Versuch einer Grundlehre saͤmmtlicher Kameralwissenschaften zum Gebrauche der Vorlesungen auf der Kurpfaͤlzischen Kameral Hohenschule zu Lautern von Dr. Johann Heinrich Jung, oͤffentlichen ordentlichen Lehrer der Landwirth- schaft, Kunstwirthschaft, Handlungswirth- schaft und Vieharzneikunde; auch Mitglied der Kurfuͤrstlichen physikalisch oͤkonomi- schen Gesellschaft daselbst. Lautern, im Verlage der Gesellschaft 1779 . Dem Hochgebohrnen Reichsfreiherrn Herrn Franz Albert von Oberndorf Sr. Kurfuͤrstlichen Durchlaucht zu Pfalz Kaͤmmerer, wirklichen geheimen Staats- und Conferential-Minister, Hofrichter, Ehrenpraͤsident der Akademie der Wissen- schaften, Oberamtmann zu Boxberg, Rit- ter des Kurfuͤrstlichen Ritterordens vom Pfaͤlzischen Loͤwen ꝛc. ꝛc. Meinem gnaͤdigen Herrn Hochgebohrner Reichsfreiherr! Gnaͤdiger Herr! E uer Excellenz hohe Gnade, welche Dieselben gegen mich aͤuserten, als ich lezthin das Gluͤck genoß, Hochdensel- ben vorgestellt zu werden, nicht weni- ger auch die warme Theilnehmung an dem Wohle der Kameral-Hohenschule, welche Sie nicht allein damahl, sondern bis da- her bei allen Gelegenheiten maͤchtig haben wirken lassen, macht mich so kuͤhn: Eu- er Excellenz die erste Arbeit meines Lehramtes feierlich und oͤffentlich zuzueig- nen und zu widmen. Nicht Nicht allein meine persoͤnliche Dank- barkeit, wovon mein Herz gluͤht, son- dern auch das lebhafteste Gefuͤhl dersel- ben in den Seelen des Vorstandes und der Lehrer der Kameral Hohenschule macht mir dieses Werk zur Schuld und zum Op- fer, das wir saͤmmtlich einem Staatsmi- nister bringen, den Vatter Karl Theo- dors durchschauendes Auge bei seinem Abschiede statt Seiner ans Staatsruder sezte. * 3 Die Die Maͤnner, denen es Wonne ist, an der Kameral Hohenschule dem Vatter- lande reife Staatswirthe und Buͤrger zu erziehen, vereinigen ihre Wuͤnsche mit den meinigen, und wir bitten Euer Ex- cellenz saͤmmtlich unterthaͤnigst, nicht nur diese wenige und vielleicht noch rohe Gedanken dieses Versuches mit Gnade an- zusehen, sondern auch unsere Hoheschule fernerhin mit Kraft zu schuͤzen, und vol- lends bestaͤttigen zu helfen. Wir schmei- cheln uns mit dieser wonnevollen Aussicht um desto zuversichtlicher, da wir uns des felsen- felsenfesten Vorsazes bewußt sind, daß wir alle zusammen Muth, Kraft und Leben dazu verwenden wollen, damit unser Jn- stitut eins von unsers Durchlauchtig- sten Stifters nuͤzlichsten Werken wer- den, und also die Namen aller derer ed- len Deutschen Maͤnner, die uns Daseyn und Kraft zu wirken schenkten, noch bei der Nachwelt verehrt und gesegnet seyn moͤgen, unter welchen dann Euer Ex- cellenz hohes Andenken an seinem Plaze als ein Stern von der ersten Groͤse glaͤn- zen wird. * 4 Jch Jch nehme die Freiheit Euer Excel- lenz mich zu fernerem hohen Schuze und Gnade mit aller Ehrfurcht zu empfehlen, und lebenslang zu seyn Hochgebohrner Reichsfreiherr Gnaͤdiger Herr! Euer Excellenz Lautern, den 1. Maͤrz 1779. unterthaͤnigster Diener Johann Heinrich Jung. Vor- Vorrede . Als ich 1778 im Fruͤhjahre den ersten Wink bekam, daß man mich zum Lehrer hiesiger Kameral Hohenschule bestimmen wuͤrde, so durchdachte ich alle Bruchstuͤ- cke, die in meiner Seele hier und dort zerstreut lagen. Kaͤnntnisse, die ich als Knabe und Juͤngling im ganzen Umfan- ge der Landwirthschaft und Kunstgewer- be, und hernach auch als Gehilfe in der Handlung eines grosen Mannes, der ein maͤchtiger Landwirth und Fabrikant zu- gleich war, endlich die ich vollends auf der Universitaͤt in den Hilfswissenschaften zu den Gewerben nach und nach gesamm- let hatte, lagen zerstreut vor mir. Jzt * 5 fuͤhlte Vorrede fuͤhlte ich die grose Pflicht zu untersuchen, wie weit ich einem so wichtigen Amte ge- wachsen seyn wuͤrde. Jch ordnete zusam- men, raͤumte auf und entdeckte unterdes- sen, daß ich zwar mit allem dem, was ich wuͤßte, gut anfangen, aber so nicht vollenden wuͤrde, daß ich also mit Man- neskraft wuͤrde arbeiten muͤssen, um mich mit Erkaͤnntnissen zu bereichern. Und alsofort faßte ich auch den unwiederrufli- chen Schluß, meine ganze Lebenszeit auf diesen Zweck mit allen meinen Kraͤften zu verwenden. Das erste also, was ich that, war: mir diesen Zweck recht bekannt, und aus- fuͤhrlich anschaulich zu machen, ich durch- dachte das Ganze der Kameralwissenschaf- ten, und fand eine solche idealische Schoͤn- heit, Wahrheit und Guͤte in diesem gan- zen Anblicke, ein so herrliches Bild, ein Lehrgebaͤude, einen Zusammenhang des Einzelnen und des Ganzen, daß ich glaub- te: es koͤnne sich keine Wissenschaft in der Welt, auser der Mathematik, eines solchen herrlichen Planes ruͤhmen. Die- se unvergleichliche Schoͤnheit betrachtete ich Vorrede ich mit geizigen Blicken, um alles an ihr zu entdecken, was zum Wesen ihres Ka- rakters gehoͤrte, und so druͤckte sich dies Bild tief meiner Seele ein. Nachdem ich verwichenen Herbst mei- nen Beruf wirklich empfangen hatte, und hier ankam, so waren schon alle Collegia besezt, und mir blieb also Zeit uͤber, nebst andern zur Sache gehoͤrigen, mir aufge- tragenen Geschaͤften, mich auf meinen Beruf mit allem Fleise anzuschicken und vorzubereiten. Man hatte schon eine Zeit her wahr- genommen: daß sowohl das Publikum, als auch die neuen hier ankommenden Juͤng- linge, sich von der Kameral-Hohenschu- le einen falschen Begriff gemacht hatten, ohngeachtet der vor ein paar Jahren her- ausgegebene Plan die Sache deutlich ent- wickelt. Jeder glaubte hier nichts anders, als das eigentliche Kameralwesen studiren zu koͤnnen, und man wunderte sich, wenn man im Hoͤrsaale Naturgeschichte, Phy- sik, Chymie u. s. w. erklaͤren hoͤrte. Zu- dem glaubte der Vorstand und die Lehrer unserer Hohenschule den Juͤnglingen ihr Stu- Vorrede Studium zu erleichtern, und ihre Kaͤnnt- nisse tiefer gruͤnden zu koͤnnen, wenn sie den Lehrgang allhier von zwei Jahren auf drei ausdehnten; denn durch die Errich- tung eines neuen Lehrstuhles gewonnen alle andere Lehrer Zeit und Raum, sich in ihren Faͤchern weiter auszubreiten. Aus diesem Grunde entschloß man sich, einen summarischen Entwurf des ganzen Zusammenhanges unserer Wissen- schaften herauszugeben, darinnen zu zei- gen, wie alles Einzelne zusammenhaͤngt und ein groses Ganzes ausmacht, und uͤber diesen Entwurf von Zeit zu Zeit den Juͤnglingen Lesestunden zu halten. Man hoft dadurch den Ankommenden ihren gan- zen Weg abzuzeichnen, damit sie desto munterer fortwandern koͤnnen, den Ab- gehenden aber wuͤrde ein solcher Entwurf ein kurzes Wiederholungscollegium seyn koͤnnen. Da ich nun diesen Winter am wenig- sten beschaͤftiget war, so uͤbertrug man mir die Bearbeitung dieses Entwurfes so- wohl, als auch die Lesestunden daruͤber zu halten. Jch uͤbernahm’s ganz willig, weil Vorrede weil ich selbst dadurch auf die beßte Wei- se in mein Amt eingeleitet wurde. Und so gieng ich ans Werk; ich stell- te mir mein ehmaliges Bild wiederum leb- haft vor, sezte mich hin, und suchte es so gut zu kopiren, als ich konnte. Dar- aus ist nun dieses Lesebuch entstanden. Jch weis gar wohl, und ich gestehe offenherzig, daß Wiederholungen und Auslassungen, wahre und unreife Saͤze vielleicht mit untergemischt seyn koͤnnen. Allein meine Zuhoͤrer mußten einen Leit- faden haben, den sie nicht so sehr wegen seiner Grundsaͤze, als vielmehr wegen seiner Ordnung beduͤrften: und diese hoffe ich soll in meinem Versuche unverbesser- lich seyn. Schade ists fuͤr unsere Zeiten, daß man Lesebuͤcher, Skizen, Versuche und Risse von Lehrgebaͤuden auszischt! Die Sonne der Wahrheit bricht hinter dem Lichtmeere der Erfahrungen hervor, mit der Zeit tagts, und es wird tagen, und so verschwinden alle Versuche von Lehrgebaͤuden vom hohen Lin- ne an, bis auf die Meinigen herun- ter. Vorrede ter. Die erhabene Wahrheit steht da im Glanze des Lichtes. Was brauchts dann Jdole, Kopien. Da ist das Original — Erfahrung bleibt ewig. Anschauung der Wahrheit, und Gehorsam an ihr heili- ges Gesez, ist Gottesdienst. Denn die Wahrheit ist goͤttlich, und Gott ist die Wahrheit. Jndessen muͤssen wir Lehrer doch ei- nen Weg, ein Lehrgebaͤude haben, nach dem wir die Wahrheit ordnen? Wohl! ein jeder mache sich eins, so gut er kann, wer der erste auf dem Gipfel ist, den schon die Sonne vergoldet, der sei der beßte Mann. der Verfasser. Jn- Jnhalt . Erster Abschnitt. Allgemeine Grund- lehre. Einleitung 1 Allgemeine Beduͤrfnißlehre 4 Allgemeine Produktenlehre 15 Allgemeine Gewerbwissenschaft 28 Allgemeine Haushaltungswissenschaft 31 Allgemeine Buchhaltungslehre 42 Zweiter Abschnitt. Grundlehre der buͤr- gerlichen Gewerbkunde. 47 Allgemeine Landwirthschaft 48 Allgemeine Kunstwirthschaft 92 Allgemeine Kunstwissenschaft 93 Kunst- Jnhalt Seite Kunstwirthschaftliche Haushaltung 116 Allgemeine Handlungswirthschaft 131 Allgemeine Handlungswissenschaft 133 Allgemeine Handlungshaushaltung 158 Dritter Abschnitt. Grundlehre der Staats- gewerbkunde. Allgemeine Staatsgewerbkunde 176 Allgemeine Staatswissenschaft 178 Staatshaushaltung 237 Ruckblick aufs Ganze. Er- Erster Abschnitt. Allgemeine Grundlehre Einleitung . §. 1. K ameralwissenschaften nennt man dasje- nige Lehrgebaͤude, welches die Lehrsaͤze enthaͤlt, wornach die Einkuͤnfte des Fuͤrsten und des Staates erworben, und zum Beß- ten beider angewendet werden. Da diese Einkuͤnfte oder Schaͤze, in, zu diesem Zweck bestimmten Kammern, aufbewahret werden, so ist daher der Name Kameralwissenschaft entstanden. Gern haͤtt’ ich Kameralontologie gesezt, der Name waͤr’ gerecht, und der Sache angemessen gewesen, allein die Vermeh- rung der Namen ist heut zu Tage verhaßt. §. 2. Wissenschaft heißt ein wohlgeord- neter Zusammenhang von Saͤzen, deren im- A mer Einleitung mer einer aus dem andern folgt, und wo der folgende durch die vorhergehenden bewiesen wird. Sie macht daher ein Geschlecht von Wahrheiten aus, die sich alle auf einen ge- wissen allgemeinen grosen Endzweck beziehen. Die Quelle, woraus die Wahrheit eines Sa- zes fließt, heißt man einen Grund oder Grundsaz. Die Verkettung dieser Grund- saͤze zu einem Lehrgebaͤude heißt eine Grund- lehre. Folglich ist die Grundlehre der Ka- meralwissenschaften dasjenige Lehrgebaͤude, welches die Quellen der Wahrheit enthaͤlt, aus welchen diese Wissenschaften und ihre Lehrsaͤ- ze erkannt und erwiesen werden muͤssen. §. 3. Die Einkuͤnfte des Fuͤrsten und des Staates entspringen fast ganz aus den Abga- ben der erwerbenden Glieder des Staates. Das Gewerb des Fuͤrsten und des Staates besteht also in dem Erwerben der Abgaben aus allen Gewerben. Die Abgaben koͤnnen ohne Kaͤnntniß der Gewerbe und ihres Er- trages nicht bestimmt werden. Die Gewerbe sind die Heischesaͤze, aus denen die Auf- gaben der Einkuͤnfte des Staates aufgeloͤßt werden Einleitung werden muͤssen. Da nun die Kameralwis- senschaft die Saͤze enthaͤlt, wornach das Ge- werb des Fuͤrsten und des Staates eingerich- tet werden muß, keine Wissenschaft aber oh- ne Gruͤnde seyn kann, so gruͤndet sich die Kameralwissenschaft auf die Gewerbwis- senschaft der Staatsbuͤrger; keiner kan deswegen ein guter Kameralist seyn, der leztere nicht aus dem Grunde kennt. §. 4. Die Gewerbwissenschaft ist mit der Kameralwissenschaft unzertrennlich verbun- den, lezte kann ohne die erste nicht seyn. Da es nun eine schon verjaͤhrte Gewohnheit ist, von dem Vornehmsten eine Sache zu benennen, so ist es nicht ungeschickt, wann man die Ge- werbwissenschaft in ihrem ganzen Umfange die Kameralwissenschaften nennt. §. 5. Alle Staatsbuͤrger vom Fuͤrsten bis zum geringsten Glied des Staates haben ein Gewerb; da nun ein jedes Gewerb, oder Bestreben nach Dingen, die wir zu besizen wuͤnschen, einen Mangel voraussezt, so muß ein jeder Mensch einen Mangel haben, den er zu heben bemuͤht ist. Hier entsteht der Be- griff von Beduͤrfnissen. A 2 All- Allgemeine Allgemeine Beduͤrfniß-Lehre. §. 6. Beduͤrfniß ist: wenn man ein Ver- langen nach einem Dinge bei sich empfin- det, das man nicht besizt. Es ist aber in Absicht auf den, der das Verlangen hat, nur Beduͤrfniß. Das Gefuͤhl des Mangels selbst nenne ich Beduͤrfniß, das Ding aber, wel- ches den Mangel heben kann, ein Gut, ein Befriedigungsmittel. §. 7. Jeder Mensch ist den Gefuͤhlen des Mangels unterworfen, allein beide, sowohl die Gefuͤhle als der Mangel, sind sehr ver- schieden: es gibt koͤrperliche (physische) Ge- fuͤhle, vermittelst welcher der Mensch den Mangel solcher Dinge empfindet, die zu sei- nem Leben und Daseyn wesentlich noͤthig sind, und dieses sind wesentliche Beduͤrf- nisse, sie erheischen Nahrung, das ist Speis und Trank, und Decke, das ist Kleidung und Wohnung. Die Gefuͤhle sind Hunger und Durst, Frost und Hize. §. 8. Wenn man den Menschen sehen will, wie er im blosen Zustande der koͤrperlichen Gefuͤhle und der wesentlichen Beduͤrfnisse han- Beduͤrfniß-Lehre handelt, so muß man die Geschichte der Menschheit forschen, und den Menschen be- obachten, wie er im rohesten Zustande han- delt. Die Wilden sind mehr oder weniger diesem Stande nahe, kein Volk aber ist in seiner voͤlligen Kindheit bekannt. §. 9. Ein Mensch, der seine wesentliche Beduͤrfnisse gar nicht befriedigen kann, hoͤrt bald auf zu leben. Wer sie nicht voͤllig be- friedigen kann, ist arm. Wer sie aber voll- kommen befriedigen kann, der hat sein Aus- kommen. §. 10. Die sinnlichen Werkzeuge des Men- schen sind so eingerichtet, daß die erschaffenen Dinge auf sie wirken, in diesem Wirken aber zugleich Veraͤnderungen in der Seele hervor- bringen, die entweder Vergnuͤgen oder Verdruß heißen, erstes wird vom Menschen verlangt, leztes vermieden. Verlangen nach Vergnuͤgen, wohin auch die Vermeidung des Verdrusses gehoͤrt, ist Empfindung eines Man- gels, mithin Beduͤrfniß. Da aber dieser Mangel nicht wesentlich, sondern nur zufaͤl- lig ist, so sind die Beduͤrfnisse des Vergnuͤ- A 3 gens: Allgemeine gens: Zufaͤllige Beduͤrfnisse, sie schliesen alle Beduͤrfnisse in sich, die nicht wesentlich sind. §. 11. Unter dem Daseyn (Existenz) des Menschen, verstehe ich nicht nur das blose Leben desselben, sondern auch sein Weben, wie er lebt, oder seinen ganzen Wirkungs- kreis. Das erste nenne ich das blose Da- seyn, und dahin gehoͤren die wesentlichen Beduͤrfnisse. Das zweite nenne ich das er- hoͤhte Daseyn (Erhoͤhung der Existenz) und dieses fodert zufaͤllige Beduͤrfnisse. §. 12. Die Erhoͤhung des Daseyns be- steht in Ausbreitung und Veredlung des Wirkungskreises, dieses geschieht durch eine gewisse Richtung zu dem grosen Zwecke: sich und seine Nebenmenschen so wesentlich und dauerhaft gluͤckselig zu machen, als es nur moͤglich ist. Diese Gluͤckseligkeit be- steht in einem dauerhaften Vergnuͤgen, das die Leibes- und Seelenkraͤfte verbessert, und auf die hoͤchste Stuffe der Vollkommenheit und des Genusses zu fuͤhren faͤhig ist. §. 13. Beduͤrfniß-Lehre §. 13. Diejenigen erschaffenen Dinge, welche ein Vergnuͤgen hervorbringen, sind schoͤn; welche aber auch zugleich die Leibes- und Seelenkraͤfte vollkommener machen, die sind auch gut. Die Schoͤnheit und Guͤte der Dinge kann in der That und Wahr- heit dem Zwecke der wahren Gluͤckseligkeit entsprechen, und in diesem Falle sind sie wah- re Schoͤnheit, wahre Guͤte, das Verlan- gen nach denselben ist edel, folglich sind die Beduͤrfnisse dieser Dinge nuͤzlich, und ver- dienen befriediget zu werden. §. 14. Wenn der Wirkungskreis eines Menschen, eines Volkes oder Staates, in die- ser Richtung wirkt, so geht seine Jndustrie, seine Cultur, den Gang der wahren Verfei- nerung, zur Gluͤckseligkeit. Jch kann also die Beduͤrfnisse, welche dahin zielen, erhoͤ- hende Beduͤrfnisse nennen, sie sind zwar zufaͤllig, aber wesentlich nuͤzlich. Die Ge- schichte der Menschheit zeigt Menschenvoͤlker und Staaten in Juͤnglings- und Maͤnnerjah- ren, wo sie mehr oder weniger Vollkommen- heit und wahre Richtung zum Zwecke der Ver- feinerung haben. A 4 §. 15. Allgemeine §. 15. Wenn man Vergnuͤgen an Din- gen empfindet, welche zur wahren Gluͤckselig- keit nichts beitragen, und also nicht wahr, sondern falsch, gut und schoͤn sind, so ist das Vergnuͤgen uͤppig. Daher sind die Gefuͤhle und Verlangen nach dem fal- schen Guten und Schoͤnen: uͤppige Beduͤrf- nisse. Weilen die Befriedigung derselben keinen wahren, sondern falschen Genuß mit sich fuͤhrt, in der Natur des Menschen kei- nen Grund hat, und doch an den Wirkungs- kraͤften zehret, so richtet die Ueppigkeit (der Luxus) Menschen, Voͤlker und Staaten zu Grunde. Die Geschichte der Menschheit be- weißt, das durch die Schicksale der Staaten, welche ihre Verfeinerung in die Ueppigkeit lenkten, erschlaften, weich, entnerft, wei- bisch wurden, ohnmaͤchtig hinfielen und zer- truͤmmerten. Wahres Greisenalter der Menschheit, wo sie wieder kindisch wird, aber affenmaͤsig nicht mit Kraft! §. 16. So wie die wesentlichen Beduͤrf- nisse aus koͤrperlichen Gefuͤhlen entstehen, so entspringen beide Gattungen der Zufaͤlli- gen, Beduͤrfniß-Lehre gen, erhoͤhende und uͤppige Beduͤrfnisse aus seelischen oder geistigen Gefuͤhlen. Hier ist der wahre Unterschied zwischen Thier und Mensch. Das Thier befrie- digt nur die wesentlichen Beduͤrfnisse, von Ausbreitung, Erhoͤhung der Exi- stenz weiß es nichts. §. 17. Ein jeder Mensch ist ein einzelnes Wesen, er unterscheidet sich durch gewisse Merkmale von allen andern in der Welt, und dahin gehoͤrt auch, daß er in allen dreien Gattungen der Beduͤrfnisse, seine von allen andern verschiedene Gesuͤhle hat, mithin Dinge zu seiner Befriedigung verlangt, die ein anderer nicht verlangt. Diese Gefuͤhle, abgezogen von den allgemeinen Gefuͤhlen der Menschheit in gleichen aͤhnlichen Faͤllen, nennt man den einzelnen (individuellen) Ge- schmack. §. 18. Jeder Mensch hat auch Hang zur Veraͤhnlichung, zur Einheit mit andern Men- schen, wenn er daher an andern etwas entdeckt, das ihm schoͤn und gut deucht, so fuͤhlt er Verlangen nach demselben, er macht sich dasselbe zum Beduͤrfniß, daher entsteht A 5 Nach- Allgemeine Nachahmung, Mode, Modesucht, all- gemeine Verfeinerung, aber auch allge- meiner Luxus. Diese Gefuͤhle abgezogen von den Gefuͤhlen des einzelnen in aͤhn- lichen Faͤllen, heißt man den herrschenden Geschmack. Der einzelne und der herr- schende Geschmack zusammen, bestimmen die Richtung des Wirkungskreises eines Men- schen, Volkes oder Staates. Siehe das herrliche Werk: Gedanken uͤber das Universum vom Hr. Statthal- ter von Dahlberg. §. 19. Der Geschmack ordnet die Beduͤrf- nisse, waͤhlt er das wahre Gute und Schoͤne, so ist der Geschmack wahr, im Gegentheile aber falsch; er ist auch zugleich der herr- schende Zug des Characters. Am Geschmacke kennt man Mensch und Nation. §. 20. Die voͤllige Befriedigung der we- sentlichen und erhoͤhenden Beduͤrfnisse, unter der Leitung des wahren Geschmackes fuͤhrt zur wahren Gluͤckseligkeit. Da aber der Mensch vermoͤg der Geseze der Religion und der Welt- weisheit verbunden ist: nicht allein seine ei- gene, Beduͤrfniß-Lehre gene, sondern auch des Nebenmenschen Gluͤckseligkeit zu befoͤrdern, so muß er auch unter Leitung des wahren Geschmackes, des Nebenmenschen Beduͤrfnisse voͤllig zu be- friedigen suchen. §. 21. Zu Befriedigung eigener Beduͤrf- nisse leitet die Natur, und hieran hat der Mensch den richtigen Maasstab, nach wel- chem er auch seines Nebenmenschen Beduͤrf- nisse befriedigen soll. Doch hat ein Neben- mensch mehr Anspruch auf unsern Beistand als der andere. Es gibt Menschen, die durch mich ihr Daseyn empfangen haben, oder die mein Daseyn erhalten oder erhoͤhen, hieher gehoͤren alle Menschen, insoweit sie zu Befriedigung meiner eigenen Beduͤrfnisse et- was beigetragen haben, oder noch beitragen. §. 22. Menschen, die durch einen ande- ren Menschen das Daseyn erhalten, sind Kinder: lezterer ist durch das Gesez der Na- tur verpflichtet ihre Beduͤrfnisse so vollkom- men zu befriedigen, als er kann. Ein Eh- gatte ist des andern anderes Jch: das Recht der Natur fodert wechselseitige Befriedigung der Allgemeine der Beduͤrfnisse nach moͤglicher Vollkommen- heit. Die Eltern haben mein Daseyn er- halten und erhoͤht, das Recht der Natur fo- dert, daß ich auch ihre Beduͤrfnisse wie mei- ne eigene befriedige. Diese Verhaͤltnisse zu- sammen begreift der Hausstand, oder die Geschlechts Gesellschaft in sich. §. 23. Auch die Menschen, mit denen man in einer gemeinschaftlichen Beziehung steht, haben die Foderung an uns, die wir an sie haben, es gibt da gemeinschaftliche Be- duͤrfnisse, gemeinschaftliche Befriedigungen derselben. Da hilft einer des andern Daseyn erhalten und erhoͤhen, folglich ist ein jeder zu Befriedigung der gemeinschaftlichen Be- duͤrfnisse verbunden. Hieher gehoͤren alle buͤrgerliche Gesellschaften. §. 24. Die Menschen stosen leicht und oft auf mancherlei Weise, entweder aus Unwis- senheit oder aus Bosheit, oder aus beiden Ursachen zugleich, gegen das Recht der Na- tur an; sie suchen oft die Befriedigung ihrer Beduͤrfnisse auf Unkosten ihrer Nebenmen- schen, daher sind Schranken noͤthig, welche einem Beduͤrfniß-Lehre einem jeden bezeichnen, wie weit er wirken, und wie er wirken soll. Diese Schranken nennt man Geseze. So viele Menschen, Ge- schlechts- und buͤrgerliche Gesellschaften zum Gehorsam gegen ein Gesez und gesezgebende Macht verbunden sind, so viele Mitglieder sind durch eben dieses Gesez in eine Gesell- schaft vereinigt, welche man einen Staat nennt. §. 25. Alle Staatsglieder geniesen also Schuz gegen alle Gewaltthaͤtigkeit, von der gesezgebenden Macht, sie erhalten Geseze, wodurch die Befriedigung ihrer Beduͤrfnisse erleichtert, folglich ihr Daseyn erhalten und erhoͤht wird, dieses sind Staatsbeduͤrf- nisse, die von der gesezgebenden Macht be- friedigt werden muͤssen. Hingegen hat auch die gesezgebende Macht Beduͤrfnisse, welche nicht nur die Erhaltung und Erhoͤhung ihres Daseyns, sondern auch die Moͤglichkeit der Befriedigung der Staatsbeduͤrfnisse zum Ziele haben, und hierzu sind wiederum alle Glie- der des Staates verbunden. §. 26. Allgemeine Beduͤrfniß-Lehre §. 26. Der Mensch hat also einzelne (po- sitive) und gesellschaftliche (relative) Be- duͤrfnisse, jene geben das Muster, den Maas- stab der lezteren ab. Endlich erfodert auch noch das Gesez der Liebe, fuͤr die Beduͤrfnisse des Armen zu sorgen, und dieses ist eine von den wichtigsten Pflichten in Befriedigung der ge- sellschaftlichen Beduͤrfnisse. §. 27. Alle bisher vorgelegte Saͤze sind Grundsaͤze, und zwar die ersten entferntesten der Kameralwissenschaften, allein sie sind doch Lehrsaͤze in Absicht auf die Quellen, woraus sie geschoͤpft sind, und diese enthaͤlt die Welt- weisheit. Die Vernunftlehre leitet die Kraͤfte des Verstandes zur Erkaͤnntniß der Wahrheit. Die Grundlehre enthaͤlt die er- sten Gruͤnde der Erkaͤnntniß der ersten Din- ge, der Koͤrper, der Welt, der Geister, der Seelen und Gottes. Die Sittenlehre, das Natur- und Voͤlkerrecht endlich machen die ausuͤbende Weltweisheit aus, so wie jene die betrachtende (theoretische) in sich be- greifen. Wir muͤssen uns einsweilen noch mit dem phi- Allgemeine Produkten-Lehre philosophischen System behelfen, das wir haben, bis wir ein bessers bekom- men. Schoͤn ist es, was Herr Rath Baader zu Muͤnchen uͤber das Studi- um der Philosophie gesagt hat. S. des- sen Rede am Namensfeste unsers Durch- lauchtigsten Kurfuͤrsten vom Jahre 1778. §. 28. Die Weltweisheit ist, wie aus vor- hergehendem leicht zu beweisen, der Grund aller Gelehrsamkeit, vorzuͤglich aber auch der Kameralwissenschaften, und da die ersten Grundbegriffe Folgesaͤze aus der Weltweis- heit sind, so ist sie die erste Hilfswissenschaft, und muß vor allen andern zuerst studirt wer- den. §. 29. Zugleich aber sind auch verschiede- ne der vorhergehenden Saͤze auf Erfahrun- gen aus der Geschichte der Menschheit ge- gruͤndet, auch diese waͤre ein herrliches phi- losophisches Studium, wenns nur fein bald geordnet waͤre. Allgemeine Produkten-Lehre. §. 30. Alle Beduͤrfnisse zusammen, we- sentliche, erhoͤhende, uͤppige, einzelne und gesellschaftliche, geleitet durch den wahren oder Allgemeine oder falschen, einzelnen oder herrschenden Geschmack am aͤchten oder am falschen Schoͤ- nen und Guten, hingeordnet, in eins ge- faßt und uͤberschaut, machen den grosen Grundtrieb aus, der die Wirkungskreise al- ler einzelnen Menschen und aller Gesellschaf- ten in Bewegung sezt, um die Gegenstaͤnde zu erlangen, die alle diese Beduͤrfnisse befrie- digen koͤnnen. §. 31. Alle diese Gegenstaͤnde werden von der Natur nach bestaͤndigen, von dem all- maͤchtigen Schoͤpfer eingegruͤndeten Gesezen hervorgebracht. Sie sind alle Koͤrper, ha- ben alle koͤrperliche Eigenschaften, und beste- hen aus Grundstoffen. Sie werden durch bewegende Kraͤfte geordnet, in Umlauf und Leben gesezet, und endlich wieder in ih- re erste Grundstoffe aufgeloͤßt. Die ersten Grundstoffe sind Erde, Wasser, Luft und Feuer. §. 32. Die Erde ist die eigentliche Mut- ter aller Gegenstaͤnde, aller Befriedigungs- mittel, sie bringt hervor, naͤhrt, traͤgt sie, und nimmt endlich ihre durch die Aufloͤsung zer- Produkten-Lehre zertrennte Theile wieder in ihren Schoos zu- ruͤck, aus welchem sich dann ein jedes Ele- ment wiederum das Seinige zueignet. Aus diesen Gruͤnden hab’ ich Ursache, alle Befrie- digungsmittel, wie auch alles, was die Na- tur auf und in der Erde hervorbringt, Erd- erzeugungen (Erdprodukten) zu nennen. §. 33. Das Wasser ist beweglicher als die Erde, es gibt den Grund aller Nahrungs- saͤfte der Erderzeugungen ab, und laͤßt alle Bestandtheile derselben mit sich vermischen. Es muß deswegen uͤberall der Erde mitge- theilet, und in ihren Schoos ausgeschuͤttet werden, auf daß es mit derselben vermischt, uͤberall den Nahrungssaft aller Erzeugungen abgeben koͤnne. Diese allgemeine Austhei- lung des Wassers geschieht durch einen hoͤchst- wunderbaren und mit hoͤchster Weisheit einge- richteten Kreislauf desselben, der durch die Waͤrme und Bewegung der Luft zuwege ge- bracht und unterhalten wird. §. 34. Die Luft ist beweglicher als das Wasser, sie umgibt den ganzen Erdkoͤrper, vermischt sich in die Zusammensezung aller B Erd- Allgemeine Erderzeugungen, heißt in diesem Zustande feste Luft, traͤgt zu ihrer innern und aͤusern Bildung und Bau vieles bei, ist der Grund der Lockerheit (Porositaͤt) der Koͤrper, ist die Ursache des Windes, und durch ihre Be- wegung regiert sie die fruchtbare Begiesung des Erdbodens. §. 35. Das Feuer, als Element und wirk- same Ursache in der Natur betrachtet, hat vornehmlich seinen Siz in der Sonne, es ist das allerbeweglichste Element, ja die Ursache des Lebens der Erderzeugungen, wenigstens groͤsten Theils, es wirkt auf die Luft, mit derselben aufs Wasser, mit beiden auf die Erde, mit allen dreien auf die Erderzeugun- gen, und bringt solcher Gestalt Leben und Bewegung in die ganze Natur. §. 36. Diese vier Grundstoffe bilden noch nicht unmittelbar die Erderzeugungen; es gehen Mittelstoffe vorher, welche zunaͤchst aus den Elementen entstehen, mit denselben vereinigt wirken, und alsdann erst sich zum Nahrungssafte zusammen vermischen. Sie erzeugen auf eine unbekannte und unbegreif- liche Produkten-Lehre liche Weise, erstlich eine allgemeine Saͤure, welche das Salz der Natur genannt wird; dieses verartet sich im Wasser in die Meer- salzsaͤure, in der Erde in die Mineral- saͤuren, in den Gewaͤchsen in die Gewaͤchs- saͤure (vegetabilisches Acidum). Ueberall fin- det diese Saͤure etwas, womit sie sich ver- mischt, und welches ihre Strenge mildert. Sie dient zur Vermischung verschiedener Materien mit dem Wasser, desgleichen auch zur Ausbildung verschiedener Eigenschaften der Erzeugungen. §. 37. Der andere Mittelstof, welcher von den Elementen hervorgebracht, und zur Bildung der Erderzeugungen gebraucht wird, ist der Feuerstof (Phlogiston). Dieser ver- artet sich vermittelst der Natursaͤure und Was- ser zu Oel, mit den Mineralsaͤuren zu Schwe- fel, und unter diesen Gestalten kommt er haͤufig als Bestandtheil mit in die Erderzeu- gungen. §. 38. Die Erkaͤnntniß dieser Grund- und Mittelstoffe ist ohne Widerrede demjenigen sehr noͤthig, der die Eigenschaften der Erd- B 2 erzeu- Allgemeine erzeugungen forschen will: denn diese gruͤnden sich unfehlbar auf jene. Da aber nun die Erkaͤnntniß der Erzeugungen als Befriedi- gungsmittel der Beduͤrfnisse dem Kamerali- sten besonders obliegt, so ist ihm auch die Erkaͤnntniß der Grund- und Mittelstoffe sehr nothwendig. Diese lehrt aber die Natur- kunde (Physik) und die Scheidekunst (Che- mie): folglich sind diese Hilfswissenschaften dem Kameralisten unentbehrlich. §. 39. Alle Erderzeugungen sind Koͤr- per; insofern aber als sie das sind, haben sie Ausdehnung und Masse, in Ansehung der Verhaͤltnisse unter einander: in Absicht auf die Vielheit, entsteht ihre Zahl, in Absicht auf die Ausdehnung: ihre Groͤse, und in Absicht auf ihre Masse: ihr Gewicht. Alle diese Verhaͤltnisse bestimmt die reine Mathe- matik. Da nun Zahl, Maas und Gewicht bei Befriedigung der Beduͤrfnisse durch die Erderzeugungen immer fort bestimmt werden muß, so ist die reine Mathematik eine von den ersten und noͤthigsten Hilfswissenschaften auf der Kameralschule. §. 40. Produkten-Lehre §. 40. Die Grund- und Mittelstoffe ge- ben die Bestandtheile her, auch sind sie eine von den Hauptursachen des Lebens, Fort- dauerns und der Aufloͤsung, oder des Aufhoͤ- rens der Erderzeugungen; allein sie sind noch nicht die hervorbringende Ursache dersel- ben, sondern mit dieser vereinigt, machen sie erst den zureichenden Grund des ganzen Daseyns der Erzeugungen aus. Jedes Ge- schlecht, jede Gattung, jede Art und jedes Einzelne, hat das Vermoͤgen, durch Hilfe des zureichenden Grundes sich selbst aͤhnli- che Dinge hervorzubringen, und dieselbe zu erzeugen. §. 41. Durch Hilfe der zureichenden Ur- sache, wird nun die Erde eine fruchtbare Mutter von sehr vielen und vielfaͤltigen Er- zeugungen, sie ist damit angefuͤllt. Unter ihrer Oberflaͤche, in derselben und auf der- selben traͤgt und ernaͤhrt sie deren eine unzaͤhl- bare Menge. §. 42. Diejenigen Erzeugungen, welche unter der Erdoberflaͤche entstehen, fortdanern und aufgeloͤset werden, machen eine besondre B 3 Ord- Allgemeine Ordnung aus, die man das Steinreich nennt. Die Natur bringt da sehr viele Ar- ten von Geburten hervor, die von der ein- fachsten Erde an, bis zum edelsten Mineral und bis zum kostbarsten Steine, stuffenweis fortgehen. Desgleichen; die vom einfach- sten Baue der schlichten Zusammenfuͤgung ein- facher Erdtheilgen zum schlechten Sandstein bis zu den kuͤnstlichsten Steingewaͤchsen und Crystallisationen, die dem Gewaͤchs- reiche, und in Schaalenthieren u. dg. auch dem Thierreiche nahe kommen, kettenweis an einander haͤngen. §. 43. Dieses Steinreich enthaͤlt also in die Laͤnge und Breite sehr vielerlei Arten von Erzeugungen, die auf mannigfaltige Weise zu Befriedigung der Beduͤrfnisse verwendet werden. Diese Anwendung richtet sich nach der Natur und Beschaffenheit der Erzeugun- gen, folglich muß man diese Eigenschaften kennen. Es ist also wiederum eine Wissen- schaft noͤthig, welche lehret: wie die Erzeu- gungen des Steinreiches entstehen, fortdau- ren und aufhoͤren. Desgleichen einer jeden Art, Produkten-Lehre Art, Zusammensezung, innerliche und aͤuser- liche Beschaffenheiten, endlich auch die Zei- chen, wodurch sie sich von allen andern un- terscheidet; diese Wissenschaft nennt man die Minerallehre (Mineralogie). §. 44. Diejenigen Erzeugungen, welche in der Erdoberflaͤche gebohren werden, an einem gewissen Orte derselben bestaͤndig ange- heftet bleiben, groͤsten Theils ihre Nahrung aus derselben an sich saugen, uͤbrigens aber in der Luft leben, und die unmittelbare Ein- wirkung des Himmels noͤthig haben, nennt man Pflanzen; sie machen ebenfalls eine be- sondere Ordnung aus, die das Pflanzen- reich genennt wird, aus unzaͤhlbaren Arten besteht, und wiederum bei den mineralischen Gewaͤchsen an das Steinreich, bei den Po- lypen aber an das Thierreich graͤnzt. Auch hier geht die Natur wiederum stuffenweis fort, von dem unachtbarsten Haͤlmgen zu der praͤch- tigsten Blume, und von der fast steinarti- gen Pflanze bis zu dem kuͤnstlichsten Gewaͤch- se, das ans Thier graͤnzt. B 4 §. 45. Allgemeine §. 45. Das Pflanzenreich enthaͤlt also abermal in seiner Kette nach der Laͤnge und Breite, eine unzaͤhlbare Menge von unterschie- denen Gewaͤchsarten in sich, die ebenfalls mehr oder weniger zu Befriedigung der Be- duͤrfnisse verwendet werden, folglich aus eben dem Grunde eine Kaͤnntniß ihres Entstehens, ihres Lebens und Aufhoͤrens, nicht weniger auch ihrer Natur und Eigenschaften, des- gleichen ihrer Unterscheidungszeichen, vor- aussezen, die dem Kameralisten noͤthig ist. Diese Erkaͤnntniß enthaͤlt die Pflanzenlehre (Phytologie). §. 46. Diejenigen Erzeugungen, welche sich uͤber der Erdoberflaͤche hin und her bewe- gen, nicht von der Erde unmittelbar, son- dern aus ihren Erzeugungen Nahrung ziehen, die sie, durch sinnliche Empfindungen gelei- tet, selbsten aufsuchen, werden Thiere ge- nannt, sie machen wiederum eine weit aus- gedehnte Ordnung aus, welche das Thier- reich heißt. Auch hier herrscht Mannigfal- tigkeit und unendliche Weisheit. Eine Ket- te Thiere vom kleinsten Jnsekte des Wassers bis zum Produkten-Lehre zum Wallfische, vom Schaalenthiere bis zum Krokodill, wiederum bis zum fliegenden Fisch, von da durch alle Luftthiere bis zum Adler. Von Froͤschen und Krokodillen bis zum Ele- phante, von der Kaͤsmilbe bis zum Orang outang, zum Menschen darf ich nicht sagen, er gehoͤrt nicht in die Thierkette, er ist ein Mittelding zwischen Thier und Engel, das Glied, welches beide Ketten naͤhret. Alle die Durchkreuzungen und Angraͤnzungen der Ketten im Thierreiche zu bezeichnen, ist schwer und gehoͤrt nicht hieher. Jm Schaalthiere graͤnzt es an das Steinreich, und im Poly- pen an das Pflanzenreich. §. 47. Dieses weitlaͤuftige Reich von Er- zeugungen enthaͤlt nicht weniger eine sehr gro- se Menge mannigfaltiger Arten in sich, die zu Befriedigung der Beduͤrfnisse verwendet werden koͤnnen; dieses sezt ebenfalls eine hinlaͤngliche Kaͤnntniß voraus, und diese ent- haͤlt die Thierlehre (Zoologie). §. 48. Alle drei Wissenschaften, die Mi- nerallehre, die Pflanzenlehre und die Thier- lehre schliesen die Kaͤnntnisse aller Erzeugun- B 5 gen Allgemeine gen in sich, und werden unter einer Lehre all- zusammen begriffen, welche man die Natur- geschichte ( Historia naturalis ) benennet. Die- se ist abermal eine von den noͤthigsten Hilfs- wissenschaften, welche vor der Erlernung der Kameralwissenschaften hergehen muß. §. 49. Nicht alle Erzeugungen dienen zu Befriedigung der Beduͤrfnisse, es findet eine Auswahl statt, welche diejenigen bezeichnet, die zu Befriedigung der wesentlichen Be- duͤrfnisse, zu Nahrung und Decke, oder zu Erhaltung und Fortsezung des Da- seyns nuͤzlich sind. Ferner: werden dieje- nigen gewaͤhlt, welche die erhoͤhenden Be- duͤrfnisse befriedigen, die Erhoͤhung und Ausbreitung des Daseyns bewirken, und also wiederum nuͤzlich sind. Diese Auswahl geschieht durch den richtigen Geschmack, wenn er den Charakter des wahren Schoͤ- nen und Guten an einer Erzeugung bemerkt, vermoͤg welchem sie dem Endzwecke entspricht. Endlich bestimmt auch der herrschende und falsche Geschmack die Auswahl der Erzeu- gungen, die die uͤppigen Beduͤrfnisse be- frie- Produkten-Lehre friedigen, nach dem Charakter des falschen Schoͤnen und Guten. §. 50. Diese dreifache Auswahl nach den dreien Gattungen der Beduͤrfnisse, sezt nun eine bestimmte Anzahl der Erzeugungsarten aus, welche ich wiederum in eins hinordnen, und als den grosen Gegenstand betrachten will, auf welchen der grose Grundtrieb aller Beduͤrfnisse wirkt. Die Erzeugungen aus allen drei Reichen der Natur, welche zu Befriedigung der Beduͤrfnisse dienlich sind, nenne ich oͤkonomische Erzeugungen. Es ist aber noch anzumerken, daß diese Erzeu- gungen nicht alle in gleichem Grade den Be- duͤrfnissen entsprechen, sondern daß sie von dem schlechtesten Mauersteine an, bis zum schoͤnsten Zimmerholze, vom magersten Gras- halme bis zum schoͤnsten Weizen oder Gemuͤ- se, von der Hauskaze bis zur beßten Milch- kuh, vom Blei bis zum Gold oder Edelstein, durch vielerlei Stuffen der Nuzbarkeit auf- steigen; mithin mehr oder weniger eigen- thuͤmlichen Werth haben, der durch den Grad der Guͤte und Schoͤnheit bestimmt wird. All- Allgemeine Allgemeine Gewerbwissenschaft. §. 51. Der Grundtrieb der Beduͤrfnisse treibt den Menschen an, auf den Gegen- stand der oͤkonomischen Erzeugungen zu wirken, um dieselben zu Befriedigung der Beduͤrfnisse zu erlangen. Hieraus entsteht eine Wirksamkeit diese Guͤter zu erwerben, und dieses heißt man das Gewerb des Menschen. Die saͤmmtlichen Gewerbe zu kennen und beurtheilen zu koͤnnen, ist die Pflicht des Kameralisten; denn wie wuͤrde er sonst dieselben zur einzelnen und all- gemeinen Gluͤckseligkeit lenken koͤnnen? wie koͤnnte er sie verbessern? und endlich: wie koͤnnte er das Gewerb des Fuͤrsten und des Staates regieren, das sich doch auf die Ge- werbe aller Glieder des Staates gruͤndet? Die Grundlehren, worauf sich alle Gewerbe gruͤnden, ordne ich zusammen, und nenne sie die allgemeine Gewerbwissenschaft. §. 52. Ein jedes Gewerb unterstellt eine gewisse Menge oͤkonomischer Erzeugungen, die man noch nicht hat, die man aber durch das Gewerb zu erlangen trachtet. Es ist al- so Gewerb-Wissenschaft so etwas, das sie gegen die Wirksamkeit des Gewerbes an uns abgibt, dieses Etwas nen- ne ich die Nahrungsquelle. Da es nun klar ist, daß ohne eine Nahrungsquelle alles Gewerb fruchtlos ist, so muß jedes Gewerb eine Nahrungsquelle haben, und sie ist das erste, welches sich der Mensch ver- schaffen muß. §. 53. Wenn die Nahrungsquelle ohne Muͤhe und ohne Mittel die oͤkonomischen Erzeugungen abgaͤbe, so waͤr’ kein Gewerb noͤthig. Die Muͤhe also und alle Mittel, die man anwendet, der Nahrungsquelle ihre Er- zeugungen abzugewinnen, nenne ich Erwer- bungsmirtel, und diese sind eben sowohl noͤthig als die Nahrungsquelle, sie sind gleich- sam das Gut, wogegen man mit derselben gegen die oͤkonomischen Erzeugungen aus- tauscht; beide stehen immer in einer gewis- sen Verhaͤltniß gegen einander. Jedes Ge- werb muß also seine Erwerbungsmittel haben, und sie sind das zweite, welches sich der Mensch verschaffen muß. §. 54. Allg. Gewerb-Wissenschaft §. 54. Beides, die Nahrungsquelle und die Erwerbungsmittel, sind im Gewerbe oh- ne Kraft, wenn nicht die lezten auf die erste in Wirksamkeit gesezt werden, und dieses geschieht durch menschliche Ueberlegung und Thaͤtigkeit. Derjenige, welcher dieses lei- stet, ist ein Erwerber, und dieser macht das dritte wesentliche Stuͤck des Gewer- bes aus. §. 55. Der Erwerber muß die Natur der Nahrungsquelle kennen, er muß die Art und Weise wissen, wie und welcher Gestallt sie vermoͤgend ist, die gehoͤrigen oͤkonomischen Erzeugungen abzugeben. Eben so muß er auch die Erwerbungsmittel kennen, und sie zu gehoͤrigem Zwecke auf die Nahrungsquel- le anzuwenden wissen, damit der Erfolg dem Zwecke entspreche. Wenn nun der Erwerber wirklich vermittelst der Erwerbungsmittel auf die Nahrungsquelle wirkt, und von dersel- ben die verlangten Erzeugungen empfaͤngt, so heißt das Erwerben, und dieses ist das vierte Stuͤck des Gewerbes. Die Erzeu- gungen, welche der Erwerber erworben, und sich Allg. Haushaltungs-Wissenschaft sich zum Eigenthume gemacht hat, heisen Er- trag; Ertrag der Nahrungsquelle. §. 56. Der Ertrag ist der Vorrath, aus welchem der Erwerber seine und der Seinigen Beduͤrfnisse, eigene und gesell- schaftliche befriedigt, dieses Geschaͤft heißt Verzehren (consumiren) und ist das fuͤnfte Stuͤck des Gewerbes. Derjenige Theil des Ertrages, welcher verzehret wird, heißt der Aufwand (Consumtion). §. 57. Wenn der Ertrag zureicht, alle Be- duͤrfnisse, wesentliche und zufaͤllige, eigene und gesellschaftliche, vollkommen zu befrie- digen, so hat ein solcher Erwerber sein reich- liches Auskommen. Bleibt nach Abzug des Aufwandes vom Ertrage noch etwas uͤb- rig, so ist er ein wohlhabender Mann, der Ueberschuß aber heißt reiner Ertrag. Allgemeine Haushaltungs- Wissenschaft. §. 58. Wenn der Ertrag hinlaͤnglich ist, alle Beduͤrfnisse zu befriedigen, so macht das den Erwerber fuͤr die Zeit gluͤcklich, so lang der Ertrag dauert. Wenn aber durch aller- hand Allgemeine hand Zufaͤlle hinfuͤhro der Ertrag kleiner wird, und nicht mehr zureicht, so wird der Erwer- ber arm, und also ungluͤcklich, dergleichen Schicksale sind sehr leicht moͤglich, und nicht immer zu vermeiden. Deswegen erfodert die Pflicht eines Erwerbers, daß er sich die Befriedigung der Beduͤrfnisse, so viel er kann, auf die Zukunft sicher stelle. §. 59. Die wahre Erhoͤhung und Ausbrei- tung des Daseyns nach dem wahren Geschma- cke, durch das wahre Schoͤne und Gute der Erzeugungen, hat gar weit ausgedehnte Schranken und sehr mannigfaltige eigene und gesellschaftliche Beduͤrfnisse. Je mehr dersel- ben befriedigt werden, je mehr die Gluͤckse- ligkeit vermehret wird. Nun koͤnnen zwar alle diese unzaͤhlige Beduͤrfnisse von keinem Menschen vollkommen befriedigt werden, doch soll ein jeder dahin trachten, so hoch darin zu steigen, als moͤglich ist; weil er verbunden ist, seine und seines Neben- menschen Gluͤckseligkeit aus allen Kraͤften zu befoͤrdern. §. 60. Haushaltungs-Wissenschaft §. 60. Diese beiden Pflichten, die Siche- rung der Befriedigungsmittel auf die Zu- kunft, und die Erhoͤhung und Ausbreitung des Daseyns werden dadurch moͤglich ge- macht: wenn der Erwerber allen Fleis und alle Kraͤfte daran sezt, den reinen Ertrag so sehr zu vermehren als nur moͤg- lich ist, zugleich aber auch wenn er den- selben auf die beßte Weise anwendet. Die Ausuͤbung dieser beiden Stuͤcke heißt: die Haushaltungskunst. Die Grundsaͤze derselben: die Haushaltungswissenschaft (Oekonomie). §. 61. Die hoͤchste Vermehrung des rei- nen Ertrages, und die beßte Anwendung des- selben, muß in allen Stuͤcken des Gewerbes beaͤugt, und dasselbe zu diesem Zwecke nach den Regeln der Haushaltungswissenschaft ge- leitet werden: wenn dieses nicht beobachtet wird, so kann weder die Fortdauer des Da- seyns gesichert, noch die einzelne und allge- meine Gluͤckseligkeit befoͤrdert werden. Da nun dieses die grose Pflicht eines jeden Men- schen ist, so ist es auch die grose Pflicht je- C des Allgemeine des Erwerbers, zugleich ein guter Haushaͤl- ter zu seyn, oder: Ein jedes Gewerb soll nach den Regeln der Haushaltungswis- senschaft getrieben werden. §. 62. Da das Gewerb auf fuͤnf Stuͤ- cken, auf der Nahrungsquelle, auf den Erwerbungsmitteln, auf dem Erwerber, auf dem Erwerben und auf dem Verzehren beruht, das Gewerb aber ganz und zumal nach den Regeln der Haushaltungswissen- schaft gefuͤhrt werden soll, so muͤssen alle Pflichten und Grundsaͤze derselben allhier an- gezeigt, und auf jedes Stuͤck angewendet werden. §. 63. Die Nahrungsquelle liefert den Ertrag aus, dieser aber nach Abzuge des Aufwandes den reinen Ertrag. Soll nun dieser vermehret werden, so muß zu aller- erst der Ertrag so sehr vergroͤsert wer- den, als nur moͤglich ist: da aber nun die Nahrungsquelle die Grundursache des Er- trages ist, so ist die erste Pflicht des Erwer- bers als Haushaͤlter oder Hauswirth be- trachtet: daß er seine Nahrungsquelle so er- Haushaltungs-Wissenschaft ergiebig zu machen suche, als es moͤg- lich ist. §. 64. Die Verbesserung der Nahrungs- quelle beruht auf zwei Hauptstuͤcken; erstlich: wenn der Erwerber noch keine hat, so muß er sich nach den Gesezen der Natur, der Voͤl- ker und seines Landes eine eigenthuͤmlich zu machen suchen, die der Verbesserung faͤhig ist. Wenn er eine Nahrungsquelle hat, so muß er sie bis in alle ihre kleinsten Theile kennen, und jedes kleinsten Theiles Kraft und Vermoͤgen, desgleichen wie es zum Zwecke des hoͤchsten Ertrages zu bestim- men, wissen. §. 65. Die Erwerbungsmittel machen den Aufwand aus, welcher an die Nahrungsquel- le verwendet wird, um sie ergiebig zu ma- chen. Sie entspringen aus dem Ertrage, je mehrere, je kostbarere Erwerbungsmittel, je weniger Ertrag, und umgekehrt. Soll nun dieser so hoch vermehrt werden, als moͤglich ist, so muͤssen so wenige und so wohlfeile Er- werbungsmittel verschaft werden, als moͤglich ist; diese sollen aber doch wiederum die Nah- C 2 rungs- Allgemeine rungsquelle in den hoͤchsten ergiebigsten Stand sezen, daher soll der Erwerber alle Er- werbungsmittel seiner Nahrungsquelle vollstaͤndig kennen, und wissen, was ein jedes derselben in seiner Nahrungsquelle ver- mag. Und hinwiederum soll er wissen, wie viel ein jedes von dem Ertrage wegnehmen wuͤrde, und dann soll er diejenigen waͤh- len, welche die wirksamsten und zugleich die wohlfeilsten sind, und sich auch die- selben verschaffen koͤnnen. §. 66. Der Erwerber enthaͤlt die ganze Kraft zum Gewerbe in sich, und diese beruht auf seinem Verstande und Willen. Mit dem Verstande soll er nicht nur sein ganzes Gewerb vollstaͤndig kennen, sondern er soll auch wissen, was in jedem kleinsten Theile des Gewerbes nach den Grundsaͤzen der Haushaltungswissenschaft geschehen muß, da- mit der allgemeine grose Zweck derselben er- reicht werden moͤge. Vermoͤg seines Wil- lens soll er unaufhoͤrlichen Drang haben, alles das zu erfuͤllen und auszufuͤhren, was ihm sein Verstand, als das beßte zum Zwe- cke, an die Hand gibt. §. 67. Haushaltungs-Wissenschaft §. 67. Das Erwerben ist die Bewegung des ganzen Wirkungskreises des Erwerbers durch alle Theile des Gewerbes. Verstand und Wille des Erwerbers kann gut seyn, des- gleichen auch die Nahrungsquelle, so wie die Erwerbungsmittel; allein es kann ihm an koͤrperlichen Kraͤften, oder an solchen Stuͤ- cken fehlen, welche die Einwirkung der Er- werbungsmittel erleichtern und moͤglich ma- chen. Er muß also schon von weitem die Hin- dernisse kennen, die ihm das Erwerben schwer machen koͤnnen, und dieselben in ihrem Keime zu ersticken wissen. Und eben so muß er al- les aus dem Wege raͤumen, was die Be- friedigung der Beduͤrfnisse durch den Ertrag hindert. §. 68. Wenn derowegen jemand von wei- tem etwas zu entdecken weiß, das seinem Ge- werbe Ungluͤck oder Untergang droht, und als- dann sein Gewerb durch wirksame Maasre- geln zu schuͤzen weiß, so ist er ein kluger Haushaͤlter. Wenn aber jemand mit Ver- stand und Willen zum hoͤchsten reinen Ertrage wirkt, dabei aber den gehoͤrigen Aufwand C 3 zur Allgemeine zur Nahrungsquelle und zu Befriedigung der Beduͤrfnisse nicht machen will, um den reinen Ertrag zu vermehren, der ist geizig. Weil der Geizhals seine Beduͤrfnisse nicht befriedigt, so ist er ein Suͤnder gegen das Gesez der einzelnen und allgemeinen Gluͤck- seligkeit, und weil er nicht genug an die Erwerbungsmittel verwendet, so ist er ein schlechter Haushaͤlter. §. 69. Das Verzehren oder der Aufwand ist der lezte, und zugleich ein sehr wichtiger Theil des Gewerbes. Er ist der eigentliche Zweck desselben. Da nun die Befriedigung der wesentlichen und erhoͤhenden Beduͤrfnisse so vollkommen geschehen soll, als moͤglich ist, hinwiederum auch der hoͤchste reine Ertrag er- worben werden soll, beide Stuͤcke aber in ih- rer Richtung gegen einander laufen, so be- steht die Kunst des Haushaͤlters darinnen: daß er erstlich die Beduͤrfnisse wohl ord- ne, indem er die allerwesentlichsten zu- erst, die allerzufaͤlligsten zulezt stellet. §. 70. Zum andern: soll er den ganzen Ertrag uͤberschauen, ihn gegen alle seine ge- ordne- Haushaltungs-Wissenschaft ordnete Beduͤrfnisse halten, und das Ver- haͤltniß wohl bestimmen. Da nun auch die Sicherung des Ertrages auf die Zukunft mit zu den Beduͤrfnissen, und zwar zwischen die wesentlichen und zufaͤlligen gehoͤrt, so soll er die wohlfeilsten und zugleich die zweckmaͤsig- sten Befriedigungsmittel waͤhlen, um erstlich den allerwesentlichsten, und dann auch den Sicherungsbeduͤrfnissen Genuͤge zu thun. Auf solche Weise erhaͤlt er auch bei maͤsigem Ertrage einen reinen Ertrag. §. 71. Zum dritten: Jst der Ertrag so gros, daß nicht nur die wesentlichen- und Sicherungsbeduͤrfnisse vollkommen befriedi- get werden koͤnnen, sondern dann noch rei- ner Ertrag uͤbrig bleibt, so sind wiederum zweierlei Beduͤrfnisse da, zu welchen dieser reine Ertrag verwendet werden kann: die Verbesserung der Nahrungsquelle geht voran, und unmittelbar darauf folgen die Beduͤrfnisse der Erhoͤhung des Daseyns: wenn also die Nahrungsquelle den hoͤchsten Grad der Verbesserung erreicht hat, so kann der uͤbrige reine Ertrag zu den lezteren Be- duͤrfnissen verwendet werden. C 4 §. 72. Allgemeine §. 72. Zum vierten: Wenn ein Haushaͤl- ter dem allem ungeachtet noch reinen Ertrag erwirbt, so soll er seine Nahrungsquelle erweitern, sich aber niemalen in die Befrie- digung der uͤppigen Beduͤrfnisse weiter ein- lassen, als welche die allgemeine Mode so nothwendig gemacht, daß er ohne Befriedi- gung derselben, in der menschlichen Gesell- schaft auffallend, allgemein fuͤr eigensinnig gehalten, und also sein Wirkungskreis merk- lich gehindert werden koͤnnte . Es ist wohl zu merken, daß ich in diesen §hen alle einzelne und gesellschaftliche, auch die Liebeswerke immer mit unter den wesentlichen und erhoͤhenden Be- duͤrfnissen verstanden habe. §. 73. Das zweite Hauptstuͤck der Haus- haltung besteht darinnen: daß der Haushaͤl- ter den gewonnenen reinen Ertrag zur Ver- besserung und Erweiterung der Nah- rungsquelle, nachdem die gehoͤrigen Be- duͤrfnisse befriedigt worden, anzuwenden wisse. Dieses geschieht, wenn der Haus- wirth alle einzelne Theile seiner Nahrungs- quelle erforscht, und genau beobachtet, was uͤber- Haushaltungs-Wissenschaft uͤberall noch fuͤr Verbesserungen moͤglich sind, und dann dieselben aus dem reinen Ertrage ins Werk richtet. Hernach wenn er auch eben dieses in Ansehung der Erwerbungs- mittel zu Stande zu bringen sucht. §. 74. Jst aber die Nahrungsquelle kei- ner Verbesserung mehr faͤhig, so muß sie er- weitert werden. Dieses geschieht: wenn der reine Ertrag selbsten zur Nahrungs- quelle umgeschaffen wird. Dieses soll auf eine solche Weise geschehen, daß die neuent- standene Nahrungsquelle wiederum auf die ergiebigste Art eingerichtet werde: da nun die Verlehnung der Gelder gegen Renten, die allergeringste Art einer Nahrungsquelle ist, so soll ein Haushaͤlter niemals um Gewinnes willen Gelder auslehnen, weil er diesen Zweck besser erreichen kann, sondern er soll es nur dann thun, wann ihn die Pflicht der Liebe des Naͤchsten dazu auffodert. §. 75. Diese Regeln der Haushaltung sind im Gewerbe eben so wichtig, als die Ge- seze der Bewegung in der Natur und Kunst. Deswegen muͤssen alle Gewerbwissenschaften C 5 nach Allgemeine nach diesen Gesezen und aus diesem Ge- sichtspunkte gelehrt, gelernt und ausgeuͤbet werden. Allgemeine Buchhaltungs-Lehre. §. 76. Der Haushaͤlter muß die Verhaͤlt- nisse des Aufwandes, des Ertrages und des reinen Ertrages durchs ganze Gewerb wissen. Er muß in einem kurzen Augenblicke uͤberschauen koͤnnen, was sein Ertrag, und was sein reiner Ertrag ist, wie wird er sonst wissen koͤnnen, wie weit er in Befriedigung seiner Beduͤrfnisse gehen kann. Wenn dero- wegen ein Gewerb so mannigfaltig ist, daß der Hauswirth nicht alles mit dem Gedaͤcht- nisse fassen kann, so muß er durch Schreiben demselben zu Hilfe kommen, und das ge- schieht durch Buchhalten. Dieses ist bei gro- sen Wirthschaften ein maͤchtiges Befoͤrde- rungsmittel der Haushaltung. §. 77. Durch das Buchhalten sollen also gewisse Wahrheiten des Gewerbes, die zur richtigen Fuͤhrung einer Wirthschaft noͤthig zu wissen sind, fuͤr das Gedaͤchtniß aufbehal- ten werden. Wenn nun diese Wahrheiten zwar Buchhaltungs-Lehre zwar alle aufgeschrieben, aber nicht nach ge- wissen Grundsaͤzen einen gewissen bestimmten ihnen gehoͤrigen Ort erhalten, so koͤnnen sie nicht allein nicht bald gefunden, sondern auch nicht in gehoͤrige Verhaͤltnisse gebracht wer- den. Derowegen sollen alle Saͤze von ei- ner Art zusammen geordnet, und mit andern in einen solchen Vergleich gestellt werden, daß man durch denselben die verlangte neue und nuͤzliche Verhaͤltnisse alsofort und mit der leichtesten Muͤhe ent- decken koͤnne. §. 78. Dinge von einer Art sind erstlich die Theile, woraus die Nahrungsquelle zu- sammen gesezt ist. Dinge von einer andern Art sind der Aufwand auf die Nahrungsquel- le, das ist: die Erwerbungsmittel, da- her entsteht der erste Titel des Buchhaltens; dieser enthaͤlt auf einer Seite: die Erwer- bungsmittel, den Aufwand, die Unkosten, welche an die Nahrungsquelle verwendet wer- den, um sie ergiebig zu machen, und zwar mit genauer Bestimmung der Zeit, der Um- staͤnde und der Groͤse. Auf der andern Sei- te Allgemeine te stehen alle Theile der Nahrungsquelle mit der genauen Bestimmung der Zeit, der Um- staͤnde und der Groͤse des Ertrages jeden Theiles. Da nun beide Arten von Dingen genaue Beziehung auf einander haben, und das Verhaͤltniß zwischen beiden ohne Ver- gleich nicht bestimmt werden kann, so haͤngt man sie durch den Titel zusammen, dieser ist: die Nahrungsquelle empfaͤngt (De- bet) (hieher gehoͤrt die erste Ordnung der Erwerbungsmittel). Gibt ab (Credit) und hieher gehoͤrt die zweite Ordnung: die Thei- le der Nahrungsquelle mit ihrem Ertrage . Die Rubrik: Die Nahrungsquelle empfaͤngt; gibt ab, ist ein allgemei- ner Terminus, ein jeder kann seine Nahrungsquelle naͤher bestimmen, er kann sagen: mein Ackerbau, mein Hand- werk, meine Handlung u. s. w. so wie es einen am beßten duͤnkt. §. 79. Wenn die Nahrungsquelle einmal einen bestimmten Ertrag geliefert, oder ein Zeitlauf voll ist, so, daß man die Verhaͤlt- nisse wissen muß, so zaͤhlt man die Theile der ersten Seite zusammen, und ordnet sie in ein Buchhaltungs-Lehre ein Ganzes, und so hat man das Ganze der Erwerbungsmittel. Eben so verfaͤhrt man auf der andern Seite, so bekommt man das Gan- ze dessen, was die Nahrungsquelle ausgelie- fert hat, mithin: das ganze Debet und das ganze Credit; erstes vom lezten abgezogen, bleibt der wahre Ertrag. Ohne dieses Buch- halten kann ihn der Haushaͤlter nie genau wissen. §. 80. Der Ertrag wird auf die Befrie- digung der Beduͤrfnisse verwendet, diese Be- friedigung nimmt wieder eine Seite ein, und und es muß also jedes Stuͤck nach Zeit, Um- staͤnden und Groͤse, in seiner Ordnung dahin gebracht werden. Die andere Seite bekommt den Ertrag in seiner Summe, desgleichen diejenigen einzelnen Vortheile, welche taͤg- lich auserhalb der Nahrungsquelle etwa ge- wonnen werden. Beide Seiten werden durch den Titel verknuͤpft: Die Haushaltung em- pfaͤngt (Debet) hieher gehoͤrt der Aufwand; ( Gibt ab ) hieher gehoͤrt der Ertrag; wird nun beim Schluse das Debet vom Credit ab- gezogen, so zeigt der Ueberschuß (Saldo) den wahren reinen Ertrag. §. 81. Allgemeine Buchhaltungs-Lehre §. 81. Das Buchhalten ist ein wesentli- ches Stuͤck der Gewerbwissenschaft, und dem Haushalter, besonders in grosen Gewerben wichtig. Obige Saͤze enthalten die allgemei- ne Grundfeste der Buchhaltungskunst, die durch alle Gewerbe aufs Einzelne angewen- det und erweitert werden muͤssen. §. 82. Das Buchhalten sezt, wie es jedem leicht einleuchtet, zwo Hilfswissenschaften vor- aus: Rechenkunst und Schreibkunst, oh- ne welche dasselbe gar nicht bestehen kann: beide Wissenschaften sind also auch in dieser Absicht wesentlich noͤthig. §. 83. Bis dahin gehen die ersten Gruͤn- de der allgemeinen Gewerbwissenschaft, mit- hin der saͤmmtlichen Kameralwissenschaften. Jch koͤnnte also die Beduͤrfnißlehre, die Pro- duktenlehre, die allgemeine Gewerblehre, die allgemeine Oekonomie und die Buchhal- tungslehre, zusammen die Kameralontolo- gie nennen. Zwei- Einleitung Zweiter Abschnitt. Grundlehre der buͤrgerlichen Gewerbkunde. §. 84. D ie Nahrungsquelle ist bei jedem Gewer- be das vornehmste: ohne dieselbe kann keins der andern Stuͤcke bestehen, sie ist der erste Grund desselben. Nun sind aber die Nahrungsquellen sehr verschieden, sie lassen sich in Klassen ordnen, und weil sie den Grund des ganzen Gewerbes in sich enthal- ten, so koͤnnen auch alle Gattungen dessel- ben fuͤglich nach den Nahrungsquellen un- terschieden, und in Ordnungen gestellt wer- den. §. 85. Alle Nahrungsquellen sind darum da, daß sie dem Erwerber die Befriedigungs- mittel seiner Beduͤrfnisse abgeben sollen; nun sind aber alle diese Befriedigungsmittel mit- telbare oder unmittelbare Erderzeugungen. Die Erde ist die allererste Nahrungsquelle, sie kann jedes Gewerb entbehren, ohne sie aber Allgemeine aber kann keins seyn: es ist also ausgemacht, daß das Gewerb mit der Erde, das er- ste, aͤlteste und in Wahrheit das Vornehm- ste ist. Allgemeine Landwirthschaft. a ) Geschichte der Landwirthschaft. §. 86. Das Gewerb mit der Erde besteht darin: daß man dieselbe als Nahrungs- quelle so bestimme, baue und zurichte, damit sie die mehresten und beßten, mit- relbare und unmittelbare Erzeugungen abgebe, daß man dieselben als Ertrag zu Befriedigung der Beduͤrfnisse so ver- wende, damit der hoͤchst moͤgliche reine Ertrag heraus komme, und daß man diesen reinen Ertrag wiederum zu Ver- besserung und Erweiterung der Nah- rungsquelle verwende. Dieses ist die Wort- erklaͤrung der Landwirthschaft. §. 87. Die Erde bringt ihre Erzeugungen von selbst hervor, unter jedem Himmelsstrich traͤgt sie diejenigen, welche ihrer Natur nach daselbst leben und bestehen koͤnnen. Die Menschheit in ihrer ersten Kindheit bekuͤmmert sich Landwirthschaft sich wenig um die Vermehrung und Vered- lung derselben, sondern sie sucht sich nur die- jenigen zu Befriedigung ihrer Beduͤrfnisse zu- zueignen, die die Natur freiwillig anbeut. Dieses ist wohl die allereinfachste Gattung des Gewerbes, und der allererste Urkeim der Landwirthschaft. §. 88. Der Mensch im wahren blosen Na- turstande unter dem mildesten Himmelsstri- che kann sein Daseyn blos durch den Genuß der Obst- oder Baumfruͤchte, ganz ohne De- cke fortsezen. Die Verschaffung des Obstes ist sein ganzes Gewerb, die Erde bringt es von selbsten hervor, er hat also nichts wei- ter noͤthig, als es abzubrechen, sich allen- falls einen Vorrath auf die Zeit zu sammlen, da keins waͤchst, und davon bestaͤndig fort seine Beduͤrfnisse zu befriedigen. Hier will ich mich ein vor allemal gegen den Vorwurf verwahren, den man mir gegen meine Geschichten der Erfindung in der Landwirthschaftkunst, Handlung- und Staatswirthschaft machen koͤnnte, heilige und profan Geschichte sez’ ich hier beiseit, und folge nur dem moͤg- D lichen Allgemeine lichen Gange der Natur, welches mir fuͤr dismal genug ist. §. 89. So wie sich das menschliche Ge- schlecht vermehrt, so muß sich auch das Be- friedigungsmittel seines Beduͤrfnisses vermeh- ren. Derowegen wird nun der Mensch an- getrieben, Mittel zu suchen, wie er die Men- ge des Obstes vergroͤsern koͤnne, die Erfah- rung lehrt ihn der Natur nachahmen, er pflanzt die Obstkerne in die Erde, erzeugt sich eine groͤsere Menge Baͤume, und mit den- selben eine hinlaͤngliche Menge Befriedigungs- mittel. Erfahrung, Zufall, Mutterwiz, besserer Geschmack, bessere Nahrung und bes- seres Wohlbefinden leitet ihn, vor und nach zu Veredlung, Auswahl und geschickterer Anwendung der Obstfruͤchte, womit er na- tuͤrlicher Weise auch besseren Bau der Mut- ter Erde verbindet. §. 90. Dieses allererste Zeitalter der Menschheit enthaͤlt das allereinfachste Ge- werb, die allerersten Grundlinien der Land- wirthschaft, in welchen der einfaͤltigste Bau der Erde, die einfachste Gewinnung des Er- trages, Landwirthschaft trages, und die einfachste Anwendung des- selben gegruͤndet ist. Jch will dieses erste landwirthschaftliche Gewerb den Obstbau nennen. §. 91. So wie das menschliche Geschlecht sich uͤber die Erde verbreitet, veraͤndert sich der Himmelsstrich. Die Haͤrte, der Wech- sel der Witterung nebst der Schaam erzeugen das Beduͤrfniß der Decke; man raubt den Thieren mit Verlust ihres Lebens die ihrige, man macht sich dieselbe zum Gebrauche be- quem, erfindet solcher Gestallt Kleider und Huͤtten. Die Erfahrung belehrt, daß ein Thier das andere frißt, dieses Beispiel fuͤhrt zur Nachahmung, man befriedigt die wesent- lichen Beduͤrfnisse, Nahrung und Decke ganz aus dem Thierreiche, der Mensch wird wild, Erfahrung, Mutterwiz und Zufall lehren ihn Kuͤnste, die natuͤrliche Geschicklichkeit der Thiere zu besiegen, und so entstehn die er- sten Gruͤnde der Jagdwissenschaft, welche wiederum ein elementar Gewerb der Land- wirthschaft ausmacht. Zugleich aber entste- hen in diesem Zeitlaufe der Menschheit die D 2 er- Allgemeine ersten Urkeime der Kunstwissenschaft, nem- lich die Zubereitung der Kleidung und Wohnung, immittelst auch der Zuberei- tung der Speisen. §. 92. Saͤnftere Sitten, ein Schritt wei- ter in der Verfeinerung. Menschenmenge in einem kleinen Bezirke, mithin Mangel an Jagdthieren, treiben an, auf andre Befriedi- gungsmittel zu denken: die Bekanntschaft mit den Thierarten hat sie gelehrt, daß es deren gibt, die weniger wild, weniger fluͤch- tig und zur Wohnung bei den Menschen ge- schickter sind, ihr Fleisch ist gut zur Nahrung, das Saͤugen ihrer Jungen leitet zum Genusse der Milch: folglich wird die Nahrung ver- vielfaͤltigt, man schließt das Vieh ein, ge- woͤhnt’s an Weide und Triften, man wohnt bei dem Viehe unter Huͤtten, erfindet ver- schiedene naͤhere landwirthschaftliche Zuberei- tungen der erlangten Produkten, in Fellen, Hoͤrnern, Knochen, Haaren, Wolle, Milch, Butter, Kaͤse, und so weiter. §. 93. So entsteht die Viehzucht, wel- che ebenfalls ein wichtiger Theil der Land- wirth- Landwirthschaft wirthschaft ist; sie ist die fruchtbare Mutter des Ackerbaues, und zugleich vieler Aeste der Handwerker und Kuͤnste. §. 94. Das Hirtenleben der Menschen in diesem Zustande ist umherschweifend, die Vermehrung und Zusammenwohnung des Viehes verursachet, daß bald alles Futter einer Gegend aufgezehrt ist, folglich die Stel- le veraͤndert werden muß; wann aber die Menschenmenge gegen das Land ein zu gro- ses Verhaͤltniß hat, so, daß nirgends mehr Futter zu finden ist, so suchen die Menschen durch Bearbeitung der Erde das Futter fuͤr ihr Vieh zu veredlen und zu vermehren: die- se Bearbeitung eines Stuͤckes bringt den Be- griff des Eigenthumes in dem Bearbeiter des- selben hervor, er beschuͤzt es als sein Eigen- thum, baut sich eine bestaͤndigere Huͤtte da- bei, und wird also im einfachsten Sinne ein Landwirth. Es ist also schon aus der Geschichte der Menschheit gewiß, daß der Futterbau und die Viehzucht die Grundlage der Landwirthschaft ist. D 3 §. 95. Allgemeine §. 95. Aufmerkende Beobachtung lehret den ersten Landwirth, daß rieselnde Ueber- feuchtung des Futterbodens, mehrerer Re- gen, und endlich auch der fette bluͤhende Wuchs an dem Orte, wo der Mist eines Viehes liegt und fault, folglich naͤchst dem Wasser auch der Mist das Futter veredle und vermehre: daher entsteht eben die erste An- leitung: wie der Futterboden zu Vermeh- rung und Verbesserung seiner Erzeugun- gen gewaͤssert, geduͤngt und bearbeitet werden muͤsse. §. 96. Vielleicht die Beobachtung, daß das Vieh durch den Genuß der noch wild- wachsenden Getreidarten schleunig wuchse, fett und fleischig wurde; vielleicht noch an- dere Ursachen leiteten den Menschen zum Ge- nusse der Melfruͤchte: man genoß sie erst roh, kochte sie mit dem Fleische, und fand sie schmackhafter: man zerrieb sie, reinigte das Mehl von den Huͤlsen, vermischte sie mit Was- ser, machte allerhand Versuche durch Roͤsten und Braten, und fand endlich eine vortref- liche Nahrung, die bald zu den wesentlichsten Befriedigungsmitteln werden konnte. §. 97. Landwirthschaft §. 97. Die wildwachsenden Getreidarten wurden bald verzehrt, man mußte auf Mit- tel denken, dieselben zu verbessern und zu vermehren. Man wußte, daß die Graͤser und Kraͤuter durch Wasser und Mist edler und in groͤserer Menge wuchsen: folglich versuchte man’s, streute die Koͤrner hin, waͤsserte und duͤngte sie, und so fand man, daß die Gras- arten das Getreid uͤberwuchsen und ver- draͤngten. Dieses leitete zu einem Versuche, die Erde umzugraben, um die Grasarten und die Kraͤuter auszurotten, dadurch wur- de der Boden locker, und nun wuchs das Getreid schoͤn, edel und in Menge. §. 98. So erfand man die ersten Grund- saͤze des Ackerbaues, man lernte einsehen, daß das Waͤssern nicht zur Nahrung des Ge- treides gut sei; sondern daß das Duͤngen eigentlich die Getraidpflanzen naͤhre: man stieg von Stufe zu Stufe, sowohl in Ver- vielfaͤltigung der Fruchtarten, als auch in mehrerer Erkaͤnntniß der Bearbeitung der Er- de, der Wartung, Pflege, Zubereitung und Anwendung der Pflanzen, und so kam man D 4 end- Allgemeine endlich in der Landwirthschaft zu der groͤse- ren oder geringern Vollkommenheit, in wel- cher sie in den verschiedenen Laͤndern der Welt anizo bluͤhet. §. 99. Durch einen Zufall konnte ein Stein ins Feuer gerathen, und in der Glut ein glaͤnzendes Metall heraus fliesen: daher ge- rieht man auf Versuche, man schmolz vie- lerlei Steinarten in dem Feuer, entdeckte die Metallen und Halbmetallen, Glas- und Kalkarten, Toͤpfergeschirre, und so ferner. Durch weitere Entdeckungen erkannte man den Nuzen dieser Dinge, man schurfte in der Oberflaͤche der Erde nach Erzen, fand Gaͤn- ge, grub nach, und so entstand der Bergbau. §. 100. Jch behaupte nicht, daß das menschliche Geschlecht uͤberall genau auf dem bisher erzaͤhlten Wege zu dem Grade der Er- kaͤnntniß zu der Landwirthschaft gekommen sei, den es anizo hat; ich habe blos die Na- turgeschichte derselben hingeordnet, auf daß ich ein naturgemaͤses, folglich das allerbeß- te Lehrgebaͤude der Landwirthschaft, welches vom allereinfachsten ersten Theile bis zur hoͤch- sten Landwirthschaft sten Vollkommenheit derselben stuffenweis fortschreitet, zum Gebrauche meiner Lese- stunden aufstellen moͤge . Wie herrlich wuͤrde eine Geschichte der Landwirthschaft von allen Laͤndern seyn? und wie sehr wuͤrde uns der Gang des menschlichen Geistes in den Erfahrungen derselben ergoͤzen und belehren. b ) Landwirthschaftliche Erwerbungen. §. 101. Durch den Gang der menschlichen Erwerbungen, sind ein groser Theil, aber nicht alle Erderzeugungen zu Befriedigung der Beduͤrfnisse verwendet worden. Das Steinreich gibt einen grosen Theil oͤkonomi- scher Erzeugungen ab, die uns zwar in der Naturgeschichte allgemein bekannt werden; allein es ist noch eine genauere Erkaͤnntniß derselben, nemlich derer Eigenschaften noͤthig, auf welche ihre fernere Zuberei- tung und Anwendung zu den Beduͤrf- nissen gegruͤnder ist. Diese Eigenschaf- ten lehrt die oͤkonomische Mineralogie. §. 102. Das Pflanzenreich liefert eben- falls eine Menge oͤkonomischer Erzeugungen; aber lange nicht alle Pflanzen werden dazu D 5 ver- Allgemeine verwendet. Die oͤkonomische Botanik leh- ret uns diejenigen kennen, welche zu Befrie- digung der Beduͤrfnisse dienen; die Pflan- zenphysiologie aber zeigt uns an, wie nach dem inneren Baue und Natur der- selben, die Geschaͤfte des Entstehens, Le- bens und der Fortpflanzung von der Na- tur bewerkstelliget werden. Auf diese Grundsaͤze muß sich hernach der Bau, die Erziehung, die Zubereitung und die Anwen- dung derselben gruͤnden. §. 103. Eben so gehoͤrt auch ein ansehnli- cher Theil des Thierreiches zu den oͤkonomi- schen Erzeugungen: die Auswahl dersel- ben, und welche zu Befriedigung der Beduͤrfnisse verwendet werden, lehrt die oͤkonomische Zoologie. Die Physiologie des Thieres aber unterrichtet uns, wie nach dem Baue und inneren Einrichtung desselben sein Entstehen, sein Leben und seine Fortpflanzung durch die Natur be- werkstelliget werde, damit man die Zucht, Nahrung und Pflege desselben in Ge- sundheit und Krankheit nach seiner Na- tur Landwirthschaft tur einzurichten wisse. Die Krankheit der Thiere zu heilen, gehoͤrt auch hieher, und dieses lehret die Vieharzneikunde. §. 104. Endlich muß man auch die ver- schiedene Arten des Erdbodens kennen, und zwar so, damit man ihn beurthei- len koͤnne, zu welcher Art von Erzeu- gungen er am bequemsten sei: auf diese Kaͤnntnisse gruͤndet sich dann der Bau und Zubereitung der Erde in Absicht auf die Pflan- zen und Erzeugungen, welche man erzielen will. Man koͤnnte die Erkaͤnntniß der Erd- arten wohl in der oͤkonomischen Minera- logie lehren, wie schon von dem beruͤhmten Wallerius geschehen ist. Allein ein solcher Abschnitt wuͤrde sich allzusehr von den uͤbri- gen derselben entfernen. Es wird daher fuͤglicher in der Landwirthschaft, dieser Lehre ein Hauptstuͤck eingeraͤumt. §. 105. Mit diesen Kaͤnntnissen ausgeruͤ- stet, gehen wir nun zu den ausuͤbenden Thei- len der Landwirthschaft, zu den Erwerbun- gen der Erderzeugungen uͤber. Da wir aber nach den Regeln der wissenschaftlichen Lehr- art Allgemeine art zu Werke gehen, und also immer das leichtere zuerst, das schwerere hernach abhan- deln muͤssen, so fangen wir nach Anleitung der Naturgeschichte der Landwirthschaft bei denjenigen Erzeugungen an, welche die Er- de von selbst hervorbringt und ernaͤhret. §. 106. Die Obstbaͤume, hohes und nie- driges Gehoͤlze, wachsen ohne Wartung und Pflege von selbst hervor, sie leben eben so fort, und erzeugen ihr Geschlecht ohne Zu- thun der Menschen, doch das alles mit gro- sem Unterschiede. Das wilde hoch- und nie- driges Gehoͤlze hat am allerwenigsten War- tung noͤthig, man darf es nur fuͤr Aushol- zung und Verwuͤstung huͤten. Wenn man es anpflanzen will, so braucht man nur nach bestimmten Regeln zu saͤen und zu pflanzen, und endlich sparsam damit hauszuhalten. Dieses alles lehret die Wis- senschaft der Holzzucht, oder die Forst- wissenschaft. Diese enthaͤlt die ersten Li- nien der Landwirthschaft, und ist also fuͤg- lich das erste, was darinnen abgehandelt wird. §. 107. Landwirthschaft §. 107. Die Obstbaͤume wachsen eben so wohl von selbsten, als auch andere Baͤume, wann sie unter ihrem gehoͤrigen Himmelsstri- che sind; da aber dieselben vielfaͤltig in frem- de Gegenden verpflanzt worden, so sind da- her Grundsaͤze entstanden, nach welchen sie in solchen fremden Boden und Wit- terung gepflanzt, erzogen, vermehret und verbessert werden muͤssen. Diese lehret die Baumzucht. §. 108. Eben dieses gilt auch von dem Weinstocke: da, wo er zu Hause ist, erfodert er wenig Wartung; so bald er aber in ande- re Gegenden verpflanzt wird, und zwar so, daß er vermehrt oder veredelt werden soll, so muß er ebenfalls naturgemaͤß ge- pflanzt, gewartet und versorgt werden, damit er die mehresten und beßten Er- zeugungen abgebe. Dieses lehrt der Weinbau. §. 109. Unter den Staudengewaͤchsen sind sehr viele, die mannigfaltigen landwirth- schaftlichen Nuzen haben, sie gehoͤren aber zum Forstwesen. §. 110. Allgemeine §. 110. Das Thierreich liefert gleichfalls sehr viele Erzeugungen, im Wasser, auf der Erde und in der Luft, die die Natur ohne Zuthun der Menschen hervorbringt, und al- so wiederum hieher gehoͤren. Wie nun die- selben zu Befriedigung der Beduͤrfnisse der Menschen sollen erworben, und wie damit soll hausgehalten werden, das lehrt die Jagdwissenschaft, die sich in die Fischerei, die Jagd und den Vogelfang zertheilet. §. 111. Verschiedene Thierarten sind so beschaffen, daß sie der Mensch erziehen, ver- pflegen und benuzen kann, ohne daß er be- sonders auf ihren Futterbau zu sehen, und ihnen denselben zu besorgen hat, hieher ge- hoͤren die Bienen. Wie man dieselben er- ziehen, warten und pflegen soll, damit sie vermehret, und der hoͤchste reine Er- trag gewonnen werde, dieses lehrt die Bienenzucht. §. 112. Unter die landwirthschaftlichen Erwerbungen, und zwar zu den betraͤchtli- chen, gehoͤrt auch die Zucht der Seidewuͤr- mer. Landwirthschaft mer. Diese Thiere naͤhren sich da, wo die Maulbeerbaͤume wild wachsen, von selbst. An solchen Orten hat ihre Wartung, und das Gewerb mit ihrer Erzeugung der Seide we- niger Muͤhe; wo aber auch die Maulbeer- baͤume erzogen, gewartet und gepfleget wer- den muͤssen, da werden mehrere Erwerbungs- mittel erfodert. Die Heischesaͤze, nach wel- chen der Futterbau der Seidewuͤrmer, ihre Zucht, Pflege, die Erwerbung der Seide und ihre Zubereitung zur rohen Waare verrichtet werden muß, lehrt der Seidebau. §. 113. Es gibt aber Vieh, durch dessen Benuzung sich der Mensch fast allein ernaͤh- ren, und sich die wesentlichen Beduͤrfnisse verschaffen kann; dieses aber nicht allein: das Gewerb mit demselben ist zugleich ein maͤchtiges, und so zu sagen, das vornehm- ste Mittel des Ackerbaues und der eigentli- chen Landwirthschaft, indem es die Nahrung fuͤr diejenigen Pflanzen abwirft, die zu Be- friedigung der wesentlichen Beduͤrfnisse un- entbehrlich geworden sind; zugleich aber auch der- Allgemeine derjenigen Gewaͤchse, welche zur Handlung mit Nuzen gebaut werden. Den ersten Rang unter diesen Thierarten verdient das Rind- vieh. §. 114. Das Rindvieh erfodert eine reichliche, gesunde, fette Nahrung und Ruhe, wenn es guten und vielen Dung, gute und viele Milch, Butter und Kaͤse, gutes und nahrhaftes Fleisch, oder gu- tes, gesundes und starkes junges Vieh abgeben soll. Die Nahrung des Viehes sind die Futterkraͤuter, und die Erwerbung dieser Nahrung geschieht entweder durch Aus- treiben und Huͤten des Viehes auf Weidplaͤ- zen, oder man versorgt es in seinem Stalle durch die Stallfuͤtterung. §. 115. Dung, Milch und gutes fettes Fleisch, und zwar in moͤglichstér Menge zu erwerben, ist der Zweck der Viehzucht. Da aber durch das Weiden des Viehes, der Dung zur Halbscheid verstreut, mithin fuͤr den Landwirth verlohren geht, durch die Be- wegung mehr Nahrungssaft verdauet, und also die Milch vermindert wird, und endlich aus Landwirthschaft aus eben dem Grunde durch die Bewegung das Fleisch an seiner Saftigkeit und Fettig- keit verhindert wird, so sind die Gemein- weiden hoͤchst schaͤdlich. §. 116. Wann aber ein Landwirth grose Grundstuͤcke hat, die geschlossen sind, einen schattigten Ort, und eine gesunde Traͤnke ha- ben, so erlauben die Grundsaͤze der Land- wirthschaft allenfalls die Weide auf densel- ben; weil aller Dung auf solchen Stuͤcken bleibt, das Vieh sich nicht stark bewegt, und also die reichste Erwerbung der Milch und des Fleisches nicht sehr gehindert wird. §. 117. Wann das Vieh auf dem Stalle reichlich und mit guter Nahrung gefuͤttert wird, so wird der ganze Endzweck, den man mit dem Viehe beaͤugt, vollkommen erfuͤllt: folglich ist die Stallfuͤtterung unter dem Be- dinge, daß das Vieh reichlich und mit guter Nahrung gefuͤttert werde, die vollkommenste Art der Viehzucht. §. 118. Reichliche und gute Nahrung fuͤr das Vieh erhaͤlt man durch den Futterbau. Das erste, was man dabei zu beobachten hat, E ist: Allgemeine ist: daß man das Verhaͤltniß zwischen der Menge des Viehes, und der Menge des Futters so bestimme, daß nach reich- licher und guter Ausfuͤtterung des Vie- hes kein Futter mangle, und keins uͤb- rig bleibe. Das zweite: daß man unter allen Futterkraͤutern diejenigen baue, welche mit weniger Muͤhe am reichlichsten gezeugt, und zur beßten Nahrung fuͤrs Vieh werden koͤnnen. Die Gattungen der beßten Futter- kraͤuter erkennt man in der oͤkonomischen Boranik, sie auswaͤhlen lehrt die Erfahrung, und sie zu bauen, der Futterbau. §. 119. Der Boden, welcher zum Futter- baue verwendet wird, theilt sich in natuͤrliche und kuͤnstliche Wiesen. Die Beschaffenheit des Bodens, die Lage desselben, der Mangel oder der Ueberfluß des Wassers muß bestimmen, welche unter beiden Arten den Vorzug habe. §. 120. Die Grundsaͤze, welche lehren: wie man das Rindvieh auf die beßte, nuͤzlichste und bequemste Weise erziehen, ernaͤhren und alle seine Erzeugungen ver- mehren, verbessern und zum Nuzen der Land- Landwirthschaft Landwirthschaft zum Ertrage machen muͤsse, enthaͤlt die Rindviehzucht. §. 121. Die Schaafe liefern Fleisch, Wol- le, Dung, Felle und junge Schaafe an den Landwirth ab; sie sind ebenfalls ein nuͤzliches Vieh. Wie dieselben auf die nuͤzlichste Weise erzogen, ernaͤhret und alle ihre Erzeugungen vermehret, verbessert und zum Nuzen der Landwirthschaft, zum Ertrage gemacht werden muͤssen; lehrt die Schaafzucht. §. 122. Die Ziegen haben auch wegen ih- rer Milch; Felle; Fleisch und Jungenzucht, Nuzen in der Landwirthschaft, aber nur unter gewissen Bedingen. Die Regeln, unter welchen sie zu dulden, zu erziehen und nuͤzlich zu gebrau- chenseien, koͤnnen in einem besondern Abschnit- te der Landwirthschaft hingeordnet werden. §. 123. Die Schweine sind wegen ihres Fleisches, des Handels mit denselben, und wegen ihrer weniger kostbaren Nahrung in der Landwirthschaft sehr nuͤzlich. Wie sie auf die beßte Weise erzogen, ernaͤhrt und zum vortheilhaftesten Ertrage ge- E 2 macht Allgemeine macht werden muͤssen, das lehrt die Schweinezucht. §. 124. Die Pferde sind wegen ihres viel- faͤltigen Nuzens zu allerhand Arbeiten, und daher ruͤhrendem Werthe im Handel, als- dann eine vortheilhafte Waare, wann der Bau ihres Futters nicht kostbar ist, und der Ertrag den Aufwand hinlaͤnglich uͤbersteigt. Die Frage also: Unter welchen Bedingen die Pferdezucht nuͤzlich, nach welchen Kennzeichen die beßten Roßarten auszu- waͤhlen, dieselben zu ernaͤhren, zu er- ziehen, zur Arbeit anzuwoͤhnen, und endlich, wie sie zum hoͤchsten Ertrage zu veraͤusern seien, loͤßt die Stuterei auf. §. 125. Die Esel- und Mauleselzucht ist nicht allgemein, doch gehoͤrt sie zur Stuterei, und kann auch mit derselben abgehandelt werden. Auch ist es nuͤzlich, daß man da- selbst etwas von der Kameelzucht mit einruͤcke. §. 126. Die mancherlei Gattungen von Gefluͤgel, welche in der Landwirthschaft ge- braͤuchlich sind, wie dieselben erzogen und auf die beßte Weise benuzt werden muͤs- sen, das lehrt die Federviehzucht. §. 127. Landwirthschaft §. 127. Endlich sind noch verschiedene Thierarten, welche aus vielerlei Ursachen in der Landwirthschaft im Gebrauche sind. Die beßte Erziehung und Anwendung der- selben kann in einem besondern Haupt- stuͤcke der Landwirthschaft: von den Hausthieren, abgehandelt werden. §. 128. Die bisher abgehandelten land- wirthschaftlichen Erwerbungen legen nun den Grund, durch Verschaffung der Pflanzennah- rung und Bearbeitung des Bodens, zu der hauptsaͤchlichsten Erwerbung landwirth- schaftlicher Gewaͤchse. Diese theilen sich in Getreid, Huͤlsenfruͤchte, Wurzelfruͤch- te, Gemuͤse und Handelskraͤuter oder Pflanzen. Wie man die Erde nach der Beschaffenheit einer jeden Erdart und Pflanzenart zubereiten, eine jede Pflan- zenart saͤen, pflanzen, erziehen, und endlich einerndten muͤsse, damit der hoͤch- ste und beßte Ertrag heraus komme, lehrt der Ackerbau. §. 129. Der Gartenbau unterscheidet sich vom Ackerbaue blos durch die bessere Zube- E 3 reitung Allgemeine reitung der Erde, und durch besondere Ge- waͤchse, welche wegen ihrer edleren Natur und Gebrauch vorzuͤgliche Wartung verdie- nen. Er gehoͤrt also unter den Titel des Ackerbaues, kann aber wegen seiner beson- dern Grundsaͤze unter einem eigenen Ab- schnitte abgehandelt werden. §. 130. Das erste Stuͤck des Ackerbaues ist die Zubereitung des Bodens. Die- se gruͤndet sich auf zwei Stuͤcke, welche be- stimmen muͤssen, wie diese Zubereitung ge- schehen soll; erstlich: auf die Beschaffen- heit des Bodens selber; diese wird aus der Natur seiner Erdarten, seiner Lage und zufaͤlligen Eigenschaften erkannt. Zweitens: auf die Natur der Pflanzen, welche der Boden tragen soll; diese wird aus der oͤkonomischen Botanik und der Pflanzenphysiologie erkannt. §. 131. Eine jede Zubereitung der Erde besteht wieder in zweien Hauptstuͤcken, erst- lich: daß man die Erde locker mache, auf daß sich die Wurzeln der Pflanzen gehoͤrig ausbreiten koͤnnen, zugleich aber den Landwirthschaft den Graͤd der Lockerheit so bestimme, damit die Pflanzen festen Stand haben moͤgen. Zweitens: muß der Duͤnger zur Pflanzennahrung geschickt gemacht, auf die nuͤzlichste Weise uͤber dem Boden verspreiter, innig mit demselben ver- mischt, und also jeder Pflanze reichlich dargereicht werden. §. 132. Wann der Boden zubereitet ist, so wird entweder der Saamen gesaͤet, oder die Pflanze gepflanzt, jenachdem es die Na- tur der Pflanze erfodert. Eben die Natur und die Eigenschaften derselben muͤssen be- stimmen, zu welcher Zeit der Boden zube- reitet, das Saͤen und Pflanzen geschehen, und auf welche Art es geschehen soll, das ist: wie tief und wie weit von einander die Saamenkoͤrne oder die Pflanzen in die Erde gebracht werden muͤssen. Auf eben diesen Gruͤnden beruht auch die fernere Behandlung des Bodens und der Pflanzen. §. 133. Die Erziehung der Pflanzen besteht darinnen: daß man auf alle nur moͤg- liche Weise, und durch Natur gemaͤse Mit- E 4 tel Allgemeine tel den Wachsthum derselben befoͤrdere, und alle Dinge, die denselben hindern, aus dem Wege raͤume. Ferner: daß man diejenigen Theile der Pflanze, um welcher Willen der ganze Bau angestellet worden, vornehmlich pflege, und derselben Veredlung und Ver- mehrung bestaͤndig zum Ziele seze. §. 134. Die Einerndtung der Pflanzen be- steht in folgenden Stuͤcken: erstlich, daß man den gehoͤrigen Grad der Reife kenne, wel- chen sie haben muͤssen, wann sie ihre hoͤchste Vollkommenheit erreichen sollen. Zweitens: daß man sie auf die nuͤzlichste und bequemste Weise von der Erde sondere. Drittens: daß man sie gehoͤrig zubereite, damit sie sich auf- bewahren lassen. Und viertens: daß sie ge- hoͤrig eingescheuert, und also zum Gebrauche bequem aufbehalten werden moͤgen. §. 135. Die oͤkonomischen Erzeugungen des Steinreiches gehoͤren ebenfalls in die Landwirthschaft. Wie man dieselben ihrer Natur nach erkennen lernen muͤsse, lehrt die Minerallehre; wie man sie aufsuchen, der Erde abgewinnen, und sie von den fremden un- Landwirthschaft unnuͤzen Steinarten befreien muͤsse, lehrt der Bergbau. Und wie man endlich das edle brauchbare Mineral von allen fremden Thei- len seiner innern Zusammensezung befreien muͤsse, lehrt die Schmelzkunst, oder Metal- lurgie: alle drei Stuͤcke zusammen begreift die Bergwerkswissenschaft in sich. §. 136. Unter den bisher bezeichneten Er- werbungen der oͤkonomischen Erzeugungen, sind so viel ich mich besinne, alle Gattungen landwirthschaftlicher Geschaͤfte oder Gewerbe begriffen, und nachdem dieselben nun nach allgemeinen Grundsaͤzen geordnet und ver- handelt worden, so muß ich auch allgemeine Regeln entwerfen, nach welchen die land- wirthschaftliche Haushaltung gefuͤhret werden soll. Landwirthschaftliche Haushaltung. §. 137. Die landwirthschaftliche Haus- haltung lehrt: wie man verschiedene landwirthschaftliche Erwerbungen, be- sonders Viehzucht und Ackerbau in ein Gewerb zusammen vereinigen muͤsse, da- mit der hoͤchst moͤgliche Ertrag gewon- E 5 nen Allgemeine nen werde. Ferner: wie man diesen Er- trag zu den Beduͤrfnissen der Haushal- tung verwenden muͤsse, damit der hoͤchst moͤgliche reine Ertrag gewonnen werde. Und endlich wie man den reinen Ertrag wiederum zu Verbesserung und Erwei- terung der Nahrungsquelle anlegen muͤsse. §. 138. Das erste Stuͤck eines jeden Ge- werbes ist die Nahrungsquelle. Die land- wirthschaftliche Nahrungsquelle ist die Erde. Wer also eine landwirthschaftliche Haushal- tung errichten will, der muß sich zuerst ei- nen Theil der Erde erwerben, und sich denselben zur Nahrungsquelle einrichten. §. 139. Die Erwerbung einer landwirth- schaftlichen Nahrungsquelle geschieht entwe- der durch Erbschaft, oder durch Pfacht, oder durch Kauf. Jm Falle der Erbschaft ist man an die Nahrungsquelle gebunden, man kann sie nur verbessern und erweitern; oder wenn sie nicht hinlaͤnglich waͤre, so muͤß- te man sie verkaufen, und sich eine beque- mere anschaffen. §. 140. Landwirthschaft §. 140. Wer sich eine Nahrungsquelle pfachten will, der muß den Ueberschlag ma- chen, ob der Ertrag derselben hinlaͤnglich seyn koͤnne, die Befriedigung der Beduͤrfnisse, und das Pfachtgeld abzutragen, so, daß wenigstens etwas reiner Ertrag uͤbrig bleibe. §. 141. Die Erwerbung einer Nahrungs- quelle durch Kauf, ist zweierlei: entweder man kauft eine, die schon eingerichtet ist, oder man nimmt ein wuͤstes Stuͤck der Erde in Bestand, um es urbar zu machen. Jm ersten Falle muß darauf gesehen werden, daß nach Abzuge aller Abgaben, aller Befriedi- gung der Beduͤrfnisse und der Renten des Kaufschillinges, noch reiner Ertrag uͤbrig bleibe. Jm zweiten Falle muß das wuͤste Land alle Faͤhigkeiten haben, daß es durch gehoͤrige Zubereitung zur Viehzucht und Acker- baue bequem gemacht werden koͤnne. §. 142. Nachdem man sich eine Nahrungs- quelle erworben hat, so muß sie auch zube- reitet werden, und das geschieht durch die Erwerbungsmittel. Zu diesen gehoͤrt zu- erst das Gesinde, Arbeitsleute, Tagloͤhner. Das Allgemeine Das Gesinde muß dem Verstande und Wil- len nach geschickt zu der Arbeit seyn, die ihm obliegt, und dazu muß es auch die gehoͤrige Leibeskraͤfte und Gesundheit haben. §. 143. Fuͤrs zweite gehoͤrt das Zugvieh, Ochsen oder Pferde zu den Erwerbungsmit- teln: diese muͤssen wohl gebildet, gros, ge- sund und stark seyn. Drittens ist auch jede Viehzucht, besonders das Rindvieh, in Ab- sicht auf den Dung, ein Erwerbungsmittel. Zu diesem Zwecke ist gesundes starkes Vieh, und die Stallfuͤtterung noͤthig. Der Dung aber soll durch alle Mittel zu rath gehalten, vermehrt und verbessert werden. Endlich ge- hoͤren noch zu den Erwerbungsmitteln alle Werkzeuge und Geraͤthe, die zur Zuberei- tung der Erde, zum Saͤen, Pflanzen, Er- ziehung und Einerndtung der Pflanzen noͤthig sind. Diese sollen so viel moͤglich einfach, ohne viele Zusammensezung, stark, wohlfeil und zu ihrem Zwecke auf die beßte Art be- quem gemacht werden. §. 144. Vornehmlich ist aber auch zu dem landwirthschaftlichen, wie zu allen Gewerben, ein Landwirthschaft ein Erwerber noͤthig. Dieser heißt der Land- wirth. Er soll sein Gewerb: das ist die Ein- richtung und beßte Zubereitung der Nah- rungsquelle und anderer landwirthschaftli- chen Erwerbungen, die beßte Anordnung der Erwerbungsmittel, die beßte Anwendung derselben auf die Nahrungsquelle zum hoͤch- sten Ertrage, die zweckmaͤsigste Befriedigung aller Beduͤrfnisse der Haushaltung zu Er- sparung des hoͤchsten reinen Ertrages, und endlich die Anwendung desselben zu Verbes- serung und Erweiterung der Nahrungsquel- le, nicht allein aus dem Grunde verstehen, sondern auch Kraft und Drang haben, das alles auszufuͤhren . Jch hab’ hier die Landwirthin ausge- lassen; man kann sich dieselbe hinzuden- ken, sie ist Erwerber mit, und ihr kom- men eben die Eigenschaften desselben in ihrem Fache zu. §. 145. Wann der Erwerber eine Nah- rungsquelle und Erwerbungsmittel hat, so muß er nun erwerben, verzehren und darnach trachten, reinen Ertrag zu ge- winnen. Die landwirthschaftliche Nahrungs- quelle Allgemeine quelle heißt ein Landgut, der Erwerber ein Landwirth: folglich, wenn der Landwirth oder Bauer ein Landgut und gehoͤrige Erwer- bungsmittel hat, so soll er wirthschaften oder haushalten. §. 146. Das vollkommenste Muster einer landwirthschaftlichen Haushaltung ist: die Umschaffung einer wohlgelegenen frucht- baren wuͤsten Gegend unter einem ge- maͤsigten Himmelsstriche zu einem voll- staͤndigen Landgute. Bei dieser Einrich- tung und Zubereitung der landwirthschaftli- chen Haushaltung kommt alles vor, was zu derselben gehoͤret. §. 147. Die beßte Lage einer Gegend ist Berg und Thal, das ist: Huͤgel oder Berg- seiten, die nicht gar gaͤh sind, und Ebenen, und welche einen Ueberfluß an suͤßen Quellen und klaren Baͤchen haben. Die Lage soll auch, so viel moͤglich, gegen die Sonne, das ist: an der Sommerseite seyn. Die Fruchtbarkeit wird theils an den Erdarten erkannt: wann der Boden von Sandthon und Faulerde (schwarze Erde) die gehoͤrige Mischung hat; theils Landwirthschaft theils auch an den Gewaͤchsen: hohes wuch- siges Gehoͤlze, saftige, hoch aufgeschossene mannigfaltige Stauden, uͤberall Ueberfluß an den schoͤnsten Kraͤutern und Grasarten, uͤberall Mangel an Felsen, Moosen und Stein- flaͤchen, u. d. gl. §. 148. Der gemaͤsigte Himmelsstrich bringt die kaͤltere Gewaͤchse zu groͤserer Voll- kommenheit, die waͤrmere aber zeitiget er ebenfalls, wann sie gehoͤrig gewartet und ge- pfleget werden: folglich ist er fuͤr ein solches Landgut der beßte, das man als ein Muster der Landwirthschaft aufstellen will, indem wegen der vielfaͤltigen Gewaͤchse, die mehre- sten landwirthschaftlichen Erwerbungen da- bei vorkommen. §. 149. Das erste, was der Landwirth zu thun hat, ist die Befriedigung der we- sentlichsten Beduͤrfnisse der Haushaltung, das ist: der Menschen und des Viehes, zur Nahrung und zur Decke. Nahrung fuͤr Men- schen gibt das Vieh bis auf Brod, welches angeschaft werden muß, daher muß zuerst die Nahrung des Viehes, das ist der Futterbau be- Allgemeine besorgt werden, dieses geschieht durch Anle- gung natuͤrlicher Wiesen. §. 150. Derowegen muß der Landwirth Ebenen in genugsamer Menge dazu bestim- men, auf welche man uͤberall Wasser hinlei- ten, und sie also waͤssern kann. Auf dieser Ebene muͤssen erstlich alle Stauden und Ge- hoͤlze mit der Wurzel ausgerottet, und alle Steine weggeschaft, das ist: sie muß gero- det werden; alsdann hackt man den Rasen um, graͤbt das Hoͤckerigte ab, fuͤllt die Tie- fen damit aus, und gibt der ganzen Ebene eine etwas schiefe Lage durch Erhoͤhen und Vertiefen, macht dem Wasser einen Abfluß, damit es nicht stehe, und die Wiese sum- pfigt mache, worinnen die Graͤser sauer fau- len, und das wachsende Gras mit versaͤu- ern; alsdann leitet man wasserpaße Graben uͤber die Hoͤhen, welche keinen Ausfluß ha- ben, die also das ganze Ufer uͤberseigern, und die ganze Flaͤche durchrieseln. Die ab- gehackte Rasen werden getrocknet, verbrannt, die Asche uͤberall hingespreitet, Saamen von den beßten Kraͤutern und Graͤsern darauf ge- saͤet- Landwirthschaft saͤet, und dann immerfort im Herbste und Fruͤhjahre gewaͤssert, so ist die Wiese auf die beßte Weise eingerichtet. §. 151. Nachdem die Nahrung fuͤr Men- schen und Vieh gesichert ist: so muß auch die Decke besorgt werden; hieher gehoͤrt Woh- nung und Stallung. Beide Stuͤcke muͤs- sen beisammen an einem solchen Orte ange- legt werden, wohin die mehreste Einfuhr wo nicht alle, abwaͤrts, mithin die mehreste Aus- fuhr aufwaͤrts gehe: denn weil mehr ein- als ausgefahren wird, so ist natuͤrlich, daß ersteres vorzuͤglich erleichtert werden muͤsse, weil man alsdann mehr aufladen kann, und zugleich das Zugvieh verschont. §. 152. Weil niedrige Oerter leicht sum- pfigt sind, so muß der Wohnplaz erst durch Abzuggraben getrocknet werden, eh man den Grund legt. Hernach macht man den Plan der Wohnung, welcher so eingerichtet wer- den muß, daß er zu Aufbewahrung des Fut- ter- und Frucht Ertrages, zur Wohnung fuͤr Menschen und Vieh, und zu allen landwirth- schaftlichen Zubereitungen der Erzeugungen, F mit- Allgemeine mithin zu Erleichterung der ganzen Haushal- tung, die beßte und zugleich die wohlfeilste Bauart angebe . Ein solcher Plan gehoͤrt in die Grund- saͤze der Landwirthschaft, und sobald ich dieselben herausgebe: so werd’ ich ihn nach beßtem Vermoͤgen naͤher bestim- men. §. 153. Der Ueberfluß guter und nach ge- legener Mauersteine, oder der Mangel der- selben soll den Landwirth bestimmen, ob er seine Wohnung mauern oder von Holze zim- mern lassen soll; doch, da lange Zeiten dazu hingehen, ehe ein Bauholz vollgewachsen ist, da die Feuersgefahr bei hoͤlzernen Gebaͤuden groͤser, als bei steinernen ist, und da end- lich steinerne laͤnger ausdauern: so soll er, wo moͤglich, die gemauerte Wohnung vor- ziehen. §. 154. Auf die Ersparung und Gewin- nung des Holzes zum Brennen, zum Haus- und Ackergeraͤthe, oder auch zum Verkaufen oder Verkohlen, soll der Landwirth auch den- ken. Zur Holzzucht muß er die hoͤchsten und entlegensten Gegenden der Berge erwaͤhlen, die- Landwirthschaft dieselben nach den Grundsaͤzen der Forstwis- senschaft behandeln, und dieselben schuͤzen, hegen und pflegen, so wird er ohne Anlage und Unkosten jaͤhrlich einen Ertrag erwerben, der ihm nuͤzlich seyn kann. §. 155. Nun muß der Landwirth zu dem Ackerbaue Anstalten machen, und denselben einzurichten suchen. So wie die Viehzucht ohne den Futterbau nicht bestehen kann, und so wie erster nach dem Verhaͤltnisse des lezten sich richten muß, so kann der Ackerbau ohne den Dung nicht seyn, und erster kann wiede- rum nicht weiter gehen, als der lezte reicht; da aber nun der Ertrag der Landwirthschaft vornehmlich auf dem Ackerbaue beruht: so muß der Dung mit hoͤchstem Fleise vermehrt und verbessert werden. §. 156. Der Viehstand sezt zwar der Men- ge des Dunges gewisse Graͤnzen; allein er ist dem ohngeachtet doch einer grosen Vermeh- rung faͤhig. Die Bestandtheile aller Pflan- zen sind sich gleich, so gar auch die Thiere bestehen aus Wasser, Erde, Luft, Oel und Salz, mithin koͤnnen alle diese Dinge den F 2 Dung Allgemeine Dung vermehren. Aber sie muͤssen erst durch die Faͤulung in ihre erste Bestandtheile auf- geloͤßt, und durch dieselbe zur Pflanzennah- rung zubereitet werden. §. 157. Der Mist und der Urin, Pflanzen fressender Thiere, ist die eigentliche und beß- te Pflanzennahrung; daher soll dieselbe gei- zig zu rath gehalten und versparet werden; dieses ist einer von Hauptzwecken, der die Einrichtung des Stalles und der Miststaͤtte bestimmen hilft. Allein auch dieser Abgang der Thiere hat eine grose Neigung zur Faͤu- lung, er ist ein wahres Gaͤhrungsmittel; wenn man deswegen leichtfaulende Pflanzen und Abfaͤlle von Thieren genau damit ver- mischt, so fault alles zusammen, und loͤßt sich in die beßte Pflanzennahrung auf. §. 158. Die Dinge, welche mit dem Mi- ste zur Faͤulung kommen, und also Duͤnger werden sollen, werden dem Viehe zum La- ger untergestreut; deswegen sollen sie trocken, weich und gesund fuͤrs Vieh seyn, sie werden alsdann durch die Fuͤse der Thiere in den Mist geknetet, damit vermischt, und also zu ge- Landwirthschaft geschwinderer Faͤulung zubereitet; und des- wegen soll der Stall nur alle vier bis fuͤnf Tage, oder gar alle Woche nur einmal aus- gemistet werden. Jm Winter ist dieses vor- zuͤglich vortheilhaft, weil der Mist waͤrmt, und auch langsamer fault. §. 159. Auf der Miststaͤtte soll der Dung foͤrmlich und wohl in einander gelegt, auch koͤnnen hier noch Rasen, Laub u. d. gl. da- zu gemischt werden, damit man die Besse- rung vermehre; auf daß aber alles desto bes- ser faule, so soll die Miststaͤtte ausgehoͤhlt und ohne Abzug seyn: damit sich eine Sudel sammle, und man damit den Dunghaufen begiesen, und so die Faͤulung und Vermeh- rung der Dunge befoͤrdern koͤnne. §. 160. Weil die Natur, Wasser, Erde und Luft zur Pflanzennahrung reichlich ver- sorgt: so muß der Dung vorzuͤglich fette und salzigte Theile enthalten; diese zu verschaffen ist das Hauptstuͤck. So viel Erde, als noͤ- thig ist, Oel und Salz einzutrinken, und so viel Feuchtigkeit, um alles zusammen bes- ser mischbar zu machen, machen die wahre F 3 Be- Allgemeine Beschaffenheit des beßten Dunges aus. Zu- mischung vieler Erde und Wassers vermehrt nur die Masse, nicht aber die Guͤte. §. 161. Dungerden haben nur dann Nu- zen, wann sie entweder den Rasen geschwind in Faͤulung sezen, oder wann sie die Erde verduͤnnen und zur Pflanzennahrung geschickt machen, welches nur bei solchen Pflanzen an- geht, die meist aus Wasser und Erde beste- hen, als da sind Klee und Graͤser. Oder endlich, wann sie durch Vermischung schlechte Erdarten verbessern. §. 162. Der Landwirth soll nicht mehr Land zu Ackerstuͤcken roden, als er reichlich uͤberduͤngen kann; denn ein kleineres, aber wohlbeduͤngtes Land, gibt bei geringerer Ar- beit und Erwerbungsmitteln mehr Ertrag, als ein groͤseres, aber mageres; und doch erfodert dieses mehrere Arbeit. Das Roden geschieht wie bei den Wiesen. Alle holzigte Ge- waͤchse werden mit der Wurzel ausgerottet, die Steine weggeschaft, der Rasen umge- hackt, und zu Asche verbrannt. Diese gleich daruͤber her verbreitet, im Herbste umge- ackert, Landwirthschaft ackert, im Fruͤhjahre wieder, im Sommer abermal, gegen den Herbst reichlich geduͤngt, wieder geackert, mit Winterfrucht gesaͤet, und vollends zubereitet. §. 163. Je mehr Dung, je mehr Aecker; je mehr Vieh, je mehr Dung; je mehr Fut- ter, je mehr Vieh. Derowegen soll der Fut- terbau gegen den Ackerbau in starker Verhaͤlt- niß stehen. §. 164. Die Frage: welche Pflanzen und Erzeugungen der Landwirth vorzuͤglich zu bau- en habe, muß er sich durch die Beschaffenheit der Gegend, die er bewohnt, beantworten. Daher entsteht ein wichtiger Grundsaz: al- le Erzeugungen, die dem Landwirthe den hoͤchsten Ertrag einbringen, die soll er bauen. Jst Milch, Butter, Kaͤse und Fleisch hoͤher im Werthe als Gewaͤchse, so soll er sein Land zu natuͤrlichen und kuͤnstli- chen Wiesen umschaffen, den Viehstand nach diesem Verhaͤltnisse vermehren, und auf den Ertrag desselben sein hoͤchstes Augenmerk richten. F 4 §. 165. Allgemeine §. 165. Jst das Getreide im hoͤchsten Wer- the: so soll er den Dung aufs hoͤchste vermeh- ren und verbessern, und vorzuͤglich das Ge- treid in groͤster Menge bauen, welches den hoͤchsten Werth hat. Eben diese Grundre- geln soll er bei allen Nahrungs- und Hand- lungspflanzen und Erzeugungen beobachten. §. 166. Gegen diesen Grundsaz wird ein Einwurf gemacht; man sagt: wenn nun ein Jeder die theuersten Erzeugun- gen baut, so kann an andern noͤthi- gen Stuͤcken Mangel entstehen. Dieser Einwurf hat keinen Grund; denn wenn der theuersten Erzeugungen viel werden, so fal- len sie im Preise. Diejenigen aber, an wel- chen Mangel ist, steigen; daher werden lez- tere so viel staͤrker gebaut, so viel sie am Wer- the zunehmen; erstere aber so viel weniger: folglich schuͤzt eben mein obiger Grundsaz ge- gen diesen Einwurf. §. 167. Wenn der Landwirth auf alle nur moͤgliche, und auf die nuͤzlichste Weise, sei- ne Nahrungsquelle zubereitet und gebaut hat: so bekommt er auch den moͤglichst hoͤchsten Er- trag, Landwirthschaft trag. Von diesem soll er nun die Beduͤrfnisse seiner Haushaltung aufs beßte befriedigen, und zwar so: damit er den hoͤchstmoͤglichen reinen Ertrag erwerbe. Nun haben aber die wenigsten Erzeugungen die Beschaffenheit, daß sie ohne naͤhere Zubereitung Befriedi- gungsmittel werden koͤnnen; daher entsteht eine landwirthschaftliche Kunstwissen- schaft. §. 168. Hieher gehoͤrt das Dreschen, Rei- nigen, Mahlen, Brodbacken, Mehl und al- le dahin gehoͤrige Mehlspeisen mit ihren Zu- bereitungen, Obstdoͤrren, Einmachen der Gemuͤsse, die ganze landwirthschaftliche Koch- kunst. Flachs, Hanf, Leinwandbau, Wol- lenzubereitungen, Naͤhen, Stricken, Spin- nen u. s. w. Milch-Butter-Kaͤsezubereitun- gen und was dazu gehoͤrt. Alles dieses soll so eingerichtet werden, damit alles auf die beßte, und zugleich auf die wohlfeilste Wei- se dem Zwecke entspreche. §. 169. Die Verwendung der zubereite- ten Erzeugungen zu Befriedigung der Beduͤrf- nisse, oder der Aufwand soll aufs genaueste F 5 nach Allgemeine nach den Regeln der Haushaltungswissen- schaft, die an ihrem Orte hinlaͤnglich geleh- ret worden, eingerichtet werden. Der Land- wirth soll alle Beduͤrfnisse, von den wesent- lichsten bis zu den zufaͤlligsten, ihrer Ord- nung nach kennen, alsdann unter seinen Er- zeugungen die beßten, zweckmaͤsigsten, zu- gleich aber auch die wohlfeilsten auswaͤhlen, und sie gehoͤrig verwenden. §. 170. Der reine Ertrag, welcher uͤbrig bleibt, besteht aus Erzeugungen; diese sol- len so beschaffenseyn: daß sie so wohl wegen ih- rer Guͤte, als auch wegen ihrer Seltenheit den hoͤchsten Werth haben. Die Verwen- dung dieses reinen Ertrages zu Verbesserung und Vermehrung seines Landgutes geschieht durch Vertauschung gegen solche Dinge, die wiederum die beßten Erwerbungsmittel auf seine Nahrungsquelle abgeben. Dieses bewerk- stelliget er, wann er den reinen Ertrag im hoͤchsten Preise verkauft, fuͤr das gewonne- ne Geld aber nach Befriedigung der gesell- schaftlichen Beduͤrfnisse, die Erwerbungsmit- tel auf die nuͤzlichste Weise einkauft, und die- Landwirthschaft dieselben wiederum auf die Nahrungsquelle verwendet. Dieses ist die landwirthschaft- liche Handlungswissenschaft. §. 171. Die Verbesserung der Nahrungs- quelle geschieht durch Vermehrung des Fut- terbaues, sodann des Viehstandes, mithin des Dunges, und vermoͤg diesem eine stuffen- weise Verbesserung der Aecker, bis sie aus der beßten Erde bestehen, die der beßten Gartenerde gleich, und also keiner Verbes- serung mehr faͤhig ist. Alsdann und nicht eher kann er allmaͤhlich mehrere Aecker nach bisher angezeigten Gruͤnden anlegen, und so auch seine Nahrungsquelle vermehren. §. 172. Endlich muß auch der Landwirth alle landwirthschaftliche Erwerbungen, vom Obstbaue an, bis zum Bergbaue hin, ken- nen. Alle, die in seinem Verstande seiner Land- wirthschaft anpassen, alle, welche er alsdann seinem Gewerbe angemessen findet, soll er durch kleine Versuche in seinem Wirkungs- kreise einlenken, seiner Nahrungsquelle an- fuͤgen, mit derselben verbessern und vermeh- ren, nach der Natur der Erwerbungen, und nach Allgemeine Kunstwirthschaft nach den Grundsaͤzen der Haushaltungswis- senschaft ihre Erwerbungsmittel bestim- men, und zu dem hoͤchsten Ertrage zu bringen suchen. Die einzelnen reinen Ertrage soll er durch die landwirthschaftliche Handlung zu einem ganzen reinen Ertrage in Geld um- schaffen, und diese alsdann zu Verbesserung und Vermehrung der gemeinschaftlichen Nah- rungsquellen verwenden. Allgemeine Kunstwirthschaft. §. 173. Die Kunstwirthschaft lehret: wie alle gewonnene oͤkonomische Er- zeugungen zu Befriedigung aller Be- duͤrfnisse, nach dem Geschmacke desje- nigen, der sie dazu verwenden will, zu- bereitet werden muͤssen. Und wie die Arten der Zubereitung zu einem eintraͤg- lichen Gewerbe geordnet, dieselben als Nahrungsquelle hoͤchstergiebig gemacht, der hoͤchste Ertrag gewonnen, durch vernuͤnftige Grundsaͤze nach Befriedi- gung haͤuslicher Beduͤrfnisse der hoͤchste reine Ertrag eruͤbriget, und wiederum auf die beßte Art in die Nahrungsquelle zu verwenden seie. §. 174. Allgemeine Kunstwissenschaft §. 174. Die Kunstwirthschaft zerfaͤllt also vermoͤg dieser Erklaͤrung in zween Haupt- theile: erstlich in die Kunstwissenschaft, welche lehrt: wie die oͤkonomischen Erzen- gungen zubereitet werden sollen. Und zweitens: in die kunstwirthschaftliche Haushaltung, welche anweißt: wie eine jede Art der Zubereitung zum Gewerbe gemacht, und darinnen hausgehalten werden muͤsse. Allgemeine Kunstwissenschaft. a) Geschichte der Kuͤnste und Handwerker. §. 175. Jn dem rohen Zustande der Menschheit werden nur die allerwesentlichsten Beduͤrfnisse befriedigt. So lang dieses mit Erzeugungen geschieht, welche keine Zube- reitung erfodern, so lang ist keine Kunst, kein Handwerk noͤthig. Daher entstehen die Kuͤnste und Handwerker zugleich mit dem Ur- keime der zufaͤlligen Beduͤrfnisse. Kuͤnste und Handwerker will ich mit einem Worte Kunst benennen. §. 176. So bald der Hausvatter ein Jaͤ- ger wird, Frau und Kinder mit den wilden Thie- Allgemeine Thieren ernaͤhrt, so bald werden Werkzeuge erfodert. Er belauscht die Thiere, erhascht sie mit List, und schlaͤgt sie mit der Keule, mit einem Stuͤcke Holz tod. Dieses findet er leicht, und es erfodert wenig Zuberei- tung. Aber das Wild wird scheu, laͤuft ge- schwinder wie der Mensch, die Noth lehrt ihn auf Mittel sinnen, wie ers in der Ferne toͤde. Er wirst mit Steinen, schleudert, aber da fehlt’s ihm bei etwas grosen Thie- ren an Kraft. §. 177. Er denkt auf eine Kraft, welche staͤrker werfen kann, als seine Hand; Er- fahrungen von der Schnellkraft schlanker Baumzweige hilft ihm auf Nachsinnen; er erfindet leicht Bogen und Pfeile, und nun macht ihn die Uebung zum Meister; viel- leicht erfand man zuerst Lanzen, hernach Wurfspiese, und darauf den Bogen. Ver- muthlich entstunden um diese Zeit auch Stri- cke von Thierhaaren, oder Riemen aus ih- ren Fellen, womit man auch Thiere leben- dig fienge. §. 178. Kunstwissenschaft §. 178. Ein schwimmendes Stuͤck Holz fuͤhrte zur Bildung des Nachens und Kahnes, um uͤber kleine Stroͤme und groͤsere das Wild zu verfolgen; man fand immer daran zu verbessern, erfuhr, daß ihn der Wind trieb, man richtete Stangen mit Thierhaͤuten dar- innen auf, lies sich vom Winde treiben, da- her erste Anlage zum Schiffe; die Fuͤse der rudernden Wasservoͤgel leiteten zu Erfindung des Ruders . Ob der erste Schiffer bei Verfolgung des Wildes sein Fahrzeug erfand, ist eine grose Frage: daran liegt aber nichts, genug, ich zeige nur einen moͤglichen Gang der Erfindung. §. 179. Der Fischfang war leichter, die Angel konnte der Zufall sowohl, als das Nachdenken erfinden, und eben so die Neze. Wo einmal der Grund der Sache erfunden ist, da laͤßt sich durch einen gemeinen Men- schenverstand leicht verbessern. §. 180. Obstfruͤchte und Wurzeln lassen sich noch geniesen; aber nicht so wohl das Fleisch, es laͤßt sich mit den Zaͤhnen nicht gut zermalmen. Man waͤrmte sich bei dem Feu- er; Allgemeine er; zufaͤllig konnte ein Stuͤck Fleisch in das- selbe gerathen, der Geruch leitete zum Ver- suche: man fand das Gebratene schmackhaft und weich, man briete, man fand die Kru- ste hart, man verfiel auf Hoͤhlen, die man mit Fleische fuͤllte, um und um mit Glut umgab, und so gerieht man aufs Kochen. §. 181. Eine solche Kochgrube in der Er- de gerieth in Toͤpferton, oder ein Stuͤck desselben gerieht ins Feuer: man fand, daß er in demselbenÇ steinhart wurde, man bilde- te ein Gefaͤß aus diesem Tone, man lernte ihn kennen, und von allen andern unter- scheiden, man brannte das Gefaͤß, fand es gut, und kochte darinnen; so war vermuth- lich der Anfang der Toͤpferkunst, und mit derselben die vielfaͤltigen Versuche zu kochen. §. 182. So wie man zufaͤllig das schmel- zende Metall im Feuer fand, so entdeckte man, daß es im Feuer wiederum weich wur- de, und sogar wiederum floß; man suchte Mittel es zu benuzen, schmolz es in Formen, schlug und foͤrmte es mit Steinen, hernach mit Hammern, erfand das Schmelzen und Schmie- Kunstwissenschaft Schmieden, und mit demselben allerhand Werkzeuge zum haͤuslichen Gebrauche. §. 183. Mit metallenen schneidenden Werk- zeugen lies sich das Holz behandeln. Man fand die Verfertigung hoͤlzerner Sachen leich- ter, machte Gefaͤsse, vollkommenere Woh- nungen, und viele andere Geraͤthe: daher Ursprung der Waffenschmiede, erster Urkeim der Holzarbeiter. §. 184. Die Kleidung in Thierhaͤuten war unbequem, man fand die Haare im Som- mer beschwerlich, im Winter bequem. Die Haͤute wurden steif und rasselten; man merk- te, daß sie so leicht zerbrachen. Deswegen gerieht man vor und nach auf Bereitung der Thierhaͤute. Die physische Ursache derselben ist nicht leicht zu entdecken; auch hier hat viel- leicht der Zufall gezeigt: welche Saͤfte von Gewaͤchsen zur Geschmeidigkeit der Haͤute die beßten seien. So entstand schon fruͤh die Gaͤrberei. §. 185. Die Bildung der Kleidung nach dem Koͤrper und seiner Bequemlichkeit ent- stand nach und nach. Der Erwerber nahm G das Allgemeine das beßte fuͤr sich, kleidete sich besser. Daher entstand der erste Gedanke, den Vorzug durch Kleider zu zeigen. Ein jeder Mensch wird ger- ne vorzuͤglich geachtet, er suchte daher diese Wuͤrde durch Erwerbers Kleider zu erlangen. §. 186. Das weibliche Geschlecht lebt in dem Grundtriebe, dem Maͤnnlichen zu ge- fallen; daher erhoͤhen die Weiber ihre na- tuͤrliche Schoͤnheit durch Dinge, die allge- mein angenehm und schoͤn sind, sie schmuͤ- cken ihren Koͤrper damit aus, und sezen aus solchen Sachen ihre Kleider zusammen. Die- se beiden Grundtriebe, bei dem maͤnnlichen und weiblichen Geschlechte, arbeiten zur Er- hoͤhung der Kleiderpracht, und sezen alle Kuͤnstler in Bewegung, welche zur Kleidung der Menschen arbeiten. §. 187. Zusammenwohnung der Menschen in der haͤuslichen Gesellschaft, sezt den Haus- vatter zum unumschraͤnkten Herrn der Haus- genossen; er wird geehrt, geliebt, gefuͤrch- tet, je nachdem er regiert. Viele Hausvaͤt- ter zusammen, machen eine buͤrgerliche Ge- sellschaft: es entsteht die Nothwendigkeit ei- nes Kunstwissenschaft nes Fuͤrsten. Ein sehr weiser tapferer Re- gent, der Vatter des Volkes wird geliebt; das Andenken nach seinem Tode fuͤhrt zum Goͤzendienste. Modell seines ehmahligen Koͤrpers, seine Bildsaͤule oder sein Gemaͤhl- de, fort Abbildung geehrter und geliebter Personen; daher Mahlerei und Bildhauer- kunst mit ihren Zweigen. §. 188. Allgemeine Verehrung eines Ab- gottes an einem geheiligten Orte fuͤhrt auf den Gedanken eines ewigen Hauses, eines langdauernden Tempels; daher Saͤule von Steinen, schwere, Sturm und Gewitter ausdauernde Gebaͤude, Urbegriffe von Schoͤnheit in solche Gebaͤude angebracht, um Andacht und Vergnuͤgen zu erwecken, erhiz- te Einbildungskraft, die Mutter vieler Kunst- erzeugungen. §. 189. Schmeichelei, Stolz, Verwah- rung fuͤr Ueberfall, Menge der Hausgenos- sen, Liebe zur Pracht, waren die Ursachen groser, fester und schoͤner Tempel lebendiger Fuͤrsten: daher entstanden Schloͤsser, Pallaͤ- ste und andere schoͤne Gebaͤude, und mit den- G 2 selben Allgemeine selben der erste Anfang der Baukunst mit al- len ihren ausgebreiteten Zweigen. §. 190. Die Verbesserung der Landwirth- schaft, Erweiterung ihrer Werkzeuge in al- len ihren Gewerben, fuͤhrte zu mehreren Arten der Zubereitungen und Handwerker: Untersuchungen mehrerer Gewaͤchse erfanden Flachs, Hanf, Baumwolle, und daher flie- sende Gewerbe. Eben so entstanden Versu- che mit der Wolle, mit Haaren und andern Erzeugungen der Thiere. §. 191. Die Verbesserung und Vermeh- rung der Kunstgewerbe selbsten vervielfaͤltigt sie nicht nur, sondern erhoͤht sie auch; es werden mannigfaltige Werkzeuge erfodert, die der Kuͤnstler nicht selber machen kann, und so entstehen abermal neue Kuͤnste, und vielfaͤltige Zubereitungen durch Handwerker. §. 192. Mit dem Ursprunge der Kauf- mannschaft, oder des Tauschgewerbes, ent- standen neue Kunstbeduͤrfnisse. Der Nuzen der edlen Metalle vervielfaͤltigte sich. Man er- fand das Geld, erfand mehrere Vortheile im Verschicken der Waaren; es entstanden Wagen, Kunstwissenschaft Wagen, Karren mit allem Zugehoͤre, Pfer- degeraͤthe zum Reuten und Fahren, Ver- vollkommnung des Schiffbaues und der buͤr- gerlichen Baukunst, Erfindung mancherlei Maschinen und Kunstwerke. §. 193. Maͤnner, die sich auf die Verfei- nerung und Erhoͤhung der Seelenbeduͤrfnisse legten, die Begierde hatten, das wahre Gu- te und Schoͤne in den Geschoͤpfen aufzusu- chen, die Hunger nach Erfindung neuer Wahrheiten bei sich empfanden; die sammel- ten, was sie erfunden, und legten den Grund zur Gelehrsamkeit. Auch diese brauchten Werkzeuge zu Versuchen, sie brauchten Werk- zeuge, ihre Erfahrungen und Wahrheiten auf die Nachwelt zu bringen, sie bildeten ihre Begriffe durch Zuͤge ab, gruben sie in Stein und Erz, machten sie mit Griffeln auf Wachs- tafeln, auf Papierblaͤtter und Baumrinden: endlich entstand Papier, Feder, Dinte, Schreibkunst, Buchdruckerei, Kupfersteche- rei, und so fort. §. 194. Ein Mensch, der auserordent- liche Faͤhigkeiten hat, nach dem verbor- G 3 genen Allgemeine genen Seelengefuͤhle des Vergnuͤgens, das wahre Gute und Schoͤne in der Na- tur, der Kunst, und im Reiche der Wahr- heiten auszusuchen, und nach diesem Ge- fuͤhle zusammen zu sezen und hinzuord- nen, heißt ein Genie, ein Schoͤnkuͤnstler. Dieser seltenen Menschen hat’s immer aber sparsam gegeben; in dem Theile, worinnen ein solcher hervorstach, machte er Zeitpunkt, und foͤrderte die Kunst gewaltig. Dichtkunst, Tonkunst, Mahler- und die Bildhauerkunst jeder Zeitalter beweisen das; nicht weniger auch die Erfinder merkwuͤrdiger Kuͤnste. §. 195. Unter alle Arten der Beduͤrfnis- se mischte sich von je her die Ueppigkeit (Lu- xus): sie schwaͤrmt darinnen herum, erhoͤht, uͤberspannt, bestimmt und veraͤndert uͤberall die mannigfaltigen Zubereitungen der viel- faͤltigen Erzeugungen, und wird also eine maͤchtige Triebfeder der Kunstgewerbe, das ist: der wahre und falsche Geschmack wirken mit vereinter Kraft zur Bestim- mung der Kuͤnste. b) Kunst- Kunstwissenschaft b) Kunstgewerbe. §. 196. Eine naturgemaͤse Ordnung und Eintheilung der Kuͤnste und Handwerker auf- zustellen, ist wegen der Mannigfaltigkeit der- selben nicht leicht. Doch will ich einen Ver- such wagen. Wann wir die Sache einfaͤltig untersuchen: so finden wir auf der einen Sei- te alle oͤkonomischen Erzeugungen, diese sol- len nun durch die Kunst zu Befriedigungs- mitteln umgeschaffen werden; in dieser Ruͤck- sicht will ich die oͤkonomischen Erzeugungen ro- he Erzeugungen nennen. §. 197. Auf der andern Seite haben wir eine unendliche Menge Beduͤrfnisse vor uns, welche alle der Reihe nach befriediget werden wollen; insoweit sie nun durch die Kunst be- friediget werden koͤnnen, nenne ich sie Kunst- beduͤrfnisse, und ihre Befriedigungsmittel sind Kunsterzeugungen. §. 198. Jedes von diesen beiden Stuͤcken, sowohl die rohen Erzeugungen als die Kunst- beduͤrfnisse haben ihre bestimmte mannigfal- tige von einander verschiedene Eigenschaften: durch die Kunst sollen die Eigenschaften der G 4 Er- Allgemeine Erzeugungen so zubereitet werden, daß sie den Eigenschaften der Beduͤrfnisse genug thun: folglich liegen die Heischesaͤze der Kunst erst- lich in den Eigenschaften der Erzeugungen, hernach auch in den Eigenschaften der Kunst- beduͤrfnisse. §. 199. Es ist daher ganz natuͤrlich, daß alle Kuͤnste, welche sich vorzuͤglich auf die Eigenschaften der Erzeugungen gruͤnden, zu- gleich auch die ersten seyn muͤssen. Nun ste- hen aber alle Erzeugungen in den dreien Rei- chen der Natur, mithin koͤnnen wir auch die- se Kuͤnste dahin ordnen, und fuͤglich mit dem Thierreiche den Anfang machen, weil es dem Menschen ganz gewiß am ersten bekannt ge- worden. §. 200. Das Fleisch der Thiere gab dem Menschen Speise. Doch verspar ich seine Zubereitung zur Kochkunst. Die Haͤute der Thiere aber wurden zur Kleidung und aller- hand Sachen gebraucht: daher mache ich aus der Fellbereitung die erste Klasse, oder den ersten Abschnitt. §. 201. Kunstwissenschaft §. 201. Die Haare der Thiere wurden schon fruͤh zu verschiedenen Zwecken verwen- det, besonders war die Schaafwolle bald ei- ne Erzeugung, die zu mancherlei Zwecken be- reitet wurde. Alles, was also aus Wolle gemacht wird, nenne ich die zweite Klasse, welche die Wollemanufaktur begreift. §. 202. Noch mehrere Thierhaare werden zu mancherlei Endzweck gebraucht; die Haare der Angorischen Ziege, der Biber, der Haasen, der Pferde, der Menschen, u. f. w. gehoͤren hieher, und machen wieder einen eigenen, und zwar den dritten Ab- schnitt: der Haarwuͤrkereien. §. 203. Hoͤrner und Knochen der Thiere, Fischbein, die Schuppen, Muscheln und Schaalen der Fische, oder was sonsten har- tes aus dem Thierreiche entsteht, und zu Kunsterzeugungen verarbeitet wird, ordne ich zur vierten Klasse: der Hornarbeiten. §. 204. Alles, was aus dem Fette der Thiere, oder demselben aͤhnlichen Materien bereitet wird, gehoͤrt in die fuͤnfte Klasse: der Fettbereitungen. G 5 §. 205. Allgemeine §. 205. Die Gallertartigen Theile aus dem Thierreiche werden zu Leime bereitet, und diese verschiedene Arbeiten seze ich in die sechs- te Klasse: der Leimmanufakturen. §. 206. Die Seidewuͤrmer geben den Stoff zur siebenten Klasse: zu den Seidemanu- fakturen. §. 207. Das Pflanzenreich ist das zweite, welches seine Erzeugungen den menschlichen Untersuchungen darbot. Das Holz war ein wichtiger Gegenstand, der schon fruͤhzeitig benuzt wurde. Alle Arbeiten, die aus dem Holze als Holz betrachtet entspringen, ord- ne ich in die achte Klasse der Kunstgewerbe, und nenne sie Holzwerke. §. 208. Leinen, Hanf und Baumwolle wur- den bald nach dem Vorbilde der Wolle und Thierhaare zum Gewuͤrke bereitet: daher entsteht die neunte Klasse, der Leinen- und Cattunmanufakturen. §. 209. Sehr vielerlei Pflanzen werden zu tausenderlei Kunstbeduͤrfnissen bereitet, alle diese fasse ich zusammen in eine Klasse, und nenne sie die zehnte Klasse der Pflan- zenmanufakturen. §. 210. Kunstwissenschaft §. 210. Das Mineral- oder Steinreich ist das dritte, welches die Menschen zu Be- friedigung ihrer Beduͤrfnisse verwenden, und hier entstehen wiederum verschiedene Klassen. Die elfte begreift: die Eisen- und Stahl- arbeiter. Die zwoͤlfte: die Zinngieser und Rothgieser. Die dreizehnte: die Gold- und Silberarbeiter. §. 211. Die Minerale sind vielfaͤltig, und haben mannigfaltigen Nuzen zu Befriedigung der Beduͤrfnisse und Kunstbeduͤrfnisse; da- her will ich ihre Zubereitungen zusammen in die vierzehente Klasse: der Mineralarbei- ten ordnen. §. 212. Die Steine haben ebenfalls ih- ren Gebrauch vom Maurer an bis zum Gips- und Stukkaturarbeiter; sie sollen die fuͤnfze- hende Classe der Steinwerke ausmachen. §. 213. Diese fuͤnfzehn Klassen begreifen nicht alle vollendete Werke, die aus ihren Erzeugungen entspringen, sonst wuͤrden sie alle Kunstgewerbe enthalten; ich ordne nur die ersten Kunsterzeugungen dahin, so wie sie durch eine einfache Handarbeit dem Zwecke ge- Allgemeine genaͤhert werden. Folglich sind sie in Absicht der folgenden Kuͤnste noch immer rohe Erzeu- gungen. §. 214. Um die ersten Kunsterzeugungen dem Zwecke immer gemaͤser ausbilden zu koͤn- nen, sind mancherlei Werkzeuge noͤthig. Der Kuͤnstler, welcher die Werkzeuge verfertigt, braucht oͤfters Erzeugungen aus allen dreien Reichen der Natur, er kann sich nicht mehr an eine Gattung derselben binden: folglich kann sich auch sein Gewerb nicht mehr nach den rohen Erzeugungen, sondern es muß sich nach den Werken der Kunst nennen. §. 215. Die Werkzeuge unterscheiden sich am beßten nach der Kraft, welche sie in Be- wegung sezt. Ein groser Theil derselben wird von Menschen und Thieren bewegt und un- mittelbar gebraucht; diese will ich in die sechs- zehente Klasse der Handmaschinen ordnen. §. 216. Viele grose Kunstwerke treibt das Wasser, sie erfodern von andern verschiede- ne Einrichtungen und Zubereitungen: sie ha- ben weit ausgebreiteten Nuzen in den Kunst- gewerben, und verdienen daher, daß ich sie in Kunstwissenschaft in eine Klasse allein, und zwar in die sieben- zehente, unter dem Namen der Wasser- maschinen stelle. §. 217. Auch der Wind sezt nuͤzliche Ma- schinen in Bewegung, die an Orten, wo keine Wasserwerkzeuge moͤglich sind, ihren grosen Nuzen haben; sie machen die acht- zehente Klasse aus, und heisen Windma- schinen. §. 218. Noch andre und zwar sehr nuͤz- liche Kunstwerke bewegen sich durch Kraͤfte, die in ihrer eigenen Zusammensezung ange- bracht sind. Nemlich solche, die durch Ge- wicht und Schnellkraft getrieben werden; ich ordne sie zusammen in die neunzehente Klas- se der selbstwirkenden Maschinen. §. 219. Viele Kunstgewerbe sind mit ge- nugsamen Werkzeugen versehen, und koͤnnen doch ihre rohe Erzeugungen nicht in vollen- dete Kunsterzeugungen verwandeln: es ent- stehen daher Nebenzubereitungen, die ein eigenes Kunstgewerbe ausmachen, und doch mit andern nur zu einem Zwecke an einerlei Erzeugungen arbeiten. Diese versammle ich in Allgemeine in eine besondre, und zwar in die zwanzig- ste Klasse der Hilfskunstgewerbe. §. 220. So gruͤnden sich die Kunstberei- tungen erstlich auf die Eigenschaften der ro- hen Erzeugungen, auf die Werkzeuge, auf die Hilfsbereitungen, und nun endlich auf die Befriedigung der Beduͤrfnisse selber: so entstehen vier Ordnungen, welche ihre Klas- sen unter sich haben, deren jede ihre Kuͤnste in sich enthaͤlt. Die lezte Ordnung hat wie- derum ihre Klassen. Die erste betrift die Nahrung: sie macht die ein und zwanzigste der Nahrungsbereitungen aus. §. 221. Die Kleidung wird aus vielerlei Kunstwerken zusammen gesezt: alle Kuͤnste, die damit umgehen, ordne ich in die zwei und zwanzigste Klasse, und nenne sie die Kleidungsgewerbe. §. 222. Die Wohnungen der Menschen und Thiere erfodern vielerlei Kuͤnste, Hand- arbeiten und Zubereitungen: alle aber ar- beiten zu einem Zwecke, und diesem gebe ich die drei und zwanzigste Klasse, und heise sie die Baukunst. §. 223. Kunstwissenschaft §. 223. Die Gelehrten und Schoͤnkuͤnst- ler beschaͤftigen sich mit Kunsterzeugungen, die sie theils als Werkzeuge brauchen, theils selber bereiten, und diese seze ich zusammen in die vier und zwanzigste Klasse der gelehr- ten Kunstwerke. §. 224. Schlieslich hat der Staat selbsten Kunstwerke, die er allein betreibt, und die der Staatswirthschaft eigen sind: diese ord- ne ich in die fuͤnf und zwanzigste Klasse der Staatskunstwerke zusammen. §. 225. Alle bisher angezeigten Kunst- und Handwerksfaͤcher erfuͤllen den ganzen Raum zwischen den Erderzeugungen, so wie sie aus der Hand der Natur und des Land- wirths kommen, bis dahin, wo die Erzeu- gungen zur Befriedigung der Beduͤrfnisse unmittelbar angewendet werden koͤnnen, oder bis die rohen Erzeugungen Kunsterzeugun- gen geworden sind. §. 226. Alle Handwerker und Kuͤnste ha- ben den Grad ihrer Vollkommenheit durch Erfahrung, Erfindung und Zufall erlangt; aber die wenigsten haben noch die hoͤchste Stu- Allgemeine Stufe erreicht: fast alle sind noch der Ver- besserung faͤhig, und derowegen muß die Erfahrung und Erfindung noch immer genuzt, und jeder Zufall beobachter wer- den, was er nuͤzliches enthalte. Dieses ist ein Grundsaz zu Verbesserung des Kunst- gewerbes. §. 227. Obgleich der Unterschied zwischen Handwerk und Kunst in Ansehung des Ge- werbes wenig Einfluß hat, so ist er doch in andern Absichten zu bemerken. Die Kunst ist edler als das Handwerk, und der Kuͤnstler begehrt vor dem Handwerksmanne einen Vorzug: ich muß daher allhier den Unter- schied zwischen Handwerk und Kunst zu be- stimmen suchen. §. 228. Es gibt sehr viele Zubereitungen, deren Heischesaͤze sich auf mancherlei Hilfs- wissenschaften gruͤnden, besonders auf die Naturkunde, Scheidekunst, reine und an- gewandte Mathematik. Derjenige, welcher also die Zubereitungen bewerkstelligen will, muß von jenen Wissenschaften wenigstens so viel verstehen, um seine Heischesaͤze daraus fol- Kunstwissenschaft folgern, erkennen und erklaͤren zu koͤnnen. Weil nun schon hierzu ein mehr als gemei- ner Menschenverstand erfodert wird, wenig- stens gehoͤrt eine gute und starke Vernunft dazu; so verdient ein solcher Mensch einen Vorzug, er heißt ein Kuͤnstler, und seine Zubereitungen eine Kunst. §. 229. Die Zubereitungen koͤnnen in verschiedenen Faͤllen nicht durch bestaͤndige Heischesaͤze unwandelbar gemacht werden; sie erfodern einen erfinderischen Geist, der in den verschiedenen und hoͤchst mannigfalti- gen Erfodernissen der Beduͤrfnisse allemal den beßten und naͤchsten Weg zur zweckmaͤsigen Zubereitung der Erzeugungen einzuschlagen weis: daher unterscheidet er sich von dem Handwerksmanne, er verdient Vorzug, heißt mit Recht ein Kuͤnstler, und seine Werke sind Kunst. §. 230. Oder der Gang und die Hand- griffe der Zubereitungen sind geheimnißvoll, aus der Arbeit sehr schwer zu errathen. Oder die Zubereitungen sind sehr muͤhsam, koͤnnen nicht anders, als durch langwierige Uebung H der Allgemeine der Handgriffe, erlernt werden: und erfo- dern daher eigene Geschicklichkeiten. Jn bei- den Faͤllen verdient der Arbeiter den Namen eines Kuͤnstlers, und sein Gewerb ist Kunst. §. 231. Hingegen haben die Handwerker nur eine gewisse Anzahl solcher Heischesaͤze, die dem schlichten Verstande begreiflich, und deren Ausuͤbung durch Erlernung der Hand- griffe keine vorzuͤgliche Geschicklichkeit erfo- dert. Es ist also klar, daß die Kuͤnste Men- schen von hoͤherer Faͤhigkeit und Cultur erhei- schen als die Handwerker, und daher den- selben der Vorzug von Rechts wegen gebuͤhre. §. 232. Die ganze Kette der Kunstgewer- be faͤngt mit der geringsten Handarbeit an, und endigt sich mit dem groͤsten Kunstwerke. Jn so weit nun ein Handwerk Geheimnisse und schwere Kunstgriffe enthaͤlt, ist es auch Kunst. Und in so weit eine jede Kunst sich mit der Hand bearbeiten laͤßt, ist sie Handwerk. Da nun vom Vornehmsten die Benennung ge- schehen soll, so kann man die Handwerker und Kuͤnste zusammen Kunstgewerbe oder Kunstwirthschaft nennen. §. 233. Kunstwissenschaft §. 233. Aus bisher Abgehandeltem laͤßt sich leicht folgern, daß es fuͤr das Kunstge- werbe nuͤzlich sei: wann alle Handwerker vor und nach zur Wuͤrde der Kunst emporsteigen. Denn je mehr der Handwerker nach wissen- schaftlichen Grundsaͤzen arbeitet, je mehr er seine Erfindungskraft uͤbt, um durch kuͤrzere Wege und leichtere Mittel die beßten Zube- reitungen zu machen, und endlich je mehr nuͤzliche Geheimnisse er entdeckt, und selbi- ge zum hoͤchsten Nuzen der Kunst in seine Werke verwebt: je mehr treibt er sein Ge- werbe zur Wuͤrde der Kunst empor, und de- sto mehr Nuzen schaft er dem Kunstgewerbe, ins Ganze genommen. §. 234. Desgleichen muß einem jeden ein- leuchten, daß die Naturgeschichte, Na- turkunde, Scheidekunst, reine und an- gewandte Mathematik, schoͤne Wissen- schaften und schoͤne Kuͤnste, Kaͤnntnisse enthalten, die im Kunstgewerbe unent- behrlich sind, und die also als Hilfswis- senschaften auf der Kameral Hohenschu- le nothwendig gelehrt werden muͤssen. H 2 Kunst- Kunstwirthschaftliche Kunstwirthschaftliche Haushaltung. §. 235. Ein jedes Kunstgewerb hat nicht nur den Zweck, die Beduͤrfnisse derjenigen zu befriedigen, die seine Erzeugungen brauchen; sondern es soll auch als Gewerb betrachtet, demjenigen, der es treibt, eine Nahrungs- quelle abgeben, wodurch er sich und die Sei- nigen ernaͤhren und gluͤcklich machen kann. Die Heischesaͤze, welche die Lehren dazu ent- halten, ordne ich zusammen, und nenne sie die kunstwirthschaftliche Haushaltung. §. 236. Die kunstwirthschaftliche Haus- haltung lehrt also: wie ein jedes Kunstge- werb muͤsse zur Nahrungsquelle ge- macht, dieselbe zum hoͤchsten Ertrage eingerichtet, dieser Ertrag zu Befriedi- gung der haͤuslichen Beduͤrfnisse derge- stallt angewendet werden, damit der hoͤchste reine Ertrag herauskomme, und wie endlich dieser reine Ertrag wiede- rum zu Verbesserung und Vermehrung der Nahrungsquelle verwendet werden muͤsse. §. 237. Haushaltung §. 237. Das erste ist also: wie eine Nah- rungsquelle aus dem Kunstgewerbe zu er- richten. Da es nun ein Haushaltungsgrund- saz ist: daß man sich eine Nahrungsquelle waͤhle, welche zum hoͤchsten Ertrage, den man unter seinen Umstaͤnden erwarten kann, faͤhig zu machen ist, so muß man sich unter allen Kunstgewerben eine aussuchen, die die- se Eigenschaften hat. Kann man nicht dazu gelangen, entweder wann unuͤberwindliche Schwierigkeiten vorhanden, oder wann man durch gewisse Umstaͤnde an ein Gewerbe ver- bunden ist, so soll man doch das Gewerb, das einem zukommt, sich zur Nahrungsquel- le errichten. §. 238. Die Erwerbung einer Nahrungs- quelle aus den Kunstgewerben besteht darin- nen, daß man die Kunst erlerne. Hier- zu werden zwei Stuͤcke erfodert: erstlich ein voͤlliger Begriff der Heischesaͤze und Behal- tung derselben, oder das Wissen des Kunst- gewerbes (Theorie); zweitens: die Ausuͤ- bung aller Handgriffe, wodurch das Wissen Thatsache wird (Praxis), so lang, bis die H 3 koͤr- Kunstwirthschaftliche koͤrperlichen Gliedmasen ihre vollkommene Geschicklichkeit und die Gewohnheit erlangt haben. §. 239. Da der neue Erwerber der Nah- rungsquelle die Heischesaͤze seines zukuͤnfti- gen Gewerbes, desgleichen die Ausuͤbung derselben erlernen soll, so muß er jemand haben, der sie vollstaͤndig weis und kann, und zugleich eine kunstwirthschaftliche Haus- haltung damit fuͤhrt. Ein solcher Mann heißt ein Meister; bei diesem muß sich der Erwer- ber in seinen beßten Juͤnglingsjahren in die Lehre geben, wogegen er ihn voͤllig unter sei- ne Hausgenossene aufnimmt, ihm alle Hei- schesaͤze vorsagt, bis er sie weis, und nicht mehr vergißt, und ihn alle Stuͤcke und Hand- griffe so lang ausuͤben laͤßt, bis er die Kunst oder das Handwerk voͤllig versteht und kann, izt heißt der Erwerber Lehrjunge. §. 240. Wann der Lehrjunge bei seinem Meister nichts mehr lernen kann, so wird er losgesprochen, das heißt: der Meister ent- laͤßt ihn gutwillig seiner Lehrjahre, und be- zeugt, daß er das Gewerb verstehe. Da aber nun Haushaltung nun ein jeder Meister seinen eigenen Gang in seiner Handthierung hat, und einer vor dem andern noch immer bessere Heischesaͤze weis, und geschicktere Ausuͤbung bald in die- sem, bald in jenem Theile besizt; so soll der Lehrjunge auf die Wanderschaft gehen. Weil er nun schon mit seiner Handthierung zu verdienen anfaͤngt, so soll er seine eigene Beduͤrfnisse befriedigen, bei verschiedenen, und zwar bei den geschicktesten Meistern fuͤr Lohn arbeiten, und so seine Nahrungsquel- le errichten und verbessern. Jn diesem Zu- stande heißt er Gesell. §. 241. Wann er die vollstaͤndige Geschick- lichkeit seines Kunstgewerbes erlangt hat, so soll er seine eigene Haushaltung anfangen, das ist: er soll nun Meister werden. Hier- zu werden Erwerbungsmittel erfodert: daher muß er hinlaͤngliche Mittel haben, um sich dieselben zu verschaffen. Diese sind aber je nach der Beschaffenheit der Nahrungsquel- le vielfaͤltig. Es gibt Kunstgewerbe, wo der Meister nur blos Werkzeuge, und zwar wenige noͤthig hat; es gibt ihrer, wo er vie- H 4 le Kunstwirthschaftliche le braucht; und endlich gibts solche, wo die Leute ihre Erzeugungen dem Meister zur Zu- bereitung hingeben, und ihm Arbeitslohn zahlen; wiederum andere, wo er sich die ro- hen Erzeugungen anschaffen muß, sie verar- beitet, und seine Kunsterzeugungen wieder verkauft. §. 242. Zu den Erwerbungsmitteln ge- hoͤrt der Ort, wo sich ein anfangender Mei- ster niederlassen will, und zwar ein solcher, wo die Zubereitungen und Kunsterzeugungen, welche er verfertigt, in solcher Menge ge- braucht werden, daß er voͤllige Beschaͤftigung damit haben kann, und wann mehrere Mei- ster von seiner Handthierung da sind, so muß er uͤberzeugt seyn, daß so viele Kunsterzeu- gungen an dem Orte und in der Gegend verbraucht werden, als die andern Meister nebst ihm verfertigen koͤnnen. §. 243. Wann er einen bequemen Ort ge- funden hat, so soll er sich nach der Hand- werkspolizei und Gebraͤuchen erkundigen, sich darnach einrichten, und angeloben den- selben gemaͤß zu leben; ferner muß er sich eine Haushaltung eine Wohnung verschaffen, die zu seinem Gewerbe alle noͤthige Bequemlichkeit habe. §. 244. Zu den Erwerbungsmitteln gehoͤ- ren auch solche Leute und Haushaltungen, de- nen der Kuͤnstler oder Handwerksmann ihre Kunstbeduͤrfnisse befriedigt. Das ist: er muß Kunden haben. Da es aber gegen das Gesez der Natur ist, andern Meistern ihre Kunden durch Ueberredung abwendig zu machen, so soll der neue Meister durch Ge- schicklichkeit in seiner Kunst sich zu empfehlen suchen. §. 245. Endlich gehoͤren zu den Erwer- bungsmitteln die unmittelbare Werkzeuge der Kunst; diese muß sich der Meister fuͤr Geld erwerben. Daher soll er nicht eher Meister werden, bis er sich als Gesell entweder so viel verdient, oder durch andre billige We- ge so viel bekommen hat, daß er sich nicht nur tuͤchtiger und bequemer Werkzeuge genug an- schaffen kann, sondern auch, daß er sich so lang ernaͤhren kann, bis er etwas erwor- ben hat. H 5 §. 246. Kunstwirthschaftliche §. 246. Wann der Kuͤnstler Nahrungs- quelle und Erwerbungsmittel errichtet hat, so soll er erwerben. Hier muß sein Zweck seyn, den hoͤchsten Ertrag zu gewinnen, da- zu soll er die beßten Mittel ergreiffen, und diese bestehen in folgenden Heischesaͤzen: erst- lich, wann er nicht seine eigene rohe Erzeu- gungen verarbeitet, sondern andern Leuten fuͤr Lohn schaft, so soll sein einziges Bestre- ben dahin gehen, das wahre Gute und Schoͤne seiner Kunst sich nicht nur anschau- lich zu machen, sondern auch dasselbe in der That auszufuͤhren. Das ist: seine Arbeit soll hoͤchst dauerhaft, dem Zwecke voͤllig angemessen, und alle Schoͤnheit haben, die nur moͤglich ist, damit seine Kunden den laͤngsten und bequemsten Gebrauch da- von machen, und zugleich Vergnuͤgen daran haben koͤnnen. §. 247. Wann aber der Kuͤnstler die ro- hen Erwerbungen anschaffen muß, sie verar- beitet, und alsdann die Kunsterzeugungen verkauft, so soll sein erstes Bestreben seyn, die edelsten, beßten und zweckgemaͤsesten zu kau- Haushaltung kaufen, dieselben nach dem im vorhergehen- den §phe angefuͤhrten Heischesaze zubereiten, und alsdann an seine Kunden gegen baar Geld zu uͤberlassen. §. 248. Da nun die beßten und schoͤnsten Kunsterzeugungen jedermanns vorzuͤgliche Achtung erwerben und verdienen, so zieht der Meister dadurch eine Menge Kunden an sich, und mit diesem Vortheile gewinnt er einen groͤsern Ertrag. Den Arbeitslohn soll er so einrichten, daß er niemals niedriger sei, als bei andern Meistern: damit er nicht das ganze Kunstgewerb verderbe; er soll aber auch niemals hoͤher seyn, als er spuͤrt, daß ihn seine Kunden gern bezahlen, damit er sich dieselben nicht verschlage. §. 249. Aus diesem allen folgt: daß der Handwerksmann die Vermehrung seines Er- trages, und die Erhoͤhung desselben nicht im hohen Arbeitslohne oder Preise seiner Kunsterzeugungen, sondern blos in der Vor- trefflichkeit seiner Zubereitungen suchen muͤsse. §. 250. Da es viele Kunden giebt, wel- che in Bezahlung der Arbeitsleute saumselig sind, Kunstwirthschaftliche sind, so muß er durch die Schoͤnheit und Guͤ- te seiner Arbeit sich beruͤhmt und nothwendig zu machen suchen, und alsdann den Gebrauch einfuͤhren, daß er sich alsofort bei der Liefe- rung bezahlen lasse: damit er bei jeder Ge- legenheit das Geld in seinen Nuzen verwen- den koͤnne. §. 251. So wie sich die Nahrungsquelle vergroͤsert, und sich die Kunden vermehren, so soll auch der Handwerker die arbeitenden Haͤnde vermehren, das ist: er soll sich nach dem Verhaͤltnisse der Arbeit Gesellen halten. Damit er aber sein Gewerb nicht verderbe, so soll er keinen Gesellen annehmen, der oh- ne Zeugniß kommt, und einen solchen als- dann eine kurze Zeit auf die Probe nehmen, eh er ihn auf gewisse Zeit dingt und ansezt. §. 252. Wann sich der Kuͤnstler auf be- sagte Weise einen Ertrag erwirbt, der so hoch ist, als er unter seinen Umstaͤnden seyn kann, so muß er denselben wiederum auf die beßte Weise anwenden, damit er den hoͤch- sten reinen Ertrag uͤbrig behalte. Dieses geschieht durch den wohlfeilsten und zweckgemaͤsesten Aufwand. §. 253. Haushaltung §. 253. Die Umstaͤnde des Ortes, wo der Kuͤnstler wohnt, welche Befriedigungs- mittel daselbst am gebraͤuchlichsten, am be- quemsten und am wohlfeilsten sind, soll er sich ausfuͤhrlich bekannt machen; alsdann sei- ne und seiner Hausgenossen Beduͤrfnisse so ordnen, daß er blos auf die wesentlichen Ruͤcksicht nehme; ferner soll er den Ueber- schlag machen, durch welche Mittel er sie am beßten und zugleich am nuͤzlichsten befriedi- gen koͤnne. Wann er diesen Ueberschlag ge- macht hat, so soll er seinem Entschlusse auf die strengste Weise nachleben, so lange, bis er noch bessere Heischesaze findet: alsdann soll er mit eben dem Eifer diese auszufuͤhren suchen. §. 254. Was dem Kuͤnstler nach Befrie- digung seiner und der Seinigen Beduͤrfnisse uͤbrig bleibt, ist reiner Ertrag, und diesen soll er zu Verbesserung und Vermehrung sei- ner Nahrungsquelle verwenden. Nun ar- beitet er aber entweder fuͤr Lohn, so, daß er anderer Leute Erzeugungen zubereitet, oder er kauft seine rohe Erzeugungen, bearbeitet sie, Kunstwirthschaftliche sie, und verkauft seine Kunsterzeugungen wieder; wie soll er sich in beiden Faͤllen ver- halten? §. 255. Jm ersten Falle soll er untersu- chen, ob seine Werkzeuge alle noͤthige Voll- kommenheiten haben, oder ob sonsten die Erwerbungsmittel noch zu verbessern seien. Jn diesem Falle muß er das alles aus dem reinen Ertrage in den vollkommensten Stand sezen: denn dadurch wird er seine Arbeit er- leichtern, beschleunigen und vollkommener ausfuͤhren, mithin mehr gewinnen koͤnnen. §. 256. Sind aber seine Erwerbungsmit- tel im vollkommensten Zustande, so muß er sich aus seinem reinen Ertrage solche Erzeu- gungen anschaffen, die in seinem Gewerbe gebraucht werden, und die er selber verar- beitet, diese verkauft er an seine Kunden mit Gewinne, bearbeitet sie, und gewinnt also doppelten Profit. Oder er verfertigt Kunsterzeugungen vorraͤthig, und verkauft sie mit Nuzen. §. 257. Wo der Staatsfehler herrscht, daß der| Handwerksmann nichts feil haben darf, Haushaltung darf, da bleibt er freilich in seinem engen Kreise eingeschraͤnkt, und es ist fuͤr ihn wei- ter nichts uͤbrig, als daß er durch Rechtschaf- fenheit und vorzuͤgliche geschickte Arbeit seine Kunden vermehre, mehrere Gesellen halte, und auf solche Weise seine Nahrungsquelle verbessere und erweitere. §. 258. Jm zweiten Falle, wo es uͤblich ist, daß der Kuͤnstler seine eigene Erzeugun- gen haͤlt, sie verarbeitet und wieder verkauft: da soll er den reinen Ertrag so verwenden, daß er zu der Zeit, wann die rohen Erzeu- gungen am wohlfeilsten sind, die beßten ein- kaufe, und solchergestallt seinen Nuzen ver- mehre. Mit Vergroͤserung des reinen Er- trages kann er auch seinen Laden erweitern, mehrere Erzeugungen hinzufuͤgen, und also kunstwirthschaftliche Handlung treiben. §. 259. Was die gelehrten Kunstwerke und schoͤne Kuͤnste betrift, die die Beduͤrf- nisse der Seele und des Vergnuͤgens befrie- digen, oder die Entdeckung wichtiger und nuͤzlicher Wahrheiten im Reiche der Wissen- schaften zum Ziele haben, solche Maͤnner sollen Kunstwirthschaftliche sollen sich mit hoͤchstem Fleise und Sorg- falt um die wahre Seelenbeduͤrfnisse und ihre Erkaͤnntniß bemuͤhen. §. 260. Dann sollen sie die wahre Geistes Beduͤrfnisse von den falschen zu unterschei- den wissen, nicht jede Wahrheit ist nuͤzlich, und noch weniger jedes Vergnuͤgen. Dero- wegen sind das nur Beduͤrfnisse der Wahr- heit und des Vergnuͤgens, welche der zeitlichen und ewigen Gluͤckseligkeit des Menschen wahrhaft, befoͤrderlich, kei- nesweges aber die ihr hinderlich sind. §. 261. Alles, was dem Menschen Ver- gnuͤgen macht, ist in Ansehung seiner schoͤn und gut. Da aber sehr viele Vergnuͤgen schaͤdliche Folgen fuͤr die Menschheit haben, so sind die Befriedigungsmittel dieser Ver- gnuͤgen nicht wahrhaft schoͤn, wahrhaft gut, sondern nur falsch und im Scheine. Es ist daher ein hoͤllischer Grundsaz der Schoͤn- kuͤnstler, wenn sie alles, was die Natur nach ihrem Sinne Gutes und Schoͤnes hat, ihren Erzeugungen einverweben wollen. §. 262. Haushaltung §. 262. Die Erkaͤnntnisse der wahren Gei- stesbeduͤrfnisse erlangt der gelehrte Kuͤnstler, durch die wahre Weisheit, welche aus der Vernunft und Offenbahrung ge- schoͤpft wird. Die wahren Befriedigungs- mittel findet er im Reiche der Natur und der Wahrheit. Diese soll er mit groser Ge- schicklichkeit, Kraft und auserordentlicher Faͤ- higkeit auswaͤhlen, ordnen und zubereiten koͤnnen, damit seine Erzeugungen vollkom- men dem Zwecke entsprechen. Wer nicht diese Faͤhigkeiten hat, soll auch durchaus kein gelehrter Kuͤnstler werden. §. 263. Der Ertrag des schoͤn- oder ge- lehrten Kuͤnstlers ist dreifach: erstlich sam- melt er sich einen Schaz von Wahrheiten fuͤr sich selber. Zweitens: mit diesem Schaze sammelt er sich einen gewissen Grad von Bei- falle der Menschen, das ist: er bekommt ein eigenes Publikum; und drittens verschaft er sich Befriedigungsmittel fuͤr seine leibli- chen Beduͤrfnisse. §. 264. Den Ertrag seiner Wahrheiten soll er zur Nahrungsquelle seines Geistes J ver- Kunstwirthschaftl. Haushaltung verwenden, er soll sie alle zu Grundsaͤzen um- schaffen, sie durch Fleis und Erfahrung un- endlich fruchtbar in Erfindung neuer Wahr- heiten machen, und dann soll er selbige auf die beßte Weise seinem Publikum mittheilen, selbiges verbessern und vermehren. §. 265. Die Befriedigungsmittel seiner leiblichen Beduͤrfnisse verschaft er sich entwe- der dadurch, daß er Lohn bekommt, oder daß er seine Kunsterzeugungen verkauft, in beiden Faͤllen soll er gleich andern Erwerbern nach den Heischesaͤzen der Haushaltung zu Werke gehen. Den reinen Ertrag aber soll er theils zu Vervollkommnung seiner gelehrten Werkzeuge, theils aber, besonders wann er Frau und Kinder hat, auf die Stiftung ei- nes bequemen Gewerbes fuͤr ein jedes Glied seiner Familie, nach der Natur dieses Ge- werbes aufs nuͤzlichste verwenden. §. 266. Endlich soll ein jeder, der ein ge- lehrter Kuͤnstler werden will, sich vorher pruͤ- fen lassen, ob er Geisteskraft genug dazu habe, und wenn er das nicht hat, so soll er eben so wenig ein Gelehrter werden, als der Allgemeine Handlungswirthschaft der Lahme ein Laͤufer, oder der Stammler ein Redner . Das moͤgten alle Gelehrten in Absicht auf ihre Soͤhne wohl merken. Mancher Predigerssohn schickte sich besser zum Handwerksmanne, und der Sohn ei- nes Arztes zum Pfluge, als zu seines Vatters Geschaͤfte. Wann wird das elende Vorurtheil des Standes zum Abgrunde verdammt werden? Allgemeine Handlungswirthschaft. §. 267. Beides, die rohen- oder oͤkono- mischen Erzeugungen, und die Kunsterzeu- gungen, begreife ich zusammen unter einem Namen der oͤkonomischen Guͤter. Diese bestehen aus sehr vielfaͤltigen rohen und Kunsterzeugungen. Da nun die Beduͤrfnisse der Menschen sehr mannigfaltig sind, und nicht alle Oerter der Erde mit allen dazu ge- hoͤrigen Befriedigungsmitteln versehen sind; ferner, da die mehresten Oerter solche Mit- tel uͤberfluͤssig hervorbringen, die den andern mangeln, so ist daher die Nothwendigkeit entstanden, daß ein Ort mit dem andern die uͤberfluͤssigen gegen die fehlenden oͤkonomischen Guͤter austauscht, damit einem jeden Men- J 2 schen Allgemeine schen die Befriedigung seiner Beduͤrfnisse erleichtert werde. §. 268. Mit diesem Tauschgewerbe be- schaͤftigt sich also die Handlungswirth- schaft, und sie lehret: wie man die uͤber- fluͤssigen oͤkonomischen Guͤter sich zum Ei- genthume erwerben, und wiederum an dem Orte, wo sie fehlen, gegen ande- re vertauschen muͤsse, damit der hoͤchste Ertrag herauskomme. Und wie man nach Befriedigung eigener Beduͤrfnisse den gewonnenen hoͤchsten reinen Ertrag wiederum zu Verbesserung und Vermeh- rung der Nahrungsquelle auf die nuͤz- lichste Weise verwenden muͤsse. §. 269. Die Beduͤrfnisse der Menschen sind sehr haͤufig, und eben so verschieden, hinge- gen sind auch die oͤkonomischen Guͤter hoͤchst mannigfaltig, und endlich sind unendlich vie- le zufaͤllige Umstaͤnde, die sich nicht alle be- stimmen lassen. Dieses alles wirkt auf das Tauschgewerbe und veraͤndert es auf vielfa- che Weise. Doch lassen sich verschiedene Klas- sen ordnen, mithin auch allgemeine Grund- saͤze Handlungswirthschaft saͤze angeben, wornach die Gewerbe jeder Klasse, und dann auch des Ganzen einge- richtet werden muͤssen. §. 270. Die bestimmte Erkaͤnntniß jeder Klasse des Tauschgewerbes, und die Grund- saͤze derselben, machen den ersten Abschnitt der Handlungswirthschaft aus: ich nenne denselben die Handlungswissenschaft. Die Grundsaͤze des ganzen Gewerbes aber, wie jeder Kaufmann mit seinem gewonnenen Er- trage und reinen Ertrage zu Werke gehen muͤs- se, ordne ich in den zweiten Abschnitt der Handlungshaushaltung. §. 271. Die fruchtbare Quelle der Er- kaͤnntnissen und daraus geflossener Grund- saͤzen ist die Erfahrung, die Quelle der Er- fahrung ist die Geschichte. Allgemeine Handlungswissenschaft. a) Geschichte des Tausches. §. 272. Wann im ersten Alter der Mensch- heit einem Hausvatter ein Befriedigungsmit- tel fehlte, das er nicht selber erwerben konn- te: sahe aber, daß es ein anderer uͤberfluͤssig hatte, so sprach er denselben darum an. Als J 3 der Allgemeine der Begriff von Eigenthume und Werthe der Erzeugungen noch nicht reif war, gab einer dem andern seinen Ueberfluß umsonst. §. 273. Als sich die Beduͤrfnisse erhoͤhten, und kein Hausvatter mehr faͤhig war, alle seine Befriedigungsmittel selber zu erziehen, und zu bereiten, so sprach einer den andern um etwas an; der andere hatte aber auch Mangel, sie wurden eins, daß einer dem andern das uͤberlassen solle, was er bedurfte gegen das, was der andere uͤbrig hatte, und so entstand der Tausch. §. 274. Wann eine Beduͤrfniß hoͤchst we- sentlich wurde, so wurde das Verlangen nach dem Befriedigungsmittel desto heftiger. Derjenige, welcher den Ueberfluß davon hat- te, doch aber selbigen gern behalten wollte, entweder denselben auf die Zukunft zu behal- ten, oder ihn sonst in seine Nahrungsquel- le zu verwenden, schlug die Ueberlassung ab, der Duͤrftige aber both ihm den Tausch an, und vermehrte sein Tauschmittel so lang, bis der Wohlhabende merkte, daß er mit dem Tauschmittel eben den Nuzen haben koͤnnte, den Handlungswissenschaft den er von seinem Ueberflusse zu haben hoft, und nun beschließt er den Tausch. Dieses ist der Ursprung des Werthes. §. 275. Der Werth einer Sache ist also der bestimmte Grad der Beduͤrfniß, wo- von die Sache ein Befriedigungsmittel ist. Der Preis aber ist die Bestimmung des Tauschmittels, so, daß es mit dem Werthe des Befriedigungsmittels einen gleichen oder etwas hoͤhern Grad habe. §. 276. Es entstunden in einer Gegend Beduͤrfnisse, deren Befriedigungsmittel die Erde an dem Orte nicht hervorbrachte, hin- gegen in andern benachbarten Laͤndern waren sie uͤberfluͤssig: man reißte dahin um sich von dem Ueberflusse zu versorgen, aber man kannte den Werth, bestimmte den Preis, es waren also Tauschmittel noͤthig, man erkundigte sich nach den dortigen Beduͤrfnissen, fand, daß man selbst, oder andere Gegenden Befrie- digungsmittel dafuͤr habe, man machte sich dieselben eigen, und so tauschte man. §. 277. So entstand allmaͤhlig der Kreislauf der oͤkonomischen Guͤter durch das Tauschge- J 4 werb Allgemeine werb. Allein der Hausvatter fand, daß sein ei- genes Gewerb uͤber dem Reisen versaumt wur- de, es fanden sich Leute, welche kein Gewerb hatten, die also das Tauschen zu ihrem eigenen Gewerbe machten. Diese thaten also die Rei- sen, versahen sich mit Tauschmitteln, machten sich die uͤberfluͤssigen Guͤter eines Ortes zum Ei- genthume, und vertauschten sie wiederum da, wo sie den hoͤchsten Werth hatten, und das war der Anfang der eigentlichen Kaufmann- schaft oder Handlung. §. 278. Die Schoͤnheit, Bestaͤndigkeit und Geschmeidigkeit des Goldes und des Sil- bers brachte diesen Metallen bald einen ho- hen Werth bei. Ueberall, wo die Kaufleu- te hinkamen, war Mangel an diesen Metal- len, ihr Beduͤrfniß war allgemein ; folg- lich, wenn man sie hatte, so hatte man ein allgemeines Tauschmittel. Die Kaufleute er- kundigten sich darnach, sie wurden aufge- sucht, ausgeschmolzen, und als ein all- gemeines Tauschmittel in dem Tauschgewer- be gebraucht. Vielleicht muͤßte ich das beweisen, al- lein Handlungswissenschaft lein die wahre Geschichte der fruͤhen Menschheit beweißt es fuͤr mich. §. 279. Ein allgemeines Tauschmittel er- langt in dieser Eigenschaft noch einen hoͤhern Werth. Ein jeder, der ein mangelndes Be- friedigungsmittel sucht, denkt auf ein Tausch- mittel: nun weis er, daß Gold oder Silber das beßte ist, folglich sucht er sich bei jeder Gelegenheit einen Vorrath davon zu samm- len, mithin wird es nun erst recht zum allge- meinen Beduͤrfnisse, und folglich wesentlich. §. 280. Die Reisen zu Wasser sind we- niger kostbar, weniger beschwerlich, als die Landreisen: man braucht auch nicht durch vielerlei Laͤnder in grosen Gesellschaften we- gen der Raͤuber zu reisen. Viele Laͤnder sto- sen an Seen und Meeren, sie sind sich daher alle gleichsam Nachbarn. Der Ruf von Vol- ke zu Volke, von Lande zu Lande, dieser oder jener Ort sei reich an Golde und Sil- ber und andern Kostbarkeiten, trieb unter- nehmende Koͤpfe zu Versuchen schwerer Rei- sen. Man verbesserte den Schiffbau, fuhr von Kuͤste zu Kuͤste, und fand Ueberfluß des J 5 Tausch- Allgemeine Tauschmittels und anderer Befriedigungs- mittel: daher uͤberschwenglicher Ertrag im Gewerbe. §. 281. Die ersten gluͤcklichen Versuche machten unzaͤhlige Nachahmer: man fand Oerter, welche zu den Seereisen nach vielen Gegenden bequem lagen. Hier schlugen die reisende Kaufleute und Seefahrer ihre Huͤt- ten auf. Allein es gab viele boͤse Menschen, welche ohne Muͤhe reich werden wollten, sich aufs Rauben legten, daher Anlaß gaben zu befestigten Wohnungen, Staͤdten, Schloͤs- sern, Gegenwehr, und allerhand dagegen gerichteten Anstalten. §. 282. So entstanden Seestaͤdte und han- delnde Staaten, unter welchen in der bekann- ten Welt Tyrus eine von den aͤltsten und beruͤhmtesten war, Carthago folgte darauf, hernach die Jtaliaͤner, fort Venedig, Ge- nua, Britanien, Portugall, Spanien, Frankreich, Holland, und endlich alle Staaten von Europa, und viele andere Reiche der Welt. §. 283. Handlungswissenschaft §. 283. Anfaͤnglich wog man das Tausch- mittel, und zahlte es nach dem Gewichte uͤber; allein es entstanden Kuͤnstler, welche die Ver- besserung unedler Metalle versuchten, und etwas aͤhnliches hervorbrachten. Dieses wur- de fuͤr wahres Gold und Silber ausgegeben; weil aber diese Kuͤnsteleien nicht stich hiel- ten, wieder ihre vorige Natur annahmen, und also der lezte Jnhaber um den Werth betrogen wurde, so dachte man auf Mittel sich dagegen zu verwahren. Leute von gro- sem Credit, die weit und breit bekannt wa- ren, Fuͤrsten oder handelnde Staaten, wogen Stuͤcklein Goldes und Silbers von allerhand bestimmten Gewichten ab, zeichneten sie durch ihre Namen, oder mit andern Zeichen, die nicht leicht nachzumachen waren, hiedurch wurde die Verfaͤlschung schwerer, und die- ses gezeichnete Tauschmittel wurde nunmehr guͤltig. So entstand das Geld, und mit demselben die Muͤnzwissenschaft. §. 284. Theils das nach seinem inneren Werthe oder Gehalt (Aloy) schlechtere Me- tall, theils auch der Mangel des Geldes, sezten Allgemeine sezten andere Muͤnzen von besserem Stoffe auf hoͤheren Werth; um selbiges zu bekom- men, sezte man im Geld um Geld (Al pa- ri) auf den Eintausch des bessern ein Aufgeld (Agio): daher entstund der Geldhandel, es fanden sich Leute, welche durch den Gewinn mit dem Agio ein Gewerb errichteten, und so entstand der Wechselhandel. §. 285. Dazu kam aber die Erfindung der Wechselbriefe. Es waren zween Orte A und B. Der Kaufmann in A lieferte Waaren an einen Kaufmann in B. Ein anderer Kaufmann in B lieferte Guͤter nach A. Folg- lich waren an jedem Orte zween Kaufleute, einer der zu bezahlen, der andere zu empfan- gen hatte. Nun hatte einer von ihnen in A den Einfall: man koͤnnte ohne das schwer- faͤllige Hin- und Herschicken des Geldes leicht die Bezahlung bewerkstelligen, wenn sich die zween Kaufleute in A bezahlten: und eben so die zween in B. Dieses wurde durch schrift- liche Anweisung eines Schuldners an den an- dern bewerkstelligt; das war der Ursprung des Wechselbriefes (Cambio). §. 286. Handlungswissenschaft §. 286. Nachdenken, Zufall und Bequem- lichkeit haben zu unendlich vielen Einrichtun- gen und Erfindungen im Handelswesen An- laß gegeben, so, daß die Geschichte der Hand- lung sehr vielen Stoff zu ausgebreiteten Er- kaͤnntnissen an die Hand gibt: mithin sehr nothwendig und nuͤzlich, besonders solchen Maͤnnern ist, welche im Staatswesen etwas auszurichten gedenken. §. 287. So angenehm die philosophischen Geschichten der handelnden Menschheit sind, so nuͤzlich sind sie auch, sie verbreiten Licht uͤber alle Wissenschaften: ich hab’ daher fuͤr gut befunden, jeder Kameralwissenschaft ei- nen Elementar-Entwurf ihrer Geschichte vor- zuschicken, und darauf die Grundbegriffe des Gewerbes selbsten folgen zu lassen. Dieser Ordnung gemaͤß gehe ich nun uͤber zu den b) Tauschgewerben. §. 288. Wann der Kuͤnstler und Hand- werker seine Nahrungsquelle verbessern und erweitern will, so, daß er seine rohe Erzeu- gungen selber kauft, und solche fruͤh hat, oder wann er seine verfertigte Waaren ver- kauft, Allgemeine kauft, oder selbige auf den Kauf macht, so graͤnzt er schon nahe ans Handelsgewerb, es fehlt ihm nur noch daran, daß er seine Nahrungsquelle aus der Kunst ins Tausch- gewerb verwandle. §. 289. So entsteht schon im Kunstgewer- be der Urkeim des Tauschgewerbes. Wer sich eine gewisse Menge oͤkonomischer Guͤter gegen andere eintauscht, und solche an dem Orte, wo sie fehlen, wieder vertauscht, so, daß er dieses Tauschgewerb zur Nahrungs- quelle macht, der ist schon ein Kaufmann; da nun der wohlhabende Handwerker oͤfters allerhand Kleinigkeiten, die mit seinem Ge- werbe verwandt sind, feil hat: so ist er schon in so weit ein Kaufmann, als der Gewinn des Tauschgewerbes betraͤchtlich ist. §. 290. Ein solcher Mann, der sich eine Menge von Befriedigungsmitteln, die in seiner Gegend fehlen, bekannt macht, selbi- ge alsdann, wo sie uͤberfluͤssig, das ist: feil sind, einkauft, und sie im kleinen wieder an diejenigen, welche sie unmittelbar zur Be- friedigung ihrer Beduͤrfnisse verwenden, ver- kauft, Handlungswissenschaft kauft, heißt ein Kraͤmer, seine Nahrungs- quelle, oder besser sein Gewerb heißt Kraͤ- merei, und sein Waarenlager heißt ein Kram- laden. Diese erste Klasse des Tauschgewer- bes treiben Kuͤnstler bei ihrem Gewerbe, auch gibts Maͤnner, die sich eine Hauptnahrungs- quelle damit errichten, und die Kraͤmerei zu ihrem wahren Gewerbe machen. §. 291. Andere Handwerksmaͤnner machen eine Menge von ihren Kunsterzeugungen fer- tig, bringen selbige in ihren Waarenladen, und verkaufen sie. Diese haben schon eine Manufaktur im Kleinen. Wenn daher ein Mann ein Kunstgewerb errichtet, die rohe Erzeugungen einkauft, selbige alsdann durch Kuͤnstler fuͤr Lohn fertig machen laͤßt, die Kunsterzeugungen in sein Waarenlager schaft, und damit Handlung treibt, so heißt er ein Kunsthaͤndler (Fabriquant), sein Gewerb heißt Kunst- oder Werkhandel (Manufak- tur oder Fabrique). §. 292. Man beobachtet zwischen den Woͤr- tern Manufaktur und Fabrique einen Unter- schied: erstes soll solche Kunstwerke bedeuten, die Allgemeine die aus dem Thier- und Pflanzenreiche ent- stehen, lezteres aber bezieht sich auf Metall- arbeiten. Jm gemeinen Leben wird der Un- terschied dieser Woͤrter sehr wenig geschaͤzt. Fabrique nimmt man fuͤr beides. Doch weil es die Gelehrten einmal so haben wollen, so will ich auch diese Woͤrter bestimmen. Ma- nufaktur soll Werkgewerb, Fabrique aber Metallgewerb bedeuten; beide zusammen will ich unter dem Namen des Werkhandels zur zweiten Klasse der Tauschgewerbe machen. §. 293. Wenn jemand oͤkonomische Guͤter einkauft, sie in sein Waarenlager oder Pack- haus ordnet, hernach wieder zu ganzen Stuͤ- cken oder Ballen, oder sonst ins Grose ver- kauft, so nennt man dieses kaufmaͤnnisch: Handlung ins Grose ( en gros ). Diese be- greift nun zwar alle uͤbrige Tauschgewerbe in sich, in so weit sie betraͤchtlich sind, doch ent- halten folgende noch besondere Umstaͤnde, vermoͤg welcher sie sich von allen andern un- terscheiden. So entsteht die dritte Klasse der Tauschgewerbe. §. 294. Handlungswissenschaft §. 294. Entfernte, jenseits dem Meere gelegene Laͤnder, oder solche, wohin man auf einem Strome kommen kann, enthalten sehr oft oͤkonomische Guͤter, woran man vie- len Vortheil haben kann: daher ist der Handelsmann bemuͤht, diese Guͤter dort selbst einzukaufen, daselbst abzuholen, in sein eigenes Waarenlager zu bringen, und mit Nuzen wieder zu verkaufen. §. 295. Desgleichen wohnt der Kaufmann oft an einem Orte, wo viele oͤkonomischen Guͤter uͤbrig sind, die in entfernten Laͤndern theuer bezahlt werden: daher wuͤnscht er sie dorthin bringen zu koͤnnen, folglich denkt er darauf, einen Tausch anzustellen, damit sei- ne Versendungswerkzeuge doppelten Nuzen abwerfen moͤgen. Er laͤßt sich also in die Schiffsrhederei ein. Das ist: er baut entweder allein, welches gefaͤhrlich ist, oder in Gesellschaft anderer, ein oder mehrere Schiffe, sie ruͤsten selbige aus, versenden ihre Waaren gemeinschaftlich, und theilen sich zusammen in den daher entspringenden Nuzen der Frachtgelder. Diese Gattung des K Tausch- Allgemeine Tauschgewerbes macht die vierte Klasse, die Schiffsrhederei aus. §. 296. Die Schifffahrt ist vielen gefaͤhr- lichen Zufaͤllen unterworfen: Sturm, ver- borgene Felsen, Sandbaͤnke, Seeraub, Krieg, und was dergleichen mehr ist, gibt mannig- faltigen Anlaß zu grosem Verluste; da nun durch denselben ein rechtschaffener Kaufmann, besonders wenn er verschiedene Male nach ein- ander ein solch Ungluͤck hat, leicht zu Grun- de gerichtet werden kann, so sind Leute ent- standen, welche mit vielen Reichthuͤmern ver- sehen, die Schiffe versichern. §. 297. Ein Versicherer verpflichtet sich durch einen Accord, daß er, im Falle das Schiff verungluͤcken sollte, dasselbe nebst den Waaren, die darauf geladen worden, voͤl- lig verguͤten wolle: deswegen muͤssen aber al- le Waaren im Accord benennet werden, da- mit er wissen koͤnne, was er wagt. Dage- gen empfaͤngt er aber auch ein Waggeld (Praͤmie) von den Schiffsrhedern, die sich aber just verhaͤlt, wie der Anschein der Ge- fahr. Weil doch nun die wenigsten Schiffe ver- Handlungswissenschaft verungluͤcken, so kann ein Mann, der Geld genug hat, und sich mit dem Versicherungs- wesen abgibt, vieles dabei gewinnen, aber auch bald arm werden. §. 298. Nicht allein die Schifffahrt, son- dern auch andere gefaͤhrliche Unternehmungen und Gefahren koͤnnen gesichert werden. Der- jenige Handelsmann, welcher das Versiche- rungswesen unternimmt, heißt Assuͤradeur oder Versicherer; wer sich versichern laͤßt, heißt der Assuͤrirte; die Guͤter heisen Assuͤ- rirte Guͤter, und diese fuͤnfte Klasse der Tauschgewerbe heißt: das Versicherungs- gewerb (Assekuration) oder auch Assuͤranz. §. 299. Ein betraͤchtlicher Theil der Schiff- fahrt gruͤndet sich auf die Fischerei, Wallfi- sche, Seehunde und dergleichen, Cabliau, Stockfische, Heringe, u. a. m. desgleichen auch die Korallen-Perlen- und Bernsteinfi- scherei gehoͤren unter ein eigenes Handelsge- werb, und machen die sechste Klasse der Tauschgewerbe, die Fischerei aus. §. 300. Der Wechselhandel wirft an und fuͤr sich selbst Ertrag aus, weil auf gewisse K 2 bessere Allgemeine bessere Muͤnzsorten Aufgeld gegeben wird. Wann man also in einem Lande Geld em- pfaͤngt, das von besserm Gehalte ist, und man vertauscht es in einem andern, wo schlech- tes ist, so bekommt man Aufgeld, und die- ses ist Ertrag, wenn die Summen gleich ge- rechnet werden. Hierzu gehoͤrt aber Kund- schaft der Muͤnzsorten vieler Laͤnder, und daß man wisse, das gute Geld an solchen Orten anzubringen, wo man mit dem dafuͤr em- pfangenen schlechten Gelde eben das ausrich- ten kann, was man mit dem guten bewerk- stelligen koͤnnte. §. 301. Allein der vornehmste Nuzen des Wechselhandels besteht im Verkaufe der Wech- selbriefe. Wenn in A viele Kaufleute sind, die in B zu bezahlen haben, so ist natuͤrlich, daß in A viele Wechselbriefe noͤthig sind, die in B bezahlt werden: folglich werden die Schuldner in A sich Muͤhe geben, solche Brie- fe zu bekommen: sie werden daher solche den Jnnhabern abkaufen, und mehr dafuͤr zah- len, als der Jnnhalt enthaͤlt. Dieses, was mehr bezahlt wird, nebst dem Aufgelde ma- chen den allgemeinen Wechselcours aus. §. 302. Handlungswissenschaft §. 302. Auch die Muͤnzsorten haben viel Einfluß in das Wechselgeschaͤft. Es gibt Laͤnder, wo man nur in gewissen Muͤnzsorten bezahlen kann, folglich wird der Wechselcours auf solche Muͤnzen hoͤher seyn, wenn sie nicht gut zu haben sind. Auch sonsten noch ande- re Ursachen in dem Handlungszustande, oder im Kriege und Frieden der Staaten haben Ein- fluß auf die Wechselcourse. Der Wechsel- handel macht die siebente Klasse der Tausch- gewerbe aus. Derjenige, welcher vornehm- lich denselben fuͤhrt, heißt ein Banquier. §. 303. Endlich gibts noch ein Tauschge- werb, welches aus allen andern zusammen gesezt ist. Wann ein sehr reicher Mann (Ka- pitalist) sich auf keine gewisse Handlung be- stimmt, sondern wann er an vielen Orten Correspondenten hat, die ihm immer fort be- richten, welche Waaren an solchen Orten vor- raͤthig sind, oder welche verlangt werden, al- les dieses notirt er sich wohl, und unter- nimmt dann, bald hier einen Kauf, bald dort eine Lieferung, so wie er glaubt den mehrsten Ertrag zu gewinnen. Dieses Tausch- K 3 gewerb Allgemeine gewerb heißt man eine Spekulationshand- lung: sie macht die achte Klasse aus. §. 304. Eine gewisse Handlung kann auch so betraͤchtlich seyn, daß sie fuͤr einen Mann zu schwer ist, oder wenn sie wegen verschie- dener Umstaͤnde gefaͤhrlich ist, so treten auch wohl ihrer verschiedene zusammen, und schlie- sen eine Handelsgesellschaft (Compagnie). Jn diesem Falle legen alle Glieder entweder gleichviel ein, und so wird der Ertrag gleich getheilt; oder ein jeder traͤgt nach Willkuͤhr, oder Vermoͤgen bei, so wird der Ertrag nach dem Verhaͤltnisse des Einsazes bezahlt. §. 305. Die Unternehmung eines Han- delsgewerbes kann auf ein gewisses bestimm- tes Kapital gesezt werden: dieses Kapital theilt man in gewisse Stammtheile (Aktien). Wer nun ein solches Stammtheil an der Handlung haben will, der muß das Geld bezahlen, welches das Stammtheil des Ka- pitals andeutet, dagegen bekommt er einen schriftlichen Versicherungsschein, von den uͤbrigen Jntressenten, vermoͤg welchem er sei- nen Antheil am Ertrage einkassiren kann. Ein solcher Schein wird auch eine Aktie genennt. §. 306. Handlungswissenschaft §. 306. Der Jnnhaber einer Aktie kann selbige verkaufen. Wenn nun gute Hofnung zum Gewinne ist, so wird ihm seine Aktie theurer bezahlt, als wenn mann Verlust be- fuͤrchtet. Daher entsteht der Aktienhandel, und das Steigen und Fallen derselben. Die verschiedenen Gattungen des Compagniehan- dels bringe ich unter die neunte Klasse der Tauschgewerbe. §. 307. Es gibt noch verschiedene Gewer- be, deren jedes fuͤr sich besteht, die aber theils zu Erleichterung, theils auch zu Befoͤrderung der Tauschgewerbe eingerichtet sind. Ein solches Hilfsgeschaͤft entsteht aus der Hand- lung, und kann ohne dieselbe nicht seyn. Die Versendung oder Versezung der Guͤter von einem Orte an den andern (der Trans- port) geschieht zu Lande und zu Wasser. Die Versendung zu Lande heißt man das Fuhr- werk; dieses bring ich zur ersten Klasse der Hilfsgeschaͤfte der Handlung. §. 308. Die Versendung zu Wasser ge- schieht mit Schiffen; dieses betraͤchtliche Hilfs- geschaͤft, in so weit es sich mit Kaufmanns- K 4 guͤtern Allgemeine guͤtern abgiebt, bringe ich zur zweiten Klasse der Hilfsgeschaͤfte, und nenne sie die kauf- maͤnnische Schifffahrt. Der Mann, wel- cher sich die Schiffahrt zum Gewerbe macht, heißt der Schiffmann. Wer sich das Fuhr- werk zum Gewerbe macht, heißt ein Fuhr- mann. Der Lohn, den sie vom Kaufman- ne bekommen, ist ihr Ertrag, und heißt die Fracht. §. 309. An starken Handelsorten, wo sehr viel Geschaͤfte gethan werden, ist es dem Handelsmanne nicht moͤglich, alles, was unter der ganzen Kaufmannschaft vorgeht, was feil ist, und was verlangt wird, zu wissen. Ferner wird auch die Muͤhe fuͤr ihn unendlich seyn, wenn er selbsten, oder seine Bedienten bestaͤndig umherlaufen, und sich nach allen Dingen erkundigen wollten; ich geschweige, daß er viele noͤthige Geschaͤfte daruͤber versaͤumen wuͤrde. §. 310. Man hat derowegen treue, in Handlungssachen erfahrne, und zu diesem Zwecke vereidete Leute in Dienst genommen, deren Pflicht es ist, sich nach allem, was sich in Handlungswissenschaft in Handlungssachen merkwuͤrdiges ereignet, zu erkundigen und zu notiren. Wenn daher ein Kaufmann Waaren oder Wechsel feil hat, oder selbige verlangt, so wendet er sich an einen solchen Mann, welcher am beßten weis, wo er etwas lassen, und wo er etwas bekom- men soll, auch sind ihm die Preise bekannt. Durch denselben werden auch Contrakte ge- schlossen, und er ist eigentlich der wahre Be- diente der Handlung; er heißt ein Makler, und sein Geschaͤft die Makelei. Der Lohn, welchen er fuͤr seine Muͤhe bekommt, heißt Abzug (Courtage). Diese ist die dritte Klasse der Hilfsgeschaͤfte. §. 311. Es gibt verschiedene Geschaͤfte, welche der Kaufmann in fremden Orten durch andere besorgen laͤßt. Entweder laͤßt er durch jemand seine Waaren weiter versenden, so, daß derjenige, welcher diese Besorgung hat, weder einkauft, noch verkauft, sondern nur befrachtet, und andere Abgaben entrichtet. Dieser Mann heißt ein Versender (Spedi- teur), und sein Geschaͤft heißt Versendung (Spedition). Diese macht die vierte Klasse der Hilfsgeschaͤfte aus. K 5 §. 312. Allgemeine §. 312. Wenn aber ein Kaufmann in der Ferne jemand haben muß, der seine Geschaͤf- te fuͤr ihn besorgt, als wann er selbsten zu- gegen waͤre, so, daß er fuͤr ihn einkauft, ver- kauft, Wechsel besorgt, bezahlt und einkas- siret, so ist dieses ein Commissionsgeschaͤft, und er selbst heißt ein Commissionair. Man koͤnnte erstes: Geschaͤftverweserei, und lezteren: Geschaͤftverweser nennen. Diese Ge- werbe machen die fuͤnfte Klasse der Hilfsge- werbe aus . Der Faktor und seine Faktorie gehoͤrt auch zu dieser Klasse. §. 313. Ein handelnder Ort, welcher uͤber See Geschaͤfte treibt, und besonders einen gewissen Seehafen braucht, der unter der Gewalt einer fremden Nation steht, hat an einem solchen Orte einen Mann noͤthig, wel- cher uͤber die Vesthaltung der geschlossenen Traktaten, und uͤber die Rechte seiner Vor- gesezten wacht. Weil nun ein solcher Mann die Rechte eines Gesandten genießt, und in eben der Eigenschaft, nur in geringerem Gra- de, anzusehen und zu behandeln ist, so will ich Handlungswissenschaft ich denselben einen Handlungsgesandten nennen. Die Kaufleute nennen ihn Consul. Sein Geschaͤft macht die sechste Klasse aus. §. 314. Wann es sich zutraͤgt, daß ein Handelsort zu gleicher Zeit viel zu bezahlen hat, so kann geschehen, daß das Geld er- schoͤpft wird, woraus allerhand Unordnun- gen entstehen koͤnnen. Oder: man findet, daß der Umschlag in barem Gelde, beson- ders in grosen Summen, viel Muͤh erfodert. Oder: ein oder anderer Kaufmann hat Cre- dit und Geld genug, hat sich aber ausgege- ben, und nicht genug in Cassa. Jn allen diesen Faͤllen ist es gut, wenn jemand Ka- pitale liegen hat, welche man angreifen kann. §. 315. Daher haben verschiedene han- delnde Staaten eine oͤffentliche Kasse errich- tet, deren Credit der Staat unterstuͤzt. Jn eine solche Casse kann ein jeder sein uͤbriges Geld gegen ein ertraͤgliches Jnteresse in Ver- wahrung legen. Wann ein solcher Kaufmann etwas zu bezahlen hat, so darf er nur sei- nem Creditor einen Zettel geben, auf wel- chem er ihm, aus der Casse zu empfangen, zu- Allgemeine zuschreibt, was er schuldig ist. Da eine sol- che oͤffentliche Casse eine Bank heißt, so wer- den solche Scheine Bankzettel oder Bank- noten genennt, welche oͤfters eben so, wie die Wechselbriefe, gekauft und verkauft wer- den. Das Bankgeschaͤft macht die siebente Klasse der Hilfsgeschaͤfte aus. §. 315. Diese bisher vorgetragene Tausch- gewerbe mit ihren Hilfsgeschaͤften schliesen alles in sich, was der Kaufmann zu betrei- ben hat. Ein jeder wird leicht begreifen koͤn- nen, daß der Handelsmann, wenn er seine Sachen gut machen will, vielerlei Hilfswis- senschaften noͤthig habe. Besonders muß er die Schreib- und Rechenkunst aus dem Grunde verstehen, und der geschickteste Buchhalter seyn. Dieser Saz bedarf kei- nes Beweises, weil er durch die allgemeine Erfahrung bewahrheitet ist. Dasjenige Zim- mer, welches der Kaufmann zu seinem Schrei- ben, Rechnen, zu seinen Buͤchern und Kas- se bestimmt, heißt das Comtoir, man koͤnn- te es auch die Handelsstube nennen. §. 316. Handlungswissenschaft §. 316. Vorzuͤglich Grosirer, das ist: Kaufleute, die ins Grose handeln, sollen die Lage der Laͤnder, Staͤdte, Seehaͤfen, Mee- re, Seen und Fluͤsse wohl kennen, damit sie die beßten Wege zur Versendung bestimmen koͤnnen; da nun das alles in der Erdbe- schreibung (Geographie) gelehrt wird, so soll der Kaufmann diese Wissenschaft verste- hen. §. 317. Da sich die Handlung auf die Ge- seze und Polizei der Staaten gruͤndet, so soll auch der Kaufmann Kaͤnntniß von der Staats- wirthschaft, und wie sie in den handelnden Laͤndern verwaltet wird, besizen. Desglei- chen muß er auch die kaufmaͤnnischen Rechte, besonders das Wechselrecht verstehen, und wissen: wie es in den handelnden Staaten geordnet ist. §. 318. Die Handelsgeschichte lehrt: wie die Unordnungen der Staaten auf die Hand- lung gewuͤrkt haben; desgleichen wie grose und wichtige Geschaͤfte entstanden, was sie gehindert, und was sie befoͤrdert hat. De- rowegen soll sich der Kaufmann dieselbe be- kannt Allgemeine kannt machen, sie wird ihm eben den Nuzen leisten, den eine lange Erfahrung leistet. §. 319. So sonderbar es scheint, wenn ich die Redekunst dem Kaufmanne empfeh- le, so nuͤzlich ist sie ihm doch. Die Rede- kunst macht einen der Sprache maͤchtig. Ein geschickter Redner ist auch ein geschickter Schreiber, und die Kaufleute wissen, was derjenige vermag, der den Styl in seiner Ge- walt hat. Auch soll der Handelsmann die Sprachen der handelnden Voͤlker verstehen. §. 320. Endlich ist auch dem Kaufmanne die Muͤnzwissenschaft unentbehrlich. Er muß nicht nur alle Geldsorten der handeln- den Staaten kennen, sondern er muß auch ihr Gehalt, ihr Schrot und Korn wissen, da- mit er das Aufgeld berechnen, und genau bestimmen koͤnne. Allgemeine Handlungs-Haushaltung. §. 321. Wer sich ins Tauschgewerbe ein- lassen oder ein Kaufmann werden will, der hat vieles noͤthig, ehe er dazu kommen kann. Er muß vorab die Hilfswissenschaften, vor- nehmlich aber Schreiben und Rechnen, aus dem Handlungshaushaltung dem Grunde verstehen, und beider Kuͤnste gewiß und fertig darinnen seyn. Die fran- zoͤsische Sprache ist sehr nuͤzlich, sie hat vie- len Einfluß in die allgemeine Sprachkunde, zugleich ist sie auch eine Modesprache, und wird in Europa durchgehends haͤufig ge- redet. §. 322. Das Tauschgewerb oder die Hand- lung ist zwar wissenschaftlich. Wer geschick- te Seelenkraͤfte hat, kann sich bald eine Nah- rungsquelle errichten: allein die Erwerbungs- mittel, nemlich das Tauschmittel oder Geld ist desto kostbarer, und doch kann ein recht gelehrter und geschickter Kaufmann nichts oh- ne dasselbe ausrichten. Freilich kann er, wenn er fuͤr redlich bekannt ist, Credit ha- ben, und blos durch denselben gluͤcklich wer- den; aber dieser Handel ist sehr gefaͤhrlich, er darf nur einmal an einen Kundmann (Cha- land) gerathen, der ihn nicht bezahlt, so kann er den Credit nicht halten, und es ist um ihn geschehen. §. 323. Es haben sich zuweilen einzelne Menschen gefunden, welche mit auserordent- licher Allgemeine licher Faͤhigkeit ausgeruͤstet, ohne Geld an- gefangen, und als grose Kapitalisten aufge- hoͤrt haben. Diese wahre Genies schauten um sich her, und entdeckten mit Adlersbli- cken nahe aber ungebahnten Wege, diese gien- gen sie, und traten alles, was ihnen in den Weg kam, darnieder; aber das ist nicht je- dermanns Werk, und man darf auf eine gute Nachfolge nicht immer Rechnung machen. §. 324. Jch will mir einen wackern Juͤng- ling vorstellen, ihn von der niedrigsten zu der hoͤchsten Klasse der Tauschgewerbe steigen las- sen, seine Grundsaͤze, die er befolgt, will ich niederschreiben, und so wird wohl die beßte allgemeine Handlungshaushaltung dar- aus werden. Zugleich aber muß ich anmer- ken, daß die kaufmaͤnnische Haushaltung, den Gipfel der Haushaltungskunst begreife. §. 325. Wenn ein Juͤngling Kaufmann werden will, so soll er erst die Hilfswissen- schaften, und alsdann die Handlung lernen. Dieses geschieht, wenn er sich bei einem recht- schaffenen Kaufmanne, der grose Geschaͤfte macht, in die Lehre gibt, von dem gering- sten Handlungshaushaltung sten an, alle Comtoirarbeiten durchgeht, und endlich mit kaufmaͤnnischen Reisen beschließt; izt hat er sich eine Nahrungsquelle erwor- ben, nun soll er sie aber auch errichten. §. 326. Zur Errichtung einer Nahrungs- quelle gehoͤren Erwerbungsmittel, diese sind bei der Handlung: baares Geld. Gesezt aber, der junge Handelsmann habe kein Geld, so kann er entweder suchen Makler, oder Commissionair oder Kraͤmer zu werden; zum ersten gehoͤrt nur ein rechtschaffener, red- licher Charakter, der ihn in Credit sezt, da- bei aber auch ein starker Handelsort, wo man Makler gebrauchen kann; ist dieses, so soll er mit aller Thaͤtigkeit, Fleis und unuͤ- berwindlicher Treue sein Geschaͤft ausrichten. §. 327. Die Courtage, welche er bekommt, soll ihm zu seiner eigenen Haushaltung genug seyn; wo es aber die Geseze erlauben, da soll er einen kleinen Spekulationshandel da- bei treiben, das ist: wenn er Gelegenheit sieht, daß jemand, der gut zahlt, etwas braucht, das er ohne Nachtheil seines Am- tes verkaufen kann, so soll er diese Waare L auf Allgemeine auf Credit bei jemand nehmen, und sie mit Nuzen wieder verkaufen; wenn er alsdann seinen Creditorn richtig bezahlt, so wird sich sein Credit mehren. Den Gewinn aber, den er aus solchem Nebenhandel zieht, soll er immer versparen, und ihn blos zu diesem Geschaͤfte verwenden, bis er ein hinlaͤngli- ches Handlungskapital erspart hat, womit er Handlung anfangen kann. §. 328. Wenn er Gelegenheit hat, Spedi- teur oder Commissionair zu werden, so soll er eben so mit seinem Lohne (Provision) aus- kommen, nebenher aber so, wie oben gesagt worden, im Kleinen anfangen, und sich ein Handlungskapital nach und nach erwerben. §. 329. Wenn aber ein junger Kaufmann zu dem allem keine Gelegenheit haͤtte, und doch gern eine Handlung treiben, und sich und eine Haushaltung damit naͤhren wollte, so ist der naͤchste Weg dazu zwar schwer, aber doch moͤglich. Das erste, was er thut, ist, daß er einen unwiderruflichen festen Entschluß faßt, erstlich: sich niemals durch die Lust verlei- ten zu lassen, jemand um einen Heller zu betruͤ- gen. Handlungshaushaltung gen. Zweitens: niemals zu borgen, wenn man nicht vollkommen gewiß ist, daß man bezahlen kann. Drittens: sich kein Vergnuͤ- gen zu erlauben, das Geld kostet, sondern nur mit den allerwesentlichsten Befriedigungs- mitteln sich zu begnuͤgen. Viertens: alle nur moͤgliche Quellen, Geld zu verdienen, in so fern sie goͤttlichen und menschlichen Ge- sezen nicht zuwider sind, aufzusuchen, und mit reger Thaͤtigkeit zu erwerben; und end- lich fuͤnftens: mit anhaltendem Gebet und frommen Wandel alles, was vorhanden kommt, frisch auszufuͤhren. §. 330. Nach diesem Vorsaze soll sich der junge Kaufmann in der Gegend, wo er lebt, nach den herrschenden Befriedigungs- mitteln erkundigen; was ein jeder Mann, und besonders das weibliche Geschlecht nebst den Kindern in den Haushaltungen stark braucht, und das nicht viel Geld kostet, die- ses soll er sich zu seinem Gegenstande waͤhlen, Leinen, Band, Nadeln, Naͤhgarn oder so etwas, soll er an den Orten, wo dergleichen gemacht wird, einkaufen, auf seinem Ruͤcken L 2 von Allgemeine von Hause zu Hause tragen, und so verkau- fen. Zu dem Ende ist ihm ein kleines Stuͤck Geldes hinlaͤnglich, das er leicht bei einem Freunde wird lehnen koͤnnen. Diese Regeln hab’ ich aus verschiedenen merkwuͤrdigen Beispielen ausgezogen, und zu Heischesaͤzen umgeordnet. Beim Hausiren wird mancher Juͤngling mit gepudertem hohem Toupee die Nase ruͤm- pfen, allein, wer das thut, der ist nicht geschickt des Vatterlandes Vatter zu werden. §. 331. Den Ertrag, welchen er auf sol- che Weise gewinnt, soll er mit hoͤchstem Fleise zu rath halten, und so bald er sein geliehe- nes Kapital verdient hat, soll er es wieder geben, und nun mit seinem eigenen Gelde wieder von vorn anfangen, und so durch Be- friedigung seiner allerwesentlichsten Beduͤrf- nisse immer suchen den reinen Ertrag so hoch zu bringen, als er kann, und denselben al- lemal zum Erwerbungsmittel machen. §. 332. Die Waaren, welche er einkauft, sollen die beßten seyn, die er haben kann, und weil er also fort bezahlt, so kann er auch schaͤr- Handlungshaushaltung schaͤrfer dingen, mithin wohlfeiler kaufen; im Verkaufe soll er nicht so sehr auf den hoͤch- sten Preis, als vielmehr auf promte Bezah- lung, und oftmaligen geschwinden Umschlag denken. §. 333. Wenn er sich durch geschwinde und gute Bedienung genugsame Kunden (Cha- landisen) erworben hat, so kan er sich mitten zwischen denselben an einem Orte, wo ent- weder eine Kirche, oder sonstige Gelegen- heit eines starken Zuflusses vieler Menschen ist, niederlassen, und einen Kramladen er- richten; Leute, die seine Rechtschaffenheit, gute Waaren und liebreichen geselligen Um- gang kennen, werden zu ihm kommen, und seine Waaren abholen. §. 334. Durch Aufmerksamkeit auf das, was im Handelsgeschaͤfte umgeht, und durch politische Verschwiegenheit dessen, was etwa in seine Sache einschlaͤgt, wird er sich taͤg- lich Quellen entdecken, wo er gute Kaͤufe schliesen, und Vortheile gewinnen kann. Nun schraͤnkt er sich nicht mehr auf gewisse Waa- ren ein, sondern alles, was Nuzen bringt, L 3 schlaͤgt Allgemeine schlaͤgt er in seinen Handel, und besonders soll er dahin sehen, daß er bald sorge, grose Massen mit Sicherheit und geschwind umzu- schlagen, um also zum Uebersaze und ins Grose zu gelangen. §. 335. Bis hieher ist schon mancher Hand- lungsliebhaber vorgedrungen, auf Doͤrfern und in Staͤdten findet man solche Kraͤmer, aber sie kommen selten weiter, als bis dahin, und daran ist Schuld, daß sie selten grose Genies sind, keine ausgebreitete Kaͤnntnisse haben, blos darauf sehen, wie sie wohlha- bende Leute werden, und nicht wie sie die hoͤchste Stuffe erreichen, und Land und Leu- te gluͤcklich machen koͤnnen: sie begnuͤgen sich mit einem gewissen Schaze, den sie nun an- beten, wohl davon leben, oder aus Geiz nichts mehr wagen doͤrfen. §. 336. Ein edler empor ringender Geist hat nur den Zweck, sein Kapital so sehr zu vergroͤsern, als er kann, nicht um reich zu werden, sondern seine Nahrungsquelle so sehr zu vergroͤsern, als er kann, ein edler Ehrgeiz treibt ihn, der Vatter seines Vat- ter- Handlungshaushaltung terlandes zu werden, dasselbe zu bevoͤlkern, und alles wohlhabend zu machen; er sieht schon im Geiste auf allen Huͤgeln bluͤhende Haͤuser, Felder und Gaͤrten, und diese Jdee ist ihm Reiz, alles zu diesem Zwecke zu wagen. §. 337. Wenn der Kaufmann auf dem Lande, und an einem Orte wohnt, wo er wegen Mangel an Versendungsmitteln keine grose Geschaͤfte thun kann, und nun seine Nahrungsquelle nicht mehr erweitern kann, so soll er auf eine Manufaktur denken. Zu diesem Zwecke erforscht er alle Erderzeugun- gen seines Landes, so wohl diejenigen, wel- che es wirklich gibt, als auch die, welche es geben kann. §. 338. Findet er eine rohe Erzeugung, welche ungenuzt aus dem Lande geht, oder eine solche, die in seinem Lande vorzuͤglich gebaut werden kann: oder bietet sich in der Nachbarschaft eine Gelegenheit an, so, daß er leicht ein rohes Produkt haben kann, so soll er die Zubereitung desselben kunstmaͤsig kennen lernen, alles erforschen, was dazu gehoͤrt, und so urtheilen, ob er auch dem L 4 klein- Allgemeine kleinsten Anfange gewachsen sei, desgleichen muß er auch ehe gewiß seyn, ob, und wo er seine Kunsterzeugungen mit Nuzen verkaufen koͤnne. §. 339. Nach allen diesen Umstaͤnden soll er sich nun einen Plan bilden, denselben fest- sezen, und alsdann so klein, als moͤglich, anfangen. Er kauft sich einen kleinen Vor- rath roher Erzeugungen, laͤßt denselben ver- arbeiten, und verkauft die verfertigte Waa- ren. Alles Geld, was er daraus loͤßt, ver- wendet er wieder in seine Manufaktur, so, daß er gleichsam eine eigne Handlung damit fuͤhrt, und niemals von ihrem Ertrage in seine Haushaltung verwendet: denn diese muß er aus seiner ersten Nahrungsquelle fuͤh- ren. Auf solche Weise waͤchst die Manufak- tur geschwind, und breitet sich weit aus. §. 340. Seine Arbeitsleute muß er lieb- reich aber doch feurig behandeln; sie muͤssen ihn lieben, aber eben so sehr fuͤrchten; sie muͤssen uͤberzeugt seyn, daß ihr Herr ein gro- ser unternehmender Mann ist, der ihr Hand- werk besser, als sie versteht, der weit vor ih- nen Handlungshaushaltung nen her fuͤr ihr Beßtes sorgt, der sie bezahlt, was sie verdienen, auch ihnen im Falle der Noth heraus hilft. Sie muͤssen an ihrem Her- zen Kindesliebe fuͤhlen, und Ehrfurcht, wann er sich ihnen naͤhert, und sie muͤssen zittern, wann er Ernst ist. §. 341. Alles dieses erreicht ein Mann, wenn er in seinen Geschaͤften ein Genie, in seinem Wandel ein Christ, und in seinem Thun und Lassen ein gebohrner Fuͤrst ist. Ein solcher Herr ist das Abendgespraͤch eines Handwerksmannes mit seiner Frau und Kin- dern, sie idealisiren sich denselben zum En- gel, und nach seinem Tode weinen Land und Leute. §. 342. Auch gehoͤrt noch ein Hauptstuͤck zu dem Charakter eines Fabriquanten, sei- ne Kleidung und sein Tisch soll maͤsig, rein, bescheiden, mit einem Worte, ein Muster seyn; nichts demuͤthigt den Handwerksmann so sehr, als wenn er seinen Herrn schwelgen sieht, waͤhrend der Zeit, wann er in seinem Dienste schwizt, magere Speisen genießt, und Wasser trinkt. Der Gedanke ist ihm so na- L 5 tuͤrlich: Allgemeine tuͤrlich: das mußt du verdienen, was dein Herr izt im Muͤsiggange verschwendet. Wenn derowegen der Herr zuweilen seinen Arbei- tern einen frohen Tag goͤnnt, sie bewirthet, an ihrer Seite ißt und trinkt, so wird er sich ihren Seegen und doppelten Fleis erwerben. §. 343. Wenn ein junger Kaufmann ent- weder an einem Handelsorte wohnt, oder gar in einem handelnden Staate, so, daß es ihm entweder schwer faͤllt, eine Manufak- tur aufzurichten, oder, daß er durch andere Gelegenheit Mittel vor sich sieht, sich empor zu schwingen, so soll er mit groͤßter Behut- samkeit zu Werke gehen. Bei der Handlung ins Grose muß er sich eben so ins Grose be- tragen, als er vorhin als Kraͤmer zu Wer- ke gieng. §. 344. Bei Schiffsrhedereien soll ein Kaufmann niemals, wenn er nicht schon uͤberschwengliche Kapitale besizt, sich zu weit einlassen, kein ganzes Schiff allein bauen, sondern lieber an vielen kleinen Antheil neh- men, damit, wenn eins verungluͤckt, nicht sein ganzes Vermoͤgen zu Grunde gehe. §. 345. Handlungshaushaltung §. 345. Assekurationsgeschaͤfte sind fuͤr ei- nen mittelmaͤsigen Kaufmann voͤllig unerlaubt, ja es sollten niemals, auch die reichsten Ka- pitalisten nicht, Assuͤradeurs werden. Es ist gar leicht moͤglich, daß durch ein paar auf einander folgende Ungluͤcksfaͤlle der reichste Mann zum Bettler wird. Das nuͤzlichste waͤre, wenn der Staat grose Assekurations- banken anlegte, oder wenn die anderen oͤffent- lichen Cassen sich diesem Geschaͤfte unterzoͤgen. §. 346. Auch die Wechselgeschaͤfte sind fuͤr einen anfangenden Kaufmann bedenklich: denn es laufen sehr viele Wechselbriefe in der Handlung um, aber nicht alle sind sicher: sehr leicht kann man einmal Wechselbriefe von grosen Summen in Haͤnden haben, de- ren Aussteller nicht mehr bezahlen koͤnnen, man will damit bezahlen, und sie werden protestirt, und doch hat man sein gutes Geld dafuͤr ausgegeben, und so wird man leicht zu Grunde gerichtet. §. 347. Wer mit Wechselgeschaͤften um- gehen will, der muß nicht allein alles wohl verstehen, was zu diesem Handel gehoͤrt, son- dern Allgemeine dern er muß auch alle beruͤhmte Handelshaͤu- ser nach ihrer innern und aͤuseren Beschaffen- heit kennen, und aus ihren zufaͤlligen Um- staͤnden auf die wesentlichen zu schliesen wissen. §. 348. Ein Kaufmann, der grosen Staat und Aufwand macht, der in der Ueppigkeit lebt, mag so reich seyn als er will, so geht er doch fruͤher oder spaͤter zu Grunde. So bald man merkt, daß ein Handelsmann theu- rer als andre einkauft, und wohlfeiler wie- der verkauft, so ist das ein Zeichen, daß er entweder sein Geschaͤft nicht versteht, oder leichtsinnig ist; in beiden Faͤllen geht er bald zu Grunde, und es ist ihm nicht zu trauen. Oder er thut das, um nur zu Gelde zu ge- langen; dieses ist ein Merkmal, daß die Casse hin ist, und er nur sucht Geld in die Hand zu bekommen, und dieses zeigt einen nahen Banquerot an. Solcher Anzeigen sind mancherlei, die ein geschickter Kaufmann wohl zu benuzen weis. §. 349. Wenn auch ein Kaufmann Geld und Kapital genug hat, so ist ihm doch ein vollkommenes Zutrauen (Credit) bei andern Kauf- Handlungshaushaltung Kaufleuten nothwendig. Denn der Wechsel- handel geht allein auf Credit; und wenn man Waaren an jemand versenden soll, welche nicht eh, als bis nach voͤlliger Lieferung be- zahlt werden, so muß man allein auf den Cre- dit eines solchen Mannes den Werth der Waaren wagen. Ohne Credit kann ein Han- delsmann bei all seinem Gelde nichts aus- richten, derowegen muß er denselben mit hoͤchstem Fleise zu handhaben suchen. §. 350. Dieses geschieht wenn ein Kauf- mann wenig Staat und Aufwand macht, ein frommes buͤrgerliches Leben fuͤhrt, gute Ge- schaͤfte thut, scharf accordirt, und promt be- zahlt, uͤberhaupt, wenn er nie jemand ver- vortheilet, auch dann, wann ers ungestraft thun koͤnnte. §. 351. Bei der Handlung ist kein gefaͤhr- licherer Zufall, als wenn der Kaufmann aus- tritt, zu bezahlen aufhoͤrt, Banquerot macht, und fallirt. Er wird nicht nur allein dadurch selbst zu Grunde gerichtet, sondern er bringt andere mit sich ins Ungluͤck. Dieses zu ver- meiden, soll des Kaufmannes hoͤchster Zweck seyn. §. 352. Allgemeine §. 352. Derowegen muß er nie groͤsern Aufwand machen, als er ertragen kann, er muß nicht einmal den ganzen Ertrag seiner Handlung verzehren, geschweige das Kapi- tal angreifen. Wann er ungluͤcklich ist, so soll er sich nicht durch Geldlehnen zu helfen suchen, sondern sich lieber einschraͤnken. Er soll sein Vermoͤgen durch Hasardhandel nie aufs Spiel sezen, vorsichtig zu Werke gehen, und sich durch grosen Gewinn nie verleiten lassen, sich mit verdaͤchtigen Handelshaͤusern in Geschaͤft zu geben, u. s. w. Endlich soll er mit hoͤchstem Fleise buchhalten, damit er bestaͤndig den wahren Zustand seiner Casse, und seiner Handlung wisse: Theils ob es mit ihm hinter sich oder vor sich gehe, theils auch damit er sich nicht in Geschaͤfte einlasse, die sein Vermoͤgen uͤbersteigen. §. 353. Dem allem ungeachtet koͤnnen doch Ungluͤcksfaͤlle zusammen treffen, die man nicht vorher vermuthen, und sich nicht davor huͤten koͤnnen. Wenn daher ein Kaufmann sieht, daß er nicht mehr bezahlen kann, so soll er erstlich bedenken, daß ein jeder anderer Weg Handlungshaushaltung Weg, als ich ihm izt vorschreibe, ihn wahr- haft ungluͤckselig macht, derowegen soll er nicht mit Betruge Geld sammlen und aus- weichen, sondern er soll alsofort der Obrig- keit seinen Zustand bekannt machen, und sich so lang Sicherheit ausbitten, bis er seine Unschuld bewiesen hat. §. 354. Alsdann soll er allen seinen Glaͤu- bigern seinen Zustand mit Demuth und Be- scheidenheit bekannt machen, ihnen alles an- zeigen, und die Liegenheit seiner Sachen mit seinen Buͤchern und Briefwechseln beweisen, alles hingeben, und getreulich anzeigen, was er hat, so wird er ein ruhiges Gewissen und Credit behalten, und also nach und nach wieder zu Brode kommen koͤnnen. §. 355. Eben aus diesem Grunde, weil niemand vor dem Ungluͤcke sicher ist, soll auch ein jeder Kaufmann mit dem Ungluͤckli- chen Mitleiden haben, wenn ers verdient, ihm wieder aufzuhelfen suchen, und sich so mit seinem Mammon Freunde machen, da- mit er auch am Tage des Ungluͤckes Erbarmen finden moͤge. All- Allgemeine Allgemeine Staats-Gewerbkunde. §. 356. Alle bisher abgehandelte Ge- werbe dergestalt in einen ganzen Gewerb- koͤrper hinordnen, daß jeder einzelne Er- werber dadurch den hoͤchsten Grad der Gluͤckseligkeit, den er in seinem Gewer- be zu erlangen faͤhig ist, zu erreichen Gelegenheit habe, und wirklich erreiche. Aus dem reinen Ertrage alle Gewerbe, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckse- ligkeit unbeschadet, einen hinlaͤnglichen Ertrag sammlen, und endlich aus die- sem Ertrage die Beduͤrfnisse des Gan- zen so zu befriedigen, daß dadurch die einzelne und allgemeine Gluͤckseligkeit auf die beßte Weise befoͤrdert werde. Das alles zusammen nenne ich das Staats- gewerb. Das Wort Staatsgewerbkunde wird dem Leser auffallen. Allein weil ich durchs Gewerb alle Bemuͤhung verstehe, die man anwendet, um Beduͤrfnisse zu befriedigen: so ist ja ausgemacht, daß alle Staatsbeschaͤftigungen Gewerbe sind. Ein jeder nenne die Sache wie er will. Dieses wird keine Verwirrung machen. §. 357. Staats-Gewerbkunde §. 357. Staat nenne ich einen durch gewisse Grenzen bestimmten bevoͤlkerten Strich Landes, in welchem durch eine gesezgebende Gewalt alle Menschen, Er- werber und Gewerbe zu einem einzigen ganzen Koͤrper zusammen geordnet sind, und durch eben diese Kraft in ihren Hand- lungen zur einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit geleitet werden sollen. §. 358. Die Grundlehre des Staats- gewerbes muß erstlich die verschiedenen all- gemeinen Staatsverfassungen vortragen, und zwar so: daß man fruchtbare Grundsaͤze zur Erkaͤnntniß des Guten und Schoͤnen daraus ziehen koͤnne. Zweitens: muß sie auch all- gemeine Grundsaͤze an die Hand geben, wor- aus man den Zweck der verschiedenen Thei- le der Staatsgewerbe erkennen, und sie also aufs beßte einrichten koͤnne. Beide Stuͤcke ordne ich zusammen, und nenne sie die Staatswissenschaft, welche die philoso- phische Geschichte der Staaten, und die Kaͤnntniß des Staatsgewerbes enthaͤlt. M §. 359. Allgemeine §. 359. Zum Schlusse muß angewiesen werden, wie man alle diese Grundsaͤze in je- dem Staate nach seiner eigenen Grundver- fassung wirklich anwenden muͤsse, damit der grose Zweck desselben auf die beßte Weise er- halten werden kann. Dieses nenne ich die Staatshaushaltung (Staatsoͤkonomie). Allgemeine Staatswissenschaft. a) Geschichte der Staaten. §. 360. Ein jeder Mensch hat Recht zu der Gluͤckseligkeit, deren er in seinen Um- staͤnden faͤhig ist. Dieses ist das Recht der Natur. Ein jeder fuͤhlt in seinem Herzen die Wahrheit dieses Rechtes. Da nun ein jeder dieses Recht hat, so ist es abermal eines je- den Pflicht, niemand in seinem Rechte zu beeintraͤchtigen, sondern vielmehr ihm zu demseben nach Vermoͤgen zu helfen. §. 361. Dieses auf eine ewige Wahrheit gegruͤndete Gesez der Natur liegt in den guͤl- denen Worten des Gottmenschen: Alles, was ihr wollt, daß euch die Leute thun sollen, das thut ihnen. Jch will diesen Spruch den Grundsaz des gesellschaftli- chen Staatswissenschaft chen Lebens nennen. Ein jeder Mensch, auch der roheste Wilde, fuͤhlt in der von Lei- denschaften unbefangenen Stunde die Wahr- heit dieses Sazes. §. 362. Alles, was ich will, was ich zu besizen wuͤnsche, soll ich auch meinem Neben- menschen zu verschaffen suchen, in so fern er nach seinen Umstaͤnden dazu faͤhig ist. Nun will und wuͤnsche ich aber den hoͤchsten Grad der Gluͤckseligkeit, den ich auf die ganze Dau- er meines Daseyns zu erreichen faͤhig bin. Folglich soll ich auch meines Nebenmen- schen Gluͤckseligkeit nach dem Grade sei- ner Empfaͤnglichkeit auf Zeit und Ewig- keit, so wie meine eigene, zu befoͤrdern suchen. Dieses ist eben so ewig wahr, als das vorhergehende, ich nenne diese Schluß- folge: den Grundsaz der gesellschaftli- chen Gluͤckseligkeit. §. 363. So wahr und so tief diese beiden Saͤze im Wesen der menschlichen Seele ge- gruͤndet sind; so strebt doch der Mensch nach eigenem Genusse, und das mehrentheils auf Unkosten des Nebenmenschen. Der Maͤchti- M 2 ge Allgemeine ge ringt empor, und beraubt den Geringern der Mittel zur Gluͤckseligkeit. Die Mensch- heit wuͤthet in sich selber, und richtet sich zu Grunde, wo nicht die goͤttliche Barmherzig- keit ein Mittel dagegen verordnet hat . Was mag doch wohl der Kosmopolite, der Vertheidiger der Guͤte der Mensch- heit bei diesem wahrhaften Erfahrungs- saze fuͤhlen? §. 364. Der Schoͤpfer hat deswegen in den ersten Urkeim der menschlichen Gesellschaft zwischen Mann und Weib eine Kraft gelegt, welche jedes Glied dieser Gesellschaft antreibt, sowohl dem Grundsaze des gesellschaftlichen Lebens, als auch der gesellschaftlichen Gluͤck- seligkeit, Genuͤgen zu leisten. Diese Kraft heißt Liebe, und sie gab dem Manne die ge- sezgebende Gewalt. Jzt erkennen wir, daß die gesezgebende Gewalt das Mittel sei, welches die goͤttliche Barmherzigkeit zu Befoͤrderung der einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit verordnet, und daß die Liebe zwischen Mensch und Mensch diese Gewalt ausgebohren habe. §. 365. Staatswissenschaft §. 365. Die philosophische Staatsgeschich- te lehrt uns, welchen Gang die gesezgeben- de Gewalt unter dem menschlichen Geschlech- te genommen, und wie dasselbe damit haus- gehalten habe. Wenn wir also von der er- sten und einfachsten Gesellschaft bis zu den verschiedenen Gattungen der allerzusammen geseztesten aufgestiegen sind, so haben wir diesen ganzen Gang entdeckt. §. 366. Schwaͤchere Seelen- Leibes- und Erwerbungskraͤfte; ferner: Neigung, Lie- be und willige Unterwerfung des Willens auf der Seite des Weibes; hingegen starke See- len- Leibes- und Erwerbungskraͤfte, ferner: Neigung, Liebe und Schuz auf Seite des Mannes, waͤlzten die gesezgebende Gewalt auf den Mann, sie war ihm natuͤrlich, und eben so natuͤrlich war dem Weibe der Gehor- sam. Jn diesem Zustande leiten die beiden Grundsaͤze der Gesellschaft die gesezgebende Gewalt ganz allein. §. 367. Mann und Weib zeugen Kinder. Die Natur heißt sie dieselben als ihr eigen Fleisch und Blut lieben. Die Liebe aber M 3 fuͤhrt Allgemeine fuͤhrt zur Ausuͤbung der gesellschaftlichen Grundsaͤze. Die Kinder haben schwache See- len- und Leibeskraͤfte, sind unvermoͤgend sich ihre Gluͤckseligkeit zu verschaffen: daher sor- gen die Eltern fuͤr selbige, wie fuͤr ihre eige- ne; derowegen muͤssen die Kinder gehorchen. Die gesezgebende Gewalt ist also hier bei den Eltern, und vorzuͤglich bei dem Vatter. Auch dann, wann die Kinder ihre vollkommene Leibes- Seelen- und Erwerbungskraͤfte er- langt haben, sollen sie eben die gesezgeben- de Gewalt bei ihren Eltern erkennen, die sie selbst ihren Kindern in den Umstaͤnden abzu- fodern gedenken. §. 368. Jm ersten Zustande der Mensch- heit ist die gesezgebende Gewalt des Haus- vatters durch keine Staatsverfassung einge- schraͤnkt, er ist unumschraͤnkter Alleinherr- scher seines Hauses, er hat Macht uͤber Le- ben und Tod. Blos die Liebe, und zufolge derselben, die Grundsaͤze der Gesellschaft, leiten seinen Willen, daß er zur Gluͤckselig- keit des ganzen Hauses regiert. §. 369. Staatswissenschaft §. 369. Der fruͤhe Tod des Hausvatters, desgleichen die erste Hilfe des erstgebohrnen Sohnes, die er seinem Vatter im Gewerbe leistet, so, daß er im ersten Falle an die Stel- le des Vatters tritt, geben ihm das Recht an Vatters statt Herr des Hauses zu werden. Das Recht der Erstgeburt wurde fruͤh festge- sezt, und bei dem erstgebohrnen Sohne wur- de daher die oberste gesezgebende Gewalt un- ter Geschwistern gefunden. §. 370. Der Erstgebohrne trat nach des Vatters Tode in seine Gerechtsame, wurde Regent und Versorger des Hauses, das Ge- sinde war ihm vermoͤg seines Rechtes unter- worfen, gewisser Masen auch seine Geschwi- ster; sie heuratheten, und so fern sie gewoͤhn- liche, in ihren geringen Wirkungskreis ein- geschlossene Menschen waren, unterworfen sie sich gutwillig dem Geschlechtshaupte (Klan). Kinder und Kindeskinder beruhten in dieser Verfassung. §. 371. Nachlaͤßige, ungluͤckliche, schwa- che Erwerber, oder ein fruͤher Tod desselben, sezte sein Geschlecht in Armuth; doch mußten M 4 diese Allgemeine diese Menschen leben, sie wurfen sich einem wohlhabenden Hausvatter hin, er nahm sie an, gegen treue Dienste fuͤr ihr Wohl, Gut und Leben zu sorgen. Ein armer Vatter ver- kaufte gar die Seinigen aus Duͤrftigkeit, viel- leicht auch seine eigene und seines Weibes Person, so entstand leibeigene Knechtschaft, die wahre eigentliche Unterthanen des Haus- vatters. §. 372. Ein groser empor strebender Geist konnte den Vorzug des aͤltern Bruders nicht ertragen, er glaubte nicht an die Rechte der Erstgeburt, er wich aus, richtete ein eige- nes Geschlecht auf, wurde Herr und Stamm- vatter desselben. §. 373. Durch Jrrthum oder durch Ge- walt, oder durch beides zusammen, konn- ten Geschlechtshaͤupter unter sich in ihr Ei- genthum Eingriff thun. Sie unterredeten sich guͤtlich daruͤber, das ewige und jedem Menschen einleuchtende Gesez, der Grund- saz des gesellschaftlichen Lebens, wurde ih- nen Maasstab, sie leiteten eine naͤhere Be- stimmung daraus her fuͤr ihren Fall. Und so ent- Staatswissenschaft entstanden gesellschaftliche Verfassungen fuͤr zusammen wohnende Hausvaͤtter, die Urkei- me der Polizei. §. 374. Graue Haͤupter, weise durch Er- fahrung und Genie, thaten sich in Streitsa- chen durch kluge Rathschlaͤge hervor, sie wur- den Richter und Gesezgeber im Kreise ihrer Gesellschaft. Verschiedene von dieser Art traten zusammen, rathschlagten fuͤr das ge- meine Beßte, die Stimme des Volkes gab Beifall, denn sie erkannte die Richtigkeit ih- rer Schluͤsse, man verband sie zu gemeinschaft- licher Handhabung der Mittel zur einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit; und dieses ist das erste Urbild der Gemeinherrschung (Re- publick), die Polizeiverwaltung und das Re- giment war bei den Aeltesten. §. 375. Jn wichtigen Angelegenheiten tra- ten alle Geschlechtshaͤupter zusammen, hiel- ten Volksversammlung, Landtaͤge, und schlich- teten da ihre Angelegenheiten, machten all- gemeine Geseze, und verbanden sich zur Fol- geleistung. War die Menge gros, mithin die Volksstimme zu vielfaͤltig, so trat je- M 5 der Allgemeine der Bezirk in sich zusammen, trugen einem unter sich die allgemeine Stimme auf, und so entstund der Bevollmaͤchtigte (Deputir- te); die Bevollmaͤchtigten traten zusammen, und diese Versammlung stellte das ganze Volk vor. Dieses ist das reine Bild der Gemeinherrschaft, wo ein jeder Hausvat- ter seinen Antheil an der gesezgebenden Ge- walt auf eine Zeitlang dem Deputirten ab- gibt; alle Deputirten vereinigen dieselbe im Rathe, der Rathschluß ist die gesezgebende Gewalt selber, auf einzelne Faͤlle angewen- det, und man bestellt Staatsbediente, wel- che ihn ausfuͤhren, dem alsdann ein jeder, auch der Deputirte, gehorchen muß. §. 376. Wenn sich die Geschlechtshaͤupter lang in ihrem Vorzuge behauptet haben, ein jeder derselben einen grosen Kreis weiter und naher Anverwandten, viele Geschlechter leib- eigener Menschen unter sich hat, und er al- so ein natuͤrlicher Herr seines Bezirkes ist, so entsteht daher ein Vorzug des Standes, ein natuͤrlicher Adel. Wenn solcher Edelleute viele eine Gemeinherrschaft unter sich aufrich- ten, Staatswissenschaft ten, so entsteht daher eine sonderbare Staats- verfassung. Ein jeder ist Fuͤrst in seinem Thei- le, und Buͤrger des Staates. §. 377. Wenn ein jeder Hausvatter Theil an der gesezgebenden Gewalt hat, und also der Staat durch Deputirte regiert wird, so heißt diese Staatsverfassung: Volksherr- schung (Demokratie). Wenn aber verschie- dene Edelleute ihre kleine Staaten zusammen in einen grosen vereinigen, in welchem also die gesezgebende Gewalt blos unter den Edel- leuten ist, so gibt das den Grund zur Feu- dalverfassung, und ist eine Gattung der Edelherrschaft (Aristokratie). §. 378. Wenn in einem Staate die Edel- leute, ohne eigene Unterthanen zu haben, die Gemeinherrschaft an sich zogen, und also die Gemeine von der gesezgebenden Gewalt ent- weder freiwillig oder gezwungen entledigten, so entstund daher die zweite Hauptgattung der Edelherrschaft. §. 379. Die mannigfaltigen Vorfallenhei- ten im Staate, je nach seiner vielfaͤltigen in- neren und aͤuseren Lage, beschaͤftigten die Raths- Allgemeine Rathsversammlungen oͤfter, und gaben An- laß, daß die Grundsaͤze der Gesellschaft auf viele einzelne Faͤlle ausgedehnet wurden, und so entstunden Natur- und Voͤlkerrechte, aber auch eigene Land- Staats- und Polizeirech- te. Taͤgliche haͤufige Vorfaͤlle erfoderten ei- ne immerwaͤhrende Nathsversammlung, die Landstaͤnde selbst waren entweder nicht ge- schickt dazu, oder sie hatten die Zeit nicht: man verordnete also Staatsbedienten und Collegia, welche gegen Belohnung nach den Gesezen richten, und uͤber ihre Festhaltung wachen sollten. §. 380. Jn diesem leztern Falle uͤbergibt ein jeder Edelmann, ein jeder Hausvatter die gesezgebende Gewalt an die Collegien und Staatsbedienten, doch mit dem Bedinge, sie nach den festgestellten Gesezen zu verwal- ten. Allein, so genau auch einem jeden Col- legio, einem jeden Staatsbedienten sein Fach ausgezeichnet und angewiesen wird, so konnte doch sehr oft, bei sehr verwickelten Faͤllen, Zwi- stigkeit zwischen den Collegien und Staatsbe- dienten selber entstehen, und so oft konnte nicht Staatswissenschaft nicht der Landtag zusammen tretten, als das geschahe, auch dafuͤr waren Mittel noͤthig. §. 381. Diese wurden auf verschiedene Weise veranstalltet. Entweder man erwaͤhl- te einen geschickten Mann, der der Geseze und des Staates kundig war, dieser konnte aus dem Mittel der Gemeinde, oder aus den Collegien genommen werden, man uͤber- trug ihm die Verwaltung der Gewalt nach den Gesezen, die man nach Belieben und Gutfinden mehr oder weniger einschraͤnkte. Er war Staatshaupt, Vorsizer in den Col- legien, er war das in einer Person, was die Gemeinde in vielen ist. Man nannte ihn Richter, Hauptmann, Archon, Buͤrgermei- ster, Fuͤrst, Herzog, und sogar Koͤnig, je nachdem die gesezgebende Gewalt in seiner Person eine Gestalt hatte. §. 382. Auf solche Weise naͤhert sich die Gemeinherrschaft der Alleinherrschaft (Mo- narchie). Je mehr die gesezgebende Gewalt aus dem Vielfachen ins Einfache geleitet, und von vielen an wenige Personen uͤberge- ben wird, desto mehr wird sie wieder ihrem ersten Allgemeine ersten natuͤrlichen Zustande aͤhnlich, und wenn der Alleinherrscher der Mann sei- nes Staates, und der Vatter seines Vol- kes ist, so ist die Frage nicht mehr, wel- cher der gluͤcklichste Staat ist. §. 383. Oder man bestimmte aus der Mit- te der Gemeine, oder des Adels einen en- gern Ausschuß, welcher gegen Besoldung be- staͤndig fort dauerte, und den Staat regier- te; dieses Collegium hieß Senat, Staats- versammlung, Parlement, Magistrat u. s. w. So lang die Gemeinde, es sei nun jeder Haus- vatter, oder blos der Adel, den einzelnen Staatsverweser, oder das Senatsmitglied erwaͤhlt, so lang ist die Volkesherrschaft noch guͤltig; wenn aber die Senatoren unter sich ein Mitglied waͤhlen, so ist das eine hoͤhere staͤrkere Edelherrschaft. Die gesezgebende Gewalt ist ganz allein im Senate, und die- se Regierungsform ist der Monarchie am naͤchsten. §. 384. Die Alleinherrschaft selbst ist sehr verschieden und auf verschiedene Weise ent- standen. Entweder man waͤhlte einen Fuͤr- sten Staatswissenschaft sten auf Lebenslang, und waͤhlte nach seinem Tode willkuͤhrlich, wen man wollte, oder man gruͤndete eine Erbfolge. Ferner: ent- weder theilte der Staat die gesezgebende Ge- walt mit dem Fuͤrsten, oder uͤbertrug sie ihm ganz und freiwillig, doch unter dem Bedin- ge, daß derselbe allemal bei dem Antritte der Regierung schwoͤren mußte, nach den Staatsgrundsaͤzen zu regieren. §. 385. Die Gemeinherrschaft, wenn sie mit der Alleinherrschaft vereinigt wird, macht die vermischte Herrschaft (republikanische Monarchie) aus. Diese ist sehr verschieden, der Erfolg derselben lehrt immer, welche un- ter diesen Regierungsformen die beßte sei. §. 386. Es gab noch einen andern Weg von der Wuͤrde des Hausvatters zum Mo- narchen hinauf zu steigen. Jn diesem Falle blieb die gesezgebende Gewalt immerfort bei einer einzelnen Person. Ein durch Erbschaf- ten, starke Bevoͤlkerung, und noch andere Ursache maͤchtiges Geschlechtshaupt, konnte der Beschuͤzer bedraͤngter, verfolgter, oder armer Leute werden; das Land, welches er be- Allgemeine bewohnte, konnte fruchtbar, die Natur da- selbst wohlthaͤtig seyn; und so wurde sein Reich errichtet, er regierte, so weit ihm das Land unterworfen war, unumschraͤnkt. §. 387. So friedlich sind aber wohl nicht Staaten und Republiken entstanden. Als die Menschheit noch in ihrer Kindheit war, und ein paar Geschlechtshaͤupter wegen einer Sache uneinig wurden, so machten sie die- selbe nicht immer in der Guͤte durch Geseze aus, sie behaupteten auch wohl ihr Recht durch Gewalt, durch einen Zweikampf, das erste Urbild des Krieges. Da nun in die- sem Zustande keine Staatsverfassung war, so konnte einer den andern ungestraft ums Leben bringen. §. 388. Gesezt, es wurde ein Geschlechts- haupt, ein Erwerber ermordet. Liebe fuͤr denselben, und Beduͤrfniß flammte seinen naͤchsten Nachfolger, seine Verwandten und Knechte an, sich zu raͤchen. Ein kuͤhner Mann unter denselben, der Muth und Entschlossen- heit hatte, drung mit beredter Kraft in ihre Gemuͤther, er wurde ihr Anfuͤhrer. Mann fuͤr Staatswissenschaft fuͤr Mann uͤberließ ihm in diesem Geschaͤfte die gesezgebende Gewalt, man machte zu Waffen, was einem dazu am beßten schien, man suchte den Thaͤter auf, man raͤchte sich, und suchte sich durch den Raub des Seini- gen schadlos zu halten. §. 389. Dergleichen Beispiele machten den Moͤrder auf einandermal behutsamer, er wehrte sich mit seinen Unterthanen, und so entstunden Kriege. Man raͤchte nicht immer toͤdliche Beleidigungen; sondern jedes Un- recht zog Krieg nach sich. Dieses war die fernere Ursache, daß sich die Menschen in Gesellschaften und Staaten zusammen schlu- gen, Schuz- und Truzbuͤndnisse errichteten, und die gesezgebende Gewalt auch dazu brauchten, sich in ihren Rechten zu schuͤzen, und Beleidigungen zu raͤchen. §. 390. Dergleichen Vorfaͤlle fuͤhrten zu Erfindung der Waffen, zum Heldenmuthe, zum Kriegsgenie und zu allerhand Beleidi- gungs- und Vertheidigungsmitteln. Der staͤrkste, kuͤhnste, listigste und verwegenste siegte am oͤftersten, er wurde Beschuͤzer der N Un- Allgemeine Unterdruͤckten, man fuͤrchtete ihn, und wenn er ein gerechter frommer Mann war, so ehr- te und liebte man ihn. So entstand die Jdee vom wahren Helden, er besaß mit Recht ei- nen Theil der gesezgebenden Gewalt, denn er verdiente sie durch vorzuͤgliche Eigenschaf- ten und Wohlthaten als Vatter des Volkes. Jn der trunkenen Freude der Errettung aus Gefahr wurde die Einbildungskraft erhizt, man erzaͤhlte jauchzend die Thaten des Hel- den, man dichtete, und so entstund das er- ste Jdeal des epischen Gedichtes. §. 391. Gesellschaftliche Bande vereinig- ten einen Bezirk zu einem gemeinschaftlichen Jnteresse, die Beleidigung eines maͤchtigen Nachbares sezte die ganze Gesellschaft zur Rache an, alle Maͤnner entschliesen sich zum Kriege, die Nothwendigkeit der Ordnung fuͤhrt zum Denkbilde eines Anfuͤhrers, man waͤhlt den Helden dazu, er geht hin, siegt, und kommt als Halbgott wieder. So wird der Held das Urbild des Heerfuͤhrers, des Generals. §. 392. Staatswissenschaft §. 392. Fortwaͤhrende Uneinigkeit macht die fortdauernden Befehle des Siegers noth- wendig, man uͤbertraͤgt ihm die gesezgeben- de Gewalt des Schuzes auf eine Zeitlang, oder gar auf immer, nach und nach; wenn er ein weiser Mann ist, so bekommt er die gesezgebende Gewalt des Staates auch, man macht Vertraͤge mit ihm, und er wird Al- leinherrscher. §. 393. Ein Held, ein Heerfuͤhrer, ein Fuͤrst fuͤhrt Kriege. Heldenmuth, Kraft und Geistesstaͤrke verpaart mit Herrsch- und Ruhm- sucht, verleiten ihn, Eroberungen zu machen, er unterwirft sich Laͤnder und Staaten, er- obert die gesezgebende Kraft, und bedient sich derselben willkuͤhrlich. Jn diesem Falle entsteht die unumschraͤnkte Alleinherrschung ( Ratio Status absolute Monarchie), in wel- cher der blose Wille des Fuͤrsten, ohne Ruͤck- sicht auf Geseze, das eigentliche Gesez des Staates ist . Wie weit Eroberungen gerecht sind, ist eine kritische Frage. Zwischen Gustav Wasa und Pizarra sind viele Stuffen des Rechtes und Unrechtes. N 2 §. 394. Allgemeine §. 394. Aus dem Vorhergehenden erhel- let, daß man uͤberhaupt in allen Staaten zween Gegenstaͤnde im Gesichte habe, erst- lich den Staatskoͤrper mit allen seinen Glie- dern, deren jedes nach seiner Einsicht und Begrif nach Gluͤckseligkeit ringt; und zwei- tens die gesezgebende Gewalt, welche die- sen Staatskoͤrper nach den Einsichten und Begriffen von der Gluͤckseligkeit derer, wel- che sie verwalten, belebt. §. 395. Wie soll aber nun eigentlich die gesezgebende Gewalt im Staatskoͤrper wir- ken? wie soll sie vom Volke, oder vom Adel, oder vom Fuͤrsten, es sei nun vom Mitherr- scher oder Alleinherrscher, eigentlich verwal- tet werden? Dieses lehret nun die Grund- lehre der verschiedenen Theile des Staats- gewerbes. b ) Staatsgewerbe. §. 396. Die gesezgebende Gewalt treibt das Staatsgewerb. Sie ist Staatserwer- ber, Staatswirth. Da nun das Staats- gewerb darinnen besteht, daß der Staats- wirth alle drei Gattungen von Gewerben zu einem Staatswissenschaft einem ganzen Gewerbkoͤrper dergestallt zu- sammen ordne, damit jeder einzelne Erwer- ber dadurch den hoͤchsten Grad der Gluͤckse- ligkeit erreichen koͤnne, und wirklich erreiche. Ferner, daß er aus dem reinen Ertrage al- ler Gewerbe, der allgemeinen und einzelnen Gluͤckseligkeit unbeschadet, einen hinlaͤnglichen Ertrag sammle. Und daß er endlich aus die- sem Ertrage die Staatsbeduͤrfnisse vollkom- men befriedige, doch so, damit der groͤste reine Ertrag uͤberbleibe, der moͤglich ist, die- sen aber wieder auf die beßte Weise zur ein- zelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit verwen- de; so ergibt sich von selbsten, daß das Staatsgewerb zuerst in drei Haupttheile zer- falle. §. 397. Das erste Hauptstuͤck der Staats- gewerbe betrift die beßte Einrichtung des Staates. Die Gewerbe sollen in einen Gewerbkoͤrper dergestallt zusammen ge- ordnet und eingerichtet werden, damit jeder einzelne Erwerber dadurch den hoͤchsten Grad der Gluͤckseligkeit, den er in seinen Umstaͤnden zu erlangen faͤhig N 3 ist, Allgemeine ist, zu erreichen Gelegenheit habe, und wirklich erreiche. Dieses ist ohne Zweifel der wahre Begrif von dem, was man Po- lizei heißt; die Grundsaͤze, die der Staats- wirth zur Ausuͤbung derselben entwirft, ma- chen die Polizeiwissenschaft aus. §. 398. Aus dieser Erklaͤrung lassen sich nun auch leicht die Graͤnzen bestimmen, wel- che die Rechtsgelehrtheit, und uͤberhaupt die Justiz von der Polizei unterscheiden. Der Rechtsgelehrte erklaͤrt die |gegebenen Geseze des Staatswirthes, wendet sie auf einzelne Faͤlle an, urtheilt nach diesen Gesezen, spricht den Unschuldigen los, und bestimmt die Strafen der Uebertreter. Deswegen muß er alle Geseze des Staates kennen. Die Polizei hingegen schraͤnkt sich nur auf die beßte Einrichtung des Staates ein, sezt die Geseze in Uebung, und uͤbergibt die zweifel- haften Faͤlle der Justiz zur Entscheidung . Es sei denn, daß der Polizeibediente zugleich ein Rechtsgelehrter sei, und ihm zugleich die Entscheidung seiner Rechtsfaͤlle angewiesen ist. §. 399. Staatswissenschaft §. 399. Bei dem Erwerber liegt die Kraft des Gewerbes. Wenn also die Gewerbe im Staate sollen dergestallt zusammen geordnet werden, damit die groͤßte, einzelne und all- gemeine Gluͤckseligkeit heraus komme, so muß zu allererst der Erwerber dazu geschickt ge- macht werden. Er ist die Kraft des Gewer- bes, er genießt die Gluͤckseligkeit, und um seinet Willen ist sein Gewerb da. §. 400. Die Zubereitung des Men- schen zum Genusse der Gluͤckseligkeit ist also das erste Staatsgewerb der Polizei. Da nun guten Theils in der Erziehung der Kinder der Grund aller ihrer zukuͤnftigen Handlungen liegt, so soll die Polizei die beßten Erziehungsanstallten verfuͤgen. Diese beziehen sich auf Leib und Seele. §. 401. Die Erziehung der Kinder in An- sehung des Leibes hat zum Zwecke: wie ei- ne dauerhafte Gesundheit, und zu allen natuͤrlichen Bewegungen geschickte Gliedmasen bei Kindern zu gruͤnden sei- en. Jn Ansehung der Seele aber soll die Erziehung der Kinder dahin gerichtet wer- N 4 den: Allgemeine den: daß ihr Verstand alle Wahrheiten, die zu ihrer zeitlichen und ewigen Gluͤck- seligkeit nuͤzlich und noͤthig sind, wissen und begreifen moͤge, und daß ihr Wil- len und Herz geleitet werde, die Schoͤn- heit und Guͤte dieser Wahrheiten zu em- pfinden, und ihnen mit Lust zu folgen. §. 402. Ein jeder Mensch, wenigstens der gesittete, hat einen Begrif von der Schul- digkeit, Gott zu dienen, um zeitlich und ewig gluͤckselig zu werden. Das ist: er hat eine Religion. Da aber nun die Religion einen wesentlichen Einfluß in die Handlungen der Menschen hat, und der Begrif von dersel- ben einen grosen Theil der Wirksamkeit des Menschen leitet, so kann der Religionsbe- grif, je nachdem er beschaffen ist, einen Menschen zeitlich und ewig gluͤcklich, oder ungluͤcklich machen. Es gibt wahre und falsche Religionsbegriffe. §. 403. Wenn ein Mensch einen fal- schen Religionsbegrif hat, so kann ihn die gesezgebende Gewalt nicht zwingen, einen wahren zu haben, indem er einen fal- Staatswissenschaft falschen hat. Dieses geschieht aber, wenn sie denselben ohne Ueberzeugung von der Wahrheit, zu einer andern Religion zwingt: Derowegen soll die Polizei jedem Men- schen im Staate Mittel an die Hand ge- ben, daß er die Wahrheit erkennen kann, wann er will, aber sie soll ihn nicht zu Annehmung derselben zwingen. §. 404. Ein jeder Mensch kann in seinem Religionsbegriffe irren, und doch kann ein jeder fuͤr seine Person glauben, seiner Mei- nung gewiß zu seyn. Aber eben das gilt auch von dem Staatswirthe. Da nun die- ser eben so wohl im Religionsbegriffe fehlen kann, als auch andere Menschen, da er al- so eine falsche Religion haben kann; so kann es nie in seiner Gewalt stehen, eine Re- ligion durch Zwang im Staate einzufuͤh- ren: denn es ist leicht moͤglich, daß der, welcher gezwungen wird, die wahre ha- be, und der, welcher zwingt, die falsche. §. 405. Das ist aber einmal der Grund- saz, der nie gelaͤugnet werden kann: daß die wahre Religion den Menschen zeitlich und N 5 ewig Allgemeine ewig gluͤckselig mache. Daraus folgt aber un- widersprechlich: daß diejenige Religion falsch sei, welche den Menschen zeitlich und ewig ungluͤcklich macht. Wenn also der Staatswirth sieht, daß jemand im Staa- te einen Lehrbegrif hegt, der ihn und andre zeitlich ungluͤcklich macht, so soll er densel- ben so bestimmen, daß er auf seinen Neben- menschen zu wirken unfaͤhig wird; in Ab- sicht auf die zukuͤnftige Seligkeit aber, soll er sich begnuͤgen, wenn ein jeder Mensch nur Gelegenheit hat, seine Begrife zu verbessern. §. 406. Aus diesem allem ziehe ich nun den richtigen Schluß: daß die Landespo- lizei alle Religionen im Staate dulden muͤsse, die der zeitlichen Gluͤckseligkeit des einzelnen Buͤrgers und des allge- meinen Staates nicht hinderlich sind, und daß sie derowegen jeder Kirche un- ter obiger Einschraͤnkung ihre gaͤnzliche Religionsfreiheit vergoͤnnen muͤsse, wenn sie anders die hoͤchste Gluͤckseligkeit des Einzelnen und Ganzen befoͤrdern will. §. 407. Staatswissenschaft §. 407. Krankheiten und grassirende Seu- chen machen oft im Staate grose Verwuͤstun- gen, sie vermindern die Zahl der Erwerber, stoͤhren die einzelne und allgemeine Gluͤckse- ligkeit, desgleichen verringern sie die Masse des Ertrages und reinen Ertrages, und sind also dem Staate sehr schaͤdlich: derowegen ist es der Polizei ihre grose Pflicht, auf die beßte Weise und durch die nuͤzlichsten Anstallten das Leben und die Gesundheit der Menschen zu befoͤrdern, dem Tode und den Krankheiten aber, so viel moͤg- lich, zu steuren. §. 408. Die Vorsicht des Staatswirthes soll sich aber nicht nur dahin erstrecken, daß er so viel, als moͤglich ist, die Zahl der Ein- wohner des Staates erhalte, sondern auch daß er dieselbe vermehre. Denn, je mehr er die Anzahl der Erwerber vermehrt, und ih- nen zugleich auch Gelegenheit zum Erwerben an die Hand gibt, je mehr nimmt auch die Staͤrke des Staates, die Masse des Ertra- ges und reinen Ertrages zu, so viel diese waͤchst, so viel waͤchst auch die einzelne und allge- Allgemeine allgemeine Gluͤckseligkeit, und der Staats- wirth selbst gewinnt in dem Verhaͤltnisse der Bevoͤlkerung auch eine staͤrkere Nahrungs- quelle fuͤr sich, die er aus dem reinen Ertra- ge errichtet: folglich soll die Polizei dafuͤr sorgen, damit der Staat auf alle nur moͤgliche Weise mit tuͤchtigen Erwerbern bevoͤlkert, und diesen Gelegenheit zu hin- laͤnglichem Gewerbe an die Hand gege- ben werde. §. 409. Obgleich durch die Kirchenzucht der Religionen die Tugenden befoͤrdert, und die Laster verhindert werden, so ist dieselbe doch nicht hinlaͤnglich. Da es aber eine er- wiesene Wahrheit ist, daß herrschende Laster im Staate die einzelne und allgemeine Gluͤck- seligkeit auf die wirksamste Weise schwaͤchen, die Tugend und gute Sitten aber dieselbe maͤchtig befoͤrdern, so ist klar: daß die Po- lizei mit allem Fleise Anstallten treffen muͤsse, wodurch die Laster verhindert und bestraft, die Tugend aber befoͤrdert und belohnt werde. §. 410. Staatswissenschaft §. 410. Die gesezgebende Gewalt wird unfaͤhig zum Beßten des Staates zu wirken, wenn ihre Befehle nicht befolgt werden: folg- lich kann sie in diesem Falle nicht zur einzel- nen und allgemeinen Gluͤckseligkeit wirken. Daher ist der Polizei ihre Pflicht, die beß- ten Maasregeln zu ergreifen, damit der Gehorsam gegen die Geseze und obrig- keitliche Gewalt niemals gekraͤnkt, und jeder Ungehorsam bestraft werde. §. 411. Es ist aber noch nicht genug, daß die Erwerber tugendhaft, und dem Staats- wirthe gehorsam gemacht werden, sondern ihr Eigenthum und Leben muß auch gesichert werden. Jhr Eigenthum laͤuft Gefahr durch Diebstaͤhle, durch Eingriffe und Vervorthei- lung anderer Menschen. Derowegen soll die Polizei auf die beßte Weise jedem Er- werber sein rechtmaͤsiges erworbenes Ei- genthum beschuͤzen, Diebe und Betruͤger aber der Gerechtigkeit in die Haͤnde lie- fern. §. 412. Das Eigenthum eines Erwerbers kann auch durch Feuers- und Wassersgefahr zu Allgemeine zu Grunde gehen. Derowegen soll die Po- lizei auch dagegen durch heilsame Feuer- ordnungen, und Verhuͤtung der Wasser- schaden, die beßten Maasregeln treffen. §. 413. An dem Leben des Menschen ist alles gelegen, und derowegen soll es auch durch die hoͤchst wirksamen Mittel erhalten und beschuͤzt werden. Krankheiten und Un- gluͤcksfaͤlle gehoͤren nicht hieher, sie gehoͤren zur Vorsorge fuͤr Leben und Gesundheit; ich hab’ hier die gewaltsame Ermordung im Au- ge, welche durch verruchte Leute heimlich und oͤffentlich bewerkstelliget wird. Diese gaͤnz- liche Beraubung der einzelnen, und hef- tige Stoͤhrung der gemeinschaftlichen Gluͤckseligkeit, soll die Polizei auf die schaͤrfste Weise ahnden, die Uebertreter der strengen Gerechtigkeit uͤberliefern, und dagegen alle nur moͤgliche Anstall- ten treffen, damit dergleichen Blutschul- den verhuͤtet werden moͤgen. §. 414. Nachdem nun durch gute Geseze und Vollziehung derselben fuͤr die Personen des Staates und fuͤr ihr Eigenthum gehoͤris ge- Staatswissenschaft gesorgt worden, so muͤssen auch die drei Hauptgewerbe befoͤrdert werden, weil diese eigentlich die Mittel sind, wodurch man zur hoͤchsten zeitlichen Gluͤckseligkeit, zu Reich- thume und Wohlstande gelangen kann. §. 415. Das erste Hauptgewerb ist die Landwirthschaft, sie ist der Grund und das Fundament aller andern, und daher das er- ste, welches der Staatswirth bluͤhend ma- chen soll. Da nun die beßte Landwirthschaft darinnen besteht, wenn nicht nur alle nuͤzli- che Erzeugungen, die im Staate vortheil- haft gemacht werden koͤnnen, in groͤster Men- ge und Guͤte allezeit gezogen werden, son- dern wenn sie auch gegen die beßten Preise al- lemal verkauft werden koͤnnen, so ist die Schul- digkeit der Polizei: daß sie die beßten Mit- tel anwende, damit alle nuͤzliche land- wirthschaftliche Erzeugungen in groͤster Menge und Guͤte gezogen werden, und daß den Bauern zugleich bequeme Gele- genheit verschaft werde, ihre Produkte vortheilhaft zu veraͤusern. §. 416. Allgemeine §. 416. Die Kunst- und Handwerkswirth- schaft ist das zweite Hauptgewerb im Staa- te. Jhre groͤste Vollkommenheit besteht dar- innen, wenn nuͤzliche Fabriken und Manu- fakturen in groͤster Menge, und mit groͤstem Nuzen im Staate bluͤhen: derowegen soll die Polizei sorgen, daß die Errichtung derselben auf alle Weise beguͤnstiget und befoͤrdert werde, besonders aber sollen alle rohe Erzeugungen des Landes so sehr im Staate ausgearbeitet werden; als moͤglich ist. §. 417. Die Handlung, als der dritte grose Gewerbstamm im Staate, macht erst die beiden vorigen nuͤzlich, und bringt sie durch Vermittelung einer guten Polizei auf den Gipfel der Gluͤckseligkeit. Daher ist es nicht nur die Pflicht der Polizei, die Handlung durch die beßten Mittel zu unterstuͤzen und | empor zu bringen, son- dern auch dieselbe auf alle moͤgliche Wei- se zu erleichtern, und mit den andern beiden Gewerben zu verbinden. §. 418. Staatswissenschaft §. 418. Wenn nun gleich alle Gewerbe im Staate in den bluͤhendsten Zustand gesezt worden sind, und solcher Gestallt der groͤste Ertrag in allen Gewerben gewonnen wird, so kann doch dieser Ertrag wieder auf man- cherlei Weise geschwaͤcht, mithin der Staat mit seinen bluͤhenden Gewerben ungluͤcklich werden. Dieses geschieht durch vielerlei Ur- sachen, welche eine gute Polizei muß aus dem Wege zu raͤumen suchen. §. 419. Die wahre Pest so vieler einzel- nen Menschen und so vieler Staaten, wel- che den gaͤnzlichen Umsturz nach sich zieht, ist der Luxus, wenn nemlich die uͤppigen Beduͤrfnisse in wesentliche verwandelt, und also aus dem Ertrage befriediget werden: daher soll die Polizei nach allem Vermoͤ- gen dem Luxus steuern . Daß der Luxus hoͤchst schaͤdlich sei, be- darf gar keines Beweises. Der Flor, welchen er im Staate hervorbringt, ist eine wahre Fieberhize, und keine Ge- sundheit. §. 420. Muͤsiggang, Bettelei und Traͤg- heit der Erwerber zehren auch am Ertrage, O und Allgemeine und sollen deswegen durch die beßten Mittel gehoben werden. §. 421. Noch sind alle Gluͤcksspiele im Staate schaͤdlich: denn sie nehmen erstlich ei- nen Theil vom Ertrage weg, und fuͤrs zwei- te speisen sie den Spieler mit falschen Hof- nungen, und verleiten ihn zu Versaͤumung seines Gewerbes; daher soll die Polizei die Gluͤcksspiele nicht dulden, und zu ihrer gaͤnzlichen Abschaffung die beßten Maas- regeln ergreifen. §. 422. Langwierige und kostbare Proces- se sind auch den Gewerben hoͤchst schaͤdlich, um diese zu vermeiden, sollen alle nur moͤg- liche Anstallten getroffen werden. §. 423. Endlich ist auch noch die Versor- gung derjenigen Personen, welche nicht er- werben koͤnnen, ein wesentliches Stuͤck der Polizei. Wenn ein Mensch in die traurigen Umstaͤnde versezt ist, daß er selbst aus eige- nen Mitteln sein Daseyn nicht fortsezen kann, so muß ihn der Staat, dessen Unterthan er ist, ernaͤhren: deswegen soll die Polizei sol- che Veranstalltungen treffen, daß alle wah- re Staatswissenschaft re Armen, die zum Staate gehoͤren, er- naͤhret, Fremde aber an ihren Ort ver- wiesen werden. §. 424. Nach allen bis daher vorgetrage- nen Grundsaͤzen muͤssen die Polizeiordnun- gen eingerichtet, jedermann auf die beßte Weise bekannt gemacht, und zu deren Vest- haltung mit verhaͤltnißmaͤsigen Strafen be- legt werden. Jhre Ausuͤbung soll alsdann aber auch gegen die muthwilligen Verbrecher allemal aufs schaͤrfste beobachtet werden. §. 425. Durch eine wohl eingerichtete Po- lizei wird nun der Staat in den Stand ge- sezt, daß er auch seine Beduͤrfnisse befriedi- gen kann, denn er erlangt dadurch den hoͤch- sten reinen Ertrag, der in seinen Umstaͤnden moͤglich ist. Daher besteht das zweite Haupt- stuͤck der Staatsgewerbe darinnen: daß der Staatswirth aus dem reinen Ertrage al- ler Gewerbe, der einzelnen und allge- meinen Gluͤckseligkeit unbeschadet, zu Befriedigung der Staatsbeduͤrfnisse ei- nen hinlaͤnglichen Ertrag sammle. Die- ses lehrt nun die Finanzwissenschaft . O 2 * Jch Allgemeine Jch verstehe hier unter der Finanzwis- senschaft die eigentliche Kameralwissen- schaften. §. 426. Die Staatsbeduͤrfnisse sind eigent- lich zweierlei: erstlich solche, die die Staats- verwaltung hervorbringt, und zweitens die Beduͤrfnisse der gesezgebenden Gewalt. Bei- derlei Gattungen muͤssen befriediget werden, und dieses geschieht durch allerhand Abga- ben, die der Staatswirth theils nur einzu- kassiren, theils aber auch zugleich selber zu bestimmen hat. §. 427. Die Gefaͤlle, welche der Staats- wirth nur einzukassiren hat, sind solche, wel- che entweder durch Vertraͤge und Contrakte mit dem Staate weder erhoͤht noch vermin- dert werden, sondern nach gewissen Grund- saͤzen, und unter gewissen Bedingen unver- aͤnderlich sind. Die mehresten Gefaͤlle aber sind gewisser Masen der Willkuͤhr des Fuͤr- sten unterworfen. Doch verbindet ihn Pflicht und Gewissen, der einzelnen und allgemei- nen Gluͤckseligkeit durch uͤbertriebene Aufla- gen nicht zu schaden. §. 428. Staatswissenschaft §. 428. Die Quellen, woraus der Fuͤrst oder Staatswirth den Staatsertrag samm- let, sind zweifach: entweder besondere oder oͤffentliche. Die besonderen heißt man auch Chatoulguͤter, und gehoͤren dem Fuͤrsten persoͤnlich und eigenthuͤmlich zu, so, daß er sie verkaufen, veraͤusern, vernuzen und ver- erben kann, wie er will. Die oͤffentlichen Quellen aber sind Domaͤnen, Regale, zufaͤlli- gen Einkuͤnfte, und Steuern oder Aufla- gen und Schazungen. §. 429. Der Staat ist schuldig, den Fuͤr- sten zu erhalten; da aber nun die Chatoul- guͤter demselben nicht als Fuͤrst, sondern als Privatperson zukommen, so ist er nicht schul- dig das Einkommen von denselben zu Befrie- digung seiner Beduͤrfnisse zu verwenden, weil ihm diese der Staat verschaffen muß; dage- gen sollen aber auch diese Guͤter dem Staate nicht zur Last fallen. §. 430. Von dem Fuͤrsten wird unterstellt, daß er ein rechtschaffener Mann sei, der das Beßte seines Staates aus allen Kraͤften be- foͤrdert. Jn diesem Falle muß der Staat sei- O 3 ne Allgemeine ne Beduͤrfnisse alle befriedigen, und auch fuͤr den Unterhalt seines Geschlechtes sorgen, mit- hin werden die Chatoulguͤter uͤberfluͤssig, und koͤnnten also vom Staate gekauft, und zu den Domaͤnen geschlagen werden; oder der Fuͤrst kann sie an Privatpersonen verkaufen; oder, welches noch edler waͤre, zu milden Stiftungen verwenden; doch da sie sein Ei- genthum sind, so kann er damit thun, was er will. §. 431. Wenn der Fuͤrst Chatoulguͤter hat, und sie zu seinem Nuzen verwenden will, so muß er sie durch tuͤchtige Kameralisten verwalten lassen, damit nach den Gese- zen der Haushaltungskunst der hoͤchste Ertrag daraus gezogen, und ein solches Gut auf immer eintraͤglich gemacht werde. §. 432. Die Domaͤnenguͤter sind dazu bestimmt, damit der Fuͤrst aus ihrem Ein- kommen seine und der Seinigen Beduͤrf- nisse befriedigen koͤnne. Sie bestehen ent- weder aus grosen Strecken Landes, die ent- weder Hochgewaͤld tragen, oder unfruchtba- re Staatswissenschaft re Heiden sind. Oder aus ordentlichen ein- zelnen Hoͤfen und Bauernguͤter, die entwe- der an Bauernfamilien in einem Erblehn oder Pfacht stehen, oder von der Kammer auf gewisse Jahre verpfachtet werden; oder sie bestehen aus ganzen Distrikten oder Aem- tern, und in diesem Falle bestehet das Ein- kommen des Fuͤrsten in den Abgaben der Un- terthanen des Domaͤnen- oder Kammergutes. Jn allen diesen Faͤllen soll der Kamera- list zum Beßten des Fuͤrsten den Ertrag der Domaͤnenguͤter, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit unbeschadet, auf alle Weise zu vermehren, und auf die Zukunft zu sichern suchen. §. 433. Weil auch das Wohl und die Gluͤckseligkeit des Fuͤrsten dem Staatswirthe sehr angelegen seyn muß: so soll er nicht nur die Domaͤnen verbessern, sondern auch der einzelnen und allgemeinen Gluͤck- seligkeit unbeschadet, vermehren. §. 434. Die Regalien sind gewisse Ein- kuͤnfte des Fuͤrsten, die kein Privateigenthuͤ- mer haben kann, weil sie nicht von einzelnen O 4 eigen- Allgemeine eigenthuͤmlichen Orten, sondern vom ganzen Staate abhaͤngen, und daher der gesezge- benden Gewalt zustehen muͤssen: so ist die Be- nuzung des Gewaͤssers, der Baͤche, Fluͤsse, Seen und Meere, ein Regale, weil sie sich ein Privateigenthuͤmer nicht zueignen kann. §. 435. Wenn also der Fuͤrst nicht an ge- wissen Orten, und in gewissen Faͤllen, an Vertraͤge und Contrakte gebunden ist, so ist das Wasser im Staate sein Eigenthum, und er darf es auf alle nur moͤgliche Wei- se benuzen, in so weit es zugleich der einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit befoͤrderlich und nicht schaͤdlich ist. Die- se beßte Einrichtung des Wasserregals zum Beßten des Fuͤrsten und des Staa- tes kommt der Kammer zu, und ist ih- re Pflicht. §. 436. Eben so kann kein Einwohner im Staate die Landstrassen fuͤr sein Eigenthum ansehen, sie gehoͤren der Landeshoheit, sind ein Regale, und ihre Bedienung und Benu- zung kommt der gesezgebenden Gewalt zu. Hierzu kommt auch noch ein anderer Grund: die Staatswissenschaft die oͤffentliche Sicherheit, die Bequemlichkeit der Reisen und der Versendungen, mit ei- nem Worte die Strassenpolizei muß vom Staate oder vom Fuͤrsten auf die beßte Wei- se besorgt werden; dagegen ists auch recht, daß der Fuͤrst den Nuzen davon ziehe. Folg- lich soll der Finanzbediente dahin sorgen, damit das Landstrassen-Regale, der ein- zelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit unbeschadet, auf das eintraͤglichste durch vernuͤnftige Einrichtung der Posten, der Zoll- und Weggelder gegruͤndet werde. §. 437. Gegenden im Staate, die ent- weder noch unbebaut sind, oder die nicht be- baut werden koͤnnen, gehoͤren an und fuͤr sich selbst keinem Unterthanen zu, sie sind al- so Regalien, deren Benuzung der Obrigkeit zukommt. Solche Gegenden sind gemei- niglich Waͤlder und Gebuͤsche, und werden in diesem Falle Forsten genennt. Diese For- sten zum Beßten des Landesherrn, auf die beßte Weise zu benuzen, lehrt die Forstwis- senschaft. Sie werden durch Forstbedienten verwaltet, und es ist die Pflicht der Kam- O 5 mer, Allgemeine mer, dahin Sorge zu tragen, damit die Forsten der einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit unbeschadet, auf die ein- traͤglichste Weise benuzt werden. §. 438. Die wilden Thiere gehoͤren eben- falls dem Landesherrn, weil sie niemand an- ders zugehoͤren koͤnnen, wenn sie nicht je- mand zur Belohnung geschenkt, oder durch andere Rechte zuerkannt worden. Sie sind also ein Regale. Wie die wilden Thiere vermittelst der Jagd, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit unbeschadet, am beßten zu benuzen seien, lehrt die Jagdwissenschaft, sie wird gemeiniglich mit den Forstbedienungen verbunden. Auch fuͤr die Einkuͤnfte der Jagd hat die Kammer Sorge zu tragen. §. 439. Die unterirdischen Guͤter haben mit denen auf der Erdoberflaͤche keine Ver- bindung: sie gehoͤren nicht zu den Landguͤ- tern, sie sind also Regalien, und gehoͤren der gesezgebenden Gewalt: daher ist es der Kammer ihre Pflicht, die Bergwerke und Mineralien, der einzelnen und allgemei- nen Staatswissenschaft nen Gluͤckseligkeit unbeschadet, auf die beßte Weise zu benuzen. Wie das geschehen muͤsse, lehrt die Bergwerkswissenschaft. §. 440. Das Muͤnzwesen kann ebenfalls aus vielerlei Ursachen keinem Privateigen- thuͤmer zugehoͤren, vornehmlich aber darum, weil das Geld unendlich vielen Menschen zum Eigenthume wird, die ihre Gluͤckselig- keit keinem einzelnen Privatmanne anver- trauen koͤnnen Das Muͤnzwesen ist also auch ein Regale, und deswegen soll es der Staatswirth, der einzelnen und all- gemeinen Gluͤckseligkeit unbeschadet, auf die eintraͤglichste Weise benuzen. Dieses lehrt die Muͤnzwissenschaft. §. 441. Unter die zufaͤlligen Einkuͤnfte der Kammer rechne ich allerhand Gefaͤlle, die ihr zukommen, die aber weder wesentlich noch bestaͤndig sind. Hieher ordne ich die Le- hengefaͤlle zuerst, und zwar darum, weil die Ursachen, warum sie gestiftet worden, nicht durchgaͤngig mehr bestehen, und sie al- so fruͤher oder spaͤter gaͤnzlich abgeschaft wer- den koͤnnten. Die Benuzungen der Lehen sind Allgemeine sind also zufaͤllig, auch sind sie bestaͤndig und werden weder vermehrt noch vermindert. Da- her hat nur die Kammer zu sorgen, da- mit alle Gerechtsamen der Lehengerech- tigkeit beobachtet, nichts dabei versaͤumt, und alles richtig eingefodert werde. Am allerbesten aber wuͤrden die Lehen zum Nuzen des Staates verwendet, wenn sie in eigenthuͤmliche (Allodial) Guͤter verwandelt wuͤrden. §. 442. Frohndienste, gemessene und un- gemessene sind Hand- und Spanndienste, welche nach eingefuͤhrten Vertraͤgen und Ge- wohnheiten der Bauer der Herrschaft leistet. Die Benuzung derselben muß von der Kammer, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit unbeschadet, auf die beß- te Weise veranstalltet werden. Gemessene Frohndienste sind, die auf gewisse bestimmte Taͤge eingeschraͤnkt sind, ungemessene im Gegentheile. §. 443. Da der Staatswirth durch Ver- anstalltung einer guten Justiz und Polizei viele Muͤhe und Kosten anwenden muß, um die Staatswissenschaft die Gluͤckseligkeit des Staates zu befoͤrdern, so erfodert es auch die Billigkeit, daß er die Abnuzungen, welche die Polizei und Justiz durch Strafgefaͤlle und Einziehung verwirk- ter Guͤter auswirft, geniese. Derowe- gen hat auch die Kammer darauf zu se- hen, damit alle dergleichen mit Recht verfallene Guͤter, der einzelnen und all- gemeinen Gluͤckseligkeit unbeschadet, zum beßten Nuzen eingezogen, und verwen- det werden moͤgen. Contrebande und confiscirte Guͤter. §. 444. Es kann sich zutragen, daß ein gut erblos wird, wenn der Erblasser keine Verwandten mehr hat, und derselbe uͤber seine Verlassenschaft nicht verfuͤgt hat, oder wenn nach rechtskraͤftigen Vorladungen der Erben niemand sich meldet; in diesen Faͤl- len hat die Kammer das Recht, sich die- se Guͤter zu zueignen, und sie auf die nuͤz- lichste Weise zu verwalten. §. 445. Wenn von gefundenen Schaͤzen erwiesen werden kann, daß sie einer noch be- stehenden Familie vor Zeiten zugehoͤrt haben, so Allgemeine so gehoͤren sie mit Recht dieser Familie, wo aber dieses nicht ist, da gehoͤren sie der Kam- mer. Eben dieses gilt auch von den gestran- deten Guͤtern. Vom Hagestolzenrechte, des- gleichen vom Verfalle fremder Verlassen- schaften (Droit d’aubaine) mag ich gar nichts sagen, als daß man, den Fall der Wieder vergeltung ausgenommen, heutiges Tages davon gar nichts mehr hoͤren und sehen sollte. §. 446. Alle bis daher angefuͤhrte Quel- len der Einkuͤnfte, sind Gefaͤlle, die eigent- lich dem Fuͤrsten zukommen, wovon er theils seine eigene Beduͤrfnisse befriediget, theils aber auch die Quellen dieser Einkuͤnfte hand- habt, und in ergiebigem Stande haͤlt, wel- ches leztere auch die Pflicht der Kammer ist, damit diese Quellen nicht versiegen, sondern im Gegentheile, wo es thunlich ist, noch er- giebiger gemacht werden moͤgen. §. 447. So wie nun der Staat davor ge- sorgt hat, daß der Staatswirth, die obrig- keitliche Gewalt, oder der Fuͤrst seine eigene Beduͤrfnisse befriedigen, und also seine Gluͤck- seligkeit befoͤrdern kann, so muͤssen auch nun Quel- Staatswissenschaft Quellen gesucht und gefunden werden, aus welchen die Abgaben bestritten werden koͤn- nen, welche die Staatsverwaltung, und die Befoͤrderung der einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit unvermeidlich erfodern. Alle bisher vorgetragene Quellen der Einkuͤnfte fielen dem Unterthanen nicht so sehr zur Last, aber zur Befriedigung der Staatsbeduͤrfnisse ist ein jeder Unterthan von Gott und von Rechts wegen verbunden, weil er sie verur- sachen hilft. §. 448. Die Abgaben, welche jeder Er- werber im Staate zu diesem Zwecke zu ent- richten hat, nenne ich mit einem Worte Steu- er. Diese sind aber verschieden, je nachdem die Guͤter beschaffen sind, von denen sie be- zahlt werden. Die vornehmsten sind Scha- zungen, Zehenten, Accisen, Zoͤlle, Gewinn- und Gewerbgelder, und alle diese sind or- dentliche Steuern. §. 449. Ausserordentliche Steuern sind, welche bei ausserordentlichen Ausgaben auf das Land ausgeschlagen werden, als da sind Kopfsteuern, Heuratssteuern, Kronsteuern, Geschenksteuern u. a. m. §. 450. Allgemeine §. 450. Der Steueranschlag, oder die Be- stimmung der ordentlichen Steuern auf die Erwerber, kommt in verschiedenen Staaten dem Staatswirthe oder dem Fuͤrsten allein zu, in andern aber muͤssen die Landstaͤnde dabei zu Rathe gezogen werden. Jn beiden Faͤllen aber ist es ein unumstoͤslicher Grund- saz: daß die Abgabe des Erwerbers sich verhalten muͤsse, wie der Genuß, den er vom Staate hat, oder wie das Staats- beduͤrfniß, welches er verursacht. §. 451. Weil aber das Verhaͤltniß eines Erwerbers gegen die Staatsbeduͤrfnisse uͤber- aus schwer zu bestimmen ist, so ist auch der Steueranschlag nach obigem Grundsaze schwer auszufuͤhren. Die geschicktesten Staatskun- dige haben sich von je her sehr damit bemuͤht, um den wahren Maasstab des Steueranschla- ges ausfindig zu machen; aber bis daher ist noch nichts rechtes herausgekommen, worauf man sich verlassen koͤnne. §. 452. Weil die Landwirthschaft das Hauptgewerb des Staates ist, der Bauer eigentlich im wahren Sinne als Bauer be- trach- Staatswissenschaft trachtet, die Quelle der Gluͤckseligkeit des Landes unmittelbar benuzt, und es so scheint, als wenn auch allemal der Flor aller Gewer- be wieder auf ihn zuruͤckfalle, so sind ver- schiedene der neuern Staatisten darauf ge- kommen, dem Bauern die ganze Steuer- masse zu zuwaͤlzen, indem sie glauben, daß dadurch die andern Gewerbe von allen Lasten entlediget, desto staͤrker bluͤhen, dem Bauer also, durch hoͤhere Bezahlung seiner Erzeu- gungen, seine staͤrkere Abgaben reichlich er- sezet wuͤrden. Man nennt dieses staatisti- sche Lehrgebaͤude, das Physiokratische . Man lese, was der beruͤhmte Herr Dohm in einem Hefte des 1778sten Jahres im Deutschen Museum dagegen gesagt hat. §. 453. Ohne mich hier mit Untersuchun- gen und Widerlegungen abzugeben, will ich nur suchen, dem Fustritte der Wahrheit zu folgen. Der Genuß, welchen der Erwer- ber von der Staatsverfassung hat, ver- haͤlt sich wie sein Gewerb. Jch glaube, daß dieses abermal ein Grundsaz ist, denn P ein Allgemeine ein starkes Gewerb erfodert auch mehrere Aufsicht der Polizei, mehr Schuz, und meh- rere Staatspflege. §. 454. Verhaͤlt sich also das Staatsbe- duͤrfniß wie das Gewerb, so ist auch gewiß, daß sich die Steuer wie das Gewerb verhal- ten muͤsse: folglich faͤllt der Steueranschlag auf alle Gewerbe des Staates, und verhaͤlt sich bei jedem einzelnen Erwerber, wie sein Gewerb. Deswegen soll der Staats- wirth die Steuer nach dem Gewerbe jeden Erwerbers ausschlagen. §. 455. Jedes Gewerb besteht aus zwei Hauptstuͤcken, aus der Nahrungsquelle, und aus dem Ertrage: wenn also der Steu- eranschlag sich wie das Gewerb verhalten soll, so muß er auf die Nahrungsquelle, das ist, auf die unbeweglichen Guͤter, und auf den Ertrag, das ist, auf die beweglichen Guͤ- ter, auf die beßte und billigste Weise, ver- theilt werden, der Staatswirth soll sich die- ses zur hoͤchsten Pflicht machen. §. 456. Die Steuer auf die unbewegli- chen Guͤter, nenne ich Schazung, auf die beweg- Staatswissenschaft beweglichen aber, Zehenten, Accisen, Ge- winn und Gewerbgelder, Zoͤlle, Licent u. s. w. Alle dergleichen Abgaben sollen nach dem Verhaͤltnisse des Gewerbes auf die gerechteste Weise, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit unbeschadet, bestimmt werden: und dieses soll so oft geschehen, als hauptsaͤchliche Veraͤnde- rungen in den Gewerben geschehen. §. 457. Die auserordentlichen Steuern sollen auf eine gewisse Summe, die dem Be- duͤrfnisse gemaͤß ist, angeschlagen, und als- dann nach der Steuermatrikel auf alle Er- werber im Staate ausgetheilt werden. §. 458. Hieraus erhellet nun, daß es ei- gentlich zwo Hauptgattungen der Staatsein- kuͤnfte gebe, von denen man die erste, wel- che in Domaͤnen, Regalien und auserordent- lichen oder zufaͤlligen Einkuͤnften besteht, Ka- meralgefaͤlle; die zweite Gattung aber Steuergefaͤlle, nennen kann. Die beßte Verwaltung der Kameralgefaͤlle lehren die eigentlichen Kameralwissenschaften, wo- zu eben so viel Kaͤnntnisse gehoͤren, als zu P 2 den Allgemeine den allgemeinen, sie unterscheiden sich nur von lezteren durch den Zweck, welcher bei er- steren blos auf Kameralbedienungen, bei lez- teren aber auf die ganze Staatswirthschaft, im allgemeinsten Sinne genommen, gehet. §. 459. Wenn nun also der Staatswirth, durch die dazu bestimmten Nebenquellen, zu Befriedigung der fuͤrstlichen Beduͤrfnisse ei- nen hinlaͤnglichen Ertrag verschaft hat; des- gleichen, wenn er ebenfalls aus allen Gewer- ben des Staates, zu Befriedigung der ei- gentlichen Staatsbeduͤrfnisse, der einzelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit unbeschadet, ei- nen gehoͤrigen Ertrag gesammlet hat: so soll er nun aus diesem doppelten Ertrage die doppelten Staatsbeduͤrfnisse vollkom- men befriedigen, doch so, damit der hoͤch- ste reine Ertrag uͤbrig bleibe, der moͤg- lich ist, diesen aber soll er wieoer auf die beßte Weise zur Befoͤrderung der ein- zelnen und allgemeinen Gluͤckseligkeit ver- wenden. Dieses ist das dritte Hauptstuͤck der Staatsgewerbe, und macht die eigent- liche Staatswirthschaft aus. §. 460. Staatswissenschaft §. 460. Der Staatswirth soll also die fuͤrstlichen Beduͤrfnisse vollkommen befriedi- gen, daher muß er diese Beduͤrfnisse aus dem Grunde kennen. Jn Ansehung der wesent- lichen Beduͤrfnisse kommt dem Fuͤrsten, sei- ner Gemahlin und Familie eine standesmaͤsi- ge Tafel, ein standesmaͤsiger Staat, eine standesmaͤsige Wohnung, und ein verhaͤlt- nißmaͤsiger Schuz zu. Desgleichen muß auch fuͤr eine standesmaͤsige Erziehung und Ver- sorgung der fuͤrstlichen Kinder gehoͤrig gesorgt werden. §. 461. Jn Ansehung der zufaͤlligen Be- duͤrfnisse, die entweder die Erhoͤhung des Da- seyns, oder die Vermehrung der Gluͤckselig- keit bezielen, oder blos Vergnuͤgen zum Zwe- cke haben, muß immer das Wesentlichere dem Zufaͤlligern vorgezogen, und das Zufaͤlligere nach dem Verhaͤltnisse des Schazes eingerichtet werden, damit man nicht nur die Schulden vermeiden, sondern auch einen reinen Er- trag auf den Nothfall, und zu Vermehrung des Wohlstandes eruͤbrigen und zuruͤck legen moͤge. P 3 §. 462. Allgemeine §. 462. Die Befriedigung der Beduͤrf- nisse des Fuͤrsten, seiner Gemahlin und Fa- milie, erfodert eine Anzahl Hofbedienten, welche alle gehoͤrig besoldet werden muͤssen. Hier muß der Staatswirth Sorge tragen, damit nur die noͤthige Anzahl derselben un- terhalten werde: daß ein jeder seine Pflicht thue, und daß die Besoldung ihrem Amte und Stande angemessen sei; eben dieses gilt auch in Ansehung der Leibgarde. §. 463. Die Verwaltung der Chatoul- Domaͤnenguͤter, Regalien, und anderer fuͤrst- lichen Einkuͤnfte, erfodert eine Anzahl ge- schickter Maͤnner, welche entweder hier und da im Staate wohnen, und die Guͤter ver- walten, oder welche am Hofe oder im Lande an einem bestimmten Orte zusammen woh- nen, und ein Collegium ausmachen, wel- ches die Kammer genannt wird, unter wel- chen die einzelnen Kammerbediente stehen. Hierzu ist des Staatswirthes Pflicht, daß er die Kammerbedienungen auf die nuͤz- lichste und beßte Weise beseze. §. 464. Staatswissenschaft §. 464. Die Staatsbeduͤrfnisse sind theils aͤusere und innere, die aͤuseren sind zweier- lei: sie beziehen sich entweder auf Krieg oder auf Frieden. Wenn ein Staat sein Eigen- thum gegen gewaltsame Eingriffe fremder Staaten beschuͤzen muß, so wird dazu ein Kriegsheer erfodert: da nun ein Staat vor gewaltthaͤtigen Eingriffen nie sicher ist, so muß ein fortdauerndes Kriegsheer unterhal- ten werden. §. 465. Die Unterhaltung des Kriegshee- res kommt nicht dem Fuͤrsten, sondern dem Staate zu, und soll aus den Steuern be- stritten werden. Hier hat nun der Staats- wirth dahin zu sehen, daß niemal die Zahl der Soldaten die Nothdurft uͤbersteige, sondern daß vielmehr das Heer, so viel moͤglich, aus lauter wackern und aus- gesuchten Leuten bestehe, und alle sollen auf die nuͤzlichste Weise besoldet und un- terhalten werden. §. 466. Auch die innere Verfassung des Staates, der Schuz des Fuͤrsten und der Staatsbuͤrger, erfodern eine Anzahl Solda- P 4 ten, Allgemeine ten, die aber ebenfalls nach| obigen Regeln unterhalten werden muͤssen. §. 467. Die aͤuseren Staatsbeduͤrfnisse zu Friedenszeiten sind diejenige, welche aus den Verhaͤltnissen eines Staates gegen den an- dern entspringen, diese werden durch ein Collegium der auswaͤrtigen Sachen, und durch Gesandten an fremde Hoͤfe befriediget. Die- ses alles soll der Staatswirth auf die beßte Weise besorgen, damit die allzu- grosen Unkosten verhuͤtet, und die Sa- chen dennoch nach ihrem ganzen Umfan- ge gehoͤrig bedient werden. §. 468. Die inneren Staatsbeduͤrfnisse betreffen die ganze Landesregierung, Polizei- Finanz- und Justizbedienung. Weil nun der Fuͤrst oder der Staatswirth unmoͤglich die gesezgebende Gewalt allein verwalten kann, so muß er ein Ministerium zur Seite haben. Dieses besteht aus erfahrnen und geschickten Staatswirthen, welche die ganze Staatsverwaltung unter der Aufsicht des Fuͤrsten versehen. §. 469. Staatswissenschaft §. 469. Wenn der Fuͤrst selber sich gern mit Staatssachen beschaͤftiget, so arbeitet er ent- weder allein, oder durch Beihilfe des Kabi- netsministers und Sekretaͤrs im Kabinete, welches alsdann die hoͤchste gesezgebende Ge- walt ausfuͤhrt und regiert. §. 470. Die hoͤchste Polizei, die hoͤchste Justiz und die hoͤchste Finanzverwaltung wird je nach den verschiedenen Verfassungen der Staaten, und den Einsichten des Staats- wirthes eingerichtet und benennet. Bei al- lem diesem ist aber des Staatswirthes hoͤchste Pflicht, alle diese Bedienungen zum beßten Nuzen des Staates zu bese- zen, und bedienen zu lassen. §. 471. Die Beduͤrfnisse des Staates er- fodern uͤberall Polizei- Justiz- und Finanz- bediente; diese muͤssen ebenfalls nach der beßten Regel bestellt und besoldet werden. §. 472. Die hohen Schulen und gelehr- ten Gesellschaften soll der Staatswirth zum Beßten des Staates stiften, sie auf die beß- te Weise einrichten, und ihre Lehrer auf die nuͤzlichste Art besolden, auf daß sie ruhig und P 5 ohne Allgemeine ohne Sorgen ihrem Zwecke entsprechen koͤnnen, damit er also gute Pflanzschulen habe, aus denen er alle seine Bedienten von allen Gat- tungen, und zwar auserwaͤhlte und geschick- te Maͤnner ausnehmen koͤnne. §. 473. Wenn solcher Gestallt der Staats- wirth die fuͤrstlichen und Staatsbeduͤrfnisse nach den wahren Gesezen der Haushaltungs- kunst befriedigt und versorgt hat, und er alsdann noch einen reinen Ertrag eruͤbri- get hat, so soll er denselben auf die beßte Weise zu Befoͤrderung der einzelnen und all- gemeinen Gluͤckseligkeit verwenden. §. 474. Dieses geschieht, wenn der rei- ne Ertrag der fuͤrstlichen Kasse zur Verbesse- rung der Nahrungsquellen, als da sind der Chatoulguͤter, der Domaͤnenguͤter, der Re- galien und anderer Gefaͤlle, und wo moͤg- lich, doch ohne dem Staate zu schaden, auch zu Vermehrung derselben, verwendet wird. §. 475. Der reine Ertrag der Staatskasse wird ebenfalls zu groͤserm Nuzen in die Nah- rungsquelle verwendet; dieses geschieht durch Verbesserung der Polizeianstallten, Weg- Wasser- Staatswissenschaft Wasser- Schleussenbau, Erleichterung und Verbesserung der Gewerbe, Postanstallten, und was dergleichen mehr ist, wodurch der Staatswirth die einzelne und allgemeine Gluͤckseligkeit befoͤrdern, und auf eine billi- ge Weise die Abgaben und Auflagen vermeh- ren kann. §. 476. Aus allem diesem, was bis da- her verhandelt worden, erhellet nicht nur: daß die Staatsgewerbe und ihre Kaͤnntnisse von weitlaͤuftigem Umfange seien, sondern daß auch vielerlei Hilfswissenschaften dem Staatswirthe noͤthig seien, wenn er seinem wichtigen Amte Genuͤgen thun will. §. 477. Das erste, was er wissen muß, ist der ganze Umfang der Kameralwissenschaf- ten mit ihren Hilfswissenschaften. Und da er so wohl in Kriegs- und Friedenszeiten nicht allein von seinem, sondern auch von andern Staaten, in Ansehung ihrer Lage und Beschaf- fenheit, gruͤndliche Kaͤnntniß haben muß, so soll er auch in der Geographie vollkommen erfahren seyn. §. 478. Allgemeine §. 478. Die Geschichte der Voͤlker und Staaten, die Lehrerin der Menschen, und besonders des Staatswirthes, ist ihm vor- zuͤglich noͤthig. Er lernt daraus, was Voͤl- ker und Staaten gluͤcklich, und was sie un- gluͤcklich gemacht hat, daher kann er jenes einzufuͤhren suchen, dieses aber meiden. §. 479. Die Beredsamkeit ist eine Zier- de des Staatswirthes, was ein guter Red- ner vermag, davon gibt uns die Geschich- te der Griechen, der Roͤmer, der Franzosen und Engellaͤnder, und anderer Voͤlker mehr, sattsame Beispiele, und derowegen soll sie der Staatswirth unausbleiblich lernen, und sich darinnen uͤben. §. 480. Das Rechnungswesen lehrt die Staatsbuchhaltung. Nun laͤßt sich aber leicht begreifen, daß bei so vielerlei Gefaͤllen und Einkuͤnften, ihren Einnahmen und Ausga- ben, eine hoͤchst genaue, und nach den beß- ten Grundsaͤzen eingerichtete Buchhaltung un- entbehrlich sei, und derowegen ist das Rech- nungswesen dem Kameralisten und Staats- wirthe wesentlich noͤthig. §. 481. Staatswissenschaft §. 481. Durch den Kanzeleistyl versteh’ ich nicht die geradbrechte Schreibart, welche in den Collegien und Dikasterien noch hier und da zu sehr uͤblich ist, sondern einen kur- zen, deutlichen und reinen Styl, in wel- chem alle Schriften, welche in der Staats- wirthschafr vorkommen, abgefaßt seyn muͤssen; diesen muß auch der Staats- wirth nothwendig verstehen, und sich ohne lang zu bedenken, richtig darinnen auszudruͤcken wissen. §. 482. Die vernuͤnftig angestellten Rei- sen des Staatswirthes in solche Laͤnder, wo ein oder anders Gewerb vorzuͤglich bluͤht, sind ungemein nuͤzlich: damit er aber vorher wissen moͤge, wie solche Reisen mit Vorthei- le anzustellen sind, so muß ihm Anleitung dazu gegeben werden, und dieses durch Grundsaͤze, die aus der Erfahrung gezogen sind. Staatshaushaltung. §. 483. Bis daher sind nun die Staats- gewerbe alle der Reihe nach beschrieben, und ihre Grundsaͤze vorgetragen worden; diese muͤssen Staatshaushaltung muͤssen aber nun in Heischesaͤze umgeschaffen, und gelehrt werden, wie die Staatsverwal- tung nach eben diesen Grundsaͤzen aufs beßte einzurichten sei. Dieses geschieht durch die Lehre von der Staatshaushaltung. §. 484. Jch hab in diesem Werke bei je- der Wirthschaft zugleich auch den Gang ei- ner Haushaltung gezeigt, die zu ihrer Wirth- schaft gehoͤrt, und zwar so, daß ich zugleich die Errichtung einer vollstaͤndigen Nahrungs- quelle lehrete. Dieser Ordnung kann ich aber allhier nicht folgen, weil die Aufrich- tung eines neuen Staates ein seltener Fall ist, und der nach seiner beßten Einrichtung zugleich Regeln an die Hand geben wuͤrde, welche in allen izigen Staaten sehr selten wuͤrden angewendet werden koͤnnen. §. 485. Derowegen will ich eine allgemei- ne Grundlehre entwerfen, welche nach mei- ner Einsicht die beßte Ausfuͤhrung obiger Grundsaͤze an die Hand geben soll, und zwar so, daß sie, so viel moͤglich, in jeder Staatsverfassung, wo nicht ganz, doch zum Theile, zu benuzen sind. a ) Po- Staatshaushaltung a ) Polizei. §. 486. Die beßten Erziehungsanstallten sollen das erste Augenmerk der Polizei seyn. Was den Leib betrift, so gehoͤren die Ver- fuͤgungen zur beßten Ausbildung desselben zu der Besorgung des Lebens und der Ge- sundheit der Unterthanen. Die Ausbildung aber des Verstandes und des Willens der Kinder geschieht durch Unterweisung in Schu- len, oder durch Privatunterricht. §. 487. Die beßte Einrichtung der Schu- len beruht auf rechtschaffenen Schulmaͤnnern, einer hinlaͤnglichen Besoldung derselben, und auf genugsamen Schulen, damit sie ein je- der Unterthan in der Naͤhe habe. Recht- schaffene Schulmaͤnner zu bekommen wuͤrden besondere Hoheschulen erfodert, allwo ein Juͤngling mit sehr geringen Kosten die Er- ziehungswissenschaft studiren koͤnnte, und diese muͤßte in der Schreibkunst, Rechenkunst, gruͤndlicher Religionskaͤnntniß, und in der Gewerbwissenschaft bestehen, um in diesen zum gemeinen Leben hoͤchst noͤthigen Erkaͤnnt- nissen die Jugend unterrichten zu koͤnnen. Be- Staatshaushaltung Besoldungen zu hinlaͤnglicher Befriedigung der Beduͤrfnisse wuͤrde Juͤnglinge genug zu diesen Studien anlocken. §. 488. Wo hinlaͤngliche Besoldungen fuͤr einen Schulmann, um sich mit Frau und Kindern ehrlich naͤhren zu koͤnnen, fehlen: da wuͤrde man durch Aufhebung der Gemein- heiten, durch Urbarmachung oͤder Plaͤze, oder durch sonstige Anlegung gewisser Gewerbe leicht Rath dazu finden koͤnnen; der wichti- ge Nuzen dieser Einrichtung wuͤrde alle An- lagen in kurzer Zeit reichlich ersezen . Man vergebe mir diese und dergleichen Projekte, wenn ihre Wahrheit, und die Moͤglichkeit ihrer Ausfuͤhrung nicht be- stritten werden kann, so sind sie noͤthig. §. 489. Jede Religion hat ihre besondere Kirchenverfassung: und da der Staatswirth wenigstens alle dulden soll, die dem Staate nicht schaͤdlich sind, so kann er ihre Kirchen- ordnung und Zucht nicht anordnen und ein- richten. Die Religionen muͤssen also eine je- de ihren besondern Vorstand haben, dabei hat aber die Landesregierung zu wachen, daß dieser Staatshaushaltung dieser Vorstand keinen schaͤdlichen Einfluß in die Staatsverfassung haben koͤnne. §. 490. Weil eine jede Kirche glaubt, die wahre zu seyn, unmoͤglich aber alle wahr seyn koͤnnen, besonders wenn sie widersprechen- de Grundsaͤze hegen: so sollen die Lehrer angehalten werden, binnen dem Umfange ihrer Kirche nur zu lehren, und jedem Frei- heit lassen, nach seinen Einsichten zu waͤh- len. Deswegen sollen schleichende und nicht uͤberzeugende Ueberredungen und Schmaͤh- predigten gaͤnzlich verbothen werden. §. 491. Zur voͤlligen Religionsfreiheit ge- hoͤren auch die Gerechtsamen der Kirchen, die, wenn sie nicht die Gluͤckseligkeit des Staates hindern, keinesweges gekraͤnkt und gemindert werden duͤrfen. §. 492. Die leibliche Erziehung der Kin- der, die Befoͤrderung des Lebens und der Gesundheit der Menschen, und die Verhin- derung der Krankheiten und des Todes der- selben, muß durch Errichtung einer guten Medicinalpolizei besorgt werden. Dazu wird ein Medicinalkollegium im Staate niederge- Q sezt, Staatshaushaltung sezt, welches aus alten gelehrten und erfahr- nen Aerzten, Apothekern und Wundaͤrzten bestehen soll. Desgleichen muß in jedem Am- te, Stadt und Distrikte ein Physicus bestellt werden, welcher uͤber die Medicinalgeseze wacht, dieselben ausfuͤhrt, Fehler und Ver- brechen berichtet, und eben solche Faͤhigkei- ten haben muß, als von dem Medicinalra- the gefodert werden. §. 493. Die vollkommenste Errichtung der Medicinalpolizei bestuͤnde in einer republika- nischen Verfassung der Medicinalpersonen; wenn nemlich alle Aerzte und Wundaͤrzte im Staate zusammen das Medicinalkollegium ausmachten; wenn das ganze Colleglum ei- nen Praͤsidenten durch freie Wahl auf gewis- se Jahre erwaͤhlte, der vom Staate jedes- mal bekraͤftiget wuͤrde; wenn jeder Distrikt einen Physicus haͤtte, der eben so abwechsel- te; wenn endlich jeder Ort einen besoldeten Arzt haͤtte, welcher schuldig waͤre, umsonst zu dienen; wenn alle Apothecken abgeschafft, und den Aerzten die Ausfertigung der Arze- neimittel nach einer billigen Taxe zu verkau- fen Staatshaushaltung fen erlaubt wuͤrde; und wenn endlich die Wundaͤrzte diesem Koͤrper einverleibt, die nemliche Freiheit haͤtten. Dieses Projekt ist von langen Jahren her durchgedacht, gewiß richtig, und das beßte, nur die Ausfuͤhrung ist schwer und sehr langsam ins Werk zu richten. §. 494. So wie die Medieinalpolizei sorgt; damit der Staat nicht durch Krankheiten und Sterben, so viel an ihr liegt, entvoͤlkert wer- de, so muß die politische Polizei fuͤr die Vermehrung der Einwohner des Staates, das ist, fuͤr die Bevoͤlkerung sorgen. §. 495. Das vornehmste Mittel zur Be- voͤlkerung ist vollkommene Gewissens- und Gewerbfreiheit, so weit sie die Gluͤckseligkeit des Staates nicht hindert. Dahin gehoͤrt vornehmlich ein durch Fabriken und Manu- fakturen bluͤhender Handelsstand; wo dieser ist, da darf man fuͤr uͤberfluͤssige Bevoͤlke- rung nicht mehr sorgen. Ferner befoͤrdert die Vermehrung der Erwerber im Staate, wenn die Abgaben nicht hart und druͤckend sind, desgleichen wenn die vernuͤnftigen und recht- Q 2 maͤsigen Staatshaushaltung maͤsigen Heurathen auf alle Weise erleichtert werden . Hurerei, Vielweiberei und dergleichen eckelhafte Vorschlaͤge zur Bevoͤlkerung sind nicht einmal Nennens, vielweniger Schreibens werth. §. 496. Obrigkeitliche Bestrafungen der Laster sind noͤthig, wenn sie einmal began- gen worden; aber sie durch Drohung schwe- rer Strafen zu verhuͤten, ist nur ein schwa- cher Zaun, und macht nur, daß sie sich ver- stecken, und also im Verborgenen desto ge- faͤhrlicher wuͤthen. Belohnungen ausgezeich- neter Tugenden sind nuͤzlich und noͤthig, aber wer ist so reich, der alle Tugenden belohnen kann, und Lohntugend ist dem Laster nahe. §. 497. Das beßte Mittel, Sitten und Tugend im Staate empor zu bringen, ist: wenn man die Quellen der Laster verstopft, und die Quellen der Tugend eroͤffnet. Er- steres wird zuwege gebracht, durch Verhinde- rung des Muͤsigganges, des Saufens, Spie- lens, und anderer schaͤdlicher Lustbarkeiten, desgleichen schaͤdlicher Gebraͤuche und Frei- hei- Staatshaushaltung heiten, durch Zerstoͤrung verdaͤchtiger Haͤu- ser und Zusammenkuͤnfte, durch Vertilgung schaͤdlicher, der Religion und Sitten widri- ger Buͤcher, durch Verhinderung der Ueppig- keit uͤberhaupt, und dergleichen mehr. §. 498. Die Quellen der Tugend werden eroͤffnet, durch rechtschaffene aufgeklaͤrte Be- dienung der Religion, durch Zerstoͤrung des Aberglaubens und des Unglaubens, durch geniereiche Beispiele und ihre tugendhafte Schriften, durch Hervorziehung des tugend- haften Mannes zu oͤffentlichen Bedienungen, und uͤberhaupt und vornehmlich durch einen glaͤnzenden Vorgang des Fuͤrsten und des Hofes; dieses wirkt mehr zum Beßten des Staates, als alle Polizei, und mehr, als sich davon denken und sagen laͤßt. §. 499. Eine schlaͤfrige Ausfuͤhrung der Geseze gebiert den Ungehorsam und die Ge- ringschaͤzung derselben von Seite des Unter- thanen. Derowegen ist kein besser Mittel, den hoͤchst noͤthigen Gehorsam und die geschwin- deste vollstaͤndigste Folgeleistung zu bewirken, als erstlich: wenn keine andere, als in allem Q 3 Be- Staatshaushaltung Betracht nuͤzliche, in der Ausfuͤhrung leichte und ganz gewiß unschaͤdliche Geseze anbefoh- len werden. Zweitens: wenn die Zahl der- selben auf wenige eingeschraͤnkt wird. Drit- tens: wenn alsofort nach der Offenbahrung der Geseze an jeden, den sie angehen, eine schleunige und strenge Untersuchung folgt, und alsdann die Saumseligen nach dem Ver- haͤltnisse ihres Ungehorsames unausbleiblich gestraft werden. Ein wichtiger Staatsfehler ist es, wenn der Zweck der Geseze durch ih- re Ausfuͤhrung nicht erreicht wird; dieses bringt eine unaussprechlich schaͤdliche Ver- achtung der gesezgebenden Gewalt in den Ge- muͤthern der Unterthanen hervor. §. 500. Das Leben und das Eigenthum der Menschen in Sicherheit zu stellen, ist ei- ne Hauptpflicht der Polizei. Das Leben lei- det Gefahr zugleich mit dem Eigenthume, durch Strassenraub, durch gewaltthaͤtige, naͤchtliche Einbruͤche u. d. gl. Diese zu ver- huͤten, ist kein wirksamer Mittel, als wohl- eingerichtete haͤufige Strassenpatrouillen, wo- zu in Friedenszeiten der Soldat gebraucht wer- Staatshaushaltung werden sollte, in Kriegszeiten koͤnnte der Unterthan selber diese Dienste thun. Die naͤchtlichen Einbruͤche zu verhuͤten, sind wohl- eingerichtete starke Nachtwachten noͤthig, die auch dem Soldaten von Rechtswegen zu- kommen. §. 501. Die genaue Untersuchung aller Reisenden und unbekannten Personen, so weit als die Polizei wegen der Sicherheit und Staatsverfassung noͤthig zu forschen ha- ist sehr nuͤzlich, und ein Fremder soll nie da- gegen murren, besonders wenn er leicht ein- sehen kann, daß er durch gewisse Umstaͤnde verdaͤchtig seyn koͤnnte . Ein Reisender zeigt einen sehr schlechten Charakter und schlechte Weltkaͤnntniß, wenn er gegen hoͤfliche und billige Po- lizeiuntersuchungen murret. §. 502. Es ist freilich kein Zeichen einer guten Staatsverfassung, wenn die Gerichts- plaͤze mit Leichen angefuͤllt sind. Allein die Uebertretter der Geseze muͤssen doch bestraft werden. Ob ein Fuͤrst die Todesstrafen ab- schaffen soll, ist keine Religions- sondern ei- Q 4 ne Staatshaushaltung ne Staats- oder philosophische Frage. Frei- lich haben die schrecklichsten Beispiele von je her wenig gefruchtet; aber es ist die Frage, ob man der goͤttlichen Gerechtigkeit nicht sol- che Opfer schuldig sei? Vernunft und Offen- bahrung scheinen darauf Ja zu sagen, und dann hat man noch keine hinlaͤngliche Erfah- rung, ob doch durch Hinwegnehmung eines solchen furchtbaren Zaunes, nicht das Uebel noch aͤrger wuͤrde. §. 503. Noch schaͤdlicher und gottloser, als gewaltsame oͤffentliche Diebstaͤhle, ist der Betrug, die Vervortheilung, Verfolgung und Unterdruͤckung der Unterthanen unter einan- der, weil sie mehrentheils ungestraft begangen werden, und nach und nach zum Verderben und gaͤnzlichen Ruine der armen Leidenden wirken. Hierher gehoͤrt auch besonders die gottlose Proceßsucht vieler Leute. §. 504. Gaͤnzlich kann freilich die Obrig- keit solche Blutigel nicht hindern, aber ein wachsames Aug derselben kann doch unaus- sprechlich vielen Nuzen schaffen. Das groͤste Ungluͤck ist, wenn Unterobrigkeiten und Be- am- Staatshaushaltung amten zu solchen Lastern mit wirken, wie gar zu oft zu geschehen pflegt. Die beßte Verhuͤ- tung dieser Greuel geschieht durch Anord- nung gepruͤfter tugendhafter Maͤnner, und hinlaͤnglicher Besoldung derselben. Mit groͤ- stem Nuzen sendet ein gewisser groser Staats- wirth vollkommen bevollmaͤchtigte wackere Maͤnner aus seinem Hoflager nach allen Unter- und Obergerichten ab, und laͤßt sie untersuchen, belohnen und bestrafen. Die schaͤdlichen Processe zu vernichtigen, ist noch kein besser Mittel bekannt, als die Rechts- pflege der Tuͤrken, wo sie nach dem Willen des Gesezgebers befolgt wird . Ob sie aber bei uns einzufuͤhren, ist ei- ne andere Frage. §. 505. Die Feuerordnungen sind eine sehr heilsame Anstallt der Polizei, genugsame und gut im Stande gehaltene Feuersprizen und Wassereimer, desgleichen genugsame Mannschaft, die dem Befehle eines oder mehreren Befehlshaber schleunig und unaus- bleiblich gehorchen muß, richtige Anweisung der Dachdecker, der Maurer und Zimmerleu- Q 5 te Staatshaushaltung te zu Besteigung der Gebaͤude, der Spri- zenmeister und ihren Untergebenen an die rechten Oerter, der andern Buͤrger und Un- terthanen zur Herbeischaffung des Wassers u. d. gl. machen die wesentlichen Bestand- theile der Feuerordnung aus. §. 506. Die Verhuͤtung der Feuersgefahr gehoͤrt auch zu diesem Artikel. Dahin gehoͤ- ren die Verordnungen bei dem Baue der Haͤuser, die gehoͤrige Feuerbewahrung mit ihren Strafen, Tabackrauchen auf den Strassen und an gefaͤhrlichen Oertern, sorg- faͤltige Nachtwachen, verwahrliche, vom Feuer entfernte Behaͤlter aller Brandmate- rialien u. s. w. §. 507. Da aber bei aller Sorgfalt der Polizei dennoch zuweilen Feuersbruͤnste ent- stehen, so sind die Brandkassen herrliche Ein- richtungen im Staate. Jedes Haus und Gebaͤud wird auf ein Kapital gesezt, dieses Kapital einregistrirt, und von diesem muß der Eigenthuͤmer jaͤhrlich ein gewisses Geld bezahlen, welches der Kasse einverleibt wird. Wenn nun ein Gebaͤud verungluͤckt, so be- zahlt Staatshaushaltung zahlt dem Eigenthuͤmer die Kasse, was es werth war. Hier aber koͤnnte die Einschraͤn- kung gemacht werden, mit dem Bedinge, daß er keiner Verwahrlosung zu uͤberfuͤhren sei. §. 508. Die Landwirthschaft und alle Ge- werbe wuͤrden sehr befoͤrdert werden, wenn die Schulen nach meinem oben beruͤhrten Vor- schlage eingerichtet wuͤrden. Vornehmlich ist es die Pflicht der Polizei, alle Gemeinhei- ten, Viehtriften und Hutgerechtigkeiten durch Vermehrung des Futterbaues, nach den Re- geln der verbesserten Landwirthschaft, nach und nach abzuschaffen, mit einem Worte: theils durch Beispiele, theils durch Geseze die Bauersleute zu Festhaltung der Regeln der beßten Landwirthschaft anzuhalten. §. 509. Wenn die Landwirthe eines Lan- des allzusammen in gewisse Gesellschaften, man nenne sie Zunft oder wie man will, ein- getheilt wuͤrden, die ihre Vorsteher haͤtten, welchen die beßten landwirthschaftlichen Grundsaͤze bekannt waͤren, und bekannt ge- macht wuͤrden; wenn sich ferner jedes Glied der Staatshaushaltung der Gesellschaft verbuͤndlich machen muͤßte, die von der Gesellschaft angenommenen Grund- saͤze auszufuͤhren, und wenn auf dieser Aus- fuͤhrung gewisse Belohnungen, und in deren Ermanglung unausbleibliche Strafen be- stimmt waͤren, so entstuͤnde die Frage: ob nicht dadurch der hoͤchste Gipfel einer bluͤhen- den Landwirthschaft zu erreichen waͤre? §. 510. Die Polizei soll dafuͤr sorgen, daß diejenigen Erzeugungen, welche im Staate vorzuͤglich gedeihen, auch im Lande selber, so weit als moͤglich ist, verarbeitet und zu- bereitet werden. Dieses geschieht fuͤrs erste, wenn die Einfuhr aller Kunstprodukte, die im Lande hervorgebracht werden, und wer- den koͤnnen, mit schweren Auflagen erschwe- ret, mithin vertheuert, oder gar aufgeho- ben wird. §. 511. Freiheiten und Belohnungen fuͤr inlaͤndische Kunstwirthe, welche sich mit der Zubereitung inlaͤndischer roher Produkte ab- geben, Errichtung nachahmungswuͤrdiger Beispiele, Abschaffung des schaͤdlichen Allein- handels, schaͤdlicher und menschenfeindlicher Zunft- Staatshaushaltung Zunfteinschraͤnkungen u. d. gl. koͤnnen ferner zur Aufnahme inlaͤndischer Fabriken und Ma- nufakturen sehr vieles beitragen. §. 512. Die voͤllige Freiheit, nach Belie- ben und Willkuͤhr eine Kunst oder ein Hand- werk zu treiben, der Handwerker mag es verstehen oder nicht, richtet nach und nach die Kunstwirthschaft gaͤnzlich zu Grunde, de- rowegen sind Zuͤnfte noͤthig. Aber solche Zunftverfassungen, welche die Zahl der Mei- ster bestimmen, das Erlernen der Handwer- ker erschweren, und andere schaͤdliche Ge- braͤuche haben, sind schaͤdlich. Derowegen eine Zunft, welche alle Kunstprodukte un- tersucht, und keins verstattet, das nicht in seiner Art vollkommen ist, welche Anstallten trift, daß auch arme Kinder ihr Handwerk lernen koͤnnen, und daß kranke Gesellen ver- pflegt und arme Meister versorgt werden, und die unter sich die nuͤzlichsten Polizeianstall- ten verfuͤgt, ist hoͤchst loͤblich und dem Staa- te nuͤzlich. §. 513. Mit den Fabriken, Manufaktu- ren und Kunstgewerben ist die Handlung un- zer- Staatshaushaltung zertrennlich verbunden: wo jene bluͤhen, da bluͤht auch diese. Grose Kaufmannschaft kann nicht wohl in einem Staate eingefuͤhrt werden, welcher die Lage zu grosen Versen- dungen nicht hat; wo diese aber ist, da thut die Handelsfreiheit alles. §. 514. Die Befoͤrderung der Handlung geschieht durch sehr gute und sichere Land- strassen, wohl eingerichtete Schiffahrt, An- legung der Messen und Jahrmaͤrkte, freie Aus- und Einfuhr aller Waaren, die dem Staate nicht schaͤdlich sind, wohl uͤberlegte Vorzuͤge, die man der Kaufmannschaft bei- legt, und endlich durch Behauptung und Sicherung des einzelnen und allgemeinen Credits, durch strenge Gerechtigkeit in Con- curssachen, und was dergleichen gute An- stallten mehr sind. §. 515. Das vortrefflichste Mittel, dem Lu- xus zu steuern, ist ohne Zweifel ein gutes Beispiel des Hofes. Kleider- Speis- und Trankordnungen sind nur schwache Umzaͤu- nungen; doch wo das erste wirksamste Mit- tel fehlt, da muß man zu diesen schwaͤchern seine Zuflucht nehmen. §. 516. Staatshaushaltung §. 516. Muͤsiggaͤnger, Landstreicher und Bettler sind Gegenstaͤnde fuͤr die Zuchthaͤuser. Diese Schulen fuͤr Leute von ungebrochenen Leidenschaften sollten nicht nur die Laster be- strafen, sondern auch die Menschen zur Tu- gend umbilden. Dann aber muͤßte die Ein- richtung anders seyn, als sie gewoͤhnlich ist, und ein Zuchtmeister zu seyn, waͤre eine sehr edle und ehrwuͤrdige Beschaͤftigung. §. 517. Das Spielen uͤberhaupt ist ein Zeitvertreib, der eben nicht sonderlich der Menschheit zur Ehre gereicht, vorzuͤglich aber sind Hasard- und Gluͤcksspiele von der Obrig- keit hart zu verbieten, und exemplarisch zu strafen. Mit einem Worte, alle Ausgaben, welche auf Hofnung eines unerworbenen Ge- winns weggeworfen werden, sind gegen die Regeln der Gewerbwissenschaft und der Haushaltungskunst, und der Mißbrauch der- selben ist von der Polizei zu verhindern. §. 518. Die Armenversorgung ist ein hoͤchst wichtiger Theil der Polizei, und soll der willkuͤhrlichen Mildthaͤtigkeit der Unter- thanen nie ganz allein uͤberlassen werden. Die Staatshaushaltung Die Armen sind entweder auslaͤndische, oder inlaͤndische: erstere sollen von ihrem Vatter- lande unterhalten werden; leztere aber sind der eigentliche Gegenstand des Staatswir- thes, und diese sind wiederum zweierlei: entweder zur Arbeit untaugliche oder taugli- che, diese lezteren gehoͤren in Zucht- und Ar- beitshaͤuser, die ersten aber muͤssen unter- halten werden. §. 519. Die beßte Unterhaltung geschieht in oͤffentlich errichteten Armenhaͤusern, und es waͤre gar nicht unrecht, wenn der Unter- halt der Armen und die Verwaltung der Hospitaͤler jaͤhrlich zu einer gewissen Summe angeschlagen, und nach der Steuermatrickel auf den Staat ausgeschlagen und erhoben wuͤrde, eben auf diesen Fus muͤßten auch Waisenhaͤuser bestellet werden. Wo aber milde Stiftungen genug sind, da waͤren der- gleichen Anstallten unnoͤthig. §. 520. Alle dergleichen Einrichtungen durch die Polizei machen den Staat segen- voll und bluͤhend, so, daß er nun auch seine gehoͤrige Abgaben entrichten kann. b) Fi- Staatshaushaltung b) Finanzwesen. §. 521. Die Chatoulguͤter sind ein Privat- eigenthum des Fuͤrsten, sie gehen also den Staat nicht an, und werden am besten durch besondere Personen, die von niemand, als blos vom Fuͤrsten allein abhaͤngen, verwaltet. §. 522. Die Domaͤnenguͤter sind erstlich Strecken Landes, auf welchen nichts waͤchst, die oͤde sind, und also wenig oder nichts eintragen. Diese sollen auf die beßte Weise nach landwirthschaftlichen Grundsaͤzen urbar gemacht, und zu Landguͤtern umgeschaffen werden. Dieses geschieht, wenn man sie geschickten Landwirthen auf eine ziemliche An- zahl Jahre einthut, und sie die Zeit durch von allen Abgaben frei laͤßt, so lang, bis sie voͤllig in bluͤhendem Stande sind. §. 523. Zweitens: sind die Domaͤnenguͤ- ter einzelne Landguͤter, welche verpfachtet werden. Bei diesen Pfachten ist darauf zu sehen, daß man sie wohlhabenden geschickten Landwirthen auf lange Jahre verpfachte, und sie alsdann durch fleisige Aufsicht dazu anhalte, daß die Guͤter nach den beßten Re- R geln Staatshaushaltung geln der Landwirthschaft gebaut und gepfle- get werden, besonders auch, daß das Hoch- gewaͤld wohl in Acht genommen, und nicht ausgehauen werde. §. 524. Drittens bestehen die Domaͤnen auch wohl in ganzen Aemtern und Herrschaf- ten, in welchen die Bauern entweder Lehn- traͤger, oder Erbpfaͤchter, oder Grundeigen- thuͤmer sind. Das Grundeigenthum des Bau- ern ist eigentlich das beßte. Solche Domaͤ- nen sollen von der Kammer wie kleine Staa- ten verwaltet, und nach den Regeln der beß- ten Staatswirthschaft bluͤhend gemacht wer- den. §. 525. Wenn der Fuͤrst Fabriken und Manufakturen hat, welche als Domaͤnen be- trachtet, und also nicht aufgehoben werden koͤnnen: so werden dieselben entweder durch Faktoren bedient, oder sie werden verpfach- tet. Die erste Methode ist selten so nuͤzlich, wie die leztere, man thut am beßten, wenn man sie einem geschickten Fabrikanten gegen ein sicheres Unterpfand, oder gegen Buͤrg- schaft, verpfachtet. §. 526. Staatshaushaltung §. 526. So sehr die Domaͤnenguͤter ohne Schaden des Staates vermehrt und verbes- sert werden koͤnnen, so sehr soll es geschehen. Wenn die Vermehrung ohne Schaden des Staates geschehen soll, so muͤssen keine Guͤ- ter dazu verwendet werden, welche Staats- buͤrger zu Eigenthuͤmer haben; damit also der Staat nicht kleiner werde, und sich seine Lasten vermehren. Wenn die Verbesserung ohne Nachtheile des Staates geschehen soll, so muͤssen die Gewerbe auf den Domaͤnenguͤ- tern den Gewerben im Staate nicht hinder- lich seyn. §. 527. Das Wasserregale kann der Fuͤrst so vortheilhaft benuzen, als es moͤglich ist, nur, daß es den Unterthanen frei stehe, sich des Wassers gegen Gebuͤhr zu ihren Gewer- ben mit aller Freiheit zu bedienen. §. 528. Die Fischerei gehoͤrt dem Fuͤrsten; die beßte Benuzung derselben besteht darin- nen, wenn sie verpfacht wird, doch so, daß der Pfachter unter der Aufsicht des Forstbe- dienten stehe, damit die Waͤsser nicht ver- dorben und veroͤdet werden moͤgen. Bruͤcken, R 2 Schleus- Staatshaushaltung Schleussen und vortheilhaften Zoͤlle werden vom Fuͤrsten angelegt, der Genuß davon wird am fuͤglichsten verpfachtet. Wenn Wasser- maschinen angelegt werden, so sollen dem Fuͤrsten davon jaͤhrlich billige Wassergefaͤlle bezahlt, alles dieses aber zugleich so einge- richtet werden, damit die Gewerbe nicht ge- druͤckt, sondern vielmehr erleichtert werden moͤgen. §. 529. Die Anlegung guter und beque- mer Landstrassen von einer Stadt zur andern im Staate ist dem Gewerbe sehr vortheil- haft, und der Kammer nuͤzlich, weil mit al- lem Fuge billige Zoͤlle und Weggelder auf den Gebrauch derselben gesezt werden koͤnnen, die ein sehr Ansehnliches austragen. Diese werden am beßten verpfachtet; nur daß die Polizei dabei aufsehe, damit die Zollpfaͤch- ter keine Tyrannei und ungeziemende Unter- druͤckungen dabei begehen. Die Anlegung reutender und fahrender Posten ist ebenfalls nuͤzlich, und wird wiederum am beßten ver- pfachtet. §. 530. Staatshaushaltung §. 530. Das Forstregale soll nach den Grundsaͤzen der Forstwissenschaft von den Forstbedienten verwaltet werden. Wenn man die Holznuzung verpfachtete, so wuͤrden die Waͤlder bald zu Grunde gerichtet werden: und bei der gewoͤhnlichen Bedienung derselben werden besonders von den Jaͤger- und Forst- knechten sehr viele Unterschleiffe begangen, daher kann die Kammer das Forstregale nicht so vortheilhaft benuzen, als wohl moͤglich waͤre. §. 531. Die Jagd ist mehr zur Lust als zum Nuzen des Fuͤrsten, und wo sie stark gehegt wird, da leidet die Landwirthschaft ungemeinen Schaden. Es waͤre daher sehr zu wuͤnschen, daß die Fuͤrsten sich doch durch das Wehklagen der armen Landleute erwei- chen liesen, und ihre Jagdlust auf ihre herr- schaftliche Forsten einschraͤnkten, die leicht mit lebendigen Hecken umpflanzt werden koͤnnten, wodurch sie vor dem Holzfrevel be- friediget, und zur Jagdlust gewidmet wuͤr- den. Ein wohl angelegter Futterbau in sol- chen Waͤldern koͤnnte dem Wilde Winters und Sommers Nahrung geben. R 3 §. 532. Staatshaushaltung §. 532. Die Verpfachtung der Jagd ist der Weg zur Vertilgung des Wildpretes. Wenn daher der Fuͤrst Nuzen daraus ziehen will, so ist es am beßten, daß die Thiere, wel- che nuzbar sind, zu rechter Zeit geschossen und benuzt, die fruchtbaren aber gehegt werden, wie alles dieses in der Jagdwissenschaft ge- lehrt wird. §. 533. Wenn der Fuͤrst die Bergwerke ganz fuͤr sich nimmt, so wird die Entdeckung derselben gehindert: es ist daher am vortheil- haftesten, wenn er dieses Regale den Unter- thanen gegen Erlegung der Zehenten uͤber- laͤßt, wie solches auch von vielen Fuͤrsten be- obachtet wird. Doch ist es billig, daß die Unterthanen das Silber und Gold, wenn sie es entdecken, der Kammer anzeigen, und diese Muͤnzmetalle dem Landesherrn uͤber- lassen. Das Bergwerksregale erfodert ein besonderes Collegium, und besteht aus Maͤn- nern, die die Bergwerkswissenschaft verste- hen muͤssen. §. 534. Das Bergamt hat also fuͤr die Aufnahme, Erfindung, Verbesserung und Ein- Staatshaushaltung Einrichtung des Bergbaues, und fuͤr das fuͤrstliche Jnteresse zu sorgen, die metallur- gische Fabriken, das Schmelz- und Huͤtten- wesen, desgleichen auch die mineralischen Er- zeugungen, deren Reinigung und Zuberei- tung, gehoͤren unter seine Aufsicht, und sol- len zum Beßten des Fuͤrsten und des Staa- tes von demselben bedient werden. §. 535. Beides, Gold- und Silbermuͤn- zen muͤssen von gutem Schrote und Korn, und nach dem festgesezten Muͤnzfuse geschlagen werden. Damit keine Verfaͤlschung vorge- he, und nicht zu viel gemuͤnzt werde, darf die Muͤnze nicht wohl verpfachtet werden, sondern sie muß von rechtschaffenen Maͤnnern versehen, und vom Probierer (Waradein) fleisig und gewissenhaft gepruͤft werden. §. 536. Wenn das Bergwerksregale Muͤnzmetalle genug ausliefert, so ist die Muͤnze dem Landesherrn sehr eintraͤglich, weniger aber, wenn die Metalle gekauft wer- den muͤssen. Daher ist es dem Fuͤrsten, wel- cher keine, oder wenige Gold- und Silber- bergwerke hat, nuͤzlicher, wenn er nur die R 4 Me- Staatshaushaltung Metalle, die er hat, vermuͤnzet, und durch Befoͤrderung der Gewerbe fremde Geldsor- ten ins Land zieht. Die Scheidemuͤnze nur zur Nothdurft ausgemuͤnzt, kann ihm den- noch ein Ziemliches eintragen. §. 537. Wenn ein Landesherr harte Muͤn- zen von schlechtem Gehalte, und doch in ho- hem Werthe auspraͤgt, so betruͤgt er sich selbst: denn da an Auslaͤnder Aufgeld darauf be- zahlt werden muß, so geht so viel mehr Geld aus dem Lande, als es schlechter ist, mit- hin gilt es doch nicht mehr, als es werth ist; daher erhoͤhen sich endlich im Lande die Prei- se so viel mehr, als das Geld schlechter ist, folglich entsteht dadurch uͤberall Verwirrung und Schaden. §. 538. Bei den Frohndiensten der Bau- ern muß man sich nach ihren Umstaͤnden rich- ten. Wenn die Landwirthschaft, und uͤber- haupt alle Gewerbe im Staate bluͤhen, so hat der Bauer Geld und viel Geschaͤfte, im Gegentheile aber, wenig Geld und weniger Geschaͤfte. Jm ersten Falle ist es nuͤzlicher fuͤr ihn, wenn er seine Frohndienste bezahlt, man Staatshaushaltung man sezt ihm seine Dienste nach dem Ver- haͤltnisse des Arbeitslohnes auf ein Geld, und laͤßt es ihn unter dem Namen des Dienst- geldes bezahlen. §. 539. Jm zweiten Falle aber, wenn der Bauer wenig Geld hat, so ist es ihm zutraͤg- licher, wenn er die Arbeit thut, und da ist nur darauf zu sehen, daß man ihm Arbei- ten anweise, die dem Staate und dem Fuͤr- sten eintraͤglich sind, und daß nicht lang- sam und traͤg, sondern fleisig gearbeitet werde. §. 540. Bei den Strafgefaͤllen hat der Fuͤrst die Absicht, Ausschweifungen und La- ster zu bestrafen, nicht aber seine Einkuͤnfte zu vermehren, es ist daher nicht dienlich, wenn man Schlaͤgereien und solche Verbre- chen mit Geld bestraft, die durch solche Stra- fen nicht gehindert werden. Ein Mensch, der von Rache gluͤht, freut sich, wenn er sich raͤchen kann, es mag kosten, was es will. Solcher Unfug soll mit Schmach, Betrug und Vervortheilung aber mit Gelde bestraft wer- den; solcher Gestallt wird allemal der Zweck des Verbrechers vereitelt. R 5 §. 541. Staatshaushaltung §. 541. Fuͤr erst soll der Staatswirth darauf sehen, daß er keine Guͤter und Befriedi- gungsmittel auf einmal zu Contrebande ma- che, welche der Unterthan fuͤr wesentlich haͤlt, denn aller Vorsicht ungeachtet, sucht sie der Unterthan zu bekommen: der Fuͤrst macht also ehrliche Leute zu Uebertretter der Gese- ze; derowegen soll man erst im Lande selber etwas zu erzeugen suchen, das die Stelle vertreten kann, und dann allmaͤhlig durch Auflagen die Einfuhr des auslaͤndischen Produktes zu erschweren suchen, bis man es endlich mit Erfolge ganz verbieten kann . Man verbiete zum Beispiele einmal den Caffee, und man mache ihn zur Contre- bande, so wird man den Erfolg sehen. §. 542. Wenn man durch Confiscirung der Guͤter eines Uebelthaͤters die Seinigen arm macht, so sezt man sie in die Nothwen- digkeit, wieder Verbrecher zu werden; de- rowegen erfodert das Recht der Natur, ih- nen Gelegenheit an die Hand zu geben, da- mit sie sich ehrlich ernaͤhren koͤnnen, wenn aber dafuͤr gesorgt ist, so koͤnnen zu Bestrei- tung Staatshaushaltung tung des Criminal- oder sonstigen Rechts- processes die Guͤter confiscirt werden. §. 543. Die Steuern auf die unbewegli- chen Guͤter, oder die Schazung soll nach dem Werthe der Nahrungsquelle bestimmt werden. Die Frage an den Erwerber: Was ist euch eure Nahrungsquelle werth, wenn ihr sie verkaufen solltet? wird ein Kapital bestimmen. Wenn nun die Summe, wel- che der Staat jaͤhrlich braucht, so ausgeschla- gen wuͤrde, daß auf jedes Hundert ein Ka- pital des Werthes der Nahrungsquelle, ein gewisses Quantum bestimmt wuͤrde, so koͤnn- te es nicht fehlen, der Steueranschlag wuͤr- de der gerechteste seyn. §. 544. Der Werth der Nahrungsquellen wechselt langsam ab, daher braucht die Steu- ermatrikel der beweglichen Guͤter nicht oft veraͤndert zu werden. Aber der Ertrag, oder die beweglichen Guͤter sind fast alle Jahr an- ders, und hier haͤlt es schon schwerer, das Recht zu treffen; doch sind Zehenten, Zoͤlle, Accisen, Lizenten und dergleichen Auflagen unter regelmaͤsiger Aufsicht bequem, die Ab- gaben Staatshaushaltung gaben nach dem Werthe des Ertrages zu be- stimmen. c ) Staatswirthschaft. §. 545. Alle bis daher vorgelegten Grund- und Heischesaͤze auf die beßte Weise auszu- fuͤhren, und wirklich ins Werk zu sezen, ist nun eigentlich das Meisterstuͤck des Staats- wirthes. Den Staat bluͤhend zu machen, fuͤrstliche und Staatsbeduͤrfnisse ordentlich zu befriedigen, ihre Befriedigungsmittel auf die Zukunft zu sichern, und die Existenz aller dieser Dinge zu erhoͤhen, das alles sind Sa- chen, die sich auf der Studierstube leicht ent- werfen, aber lange nicht so leicht ausfuͤhren lassen . Schriftsteller sollen sich derowegen mit Projektmachen nicht abgeben, auser wo sichtbare Maͤngel sind, und das Pro- jekt seinen sichtbaren Werth hat. §. 546. Die eigentliche Staatswirth- schaft, in dem Verstande wie ich das Wort hier verstehe, begreift das Amt des Regen- ten, und dieses will ich nach meinen beßten Einsichten in kurzen Grundsaͤzen hier entwer- fen. Staatshaushaltung fen. Die ersten Pflichten betreffen seine ei- gene Person, um sich alle diejenigen Wissen- schaften eigen zu machen, wodurch er zu sei- nem hohen Amte tuͤchtig wird. Diese Wis- senschaften sind alle diejenigen, welche in die- sem Buche angewiesen worden, folglich saͤmmtliche Kameralwissenschaften mit ihren Hilfswissenschaften. Dazu kommt dann noch die Staatskunst, mit allem, was dazu ge- hoͤrt. Dieses ist also auch ein Hauptzweck bei Erziehung der Prinzen. §. 547. Eine gruͤndliche theoretische und praktische Religionskaͤnntniß und Ausuͤbung derselben mit Besiegung der Leidenschaften verbunden, ist der wahre fuͤrstliche Schmuck, und erhoͤht den Regenten nahe an die Wuͤr- de eines Engels; auch dieses ist ein Haupt- zweck bei Erziehung fuͤrstlicher Kinder. §. 548. Ein Regent kann unmoͤglich alles selber sehen und verrichten, er hat eine Men- ge Menschen noͤthig, durch welche er die ge- sezgebende Gewalt ausfuͤhren laͤßt, aber das ist traurig, daß alle diese Bedienten Men- schen, und nicht Engel sind. Es gibt deren sehr vie- Staatshaushaltung viele, die nur den Eigennuz zu ihrem Zwe- cke machen, und da haͤngt zwischen dem Au- ge des Fuͤrsten und der Wahrheit eine un- durchdringbare Decke. §. 549. Derowegen soll der Fuͤrst mit Feu- er und Geiste getauft seyn. Die Unschuld auch in Bettlerskleidern soll sich seinem Thro- ne naͤhern doͤrfen, und geneigtes Gehoͤr fin- den, seine Gerechtigkeit soll ihm vor der Stirn und im Auge gluͤhen, daß der unge- rechte Hoͤfling sich entdecken, und vor ihm weg zittern muß. Dieses erreicht ein Regent durch unermuͤdetes Forschen und Untersuchen dessen, was vorgeht, und durch unausbleib- liche schwere Strafen, womit er die Verbre- cher unter seiner Dienerschaft belegt. Hin- gegen durch Gnade und strenge Belohnung der gepruͤften Tugend. §. 550. Die eigentliche Pflicht des Fuͤrsten ist, die beßte Besezung aller Aemter, mit Leuten, die rechtschaffen und dem Zwecke an- gemessen sind. Und dann, daß er alle diese Maͤnner durch weise Geseze vaͤtterlich zum grosen Ziele leite, welches ihm Gott und das Wohl seines Staates vorgesteckt hat. §. 551. Staatshaushaltung §. 551. Das erste also, worauf der Fuͤrst sein Augenmerk sezen soll, ist die Bestellung seines hoͤchsten Regierungskollegiums, auf welches er unmittelbar Einfluß hat. Dieses soll aus Maͤnnern bestehen, welche vollkom- mene Staatsmaͤnner und Staatswirthe sind, diese verwalten den Staat nach den Gesezen des Fuͤrsten, doch so, daß bei allen einzel- nen Faͤllen der Fuͤrst ihre Schluͤsse bestaͤttige, oder verwerfe. §. 552. Dieses Collegium besizt also die gesezgebende Gewalt im Staate, und der Regent sizt in demselben vor. Hierauf wer- den nun zur Polizei, zur Justiz und zu dem Finanzwesen vielerlei Collegien und Aemter bestellt, die je nach dem Gutfinden des Fuͤr- sten und der Staatsverfassung zusammen haͤngen. §. 553. Auf dem Lande, und uͤberall im Staate werden Collegien und einzelne Maͤn- ner bestellt, von denen unmittelbar die Aus- fuͤhrung abhaͤngt. Ueberall gilt die Regel der genauen Aufsicht, und der Auswahl ge- schickter tugendhafter Maͤnner. Und da muß Staatshaushaltung muß immer die wirthschaftliche Regel wohl beobachtet werden: Was durch wenige ver- richtet werden kann, soll nicht durch viele geschehen. Jch kann hier nicht die Grundsaͤze entwerfen, wie alle Aemter be- sezt, und wie die Ordnungen getroffen wer- den sollen, das gehoͤrt in die ausfuͤhrliche Staatswirthschaft. §. 554. Auf die gute Besezung der Aem- ter folgt nun die Besoldung der Dienerschaft. Diese muß allemal dem Amte angemessen seyn; doch, obgleich der Fuͤrst reichlich besolden muß, so ist doch unausbleiblich noͤthig, daß auch hiebei Maase gehalten werde. Jeder Diener hat Beduͤrfnisse, die sich wie sein Amt verhalten, weil er sich standesmaͤsig auffuͤh- ren muß. Da nun der Fuͤrst die Hof- und Wuͤrdeordnung ( Etiquette ) bestimmt, so kann er durch Klugheit Wuͤrde ersparen, mit- hin auch Besoldung . Es ist daher nicht gut, wenn den Beam- ten ein Theil der Besoldung Titel ist. Denn wenn die Besoldung dem Titel nicht angemessen ist, und der Beamte sich doch standesmaͤsig auffuͤhren will, so muß er aussaugen. §. 555. Staatshaushaltung §. 555. Wenn der Fuͤrst selber eine maͤ- sige Tafel haͤlt, und maͤsigen Aufwand macht, so wird er dadurch ungemein viel Gutes stif- ten. Denn der hoͤchste Minister fuͤhlt doch immer den grosen Abstand zwischen sich und dem Fuͤrsten, er wird daher gezwungen, auch maͤsig und sparsam zu seyn, und so wuͤrkt dieses Beispiel die Reihe herunter bis zum geringsten Polizeibedienten. Und eben da- durch, wenn der Fuͤrst wenige, aber recht- schaffene Diener hat, wenn er selbige fuͤrst- lich aber doch wirthschaftlich besoldet, und endlich wenn er ihnen in Gottesfurcht, Ernst, Weisheit, Geschicklichkeit und Maͤsigkeit vor- geht, so hat er gewiß nicht zu befuͤrchten, daß ihm sein hoͤchster Zweck mislingen werde. §. 556. Es ist aͤusserst wichtig, daß sich der Staatswirth mit tuͤchtigen hohen Schu- len versehe, auf welchen bestaͤndig fort Maͤn- ner erzogen werden, die er zu allen Faͤchern seiner Bedienungen brauchen kann, und da ist gewiß keine Fakultaͤt nuͤzlicher, als naͤchst der juristischen die kameralistische. Leztere ist dem ungeachtet noch von ausgebreiteterem Nuzen, als die erstere, weilen sie ausser der Justiz und S der Staatshaushaltung der eigentlichen Staatskunde alles in sich be- greift, was zur Landesregierung und zur Erwerbung der Befriedigungsmittel gehoͤrt . Vielleicht wird den andern Fakultaͤten dieser Saz partheiisch vorkommen, aber die Wahrheit der Sache redet fuͤr mich. §. 557. Die Besezung der hohen Schu- len erfordert einen gelehrten Vorstand, der faͤhig ist, Maͤnner von Genie und mit reifer Thaͤtigkeit ausgeruͤstet, zu waͤhlen und aus- zusuchen. Diese muß der Fuͤrst ordentlich besolden und begnadigen, damit er sie ha- ben koͤnne, und sie willig dem Berufe folgen moͤgen. Auch muß den Lehrern die Juris- diktion uͤber ihre Studenten zugestanden wer- den, damit sie nach ihrer besten Einsicht die Studien leiten und zum erwuͤnschten Zwecke fuͤhren koͤnnen. Aus diesen Pflanzgaͤrten der Weisheit kann der Fuͤrst seine Bedienten nehmen, und sie von den geringsten zu den schweresten Aemtern aufruͤcken lassen. §. 558. Sowohl die aͤussere Vertheidigung des Staates, als der innere Schuz und Ruhe desselben erfodert einen Wehrstand, einen Kriegsstaat. Fuͤrsten, deren Staaten nicht stark Staatshaushaltung stark genug sind, sich gegen jede Gewalt zu schuͤzen, sollen sich durch Buͤndnisse mit maͤch- tigern Staaten in Sicherheit stellen, und de- rowegen in Friedenszeiten nicht mehr Sol- daten halten, als zur Sicherheit der Fuͤrstli- chen Personen und des Staates noͤthig ist. Bei Kriegszeiten aber muß die Anzahl, wel- che der Fuͤrst zur Armee abzugeben hat, neu geworben, diese als unversuchte und noch nicht geschickte Leute muͤssen im Staate selber ange- fuͤhrt, an deren Stelle aber aus den geuͤbten Kriegsvoͤlkern das Kontingent gestellt werden. §. 559. Der Kriegsstaat erfodert ein be- sonderes Kriegsdirektorium, welches entwe- der unmittelbar vom Kabinet oder auch von der Konferenz abhangen kann. Ersteres ist vielleicht das beste, doch nachdem die Staats- verfassung eingerichtet ist. Der Kriegsstand muß aus den Landessteuern erhalten und be- soldet werden. §. 560. Zu Friedenszeiten sowohl als in Kriegeslaͤuften sind Maͤnner noͤthig, welche auf das Verhaͤltniß wachen, das der Staat mit andern Staaten hat. Es koͤnnen an an- dern Hoͤfen allerhand Maasregeln genommen S 2 wer- Staatshaushaltung werden, die einem Fuͤrsten und seinen Laͤn- dern entweder hoͤchst nachtheilig, oder hoͤchst nuͤzlich sind: in beiden Faͤllen ist Wachsam- keit noͤthig, um uͤberall zum Nuzen des Staates mitzuwirken. §. 561. Dieses wird durch ein Kollegium, oder wenn der Staat nicht gar gros ist, durch einen Minister der auslaͤndischen Sachen be- sorgt. Desgleichen werden ordentliche, ausser- ordentliche Gesandten und Sachwalter ab- geschickt, die entweder sich bestaͤndig an einem fremden Hofe aufhalten, oder nur ihre Geschaͤf- te ausrichten, und alsdann wieder abziehen. Zu allen diesen Aemtern werden vornemlich weise und erfahrne Staatsmaͤnner erfodert. §. 562. Wenn nun auf solche Weise die aͤussere und innere Staatsbeduͤrfnisse befrie- diget sind, so muͤssen auch die fuͤrstlichen be- friediget werden. Dazu gehoͤrt nun ein stan- desmaͤsiger Hofstaat, Wohnung und Unter- halt. Bei dem Hofstaate muß darauf gese- hen werden, daß zwar genugsame Bedienten, aber keine uͤberfluͤsigen gehalten werden, und daß durch wachsame Aufsicht der Hofmar- schaͤlle und Hofmeister ein jeder seiner Pflicht Genuͤge thue. §. 563. Staatshaushaltung §. 563. Wenn der Fuͤrst vom Baugeiste regiert wird, so kann er dadurch seinem Staate unsaͤglichen Schaden thun. Wenn er seine Pallaͤste und Schloͤsser immer unter genauer Aufsicht haͤlt, und nichts verfallen laͤßt, so handelt er wirthschaftlich, und wird nie gros- se Summen aufs Bauen zu verwenden haben. §. 564. Ueber alles aber ist die beste Er- ziehung der fuͤrstlichen Kinder ein hohes Be- duͤrfniß, und dazu muͤssen gewissenhafte Maͤnner gebraucht werden, welche den noͤ- thigen Unterricht auf die beste Weise ertheilen, damit solche Kinder nicht durch Schmeichelei verdorben, und zwar zur Erkaͤntniß ihres hohen Standes, aber nicht zur Erkaͤnntniß ihrer hohen Pflichten geleitet werden. §. 565. Die Quellen der fuͤrstlichen Einkuͤnf- te muß der Fuͤrst durch geschickte Maͤnner bedie- nen lassen. Und den Ueberschuß der Einkuͤnfte aus denselben, den reinen Ertrag, muß er zur Verbesserung und Vermehrung derselben an- wenden, damit seiñe Nachfolger ebenfalls ge- nugsamen und anstaͤndigen Unterhalt finden moͤgen. S 3 §. 566 Staatshaushaltung §. 566. Eben so muß er den reinen Ertrag der Staatscassa dem Staat rentbar machen. Dieses geschieht, wenn er die Gewerbe er- leichtert, verbessert und besonders durch gu- te Landstrassen, nuͤzliche publique Anstalten, die wiederum Einkuͤnfte abwerfen koͤnnen, Wasserbau, Wasserleitungen, Bruͤcken- und Schleussenbau, Kanaͤle, Urbarmachung oͤder Gegenden und dergleichen, zum allgemeinen Nuzen wirksam ist. §. 567. Endlich muß der Fuͤrst auch ei- nen Vorrath an Geld auf den Nothfall zu- ruͤck halten, weil nicht immer in der Ge- schwindigkeit, die erfordert wird, das Geld aus dem Staate gehoben werden kann. §. 568. Ein Vatter des Vatterlandes, ein weiser, kluger, frommer und wohlthaͤti- ger Fuͤrst, wird allemal Mittel und Wege ge- nug finden und aufzuraͤumen wissen, wodurch er sich und seinen Staat gluͤcklich machen kann. Jn jener Welt, wo die andere Waagschale haͤngt, die mit dieser, worinnen unsere Hand- lungen liegen, immer in gleichem Verhaͤlt- nisse steht, wird der fromme Fuͤrst eben so vor- zuͤglich belohnt und erhoben werden, als der boͤse Staatshaushaltung boͤse Fuͤrst, den man gewogen und zu leicht gefunden hat, seiner vorzuͤglichen Strafen kein Ende sehen wird. Ruckblick aufs Ganze. Dieser Entwurf enthaͤlt die Gedankenrei- he, alle die an einander geketteten Vorstellun- gen, die ich mir bei dem Antritte meines Amtes von den Kameralwissenschaften machte. Und so wie ich die Sachen dachte und empfand, so habe ich sie niedergeschrieben und diesen Winter uͤber meinen Zuhoͤrern erklaͤrt. Jch habe weder bei dem Schreiben noch Erklaͤren mich fremder Huͤlfe bedienen wollen, weil ich diesen Versuch, was die Lehrsaͤze betrift, weder fuͤr unzweifelbare Wahrheiten, die nicht zu verbessern waͤren, auszugeben wil- lens bin, sondern es war mir nur um ein Lehrgebaͤud, oder besser um einen Grund- riß zu thun, auf den ich mein kuͤnftiges Ge- baͤud aufzurichten gedenke. Die Abschnitte, Hauptstuͤcke und Paragraphen dieses Buches sehe ich gleichsam als so viel leere Faͤcher an, wovon der Jnnhalt nur die Aufschrift ist, und in welche ich nun fremde und eigene, mit groͤster Staatshaushaltung groͤster Strenge, Wahrheitsliebe und Unpar- theilichkeit gepruͤfte Erfahrungen hineintra- gen, und solchergestalt, wills Gott! tuͤchti- ge Lehr- und Lesebuͤcher fuͤr meine Zuhoͤrer und Leser verfassen will; und so wie das ge- schehen wird, will ich auch hier in diesem Werk aͤndern, ab- und zuthun, bis es end- lich kein Versuch mehr, sondern eine wahre Grundlehre saͤmtlicher Kameralwissenschaften heissen kann. Sie, meine Herren! edle Juͤnglinge! die Sie sich meiner Fuͤhrung anvertraut haben, entlasse ich fuͤr diesmal, mit der wohlgemein- ten treuen Bitte, nun erst mit mir von vor- nen anzufangen, um mit Feuer und Kraft auf diesen Grundwahrheiten zu bauen, die Jhnen, ihren Fuͤrsten, ihren Staaten und uͤberhaupt dem ganzen deutschen Vatterlande eine unversiegbare Quelle wahrer Gluͤckseelig- keit werden koͤnnen. Dieser rechtschaffene Vorsaz, wenn er wohl ausgefuͤhrt wird, wird uns alle sauere Tritte dieses Lebens versuͤssen; und uns in der Todesstunde den Trost einer ewigen Belohnung gewaͤhren. Dieses allein sei uns Reiz genug, wahre Kameralisten zu werden.