endliche und das Unendliche. reichen wir allerdings niemal, das will sagen, in keiner endlichen Zeit ans Ende. Das will aber nur sagen, man muͤsse mit dem Endlichen das Unendli- che nicht ausmessen, weil alle Verhaͤltniß vom End- lichen zum Unendlichen wegfaͤllt, eben so, wie wenn man in der Geometrie den Jnhalt des Flaͤchenraumes durch eine Summe von Linien, die keine Breite ha- ben, bestimmen wollte. Denn das Unendliche ist ge- gen das Endliche ungefaͤhr eben so heterogen, als Flaͤchenraͤume gegen Linien. So fern wir aber das Absolute in dem Unendlichen wegen unserer endlichen Kraͤfte, nicht gedenken koͤnnen, muͤssen wir uns an das Symbolische halten, und uns begnuͤgen, daß das Wort Unendlich eine reelle Bedeutung hat. §. 916. Ob aber dessen unerachtet, daß das Unendliche bey uns ehender ein symbolischer Ausdruck als durchaus gedenkbar ist, dasselbe dennoch koͤnne gebraucht wer- den, ist eine Frage, die bey den Mathematikern laͤngst schon eroͤrtert ist. Jn der Metaphysic scheint der Ge- brauch davon nicht besonders groß zu seyn, weil man da mehr das Quale als das Quantum betrachtet. Da indessen dennoch die Theorie des Unendlichen auf das Existirende solle koͤnnen angewandt werden, so wer- den wir noch sehen, wie man dabey a posteriori ver- fahren koͤnne. Hier koͤmmt es nun fuͤrnehmlich auf die Theorie der Reihen an, dergleichen, in Absicht auf die Veraͤnderungen, in der wirklichen Welt al- lerdings unzaͤhlig viele Arten existiren. Jn diesen Betrachtungen muß nun das Metaphysische mit dem Mathematischen genau verbunden und alles mitge- nommen werden, weil das Wegbleiben eines einigen Umstandes XXXIII. Hauptstuͤck. Umstandes Ungereimtheiten von erheblichen Folgen nach sich ziehen kann. Wir werden um mehrerer Er- laͤuterung wegen einige Hauptclassen solcher Reihen, theils in Beyspielen, so in der Natur sind, vorle- gen, theils auch sie mit bloß Mathematischen ver- gleichen, ohne noch ihre Endlichkeit oder Unendlichkeit mit in Betrachtung zu ziehen. §. 917. Jn die erste Classe rechnen wir uͤberhaupt die peri- odischen Reihen, das will sagen, solche Veraͤnde- rungen, die nach gesetzter Zeit in eben der Ordnung wiederkehren. Solche finden sich nun mehr am Him- mel als auf der Erde, und auch die meisten von de- nen, so auf der Erde vorkommen, haͤngen von dem Umlaufe der Sonne oder der Erde und des Mondes ab. Unter diesen Reihen kommen auch solche vor, die von mehrern Perioden zugleich abhaͤngen, und daher eine zusammengesetzte Periode haben, welche an sich desto mehr ungleich ist, je mehr die einfachen Perioden, aus denen sie besteht, einander incommen- surabel sind. Da nun in der wirklichen Welt alles viel zu sehr durchflochten ist, als daß runde Zahlen darinn vorkommen, oder wenn sie vorkommen, blei- ben sollten, so hat keine Periode eine unveraͤnderliche Groͤße, und wir haben oben (§. 131.) schon aus diesem Grunde angemerkt, daß ein absoluter Progressus re- rum circularis und damit die Platonische Apocatasta- sis aus der Welt schlechthin wegbleibe. Was demnach immer von periodischen Reihen in der Welt kann ge- sagt werden, muß ohne Nachtheil des Satzes gesche- hen, daß man sie nicht nach mathematischer Schaͤrfe nehmen koͤnne. §. 918. Das Endliche und das Unendliche. §. 918. Jn die zweyte Classe rechnen wir diejenigen Reihen, die einen Anfang haben, und diese sind gewoͤhnlich divergirend. Wir finden auf der Erdflaͤche haͤufige und sehr verschiedene Beyspiele davon, in der Ver- mehrung des menschlichen Geschlechtes, einzeler Voͤl- ker und Familien, der Thiere, der Pflanzen. Selbst auch eine irgend entstandene Bewegung verbreitet sich in die anliegende Koͤrper, so wie sich in der Jntelle- ctualwelt Meynungen, Gedenkensarten, Erkenntnisse, Geruͤchte und Moden ausbreiten. Viele von solchen Reihen werden durch das Divergiren in jeden Thei- len schwaͤcher, und bey allen ruͤhrt der Anfang von einer aͤußern Ursache her, so wie auch aͤußere und in- nere Ursachen dem Divergiren entweder durchaus oder in einzeln Theilen ein Ende machen, und die Reihe unterbrechen, oder in eine andere verwandeln. §. 919. Jn die dritte Classe koͤnnen wir die Veraͤnderungs- reihen rechnen, die zunehmen, bis sie ihr Maximum, ihre hoͤchste Periode erreichen, und von da an wieder abnehmen, dafern sie nicht aufs neue belebt oder ver- staͤrkt werden. Man wird ohne Muͤhe das Wachs- thum jeder einzeln Menschen, Thiere, Pflanzen, Staaten, Erkenntnisse, Sprachen ꝛc. hieher rechnen koͤnnen. Haͤngen aber solche Reihen von periodischen Ursachen ab, wie die jaͤhrliche und taͤgliche Veraͤnde- rung der Waͤrme, so haben sie wechselsweise ein Ma- ximum und ein Minimum , welches sich, wenn man von zufaͤlligen Ursachen abstrahirt, nach der periodi- schen Ursache richtet. §. 920. XXXIII. Hauptstuͤck. §. 920. Endlich koͤnnen wir in die vierte Classe diejenigen Veraͤnderungen nehmen, die so weit im Beharrungs- stande sind, daß sie zwischen gesetzten Schranken blei- ben, ohne daß etwas periodisches dabey bemerkbar waͤre. Bey solchen Reihen ist immer ein Zusam- menlauf mehrerer Ursachen, die einander einschraͤn- ken, und wo eine die andere hindert zu groß zu wer- den, so lange sie saͤmmtlich bleiben. Wir finden in der Witterung mehrere solcher Veraͤnderungen, z. E. die Schwere und Menge der Luft, des Wassers, Re- gens, Windes ꝛc. Selbst aufbluͤhende Staaten rich- ten sich geschwinde in diesen Beharrungsstand, so, daß sie mehrerer kleinen Unruhen unerachtet, lange darinn bleiben. §. 921. So fern man nun solche Reihen fuͤr sich betrachtet, giebt es allerdings Faͤlle, wo man aus der Art, wie sie fortgehen, auf ihr Endlich seyn schließen kann. So kann man bey divergirenden Reihen mehrentheils ohne Muͤhe den Schluß machen, daß sie einen An- fang haben, und der Anfang von einer aͤußern Ursa- che herruͤhre. Wenn sie aber dergestalt divergiren, daß sie sich einem Maximo naͤhern, so kann es seyn, daß sie eine Periode haben, und um dieses zu eroͤrtern, muß man entweder einen laͤngern Theil der Reihe vornehmen, oder aus der Art, wie sie immer langsa- mer zunimmt, schließen koͤnnen, daß sie wieder ab- nehmen, und uͤberhaupt zwischen gesetzten Schranken bleiben werde. §. 922. Jst hingegen das Gesetz, nach welchem die Reihe fortgeht, von Glied zu Glied einerley, so, daß man von Das Endliche und das Unendliche. von A eben so auf B schließen kann, wie von B auf C , von C auf D ꝛc. so ist die Reihe unstreitig, so lange man von jeder aͤußern Ursache abstrahirt, vor und nach unendlich. Uebrigens ist hiebey allerdings mit anzumerken, daß, wo von wirklichen Veraͤnderun- gen die Rede ist, in der wirklichen Welt keine Reihe gefunden werde, wo die Veraͤnderung von Glied zu Glied durchaus einerley sey, weil die wirkenden Ur- sachen viel zu sehr durcheinander laufen, als daß die- ses statt haben koͤnnte. Der einige Fall, wo es an- zugehen scheint, betrifft nicht die Veraͤnderung, son- dern schlechthin nur die Fortdauer der Substanzen, oder des Substantialen an denselben. Diese ist von Augenblicke zu Augenblicke immer sich selbst gleich, und man hat daher laͤngst schon den Schluß gemacht, daß ihr anfangen und aufhoͤren von einer aͤußern Ur- sache abhaͤnge, und eben so hat man auch den Schluß gemacht, daß da diese Abhaͤnglichkeit offenbar nicht reciprocirlich ist, eine erste und schlechthin fuͤr sich fortdauernde oder subsistirende Ursache seyn muͤsse. §. 923. Es giebt ferner ausser den Reihen, die durch das Divergiren ihren Anfang verrathen, noch solche, die wie die Reihe \sqrt {1}, \sqrt {2}, \sqrt {3}, \sqrt {4} ꝛc. deswegen einen Anfang haben, weil die Quadratwur- zeln negativer Groͤßen, die man allenfalls vor diesen Anfang setzen wollte, schlechthin und an sich unmoͤg- lich sind. So z. E. da man nicht zweifeln kann, daß der gemeinsame Mittelpunct der Schwere aller Welt- koͤrper in Ruhe sey, kann man ebenfalls setzen, die Bewegung derselben habe von der bloßen Ruhe ange- fangen. Dieses ist vermittelst des Gesetzes der all- gemeinen XXXIII. Hauptst. Das Endliche und ꝛc. gemeinen Schwere nicht nur moͤglich, sondern der Schluß macht sich dadurch gleichsam nothwendig, weil die anfaͤngliche Geschwindigkeit bis auf incom- mensurable Theile haͤtte muͤssen gegen einander pro- portionirt werden, wenn anders der gemeinsame Mit- telpunct der Schwere in Ruhe bleiben sollte. Es bleibt aber die Astronomie und die Analyse zu weit zuruͤcke, als daß man von der dermaligen Lage ruͤck- waͤrts auf diesen Anfang sollte schließen koͤnnen, so sehr auch der Schluß selbst an sich betrachtet moͤglich ist. Hier kommen nun in der That Quadratwurzeln vor, weil der Fall der Weltkoͤrper sich nach dem Qua- drate des Abstandes, der Zeit und der Geschwindig- keit richtet. Dieses macht auch, daß die Ruhe kei- nen Augenblick dauern konnte, und daß folglich der Anfang der Bewegung schlechthin der Anfang war.