Der M essias . Erster Band. Mit Koͤnigl. Pohln. und Churf. Saͤchs. Koͤnigl. Preußischen und Churf. Brandenburgischen allergnaͤdigsten Privilegien. Halle , im Magdeburgischen Verlegt von Carl Herrmann Hemmerde , 1751 . Ode an Jhre Majestaͤt F riedrich den Fuͤnften, Koͤnig in Daͤnnemark und Norwegen. Vorbericht zu der Ode. D er Koͤnig der Daͤnen hat dem Verfasser des Meßias, der ein Deutscher ist, diejenige Musse gegeben, die ihm zu Vollendung seines Gedichts noͤthig war. Wenn man den feinern Theil des Pu- blici, welches die Welt und den itzigen Zustand der deutschen schoͤnen Wissenschaften kennt, wieder daran erinnert, daß schon Schlegel, der zu fruͤh fuͤr die Ehre des deutschen Trauerspiels gestorben ist, durch diesen großmuͤthigen Monarchen in Soroe sein Gluͤck fand, und zugleich dieses bekannt macht, daß der Verfasser des Meßias vornehmlich der wuͤrdigen Materie, seine itzige Musse zu verdanken hat: so ist der Leser in den Stand gesetzt, noch vieles zu diesem kurzen Vorberichte hinzu zu denken. Ode . W elchen Koͤnig der Gott uͤber die Koͤnige Mit einweihendem Blick, als er geboren ward, Vom Olympus her sah, der wird ein Menschenfreund Und des Vaterlands Vater seyn. Jhm winkt schimmernder Ruhm, und die Unsterblichkeit, Viel zu theuer durchs Blut bluͤhender Juͤnglinge, Und der Mutter und Braut naͤchtliche Thraͤn, erkauft, Jn das eiserne Feld umsonst. 3 Nie- Ode. Niemals weint er beym Bild eines Eroberers, Seines gleichen zu seyn! Schon, da sein menschlichs Herz Kaum zu fuͤhlen begann, war der Eroberer, Fuͤr den Goͤttlichen, viel zu klein! Aber Thraͤnen nach Ruhm, welcher erhabner ist, Keines Hoͤflings bedarf, Thraͤnen, geliebt zu seyn Vom gluͤckseligen Volk! weckten den Juͤngling oft Jn der Stunde der Mitternacht. Wenn der Saͤugling im Arm hoffender Muͤtter schlief, Einst ein gluͤcklicher Mann! Wenn sich des Greises Blick Sanft in Schlummer verlor, und itzt verjuͤnget ward, Noch den Vater des Volks zu sehn. Lange sinnt er ihm nach, welch ein Gedank es ist: Gott nachahmen, und selbst Schoͤpfer des Gluͤckes seyn Vieler Tausend! Er hat eilend die Hoͤh erreicht, Und entschließt sich, wie Gott zu seyn. Wie Ode. Wie das ernste Gericht furchtbar die Wagschal nimmt, Und die Koͤnige waͤgt, wenn sie gestorben sind; Also waͤgt er sich selbst jede der Thaten vor, Die sein Leben bezeichnen soll! Jst ein Christ! Und belohnt redliche Thaten erst! Alsdann schaut auch sein Blick laͤchelnd auf die herab, Die der Muse sich weihn, welche das weiche Herz Tugendhafter und edler macht: Winkt dem stummen Verdienst, das in der Ferne steht! Durch sein Muster gereizt lernt es Unsterblichkeit; Denn er wandelt allein, ohne der Muse Lied, Sichern Wegs, zur Unsterblichkeit. Die du von dem Olymp Gott, den Meßias, sangst, Fromme Saͤngerinn, und itzt zu den Hoͤhen eilst, Wo das heilige Lob jener Monarchen toͤnt, Die Nachahmer der Gottheit sind, Wag Ode. Wag auch diesen Flug noch! Nenne den Namen selbst, Der in deinem Gesang kuͤnftig oft toͤnen wird, Wenn du einst von dem Gluͤck, das nur die Tugend lohnt, Und von frommen Monarchen singst. Koͤnig Friederich ists, welcher mit Blumen hat Jene Hoͤhen bestreut, die du noch steigen must; Er, der Christ und Monarch, waͤhlt dich zur Fuͤhrerinn, Bald auf Golgotha Gott zu sehn! Der Der M essias . Erster Gesang. A Jnhalt des ersten Gesangs. D er Meßias entfernt sich von dem Volke, geht auf den Oelberg, Und verspricht Gott noch einmal in einem feyerlichen Gebete, die Erloͤsung zu uͤbernehmen. Sein Engel, Gabriel, wird hierauf von ihm in den Himmel geschickt, dieß Gebet vor Gott zu bringen. Um den Himmel sind lauter Sonnen. Gabriel geht durch einen Sonnenweg, von dem ehmals ein aͤtherischer Strom nach Eden herunter floß. Er hoͤrt auf einer der naͤchsten Sonnen ein Lied mit an, das allezeit nach dem Dreymalheilig, gesungen wird. Eloa, der erhabenste unter allen En- geln, und den Gott besonders zu seinen Diensten braucht, koͤmmt Ga- briel entgegen, und fuͤhrt ihn zu dem Altare des Meßias. Gabriel opfert Raͤuchwerk, und begleitet das Opfer mit dem Gebete des Meßias, welches er vor Gott singt. Alles erwartet still die Antwort Gottes. Gott eroͤffnet durch ein Donnerwetter das Allerheiligste des Himmels, die Seligen zu seiner Antwort vorzubereiten. Seraph Eloa und Che- rub Urim unterreden sich von dem, was sie in dem Allerheiligsten sehen. Gott redet nunmehr. Er sey die Liebe; itzo, da die Erloͤsung des menschlichen Geschlechts angienge, wollte er einen zweyten Sabbath feyern, die Seelen der Vaͤter sollten auf die Sonne herunter steigen, von da Zeugen der Erloͤsung zu seyn. Auch empfaͤngt Gabriel Befeh- le, an den Engel der Sonne, und an die Engel der Erde, wegen der Wunder beym Tode Jesu. Die Thronenengel vertheilen sich, wegen der Feyer des zweyten Sabbaths, durch die Himmel. Gabriel steigt zur Erde herab. Er findet den Meßias schlafend. Er redet ihn gleich- wohl, als den Allwissenden, an. Er geht von da zu den Schutzengeln der Erde. Jhr Wohnplatz ist mitten in der Erde, auf einer kleinern Sonne. Hierzu koͤmmt er durch eine Oeffnung bey dem Nordpole. Er findet die Engel der Erde auf ihrer Sonne, und die Seelen ganz zar- ter Kinder, die hier zum Himmel vorbereitet werden. Von hier erhebt er sich zur Sonne, und findet da die Seelen der Vaͤter bey Uriel, dem Engel der Sonne. Der Messias . Erster Gesang. S ing, unsterbliche Seele, der suͤndigen Menschen Erloͤsung, Die der Meßias auf Erden in seiner Menschheit vollendet, Und durch die er Adams Geschlechte die Liebe der Gottheit Mit dem Blute des heiligen Bundes von neuem geschenkt hat. Also geschah des Ewigen Wille. Vergebens erhub sich Satan wider den goͤttlichen Sohn; umsonst stand Judaͤa Wider ihn auf; er thats, und vollbrachte die große Versoͤhnung. Aber, o Werk, das nur Gott allgegenwaͤrtig erkennet, Darf sich die Dichtkunst auch wohl aus dunkler Ferne dir naͤhern? Weihe sie, Geist Schoͤpfer, vor dem ich im stillen hier bete; Fuͤhre sie mir, als deine Nachahmerinn, voller Entzuͤckung, Voll unsterblicher Kraft, in verklaͤrter Schoͤnheit, entgegen. A 2 Ruͤste Der Meßias. Ruͤste sie mit jener tiefsinnigen einsamen Weisheit, Mit der du, forschender Geist, die Tiefen Gottes durchschauest; Also werd ich durch sie Licht und Offenbarungen sehen, Und die Erloͤsung des großen Meßias wuͤrdig besingen. Sterbliche, kennt ihr die Ehre, die euer Geschlecht verherrlicht, Da der Schoͤpfer der Welt, als Erloͤser, auf Erden herab kam: So hoͤrt meinen Gesang, ihr besonders, ihr wenigen Edlen, Theure gesellige Freunde des liebenswuͤrdigen Mittlers, Jhr mit der Zukunft des großen Gerichts vertrauliche Seelen, Hoͤrt mich, und singt den ewigen Sohn durch ein goͤttliches Leben. Nah an der heiligen Stadt, die sich itzt durch Blindheit entweihte, Und die Krone der hohen Erwaͤhlung unwissend hinwegwarf, Ehmals die Stadt der Herrlichkeit Gottes, der heiligen Vaͤter Pflegerinn, nun ein Altar des Bluts von Moͤrdern vergossen; Hier wars, wo der Meßias von einem Volke sich losriß, Das ihn zwar itzo verehrte, doch nicht mit jener Gemuͤthsart, Die vorm schauenden Angesicht Gottes untadelhaft bleibet. Jesus verbarg sich vor diesen Entweihten. Zwar lagen hier Palmen Des ihm begegnenden Volks; zwar klang dort ihr lautes Hosanna; Aber umsonst. Sie kannten den nicht, den sie Koͤnig nennten, Und den Gesegneten Gottes zu sehn, war ihr Auge zu dunkel. Gott kam selber vom Himmel herab. Die gewaltige Stimme: Er ist verherrlichet, und soll von neuem verherrlichet werden! War die Verkuͤndigerinn der gegenwaͤrtigen Gottheit. Doch sie waren, Gott zu verstehn, zu niedrige Suͤnder. Unter- Erster Gesang. Unterdeß nahte sich Jesus dem Vater, der wegen des Volkes, Zu dem die Stimme geschah, voll Zorn zum Himmel hinaufstieg. Vor ihm wollt er noch einmal sein goͤttliches freyes Entschließen, Seine Geliebten, die Menschen, zu heiligen, feyerlich kund thun. Gegen die oͤstliche Seite Jerusalems liegt ein Gebirge, Welches schon oft den goͤttlichen Mittler auf seinen Gipfeln, Wie ins Heilige Gottes, verhuͤllt, wenn er einsame Naͤchte Unter dem Anschaun des Vaters in großen Gebeten durchwachte. Nach dem Gebirge begab er sich itzt. Johannes alleine Folgt ihm bis zu den Graͤbern der Seher, in heiligen Grotten, Wie sein goͤttlicher Freund, die Nacht im Gebete zu bleiben. Von da erhub sich der Mittler zur obersten Spitze des Berges. Da umgab ihn vom hohen Moria ein Schimmer der Opfer, Die den ewigen Vater noch itzt im Bilde versoͤhnten. Um und um nahm ihn der Oelbaum ins Kuͤhle. Gelindere Luͤfte, Gleich dem Saͤuseln der Gegenwart Gottes, umflossen sein Antlitz. Der dem Meßias auf Erden zum Dienste gegebene Seraph, Gabriel ist sein himmlischer Name, stand eben am Eingang Zwoer umdufteten Cedern, und dachte dem Heile der Menschen Und dem Triumphe der Ewigkeit nach, als itzt der Erloͤser Seinem Vater entgegen vor ihm im stillen vorbeygieng. Gabriel wußte, daß nun die Zeit der Erloͤsung herankam. Diese Betrachtung entzuͤckt ihn, er sprach mit zaͤrtlicher Stimme: Willst du die Nacht, o Goͤttlicher, hier im Gebete durchwachen? Oder verlangt dein ermuͤdeter Leib nach seiner Erquickung? A 3 Soll Der Meßias. Soll ich zu deinem unsterblichen Haupt ein Lager bereiten? Sieh, es streckt schon der Sproͤßling der Ceder den gruͤnenden Arm aus, Und die weiche balsamische Staude. Beym Grabe der Seher Waͤchst dort unten ruhiges Moos im kuͤhlenden Erdreich. Soll ich hieraus, o Goͤttlicher, dir ein Lager bereiten? Wie ist dein Leib, o Erloͤser, ermuͤdet! Wie vieles ertraͤgst du Hier auf Erden aus bruͤnstiger Liebe zum Menschengeschlechte! Also sagt er. Der Mittler belohnt ihn mit segnenden Blicken, Und stand voll Ernst auf der Hoͤhe des Bergs am benachbarten Himmel. Gott war daselbst. Hier betet er. Unter ihm toͤnte die Erde, Und ein wandelndes Jauchzen durchdrang die Pforten der Tiefen, Als sie von ihm die gewaltige Stimme tief unten vernahmen. Denn es war nicht mehr die Stim̃e des Fluchs, die Stim̃e von Stuͤrmen Furchtbar verkuͤndiget, und in donnernden Wettern gesprochen, Die die Erde vernahm. Sie hoͤrte des Segnenden Rede, Der mit unsterblicher Schoͤne sie einst zu verneuen beschlossen. Um und um lagen die Huͤgel in lieblicher Abenddaͤmmrung, Gleich als waͤren sie schon neuerschaffen, und bluͤhend, wie Eden. Jesus redte. Nur er und der Vater durchschauten den Jnhalt, Unbegraͤnzt: Dieß nur vermag die Stimme des Menschen zu sprechen: Goͤttlicher Vater, die Tage des Heils und des ewigen Bundes Naͤhern sich mir, die Tage, zu groͤßern Werken erlesen, Als selbst die Schoͤpfung, die du durch deinen Sohn ehmals vollbrachtest. Sie verklaͤren sich mir so schoͤn und herrlich, als damals, Da wir die Reihe der Zeiten durchschauten, und sie in der Zukunft, Durch Erster Gesang. Durch mein goͤttliches Anschaun vorzuͤglich bezeichnet, erblickten. Dir nur ist es bekannt, mit was fuͤr Einmuth wir damals, Du, mein Vater, und ich, und der Geist die Erloͤsung beschlossen. Jn der Stille der Ewigkeit, einsam, und ohne Geschoͤpfe, Waren wir beysammen. Voll unsrer goͤttlichen Liebe, Sahen wir auf Menschen, die noch nicht waren, herunter. Ach das arme Geschlecht! Ach unsre Geschoͤpfe, wie elend Waren sie, sonst unsterblich, nun Staub, von der Suͤnde verstellet! Vater, ich sah ihr Elend, du meine Thraͤnen. Da sprachst du: Laßt uns das Bild der Gottheit von neuem im Menschen erschaffen! Also erfanden wir unser Geheimniß, das Blut der Versoͤhnung, Und die zum ewigen Bilde verneuerte Schoͤpfung der Menschen. Hier erkohr ich mich selbst, das goͤttliche Werk zu vollenden. Ewiger Vater, das weißst du, das wissen die Himmel, wie bruͤnstig Mich seit diesem Entschluß nach meiner Erniedrung verlangte! Erde, wie oft warst du, in deiner niedrigen Ferne, Mein erwaͤhltes geliebtestes Augenmerk! Und du, o Canan, Heiliges Land, wie oft hieng mein sanftthraͤnendes Auge An dem Huͤgel, den ich vom Blute des Bundes schon voll sah. Und, o wie bebt mir mein Herz von suͤßen wallenden Freuden, Daß ich so lange schon Mensch bin, daß schon so viele Gerechte Zu mir sich sammlen, und nun bald alle Geschlechte der Menschen Durch mich geheiliget werden! Hier lieg ich, goͤttlicher Vater, Noch mit den Zuͤgen der Menschheit, nach deinem Bilde, gezieret, Betend vor dir: bald aber wird mich dein toͤdtend Gerichte Blutig entstelien, und unter den Staub der Todten begraben. Schon hoͤr ich dich, du Richter der Welt, allein und von ferne A 4 Kom- Der Meßias. Kommen, und unerbittlich in deinen Himmeln dahergehn. Schon durchdringt mich ein Schauer, dem ganzen Geistergeschlechte Unempfindbar, und wenn du sie auch im grimmigen Zorne Toͤdtetest, unempfindbar! Schon seh ich den naͤchtlichen Garten Vor mir liegen, schon sink ich vor dir in niedrigen Staub hin, Lieg, und bet, und winde mich, Vater, im Todesschweiße. Siehe, da bin ich, mein Vater. Jch will dein grimmiges Zuͤrnen, Deine Gerichte will ich mit tiefem Gehorsam ertragen. Du bist ewig! Kein endlicher Geist hat das Zuͤrnen der Gottheit, Und den Unendlichen furchtbar und toͤdtend, gedacht und empfunden. Gott nur konnte die Gottheit ertragen. Hier bin ich, mein Vater, Toͤdte du mich, nimm mein ewiges Opfer zu deiner Versoͤhnung. Noch bin ich frey, noch kann ich dich bitten, so thut sich der Himmel, Mit Myriaden von Seraphim auf, und fuͤhret mich jauchzend, Vater, zu deinem unsterblichen Thron im Triumphe zuruͤcke. Aber ich will leiden, was keine Seraphim fassen, Was kein denkender Cherub in tiefen Betrachtungen einsieht; Jch will leiden, den furchtbarsten Tod will ich, Ewiger, leiden! Weiter sagt er und sprach: Jch hebe gen Himmel mein Haupt auf, Meine Hand in die Wolken, und schwoͤre dir bey mir selber, Der ich Gott bin, wie du: Jch will die Menschen erloͤsen! Jesus sprachs, und stand auf; und in seinem Antlitz war Hoheit Und erbarmender Ernst, und Seelenruh, als er vor Gott stand. Und, unhoͤrbar den Engeln, nur sich und dem Sohne vernommen, Sprach der ewige Vater, und wandte sein schauendes Antlitz Gegen Erster Gesang. Gegen den Meßias: Jch breite mein Haupt durch die Himmel, Meinen Arm durch die Unendlichkeit aus, und sag: Jch bin ewig! Sag, und schwoͤre dir, Sohn: ich will die Suͤnde vergeben! Also sprach er, und schwieg. Jndem die Ewigen sprachen, Gieng durch die ganze Natur ein ehrfurchtvolles Erbeben. Seelen, die itzt wurden, die noch nicht zu denken begonnen, Zitterten, und empfanden zuerst. Ein gewaltiger Schauer Faßte den Seraph, ihm schlug sein Herz, und um ihn lag wartend, Wie vorm nahen Gewitter die Erde, sein furchtsamer Weltkreis. Nur in die Seelen zukuͤnftiger Christen kam sanftes Entzuͤcken, Und ein suͤßbetaͤubend Gefuͤhl des ewigen Lebens. Aber sinnlos, und nur zur Verzweiflung allein noch empfindlich, Sinnlos, wider Gott was zu denken, entstuͤrzten im Abgrund Jhren Thronen die hoͤllischen Geister. Als jeder dahinsank, Stuͤrzt auf jeden ein Fels, brach unter jedem die Tiefe Ungestuͤm ein, und donnernd erklang die unterste Hoͤlle. Jesus stand noch vor Gott, und die Leiden seiner Erloͤsung Fiengen itzt an. Und Gabriel lag auf seinem Gesichte Fern und anbetend, von neuen Gedanken gewaltig erhoben. Seit den Jahrhunderten, die er durchlebt, (so lang als die Seele Sich die Unendlichkeit denkt, wenn sie sich in feurigem Fluge Wie aus dem Koͤrper verliert,) seit diesen Jahrhunderten hatt er So erhabne Gedanken noch nie empfunden. Die Gottheit Jhre Versohnten, die ewige Liebe des goͤttlichen Mittlers Alles eroͤffnet sich ihm. Gott bildete diese Gedanken A 5 Jn Der Meßias. Jn dem Geiste des Seraphs. Gott selber dachte sich itzo, Als den Erbarmer erschaffener Wesen. Der Seraph erhub sich, Stand, und erstaunt, und betet, und unaussprechliche Freuden Zitterten durch sein Herz, und Licht und blendendes Glaͤnzen Gieng von ihm aus. Die Erde zerfloß in himmlischem Schimmer Unter ihm, wie es ihm vorkam. Jhn sah der goͤttliche Mittler, Daß er den Gipfel des ganzen Gebirges mit Klarheit erfuͤllte. Gabriel, rief er, verhuͤlle dich itzt, du dienst mir auf Erden. Mache dich auf, dieß Gebet vor meinen Vater zu bringen, Daß die edelsten unter den Menschen, die seligen Vaͤter, Daß der versammelte Himmel der Zeiten Fuͤlle vernehme, Nach der er sich so bruͤnstig gesehnt. Hier kannst du mit Glanze, Als der Gesandte des hohen Meßias, vor Gott erscheinen. Schweigend, mit goͤttlich erheiterten Minen, erhub sich der Seraph. Jesus sah vom Oelberg ihm nach. Der Gottmensch erblickte Schon sein ganzes Betragen vorm Sitze der Herrlichkeit Gottes, Eh noch der eilende Seraph des Himmels Graͤnzen erreichte. Jtzo erhuben sich neue geheimnißvolle Gespraͤche Zwischen ihm und dem Vater, von hohem tiefsinnigen Jnhalt, Selbst Unsterblichen dunkel, Gespraͤche von Dingen, die kuͤnftig Gottes Erloͤsung vor allen Erloͤsten verherrlichen werden. Unterdeß war der Seraph zur aͤußersten Graͤnze des Himmels Aufwaͤrts gestiegen. Hier fuͤllen nur Sonnen den heiligen Umkreis. Hell, Erster Gesang. Hell, gleich einem vom Lichte gewebten aͤtherischen Vorhang Zieht sich ihr Glanz um den Himmel herum. Kein dunkler Planete Naht sich des Himmels verderbendem Blick. Entfliehend und ferne Geht die bewoͤlkte Natur voruͤber: da fliehen die Erden Klein und unmerkbar dahin, wie unter dem Fuße des Wandrers Niedriger Staub, von Gewuͤrmen bewohnt, aufwallet und hinsinkt. Um den Himmel herum sind tausend offene Wege, Lange, nicht auszusehende Wege, von Sonnen umgeben. Durch den glaͤnzenden Weg, der gegen die Erde sich kehret, Floß, nach ihrer Erschaffung, vom himmlischen Urquell entspringend, Ein verklaͤrter aͤtherischer Strom nach Eden herunter. Auf ihm, oder an seinem Gestade, von Wolken erhoben, Kam dazumal bald Engel, bald Gott, zum vertraulichen Umgang, Zu den Menschen. Doch schnell ward der Strom zuruͤcke gerufen, Als sich durch Suͤnde der Mensch von Gottes Freundschaft entfernte. Denn die Unsterblichen wollten nicht mehr, in sichtbarer Schoͤnheit, Gegenden sehn, die vor ihnen des Todes Verwuͤstung. entstellte. Damals wandten sie schauernd sich weg. Die stillen Gebirge, Wo noch die Spur des Ewigen war; die rauschenden Haine, Die das Saͤuseln der Gegenwart Gottes sonst sanft beseelte; Selige friedsame Thaͤler, vordem von der Jugend des Himmels Liebreich besucht; die schattichten Lauben, wo ehmals die Menschen, Ueberwallend von Freuden und suͤßen Empfindungen, weinten, Daß sie Gott ewig erschuf; die Erde lag unter dem Fluche, Jhren vordem unsterblichen Kindern ein allgemein Grabmal. Aber dereinst, wenn sich die Weltgebaͤude verjuͤngen, Und Der Meßias. Und aus der Asche des großen Gerichts triumphirend hervorgehn, Wenn Gott alle Bezirke der Welten mit seinem Himmel Durch gleich allgegenwaͤrtiges Anschaun zusammen vereinbart, Alsdann wird der aͤtherische Strom vom himmlischen Urquell Wieder mit hellerer Schoͤne zum neuen Eden sich senken. Nie wird dann sein Gestade von hohen Versammlungen leer seyn, Die auf Erden den Umgang der neuen Unsterblichen suchen. Dieß ist der heilige Weg, durch den itzt Gabriel fortgieng, Und sich von fern dem Himmel der goͤttlichen Herrlichkeit nahte. Mitten in der Versammlung der Sonnen erhebt sich der Himmel, Rund, unermeßlich, das Urbild der Welten, die Fuͤlle Jeder sichtbaren Schoͤnheit, die sich, gleich fluͤchtigen Baͤchen, Um ihn, durch den unendlichen Raum nachahmend ergießet. Also dreht er sich, unter dem Ewigen, um sich selber. Wenn er wandelt, ertoͤnen von ihm, auf Fluͤgeln der Winde, An die Gestade der Sonnen die sphaͤrischen Harmonien Hoch hinuͤber. Die Lieder der goͤttlichen Harfenspieler Schallen mit Macht, wie beseelend, darein. Dieß vereinbarte Toͤnen Fuͤhrt vorm unsterblichen Hoͤrer manch hohes Loblied voruͤber. Wie sich sein freudiger Blick an seinen Werken ergetzet, Also vergnuͤgte sein goͤttliches Ohr itzt dies hohe Getoͤne. Die du himmlische Lieder mich lehrst, Gespielinn der Engel, Seherinn Gottes, du Hoͤrerinn hoher unsterblicher Stimmen, Melde mir. Muse von Tabor, das Lied, das die Himmel itzt sangen. Sey Erster Gesang. Sey uns gegruͤßet, du heiliges Land der Erscheinungen Gottes! Hier erblicken wir Gott, wie er ist, wie er war, wie er seyn wird, Siehe, den Seligen ohne Verhuͤllung, frey, ohne die Daͤmmrung Fern nachahmender Welten. Dich schauen wir in der Versammlung Deiner Erloͤsten, die du des seligen Anblicks auch wuͤrdigst. Wie unendlich vollkommen bist du! Zwar nennt dich der Himmel, Und der Unaussprechliche wird Jehova geheißen! Unsere Lieder, von Schwung und Harmonien begeistert, Suchen dein Bild; doch umsonst. Auf deine Verklaͤrung gerichtet, Koͤnnen Gedanken sich kaum von deiner Gottheit besprechen. Ewiger, du bist allein in deiner Groͤße vollkommen! Jeder Gedanke, mit dem du dein herrliches Wesen durchschauest, Jst viel erhabner und heiliger, als die stille Betrachtung, Auf erschaffene Dinge von dir hernieder gelassen. Dennoch entschlossest du dich, auch außer dir Wesen zu sehen, Und auf sie dein beseelendes Hauchen hernieder zu lassen. Erst erschufst du den Himmel, dann uns, des Himmels Bewohner. Fern wart ihr damals von eurer Geburt, du juͤngerer Erdkreis, Und du Sonn, und du Mond, der seligen Erde Gefaͤhrten. Erstgebohrner der Schoͤpfung, wie war dir bey deinem Hervorgehn? Da, nach undenkbarer Ewigkeit, Gott zu dir sich herabließ, Und dich zum heiligen Wohnplatz von seiner Herrlichkeit weihte. Dein unermeßlicher Kreis, zum neuen Daseyn gerufen, Formte sich noch in seine Gestalt; die schaffende Stimme Wandelte noch mit dem ersten Getoͤse krystallener Meere; Jhre gleich irdischen Welten zusammengebirgten Gestade Hoͤrten Der Meßias. Hoͤrten sie, noch kein Unsterblicher nicht: da standest du, Schoͤpfer, Auf dem neuen erhabenen Throne dich selber betrachtend, Einsam und ernst. O jauchzet der denkenden Gottheit entgegen! Damals, ja damals erschuf er euch, Seraphim, Geistergeschoͤpfe, Voll von Gedanken, voll maͤchtiger Kraͤfte, des Schoͤpfers Gedanken, Die er in euch von ihm selber erschafft, anbetend zu fassen. Halleluja, ein feyrendes Halleluja, o Erster, Sey dir von uns unaufhoͤrlich gesungen! Zur Einsamkeit sprachst du: Sey nicht mehr! Und zu den Wesen: entwickelt euch, Halleluja! Unter dem Liede, das nach dem erhabenen Dreymalheilig, Stets gesungen wird, hatte des Mittlers hoher Gesandte Eine der naͤchsten Sonnen am Himmel helleuchtend betreten Ueberall schweigen die Seraphim itzt, und feyren den Anblick, Durch den der ewige Vater ihr heiliges Loblied belohnte. Jndem erschien der Seraph auf dieser Sonne dem Himmel. Gott sah ihn an, der Himmel mit Gott. Er betete kniend. Zweymal die Zeit, in welcher ein Cherub den Namen Jehova, Und das anbetende Dreymalheilig der Ewigkeit ausspricht, Ward er des Anschauns der Gottheit gewuͤrdigt. Drauf kam ihm der Thronen Erstgebohrner, ihn feyrlich vor Gott zu fuͤhren, entgegen. Gott nennt ihn seinen Geliebten; der Himmel Eloa. Vor allen, Die Gott erschuf, ist er groß, der naͤchste dem Unerschaffnen. Denkt er, so ist ein Gedanke von ihm so schoͤn, als die Seele, Als die ganze Seele des Menschen geschaffen der Gottheit, Wenn sie, ihrer Unsterblichkeit wuͤrdig, gedankenvoll nachsinnt. Sein umschauender Blick ist schoͤner, als Fruͤhlingsmorgen, Lieb- Erster Gesang. Lieblicher als die Gestirne, da sie vorm Throne des Schoͤpfers Jugendlich neu, und voll Licht, mit ihren Tagen, vorbeyflohn. Gott schuf ihn erst. Aus einer helleuchtenden Morgenroͤthe Schuf er ihm einen aͤtherischen Leib, Ein Himmel von Wolken Floß um ihn, da er wurde: Gott hub ihn mit offenen Armen Aus den Wolken, und sagt ihm segnend: da bin ich, Erschaffner! Seraph Eloa sah itzt auf einmal den Ewigen vor sich, Schaut ihn entzuͤckungsvoll an, und stand, und schaut ihn begeistert Wiederum an, und sank, verloren in Gottes Anblick, Endlich redt er, und sagte dem Ewigen alle Gedanken, Die er empfand, die neuen unsterblichen Ruͤhrungen alle, Die sein großes Herz durchwallten. Erst werden die Welten Alle vergehn, und neu aus ihrem Staube sich schwingen, Ganze Jahrhunderte werden dann erst in die Ewigkeit eingehn, Eh der erhabenste Christ so goͤttliche Ruͤhrungen fuͤhlet. Jtzt kam Eloa von seinem Sitze zum Engel des Mittlers Auf neu erwachenden Strahlen in seiner Schoͤnheit hernieder, Jhn zum Altare des Mittlers zu fuͤhren. Er gieng noch von ferne, Als er schon Gabriel kannte. Der Seraph zerfloß in Entzuͤckung, Von den Unsterblichen einen zu sehn, mit dem er vor diesem Alle Bezirke der Schoͤpfungen Gottes, und ihre Bewohner Sah, und mit dem er unnachahmbarere Thaten vollfuͤhrte, Als das Geschlecht der Menschen mit seinen Edelsten ausuͤbt. Jtzo verklaͤrten sie sich schon liebreich gegen einander. Schnell, mit bruͤnstig eroͤffneten Armen, mit herzlichen Blicken Eilten sie gegen einander. Sie zitterten beyde vor Freuden, Als Der Meßias. Als sie sich umarmten. Wie Bruͤder erzittern, die beyde Tugendhaft sind, und beyde den Tod fuͤrs Vaterland suchten, Wenn sie, vom Heldenblute noch voll, sich nach ewigen Thaten Wiedersehn, und sich vor ihrem noch goͤttlichern Vater umarmen. Gott sah sie fern, und segnete sie. So giengen sie beyde, Herrlicher noch durch die Freundschaft, dem himmlischen Thron entgegen. Also kamen sie weiter bis aus Allerheiligste Gottes. Nah bey der Herrlichkeit Gottes, auf einem himmlischen Berge, Ruht des Allerheiligsten Nacht. Ein lichthelles Glaͤnzen Wacht inwendig um Gottes Geheimniß. Das heilige Dunkel Deckt nur das Jnnre vorm Auge der Engel. Bisweilen eroͤffnet, Gott den daͤmmernden Vorhang durch majestaͤtische Donner Vor dem Blicke der himmlischen Schauer. Sie sehen, und feyren. Jtzo stand auf einmal, bey des Allerheiligsten Eingang, Wie ein Berg Gottes, der Altar des Mittlers, vor Gabriels Auge Wolkenlos da. Er sah ihn, und gieng, in festlicher Schoͤnheit, Priesterlich zum Altar, und trug zwo goldene Schalen Voll vom heiligen Raͤuchwerk, und stand tiefsinnig am Altar. Neben ihm stand Eloa, und rief aus seiner Harfe Goͤttliche Toͤne, den opfernden Seraph zum hohen Gebete Vorzubereiten. Der hoͤrt ihn, und durch die allmaͤchtige Harfe Hub sich sein Geist voll Andacht empor. Wie der Ocean aufwallt Wenn uͤber ihm die Stimme des Herrn in Sturmwinden wandelt. Gabriel sah Gott an, und sang mit maͤchtiger Stimme. Nunmehr hoͤrte der ewige Vater, es hoͤrte der Himmel Deine Gebete, Meßias. Gott selber zuͤndte das Opfer Wun- Erster Gesang. Wunderbar an; ein heiliger Rauch stieg mit dem Gebete Still begleitend vom Altar; dann hub er sich weiter, und wallte, Wie von der Erde Gebirgen ein ganzer Himmel, zu Gott auf. Bis itzt hatte Gott stets die Erde nachdenkend betrachtet. Denn sein Sohn besprach sich noch immer aus vollem Gemuͤthe Mit ihm von der erhabenen Seligkeit seiner Erloͤsten. Aber itzt fuͤllte sein freundlicher Blick den Himmel von neuem. Jeder begegnete feyrend und still dem goͤttlichen Blicke. Alles erwartet die Stimme des Herrn. Die himmlische Ceder Rauscht itzt nicht, der Ocean schwieg am hohen Gestade. Gottes geistiger Wind hielt zwischen den ehernen Bergen Unbeweglich, und wartete mit verbreiteten Fluͤgeln, Auf die Herabkunft der Stimme Gottes. Ein Donnerwetter Stieg, da er wartete, schnell, vom Allerheiligsten nieder. Doch Gott redte noch nicht. Die heiligen Donnerwetter Waren Verkuͤndiger einer annahenden goͤttlichen Antwort. Als dieß geschah, that Gott vorm Angesichte der Thronen Offenbarend sein Heiligthum auf, den wartenden Himmel Zu den hohen Gedanken des Ewigen vorzubereiten. Und da wandte sich Urim voll Ernst, mit goͤttlichem Tiefsinn, Cherub Urim, des ewigen Geistes vertraulichster Engel, Zu dem hohen Eloa, und sprach: Was siehst du, Eloa? Seraph Eloa stand auf, gieng langsam vorwaͤrts, und sagte: Dort an den goldenen Pfeilern, da sind labyrinthische Tafeln Voll vom Schicksal; dann Buͤcher des Lebens, die unter dem Hauche Maͤchtiger Winde sich oͤffnen, und Namen kuͤnftiger Christen B Neue Der Meßias. Neue belohnende Namen, des Himmels Unsterblichkeit, aufthun. Wie sich die Buͤcher des Weltgerichts hier, gleich wehenden Fahnen Kriegender Seraphim furchtbar eroͤffnen! Ein toͤdtender Anblick Fuͤr die niedrigen Seelen, die wider Gott sich empoͤrten! O wie Gott sich enthuͤllt! ach Urim, in heiliger Stille Schimmern die Leuchter im Silbergewoͤlk! So gebieret der Morgen Thau auf den Bergen, so glaͤnzen die Erben der ewigen Kindschaft, Tausend bey tausend, der wahren Gemeinen vorbildende Leuchter. Zaͤhle sie, Urim, die heilige Zahl. Die Welten, sprach Urim, Aller Engel gekroͤnte Thaten, selbst Gottes Gedanken, Wenn er sich, einen großen Tag, uns offenbarend eroͤffnet, Sind uns zaͤhlbar: allein die Folgen der großen Erloͤsung, Gottes Erbarmungen nicht. Eloa sprach weiter: ich sehe Gottes Gerichtsstuhl! Wie schrecklich bist du, Weltrichter, Meßias! Schau das Antlitz des hohen Gerichtsstuhls! Es toͤdtet von ferne! Und die zur Rache geruͤstete Glut! Ein lebendiger Sturmwind Hebt ihn in donnernden Wolken empor. Ach schone, Meßias, Schone, Weltrichter, mit deinem Verderben von ferne bewaffnet! Also besprachen Eloa und Urim sich unter einander. Siebenmal hatte der Donner das heilige Dunkel eroͤffnet, Und die Stimme des Ewigen kam sanftwandelnd hernieder: Gott ist die Liebe. Der war ich vorm Daseyn meiner Geschoͤpfo; Da ich die Welten erschuf, war ich auch der; itzt, bey der Vollendung Meiner geheimsten erhabensten That, bin ich eben derselbe. Schaut den Ewigen an, ihr vorerwaͤhlten Gerechten, Hei- Erster Gesang. Heilige Kinder. Erkennet mein Herz, ihr wart mir das Liebste Meiner Gedanken, als ich dem kuͤnftigen Heile nachdachte, Euch hat herzlich verlangt, ich bin euer goͤttlicher Zeuge, Endlich die Tage des Heils, und meinen Meßias zu sehen. Seyd mir gesegnet, ihr Kinder der Gottheit vom Geiste gebohren! Jauchzet, Kinder, hier bin ich, ein Vater, das Wesen der Wesen, Siehe, der Erst und der Letzte, ein ewig treuer Erbarmer. Der ich von Ewigkeit bin, den keine Geschoͤpfe begreifen, Jch, Jehovah, ich lasse zu euch, mich vaͤterlich nieder. Dieser Bote des Friedens, von meinem Sohne gesendet, Jst nur um eurentwillen zum hohen Altare gekommen. Waͤret ihr nicht zu Zeugen der großen Erloͤsung erkohren, O so haͤtten wir uns in entfernter Stille besprochen, Einsam, geheim, unerforschlich. Doch ihr, mein theures Geschlechte, Sollt die Tage mit Wonn und unsterblichem Jauchzen vollenden! Jch, und mein Himmel, wir wollen den ganzen verborgenen Umfang Meiner Erloͤsung durchschaun, mit viel verklaͤrteren Blicken Wollen wir diese Geheimnisse sehn, als eures Erloͤsers Fromme, weichmuͤthige Freunde, die noch in Dunkelheit irren, Oder als seine verruchten Verfolger. Die hab ich schon lange Aus den heiligen Buͤchern vertilgt; und meinen Erloͤsten Send ich mein Licht, sie sollen nun bald das Blut der Versoͤhnung Nicht mehr mit weinendem Auge betrachten. Sie werden es sehen, Wie sich vor ihnen sein Strom ins ewige Leben verlieret. Alsdann sollen sie hier, im Schooße des Friedens getroͤstet, Feste des Lichts und der ewigen Ruh triumphirend begehen. Seraphim, und ihr Seelen, erloͤste Vaͤter des Mittlers, B 2 Fang Der Meßias. Fangt ihr die Feste der Ewigkeit an. Sie sollen von itzo Mit der Unendlichkeit dauern. Die heiligen Kinder der Erde Werden sich allgemach alle zu euch vollendet versammeln, Bis sie zusammen dereinst, mit neuen Leibern umgeben, Nach vollbrachtem Gericht zu meiner Seligkeit kommen. Unterdeß geht von mir aus, des hohen Thrones Bewohner, Meldet den Herrschern der Schoͤpfungen Gottes, daß sie sich zur Feyrung Dieser erwaͤhlten verehrungswuͤrdigen Tage bereiten. Und ihr Frommen des Menschengeschlechts, und ihr Vaͤter des Mittlers, (Denn von jenem Gebein der Sterblichkeit, das ihr im Staube Reifend zur Auferstehung zuruͤckließt, entstammt der Meßias. Er, der Gott ist und Mensch,) auch euch ist die Freude bestimmet, Die ich allein bey mir, mit meiner Gottheit Gedanken, Ganz empfind; unsterbliche Seelen, auf, eilt zu der Sonne, Welche den Kreis der Erloͤsung umleuchtet. Hier sollt ihr von ferne Eures Erloͤsers und Sohns Versoͤhnung und Thaten betrachten. Laßt euch diesen Lichtweg hinab. Aus allen Bezirken Sieht euch meine Natur mit verneuter Schoͤnheit entgegen. Denn ich der Herr will selbst, nach dieser Jahrhunderte Kreislauf, Einen Ruhetag Gottes, den zweyten erhabenen Sabbath, Bey mir feyren. Der ist mir viel hoͤher, als jener beruͤhmte, Jener von euch, ihr Geistergeschoͤpfe, seraphische Schaaren, Heilig besungene Tag, den ihr, nach Vollendung der Welten, Einst am Schoͤpfungsfeste begiengt. Jhr wißt es, o Geister, Wie sich die neue Natur, in liebenswuͤrdiger Schoͤne, Damals erhub, wie in eurer Gesellschaft die Morgensterne Vor dem Schoͤpfer sich neigten. Allein itzt soll mein Meßias, Mein Erster Gesang. Mein unsterblicher Sohn, viel groͤßere Werke vollenden. Eilt, verkuͤndigt dieß meinen Geschoͤpfen. Mein Sabbath erhebt sich, Jtzt mit dem freyen Gehorsam und Leiden des großen Meßias. Jch, der Herr, nenn ihn den Sabbath des Heils und des ewigen Bundes. Gott sprachs. Ueberall faltete noch die tiefe Verwundrung Heilige Haͤnde vor ihm. Stillschweigend sahe der Himmel Zum Allerheiligsten Gottes hinauf. Dem Gesandten des Mittlers Winkte Gott; da stieg er zur obersten Stufe des Thrones. Allda empfieng er, an Uriel und die Beschuͤtzer der Erde Wegen der Wunder beym Tode des Mittlers, geheime Befehle. Unterdeß waren die Thronen von ihren Sitzen gestiegen. Gabriel folgte. Da er dem Altare der Erde sich nahte, Hoͤrt er von fern aus den hohen Gewoͤlben herwallende Seufzer, Die mit weinendem Laut das Heil der Menschen verlangten, Und die der Opferpriester am Altar dem Ewigen brachte. Dieß ist der Altar, von dem du, des neuen Bundes Prophete, An dem Gestade der Patmus die himmlischen Bildungen sahest; Hier wars, wo sich in hohen Gewoͤlben der Maͤrtyrer Stimme Klaͤglich erhub; hier weinten die Seelen mit Thraͤnen der Engel, Daß der erhabene Richter den Tag der Rache verzoͤgre. Als itzt zu diesem Altare der Erde der Seraph hinabstieg, Eilt ihm Adam, der Opferpriester am Altar, entgegen, Nicht ungesehn; ein aͤtherischer Leib helleuchtend gebildet, Huͤllte den seligen Geist in eine verklaͤrte Behausung. Seine Gestalt war so schoͤn, wie du vor des Schoͤpfers Gedanken B 3 Goͤtt- Der Meßias. Goͤttliches Bild, als er Adam zu schaffen gedankenvoll da stand, Und im gesegneten Schooße der paradiesischen Fluren Unter ihm heiliges Erdreich zum werdenden Menschen sich loswand. Also gebildet kam Adam zum Seraph. Ein liebliches Laͤcheln Machte sein Antlitz wie goͤttlich, er sprach mit verlangender Stimme: Sey mir gegruͤsset, begnadigter Seraph, du Friedens-Bote. Da die Stimme von deiner erhabnen Gesandschaft erschallte, Hub sich mein Geist jubilirend empor. Du theurer Meßias, Koͤnnt ich dich auch in jener holdseligen menschlichen Schoͤnheit, Wie der Seraph hier, sehn! Ach in jener Gestalt der Erbarmung, Jn der du mein gefallnes Geschlecht zu versoͤhnen beschlossest! Fuͤhre du mich auf die Spur, wo mein Erloͤser gewandelt, Mein Erloͤser und Freund, ich will ihn nur ferne begleiten! Ruhestatt jenes Gebeths, wo unser Mittler sein Antlitz Aufhub und schwur, er wollte die Kinder von Adam erloͤsen, Duͤrfte der erste der Suͤnder mit Freuden Thraͤnen dich anschaun! Ach, ich war ja vordem dein erstgebohrner Bewohner, Muͤtterlichs Land, o Erde, nach dir seh ich sehnlich hernieder. Deine vom Donnerworte des Fluchs zerstoͤrten Gefilde Waͤren mir in des Meßias Gesellschaft, den eben der Koͤrper Jenes Todes umhuͤllt, den ich dort im Staube zuruͤckließ, Lieblicher, als dein Gefilde nach himmlischen Auen erschaffen, O Paradies, verlohrner Himmel! So sagt er voll Jnbrunst. Deine Verlangen will ich, du Erstling der Auserwaͤhlten, Sprach der Seraph mit freundlicher Stimme, dem Mittler erzaͤhlen. Jst es sein goͤttlicher Wille, so wird er dich zu sich berufen, Du wirst ihn sehn, wie er ist, die erniederte Herrlichkeit Gottes. Jn- Erster Gesang. Jndem hatten die goͤttlichen Engel den Himmel verlassen, Und sich uͤberall schnell in der Welten Umkreis vertheilet. Gabriel nur kam allein zur seligen Erden hernieder, Die der benachbarte Kreis voruͤbergehender Sterne Still mit einem allgegenwaͤrtigen Morgen begruͤßte. Ringsum erschallten zugleich die neuen Namen der Erde. Gabriel hoͤrte die Namen: du Koͤniginn unter den Erden, Augenmerk aller Geschoͤpfe, vertrauteste Freundinn des Himmels, Anderer Wohnplatz der Herrlichkeit Gottes, unsterbliche Zeuginn Jener geheimen erhabenen Thaten des großen Meßias! Also ertoͤnte der Umkreis von englischen Stimmen belebet. Gabriel hoͤrt es und kam mit verweilendem Fluge zur Erden. Hier sank Schlummer und Kuͤhlung noch in die Thaͤler hernieder, Dunkle gesellige Wolken verhuͤllten noch ihre Gebirge. Gabriel gieng in der Nacht, und suchte mit sehnlichen Blicken Seinen Meßias. Er fand ihn in einem niedrigen Thale, Das sich zwischen den Gipfel des himmlischen Oelbergs hinabließ. Hier war der goͤttliche Mittler, von tiefen Gedanken ermuͤdet, Eingeschlafen. Natur, du mußtest zu seinem Haupte, Also sagt er dir schlummernd, leichttragende Blumen erschaffen. Gabriel sah den Meßias in suͤßem luftigen Schlafe, Stand voll Verwunderung still, und sah unverwandt nach der Schoͤnheit, Die die vereinbarte Gottheit der menschlichen Bildung ertheilte. Ruhige Liebe, die Zuͤge des goͤttlichen Laͤchelns voll Gnade, Huld und Milde, noch Thraͤnen der ewigtreuen Erbarmung, Zeigten den Geist des Menschenfreundes in einem Gesichte; B 4 Doch Der Meßias. Doch war sein Abdruck daselbst in Zuͤgen des Schlafes verdunkelt. Also sieht ein reisender Seraph der bluͤhenden Erde Halbunkenntliches Antlitz an Fruͤhlingsabenden liegen, Wenn der Abendstern schon am einsamen Himmel heraufgeht, Und aus daͤmmernden Lauben den Weisen, ihn anzuschaun, herwinkt. Endlich redte der Seraph nach langer Betrachtung und Stille. O du, der du allwissend bist, sprach er mit zaͤrtlicher Stimme, Der du mich hoͤrst, obgleich dein sterblicher Leib hier ruhet, Deinen Befehlen hab ich mit getreuer Sorgfalt gehorchet. Als ich dieß that, so eroͤffnete mir der Erste der Menschen, Wie er dein Antlitz zu sehn, unsterblicher Mittler, sich sehne. Jtzo will ich, nach deines erhabenen Vaters Entschließung, Gleich von hier, deine Versoͤhnung auch mit zu verherrlichen, eilen. Unterdeß schweigt hier, o nahe Geschoͤpfe! den fluͤchtigsten Anblick Dieser hineilenden Zeit, da euer Schoͤpfer noch hier ist, Muͤßt ihr fuͤr seliger, als viel lange Jahrhunderte halten, Da ihr den Menschen mit reger sorgfaͤltiger Aemsigkeit dienet. Schweig, Getoͤse der Luft, in deinen aufruͤhrischen Hoͤlen, Oder erhebe dich sanft mit stillem behutsamen Saͤuseln. Und du, nahes Gewoͤlk, o treufle du Segen und Waͤrme Auf die kuͤhlenden Schatten aus deinen Schoͤssen herunter. Rausche nicht, Ceder, schweig, heiliger Hain, vorm schlummernden Schoͤpfer! Also verlohr sich mit sorgsamem Ton die Stimme des Seraphs. Und drauf eilt er zu jener Versammlung der heiligen Waͤchter, Die als Vertraute der Gottheit und ihrer verborgenen Vorsicht, Nebst Erster Gesang. Nebst ihm die Erde zugleich in geheimer Stille beherrschten. Diesen sollt er noch itzt, vor seiner Erhebung zur Sonne, Jenes Verlangen der seligen Geister, die nahe Versoͤhnung, Und den zweyten erhabenen Ruhetag Gottes eroͤffnen. Der du nach Gabriel itzt den Kreis der Erloͤsung beherrschest, Goͤttlicher Schutzgeist der Mutter so vieler unsterblichen Kinder, Die sie, wie ihre Begleiter, die schnellen Jahrhunderte, fluͤchtig, Und unerschoͤpflich am Reichthum, den hoͤhern Gegenden sendet, Und dann des ewigen Geistes in Truͤmmern zerfallne Behausung Unter verlassenen Huͤgeln in traurige Dunkelheit einschließt; O du dieser verherrlichten Erden erwaͤhlter Beschuͤtzer, Seraph Eloa, verzeih dieß deinem zukuͤnftigen Freunde, Wenn er deinen seit Edens Erschaffung verborgenen Wohnplatz, Von der heiligen Muse gelehrt, den Sterblichen zeiget. Hat er sich iemals, voll einsamer Wollust, in tiefe Gedanken Und in den hellen Bezirk der stillen Entzuͤckung verlohren; Hat mit Gedanken der Geister sich sein Gedanke vereinet, Und die enthuͤllete Seele der Goͤtter Rede vernommen; O so hoͤr ihn, Eloa, wenn er, wie die himmlische Jugend, Kuͤhn und erhaben, nicht modernde Truͤmmern der Vorwelt besinget, Sondern den Buͤrgern der goͤttlichen Erde dein Heiligthum aufthut. Jn dem stillen Bezirk des unbetrachteten Nordpols Herrschet die Mitternacht ewig einsiedlerisch. Dunkel und Wolken Fließen von ihr, wie ein sinkendes Meer, unaufhoͤrlich herunter. So lag unter der Finsterniß Gottes, von Mosen gerufen, B 5 Ehmals Der Meßias. Ehmals der Nil, in vierzehn Gestade zusammen gedraͤnget, Und ihr, der Koͤnige Grab, unsterbliche Pyramiden. Niemals hat noch ein Auge, von kleinern Himmeln umgraͤnzet, Diese verlaßnen Gefilde gesehen, wo naͤchtliches Erdreich Unbewohnt ruht, wo kein Laut von Menschenstimmen ertoͤnet, Wo kein Todter begraben liegt, wo kein Auferstehn seyn wird. Aber zu tiefen Gedanken, und zur Betrachtung gewidmet, Machen sie Seraphim herrlich, wenn sie auf ihren Gebirgen, Orionen gleich, gehn, und in prophetische Stille Sanft verloren, der Menschen zukuͤnftige Seligkeit anschaun. Mitten in diesen Gefilden erhebt sich die englische Pforte, Durch die der Erde Beschuͤtzer zu ihrem Heiligthum eingehn. Wie zur Zeit des belebenden Winters ein heiliger Festtag Ueber beschneyten Gebirgen nach truͤben Tagen hervorgeht; Wolken und Nacht entfliehen vor ihm, die beeisten Gefilde Hohe durchsichtige Waͤlder entnebeln ihr Antlitz, und glaͤnzen: Also gieng Gabriel itzt auf den mitternaͤchtlichen Bergen, Und schon stand sein unsterblicher Fuß an der heiligen Pforte, Die sich vor ihm wie Fluͤgel der rauschenden Cherubim, aufthat. Schon war sie hinter ihm wieder geschlossen. Nun gieng der Seraph Jn den Tiefen der Erde. Da waͤlzten sich Oceane Um ihn mit langsamer Flut zum menschenlosen Gestade. Alle Soͤhne der Oceane, gewaltige Fluͤsse, Flossen, wie Ungewitter sich aus den Wuͤsten heraufziehn, Fern und rauhtoͤnend ihm nach. Er gieng, und sein heiliger Wohnplatz Zeigte sich schon in der Naͤhe. Die Pforte von Wolken erbauet Wich Erster Gesang. Wich ihm itzt aus, und zerfloß vor ihm hin, wie in him̃lischen Schim̃er. Unter dem Fuß des Unsterblichen zog sich die fluͤchtige Daͤmmrung Wallend hinweg. Weit hinter ihm, an den dunkeln Gestaden, Blieben wehende Flammen in seinem Fußtritt zuruͤcke. Nunmehr hatte der Seraph den heiligen Wohnplatz betreten. Da, wo sich fern von uns die Erde zum Mittelpunkt kehret, Woͤlbt sich in ihr ein weiter Bezirk voll himmlischer Luͤfte. Mitten darinnen erhebt sich, mit fluͤßigem Schimmer bekroͤnet, Eine sanftleuchtende Sonne. Von ihr fließt Leben und Waͤrme Jn die Adern der Erden empor. Die oberste Sonne Bildet mit dieser vertrauten Gehuͤlfinn den blumichten Fruͤhling, Und den feurigen Sommer, von sinkenden Halmen belastet, Und dich, o Herbst, auf Traubengebirgen. Jn ihren Bezirken Jst sie niemals nicht auf und niemals untergegangen. Um sie laͤchelt in thauenden Wolken, ein ewiger Morgen. Unterweilen thut der, der die Himmel zusammen erfuͤllet, Seine Gedanken den Engeln daselbst durch Zeichen in Wolken Wunderbar kund; da erscheinen alsdann die Folgen des Schicksals. Also entdeckt sich Gott, wenn nach wohlthaͤtigen Wettern Ueber besaͤnftigten Wolken der Regenbogen hervorgeht, Und dir, Erde, den Bund und die Fruchtbarkeit Gottes verkuͤndigt. Gabriel ließ itzo auf dieser Sonne sich nieder. Um ihn versammelten sich der Koͤnigreiche Beschuͤtzer, Engel des Kriegs und des Todes, die im Labyrinthe des Schicksals Bis zur goͤttlichen Hand den fuͤhrenden Faden begleiten; Die Der Meßias. Die im Verborgenen uͤber die Werke der Koͤnige herrschen, Wenn sie damit triumphirend, als ihrer Schoͤpfung, sich bruͤsten. Dann die Huͤter der tugendhaften und wenigen Edlen, Die den denkenden Weisen in seiner Entfernung begleiten, Wenn er das Menschengewebe der irrdischen Seligkeit fliehet, Und die Buͤcher der ewigen Zukunft im Stillen eroͤffnet. Auch sind sie oft insgeheim bey einer Versammlung zugegen, Wo der feurige Christ die Herabkunft Gottes empfindet, Wenn ein bruͤderlich Volk, durch das Blut des Bundes geheiligt, Vor dem Versohner der Menschen in Jubellieder sich ausgießt. Wenn die Seelen entschlafner Christen ihr todtes Antlitz Und den Schweiß, und die traurigen Zuͤge des siegenden Todes, Und die bezwungne Natur auf ihrem Leichnam erblicken: So empfangen sie diese Gefaͤhrten mit troͤstendem Anblick: Lieber, wir wollen dereinst die Truͤmmern alle versammlen! Eben diese Behausung der Sterblichkeit, dieses Gebeine, Durch die Hand des gewaltigen Todes so traurig entstellet, Soll mit dem Morgen des Richters zur neuen Schoͤpfung erwachen. Kommt nur, des Himmels zukuͤnftige Buͤrger, ein helleres Anschaun, Selbst die Umarmung des goͤttlichen Mittlers erwartet euch liebreich. Auch die Seelen, die zarten kaum sprossenden Koͤrpern entflohen. Sammelten sich um den Seraph herum. Sie flohen mit Weinen, Mit dem zaͤrtlichen Weinen der Kindheit. Jhr schuͤchternes Auge Hatte die Oberflaͤche der Erde kaum staunend erblicket; Darum durften sie sich auf den groͤßern Schauplatz der Welten Noch Erster Gesang. Noch ungebildet so bald hervorzutreten nicht wagen. Jhre Beschuͤtzer begleiten sie zu sich, und lehren sie reizend, Unter dem Klange belebender Harfen, in lieblichen Liedern: Wie und woher sie entstanden; wie groß die menschliche Seele Von dem vollkommensten Geiste gemacht sey; wie jugendlich heiter Sonnen und Monde nach ihrer Geburt zum Schoͤpfer gekommen. Euch erwarten vollendete Vaͤter; ein herrliches Anschaun Eures Erbarmers erwartet euch dort am ewigen Throne. Also lehren sie diese der Weisheit wuͤrdige Schuͤler, Jener erhabenen Weisheit, nach deren fluͤchtigen Schatten Durch ihr Glaͤnzen geblendet, die irren Sterblichen eilen. Jtzo hatten sie haͤufig die schimmernden Lauben verlassen, Und sich zu ihren Vertrauten, den Engeln der Erde, versammelt. Gabriel that itzo der ganzen Geisterversammlung Alles das kund, was Gott ihm befahl vom Meßias zu sagen. Diese blieb wie entzuͤckt um den hohen goͤttlichen Lehrer, Und ließ ihre Gedanken in tiefe Betrachtungen nieder. Und ein liebenswuͤrdiges Paar, zwo befreundete Seelen, Benjamin und Dudaim, umarmten einander, und sprachen: Jst das nicht, o Dudaim, der holde vertrauliche Lehrer? Jsts nicht Jesus, von welchem der Seraph dieß alles erzaͤhlte? Ach, ich weiß es noch wohl, wie er uns inbruͤnstig umarmte, Wie er uns an die klopfende Brust mit Zaͤrtlichkeit druͤckte. Eine getreue leutselige Zaͤhre, die seh ich noch immer, Netzte sein Antlitz, ich kuͤßte sie auf, die seh ich noch immer. Und Der Meßias. Und drauf sagt er, o Benjamin, unsern umstehenden Muͤttern: Werdet, wie Kinder, sonst koͤnnt ihr das Reich des Vaters nicht erben. Ja, so sagt er, Dudaim. Und der ist unser Erloͤser; Durch den sind wir so selig, umarme mich, lieber Dudaim! Also besprachen sie sich mit Zaͤrtlichkeit unter einander. Gabriel aber bereitete sich zur neuen Gesandtschaft, Nahm sein helles Gewand, mit dem er beym Engel der Sonne Stets erschien. Ein festliches niederwallendes Glaͤnzen Floß, da er gieng, den Fuß des Unsterblichen praͤchtig herunter. Also sehen des Mondes Bewohner den Tag der Erde, Jhren Naͤchten zu leuchten, in stillen thauenden Wolken Auf die Gipfel von ihren Gebirgen herunterwallen. Also geschmuͤckt stand Gabriel auf, und unter dem Nachruf Jauchzender Engel und Seelen betrat er den freyeren Luftkreis. Rauschend, wie Pfeile vom silbernen Bogen, zum Siege befluͤgelt, Schoß er neben Gestirnen vorbey, und eilte zur Sonne. Jtzo sank er auf Uriels Burg schon schwebend hernieder. Hier fand er auf der Zinne der Burg die Seelen der Vaͤter, Die unverwandt den feurigen Blick zu den Strahlen gesellten, Die den weckenden Tag in Canaans Gegenden senden. Unter den Vaͤtern war einer von hohem denkenden Ansehn, Adam, der Sohn der erwachenden Erd und der Bildungen Gottes. Gabriel, er, und der Herrscher der Sonnen erwarteten sehnlich, Unter Gespraͤchen vom Heile der Menschen, den Anblick des Oelbergs. Der Der M essias . Zweyter Gesang. Jnhalt des zweyten Gesangs. D ie Seelen der Vaͤter sehen den Meßias, bey anbrechendem Tage, erwachen, und begruͤßen ihn mit einem heiligen Liede. Jesus erfaͤhrt vom Raphael, dem Schutzengel Johannes, daß dieser Juͤnger, in den Graͤbern am Oelberge einen Besessenen betrachte. Er gehet dahin, und findet Samma, den Satan bey seiner Ankunft durch Verzweiflung toͤdten will. Der Meßias antwortet der stolzen Anrede Satans nicht; aber dieser muß vor ihm entfliehen. Samma wird von seiner Quaal befreyet. Jesus bleibt mit Johannes allein in den Graͤbern, Satan koͤmmt zur Hoͤlle, erzaͤhlt, was er von Jesu weis, und beschließt seinen Tod. Einer von den gefallenen Engeln, Abdiel Abbadona, widerspricht Satan. Satan kann ihm vor Wut nicht antworten. Adramelech thuts, und billigt die Entschließung Satans. Dieß thut hierauf die ganze Hoͤlle. Satan und Adramelech kehren zur Erde zuruͤck, ihre Entschließung auszufuͤhren. Abbadona folgt ihnen von fern. Er sieht bey der Pforte der Hoͤlle, Abdiel, einen guten Engel, und seinen ehmaligen Freund. Er redet ihn von fern wehmuͤthig an. Aber Abdiel will ihn nicht bemerken. Abbadona geht fort, und beym Eintritte in die Welt, bejammerte er seine verlohrne Herrlichkeit, und verzweifelt, Gnade zu finden. Nach einigen um- sonst angewandten Bemuͤhungen, sein Wesen zu vernichten, koͤmmt er zur Erde. Satan und Adramelech nahen sich auch der Erde. Da Adramelech die Erde sieht, redt er sie an, und druͤckt seine ganze Bosheit durch wuͤtend ausschweifende Entschließungen aus. Er und Satan lassen sich auf den Oelberg herunter. Der Messias . Zweyter Gesang. J tzo stieg uͤber die Cedernwaͤlder der Morgen herunter. Jesus erhub sich, ihn sahn in der Sonne die Seelen der Vaͤter. Als sie ihn sahn, da sangen zwo Seelen so gegeneinander, Adams Seele, mit ihr die Seele der goͤttlichen Eva: Schoͤnster der Tage, du sollst vor allen kuͤnftigen Tagen Festlich und heilig uns seyn, dich soll vor deinen Gefaͤhrten, Kehrst du wieder zuruͤck, die Seele des Menschen, der Seraph Und der Cherub, beym Aufgang und Untergange, begruͤssen. Steigst du zur Erden herab; verbreiten dich Orione Durch die Himmel; und gehst du beym Throne der Herrlichkeit Gottes Heilig hervor, so wollen wir dir in feyrendem Aufzug Jauchzend mit Hallelujagesaͤngen entgegen segnen! C Dir Der Meßias. Dir, unsterblicher Tag, der du unsern getroͤsteten Augen Gott, den Meßias, auf Erden in seiner Erniedrung entdeckest! Wie er so schoͤn ist! O, unser Meßias in menschlicher Bildung! Wie sich in seinem erhabenen Ansehn die Gottheit enthuͤllet! Selig bist du und heilig, die du den Meßias gebahrest, Seliger als Eva, die Mutter der Menschen. Unzaͤhlbar Sind zwar die Soͤhne von ihr, doch zugleich unzaͤhlbare Suͤnder. Aber du hast einen, nur einen goͤttlichen Menschen, Einen gerechten, ach einen unschuldigen theuren Meßias, Einen Sohn Gottes, unsterbliche Tochter der Erde, gebohren! Zaͤrtlich mit irrendem Blick seh ich zur Erden hernieder, Dich, Paradies, dich seh ich nicht mehr. Du bist in den Wassern Weggeschwemmt, in Wassern der allgegenwaͤrtigen Suͤndflut. Deiner erhabnen umschattenden Cedern, die Gottes Hand pflanzte, Deiner friedsamen Lauben, der jungen Tugend Behausung, Hat kein Sturmwind, kein Donner, kein Todesengel geschonet! Bethlehem, wo ihn Maria gebahr, und ihn bruͤnstig umarmte, Sey du mir mein Eden; du Brunnen Davids, die Quelle, Wo ich goͤttlich erschaffen zuerst mich sahe; du Huͤtte, Wo er weinte, sey du mir die Laube der ersten Unschuld! Ach haͤtt ich dich in Eden gebohren, du Goͤttlicher! haͤtt ich Gleich nach vollbrachter entsetzlichen That dich, Sohn, gebohren Siehe, so waͤr ich mit dir zu meinem Richter gegangen; Da, wo er stand, wo unter ihm Eden zum Grabe sich aufthat, Wo der Erkenntnisse Baum mir fuͤrchterlich rauschte, wo Stimmen Seiner Donner des Fluchs gefuͤrchteten Richterspruch sprechen, Wo Zweyter Gesang. Wo ich im bangen Erbeben dahinsank, und sterben wollte, Da waͤr ich zu ihm gegangen: dich, Sohn, haͤtt ich weinend umarmet Und an mein Herze gedruͤckt, und gesagt; Ach zuͤrne nicht, Vater! Zuͤrne nicht mehr, ich habe den Mann Jehova gebohren! Heilig bist du, und anbetenswuͤrdig und ewig, o Erster! Der du dir deinen goͤttlichen Sohn von Ewigkeit zeugtest, Und ihn, nach deinem Bilde gezeugt, zum Erloͤser der Menschen, Meines von mir beweinten Geschlechts, erbarmend erwaͤhltest. Gott hat meine Thraͤnen gesehen; ihr habt sie gesehen, Seraphim, und sie gezaͤhlt; auch ihr, ihr Seelen der Todten, Seelen meines entschlafnen Geschlechts, habt sie alle gezaͤhlet. Waͤrest du nicht, o Meßias, gewesen, die ewige Ruhe Haͤtte mir selbst traurig, und ungenießbar geschienen. Aber in deinem goͤttlichen Umgang, von deiner Erbarmung, Stifter des ewigen Bundes, sanft uͤberschattet, da lernt ich Selbst in zaͤrtlicher Wehmuth mehr Seligkeiten empfinden. Und nun traͤgst du sein Bild, das Bild des sterblichen Menschen! Gottmensch Erloͤser, dich bethen wir an! Vollende dein Opfer, Das du fuͤr uns, unsterblicher Gott, zu vollenden herabstiegst. Mache die Erde bald neu, die du zu verneuen beschlossest, Dein und unser Geburtsland. Komm bald gen Himmel zuruͤcke! Komm, sey gegruͤßet in deinen Erbarmungen, Gottmensch Erloͤser! Also ertoͤnte mit maͤchtigem Klang die Stimme der Seelen Durch die Gewoͤlbe der englischen Burg. Der Meßias vernahm sie C 2 Fern Der Meßias. Fern in der Tiefe. Wie mitten in heiligen Einsiedleyen, Jn zukuͤnftige Folgen vertieft, prophetische Weisen Dich, von fern sanftwandelnde Stimme des Ewigen, hoͤren. Jesus gieng den Oelberg hinab. An der Mitte des Oelbergs Stand ein Palmbaum auf niedrigen Huͤgeln vor allen erhaben, Von leichtschimmernden Wolken des Morgennebels umflossen. Unter dem Palmbaum vernahm der Meßias den Schutzgeist Johannes, Raphael ist sein Name, der ihn hier betend verehrte. Liebliche Winde zerflossen vom Palmbaum, und trugen die Stimme Die sonst keine Geschoͤpfe nicht hoͤrten, zum Mittler hernieder. Raphael komm, rief ihm der Meßias mit freundlichem Anblick, Wandle mir hier ungesehen zur Seite. Wie hast du die Nacht durch Unsers lieben Johannes unschuldige Seele bewachet? Was fuͤr Gedanken, die deinen Gedanken, o Raphael, glichen, Hatte sie? Wo ist er itzt? Jch bewacht ihn, sagte der Seraph, Wie man die Erstlinge deiner Erwaͤhlten, o Mittler, bewachet. Seinen eroͤffneten Geist umschatteten heilige Traͤume, Traͤume von dir. O haͤttest du ihn da schlummern gesehen, Als er dich, Goͤttlicher, sah! Ein heiliges Fruͤhlingslaͤcheln Fuͤllte sein Antlitz. Dein Seraph hat auch in Edens Gefilden Adam gesehn, da er schlief, und das Bild der werdenden Eva Und des bauenden Schoͤpfers vor seine Gedanken herabkam. Aber so schoͤn war er nicht, wie dein goͤttlicher Juͤnger Johannes. Doch itzt ist er dort unten in traurigen naͤchtlichen Graͤbern, Und klagt einen besessenen Mann, der im Staube der Todten Fuͤrchterlich bleich, wie ein bebend Gerippe, hin ausgestreckt lieget. Jesus, Zweyter Gesang. Jesus, du solltest ihn sehn, du solltest den zaͤrtlichen Juͤnger Neben ihm voller mitleidigen Kummers und Wehmuth erblicken, Wie ihm vor Menschenliebe sein Herz erbarmend zerfließet, Wie er erbebt. Mir selbst drang eine wehmuͤthige Thraͤne Zitternd ins Auge. Da wandt ich mich weg. Das Leiden der Geister, Die du zur Ewigkeit schufst, ist mir stets durch die Seele gedrungen. Raphael schwieg. Das Auge des Mittlers sah zuͤrnend gen Himmel. Großer Vater, erhoͤre mich itzt! Der Menschenfeind werde Deinen Gerichten ein ewiges Opfer, das jauchzend der Himmel, Das voll Bestuͤrzung und Schand und Schmach die Hoͤlle betrachte! Also sagt er, und naͤherte sich den Graͤbern der Todten. Unten am mitternaͤchtlichen Oelberge waren die Graͤber Jn zusammengebirgte zerruͤttete Felsen gehauen. Dick und finster verwachsene Waͤlder verwahrten den Eingang Vor dem Blicke des fliehenden Wandrers. Ein trauriger Morgen Stieg, wenn uͤber Jerusalem schon der Mittag sich senkte, Zu den Graͤbern noch daͤmmernd mit kuͤhlem Schauer hinunter. Samma, so hieß der besessene Mann, lag neben dem Grabe Seines juͤngsten geliebtesten Sohns in klaͤglicher Ohnmacht. Satan ließ ihm die Ruh, ihn desto ergrimmter zu quaͤlen. Hier lag er bey den Gebeinen des Knabens in Moder und Asche. Neben ihm stand sein anderer Sohn, und weinte zu Gott auf. Jenen verstorbenen, welchen der Vater und Bruder beweinten, Hatte vordem die zu zaͤrtliche Mutter, durch Flehen erweichet, Mit in die Graͤber zum Vater hinab gebracht, welchen Satan C 3 Unge- Der Meßias. Ungestuͤm und voll grimmiger Wuth bey den Todten herumtrieb. Ach mein Vater! so rief der kleine geliebte Benoni, Und entfloh den Armen der Mutter, die aͤngstlich ihm nachlief; Ach mein Vater, umarme mich doch! und kruͤmmt um die Hand sich, Druͤckte sie an sein Herz. Der Vater umfaßt ihn, und bebte. Da nun der Knabe mit kindlicher Jnbrunst ihn zaͤrtlich umhalste, Da er mit stillem liebkosenden Laͤcheln ihn jugendlich ansah, Warf ihn der Vater an einen entgegenstehenden Felsen, Daß sein zartes Gehirn an blutigen Steinen herabrann, Und mit leisem Roͤcheln entfloh die Seele voll Unschuld. Nunmehr klagt er ihn trostlos, und faßt das kalte Behaͤltniß Seiner Gebeine mit sterbendem Arm. Mein Sohn, ach Benoni! Ach Benoni, mein Sohn! so sagt er, und jammernde Thraͤnen Stuͤrzen vom Auge, das bricht und langsam starrend erstirbet. Also lag er und aͤngstigte sich, da der Mittler hinabkam. Joel, der andere Sohn, verwandte sein thraͤnendes Antlitz Von dem Vater, und sah den Meßias im Grabmal dahergehn. Ach! mein Vater, erhub er voll froher Verwundrung die Stimme, Jesus, der große Prophet, koͤmmt in die Graͤber hernieder. Satan hoͤrt es, und sahe bestuͤrzt durch die Oeffnung des Grabmals. So sehn Gotteslaͤugner, der Poͤbel, aus duͤstern Gewoͤlben, Wenn das hohe Gewitter am donnernden Himmel heraufzieht, Und der Rache gefuͤrchtete Wagen in Wolken sich waͤlzen. Satan hatte bisher nur Samma von ferne gepeinigt. Aus den tiefsten entlegensten Enden des naͤchtlichen Grabmals Sandt er langsame Plagen hervor. Jtzt erhub er sich wieder Ruͤstete sich mit Todesschrecken, und stuͤrzt auf Samma. Sam- Zweyter Gesang. Samma sprang auf, dann fiel er von neuem ohnmaͤchtig darnieder. Seine dem Tode noch kaum entgegenringende Seele Trieb ihn, von dem moͤrdrischen Feinde zum Unsinn empoͤret, Felsenan. Hier wollt ihn vor deinen goͤttlichen Augen, Großer Meßias, der Satan am schroffen Felsen zerschmettern. Doch du warest schon da, und deine voreilende Gnade Trug dein verlaßnes Geschoͤpf auf treuen allmaͤchtigen Fluͤgeln, Daß er nicht sank. Da ergrimmte der Geist des Menschenverderbers Und erbebte. Die kommende Gottheit erschreckt ihn von ferne. Jndem richtete Jesus sein helfendes Antlitz auf Samma. Eine belebende goͤttliche Kraft, mit dem Blicke vereinbart, Gieng von ihm aus. Da erkannte der arme verlassene Samma Seinen Erloͤser. Jns bleiche Gesicht voll Todesgestalten, Kam die Menschheit zuruͤck, er schrie, und weinte gen Himmel. Jtzt wollt er reden, allein kaum konnt er von Freuden erschuͤttert Bebend stammeln. Doch breitet er sich mit sehnlichen Armen Nach dem Ewigen aus, und sah mit getroͤsteten Augen, Voll von Entzuͤckung, nach ihm von seinem Felsen herunter. Wie die Seele truͤbsinniger Weisen, die, in sich gekehret, Und an der Ewigkeit ihrer zukuͤnftigen Dauer verzweifelnd, Jnnerlich bebt; der Unsterblichen schauert vor ihrer Zernichtung; Aber itzt nahet sich ihr der weisern Freundinnen eine, Jhrer Unsterblichkeit sicher, und stolz auf Gottes Verheißung, Koͤmmt sie zu ihr mit troͤstendem Blick. Die truͤbe Verlaßne Heitert sich auf, und windet mit Macht vom jammernden Kummer Ungestuͤm freudig sich los; nun jauchzt die ewige segnend, Wie im Triumph, uͤber ihrer verneuten unsterblichen Groͤße. C 4 Also Der Meßias. Also empfand der besessene Mann die Beruhigung Gottes. Und drauf sprach der Meßias mit maͤchtiger Stimme zu Satan: Geist des Verderbens, wer bist du, der du vor meinem Gesichte Dieß zur Erloͤsung erwaͤhlte Geschlecht, die Menschen, so quaͤlest? Jch bin Satan, antwortet ein zorniges tiefes Gebruͤlle, Koͤnig der Welt, die oberste Gottheit unsclavischer Geister, Die mein Ansehn zu etwas erhabnerm, als zu den Geschaͤfften Himmlischer Saͤnger bestimmt hat. Dein Ruf, o sterblicher Seher, (Denn Maria wird wohl Unsterbliche niemals gebaͤhren!) Dieser dein Ruf drang, wer du auch bist, zur untersten Hoͤlle. Selbst ich verließ sie, sey stolz auf deines Koͤnigs Bemuͤhung! Dich, von himmlischen Sclaven verkuͤndigten Heiland, zu sehen. Doch du wurdest ein Mensch, ein goͤttertraͤumender Seher, Wie die, welche mein maͤchtiger Tod in die Erde begraben. Darum gab ich nicht Acht, was die neuen Unsterblichen thaten. Doch nicht muͤßig zu seyn, so plagt ich, das hast du gesehen! Deine Geliebten, die Menschen. Da sieh des Todes Gestalten, Meine Geschoͤpf, auf diesem Gesicht! Jtzt eil ich zur Hoͤlle. Unter mir soll mein allmaͤchtiger Fuß das Meer und die Erde, Mir anstaͤndige Wege zu bahnen, gewaltsam verwuͤsten. Dann soll die Hoͤll im Triumph mein koͤniglich Angesicht schauen. Willst du was thun, so thu es alsdann. Jch kehre zuruͤcke, Hier auf der Welt mein erobertes Reich, als Koͤnig, zu schuͤtzen. Unterdeß stirb noch, Verlaßner, vor mir! So sagt er, und stuͤrzte Stuͤrmend auf Samma. Allein des ruhigschweigenden Mittlers Stille verborgne Gewalt kam, gleich der Allmacht des Vaters, Wenn er Welten geheim und still den Untergang zuwinkt, Satan Zweyter Gesang. Satan im Zorne zuvor; er floh, und vergaß im Entfliehen, Unter allmaͤchtigem Fuße das Meer und die Erde zu schlagen. Unterdeß stieg Samma von seinem Felsen hernieder. Also entfloh vom hohen Euphrates Nebucadnezar, Da ihm der Rathschluß der heiligen Waͤchter die menschliche Bildung Wiederum gab, und ihn zum Anschaun des Himmels erhoͤhte. Gottes Schrecknisse giengen nicht mehr, mit dem Rauschen Euphrates, Vor ihm in dunklen sinaischen Donnerwettern voruͤber. Nebucadnezar kam auf die stolzen Hoͤhen zu Babel, Nicht mehr als Gott; er lag, von da gen Himmel verbreitet, Dankbar im Staube gebeugt, den Ewigern anzubeten. Also kam Samma zu Jesu herab, und fiel vor ihm nieder. Darf ich dir folgen, du heiliger Mann? ach laß mich mein Leben Das du mir wieder geschenkt, bey dir, Mann Gottes, vollenden! Also sagt er, und schlung sich mit bruͤnstigen zitternden Armen Um den Erloͤser, der ihm, mit menschenfreundlichen Blicken, Dieses erwiederte: folge mir nicht, doch verweile dich kuͤnftig Mehr als sonst um Golgathas Huͤgel, da wirst du die Hoffnung Abrahams und der Propheten mit deinen Augen erblicken. Jndem Jesus zu Samma so sprach, da wandte sich Joel Zu Johannes, und sagte zu ihm, mit schuͤchterner Unschuld: Ach du lieber Mann, fuͤhre du mich zum großen Propheten, Daß er mich hoͤre, du kennest ihn ja. Der zaͤrtliche Juͤnger Nahm ihn, und fuͤhrt ihn zu Jesu, da sagt er in seiner Unschuld; Gottes Prophet, so kann denn mein Vater und ich dir nicht folgen? Aber, o darf ichs wohl sagen, warum verweilest du itzo C 5 Hier, Der Meßias. Hier, wo mein jugendlich Blut vor den Graͤbern der Todten erstarret? Komm doch, du goͤttlicher Mann, in meines Vaters Behausung. Dich soll hier meine verlassene Mutter mit Demuth bedienen. Milch und Honig, die lieblichsten Fruͤchte von unseren Baͤumen, Sollst du genießen; die Wolle der juͤngsten Laͤmmer in Auen Soll dich bedecken. Jch selber will dich, o Gottes Prophete, Koͤmmt die Sommerszeit, unter die Schatten der Baͤume begleiten, Die mein Vater im Garten mir gab. Mein lieber Benoni! Ach Benoni, mein Bruder! dich laß ich im Grabe zuruͤcke. Ach nun wirst du mit mir die Blumen kuͤnftig nicht traͤnken! Niemals wirst du am kuͤhlenden Abend mich bruͤderlich wecken! Ach Benoni! ach Gottes Prophet, da liegt er im Staube! Jesus sah ihn erbarmungsvoll an, und sprach zu Johannes: Wische dem Knaben die Zaͤhren vom Antlitz; ich hab ihn viel edler Und rechtschaffner, als viele von seinen Vaͤtern, erfunden. Also sagt er, und blieb mit Johannes allein in den Graͤbern. Unterdeß gieng Satan, mit Dampf und Wolken umhuͤllet, Durchs Thal Josaphat, uͤber das todte Meer finster hinuͤber. Von da kam er zum wolkichten Carmel, vom Carmel gen Himmel. Hier durchirrt er mit grimmigem Blicke den goͤttlichen Weltbau, Daß er noch durch so viele Jahrhunderte, seit der Erschaffung, Jn der ersten von Gott ihm gegebnen Herrlichkeit glaͤnzte. Gleichwohl ahmt er ihm nach, und aͤnderte seine Gestalten Durch aͤtherisches Glaͤnzen, damit nicht die Morgensterne Ueberall, wo er den irrenden Fuß ins Weltgebaͤu setzte, Ueber Zweyter Gesang. Ueber sein finstres Ansehn in stillem Triumphe sich freuten. Doch dieß helle Gewand war ihm bald unertraͤglich; er eilte, Aus deu Bezirken der goͤttlichen Herrschaft zur Hoͤlle zu kommen. Jtzo hatt er sich schon bey den aͤußersten Weltgebaͤuden Stuͤrmisch herunter gesenkt. Unermeßliche daͤmmernde Raͤume Thaten vor ihm wie unendlich sich auf. Die nennt er den Anfang Seiner von ihm durchherrschten Bezirke. Hier sah er von ferne Fluͤchtigen Schimmer, so weit die aͤußersten Sterne der Schoͤpfung Noch das unendliche Leere mit matten Strahlen durchirrten. Doch hier sah er die Hoͤlle noch nicht; die hatte die Gottheit Fern von sich und ihren Geschoͤpfen, den seligen Geistern, Weiter hinunter in ewige Dunkelheit eingeschlossen. Denn in unserer Welt, dem Schauplatz ihrer Erbarmung, War kein Raum fuͤr Oerter der Quaal. Der Ewige schuf sie Furchtbar, zum Verderben, zu seinem strafenden Endzweck, Praͤchtig und vollkommen. Jn drey erschrecklichen Naͤchten Schuf er sie, und verwandte von ihr sein Antlitz auf ewig, Jenes, mit welchem er huldreich nach seinen Geschoͤpfen herabsieht. Zween von den heldenmuͤthigsten Engeln bewachten die Hoͤlle. Dieß war Gottes Befehl, da er sie mit maͤchtiger Ruͤstung Segnend umgab. Sie sollten den Ort der dunklen Verdammniß Ewig in seinen Bezirken erhalten, damit nicht Satan Kuͤhn mit seiner verfinsterten Last die Schoͤpfung bestuͤrmte, Und das Antlitz der schoͤnen Natur durch Verwuͤstung entstellte. Wo sie beym Eingang der Hoͤlle mit herrschendem Angesicht sitzen, Von da senkt sich ein strahlender Weg, wie von Zwillingsquellen Ein krystallener Strom, in geradefortlaufender Laͤnge Gegen Der Meßias. Gegen den Himmel gekehrt, nach Gottes Welten hinuͤber, Daß es ihnen in ihrer Entfernung an frommen Vergnuͤgen, Ueber die mannichfaltige Schoͤnheit der Schoͤpfung, nicht fehle. Neben diesem helleuchtenden Wege kam Satan zur Hoͤlle, Und gieng unsichtbar durch die eroͤffneten Hoͤllenpforten. Drauf hub er sich in einem von Schwefel dampfenden Nebel Langsam auf seinen gefuͤrchteten Thron. Jhn sahe kein Auge Unter den Augen, die Nacht und Verzweiflung truͤbe verstellten. Zophiel nur, ein Herold der Hoͤllen, entdeckte den Nebel, Der die erhabenen Stufen hinaufzog, und sagte zu einem, Der gleich neben ihm stand: kehrt Satans oberste Gottheit Etwa zur Hoͤlle zuruͤck? Verkuͤndigt der dampfende Nebel Seine von allen Goͤttern so lange gewuͤnschte Zuruͤckkunft? Jndem, da er noch sprach, so floß der umhuͤllende Nebel Ringsum von Satan; er saß auf einmal mit zornigem Antlitz Fuͤrchterlich da. Gleich eilte der fluͤchtige sclavische Herold Gegen die Feuergebirge, die sonst mit Stroͤmen und Flammen Satans Ankunft dem Abgrund in allen Gegenden kund thun. Zophiel stieg auf Fluͤgeln des Sturms durch die Hoͤlen des Berges Gegen die dampfende Muͤndung empor. Ein feuriges Wetter Machte darauf den ganzen Bezirk der Finsterniß sichtbar. Jeder erblickte den schrecklichen Koͤnig in schimmernder Ferne. Alle Bewohner des Abgrunds erschienen. Die maͤchtigsten eilten Neben ihm auf die Stufen des Throns sich niederzusetzen. Die du entzuͤckt voll Feuer und Ernst nach der Hoͤllen hinabsiehst, Weil du zugleich im Angesicht Gottes Klarheit erblickest, Und Zweyter Gesang. Und Zufriedenheit uͤber sich selbst, wenn er Suͤnder bestrafet, Zeige sie mir, Goͤttinn, doch laß die maͤchtige Stimme Rauschend, wie den Sturmwind, wie Gewitter Gottes, ertoͤnen. Adramelech kam erst, ein Geist, boshafter als Satan Und verdeckter. Noch brannte sein Herz von grimmigem Zorne Wider Satan, daß dieser zuerst den Abfall gewaget; Denn er hatte schon lange bey sich den Abfall beschlossen. Wenn er was that, so that ers nicht, Satans Reiche zu schuͤtzen; Seinentwegen that ers. Seit langen undenkbaren Jahren Hatt er darauf schon gedacht, wie er sich zur Herrschaft erhuͤbe, Wie er Satan von neuem mit Gott zu kriegen bewegte, Oder ihn in den unendlichen Raum auf ewig entfernte, Oder zuletzt, waͤr alles umsonst, durch Waffen bezwaͤnge. Damals schon, als die gefallenen Engel vorm Donnerer flohen, Sann er darauf. Als alle zusammen die Hoͤlle schon einschloß, Kam er zuletzt, und trug vor seinem kriegrischen Harnisch Eine helleuchtende goldene Tafel, und rief durch den Abgrund: Warum fliehen die Koͤnige so? Jn hohem Triumphe Solltet ihr, o Krieger, fuͤr unsre behauptete Freyheit Jn die neue Behausung der Pracht und Unsterblichkeit einziehn! Da der Meßias und Gott den neuen Donner erfanden, Und im Kriegesgeschaͤfte vertieft euch zornig verfolgten, Stieg ich ins Allerheiligste Gottes, da fand ich die Tafel Voll vom Schicksal, das unsre zukuͤnftige Groͤße verkuͤndigt. Sammelt euch! Seht die himmlische Schrift! So redet das Schicksal: Einer Der Meßias. Einer von denen, die Gott als dienstbare Geister beherrschet, Wird, daß er Gott sey, erkennen, er wird den Himmel verlassen, Und mit seinen vergoͤtterten Freunden im einsamen Raume Wohnungen finden. Die wird er zwar erst mit Abscheu bewohnen; Wie der Gott, der ihn vertrieb, eh ich ihm den Weltkreis erbaute, Lange Zeit, dieß war mein Wille, des Chaos Tiefen bewohnte. Aber er soll nur das Reich der Hoͤlle muthig betreten; Denn aus ihr entstehet dereinst ein herrlicher Weltbau. Den wird Satan erschaffen, doch soll er den goͤttlichen Grundriß Selber von mir vor meinen erhabenen Sitzen empfangen. Also saget der Gott der Goͤtter, ich, der ich alleine Alle Bezirke des Raums, mit ihren Goͤttern und Welten, Ringsum, mit meiner vollkommensten Welt, unendlich umgraͤnze! Gott Jehovah, der Ewige, hoͤrte die Stimme der Laͤstrung. Sagt er zu sich: ich bin Jehovah, und ewig mir selbst gleich! Auch der erschuͤtterte Suͤnder ist meiner Herrlichkeit Zeuge! Aber, du Sclave des Elends, sollst sehn, wen du itzo geschmaͤht hast! Alsobald gieng das ernste Gericht vom Angesicht Gottes. Tief in der innersten Hoͤllen erhebt sich ein leuchtender Klumpen Aus dem Flammenmeer, und geht in des Todesmeer unter. Der erhub sich in donnernden Kreisen aus seinen Bezirken, Faßt Adramelech und fuͤhrt ihn ins Meer des Todes. Da wurden Sieben Naͤchte, statt einer; Die Naͤchte lag er im Abgrund. Lange darauf erbaut er der obersten Gottheit den Tempel, Wo er als ihr Priester die goldnen Tafeln des Schicksals Ueber Zweyter Gesang. Ueber die hohen Altaͤre gestellt hat. Hier ehret die Hoͤlle Die dich, Jehova, verwarf, ein unendliches ewiges Unding. Selber Satan erscheinet hier oft, und fraget den Priester, Wegen der Reis ins Unendliche, die er schon vielmal gewagt hat, Doch nicht so weit, als Adramelech aus Herrschsucht es wuͤnschte. Jtzo kam Adramelech vom Tempel, und saß auf dem Throne Mit verborgenem Grimm, bey Satans linker Hand nieder. Drauf kam Moloch, ein kriegrischer Geist, von seinen Gebirgen, Die er, wenn etwa der donnernde Krieger, so nennt er Jehova, Jn die Gefilde der Hoͤlle, sie einzunehmen, herabkaͤm, Sich zu vertheidigen, stolz mit neuen Bergen umthuͤrmt hat, Oft wenn der traurige Tag an des flammenden Oceans Ufern Dampfend hervorsteigt, erblicken ihn schon der Hoͤlle Bewohner, Wie er unter der Last, vom eisernen Rauschen umstuͤrmet, Muͤhsam geht, und sich dem hohen Gipfel des Berges Endlich naͤhert. Und wenn er alsdann die neuen Gebirge Auf die Hoͤh, dem Gewoͤlbe der Hoͤllen entgegen gethuͤrmt hat, Steht er in Wolken, und donnert daraus mit schwerer Arbeit Langsam hervor. Jhn sehen die Seelen der Erdenbezwinger Unten erstaunungsvoll an. Er rauschte von seinen Gebirgen Durch sie gewaltig einher. Sie wichen auf beyden Seiten Schuͤchtern hinweg. Er gieng, von seiner toͤnenden Ruͤstung, Dunkel, wie der Donner von schwarzen Wolken, umgeben. Vor ihm bebte der Berg, und hinter ihm sanken die Felsen Zitternd herab. So gieng er, und kam zum Throne des Satans. Nach Der Meßias. Nach ihm erschien Belielel. Er kam in trauriger Stille Aus den Waͤldern und Auen, wo sich die Baͤche des Todes Dunkel aus nebelndem Quell nach Satans Throne zu waͤlzen. Allda wohnt Belielel. Umsonst ist seine Bemuͤhung, Ewig umsonst, die Gegend des Fluchs nach den Welten des Schoͤpfers Umzuschaffen. Jhm siehst du mit hohem erhabenen Laͤcheln, Ewiger, zu, wenn er den furchtbar brausenden Sturmwind Sehnsuchtsvoll, mit ohnmaͤchtigem Arm, gleich kuͤhlenden Zephyrn, Vor sich am traurigen Bache voruͤber zu fuͤhren bemuͤht ist; Denn der braust unaufhaltsam dahin, die Schrecknisse Gottes Rauschen auf seinen verderbenden Fluͤgeln. Die oͤde Verwuͤstung Bleibt ungestalt im erschuͤtterten Abgrund hinter ihm liegen. Grimmig denkt Belielel an jenen unsterblichen Fruͤhling, Der die himmlische Flur wie ein junger Seraph umlaͤchelt; Jhn will er in den Wuͤsten der Hoͤlle von ferne nachbilden. Doch er ergrimmt, und seufzet vor Wut; die traurigen Auen Liegen vor ihm in entsetzlichem Dunkel unbildsam, und oͤde, Ewig unbildsam, unendliche lange Gefilde voll Jammer. Belielel kam traurig zu Satan. Noch brannt er vor Rachsucht Wider den, der ihn von himmlischen Auen zur Hoͤllen hinabstieß, Und sie, so dacht er, mit jedem Jahrhundert, erschrecklicher machte. Auch du sahest in deinen Gewaͤssern die Wiederkunft Satans, Magog, des todten Meeres Bewohner. Aus brausenden Strudeln Kamst du hervor. Die Meere zerflossen in lange Gebirge, Da sein kommender Fuß die schwarzen Fluthen zertheilte. Magog fluchte dem Herrn, der wilden Laͤsterung Stimme Bruͤllt Zweyter Gesang. Bruͤllt unaufhoͤrlich aus ihm. Seit seiner Verwerfung vom Himmel Flucht er dem Ewigen. Voll von Rachsucht will er die Hoͤlle, Braucht er auch Ewigkeiten dazu, doch endlich vernichten. Jtzo, da er das Trockne betrat; da warf er verwuͤstend Noch ein ganzes Gestade mit seinen Bergen in Abgrund. Also versammelten sich die Fuͤrsten der Hoͤlle zu Satan. Wie die Jnseln des Meers aus ihren Sitzen gerissen, Rauschten sie hoch, unaufhaltsam einher. Der Poͤbel der Geister Floß mit ihnen unzaͤhlbar, wie Wogen des kommenden Weltmeers Gegen den Fuß vorgebirgter Gestade, zum Sitze des Satans. Myriaden von Geistern erschienen. Sie giengen und sangen Eigene Thaten, zur Schmach und unsterblichen Schande verdammet. Unterm Getoͤse vom Donner geruͤhrter entheiligter Harfen Sangen sie. So rauschen in mitternaͤchtlicher Stunde Cedern, die der benachbarte Himmel im Donnerwetter Spaltete, wenn brausend auf ehernen Wagen der Nordwind Ueber sie faͤhrt, und Libanon bebt, und Hermon erzittert. Satan sah und hoͤrte sie kommen. Vor wilder Entzuͤckung Stand er mit Ungestuͤm auf, und uͤbersah sie alle. Fern, beym untersten Poͤbel erblickt er in spoͤttischer Stellung Gottesleugner, ein niedriges Volk. Jhr schrecklicher Fuͤhrer, Gog, war darunter, erhabner als alle von Ansehn und Unsinn. Daß das alles ein Traum sey, ein Spiel verirrter Gedanken, Was sie im Himmel gesehen, Jehova erst Vater dann Richter, Faßten sie leicht, labyrinthisch in waͤhnende Schluͤsse verloren. Satan sah sie mit Hohn; denn mitten in seiner Verfinstrung D Sah Der Meßias. Sah er doch noch, daß der Ewige sey. Bald stand er voll Tiefsinn, Bald sah er uͤberall langsam herum, und setzte sich wieder. Wie auf hohen unwirthbaren Bergen olympische Wetter Langsam und verweilend sich lagern, so saß er, und dachte. Nun that sein Mund sich ungestuͤm auf, und tausend Donner Sprachen aus ihm, da er sprach. Wenn ihrs, o furchtbare Schaaren, Wenn ihrs noch seyd, die mit mir die drey erschrecklichen Tage Auf den himmlischen Ebnen aushielten, so hoͤrt im Triumphe, Was ich euch itzt von meiner Verweilung auf Erden eroͤffne. Doch nicht die Nachricht allein, ihr sollt auch den maͤchtigen Rathschluß, Unsere Gottheit dem Ewgen zur Schmach zu verherrlichen, hoͤren. Eh soll die Hoͤlle vergehn, eh soll der seine Geschoͤpfe, Der, wie man sagt, vor diesem einmal im Chaos gebaut hat, Um sich vernichten, und wieder allein in der Einsamkeit wohnen, Eh er uͤber die sterblichen Menschen die Herrschaft uns raubet. Goͤtter, stets unbesiegt, unsclavisch, die wollen wir bleiben, Wenn er auch gegen uns seine Versoͤhner zu tausenden schickte, Wenn er auch selbst, ein Meßias zu werden, die Erde betraͤte. Doch was erzuͤrn ich mich so? Wer ist der niedre Meßias, Der die erdichtete Gottheit im sterblichen Koͤrper herumtraͤgt, Daß daruͤber die Goͤtter so sinnen, als wenn sie von neuem Hohe Gedanken von ihrer Vergoͤttrung und Schlachten erfaͤnden? Sollte der Ewigen einer, um uns den Sieg zu erleichtern, Aus den Schoͤssen sterblicher Muͤtter, die bald die Verwesung Wird ergreifen, auf uns, die er kennt, zu kaͤmpfen hervorgehn? Das sey ferne! So handelt der nicht, den Satan bekrieget. Zwar stehn einige hier, die vor ihm furchtsam entflohen, Und Zweyter Gesang. Und aus der morschen Behausung gequaͤlter Sterblichen wichen. Furchtsame, zittert vor dieser Versammlung, umhuͤllt euer Antlitz Mit verfinsternder Schaam! die Goͤtter hoͤrens, ihr flohet! Warum flohet ihr so, Elende? Was nanntet ihr Jesum Euer und meiner unwuͤrdig den Sohn des ewigen Gottes? Doch daß ihr wißt, wer er sey, der unter den Jsraeliten Auch gern ein Gott waͤr, so hoͤret von mir des Traͤumers Geschichte. Hoͤre dus auch im hohen Triumphe, Versammlung der Goͤtter. Unter dem Volke der Juden ist seit undenkbaren Zeiten Eine prophetische Sage gewesen; denn unter der Sonne Hat dieß Volk vor allen Geschlechten am meisten getraͤumet. Nach der Prophezeyung entspringt von ihnen ein Heiland, Der sie von ihren umliegenden Feinden auf ewig erloͤset, Und vor allen Voͤlkern ihr Reich zum herrlichsten Reich macht. Auch wißt ihr wohl, daß vor wenigen Jahren von unsrer Gesellschaft Einige kamen und sagten, sie haͤtten auf Tabors Gebirgen Eine Versammlung der Engel gesehn, die haͤtten den Namen, Jesus, unaufhoͤrlich voll Entzuͤckung und Ehrfurcht genennet, Daß die Cedern davon bis in die Wolken erbebten, Daß die Stimmen der Jubellieder die Palmenwaͤlder Ganz durchrauschten, und Jesus allein den Tabor erfuͤllte. Drauf gieng mit uͤbermuͤthigem Stolz, hoch, wie im Triumphe, Gabriel vom Tabor zu der Jsraelitinnen einer, Gruͤßte sie, wie man Unsterbliche gruͤßt, und sagt ihr voll Ehrfurcht, Von ihr sollt ein Koͤnig entstehn, der die Herrschaften Davids Maͤchtig besitzen und Jsraels Erbe verherrlichen wuͤrde. Er hieß Jesus, so sollte sie ihn, den Goͤttersohn, nennen. D 2 Ewig Der Meßias. Ewig sollte die Macht des großen Koͤnigreichs dauern. Dieses vernahmt ihr. Warum erstaunten die Goͤtter der Hoͤlle, Da sie dieß hoͤrten? Jch selber, ich habe viel mehr noch gesehen; Doch mich erschreckt nichts. Jch will euch alles treulich entdecken. Nichts will ich euch verschweigen, damit ihr sehet, wie feurig Sich mein Muth in Gefahren erhebt; finds anders Gefahren, Wenn sich auf unserer Welt ein sterblicher Traͤumer vergoͤttert. Jch war auf Erden, und wartete dort auf des goͤttlichen Knabens Hohe Geburt. Jtzt wird aus deinem Schoße, Maria, Dacht ich, der Goͤttliche kommen. Geschwinder als fliegende Blicke, Schneller noch als die Gedanken der Goͤtter vom Zorne befluͤgelt, Wird er gen Himmel erwachsen. Jtzt deckt er in seiner Erhoͤhung Mit dem einen Fuße das Meer, mit dem andern den Erdkreis. Jtzt waͤgt er in der erschrecklichen Rechte den Mond und die Sonne, Jn der Linken die Morgensterne. Da koͤmmt er und toͤdtet! Mitten in Stuͤrmen, die er aus allen Welten herbeyrief, Rauscht er zum Sieg unaufhaltsam daher. Ach fliehe nur, Satan! Fliehe! damit er dich nicht mit seinem allmaͤchtigen Donner Ungestuͤm fasse, bis du durch tausend Erden geworfen, Sinnlos bezwungen, ja todt, im Unermeßlichen liegest. Seht, so dacht ich, ihr Goͤtter; allein ihm gefiel es noch itzo, Daß er ein Mensch blieb, ein weinendes Kind, wie die Soͤhne der Erde, Die schon bey ihrer Geburt um ihre Sterblichkeit weinen. Zwar sang um seine Geburtszeit ein Chor der himmlischen Geister. Denn sie kommen bisweilen hernieder, die Erde zu sehen, Wo wir herrschen; da Huͤgel der Todten und Gruͤfte zu sehen, Wo vordem Paradiese nur stunden: dann kehren sie thraͤnend, Und Zweyter Gesang. Und sich zu troͤsten, mit feyrenden Liedern gen Himmel zuruͤcke; Also war es auch itzt. Sie eilten, und ließen den Knaben, Oder hoͤrt ihrs so lieber, die weinende Gottheit, alleine. Drauf entfloh er vor mir, ich ließ ihn immer entfliehen. Einen so furchtsamen Feind zu verfolgen, war meiner nicht wuͤrdig. Unterdeß ließ ich, nicht muͤßig zu seyn, durch meinen Erwaͤhlten, Meinen Koͤnig, und Opferpriester Herodes, zu Bethlem Saͤuglinge wuͤrgen. Das rinnende Blut, der Sterbenden Winseln, Und die Verzweiflung untroͤstbarer Muͤtter, der Ausfluß der Leichen, Der, mit Seelen vermischt, mir wallend entgegendampfte, Waren fuͤr meine befriedigte Gottheit ein liebliches Opfer. Wandelt nicht dort der Schatten Herodes? Verworfene Seele, War ichs nicht selbst, der in dir den Gedanken, die Bethlehemiten Umzubringen, erschuf? Kann etwa des Himmels Bewohner Seiner Bildungen muͤhsames Werk, die unsterblichen Seelen, Vor mir beschuͤtzen, daß ich sie mit meiner verborgnen Begeistrung Nicht umschatte, und uͤber sie nicht zum Verderben mich breite? Ja, Verlaßner, dein klagendes Winseln, dein banges Verzweifeln, Und der Seelen Geschrey, die du sonst noch unschuldig erwuͤrgtest, Daß sie suͤndigend starben, und dir, und der Vorsehung fluchten, Jst nun deinem befriedigten Gott auch ein liebliches Opfer. Als er starb, versammelte Goͤtter, da kehrte der Knabe Aus Aegyptens Gefilden zuruͤck. Die Jahre der Jugend Bracht er im Schoße der zaͤrtlichen Mutter, in weicher Umarmung Unbekannt zu. Kein jugendlich Feuer, kein edles Erkuͤhnen Trieb ihn zu Unternehmungen an, sich furchtbar zu machen. Doch, ihr Goͤtter, im einsamen Wald, am oͤden Gestade, D 3 Wo Der Meßias. Wo er oft war, da hat er vielleicht auf Dinge gesonnen, Die, aus schrecklicher Ferne, der Hoͤlle den Untergang drohen, Und die von uns verneuerten Muth und Wachsamkeit fordern? Seht, dieß glaubt ich vielleicht, haͤtt er sich mit tiefen Geb’anken Mehr beschaͤfftigt, als mit der Betrachtung der Blumen und Felder Und der Kinder um ihn, und mit dem sclavischen Lobe Deß, der ihn mit den Wuͤrmern aus niedrigem Staube gemacht hat. Ja, ich waͤre vor Ruh und langer Musse vergangen, Haͤtte mir nicht der Menschen Geschlecht stets Seelen geopfert, Die ich, vorm Himmel voruͤber, hieher zur Bevoͤlkerung sandte. Endlich schien es, als sollt er auch einmal merkwuͤrdiger werden. Gottes Herrlichkeit kam, als er einst am Jordan herumgieng, Praͤchtig vom Himmel. Sie hab ich mit diesen unsterblichen Augen Selbst am Jordan gesehn; kein Bild, kein himmlisches Blendwerk Hat mich getaͤuscht; sie wars, wie sie vom Throne des Himmels Durch die langen anbetenden Reihen der Seraphim wandelt. Aber, warum, und ob sie, dem Erdenkinde zu Ehren, Oder um unsere Wachsamkeit auszuforschen, herabstieg, Dieß weis ich nicht. Zwar hoͤrt ich dabey gewaltige Donner, Donner mit dieser Stimme vermengt: das ist mein Geliebter Und mein Sohn, der mir innig gefaͤllt! Der war wohl Eloa, Oder sonst einer vom Throne, der, mich zu verwirren, dieß ausrief. Gottes Stimme wars nicht; zum mindsten klang sie viel anders, Als er uns Goͤttern vordem den Sohn der Ewigkeit aufdrang. Auch war ein finstrer Prophet dabey, der dort in der Wuͤste Menschenfeindlich die Felsen durchirrt; der rief ihm entgegen: Siehe das Lamm Gottes, das der Erden Suͤnde versoͤhnet! Der Zweyter Gesang. Der du von Ewigkeit bist, der du lange schon vor mir gewesen, Sey mir gegruͤßt! Aus dir, o du der Erbarmungen Fuͤlle! Nehmen wir Gnad um Gnade. Durch Mosen gab Gott die Gesetze, Aber durch den Gesalbten des Herrn koͤmmt Wahrheit und Gnade. Jst das nicht hoch und prophetisch genug? So ist es, wenn Traͤumer Traͤumer besingen, da bauen sie sich ein heiliges Dunkel. Und ach! die armen unsterblichen Goͤtter sind viel zu geringe, Bis ins innre Gebaͤu der Geheimnisse durchzuschauen. Will er uns nicht den hohen Meßias, den Koͤnig des Himmels, Jenen Donnerer Gottes, der in der gewaltigen Ruͤstung Wider uns stritt, bis wir die neuen Welten erreichten, Unsern wuͤrdigen Feind und erhabenen Widersacher, Will er den nicht in jene Gestalt, die wir toͤdten, verkleiden? Zwar er selber, das Erdengeschoͤpf, von dem der Prophet traͤumt, Duͤnkt sich nicht wenig zu seyn. Bald hat er die Todten erwecket, Die doch der Ewige muͤhfam, ja muͤhsam, sonst thaͤt ers wohl oͤfters! Seine veraltete Macht nicht ganz zu vergessen, erwecket. Bald will er gar das ganze Geschlecht der sterblichen Menschen Von der Suͤnd und vom Tode befreyn: von der Suͤnde, die allen Eingepflanzt ist, und immer empoͤrend und ungestuͤm immer Gott in ihren unsterblichen Seelen entgegen sich auflehnt, Unbezwingbar der sclavischen Pflicht: auch vom Tode, der alle, Der das ganze Geschlecht, so oft wir ihm winken, durchwuͤrget, Will er sie alle befreyn; euch auch, verworfene Seelen, Die ich seit der Schoͤpfung zu mir, wie den Ocean, sammle, Wie die Gestirne, wie Gott die anbetenden sclavischen Saͤnger; Ja, euch auch, die die ewige Nacht im Abgrunde quaͤlet, D 4 Und Der Meßias. Und in der Nacht ein strafendes Feuer, im Feuer Verzweiflung, Jn der Verzweiflung ich! euch will er vom Tode befreyen. Wir, wir werden alsdann, der Gottheit uneingedenk, sclavisch Vor ihm liegen, vor ihm, dem neuen vergoͤtterten Menschen. Was der mit dem allmaͤchtigen Donner nie von uns erzwinget, Wird der aus des Todes Bezirk unbewaffnet vollenden. Armer Verwegner! befreye dich erst, dann erwecke die Todten. Er soll sterben, ja sterben! er, der das Geschlechte der Menfchen Eigenmaͤchtig vom Tode befreyte. Dich leg ich in Staub hin Bleich und entstellt, in den Staub der Todten! dann will ich den Augen, Die nicht sehen, die Dunkel und Nacht nun ewig umnebeln, Sagen: ach seht, da erwachen die Todten; dann will ich den Ohren, Die nicht hoͤren, die ewig dem Ton die Unfuͤhlbarkeit zuschließt, Sagen: ach hoͤrt! Es rauschet das Feld, die Todten erwachen. Und der Seele will ich, wenn sie zur Hoͤllen entfliehet, (Denn sie soll noch von mir, und von Todesquaalen erschuͤttert, Suͤndigen und Gott schmaͤhn; so grausam will ich ihn toͤdten!) Dann will ich ihr, wenn sie flieht, wenn sie im furchtbaren Sturme Gottes Verfolgungen treiben, mit donnernder Stimme nachrufen: Eile, die du siegtest, ja eil in deinem Triumphe! Dich erwartet ein praͤchtiger Einzug, die Pforten der Hoͤlle Thun vor dir einladend sich auf! Dir jauchzet der Abgrund! Gegen dich wallen in feyrenden Choͤren die Seelen und Goͤtter! Doch du laͤßt ja die Gottheit zuruͤck! Jsts etwa der Leichnam, Der sie noch deckt? oder eilt sie vielleicht ungesehen gen Himmel? Gott muß entweder itzt, da ich hier bin, den fliehenden Erdkreis Mit ihm und dem Geschlechte der Menschen gen Himmel erheben: Oder Zweyter Gesang. Oder ich fuͤhr es hinaus, was ich maͤchtig bey mir beschlossen. Er soll sterben! So wahr ich des Todes Erhalter und Schoͤpfer Unbesiegt die Zukunft der Ewigkeiten durchlebe. Er soll sterben! Bald will ich von ihm den Staub der Verwesung Auf dem Wege zur Hoͤlle, vorm Antlitz des Ewigen, ausstreun. Seht den Entwurf von meiner Entschließung. So raͤchet sich Satan! So sprach Satan. Die Hoͤlle blieb noch vor Verwunderung stille. Unten am Throne saß einer einsiedlerisch, finster und traurig, Seraph Abdiel Abbadona. Er dachte der Zukunft Und dem Vergangnen voll Seelenangst nach. Vor seinem Gesichte, Aus dem ein truͤbes entsetzliches Dunkel mit Schwermuth hervorbrach, Sah er nur Quaalen auf Quaalen gehaͤuft in die Ewigkeit eingehn. Jtzo erblickt er die vorigen Zeiten; da war er voll Unschuld Jenes erhabenen Abdiels Freund, der am Tage des Aufruhrs, Nach dem Meßias, im Himmel die groͤßten Thaten vollfuͤhrte; Denn er kehrte zu Gott allein und unuͤberwindlich Wieder zuruͤck. Mit ihm, dem edelmuͤthigen Seraph, War schon Abbadona den Blicken der Feinde Gottes Fast entgangen: allein die Kriegeswagenburg Satans, Die, im Triumph sie wieder zu holen, schnell um sie herum kam, Und der gewaltig einladende Lerm der Kriegesposaunen, Und die Heldenschaar, jeder ein Gott, vor ihm ausgebreitet, Uebermannten sein Herz, und rissen ihn stuͤrmisch zuruͤcke. Hier noch wollt ihn sein Freund mit Blicken drohender Liebe Fortzueilen bewegen, allein von kuͤnftiger Gottheit Trunken und umnebelt sah er die sonst maͤchtigen Blicke D 5 Sei- Der Meßias. Seines Freundes nicht mehr. Er kam im Triumphe zu Satan. Jammernd und in sich verhuͤllt, denkt er an diese Geschichte Seiner heiligen Jugend, und an den lieblichen Morgen Seiner Geburtszeit zuruͤck; der Ewige schuf sie auf einmal. Damals besprachen sie sich mit angebohrner Entzuͤckung Unter einander: ach, Seraph, was sind wir? Woher, mein Geliebter? Sahst du zuerst mich? Wie lange bist du? Ach, sind wir auch wirklich? Komm, umarme mich, goͤttlicher Freund, erzaͤhle, was denkst du? Jndem kam die Herrlichkeit Gottes aus lichtheller Ferne Segnend einher. Sie sahen um sich nicht zu zaͤhlende Schaaren Neuer Unsterblichen wandeln. Ein wallend silbern Gewoͤlke Hub sie zum Ewigen auf: sie sahn ihn, und nannten ihn, Schoͤpfer. Diese Gedanken zermarterten Abbadona, sein Auge Floß von jammernden Thraͤnen. So floß von Bethlehems Bergen Rinnendes Blut, da die Saͤuglinge starben. Er hatte den Satan Schauernd gehoͤrt, doch ermuntert er sich, und erhub sich, zu reden. Dreymal seufzt er noch, eh er was sprach. Wie in blutigen Schlachten Bruͤder, die sich erwuͤrgt, und, da sie sterben, sich kennen, Neben einander aus roͤchelnder Brust ohnmaͤchtig erseufzen. Drauf fieng er an und sprach: ob mir gleich diese Versammlung Ewig entgegen seyn wird, ich wills nichts achten, und reden! Reden will ich, damit des Ewigen schwere Gerichte Nicht so ungestuͤm uͤber mich kommen, wie uͤber dich, Satan! Ja, ich hasse dich, Satan, dich haß ich, Verruchter! Dieß Wesen Diesen unsterblichen Geist, den du dem Schoͤpfer entrissest, Fordr er, dein Richter, auf ewig von dir! Ein unendliches Wehe Schreye die ganze Versammlung der Geisterwelt, die du verfuͤhrt hast! Ueber Zweyter Gesang. Ueber dich, Satan! Jch habe kein Theil an dir, ewiger Suͤnder, Gottesleugner! kein Theil, an deiner finstern Entschließung, Gott den Meßias zu toͤdten. Ach! wider wen redest du, Satan? Wider den, der, wie du selbst zu bekennen gezwungen bist, furchtbar Maͤchtiger, als du, ist? Jst fuͤr die sterblichen Menschen Eine Befreyung vorhanden, du wirst sie nicht hintertreiben! Du willst den Leib des Meßias, den willst du, Satan, erwuͤrgen? Kennest du ihn nicht mehr? Hat sein allmaͤchtiges Donnern Dich nicht genug an dieser verwegnen Stirne bezeichnet? Oder kann sich Gott nicht vor uns Ohnmaͤchtigen schuͤtzen? Wir, die die Menschen zum Tode verfuͤhrten; ach wehe mir, wehe! Jch that es auch! Wir wollen uns nun an ihrem Erloͤser Wuͤtend vergreifen? Den Sohn, den Donnergott, wollen wir toͤdten? Ja, den Zugang zu einer vielleicht zukuͤnftigen Rettung, Oder, zum mindsten zur Lindrung der Quaal, den wollen wir ewig Uns, so vielen vordem vollkommnen Geistern, verschließen? Satan! so wahr wir alle die Quaal nur gewaltiger fuͤhlen, Wenn du diese Behausung der Nacht und der dunkeln Verdammniß Koͤniglich nennst, so wahr kehrst du mit Schande belastet, Statt des Triumphs, von Gott und seinem Meßias zuruͤcke! Satan hoͤrt ihn voll grimmiger Ungeduld also reden. Jtzt wollt er auf ihn donnern, allein die schreckliche Rechte Sank ihm zitternd im Zorne dahin, er stampft und erbebte. Dreymal bebt er vor Wut, dreymal sah er Abbadona Unge- Der Meßias. Ungestuͤm an, und schwieg. Sein Auge ward dunkel vor Grimme, Jhn zu verachten, ohnmaͤchtig; doch Abbadona blieb ernsthaft Und unerschrocken vor ihm mit traurigem Angesicht stehen. Aber Gottes, der Menschen, und Satans Feind, Adramelech Sprach: aus finstern Wettern will ich mit dir reden, Verzagter, Dir soll ein Ungewitter die Antwort entgegen donnern! Darfst du die Goͤtter so schmaͤhn? Darf einer der niedrigsten Geister Wider Satan und mich aus seiner Tiefe sich ruͤsten? Wirst du gepeinigt, so wirst du von deinen niedern Gedanken, Sclave, gepeinigt! Entfleuch, Verzagter, aus diesen Bezirken Unsrer Herrschaft, wo Koͤnige sind! Entfleuch in die Tiefe, Laß dir von deinem Allmaͤchtigen dort ein Quaalenreich bauen! Allda bring die Unsterblichkeit zu! Doch du stuͤrbest wohl lieber! Stirb denn, vergeh, anbetend und sclavisch gen Himmel gebuͤcket! Der du mitten im Himmel dein Goͤtterwesen erkanntest, Und dem berufnen Allmaͤchtigen kuͤhn, mit heiligem Zuͤrnen, Widerstandest, zukuͤnstiger Schoͤpfer unzaͤhlbarer Welten, Komm, Gott Satan, wir wollen den kleinen niedrigen Geistern Unsern furchtbaren Arm durch Unternehmungen zeigen, Die, wie ein Wetter, auf einmal sie blenden und niederschlagen! Komm! Labyrinthe verborgener List, zum Verderben verwirret, Zeigen sich mir! Der Tod ist darinn. Kein oͤffnender Ausgang Und kein Fuͤhrer soll ihn den Labyrinthen entreißen. Doch entfloͤh er auch unserer List, gaͤbst du im Olympus, Uns zu entrinnen, ihm Goͤtterverstand: so sollen im Grimme Feurige Zweyter Gesang. Feurige Wetter ihn schnell vor unsern Augen verderben! Wie die Wetter, womit wir vordem den Geliebtesten Gottes, Seinen gluͤckseligen Job, vorm Antlitz des Himmels bestritten. Fleuch, fleuch, Erde, wir kommen mit Tod und Hoͤlle bewaffnet! Wehe dem, der auf unserer Welt sich wider uns auflehnt! Also sprach Adramelech. Nun fiel die ganze Versammlung Satan auf einmal mit Ungestuͤm bey. Gleich stuͤrzenden Felsen Stampft ihr gewaltiger Fuß, daß die Tiefe darunter erbebte. Jauchzend und stolz auf kuͤnftigen Sieg erregten sie um sich Ein entsetzlich Getoͤse von Stimmen. Die giengen vom Aufgang Bis zum Niedergang hin; der Satane ganze Versammlung Willigt darein, den Meßias zu toͤdten. Dergleichen That sahe Seit der Schoͤpfung die Ewigkeit nicht. Jhr unselger Erfinder, Satan, und Adramelech, voll Rachsucht und grimmigen Tiefsinns, Stiegen vom Throne. Die Stufen ertoͤnten, wie eherne Berge, Da sie giengen. Ein lauter zum Sieg empoͤrender Zuruf Leitete sie jauchzend bis zu den Pforten der Hoͤlle. Abbadona, (der einzige war unbeweglich geblieben,) Folgte von fern, entweder sie noch von der Bosheit zu wenden, Oder den Ausgang der schrecklichen Thaten mit anzusehen. Jtzo naͤhert er sich mit saͤumendem Schritte den Engeln, Die die Pforte bewachten. Wie war dir, Abbadona? Da du Abdiel hier, den unuͤberwindlichern, sahest! Seuf- Der Meßias. Seufzend schlug er sein Angesicht nieder. Jtzt wollt er zuruͤckgehn, Jtzo wollt er sich naͤhern, dann wollt er verlassen und schuͤchtern Jns Unermeßliche fliehen; allein noch blieb er mit Zittern Wehmuthsvoll stehn. Nun faßt er sich ganz auf einmal zusammen, Gieng auf ihn zu. Jhm klopste sein Herz mit maͤchtigen Schlaͤgen; Stille, den Engeln nur weinbare Thraͤnen bedeckten sein Antlitz; Seufzer aus tiefer erbebender Brust; ein langsamer Schauer, Sterbenden selbst unempfindbar, erschuͤtterten Abbadona, Jndem er gieng. Doch Abdiels ruhig eroͤffnetes Auge Schaut unverwandt nach der Welt des Schoͤpfers, dem er getreu blieb; Jhn sah es nicht. Wie die Sonn in der Jugend, wie Fruͤhlingstage, Die in den Schoß der kaum erschaffnen Erde sich senkten, Glaͤnzte der Seraph, doch nicht fuͤr den traurigen Abbadona. Dieser gieng fort, und seufzte bey sich verlassen und einsam: Abdiel, mein Bruder, du willst dich mir ewig entziehen! Ewig willst du mich ferne von dir in der Einsamkeit lassen! Weinet um mich, ihr Kinder des Lichts! Er liebt mich nicht wieder, Ewig nicht wieder, ach weinet um mich! Verbluͤhet, ihr Lauben, Wo wir von Gott und unserer Freundschaft uns zaͤrtlich besprachen! Himmlische Baͤche, versiegt, wo wir, in suͤßer Umarmung, Gottes des Ewigen Lob mit reiner Stimme besangen! Abdiel, mein Bruder, der ist mir auf ewig gestorben! Du mein finsterer Aufenthalt, Hoͤlle, du Mutter der Quaalen, Ewige Nacht, beklag ihn mit mir! Ein naͤchtliches Jammern Stei- Zweyter Gesang. Steige, wenn mich Gott schreckt, von deinen Bergen herunter. Abdiel, mein Bruder, der ist mir auf ewig gestorben! Also jammert er seitwaͤrts gekehrt. Drauf stand er am Eingang Jn die Welten. Jhn schreckte der Glanz und gefluͤgelte Donner Gegen ihn wandelnder Orionen. Er sahe die Welten Weil er sich stets, in sein Elend vertieft, in Einsamkeit einschloß, Seit Jahrhunderten nicht. Er stand betrachtend, und sagte: Seliger Eingang, o duͤrft ich durch dich in die Welten des Schoͤpfers Wiederkehren! Und niemals das Neich der dunkeln Verdammniß Wiederbetreten! Jhr Sonnen, unzaͤhlbare Kinder der Schoͤpfung, War ich nicht schon, da der Ewige rief, da ihr glaͤnzend hervorgiengt, Heller als ihr, da ihr itzt aus der Hand des Schoͤpfers herabkamt? Nun steh ich da in meiner Verfinstrung, verworfen, ein Abscheu Dieser herrlichen Welt! Und ach, du seliger Himmel, Jtzo erbeb ich erst, da ich dich sehe! Dort ward ich ein Suͤnder! Dort stand ich wider den Ewigen auf. Du, unsterbliche Ruhe, Meine Gespielinn im Thale des Friedens, wo bist du geblieben? Ach, an deiner Statt laͤßt mir mein Richter ein traurig Erstaunen Kaum noch uͤber sein Weltgebaͤu zu! O duͤrft ichs nur wagen, Ohne zu zittern, ihn Schoͤpfer zu nennen, wie willig und gerne Wollt ich alsdann den zaͤrtlichen Vaternamen, entbehren, Mit dem ihn seine Getreuen, die Seraphim, kindlich nennen. O du Richter der Welt! dir darf ich Verlorner nicht flehen, Daß Der Meßias. Daß du mit einem Blicke mich nur im Abgrund hier ansaͤhst. Finstrer Gedanke, Gedanke voll Quaal! Und du, wilde Verzweiflung! Wuͤte, Tyranninn, ja wuͤte nur fort! … Wie bin ich so elend! … Waͤr ich nur nicht! … Jch fluche dir, Tag, da der Schoͤpfung Gott sagte: Werde! Da er von Osten mit seiner Herrlichkeit ausgieng! Ja, dir fluch ich, o Tag, da die neuen Unsterblichen sprachen: Unser Bruder ist auch! Du, Mutter unendlicher Quaalen, Warum gebahrest du, Ewigkeit, ihn? Und mußt er ja werden, Warum ward er nicht finster und traurig, der ewigen Nacht gleich, Jn der mit Ungewitter geruͤstet der Donnerer auszieht, Leer von Geschoͤpfen, vom Zorn und Fluche der Gottheit belastet? Aber, ach wider wen redest du hier im verlassenen Abgrund, Laͤstrer! Auf, Sonnen fallt uͤber mich her, bedeckt mich, ihr Sterne, Vor dem grimmigen Zorn deß, der vom Throne der Rache Ewig als Feind und Richter mich schreckt! Du, in deinen Gerichten Ganz Unerbittlicher! ist denn in deiner Ewigkeit kuͤnstig Nichts mehr von Hoffnungen uͤbrig? Ach, wird denn, goͤttlicher Richter, Schoͤpfer, Vater, Erbarmer! … Ach, nun verzweifl ich von neuem, Denn ich habe Jehova gelaͤstert! Jhn hab ich mit Namen, Die ich ohne Versoͤhner nicht nennen darf, angeredet. Jch entfliehe! Schon rauschet von ihm ein allmaͤchtiger Donner Durch das Unendliche furchtbar daher! Doch wohin? - - Jch entfliehe! Also sagt er, und sahe betaͤubt in die Tiefe des Abgrunds. Schaffe da Feuer, ein toͤdtendes Feuer, das Geister verzehre, Gott, Verderber der Wesen, die du ohn ihr Wollen erschufest! Rief Zweyter Gesang. Rief er im Hinabsehn, doch da wurde kein toͤdtendes Feuer. Darum wandt er sich um, und floh in die Welten zuruͤcke. Jtzo stand er ermuͤdet auf einer erhabenen Sonne, Schaute von da in die Tiefen hinab; da draͤngten Gestirne Andre Gestirne, wie gluͤhende Seen. Ein irrender Erdkreis Naͤherte sich, schon dampft er, schon war sein Weltgericht nahe. Auf den stuͤrzte sich Abbadona, mit ihm zu vergehen: Doch er vergieng nicht, und senkte, betaͤubt vom ewigen Kummer, Wie ein gebeinvoller Berg, wo vormals Menschen sich wuͤrgten, Jm Erdbeben versinkt, langsam zur Erde sich nieder. Unterdeß war Satan nebst Adramelech der Erde Auch schon naͤher gekommen. Sie giengen neben einander, Jeder allein, und in sich gekehrt. Jtzt sahe den Erdkreis Adramelech vor sich in ferner Dunkelheit liegen. Das ist sie also, so sagt er bey sich, so draͤngten Gedanken Andre Gedanken, wie Wogen des Meers, wie der Ocean draͤngte, Als er von drey Welten dich, fernes Amerika, losriß; Das ist sie also, die ich, so bald ich Satan entfernet, Oder mich uͤber ihn siegend vor allen verherrlichet habe, Die ich alsdann, als Schoͤpfer des Boͤsen, allein beherrsche! Aber warum nur sie? Warum nicht auch jene Gestirne, Die zu lange schon selig, um mich, durch die Himmel daher gehn? Ja, auch dort soll der Tod von einem Gestirne zum andern Bis an die Graͤnze des Himmels vorm Antlitz des Ewigen toͤdten! E Dann Der Meßias. Dann wuͤrg ich nicht die vernuͤnftigen Wesen, wie Satan, mir einzeln; Nein, zu ganzen Geschlechtern! Die sollen von mir sich in Staub hin Niederlegen, ohnmaͤchtig sich kruͤmmen, und winden, und jammern. Wenn sie sich winden und kruͤmmen und jammern, so sollen sie sterben! Dann will ich hier, oder dort, oder da, triumphirend und einsam Sitzen, und mich umsehn. Die du nun deinen Geschoͤpfen Durch mich zum Grabe geworden, Natur, auf deine Verwesten, Jn dein tiefes unendliches Grab will ich lachend hinabsehn! Auch will ich ihn, wenn er flieht, wenn ihn das Anschaun der Todten Ueberall umringend vom alten Throne vertreibet, Selbst den Ewigen will ich alsdann auch lachend betrachten. Oder gefaͤllts ihm vielmehr im duͤstern Grabe der Welten Neue Geschoͤpfe zu baun, daß ich sie von neuem verderbe: Auch die will ich alsdann, mit eben der Allmacht, wie vormals, Wieder von einem Gestirne zum andern verfuͤhren und toͤdten. Adramelech, das bist du! Doch moͤcht es dir endlich gelingen, Daß du auch das Sterben der Geister erfaͤndest, daß Satan Durch dich vergieng, und von dir verderbt in ein Unding zerfloͤsse! Unter ihm sollst du kein Werk, das deiner nur wuͤrdig ist, enden! Maͤchtiger Geist, der du Adramelech beseelest, erschaffe! Toͤdte die Geister, ich fluche dir, toͤdte sie, oder vergehe! Ja, vergehe, sey lieber nicht mehr, eh du lebst und nicht herrschest! Ja, ich will hingehn, gehn will ich, und alle meine Gedanken Jn mir, wie Goͤtter, versammeln, sie sollen erfinden und toͤdten. Jtzt ist es Zeit, worauf ich seit Ewigkeiten schon dachte, Das Zweyter Gesang. Das zu vollenden. Ja itzo, da Gott von neuem erwachet, Und, wenn Satan nicht irrt, uns einen Erloͤser der Menschen, Unser erobertes Reich uns abzunehmen, herabschickt. Doch er mag immer nicht irren, der Mensch sey der groͤßte Prophete Unter den Propheten seit Adam, er heiße Meßias Oder auch Gott, so soll er nur mir zur Verherrlichung da seyn! Seine Besiegung soll mich vor der ganzen Geisterversammlung Zum Besitze des hoͤllischen Thrones zum wuͤrdigsten machen: Oder, was ich vielmehr von meiner Gottheit erwarte, Was du vielmehr, unsterblicher Adramelech, vollendest, Wenn ich Satan vor ihm noch verderbe, so sey er der Erstling Meiner Besiegten, mit deren Vernichtung mein neues Reich anfaͤngt. Armer Satan, wie schwer wird dirs, den Leib des Meßias Nur zu erwuͤrgen! Erwuͤrg ihn nur! Ja, so kleine Geschaͤffte Laß ich dir, eh du vergehst: ich aber toͤdte die Seele! Die vernicht ich; den sterblichen Staub magst du muͤhsam zerstreuen! Und wenn der Ewige sie vor andern Seelen erwaͤhlte, Wenn er sie, sich zu verherrlichen, schuf: so soll er voll Jammer Um sie in einsamer Ewigkeit klagen! Drey schreckliche Naͤchte Soll er um sie klagen! Wenn er sich ins Dunkle verhuͤllt hat, Soll drey schreckliche Naͤchte kein Seraph sein Angesicht sehen! Dann will ich durch die ganze Natur ein tiefes Geheule Hoͤren, ein tiefes Geheul am dunkeln verfinsterten Throne, Und ein Geheul in der Seelen Gefild, ein Geheul in den Sternen, Da, wo der Ewige wandelt, das will ich hoͤren, und Gott seyn! E 2 Also Der Meßias. Also verlohr sich sein Geist, vom wuͤnschenden Herzen empoͤret, Jn verruchte Gedanken. Gott, der die Zukunft durchschaute, Hoͤrt ihn, und schwieg. Voll ermuͤdenden Tiefsinns blieb Adramelech Unvermerkt auf einer sich um ihn sammelnden Wolke, Starr mit gluͤhender Stirn, die der Grimm durchfaltete, stehen. Doch das Getoͤse der wandelnden Erde, die itzt mit der Nacht kam, Weckte den Verruchten von seinen schwarzen Gedanken. Jtzo gesellt er sich wieder zu Satan. Sie giengen und stuͤrmten Gegen den Oelberg, den Mittler daselbst mit seinen Vertrauten Grimmig zu suchen. So stuͤrzen zween rollend toͤdtende Wagen Jn die Thaͤler, dem ruhigen Feldherrn des Feindes entgegen. Jtzo sandten sie, hoch von himmelnahen Gebirgen, Eherne Krieger; sie rauschen mit eisernem wilden Getoͤse Ueber die Felsen, und krachen, und donnern, und toͤdten von ferne. Also kam Adramelech und Satan zum Oelberg hernieder. Der Der Messias . Dritter Gesang. E 3 Jnhalt des dritten Gesangs. D er Meßias ist noch in den Graͤbern. Die Leiden der Erloͤsung nehmen in seiner Seele zu. Eloa steigt vom Himmel und zaͤhlt seine Thraͤnen. Die Seelen der Vaͤter senden einen Seraph, Selia, aus der Sonne, Jesum zu betrachten, den sie, weil es Nacht ist, nicht mehr sehen. Der Meßias schlaͤft zum letztenmal ein. Selia wird durch die Schutzengel der Juͤnger, die Jesum um den Oelberg suchen, von den Charaktern derselben unterrichtet. Satan erscheint dem Jscharioth unter der Gestalt seines Vaters im Traume. Der Meßias erwacht, und koͤmmt zu den Juͤngern, und redet von ihrer nahen Trennung mit ihnen. Jscharioth, der sich seitwaͤrts verborgen haͤlt, hoͤrt den Meßias, und faͤngt an, die Wirkungen seiner eignen Bosheit und der Eingebungen Satans bey sich zu empfinden. Der Messias . Dritter Gesang. S ey mir gegruͤßt! ich sehe dich wieder, die du mich gebahrest, Erde, mein muͤtterlichLand, die du mich im kuͤhlenden Schoße Einst zu den Schlafenden Gottes begraͤbst, und meine Gebeine Sanft bedeckst; doch dann erst, dieß hoff ich zu meinem Erloͤser, Wenn von ihm mein heiliges Lied zu Ende gebracht ist. Alsdann sollen die Lippen sich erst, die den Menschenfreund sangen, Dann erst sollen die Augen, die seinetwegen vor Freuden Oftmals weinten, sich schliessen; dann sollen erst meine Freunde Und die Engel mein Grab mit Lorbeern und Palmen umpflanzen, Daß, wenn ich einst nach himmlischer Bildung vom Tode erwache, Meine verklaͤrte Gestalt aus stillen Hainen hervorgeh. E 4 Und Der Meßias. Und du, die du zur Hoͤlle mich fuͤhrtest, unsterbliche Muse, Und nun meinen noch bebenden Geist zuruͤcke gebracht hast, Du, die vom goͤttlichen Blick die ernste Gerechtigkeit lernte, Aber auch ihren Vertrauten mit suͤsser Freundlichkeit laͤchelt, Heitre die Seele, die noch von ihren Gesichten umgeben Jnnerlich bebt, mit himmlischem Licht auf, und lehre sie ferner, Jhren erhabnen Versoͤhner, den besten der Menschen, besingen. Jesus war noch allein mit Johannes im Grabmal der Todten. Unter zerstreuten Gebeinen, von Nacht und Schatten umgeben, Saß er, und uͤberdachte sich selber, den Sohn des Vaters, Und den Menschen zum Tode bestimmt. Vor seinem Gesichte Sah er die Suͤnden der Menschen, die alle, die seit der Erschaffung Adams Kinder vollbrachten, auch die, so die schlimmere Nachwelt Suͤndigen wird, ein unzaͤhlbares Heer, Gott fliehend, vorbeygehn. Satan war mitten darinnen, und herrschte. Vom Angesicht Gottes Trieb er, den Suͤnder, das Menschengeschlecht, und versammelt es zu sich, Wie die Ebnen des Meers ein mitternaͤchtlicher Strudel Rings um in sich verschlingt, und immer zum Untergang offen, Unsichtbar unter den Wolken des niedersteigenden Himmels, Alle zu sichre Bewohner des Meers in die Tiefen hinabzieht. Jesus sah die Suͤnden und Satan. Drauf sah er zu Gott auf. Gott, sein Vater, sah auch nach ihm tiefsinnig hernieder. Zwar brach aus seinem erhabenen Blick das ernste Gerichte Langsam hervor; zwar donnerte Gott, und schreckt ihn von ferne. Gleichwohl blieben noch Zuͤge des unaussprechlichen Laͤchelns Jn dem Antlitz voll Gnade zuruͤck. Die Seraphim sagen, Da- Dritter Gesang. Damals habe der ewige Vater die andere Thraͤne Stille geweint. Er weinte die erste, da Adam verflucht ward. Also sahn sie sich an. Jn feyrender Sabbathstille Neigt sich vor ihnen die ganze Natur. Voll Ehrfurcht und wartend Bleiben die Welten stehn, und, auf beyder Anschaun gerichtet, Geht der betrachtende Cherub in stillen Wolken voruͤber. Auch kam Seraph Eloa, von himmlischen Wolken umgeben, Zu der Erden herunter, und sah von Antlitz zu Antlitz Den Meßias, und zaͤhlte die menschenfreundlichen Thraͤnen, Alle Thraͤnen, die Jesus weinte. Drauf stieg er gen Himmel. Als er hinaufstieg, erblickt ihn Johannes. Jhm oͤffnete Jesus, Daß er den Seraph erblickte, die Augen. Er sah ihn, und staunte, Und umarmte voll Jnbrunst den Mittler, und nannt ihn mit Seufzern Seinen Erloͤser und Gott, mit unaussprechlichen Seufzern Nannt er ihn so, und blieb bey ihm in suͤßer Umarmung. Aber die uͤbrigen Eilfe, die Jesum schon lange nicht sahen, Giengen im Dunkeln am Fuße des Oelbergs, und suchten ihn traurig. Außer einem, der Jesum, wie sie, nicht mehr zaͤrtlich verehrte, Waren sie Maͤnner voll Unschuld. Die Goͤttlichkeit ihrer Herzen Kannten sie nicht. Gott kannte sie besser. Er schuf sie zu Seelen, Welche dereinst des Ewigen Offenbarungen schauten. Doch nicht jener zugleich, der, der himmlischen Juͤngerschaft unwerth, Jesum verrieth. Er konnte sie schaun, verrieth er nicht Jesum. Jhnen wurden schon, eh sie der Leib der Sterblichkeit einschloß, Neben den Stuͤlen der vier und zwanzig Aeltsten im Himmel Goldene Stuͤle gesetzt; doch einer der goldenen Stuͤle E 5 Ward Der Meßias. Ward einst mit Wolken bedeckt, bald aber entflohen die Wolken, Und ein lichtheller ewiger Glanz gieng wieder vom Stuhl aus. Damals rief Eloa und sprach! Er ist ihm genommen, Und ist einem andern gegeben, der besser, als er ist! Jhre Beschuͤtzer, zwoͤlf Engel der Erde, die unter der Aufsicht Gabriels stehn, erhuben sich itzt auf die Hoͤhen des Oelbergs, Und betrachteten da mit freundschaftsvollem Vergnuͤgen Unsichtbar ihre Gespielen, wie sie den goͤttlichen Mittler Ueberall thraͤnenvoll suchten. Da kam mit fluͤchtigen Schritten Aus der Sonnen ein Seraph, und stund auf einmal bey ihnen. Dieser war einer von Vieren, die gleich nach Uriel herrschen. Selia, war sein Name. Jtzt sprach er also zu ihnen: Sagt mir, himmlische Freunde, wo ist er, in welchen Gefilden Wandelt er itzt, der große Meßias? Die Seelen der Vaͤter Senden mich, ich soll ihn auf allen goͤttlichen Wegen Still begleiten, und jede That der großen Erloͤsung Achtsam bemerken; kein heiliges Wort, kein zaͤrtlicher Seufzer Soll mir von seinem unsterblichen Mund ungehoͤret entfliehen; Himmlische Freunde, kein troͤstender Blick, und keine der Zaͤhren, Jener getreuen der Gottheit und Menschheit so wuͤrdigen Zaͤhren, Soll unangemerkt mir im goͤttlichen Auge sich zeigen. Ach zu fruͤh entziehst du dem Blicke der heiligen Vaͤter, Erde, dein schoͤnstes Gefilde, wo Gott in Huͤllen der Menschheit Wandelt, und das Opfer des großen Mittleramts anfaͤngt! Ach zu fruͤh entfliehst du dem Tag und Uriels Antlitz, Der Dritter Gesang. Der nun ungern und traurig den untersten Welttheil umleuchtet! Dort ist ihnen kein aͤnderndes Thal, kein erwachend Gebirge Angenehm; denn hier wandelt er nicht, der große Meßias! Selia endigte so. Jhm erwiederte Seraph Orion, Simons Schutzgeist: dort unten, wo sich die traurigen Graͤber Oeffnen, und sich sinkend mit des Oelbergs Fuße vertiefen, Dort steht, himmlischer Freund, der hohe Meßias und denket. Selia sah ihn, und blieb unverwandt in stiller Entzuͤckung Stehn. Schon waren mit eilendem Fluͤgel zwo fliehende Stunden Ueber sein Haupt mit der Stille der Nacht voruͤbergeflogen, Als er noch stand. Jndem kam der letzte vertrauliche Schlummer Jn das Auge des Mittlers herab. Die heilige Ruhe Eilte, gesandt von Gott, vom Allerheiligsten Gottes, Auf ihn, mit kuͤhlendem Saͤuseln, in stillen Duͤften hernieder. Jesus schlief. Drauf wandte sich Selia zu der Versammlung, Und trat mitten hinein und sprach vertraulich zu ihnen: Meldet mir, himmlische Freunde, wer sind die Maͤnner dort unten, Die da wandeln, und wie verlassen, und traurig herumgehn? Sehet, ein stiller einnehmender Schmerz deckt ihre Gesichter, Doch entstellt er sie nicht. So druͤcken sich edle Gemuͤther Wehmuthsvoll aus. Sie weinen vielleicht um einen geliebten Und entschlafenen Freund, der ihnen an Tugenden gleich war. Jhm erwiedert Orion: das sind die Heiligen Zwoͤlfe, Selia, die Jesus sich zu Vertrauten erwaͤhlte. Ach, Der Meßias. Ach, wie selig sind wir, daß uns ihr Meister erlesen, Jhre Beschuͤtzer und Freunde zu seyn! Da sehen wir immer, Wie er mit suͤsser geselliger Liebe sich ihnen eroͤffnet, Wie er sie lehrt, wie er bald mit maͤchtigen Reden den Eingang Zu den hohen Geheimnissen zeigt, bald in menschlichen Bildern Dich, unsterbliche Tugend, verklaͤrter und fuͤhlbarer zeiget, Und nach und nach ihr empfindendes Herz zur Ewigkeit bildet. O wie viel erlernen wir da! wie macht uns sein Beyspiel Aufmerksam, und wie reizet er uns, ihm anbetend zu folgen! Selia, solltest du ihn und seinen goͤttlichen Wandel, Und sein edles, des ewigen Vaters so wuͤrdiges Leben Taͤglich sehen, dein Herz zerfloͤß in stiller Entzuͤckung! Auch ist es schoͤn, und klinget auch selbst in unsterblichen Ohren Lieblich, wenn seine Vertrauten von ihm sich zaͤrtlich besprechen. Freund, wie wir uns, so lieben sie ihn. Jch hab es hier oͤfters Jn der Versammlung gesagt, und wiederhol es auch itzo: Vielmals wuͤnsch ich von Adams Geschlecht, ja selber auch sterblich Mit den Menschen zu seyn; wenn anders ohne die Suͤnde Eine Sterblichkeit seyn kann. Vielleicht verehrt ich ihn treuer. Meinen Bruder von eben dem Fleisch und Blute gebohren Liebt ich vielleicht weit bruͤnstiger noch. Mit welcher Entzuͤckung Wollt ich ihn loben; mein schwaches Geseufz, mein sterbendes Stammeln Sollte so harmonisch, wie die hohen Lieder Eloa, Wenn er am Throne vorbeygeht, im Ohre der Gottheit ertoͤnen. Alsdann solltest du, Selia, mir, oder einer von diesen, Sanft Dritter Gesang. Sanft mit unsichtbarer Hand die gebrochnen Augen zudruͤcken, Und die entfliehende Seele zum Thron des Ewigen fuͤhren. Selia sprach: wie ruͤhrest du mich! Wie reizt mich dein Wuͤnfchen, Auch ein Bruder der Menschen zu seyn. Die Maͤnner dort unten Die sind also die heiligen Zwoͤlfe, die Freunde des Mittlers? Welche zu seyn, selbst Seraphim, auch mit der Sterblichkeit, wuͤnschen. Seyd mir gesegnet! Jhr seyd es auch wuͤrdig, Unsterbliche, denn euch Liebt der Erloͤser, wie Bruͤder, ihr werdet auf goldenen Stuͤlen Sitzen, und den Weltkreis mit eurem Koͤnige richten. Seraphim, nennet sie mir! Jch will die Namen auch hoͤren, Die schon lang im Buche des Lebens vorzuͤglicher glaͤnzen. Nennt mir jenen zuerst, der dort mit feurigen Augen Um sich blickt, und im schattichten Walde mit Ungeduld suchet; Jesum vielleicht. Muth, und ein kuͤhnes entschlossenes Wesen Seh ich in seinem Gesicht. Aufrichtig sagt es mir alles, Was vom fuͤhlenden Herzen belebt die Seele gedenket. Dieser ist Simon Petrus, erwiederte Seraph Orion Einer der groͤßten. Mich waͤhlte der Mittler zu seinem Beschuͤtzer. Wie du sagtest, so ist auch mein Freund. Du solltest ihn immer Nebst mir in allem seinen Betragen, in Jesu Gesellschaft, Wenn er inbruͤnstig ihn hoͤrt, auch wenn er am fernen Gestade Von ihm getrennt, und von mir begleitet und von mir begeistert, Schlummert und von Gott traͤumt, da solltest du immer ihn sehen, Seraph, du wuͤrdest sein fuͤhlendes Herz noch goͤttlicher nennen. Juͤngst Der Meßias. Juͤngst als Jesus die Juͤnger befragte, fuͤr wen sie ihn hielten, Sprach er: du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Dieses sagt er, und weinte vor Freude. Wir weinten auch, Seraph, Als er die Worte vor unaussprechlichen Seufzern kaum ganz sprach. Aber ach! haͤtt ich nur nicht selbst aus dem Munde des Mittlers Dieß von Petrus gehoͤrt: Du wirst mich dreymal verleugnen! Traurige Worte, was sagtet ihr mir! Ach Simon, mein Bruder, Hoͤrtest du sie? Und wenn du sie hoͤrtest, was dachte dein Herze? Simon, du sagtest zwar kuͤhn: du wolltest ihn niemals verleugnen, Deinen Erloͤser und Gott! Doch Jesus sagt es noch einmal. Wenn du es wuͤßtest, wie mir mein Herz fuͤr Wehmuth zerfliesset, Wenn ich dran denke, du stuͤrbest viel lieber, als daß du den besten Deinen getreusten unsterblichen Freund unedel verkenntest. Doch du weißt ja, wie Jesus dich liebt. Du sahst ja sein Auge, Das voll goͤttlicher Huld bey diesen Worten dich ansah. Simon Perus, du wirst ihn doch nicht unedel verkennen. Selia hoͤrt ihn. Den Seraph durchdrang ein zaͤrtlicher Kummer. Nein, so sagt er zu ihm, nein, theurer Orion, er wird nicht Seinen getreusten unsterblichen Freund unedel verleugnen! Schau ihn nur an, welch redliches Herz dieß Angesicht ausdruͤckt! Aber, wer ist jener, der dort auf maͤnnlicher Stirne Feuer zur Tugend, und zuͤrnenden Haß der Laster verbreitet, Unerbittlich den sclavischen Suͤndern, die Gott verkennen? Jst er nicht Simons Vertrauter? O wie er sich um ihn beschaͤfftigt! Waͤr er sein Bruder, so koͤnnt er ihm nicht vertrauter begegnen! Sipha, Dritter Gesang. Sipha, sein Engel, nahm itzo das Wort: du irrest nicht, Seraph, Dieser ist Simons Bruder, Andreas. Sie wuchsen zugleich auf, Und Orion, und ich, wir erzogen der Juͤnglinge Seelen Neben einander mit Sorgsamkeit auf. Oft hab ich ihn damals, Wenn mit Zaͤrtlichkeit beyde die bruͤnstige Mutter umarmte, Unvermerkt zu jener vollkommnern Liebe gebildet, Die er dereinst dem großen Meßias heiligen sollte. Als ihm Jesus am Jordane rief, da war er noch einer Von den Juͤngern Johannes. Noch klang ihm die Rede Johannes Von dem kommenden Mittler in seinem aufmerksamen Ohre; Als ihn mit einem durchdringenden Blick, voll segnender Liebe, Jesus berief. Jch hab ihn gesehn, ein goͤttliches Feuer Drang gewaltig in ihn, er flog dem Meßias entgegen! Jtzo sprach, Philippus Schutzgeist, Libaniel, also: Den du dort unten um beyde gesellig und friedsam erblickest, Dieser ist Philippus. Ein menschenfreundliches Laͤcheln Bildet die Zuͤge des stillen Gesichts. Ein treues Bestreben Alle, die Gott zum Bilde sich schuf, wie Bruͤder zu lieben, Jst der geliebteste Trieb in seinem goͤttlichen Herzen. Auch hat sein Schoͤpfer in ihn der suͤßen Beredsamkeit Gaben Reichlich gelegt. Wie von Hermon der Thau, wenn der Morgen erwacht ist, Treufelt, und wie wohlriechende Luͤfte dem Oelbaum entfliessen, Also fliesset die liebliche Rede vom Munde Philippus. Selia sprach weiter: der dort mit langsamen Schritten Unter den Cedern heraufgeht, wer ist der? Auf seinem Gesichte Gluͤth Der Meßias. Gluͤth die edle Begierde nach Ruhm. Da geht er, wie einer Von den unsterblichen, welche der Nachwelt ihre Geschaͤffte Heiligen, und von Enkel zu Enkel unsterblicher werden. Oft bleibt ihr Ruhm nicht auf Erden allein. Unbegraͤnzter und ewig Geht er von einem Gestirne zum andern. Und war ihr Geschaͤffte, Wuͤrdige Lieder von Gott und seinem Meßias zu singen, Seraphim, so wißt ihr, wie wir sie den Himmeln erzaͤhlen. Seraph Adona sprach itzt: Jakobus der Zebedaͤide Jst der, welchen du siehst. Sein edelmuͤthiger Ehrgeiz Jst nur auf goͤttliche Dinge gerichtet. Vor jener Versammlung Aller Menschen, vorm großen Gericht der erwachenden Todten, Durch den Ausspruch des ewigen Ersten und seines Gesalbten Da noch verehrungswuͤrdig zu seyn, ist sein großes Bestreben; Weniger Ehre waͤr Schmach fuͤr seine goͤttliche Seele. Wenn er den Mittler erblickt, so geht er entzuͤckt und befriedigt Jhm entgegen, als gieng er ihm schon am ewigen Throne Jauchzend entgegen. Jch hab ihn gesehn, da auf Tabors Gebirge Gottes Gesandten, Elias und Moses, dem Mittler erschienen. Siehe! der Himmel umzog sich mit hellen umschattenden Wolken. Jesus wurde verklaͤrt. Sein Antlitz war, wie die Sonne, Wenn sie allgegenwaͤrtig und hoch im Mittage glaͤnzet. Seine Bekleidung war silbern, wie Licht. Da eilte Jakobus, Wie ins Allerheiligste Gottes der oberste Priester, Aron, zur Lade des Bundes zu Gott und dem Gnadenstul eilte. Also eilte Jakobus, erfuͤllt von der Ehre des Anschauns, Deß ihn Gott wuͤrdigte, kuͤhn der hohen Erscheinung entgegen. Unter Dritter Gesang. Unter den heiligen Zwoͤlfen ist dieser der Maͤrtyrer Erstling. Also sagen die Tafeln des Schicksals. Jhm ist es bestimmet, Bald im Triumph auf den weiteren Schauplatz der Zukunft zu treten, Und die Begierde des ewigen Geistes unendlich zu stillen. Simon, der Kananite, den du dort sitzend erblickest, Sagte sein Engel, Megiddon, war ehmals ein heiliger Schaͤfer. Jesus rief ihn vom Felde. Sein stilles unschuldiges Wesen, Und die Demuth, mit welcher er ihn voll Einfalt bediente, Wandte das Herz des Erloͤsers ihm zu. Dann da er im Reisen Einst zu ihm kam, so schlachtet er ihm mit sorgsamer Eile Gleich ein jugendlich Lamm, und stand, und dient ihm voll Unschuld, Segnete sich, und die niedrige Huͤtte, wo Gottes Prophet war. Jesus aß so vergnuͤgt, wie er einst im Haine zu Mamre Mit zween Engeln und Abraham aß. Komm, folge mir, Simon, Sagt er zu ihm, laß deinen Gespielen die Heerden der Laͤmmer. Jch bin der, von dem du das Lied der himmlischen Schaaren, Bey dem bethlehemitischen Quell, als ein Knabe, vernahmest. Dort seh ich meinen Geliebten hervorgehn, sprach Seraph Adoram. Schau, Jakobus, der Alphaͤide! Dieß ernste Gesichte, Jst verschwiegene Tugend, die weniger saget, als ausuͤbt. Kennt ihn der Ewige nur, wenn ihn von Nachwelt zu Nachwelt Menschen auch nicht kennten, wenn er uns auch unbekannt bliebe, Dennoch wuͤrd er, vom Ruhm unbelohnt, stets Tugenden uͤben. Umbiel sprach ferner: der dort voll Gedanken und einsam Tief im Walde sich zeigt, ist Thomas, ein feuriger Juͤngling. F Stets Der Meßias. Stets zeugt sein Geist aus Gedanken Gedanken, davon er das Ende Vielmal nicht sieht, wenn sie, wie Meere, vor ihm sich verbreiten. Bald haͤtt er sich im finstern Gebaͤu sadducaͤischer Traͤume Klaͤglich verlohren; allein des Meßias gewaltige Wunder Retteten ihn, er verließ das Bezirk labyrinthischer Jrren, Und kam zu Jesu. Doch wuͤrd ich mich seinentwegen noch oͤfters Zaͤrtlich bekuͤmmern, haͤtt ihm zu dieser denkenden Seele Nicht die Natur ein redliches Herz und Tugend gegeben. Jener ist Matthaͤus, sprach Seraph Bildai, ein Juͤnger, Der, im Schoße beguͤterter Eltern wolluͤstig erzogen, Doch auch zugleich zum niedern Geschaͤffte der Reichen verwoͤhnt ward, Die des unsterblichen Geistes uneingedenk, niemals ersaͤttigt, Wie fuͤr die Ewigkeit sammeln. Allein die maͤchtigen Triebe Seines Geistes erhuben sich bald, da er Jesum erblickte. Jesus rief ihn kaum zu sich, so folgt er, und ließ die Geschaͤffte, Die ihn bisher zur Erde gedruͤckt, den Thieren zuruͤcke. So entreißt sich ein Held der Koͤnige weichlichen Toͤchtern, Wenn ihn der Tod fuͤrs Vaterland ruft. Jns Feld hin, wo Gott steht, Und dem Tode, geruͤstet mit Rache, die Schuldigen zuzaͤhlt, Ruft ihn mehr als ewiger Ruhm, die Stimme der Unschuld. Jhn wird dankbar und froh befreyter Voͤlker Mund ehren, Denn sein Krieg war gerecht. Und bleibt er, mitten im Wuͤrgen, Da noch ein Mensch, so wollen wir ihn vor dem Ewigen singen. Seraph Siona fuhr fort. Der dort mit dem silbernen Haupthaar Jener freundliche Greis, ist Bartholomaͤus, mein Juͤnger. Schau Dritter Gesang. Schau sein frommes einnehmendes Antlitz. Die goͤttliche Tugend Wohnet da gern. Den Sterblichen wird ihr strenges Betragen, Wenn er vor ihnen sie uͤbt, weit liebenswuͤrdiger werden. Du wirst viel zu Jesu versammeln. Sie werden dein Ende Sehen und sich wundern, wenn du im Schweiße des Todes Deinen Moͤrdern und Bruͤdern, gleich jungen Seraphim, laͤchelst. Wischet mit mir, wenn er stirbt, das Blut von seinem Gesichte, Himmlische Kraͤfte, damit sein abschiednehmendes Laͤcheln Alle Versammlungen sehn, und sich zu Jesu bekehren. Jener blasse verstummende Juͤngling, sprach Elim itzt weiter, Jst mein auserwaͤhlter Lebbaͤus. So zaͤrtlich und fuͤhlend, Als die Seele des stillen Lebbaͤus, sind wenig erschaffen. Da ich aus jenem Gefilde sie rief, wo die Seelen der Menschen Vor des Leibes Geburt, sich selbst noch unbekannt, schweben, Fand ich sie im Truͤben naͤchst einer rinnenden Quelle, Die, wie von fern herweinende Stimmen, bangrauschend ins Thal floß. Hier hat einmal, wie die Engel erzaͤhlen, der traurige Seraph, Abbadona geweint, als er einst aus Eden zuruͤckkam, Und das erste Paar Menschen der heiligen Unschuld beraubt sah. Auch wißt ihr wohl, daß Seraphim oft hier die Seelen beklagen, Denen sie Gott zu Vertrauten erkohr, die aber auf Erden Erst die heilige Jugend mit frommer Unschuld bekroͤnen, Dann den Anfang des goͤttlichen Lebens entheiligen werden. Ach, sie wird, vom Laster entstellt, ein schreckliches Ende Nehmen. Sie sinds, um die vor ihrer unselgen Geburtszeit Bruͤderlich, mit Seufzern der himmlischen Freundschaft, mit Thraͤnen, F 2 Men- Der Meßias. Menschen unweinbar, die Seraphim klagen. Hier fand ich die Seele Meines geliebten Lebbaͤus in ruhige Wolken gehuͤllet. Also vernahm sie den traurigen Ton mit schwacher Empfindung Die nun so lang, als das staͤrkre Gefuͤhl der Sinne sie einnimmt, Ausgeloͤscht ist, doch wieder erweckt wird und maͤchtiger wirket, Wenn die Seele mit Lichte bekleidet dem Koͤrper entfliehet. Doch blieb dieses zwar leise Gefuͤhl der traurigen Stimmen Maͤchtig genung, die erste Gestalt der Seele zu bilden. Sie hab ich sanft im Schoße leichtfließender Morgenwolken Bis zur sterblichen Huͤtte gebracht. Die Mutter gebahr ihn, Unter den Palmen. Da kam ich vom Wipfel der rauschenden Palmen Unsichtbar her, und kuͤhlte den Knaben mit lieblichen Luͤften. Aber er weinte schon dazumal mehr, als die Sterblichen weinen, Wenn sie mit dunkler Empfindung den Tod von ferne schon fuͤhlen. Also bracht er bey jeder Thraͤne, die Freunde vergossen, Zaͤrtlich geruͤhrt, beym leichtesten Schmerz der Menschen empfindlich, Seine wehmuͤthige Jugendzeit hin. So ist er bey Jesu Jmmer gewesen. Wie sehr bin ich deinentwegen bekuͤmmert! Wenn der Erloͤser erst stirbt, da wirst du, heiliger Juͤngling, Unter der Last des Elends vergehn. Ach staͤrk ihn, Erloͤser, Staͤrk ihn alsdann, erbarmender Heiland, damit er nicht sterbe. Siehe! dort koͤmmt er selbst, tiefsinnig mit wankenden Schritten, Zu uns herauf, hier kanst du ihn, Seraph, naͤher betrachten, Und von Antlitz zu Antlitz der Seelen zaͤrtlichste sehen. Jndem, als er noch sprach, da trat der stille Lebbaͤus Unter sie hin. Die hohe Versammlung wich ungemerkt seitwaͤrts Vor dem Sterblichen aus. So zertheilen sich Fruͤhlingsluͤfte. Durch Dritter Gesang. Durch der Nachtigall klaͤglichen Ton, wenn sie muͤtterlich jammert. Jtzo umgaben sie ihn, und standen, wie Menschen, voll Liebe, Um ihn herum. Von keinem Geschoͤpf, wie er glaubte, vernommen, Klagte der stille Lebbaͤus, und schlug im zaͤrtlichen Klagen Ueber sein Haupt die Haͤnde zusammen. So find ich ihn nirgends! Schon ist ein trauriger Tag, schon sind zwo Naͤchte verflossen, Daß wir ihn nicht sehen! Ja seine verruchten Verfolger Haben gewiß ihn endlich ergriffen! Jch armer Verlaßner Kann noch leben, da Jesus schon todt ist? Dich haben die Suͤnder Klaͤglich erwuͤrgt, du goͤttlicher Mann! Und ich sah dich nicht sterben! Und ich habe nicht sanft dein goͤttliches Auge geschlossen! Sagt, Verruchte, wo wuͤrgtet ihr ihn? Jn welche Gefilde, Ach! Jn welche veroͤdete Wuͤste, zu welchen Gebeinen Unter den Todten entfuͤhrtet ihr ihn, und nahmt ihm sein Leben? Ach wo liegst du, goͤttlicher Freund? Ja, unter den Todten, Bleich und entstellt, der zaͤrtlichen Huld und des himmlischen Laͤchelns, Aller deiner erbarmenden Blicke von Moͤrdern beraubet, Liegst du! Und dich haben die Deinen nicht sterben gesehen! Ach daß dieses bekuͤmmerte Herz mir nur nicht mehr schluͤge! Daß mein zum Trauren erschaffener Geist, wie dieß duͤstre Gewoͤlke, Tief in die Nacht des Todes entfloͤhe! Daß meine Gebeine Felsen wuͤrden, und ewig hier stumm, und ewig hier einsam Stuͤnden, und ein Denkmal der baͤngsten Traurigkeit wuͤrden! Also klagt er, und sank in Ohnmacht und Schlummer danieder. Elim bedeckt ihn mit Sproͤßlingszweigen des schattenden Oelbaums, Wehte zugleich mit waͤrmenden Luͤften sein starrendes Antlitz F 3 Unsicht- Der Meßias. Unsichtbar an, und goß ihm Leben und ruhigen Schlummer Ueber sein Haupt. Er schlief und sah im heiligen Traume, Durch den Engel, den Mittler vor sich lebendig herumgehn. Selia hieng noch mit thraͤnendem Blick, und zaͤrtlichem Mitleid Ueber ihm, als noch ein Juͤnger gleich gegen ihn uͤber heraufstieg. Nennet mir auch jenen, so sagt er, da koͤmmt er am Berge Zu uns herauf. Jhm faͤllt ein schwarzes lockichtes Haupthaar, Ueber die breiten Schultern herab. Sein ernstes Gesicht ist Voll von maͤnnlicher Schoͤne. Dieß Haupt, das uͤber die Haͤupter Aller Juͤnger hervorragt, vollendet sein maͤnnliches Ansehn. Aber darf ichs wohl sagen, und irr ich nicht, himmlische Freunde? Wenn ich in diesem Zuge des Angesichts Unruh entdecke, Und in jenem nicht edles genung. Nein! er ist ja ein Juͤnger, Und er wird ja mit Jesu dereinst das Weltgericht halten! Doch ihr schweiget, Unsterbliche? Keiner von meinen Geliebten Sagt mir ein Wort? Ach warum schweigt ihr, himmlische Freunde? Hab ich euch etwa betruͤbt, daß ich diesen Juͤnger verkannte? Redet mit mir, ich habe geirrt. Und du, heiliger Juͤnger, Zuͤrne du nicht; ich will, wenn du einst als Maͤrtyrer Gott ehrst, Und im Triumph die Unsterblichen siehst, da will ich den Fehler Durch die zaͤrtlichste Freundschaft vor diesen Seraphim gut thun. Ach! so muß ich denn reden? sprach Seraph Jthuriel seufzend, Und gieng mit klaͤglich gerungenen Haͤnden dem Seraph entgegen, Ach! so muß ich denn reden, mein Freund? Ein ewiges Schweigen Waͤre fuͤr meine Betruͤbniß und deine Beruhigung besser! Doch Dritter Gesang. Doch du willst es, ich red, o Seraph. Jscharioth heißt er, Welchen du siehst. Ja, Seraph, ich wollte nicht uͤber ihn weinen, Ungeruͤhrt wollt ich ihn sehn, unbethraͤnt und ohne Betruͤbniß Wollt ich ihn sehn, und in heiligem Zorne den Strafbaren meiden; Haͤtt ihm nicht Gott ein edles Gemuͤth, und ein tugendhaft Herze, Und in der unentheiligten Jugend viel Unschuld gegeben; Haͤtt ihn nicht selbst der Meßias der Juͤngerschaft wuͤrdig geachtet, Jn der er anfangs auch heilig und fromm und untadelhaft lebte. Aber ach nun! - - Doch ich schweige, mein Leid nicht unendlich zu haͤufen! Ja nun weis ich, warum, da wir uns von den Seelen der Juͤnger Einst vor des Leibes Geburt, vorm Antlitz Gottes, besprachen; Warum damals, auf goͤttliches Winken, Seraph Eloa Traurig herabftieg, und einen der hohen goldenen Stuͤle, Die den heiligen Zwoͤlfen Gott gab, mit Wolken bedeckte. Auch ist Gabriel traurig und mit verhuͤlltem Gesichte Vor mir voruͤbergegangen, als ihn in unseliger Stunde Seine verlassene Mutter gebahr. Waͤrst du nur nicht gebohren! Haͤtte von deiner nun ewigen Seele kein Seraph gesprochen, Armer verlohrner! dieß waͤre dir besser, als daß du den Mittler Und der Juͤnger erhabnen Beruf unedel entheiligst. Seraph Jthuriel sprachs, und blieb mit sinkenden Blicken Traurig vor Selia stehen. Mein ganzes Herz erbebt mir, Und ein truͤbes Dunkel, wie Daͤmmruug, umnebelt mein Auge! Sagt itzt Selia seufzend. Jscharioth, einer der Zwoͤlfe, Und dein Juͤnger, Jthuriel? Was der Unsterblichen keiner Jemals geglaubt, was itzo ihr Mund vor Wehmuth kaum ausspricht! F 4 Der Der Meßias. Der entheiligt der Juͤnger Beruf und den goͤttlichen Mittler? Doch was ist denn sein traurig Verbrechen? Was that der Verlohrne? Das ihn vor Jesu und dir und allen Geistern entehrte. Sag es nur frey, zwar bebt mir mein Herz, doch, Jthuriel, sag es! Seraph, ein heimlicher Haß, ein feindschaftvolles Bestreben, Sprach Jthuriel, hat den ungluͤckseligen Juͤnger Wider den goͤttlichen Mittler empoͤrt. Er hasset Johannes, Weil den Jesus vor allen mit inniger Zaͤrtlichkeit liebet; Und, was er noch vor sich selbst zu verbergen sucht, auch den Erloͤser. Auch sind in einer erschrecklichen Stunde Begierden nach Reichthum Noch dazu in seiner sonst edleren Seele gewurzelt. Denn die kannt ich im Juͤnglinge nicht. Von ihnen verblendet, Glaubt er, nun werde Johannes dereinst vor den uͤbrigen Juͤngern, Und auch besonders vor ihm, im neuen Reiche des Mittlers Schaͤtze, die herrlichsten Schaͤtze, des Reichthums Erstlinge, sammeln! Dieß hab ich oft, wenn er, wie er glaubte, von keinem bemerket, Einsam herumgieng, von ihm aus klagendem Munde vernommen. Einst als er auch, (dieß schreckliche Bild wird mir ewig vor Augen Schweben, und ewig mein Herz mit stillem Kummer erfuͤllen!) Einst, als er auch im Thale Benhinnon voll Unruh dieß sagte, Und in Wuͤnsche voll Bosheit bey seiner Beschuldigung ausbrach; Als ich dabey, wie untroͤstbar und wehmuthsvoll in mich gekehret Stand, und mein Angesicht aufhub, da sah ich, wie Satan vorbey gieng, Und mit bitterm Gespoͤtt und triumphirendem Laͤcheln Von Jscharioth kam, und stolz mitleidig mich ansah. Jtzt ist sein Herz dem Zugang des Lasters so bloß und eroͤffnet, Daß Dritter Gesang. Daß ich fuͤr jeden Gedanken, fuͤr jede Bewegung des Herzens Jnnig besorgt bin, daß sie zum schnellen Verderben ihn fuͤhren. Gott! Daß deine gefuͤrchtete Hand itzt im Abgrunde Satan Mit diamantenen Ketten der tiefsten Finsterniß hielte Daß die unsterbliche Seele, die du, erhabner Meßias, Auch zu deiner Ewigkeit schufst, von ihrer Verirrung Wiederzukehren die theuren Minuten noch lange genoͤsse! Daß sie, wuͤrdig der hohen Geburt und der schaffenden Stimme, Mit der sie Gott zur Unsterblichkeit rief, und zur Juͤngerinn weihte, Jhrem ergrimmten Verderber unuͤberwindlich und furchtbar, Gleich dem muthigsten Seraph, mit Heiligkeit widerstuͤnde! Theurer Seraph, was sagt denn der Mittler, sprach Selia ferner, Ach was sagt denn der goͤttliche Mittler von seinem Verlohrnen? Kann er den Verruchten vor seinem Gesichte noch sehen? Liebt er ihn noch? Und wenn er ihn liebt, wie entdeckt er sein Mitleid? Selia, du zwingst mich, ich muß dir alles entdecken, Was ich so gern vor mir selbst, vor dir, und den Engeln verbuͤrge. Jesus liebt den Unwuͤrdigen noch. Voll sorgsamer Liebe, Zwar mit Worten nicht, aber mit Blicken der goͤttlichsten Freundschaft, Sagt er ihm juͤngst, bey einem zufriednen vertraulichen Mahle, Vor der Versammlung der Juͤnger, er sey es, er werd ihn verrathen. Theurer Seraph, er wird ihn verrathen! Der Strafbare fuͤhlte Jesu erbarmende Blicke nicht mehr. Er wird ihn verrathen! Selia, siehe, da koͤmmt er herauf. Jch will den Verruchten Ferner nicht sehn, komm mit mir. Jthuriel sagt es, und eilte. Selia folgte betruͤbt. Johannes zweyter Beschuͤtzer, F 5 Salem, Der Meßias. Salem, ein himmlischer Juͤngling, begleitete beyde von ferne. Jesus gab dem geliebten Johannes zween heilige Waͤchter, Raphael, einer vom Throne, der hohen Seraphim einer, Und aus Gabriels Ordnung, der ward sein erster Beschuͤtzer. Selia, und Jthuriel giengen beyde zu Jesu Jn die Graͤber. Da trat mit erheitertem Angesicht Salem Unter sie hin, und blickte sie an, und umarmte sie zaͤrtlich. Frohe besaͤnftigte Zuͤge verklaͤrten das Angesicht Salems, Und ein jugendlich Laͤcheln umfloß die unsterbliche Stirne, Da, wie die Pforten des lieblichen Morgens im Fruͤhling sich oͤffnen, Sich sein heiliger Mund voll suͤßer Beredsamkeit aufthat, Und von seinen Lippen die Stimme sanfttoͤnend herabfloß: Seraph, beruhige dich, der dort in den Graͤbern bey Jesu, Jener ist Johannes der liebenswuͤrdigste Juͤnger. Schau ihn nur an, bald wirst du nicht mehr an Jscharioth denken! Heilig, wie ein Seraph, ja wie der Unsterblichen einer, Lebt er beym Meßias, der sein Herz vor allen ihm oͤffnet, Der ihn, mit goͤttlicher Huld, sich zum vertrautesten waͤhlte: Wie die Freundschaft des hohen Eloa und Gabriels Freundschaft: Oder wie Abdiels Liebe zu Abbadona gewesen, Als er mit ihm in anerschaffener Unschuld noch lebte: Also ist Johannes und Jesu goͤttliche Freundschaft. Und er ist es auch wuͤrdig. Noch ward in heiligen Stunden Keine so goͤttliche Seele vom großen Schoͤpfer gebildet, Als die unschuldige Seele Johannes. Jch hab es gesehen, Da die Unsterbliche kam. Sie priesen glaͤnzende Reihen Himmlischer Juͤnglinge selig, und sangen von ihrer Gespielinn: Sey Dritter Gesang. Sey uns gegruͤßt bey deinem Hervorgehn, unsterbliche Freundinn, Heilige Tochter des goͤttlichen Hauchs, komm, sey uns gesegnet! Du bist schoͤn und zaͤrtlich, wie Salem, wie Raphael, himmlisch Und erhaben. Dir werden aus deiner heiteren Fuͤlle, Wie aus der Morgenroͤthe der Thau, die Gedanken gebohren. Und dein menschliches Herz, dein Herz voll zaͤrtlicher Triebe Fließt, wie der Seraphim Auge, das bey Erblickung der Tugend Voller Entzuͤckungen weint, von suͤßen Empfindungen uͤber! Tochter des goͤttlichen Hauchs, vertraulichste Schwester der Seele, Die in ihrer unschuldigen Jugend einst Adam belebte, Komm, wir fuͤhren dich itzt zu deinem Vertrauten, dem Koͤrper, Den die Natur schoͤn bildet, damit du im Laͤcheln, o Seele, Dein holdseliges Wesen vom heitern Angesicht redest. Ja er wird schoͤn seyn, und deinem Leibe, Meßias, gleichen, Den nun bald der goͤttliche Geist zum schoͤnsten der Menschen Bilden wird, zum schoͤnsten vor allen Kindern von Adam. Ach daß dieses dein zartes Gebaͤu in Staub hin sich legen Und verwesen muß! Aber dich wird bey den Todten dein Salem Suchen und auferwecken, und wenn du erwacht bist, verklaͤren! Herrlich nach himmlischer Bildung mit neuer Schoͤnhelt umkraͤnzet, Wird er dich hoch in kommenden Wolken, du Richter der Menschen, Deinem Meßias entgegen, zu seinen Umarmungen fuͤhren. Also sang von meinem Johannes die himmlische Jugend. Salem sagt es, und schwieg. Er und die Seraphim blieben Um Johannes herum, voll suͤßer Zaͤrtlichkeit, stehen. Also stehen drey Bruͤder um eine geliebteste Schwester Zaͤrt- Der Meßias. Zaͤrtlich herum, wenn sie auf weich verbreiteten Blumen Unbesorgt schlaͤft, und in bluͤhender Jugend Unsterblichen gleichet. Ach sie weis es noch nicht, daß ihrem redlichen Vater Seiner Tugenden Ende sich naht. Jhr dieses zu sagen, Kamen die Bruͤder; allein sie sahen sie schlummern, und schweigen. Unterdeß schliefen die uͤbrigen Juͤnger vom Kummer ermuͤdet An den Hoͤhen des Oelberges ein. Der unter dem Oelbaum, Wo er seinen bedeckenden Arm am tiefsten herabließ; Jener im Thal, das sich bey kleinen Huͤgeln versenkte; Dieser am Fuße der himmlischen Ceder, die hoch und erhaben Staud, und mit leisem Geraͤusch vom stillen waldigten Wipfel Schlummer und Thau auf die Ruhenden traͤufte. Viel schliefen in Graͤbern, Welche die Kinder der moͤrdrischen Stadt den Propheten erbauten. Judas Jscharioth war, nicht weit vom stillen Lebbaͤus, Der sein Verwandter und Freund war, aus Ungeduld eingeschlafen. Aber Satan, der seitwaͤrts in einer verborgenen Hoͤle Alles, was die Engel von ihren Juͤngern erzaͤhlten, Angehoͤrt hatte, brach zuͤrnend hervor, und ließ voll Gedanken Zum Verderben erhitzt, sich bey Jscharioth nieder. Also naht sich die Pest in mitternaͤchtlicher Stunde, Schlummernden Staͤdten. Der Tod liegt auf ihren verbreiteten Fluͤgeln An den Mauern, und hauchet um sich verderbende Duͤnste. Jtzo liegen die Staͤdte noch ruhig: bey naͤchtlicher Lampe Wacht noch der Weise; noch unterreden sich goͤttliche Freunde Unter den Rosen des Fruͤhlings beym unentheiligten Weine Von der unsterblichen Dauer der Seelen und ihrer Freundschaft: Aber Dritter Gesang. Aber bald wird sich der furchtbare Tod am Tage des Jammers Ueber sie breiten, am Tage der Quaal und des sterbenden Winselns, Wo mit gerungenen Haͤnden die Braut um den Braͤutigam jammert; Wo nun aller Kinder beraubt die verzweifelnde Mutter Wuͤtend dem Tag, an dem sie gebahr und gebohren ward, fluchet; Wo mit tiefen verfallenen Augen die Todtengraͤber Durch die Leichname wandeln, bis hoch vom truͤben Olympus Mit tiefsinniger Stirn der Todesengel herabsteigt, Und sich umsieht, und alles veroͤdet und still und einsam Sieht, und auf den Graͤbern voll ernster Betrachtungen stehn bleibt. Also kam uͤber Jscharioth Satan zum nahen Verderben, Und ließ einen verfuͤhrenden Traum in sein offnes Gehirne. Schnell empoͤrt er sein klopfendes Herz zu Begierden der Bosheit; Senkte zuerst empfundne Gedanken, voll Feuer und stuͤrmend, Jn die Seele. So wie sich ein Donner in schweflichte Berge Himmelab stuͤrzt, sie entzuͤndt, neue Donner zu sich versammelt, Dann durch die Tiefen, nunmehr ein ganzes Gewitter, sich fortwaͤlzt. Denn der Seraphim hohes Geheimniß, den Seelen der Menschen Edle Gedanken, der Ewigkeit wuͤrdige große Gedanken Einzugeben, war Satan zu seiner groͤßern Verdammniß Annoch bekannt. Zwar kam aus treuer sorgsamer Ahndung Seraph Jthuriel wieder zuruͤck, bey dem Juͤnger zu bleiben. Aber da er wahrnahm, wie uͤber Jscharioth Satan Sich verbreitete, bebt er und stand, und sahe zu Gott auf, Und entschloß sich, vom Schlaf Jscharioth aufzuwecken. Dreymal schwebt er auf Fluͤgeln des Sturms durch brausende Cedern Ueber sein Angesicht hin, gieng dreymal mit maͤchtigen Schritten, Bey Der Meßias. Bey dem Juͤnger vorbey, daß des Bergs Haupt unter ihm bebte. Aber Jscharioth blieb, mit kalten erblassenden Wangen, Wie in toͤdtlichem Schlummer. Der Seraph gieng seitwaͤrts, und seufzte. Jndem erschien dem Juͤnger im Traume sein Vater, und sah ihn Trostlos und kummervoll an, und sprach mit bebender Stimme: Und du schlaͤfst, Jscharioth, hier unbekuͤmmert und ruhig? Und entfernst dich so lange von Jesu, als wenn du nicht wuͤßtest, Daß er dich haßt, und die uͤbrigen Juͤnger dir insgesammt vorzieht! Warum bist du nicht immer bey ihm, und um ihn zugegen? Warum suchest du nicht von neuem sein Herz zu gewinnen? Wem uͤberließ, Jscharioth, dich dein sterbender Vater! Gott! mit welcher Vergehung hab ichs, mit welchem Verbrechen Hats mein Geschlecht verdient, daß ich aus dem Reiche der Schatten Kommen, und um Jscharioth hier und sein trauriges Schicksal Weinen muß? Ach meynst du, du werdest im Reiche des Mittlers, Das er errichten wird, gluͤcklicher seyn; so betruͤgst du dich, Aermster! Kennest du nicht Petrum, kennst du die Zebedaͤiden, Diese geliebtesten Juͤnger nicht mehr? Die sind es, die werden Groͤßer, als du, und herrlicher seyn! Die werden bey Jesu Schaͤtze, wie Stroͤme, zu sich von des Landes Milde versammeln. Auch die uͤbrigen werden ein viel gluͤckseliger Erbtheil, Als du, verlassener Sohn! von ihrem Meßias empfangen. Komm, ich will dir ihr Reich in seiner Herrlichkeit zeigen. Steig den Berg auf! Wanke nicht, Sohn! Es ist einmal dein Schicksal! Siehest du dort vor uns das unendliche breite Gebirge, Welches ins fruchtbare Thal verlaͤngerte Schatten hinabstreckt? Hier Dritter Gesang. Hier wird unaufhoͤrlich, wie aus Ophirischen Jnseln, Gold gegraben; hier triefet das Thal, durch selige Jahre Reich und unerschoͤpflich, vom Ueberflusse des Segens. Dieß ist des auserwaͤhlten Johannes gesegnetes Erbe. Jene mit hohen Traubengelendern umhangenen Huͤgel, Diese von wallendem Korn weit uͤberfließenden Auen Sind dem geliebtesten Petrus von seinem Meßias gegeben. Siehst du den ganzen Reichthum des Landes? Wie hier sich die Staͤdte Gleich der Koͤnigstochter, Jerusalem, unter der Sonne Glaͤnzend und hoch, voll unzaͤhlbarer Menschen im Thale verbreiten! Wie sich neue Jordane dort, die Staͤdte zu waͤssern, Unter der Umwoͤlbung der hohen Mauern dahinziehn! Gaͤrten, gleich dem befruchteten Eden, umschatten den Goldsand Jhrer Gestade. Dieß sind die Koͤnigreiche der Juͤnger. Aber erblickst du, Jscharioth, auch in jener Entfernung Dieses kleine gebirgigte Land? Da liegt es veroͤdet, Wild, unbewohnt und steinigt mit duͤrren Gehoͤlzen durchwachsen. Auf ihm ruhet die Nacht in kalten weinenden Wolken, Unter ihr Eis und nordischer Schnee in unfruchtbaren Tiefen, Wo zur Einoͤd und Nacht und deiner Gesellschaft verdammet, Naͤchtliche Voͤgel die tausendjaͤhrigen Eichen durchirren. Dieses ist dein Erbtheil. Wie werden, verachteter Juͤnger, Vor dir die uͤbrigen Eilfe mit triumphirender Stirne Koͤniglich vorbeygehn, und kaum im Staube dich merken! Juda, du weinest vor Gram und edelmuͤthigem Zorne! Sohn, du weinest umsonst, umsonst sind alle die Thraͤnen, Die du in deiner Verzweiflung vergießt, wenn du selbst dir nicht beystehst! Hoͤre Der Meßias. Hoͤre mich an! Jch schließe dir ganz mein vaͤterlich Herz auf. Siehe, der Meßias verzieht mit seiner Erloͤsung, Und mit dem herrlichen Reich, das er aufzurichten verheißen. Nichts ist den Großen in Juda verhaßter, als dieses Reich Jesu! Taͤglich sinnen sie ihm den Tod aus. Verstelle dich, Juda. Thu, als wolltest du ihn in die Hand der wartenden Priester Ueberliefern; nicht Rache zu uͤben, weil er dich hasset, Das sey ferne von dir! er wuͤrd ihr spotten, und immer Unuͤberwindlich dem Arm der Widersacher entrinnen: Sondern ihn nur dadurch zu bewegen, damit er sich endlich Jhrer Verfolgungen uͤberdruͤßig und furchtbarer zeige, Und, sie mit Schande, Bestuͤrzung und Schmach zu Boden zu schlagen, Sein so lang erwartetes Reich auf einmal errichte. Alsdann waͤrst du ein Juͤnger von einem gefuͤrchteten Meister! Alsdann wuͤrdest du auch dein Erbtheil fruͤher erlangen! Jst es gleich klein; so kannst du es doch, erlangst dus nur fruͤher, Endlich mit unermuͤdendem Fleiß, mit Wachen und Arbeit, Durch Anbauung und Handeln bereichern, damit es der andern Großen gesegnetem Erbe, wiewohl von ferne nur, gleiche. Hierzu fuͤllen gewiß, fuͤr die Ueberlieferung Jesu, Dir die dankbaren Priester mit ihrem Reichthum die Haͤnde. Dieß ist der Rath, den dir dein bekuͤmmerter Vater ertheilet. Schaue mich an! Jst dieß nicht mein blasses erstorbenes Antlitz? Ja, aus dem Reiche der Schatten, da deinentwegen noch zaͤrtlich, Komm ich hieher! Ein Engel des Lichts, der war wohl dein Schutzgeist, Leitete mich zu dir, da zeigt ich dir dieses im Traume. Doch du erwachest. Verachte nicht, Sohn, die ermahnende Stimme Dei- Dritter Gesang. Deines Vaters, und laß mich nicht traurig in meine Behausung Unter die Seelen der Todten mit Herzeleid wiederkehren. Satan richtete sich, nach Vollendung seiner Gesichte Ueber ihm auf. So richtet sich hoch ein olympischer Berg auf, Welcher ein Thal war, wenn Thaͤler um ihn, bey Erschuͤttrung der Erde, Mit unermeslichem sinkenden Schritt in die Tiefe sich stuͤrzen. Judas erwacht und sprang ungestuͤm auf. Ja, sie war es, die Stimme Meines verstorbenen Vaters, so redt er, so sah ich ihn sterben! Also ist es gewiß, man haßt mich! Selbst unter den Todten Jst es bekannt; was du immer voll Furcht, und zitternd vermuthet Armer Verlaßner, das melden dir itzt die Seelen der Todten! Nun wohlan! so will ich denn hingehn, und alles vollenden, Was dieß hohe Gesicht mir befahl! Doch so handl ich ja untreu An dem Meßias! Entfleuch, zu furchtsamer kleiner Gedanke! Meinem Vater befahl es ein Geist; unfehlbar befahl es Gott dem Geiste; so thu ich, was Gott will; so handl ich nicht untreu! Was ich thue, geschieht selbst zur Verherrlichung Jesu! Aber ich fuͤhle ja bey mir nach Reichthum heiße Begierden! Heiße Begierden nach Rache! Was bist du, Seele, so zaͤrtlich, Und so empfindlich, mit schwachen Gedanken dich aͤngstlich zu quaͤlen? Gott schickt Gesichte; die hohen Gesichte befehlen dir Rache; Wenn sie der Ewige will, so ist die Rache geheiligt! Satan hoͤrt ihn, den Gottes Gerichte von ferne schon trafen, Weil er die Unschuld der Seele vorher entheiliget hatte, Also reden. Er stand, und sah mit schweigendem Stolze G Und Der Meßias. Und mit wildem Antlitz auf ihn triumphirend herunter. Also sieht ein gefuͤrchteter Fels vom hohen Olympus Jn das gebirgigte Meer auf schwimmende Leichname nieder! Aber bald wird ihn der Donner fassen; bald wird er zertruͤmmert Tief im Meer ein Thal seyn, und liegen; ihn werden die Jnseln Fallen sehn, und ringsum dem raͤchenden Donner zujauchzen. Satan verließ den Oelberg, und gieng mit erhabenen Schritten Ueber Jerusalem hin, und sucht in stillen Pallaͤsten Kaiphas auf, den Feind und Hohenpriester der Gottheit, Ueber sein boshaftes Herz noch viel boshaftre Gedanken Auszugießen, und ihn mit dunkeln Gesichten zu taͤuschen. Judas Jscharioth blieb noch, in irre Gedanken vertiefet, Auf dem Gebirge. Der Morgen gieng itzt der schlummernden Welt auf. Jesus erwachte, Johannes mit ihm. Sie giengen zusammen Auf den Oelberg, und fanden daselbst die Juͤnger noch schlafend. Jesus ergriff den frommen Lebbaͤus bey sinkenden Haͤnden, Und sprach, als er erwachte, zu ihm: da bin ich, und lebe, Frommer Lebbaͤus! Der Juͤnger sprang auf, umarmt ihn mit Thraͤnen, Lief, und weckte die uͤbrigen Juͤnger, und brachte sie Jesu. Als sie ihn ringsum vertraulich umgaben, so sprach er zu ihnen: Komm, du heilige Schaar, wir wollen uns unter einander Diesen noch uͤbrigen Tag vor dem Abschiedskusse vergnuͤgen! Komm, itzt stehet uns Saron noch offen, itzt thaut noch der Himmel Ueber uns, aus des Morgens Gewoͤlk, in die Segensgefilde. Jtzt laͤßt die himmlische Ceder, von meinem Vater erzogen, Auf uns noch kuͤhlende Schatten herab. Noch seh ich den Menschen Von Dritter Gesang. Von so goͤttlicher Bildung bey meinen Unsterblichen wandeln! Aber bald wird dieß gar nicht mehr seyn! Bald wird sich der Himmel Dunkel mit schreckenden Wolken umziehn! Bald werden die Tiefen Ungestuͤm erzittern, und diese Gefilde voll Segen, Diese geliebten Gefilde verwuͤsten! Bald werden die Menschen Moͤrderisch mich ansehn! Bald werdet ihr alle mich fliehen! Weine nicht, Petrus, und du, mein zaͤrtlich bekuͤmmerter Juͤnger, Weine du nicht! wenn der Braͤutgam noch da ist, so weinet die Braut nicht. Ach! ihr werdet mich wieder erblicken, ihr werdet mich sehen, Wie bey erwachenden Todten die Mutter ein theurer Sohn sehn wird. Dieses sagt er, und stand mit goͤttlich erheitertem Antlitz Unter ihnen; allein in seinem Herzen empfand er Jnnerlich Seelenangst und der Erloͤsung erhabene Leiden. Also gieng er, und wurde von allen vertraulich begleitet; Nur von Jscharioth nicht. Der hatt ihn unter den Schatten Waldigter Wipfel von ferne gehoͤrt. So weis ers ja selbst schon, Sagt er vor sich, da er Jesu im weggehn von ferne noch nachsah, Daß ihm ein Tag der Verfolgung bevorsteht; so wird ers auch wissen, Wie er seinen Verfolgern begegnen, und unuͤberwindlich Seine Verherrlichung endigen soll. Doch sieht er auch, Juda, Dich, als seinen Gehuͤlfen auf diesem erhabenen Schauplatz? Weis er dein Unternehmen auch schon? Du willst ihn verrathen! Ach wie sind vor dem sterblichen Auge des Ewigen Wege Wunderbar! Wie unerforschlich ist Gott in seinen Gerichten! Meinen Meßias, den soll ich, zu seiner Erhoͤhung, verrathen? Aber, weñ mein Gesicht mich nun taͤuscht? Weñ mein Traum mich betrieget? G 2 Taͤuscht Der Meßias. Taͤuscht mich mein Traum; schickt Gott Gesichte, die Menschen zu quaͤlen: So sey die Stunde verflucht, in der ich unmuthsvoll einschlief, Jn der uͤber mein Haupt des Vaters Schatten herabkam! Jn ihr muͤsse man auf den Gebirgen ein sterbendes Winseln Hoͤren! Ein sterbendes Winseln in tiefen verfallenen Graͤbern Muͤsse man hoͤren; verflucht sey der Ort, wo ich lag und einschlief: Allda muͤß ein entsetzlicher Sohn den Vater erwuͤrgen! Allda fließe das Blut von meinem geliebtesten Freunde, Wenn er verzweifelnd mit eignen Haͤnden daselbst sich erwuͤrgt hat! Juda, wohin verirrest du dich? Ja wohin! Was zuͤrnst du Ueber dich selbst? Du verirrest dich nicht, wenn du also getaͤuscht wirst! Lehrt mich ein goͤttlich Gesicht den hohen Meßias verrathen, Und ich suͤndige dran: so seyst du, unter den Tagen Schrecklichster Tag, auch verflucht! da mich der Meßias erwaͤhlte, Da er voll Liebe mit holden einnehmenden Blicken mir sagte: Folge mir nach! Du muͤssest umwoͤlkt und dunkel und Nacht seyn! An dir muͤsse die Pest in Finsternissen herumgehn! An dir muͤssen verderbende Seuchen im Mittage toͤdten! Dich, Tag, nenne kein Mensch! Gott vergesse dich unter den Tagen! Ach! wie wird mir so angst! mir zittern alle Gebeine! Juda, wo bist du? erwache! sey stark! Was quaͤlst du dich, Aermster? Gottes Gesichte betriegen dich nicht! Der Tag sey gesegnet! Wenn der Meßias durch dich sein neues Koͤnigreich anfaͤngt. Also sagt er. Jndem war er, seit dem unselgen Gesichte, Zwo erschreckliche Stunden der Ewigkeit naͤher gekommen. Der Der Messias . Vierter Gesang. G 3 Jnhalt des vierten Gesangs. K aiphas, der auch einen Traum vom Satan gehabt hat, versammelt das Syne- drium, den Tod Jesu endlich voͤllig zu beschließen. Er erzaͤhlt seinen Traum, den er fuͤr eine goͤttliche Eingebung haͤlt. Philo, ein Pharisaͤer widerspricht ihm bierinn; verurtheilt aber Jesum mit noch groͤßrer Heftigkeit zum Tode. Gamaliel raͤth, die Sache Gott zu uͤberlassen. Nikodemus dankt ihm oͤffentlich dafuͤr. Philo haͤlt eine sehr heftige Rede wider den Meßias, wider Gamaliel und Nikodemum, zu welcher ihn Satan zuvor ins Geheim einweihet, der mit Jthuriel unsichtbar gekommen war, weil Judas sich nahte, Jesum zu verra- then. Nikodemus antwortet dem Philo, und geht mit Joseph aus der Ver- sammlung. Judas koͤmmt, und sagt Kaiphas seine Absichten ins Geheim, der sie der Versammlung entdeckt, und den Verraͤther belohnt. Der Meßias naht sich Jerusalem, und schickt Petrum und Johannem in die Stadt, das letzte Abendmal fuͤr sie zu bereiten. Petrus sieht von dem Soͤller des Hauses, die Mutter Jesu, Lazarum, den Auferweckten, Mariam, seine Schwester, und Cidli, Jairus Tochter, kommen, die Jesum suchen. Diese sehn Pe- trum und kommen hinauf. Johannes sagt, daß Jesus bald, von Bethanien her, kommen wuͤrde. Maria wartet. Jeder ist still. Die fromme Liebe zwischen Lazarus und Cidli. Maria kann nicht mehr warten. Sie glaubt ihren Sohn gewiß auf dem Wege von Bethanien zu finden. Jesus nimmt einen andern Weg, und verweilt sich bey Golgatha. Er steht bey Josephs neuem Grabe, und denkt uͤber seinen Tod und uͤber seine Auferstehung. Der Abend ist gekommen. Er geht auf Jerusalem. Judas koͤmmt an den Mauren der Stadt zu ihnen. Jthuriel redet den Meßias an, daß er des Verraͤthers Schutzengel nicht mehr seyn koͤnnte. Er wird von Jesu zu dem zweyten En- gel Petri bestimmt. Jesus koͤmmt in die Stadt, und setzt sich mit allen Juͤn- gern zu Tische, redet von seinem Tode, nimmt von ihnen Abschied, weißagt von seinem Verraͤther, und stiftet das Gedaͤchtniß seines Todes. Johannes faͤllt, da er den Kelch sieht, zu Jesu Fuͤssen, und sieht die Versammlung der gegenwaͤrtigen Engel. Judas will es Johanni nachthun; Jesus heißt ihn aufstehen; und weißagt wieder von seinem Verraͤther. Judas geht fort. Es war nunmehr Nacht. Seine Gedanken, da er zu Kaiphas geht. Nun ist die Versammlung ganz heilig. Jesus redet von seiner Verherrlichung. Petri Kuͤhnheit, und die Verkuͤndigung seiner nahen Untreu. Jesus betet kniend unter seinen Juͤngern. Hierauf steht er auf, an den Oelberg, ins Gericht, statt der Menschen, zu gehen. Da er sich Kidron naͤhert, bleibt er an einem Huͤgel stehen, und bezeichnet Gabriel einen einsamen Ort in Gethse- mane, wo er die Engel versammeln soll. Der Messias . Vierter Gesang. K aiphas aber lag noch, nach Satans dunkelm Gesichte, Voller Angst auf dem Lager, von dem die Ruhe geflohn war. Bald schlief er kurze Zeit ein, bald erwacht er wieder, u. warf sich Ungestuͤm, und voll Gedanken herum. Wie tief in der Feldschlacht Sterbend ein Gottesleugner sich waͤlzt; der kommende Sieger, Und das baͤumende Roß, der rauschenden Panzer Getoͤse, Und das Geschrey, und der Toͤdtenden Wut, und der donnernde Himmel Stuͤrmt uͤber ihm; er liegt, und sinkt mit gespaltenem Haupte Dumm und gedankenlos unter die Todten, und glaubt zu vergehen. Drauf erhebt er sich wieder, und ist noch, und denkt noch, und fluchet, Daß er noch ist, und spritzt mit bleichen sterbenden Haͤnden Blut gen Himmel, Gott flucht er, und wollt ihn gerne noch leugnen. G 4 Also Der Meßias. Also betaͤubt sprang Kaiphas auf, und ließ die Versammlung Aller Priester und Aeltsten im Volke schnell zu sich berufen. Mitten im hohen Pallast war ein weiter Saal der Versammlung, Aus des erhabenen Libanons Hain salomonisch erbauet. Allda kamen die Priester und Aeltsten im Volke zusammen. Mit den Aeltsten kam Joseph von Arimathaͤa, ein Weiser! Unter der ganzen entarteten Nachwelt des goͤttlichen Abrams Von der Zahl der uͤbergebliebnen wenigen Edlen. Still, wie der friedsame Mond in daͤmmernden Mitternachtswolken Ueber uns wallt, so gieng in diesen Versammlungen Joseph. Auch kam Nikodemus, ein Freund des Meßias und Josephs. Kaiphas trat itzt herrisch hervor, und ergrimmt, und sagte: Endlich, ihr Vaͤter Jerusalems, muͤssen wir etwas beschließen, Und mit gewaltigem Arm den Widersacher vertilgen: Oder er fuͤhrt es hinaus, was er wider uns lange schon aussann, Und wir halten vielleicht itzo die letzte Versammlung! Ja dieß Priesterthum Gottes, das, hoch auf Sinai, Gott selbst Durch den groͤßten Propheten der ganzen Nachwelt gesetzt hat, Das in der langen Gefangenschaft, selbst babylonische Thuͤrme, Das im Sturme der Waffen die schrecklichen sieben Huͤgel Nicht zu erschuͤttern vermocht; das wird ein sterblicher Seher, Jsrael, uns, dem Tempel des Herrn zur Schande, vertilgen. Jst nicht Jerusalem sein? Sind nicht die Staͤdte Judaͤa Sclavinnen ihres vergoͤtterten Traͤumers? Entfliehet das Volk nicht Aberglaͤubisch und blind dem Tempel weiserer Vaͤter, Seine verfuͤhrende Wunder in weit entlegenen Wuͤsten Anzustaunen? Die Wunder, die Satan durch ihn verrichtet! Und Vierter Gesang. Und was blendet wohl mehr? Was ist dem staunenden Poͤbel Wunderbarer? Als wenn er so gar Verstorbne vom Tode, Oder vielmehr ohnmaͤchtige Kranke, vom Schlummer erwecket! Unterdeß sind wir ruhig, und warten, wenn uns sein Anhang Jm entsetzlichen Aufruhr vor seinen Augen erwuͤrgt hat, Daß er uns auch von den Todten erwecke! Ja! Vaͤter, ihr seht mich Stumm und erstaunungsvoll an! Koͤnnt ihr noch zweifeln? Ja, zweifelt, Zweifelt nur, und schlummert! Nie rief ihn Judaͤa zum Koͤnig Ungestuͤm aus! Das wißt ihr nicht! Nie hats die Wege mit Palmen Jauchzend bestreut! Nie haben sie ihm Hosanna gesungen! Daß du statt, Hosanna! den Fluch des Ewigen hoͤrtest! Daß die Stimme des Donnerers dir im betaͤubten Ohre Statt des Triumphtons erschallte! Daß tief im Thore des Todes, Koͤnige dir vom eisernen Stul aufstuͤnden, die Kronen Niederlegten, und bitter und fpoͤttisch, Hosanna! Dir riefen! Ja, unwuͤrdige Vaͤter des Volks! (Verzeiht mir die Rede, Die itzt ergrimmt im heiligen Zorne, mein wuͤtender Geist that!) Nicht die Klugheit allein, nein, viel was hoͤhers gebeut uns, Gott gebeut uns, ihn schnell vom Antlitz der Erde zu tilgen! Vormals redte der Herr durch offenbarende Traͤume Unsern Vaͤtern. Seht, ob nicht dem Hohenpriester Gottes Himmlische Traͤume gesandt sind. Jch lag zur Mitternachtsstunde Sorgenvoll auf dem Lager, und dachte dem endlichen Ausgang Dieser neuen Empoͤrungen nach. So dacht ich, und schlief itzt Unentschlossen und kummervoll ein. Da war ich im Traume Jn dem Tempel, und eilte mit Gott das Volk zu versoͤhnen. Schon floß Blut der Opfer vor mir; schon gieng ich anbetend G 5 Gegen Der Meßias. Gegen das Allerheiligste Gottes; schon hatt ich den Vorhang Aufgethan, da sah ich (noch zittern mir alle Gebeine! Noch faͤllt Gottes Schreckniß auf mich, wie toͤdtend, herunter!) Aaron sah ich, im heiligen Schmuck, mit drohender Stirne, Auf mich zugehn, sein Auge voll Feuer, von goͤttlichem Grimm voll Toͤdtete! Sein Brustbild voll ernster gewaltiger Stralen, Blitzte, gleich Horeb, auf mich! Der Cherubim Fittige rauschten Fuͤrchterlich auf der Lade des Bundes! Auf einmal entfiel mir Rauschend mein Hohespriestergewand, wie Asche, zur Erde. Fleuch! rief Aaron mit schrecklichem Ton, du des Priesterthums Schande, Fleuch! Elender, dir sag ich, daß du die heilige Staͤtte Kuͤnftig nicht mehr, als Priester des Herrn, verwegen entheiligst. Bist du es nicht? (Hier sah er mich grimmig mit toͤdtendem Blick an, Wie man auf einen Todfeind herabblickt, und lieber ihn wuͤrgte!) Bist du es nicht? Unwuͤrdiger! Der du jenen Verruchten, Jenen entsetzlichen Mann, ungestraft das Heiligthum laͤstern, Meinen Bruder, Moses, und mich, und Abraham schmaͤhen, Und die Sabbathe Gottes mit strafbarer Traͤgheit entweihn siehst! Geh, Elender! Damit dich nicht schnell, wenn du ferner verweilest, Dieser Gnadenstul Gottes mit heiligem Feuer verzehre. Also sagt er. Jch floh und kam mit zerfliegenden Haaren, Und mit Asch auf dem Haupte, gewandlos, ohn Urim und Thum̃im, Unter das Volk. Da stuͤrmte das Volk, und wollte mich toͤdten. Drauf erwacht ich. Drey Stunden voll Quaal, drey aͤngstliche Stunden, Hab ich seit dem, wie sinnlos, im Todesschweiße gelegen. Und noch beb ich, noch zittert mein Herz von geheimen Schauer Und, der Stimme beraubt, erstarrt mir die Zung im Munde! Er Vierter Gesang. Er muß sterben! Von euch, versammelte Vaͤter, erwart ich, Wie er sterben soll, schleunigen Rath! - - - Mit starrenden Blicke Stand er hier sprachlos. Zuletzt erwacht er wieder, und sagte: Besser, stirbt Einer, als daß das ganze Judaͤa verderbe! Aber noch will die vorsichtige Weishelt. Die Tage des Festes Muß er nicht sterben, daß ihn sein sclavischer Poͤbel nicht schuͤtze. Kaiphas schwieg. Kein Laut, noch Geraͤusch von Redenden wurde Durch die Versammlung gehoͤrt. Sie blieben uͤberall schweigend, Wie vom Donner geruͤhrt, und starr, und unbewegt sitzen. Joseph sah die herrschende Stille. Da wollt er fuͤr Jesum Jhn zu vertheidigen, reden; allein ein gefuͤrchteter Priester, Seine Wut, mit der er auf einmal, zu reden hervortrat, Hielten ihn ab. Philo, war des Priesters Name. Noch hatt er Nie von Jesu geredet. Jhn hielten alle fuͤr weise, Kaiphas selbst, doch haßt ihn der pharisaͤische Philo. Der stand auf. Sein tiefes und melancholisches Auge Funkelte, da sprach er mit zornig gefluͤgelter Stimme: Kaiphas! Du wagst es, von hohen goͤttlichen Traͤumen Vor uns zu reden, als wuͤßtest du nicht, daß der Ewige niemals Wolluͤstlingen erscheinen, daß heimlichen Sadducaͤern Wohl kein Geist was verkuͤndigen wird. Entweder du leugst uns, Oder du hast wirklich dieß Traumgesichte gesehen. Jst das erste, so zeigst du dich deiner roͤmischen Staatskunst Und des erhandelten Priesterthums wuͤrdig: und waͤr auch das letzte, Hoherpriester! So wisse, daß Gott, Verbrecher zu strafen, Sonst auch taͤuschende Geister zu falschen Propheten gesandt hat. Daß der Sclave von Jesabels Baal, daß Ahab verduͤrbe, Daß Der Meßias. Daß des Unschuldigen Blut, nicht laͤnger vergebens Gott flehte, Stieg ein Todesengel vom Thron, und gab den Propheten Falsche Prophezeyung! Und siehe, die rollenden Wagen Trugen den sterbenden Ahab zuruͤck. Er starb, und sein Blut floß Jn das Feld hin, wo Nabot erwuͤrgt ward, ins Feld hin, wo Gott stand, Und wo der Todesengel vor Gott des Suͤnders Blut hingoß. Zwar es gebietet dein Traum, den Widersacher zu strafen! Du hast keinen gehabt! Doch hast du mit Weisheit erfunden. Aber! zitterst du nicht, da dir der furchtbare Name Eines Todesengels genennt wird? Vielleicht waͤgt ein solcher Schon dein bald zu vergießendes Blut vor des Ewigen Thron ab. Nicht, als wenn ich den schuldigen Jesus fuͤr schuldlos erkennte! Gegen ihn verglichen, bist du ein kleiner Verbrecher! Du entehrst nur das Priesterthum Gottes. Er will es vernichten! Jhm ist in der richtenden Wagschal, die oft schon Verbrecher, Oft schon aufgethuͤrmte Bezwinger der Voͤlker zu leicht fand, Eh er wurde, sein Blut, zum gewissen Tode, gewogen! Er soll sterben! Und ich, ich will es mit meinen Augen Sehen, wenn er erblaßt! Vom Huͤgel, wo er erwuͤrgt wird, Will ich Erde mit Blute bedeckt, ins Heiligthum tragen, Oder, von ihm noch rauchende Steine beym hohen Altare Niederlegen, den Jsraeliten ein ewiges Denkmal! Niedrige Furcht, die uns lehrt den wankenden Poͤbel zu scheuen! Kleinmuth, den Vaͤtern unabgelernet! Wofern wir dem Donner, Gottes raͤchendem Donner zuvor zu kommen nicht eilen: Wird Gott mit ihm uns zugleich zerschmettern! Mit brechenden Augen Werden wirs sehn, wenn er stirbt, und unrein neben ihm sterben! Fuͤrch- Vierter Gesang. Fuͤrchtete da der Thisbite den Poͤbel, die Priester zu wuͤrgen, Als der schlafende Baal zu keinem Wetter erwachte? Oder vertraut er dem mehr, der Feuer vom Himmel ihm sandte? Steht uns auch kein Gewitter nicht bey: so will ich allein mich Unter das Volk hinstellen! Und, weh dem! der unter dem Volke Wider mich sich auflehnt, und sagt, der Leichnam des Traͤumers Blute nicht Gott zu ehren! Den soll die ganze Gemeine Steinigen, so bald ihr mein um sich schauender Blick winkt. Vor den Augen des ganzen Judaͤa, vorm Antlitz der Roͤmer, Soll er sterben! Wir wollen alsdann im Gerichte, wie Goͤtter, Sitzen, und laut feyrend zu Gottes Heiligthum einziehn! Philo sprach dieß, und gieng mit aufgehabenen Armen Vorwaͤrts in die Versammlung, und stand, und rief von neuem: Seliger Geist, wo du itzo auch bist, wenn du, himmlisch bekleidet, Neben Abraham sitzest, und um dich Propheten versammelst, Oder, wenn du vielleicht in deiner Kinder Versammlung Wuͤrdigst einzukehren, und unter Sterblichen wandelst: Moses Geist! Dir schwoͤr ich, bey jenem ewigen Bunde, Den du, gelehrt von Gott, aus Donnerwettern uns brachtest: Jch will eher nicht ruhn, als bis dein großer Feind todt ist! Als bis ich von vergossenem Blute des Nazaraͤers Volle Haͤnde zum hohen Altare des Suͤndopfers bringe, Und sie uͤber mein graues Haupt, Gott zu danken, erhebe! Also sagt er, und stand mit weit umschauendem Auge Vor der Versammlung. Von Grimm und uͤbermannender Wut voll Lehnt’ an seinen goldenen Stul sich Kaiphas nieder, Und Der Meßias. Und erbebt’. Jhm gluͤhte sein Antlitz. Er schaut auf den Boden Sprachlos und starr. Jhn sahn die Sadducaͤer, und standen Gegen Philo mit Ungestuͤm auf. Wie tief in der Feldschlacht Kriegrische Rosse vorm eisernen Wagen sich Zuͤgellos heben, Wenn die klingende Lanze daher bebt, dem rufenden Feldherrn, Den sie zogen, den Tod traͤgt, und unter sie ihn blutathmend Stuͤrzt. Sie wiehern hoch her, und drohn mit funkelnden Augen, Stampfen die Erde, die bebt, und hauchen dem Sturmwind entgegen. Jtzo haͤtte voll Wut sich schnell die Versammlung getrennet, Waͤre nicht unter ihnen Gamaliel aufgestanden. Heitre Vernunft erfuͤllte sein Antlitz. Der weise Mann sprach so: Wenn in diesem Sturme des grimmigen Zorns die Vernunft noch Etwas vermag, wenn Weisheit euch lieb ist, so hoͤret mich, Vaͤter. Wenn der ewige Zwist stets wieder unter euch aufwacht, Wenn Pharisaͤer, und Sadducaͤer, wenn diese Namen, Ewig euch trennen, wie werdet ihr da den Propheten vertilgen? Zwar Gott sendet vielleicht die eifersuͤchtige Zanksucht Unter euch, Vaͤter, weil er dieß seinen hohen Gerichten Vorbehielt, uͤber den Nazaraͤer ein Urtheil zu sprechen. Lasset, Vaͤter, Gott sein Gericht! Jhr moͤchtet zu schwach seyn, Seinen Donner zu nehmen, und unter der maͤchtigen Ruͤstung, Vor der die Himmel erzittern, in niedrigen Staub hinsinken. Schweigt ihr vor Gott, und hoͤret der Stimme des kommenden Richters Still entgegen! Er wird bald reden, und seine Stimme Wird der Erdkreis erstaunt, vom Aufgang und Untergang hoͤren. Spricht Gott zum Ungewitter: zerschmettr ihn! und zu dem Sturmwind: Hauche sein sinkend Gebein, wie Staub, in alle vier Winde! Oder Vierter Gesang. Oder zum blinkenden Schwert: auf wafne raͤchenden Haͤnde, Trinke das Blut des Suͤnders! Gebeut er den Tiefen der Erde: Thut euch auf, und verschlingt ihn lebendig! So ist er schuldig! Aber wenn er durch himmlische Wunder die Erde zu segnen Maͤchtig fortfaͤhrt; wenn durch ihn der Blinde sein Antlitz zur Sonne Freudig erhebt, und mit sehenden Augen den leitenden Vater Staunend anblickt; wenn Tauben das Ohr der Stimme des Menschen Wider sich oͤfnet, wenn es die Rede des segnenden Priesters Wieder vernimmt, und die Stimme der Braut, und die weinende Mutter, Und das feyrende Chor, und die Hallelujagesaͤnge; Wenn durch ihn die Todten dahergehn, und gegen uns zeugen, Und mit wieder lebendigem Auge gen Himmel hin weinen, Und dann goͤttlich zuͤrnend, auf uns sehn; ihr Grabmal uns zeigen, Und mit jenem Gericht uns drohn, vor dem sie schon waren; Wenn er, welches noch goͤttlicher ist, untadelhaft fortfaͤhrt, Vor uns zu leben, wenn er, mit seiner allmaͤchtigen Tugend, Wunder thut, und Gott gleicht: ach, so beschwoͤr ich euch, Vaͤter, Beym lebendigen Gott: sprecht, ist er da nicht unschuldig? Also sagt er. Jtzt gieng die erhabne mittaͤgliche Sonne Ueber Jerusalem hin. Um die Zeit nahte sich Judas, Jn die Versammlung der Priester zu gehn. Vor ihm wandelten Satan Und Jthuriel unsichtbar her, und standen im Saale Neben den Priestern, und sahn ungesehn in die tiefe Versammlung. Aber Nikodemus saß, und betrachtete schweigend Aller Antlitz. So wie ein Mann, der ein Suͤnder ist, zitternd Dasteht, und bleich wird, wenn uͤber ihm nah der Olympus donnert, Also Der Meßias. Also war die Versammlung. Selbst Philo und Kaiphas schienen Vor Gamaliels Weisheit zu zittern. Mit Furcht und Verachtung Sah sie Nikodemus, stand auf, und wagt es, zu reden. Lang gebildet, ein Mann von menschenfreundlichem Ansehn, Stand er. Wehmuth und Ernst erfuͤllten sein Antlitz; und Adel, Adel eines empfindenden unbefleckten Gewissens Sprach sein ganzes Gesicht. Sein treuer Zeuge, das Auge Weint, und verbarg nicht die Thraͤnen. Er glaubt, er spraͤche vor Menschen. Also sagt er: Gesegnet sey, mir, Gamaliel, ewig Unter den Maͤnnern! Gesegnet sey, o Mann Gottes, die Rede Deines Mundes! Es hat dich der Herr zum Helden gesetzet, Und ein schneidendes Schwert in deinen Mund dir gegeben! Noch bebt unser Gebein, das deine Rede getheilt hat! Noch sinkt unser ohnmaͤchtiges Knie! Noch decket Dunkel Unser Auge! Noch sehen wir Gott in strafenden Wettern, Daß die Empoͤrer wider sein Thun des Staubs sich erinnern, Der sie gebar! Der Gott, der diese Weisheit dich lehrte, Der dir, ein mehr als koͤniglichs Herz, und maͤnnlichen Mut gab! Schuͤtze, Gamaliel, dich! Und ist er der hohe Meßias, Sey er auch dein Meßias, und deines Saamens Meßias! Aber euch kann ich nicht segnen, die Gottes erhabnen Propheten Also verfolgen! Philo, dich nicht! dich, Kaiphas, auch nicht! Weinen kann ich vor euch! Wenn anders die Stimme des Weinens Euerm Herzen hoͤrbar noch ist! Und wenn, fuͤr die Unschuld Menschlich vergossene Thraͤnen, noch eure Seele bewegen! Jtzo klagt noch die Stimme der Thraͤnen, die Unschuld zu retten. Hoͤret sie, Vaͤter. Jst erst ihr heiliges Blut vergossen: Als- Vierter Gesang. Alsdann rufet, gleich Gottes Wettern, erhabner die Stimme Des vergossenen Bluts! Sie ruft, und steigt in den Himmel Zu des Ewigen Ohr. Der wird sie hoͤren, und kommen, Und, im Gericht ohne Gnade, nach seinem Getoͤdteten fragen: Juda, Juda! wo ist dein Meßias? Und, wenn er nicht da ist, Wird er vom Aufgang herauf bis hin zum Niedergang toͤdten, Alle Maͤnner des Bluts, die seinen Heiligen wuͤrgten. Nikodemus trat ruͤckwaͤrts. Noch saß mit drohendem Auge Philo da, und erbebte vor Wut und grimmigen Zorne Jn sich selber, und zwang sich aus Stolz, den Zorn zu verbergen. Aber er zwang sich umsonst. Sein Auge ward dunkel, und Nacht lag Dicht um ihn her, und Finsterniß deckte vor ihm die Versammlung. Jtzo must er entweder ohnmaͤchtig niedersinken: Oder sein starrendes Blut must auf einmal feuriger werden, Und ihn von neuem gewaltig beleben. Es hub sich, und wurde Feuriger, und goß sich vom hoch aufschwellenden Herzen Jn die Minen empor. Die Minen verkuͤndigten Philo. Und er sprang auf, und trat hoch aus seiner Reih, und ergrimmte. So, wenn sich auf unerstiegnen Gebirgen ein nahes Gewitter Furchtbar gelagert hat, reißet sich eine der naͤchtlichsten Wolken Mit den meisten Donnern bewaffnet, im Schoß das Verderben, Einsam hervor. Wenn andre den Wipfel der Ceder nur fassen, Wird sie von einem Olympus zum andern, dichtwaldichte Berge, Oder hochthuͤrmende Koͤnigsstaͤdte, die meilenlang liegen, Tausendfach donnernd, entzuͤnden und in Ruinen begraben. So riß sich Philo hervor. Jhn sahst du, Satan, und sagtest Bey dir selber: o sey mir zu deiner Rede geweihet! H Wie Der Meßias. Wie wir unten im Abgrunde weihn, so weih ich dich, Philo! Gleich der Hoͤlle gefuͤrchteten Wassern, so stroͤme sie wild hin! Stark, wie das flammende Meer! Wie vom Hauche der Donner gefluͤgelt, Die mein Mund spricht, wenn er gebeut! Wie jemals im Abgrund Menschenfeindlich und zornig an seinen unendlichen Bergen Von den Goͤttern hinuntergesprochen ward, daß es die Stroͤme Horchend lernten, und anderen Stroͤmen weit um sich erzaͤhlten! So sprich, Philo! So fuͤhre dieß Volk im Triumphe gebunden! Also denke! So fließe dein Herz von Empfindungen uͤber, Derer sich, waͤr er ein Mensch, selbst Adramelech nicht schaͤmte. Sprich dem Nazaraͤer den Tod! Jch will dich belohnen! Und dein Herz mit Freuden der Hoͤlle, so bald du sein Blut siehst, Ganz erfuͤllen! Und, koͤmmst du zu uns, dein Fuͤhrer selbst werden, Und zu den Seelen dich fuͤhren, die Helden waren, und wuͤrgten! So sprach Satan vor sich, und Seraph Jthuriel hoͤrt ihn. Aber Philo stand da, sah ernst gen Himmel, und sagte: Altar des Bluts, wo Gott das Lamm der Versoͤhnung gebracht wird, Und ihr uͤbrigen hohen Altaͤre, wo vormals die Opfer, Gott ein suͤßer Geruch, sich unentheiligt erhuben! Und du Allerheiligstes selbst! Du Lade des Bundes! Und, ihr Cherubim, Todesengel! Du Gnadenstul Gottes, Wo, von Menschen unangefeindet, der Ewige vormals Saß, und uͤber die Suͤnder aus heiligem Dunkel Gericht hielt! Tempel des Herrn, den Gott mit seiner Herrlichkeit fuͤllte! Und, du Hoͤrer der goͤttlichen Stimmen, Moria! Moria! Wenn euch der Nazaraͤer verwuͤstet; wenn diese Maͤnner, Diese zween Maͤnner der Bosheit euch unter seiner Beschuͤtzung Mit Vierter Gesang. Mit verwuͤsten: so bin ich unschuldig an eurer Verwuͤstung! Ja, unschuldig, wenn unsere Kinder mit aͤngstlichen Blicken, Und mit bebendem Knie, und mit bang zerrungenen Haͤnden, Gehn, und ihrer Vaͤter Gott tief in dem Heiligthum suchen, Und ihn nicht finden! Wenn seinen Thron da der Traͤumer gesetzt hat, Wo Gott uͤber den Cherubim saß! Wenn vor aller Antlitz Goͤtzensclaven dem Suͤnder da opfern und Rauchwerke bringen, Wo der Vorhang sonst hieng! Wo sonst nur der Hohepriester Mit verhuͤlltem Gesicht und betend zum Gnadenstuhl hintrat! Laß mich den Jammer nicht sehn! Laß, Gott, mein sterbendes Auge Eher brechen, als dieser Graͤul der Verwuͤstung dein Volk trift. Unterdeß, was ich noch thun kann, dem nahen Verderben zu wehren, Dieses thu ich vor Gott! Hier steh ich vor deinem Antlitz! Hoͤre, Gott Jsrael, mich; wenn du jemals im Himmel gehoͤrt hast, Was von dir auf Erden ein Mensch im Staube gefleht hat! Traf, auf Elias Gebet, die gesandten Moͤrder des Koͤnigs Feuer vom Himmel, und fraß es sie weg vom Gipfel des Carmels! Riß der Abgrund, da Moses dich bat, in seine Tiefen Corah, und Dathan und Abiramiden lebendig hinunter: O so hoͤre, Gott Jsrael, mich! Jch fluche den Maͤnnern, Die dich schmaͤhn, und den Suͤnder, der Moses Feind ist, beschuͤtzen. Nikodemus! Dein Ende sey, wie das Ende des Traͤumers! Und dein Grab, wie das Grab des Empoͤrers! Nah unter den Moͤrdern, Welche, fern von dem Tempel und Altar, gesteiniget werden! Hart sey dein Herz, wenn du stirbst, und ununterwuͤrfig der Gottheit! Thraͤnenlos sey dein Auge! Das Weinen muͤß ihm versagt seyn, Wenn du zu Gott dich sterbend bekehren willst! Weil du geweint hast. H 2 Einen Der Meßias. Einen Verruchten zu schuͤtzen, und weil dein dienstbares Auge Wider den Ewigen stritt, und unheilige Thraͤnen dahingoß! Auch du schuͤtzest den Traͤumer, Gamaliel! Finsterniß decke Und entsetzliches Dunkel dein Auge! Dann sitz und warte Auf die Huͤlfe des Nazaraͤers, und schmachte vergebens! Taubheit schließe dein Ohr, ein schreckliches Ende dein Leben! Lieg dann, und harre, bis dich der Nazaraͤer erwecke! Lieg, und verwes und harre vergebens! Und, wenn du zum Poͤbel, Der ihn, wie du, fuͤr wunderthaͤtig und goͤttlich haͤlt, sagtest: Merket darauf, er wird mich erwecken! So trete der Poͤbel Auf dein Grab hin und spotte daselbst des Propheten und deiner: Warum liegt ihr so still, der Auferstehung Gebeine? Warum schlaͤfst du so ewig, Gamaliel? Komm doch, du Frommer! Komm doch hervor! Dich rufet der Mann, der Meßias, ins Leben! Hoͤrst du uns nicht? Und traͤumst du vielleicht, wie vormals im Leben? Also trete der Poͤbel auf deine Gebeine mit Hohn hin! Dann steh dein Geist vor dem ernsten Gericht, und hoͤre sein Urtheil! Heb auch deinen gefuͤrchteten Arm auf und schlage den Suͤnder, Schlage Nikodemum, Gott! Und vollende die Fluͤche, Die ich zu Ehren dir that! Den andern, der nebst ihm sein Knie bog, Leg auch ihn in den Staub, Gamaliel hin, wo der Tod wohnt! Aber deinen grimmigen Zorn, worunter die Hoͤlle, Wenn du dahergehst, worunter die Berge der Erden erzittern, Deine Donner die vor dir, und nach dir, und um dich her donnern! Nimm, Gott, und schlag den noch groͤsseren Suͤnder, den Nazaraͤer! Jch bin jung gewesen, und bin zum Greise geworden, Habe dir stets nach der Weise der V aͤt er gedient und geopfert: Aber, Vierter Gesang. Aber, Gott, laͤßt du mein sterbendes Auge den Jammer erblicken, Daß der Traͤumer von Nazaret siegt! Daß dein ewiger Bund nichts, Daß nichts mehr dein Heiligthum gilt, und dein Eid und dein Segen, Den du Abraham schwurst, und nach ihm, den Abrahamiden: So entsag ich hiermit, vor dem Antlitz des ganzen Judaͤa, Deinem Recht und Gesetz! So will ich ohne Gott leben! Ohne Gott, soll mein graues Haupt sich, ins Grabmal hin legen! Ja, wenn du vom Antlitz der Erde den Traͤumer nicht wegtilgst: So bist du nicht Moses erschienen! So war es ein Blendwerk, Was er im heiligen Busch am Fuße des Horeb erblickte! So stiegst du auf die Spitze des Sina nicht wunderbar nieder! So klang keine Posaune! Kein Donner! So bebte der Berg nicht! So sind unsere Vaͤter und wir, seit undenkbaren Zeiten, Unter den Voͤlkern der Welt die beweinenswuͤrdigsten Menschen! So ist kein himmlisch Gesetz! So bist du Jsraels Gott nicht! Philo sprachs, und trat grimmig zuruͤck. Und Nikodemus Stand mit niederschauendem Angesicht. So, wie ein Mann steht Welcher von Lasterhaften erduldet, und bey sich den Vorzug Und die Erhabenheit seiner Tugend und Unschuld empfindet. Ernst ist in seinem Gesicht; tief in der Seele der Himmel! Jtzo dachte der goͤttliche Mann voll Gedanken der Ehrfurcht An die heilige Nacht, wo allein mit ihm der Meßias Von der Ewigkeit sprach und von den Geheimnissen Gottes: Wo er tiefsinnig, mit Minen voll Seele, mit himmlischen Laͤcheln Neben ihm stand, und sprach. Er sah sein Antlitz voll Gnade Und den mehr als menschlichen Geist der goͤttlichen Augen, H 3 Und Der Meßias. Und die Enthuͤllung der anerschaffnen und ersten Unschuld; Lichthelle Zuͤge des ewigen Bildes, den Sohn des Vaters! Nikodemus stand stillanbetend, zu selig, vor Menschen Sich noch zu fuͤrchten. Ein maͤchtiges Feuer, ein Schauer vom Himmel, Hub ihn empor. Es war ihm, als wenn er vor Anschaun der Gottheit, Vor der Versam̃lung des Menschengeschlechts, und vorm Weltgericht stuͤnde. Auf ihn schaute die ganze Versammlung. Sein Auge voll Ruhe, Voll des unwiderstehlichen Feuers der furchtbaren Tugend, Schreckte die Suͤnder. Sie fuͤhlten ihn grim̃voll. Er zwang sie; sie hoͤrten: Heil mir! Daß ich mit meinen Augen dich, Goͤttlicher, schaute! Heil mir! Daß ich, die Hofnung der Vaͤter, den Retter, erblickte! Welchen zu sehn, im Haine zu Mamre selbst Abraham oftmals Einsam seufzte: Den David, der Mann zum Beten geschaffen, Gern aus den Armen des Vaters herunter gebetet haͤtte! Den, im Staube gebuͤckt, Propheten mit Thraͤnen verlangten, Die Gott sammelt und zaͤhlte! Den uns Unwuͤrdigen Gott gab! Ja, du hast die Himmel getheilt! Du kamest hernieder Unter dein Volk, es zu segnen, du Erstgeborner des Vaters! Oder, wie diese Maͤnner dich nennen, du Traͤumer, und Suͤnder! Ach, unschuldiger Mann, wer sind sie, die also dich nennen? Und, wenn hast du Luͤgen getraͤumt? Wenn hast du gesuͤndigt? Stand er nicht vor dem Gesicht der versammelten Jsraeliten? Standst du nicht, Philo! dabey? Und rief er nicht also? und sagte: Wer kann einer Suͤnde mich uͤberzeugen? Wo war da, Philo! der grimmige Zorn auf diesen Lippen der Laͤstrung? Warum standst du, und um dich herum dein Haufen, so sprachlos? Erst war ein uͤberall herrschendes Schweigen, und wartende Blicke! Wilde Vierter Gesang. Wilde Gesichter voll Freude! Gesichter von sorgender Furcht voll! Still und verstummend stand die Versammlung, und wartete, bis sich Einer erhuͤb, und wider ihn zeugte. Da aber nicht einer Unter dieser so dichten Versammlung unzaͤhlbarer Menschen, Wider den Goͤttlichen aufstand, und zeugte: da hub sich die Stimme Des zusegnenden Volks von allen Seiten gen Himmel, Daß Moria davon, daß des Oelbergs waldichte Gipfel, Von der Stimme des Rufens erbebten! Da drangen die Blinden, Und die vormals Tauben herzu, und dankten und jauchzten! Da kam ein unzaͤhlbares Volk, das er wunderbar vormals Jn den Wuͤsten gespeist hat, und dankte dem Menschenfreunde. Da rief unter dem Volk mit lauter Stimme der Juͤngling, Den er vor Nains Thoren erweckte, der rief, und sagte: Du bist warlich mehr, als ein Mensch, ohne Suͤnd und unschuldig! Du bist Gottes Sohn! Diese Hand, die ich gegen dich strecke, War mir erstarrt! Dieß Auge, das weint, das dir, Goͤttlicher, zuweint! War mir geschlossen! Die Seele, die freudig und dankbar dir betet, War nicht bey mir! Man trug mich hinaus zum Grabe der Todten! Aber du gabest der starrenden Hand, du gabest dem Auge Leben und Feuer! Jch sahe von neuem die Erd und den Himmel, Und die zitternde Mutter bey mir! Du riefest die Seele Wieder zuruͤck! Man trug mich nicht mehr zum Grabe der Todten! Du bist warlich, mehr als ein Mensch, ohne Suͤnd und unschuldig! Du bist des Ewigen Sohn! Die Hoffnung der Jsraeliten! Also rief er. Du aber standst still, und schwiegst und sahst nieder! Warum verstummtest du so vorm Antlitz des ganzen Judaͤa? Philo! … Zwar, was erzaͤhl ich dieß hier? Jhr wißt es ja alle! H 4 Haͤt- Der Meßias. Haͤttest du Augen, zu sehn! Und Ohren zu hoͤren, und waͤre Nicht dein Verstand mit Dunkel umhuͤllt, und dein Herz voll Vosheit: O, so haͤttest du lange den Sohn des ewigen Vaters Jn ihm erkannt! Und waͤrst du hierzu, zu niedrig gewesen Haͤttest du Gott doch gescheut! Und tief im Staube gewartet, Bis ihn der Richter der Welt vom Himmel gerechtfertigt haͤtte: Oder uͤber sein Haupt dem Untergange gerufen. Religion der Gottheit! Du heilige Menschenfreundinn! Tochter Gottes, der Tugend erhabenste Lehrerinn, Ruhe, Bester Segen des Himmels, wie Gott dein Stifter, unsterblich! Schoͤn wie der Seligen einer! Suͤß, wie das ewige Leben! Schoͤpferinn hoher Gedanken! Der Froͤmmigkeit seligster Urquell! Oder wie sonst noch ein Seraph dich, Unaussprechliche! nennet; Wenn dein lichtheller Stral in edlere Seelen sich senket: Aber ein Schwert in des Rasenden Hand! des Bluts und des Wuͤrgens Priesterinn! Tochter des ersten Empoͤrers! Nicht Religion mehr! Schwarz, wie die ewige Nacht! Furchtbar, wie das Blut der Erwuͤrgten, Die du schlachtest, und uͤber Altaͤren auf Todten dahergehst! Raͤuberinn des Donners, den Gottes rechte Hand sich nur Vorbehielt! Dein Fuß steht, tief auf der Hoͤlle, dein Haupt droht Gegen den Himmel empor; wenn dich die Seele des Suͤnders Ungestalt macht, wenn ein Menschenfeind dich, zur Abscheulichen, umschaft! Religion der Gottheit! Du also lehrst uns den wuͤrgen, Ohne den du nichts waͤrst, den deine goͤttlichsten Kinder Sangen, eh du zu Menschen noch kamst, entheiligt zu werden, Deinen Stifter zugleich und deinen goͤttlichen Jnhalt, Religion! Den lehrtest du wuͤrgen? Das lehrest du uns nicht! Das Vierter Gesang. Das sey ferne von dir, die du des Ewigen Kind bist, Stifterinn des Friedens! Heil Gottes! Bund! Ewiges Leben! Meine Seele bewegt sich in mir! Mein bebendes Knie sinkt, Schwermut, und Mitleid, und Angst, erschuͤttern meine Gebeine, Wenn ich dieß alles in ernsten Betrachtungen uͤberdenke. Und ein Abscheu vor Menschen, ein Schauer vor denen, die Gott schuf, Ueberfaͤllt mich, so oft ich bedenke, wie wenig ihr dieses Bey euch empfindet, wie niedrig ihr seyd, nur menschlich zu fuͤhlen; Wie ohnmaͤchtig, die Religion, und die Mordsucht zu sondern, Und wie poͤbelhaft klein, die lichten Stralen der schoͤnen Und der liebenswuͤrdigen Unschuld, nur dunkel zu schauen! Zwar was sorget die Unschuld, von euch gesehen zu werden! Gott sieht sie, der Himmel mit Gott! Sie wird nicht erzittern, Wenn sie niedrige Suͤnder verdammen! Wenn Seraphim dastehn, Und sie bewundern, wenn hoch vom Olymp ihr der Ewige laͤchelt; Wenn wir alsdann, in unserm einheimischen niedrigen Staube, Stehn, und wider sie zeugen: wie klein und verachtungswuͤrdig Werden wir dastehn, und wider sie zeugen! Und wenn im Gericht einst, Wenn einst vor der ganzen Versammlung erwachender Todten, Seraphim dahergehn, und da stehn, und wider uns zeugen; Wenn die Stimme der Cherubim ruft, und auf uns donnernd, Gottes Heilige nennt; wenn Gott spricht, und seine Gerechten Zu sich, im hohen Triumph, zu seiner Herrlichkeit, einfuͤhrt: O, wie werden wir da den Huͤgeln flehen: Bedeckt uns! Und den Bergen: Fallt uͤber uns her! Und den Meeren: Verschlingt uns! Und dem Verderben: Vernicht uns, Verderben! Daß die uns nicht sehen, Die wir verdammten! Daß sie uns nicht sehen die schrecklichen Frommen! H 5 Daß Der Meßias. Daß uns der Vater so furchtbarer Kinder im Grimme nicht anschau! Staͤrke mich grosser Gedanke, Gedanke vom Weltgerichte! Sey mir ein Berg Gottes, zu dem ich fliehen kann, wenn mich, Sterbender Meßias! Dein letzter Anblick erschuͤttert. Ach, ich fuͤhl es zu sehr, wie meine Seele bewegt wird, Welch ein zweyschneidiges Schwert auf meinen Scheitel daher blinkt, Wenn ich deinen annahenden Tod von ferne betrachte! Ach vergebens, erhabner Gedanke! Vergebens erhoͤhst du Meine Seele! Dem fuͤhlenden Herzen, dem Herzen voll Mitleids, Voll von Jammer, voll Angst, sind deine Donner nicht hoͤrbar! Du sollst sterben, du goͤttlicher Juͤngling! Du, welchen mein Arm hielt, Als du ein Knabe noch warst; umschlossen hielt dich mein Arm da, Druͤckte dich an mein Herz, du aber sagtest voll Wehmut: Wenn doch alle Menschen durch mich gluͤckseliger wuͤrden! Um dich standen die Weisen herum, und hoͤrten dich lehren, Und bewunderten dich! Unfehlbar stand auch der Himmel, Aus den ewigen Pforten, zu Legionen, gegossen, Um dich herum, und hoͤrte dich lehren, und jauchzte dir Lieder! Dein Arm weckte die Todten, dein Auge gebot den Gewittern, Und die Gewitter gehorchten dir gern. Da ruhte der Sturmwind! Du erhubst dich, und giengest daher, da sanken die Wasser, Wie Gebirge, vor dir, und wurden Ebnen! Da giengst du Auf der Stille der Wasser! Die Himmel sahen dich wandeln, Du sollst sterben? … So stirb dann! Wenns deines erhabenen Vaters Heiliger Rathschluß ist, stirb! Jch aber will gehen, und weinen An dein Grab hin! Zum heiligen Quell der Bethlehemiten, Wo dich Maria gebar, da will ich weinen und sterben! Bester Vierter Gesang. Bester unter den Menschen! Sohn Gottes! Engel des Bundes! Theurer Juͤngling! … Mein Ende sey, wie dein Ende! Mein Grab sey, Bey dem Grabe dieses Gerechten! Nah bey den Gebeinen, Die in Sicherheit ruhn, und zum ewigen Leben erwachen! Doch, was saͤumet mein Fuß aus dieser Versammlung zu gehen? Heilig und rein geh ich von euch hinaus! Gott hat mich gehoͤret! Rein des gerechten unschuldigen Bluts! Nun rufe mich zu dir, Richter der Welt! Jch habe kein Theil am Rathe der Suͤnder! Also spricht er, bleibt wiederum stehn, faͤllt nieder, und betet: Der du vor Abraham warst, Meßias! Sey du auch mein Zeuge, An dem Tage des grossen Gerichts! Dich bet ich, als Gott, an; Und er stand auf, und redte zu Philo; sein Antlitz war heiter, Wie der Seraphim Angesicht ist. Du hast mir gefluchet! Aber ich segne dich, Philo! Der hats mich also gelehret, Den ich, als Gott, anbetete. Philo, vernimm mich, und kenn ihn! Wenn du nun sterben willst, Philo! Wenn itzt des Unschuldigen Blut dich Schreckt, und auf dich, wie ein Weltmeer herabstuͤrzt! Wenn deinem Ohre, Wie ein Wetter des Herrn, die Stimme der Rache donnert! Wenn du nun hoͤren wirst um dich herum im Dunkeln dahergehn Gottes Fußtritt, den eisernen Gang des wandelnden Richters, Und den Kriegsklang der Panzer um ihn! Des blinkenden Schwerts Schlag, Welches er wetzt, und den trunkenen Pfeil vom Blute der Suͤnder! Wenn von Gottes Angesicht her die Todesangst ausgeht, Und dich erschuͤttert! Wenn mit ganz andern Gedanken die Seele Jtzt erfuͤllt ist! Und um dein starres sterbendes Auge Lauter Gericht ist! Wenn du dich alsdenn vor dem toͤdtenden Richter Windest und kruͤmmst, und mit bebender Stimme lautweinend zu Gott flehst Um Der Meßias. Um Erbarmung: so hoͤre dich Gott, und erbarme sich deiner! Also sagt er, und geht durch sie hin. Jhn begleitete Joseph. Aber Jthuriel sah Nikodemum, den goͤttlichen Mann, gehn. Und der Seraph erhub sich und gieng in hoher Entzuͤckung Mit weit ausgebreiteten Armen. Sein freudiges Auge Schaute gen Himmel nach Gottes Thron hin. Ein goͤttliches Laͤcheln Hellte die selige Stirn, und unaussprechliche Freude Floß um sein Haupt, da er gieng. So, wie der Himmlischen einer, Der, als Waͤchter, zween Liebende schuͤtzt, die edler sich lieben, Tief verloren in seiner Entzuͤckung, auf bluͤhenden Huͤgeln, Unten am ewigen Thron steht, wenn Seraph Eloa vor Gott singt, Und der toͤnenden Harfe die himmlische Sprache gebietet. Von der Belohnung der Tugend, vom Widersehen der Freunde Und der Liebenden singt dann Eloa. Der laͤchelnde Seraph Stehet entzuͤckt. Die Harfe toͤnt fort mit gefluͤgelten Stimmen, Schlag auf Schlag, Gedank auf Gedanke! Der hoͤrende Juͤngling Jauchzt, und zerfließt im suͤßen Gefuͤhl unaussprechlicher Freuden. Also entzuͤckt stand Jthuriel da, und sprach zu sich selber: Welche Seligkeit wird, nach des Mittlers Tode, dich kroͤnen; Wenn du solche unsterbliche Seelen, o Menschengeschlecht, hast! Und nun bald die Christen so sind, wie dieser Gerechte! Dieses sagt er, und achtet nicht Satan, ihn hoͤren zu lassen, Was er sagt. Doch Satan erblickt ihn in seiner Entzuͤckung, Und empfand den gewissen Triumph des erhabneren Seraphs. Aber Nikodemus gieng neben Joseph und sagte, Als er von ihm sich wandte: du aber schaͤmtest dich seiner, Theurer Joseph! Das gieng ihm durchs Herz. Der froͤmmere Joseph Hatte Vierter Gesang. Hatte geheim schon geweint, daß er unentschlossen verstummt war. Zitternd gieng er von Nikodemus, und konnte vor Wehmut Gar nicht sprechen. Er hub nur sein Auge voll Unschuld gen Himmel. Nikodemus ließ die Versammlung staunend zuruͤcke, Und, auf den Tag des Gerichts, mit Wunden der Seele gebrandmarkt; Wunden, deren Gefuͤhl sie itzt zu betaͤuben sich zwangen, Aber die offen seyn werden, weit offen, den Tag der Vergeltung, Ewig zu bluten, wenn nun der Zeuge nicht mehr betaͤubt wird, Den der Richter der Welt ins Herz des Menschen gesandt hat. Alle schwiegen. Es haͤtte sich itzt die Versammlung getrennet; Waͤre nicht eben ein Juͤnger von dem, den sie haßten, gekommen. Judas Jschariot ward hereingefuͤhret. Sie sahn ihn Voll Verwundrung die Reihn der tiefen Versammlung vorbeygehn, Und mit ruhiger Mine dem Hohenpriester sich naͤhern. Der empfieng ihn, und neigte sein frohes Antlitz auf Judas. Judas spricht ins Geheim mit dem Hohenpriester. Der kehrt sich Zu der Versammlung und sagt: noch sind in Jsrael uͤbrig, Die ihr Knie vor dem Goͤtzen nicht beugen. Der Mann ist sein Juͤnger, Und doch herzhaft genug, daß Gesetz der Vaͤter zu halten! Er verdienet Belohnung! Jschariot nahm die Belohnung. Und, erfuͤllet von Stolz, daß ihn die Vaͤter so ehrten, Gieng er aus der Versammlung! Nur war ihm der Lohn zu geringe. Doch ermuntert er sich mit der Hoffnung, mehr zu besitzen, Wenn er mit Eifer und Weisheit die That erst ausgefuͤhrt haͤtte. Philo sah den Juͤnger vorbeygehn, und haßt ihn. Daß einer Von den Geringen des Volks an seiner Ehre den Antheil Nehmen sollte, das quaͤlt ihn. Doch sah er mit winkendem Laͤcheln Au Der Meßias. Auf ihn herab, und feuert ihn an, unmenschlich zu werden. Lange schaut er Jschariot nach. So schaut dem Erobrer, Der in die Schlacht eilt, der Erstling der Moͤrder, mit Spott u. Triumph nach. Dieser wars, der zuerst ihn ruhige Grausamkeit lehrte, Und der Menschlichkeit zartes Gefuͤhl zum Poͤbel herabstieß. Jtzo flattern Phantomen des ewigen Ruhms um sein Auge! Bluͤhende Lorbern entsprossen des Siegers Stirne. Nur Menschen, Die, dem Unsterblichen nachzuahmen, auch Thiere, wie er, sind, Haͤlt er schaͤtzbar. Es fliegt der Loͤwe, den Tod zu gebieten. Schon ertoͤnen ihm suͤß im Ohre des eisernen Feldes Dumpfe Gewitter! Schon hoͤrt er gesetzt der Sterbenden Winseln! Und erinnert sich nicht, daß er auch ein Christ war geboren, Und des Weltgerichts Donner auch ihn mit den Todten wird wecken! Judas, vom Aug und den Wuͤnschen des Pharisaͤers begleitet, Und in goldene Traͤume vertieft, gieng, Jesum zu suchen. Jesus koͤmmt aus den Schatten des nahen Kidron, und wandelt Durch die Palmen im Thal. Er sieht Jerusalem liegen, Und den Tempel, sein Bild; sieht seiner Feinde Versammlung, Und die Ersten der Christen. Seht da die Zeuginn! (So sprach er Zu den Juͤngern,) Jch weine nicht mehr um Jerusalems Kinder. Schaut der Heiligen Graͤber! Die alle hat sie getoͤdtet. Zwar von ihren Soͤhnen sind viel, die werden einst mein seyn, Meine Zeugen mit euch! Jtzt will ich ruhig den Rathschluß Meines Vaters vollenden. Bald wird euch alles enthuͤllt seyn. Geh du, Petrus, und du, Johannes, geht beyde zur Stadt hin. Euch wird in Jerusalems Mauern ein Juͤngling begegnen; Einen Wasserkrug traͤgt der Juͤngling, und sieht sich verwundernd Oft Vierter Gesang. Oft nach euch um, und liebet die beyden Fremdlinge! Folgt ihm, Wo er hingeht. Und, kommt ihr ins Haus, so sagt dem Bewohner: Unser Lehrer sendet uns her, das Fest hier zu feyern. Und der redliche Mann wird auf einen erhabenen Saal euch Eilig fuͤhren. Der ist schon bereitet. .. Es fanden die Juͤnger Alles so, und ließen das Lamm zum Male bereiten. Petrus saͤumte sich nicht, das Mal bereiten zu sehen, Eilt auf den hohen Soͤller des Hauses, und schaute mit Sehnsucht Nach der Seite der Stadt, die auf Bethanien fuͤhrte, Jesum kommen zu sehn. Da er so mit gefluͤgeltem Blicke Jede Ferne durcheilt, da sieht er die liebende Mutter Seines Meßias, von wenigen Freunden begleitet, dahergehn. Muͤd und voll Schmerz, (sie hatte den Sohn schon Tage gesuchet, Vielmehr Naͤchte geweint!) Doch durch den Schmerz nicht entstellet, Gieng die hohe Maria, unwissend der eigenen Wuͤrde, Die die Unschuld ihr gab, und strenge Tugend bewachte; Reines Herzens, vom Stolz nie entehrt, die menschlichste Seele! Wuͤrdig, wenns eine der Sterblichen war, der Toͤchter von Eva Erstgeborne zu seyn, waͤr Eva unschuldig geblieben: Hoch, wie ihr Lied, holdselig, wie Jesus, und von ihm geliebet. Und sie gieng von Freunden umgeben, die immer ihr folgten. Lazarus, den der Meßias vor kurzem vom Tode erweckte, Lazarus himmlisch gesinnt, und gewiß des ewigen Lebens, Gieng am naͤchsten bey ihr. Sein niederschauendes Auge Schaute Tiefsinn herab, mit einer Hoheit vereinbart, Die, unaussprechlich der Sprache des Menschen, nur sterbende Christen Fuͤhlen, und durch Laͤcheln im Tode beym Namen sie nennen. Laza- Der Meßias. Lazarus dachte den Tod, und die Auferstehung vom Tode. Da er, wie zu des Ewigen Anschaun, zum großen Meßias, Aus dem Staube, gefaßt vom Schauer Gottes, heraufstieg. Seine Schwester, die junge Maria, die Hoͤrerinn Jesu, Die, in ihrer Unschuld und Ruh vor ihn hingegossen, Da den ewigern Theil zu seinen Fuͤßen erwaͤhlte, Diese folgte dem himmlischen Bruder. Jhr ruhiges Antlitz, War mit Todesblaͤsse bedeckt. Jm Auge voll Wehmut, Hielt sie die ruͤhrendste Thraͤne zuruͤck, die jemals geweint ward. Von Nathanael, ihrem Geliebten, dem Jesus den Namen Des Rechtschaffenen gab, zu ihrem himmlischen Bruder, Welcher gestorben, und ihr von den Todten wieder geschenkt war, Zitterten hin und wieder des heiligen Maͤdchens Gedanken. Ruhig fuͤhlt sie den kommenden Tod. Um Nathanaels willen, Nur um ihres himmlischen Bruders, um Lazarus willen, Trauert sie wegen der Blaͤsse, von der die Gespielinn oft redet. Neben ihr gieng die sittsame Cidli, die Tochter Jairus. Still in Unschuld waren ihr kaum zwoͤlf Jahre verflossen, Als, aus dem jungen Leben wegbluͤhend, sie heiter und freudig Jn die Gefilde des Friedens hinuͤber schlummerte. Todt lag Cidli vor dem Auge der Mutter. Da kam der Meßias, Rief sie aus dem Schlummer zuruͤck, und gab sie der Mutter. Heilig traͤgt sie die Spuren der Auferstehung; doch kennt sie Jene Herrlichkeit nicht, mit der ihr Leben gekroͤnt ist, Nicht die zart aufbluͤhende Schoͤnheit der werdenden Jugend Noch ihr goͤttliches Herz, dir, edlere Liebe, gebildet. So gieng, da sie erwuchs, der Jsraelitinnen schoͤnste, Sula- Vierter Gesang. Sulamith, als die Mutter sie unter dem Apfelbanm weckte, Wo sie die Tochter gebar, die hernach hier auch Salomo weckte. Sanft rief sie der schlummernden Tochter; mit lispelnder Stimme Rief sie: Sulamith! Sulamith folgte der fuͤhrenden Mutter, Unter die Myrrhen, und unter die Schauer einladender Schatten, Wo, in Wolken suͤßer Geruͤche, die himmlische Liebe Unsichtbar stand, in ihr Herz die ersten Empfindungen hauchte, Und das verlangende Zittern sie lehrte, den Juͤngling zu finden, Der, erschaffen fuͤr sie, dieß heilige Zittern auch fuͤhlte. So gieng Cidli. Sie hieng an der Hand der jungen Maria. Aber die Mutter Jesu erhub ihr Antlitz und sahe Petrum stehn. Da eilte sie schnell, den Meßias zu finden. Petrus war in den Saal herunter gegangen, und kam ihr Mit Johannes entgegen. Sie sahn sie kommen, und staunten, Als sie sie sahn. So viel sprach von dem Adel des Geistes Jhre Bildung! So hatte sie der mit Wuͤrde bekleidet, Der, eh er Mensch ward, Schoͤpfer gewesen, und wieder es seyn wird, Wenn er neue, nicht sterbliche Leiber den ewigen Seelen Aus dem Staube der Auferstehung wird heißen hervorgehn? Jhre Begleiterinnen, die unter den Toͤchtern Judaͤa Zwo der liebenswuͤrdigsten waren, und werth, von der Mutter Des Propheten geliebt, und uͤbertroffen zu werden, Giengen mit sanfter vertraulicher Demuth neben Maria. Wie vor allen Bergen Judaͤa Tabor hervorragt, Und ein Zeug ist der Herrlichkeit Jesu; zwar ruhet auch Sion Lieblich vor Gott; zwar nahm auch der Oelberg den großen Meßias Auf, wenn er rang im Gebet; zwar traͤgt auch die Stirne Moria J Hoch Der Meßias. Hoch das allerheiligste Gottes, und zittert darunter: Aber vor allen Bergen Judaͤa ist Tabor doch herrlich, Tabor, verbreitet vor Gott, ein Zeuge der hohen Verklaͤrung. Also war unter den goͤttlichen Frauen die hohe Maria. Als sie bey seinen geliebtesten Juͤngern Jesum nicht sahe, Blieb sie wehmutsvoll stehn …. Da sie zu reden vermochte, Wandte sie gegen Johannes ihr Antlitz, und laͤchelte weinend: Ach, den mein Arm getragen, der oft mit kindlichem Blicke An mein Herz sich geneigt hat, zwar zittr’ ich, Sohn ihn zu nennen! Denn er ist viel zu erhaben fuͤr eine sterbliche Mutter! Viel zu wunderthaͤtig und groß, von Maria gebohren, Und geliebet zu seyn! Wo ist er, theurer Johannes, Wo ist Gottes Sohn, unser Prophet? Jch hab ihn schon lange Ueberall aͤngstlich gesucht, daß er nicht nach Jerusalem komme, Jn die entheiligte wuͤtende Stadt. Sie wollen ihn toͤdten! Ach, sie wollen ihn toͤdten, den meine Haͤnde getragen, Meine Bruͤste gesaͤugt, den meine weinenden Augen Muͤtterlich angeblickt haben, als er ein bluͤhendes Kind war. Sanft erwiedert der fromme Johannes: er hat uns befohlen, Hier ihm ein Mahl zu bereiten, das Lamm des Bundes zu schlachten. Bald wird er selbst von Bethanien kommen. Erwart ihn, Maria! Rede mit ihm, wenn er koͤmmt, was dir dein Herz dann gebietet, Das so muͤtterlich ist, so wuͤrdig unsers Propheten! Alle schwiegen, und Lazarus Schwester, die junge Maria, Neigte sich sanft an ihre geliebteste Cidli; ihr Bruder Stand bey Cidli, und sah mit schweigender Traurigkeit nieder. Diese kannte den Schmerz, der lange schon Lazarus Herz traf, Und Vierter Gesang. Und sie blickte seitwaͤrts ihn an, und sah die Empfindung Seiner Seelen im Auge voll Wehmut, sahe die Hoheit, Welche mit Zuͤgen der Himmlischen schmuͤckt die leidende Tugend. Da zerfloß ihr das Herz, und lispelte diese Gedanken: Edler Juͤngling, um mich bringst du dein Leben mit Wehmut, Deine Tage mit Traurigkeit zu! Ach, war ichs auch wuͤrdig? Daß du so himmlisch mich liebst, wars deine Cidli auch wuͤrdig? Lange schon wuͤnsch ich, die Deine zu seyn, und von dir zu lernen, Wie sie so schoͤn ist, die selige Tugend! Dich zaͤrtlich zu lieben, Wie zu den Zeiten der Vaͤter die Toͤchter Jerusalems liebten; Wie ein jugendlich Lamm um deine Winke zu spielen; Gleich den Rosen im Thal, die der fruͤhe Tag sich erziehet, So in deiner reinen Umarmung gebildet zu werden, Dein zu seyn, und dich ewig zu lieben! Ach, meine Mutter, Warum gebotest du doch das himmlische strenge Gebot mir? Zwar ich schweig, und gehorche der Weisheit der liebenden Mutter, Und der Stimme Gottes in ihr! Dem bin ich gewidmet! Jch bin auferstanden! Jch bin zu heilig, die Mutter Sterblicher Soͤhne zu werden! Nur du must deine Betruͤbniß, Deine zaͤrtlichen Klagen, du edler Juͤngling, auch mindern! Wuͤrde doch meinem Leben der Trost noch einmal gegeben, Daß ich in deinem Gesicht das suͤße Laͤcheln erblickte, Da du keine Thraͤnen noch kanntest, als Thraͤnen der Freude, Da du ein Knabe noch warst, und ich aus dem schmeichelnden Arme Deiner schoͤnen Schwester, Maria, in deinen Arm hinflog. Also denkt sie. Es bricht ihr das Herz, sie kann sich nicht halten, Stille Thraͤnen zu weinen. Es sah sie Lazarus weinen, J 2 Ob Der Meßias. Ob sie mit ihrem silbernen Schleyer ihr Antlitz gleich deckte. Lazarus geht still aus der Versammlung, und da er hinauskoͤmmt, Sieht er mit traurigem Angesicht nieder, und denkt bey sich selber: Warum weint sie? Jch konnte sie laͤnger weinen nicht sehen, Denn es brach mir mein Herz! Ach, theure zaͤrtliche Thraͤnen, Schoͤne Thraͤnen, so still, so zitternd im Auge gebildet! Waͤre nur eine von euch um meinentwillen geweinet; O so wollt ich noch selig mich preisen. Jch klage noch immer, Jmmer um sie! Mein Leben voll Quaal, mein trauriges Leben, Jst noch immer von ihr, ein einziger langer Gedanke! O du! welches in mir unsterblich ist, dieser Huͤtte Hohe Bewohnerinn, Seele, Hauch Gottes, Tochter des Himmels, Des Erschaffenden Bild, der nahen Ewigkeit Erbinn! Oder wie sonst dich bey deiner Geburt die Unsterblichen nannten, Red, ich frage dich, lehre du mich! Enthuͤlle das Dunkle Meines Schicksals! Eroͤfne die Nacht, die uͤber mich herhaͤngt! Red, ich frage dich, antworte mir! Jch bin muͤde, zu weinen! Muͤd, in ewige Wehmut ergossen, mein Leben zu trauern! Muͤde des unaussprechlichen Kummers! Der Todesangst muͤde! Warum fuͤhl ich in mir, wenn ich die Unsterbliche sehe, Oder, von ihrem himmlischen Anblick entfernet, sie denke, Warum fuͤhl ich alsdann, im hoch aufwallenden Herzen, Neue Gedanken, von denen mir vormals keiner gedacht war? Bebende, ganz in Liebe zerfließende, große Gedanken! Jeden von ihnen mit seligem Laͤcheln und Hoheit bekleidet! Jeden mit Klarheit umstralt, und der Unvergaͤnglichkeit wuͤrdig! Tausend bey tausend steigen sie auf, wie auf goldenen Stufen, Hoch Vierter Gesang. Hoch gen Himmel, sich unter der Engel Gedanken zu mischen. Warum weckt von der Lippe der Cidli die silberne Stimme, Warum vom Auge der maͤchtige Blick, mein schlagendes Herz mir Zu Empfindungen auf, die mich allmaͤchtig ergreifen? Die sich rund um mich her, wie in helle Versammlungen, draͤngen, Jede, gleich einer schoͤnen That, edel, und rein, wie die Unschuld! Warum decket der Schmerz, mit mitternaͤchtlichem Fluͤgel Ewig mein Haupt; und begraͤbt mich hinab in die Schlummer des Todes? Ach, dann sitz ich, und weine, hin auf mein Grabmal gebeuget, Meinen Jammer. Mir horchet die schauernde Todesstille. Oft will ich dann mit gewaltigem Arm den Kummer bestreiten. Meine Seele versammelt in sich die Empfindungen alle, Die ihr, von ihrer hohen Geburt, und Unsterblichkeit zeugen. Sey, (so red ich sie an,) sey wieder dein, die du himmlisch, Die du bist unsterblich erschaffen! So red ich ihr Hoheit Und Standhaftigkeit zu. Sie aber verstummt, sich zu troͤsten, Schaut auf ihre Wunden herab, und weinet, und zittert. Warum bin ichs allein, der so ewig, ungeliebt, liebet? Warum erhebt sich mein Herz, auch uͤber die edelsten Herzen, Groß und elend zu seyn? Was ist, das in mir, das noch immer, Sie beym Namen mir nennt? Will ich ihr Gedaͤchtniß vertilgen! Welche Stimme Gottes ist das? Die mit heiligem Lispeln, Und mit Harmonien, den zaͤrtern Seelen nur hoͤrbar, Meinem Herzen leise gebietet, sie ewig zu lieben! Und so will ich denn ewig dich lieben! Du seyst noch so schweigend, Noch so verstummend vor mir! Ach, da ichs, Cidli, noch wagte, Zitternd zu denken, du seyst mir geschaffen; wie war ich so selig! J 3 Welchen Der Meßias. Welchen Himmel erschuf sich mein Geist, wenn du, Cidli, mich liebtest! Welche Gefilde der Ruh um mich her! O, darf ich noch einmal, Suͤßer Gedanke, dich denken? Und wird dich mein Schmerz nicht entweihẽ? Du warst, Goͤttliche, mein! Durch keine kuͤrzere Dauer, Als durch die Ewigkeit, mein! Das nannt ich, fuͤr mich geschaffen! Jeder Tugend erhabenen Wink, der mir unsichtbar sonst war, Lernt ich durch deine Liebe verstehn! Mit zitternder Sorgfalt Folgte mein Herz dem gebietenden Winke. Die Stimme der Pflichten Hoͤrt ich von fern! Jhr werdendes Lispeln, ihr Wandeln im Stillen, Jhren goͤttlichen Laut, wenn keiner sie hoͤrte, vernahm ich! Und nicht umsonst! Wie ein Kind voll Unschuld, mit biegsamen Herzen, Folgt ich dem leichten Gesetz, der sanft gebietenden Stimme, Daß ich deinen Besitz, die du mir theurer, als alles, Was die Schoͤpfung hat, warst, durch keinen Fehltritt entweihte. Gott selbst liebt ich noch mehr, weil du sein hohes Geschenk warst; Weil ich, wie auf Fluͤgeln, von deiner Unschuld getragen, Naͤher dem Liebenswuͤrdigen kam, der so schoͤn dich gebildet, Der so fuͤhlend mein Herz, und deins so himmlisch gemacht hat. Wie, ganz in Entzuͤckungen aufgeloͤst, deine Mutter, Da du gebohren warst, uͤber dir hieng, und wie sie sich neigte Ueber dein Antlitz mit Todesangst hin, da du ihrer Umarmung Still entschlummertest, und sie den Schall der kommenden Fuͤße Noch nicht vernahm, noch die lockende Stimme des Helfers in Juda: So hat meine Seele sich oft mit jeder Empfindung Und mit jeder Entzuͤckung in ihr, die sie maͤchtig erschuͤttert, Auf den großen Gedanken gerichtet: du seyst ihr geschaffen! Ausgebreitet hieng uͤber ihn hin; die schauende Seele Sah Vierter Gesang. Sah ihn ganz, den Gedanken der Ewigkeit; sahe den Endzweck Jhres Daseyns in ihm; von einer Seligkeit trunken, Welche selten ins Herz des Menschen vom Himmel herabsteigt. Aber in Traurigkeit, welche kein Maß, kein endendes Ziel kennt, Und in Schauer der Angst ohne Namen, in Schlummer des Todes, Loͤste meine Seele sich auf, wenn ich jenen Gedanken, Jenen andern Gedanken der Nacht und der Einsamkeit, dachte! Ach, dann war ich von allen verlassen! Dann war ich ganz einsam! Du warst mir nicht mehr da! Jch war allein in der Schoͤpfung! O, bey allem, was heilig ist! Um der Tugend und Liebe, Um der Goͤttlichkeit willen, die deine Seele voll Unschuld Ueber den Staub der Erden erhoͤht: Und wenn was noch theurer, Wenn was erhabner noch ist: bey deinem Erwachen vom Tode, Und bey jeder Unsterblichkeit, die du mit Lichte bekleidet, Unter des Himmels Bewohnern wirst leben! Ach, um der Kronen, Um der Tugend Belohnungen willen, beschwoͤr ich dich, Cidli! Sage, was denkt da dein Herz? Was fuͤhlt es? Wie ist es ihm moͤglich? Dieß mein Herz, das so liebt, mein blutendes Herz zu verkennen! Um die Mitternachtzeit, bey daͤmmernden traurigen Lampen, Jn die Stille des Todes verhuͤllt, auf meinem Grabe, Saß ich, und forschte den baͤngsten Gedanken durch ihr Labyrinth nach, Und verstummte. Wie hat mich der Schmerz mit ehernen Mauren Jn mich hinein verschlossen; und meinen bluͤhenden Jahren Jhre Kronen geraubt; und das Antlitz der laͤchelnden Freude Vor dem Verlassensten unter den Menschen auf ewig verborgen! Schau her, der du mich schufst! Jst unter den baͤngsten der Schmerzen Meinem Schmerz ein Schmerz zu vergleichen? Jch lag ja im Sichern, J 4 Zu Der Meßias. Zu den Todten hinunter begraben, im Schoße der Erde, Welche mit Mutterhaͤnden den muͤden Wanderer aufnimmt, Seine Thraͤnen, und ihn! Wie ist mein dauernder Jammer Ohne Maß! Jch verkenne die Herrlichkeit meines Lebens! Und die Stimme des Sohnes Gottes, die zu mir hinabkam Jn die Graͤber! Vergebens vernahm ich den Fußtritt der Allmacht, Jhren donnernden Gang, daß jeder gebeinvolle Huͤgel Unter mir bebte, daß uͤber mir klangen die Halleluja Derer, die niemals die Schauer der Auferstehung empfanden. Hier verstummt er, und neigte sein Haupt, und verhuͤllte sein Antlitz. Aber die Mutter Jesu stand auf. Er koͤmmt nicht, Johannes, Sagte sie aͤngstlich; ich eil ihm entgegen. Wenn ihn nun die Mordsucht Seiner Feinde nicht schon zu den todten Propheten gesandt hat! Wenn er noch lebt, wenn mein Sohn noch lebt, und wenn ich es werth bin, Jhn noch einmal zu sehn; mit meinen Augen zu schauen, Des Propheten Gestalt, und meines Sohnes Geberde! Und dann sein gnaͤdiges Antlitz auf seine Mutter noch einmal Wuͤrdigt herunter zu laͤcheln; so will ich zitternd es wagen, Hin zu seinen goͤttlichen Fuͤssen … (Es hat ja begnadigt Magdale Maria zu seinen Fuͤssen geweinet, Die doch seine Mutter nicht ist!) Da will ich es wagen, Zitternd mich nieder zu werfen! Jch will sie fest an mich halten, Und laut weinen! Und wenn dann mein Auge sich muͤde geweint hat, Will ich muͤtterlich ihn in sein Antlitz ansehn, und sagen: Um der Thraͤnen willen, der Erstlinge deiner Erbarmung, Die du, als du geboren warst, weintest! Um jener Entzuͤckung, Jener Seligkeit willen, die in mein Herze sich ausgoß, Da Vierter Gesang. Da die Unsterblichen deine Geburt im Triumphe besangen! Wenn ich dir jemals bin theuer gewesen, und wenn du dran denkest, Wie du mit kindlicher Huld der Mutter Freude belohntest, Als ich nach bangem Suchen dich fand; an der heiligen Staͤtte, Unter den Priestern, die dich mit stummer Bewunderung ansahn! Wie ich jauchzend, mit offenen Armen, entgegen dir eilte, Tempel und Lehrer nicht sah, nur dich ans Herze gedruͤckt hielt, Und anbetend mein Auge, zu dem, der ewig ist, aufhub! Ach, um dieser himmlischen Freude, der Ewigkeit Vorschmack! Aber du blickst mich nicht an! .. Um deiner Menschlichkeit willen, Durch die du jeden begnadigst! Um jener Entschlafenen willen, Die du auferweckt hast! Erbarme dich meiner, und lebe! Also spricht sie, und eilt. So fliegt ein großer Gedanke Feurig gen Himmel empor zu dem, von dem er gedacht war. Und der ewige Sohn sah seine Mutter dahergehn, Nicht mit dem menschlichen Auge; mit jenem Auge, mit dem er Jedes Wurmes Geburt, den Staub, auf welchem er wohnet, Den, wo sein Leben verfliegt, und des Seraphs Gedanken, vorhersieht. Ach, ich will mich deiner erbarmen! Noch mehr, als die Mutter Eines Sohns sich erbarmet, will ich mich deiner erbarmen, Wenn ich auferweckt bin! So dacht er bey sich, und nahm drauf Einen anderen Weg. Die Abenddaͤmmerung kam itzt. Alle schwiegen um ihn, auch die ungesehnen Begleiter. Also giengen sie still, und kamen mit langsamen Schritte An den Huͤgel, der Golgatha heißt. Nicht fern von dem Huͤgel War ein einsames Grab in hangende Felsen gehauen. Noch kein Todter verweste daselbst. Hier wollte der Weise, J 5 Joseph Der Meßias. Joseph von Arimathaͤa, die Auferstehung erwarten. Jesus steht bey dem Grabmal: er richtet auf Golgathas Huͤgel, Blicke voll goͤttlichen Tiefsinns. Und also denket der Gottmensch: Nun entweichet der Tag. Sie koͤmmt mit schlummernden Luͤften, Die erbetete Nacht ruht auf Gethsemane. Bald wird Wieder ein Tag den Huͤgel erleuchten, der daͤmmernd dort aufsteigt; Golgatha! Den das Gebein der niedrigsten Suͤnder bedecket! Du bist zum Altare geworden! Das Opfer ist willig, Auf dir geschlachtet zu werden! Bald wird es bluten! Willkommen, Tod fuͤrs Menschengeschlecht! Dann wird mein Vater mich sehen, Von dem Thron, wo ich war. Die Seraphim werden mich sehen, Und viel Zeugen von denen, fuͤr die ich sterbe! Willkommen, Tod, fuͤr die Erben des ewigen Lebens! Zur Rechte des Vaters Saß ich mit Herrlichkeit uͤberkleidet, voll schoͤner Wunden, Und der Freund der Erschaffnen! Jch bin ihr Bruder geworden! Auch mit Herrlichkeit uͤberkleidet, voll schoͤner Wunden, Will ich mein Leben fuͤr sie auf deinen Hoͤhen verbluten, Golgatha! … Dann, (hier wandt er sich um, und schaut auf das Grabmal.) Dann will ich hier im stillen Gewoͤlbe des kuͤhlenden Grabes, Wenige Tage, wie in den Gefilden der Seligen, schlummern, Einen sanfteren Schlaf, als der, den Adam sich dachte, Da das große Raͤthsel vom Tod ihm selber enthuͤllt ward, Und er, an einem traurigen Abend, der heiligen Waͤchter Hohen Rathschluß vernahm: er sollte sich legen, und sterben; Viel Jahrhunderte schlafen; und uͤber ihn sollten die Fuͤße Seiner Nachkommen wandeln; er ihre Stimme nicht hoͤren! Aber auch die sind gestorben, und uͤber ihren Gebeinen Hat Vierter Gesang. Hat der Nachkommen Fuß, mit saͤumendem Schritte, gewandelt! Ach, ist unter den Freuden der jauchzenden Ewigkeit eine Meiner Seligkeit zu vergleichen? Sie werden erwachen! All, an einem Tage der Wonne, des lauten Weinens, Und des Triumphs, der Feyer, der Jubellieder erwachen! Weil mein Koͤrper in diesem Bezirke von Erde geschlummert, Und ich des Menschensohnes Gebein, zum Leben ohn Ende, Auferweckt habe! Dann wird des zweifelnden Staubes Besorgniß, Jede Thraͤne wird schweigen. Der Tod wird werden des Laͤchelns Und des Triumphs ein suͤßer Gedanke. Kein drohendes Grabmal, Und kein Tod wird mehr seyn auf der neuen Erde Gefilden. Sinn ich ihm nach, so zittert Entzuͤckung durch meine Gebeine, Und der Menschheit Empfindung verstummt! Sie kommen und wandeln, Hell, mit weißen Kleidern geschmuͤckt. Viel tragen auch Wunden Wie der Menschensohn, schimmernde Wunden! Sie jauchzen dem Sieger Jubellieder! Und nennen ihn, Sohn! und nennen ihn, Bruder! Wer kann auf Erden sie zaͤhlen? Wer unter den Himmeln? Jhr Nam ist Myriade! Die alle sind mein! Das Alt ist vergangen! Alles hab ich verjuͤngt zur ersten Unschuld! … Doch erst muß, Golgatha sterben mich sehn, und dieses Grabmal mich decken! Also denkt er, und eilt. Jhn fand an Jerusalems Mauren, Judas, der in der Daͤmmerung stund. Er mischte sich schweigend Unter die Heiligen; bildete schon die Mine der Unschuld Jm betruͤgenden heitern Gesicht. Doch schlug ihm sein Herz noch. Aber Jthuriel geht vor ihm her, und hoͤrt von dem Wipfel Eines Oelbaums dem kommenden Fuß des Meßias entgegen. Schluͤpft aus den Aesten herunter, da Jesus den Oelbaum vorbeygeht, Wan- Der Meßias. Wandelt neben ihm unsichtbar her, und redt, wie die Seele Eines entschlafenden Christen die letzten Empfindungen denket. Sanft, mit leisen Worten, ihn an: Jschariots Elend Jst schon vor deiner Allwissenheit Auge voruͤber gegangen, Und du kennst des Unwuͤrdigen That. .. Er hat dich verrathen! Er, den dein Wandel gelehrt, der deine Wunder gesehen, Dem dein Mund das Geheimste von jenem Leben enthuͤllt hat, Den du wuͤrdigtest, Juͤnger zu nennen! Er hat dich verrathen! Noch ertoͤnt mir die fliegende Stimme des hohen Eloa Suͤß im Ohre, noch oͤffnen sich mir die Lippen des Seraphs, Als er zu deinem Throne mich rief; auf die Erde zu eilen, Und Jschariots Engel zu seyn! Jtzt verlaß ich den Suͤnder! Bin sein Engel nicht mehr! Sein Zeuge, den Tag der Vergeltung, Der will ich seyn! Und gegen ihn mit der Stimme der Donner Meine Rede bewaffnen! Und zwischen den glaͤnzenden Stuͤlen Derer, die wuͤrdiger waren, mit dir den Erdkreis zu richten, Dunkel hervorgehn, und gegen die Nacht am Throne verbreitet, Meine rechte Hand aufthun, und sagen: bey dem, der geblutet; Von den Hoͤhen des Kreuzes herab, sein Leben geblutet! Durch die Hand des Geliebten: Jschariot hat sich gebrandmarkt Auf den furchtbaren Tag! Er selber hat das Verderben Ueber sein Haupt gerufen! Durch laute Thaten das Schicksal Der Verworsnen gerufen! Er ist es wuͤrdig, gerichtet, Und von dem Antlitz des Menschensohnes verworfen zu werden! Wuͤrdig, die Wege des ewigen Todes zu wandeln! Sein Blut sey Ueber ihn selber! Jch bin unschuldig am Blute des Suͤnders! Ach, ganz andre Gedanken, von einer helleren Aussicht, Hat’ Vierter Gesang. Hatt’ ich vor demvon dem Juͤnger des Menschenfreundes! Du solltest Juda, von seinem Tode, durch schoͤne Wunder einst zeugen, Auch ein Maͤrtyrer seyn! Die hohen Lieder auch hoͤren, Die wir singen den Ueberwindern! So waͤrst du gestorben! Deine Seele, mit Lichte bekleidet, die haͤtte dein Freund dann, Bey der Hand im Triumphe daher zum Meßias gefuͤhret, Zu dem Ersten der Ueberwinder! Jch haͤtte von ferne Unter den goldenen Stuͤlen der zwoͤlf erwaͤhlten des Mittlers, Deinen erhabenen Stul dir gezeigt! Du waͤrst in Entzuͤckung, Bey dem Anblick des glaͤnzenden Stuls, und deß auf dem Throne, Ueberflossen! Jch haͤtte dich, Freund, ich haͤtte dich, Bruder, Ach, ich haͤtte mit suͤßer Stimme dich, Seraph, genennet! Mein Jschariot haͤtte mich dann im Geheimniß der Christen Unterrichtet: was er in seiner Seele da fuͤhlte, Da der Geist der Propheten auf ihn vom Himmel herabkam, Da du den Muth, zu sterben, empfiengst; und vom Geiste gelehret, Betetest unaussprechliche Worte; nicht suͤndigen konntest, Weil dein Herz zu der Unschuld des Paradieses verjuͤngt war. Aber sie sind nun dahin der frommen Entzuͤckung Gedanken! Wie ein laͤchelnder Fruͤhling verbluͤht, wie die Blume des Lebens, Bald im hoffenden Juͤnglinge stirbt, vor der Reife der Jahre! Also sind sie voruͤbergegangen. Mein Juͤnger verlaͤßt mich! Kurz noch eines Heiligen Schutzgelst|, wandl’ ich itzt einsam Unter den Engeln, die um mich vor Wehmut verstummen. Gebiete, Großer Meßias! Soll ich mich von neuem zum Himmel erheben. Oder bin ich gewuͤrdiget worden, dich sterben zu sehen? Jesus wandt auf den Seraph sein ernstes Antlitz, und sagte: Simon Der Meßias. Simon Petrus wird auch von der Wut des Verderbers gesuchet. Sey sein Engel! Es hat mein Johannes zween heilige Waͤchter. Petrus soll sie auch haben. Er wird die Lieder einst hoͤren, Die den Ueberwindern ihr singt, und im Tode mir gleichen. Kaum vernahm dieß der Seraph, so stralt er vor wallender Freude Jn Orious Umarmung, der ihren Juͤnger beschuͤtzte. Jesus eilte nunmehr, mit seinen Juͤngern das letzte Festliche Mahl zu halten. Er gieng viel hohe Palaͤste Praͤchtiger Suͤnder vorbey, trat itzt in die stillere Wohnung Eines verkannten und redlichen Manns. Sie legten sich schweigend Um das bereitete Lamm des Bundes. Zu naͤchst am Meßias Lag Johannes, und laͤchelte sanft. Viel heitrer sah Jesus Jn die Versammlung herum. Von seinem Auge floß Ruhe, Frohe, tiefsinnige Wehmut, und Seligkeit, in die Versammlung. So ist, nach dem Gefuͤhl der ersten Entzuͤckungen, Joseph Unter seinen Bruͤdern gewesen, da itzo die Thraͤnen, Da die lauten Thraͤnen im sehenden Auge verstummten, Da die Sprache zuruͤckkam, nicht mehr, am Halse des Bruders, Benjamin hieng, und nun sein alter Vater noch lebte. Meld itzt, mein Lied, den Abschied des Liebenden von dem Geliebten, Und die Reden der trauernden Freundschast. Wie damals der Juͤnger, Der mit dem hohen Jakobus ein Sohn des Donners genennt ward, Und in der einsamen Patmus die Offenbarung auch sahe, An der Brust des Meßias des vollen Herzens Empfindung Sprach, und gen Himmel vom Auge des Liebenswuͤrdigen aufsah; Also fließe mein Lied voll Empfindung und seliger Einfalt. Jesus sprach, und sein Auge sah wehmutsvoll in die Versammlung: Mich Vierter Gesang. Mich hat herzlich verlangt, mit euch dieß Mahl noch zu halten, Eh ich leide. .. Bald sind sie erfuͤllt die Worte der Zeugen, Welche von mir verkuͤndiget haben. Jhr kennt den Propheten, Der gewuͤrdiget ward der Gottheit Erscheinung zu sehen, Der der Seraphim Stimme vernahm, die den auf dem Throne Mit dem festlichen Halleluja der Himmel empfiengen, Daß vom Schalle der Lieder des Tempels Schwellen erbebten, Und das Heiligthum ganz von Opferwolken erfuͤllt ward. Damals war ich zugegen mit meinem Vater. Auch ich ward Heilig! Heilig! genannt. Auch mir erhuben sich Opfer Von den goldnen Altaͤren! Auch mir erbebte der Tempel! Denn ich bin lange vor Abram gewesen. Eh aus den Gewaͤssern Dieses heilige Land mit Gottes Bergen hervorstieg, Eh die Welt war, bin ich gewesen! Doch diesen Gedanken Faßt ihr in seiner Groͤße noch nicht! .. Der himmlische Seher, Der des Vaters Herrlichkeit sah, hat auch in der Zukunft Einen Menschen, wie ihr seyd, gesehn, und, vom Geiste gelehret, Also von ihm geweissagt: die Schoͤnheit des goͤttlichen Mannes, Seine Gestalt ist vergangen! Das Laͤcheln der friedsamen Jahre Jede Ruhe des Lebens ist hin. Das Elend der Suͤnder Jst ganz uͤber sein Haupt gekommen! Die Menschen verstummen, Wenn sie sehen den Jammer in seiner Seele! Sie wenden Von ihm ihr Angesicht weg. Er aber hat unsere Schmerzen Unser Elend getragen, wir waͤhnten, er truͤge die Lasten Seiner Schuld! Es haͤtte der Raͤcher den Suͤnder erschuͤttert! Aber um unserntwillen sind jene Wunden geoͤffnet, Die er blutet. Wir sind die Verbrecher! Die Hand des Verderbens Hatt’ Der Meßias. Hat ihn um unserntwillen ergriffen! Er leidet, daß Friede Ueber uns komme, daß Heil mit seinen Fluͤgeln uns decke! Denn wir wandelten alle den Weg der Jrre. Wir alle Waren elend genung, uns selber Weisheit zu waͤhlen. Darum hat unsere Schuld auf ihn der Raͤcher geleget! Er ist unser Versoͤhner, geht ins Gericht hin, und leidet, Wird bis zum Tode gehorsam, und oͤffnet den goͤttlichen Mund nicht. Wie ein verstummendes Lamm zum Opferaltare gefuͤhrt wird; Also geht er geduldig daher, und schweigt. .. Nun ist er Aus dem Gericht genommen! Wer kann nun seine Versoͤhuten, Wer die Schaaren der Heiligen zaͤhlen, die durch ihn gerecht sind? Weil er fuͤr die Suͤnder zum Opfer sein Leben gebracht hat, Werden ihm ganze Geschlechter zur neuen Schoͤpfung erwachen, Und sein Leben wird Ewigkeit seyn! … So sagt der Erloͤser; Schaut gen Himmel, und schweigt. Er hatte lange geschwiegen, Als er fortfuhr: es ist das letztemal, daß wir zusammen So ein Abendmal halten! Jch werde mit meinen Geliebten Nun nicht mehr das Gewaͤchs des frohen Weinstocks genießen, Noch die Laͤmmer im Thal. Doch in meines Vaters Behausung, Wo viel Wohnungen sind, dort werdet ihr euern Meßias Wiedersehen, und, nebst den versammelten Vaͤtern des Bundes, Neue Feste begehn, die kein Abschiednehmen mehr trennet. Jesus schwieg, und die Juͤnger um ihn. So schwieg in den Hallen Auf Moria das heilige Volk, da der goͤttlichste Juͤngling Unter den Soͤhnen von Abram, da Salomo bey den Altaͤren Seine Krone vor dem, der ewig ist, niedergeworfen, Und der Einweihung Gebet vollendet hatte; da sichtbar Von Vierter Gesang. Von den Wolken der Herrlichkeit Gottes der Tempel erfuͤllt ward, Daß die schauenden Priester nicht mehr zu opfern vermochten, Und der Jubelgesang der Halleluja verstummte. Jeder schwieg. Nur daß unterweilen der Betenden einer, Schnell vom heiligen Schauer ergriffen, sein Angesicht aufhub, Gegen die Nacht der Erscheinungen sah, und mit bebender Stimme, Heilig! Heilig! sprach, und die Arme gen Himmel emporhielt. Also schwiegen die Juͤnger, und also redte Lebbaͤus, Da er mit leiser Stimme sich gegen Jschariot wandte: Ach, nun weis ichs gewiß! Der Sohn des Menschen wird sterben, Was die uͤbrigen Juͤnger von seinen Reden auch denken, Die er so oft vom Tod an uns haͤlt! Komm, Ruhe vom Elend, Tod! Des muͤden Wanderers Schlaf, und erbarme dich meiner! Wenn, wie ein Lamm zum Altar, der beste der Menschen gefuͤhrt wird; Komm dann, mein einziger Trost! .. Hier sprach er lauter, und Seufzer Unterbrachen die Rede des Juͤnglings. Jhn sah der Meßias; Dich, Jschariot, auch. Mit menschenfreundlicher Wehmut Schaut er in der Versammlung herum, und sagte zu ihnen: Ja, ich muß es euch sagen! Hier, unter meinem Geliebten, Jst ein Juͤnger, der mich verrathen wird, einer der Zwoͤlfe! Banges Erstaunen ergriff die Versammlung. Sie fragten ihn alle: Herr, bin ichs. Der Meßias erwiedert: ja, einer der Zwoͤlfe! Einer von euch, die mit mir das Mahl des Bundes itzt halten. Zwar, (hier deckte sein Antlitz die ernste Mine des Richters!) Zwar des Menschen Sohn geht, wie es durch die Propheten gesagt ist, Seinen erhabenen goͤttlichen Weg: doch, wehe dem Menschen! Der ihn verraͤth. Es waͤre dir besser, du waͤrst nicht geboren! K Jesus Der Meßias. Jesus schaute voll Ernst. Jhn fragte Judas noch einmal. Jesus erwiedert mit leiserer Stimme: du sagest es selber. Doch Gedanken voll Ruh erheiterten wieder den Mittler, Suͤße Gedanken vom ewigen Heil. Er stand das, Gedaͤchtniß Seines Todes zu stiften. Jtzt sprach er die feyrlichen Worte, Die so viele Priester der Christen, so viele Gemeinen Kuͤhn entweihn, und in lauten Gesaͤngen das Urtheil des Todes Ueber sich rufen. Er kennet sie nicht, der goͤttlicher lebte, Und am Kreuze nicht starb, fuͤr ewige Suͤnder zu buͤßen! All empfiengen von ihm das Brodt, das er eingeweiht hatte, Und den heiligen Kelch. Sie kamen alle mit Demut, Und in trauernder Stille, von seiner Hand es zu nehmen. Da Johannes hinzugieng, und auf den glaͤnzenden Kelch sah, Warf er zu Jesu Fuͤßen sich nied er, und kuͤßte sie weinend, Trocknete dann die Thraͤnen mit seinen fallenden Locken. Laß ihn meine Herrlichkeit sehn! Sprach Jesus und schaute Zu dem Vater empor. Johannes erhub sich, und sahe Jn der Tiefe des Saals der Seraphim helle Versammlung. Und die Seraphim wußten, daß er sie sahe. Johannes Stand in Entzuͤckung verloren. Er schaute Gabriels Hoheit Starr, mit Ehrfurcht. Er schaute des himmlischen Raphaels Glaͤnzen, Und verehrt ihn. Er sah auch Salem mit menschlicherm Schimmer, Und mit ausgebreiteten Armen entgegen ihm laͤcheln, Und er liebte den Seraph. Er wandte sich um, und erblickte Jn des Meßias ruhigem Auge die Spuren der Gottheit! Und er sank verstummend ans Herz des hohen Meßias. Gabriel aber erhub sich mit leisen Luͤften, und sagte Feurig Vierter Gesang. Feurig zu Jesu: umarme mich auch, wie du diesen umarmest, Gottmensch, Erloͤser! Jhm sagt der Meßias: du wirst mir am Throne Meiner Herrlichkeit dienen! Du wirst auf dem glaͤnzenden Stule, Wo Eloa war, stehn, am Allerheiligsten Gottes! Gabriel betet’ ihn an. Zuletzt kam Judas, und warf sich, Wie Johannes, zu Jesu Fuͤßen. Jhm sagte der Gottmensch: Juda, steh auf! Und gab ihm den Kelch, des Todes Gedaͤchtniß! Er empfieng ihn mit Ruh. Jhm sah der Meßias ins Antlitz, Ward erschuͤttert im Geist, und sprach mit erhabener Stimme: Jch weis alle, die ich erwaͤhlet habe. Doch einer Wird mich verrathen! Jch sag es euch itzt, daß ihr glaubt, wenns geschehn ist. Und daß ihr wisset, wie der belohnet wird, welcher getreu bleibt; So vernehmet von mir die Wuͤrde der Ueberwinder: Wer, wen ich send, aufnimmt, der nimmt mich selbst auf! Wer aber Also mich aufnimmt, der nimmt auch den auf, der mich gesandt hat! Diese Kron empfaͤngt kein Verraͤther! Jch sag es noch einmal: Einer von euch wird gewiß den Sohn des Menschen verrathen! Jeder sahe den andern von neuem mit sorgender Angst an. Petrus winket Johannes. Der neigt sich ans Herz des Meßias: Herr, wer ist es? So fragte, mit sanfter Stimme, Johannes. Dem ich dieß Brodt eintauche, dem ichs mit vertraulicher Liebe, Und mit Bruderfreundlichkeit gebe, der ist es, Johannes! Also sagt der Meßias, und reicht den Bissen voll Freundschaft Judas Jschariot hin. Johannes sah dieß, und bebte. Doch verschwieg er, aus Menschenliebe, den nahen Verraͤther. Judas gieng mit Ungestuͤm fort. Die Nacht war gekommen. Jhn umgaben die Schrecken der Nacht. Mit starrenden Blicken K 2 Schaut Der Meßias. Schaut er in die Finsterniß aus, und sprach zu sich selber: Also weis ers gewiß! .. Nun wird es der sanfte Johannes, Der stets laͤchelt, wenn man um ihn zugegen ist, sagen; Alles sagen, was ihm an dem Herzen Jesu vertraut ist. Alle werden es wissen! Es sey! Die neuen Beherrscher Muͤssen erst fliehn, eh sie Koͤnige werden! Vielleicht, daß Johannes Bald sein Laͤcheln verlernt, und Petrus in Banden nicht kuͤhn ist! Und selbst Jesus, wie streng, wie hochgebietend befahl er: Juda, steh auf! So gebietet er nicht dem Liebling, Johannes! Zwar den Koͤnigen wird nicht befohlen! Jch will sie noch sehen, Eh sie Koͤnige sind; in Banden will ich sie sehen! Aber ihr Freund will sterben! .. Was ist das? Welch ein Gedanke Jst das Sterben fuͤr den, der selbst die Todten erweckt hat? Sterben! .. Will er mein Herz nur erweichen? Sey du nicht zu menschlich, Leidendes Herz! .. Wenn er stirbt, so ists nur ein Zufall gewesen, Daß er so oft den Feinden entgieng! So ist er ein Traͤumer, Und von Gott nicht gesandt! Auch unsre Priester sind Weise, Und geweihet von Gott. Sie haben ihn immer gehasset! Und sie handeln nach Moses Gesetz: Jch bin ihr Vertrauter! Aber er wird nicht sterben! .. Doch will ich gebunden ihn sehen, Wie er da redet? Vielleicht, daß er dann der geliebteren Juͤnger Hohe Wuͤrde vergißt, und den niedrigen Judas auch ansieht! Doch ich muß eilen! Es warten auf mich Jerusalems Herrscher. Also denkt er, und eilt zu des Hohenpriesters Behausung. Nunmehr war die Versammlung ganz heilig. Wie damals der Frommen Heiliges Volk, in reinerer Schoͤnheit, vorm Antlitz des Siegers, Dessen Wunden nun glaͤnzten, erschien, da die Jugend der Christen, Von Vierter Gesang. Von dem Grab Ananias, der Gott log, wieder gekommen; Und kein Unedler mehr war, der Heiligen Bund zu entweihen. Jesus, seiner Groͤsse gewiß, und wegen der Naͤhe Seiner Versoͤhnung, ins Helle der Ewigkeit ausgebreitet, Sprach mit goͤttlicher Hoheit und Ruh zu seinen Erwaͤhlten: Nun ist der Sohn des Menschen verherrlicht! Und, ob er gleich Mensch ist, Dennoch ist Gott durch ihn auch verherrlicht. Da durch ihn des Himmels Hoͤchstes Geheimniß, da durch ihn die Gottheit den Menschen enthuͤllt wird; So wird der Vater ihn auch, durch Erbarmung ohn Ende, verklaͤren. Bald wird er ihn den Menschen in seiner Schoͤnheit entdecken! Eure Traurigkeit unterbricht mich. Was weinet ihr? Kinder. Ja, es ist wahr, ich werd euch verlassen! Jhr werdet mich suchen; Aber nicht finden. Jhr koͤnnet den Weg, den ich gehe, nicht gehen. Aber weinet nicht mehr. Jhr werdet mich wieder erblicken! Kinder, ich geb euch ein neues Gebot, ein Gebot, das viel edler, Viel erhabener ist, als was die Satzungen lehren. Liebet euch unter einander! Wie euer Meßias euch liebte; Also liebet euch untereinander! Dann wiß es der Erdkreis, Daß ihr mein seyd! Wenn ihr so untereinander euch liebet. Simon Petrus stand auf, trat naͤher zu Jesu, und sagte: Herr, wo gehest du hin? Du kannst mir itzo nicht folgen! Sprach der Erloͤser. Einst wirst du mir folgen, die Wege zu wandeln, Die ich wandle. Hierauf erwiederte Petrus mit Feuer: Warum sollt ich dir itzo nicht folgen? Jch lasse mein Leben Fuͤr dein Leben! Du liessest dein Leben! Jch sag es noch einmal: Simon, du wirst, vorm Anbruch des Tags, mich dreymal verleugnen! Jesus war aufgestanden. Er kniete nieder, zu beten. K 3 Um Der Meßias. Um ihn knieten die Juͤnger. Seyd ihr auch alle zugegen? Sprach der Erloͤser mit Wehmut. Hier sind wir! Sprachen die Juͤnger. Eines Stimme hoͤr ich nicht mehr! Seyd ihr alle zugegen? Judas Jschariot fehlt! .. Sprach mit schwachem Laute Lebbaͤus, Und sank nieder. Der Gottmensch erhub sein Antlitz gen Himmel, Betete mit erhabener Stimme: die Stund ist gekommen, Deinen Erstgebornen in seiner Schoͤnheit zu zeigen! Zeig ihn nun, Vater, daß du durch ihn auch verherrlichet werdest! Denn du hast ihm Gewalt uͤber alle Menschen gegeben, Daß er sie auferwecke vom Tod, und ewiges Leben Jhnen gebe. Das aber ist ewiges Leben, dich, Vater, Der du der Ewige bist, und den du gesandt hast, erkennen, Jesum, den Sohn und Koͤnig! Jch sehe, Vater, im Geiste Schon, die Fuͤlle der ganzen Vollendung. Jch hab auf der Erde Dich verherrlicht! Jch hab ihn vollfuͤhrt den Rathschluß der Gottheit! Nun erwarten mich Kronen zu deiner Rechte! Du wirst mir Wieder die Herrlichkeit geben, die mein war, eh wir erschufen. Deinen gefuͤrchteten Namen hab ich den Erwaͤhlten verkuͤndigt Aus den Suͤndern. Du gabest sie mir. Sie haben die Weisheit, Die ich sie lehrte, (selbst ich bin ihr Zeuge!) mit Treue gehalten! Nun erkennen sie auch, daß, was ich habe, von dir ist. Denn ich habe sie alles gelehrt, was du selber mich lehrtest! Also haben sies aufgenommen! Die goͤttliche Wahrheit Tief ins Herze gefaßt: daß ich vom Vater gesandt bin! Fuͤr sie bitt ich, nicht fuͤr die Suͤnder! Weil sie auch dein sind; Weil wir in jedem Besitz der Seligkeiten vereint sind! Vater ich bitte fuͤr sie! Denn, auch durch sie, bin ich herrlich! Jch Vierter Gesang. Jch verlasse die Erde; sie aber sind auf der Erde, Sehn noch lange die Muͤhe der Suͤnder, und fuͤhlen ihr Elend! Laß sie, heiliger Vater, der hohen Erkenntniß getreu seyn, Die sie haben werden von dem, der itzo versoͤhnt ist. Laß sie eins seyn, wie wir; ein Haus voll Bruͤder! Jch sorgte Selber fuͤr sie, da ich noch, gleich ihnen, ein Mensch war. Jch wachte Ueber ihren unsterblichen Geist. Hier sind sie, mein Vater! Keinen hab ich verloren! Nur hat der Sohn des Verderbens Mich verlassen, und ist den Propheten ein Zeuge geworden! Nunmehr komm ich zu dir! Das sag ich, da ich bey ihnen Noch auf der Welt bin, damit sie an meine Herrlichkeit denken, Und sich freuen, wie ich mich freue! Sie haben die Worte Deines Lebens gehoͤrt. Der Suͤnder hat sie gehasset, Wie er mich haßte! Nicht bitt ich, daß du der Erde sie nehmest! Schuͤtze sie nur vor ihrem Verfolger, dem Geist des Verderbens! Denn sie gehoͤren den Suͤndern nicht zu. Sie wandeln in Unschuld, Wie ich wandle. Die Welt hat kein Theil an deinen Versoͤhnten, Heilige sie in deiner Wahrheit. Dein Wort ist die Wahrheit! Wie du in die Welt mich gesandt hast, so send ich sie wieder; Lasse mein Leben fuͤr sie, damit sie, rein und geheiligt, Vor dem, der nun versoͤhnt ist, erscheinen. Doch bitt ich, o Vater, Nicht fuͤr die Juͤnger allein! Der neuen Schoͤpfungen Kinder, Werden, wie aus dem Morgen der Thau, geboren mir werden! Auch fuͤr diese bitt ich, mein Vater, daß alle sie eins seyn, Wie wir eins sind! Und daß der Erdkreis endlich vernehme, Daß du mich, Vater gesandt hast! Und daß ich das ewige Leben, Meine Herrlichkeit, denen gebe, die du mir geschenkt hast! K 4 Daß Der Meßias. Daß sie eins seyn, wie wir! Zu einem goͤttlichen Endzweck Alle vollendet! Und daß es die Suͤnder der Erde vernehmen: Jesus sey vom Himmel gesandt! Gott liebe die Kinder Der Versoͤhnung, wie er den Erstling der Soͤhne geliebt hat. Vater, es sollen meine Versoͤhnten sich zu mir versammeln, Daß sie seyn, wo ich bin, und meine Herrlichkeit sehen. Dich verkennet die Welt, gerechter Vater! Jch aber Kenne dich! Meinen Erwaͤhlten hab ich das erhabne Geheimniß Deiner Gottheit enthuͤllt, und wills noch naͤher enthuͤllen; Daß die Liebe, mit der du mich liebtest, ihr Herz auch ergreife, Und den unsterblichen Geist nur sein Versoͤhner erfuͤlle. Nun erhub sich der Gottmensch, dem Vater entgegen zu gehen, Ueber Kidron in das Gericht. Jhm folgten die Juͤnger. Als er naͤher den Bach, und das naͤchtliche Rauschen des Oelbaums Lauter vernahm, da stand er an einem Huͤgel, und sagte: Gabriel, in der Tiefe des Gartens, am steigenden Berge, Jst ein einsamer Ort von zwanzig Palmen umschattet; Gegen die hohen Wipfel der Palmen senkt sich vom Himmel, Gleich herhangenden Bergen, die Nacht; dort versammle die Engel! Also sagt er, und nahete sich erhabneren Thaten, Als seit der Engel Geburt, als seit Erschaffung der Erden Und der Himmel geschehn sind; auf jeder Unendlichkeit Schauplatz, Jemals geschehn sind! Er nahte sich still den goͤttlichen Thaten. Aeusserliches Geraͤusch, und Lerm, suͤßtoͤnend dem Eiteln, Klein genung, den Thaten der Helden, die Staub sind, zu folgen, War nicht um den hohen Meßias! War nicht um den Vater, Als er vor dem die kommenden Welten dem Unding entwinkte. Der Der M essias. Fuͤnfter Gesang. K 5 Jnhalt des fuͤnften Gesangs. G ott steigt auf Tabor herunter, Gericht uͤber den Meßias zu hal- ten. Eloa folgt auf Gottes Befehl von ferne. Gott naht sich der Erde langsam. Beym Ausgange des Sonnenweges kommen ihm die Seelen von sechs morgenlaͤndischen Weisen, die kaum gestorben sind, entgegen. Eine von diesen Seelen redet Gott an. Der Erste unter einem unschuldigen und unsterblichen Geschlechte von Menschen, redet zu seinen Kindern von Gott, da er ihn zornig vorbeygehn sieht. Gott ist auf Tabor. Alle Suͤnden kommen vor ihn. Eloa rufet den Meßias feyerlich zum Gericht. Eine neue Anrufung an den heiligen Geist. Das Leiden hebt an. Der Meßias betet. Er fieht die Quaalen der Verdammten. Adramelech koͤmmt, seiner zu spot- ten; aber er bleibt sinnlos stehn. Der Meßias koͤmmt zu den Juͤn- gern. Nun ist die erste Stunde vorbey. Die Himmel, die den zweyten großen Sabbat feyern, singen davon. Der Meßias geht wieder ins Gericht. Abbadona koͤmmt. Er hatte den Meßias lan- ge gesucht. Er entdeckt ihn nicht auf einmal. Endlich erkennt er ihn, und redet ihn an. Der Meßias leidet, und betet. Abbadona flieht zuletzt. Die zweyte Stunde ist vorbey. Die Himmel singen davon. Der Meßias geht zum drittenmal ins Gericht. Eloa wird von Gott gesandt, ihm ein Triumphlied von seiner kuͤnftigen Herr- lichkeit zu singen. Der Meßias wird auf einige Augenblicke heiter. Darauf werden seine Leiden staͤrker, als sie vorher nicht gewesen wa- ren. Alle Engel, ausser Eloa und Gabriel, wenden sich weg. Nun ist die dritte Stunde vorbey. Die Himmel besingen sie. Und Gott kehrt zu seinem Throne zuruͤck. Der Messias. Fuͤnfter Gesang. U nd Jehovah saß hoch und voll Ernst auf dem ewigen Throne, Neben ihm stand Eloa, und sprach: wie ist itzt dein Antlitz, Ewiger, so furchtbar! Wie glaͤnzet aus deinem Auge Lauter Gericht! Wie reden die Donner so laut ihre Stimme! Die Myriade sprach itzt! Gleich spricht die andre! Nun hoͤr ich Schon das Rauschen der dritten von fern! Dort wandelten Sterne. Gott, kaum sahst du herab, da waren die Sterne geflohen! Warum hoͤr ich nicht um mich herum die Gesaͤnge der Sphaͤren? Wo du nur hinblickst, weit um dich her, da schweigen die Sphaͤren! Und kein Laut der Seraphim spricht, kein Cherub singt Lieder! Keine von allen unuͤberzaͤhlbaren Myriaden Singet ein Lied von dem ewigen Sohne? Gar keine von allen? Sollt ich euch uͤberzaͤhlen, ich muͤßte Jahrhunderte zaͤhlen. Jhr Der Meßias. Jhr schweigt alle? Kein einziger singt von dem ewigen Sohne? Alle Fluͤgel hat uͤber sich her, und uͤber ihr Antlitz, Bang die Natur verbreitet, den Ewigen anzubeten? Willst du dich, Gott, aufmachen, und uͤber eine der Erden Weltgericht halten? Denn so ist das Angesicht eines Verderbers! Dieß sind Blicke des ernsten Gerichts! Oder hast du beschlossen, Satans Reich zu zerstoͤren? Den Laͤstrer Gottes zu schlagen? Willst du ausziehn, im Dunkeln daher, den ewigen Suͤnder Zu vernichten? Und um ihn herum die Tiefen der Hoͤlle? Soll sein Name nicht mehr im Buche der Lebenden stehen, Die du erschufst? Und er unter den Ewigen ganz vertilgt seyn? Oder willst du ihn nur, an seines Thrones Gebirgen, Jhn und sein Haupt zerschmettern? Damit er sinnlos im Staube Vor dir liege, gedruͤckt von der Nacht, und deinem Donner? Daß das Heulen seiner Verzweiflung die Hoͤll und der Himmel, Und die Welten vernehmen, und ein Gestirne dem andern Jm Voruͤbergehn sage: da liegt er verderbt, der Empoͤrer! Wenn du das willst, so wafne mich, Gott, und laß mich mit ausziehn, Gegen des Schrecklichen Angesicht! Gieb mir aus diesen Gewittern Tausend Donner, und Nacht um mich her, und goͤttliche Staͤrke, Daß ich, deinem Antlitz voruͤber, im Thore des Todes, Deiner Feinde hochdrohende Haͤupter zu tausenden schlage. Ach wie schrecklich bist du! Wie sendet dein toͤdtendes Auge Lauter Zorn und Gericht! Zorn, ohn Erbarmen, Jehovah! Lange schon war ich, ich schau in Ewigkeiten zuruͤcke! Als du wurdest, o Welt, da war schon manches Jahrhundert Ueber mein Haupt voruͤbergeflossen, und meine Tage Sind Fuͤnfter Gesang. Sind nicht eines Sterblichen Tage, der aufbluͤht, und Staub wird. Ewigkeiten sind es, daß ich, Jehovah, dich schaute: Aber so hab ich noch nie dein furchtbares Antlitz gesehen! Du hast dein ganzes Gericht, und alle deine Verderben, Ewiger, angezogen! Und diese Herrlichkeit Gottes, Die sonst Liebe nur war, ist ganz zu Zorne geworden! Ach, ich habe mich unterwunden, mit dir, Gott, zu reden, Der ich eine Wolke nur bin, woraus du mich, Gott, schufst, Und aus deinem Odem ein Hauch, ein endlicher Seraph! Zuͤrne nicht, Vater, und schaue mich nicht mit dem schrecklichen Blick an, Mit dem du zu der Erden hinunterblickst, daß ich nicht sterbe; Und dann mein Name nicht mehr im Buche der Ewigen stehe; Und mein Sitz nicht mehr sey am Allerheiligsten Gottes! Seraph, ich steig itzt herab, Gott den Meßias zu richten, Der sich, zwischen mich, und das Geschlecht der Menschen gestellt hat, Dasteht, und muthig mein ganzes Gericht, ein Gottmensch, erwartet. Folge mir, mein Geliebter, in deiner Schoͤne von fern nach. Gott sprach so, und stand hoch vom ewigen Thron auf. Der Thron klang Unter ihm hin, da er aufstand. Des Allerheiligsten Berge Zitterten, und mit ihnen das Haupt am hohen Altare Des Meßias, mit ihnen die Wolken des heiligen Dunkels. Dreymal flohn sie zuruͤck. Zum viertenmal bebte das Antlitz Des erhabnen Gerichtstuls, und seine furchtbaren Stufen Sichtbar herror; und der Ewige stieg vom himmlischen Throne. So, wenn ein festlicher Tag durch alle Himmel gefeyrt wird, Und mit allgegenwaͤrtigem Winke der Ewige winket, So Der Meßias. So stehn dann auf einmal, auf allen Sonnen und Sternen, Glaͤnzend von ihren goldenen Stuͤlen, tausend bey tausend, Alle Seraphim auf, da klingen die goldenen Stuͤle, Und der Harfen Gebet, und die niedergeworfenen Kronen. Also ertoͤnte der himmlische Thron, da Gott von ihm aufstand. Gott gieng herab, und schwebte daher, durch den Sonnenweg, der sich Nach der Erde zu senkt. Jhm kam beym Ausgang der Sonnen Von der Erden ein Seraph entgegen, der fuͤhrte sechs Seelen, Die seit kurzem der Erden und ihrem Koͤrper entflohen, Sechs Gerechte. (Die Hoͤlle nahm mehr in die ewige Nacht ein!) Diese verklaͤrt hier der Seraph, und goß unsterbliche Stralen Um den neuen, leichtschwebenden Leib. Sie waren die Seelen Von sechs morgenlaͤndischen Weisen, die Jesum zu Bethlem, Von dem Sterne, dem Fuͤhrer, geleitet, als Gott, auch verehrten. Hadad (so war der Name des ersten,) ließ seine Geliebte, Seine Geliebte, die schoͤnste der Toͤchter im Haine Bethurim. Er entschlief, und sie weinte nicht um ihn. Dieß hatte sie Hadad, Einst in einer heiligen Stunde der Liebe, geschworen. Jhrer und seiner Unsterblichkeit sicher, vergaß sie der Thraͤnen. Aber sie liebten sich mehr, als sonst sich Sterbliche lieben. Selima hatte sein Ungluͤck ertragen. Er starb und ward gluͤcklich. Simri lehrte das Volk. Das Volk entehrt ihn, und lebte Lasterhaft fort. Doch bewegt er vor seinem Tode noch einen, Daß er, gleich ihm, ein goͤttliches Leben fuͤhrte. Da starb er. Mirja erzog fuͤnf Soͤhne, die macht er tugendhaft. Reichthum Ließ er den Tugendhaften nicht da. Sie sahen ihn sterben. Beled druͤckte sein Todfeind die laͤchelndbrechenden Augen Thraͤ- Fuͤnfter Gesang. Thraͤnenvoll zu. Es hatte sich Beled durch Großmut gerochen, Und sein Koͤnigreich halb ihm gegeben. Der lebte, wie Beled. Sunith sang im Haine zu Parphar den Knaben von Bethlem, Und drey goͤttliche Toͤchter mit ihm. Dich haben die Cedern, Und am einsamen Ufer, die Baͤche Jedidoth, geweinet. Ach! Dich haben, in Schleyer gehuͤllt, auf die Leyer herunter, Deiner Toͤchter jungfraͤuliche Thraͤnen, o Sunith, geweinet. Diese Seelen verklaͤrte der Seraph. Jhr helleres Auge Sah weit um sich, ein kuͤnftiger Schauer der Herrlichkeit Gottes. Leichter und freyer erhuben sie sich, von zaͤrteren Sinnen, Zu nichts geringern, als zu dem ewigen Leben gebildet. Und die Herrlichkeit Gottes gieng hoch vor den Seelen voruͤber. Und der Seraph bey ihnen rief tief anbetend, und sagte: Das ist Gott! Und Selima wagte die neue Stimme, Und da er sprach, erstaunt er vor seiner helltoͤnenden Stimme, Die, mit silbernen Laut, wie in Gesaͤnge, dahinfloß. O du, den ich erblicke, mit welchem Namen, o Erster, Ach, mit welchem wuͤrdigen Namen, mit welcher Entzuͤckung, Nenn ich dich? Den mein Auge zuerst, itzt zum erstenmal, anschaut! Gott! Jehovah! Richter der Welt! Mein Schoͤpfer! Mein Vater! Oder hoͤrst du dich lieber, den Unaussprechlichen, nennen? Oder, Vater des ewigen Sohns, der zu Bethlehem Mensch ward; Den wir sahn, und mit uns der Seraphim feyernde Schaaren. Sey gegruͤsset, des ewigen Sohns gleich ewiger Vater! Halleluja! Mein Schoͤpfer! Dir jauchzt die unsterbliche Seele, Deines Odems ein Hauch, die Erbinn des ewigen Lebens. Seliger, Der Meßias. Seliger, unaussprechlicher Schoͤpfer, dich hoͤrt ich die Liebe Unter den Sterblichen nennen! Wie bist du aber so schrecklich! Wie ist dein Auge zum Tode geruͤstet! Dein Seraph verhieß mir, Als ich gestorben war, daß ich nicht sollte dein ernstes Gericht sehn. Aber du bist furchtbar, sehr furchtbar, o Gott, mein Erbarmer! Doch du richtest mich nicht! Das fuͤhlt sie, die betende Seele, Die du dir schufst, ihr Ewigkeit gabst, und deinen Erloͤser! Kamst du, Richter der Welt, das Geschlecht der Feinde zu toͤdten? Soll die Staͤtte der Suͤnder nicht mehr vor deinem Antlitz, Ewiger seyn? Und tilgst du sie weg, die den Sohn noch verkennen? Ach, so wirst du nicht richten! Auch ihnen hast du den Gottmensch, Deinen erhabnen Meßias gesandt! So wirst du nicht richten! Sey gegruͤsset, des ewigen Sohns gleich ewiger Vater! Laß uns deiner Herrlichkeit Spur von ferne, Gott, anschaun! Selima sprach so, und fiel mit den Seelen aufs Angesicht nieder. Auf der andern Seite des Sonnenwegs schwung sich Eloa Muthig auf seinem glaͤnzenden Wagen, auf dem er Elias Zu dem Himmel erhub, auf dem er, ein Fuͤhrer der Engel, Dothan, auf deinen Bergen entwoͤlkt, von Elisa gesehn ward. Seraph Eloa stand hoch auf dem Wagen. Jhm kam in sein Antlitz, Durch die Himmel ein tausendstimmiger Sturmwind, entgegen. Da erklangen die goldenen Achsen, da flog ihm sein Haupthaar Und sein Gewand, wie Wolken, zuruͤck. Mit muthiger Staͤrke Stand des Seraphs Fuß da. Er hielt in der hohen Rechte Ein Gewitter empor. Bey jedem erhabnen Gedanken Donnert er aus dem Gewitter hervor, und folgte Jehovah. Tausend Sonnenwege, (der Raum von Sonne zu Sonne Jst Fuͤnfter Gesang. Jst von jedem das Maaß) die Entfernung folgte der Seraph. Gott gieng itzt durch die Sterne, die wir die Milchstraße nennen, Aber bey den Unsterblichen heißt sie, die Ruhestatt Gottes. Denn da der erste himmlische Sabbat vollendet die Welt sah, Stand Gott hier, und schaute von da den werdenden Sabbat. Gott gieng nah an einem Gestirne, wo Menschen waren; Menschen, wie wir von Gestalt, doch voll Unschuld, nicht sterbliche Menschen. Und ihr erster Vater stand freudig, voll maͤnnlicher Jugend, Obgleich hinter dem Ruͤcken des Juͤnglings Jahrhunderte waren, Unter seinen unausgearteten Kindern. Sein Auge War nicht dunkel geworden, die seligen Enkel zu schauen; Noch zu Freudenthraͤnen versiegt. Sein hoͤrendes Ohr war Nicht verschlossen, die Stimme des Schoͤpfers, der Seraphim Stimme, Und aus dem Munde der Enkel, dich, Vaternamen, zu hoͤren. An der rechten Seite stand ihm die Mutter der Menschen, Seiner Kinder, so schoͤn, als wenn itzt der bildende Schoͤpfer Jhres Mannes Umarmungen erst die Unsterbliche braͤchte; Unter ihren bluͤhenden Toͤchtern der Maͤnninnen schoͤnste. An der linken Seite stand ihm sein erstgeborner, Wuͤrdiger Sohn, nach dem Bilde des Vaters, voll himmlischer Unschuld. Weit verbreitet zu seinen Fuͤßen, auf lachenden Huͤgeln, Und das lockichtwerdende Haar mit Blumen umkraͤnzet, Und mit klopfenden Herzen, der Tugend des Vaters zu folgen, Saßen die juͤngsten Enkel. Sie, brachten die Vaͤter und Muͤtter, Jtzt ein Jahr alt, der ersten Umarmung des segnenden Vaters. Und er hub von dem seligen Anblick sein Auge gen Himmel, Sah Gott wandeln, und neigte sich tief, und rief, und sagte: L Das Der Meßias. Das ist Gott, versammelte Kinder, der mich, und euch alle, Zu Lebendigen schuf; der jene Thaͤler mit Blumen, Diese Berge mit Wolken umkraͤnzte! Doch gab er dem Thal nicht, Nicht den Bergen unsterbliche Seelen, die gab er euch, Kinder! Auch gab er den Bergen und Thaͤlern die schoͤne Gestalt nicht, Die ihr habt, nicht die menschliche Bildung, so maͤchtig, der Seele Jnnerstes Denken vom redenden Antlitz herunter zu sagen: Keinen freudigen Blick, der dankbar gen Himmel hinaufschaut; Keine Stimme, der Seraphim Lied mitanbetend zu singen. Der erschien mir im offenen Haine des Paradieses, Als er aus Erde zum Menschen mich schuf, der fuͤhrte mich segnend Eurer Mutter Umarmungen zu. Sprich, Ceder, und rausche! Sprich! Denn unter dir sah ich ihn wandeln. Steh, reissender Strom, still! Steh dort! Denn da gieng er hinuͤber. Du, sanfteres Lispeln Stiller Winde, sprich wieder von ihm wie du ehmals sprachest, Als der Unendliche laͤchelnd von jenen Huͤgeln herabkam. Steh vor ihm, Erd, und wandle nicht fort, wie du ehmals still standst, Als er uͤber dir gieng, als sein erhabneres Antlitz Wandelnde Himmel umflossen, und seine goͤttliche Rechte Sonnen hielt und wog, die linke Hand Morgensterne. Darf ich mich unterwinden, von neuem dich anzublicken, Ewiger? Aber gebeut, daß jene Mitternacht fliehe, Die dich, Vater, umgiebt! Ach, laß dein Auge nicht fuͤllen Diesen schrecklichen Ernst; den kein Unsterblicher schaun kann! Ach, wer muͤssen die seyn? auf die dieß Antlitz sich ruͤstet, Und dieß Auge voll Grimm! Wahrhaftig, keine Geschoͤpfe, Die du liebst! Ein unseliges Volk gefallener Geister, Die Fuͤnfter Gesang. Die es, was ich kaum denken kann, wagten, dich, Gott, zu erzuͤrnen! Hoͤrt, versammelte Kinder, mir zu! Jch verschwieg es euch lange, Eure selige Ruh durch keine Wehmut zu stoͤren. Ferne von uns, auf einer der Erden, sind Menschen, wie wir sind, Nach der Bildung; allein der anerschaffenen Unschuld Und des goͤttlichen Bildes beraubt, nicht unsterbliche Menschen! Jhr erstaunt, und fasset das nicht, wie sterblich der seyn kann, Der, unsterblich erschaffen, ein Meisterstuͤck Gottes vorher war! Nicht ihr Geist ist sterblich, der ewige Geist nicht: Der Leib nur Wird zur Erde, woraus er gemacht war. Das nennen sie, Sterben. Seiner Schoͤnheit beraubt, der anerschaffenen Unschuld, Tritt alsdann der fliehende Geist vor den Richterstul Gottes, Und hoͤrt ein erschreckliches Urtheil. Doch, ernster Gedanke! Fleuch! Dich denke nur Gott, der Wesen Schoͤpfer und Richter! Das ist schon schrecklich genung fuͤr einen Unsterblichen, Sterben! Das zu denken. Dem Sterbenden brechen die Augen, und starren, Sehen nicht mehr. Jhm schwindet das Antlitz der Erd und des Himmels Tief in die Nacht. Er hoͤret nicht mehr die Stimme des Menschen. Noch der Freundschaft zaͤrtliche Klagen. Er selbst kann nicht reden, Und mit bebender Zunge den bangen Abschied kaum stammeln, Athmet tiefer herauf! Ein kalter aͤngstlicher Schweiß laͤuft Ueber sein Antlitz, das Herz schlaͤgt langsam, dann stehts, dann stirbt er. Jn dem Arme der liebenden Mutter, die gern mit ihr stuͤrbe, Und nicht sterben kann, stirbt die Tochter. Umfaßt von dem Vater, Und an sein Herze gedruͤckt, stirbt ein aufbluͤhender Juͤngling, Seines Vaters einziger Sohn. Vor jammernden Kindern Sterben Aeltern, ihr Trost, und die Stuͤtze der wankenden Jahre. L 2 Jn Der Meßias. Jn ihr Elend vertieft, stirbt eine theure Geliebte An der Brust des zaͤrtlichen Juͤnglings. Die himmlische Liebe Jst bey nah nur allein, in paradiesischer Schoͤnheit, Einer einsamen Zahl von edleren Sterblichen uͤbrig! Aber nicht lange! Sie sterben: Und Gott erbarmt sich nicht ihrer! Nicht des abschiednehmenden Laͤchelns der frommen Geliebten, Nicht der brechenden Augen, die gern noch weinten, der Angst nicht, Die sie betet, und Gott, nur um eine Stunde noch, anfleht; Nicht der Verzweiflung des bebenden Juͤnglings, der stumm sie umarmet Deiner auch nicht, bekuͤmmerte Tugend, zu welcher die Liebe Und ihr zartes Gefuͤhl, die sterblichen Beyden erhoͤhte. Also sagt er. Jhn unterbrach ein wehmuͤtiges Weinen Seiner Kinder um ihn. Die Vaͤter druͤckten die Soͤhne, Und die Muͤtter die Toͤchter, bethraͤnt, an die schlagenden Herzen. Knaben faßten das Knie sich niederbiegender Vaͤter, Und entkuͤßten die maͤnnliche Thraͤne dem Auge der Vaͤter. Hand in Hand saß Schwester und Bruder und sahen sich bang an. Und an die Brust der theuren Geliebten, hinsinkend und seufzend, Legten unsterbliche Juͤnglinge sich, und fuͤhlten das Leben Von den Herzen der himmlischen Maͤdchen gewaltiger schlagen. Aber der Vater dieses Geschlechts ermannte sich wieder, Und die Mutter der Menschen stand sanftgelehnt an ihm, er sagte: Wenns nur diese nicht sind, zu denen im Zorne Gott hingeht, Gegen deren unheiliges Antlitz der Ewige wandelt. Ach, sie haben vielleicht zu sehr den Richter entruͤstet, Und Fuͤnfter Gesang. Und er ist herunter gestiegen, sie alle zu toͤdten! Unser Brudergeschlecht, vor dem auch unsterbliche Menschen, Wenn ihr es wuͤstet, wie sehr wir euch liebten, und unsere Wehmut Ueber euch: ach, so haͤttet ihr nicht den Richter gezwungen, Von dem Himmel herunter zu steigen, euch alle zu toͤdten. Unser Brudergeschlecht! Wenn ja die Erde dein Grab wird, Und auf einmal euch Gott in ihre Tiefen hinabgraͤbt: O so wollen wir hier die Todten Gottes beweinen, Und auf die Ruhestatt ihrer Gebeine, die Erd, oft hinabsehn. Aber du hast ja diesem Geschlecht, o Vater, den Gottmensch, Deinen erhabnen Meßias gesandt: ach, willst du sie richten? Davon sagen die Seraphim alle, die oftmals hier wandeln, Und die feyernden Himmel umher. Der soll sie erloͤsen! Deine Todten sollen dereinst zum Leben erwachen, Und wir sollen sie sehn! Ach, willst du, Vater, sie richten? Seht, er wendet sein Antlitz von mir, und steiget, noch furchtbar, Jmmer noch furchtbar und ernst, gerade zur Erden herunter. Wunderbar sind, Gott, deine Gerichte! Dein ewiger Weg ist Dunkel vor uns! Du aber bist heilig, und ewig dir selbst gleich! Halleluja, mein Schoͤpfer! Dir beten unsterbliche Menschen Von der heiligen Erde! Dir beten sterbliche Menschen, Die du toͤdtest, im Staube gebuͤckt! Der weisere Seraph Betet dir, Gott, des Antlitz umhuͤllt, am ewigen Throne! Also sagt er, und sah der Herrlichkeit Gottes von fern nach! Und Gott nahte sich itzo der Erden. Und Seraph Eloa Sah, von einem Wolkengebirge, Gott, und den Meßias. Und er hielt in den Wolken, stand da, und donnert, und sagte: L 3 Sohn Der Meßias. Sohn des Vaters! Wie groß mußt du seyn, dieß Gericht zu ertragen! Ach, wenn in der Endlichkeit Raum die Erkenntniß doch graͤnzte, Dieß Geheimniß zu fassen, und diese Tiefen zu schauen, Gottheit! Schweig, Eloa! Verhuͤlle dich, anzubeten! Heil dir, Geschlecht der Menschen, Bald wirst du selig, wie ich seyn! So sprach Seraph Eloa, und stand mit verbreiteten Armen, Gegen die Erde gekehrt, und segnete bey sich die Erde. Aber Gott gieng nach Tabor herab, und schaute den Erdkreis Aus der Mitternacht an, in die er einsam gehuͤllt war. Und er sah das Antlitz der Erde mit Goͤtzenaltaͤren Und mit Suͤndern bedeckt; auf ihren weiten Gefilden Den verbreiteten Tod, des Richters ewigen Zeugen. Alle Suͤnden vom Anfang der Schoͤpfung, bis an den Gerichtstag. Alle Suͤnden der Goͤtzensclaven; der Diener Jehova; Und die schrecklichern Suͤnden der Christen, erhuben sich bebend Jn die Wolken, dem schauenden Antlitz des Richters entgegen. Hingerissen vor Gott, aus ihren Naͤchten entfaltet, Aus dem Abgrund, in den sie begraͤbt das Herz, der Empoͤrer, Wider den, der es schuf, mit daurender Schande gebrandmarkt, Kamen sie alle. Nicht eine blieb aus, die im schnellen Gedanken, Oder im duͤnnen Gewebe der zaͤrtsten Empfindung verdeckt war. Und es fuͤhrten das naͤchtliche Heer die Suͤnden der hohen Und weitgraͤnzenden Seelen, die dich in himmlischer Schoͤnheit, Fromme Tugend, erblickten; doch deinem Laͤcheln nicht folgten! Zwar voll leisen Gefuͤhls; dich doch entweichten! Sie giengen Aufgethuͤrmet in Riesengestalten, und naͤher dem Donner, Alle die rief mit allmaͤchtiger Stimme das ernste Gewissen, Vor Fuͤnfter Gesang. Vor den Richter, gab allen Namen die namenlos waren, Unter dem Menschengeschlecht, das sich taͤuscht, und die Zeuginn verkennet, Zwischen ihnen und Gott, des Todes nahenden Stunde. Und durch den Himmel erhub sich ein allgemeines Verklagen. Auf den zitternden Fluͤgeln der Winde Gottes erklangen Stille Seufzer der leidenden Tugend, ein einsames Jammern. Gleich dem kommenden Meer, ertoͤnte der Sterbenden Winseln, Von dem Schlachtfeld herauf, und zeugte wieder Monarchen. Und dem Blute der Maͤrtyrer ward die Stimme des Donners Und der Gewitter Gottes gegeben, das rief durch die Himmel: Der du stehst auf dem Thron, und haͤltst des Weltgerichts Wagschal Jn der gefuͤrchteten Hand, ich bin unschuldig vergossen! Jch bin heiliges Blut, um deinentwillen vergossen! Aber Gott dachte sich selbst, die Geisterwelt, die ihm getreu blieb; Und den Suͤnder, das Menschengeschlecht. Da ergrimmt er, und stand itzt Hoch auf Tabor, und hielt den tieferzitternden Erdkreis, Daß er nicht vor ihm vergieng. Drauf verwandt er sein schauendes Antlitz auf Seraph Eloa, Und der Seraph verstand die Reden im Antlitz Jehova; Stieg von Tabor gen Himmel. So hub, von der Huͤtte des Bundes, Sich die Fuͤhrerinn weg, die himmelstuͤtzende Wolke; Wenn die sichtbaren Zeugen von Bethlehems kuͤnftigem Sohne, Jhre Gezelte von Wuͤsten zu Wuͤsten, auf Moses Wink, trugen. Still auf einer Mitternacht stand der Seraph, und schaute Gegen den Oelberg herab, und nahm die hohe Posaune, Blies den donnernden Ton des Weltgerichts in die Posaune, Und rief gegen den Erdkreis, und sprach: bey dem furchtbaren Namen, L 4 Deß, Der Meßias. Deß, der ewig ist, und der seiner Gerechtigkeit Dauer, Mit Unendlichkeit maß! Der haͤlt die Schluͤssel des Abgrunds, Der mit strafendem Feuer die Hoͤlle, mit Allmacht den Tod hat, Und mit Gericht bewafnet! Wenn einer ist unter den Himmeln, Welcher, statt des Menschengeschlechts, im Gericht will erscheinen, Dieser komme vor Gott! So rief Eloa vom Himmel. Und es schaute der Gottmensch vom Oelberg dem Seraph ins Antlitz, Hoͤrte den Klang der Posaune! Da gieng er mit schnellerem Schritte Tief in Gethsemane hin. Noch folgten ihm drey von den Juͤngern Jn die schreckende Nacht. Er entriß sich ihnen, und eilte Ganz ins Einsame hin. Jehovah hub das Gericht an. Jn das Heilige hast du mich zwar, o Muse, gefuͤhret, Aber ins Allerheiligste nicht. Und haͤtt ich die Hoheit Eines Propheten, die ewige Seele des Menschen zu fassen, Und mit gewaltigem Arm sie fortzureißen; und haͤtt ich Eines Seraphs erhabene Stimme, mit welcher er Gott singt; Toͤnte von meinem eroͤfneten Munde die hohe Posaune, Die auf Sina erklang, daß des Bergs Fuß unter ihr bebte; Spraͤchen Donner aus meiner Rechte, Gedanken zu sagen, Die zu sagen, die himmlische Harfe den Donnerton mißte: Dennoch wuͤrd ich, Meßias, ersinken, dein Leiden zu singen; Als mit dem Tode du rangst, als ganz unerbittlich dein Gott war. Der du des ersten Bundes Propheten, den kuͤhnsten Beter, Als er bat, von Antlitz zu Antlitz Jehovah zu sehen, Seitwaͤrts in einer Hoͤle verbargst, bis die Herrlichkeit Gottes War voruͤber gegangen, und er von ferne die Schoͤnheit Deß, der ewig ist, sah, und Gottes Stimm ihm von Gott sprach: Geist Fuͤnfter Gesang. Geist des Vaters und Sohns, ich bin dem Tode bestimmter, Mehr, als Moses, vom Staube; laß in der weitsten Entfernung, Mich, von deinem umschattenden Fluͤgel ins Dunkle gesichert, Gott, den leidenden Sohn, in seiner Todesangst sehen. Ueber den Staub der Erde gebuͤckt, die, bang vor dem Richter, Gegen sein Antlitz herauf mit stillen Schauern erbebte, Und im Beben den Staub so vieler Kinder von Adam, Alle verdorrten Gebeine der todten Suͤnder, bewegte, Lag der Meßias, mit Augen, die starr auf Tabor gerichtet, Himmel und Erde nicht sahn, des Richters Antlitz nur schauten, Bang, mit Todesschweiße bedeckt, mit gerungenen Haͤnden, Sprachlos, aber gedraͤngt von Empfindungen. Stark, wie der Tod trift, Schnell, wie Gottes Gedanken, erschuͤtterten Schauer auf Schauer, Auf Empfindung Empfindung, des ewigen Todes Empfindung, Den, der Gott war und Mensch. Er lag, und fuͤhlt, und verstummte. Aber da immer die Bangigkeit baͤnger, gedraͤngter die Angst ward, Dunkler die Nacht, gewaltger der Klang der Donnerposaune; Da stets heftiger bebte der Tabor unter Jehova; Da, statt des Todesschweißes, von seinem Angesicht Blut rann; Hub er vom Staube sich auf, und streckte die Arme gen Himmel. Thraͤnen flossen ins Blut. Er betete laut zum Richter: Vater, die Welt war noch nicht, bald starb der erste der Menschen, Bald ward jede der Stunden mit sterbenden Suͤndern bezeichnet! Ganze Jahrhunderte sind, von deinem Fluche belastet, Also voruͤbergegangen. Nun ist sie, Vater, gekommen; Da die Welt noch nicht war, da noch kein Todter verweste, Wurde sie schon die selige Stunde des Leidens bestimmet: L 5 Und Der Meßias. Und nun ist sie gekommen! Seyd mir, o Schlafende Gottes, Seyd mir in euern Gruͤften gesegnet! Jhr werdet erwachen!… Ach, wie fuͤhl ich der Sterblichkeit Loos! Auch ich bin geboren, Daß ich sterbe! Der du den Arm des Richters empor haͤltst, Und mein Gebein von Erde mit deinen Schrecken erschuͤtterst, Laß die Stunde der Angst mit schnellerm Fluge vorbeygehn! Vater! es ist dir alles moͤglich. Ach, laß sie vorbeygehn! Ganz von deinem Grimme, von deinen Schrecken gefuͤllet, Hast du, mit ausgebreiteter Hand, den Kelch der Leiden Ueber mich ausgegossen. Jch bin ganz einsam, von allen, Die ich liebe, den Engeln, von den noch geliebteren Menschen, Meinen Bruͤdern, von dir, von dir, mein Vater, verlassen! Schau, wo du richtest, ins Elend herab! Jehovah! wer sind wir? Adams Kinder, und ich! Laß ab, die Schrecken des Todes Ueber mich auszugießen!.. Doch nicht mein Wille geschehe! Vater dein Wille geschehe!.. Mein starr geheftetes Auge Schaut in die Mitternacht aus, kann nicht mehr weinen. Mein Arm bebt, Starrt nach Huͤlfe gen Himmel empor. Jch sink auf die Erde: Sie ist Grabmal. Es ruft, durch alle Tiefen der Seele, Laut ein Gedanke dem andern: Jch sey vom Vater verworfen! Ach, da der Tod noch nicht war! Da noch die Stille des Vaters Ruht auf dem Sohne! Da Adam gemacht ward, unsterblich zu leben! Doch mein Gebein von Erde traͤgt auch die Gottheit! Jch leide! Jch bin ewig, wie du! Es gescheh, o Vater, dein Wille! Also sprach er, und richtete sich von seinem Gebet auf, Stuͤtzt auf seine Rechte sich nieder, und schaut in die Nacht hin. Und da giengen vor seinen Gedanken des ewigen Todes Schre- Fuͤnfter Gesang. Schreckende Bilder voruͤber. Er sah die verworfenen Seelen, Die dem Tage der Schoͤpfung, dem Seyn zur Ewigkeit, fluchten. Hoͤrte das dumpfe Geheul des wiedertoͤnenden Abgrunds; Donnernde Stroͤme von Felsen herab in die Tiefe geschleudert, Auf den donnernden Stroͤmen, der Angst gefluͤgelte Stimme; Sanftere Fluͤsse, die taͤuschend die Seelen zur Ruh einluden, Zum Entschlummern ins Nichts. Dann wuchs der Betrogenen Jam̃ern; Dann, in einen unendlichen Seufzer der alten Verzweiflung Ausgegossen, empoͤrte die Stimme des Menschengeschlechts sich, Klagte den Schoͤpfer der Schoͤpfung, der war, und seyn wird, des Daseyns Und der Ewigkeit an. .. Jhr Elend fuͤhlte der Gottmensch! Lange schon hatt auf ihn hin, von einem veroͤdeten Felsen, Adramelech geschaut. Jtzt stieg er den Felsen herunter, Blickt auf die Erde. Da sah er vor sich, in seinem Blute, Einen Moͤrder, der sich erwuͤrgte. Der Ton der Verzweiflung, Jammernde Seufzer der wiederkehrenden Menschlichkeit fuͤllten Jeden Huͤgel umher. Von dieser Stimme begleitet, Nahte sich Adramelech, und stand, des Meßias zu spotten. Mit vernichtendem Stolz im hohen Auge geruͤstet, Und im Meere verruchter Gedanken, ganz in sich, verloren, Stand er, und feurte sich an, die Gedanken toͤnen zu lassen, Wie ein Strom sich ergießt, wie die Donnerwolke daher rauscht. Aber es wandte der hohe Meßias sein Antlitz, und sah ihn Mit der Mine des Weltgerichts an. Der Wuͤtende fuͤhlte, Wer ihn ansah, und bebt’ in sein Nichts ohnmaͤchtig zuruͤcke. Mitten in einem verruchten, hoch aufgethuͤrmten Gedanken, Blieb er gedankenlos stehn. Nur diese Leerheit empfand er. Sah Der Meßias. Sah den Himmel, die Erde nicht mehr, nicht mehr den Meßias; Nur sich selber. Zuletzt vermocht er kaum zu entfliehen. Drauf verließ der Meßias der Leiden traurige Stille, Wandte sich gegen die schlafenden Juͤnger, nach so viel Leiden, So viel einsamer Angst, der Menschen Antlitz zu sehen. Mit dem Anblick der Menschen, mit diesem Troste zufrieden, Gieng der Erloͤser, und nahte sich still den schlafenden Juͤngern. Aber ihm jauchzten die Himmel umher, und feyrten den Sabbat, Seit der Schoͤpfung den zweyten, der heiliger ist, als der erste. Wenn der Gerichtstag ist untergegangen, wird aufgehn der dritte, Ewigkeit, heisset sein Maß, sein erster Feyrer, Meßias! Jtzo feyrten die Himmel des Sabbats heiligste Stunden. Alle wußten, daß itzt der ewige Hohepriester Jn dem Allerheiligsten war, die Versoͤhnung zu stiften. Denn es hatte der Vater gesagt, und also gesprochen: Wenn wird toͤnen um euch der Pole Donnern, wenn vor euch Wird der Gesang der Sphaͤren, in Stimmen der Meere verwandelt, Brausend vorbeygehn, und schnell die Reihen wandelnder Sterne, Tausend Sonnenmeilen herauf, und tausend hinunter, Durch die Unendlichkeit werden erzittern; wenn uͤber euch kommen Schauer von Gott, und euerm Haupte die goldenen Kronen Hoch entfallen, und unter euch sinken die goldenen Stuͤle: Dann sind die Stunden des ernsten Gerichts! Dann leidet der Gottmensch. Jtzo sangen die Himmel: sie ist, der erhabensten Leiden Erste Stunde, die ewige Ruh den Heiligen bringet, Jtzo ist sie voruͤbergegangen! So sangen die Himmel. Aber es stand der Meßias vor seinen Juͤngern, und sah sie Tief Fuͤnfter Gesang. Tief im Schlafe. Noch fuͤllte der Ernst des hohen Jakobus Gluͤendes Antlitz. So schlummert ein Christ, vor seinem Tode, Ruhig und ernst. An den sanften Johannes lehnte sich Petrus, Nicht mit stillem Laͤcheln, wie er. Jhm rief der Meßias: Simon Petrus, du schlaͤfst! Vermagst du mit mir, da ich leide, Auch nicht eine Stunde zu wachen? Ach, bald wird die Ruhe, Bald wird der Schlummer nicht mehr dein weinendes Auge bedecken. Wachet, und betet, damit der Versucher nicht uͤber euch komme. Zwar ihr wolltet es gern. Allein auch ihr seyd von Erde! Und den himmlischen Geist druͤckt noch der Sterblichkeit Buͤrde. Also sah er die drey. Jn einer weiteren Aussicht Sah er mit einem, unendlichen Blick die Geschlechter der Menschen, Aller derer, die suͤndigten, starben, und auferstehn werden! Und gieng wieder hin ins Gericht, fuͤr alle zu leiden! Aber seitwaͤrts um das Gebirge kam Abbadona Jn den Huͤllen der schweigenden Nacht, und sprach zu sich selber: Ach, wo werd ich endlich ihn finden, den Mann, den Versoͤhner? Zwar ich bin unwuͤrdig, zu sehn den besten Sohn Adams! Aber ihn hat doch Satan gesehn! Wo soll ich dich suchen? Und wo werd ich endlich dich finden, Mann Gottes, Versoͤhner? Alle Wuͤsten hab ich durchirrt! Jch bin zu den Quellen Aller Fluͤsse gegangen! Jn aller daͤmmernden Haine Einsamkeit hat sich mein Fuß mit leisem Zittern verloren! Zu der Ceder hab ich gesagt: verbirgst du ihn, Ceder, O so rausche mir zu! Und zu der Huͤgel Haupt sprach ich: Neige dich, einsamer Huͤgel, nach meinen Thraͤnen herunter, Daß ich sehe den goͤttlichen Mann, der etwa dort schlummert! Jhn hat, dacht ich, vielleicht sein fuͤr ihn sorgender Schoͤpfer, Unter schattende Decken der Abendroͤthe verhuͤllet: Jhn hat die Weisheit vielleicht und menschenfliehender Tiefsinn Jn die Hoͤlen der Erde gefuͤhrt. Doch ich fand ihn am Himmel, Jn Der Meßias. Jn der Erde Schooß nicht. Ja, ich bin unwuͤrdig, dein Antlitz, Ach, unwuͤrdig, die Blicke zu sehen, mit welchen du laͤchelst, Bild der Gottheit, unsterblicher Mensch! Du erloͤsest nur Menschen. Mich erloͤsest du nicht! Du hoͤrst die jammernde Stimme Meiner Ewigkeit nicht! Ach, du erloͤsest nur Menschen! Also sagt er, und sahe vor sich die schlafenden Juͤnger. Und es lag der schoͤne Johannes im laͤchelnden Schlummer Nahe vor ihm. Er sah ihn, und trat mit zitterndem Fuße Furchtsam zuruͤck. Kaum wagt ers zuletzt, still also zu sagen: Wenn du es bist, den ich suche, wenn du der goͤttliche Mensch bist, Der sein Geschlecht zu erloͤsen, erschien: so sey mir mit Thraͤnen, Sey mir in deiner holdseligen Schoͤnheit, mit ewigen Thraͤnen, Und mit bangen unsterblichen Seufzern, Erloͤser, gegruͤsset! Warlich, in deinem Antlitz sind Zuͤge der himmlischen Unschuld: Laute Zeugen von einer bewundernswuͤrdigen Seele. Ja, du bist es! Dich hab ich gesucht! Wie athmet die Ruhe, Deiner Tugend Belohnung, aus dir! Ein Schauer befaͤllt mich, Da ich sehe die Ruh, die aus voller Seele dir zustroͤmt. Wende dein Antlitz von mir! Sonst muß ich wegsehn, und weinen! Jndem Adbadona so sprach, da wandte sich Petrus Aengstlich gegen Johannes, und sprach, da er itzo erwacht war: Ach, Johannes, ich sah im Traume den Meister! Er sah mich Ernst mit Blicken voll Drohungen an, mit Blicken voll Mitleids! Dieses vernahm der Seraph und blieb voll Bewunderung stehen. Jhn umgab die Stille der Nacht, und er hoͤrte von fern her, Durch die schauernde Stille, wie eines Sterbenden Stimme. Und er neigte sein forschendes Ohr nach dem Orte der Stimme, Wo sie herkam, er neigte sich tiefer, und hoͤrte die Stimme Jmmer trauriger werden, und naͤher dem Tode. Da stand er Bang und erstaunt, da bebte sein Herz von diesen Gedanken: Soll ich hingehn, zu schauen den Mann, der dort mit dem Tode, Und Fuͤnfter Gesang. Und mit Gedanken von jenem Gericht voll Seelenangst ringet? Soll ich sehn des Erschlagenen Blut? Er gieng vielleicht ruhig Jn den Schatten der Nacht, und eilte, stammelnde Kinder An dem Halse der Mutter mit Vaterfreuden zu gruͤßen; Da erschlug ihn ein lauernder Feind, ein Unmensch, im Dunkeln! Und es war doch vielleicht sein Wandel mit Unschuld gekroͤnet, Und sein Thun mit Weisheit geschmuͤckt! Ach, soll ich ihn sehen? Soll ich sehen des Sterbenden Blut, und die brechenden Augen; Und die Todesblaͤsse der Wangen, die nun nicht mehr bluͤhen? Soll ich hoͤren der Seufzer Getoͤn, den rufenden Donner Seiner Stimme, mit welcher er stirbt? Ach Blut des Erschlagnen! Furchtbares Blut des unschuldigen Manns! Auch du bist ein Zeuge Wider mich vor jenem Gericht, das Erbarmung nicht kennet. Auch ich habe den Tod die Kinder Adams gelehret! Ach, Blut! Blut unschuldiger Menschen! Das je ward vergossen, Und noch kuͤnftig, durch manches Jahrhundert, vergossen wird werden, Laß von mir ab! Jch hoͤre die Stimme, mit welcher du donnerst! Ach, ich hoͤre dein furchtbares Seufzen, mit dem du zu Gott schreyst, Rache forderst, und mich der ewigen Rache dahin giebst. Jch muß schauen dahin, wo deine Verwesungen ruhen! Kinder Adams, auf eure Gebeine, dahin muß ich schauen! Mein Gewissen ergreift, wie ein Krieger, mein weggewandt Antlitz, Wendet es um, und kehrt es gewaltig dahin, wo die Todten, Die auch ich mit erschlug, in stillen Graͤbern verwesen. Todesstille, Mich schauert vor dir! Er koͤmmt nicht im Stillen, Nicht in dieser ruhenden Nacht, der gegen mich wuͤtet: Donnernd geht er in Wolken daher! Sein Schritt ist ein Wetter. Seines Mundes Gespraͤch ist der Tod; ist Gericht ohn Erbarmen! Also dacht er, und nahte sich saͤumend des Sterbenden Stimme. Jtzo sah er von fern den Meßias, doch sah er sein Antlitz Und die blutende Stirne noch nicht. Es lag der Meßias Auf Der Meßias. Auf dem Antlitz, und betete still mit gerungenen Haͤnden. Abbadona gieng fern und voll Furcht auf dem ruhenden Boden Um den Meßias herum. Jndem trat Gabriel langsam Aus den dichten Schatten hervor, in die er gehuͤllt war. Abdiel zitterte schweigend zuruͤck. Der himmlische Seraph Trat hinzu, und neigte sein Ohr nach dem Mittler herunter, Und hielt im hinschauenden Auge, voll tiefer Ehrfurcht, Eine menschliche Thraͤne zuruͤck, stand denkend und hoͤrte Nach dem Meßias herab. Und mit dem Ohre, mit dem er, Millionen Meilen entfernt, den Ewigen wandeln, Und die jauchzenden Morgensterne vom weiten sonst hoͤret, Hoͤrt er das langsamwallende Blut des betenden Mittlers Bang von Ader zu Ader fließen. Viel lauter vernahm er, Aus den Tiefen des goͤttlichen Herzens, stillbetende Seufzer, Unaussprechliche, himmlische Seufzer, dem Ohre des Vaters Mehr, als aller Geschoͤpfe Gesang, die ewig ihn singen; Herrlicher, als die Stimme, die schuf; so hoch, als ihm selber Gott Jehovah, erklingt, wenn er, Jehovah sich nennet! Also vernahm des Meßias geheimes Leiden der Seraph. Und er hub sich von ihm empor, trat schauernd seitwaͤrts, Faltete seine Haͤnde zu Gott, und sahe gen Himmel. Abdiel schlug sein Auge kaum auf, da er Gabriel sahe, Da er auf einmal uͤber sich sahe der himmlischen Schaaren, Jhrer Augen Gebet, und ihres Schweigens Gedanken, All ein Antlitz, auf dich, o Meßias, herunter gerichtet. Abdiel schauerte nur, und richtete Blicke voll Ohnmacht Auf den Meßias, der itzt aus dem noch blutigen Staube, Und aus dem Todesschweiße sein Antlitz langsam empor hub. Abdiel sah den Meßias, sein Auge ward dunkel, kaum dacht er. Da er wieder zu denken vermochte, da dacht er also. Bald verschloß er die bangen Gedanken, bald ließ er sie jammernd, Durch Fuͤnfter Gesang. Durch die Schauer der Nacht in vollen Seufzern ertoͤnen. O du, der du vor mir mit dem Tode ringest, wer bist du? Einer vom Staube gebildet? Ein Sohn der niedrigen Erde, Die verflucht ward, und reif zum Gericht, vor dem letzten der Tage Und dem offenen Grabe der alten Vergaͤnglichkeit zittert? Einer von diesem Staube gebildet? Ja! Aber es decket Deine Menschheit ein Schimmer von Gott! Was hoͤhers, als Graͤber Und Verwesung, redet dieß Auge! So ist nicht das Antlitz Eines Suͤnders! So schaut er nicht hin der Verworfene Gottes! Du bist mehr, als ein Mensch. Jn dir sind Tiefen verborgen, Deren Abgrund mir unsichtbar ist, Labyrinthe der Gottheit! Jmmer naͤher schau ich dich an! Wer bist du? O wende, Wende dein Antlitz von ihm, Verworfner! Ein schneller Gedanke Trift, wie ein Donner, auf mich, ein schreckender, großer Gedanke! Eine furchtbare Gleichheit erblick ich. Kalt gießet die Angst sich Ueber mein Haupt, mein Antlitz umstroͤmen die Schauer des Todes! Ach, er gleichet dem ewigen Sohne, der ehmals vom Thron her, Hoch vom Thron, auf den Fluͤgeln des dunkeln Gerichtstuls getragen, Donnernd uͤber uns kam, und dicht an unsere Fersen Heftete seine Verderben, und kein Erbarmen nicht kannte. Da die Unsterblichkeit, Fluch, das Leben ein ewiger Tod ward. Da die Unschuld der Schoͤpfung, mit allen Freuden des Himmels, Uns auf ewig entfloh, verloren ins Heer der Gerechten. Da Jehovah nicht Vater mehr war! Jch wandte mein Antlitz Einmal bebend herum, und sah ihn hinter mir kommen; Sah den furchtbaren Sohn, des Donners schauendes Auge! Hoch stand er auf dem dunkeln Gerichtsstul, die Mitternacht um ihn, Um ihn der Tod! Jhn hatte der Vater mit Allmacht bekleidet, Mit Verderben geruͤstet, das Bild der ersten Erbarmung. Seinen donnernden Gang, den Schwung der strafenden Rechte Bebte die bange Natur in allen Tiefen der Schoͤpfung M Schau- Der Meßias. Schauernd nach! Jch sah ihn nicht mehr, mein Auge verlor sich Tief in die Nacht. So schlummert’ ich hin, durch Sturmwind und Donner, Durch das Weinen der bangen Natur, im Gefuͤhl der Verzweiflung, Und unsterblich. So sah ich den Richter. Jhm gleichet das Antlitz Dieses Mannes im Staube gebuͤckt, der mehr als ein Mensch ist. Jst er vielleicht des Ewigen Sohn, der gegebne Meßias? Jener Richter? Wie aber er leidet! Er ringt mit dem Tode! Er, der stand auf dem hohen Gerichtsstul! Er ringt mit dem Tode! Ohne Maß ist die Angst, die seine goͤttliche Seele Rings um erschuͤttert! Er jammert im Staube! Die steigenden Adern Bluten Todesangst aus! Jch, dem kein Jammer verdeckt ist, Der ich alle Stufen der Quaal und Verzweiflung hinabstieg, Weis mit keinem Namen die Angst der Seele zu nennen, Die er fuͤhlt! Mit keiner Empfindung ihm nachzuempfinden, Diesen dauernden Tod! … Jn tiefer, naͤchtlicher Ferne, Seh ich neue Gedanken, voll wunderbarer Begriffe, Und in Labyrinthe verflochten, sich gegen mich naͤhern. Jener Koͤnig des Himmels, der Sohn, Jehovah, des Vaters Ewiges Bild, stieg vom Himmel in eines Menschen Leib nieder,.. Leidet itzt fuͤr die Menschen, statt seiner sterblichen Bruͤder Geht er hin ins Gericht! Kann ich mich himmlischer Dinge Recht noch erinnern, so ist mirs, als haͤtt ich von diesem Geheimniß Einst was dunkles im Himmel gehoͤrt. Auch bekraͤftigt es Satan Durch das, was er von ihm und seinen Reden erzaͤhlte. Und wie naͤhern die Engel sich ihm! Wie betet ihr Antlitz Und die gefaltete Hand vor ihm an. Auch scheint die Natur hier Ueberall still zu schauern, als waͤre Gott wo zugegen. Wenn du gehst ins Gericht fuͤr deine sterblichen Bruͤder, Wann du bist des Ewigen Sohn, so will ich entfliehen; Daß du nicht, wenn du mich siehst vor deinen Fuͤssen hier zittern, Gegen mich zornig erwachst, und auf deinen Gerichtsstul dich hebest. Aber Fuͤnfter Gesang. Aber du blickft mich nicht an! Doch kennst du mein innerstes Denken! Darf ich diesen Gedanken hinaus zu denken es wagen, Dessen erstes Zittern ich fuͤhle? Du wardst der Meßias Fuͤr die Menschen, und nicht der Meßias der hoͤheren Engel! Ach, wenn du uns gewuͤrdiget haͤttest, ein Seraph zu werden, Und laͤgst uͤber die Felder des Himmels hinuͤber gebreitet, Wie du hier im Staube itzt liegst; und giengst ins Gericht hin, Unserntwegen tief ins Gericht des ewigen Vaters; Faltetest so die Haͤnde zu Gott, und saͤhst so zum Thron auf: O wie wollt ich alsdann mit aufgehabenen Haͤnden Gehen um dich herum, und mit Hallelujagesaͤngen, Mit der Stimme der Harfenspieler dich, Goͤttlicher, segnen! Aber weil ihrs denn seyd, die suͤssen Lieblinge Gottes, Kinder Adams, so fasse der Fluch mit ewigem Feuer Jedes Haupt, das niedrig gnug denkt, den Sohn zu verkennen! Jedes Herz, das, seiner nicht wuͤrdig, die Tugend entheiligt! Die ihr kommen werdet, Geschlechter so vieler Erloͤsten, Wenn ihr entehret das Blut, das von diesem Angesicht rinnet, So sey es euch zum Tode vergossen, zum ewigen Tode! Ja, euch mein ich, und nenn euch zugleich bey dem furchtbaren Namen, Den euch der Unerschaffne selbst gab, unsterbliche Seelen, Wenn nun uͤber euch auch das Bild von jenem Gedanken, Mit der gefuͤrchteten Mine der ernsten Ewigkeit, stehn wird, Jener Gedanke, daß ihr, gleich uns, verworfen von Gott seyd, Von dem ersten und besten der Wesen, auf ewig verworfen! Dann will ich auf die offenen Wunden der ewigen Seelen, Durch die Gefilde voll Elend und Nacht, herabschaun und sagen: Heil dir, ewiger Tod, dich segn’ ich Jammer ohn Ende! Zwar das Anschaun, die selige Ruh der hohen Erloͤsten, Die mit weiserer Sorge durch Tugend der Ewigkeit lebten, Wird mich vom Himmel herab, aus ihrer Herrlichkeit, schrecken. M 2 Doch Der Meßias. Doch will ich auf die offenen Wunden der ewigen Seelen, Durch die Gefilde voll Elend und Nacht, herabschaun und sagen: Heil dir, ewiger Tod, dich segn’ ich Jammer ohn Ende! Aus dem eisernen Arm der Hoͤlle will ich mich reissen, Gehn zum Throne des Richters, und rufen mit donnernder Stimme, Daß es die Erden umher, und die Himmel alle vernehmen: Jch bin ewig, wie er! Was that ich, daß du den Suͤnder, Nur den menschlichen Suͤnder allein, nicht den Engel, erloͤstest. Zwar dich hasset die Hoͤlle! Doch ist ein Verlaßner noch uͤbrig; Einer, der edler gesinnt ist, und nicht dein Hasser, Jehovah! Einer, der blutende Thraͤnen, und Jammer, der nicht bemerkt wird, Ach, zu lange vergebens, zu lange! Gott vor dir ausgießt, Satt, geschaffen zu seyn, und der bangen Unsterblichkeit muͤde! Abdiel floh. Es stand der Meßias vom Staube der Erde Jtzo zum zweytenmal auf, der Menschen Antlitz zu sehen. Und es sangen die Himmel: sie ist der erhabensten Leiden Zweyte Stunde, die ewige Ruh den Heiligen bringet; Jtzo ist sie voruͤbergegangen! So sangen die Himmel. Und der Meßias verließ von neuem die schlummernden Juͤnger, Gieng zum drittenmal hin, sich dem zum Opfer zu geben Der mit gefuͤrchtetem Arm noch immer die Wagschal empor hielt, Jmmer noch den Donner des Fluchs und des Weltgerichts aussprach. Ueber ihm hieng, da er litt, die Nacht vom Himmel herunter; Eine schreckliche Nacht. So wird vor dem letzten der Tage, Dunkel, von allen Himmeln herunter, die letzte Nacht haͤngen. An sie draͤngt sich der eilende Tag; dicht an sie! Der Donner Der Posaune wird bald, bald wird der Schwung der Gebeine, Und das rauschende Feld voll Auferstehung, vom Thron her, Jesus, der auch ein Todter einst war, zum Weltgericht rufen. Aber es schaut auf den Sohn vom Tabor der Vater herunter, Sah die Mine des ewigen Todes im Antlitz des Sohnes. Unten Fuͤnfter Gesang. Unten am Fusse des Bergs, in mitternaͤchtlicher Stille, Stand Eloa. Er hatte sein Haupt in Wolken verhuͤllet, Und den denkenden Blick starr auf die Erde gerichtet. Gott rief aus den Wolken herunter: Eloa! Gleich eilte Schweigend der Seraph ins Dunkle hinauf, und stand vor der Gottheit. Und Gott sprach zu Eloa: Hast du die Leiden gesehen, Die der Ewige litt? Geh, sing dem Sohn ein Triumphlied, Von den Scharen der Heiligen alle, durch Leiden des Todes, Und mit Blute versoͤhnt, vom Halleluja der Himmel, Wenn er Koͤnig seyn wird, zur Rechten Gottes erhoben! Zitternd erwiedert der Seraph: wie aber soll ich dich nennen? Wenn ich gehe zum Sohn, die goͤttliche Bothschaft zu bringen. Gott sprach: nenne mich, Vater! Mit tief anbetendem Blicke, Und mit heilig gefalteten Haͤnden, sprach Seraph Eloa: Aber wenn ich, von Antlitz zu Antlitz, im blutigen Schweisse, Und in die Leiden des Todes gehuͤllt, den Gottmensch erblicke; Wenn ich seh das Gericht in den sonst laͤchelnden Zuͤgen, Unter den trauernden Zuͤgen nur dunkel, der Goͤttlichkeit Spuren! Werd ich sprachlos nicht stehn? Wird mir mein schlagendes Herz nicht Auch den unmerklichsten Laut der himmlischen Lieder versagen? Werden mich nicht die Schrecknisse Gottes, die Bilder des Todes Selbst umschatten? Und werd ich vor ihm im Staube nicht liegen? Bater, sende mich nicht! Jch bin zu gering, dem Meßias, Viel zu endlich, dem leidenden Gottmensch Triumphe zu singen. Huldreich erwiederte Gott: wer hub hoch uͤber die Himmel Deinen feurigen Muth? Wer gab dir da dein Triumphlied? Als am Tage des ersten Gerichts das Heer der Verworfnen Meine Donner verfolgten, du, auf den Fluͤgeln der Donner? Wer ermannte dein Herz, den Tod des ersten der Menschen, Und mit ihm alle Tode der Kinder Adams zu sehen? Auf, ich fuͤhre dich selbst! Und wenn du mehr auch erzitterst, M 3 Bey Der Meßias. Bey dem nahen Anschaun des Sohns, so wird er dich lehren, Unter die zitternden Stimmen den hohen Triumphton zu mischen! Gott sprach so. Der Seraph gieng fort mit dem Rauschen des Jordans, Und mit dem Hauchen der Donner von Tabor. Jtzt stieg er den Oelberg Bangsam herab. Ein furchtbarer Schauer von Mitternachtswinden Trug ihm die betende Stimme des hohen Meßias entgegen. Und ein stilles Zittern befiel den staunenden Seraph. Aber da er wahrnahm des Sterbenden Antlitz, die Blicke Voller Gefuͤhl des Gerichts, den Sohn vom Vater verlassen; Stand er auf die Erde geheftet, des himmlischen Glanzes Seiner Schoͤnheit beraubt, nicht mehr der unsterbliche Seraph, Gleich dem Menschen von Erde gemacht. Der grosse Meßias Richtete Blicke voll Hoheit auf ihn, und laͤchelte Gnade. Mit dem Anblick empfieng der Seraph die Schimmer des Himmels, Und der Unsterblichen Schoͤnheit von neuem. Er hub im Triumphe Sich auf goldenen Wolken empor, und sang aus den Wolken: Sohn des Vaters, von welchem Gedanken erweckt mich dein Anschaun! Heil mir! Jch bin gewuͤrdiget worden dir nachzuempfinden, Was du empfindest! Von ferne zu schaun der Gottheit Gedanken. Ueber euch haͤnget die Decke der tiefsten Geheimnisse! Himmel, Ganze Himmel voll Nacht, der Einsamkeit Gottes Umschattung, Huͤllen euch ein! Kein Endlicher sah euch, Gedanken der Gottheit! Und ich bin gewuͤrdiget worden, von fern euch zu schauen; Aus der gemessenen Endlichkeit Raum hinuͤber zu blicken, Jch, ein kurzer Gedanke des Unerschaffnen, ein Theilchen Auf der Schoͤpfungen Schauplatz! Gleich einer Sonne, die aufgeht, Einem Staube zu leuchten, der schwimmt, und Erde genennt wird. Heil mir! Daß ich geschaffen bin! Heil! Daß du ewig bist! Heil dir! Vater, und Sohn! Und ihr, die meine Seele noch fuͤllen, Die mit dem Saͤuseln der Gegenwart Gottes noch uͤber mich kommen, Heilige Schauer, fahrt fort, aus meiner Endlichkeit Graͤnzen, Mich Fuͤnfter Gesang. Mich ins Dunkle der Herrlichkeit Gottes hinuͤber zu tragen! Nun empfind ich sie ganz, der Auferstehung Gedanken! Adams Geschlecht, so wirst du erwachen! Dieß Staunen, dieß Zittern, Dieses Jauchzen des ewigen Lebens wird uͤber dich kommen! Dann wird stehn auf dem Throne, der hier im Staube gebuͤckt liegt, Einen langen gefuͤrchteten Tag, sein Weltgericht halten, Und vollenden den Bund, durch diese Leiden gestiftet. O, mit welchem Gefuͤhl der neuen Schoͤpfung, wie selig, Werden, die du erloͤset hast, dich auf dem Richterstul anschaun! Deine schimmernden Wunden, das Bild der Liebe zum Tode, Bis zum Tod am Kreuze, mit betenden Augen betrachten, Und dir feyern, dir Halleluja der Ewigkeit singen! Dann wird schweigen vor ihnen des Weltgerichts Donnerposaune, Und die Stimme vom Thron. Es wird die Tiefe sich buͤcken, Und die Hoͤh gefaltete Haͤnde gen Himmel erheben. Dann wird der letzte der Tage den stillverloͤschenden Schimmer Vor dem Throne der Ewigkeit niederlegen. Dann wirst du Deine Gerechten um dich zu deinem Anschaun versammeln, Daß sie dich sehn, wie du bist. Sie werdens fuͤhlen, und jauchzen, Daß sie ewig sind, und den Gedanken des Lebens ohn Ende, Weil du sie liebest, erst ganz in seiner Hoheit empfinden. So sagt der, den Jehovah, voll Ehrfurcht die Seraphim nennen; Die Verworfenen, Richter; der selber Vater sich nennet! Also sang Eloa vom Himmel. Es schaute der Gottmensch Sanft dem anbetenden Seraph ins Angesicht, sanfter auf Tabor. Aber noch daurte das ernste Gericht, die Baͤngsten der Leiden Ueber ihn auszugießen, und kein Erbarmen zu kennen. Und er neigte sich tief, rang seine Haͤnde gen Himmel, Und verstummte. So windet ein Lamm, am Altare geschlachtet, Sich in seinem Blute; so lag, umstroͤmt von den Wolken Seiner Opfer, umstroͤmt vom Blute, so neigte sich Abel, Als Der Meßias. Fuͤnfter Gesang. Als er einsam entschlief, und seinen Vater nicht sahe. Alle Seraphim, die den Meßias erstaunungsvoll ansahn, Und ihn bisher mit sinkendem Blicke beobachtet hatten, Konnten den Gottmensch nicht mehr, und seine Todesangst sehen: Fuͤhlten der Endlichkeit Loos, verwandten ihr Antlitz, und flohen. Gabriel nur blieb stehn, und verhuͤllte sich. Auch blieb Eloa, Sank, und neigte sein Haupt in eine Mitternachtswolke. Und die Erde stand still. Der Richter richtete. Dreymal Bebte die Erde, zu fliehn, und dreymal hielt sie Jehovah. Jtzo erhub sich der Gottmensch, als Sieger, vom Staube der Erde. Jtzo sangen die Himmel: sie ist, der erhabensten Leiden Dritte Stunde, die ewige Ruh den Heiligen bringet; Jtzo ist sie voruͤbergegangen! So sangen die Himmel. Und Gott wandte sein Antlitz, und stieg zum ewigen Thron auf. Ende des ersten Bandes.