Sieben und siebzig Gedichte aus den hinterlassenen Papieren eines reisenden Waldhornisten. Herausgegeben von Wilhelm Muͤller. Dessau, 1821. Bei Christian Georg Ackermann. Inhalt. Die schoͤne Muͤllerin. Seite Der Dichter, als Prolog 3 Wanderschaft 7 Wohin? 9 Halt! 11 Danksagung an den Bach 12 Am Feierabend 14 Der Neugierige 15 Das Mühlenleben 17 Ungeduld 20 Morgengruß 22 Des Müllers Blumen 24 Thränenregen 26 Mein! 28 Pause 29 Mit dem grünen Lautenbande 30 Der Jäger 31 Eifersucht und Stolz 33 Erster Schmerz, letzter Scherz 34 Die liebe Farbe 37 Seite Die böse Farbe 39 Blümlein Vergißmein 41 Trockne Blumen 43 Der Müller und der Bach 45 Des Baches Wiegenlied 47 Der Dichter, als Epilog 49 Johannes und Esther. Christnacht 53 Gebet in der Christnacht 55 Vereinigung 56 Die Passionsblume 57 Purim 59 Vor ihrem Fenster 61 Die Lauberhütte 63 Der Perlenkranz 65 Maria 67 An Johannes 68 Reiselieder. Große Wanderschaft 71 Wanderlieder eines rheinischen Handwerksburschen. 1. Auszug 74 2. Auf der Landstraße 76 Seite 3. Einsamkeit 77 4. Brüderschaft 79 5. Abendreihn 81 6. Morgen. 83 7. Frühlingsgruß 86 8. Entschuldigung 88 9. Hier und dort 89 Des Postillons Morgenlied vor der Bergschenke 91 Der Prager Musikant 94 Die Prager Musikantenbraut 97 Seefahrers Abschied 99 Schiff und Vogel 101 Die Monate. An Ludwig Sigismund Ruhl 107 Januar 108 Februar 109 März 110 April 111 Mai 112 Juni 113 Juli 114 August 115 September 116 October 117 Seite November 118 December 119 Laͤndliche Lieder. Ländlicher Reigen 123 Schifferreigen 126 Das Hirtenfeuer in der roͤmischen Ebene 129 Doppelte Gefahr 132 Die glückliche Fischerin 134 Der Glockenguß zu Breslau 139 Thränen und Rosen 146 Fastnachtslied, von den goldnen Zöpfen 148 Der Zephyr 150 Kuß und Lied 151 Die Blutorange, (Epistel aus Sorrent) 152 Des Finken Gruß 154 Des Finken Abschied 156 Wir wissen uns zu finden. (Parodirende Glosse) 158 Die schoͤne Muͤllerin . (Im Winter zu lesen .) 1 Der Dichter, als Prolog. I ch lad' euch, schoͤne Damen, kluge Herrn, Und die ihr hoͤrt und schaut was Gutes gern, Zu einem funkelnagelneuen Spiel Im allerfunkelnagelneusten Styl; Schlicht ausgedrechselt, kunstlos zugestutzt, Mit edler deutscher Rohheit aufgeputzt, Keck wie ein Bursch' im Stadtsoldatenstrauß, Dazu wohl auch ein wenig fromm fuͤr's Haus: Das mag genug mir zur Empfehlung sein, Wem die behagt, der trete nur herein. 1* Erhoffe, weil es grad' ist Winterzeit, Thut euch ein Stuͤndlein hier im Gruͤn nicht Leid; Denn wißt es nur, daß heut' in meinem Lied Der Lenz mit allen seinen Blumen bluͤht. Im Freien geht die freie Handlung vor, In reiner Luft, weit aus der Staͤdte Thor, Durch Wald und Feld, in Gruͤnden, auf den Hoͤh'n; Und was nur in vier Waͤnden darf geschehn, Das schaut ihr halb durch's offne Fenster an, So ist der Kunst und euch genug gethan. Doch wenn ihr nach des Spiels Personen fragt, So kann ich euch, den Musen sei's geklagt, Nur eine praͤsentiren recht und aͤcht, Das ist ein junger blonder Muͤllersknecht. Denn, ob der Bach zuletzt ein Wort auch spricht, So wird ein Bach deshalb Person noch nicht. Drum nehmt nur heut das Monodram vorlieb: Wer mehr giebt, als er hat, der heißt ein Dieb. Auch ist dafuͤr die Scene reich geziert, Mit gruͤnem Sammet unten tapeziert, Der ist mit tausend Blumen bunt gestickt, Und Weg und Steg daruͤber ausgedruͤckt. Die Sonne strahlt von oben hell herein Und bricht in Thau und Thraͤnen ihren Schein, Und auch der Mond blickt aus der Wolken Flor Schwermuͤthig, wie's die Mode will, hervor. Den Hintergrund umkraͤnzt ein hoher Wald, Der Hund schlaͤgt an, das muntre Jagdhorn schallt; Hier stuͤrzt vom schroffen Fels der junge Quell Und fließt im Thal als Baͤchlein silberhell; Das Muͤhlrad braust, die Werke klappern drein, Man hoͤrt die Voͤglein kaum im nahen Hain. Drum denkt, wenn euch zu rauh manch Lied¬ chen klingt, Daß das Lokal es also mit sich bringt. Doch, was das Schoͤnste in der Muͤhle ist, Das wird euch sagen mein Monodramist; Verrieth' ich's euch, verduͤrb' ich ihm das Spiel: Gehabt euch wohl und amuͤsirt euch viel! Wanderschaft. D as Wandern ist des Muͤllers Lust, Das Wandern! Das muß ein schlechter Muͤller sein, Dem niemals fiel das Wandern ein, Das Wandern. Vom Wasser haben wir's gelernt, Vom Wasser! Das hat nicht Rast bei Tag und Nacht, Ist stets auf Wanderschaft bedacht, Das Wasser. Das sehn wir auch den Raͤdern ab, Den Raͤdern! Die gar nicht gerne stille stehn, Die sich mein Tag nicht muͤde drehn, Die Raͤder. Die Steine selbst, so schwer sie sind, Die Steine! Sie tanzen mit den muntern Reihn Und wollen gar noch schneller sein, Die Steine. O Wandern, Wandern, meine Lust, O Wandern! Herr Meister und Frau Meisterin, Laßt mich in Frieden weiter ziehn Und wandern. Wohin? I ch hoͤrt' ein Baͤchlein rauschen Wohl aus dem Felsenquell, Hinab zum Thale rauschen So frisch und wunderhell. Ich weiß nicht, wie mir wurde, Nicht, wer den Rath mir gab, Ich mußte auch hinunter Mit meinem Wanderstab. Hinunter und immer weiter, Und immer dem Bache nach, Und immer heller rauschte Und immer heller der Bach. Ist das denn meine Straße? O Baͤchlein, sprich, wohin? Du hast mit deinem Rauschen Mir ganz berauscht den Sinn. Was sag' ich denn von Rauschen? Das kann kein Rauschen sein: Es singen wohl die Nixen Tief unten ihren Reihn. Laß singen, Gesell, laß rauschen, Und wandre froͤhlich nach! Es gehn ja Muͤhlenraͤder In jedem klaren Bach. Halt! E ine Muͤhle seh' ich blicken Aus den Erlen heraus, Durch Rauschen und Singen Bricht Raͤdergebraus. Ei willkommen, ei willkommen, Suͤßer Muͤhlengesang! Und das Haus, wie so traulich! Und die Fenster, wie blank! Und die Sonne, wie helle Vom Himmel sie scheint! Ei, Baͤchlein, liebes Baͤchlein, War es also gemeint? Danksagung an den Bach. W ar es also gemeint, Mein rauschender Freund, Dein Singen, dein Klingen, War es also gemeint? Zur Muͤllerin hin! So lautet der Sinn, Gelt, hab' ich's verstanden? Zur Muͤllerin hin! Hat sie dich geschickt? Oder hast mich beruͤckt? Das moͤcht' ich noch wissen, Ob sie dich geschickt. Nun wie's auch mag sein, Ich gebe mich drein: Was ich such', hab' ich funden, Wie's immer mag sein. Nach Arbeit ich frug, Nun hab' ich genug, Fuͤr die Haͤnde, fuͤr's Herze Vollauf genug! Am Feierabend. H aͤtt' ich tausend Arme zu ruͤhren! Koͤnnt' ich brausend Die Raͤder fuͤhren! Koͤnnt' ich wehen Durch alle Haine, Koͤnnt' ich drehen Alle Steine! Daß die schoͤne Muͤllerin Merkte meinen treuen Sinn! Ach, wie ist mein Arm so schwach! Was ich hebe, was ich trage, Was ich schneide, was ich schlage, Jeder Knappe thut es nach. Und da sitz' ich in der großen Runde, In der stillen kuͤhlen Feierstunde, Und der Meister spricht zu Allen: Euer Werk hat mir gefallen; Und das liebe Maͤdchen sagt Allen eine gute Nacht. Der Neugierige. I ch frage keine Blume, Ich frage keinen Stern, Sie koͤnnen mir alle nicht sagen, Was ich erfuͤhr' so gern. Ich bin ja auch kein Gaͤrtner, Die Sterne stehn zu hoch; Mein Baͤchlein will ich fragen, Ob mich mein Herz belog. O Baͤchlein meiner Liebe, Wie bist du heut so stumm! Will ja nur Eines wissen, Ein Woͤrtchen um und um. Ja, heißt das eine Woͤrtchen, Das andre heißet Nein, Die beiden Woͤrtchen schließen Die ganze Welt mir ein. O Baͤchlein meiner Liebe, Was bist du wunderlich! Will's ja nicht weiter sagen, Sag', Baͤchlein, liebt sie mich? Das Muͤhlenleben. S eh' ich sie am Bache sitzen, Wenn sie Fliegennetze strickt, Oder Sonntags fuͤr die Fenster Frische Wiesenblumen pfluͤckt; Seh' ich sie zum Garten wandeln, Mit dem Koͤrbchen in der Hand, Nach den ersten Beeren spaͤhen An der gruͤnen Dornenwand: Dann wird mir die Muͤhle enge, Alle Mauern ziehn sich ein, Und ich moͤchte flugs ein Fischer, Jaͤger oder Gaͤrtner sein. Und der Steine lustig Pfeifen, Und des Wasserrad's Gebraus, Und der Werke emsig Klappern, 'S jagt mich schier zum Thor hinaus. 2 Aber wenn in guter Stunde Plaudernd sie zum Burschen trit, Und als kluges Kind des Hauses Seitwaͤrts nach dem Rechten sieht; Und verstaͤndig lobt den Einen, Daß der Andre merken mag, Wie er's besser treiben solle, Geht er ihrem Danke nach — Keiner fuͤhlt sich recht getroffen, Und doch schießt sie nimmer fehl, Jeder muß von Schonung sagen, Und doch hat sie keinen Hehl. Keiner wuͤnscht, sie moͤchte gehen Steht sie auch als Herrin da, Und fast wie das Auge Gottes Ist ihr Bild uns immer nah. Und wo wer zum Fallen strauchelt, Haͤlt es ihn im Sinken schier, Und wo ich die Haͤnde falte, Kniet es still zur Seite mir — Ei, da mag das Muͤhlenleben Wohl des Liedes wuͤrdig sein, Und die Raͤder, Stein' und Stampfen Stimmen als Begleitung ein. Alles geht in schoͤnem Tanze Auf und ab, und ein und aus: Gott gesegne mir das Handwerk Und des guten Meisters Haus! 2* Ungeduld. I ch schnitt' es gern in alle Rinden ein, Ich gruͤb' es gern in jeden Kieselstein, Ich moͤcht' es saͤ'n auf jedes frische Beet Mit Kressensamen, der es schnell verraͤth, Auf jeden weißen Zettel moͤcht' ich's schreiben: Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben. Ich moͤcht' mir ziehen einen jungen Staar, Bis daß er spraͤch' die Worte rein und klar, Bis er sie spraͤch' mit meines Mundes Klang, Mit meines Herzens vollem, heißen Drang; Dann saͤng' er hell durch ihre Fensterscheiben: Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben. Den Morgenwinden moͤcht' ichs hauchen ein, Ich moͤcht' es saͤuseln durch den regen Hain; O, leuchtet' es aus jedem Blumenstern! Truͤg' es der Duft zu ihr von nah und fern! Ihr Wogen, koͤnnt ihr nichts als Raͤder treiben? Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben. Ich meint', es muͤßt' in meinen Augen stehn, Auf meinen Wangen muͤßt' man's brennen sehn, Zu lesen waͤr's auf meinem stummen Mund, Ein jeder Athemzug gaͤb's laut ihr kund; Und sie merkt nichts von all' dem bangen Treiben: Dein ist mein Herz, und soll es ewig bleiben! Morgengruß. G uten Morgen, schoͤne Muͤllerin! Wo steckst du gleich das Koͤpfchen hin, Als waͤr' dir was geschehen? Verdrießt dich denn mein Gruß so schwer? Verstoͤrt dich denn mein Blick so sehr? So muß ich wieder gehen. O laß mich nur von ferne stehn, Nach deinem lieben Fenster sehn, Von ferne, ganz von ferne! Du blondes Koͤpfchen, komm hervor! Hervor aus eurem runden Thor, Ihr blauen Morgensterne! Ihr schlummertrunknen Aeugelein, Ihr thaubetruͤbten Bluͤmelein, Was scheuet ihr die Sonne? Hat es die Nacht so gut gemeint, Daß ihr euch schließt und buͤckt und weint, Nach ihrer stillen Wonne? Nun schuͤttelt ab der Traͤume Flor, Und hebt euch frisch und frei empor In Gottes hellen Morgen! Die Lerche wirbelt in der Luft, Und aus dem tiefen Herzen ruft Die Liebe Leid und Sorgen. Des Muͤllers Blumen. A m Bach viel kleine Blumen stehn, Aus hellen blauen Augen sehn; Der Bach der ist des Muͤllers Freund, Und hellblau Liebchens Auge scheint, Drum sind es meine Blumen. Dicht unter ihrem Fensterlein Da will ich pflanzen die Blumen ein, Da ruft ihr zu, wenn Alles schweigt, Wenn sich ihr Haupt zum Schlummer neigt, Ihr wißt ja, was ich meine. Und wenn sie thaͤt die Aeuglein zu, Und schlaͤft in suͤßer, suͤßer Ruh', Dann lispelt als ein Traumgesicht Ihr zu: Vergiß, vergiß mein nicht! Das ist es, was ich meine. Und schließt sie fruͤh die Laden auf, Dann schaut mit Liebesblick hinauf: Der Thau in euren Aeugelein, Das sollen meine Thraͤnen sein, Die will ich auf euch weinen. Thraͤnenregen. W ir saßen so traulich beisammen Im kuͤhlen Erlendach, Wir schauten so traulich zusammen Hinab in den rieselnden Bach. Der Mond war auch gekommen, Die Sternlein hinterdrein, Und schauten so traulich zusammen In den silbernen Spiegel hinein. Ich sah nach keinem Monde, Nach keinem Sternenschein, Ich schaute nach ihrem Bilde, Nach ihren Augen allein. Und sahe sie nicken und blicken Herauf aus dem seligen Bach, Die Bluͤmlein am Ufer, die blauen, Sie nickten und blickten ihr nach. Und in den Bach versunken Der ganze Himmel schien, Und wollte mich mit hinunter In seine Tiefe ziehn. Und uͤber den Wolken und Sternen Da rieselte munter der Bach, Und rief mit Singen und Klingen: Geselle, Geselle, mir nach. Da gingen die Augen mir uͤber, Da ward es im Spiegel so kraus: Sie sprach: Es kommt ein Regen, Ade, ich geh' nach Haus. Mein! B aͤchlein, laß dein Rauschen sein! Raͤder, stellt eu'r Brausen ein! All ihr muntern Waldvoͤgelein, Groß und klein, Endet eure Melodein! Durch den Hain Aus und ein Schalle heut' ein Reim allein: Die geliebte Muͤllerin ist mein ! Mein ! Fruͤhling, sind das alle deine Bluͤmelein? Sonne, hast du keinen hellern Schein? Ach, so muß ich ganz allein, Mit dem seligen Worte mein , Unverstanden in der weiten Schoͤpfung sein! Pause. M eine Laute hab' ich gehaͤngt an die Wand, Hab' sie umschlungen mit einem gruͤnen Band — Ich kann nicht mehr singen, mein Herz ist zu voll, Weiß nicht, wie ich's in Reime zwingen soll. Meiner Sehnsucht allerheißesten Schmerz Durft' ich aushauchen in Liederscherz, Und wie ich klagte so suͤß und fein, Meint' ich doch, mein Leiden waͤr' nicht klein: Ei, wie groß ist wohl meines Gluͤckes Last, Daß kein Klang auf Erden es in sich faßt? Nun, liebe Laute, ruh' an dem Nagel hier! Und weht ein Luͤftchen uͤber die Saiten dir, Und streift eine Biene mit ihren Fluͤgeln dich, Da wird mir bange und es durchschauert mich. Warum ließ ich das Band auch haͤngen so lang? Oft fliegt's um die Saiten mit seufzendem Klang. Ist es der Nachklang meiner Liebespein? Soll es das Vorspiel neuer Lieder sein? Mit dem gruͤnen Lautenbande. « S chad' um das schoͤne gruͤne Band, «Daß es verbleicht hier an der Wand, «Ich hab' das Gruͤn so gern!» So sprachst du, Liebchen, heut zu mir; Gleich knuͤpf' ich's ab und send' es dir: Nun hab' das Gruͤne gern! Ist auch dein ganzer Liebster weiß, Soll Gruͤn doch haben seinen Preis, Und ich auch hab' es gern. Weil unsre Lieb' ist immer gruͤn, Weil gruͤn der Hoffnung Fernen bluͤhn, Drum haben wir es gern. Nun schlinge in die Locken dein Das gruͤne Band gefaͤllig ein, Du hast ja's Gruͤn so gern. Dann weiß ich, wo die Hoffnung wohnt, Dann weiß ich, wo die Liebe thront, Dann hab' ich's Gruͤn erst gern. Der Jaͤger. W as sucht denn der Jaͤger am Muͤhlbach hier? Bleib, trotziger Jaͤger, in deinem Revier! Hier giebt es kein Wild zu jagen fuͤr dich, Hier wohnt nur ein Rehlein, ein zahmes, fuͤr mich. Und willst du das zaͤrtliche Rehlein sehn, So laß deine Buͤchsen im Walde stehn, Und laß deine klaffenden Hunde zu Haus, Und laß auf dem Horne den Saus und Braus, Und scheere vom Kinne das struppige Haar, Sonst scheut sich im Garten das Rehlein, fuͤrwahr. Doch besser, du bliebest im Walde dazu, Und ließest die Muͤhlen und Muͤller in Ruh'. Was taugen die Fischlein im gruͤnen Gezweig? Was will denn das Eichhorn im blaͤulichen Teich? Drum bleibe, du trotziger Jaͤger, im Hain, Und laß mich mit meinen drei Raͤdern allein; Und willst meinem Schaͤtzchen dich machen beliebt, So wisse, mein Freund, was ihr Herzchen betruͤbt: Die Eber, die kommen zu Nacht aus dem Hain Und brechen in ihren Kohlgarten ein, Und treten und wuͤhlen herum in dem Feld: Die Eber, die schieße, du Jaͤgerheld! Eifersucht und Stolz. W ohin so schnell, so kraus, so wild, mein lieber Bach? Eilst du voll Zorn dem frechen Bruder Jaͤger nach? Kehr' um, kehr' um, und schilt erst deine Muͤllerin, Fuͤr ihren leichten, losen, kleinen Flattersinn. Sahst du sie gestern Abend nicht am Thore stehn, Mit langem Halse nach der großen Straße sehn? Wenn von dem Fang der Jaͤger lustig zieht nach Haus, Da steckt kein sittsam Kind den Kopf zum Fenster 'naus. Geh', Baͤchlein, hin und sag' ihr das, doch sag' ihr nicht, Hörst du, kein Wort, von meinem traurigen Gesicht; Sag' ihr: Er schnitzt bei mir sich eine Pfeif' aus Rohr, Und blaͤst den Kindern schoͤne Taͤnz' und Lieder vor. 3 Erster Schmerz, letzter Scherz. N un sitz' am Bache nieder Mit deinem hellen Rohr, Und blas' den lieben Kindern Die schoͤnen Lieder vor. Die Lust ist ja verrauschet, Das Leid hat immer Zeit: Nun singe neue Lieder Von alter Seligkeit. Noch bluͤhn die alten Blumen, Noch rauscht der alte Bach, Es scheint die liebe Sonne Noch wie am ersten Tag. Die Fensterscheiben glaͤnzen Im klaren Morgenschein, Und hinter den Fensterscheiben Da sitzt die Liebste mein. Ein Jaͤger, ein gruͤner Jaͤger, Der liegt in ihrem Arm — Ei, Bach, wie lustig du rauschest, Ei, Sonne, wie scheinst du so warm! Ich will einen Strauß dir pfluͤcken, Herzliebste, von buntem Klee, Den sollst du mir stellen an's Fenster, Damit ich den Jaͤger nicht seh'. Ich will mit Rosenblaͤttern Den Muͤhlensteg bestreu'n: Der Steg hat mich getragen Zu dir, Herzliebste mein! Und wenn der stolze Jaͤger Ein Blaͤttchen mir zertrit, Dann stuͤrz', o Steg, zusammen Und nimm den Gruͤnen mit! Und trag' ihn auf dem Ruͤcken In's Meer, mit gutem Wind, Nach einer fernen Insel, Wo keine Maͤdchen sind. 3* Herzliebste, das Vergessen, Es kommt dir ja nicht schwer — Willst du den Muͤller wieder? Vergißt dich nimmermehr. Die liebe Farbe. I n Gruͤn will ich mich kleiden, In gruͤne Thraͤnenweiden, Mein Schatz hat's Gruͤn so gern. Will suchen einen Cypressenhain, Eine Haide von gruͤnem Rosmarein, Mein Schatz hat's Gruͤn so gern. Wohlauf zum froͤhlichen Jagen! Wohlauf durch Haid' und Hagen! Mein Schatz hat's Jagen so gern. Das Wild, das ich jage, das ist der Tod, Die Haide, die heiß' ich die Liebesnoth, Mein Schatz hat's Jagen so gern. Grabt mir ein Grab im Wasen, Deckt mich mit gruͤnem Rasen, Mein Schatz hat's Gruͤn so gern. Kein Kreuzlein schwarz, kein Bluͤmlein bunt, Gruͤn, Alles gruͤn so rings und rund! Mein Schatz hat's Gruͤn so gern. Die boͤse Farbe. I ch moͤchte ziehn in die Welt hinaus, Hinaus in die weite Welt, Wenn's nur so gruͤn, so gruͤn nicht waͤr' Da draußen in Wald und Feld! Ich moͤchte die gruͤnen Blaͤtter all' Pfluͤcken von jedem Zweig, Ich moͤchte die gruͤnen Graͤser all' Weinen ganz todtenbleich. Ach Gruͤn, du boͤse Farbe du, Was siehst mich immer an, So stolz, so keck, so schadenfroh, Mich armen weißen Mann? Ich moͤchte liegen vor ihrer Thuͤr, In Sturm und Regen und Schnee, Und singen ganz leise bei Tag und Nacht Das eine Woͤrtchen Ade! Horch, wenn im Wald ein Jagdhorn ruft, Da klingt ihr Fensterlein, Und schaut sie auch nach mir nicht aus, Darf ich doch schauen hinein. O binde von der Stirn dir ab Das gruͤne, gruͤne Band, Ade, Ade! und reiche mir Zum Abschied deine Hand! Bluͤmlein Vergißmein. W as treibt mich jeden Morgen So tief in's Holz hinein? Was frommt mir, mich zu bergen Im unbelauschten Hain? Es bluͤht auf allen Fluren Bluͤmlein Vergiß mein nicht , Es schaut vom heitern Himmel Herab in blauem Licht. Und soll ich's niedertreten, Bebt mir der Fuß zuruͤck, Es fleht aus jedem Kelche Ein wohlbekannter Blick. Weißt du, in welchem Garten Bluͤmlein Vergiß mein steht? Das Bluͤmlein muß ich suchen, Wie auch die Straße geht. 'S ist nicht fuͤr Maͤdchenbusen, So schoͤn sieht es nicht aus: Schwarz, schwarz ist seine Farbe, Es paßt in keinen Strauß. Hat keine gruͤne Blaͤtter, Hat keinen Bluͤthenduft, Es windet sich am Boden In naͤchtig dumpfer Luft. Waͤchst auch an einem Ufer, Doch unten fließt kein Bach, Und willst das Bluͤmlein pfluͤcken, Dich zieht der Abgrund nach. Das ist der rechte Garten, Ein schwarzer, schwarzer Flor: Darauf magst du dich betten — Schleuß zu das Gartenthor! Trockne Blumen. I hr Bluͤmlein alle, Die sie mir gab, Euch soll man legen Mit mir in's Grab. Wie seht ihr alle Mich an so weh, Als ob ihr wuͤßtet, Wie mir gescheh'? Ihr Bluͤmlein alle, Wie welk, wie blaß? Ihr Bluͤmlein alle, Wovon so naß? Ach, Thraͤnen machen Nicht maiengruͤn, Machen todte Liebe Nicht wieder bluͤh'n. Und Lenz wird kommen, Und Winter wird gehn, Und Bluͤmlein werden Im Grase stehn, Und Bluͤmlein liegen In meinem Grab, Die Bluͤmlein alle, Die sie mir gab. Und wenn sie wandelt Am Huͤgel vorbei, Und denkt im Herzen: Der meint' es treu! Dann Bluͤmlein alle, Heraus, heraus! Der Mai ist kommen, Der Winter ist aus. Der Muͤller und der Bach. Der Muͤller. W o ein treues Herze In Liebe vergeht, Da welken die Lilien Auf jedem Beet. Da muß in die Wolken Der Vollmond gehn, Damit seine Thraͤnen Die Menschen nicht sehn. Da halten die Englein Die Augen sich zu, Und schluchzen und singen Die Seele zu Ruh'. Der Bach. Und wenn sich die Liebe Dem Schmerz entringt, Ein Sternlein, ein neues, Am Himmel erblinkt. Da springen drei Rosen, Halb roth, halb weiß, Die welken nicht wieder, Aus Dornenreis. Und die Engelein schneiden Die Fluͤgel sich ab, Und gehn alle Morgen Zur Erde herab. Der Muͤller. Ach, Baͤchlein, liebes Baͤchlein, Du meinst es so gut: Ach, Baͤchlein, aber weißt du Wie Liebe thut? Ach, unten, da unten, Die kuͤhle Ruh'! Ach, Baͤchlein, liebes Baͤchlein, So singe nur zu. Des Baches Wiegenlied. G ute Ruh', gute Ruh'! Thu die Augen zu! Wandrer, du muͤder, du bist zu Haus. Die Treu' ist hier, Sollst liegen bei mir, Bis das Meer will trinken die Baͤchlein aus. Will betten dich kuͤhl, Auf weichem Pfuͤhl, In dem blauen krystallenen Kaͤmmerlein. Heran, heran, Was wiegen kann, Woget und wieget den Knaben mir ein! Wenn ein Jagdhorn schallt Aus dem gruͤnen Wald, Will ich sausen und brausen wohl um dich her. Blickt nicht herein, Blaue Bluͤmelein! Ihr macht meinem Schlaͤfer die Traͤume so schwer. Hinweg, hinweg, Von dem Muͤhlensteg, Boͤses Maͤgdlein, daß ihn dein Schatten nicht weckt! Wirf mir herein Dein Tuͤchlein fein, Daß ich die Augen ihm halte bedeckt! Gute Nacht, gute Nacht! Bis Alles wacht, Schlaf' aus deine Freude, schlaf' aus dein Leid! Der Vollmond steigt, Der Nebel weicht, Und der Himmel da oben, wie ist er so weit! Der Dichter, als Epilog. W eil gern man schließt mit einer runden Zahl, Tret' ich noch einmal in den vollen Saal, Als letztes, fuͤnf und zwanzigstes Gedicht, Als Epilog, der gern das Kluͤgste spricht. Doch pfuschte mir der Bach in's Handwerk schon Mit seiner Leichenred' im nassen Ton. Aus solchem hohlen Wasserorgelschall Zieht Jeder selbst sich besser die Moral; Ich geb' es auf, und lasse diesen Zwist, Weil Widerspruch nicht meines Amtes ist. So hab' ich denn nichts lieber hier zu thun, Als euch zum Schluß zu wuͤnschen, wohl zu ruhn. Wir blasen unsre Sonn' und Sternlein aus — Nun findet euch im Dunkel gut nach Haus, Und wollt ihr traͤumen einen leichten Traum, So denkt an Muͤhlenrad und Wasserschaum, Wenn ihr die Augen schließt zu langer Nacht, Bis es den Kopf zum Drehen euch gebracht. 4 Und wer ein Maͤdchen fuͤhrt an seiner Hand, Der bitte scheidend um ein Liebespfand, Und giebt sie heute, was sie oft versagt, So sei des treuen Muͤllers treu gedacht Bei jedem Haͤndedruck, bei jedem Kuß, Bei jedem heißen Herzensuͤberfluß: Geb' ihm die Liebe fuͤr sein kurzes Leid In eurem Busen lange Seligkeit! Johannes und Esther . (Im Frühling zu lesen .) 4* Christnacht. D urch die Fenster seh' ich's flimmern, Goldengruͤn und Kerzenschein, Jauchzend hoͤr' ich durch die Laden Helle Kinderstimmen schrein. Schmetternde Posaunen schallen Von dem Kirchenthurm herab: Lobt den Vater in der Hoͤhe, Der der Welt das Kindlein gab! Herz, mein Herz, wie bist so selig? Herz, mein Herz, und so allein? Unsre Gaben, unsre Wuͤnsche, Duͤrfen wir sie Keinem weihn? Eine weiß ich wohl zu finden, Der ich Vieles goͤnnen mag; Offen steht mir ihre Pforte, Und es kennt mich ihr Gemach. Aber in dem stillen Hause Brennt kein festlich helles Licht, Und im schwarzen Wochenkleide Sitzt sie da und freut sich nicht. Ach, ihr ist er nicht geboren, Der in dieser sel'gen Nacht Freud' und Fried' und Wohlgefallen Hat zu uns herabgebracht. Seine Liebe, seine Leiden Dringen nicht zu ihr hinein: Ueber ihre zarte Seele Herrschet ein Gesetz von Stein. Gebet in der Christnacht. O Liebe, die am Kreuze rang, O Liebe, die den Tod bezwang Fuͤr alle Menschenkinder, Gedenk' in dieser sel'gen Nacht, Die dich zu uns herabgebracht, Der Seelen, die dir fehlen! O Liebe, die den Stern gesandt Hinaus in's ferne Morgenland, Die Koͤnige zu rufen; Die laut durch ihres Boten Mund Sich gab den armen Hirten kund, Wie bist du still geworden? Noch eine fromme Hirtin liegt In blinden Schlummer eingewiegt, Und traͤumt von gruͤnen Baͤumen. Singt nicht vor ihrem Fensterlein Ein Engel: Esther, laß mich ein, Der Heiland ist geboren? Vereinigung. W enn ich nur darf in deine Augen schauen, In deine klaren, treuen, frommen Sterne, So fuͤhl' ich weichen das geheime Grauen, Das Lieb' und Liebe haͤlt in stummer Ferne. Und unsre Herzen wollen sich begegnen In langen Blicken, die mit Thraͤnen ringen, Und unsre Liebe will ein Engel segnen: Er schlaͤgt um uns die weichen, warmen Schwingen. Nach seinem Namen wag' ich nicht zu fragen, Noch nach dem Namen dessen, der ihn sendet; Ich darf ja wieder weinen, wieder klagen: Fuͤrwahr, mich hat kein eitler Wahn geblendet! Die Passionsblume. H ochgebenedeite Pflanze, Deren schoͤner Bluͤthenstern Uns in mildem, weißen Glanze Zeigt das Marterthum des Herrn; Voller Bluͤthen seh' ich immer Dich vor ihrem Fenster stehn: Willst du denn, als eitler Schimmer, Nur in Farb' und Duft vergehn? Ward dir kein geheimes Leben, Unverwelklicher Natur, Von dem Heiland eingegeben, Der dich pflanzt' in unsre Flur, Als ein Bild von seinen Leiden, Seinem bittern Liebestod, Daß daran wir sollen weiden Unsre Seel' in Lust und Noth? Hast du nicht in stillen Stunden, Heil'ge Blum', ihr zugehaucht Das Geheimniß von den Wunden, Von dem Dorn, in Blut getaucht? Esther schlaͤft, und Traͤume schließen Auf der reinen Seele Schrein: Laß aus deinem Sterne fließen Einen Strahl zu ihr hinein! Purim. W as meint sie mit dem Aschenkleide An diesem freudenreichen Tag, Wo Alles gern in Sammt und Seide, In Gold und Steinen prangen mag? Es schwimmt das festlich bunte Zimmer In hoher Kerzen Duft und Schein: Sie schleicht sich aus der Freude Schimmer, Und steht am Fenster ganz allein. Da legt sich, wie ein weißer Schleier, Des Mondes Strahl um ihr Gesicht, Und eine stille, tiefe Feier Aus ihren sel'gen Augen spricht. O waͤr' ich aus den Truggestalten Der wilden, blinden Maskenlust, Und duͤrfte meine Haͤnde falten Entlarvt im Tempel ihrer Brust! Vor ihrem Fenster. W ie freut es mich, in dunkeln Abendstunden Vor deinem hellen Fenster still zu stehn! Den Vorhang find' ich hoch hinaufgewunden, Frei darf mein Blick in seinen Himmel sehn. Die Blumen, die sich an die Rahmen schmiegen, Umschlingen mir dein Bild mit ihrem Kranz, Und meines Odems Hauche uͤberfliegen Mit truͤbem Nebelduft der Scheiben Glanz. Da sitzest du, so still und unbefangen, Das schoͤne Haupt gestuͤtzt auf deinen Arm, Und ich bin dir so nah mit Lust und Bangen, Mit meiner Wuͤnsche ungestuͤmem Schwarm. Du schauest her: es wissen deine Augen Vom suͤßen Zauber ihrer Blicke nicht, Wie meine sich aus ihnen trunken saugen, Und hell ergluͤhen nur von ihrem Licht. Du ahnest nicht, wie sich mein ganzes Leben Gleich einem Mond um deine Sonne dreht, Der bald sich will auf stolzen Strahlen heben, Bald tief gebeugt in Thraͤnen untergeht. Still, still, mein Herz! Was meint dein wildes Schlagen? Schau uͤber dich, der Himmel ist nicht fern; Und Flammen, die aus Sternen fallen, tragen Der Menschen Seufzer vor den Thron des Herrn. Die Lauberhuͤtte. S ei mir gegruͤßt, du Holde, In deinem gruͤnen Zelt! Hier seh' ich erst dich bluͤhen, Hier bluͤhet deine Welt. Mir ist's, als ob ich traͤte In ein gelobtes Land, Als ob der Lauf der Zeiten Sich habe umgewandt. Entlaubt sind unsre Baͤume, Verbluͤht ist unser Feld: Hier seh' ich Lenz und Sommer Als Bruͤder froh gesellt. Der Herbst will auch nicht fehlen In diesem schoͤnen Haus, Und sucht fuͤr seine Fruͤchte Sich Blumenzweiglein aus. So pruͤfen Duft und Schimmer Wetteifernd ihre Macht: Es flammen hohe Kerzen Wie Sterne durch die Nacht. Und aus den blanken Becken Steigt Weihrauch stolz empor: Da trauert manche Rose, Weil sie den Rang verlor. Du siehst mich an, Geliebte, Und mir versagt das Wort: Du wirst mich nicht verstehen An diesem Zauberort. Wie, solltest du mir folgen In truͤbe, kalte Luft, Aus deinem Vaterlande Voll Gluth und Glanz und Duft? Der Perlenkranz. E in Kraͤnzlein moͤcht' ich sehen Gewunden um dein Haupt, Nicht bunt von Sommerblumen, Nicht immergruͤn belaubt. Von hellen, weißen Perlen Soll es geflochten sein: Durch deine schwarzen Locken Fließt es wie Sternenschein. Neige dein Haupt, du Liebe, Loͤs' auf dein langes Haar! Kennst du die Perlenkrone, Durchsichtig, wasserklar? 5 Bebt Ahnung dir im Herzen? O glaube, was sie spricht. Laß auf dein Haupt mich weinen: Tauft denn die Thraͤne nicht? Maria. M aria moͤcht' ich dich begruͤßen, Mein Herz hat stets dich so genannt. — Seh' ich ein klares Baͤchlein fließen, Setz' ich mich still an seinen Rand: Maria, rieseln seine Wogen, Maria soll ihr Name sein; Ein weißes Taͤubchen kommt geflogen, Schwebt uͤber mir im Sonnenschein. Geliebte, hast du nichts vernommen, Wie Orgelton und Wasserfall? Der heil'ge Jordan kommt geschwommen Durch Berg und Meer mit Jubelschall. Der Geist des Herrn schwingt sein Gefieder Und ruft: Wo ist die Tochter mein? Tauch' in die Liebesfluthen nieder: Maria soll dein Name sein! 5* An Johannes. A us deiner Brust hab' ich empor gesungen Verschwieg'ner Liebesflammen Lust und Schmerz, Und von den Klaͤngen fuͤhl' ich nun durchdrungen Mit tiefer Regung fast mein eignes Herz. Der Fruͤhling naht: schon traͤgt man aus dem Hause Die Blumen an das freie Tageslicht; Und laͤnger bleiben auch in ihrer Klause Die Winterbluͤthen meiner Muse nicht. Gedeihen muß die Lenzluft ihnen geben Und junges Gruͤn und frischen Knospendrang, Auf daß sie sich befreunden mit dem Leben, Und werben nach der Leute Lob und Dank. So ziehn sie aus im Duft und Glanz des Maien, Bekraͤnzt mit schwarzem Leid und bunter Lust; Und will der Winter sie mit Schnee bestreuen, So fluͤchten sie zuruͤck in deine Brust. Reiselieder. Große Wanderschaft. W andern, wandern! Gestern dort und heute hier; Morgen, wohin ziehen wir? Wandern, wandern! Wißt ihr wohl das Losungswort, Das die Welt treibt fort und fort? Wandern, wandern! Sehet Sonne, Mond und Sterne, Wie die wandern all' so gerne! Wandern, wandern! Auch die Erde macht sich auf Alle Jahr zum frischen Lauf. Wandern, wandern! Ei, so laß das Sitzen sein, Mensch, du mußt doch hinterdrein! Wandern, wandern! Kind und Juͤngling, Mann und Greis, Also heißt die Lebensreis'. Wandern, wandern! Ei, wie schoͤne Kompanei! Fuͤrstengunst und Frauentreu'! Wandern, wandern! Frau Fortuna fuͤhrt uns an, Amor ist der zweite Mann. Wandern, wandern! Auch die Musen koͤnnt ihr sehn All' in Reiseschuhen gehn. Wandern, wandern! Mars faͤhrt auf Aprillenwetter, Laune heißt des Ruhmes Vetter. Wandern, wandern! Liebes Herz, so zieh' nur mit, Halte wacker Schritt und Tritt! Wandern, wandern! Heute hier und morgen dort, Und zu Haus an jedem Ort. Wandern, wandern! Regen, Sturm und Sonnenschein, Rebensaft und Gerstenwein. Wandern, wandern! Heute blond und morgen braun Ist mein Schaͤtzchen anzuschaun. Wandern, wandern! Kalt und warm und schlicht und kraus, Bienenschwarm und Schneckenhaus. Wandern, wandern! Heut' hab' ich dies Lied erdacht, Morgen wird es ausgelacht. Wandern, wandern! Wanderlieder eines rheinischen Handwerks¬ burschen. 1. Auszug . I ch ziehe so lustig zum Thore hinaus, Als ob's ein Spaß nur waͤr': Das macht, es wallt Feinliebchens Bild Gar helle vor mir her. Da merk' ich dann im Herzen bald: Ich sei dort, oder hier, Ich gehe fort, ich kehre heim, Ich ziehe doch immer zu ihr. Und wer zu seinem Liebchen reis't, Dem wird kein Weg zu schwer, Der laͤuft bei Tag und laͤuft bei Nacht, Und ruht sich nimmermehr. Und ob es regnet, ob es stuͤrmt, Mir thut kein Wetter weh: Es hat mein Liebchen mir gesagt Ein freundliches Ade! 2. Auf der Landstraße. W as suchen doch die Menschen all' Zu Roß und auch zu Fuß? Das wandert hin und wandert her Zeitlebens ohn' Verdruß. Die haben wohl kein Liebchen heim, Und auch ihr Herz dabei: Sie sehn mich an und wundern sich, Daß ich so langsam sei. Ach, wer mit jedem, jedem Fuß, Den er setzt in die Welt hinein, Einen Schritt von seiner Liebsten thut, Der macht ihn gerne klein. Wer hat das Wandern doch erdacht? Der hatt' ein Herz von Stein; Und waͤr' es heut' noch nicht bekannt, Ich ließ' es wahrlich sein. 3. Einsamkeit. D er Mai ist auf dem Wege, Der Mai ist vor der Thuͤr: Im Garten, auf der Wiesen, Ihr Bluͤmlein kommt herfuͤr! Da hab' ich den Stab genommen, Da hab' ich das Buͤndel geschnuͤrt, Zieh weiter und immer weiter, Wohin die Straße mich fuͤhrt. Und uͤber mir ziehen die Voͤgel, Sie ziehen in lustigem Reihn, Sie zwitschern und trillern und floͤten, Als ging's in den Himmel hinein. Der Wandrer geht alleine, Geht schweigend seinen Gang; Das Buͤndel will ihn druͤcken, Der Weg wird ihm zu lang. Ja, wenn wir allzusammen So zoͤgen in's Land hinein! Und wenn auch das nicht waͤre, Koͤnnt' Eine nur mit mir sein! 4. Bruͤderschaft. I m Krug zum gruͤnen Kranze Da kehrt' ich durstig ein: Da saß ein Wandrer drinnen Am Tisch bei kuͤhlem Wein. Ein Glas war eingegossen, Das wurde nimmer leer; Sein Haupt ruht' auf dem Buͤndel, Als waͤr's ihm viel zu schwer. Ich thaͤt mich zu ihm setzen, Ich sah ihm in's Gesicht, Das schien mir gar befreundet, Und dennoch kannt' ich's nicht. Da sah auch mir in's Auge Der fremde Wandersmann, Und fuͤllte meinen Becher, Und sah mich wieder an. Hei, was die Becher klangen, Wie brannte Hand in Hand: «Es lebe die Liebste deine, «Herzbruder, im Vaterland! 5. Abendreihn. G uten Abend, lieber Mondenschein! Wie blickst mir so traulich in's Herz herein? Nun sprich, und laß dich nicht lange fragen, Du hast mir gewiß einen Gruß zu sagen, Einen Gruß von meinem Schatz. «Wie sollt' ich bringen den Gruß zu dir? «Du hast ja keinen Schatz bei mir. «Und was mir da unten die Bursche sagen, «Und was mir die Frauen und Maͤdchen klagen, «Ei, das versteh' ich nicht.» Hast Recht, mein lieber Mondenschein, Du darfst auch Schaͤtzchens Bote nicht sein, Denn thaͤtst du zu tief ihr in's Auge sehn, Du koͤnntest ja nimmermehr untergehn, Schienst ewig nur fuͤr sie. 6 Dies Liedchen ist ein Abendreihn, Ein Wandrer sang's im Vollmondschein; Und die es lesen bei Kerzenlicht, Die Leute verstehn das Liedchen nicht, Und ist doch kinderleicht. 6. Morgen. I n die gruͤne Welt hinein Zieh' ich mit dem Morgenschein, Abendlust und Abendleid Hinter mir so weit, so weit! Ei, wie roth deine Wangen sind, Morgen, Morgen, suͤßes Kind! Bluͤmlein weinten die ganze Nacht, Weil man dich zu Bett gebracht; Mittag kam, der stolze Ritter, Abend kam, der muͤde Schnitter, Keinen haben sie angeschaut, Haben still auf dich vertraut. Und nun bist du wieder da, Bist so freundlich, bist so nah! Und sie richten sich empor, Schuͤtteln ab der Traͤume Flor: Wie sie wanken, wie sie beben, Scheu die trunknen Blicke heben! 6* War's dein Kuß, der sie erweckte? War's ein Zephyr, der sie neckte? Welcher Schrecken, welche Lust, Mund an Mund, und Brust an Brust! Guten Morgen, guten Morgen! In die Winde alle Sorgen, Alle Thraͤnen von den Wangen, Aus dem Herzen alles Bangen, Alles froh und Alles frei, Ob's der erste Welttag sei! Auch die kleinen Waldvoͤgelein Wollen bei dem Feste sein, Lassen ihre Stimmlein klingen, Einen Gruß hinaufzusingen. Wißt ihr, wer's am besten meint Mit dem jungen Himmelsfreund? Lerche sich zum Hoͤchsten schwingt, Und ihm grad' an's Herze sinkt. Lerche, Lerche, einen Gruß, Lerche, Lerche, Gruß und Kuß, Nimm sie mit dir von uns Allen, Und laß deine Stimme schallen, Wenn wir dich nicht mehr ersehn, Aus den lieben blauen Hoͤh'n! Fischlein, Fischlein in dem See, Wird's da unten euch zu weh? Drang sein helles Rosenlicht Noch in eure Tiefe nicht? Ei, so springt einmal heraus Aus dem duͤstern Wogenhaus, Schnappt von seinen Aeugelein Einen Blick zu euch hinein, Und die Lampen von Krystall Zuͤndet an mit seinem Strahl! Morgenstund hat Gold im Mund! Arme Wandrer, rings und rund, Auf und fort im Morgenschein, Wollt ihr reiche Leute sein! 7. Fruͤhlingsgruß. D u heller linder Abendwind, Flieg hin zu meinem Schatz geschwind, Es wird dich nicht verdrießen, Und faͤchl' ihr sanft um Wang' und Kinn, Treib deine juͤngsten Duͤfte hin, Und sprich: Der Lenz laͤßt gruͤßen! Die Laute nehm' ich von der Wand, Und schlinge drum ein gruͤnes Band, Ein Voͤglein hoͤrt' ich schlagen; Es schlug: Wer bindet an mit mir Zu Lieb' und Sang ein Festturnier In gruͤnen Rosenhagen? Wohl auf im hellen Mondenschein, Durch alle Gassen aus und ein, Mit Fiedeln und Schalmeien! Thut auf, thut auf die Fensterlein, Ihr Maͤgdlein, laßt den Fruͤhling ein! Duͤrft euch vor ihm nicht scheuen. Er ist ein wohlgezog'ner Gast, Ein Knaͤblein jung und bloͤde fast, Auch etwas unerfahren: Nehmt Amorn ihm als Lehrer an, So wird er bald ein kluger Mann, Noch eh' er kommt zu Jahren. Du heller linder Abendwind, Was meint zu dir das liebe Kind, Gefaͤllt ihr deine Kunde? Gut' Nacht, gut' Nacht, die Fenster zu! Der neue Gast verlangt nach Ruh', Der Waͤchter blaͤst die Stunde. 8. Entschuldigung. W enn wir durch die Straßen ziehen, Recht wie Bursch' in Saus und Braus, Schauen Augen, blau' und graue, Schwarz' und braun' aus manchem Haus. Und ich lass' die Blicke schweifen Durch die Fenster hin und her, Fast als wollt' ich Eine suchen, Die mir die Allerliebste waͤr'. Und doch weiß ich, daß die Eine Wohnt viel Meilen weit von mir, Und doch kann ich's Schaun nicht lassen Nach den schmucken Jungfern hier. Liebchen, woll' dich nicht betruͤben, Wenn dir Eins die Kunde bringt, Und daß dich's nicht uͤberrasche, Dieses Lied der Wandrer singt. 9. Hier und dort. M ein Liebchen hat g'sagt: Dein Sang mir behagt! Ach, wenn ich doch selber Ein Lied gleich waͤr', Meinem Schaͤtzchen zu Ehr'! Da wollt' ich mich schreiben Auf seid'nes Papier, Und wollte mich schicken Per Post zu ihr. Flugs thaͤt' sie erbrechen Das Briefchen so fein, Und schaute schnurgrade In's Herz mir hinein. Und saͤhe und hoͤrte, Wie gut ich ihr bin, Und wie ich ihr diene Mit stetigem Sinn. Und Liebchen thaͤt' sagen: Du thust mir behagen! Und sagte und saͤnge Und spielte nur mich, Und truͤg' im Mund, im Kopf, im Herzen Mich ewiglich. Haͤtt' Gott mich gefragt, Als die Welt er gemacht, So haͤtt' ich ein Liebchen, Das waͤre fein hier, Und waͤr' sie wo anders, So waͤr' ich bei ihr. Dies Lied hat gesungen Ein Wandrer vom Rhein. Hier trinkt er das Wasser, Dort trank er den Wein. Des Postillons Morgenlied vor der Bergschenke. V ivat, und in's Horn ich stoße, Vivat, wie so hell es klingt, Wenn es in der Morgenstunde Meinem Schatz ein Vivat bringt! Und die Peitsche knallt dazwischen, Und die Raͤder rasseln drein, Und die Funken und die Flammen Fliegen uͤber Stock und Stein. Bravo, bravo, braver Schwager! Ruft mir zu der Passagier: Mag er's loben und bezahlen, Liebste, aber's gilt nur dir. Kann ich's mit dem Schwert nicht zeigen, Mit dem blanken Rittersporn, Hat mein Herz fuͤr seine Liebe Doch dies kleine runde Horn. Wer's versteht, es klingt nicht uͤbel, Frisch und scharf wie Morgenwind, Und die Liebste, die ich meine, Ist kein schwaͤchlich staͤdtisch Kind. In dem Wald ist sie geboren, Ist des Schenken Toͤchterlein; Klang der Becher, Zank der Zecher Mußt' ihr Wiegenliedchen sein. In dem Walde steht die Schenke Einsam auf dem hoͤchsten Berg, Durch den Schornstein blaͤs't die Hexe, Und im Keller wuͤhlt der Zwerg. Aber sie, die flinke Dirne, Weiß mit Geistern umzugehn, Wenn ihr Schluͤsselbund nur klappert, Laͤßt kein Spuk sich weiter sehn. Und wie trefflich kann sie bannen Geister auch von Fleisch und Bein, Die Berauschten, sei's von Liebe, Sei's von Bier und Brantewein. Keiner wagt sich ihr zu nahen, Weil den Zauberkreis er kennt, Der dem kecken Ueberspringer Zung' und Finger gleich verbrennt. Aber freundlich und gespraͤchig Ist sie dem bescheidnen Gast, Und an ihrem Thor voruͤber Rollt kein Wagen ohne Rast. Bravo, bravo, braver Schwager! Ruft mir zu der Passagier: Gut gefahren, gut gehalten Bei der schmucken Dirne hier. Mag er's loben und bezahlen, Liebste, aber's gilt nur dir. Schoͤne Schenkin, ach, ich duͤrste, Schenke, schenke Liebe mir! Vivat, und in's Horn ich stoße, Und es muß geschieden sein! Vivat, und wie soll es schmettern, Kehr' ich hier auf ewig ein! Der Prager Musikant. M it der Fiedel auf dem Ruͤcken, Mit dem Kappel in der Hand, Ziehn wir Prager Musikanten Durch das weite Christenland. Unser Schutzpatron im Himmel Heißt der heil'ge Nepomuk, Steht mit seinem Sternenkraͤnzel Mitten auf der Prager Bruck. Als ich da hinausgewandert, Hab' ich Reverenz gemacht, Ein Gebet ihm aus dem Kopfe Recht bedaͤchtig hergesagt. Steht also in keinem Buͤchel, Wie man's auf dem Herzen hat: Wanderschaft mit leerem Beutel, Und ein Schaͤtzel in der Stadt. Wenn das Maͤdel singen koͤnnte, Waͤr's gezogen mit hinaus, Doch nun hat's 'ne heis're Kehle, Mußt' es lassen drum zu Haus. Ei, da gab es nasse Augen, 'S war mir selbst nicht einerlei: Sprach itzt: 'S ist ja nicht fuͤr ewig, Schoͤnstes Nannerl, laß mich frei! Und ich schluͤpft' aus ihren Armen, Aus der Pforte, aus dem Haus, Konnt' nicht wieder ruͤckwaͤrts schauen, Bis ich war zur Stadt hinaus. Da hab' ich dies Lied gesungen, Hab' die Fiedel zu gespielt, Bis ich in den Morgenluͤften Auf' der Brust mich leicht gefuͤhlt. Manches Voͤglein hat's vernommen: Floͤg' nur eins an Liebchens Ohr, Saͤng' ihr, wenn sie weinen wollte, Dieses frische Liedel vor! Wenn ich aus der Fremde komme, Spiel' ich auf aus anderm Ton, Abends unter ihrem Fenster: Schaͤtzel, Schaͤtzel, schlaͤfst du schon? Hoch geschwenkt den vollen Beutel, Das giebt eine Musika! 'S Fenster klirrt, es rauscht der Laden, Heilige Caͤcilia! All' ihr Prager Musikanten, Auf, heraus mit Horn und Baß, Spielt den schoͤnsten Hochzeitreigen! Morgen leeren wir ein Faß. Die Prager Musikantenbraut. U nd wißt ihr, wer mein Schaͤtzel ist? Ein Prager Musikant, Ein Musikant von feiner Kunst In Baß und in Diskant. Und wißt ihr, wo mein Schaͤtzel ist, So wißt ihr mehr als ich, Denn weil er halt nicht schreiben kann, So denkt er nur an mich. Und's Denken ist ein lustig Ding, Summt leis' in's Herz hinein; Woher es kommt, wohin es geht, Das muß errathen sein. Ei, kommst denn nimmermehr zu Ruh', Du Musikantenblut? Ei, lernst denn nimmermehr verstehn, Wie lieb's in Boͤhmen thut? 7 So zieh nur hin durch Stadt und Land, Mit dir Sankt Nepomuk, Der segne Fiedel dir und Baß Mit gutem Strich und Druck! Und wo in Gottes weiter Welt Du klopfst an Thuͤr und Thor, Find' offne Beutel uͤberall Und ein geneigtes Ohr. Die Maͤdel schaun dir in's Gesicht, Die Maͤnner nach der Hand, Und Einer und die Andre spricht: Ein braver Musikant! Dann sing' ein Lied von deiner Braut, Die an der Moldau ist: Das klingt mir hell durch Mark und Bein, Und sagt mir, wo du bist. Und sagt mir noch so mancherlei, Was schwer sich sagt im Reim, Und sagt mir: Wann die Lerche kommt, Kehr' ich nach Boͤhmen heim. Seefahrers Abschied. D ie du fliegst in hohen Luͤften, Kleine Schwalbe, komm herab, Weil ich dir ein Wort im Stillen Unten zu vertrauen hab'. Sollst mir eine Feder schenken Aus den schwarzen Fluͤgeln dein, Will an meine Liebe schreiben: Herz, es muß geschieden sein! Morgen fahr' ich auf dem Meere, Wind und Woge weiß wohin, Und es fragen mich die Freunde, Was ich doch so traurig bin. Aber Wind und Woge sprechen Viel von Unbestaͤndigkeit, Und der Sklave singt zum Ruder: Maͤchtig, maͤchtig ist die Zeit! 7 * Gott, und soll ich untergehen, Sei es in dem tiefen Meer, Nur nicht in der Liebsten Herzen, Wo ich gern geborgen waͤr'. In dem stillen klaren Spiegel Male sich mein treues Bild, Wann um mich in Ungewittern Die empoͤrte Woge schwillt. Liebe, sieh, wie Well' auf Welle Ringt nach dem ersehnten Strand: Aber manche wird verschlungen, Eh' sie kuͤßt das gruͤne Land. Wenn du an dem Ufer wandelst, Huͤpft die Fluth nach deinem Fuß: Wogen hab' ich nur und Winde, Dir zu schicken meinen Gruß. Wann die fernen Hoͤhen daͤmmern, Jauchzet Alles nach dem Land: Nur zwei muͤde Augen bleiben Still dem Meere zugewandt. Wann die Segel wieder glaͤnzen, Wann die Winde heimwaͤrts wehn, Laßt mich auf dem Maste sitzen: Liebe kann durch Wolken sehn. Schiff und Vogel. D ie Fluͤsse rauschen in das Meer, Voruͤber an Burgen und Staͤdten, Die Winde blasen hinterher Mit lustigen Trompeten. Die Wolken ziehen hoch voran, Wir Voͤglein mitten drinnen, Und Alles, was fliegen und singen kann, Nur nach, nur mit uns, nur von hinnen! Ich gruͤße dich, Schifflein! Wohin, woher, Mit dem flatternden goldenen Bande? «Ich gruͤße dich, Voͤglein! In's weite Meer «Fahr' ich hin aus dem engen Lande. «All' meine Segel sind geschwellt, «Kein Berg ist mehr zu sehen: «Ich hab' mein' Sach' auf den Wind gestellt, «Der Wind laͤßt mich nicht stehen. «Und willst du, Voͤglein, mit hinaus, «Magst dich auf den Mastbaum stellen; «Denn voll zum Sinken ist mein Haus «Von gluͤcklichen Gesellen. «Sie tanzen und springen den ganzen Tag, «Und klimpern und spielen und trinken, «Und wer nicht mehr tanzen und trinken mag, «Seiner Nachbarin muß er winken.» Gesellen, die brauch' ich und such' ich nicht, Lieb Schifflein, ich kann ja noch singen; Dem Mastbaum waͤr' ich ein boͤses Gewicht, Lieb Schifflein, ich habe ja Schwingen. Hoch uͤber dem Segel, hoch uͤber dem Mast, Wer will mir die Lust verwehren? Und haͤlt deine wilde Gesellschaft Rast, So sollst du mich singen hoͤren. Und wer nicht ruhen und horchen mag, Gott gesegn' ihm die bessere Freude! So schwing' ich mich auf in den blauen Tag, In die goldene Sonnenweide. So sing' ich meinen Jubelgesang Hinaus in alle vier Winde, Daß ihn mein und sein Lebelang Kein Schreiber und Drucker finde! Die Monate. Florenz , im September 1818. An Ludwig Sigismund Ruhl. I ch zog mit dir aus Roma's heil'gen Mauern, Den Ruͤcken jenen Fluren zugewendet, Wo sich der Himmel nimmer muͤde spendet Mit seines Fuͤllhorns frischen Blumenschauern. Da faßte ploͤtzlich dich ein heißes Trauern, Das uͤber ihren Strom dir nachgesendet Die Stadt, der du, ich weiß nicht was, verpfaͤndet: Ich hoͤrte deine Seufzer mit Bedauern. Germania, mach' auf dich ohne Weilen, Geschmuͤckt mit aller deiner Reize Waffen, Den hart gefeiten Fluͤchtling zu begruͤßen! Heiß der zwoͤlf Monde Schaar voraus dir eilen, Und was ein jeder Bestes kann erschaffen, Leg' er als Angebind' ihm gern zu Fuͤßen. Januar. I ch bringe dir in weißen kalten Haͤnden Ein warmes Haus, erhellt von tausend Kerzen, Bewohnt von bunten Spielen, Taͤnzen, Scherzen, Von Amoretten auch, die Pfeile senden. Sie flattern auf und ab an allen Enden, Die Jungfrau schaut besorgt nach ihrem Herzen, Die Andre schon nach Einem, der den Schmerzen Der Wunde moͤchte suͤßen Balsam spenden. Als huͤlfreich hab' ich immer dich erfunden, Vor Allem, wo es gilt den schwachen Schoͤnen, Drum, denk' ich, wird sie nicht bis morgen klagen. Bald sind verrauscht des Festes heiße Stunden, Schon hoͤr' ich Hufschlag vor dem Thore droͤhnen: Reich' ihr den Arm und fuͤhre sie zum Wagen! Februar. E rkennst du mich in meinem bunten Kleide, Mit meiner Pritsche, meinem Schellenhut, Mit meinem unermuͤdlich krausen Muth, Voll Scherz und Rank und Witz und Schadenfreude? Doch zapft man hier, zu meinem großen Leide, Mir jaͤhrlich ab ein Becken wildes Blut: Humanitas meint es mit mir nicht gut, Und schwaͤrzt mich an mit unhumanem Neide. Ich darf nicht mehr frei durch die Straße wandern, In enge Saͤle schließen sie mich ein, Und wollen gar, ich soll vernuͤnftig sein. Wie thut mir's weh um dich vor allen Andern! Ich moͤchte gern dich roͤmisch lustig sehn, Und muͤßt' ich selbst dabei zu Grunde gehn. Maͤrz. M it einem Strauß von Blumen, die mit Schneee Die kleinen weißen Kelche gern bedecken, Moͤcht' ich, wie sie, mich deinem Blick verstecken, Weil ich allein so aͤrmlich vor dir stehe. Wohin ich auch nach bessern Gaben spaͤhe, Nur Keim und Knospe sind' ich aller Ecken; Wohl moͤcht' ich Laub und Bluͤthe dir erwecken, Doch fuͤrcht' ich sehr, mein Hauch thaͤt' ihnen wehe. So nimm denn, was ich bringe, als zum Pfande Der schoͤnen Zeit, die ich nur darf verkuͤnden, Daher sie mich den Mond der Hoffnung nennen. Und wenn der Wonnemond regiert im Lande, Wirst du Erfuͤllung auf den Fluren finden, Und ungeloͤscht soll dir kein Wunsch verbrennen. April. L eichtsinnig, launig, neckisch, ausgelassen, Wandl' ich in jeder Stunde Leib und Sinn: Kaum weiß ich selbst, wie ich beschaffen bin, Wie sollen mich die fremden Leute fassen? Hier werf' ich einen Schneeball durch die Gassen, Dort schweb' ich blau in jungen Duͤften hin, Bald streich' ich sanft der Schoͤnen weiches Kinn, Bald sagen sie, ich waͤre grob im Spaßen. Gern wollt' ich dir noch Vieles von mir sagen, Doch druͤckt mich des Sonettes enges Band, Das mir die Muse um den Mund geschlagen. Sie sprach: Ich kenne dich als ungezogen, Und jener Herr hat in dem welschen Land Der besten Sitt' als Kavalier gepflogen. Mai. I ch moͤchte schweigend, Lieber, dich umfangen, Gehuͤllt in suͤße, bange Daͤmmerungen: Es wird so viel zu meinem Preis gesungen, Daß mir die Lust am Liede fast vergangen. Waͤrst du so heiß von seligem Verlangen, Wie eine Lilie, deren weiße Zungen Den langen Tag nach kuͤhlem Trost gerungen, Bis daß sie muͤd' und matt zur Erde hangen: Komm her zu mir, ich gebe dir zu trinken, So viel du magst, mein treuer deutscher Zecher, Aus meinem bodenlosen Liebesbecher! Siehst du die hellen Thauestropfen blinken Dort an den Lilien in der Morgensonne? Wie maͤßig schaltet ihr mit meiner Wonne! Juni. I ch trag' ein Kleid von weichen Rosenherzen, Ich schlaf' in einem Bett' von Rosenduft, Bis mich der rosenrothe Morgen ruft, Ein Stuͤndlein in den Knospen zu verscherzen. Der Mittag liebt ein herzlicheres Herzen, Dringt heiß bis in des Kelches tiefste Kluft: Da fliegt manch Rosenblaͤttchen durch die Luft, Und seufzt von Minnelust und Minneschmerzen. Der Abend kommt, den Blumen Trost zu geben, Die matt und blaß in seinem Thau sich baden, Bis allen ihren Zorn sie ausgekuͤhlt. Behagt dir, Freund, dies rothe Rosenleben, So sei von mir auf morgen eingeladen, Denn alle Tage wird solch Spiel gespielt. 8 Juli. A uf kuͤhlen Bergen, an des Meeres Strande, Ist dir ein heitrer Gartensitz bereitet, Nicht allzu eng, auch nicht zu weit verbreitet: Man liebt sich einzuschraͤnken auf dem Lande. Ein junger Quell im Bett von weichem Sande Ist zierlich durch die Gaͤnge hingeleitet, Bis er betrogen in ein Becken gleitet, Das ihm versteckt der Blumenhain am Rande. Da muß er, eingezwaͤngt in schlanker Saͤule, Aufsteigen aus dem runden Marmormunde, Und auf der Hoͤhe sich in Schaum zerstaͤuben. Das Moosbeet winkt zu mittaͤglicher Weile: Es schlummert Alles, nur im klaren Grunde Seh' ich die goldnen Fischlein Spiele treiben. August. W ann durch das Feld die blanken Sensen klingen, Wann sich die hohen goldnen Halme neigen, Wann um den Aehrenkranz in wilden Reigen Die Schnitter mit den Schnitterinnen springen: Dann will ein Jeder um die Stirne schlingen Ein buntes Band, und sich als Maͤher zeigen; Wer ist so arm, daß er sich nicht zu eigen Ein Saatenfeld und Saamen koͤnnt' erringen? Die Hoffnung pfluͤgt fuͤr Alle das Gefilde, Und flinke Wuͤnsche streun mit vollen Haͤnden Die Koͤrner in den weichen Schooß der Erden. Dir ist das Jahr mit den zwoͤlf Monden milde, Drum will ich dir die schaͤrfste Sichel spenden, Die nimmer stumpf soll in der Ernte werden. 8* September. I ch gruͤße dich mit hellem Waldhornklange; Hirschfaͤnger, Buͤchse, Netz und gruͤnes Kleid, Ein Roß, zu jedem kecken Sprung bereit, Verehr' ich dir, und wuͤnsche Gluͤck zum Fange. Frisch auf! Um das Revier sei mir nicht bange: Ich habe Eichenwaͤlder tief und breit, Mit Bahnen rings durchhauen fuͤr die Waid, Und Hirsch' und Rehe, wie ich sie verlange. Den Hut geschmuͤckt mit einem gruͤnen Reise, Die Haͤnde purpurroth von edlem Schweiße, Die Wagen krachend unter ihrer Last: So ziehe heim mit deinen Jagdgesellen, Wenn du nicht erst ein Wort noch zu bestellen Hier bei der schoͤnen Foͤrsterstochter hast. October. V om alten Rhein siehst du daher mich schweben, Auf einem kuͤhlen, klaren Mondenstrahl, Mit einem vollen, schaͤumenden Pokal, Die heiße Stirn umweht von frischen Reben. Es wogt ein unergruͤndlich tiefes Leben In meiner Beere guͤldenem Krystall: Willst du's entfesseln, laß in hellem Schall Zwei Bruderbecher an einander beben. Und unterthaͤnig diesem Zauberklange, Schwingt flugs ein unzaͤhlbares Elfenchor Aus Silberperlen sprudelnd sich empor. Den Rand umhuͤpfen sie in buntem Drange, Mit Spieß und Degen, Saitenspiel und Kranz, Bockshorn und Eulenohr und Drachenschwanz. November. Z u rechter Zeit hab' ich dir's angesehen, Daß du, auf Tanz und Jagd und Becherklingen, Verlangen fuͤhlst nach wuͤrdigeren Dingen, Womit ich gleich dir kann zu Diensten stehen. Durch Leipzigs volle Laden ging ich spaͤhen, Was uns die deutschen Pressen Neues bringen: Die Bogen, die noch auf den Seilen hingen, Sie mußten ungetrocknet mit mir gehen. Sparoͤfen kauft' ich auch und Sorgenstuͤhle, Kaffee und Knaster, von der besten Sorte, Und lange runde Bernsteinpfeifenspitzen. Entreiß dich, Freund, dem eitlen Weltgewuͤhle: Ich fuͤhre zu der Weisheit heil'gen Pforte Die Juͤnger, ohne sehr sie zu erhitzen. December. M it Peitschenknall und lautem Schellenklange Meld' ich mich dir, und schuͤttle weiße Flocken Durch alle Straßen hin aus meinen Locken: Dich, hoff' ich, macht das Ungethuͤm nicht bange. Es schnaubt der Renner an des Schlittens Stange, Das blanke Halsband schuͤtteln deine Doggen, Die Dame huͤllt in warme Flaumensocken Den zarten Fuß, und denkt: Er bleibt so lange. Was zauderst du? Sitz' auf, mein Freund, geschwinde! Und sei mir auf der Fahrt nicht zu verwegen, Muß ich im Namen deiner Schoͤnen bitten. Den suͤßen, warmen Odem wehn die Winde Und manche weiche Locke dir entgegen: Halt kurz das Roß, und sieh auf deinen Schlitten! Laͤndliche Lieder. Laͤndlicher Reigen. Schnitter. I ch hab' ein Herz verloren Wohl in dem gruͤnen Mai, Und Keine will mir sagen, Wo's nun geblieben sei. Ihr schmucken Dirnen alle, Nun Eine hat es doch, Und habt ihr's nicht gefunden, So liegt's im Grase noch. Und wenn es liegt im Grase, So liegt's auf kuͤhler Streu, Und wann ihr maͤht die Wiesen, So schneidet's nicht entzwei. Schnitterin. Ich hab' ein Herz gefunden Wohl in dem Mond April, Wo alle Narren wandern: Einen Narren ich nicht will. Drum will ich's weiter schicken, Bis daß es wird gescheit, Und kommt es klug zuruͤcke, Zum Lieben ist's immer noch Zeit. Schnitter. Ich hab' ein Herz begraben Wohl im Dezemberschnee, Und wenn das Eis zerrinnet, So faͤllt es in den See. Und schwimmet auf und nieder, Und huͤpfet her und hin, Bis es in's Netz gesprungen Der schoͤnsten Fischerin. Schnitterin. Ich hab' manch Herz gefangen Wohl in dem Erntetanz: All' Jahr ein frisches Herzchen, All' Jahr ein frischer Kranz! Und wem das nicht behaget, Der seh' dem Tanze zu; So mag er's Herz behalten, Dazu auch ganze Schuh'. Schifferreigen. Erster Schiffer. E s kommt ein Fink geflogen Des Morgens uͤber Meer, Der bringt mir Gruͤß' und Lieder Von meinem Liebchen her. Wenn ich ein Vogel waͤre, Stellt' ich das Schiffen ein, Und wenn ich waͤr' kein Schiffer, Ein Schwimmer muͤßt' ich sein. Zweiter Schiffer. Ich lass' mein Schifflein treiben Hinauf, hinab die Fluth; Ob Wind und Woge schlafen, Das Schiff sich nimmer ruht. Gieb mir mein Ruder wieder Und laß das Spielen sein, O Diebin, oder nimm mich In deinen Rachen ein! Dritter Schiffer. Es kommt ein Schwan gezogen Des Abends auf der Fluth; Ich will am Strande liegen, Es traͤumt sich hier so gut. Da schwimmen auf den Wogen Viel Schiffe groß und klein: Ich kann nicht mit euch fahren, Mein Nachen sank mir ein. Schifferin. Ich bin zur Welt gekommen In Wogen und in Wind, Und Wind und Wogen wiegten Mich als ein kleines Kind. Dann bin ich Jungfrau worden, Bekam ein Herz geschwind; Und Herz und Jungfrau waren Wie lauter Wog' und Wind. Bald klar und still zu schauen, Bald wieder wild und kraus, So lock' ich manchen Rachen Auf Klipp' und Sand hinaus. Ihr Schiffer, laßt das Singen, Es geht in Wog' und Wind; Ihr solltet ja wohl wissen, Was das fuͤr Dinge sind. Das Hirtenfeuer in der roͤmischen Ebene. Hirt. A de, Ade, Geliebte, Und reich' mir deine Hand! Ich treibe meine Heerde Hinab in's Niederland. Die Saaten sind gemaͤhet, Das Stoppelfeld ist frei: Laß uns mit blauem Bande Verknuͤpfen Lieb' und Treu'. Ich trag' es auf dem Hute, Du traͤgst es auf der Brust, Und pocht dein Herz dagegen, Ich fuͤhl's in banger Lust. 9 Schaust du herab vom Berge Wohl in der dunkeln Nacht, Tief unten brennt ein Feuer, Wo dein Geliebter wacht. Und hoͤher schlaͤgt die Lohe, Und heller gluͤht der Schein: Dann denk', es ist sein Herze, Das will hier oben sein. Hirtin. Ade, Ade, Geliebter! Wie zeig' ich dir mein Herz? In enger, stiller Kammer Verschließt es Lust und Schmerz. Und schau' ich aus dem Fenster Hinab in's weite Feld, Du findest keine Thraͤne, Die dort hinunterfaͤllt. Ich seh' ein Feuer brennen Wohl durch die dunkle Nacht: Gesegnet sei die Staͤtte, Wo mein Geliebter wacht! Und hoͤher schlaͤgt die Lohe, Und heller gluͤht der Schein, Ich wieg' auf seinen Flammen All' meine Sorgen ein. Laß nicht den Brand erloͤschen, Geliebter, eh' es tagt: Kann ich den Schlaf nicht finden, Kuͤrzt mir dein Licht die Nacht. 9* Doppelte Gefahr. I ch armer Fischerbube, Wo soll ich schiffen hin? Mein Rachen ist gar kleine, Gar schuͤchtern ist mein Sinn. Im hohen Meere draußen, Da sind die Wogen groß, Da laͤßt aus Ost und Westen Der Himmel die Stuͤrme los. Da jagen die Korsaren Nach jungem Christenblut, Da singen die Sirenen Und locken hinab in die Fluth. Am Ufer sitzt ein Maͤdchen, Die hat ein Augenpaar, Das droht mit Feuerflammen Mir toͤdtliche Gefahr. Sie strickt an einem Netze, Will drin mich fangen ein, Ihr Haar hat lange Flechten, Dran soll ich gebunden sein. Du liebliche Sirene, Sirene von dem Strand, Laß deine Stimme toͤnen Hell uͤber Meer und Land. Tief unten in den Fluthen Da ist ein goldnes Haus, Da ruhen die Ertrunknen In weichen Armen aus. In diesem Liebesmeere Wo wird die Ruhstaͤtt' sein? Entweder an deinem Herzen, Ach! oder im Grabe mein. Die gluͤckliche Fischerin. S ie stand im Boot und fischte, Ich sah's vom Ufer her: In's Netz die Fischlein sprangen, Als ob's zum Tanze waͤr'; Wollt' keins im Meere bleiben, Das Netz war viel zu klein: Sie ließ es sich gefallen, Und dacht', es muß so sein. Sie stieg aus ihrem Boote, Am Strande blieb sie stehn, Da schwoll das Meer und wogte, Als moͤcht' es mit ihr gehn; Und Muscheln und Korallen Trieb es ihr hinterdrein: Sie hob sie auf vom Boden, Und dacht', es muß so sein. Ich armer Hirtenbube, Was frommt mein Werben mir Mit Blumen und mit Baͤndern? Die Welt gehoͤret ihr. Ihr schlagen alle Herzen, Und waͤren sie von Stein: Sie nimmt's wie Wogenrauschen, Und denkt, es muß so sein. Koͤnnt' ich ihr selber bringen Der Sterne Silberlicht, Des Himmels Abendblaͤue, Was Neues waͤr' es nicht. Sie hielt's an ihre Augen, Und spraͤch': es ist ja mein! Vergaͤße mir zu danken, Und daͤcht', es muß so sein. Was frommt dein bloͤdes Klingen, Mein kleines Saitenspiel? Ist auch ihr Fenster offen, Sie hoͤrt dich doch nicht viel, Vor allen Jaͤgerhoͤrnern Und Floͤten und Schalmei'n; Sie tanzt dazu den Reigen, Und denkt, es muß so sein. Musterkarte . Der Glockenguß zu Breslau. W ar einst ein Glockengießer Zu Breslau in der Stadt, Ein ehrenwerther Meister, Gewandt in Rath und That. Er hatte schon gegossen Viel Glocken, gelb und weiß, Fuͤr Kirchen und Kapellen Zu Gottes Lob und Preis. Und seine Glocken klangen So voll, so hell, so rein: Er goß auch Lieb' und Glauben Mit in die Form hinein. Doch aller Glocken Krone, Die er gegossen hat, Das ist die Suͤnderglocke Zu Breslau in der Stadt. Im Magdalenenthurme Da haͤngt das Meisterstuͤck, Rief schon manch starres Herze Zu seinem Gott zuruͤck. Wie hat der gute Meister So treu das Werk bedacht! Wie hat er seine Haͤnde Geruͤhrt bei Tag und Nacht! Und als die Stunde kommen, Daß Alles fertig war, Die Form ist eingemauert, Die Speise gut und gar. Da spricht der Glockenmeister Zu seinem Buͤbelein: Ich lass' ein kurzes Weilchen Beim Kessel dich allein. Will mich mit einem Trunke Noch staͤrken zu dem Guß; Das giebt der zaͤhen Speise Erst einen rechten Fluß. Doch huͤte dich, und ruͤhre Den Hahn mir nimmer an: Sonst waͤr' es um dein Leben, Fuͤrwitziger, gethan! Der Bube steht am Kessel, Schaut in die Gluth hinein: Das wogt und wallt und wirbelt, Und will entfesselt sein. Und zischt ihm in die Ohren, Und zuckt ihm durch den Sinn, Und zieht an allen Fingern Ihn nach dem Hahne hin. Er fuͤhlt ihn in den Haͤnden, Hat schnell ihn umgedreht: Da wird ihm angst und bange, Er weiß nicht, was er thaͤt. Und laͤuft hinaus zum Meister, Die Schuld ihm zu gestehn, Will seine Knie' umfassen Und ihn um Gnade flehn. Doch wie der nur vernommen Des Knaben erstes Wort, Da reißt die kluge Rechte Der jaͤhe Zorn ihm fort. Er stoͤßt sein scharfes Messer Dem Buben in die Brust, Dann stuͤrzt er nach dem Kessel, Sein selber kaum bewußt. Vielleicht, daß er noch retten, Den Strom noch hemmen kann: — Doch sieh, der Guß ist fertig, Es fehlt kein Tropfen dran. Da eilt er abzuraͤumen, Und sieht, und will's nicht sehn, Ganz ohne Fleck und Makel Die Glocke vor sich stehn. Der Knabe liegt am Boden, Er schaut sein Werk nicht mehr. Ach, Meister, wilder Meister, Du stießest gar zu sehr! Er stellt sich dem Gerichte, Und klagt sich selber an: Es thaͤt den Richtern wehe Wohl um den wackern Mann. Doch kann ihn Keiner retten, Und Blut will wieder Blut: Er hoͤrt sein Todesurthel Mit gar gefaßtem Muth. Und als der Tag gekommen, Daß man ihn fuͤhrt hinaus, Da wird ihm angeboten Der letzte Gnadenschmaus. Ich dank' euch, spricht der Meister, Ihr Herren lieb und werth, Doch eine andre Gnade Mein Herz von euch begehrt. Laßt mich nur einmal hoͤren Der neuen Glocke Klang! Ich hab' sie ja bereitet: Moͤcht' wissen, ob's gelang. Die Bitte ward gewaͤhret, Sie schien den Herr'n gering, Die Glocke ward gelaͤutet, Als er zum Tode ging. Der Meister hoͤrt sie klingen, So voll, so hell, so rein: Die Augen gehn ihm uͤber, Es muß vor Freude sein. Und seine Blicke leuchten, Als waͤren sie verklaͤrt: Er hatte in dem Klange Wohl mehr als Klang gehoͤrt. Hat auch geneigt den Nacken Zum Streich voll Zuversicht; Und was der Tod versprochen, Das bricht das Leben nicht. Das ist der Glocken Krone, Die er gegossen hat, Die Magdalenenglocke Zu Breslau in der Stadt. Die ward zur Suͤnderglocke Seit jenem Tag geweiht: Weiß nicht, ob's anders worden In dieser neuen Zeit. 10 Thraͤnen und Rosen. E in Knaͤblein ging spazieren Wohl um die Abendstund' In einem Rosengarten, Da bluͤhten Bluͤmlein bunt. Er ging wohl auf und nieder Vor eines Gaͤrtners Haus, Da lag ein Maͤgdlein schoͤne Zum Fensterlein heraus. Ein Roͤslein thaͤt' er brechen, Warf's in das Fensterlein: Thust schlafen oder wachen, Herzallerliebste mein? «Ich habe nicht geschlafen, «Ich habe nicht gewacht, «Ich habe nur getraͤumet, «An dich hab' ich gedacht.» Du hast ja auch geweinet, Dein' Aeuglein sind so naß; Eine Thraͤn' fiel aus dem Fenster, Da wuchs eine Ros' im Gras. «Und ist eine Ros' gewachsen, «So wuchs sie nur fuͤr dich, «Und wenn ich hab' geweinet, «So weint' ich nur um mich.» Was zog er aus der Tasche? Ein seidnes Tuͤchelein. Nimm hin, Herzallerliebste, Wisch' ab dein' Aeugelein! Und bin ich in der Fremde, Weit, weit von deinem Haus, So weine deine Thraͤnen Zum Fenster nicht hinaus. So weine sie bedaͤchtig All' in das Tuch hinein, Damit kein boͤser Bube Zertritt die Roͤselein. 10* Fastnachtslied von den goldenen Zoͤpfen. M aͤgdlein mit den goldnen Zoͤpfen, Maͤgdlein mit dem goldnen Haar! Oder ist es wohl von Seide, Oder ist's von beiden gar? Nenn' ich's goldgediegne Seide? Nenn' ich's seidenfeines Gold? Und welch zartes Elfenhaͤndchen Hat die Flechten dir gerollt? Maͤgdlein mit den goldnen Zoͤpfen! — Und an jedem haͤngt ein Herz, Hier ein junges, da ein altes, Hier mit Lust, und da mit Schmerz. Und das meine, ach das meine! — Ist kein einzig Zoͤpfchen leer? Maͤgdlein mit den goldnen Zoͤpfen, Dichterherzen sind nicht schwer. Und die goldnen Zoͤpfe fliegen Um den Nacken, um den Leib, Und das Fliegen und das Schmiegen Ist der Herzen Zeitvertreib. Einer hat sich fast verirret Um die Schulter ganz allein: Maͤgdlein, streich' ihn nicht zuruͤcke, Freiheit steht dem Haar so fein. Maͤgdlein mit den goldnen Zoͤpfen, Maͤgdlein mit dem goldnen Haar! Herz an Herz ein stilles Plaͤtzchen, Eins ist Eins, und Zwei ein Paar. Loͤse deine goldnen Flechten, Alle Herzen fallen aus, Und nur eines, und nur meines, Maͤgdlein, traͤgst du mit nach Haus! Der Zephyr. A uf einer Rose ward ich jung, Ein Rosenblatt war meine Wiege, Ein Rosenblatt ist einst mein Grab. Ich schlafe, wann der Winter tobt, Und mit dem Lenze werd' ich munter, Und naͤhre mich von Duft und Kuß. Du armer, stolzer Herr der Welt, Du keuchst einher mit deiner Krone, Und dienstbar trockn' ich deinen Schweiß! Kuß und Lied. J uͤngst kuͤßt' ich einen rothen Mund; Ein Liedchen saß auf meinen Lippen, Und aus dem Liedchen ward ein Kuß. Jetzt ist mein Maͤdchen fern von mir; Zum Kusse will mein Mund sich schwellen, Und aus dem Kusse wird ein Lied. Fliegt nun, ihr lieben Verse, hin, Und druͤckt sie euch an ihre Lippen, So werdet wieder, was ihr war't! Die Blutorange. Epistel aus Sorrent. I n Sorrento's Felsengaͤrten Hoͤrt' ich heut' ein Maͤhrchen sagen Von der blutigen Orange Und der Bluͤthe der Granate. Also sprach der kluge Gaͤrtner: Golden, wie noch heut' die Schale, Gluͤhten einst die innern Saͤfte Dieser wuͤrzigen Orangen Von dem Baume hier am Ufer. Und ein Sproͤßling der Granate, Jung und schlank, wuchs auf daneben. Als der Winter zog von dannen, Trieb das Baͤumchen erste Knospen, Und gleich heißen Blutes Flammen Brachen Bluͤthen aus den Keimen. Und die Nachbarin Orange, Staunend, wie in Liebesandacht, Bog die hohen Zweige schmachtend Nach der fremden Gluth hinuͤber, Daß die Silberbluͤthen alle Offnen Auges landwaͤrts schauten, Und das Meer nur Gruͤnes sahe. Und als nun der Herbst gekommen, Und den ersten goldnen Apfel Pruͤfend ich vom Baume pfluͤckte, Ward mir klar der Zweige Schwanken Und der Bluͤthen seltsam Draͤngen: Denn gleich heißen Blutes Flammen, Voll, wie langverhalt'nes Sehnen, Floß der Saft aus goldner Schale. Also sprach der kluge Gaͤrtner, Und ich pfluͤckte mir Orangen Von dem seltnen Uferbaume. Ist zu Ende nun die Sage, Schweig' auch ich, und was im Herzen Mir sich regt mit jedem Schlage, Hat sich heute still getrunken In dem kuͤhlen Wundersafte, Und so send' ich ohne Deutung, Freundin, dir die Gaͤrtnersage. Des Finken Gruß. I m Fliederstrauch ein Finke saß Und sang, Er sang wohl dies und sang wohl das, Was klang. Nun werft den Winter aus der Thuͤr Weit weit! Der liebe Mai ist wieder hier, Ihr Leut'! Er hat ein gruͤnes Roͤckchen an Von Gras, Hat bunte blanke Knoͤpfe dran Von Glas. Ein großes Auge hat der Fant, Ist blau: Paßt auf, ob nicht durch Thuͤr und Wand Er schau'! Sein Odem traͤnkt so frisch und rein Die Luft, Sein Haar muß ganz gepudert sein Mit Duft. Er weiß mit Jungfern umzugehn Gar fein, Die Burschen auch ihn gerne sehn Im Hain. Den Kindern bringt er Spielwerk mit: Woher? Aus Nuͤrnberg von dem Blumenschmidt, Daher! Und was soll fuͤr die Philister sein? Ja was? Die fangen sich Muͤcken und Fliegen ein Zum Spaß. Des Finken Abschied. E s saß ein Fink auf gruͤnem Zweig, Der war so frisch und blaͤtterreich, Und sang wohl Dies und Jenes: Durch Lenz und Sommer und Herbst er sang, Haͤtt' da gesungen sein Lebelang, Waͤr' nicht der Winter kommen. Der Winter kam mit Saus und Braus: „Ihr Muͤßiggaͤnger, zum Reich heraus, „Ihr Flattrer und Saͤnger und Horcher! „Herab vom Baum, du gruͤnes Blatt! „Zum Bauen und zum Brennen hat „Der Herr das Holz erschaffen.“ Da geht im Hain das Schuͤtteln los, Und flugs steht Alles blank und bloß, Bis auf den Zweig des Finken. Jetzt, naseweises Voͤglein, flieh! Mit solcher Staatsoͤkonomie Da ist nicht viel zu spaßen. Und's Voͤglein flog und sang: Ade! Da warf der Winter Reif und Schnee Ihm hinterdrein, und traf's nicht. Der Finke lacht aus voller Kehl': Bewahre Gott jede Christenseel' Vor diesem Landesvater! Und als ich mal nach Welschland zog, Manch Voͤglein mit dem Wandrer flog, Da war auch jenes drunter: Und waͤr's gewest eine Nachtigall, So haͤtt' mein Lied einen bessern Schall, Ich hab's ihm nachgesungen. Wir wissen uns zu finden. Parodirende Glosse. Lerche als Thema. S ollst nicht murren, sollst nicht schelten, Wenn die Sommerzeit vergeht, Denn es ist das Loos der Welten, Alles kommt und Alles geht. Junge Frau. H oͤr' ich's da nicht zwoͤlfe schlagen? Und er ist noch nicht zu Haus. Ach, schon in den Flittertagen Ist's mit seinem Lieben aus. Hat er Pfeifen nur und Karten, Mag zu Haus die Gattin warten: Was bekuͤmmert ihn ihr Schmerz? Doch, er soll es mir entgelten! — Still, er kommt, o still, mein Herz! Sollst nicht murren , sollst nicht schelten . Rosenwuͤrmchen. Kam der Sommer hergezogen, Rosenbluͤthchen war dabei, Bin ich hinterdrein geflogen, Wußte nicht, ob's schicklich sei. Rosenbluͤthchen, woll' mir geben Nur ein Blaͤttchen, drauf zu leben! Sprach es: Klein ist dein Bewerben, Doch gar schnell mein Duft verweht. Sprach ich: Mit dir will ich sterben, Wenn die Sommerzeit vergeht . Philosophische Troͤsterin. Schwester, trockne deine Zaͤhren! Hin ist hin, und todt ist todt. Nichts bei uns kann ewig waͤhren, Heute bleich, was gestern roth. Eins auch wolle noch bedenken: Ungluͤck kann zum Gluͤck sich lenken, Einen Bessern kannst du frein. Reiche Wittwen sterben selten: Darum, Schwester, gieb dich drein, Denn es ist das Loos der Welten . Leipziger Gastwirth. Ja, wenn's immer Messe waͤre, Und die Mess' auch immer gut, Gaͤb' ich mein Hotel, auf Ehre, Nicht um einen Rathsherrnhut. Doch, schon kleiner wird die Schuͤssel, Und ich seh' die vielen Schluͤssel Wieder haͤngen an den Waͤnden. Drum, wer seine Kunst versteht, Denke, wenn er's hat in Haͤnden: Alles kommt und Alles geht .