Menschenhaß und Reue. Schauspiel in fuͤnf Aufzuͤgen von August von Kotzebue . Berlin, 1790 . bey Christian Friedrich Himburg . Menschenhaß und Reue. Schauspiel in fuͤnf Aufzuͤgen . Personen . General Graf v. Wintersee. Die Graͤfin. Major von der Horst, Bruder der Graͤfin in franzoͤsischen Diensten. Lotte, Kammermaͤdchen der Graͤfin. Ein Kind der Graͤfin von 4 bis 5 Jahren. Bittermann, Haushofmeister und Verwalter des Grafen. Peter, sein Sohn. Madam Muͤller oder Eulalia. Ein Unbekannter. Franz, sein alter Diener. Zwey Kinder von 4 bis 5 Jahren. Ein Greis. Erster Aufzug . (Eine laͤndliche Gegend. Tief im Hintergrunde eine armselige Huͤtte, zwischen einigen Baͤu- men versteckt.) Erster Auftritt . (jagt einem Schmetterling nach, den er endlich mit dem Hute erhascht.) A ha! — dich hab ich erwischt. Ey, der ist ge- waltig schoͤn, roth und blau und gelb. (Er spießt ihn an eine Nadel und steckt ihn auf den Huth.) Sapper- lot! ich bin doch ein gescheiter Junge, wenn gleich mein Vater immer spricht: dummer Peter! Der Peter ist aber gar nicht dumm. Da hat er seinen Hut aufgedonnert, daß jeder Bauerdirne das Herz im Leibe lachen wird. — Der Vater will immer so gescheut seyn, will immer alles besser wissen; bald red’ ich zu viel, bald zu wenig, und wenn A 2 ich einmal mit mir selbst rede, so nennt er mich gar einen Narren: und ich rede doch am liebsten mit mir selbst, denn ich versteh’ mich am besten; und ich selbst lache mich auch niemals aus, wie die andern wohl zu thun pflegen. Das Auslachen ist eine abscheulich aͤrgerliche Gewohnheit. Ja, wenn Madam Muͤller mich auslacht, das laß ich noch hingehn; die verzieht das Maͤulchen dabey so suͤß und artig, daß man meint, sie lecke an einer Zu- ckerpuppe. — (im Begriff zu gehn und wieder umkehrend.) Ach poz Velten! da haͤtt’ ich beynahe vergessen, warum ich kam. Nun ja, da waͤre wieder auf meine Kosten gelacht worden. (er zieht einen Beute l heraus.) Das Geld soll ich dem alten Tobies bringen, und Madam Muͤller hat mir befohlen, nicht ein Woͤrtchen davon auszuplaudern. Nun, nun, da kann sie ganz ruhig seyn: aus meinem Munde kommt keine Silbe. — Schoͤn ist Madam Muͤller, sehr schoͤn! aber dumm, entsetzlich dumm! denn mein Papa sagt: wer sein Geld verthut, der handelt unvernuͤnftig; aber wer es gar verschenkt, den muß man je eher je lieber ins Tollhaus bringen. Zweyter Auftritt . Der Unbekannte. Franz. Peter. (mit verschränkten Armen und niederhangen- dem Kopfe. Als er Petern erblickt, bleibt er stehn und be- trachtet ihn mißtrauisch.) (steht ihm gegenüber und sperrt das Maul auf. Endlich zieht er den Hut ab, macht eine linke Verbeugung und geht in die Hütte.) Wer ist der Mensch? Der Sohn des Verwalters. Auf dem Schlosse? Ja. (nach einer Pause) Du sprachst gestern Abend — Von dem armen Bauer? Ganz recht. Sie antworteten mir nicht. Sprich weiter! Er ist arm. Woher weißt du das? Er sagt es. (bitter) O sie sagen und klagen viel. Und betruͤgen viel. A 3 Richtig. Dieser nicht. Warum nicht? Das fuͤhlt sich besser, als es sich sagt. Narr! Ein gefuͤhlvoller Narr ist mehr werth, als ein eiskalter Kluͤgler. Das ist nicht wahr. Wohlthaten erzeugen Dank. Das ist nicht wahr. Und begluͤcken mehr den Geber als den Empfaͤnger. Das ist wahr. Sie sind ein wohlthaͤtiger Herr. Ich? Ich bin hundertmal Zeuge davon ge- wesen. Ein wohlthaͤtiger Mensch ist ein Thor. O gewiß nicht. Sie verdienens nicht. Die meisten freylich nicht. Sie heucheln. Sie betruͤgen. Sie weinen ins Angesicht. Und lachen hinter dem Ruͤcken. (bitter) Menschenbrut! Es giebt Ausnahmen. Wo? Dieser Bauer. Hat er dir sein Ungluͤck geklagt? Ja. Ein wahrhaftig Ungluͤcklicher klagt nicht. (nach einer Pause) Aber so erzaͤhle! Man nahm ihm seinen einzigen Sohn. Der Fuͤrst? Ja. Zum Soldaten. Pfuy! Der Alte darbt. Schaͤndlich! Ist krank und verlaßen. Da kann ich nicht helfen. Doch. Wodurch? Durch Geld. Er kauft seinen Sohn los. Ich will den Alten selbst sehn. Thun Sie das! Aber wenn er luͤgt — — Er luͤgt nicht. A 4 O die Menschen sind gebohrne Luͤgner. Leider. Dort in der Huͤtte? Dort in der Huͤtte. (Unbek. geht in die Hütte.) Dritter Auftritt . (allein.) Ein guter Herr — aber das Reden verlernt man fast bey ihm. Ein braver Herr — aber ich kann nicht klug aus ihm werden. Auf jedes Menschen- Antlitz schimpft er, und kein Armer geht huͤlflos von seiner Thuͤre. Schon drey Jahre bin ich bey ihm, und noch weiß ich nicht, wer er ist. Ein Menschenfeind, das ist klar; aber ich wette, seine Mutter hat ihn nicht dazu gebohren. Der Men- schenhaß ist in seinem Kopfe, nicht in seinem Herzen. Vierter Auftritt . Franz. Der Unbekannte. Peter (aus der Hütte.) Spatzieren Sie nur voran! Narr! So bald zuruͤck? Was soll ich da? Fanden Sie es nicht, wie ich sagte? Diesen Burschen fand ich. Was hat der mit ihrer Wohlthaͤtigkeit zu schaffen? Er spielt mit dem Alten unter einer Decke. — Wie wuͤrden sie lachen, wenn sie mich einmal wieder zum Narren meines Herzens ge- macht haͤtten! Aber woher? — Der Bursche und der Alte, was thaten sie zusammen? (kopfschüttelnd und lächelnd) Nun wir wer- den es hoͤren. (zu Peter) Junger Herr, was ha- ben Sie dort in der Huͤtte gemacht? Gemacht? — nichts. Nun, umsonst sind Sie doch nicht da gewesen? Umsonst? warum nicht? Meiner Six! ich bin umsonst da gewesen. Pfuy, wer wird sich denn alles bezahlen lassen? Wenn Madam Muͤller mir ein freundlich Gesicht macht, so lauf ich wohl umsonst und um nichts bis an den Hals in den schlammigten Schloßgraben. A 5 Also hat Madam Muͤller Sie geschickt? Nun ja; man spricht nicht gerne davon. Wie so? Ja seh’ er nur, Madam Muͤller sagte: Musje Peter, seyn Sie so gut und laßen Sie sich nichts merken. (mit vieler Behaglichkeit.) Musje Peter — seyn Sie so gut — haͤ! haͤ! haͤ! Da wars mir gerade, als ob mich eine rothbackigte Bauerdirne kitzelte. Ey das ist ein anders. Dann muͤssen Sie auch fein verschwiegen seyn. Das bin ich auch. Ich sagte dem alten Tobies, er sollte nicht etwa denken, daß Madam Muͤller ihm das Geld geschickt haͤtte; denn das wuͤrde ich in meinem Leben nicht ausplaudern. Daran thaten Sie sehr wohl. — Brachten Sie ihm viel Geld? Nun, ich hab’ es nicht gezaͤhlt. Es war in einem gruͤnen seidenen Beutelchen. Ich denke, es mochten wohl die Milchpfennige seyn, die sie sich seit vierzehn Tagen zusammen ge- spart hat. Warum denn eben seit vierzehn Tagen? Ey vor vierzehn Tagen mußt ich ihm ja auch Geld bringen, und vor einer Woche auch. Es war gerade an einem Sonntage — nein, es war an einem Montage — aber ein Festtag muß es gewesen seyn, denn ich hatte meinen Sonntags- Rock an. Und all’ das Geld kam von Madam Muͤller? J Herr Je, von wem denn sonst? Mein Papa ist nicht so ein Narr; der sagt, man muß das Seinige zu rathe halten, und besonders im Sommer muß man gar keine Almosen geben; denn da hat der liebe Gott Kraͤuter und Wurzeln genug wachsen lassen, von denen der Mensch satt wer- den kann. Ey der liebe Papa! Aber Madam Muͤller lacht den Papa aus. Als vor Weihnachten die Kinder der alten Liese die Blattern hatten — nein, es war nach Weihnachten. — Nun, gleichviel! Ja, da wollte Madam Muͤller mich auch hinunter schicken ins Dorf, zu der alten Liese nehmlich. Aber das schlug ich ihr rund ab; denn es hatte damals geglatteist, und die Kinder sahen so schmutzig aus. Und was that denn Madam Muͤller! Meiner Six! Sie ging selber hin. Ha! ha! ha! und da hat sie sich mit den schmutzigen Kindern so viel abgegeben und geschwazt ha! ha! ha! Eine sonderbare Frau. Ja, sie ist manchmal gar zu wunderlich. Zuweilen weint sie den ganzen Tag, ohne zu wis- sen warum. Und wenn sie dann nur mich zufrie- den ließe! aber wenn sie weint, so schmeckt mir kein Bissen; ich muß mit weinen, ich mag wollen oder nicht. (zu dem Unbek.) Sind Sie nun beruhigt? Schaff mir den Schwaͤtzer vom Halse! Ich empfehle mich, Musje Peter. Wollen Sie schon fort? Madam Muͤller wird auf Antwort warten. Ach der Geyer! Sie haben Recht (er zieht vor dem Unbek. den Huth) Gott befohlen, Herr! (nickt mit dem Kopfe). (halb leise zu Franz) Der ist gewiß boͤse, daß er nichts von mir heraus kriegt? Es scheint beynahe. Ja, ich bin keine Plaudertasche. (ab) Fuͤnfter Auftritt . Der Unbekannte. Franz. Nun, Herr? Was willst du? Sie hatten Unrecht. Hm! Sie koͤnnen noch zweifeln? Ich will nichts mehr hoͤren. Diese Madam Muͤller; wer ist sie? warum find ich Sie immer auf meinem Wege? Wo ich hinkomme, da ist sie schon gewesen. Sie sollten sich dessen freuen. Freuen? Daß es der guten wohlthaͤtigen Seelen noch mehrere in der Welt giebt. O ja. Sie sollten ihre Bekanntschaft suchen. (spöttisch) Warum nicht lieber sie heu- rathen? Auch das, wenn Sie Lust dazu haben. Ich sah sie einigemal im Garten; sie ist eine schoͤne Frau. Desto schlimmer! Schoͤnheit ist Larve. Bey ihr scheint sie Spiegel der Seele. Ihre Wohlthaten — Ach, rede mir nicht von ihren Wohl- thaten! Glaͤnzen und schimmern wollen Sie alle; eine Frau in der Stadt durch ihren Witz, eine Frau auf dem Lande durch ihr Herz. Oder sie ist eine Betschwester, und dann ist es eitel Gleis- nerey. Gleichviel wie das Gute gestiftet wird. Nicht gleichviel. Fuͤr den armen Alten wenigstens. Desto besser. So kann er meiner Huͤlfe entbehren. Das fragt sich noch. Wie so? Seinen dringendsten Beduͤrfnissen hat Madam Muͤller abgeholfen; ob Sie ihm aber so viel gab, oder geben konnte, um sich auch die Stuͤtze seines Alters zuruͤck zu erkaufen — Schweig! ich will ihm nichts geben. (hämisch) Du intressierst dich ja recht warm fuͤr ihn? Willst du vielleicht mit ihm theilen? Pfuy! Das kam nicht aus ihrem Herzen. (sich besinnend, reicht ihm die Hand) Ver- gieb mir! (küßt sie) Armer Herr! wie muß Ih- nen mitgespielt worden seyn, ehe es der Welt ge- lang, diesen fuͤrchterlichen Menschenhaß, diese schauerlichen Zweifel an Tugend und Redlichkeit in ihr Herz zu pflanzen. Du hast’s errathen. Laß mich zufrieden. (Er wirft sich auf eine Bank, zieht einen Theil von Zimmer- manns Buche über die Einsamkeit aus der Tasche und liest) (für sich, ihn betrachtend) Nun wieder gelesen. So geht es den ganzen Tag. Fuͤr ihn hat die schoͤne Natur keine Freude und das Leben keinen Reiz. Ich hab ihn in drey Jahren nicht ein einziges mahl lachen sehen. Was soll daraus werden? ein Selbstmoͤrder! — Wenn er sich doch nur an irgend ein lebendes Wesen in der Welt ket- tete, und waͤr’ es auch nur ein Hund, ein Cana- rienvogel! Denn etwas muß der Mensch doch lie- ben. Oder wenn er Blumen zoͤge, oder Schmet- terlinge sammelte! — Nein, er thut nichts, als lesen. Und wenn er einmal den Mund oͤfnet, so sprudelt ein Fluch uͤber das ganze Menschenge- schlecht heraus. (liest) „Da vergißt man nichts. Da „blutet jede alte Wunde, da rostet kein Dolch. „Alles was einst die Nerven spannte und mit tie- „fen Spuren sich einpraͤgte in die Imagination, „ist ein Gespenst, das dich mit unermuͤdeter Wuth „in deiner Einsamkeit verfolgt.“ (der Greis tritt hervor). Ja, ja, der ehrliche Mann hat Recht. Aber eben deswegen fort! fort aus der Einsamkeit! fort in einen Wirbel von Zerstreuungen und Ge- schaͤften! (hört ihn nicht). Sechster Auftritt . Der Greis (aus der Hütte.) Vorige. O wie wohl das thut, sich so nach sie- ben langen Wochen einmal wieder von Gottes Sonne bescheinen zu lassen! Fast haͤtt’ ich im Rausch der Freude dem Schoͤpfer zu danken ver- gessen. gessen. (Er faltet seine Mütze zwischen beyden Händen, blickt gen Himmel und betet). (läßt das Buch sinken und wird aufmerksam auf ihn). (zu dem Unbek.) Dem Alten ist wohl wenig Freude in der Welt bescheert, und doch dankt er Gott auch fuͤr das wenige. Weil die Hofnung ihn noch immer an ihrem Gaͤngelbande leitet. Desto besser! Hofnung ist des Lebens Amme. Die groͤßte Betruͤgerinn auf dem wei- ten Erdboden. (hat indessen seine Mütze wieder aufgesezt und nähert sich). Gluͤck zu, Alter! Du bist, wie ich sehe, dem Tode entronnen. Fuͤr dieses mal, ja. Gott und die Huͤlfe jener braven Frau haben mir auf ein paar Jahre das Leben gefristet. Nun freylich, lange wirst du nicht mehr mitlaufen. Du scheinst mir ein alter Knabe. B Nahe an die siebzig. Habe auch wohl nicht viel Freude mehr zu hoffen. — Je nun, es giebt ja noch ein anderes Leben! Du solltest mit dem Schicksal zuͤrnen, das dich, so nahe dem Grabe, wieder in die Welt zuruͤckwirft. Fuͤr den Ungluͤcklichen ist der Tod kein Uebel. Bin ich denn so ungluͤcklich? Genieß ich nicht diesen schoͤnen Morgen? Bin ich nicht wieder gesund? — Glaubt mir, Herr, ein Genese- ter, der zum erstenmale wieder in die freie Luft tritt, ist in diesem Augenblick das gluͤcklichste Ge- schoͤpf unter der Sonne. Ein Gluͤck, an welches sich der Mensch nur allzuleicht gewoͤhnt. Freylich wohl. Doch weniger im Al- ter. Da wird man haushaͤlterisch mit der Gesund- heit. Man stuͤrzt den Wein nicht mehr hinun- ter, schlurft die lezten Tropfen. Und so ists auch mit der Freude. Ich habe freylich viel in der Welt gelitten und leide noch, aber ich wuͤrde darum doch nicht gerne sterben. Als mir vor vierzig Jah- ren mein Vater diese Huͤtte hinterließ; da war ich ein junger rascher Kerl, nahm ein gutes flinkes Weib; Gott segnete meine Wirthschaft reichlich, und mein Ehebette mit fuͤnf Kindern. Das dauerte so neun Jahr oder zehn. Ein paar von meinen Kindern starben; ich verschmerzte das; es kam die große Hungersnoth; mein Weib half sie mir ehr- lich tragen. Aber vier Jahre darauf nahm Gott sie zu sich, und auch von meinen fuͤnf Kindern blieb mir bald nachher nur ein einziger Sohn. Das war Schlag auf Schlag. Ich konnte mich lange nicht erhohlen. Zeit und Gottesfurcht thaten end- lich das Ihrige. Ich gewann das Leben wieder lieb. Mein Sohn wuchs heran und half mir ar- beiten. Nun hat mir der Fuͤrst auch diesen einzi- gen Sohn weggenommen und ihm eine Muskete zu tragen gegeben. Das ist freylich hart. Arbei- ten kann ich nicht mehr; ich bin alt und schwach. Waͤre Madam Muͤller nicht gewesen, ich haͤtte verhungern muͤssen. Und doch hat das Leben noch Reiz fuͤr dich? Warum nicht? So lange noch etwas in der Welt ist, das an meinem Herzen haͤngt. Hab’ ich denn nicht einen Sohn? B 2 Wer weiß, ob deine Augen ihn je wie- dersehen? Er lebt aber doch. Er kann auch wohl schon todt seyn. Ach warum nicht gar! Und wenn auch; so lange ich dessen nicht gewiß bin, so lange lebt er in meinen Gedanken, und das erhaͤlt mir mein eigenes Leben. Ja, Herr, selbst wenn mein Sohn todt waͤre, so wuͤrd’ ich darum doch nicht gern ster- ben. Denn hier ist noch eine Huͤtte, in der ich gebohren und erzogen bin; hier ist noch eine alte Linde, die mit mir aufwuchs, und — fast schaͤm’ ich mich, es zu bekennen: ich hab’ auch noch einen alten treuen Hund, den ich liebe. Einen Hund? Ja, einen Hund. Lach’ er, wie er will! Madam Muͤller, die Herzensgute Frau, war selbst einmal in meiner Huͤtte. Der alte Fidel knurrte, als sie kam. „Warum schafft er den gar- „stigen großen Hund nicht ab? fragte sie mich; „er hat ja kaum Brodt fuͤr sich.“ Lieber Gott! gab ich ihr zur Antwort: wenn ich ihn abschaffe, wer wird mich dann lieben? (zu dem Unbek.) Nehmen Sie mir’s nicht uͤbel, gnaͤdiger Herr! ich wollte, Sie haͤtten zugehoͤrt. Das hab’ ich. Nun so wollte ich, Sie naͤhmen ein Beyspiel an diesem Alten. (nach einer Pause, giebt ihm das Buch) Da, lege das auf meinen Schreibtisch. (Fr. ab). Wie viel gab dir Madam Muͤller? Ach! die gute, englische Seele hat mir so viel gegeben, daß ich dem kommenden Winter ruhig entgegensehen darf. Nicht mehr? Wozu denn mehr? — Freylich: um meinen Hans loszukaufen, koͤnnt’ ich’s wohl brau- chen; — aber sie mag wohl selbst nicht mehr ent- behren koͤnnen. (drückt ihm einen vollen Beutel in die Hand). Da! Kaufe deinen Hans los! (Er entfernt sich schnell). Was war das? (Er öfnet den Beutel und findet ihn voller Goldstücke.) Ach Gott! (Er zieht die Mütze ab, kulet nieder und dankt im Stillen). B 3 Siebenter Auftritt. Franz. Der Greis. (ihm entgegen) Nun, sieht er wohl, Herr? Vertrauen auf Gott laͤßt nicht zu Schan- den werden. (ihm den Beutel hinhaltend). Hier ist Gottes reicher Seegen. Gluͤck zu! aber wer gab dirs? Sein braver Herr, dem der Himmel dafuͤr lohnen wolle. Amen! — Der sonderbare Mann! Also deßwegen mußt’ ich das Buch hineintragen? Er wollte keinen Zeugen seiner Wohlthaͤtigkeit. Auch wollt’ er nicht einmal meinen Dank mit sich nehmen. Er war fort, eh’ ich noch reden konnte. Das sieht ihm aͤhnlich. Nun, Herr, nun will ich gehn, so schnell mich die alten Fuͤße tragen wollen. Ach! ein suͤßer Gang! — ich gehe meinen Hans loszu- kaufen. Wie wird der gute Junge sich freuen! — Er hat auch ein Maͤdchen unten im Dorfe, eine brave Dirne. — Welche Freude! welche Freude! — Gott, wie guͤtig bist du! Jahrelange Leiden ver- moͤgen die Ruͤckerinnerung an ehemalige Freuden nicht auszuloͤschen, aber ein einziger froher Au- genblick tilgt Jahrelange Leiden aus unserm Ge- daͤchtniß. — Ich gehe; beschreib’ er seinem Herrn meine Freude; das wird ihm lieber seyn, als mein Dank. — (im Gehen) Ach! warum kann ich nicht laufen? warum nicht fliegen? — (er steht plö tz lich stille). Halt! das war unrecht. Mein alter Ge- sellschafter muß mit mir gehen. Er hat mit mir gehungert und gewinselt; er soll sich auch mit mir freuen. Er und mein Sohn sind alte gute Freunde. O wie wird der gute Fidel vor uns herspringen! (er geht in die Hütte). (ihm nachsehend) Warum bin ich nicht reich? oder ein Fuͤrst? Augenblicke, wie diese, sind es, in welchen ich Fuͤrsten Reichthum beneide. (er geht ab). B 4 Achter Auftritt. (Ein Zimmer im Schloß.) (tritt auf, mit einem Briefe in der Hand.) Das ist mir nicht lieb. Ich hatte mich so ge- woͤhnt an die stille Einsamkeit. Ruhe wohnt frey- lich nicht immer in der Brust des Einsamen, denn ach! du nimmst dein Gewissen mit in Kloͤster und Wuͤsteneyen! Aber ich konnte doch weinen, wenn mir der Kummer das Herz nagte, und niemand sah mein rothgeweintes Auge, und niemand fragte: warum haben Sie geweint? Ich konnte durch Thal und Flur umherschweifen und niemand sah, daß mein Gewissen mich jagte. — Nun werden Sie mir auf den Hals kommen, werden mich in Ihre Gesellschaften ziehen; da werd’ ich reden und lachen sollen, an schoͤnen Tagen mit ihnen spatzieren gehn, und bey Regenwetter wohl gar Karte spielen. — Nimmt man einmal ein Buch in die Hand, so heißt’s gleich: was lesen Sie da? erzaͤhlen Sie doch! was steht in dem Buche? oder: werfen Sie das einfaͤltige Buch auf die Seite! wer wird im- mer lesen? — Ach! ich wollte, sie waͤren in der Stadt geblieben, auf ihren Baͤllen und Clubbs, auf ihren Assembleen und Promenaden, und haͤtten sich da begafft und verlaͤumdet, und betrogen und verfuͤhrt. — Und heute schon! — (in den Brief sehend) ach! das ist mir gar nicht lieb! und ich kann nicht recht klug aus dem Briefe werden, ob die Reise aufs Land nur so eine Grille war, Laune eines Augenblicks, oder Plan auf laͤngere Dauer. Fast befuͤrcht’ ich das letztere: und dann — gute Nacht, Einsamkeit, die du so oft mit deinem magischen Stabe Ruhe in dieses Herz zuruͤckbrachtest! Gute Nacht, Lectuͤre! Schales Plaudern wird dich ver- draͤngen. Hier, wo die Morgensonne sich nur in meiner Thraͤne spiegelte, hier wird Jagdgetoͤse und Hundegeheul sie begruͤßen. — Ach! alles wollt ich gern ertragen; aber wenn nun die edle Graͤfin mir Beweise ihrer Zuneigung, wohl gar ihrer Hochachtung giebt, und ich alle Augenblicke fuͤh- len muß, daß ich daß nicht verdiene — o wie wird dann mein Gewissen mich peinigen! — Oder — ich bebe vor dem Gedanken! — wenn dieses Schloß nun ein Tummelplatz von Gesellschaften wuͤrde, unter welche das Ohngefaͤhr wohl gar einige mei- B 5 ner ehemaligen Bekannten mischte! — ach! wie elend ist man, wenn auch nur zwey Augen in der Welt sind, deren Blick man scheuen muß. Neunter Auftritt. Peter. Eulalia. Nun, da bin ich. Schon zuruͤck? Gelt, ich bin flinck? und ich habe un- terweges noch obendrein einen Schmetterling ge- hascht, und auch wohl ein Viertelstuͤndchen ver- plaudert. Plaudern laß ich gelten; nur nicht aus- plaudern. Ey bewahre der Himmel! Nein, ich sagte dem alten Tobies, das wuͤrde er in seinem Leben nicht erfahren, daß das Geld von Ihnen kaͤme. Allerliebst! Und den Musje Franz, hi! hi! hi! den ließ ich auch mit einer langen Nase abziehn. Sie fanden den alten Tobies voͤllig wieder hergestellt? J freylich; er will heute zum ersten- male wieder heraus, in die frische Luft. Gott sey Dank! — (für sich) Bin ich nicht ein Kind? ich freue mich, wie ein Mensch, der hunderttausende schuldig ist, und dem es endlich gelang — Thaler abzubezahlen. Er sagte, das alles haͤtt’ er Ihnen zu danken; er wollte noch vor dem Essen selbst her- aufkriechen und Ihre Kniee umfassen. Lieber Musje Peter, wollen Sie mir einen Gefallen thun? J Herr Je! hundert fuͤr einen. Wenn Sie mir nur auch erlauben wollen, Sie recht lange anzusehen. Herzlich gern. Geben Sie Achtung, wenn der alte Tobies kommt, und lassen Sie ihn nicht herauf. Sagen sie ihm, ich haͤtte keine Zeit, ich waͤre krank, ich schliefe, oder was Sie sonst wollen. Gut, gut. Und wenn er nicht geht, so will ich die Hofhunde auf ihn hetzen. Ey bewahre Gott! Sie muͤssen ihm kein Leid zufuͤgen, hoͤren Sie? den alten Mann ja nicht kraͤnken. Wohl! wohl! alles wie Sie befehlen. Sonst ist der Sultan ein tuͤchtiger Hund, und der Caro hat wohl eher manchen Bauerluͤmmel in die Waden gebissen. Zehnter Auftritt. Bittermann. Die Vorigen. Guten Morgen, guten Morgen, meine liebe scharmante Madam Muͤller; ich freue mich recht herzlich, Sie wohl zu sehen. Hochdieselben haben mich rufen lassen. Vermuthlich etwas Neues aus der Residenz? — Ja, ja, es gehn wichtige Dinge vor; ich habe auch Briefe. — (lächelnd) Freylich, lieber Herr Bitter- mann; Sie correspondiren ja mit der ganzen Welt. (wichtig) Wenigstens habe ich in den Hauptstaͤdten von Europa meine sichern Correspon- denten. Und doch zweifle ich, ob Sie wissen, was heute hier im Hause vorgehen wird? Hier im Hause? Nichts von Bedeu- tung. Wir wollten heute ein Paar Tonnen Gerste aussaͤen; aber die Witterung ist mir zu trocken. Ich hatte gestern Briefe aus Siebenbuͤrgen; auch da mangelt der liebe Regen. Die allgemeine Klage durch ganz Europa! Doch ein Plaisirchen koͤnnen Sie sich heute machen, wir haben Schafschur. Und die Eier der großen Glucke muͤssen heut auskommen. Und der wilde braune Hengst — Schweig, Toͤlpel! Nun da haben wir’s! ich darf das Maul nicht aufthun. (er sezt seinen Huth auf und geht mau- lend ab). Unser Graf wird heute hier seyn. Wie? Was? Nebst seiner Gemahlin und seinem Schwager, dem Major von der Horst. Spas apart? Sie wissen, lieber Herr Bittermann; ich bin eben nicht sehr spashaft. Peter! — Du lieber Gott! Seine Hochgebohrne Excellenz, der Herr Graf, in eige- ner hoher Person — Peter! — und die gnaͤdige Frau Graͤfin — und seine Hochwohlgebohrnen Gna- den, der Herr Major — und hier ist nichts in der gehoͤrigen Ordnung — Peter! Peter! Nu, was giebt’s schon wieder? Ruf doch geschwind die Leute zusam- men; schick nach dem Foͤrster; er soll ein Reh in die herrschaftliche Kuͤche liefern — und Liese soll die Zimmer fegen und den Staub von den Spie- geln wischen, damit die gnaͤdige Frau Graͤfin sich darin besehen kann — und der Koch soll in der Eil ein paar Kapaunen schlachten — und Hans soll ei- nen Hecht aus dem Teiche hohlen — und Fried- rich soll meine Sonntagsperuͤcke frisiren. (Peter ab). Vor allen Dingen lassen Sie die Bet- ten luͤften und die Sophas aufklopfen. Sie wis- sen, der Herr Graf hat es gern ein wenig bequem. Freylich freylich, meine liebe schar- mante Madam Muͤller, das muß sogleich gesche- hen. Verzweifelt! da hab’ ich im gruͤnen Zimmer Erdaͤpfel aufgeschuͤttet; die koͤnnen nicht so eilig transportirt werden. Ist ja auch nicht noͤthig. Lieber Gott! wo soll denn der Herr Major von der Horst logiren? Geben Sie ihm das kleine rothe Zim- mer an der Treppe; das ist ein niedliches Zimmer und hat eine herrliche Aussicht. Recht gut, liebe Herzens-Madam Muͤller; aber da hat sonst immer der Haus-Se- cretair des Herrn Grafen gewohnt. Zwar, den brauchen Seine Excellenz eben nicht nothwendig; er hat alle Jahr kaum ein paar Briefe zu schreiben. Mann koͤnnte ihm — halt! es kommt mir da ein vortreflicher Einfall. Sie kennen das kleine Haͤus- chen am Ende des Parks? Da wollen wir den Herrn Secretair hinstopfen. Sie vergessen, lieber Herr Bittermann, da wohnt der Fremde. Ach, was geht uns der Fremde an? Wer hat ihn heißen hineinziehen? er muß heraus. Das waͤre unbillig. Sie selbst haben die Wohnung ihm eingeraͤumet, und ich denke, er bezahlt sie Ihnen gut. Er bezahlt wohl, und so ein Acci- dens fuͤr einen armen Verwalter ist freylich nicht zu verachten; aber — Nun, aber? Aber man weiß doch nicht, wer er ist; kein Teufel kann klug aus ihm werden. Ich habe den Henker von seinem Gelde, wenn er mich fuͤr jeden Groschen quaͤlen will. Er quaͤlt Sie? wodurch? Zerbrech’ ich mir denn nicht schon seit ganzen Monaten vergebens den Kopf, um hin- ter das Geheimniß zu kommen? Zwar hatt’ ich vor kurzem einen Brief aus Spanien, in welchem man mir meldet, daß sich in hiesigen Gegenden ein Spion aufhalte; nnd der Beschreibung nach — (lächelnd) Leicht moͤglich! Der Koͤnig von Spanien hat von Ihrer vortreflichen Schaf- zucht gehoͤrt, und da seine eigenen Schafe nicht viel taugen, so will er Ihnen die Kunstgriffe ab- lauren lassen. Nein, lieber Herr Bittermann, las- sen Sie den fremden, geheimnißvollen Mann zu- frieden. Er ist mir zwar noch nie in den Wurf ge- kommen, und ich bin auch eben nicht neugierig, ihn zu sehen; aber alles, was ich von ihm hoͤre, charakterisirt ihn als einen Menschen, den man allenthalben wohl dulden mag. — Er lebt still und friedlich. Das thut er. Er erzeigt manche Wohlthat im Ver- borgenen. Das thut er. Er beleidigt kein Kind. Bitterm. Nein, das thut er nicht. Er faͤllt niemanden zur Last. Nein, das auch nicht. Nun, was wollen Sie mehr? Ich will wissen, wer er ist. — Und wenn er einem nur Rede stuͤnde, daß man ihn bey Gelegenheit fein aushohlen koͤnnte! Aber wenn er mir auch einmal im dunklen Lindengange, oder unten am Bache aufstoͤßt — das sind so seine bey- den Lieblingsspatziergaͤnge — so heißt es: guten Tag und guten Weg, und damit holla! — Ich habe ein paarmal angefangen: es ist heute schoͤnes Wetter. — Ja. — Die Baͤume fangen schon an auszuschlagen. — Ja. — Der Herr machen sich, wie ich sehe, eine kleine Bewegung. — Ja. — Nun so geh du und der Teufel! Und wie der Herr, so der Diener; gerade so ein Stax. Ich weiß nicht eine Sylbe von ihm, als daß er Franz heißt. Sie ereifern sich, lieber Herr Bitter- mann, und vergessen ganz daruͤber die Ankunft un- sers Grafen. Ach der Teufel! Gott verzeih mir die Suͤnde! Da sehn Sie nun, liebe Madam Muͤl- C ler, was fuͤr Ungluͤck daraus entsteht, wenn man die Leute nicht kennt. (nach der Uhr sehend) Schon neun Uhr! Wenn der Herr Graf sich ein Stuͤndchen von sei- nem Schlafe abgebrochen hat, so kann die Herr- schaft bald hier seyn. Ich gehe das Meinige zu thun; thun Sie das Ihrige. (ab.) Eilfter Auftritt. (allein) Ja ja, ich will das Meinige schon thun. Die ist mir auch so eine; man weiß ja auch nicht, wer sie ist. Madam Muͤller! Ja lieber Gott! Ma- dam Muͤller. Es giebt der Madam Muͤllers viele in der Welt. — Das weiß ich wohl, daß die gnaͤ- dige Frau Graͤfin mir vor drei Jahren die Madam Muͤller so unvermuthet ins Haus gesetzt hat, wie einen Dintenkleks auf einen Bogen Papier; aber woher? warum? weswegen? ja, da haperts. — „Sie soll die innere Wirthschaft fuͤhren“, sagte die Frau Graͤfin. Je du lieber Gott! hab’ ich denn nicht etwa der innern und aͤußern Wirthschaft zwan- zig Jahre lang mit Ruhm vorgestanden? — Frey- lich, ich werde alt, und das muß ich ihr nachsagen, sie giebt sich viele Muͤhe. Aber hat sie nicht alles von mir gelernt? Wie sie herkam — Gott ver- zeih mir meine Suͤnde! — Sie wußte ja nicht ein- mal, daß man aus Flachs Leinewand webt. Ende des ersten Aufzugs. C 2 Zweyter Aufzug. Erster Auftritt. Der Major von der Horst (hereingeführt von Bittermann und Peter, welcher während die- ser ganzen Scene das Echo und der Affe seines Vaters ist.) I ch habe die Ehre, Ew. Hochfreyherrlichen Gna- den in meiner geringen Person den Herrn Haus- hofmeister Bittermann vorzustellen, welcher die Stunde selig preist, da ihm das Gluͤck zu Theil worden, den Hochfreyherrlichen Herrn Schwager Seiner Hochgraͤflichen Excellenz von Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen. Kennen zu lernen. O, schon mehr als zu viel, lieber Herr Bittermann! Ich bin Soldat, wie Sie sehen; ich mache wenig Umstaͤnde, und begehre der- gleichen auch nicht von andern. Bitte, bitte, Herr Major; wenn man gleich auf dem Lande lebt, so kennt man doch seine tiefe Schuldigkeit gegen hohe Personen. Man kennt seine Schuldigkeit. Nun, nun, wir werden schon noch bekannter werden. Sie sollen wissen, Herr Bit- termann, daß ich wenigstens ein paar Monate lang die Einkuͤnfte von Wintersee werde verzehren helfen. Warum nicht Jahre lang, Ew. Hoch- freyherrlichen Gnaden? Dem alten Bittermann ist’s eben recht. Der hat, ohne Ruhm zu melden, zusammen gescharrt und gespart, daß Se. Hoch- graͤfliche Excellenz daruͤber erstaunen werden. Desto besser! Ein Sparer will einen Verthuer, und da finden Sie an meinem Schwager Ihren Mann. Sie wissen doch, daß er den Dienst quitiret hat, und in Zukunft sein Leben in Fried’ und Ruhe hier auf Wintersee zu beschlie- ßen gedenkt? Was Sie mir sagen! Nein, nicht eine Sylbe ist mir zu Ohren gekommen. Mir auch nicht. C 3 Sie haben unsern alten Fuͤrsten ge- kannt? Der war kein Liebhaber von Soldaten, hielt deren nur gerade so viel, als noͤthig war, um die Wache vor seinem Schlosse und an den Thoren zu besetzen. Daran that er auch, nach meiner Mei- nung, sehr wohl; denn sein Land vermag fuͤr Ernst zu wenig, und ein paar tausend Mann sind fuͤr Spas zu viel. Andere Zeiten, andere Sitten. Der Alte starb, und der junge Fuͤrst vertauschte seine hoͤl- zernen Puppen mit lebendigen. Da ging es nun an ein Exerciren und Marschiren den lieben langen Tag. Fruͤh um vier Uhr saß der Fuͤrst schon zu Pferde. Das stand meinem Schwager, dem Herrn General, nicht an. Er hatte sich immer im Lehn- sessel die Rapports bringen lassen, war hoͤchstens in jeder Woche einmal auf der Parade erschienen, und nun sollt’ er dem Kinderspiel seine Bequemlich- keit aufopfern: — flugs nahm er seinen Abschied. Ey! ey! Ey! ey! Wunderlich, aber vortreflich; beson- ders in Ruͤcksicht auf meine Wenigkeit. Nun wird der alte Bittermann erst recht zu leben anfangen. Und der junge Peter auch. Der Herr Graf erhalten posttaͤglich, wie ich mich noch ganz wohl erinnere, den Ham- burgischen unpartheyischen Correspondenten und den lustigen Erlanger. Nichts neues, Herr Major, aus der politischen Welt? Nichts, als daß der Krieg zwi- schen den benachbarten Maͤchten wahrscheinlich bald ausbrechen wird. (sehr wichtig) O, das wissen wir schon seit zwey Monaten. Ja, das wissen wir schon. (lächelnd) Nicht moͤglich, Herr Bit- termann! Vor zwei Monaten wußten die kriegfuͤh- renden Maͤchte selbst noch nichts davon. Ha! ha! ha! das ist eben der Spas von der Sache. Man hat Freunde im Ministerium — man hat Correspondenten — man erhaͤlt Briefe von allen Seiten. (welchem die Unterhaltung herzliche Lan- geweile macht, für sich) Ich merke wohl, es waͤre bes- ser gewesen, ein paar Stunden auf der Straße die Langeweile zu ertragen. Da hat man doch Baͤume um sich, und den blauen Himmel uͤber sich. C 4 Bedaure nur, daß nicht im Staude bin, dem gnaͤdigen Herrn die Zeit zu passiren. Bedaure recht sehr. Weiß gar nicht, wo Madam Muͤller stecken mag. Das ist eine Frau, die Mundwerk hat. Madam Muͤller? Wer ist diese Madam Muͤller? Ja, lieber G o tt! wer sie ist, das weiß ich so eigentlich nicht zu sagen. Ich auch nicht. Keiner meiner Correspondenten hat mir daruͤber Nachricht geben koͤnnen. Sie ist hier quasi Haushaͤlterin. — Mir deucht, ich hoͤre ihre Silberstimme auf der Treppe. Ich werde sogleich die Ehre haben, Sie herauf zu schicken. Bemuͤhen sie sich nicht. Was bemuͤhen! Ich bin Ew. Gna- den allezeit bereitwilliger Diener. (mit vielen Verbeu- gungen ab.) (murmelt auch sein Bereitwilliger Diener zwischen den Zähnen, macht viele Kratzsüße und geht.) Nun werden sie mir gar ein altes Weib auf den Hals schicken. — Die wird mich zu Boden schwatzen! — O koͤstliche Geduld! Zweyter Auftritt. Eulalia. Der Major. (tritt mit einer sehr anständigen Verbeugung in das Zimmer.) (erwidert sie ein wenig verwirrt, für sich) Nein, alt ist sie nicht. (Er wirft noch einen Blick auf sie.) Beym Henker, nein! und haͤßlich auch nicht. Ich freue mich, gnaͤdiger Herr, in Ih- nen den Bruder meiner Wohlthaͤterin kennen zu lernen. Madam — jeder Titel ist kostbar, wenn er Anspruch auf ihre Bekanntschaft giebt. (ohne das Kompliment weder durch Blick noch durch Stellung zu erwidern) Die schoͤne Jahreszeit hat den Herrn Grafen vermuthlich aus der Stadt gelockt? Das wohl eben nicht. Sie kennen ihn. Ihm gilt es gleichviel, ob wir Regen oder Son- nenschein, Fruͤhling oder Winter haben, wenn nur in seinem eignen Hause ein ewiger Sommer herrscht. Das heißt nehmlich: eine freundliche Frau, eine gut besetzte Tafel und ein paar lachende Freunde. Der Graf ist ein liebenswuͤrdiger Epi- kuraͤer; immer gleichlaunigt, immer genießend jede C 5 Minute seines Lebens — tropfenweise, wie das erste Glas Rheinwein, welches der Arzt einem Kran- ken erlaubt. Aber gestehn Sie, Herr Major, der Graf ist ein Schooskind des Gluͤcks. Nicht um Geburt und Reichthum, nein, um der gesunden Mischung seiner Saͤfte willen. Ein gesunder Koͤr- per ist gerne gepaart mit einer heitern Seele. Kranke Nerven, traͤgeschleichendes Blut, wuͤrden den Grafen elend machen, selbst in den Armen Ihrer liebenswuͤrdigen Schwester. (der immer sichtbarer betroffen wird, so wie Eulaliens Verstand sich mehr und mehr ihm entwickelt) Sehr wahr, Madam! — und mein guter bequemer Schwager scheint sein Gluͤck zu fuͤhlen und festhal- ten zu wollen. Er hat den Dienst verlassen, um ganz sich selbst zu leben. Wirklich? Das macht seinem Kopfe Ehre. Wenn nur die Einsamkeit ihm nicht am Ende laͤstig wird. Ich denke, Herr Major, fuͤr den, der ein unbefangenes Herz in die Einsamkeit mitbringt, erhoͤht sie jede Freude des Lebens. Zum ersten Male hoͤr’ ich das Lob der Einsamkeit aus einem schoͤnen Munde . Sie sagen mir da eine Schmeicheley auf Kosten meines Geschlechts. Ist die Einsamkeit schon lange im Besitz einer so liebenswuͤrdigen Vertheidigerin? Ich wohne hier seit drey Jahren. Und nie ein leiser Wunsch nach Stadt und Menschengewuͤhl? Nie, Herr Major. Das zeugt entweder von einer sehr rohen oder von einer sehr ausgebildeten Seele. Ihr erster Blick laͤßt keinen Zweifel uͤbrig, zu wel- cher Classe man sie rechnen darf. (mit einem Seufzer) Es giebt vielleicht noch einen dritten Fall. Wirklich, Madam — ohne ih- rem Geschlechte zu nahe treten zu wollen — Die Weiber schienen mir immer weniger fuͤr die Ein- samkeit geschaffen, als die Maͤnner. Wir haben tausenderley Beschaͤftigungen, tausenderley Zer- streuungen, welche Ihnen mangeln. Darf ich fragen: welche? Wir reiten, wir jagen, wir spie- len, wir lesen, wir schreiben Briefe, wir schrift- stellern wohl gar ein wenig — Die edle Jagd und das noch edlere Spiel raͤum’ ich Ihnen willig ein; aber ich fuͤrchte, dabey haben Sie wenig gewonnen. In der That, Madam, ich wuͤnschte einen Tag lang Zeuge ihrer Beschaͤfti- gungen zu seyn. O, Sie koͤnnen nicht glauben, Herr Major, wie schnell die Zeit vorbeyeilt, wenn eine gewisse Einfoͤrmigkeit in unserer Lebensart herrscht. Ein Tag, wie der andere; die heutige Morgenstunde, wie die gestrige; o, da fragt man sich so oft: haben wir heute schon Sonnabend? ist der Montag schon zu Ende? — Wenn ich an einem heitern Morgen mir den Caffee auf den gruͤnen Hofplatz hinaustragen lasse, dann ist mir das suͤße Bild der auflebenden Geschaͤftigkeit und Thaͤtig- keit um mich her immer neu. Die Schwalben schwirren, die Enten und Gaͤnse schnattern, das Vieh wird ausgetrieben, der Bauer zieht hinaus aufs Feld, und wuͤnscht mir im Vorbeygehen einen freundlichen, guten Morgen, alles lebt und webt und ist froh. Wenn ich nun ein paar Stunden lang Zeuge dieses erquickenden Schauspiels gewe- sen bin, dann geh’ ich an meine Geschaͤfte, und eins, zwey, drey, ist der Mittag da. Gegen Abend fang ich an herum zu schwaͤrmen, aus dem Garten in den Park, aus dem Park auf die Wiesen. Ich fuͤttere mein Feder-Vieh, ich begieße meine Blu- men, ich pfluͤcke Erdbeeren, schuͤttle Kirschen von den Baͤumen, oder ich sehe den Bauerknaben zu, wie sie spielen. Alles das sind Freuden des Som- mers. Aber der Winter! der Winter! O, wer wird sich nun gerade den Win- ter immer denken, als einen Greis, in Pelz ge- huͤllt, mit dem Muff in der Hand? Der Winter hat seine eigenen Freuden. Wenn draußen Schnee und Hagel an die Fenster stuͤrmt, so thut einem schon der Gedanke so wohl: ich sitze hier am war- men Ofen. Und dann ist’s Zeit, den Buͤcher- schrank zu oͤfnen, durch Lesen die Seele zu erhei- tern, bis die Fruͤhlings-Sonne wieder waͤrmer scheint. Oder ich lasse mir mein Clavier stimmen, so gut unser Schulmeister das versteht, und spiele mir selbst eine Sonate von Mozart, oder singe mir eine Arie von Paisiello. Selig, wer den Faden seiner Be- schaͤftigungen so ganz aus sich selbst zu spinnen vermag! Und, lieber Gott! wie unersaͤttlich frißt das Stadtleben die kostbare Zeit! Da muß ich heute Visiten geben, morgen laͤstige Besuche empfangen, heute mir eine Haube stekken, morgen mir ein Kleid garniren. Hier fragt Niemand darnach; fuͤr die Frau Pastorin ist meine Haube noch im- mer nach dem neuesten Geschmack. Aber man will doch zuweilen ein Menschen-Antlitz sehen. Fehlt es mir etwa daran? O Herr Ma- jor, ich sehe Menschengesichter, die gesunder und froher um sich blicken, als Ihre staͤdtischen Ge- rippe. Und dann hab’ ich, außer dem Herrn Bit- termann und seinem Peter, noch so eine ganz ei- gene Gesellschaft, die mich zuweilen herzlich belu- stiget, nemlich die Bauerweiber aus dem Dorfe. Die kommen im Winter mit ihren Spinnraͤdern; da setz’ ich mich mitten unter sie, und da erzaͤhlen sie mir und belehren mich, uͤber Flachs und Hanf, uͤber Milch und Butter, und was dergleichen mehr ist. Die guten Seelen haben mich alle lieb, weil ich sie immer um Rath frage, und weil sie sich da- bey so wichtig fuͤhlen. Gewiß, Madame, wenn jemand auf der Welt versteht, aus jeder Blume Honig zu saugen, so sind Sie es. (stoßt einen unwillkührlichen Seufzer aus). Dritter Auftritt. Peter. Die Vorigen. bald nachher der Greis. Ja, ich kann ihn nicht halten; er ist schon auf der Treppe. Wer? Der alte Tobies. Haͤtten Sie mir er- laubt, den Sultan auf ihn zu hetzen; meiner Six! er waͤre nicht uͤber die Schwelle gekommen. (ab). (sich hereindrängend) Ich muß — guter Gott! ich muß! — (sehr verlegen) Ich habe jezt keine Zeit, Alter. Ihr seht, ich bin nicht allein. Ach! der gnaͤdige Herr wird mir ver- zeihen. Was wollt Ihr? Danken will ich! Empfangene Wohl- thaten sind ja auch eine Buͤrde, wenn man nicht danken darf. Morgen, lieber Alter, Morgen. Keine falsche Bescheidenheit, Madam! Erlauben Sie ihm, daß er seinem Her- zen Luft mache, und gestatten sie mir, Zeuge eines Auftritts zu bleiben, welcher redender als ihr Gespraͤch mich belehrt, wie edel Sie Ihre Zeit zubringen. — Rede, Alter, rede! O, daß jedes meiner Worte Seegen auf Sie herunter beten koͤnnte! — Verlassen lag ich in meiner Huͤtte, Fieberfrost klapperte mir in den Zaͤhnen. Der Wind sauste durch die Spalten meiner zerfallenen Wohnung, und der Regen schlug durch die zerbrochenen Fenster. Da hatt’ ich keine Decke, meine Fuͤße drein zu wickeln; nur mein alter treuer Hund waͤrmte mich und wedelte mir Trost zu. Aber nicht einmal ein Bissen Brodt war mir uͤbrig geblieben fuͤr den treuen Gefaͤhrten meiner alten Tage. Ach! da erschienen Sie mir in der Gestalt eines Engels, reichten mir Arze- neyen, und Ihre troͤstende liebliche Stimme wirkte kraͤftiger, als Ihre Arzeneyen, kraͤftiger als die Huͤhnerbruͤhen, die Sie mir taͤglich schickten, und der Wein, womit Sie mich labten. Ich bin ge- nesen; ich habe heute zum ersten Male, im Ange- sicht sicht der Sonne, Gott meinen Dank dargebracht, und nun komme ich zu Ihnen, edle Frau. Lassen Sie mich meine Thraͤnen auf Ihre wohlthaͤtige Hand weinen! Lassen Sie mich Ihre Kniee umfassen! (er will niederfallen, Eulalia verhindert es) Um Ihrent- willen hat Gott mein Alter gesegnet. Der fremde Herr, der dort in meiner Nachbarschaft wohnt, hat mir heute einen Beutel mit Gold geschenkt, um meinen Hans loszukaufen. Ich bin auf dem Wege nach der Stadt; ich kaufe meinen Hans los; dann giebt er mir eine brave Schwiegertoch- ter; dann schaukele ich vielleicht noch Enkel auf meinen Knieen — und Sie, wenn Sie dann vor meiner gluͤcklichen Huͤtte voruͤbergehen — o wie wohl muß Ihnen zu Muthe werden, wenn Sie sich sagen: das ist mein Werk! (bittend) Genug, Alter, genug! Ja wohl genug! denn ich kann’s doch nicht so von mir geben, wie es hier in meinem Herzen geschrieben steht. Gott weiß das besser. Gott und Ihr Herz moͤgen es Ihnen vergelten! (ab). D Vierter Auftritt. Eulalia. Der Major. (schlägt die Augen nieder und kämpft mit der Verwirrung einer schönen Seele, welche man auf einer gu- ten That ertappt hat). (steht ihr gegenüber und wirft von Zeit zu Zeit Blicke auf Sie, in welchen sein Herz schwimmt). (bemüht sich ein anderes Gespräch anzuknüpfen). Mir deucht, der Herr Graf koͤnnte nun bald hier seyn. Nicht doch, Madam. Er mag immer langsam fahren; die Wege sind holpericht. Sein Außenbleiben hat mir eine Unterhaltung ver- schaft, die ich nie vergessen werde. (lächelnd) Ey, Herr Major, Sie ma- chen eine Satyre auf die Menschen. Wie so? Weil dergleichen Auftritte Ihnen sel- ten scheinen. Wirklich, Madam, Sie haben’s errathen. — Und heute — ich gestehe es — ich war so wenig vorbereitet auf eine Bekanntschaft, wie die Ihrige — ich fuͤhle mich so sehr uͤberrascht — Als mir Bittermann Ihren Namen nannte; — wer haͤtte glauben sollen, daß hinter einem so alltaͤg- lichen Namen — (schnell einfallend) Ein nicht ganz all- taͤgliches Weib verborgen waͤre? — (scherzend) Darum rathe ich Ihnen — was schon mancher Sit- tenlehrer ohne Erfolg angepriesen hat — einen gu- ten Menschen ohne Namen immer hoͤher zu schaͤ- tzen, als einen Thoren, dessen Name dreyhnndert Jahre alt ist. — Verzeihen Sie! Ich werde muthwillig. Weiber kommen so leicht ins Plaudern. Und wissen so fein von der Straße abzulenken. — Von Ihrem Namen war die Rede. Nun ja, ich denke ihn nicht beruͤhmter zu machen, als er ist. Verzeihen Sie meine Neubegier. Sie waren — (schüchtern) oder sind verheurathet? (plötzlich aus ihrer muntern Laune in traurigen Ernst fallend) Ich war verheurathet, Herr Major. (dessen neugierige Aeußerungen doch im- mer in den Grenzen des feinsten Anstandes bleiben) Witt- we also? — D 2 Ich bitte Sie — es giebt Saiten im menschlichen Herzen, deren Beruͤhrung zuweilen einen so traurigen Mißton hervorbringt — ich bitte Sie — Ich verstehe. (er schweigt ehrerbietig) (nach einer Pause ihre vorige Laune wieder er- künstelnd) Wahrhaftig, ich werde anfangen, dem Herrn Bittermann seine Kunstgriffe abzulernen. Nichts Neues aus der Residenz, Herr Major? Nichts von Bedeutung. Doch — ich kann nicht wissen, was Sie dort interessirt, welche Bekanntschaften Sie haben. Ich? nicht eine einzige. Also wohl gar nicht einmal in unserm Lande gebohren? Weder gebohren, noch erzogen. Darf ich fragen, welcher Him- melsstrich — So gluͤcklich gewesen, meine Wenig- keit hervorzubringen? Ich bin eine Deutsche; das heilige roͤmische Reich ist mein Vaterland. Wirklich, Sie wissen alles in einen geheimnißvollen Schleier zu huͤllen; nur Ihre Vorzuͤge nicht. Das muͤssen Sie schon der weihlichen Eitelkeit zu Gute halten. Fuͤnfter Auftritt. Bittermann und Peter reißen die Thüren auf. Es treten herein der Graf und die Graͤfin mit i h - rem Kinde an der Hand. Nun, da waͤren wir. Gott segne unsern Ein- und Ausgang! — Madam Muͤller, ich bringe Ihnen einen Invaliden, der in Zukunft zu keiner andern Fahne schwoͤren will, als zu der Ihrigen. (er umarmt sie). Meine Fahne weht fuͤr die Einsamkeit. Und ist mit Liebesgoͤtterchen auf allen Seiten bemahlt. (welche indessen auch Eulalien freundschaft- lich umarmt und von ihr bewillkommt wird). Sie verges- sen, Herr Gemahl, daß ich dabey bin. Zum Henker! Frau Gemahlin, ich kann doch nicht weniger thun, als ihr suͤßer Herr Bruder. Der hat meine vier Schimmel halb todt gefahren, um nur ein paar Minuten fruͤher an- zukommen. D 3 Haͤtt’ ich alle Reize dieses Auf- enthalts gekannt, so moͤgten Sie wohl recht haben. (zu Eulal.) Ist mein Wilhelm nicht recht groß geworden? Das suͤße Kind ! (Sie kauert sich zu ihm nieder und tiefe Melancholie überschattet ihr Gesicht). Nun, Bittermann, ich denke, er hat fuͤr eine gute Mahlzeit Sorge getragen? So gut sichs in der Eile hat wollen thun lassen. (läßt sich seinen Oberrock ausziehen; in- dessen zieht der Major die Gräfin auf die Seite). Ich bitte dich, Schwester, wel- che Perle hast du da auf dem Lande verscharrt? Ha! ha! ha! Herr Weiberhasser! ist er gefangen? Gieb Antwort! Nun, Sie heißt Madam Muͤller. Das weiß ich; aber — Aber mehr weiß ich auch nicht. Scherz bey Seite! ich wuͤnschte zu wissen — Scherz bey Seite, Herr Bruder! ich wuͤnschte, du ließest mich in Ruhe. (laut) Mein Gott! ich habe ja noch zehnmahl hunderttausend Dinge zu besorgen. Das erste und wichtigste, mein Kopfputz. Ich wette, daß der Pastor und der Amtmann mir noch heute ihre unterthaͤnige Auf- wartung machen werden; nun, da muß man wohl den Spiegel ein wenig zu Rathe ziehen. Komm, Wilhelm, wir wollen uns ankleiden. Auf Wie- dersehn, liebe Madam Muͤller! (Sie geht mit dem Kinde ab). (für sich) Ich bin in einer sonderbaren Stimmung. (Er will gehen). Wohin, Herr Schwager? Auf mein Zimmer. Ey so bleiben Sie doch! Wir wollen vor dem Essen noch einen Spatziergang in den Park machen. Verzeihen Sie! Es spatzieren mir so viele Dinge im Kopfe herum, daß ich an keinen andern Spatziergang denken kann. (ab). D 4 Sechster Auftritt. Der Graf. Bittermann. Peter. Eulalia. (hat sich behaglich in einen Sessel geworfen.) (steht an der Seite, hat ihren Strickstrumpf her- vorgezogen und wischt sich dann und wann eine Thräne aus den Augen). Nun, Bittermann, er ist doch immer ein naͤrrischer Kerl. Ewr. Hochgraͤflichen Excellenz unter- thaͤnigst aufzuwarten. Ich denke, wir wollen recht viel Spas mit einander haben. Das wollen wir, geliebt es Gott! (auf Peter zeigend) Wer ist denn der große Maulaffe da? Das ist, mit Respect zu melden, mein leiblicher Sohn, mit Namen Peter. (macht Kratzfüsse). So so. — Wie sieht’s in der Wirth- schaft aus? Alles wohl und gut. Hab, ohne mich zu ruͤhmen, gearbeitet, wie ein Pferd. Warum nicht gar, wie ein Esel? Oder wie ein Esel, wenn Ew. Hoch- graͤfl. Excellenz so befehlen. — Das Heu ist die- ses Jahr vortreflich gerathen. Dem Roggen hat der Wurm Schaden gethan. Wie sieht’s mit der Jagd aus? Federwildpret in Menge, und die Hasen haben im Fruͤhjahr dem Roggengras weid- lich zugesprochen. Ist er auch ein Jaͤger? Vor diesem wohl; aber seit vier Jah- ren, als mir das Ungluͤck begegnete, daß ich drey zahme tuͤrkische Gaͤnse schoß, die ich fuͤr Trap- pen ansah, habe ich keine Flinte wieder losge- brannt. Mein Peter schießt zuweilen Sperlinge. Ich schieße Sperlinge. Ich habe lieber nebenher fuͤr Ew. Hochgraͤfl. Excellenz hohes Plaisirchen gesorgt. Den Park sollen der Herr Graf sehen, wie ich den zugestutzt habe; Sie werden ihn nicht wieder ken- nen. Eine Einsiedeley, krumme Gaͤnge, ein Obe- lisk, Ruinen eines alten Raubschlosses. Und alles mit Dekonomie, alles mit der sparsamsten Spar- samkeit. Haͤ! haͤ! haͤ! Da hab ich, zum Beyspiel, uͤber den kleinen Fluß eine chinesische Bruͤcke ge- D 5 baut . Was meynen der Herr Graf, wo ich das Holz dazu hernahm? Haͤ! haͤ! haͤ! von dem al- ten eingefallenen Huͤhnerstall. Das mußte ja muͤrbes Holz seyn. Und die Bruͤcke steht noch? Sie steht noch bis auf den heutigen Tag. (aufstehend) Nun, ich will doch die Herr- lichkeiten besehen. Laß er unterdessen die Tafel decken! Ist schon besorgt. Ich werde die Ehre haben, Ew. Hochgraͤfl. Excellenz in Unterthaͤnig- keit zu begleiten. Werde auch die Ehre haben. (im Abgehn) Sie sind ja so fleißig, liebe Madam Muͤller, als ob Sie ihr Brod mit Stricken verdienen muͤßten. ( ab mit Bitterm. und Peter.) Siebenter Auftritt . (allein). Was ists, das mich so fuͤrchterlich erschuͤttert hat? Mein Herz blutet; meine Thraͤnen fließen. Schon war es mir gelungen, Herr uͤber meinen Kummer zu scheinen, und mindestens jene frohe Laune zu erheucheln , die einst mir so eigen war. Ach! da schlaͤgt der Anblick dieses Kindes mich tief, tief zu Boden. — Als die Graͤfin den Namen Wil- helm nannte — ach! sie wußte nicht, daß sie mir einen gluͤhenden Dolch durchs Herz stieß. — Ich habe auch einen Wilhelm! Er muß jetzt so groß seyn, als dieser, wenn er noch lebt — ja, wenn er noch lebt! Wer weiß, ob er und meine kleine Amalia nicht schon lange vor Gottes Richterstuhl Wehe! uͤber mich schreyen! — Warum quaͤlst du mich, marternde Phantasie? warum kreischest du mir ihr huͤlfloses Wimmern in die Ohren? war- um mahlst du mir die armen Kleinen, kaͤmpfend gegen Masern- und Blatterngift, lechzend mit duͤr- rer Zunge nach einem Trunck, den die Hand eines Miethlings ihnen darreicht — vielleicht auch ver- sagt. — Denn ach! Sie sind ja verlassen von ih- rer unnatuͤrlichen Mutter. — (bitterlich weinend) O ich bin ein elendes, verworfenes Geschoͤpf! Und daß eben heute dieß ganze schreckliche Gefuͤhl in mir rege werden mußte! eben heute, da mein Ge- sicht einer Larve so beduͤrftig war! Achter Auftritt . Lotte. Eulalia. (im Hereintreten, zur Thür hinaus belfernd) Nun ja, das waͤre mir eben recht. Warum nicht lieber gar in den Stall? — Ihre Dienerin, Madam Muͤller. Ich bitte mir ein Zimmer aus, wie es sich fuͤr eine honette Person geziemt. Ich denke, man hat Ihnen ein recht artiges Zimmerchen eingeraͤumt. Ein artiges Zimmerchen? seht doch! hinten an der Treppe, gerade uͤber dem Kuhstall. Fy ! Da koͤnnt’ ich vor Gestank kein Auge zu thun. (sehr sanft) Ich habe selbst ein ganzes Jahr lang da geschlafen. Wahrhaftig? Nun so rathe ich Ihnen, je eher je lieber wieder hinein zu ziehen. Meine liebe Madam, es ist ein großer Unterschied zwischen gewissen Personen und gewissen Personen; es kommt gar viel darauf an, wie man es von Jugend auf gewohnt gewesen. Mein seeliger Papa war Hof- kutscher, und trug die Livree Sr. Durchlaucht. Ge- wisse Personen sind so aus der Luft herunterge- schneyt, und moͤgen freylich wohl ihre Nasen von Kindheit auf au den Geruch von Kuhstaͤllen ge- woͤhnt haben. — Ich daͤchte, Madam, Sie traͤten mir Ihr Zimmer ab. Wenn die Frau Graͤfin es befiehlt, recht gern. Wenn die Frau Graͤfin es befiehlt? Seht doch! Wer wird denn hohe Herrschaften mit solchen Bagatellen uͤberlaufen? Ich werde mei- nen Koffer dahin bringen lassen, wohin es mir beliebt. Das moͤgen Sie thun; nur nicht auf mein Zimmer. Auf Ihr Zimmer, Madam. Ich trage den Schluͤssel in meiner Tasche. So bitt’ ich mir ihn aus. Auf Befehl der Frau Graͤfin augenblicklich. Verdammt! Doch warum such ich auch Lebensart unter Huͤhnern und Gaͤusen? Neunter Auftritt . Peter. Die Vorigen. (stürzt athmenlos herein) Ach Herr Jemine! ach Herr Jemine! Was giebts? Der gnaͤdige Herr ist ins Wasser gefal- len! Die Excellenz ist ersoffen! und (zugleich) Wer? Was? Der gnaͤdige Herr Graf — Ist ertrunken? Ja. Todt? Nein, todt ist er nicht. Nun so schreyen Sie nur nicht so, daß die Frau Graͤfin nichts davon erfaͤhrt. Ich nicht schreyen? Ach Herr Jemine! Herr Jemine! Die Excellenz trieft, wie ein Budel, am ganzen Leibe. Zehnter Auftritt . Die Graͤfin. Der Major. (von verschiedenen Seiten) Die Vorigen. Was giebts? Welch Geschrey? Ein Zufall, gnaͤdige Graͤfin; ich ver- muthe, ein unbedeutender Zufall. Der Herr Graf ist dem Wasser zu nahe gekommen und hat sich die Fuͤße ein wenig naß gemacht. Die Fuͤße? ja, prosit die Mahlzeit! Er ist bis uͤber den Kopf hineingeplumpt. Barmherziger Gott! Ich eile — Bleiben Sie, Herr Major; beruhigen Sie sich, gnaͤdige Frau! Es sey geschehen, was da wolle, der Herr Graf ist zum mindesten gerettet. Nicht wahr, Musje Peter? Meiner Six! die Excellenz ist eben nicht todt, aber sie ist sehr naß. Rede, junger Mensch, rede! Erzaͤhle alles, was du weißt! Von Anfang bis zu Ende? Ja, ja, nur geschwind. Nun, sehn Sie nur, wir waren alle drey hier im Zimmer; ich, mein Papa, und der Herr Graf. Ich merke wohl, auf diese Art wird Monsieur Peter vor Abend mit seiner Erzaͤhlung nicht fertig. Kurz und gut, Sie waren hier im Zimmer, und begleiteten den Herrn Grafen hinaus — Richtig. In den Park — Richtig. Und da gingen Sie spatzieren — Ganz recht! ich glaube, Sie koͤnnen hexen. Nun, was trug sich ferner zu? J Herr Je! Wir gingen am Bache hin- unter und kamen an die chinesische Bruͤcke, die mein Papa aus dem alten Huͤhnerstall zusammen- geschlagen hat. Da ging nun der Herr Graf auf die Bruͤcke, und da sagte er, es waͤre recht fein und lieblich anzusehen, wie der Fluß sich durch den Busch schlaͤngelte, und da lehnte er sich ein we- nig auf das Gelaͤnder; krach! brach das Gelaͤnder entzwey; plumps! lag die Excellenz im Wasser. Aber Sie zogen ihn doch gleich wieder heraus? Ich nicht. — Aber der Papa? Der Papa auch nicht. — Sie ließen ihn also liegen? Wir ließen ihn liegen. Aber wir schrieen alle beyde aus Leibeskraͤften. Ich glaube, man hat es bis hinunter ins Dorf hoͤren koͤnnen. Und da eilten Leute herbey? Der fremde Herr kam, der dort unten neben dem alten Tobies wohnt, und immer kein Wort Wort spricht. Das ist ein Teufelskerl! Mit einem Sprung war er im Wasser; da patschte er drin her- um, wie eine Ente, erwischte die Excellenz bey den Haaren, und schleppte sie gluͤcklich ans Ufer. Gott segne den fremden Mann! Wo bleiben sie denn alle? Sie kommen die Allee herauf. Auch der Fremde? Meiner Six! Der lief davon. Der Herr Graf wollte sich bey ihm bedanken; aber er war schon uͤber alle Berge. Eilfter Auftritt . Der Graf. Bittermann. Die Vorigen. (ihrem Gemahl entgegen, ihn in ihre Arme schließend) Ach mein Bester! Drey Schritt vom Leibe! Sie sehen ja, daß ich triefe. Um Gottes willen! geschwind trockene Waͤsche! Nun ja, ja! Seyn Sie ruhig; es hat keine Gefahr. Ein alter Soldat ist wohl eher ein bischen in der Schwemme gewesen. Aber es haͤtte E uͤbel ablaufen koͤnnen, wenn nicht der großmuͤthige Fremde — Wer ist der Mann? wer kennt ihn? Bittermann hat mir da allerley verworrenes Zeug vorgeschwazt. Man kann nicht klug aus ihm werden. Er kam vor einigen Monaten in diese Gegend und miethete von Bittermann das kleine Haus am Ende des Parks. Da lebt er ganz im Stillen; er sieht niemand, er spricht mit niemand; ich selbst sah ihn nur ein paarmal von ferne. Scheu und gebuͤckt schleicht er umher und weicht jedermann aus; aber er thut viel Gutes im Verborgenen. Lotte, geh hin und bitt’ ihn auf den Abend zum Essen. Er moͤgte vorlieb nehmen, hoͤrst du? er kaͤme in das Haus eines Freundes. Sie vergessen sich umzukleiden. Gleich, gleich. Und niederschlagendes Pulver einzu- nehmen. Ich habe den Henker von Ihrem nieder- schlagenden Pulver. Ein Glas Mallaga, um das Blut ein wenig lebhafter durch die Adern zu jagen. — Hoͤr er, Bittermann, das muß ich ihm nach- sagen, er hat eine helle durchdringende Stimme; er kann bruͤllen, daß mans bis unter das Was- ser hoͤrt. Ew. Hochgraͤflichen Excellenz unter- thaͤnigst aufzuwarten. Aber mit seiner chinesischen Bruͤcke kann er zum Teufel gehn. (ab.) Komm, Bruder, wir muͤssen ihn uͤber- reden, daß er ein paar Theeloͤffel voll Unzerisch Pulver einnimmt. Sie haben doch welches im Hause, liebe Madam Muͤller? Augenblicklich. (Sie greift nach ihren Schlüs- seln und geht ab.) und (folgen dem Grafen.) Zwoͤlfter Auftritt . Bittermann. Peter. Lotte. Ha! ha! ha! mein lieber Herr Bitter- mann, Sie haben sich ein wenig blamirt. Lieber Gott! hochedle Mamsell, man will doch alles oͤkonomisch einrichten; die hohen Herr- schaften sehen das selbst gern. Ja, aber man muß doch keine Bruͤcken von faulem Holz bauen. E 2 Nun, so gar sehr verfault war es doch auch eben nicht. Seine Excellenz, der Herr Graf, sind nur ein wenig schwer bey Leibe. Aber warum sprangen Sie denn nicht selbst ins Wasser, um den gnaͤdigen Herrn zu retten? Gott behuͤte! Ich waͤre untergesunken, wie ein Stuͤck Bley. Nein, was deines Amts nicht ist, davon laß deinen Fuͤrwitz. Und ich hatte uͤberdies eben einen wichtigen Brief in der Tasche; der waͤre mir ja ganz naß und unleserlich geworden; einen Brief aus Frankreich vom Chevalier — wie heißt er doch nun gleich? (er zieht den Brief hervor, steckt ihn aber gleich wieder ein) Sehn Sie, Sie koͤnnten denken, es waͤre nicht wahr. O! der enthaͤlt interessante Dinge. (Peter maust ihm den Brief aus der Tasche) Die Welt wird erstaunen, wenn das oͤffentlich bekannt wird, und kein Mensch wird auf den Einfall ge- rathen, daß der alte Bittermann die Hand mit im Spiele hatte. Nein, wahrlich nicht. Ich muß doch gehen und die chinesi- sche Bruͤcke ein wenig repariren lassen, wenn etwa die Frau Graͤfin Lust haben sollte — Sich auch ein wenig zu haden? Nicht doch, nicht doch! wir wollens schon befestigen. Gehorsamer Diener, hochedle Mamsell! (stolz) Ihre Dienerin! (Bitterm. ab.) (entfaltet den Brief) Da ist der Brief aus Frankreich. Den hat mein Vetter geschrieben. Ihr Vetter? Wer ist der? J Herr Je, kennen Sie den nicht? Der Schneider Fummel in der Residenz. Ihr Vetter ein Schneider? Ha! ha! ha! Mein Vater war Hofkutscher. (ab.) Nun, da war er auch was rechts. Aber warum sagt denn der Papa, der Brief kaͤme aus Frankreich? Hm! hm! Was er nun da davon hat? (ab.) Ende des zweyten Aufzugs. E 3 Dritter Aufzug . (Die Buͤhne ist wie zu Anfang des ersten Aufzugs.) Erster Auftritt . Der Unbekannte (sitzt auf der Rasenbank und liest. Franz kommt). D as Essen ist fertig. Ich mag nicht essen. Junge Erbsen und ein gebratenes Huhn. Fuͤr dich, wenn du willst. Sie sind nicht hungrig. Nein. Die Mittagshitze benimmt allen Appetit. Ja. Ich werde das Huͤhnchen verwahren. Vielleicht auf den Abend — Vielleicht. (nach einer Pause) Gnaͤdiger Herr, darf ich reden? Rede. Sie haben eine schoͤne That gethan. Welche? Sie haben einem Menschen das Leben gerettet. Schweig. Wissen Sie auch, wem? Nein. Dem Grafen von Wintersee. Gleichviel. Wahrlich! so was kann einem alten Auge Thraͤnen entlocken. Altes Weib! Ein so edler, ein so braver Herr — (böse) Willst du mir schmeicheln? Pack dich fort! Bey meiner armen Seele! es geht mir von Herzen. Wenn ich so im Stillen zusehe, wie Sie um sich her Gutes wirken, wie Sie so die Noth eines jeden zu Ihrer eigenen machen und doch selbst nicht gluͤcklich sind — ach! da blutet mir das Herz. (weich) Ich danke dir. Lieber Herr, nehmen Sie mirs nicht uͤbel! Sollte vielleicht nur dickes, schwarzes Blut E 4 Sie so schwermuͤthig machen? Ich hoͤrte einmal von einem beruͤhmten Arzt: der Menschenhaß habe sei- nen Sitz im Blute, oder in den Nerven, oder im Eingeweide. Das ist nicht mein Fall, guter Franz. Also wirklich ungluͤcklich? und doch so gut! Das ist ein Jammer! Ich leide unverschuldet. Armer Herr! Hast du vergessen, was der Greis diesen Morgen sagte? „Es giebt noch ein anderes, besse- res Leben!“ Laß uns hoffen — und muthig tragen! Amen! Zweyter Auftritt . Lotte. Die Vorigen. Mit Permission, Sie sind doch der fremde Herr, der meinen gnaͤdigen Grafen aus dem Wasser gezogen? (sieht sie starr an.) (zu Franz) Oder sind Sie es? (macht ihr ein unfreundlich Gesicht.) Sind die Herren beyde stumm? (sie betrach- tet sie wechselsweise; beyde sehen ihr starr ins Gesicht) Nun, das ist lustig, ha! ha! ha! (wieder eine Pause) So lachen Sie doch wenigstens mit. — Nein wahr- lich! nicht eine Miene, nicht eine Falte. Ein paar Puppen, in Wachs formirt. Ich moͤchte lachen oder weinen, seufzen oder schreyen; das bringt die Herren so wenig aus ihrer Fassung, als den Tom Pipes im Peregrine Pickle. — Sollte der spashafte Herr Bittermann ein paar Bildsaͤulen aufgestutzt haben? (Sie nähert sich Franzen.) Aber nein, das lebt, das holt Athem, das verdreht die Augen. (ihm ins Ohr schreyend) Guter Freund! Ich bin nicht taub. Und auch nicht stumm, wie ich endlich ein wenig spaͤt erfahre. Ist jener Leblose dort sein Herr? Jener brave Mann ist mein Herr. Der nehmliche, der — Der nehmliche. (sich zu dem Unbek. wendend) Meine gnaͤdige Herrschaft, der Herr Graf von Wintersee und die Frau Graͤfin, lassen sich Ihnen schoͤnstens empfeh- len und angelegentlich bitten, diesen Abend auf dem Schlosse mit einem Gerichte Gernegesehn vor- lieb zu nehmen. E 5 Ich esse nicht. Nun, so kommen Sie wenigstens. Ich komme nicht. So trocken werden Sie mich doch nicht abfertigen? — Kein Wort weiter? — Der Herr Graf ist durchdrungen vom Gefuͤhl der Dankbar- keit. Sie haben ihm das Leben gerettet. Ist gern geschehen. Und wollten nicht einmal ein kahles Gottvergelt’ es ! dafuͤr in Empfang nehmen? Nein. Wirklich, mein Herr, Sie sind grau- sam. Ich muß Ihnen sagen, daß unser drey Frauen- zimmer im Schlosse sind, und daß wir alle drey vor Begierde brennen, zu wissen, wer Sie sind. (steht auf und geht ab.) Der Herr ist ein sauertoͤpfischer Grobian. Ich muß sehen, wie weit ich es mit dem Bedien- ten bringe. (kehrt ihr den Rücken zu.) Der Anfang verspricht blutwenig. Gu- ter Freund! warum sieht er mich nicht an? Weil ich lieber gruͤne Baͤume, als gruͤne Augen sehe. Gruͤne Augen? Verflucht! Wer hat ihm denn gesagt, daß meine Augen gruͤn sind? Man hat wohl eher Verse auf meine Augen gemacht. Doch an seinem Beyfall ist mir wenig gelegen. Aber wenn er mich nicht ansehen will, so sprech’ er we- nigstens mit mir. Ich spreche mit keiner Meerkatze. Hoͤr er, mein Freund! ich daͤchte, er ließe sich an eine Kette legen und wie ein polnischer Baͤr fuͤr Geld sehen. Etwas so Grobes, Unge- schliffenes sieht man nicht alle Tage. Aber er soll wissen, das ich von gutem Hause bin, und daß meine Erziehung mich dergleichen Sottisen verach- ten lehrt. Das freut mich. Also kurz und gut zur Sache: wer ist sein Herr? Ein Mann. Nun freylich ist er kein Weib; denn sonst waͤre er hoͤflicher, und ließe sich auch nicht von einem solchen Grobian bedienen. Aber wie heißt er? Man nannte ihn nach seinem Vater. Und der war? — Verheurathet. (ironisch) Mit einem Frauenzimmer ver- muthlich. Getroffen! Vielleicht hat er im Duell — Einen Hasen geschossen. Oder als falscher Muͤnzer — Pasteten gebacken. Oder er ist als Deserteur — Seinem Maͤdchen entlaufen. Oder er ist — Ein Jesuit. (entrüstet) Guter Freund! wer sein Herr ist, werd’ ich wohl freylich nicht erfahren, und mags auch nun nicht wissen; aber wer Er ist, das weiß ich. Nun? Er ist ein Toͤlpel. (sie läuft fort.) Schoͤnen Dank! Wer den Weibern ihren Willen thut, der ist ein homme comme il faut, und wer sich nicht von ihnen zum Narren brauchen laͤßt, der ist ein Toͤlpel. Aber Sie moͤgen dich nun bezahlen in dieser oder in jener Muͤnze; du bist immer betrogen. Dritter Auftritt. Der Unbekannte. Franz. Ist das Weib fort? Ja. Franz! Gnaͤdiger Herr! Wir muͤssen auch fort. Wohin? Das weiß Gott! Ich folge Ihnen. Allenthalben? In den Tod. Wollte der Himmel! Dort ist Ruhe. Ueberall ist Ruhe. Mags von außen stuͤrmen, wenn nur das Herz nicht tobt. Und dann ists hier wohl noch immer eben so gut, als in ei- nem andern Winkel der Welt. Die Gegend ist herrlich, die einladende Natur verschwenderisch mit Schoͤnheiten und Fruͤchten. Aber ich bin kein fremdes Thier; ich will mich nicht begaffen lassen. Wie Sie dem Dinge nun wieder eine Deutung geben, nach Ihrer eigenen Manier! Daß ein Mensch, dem man das Leben gerettet hat, ei- nen zum Essen bitten laͤßt, das find’ ich sehr na- tuͤrlich. Aber man soll mich nicht zum Essen bitten. Seyn Sie ruhig! Man wird es schwer- lich zum zweiten Male versuchen. Die Schranzen! Sie bilden sich ein, der wichtigste Dienst sey vergolten, wenn man ein- mal das Gluͤck haben darf, mit Ihnen zu speisen. Recht, Herr! Lieber Kartoffeln zu Hause, wo man nicht jeden Bissen mit Schmeiche- leyen verzollen muß, wo man nicht gezwungen ist, uͤber frostige Spaͤschen zu lachen, oder den ehrli- chen Namen eines Dritten zu zerreißen. Wir wollen fort. Aber Geduld, gnaͤdiger Herr! Vielleicht zerstreut sich das Menschengewuͤhl wieder. Die kommen allzumal aus der Residenz, werden’s im Schatten der einfachen Natur bald satt kriegen, finden hier weder Karten noch Hanswuͤrste, wenn sie nicht selbst welche mitgebracht haben. Denn heut zu Tage hat jeder Narr seinen Hanswurst bey der Hand. Geben Sie Acht, Herr, das sind die Drohnen aus dem Bienenstocke des Hofes; die sind ausgeflogen, nicht um hier in der Einsamkeit Ho- nig zu sammeln; nein, um der lieben Mode wil- len. Wenn der Herbst herbeykommt, fliegen Sie alle wieder zuruͤck und treiben dort ihr Wesen. Dein Scherz wird bitter. Was ist Speise ohne Salz? Und es laͤßt sich vermuthen, daß, wenn jenes Ziel deines Spottes dir aus den Augen ge- ruͤckt worden, du deinen Herrn zum Ziele nehmen werdest. Ich kannte dich noch nicht von der Seite. Schon wieder menschenfeindliches Mis- trauen! Lieber Herr, ich will Ihnen gerne ohne Lohn dienen, aber halten Sie mich fuͤr einen ehr- lichen Kerl. Ohne Lohn? Also laͤßt dein ehrlicher Name sich taxiren. Ohngefaͤhr so hoch, als dein Lohn? Nein, das ist zu arg. Thu ich dir Unrecht? Wahrlich. Du bist mein einziger Freund. Der Titel, den Sie mir da geben, macht alles wieder gut. Siehst du, Franz? Schimmern dort nicht schon wieder Uniformen und Kopfzeuge die Allee herauf? — Nein, ich muß fort. Hier ist meines Bleibens nicht mehr. Wohl, ich schnuͤre mein Buͤndel. Je eher, je lieber. Da muß ich an dem herrlichen Tage mich zwischen vier Mauern sperren, um den Maulaffen aus dem Wege zu ge- hen. Und ist es wahres Hofgeschmeiß, so sind sie wohl keck genug, sich bis in mein Zimmer zu draͤngen. (im Abgehen) Franz, ich verriegle meine Thuͤre. Und ich halte Schildwacht von außen. (ab.) Wenn die Herrschaften eben so neugie- rig sind, als das Kammermaͤdchen, so werd’ ich meinen Vorrath von Impertinenz wieder auskra- men muͤssen. Aber sie haben gut fragen und ich habe gut antworten. Von mir werden sie wenig erfahren; denn ich weiß selbst nichts. Vierter Vierter Auftritt. Die Graͤfin am Arm des Majors. Franz. Sieh da, ein fremdes Gesicht! Ver- muthlich der Diener. Mein Freund, kann man seinen Herrn nicht sprechen? Nein. Nur auf wenige Minuten. Er hat sich eingeschlossen. Sag er ihm, daß eine Dame hier auf ihn warte. Dann macht er gar nicht auf. Haßt er unser Geschlecht? Er haßt das Menschengeschlecht uͤber- baupt, und das weibliche insbesondere. Warum denn? Er mag wohl betrogen worden seyn. Ey, da ist er aber nicht galant. Galant ist mein Herr nicht, aber wenn es darauf ankommt, einem Menschen das Leben zu retten, so thut er es mit Gefahr seines eigenen. Und das ist mehr werth, als kahle Galanterie. Er hat Recht. Auch uns fuͤhrt Ga- F lanterie nicht hieher. Die Frau und der Schwa- ger des Geretteten wuͤnschten seinem Herrn ihre Erkenntlichkeit zu bezeugen. Er liebt das nicht. Ein sonderbarer Mann! Der keinen andern Wunsch hegt, als den, in Ruhe und Friede zu bleiben. Er scheint sich mit dem Schicksal uͤber- worfen zu haben. So scheint es. Vielleicht eine Ehrensache, oder un- gluͤckliche Liebe? Vielleicht. Oder er ist ein Schwaͤrmer? Kann seyn. Dem sey wie ihm wolle, ich wuͤnschte zu wissen, wer er ist. Ich auch. Wie? er kennt ihn selbst nicht? O ihn kenn’ ich wohl, das heißt, sein eigentliches Ich, sein Herz, seine Seele; oder glauben Sie, daß man die Menschen kennt, wenn man ihren Namen weiß? Brav! er gefaͤllt mir, und nun wuͤnschte ich auch seine Bekanntschaft zu machen. Wer ist er denn? Ihr gehorsamer Diener. (er geht ab.) Fuͤnfter Auftritt. Die Graͤfin. Der Major. Bizarrerie! Sucht sonderbar zu schei- nen! Jedermann will sich unter seinen Bruͤdern auszeichnen; der eine umsegelt die Welt, der an- dere verkriecht sich in eine Huͤtte. Und der Diener aͤfft dem Herrn nach. Komm, Bruder, wir wollen meinen Mann aufsuchen; er ging mit Madam Muͤller dort uͤber die Wiese. Vorher ein paar Worte. — Schwe- ster, ich bin verliebt! Zum wie vielsten Male? Zum ersten Male in meinem Leben. Gratulire. Du bist mir ausgewichen bis jetzt. Wer ist sie? Ich bitte dich, Schwester, sey ernsthaft! Lachen hat seine Zeit. F 2 Um aller Grazien willen, du siehst aus, als wolltest du Geister citiren. Rolle deine wilden Augen nicht so auf mir herum; ich gehorche schon. Ernsthaft also uͤber die naͤrrischste Materie von der Welt, uͤber die Liebe! Wer Madam Muͤller ist, weiß ich nicht, das hab’ ich dir schon gesagt. Was ich aber sonst noch von ihr weiß, das soll dir un- verholen bleiben. Es moͤgen nun ungefaͤhr drey Jahre seyn, als man mir eines Abends in der Daͤm- merung ein fremdes Frauenzimmer meldete, wel- ches mich allein zu sprechen begehre. Ich nahm den Besuch an, und Madam Muͤller erschien, mit all’ dem Anstande, all’ der Bescheidenheit, welche auch dich bezaubert haben. Doch trugen ihre Zuͤge damals noch das sichtbare Gepraͤge der Angst und Verwirrung, welche jetzt in sanfte Melancholie ver- schmolzen sind. Sie warf sich zu meinen Fuͤßen und bat mich, eine Ungluͤckliche zu retten, die der Verzweifelung nahe sey. Sie versicherte, man habe ihr viel Gutes von mir gesagt, und erbot sich, mir als Kammermaͤdchen zu dienen. Ich forschte vergebens nach der Ursache ihrer Leiden, sie ver- schleyerte ihr Geheimniß, entfaltete aber mit jedem Tage immer mehr und mehr ein Herz, von der Tu- gend zum Tempel erkohren, und einen Verstand, durch die ausgesuchteste Lectuͤre gebildet. Ich ließ ab, mich in ihr Vertrauen eindraͤngen zu wollen; aber sie war nun nicht mehr mein Kammermaͤdchen, sie ward meine Freundin. Als sie mich einst auf einer Spatzierfahrt hieher begleitete, und ich in ihren Augen das stille Entzuͤcken las, mit welchem ihre Seele an den Schoͤnheiten der Natur hing, that ich ihr den Vorschlag, hier zu bleiben, und sich der haͤuslichen Wirthschaft anzunehmen. Sie er- griff meine Hand, und druͤckte sie an ihre Lippen mit ungewoͤhnlichem Feuer. Ihre dankbare Seele schwamm in ihren stummen Thraͤnen. Seitdem ist sie hier, und wirkt unzaͤhliges Gute im Verborge- nen, und wird angebetet von jedem Geschoͤpfe, das sich ihr naͤhert. (mit einer Verbeugung) Ich bin fer- tig, Herr Bruder. Zu wenig, um meine ganze Wißbe- gierde zu befriedigen, aber doch genug, um den Vorsatz zur That werden zu lassen. — Schwester, steh mir bey! — ich heurathe sie. Du? Ich. Baron von der Horst? F 3 Pfuy! — wenn ich dich recht verstehe. Nur nicht gleich so bitter! Die großen, erhabenen Grundsaͤtze von Gleichheit aller Staͤnde, und so weiter, sind herrlich in einem Roman; aber wir leben nun einmal nicht in der Ideenwelt. Der Herr Baron will seine Gemahlin nach Hofe fuͤhren, das geht nicht an; er will seine Soͤhne zu Dom- herrn machen, das geht nicht an; er will seine Toͤchter in einem Stift versorgen, das geht wieder nicht an. Predige mir nicht Gemeinspruͤche! Ich duͤrfte dir nur antworten, daß ich liebe, leiden- schaftlich liebe, und du muͤßtest schweigen; denn die Liebe kehrt sich weder an Domherrn, noch an Stiftsfraͤulein. Aber ich bin kein brausender Juͤng- ling mehr; du hast einen Mann vor dir, der — Der eine Frau nehmen will. Nein, der vernuͤnftig und kalt Vor- theil gegen Nachtheil abgewogen, haͤusliche Ruhe und Zufriedenheit gegen Glanz des Hofes, Gluͤck des Lebens gegen eitle Convenienz. Ich kenne die Verhaͤltnisse in der buͤrgerlichen Gesellschaft; ich kenne und ehre sie. Sie waren einst sehr nothwen- dig, und sind es vielleicht noch. Ich werde nie thoͤricht genug seyn, zu verlangen, daß man um meinetwillen auch nur ein Tuͤttelchen an der wohl- hergebrachten Hofetikette aͤndre, oder ein Quent- chen vom uralten Adelswahn fahren lasse. Meine Frau wird also nicht bey Hofe erscheinen; und da fragt sichs nur noch, ob wir dabey gewinnen oder verlieren werden? Darum mußt du den alten Hofmar- schall fragen; der kann dir das am besten erklaͤren. Meine Soͤhne werden weder Domherrn, noch meine Toͤchter Stiftsfraͤulein seyn. Das heißt mit andern Worten: meine Soͤhne werden da nicht erndten, wo sie nicht gesaͤet haben, und meinen Toͤchtern — wenn sie die Tugenden ihrer Mutter erben — wird es nie an braven Maͤnnern fehlen. Besonders, wenn sie sich nach ihrer Tante bilden. Ich ziehe aufs Land; ich bin mir selbst genug. Um meine Bauern gluͤcklich zu machen, be- darf ich keines Titels, und mein eignes Gluͤck zu fuͤhlen, lehrt mich mein Herz. Eine Frau, wie diese — einst Vater von Kindern, die ihr gleichen — reich genug, um Wohlstand um mich her zu ver- breiten — was will der Mensch mehr? Oder wenn F 4 du mich nun auch fuͤr ein so gar geselliges Thier haͤlst, daß ich selbst meiner Frau gegenuͤber, dann und wann Langeweile empfinden muͤßte; hab’ ich denn nicht Freunde? eine zaͤrtliche, muthwillige Schwester? einen jovialischen Schwager? — oder — wie? — waͤre diese Schwaͤgerin der Frau Graͤ- fin vielleicht nicht anstaͤndig? Du wirst unartig. Nun, was hindert denn noch? Das ist alles sehr schoͤn und ruͤhrend. Der Plan ist vortreflich; nur einen kleinen Um- stand hast du vergessen. Der waͤre? Ob Madam Muͤller dich haben will. Das ist es eben, liebe Schwester, wo- zu ich deinen Beystand noͤthig habe. (sie bey der Hand fassend) Gute Henriette! du kennst mein Herz, du weißt, daß ich nicht fasele. In franzoͤsischen Diensten aufgewachsen, unter geschminkten, ver- buhlten Weibern, ward euer Geschlecht mir ver- haßt. Der Hof bot mir ein ewiges, ekelhaftes Einerley, und in Privathaͤusern fand ich, wenns hoch kam, Eheleute, die sich ertrugen, weil sie mußten, und einander liebkosten, weil es nun ein- mal so Sitte, ist. Ueberall Bilder des Ueberdrusses und der Reue; uͤberall eitle Weiber und zu Grunde gerichtete Maͤnner, thoͤrichte Muͤtter und verzogene Kinder. Ein sauberes Gemaͤhlde! aber — nimm mirs nicht uͤbel, — mit Hogarths Pinsel entwor- fen — Carricatur. Ach liebe Henriette, auch meine Stun- de ist gekommen. Es geschieht dir schon Recht. Nur Schade, daß du eben an eine sanfte holde Seele ge- rathen bist. Eine Xantippe haͤtte den Herrn Bru- der an ihren Triumphwagen spannen sollen. Nur eine solche Seele vermochte dieß widerspenstige Herz zu fesseln. Und nun — liebe Henriette — du, mit der ich an einer Brust lag — Um Vergebung! Ich hatte eine Amme. Grausamer Muthwille! Wunderlicher Mensch! wozu denn stoͤhnen und seufzen, da sich dir die reizendste Aus- sicht oͤffnet? Hier hast du meine Hand! Ohne glaͤnzendes Wortgepraͤnge, ich thue, was ich ver- mag. St! beynahe waͤren wir uͤberrascht wor- den. Sie kommen. Weg mit der Ehestands- F 5 Falte. Warte dein Spiel ruhig ab; ich will die Karten schon mischen. Sechster Auftritt. Eulalia am Arm des Grafen. Die Vorigen. Zuletzt Peter. Potz Stern! Madam, Sie sind gut zu Fuße. Mit Ihnen mag ein Anderer um die Wette laufen. Die Gewohnheit, Herr Graf. Sie duͤr- fen nur vier Wochen hintereinander alle Tage einen solchen Spatziergang machen. O ja! wenn ich Lust habe, meinen Wind- hunden aͤhnlich zu werden. Wo war’t ihr? Wir suchten euch. Wo wir waren? Ja sieh nur, mein Schatz! wenn man mit Madam Muͤller geht, so weiß man nicht so eigentlich, wo man ist. Ich fuͤhrte den Herrn Grafen auf jenen Huͤgel, von dessen Spitze man das ganze Thal und den Fluß, der sich unten im Thale schlaͤngelt, uͤber- sehen kann. Ja, ja, die Aussicht ist schoͤn, und so neben Madam Muͤller zu stehen, und zuzuhoͤren, wie sie die Reize der Schoͤpfung ein wenig dichte- risch und schwaͤrmerisch beschreibt, das ist noch schoͤ- ner; aber nehmen Sie mir’s nicht uͤbel! mich krie- gen Sie doch nicht wieder hinauf. Meine Fuͤße sind klagbar geworden, und haben wahrlich die ge- rechteste Sache von der Welt. So lassen Sie uns nach Hause gehen. Ein wohlgepolsteter Sopha ladet Sie ein. Der bloße Gedanke ist erquickend. Aber ich bin so muͤde und so durstig, daß ich durchaus erst Rasttag halten, und meinen trockenen Gaumen durch eine Libation auf seinem Grund und Boden aussoͤhnen muß. Wie waͤr’s, Herr Schwager, wenn wir uns dort in die Laube ein paar Pfeifen und eine Bouteille englisch Oel bringen ließen? Thut das! Wir Weiber laufen indes- sen noch ein wenig herum. (Sie giebt ihrem Bruder einen Wink.) (zum Grafen) Ich bin von der Parthie. Schoͤn! He da! — Verdammt! nun haben wir niemand zu schicken. Ich kann es vor den Henker nicht leiden, wenn auf Spatziergaͤngen immer ein großer Maulaffe hinter mir hertritt; aber diesmal waͤre mir’s doch lieb, wenn ich einen Bedienten mitgenommen haͤtte. (allenthalben in die Ferne schauend) Seht doch, ist das nicht Pe- ter, der dort unten am Wege den Birnbaum schuͤt- telt? Ja, er ist’s. Peter! He! Peter! (von weitem) He! holla! he! Hieher! Friß auf einander mal mehr! (kommt) Da bin ich schon. Spring geschwind aufs Schloß, und hohle Pfeifen fuͤr uns und eine Flasche englisch Oel. Gestopfte Pfeifen fuͤr uns; hoͤrst du? Gestopfte Pfeifen fuͤr uns; ich hoͤre. (ab.) Kommen Sie, Herr Schwager, wir wol- len uns indessen einen Lagerplatz aussuchen. Die Damen scheinen nicht Lust zu haben, uns zu fol- gen. Ihre feinen Nasen koͤnnen den Tabacksdampf nicht vertragen. (ab.) (folgt ihm, nachdem er noch einige verstohlne Winke mit seiner Schwester gewechselt.) Siebenter Auftrjtt. Die Graͤfin. Eulalia. Nun, liebe Madam Muͤller, wie ge- faͤllt Ihnen der Mann, der eben von uns ging? Wer? Meine bruͤderliche Liebe. Er verdient, ihr Bruder zu seyn. (verneigt sich tief) Unterthaͤnige Diene- rin! Das schreib ich in mein Taschenbuch. Ohne Schmeicheley, gnaͤdige Frau, ich halte ihn fuͤr einen wackern Mann. Und fuͤr einen schoͤnen Mann. (gleichgültig) O ja. O ja? Das klang beynahe wie: o nein! Aber ich muß Ihnen sagen, daß er Sie fuͤr eine schoͤne Frau haͤlt. (Eulal. lächelt) Sie sagen nichts dazu? Was soll ich sagen? Spott kann nicht aus Ihrem Munde kommen; also Scherz war es; und ich bin so wenig dazu gemacht, einen Scherz zu unterhalten. — Eben so wenig, als ihn zu veranlas- sen. Nein, es war Ernst. — Nun? Sie setzen mich in Verlegenheit. Nun ja, ich will mich nicht zieren. Es war eine Zeit, wo ich mich selbst fuͤr schoͤn hielt; aber der Kummer hat an meiner Gestalt genagt. — Ach! die Her- zensruhe ist es, die den schoͤnsten Zauber uͤber ein weibliches Gesicht gießt. Der Blick, der brave Maͤnner fesselt, ist nur der Abglanz einer schoͤnen Seele. Nun, Gott gebe mir immer ein so rei- nes Herz, als aus Ihren Augen leuchtet. (wild und rasch) Ach! Gott behuͤte Sie dafuͤr! (erstaunend) Wie? (mit verhaltenen Thränen) Verschonen Sie mich! — Ich bin eine Ungluͤckliche. — Dreyjaͤh- rige Leiden geben mir zwar keine Anspruͤche auf Freundschaft einer edlen Seele, — aber auf Mit- leid! — Verschonen Sie mich! (sie will gehen.) (sehr liebreich) Bleiben Sie, liebe Ma- dam Muͤller! Wirklich, Sie muͤssen bleiben. Was ich Ihnen zu sagen habe, ist vielleicht des Anhoͤrens werth. Ihre Selbstanklage schreckt mich nicht ab. Mich duͤnkt, Sie sehen, wie der gute Pascal, ne- ben Ihrem Stuhl eine Hoͤlle; aber die Teufelchen existiren nur in Ihrer Einbildung. Wollte Gott, ich saͤhe die Hoͤlle nur neben meinem Sessel! — Ach! ich trage sie rastlos im Herzen mit mir herum. Freundschaft hat Balsam fuͤr manche Wunde. Ich bitte zum ersten Male um Ihr Ver- trauen. Sie wissen, ob ich in diesen drey Jahren unserer Bekanntschaft Ihnen je durch unbefugte Neugier laͤstig wurde. Heute treibt mich ein edle- res Interesse. Ich bitte mit Schwesterliebe um Ihr Vertrauen. Mein Bruder liebt Sie. (fährt zusammen, und sieht der Gräfin ernsthaft ins Gesicht) Fuͤr Scherz zu viel — fuͤr Ernst zu traurig! Ehe ich weiter in Sie dringe, erlau- ben Sie mir, Ihnen den Charakter meines Bru- ders zu schildern, und ich gebe Ihnen mein Wort: nicht die Hand der Schwester soll den Pinsel fuͤh- ren. — Sie moͤchten ihn leicht fuͤr einen Leichtsin- nigen halten; denn sah’ er Sie nicht heute zum er- sten Male? und schon Liebe? — Aber, liebe Freun- din! er ist ein ernster Mann, von gepruͤften Grundsaͤtzen. Schon zaͤhlten ihn die Damen unsers Hofs unter die Classe der Hagestolze; denn unter ihnen fand er nicht, was er suchte; verzweifelte oft daran, es je zu finden. Nicht Gestalt, nicht Reichthum und Rang sollten seine Wahl bestimmen; er wollte ein Herz, von der Natur, einen Geist, durch Erziehung gebildet. Von beyden gaben Sie ihm Proben. Ihre geheime Wohlthaͤtigkeit blieb unverborgen, und Ihr Verstand — ich ehre diese bescheidene Schaamroͤthe — genug, mein Bru- der ist ein Kenner in diesem Punkt. — Hier haben Sie mein Creditiv. Entscheiden Sie, ob ich be- rechtigt bin, um Ihr Zutrauen zu bitten. Ent- decken Sie sich mir! Sie wagen nichts. Schuͤtten Sie Ihren Kummer in den verschwiegenen Busen einer Schwester aus! Ach! ich fuͤhl’ es: das hoͤchste Opfer, welches wahre Reue zu bringen vermag, ist frey- williger Verzicht auf die Hochachtung einer schoͤ- nen Seele. Ich will dieses Opfer bringen — und hab’ ich dann genug gebuͤßt? (stockend) Hoͤrten Sie nie — verzeihen Sie mir! — hoͤrten Sie nie — o, es ist sehr schwer, eine Taͤuschung zu zerstoͤh- ren, welcher allein ich bis jetzt ihre Guͤte verdankte. — Aber es muß seyn; — Pfuy Eulalia! Ziemt Stolz dir? — Hoͤrten Sie nie von einer gewissen Baronesse Meinau reden? Graͤfin. Am benachbarten Hofe? Mich duͤnkt, ich hoͤrte von einer solchen Creatur. Sie soll einen sehr braven Mann hoͤchst elend gemacht haben. O Gott! — Ja, einen sehr braven Mann. Sie lief mit einem Landstreicher davon. Ja, das that sie. — — (Sie stürzt außer sich zu den Füßen der Gräfin.) Verstoßen Sie mich nicht! — Nur ein Plaͤtzchen, auf welchem ich sterben kann! — Um Gottes willen! Sie sind — Ich bin diese Creatur. (sich unwillig wegwendend) Ha! (Sie geht ei- nige Schritte, ihr Herz zieht sie zurück.) — Aber sie ist un- gluͤcklich — sie buͤßt streng — weg mit dem Kopfe, der immer bereit ist, ein Verdammungsurtheil zu sprechen! — (Sie blickt wehmüthig nach ihr.) Ach! sie ist so ungluͤcklich! — Stehn Sie auf! ich bitte Sie, stehn Sie auf! Mein Mann und mein Bruder sind nicht weit. Diese Scene leidet keine Zeugen. Ich gelobe Ihnen Verschwiegenheit. (Sie hebt sie auf.) Ach mein Gewissen! mein Gewissen! das wird nie schweigen. (Mit beyden Händen die Hand der Gräfin ergreifend.) Verstoßen Sie mich nicht! Nein, ich verstoße Sie nicht. Ihr Betra- gen in den letzten drey Jahren, Ihr stiller Kummer, G Ihre Reue, tilgen freylich nicht ihr Verbrechen; aber eine Freystatt wird mein Herz Ihnen nie ver- sagen; eine Freystatt, wo Sie ungestoͤhrt um den Verlust Ihres Gemahls weinen duͤrfen. — Ach! ich fuͤrchte, ein unersetzlicher Verlust! (mit der Kälte der Verzweiflung) Unersetzlich! Armes Weib! (immer im nehmlichen Ton) Ich hatte auch Kinder. Genug! Gott weiß, ob sie leben oder todt sind. Arme Mutter! Ich hatte einen liebenswuͤrdigen Gemahl. Fassen Sie sich! Gott weiß, ob er lebt oder todt ist. Ihr Blick wird graͤßlich. Fuͤr mich ist er todt. Sie buͤßt strenge. Ich hatte einen alten Vater. O, um Gottes willen! Hoͤren Sie auf! Der Gram um mich hat ihn gemordet. Wie schrecklich raͤcht sich die beleidigte Tugend! (endlich in laute Thränen ausbrechend, und mit beyden Händen ihr Gesicht verhüllend) Und ich lebe noch! Wer koͤnnte diese Buͤßende hassen? (Eulalien in ihre Arme schließend.) Nein, Sie sind nicht lasterhaft. Der Augenblick Ihrer Verirrung war ein Traum, ein Rausch, ein Wahnsinn. O verschonen Sie mich! Wenn Sie wuͤßten, daß jede Milderung meiner Verbrechen mir ein Dolchstich ist — daß mein Gewissen nie mich heftiger martert, als wenn mein Kopf nach Entschuldigungen gruͤbelt. — Nein, ich kann mich mit gar nichts entschuldigen! und die einzige, trau- rige Beruhigung meines Herzens ist die, mich ohne alle Einschraͤnkung strafbar zu bekennen. Dieser Zug ist echte Reue. O wenn Sie ihn gekannt haͤtten! — als ich ihn zum ersten Male sah, den schoͤnen, den edlen Mann — ich war damals kaum vierzehn Jahr alt — Und ihre Verbindung? Wenig Monden nachher. Und Ihre Flucht? Zwey Jahre war ich seine Gattin. O meine Liebe! dann lassen Sie Ihre Jugend buͤßen, was nicht Ihr Herz verbrach. G 2 Das ist die Sprache meines Kopfes in Stunden, wo Sehnsucht und Liebe den Sieg uͤber die Reue davon tragen. — Nein, meine Jugend entschuldigt mich nicht. (den Blick gen Himmel) Alter, ehrwuͤrdiger Vater! Das hieße dich anklagen! Du hattest mir Grundsaͤtze der Ehre und Tugend ins Herz gepflanzt. Du hattest mich gewarnt vor dem Gift der Schmeicheley und Verfuͤhrung. — Was vermag Erziehung gegen einen Lovelace? Ach! Sie stoßen da auf eine Unbegreif- lichkeit in meiner Geschichte. Nein, er war kein Lovelace, dieser Mensch, in jeder Ruͤcksicht tief, tief unter meinem Gemahl. Nur daß dieser nicht mehr taͤndelte, nicht mehr jeder meiner Launen und Grillen schmeichelte, mir neue Equipagen, Li- vreen und Schmuck versagte, wenn der Aufwand unsre Kraͤfte uͤberstieg. Alles das bot mir des Ver- fuͤhrers Schlangenzunge, und ich war Kind genug, mich an den bunten Bildern zu ergoͤtzen; war ver- blendet genug, Kinder, Vater und Gemahl zu ver- lassen, um einem Nichtswuͤrdigen zu folgen, der — doch genug! er steht nun vor Gott, wo meine ge- mordete Tugend das Maas seiner Bubenstuͤcke bis an den Rand fuͤllen wird. Schrecklich! aber mit diesem Herzen konnte meine Freundin nicht lange irren. Lange genug, um nie es buͤßen zu koͤn- nen. Freylich verflog der Rausch in wenig Wochen; ich rief den Namen meines biedern Gatten — ver- gebens! — ich horchte auf das Lallen meiner Kin- der — umsonst! Ach! was ich damals empfand, als der Nebel vor meinen Augen zerfloß! — Weg mit dieser Ruͤckerinnerung! — Ich errathe das Ende Ihrer Geschichte. Sie ver- ließen Ihren Verfuͤhrer. Das that ich — und fluͤchtete zu einer edlen Seele, die mir ein Plaͤtzchen gab, auf dem ich weinen darf — und mir auch ein Plaͤtzchen ge- ben wird, auf dem ich sterben koͤnne. (sie in ihre Arme schließend) Hier, nur hier an meinem Busen sollen in Zukunft Ihre Thraͤnen fließen, und moͤcht’ es mir gelingen, dich, arme Leidende! wieder mit der Hoffnung vertraut zu machen! Ach nein! ach nein! G 3 Hoͤrten Sie seitdem gar nichts von Ihrem Gemahl? Er verließ die Stadt, niemand weiß wohin. Und Ihre Kinder? Die nahm er mit sich. Wir muͤssen Erkundigungen einziehen; wir muͤssen — Stille! mein Mann und mein Bru- der. Ach! mein armer Bruder; den hatt’ ich ganz vergessen. — Geschwind, liebe Madam Muͤller, ein anderes Gesicht! Achter Auftritt. Der Graf. Der Major. Etwas nachher Peter. (alle drey Toback rauchend). Die Vorigen. (bleibt ein wenig im Hintergrund stehen.) Frisch, Kinder! ich wittre Abendluft. Wir muͤssen nach Hause. Es ist ja kaum sechs Uhr. Nun, so ist’s Zeit, Thee zu trinken. Und meynt Ihr denn, ob ich gleich Soldat war, daß ich heute noch nicht genug Strapazen ausge- standen? Erst die Reise, dann das kalte Bad, dann der forcirte Marsch unter Commando der Madam Muͤller. Wohlan, wir sind bereit. Da, Peter, bring’ die Pfeifen zuruͤck. — Was zum Henker! Du rauchst ja gar selbst? Ja freylich rauch ich selbst. Es wird mir sauer genug. Wer Teufel hat dir’s geheißen? Die Excellenz hat mir’s geheißen. Ich? Ja; sagten Sie nicht, ich sollte Pfeifen hohlen fuͤr uns ? Fuͤr mich und den Major. Nun, ich stand ja auch dabey. Bursche, du bist ein Eulenspiegel. — Vorwaͤrts! Marsch! — Apropos! Wie ist’s mit dem Fremden? Wird er kommen? Nein. Er hat es der Lotte rund abge- schlagen. Ein wunderlicher Heiliger! Aber das geht doch nicht an; ich muß ihm doch meine Dank- barkeit auf irgend eine Art an den Tag legen. — Wis- sen Sie was, lieber Major, ich kann Ihnen nicht G 4 helfen; fuͤhren Sie meine Frau nach Hause, und kommen Sie dann zuruͤck, ihn selbst zu hohlen. Wenn Ihnen ein Gefallen dadurch ge- schieht, recht gern. Ich muß dem Manne doch einen Bissen Brod vorsetzen. (Er giebt Eulalien den Arm, der Major der Gräfin. Sie gehen ab.) Neunter Auftritt. allein. (Seine Pfeife unwillig wegwerfend.) Nun, da will ich doch jeden vernuͤnftigen Christenmenschen zum Schiedsrichter nehmen! wenn ihrer drey beysam- men stehn, und die Excellenz spricht: „hohl Pfei- fen fuͤr uns“, ob ich nicht auch mit unter die uns gehoͤre? Daß ich auch so ein gutherziger Narr war! Ich habe in meinem Leben noch nicht geraucht, und thue es da der Excellenz zu Gefallen. Pfuy! das Zeug schmeckt abscheulich; es ist mir ganz uͤbel dar- nach geworden. (ab.) Ende des dritten Aufzugs. Vierter Aufzug. Erster Auftritt. Franz tritt auf mit einem Stuck Brod und Käse in der Hand, wovon er sich dann und wann einen Bissen her- unterschneidet. Gleich darauf der Major. A ls ich noch in der Stadt auf’m Kaffeehause diente, da war ich ein lockerer Geselle; Karten und Wuͤr- fel mein Zeitvertreib vom Abend bis an den Mor- gen; Braten und Wein zu jeder Stunde, wenn es mir beliebte den Speiseschrank heimzusnchen . Und doch schmeckte mir kein Bissen! Dem Braten fehlte das Salz der innern Zufriedenheit, dem Wein man- gelte das Zuckerbrod eines guten Gewissens. — Wie anders, seit ich diesem Herrn diene! Ich habe heute nichs Boͤses gethan; ich habe mein Tagewerk redlich vollbracht. Du guter Kaͤse! du schwarzes Brod! vortreflich schmeckt ihr mir! (Er erblickt den Major in der Ferne.) Pfuy, daß ich schon wieder ge- G 5 stoͤhrt werde. Ich dachte mein Abendbrod unter freyem Himmel zu verzehren; aber sie sind wie die Spuͤrhunde hinter uns drein. (er will gehen.) Pst! guter Freund! (für sich) Lieber Gott! welch eine Maͤcke- ley die Menschen treiben mit dem Titel: guter Freund . Ich muß seinen Herrn sprechen. Kann nicht dienen. Warum nicht? Ist mir verboten worden. (will ihm Geld in die Hand stecken) Da! mel- de er mich. Brauche kein Geld. Nun, so melde er mich nur. Ich will Sie melden, gnaͤdiger Herr; aber was kann das helfen? ich werde ausgeschol- ten, und Sie bekommen eine abschlaͤgige Antwort. Wer weiß? Sag’ er ihm, ich baͤte nur um eine einzige Minute; ich wollte ihm auf keine Weise beschwerlich fallen; kurz, sag er ihm alles, was man bey dergleichen Gelegenheiten zu sagen pflegt. Wenn sein Herr ein Mann von Erziehung ist, so wird er mich nicht hier unter freyem Him- mel vergebens auf sich warten lassen. Nun, in Gottes Namen, wir wollens versuchen. (geht.) (ruft ihm nach) Hoͤrt er? nur um eine halbe Minute laß ich bitten. Schon gut. (ab.) Aber wenn er nun kommt; wie soll ich ihn behandeln? Ein Menschenfeind ist mir im Laufe meines Lebens noch nicht vorgekommen. Knigge hat ein schoͤnes Buch uͤber den Umgang mit Menschen geschrieben; aber wie man mit einem solchen Geschoͤpf umgehen soll, dem die ganze Welt und sein eigenes Ich zur Last geworden, daruͤber hat er Vorschriften zu ertheilen vergessen. Wohl- an! auf gut Gluͤck! Ein offenes, freundliches Ge- sicht, nicht zu bloͤde, nicht zu dreist, damit kommt man so ziemlich bey jedermann fort. Zweyter Auftritt. Der Unbekannte. Der Major. Was steht zu Befehl? Verzeihen Sie, mein Herr — (ihn plötzlich erkennend) Meinau! Horst! (Sie stürzen sich in die Arme.) Bist du es wirklich, alter Freund? Ich bins. Mein Gott, wie hat der Gram dich entstellt! Die Hand des Ungluͤcks liegt schwer auf mir. — Stille! — Wie kommst du hieher? was willst du? Wunderlich! Ich stehe hier und sinne, wie ich den einsiedlerischen Fremden anreden, was ich ihm sagen soll — er erscheint — und siehe da, ich finde meinen braven Meinau. Du hast mich also nicht erforscht? Du wußtest nicht, daß ich der Bewohner dieser Huͤtte sey? So wenig, als ich weiß, wer auf der Spitze des Kaukasus wohnt. Du hast diesen Mor- gen meinem Schwager das Leben gerettet; eine dankbare Familie wuͤnschte dich in ihrer Mitte zu sehen; du schlugst es dem Kammermaͤdchen meiner Schwester ab, und um der Einladung mehr Ge- wicht zu geben, sandte man mich selbst. Siehe da das Vehikel, dessen sich der Zufall bedient hat, mir den Freund wieder zu schenken, dessen mein Herz so lange entbehrt, und dessen es gerade in diesem Augenblick so sehr bedarf. Ja, ich bin dein Freund, dein wahrer Freund. Du bist ein guter Mensch, ein seltner Mensch. Mein Herz ist unveraͤndert gegen dich. Ist aber diese Versicherung dir lieb und werth — so — Horst! — so verlaß mich und komme nie wie- der zu mir. Alles, was ich von dir sehe, alles, was ich von dir hoͤre, ist mir ein Raͤthsel. Du bist es, dein Gesicht schwebt vor mir, aber das sind nicht die Zuͤge, welche einst unsere franzoͤsi- schen Maͤdchen bezauberten, Freude in jede Ver- sammlung brachten, dir Freunde erwarben, ehe du noch den Mund aufthatest. Du vergissest, daß ich sieben Jahre aͤl- ter geworden bin. Freylich, dann bist du ein paar Jahre uͤber dreyßig. — Warum vermeidest du mich an- zusehn? ist Freundesantlitz dir zuwider geworden? oder bist du scheu, dein Auge zum Spiegel deiner Seele zu machen? Wo ist der offene Feuerblick, der sonst in aller Herzen las? (bitter) Mein Blick las in aller Her- zen? Ha! ha! ha! O Gott! lieber haͤtt’ ich gewuͤnscht, dich nie lachen zu hoͤren, als in diesem Tone. — Freund, was ist dir widerfahren? Alltaͤgliche Dinge — der Welt Lauf — Begebenheiten, wie man sie auf allen Straßen hoͤrt. — Horst! wenn ich dich nicht hassen soll, so verschone mich mit Fragen; und wenn ich dich lie- ben soll, so verlaß mich! Pfuy, wie das Schicksal einen Men- schen verhunzen kann! Ich bitte dich, wecke die schlummernden Ideen von Freuden der Vergangen- heit, daß dein Herz wieder warm werde, und fuͤhle, daß ein Freund ihm nahe ist. Erinnere dich unserer froh durchlebten Tage im Elsaß, nicht jener tollen Schwaͤrmereyen im laͤrmenden Gewuͤhl unse- rer Kriegskameraden; nein, jener heitern sanften Stunden, wo wir uns von allem, was uns umgab, losrissen, wo wir einsam wandelten, Arm in Arm, auf den Waͤllen von Strasburg, oder am Ufer des Rheins, wo die Schoͤnheiten der Natur unsere Herzen oͤfneten, und sie fuͤr Wohlwollen und Freund- schaft empfaͤnglich machten. In jenen seligen Au- genblicken ward der Bund geknuͤpft, der unsere Seelen an einander kettete; in einem jener seligen Augenblicke gabst du mir diesen Ring zum Pfande deiner Liebe. Erinnerst du dich dessen noch? O ja. Bin ich seitdem deines Vertrauens un- werth geworden? Nein, nein. Waren wir je bloße Alltagsfreunde, durch Laune, Zufall und Lustbarkeiten an einander geknuͤpft? Haben wir uns nur in bunten Zirkeln mit einander herumgetrieben? oder haben wir auch dem Tode unter den Batterien von Gibraltar, Hand in Hand, getrotzt? — Karl! es thut mir weh, daß ich meine Rechte auf dich so geltend machen muß. — Kennst du diese Narbe? Bruder! Es war der Hieb, der mir den Kopf spalten sollte. Ich hab’ es nicht verges- sen. Ach! du wußtest freylich nicht, welch ein elendes Geschenk du mir machtest. So rede, ich bitte dich! Du kannst mir doch nicht helfen. So kann ich mit dir trauren. Pfuy, das mag ich nicht. Auch hab’ ich selbst schon lange keine Thraͤnen mehr. So gieb mir Worte statt Thraͤnen; beyde erleichtern das Herz. Das meinige ist gleich einem lange ver- schlossenen Grabe. Laß faulen und verwesen, was dort verscharrt wurde! Warum es oͤfnen und die Luft umher verpesten? Luͤften wollen wirs und reinigen, da- mit das ganze Gebaͤude ein anderes Ansehen ge- winne. — Wie du aussiehst! Schaͤme dich! Ein Mann von deinem Kopfe, von deinen Talenten; ein Mann wie du, der immer die Weltweisheit praktisch uͤbte; und sich so unter dem Pantoffel des Schicksals zu beugen! — Bist du von Schurken verfolgt und von Buben geneckt worden, so mag es hingehn; hast du Jahre lang in Ketten gesessen, so will ich dir verzeihen. Horst, du thust mir Unrecht. Zwar glaubt’ ich, es sey mir gleichguͤltig geworden, was irgend ein Mensch in der Welt von mir denken mag; aber ich fuͤhle in diesem Augenblicke, es ist nicht ganz so. Der Freund soll den abgeschiedenen Schat- ten des Freundes nicht verlassen, ohne zu erfahren, wie wie die Hand des Schicksals ihn fuͤr jede Freude des Lebens mordete. — Wohlan! — Ja, in ein paar Worte laͤßt sich viel Ungluͤck fassen. — Bru- der! ich verließ dich und die franzoͤsischen Dienste; von jenem Augenblicke an floh mich das Gluͤck. Mir winkte mein Vaterland. Was traͤumt’ ich mir nicht fuͤr suͤße Bilder, wie ich da leben und wirken wollte, manchen alten Schlendrian verbessern, man- che Thorheit, die sich in hundertjaͤhrigen Nebel huͤllt, zu Schanden machen. O wem seine Ruhe lieb ist, der wage sie nicht an die Thorheiten der Menschen! Ich wurde verfolgt, geneckt, fuͤr einen gefaͤhrlichen Menschen ausgeschrieen. „Witz hat er“, so sprach man uͤberall, „aber ein boͤses Herz“. Das aͤrgerte mich. Ich schwieg, tadelte nichts mehr, lobte alles, buhlte um das Zutrauen der Menschen — vergebens! Sie konnten mir’s nie vergessen, daß ich einst hatte kluͤger seyn wollen, als sie. Ich zog mich in mich selbst zuruͤck, war mir selbst genug, und lebte einsam mitten in der Residenz. Man hatte mich zum Obristlieutenant gemacht; denn man wollte mein Vermoͤgen gerne im Lande behal- ten. Ich versah meinen Dienst mit Puͤnktlichkeit und Eifer, ohne empor zu streben, ohne Auszeich- H nung zu begehren. Mein Obrister starb; es gab eine Menge Obristlieutenants, die weit laͤngere Zeit gedient hatten, als ich. Ich erwartete einen von diesen befoͤrdert zu sehen, und das ließ ich mir gern gefallen. Aber siehe da, der Fuͤrst hatte eine Maͤtresse, und diese hatte einen Vetter, einen al- bernen eingebildeten Laffen, der seit sechs Monaten die Uniform trug; der wurde mein Obrister. Es versteht sich, daß ich den Abschied foderte und er- hielt. — Einige Spoͤttereyen uͤber den Einfluß der Dame machten mich zum Gefangenen auf der Festung. Da saß ich ein halbes Jahr und kauete an den Naͤgeln. Man gab mir meine Freyheit. Ich raffte mein Vermoͤgen zusammen und ging aus dem Lande. Mit Menschenkenntniß gewaffnet — so bildete ich mir ein — sollte es mir nun leicht wer- den, mit und unter den Menschen fortzukommen. Ich waͤhlte Cassel zu meinem Aufenthalte. Alles ging vortreflich. Ich fand Freunde, die mir lieb- koseten, mich verhaͤtschelten, mir mein Geld ab- borgten und meinen Wein austranken. Endlich fand ich auch ein Weib, ein schuldloses, herrliches Geschoͤpf, von kaum funfzehn Jahren. O wie liebt ich sie! ja, damals war ich gluͤcklich! Sie gebahr mir einen Sohn und eine Tochter; beyde hatte die Natur mit der Schoͤnheit ihrer Mutter gestempelt. O wie liebt’ ich mein Weib und meine Kinder! ja, damals war ich recht gluͤcklich! (er wischt sich die Augen) Sieh da, noch eine Thraͤne; haͤtt’ ichs doch kaum gedacht. Willkommen, ihr alten Freunde! wir haben uns lange nicht gesehen. — Nun, Bruder, meine Geschichte ist gleich zu Ende. Der Eine mei- ner Freunde, den ich fuͤr einen ehrlichen Kerl hielt, betrog mich um mein halbes Vermoͤgen. Ich ver- schmerzte das, ich schraͤnkte mich ein; Zufriedenheit bedarf wenig. Da kam wieder ein anderer Freund, ein Juͤngling, an dem ich Behagen gefunden, den ich mit meinem Gelde unterstuͤtzt, dem ich durch mein Ansehen empor geholfen, der verfuͤhrte mir mein Weib — und lief mit ihr davon! — Ist dir das genug, um mir meinen Menschenhaß, meine Abgeschiedenheit von der Welt zu verzeihen? — Bin ich etwa ein Phantast, der Verfolgung ahndete, wo niemand an ihn dachte? Oder bin ich blos ein Opfer der Gewalt eines Einzelnen? Wollte Gott! Ein Koͤnig kann nur in Fesseln schmieden, oder toͤdten: ach! was sind Fesseln nnd Tod gegen die Untreue eines geliebten Weibes? H 2 Das deiner unwerth war. Pfuy, Mei- nau! Daß ein Mann sich um ein gutes Weib quaͤlen kann, — ist schon eine Thorheit; aber um ein untreues Weib auch nur eine Thraͤne ver- gießen, ist Raserey. Nenn es wie du willst, sprich was du willst, das Herz kehrt sich an kein Vernunftge- schwaͤtz. Ach! ich liebe sie noch. Und wo ist sie? Das weiß ich nicht, verlang’ es auch nicht zu wissen. Und deine Kinder? Die ließ ich in einem Landstaͤdtchen nicht weit von hier bey einer Buͤrgerswittwe, die mir ehrlich genug schien, weil sie dumm genug war. Schon wieder ein menschenfeindlicher Seitenhieb! Doch warum behieltest du deine Kinder nicht bey dir? Sie wuͤrden dir manche schwermuͤ- thige Stunde weggegaukelt haben. Daß die Aehnlichkeit mit ihrer Mutter mir taͤglich das Bild entflohener Freuden zuruͤck- gerufen haͤtte? Nein! ich habe sie in drey Jahren nicht gesehen. Ich mag keinen Menschen um mich haben, weder Kind noch Greis; das Kind ist ein werdender Boͤsewicht, und der Greis ein vollende- ter Schurke! Wahrlich! haͤtte unsere vornehme Erziehung mir nicht einen Bedienten zum Beduͤrf- niß gemacht; ich wuͤrde den meinigen laͤngst weg- gejagt haben, ob er gleich nicht der schlechteste un- ter den schlechten ist. Das kommt dabey heraus, wenn man eine Frau von unsern sogenannten guten Familien heurathet; die beobachten von Jugend auf in ihren Ehestandsbegriffen die late Observanz. Drum, Meinau, siehst du mich entschlossen, ein Weib aus dem Buͤrgerstande zu heurathen. Du heurathen? Ha! ha! ha! Du sollst sie sehn. Komm mit mir! Meine Familie erwartet dich mit Sehnsucht. Ich mich wieder unter Menschen her- umtreiben! Hab’ ich mich noch nicht bestimmt ge- nug erklaͤrt? Das hast du freylich. Aber ich er- klaͤre dir hiemit feyerlich, daß du alle Zartheit der Empfindung beleidigen wuͤrdest, wenn du nicht we- nigstens diesen Abend kaͤmest, eine Suppe bey mei- nem Schwager zu essen. Jemand eine Wohlthat erzeigen und keinen Dank fodern, ist edel und schoͤn; H 3 aber diesem Dank so geflissentlich ausweichen, daß die Wohlthat dem andern zur Last wird, ist Affec- tation. Gilt das mir? Ich will gern glauben, daß es nicht dein Fall ist; denn ich kenne dich besser: aber ich bitte dich, was sollen die Meinigen von dir den- ken? Es giebt schoͤne Dinge in der Welt, die man nicht zu weit treiben darf; Dinge, die anfaͤnglich Bewunderung erregen, hinterdrein Verdruß, und am Ende eine Art von bittrer Gleichguͤltigkeit. Bruder, es giebt auch Dinge in der Welt, die sich besser predigen, als befolgen lassen. Wenn du wuͤßtest, wie mich jedes fremde Men- schengesicht anekelt, wie ich lieber auf Millionen Nadeln sitzen moͤchte, als auf einem gepolsterten Stuhle in euren eleganten Zirkeln; wie mir das auf den ganzen Tag meine beste Laune verderbt, wenn ich nur von ferne einen Menschen auf mich zu- kommen sehe, dem ich nicht mehr ausweichen kann, und vor dem ich also meinen Hut ziehen muß. — O laß mich! laß mich in Ruhe! — Jeder Mensch sucht um sich her sich einen eigenen Zirkel zu bil- den, dessen Mittelpunkt er selbst ist; so ich den meinigen. So lange noch eine Vogelkehle in die- sem Walde ist, welche die Morgensonne begruͤßt; so lange wird mir’s an Gesellschaft nicht fehlen. Thu morgen und uͤbermorgen, was dir gefaͤllt; aber leere heute ein Glas Wein mit mir. (fest) Nein! nein! Auch dann nicht, wenn du vielleicht im Stande waͤrest, durch diesen einzigen Besuch das Gluͤck deines Freundes zu gruͤnden? (stutzend) Dann — ja! Aber laß hoͤren! Du sollst mein Freywerber seyn bey Madam Muͤller. Ich? — Guter Horst! wenn ich auch einst Talente zu solch einem Auftrage hatte, so sind sie schon lange verrostet. Nicht doch. Sieh, Bruder, ich liebe ernstlich, und meine Liebe ist eine Frucht der Hoch- achtung. Sie ist ein herrliches Weib! Und wenn ich so vor ihr stehe; von allem kann ich mit ihr schwatzen, nur nicht von meiner Liebe. Denn sie hat da einen Blick in ihrer Gewalt — einen Blick, der die Zunge fesselt. Zwar hatte meine Schwester uͤbernommen — aber das frommt nicht; ihr Lob klingt partheyisch. Du hingegen — einem so sauer- H 4 toͤpfischen Gesicht, wie das Deinige, glaubt man am ersten. Bruder, wenn du meine paar guten Eigenschaften ein wenig gegen sie herausstreichest — Sieh da, wieder ein Mensch, der be- truͤgen will. Nun, ich denke nicht, daß sie uͤbel mit mir fahren soll. Ich bitte dich, Meinau; es gilt Wohl und Weh deines Freundes. Ich schaffe dir Gelegenheit, sie allein zu sprechen. Willst du? (nach einer Pause) Ich will. Aber unter einer Bedingung. Sprich! Daß du mich morgen ohne Widerrede abreisen laͤssest. Abreisen? Wohin? Wohin Gott will! unter Menschen, die mich nicht kennen. Halsstarriger! Du versprichst das — oder ich komme gar nicht. Wohlan, ich verspreche es. Vielleicht sind deine Ideen heiterer beym Aufgang der Sonne. (ihm die Hand reichend) Folge mir! Ich muß mich doch erst ein wenig ankleiden. So erwarten wir dich in einer halben Stunde. Du gabst mir dein Wort. Ich gab es. Leb’ wohl! (ab.) Dritter Auftritt . Unbekannter. Gleich darauf Franz. (geht einigemal auf und nieder, sein Blick ist in sich gekehrt und trübe. Endlich bleibt er stehn, und ruft) Franz! (kommt) Herr! Morgen reisen wir. Mir recht. Vielleicht in ein anderes Land. Mir auch recht. Vielleicht in einen andern Welttheil. Mir alles recht. Ihr friedlichen Insulaner der Suͤdsee! zu euch will ich; ihr seyd noch unverdorben. Eure einzige Schwachheit ist Stehlen. — Immerhin! ich bringe keine Schaͤtze mit. Das koͤstlichste Kleinod, das ich hatte, meine Ruhe, hat man mir in Europa gestohlen. — Oder zu euch, ihr wackern Bewohner von Bisnapore; zu euch, deren verfuͤh- rerisches Gemaͤhlde Raynal mit unnachahmlichem H 5 Pinsel uns darstellt — oder — nun ja, wohin Gott will! Fort! fort aus diesem cultivirten, mo- ralischen Lazareth! — Hoͤrst du, Franz? morgen mit dem fruͤhesten. Ganz wohl. Doch vorher, Franz, noch ein kleines Geschaͤft fuͤr dich. Geh hinunter ins Dorf, miethe dir Pferde und Wagen von einem Bauern, und eile in das benachbarte Staͤdtchen. Du kannst vor Son- nenuntergang noch zuruͤck seyn. Ich will dir einen Brief an eine Buͤrgersfrau mitgeben, die ich kenne. Dort wirst du zwey Kinder finden; es sind meine Kinder — (erstaunt) Ihre Kinder, Herr? Nimm sie, packe sie auf den Wagen, und bringe sie hieher. Ihre Kinder, Herr? Nun ja doch, meine Kinder; ist denn das so unbegreiflich? Ich begreife wohl, daß Sie Kinder haben koͤnnen; aber daß ich nun schon drey Jahre in Ihren Diensten bin, und noch nie ein Woͤrtchen davon erfuhr, das ist doch sonderbar. Viel von seinen Kindern sprechen, ist Narrheit. Es ist ein Unterschied zwischen viel und garnicht . Sie waren also verheurathet? Belaͤstige mich nicht mit unnuͤtzen Fra- gen! Geh, mach dich reisefertig! Dazu brauch ich fuͤnf Minuten. (er geht.) Ich folge dir sogleich, um den Brief zu schreiben. (ab.) Vierter Auftritt . allein. Ich will sie mit mir nehmen. Ich will mich an ihren Anblick gewoͤhnen. Die unschuldigen Ge- schoͤpfe sollen nicht vergiftet werden, weder durch ein Philanthropin, noch durch eine Pension. Moͤ- gen sie lieber auf irgend einer wuͤsten Insel ihren taͤglichen Unterhalt mit Bogen und Pfeil erjagen, oder sich, wie die Hottentotten, in einen Winkel kauern und die Spitze ihrer Nase betrachten. Bes- ser nichts thun, als Boͤses. — Narr, der ich war! Mir das Versprechen entlocken zu lassen, mich noch einmal unter die Affengesichter zu mengen. Welch’ eine laͤcherliche Figur werd’ ich da spielen! Und gar als Freywerber. Ha! ha! ha! — Nun, ich habe so manches ertragen; warum sollt’ ich nicht, einem Freunde zu Liebe, eine boͤse Stunde mehr in den Kalender meines Lebens schreiben? (ab.) Fuͤnfter Auftritt . (Zimmer im Schloß.) allein. Nein, Frau Graͤfin, wenn Sie sich hier auf dem Lande einsperren wollen; so bin ich Ihre gehorsame Dienerin. Ich bin nicht fuͤr das Landleben geschaf- fen; ich bin in der großen Welt erzogen. (sie gähnt.) Wahrhaftig, ich habe in den paar Stunden schon oͤfter gegaͤhnt, als in allen Predigten zusammen ge- nommen, die ich in meinem Leben gehoͤrt habe. — Unertraͤglich! Nicht einmal ein vernuͤnftiger Kam- merdiener, der mir die Cour machte. Und wenn ich vollends an die Madam Muͤller denke; da moͤchte ein Maͤdchen von Stande sich die gelbe Sucht an den Hals aͤrgern. Sechster Auftritt . Bittermann. Lotte. (der die letzten Worte gehört hat) Ey, ey, warum nicht gar? Wer hat Ihnen Leides gethan, mein schoͤnes Kind? (verächtlich) Mir, Herr Bittermann? Ich bin nicht die Person, die sich von irgend jemand in der Welt etwas zu Leide thun laͤßt. Wenn auch gewisse Leute, die ich nicht nennen will, sich gegen gewisse Leute uͤbermuͤthig betragen, denen sie kaum werth sind, die Schuhriemen aufzuloͤsen; so habe ich doch zu viel Erziehung genossen, um mir auch nur ein graues Haar deshalb wachsen zu lassen. Die hochedle Mamsell sprachen auch vorhin nicht von grauen Haaren, sondern von der gelben Sucht. Nun ja, ich meynte, es waͤre Schade, daß Madam Muͤller, die sonst eine ganz ertraͤgliche Figur macht, eine so gelbe Haut hat. Lieber Gott! es giebt gelbe, schwarze und bronzirte Menschen in der Welt. Ich habe daruͤber noch vor kurzem Briefe vom Vorgebirge der guten Hoffnung gehabt; und wenn Madam Muͤller gelb ist, so mag das vielleicht in ihrem Va- lande so gebraͤuchlich seyn. In ihrem Vaterlande? Allerliebster Herr Bittermann! Sie koͤnnen mir also sagen, wer diese Creatur ist? und ob sie in Ansehung ihrer Geburt und Herkunft sich mit gewissen Personen messen darf? Nein, hochedle Mamsell, ich habe daruͤber keine Briefe, weder aus Europa, noch aus irgend einem andern Welttheile. Wenn eine hochgetragene Nase immer das Zeichen eines vornehmen Standes ist; wirk- lich, so muß sie eine Prinzessin seyn. In der That, wenn man sie zuweilen reden hoͤrt, sollte man denken, man habe eine Hoch- wohlgebohrne Frau Baronin vor sich. Aber wer ist Schuld daran, als die ho- hen Herrschaften selbst? War das auch heute eine Auffuͤhrung fuͤr einen Grafen? er tritt kaum in die Thuͤre — ich stand auf dem Vorsaal — so laͤuft er auf Madam Muͤller zu und umarmt sie, recht als ob sie seines Gleichen waͤre. Ja, ja, davon bin ich Zeuge gewesen. Eben so die Frau Graͤfin. Sie speis’t mit den Herrschaften, sie geht mit ihnen spatzieren, und jetzt in diesem Augenblick sitzt sie mitten unter ihnen am Theetische. Leider alles wahr. Schickt sich das fuͤr einen Grafen? Ganz und gar nicht. Muß ein Graf nicht immer einen gewis- sen Stolz, eine edle Selbstgenuͤgsamkeit in allen seinen Handlungen blicken lassen, wenn er auch sonst nichts auf der Welt waͤre, als Graf? Ey freylich! freylich! Eben so, als wenn ich, die Tochter eines Hofkutschers, mich mit den Bauern im Dorfe familiarisiren wollte. Bewahre der Himmel! Nein, das leide ich durchaus nicht. Morgen fruͤh beym Ankleiden werde ich mit der Graͤfin sprechen. Eine von uns beyden muß das Feld raͤumen, entweder ich oder Madam Muͤller. (welcher den Major kommen sieht) St! Siebenter Auftritt . Der Major. Die Vorigen. (welcher im Hereintreten den Namen der Madam Müller hat nennen hören) War hier nicht die Rede von Madam Muͤller? (in einiger Verlegenheit) Ja, so vel quasi . Lotte, sage Sie meiner Schwester, ich wuͤnschte mit ihr zu sprechen, sobald der Thee- tisch abgeraͤumt worden. (ab.) Darf man erfahren, was gesprochen wurde? Wir sprachen so hin und her, dieß und jenes, heruͤber und hinuͤber. Bald sollt’ ich vermuthen, es stecke ein Geheimniß dahinter. Ein Geheimniß? Behuͤte der Him- mel! Da muͤßt’ ich Briefe haben. Nein, es bleibt alles in den Grenzen der Publicitaͤt. Um so eher darf ich bitten, Theil am Gespraͤche zu nehmen. Viel Ehre, Hochwohlgebohrner Herr Major, viel Ehre! Je nun, wir machten anfaͤng- lich lich einige ganz alltaͤgliche Bemerkungen. Die hochedle Mamsell vermeynte, jeder Mensch habe seine Fehler, und da sagte ich ja. Bald darauf merkte ich an, daß auch der beste Mensch auf der Welt seine kleinen Schwachheiten habe, und da sagte die Mamsell ja. Ist das eine Einleitung in die Fehler und Schwachheiten der Madam Muͤller, so bin ich begierig mehr zu hoͤren. Ja, lieber Gott! Madam Muͤller ist wohl eine kreuzbrave Frau, aber sie ist doch auch noch lange kein Engel. Als einem alten treuen Diener des Hochgraͤflich Winterseeischen Hauses, liegt es mir ob, der gnaͤdigen Herrschaft allerley ins Ohr zu raunen, was den Einkuͤnften merkli- chen Schaden und Nachtheil bringt. (neugierig) Nun? Der Herr Graf zum Beyspiel wird denken, er habe da zum wenigsten noch ein vierzig bis funfzig Bouteillen von dem alten sechs und zwanziger Rheinwein im Keller liegen. Ja prosit die Mahlzeit! Kaum zehn oder funzehn moͤgen noch uͤbrig seyn. Ueber meine Zunge ist nicht ein Tropfen gekommen, nicht einmal an hohen Festtagen. J (lächelnd) Madam Muͤller wird ihn doch wohl nicht ausgetrunken haben? Sie selbst nun wohl eben nicht; denn sie trinkt keinen Wein. Aber wenn ein Kranker im Dorfe ist, der sich doch wohl mit einem Schluck Branntewein behelfen koͤnnte, da schickt sie flugs eine Flasche von dem koͤstlichen Sechsundzwanzi- ger hin. Ich habe ihr verschiedentlich und wieder- hohlentlich Vorstellungen daruͤber gemacht; aber sie antwortet mir immer ganz schnippisch: „ich will es schon verantworten.“ Ich auch, lieber Herr Bittermann. In Gottes Namen! Mich geht es nichts an. Ich habe dem Keller zwanzig Jahre lang vorgestanden; von mir haben die Armen nicht einen Tropfen bekommen. — Und wenn sie auf der einen Seite verschwendet, da knausert sie wieder auf der andern zur unrechten Zeit. Als ich im ver- gangenen Herbst einen Brief aus Ungarn erhielt, in welchem man mir die Einnahme von Novi durch den Feldmarschall Laudon meldete, da wollt’ ich, als ein Mitglied des heiligen roͤmischen Reichs, meine Freude an den Tag legen. Ich bat den Herrn Pfarrer und den Herrn Gerichtshalter zu mir, um in Froͤhlichkeit des Herzens ein paar Fla- schen alten Wein mit ihnen auszustechen. — Den- ken Sie nur, Hochwohlgebohrner Herr Major, da speis’te sie mich mit Frankenwein ab. Unerhoͤrt! Man kann uͤberhaupt gar nicht aus der Frau klug werden. Der Umgang der Frau Pastorin und der Frau Gerichtshalterin ist ihr nicht gut genug, und dann sitzt sie doch zuweilen wieder mitten unter den Bauerweibern. Wir beyde ver- tragen uns noch so ziemlich; denn, unter uns, sie hat ein Auge auf meinen Peter geworfen. Ey, ey! Ja, der Peter ist ein vertrakter Jun- ge; er lernt vom Schulmeister schreiben. Wenn der Hochwohlgebohrne Herr Major Belieben tra- gen, ein Proͤbchen zu sehen; er mahlt seine Buch- staben, daß es eine Art hat. Ein andermal, lieber Herr Bittermann, ein andermal. Fuͤr jetzt empfehle ich mich Ihnen. (Bitterm. verbeugt sich ohne zu gehen; der Major blaͤttert in einem Buche, das auf dem Tische liegt.) Ich finde da eben ein sehr interessantes Buch. Wirklich, das muß ich lesen; leben Sie wohl! J 2 (ohne den Wink zu verstehen) Unterthaͤni- ger Diener. Das ist zu arg. Herr Verwalter, ich wuͤnschte allein zu seyn. Der gnaͤdige Herr haben zu befehlen. Wenn Ihnen einmal die Zeit lang werden sollte, und Sie wuͤnschten, die neuesten Neuigkeiten vom ungarischen Kriegestheater zu erfahren, so duͤrfen Sie sich nur an mich wenden. Ich habe Briefe — Schon gut. (indem er mit vielen Verbeugungen abgeht) Briefe aus dem Bannat, Briefe von der tuͤrkischen Grenze, Briefe aus Rußland, Briefe vom Pacha von Scutari — (ab.) Unertraͤglicher Schwaͤtzer! — Doch nein! Sprach er nicht von Madam Muͤller? Ver- ziehen sey ihm seine politische Wuth! Achter Auftritt . Die Graͤfin. Der Major. Wahrhaftig, die Verliebten denken, man hungere nicht, man durste nicht, weil sie selbst von Rosenduft und Mondschein leben. Kaum hab’ ich ein paar Tassen Thee hinunter geschluͤrft, so laͤßt mich der Herr Bruder schon abrufen; und was steht zu Befehl? Du kannst noch fragen? Hast du mit Madam Muͤller gesprochen? Ja. Nun? Nichts. Nichts? Das heißt, wenn der Herr Bruder nicht bald einen andern Hafen sucht, so wird er bis ans Ende seines Lebens auf offener See herum- treiben muͤssen. Ist sie verheurathet? Das weiß ich nicht. Ist sie von guter Geburt? Das darf ich nicht sagen. Kann sie mich etwa nicht leiden? Darauf muß ich dir die Antwort schul- dig bleiben. So so, ich bewundere deine schwesterliche Zuneigung; sie ist exemplarisch. Gut, daß ich gleich Anfangs nicht sehr darauf baute. Gut, daß ich J 3 einen Freund wieder fand, der die Frau Schwester beschaͤmen wird. Einen Freund? Aufzuwarten. Der Fremde, der diesen Morgen deinem Manne das Leben gerettet, ist mein alter Freund. Wie heißt er? Das weiß ich nicht. Ist er von guter Geburt? Das darf ich nicht sagen. Wird er herkommen? Darauf muß ich dir die Antwort schul- dig bleiben. Du bist unertraͤglich. Magst du denn deine eigene Composi- tion nicht einmal da Capo hoͤren? Neunter Auftritt . Der Graf. Eulalia. Die Vorigen. Zum Henker! denkt ihr denn, ich bin ein Xenokrat, oder ich habe ein paar marmorne Spindelbeine, wie der arme Sultan Uzim Oschan- ty? Da lassen Sie mich immer, in Gottes Na- men, mit Madam Muͤller allein, und bedenken nicht, daß mein Herz kein Kieselstein ist. Ich sage es Ihnen, Frau Gemahlin, wenn es noch einmal geschieht, so habe ich meine Liebeserklaͤrung schon in petto . Vermuthlich von Ihrem Kammerdie- ner entworfen. Nein, Madam, aus einem von Ihnen aufgefangenen Liebesbriefchen entlehnt. Also doch immer geborgt? Nicht doch! Alte einkassirte Schuld, abgeschrieben von einem Billet doux, das Sie vor sechs Jahren von mir erhielten. Wie oͤkonomisch! und das wollen Sie nun zum zweyten Male brauchen? Wissen Sie denn nichts neues zu sagen? Sie haben mich erschoͤpft, Madam. Ein trauriges Bekenntniß in Gegen- wart Ihrer neuen Geliebten! (komisch) Verdammtes Weib! ich kom- me nicht gegen sie auf. — Herr Schwager, wie stehts? wird der Fremde kommen? Ich erwarte ihn jeden Augenblick. J 4 Das ist mir lieb. Wieder eine Gesell- schaft mehr! Auf dem Lande kann man deren nicht zu viel haben. Durch diesen Fremden wird unser Zir- kel eben nicht erweitert werden. Er reiset mor- gen ab. Das soll er wohl bleiben lassen. Nun, Frau Graͤfin, nun einmal alle Ihre Reize aufge- boten! Es ist keine Kunst, sich an einem Ehemanne zu reiben; der ist schon abgeschliffen; aber so ein fremder Sonderling, der hat scharfe Ecken. Da versuchen Sie Ihr Heil. Wahrhaftig, die Eroberung waͤre schon der Muͤhe werth. Aber was Madam Muͤller in vier Monaten nicht zu Stande gebracht hat, wird mir nie gelingen. (scherzend) Doch, gnaͤdige Frau. Er hat mir nie Gelegenheit gegeben, meine Reize auf ihn wirken zu lassen. Wir haben in diesen vier Mona- ten einen sehr geistigen Umgang mit einander ge- gehabt ; denn wir haben uns auch nicht ein einzi- ges Mal gesehen. Er ist ein Narr, und Sie sind ein Naͤrrchen. (tritt herein) Der fremde Herr will die Ehre haben aufzuwarten. Herzlich willkommen! Immer herein! Zehnter Auftritt . Der Unbekannte. Die Vorigen. (tritt mit einer ernsthaften Verbeugung in das Zimmer.) (geht mit offenen Armen auf ihn zu.) (erblickt ihn, stößt einen lauten Schrey aus, und fällt in Ohnmacht.) (wirft einen Blick auf sie; Schrecken und Stau- nen in seinen Gebehrden, rennt er schleunig zur Thüre hinaus.) (sieht ihm voll Verwunderung nach.) ( beschäftigen sich um Eu- lalien.) Ende des vierten Aufzugs. J 5 Fuͤnfter Aufzug . (Zimmer im Schloß.) Erster Auftritt . allein, geht herum und schlägt Fliegen todt. E hemals zog ich gegen Menschen zu Felde, und nun gegen Fliegen. Beyde sind impertinentes Ge- schmeiß. Den heutigen Feldzug eroͤffne ich blos aus langer Weile, wie es die großen Herrn gewoͤhnlich zu machen pflegen, wenn sie nichts bessers zu thun wissen. — Kayser Domitian schlug Fliegen todt, so gut, als ich; daruͤber lacht die ganze Welt: aber daß Kayser Karl der Große Menschen todt schlug, wie Fliegen, weil sie nicht beten wollten wie er, daruͤber lacht niemand; und es ist doch, bey Gott! sehr laͤcherlich. — Guter Domitian! deine Asche ruhet in Frieden, die Seelen der ermordeten Flie- gen lassen dich ungehudelt. Selig ist der Kayser, der fein zu Hause bleibt und Fliegen todt schlaͤgt. Zweyter Auftritt . Bittermann. Der Graf. Ich habe die Ehre, Ew. Hochgraͤfl. Excellenz zu vermelden, daß die Tafel servirt ist. Womit ist die Tafel servirt? Fuͤrs erste sind da delicate junge Huͤh- ner und zuckersuͤße junge Erbsen. Alsdann ein Hecht, so lang als ein Wallfisch, ein gebratener Kapaun, so zart als ein Milchbrey, und Krebse, so groß als die Schildkroͤten. Lieber Bittermann, wenn er auch noch zwanzig der schmackhaftesten Schuͤsseln auf die Ta- fel setzt, so wird er meinen Appetit doch nicht eher rege machen, als bis er die Tafel auch mit einigen Menschen servirt. Allein schlafen kann ich zur Noth; aber allein essen ist mir unmoͤglich. Je mehr Men- schen um mich her sitzen, je voller sie die Backen stopfen, je begieriger sie einhauen, desto besser schmeckt es mir selbst. Da koͤnnt ich Ew. Hochgraͤfl. Excel- lenz meinen Peter recommandiren; der frißt, als wollt’ er die Schuͤsseln zusammt den Speisen ver- schlingen. Wo bleibt denn meine werthe Haus- genossenschaft? — Liegt Madam Muͤller noch in Ohnmacht? So viel ich im Vorbeygehen am Schluͤsselloch erlauschen konnte, ist sie nunmehro wieder zu sich selbst gekommen. Ist das nicht ein geziertes, geschraubtes, gedrechseltes Wesen mit so einem verlaufenen Daͤmchen! Da wurde nach Hirschhorn geschickt, nach Riechspiritus, nach wei- ßem Pulver; die arme hochedle Mamsell Lotte laͤuft Treppe auf, Treppe nieder, daß sie ihre allerlieb- sten Beinchen kaum mehr fuͤhlt. Ein paar Kannen kaltes Wasser uͤber den Kopf gegossen, das ist das kraͤftigste Mittel gegen alle Ohnmachten. Ich wun- dere mich nur uͤber die gnaͤdige Frau Graͤfin und uͤber den Hochwohlgebohrnen Herrn Major; die sind so emsig und aͤngstlich um sie her beschaͤftigt, als ob das Frauenzimmerchen zu Ew. Hochgraͤfl. Excellenz hohen Familie gehoͤrte. (lächelnd) Wer weiß! Bey meiner armen Seele! ich glau- be, wenn ein alter treuer Diener, der seit zwan- zig Jahren die Ehre hat, Ew. Hochgraͤfl. Excel- lenz aufzuwarten, einmal das Ungluͤck haͤtte, in Ohnmacht zu fallen; es wuͤrde nicht halb so viel Laͤrm entstehen. Das glaub’ ich beynahe selbst. Und lieber Gott! niemand weiß doch, wer das Frauenzimmer ist. Ich habe Briefe uͤber Briefe geschrieben, ich habe Antworten uͤber Ant- worten erhalten; keiner meiner Correspondenten kann mir Auskunft geben. Weiß er was, Bittermann? Da will ich ihm einen guten Rath ertheilen. (sehr begierig) Ich bin ganz Ohr Ich schließe aus dem heutigen Vorfall, daß Madam Muͤller und der Fremde sich ziemlich genau kennen muͤssen. Wenn er also nur von dem Fremden naͤhere Nachricht einziehen koͤnnte! (wehmüthig) Ach theurer Herr Graf! habe ich mir denn nicht schon die unsaͤglichste Muͤhe deshalb gegeben? Seit vier Monaten ist all’ mein Dichten und Trachten auf diesen wichtigen Gegen- stand gelenkt; aber da ist egyptische Finsterniß, undurchdringlicher Nebel. Und ohne Ruhm zu melden, was ich nicht zu Tage foͤrdere, das muß im tiefsten Schacht vergraben liegen. Ich habe meine Correspondenten weit und breit, und dann habe ich so meine eigene Manier, ein Geheimniß unter die Leute zu bringen. Mit meinen Briefen in der Tasche halte ich die Leute auf den Straßen an; ich lese sie in der Canzeley des Herrn Gerichts- halters vor, ich publicire sie in der Kirche — Ja, ja; und wenn er keine Briefe be- kommt, so schmiedet er sie selbst. Auch wohl mit unter, Ew. Hochgraͤfl. Excellenz. Die Correspondenten sind zuweilen saumselig. Dritter Auftritt . Der Major. Die Vorigen. (ihm entgegen) Nun, endlich kommt doch einer, der die Krebse wird verzehren helfen, die so groß sind, als die Schildkroͤten. — Aber mein Himmel! welch ein O Jeminesgesicht! Kommen Sie, Herr Schwager; ein Glas Burgunder auf den Schrecken! Verzeihen Sie! ich habe weder Hun- ger noch Durst. Hoͤren Sie! unter allen Dingen auf der Welt verzeihe ich das gerade am wenigsten, wenn man in meinem Hause nicht lustig und froh ist. Wenn ich ein Koͤnig waͤre, ich wuͤrde meine Unter- thanen gluͤcklich machen, so viel in meinen Kraͤften stuͤnde; wen ich aber nicht gluͤcklich machen koͤnnte, der muͤßte uͤber die Grenze. Also wuͤrden Sie die Menschen nur gluͤcklich machen, um keine traurigen Gesichter um sich her zu sehen? Allerdings. Ein sehr egoistischer Grundsatz. Ach lieber Herr Bruder! Egoisten sind wir alle; der eine mehr, der andere weniger; der eine laͤßt seinen Egoismus nackend laufen, der an- dere haͤngt ihm ein Maͤntelchen um. Daß ich jetzt nicht gestimmt bin; mit Ihnen daruͤber zu disputiren! Auf ein anderes Mal, bey einer Pfeife Toback. — Apropos! was macht Madam Muͤller? Apropos? ein allerliebstes Apropos! Nun dann, ohne Apropos! Sie hat sich erhohlt. Wird sie zum Essen kommen? Nein. Meine Frau auch nicht? Ich zweifle. Nun so hohl euch alle der Henker! Komm er, Bittermann, er soll mir bey Tische ein paar von seinen Briefen vorlesen. Mit dem groͤßten Vergnuͤgen, Ew. Hochgraͤfl. Excellenz. (Graf und Bitterm. ab.) (einige Augenblicke vor sich hinstarrend) O die taͤuschende Hoffnung! — Wolkenbild von seliger Zukunft! ich breite die Arme nach dir aus — und du zerfließest in Luft. — Armer Horst! die Raͤth- sel sind geloͤst. Sie ist das Weib deines Freundes. — Wohlan! nicht durch trockene Wortzaͤnckerey, durch That will ich widerlegen, was der Graf da eben herdeclamirte. Ich kann nicht selbst gluͤcklich seyn, aber es steht vielleicht in meiner Macht, zwey schoͤne Seelen wieder zu vereinigen, die des Schick- sals tuͤckische Laune trennte. — Auf, Horst! kleine Geister jammern uͤber mißlungene Plane; ein Mann erstickt in edler Thaͤtigkeit den Kleinmuth, der ihn zu Boden druͤcken will. Vier- Vierter Auftritt . Die Graͤfin. Eulalia. Der Major. In den Garten, liebe Freundin, in die frische Luft! Mir ist recht wohl — Wenn Sie sich nur um mich nicht beunruhigten; (bittend) wenn Sie mich lieber ganz allein ließen! — Nicht doch, gnaͤdige Frau, die Zeit ist kostbar. Er will fort, morgen schon. Lassen Sie uns gemeinschaftlich auf Mittel denken, Sie mit Ihrem Gemahl auszusoͤhnen. Wie, Herr Major? Sie scheinen mit meiner Geschichte bekannt zu seyn. Das bin ich. Meinau ist mein Freund seit meinen ersten Jugendjahren; wir haben vom Cadet bis zum Hauptmann mit einander gedient. Seit sieben Jahren waren wir getrennt: der Zu- fall fuͤhrte uns heute wieder zusammen, und sein Herz schloß sich mir auf. Nun fuͤhl’ ich, was es heißt: den Blick eines ehrlichen Mannes nicht ertragen zu koͤnnen! — O Graͤfin! verbergen Sie mich vor mir selbst! (Sie verbirgt ihr Gesicht am Busen der Gräfin.) K Wenn ungeheuchelte Reue, ein Leben ohne Tadel, nicht einmal Anspruch auf Verzeihung der Menschen geben; was haͤtten wir denn einst vor Gott zu hoffen? — Nein! Sie haben genug gebuͤßt. Der schlummernden Tugend entriß das Laster auf einen Augenblick die Herrschaft in Ihrem Herzen. Die erwachte Tugend bedurfte nur eines Blicks, um es fuͤr ewig daraus zu verscheuchen. — Ich kenne meinen Freund. Er denkt stark wie ein Mann, und fuͤhlt fein, wie eine Frau. Ich eile zu ihm, Madam, als ihr Geschaͤftstraͤger. Mit dem Feuer der Freundschaft will ich das Werk be- ginnen, damit ich, wenn ich einst auf den Lauf meines Lebens zuruͤckblicke, verweilen koͤnne bey einer guten That, die mir Zufriedenheit im Alter ge- waͤhre. — Auf froͤhliches Wiedersehen. (Er will gehen.) Was wollen Sie thun, Herr Major? — Nein, nimmermehr! — Die Ehre meines Ge- mahls ist mir heilig. Ich liebe ihn unaussprech- lich; aber ich kann nie wieder seine Gemahlin wer- den, selbst wenn er großmuͤthig genug waͤre, mir verzeihen zu wollen. Ist das Ernst, gnaͤdige Frau? Nicht diese Benennung; ich bitte Sie. Ich bin kein Kind, das sich der Strafe entziehen will. Was waͤre meine Reue, wenn ich einen an- dern Vortheil dadurch zu erlangen hofte, als den, eines minder tobenden Gewissens? Aber wenn nun Ihr Gemahl selbst — Das wird er nicht, das kann er nicht. Aber er liebt Sie noch. Nun so muß er nicht! er muß sein Herz von einer Schwachheit losreißen, die ihn entehrt. Unbegreifliche Frau! Sie haben mir also gar keinen Auftrag zu ertheilen? Doch, Herr Major. Ich habe zwey Bit- ten, deren Erfuͤllung mir sehr am Herzen liegt. Oft, wenn ich im Uebermaaß meines Kummers an jedem Trost verzweifelte, kam es mir vor, als wuͤrd’ ich dann ruhiger seyn, wenn das Schicksal mir den Wunsch gewaͤhrte, meinen Gemahl nur noch ein einziges Mal zu sehen, ihm mein Unrecht zu bekennen, und dann auf ewig von ihm zu schei- den. — Das also meine erste Bitte. Eine Unter- redung von wenig Minuten, wenn er meinen Anblick nicht verabscheut. Aber daß er ja nicht waͤhne, ich wolle auch nur den mindesten Versuch K 2 machen, seine Verzeihung zu erhalten. Daß er ja uͤberzeugt sey, ich wolle meine Ehre nicht auf Kosten der seinigen wieder herstellen. — Meine zweyte Bitte — ist — um Nachricht von meinen Kindern. Wenn Menschlichkeit und Freundschaft etwas uͤber ihn vermoͤgen, so wird er keinen Augen- blick anstehn, in Ihr Verlangen zu willigen. (mit einer Verbeugung) Ich eile — Gott sey mit dir! Und mein Gebet! (ab.) Ihm nach, liebe Freundin! Einen Gang im Schatten der Linden, bis er mit Hoffnung und Trost zuruͤckkehrt. (vor sich hinstarrend) Wie sich das in mei- nem armen Herzen durchkreuzt! Hier mein Ge- mahl, dort meine Kinder. — Hier entflohene Freu- den und Schrecken der Zukunft — dort die muͤtter- liche Wonne des Wiedersehens. — Ach! theure Graͤfin! es giebt Augenblicke, in welchen man Jahre durchlebt; Augenblicke, welche schwarzes Haar in grau zu wandlen vermoͤgen, und tiefe Run- zeln auf jugendliche Wangen furchen. Das heißt: der Kummer zerstoͤhrt maͤch- tiger, als das Alter. Aber solchen Augenblicken muß man aus dem Wege eilen. Fort! hinunter in den Lindengang! Die Sonne wird bald untergehen. Ein solches Schauspiel der Natur zerstreut. Recht! Die untergehende Sonne ist ein Schauspiel fuͤr einen Ungluͤcklichen. (indem sie, von Eulalien begleitet, abgebt) Der des kommenden Morgens nie dabey vergessen darf. (ab.) Fuͤnfter Auftritt. (Die Buͤhne verwandelt sich wieder in den Platz vor Meinaus Wohnung.) allein. Unter Sonn’ und Mond ist nur ein solches Paar. Sie duͤrfen nicht getrennt werden; er muß ihr ver- zeihen. — Aber die Rolle, die ich zu spielen uͤber- nommen habe, ist schwerer, als ich anfangs dachte. Was werd’ ich ihm antworten, wenn er mir das Phantom der Ehre entgegenstellt? wenn er mich fragt, ob ich ihn zum Spott der buͤrgerlichen Ge- sellschaft herabwuͤrdigen will? was werd’ ich ihm K 3 antworten gegen meine eigene, bessere Ueberzen- gung? Denn bey Gott! Er hat Recht. Ein ehe- brecherisches Weib ist ein Schandfleck ihres Ge- schlechts, und ihr verzeihen, heißt ihre Schande theilen. Wenn auch ein Weib, wie Eulalia, hier eine Ausnahme macht, ein funfzehnjaͤhriges, ver- fuͤhrtes Geschoͤpf, das so lange, so strenge, so auf- richtig buͤßte, so kehrt sich doch die Welt nicht dar- an. — Die Welt? Nun, die muß er fliehen; der muß er auf immer entsagen. Eulalia gewaͤhrt zehn- fachen Ersatz fuͤr sie. Sie herrscht noch in seinem Herzen, und auf diese Herrschaft gruͤnd’ ich den gluͤcklichen Ausgang meines Unternehmens. Sechster Auftritt. Franz. (mit den beyden Kindern) Wilhelm. Mal- chen. Der Major. Ich bin muͤde. Ich auch. Haben wir noch weit bis nach Hause! Nein, wir sind gleich da. Halt! was sind das fuͤr Kinder? Die Kinder meines Herrn. Ist das der Papa? Wie ein Blitzstrahl faͤhrt mirs durch den Kopf. — Ein Wort, Alter! Ich weiß, du liebst deinen Herrn. Hier sind wunderliche Dinge vorgefallen. Zum Exempel? Dein Herr hat seine Frau wieder ge- funden. Se? Das ist mir lieb. Madam Muͤller. Ist die seine Frau? Das ist mir noch lieber. Aber er will sich von ihr trennen. O weh! Man muß das zu hindern suchen. Ey freylich. Der unvermuthete Anblick der Kinder koͤnnte dem Dinge vielleicht noch eine andere Wen- dung geben. Wie das? Nimm die Kleinen und verbirg dich mit ihnen dort in der Huͤtte. Ehe eine Viertel- stunde verlaͤuft, sollst du mehr erfahren. Aber — K 4 Ich bitte dich, Alter, frage nicht viel; die Zeit ist kostbar. Nun, nun, fragen ist so eben meine Sache nicht. Kommt, Kinder! (er geht mit ihnen in die Hütte.) Herrlich! Ich verspreche mir viel von diesem kleinen Kunstgriff. Wo der sanfte Blick der Mutter nicht durchzudringen vermag, da wird das unschuldige Laͤcheln der Kinder den Weg zu seinem Herzen finden. Siebenter Auftritt. Der Unbekannte. Major. (ihm entgegen) Ich wuͤnsche dir Gluͤck, Meinau. Wozu? Du hast sie wieder gefunden. Zeig’ einem Bettler den Schatz, den er ehemals besaß, und nenn’ ihn gluͤcklich! Wie albern! Warum nicht? wenn es nur an ihm liegt, wieder eben so reich zu seyn, als ehemals. Ich verstehe. Du bist ein Abgeordneter meiner Frau. Daraus wird nichts. Lerne deine Frau besser kennen! Ja, ich bin ein Abgeordneter von ihr; doch ohne alle Vollmacht, Frieden zu stiften. Sie, die dich un- aussprechlich liebt, die ohne dich nie gluͤcklich seyn kann und wird, sie entsagt deiner Verzeihung, weil — so druͤckt sie sich aus — deine Ehre mit einer solchen Schwachheit nicht vereinbar sey. Possen! mich faͤngt man nicht. Meinau, besinne dich wohl! Sie ist ein herrliches Weib. Soll ich dir sagen, Bruder, wie das alles zusammenhaͤngt? Seit vier Monaten wohne ich hier; das wußte Eulalia — Das wußte sie? Sie sah dich heute zum ersten Male. Das mag sie einem Narren weiß machen. Hoͤre nur weiter! Sie wußte ferner recht gut, daß ich kein ganz gewoͤhnlicher Schlag von Menschen bin, daß auf der großen Heerstraße meinem Herzen nicht beyzukommen ist. Deshalb legte sie einen feinen, tief versteckten Plan an. Sie spielte die Wohlthaͤtige; doch so, daß ich es jedesmal erfah- ren mußte. Sie spielte die Fromme, die Sitt- same, die Eingezogene, um meine Neugier rege K 5 zu machen. Und endlich heute spielt sie die Sproͤde; sie schlaͤgt meine Verzeihung aus, um mir durch diesen kuͤnstlichen Edelmuth meine Verzeihung zu entlocken. Meinau, ich habe dir mit Bewunde- rung zugehoͤrt. Vergieb mir; nur einem Menschen, der so oft in der Welt betrogen wurde, verzeiht man solchen Unsinn. Schade, daß das ganze scharf- sinnige Gebaͤude durch einen Hauch uͤber den Hau- fen faͤllt. Deine Frau hat sich ausdruͤcklich und standhaft erklaͤrt, sie werde deine Verzeihung nie annehmen; auch dann nicht, wenn du selbst schwach genug seyn koͤnntest, die Ehre der Liebe aufzuopfern, Wozu denn also der tief versteckte Plan? Wahr- lich, Bruder! solche Maschinerie kann nur der Kopf eines Menschenfeindes argwoͤhnen. So sag’ mir doch, warum bist du denn eigentlich hier? Aus mehr, als einer Ursach. Zuerst in meinem eigenen Namen, als der Freund meines alten Kriegskameraden, dich feyerlich zu beschwoͤ- ren, dieß Weib nicht von dir zu stoßen; denn bey Gott! du findest ihres Gleichen nicht wieder. Gieb dir keine Muͤhe! Aufrichtig, Meinau, du liebst sie noch. Leider ja! Ihre ungeheuchelte Reue hat ihre Schuld laͤngst getilgt. Was haͤlt dich ab, wieder so gluͤck- lich zu seyn, als du einst warst? Ein Weib, das faͤhig war, einmal die eheliche Treue zu verletzen, ist es auch zum zweyten Male. Nicht so Eulalia. Vergieb mir, Bru- der, wenn ich den groͤßten Theil ihrer Schuld auf dich selbst zuruͤck schiebe. Auf mich? Auf dich. Wer hieß dich, ein junges, unerzogenes Maͤdchen heurathen? Von einem Manne von fuͤnf und zwanzig Jahren fodert man kaum feste Grundsaͤtze; und du suchtest dergleichen bey einem weiblichen Geschoͤpf von vierzehn Jah- ren? Doch das bey Seite. Sie hat gefehlt, sie hat gebuͤßt, und in einer Zeit von drey Jahren sich so untadelich betragen, daß auch die schwaͤrzeste Verleumdung durch ihr vergroͤßerndes Sehrohr in dieser Sonne keinen Flecken entdecken wuͤrde. Und wenn ich auch das alles glaube — denn ich gestehe dir, ich glaube es gern — so kann sie doch nie wieder die Meinige werden. (bitter) Ha! ha! ha! Das waͤre ein Schmaus fuͤr die ge- schminkten Weiber und all’ das fade Hofvolk, wenn ich so wieder mitten unter sie traͤte, mit meinem verlaufenen Weibe am Arm. Wie sie hohnlaͤcheln, sich in die Ohren wispern, mit Fingern auf mich zeigen wuͤrden. O das waͤre ein Schauspiel, um des Teufels zu werden! Nun, jenem abgeschmackten Zirkel zu entsagen, wird doch wohl meinem Freunde Meinau keinen Seufzer kosten? Ich denke, wer drey Jahre lang sich selbst genug war, der kann in Eula- liens Armen kuͤhn der Einsamkeit sein ganzes Leben weyhen. Ich begreife. Ihr habt ein Complot gemacht, habt euch mit meinem Herzen gegen mei- nen Kopf verschworen; aber vergebens! Ich bitte dich Bruder: kein Wort weiter, oder ich gehe. Wohlan, so hab’ ich als Freund meine Pflicht erfuͤllt. Jetzt erscheine ich als Abgeordneter deines Weibes. Sie bittet dich um eine letzte Un- terredung; sie will Abschied von dir nehmen. Die- sen Trost kannst du ihr nicht versagen. O ich verstehe auch das. Sie schmei- chelt sich mit dem Gedanken, meine Standhaftig- keit werde vor ihren Thraͤnen hinwegschmelzen; aber sie irrt sich: sie mag kommen! Und dich fuͤhlen lassen, wie sehr du ihren Charakter verkennst. Ich hohle sie. (will gehen.) Noch eins, Horst. Hier, gieb ihr diesen Schmuck; er gehoͤrt ihr zu. Das magst du selbst thun. (ab.) Achter Auftritt. allein. Nun, Meinau, der letzte gluͤckliche Augenblick deines Lebens naht heran. Du wirst noch einmal sie sehen; sie, an der deine ganze Seele haͤngt. O daß ich ihr nicht entgegen fliegen, an dieß klopfende Herz sie druͤcken darf! — Pfuy! ist das die Sprache des beleidigten Gatten? Ach, ich fuͤhl’ es: das Hirngespenst, das wir Ehre nennen, ist nur in un- serm Kopfe, nicht in unserm Herzen. — Stand- haft! es darf nun einmal nicht anders seyn. — Ernst will ich mit ihr reden; aber sanft. — Huͤte dich, daß kein Vorwurf deinem Munde entwische! Ja, ihre Reue ist wahrhaftig; mein argwoͤhnisches Gehirn mag dagegen einwenden, was es will. — Nun, so soll wenigstens ihr Schicksal ertraͤglich seyn. Sie soll nicht dienen duͤrfen um des Bis- chen taͤglichen Brods willen. Sie soll unabhaͤngig leben, und noch so viel uͤbrig behalten, ihren wohlthaͤtigen Hang zu befriedigen. (Er blickt um sich und fährt zusammen.) Ha! Sie kommen! Beleidig- ter Stolz, erwache! gekraͤnkte Ehre, schuͤtze mich! Neunter Auftritt. Der Unbekannte. Eulalia. Die Graͤfin. Der Major. (welche langsam und bebend herbey schwankt, zu der Gräfin, welche sie unterstützen will) Lassen Sie mich, gnaͤdige Frau! Ich hatte einst Staͤrke genug zu suͤn- digen; Gott wird mir heute Kraft verleihen zu buͤßen. (Sie naht sich dem Unbekannten, welcher mit weg- gewandtem Gesicht in großer Bewegung ihre Anrede erwartet.) Herr Oberster — (mit sanfter zitternder Stimme und stets abge- wandtem Gesicht) Was willst du von mir, Eulalia? (sehr erschüttert) Nein — um Gottes wil- len! — darauf war ich nicht vorbereitet. — O, dieser Ton schneidet mir durchs Herz! — Dieses Du — dieses vertrauliche Du — nein! — um Gottes willen! — großmuͤthiger Mann! einen rau- hen, harten Ton fuͤr das Ohr der Verbrecherin! (sucht seiner Stimme mehr Festigkeit zu geben) Nun, Madam — Ach! wenn Sie mein Herz erleichtern, wenn Sie sich herablassen wollten, mir Vorwuͤrfe zu machen — Vorwuͤrfe? — Hier stehn sie auf mei- ner blassen Wange, hier in meinem eingefallenen Auge: diese Vorwuͤrfe konnt’ ich Ihnen nicht er- sparen — mein Mund schont Ihres Elends. Waͤr’ ich eine verhaͤrtete Verbrecherin; so wuͤrde dieses Schweigen mir Wohlthat seyn: aber ich bin eine reuige Buͤßende, und dieses edel- muͤthige Schweigen druͤckt mich ganz zu Boden. — Ach! so muß ich denn selbst der Herold meiner Schande werden! Denn wo waͤre Ruhe fuͤr mich, ehe dieß Bekenntniß von meinem Herzen abgewaͤlzt worden? Kein Bekenntniß, Madam! Ich weiß alles, und erlasse Ihnen jede Demuͤthigung. Doch werden Sie selbst einsehen, daß nach dem, was vor- gefallen ist, wir uns auf ewig trennen muͤssen. Ich weiß es. Auch kam ich nicht hieher, Verzeihung zu erflehen; auch regte sich nicht die leiseste Hoffnung in mir, Verzeihung zu erhalten. Es giebt Verbrechen, welche doppelt schaͤnden, wenn man auch nur den Gedanken hegen kann, sie jemals ganz auszuloͤschen. Alles, was ich zu hoffen wage, ist: die Versicherung aus ihrem Munde zu hoͤren, daß Sie meinem Andenken nicht fluchen wollen. (weich) Nein, Eulalia, ich fluche dir nicht. — Deine Liebe hat mir in bessern Tagen so manche suͤße Freude gewaͤhrt. — Nein, ich werde dir nie fluchen! (in großer Bewegung) Mit dem innigen Ge- fuͤhl, daß ich Ihres Namens unwerth bin, hab ’ ich schon seit drey Jahren einen andern, unbekann- ten getragen. — Aber das ist noch nicht genug. — Sie muͤssen einen Scheidebrief haben — der Sie in den Stand setze, eine wuͤrdigere Gattin zu waͤh- len — in deren Armen Gott seinen mildesten Se- gen auf Sie herabschuͤtten wolle! — Dazu wird dieses Papier Ihnen nothwendig seyn; — es ent- haͤlt ein schriftliches Bekenntniß meiner Ver- hrechen. (Sie reicht es ihm zitternd dar.) Unbek. (nimmt es und zerreißt es) Es sey auf ewig vernichtet! Nein, Eulalia! Du allein hast in mei- nem Herzen geherrscht, und — ich schaͤme mich nicht, es zu bekennen — Du allein wirst ewig dar- in herrschen! Dein eigenes Gefuͤhl fuͤr Tugend und Ehre verbietet dir, diese Schwachheit nutzen zu wollen; und waͤr’ es — nun bey Gott! diese Schwachheit ist meiner Ehre untergeordnet. Aber nie, nie wird ein anderes Weib mir Eulalien er- setzen! (zitternd) Nun, so bliebe mir nichts weiter uͤbrig — als Abschied von Ihnen zu nehmen. Halt! Noch einen Augenblick. Wir ha- ben einige Monate lang, ohne es zu wissen, ein- ander sehr nahe gelebt; ich habe viel Gutes von Ihnen erfahren; Sie haben ein Herz, weich ge- schaffen fuͤr die Noth Ihrer armen Bruͤder. Das freut mich. Es muß Ihnen nie an Mitteln fehlen, diesen Hang zu befriedigen — auch Sie selbst muͤs- sen nie Mangel leiden. Diese Schrift versichert Ihnen eine Leibrente von tausend Thalern, welche der Banquier Schmidt in Cassel Ihnen alljaͤhrlich auszahlen wird. L Nimmermehr! Die Arbeit meiner Haͤn- de muß mich ernaͤhren. Ein Bissen Brod, von ei- ner Thraͤne der Reue befeuchtet, wird mir mehr Ruhe gewaͤhren, als das Bewustseyn, von dem Vermoͤgen eines Mannes zu schwelgen, den ich einst so schaͤndlich verrathen konnte. Nehmen Sie, Madam, nehmen Sie! Ich habe diese Demuͤthigung verdient — aber ich fluͤchte zu Ihrer Großmuth. Verscho- nen Sie mich! (bey Seite) Gott! welch ein Weib hat der Bube mir entrissen! (Er steckt das Papier wieder zu sich.) Wohl, Madam, ich ehre Ihre Gruͤnde, ich stehe ab von meinem Begehren: doch nur unter der Bedingung, daß, wenn es Ihnen je an etwas man- gelt, ich der erste und Einzige sey, an den Sie sich freymuͤthig wenden. Ich verspreche es. Und nun darf ich wenigstens verlangen, daß Sie Ihr Eigenthum zuruͤcknehmen, Ihren Schmuck. (Er reicht ihr das Schmuckkästchen.) (sehr bewegt, öffnet das Kästchen, und ihre Thränen stürzen darauf) Ach! da schwebt es vor mei- ner Seele , das suͤße Bild jenes schoͤnen Abends, an welchem Sie mir diesen Schmuck schenkten. An jenem Abend legte mein alter Vater unsere Haͤnde in einander, und froh sprach ich ihn aus, den Schwur ewiger Treue. — Er ist gebrochen! — Damals hatt’ ich ein reines, schuldloses Herz — ach! dieß Gefuͤhl kauft keine Reue zuruͤck! — Dieß Halsband schenkten Sie mir vor fuͤnf Jahren an meinem Geburtstage. Das war ein gluͤcklicher Tag. Sie hatten ein kleines, laͤndliches Fest ver- anstaltet. O! wie waren wir alle so heiter und froh! — Diese Schmucknadel erhielt ich, als ich meinen Wilhelm gebohren hatte. — O wie schwer druͤckt die Erinnerung an entflohene Freuden, wenn du selbst ihr Moͤrder warst! — Nein, auch diesen Schmuck kann ich nicht behalten; — es muͤßte denn Ihre Absicht seyn, mir durch seinen Anblick endlose Vorwuͤrfe zu bereiten. — Nehmen Sie ihn zuruͤck! (Sie reicht ihm den Schmuck, nachdem sie vorher nur die Nadel herausgenommen.) (in eben so großer Gemüthsbewegung, als Eu- lalia, welche er aber zu verbergen sucht, nimmt den Schmuck mit weggewandtem Gesicht und steckt ihn ein.) Nur diese Nadel sey mir ein Andenken an die Geburt meines Wilhelms. L 2 (bey Seite) Nein, laͤnger halte ich’s nicht aus. (Er wendet sich zu ihr, sein Ton ist nicht rauh und nicht sanft, nicht fest und nicht weich, sondern schwankt zwi- schen allen diesen.) Leben Sie wohl! O nur noch eine Minute, nur noch Beantwortung einer Frage; Beruhigung des Mutter-Herzens! — Leben meine Kinder noch? Sie leben. Und sind gesund? Gesund. Gott sey Dank! — Mein Wilhelm ist wohl schon recht groß geworden? Ich vermuthe. Und Malchen — ist sie noch Ihr Liebling? (den diese ganze Scene sichtbar tief erschüttert, bleibt stumm im Kampf mit Ehre und Liebe.) O großmuͤthiger Mann! ich bitte Sie, lassen Sie mich meine Kinder noch einmal sehen, ehe wir scheiden, daß ich sie an mein Herz druͤcke, daß ich sie segne, daß ich die Zuͤge ihres Vaters in ihnen kuͤsse. (schweigt.) (fährt nach einer Pause fort) Ach! wenn Sie wuͤßten, wie in diesen drey fuͤrchterlichen Jahren mein Herz an meinen Kindern hing; wie mir die Thraͤ- nen in die Augen schossen, so oft ich einen Knaben oder ein Maͤdchen gleiches Alters erblickte; wie ich zuweilen in der Daͤmmerung in meiner einsamen Kammer saß, mich an den Zauberbildern meiner regen Phantasie letzend, bald Wilhelm, bald Mal- chen auf meinem Schooße wiegend. — O! erlau- ben Sie mir immer, sie noch einmal zu sehen! nur eine muͤtterliche Umarmung! und wir trennen uns dann auf ewig. Gern, Eulalia — noch diesen Abend — ich erwarte die Kinder jeden Augenblick — sie wurden im naͤchsten Staͤdtchen erzogen — ich habe meinen Bedienten dahin gesandt — er koͤnnte schon zuruͤck seyn — ich gebe ihnen mein Wort, so bald sie kommen, sende ich sie aufs Schloß. Da moͤgen sie, wenn es Ihnen gefaͤllt, bis zum Anbruch des morgenden Tages bey Ihnen bleiben — dann nehme ich sie wieder mit mir. — (Pause.) (Die Gräfin und ihr Bruder, welche, wenig Schritte von da, der ganzen Unterredung mit innigster Theilnahme zuhörten, geben sich verstohlne Winke. Der Major geht in die Hütte, und kommt bald darauf mit Franz und den beyden Kindern zurück. Er übergiebt den Kn a - L 3 ben seiner Schwester, welche sich hinter Eulalien stellt; er selbst tritt mit dem kleinen Mädchen hinter Meinau.) So haͤtten wir uns denn in diesem Leben nichts weiter zu sagen. (A ll ihre Entschlossenheit zusam- menraffend.) Leben Sie wohl, edler Mann! (Sie er- greift seine Hand.) Vergessen Sie eine Ungluͤckliche, die Sie nie vergessen wird! (Sie knieet nieder.) Lassen Sie mich noch einmal diese Hand an meine Lippen druͤcken; diese Hand, die einst mein war! (sie aufhebend) Keine Erniedrigung, Eu- lalia! (Er schüttelt ihr die Hand.) Leben Sie wohl! Auf ewig. Auf ewig! Wir scheiden ohne Groll — Ohne Groll. Und wenn ich einst genug gebuͤßt habe; wenn wir in einer bessern Welt uns wiedersehen — Dort herrschen keine Vorurtheile; dann bist du wieder mein! (Beyder Hände liegen in einander, beyder Blicke begegnen sich wehmüthig. Sie stammeln noch ein Lebewohl! und trennen sich, aber indem sie gehen wollen, stößt Eulalia auf den kleinen Wilhelm, und Meinau auf Malchen.) Vater — Mutter — (Vater und Mutter drücken sprachlos die Kinder in ihre Arme.) Lieber Vater — Liebe Mutter — (Vater und Mutter reißen sich los von den Kindern, sehen einander an, breiten die Arme aus, und stürzen sich einer in des andern Arme.) Ich verzeihe dir! (Die Gräfin und der Major heben die Kinder in die Höhe, welche sich an ihre Eltern anklammern, und lieber Vater! liebe Mutter! rusen.) Ende. Verzeichniß einiger meiner Verlagsbuͤcher aus der angenehmen Lectuͤre A bentheuer Philipp Quarls. Aus dem Englischen. Mit einem Frontispitz. 8. 1790. 20 gr. Auszug des englischen Zuschauers, nach einer neuen Uebersetzung des Hrn. Ramlers und Benzlers. 8 Baͤnde. 8. 1784. 6 thlr. 16 gr , Blumenlese, romantische, aus verschiedenen Spra- chen. Mit einem Frontispitz von Chodowiecki. 8. 1789. 1 thlr. Comoͤdien. Masaniello von Neapel. Original- Trauerspiel in fuͤnf Aufzuͤgen. 8. 1789. 12 gr. — — Menschenhaß und Reue. Schauspiel in fuͤnf Aufzuͤgen von August von Kotzebue. 8. 1790. 12 gr. — — Otto von Wittelsbach. Trauerspiel in fuͤnf Aufzuͤgen. Mit einem Frontispitz. 8. 1789 10 gr. — — Toilette, die große. Lustspiel in fuͤnf Auf- zuͤgen. 8. 1788. 10 gr. de Fontenelle, Bernhard, Dialogen uͤber die Mehr- heit der Welten. Aus dem Franz. Mit vielen An- merkungen und Kupfern. 2te vermehrte und ver- besserte Auflage. 8. 1789. 1 thlr. 4 gr. Kandide, oder die beste Welt. Aus dem Franz. des Hrn. von Voltaire. 3te neu uͤbersetzte Auflage. Mit Kupfern von D. Chodowiecki. 8. 1785. 1 thl. 4 gr. Klimms (Niels) unterirdische Reisen. Neu uͤbersetzt. 8. 788 1 thlr. 8 gr. Der Mann von Gefuͤhl. 3te Auflage. Mit Kupfern. 8. 1785. 20 gr. Narr Jak, Welt und Hoff, ein satyrischer Roman, voll Wahrheiten aus dem 18ten Jahrhundert. 2 Baͤnde. 8. 1788. 1 thlr. 8 gr. Peregrine Pickle. Neu uͤbersetzt in 4 Baͤnden. 2te verbesserte Auflage. 8. 1789. 3 thlr. Thomsons, Jakob, die Jahreszeiten. Neu uͤber- setzt von Ludwig Schubart. Mit 5 Landschaften von Genelly nach Woollett in Kupfer gestochen. gr. 8. 1789. 2 thlr. 8 gr.