Gedichte eines Lebendigen. Druck von Zürcher \& Furrer. Gedichte eines Lebendigen. Zweiter Band. Zürich und Winterthur, Verlag des literarischen Comptoirs. 1843. An die deutsche Jugend. Bei Gelegenheit der Verbannung von Robert Prutz. Ihr spottet unser, stolze Würdenträger? Baut nicht zu viel auf Euer Ahnenschild! Vielleicht noch einen Tag die wilden Jäger, Vielleicht schon morgen das gejagte Wild! Mit manchem Worte wollt' Er Euch bedeuten, Mit manchem Wort zu Frommen Euch und Nutz: Ihr aber zwangt den Dichter, Sturm zu läuten — Nimm, deutsche Jugend, nimm sein Lied in Schutz! 1 Ich spielte freilich nur auf Einer Saite, Die Euch, erlauchte Herren, stets mißfällt: Doch rief nicht ich , bei Gott! nicht ich zum Streite, Zum Streite ruft der neue Geist der Welt! Und jauchzt das Volk und schwingt es seine Mützen, Wollt Ihr den Leiermann drum ächten? Thut's! Der Adler weiß die Nachtigall zu schützen — Nimm, deutsche Jugend, unser Lied in Schutz! Leicht können wir der Fürsten Gunst entbehren Für eines Bettlers Herz, das wir gerührt! Sie soll mich auch in Zukunft singen lehren, Die mir die Hand zum ersten Lied geführt; All' meine Schätze leg' ich ihr zu Füßen: Die Freiheit ist ein Weib und liebt den Putz. Ja wohl! ich werd' ihr Sklave bleiben müssen, — Nimm, deutsche Jugend, nimm mein Lied in Schutz! Sie, die kein Wetter aus dem Schlafe rüttelt, Die Treibhauspflanzen, die ein Mädchen hegt, Indeß der Sturm die Brüder draußen schüttelt: Die Dichter haben nie dein Herz bewegt; Du lächelst ob der Demuth unsrer Alten, Und willst nur Zorn und kühner Worte Trutz; Zwar hinkt mein Vers, doch ist er ohne Falten , — Nimm, deutsche Jugend, nimm mein Lied in Schutz! Gleich wie die Lerche grüßt den ersten Funken, Der aus dem Aug' des jungen Tages bricht: So macht ein Strahl von Hoffnung schon mich trunken, Ich brauch' die Sonne der Erfüllung nicht. „Es muß gescheh'n, und darum wird's geschehen!“ Schriebst Du nicht also, mein geliebter Prutz? Kein Korn der Freiheit darf verloren gehen — Nimm, deutsche Jugend, unser Lied in Schutz! Morgenruf. Die Lerche war's, nicht die Nachtigall, Die eben am Himmel geschlagen: Schon schwingt er sich auf, der Sonnenball, Vom Winde des Morgens getragen. Der Tag, der Tag ist erwacht! Die Nacht, Die Nacht soll blutig verenden. — Heraus, wer an's ewige Licht noch glaubt! Ihr Schläfer, die Rosen der Liebe vom Haubt, Und ein flammendes Schwert um die Lenden! Die Lerche war's, nicht die Nachtigall: Erhebt euch vom Schlummer der Sünden! Schon wollen die Feuer sich überall, Die heiligen Feuer entzünden. Frisch auf und die Waffen gefeit! Der Streit, Der Gottesstreit soll beginnen. Hinweg aus des Liebchens rosigem Arm Und hinein in der Feinde gepanzerten Schwarm Und auf fliegenden Rossen vonhinnen! Die Lerche war's, nicht die Nachtigall: Kein Küssen gilt es und Kosen, Sie singt von nahendem Donnerhall, Sie singt von des Schlachtfelds Rosen, Den Rosen, damit in Todeslust Die Brust, Die Brust der Helden sich schmücket. Drum auf und wohlan: bis frei die Welt, Sei der Himmel ein einig Kriegergezelt Und der Dolch der Rache gezücket! Die Lerche war's, nicht die Nachtigall: So laß, o Jugend, dein Träumen! Und wie von den Bergen mit Jubelschall Die muthigen Wasser entschäumen, Und wie sie jagen in's tiefste Thal Den Strahl, Den silbernen Strahl durch's Gelände: So gieb ihr dein Blut, so gieb ihr dein Wort, Daß die Erde nicht ganz und gar verdorrt, So gieb ihr dein Herz und die Hände! Die Lerche war's, nicht die Nachtigall: Die kecke Gespielin der Wolke Fliegt jauchzend hinter dem Sonnenball, Hoch über dem staunenden Volke; Und unter dem Scheffel bleibt auch nicht Das Licht, Das Licht der Freiheit verborgen; Viel tausend Herzen sind angefacht, Und preiset die Liebe die Sterne der Nacht: Die Völker, sie preisen den Morgen. Im Frühjahr. Lustig auf! die Erde glänzt, Ein gefüllter Freudenbecher, Und der trunkne Himmel kränzt Sich sein Haubt, ein froher Zecher. Ueppig hat ein Blüthenleib Um die Bäume sich ergossen, Gleich als hielt' ein junges Weib Jeder in den Arm geschlossen. Sternenauf und sternenab Tausend leuchtende Gefieder, Rosen trägt das finstre Grab Und die Kreuze sinken nieder. Duft und Klang und Vogelflug, Balsam, wo die Blicke weilen, Und doch Alles nicht genug, Um — ein krankes Volk zu heilen. Husarenlied . Es flammt mein Herz, es schwillt mein Muth, Ich schwinge meinen Stahl, Und hätt' ich einen Federhut, So wär' ich General! Wie klingen die Trompeten hell Des Morgens um die Vier! Der Tambour schlägt sein Eselsfell, Die Esel schlagen wir. Zur Seite blitzt uns das Gewehr, Der Tod aus unsrer Hand; Wir reiten hin, wir reiten her, Wir reiten um's Vaterland. Und ob sich auch manch schönes Kind Die Aeuglein schier zerweint: Husaren sausen wie der Wind Vorüber in den Feind. Das ist ein Leben auf der Wacht, So lustig und so frei! Das geht so leicht in heißer Schlacht Vorüber und vorbei! Der Himmel wird uns aufgethan Wie ein Juwelenschrein; Husarensäbel klopfen dran Und drinnen ruft's: Herein! Champagnerlied. Epernay, Herbst 1841 . Wir griffen jüngst, den Weltbrand anzufachen, Ihr Brüder, nach dem Schwert; Doch diese Welt, so laßt uns drüber lachen! Ist unsers Ernsts nicht werth. Juchhe, die Narrenschelle! Die Jugend ist ein Glas Champagnerwein: Drum will sie schnelle, schnelle, Gleich frisch an ihrer Quelle, Getrunken sein. Schenkt ein! Schenkt ein! Was kümmern uns die Kronen und die Fürsten? Gott segne unsre Herrn! Wir wollen was zu trinken, wenn wir dürsten, Wir zechen All' so gern. Laßt uns die Hände reichen Zu trautem, frischem, fröhlichem Verein! Die Reben, nicht die Eichen, Die sollen unser Zeichen, Ja, Zeichen sein. Schenkt ein! Schenkt ein! Die Sündfluth drohte einstens zu verwaschen Des Herren liebsten Sohn: Da barg er flugs den Witz in einer Flaschen, Der grausen Fluth zum Hohn. Wir haben sie gefangen! Heraus den Witz, die Weisheit heut hinein! Der Witz soll heute prangen, Die Weisheit soll gefangen, Gefangen sein. Schenkt ein! Schenkt ein! Laßt den Philister mit dem Leben sparen — Er ist ein armer Mann. Soll ich zu Wasser in den Himmel fahren, Wenn ich's im Feuer kann? Juchhe, die Narrenschelle! Die Jugend ist ein Glas Champagnerwein: Drum will sie schnelle, schnelle, Gleich frisch an ihrer Quelle, Getrunken sein. Schenkt ein! Schenkt ein! Die Epigonen von 1830 . Paris, Nov. 1841 . I. Geschworen hatt' ich in der Stille: Nein, keine Verse in Paris! Doch dieß dir Wiege der Camille? Und Mirabeau's Tribüne dieß ? Und dieß die Stadt, drin sich geschlagen Ein Volk im Julisonnenbrand? Und dieß das Grab, draus nach drei Tagen Der Christ der Freiheit auferstand? Die Täuschung ward mir schnell benommen, Sie fällt vom Auge Stück für Stück; Ich bin so durstig hergekommen, Und kehre ohne Trunk zurück. Gern auf die Knie' wär' ich gesunken — Sind eure Buden ein Altar? Nicht eine Flamme, nicht ein Funken, Wo des Jahrhunderts Krater war! Geschändet selbst die kalte Lave, In die so heilig Blut gethaut, Daß ihr nun, wie Neapels Sklave, Drauf eurer Wollust Reben baut! O nehmt sie fort, die Trikolore, Die eurer Väter Thaten sah, Und schreibet warnend an die Thore: „Hier ist der Freiheit Capua!“ II. Kaum haben sie uoch Mondenscheine Vor ihrem Gas und Kerzenlicht, Die Thränen selbst sind falsche Steine Und lohnen ihre Fassung nicht. Gemalt sind ihre schönsten Rosen Und kaum die Dornen ächt daran — So stürmen sie, die Ruhelosen, Auf ihrer ausgetretnen Bahn. Das ist ein Schachern, ein Erwerben, Ein Räderrasseln Tag und Nacht — Ich möcht' in dieser Stadt nicht sterben, Die auf den Gräbern Hochzeit macht. Welch Glück, daß ihr in dem Getriebe Mein deutsches Spinnrad nicht vermißt, Daß ihr nicht ahnt, was deutsche Liebe, Nicht ahnt, was deutsche Narrheit ist! 2 Die drei Zeichen. 1842. Drei Zeichen hat uns Gott bestellt, Daß wir die Herren dieser Welt: Das ist der goldne Wein, Das ist durch's Land der grüne Strom, Das ist der hohe heil'ge Dom, Der Dom zu Köln am Rhein. O Traubenblut, o adlig Blut! Wer schafft wie du so kühnen Muth, So frisch und froh Gedeihn? Der Meister, der den Plan gemacht, Hat sicher ihn beim Wein erdacht, Den Dom zu Köln am Rhein. Dir, deutscher Strom, den zweiten Gruß! Von freien Alpen kommt der Fluß Um deutsches Land zu frein ; Kann ich sein Rauschen recht verstehn, So heißt's: Ich will ihn fertig sehn, Den Dom zu Köln am Rhein. Ja, wie der Meister dich erschaut, Bis zu den Sternen auferbaut Sollst du, o Tempel, sein! Damit man einst am jüngsten Tag Noch singen und noch sagen mag Vom Dom zu Köln am Rhein. Was will des Teufels Witz und Spott? Es kehret schon der rechte Gott Auch bei den Deutschen ein; Nur frisch, Gesellen, frisch zur Hand! Macht Platz für's ganze Vaterland Im Dom zu Köln am Rhein. J.....? Und wieder ob den Landen Lag jüngst ein schwerer Bann: Da ist ein Mann erstanden, Ein ganzer, deutscher Mann; Ein Deutscher und ein Freier, Wer hätte das gedacht? Daß selbst die deutsche Leier Aus ihrem Schlaf erwacht. Ein Deutscher und ein Freier, Was ihr wohl selten schaut; Ja wohl, ein kühner Freier Um eine stolze Braut: Der schwur gar laute Fehde Der trotzigen Gewalt, Daß rings von seiner Rede Das Echo widerhallt: „Mög' euch der Herr behüten Der Kronen lichten Glanz: Doch flechtet aus den Blüten Auch endlich einen Kranz; Um all die deutschen Sonnen Muß auch Ein Himmel sein, Er muß zu Einer Tonnen, Der deutsche Feuerwein.“ „Drum kommt, ihr Herrn, geschwinde, Laßt uns zur Taufe gehn: Bei einem schönen Kinde Sollt ihr Gevatter stehn! Wollt ihr den Namen wissen? Einheit , der soll es sein; Ihr bindet in die Kissen Ihm wohl die Freiheit ein?“ „Und was ihr sonst versprochen: Gebt auch die Rede frei! Er wird ja doch zerbrochen, Der Stab der Tyrannei; Nie wird sich mehr erheben Bis zu des Adlers Nest Die Wespe, die ihr Leben Mit ihrem Stachel läßt.“ „Es wird zunichte werden, Der Sklaverei Phantom, Und frei rauscht durch die Erden Der Freiheit Alpenstrom; Der Strom, der sich sein Bette Nur tiefer, tiefer wühlt, Bis er die letzte Kette Der Menschheit fortgespült.“ „Vertraut doch eurem Volke, Dem Seemann, der nie irrt Und weiß, was euch die Wolke Am Abend bringen wird; Dem Schnitter, der die Garbe, Die reife, wohl erkennt; Dem Krieger, den die Narbe Vor jedem Treffen brennt!“ „Es kommt ein Sturm, drum gehen Die Seelen auch so hoch, Ihr müßt das Steuer drehen: So hört, ihr Fürsten, doch! Hier hilft kein Compaßregeln, Hier hilft am Strand kein Thurm; Wollt ihr noch weiter segeln , So segelt mit dem Sturm .“ So rief er laute Fehde Der trotzigen Gewalt, Daß noch von seiner Rede Das Echo widerhallt. Den Weisen, den Geehrten, Hat's aber mißbehagt: Gleich jenen Schriftgelehrten, Wenn sie der Herr gefragt. Die deutsche Flotte. Erwach', mein Volk, mit neuen Sinnen! Blick' in des Schicksals goldnes Buch, Lies aus den Sternen dir den Spruch: Du sollst die Welt gewinnen ! Erwach', mein Volk, heiß' deine Töchter spinnen! Wir brauchen wieder einmal deutsches Linnen Zu deutschem Segeltuch. Hinweg die feige Knechtsgeberde; Zerbrich der Heimat Schneckenhaus, Zieh' muthig in die Welt hinaus, Daß sie dein eigen werde! Du bist der Hirt der großen Völkerheerde, Du bist das große Hoffnungsvolk der Erde, Drum wirf den Anker aus! War Hellas einst von bessrem Stamme, Als du? von bessrem Stamme Rom? Daß Hermann, dein gepries'ner Ohm, Mein Volk, dich nicht verdamme — Hinaus ins Meer mit Kreuz und Oriflamme! Sei mündig und entlaufe deiner Amme, Wie seinem Quell dein Strom! Wohl ist sie dein, die schönste Flotte, Die je ein sterblich Aug' entzückt: Der Münster Schiffe, wie geschmückt Hast Du sie deinem Gotte! Du lächelst ob der Feinde schwachem Spotte, Wenn sie auf schwankem Brett, die freche Rotte, Die Frucht der Erde pflückt. Auch diese Frucht sollst du ersiegen, Wenn erst das Salz dein Ruder netzt, Und all die Sterne, die sich jetzt Stolz über'm Haubt dir wiegen, Gleich schmucken Sklaven dir zu Füßen liegen; So zwischen zweien Himmeln hinzufliegen — Diß Ziel ist dir gesetzt! O blick' hinaus ins Schrankenlose! Bestürmt dein Herz nicht hohe Lust, Wenn, wie an einer Mädchenbrust Die aufgeblühte Rose, Die Sonne zittert in des Meeres Schooße? Und rauschen nicht der Tiefe tausend Moose Dir zu: du mußt! du mußt!? Gleicht nicht das heil'ge Meer dem weiten Friedhof der Welt, darüber hin Die Wogen Decken von Rubin Und grüne Hügel breiten? Um deiner Todten Asche mußt du streiten! Ha! schlummern nicht aus deiner Hansa Zeiten Auch deutsche Helden drin? Wiegt sich nicht auf krystallnem Stuhle Im Meer der Nereïden Schaar, Die sich ihr Schicksal Jahr um Jahr Abspinnt von goldner Spule? Lockt sie dich nicht, der Becher nicht von Thule, Das wilde Meer, der Freiheit Hohe-Schule, Lockt dich nicht die Gefahr? — Das Meer wird uns vom Herzen spülen Den letzten Rost der Tyrannei, Sein Hauch die Ketten wehn entzwei Und unsre Wunden kühlen. O laßt den Sturm in euren Locken wühlen, Um frei wie Sturm und Wetter euch zu fühlen; Das Meer , das Meer macht frei ! Kühn, wie der Adler kommt geflogen, Nimmt der Gedanke dort den Lauf, Kühn blickt der Mann zum Mann hinauf, Den Rücken ungebogen. Noch schwebt der Geist des Schöpfers auf den Wogen, Und in den Furchen , die Columb gezogen , Geht Deutschlands Zukunft auf . Wie dich die Lande anerkennen, Soll auch das Meer dein Lehen sein, Das alle Zungen benedein Und einen Purpur nennen. Er soll nicht mehr um Krämerschultern brennen — Wer will den Purpur von dem Kaiser trennen? Ergreif' ihn, er ist dein . Ergreif' ihn, und mit ihm das Steuer Der Weltgeschichte, fass' es keck! Ihr Schiff ist morsch, ihr Schiff ist leck, Sei Du der Welt Erneuer ! Du bist des Herrn Erwählter und Getreuer; O sprich, wann lodern wieder deutsche Feuer Von jenes Schiffes Deck? Hör', Deutschland, höre deine Barden: Dir blüht manch lustig Waldrevier — Erbaue selbst die Segler dir, Der Freiheit beste Garden, Mit eignen Flaggen, eigenen Kokarden; Bleib' nicht der Sklave jenes Leoparden Und seiner schnöden Gier! Wen bittrer Armuth Noth erfaßte, Und wer verbannt die See durchwallt, Daß heiße Sehnsucht nicht zu bald Die Seele ihm belaste: Dem sei's beim Schwanken einst der deutschen Maste, Als ob er träumend noch zu Hause raste Im kühlen Eichenwald. Es wird geschehn ! sobald die Stunde Ersehnter Einheit für uns schlägt, Ein Fürst den deutschen Purpur trägt, Und Einem Herrschermunde Ein Volk vom Po gehorchet bis zum Sunde; Wenn keine Krämerwage mehr, wie Pfunde, Europa's Schicksal wägt. Schon schaut mein Geist das nie Geschaute, Mein Herz wird segelgleich geschwellt, Schon ist die Flotte aufgestellt, Die unser Volk erbaute; Schon lehn' ich selbst, ein deutscher Argonaute, An einem Mast, und kämpfe mit der Laute Ums goldne Vließ der Welt. Bei Hamburgs Brand. Ein freies Wort in Hamburgs Flammen! Denn in den Flammen seht ihr's gern; Es wird mich Fürst und Volk verdammen Und doch — ich find' kein Lied, ihr Herrn; Kaum will ein Laut sich in mir regen, Ein Laut für den Philistersegen, Der aus der heißen Asche bricht; Laßt mich ein Sprüchlein niederlegen: Bewahrt das Feuer und das Licht! Ihr wißt, ich bin ein schlechter Reimer, Dieß liegt trotz eurer Nacht am Tag; Doch ist mein Vers kein Wassereimer, Den man zum Löschen füllen mag; Ich jauchzte, als die Feuerzungen Jüngst so beredt durch's Land geklungen, Ja, Feuer! rief noch mein Gedicht; Ich hab' den Stürmen zugesungen: Bewahrt das Feuer und das Licht! Manch trocken Auge ward gefeuchtet, Manch kalte Seele wurde heiß, Und glühend hat das Eis geleuchtet, Das starre, deutsche Gletschereis; Der Bund der Eintracht ward beschworen, Das Feuer hat uns neu geboren, Des Rheines Wasser konnt' es nicht — O sei kein Funke drum verloren: Bewahrt das Feuer und das Licht! 3 Laßt sie von Land zu Lande wallen, Die Glut, die uns solch Heil gebar; Laßt alle, alle Tempel fallen, Doch jede Seele werd' Altar. „Mehr Licht!“ Nur Licht kann uns erretten, Nur Feuer tilgt das Mal der Ketten, Das Feuer halte sein Gericht. Auf Feuer will die Freiheit betten: Bewahrt das Feuer und das Licht! Eine Erinnerung. Als Polens letzte Schlacht verloren, Da ging's hinunter an den Rhein, Und auf den Bergen ward geschworen: „Wir wollen freie Männer sein!“ Und tief im Thal hört man's gewittern, Und durch die Lande fliegt ein Wort, Daß freudig alle Herzen zittern — Ein böser Traum! und jenen Rittern Ist hinter sieben Eisengittern Der Jugend Blüte schnell verdorrt. Wohl viel hat uns der Tod genommen, Mehr noch das Leben uns geraubt; Doch drum, ihr Brüder, unbeklommen, Noch trägt die Freiheit stolz ihr Haubt! Uns blieb ihr Bild — was liegt am Rahmen? Wen wird das schlechte Holz gereu'n? Laßt sie vergehn, die großen Namen! Sie werden kommen, wie sie kamen, Und neue Helden, neuen Samen In unsrer Todten Asche streu'n. Noch giebt's ja Prediger vom Berge, Für die man schon die Dornen flicht, Doch freilich! dieß Geschlecht der Zwerge Verstehet ihre Sprüche nicht; Die tief im Witz begraben liegen, Die hohen Herrn verstummen hier — Kein Bücken gilts mehr und kein Biegen, Die Freiheit ruft schon an den Wiegen: „In meinem Zeichen müßt ihr siegen!“ In ihrem Zeichen siegen wir. Wie Zeus durch den Olympus schreitet Mit Donnern, naht der große Tag: Ob aller Welt wird er verbreitet, Daß alle Welt sich freuen mag. Dem Sehnen ward das Wort verliehen, Der Stern der Zeit fand seine Bahn; Dem Sturm geweihter Melodien Wird auch der letzte Feind entfliehen, Und, der Verheißung Schwalben, ziehen Dem Völkerfrühling wir voran. Der Knechtschaft Baal wird zu Schanden, Der Blinde weiß nicht was er thut: Er schlägt den süßen Wein in Banden Und mehrt nur seines Feuers Glut. Seht ihn, der heut der Haft entsprungen, Wie wirft er seiner Perlen Schaar! Hurrah, ihr frischen, freien Zungen! Hurrah, du Volk der Nibelungen, Bring' diesen alten Geist dem jungen, Dem guten Geist zum Opfer dar! Einkehr in die Schweiz. Im Frühjahr 1840. Alles ringt sich von der Scholle, Alles ist emporgestiegen; Will am End' die blütenvolle Erde in den Himmel fliegen? Meiner Heimat Strand befeuchtend, Glänzt vor mir des Seees Spiegel, Drauf die Sonne, purpurleuchtend, Wie der Liebe rothes Siegel. Und ich seh' in allen Fernen Opfer von den Bergen rauchen, Und ich möchte mit den Sternen Meine Seele untertauchen. Und es dampfet durch die Lüfte Auf zu mir des Thales Brodem, Und es duften alle Düfte, Wie einst meiner Liebsten Odem. Frühling unten, Frühling oben Und so Flur wie Hügel reicher; Alle Noth hinweggehoben Und der Himmel selber weicher. Doch kein Herz, das er, zu theilen, Diese Seligkeit, mir gönnte — Und so wünsch' ich mir zuweilen Etwas, das ich hassen könnte. Heimweh. O Land, das mich so gastlich aufgenommen, O rebenlaubumkränzter, stolzer Fluß — Kaum bin ich eurer Schwelle nahgekommen, Klingt schon mein Gruß herb wie ein Scheidegruß. Was soll dem Auge eure Schönheit frommen, Wenn diese arme Seele betteln muß? Er ist so kalt der fremde Sonnenschein; Ich möchte, ja ich möcht' zu Hause sein! Die Schwalben seh' ich schon im stillen Flug Die Häuser — nur das meine nicht — umschweben; O warme Luft, und doch nicht warm genug, Verpflanzte Blumen wieder zu beleben! Der Baum, der seine jungen Sprossen schlug, Was wird dem Fremdling er im Herbste geben? Vielleicht ein Kreuz und einen Todtenschrein — Mich friert, mich friert! ich möcht' zu Hause sein! — Die Schweiz. 1842. Land der Sehnsucht, drin die Berge wie der Freiheit Prachtstatüen, Wie aus blankem Gold und Silber von dem Herrn gegossen, glühen; Berge, die er seinem Himmel als die letzten Säulen gab, Wiege seiner Wetterwolken, seiner Adler einsam Grab! Land der Sehnsucht, drin die Ströme sich wie muthige Rebellen In die Ebne niederstürzen, auch der Rhein mit seinen Wellen, Auch der Rhein mit seinen Wellen, der die vielen Worte hört — Ob's die deutschen Fürsten ahnen, daß sich auch der Rhein empört? Daß er hier sich nicht um Klippen, nicht um deutsche Lieder kümmert, Und den eignen Friedensbogen tausendfach im Sturz zertrümmert? Ob ihr auch so voll des Lobes, deutsche Sänger, hier erschient, Wo er donnernd schon als Säugling seine Sporen sich verdient? Wo die ersten Schöpfungsworte laut noch durch die Lüfte klingen: Land der Dichter! das emporsteigt, adlergleich, auf Felsenschwingen; Wo die Erde heißverlangend nach dem Kranz der Sterne faßt, Bis sie vor der eignen Größe tief erschaudert und erblaßt: Wieder bin ich dein geworden! wieder glänzt ihr, stolze Firnen, Jeden Abend, jeden Morgen frische Rosen um die Stirnen; Land der Sehnsucht, ob auch eitel manch ein Sklave mit dir prahlt, Bleibst du doch der treuste Spiegel, der die Freiheit widerstrahlt! Einstens, hört' ich, ging ein Engel durch der Herren Länder fragen, Ob ihr Boden nicht den Samen auch der Freiheit möchte tragen? Und er bat um wenig Erde und er bat um wenig Raum, Wenig Raum und wenig Erde braucht ein solcher Freiheitsbaum. Doch sie riefen ihre Schergen in die Thäler, auf die Hügel, Und der Engel nahm den Samen wieder unter seine Flügel, Trug ihn aus dem finstern Lande in der Berge Purpurschein, Senkt' ihn statt in lockrer Erde, in den Schooß der Felsen ein. Also mußt' er seine Wurzeln wie die junge Tanne treiben: Mög' er euch wie eure Tannen immer grün, o Schweizer, bleiben! Sicher vor des Himmels Blitze und vor eurer eignen Hand, Sicher vor des Fremdlings Witze und — vor eignem Unverstand. Aus den Bergen. Jeder Mensch hat seinen Stern, Jeder Hofrath seinen, Jeder Pudel seinen Kern: Laßt auch mir den meinen! Ward mir leider nicht zu Theil Daß ich euch ergötze, Aber denkt: ich bin ein Keil, Weil ihr grobe Klötze. Ja — ich habe kein Gemüth Für der Mägdlein Wangen, Für die Blümchen, die verblüht, Eh sie aufgegangen; Ja, ich bin ein schlechter Held Wider Türk' und Franken, Mache selbst um jene Welt Mir nicht viel Gedanken. Ich gehöre zum Verband Aller großen Thoren. Heil! wenn unser Vaterland Den Verstand verloren! Wenn's einmal, ein Löwe noch, Seine Mähne schüttelt, Und am altgewohnten Joch Den Philister rüttelt! Alle Herzen, stolz und heiß, Müssen dort verbluten; Darum in dies Gletschereis Flücht' ich meine Gluten: Droben an des Gießbachs Strand, An des silberhellen, Jauchz' ich, daß im flachen Land Euch die Ohren gellen. Was ihr nur mit Schmach und Tod Wisset zu befehden, Trunken vor dem Morgenroth Darf ich's jetzo reden, Rufen in den goldnen Tag Tief aus Herz und Kehle: Raum , ihr Herrn , dem Flügelschlag Einer freien Seele ! 4 Wo mit unbezähmter Lust Ob den letzten Hütten Dürre Felsen aus der Brust Ewige Ströme schütten; Wo in ungezügeltem Lauf Noch die Wasser tosen, Lad' ich meine Waaren auf: Wilde, wilde Rosen! Habt da draußen manchen Tropf, Der mag vor euch zagen; Ich will trotzig meinen Kopf Wie die Berge tragen. O, wie winzig dünken mich Eure Sieben-Sachen! Wer die Blitze unter sich, Kann auch eurer lachen. Unseren Künstlern quand même noch zwei Sonette! I. Bei einem Gemälde von Cornelius. Die Zeit ist die Madonna der Poeten, Die Mater dolorosa , die gebären Den Heiland soll. Drum halt' die Zeit in Ehren: Du kannst nichts Höheres, denn sie, vertreten. Hat deine Zeit einmal nicht Lust zum Beten, Du wirst sie keines Besseren belehren! Warum die Augen ewig rückwärts kehren? Im eigenen Jahrhundert dich verspäten? Ich achte all dies strahlende Gelichter Und deinen ganzen Himmel nicht sehr theuer, Obschon du höflichst drein gesetzt den Dichter. Nimm einen Lorbeer für die Ungeheuer Und für die kolossalen Bösewichter , Doch deine Heiligen — die wirf in's Feuer! II. Die Blumen überwuchern unsre Saaten, Drum fehlet uns ein Held von ächtem Korne, Der tief getrunken aus der Mannheit Borne Und helfen kann, wo Tausende nur rathen; Der sich versteht auf hohe, freie Thaten, Deß Auge flammt in hellem Liebeszorne, Der die Tyrannen peitschet mit dem Dorne Von jeder Rose, so sie uns zertraten. Ein Held, deß Worte leuchten in die Runde, Der unsers Vaterlands zersprengte Theile Zusammenzaubern kann zu neuem Bunde; Ein Held, der, wo die Noth erheischet Eile, Die Waffen in der Hand trägt, statt im Munde, Zum Schwert greift, statt nach Pinsel oder Feile. Wohlgeboren und Hochwohlgeboren. Von zwei deutschen Dichtern in Paris. I. Wohlgeboren. So hab' ich es nach langen Jahren Zu diesem Posten noch gebracht, Und leider nur zu oft erfahren Wer hier im Land das Wetter macht. Du sollst, verdammte Freiheit! mir Die Ruhe fürder nicht gefährden; Lisette, noch ein Gläschen Bier! Ich will ein guter Bürger werden. Auch ich sprach einst vom Vaterland Und solchen sonderbaren Dingen, Ich trug mein schwarzrothgolden Band Und ließ die Sporen furchtbar klingen: Doch, selig wer im Gleise geht Und still im Joche zieht auf Erden — Was hilft die Genialität? Ich will ein guter Bürger werden. Diogenes vor seiner Tonne — Vortrefflich, wie beneid' ich ihn! Es war noch keine Julisonne, Die jenen Glücklichen beschien. Was Monarchie? was Republik? Wie sich die Leute toll geberden! Zum Teufel mit der Politik! Ich will ein guter Bürger werden. Gewiß, man tobt sich Einmal aus — Es wär' ja um die Jugend schade — Doch, führt man erst sein eignes Haus, So werden Fünfe plötzlich grade. In welcher Mühle man uns mahlt, Das macht uns nimmer viel Beschwerden; Der ist mein Herr, der mich bezahlt —, Ich will ein guter Bürger werden. Jedwedem Umtrieb bleib' ich fern, Der Henker mag das Volk beglücken! Ein Orden ist ein eigner Stern, Wer einen hat, der soll sich bücken. Bück' dich, mein Herz! bald fahren wir Zur Residenz mit eignen Pferden; Lisette, noch ein Gläschen Bier! Ich will ein guter Bürger werden. G. H. II. Hochwohlgeboren Justum et tenacem propositi virum — H oratius . Ein guter Bürger willst du werden? Pfui, Freund — Ein guter Bürger — du? Das also war dein Ziel auf Erden? Dem stürmten deine Lieder zu? O, nimm's zurück, das ekle Wort! Wer mag sich so gemein geberden? Nein, nein, mich reißt es weiter fort: Ich muß Geheimer-Hofrath werden! Um meine Wiege sah die Amme Schon frühe den Prophetenschein, Und in mir diese ew'ge Flamme, Sie kann, sie darf nicht Lüge sein. Bleib' du im Thal, wo dir's behagt Und grase mit den Pöbelheerden, In mir steht fest, was ich gesagt: Ich muß Geheimer-Hofrath werden! Daß unsre Wege so sich theilen, Glaub' mir, Georg! es thut mir weh; Du gehst zum Bier: und ich derweilen Zu einem Oberappellationsgerichtsvicepräsidenten-Thee. Du hast erfüllt dein stilles Loos, Das meine liegt noch den Behörden Der dunkeln Zukunft schwer im Schooß: Ich muß Geheimer-Hofrath werden! So Mancher hat's doch schon erreicht, Der höher noch als ich gedachte, Der krummer seinen Vers vielleicht Und krummer seinen Rücken machte. Was Einer kann , das kann auch Ich ! — — Und, trotz Gefährden und Beschwerden, Schwör' ich's — St. Huber, höre mich! — Ich muß Geheimer-Hofrath werden! Sieh: ein Logis im ersten Stocke, Recht weit und reich, mit Maß geheizt, Ein Kreuzchen auf dem schwarzen Rocke, Das sich kokett versteckt und spreizt, Ein Chaischen, ein Livreechen drauf, Und fährt's auch mit Fiacre-Pferden — Bruder! die Seele geht mir auf: — Ich muß Geheimer-Hofrath werden! Noch lebt ein Gott: Verdienst zu lohnen, Noch steht manch edles Fürstenhaus ; Gott theilt den Fürsten ihre Kronen, Die Fürsten uns die Titel aus. Gewiß, gewiß! ich find' es noch Mein letztes Ziel auf dieser Erden; Wär's nur um Voigtens Nekrolog: — Ich muß Geheimer- Hofrath werden! Hofrath Franz Dingelstedt ( NB. Paris, Nov. 1841!) Die Partei. An Ferdinand Freiligrath. Die ihr gehört — frei hab' ich sie verkündigt; Ob jedem recht: — schiert ein Poet sich drum? Seit Priam's Tagen, weiß er, wird gesündigt In Ilium und außer Ilium. Er beugt sein Knie dem Helden Bonaparte , Und hört mit Zürnen d'Enghiens Todesschrei: Der Dichter steht auf einer höhern Warte , Als auf den Zinnen der Partei . Ferdinand Freiligrath . (S. dessen Gedicht auf den Tod von Diego Leon , Morgenblatt Nro. 286, Jahrg. 1841.) Du drückst den Kranz auf eines Mannes Stirne, Der wie ein Schächer jüngst sein Blut vergoß, Indessen hier die königliche Dirne Die Sündenhefe ihrer Lust genoß; Ich will ihm den Cypressenkranz gewähren, Düngt auch sein Blut die Saat der Tyrannei — Für ihn den milden Regen deiner Zähren! Doch gegen sie die Blitze der Partei! Partei ! Partei ! Wer sollte sie nicht nehmen, Die noch die Mutter aller Siege war! Wie mag ein Dichter solch ein Wort verfehmen, Ein Wort, das alles Herrliche gebar? Nur offen wie ein Mann: Für oder wider? Und die Parole: Sklave oder frei? Selbst Götter stiegen vom Olymp hernieder Und kämpften auf der Zinne der Partei! Sieh hin! dein Volk will neue Bahnen wandeln, Nur des Signales harrt ein stattlich Heer; Die Fürsten träumen, laßt die Dichter handeln! Spielt Saul die Harfe, werfen wir den Speer! Den Panzer um — geöffnet sind die Schranken, Brecht immer euer Saitenspiel entzwei, Und führt ein Fähnlein ewiger Gedanken Zur starken, stolzen Fahne der Partei ! Das Gestern ist wie eine welke Blume — Man legt sie wohl als Zeichen in ein Buch — Begrabt's mit seiner Schmach und seinem Ruhme Und webt nicht länger an dem Leichentuch! Dem Leben gilt's ein Lebehoch zu singen, Und nicht ein Lied im Dienst der Schmeichelei; Der Menschheit gilt's ein Opfer darzubringen, Der Menschheit, auf dem Altar der Partei ! O stellt sie ein die ungerechte Klage, Wenn ihr die Angst so mancher Seele schaut; Es ist das Bangen vor dem Hochzeittage, Das hoffnungsvolle Bangen einer Braut. Schon drängen aller Orten sich die Erben An's Krankenlager unsrer Zeit herbei; Laßt, Dichter, laßt auch ihr den Kranken sterben, Für eures Volkes Zukunft nehmt Partei ! Ihr müßt das Herz an Eine Karte wagen, Die Ruhe über Wolken ziemt euch nicht; Ihr müßt euch mit in diesem Kampfe schlagen, Ein Schwert in eurer Hand ist das Gedicht. O wählt ein Banner, und ich bin zufrieden, Ob's auch ein andres, denn das meine sei; Ich hab' gewählt, ich habe mich entschieden, Und meinen Lorbeer flechte die Partei ! Duett der Pensionirten. Die Anerkennung, welche dem einer unserer ersten Familien (in Lübeck) angehörenden Dichter Em. Geibel vom König von Preußen zu Theil wurde, hat hier in allen Kreisen die freudigste Sensation erregt. Eben stand der junge Dichter im Begriff, zu einem sogenannten Brodstudium überzugehen und sich nach Spanien zu begeben, um dort seine bereits in Grie¬ chenland begonnenen Studien der romanischen Literatur fortzusetzen und sich so für ein aka¬ demisches Lehrfach auszubilden — die Munificenz des preußischen Monarchen [300 pr. Thlr.!] hat ihn nun in die angenehme Lage versetzt, ganz der edlen Dichtkunst zu leben; statt nach Spanien wird er sich nun an den Rhein begeben, wohin ihn zunächst das Verlangen treibt, Freiligrath kennen zu lernen. — Augsburg. Allg. Ztg. 6. Febr. 1843. Geibel . Bist du's? Freiligrath . Ja, ich bin es — Geibel . der da — Freiligrath . Der da— Geibel . seinen Speer geschwungen Und die Drachen — Freiligrath . ja, die Drachen, Sammt dem Drachenfürst , bezwungen. 5 Geibel . Bist du's? Freiligrath . Ja, willst du mich kennen? Ja, ich bin es in der That, Den Bediente Bruder nennen, Bin der Sänger Freiligrath. Geibel . O, so salb' ich dich mit Narden Und so räuchr' ich dir mit Ambra, O du bardigster der Barden, Rettest mich vor dem Alhambra, Du der Sänger des Diego, Vor dem Lande des Riego, Vor dem Tiger, vor dem Nero, Vor dem grausen Espartero — Ohne dich, den einzig Edeln, Lernt' ich nie so trefflich wedeln; Heiße Geibel, so's erlaubt ist, Wenn man 'mal ein Dichterhaubt ist: Bin der Sohn von einem Pastor, Möchte gerne mich zum Kastor Machen; willst du Pollux sein? Freiligrath . Ich gesteh', ich hätte lieber Die Unsterblichkeit allein, Doch dieß Demagogenfieber — Geibel . Bändigen wir nur zu Zwei'n. Freiligrath . Und so laß' uns unsre Flammen — Geibel . Thun zu Einem Brand zusammen — Freiligrath . Braten als getreue Diener — Geibel . Die verfluchten Jakobiner, Beide . Und verzehren dann im Frieden Die Pension der Invaliden. Heidenlied. Der verfluchte Faffe weist selbst nicht, was er will; hol ihn der Deuffel! Friedrich der Große. Wie lebten doch die Heiden So herrlich und so froh! Das war ein Volk von Seiden, Wir sind ein Volk von Stroh; Entführt' ein Ochs ein schönes Kind Zuweilen auch — doch glaubet mir: Sie Heiden waren nicht so blind Nicht halb so blind, als wir. Die Heiden, 's ist doch schade Um solch ingenium ; Sie hießen Vier gerade Und nahmen Fünf für krumm; Auch hatt' die Jungferschaft ein End', Sobald die Magd ein Kind gebar, Dieweil das N. T. Noch nicht erfunden war. Sie thaten, was sie mochten, Die Frechheit war enorm; Sie siegten, wenn sie fochten, Auch ohne Uniform; Sie hatten keine Polizei Und tranken lieber Wein, als Bier; Wie waren doch die Heiden frei, Die Heiden! — aber Ihr? Und von Achill und Hektor, Wie's im Homerus steht, Bis zu dem letzten Rektor Der Universität, Da gab's kein Buch in ganz Athen — O schreckliche Verworfenheit! Man wurde vom Spazierengeh'n Und von der Luft gescheidt. Wie wußten sie die Tatzen Den Pfaffen abzuhau'n! Die durften nur nach Spatzen, Nicht nach den Weibern schau'n; Den Prinzen gar erging es schlecht, Die fanden kaum ein Nachtquartier; Wie hatten doch die Heiden recht, Die Heiden! — aber Ihr? Die Heiden, ach! die Heiden, Die keine Christen sind, Sie spinnen doch die Seiden Für manch ein Christenkind; Drum lebe hoch das Heidenpack, Und jeder ächte Heidenstrick, Homerus mit dem Bettelsack Und ihre Republik! 1841. 1843. Die Lust war groß, drum ist das Leid unsäglich: Ganz Deutschland sprang begeistert auf vom Sitze Und prüfte träumend seiner Schwerter Spitze: Das Wort klang prächtig, doch die That blieb kläglich. Was bargen jene Wolken, die sich täglich Zu Wettern ballten bei der jähen Hitze? Für Knaben windige Theaterblitze — Pfui! die Komödie wird unerträglich. Von alten Heiligen ein kleines Rudel — Und darum die Berliner gar so kindisch? Und darum so viel Wochenblattsgesudel? Ein Bißchen Griechisch und ein Bißchen Indisch — O schöner Kern von einem solchen Pudel! — Ich dacht' es gleich: er wedelte so hündisch. Pour le mérite. Sie wollen dir den Tag entfernen, Der schon so frisch am Himmel weht: Das ist's, was in den neuen Sternen Für dich, mein Volk, geschrieben steht! Man giebt als Futter deinen Blicken Der Sterne kalten, falschen Schein; Du magst sie all' zusammenflicken, Sie werden keine Sonne sein. Nicht Eine Lanze wird es brechen, Das neue, zahme Ritterthum; Kaum wird ein Sänger für dich sprechen, Man macht ja selbst die Sänger stumm. Nein , edles Roß ! du bist verloren Und von der Meute todt gehetzt , Wenn nicht der Fremdling dir die Sporen Bald wieder in die Flanken setzt ; Wenn sie nicht draußen Freiheit rufen, Daß du in Galle überschäumst Und hoch mit flammensprüh'nden Hufen Dich gegen deine Dränger bäumst; Wenn sich nicht über deinem Hause Von Westen her ein Wetter ballt Und bis in deine sichre Klause Der Donner der Empörung schallt. Du bist und bleibst ein Knecht, der fluchend Am heil'gen Zorn sein Süpplein kocht, Bis fremde Völker, Einlaß suchend, Erst an die Thüre dir gepocht! Amnestie. Sie lächeln! — doch ihr Lächeln ist verloren, Vergebens ihrer Blicke Sonnenschein; Wie ich für Fürstendonner keine Ohren, Hab' ich kein Herz für ihre Schmeichelei'n. O seht euch vor, es ist ein falsches Treiben! Und diese Gnade — unser jüngst Gericht! Wir wollen, Brüder, auf dem Wahlplatz bleiben: Die Garde stirbt, doch sie ergiebt sich nicht! In Rosen gilt's die Freiheit zu erdrücken, Die sich in Ketten nicht erdrosseln läßt: O gönnt dem Volk, dem Pöbel sein Entzücken, Dieß falsche, heuchlerische Freudenfest! Ihn hungert wohl, er geht nach seinem Brode, Das man ihm fürder reichlicher verspricht: Uns dürstet. Drum: dieß Glas dem freien Tode! Die Garde stirbt, doch sie ergiebt sich nicht! Ei schaut, der Käfig wird nun aufgeschlossen, Da längst der Vogel nicht mehr fliegen kann; So mancher unsrer alten Kampfgenossen Ist nun ein müder, ein gebrochner Mann! Hübsch sind die Blumen, drin ihr sprecht; nur schade, Daß draus der Dorn des Despotismus sticht. Das Recht vor Gott braucht keines Königs Gnade: Die Garde stirbt, doch sie ergiebt sich nicht! Geschäftig drängt das Volk von nah' und ferne, Des Fürsten Hände küssend, sich heran: Es sei — wir folgen unserm eignen Sterne, Des Thrones Himmel ist nicht seine Bahn. Mag sich die Welt im Strahl der Gnade sonnen, Ich kenn' ein Fähnlein doch, das weiter ficht; Frisch, meine Jugend, frisch den Kampf begonnen! Die Garde stirbt, doch sie ergiebt sich nicht! Was war denn zu vergessen und vergeben, Und welche Todessünde zu verzeihn? Nach mancher Krone pflegten wir zu streben; Doch sagt, schenkt man in Euren Kronen Wein? Wir wollten uns so gern mit euch versöhnen! Gebt Raum der Freiheit, wie dem Tageslicht! Ihr zaudert? — Gut, so laßt den Schlachtruf tönen: Die Garde stirbt, doch sie ergiebt sich nicht! So will's die Zeit! sie heischet Feuerzungen, Ihr Sturm verweht der Liebe sanften Hauch; Doch was wir für die Freiheit einst errungen, Errangen wir für unsre Liebsten auch. Wenn Alle jubelnd in die Hände schlagen, Weil 'mal ein Gnadenstrom aus Felsen bricht — Dann können unsre braven Mädchen sagen: Mein Liebster starb, doch er ergab sich nicht! Parabel. Erlaubt mir, daß ich 'mal berichte Euch eine alberne Geschichte: Sie kommt mir eben in den Sinn, Geduld ist deutsch, drum nehmt sie hin. War eine brave, brave Frau, Die nahm's im Dienste wohl genau, Und macht', so brav sie auch gewesen, Doch niemals vieles Federlesen. Die Frau hatt' einen muntern Hahn, Der kräht' ihr stets den Morgen an, Und war, nach seiner Hahn-Natur, Für sie die allerbeste Uhr. Sobald den Tag er angesagt, Da weckt' die Frau die faule Magd, Was unsre Magd gar schwer verdroß, Daß sie im Grimme einst beschloß, Dem Vogel zu stutzen seine Schwingen, Und, meld' ich's kurz, ihn umzubringen. Es war gedacht, es war gethan, Die Götter bekamen einen Hahn. Was aber hat die Magd gewonnen? Die sonst geweckt ward mit der Sonnen, Ward nun geweckt um Mitternacht, Nachdem den Hahn sie umgebracht. Ach, sprach die Magd, die schwer Bethörte, Wenn ich den Hahn doch krähen hörte! Sein Krähen hat so schön geklungen, Als hätt' eine Nachtigall gesungen. 6 „Und nun der Witz? wir bitten dich!“ Ihr kennt die Frau so gut, wie ich; Sie ist die schönste weit und breit, Ihr Anblick die volle Seligkeit. Ihr kennt wohl auch des Nachbars Hahn, Dem ihr so viel zu Leid gethan; Und wenn ihr mich nach dem dritten fragt: Du, deutsches Volk, du bist die Magd! Doch wenn ihr den Hahn auch mordet, ihr Sklaven, So denkt darum nicht länger zu schlafen! Erst weckt' euch die Frau nach dem Hahnenschrei, Nun ist's mit dem Schlummer auf ewig vorbei. Die Freiheit kommt wie ein Dieb in der Nacht Und ruft euch zu: Erwacht! erwacht! Den Einbastillirten. Das war ein Sprengen aller Bande Und durch die Welt ein froher Klang! Doch über'm Rhein am Frankenstrande Entschlief der Vogel, der da sang. Ein Krämer hält dort Aehrenlese, Im Staube knirscht ein tapfres Heer: Das ist das alte Land nicht mehr, Das Vaterland der Marseillaise! Verstopfet ihr des Ruhmes Quelle, Die doch noch Männer euch gebar, Damit ein Regiment der Elle Die Bude wandle zum Altar? Ihr macht aus eurer Trikolore Ein schillerndes Kamäleon, Und Frankreichs Krone, bittrer Hohn! Sitzt fest auf einem Midas-Ohre. Ihr seid gebunden und gekettet, Gleich wilden Thieren eingehegt; O glaubt die Freiheit nicht gerettet, Wenn euer Aar die Flügel schlägt. Für euch ist draussen nichts zu finden, Im eignen Hause zeigt den Muth: Stillt eurer eignen Wunde Blut, Wir wollen unsre selbst verbinden. Drei Tage hoher Himmelswonne, Da in die Lilien schlug der Blitz — Vergeßt doch die Dezember-Sonne Von eures Kaisers Austerlitz! Denn keine Schlacht wird mehr geschlagen , Damit Ein Volk , Ein Held sich kränzt : In jeder Hütte wird kredenzt Der Wein , den jetzt die Reben tragen . Die Ruthe . Kaum geht im deutschen Land ein Riegel, Ein Schloß und eine Kette los: So steckt man hinter unsres Rheines Spiegel Geschwind als Ruthe den Franzos! Und du, mein Volk, du glaubst den Mären Und dein Verstand ergreift die Flucht, Du rupfst den Hahn , und denkst nicht an den Bären , Den man dir aufzubinden sucht! Du rupfst den Hahn, indeß der Geier Dir tief in deine Leber frißt: Du träumst von Einheit, und du glaubst dich freier, Wenn dein Gefängniß größer ist. Du nähst dir an die weiße Mütze Die Schellen der Philosophie Und folgst dem Irrlicht, klingend, in die Pfütze Der Obskuranten-Kompagnie! O „Eckstein Nationen!“ Drum .... .... ..... .... dich an — O göttlich Volk von XL Millionen, Das 30 Menschen unterthan! Wiegenlied. „Schlafe, was willst du mehr?” Göthe . Deutschland — auf weichem Pfühle Mach' dir den Kopf nicht schwer! Im irdischen Gewühle Schlafe, was willst du mehr? Laß' jede Freiheit dir rauben, Setze dich nicht zur Wehr, Du behältst ja den christlichen Glauben: Schlafe, was willst du mehr? Und ob man dir Alles verböte, Doch gräme dich nicht zu sehr, Du hast ja Schiller und Göthe: Schlafe, was willst du mehr? Dein König beschützt die Kameele Und macht sie pensionär, Dreihundert Thaler die Seele: Schlafe, was willst du mehr? Es fechten dreihundert Blätter Im Schatten, ein Sparterheer; Und täglich erfährst du das Wetter: Schlafe, was willst du mehr? Kein Kind läuft ohne Höschen Am Rhein, dem freien, umher: Mein Deutschland, mein Dornröschen Schlafe, was willst du mehr? — Den Deutschen. Eine Vision. Ich hatt' ein seltsam Traumgesicht: Da saß Gott Vater zu Gericht Und rief jedwede Nation Herbei, vor seinen Sternenthron. Die Völker kamen in dichten Haufen, Just wie sie waren, angelaufen: Die Britten, Russen und Franzosen, Die letzten, wie immer, ohne Hosen; Selbst China und die Mongolei, Auch ein Stück Polen war dabei. Und als der Herr die Völker zählte — Ei, sieh! das deutsche Reich noch fehlte. „Wo bleiben denn meine Deutschen wieder? Recken sie noch die faulen Glieder? Sie könnten, seit ich sie begraben, Doch endlich ausgeschlafen haben!“ Drauf hieß er 'nen Engel zur Erde springen, Die Siebenschläfer heraufzubringen. Der Engel lief in Deutschland herum: War Alles still, war Alles stumm. „Ihr Deutschen, wollt ihr nicht aufstahn? Die Ewigkeit geht eben an!“ Der Engel blies in lichtem Zorn, Wie toll, in sein himmlisch Jägerhorn. Doch eh' sich die Deutschen zusammengefunden, War längst der jüngste Tag verschwunden, Hatt' Alles seinen Lohn empfangen — Den Deutschen ist Himmel und Höll' entgangen! Xenien. l. Wem es gelingt, in seine Brust Nur Eine stille Nacht zu schauen: Der hat wol fürder keine Lust, Sein Haus auf Euern Sand zu bauen. Drum laßt mich meiner Wege gehn! Nicht Sturm, nicht Klippe soll mich schrecken: Die Welt, die ich im Traum gesehn, Will ich, der Welt zum Trotz, entdecken. II. Hundscourage. Winken nur leise die Herrn Einmal mit dem drohenden Finger; Puh! wie wächst dann im Nu ihren Lakaien das Herz! III. Concedo! „Don Quixote, Don Quixote!“ rufen alle Zeitungsschreiber. Nur zu wahr! Für Paladine Hielt auch Ich die Eseltreiber. IV. Entpuppung. Deserteur? — „Mit Stolz. Ich habe des Königes Fahne, Die mich gepreßt, mit des Volks soldlosem Banner vertauscht.“ V. Dem Censor. Unseliger Eunuche, du, Der unsres Geistes Hauch bewacht Und sich für seines Sultans Ruh' Zum gottverfluchten Knechte macht! 7 Du hast mein bloßes Wort verdammt, Weil's nicht in Eure Küche paßt: — Hat minder drum dieß Herz geflammt Und minder Dich und Ihn gehaßt? O glaub' den Geist nicht unterjocht, Wenn du vom Leib ein Glied getrennt! Du, Sklave, putzest nur den Docht, Damit das Licht noch heller brennt. VI. A baculo ad angulum? Meint ihr, es solle der Mann das Licht aus Aerger verbannen, Weil sich den Fittig ein Paar schwärmende Mücken versengt? VII. Frage . Sage mir, Freund: wann erscheint sie, die Prachtausgabe von Deutschland? Subskribirten doch schon unsere Väter darauf; Längst ist's unter der Press' im Noten¬ verlage zu Frankfurt: Aber ich wünschte, die Herrn gäben es endlich heraus! Antwort. St! — es erscheint — doch erst in russische Juchten gebunden: Also bekommen's dereinst unsere Kinder bescheert. VIII. Zeitgemäßer Fortschritt. Aus Judas' Strick ward nun ein Bändchen, Das man auf einen Lumpen näht, Der um die dreißig Vaterländchen Das deutsche Vaterland verräth. IX. Alles für das Volk, nichts durch das Volk. Volk! dein goldenes Vließ nur zieht in der Wage des Fürsten: Und er veredelt das Schaf, wenn ihm die Wolle zu schlecht. X. An das Volk. Seht mir, am Ruder die Herrn! Dir überläßt man das Steuern — Nun, wer das Steuern versteht, dächt' ich, regier' auch das Schiff! XI. An Ditto. (Zum Dombau-Album. ) Richtig, du bist ein Riese. — Das war auch jener Philister, Dem ein winziger Knirps stopfte mit Steinen das Maul! XII. X für U. Baut Dome oder Pyramiden, Das stellt nicht Rhein noch Nil zufrieden! Sie dienen ja beide nur dem Tod, Doch das Leben begehrt lebendig Brod. XIII. Unsres Wegs! Preist nur mit bezahlter Lippe, Preist die Gnaden Eures Herrn: Sicher führt zu einer Krippe Uns auch des Jahrhunderts Stern! XIV. Andre Zeiten, andre Sitten. Wenn der Erlöser erscheint, wohl grüßen ihn wieder die Hirten: Aber es bleiben gewiß dießmal die Könige aus! XV. Zwei Fliegen mit Einer Klappe. Franklin entriß dem Himmel den Blitz, den Tyrannen den Szepter: Glaubt mir, das war von je ein und dasselbe Geschäft! XVI. Die Unerlauchten. Nur der Blitz, der sie trifft, kann unsere Herren erleuchten! Gute philosophi , steckt Eure Laternchen doch ein! XVII. Unglückliche Liebe. Nicht an den Königen liegt's — die Könige lieben die Freiheit: Aber die Freiheit liebt leider die Könige nicht! XVIII. Hausordnung. „Negatives Geschlecht!“ — Nur Geduld; erst hält man die Aerndte, Dann aus dem frischern Korn backen die Söhne das Brod: Und zwar besseres Brod als jüngst uns Becker gebacken, Das den Germanen auf lang wieder den Magen verdarb. XIX. Die (alte) kölnische Zeitung. Aus der Küche unsers Hofes kommt die Farce des Gedärmes: Und die Wurst wird fabriziret von Herrn Johann Jakob Hermes . XX. Hermes Psychopompos . Hermes, Hermes Schattenführer, großer Todten-General! Gott der Diebe, Gott der Krämer, Gott der Deutschen allzumal; Immer bist du noch beflügelt wie in der antiken Welt: Doch die Schwingen an den Füßen deuten jetzt auf Fersengeld. XXI. Die Allgemeine. Daß dich, alte Sünderin doch! nun lernt sie noch beten — Freilich, so haben es stets alle Gemeinen gemacht. XXII. Herr von Cotta. „Preßfreiheit! so, so? — was hilft mir ein Fittig im Garten? Nur in dem Käfige , wißt, kauft man den Vogel mir ab.“ XXIII. Ditto. „Euer Wissen ist nur Dunst, Und so lernt von mir, dem Alten: Ich allein versteh' die Kunst, Blätter ohne Stiel zu halten .“ XXIV. Zurücktritt der Oberdeutschen Zeitung. Zwar der Deutsche ist geduldig, aber alle Tage Rüben — — Nein! da wär' der ärmste Teufel länger nicht Dein Gast geblieben. XXV. Dieselbe als Wöchnerin. Alle Tage viel verheißen, alle Tage groß gesprochen: Aber erst nach achtzehn Monden kommt das Fräulein in die Wochen! XXVI. Derselbigen Grabschrift. Die den Appetit mit Runkeln sich und uns schon längst verdorben: Ist an unverdautem Haber endlich gänzlich abgestorben. XXVII. Die Jahrbücher der Gegenwart. Wie sie sich ärgern, die Schwaben, daß wieder das Rad der Geschichte Weiter zu gehn sich erlaubt ohne den Tübinger Stift ! XXVIII. O Weimar! Immer noch trinken sie Abends den Thee, und plaudern zusammen Ueber den Strumpf, den die Hahn oder die Paalzow gestrickt: Doch, statt Spiritus, reicht man die abgeblasene Milch jetzt, Die ein Gewitter vor zehn Jahren schon sauer gemacht. XXIX. Hahn-Hahn. „Lauter ächte Vollblut-Küchlein zog ich in den letzten Wintern: Zum Beweise tragen alle noch die Eierschaal' am Hintern.“ XXX. Rückert. „Blume vom Ganges, die jüngst an die Spree Kunstgärtner verpflanzten, Wo mich im Glashaus jetzt Damen und Kinder besehn.“ XXXI. Uhland. Uhland schweigt in der thatlosen Zeit. Es entsagen die Besten Um das verlorne Geschlecht einer verlorenen Müh'. Männer erzog er sich nicht zu dem Hochwuchs seiner Gedanken, Und für die müßige Welt sang er Romanzen genug. XXXII. Lenau. Andere singen, du schlägst , o melancholischer Sprosser! Schlägst in verzweifeltem Kampf, selber verzweifelnd, mit uns. 8 XXXIII. Platen. Kalt und stolz, ein Gletscher, erhebst du dich über die Fläche, Die das gemüthliche Vieh unsrer Poeten begrast: Selten gewahrt ein Wandrer den Kranz hoch¬ glühender Rosen, Den du vor frevelnder Hand unter dem Schneee verbirgst. XXXIV. Ludwig Feuerbach. Wie muß des Denkers scharfes Schwert In Eure Hasenseelen fahren! Hört doch: „Das Beste ist nicht werth, In Ewigkeit es aufzusparen; Was einmal die Natur erschuf, Kann sie auch noch einmal erschaffen.“ Allein vergebens ist Sein Ruf An Kinder und an Laffen. Es stellt vergebens ihr Symbol Der kühne Adler an den Pranger: Jedwede Puppe, noch so hohl, Fühlt sich mit einem Falter schwanger; Vergebens läuft der Genius Sturm, Die Burg des Unsinns zu bezwingen: Es will's nun einmal jeder Wurm Zum Schmetterlinge bringen. XXXV. Bestiale Poesie. Was erlebt man doch Geschichten! Tolle Zeiten, tolle Moden! Denkt doch: deutsche Hasen dichten Jetzund auf die Löwen Oden. XXXVI. Kommentatoren. Auch der Parnaß ist gebahnt, und wer nicht gerne zu Fuß geht, Findet in Leipzig ein Heer trefflicher Esel bereit. XXXVII. Pegasus im Joche. „Muß ich, sprach mein Pegasus, meiner Freiheit denn entsagen: Zieh' ich lieber doch am Pflug, als selbacht am großen Wagen, Freß' ich lieber doch mein Heu aus des letzten Bauern Raufe, Als ich aus der Marmorkrippe mit dem Vieh des Hofes saufe.“ XXXVIII. Opera posthuma. „Nichts als Schreiben!“ — Ja, zum Henker! Doch was rechtet Ihr mit mir? Machtet Ihr nicht so viel Lumpen, hätt' Ich nicht so viel Papier. Aber, streichen wir die Hälfte — „Mit dem Rest, was willst du machen?“ Nichts, ihr Herrn! es macht mein Knabe einst daraus noch — einen Drachen. XXXIX. Dauer im Wechsel. Da ist Nichts unten, ist Nichts oben, Die Pfaffen haben es längst verschoben, Mit Augenverdrehn, mit Phrasenschwalle — Krummacher sind und bleiben sie Alle! XL. Was man nicht lassen kann. Ob sie katholisch geschoren, ob protestantisch gescheitelt, Gleichviel: immer geräth man den Gesellen in's Haar. XLI. Bauer-Krieg. Tröste dich, Heilige-Schaar! denn die tapfere Garde von Potsdam Fliegt in gestrecktem Galopp gegen die Bauer herbei. XLII Der neueste Sündenfall. Du arme Menschheit! wie mir graut Vor deinem bösen Gestirne: Kaum hast du den alten Apfel verdaut, So beißest du in die Birne ! XLIII. Guten Morgen, Nachbar! Krähe nur, Gallischer Hahn! daß endlich die Deutschen Gespenster Vor dem erwachenden Licht kriechen in's Dunkel zurück. XLIV. Ein deutscher Mann mag keinen Franzmann leiden, Doch seine Weine trinkt er gern. Göthe. Franken, o Franken, wie wart ihr so blind! ihr tanztet, wie Wilde Um die geheiligte Gluth, ach! und die Suppe verdarb. Deutsche Begeisterung, seht, das fromme Familienfeuer, Kochte die Rübchen indeß, die ihr den Fürsten geschabt. XLV. Panem, non Circenses! „Brod!“ so rufet das Volk, und ihr? ihr gebet ihm Steine . Sagt mir, Pfaffen, doch an: heißt ihr das christlich gedacht? „Brod!“ so rufet das Volk: da forschen und suchen die Weisen, Suchen nur wieder den Stein, deß uns so wenig gebricht. „Brod!“ so rufet das Volk, und die Herrschenden treten zusammen, Und rings fliegen daher wiederum Steine — zum Dom. XLVI. Die Kommunisten. Spottet des Völkleins nicht! es hat ja den römischen Adler Eine geringere Zahl solcher Apostel ge¬ stürzt. XLVII. Neuchristliche Malerei. Für dein heilig Gepinsel empfang' die Palme des Jenseits! Doch diesseitigen Kranz hat dir die Muse versagt: Denn du spucktest ins Antlitz der Göttlichen, setzest im Knechtssinn Ihr selbstleuchtend Gestirn frech zum Tra¬ banten herab! XLVIII. Metternich. Weinbau und Politik sind Dir verwandte Geschäfte: Denn Du ziehest am Stock Völker und Reben herauf. XLIX. Çà ira! „È pur si muove“ sei's Panier, Sie dreht sich eben doch herum! Da hilft euch weder Bairisch Bier, Noch Preußisch Christenthum. L. Der Kunstprotektor. „Alles kann ein Pinsel adlen, Alles macht ein Pinsel eben, Einen Satyr kann ein deutscher Pinsel zum Apoll erheben. Darum, nur mit Andacht trete man vor Meine Pinsel hin: Aber vor dem Allergrößten sollen Meine Bauern knie'n. Sie gewinnen, wenn des Landes Vater für die Pinsel brennt: Denn die Schweine müssen steigen durch solch borstig Regiment.“ LI. Griechische Revolution. „Hopfen und Malz, o Herr, ist an diesen Athenern verloren!“ Also berichteten jüngst bairische Brauer nach Haus. LII. Parzielle Auferstehung. Zweifelt hinfüro mir nicht an der Auferstehung der Todten: Hab' ich doch selbst in Berlin Hunderte neu¬ lich gesehn! Sind sie auch nicht mit Fleisch und Blut, gleich Menschen, bekleidet: Hört man doch fernhin schon klappern das dürre Gebein. Zwar die Ehre wird nur — den Schriftge¬ lehrten, dem Adel: Denn an den Lazarus hat nie noch ein König gedacht. LIII. Das Reskript an Willibald Alexis. Unser genädigster Herr, seht, welch ein Freund des Pikanten: Mit Höchsteigner Hand salzt er die Häringe ein. LIV. Antigone in Spree-Athen. „Thut desgleichen wie ich: lernt euere Todten begraben! Einziger Rath, den ich euch, Deutsche, zu geben vermag.“ 9 LV. Seydelmann auf dem Todbette. „Hätt' ich wie Cäsar gedacht, ich wär' in Schwaben der Mimen Erster geblieben, anstatt Nummero II . in Berlin.“ LVI. Sanssouci. Arie. Deutschland ist nun außer Noth: Windmühl' hat den Don Quixote , Und du scheinst mir ein bekanntes Hauptkapitel aus Cervantes . LVII. Die Dekorirten. Nur Anmerkungen sind sie, die Herrn, zum Text der Geschichte: Darum hat man sie auch alle mit * * * versehn. LVIII. Verschiedene Auffassung. „ Citoyens ! zur Guillotine, zur Laterne mit dem Adel!“ Gott behüte, die Insekten Spieß' ich nur mit meiner Nadel. LIX. Zahn um Zahn! „Lange genug erhob ich zum Adel eueren Abschaum: Nehmt jetzt, Bürger, dafür adligen Kehricht zurück!“ — Andres erzählt die Geschichte vom Florentinischen Volke, Das mit dem Adelsdiplom seine Ver¬ brecher bestraft. LX. Prärogative. Seid ihr wirklich bessern Blutes als das bürgerliche Pack: Hütet euch doch vor den Flöhen, denn die haben drin Geschmack! Sollten's meine Flöhe merken, meine Sans-culottes- Flöhe, Diese kleinen Epigramme: weh' dem deutschen Adel, wehe! LXI. Der rothe Adler. „Als Preußen einst — Dank jener Knute! — Beim großen Raube mitgeerbt: Da haben sie in Polens Blute Auch meine Schwingen roth gefärbt. An goldner Kette schmacht' ich hier Und bin der Bote ihrer Witze: O Zeus, nimm deinen Aar zu dir, Und gieb ihm wieder deine Blitze!“ LXII. Roth I. II. III. IV. — Schwarz (Schriftsprache.) Adler! ihr klassischen Adler, ihr ordent lich rothen und schwarzen! — Wo nur immer ein Aas, sammeln die Adler sich schnell. LXIII. „Quid novi ex Africa?“ Au J. Fr. „Wanderer steh'! und sage mir an, in welcher Verfassung Ihr das gepriesene Volk jener Borussen verließt? Sind die Poeten noch nicht im Preise gestiegen, und haben Immer die Fähndriche noch doppelten Dich¬ tergehalt? Junkert man immer noch viel und schätzt man Menschen noch immer Nur nach der Größe des Wurms, der sich im Fleische verbirgt? Mehrt die Canaille sich stark, seit jüngst in Gnaden geruht ward, Daß ein adliger Lump werde zum Bürger gemacht? Wie viel Pfaffen, o sprich, wie viel Trompeter des Glaubens, Wie viel Heilige stehn bei den Ministern in Gunst? Hat sich der Himmel gebührlich bedankt schon wegen des Sonntags Besserer Feier, die Ihm seine Getreuen votirt? Dann von der Staatszeitung zweideutigem Rufe verkünd' uns: Wer doch erfreut nunmehr ihrer Umar¬ mungen sich? Zählt sie noch immer, o Glanz! drei Leser auf Einen Redaktor? Schmiert sie dem russischen Bär immer noch Honig in's Maul? Seit sich der Fürsten Romantiker jüngst mit dem Fürst der Romantik Enge verbunden, wie ist's um das Theater bestellt? Liest er noch immer so hübsch, der Tick? Was machen die Alten? Welche Komödie wird eben bei Hofe stu¬ dirt? Ist Reinecke der Fuchs bei seinem erhabenen Schwager, Oder sein Schwager, der Petz, wieder ein¬ mal in Berlin? LXIV. Eichhorn. Aus einem Bilderbuche für kleine Kinder. Viel Nüsse knackt es schwerlich, Sein Maul ist alt und steif, Sein Kopf gar ungefährlich, Doch riesenhaft — sein Schweif. LXV. Was klein, ist niedlich. Als ihm der Schön zu groß geworden, Schickt' er ihn fort mit einem Orden; Doch, um bei der Familie zu bleiben, Ließ er ein Schön-lein sich verschreiben. LXVI. Practica est multiplex. „Wie? du verschmähst die Mixturen, die deinem Vater geholfen? Topp! Ich trinke mit dir; Einer doch bleibt auf dem Platz.“ LXVII. Simile claudicat. Mehr nicht, als was Diogenes bat von dem Held Alexander, Bat ich, o Fürst! von Dir; aber vergieb den Vergleich: Eins nur hast Du gemein mit dem Mann; — doch im Uebrigen merkt man, Daß ihr bis jetzt nicht viel Griechisch aus Sophokles lernt. LXVIII. Das neueste rheinpreußische Strafgesetzbuch (Ephes. Vl . 14. nach Luther.) „Ziehet den Krebs der Gerechtigkeit an!“ so steht es geschrieben; Nun, ich dächte, dieß Buch hätte doch Ordre parirt! LXIX. Die Verwerfung. Wie sie ungeberdig werden! wie sie ihre Fackeln schwingen! Nun, Er wußt' es: nur mit Prügeln ist Sein Volk vom Fleck zu bringen. LXX. „Ständsche Verfassung“ — Das heißt: man hat dem Sklaven die Kette Jetzo mit einiger Scham unter den Mantel versteckt. LXXI. Wind, Wind. Gebt Euren Sand für Felsen aus Und baut papierne Mauern: Im Wind zerstiebt das Kartenhaus Von Königen und Bauern! LXXII. Kabinetsordre. „An mein Volk“ — — Lest's nicht! das ist ja die alte Geschichte: Wenn sich die Völker geregt, haben die Fürsten geruht . LXXIII. Zur Farbenlehre. Pocht nicht auf Eurer Lehre Reinheit! Denn, wär' der Fürst des Staates Einheit Und Weiß und Schwarz der Staat, o schau: Da wär' der Fürst — bedenklich grau. LXXIV. „Ich wünsche Ihnen von Herzen einen Tag von Damaskus, und Sie werden Ungeheures wirken.“ Friedrich Wilhelm . Auf dem Wege von Damasko Machte Saulus einst Fiasco : Doch, das ihn bekehrt, das Licht, — Ein Berliner war es nicht! 10 LXXV. Christlich-Germanisch. Im Anfang war das Wort , beim Worte wird es bleiben : Der König, unser Herr, wird reden und wir — schreiben. Vom armen Jakob und von der kranken Lise. — — — Weh' dem Geschlecht Der Zwerglein, die sich brüsten und die thronen! Im Finstern wimmelt's ohne Brot und Recht Von Millionen Fr. Sallet. [Zwei Stehlchen aus einer großen Musterkarte.] Der arme Jakob. Der alte Jakob starb heut Nacht — Da haben sie am frühen Morgen Sechs Brettchen ihm zurecht gemacht Und drin den Schatz geborgen. Ein schmucklos Haus! Man giebt in's Grab Dem Feldherrn doch den Feldherrndegen — Warum nicht auch den Bettelstab Auf diese Bahre legen? Den Degen, den er treu geführt, Der in die Scheide nie gekommen, Bis ihn der letzte Schlag gerührt Und von der Welt genommen. Er war der Welt, sie seiner satt — Zu Zwölfen in der engen Stube! — Weh' ihm ein überflüssig Blatt, O Lenz, in seine Grube! Als hätt' er Großes nie gethan, Ist rasch der Glückliche vergessen, Kein Dichter stimmt ihm Psalmen an, Kein Pfaffe liest ihm Messen. Die Heller, die man in den Sand Ihm warf aus schimmernden Karossen, Sind Alles, was vom Vaterland Der arme Mann genossen. Just die vom Himmel ihm geprahlt, Sah'n diese Erde zwiefach gerne: So wird die Schuld an's Volk bezahlt Mit Wechseln auf die Sterne. Und kaum ist uns genug am Joch Der Armuth auf gekrümmten Rücken: Man will der Knechtschaft Stempel noch Ihr auf die Stirne drücken! Schlaf wohl in deinem Sarkophag, Drin sie dich ohne Hemd begraben: Es wird kein Fürst am jüngsten Tag Noch reine Wäsche haben! Die kranke Lise. Weihnacht! die kranke Lise schreitet Durch's Fauburg hin in banger Flucht, Sie hat zu Haus kein Bett bereitet Für ihres Leibes erste Frucht. Wohl manches prunkt im Fürstensaale, Den stolzer Kerzen Glanz erhellt — Marsch, Lise, weiter, zum Spitale! Dort kommt das Volk zur Welt. „Mein armer Weber mag nur zetteln, Sein Fleiß und Schweiß — was helfen sie? Das Volk muß Sarg und Wiege betteln: Allons, enfant de la patrie ! Kind, dem sie unter meinem Herzen Die Lust am Leben schon vergällt, Geduld, bis wir im Haus der Schmerzen! Dort kommt das Volk zur Welt. „Sie feiern heut dem Gott der Armen, Die reichen Herr'n, ein Freudenfest: Doch glaubt nicht, daß sich das Erbarmen An ihrem Tische sehen läßt, Daß je in ihre Festpokale Der Schimmer einer Thräne fällt — Marsch, Lise, weiter, zum Spitale! Dort kommt das Volk zur Welt. „Du machst mir wahrlich viel Beschwerden, Der Liebe Kind, ich dacht' es nie; Das wird ein wilder Junge werden: Allons, enfant de la patrie ! Für eurer Prinzen zarte Nerven Ist Daun' auf Daune hoch geschwellt: Ich muß in einer Grube werfen — So kommt das Volk zur Welt. „Kläng' noch die Trommel unserm Ohre Und wär' noch eine Fahne rein: Der Lappen einer Trikolore, Er sollte deine Windel sein; Du wärst getauft, eh' seine Schaale Ein Pfaffe dir zu Häubten hält — Marsch, Lise, weiter, zum Spitale! Dort kommt das Volk zur Welt. „Wer wird so ungestüm sich melden? Mein kleines Herz, was suchst du hie? Nur noch zum Grabe jener Helden! Allons, enfant de la patrie! Dort seh' ich in des Frühroth's Helle Die Julisäule aufgestellt —“ Und nieder sank sie auf der Schwelle; — So kommt das Volk zur Welt ! Auch dieß gehört dem König. Ich wußt', ein König ist ein irrer Stern, Und nur der Zufall regelt ihm die Bahnen — Doch warnt' ich vor dem Schweif, nicht vor dem Kern, Dem Schweif von Sklaven und von Charlatanen. Ich dachte mir: Dein eigen Fürstenherz Sei mehr als ein Register seiner Ahnen, Und ich vergaß, daß stets ein dreifach Erz Euch, selbst im Tod, von Eurem Volk noch trenne — Drum nahmt ihr meine Worte nur für Scherz ! Mir Thoren war's als ob ich Dich schon kenne, Als ob gesäugt uns Einer Mutter Brüste, Der Mutter, die ich mein Jahrhundert nenne; Mir war's, als ob ich in der deutschen Wüste Von einem fernen Quell das Rieseln höre, Und träumend lag ich an Atlantis' Küste, Und ich vernahm so feierlich: „Ich schwöre!“ Herüber klangen von der Ostsee Borden In meine Republik die Jubelchöre. Begeistert rief ich: „Hoher Fürst im Norden! Das Mädchen, drum die Väter einst gefreit, Ist für die Söhne schier zu alt geworden: „ Du führ' herauf die junge , große Zeit! Laß unbesorgt den welken Reiz vermodern Und um den Tod der Knechtschaft trag' kein Leid, „Den Geistern gieb die Sühne, die sie fodern. Laß endlich das gelobte Land uns erben! Der Freiheit Oriflamme, laß sie lodern! „Laß all den Spuck beim Hahnenruf ersterben, Getrosten Muths: Gevögel nur der Nacht Wird elend an dem neuen Licht verderben, „Dem Lichte, das den Völkern Heil gebracht! O sprich ein Wort, das ihre Angst vermindert! O sprich ein Wort, vor dem der Schlaf erwacht! „Gieb ein Gesetz, das heilet, nicht nur lindert: Ja gieb ein wahrhaft königlich Gesetz, Das uns am Fallen, nicht am Gehn verhindert! „So sei ein Fürst! so wag' es und verletz' Den alten heil'gen hergebrachten Plunder: Zertritt das Pfaffen- und das Adelsnetz! „Wirf in die harrende Welt hinaus den Zunder, Und spreng' den morschen Bau hoch in die Luft! Bist Du von Gott, wohlan, so thue Wunder! „Die Todten nur laß in der Todtengruft: Es ist zu früh, wenn man am jüngsten Tage All diesem Volk zur Auferstehung ruft.“ 11 Nicht ganz so lautet' es, wie jetzt ich sage, Mein Stachel hat nicht ganz so scharf gestochen; Doch war's der tiefe Sinn von unsrer Klage, Wenn wir, wie Hamlet einst, zu Dir gesprochen: „Im Staate Dänemark ist Etwas faul, Und seine Kraft ist in sich selbst gebrochen.“ Du aber spielst den königlichen Saul; (Nicht jenen andern, den Du mich gescholten, Wol hoffend auf den Apostaten Paul — ) Du hast die freien Worte schlecht vergolten Und warfst den Speer mit mörderischer Hand, Wenn wir nicht jedem Knechte Beifall zollten. Du hast den eiteln Buhlen Freund genannt, Der solchen Schergenruhm mit vollen Backen Posaunt; hast unsre reine Gluth verkannt, Die nur das Erz wollt' läutern von den Schlacken: Denn kommen muß er jetzt, der Tag, auf Erden, Der freie Männer scheidet von Kosaken. Da stehst Du nun, mit zornigen Geberden, Rathloser Fürst, inmitten Deiner Larven, Der Larven, die sich nie entpuppen werden, Erschaudernd vor der Wahrheit, vor der scharfen, Und wirst der Gaukler eifriger Mäzen, Die zwischen Licht und Finsterniß Dich warfen. Zu scheu, der neuen Zeit in's Aug' zu sehn, Zu beifallslüstern, um sie zu verachten, Zu Hochgeboren, um sie zu verstehn: Willst Du durch bunte Gläser sie betrachten, Durch Gläser, die Dir deine Puppen schleifen, Den letzten hellen Blick Dir zu umnachten? Was half's Dir, ein Paar Blätter abzustreifen? Du wirst den Drang der Schöpfung nimmer stillen, Und schneller werden nur die Früchte reifen. Du armer Spielball armer Camarillen! Du konntest Deiner Zeit die Fahne tragen Und trägst nun ihre Schleppe wider Willen. O lern' dem Traum des Heldenthums entsagen! Vertrocknet ist für Dich der Born der That, Aus Deinen Steinen wirst Du nicht ihn schlagen. Nur feile Zungen dreschen Deine Saat, Als wär' ein Wald von Aehren draus entsprossen: Ich sehe nichts, als Unkraut und Verrath; Verrath, der Dir die Herzen hat verschlossen, Verrath an Dir und Deines Volkes Ehre, Das thöricht für Dein Haus sein Blut vergossen; Verrath in dem verpestenden Verkehre Mit jenem Scheusal! Scheusal, mag's auch gleichen, Wie Nero, dem Apoll von Belvedere: Es herrscht kein Zweites in des Abgrunds Reichen. Und Freund und Bruder nennst Du den Despoten Und lauschest seines Munds geheimsten Zeichen; Du willst, wie Er, nur schweigende Heloten, Und Fürstenallmacht, die Ukasen schreibt Dem Staube, dem Erniedrigung geboten. Doch glaub' nicht, daß der Staub am Boden bleibt! Es kommt ein Tag, da wird Euch Fürsten grauen! Es kommt ein Sturm, der ihn nach Oben treibt! Man wird den Staub auf Eurer Krone schauen, Auf Eurem Purpurkissen wird er liegen — Dann wagt's auf Eure Söldner zu vertrauen! Feig, wie sie sind, sie werden flugs sich biegen Und wedeln vor dem Volk, die Edelknaben, Das Rohr, mit dem Ihr wollt den Sturm bekriegen. Du hast verschmäht, dem Strom sein Bett zu graben Und sinnest ihn zurück zum Quell zu drängen: Er aber schäumt und wird sein Bette haben. Dein war das Amt, der Freiheit Ring, den engen, Mit Meisterschlägen friedlich zu erweitern — Du hast's verschmäht! nun gilt es, ihn zu sprengen. Das Schiff mit seinen ungeschickten Leitern, Mit Dir und Deinem unglücksel'gen Thron: Ich seh's vor Abend an der Klippe scheitern. Noch lebt die Sphinx der Revolution! Dein war das Amt, die Opferzeit zu kürzen: — O, tausend Kränze harrten Deiner schon! — Du konntest nur den Knoten fester schürzen, Und in den Sternen — hatt' ich falsch gelesen. Die Sphinx wird nicht sich in den Abgrund stürzen, Und Du, — Du bist kein Oedipus gewesen. Paris , 11. November 1843. Georg Herwegh. Inhaltsverzeichniß. Seite. An die deutsche Jugend. Bei Gelegenheit der Verbannung von Robert Prutz 1 Morgenruf 4 Im Frühjahr 7 Husarenlied 9 Champagnerlied. Epernay, Herbst 1841 11 Seite Die Epigonen von 1830. Paris, Nov. 1841 14 Die drei Zeichen 1842 18 Jordan 21 Die deutsche Flotte 26 Bei Hamburgs Brand 32 Eine Erinnerung 35 Einkehr in die Schweiz. Im Frühjahr 1840 38 Heimweh 40 Die Schweiz. 1842 42 Aus den Bergen 47 Unsern Künstlern, quand même noch zwei Sonette 51 Wohlgeboren und Hochwohlgeboren. Von zwei deutschen Dichtern in Paris 54 Die Partei. An Ferdinand Freiligrath 61 Duett der Pensionirten 65 Heidenlied 68 1841. 1843. 72 Pour le mérite 73 Seite Amnestie 76 Parabel 80 Den Einbastillirten 83 Die Ruthe 86 Wiegenlied 88 Den Deutschen. Eine Vision 90 Xenien. I–LXXV. 93 Vom armen Jakob und von der kranken List 147 Auch dieß gehört dem König 156