Fuͤrsten und Voͤlker von Suͤd-Europa im sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert. Vornehmlich aus ungedruckten Gesandtschafts- Berichten. Von Leopold Ranke . Dritter Band . Berlin , 1836 . Bei Duncker und Humblot . Die roͤmischen Paͤpste, ihre Kirche und ihr Staat im sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert. Von Leopold Ranke . Zweiter Band . Berlin , 1836 . Bei Duncker und Humblot . Inhalt . Seite Fuͤnftes Buch. Gegenreformationen. Erster Zeit- raum . 1563—1589 1 Lage des Protestantismus um das Jahr 1563 5 Streitkraͤfte des Papstthums 19 Die ersten Jesuitenschulen in Deutschland 25 Anfang der Gegenreformationen in Deutschland 36 Baiern 37. Baden Baden 44. Trier 47. Mainz 49. Eichsfeld 50. Fulda 51. Gewaltthaͤtigkeiten in den Niederlanden und in Frankreich 54 Widerstand der Protestanten in den Niederlanden, Frank- reich und Deutschland 68 Gegensaͤtze in dem uͤbrigen Europa 78 Polen 78. Schweden 80. England 84. Schweiz 89. Entscheidung in den Niederlanden 92 Fortgang der Gegenreformationen in Deutschland 111 Coͤln 111. Paderborn 114. Muͤnster 115. Hildes- heim 116. Wuͤrzburg 119. Oestreich 123. Steier- mark 127. Salzburg 131. Staͤdte 134. Weitere Entwuͤrfe 136. Die Ligue 143 Savoyen und die Schweiz 155 Angriff auf England 158 Ermordung Heinrichs III. 168 Sechstes Buch. Innere Gegensaͤtze der Lehre und der Macht . 1589—1607 175 Kirchlich politische Theorie 179 Opposition der Lehre 190 Letzte Zeiten Sixtus V. 198 Urban VII. Gregor XIV. Innocenz IX. und ihre Con- claven 1590, 91. 217 Wahl und Natur Clemens VIII. 226 Absolution Heinrichs IV. 236 Ferrara unter Alfonso II. 256 Eroberung von Ferrara 268 Jesuitische Bewegungen 280 ** Inhalt . Seite Politische Stellung Clemens VIII. 306 Wahl und erste Handlungen Pauls V. 319 Venezianische Irrungen 324 Austrag der jesuitischen Sache 353 Schluß 356 Siebentes Buch. Gegenreformationen. Zweiter Zeitraum . 1590—1630. 361 Erstes Kapitel. Fortschritte der kathol. Restauration . Unternehmungen des Katholicismus in Polen und den angrenzenden Laͤndern 365 Versuch auf Schweden 373 Aussicht auf Rußland 389 Innere Bewegungen in Polen 393 Fortsetzung der Gegenreformation in Deutschland 399 Nuntiatur in der Schweiz 421 Regeneration des Katholicismus in Frankreich 426 Zweites Kapitel. Allgemeiner Krieg. Siege des Katholicismus . 1617—1633. Ausbruch des Krieges 439 Gregor XV. 454 Allgemeine Ausbreitung des Katholicismus 458 1. Boͤhmen, die oͤstreichischen Erblande 458 2. Das Reich. Uebertragung der Chur 466 3. Frankreich 473 4. Vereinigte Niederlande 478 5. Verhaͤltniß zu England 479 6. Missionen 488 Suͤdamerika 488. Ostindien 490. Sina 493. Japan 496. Orientalische Christen 497. Ha- besch 498. Griechische Christen im tuͤrkischen Reiche 500. Drittes Kapitel. Gegensatz politischer Verhaͤltnisse. Neue Siege des Katholicismus . 1623—1628. 501 Viertes Kapitel. Mantuanisch-schwedischer Krieg. Umschwung der Dinge 526 Mantuanische Erbfolge 528 Urban VIII. 535 Die Macht Kaiser Ferdinands II. im Jahre 1629 542 Unterhandlungen mit Schweden. Churfuͤrstentag zu Re- gensburg 551 Schwedischer Krieg. Stellung des Papstes 559 Herstellung eines Gleichgewichtes der beiden Bekenntnisse 566 Fuͤnftes Buch . Gegenreformationen. Erster Zeitraum. 1563—1589. Päpste* 1 I n der Geschichte einer Nation, einer Macht ist es immer eine der schwersten Aufgaben, den Zusammenhang ihrer be- sondern Verhaͤltnisse mit den allgemeinen wahrzunehmen. Wohl entwickelt sich das besondere Leben nach einge- pflanzten Gesetzen aus seinem eigenthuͤmlichen geistigen Grunde: sich selber gleich bewegt es sich durch die Zeital- ter fort. Unaufhoͤrlich aber steht es doch auch unter all- gemeinen Einfluͤssen, die auf den Gang seiner Entwicke- lung maͤchtig einwirken. Wir koͤnnen sagen: der Charakter des heutigen Europa beruht auf diesem Gegensatz. Die Staaten, die Voͤlker sind auf ewig von einander getrennt, aber zugleich sind sie in einer unaufloͤslichen Gemeinsamkeit begriffen. Es giebt keine Landesgeschichte, in der nicht die Universalhistorie eine große Rolle spielte. So nothwendig in sich selbst, so allumfassend ist die Aufeinanderfolge der Zeitalter, daß auch der maͤchtigste Staat oft nur als ein Glied der Gesammt- heit erscheint, von ihren Schicksalen umfangen und be- herrscht. Wer es einmal versucht hat, sich die Geschichte eines Volkes im Ganzen, ohne Willkuͤhr und Taͤuschung zu denken, ihren Verlauf anzuschauen, wird die Schwie- 1* Buch V. Gegenreformationen . rigkeit empfunden haben, die hieraus entspringt. In den einzelnen Momenten eines sich fortbildenden Lebens neh- men wir doch die verschiedenen Stroͤmungen der Weltge- schicke wahr. Diese Schwierigkeit verdoppelt sich aber noch, wenn eine Macht, wie es zuweilen geschieht, eine Weltbewegung anregt, ein Princip derselben vorzugsweise in sich darstellt. An der Gesammthandlung des Jahrhunderts nimmt sie dann einen so thaͤtigen Antheil, sie setzt sich in eine so lebendige Beziehung zu allen Kraͤften der Welt, daß ihre Geschichte sich in gewissem Sinne zur Universalgeschichte erweitert. In einen solchen Moment trat das Papstthum nach dem tridentinischen Concilium ein. In seinem Innern erschuͤttert, in dem Grunde seines Daseyns gefaͤhrdet, hatte es sich zu behaupten und wie- der zu erneuern gewußt. In den beiden suͤdlichen Halb- inseln hatte es bereits alle feindseligen Bestrebungen von sich ausgestoßen, und die Elemente des Lebens aufs neue an sich gezogen, durchdrungen. Jetzt faßte es den Gedan- ken, die Abgefallenen in allen andern Theilen der Welt wieder zu unterwerfen. Rom ward noch einmal eine er- obernde Macht: es machte Entwuͤrfe, es fing Unterneh- mungen an, wie sie von diesen sieben Huͤgeln in der al- ten Zeit, in den mittlern Jahrhunderten ausgegangen waren. Wir wuͤrden die Geschichte des restaurirten Papst- thums noch wenig kennen, wenn wir uns bloß in seinem Mittelpunkt aufhalten wollten. Erst in seiner Einwirkung auf die Welt zeigt sich seine wesentliche Bedeutung. Lage des Protestantismus um das Jahr 1563 . Beginnen wir damit, die Macht und Stellung seiner Gegner ins Auge zu fassen. Lage des Protestantismus um das Jahr 1563. Diesseit der Alpen und der Pyrenaͤen waren die pro- testantischen Meinungen bis zu den Zeiten der letzten Sitzun- gen des tridentinischen Conciliums unaufhaltsam vorgedrun- gen: weit und breit, uͤber germanische, slawische und roma- nische Nationen erstreckte sich ihre Herrschaft. In den scandinavischen Reichen hatten sie sich um so unerschuͤtterlicher festgesetzt, da hier ihre Einfuͤhrung mit der Gruͤndung neuer Dynastien, der Umbildung der gesamm- ten Staatseinrichtungen zusammenfiel. Von erstem An- fang an wurden sie mit Freude begruͤßt: gleich als laͤge in ihnen eine urspruͤngliche Verwandtschaft mit der natio- nalen Sinnesweise: der erste Begruͤnder des Lutherthums in Daͤnemark, Bugenhagen, kann nicht genug sagen, mit welchem Eifer man daselbst die Predigt hoͤre, „auch des Werkeltags,“ wie er sich ausdruͤckt, „auch vor Tag, Feier- tags den ganzen Tag uͤber“ Relation D. Pomerani 1539. Sabb. p. visit. in Muͤllers Entdecktem Staatscabinet 4te Eroͤffn. p. 365. : bis an die aͤußersten Grenzen waren sie nunmehr verbreitet. Im Jahre 1552 erlagen die letzten Repraͤsentanten des Katholicismus in Island: im Jahre 1554 ward ein lutherisches Bisthum in Wiborg gestiftet: den schwedischen Voͤgten zur Seite wanderten evan- gelische Prediger nach dem entfernten Lappland. Mit ern- Buch V. Gegenreformationen . sten Worten schaͤrfte Gustav Wasa 1560 seinen Erben in seinem Testamente ein: bei der evangelischen Lehre mit ih- rer Nachkommenschaft auszuharren, und keine falschen Leh- rer zu dulden. Er machte dieß gleichsam zu einer Bedin- gung ihrer Thronberechtigung Testamentum religiosum Gustavi I. bei Baaz: Inventa- rium ecclesiae Sueogoth. p. 282. . Auch an den diesseitigen Kuͤsten der Ostsee hatte das Lutherthum wenigstens bei den Einwohnern deutscher Zunge eine vollkommene Herrschaft erlangt. Preußen hatte das erste Beispiel einer großen Saͤcularisation gegeben: als ihm Liefland im Jahre 1561 endlich nachfolgte, war die erste Bedingung seiner Unterwerfung unter Polen, daß es bei der augsburgischen Confession bleiben duͤrfe. Schon durch ihr Verhaͤltniß zu diesen Laͤndern, deren Unterwerfung auf dem protestantischen Princip beruhte, wurden dann die ja- gellonischen Koͤnige verhindert, sich demselben zu widersetzen. Die großen Staͤdte in Polnisch-Preußen wurden in den Jahren 1557 und 1558 durch ausdruͤckliche Freibriefe in der Religionsuͤbung nach lutherischem Ritus bestaͤtigt: und noch deutlicher lauteten die Privilegien, welche bald darauf die kleinen Staͤdte erhielten: den Angriffen der maͤchtigen Bischoͤfe waren sie eher ausgesetzt Lengnich: Nachricht von der Religionsaͤnderung in Preußen: vor dem vierten Theil der Geschichte der Preußischen Lande §. 20. . Da hatten denn auch im eigentlichen Polen die protestantischen Meinungen einen großen Theil des Adels fuͤr sich gewonnen: sie be- friedigten das Gefuͤhl der Unabhaͤngigkeit, das durch die Natur der Staatsverfassung in demselben genaͤhrt wurde. Lage des Protestantismus um das Jahr 1563 . „Ein polnischer Edelmann sey dem Koͤnig nicht unterworfen: sollte er es dem Papste seyn?“ Es kam so weit, daß Protestanten in die bischoͤflichen Stellen drangen, daß sie noch unter Siegmund August die Majoritaͤt in dem Se- nate bildeten. Dieser Fuͤrst war ohne Zweifel katholisch: er hoͤrte alle Tage die Messe, alle Sonntag die katholische Pre- digt: er stimmte selbst mit den Saͤngern seines Chors das Benedictus an: er hielt die Zeiten der Beichte und des Abendmahls, das er unter Einer Gestalt empfing; allein, was man an seinem Hofe, in seinem Lande glaube, schien ihm wenig zu kuͤmmern: sich die letzten Jahre seines Lebens mit dem Kampfe gegen eine so maͤchtig vordringende Ueber- zeugung zu verbittern war er nicht gesonnen Relatione di Polonia del Vescovo di Camerino, ungef. 1555. Ms. der Bibliothek Chigi: A molti di questi (die am Hofe leben) comporta che vivano come li piace, perchè si vede, che S. Maestà è tanto benigna che non vorria mai far cosa che dispiacesse ad alcuno, ed io vorrei che nelle cose della religione fosse un poco più severa. . Wenigstens foͤrderte es in den benachbarten ungarischen Gebieten die Regierung nicht, daß sie einen solchen Kampf versuchte. Niemals vermochte Ferdinand I. den ungarischen Reichstag zu Beschluͤssen zu bringen, die dem Protestantismus unguͤnstig gewesen waͤren. Im Jahre 1554 ward ein Lu- theraner zum Palatin des Reiches gewaͤhlt: selbst dem hel- vetischen Bekenntniß im Erlauer Thal mußten bald darauf Verguͤnstigungen zugestanden werden. Siebenbuͤrgen trennte sich ganz; durch einen foͤrmlichen Landtagsbeschluß wurden dort im Jahre 1556 die geistlichen Guͤter eingezogen; die Fuͤrstin nahm sogar den groͤßten Theil der Zehnten an sich. Buch V. Gegenreformationen . Und hier kommen wir auf unser Vaterland, wo die neue Kirchenform sich aus dem originalen Geiste der Na- tion zuerst entwickelt, sich in langen und gefaͤhrlichen Krie- gen Geltung und gesetzliches Daseyn im Reich erkaͤmpft hatte, und nun im Begriff war, die verschiedenen Landschaf- ten vollends einzunehmen. Schon war es damit sehr weit gediehen. Nicht allein beherrschte der Protestantismus das noͤrdliche Deutschland, wo er entsprungen war, und jene Gebiete des obern, wo er sich immer gehalten hat: noch viel weiter hatte er um sich gegriffen. In Franken setzten sich ihm die Bisthuͤmer vergebens entgegen. In Wuͤrzburg und Bamberg war der bei weitem groͤßte Theil des Adels und der bischoͤflichen Beamten, die Magistrate und Buͤrgerschaften der Staͤdte wenigstens in der Mehrzahl, und die Masse des Landvolkes uͤbergetreten: im Bambergischen kann man fast fuͤr jede einzelne Land- pfarre lutherische Prediger nachweisen Jaͤck hat das in dem 2ten und 3ten Theile seiner Geschichte von Bamberg zu seinem besondern Geschaͤfte gemacht. . In diesem Sinne ward die Verwaltung geleitet, die ja hauptsaͤchlich in den Haͤnden der Staͤnde lag, welche ihr eigenes Gemeinwesen hatten, Anlage oder Umgeld selbst ausschrieben: in diesem Sinne waren die Gerichte besetzt, und man wollte bemer- ken, daß der groͤßte Theil der Urtel dem katholischen In- teresse entgegenlaufe Gropp: Dissertatio de statu religionis in Franconia Lu- theranismo infecta. Scriptores Wirceb. I, p. 42. . Die Bischoͤfe galten nicht viel: wer in ihnen ja noch „mit alter deutscher und fraͤnkischer Treue“ den Fuͤrsten verehrte, konnte doch nicht vertragen, Lage des Protestantismus um das Jahr 1563 . wenn sie in ihrem Kirchen-Ornate, mit ihren Infuln ein- hertraten. Diese Bewegung hatte sich in Baiern nicht viel min- der lebhaft fortgesetzt. Die große Mehrheit des Adels hatte die protestantischen Lehren ergriffen: ein guter Theil der Staͤdte neigte sich entschieden dahin: der Herzog mußte auf seinen Landtagen, z. B. im Jahre 1556, Zugestaͤnd- nisse machen, wie sie anderwaͤrts zur vollkommenen Ein- fuͤhrung des augsburgischen Bekenntnisses hingereicht hat- ten, und die auch hier dieselbe Folge haben zu muͤssen schienen. Der Herzog selbst war diesem Bekenntniß nicht so ganz entgegen, daß er nicht auch zuweilen einer prote- stantischen Predigt beigewohnt haͤtte Sitzinger bei Strobel: Beitraͤge zur Literatur I, 313. . Noch viel weiter aber war es in Oestreich gekommen. Der Adel studirte in Wittenberg: alle Landescollegien wa- ren mit Protestanten erfuͤllt: man wollte rechnen, daß viel- leicht nur noch der dreißigste Theil der Einwohner katho- lisch geblieben: schrittweise bildete sich eine landstaͤndische Verfassung aus, welche auf dem Princip des Protestantis- mus beruhete. Von Baiern und Oestreich eingeschlossen, hatten auch die Erzbischoͤfe von Salzburg ihr Land nicht bei der alten Kirchenlehre behaupten koͤnnen. Zwar ließen sie noch keine protestantischen Prediger zu: aber die Gesinnung der Ein- wohner sprach sich nichts desto minder entschieden aus. In der Hauptstadt ward die Messe nicht mehr besucht, weder Fasten noch Feiertag gehalten: wem die Prediger in den oͤstreichischen Ortschaften zu entfernt waren, der erbaute sich Buch V. Gegenreformationen . zu Hause aus Spangenbergs Postille. In dem Gebirge war man damit noch nicht zufrieden. In der Rauris und der Gastein, in St. Veit, Tamsweg, Radstadt forderten die Landleute laut den Kelch im Abendmahl: da er nicht gewaͤhrt wurde, so vermieden sie die Sacramente ganz: sie schickten ihre Kinder nicht mehr zur Schule: in der Kirche geschah es wohl, daß ein Bauer sich erhob und dem Pre- diger zurief: „du luͤgst“: — die Bauern predigten selbst unter einander Auszug aus einem Bericht des Domherrn Wilh. v. Traut- mannsdorf vom Jahre 1555 in Zauners Chronik von Salzburg VI, 327. . Man darf sich nicht verwundern, wenn bei der Versagung alles Gottesdienstes, welcher der neuge- gruͤndeten Ueberzeugung entsprochen haͤtte, sich in der Ein- samkeit der Alpen Meinungen von phantastischer und aben- teuerlicher Natur ausbildeten. Wie sehr erscheint es, hiemit verglichen, als ein Vor- theil, daß in den Gebieten der geistlichen Churfuͤrsten am Rhein der Adel Selbstaͤndigkeit genug besaß, um seinen Hintersassen eine Freiheit zu verschaffen, die der geistliche Herr nicht wohl gewaͤhren konnte. Der rheinische Adel hatte den Protestantismus fruͤh angenommen; in seinen Herrschaften gestattete er dem Fuͤrsten keinerlei Eingriffe, selbst nicht von religioͤser Art. Schon gab es auch in den Staͤdten allenthalben eine protestantische Partei. Haͤufig, in wiederholten Petitionen, regte sie sich in Coͤln: in Trier war sie bereits so maͤchtig, daß sie sich einen Prediger aus Genf kommen ließ, und ihn dem Churfuͤrsten zum Trotz behauptete: in Aachen strebte sie geradezu nach der Ober- Lage des Protestantismus um das Jahr 1563 . herrschaft: auch die Mainzer trugen kein Bedenken, ihre Kinder in die protestantischen Schulen, z. B. nach Nuͤrnberg, zu schicken. Commendone, welcher im Jahre 1561 in Deutschland war, kann nicht Worte genug finden, um die Abhaͤngigkeit der Praͤlaten von den lutherischen Fuͤrsten, ihre Nachgiebigkeit gegen den Protestantismus zu schil- dern Gratiani: Vie de Commendon p. 116. . In ihren geheimen Raͤthen meint er Protestan- ten von der heftigsten Partei zu bemerken De’ più arrabbiati heretici. — Mi è parso che il tempo non habbia apportato alcun giovamento. Commendone: Rela- tione dello stato della religione in Germania. Ms. Vallicell. . Er ist erstaunt, daß die Zeit dem Katholicismus so gar nichts geholfen. Auch in Westphalen stand es wie anderwaͤrts. Am Tage St. Peters war das ganze Landvolk mit der Ernte beschaͤftigt: die gebotenen Fasttage wurden uͤberhaupt nicht mehr gehalten. In Paderborn hielt der Stadtrath mit ei- ner Art von Eifersucht uͤber seinem protestantischen Bekennt- niß; in Muͤnster waren die meisten Priester foͤrmlich ver- heirathet; der Herzog Wilhelm von Cleve hielt sich zwar im Ganzen katholisch, aber in seiner Hauscapelle nahm doch auch er das Abendmahl unter beiden Gestalten: der groͤßte Theil seiner Raͤthe war unverholen protestantisch: der evangelischen Uebung ward kein wesentliches Hinderniß entgegengesetzt Tempesti: Vita di Sisto V. aus dem Anonymo di Cam- pidoglio I, XXIII. Da molt’ anni si comunicava con ambe le specie, quantunque il suo capellano glien’ havesse parlato inducendolo a comunicarsi così nella sua capella segreta per non dar mal esempio a’ sudditi. . Genug in ganz Deutschland von Westen nach Osten, Buch V. Gegenreformationen . von Norden nach Suͤden hatte der Protestantismus ein unzweifelhaftes Uebergewicht. Der Adel war ihm von al- lem Anfang zugethan; der Beamtenstand, schon damals zahlreich und angesehen, war in der neuen Lehre erzogen; das gemeine Volk wollte von gewissen Artikeln, z. B. von dem Fegefeuer, gewissen Ceremonien, z. B. den Wallfahr- ten, nichts mehr hoͤren; kein Kloster war mehr in Stand zu halten: Niemand wagte sich mehr mit Heiligen-Reli- quien hervor. Ein venezianischer Gesandter rechnet im Jahre 1558, daß in Deutschland nur noch der zehnte Theil der Einwohner dem alten Glauben treu geblieben. Kein Wunder, wenn die Verluste des Katholicismus in Besitz und Macht noch immer fortgingen. In den mei- sten Stiftern waren die Domherrn entweder der verbesserten Lehre zugethan, oder lau und gleichguͤltig; was haͤtte sie abhalten koͤnnen, wenn es sonst vortheilhaft schien, bei vor- kommender Gelegenheit Protestanten zu Bischoͤfen zu postu- liren? Zwar verordnete der Religionsfriede, daß ein geist- licher Fuͤrst Amt und Einkommen verlieren solle, wenn er den alten Glauben verlasse, aber man glaubte, daß dadurch ein evangelisch gewordenes Capitel keinesweges gehindert werde, sich auch einen evangelischen Bischof zu waͤhlen: — genug, wenn man die Stifter nur nicht erblich mache. So geschah es, daß ein brandenburgischer Prinz das Erzstift Magdeburg, ein lauenburgischer Bremen, ein braunschwei- gischer Halberstadt empfing. Auch die Bisthuͤmer Luͤbek, Verden, Minden, die Abtei Quedlinburg geriethen in pro- testantische Haͤnde Woruͤber auch meine hist. pol. Zeitschrift I, II, 269 u. f. . Lage des Protestantismus um das Jahr 1563 . Und nicht minder setzten sich die Einziehungen geistli- cher Guͤter fort. Welche Verluste erlitt z. B. binnen we- nigen Jahren das Bisthum Augsburg. Im Jahre 1557 wurden ihm alle Kloͤster im Wirtembergischen entrissen: 1558 folgten die Kloͤster und Pfarren der Grafschaft Oet- tingen nach: erst nach dem Religionsfrieden erhoben sich die Protestanten in Duͤnkelsbuͤhl und Donauwerth zur Pa- ritaͤt, in Noͤrdlingen und Memmingen zur Oberherrschaft: dann gingen die Kloͤster in diesen Staͤdten, unter andern die reiche Praͤceptorie zum h. Antonius in Memmingen, die Pfarren unwiederbringlich verloren Placidus Braun: Geschichte der Bischoͤfe von Augsburg Bd. III, 533, 535 u. f., hier aus guten Quellen. . Dazu kam nun, daß dem Katholicismus selbst fuͤr die Zukunft wenig Aussicht uͤbrig blieb. Auch in den Lehranstalten nemlich, auf den Univer- sitaͤten hatte die protestantische Meinung obgesiegt. Jene alten Verfechter des Katholicismus, die Luthern Widerpart gehalten, oder sich in den Religionsgespraͤchen hervorge- than, waren verstorben, oder standen in hohem Alter. Junge Maͤnner, faͤhig sie zu ersetzen, waren nicht emporgekom- men. In Wien war es zwanzig Jahre her, daß kein Zoͤg- ling der Universitaͤt die Priesterweihe genommen hatte. In Ingolstadt selbst, das so vorzugsweise katholisch war, fanden sich fuͤr wichtige Stellen, die bisher immer mit Geistlichen besetzt worden, keine geeigneten Bewerber mehr in dieser Facultaͤt Agricola: Historia provinciae societatis Jesu Germaniae superioris I, p. 29. . In Coͤln eroͤffnete die Stadt eine Buch V. Gegenreformationen . Bursa: als die Einrichtungen getroffen worden, zeigte sich, daß der neue Regens ein Protestant war Orlandinns: Historia societatis Jesu Tom. I, lib. XVI, nr. 25. „hujus novae bursae regens, quem primum praefecerant, Jacobus Lichius, Lutheranus tandem apparuit.“ . Ausdruͤcklich in der Absicht den protestantischen Meinungen Widerstand zu leisten, errichtete der Cardinal Otto Truchseß eine neue Universitaͤt in seiner Stadt Dillingen: einige Jahr bluͤhte sie durch ein paar ausgezeichnete spanische Theologen; so- bald sich diese wieder entfernten, fand sich in Deutschland kein katholischer Gelehrter, um ihre Stellen zu besetzen: es drangen auch hier Protestanten ein. Um diese Zeit wa- ren die Lehrer in Deutschland fast ohne Ausnahme Prote- stanten: die gesammte Jugend saß zu ihren Fuͤßen und saugte mit dem Beginn der Studien den Haß wider den Papst ein. So stand es in dem Norden und Osten von Europa: der Katholicismus war an vielen Orten ganz beseitigt, allenthalben besiegt und beraubt. Indem er sich noch bemuͤhte sich zu vertheidigen, waren ihm tiefer im We- sten und Suͤden sogar noch gefaͤhrlichere Feinde hervorge- treten. Denn ohne Zweifel in noch entschiedenerem Gegensatz gegen die roͤmischen Lehren als das Lutherthum stand die calvinistische Auffassungsweise: eben in der Epoche, von der wir handeln, bemaͤchtigte sie sich der Geister mit unwi- derstehlicher Gewalt. An den Grenzen von Italien, Deutschland und Frank- reich war sie entsprungen: nach allen Seiten hatte sie sich Lage des Protestantismus um das Jahr 1563 . ergossen: in Ungarn, Polen und Deutschland bildete sie ein zwar noch untergeordnetes, jedoch schon in sich bedeuten- des Element der protestantischen Entwickelung: im westli- chen Europa erhob sie sich bereits zu selbstaͤndiger Gewalt. Wie die scandinavischen Reiche lutherisch, so waren die britannischen calvinistisch geworden: sogar in entge- gengesetzten Formen hatte sich die neue Kirche hier ausge- bildet. In Schottland, wo sie im Kampfe mit der Re- gierung zur Gewalt gelangt, war sie arm, populaͤr, demo- kratisch: mit desto unwiderstehlicherem Feuer erfuͤllte sie die Gemuͤther. In England war sie im Bunde mit der da- maligen Regierung emporgekommen: hier war sie reich, mo- narchisch, praͤchtig; auch gab sie sich schon zufrieden, wenn man sich ihrem Ritus nur nicht widersetzte. Natuͤrlich war die erste dem Muster der Genfer Kirche unendlich viel naͤher, unendlich viel mehr in dem Geiste Calvins. Mit aller ihrer natuͤrlichen Lebhaftigkeit hatte die fran- zoͤsische Nation die Lehren dieses ihres Landsmanns ergrif- fen. Allen Verfolgungen zum Trotz richteten sich die fran- zoͤsischen Kirchen nach dem Muster von Genf protestantisch ein: bereits im Jahre 1559 hielten sie eine Synode. Der venezianische Gesandte Micheli findet im Jahre 1561 keine Provinz vom Protestantismus frei, drei Viertheil des Reiches von demselben erfuͤllt: — Bretagne und Normandie, Gascogne und Languedoc, Poitou, Touraine, Provence, Dauphin é . „An vielen Orten,“ sagt er, „in diesen Provinzen werden Ver- sammlungen, Predigten gehalten, Lebenseinrichtungen ge- troffen, ganz nach dem Vorbilde von Genf, ohne alle Ruͤck- sicht auf die koͤniglichen Verbote. Jedermann hat diese Buch V. Gegenreformationen . Meinungen angenommen: was am merkwuͤrdigsten ist, selbst der geistliche Stand: nicht allein Priester, Moͤnche und Nonnen — es moͤchte wohl wenig Kloͤster geben, welche sich unberuͤhrt gehalten — sondern die Bischoͤfe selbst und viele von den vornehmsten Praͤlaten.“ „Ew. Herrlichkeit,“ sagt er seinem Doge, „sey uͤberzeugt, daß das gemeine Volk ausgenommen, welches die Kirchen noch immer eifrig besucht, alle Andern abgefallen sind, besonders die Adlichen, die juͤngern Maͤnner unter 40 Jahr fast ohne Ausnahme. Denn wiewohl Viele von ihnen noch zur Messe gehn, so geschieht es doch nur zum Schein und aus Furcht: wenn sie sich unbeobachtet wissen, fliehen sie Messe und Kirche.“ Als Micheli nach Genf kam, vernahm er, daß unmittel- bar nach dem Tode Franz II. 50 Prediger von hier nach verschiedenen Staͤdten in Frankreich ausgegangen; er er- staunt, in welchem Ansehen Calvin steht, wie viel Geld ihm zufließt zu Gunsten der Tausende, die sich nach Genf zu- ruͤckgezogen Micheli: Relatione delle cose di Francia l’anno 1561. Dapoi che fu conosciuto che col mettere in prigione e col ca- stigare e con l’abbrucciare non solo non si emendavano, ma si disordinavano più, fu deliberato che non si procedesse più contra alcuno, eccetto che contra quelli che andavano predi- cando seducendo e facendo publicamente le congregationi e le assemblee, e gli altri si lassassero vivere: onde ne furono libe- rati e cavati di prigione di Parigi e di tutte le altre terre del regno un grandissimo numero, che rimasero poi nel regno pra- ticando liberamente e parlando con ogn’uno e gloriandosi che aveano guadagnato la lite contra i Papisti, così chiamavano e chiamano li loro adversarii. . Er findet es unerlaͤßlich, daß den franzoͤ- sischen Protestanten Religionsfreiheit, wenigstens ein In- terim Lage des Protestantismus um das Jahr 1563 . terim, wie er sich ausdruͤckt, zugestanden werde, wenn man nicht ein allgemeines Blutbad veranlassen wolle. Kurz dar- auf erfolgte in der That das Edict vom Januar 1562, welches dem Protestantismus eine gesetzlich anerkannte Existenz in Frankreich gewaͤhrte, und die Grundlage der Berechtigungen ist, deren er sich von dem an dort uͤber- haupt erfreut hat. Alle diese Veraͤnderungen auf allen Seiten, in Deutsch- land, Frankreich und England, mußten nun nothwendig auch auf die Niederlande wirken. Zuerst waren die deutschen Ein- fluͤsse vorherrschend gewesen. Unter den Motiven, welche Carl den V. zu dem schmalkaldischen Kriege bewogen, war es eines der vornehmsten, daß die Sympathie, welche die deutschen Protestanten in den Niederlanden erweckten, ihm die Regierung dieser Provinz, die ein so wichtiges Glied seiner Monarchie bildete, taͤglich mehr erschwerte. Indem er die deutschen Fuͤrsten bezwang, verhuͤtete er zugleich eine Empoͤrung seiner Niederlaͤnder Eine, wie mir scheint, sehr wohl begruͤndete Ansicht des da- maligen florentinischen Residenten am kaiserlichen Hofe. . Jedoch alle seine Ge- setze, obwohl sie mit außerordentlicher Strenge gehandhabt wurden — man hat berechnet, daß bis 1560 an 30000 Protestanten hingerichtet worden seyen — vermochten nicht den Fortgang der religioͤsen Meinungen aufzuhalten. Nur das erfolgte, daß sich diese allmaͤhlig mehr der franzoͤsischen, calvinistischen, als der deutschen, lutherischen Richtung an- schlossen. Im Jahre 1561 trat bereits auch hier eine foͤrm- liche Confession hervor: man richtete Kirchen nach dem Muster von Genf ein; indem sich die Protestanten mit den Päpste* 2 Buch V. Gegenreformationen . oͤrtlichen Gerechtsamen und deren Verfechtern verbanden, be- kamen sie eine politische Grundlage, die ihnen eine glaͤn- zende Zukunft eroͤffnete. Unter diesen Umstaͤnden erwachte auch in den aͤlteren Oppositionen gegen Rom eine neue Kraft. Im Jahre 1562 wurden die maͤhrischen Bruͤder von Maximilian II. foͤrm- lich anerkannt, und sie benutzten dieß Gluͤck, um gleich in demselben Jahre in ihren Synoden eine große Anzahl neuer Geistlichen — man zaͤhlt ihrer 188 — zu erwaͤhlen Regenvolscii ecclesiae Slavonicae I, p. 63. . Im Jahre 1561 sah sich der Herzog von Savoyen genoͤ- thigt, auch den armen Waldensergemeinden im Gebirge neue Freiheiten zu bewilligen Leger: Histoire des églises Vaudoises II, p. 38. theilt den Vertrag mit. . Bis in die entferntesten verges- sensten Winkel von Europa erstreckte die protestantische Idee ihre belebende Kraft. Welch ein unermeßliches Gebiet, das sie sich binnen 40 Jahren erobert hatte! Von Island bis an die Pyrenaͤen, von Finnland bis an die Hoͤhe der ita- lienischen Alpen. Auch uͤber diese Gebirge reichten einst, wie wir wissen, ihre Analogien: sie umfaßte das ganze Gebiet der lateinischen Kirche. Bei weitem die Mehrzahl der hoͤheren Classen, der an dem oͤffentlichen Leben theilneh- menden Geister hatte sie ergriffen: ganze Nationen hingen ihr enthusiastisch an: sie hatte die Staaten umgebildet So faßte man den Verlust auch in Rom selbst. Tiepolo: Relatione di Pio IV e V. Parlando solamente di quelli (po- poli) d’Europa che non solo obedivano lui (al papa) ma an- . Lage des Protestantismus um das Jahr 1563. Es ist dieß um so bewundernswuͤrdiger, da sie keines- wegs allein Gegensatz war, etwa nur eine Negation des Papstthums, eine Lossagung von demselben, sondern in ho- hem Grade positiv, eine Erneuerung der christlichen Ge- danken und Grundsaͤtze, welche das Leben bis in das tiefste Geheimniß der Seele beherrschen. Streitkräfte des Papstthums. Eine lange Zeit daher hatte sich Papstthum und Ka- tholicismus gegen diese Fortschritte zwar abwehrend, aber doch leidend verhalten, und sie sich im Ganzen gefallen lassen muͤssen. Jetzt aber nahmen die Dinge eine andere Gestalt an. Wir haben die innere Entwickelung betrachtet, durch welche der Katholicismus sich wieder herzustellen begann. cora seguivano in tutto i riti e le consuetudini della chiesa ro- mana celebrando ancora li officii nella lingua latina: si sa che l’Inghilterra, la Scotia, la Dania, la Norvegia, la Suetia e fi- nal m tutti i paesi settentrionali si sono alienati da lei: la Germania è quasi tutta perduta, la Bohemia e la Polonia si trovano in gran parte infette, li paesi bassi della Fiandra sono così corrotti che per rimedio che vi si sforzi dar loro il Duca d’Alva difficil m ritorneranno alla prima sanità, e finalmente la Francia per rispetto di questi mal humori è tutta ripiena di confusioni, in modo che non pare che sia restato altro di sano e di sicuro al pontefice che la Spagna e l’Italia con alcune poche isole e con quel paese che è dalla Ser tà V ra in Dalma- tia et in Grecia posseduto. 2* Buch V. Gegenreformationen . Im Ganzen koͤnnen wir sagen, daß er von Neuem eine lebendige Kraft in sich erzeugt, das Dogma im Geiste des Jahrhunderts regenerirt, eine Reform ins Leben gerufen hatte, welche den Forderungen der Zeitgenossen im Allge- meinen entsprach. Die religioͤsen Tendenzen, welche in dem suͤdlichen Europa vorhanden waren, ließ er nicht auch zu Feindseligkeiten erwachsen: er nahm sie in sich auf, und be- herrschte sie: so verjuͤngte er seine Kraͤfte. Der prote- stantische Geist hatte bisher allein den Schauplatz der Welt mit Erfolgen erfuͤllt, die Gemuͤther an sich geris- sen: jetzt trat ein anderer, ihm von einem hoͤhern Stand- punkt aus vielleicht gleichartig zu achtender, aber zunaͤchst doch durchaus entgegengesetzter Geist mit ihm in die Schran- ken, der sich nun auch seinerseits die Gemuͤther zu eigen zu machen, sie zur Thaͤtigkeit zu entflammen verstand. Zuerst bemaͤchtigte sich das restaurirte katholische Sy- stem der beiden suͤdlichen Halbinseln. Es vermochte dieß nicht ohne außerordentliche Strenge: der spanischen Inqui- sition trat die erneuerte roͤmische zur Seite: alle Regungen des Protestantismus wurden gewaltsam erdruͤckt. Zugleich aber waren die Richtungen des innern Lebens, welche der erneuerte Katholicismus vorzugsweise ansprach und fesselte, in jenen Laͤndern besonders maͤchtig. Auch die Fuͤrsten schlossen sich dem Interesse der Kirche an. Besonders war es wichtig, daß sich der maͤchtigste von allen, Philipp II. , so entschieden an das Papstthum hielt. Mit dem Stolze eines Spaniers, von welchem tadel- loser Katholicismus als das Zeichen eines reineren Blutes, eines edleren Herkommens betrachtet ward, verwarf er alle Streitkraͤfte des Papstthums . entgegengesetzte Meinungen. Jedoch war es nicht etwa bloß eine persoͤnliche Bewegung was ihn zu seinem politischen Verhalten vermochte. Die koͤnigliche Wuͤrde trug in Spa- nien von jeher und besonders seit den Einrichtungen Isa- bella’s eine geistliche Farbe: in allen Provinzen war die koͤnigliche Gewalt durch einen Zusatz geistlicher Macht ver- staͤrkt: ohne die Inquisition haͤtten sie nicht mehr regiert werden koͤnnen: auch in seinen amerikanischen Besitzungen erschien der Koͤnig vor allem in dem Lichte eines Ausbrei- ters des christlichen und katholischen Glaubens: es war der Gedanke, der alle seine Laͤnder in Gehorsam gegen ihn vereinigte. Er haͤtte ihn nicht aufgeben duͤrfen, ohne we- sentliche Gefahr. Die Ausbreitung der Hugenotten in dem suͤdlichen Frankreich erregte in Spanien die groͤßte Besorg- niß; die Inquisition glaubte sich zu verdoppelter Wach- samkeit verpflichtet. „Ich versichere Ew. Herrlichkeit“, schreibt der venezianische Gesandte am 25. August 1562 an seinen Fuͤrsten, „fuͤr dieses Land waͤre keine große religioͤse Bewegung zu wuͤnschen: es sind ihrer Viele, die sich nach einer Veraͤnderung der Religion sehnen“ Dispaccio Soranzo Perpignan 28 Maggio. Essendo in questa provincia (Spagna) molti Ugonotti quasi non osano mo- strarsi per la severissima dimostratione che qui fanno contra. Dubitano che non si mettano insieme, essendone molti per tutta la Spagna. . Der paͤpstliche Nuntius meinte, der Fortgang des Conciliums, das damals versammelt war, sey eine Sache, an welcher der koͤnigli- chen Gewalt nicht minder gelegen sey als der paͤpstlichen. „Denn,“ sagt er, „der Gehorsam, den der Koͤnig fin- det, seine ganze Regierung haͤngt von der Inquisition ab. Buch V. Gegenreformationen . Wuͤrde diese ihr Ansehen verlieren, so wuͤrden sogleich Em- poͤrungen erfolgen.“ Schon dadurch nun bekam das suͤdliche System einen unmittelbaren Einfluß auf das gesammte Europa, daß die- ser Fuͤrst die Niederlande beherrschte: aber außerdem war doch in den uͤbrigen Reichen noch lange nicht alles verlo- ren. Noch hielten sich der Kaiser, die Koͤnige von Frank- reich und von Polen, die Herzoge von Baiern zu der ka- tholischen Kirche: noch gab es allenthalben geistliche Fuͤr- sten, deren erkalteter Eifer aufs neue belebt werden konnte: noch war auch der Protestantismus an vielen Orten nicht in die Masse der Bevoͤlkerung eingedrungen. Die Mehr- zahl des Landvolkes in Frankreich, wohl auch in Ungarn Wenn es hier nicht mehr Unwissenheit war, wie wenigstens Lazarus Schwendi angiebt: „En Ungarie tout est confusion et mi- sère: ils sont de la plus parte Huguenots, mais avec une ex- trème ignorance du peuple.“ Schwendi au prince d’Orange. Ar- chives de la maison d’Orange-Nassau I, p. 288. und Polen hielt sich noch katholisch: Paris, welches schon damals einen großen Einfluß auf die andern franzoͤsischen Staͤdte ausuͤbte, war von der Neuerung nicht fortgerissen worden. In England war ein guter Theil des Adels und der Gemeinen, in Irland die gesammte alt-irische Nation katholisch geblieben. In die Tyroler, die Schweizer Alpen hatte der Protestantismus keinen Zugang gefunden. Auch in dem baierischen Landvolk mochte er noch nicht viel Fort- schritte gemacht haben. Wenigstens verglich Canisius die Tyroler und Baiern mit den beiden israelitischen Staͤm- men, „die dem Herrn allein getreu geblieben.“ Es ver- diente wohl eine genauere Eroͤrterung, auf welchen in- Streitkraͤfte des Papstthums . nern Momenten diese Beharrlichkeit, dieses unerschuͤtterliche Festhalten des Hergebrachten bei so verschiedenartigen Bevoͤl- kerungen beruhte. In den Niederlanden wiederholte es sich in den wallonischen Provinzen. Und jetzt nahm nun das Papstthum wieder eine Stel- lung ein, in der es sich aller dieser Hinneigungen aufs neue bemaͤchtigen, sie unaufloͤslich an sich knuͤpfen konnte. Obwohl es sich auch umgewandelt, so kam ihm doch der unschaͤtzbare Vortheil zu Gute, die Aeußerlichkeiten der Vergangenheit, die Gewohnheit des Gehorsams fuͤr sich zu haben. Es war den Paͤpsten gelungen, in dem Concilium, das sie gluͤcklich beendigt, ihre Autoritaͤt, deren Vermin- derung beabsichtigt war, sogar zu vermehren, und sich ei- nen verstaͤrkten Einfluß auf die Landeskirchen zu verschaf- fen. Ueberdieß ließen sie von jener weltlichen Politik ab, durch die sie bisher Italien und Europa in Verwirrung gesetzt: vertrauensvoll und ohne Ruͤckhalt schlossen sie sich an Spanien an, und erwiederten diesem die Hingebung, die es der roͤmischen Kirche widmete. Das italienische Fuͤr- stenthum, der erweiterte Staat diente vor allem zu einer Befoͤrderung kirchlicher Unternehmungen: der gesammten ka- tholischen Kirche kam eine Zeitlang der Ueberschuß seiner Verwaltung zu Gute. Dergestalt stark in sich selbst, gewaltig durch maͤch- tige Anhaͤnger und eine mit ihnen verbuͤndete Idee, gin- gen die Paͤpste von der Vertheidigung, mit der sie sich bis- her begnuͤgen muͤssen, zum Angriff uͤber: einem Angriff, dessen Gang und Erfolge zu beobachten der vornehmste Ge- genstand dieser Arbeit ist. Buch V. Gegenreformationen . Es eroͤffnet sich uns aber damit ein unermeßlicher Schauplatz. An vielen Orten zugleich tritt die Unterneh- mung hervor: nach den verschiedensten Seiten der Welt haben wir unsere Aufmerksamkeit zu richten. Die geistliche Thaͤtigkeit ist auf das genaueste mit po- litischen Antrieben verbunden: es treten weltumfassende Combinationen ein, unter deren Einfluß die Eroberung ge- lingt oder mißlingt: wir werden die großen Wendungen der Weltereignisse um so viel mehr im Auge behalten, da sie oft mit den Erfolgen des geistlichen Kampfes unmit- telbar zusammenfallen. Doch werden wir nicht bei dem Allgemeinen stehn bleiben duͤrfen. Noch viel weniger als weltliche koͤnnen geistliche Eroberungen vollzogen werden ohne entgegenkom- mende einheimische Sympathien. In die Tiefe der Inter- essen der verschiedenen Laͤnder muͤssen wir hinabsteigen, um die inneren Bewegungen zu fassen, durch welche die roͤmi- schen Absichten befoͤrdert werden. Eine Fuͤlle und Verschiedenheit von Ereignissen und Lebensaͤußerungen, von der wir fast zu fuͤrchten haben, daß sie sich kaum unter Einen Blick werde zusammenfassen las- sen. Es ist eine Entwickelung, die auf verwandten Grund- lagen beruht, und zuweilen zu großen Momenten zusammen- greift, aber eine unendliche Mannigfaltigkeit der Erschei- nungen darbietet. Beginnen wir mit unserm Vaterlande, wo ja das Papstthum zuerst seine großen Verluste erlitten, und wo auch jetzt der Kampf der beiden Principien vorzuͤglich ausge- fochten wurde. Streitkraͤfte des Papstthums . Vor allem leistete hier die zugleich weltkluge und re- ligionseifrige, mit dem Sinne des modernen Katholicismus durchdrungene Gesellschaft der Jesuiten der roͤmischen Kirche gute Dienste. Vergegenwaͤrtigen wir zunaͤchst deren Wirk- samkeit. Die ersten Jesuitenschulen in Deutschland. Auf dem Reichstag zu Augsburg im Jahre 1550 hatte Ferdinand I. seinen Beichtvater den Bischof Urban von Laibach bei sich. Es war dieß Einer von den weni- gen Praͤlaten, die sich in ihrem Glauben nicht hatten er- schuͤttern lassen. Oft bestieg er zu Hause die Kanzel, um das Volk in der Landessprache zu ermahnen bei dem Glau- ben seiner Vaͤter auszuharren, um von dem Einigen Schaf- stall und dem Einigen Hirten zu predigen Valvassor: Ehre des Herzogthums Krain. Theil II, Buch VII, p. 433. . Damals nun befand sich auch der Jesuit Le Jay in Augsburg, und erregte durch einige Bekehrungen Aufsehen. Bischof Urban lernte ihn kennen, und hoͤrte zuerst durch ihn von den Collegien, welche die Jesuiten an mehreren Universi- taͤten gestiftet. Da in Deutschland die katholische Theo- logie in so großem Verfall war, so gab er seinem Herrn den Rath, in Wien ein aͤhnliches Collegium einzurich- ten. Lebhaft ging Ferdinand darauf ein: in dem Schrei- ben, das er hieruͤber an Ignatius Loyola richtete, spricht er die Ueberzeugung aus, das einzige Mittel die fallende Buch V. Gegenreformationen . Kirchenlehre in Deutschland aufrecht zu erhalten bestehe darin, daß man dem juͤngern Geschlechte gelehrte und fromme Katholiken zu Lehrern gebe Abgedruckt bei Socher: Historia provinciae Austriae socie- tatis Jesu I, 21. . Leicht waren die Verabre- dungen getroffen. Im Jahre 1551 langten 13 Jesuiten an, unter ihnen Le Jay selbst, denen Ferdinand zuvoͤrderst Behausung, Capelle und Pension anwies, bis er sie kurz darauf mit der Universitaͤt vereinigte, und ihnen sogar die Visitation derselben uͤbertrug. Bald darnach kamen sie in Coͤln empor. Schon be- fanden sie sich seit ein paar Jahren hier, aber ohne Gluͤck zu machen: man hatte sie sogar genoͤthigt, getrennt zu leben. Erst im Jahre 1556 verschaffte ihnen jene unter einen pro- testantischen Regens gerathene Bursa Gelegenheit, eine fe- stere Stellung zu erwerben. Denn da es eine Partei in der Stadt gab, welcher alles daran gelegen war, die Uni- versitaͤt katholisch zu erhalten, so fanden endlich die Goͤn- ner der Jesuiten mit ihrem Rathe, die Anstalt diesem Or- den zu uͤberliefern, Gehoͤr. Es waren der Prior der Kar- thaͤuser, der Provincial der Karmeliter, und besonders Doctor Johann Gropper, der wohl zuweilen ein Gastmahl veranstaltete, zu dem er die einflußreichsten Buͤrger einlud, um bei einem Glase Wein, auf gute alte deutsche Weise, das, was ihm am meisten am Herzen lag, auf die Bahn zu bringen. Zum Gluͤck fuͤr die Jesuiten fand sich unter den Mitgliedern des Ordens ein geborner Coͤlner, Johann Rhe- tius, aus patricischer Familie, dem die Bursa namentlich anvertraut werden konnte. Aber nicht ohne strenge Be- Die ersten Jesuitenschulen in Deutschland . schraͤnkungen geschah dieß; es ward den Jesuiten ausdruͤck- lich verboten, in der Bursa ein kloͤsterliches Leben einzufuͤh- ren, wie es in ihren Collegien uͤblich war Sacchinus Hist. soc. Jesu pars II, lib. I, nr. 103. . Eben damals faßten sie auch in Ingolstadt festen Fuß. Die fruͤheren Versuche waren an dem Widerstande vornehm- lich der juͤngeren Mitglieder der Universitaͤt gescheitert, die sich in dem Privatunterricht, den sie ertheilten, durch keine privilegirte Schule beschraͤnken lassen wollten. In dem Jahre 1556 aber, als sich der Herzog, wie gesagt, zu starken Concessionen zu Gunsten der Protestanten hatte verstehn muͤssen, schien es den katholisch gesinnten Raͤ- then desselben dringend nothwendig, fuͤr die Aufrechthal- tung des alten Glaubens etwas Nachhaltiges zu thun. Es waren besonders der Kanzler Wiguleus Hund, ein Mann der mit eben so viel Eifer in der Erhaltung wie in der Erforschung der alten kirchlichen Zustaͤnde zu Werke ging, und der Geheimschreiber des Herzogs Heinrich Schwig- ger. Durch sie wurden die Jesuiten wieder zuruͤckberufen. Den 7. Juli 1556, am Tage St. Wilibald, zogen ihrer achtzehn in Ingolstadt ein: sie hatten diesen Tag gewaͤhlt, weil St. Wilibald als der erste Bischof jener Dioͤces an- gesehen wird. Sie fanden noch immer gar viele Schwie- rigkeiten in Stadt und Universitaͤt: dieselben zu uͤberwin- den gelang ihnen allmaͤhlig durch die nemliche Gunst, der sie ihre Berufung verdankten. Von diesen drei Metropolen nun breiteten sich die Je- suiten nach allen Seiten hin aus. Buch V. Gegenreformationen . Von Wien zunaͤchst uͤber die oͤstreichischen Laͤnder. Ferdinand I. brachte sie bereits im Jahre 1556 nach Prag, und gruͤndete ihnen daselbst ein Paͤdagogium, vorzuͤglich fuͤr die adliche Jugend. Er schickte selbst seine Pagen dahin, und wenigstens bei dem katholisch gesinnten Theile des boͤhmi- schen Adels, den Rosenberg und Lobkowitz, fand der Or- den Wohlwollen und Unterstuͤtzung. — Einer der bedeu- tendsten Maͤnner in Ungarn war damals Nicolaus Olahus, Erzbischof von Gran. Sein Name bezeichnet, daß er ein Wlache von Herkunft ist. Sein Vater Stoia hatte ihn in dem Schrecken uͤber die Ermordung eines Woiwoden aus seinem Hause der Kirche gewidmet; und auf das gluͤck- lichste war er bei dieser Bestimmung gediehen. Schon unter den letzten einheimischen Koͤnigen bekleidete er die wichtige Stelle eines Geheimschreibers: seitdem war er im Dienste der oͤstreichischen Partei noch hoͤher gestiegen. Bei dem all- gemeinen Verfall des Katholicismus in Ungarn sah er die einzige Hoffnung, ihn zu behaupten, in dem gemeinen Volke, das noch nicht voͤllig abgefallen war. Nur fehlte es auch hier an katholisch gesinnten Lehrern. Um diese zu bilden, stiftete er im Jahre 1561 ein Collegium der Je- suiten in Tyrnau: er gab ihnen eine Pension aus seinen Einkuͤnften: Kaiser Ferdinand schenkte eine Abtei dazu. Als die Jesuiten ankamen, war eben eine Versammlung des Clerus der Dioͤces veranstaltet; ihre erste Thaͤtigkeit be- stand in dem Versuch, diese ungarischen Priester und Pfar- rer von den heterodoxen Lehren zuruͤckzubringen, zu de- nen sie sich hinneigten. — Und schon rief man sie auch nach Maͤhren. Wilhelm Prussinowski, Bischof von Ol- Die ersten Jesuitenschulen in Deutschland . muͤtz, der den Orden waͤhrend seiner Studien in Italien kennen gelernt, lud sie zu sich ein: ein Spanier, Hurtado Perez, war der erste Rector in Olmuͤtz: bald finden wir sie nicht minder in Bruͤnn. Von Coͤln verbreitete sich die Gesellschaft uͤber das gesammte Rheinland. Auch in Trier hatte, wie beruͤhrt, der Protestantismus Anhaͤnger gefunden und Gaͤhrungen verursacht. Der Erzbischof, Johann von Stein, beschloß gegen die Widerspenstigen nur geringe Strafen zu verhaͤn- gen und den Bewegungen hauptsaͤchlich ein doctrinelles Gegengewicht zu geben: er beschied die beiden Oberhaͤupter der Coͤlner Jesuitenschule zu sich nach Coblenz, und stellte ihnen vor, daß er einige Mitglieder ihres Ordens zu ha- ben wuͤnsche, „um,“ wie er sich ausdruͤckte, „die Heerde, die ihm anvertraut worden, mehr durch Ermahnung und freundliche Unterweisung als durch Waffen und Drohun- gen in Pflicht zu halten.“ Er wandte sich auch nach Rom, und gar bald war man einverstanden. Von Rom wurden 6 Jesuiten herausgeschickt, die uͤbrigen kamen von Coͤln. Am 3. Februar 1561 eroͤffneten sie ihr Collegium mit gro- ßer Feierlichkeit: fuͤr die naͤchsten Fasten uͤbernahmen sie die Predigten Browerus: Annales Trevirenses T. II, lib. XXI, 106 — 125. . Da glaubten auch die beiden geheimen Raͤthe des Churfuͤrsten Daniel von Mainz, Peter Echter und Simon Bagen, zu erkennen, daß in der Aufnahme der Jesuiten das einzige Mittel liege, der verfallenden Mainzer Universi- taͤt wieder aufzuhelfen. Dem Widerspruch, den ihnen Dom- Buch V. Gegenreformationen . herrn und Landsassen entgegensetzten, zum Trotz, siifteten sie dem Orden ein Collegium in Mainz, und eine Vorberei- tungsschule in Aschaffenburg. Immer hoͤher gelangte die Gesellschaft den Rhein hin- auf. Vorzuͤglich wuͤnschenswerth schien ihr ein Sitz in Speier: einmal weil dort in den Assessoren des Kammer- gerichtes so viel ausgezeichnete Maͤnner vereinigt waren, auf die es außerordentlich wichtig gewesen waͤre Ein- fluß zu bekommen: sodann auch um sich der Heidelberger Universitaͤt, welche fuͤr die protestantischen Lehrer damals mit den groͤßten Ruf genoß Z. B. sagt Neuser in seinem berufenen Briefe an den tuͤr- kischen Kaiser: er sey Lehrer und Prediger zu Heidelberg, „an wel- chem Orte jetztmahls die Gelehrtesten des ganzen deutschen Landes sich unterhalten.“ Arnold: Ketzerhist. II, 1133. , in der Naͤhe entgegenzu- setzen. Allmaͤhlig drangen sie ein. Unverzuͤglich versuchten sie ihr Gluͤck auch laͤngs des Maines. Obwohl Frankfurt ganz protestantisch war, hoff- ten sie doch waͤhrend der Messen daselbst etwas auszurich- ten. Es konnte dieß aber nicht ohne Gefahr geschehen: um sich nicht finden zu lassen, mußten sie alle Nacht die Herbergen wechseln. Desto sicherer und willkommener wa- ren sie in Wuͤrzburg Gropp: Wirzburgische Chronik der letzteren Zeiten Thl. I, p. 237. . Es ist doch, als haͤtte die Er- mahnung, welche Kaiser Ferdinand bei dem Reichstage von 1559 an bie Bischoͤfe richtete, endlich einmal auch ihre Kraͤfte zur Erhaltung der katholischen Kirche anzustrengen, auf diesen glaͤnzenden Fortgang des Ordens in den Stif- Die ersten Jesuitenschulen in Deutschland . tern viel Einfluß gehabt. Von Wuͤrzburg aus durchzogen sie Franken. Mittlerweile war ihnen auf einer andern Seite Tyrol eroͤffnet worden. Auf den Wunsch der Toͤchter des Kaisers siedelten sie sich zu Insbruck und dann zu Hall in deren Naͤhe an. In Baiern drangen sie immer weiter vor. In Muͤnchen, wohin sie 1559 gelangten, fanden sie es selbst bequemer als in Ingolstadt: sie erklaͤrten es fuͤr das deutsche Rom. Und schon erhob sich unfern von Ingolstadt eine neue große Colonie. Um seine Universitaͤt Dillingen auf ihren ur- spruͤnglichen Zweck zuruͤckzufuͤhren, entschloß sich der Cardinal Truchseß, alle Lehrer, die noch daselbst docirten, zu verabschie- den, und die Stiftung voͤllig den Jesuiten anzuvertrauen. Zwischen deutschen und italienischen Commissarien, des Car- dinals und des Ordens, ward hieruͤber zu Botzen ein foͤrm- liches Abkommen geschlossen. Im Jahre 1563 langten die Jesuiten in Dillingen an, und nahmen die Lehrstuͤhle in Besitz. Mit großem Wohlgefallen erzaͤhlen sie, wie der Cardinal, der bald darauf von einer Reise zuruͤckkommend einen feierlichen Einzug in Dillingen hielt, sich unter allen denen, die sich zu seinem Empfange aufgestellt hatten, vor- zugsweise an die Jesuiten wandte, ihnen die Hand zum Kuß reichte, sie als seine Bruͤder begruͤßte, ihre Zellen selbst untersuchte und mit ihnen speiste. Er befoͤrderte sie nach besten Kraͤften: bald richtete er ihnen eine Mission in Augsburg ein Sacchinus pars II, lib. VIII, n. 108. . Ein ungemeiner Fortgang der Gesellschaft in so kur- zer Zeit. Im Jahre 1551 hatten sie noch keine feste Buch V. Gegenreformationen . Staͤtte in Deutschland: im Jahre 1566 umfaßten sie Baiern und Tyrol: Franken und Schwaben: einen großen Theil der Rheinlande: Oestreich: in Ungarn, Boͤhmen und Maͤh- ren waren sie vorgedrungen. Schon nahm man ihre Wir- kung wahr: im Jahre 1561 versichert der paͤpstliche Nun- tius, daß „sie viele Seelen gewinnen und dem heiligen Stuhl einen großen Dienst leisten.“ Es war der erste nachhaltige anti-protestantische Eindruck, welchen Deutsch- land empfing. Vor allem arbeiteten sie auf den Universitaͤten. Sie hatten den Ehrgeiz mit dem Rufe der protestantischen zu wetteifern. Die ganze gelehrte Bildung jener Zeit beruhte auf dem Studium der alten Sprachen. Sie trieben die- selben mit frischem Eifer, und in Kurzem glaubte man wenigstens hie und da die jesuitischen Lehrer den Restaura- toren dieser Studien zur Seite setzen zu duͤrfen. Auch andere Wissenschaften cultivirten sie: Franz Koster trug zu Coͤln die Astronomie eben so angenehm wie belehrend vor. Die Hauptsache aber, wie sich versteht, blieben die theolo- gischen Disciplinen. Die Jesuiten lasen mit dem groͤßten Fleiße, auch waͤhrend der Ferien: sie fuͤhrten die Dispu- tiruͤbungen wieder ein, ohne welche, wie sie sagten, aller Unterricht todt sey; die Disputationen, welche sie oͤffent- lich anstellten, waren anstaͤndig, gesittet, inhaltsreich, die glaͤnzendsten welche man jemals erlebt hatte. Bald uͤber- redete man sich in Ingolstadt dahin zu seyn, daß sich die Universitaͤt wenigstens im Fache der Theologie mit jeder andern deutschen messen koͤnne. Ingolstadt bekam, wie- wohl Die ersten Jesuitenschulen in Deutschland . wohl in entgegengesetztem Sinne, eine Wirksamkeit wie sie Wittenberg und Genf gehabt. Nicht minderen Fleiß widmeten die Jesuiten der Lei- tung der lateinischen Schulen. Es war einer der vornehm- sten Gesichtspunkte des Lainez, daß man die untern Gramma- ticalclassen gut besetzen muͤsse. Auf den ersten Eindruck, den der Mensch empfange, komme doch fuͤr sein gesammtes Le- ben das Meiste an. Er suchte mit richtiger Einsicht Leute, welche, wenn sie dieß beschraͤnktere Lehramt einmal ergriffen hatten, sich demselben ihr ganzes Leben zu widmen gedach- ten: denn erst mit der Zeit lerne sich ein so schwieriges Ge- schaͤft und finde sich die natuͤrliche Autoritaͤt ein. Es ge- lang den Jesuiten hiemit zur Verwunderung. Man fand, daß die Jugend bei ihnen in einem Halbjahr mehr lerne, als bei Andern binnen zwei Jahren: selbst Protestanten rie- fen ihre Kinder von entfernten Gymnasien zuruͤck und uͤber- gaben sie den Jesuiten. Es folgte Armenschule, Kinderlehre, Katechisation. Canisius verfaßte seinen Katechismus, der durch wohlzu- sammenhaͤngende Fragen und buͤndige Antworten das Be- duͤrfniß der Lernenden befriedigte. Ganz in jenem devot-phantastischen Sinne nun, der das Institut der Jesuiten von Anfang an so eigen charak- terisirte, ward dieser Unterricht ertheilt. Der erste Rector in Wien war ein Spanier Johann Victoria: ein Mann, welcher einst in Rom seinen Eintritt in die Gesellschaft damit bezeichnete, daß er waͤhrend der Lustbarkeiten des Carneval in Sack gekleidet durch den Corso ging, indem er sich im- mer geißelte, so lange, bis ihm das Blut auf allen Sei- Päpste* 3 Buch V. Gegenreformationen . ten herunterstroͤmte. Bald unterschieden sich auch in Wien die Kinder, welche die Schulen der Jesuiten besuchten, dadurch, daß sie an den Fasttagen die verbotenen Speisen standhaft verschmaͤhten, von denen ihre Eltern ohne Scrupel genos- sen. In Coͤln ward es wieder eine Ehre, den Rosenkranz zu tragen. In Trier begann man Reliquien zu verehren, mit denen sich seit vielen Jahren kein Mensch mehr her- vorgewagt hatte. Schon im Jahre 1560 pilgerte die in- golstaͤdtische Jugend aus der jesuitischen Schule paarweise nach Eichstaͤdt, um bei der Firmelung „mit dem Thau“ gestaͤrkt zu werden, „der aus dem Grabe der heiligen Walpurgis traͤufele.“ Eine Gesinnung, die in den Schu- len gegruͤndet, durch Predigt und Beichte uͤber die ge- sammte Bevoͤlkerung ausgebreitet wurde. Es ist dieß ein Fall, wie er vielleicht in der Weltge- schichte niemals wieder auf eine aͤhnliche Weise vorgekom- men ist. Wenn eine neue geistige Bewegung die Menschen er- griffen hat, ist es immer durch großartige Persoͤnlichkei- ten, durch die hinreißende Gewalt neuer Ideen geschehen. Hier ward die Wirkung vollbracht, ohne große geistige Pro- duction. Die Jesuiten mochten gelehrt und auf ihre Art fromm seyn: aber Niemand wird sagen, daß ihre Wissen- schaft auf einem freien Schwunge des Geistes beruhe, daß ihre Froͤmmigkeit von der Tiefe und Ingenuitaͤt eines ein- fachen Gemuͤthes ausgegangen sey. Sie sind gelehrt ge- nug, um Ruf zu haben, Zutrauen zu erwecken, Schuͤler zu bilden und festzuhalten: weiter streben sie nicht. Ihre Die ersten Jesuitenschulen in Deutschland . Froͤmmigkeit haͤlt sie nicht allein von sittlichem Tadel frei: sie ist positiv auffallend, und um so unzweifelhafter: dieß ist ihnen genug. In freien, unbeschraͤnkten, unbetretenen Bahnen bewegt sich weder ihre Pietaͤt noch ihre Lehre. Doch hat sie etwas, was sie vorzugsweise unterscheidet: strenge Methode. Es ist alles berechnet, denn es hat alles seinen Zweck. Eine solche Vereinigung von hinreichender Wissenschaft und unermuͤdlichem Eifer, von Studien und Ueberredung, Pomp und Casteiung, von Ausbreitung uͤber die Welt und Einheit der leitenden Gesichtspunkte ist auch weder fruͤher noch spaͤter in der Welt gewesen. Sie waren flei- ßig und phantastisch: weltklug und voll Enthusiasmus: an- staͤndige Leute, denen man sich gern naͤherte: ohne persoͤn- soͤnliches Interesse: einer vom andern befoͤrdert. Kein Wunder wenn es ihnen gelang. Wir Deutschen muͤssen daran noch eine besondere Be- trachtung knuͤpfen. Wie gesagt, unter uns war die paͤpst- liche Theologie so gut wie untergegangen. Die Jesuiten erschienen um sie herzustellen. Wer waren die Jesuiten, als sie bei uns anlangten? Es waren Spanier, Ita- liener, Niederlaͤnder; lange Zeit kannte man den Na- men ihres Ordens nicht: man nannte sie spanische Priester. Sie nahmen die Katheder ein, und fanden Schuͤler, die sich ihren Doctrinen anschlossen. Von den Deutschen haben sie nichts empfangen: ihre Lehre und Verfassung war voll- endet, ehe sie bei uns erschienen. Wir duͤrfen den Fort- gang ihres Institutes bei uns im Allgemeinen als eine neue Einwirkung des romanischen Europa auf das germanische 3* Buch V. Gegenreformationen . betrachten. Auf deutschem Boden, in unserer Heimath be- siegten sie uns, und entrissen uns einen Theil unseres Va- terlandes. Ohne Zweifel kam dieß auch daher, daß die deut- schen Theologen sich weder unter sich selbst verstaͤndigt hatten, noch großgesinnt genug waren, um die minder wesentlichen Widerspruͤche an einander zu dulden. Die Extreme der Meinungen waren ergriffen worden: man befehdete sich mit ruͤcksichtsloser Wildheit; so daß man die noch nicht vollkom- men Ueberzeugten irre machte und damit diesen Fremdlin- gen den Weg bahnte, welche mit einer klug angelegten, bis in das Einzelnste ausgebildeten, keinen Zweifel uͤbrig lassen- den Doctrin nun auch ihrerseits die Gemuͤther bezwangen. Anfang der Gegenreformationen in Deutschland. Bei alle dem liegt doch auch am Tage, daß es den Jesuiten nicht so leicht haͤtte gelingen koͤnnen, ohne die Huͤlfe des weltlichen Armes, ohne die Gunst der Fuͤrsten des Reiches. Denn wie mit den theologischen, so war es mit den politischen Fragen gegangen: zu einer Maaßregel, durch welche die ihrem Wesen nach hierarchische Reichsverfassung mit den neuen Verhaͤltnissen der Religion in Einklang ge- kommen waͤre, hatte man es nicht gebracht. Die Summe des Religionsfriedens, wie man ihn gleich anfangs ver- stand und nachher auslegte, war eine neue Erweiterung der Landeshoheit. Die Landschaften bekamen auch in Hin- sicht der Religion einen hohen Grad von Autonomie. Auf Anfang derselben in Deutschland. Baiern . die Ueberzeugung des Fuͤrsten, auf das Einverstaͤndniß des- selben mit seinen Landstaͤnden kam es seitdem allein an, welche kirchliche Stellung ein Land einnehmen sollte. Es war dieß eine Bestimmung, welche zum Vortheil des Protestantismus erfunden zu seyn schien, die aber zu- letzt dem Katholicismus bei weitem foͤrderlicher wurde. Jener war schon gegruͤndet, als sie zu Stande kam: dieser stellte sich erst her, indem er sich darauf stuͤtzte. Zuerst geschah dieß in Baiern: und es ist wegen der unermeßlichen Wirkung, die daher entsprungen ist, einer be- sondern Bemerkung werth, wie es geschah. Auf den baierischen Landtagen finden wir seit gerau- mer Zeit Fuͤrsten und Staͤnde in Streitigkeiten. Der Her- zog ist in steter Geldverlegenheit, von Schulden gedruͤckt, zu neuen Ausgaben veranlaßt, und immer genoͤthigt die Beihuͤlfe seiner Landstaͤnde in Anspruch zu nehmen. Diese fordern dagegen Zugestaͤndnisse hauptsaͤchlich religioͤser Art. Es schien sich in Baiern ein aͤhnliches Verhaͤltniß bilden zu muͤssen, wie es in Oestreich lange Zeit herrschte: einer gesetzlichen auf Religion und Privilegien zugleich gegruͤn- deten Opposition der Staͤnde gegen den Landesherrn, wenn dieser anders nicht am Ende selbst zum Protestantismus uͤbertrat. Ohne Zweifel war es diese Lage der Dinge, durch welche, wie beruͤhrt, die Berufung der Jesuiten hauptsaͤch- lich veranlaßt wurde. Wohl mag es seyn, daß ihre Leh- ren bei Herzog Albrecht V. persoͤnlich Eindruck machten: er hat spaͤter einmal erklaͤrt: was er von dem Gesetz Gottes verstehe, habe er von Hoffaͤus und Canisius, beides Jesui- Buch V. Gegenreformationen . ten, erlernt. Es kam aber auch noch eine andere Einwirkung hinzu. Pius IV. machte den Herzog nicht allein aufmerksam, daß ihm jedes religioͤse Zugestaͤndniß den Gehorsam seiner Unterthanen schmaͤlern werde Legationes Paparum ad Duces Bavariae. Ms. der Bi- bliothek zu Muͤnchen. Prima legatio 1563. „Quodsi Sua Celsi- tudo Ill ma absque sedis apostolicae autoritate usum calicis con- cedat, ipsi principi etiam plurimum decederet de ejus apud sub- ditos autoritate. Auf dem Landtag klagte man, der Fuͤrst sey durch die Decimation verblendet. : was bei der Lage des deut- schen Fuͤrstenthums nicht wohl zu laͤugnen stand; er gab seiner Ermahnung auch durch Gnadenbezeugungen Nach- druck: er uͤberließ ihm einen Zehnten von den Guͤtern sei- ner Geistlichkeit. Indem er ihn hiedurch von den Bewil- ligungen der Staͤnde unabhaͤngiger machte, zeigte er ihm zu- gleich, welchen Vortheil er von der Verbindung mit der roͤmischen Kirche zu erwarten habe. Es kam dann hauptsaͤchlich darauf an, ob der Her- zog die schon begruͤndete religioͤse Opposition seiner Land- staͤnde wieder zu beseitigen vermoͤgen wuͤrde. Auf einem Landtage zu Ingolstadt im Jahre 1563 ging er an dieß Werk. Die Praͤlaten waren schon an sich geneigt: zunaͤchst bearbeitete er die Staͤdte. Sey es nun, daß die Lehren des wiederauflebenden Katholicismus, die Thaͤtigkeit der allenthalben eindringenden Jesuiten auch auf die Staͤdte besonders die leitenden Mitglieder ihrer Ver- sammlung Einfluß gewonnen hatten, oder daß andere Ruͤck- sichten eintraten: genug die Staͤdte ließen von den Forde- rungen neuer religioͤser Zugestaͤndnisse, die sie bisher im- mer eifrig betrieben, dieß Mal ab, und schritten zu ihren Anfang derselben in Deutschland. Baiern . Bewilligungen ohne auf neue Freiheiten zu dringen. Hier- auf war nur noch der Adel uͤbrig. Mißmuthig, ja erbit- tert verließ er den Landtag: man zeichnete dem Herzog die drohenden Reden auf, welche ein und der andere Edel- mann hatte fallen lassen Geheime Erfahrung und Bericht der ungebuͤhrlichen auf- ruͤhrerischen Reden halber, bei Freiberg: Geschichte der baierischen Landstaͤnde II, 352. ; endlich entschloß sich der Vor- nehmste von allen, der Graf von Ortenburg, der fuͤr seine Grafschaft eine ihm streitig gemachte Reichsunmittelbarkeit in Anspruch nahm, in diesem Gebiet ohne Weiteres das evangelische Bekenntniß einzufuͤhren. Aber eben damit be- kam der Herzog die besten Waffen in die Haͤnde. Beson- ders als er auf einem der Schloͤsser, die er einnahm, eine Correspondenz zwischen den baierischen Herren fand, die starke Anzuͤglichkeiten enthielt, in der man ihn als einen verstock- ten Pharao, seinen Rath als einen Blutrath uͤber die ar- men Christen bezeichnete, und in der noch andere Aus- druͤcke vorkamen, die man auf eine Verschwoͤrung deuten zu koͤnnen glaubte, erhielt er einen Anlaß, alle Mitglieder des Adels, die ihm entgegen waren, zur Verantwortung zu ziehen Huschberg: Geschichte des Hauses Ortenburg S. 390. . Die Strafe, die er uͤber dieselben verhing, kann man nicht streng nennen, aber sie fuͤhrte ihn zum Zwecke. Er schloß die Betheiligten von den baierischen Landtagen aus. Da sie hier noch die einzige Opposition ausmach- ten, welche uͤbrig geblieben, so ward er dadurch voͤllig Meister uͤber seine Staͤnde, bei denen seitdem niemals wie- der von der Religion die Rede gewesen ist. Wie wichtig dieß war, zeigte sich auf der Stelle. Buch V. Gegenreformationen . Seit geraumer Zeit hatte Herzog Albrecht bei Papst und Concilium mit viel Eifer auf die Erlaubniß des Laienkelches gedrungen: das ganze Geschick seines Landes schien er daran zu knuͤpfen; endlich im April 1564 erhielt er sie: wer sollte es glauben? jetzt machte er sie nicht einmal bekannt. Die Umstaͤnde waren veraͤndert: eine von dem strengen Katho- licismus abweichende Verguͤnstigung schien ihm jetzt eher schaͤdlich als nuͤtzlich Adlzreitter: Annales Boicae gentis II, XI, nr. 22. Al- bertus eam indulgentiam juris publici in Boica esse noluit. ; einige niederbaierische Gemeinden, welche das fruͤhere Verlangen stuͤrmisch wiederholten, ver- wies er mit Gewalt zur Ruhe. In Kurzem gab es keinen entschiedener katholischen Fuͤrsten in Deutschland, als Herzog Albrecht war. Auf das ernstlichste ging er daran, auch sein Land wieder voͤl- lig katholisch zu machen. Die Professoren zu Ingolstadt mußten das Glaubens- bekenntniß unterschreiben, welches im Gefolge des triden- tinischen Conciliums bekannt gemacht worden. Alle her- zoglichen Beamten uͤberhaupt mußten sich durch einen Eid zu einer unzweifelhaft katholischen Confession verpflichten. Weigerte sich Einer, so ward er entlassen. Auch an den gemeinen Leuten duldete Herzog Albrecht den Protestan- tismus nicht. Zuerst in Niederbaiern, wohin er einige Jesuiten zur Bekehrung der Einwohner gesendet, mußten nicht allein die Prediger, sondern Alle und Jede, die sich zu dem evangelischen Bekenntniß hielten, ihre Habe verkau- fen und das Land raͤumen Agricola: Ps. I, Dec. III, 116—120. . So ward darauf allenthal- Anfang derselben in Deutschland. Baiern . ben verfahren. Es waͤre keinem Magistrat zu rathen gewe- sen Protestanten zu dulden: er haͤtte sich selbst dadurch die haͤrteste Strafe zugezogen. Es kamen aber mit dieser Erneuerung des Katholi- cismus alle modernen Formen desselben aus Italien nach Deutschland heruͤber. Man machte einen Index verbotener Buͤcher: aus den Bibliotheken wurden sie ausgemerzt, haufenweise verbrannt; dagegen beguͤnstigte man die streng katholischen: der Herzog ließ es an Aufmunterungen der Autoren in diesem Sinne nicht fehlen: die Heiligengeschichte des Surius ließ er auf seine Kosten ins Deutsche uͤber- setzen und in Druck geben: — die groͤßte Devotion ward den Reliquien gewidmet: der heilige Benno, von dem man in einem andern deutschen Lande, in Meißen, nichts mehr wissen wollte, ward feierlich zum Schutzpatron von Baiern erklaͤrt: — Baukunst und Musik kamen zuerst in Muͤn- chen in dem Geschmack der restaurirten Kirche auf: — vor allem wurden die jesuitischen Institute befoͤrdert, durch welche die Erziehung des heranwachsenden Geschlechtes in diesem Sinne vollbracht wurde. Auch konnten die Jesuiten nicht Worte genug finden, den Herzog dafuͤr zu ruͤhmen, einen zweiten Josias, wie sie sagten, einen neuen Theodosius. Nur Eine Frage bleibt hiebei uͤbrig. Je wichtiger die Erweiterung der Landeshoheit ist, die den protestantischen Fuͤrsten durch die Einwirkung auf die Religion, welche ihnen gestattet ward, zuwuchs, um so mehr scheint in der erneuerten Autoritaͤt der kirchlichen Gewalten eine Beschraͤnkung derselben zu liegen. Buch. V. Gegenreformationen . Allein auch dafuͤr war gesorgt. Die Paͤpste sahen wohl, daß es ihnen zunaͤchst nur durch die Fuͤrsten gelin- gen koͤnne, ihre verfallende Gewalt zu erhalten, oder die ge- fallene zu erneuern: sie machten sich hieruͤber keine Illu- sion: sie ließen es ihre ganze Politik seyn, sich mit den Fuͤrsten zu verbinden. In der Instruction, welche Gregor gleich dem ersten Nuntius, den er nach Baiern sandte, ertheilt hat, wird dieß ohne allen Umschweif gesagt: „der sehnlichste Wunsch S. Heiligkeit sey es, die verfallene kirchliche Zucht wieder- herzustellen, aber zugleich sehe er ein, daß er sich zur Er- reichung eines so wichtigen Zweckes mit den Fuͤrsten ver- einigen muͤsse: durch ihre Froͤmmigkeit sey die Religion erhalten worden: einzig mit ihrer Huͤlfe lasse sich Kirchen- zucht und Sitte wiederherstellen“ Legatio Gregorii XIII. 1573. „S. S. in eam curam in- cumbit qua ecclesiastica disciplina jam ferme in Germania col- lapsa aliquo modo instauretur, quod cum antecessores sui aut neglexerint aut leviter attigerint, non tam bene quam par erat de republica christiana meritos esse animadvertit: — adjungen- dos sibi ad tale tantumque opus catholicos principes sapientis- sime statuit.“ Ausdruͤcklich verspricht der Gesandte, Bartholom. Graf v. Porzia: „Suam Sanctitatem nihil unquam praetermis- suram esse, quod est e re sua (ducis Bavariae) aut filiorum.“ . Und so uͤbertraͤgt der Papst dem Herzog die Befugniß die saͤumigen Bischoͤfe anzutreiben: die Beschluͤsse einer Synode — sie war in Salzburg gehalten worden — in Ausfuͤhrung zu bringen: den Bischof zu Regensburg und sein Capitel zur Errich- tung eines Seminars anzuhalten: genug eine Art von geistlicher Oberaufsicht uͤbertraͤgt er ihm: er geht mit ihm zu Rathe, ob es nicht gut sey, Seminarien von Kloster- Anfang derselben in Deutschland. Baiern . geistlichen zu errichten, wie es Seminarien von Weltprie- stern gebe. Sehr gern laͤßt sich der Herzog darauf ein. Nur fordert er, daß nun auch die Bischoͤfe den fuͤrstlichen Rechten, weder den hergebrachten noch auch den neuertheil- ten, zu nahe treten, daß der Clerus von seinen Obern in Zucht und Ordnung gehalten werden moͤge. Es finden sich Edicte, in denen der Fuͤrst die Kloͤster als Kammer- gut betrachtet und einer weltlichen Verwaltung unterwirft. Wenn das protestantische Fuͤrstenthum im Laufe der Reformation kirchliche Attribute an sich gebracht hatte, so gelang nunmehr das Nemliche auch dem katholischen. Was dort in Gegensatz gegen das Papstthum, geschah hier in Vereinigung mit demselben. Setzten die protestantischen Fuͤrsten ihre nachgeborenen Soͤhne als postulirte Admini- stratoren in die benachbarten evangelischen Stifter, so ge- langten in den katholisch gebliebenen die Soͤhne der katho- lischen Fuͤrsten unmittelbar zur bischoͤflichen Wuͤrde. Von allem Anfang hatte Gregor dem Herzog Albrecht verspro- chen, nichts zu versaͤumen, was zu seinem oder seiner Soͤhne Besten seyn duͤrfte: in Kurzem sehen wir zwei dieser Soͤhne im Besitze der stattlichsten Pfruͤnden: der eine von ihnen steigt allmaͤhlig zu den hoͤchsten Wuͤrden des Reiches Selbst Pius V. maͤßigte seine strengen Grundsaͤtze dem Herzog von Baiern gegenuͤber. Tiepolo: Relatione di Pio IV e V. „D’altri principi secolari di Germania non si sa chi altro veramente sia cattolico che il Duca di Baviera: però in grati- ficatione sua il pontefice ha concesso che il figliolo, che di gran lunga non ha ancora l’età determinata dal concilio, hab- bia il vescovato Frisingense: cosa che non è da lui stata con- cessa ad altri.“ . Buch V. Gegenreformationen . Allein auch uͤberdieß bekam Baiern durch die Stel- lung, die es annahm, an und fuͤr sich eine hohe Bedeu- tung. Es verfocht ein großes Princip, das eben zu neuer Macht emporkam. Die mindermaͤchtigen deutschen Fuͤrsten dieser Gesinnung sahen in Baiern eine Zeitlang ihr Oberhaupt. Denn so weit nur die Macht des Herzogs reichte, beeiferte er sich die katholische Lehre herzustellen. Kaum war ihm die Grafschaft Haag angefallen, so ließ er die Protestanten, welche der letzte Graf daselbst geduldet, verja- gen, und Ritus und Glauben des Katholicismus wieder einfuͤhren. In der Schlacht bei Moncontour war Markgraf Philibert von Baden-Baden geblieben. Der Sohn desselben Philipp, erst zehn Jahr alt, ward in Muͤnchen unter der Vormundschaft Albrechts, wie sich versteht, im katholischen Glauben erzogen. Doch wartete der Herzog nicht ab, was der junge Markgraf thun werde, wenn er selbst zur Re- gierung gekommen seyn wuͤrde; auf der Stelle schickte er seinen Landhofmeister Grafen Schwarzenberg und den Je- suiten Georg Schorich, die schon bei den Bekehrungen in Niederbaiern mit einander gearbeitet hatten, in das baden- sche Gebiet, um es durch dieselben Mittel katholisch zu machen. Zwar brachten die protestantischen Einwohner kai- serliche Befehle hiegegen aus: aber man achtete nicht dar- auf: die Bevollmaͤchtigten fuhren fort, wie sich der Ge- schichtschreiber der Jesuiten mit Wohlgefallen ausdruͤckt, „der einfaͤltigen Menge Ohr und Gemuͤth fuͤr die himm- lische Lehre frei zu machen.“ Das ist: sie entfernten die protestantischen Prediger, noͤthigten die Moͤnche, welche Anfang derselben in Deutschland. Baden . nicht ganz orthodox geblieben, die abweichenden Lehren ab- zuschwoͤren, besetzten hohe und niedere Schulen mit katholi- schen Lehrmeistern, und verwiesen die Laien, welche sich nicht fuͤgen wollten. Binnen zwei Jahren, 1570, 1571, war das ganze Land wieder katholisch gemacht Sacchinus pars III, lib. VI, n. 88. lib. VII, n. 67. Agri- cola I, IV, 17. 18. Der Papst pries den Herzog dafuͤr gebuͤh- rend. „Mira perfunditur laetitia,“ heißt es in jener Gesandtschaft, „cum audit, ill. Ser tis V rae opera et industria Marchionem Ba- densem in religione catholica educari, ad quod accedit cura in- gens, quam adhibuit in comitatu de Hag, ut catholica fides, a qua turpiter defecerant, restituatur. . Waͤhrend dieß in den weltlichen Gebieten geschah, er- hob sich, mit einer noch unvermeidlicheren Nothwendigkeit, eine aͤhnliche Bewegung auch in den geistlichen. Einmal waren die geistlichen deutschen Fuͤrsten doch eben vor allem Bischoͤfe, und die Paͤpste versaͤumten keinen Augenblick, die verstaͤrkte Gewalt uͤber das Bisthum, die ihnen aus den tridentinischen Anordnungen entsprang, auch in Deutschland geltend zu machen. Zuerst ward Canisius mit den Exemplaren der Schluͤsse des Conciliums an die verschiedenen geistlichen Hoͤfe ge- sandt. Er uͤberbrachte sie nach Mainz, Trier, Coͤln, Os- nabruͤck und Wuͤrzburg Maderus de vita P. Canisii lib. II, c. II. Sacchinus III, II, 22. . Die officielle Ehrerbietung, mit welcher er empfangen wurde, belebte er mit gewandter Thaͤtigkeit. Dann kam die Sache auf dem Augsburger Reichstag von 1566 zur Sprache. Papst Pius V. hatte gefuͤrchtet, der Protestantismus werde hier neue Forderungen machen, neue Zugestaͤndnisse Buch V. Gegenreformationen . erhalten: schon hatte er seinen Nuntius angewiesen, im dringenden Falle mit einer Protestation hervorzutreten, wel- che Kaiser und Fuͤrsten mit einer Beraubung aller ihrer Rechte bedrohen sollte, ja er glaubte bereits, der Augenblick dazu sey gekommen Catena: Vita di Pio V. p. 40. hat einen Auszug aus der Instruction. Gratiani: Vita Commendoni lib. III, c. II. . Der Nuntius, der die Sache in der Naͤhe sah, hielt dieß nicht fuͤr gerathen. Er sah, daß man nichts mehr zu fuͤrchten brauchte. Die Protestanten waren entzweit: die Katholiken hielten zusammen. Oft versammelten sie sich bei dem Nuntius, um uͤber gemein- schaftliche Maaßregeln zu berathschlagen: Canisius, unbeschol- ten, hoͤchst rechtglaͤubig und klug, hatte einen großen Ein- fluß auf die Personen: es war an keine Concession zu den- ken: vielmehr ist dieser Reichstag der erste, in welchem die katholischen Fuͤrsten einen erfolgreichen Widerstand ent- wickelten. Die Ermahnungen des Papstes fanden Ge- hoͤr: in einer abgesonderten Versammlung der geistlichen Fuͤrsten wurden die tridentinischen Schluͤsse vorlaͤufig an- genommen. Von diesem Augenblick beginnt ein neues Leben in der katholischen Kirche in Deutschland. Nach und nach wurden diese Beschluͤsse in Provinzialsynoden publicirt: Se- minarien wurden bei den bischoͤflichen Sitzen eingerichtet: der erste, der dieser Anordnung Folge leistete, war, so viel ich finde, der Bischof von Eichstaͤdt, der das Collegium Wi- libaldinum gruͤndete Falkenstein: Nordgauische Alterthuͤmer I, 222. : die Professio fidei wurde von Hohen und Niederen unterzeichnet. Hoͤchst wichtig ist, daß Anfang derselben in Deutschland. Trier . dieß auch auf den Universitaͤten geschehen mußte. Es war eine Anordnung, welche von Lainez vorgeschlagen, von dem Papst gebilligt worden, und die nun in Deutschland haupt- saͤchlich durch den Eifer des Canisius ins Werk gesetzt ward. Nicht allein sollten keine Anstellungen, es sollten selbst keine Grade, auch nicht in der medicinischen Facultaͤt, ohne die Unterschrift der Professio ertheilt werden. Die erste Uni- versitaͤt wo man dieß einfuͤhrte, war, so viel ich finde, Dil- lingen: allmaͤhlig folgten die andern. Es begannen die strengsten Kirchenvisitationen. Die Bischoͤfe, die bisher sehr nachsichtig gewesen, zeigten Eifer und Devotion. Ohne Zweifel einer der eifrigsten unter ihnen war Jacob von Eltz, vom Jahre 1567 bis zum Jahre 1581 Churfuͤrst von Trier. Er war noch in der alten Loͤwener Disciplin erzogen: von jeher widmete er dem Katholicis- mus auch literarische Bemuͤhungen: er selbst hat ein Mar- tyrologium zusammengetragen und Gebete fuͤr die Horen verfaßt: an der Einfuͤhrung der Jesuiten in Trier nahm er schon unter seinem Vorgaͤnger den groͤßten Antheil. Eben diesen uͤbertrug er nun, als er selbst zur Regierung ge- kommen, die Visitation seines Sprengels. Selbst die Schul- meister mußten die Professio fidei unterschreiben. Unter den Geistlichen ward nach dem methodischen Geist der Je- suiten eine strenge Zucht und Unterordnung eingefuͤhrt: je- den Monat mußte der Pfarrer an den Decan, am Schluß des Vierteljahrs der Decan an den Erzbischof berichten: die Widerstrebenden wurden ohne Weiteres entfernt. Ein Theil der Tridentiner Anordnungen ward fuͤr die Dioͤcesen gedruckt und zu Jedermanns Nachachtung bekannt gemacht: Buch V. Gegenreformationen . um alle Verschiedenheiten des Ritus zu heben, ward eine neue Agende publicirt. Das geistliche Gericht empfing be- sonders durch Barth. Bodeghem von Delft eine neue strenge Einrichtung. Das vornehmste Vergnuͤgen des Erz- bischofs schien es auszumachen, wenn sich Jemand fin- den ließ, der von dem Protestantismus wieder abtruͤnnig wurde. Einen solchen verfehlte er niemals, selber einzu- segnen Browerus: Annales Trevirenses II, XXII, 25: uͤberhaupt hier unser vornehmster Gewaͤhrsmann. . Zu dieser Pflicht des Amtes aber, dem Verhaͤltniß gegen Rom kamen nun auch Beweggruͤnde anderer Art. Die geistlichen Fuͤrsten hatten die Antriebe der weltlichen ihre Landschaften zu ihrer Religion zuruͤckzubringen eben so gut, wie diese, ja vielleicht noch in hoͤherm Grade, da eine zum Protestantismus neigende Bevoͤlkerung ihnen um ih- res priesterlichen Charakters willen eine um so staͤrkere Op- position machen mußte. Zuerst begegnet uns dieser wichtige Moment der deut- schen Geschichte eben in Trier. Auch die Erzbischoͤfe von Trier waren, wie andere geistliche Herrn, mit ihrer Haupt- stadt von jeher in Streitigkeiten. In dem sechszehnten Jahrhundert gesellte sich ein protestantisches Element hinzu: besonders dem geistlichen Gericht setzte man hartnaͤckigen Widerstand entgegen. Jacob von Eltz fand sich endlich ver- anlaßt, die Stadt foͤrmlich zu belagern. Er blieb Meister mit den Waffen; dann brachte er ein Urtel des Kaisers aus, das ihm guͤnstig war. Hierauf noͤthigte er die Buͤrger zu weltlichem und geistlichem Gehorsam. Anfang derselben in Deutschland. Mainz . Und noch etwas anderes that er, was eine allgemeine Wirkung nach sich zog. Im J. 1572 schloß er die Prote- stanten unwiderruflich von seinem Hofe aus. Namentlich fuͤr den Landesadel, der fuͤr sein Fortkommen auf den Hof angewiesen war, hatte dieß große Bedeutung. Alle Aus- sichten fuͤr die Zukunft wurden ihm abgeschnitten: und gar Mancher mag hiedurch zum Ruͤcktritt zu der alten Re- ligion veranlaßt worden seyn. Auch der Nachbar von Trier, Daniel Brendel, Chur- fuͤrst von Mainz, war sehr gut katholisch. Wider den allge- meinen Rath seiner Umgebung stellte er die Frohnleichnams- procession wieder her, und fungirte selbst dabei: nie haͤtte er seine Vesper versaͤumt: — von den Sachen, welche ein- liefen, ließ er sich immer zuerst die geistlichen vortragen: unter seinen geheimen Raͤthen zeigte er sich denen am ge- wogensten, die am eifrigsten katholisch waren: — die Je- suiten preisen die Gunst, die sie von ihm erfahren: auch nach dem Collegium Germanicum zu Rom schickte er ei- nige Zoͤglinge Serarius: Moguntiacarum rerum libri V: in dem Ab- schnitt uͤber Daniel besonders cap. VIII, XI, XXII, XXIII. . Aber so weit zu gehn, wie Jacob von Eltz, fuͤhlte er sich nicht bewogen. Nicht ohne eine ge- wisse Ironie ist sein Religionseifer. Als er die Jesuiten einfuͤhrte, machten ihm viele von seinen Landsassen Vor- stellungen dagegen: „wie,“ sagte er, „ihr duldet mich, der ich meine Pflicht doch nicht gehoͤrig thue: und wollt Leute nicht dulden, welche ihre Pflicht so gut erfuͤllen?“ Valerandus Sartorius bei Serarius p. 921. Man hat uns nicht uͤberliefert, was er den Jesuiten ge- Päpste* 4 Buch V. Gegenreformationen . antwortet haben mag, wenn sie nun auf die voͤllige Aus- rottung des Protestantismus in dem Lande drangen. We- nigstens litt er Lutheraner und Calvinisten fortwaͤhrend in der Stadt und am Hofe: in einigen Ortschaften duldete er selbst den evangelischen Ritus Klagen Robert Turners: der einen Bonifacius suchte und nur einen „principem politicum“ fand. Bei Serarius p. 947. : wahrscheinlich je- doch nur deshalb, weil er sich nicht stark genug fuͤhlte ihn zu erdruͤcken. In einem entfernteren Theile seines Ge- bietes, wo ihn keine so maͤchtigen und kriegslustigen Nach- barn bedrohten, wie die Pfalzgrafen am Rhein, that auch er entscheidende Schritte. Die Herstellung des Katholicis- mus auf dem Eichsfeld ist sein Werk. Durch die Gunst des Adels hatte sich auch hier der Protestantismus festge- setzt; selbst in Heiligenstadt unter den Augen des Stiftes, welches das Patronat aller Kirchen besaß, war er gleich- wohl eingedrungen: es gab einen lutherischen Prediger da- selbst: die Communion ward unter beiden Gestalten aus- getheilt: einstmals haben nur noch zwoͤlf angesehene Buͤrger zu Ostern das Abendmahl nach katholischem Gebrauch ge- nommen Johann Wolf: Geschichte und Beschreibung von Heiligen- stadt p. 59. . Eben in dieser Zeit — im Jahre 1574 — erschien der Erzbischof persoͤnlich auf dem Eichsfeld von zwei Jesuiten begleitet, um eine Kirchenvisitation zu hal- ten. Zu aͤußersten Gewaltthaten schritt er nicht: doch wandte er Mittel an, welche wirksam waren. In Hei- ligenstadt entfernte er den prostantischen Prediger und stif- tete dafuͤr ein Collegium von Jesuiten. Er verwies Nie- mand aus dem Rath; aber durch einen kleinen Zusatz zu Anfang derselben in Deutschland. Eichsfeld . dem Rathseide, kraft dessen sich jeder Rathsherr ver- pflichtete S. Churfuͤrstlichen Gnaden in geistlichen und weltlichen Sachen zu gehorsamen, verhinderte er den Ein- tritt von Protestanten fuͤr die Zukunft. Die Hauptsache war dann, daß er einen entschieden katholischen Oberamt- mann aufstellte, Leopold von Stralendorf, der sich nicht scheute den milderen Maaßregeln des Herrn aus eigener Macht strenge nachfolgen zu lassen, und in einer folgerech- ten Verwaltung von 26 Jahren die katholische Lehre in Stadt und Land wieder zu der herrschenden machte. Ohne auf den Widerspruch des Adels Ruͤcksicht zu nehmen, verjagte er die protestantischen Prediger auch auf dem Lande, und setzte die Zoͤglinge der neuen Jesuitenschule an ihre Stelle. Schon hatte in jenen Gegenden ein anderer geistlicher Fuͤrst das Beispiel hiezu gegeben. In dem Stifte Fulda war die evangelische Religions- uͤbung bereits von sechs Aebten geduldet worden, und auch der junge Abt Balthasar von Dernbach, genannt Gravel, versprach bei seiner Wahl im Jahre 1570 es dabei zu las- sen. Allein sey es daß die Gunst, die ihm der paͤpstliche Hof zu Theil werden ließ, seinen Ehrgeiz entflammte: oder daß er in der Herstellung des Katholicismus die Mittel sah, seine allerdings unbedeutende Macht zu vermehren: oder daß irgend eine tiefere Sinnesaͤnderung in ihm Statt fand: allmaͤhlig zeigte er sich dem Protestantismus nicht allein abgeneigt, sondern feindselig. Zuerst berief er die Jesuiten. Er kannte keinen: er hatte nie ein Collegium gesehen: nur der allgemeine Ruf, die Schilderung die ihm ein paar Schuͤler des Collegiums von Trier machten, und 4* Buch V. Gegenreformationen . vielleicht die Empfehlungen Daniel Brendels bestimmten ihn. Mit Vergnuͤgen kamen die Ordensmaͤnner; Mainz und Trier stifteten hier eine gemeinschaftliche Colonie: der Abt baute ihnen Haus und Schule und wies ihnen eine Pension an: er selbst, denn noch war er sehr unwissend, nahm bei ihnen Unterricht Reiffenberg: Historia societatis Jesu ad Rhenum infe- riorem I, VI, II, der an dieser Stelle die Notizen des Sacchinus ( III, VII, 68.) aus einem fuͤr ihn gefertigten Tractat des Jesuiten Feurer vermehrt. Von protestantischer Seite: Beschwerden der Stadt Fulda und desselben Stiftes Ritterschaft, bei Lehmann: de pace religionis II, IX, 257. . Zunaͤchst mit seinem Capitel, das in Dingen dieser Art ein Wort mitzusprechen hatte, und diese Berufung keines- weges billigte, gerieth der Abt hiedurch in ein schlechtes Verhaͤltniß: bald aber griff er auch die Stadt an. Er be- kam dazu die erwuͤnschteste Gelegenheit. Der Pfarrer von Fulda, der bisher die evangelische Lehre gepredigt, trat zu dem Katholicismus zuruͤck, und fing wieder an, die Taufe lateinisch zu vollziehen: das Abendmahl nur unter Einer Gestalt zu reichen. Die Buͤr- gerschaft, des evangelischen Ritus laͤngst gewohnt, wollte sich dieß nicht so gutwillig gefallen lassen und forderte die Entfernung dieses Pfarrers. Sie fand, wie man den- ken kann, kein Gehoͤr. Nicht allein ward in der Haupt- kirche der katholische Ritus streng ausgeuͤbt: auch aus den Nebenkirchen wurden die evangelischen Prediger nach und nach verwiesen, und Jesuiten eingesetzt. Schon vertauschte der Abt seine protestantischen Raͤthe und Beamte mit ka- tholischen. Es war vergebens, daß der Adel hiegegen Vorstel- Anfang derselben in Deutschland. Fulda . lungen machte: gleichsam verwundert entgegnete Abt Bal- thasar: er hoffe, man werde ihm nicht Maaß geben wollen, wie er die ihm von Gott befohlene Landschaft zu regieren habe. Einige maͤchtige Reichsfuͤrsten ordneten eine Gesandt- schaft an ihn ab, um ihn zur Einstellung seiner Neuerun- gen, zur Entfernung der Jesuiten zu bewegen: aber er blieb unerschuͤtterlich. Vielmehr bedrohte er bereits auch die Ritterschaft. Sie nahm eine Art von Reichsunmittelbar- keit in Anspruch, welche sehr beschraͤnkt worden waͤre, wenn der geistliche Oberherr religioͤsen Gehorsam haͤtte er- zwingen duͤrfen. Und so erhob sich der Katholicismus, der bereits be- siegt scheinen konnte, mit verjuͤngter Kraft in Deutschland. Die mannigfaltigsten Motive trugen dazu bei: der Reli- gion und der Lehre die wieder um sich griff, der durch die Beschluͤsse von Trident erneuerten kirchlichen Unterord- nung, vornehmlich auch Beweggruͤnde der innern Politik: es lag am Tage, wie viel maͤchtiger ein Fuͤrst wurde, wenn die Unterthanen seinem Glauben folgten. Zwar hatte die kirchliche Restauration erst einzelne Punkte eingenommen: aber sie boten eine unermeßliche Aussicht dar. Namentlich mußte es von der groͤßten Wichtigkeit werden, daß die geistlichen Fuͤrsten keinen allgemeinern Widerspruch fan- den. Bei dem Religionsfrieden hatte man die protestanti- schen Gemeinden in den geistlichen Gebieten durch eine be- sondere kaiserliche Declaration zu sichern gesucht: die geist- lichen Fuͤrsten laͤugneten jetzt, von dieser Declaration zu wissen: auf keinen Fall kuͤmmerten sie sich darum. Die kaiserliche Macht war nicht stark, nicht entschlossen genug, um eine durchgreifende Entscheidung hiegegen zu fassen, ge- Buch V. Gegenreformationen . schweige denn geltend zu machen. In den Reichsversamm- lungen selbst war nicht Energie noch Einheit genug, um daruͤber zu halten: — die groͤßten Veraͤnderungen gescha- hen ohne alles Geraͤusch, ohne daß man sie recht bemerkte, ohne daß man sie auch nur in den Geschichtsbuͤchern auf- zeichnete, gleich als koͤnnte es nicht anders seyn. Gewaltthätigkeiten in den Niederlanden und in Frankreich. Waͤhrend nun die katholischen Bestrebungen in Deutsch- land so maͤchtig vordrangen, erhoben sie sich auch in den Niederlanden und in Frankreich, wiewohl auf eine sehr abweichende Art. Der Grundunterschied ist, daß es in diesen Laͤndern starke centrale Gewalten gab, welche an jeder Bewegung selbstthaͤtigen Antheil nahmen, die religioͤsen Unternehmun- gen leiteten, und von dem Widerstand unmittelbar beruͤhrt wurden. Die Verhaͤltnisse haben deshalb eine groͤßere Einheit, die Unternehmungen mehr Zusammenhang und Nachdruck. Man weiß, wie mancherlei Maaßregeln Philipp II. im Anfange seiner Regierung in den Niederlanden zur Ein- fuͤhrung eines vollkommenen Gehorsams ergriff; von ei- ner nach der andern mußte er abstehn: nur an denen hielt er mit unerbittlicher Strenge fest, die zur Behaup- tung des Katholicismus, der geistlichen Einheit dienen sollten. Durch die Errichtung neuer Erzbisthuͤmer und Bis- thuͤmer veraͤnderte er die geistliche Verfassung des Landes Gewaltthaͤtigkeiten in den Niederlanden . vollkommen: keinen Widerspruch ließ er sich darin stoͤren, keine Berufung auf Rechte, die er allerdings dadurch verletzte. Diese Bisthuͤmer bekamen aber eine doppelte Bedeu- tung, seitdem das tridentinische Concilium die Kirchendis- ciplin so ausnehmend geschaͤrft hatte. Nach kurzem Beden- ken nahm Philipp II. die Decrete des Conciliums an, und ließ sie auch in den Niederlanden verkuͤndigen. Das Le- ben, das bisher Mittel gefunden sich ohne großen Zwang zu bewegen, sollte unter scharfe Aufsicht genommen, und auf das strengste einer Form unterworfen werden, der es eben sich zu entziehen im Begriff stand. Dazu kamen nun die Strafbefehle, deren in den Nie- derlanden schon unter der vorigen Regierung so viele ge- geben worden, der Eifer der Inquisitoren, den das neue roͤmische Tribunal von Tag zu Tag mehr anspornte. Die Niederlaͤnder unterließen nichts, um den Koͤnig zu einer Milderung seiner Strenge zu bewegen, und zu- weilen schien es wohl, als sey er dazu geneigt: Graf Eg- mont glaubte bei seiner Anwesenheit in Spanien Zusiche- rungen davon empfangen zu haben. Jedoch es war schon an sich schwer zu erwarten. Wir beruͤhrten, wie sehr die Herrschaft Philipps II. allenthalben auf einem geistlichen Moment beruhte: haͤtte er den Niederlaͤndern Concessionen gemacht, so wuͤrde man deren auch in Spanien gefordert haben, wo er sie niemals gewaͤhren konnte. Es lag auch uͤber ihm — verkennen wir es nicht — eine zwingende Nothwendigkeit. Aber außerdem waren dieß die Zeiten, in welchen die Erhebung und die ersten Handlungen Pius V. in der ganzen katholischen Christenheit einen neuen Eifer Buch V. Gegenreformationen . hervorbrachten: auch Philipp II. fuͤhlte eine ungewohnte Hingebung fuͤr diesen Papst, und lieh seinen Ermahnungen ein offenes Ohr: eben schlug man den Anfall der Tuͤrken von Malta ab, und die Devoten, die Feinde der Niederlaͤn- der moͤgen, wie der Prinz von Oranien vermuthet, den Ein- druck des Sieges benutzt haben, um den Koͤnig zu einem heftigen Entschluß zu bringen Der Prinz hat Granvella in Verdacht. S. sein Schreiben in den Archives de la maison d’Orange-Nassau I, 289. . Genug gegen Ende 1565 erfolgte ein Edict das alle vorhergegangenen an Strenge uͤbertraf. Die Strafbefehle, die Schluͤsse des Conciliums und der seitdem gehaltenen Provinzialsynoden sollten unverbruͤch- lich gehandhabt, allein von den Inquisitoren die Erkennt- niß uͤber geistliche Vergehen ausgeuͤbt werden. Alle Be- hoͤrden wurden angewiesen, dazu Beistand zu leisten. In jeder Provinz sollte ein Commissar uͤber die Ausfuͤhrung dieser Anordnung wachen, und daruͤber von drei Monat zu drei Monat Bericht erstatten Strada nach einer Formel vom 18. Dez. 1565. lib. IV, p. 94. . Es liegt am Tage, daß hiedurch eine geistliche Regie- rung eingefuͤhrt werden mußte, wenn nicht ganz wie in Spanien, doch gewiß wie in Italien. Hieruͤber geschah es, daß sich das Volk bewaffnete, der Bildersturm ausbrach, das ganze Land in Feuer und Flamme gerieth; — es kam ein Augenblick, wo die Staats- gewalt sogar zur Nachgiebigkeit genoͤthigt wurde. Aber wie es zu geschehen pflegt, die Gewaltsamkeiten zerstoͤrten ihren eigenen Zweck: die gemaͤßigten und ruhigen Einwoh- Gewaltthaͤtigkeiten in den Niederlanden . ner wurden dadurch erschreckt und der Regierung Huͤlfe zu leisten bewogen: die Oberstatthalterin behielt den Sieg: nach- dem sie die rebellischen Ortschaften eingenommen, durfte sie bereits wagen, den Beamten, ja den Lehnsleuten des Koͤ- nigs uͤberhaupt einen Eid vorzulegen, durch den sie sich zur Erhaltung des katholischen Glaubens, zur Bekaͤmpfung der Ketzer foͤrmlich verpflichteten Brandt: Histoire de la réformation des pays bas I, 156. . Dem Koͤnige aber schien dieß noch nicht genug. Es war der ungluͤckliche Moment, in welchen die Katastro- phe seines Sohnes Don Carlos faͤllt: nie war er stren- ger, unbeugsamer. Der Papst ermahnte ihn noch einmal, kein Zugestaͤndniß zum Nachtheil des Katholicismus zu machen: der Koͤnig versicherte S. Heiligkeit, „er werde nicht dulden, daß die Wurzel einer boͤsartigen Pflanze in den Niederlanden verbleibe: er wolle die Provinzen entwe- der verlieren oder die katholische Religion darin aufrecht erhalten“ Cavalli Dispaccio di Spagna 7 Ag. 1567: Rispose il re, che quanto alle cose della religione S. Santità stasse di buon animo, che ovvero si han da perder tutti quei stati o che si conserverà in essi la vera cattolica religione, nè comporterà che vi rimanghi, per quanto potrà far lui, alcuna radice di mala pianta. . Um seine Absichten zu vollbringen, schickte er noch, nachdem die Unruhen beigelegt waren, seinen be- sten Feldherrn, den Herzog von Alba, und ein treffliches Heer in die Niederlande hinuͤber. Fassen wir wenigstens den Grundgedanken auf, aus welchem das Verfahren Alba’s hrrvorging. Alba war uͤberzeugt, daß man in gewaltsamen, revo- Buch V. Gegenreformationen . lutionaͤren Bewegungen eines Landes alles ausrichte, wenn man sich der Haͤupter entledige. Daß Carl V. nach so vielen und großen Siegen aus dem deutschen Reiche doch so gut wie verstoßen worden war, leitete er von der Nachsicht die- ses Fuͤrsten her, der die Feinde, welche in seine Hand gefal- len, verschont habe. Es ist oft von der Verbindung die Rede gewesen, welche im Jahre 1565 bei der Zusammen- kunft von Bayonne zwischen Franzosen und Spaniern ge- geschlossen worden, von den Verabredungen, die man da getroffen habe: von allem, was man daruͤber gesagt hat, ist nur so viel gewiß, daß der Herzog von Alba die Koͤnigin von Frankreich aufforderte, sich der Oberhaͤupter der Hu- genotten, auf welche Weise auch immer, zu entledigen. Was er damals gerathen, trug er kein Bedenken, jetzt selbst aus- zufuͤhren. Philipp II. hatte ihm einige mit der koͤnigli- chen Unterschrift versehene Blanquets mitgegeben. Der erste Gebrauch, den er davon machte, war, daß er Egmont und Horn gefangen setzen ließ, von denen er annahm, daß sie an den vorigen Bewegungen Schuld gehabt. „Heilige ka- tholische Majestaͤt,“ faͤngt der Brief an, den er an den Koͤnig hieruͤber schrieb, und der doch zu beweisen scheint, daß er dazu keinen ausdruͤcklichen Befehl hatte, „nachdem ich in Bruͤs- sel angelangt bin, habe ich gehoͤrigen Orts die noͤthigen Erkundigungen eingezogen, und mich darauf des Grafen von Egmont versichert, auch den Grafen von Horn und einige Andere verhaften lassen.“ Dispaccio di Cavalli 16 Sett. Die bisherige Regentin ließ sich uͤber die Gefangennehmung bei dem Koͤnige beklagen. Der Koͤnig antwortete: er habe sie nicht befohlen. Um dieß zu bewei- Will man wissen, Gewaltthaͤtigkeiten in den Niederlanden . weshalb er das Jahr darauf die Gefangenen zur Hinrich- tung verurtheilte? Es war nicht etwa eine aus dem Pro- ceß entsprungene Ueberzeugung ihrer Schuld: — es fiel ihnen mehr zur Last, daß sie die Bewegungen nicht ver- hindert, als daß sie dieselben veranlaßt hatten: auch war es kein Befehl des Koͤnigs, der es vielmehr dem Herzog uͤberließ, die Execution zu vollziehen oder auch nicht, je nachdem er es fuͤr dienlicher halte: — der Grund war folgender. Eine kleine Schaar Protestanten war in dem Lande eingedrun- gen: zwar hatte sie nichts von Bedeutung ausgerichtet, aber bei Heiligerlee hatte sie doch einen Vortheil erfoch- ten, und ein koͤniglicher Feldhauptmann von vielem Ruf, der Herzog von Arenberg, war dabei geblieben. In sei- nem Schreiben an den Koͤnig sagt nun Alba: er habe be- merkt, daß das Volk durch diesen Unfall in Gaͤhrung ge- rathen und trotzig geworden sey: er habe es fuͤr nothwen- dig gehalten, den Leuten zu zeigen, daß er sie nicht fuͤrchte, in keinerlei Weise: auch habe er ihnen die Lust benehmen wollen, durch neue Unruhen die Befreiung der Gefange- nen zu bewerkstelligen: so sey er zu dem Entschluß gekom- men, die Execution sofort an ihnen vollziehen zu lassen. So mußten die edlen Maͤnner sterben, deren ganzes Ver- sen, zeigte er den Brief von Alba vor: von dem uns die beweisende Stelle hiebei mitgetheilt wird. Sie lautet: Sacra cattolica Maestà, da poi ch’ io gionsi in Brusselles, pigliai le information da chi dovea delle cose di qua, onde poi mi son assicurato del conte di Agmon e fatto ritener il conte d’Orno con alquanti altri. Sarà ben che V. M. per bon rispetto ordini ancor lei che sia fatto l’istesso di Montigni (der in Spanien war) e suo ajutante di camera. — Hierauf erfolgte die Gefangennehmung Montigny’s. Buch V. Gegenreformationen . brechen in der Vertheidigung der althergebrachten Freihei- ten ihres Vaterlandes bestand, an denen keine todeswuͤrdige Schuld zu entdecken war: mehr der momentanen Ruͤck- sicht einer trotzigen Politik als dem Rechtsprincip zum Opfer fielen sie. Eben damals erinnerte sich Alba an Carl V. , dessen Fehler er nicht auch begehn wollte Cavalli theilt beim 3. Juli 1568 auch dieß Schreiben im Aus- zuge mit. Es ist wo moͤglich noch merkwuͤrdiger als das obige. Ca- pitò qui l’avviso della giustitia fatta in Fiandra contra di quelli poveri Signori prigioni, intorno alla quale scrive il D. d’Alva, che habendo facoltà di S. M. di far tal esecutione o soprastare secondo che havesse riputato più espediente del suo servitio, che però vedendo li popoli un poco alterati et insuperbiti per la morte d’Arenberg e rotta di quelli Spagnoli, havea giudicato tempo opportuno e necessario per tal effetto per dimostrar di non temer di loro in conto alcuno, e poner con questo terrore a molti levandoli la speranza di tumultuar per la loro libera- tione, e fuggir di cascar nell’ errore nel quale incorse l’impera- tore Carlo, il qual per tener vivo Saxonia e Langravio diede oc- casione di nova congiura, per la quale S. M. fu cacciata con poca dignità della Germania e quasi dell’ impero. . Wir sehen, Alba war grausam aus Grundsatz. Wer haͤtte vor dem furchtbaren Tribunal, das er unter dem Na- men des Rathes der Unruhen einrichtete, Gnade gefunden? Mit Verhaftungen und Executionen regierte er die Provin- zen: die Haͤuser der Verurtheilten riß er nieder: ihre Guͤter zog er ein. Mit den kirchlichen verfolgte er zugleich die po- litischen Zwecke: die alte Gewalt der Staͤnde bedeutete nichts mehr: spanische Truppen erfuͤllten das Land, und in der wichtigsten Handelsstadt ward ihnen eine Citadelle errich- tet: mit hartnaͤckigem Eigensinn bestand Alba auf die Ein- treibung der verhaßtesten Abgaben: und in Spanien wun- Gewaltthaͤtigkeiten in Frankreich . derte man sich nur — denn auch von dort zog er bedeutende Summen — was er mit alle dem Gelde mache; aber wahr ist es: das Land war gehorsam: kein Mißvergnuͤgter ruͤhrte sich: jede Spur des Protestantismus verschwand: die Ver- jagten in der Nachbarschaft hielten sich stille. „Monsignore,“ sagte waͤhrend dieser Ereignisse ein geheimer Rath Philipps II. zu dem paͤpstlichen Nuntius, „seyd ihr nun mit dem Verfahren des Koͤnigs zufrieden?“ Der Nuntius erwiederte laͤchelnd: „ganz zufrieden.“ Alba selbst glaubte ein Meisterstuͤck ausgefuͤhrt zu ha- ben. Nicht ohne Verachtung blickte er auf die franzoͤsische Regierung, welche in ihrem Lande niemals Herr zu wer- den vermochte. In Frankreich war nemlich, nach jenem großen Auf- schwunge des Protestantismus, im Jahre 1562 vor allem in der Hauptstadt eine starke Reaction gegen denselben her- vorgetreten. Was dem Protestantismus in Frankreich den groͤßten Schaden that, war ohne Zweifel, daß er sich mit den Factionen des Hofes in so enges Verhaͤltniß setzte. Eine Zeitlang schien sich alles zu dem Bekenntniß hinzuneigen; als aber seine Anhaͤnger zu den Waffen griffen und Ge- waltsamkeiten begingen, wie sie nun einmal vom Kriege unzertrennlich sind, verloren sie die Gunst der oͤffentlichen Meinung. Was ist das fuͤr eine Religion? fragte man, wo hat Christus befohlen, den Naͤchsten zu berauben, sein Blut zu vergießen? Besonders als man sich in Paris ge- Buch V. Gegenreformationen . gen die Angriffe Cond é ’s in Vertheidigungsstand setzte, be- kamen alle Anstalten eine antiprotestantische Farbe. Die waffenfaͤhige Mannschaft der Stadt ward militaͤrisch or- ganisirt: die Capitaͤne denen man sie unterwarf mußten vor allen Dingen katholisch seyn. Die Mitglieder der Uni- versitaͤt, des Parlamentes, die so zahlreiche Classe der Ad- vocaten eingeschlossen, mußten eine Glaubensformel von rein katholischem Inhalte unterzeichnen. Unter dem Einfluß dieser Stimmung setzten sich die Jesuiten in Frankreich fest. Sie fingen hier ziemlich klein an: sie mußten sich mit Collegien in Billon, Tournon, die ihnen ein paar geistliche Herrn, ihre Verehrer, eroͤffneten, begnuͤgen, Orten, vom Mittelpunkte des Landes entfernt, wo sich niemals etwas Bedeutendes ausrichten ließ. In den großen Staͤdten, vor allem in Paris, fanden sie an- fangs den hartnaͤckigsten Widerstand. Sorbonne, Parla- ment, Erzbischof, die sich saͤmmtlich durch ihre Privilegien beeintraͤchtigt glaubten, waren wider sie. Da sie aber die Gunst der eifrigen Katholiken und besonders des Hofes er- warben, der dann nicht muͤde ward sie zu empfehlen, „wegen ihres musterhaften Lebens, ihrer reinen Lehre, so daß viele Abgewichene durch sie zum Glauben zuruͤckge- fuͤhrt worden, und Orient und Occident durch ihre Be- muͤhung das Angesicht des Herrn erkenne“ In einer Handschrift der Berliner Bibliothek Mss. Gall. nr. 75 findet sich unter andern auch folgendes Stuͤck: Deliberations et consultations au parlement de Paris touchant l’establissement des Jesuites en France, in welchem besonders die Botschaften des Hofes an das Parlament zu Gunsten der Jesuiten enthalten sind: , da jene Gewaltthaͤtigkeiten in Frankreich . Veraͤnderung der Meinung hinzutrat, so drangen sie end- lich durch, und gelangten in dem Jahre 1564 zu dem Rechte zu unterrichten. Da hatte sich ihnen auch schon Lyon eroͤffnet. War es mehr Gluͤck oder mehr Verdienst: sie vermochten sogleich mit ein paar glaͤnzenden Talenten aufzutreten. Den hugenottischen Predigern setzten sie Ed- mund Augier entgegen, der in Frankreich geboren, aber in Rom unter Ignatius erzogen war, von dem die Pro- testanten selbst gesagt haben sollen, haͤtte er nicht den ka- tholischen Ornat an seinem Leibe, so wuͤrde es nie einen groͤßern Redner gegeben haben: — er brachte durch Rede und Schrift einen ungemeinen Eindruck hervor. Nament- lich in Lyon wurden die Hugenotten vollkommen besiegt: ihre Prediger verjagt, ihre Kirchen zerstoͤrt, ihre Buͤcher verbrannt: den Jesuiten dagegen ward 1567 ein praͤchtiges Collegium errichtet. Auch einen ausgezeichneten Professor hatten sie, Maldonat, dessen Bibelerklaͤrung die Jugend in Schaaren herbeizog und fesselte. Von diesen Hauptstaͤdten nun durchzogen sie das Reich nach allen Richtungen: in Toulouse, in Bourdeaux siedelten sie sich an: allenthalben, wo sie erschienen, wuchs die Zahl der katholischen Com- municanten. Einen ungemeinen Beifall erwarb sich der Ka- techismus des Augier: binnen 8 Jahren sind allein in Paris 38000 Exemplare desselben verkauft worden Man findet diese Notizen bei Orlandinus und seinen Fort- setzern Pars I, lib. VI, nr. 30. II, IV, 84. III, III, 169 u. f. — Juvencius V, 24, 769 theilt eine Lebensbeschreibung von Au- gier mit. . — „infracta et ferocia pectora,“ heißt es darin, „gladio fldei acuto penetrarunt.“ Buch V. Gegenreformationen . Wohl moͤglich, daß diese Wiederaufnahme der katho- lischen Ideen, zumal da sie sich besonders in der Haupt- stadt vollzog, auch auf den Hof gewirkt hat. Wenigstens gewaͤhrte sie ihm eine Stuͤtze mehr, als er sich im Jahre 1568 nach langem Schwanken wieder einmal entschlossen katholisch erklaͤrte. Es hing das besonders davon ab, daß Catharina Me- dici seit dem Eintritt der Volljaͤhrigkeit ihres Sohnes sich um vieles fester in der Gewalt fuͤhlte, und die hugenotti- schen Großen nicht mehr zu schonen brauchte, wie fruͤher. Das Beispiel Alba’s zeigte, wie viel sich mit einem stand- haften Willen erreichen lasse: der Papst, der den Hof un- aufhoͤrlich ermahnte die Frechheit der Rebellen nicht noch mehr wachsen zu lassen, ihr keinen Augenblick laͤnger zu- zusehen, fuͤgte seinen Ermahnungen endlich auch die Er- laubniß zu einer Veraͤußerung von Kirchenguͤtern hinzu, aus welcher anderthalb Millionen Livres in die Cassen flos- sen Catena: Vita di Pio V p. 79. . Und so legte Catharina Medici, ungefaͤhr wie ein Jahr fruͤher die Statthalterin in den Niederlanden, dem franzoͤsischen Adel einen Eid vor, kraft dessen er jeder Ver- bindung entsagen sollte, die ohne Vorwissen des Koͤnigs geschlossen sey Der Eid bei Serranus: Commentarii de statu religionis in regno Galliae III, 153. : sie forderte die Entfernung aller Magi- strate in den Staͤdten, die sich neuer Meinungen verdaͤchtig gemacht: sie erklaͤrte im September 1563 Philipp II. , sie werde keine Religion dulden, als die katholische. Ein Entschluß, der sich in Frankreich nicht ohne Ge- walt Gewaltthaͤtigkeiten in Frankreich . walt der Waffen durchsetzen ließ. Auf der Stelle brach der Krieg aus. Er ward von der katholischen Seite mit außerordent- lichem Eifer unternommen. Der Koͤnig von Spanien schickte den Franzosen auf Bitten des Papstes geuͤbte und wohlangefuͤhrte Truppen zu Huͤlfe. Pius V. ließ Col- lecten im Kirchenstaat, Beisteuern von den italienischen Fuͤrsten einsammeln, ja er selbst der heilige Vater schickte auch seinerseits eine kleine Armee uͤber die Alpen, eben die, der er jene grausame Weisung gab, jeden Hugenotten zu toͤdten, der in ihre Haͤnde gerathe, keinen Pardon zu er- theilen. Auch die Hugenotten nahmen sich zusammen: auch sie waren voll religioͤsen Eifers; in den paͤpstlichen Soldaten sahen sie das Heer des Antichrists, das gegen sie heran- ruͤcke: auch sie gaben keinen Pardon: an auswaͤrtiger Huͤlfe fehlte es ihnen eben so wenig: — jedoch bei Moncontour wurden sie voͤllig geschlagen. Mit welcher Freude stellte Pius V. dann die erober- ten Standarten die man ihm zugesandt in St. Peter und St. Johann Lateran auf! Er faßte die kuͤhnsten Hoffnun- gen. Eben unter diesen Umstaͤnden war es, daß er die Excommunication der Koͤnigin Elisabeth aussprach. Er schmeichelte sich zuweilen mit dem Gedanken, eine Unter- nehmung gegen England noch einmal persoͤnlich anzu- fuͤhren. So weit kam es nun freilich nicht. Wie es so oft geschehen, trat auch jetzt am franzoͤsi- schen Hofe ein Umschwung der Stimmung ein, der auf Päpste* 5 Buch V. Gegenreformationen . leichtem persoͤnlichen Verhaͤltniß beruhend, eine große Ver- aͤnderung in den wichtigsten Angelegenheiten herbeifuͤhrte. Der Koͤnig mißgoͤnnte seinem Bruder, Herzog von Anjou, der bei Moncontour angefuͤhrt hatte, die Ehre die Hugenotten zu besiegen, das Koͤnigreich zu beruhigen. Seine Umgebung bestaͤrkte ihn darin: auch sie war auf die Um- gebung Anjous eifersuͤchtig. Mit der Ehre, fuͤrchteten sie, wuͤrde die Gewalt Hand in Hand gehn. Nicht al- lein wurden nun die erfochtenen Vortheile auf das lang- samste verfolgt: in kurzem trat der streng katholischen Par- tei, die sich um Anjou sammelte, an dem Hofe eine an- dere, gemaͤßigte entgegen, welche eine gerade entgegengesetzte Politik einschlug. Sie schloß Frieden mit den Hugenot- ten, und zog die Haͤupter derselben an den Hof. Im Jahre 1569 hatten die Franzosen im Bunde mit Spanien und dem Papst die Koͤnigin von England zu stuͤrzen gesucht: im Sommer 1572 sehen wir sie im Bunde mit derselben Koͤnigin, um den Spaniern die Niederlande zu entreißen. Indeß war doch dieß eine zu rasche, zu wenig vorberei- tete Veraͤnderung, als daß sie sich haͤtte halten koͤnnen. Die gewaltsamste Explosion erfolgte, unter der zuletzt al- les wieder in den fruͤheren Gang einbog. Es ist wohl nicht anders, als daß die Koͤnigin Ca- tharina Medici, waͤhrend sie auf die Politik, die Plaͤne der herrschenden Partei, die wenigstens zum Theil, in so- fern sie ihren juͤngsten Sohn Alen ç on auf den Thron von England befoͤrdern zu muͤssen schienen, auch in ihrem In- teresse lagen, nicht ohne Lebhaftigkeit und Waͤrme einging, dennoch alles zur Ausfuͤhrung eines entgegengesetzten Schla- Gewaltthaͤtigkeiten in Frankreich . ges vorbereitete. Sie trug, so viel sie konnte, dazu bei, daß die Hugenotten nach Paris kamen: so zahlreich sie auch waren, so wurden sie doch hier von einer bei wei- tem uͤberlegenen, militaͤrisch organisirten, fanatisch erregba- ren Population umgeben und festgehalten. Schon in Vor- aus ließ sie dem Papst ziemlich deutlich anzeigen, was sie hiemit beabsichtige. Haͤtte sie aber auch noch gezweifelt, so wuͤrden die Umstaͤnde sie haben bestimmen muͤssen, wel- che in diesem Momente eintraten. Den Koͤnig selbst ge- wannen die Hugenotten: das Ansehen der Mutter schienen sie zu uͤberwinden, zu verdraͤngen: in dieser persoͤnlichen Gefahr zoͤgerte sie nicht laͤnger. Mit der unwiderstehlichen und ma- gischen Gewalt, die sie uͤber ihre Kinder ausuͤbte, erweckte sie in dem Koͤnige den ganzen Fanatismus, der in ihm schlief: es kostete ihr ein Wort, um das Volk in die Waf- fen zu bringen: sie sprach es aus: von den vornehmsten Hugenotten ward jeder seinem persoͤnlichen Feinde zugewie- sen. Catharina hat gesagt, sie habe nur sechs Menschen um- zubringen gewuͤnscht: nur deren Tod nehme sie auf ihr Gewissen: es sind bei 50000 umgebracht worden Ich beziehe mich hiebei der Kuͤrze wegen auf meine Ab- handlung uͤber die Bartholomaͤusnacht in der histor. polit. Zeit- schrift II, III. . Und so uͤberboten die Franzosen noch die niederlaͤn- dischen Unternehmungen der Spanier. Was Diese mit berechnendem Calcul, unter den gesetzlichen Formen, nach und nach vollfuͤhrten, setzten Jene in der Hitze der Leiden- schaft, ohne alle Form, mit Huͤlfe fanatisirter Massen ins Werk. Der Erfolg schien derselbe zu seyn. Es war kein 5* Buch V. Gegenreformationen . Oberhaupt uͤbrig, zu dessen Namen die zerstreuten Huge- notten sich haͤtten sammeln koͤnnen: Viele flohen: Unzaͤh- lige ergaben sich: von Ort zu Ort ging man wieder in die Messe: die Predigten verstummten. Mit Vergnuͤgen sah sich Philipp II. nachgeahmt und uͤbertroffen: — er bot Carl IX. , der nun erst ein Recht auf den Titel eines al- lerchristlichsten Koͤnigs erworben habe, zur Vollendung die- ser Unternehmung die Kraft seines Armes an. Papst Gre- gor XIII. beging den großen Erfolg durch eine feierliche Procession nach San Luigi. Die Venezianer, die hiebei kein besonderes Interesse zu haben schienen, druͤcken in amt- lichen Schreiben an ihre Gesandten ihr Wohlgefallen „an dieser Gnade Gottes“ aus. Koͤnnten aber wohl Attentate von so blutiger Natur jemals gelingen? Widerstreiten sie nicht dem tiefern Ge- heimniß der menschlichen Dinge, den unbegriffenen, in dem Innern wirksamen, unverletzlichen Principien der ewi- gen Weltordnung? Die Menschen koͤnnen sich verblenden: das Gesetz der geistigen Weltordnung koͤnnen sie nicht er- schuͤttern, auf dem ihr Daseyn beruht. Mit der Nothwen- digkeit beherrscht es sie, die den Gang der Gestirne regelt. Widerstand der Protestanten in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Macchiavell giebt seinem Fuͤrsten den Rath, die Grau- samkeiten, die er fuͤr noͤthig halte, rasch hintereinander zu vollziehen: hierauf aber allmaͤhlig die Gnade eintreten zu lassen. Widerstand der Protest. in den Niederlanden . Es schien fast, als wollten die Spanier in den Nie- derlanden diese Lehre woͤrtlich befolgen. Es schien, als faͤnden sie am Ende selbst, daß Guͤter genug eingezogen, Koͤpfe genug abgeschlagen worden: daß die Zeit der Gnade gekommen sey. Im Jahre 1572 ist der venezianische Gesandte in Madrid uͤberzeugt, daß Ora- nien Verzeihung erhalten wuͤrde, wenn er darum bitten sollte. Der Koͤnig empfaͤngt die niederlaͤndischen Deputir- ten, welche gekommen sind, ihn um die Zuruͤcknahme der Auflage des zehnten Pfennigs zu ersuchen, mit vieler Guͤte, und dankt ihnen sogar fuͤr ihre Bemuͤhungen: er hatte be- schlossen Alba zuruͤckzurufen und einen milderen Statthal- ter hinuͤberzusenden. Jedoch schon war es zu spaͤt. Noch in Folge jener franzoͤsisch-englischen Verbindung, welche der Bluthochzeit vorausging, brach die Empoͤrung aus. Alba hatte geglaubt, am Ende zu seyn: der Kampf fing jedoch nun erst eigent- lich an: Alba schlug den Feind, so oft er ihn im offenen Felde traf: dagegen an den Staͤdten von Holland und Seeland, wo die religioͤse Bewegung am tiefsten gegriffen und der Protestantismus sich sogleich zu lebendigen Orga- nisationen gestaltet hatte, fand er einen Widerstand, den er nicht zu uͤberwinden vermochte. Als in Harlem alle Lebensmittel ausgegangen, bis auf das Gras, das zwischen den Steinen waͤchst, beschlossen die Einwohner noch sich mit Weib und Kind durchzuschla- gen: zwar noͤthigte sie die Zwietracht ihrer Besatzung zu- letzt Gnade anzunehmen: aber sie hatten doch gezeigt, daß man den Spaniern widerstehn koͤnne. In Alkmar schloß Buch V. Gegenreformationen . man sich erst in dem Augenblicke an den Prinzen von Ora- nien, als der Feind schon vor den Thoren angekommen; so heldenmuͤthig wie der Entschluß, war die Vertheidigung: es waͤre Keiner vom Platz gewichen, er waͤre denn schwer verwundet gewesen: vor diesen Waͤllen zuerst scheiterten die Angriffe der Spanier. Das Land schoͤpfte Athem: ein neuer Muth erfuͤllte die Gemuͤther. Die Leidener erklaͤr- ten, ehe sie sich ergaͤben, wuͤrden sie lieber ihren linken Arm aufessen, um sich indeß mit dem rechten noch zu ver- theidigen. Sie faßten den kuͤhnen Anschlag, die Wogen der Nordsee wider die Belagerer zu Huͤlfe zu rufen, ihre Daͤmme zu durchstechen. Schon hatte ihr Elend den hoͤchsten Grad erreicht, als ein im rechten Augenblicke eintreffender Nord- west das Meer ein paar Fuß hoch in das Land trieb und den Feind verjagte. Da hatten auch die franzoͤsischen Protestanten sich wie- der ermannt. Sobald sie wahrnahmen, daß ihre Regie- rung, jenem wilden Anlauf zum Trotz, schwanke, zaudere, widersprechende Maaßregeln ergreife, setzten sie sich zur Wehre, und aufs neue kam es zum Kriege. Wie Leiden und Alkmar so vertheidigten sich Sancerre und Rochelle. Die friedfertige Predigt rief zu den Waffen. Die Frauen stritten mit den Maͤnnern in die Wette. Es war die Hel- denzeit des westeuropaͤischen Protestantismus. Jenen Greuelthaten, wie sie von den maͤchtigsten Fuͤr- sten begangen oder gutgeheißen worden, setzte sich an ein- zelnen namenlosen Punkten ein Widerstand entgegen, den keine Gewalt zu bezwingen vermochte, dessen geheimnißvol- ler Ursprung die Tiefe religioͤser Ueberzeugung selber war. Widerstand der Protestanten in Frankreich . Und nun kann es hier nicht unsere Absicht seyn, Gang und Wechselfaͤlle des Krieges in Frankreich und den Nie- derlanden zu beobachten: es wuͤrde uns zu weit von dem Mittelpunkte unsers Gegenstandes entfernen: auch ist es in vielen andern Buͤchern beschrieben: — genug die Pro- testanten hielten sich. In Frankreich mußte sich die Regierung bereits 1573 und darauf in den folgenden Jahren mehrere Male zu Ver- traͤgen entschließen, welche den Hugenotten die alten Zuge- staͤndnisse erneuerten. In den Niederlanden war im Jahre 1576 die Macht der Regierung voͤllig in sich zerfallen. Da die spanischen Truppen, denen man ihren Sold nicht gezahlt, in offener Empoͤrung waren, hatten sich alle Provinzen wider sie ver- einigt, die getreu verbliebenen mit den abgefallenen, die noch zum groͤßern Theil katholischen mit den voͤllig protestanti- schen. Die Generalstaaten nahmen die Verwaltung selbst in ihre Hand: ernannten Generalcapitaͤne, Statthalter, Magi- strate, besetzten die festen Plaͤtze mit ihren, nicht mit des Koͤnigs Truppen Besonders wird diese Wendung der Dinge bei Tassis deut- lich III, 15—19. . Der Bund zu Gent ward geschlos- sen, in welchem die Provinzen einander versprachen, die Spanier zu vertreiben und entfernt zu halten. Der Koͤ- nig schickte seinen Bruder, der fuͤr einen Landsmann, einen Niederlaͤnder gelten konnte, hinuͤber, um sie zu regieren, wie sie Carl V. regiert hatte. Aber Don Johann ward nicht einmal anerkannt, ehe er nicht die vornehmsten For- derungen, die man ihm machte, zu erfuͤllen versprach: die Buch V. Gegenreformationen . Genter Pacification mußte er annehmen, die spanischen Truppen entlassen; und kaum regte er sich, von dem ge- spannten Zustand gedraͤngt, so erhob sich alles wider ihn: er ward fuͤr einen Feind des Landes erklaͤrt, und die Ober- haͤupter der Provinzen beriefen einen andern Prinzen des Hauses an seine Stelle. Das Princip der localen Gewalt bekam die Oberhand uͤber das fuͤrstliche: das einheimische trug den Sieg davon uͤber das spanische. Nothwendigerweise waren hiemit noch andere Folgen verknuͤpft. Einmal erlangten die noͤrdlichen Provinzen, welche den Krieg gefuͤhrt und dadurch diese Lage der Dinge moͤglich gemacht, ein natuͤrliches Uebergewicht in den Sachen des Kriegs und der Verwaltung: aber eben hiedurch ge- schah es dann, daß sich die reformirte Religion uͤber die gesammten Niederlande ausbreitete. In Mecheln, Bruͤgge, Ypern drang sie ein: in Antwerpen theilte man bereits die Kirchen nach den Bekenntnissen, und die Katholischen mußten sich zuweilen mit den Choͤren der Kirchen begnuͤgen, die sie so eben ganz besessen: in Gent verschmolz die protestantische Ten- denz mit einer buͤrgerlichen Bewegung, und behielt das Uebergewicht vollkommen. In der Pacification war der alte Zustand der katholischen Kirche im Ganzen gewaͤhr- leistet worden; jetzt erließen die Generalstaaten ein Reli- gionsedict, welches beiden Bekenntnissen gleiche Freiheit ge- stattete. — Allenthalben, auch in den Provinzen die am meisten katholisch waren, traten seitdem protestantische Re- gungen hervor: man konnte erwarten, daß der Protestan- tismus den Sieg uͤberall davon tragen wuͤrde. Widerstand der Protestanten in Deutschland . Welch eine Stellung nahm nun der Prinz von Ora- nien ein: vor kurzem noch exilirt und der Begnadigung beduͤrftig: jetzt im Besitz einer wohlgegruͤndeten Gewalt in den noͤrdlichen Provinzen, Ruwart in Brabant, allmaͤchtig in der Versammlung der Staͤnde: von einer großen kirch- lich politischen Partei, die im Vordringen begriffen war, als ihr Haupt und Fuͤhrer anerkannt: mit allen Protestan- ten in Europa in engem Bunde: zunaͤchst mit seinen Nach- barn, den deutschen. Denn auch in Deutschland trat den Angriffen der Katholiken von protestantischer Seite ein Widerstand ent- gegen, der noch immer große Aussichten hatte. Wir finden ihn in den allgemeinen Verhandlungen, bei den Versammlungen der Churfuͤrsten, auf den Reichstagen: doch bringt er es hier der Natur der deutschen Geschaͤfte gemaͤß zu keinem rechten Erfolge: hauptsaͤchlich wirft er sich, wie auch der Angriff, in die Territorien, die beson- dern Landschaften. Da kam es nun jetzt, wie wir sahen, am meisten auf die geistlichen Gebiete an. Es gab beinahe keins, wo nicht der Fuͤrst einen Versuch gemacht haͤtte das katholische Princip wieder zur Herrschaft zu erheben. Der Protestan- tismus, der sich auch noch fuͤhlte, antwortete mit dem nicht minder weitaussehenden Beginnen das geistliche Fuͤrsten- thum selbst an sich zu bringen. Im Jahre 1577 bestieg Gebhard Truchseß den erz- bischoͤflichen Stuhl zu Coͤln. Es geschah hauptsaͤchlich Buch V. Gegenreformationen . durch den persoͤnlichen Einfluß des Grafen Nuenar auf das Capitel, und sehr wohl wußte dieser große Protestant, wer es war, den er empfahl. In der That bedurfte es nicht erst, wie man gesagt hat, der Bekanntschaft Gebhards mit Agnes von Mansfeld, um ihm eine anti-katholische Rich- tung zu geben. Gleich bei seinem feierlichen Einzug in Coͤln, als ihm die Clerisey in Procession entgegenkam, stieg er nicht vom Pferde, um, wie es das Herkommen wollte, das Kreuz zu kuͤssen: in der Kirche erschien er im Solda- tenrock: es gefiel ihm nicht, das Hochamt zu halten. Von allem Anfang hielt er sich an den Prinzen von Oranien: seine vornehmsten Raͤthe waren Calvinisten Maffei: Annali di Gregorio XIII. T. I, p. 331. : und da er nun kein Bedenken trug Verpfaͤndungen vorzunehmen, um Truppen zu werben, sich des Adels zu versichern suchte, auch unter den Coͤlner Zuͤnften eine Partei beguͤnstigte, die sich den katholischen Gebraͤuchen zu widersetzen anfing, so ließ sich alles zu der Absicht an, mit der er spaͤter wirk- lich hervortrat, das geistliche Churfuͤrstenthum in ein welt- liches zu verwandeln. Gebhard Truchseß war zur Zeit wenigstens noch aͤu- ßerlich katholisch. Die benachbarten Stifter in Westpha- len und Niedersachsen dagegen geriethen, wie wir schon be- merkten, unmittelbar in protestantische Haͤnde. Von be- sonderer Bedeutung war das Aufkommen Herzog Hein- richs von Sachsen-Lauenburg. Noch in sehr jungen Jah- ren war er, obwohl ein guter Lutheraner, zu dem Erz- bisthum Bremen, hierauf zu dem Bisthum Osnabruͤck, 1577 auch zu dem Bisthum Paderborn postulirt wor- Widerstand der Protestanten in Deutschland . den Hamelmann: Oldenburgisches Chronikon S. 436. . Schon hatte er selbst in Muͤnster eine große Par- tei, alle juͤngern Mitglieder des Capitels fuͤr sich, und nur durch einen unmittelbaren Eingriff Gregors XIII. , der eine schon geschehene Abdankung fuͤr unguͤltig erklaͤrte, und durch den ernstlichen Widerstand der Strengkatholischen ward seine Erhebung noch verhindert. Aber auch einen andern Bi- schof haͤtte man dort nicht durchsetzen koͤnnen. Man sieht leicht, welch einen Aufschwung bei dieser Ge- sinnung der geistlichen Oberhaͤupter die protestantischen Mei- nungen in Rheinland-Westphalen nehmen mußten, wo sie ohnehin sehr verbreitet waren. Es bedurfte nur einer gluͤcklichen Combination, eines zum Ziel treffenden Schla- ges, um ihnen hier das entschiedene Uebergewicht zu ver- schaffen. Ja auf ganz Deutschland haͤtte dieß eine große Ruͤck- wirkung ausuͤben muͤssen. In dem obern gab es fuͤr die Bisthuͤmer noch die nemlichen Moͤglichkeiten wie in dem niedern: noch war auch innerhalb der Territorien, wo die Restauration angefangen, der Widerstand lange nicht er- stickt. Wie sehr erfuhr ihn jener Abt Balthasar von Fulda! Als die Fuͤrsprache der benachbarten Fuͤrsten, die Beschwerden beim Reichstag nichts halfen, als der Abt ohne irgend eine Ruͤcksicht mit seiner Restauration des Glaubens vorwaͤrts schritt, und von Ort zu Ort ging, um sie allenthalben durchzusetzen, ward er eines Tages, im Sommer 1576, als er sich eben in dieser Absicht in Hamelburg befand, von seinem Adel mit bewaffneter Hand uͤberfallen, in sei- Buch V. Gegenreformationen . nem Hause eingeschlossen, und da alles gegen ihn aufge- bracht war, die Nachbarn es gern sahen, der Bischof von Wuͤrzburg selbst dazu die Hand bot, auf die Regierung seines Landes Verzicht zu leisten gezwungen Schannat: Historia Fuldensis ps. III, p. 268. Vorzuͤg- lich merkwuͤrdig ist das Schreiben des Abtes an Papst Gregor vom 1. August 1576, das dort aus dem vatican. Archiv mitgetheilt ist. „Clamantes,“ sagt er von den Drohungen seiner Feinde, „nisi consentiam, ut administratio ditionis meae episcopo tradatur, non aliter se me ac canem rabidum interfecturos, tum Saxoniae et Hassiae principes in meum gregem immissuros.“ . Auch in Baiern drang doch Herzog Albrecht nicht so- gleich uͤberall durch. Er klagt dem Papst, sein Adel ver- zichte lieber ganz auf das Sacrament, als daß er es un- ter Einer Gestalt nehmen sollte. Aber noch viel wichtiger war, daß in den oͤstreichi- schen Laͤndern der Protestantismus immer mehr zu gesetzli- cher Macht und Anerkennung gedieh. Unter der wohlbe- dachten Leitung Maximilians II. hatte er sich in Ober- und Unteroͤstreich constituirt. Papst Pius V. faßte deshalb ei- nen unaussprechlichen Widerwillen gegen den Kaiser: als einst von dem Kriege desselben gegen die Tuͤrken die Rede war, sagte er geradezu, er wisse nicht, welchem Theile er den Sieg am wenigsten wuͤnschen solle Tiepolo: Relatione di Pio IV e V. Er fuͤgt noch hinzu: In proposito della morte del principe di Spagna apertam te disse il Papa haverla sentita con grandissimo dispiacere, perchè non vorria che li stati del re cattolico capitassero in mano de’ Tedeschi. . Unaufhaltsam drang aber nunmehr der Protestantismus auch in die in- neroͤstreichischen Landschaften vor. Im Jahre 1568 zaͤhlte man in Krain bereits 24 evangelische Pfarren, 1571 war Widerstand der Protestanten in Deutschland . in der Hauptstadt von Steiermark nur noch Ein Katholik im Rathe. An dem Landesherrn, dem Erzherzog Carl, fand das Bekenntniß zwar hier keine Stuͤtze: dieser Fuͤrst fuͤhrte vielmehr die Jesuiten ein, und beguͤnstigte sie nach Kraͤften: aber die Staͤnde waren ihm uͤberlegen Socher: Historia societatis Jesu provinciae Austriae I, IV, 166. 184. V, 33. . Auf den Landtagen, wo die Geschaͤfte der Verwaltung und der Vertheidigung des Landes mit den Religionssachen zusam- menfielen, hatten sie die Oberhand: jede ihrer Bewilli- gungen ließen sie sich durch religioͤse Concessionen verguͤ- ten. Im Jahre 1578 mußte der Erzherzog auf dem Landtage zu Bruck an der Muhr die freie Ausuͤbung der augsburgischen Confession nicht allein in den Gebieten des Adels und der Landherrn, wo er sie ohnehin nicht zu verhindern vermochte, sondern auch in den vier vornehm- sten Staͤdten, Graͤtz, Judenburg, Klagenfurt, Laibach, zu- gestehn Supplication an die Roͤm. Kais. Maj. umb Intercession der dreien Fuͤrstenthuͤmer und Land, bei Lehmann: de pace religionis p. 461, ein Actenstuͤck, durch welches die Darstellung Khevenhillers Ann. Ferdinandei I, 6 rectificirt wird. . Hierauf organisirte sich der Protestantismus in diesen Landschaften eben so, wie in den kaiserlichen. Es ward ein protestantisches Kirchenministerium eingerichtet: eine Kirchen- und Schulordnung nach dem Muster der wuͤrtembergischen beliebt: hie und da, z. B. in St. Veit, schloß man die Katholischen von den Rathswahlen aus Hermann in der Kaͤrntnerischen Zeitschr. V, p. 189. : in den Aemtern der Landschaft ließ man sie nicht mehr zu: Umstaͤnde, unter deren Beguͤnstigung die protestantischen Buch V. Gegenreformationen . Meinungen in jenen Gegenden, so nah bei Italien, erst recht uͤberhand nahmen. Dem Impuls, den die Jesuiten ga- ben, hielt man hier standhaft die Widerpart. In allen oͤstreichischen Provinzen deutscher, slawischer und ungarischer Zunge, mit alleiniger Ausnahme von Ty- rol, konnte man den Protestantismus im Jahre 1578 noch immer als vorwaltend betrachten. Wir sehen wohl: uͤber ganz Deutschland hin setzte er sich dem Fortschritt des Katholicismus mit gluͤcklichem Wi- derstand und eigenem Fortschritt entgegen. Gegensaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Merkwuͤrdige Epoche, in welcher sich die beiden gro- ßen religioͤsen Tendenzen noch einmal mit gleicher Aussicht, es zur Herrschaft zu bringen, gegen einander bewegen. Schon hat sich die Lage der Dinge gegen die fruͤhere wesentlich veraͤndert. Fruͤher suchte man sich mit einander zu vertragen: eine Versoͤhnung war in Deutschland ver- sucht, in Frankreich angebahnt, in den Niederlanden ward sie gefordert: sie schien noch ausfuͤhrbar. Es gab hie und da praktische Duldung. Jetzt aber traten die Gegensaͤtze schaͤrfer und feindseliger einander gegenuͤber. In ganz Eu- ropa riefen sie einander so zu sagen gegenseitig hervor: es ist sehr der Muͤhe werth, die Lage der Dinge zu uͤber- blicken, wie sie sich in den Jahren 1578, 79 gebildet hatte. Fangen wir im Osten bei Polen an. Auch in Polen waren die Jesuiten eingedrungen: die Gegensaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Polen . Bischoͤfe suchten sich durch sie zu verstaͤrken. Cardinal Ho- sius, Bischof von Ermeland, stiftete ihnen 1569 ein Col- legium in Braunsberg: in Pultusk, in Posen siedelten sie sich mit Huͤlfe der Bischoͤfe an: vorzuͤglich angelegen ließ es sich der Bischof Valerian von Wilna seyn, den lithaui- schen Lutheranern, die eine Universitaͤt in ihrem Sinne gruͤn- den wollten, mit der Errichtung eines jesuitischen Institu- tes an seinem bischoͤflichen Sitze zuvorzukommen: er war schon alt und gebrechlich, und wollte seine letzten Tage mit diesem Verdienst bezeichnen: im Jahre 1570 kamen die er- sten Mitglieder der Gesellschaft bei ihm an Sacchinus: Hist. soc. Jes. P. II, lib. VIII, 114. P. III, lib. I, 112. lib. VI, 103—108. . Auch hier folgte aus diesen Bestrebungen zunaͤchst nur, daß die Protestanten Maaßregeln nahmen, um ihre Macht zu behaupten. Auf dem Convocationsreichstage von 1573 brachten sie eine Satzung durch, kraft deren Niemand we- gen seiner Religion beleidigt oder verletzt werden sollte Fredro: Henricus I, rex Polonorum p. 114. : — die Bischoͤfe mußten sich fuͤgen: mit dem Beispiel der niederlaͤndischen Unruhen bewies man ihnen, welche Ge- fahr in einer Weigerung liegen wuͤrde: die folgenden Koͤ- nige mußten sie beschwoͤren. Im Jahre 1579 ward die Zahlung des Zehnten an die Geistlichkeit geradehin suspen- dirt, und der Nuntius wollte wissen, daß hiedurch allein 1200 Pfarren zu Grunde gegangen seyen; eben damals ward aus Laien und Clerus ein hoͤchster Gerichtshof zusammen- gesetzt, der auch alle geistlichen Streitfragen entschied: man Buch V. Gegenreformationen . war in Rom erstaunt, daß sich die polnische Geistlichkeit dieß gefallen lasse. Nicht minder als in Polen traten die Gegensaͤtze in Schweden hervor, und zwar hier auf die eigenthuͤmlichste Weise: unmittelbar die Person des Fuͤrsten beruͤhrten sie: um diese stritten sie sich. In allen Soͤhnen Gustav Wasas — „der Brut Koͤ- nig Gustavs“, wie die Schweden sagten, — ist eine ganz ungewoͤhnliche Mischung von Tiefsinn und Eigenwillen, Religion und Gewaltsamkeit wahrzunehmen. Der Gelehrteste von ihnen war der mittlere, Johann. Da er mit einer katholischen Prinzessin, Catharina von Polen verheirathet war, die sein Gefaͤngniß mit ihm theilte, in dessen beschraͤnkter Einsamkeit er dann oft die Troͤstun- gen eines katholischen Priesters vernahm, so kamen ihm die kirchlichen Streitigkeiten besonders nahe. Er studirte die Kirchenvaͤter, um sich eine Vorstellung von dem urspruͤng- lichen Zustande der Kirche zu bilden: er liebte die Buͤcher, die von der Moͤglichkeit einer Religionsvereinigung handel- ten: mit den dahin einschlagenden Fragen ging er innerlich um. Als er Koͤnig geworden, trat er der roͤmischen Kirche in der That einige Schritte naͤher. Er publicirte eine Li- turgie, die der tridentinischen nachgebildet war, — in der die schwedischen Theologen roͤmische Doctrinen zu finden glaubten In dem Judicium praedicatorum Holmenss. de publicata liturgia bei Baaz: Inventarium ecclesiarum Sueogoth. p. 393 wer- den sie alle aufgefuͤhrt. . Da er der Fuͤrsprache des Papstes sowohl bei den Gegensaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Schweden . den katholischen Maͤchten uͤberhaupt in seinem russischen Kriege, als besonders bei Spanien in Sachen der muͤtter- lichen Erbschaft seiner Gemahlin zu beduͤrfen glaubte, so trug er kein Bedenken einen Großen seines Reiches als Ge- sandten nach Rom zu schicken. Insgeheim gestattete er so- gar ein paar niederlaͤndischen Jesuiten nach Stockholm zu kommen, und vertraute ihnen eine wichtige Unterrichtsan- stalt an. Ein Bezeigen, auf das man in Rom wie natuͤrlich glaͤnzende Hoffnungen gruͤndete: — Antonio Possevin, eins der geschicktesten Mitglieder der Gesellschaft Jesu, ward aus- ersehen einen ernstlichen Bekehrungsversuch auf Koͤnig Jo- hann zu machen. Im Jahr 1578 erschien Possevin in Schweden. Nicht in allen Stuͤcken war der Koͤnig nachzugeben geneigt. Er forderte die Erlaubniß der Priesterehe, des Laienkelchs, der Messe in der Landessprache, Verzichtleistung der Kirche auf die eingezogenen Guͤter und aͤhnliche Dinge. Possevin hatte keine Vollmacht hierauf einzugehn: er versprach, es dem paͤpstlichen Stuhle mitzutheilen, und eilte zu den dogmati- schen Streitfragen. Hierin war er nun um vieles gluͤck- licher. Nach ein paar Unterredungen und einiger Bedenk- zeit erklaͤrte sich der Koͤnig entschlossen, die Professio fidei nach der Formel des tridentinischen Bekenntnisses ab- zulegen. In der That legte er sie ab: er beichtete: noch einmal fragte ihn Possevin, ob er sich in Hinsicht der Com- munion unter Einer Gestalt dem paͤpstlichen Urtheil unter- werfe: Johann erklaͤrte, daß er dieß thue: hierauf ertheilte ihm Possevin feierlich bie Absolution. Es scheint fast, als Päpste* 6 Buch V. Gegenreformationen . sey diese Absolution der vornehmste Gegenstand des Be- duͤrfnisses, der Wuͤnsche des Koͤnigs gewesen. Er hatte sei- nen Bruder umbringen lassen, zwar auf vorausgegangenes Gutheißen seiner Staͤnde, aber doch umbringen lassen und dieß auf die gewaltsamste Weise! Die empfangene Absolu- tion schien seine Seele zu beruhigen. Possevin rief Gott an, daß er das Herz dieses Fuͤrsten nun vollends bekehren moͤge. Der Koͤnig erhob sich und warf sich seinem Beichtvater in die Arme: „wie dich,“ rief er aus, „so umfasse ich den roͤmischen Glauben auf ewig.“ Er empfing das Abendmahl nach katholischem Ritus. Nach so wohl vollbrachtem Werk eilte Possevin zuruͤck; er theilte seine Nachricht dem Papste, unter dem Siegel der Verschwiegenheit auch den maͤchtigsten katholischen Fuͤrsten mit: und es war nur uͤbrig, daß nun auch die Forderun- gen des Koͤnigs, von denen er die Herstellung des Katholi- cismus in seinem Reiche uͤberhaupt abhaͤngig machte, in Erwaͤgung gezogen wuͤrden. Possevin war ein sehr gewand- ter Mensch, beredt, von viel Talent zur Unterhandlung; aber er uͤberredete sich allzu leicht, er sey am Ziele. Nach seiner Darstellung hielt es Papst Gregor nicht fuͤr nothwendig, etwas nachzugeben, er forderte vielmehr den Koͤnig zu ei- nem freien und unbedingten Uebertritt auf. Dahin lau- tende Schreiben und Indulgenz fuͤr Alle welche uͤbertreten wuͤrden, gab er dem Jesuiten zu seiner zweiten Reise mit. Indessen war aber auch die Gegenpartei thaͤtig gewe- sen: warnende Briefe protestantischer Fuͤrsten waren ein- gegangen — denn auf der Stelle hatte sich die Nachricht in ganz Europa verbreitet: — Chytraͤus hatte dem Koͤnig Gegensaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Schweden . sein Buch uͤber die augsburgische Confession gewidmet, und damit auf den gelehrten Herrn doch einen gewissen Eindruck gemacht. Die Protestanten ließen ihn nicht mehr aus den Augen. Jetzt langte Possevin an: nicht mehr, wie fruͤher, in buͤrgerlicher Tracht, sondern in dem gewoͤhnlichen Kleide seines Ordens: mit einem Haufen katholischer Buͤcher. Schon diese seine Erscheinung machte keinen guͤnstigen Ein- druck. Er trug selbst einen Augenblick Bedenken, mit der paͤpstlichen Antwort hervorzukommen, aber endlich konnte er es nicht laͤnger aufschieben: in einer zweistuͤndigen Au- dienz eroͤffnete er sie dem Koͤnig. Wer will das Geheim- niß einer in sich selbst schwankenden, unsteten Seele erfor- schen? Das Selbstgefuͤhl des Fuͤrsten mochte sich durch so voͤllig abschlaͤgliche Antworten verletzt fuͤhlen; auch war er uͤberzeugt, daß sich in Schweden ohne die vorgeschla- genen Zugestaͤndnisse nichts erreichen lasse: um der Reli- gion willen seine Krone niederzulegen hatte er keine Nei- gung. Genug jene Audienz war entscheidend. Von Stund an bezeigte der Koͤnig dem Abgesandten des Papstes Un- gunst und Mißfallen. Er forderte seine jesuitischen Schul- maͤnner auf, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt zu neh- men, die Messe in schwedischer Sprache zu halten; als sie ihm nicht gehorchten, wie sie freilich auch nicht konnten, versagte er ihnen die bisherige Verpflegung. Wenn sie kurz darauf Stockholm verließen, so geschah das ohne Zwei- fel nicht allein, wie sie vorgeben moͤchten, um der Pest willen. Die protestantischen Großen, der juͤngere Bru- der des Koͤnigs, Carl von Suͤdermannland, der sich zum 6* Buch V. Gegenreformationen . Calvinismus neigte, die Gesandten von Luͤbek versaͤumten nichts, um diese wachsende Abneigung anzufachen. Nur in der Koͤnigin, und nachdem diese gestorben, in dem Thron- folger, behielten die Katholiken einen Anhalt, eine Hoff- nung. Fuͤr die naͤchste Zeit blieb die Staatsgewalt in Schweden wesentlich protestantisch Ich halte mich bei dieser ganzen Darstellung an die bisher, so viel ich finden kann, nicht benutzten Berichte der Jesuiten, wie sie in Sacchinus: Hist. societatis Jesu pars IV, lib. VI, n. 64—76 und lib. VII, n. 83—111 ausfuͤhrlich zu lesen sind. . In England ward sie dieß unter Koͤnigin Elisabeth von Tage zu Tage mehr. Es gab aber hier Angriffspunkte anderer Art: das Reich war erfuͤllt mit Katholiken. Nicht allein hielt die irische Bevoͤlkerung an dem alten Glau- ben und Ritus fest: in England war vielleicht die Haͤlfte der Nation, wo nicht gar eine noch groͤßere Anzahl, wie man behauptet hat, demselben zugethan. Sonderbar ist es immer, daß sich die englischen Katholiken wenigstens in den ersten funfzehn Jahren Elisabeth’s den protestanti- schen Gesetzen dieser Koͤnigin unterwarfen. Sie leisteten den Eid, den man von ihnen forderte, obwohl er der paͤpst- lichen Autoritaͤt schnurstracks entgegenlief: sie besuchten die protestantischen Kirchen, und glaubten schon genug zu thun, wenn sie sich beim Kommen und Gehn zusammenhielten und die Gesellschaft der Protestanten vermieden Relatione del presente stato d’Inghilterra, cavata da una lettera scritta di Londra etc. Roma 1590 (gedruckte Flugschrift) stimmt hieruͤber mit einer Stelle von Ribadaneira de schismate, wel- che schon Hallam (the constitutional history of England I, p. 162) anfuͤhrt, genau uͤberein, und ist ohne Zweifel die Quelle davon. „Si permettevano giuramenti impii contra l’autorità della sede apo- . Gegensaͤtze in dem uͤbrigen Europa. England . Eben auf diesen Zustand baute man zu Rom große Hoffnungen. Man war uͤberzeugt, daß es nur eines An- lasses, eines geringen Vortheils beduͤrfe, um alle Katholiken im Lande zum Widerstande zu entflammen. Schon Pius V. hatte gewuͤnscht sein Blut in einer Unternehmung gegen Eng- land zu verspruͤtzen. Gregor XIII. , der den Gedanken an eine solche niemals fahren ließ, dachte sich des Kriegsmuthes und der großartigen Stellung des Don Johann von Oestreich dazu zu bedienen: ausdruͤcklich deshalb schickte er seinen Nuntius Sega, der in den Niederlanden bei Don Johann gestanden, nach Spanien, um Koͤnig Philipp dafuͤr zu ge- winnen. Jedoch bald an der Abneigung des Koͤnigs gegen die ehrgeizigen Entwuͤrfe seines Bruders und neue politische Verwickelungen, bald an andern Hindernissen scheiterten diese umfassenden Entwuͤrfe. Man mußte sich mit weni- ger glaͤnzenden Versuchen begnuͤgen. Zunaͤchst auf Irland richtete Papst Gregor sein Au- genmerk. Man stellte ihm vor, daß es keine strenger und unerschuͤtterlicher katholische Nation gebe als die irische: aber von der englischen Regierung werde sie auf das ge- waltsamste mißhandelt, beraubt, in Entzweiung und ge- flissentlich in Barbarei gehalten, in ihren religioͤsen Ueber- zeugungen bedraͤngt: und so sey sie jeden Augenblick zum Kriege fertig: man brauche ihr nur mit einer geringen stolica e questo con poco o nissun scrupulo di conseienza. Al- lora tutti andavano communemente alle sinagoghe degli eretici et alle prediche loro menandovi li figli et famiglie — — si te- neva allora per segno distintivo sufficiente venire alle chiese prima degli eretici e non partirsi in compagnia loro.“ Buch V. Gegenreformationen . Mannschaft zu Huͤlfe zu kommen: mit 5000 Mann koͤnne man Irland erobern: es sey keine Festung daselbst, die sich laͤnger als vier Tage halten koͤnne Discorso sopra il regno d’Irlanda e della gente che bi- sogneria per conquistarlo, fatto a Gregorio XIII. Bibliothek zu Wien, Fuggerische Handschriften. Die Regierung der Koͤnigin wird fuͤr eine Tyrannei erklaͤrt: lasciando il governo a ministri Inglesi, i quali per arricchire se stessi usavano tutta l’arte della tiran- nide in quel regno, come trasportando le commodità del paese in Inghiltterra, tassando il popolo contra le leggi e privilegi antichi, e mantenendo guerra e fattioni tra i paesani, — non vo- lendo gli Inglesi che gli habitanti imparassero la differenza fra il viver libero e la servitù. . Ohne viel Schwie- rigkeit war Papst Gregor uͤberredet. Es hielt sich damals ein gefluͤchteter Englaͤnder, Thomas Stukley, ein Abenteurer von Natur, der aber die Kunst Eingang zu finden, sich Vertrauen zu erwerben in hohem Grade besaß, zu Rom auf; der Papst ernannte ihn zu seinem Kaͤmmerer, zum Marquis von Leinster, und ließ es sich 40000 Scudi ko- sten, um ihn mit Schiff und Mannschaft auszuruͤsten: an der franzoͤsischen Kuͤste sollte er sich mit einer kleinen Truppe vereinigen, die ein gefluͤchteter Irlaͤnder, Geraldin, eben auch mit paͤpstlicher Unterstuͤtzung daselbst zusammenbrachte. Koͤnig Philipp, der keine Neigung hatte einen Krieg an- zufangen, aber es doch nicht ungern sah, wenn Elisabeth zu Hause zu thun bekam, gab einiges Geld dazu Nach dem Nuntius Sega in seiner Relatione compen- diosa (Ms. der Berl. Bibliothek) 20000 Sc. „altre mercedi fece fare al barone d’Acres, al S r Carlo Buono et altri nobili In- glesi che si trovavano in Madrid, ch’egli spinse andare a qne- sta impresa insieme col vescovo Lionese d’Irlanda.“ . Un- erwarteterweise aber ließ sich Stukley uͤberreden, mit der Gegensaͤtze in dem uͤbrigen Europa. England . Mannschaft die gegen Irland bestimmt war, an der Expe- dition des Koͤnigs Sebastian nach Africa Theil zu neh- men; — wobei er denn selbst umkam. Geraldin mußte sein Gluͤck allein versuchen; er landete im Juni 1579, und machte wirklich einige Fortschritte. Er bemaͤchtigte sich des Forts, das den Hafen von Smervic beherrschte, — schon erhob der Graf von Desmond die Waffen gegen die Koͤni- gin, — eine allgemeine Bewegung ergriff die Insel. Bald aber erfolgte ein Ungluͤck nach dem andern; das vornehmste war, daß Geraldin selbst in einem Scharmuͤtzel getoͤdtet wurde. Hierauf konnte sich auch der Graf von Desmond nicht halten. Die paͤpstliche Unterstuͤtzung war doch nicht stark genug: die Gelder, auf die man rechnete, blieben aus. Und so behaupteten die Englaͤnder den Sieg: mit furcht- barer Grausamkeit straften sie die Empoͤrung: Maͤnner und Weiber wurden in Scheunen zusammengetrieben und darin verbrannt, Kinder erwuͤrgt, ganz Monmouth wuͤste gelegt: auf dem veroͤdeten Gebiete drang die englische Colonie wei- ter vor. Wollte man etwas erreichen, so mußte der Versuch doch in England selbst gemacht werden: aber nur unter andern Weltverhaͤltnissen schien dieß moͤglich, und um alsdann die katholische Bevoͤlkerung nicht voͤllig umgewandelt, um sie noch katholisch zu finden, war es noͤthig, ihr auf geistli- chem Wege zu Huͤlfe zu kommen. Zuerst faßte Wilhelm Allen den Gedanken die jungen Englaͤnder katholischer Confession, die sich der Studien hal- ber auf dem festen Lande aufhielten, zu vereinigen: beson- ders mit der Unterstuͤtzung Papst Gregors brachte er ein Buch V. Gegenreformationen . Collegium fuͤr sie in Douay zu Stande. Dem Papst war dieß jedoch noch nicht hinreichend. Unter seinen Augen wuͤnschte er diesen Fluͤchtlingen eine stillere, minder gefaͤhr- dete Station zu verschaffen, als Douay dort in den unruh- vollen Niederlanden war: er stiftete ein englisches Colle- gium zu Rom, beschenkte es mit einer reichen Abtei, und uͤbergab es 1579 den Jesuiten Die Relation der Jesuiten bei Sacchinus pars IV, lib. VI, 6. lib. VII, 10—30. koͤnnen wir hier mit den Erzaͤhlungen von Camden: Rerum Britannic. tom. I, p. 315 vergleichen. . In dieses Collegium nun ward Niemand aufgenom- men, der sich nicht verpflichtete, nach Vollendung seiner Stu- dien nach England zuruͤckzukehren und den Glauben der roͤ- mischen Kirche daselbst zu predigen. Dazu allein wurden die Zoͤglinge vorbereitet. In dem religioͤsen Enthusiasmus, zu dem die geistlichen Uebungen des Ignatius entflammten, stellte man ihnen die Bekehrer, welche Papst Gregor der Große einst zu den Angelsachsen gesendet, als ihre Muster vor. Schon wagten sich einige Aeltere voran. Im Jahre 1580 gingen zwei englische Jesuiten, Person und Campian, nach ihrem Vaterlande hinuͤber. Immer verfolgt, immer unter veraͤnderten Namen und in anderer Verkleidung lang- ten sie in der Hauptstadt an, und durchzogen dann, jener die noͤrdlichen, dieser die suͤdlichen Provinzen. Vornehm- lich hielten sie sich an die Haͤuser der katholischen Lords. Ihre Ankunft war in voraus angekuͤndigt: doch brauchte man die Vorsicht, sie an der Pforte als Fremde begruͤßen zu lassen. Schon war indeß in den innersten Gemaͤchern eine Hauskapelle eingerichtet: dahin fuͤhrte man sie: die Mit- glieder der Familie waren hier versammelt und empfingen Gegensaͤtze in dem uͤbrigen Europa. England . ihren Segen. Gewoͤhnlich blieb der Missionar nur Eine Nacht. Am Abend fand Vorbereitung und Beichte Statt: am andern Morgen ward Messe gelesen, das Mahl des Herrn ausgetheilt: dann folgte die Predigt. Es kamen Alle die sich noch zu dem katholischen Bekenntniß hielten: ihrer oft eine große Anzahl. Mit dem Reize des Geheim- nisses, der Neuheit ward die Religion wieder verkuͤndigt, welche seit 900 Jahren auf der Insel geherrscht hatte. Es wurden insgeheim Synoden gehalten: erst in einem Dorfe bei London, dann in einem einsamen Hause in einem na- hen Gehoͤlze ward eine Druckerei eingerichtet: ploͤtzlich sah man wieder katholische Schriften erscheinen, mit alle der Geschicklichkeit geschrieben, welche die stete Uebung in der Controvers zu geben vermag, oft nicht ohne Eleganz: die dann um so groͤßeren Eindruck machten, je unerforschlicher ihr Ursprung war. Der naͤchste Erfolg hievon war nun, daß die Katholiken aufhoͤrten den protestantischen Gottes- dienst zu besuchen und die geistlichen Gesetze der Koͤnigin zu beobachten: daß dann auch auf der andern Seite der Widerspruch der Lehre lebhafter aufgefaßt, die Verfolgung staͤrker, nachdruͤcklicher wurde Außer Sacchinus Campiani Vita et martyrium. Ingol- stadii 1584. . Ueberall, wo das Princip der katholischen Restaura- tion nicht Kraft genug besaß, um sich zur Herrschaft zu erheben, trieb es wenigstens die Gegensaͤtze schaͤrfer und unversoͤhnlicher hervor. Man konnte dieß auch in der Schweiz bemerken: ob- wohl hier schon laͤngst jeder Canton religioͤse Autono- Buch V. Gegenreformationen . mie besaß, und die Zwistigkeiten, die uͤber die Verhaͤlt- nisse des Bundes ausbrechen konnten, ziemlich beseitigt waren. Aber jetzt drangen die Jesuiten auch hier ein. Auf Veranlassung eines Obersten der Schweizergarde in Rom kamen sie 1574 nach Lucern und fanden hier besonders bei der Familie Pfyffer Theilnahme und Unterstuͤtzung Agricola 177. . Ludwig Pfyffer hat allein vielleicht 30000 Gulden zur Gruͤndung des Jesuitencollegiums beigesteuert; Philipp II. und die Guisen sollen etwas beigetragen haben; Gre- gor XIII. fehlte auch hier nicht: er gab die Mittel zur Anschaffung einer Bibliothek her. Die Lucerner waren hoͤchlich zufrieden. In einem ausdruͤcklichen Schreiben bit- ten sie den General des Ordens, ihnen die Vaͤter der Ge- sellschaft, die bereits angelangt, nicht wieder zu entreißen: „es liege ihnen alles daran, ihre Jugend in guten Wis- senschaften und besonders in Froͤmmigkeit und christlichem Leben wohl angefuͤhrt zu sehen“: sie versprechen ihm da- fuͤr, keine Muͤhe und Arbeit, weder Gut noch Blut zu spa- ren, um der Gesellschaft in allem was sie wuͤnschen koͤnne zu dienen Literae Lucernensium ad Everardum Mercurianum bei Sacchinus: historia societatis Jesu IV, V, 145 . Und sogleich hatten sie Gelegenheit ihren erneuten ka- tholischen Eifer in einer nicht unwichtigen Sache zu be- weisen. Die Stadt Genf war in den besondern Schutz von Bern getreten, und suchte nun auch Solothurn und Frei- Gegensaͤtze in dem uͤbrigen Europa. Schweiz . burg, die zwar nicht kirchlich, aber doch politisch zu Bern zu halten gewohnt waren, in diese Verbindung zu ziehen. In der That gelang es bei Solothurn. Eine katholische Stadt nahm den Heerd des westlichen Protestantismus in seinen Schirm. Gregor XIII. erschrak, und wandte alles an, um wenigstens Freiburg zuruͤckzuhalten. Hierin ka- men ihm nun die Lucerner zu Huͤlfe. Eine Gesandtschaft derselben vereinte ihre Bemuͤhungen mit dem paͤpstlichen Nuntius. Freiburg verzichtete nicht allein auf jenes Buͤnd- niß: es rief selbst die Jesuiten: mit Huͤlfe des Papstes ward auch hier ein Collegium zu Stande gebracht. Indessen begannen die Einwirkungen Carl Borromeo’s. Er hatte vornehmlich in den Waldcantonen Verbindungen; Melchior Lussi, Landammann von Unterwalden, galt als sein besonderer Freund; zuerst schickte Borromeo Capuziner her- uͤber, die besonders in dem Gebirge durch ihre strenge und einfache Lebensart Eindruck machten: dann folgten die Zoͤglinge des helvetischen Collegiums, das er ja allein zu diesem Zweck gegruͤndet hatte. Bald spuͤrte man in allen oͤffentlichen Verhaͤltnis- sen diesen Einfluß. Im Herbst 1579 schlossen die ka- tholischen Cantone einen Bund mit dem Bischof zu Basel, in welchem sie nicht allein versprachen ihn bei seiner Re- ligion zu schuͤtzen, sondern auch von seinen Unterthanen die, welche protestantisch geworden, bei Gelegenheit wieder „zum wahren katholischen Glauben“ zu bringen. Bestim- mungen welche den evangelischen Theil der Natur der Sache nach in Bewegung setzten. Die Spaltung trat staͤrker her- vor, als seit langer Zeit. Es langte ein paͤpstlicher Nun- Buch V. Gegenreformationen . tius an: in den katholischen Cantonen erwies man ihm die moͤglichste Ehrerbietung: in den protestantischen ward er verhoͤhnt und beschimpft. Entscheidung in den Niederlanden. So stand es nun damals. Der restaurirte Katholi- cismus, in den Formen, die er in Italien und Spanien angenommen, hatte einen gewaltigen Angriff auf das uͤbrige Europa gemacht. In Deutschland waren ihm nicht un- bedeutende Eroberungen gelungen: auch in so vielen an- dern Laͤndern war er vorgeruͤckt; doch hatte er allenthal- ben einen maͤchtigen Widerstand gefunden. In Frankreich waren die Protestanten durch umfassende Zugestaͤndnisse und eine starke politisch-militaͤrische Stellung gesichert: in den Niederlanden hatten sie das Uebergewicht: in England, Schottland, dem Norden herrschten sie: in Polen hatten sie durchgreifende Gesetze zu ihren Gunsten erkaͤmpft und ei- nen großen Einfluß in den allgemeinen Reichsangelegenhei- ten: in den saͤmmtlichen oͤstreichischen Gebieten standen sie der Regierung mit alten provinzialen Standesrechten aus- geruͤstet gegenuͤber; in Nieder-Deutschland schien sich fuͤr die Stifter eine entscheidende Umaͤnderung anzubahnen. In dieser Lage der Dinge war es nun von unermeß- licher Bedeutung, welcher Ausschlag dort erfolgen wuͤrde, wo man die Waffen immer aufs neue in die Haͤnde nahm, in den Niederlanden. Unmoͤglich aber konnte Koͤnig Philipp II. gemeint seyn die schon einmal mißlungenen Maaßregeln zu wiederholen: Entscheidung in den Niederlanden . — er waͤre es auch gar nicht mehr im Stande gewesen: — sein Gluͤck war, daß er ganz von selbst Freunde fand, daß der Protestantismus in seinem neuen Fortgang doch auch auf einen unerwarteten und unbesiegbaren Widerstand stieß. Es ist wohl der Muͤhe werth, bei diesem wichtigen Ereigniß einen Augenblick laͤnger zu verweilen. Einmal war es in den Provinzen keineswegs Jeder- mann angenehm, den Prinzen von Oranien so maͤchtig wer- den zu sehen, am wenigsten dem wallonischen Adel. Unter der Regierung des Koͤnigs war dieser Adel be- sonders in den franzoͤsischen Kriegen immer zuerst zu Pferd gestiegen: die namhaftern Anfuͤhrer denen das Volk zu fol- gen gewohnt war, hatten dadurch eine gewisse Selbstaͤndig- keit und Macht erworben. Unter dem Regiment der Staͤnde sah er sich zuruͤckgesetzt; der Sold erfolgte nicht regelmaͤ- ßig; die Armee der Staͤnde bestand hauptsaͤchlich aus Hol- laͤndern, Englaͤndern, Deutschen, die als unzweifelhafte Protestanten das meiste Vertrauen genossen. Als die Wallonen der Pacification von Gent beitra- ten, hatten sie sich geschmeichelt auf die allgemeinen Ange- legenheiten des Landes einen leitenden Einfluß zu erlangen. Aber vielmehr das Gegentheil erfolgte. Die Macht gelangte fast ausschließend an den Prinzen von Oranien und dessen Freunde aus Holland und Seeland. Mit dem persoͤnlichen Widerwillen, der sich hiedurch entwickelte, traten aber besonders religioͤse Momente zusammen. Worauf es auch immer beruhen mag, so ist gewiß, daß die protestantische Bewegung in den wallonischen Pro- vinzen nur wenig Anklang gefunden hatte. Buch V. Gegenreformationen . Ruhig waren hier die neuen Bischoͤfe eingefuͤhrt wor- den: fast alles Maͤnner von großer Wirksamkeit. In Arras Franz von Richardot, der sich auf dem Concilium von Trient mit den restaurirenden Principien erfuͤllt hatte, von dem man dabei nicht genug ruͤhmen kann, wie sehr er in seinen Predigten Festigkeit und Nachdruck mit Feinheit und Bildung, in seinem Leben Eifer und Weltkenntniß ver- einigt habe Gazet: histoire ecclesiastique des pays-bas p. 143. fin- det ihn subtile e solide en doctrine, nerveux en raisons, riche en sentences, copieux en discours, poly en son langage et grave en actions, mais surtout l’excellente piété et vertu, qui reluisoit en sa vie, rendoit son oraison persuasive. : in Namur Antoine Havet, ein Domini- caner, vielleicht minder weltklug, aber auch fruͤher ein Mit- glied des Conciliums und eben so unermuͤdlich die Satzun- gen desselben einzufuͤhren Havensius: de erectione novorum episcopatuum in Belgio p. 50. : in St. Omer Gerhard von Hamericourt, einer der reichsten Praͤlaten aller Provin- zen — zugleich Abt in St. Bertin — der sich nun dem Ehrgeiz hingab junge Leute studiren zu lassen, Schulen zu stiften, und in den Niederlanden zuerst dem Orden der Jesuiten ein Collegium auf feste Einkuͤnfte gegruͤn- det hat. Unter diesen und andern Kirchenhaͤuptern hiel- ten sich Artois, Hennegau, Namur, waͤhrend alle andern Provinzen in Feuer und Flammen standen, von der wilden Wuth des Bildersturmes frei Hopper: Recueil et mémorial des troubles des pays- bas 93. 98. : so daß alsdann auch die Reactionen des Alba hier nicht so gewaltsam eintra- Entscheidung in den Niederlanden . ten Nach Viglii commentarius rerum actarum super impo- sitione decimi denarii bei Papendrecht: Analecta I, 1, 292 ward ihnen der zehnte Pfennig mit der Versicherung aufgelegt, daß er nicht streng eingetrieben werden solle. . Die Schluͤsse des tridentinischen Conciliums wurden ohne langen Verzug in Provinzial-Concilien und Dioͤce- san-Synoden eroͤrtert und eingefuͤhrt: von St. Omer und noch mehr von Douay breitete sich der Einfluß der Je- suiten gewaltig aus. In Douay hatte Philipp II. eine Universitaͤt gestiftet, um seinen Unterthanen franzoͤsischer Zunge die Gelegenheit zu verschaffen im Lande zu studiren. Es gehoͤrte dieß mit zu der geschlossenen geistlichen Ver- fassung, die er uͤberhaupt einzufuͤhren beabsichtigte. Un- fern von Douay liegt die Benedictinerabtei Anchin. In den Tagen, als in dem groͤßten Theil der uͤbrigen Nieder- lande der Bildersturm wuͤthete, vollzog der Abt von An- chin, Johann Lentailleur, mit seinen Moͤnchen die geistli- chen Uebungen des Ignatius. Von dem Eindruck dersel- ben noch ganz erfuͤllt, beschloß er aus den Einkuͤnften der Abtei ein Collegium der Jesuiten auf der neuen Universitaͤt zu stiften, das im Jahre 1568 eroͤffnet wurde, sogleich eine gewisse Unabhaͤngigkeit von den Behoͤrden der Univer- sitaͤt empfing und sich bald außerordentlich aufnahm. Acht Jahr nachher wird die Bluͤthe der Universitaͤt und zwar selbst in Hinsicht des Studiums der Literatur vor allem den Jesuiten zugeschrieben. Nicht allein sey ihr Collegium erfuͤllt mit einer frommen und fleißigen Jugend: auch die uͤbrigen Collegien seyen durch den Wetteifer mit jenem em- porgekommen: schon sey aus demselben die ganze Universitaͤt Buch V. Gegenreformationen . mit trefflichen Theologen, das gesammte Artois und Henne- gau mit vielen Seelsorgern versehen worden Testimonium Thomae Stapletoni (Rectors der Universi- taͤt) vom J. 1576 bei Sacchinus IV, IV, 124. „Plurimos ex hoc patrum collegio — es heißt collegium Aquicintense — Ar- tesia et Hannonia pastores, multos schola nostra theologos opti- me institutos et comparatos accepit.“ Es folgen noch viel groͤ- ßere Lobspruͤche, welche wir um so mehr weglassen koͤnnen, da Sta- pleton doch auch selbst ein Jesuit war. . Allmaͤhlig ward dieß Collegium ein Mittelpunkt des modernen Katho- licismus fuͤr alle umliegenden Gegenden. Im Jahre 1578 galten wenigstens die wallonischen Provinzen bei den Zeit- genossen, wie einer von ihnen sich ausdruͤckt, fuͤr hoͤchst katholisch Michiel: Relatione di Francia: Il conte (der Gouverneur von Hennegau) è cattolichissimo, come è tutto quel contado in- sieme con quel d’Artoes che li è propinquo. . Wie aber die politischen Anspruͤche, so waren so eben auch diese religioͤsen Zustaͤnde von dem Uebergewicht des Protestantismus bedroht. In Gent hatte der Protestantismus eine Gestalt an- genommen, die wir heut zu Tage als revolutionaͤr bezeich- nen wuͤrden. Man hatte hier die alten Freiheiten noch nicht vergessen, welche Carl V. 1539 gebrochen: die Miß- handlungen des Alba hatten hier besonders boͤses Blut ge- macht: der Poͤbel war von gewaltsamer Natur, bilder- stuͤrmerisch gesinnt und wider die Priester in wilder Aufre- gung. Aller dieser Regungen bedienten sich ein paar kuͤhne Oberhaͤupter: Imbize und Ryhove. Imbize dachte eine reine Republik einzufuͤhren, und traͤumte davon, daß Gent ein Entscheidung in den Niederlanden . ein neues Rom werden koͤnne. Sie begannen damit, ihren Gouverneur, Arschot, eben als er mit einigen Bischoͤfen und katholischen Oberhaͤuptern der benachbarten Staͤdte eine Zusammenkunft hielt, gefangen zu nehmen: dann stellten sie die alte Verfassung wieder her, wohl verstanden mit einigen Veraͤnderungen, die ihnen den Besitz der Gewalt sicherten: hierauf griffen sie die geistlichen Guͤter an: loͤ- sten das Bisthum auf, zogen die Abteien ein, aus den Hospitaͤlern und Klostergebaͤuden machten sie Kasernen: diese ihre Einrichtungen suchten sie endlich mit Gewalt der Waf- fen bei ihren Nachbarn auszubreiten Van der Vynkts Geschichte der Niederlande Bd. II, Buch V, Abschn. 2; leicht duͤrfte dieser Abschnitt der wichtigste in dem ganzen Buche seyn. . Nun gehoͤrten von jenen gefangen genommenen Ober- haͤuptern einige den wallonischen Provinzen an: schon streif- ten die Genter Truppen in das wallonische Gebiet: was es in demselben von protestantischer Gesinnung geben mochte, fing an sich zu regen: durch das Beispiel von Gent wur- den die populaͤren Leidenschaften mit den religioͤsen in ein unmittelbares Verhaͤltniß gebracht: in Arras brach eine Be- wegung gegen den Rath aus: in Douay selbst wurden durch eine Volksbewegung wider den Willen des Rathes die Jesuiten vertrieben: zwar nur auf 14 Tage, aber schon dieß war ein großer Erfolg: in St. Omer erhielten sie sich nur durch den besondern Schutz des Rathes. Die staͤdtischen Magistrate, der Adel des Landes, die Geistlichkeit, alle waren auf einmal gefaͤhrdet und bedraͤngt: sie fanden sich mit einer Entwickelung bedroht, wie sie in Päpste* 7 Buch V. Gegenreformationen . Gent Statt gefunden, von offenbar zerstoͤrender Natur. Kein Wunder, wenn sie in dieser Gefahr sich auf alle Weise zu schuͤtzen, suchten zuerst ihre Truppen ins Feld schickten, welche dann das gentische Gebiet grausam ver- wuͤsteten und sich darauf nach einer andern sicherndern Staatsverbindung umsahen, als ihnen ihr Verhaͤltniß zu den allgemeinen niederlaͤndischen Staͤnden gewaͤhrte. Schon Don Johann von Oestreich machte sich diese ihre Stimmung zu Nutze. Wenn man das Thun und Lassen Don Johanns in den Niederlanden im Allgemeinen betrachtet, so scheint es wohl, als habe es keine Wirkung hervorgebracht, als sey sein ganzes Daseyn eben so spurlos verschwunden, wie es ihm keine persoͤnliche Befriedigung gewaͤhrte. Ueber- legt man aber naͤher, wie er stand, was er that, und was aus seinen Unternehmungen erfolgte, so ist, wenn irgend einem Andern, vor allem ihm die Gruͤndung der spanischen Niederlande zuzuschreiben. Er versuchte eine Zeitlang sich nach der Genter Pacification zu halten: aber in der unab- haͤngigen Stellung welche die Staͤnde genommen, in dem Verhaͤltniß des Prinzen von Oranien, der bei weitem maͤch- tiger war als er der Generalstatthalter, in dem wechsel- seitigen Argwohn beider Theile gegen einander, lag die Nothwendigkeit eines offenen Bruches. Don Johann ent- schloß sich den Krieg anzufangen. Ohne Zweifel that er dieß wider den Willen seines Bruders, allein es war un- vermeidlich. Dadurch allein konnte es ihm gelingen und gelang es ihm auch, ein Gebiet zu erwerben, welches die spanische Herrschaft wieder anerkannte. Luxemburg behaup- Entscheidung in den Niederlanden . tete er noch: er besetzte Namur: in Folge der Schlacht von Gemblours ward er Meister von Loͤwen und Limburg. Wollte der Koͤnig wieder Herr der Niederlande werden, so war das nicht durch eine Abkunft mit den Generalstaa- ten zu erreichen, die sich unmoͤglich zeigte, sondern nur durch eine allmaͤhlige Unterwerfung der einzelnen Landschaften ent- weder im Wege des Vertrages oder mit Gewalt der Waffen. Diesen Weg schlug Don Johann ein und eroͤffnete sich auf demselben bereits die groͤßte Aussicht. Er erweckte die alten Zuneigungen der wallonischen Provinzen zu dem burgundischen Geschlecht. Vornehmlich brachte er zwei maͤchtige Maͤnner, Pardieu de la Motte, Gouverneur von Graͤvelingen, und Matthieu Moulart, Bischof von Arras, auf seine Seite Daß sie noch unter Don Johann gewonnen waren, ergiebt sich aus folgenden beiden Stellen. 1. Strada II, 1, p. 19. Par- diaeus Mottae dominus non rediturum modo se ad regis obe- dientiam sed etiam quamplures secum tracturum jam pridem si- gnificarat Joanni Austriaco. 2. Tassis: Episcopum Atrebatensem, qui vivente adhuc Austriaco se regi conciliarat. . Eben diese waren es, die nun nach dem fruͤhen Tode Don Johanns die Unterhandlungen, auf die es ankam, mit großem Eifer und gluͤcklicher Geschicklichkeit leiteten. De la Motte bediente sich des erwachenden Hasses ge- gen die Protestanten. Er bewirkte, daß man die staͤn- dischen Besatzungen, eben deshalb, weil sie protestantisch seyn koͤnnten, aus vielen festen Plaͤtzen entfernte, daß der Adel von Artois bereits im November die Entfernung aller Reformirten aus diesem Lande beschloß und ins Werk setzte. Hierauf suchte Matthieu Moulart eine voͤllige Ver- soͤhnung mit dem Koͤnig herbeizufuͤhren. Er begann da- 7* Buch V. Gegenreformationen . mit, daß er durch eine foͤrmliche Procession in der Stadt die Huͤlfe Gottes anrief. Und in der That hatte er es schwer: er mußte zuweilen Maͤnner vereinigen, deren An- spruͤche geradezu gegen einander liefen. Er zeigte sich un- verdrossen, fein und geschmeidig: gluͤcklich gelang es ihm. Alexander Farnese, der Nachfolger Don Johanns, hatte das große Talent zu uͤberzeugen, zu gewinnen und ein nachhaltiges Vertrauen einzufloͤßen. Zu seiner Seite standen Franz Richardot, Neffe jenes Bischofs, „ein Mann, sagt Cabrera, von guter Einsicht in mancherlei Materien: geuͤbt in allen: der jedes Geschaͤft, von welcher Art auch immer, einzuleiten verstand“, und Sarrazin, Abt von St. Vaast, nach der Schilderung desselben Cabrera „ein gro- ßer Politiker unter dem Anschein der Ruhe, sehr ehrgeizig unter dem Schein der Demuth, der sich bei Jedermann in Ansehen zu behaupten wußte“ Cabrera: Felipe segundo p. 1021. . Sollen wir nun den Gang der Unterhandlungen schildern, bis sie allmaͤhlig zum Ziel gediehen? Es ist genug, zu bemerken, daß von Seiten der Pro- vinzen das Interesse der Selbsterhaltung und der Religion zu dem Koͤnig hinwies, von Seiten des Koͤnigs nichts un- versucht blieb, was priesterlicher Einfluß und geschickte Un- terhandlung im Verein mit der wiederkehrenden Gnade des Fuͤrsten zu leisten vermag. Im April 1579 trat Emanuel von Montigny, den die wallonische Armee als ihren An- fuͤhrer anerkannte, in den Sold des Koͤnigs. Hierauf er- gab sich auch der Graf von Lalaing: niemals haͤtte Hen- negau ohne ihn gewonnen werden koͤnnen. Endlich — Entscheidung in den Niederlanden . 17. Mai 1579 — in dem Lager zu Mastricht ward der Vertrag abgeschlossen. Aber zu welchen Bedingungen mußte sich der Koͤnig verstehn! Es war eine Restauration sei- ner Macht, die aber nur unter den strengsten Beschraͤnkun- gen Statt hatte. Er versprach nicht allein, alle Fremde aus seinem Heere zu entlassen und sich nur niederlaͤndischer Truppen zu bedienen: er bestaͤtigte auch alle Angestellte in den Aemtern, die sie waͤhrend der Unruhen bekommen: die Einwohner verpflichteten sich sogar, keine Besatzung aufzu- nehmen, von der den Staͤnden des Landes nicht vorher Nachricht gegeben worden: zwei Drittheil des Staatsraths sollten aus Leuten bestehn, welche in die Unruhen mit ver- flochten gewesen. In diesem Sinne sind auch die uͤbrigen Artikel In seiner ganzen Ausfuͤhrlichkeit theilt Tassis diesen Ver- trag mit: lib. V, 394—405. . Die Provinzen bekamen eine Selbstaͤndigkeit, wie sie nie gehabt. Es liegt hierin eine Wendung der Dinge von allge- meiner Bedeutung. In dem ganzen westlichen Europa hatte man bisher den Katholicismus nur durch die Anwendung offener Gewalt zu erhalten und wiedereinzufuͤhren gesucht: die fuͤrstliche Macht hatte unter diesem Vorwand die pro- vinzialen Rechte noch vollends zu unterdruͤcken gestrebt. Jetzt sah sie sich genoͤthigt, einen andern Weg einzuschla- gen. Wollte sie den Katholicismus wiederherstellen, und sich selbst behaupten, so konnte sie dieß nur im Verein mit Staͤnden und Privilegien ausrichten. Wie sehr aber auch die koͤnigliche Macht beschraͤnkt ward, so hatte sie doch unendlich viel gewonnen. Sie be- Buch V. Gegenreformationen . saß die Landschaften wieder, auf welche die Groͤße des burgundischen Hauses gegruͤndet war. Alexander Farnese fuͤhrte den Krieg mit den wallonischen Truppen. Obwohl es langsam ging, so machte er doch immer Fortschritte. Er nahm 1580 Courtray, 1581 Tournay, 1582 Oude- narde. Entschieden aber war damit die Sache noch nicht. Gerade die Vereinigung der katholischen Provinzen mit dem Koͤnig mochte es seyn, was die noͤrdlichen, voͤllig prote- stantischen antrieb, nicht allein sofort in einen naͤhern Bund zu treten, sondern sich endlich von dem Koͤnig gaͤnzlich los- zusagen. Wir fassen hier eine Aussicht uͤber die gesammte nie- derlaͤndische Geschichte. Es war in allen Provinzen ein alter Widerstreit der provinzialen Rechte und der fuͤrstli- chen Macht. Zur Zeit des Alba hatte die fuͤrstliche Macht ein Uebergewicht erlangt, wie sie es fruͤher niemals beses- sen. Auch damals aber konnte sie es nicht behaupten. Die Genter Pacification bezeichnet, wie so ganz die Staͤnde die Oberhand uͤber die Regierung erkaͤmpften. Die noͤrd- lichen Provinzen hatten hier vor den suͤdlichen keinen Vor- theil. Waͤren beide in der Religion einig gewesen, so wuͤr- den sie eine allgemeine niederlaͤndische Republik eingerichtet haben. Allein wie wir sahen, sie entzweiten sich. Es er- folgte zuerst, daß die katholischen unter den Schutz des Koͤnigs zuruͤckkehrten, mit dem sie sich vor allem eben zur Behauptung der katholischen Religion verbanden: hierauf erfolgte wieder, daß die protestantischen, nachdem sie sich so lange im Kampfe behauptet, sich endlich auch des Na- Entscheidung in den Niederlanden . mens der Unterwuͤrfigkeit entschlugen und sich vom Koͤnig voͤllig lossagten. Nennt man nun die einen die unterwor- fenen Provinzen, bezeichnet man die andern mit dem Namen einer Republik, so darf man doch nicht glauben, daß der Unterschied zwischen beiden im Innern anfangs sehr groß gewesen. Auch die unterworfenen Provinzen behaupteten alle ihre staͤndischen Vorrechte mit dem groͤßten Eifer. Ih- nen gegenuͤber konnten auch die republikanischen doch ein der koͤniglichen Gewalt analoges Institut, das des Statt- halters, nicht entbehren. Der vornehmste Unterschied lag in der Religion. Erst hiedurch trat der Kampf in seine reinen Gegen- saͤtze auseinander, und die Ereignisse reiften ihrer Voll- endung entgegen. Eben damals hatte Philipp II. Portugal erobert: in- dem er sich durch das Gluͤck einer so großen Erwerbung zu neuen Unternehmungen angefeuert fuͤhlte, ließen sich auch die wallonischen Staͤnde endlich geneigt finden, die Ruͤck- kehr der spanischen Truppen zu gestatten. Lalaing, seine Gemahlin, die immer eine große Wi- dersacherin der Spanier gewesen, der man die Ausschlie- ßung derselben besonders zuschrieb, wurden gewonnen: der ganze wallonische Adel folgte ihrem Beispiel. Man uͤber- zeugte sich, daß die Ruͤckkehr albanischer Richterspruͤche und Gewaltthaten nicht mehr zu besorgen sei. Das spanisch- italienische Heer, schon einmal entfernt, wieder zuruͤckge- kehrt und noch einmal weggewiesen, langte aufs neue an. Mit den niederlaͤndischen Mannschaften allein haͤtte der Krieg sich ohne Ende ausdehnen muͤssen: diese krieggewohn- Buch V. Gegenreformationen . ten, wohldisciplinirten, uͤberlegenen Truppen fuͤhrten die Entscheidung herbei. Wie in Deutschland die Colonien der Jesuiten, aus Spaniern, Italienern und einigen Niederlaͤndern bestehend, den Katholicismus durch das Dogma und den Unterricht wiederherstellten: so erschien ein italienisch-spanisches Heer in den Niederlanden, um mit den wallonischen Elementen vereinigt der katholischen Meinung das Uebergewicht der Waffen zu verschaffen. Es ist an dieser Stelle unvermeidlich, des Krieges zu gedenken. Er ist zugleich der Fortschritt der Religion. Im Juli 1583 ward Duͤnkirchen, Hafen und Stadt binnen sechs Tagen: hierauf Niewport und die ganze Kuͤste bis gegen Ostende, Dixmuyden, Furnes erobert. Gleich hier entwickelte dieser Krieg seinen Charak- ter. In allen politischen Dingen zeigten sich die Spa- nier glimpflich: unerbittlich aber in den kirchlichen. Es war nicht daran zu denken, daß den Protestanten eine Kir- che, nur ein privater Gottesdienst gestattet worden waͤre: die Prediger, die man ergriff, wurden erhenkt. Man fuͤhrte mit vollem Bewußtseyn einen Religionskrieg. In gewis- sem Sinne war das fuͤr die Lage, in der man sich befand, sogar das Kluͤgste. Von den Protestanten haͤtte sich doch nie eine vollkommene Unterwerfung erlangen lassen: dage- gen brachte man durch ein so entschiedenes Verfahren die Elemente des Katholicismus, welche in dem Lande noch vor- handen waren, auf seine Seite. Ganz von selbst reg- ten sie sich. Der Bailliu Servaes von Steeland uͤberlie- ferte das Land Waes: Hulst und Axel ergaben sich: bald Entscheidung in den Niederlanden . war Alexander Farnese maͤchtig genug, daß er an einen Angriff auf die großen Staͤdte denken konnte: — er hatte das Land und die Kuͤste inne: — eine nach der andern, zuerst Ypern im April, dann Bruͤgge, endlich auch Gent, wo jener Im- bize selbst jetzt fuͤr die Versoͤhnung Partei gemacht hatte, mußten sich uͤberliefern. Es wurden den Gemeinden als solchen ganz ertraͤgliche Bedingungen zugestanden: großentheils wurden ihnen ihre Privilegien gelassen: nur die Protestan- ten wurden ohne Erbarmen verwiesen; die vornehmste Be- dingung war immer, daß die katholischen Geistlichen zu- ruͤckkehren, die Kirchen wieder an den katholischen Ritus heimfallen sollten. Mit alle dem schien jedoch nichts Bleibendes erreicht, keine Sicherheit gewonnen, so lange der Prinz von Ora- nien noch lebte, der dem Widerstand Haltung und Nach- druck gab und auch in den Ueberwundenen die Hoffnung nicht untergehn ließ. Die Spanier hatten einen Preis von 25000 Sc. auf seinen Kopf gesetzt: in der wilden Aufregung, in der die Gemuͤther waren, konnte es nicht an solchen fehlen, die ihn sich zu verdienen dachten. Gewinnsucht und Fanatis- mus trieben sie zugleich an. Ich weiß nicht, ob es eine groͤßere Blasphemie giebt, als die welche die Papiere des Biscayers Jaureguy enthalten, den man bei einem Atten- tat auf das Leben des Prinzen ergriff. Als eine Art Amu- let fuͤhrte er Gebete bei sich, in denen die gnaͤdige Gott- heit, die dem Menschen in Christo erschienen, zur Beguͤn- stigung des Mordes angerufen, in denen ihr nach voll- brachter That gleichsam ein Theil des Gewinnes zugesagt Buch V. Gegenreformationen . wird, der Mutter Gottes von Bayonne ein Kleid, eine Lampe, eine Krone, der Mutter Gottes von Aranzosu eine Krone, dem Herrn Christus selbst ein reicher Vorhang! Contemporary Copy of a vow and of certain prayers found in the form of an amulet upon Jaureguy: in den Sammlungen des Lord Egerton. „A vos, Senor Jesus Christo, redemptor y salvador del mundo, criador del cielo y de la tierra, os offrezco, siendo o sservido librarme con vida despues de haver effectuado mi deseo, un belo muy rico.“ So geht es weiter. — Gluͤcklicherweise ergriff man diesen Fanatiker: aber in dem war schon ein anderer unterwegs. In dem Augenblick, daß die Achtserklaͤrung in Mastricht ausgerufen ward, hatte sich ein Burgunder, der sich dort aufhielt, Baltasar Gerard, von dem Gedanken ergriffen gefuͤhlt sie zu voll- strecken Relatione del successo della morte di Guilielmo di Nas- sau principe di Orange e delli tormenti patiti del gencrosissi- mo giovane Baldassarre Gerardi Borgognone: Inff. politt. XII, enthaͤlt einige von den gewoͤhnlichen Angaben abweichende Notizen. „Gerardi, la cui madre è di Bisansone, d’anni 28 incirca, gio- vane non meno dotto che eloquente. — Siebenthalb Jahr habe er sich mit der Absicht getragen. Offerendosi dunque l’opportu- nità di portar le lettere del duca d’Alansone al Nassau, essendo già lui gentilhuomo di casa, alli 7 Luglio un hora e mezzo dopo pranso uscendo il principe della tavola scargandoli un ar- chibugetto con tre palle gli colse sotto la zinna manca e gli fece una ferita di due diti colla quale l’ammazzò.“ . Die Hoffnungen die er sich machte, von ir- dischem Gluͤck und Ansehen, das ihn erwarte wenn es ihm gelinge, von dem Ruhm eines Maͤrtyrers, den er davon tragen werde falls er dabei umkomme, Gedanken in denen ihn ein Jesuit von Trier bestaͤrkte, hatten ihm seitdem keine Ruhe bei Tag und Nacht gelassen, bis er aufbrach, die That zu vollbringen. Er stellte sich dem Prinzen als ein Fluͤchtling dar: so fand er Eingang Entscheidung in den Niederlanden . und den guͤnstigen Augenblick: im Juli 1584 toͤdtete er Oranien mit einem Schuß. Er ward ergriffen: aber keine Marter, die man ihm anthat, entwand ihm einen Seufzer: er sagte immer, haͤtte ers nicht gethan, so wuͤrde ers noch thun. Indem er in Delft unter den Verwuͤnschungen des Volkes seinen Geist aufgab, hielten die Domherrn in Her- zogenbusch ein feierliches Tedeum fuͤr seine That. Alle Leidenschaften sind in wilder Gaͤhrung: der An- trieb, den sie den Katholischen geben, ist der staͤrkere: er vollfuͤhrt seine Sache und traͤgt den Sieg davon. Haͤtte der Prinz gelebt, so wuͤrde er, glaubt man, Mittel gefunden haben, Antwerpen, das bereits belagert wurde, zu entsetzen, wie er es zugesagt hatte. Jetzt gab es Niemand der an seine Stelle haͤtte treten koͤnnen. Die Unternehmung gegen Antwerpen war aber so um- fassend, daß auch die andern wichtigen brabantischen Staͤdte dadurch unmittelbar angegriffen waren. Der Prinz von Parma schnitt allen zugleich die Zufuhr von Lebensmitteln ab. Zuerst ergab sich Bruͤssel. Als diese des Ueberflusses gewohnte Stadt sich von Mangel bedroht sah, brachen Parteiungen aus, welche zur Ueberlieferung fuͤhrten. Dann fiel Mecheln: endlich, als der letzte Versuch die Daͤmme zu durchstechen und uͤber das Land her sich Zufuhr zu verschaffen mißlungen war, mußte auch Antwerpen sich er- geben. Es wurden auch diesen brabantischen Staͤdten, so wie den flandrischen, uͤbrigens die glimpflichsten Bedingungen gewaͤhrt: Bruͤssel ward von der Contribution frei gespro- chen: Antwerpen erhielt die Zusage, daß man keine spani- Buch V. Gegenreformationen . sche Besatzung in die Stadt legen, die Citadelle nicht er- neuern wolle. Eine Verpflichtung war statt aller an- dern, daß Kirchen und Kapellen wieder hergestellt, die ver- jagten Priester und Ordensleute wieder zuruͤckberufen wer- den sollten. Der Koͤnig war hierin ganz unerschuͤtterlich. Bei jeder Uebereinkunft, sagte er, muͤsse dieß die erste und die letzte Bedingung seyn. Die einzige Gnade, zu der er sich verstand, war, daß den Eingesessenen jedes Ortes zwei Jahre gestattet wurden, um sich entweder zu bekehren oder ihre Habe zu verkaufen und das spanische Gebiet zu raͤumen. Wie so ganz hatten sich nun die Zeiten geaͤndert. Einst hatte Philipp II. selbst Bedenken getragen den Je- suiten in den Niederlanden feste Sitze zu gewaͤhren, und oft waren sie seitdem gefaͤhrdet, angegriffen, verbannt wor- den. Im Gefolge der Kriegsereignisse kehrten sie nun und zwar unter der entschiedenen Beguͤnstigung der Staatsge- walt zuruͤck. Die Farnesen waren ohnehin besondere Goͤn- ner dieser Gesellschaft: Alexander hatte einen Jesuiten zu seinem Beichtvater: er sah in dem Orden das vorzuͤglichste Mittel, das halb protestantische Land, das er erobert, wie- der voͤllig zum Katholicismus zuruͤckzubringen, den Haupt- zweck des Krieges erfuͤllen zu helfen Sacchinus: Alexandro et privati ejus consilii viris ea stabat sententia, ut quaeque recipiebatur ex haereticis civitas, con- tinuo fere in eam inmitti societatem debere: valere id tum ad pieta- tem privatam civium tum ad pacem tranquillitatemque intelligebant. (Pars V, lib. IV, n. 58.) Nach der Imago primi seculi war dieß auch der Wille des Koͤnigs, qui recens datis de hoc argumento literis ducem cum cura monuerat, ut societatis praesidio munire satageret praecipuas quasque Belgii civitates, Behauptungen welche durch die Thatsachen hinreichend bewaͤhrt werden. . Der erste Ort Entscheidung in den Niederlanden . in welchem sie wieder auftraten war eben der erste welcher erobert worden, Courtray. Der Pfarrer der Stadt, Johann David, hatte die Jesuiten in seinem Exil zu Douay ken- nen gelernt: jetzt kehrte er wieder, aber nur um sofort in den Orden zu treten, und in seiner Abschiedspredigt die Einwohner zu ermahnen, der geistlichen Huͤlfe dieser Ge- sellschaft sich nicht laͤnger berauben zu wollen: leicht ließen sie sich uͤberreden. Jetzt kam der alte Johann Montagna, der die Gesellschaft zuerst in Tournay eingefuͤhrt, und mehr als einmal fliehen muͤssen, dahin zuruͤck, um dieselbe auf immer zu begruͤnden. So wie Bruͤgge und Ypern uͤberge- gangen, langten die Jesuiten daselbst an: gern bewilligte ihnen der Koͤnig einige Kloͤster, die waͤhrend der Unruhen veroͤdet. In Gent ward das Haus des großen Demago- gen, des Imbize, von welchem das Verderben des Katho- licismus ausgegangen, fuͤr die Gesellschaft eingerichtet. Bei ihrer Ueberlieferung wollten sich die Antwerpner ausbedin- gen, daß sie nur diejenigen Orden wieder aufzunehmen haͤt- ten, welche zur Zeit Carls V. daselbst gewesen: aber es ward ihnen nicht nachgegeben: sie mußten die Jesuiten wie- der einziehen lassen und denselben die Gebaͤude zuruͤckstellen die sie fruͤher inne gehabt: mit Vergnuͤgen erzaͤhlt es der Geschichtschreiber des Ordens: er bemerkt es als eine be- sondere Gunst des Himmels, daß man das schuldenfrei wiederbekommen was man verschuldet hinterlassen habe: es war indeß in zweite und dritte Haͤnde uͤbergegangen, und wurde ohne Weiteres zuruͤckgestellt. Da konnte auch Bruͤs- sel dem allgemeinen Schicksal nicht entgehn: der Rath der Stadt erklaͤrte sich bereit: der Prinz von Parma bewilligte Buch V. Gegenreformationen . eine Unterstuͤtzung aus koͤniglichen Cassen: gar bald waren die Jesuiten auch hier auf das beste eingerichtet. Schon hatte ihnen der Prinz feierlich das Recht ertheilt liegende Gruͤnde unter geistlicher Jurisdiction zu besitzen und sich auch in diesen Provinzen der Privilegien des apostolischen Stuhles frei zu bedienen. Und nicht allein die Jesuiten genossen seines Schutzes. Im Jahre 1585 langten einige Capuziner bei ihm an: durch ein besonderes Schreiben an den Papst wußte er auszuwirken, daß sie bei ihm bleiben durften; dann kaufte er ihnen ein Haus in Antwerpen. Sie machten sogar bei ihren Ordensverwandten einen großen Eindruck: durch aus- druͤcklichen paͤpstlichen Befehl mußten andere Franciscaner abgehalten werden die Reform der Capuziner anzunehmen. Alle diese Veranstaltungen hatten aber nach und nach die groͤßte Wirkung. Sie machten Belgien, das schon halb protestantisch gewesen, zu einem der am meisten katholi- schen Laͤnder der Welt. Auch ist wohl unlaͤugbar, daß sie wenigstens in den ersten Zeiten zur Wiederbefestigung der koͤniglichen Gewalt das Ihre beitrugen. Fest und fester setzte sich durch diese Erfolge die Mei- nung, daß in einem Staate nur Eine Religion geduldet werden duͤrfe. Es ist einer der Hauptgrundsaͤtze der Politik des Justus Lipsius. In Sachen der Religion, sagt Lip- sius, sey keine Gnade noch Nachsicht zulaͤßig: die wahre Gnade sey ungnaͤdig zu seyn: um Viele zu retten muͤsse man sich nicht scheuen einen und den andern zu entfernen. Ein Grundsatz der nirgends groͤßern Eingang fand als in Deutschland. Fortgang der Gegenreformationen in Deutschland. Waren doch die Niederlande noch immer ein Kreis des deutschen Reiches! Der Natur der Dinge nach muß- ten die dortigen Ereignisse einen großen Einfluß auf die deutschen Angelegenheiten ausuͤben. Unmittelbar in ih- rem Gefolge ward die Coͤlner Sache entschieden. Noch waren die Spanier nicht wiedergekehrt, geschweige die großen Vortheile des Katholicismus erfochten, als sich der Churfuͤrst Truchseß von Coͤln im November 1582 ent- schloß sich zu der reformirten Lehre zu bekennen, und eine Frau zu nehmen, ohne doch daruͤber sein Stift aufgeben zu wollen. Der groͤßere Theil des Adels war fuͤr ihn: die Grafen von Nuenar, Solms, Wittgenstein, Wied, Nas- sau, das ganze Herzogthum Westphalen, alle Evangelischen: mit dem Buch in der einen und dem Schwert in der an- dern Hand zog der Churfuͤrst in Bonn ein: um die Stadt Coͤln, das Capitel und das Erzstift, die sich ihm wider- setzten, zu bezwingen, erschien Casimir von der Pfalz mit nicht unbedeutender Mannschaft im Felde. In allen Haͤndeln jener Zeit finden wir diesen Casi- simir von der Pfalz: immer ist er bereit zu Pferd zu sitzen, das Schwert zu ziehen: immer hat er kriegslustige Schaa- ren, protestantisch gesinnte, bei der Hand. Selten aber bringt er es zu einem rechten Erfolge. Er fuͤhrt den Krieg weder mit der Hingebung, die eine religioͤse Sache erfor- dert — jedesmal hatte er seinen besondern Vortheil im Auge — noch mit dem Nachdruck oder der Wissenschaft, Buch V. Gegenreformationen . die man ihm entgegensetzt. Auch dießmal verwuͤstete er wohl das platte Land seiner Gegner: in der Hauptsache dagegen richtete er so viel wie nichts aus Isselt: historia belli Coloniensis p. 1092. Tota hac ae- state nihil hoc exercitu dignum egit. : Eroberungen machte er nicht: eine weitere Huͤlfe des protestantischen Deutschlands wußte er sich nicht zu verschaffen. Dagegen nahmen die katholischen Maͤchte alle ihre Kraft zusammen. Papst Gregor uͤberließ die Sache nicht den Verzoͤgerungen eines Processes an der Curie: ein ein- faches Consistorium der Cardinaͤle hielt er bei der Dring- lichkeit der Umstaͤnde fuͤr hinreichend einen so wichtigen Fall zu entscheiden, einen deutschen Churfuͤrsten seiner erz- bischoͤflichen Wuͤrde zu berauben Maffei: Annali di Gregorio XIII. II, XII, 8. . Schon war sein Nun- tius Malaspina nach Coͤln geeilt: hier gelang es demselben, besonders im Bunde mit den gelehrten Mitgliedern des Stiftes, nicht allein alle Minder-Entschiedenen von dem Capitel auszuschließen, sondern auch einen Fuͤrsten aus dem noch allein vollkommen katholischen Hause, den Herzog Ernst von Baiern, Bischof von Freisingen, auf den erzbi- schoͤflischen Stuhl zu erheben Schreiben Malaspinas an Herzog Wilhelm v. Baiern bei Adlzreitter II, XII, 295. Quod cupiebamus, sagt er darin, im- petravimus. . Hierauf erschien, von dem Herzog von Baiern und nicht ohne Subsidien des Papstes zusammengebracht, ein deutsch-katholisches Heer im Felde. Der Kaiser versaͤumte nicht, den Pfalzgrafen Ca- simir mit Acht und Aberacht zu bedrohen, und Abmah- mahnungsschreiben an seine Truppen zu erlassen, die doch Fortgang derselben in Deutschland. Coͤln . in der That zuletzt die Aufloͤsung des pfaͤlzischen Heeres bewirkten. Als es so weit war, erschienen auch die Spa- nier. Im Sommer 1583 noch hatten sie Zuͤtphen erobert: jetzt ruͤckten viertehalbtausend belgische Veteranen in das Erzstift ein. So vielen Feinden erlag Gebhard Truchseß: seine Truppen wollten wider ein kaiserliches Mandat nicht dienen: seine Hauptfeste ergab sich dem baierisch-spanischen Heere: er selbst mußte fluͤchten und bei dem Prinzen von Oranien, dem er als ein Vorfechter des Protestantismus zur Seite zu stehn gehofft hatte, einen Gnadenaufenthalt suchen. Wie sich versteht, hatte dieß nun auf die vollkommene Befestigung des Katholicismus in dem Lande den groͤßten Einfluß. Gleich im ersten Augenblick der Unruhen hatte die Geistlichkeit des Stiftes die Zwistigkeiten, die in ihr selbst obwalten mochten, fahren lassen: der Nuntius entfernte alle verdaͤchtigen Mitglieder: mitten im Getuͤmmel der Waf- fen richtete man eine Jesuitenkirche ein: nach erfochtenem Siege brauchte man dann nur so fortzufahren. Auch Truch- seß hatte in Westphalen die katholischen Geistlichen verjagt: sie kehrten nun, wie die uͤbrigen Fluͤchtlinge, alle zuruͤck und wurden in hohen Ehren gehalten „Churfuͤrst Ernst“, sagt Khevenhiller, „hat sowol die ka- tholische Religion als das weltlich Regiment aufs neu, alt Herkom- men gemaͤß, bestellt.“ . Die evangelischen Domherrn blieben von dem Stifte ausgeschlossen, und er- hielten sogar, was unerhoͤrt war, ihr Einkommen nicht wieder. Zwar mußten die paͤpstlichen Nuntien auch mit den katholischen glimpflich verfahren: wohl wußte das Papst Päpste* 8 Buch V. Gegenreformationen . Sixtus: er befahl unter andern seinem Nuntius die Re- formen, die er fuͤr noͤthig halte, gar nicht zu beginnen, so- bald er nicht wisse, daß Alle geneigt seyen sie anzunehmen: aber eben auf diese vorsichtige Weise kam man unvermerkt zum Ziele: die Domherrn begannen, so vornehm auch ihre Herkunft war, endlich wieder ihre kirchlichen Pflichten im Dom zu erfuͤllen. An dem Coͤlner Rathe, der eine prote- stantisch gesinnte Gegenpartei in der Stadt hatte, fand die katholische Meinung eine maͤchtige Unterstuͤtzung. Schon an sich mußte dieser große Umschwung auch auf alle andern geistlichen Gebiete wirken: — in der Nach- barschaft von Coͤln trug dazu noch ein besonderer Zufall bei. Jener Heinrich Sachsenlauenburg — welcher das Beispiel Gebhards nachgeahmt haben wuͤrde, wenn es ge- lungen waͤre, — Bischof von Paderborn, Osnabruͤck, Erz- bischof von Bremen, ritt eines Sonntags im April 1585 von dem Hause Voͤhrde nach der Kirche: auf dem Ruͤck- weg stuͤrzte er mit dem Pferde: obwohl er jung und kraͤf- tig war, auch keine bedeutende Verletzung erlitten hatte, starb er doch noch in demselben Monat. Die Wahlen, die hierauf erfolgten, schlugen nun sehr zum Vortheil des Katholicismus aus. Der neue Bischof in Osnabruͤck un- terschrieb wenigstens die Professio fidei Nach Strunck: Annales Paderbornenses p. 514. war Bernard von Waldeck fruͤher dem Protestantismus geneigt gewesen, hatte sich waͤhrend der Coͤlner Unruhen neutral gezeigt, und legte nun das katholische Bekenntniß ab. Chytraͤus ( Saxonia 812) wi- derspricht dem nicht. : ein entschiedener katholischer Eiferer aber war der neue Bischof von Pader- born, Theodor von Fuͤrstenberg. Schon fruͤher als Dom- Fortgang derselben in Deutschland. Paderborn . herr hatte er seinem Vorfahren Widerstand geleistet, und bereits im Jahre 1580 das Statut bewirkt, daß kuͤnftig nur Katholiken in das Capitel aufgenommen werden soll- ten Bessen: Geschichte von Paderborn II, 123. Bei Reiffen- berg: historia provinciae ad Rhenum inferiorem lib. VIII, c. I, p. 185, findet sich ein Schreiben Papst Gregors XIII „dilectis filiis canonicis et capitulo ecclesiae Paderbornensis“ 6. Febr. 1584, worin er diese Widersetzlichkeit lobt: „So sey es recht: je mehr man angegriffen werde, desto staͤrkern Widerstand muͤsse man leisten: auch er der Papst trage die Vaͤter der Gesellschaft Jesu in seinem Herzen.“ : schon hatte er auch ein paar Jesuiten kommen las- sen, und ihnen die Predigt im Dom, so wie die obern Classen des Gymnasiums anvertraut, obwohl das letztere nur unter der Bedingung, daß sie sich keiner Ordensklei- dung bedienen sollten. Wie viel leichter aber ward es ihm nun, diese Richtung durchzusetzen, nachdem er selber Bischof geworden war. Jetzt brauchten die Jesuiten nicht mehr ihre Anwesenheit zu verheimlichen: das Gymna- sium ward ihnen unverholen uͤbergeben: zu der Predigt kam die Katechese. Sie fanden hier vollauf zu thun. Der Stadtrath war durchaus protestantisch: unter den Buͤr- gern fand man kaum noch Katholiken. Auf dem Lande war es nicht anders. Die Jesuiten verglichen Paderborn mit einem duͤrren Acker, der ungemeine Muͤhe mache und doch keine Fruͤchte tragen wolle. Endlich — wir werden es noch beruͤhren — in dem Anfang des siebzehnten Jahr- hunderts sind sie dennoch durchgedrungen. Auch fuͤr Muͤnster war jener Todesfall ein wichtiges Ereigniß. Da die juͤngern Domherrn fuͤr Heinrich, die aͤl- tern wider ihn waren, so hatte bisher keine Wahl zu 8* Buch V. Gegenreformationen . Stande kommen koͤnnen. Jetzt ward Herzog Ernst von Baiern, Churfuͤrst von Coͤln, Bischof von Luͤttich, auch zum Bischof von Muͤnster postulirt. Der entschiedenste Katho- lik des Stiftes, der Domdechant Raesfeld, setzte das noch durch: er bestimmte noch aus seinem Vermoͤgen ein Legat von 12000 Rthlr. fuͤr ein Collegium der Jesuiten, das zu Muͤnster eingerichtet werden sollte: dann starb er. Im J. 1587 langten die ersten Jesuiten an. Sie fanden Wider- stand bei den Domherrn, den Predigern, den Buͤrgern: aber der Rath und der Fuͤrst unterstuͤtzten sie: ihre Schu- len entwickelten ihr außerordentliches Verdienst: im dritten Jahre schon sollen sie tausend Schuͤler gezaͤhlt haben: eben damals, im J. 1590, bekamen sie durch eine freigebige Bewilligung geistlicher Guͤter von Seiten des Fuͤrsten eine vollends unabhaͤngige Stellung Sacchinus pars V. lib. VIII, n. 83—91. Reiffenberg: Historia provinciae ad Rhenum inferiorem I, IX, VI. . Churfuͤrst Ernst besaß auch das Bisthum Hildesheim. Obwohl hier seine Macht um vieles beschraͤnkter war, so trug er doch auch hier zur Aufnahme der Jesuiten bei. Der erste Jesuit, der nach Hildesheim kam, war Johann Hammer, ein geborner Hildesheimer, im lutherischen Glau- ben erzogen — noch lebte sein Vater — aber mit dem Eifer eines Neubekehrten erfuͤllt. Er predigte mit vorzuͤg- licher Deutlichkeit: es gelangen ihm einige glaͤnzende Be- kehrungen: allmaͤhlig faßte er festen Fuß: im Jahre 1590 bekamen die Jesuiten auch in Hildesheim Wohnung und Pension. Wir bemerken, wie wichtig der Katholicismus des Fortgang in Deutschl. Muͤnster. Hildesheim . Hauses Baiern nun auch fuͤr Niederdeutschland wurde. Ein baierischer Prinz erscheint in so vielen Sprengeln zugleich, als die eigentliche Stuͤtze desselben. Doch duͤrfte man nicht glauben, daß dieser Fuͤrst nun selbst sehr eifrig, sehr devot gewesen sey. Er hatte natuͤr- liche Kinder, und man war einmal der Meinung, er werde es zuletzt auch wie Gebhard Truchseß machen. Es ist ganz merkwuͤrdig zu betrachten, mit welcher Behutsamkeit ihn Papst Sixtus behandelt. Sorgfaͤltig huͤtet er sich ihn merken zu lassen, daß er von seinen Unordnungen wisse, so gut er sie auch kennen mag. Es waͤren dann Ermah- nungen, Demonstrationen noͤthig geworden, die den eigen- sinnigen Fuͤrsten gar leicht zu einem unerwuͤnschten Entschluß haͤtten treiben koͤnnen Tempesti: Vita di Sisto V tom. I, p. 354. . Denn die deutschen Geschaͤfte ließen sich noch lange nicht behandeln wie die niederlaͤndischen behandelt wurden. Sie forderten die zarteste persoͤnliche Ruͤcksicht. Obwohl Herzog Wilhelm von Cleve sich aͤußerlich zum katholischen Bekenntniß hielt, so war doch seine Politik im Ganzen protestantisch: protestantischen Fluͤchtlingen gewaͤhrte er mit Vergnuͤgen Aufnahme und Schutz: seinen Sohn Jo- hann Wilhelm, der ein eifriger Katholik war, hielt er von allem Antheil an den Geschaͤften entfernt. Leicht haͤtte man in Rom versucht seyn koͤnnen Mißfallen und Entruͤstung hieruͤber blicken zu lassen und die Opposition dieses Prin- zen zu beguͤnstigen. Allein Sixtus V. war viel zu klug dazu. Nur als der Prinz so lebhaft darauf drang, daß es ohne Beleidigung nicht mehr haͤtte vermieden werden Buch V. Gegenreformationen . koͤnnen, wagte der Nuntius eine Zusammenkunft in Duͤs- seldorf mit ihm zu halten: auch dann ermahnte er densel- ben vor allem zur Geduld. Der Papst wollte nicht, daß er das goldene Vließ bekomme: es koͤnnte Verdacht er- wecken; auch wandte er sich nicht direct an den Vater zu Gunsten des Sohnes: jede Verbindung mit Rom waͤre mißfaͤllig gewesen: nur durch eine Verwendung des Kai- sers, die er auswirkte, suchte er dem Prinzen eine seiner Geburt angemessenere Stellung zu verschaffen: den Nuntius wies er an, uͤber gewisse Dinge zu thun als bemerke er sie nicht. Eben diese schonungsvolle Bedachtsamkeit einer doch immer noch anerkannten Autoritaͤt verfehlte auch hier ihre Wirkung nicht. Der Nuntius bekam nach und nach doch Einfluß: als die Protestanten auf dem Landtag auf einige Beguͤnstigungen antrugen, war er es, der durch seine Vorstellungen hauptsaͤchlich veranlaßte, daß sie ab- schlaͤglich beschieden wurden Tempesti: Vita di Sisto V tom. I, p. 359. . Und so ward in einem großen Theile von Niederdeutsch- land der Katholicismus wenn nicht augenblicklich wieder- hergestellt, aber doch in großer Gefahr behauptet, festge- halten und verstaͤrkt: er erlangte ein Uebergewicht, das sich im Laufe der Zeit zur vollkommenen Herrschaft ausbilden konnte. In dem obern Deutschland trat unmittelbar eine ver- wandte Entwickelung ein. Wir beruͤhrten den Zustand der fraͤnkischen Bisthuͤmer. Ein entschlossener Bischof haͤtte wohl daran denken koͤnnen, ihn zur Erwerbung einer erblichen Macht zu benutzen. Fortgang derselben in Deutschland. Wuͤrzburg . Es ist vielleicht wirklich an dem, daß Julius Echter von Mespelbronn — der im Jahre 1573, noch sehr jung und unternehmend von Natur, Bischof von Wuͤrzburg ward — einen Augenblick geschwankt hat, welche Politik er er- greifen sollte. Er nahm an der Vertreibung des Abtes von Fulda thaͤtigen Antheil, und es kann unmoͤglich eine sehr ausge- sprochene katholische Gesinnung gewesen seyn, was Capitel und Staͤnde von Fulda mit ihm in Verhaͤltniß brachte. Eben die Herstellung des Katholicismus war ja die Haupt- beschwerde die sie gegen ihren Abt erhoben. Auch gerieth der Bischof hiedurch in Mißverhaͤltnisse mit Rom: Gregor XIII. legte ihm auf, Fulda zuruͤckzugeben. Er that das gerade damals, als Truchseß seinen Abfall aussprach. In der That machte Bischof Julius hierauf Anstalt sich an Sachsen zu wenden und das Haupt der Lutheraner gegen den Papst zu Huͤlfe zu rufen: er stand mit Truchseß in naͤherer Verbindung, und wenigstens dieser faßte die Hoffnung, der Bischof von Wuͤrzburg werde seinem Beispiel nachfolgen: mit Vergnuͤgen meldet dieß der Abgeordnete jenes lauenburgischen Erzbischofs von Bremen seinem Herrn Schreiben Hermanns von der Decken (denn Becken wird wohl eine falsche Lesart seyn) vom 6. Dec. 1582 in Schmidt-Phi- seldeck Historischen Miscellaneen I, 25. „Auf des Legaten Anbrin- gen und Werbunge hat Wirzburgensis ein klein Bedenken gebetten: und hat zur Stunde seine Pferde und Gesinde lassen fertig werden, wollen aufsitzen und nach dem Herrn Churf. zu Sachßen reitten und Ihre Churf. G. uͤber solliche des Papsts unerhorte Importunitet — klagen — auch um radt, hulff und Trost anhalten — — — — Der Herr Churfuͤrst (v. Coͤln) hatt große Hoffnung zu hochgedach- . Buch V. Gegenreformationen . Unter diesen Umstaͤnden laͤßt sich schwerlich sagen, was Bischof Julius gethan haben wuͤrde, wenn sich Truchseß in Coͤln behauptet haͤtte. Da dieß aber so vollstaͤndig fehl- schlug, konnte er nicht allein nicht daran denken ihm nach- zuahmen: er faßte vielmehr einen ganz entgegengesetzten Entschluß. Waͤre vielleicht die Summe seiner Wuͤnsche nur gewe- sen Herr in seinem Lande zu werden? Oder war er in in seinem Herzen wirklich von streng katholischer Ueberzeu- gung? Er war doch ein Zoͤgling der Jesuiten, in dem Collegium Romanum erzogen. Genug, im Jahre 1584 nahm er eine Kirchenvisitation in katholischem Sinne vor, die in Deutschland ihres Gleichen noch nicht gehabt hatte: mit der ganzen Staͤrke eines entschlossenen Willens, per- soͤnlich setzte er sie ins Werk. Von einigen Jesuiten begleitet durchzog er sein Land. Er ging zuerst nach Gmuͤnden: von da nach Arnstein, Wer- neck, Haßfurt: so fort von Bezirk zu Bezirk. In jeder Stadt berief er Buͤrgermeister und Rath vor sich, und er- oͤffnete ihnen seinen Entschluß die protestantischen Irrthuͤ- mer auszurotten. Die Prediger wurden entfernt und mit den Zoͤglingen der Jesuiten ersetzt. Weigerte sich ein Be- amter den katholischen Gottesdienst zu besuchen, so wurde er ohne Gnade entlassen: schon warteten Andere, Katholisch- gesinnte, auf die erledigten Stellen. Aber auch jeder Privat- mann ward zu dem katholischen Gottesdienst angehalten: es blieb ihm nur die Wahl zwischen der Messe und der ten Herrn Bischoffen, daß J. F. Gn. verhoffentlich dem Papste wer- den abfallen.“ Fortgang derselben in Deutschland. Wuͤrzburg . Auswanderung: wenn die Religion des Fuͤrsten ein Greuel sey, der solle auch an seinem Lande keinen Theil haben Lebensbeschreibung des Bischofs Julius in Gropps Chronik von Wuͤrzburg p. 335: „es ward ihnen angesagt sich von den Aemtern und Befehlen zu drossen und ihr Hauswesen außer dem Stift zu suchen.“ Ich benutze diese Lebensbeschreibung hier auch sonst, mit ihr besonders Christophori Mariani Augustani Encae- nia et Tricennalia Juliana in Gropps Scriptt. Wirceb. tom. I. . Vergebens verwandten sich die Nachbarn hiegegen. Bischof Julius pflegte zu sagen: nicht das was er thue, errege ihm Bedenklichkeiten, sondern daß er es so spaͤt thue. Auf das eifrigste standen ihm die Jesuiten bei. Besonders bemerkte man den Pater Gerhard Weller, der allein und ohne Ge- paͤck zu Fuß von Ort zu Ort zog und predigte. In dem Eiren Jahre 1586 wurden 14 Staͤdte und Maͤrkte, uͤber 200 Doͤrfer, bei 62000 Seelen zum Katholicismus zu- ruͤckgebracht. Nur die Hauptstadt des Stiftes war noch uͤbrig: im Merz 1587 nahm der Bischof auch diese vor. Er ließ den Stadtrath vor sich kommen: dann setzte er fuͤr jedes Viertel und jede Pfarre eine Commission nieder, wel- che die Buͤrger einzeln verhoͤrte. Eben hier fand sich, daß die Haͤlfte derselben protestantische Meinungen hegte. Man- che waren nur schwach in ihrem Glauben: bald fuͤgten sie sich, und die feierliche Communion, welche der Bischof zu Ostern im Dome veranstaltete, bei der er selbst das Amt hielt, war schon sehr zahlreich; Andere hielten sich laͤnger; noch Andere zogen es vor, das Ihre zu verkaufen und aus- zuwandern. Unter diesen waren vier Rathsherrn. Ein Beispiel durch das sich vor allem der naͤchste geistliche Nachbar von Wuͤrzburg der Bischof von Bam- Buch V. Gegenreformationen . berg zur Nachahmung aufgefordert fuͤhlte. Man kennt Goͤs- weinstein uͤber dem Muggendorfer Thal, wohin noch heute auf einsam steilen Pfaden durch praͤchtige Waͤlder und Schluchten aus allen Thaͤlern umher wallfahrtendes Volk zieht. Es ist ein altes Heiligthum der Dreifaltigkeit da- selbst: damals war es unbesucht, veroͤdet. Als der Bi- schof von Bamberg, Ernst von Mengersdorf, im Jahr 1587 einmal dahin kam, fiel ihm dieß schwer aufs Herz. Von dem Beispiel seines Nachbarn entflammt, erklaͤrte auch er, er wolle seine Unterthanen wieder „zur wahren katholischen Religion weisen: keine Gefahr werde ihn abhalten, diese seine Pflicht zu thun.“ Wir werden sehen, wie ernstlich sein Nachfolger daran ging. Waͤhrend man sich aber im Bambergischen noch vor- bereitete, fuhr Bischof Julius fort das Wuͤrzburgische ganz umzugestalten. Alle alten Einrichtungen wurden erneuert. Die Mutter-Gottes-Andachten, die Wallfahrten, die Bruͤ- derschaften zu Mariaͤ Himmelfahrt, zu Mariaͤ Geburt und wie sie alle heißen lebten wieder auf, und neue wurden ge- gruͤndet. Processionen durchzogen die Straßen: der Glok- kenschlag mahnte das gesammte Land zur gesetzten Stunde zum Ave Maria Julii Episcopi statuta ruralia: Gropp: Scriptt. tom. I. Sein Sinn ist, daß die geistliche Bewegung, die von dem hoͤchsten Haupte der Kirche Christi ausgeht, von oben nach unten sich allen Gliedern des Koͤrpers mittheile. S. p. 444. de capitulis ruralibus. . Aufs neue sammelte man Reliquien und legte sie mit großem Pomp an die Orte der Ver- ehrung nieder. Die Kloͤster wurden wieder besetzt: aller Orten Kirchen gebaut: man zaͤhlt 300 die Bischof Julius Fortgang derselben in Deutschland. Wuͤrzburg . gegruͤndet hat: an ihren hohen spitzen Thuͤrmen kann sie der Reisende erkennen. Mit Erstaunen nahm man nach we- nigen Jahren die Verwandlung wahr. „Was eben erst,“ ruft ein Lobredner des Bischofs aus, „fuͤr aberglaͤubisch, ja fuͤr schimpflich gegolten, das haͤlt man nun fuͤr heilig: worin man noch eben ein Evangelium sah, das erklaͤrt man nun fuͤr Betrug.“ So große Erfolge hatte man selbst in Rom nicht er- wartet. Das Unternehmen des Bischofs Julius war schon eine Zeitlang im Gange, ehe Papst Sixtus etwas davon erfuhr. Nach den Herbstferien 1586 erschien der Jesuiten- general Aquaviva vor ihm, um ihm die Kunde von den neuen Eroberungen seines Ordens mitzutheilen. Sixtus war entzuͤckt. Er eilte dem Bischof seine Anerkennung zu bezeugen. Er theilte ihm das Recht zu, auch die in den vorbehaltenen Monaten erledigten Pfruͤnden zu besetzten: denn er selbst werde ja am besten wissen, wen er zu belohnen habe. Um so groͤßer war aber die Freude des Papstes, da die Meldung Aquavivas mit aͤhnlichen Nachrichten aus den oͤstreichischen Provinzen besonders aus Steiermark zu- sammentraf. In demselben Jahre noch, in welchem die evangeli- schen Staͤnde in Steiermark durch die Bruckerischen Land- tagsbeschluͤsse eine so große Unabhaͤngigkeit erlangten, daß sie sich darin wohl mit den Staͤnden von Oestreich ver- Buch V. Gegenreformationen . gleichen konnten, welche auch ihren Religionsrath, ihre Superintendenten und Synoden und eine fast republikani- sche Verfassung besaßen, trat auch schon die Veraͤnde- rung ein. Gleich als Rudolf II. die Erbhuldigung einnahm, bemerkte man, wie so durchaus er von seinem Vater ver- schieden sey: die Acte der Devotion uͤbte er in ihrer gan- zen Strenge aus: mit Verwunderung sah man ihn den Processionen beiwohnen, selbst im harten Winter, ohne Kopfbedeckung, mit seiner Fackel in der Hand. Diese Stimmung des Herrn, die Gunst, die er den Jesuiten angedeihen ließ, erregten schon Besorgniß und nach dem Charakter der Zeit heftige Gegenbewegungen. In dem Landhaus zu Wien, denn eine eigentliche Kirche war den Protestanten in der Hauptstadt nicht verstattet, predigte der Flacianer Josua Opitz mit alle der Heftigkeit, welche seiner Secte eigenthuͤmlich war. Indem er regelmaͤßig wider Je- suiten, Pfaffen und „alle Greuel des Papstthums donnerte“, erregte er nicht sowohl Ueberzeugung als Ingrimm in sei- nen Zuhoͤrern: so daß sie wie ein Zeitgenosse sagt D. Georg Eder, der freilich ein Gegner war: Auszug sei- ner Warnungsschrift bei Raupach: Evangel. Oestreich II, 286. , wenn sie aus seiner Kirche kamen, „die Papisten mit den Haͤnden haͤtten zerreißen moͤgen.“ Der Erfolg war, daß der Kai- ser die Absicht faßte die Versammlungen des Landhauses abzustellen. Indem man dieß bemerkte, das Fuͤr und Wi- der leidenschaftlich besprach, und die Ritterschaft, der das Landhaus zugehoͤrte, sich schon mit Drohungen vernehmen ließ, kam der Tag des Frohnleichnams im Jahre 1578 Fortgang derselben in Deutschland. Oestreich . heran. Der Kaiser war entschlossen dieß Fest auf das feierlichste zu begehn. Nachdem er die Messe in St. Ste- phan gehoͤrt, begann die Procession, die erste die man seit langer Zeit wieder sah: Priester, Ordensbruͤder, Zuͤnfte, in ihrer Mitte der Kaiser und die Prinzen: so ward das Hoch- wuͤrdige durch die Straßen begleitet. Ploͤtzlich aber zeigte sich, welch eine ungemeine Aufregung in der Stadt herrschte. Als man auf den Bauernmarkt kam, mußten einige Bu- den weggeraͤumt werden, um der Procession Platz zu ma- chen. Nichts weiter bedurfte es, um eine allgemeine Ver- wirrung hervorzubringen. Man hoͤrte den Ruf: wir sind verrathen: zu den Waffen! Chorknaben und Priester ver- ließen das Hochwuͤrdige: Hallbardierer und Hartschirer zer- streuten sich: der Kaiser sah sich in der Mitte einer toben- den Menge: er fuͤrchtete einen Angriff auf seine Person und legte die Hand an den Degen: die Prinzen traten mit gezogenem Schwert um ihn her Maffei: Annali di Gregorio XIII tom. I, p. 281, 335. ohne Zweifel aus den Berichten des Nuntius. . — Man kann erach- ten, daß dieser Vorfall den groͤßten Eindruck auf den ernsthaften Fuͤrsten hervorbringen mußte, der spanische Wuͤrde und Majestaͤt liebte. Der paͤpstliche Nuntius nahm davon Gelegenheit ihm die Gefahr vorzustellen in der er bei diesem Zustand der Dinge schwebe: Gott selbst zeige ihm darin, wie nothwendig es fuͤr ihn sei Versprechun- gen zu erfuͤllen, die er ohnehin dem Papst gethan. Der spanische Gesandte stimmte ihm bei. Oftmals hatte der Jesuitenprovinzial Magius den Kaiser zu einer entscheiden- den Maaßregel aufgefordert: jetzt fand er Gehoͤr. Am 21. Buch V. Gegenreformationen . Juni 1578 erließ der Kaiser einen Befehl an Opitz, sammt seinen Gehuͤlfen an Kirche und Schule noch an dem nem- lichen Tag, „bei scheinender Sonne“, die Stadt, und bin- nen 14 Tagen die gesammten Erblande des Kaisers zu raͤu- men. Der Kaiser fuͤrchtete fast einen Aufruhr: fuͤr den Nothfall hielt er eine Anzahl zuverlaͤssiger Leute in den Waffen. Allein wie haͤtte man sich wider den Fuͤrsten er- heben sollen, der den Buchstaben des Rechtes fuͤr sich hatte? Man begnuͤgte sich den Verwiesenen mit schmerzlichem Bei- leid das Geleite zu geben Sacchinus pars IV, lib. VI, nr. 78. „pudet referre, quam exeuntes sacrilegos omnique execratione dignissimos pro- secuta sit numerosa multitudo quotque benevolentiae documen- tis, ut vel inde mali gravitas aestimari possit.“ . Von diesem Tage an nun begann in Oestreich eine katholische Reaction, welche von Jahr zu Jahr mehr Kraft und Wirksamkeit bekam. Es ward der Plan gefaßt, den Protestantismus zu- naͤchst aus den kaiserlichen Staͤdten zu verdraͤngen. Die Staͤdte unter der Enns, die sich 20 Jahre fruͤher von dem Herrn- und Ritterstande hatten absondern lassen, konnten in der That keinen Widerstand entgegensetzen. Die evan- gelischen Geistlichen wurden an vielen Orten verwiesen: ka- tholische traten an ihre Stelle, uͤber die Privatleute ward eine strenge Untersuchung verhaͤngt. Wir haben eine For- mel nach der man die Verdaͤchtigen pruͤfte. Glaubst du, lautet ein Artikel, daß alles wahr ist, was die roͤmische Kirche in Lehre und Leben festsetzt? Glaubst du, fuͤgt ein anderer hinzu, daß der Papst das Haupt der Einigen aposto- Fortgang derselben in Deutschland. Oestreich . lischen Kirche ist? Keinen Zweifel wollte man uͤbrig lassen Paͤpstliche, oͤsterreichische und baierische Confessionsartikel bei Raupach: Evang. Oestreich II, 307. . Die Protestanten wurden von den Stadtaͤmtern entfernt: es ward kein Buͤrger weiter aufgenommnen, den man nicht katholisch erfand. Auf der Universitaͤt mußte nun auch in Wien jeder Doctorandus zuerst die Professio fidei unter- schreiben. Eine neue Schulordnung schrieb katholische For- mularien, Fasten, Kirchenbesuch, den ausschließlichen Ge- branch des Katechismus des Canisius vor. In Wien nahm man die protestantischen Buͤcher aus den Buchlaͤden weg: in großen Haufen fuͤhrte man sie in den bischoͤflichen Hof. An den Wassermauthen untersuchte man die ankommenden Kisten und confiscirte Buͤcher oder Gemaͤhlde, welche nicht gut katholisch waren Khevenhiller: Ferd. Jahrb. I, 90. Hansitz: Germania sa- cra I, 632. . Mit alle dem drang man noch nicht durch. In Kur- zem wurden zwar in Unteroͤstreich 13 Staͤdte und Maͤrkte reformirt: auch die Kammerguͤter, die verpfaͤndeten Besitzthuͤ- mer hatte man in seiner Hand: allein noch hielt der Adel eine gewaltige Opposition: die Staͤdte ob der Enns waren enge mit ihm verbunden und ließen sich nicht anfechten Raupach: Kleine Nachlese Ev. Oestr. IV, p. 17. . Nichts desto minder hatten doch, wie man leicht er- kennt, viele von jenen Maaßregeln eine allgemeine Guͤltig- keit, der sich Niemand entziehen konnte: auf Steiermark aͤußerten sie eine unmittelbare Ruͤckwirkung. In dem Momente hatte sich hier Erzherzog Carl zu Buch V. Gegenreformationen . Concessionen verstehn muͤssen, als schon an so vielen Or- ten die katholische Reaction im Gange war. Seine Stam- mesvettern konnten es ihm nicht verzeihen. Sein Schwager Herzog Albrecht von Baiern stellte ihm vor: daß ihn der Religionsfriede berechtige seine Unterthanen zu der Re- ligion zu noͤthigen, die er selber bekenne. Er rieth dem Erzherzog dreierlei: einmal alle seine Aemter vornehmlich Hof und geheimen Rath nur mit Katholischen zu be- setzen: sodann auf den Landtagen die verschiedenen Staͤnde von einander abzusondern, um mit den Einzelnen desto besser fertig werden zu koͤnnen: endlich mit dem Papst in gutes Vernehmen zu treten, und sich einen Nuntius von demselben auszubitten. Schon von selbst bot Gre- gor XIII. die Hand hiezu. Da er sehr wohl wußte, daß es hauptsaͤchlich das Geldbeduͤrfniß war, was den Erzher- zog zu seinen Zugestaͤndnissen bewogen hatte, so ergriff er das beste Mittel ihn von seinen Landsassen unabhaͤngiger zu machen: er schickte ihm selber Geld: noch im Jahre 1580 die fuͤr jene Zeit ganz bedeutende Summe von 40000 Sc.: in Venedig legte er ein noch ansehnlicheres Capital nieder, dessen sich der Erzherzog in dem Falle bedienen koͤnne, daß in Folge seiner katholischen Bestrebungen Unruhen in dem Lande ausbrechen sollten. Durch Beispiel, Anmahnung und wesentliche Huͤlfe ermuthigt, nahm Erzherzog Carl seit dem Jahre 1580 eine ganz andere Stellung an. In diesem Jahre gab er seinen fruͤheren Zugestaͤndnis- sen eine Erklaͤrung, welche als ein Widerruf derselben betrach- tet werden konnte. Die Staͤnde thaten ihm einen Fußfall, und Fortgang derselben in Deutschl. Steiermark . und einen Augenblick mochte eine so flehentliche Bitte eine Wirkung auf ihn ausuͤben „Seinem angeborenen mildreichen landsfuͤrstlichen deutschen Gemuͤth nach“, sagt die Supplication der drei Lande. : aber im Ganzen blieb es doch bei den angekuͤndigten Maaßregeln: schon begann auch hier die Vertreibung der evangelischen Prediger. Entscheidend ward das Jahr 1584. Auf dem Land- tage dieses Jahres erschien der paͤpstliche Nuntius Mala- spina. Schon war es ihm gelungen die Praͤlaten, welche sich sonst immer zu den weltlichen Staͤnden gehalten, von denselben zu trennen: zwischen ihnen, den herzoglichen Be- amten und allen Katholischen im Lande stiftete der Nun- tius eine enge Vereinigung, die in ihm ihren Mittelpunkt fand. Bisher hatte es geschienen, als sey das ganze Land protestantisch: der Nuntius verstand es, auch um den Fuͤr- sten her eine starke Partei zu bilden. Hiedurch ward der Erzherzog ganz unerschuͤtterlich. Er blieb fest dabei, daß er den Protestantismus in seinen Staͤdten ausrotten wolle: der Religionsfriede gebe ihm, sagte er, noch weit groͤßere Rechte, auch uͤber den Adel, und durch fernern Widerstand werde man ihn noch dahin bringen, sie geltend zu machen: dann wolle er doch sehen, wer sich als Rebell beweisen wolle. So entschieden nun diese Erklaͤrungen lauteten, so kam er doch damit so weit, wie fruͤherhin mit seinen Zugestaͤndnissen. Die Staͤnde bewilligten was er verlangte Valvassor: Ehre des Herzogthums Krain, hat uͤber alle diese Dinge gute und ausfuͤhrliche Nachrichten. Besonders wichtig ist aber hier Maffei in den Annali di Gregorio XIII lib. IX, c. XX. lib. XIII, c. I. Er hatte ohne Zweifel die Information des Nuntius vor Augen.. . Päpste* 9 Buch V. Gegenreformationen . Seitdem begannen nun die Gegenreformationen auch in dem gesammten erzherzoglichen Gebiete. Die Pfarren, die Stadtraͤthe wurden mit Katholiken besetzt: kein Buͤrger durfte eine andere als die katholische Kirche besuchen, oder seine Kinder in eine andere als die katholische Schule schicken. Es ging nicht immer ganz ruhig ab. Die katholi- schen Pfarrer, die fuͤrstlichen Commissarien wurden zuwei- len verunglimpft und weggejagt. Der Erzherzog selbst ge- rieth einmal auf der Jagd in Gefahr: es hatte sich in der Gegend das Geruͤcht verbreitet, ein benachbarter Praͤdicant sey gefangen: das Volk lief mit den Waffen zusammen, und der arme geplagte Prediger mußte selbst ins Mittel treten, um den ungnaͤdigen Herrn vor den Bauern zu be- schuͤtzen Khevenhiller: Annales Ferdinandei II, p. 523. . Trotz alle dem aber hatte die Sache ihren Fortgang. Die strengsten Mittel wurden angewendet: der paͤpstliche Geschichtschreiber faßt sie in wenig Worten zu- sammen: Confiscation, sagt er, Exil, schwere Zuͤchtigung jedes Widerspenstigen. Die geistlichen Fuͤrsten, die in jenen Gegenden etwas besaßen, kamen den weltlichen Behoͤrden zu Huͤlfe. Der Erzbischof von Coͤln, Bischof von Freisingen, aͤnderte den Rath seiner Stadt Lack, und belegte die prote- stantischen Buͤrger mit Gefaͤngniß oder mit Geldstrafe; der Bischof von Brixen wollte in seiner Herrschaft Veldes gera- dezu eine neue Ackervertheilung vornehmen. Diese Tenden- zen erstreckten sich uͤber alle oͤstreichischen Gebiete. Obwohl Tyrol katholisch geblieben, so versaͤumte doch der Erzher- zog Ferdinand in Inspruck nicht, seine Geistlichkeit in strenge Fortgang derselben in Deutschland. Oestreich . Unterordnung zu nehmen, und darauf zu sehen, daß Je- dermann das Abendmahl empfing: fuͤr die gemeinen Leute wurden Sonntagsschulen eingerichtet: Cardinal Andreas, der Sohn Ferdinands, ließ Katechismen drucken und vertheilte sie der Schuljugend und den ununterrichteten Leuten Puteo bei Tempesti: Vita di Sisto V tom. I, 375. . In Gegenden aber wo der Protestantismus einigermaaßen eingedrungen war, blieben sie nicht bei so milden Maaßre- geln stehn. In der Markgrafschaft Burgau, obwohl sie erst vor kurzem erworben, in der Landvogtei Schwaben, obwohl die Jurisdiction daselbst streitig war, verfuhren sie ganz wie Erzherzog Carl in Steiermark. Ueber alle diese Dinge konnte Papst Sixtus des Lo- bes kein Ende finden. Er ruͤhmte die oͤstreichischen Prin- zen als die festesten Saͤulen des Christenthums. Besonders an Erzherzog Carl erließ er die verbindlichsten Breven Auszug aus den Breven: bei Tempesti I, 203. . Die Erwerbung einer Grafschaft, welche damals heimfiel, betrachtete man am Hofe zu Graͤtz als eine Belohnung fuͤr so viel gute dem Christenthum geleistete Dienste. Wenn die katholische Richtung in den Niederlanden sich vornehmlich dadurch wieder festsetzte, daß sie sich den Privilegien anbequemte, so geschah das nicht auch in Deutsch- land. Es blieb hier dabei, daß die Landesherrschaften ihre Hoheit und Macht um so viel erweiterten, als es ihnen gelang, die kirchliche Restauration zu beguͤnstigen. Wie 9* Buch V. Gegenreformationen . enge aber diese Vereinigung kirchlicher und politischer Macht war, wie weit man darin ging, davon bietet wohl der Erz- bischof von Salzburg Wolf Dietrich von Raittenau das merk- wuͤrdigste Beispiel dar. Die alten Erzbischoͤfe, welche die Bewegungen der Re- formationszeit mit erlebt, begnuͤgten sich, dann und wann ein Edict wider die Neuerungen zu erlassen, eine Strafe zu verhaͤngen, einen Versuch zur Bekehrung zu machen, aber nur, wie Erzbischof Jacob sagt, „durch linde, vaͤter- liche und getreue Wege“: im Ganzen ließen sie es gehn Auch ein schaͤrferes Mandat ward allerdings unter dem Na- men Jacobs publicirt, aber erst als er die Verwaltung einem Co- adjutor hatte uͤberlassen muͤssen. . Ganz andere Eindruͤcke, Ansichten und Entwuͤrfe aber brachte der junge Erzbischof Wolf Dietrich von Raittenau mit, als er im Jahre 1587 den Stuhl von Salzburg be- stieg. Er war in dem Collegium Germanicum zu Rom erzogen worden, und hatte die Ideen der kirchlichen Restau- ration noch in voller Frische inne: er hatte hier noch den glaͤnzenden Anfang der Regierung Sixtus V. gesehen, und sich mit Bewunderung fuͤr ihn erfuͤllt: es spornte ihn noch be- sonders an, daß sein Oheim Cardinal war, Cardinal Altemps, in dessen Hause er zu Rom erzogen worden. In dem J. 1588, bei der Zuruͤckkunft von einer Reise, die ihn noch einmal nach Rom gefuͤhrt hatte, schritt er zum Werke. Er forderte alle Buͤrger seiner Hauptstadt auf, ihr katholisches Bekenntniß abzulegen. Es blieben viele damit im Ruͤckstand: er gestattete ihnen einige Wochen Bedenkzeit: alsdann, am 3. September 1588, befahl er ihnen binnen eines Monats Fortgang derselben in Deutschland. Salzburg . Stadt und Stift zu raͤumen. Nur dieser Monat und end- lich auf dringende Bitten noch ein zweiter ward ihnen verstattet, ihre Guͤter zu verkaufen. Sie mußten dem Erz- bischof von denselben einen Anschlag uͤberreichen, und durf- ten sie auch dann nur an solche Personen uͤberlassen, die ihm angenehm waren Reformationsmandat bei Goͤckingk: Vollkommene Emigra- tionsgeschichte von denen aus dem Erzbisthum Salzburg vertriebe- nen Lutheranern I, p. 88. . Nur Wenige bequemten sich von ihrem Glauben abzufallen: sie mußten dann oͤf- fentliche Kirchenbuße thun, mit brennenden Kerzen in der Hand: bei weitem die Meisten, eben die wohlhabendsten Buͤrger der Stadt, wanderten aus. Ihr Verlust kuͤm- merte den Fuͤrsten nicht. In andern Maaßregeln glaubte er das Mittel gefunden zu haben den Glanz des Erzstif- tes zu erhalten. Schon hatte er die Abgaben gewaltig er- hoͤht, Mauthen und Zoͤlle gesteigert, das Halleiner, das Schel- lenberger Salz mit neuem Aufschlag belegt, die Tuͤrken- huͤlfe zu einer ordentlichen Landessteuer ausgedehnt, Wein- umgeld, Vermoͤgens- und Erbsteuer eingefuͤhrt. Auf keine hergebrachte Freiheit nahm er Ruͤcksicht. Der Domdechant entleibte sich selbst: man glaubte, in einem Anfalle von Truͤb- sinn uͤber die Verluste der Rechte des Capitels. Die An- ordnungen des Erzbischofs uͤber die Salzausfertigung und das gesammte Bergwesen hatten den Zweck die Selbstaͤn- digkeit der Gewerke herabzubringen und alles seiner Kam- mer einzuverleiben. In Deutschland giebt es kein aͤhnliches Beispiel einer ausgebildeten Fiscalitaͤt in diesem Jahrhun- dert. Der junge Erzbischof hatte die Ideen eines italieni- Buch V. Gegenreformationen . schen Fuͤrstenthums mit uͤber die Alpen gebracht. Geld zu haben, schien ihm die erste Aufgabe aller Staatswirth- schaft. Er hatte sich Sixtus V. zum Muster genommen: einen gehorsamen, ganz katholischen, tributaͤren Staat wollte auch er in seinen Haͤnden haben. Die Entfernung der Buͤr- ger von Salzburg, die er als Rebellen ansah, machte ihm sogar Vergnuͤgen. Er ließ die leer gewordenen Haͤuser nie- derreißen und Pallaͤste nach roͤmischem Styl an ihrer Stelle aufrichten Zauners: Salzburger Chronik Siebenter Theil, ist hiefuͤr unsre wichtigste Quelle. Dieser Theil ist selbst nach einer gleichzei- tigen Lebensbeschreibung des Erzbischofs gearbeitet. . Denn vor allem liebte er den Glanz. Keinem Fremden haͤtte er die Ritterzehrung versagt: mit einem Gefolge von 400 Mann sah man ihn einst den Reichstag besuchen. Im Jahre 1588 war er erst 29 Jahr alt: er war voll Lebensmuth und Ehrgeiz: schon faßte er die hoͤchsten kirch- lichen Wuͤrden ins Auge. Wie nun in geistlichen und weltlichen Fuͤrstenthuͤmern, so gieng es, wenn es irgend moͤglich war, auch in den Staͤdten. Wie bitter beklagen sich die lutherischen Buͤrger von Gmuͤnden, daß man sie aus der Matrikel der Buͤrger- stube gestrichen habe. In Biberach behauptete sich noch der Rath, den der Commissar Kaiser Carls V. bei Gelegenheit des Interims eingesetzt hatte: die ganze Stadt war prote- stantisch, der Rath allein katholisch, und jeden Protestanten Fortgang derselben in Deutschland. Staͤdte . hielt er sorgsam ausgeschlossen Lehmann de pace religionis II, p. 268. 480. . Welche Bedruͤckungen erfuhren die Evangelischen in Coͤln und Aachen! Der Rath von Coͤln erklaͤrte, er habe Kaiser und Churfuͤrsten verspro- chen keine andere Religion zu dulden als die katholische: das Anhoͤren einer protestantischen Predigt bestrafte er zu- weilen mit Thurm und Geldbuße Lehmann 436. 270. . Auch in Augsburg bekamen die Katholiken die Oberhand: bei der Einfuͤhrung des neuen Kalenders entstanden Streitigkeiten: im J. 1586 wurde erst der evangelische Superintendent, dann elf Geist- liche auf einmal, endlich eine Anzahl der hartnaͤckigsten Buͤrger aus der Stadt getrieben. Um verwandter Gruͤnde willen erfolgte etwas Aehnliches 1587 in Regensburg. Schon machten auch die Staͤdte auf das Reformationsrecht An- spruͤche; ja selbst einzelne Grafen und Herrn, einzelne Reichsritter, die etwa so eben von einem Jesuiten bekehrt worden, glaubten sich desselben bedienen zu duͤrfen und un- ternahmen in ihrem kleinen Gebiete die Wiederherstellung des Katholicismus. Es war eine unermeßliche Reaction. Wie der Pro- testantismus vorgedrungen, so ward er jetzt zuruͤckgewor- fen. Predigt und Lehre wirkten auch hiebei, aber noch bei weitem mehr Anordnung, Befehl und die offne Gewalt. Wie einst die italienischen Protestanten sich uͤber die Alpen nach der Schweiz und nach Deutschland gefluͤchtet, so wandten sich auch deutsche Fluͤchtlinge, und in noch viel groͤßern Schaaren, vom westlichen und suͤdlichen Deutsch- land verdraͤngt nach dem noͤrdlichen und oͤstlichen. So wi- Buch V. Gegenreformationen . chen auch die belgischen nach Holland. Es war ein gro- ßer katholischer Sieg, der sich von Land zu Land waͤlzte. Den Fortgang desselben zu beguͤnstigen und auszu- dehnen, bemuͤhten sich nun vor allem die Nuntien, welche damals in Deutschland regelmaͤßig zu residiren anfingen. Wir haben eine Denkschrift des Nuntius Minuccio Minucci vom Jahre 1588 uͤbrig, aus welcher sich die Ge- sichtspunkte ergeben, die man faßte, nach denen man ver- fuhr Discorso del molto illustre e rev mo Mons or Minuccio Minucci sopra il modo di restituire la cattolica religione in Ale- magna 1588. Ms. Barb. . Eine vorzuͤgliche Ruͤcksicht widmete man dem Unter- richt. Man haͤtte nur gewuͤnscht, daß die katholischen Uni- versitaͤten besser ausgestattet worden waͤren, um ausgezeich- nete Lehrer anzuziehen: das einzige Ingolstadt war mit ge- nuͤgenden Mitteln versehen. Wie die Sachen standen, kam noch alles auf die jesuitischen Seminarien an. Minuccio Minucci wuͤnschte, daß hier nicht sowohl darauf gesehen wuͤrde, große Gelehrte, tiefe Theologen zu bilden, als gute und tuͤchtige Prediger. Ein Mann von mittelmaͤßi- gen Kenntnissen, der sich bescheide nicht zu dem Gipfel der Gelehrsamkeit zu gelangen, und nicht darauf denke sich beruͤhmt zu machen, sey vielleicht der allerbrauch- barste und nuͤtzlichste. Er empfahl diese Ruͤcksicht auch fuͤr die den deutschen Katholiken bestimmten Anstalten in Ita- lien. In dem Collegium Germanicum ward urspruͤng- lich zwischen der buͤrgerlichen und der adlichen Jugend ein Unterschied in der Behandlung gemacht. Minuccio Mi- Fortgang in Deutschland. Weitere Entwuͤrfe . nucci findet es tadelnswuͤrdig, daß man hievon abgewi- chen. Nicht allein straͤube sich nun der Adel, dahin zu gehn, auch in den Buͤrgerlichen erwache ein Ehrgeiz, dem hernach nicht genuͤgt werden koͤnne, ein Streben nach ho- hen Stellen, das der guten Verwaltung der untern nach- theilig werde. Uebrigens suchte man damals noch eine dritte mittlere Classe heranzuziehen: die Soͤhne der hoͤheren Beamten, die doch nach dem Laufe der Welt einmal wie- der den groͤßten Antheil an der Verwaltung ihrer vater- laͤndischen Landschaften bekommen mußten. In Perugia und Bologna hatte bereits Gregor XIII. Einrichtungen fuͤr sie getroffen. Man sieht wohl: die Standesunterscheidun- gen, die noch jetzt die deutsche Welt beherrschen, waren schon damals ausgesprochen. Das Meiste kam immer auf den Adel an. Ihm vor allem schrieb der Nuntius die Erhaltung des Katholicismus in Deutschland zu. Denn da der deutsche Adel ein aus- schließendes Recht auf die Stifter habe, so vertheidige er die Kirche wie sein Erbgut. Jetzt setze er sich ebendeshalb der Freistellung der Religion in den Stiftern entgegen Vornehmlich in Oberdeutschland: „L’esempio della sup- pressione dell’ altre (der niederdeutschen) ha avvertiti i nobili a metter cura maggiore nella difesa di queste, concorrendo in ciò tanto gli eretici quanto li cattolici, accorti già, che nell’occu- patione delli principi si leva a loro et a’posteri la speranza dell’utile che cavano dai canonicati e dagli altri beneficii e che possono pretendere del vescovato mentre a’canonici resti libera l’elettione.“ : er fuͤrchte die große Zahl der protestantischen Prinzen, wel- che alsdann alle Pfruͤnden an sich ziehen wuͤrden. Eben- darum muͤsse man auch diesen Adel schuͤtzen und schonen. Buch V. Gegenreformationen . Man duͤrfe ihn nicht mit dem Gesetz der Singularitaͤt der Beneficien plagen: ohnehin habe die Abwechselung der Re- sidenzen ihren Nutzen, da vereinige sich der Adel aus ver- schiedenen Provinzen zum Schutz der Kirche. Auch muͤsse man nicht etwa die Stellen an Buͤrgerliche zu bringen su- chen: einige Gelehrte seyen in einem Capitel sehr nuͤtzlich, wie man in Coͤln bemerkt: aber wollte man hierin weiter gehn, so wuͤrde es den Ruin der deutschen Kirche verursachen. Da entstand nun die Frage, in wie fern es moͤglich sey, die voͤllig zum Protestantismus uͤbergetretenen Gebiete wieder herbeizubringen. Der Nuntius ist weit entfernt, zur offenen Gewalt zu rathen. Bei weitem zu maͤchtig scheinen ihm die pro- testantischen Fuͤrsten. Aber er giebt einige Mittel an die Hand, die allmaͤhlig doch auch zum Ziele fuͤhren moͤchten. Vor allem findet er es nothwendig, das gute Ver- nehmen zwischen den katholischen Fuͤrsten besonders zwi- schen Baiern und Oestreich aufrecht zu erhalten. Noch be- stehe der Bund von Landsberg: man muͤsse ihn erneuern, erweitern: auch Koͤnig Philipp von Spanien koͤnne man aufnehmen. Und sey es nicht moͤglich, einige protestantische Fuͤr- sten selbst wieder zu gewinnen? — Lange hatte man in Churfuͤrst August von Sachsen eine Hinneigung zum Katho- licismus wahrzunehmen geglaubt: besonders durch baierische Vermittelung war wohl dann und wann ein Versuch auf ihn gemacht worden: allein nur mit großer Vorsicht hatte es geschehen koͤnnen: und da die Gemahlin des Churfuͤrsten, Anna von Daͤnemark, sich streng an die Ueberzeugungen Fortgang in Deutschland. Weitere Entwuͤrfe . des Lutherthums hielt, so war es immer vergeblich gewe- sen. Im Jahre 1585 starb Anna. Es war nicht allein ein Tag der Erloͤsung fuͤr die bedraͤngten Calvinisten: auch die Katholiken suchten sich dem Fuͤrsten wieder zu naͤhern. Es scheint doch als habe man in Baiern, wo man sich fruͤher immer straͤubte, sich jetzt bewogen gefuͤhlt ei- nen Schritt zu thun; schon hielt sich Papst Sixtus bereit dem Churfuͤrsten die Absolution nach Deutschland zuzusen- den Schon 1574 ermunterte Gregor XIII. den Herzog Albert V. „ut dum elector Saxoniae Calvinistarum sectam ex imperii sui finibus exturbare conabatur, vellet sermones cum principe illo aliquando habitos de religione catholica in Saxonia introducenda renovare.“ Er meinte, vielleicht werde es gut seyn, einen Agenten dahin zu schicken. Hiewider ist der Herzog geradezu: dann wuͤrde die Sache an den geheimen Rath des Churfuͤrsten gelangen, „ad consiliarios et familiares, a quibus quid exspectandum aliud quam quod totam rem pervertat?“ Er faͤhrt fort: „Arte hic opus esse judicatur, quo tanquam aliud agens errantem pie cir- cumveniat. — Uxor, quo ex sexu impotentiori concitatior est, eo importuniora suffundet consilia, si resciscat hanc apud maritum rem agi.“ Legationes Paparum ad Duces Bavariae Ms. der Muͤnchener Bibliothek. — Minucci erzaͤhlt, daß die ersten Eroͤffnun- gen noch zu Pius V. Zeiten gemacht worden. Die ganze Stelle ist merkwuͤrdig. „Con duca Augusto di Sassonia già morto trattò sin a tempi della s. m. di Papa Pio V il duca Alberto di Ba- viera, che vive in cielo, e ridusse la pratica tanto inanzi che si prometteva sicura riuscita: ma piacque a Dio benedetto di chia- marlo, nè d’opera di tanta importanza fu chi parlasse o pen- sasse, se non ch’a tempi di Gregorio di gl. mem. il padre Pos- sevino s’ingegnò di fabricare sopra quei fundamenti: et in fine nel presente felicissimo pontificato di Sisto, sendo morta la moglie d’esso duca Augusto, fu chi ricordò l’occasione esser opportuna per trattare di nuovo la conversione di quel principe: ma la providentia divina non li diede tempo di poter aspettare la benedittione che S. Beat ne pur per mezzo del S r duca Gui- . Indessen starb Churfuͤrst August, ehe etwas aus- Buch V. Gegenreformationen . gerichtet worden. Aber schon faßte man andere Fuͤrsten ins Auge: Ludwig, Pfalzgrafen von Neuburg, an dem man Entfernung von allen dem Katholicismus feindseligen Interessen, auch eine besondere Schonung katholischer Prie- ster, die zufaͤllig sein Gebiet beruͤhrten, bemerken wollte: — Wilhelm IV. von Hessen, welcher gelehrt, friedfertig sey, und zuweilen die Widmung katholischer Schriften an- genommen. — Auch Maͤnner des hoͤhern norddeutschen Adels ließ man nicht aus der Acht, auf Heinrich Ranzau faßte man Hoffnung. War nun aber der Erfolg dieser Versuche entfernt, nicht zu berechnen, so gab es doch auch andere Entwuͤrfe, bei deren Ausfuͤhrung es mehr auf den eigenen Entschluß und Willen ankam. Noch immer war die Mehrzahl der Assessoren des Kammergerichts, wie wenigstens der Nuntius versichert, protestantisch gesinnt. Es waren noch Maͤnner der fruͤhern Epoche, wo in den meisten, auch den katholischen Laͤndern geheime oder offene Protestanten in den fuͤrstlichen Raͤ- then saßen. Der Nuntius findet diesen Zustand geeignet die Katholiken zur Verzweiflung zu bringen: und dringt auf eine Abhuͤlfe. Es scheint ihm leicht, die Assessoren der katholischen Laͤnder zur Ablegung des Glaubensbekennt- nisses, und alle neu anzusetzende zu dem Eide zu noͤthi- gen, daß sie ihre Religion nicht veraͤndern oder ihre Stelle aufgeben wollen. Von Rechts wegen gehoͤre den Katholi- schen das Uebergewicht in diesem Gerichte. lielmo di Baviera s’apparecchiava di mandarli sin a casa sua.“ Man sieht, wie fruͤh diese Linie bearbeitet wurde. Fortgang in Deutschland. Weitere Entwuͤrfe . Noch giebt er sogar die Hoffnung nicht auf, ohne Ge- walt, wenn man nur seine Befugnisse mit Nachdruck aus- uͤbe, wieder in den Besitz der verloren gegangenen Bisthuͤ- mer zu gelangen. Noch war nicht alle Verbindung derselben mit Rom aufgegeben: noch wies man das alte Recht der Curie die in den reservirten Monaten erledigten Pfruͤnden zu besetzen nicht geradehin zuruͤck: selbst die protestantischen Bischoͤfe glaubten doch im Grunde noch der paͤpstlichen Bestaͤtigung zu beduͤrfen, und jener Heinrich von Sachsen- Lauenburg hielt immer einen Agenten zu Rom, um sie sich zu verschaffen. Wenn der paͤpstliche Stuhl sich dieß bis jetzt noch nicht hatte zu Nutze machen koͤnnen, so kam das daher, weil die Kaiser dem Mangel der paͤpstlichen Bestaͤ- tigung durch Indulte abhalfen, und die Besetzungen, die man fuͤr jene Pfruͤnden von Rom aus vornahm, entweder zu spaͤt eintrafen, oder sonst einen Fehler in der Form hatten, so daß das Capitel doch gesetzlich immer freie Hand behielt. Minucci dringt nun darauf, daß der Kaiser nie- mals mehr einen Indult gewaͤhre; was bei der damaligen Stimmung des Hofes sich wohl erreichen ließ. Die Be- setzung der Pfruͤnden hatte schon der Herzog Wilhelm von Baiern vorgeschlagen dem Nuntius oder einem zuverlaͤßi- gen deutschen Bischof anzuvertrauen. Minucci meint, man muͤsse zu Rom eine eigene Dataria fuͤr Deutschland gruͤn- den: da muͤsse man ein Verzeichniß von qualificirten adli- chen Katholiken haben, das sich ja durch den Nuntius oder die Vaͤter Jesuiten leicht in Stand halten lasse, und nach dessen Maaßgabe unverzuͤglich die Ernennungen vollziehen. Kein Capitel werde es wagen, die gesetzmaͤßig ernannten Buch V. Gegenreformationen . roͤmischen Candidaten zuruͤckzuweisen. Und welches Ansehen, welchen Einfluß muͤsse dieß der Curie verschaffen. Wir sehen wohl, wie lebhaft man noch auf eine voͤl- lige Wiederherstellung der alten Gewalt dachte. Den Adel zu gewinnen: den hoͤhern Buͤrgerstand im roͤmischen Interesse zu erziehen: die Jugend in diesem Sinne zu un- terweisen: den alten Einfluß auf die Stifter wiederherzu- stellen, obwohl sie protestantisch geworden: bei dem Kam- mergerichte das Uebergewicht wieder zu erlangen: maͤchtige Reichsfuͤrsten zu bekehren: die vorherrschende katholische Macht in die deutschen Bundesverhaͤltnisse zu verflechten: — so viel Entwuͤrfe faßte man auf einmal. Auch duͤrfen wir nicht glauben, daß diese Rathschlaͤge vernachlaͤssigt worden. Als man sie in Rom vorlegte, war man in Deutschland schon beschaͤftigt sie auszufuͤhren. Die Thaͤtigkeit und gute Ordnung des Kammergerichts beruhte vorzuͤglich auf den jaͤhrlichen Visitationen, die immer von sieben Staͤnden des Reichs nach ihrer Reihenfolge am Reichstage vorgenommen wurden. Oefter war bei diesen Visitationen die Mehrzahl katholisch gewesen: im Jahre 1588 war sie einmal protestantisch: der protestantische Erz- bischof von Magdeburg sollte unter andern daran Theil nehmen. Katholischer Seits entschloß man sich dieß nicht zu gestatten. Als Churmainz im Begriff war die Staͤnde zu berufen, befahl ihm der Kaiser aus eigener Macht, die Visitationen fuͤr dieses Jahr aufzuschieben. Es war aber mit Einem Jahre nicht gethan. Die Reihenfolge blieb im- mer die nemliche: noch lange hatte man einen protestanti- schen Erzbischof von Magdeburg zu fuͤrchten: man zog es Ligue . vor, die Visitation immer weiter hinauszuschieben. In der That erfolgte, daß niemals wieder eine regelmaͤßige Visita- tion gehalten worden ist: was dann dem großartigen In- stitut dieses hoͤchsten Reichsgerichtes einen unersetzlichen Schaden zugefuͤgt hat Minucci hatte uͤber das Kammergericht noch besonders ge- schrieben. Es laͤßt sich wohl mit Grunde vermuthen, daß seine Vor- stellungen jene Inhibition hervorbrachten. Die Majoritaͤt der Pro- testanten war ihm wie gesagt ein Greuel: „non vole dir altro l’aver gli eretici l’autorità maggiore e li più voti in quel senato che un ridurre i catolici d’Alemagna a disperatione.“ . Bald vernehmen wir die Klage, daß man dort die ungelehrten Katholiken den ge- lehrten Protestanten vorziehe. Auch hoͤrte der Kaiser auf Indulte zu geben. Im J. 1588 rieth Minucci, auf die Bekehrung protestantischer Fuͤrsten zu denken: im Jahre 1590 finden wir bereits den ersten uͤbertreten. Es war Jacob von Baden: er eroͤffnet eine lange Reihe. Die Ligue. Indem diese große Bewegung Deutschland und die Niederlande erfuͤllte, ergriff sie auch Frankreich mit unwi- derstehlicher Gewalt. Die niederlaͤndischen Angelegenheiten hingen von jeher mit den franzoͤsischen auf das engste zu- sammen: wie oft waren die franzoͤsischen Protestanten den niederlaͤndischen, die niederlaͤndischen Katholiken den fran- zoͤsischen zu Huͤlfe gekommen; der Ruin des Protestantis- mus in den belgischen Provinzen war ein unmittelbarer Verlust fuͤr die Hugenotten in Frankreich. Buch V. Gegenreformationen . Nun hatte aber auch außerdem die restauratorische Tendenz des Katholicismus wie in andern Laͤndern, so in Frankreich immer mehr Fuß gefaßt. Wir bemerkten bereits den Anfang der Jesuiten: im- mer weiter hatten sie sich ausgebreitet. Vor allem nahm sich ihrer, wie man denken kann, das Haus Lothringen an. Der Cardinal Guise stiftete ihnen 1574 eine Akade- mie zu Pont a Mousson, die von den Prinzen des Hau- ses besucht ward. Der Herzog errichtete ein Collegium zu Eu in der Normandie, welches man zugleich fuͤr die ver- bannten Englaͤnder bestimmte. Aber auch viele andere Goͤnner fanden sie. Bald war es ein Cardinal, ein Bischof, ein Abt, bald ein Fuͤrst, ein hochgestellter Beamter, der die Kosten einer neuen Stiftung uͤbernahm. In kurzem siedelten sie sich in Rouen, Ver- dun, Dijon, Bourges, Nevers an. In den mannigfaltig- sten Richtungen durchziehen ihre Missionen das Reich. Sie fanden aber in Frankreich Gehuͤlfen, deren sie we- nigstens in Deutschland noch hatten entbehren muͤssen. Schon vom Tridentiner Concilium brachte der Cardi- nal von Lothringen einige Capuziner mit: er gab ihnen in seinem Pallast zu Meudon Wohnung; aber nach seinem Tode entfernten sie sich wieder. Noch war der Orden durch seine Statuten auf Italien beschraͤnkt. Im Jahre 1573 sendete das Generalcapitel ein paar Mitglieder uͤber die Berge, um zuerst nur den Boden zu untersuchen. Als diese gut aufgenommen wurden, so daß sie bei ihrer Ruͤck- kehr „die reichlichste Ernte“ versprachen, trug der Papst kein Bedenken jene Beschraͤnkung aufzuheben. Im J. 1574 be- Die Ligue . begab sich die erste Colonie der Capuziner unter Fra Pa- cifico di S. Gervaso, der sich seine Gefaͤhrten aber selbst gewaͤhlt, uͤber die Berge. Es waren alles Italiener. Der Natur der Sache nach mußten sie sich zunaͤchst an ihre Landsleute halten. Mit Freuden empfing sie die Koͤnigin Catharina, und gruͤndete ihnen sogleich ein Kloster in Paris. Schon im Jahre 1575 finden wir sie auch in Lyon. Auf die Em- pfehlung der Koͤnigin bekamen sie hier die Unterstuͤtzung ei- niger italienischen Wechsler. Von hier breiteten sie sich nun weiter aus: von Pa- ris nach Caen, Rouen: von Lyon nach Marseille, wo ih- nen Koͤnigin Catharina eine Baustelle ankaufte: neue Co- lonien siedelten sich 1582 in Toulouse, 1585 in Verdun an. Gar bald gelangen ihnen die glaͤnzendsten Bekehrun- gen, wie 1587 von Henry Joyeuse, einem der ersten Maͤn- ner des damaligen Frankreichs Boverio: Annali dei frati Capuccini I, 546. II, 45 f. . In Einem Sinne wenigstens hatte aber diese religioͤse Bewegung in Frankreich selbst eine noch groͤßere Wirkung als in Deutschland. Sie brachte schon freie Nachahmun- gen in eigenthuͤmlichen Formen hervor. Jean de la Bar- riere, der die Cistercienser Abtei Feuillans unfern Toulouse, nach den besondern Mißbraͤuchen die in Frankreich einge- rissen, schon im 19ten Lebensjahre als Commende bekom- men, ließ sich im Jahre 1577 als regelmaͤßigen Abt ein- segnen, und nahm Novizen auf, mit denen er die Strenge des urspruͤnglichen Institutes von Citeaux nicht allein zu Päpste* 10 Buch V. Gegenreformationen . erneuern, sondern zu uͤbertreffen suchte. Einsamkeit, Still- schweigen, Enthaltsamkeit wurden so weit als moͤglich getrie- ben. Diese Moͤnche verließen ihr Kloster niemals anders, als um in einem benachbarten Orte zu predigen: innerhalb desselben trugen sie weder Schuhe noch eine Kopfbedeckung: sie versagten sich nicht nur Fleisch und Wein, sondern auch Fische und Eier: sie lebten von Brod und Wasser, hoͤch- stens ein wenig Gemuͤse Felibien: Histoire de Paris tom. II, p. 1158. . Diese Strenge verfehlte nicht Aufsehen zu erregen und Nachfolge zu erwecken: gar bald ward Dom Jean de la Barriere an den Hof von Vin- cennes berufen. Er zog mit 62 Gefaͤhrten, ohne von den Uebungen des Klosters etwas nachzulassen, durch einen großen Theil von Frankreich: bald darauf ward sein Institut von dem Papst bestaͤtigt, und breitete sich uͤber das Land aus. Es war aber auch, als sey uͤber die gesammte Welt- geistlichkeit, obwohl die Stellen unverantwortlich vergeben wurden, ein neuer Eifer gekommen. Die Weltpriester nah- men sich der Seelsorge wieder eifrig an. Die Bischoͤfe forderten im Jahre 1570 nicht allein die Annahme des tridentinischen Concils, sondern sogar die Abschaffung des Concordats, dem sie doch selbst ihr Daseyn verdankten; von Zeit zu Zeit erneuten und schaͤrften sie diese Antraͤge Remontrance de l’assemblée générale du clergé de France convoquée en la ville de Melun, faite au roi Henry III le 3 juillet 1579. Recueil des actes du clergé tom. XIV. Auch hat Thuanus einen Auszug. . Wer will die Momente genau angeben, durch welche das geistige Leben in diese Richtung getrieben wurde: so viel ist gewiß, daß man bereits um das Jahr 1580 die Die Ligue . groͤßte Veraͤnderung wahrnahm. Ein Venezianer versichert, die Zahl der Protestanten habe um 70 Procent abgenom- men: das gemeine Volk war wieder ganz katholisch. Fri- sche Anregung, Neuheit und Kraft des Impulses waren wieder auf Seiten des Katholicismus Lorenzo Priuli: Relatione di Franza 5 Giugno 1582. Dovemo maravigliarci, umanamente parlando, che le cose non siano in peggiore stato di quello che si trovano: poichè per gratia di Dio, con tutto il poco pensiero che li è stato messo e che se li mette, è sminuito il numero degli Ugonotti 70 0/0 et è grande il zelo et il fervor che mostrano cattolici nelle cose della religione. . In dieser Entwickelung bekam er aber eine neue Stel- lung gegen die koͤnigliche Gewalt. Schon an sich lebte der Hof in lauter Widerspruͤ- chen. Es ließ sich nicht zweifeln, daß Heinrich III. gut katholisch war: man kam bei ihm nicht fort, wenn man nicht die Messe besuchte, er wollte keine protestantischen Magistrate mehr in den Staͤdten: aber trotz alle dem blieb er doch nach wie vor dabei die geistlichen Stellen nach der Convenienz der Hofgunst zu besetzen, ohne alle Ruͤck- sicht auf Wuͤrdigkeit und Talent, die geistlichen Guͤter an sich zu ziehen und zu vergeuden. Er liebte religioͤse Uebun- gen, Processionen, ersparte sich keine Casteiung: aber dieß hinderte ihn nicht das anstoͤßigste Leben selbst zu fuͤhren und Andern zu gestatten. Eine recht verworfene Liederlich- keit war am Hofe an der Tagesordnung. Die Ausschwei- fungen des Carnevals erregten die Entruͤstungen der Predi- ger: zuweilen wollte man die Hofleute wegen der Art ih- res Todes und ihrer letzten Aeußerungen nicht beerdigen: es waren eben die Lieblinge des Koͤnigs. 10* Buch V. Gegenreformationen . Daher geschah, daß die streng katholische Richtung, obwohl auf mancherlei Weise vom Hofe beguͤnstigt, doch mit ihm in innere Opposition gerieth. Aber uͤberdieß ließ auch der Koͤnig von der alten Po- litik, welche sich hauptsaͤchlich in Feindseligkeiten gegen Spanien bewegte, nicht ab. Zu einer andern Zeit haͤtte dieß nichts zu bedeuten gehabt. Damals aber war das religioͤse Element auch in Frankreich staͤrker als das Ge- fuͤhl der nationalen Interessen. Wie die Hugenotten mit den niederlaͤndischen Protestanten, so fuͤhlten sich die Ka- tholischen in einem natuͤrlichen Bunde mit Philipp II. und Farnese. Die Jesuiten, welche diesen in den Niederlanden so große Dienste leisteten, konnten nicht ohne Unruhe sehen, daß eben die Feinde die sie dort bekaͤmpften, Gunst und Huͤlfe in Frankreich fanden. Dazu kam nun aber, daß der Herzog von Alen ç on im Jahre 1584 starb, und hiedurch, da der Koͤnig weder Erben hatte noch auch Hoffnung deren zu bekommen, die naͤchste Anwartschaft auf die Krone an Heinrich Koͤnig von Navarra gelangte. Vielleicht vermag die Besorgniß vor der Zukunft uͤber die Menschen noch mehr als ein Ungluͤck des Augenblicks. Diese Aussicht setzte alle katholischen Franzosen in die groͤßte Bewegung In Rom ward gleich damals eine Schrift uͤber die Wuͤn- schenswuͤrdigkeit der Thronfolge eines Guisen verfaßt: della incli- natione de’ cattolici verso la casa di Ghisa e del servitio che riceverà la christianità et il re cattolico della successione di uno di quei principi. Sie ward nach Spanien geschickt: man schrieb sie dem Cardinal Este zu. Dispaccio Veneto 1584 1 mo Dcbr. . Die Ligue . Vor allem aber die alten Gegner und Bekaͤmpfer Na- varras, die Guisen, welche schon den Einfluß, den er als Thronfolger bekommen mußte, wie viel mehr seine spaͤtere Macht fuͤrchteten. Kein Wunder, wenn sie einen Ruͤckhalt an Koͤnig Philipp suchten; diesem Fuͤrsten konnte nichts willkomme- ner seyn: er trug kein Bedenken mit den Unterthanen ei- nes fremden Reiches ein foͤrmliches Buͤndniß einzugehn. Es fragte sich nur, ob man in Rom, wo man so oft von einer Verbindung der Fuͤrsten mit der Kirche ge- redet, jetzt die Erhebung maͤchtiger Vasallen gegen ihren Koͤnig billigen wuͤrde. Es laͤßt sich doch nicht leugnen, daß dieß geschehen ist. Unter den Guisen gab es noch einige uͤber den Schritt, den man zu thun vor hatte, beunruhigte Gewissen. Der Jesuit Matthieu begab sich nach Rom, um eine Erklaͤrung des Papstes auszubringen, durch welche ihre Scrupel be- schwichtigt werden koͤnnten. Gregor XIII. erklaͤrte auf die Vorstellungen Matthieus: er billige vollkommen die Ab- sicht der franzoͤsischen Prinzen die Waffen gegen die Ketzer zu ergreifen: er nehme jeden Scrupel hinweg, den sie dar- uͤber hegen koͤnnten: gewiß werde der Koͤnig selbst ihr Vor- haben billigen: sollte das aber auch nicht der Fall seyn, so wuͤrden sie doch ihren Plan zu verfolgen haben, um zu dem vornehmsten Zwecke der Vertilgung der Ketzer zu ge- langen Claude Matthieu au duc de Nevers 11 févr. 1585: vielleicht die wichtigste Mittheilung in dem ganzen vierten Bande von Capefigue: Réforme etc. S. 173. . Schon war der Proceß gegen Heinrich von Buch V. Gegenreformationen . Navarra eingeleitet. Als er vollendet war, hatte Sixtus V. den paͤpstlichen Stuhl bestiegen: Sixtus sprach die Excom- munication uͤber Navarra und Cond é aus. Die Inten- tionen der Ligue unterstuͤtzte er hiedurch mehr, als er es durch irgend eine andere Bewilligung vermocht haͤtte Maffei: Historiarum ab excessu Gregorii XIII lib. I, p. 10. Infimis foederatorum precibus et regis Philippi supplica- tione hortatuque haud aegre se adduci est passus ut Hugonotas eorumque duces coelestibus armis insectaretur. . Schon hatten damals die Guisen zu den Waffen ge- griffen. Sie versuchten sich so vieler Provinzen und Plaͤtze als nur immer moͤglich unmittelbar zu versichern. Bei der ersten Bewegung nahmen sie so wichtige Staͤdte, wie Verdun und Toul, Lyon, Bourges, Orleans, Mezieres, ohne Schwertstreich ein. Der Koͤnig, um ihnen nicht sofort zu unterliegen, ergriff das schon einmal er- probte Mittel, ihre Sache fuͤr die seine zu erklaͤren. Aber um von ihnen angenommen zu werden, mußte er ihnen in einem foͤrmlichen Vertrage ihre Erwerbungen bestaͤtigen und erweitern: Bourgogne, Champagne, einen großen Theil der Picardie und eine Menge Plaͤtze in andern Theilen des Reiches uͤberließ er ihnen Betrachtung des Cardinals Ossat uͤber die Wirkungen der Ligue in Frankreich: in dem Leben des Cardinals Ossat I, 44. . Hierauf unternahmen sie gemeinschaftlich den Krieg ge- gen die Protestanten. Aber welch ein Unterschied! Alle Maaßregeln des Koͤnigs waren halb und erfolglos: die Ka- tholiken glaubten selbst, er wuͤnsche den Succeß der prote- stantischen Waffen, um alsdann, von ihrer gefahrdrohenden Macht scheinbar gezwungen, einen fuͤr die Katholischen un- Die Ligue . vortheilhaften Frieden schließen zu koͤnnen. Guise dage- gen schwur, wenn ihm Gott Sieg verleihe, so wolle er nicht wieder vom Pferde steigen, bis er die katholische Religion in Frankreich auf immer befestigt habe. Mit sei- nen eigenen, nicht mit den koͤniglichen Truppen uͤberraschte er die Deutschen, welche den Hugenotten zu Huͤlfe kamen, auf welche diese alle ihre Hoffnungen bauten, bei Auneau, und vernichtete sie gaͤnzlich. Der Papst verglich ihn mit Judas Maccabaͤus. Er war eine großartige Natur, die das Volk in freiwilliger Verehrung mit sich fortriß. Er wurde der Abgott aller Katholiken. Der Koͤnig dagegen befand sich in einer durchaus fal- schen Stellung: er wußte selbst nicht was er thun, nicht einmal was er wuͤnschen sollte. Der paͤpstliche Gesandte Morosini findet, er bestehe gleichsam aus zwei Personen: er wuͤnsche die Niederlagen der Hugenotten, und fuͤrchte sie eben so sehr: er fuͤrchte die Niederlagen der Katholiken, und wuͤnsche sie doch auch: durch diesen innern Zwiespalt sey es dahin gekommen, daß er seinen Neigungen nicht mehr folge, seinen eigenen Gedanken nicht mehr glaube Dispaccio Morosini bei Tempesti: Vita di Sisto V p. 346. „Il re, tutto che sia monarca si grande, è altrettanto po- vero: e quanto è povero, è altrettanto prodigo: dimostra insigne pietà, e nel stesso tempo aborrisce la sagra lega: è in campo contra gli heretici, e pure è geloso de’progressi catolici.“ . Eine Stimmung, welche nothwendig alles Vertrauen raubt und gerades Wegs ins Verderben fuͤhrt. Die Katholiken hielten dafuͤr, daß eben der, der an ihrer Spitze stehe, insgeheim wider sie sey: jede fluͤchtige Buch V. Gegenreformationen . Veruͤhrung mit den Leuten des Navarra, jede geringfuͤ- gige Beguͤnstigung irgend eines Protestanten rechneten sie ihm an: sie hielten dafuͤr, daß der allerchristlichste Koͤnig selbst die voͤllige Wiederherstellung des Katholicismus hin- dere: seinen Guͤnstlingen, vor allem Epernon widmeten sie einen um so groͤßern Haß, da der Koͤnig ihn den Guisen entgegensetzte und ihm die wichtigsten Gouvernements an- vertraute. Unter diesen Umstaͤnden bildete sich dem Bunde der Fuͤrsten zur Seite auch eine Union der Buͤrger im katholi- schen Sinne. In allen Staͤdten ward das Volk durch Prediger bearbeitet, welche eine wilde Opposition gegen die Regierung mit einem heftigen religioͤsen Eifer vereinigten. In Paris ging man weiter. Es waren drei Prediger und ein angesehener Buͤrger welche zuerst den Gedanken faßten eine populaͤre Vereinigung zur Vertheidigung des Katho- licismus zu stiften Der Anonymo Capitolino uͤber das Leben Sixtus V. hat hieruͤber eigenthuͤmliche Notizen. Den Stifter nennt er Carlo Ot- tomani, „cittadino onorato“ : der sich zuerst den Predigern mit- theilt. Gleich in ihrer ersten Zusammenkunft traͤgt Ottomani auf eine Vereinigung mit den Prinzen an; in der zweiten, 25. Januar 1587, beschließt man 16 Maͤnner zu ernennen, einen fuͤr jedes Quar- tier, a cui si riferisse da persone fidate quanto vi si facesse e dicesse appartenente a fatti publici; in einer dritten, am Lichtmeß- tag, wird ein Rath aus 10 Personen bestehend ernannt, mit dem Rechte Abgaben aufzulegen, und es wird sogleich eine Gesandtschaft an Guise abgeordnet. Zu alle dem was wir bei Cayet aus Ma- naut und Maheutre, bei Poulain, Thou und Davila finden, giebt dieß doch noch einige Momente. . Sie schwuren einander zuvoͤrderst selbst ihren letzten Blutstropfen dafuͤr aufzuopfern: jeder nannte ein paar sichere Freunde. Ihre erste Zusammen- Die Ligue . kunft mit diesen hielten sie in einer geistlichen Zelle in der Sorbonne. Bald sahen sie die Moͤglichkeit die ganze Stadt zu umfassen. Es ward ein engerer Ausschuß auf- gestellt, welcher die Bewegung zu leiten und im Nothfall selbst Geld einzufordern hatte. In jedem der sechszehn Quartiere der Stadt ward Eine Person mit der Aufsicht beauftragt. Auf das rascheste und geheimste schritt die An- werbung fort. Ueber die Neuaufzunehmenden ward in dem Ausschuß erst berathschlagt: denen die man nicht bil- ligte, ward nichts weiter mitgetheilt. In den verschie- denen Collegien hatte man seine Leute: einen fuͤr die Re- chenkammer, einen fuͤr die Procuratoren des Hofes, einen fuͤr die Clercs, einen fuͤr die Greffiers: so weiter. Bald war die Stadt, die ohnehin eine katholisch-militaͤrische Or- ganisation empfangen, von diesem geheimeren und wirksa- meren Bunde umfaßt. Man war mit Paris nicht zufrie- den: in Orleans, Lyon, Toulouse, Bourdeaux, Rouen setzte sich die Verbindung fort: und es erschienen Abgeord- nete der Einverstandenen in Paris. Sie verbanden sich alle, keinen Hugenotten in Frankreich zu dulden und die Mißbraͤuche der Regierung abzuschaffen. Es ist der Bund genannt der Sechszehn. So wie er sich einigermaaßen erstarkt sah, gab er den Guisen Nach- richt. Im tiefsten Geheimniß kam Mayenne, der Bruder des Herzogs nach Paris. Die Fuͤrsten und die Buͤrger schlossen ihre Union Nel palazzo di Rens dietro alla chiesa di S. Agostino — — giurarono tutti una scambievol lega non sola defensiva ma assoluta. (Anon. Capit.) . Buch V. Gegenreformationen . Schon fuͤhlte der Koͤnig den Boden unter seinen Fuͤ- ßen beben. Man hinterbrachte ihm von Tag zu Tag die Bewegungen seiner Gegner. Schon war man in der Sor- bonne so kuͤhn die Frage vorzulegen, ob es recht sey, ei- nem Fuͤrsten der seine Pflicht nicht thue, den Gehorsam zu entziehen. In einem Rathe von dreißig bis vierzig Doctoren bejahte man sie. Der Koͤnig war hoͤchst entruͤ- stet: er drohte, es wie Papst Sixtus zu machen und die widerspenstigen Prediger an die Galeere schmieden zu lassen. Allein er hatte nicht die Thatkraft des Papstes: er that nichts weiter, als daß er die Schweizer, die in seinem Dienst waren, in die Naͤhe der Hauptstadt vor- ruͤcken ließ. Erschrocken uͤber die Drohung, die hierin lag, schick- ten die Buͤrger an Guise, und baten ihn zu kommen und sie zu beschuͤtzen. Der Koͤnig ließ ihn wissen, daß er es nicht gern sehen werde. Guise kam dennoch. Es war alles reif zu einer großen Explosion. Als der Koͤnig die Schweizer einruͤcken ließ, brach sie aus. In Einem Moment war die Stadt barricadirt. Die Schweizer wurden zuruͤckgedraͤngt, der Louvre bedroht: der Koͤnig mußte sich zur Flucht entschließen Maffei wirft Guisen vor, daß er dieß geduldet: „Inanis popularis aurae et infaustae potentiae ostentatione contentus Henricum incolumem abire permittit.“ (l. l. 38.) . Schon hatte Guise einen so großen Theil von Frank- reich inne: jetzt ward er auch Herr von Paris. Bastille, Arsenal, Hotel de Ville, alle umliegenden Orte fielen in seine Hand. Der Koͤnig war ganz uͤberwaͤltigt In kur- Die Ligue . zem mußte er sich bequemen, zu einem Verbot der prote- stantischen Religion zu schreiten, und den Guisen noch mehr Plaͤtze einzuraͤumen, als sie schon hatten. Der Herzog von Guise konnte als Herr der Haͤlfte von Frankreich angese- hen werden. Ueber die andere gab ihm die Wuͤrde eines General-Lieutenants des Koͤnigreichs, die ihm Heinrich III. verlieh, eine gesetzliche Autoritaͤt. Die Staͤnde wurden zu- sammenberufen. Es war kein Zweifel, daß die katholische Meinung das Uebergewicht in dieser Versammlung haben wuͤrde. Es waren von ihr die entscheidendsten Schritte zum Verderben der Hugenotten, zu Gunsten ber katholisch- guisischen Partei zu erwarten. Savoyen und die Schweiz. Es versteht sich, daß das Uebergewicht des Katholi- cismus in diesem maͤchtigen Reiche auch auf die benach- barten Gebiete eine verwandte Wirkung ausuͤben mußte. Namentlich schlossen sich die katholischen Cantone der Schweiz immer enger an das geistliche Princip, das spa- nische Buͤndniß an. Es ist auffallend, welch ungemeine Wirkungen die Er- richtung einer stehenden Nuntiatur, wie in Deutschland, so auch in der Schweiz nach sich zog. Unmittelbar nachdem sie Statt gefunden, im Jahre 1586, vereinigten sich die katholischen Cantone zu dem so- genannten goldenen oder borromaͤischen Bunde, in welchem sie sich und auf ewig ihre Nachkommen verbinden, „bei Buch V. Gegenreformationen . dem wahren ungezweifelten alten apostolischen roͤmischen ka- tholischen Glauben zu leben und zu sterben“ „Ihre ewigen Nachkommen“, wie es in der Bundesurkunde heißt: bei Lauffer: Beschreibung helvetischer Geschichte Bd. X. S. 331. . Darauf empfingen sie die Hostie aus der Hand des Nuntius. Waͤre die Partei, welche sich 1587 zu Muͤhlhausen der Gewalt bemaͤchtigte, wirklich, wie sie dazu Miene machte, und zur rechten Zeit zum katholischen Glauben uͤbergetre- treten, so wuͤrde sie von den Katholiken ohne Zweifel un- terstuͤtzt worden seyn: in dem Hause des Nuntius zu Lu- zern wurden bereits Conferenzen daruͤber gehalten. Aber die Muͤhlhaͤuser bedachten sich zu lange: auf das ra- scheste fuͤhrten dagegen die Protestanten ihren Zug aus, durch welchen sie die alte hauptsaͤchlich ihnen zugewandte Regierung wiederherstellten Das religioͤse Moment der Muͤhlhaͤuser Sache tritt beson- ders in der auf die Relationen des Nuntius gegruͤndeten Erzaͤhlung des Anonymo Capitol. hervor, auf den wir bei der Kritik des Tem- pesti zuruͤckkommen wollen. . In diesem Augenblicke aber thaten die drei Waldstaͤtte mit Zug, Luzern und Freiburg einen neuen bedeutenden Schritt. Nach langer Unterhandlung schlossen sie am 12. Mai 1587 einen Bund mit Spanien, in welchem sie dem Koͤnig immerwaͤhrende Freundschaft zusagten, ihm Werbungen in ihrem Gebiete, den Durchzug durch ihre Gebirge ver- statteten, und Philipp II. ihnen entsprechende Zugestaͤndnisse machte. Hauptsaͤchlich gelobten sie einander, im Falle sie um der heiligen apostolischen Religion willen in einen Krieg verwickelt wuͤrden, wechselseitigen Beistand aus allen ih- Savoyen und die Schweiz . ren Kraͤften Traité d’alliance fait entre Philipp II. etc. Dumont: Corps diplomatique V. I, p. 459. . Die fuͤnf Orte nahmen bei diesem Ab- kommen Niemand aus, selbst nicht ihre Eidgenossen. Viel- mehr war der Bund ohne Zweifel eben diesen entgegenge- setzt: es gab sonst Niemand, mit dem sie um der Reli- gion willen haͤtten besorgen muͤssen in Krieg zu gerathen. Wie viel staͤrker war doch auch hier das religioͤse Moment als das nationale! Die Gemeinschaft im Glau- ben vereinigte jetzt die alten Schwytzer und das Haus Oestreich! Die Eidgenossenschaft ward fuͤr den Augenblick hintangesetzt. Ein Gluͤck war es noch, daß es keinen Anlaß zu au- genblicklicher Fehde gab. Der Einfluß jener Verbindungen ward zunaͤchst nur von Genf empfunden. Der Herzog von Savoyen, Carl Emanuel, ein Fuͤrst sein Lebelang von unruhigem Ehrgeiz, hatte schon oft die Neigung gezeigt sich bei guͤnstiger Gelegenheit der Stadt Genf wieder zu bemaͤchtigen, als deren rechtmaͤßigen Herrn er sich betrachtete: aber immer waren seine Absichten von vorn herein an dem Widerstande der Schweizer und der Franzo- sen, an dem Schutze, den diese Maͤchte den Genfern ange- deihen ließen, gescheitert. Jetzt aber hatten sich die Verhaͤltnisse geaͤndert. Im Sommer 1588, unter dem Einfluß Guise’s, versprach Hein- rich III. eine Unternehmung gegen Genf nicht mehr stoͤ- ren zu wollen. Wenigstens die katholischen Cantone der Schweiz hatten jetzt nichts mehr dagegen. So viel ich Buch V. Gegenreformationen . finde, forderten sie nur, daß Genf, wenn es erobert sey, nicht als Festung bestehn solle. Hierauf ruͤstete sich der Herzog zum Angriff. Die Genfer verloren den Muth nicht: mit ihren Verbuͤndeten von Bern vereint drangen sie sogar in das herzogliche Gebiet vor: allein gar bald war der Herzog im Vortheil. Die Eingedrungenen wurden wieder verjagt. Der Herzog, der die zunaͤchst an die Schweiz grenzenden Grafschaften nur unter sehr beschraͤnkenden Bedingungen besaß, die ihm durch fruͤhere Friedensschluͤsse mit Bern aufgelegt worden, ergriff die Gelegenheit sich zunaͤchst hier vollkommener zum Herrn zu machen. Er verjagte die Protestanten, die er bisher dulden muͤssen: das ganze Land machte er ausschlie- ßend katholisch. Bisher war ihm verboten gewesen auf diesem Theil seines Gebietes Festungen anzulegen. Jetzt gruͤndete er deren an Stellen, wo sie ihm nicht allein zur Vertheidigung, sondern auch zur Bedraͤngung von Genf dienen mußten. Ehe aber diese Verhaͤltnisse sich weiter entwickelten, waren andere Unternehmungen in Gang gekommen, welche noch ungleich wichtigere Erfolge, eine vollstaͤndige Umwan- delung der europaͤischen Verhaͤltnisse erwarten ließen. Angriff auf England. Die Niederlande waren zum groͤßern Theile bezwun- gen: und es ward bereits uͤber eine freiwillige Unterwer- fung der uͤbrigen verhandelt: in Deutschland hatte sich die Angriff auf England . katholische Bewegung so vieler Territorien bemeistert, und es war ein Anschlag gefaßt sich der noch fehlenden zu be- maͤchtigen. Durch Siege, Besetzungen der festen Plaͤtze, Anhaͤnglichkeit des Volkes und gesetzliche Autoritaͤt ging der Vorfechter des franzoͤsischen Katholicismus auf einem Wege daher, der ihn zur Alleinherrschaft fuͤhren zu muͤssen schien. Auch die alte Metropole der protestantischen Doctrin, die Stadt Genf, ward durch ihre bisherigen Buͤndnisse nicht mehr geschuͤtzt. In diesem Augenblick ward nun der Plan gefaßt dem Baume die Axt an die Wurzel zu legen und England anzugreifen. Der Mittelpunkt der gesammten protestantischen Macht und Politik war ohne Zweifel in England. An Koͤnigin Elisabeth hatten die noch unbezwungenen niederlaͤndischen Provinzen, so wie die Hugenotten in Frankreich ihren vor- nehmsten Ruͤckhalt. Aber auch schon in England war, wie wir sahen, der innerliche Kampf eroͤffnet. Von einer absichtlich zu die- sem Zwecke genaͤhrten religioͤsen Begeisterung und der Liebe zur Heimath zugleich angetrieben, kamen immer neue Zoͤg- linge der Seminarien, immer mehr Jesuiten heruͤber. Koͤ- nigin Elisabeth begegnete ihnen mit scharfen Gesetzen. Im Jahre 1582 ließ sie es geradezu fuͤr Hochverrath erklaͤren einen ihrer Unterthanen von der in dem Reiche eingefuͤhr- ten Religion zu der roͤmischen verleiten zu wollen Camden: Rerum Anglicarum annales regnante Elizabe- tha I, p. 349. . Im Jahre 1585 gebot sie allen Jesuiten und Priestern der Se- minarien England binnen 40 Tagen zu verlassen, bei Strafe Buch V. Gegenreformationen . als Landesverraͤther behandelt zu werden: ungefaͤhr eben so wie die protestantischen Prediger aus so vielen Gebieten katholischer Fuͤrsten weichen mußten Ibid. p. 396. . In diesem Sinne ließ sie damals die hohe Commission in Wirksamkeit tre- ten: einen Gerichtshof, ausdruͤcklich dazu bestimmt den Uebertretungen der Acten des Supremats und der Unifor- mitaͤt nachzuforschen, nicht allein in den gewoͤhnlichen ge- setzlichen Formen, sondern durch welche Mittel und Wege es immer rathsam scheinen moͤge, auch durch die Ab- noͤthigung eines koͤrperlichen Eides: eine Art von prote- stantischer Inquisition „as well by the oaths of 12 good and lawful men as also by witnesses and all other means and ways you can de- vise“. — Es haͤtte wenigstens heißen muͤssen: „lawful means and ways“. Neal: History of the puritans T. I. p. 414. . Bei alle dem wollte Elisabeth noch immer das Ansehen vermeiden, als ob sie die Frei- heit des Gewissens verletze. Sie erklaͤrte, nicht die Her- stellung der Religion liege jenen Jesuiten am Herzen: ihre Absicht sey nur das Land zum Abfall von der Regierung zu verleiten und auswaͤrtigen Feinden den Weg zu bahnen. Die Missionarien protestirten „vor Gott und den Heiligen“, wie sie sagen, „vor Himmel und Erde“, ihr Zweck sey lediglich religioͤser Art und beruͤhre die koͤnigliche Majestaͤt nicht Campiani vita et martyrium p. 159. „Coram Deo pro- fiteor et angelis ejus, coram coelo terraque, coram mundo et hoc cui adsto tribunali, — me nec criminis laesae majesta- tis nec perduellionis nec ullius in patriam conjurationis esse reum.“ etc. . Allein welcher Verstand waͤre faͤhig gewesen diese Mo- Angriff auf England . Momente zu unterscheiden. Nicht mit einer einfachen Be- theuerung ließen sich die Inquisitoren der Koͤnigin abwei- sen. Sie forderten eine Erklaͤrung, ob der Fluch, welchen Pius V. uͤber die Koͤnigin ausgesprochen, rechtmaͤßig sey und einen Englaͤnder verpflichte: die Gefangenen sollten sa- gen, wenn der Papst sie von dem Eide der Treue entbinde und England angreife, was sie dann thun, auf welche Seite sie sich halten wuͤrden. Die armen geaͤngstigten Leute wußten nicht, wie sie sich herauswinden sollten. Sie ant- worteten wohl, sie wuͤrden dem Kaiser geben was des Kai- sers und Gott was Gottes sey, aber diese Ausflucht selbst nahmen ihre Richter fuͤr ein Gestaͤndniß. Und so erfuͤll- ten sich die Gefaͤngnisse: Hinrichtung erfolgte auf Hinrich- tung: auch der Katholicismus bekam seine Maͤrtyrer: — man hat ihre Anzahl unter der Regierung der Elisabeth auf ungefaͤhr 200 schaͤtzen wollen. Natuͤrlich ward damit der Eifer der Missionarien doch nicht unterdruͤckt: mit der Strenge der Gesetze wuchs die Anzahl der Widerspenstigen, der Recusanten, wie man sie nannte, wuchs auch ihre Er- bitterung: an den Hof selbst gelangten Flugschriften, in de- nen die That der Judith an Holofernes als ein nachah- mungswuͤrdiges Beispiel von Gottesfurcht und Heldenmuth aufgestellt wurde: noch immer wandten sich die Blicke der Meisten nach der gefangenen Koͤnigin von Schottland, die ja den paͤpstlichen Ausspruͤchen zufolge die rechtmaͤßige Fuͤr- stin von England war: sie hofften noch immer einen allge- meinen Umschwung der Dinge von einem Angriff der ka- tholischen Maͤchte. In Italien und Spanien wurden die herbsten Darstellungen der Grausamkeiten verbreitet, denen Päpste* 11 Buch V. Gegenreformationen . die Rechtglaͤubigen in England ausgesetzt seyen: Darstel- lungen die jedes katholische Herz empoͤren mußten Theatrum crudelitatum haereticorum nostri temporis. Es faͤngt an mit einer peculiaris descriptio crudelitatum et immani- tatum schismaticorum Angliae regnante Henrico VIII, und schließt mit: Inquisitionis Anglicanae et facinorum crudelium Machiavellanorum in Anglia et Hibernia a Calvinistis protestan- tibus sub Elizabetha etiamnum regnante peractorum descriptiones. Man sieht alle die unerhoͤrten Martern abgebildet: ein entsetzlicher Anblick. . Vor allem nahm Papst Sixtus daran Antheil. Es ist ganz wahr, daß er fuͤr eine so großartige und tapfere Per- soͤnlichkeit, wie sie Elisabeth zeigte, eine gewisse Hochach- tung empfand, und er hat wirklich einmal den Antrag an sie gebracht, sie moͤge in den Schooß der katholischen Kirche zuruͤckkehren. Sonderbarer Antrag! Als ob sie haͤtte waͤhlen koͤnnen, als ob nicht ihr bisheriges Leben, die Be- edeutung ihres Daseyns, ihre Weltstellung, wenn ja ihre Ueberzeugung nicht vollkommen gewesen waͤre, sie an die protestantischen Interessen gefesselt haͤtte! Elisabeth erwie- derte kein Wort, aber sie lachte. Als der Papst dieß hoͤrte, sagte er, er muͤsse darauf denken, ihr das Koͤnigreich mit Gewalt zu entreißen. Vorher hatte er es nur angedeutet. Im Fruͤhjahr 1586 ging er schon unverholen heraus. Er ruͤhmte sich, den Koͤnig von Spanien zu einer Unternehmung gegen Eng- land ganz anders unterstuͤtzen zu wollen, als Carl V. von fruͤhern Paͤpsten unterstuͤtzt worden sey. Dispaccio Gritti 31 Maggio 1586: „accresciuto quatro volte tanto. Il papa vorria che si fingesse d’andar contra Draco e si piegasse poi in Inghilterra.“ Im Januar 1587 klagte er laut uͤber die Saumse- Angriff auf England . ligkeit der Spanier. Er zaͤhlte die Vortheile auf, die ih- nen ein englischer Sieg fuͤr die Wiedereroberung des Re- stes der Niederlande darbiete! Dispaccio Gritti 10 Genn. 1587. Schon wurde er bitter daruͤber. Als Philipp II. eine Pragmatica erließ, durch welche die Titulaturen uͤberhaupt, und mithin auch die beschraͤnkt wurden, welche die roͤmi- sche Curie in Anspruch nahm, gerieth der Papst in Feuer und Flamme. „Wie?“ rief er aus, „gegen uns will Don Philipp ungestuͤm thun, und laͤßt sich von einem Weibe mißhandeln?“ Dolendosi che’l re si lascia strapazzar da una donna e vuol poi bravar con lei (S. S à ). In der That: geschont wurde der Koͤnig nicht. Eli- sabeth nahm sich der Niederlaͤnder oͤffentlich an: alle ame- rikanischen und europaͤischen Kuͤsten machte Drake unsicher. Was Papst Sixtus aussprach, war im Grunde die Mei- nung aller Katholiken. Sie wurden irre an dem maͤchti- gen Koͤnig, der sich so viel gefallen lasse. Die Cortes von Castilien lagen ihn an, sich zu raͤchen. Sogar persoͤnlich war Philipp beleidigt. In Comoͤ- dien und Maskenzuͤgen ward er verspottet, und einmal hin- brachte man ihm das doch. Der bejahrte Herr, nur der Verehrung gewohnt, sprang von seinem Stuhl auf: nie- mals hatte man ihn so entruͤstet gesehen. In dieser Stimmung waren Papst und Koͤnig, als die Nachricht einlief, Elisabeth habe die gefangene Koͤnigin von Schottland hinrichten lassen. Es ist hier nicht der Ort zu untersuchen, welche rechtliche Befugniß sie dazu gehabt ha- 11* Buch V. Gegenreformationen . ben moͤge: hauptsaͤchlich war es doch ein Act politischer Justiz. Der erste Gedanke entsprang, so viel ich finde, be- reits zur Zeit der Bartholomaͤusnacht. In einem seiner Briefe an Lord Burghley druͤckt der damalige Bischof von London die Besorgniß aus, daß ein so verraͤtherisches Be- ginnen sich auch uͤber England ausdehnen moͤge; er findet, der Grund dieser Gefahr liege hauptsaͤchlich in der schot- tischen Koͤnigin: „die Sicherheit des Reiches“, ruft er aus, „erfordert ihr das Haupt abzuschlagen“ Edwin Sandys to Lord Burghley, Fulham V th of Sept. 1572: The saftie of our Quene and Realme yf God wil: furtwith to cutte of the Scotish Quenes heade: ipsa est nostri fundi calamitas. — — Ellis Letters: second series t. III, p. 25. . Um wie viel maͤchtiger war aber jetzt die katholische Partei in Europa geworden: wie viel mehr war sie selbst in England in Gaͤhrung und Bewegung! Mit den Guisen ihren Vet- tern, den Mißvergnuͤgten im Lande, mit dem Koͤnig von Spanien und dem Papst stand Maria Stuart unaufhoͤrlich in geheimer Verbindung. Das katholische Princip, in wie fern es seiner Natur nach der bestehenden Regierung ent- gegengesetzt war, repraͤsentirte sich in ihr: bei dem ersten Succeß der katholischen Partei wuͤrde sie unfehlbar zur Koͤ- nigin ausgerufen worden seyn. Diese ihre Stellung, aus der Lage der Dinge entspringend, der sie sich denn aller- dings nicht entzog, buͤßte sie mit dem Leben. Aber diese Hinrichtung brachte nun auch die spani- schen und paͤpstlichen Entwuͤrfe endlich zur Reife. So viel wollte man sich doch nicht gefallen lassen. Sixtus erfuͤllte das Consistorium mit seinen Ausrufungen uͤber die engli- Angriff auf England . sche Jezabel, welche sich an dem geweiheten Haupt einer Fuͤrstin vergreife, die Niemand unterthan sey, als Jesu Christo und, wie sie selbst bekannt habe, dem Stellver- treter desselben. Um zu zeigen wie so ganz er die Thaͤtig- keit der katholischen Opposition in England billige, ernannte er den ersten Begruͤnder der Seminarien, Wilhelm Allen, zum Cardinal der Kirche: eine Ernennung, in der man wenigstens in Rom sogleich eine Kriegserklaͤrung gegen England erblickte. Auch ward nunmehr ein foͤrmlicher Bund zwischen Philipp II. und dem Papst abgeschlossen Die urspruͤnglichen Absichten des Papstes Dispaccio Gritti 27 Giugno 1587. Il papa fa gran offerta al re per l’impresa d’Inghilterra, ma vuole la denomination del re e ch e’l regno sia feudo della chiesa . . Der Papst versprach dem Koͤnig eine Beihuͤlfe von einer Million Scudi zu seiner Unternehmung: aber wie er im- mer auf seiner Hut war, besonders wenn es Geldsachen anbetraf, so verpflichtete er sich erst alsdann zu zahlen, wenn der Koͤnig einen englischen Hafen in Besitz genom- men habe. „E. Maj. zoͤgere nicht laͤnger“, schrieb er an denselben, „jede Zoͤgerung wuͤrde die gute Absicht in eine schlimme Wirkung verwandeln.“ Der Koͤnig strengte alle Kraͤfte seines Reiches an, und setzte die Armada in Stand die man die unuͤberwindliche genannt hat. Und so erhoben sich die italienisch spanischen Kraͤfte, von denen schon so gewaltige Wirkungen in aller Welt ausgegangen, zu einem Angriff auch auf England. Schon ließ der Koͤnig aus dem Archiv von Simancas die An- spruͤche zusammenstellen, die er nach dem Abgang der Stuarts Buch V. Gegenreformationen . selbst auf jene Krone habe: glaͤnzende Aussichten beson- ders einer allgemeinen Seeherrschaft knuͤpfte er an diese Unternehmung. Es schien alles zusammenzugreifen: die Uebermacht des Katholicismus in Deutschland, der erneute Angriff auf die Hugenotten in Frankreich, der Versuch gegen Genf, die Un- ternehmung gegen England. In demselben Augenblicke bestieg, was wir spaͤter naͤher betrachten wollen, ein ent- schieden katholischer Fuͤrst, Sigismund III. , den polnischen Thron, mit dem Rechte dereinstiger Thronfolge auch in Schweden. In Momenten, wo irgend ein Princip, welches es auch sey, nach der unbedingten Herrschaft in Europa trach- tet, wird sich ihm aber alle Mal ein starker Widerstand entgegensetzen, der aus den tiefsten Quellen des Lebens her- vorgeht. Philipp II. fand jugendlich starke, im Gefuͤhl ihrer zukuͤnftigen Bestimmung aufstrebende Kraͤfte sich gegen- uͤber. Die kuͤhnen Corsaren, die alle Meere unsicher ge- macht, sammelten sich um die Kuͤsten ihres Vaterlandes. Die Protestanten saͤmmtlich, selbst die Puritaner — obwohl sie so schwere Bedruͤckungen hatten ausstehn muͤssen wie die Katholiken — vereinigten sich um die Koͤnigin, die jetzt ih- ren maͤnnlichen Muth, ihr fuͤrstliches Talent zu gewinnen, zu leiten, festzuhalten bewundernswuͤrdig bewaͤhrte: die insulare Lage des Landes, die Elemente standen mit der Vertheidigung im Bunde: die unuͤberwindliche Armada war vernichtet, ehe sie nur noch angegriffen hatte: die Unternehmung scheiterte vollkommen. Angriff auf England . Es versteht sich jedoch, daß der Plan, die große In- tention selbst damit nicht sofort aufgegeben wurde. Die Katholiken wurden von den Schriftstellern ihrer Partei erinnert, auch Julius Caͤsar, auch Heinrich VII. , der Großvater der Elisabeth, seyen bei ihren ersten An- griffen auf England ungluͤcklich gewesen, aber zuletzt doch Herrn im Lande geworden. Oft verzoͤgere Gott den Sieg seiner Getreuen. Die Kinder Israel seyen im Kriege gegen den Stamm Benjamin, den sie auf Gottes ausdruͤckliches Geheiß unternommen, zweimal mit großem Verlust geschla- gen worden: erst der dritte Angriff habe ihnen den Sieg gebracht: „da habe die reißende Flamme die Staͤdte und Doͤrfer Benjamin verheert, die Schaͤrfe des Schwertes Menschen und Vieh getroffen.“ „Daran“, riefen sie aus, „moͤgen die Englaͤnder gedenken und uͤber den Verzug der Strafe nicht uͤbermuͤthig werden.“ Andreae Philopatri (Parsoni) ad Elizabethae reginae An- gliae edictum responsio § 146. 147. „Nulla“ fuͤgt er hinzu „ipsorum fortitudine repulsa vis est, sed iis potius casibus qui saepissime in res bellicas solent incidere, aëris nimirum incle- mentia, maris incogniti inexperientia nonnullornmqne fortassis hominum vel negligentia vel inscitia, dei denique voluntate, quia forte misericors dominus arborem infructuosam dimittere adhuc voluit ad tertium annum evangelicum.“ Auch Philipp II. hatte den Muth keinesweges verloren. Seine Absicht war, kleinere und leichter bewegliche Fahrzeuge auszuruͤsten: und mit diesen dann nicht erst im Kanal eine Vereinigung mit der niederlaͤndischen Macht, sondern so- gleich die Landung an der englischen Kuͤste zu versuchen. Im Arsenal zu Lissabon ward auf das lebhafteste gearbei- Buch V. Gegenreformationen . tet. Der Koͤnig war entschlossen alles daran zu setzen, und muͤßte er, sagte er einst bei Tische, die silbernen Leuch- ter, die vor ihm standen, verkaufen Dispacci Gradenigo. 29 Sett. 1588. Sì come il re ha sentito molto questo accidente di mala fortuna, così mostra di esser più che mai risoluto di seguitar la impresa con tutte le sue forze. — 11 Ott. S. M à sta ardentissima nel pensar e trat- tar le provisioni per l’anno futuro. — 1 Nov. „Si venderanno“ habe der Koͤnig ausgerufen „esti candellieri, quando non vi sia altro modo di far danari.“ . Indem er aber darauf dachte, eroͤffneten sich ihm noch andere Aussichten, ein neuer Schauplatz fuͤr die Thaͤtig- keit der italienisch-spanischen roͤmisch-katholischen Streit- kraͤfte. Ermordung Heinrichs III. Bald nach dem Ungluͤck der Flotte trat in Frankreich eine Reaction ein, unerwartet, wie so oft, gewaltsam, blutig. In dem Augenblicke, daß Guise, der die Staͤnde von Blois nach seinem Willen lenkte, mit dem Amte eines Connetable die Leitung der gesammten Reichsgeschaͤfte in die Haͤnde bekommen zu muͤssen schien, ließ ihn Heinrich III. umbringen. Dieser Koͤnig, der sich von der katholisch-spani- schen Gesinnung ergriffen und umfangen sah, riß sich auf einmal von ihr los und warf sich in den Widerstand. Ermordung Heinrichs III. Aber mit Guise war nicht seine Partei, war nicht die Ligue vernichtet. Nun erst nahm sie eine unumwunden feindselige Stellung an, und schloß sich enger noch als zu- vor an Spanien. Papst Sixtus war ganz auf ihrer Seite. Schon die Ermordung des Herzogs, den er liebte und bewunderte, in dem er eine Stuͤtze der Kirche sah, erfuͤllte ihn mit Schmerz und Unwillen: Der Papst beklagte sich noch besonders, daß der Koͤnig ein Breve von ihm ausgebracht, „che li concesse poter esser assolto da qualsivoglia peccato anco riservato alla sede apostolica, col quale si voglia hora coprire il grave peccato che ha fatto.“ (Dispaccio Veneto.) unertraͤglich aber kam es ihm vor, daß dabei auch der Cardinal Guise er- mordet worden, „ein Priestercardinal“, rief er in dem Consistorium aus, „ein edles Glied des heiligen Stuhles, ohne Proceß noch Urtel, durch die weltliche Gewalt, gleich als waͤre der Papst gar nicht auf der Welt, gleich als gaͤbe es keinen Gott mehr!“ Er macht seinem Legaten Moro- sini Vorwuͤrfe, daß er den Koͤnig nicht sogleich excommu- nicirt habe: er haͤtte es thun muͤssen, und wenn es ihm hundert Mal das Leben gekostet haͤtte Tempesti hat II , 137 sowohl die Rede des Papstes in ihrer ganzen Ausdehnung, als das Schreiben an Morosini. „Es- sendo ammazzato il Cardinale“ heißt es darin „in faccia di V. S ria Ill ma , legato a latere, come non ha publicato l’interdetto, ancorchè gliene fossero andate cento vite?“ . Der Koͤnig ließ sich den Zorn des Papstes wenig an- fechten. Er war nicht zu bewegen den Cardinal von Bour- Buch V. Gegenreformationen . bon oder den Erzbischof von Lyon, die er auch gefangen hielt, herauszugeben. Von Rom aus forderte man immer, er solle Heinrich von Navarra fuͤr unfaͤhig erklaͤren den Thron zu besteigen: statt dessen verband er sich mit dem- selben. Hierauf entschloß sich auch der Papst zu dem aͤußer- sten Schritte. Den Koͤnig selbst citirte er nach Rom, um sich wegen der Ermordung des Cardinals zu rechtfertigen. Wenn er die Gefangenen nicht in einer bestimmten Zeit ausliefere, solle er mit dem Banne belegt seyn. So muͤsse er verfahren, erklaͤrte er: thaͤte er an- ders, so wuͤrde er von Gott zur Rechenschaft gefordert wer- den als der unnuͤtzeste aller Paͤpste: da er nun damit seine Pflicht erfuͤlle, so habe er die ganze Welt nicht zu fuͤrch- ten, er zweifle nicht, Heinrich III. werde umkommen wie Koͤnig Saul Dispaccio Veneto 20 Maggio 1589. „Il papa accusa la sua negligentia di non haver fatto dipoi mesi 5 che gli è stato ammazzato un cardinale e tenutone un’ altro prigione con un arcivescovo, alcuna rimostratione o provisione. Dubita dell’ ira di dio“ etc. . Von den Eifrig-Katholischen, den Anhaͤngern der Li- gue ward der Koͤnig ohnehin als ein Verruchter, ein Ver- worfener verabscheut: das Bezeigen des Papstes bestaͤrkte sie in ihrer wilden Opposition. Eher als man haͤtte glau- ben sollen, traf die Vorhersagung desselben ein. Am 23. Juni war das Monitorium in Frankreich publicirt worden: am 1. August ward der Koͤnig von Clement er- mordet. Ermordung Heinrichs III. Der Papst war selbst erstaunt. „In der Mitte sei- nes Heeres“, ruft er aus, „im Begriff Paris zu erobern, in seinem eigenen Cabinet ist er von einem armen Moͤnch mit einem einzigen Stoße umgebracht worden.“ Disp. Ven. 1 Sett. Il papa nel consistorio discorre, che’l successo della morte del re di Francia si ha da conoscer dal voler espresso del S r Dio, e che perciò si doveva confidar che continuarebbe al haver quel regno nella sua protettione. Er schreibt dieß einer unmittelbaren Einwirkung Gottes zu, der dadurch bezeuge, daß er Frankreich nicht verlassen wolle. Wie kann doch ein Wahn die Gemuͤther so allgemein fesseln! Es war dieß eine bei unzaͤhligen Katholiken ver- breitete Ueberzeugung. „Nur der Hand des Allmaͤchtigen selbst“, schreibt Mendoza an Philipp, „hat man dieß gluͤckliche Ereigniß zu verdanken.“ Bei Capefigue V, 290. Fern in Ingolstadt lebte der junge Maximilian von Baiern mit seinen Stu- dien beschaͤftigt: in einem der ersten Briefe die von ihm uͤbrig sind, druͤckt er seiner Mutter die Freude aus, mit der ihn die Nachricht erfuͤllt habe, „daß der Koͤnig von Frankreich umgebracht worden“ Bei Wolf: Maximilian I. Th. I, S. 107. . Jedoch hatte dieß Ereigniß auch eine andere Seite. Heinrich von Navarra, den der Papst excommunicirt, die Guisen so heftig verfolgt hatten, trat nun in seine legitimen Rechte ein. Ein Protestant nahm den Titel eines Koͤnigs von Frankreich an. Die Ligue, Philipp II. , der Papst waren entschlossen Buch V. Gegenreformationen . ihn unter keiner Bedingung zum Genuß seiner Rechte ge- langen zu lassen. An die Stelle Morosinis, der bei wei- tem zu lau zu seyn schien, schickte Sixtus V. einen neuen Legaten, Gaetano, der fuͤr spanisch gesinnt galt, nach Frankreich, und gab ihm, was er noch nie gethan, eine Summe Geldes mit, die er zum Besten der Ligue verwen- den koͤnne. Vor allem sollte er dafuͤr sorgen, daß kein Anderer als ein Katholik Koͤnig von Frankreich werde. Allerdings wuͤrde die Krone einem Prinzen von Gebluͤt ge- hoͤren, aber das sey nicht das Einzige worauf es an- komme: auch andere Mal sey man von der strengen Ord- nung der Erbfolge abgewichen: niemals aber habe man ei- nen Ketzer genommen: die Hauptsache bleibe, daß der Koͤ- nig ein guter Katholik sey Dispaccio Veneto 30 Sett. Der Papst erklaͤrt: che non importava che’l fosse eletto più del sangue che di altra fami- glia, essendo ciò altre volte occorso, ma mai eretico dopo la nostra religione: che Savoia, Lorena e forse anche Umena pretendeva la corona: che S. S à non vuol favorir l’uno più che l’altro. Ein Auszug aus der Instruction bei Tempesti II, 233. . Bei dieser Gesinnung fand es der Papst sogar lobens- wuͤrdig, daß der Herzog von Savoyen sich die Verwir- rung von Frankreich zu Nutze machte, um Saluzzo, das damals den Franzosen gehoͤrte, in Besitz zu nehmen. Es sey besser, sagte Sixtus, daß der Herzog es nehme, als daß es den Hugenotten in die Haͤnde falle Man machte ihm Vorwuͤrfe daruͤber: il papa si giusti- fica con molte ragioni della impresa che’l sopradetto duca ha fatto del marchesato di Saluzzo con sua participatione. (Dis- paccio Veneto.) . Ermordung Heinrichs III. Und nun kam alles darauf an, der Ligue im Kampfe gegen Heinrich IV. den Sieg erringen zu helfen. Hiezu ward ein neuer Vertrag zwischen Spanien und dem Papst entworfen. Der eifrigste Inquisitor, Cardinal Sanseverina, ward unter dem Siegel des Beichtgeheim- nisses damit beauftragt den Entwurf aufzusetzen. Der Papst versprach wirklich eine Armee von 15000 Mann zu Fuß und 800 Pferden nach Frankreich zu schicken: er er- klaͤrte sich uͤberdieß bereit Subsidien zu zahlen, sobald als der Koͤnig mit einem maͤchtigen Heere in Frankreich eingedrungen seyn werde. Die paͤpstliche Heeresmacht sollte von dem Herzog von Urbino, einem Unterthan S. Heilig- keit und Anhaͤnger S. Majestaͤt, befehligt werden Authentische Nachricht in der Autobiographie des Cardinals, welche schon Tempesti II , 236 aufgenommen hat. . Dergestalt ruͤsteten sich jene italienisch-spanischen Kraͤfte, im Bunde mit ihren Anhaͤngern in Frankreich, sich dieser Krone auf immer zu versichern. Eine groͤßere Aussicht konnte es weder fuͤr Spanien noch fuͤr den Papst geben. Spanien waͤre der alten Ne- benbuhlerschaft, von der es sich so lange beschraͤnkt gese- hen, auf immer entledigt worden. Die Folge hat gezeigt, wie sehr dieß Philipp II. am Herzen lag. Auch fuͤr die paͤpstliche Macht aber waͤre es ein unermeßlicher Fortschritt gewesen, auf die Einsetzung eines Koͤnigs in Frankreich einen thaͤtigen Einfluß auszuuͤben. Gleich Gaetano hatte den Auftrag die Einfuͤhrung der Inquisition, die Abschaf- fung der gallicanischen Freiheiten zu fordern. Aber noch Buch V. Gegenreformationen . mehr haͤtte es bedeutet, daß ein legitimer Fuͤrst aus Ruͤck- sichten der Religion vom Throne ausgeschlossen worden waͤre. Die kirchlichen Antriebe, die ohnehin die Welt in allen Richtungen durchdrangen, wuͤrden dadurch eine voll- kommene Oberherrschaft erlangt haben. Sechstes Buch . Innere Gegensätze der Lehre und der Macht. 1589—1607. W ie hatte die geistige Entwickelung der Welt doch so durchaus einen andern Gang genommen, als den man zu Anfang des Jahrhunderts haͤtte erwarten sollen. Damals loͤsten sich die kirchlichen Bande auf: die Na- tionen suchten sich von dem gemeinschaftlichen geistlichen Oberhaupte abzusondern: das Papstthum selbst vergaß bei- nahe seine hierarchische Bedeutung: in Literatur und Kunst walteten profane Bestrebungen vor: man trug die Grund- saͤtze einer heidnischen Moral unverholen zur Schau. Jetzt wie ganz anders! Im Namen der Religion wurden Kriege angefangen, Eroberungen gemacht, Staaten umgewaͤlzt! Es hat nie eine Zeit gegeben, in welcher die Theologen maͤchtiger gewesen waͤren, als das Ende des sechs- zehnten Jahrhunderts. Sie saßen in den fuͤrstlichen Raͤ- then, und verhandelten die politischen Materien vor allem Volk auf den Kanzeln: sie beherrschten Schule, Gelehrsam- keit und im Ganzen die Literatur: der Beichtstuhl gab ih- nen Gelegenheit die geheime Zwiesprache der Seele mit sich selbst zu belauschen und in allen Zweifeln des Privatlebens den Ausschlag zu geben. Man darf vielleicht behaupten, Päpste* 12 Buch VI. Innere Streitigkeiten . daß ihr Einfluß gerade dadurch so umfassend und durchgrei- fend wurde, weil sie mit einander in einem so heftigen Widerspruch lagen, weil sie ihren Gegensatz in sich selber trugen. War dieß nun auf beiden Seiten der Fall, so lag es doch auf der katholischen am meisten zu Tage. Hier wa- ren die Ideen und Institute, welche das Gemuͤth unmit- telbar in Zucht und Leitung nehmen, am zweckmaͤßigsten ausgebildet: man konnte gar nicht mehr ohne Beichtvater leben. Hier machten ferner die Geistlichen entweder als Genossen eines Ordens, oder doch als Mitglieder der Hie- rarchie uͤberhaupt eine in strenger Unterordnung zusammen- gehaltene Corporation aus, die in Einem Sinne zu Werke ging. Das Haupt dieses hierarchischen Koͤrpers, der Papst zu Rom, bekam wieder einen nicht viel geringeren Ein- fluß, als er im elften und zwoͤlften Jahrhundert besessen hatte: durch die Unternehmungen, die er aus dem religioͤ- sen Gesichtspunkt unaufhoͤrlich in Anregung brachte, hielt er die Welt in Athem. Unter diesen Umstaͤnden erwachten die kuͤhnsten An- spruͤche hildebrandischer Zeiten, Grundsaͤtze, die bisher in den Ruͤsthaͤusern des canonischen Rechtes mehr als Anti- quitaͤten aufbewahrt worden, aufs neue zu voller Wirksam- keit und Geltung. Unser europaͤisches Gemeinwesen hat sich noch niemals dem Gebote der reinen Gewalt unterworfen: noch ist es in jedem Momente mit Ideen erfuͤllt gewesen: es kann kein wichtiges Unternehmen gelingen, keine Macht zu allgemei- ner Bedeutung emporsteigen, ohne daß zugleich in den Gei- Kirchlich politische Theorie . stern das Ideal einer hervorzubringenden Weltordnung er- schiene. Auf diesem Punkte entspringen die Theorien. Den geistigen Sinn und Inhalt der Thatsache reproduciren sie und stellen ihn als eine Forderung der Vernunft, oder der Religion, als ein Ergebniß des Gedankens in dem Lichte einer allgemein guͤltigen Wahrheit dar. So nehmen sie die Vollendung des Ereignisses gleichsam in voraus in Besitz: zugleich kommen sie demselben maͤchtig zu Huͤlfe. Betrachten wir wie das hier geschah. Kirchlich politische Theorie. Nicht selten hat man dem katholischen Principe eine besondere Bedeutung fuͤr die monarchische oder aristokrati- sche Staatsform, eine innere Hinneigung zu denselben zu- schreiben wollen. Ein Jahrhundert, wie das sechszehnte, worin dieß Princip in voller Thatkraft und Selbstbestim- mung auftrat, kann uns hieruͤber am meisten belehren. In der That finden wir, daß es sich da in Italien und Spa- nien an die bestehende Ordnung der Dinge anschloß, in Deutschland dazu diente der fuͤrstlichen Macht ein neues Uebergewicht uͤber die Landstaͤnde zu verschaffen, in den Niederlanden die Eroberung befoͤrderte, daß es auch in Ober- deutschland, in den wallonischen Provinzen mit besonderer Vorliebe von dem Adel fest gehalten ward. Fragen wir aber weiter nach, so sind dieß doch nicht die einzigen Sympathien die es erweckte. Ward es in Coͤln von den Patriciern, so ward es unfern davon in Trier von der Gemeine ergriffen: 12* Buch VI. Innere Streitigkeiten . in den großen franzoͤsischen Staͤdten verbuͤndet es sich al- lenthalben mit den Anspruͤchen, den Bestrebungen des ge- meinen Volkes. Es kommt ihm nur darauf an, wo es seine Stuͤtze, seinen vornehmsten Ruͤckhalt findet. Sind ihm die bestehenden Gewalten entgegengesetzt, so ist es weit ent- fernt sie zu schonen, ja nur anzuerkennen. Die irische Na- tion befestigt es in ihrer angeborenen Widerspenstigkeit ge- gen die englische Regierung: in England selbst untergraͤbt es, so viel es vermag, den Gehorsam, den die Koͤnigin for- dert, und bricht oft in thaͤtigem Widerstand hervor: in Frankreich bestaͤtigt es endlich seine Anhaͤnger in der Em- poͤrung wider ihren legitimen Fuͤrsten. An und fuͤr sich hat das religioͤse Princip uͤberhaupt keine Vorliebe fuͤr die eine oder die andere Regierungsform. Waͤhrend der kur- zen Zeit seiner Erneuerung hat der Katholicismus schon die verschiedensten Hinneigungen offenbart, zuerst zu der mo- narchischen Gewalt in Italien und Spanien, zur Befe- stigung der Territorialherrschaft in Deutschland: sodann in den Niederlanden zur Erhaltung der Gerechtsame aristo- kratischer Staͤnde: am Ende des Jahrhunderts gesellt er sich entschieden den demokratischen Tendenzen zu. Es ist dieß um so wichtiger, da er jetzt in der hoͤchsten Fuͤlle sei- ner Thaͤtigkeit steht, und die Bewegungen, an denen er Theil nimmt, die wichtigsten Weltangelegenheiten ausma- chen. Gelingt es den Paͤpsten in diesem Augenblicke, so werden sie auf immer einen uͤberwiegenden Einfluß uͤber den Staat erobert haben. Sie treten mit Anspruͤchen, ihre Anhaͤnger und Vorfechter mit Meinungen und Grund- saͤtzen hervor, welche Reiche und Staaten zugleich mit Kirchlich politische Theorie . innern Umwaͤlzungen und mit dem Verluste ihrer Unab- haͤngigkeit bedrohen. Es waren hauptsaͤchlich die Jesuiten, die auf dem Kampfplatz erschienen, um Lehren dieser Art vorzutragen und zu verfechten. Zunaͤchst nahmen sie eine unbeschraͤnkte Oberhoheit der Kirche uͤber den Staat in Anspruch. Mit einer gewissen Nothwendigkeit kamen sie darauf in England, wo die Koͤnigin durch die Landesgesetze fuͤr das Haupt der Kirche erklaͤrt worden war. Eben diesem Grund- satz begegneten die Haͤupter der katholischen Opposition mit den schroffsten Anmaßungen von der andern Seite. Wilhelm Allen erklaͤrt es nicht allein fuͤr das Recht, sondern fuͤr die Pflicht einer Nation, besonders wenn der Befehl des Pap- stes hinzukomme, einem Fuͤrsten, der von der katholischen Kirche abgefallen, den Gehorsam zu versagen In der Schrift: Ad persecutores Anglos pro Christianis responsio (1582) bemerke ich folgende Stelle: Si reges deo et dei populo fidem datam fregerint, vicissim populo non solum permittitur, sed etiam ab eo requiritur ut jubente Christi vica- rio, supremo nimirum populorum omnium pastore, ipse quoque fidem datam tali principi non servet. . Person findet, es sey die Grundbedingung aller Macht eines Fuͤr- sten, daß er den roͤmisch-katholischen Glauben pflegen und beschuͤtzen solle: dahin laute sein Taufgeluͤbde, sein Kroͤ- nungseid: es wuͤrde Blindheit seyn, ihn auch alsdann noch fuͤr thronfaͤhig zu halten, wenn er diese Bedingung nicht erfuͤlle; vielmehr seyen die Unterthanen verbunden ihn in einem solchen Falle zu verjagen Andreae Philopatri (Personi) ad Elizabethae reginae . Natuͤrlich! diese Au- Buch VI. Innere Streitigkeiten . toren setzen Zweck und Pflicht des Lebens uͤberhaupt in die Uebung der Religion: die roͤmisch-katholische halten sie fuͤr die allein wahre: sie schließen, daß es keine rechtmaͤßige Gewalt geben koͤnne, welche dieser Religion widerstrebe: das Daseyn einer Regierung, den Gehorsam, den sie fin- det, machen sie von der Anwendung ihrer Macht zu Gun- sten der katholischen Kirche abhaͤngig. Es war dieß aber der Sinn der aufkommenden Doctrin uͤberhaupt. Was in England in der Hitze des Streites vorgetragen worden, wiederholte Bellarmin von der Einsamkeit seiner Studierstube her in ausfuͤhrlichen Wer- ken, in einem zusammenhaͤngenden wohl uͤberdachten Sy- steme. Er legte die Behauptung zu Grunde, daß der Papst der gesammten Kirche als ihr Huͤter und Oberhaupt unmittelbar von Gott selbst vorgesetzt sey Bellarminus de conciliorum autoritate c. 17: Summus pontifex simpliciter et absolute est supra ecclesiam universam et supra concilium generale, ita ut nullum in terris supra se ju- dicium agnoscat. . Deshalb komme demselben einmal die Fuͤlle der geistlichen Macht zu: ihm sey verliehen, daß er nicht irren koͤnne: er richte Alle und duͤrfe von Niemand gerichtet werden; sodann ent- springe ihm daher auch ein großer Antheil an der weltli- edictum responsio n° 162: Non tantum licet, sed summa etiam juris divini necessitate ac praecepto, imo conscientiae vinculo arctissimo et extremo animarum suarum periculo ac discrimine Christianis omnibus hoc ipsum incumbit, si praestare rem pos- sunt. n° 160. Incumbit vero tum maxime — — cum res jam ab ecclesia ac supremo ejus moderatore, pontifice nimirum Ro- mano, judicata est: ad illum enim ex officio pertinet religionis ac divini cultus incolumitati prospicere et leprosos a mundis ne inficiantur secernere. Kirchlich politische Theorie . chen Autoritaͤt. So weit geht Bellarmin nicht, dem Papste eine weltliche Gewalt direct, durch goͤttliches Recht zuzuschreiben Bellarminus de Romano pontifice V, VI: Asserimus pontificem ut pontificem, etsi non habeat ullam meram tempo- ralem potestatem, tamen habere in ordine ad bonum spirituale summam potestatem disponendi de temporalibus rebus omnium Christianorum . : obwohl Sixtus V . diese Meinung hegte, und es sogar uͤbel nahm, wenn man sie fahren ließ: aber desto unzweifelhafter mißt er ihm eine solche indirect bei. Die weltliche Gewalt vergleicht er mit dem Leibe, die geist- liche mit der Seele des Menschen: er schreibt der Kirche die nemliche Herrschaft uͤber den Staat zu, welche die Seele uͤber den Leib ausuͤbe. Die geistliche Gewalt habe das Recht und die Pflicht, der weltlichen Zuͤgel anzulegen, so- bald sie den Zwecken der Religion schaͤdlich werde. Man koͤnne nicht sagen, daß dem Papste ein regelmaͤßiger Ein- fluß auf die Gesetzgebung des Staates zukomme Bellarminus de Romano pontifice V, VI: Quantum ad personas, non potest papa ut papa ordinarie temporales princi- pes deponere, etiam justa de causa, eo modo quo deponit epi- scopos, id est tanquam ordinarius judex: tamen potest mutare regna et uni auferre atque alteri conferre tanquam summus princeps spiritualis, si id necessarium sit ad animarum salu- tem: etc. etc . ; waͤre aber ein Gesetz zum Heile der Seelen nothwendig, und wei- gerte sich der Fuͤrst es zu erlassen, und waͤre ein Gesetz dem Heile der Seelen nachtheilig und wollte der Fuͤrst hart- naͤckig dabei verharren, so sey der Papst allerdings berech- tiget das eine anzuordnen, das andere abzuschaffen. Und auch schon mit diesem Princip kommt er doch sehr weit. Buch VI . Innere Streitigkeiten . Gebiete nicht die Seele dem Leibe selbst den Tod wenn es noͤthig sey? In der Regel koͤnne der Papst einen Fuͤr- sten freilich nicht absetzen: sollte es aber zum Heile der Seelen nothwendig werden, so besitze er das Recht die Regierung zu veraͤndern, sie von Einem auf den Andern zu uͤbertragen Diese Lehren fassen doch im Grunde nur die im 13ten Jahr- hundert vorgetragenen Saͤtze aufs neue zusammen. Schon Thomas von Aquino hat den Vergleich der hier eine so große Rolle spielt: „Potestas secularis subditur spirituali sicut corpus animae.“ Bellarmin fuͤhrt in dem Tractatus de potestate summi pontificis in rebus temporalibus adversus G. Barclajum uͤber 70 Schrift- steller aus den verschiedenen Nationen auf, von welchen die Macht des Papstes ungefaͤhr eben so verstanden werde wie von ihm. . Bei diesen Behauptungen lag nur die Einwendung sehr nahe, daß doch auch die koͤnigliche Gewalt auf goͤtt- lichem Rechte beruhe. Oder welcher Ursprung, welche Bedeutung wohnten ihr sonst bei? Die Jesuiten trugen kein Bedenken die fuͤrstliche Macht vom Volke herzuleiten. Mit ihren Lehren von der paͤpst- lichen Allgewalt verschmolzen sie die Theorie von der Volks- souveraͤnetaͤt zu Einem Systeme. Schon bei Allen und Person lag sie mehr oder minder ausgesprochen zu Grunde: Bellarmin sucht sie ausfuͤhrlich zu begruͤnden. Er findet, Gott habe die weltliche Gewalt an Niemand besonders ver- liehen: daraus folge, daß er sie der Menge verliehen habe: die Gewalt ruhe demnach in dem Volke, das Volk uͤber- trage sie bald einem Einzigen, bald Mehreren: es be- halte sogar immer das Recht diese Formen zu aͤndern, die Kirchlich politische Theorie . Macht zuruͤckzunehmen, und aufs neue zu uͤbertragen. Man glaube nicht, daß dieß nur seine individuelle Ansicht gewe- sen sey: es ist in der That die herrschende Lehre der Je- suitenschulen dieser Zeit. In einem Handbuche fuͤr die Beicht- vaͤter, das sich durch die ganze katholische Welt verbrei- tete, und von dem Magister sacri palatii revidirt war, wird die fuͤrstliche Gewalt nicht allein als dem Papst un- terworfen betrachtet in so weit es das Heil der Seelen erfordere: Aphorismi confessariorum ex doctorum sententiis col- lecti, autore Emanuele Sa, nuper accurate expurgati a rev mo P. M. sacri palatii, ed. Antv. p . 480. Doch fuͤgt der Autor, gleich als habe er damit zu wenig gesagt, noch hinzu: Quidem ta- men juris periti putarunt summum pontificem suprema civili po- testate pollere . es heißt darin mit duͤrren Worten: ein Koͤ- nig koͤnne wegen Tyrannei oder Vernachlaͤßigang seiner Pflichten von dem Volke abgesetzt, und dann von der Mehr- zahl der Nation ein Anderer an seine Stelle gewaͤhlt wer- den Ibid. p. 508 (ed. Colon. p. 313) Rex potest per rem- publicam privari ob tyrannidem et si non faciat officium suum et cum est aliqua causa justa, et eligi potest alius a majore parte populi: quidam tamen solum tyrannidem causam putant . . Franciscus Suarez, Professor primarius der Theo- logie zu Coimbra macht es sich in seiner Vertheidigung der katholischen Kirche gegen die anglicanische zum beson- dern Geschaͤft die Lehre des Bellarmin zu erlaͤutern und zu bestaͤtigen R. P. Franc. Suarez Granatensis etc. defensio fidei ca- tholicae et apostolicae adversus Anglicanae sectae errores lib. III: de summi pontificis supra temporales reges excellentia et potestate . Man sieht, daß der Lehrsatz Bellarmins von dem Rechte des Volkes die uͤbertragene Gewalt wieder zuruͤckzunehmen besondern Widerspruch erregt hatte. . Mit augenscheinlicher Vorliebe aber bildet Buch VI . Innere Streitigkeiten . Mariana die Idee der Volkssouveraͤnetaͤt aus. Alle Fra- gen die hiebei vorkommen koͤnnen wirft er auf, und ent- scheidet sie unbedenklich zu Gunsten des Volks, zum Nach- theil der koͤniglichen Gewalt. Er bezweifelt nicht, daß ein Fuͤrst abgesetzt, ja getoͤdtet werden duͤrfe, namentlich dann, wenn er die Religion verletze. Dem Jacob Clement, wel- cher erst die Theologen zu Rathe zog und dann ging und seinen Koͤnig umbrachte, widmet er einen Lobspruch voll pathetischer Emphase Mariana de rege et regis institutione . Unter andern: Jac. Clemens — — cognito a theologis, quos erat sciscitatus, tyrannum jure interimi posse — caeso rege ingens sibi nomen fecit . . Er geht biebei wenigstens ganz folgerichtig zu Werke. Eben diese Lehren hatten ohne Zweifel den Fanatismus des Moͤrders entflammt. Denn nirgends wurden sie wohl mit so wilder Hef- tigkeit verkuͤndigt als in Frankreich. Man kann nichts Antiroyalistischeres lesen als die Diatriben, die Jean Bou- cher von der Kanzel erschallen ließ. In den Staͤnden fin- det dieser Prediger die oͤffentliche Macht und Majestaͤt, die Gewalt zu binden und zu loͤsen, die unveraͤußerliche Sou- veraͤnetaͤt, das Richteramt uͤber Scepter und Reiche: denn in ihnen sey ja auch der Ursprung derselben: von dem Volke komme der Fuͤrst, nicht durch Nothwendigkeit und Zwang, sondern durch freie Wahl. Das Verhaͤltniß des Staates und der Kirche faßt er wie Bellarmin auf: er wiederholt das Gleichniß von Leib und Seele. Nur Eine Bedingung, sagt er, schraͤnke den freien Willen des Vol- kes ein: nur das Eine sey ihm verboten, einen ketzeri- Kirchlich politische Theorie . schen Koͤnig anzunehmen: es wuͤrde damit den Fluch Got- tes uͤber sich herbeiziehen Jean Boucher: Sermons, Paris 1594, an vielen Stellen. S. 194. heißt es: L’église seigneurie les royaumes et estats de la chretienté, non pour y usurper puissance directe comme sur son propre temporel, mais bien indirectement pour empescher que rien ne se passe au temporel qui soit au prejudice du ro- yaume de Jesus Christ, comme par cydevant il a été declaré par la similitude de la puissance de l’esprit sur le corps . Fer- ner: La difference du prestre et du roi nous eclaircit cette ma- tiere, le prestre estant de dieu seul, ce qui ne se peut dire du roi. Car si tous les rois etoient morts, les peuples s’en pour- roient bien faire d’autres: mais s’il n’y avoit plus aucun prestre, il faudroit que Jesus Christ vint en personne pour en faire de nouveaux (p. 162) . . Seltsame Vereinigung geistlicher Anspruͤche und de- mokratischer Ideen, absoluter Freiheit und vollstaͤndiger Un- terwuͤrfigkeit — widersprechend in sich selbst und antina- tional — die aber die Gemuͤther wie durch unerklaͤrli- chen Zauber fesselte. Die Sorbonne hatte bisher noch immer die koͤnigli- chen und nationalen Vorrechte gegen die priesterlichen, ul- tramontanen Anspruͤche in Schutz genommen. Als jetzt, nach der Ermordung der Guisen, jene Lehren auf allen Kanzeln gepredigt wurden, als man auf den Straßen aus- rief, auf Altaͤren, in Processionen symbolisch darstellte, daß sich Koͤnig Heinrich III . seiner Krone verlustig gemacht habe, wandten sich „die guten Buͤrger und Einwohner der Stadt“, wie sie sich nennen, „in den Scrupeln ihres Ge- wissens“ an die theologische Facultaͤt der Universitaͤt zu Paris, um uͤber die Rechtmaͤßigkeit ihres Widerstandes gegen ihren Herrn eine sichere Entscheidung zu empfangen. Buch VI . Innere Streitigkeiten . Hierauf versammelte sich die Sorbonne, am 7. Januar 1589. „Nachdem,“ lautet ihr Urtheil, „die reifliche und freie Berathung aller Magistri gehoͤrt, nachdem viele uud mancherlei Gruͤnde vernommen worden — aus der heili- gen Schrift, dem canonischen Recht und den paͤpstlichen Verordnungen groͤßtentheils woͤrtlich gezogen —, ist von dem Decan der Facultaͤt, ohne allen Widerspruch, da- hin geschlossen worden, zuerst, daß das Volk dieses Reiches von dem Eide der Treue und des Gehorsams, den es dem Koͤnig Heinrich geleistet hat, entbunden sey: ferner, daß dieses Volk ohne Beschwerde in seinem Gewissen sich ver- einigen, bewaffnen, Geld zusammenbringen koͤnne zur Be- hauptung der roͤmisch-katholischen apostolischen Religion gegen die verabscheuungswuͤrdigen Unternehmungen des ge- nannten Koͤnigs.“ Responsum facultatis theologicae Parisiensis : abgedruckt in den Additions au journal de Henry III tom. I, p . 317. Siebzig Mitglieder der Facultaͤt waren hiebei zugegen: vornehmlich die juͤngern setzten den Beschluß mit wilder Begeisterung durch Thuanus lib. 94, p . 258 gibt die Zahl der Anwesenden nur auf sechszig an, und will ihre Einstimmigkeit nicht Wort ha- ben, obwohl jenes Document woͤrtlich sagt: audita omnium et sin- gulorum magistrorum, qui ad septuaginta convenerant, delibera- tione — — conclusum est nemine refragrante — —. . Die allgemeine Zustimmung, welche diese Theorien fan- den, kam ohne Zweifel hauptsaͤchlich daher, weil sie wirk- lich in diesem Augenblick der Ausdruck der Thatsache, der historischen Erscheinung waren. In den franzoͤsischen Un- ruhen waren ja eben volksthuͤmlicher und geistlicher Wi- derstand von verschiedenen Seiten her in Bund getreten: die Pariser Buͤrgerschaft ward von einem Legaten des Pap- Kirchlich politische Theorie . stes in der Empoͤrung wider ihren rechtmaͤßigen Fuͤrsten bestaͤtigt und festgehalten: Bellarmin war selbst eine Zeit- lang in der Begleitung des Legaten: die Doctrinen, die er in gelehrter Einsamkeit ausgebildet und mit so viel Folgerich- keit, mit so großem Beifall vorgetragen, druͤckten sich in dem Ereigniß aus, das er erlebte und mit hervorrief. Auch haͤngt es wohl hiemit zusammen, daß die Spa- nier diese Lehren gut hießen, daß ein auf den Besitz der Macht so eifersuͤchtiger Fuͤrst wie Philipp II . sie duldete. Das spanische Koͤnigthum beruhte ja ohnehin auf einem Zusatz geistlicher Attribute. In so vielen Stuͤcken des Lope de Vega sieht man, daß es die Nation so verstand: daß sie in ihrem Fuͤrsten die religioͤse Majestaͤt liebte und dar- gestellt zu sehen wuͤnschte. Aber uͤberdieß war der Koͤnig mit den Bestrebungen der katholischen Restauration, nicht allein mit den Priestern, sondern mit dem empoͤrten Volke selbst verbuͤndet. Das Volk von Paris widmete ihm ein bei weitem groͤßeres Vertrauen als den franzoͤsischen Fuͤr- sten, den Oberhaͤuptern der Ligue. Gleichsam ein neuer Bundesgenosse trat dem Koͤnig in der Lehre der Jesuiten auf. Es war nicht abzusehen, daß er etwas von ihnen zu fuͤrchten haben sollte, vielmehr gaben sie seiner Politik eine rechtlich-religioͤse Rechtfertigung, die ihm selbst fuͤr sein Ansehen in Spanien von vielem Vortheil war, seinen auswaͤrtigen Unternehmungen aber unmittelbar den Weg bahnte. Mehr an diesen augenblicklichen Nutzen, als an die allgemeine Bedeutung der jesuitischen Doctrin hielt sich der Koͤnig Pedro Ribadeneira wiederholte sie in seinem Buche gegen Machiavell, das schon 1595 fertig war und dem Prinzen von Spa- . Buch VI . Innere Streitigkeiten . Und hat es nicht in der Regel mit den politischen Lehrmeinungen eine aͤhnliche Bewandtniß? Erwachsen sie mehr aus den Thatsachen, oder bringen sie dieselben mehr hervor? Liebt man sie mehr um ihrer selbst willen, oder mehr wegen des Nutzens, den man sich von ihnen ver- spricht? Jedoch nimmt ihnen dieß nichts an ihrer Kraft. In- dem die jesuitischen Doctrinen die Bestrebungen des restau- rirenden Papstthums, oder vielmehr des weltgeschichtlichen Momentes in welchem es sich befand, ausdruͤckten, gaben sie denselben durch systematische Begruͤndung in dem Sinne der vorwaltenden theologischen Ueberzeugung eine neue Kraft, sie befoͤrderten eine Richtung in den Gemuͤthern von wel- cher der Sieg eben abhing. Opposition der Lehre. Niemals jedoch ist in unserm Europa weder eine Macht noch auch eine Lehre, am wenigsten eine politische, zu voll- kommener Alleinherrschaft gediehen. Auch laͤßt sich keine denken, die nicht, mit dem Ideale nien uͤberreicht ward, zwar gemaͤßigt, aber er wiederholte sie. Tra- tado de la religion y virtudes que deve tener el principe Chris- tiano para governar y conservar sus estados, contra lo que Ni- colo Machiavello y los polìticos d’este tiempo enseñan. Anve- res 1597. Die Fuͤrsten, meint er, seyen Diener der Kirche, aber nicht Richter derselben: bewaffnet um die Ketzer, Feinde und Rebel- len der Kirche zu zuͤchtigen, aber nicht um ihr Gesetze zu geben oder deu Willen Gottes zu erklaͤren. Er bleibt bei dem Gleichniß von Seele und Leib. Das Reich der Erde, wie S. Gregorio sage, muͤsse dem Reiche des Himmels dienen. Opposition der Lehre . und den hoͤchsten Forderungen verglichen, einseitig und be- schraͤnkend werden muͤßte. Noch allezeit hat sich auch den zur ausschließenden Herrschaft anstrebenden Meinungen ein Widerspruch entgegen- gesetzt, der aus dem unerschoͤflichen Grunde des allgemei- nen Lebens entsprungen, frische Kraͤfte hervorgetrieben hat. Nahmen wir wahr, daß keine Macht emporkommen wird, die nicht zugleich auf der Grundlage der Idee be- ruhe, so koͤnnen wir hinzufuͤgen, daß sie auch in der Idee ihre Beschraͤnkung findet: die großen Leben erzeugenden Kaͤmpfe vollziehen sich immer zugleich in den Regionen der Ueberzeugung, des Gedankens. So trat nun auch der Idee der weltbeherrschenden priesterlichen Religion die Unabhaͤngigkeit der Nationalitaͤt, die eigene Bedeutung des weltlichen Elementes maͤchtig entgegen. Das germanische Fuͤrstenthum, ausgebreitet uͤber die romanischen Nationen und tief in ihnen gewurzelt, hat nie- mals zerstoͤrt werden koͤnnen, weder durch priesterliche An- spruͤche noch durch die Fiction der Volkssouveraͤnetaͤt, die sich zuletzt immer unhaltbar erwiesen hat. Der abenteuerlichen Verbindung in welche beide da- mals mit einander getreten, setzte man die Lehre von dem goͤttlichen Rechte des Fuͤrstenthums entgegen. Zunaͤchst ward sie von den Protestanten, die fruͤher wohl auch geschwankt haben mochten, mit dem vollen Ei- fer eines Feindes ergriffen, der seinen Gegner ein sehr ge- faͤhrliches Spiel wagen, sich auf Pfaden bewegen sieht welche ihn ins Verderben fuͤhren muͤssen. Buch VI . Innere Streitigkeiten . Gott allein, behaupteten die Protestanten, setze dem Menschengeschlecht seine Fuͤrsten: er habe sich vorbehalten zu erhoͤhen und zu erniedrigen, die Gewalt auszutheilen und zu ermaͤßigen. Wohl steige er nicht mehr vom Him- mel herab, um diejenigen mit dem Finger zu bezeichnen welchen die Herrschaft gebuͤhre, aber durch seine ewige Vor- sehung seyen in jedem Reiche Gesetze, bestimmte Ordnun- gen eingefuͤhrt, nach denen ein Herrscher angenommen werde. Komme ein Fuͤrst kraft dieser Ordnungen zur Gewalt, so sey das eben so gut, als sage Gottes Stimme: das soll euer Koͤnig seyn. Wohl habe Gott einstmals seinem Volke Mosen, die Richter, die ersten Koͤnige persoͤnlich gewiesen, aber nachdem einmal eine feste Ordnung eingefuͤhrt worden, seyen die andern, die nach Jenen zum Throne gelangt, eben so gut die Gesalbten Gottes gewesen Explicatio controversiarum quae a nonnullis moventur ex Henrici Borbonii regis in regnum Franciae constitutione, — — opus — — a Tossano Bercheto Lingonensi e Gallico in La- tinum sermonem conversum. Sedani 1590 Cap. II . . Von diesen Grundsaͤtzen aus drangen nun die Pro- testanten auf die Nothwendigkeit sich auch ungerechten und tadelnswuͤrdigen Fuͤrsten zu unterwerfen. Vollkommen sey ohnehin Niemand. Werde das Gesetz nicht unverbruͤchlich ge- handhabt, so wuͤrde man auch von geringern Fehlern An- laß nehmen sich eines Fuͤrsten zu entledigen. Selbst die Ketzerei befreie nicht von dem Gehorsam uͤberhaupt. Ei- nem gottlosen Vater duͤrfe der Sohn zwar nicht in dem gehorchen, was wider Gottes Gebot sey, aber uͤbrigens bleibe Opposition der Lehre . bleibe er ihm doch zur Ehrfurcht und Unterordnung ver- pflichtet.“ Es wuͤrde schon etwas bedeutet haben wenn die Pro- testanten auch nur allein diese Meinungen ausgebildet und festgehalten haͤtten. Aber noch viel wichtiger war es, daß sie damit bei einem Theile der franzoͤsischen Katholiken Ein- gang fanden; oder vielmehr, daß diese ihnen durch eine frei entwickelte Ueberzeugung beistimmten. Der paͤpstlichen Excommunication zum Trotz blieb noch immer ein nicht unbedeutender Kern guter Katholiken Heinrich dem III . getreu und ging alsdann zu Heinrich dem IV . uͤber. Die jesuitischen Lehren schlugen bei dieser Partei nicht an. Es fehlte ihr nicht an Gruͤnden um ihre Stel- lung zu vertheidigen, auch ohne darum vom Katholicis- mus abzufallen. Sie bemuͤhte sich zunaͤchst die Gewalt des Clerus, sein Verhaͤltniß zur weltlichen Macht nun einmal auch von der andern Seite her zu bestimmen. Sie fand, das geist- liche Reich sey nicht von dieser Welt, die Gewalt des Cle- rus beziehe sich nur auf geistliche Dinge: die Excommuni- cation koͤnne ihrer Natur nach nur die kirchliche Gemein- schaft anbetreffen, von weltlichen Rechten vermoͤge sie nichts zu rauben. Aber ein Koͤnig von Frankreich duͤrfe ja nicht einmal von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen werden: es gehoͤre dieß mit zu den Vorrechten des Wappens der Lilie: wie viel weniger sey der Versuch erlaubt ihm sein Erbrecht zu entreißen. Und wo stehe es nun vollends geschrieben, daß man gegen seinen Koͤnig rebelliren, die Wege der Gewalt gegen ihn brauchen duͤrfe? Gott habe ihn Päpste* 13 Buch VI . Innere Streitigkeiten . eingesetzt: wie er sich denn von Gottes Gnaden nenne: in dem einzigen Falle duͤrfe man ihm den Gehorsam versa- gen, wenn er etwas fordere, was gegen Gottes Gebot laufe Ich folge hier dem Auszug aus einer anonymen Schrift, die 1588 zu Paris erschienen, bei Cayet. Collection universelle des mémoires tom. 56, p . 44. . — Aus diesem goͤttlichen Rechte leiteten sie dann ab, daß es ihnen nicht allein erlaubt, sondern daß es Pflicht fuͤr sie sey, auch einen protestantischen Koͤnig an- zuerkennen. Wie Gott den Koͤnig gebe, so muͤsse der Unterthan ihn annehmen: ihm zu gehorchen sey Gottes Ge- bot: einen Grund, um einem Fuͤrsten seiner Rechte zu be- rauben, koͤnne es uͤberhaupt gar nicht geben Etienne Pasquier: Recherches de France 341. 344. . Sie be- haupteten sogar, daß ihr Verfahren fuͤr die katholischen Interessen das zutraͤglichste sey. Heinrich IV . sey ver- staͤndig, gnaͤdig, aufrichtig: nichts als Gutes lasse sich von ihm erwarten: wollte man sich von ihm lossagen, so wuͤr- den sich allenthalben kleine Machthaber erheben, in der allgemeinen Spaltung wuͤrde die protestantische Partei erst vollends das Uebergewicht bekommen Erklaͤrung bei Thuanus lib. 97, p. 316: „sectarios dis- soluto imperio et singulis regni partibus a reliquo corpore divi- sis potentiores fore.“ . Dergestalt trat innerhalb der Grenzen des Katholicis- mus selbst eine Opposition gegen die durch die Restaura- tion entwickelten Bestrebungen des Papstthums hervor: und es war gleich anfangs zweifelhaft, ob dieß vermoͤgen werde sie zu unterdruͤcken. Nicht allein war ihre Lehre, wenn gleich noch minder ausgebildet, aber doch besser in den Opposition der Lehre . Ueberzeugungen der europaͤischen Welt gegruͤndet: ihre ganze Stellung war in sich selbst gerecht und untadelhaft: son- dern es kam ihr auch vor allem zu Statten, daß die paͤpstlichen Doctrinen mit der spanischen Macht in Bund standen. Die Monarchie Philipps II . schien der allgemeinen Freiheit von Tage zu Tage gefaͤhrlicher zu werden: uͤber ganz Europa hin erweckte sie jenen eifersuͤchtigen Haß, der weniger aus vollbrachten Gewaltthaten entspringt, als aus der Furcht davor, der Gefahr der Freiheit, und die Gemuͤ- ther unbewußt ergreift. Zwischen Rom und Spanien bestand jetzt eine so enge Verbindung, daß die Widersacher der geistlichen Anspruͤche sich zugleich dem Fortgange der spanischen Macht entge- genstellten. Sie erfuͤllten damit eine europaͤische Nothwen- digkeit, und schon deshalb konnte es ihnen nicht an Bei- stimmung und Unterstuͤtzung fehlen. Eine geheime Sym- pathie vereinigt die Voͤlker. Jener nationalen Partei fran- zoͤsischer Katholiken traten unaufgefordert, an unerwarteter Stelle, entschlossene Verbuͤndete hervor: und zwar in Ita- lien selbst, vor den Augen des Papstes, zuerst in Venedig. In Venedig hatte wenige Jahre fruͤher — im Jahre 1582 — eine geraͤuschlose, in der Geschichte der Republik fast ganz uͤbersehene, aber nichts desto weniger sehr einflußreiche Veraͤnderung Statt gefunden. Bisher waren die wichtigen Geschaͤfte in den Haͤnden weniger alten Patricier aus einem kleinen Kreise von Geschlechtern gewesen. Damals erkaͤmpfte sich eine mißvergnuͤgte Mehrheit in dem Senate, be- sonders aus den juͤngern Mitgliedern bestehend, den Antheil 13* Buch VI . Innere Streitigkeiten . an der Verwaltung, der ihnen den Worten der Verfassung nach allerdings zukam. Nun hatte zwar auch die bisherige Regierung niemals versaͤumt ihre Selbstaͤndigkeit sorgfaͤltig zu behaupten; aber sie hatte sich doch so viel es immer thunlich gewesen, den Maaßregeln der Spanier und der Kirche angeschlossen: die neue nahm diese Ruͤcksichten nicht mehr: schon um des Ge- gensatzes willen hegte sie die Neigung diesen Maͤchten Wi- derpart zu halten. Den Venezianern lag dieß allerdings sehr nahe. Auf der einen Seite bemerkten sie mit Mißvergnuͤ- gen, daß die Lehre von der paͤpstlichen Allmacht, von dem blinden Gehorsam auch bei ihnen gepredigt wurde: auf der andern befuͤrchteten sie den voͤlligen Untergang des europaͤi- schen Gleichgewichtes, wenn es den Spaniern gelingen sollte sich einen vorherrschenden Einfluß in Frankreich zu ver- schaffen. Auf der Feindseligkeit der beiden Laͤnder hatte die Freiheit von Europa bisher zu beruhen geschienen. Und so folgte man der Entwickelung der franzoͤsischen Angelegenheiten mit doppelt lebendigem Antheil. Mit Be- gierde griff man nach den Schriften welche die koͤniglichen Rechte vertheidigten. Besonders war eine Gesellschaft von Staatsmaͤnnern und Gelehrten einflußreich, die sich bei Andrea Morosini versammelte, an der Leonardo Donato, Niccolo Contarini, nachher beide Dogen, Domenico Mo- lino, spaͤter ein leitendes Oberhaupt der Republik, Fra Paolo Sarpi, und einige andere ausgezeichnete Maͤnner Theil nahmen: alle noch in den Jahren, in denen man geeignet ist neue Gedanken nicht allein zu ergreifen, son- Opposition der Lehre . dern auch festzuhalten und durchzusetzen, saͤmmtlich erklaͤrte Widersacher der kirchlichen Anmaßungen und der Ueber- macht der Spanier In des Anonymo (Fra Fulgentio) Vita di Fra Paolo Sarpi p . 104, Griselinis Denkwuͤrdigkeiten Fra Paolos p . 40. 78, und in einigen Stellen bei Foscarini finden wir Nachrichten von diesem ridotto Mauroceno . Außer den Genannten gehoͤrten noch Peter und Jacob Contarini, Jacob Morosini, Leonardo Mocenigo, der jedoch nicht so regelmaͤßig kam wie die Andern, Antonio Quirini, Jacob Marcello, Marino Zane, Alessandro Malipiero, der so alt er auch war doch den Fra Paolo regelmaͤßig nach Hause begleitete, zu je- ner Gesellschaft. . Um eine politische Richtung, auch wenn sie in den Dingen gegruͤndet ist, auszubilden und ihr Nachdruck zu geben, wird es immer sehr wichtig seyn, wenn sich talentvolle Maͤnner finden, die sie in ihrer Per- son darstellen, und nach verschiedenen Seiten hin ausbrei- ten: doppelt wichtig ist es in einer Republik. Unter diesen Umstaͤnden blieb man nicht allein bei Ge- sinnungen und Hinneigungen stehn. Von allem Anfang hatten die Venezianer das Vertrauen auf Heinrich IV , daß er faͤhig seyn werde Frankreich wieder zu erheben, das verlorene Gleichgewicht herzustellen. Obwohl dem Papst, der Heinrich IV . excommunicirt hatte, mannigfal- tig verpflichtet, obwohl von den Spaniern, die ihn zu ver- derben wuͤnschten, zu Land und See umfaßt, und an sich von keiner weltbedeutenden Macht, hatten sie doch unter al- len Katholiken zuerst das Herz ihn anzuerkennen. Auf die Notification ihres Botschafters Mocenigo ermaͤchtigten sie denselben, Heinrich IV . zu begluͤckwuͤnschen Andreae Mauroceni Historiarum Venetarum lib. XIII, p. 548 . . Ihr Bei- spiel verfehlte nicht Andere anzuregen. Wiewohl Großher- Buch VI . Innere Streitigkeiten . zog Ferdinand von Toscana zu einer oͤffentlichen Anerken- nung nicht den Muth hatte, so setzte er sich doch persoͤn- lich in ein freundschaftliches Verhaͤltniß zu dem neuen Koͤ- nige Galluzzi: Istoria del granducato di Toscana lib. V (tom. V, p. 78) . . Der protestantische Fuͤrst sah sich ploͤtzlich von ka- tholischen Verbuͤndeten umgeben, ja von ihnen gegen das oberste Haupt ihrer Kirche in Schutz genommen. In den Zeiten einer wichtigen Entscheidung wird die oͤffentliche Meinung von Europa alle Mal eine unzweifelhafte Hinneigung offenbaren. Gluͤcklich der, auf dessen Seite sie sich schlaͤgt: seine Unternehmungen gehn ihm noch einmal so leicht von Statten. Jetzt beguͤnstigte sie die Sache Hein- richs IV . Die Ideen, die sich an seinen Namen anschlos- sen, waren kaum ausgesprochen, aber schon so maͤchtig, daß sie einen Versuch machen konnten das Papstthum selbst an sich zu ziehen. Letzte Zeiten Sixtus V . Wir kommen hier noch einmal auf Sixtus V . Nach- dem wir seine innere Verwaltung, seinen Antheil an der kirchlichen Restauration beobachtet, muͤssen wir noch ein Wort von seiner Politik uͤberhaupt sagen. Da ist es nun besonders auffallend, wie der uner- bittlichen Justiz die er ausuͤbte, dem harten Finanzsystem das er einfuͤhrte, seinem genauen Haushalt eine außeror- dentliche Neigung zu phantastischen politischen Planen zur Seite stand. Letzte Zeiten Sixtus V . Was sind ihm nicht alles fuͤr Ideen durch den Kopf gegangen! Lange Zeit hat er sich geschmeichelt dem tuͤrkischen Reiche ein Ende machen zu koͤnnen. Er knuͤpfte Verstaͤnd- nisse im Orient an: mit Persien, einigen arabischen Haͤupt- lingen, den Drusen; er ruͤstete Galeren aus: andere sollten ihm Spanien und Toscana liefern: so dachte er von der See her dem Koͤnig Stephan Bathory von Polen zu Huͤlfe zu kommen, der den Hauptangriff von der Landseite aus- zufuͤhren bestimmt war. Der Papst hoffte alle Kraͤfte des Nordostens und des Suͤdwestens zu dieser Unternehmung zu vereinigen: er uͤberredete sich, Rußland werde sich dem Koͤnig von Polen nicht allein anschließen, sondern unter- werfen. Ein ander Mal erging er sich in dem Gedanken, ent- weder allein, oder doch nur mit Toscana vereinigt Egyp- ten zu erobern. Die weitaussehendsten Absichten faßte er hiebei in Sinn: die Verbindung des rothen Meeres mit dem mittellaͤndischen Dispaccio Gritti 23 Agosto 15S7. (Il papa) entrò a parlar della fossa che li re dell’ Egitto non havevano fatta per passar del mare rosso nel mar mediterraneo . Zuweilen hat er die Absicht Egypten allein anzugreifen. Scoprì la causa del desi- derar danari per impiegarli in una armata che vorria far solo per l’impresa dell’ Egitto e pagar quelle galee che ajutassero a far quella impresa . , die Herstellung des alten Welthan- dels, die Eroberung des heiligen Grabes. Gesetzt aber, das zeige sich nicht sogleich ausfuͤhrbar, — koͤnnte man dann nicht wenigstens einen Streifzug nach Syrien un- ternehmen, um das Grab des Heilandes von geschickten Buch VI . Innere Streitigkeiten . Meistern aus dcm Felsen herausheben und wohl umkleidet nach Italien schaffen zu lassen? Schon gab er der Hoffnung Raum dieß groͤßte Heiligthum der Welt einmal in Mont- alto aufstellen zu koͤnnen: dann werde sein Vaterland, die Mark, wo ja auch das h. Haus zu Loreto stehe, die Ge- burtstaͤtte und die Grabstaͤtte des Heilandes in sich schließen. Und noch eine andere Idee, die alle diese an Seltsam- keit uͤberbietet, finde ich ihm zugeschrieben. Nach der Er- mordung der Guisen soll Heinrich dem III . der Vorschlag gethan worden seyn einen Nepoten des Papstes zum Er- ben der Krone zu ernennen. Der Legat des Papstes, sagt man, habe mit dessen Vorwissen diesen Antrag gemacht. Geschehe es nur mit den erforderlichen Feierlichkeiten, so sey S. Heiligkeit uͤberzeugt, der Koͤnig von Spanien werde dem Ernannten die Infantin zur Frau geben: ein solcher Thronfolger werde von Jedermann anerkannt werden, und alle Unruhe am Ende seyn. Man will wissen, Heinrich III . sey wirklich einen Augenblick von diesen Vorstellungen be- stochen worden, bis man ihm vorgestellt habe, welchen schlechten Nachruf von Feigheit und Mangel an Gesin- nung er sich dadurch zuziehen wuͤrde Diese Notiz fiudet sich in einem Memoire du S r de Schom- berg M l de France sous Henry III, in den hohenbaumschen Hand- schriften der k. Hofbibliothek zu Wien Nr. 114: Quelque tems après la mort de M r de Guise avenue en Blois il fut proposé par le C l de Moresino de la part de Sa Sainteté, que si S. M. vou- loit declarer le marquis de Pom (? wahrscheinlich verschrieben) son neveu heritier de la couronne et le faire recevoir pour tel avec solemnitez requises, que S. S. s’assuroit que le roy d’Espagne bailleroit en mariage audit marquis l’infante et qu’en ce faisant tous les troubles de France prendroient fin. A quoi le roy etant . Letzte Zeiten Sixtus V. Entwuͤrfe, oder vielmehr — denn dieß Wort lautet fast zu bestimmt — Einbildungen, Luftschloͤsser der außerordent- lichsten Art. Wie sehr scheinen sie jener angestrengten rea- len, auf das Ziel dringenden Thaͤtigkeit des Papstes zu wi- dersprechen! Und doch — duͤrfte man nicht behaupten, daß auch diese oft auf uͤberschwenglichen unausfuͤhrbaren Gedanken beruhte? Die Erhebung von Rom zu einer regelmaͤßig, nach Verlauf bestimmter Jahre, aus allen Laͤndern, selbst aus Amerika zu besuchenden Metropole der Christenheit, — die Verwandlung antiker Monumente in Denkmale der Ueberwaͤltigung des Heidenthums durch die christliche Re- ligion, — die Anhaͤufung geliehener verzinsbarer Gelder zu einem Schatze, auf dem die weltliche Macht des Kirchen- staates beruhen soll: alles Plane die das Maaß des Er- reichbaren uͤbersteigen, deren Ursprung in dem Feuer re- ligioͤser Phantasie liegt, — und die doch die Lebensthaͤtig- keit des Papstes groͤßtentheils bestimmten. Von Jugend auf ist das menschliche Thun und Las- sen von Hoffnungen und Wuͤnschen, die Gegenwart, moͤch- prest a se laisser aller et ce par la persuasion de quelqu’uns qui pour lors etoient pres de S. M., M r de Schomberg rompist ce coup par telles raisons, que ce seroit l’invertir l’ordre de France, abolir les loix fondamentales, laisser à la posterité un argument certain de la lâcheté et pusillanimité de S. M. Es ist wohl wahr, daß Schomberg sich ein Verdienst daraus macht diese Absicht ruͤckgaͤngig gemacht zu haben; aber darum moͤchte ich doch nicht sogleich sagen, daß sie ganz aus der Luft gegriffen waͤre. Das Memoire, welches die Rechtmaͤßigkeit der Anspruͤche Heinrichs IV. ausfuͤhrt, hat noch darin eine gewisse Gewaͤhr der Echtheit fuͤr sich, daß es dort un- scheinbar unter andern Papieren liegt. Nur ist es merkwuͤrdig, daß davon weiter nichts verlautet sein soll. Buch VI. Innere Streitigkeiten . ten wir sagen, von Zukunft umgeben: und die Seele er- muͤdet nicht sich der Erwartung eines persoͤnlichen Gluͤckes zu uͤberlassen. Je weiter man aber kommt, um so mehr knuͤpft sich Verlangen wie Aussicht an die allgemeinen In- teressen, an ein großes Ziel der Wissenschaft, des Staates, des Lebens uͤberhaupt. In unserm Franciscaner war die- ser Reiz und Antrieb persoͤnlicher Hoffnungen immer um so staͤrker gewesen, da er sich auf einer Laufbahn befand, die ihm die erhabenste Aussicht eroͤffnete: von Stufe zu Stufe hatten sie ihn begleitet, und seine Seele in Tagen der Bedraͤngniß genaͤhrt: jedes vorbedeutende Wort hatte er lebhaft aufgefaßt, in seinem Herzen festgehalten, und fuͤr den Fall des Gelingens hohe Plane einer moͤnchi- schen Begeisterung daran geknuͤpft; endlich hatte sich ihm alles erfuͤllt: von geringem, hoffnungslosem Anfang war er zur obersten Wuͤrde der Christenheit gestiegen, einer Wuͤrde von deren Bedeutung er einen uͤberschwenglichen Be- griff hegte: er glaubte durch eine unmittelbare Vorsehung erwaͤhlt zu seyn, um die Ideen zu verwirklichen die ihm vorgeschwebt. Auch in dem Besitze der hoͤchsten Gewalt verließ ihn dann die Gewohnheit nicht, in den Verwickelungen der Welthaͤndel die Moͤglichkeit glaͤnzender Unternehmungen wahr- zunehmen, sich mit Entwuͤrfen dazu zu tragen. Es ist in ihnen immer ein sehr persoͤnliches Element: Gewalt und Nachruhm sind ihm reizend, uͤber das was ihm nahe steht, seine Familie, seinen Geburtsort, seine Provinz will er seinen Glanz ausbreiten: aber diese Antriebe werden doch allezeit von einem allgemeinen Interesse der katholischen Letzte Zeiten Sixtus V. Christenheit getragen: fuͤr großartige Ideen zeigt er sich im- mer offen. Nur ist der Unterschied, daß er Einiges selbst auszufuͤhren vermag, Anderes zum groͤßten Theile Andern zu uͤberlassen hat. Jenes greift er mit der unermuͤdlichen Thaͤtigkeit an, welche Ueberzeugung, Begeisterung und Ehr- geiz hervorbringen: in diesem dagegen, sey es weil er von Natur mißtrauisch ist, oder weil der vornehmste Theil der Ausfuͤhrung und damit auch des Ruhmes, des Vortheils Andern zu uͤberlassen waͤre, finden wir ihn lange nicht so eifrig. Fragen wir, was er zur Ausfuͤhrung z. B. jener orientalischen Ideen wirklich gethan, so ist es doch nur, daß er Verbindungen angeknuͤpft, Briefe gewechselt, Ermah- nungen erlassen, Anstalten vorbereitet hat: daß er ernst- liche Maaßregeln ergriffen haͤtte, die zum Ziele fuͤhren konn- ten, bemerken wir nicht. Er faßt den Plan mit lebendiger schwaͤrmerischer Phantasie: aber da er nicht gleich selbst Hand anlegen kann, da die Vollfuͤhrung in der Ferne liegt, ist sein Wille nicht recht wirksam: den Entwurf der ihn eben sehr beschaͤftigte, laͤßt er doch wieder fallen: ein an- derer tritt an die Stelle desselben. In dem Augenblicke in dem wir uns befinden, er- fuͤllten den Papst die großartigen Aussichten, die sich an die Unternehmung gegen Heinrich IV. knuͤpften, Aussich- ten eines vollkommenen Sieges des strengen Katholicismus, einer erneuerten Weltmacht des Papstthums: er lebte und webte darin. Auch zweifelte er nicht, daß alle katholischen Staaten einverstanden seyen, daß sie mit gemeinschaftlichen Kraͤften den Protestanten bekaͤmpfen wuͤrden, welcher den Anspruch machte Koͤnig von Frankreich zu werden. Buch VI. Innere Streitigkeiten . In dieser Richtung, diesem Eifer war er, als er ver- nehmen mußte, eine katholische Macht, mit der er besonders gut zu stehn meinte, Venedig habe eben diesen Protestan- ten begluͤckwuͤnscht. Er war davon tief betroffen. Einen Augenblick suchte er noch die Republik von weitern Schrit- ten zuruͤckzuhalten: er bat sie zu warten: die Zeit bringe wundersame Fruͤchte: er habe selbst von den guten alten Senatoren gelernt sie zur Reife kommen zu lassen 9 Sett. 1589: „che per amor di dio non si vada tanto avanti con questo Navarra che si stia a veder“ etc. . Nichts desto minder erkannte man in Venedig den bisherigen franzoͤsischen Gesandten, de Maisse, nachdem er seine neue Beglaubigung empfangen, als Bevollmaͤchtigten Heinrichs IV. an. Der Papst schritt hierauf von Ermahnungen zu Drohungen fort. Er rief aus, er werde wissen was er zu thun habe: er ließ die alten Monitorien, die zu Ju- lius II. Zeit gegen die Venezianer ergangen, hervorsuchen und die Formel eines neuen gegen sie entwerfen. Jedoch nicht ohne Schmerz und innerliches Widerstre- ben that er dieß. Hoͤren wir einen Augenblick an, wie er sich gegen den Gesandten vernehmen ließ, den ihm die Ve- nezianer hieruͤber zuschickten. „Mit denen zu zerfallen, die man nicht liebt,“ sagte der Papst, „ist kein so großes Ungluͤck: aber mit denen, die man liebt, das thut wehe. Ja es wird uns leid thun — er legte die Hand auf die Brust — mit Venedig zu brechen.“ „Aber Venedig hat uns beleidigt. Navarra ist ein Ketzer, von dem h. Stuhle excommunicirt: dennoch hat ihn Ve- nedig, allen unsern Erinnerungen zum Trotz, anerkannt.“ Letzte Zeiten Sixtus V. „Ist die Signoria etwa der groͤßte Fuͤrst der Erde, dem es zusteht Andern ein Beispiel zu geben? Es gibt noch einen Koͤnig von Spanien, es gibt noch einen Kaiser.“ „Fuͤrchtet sich die Republik etwa vor dem Navarra? Wir wollen sie vertheidigen, wenn es noͤthig ist, aus allen unsern Kraͤften: wir haben den Nerv dazu.“ „Oder denkt die Republik uns etwas anzuhaben? Gott selbst wuͤrde uns beistehn.“ „Die Republik sollte unsre Freundschaft hoͤher achten, als die Freundschaft Navarras. Wir koͤnnen sie besser un- terstuͤtzen.“ „Ich bitte Euch, thut einen Schritt zuruͤck! Vieles hat der katholische Koͤnig zuruͤckgenommen, weil wir es wuͤnschten: nicht aus Furcht vor uns, denn unsre Macht ist gegen die seine wie eine Fliege gegen den Elephanten, sondern aus Liebe, weil es der Papst sagte, der Stellver- treter Christi, der ihm und allen Andern den Glauben gibt. So thue auch die Signoria: sie treffe einen Ausweg: es wird ihr nicht schwer werden: sie hat bejahrte weise Maͤn- ner genug, von denen Jeder eine Welt zu regieren ver- moͤchte.“ Dispaccio Donato 25 Nov bre 1589. Der Papst sprach so lange, daß die Gesandten sagen: wenn sie alles schreiben wollten, so wuͤrde man anderthalb Stunden im Senate brauchen um es vor- zulesen. Unter andern trotzt er noch fortwaͤhrend auf die Wirkung der Excommunication. Tre sono stati scommunicati, il re passato, il principe di Conde, il re di Navarra. Due sono malamente morti, il terzo ci travaglia e Dio per nostro esercitio lo man- tiene: ma finirà anche esso e terminarà male: dubitiamo punto di lui. — 2 Dec. Il papa publica un solennissimo giubileo per invitar ogn’uno a dover pregar S. Divina M à per la quiete et Buch VI. Innere Streitigkeiten . Man spricht aber nicht ohne eine Antwort zu verneh- men. Der außerordentliche Gesandte der Venezianer war Leonardo Donato, ein Mitglied jener Gesellschaft des An- drea Morosini: ganz in der Gesinnung der kirchlich politi- schen Opposition: ein Mann von der groͤßten, wir wuͤr- den sagen, diplomatischen Geschicklichkeit, der schon manche schwierige Unterhandlung zu Ende gefuͤhrt. Nicht alle Motive der Venezianer konnte Donato in Rom auseinandersetzen: er kehrte diejenigen hervor, die bei dem Papst Eingang finden konnten, die er eigentlich mit Venedig gemein hatte. Denn war es nicht offenbar, daß das spanische Ueber- gewicht in dem suͤdlichen Europa sich von Jahr zu Jahr immer gewaltiger erhob? Der Papst fuͤhlte es so gut wie jeder andere italienische Fuͤrst: ohne die Genehmhaltung der Spanier konnte er schon in Italien keinen Schritt thun. Was sollte geschehen wenn sie erst Herrn in Frankreich ge- worden? Diese Betrachtung hauptsaͤchlich, die Ansicht von dem europaͤischen Gleichgewichte und die Nothwendig- keit seiner Wiederherstellung hob Donato hervor. Er suchte zu zeigen, daß die Republik den Papst nicht zu beleidigen, daß sie vielmehr ein großes Interesse des roͤmischen Stuh- les selbst zu beguͤnstigen, zu beschuͤtzen gedacht habe. Der Papst hoͤrte ihn an, doch schien er unerschuͤtter- lich, nicht zu uͤberzeugen. Donato verzweifelte etwas aus- zurichten, und bat um seine Abschiedsaudienz. Am 16ten Dezember 1589 erhielt er sie, und der Papst machte Miene augumento della fede cattolica. An diesem Jubilaͤum will er Nie- mand sehen „per viver a se stesso et a sue divotioni.“ Letzte Zeiten Sixtus V. ihm seinen Segen zu versagen Disp. Donato 16 Dec. „dopo si lungo negotio restando quasi privi d’ogni speranza.“ . Aber nicht so ganz be- fangen war doch Sixtus V. , daß nicht Gegengruͤnde von wesentlichem Inhalt auf ihn Eindruck gemacht haͤtten. Er war eigensinnig, hochfahrend, rechthaberisch, hartnaͤckig: aber dabei doch auch innerlich umzustimmen, fuͤr eine fremde Ansicht zu gewinnen, im Grunde gutmuͤthig. In- dem er noch stritt, seinen Satz hartnaͤckig verfocht, fuͤhlte er sich im Herzen erschuͤttert, uͤberzeugt. Mitten in je- ner Audienz ward er auf einmal mild und nachgiebig Ibid. Finalmente inspirata dal S r Dio — — disse di contentarsene (ihnen seinen Segen zu geben) e di essersi lasciato vincer da noi. . „Wer einen Gefaͤhrten hat“, rief er aus, „hat einen Herrn, ich will mit der Congregation reden, ich will ihr sagen, daß ich mit Euch gezuͤrnt habe, aber von Euch besiegt worden bin.“ Noch ein paar Tage warteten sie: dann er- klaͤrte der Papst: er koͤnne nicht billigen, was die Repu- blik gethan, doch wolle er auch die Maaßregeln, die er ge- gen sie beabsichtigt, nicht vornehmen. Er gab Donato sei- nen Segen und kuͤßte ihn. Eine kaum bemerkbare Umwandlung persoͤnlicher Ge- sinnung: die aber die groͤßte Bedeutung entwickelte. Der Papst selbst ließ von der Strenge nach, mit der er den protestantischen Koͤnig verfolgte: die katholische Partei, die sich in Widerspruch mit seiner bisherigen Politik zu demsel- ben hielt, wollte er nicht geradezu verdammen. Ein erster Schritt ist darum so viel, weil er eine ganze Richtung in Buch VI. Innere Streitigkeiten . sich schließt. Auf der andern Seite fuͤhlte man dieß augen- blicklich. Urspruͤnglich hatte sie sich nur entschuldigen wol- len: auf der Stelle machte sie den Versuch den Papst selbst zu gewinnen, zu erobern. Im Auftrage der Prinzen von Gebluͤt, der katholi- schen Pairs die sich an Heinrich IV. angeschlossen, erschien Mr. de Luxemburg in Italien. Den warnenden Vorstellun- gen der Spanier zum Trotz ließ ihn Sixtus V. im Ja- nuar 1590 nach Rom kommen, und gab ihm Audienz. Der Abgeordnete stellte besonders die persoͤnlichen Eigenschaften Heinrichs IV. , seine Tapferkeit, Großmuth, Herzensguͤte in ein glaͤnzendes Licht. Der Papst war davon ganz hin- gerissen. „Wahrhaftig!“ rief er aus, „es reut mich, daß ich ihn excommunicirt habe.“ Luxemburg sagte, dieser sein Koͤ- nig und Herr werde sich nun auch der Absolution wuͤrdig machen und zu den Fuͤßen S. Heiligkeit in den Schooß der katholischen Kirche zuruͤckkehren. „Alsdann“, erwiederte der Papst, „will ich ihn umarmen und troͤsten.“ Denn schon war seine Phantasie lebendig ergriffen: auf der Stelle knuͤpften sich ihm die kuͤhnsten Hoffnun- gen an diese Annaͤherungen. Er gab dem Gedanken Raum, daß mehr politische Abneigung gegen Spanien, als eine religioͤse dem roͤmischen Stuhle entgegengesetzte Ueberzeu- gung die Protestanten abhalte zur katholischen Kirche zu- ruͤckzukehren: er glaubte sie nicht von sich weisen zu duͤr- fen Dispaccio Donato 13 Genn. 1590. Il papa biasima l’o- pinione de’ cardinali e d’altri prelati che lo stimulano a dover . Schon war ein englischer Abgeordneter in Rom: man Letzte Zeiten Sixtus V. man kuͤndigte einen saͤchsischen an. Er war sehr bereit sie zu hoͤren: wollte Gott, sagte er, sie kaͤmen alle zu un- sern Fuͤßen. Welch eine Veraͤnderung in ihm vorgegangen war, be- wies unter andern die Behandlung die er seinem franzoͤsi- schen Legaten dem Cardinal Morosini wiederfahren ließ. Fruͤher hatte man dessen Nachgiebigkeit gegen Heinrich III. als ein Verbrechen betrachtet, und mit der paͤpstlichen Ungnade beladen kam er nach Italien zuruͤck: jetzt ward er von Montalto in dem Consistorium eingefuͤhrt, und der Papst empfing ihn mit der Erklaͤrung, es freue ihn, daß ein Cardinal seiner Wahl wie er den allgemeinen Bei- fall erwerbe Dispaccio 3 Marzo. Dice di consolarsi assai ch’ egli soa creatura fusse di tutti tanto celebrato. Il cl mo Morosini acquista molto honore e riputatione per la soa relatione delle cose di Francia. . Donna Camilla zog ihn zur Tafel. Wie sehr mußte die streng katholische Welt uͤber diese Umwandlung erstaunen. Der Papst neigte sich zu einem Protestanten, den er selbst excommunicirt hatte, der nach den alten Satzungen der Kirche als ein zum zweiten Mal Abgefallener gar nicht einmal der Absolution faͤhig war. Es liegt in der Natur der Dinge, daß dieß eine Ruͤck- licentiar esso s r de Lucenburg, e li accusa che vogliano farsi suo pedante (sein Informator, wuͤrden wir sagen) in quello che ha studiato tutto il tempo della vita sua. Soggiunse che have- ria caro che la regina d’Inghilterra, il duca di Sassonia e tutti gli altri andassero a suoi piedi con bona dispositione. Che dis- piacerà a S. S à che andassero ad altri principi (zu verstehn ka- tholischen) et havessero communicatione con loro, ma si conso- lava qnando vadino a suoi piedi a dimandar perdono. In man- cherlei Formen wiederholt er diese Meinungen in jeder Audienz. Päpste* 14 Buch VI. Innere Streitigkeiten . wirkung hervorrief. Die streng katholische Gesinnung hing nicht so durchaus von dem Papst ab, daß sie sich ihm nicht auch haͤtte widersetzen koͤnnen: die spanische Macht gab ihr einen Ruͤckhalt, an den sie sich gewaltig anschloß. In Frankreich klagten die Liguisten den Papst des Gei- zes an: er wolle nur den Beutel nicht ziehen, das im Ca- stell aufgehaͤufte Geld wolle er fuͤr seine Nepoten und Ver- wandten aufsparen. In Spanien predigte ein Jesuit uͤber den beklagenswuͤrdigen Zustand, in dem die Kirche sey. Nicht allein die Republik Venedig beguͤnstige die Ketzer: sondern — „stille stille“, sagte er, indem er den Finger an den Mund legte, sondern sogar der Papst selbst. In Italien toͤnte das wieder. Sixtus V. war bereits so em- pfindlich, daß er eine Ermahnung zu allgemeinem Gebet, die der Capuzinergeneral hatte ergehn lassen, „um in Sa- chen der Kirche die Gnade Gottes anzurufen“, fuͤr eine persoͤnliche Beleidigung nahm und den General suspen- dirte. Jedoch bei bloßen Andeutungen, Privatklagen blieb es nicht. Am 22. Merz 1590 erschien der spanische Bot- schafter in den paͤpstlichen Gemaͤchern, um im Namen sei- nes Herrn gegen das Betragen des Papstes foͤrmlich zu protestiren Schon am 10ten Merz hatte der Botschafter dem Papst folgende Fragen vorgelegt: li ha ricercato la risposta sopra le tre cose, cioè di licentiar Lucenburg, iscommunicar li c li et altri prelati che seguono il Navarra, e prometter di non habilitar mai esso Navarra alla successione della corona: — und eine Pro- testation angekuͤndigt. Der Papst hatte darauf mit der Excommu- cation gedroht: Minaccia di iscommunicar quei e castigarli nella . Es gab eine Meinung, sehen wir, die noch Letzte Zeiten Sixtus V. rechtglaͤubiger, katholischer war als der Papst selbst: der spa- nische Botschafter erschien um ihr im Angesicht des Pap- stes Ausdruck und Worte zu verleihen. Seltsamer Auf- tritt! Der Botschafter ließ sich auf ein Knie nieder, und bat S. Heiligkeit ihm zu erlauben, daß er die Befehle seines Herrn ausfuͤhre. Der Papst ersuchte ihn sich zu erheben: es sey eine Ketzerei, sich gegen den Stellvertreter Christi auf die Weise zu betragen wie er es beabsichtige. Der Botschafter ließ sich nicht irre machen. „Seine Hei- ligkeit“, begann er, „moͤge die Anhaͤnger Navarras ohne Un- terschied fuͤr excommunicirt erklaͤren: S. Heiligkeit moͤge aus- sprechen, daß Navarra auf jeden Fall, auf alle Zeit unfaͤhig sey zur franzoͤsischen Krone zu gelangen. Wo nicht, so werde sich der katholische Koͤnig von der Obedienz S. Heiligkeit los- sagen: der Koͤnig koͤnne nicht dulden, daß die Sache Christi zu Grunde gerichtet werde“ Che S. S à dichiari iscommunicati tutti quei che segui- tano in Francia il Navarra e tutti gli altri che quovis modo li dessero ajuto, e che dichiari esso Navarra incapace perpetua- mente alla corona di Francia: altramente che il re suo si leverà dalla obedienza della chiesa, e procurerà che non sia fatta in- giuria alla causa di Christo e che la pietà e la religione soa sia conosciuta. . Kaum ließ ihn der Papst so weit reden: er rief aus, das sey nicht das Amt des Koͤnigs. Der Gesandte stand auf, warf sich aufs neue nieder, wollte fortfahren. Der Papst nannte ihn einen Stein des Anstoßes und ging hinweg. Aber Olivarez gab sich damit nicht zufrieden: er erklaͤrte, er wolle und muͤsse seine Protestation zu Ende bringen und sollte ihm vita che ardiranno di tentar quanto egli li havea detto, caccian- dolo inanzi e serrandogli in faccia la porta. 14* Buch VI. Innere Streitigkeiten . der Papst den Kopf abschlagen lassen: er wisse wohl, der Koͤnig werde ihn raͤchen und seine Treue an seinen Kin- dern belohnen. Sixtus V. dagegen war in Feuer und Flamme. „Keinem Fuͤrsten der Welt stehe es zu, einen Papst belehren zu wollen, der doch von Gott zum Meister der Andern gesetzt sey: ganz ruchlos aber betrage sich der Botschafter: seine Instruction ermaͤchtige ihn nur dann zu einer Protestation, wenn sich der Papst in Sachen der Li- gue lau bezeigen sollte. Wie? wolle der Botschafter die Schritte S. Heiligkeit richten?“ Der echte Katholicismus schien nur Ein Ziel, Eine ungetheilte Gesinnung zu haben: im Laufe des Sieges schien er begriffen zu seyn, nahe dem Ausschlag des Gelin- gens: unerwartet haben sich innerhalb desselben zwei Seiten, zwei Meinungen ausgebildet, politisch und kirchlich einan- der entgegengesetzt, die eine Angriff, die andere Widerstand. Sie beginnen ihren Kampf damit, daß sich jede aus al- len Kraͤften anstrengt das Oberhaupt der Kirche fuͤr sich zu gewinnen. Die eine hat den Papst besessen: mit Bit- terkeit, mit Drohungen, fast mit Gewalt sucht sie ihn festzu- halten. Der andern hat er sich durch eine innere Bewe- gung im entscheidenden Augenblicke zugeneigt: sie sucht ihn ganz an sich zu reißen: durch Versprechungen sucht sie ihn zu verfuͤhren: die glaͤnzendsten Aussichten stellt sie ihm vor. Fuͤr die Entscheidung ihres Kampfes ist es von der hoͤch- sten Bedeutung welche Seite er ergreifen wird. Die Haltung dieses Papstes, der wegen seiner That- kraft und Entschlossenheit so beruͤhmt ist, erfuͤllt uns mit Erstaunen. Letzte Zeiten Sixtus V. Wenn Briefe Philipps II. ankommen, worin dieser Koͤ- nig erklaͤrt, daß er die gerechte Sache vertheidigen, die Li- gue mit der Kraft seiner Staaten, mit seinem Blute un- terstuͤtzen wolle, so ist auch der Papst voll Eifers: er werde, sagt er, den Schimpf nicht auf sich laden, daß er sich ei- nem Ketzer wie Navarra nicht entgegengesetzt habe Er erklaͤrt im Consistorium selbst: di haver scritto al re con sua propria mano, che procurerà sempre con tutte le sue forze spirituali e temporali che mai riesca re di Francia alcuno che non sia di compita sodisfattione alla S. Cat ca M à . Schon im Januar 1590 sagen die Gesandten: Il papa nelle trattationi parla con uno ad un modo con suoi disegni et ad un altro con altri (disegni). . Nichts desto minder neigt er sich auch wieder auf die andere Seite. Wenn man ihm die Schwierigkeiten vorstellt, in die ihn die franzoͤsische Sache verwickele, so ruft er aus: waͤre Navarra gegenwaͤrtig, so wuͤrde er ihn auf den Knien bitten katholisch zu werden. Sonderbarer stand wohl nie ein Fuͤrst zu seinen Be- vollmaͤchtigten, als Papst Sixtus zu dem Legaten Gaetano, den er noch in der Zeit seiner engen Verbindung mit den Spaniern nach Frankreich geschickt hatte. Jetzt war der Papst zwar noch nicht auf die Seite der Franzosen getre- ten, aber doch zu einer unentschlossenen, neutralen Gesin- nung gebracht. Ohne die mindeste Ruͤcksicht hierauf folgte der Legat seinen alten Instructionen. Als Heinrich IV. nach seinem Siege von Ivry Paris belagerte, war es der Legat des Papstes, der ihm hier den meisten Widerstand entge- gensetzte. In seine Haͤnde schwuren Obersten und Magi- strate, mit Navarra niemals zu capituliren: durch sein Buch VI. Innere Streitigkeiten . geistliches Ansehen und ein eben so gewandtes wie stand- haftes Betragen wußte er sie bei ihren Versprechungen fest zu halten Discours veritable et notable du siége de la ville de Pa- ris en l’an 1590 bei Villeroy: Mémoires d’estat tom. II, p. 417. . In der That entwickelte doch am Ende die gewohnte strenge Gesinnung die meiste Kraft. Olivarez noͤthigte den Papst, Luxemburg zu entlas- sen, wenn auch nur unter dem Schein einer Wallfahrt nach Loreto. Der Papst hatte Monsignor Serafino, der im Rufe franzoͤsischer Gesinnungen stand, zu einer Sendung nach Frankreich bestimmt: Olivarez beklagte sich laut, er drohte nicht wieder zur Audienz kommen zu wollen: der Papst ent- gegnete, er moͤge in Gottes Namen abreisen: zuletzt behielt Olivarez dennoch den Sieg, die Sendung Serafinos wurde aufgeschoben. In einer orthodoxen ohne Wanken festgehaltenen Meinung liegt eine unglaubliche Gewalt, zumal wenn sie von einem tuͤchtigen Manne verfochten wird. Olivarez hatte die Congregation, welche die franzoͤsischen Sachen bearbei- tete, und die auch noch in fruͤhern Zeiten zusammengesetzt worden, auf seiner Seite. Im Juli 1590 ward uͤber ei- nen neuen Bund zwischen Spanien und dem Papst unter- handelt Der Koͤnig sollte 20000 Mann zu Fuß und 3000 zu Pferd, der Papst 15000 zu Fuß und 2000 zu Pserd ausruͤsten. Li am- basciatori sollicitano con li cardinali la conclusione e sottoscrit- tione del capitolato (Disp. 14 Luglio). In der Congregation legte der Papst die Frage vor: an electio regis Franciae vacante prin- cipe ex corpore sanguinis spectet ad pontificem. — Esortato a ; und der Papst erklaͤrte, er muͤsse etwas zu Gunsten Spaniens thun. Letzte Zeiten Sixtus V. Aber man glaube nicht, daß er indessen die andere Partei aufgegeben haͤtte. Zu derselben Zeit hatte er den Agenten eines Oberhauptes der Hugenotten, des Lesdi- guieres bei sich: ein Geschaͤftstraͤger des Landgrafen, ein englischer Abgeordneter waren zugegen, und schon suchte sich der kaiserliche Botschafter gegen die Einfluͤsterungen die er von dem saͤchsischen Gesandten fuͤrchtete, der aufs neue erwartet wurde, sicher zu stellen: die Umtriebe des Kanz- lers Crell drangen bis nach Rom Anders ist es nicht zu verstehn, daß der kaiserliche Bot- schafter den Papst vor saͤchsischen Einfluͤsterungen warnt. L’amba- sciatore dell’ imperatore prega il pontefice di non voler ascoltare quel huomo che vien detto esser mandato dal duca di Sassonia, in quello che fusse di pregiuditio del suo patron e della casa d’Austria: e così li vien promesso. . So blieb der gewaltige Kirchenfuͤrst, welcher der Mei- nung lebte, daß ihm eine directe Gewalt uͤber alle Erde verliehen sey, welcher einen Schatz gesammelt, der ihm wohl die Kraft verliehen haͤtte einen großen Ausschlag zu geben, in dem Moment der Entscheidung unentschlossen, schwankend. Duͤrfte man ihm wohl ein Verbrechen daraus ma- chen? Ich fuͤrchte, wir wuͤrden ihm Unrecht thun. Er durchschaute die Lage der Dinge: er sah die Gefahren auf beiden Seiten: entgegengesetzten Ueberzeugungen gab er Raum: ein Moment, der ihm eine endliche Entscheidung abgenoͤthigt haͤtte, war nicht vorhanden. Bis in seine star neutrale, laudando il consiglio risponde non poter restar a far qualche cosa (Disp. 28 Luglio). Indessen heißt es im Disp. 21 Luglio: Laodigeres haveva mandato un suo huomo a trattar con S. S à , il quale ha trattato lungamente seco. Buch VI. Innere Streitigkeiten . Seele bekaͤmpften sich die Elemente, welche die Welt theil- ten: hier ward keines des andern Meister. Allerdings aber setzte er sich damit auch seinerseits in die Unmoͤglichkeit die Welt zu bezwingen, einen großarti- gen Einfluß auf sie auszuuͤben. Vielmehr wirkten die Le- benskraͤfte die in Bewegung waren auf ihn zuruͤck: es ge- schah dieß in der eigenthuͤmlichsten Gestalt. Sixtus hatte die Banditen hauptsaͤchlich dadurch be- zwungen, daß er mit seinen Nachbarn in gutes Verneh- men trat. Jetzt da dieß sich aufloͤste, da man in Tos- cana und Venedig andere Meinungen hegte als in Neapel und Mailand, und der Papst sich weder fuͤr die einen noch fuͤr die andern entschied, bald dem einen bald dem andern seiner Nachbarn verdaͤchtig wurde, jetzt regten sich auch die Banditen aufs neue. Im April 1590 erschienen sie wieder. In der Ma- remma Sacripante: in der Romagna Piccolomini: in der Campagna von Rom Battistella. Sie waren reichlich mit Geld versehen: man wollte bemerken, daß sie viel spanische Dublonen ausgaben: vorzuͤglich in der guelfischen Partei fan- den sie Anhang: schon zogen sie wieder in geordneten Schaa- ren mit fliegenden Fahnen und Trommeln einher: die paͤpst- lichen Truppen hatten keine Lust mit ihnen zu schlagen Disp. 21 Luglio. I fuorusciti corrono fino su le porte di Roma. Die Depeschen vom 17. Merz, 7. April, 28. April, 12. Mai, 2. Juni enthalten Details hieruͤber. . Unmittelbar wirkte dieß auf alle Verhaͤltnisse zuruͤck. Die Bolognesen widersetzten sich dem Vorhaben des Papstes Letzte Zeiten Sixtus V. die Senatoren der Stadt zu vermehren, mit einer lange nicht mehr gehoͤrten Kuͤhnheit und Freimuͤthigkeit. In dieser Lage, in so viel nahem und druͤckendem Mißbehagen, ohne in der wichtigsten Sache eine Entschei- dung, einen Entschluß auch nur versucht zu haben, starb Papst Sixtus V. (27. Aug. 1590). Es entlud sich gerade ein Ungewitter uͤber den Qui- rinal, als er verschied. Die alberne Menge uͤberredete sich, Fra Felice haben einen Pact mit dem Boͤsen gehabt, durch dessen Huͤlfe er von Stufe zu Stufe gestiegen: nach abge- laufener Zeit sey nun seine Seele in dem Unwetter hin- weggefuͤhrt worden. So versinnbildeten sie ihr Mißver- gnuͤgen uͤber so viele neu eingefuͤhrte Auflagen und den Zweifel an seiner vollkommenen Rechtglaͤubigkeit, der in den letzten Zeiten so oft rege geworden. In wildem Un- gestuͤm rissen sie die Bildsaͤule nieder, die sie ihm einst er- richtet hatten: ja auf dem Capitol ward ein Beschluß ge- faßt, daß man niemals wieder einem Papst bei seinem Leben eine Bildsaͤule setzen wolle. Urban VII. Gregor XIV. Innocenz IX. und ihre Conclaven 1590, 1591. Doppelt wichtig wurde nun die neue Wahl. Es kam doch hauptsaͤchlich auf die persoͤnliche Gesinnung eines Pap- stes an, fuͤr welche von jenen beiden Richtungen, de- ren Widerstreit begonnen hatte, er sich erklaͤren wuͤrde, und ohne Zweifel konnte seine Entschließung zu weltge- Buch VI. Innere Streitigkeiten . schichtlichen Wirkungen fuͤhren. Das Gewuͤhl und der Wahlkampf des Conclaves erhalten deshalb eine besondere Bedeutung, und wir muͤssen hier ein Wort von denselben einflechten. In der ersten Haͤlfte des sechszehnten Jahrhunderts beherrschte das Uebergewicht der kaiserlichen oder der fran- zoͤsischen Faction in der Regel die Waͤhlenden: die Cardinaͤle hatten, wie ein Papst sagt, keine Freiheit der Stimmen mehr. Seit der Mitte desselben ward diese Einwirkung fremder Maͤchte um vieles unbedeutender: die Curie blieb bei weitem mehr sich selbst uͤberlassen. Da hatte sich denn, in der Bewegung der innern Umtriebe, sagen wir, ein Principo der eine Gewohnheit sehr besonderer Art aus- gebildet. Jeder Papst pflegte eine Anzahl Cardinaͤle zu ernen- nen, die dann in dem naͤchsten Conclave sich um den Ne- poten des Verstorbenen sammelten, eine neue Macht bilde- ten, und in der Regel Einen aus ihrer Mitte auf den Thron zu heben versuchten. Merkwuͤrdig war es, daß es ihnen hiemit nie gelang, daß die Opposition alle Mal siegte und in der Regel einen Gegner des letzten Papstes befoͤr- derte. Ich will nicht versuchen dieß ausfuͤhrlich zu eroͤr- tern. Wir haben nicht ganz unglaubwuͤrdige Mittheilun- gen uͤber diese Wahlen: allein es wuͤrde doch unmoͤglich seyn die hiebei wirksamen persoͤnlichen Verhaͤltnisse zu rechter Anschauung zu erheben: es wuͤrden immer Schatten bleiben. Genug wenn wir das Princip bemerken. Ohne Aus- Conclaven. Urban VII. nahme trugen in jenem Zeitraume nicht die Anhaͤnger son- dern die Gegner des letzten Papstes, namentlich die Crea- turen des vorletzten, den Sieg davon. Paul IV. ward von den Creaturen Pauls III , Pius IV. durch die Feinde der Caraffas und Pauls IV. erhoben. Der Neffe Pius des IV. Borromeo hatte die persoͤnliche Aufopferung, freiwillig einen Mann der Gegenpartei, den er aber fuͤr den froͤmm- sten hielt, Pius dem V. seine Stimme zugeben: aber er that das nur unter lebhaftem Widerspruch der Geschoͤpfe seines Oheims, welche, wie es in dem Berichte heißt, kaum glaubten zu sehen was sie sahen, zu thun was sie thaten. Auch versaͤumten sie nicht sich ihre Nachgiebigkeit im naͤchsten Falle zu Nutze zu machen Jenes Herkommen suchten sie zur Anerkennung zu bringen, als Regel aufzustellen, und in der That setzten sie den Nachfolger Pius des V. aus den Creaturen Pius des IV. So ging es auch bei der Wahl Sixtus V , aus den Gegnern seines Vorgaͤngers Gregor erhob er sich. Kein Wunder ist es hienach, wenn wir immer entgegen- gesetzte Charaktere auf dem paͤpstlichen Stuhle finden. Die verschiedenen Factionen treiben einander aus der Stelle. Vermoͤge dieses Herkommens hatten nun auch dieß Mal die Gegner Sixtus V. besonders der letzten Wen- dung seiner Politik eine große Aussicht fuͤr sich. Ueberaus maͤchtig hatte Sixtus V. seinen Neffen gemacht: mit einer Schaar ergebener Cardinaͤle, so zahlreich wie nur je eine andere gewesen, trat derselbe in dem Conclave auf. Trotz alle dem mußte er weichen. Die Creaturen Gregors erho- ben einen Gegner des vorigen Papstes, der von diesem so- Buch VI. Innere Streitigkeiten . gar besonders beleidigt worden, von unzweifelhaft spanischer Gesinnung, Johann Baptist Castagna, Urban VII. Conclave di papa Urbano VII. MS. La pratica (di que- sta elettione) fu guidata dal card l Sforza (capo delle creature di papa Gregorio XIII) e da cardinali Genovesi. In einer De- pesche des franzoͤsischen Gesandten Maisse in Venedig in F. v. Rau- mers histor. Briefen I, 360 findet sich, der Sforza habe den Co- lonna, der bereits auf dem paͤpstlichen Stuhle Platz genommen, von demselben wieder heruntergezogen; doch ist das wohl nicht woͤrtlich zu verstehn. Mit dieser Wahl aber waren sie ungluͤcklich. Ur- ban VII. starb, ehe er noch gekroͤnt worden, ehe er noch einen einzigen Praͤlaten ernannt hatte, am 12ten Tage sei- nes Pontificates, und sogleich eroͤffnete sich der Wahlkampf aufs neue. Er unterschied sich dadurch, daß die Spanier wieder auf das ernstlichste Theil nahmen. Sie sahen wohl, wie viel fuͤr die franzoͤsischen Angelegenheiten darauf ankam. Der Koͤnig entschloß sich zu einem Schritte, der ihm in Rom als eine gefaͤhrliche Neuerung angerechnet wurde, und den selbst seine Anhaͤnger nur mit den dringenden Umstaͤn- den, in denen er sich befinde, zu entschuldigen wußten Il grande interesse del re cattolico e la spesa nella quale si trova senza ajuto nissuno per servitio della christianità fa che gli si debbia condonare. : er nannte sieben Cardinaͤle, die ihm tauglich zu seyn schie- nen: keinen Andern wollte er annehmen. An der Spitze der Ernannten stand der Name Madruzzi, und unverzuͤg- lich machten die spanischen Cardinaͤle einen Versuch, mit diesem ihrem Oberhaupt durchzudringen. Allein sie fanden hartnaͤckigen Widerstand. Madruzzi Conclave Gregors XIV. wollte man nicht, weil er ein Deutscher sey, weil man das Papstthum nicht wieder in die Haͤnde der Barbaren kom- men lassen duͤrfe Cl. Morosini sagte: Italia anderebbe in preda a’ barbari, che farebbe una vergogna. Concl. della sede vacante di Ur- bano VII. : auch von den uͤbrigen wollte Mont- alto Keinen annehmen. Montalto haͤtte zwar vergeblich versucht einen seiner Anhaͤnger zu erheben: aber wenigstens auszuschließen vermochte er. Das Conclave verzog sich un- gebuͤhrlich lange: die Banditen waren Herrn im Lande: taͤg- lich hoͤrte man von gepluͤnderten Guͤtern, verbrannten Doͤr- fern: in Rom selbst war eine Bewegung zu fuͤrchten. Es gab nur Ein Mittel zum Ziele zu kommen: wenn man von den Vorgeschlagenen denjenigen hervorhob, der dem Nepoten Sixtus des V. am wenigsten unangenehm war. In den florentinischen Nachrichten Galluzzi: Storia del granducato di Toscana V, 99. findet sich, daß der Großherzog von Toscana, in den roͤmischen, daß Car- dinal Sforza, das Haupt der gregorianischen Cardinaͤle, hiezu besonders beigetragen habe. In seine Zelle zuruͤckge- zogen, vielleicht auch darum weil man ihm gesagt hatte, durch Sillschweigen werde er am besten befoͤrdert, und vom Fieber geplagt lebte Cardinal Sfondrato, einer von den Sieben. Ueber diesen vereinigten sich die Parteien, und gleich in voraus ward eine Familienverbindung zwischen den Haͤusern Sfondrato und Montalto verabredet. Hierauf besuchte Montalto den Cardinal in seiner Zelle, er fand ihn betend vor dem Crucifix, nicht ganz ohne Fieber: er sagte ihm, daß er den andern Morgen gewaͤhlt werden solle. Buch VI. Innere Streitigkeiten . An diesem Morgen — 5. Dezember 1590 — fuͤhrte er ihn mit Sforza in die Capelle, wo die Stimmen gege- ben wurden. Sfondrato ward gewaͤhlt: er nannte sich Gregor. XIV T. Tasso hat diese Thronbesteigung in einer praͤchtigen Can- zone gefeiert: Da gran lode immortal. Ein Mann, der alle Wochen zweimal fastete, alle Tage seine Messe las, das Pensum seiner Horen immer auf den Knien betete, und dann eine Stunde seinem Lieb- lingsautor, dem heil. Bernhard, widmete, aus dem er sich die Sentenzen die ihm besonders einleuchteten sorgfaͤltig auf- zeichnete: eine jungfraͤuliche unschuldige Seele. Man be- merkte aber in halbem Scherz, wie er zu fruͤh — im sie- benten Monat — auf die Welt gekommen und nur mit Muͤhe aufgebracht worden war, so habe er uͤberhaupt zu wenig irdische Elemente in sich. Von der Praxis und den Umtrieben der Curie hatte er nie etwas begriffen. Die Sache, welche die Spanier verfochten, hielt er ohne Wei- teres fuͤr die Sache der Kirche. Er war ein geborner Un- terthan Philipps II , und ein Mann nach seinem Herzen. Ohne alles Schwanken noch Verziehen erklaͤrte er sich zu Gunsten der Ligue Cicarella de vita Gregorii XIV: bei allen spaͤtern Ausga- ben des Platina befindlich. . „Ihr“, schrieb er an die Pariser, „die ihr einen so loͤblichen Anfang gemacht habt, harret nun auch aus und haltet nicht inne bis Ihr an das Ziel Eures Laufes ge- kommen seyd. Von Gott inspirirt haben wir beschlossen Euch zu Huͤlfe zu kommen. Zuerst weisen wir Euch eine Gregor XIV. Unterstuͤtzung in Geld an und zwar uͤber unsere Kraͤfte. So- dann ordnen wir unsern Nuntius — Landriano — nach Frankreich ab, um alle Abgewichenen in Eure Vereinigung zuruͤckzubringen. Endlich schicken wir, obwohl nicht ohne große Belaͤstigung der Kirche, unsern lieben Sohn und Nef- fen, Hercules Sfondrato, Herzog von Montemarciano, mit Reiterei und Fußvoͤlkern Euch zu, um die Waffen zu Eurer Vertheidigung anzuwenden. Solltet Ihr aber noch Meh- reres beduͤrfen, so werden wir Euch auch damit versehen Gregoire Pape XIV a mes fils bien aymés les gens du conseil des seize quartiers de la ville de Paris: bei Cayet: Chro- nologie novenaire. Mémoires coll. univ. tom. LVII, p. 62. . In diesem Briefe liegt die ganze Politik Gregors XIV. Sie war doch von großer Wirkung. Die Erklaͤrung selbst, die Wiederholung der Excommunication Heinrichs IV , die damit verbunden war, und dann die Aufforderung an alle Cleriker, an den Adel, die Beamten der Justiz und den dritten Stand sich bei schwerer Strafe von Heinrich von Bourbon zu trennen, womit Landriano in Frankreich auftrat, brachten einen tiefen Eindruck hervor Eben Cayet bemerkt dieß. Le party du roy estoit sans aucune division. Ce qui fut entretenu jusques au temps de la publication des bulles monitoriales du pape Gregoire XIV, que d’aucuns volurent engendrer un tiers party et le former des ca- tholiques, qui étoit dans le party royal. . Es gab so viele Streng-katholisch-gesinnte auf der Seite Heinrichs IV. die zuletzt doch durch diese entschiedenen Schritte des Ober- hauptes ihrer Kirche irre gemacht wurden. Sie erklaͤrten, nicht allein das Koͤnigthum habe eine Succession, sondern auch die Kirche: man muͤsse die Religion eben so wenig Buch VI. Innere Streitigkeiten . aͤndern als die Dynastie. Es bildete sich von dieser Zeit an unter den Anhaͤngern des Koͤnigs die sogenannte dritte Partei, welche denselben unaufhoͤrlich zur Wiederannahme des Katholicismus aufforderte, nur unter dieser Bedingung und Aussicht ihm treu blieb, und um so mehr zu bedeu- ten hatte, da die maͤchtigsten Maͤnner in seiner unmittelba- ren Umgebung sich zu ihr hielten. Noch groͤßere Erfolge aber ließen die andern Maaß- regeln erwarten, die der Papst in jenem Briefe ankuͤndigte, und die er nicht zoͤgerte in Erfuͤllung zu bringen. Die Pariser unterstuͤtzte er monatlich mit 15000 Scudi: den Oberst Lusi schickte er in die Schweiz, um Truppen an- zuwerben: nachdem er seinem Neffen Ercole in S. Maria Maggiore die Standarte der Kirche als ihrem General feier- lich uͤberliefert hatte, entließ er ihn nach Mailand, wo seine Mannschaften sich sammeln sollten. Der Commissar der ihn begleitete, Erzbischof Matteucci war reichlich mit Geld versehen. Unter diesen Auspicien trug Philipp II. nicht laͤn- ger Bedenken sich der franzoͤsischen Sache mit Ernst an- zunehmen. Seine Truppen ruͤckten in der Bretagne vor, sie nahmen Platz in Toulouse und Montpellier. Auf ei- nige Provinzen glaubte er besondere Anspruͤche zu haben: in andern war er in der engsten Verbindung mit den lei- tenden Oberhaͤuptern, Capuziner hatten sie zuweilen gestif- tet oder erhalten: nach andern ward er auf das dringendste eingeladen „als der einzige Beschuͤtzer der Rechtglaͤubigen gegen die Hugenotten“. Auch die Pariser luden ihn ein. Indessen griffen die Piemontesen in der Provence an: das paͤpst- Gregor XIV. Innocenz IX. paͤpstliche Heer vereinte sich in Verdun mit den Ligui- sten. Es war eine allgemeine Bewegung spanisch-ita- lienischer Kraͤfte, um Frankreich mit Gewalt in die streng katholische Richtung fortzuziehen, die in jenen Laͤndern das Uebergewicht hatte. Die Schaͤtze, die Papst Sixtus mit so viel Anstrengung gesammelt und so sorgfaͤltig gespart, ka- men nun doch den Spaniern zu Gute. Nachdem Gre- gor XIV. die Summen aus dem Castell genommen deren Verwendung an keine Bedingungen gebunden war, griff er auch die andern auf das strengste vinculirten an. Er ur- theilte, nie koͤnne ein dringenderes Beduͤrfniß der Kirche eintreten. Bei der Entschiedenheit mit der man zu Werke ging, der Klugheit des Koͤnigs, dem Reichthum des Papstes, und dem Einfluß den ihr vereinigtes Ansehen auf Frankreich hatte, laͤßt sich in der That nicht berechnen, wie weit es dieser doppelseitige, weltlich-geistliche Ehrgeiz gebracht haben wuͤrde: — waͤre nicht Gregor XIV. mitten in der Unter- nehmung gestorben. Nur zehn Monat und zehn Tage hatte er den roͤmischen Stuhl besessen und so große Veraͤnderun- gen hervorgebracht: was wuͤrde geschehen sein, wenn er diese Gewalt einige Jahre inne gehabt haͤtte. Es war der groͤßte Verlust den die liguistisch-spanische Partei erleiden konnte. Noch einmal zwar drangen die Spanier in dem Con- clave durch. Sie hatten wieder sieben Candidaten benannt In der Histoire des conclaves I, 251 heißt es: Les Es- pagnols vouloient retablir leur reputation. Doch ist das nur falsch uͤbersetzt: in dem MS , welches die Grundlage dieses Buches ist: Con- , Päpste* 15 Buch VI. Innere Streitigkeiten . und einer von diesen, Johann Anton Fachinetto — In- nocenz IX — wurde gewaͤhlt. Auch er war, so viel man urtheilen kann, spanisch gesinnt: wenigstens schickte er der Ligue Geld, und wir haben das Schreiben uͤbrig, in dem er Alexander Farnese antreibt seine Ruͤstungen zu beschleuni- gen, in Frankreich einzudringen und Rouen zu entsetzen, was dieser Feldherr dann so gluͤcklich und geschickt aus- fuͤhrte Nach Davila: Historia delle guerre civili di Francia XII, p. 763, sollte es scheinen als sey Innocenz nicht so ganz fuͤr die Li- . Aber das Ungluͤck war: auch Innocenz IX. war schon sehr alt und schwach: fast niemals verließ er das Bett: da gab er selbst Audienzen: von dem Ster- bebett eines Greises, der sich nicht mehr ruͤhren konnte, ergingen Kriegsermunterungen, welche Frankreich, ja Eu- ropa in Bewegung setzten. Kaum hatte Innocenz den paͤpstlichen Stuhl 2 Monat inne gehabt, so starb auch er. Und so erneuerten sich die Wahlkaͤmpfe des Conclave zum vierten Mal. Sie wurden um so wichtiger, da sich in dem unaufhoͤrlichen Wechsel die Meinung festgesetzt hatte, daß es vor allem eines kraͤftigen lebensfaͤhigen Mannes be- duͤrfe. Jetzt mußte es zu einer definitiven Entscheidung auf laͤngere Zeit kommen. Das Conclave wurde ein bedeu- tender Moment fuͤr die allgemeine Geschichte. Wahl und Natur Clemens VIII. Den Spaniern war es in dem gluͤcklichen Fortgange ihrer Interessen zu Rom waͤhrend des letzten Jahres zu- clave di Innocenzio IX (Inff. politt.) heißt es: per non perder la racquistata autorità, was der Lage der Sachen wirklich entspricht. Wahl Clemens VIII. letzt auch gelungen Montalto zu gewinnen. Das Haus dieses Nepoten hatte sich in dem Neapolitanischen ange- kauft. Indem Montalto zusagte sich dem Willen des Koͤnigs nicht mehr zu widersetzen, versprach ihm dagegen der Koͤ- nig, nicht alle Creaturen Sixtus V. geradehin auszuschließen. So waren sie verbuͤndet, und die Spanier zoͤgerten nicht laͤnger, den Mann auf die Wahl zu bringen, von dem sie sich die thaͤtigste Mitwirkung zu dem franzoͤsischen Kriege versprechen konnten. Von allen Cardinaͤlen konnte Santorio, mit dem Ti- tel Sanseverina, als der eifrigste angesehen werden. Schon in seiner Jugend hatte er zu Neapel manchen Kampf mit den dortigen Protestanten durchgemacht: in seiner Autobio- graphie, welche handschriftlich uͤbrig ist, bezeichnet er die Bluthochzeit als „den beruͤhmten Tag des h. Bartholomaͤus, hoch erfreulich den Katholischen“ Er spricht von einem „giusto sdegno del re Carlo IX di gloriosa memoria in quel celebre giorno di S. Bartolommeo lietissimo a’ cattolici.“ : immer hatte er sich zu den heftigsten Meinungen bekannt; er war das leitende Mitglied in der Congregation fuͤr die franzoͤsischen Ange- legenheiten, seit lange die Seele der Inquisition: noch ge- sund und in ziemlich frischem Alter. Diesen Mann wuͤnschten die Spanier mit der hoͤch- sten geistlichen Wuͤrde zu bekleiden: einen ergebenern haͤt- ten sie nicht finden koͤnnen. Noch Olivarez hatte alles vor- bereitet Conclave di Clemente VIII MS. Il conte di Olivarez, : es schien kein Zweifel uͤbrig zu bleiben: von 52 gue gewesen; allein das angefuͤhrte Schreiben (bei Cayet p. 356) hebt alle Zweifel. 15* Buch VI. Innere Streitigkeiten . Stimmen hatte man 36 bejahende, eben genug um die Wahl zu entscheiden, wozu immer zwei Drittheile der Stim- men erforderlich sind. Und so schritt man gleich den er- sten Morgen, nachdem das Conclave geschlossen worden, zu dem Wahlactus. Montalto und Madrucci, die Haͤupter der vereinten Factionen holten Sanseverina aus seiner Zelle ab, die, wie es bei der Zelle der Erwaͤhlten Gebrauch ist, von den Dienern sogleich spoliirt wurde: 36 Cardinaͤle begaben sich mit ihm nach der Capella Paolina: schon bat man ihn um Gnade fuͤr seine Gegner: er erklaͤrte, er wolle Allen vergeben und sich zum ersten Zeichen seiner Gesinnung Cle- mens nennen: Voͤlker und Reiche wurden ihm empfohlen. Indessen hatte man bei diesem Vorschlag Einen Um- stand aus der Acht gelassen. Sanseverina galt fuͤr so streng, daß Jedermann ihn fuͤrchtete. Dadurch war es schon geschehen, daß Viele nicht hat- ten gewonnen werden koͤnnen: juͤngere Cardinaͤle, alte per- soͤnliche Gegner: sie versammelten sich in der Capella Si- stina; es waren ihrer zwar, als sie sich beisammen sahen, nur sechszehn, — es fehlte ihnen an einer Stimme um die Exclusion zu geben, und schon machten Mehrere Miene sich dem Geschick zu unterwerfen, und Sanseverina anzu- erkennen: jedoch hatte der erfahrene Altemps so vielen Ein- fluß auf sie, daß sie noch Stand hielten. Sie trau- ten ihm zu, daß er die Sachen besser uͤbersehe, als sie selbst. Und in der That wirkte die nemliche Abneigung auch fedele et inseparabile amico di S. Severina, aveva prima di partire di Roma per il governo di Sicilia tutto preordinato. Wahl Clemens VIII. auf diejenigen, die Sanseverina’n ihr Wort gegeben; gar Manche unter ihnen verwarfen ihn im Herzen. Dem Wun- sche des Koͤnigs und Montaltos hatten sie sich bequemt, doch erwarteten sie nur eine Gelegenheit um abtruͤnnig zu werden. Bei dem Eintritt in die Wahlkapelle zeigte sich eine Unruhe, eine Bewegung, die bei einem entschiedenen Falle ganz ungewoͤhnlich war. Man machte einen Anfang die Stimmen zu zaͤhlen: man schien damit nicht zu Stande kommen zu wollen: die eigenen Landsleute Sanseverinas legten ihm Hindernisse in Weg Wir haben hieruͤber außer den Berichten in gedruckten und handschriftlichen Conclaven auch die Erzaͤhlung S. Severinas selbst, die ich in den Anhang aufnehmen will. . Es fehlte nur an Je- mand, der dem Gedanken, den so Viele hegten, Bahn braͤ- che. Endlich faßte sich Ascanio Colonna das Herz dieß zu thun. Er gehoͤrte zu den roͤmischen Baronen, welche vor allem die inquisitorische Haͤrte Sanseverinas fuͤrchteten. Er rief aus: „ich sehe, Gott will Sanseverina nicht, auch Ascanio Colonna will ihn nicht.“ Er verließ die Paolina und begab sich zu den Gegnern in der Sistina. Hiemit hatten diese gewonnen. Es ward ein gehei- mes Scrutinium beliebt. Es gab Einige, die es nie ge- wagt haͤtten oͤffentlich und laut ihre bereits zugesagte Stimme zuruͤckzuziehen, die das aber wohl insgeheim tha- ten, sobald sie nur wußten, daß ihre Namen verschwiegen bleiben wuͤrden. Als die Zettel eroͤffnet wurden, fanden sich nur 30 Stimmen fuͤr den Vorgeschlagenen. Seiner Sache gewiß war Sanseverina gekommen: die Fuͤlle der geistlichen Gewalt, die er so hoch anschlug, die Buch VI. Innere Streitigkeiten . er so oft verfochten, glaubte er schon in Besitz zu haben: zwischen der Erfuͤllung seiner hoͤchsten Wuͤnsche und der Zukunft eines immerwaͤhrenden Gefuͤhls von Zuruͤcksetzung, zwischen Herr seyn und gehorchen muͤssen hatte er 7 Stun- den zugebracht, wie zwischen Leben und Tod: endlich war es entschieden: seiner Hoffnung beraubt ging er in die spoliirte Zelle zuruͤck. „Die naͤchste Nacht“, sagt er in jener Lebensbeschreibung, „war mir schmerzvoller, als je ein ungluͤcklicher Augenblick, den ich erlebt habe. Die schwere Betruͤbniß meiner Seele und die innerliche Angst preßten mir, unglaublich zu sagen, blutigen Schweiß aus.“ Er kannte die Natur eines Conclaves genugsam, um sich weiter keine Hoffnung zu machen. Seine Freunde ha- ben ihn spaͤter noch einmal auf die Wahl gebracht: aber es war nur ein hoffnungsloser Versuch. Auch die Spanier selbst hatten hiemit verloren. Der Koͤnig hatte fuͤnf Namen genannt, keiner von allen konnte durchgesetzt werden. Man mußte endlich zu dem sechsten schreiten, der von den Spaniern als uͤberzaͤhlig bezeichnet worden war. Mehr seinem Verbuͤndeten Montalto zu Gefallen als aus eigener Bewegung hatte nemlich der Koͤnig auch noch Cardinal Aldobrandini genannt, eine Creatur Sixtus V , den er vor dem Jahre selbst ausgeschlossen hatte. Auf diesen kam man jetzt als den einzig moͤglichen zu- ruͤck. Er war, wie man denken kann, Montalto’n er- wuͤnscht: die Spanier konnten, weil er doch mit genannt worden, nichts gegen ihn sagen: auch den Uebrigen war er nicht unwillkommen, im Allgemeinen beliebt: so ward Wahl Clemens VIII. er denn ohne vielen Widerstand gewaͤhlt: 20. Jan. 1592. Er nannte sich Clemens VIII. Es ist immer sonderbar, wie es hiebei den Spaniern ging. Sie hatten Montalto auf ihre Seite gebracht, um einen von den Jahren durchzusetzen: eben diese Verbindung machte jedoch, daß sie selbst dazu helfen mußten, einen Freund Montaltos, eine Creatur Sixtus V. auf den Thron zu bringen. Wir bemerken, daß hiemit in dem Gange der Papst- wahlen eine Veraͤnderung eintrat, die wir nicht als unbe- deutend betrachten duͤrfen. Seit langer Zeit waren einan- der immer Maͤnner von entgegengesetzten Factionen nachge- folgt. Auch jetzt war wohl dasselbe geschehen, drei Mal hatten die Geschoͤpfe Sixtus V. zuruͤckstehn muͤssen: aber die Gewaͤhlten hatten doch nur eine sehr voruͤbergehende Macht genossen, und keine neue starke Faction bilden koͤnnen: Todesfaͤlle, Leichenzuͤge, neue Conclaven waren auf einander gefolgt. Der Erste, der den Stuhl wieder mit voller Lebenskraft bestieg, war Clemens VIII. Es folgte eine Regierung der nemlichen Partei, welche zuletzt laͤnger geherrscht hatte. Die allgemeine Aufmerksamkeit war nun darauf ge- richtet, wer der neue Gewalthaber sey, was sich von ihm erwarten lasse. Clemens VIII. war im Exil geboren. Sein Vater Salvestro Aldobrandino, von angesehenem florentinischen Geschlecht, aber ein lebhafter und thaͤtiger Gegner der Me- dici, war bei dem endlichen Siege dieses Hauses im Jahre 1531 vertrieben worden und hatte sein Fortkommen im Buch VI. Innere Streitigkeiten . Auslande suchen muͤssen Varchi: Storia Fiorentina III, 42, 61. Mazzuchelli: Scrittori d’Italia I, I, p. 392 hat wie gewoͤhnlich einen sehr flei- ßigen und belehrenden Artikel bei diesem Namen: vollstaͤndig aber ist er nicht. Unter andern fehlt sogleich seine venezianische Thaͤtig- keit, mit deren Erwaͤhnung Joh. Delfino seine Relation beginnt, so daß sich an der Sache nicht zweifeln laͤßt: Silvestro Aldobrandini ne’ tempi della ribellione di Firenze cacciato da quella città se ne venne qui, riformò li nostri statuti e rivedde le leggi et or- dini della republica. . Er war Doctor der Rechte, und hatte fruͤher einmal zu Pisa Vorlesungen gehalten: jetzt finden wir ihn bald in Venedig, wo er an der Ver- besserung des venezianischen Statuts Antheil hat, oder eine Ausgabe der Institutionen besorgt, bald in Ferrara oder Urbino im Rathe und Gericht der Herzoͤge, am laͤngsten in Diensten bald des einen bald des andern Cardinals, und an deren Stelle mit der Rechtspflege und der Verwaltung in irgend einer kirchlichen Stadt beauftragt. Am meisten viel- leicht zeichnet es ihn aus, daß er bei diesem unstaͤten Leben fuͤnf vortreffliche Soͤhne zu erziehen wußte. Der geistreichste von ihnen mag der aͤlteste, Johann, gewesen seyn, den man den Wagenlenker des Hauses nannte: er brach die Bahn, und auf dem Wege juridischer Wuͤrden stieg er im Jahre 1570 zum Cardinalat: waͤre er laͤnger am Leben geblieben, so wuͤrde er, glaubt man, Hoffnung zur Tiare gehabt ha- ben. Bernardo erwarb sich im Waffenhandwerk Ansehen; Tommaso war ein guter Philolog, die Uebersetzung die er von Diogenes Laertius verfaßt hat, ist oͤfter abgedruckt worden; Pietro galt fuͤr einen ausgezeichneten praktischen Juristen. Der juͤngste, Ippolyto, im Jahre 1536 zu Fano geboren In dem libro di battesmo della parochia cattedrale di , machte dem Vater anfangs einige Sorgen: er Clemens VIII. fuͤrchtete ihm die Erziehung, deren sein Talent wuͤrdig war, nicht geben zu koͤnnen. Aber einmal nahm sich Cardinal Alessandro Farnese des Knaben an, und bewilligte ihm eine jaͤhrliche Unterstuͤtzung aus den Einkuͤnften seines Bis- thums Spoleto: dann befoͤrderte ihn das aufkommende Gluͤck seiner Bruͤder von selbst. Er gelangte bald in die Praͤlatur, hierauf in die Stelle seines aͤltesten Bruders in dem Gerichtshof der Rota; Sixtus V. ernannte ihn zum Cardinal, und uͤbertrug ihm eine Sendung nach Po- len. Durch diese kam er zuerst mit dem Hause Oest- reich in eine gewisse Verbindung. Das gesammte Haus sah es als einen Dienst an, daß der Cardinal, der sich dabei seiner Autoritaͤt mit Ruͤcksicht und zum Ziele fuͤh- render Klugheit bediente, den Erzherzog Maximilian aus der Gefangenschaft befreiete in der ihn die Polen hielten. Als sich Philipp II. entschloß eine Creatur Sixtus V. als uͤberzaͤhligen Candidaten zu nennen, so war dieß der Grund, um dessen willen er den Aldobrandino Andern vor- zog. So gelangte der Sohn eines heimathlosen Fluͤcht- lings, von dem man einen Augenblick gefuͤrchtet hatte, er werde sein Lebelang Schreiberdienste verrichten muͤssen, zur hoͤchsten Wuͤrde der katholischen Christenheit. Nicht ohne Genugthuung wird man in der Kirche della Minerva zu Rom das Denkmal betrachten, das Salvestro Aldobrandino dort der Mutter einer so herrlichen Schaar von Soͤhnen errichtet hat, — „seiner theuren Frau Lesa aus dem Hause Deti, mit der er sieben und dreißig Jahre eintraͤchtig gelebt.“ Fano heißt es: a dì 4 Marzo 1536 fu battezato un putto di M r Salvestro, che fu luogotenente qui: hebbe nome Ippolyto. Buch VI. Innere Streitigkeiten . Die ganze Thaͤtigkeit nun, die einem aus mancherlei Noth emporstrebenden Geschlechte eigen ist, brachte der neue Papst in sein Amt. Fruͤh waren die Sitzungen: Nachmittags die Audienzen Bentivoglio: Memorie I, p. 54 hat die ganze Ordnung einer Woche. : alle Informationen wurden angenommen und durchgesehen: alle Ausfertigungen erst ge- lesen und besprochen: Rechtsgruͤnde aufgesucht, fruͤhere Faͤlle verglichen: nicht selten zeigte sich der Papst unterrichteter als die vortragenden Referendare; er arbeitete eben so ange- strengt wie fruͤher, als er noch Auditor di Rota war: den Einzelheiten der innern Staatsverwaltung, persoͤnlichen Ver- haͤltnissen widmete er nicht mindern Antheil, als der euro- paͤischen Politik, oder den großen Interessen der geistlichen Macht. Man fragte, woran er wohl Gefallen finde: die Antwort war, an allem oder an nichts Relatione al card l d’Este 1599. MS Fosc. Er fuͤhre Kriege wie Julius II , er baue wie Sixtus V, er reformire wie Pius V , er wuͤrze dabei seine Gespraͤche mit Witz. Dann kommt folgende Schilderung. Di complession flemmatico e sanguigno, ma con qualche mistura di colera, di corporatura carnoso e grasso, di costumi gravi e modesti, di maniera dolce et affabile, nel moto tardo, nelle attioni circonspetto, nell’ esecutioni cuntatore: quando non risolve, premedita. — E tenace del secreto, cupo nei pensieri, industrioso nel tirarli al fine. . Dabei haͤtte er sich in seinen geistlichen Pflichten nicht die mindeste Nachlaͤssigkeit zu Schulden kommen lassen. Alle Abend empfing Baronius seine Beichte: alle Morgen cele- brirte er die Messe selber: Mittags speisten wenigstens in den ersten Jahren immer zwoͤlf Arme in Einem Zimmer mit ihm und an Freuden der Tafel war nicht zu denken: Clemens VIII. Freitag und Sonnabend ward uͤberdieß gefastet. Hatte er dann die ganze Woche gearbeitet, so war des Sonntags seine Erholung sich einige fromme Moͤnche oder die Vaͤ- ter der Vallicella kommen zu lassen, um mit ihnen uͤber tiefere geistliche Fragen zu sprechen. Der Ruf von Tu- gend, Froͤmmigkeit, exemplarischem Leben, den er schon im- mer genossen, vermehrte sich ihm bei dieser Art zu seyn außerordentlich. Er wußte es, und wollte es. Eben dieser Ruf erhoͤhte sein oberhirtliches Ansehn. Denn in allen Stuͤcken verfuhr dieser Papst mit selbst- bewußter Bedachtsamkeit. Er arbeitete gern, er war eine von jenen Naturen, denen aus der Arbeit neue Kraft ent- springt: aber er that es doch nicht so leidenschaftlich, daß er nicht seinen Fleiß mit regelmaͤßiger Bewegung unterbro- chen haͤtte Venier: Relatione di Roma 1601. La gotta molto meno che per l’inanzi li da molestia al presente per la sua bona re- gola di viver, nel quale da certo tempo in qua procede con grandissima riserva, e con notabile astinenza nel bere: che le giova anco moltissimo a non dar fomento alla grassezza, alla quale è molto inclinata la sua complessione, usando anco per questo di frequentare l’esercitio di caminar longamente sempre che senza sconcio de’ negozi conosce di poterlo fare, ai quali nondimeno per la sua gran capicità supplisce. . So konnte er wohl auch auffahren, heftig, bitter werden, jedoch wenn er sah, daß der Andere zwar vor der Majestaͤt des Papstthums schwieg, aber vielleicht in seinen Mienen Entgegnung und Mißbehagen ausdruͤckte, ging er in sich und suchte es wieder gut zu machen. Man sollte an ihm nichts wahrnehmen, als was sich ziemte, was mit der Idee eines guten, frommen und weisen Man- nes uͤbereinkam Delfino: Si va conoscendo certo che in tutte le cose si . Buch VI. Innere Streitigkeiten . Fruͤhere Paͤpste hatten wohl aller Gesetze uͤberhoben zu seyn geglaubt, die Verwaltung der hoͤchsten Wuͤrde in Genuß zu verwandeln gesucht: der Geist der damaligen Zeit ließ das nicht mehr zu. Die Persoͤnlichkeit mußte sich fuͤgen, zuruͤcktreten: das Amt war alles. Ohne ein der Idee desselben entsprechendes Betragen haͤtte man es weder erlangt noch verwalten koͤnnen. Es liegt am Tage, daß hiemit die Kraft des Insti- tutes selber unendlich wuchs. So lange allein sind mensch- liche Institutionen uͤberhaupt stark, als ihr Geist in den Lebenden wohnt, in den Inhabern der Gewalt, die sie schaf- fen, sich zugleich darstellt. Absolution Heinrichs IV. Und nun fragte es sich vor allem, wie dieser Papst, so voll von Talent, Thaͤtigkeit und Kraft, und uͤbrigens ohne Tadel, die wichtigste Frage die es in Europa gab, die franzoͤsische, verstehn, behandeln wuͤrde. Sollte er sich, wie seine unmittelbaren Vorgaͤnger un- bedingt an Spanien anschließen? Er hatte dazu weder Ver- pflichtung in seinen bisherigen Verhaͤltnissen noch auch Nei- gung. Es entging ihm nicht, daß die spanische Uebermacht auch das Papstthum druͤcken, und es besonders seiner poli- tischen Unabhaͤngigkeit berauben werde. Oder sollte er die Partei Heinrichs IV. ergreifen? move S. S tà con gran zelo dell’ onor di dio e con gran desi- derio del ben publico. Absolution Heinrichs IV. Es ist wahr, dieser Koͤnig machte Miene katholisch zu wer- den. Aber ein solches Versprechen war leichter gegeben als ausgefuͤhrt: noch immer war er Protestant: Clemens VIII. haͤtte gefuͤrchtet betrogen zu werden. Wir sahen, wie Sixtus V. unentschieden zwischen die- sen Moͤglichkeiten schwankte, und wie große Mißverhaͤlt- nisse sich daran knuͤpften. Noch war die zelotische Partei so stark wie jemals in Rom. Der neue Papst durfte sich ih- rer Abneigung, ihrem Widerstand nicht aussetzen. So umgaben ihn Schwierigkeiten auf allen Seiten. In ihrer Mitte huͤtete er sich wohl sich in Worten bloß zu geben, die schlummernden Feindseligkeiten zu erwecken. Nur an seinen Thaten, seinem Verfahren koͤnnen wir nach und nach seine Gesinnung abnehmrn. Als er zur Gewalt kam, hatte der paͤpstliche Stuhl einen Legaten in Frankreich der fuͤr spanisch gesinnt galt, ein Heer welches angewiesen war Heinrich IV. zu bekaͤm- pfen: der Ligue wurden Subsidien gezahlt. Der neue Papst konnte daran nichts aͤndern. Haͤtte er seine Subsidien ein- stellen, sein Heer zuruͤckziehen, seinen Legaten abberufen wol- len, so wuͤrde er den Ruf seiner Rechtglaͤubigkeit gefaͤhr- det, er wuͤrde sich herbern Bitterkeiten ausgesetzt haben, als Papst Sixtus erfahren hatte. Allein er war auch weit entfernt diese Anstrengungen zu vermehren, ihnen einen neuen Schwung zu geben. Eher hat er nach und nach, bei guͤnstiger Gelegenheit, einiges daran ermaͤßigt, einge- schraͤnkt. Gar bald aber sah er sich zu einem Schritte von un- zweideutigerem Sinne aufgefordert. Buch VI. Innere Streitigkeiten . Noch im Jahre 1592 schickte Heinrich IV. den Car- dinal Gondi nach Italien mit dem Auftrage sich auch nach Rom zu verfuͤgen. Taͤglich mehr neigte sich der Koͤ- nig zu dem Katholicismus: aber sein Sinn war, wie es scheint, sich mehr durch eine Art von Vertrag unter der Vermittelung von Toscana und Venedig mit der katholi- schen Kirche wiederzuvereinigen, als durch Unterwerfung. — Und war nicht auch dieß fuͤr den Papst sehr annehm- lich? War nicht der Ruͤcktritt des Koͤnigs alle Mal ein großer Gewinn, auf welche Art er auch geschehen mochte? Clemens hielt es dessenungeachtet fuͤr nothwendig nicht darauf einzugehn, Gondi nicht anzunehmen. Zu große Un- annehmlichkeiten uͤberdieß ohne allen Nutzen hatte die An- wesenheit Luxemburgs fuͤr Sixtus V. zur Folge gehabt. Er schickte einen Moͤnch, Fra Franceschi, nach Florenz, wo der Cardinal bereits eingetroffen, um demselben an- zukuͤndigen, daß er in Rom nicht angenommen werden koͤnne. Es war dem Papst ganz recht, daß der Cardinal, daß selbst der Großherzog sich beklagte: er wuͤnschte mit seiner Weigerung Aufsehen, Geraͤusch zu erregen. Es ist dieß jedoch nur die eine Seite der Sache. Den Koͤ- nig verdrießlich zu machen, eine Annaͤherung zur Versoͤh- nung ganz von sich zu weisen konnte auch nicht die Mei- nung des Papstes seyn. In den venezianischen Nachrich- ten findet sich, Fra Franceschi habe seiner officiellen An- kuͤndigung doch zugleich hinzugefuͤgt: er glaube wohl, pri- vatim und insgeheim werde der Cardinal angenommen wer- den Dispaceio Donato 23 Ott. 1592 aus einer Relation die . Es scheint fast, als sey Gondi wirklich in Rom Absolution Heinrichs IV. gewesen: der Papst soll ihm gesagt haben, er muͤsse mehr als einmal an seine Thuͤre klopfen lassen. Wenigstens ist gewiß, daß ein Agent Gondis sich nach Rom begab und nachdem er mehrere Conferenzen gehabt, dem venezia- nischen Gesandten erklaͤrte, er habe Gott sey Dank alle Ursache Hoffnung zu schoͤpfen, zufrieden zu seyn Ibid. „dopo aver lassato sfogar il primo moto della alteration di S. Beat.“ , mehr aber duͤrfe er nicht sagen. Mit einem Worte: der oͤf- fentlichen Ablehnung stand eine geheime Annaͤherung zur Seite. Clemens VIII. wollte weder die Spanier beleidigen, noch auch Heinrich IV. abstoßen. Auf beide Zwecke war sein Betragen berechnet. In dem hatte sich schon eine neue noch bei weitem wich- tigere Frage herausgestellt. Im Januar 1593 versammelten sich die Staͤnde von Frankreich, in so fern sie zur liguistischen Partei gehoͤrten, um zur Wahl eines neuen Koͤnigs zu schreiten. Da der Grund zur Ausschließung Heinrichs IV. allein in der Re- ligion lag, so hatte der paͤpstliche Legat eine ungewoͤhnliche Autoritaͤt. Es war noch Sega, Bischof von Piacenza, wel- chen Gregor XIV. erwaͤhlt hatte, ein Mann von der spanisch-kirchlichen Tendenz jener Regierung. Clemens hielt es fuͤr noͤthig, ihm eine besondere Instruction zugehn zu lassen. In derselben ermahnt er ihn darauf zu sehen, daß weder Gewalt noch Bestechung Einfluß auf die Stim- dem florentinischen Gesandten Niccolini gemacht worden. Fra Fran- ceschis Erklaͤrung war: „che crede che il papa l’admetteria, ma che vuole levare li cattolici fuori di dubio et ogni ombra che admettendolo riceve ambasceria di Navarra.“ Buch VI. Innere Streitigkeiten . men bekomme: er beschwoͤrt ihn, in einer so wichtigen Sache sich vor aller Uebereilung zu huͤten Einen Auszug aus dieser Instruction hat Davila XIII, p. 810. . Eine Anmahnung, die fuͤr einen Gesandten, welcher sich verpflichtet geglaubt haͤtte die Winke seines Fuͤrsten zu befolgen bedeutend gewesen seyn wuͤrde, die sich aber doch viel zu sehr im Allgemeinen hielt, als daß sie einen geistli- chen Herrn, der seine Befoͤrderung mehr von Spanien als von dem Papst erwartete, von einer Partei haͤtte abzie- hen sollen, der er von jeher zugehoͤrt, die er fuͤr die recht- glaͤubige hielt. Der Cardinal Sega aͤnderte darum sein Verfahren nicht im mindesten. Noch am 13. Juni 1593 erließ er eine Erklaͤrung, in der er die Staͤnde aufforderte einen Koͤnig zu waͤhlen, der nicht allein ein wahrhafter Ka- tholik, sondern auch entschlossen und geeignet sey die Anstren- gungen der Ketzer zu vernichten. Das sey die Sache, die S. Heiligkeit in der Welt am meisten wuͤnsche „qu’il ait le courage et les autres vertus requises pour pouvoir heureusement reprimer et anéantir du tout les efforts et mauvais desseins des heretiques. C’est la chose du monde que plus S. S. presse et desire. (Bei Cayet 58, 351). . Mit jener Instruction des Papstes ist es nicht an- ders als mit seinen uͤbrigen Schritten. Er haͤlt sich im Allgemeinen zu der kirchlich-spanischen streng orthodoxen Partei. Er thut das zwar nicht mit jener Leidenschaft und Hingebung, welche andern Paͤpsten eigen gewesen: sind diese Eigenschaften uͤberhaupt in ihm, so sind sie doch nur im Verborgenen wirksam: es ist ihm genug ruhig und ohne Ta- del, Absolution Heinrichs IV. del, wie es die Ordnung des Geschaͤftes erfordert, auf der Seite auszuharren, welche einmal ergriffen ist, und mit der Idee seines Amtes die meiste Analogie hat. Nur das laͤßt sich bemerken, daß er auch die andere Partei nicht ganz von sich stoͤßt, sie nicht zu entschiedener Feindseligkeit bringen moͤchte. Mit geheimer Naͤherung, indirecten Aeußerungen haͤlt er sie in der Aussicht einstiger Versoͤhnung: er thut den Spaniern genug, doch duͤrfen die Gegner sich uͤberre- den, daß seine Handlungen nicht ganz frei, daß sie eben hauptsaͤchlich aus Ruͤcksicht auf die Spanier so und nicht anders seyen. In Sixtus waren es entgegengesetzte Ge- muͤthsbewegungen, was ihn zuletzt an entschlossenem Ein- greifen verhinderte: in Clemens ist es Ruͤcksicht nach bei- den Seiten, Klugheit, welterfahrene, Feindseligkeiten ver- meidende Circumspection. Aber allerdings erfolgt, daß auch er keinen entscheidenden Einfluß ausuͤbt. Um so mehr sich selbst uͤberlassen, entwickelten sich die franzoͤsischen Angelegenheiten nach ihren eigenen innern Trieben. Das Wichtigste war, daß sich die Haͤupter der Ligue entzweiten. Die Sechszehn schlossen sich enge an Spanien: Mayenne verfolgte Zwecke eines persoͤnlichen Ehrgeizes. Die Sechszehn wurden um so eifriger: sie schritten zu den grausamsten Attentaten gegen ihre vermeinten oder wahr- haften Abtruͤnnigen, z. B. der Ermordung des Praͤsidenten Brisson: Mayenne hielt fuͤr gut sie dafuͤr zu zuͤchtigen und ihre wildesten Anfuͤhrer hinrichten zu lassen. Von diesem Zwiespalt beguͤnstigt erhob sich, schon seit dem An- fange des Jahres 1592, eine zwar katholische, aber den Päpste* 16 Buch VI. Innere Streitigkeiten . bisherigen Bestrebungen der Ligue, vor allem den Sechzehn und den Spaniern entgegengesetzte, politisch und kirchlich gemaͤßigte Gesinnung auch in Paris. Es ward eine Ver- bindung geschlossen, nicht viel anders als die Ligue selbst, welche sich zum Ziel setzte, vor allem die Aemter der Stadt in die Haͤnde gemaͤßigter, einverstandener Maͤnner zu brin- gen, und dieß im Laufe jenes Jahres ziemlich durchfuͤhrte Cayet lib. IV (tom. 58, p. 5) theilt die Propositionen mit, die in der ersten Versammlung gemacht wurden. . Aehnliche Tendenzen zeigten sich in dem ganzen Reiche. Sie hatten an dem Ausfalle der Wahlen fuͤr den Reichstag schon einen großen Antheil. Daher kam es, daß die Spa- nier mit allen ihren Vorschlaͤgen hier einen so nachhaltigen Widerstand fanden. Waͤhrend die wilden Prediger noch Jedermann fuͤr excommunicirt erklaͤrten, der nur von Friede mit dem Ketzer, auch wenn er zur Messe gehe, reden wuͤrde, erneuerte das Parlement die Erinnerung an die Grundge- setze des Landes, durch welche fremde Prinzen von dem Throne ausgeschlossen seyen: es ließ sich nicht verkennen, daß diese ganze Partei, die man die politische nannte, nur die Bekehrung Heinrichs IV. erwartete, um sich ihm zu unterwerfen. Welcher Unterschied war dann noch zwischen ihnen und den katholischen Royalisten in dem Lager Heinrichs IV ? Der einzige, daß Jene vor ihrer Unterwerfung einen Schritt gethan sehen wollten, den Diese abwarten zu koͤnnen ge- glaubt hatten. Denn darin waren auch die katholischen Royalisten einmuͤthig, daß der Koͤnig zu ihrer Kirche zu- ruͤckkehren muͤsse, obwohl sie sein Recht, seine Legitimitaͤt Absolution Heinrichs IV. nicht davon abhaͤngig machten. Vielleicht auch aus Wider- willen gegen die Protestanten in der Umgebung des Koͤnigs drangen sie immer ernstlicher darauf: die Prinzen von Ge- bluͤt, die angesehensten Staatsmaͤnner, der groͤßte Theil des Hofes vereinigten sich zu jenem Tiers-parti, dessen unterscheidender Charakter in dieser Forderung lag So wird er bei Sully geschildert V, 249. . Sobald die Sachen diese Gestalt angenommen hatten, sah Jedermann, und die Protestanten selbst laͤugneten es nicht, daß Heinrich, wenn er Koͤnig seyn wolle, katholisch werden muͤsse. Es ist nicht noͤthig die Anspruͤche Derje- nigen zu untersuchen, die den letzten Anstoß dazu gegeben zu haben behaupten. Das Meiste that die große Combi- nation: die Nothwendigkeit der Dinge Daß Heinrich im April 1593 dazu entschlossen war, beweist sein Schreiben an den Großherzog von Toscana vom 26sten d. M. Galluzzi: Storia del granducato s. V p. 160. . Indem Hein- rich jetzt den Act vollzog, durch welchen er zum Katholi- cismus uͤbertrat, gesellte er sich jener nationalfranzoͤsischen katholischen Gesinnung zu, welche sich im Tiers-parti und der politischen Partei darstellte, und welche jetzt die Aussicht hatte die Herrschaft in Frankreich zu behaupten. Es war dieß aber im Grunde doch nur eben jene katholische Opposition, die sich den kirchlich-spanischen Unternehmungen gegenuͤber um die Fahne der Legitimitaͤt und der nationalen Unabhaͤngigkeit gesammelt hatte. Wie gewaltig war sie nun in Macht und Ansehen gewachsen! In der Meinung bes Landes hatte sie ohne Zweifel das Uebergewicht: uͤber ganz Frankreich hin bekannte man sich, 16* Buch VI. Innere Streitigkeiten . wenn nicht offen, doch insgeheim zu ihr: durch den Ue- bertritt des Fuͤrsten bekam sie jetzt eine feste innere Hal- tung, eines Fuͤrsten der uͤberdieß so kriegerisch, muthig und siegreich war. So gewachsen erschien sie aufs neue vor dem Papst und bat ihn um seine Anerkennung, seinen Segen. Welch ein Ruhm, welch eine Wirksamkeit, wenn er sich nun wenigstens unumwunden fuͤr sie erklaͤrte. Noch kam so viel darauf an. Die Praͤlaten selbst, welche den Koͤnig in den Schooß der Kirche aufgenommen, hatten dieß doch nur mit Vorbehalt einer paͤpstlichen Absolution ge- than Messieurs du clergé luy avoient donné l’absolution à la charge qu’il envoyeroit vers sa S té la requerir d’approuver ce qu’ils avoient fait. Cayet: 58, 390. . Auf diese provocirten die maͤchtigsten Mitglieder der Ligue, mit denen der Koͤnig Unterhandlungen eroͤffnete Villeroy Mémoires. Coll. univ. 62, 186. . Obwohl Versprechungen nicht immer gehalten werden, so laͤßt sich doch nicht zweifeln, daß die Absolution des Pap- stes, in diesem Momente ertheilt, in den Gang der Ange- legenheiten maͤchtig eingegriffen haben wuͤrde. Heinrich IV. sandte einen Großen des Reiches, den Herzog von Nevers, ihn darum zu ersuchen. Es ward ein Stillstand geschlos- sen, um die Antwort abzuwarten. Der Papst war mißtrauisch unb bedenklich. Wie die Hoffnungen religioͤsen Ehrgeizes Sixtus V. entflammt, so hielt die Besorgniß betrogen zu werden, Unannehmlichkei- ten zu erleben Clemens VIII. zuruͤck. Er meinte noch im- mer, Heinrich IV. werde zuletzt vielleicht wieder zum Pro- testantismus zuruͤckkehren, wie er es schon einmal gethan: Absolution Heinrichs IV. er erklaͤrte, er wuͤrde nicht glauben, daß der Koͤnig gut be- kehrt sey, wenn nicht ein Engel vom Himmel komme und es ihm ins Ohr sage: — er sah um sich her, und fand den groͤßten Theil der Curie noch immer den Franzosen ab- geneigt: von Zeit zu Zeit erschien noch eine Flugschrift, in der man die Behauptung wiederholte, Heinrich IV. koͤnne als ein Haͤreticus relapsus selbst nicht einmal von dem Papste losgesprochen werden: den Spaniern, die an der Spitze dieser Meinung standen, fuͤhlte Clemens noch immer kei- nen Muth entgegenzutreten Les intimidations qui furent faites au pape Clement VIII par le duc de Sessa: doch nicht sehr authentisch und vorlaͤngst in den Mémoires de m r le duc de Nevers II, p. 716 gedruckt, in Capefigue Histoire de la réforme tom. VII jedoch als etwas neues mitgetheilt. . Und war nicht die Partei, die ihn um seine Gnade ersuchte, doch in der That im Gegensatz gegen die Anspruͤche der roͤmischen Kirche begrif- fen? — „die Ungetreuen der Krone und der Kirche“, wie er sich ausdruͤckte, „Bastarde, Kinder der Magd und nicht der Hausfrau: waͤhrend die Liguisten sich als echte Soͤhne ausgewiesen“ Disp. 20 Ag. 1593. Nachricht von der Bekehrung Hein- richs. II papa non s’era per tali avisi molto alterato e tuttavia restava con l’animo molto involto nelli suoi soliti dubbj e per- plessità. Dem venezianischen Gesandten sagt er, Heinrich sey und bleibe ein haereticus relapsus, man koͤnne auf seine Aenderung sich nicht verlassen. . Gewiß, es haͤtte auch diesseit noch immer ein Entschluß dazu gehoͤrt ihre Bitte zu gewaͤhren: Cle- mens konnte sich noch nicht dazu ermannen Relatio dictorum a Clemente VIII papa die 28 dec. 1593 in consistorio. Mém. de Nevers II, 638. . Nevers trat in Rom mit dem doppelten Selbstgefuͤhl eines hohen Buch VI. Innere Streitigkeiten . Ranges und der Bedeutung seiner Mission auf: er zwei- felte nicht, daß er mit Freuden werde angenommen werden: in diesem Sinne druͤckte er sich aus: in demselben Tone war auch das Schreiben des Koͤnigs abgefaßt, das er mitbrachte. Der Papst fand, es laute als sey der Koͤnig nicht allein lange katholisch, sondern als komme er wie ein zweiter Carl der Gr. von einem Siege uͤber die Feinde der Kirche zuruͤck. Nevers erstaunte ganz, wie kalt er empfangen ward, wie wenig er mit seinen Antraͤgen Gehoͤr fand. Da alles ver- geblich war, fragte er endlich den Papst, was der Koͤ- nig thun solle um die Gnade Seiner Heiligkeit zu verdie- nen. Der Papst entgegnete: es gebe in Frankreich Theo- logen genug, um es ihm anzugeben. „Wird aber Eure Heiligkeit damit zufrieden seyn, was die Theologen sagen?“ Der Papst weigerte sich darauf zu antworten. Nicht ein- mal als Botschafter Heinrichs wollte er ihn betrachten, sondern nur als Louis Gonzaga, Herzog von Nevers: alles was zwischen ihnen gesprochen worden, wollte er nicht als eine amtliche Unterhandlung, sondern nur als ein privates Zwiegespraͤch angesehn wissen: er war nicht dazu zu brin- gen eine schriftliche Resolution von sich zu geben. „Es bleibt mir nichts uͤbrig“, sagte Nevers dem Cardinal To- ledo, der ihm diese Willensmeinung des Papstes hinter- brachte, „als das Ungluͤck zu beklagen, das die Wuth der Soldaten bei wieder ausbrechendem Kriege uͤber Frankreich bringen wird.“ Der Cardinal sagte kein Wort: er laͤ- chelte. Nevers verließ Rom und machte seinem Unmuth in bittern Relationen Luft Zwei Schriften, aber fast durchaus des nemlichen Inhal- . Absolution Heinrichs IV. Der Mensch hat in der Regel nur Gefuͤhl fuͤr seine persoͤnliche Stellung. Die roͤmische Curie weiß nur was ihr selber frommt: eine wahre Theilnahme an dem Schick- sale von Frankreich finden wir nicht bei ihr. Zwar kennen wir diesen Papst genug um zu glauben, daß er die Anhaͤnger Heinrichs nicht ganz von sich gesto- ßen haben wird, jetzt noch viel weniger als fruͤher, da sie um so vieles maͤchtiger waren. Einem geheimen Agen- ten gab er vielmehr die Versicherung, der Koͤnig moͤge sich nur erst vollkommen katholisch zeigen, dann werde es an einer Absolution nicht fehlen. Es bezeichnet ihn, daß er, der oͤffentlich so entschieden ablehnte an der Ruͤckkehr des Koͤnigs zum katholischen Glauben Antheil zu nehmen, den Großherzog von Toscana insgeheim wissen ließ, bei alle dem koͤnne er nichts dagegen haben, was der Clerus in Frankreich thun wolle. Auch jetzt mußte der Großherzog den Oberhaͤuptern der katholischen Royalisten beguͤtigende Erklaͤrungen des Papstes mittheilen Davila lib. XIV, p. 939. . Aber mit alle dem sorgte er eigentlich nur fuͤr seine eigene Zukunft: in Frank- reich gingen deshalb doch die Dinge wie sie konnten. Der Stillstand war abgelaufen: das Schwert ward wieder gezogen: es kam nochmals auf das Kriegsgluͤck an. Jetzt aber entschied sich die Ueberlegenheit Heinrichs IV. tes: Discours de ce que fit m r de Nevers a son voyage de Rome en l’année 1593 und Discours de la legation de m r le duc de Nevers: beide im zweiten Bande der angefuͤhrten Memoiren von Nevers, die erste ziemlich woͤrtlich bei Cayet. Auszuͤge bei Thuan, Davila und neuerdings, gleich als aus unbekannten Acten gezogen, bei Capefigue. Buch VI. Innere Streitigkeiten . auf der Stelle. Den Befehlshabern fehlte die Sicherheit der Ueberzeugung, die ihnen fruͤher eine so starke Haltung gegeben hatte: die Lehren der Politiker, der Uebertritt des Koͤnigs, der gute Fortgang seines Gluͤckes hatte sie alle in ihrem Herzen erschuͤttert. Einer nach dem Andern ging uͤber, ohne auf den Mangel der paͤpstlichen Absolution zu achten. Der Befehlshaber in Meaux, dem die Spanier die Besoldung seiner Truppen nicht mehr zahlten, Vitri, machte den Anfang: in Orleans, Bourges, Rouen folgte man nach. Noch kam das Meiste darauf an, was in Pa- ris geschehen wuͤrde. Hier hatte die politische, national- franzoͤsische Gesinnung, nach manchen Schwankungen, voͤl- lig das Uebergewicht bekommen, die besten Familien an sich gezogen, und die wichtigsten Stellen aus ihrer Mitte besetzt. Die bewaffnete Buͤrgerschaft ward bereits in ih- rem Sinne befehligt: so ward Hotel de Ville regiert: Pre- vost des Marchands und Eschevins gehoͤrten bis auf ei- nen Einzigen dieser Meinung an. Unter diesen Umstaͤnden konnte die Ruͤckkehr des Koͤnigs keine Schwierigkeit mehr haben. Am 22. Merz 1594 fand sie Statt. Heinrich IV. erstaunte, sich von dem Volke, das ihm so lange Wider- stand entgegengesetzt, mit so vollem freudigem Lebehoch be- gruͤßt zu sehen: er glaubte abnehmen zu duͤrfen, daß es bisher unter tyrannischer Herrschaft gestanden; aber so ganz ist dieß doch nicht wahr: die Gesinnung der Ligue hatte wirklich die Gemuͤther beherrscht: jetzt aber war eine an- dere an ihre Stelle getreten. Die Ruͤckkehr des Koͤnigs war hauptsaͤchlich ein Sieg der politischen Meinung. Die Liguisten erfuhren nun eine Verfolgung, wie sie selber so Absolution Heinrichs IV. oft verhaͤngt hatten. Mit den spanischen Truppen verlie- ßen so einflußreiche Stifter und Oberhaͤupter wie der ge- walkige Boucher die Stadt: mehr als hundert Andere, die man fuͤr die Gefaͤhrlichsten hielt, wurden foͤrmlich verwie- sen. Alle Gewalten, das gesammte Volk leistete den Eid der Treue: auch die Sorbonne, deren halsstarrigste Mit- glieder, der Rector der Universitaͤt selbst, unter den Ver- wiesenen waren, unterwarf sich der zur Herrschaft gelang- ten Lehre. Wie so ganz anders lauteten nun ihre Beschluͤsse, als im Jahre 1589. Jetzt erkannte auch die Sorbonne an, daß alle Gewalt von Gott stamme, nach Roͤmer am 13ten, daß Jeder, der sich dem Koͤnig widersetze, Gott widerstehe und in Verdammung falle. Sie verwarf die Meinung, daß man einem Koͤnig den Gehorsam versagen koͤnne, weil er von dem Papst noch nicht anerkannt sey, als eine Ausstreuung boͤsgesinnter und uͤbelberathener Leute. Jetzt schwuren die Mitglieder der Universitaͤt saͤmmtlich, Rector, Decane, Theo- logen, Decretisten, Mediciner, Artisten, Moͤnche und Con- ventuale, Schuͤler und Beamte, Heinrich IV. Treue und Ge- horsam und verpflichteten sich ihr Blut fuͤr ihn zu verspruͤtzen. Ja, was mehr ist, auf den Grund dieser ihrer neuen Rechtglaͤubigkeit begann die Universitaͤt sofort einen Feld- zug gegen die Jesuiten. Sie machte denselben ihre auf- ruͤhrerischen Grundsaͤtze, die sie freilich fruͤher selbst getheilt hatte, und ihre spanische Gesinnung zum Vorwurfe. Eine Zeitlang vertheidigten sich die Jesuiten nicht ohne Erfolg. Da aber noch in demselben Jahre ein Mensch, der ihre Schulen besucht, Jean Chastel Juvencius: partis V lib. XII n. 13 gibt folgende Schil- , einen Mordversuch Buch VI. Innere Streitigkeiten . auf den Koͤnig unternahm, und in seinem Verhoͤre be- kannte, von den Jesuiten oftmals gehoͤrt zu haben, daß man einen Koͤnig toͤdten duͤrfe der mit der Kirche nicht versoͤhnt sey, so konnten sie dem allgemeinen Succeß der Partei, die sie immer bekaͤmpft hatten, nicht laͤnger wider- stehn: kaum ward das Volk abgehalten ihr Collegium zu stuͤrmen: endlich wurden alle Mitglieder des Ordens als Verfuͤhrer der Jugend, Stoͤrer der oͤffentlichen Ruhe, Feinde des Koͤnigs und des Staates verurtheilt das Reich bin- nen 14 Tagen zu raͤumen Annuae literae societatis Jesu 1596 p. 350. Tanta su- perat adhuc praeteriti naufragii fluctuatio ut nondum tabulas omnes atque armamenta disjecta collegerimus. . So nahm die Meinung, welche sich als Opposition in geringen Anfaͤngen festgesetzt hatte, Paris und allmaͤhlig das Reich ein und trieb ihre Gegner von dem Kampfplatz. Allenthalben vollzogen sich aͤhnliche Bewegungen. Taͤglich erfolgten neue Unterwerfun- gen: der Koͤnig war zu Chartres gekroͤnt und gesalbt wor- den: auf allen Kanzeln ward fuͤr ihn gebetet: die Moͤnchs- orden erkannten ihn an: er uͤbte die kirchlichen Berechtigun- gen der Krone, die so bedeutend sind, ohne Widerspruch aus. Er zeigte sich hiebei gut katholisch: wo der Ritus dieser Kirche in den letzten Unruhen abgekommen war, suchte derung des Verbrechers: Indoles juveni tristis ac tetrica, mores improbi, mens anxia recordatione criminum atque unius potis- simum quod matrem aliquando verberasset. — — Conscientia criminum ultrix mentem efferatam diro vexare pergebat metu: quem ut leniret, immane parricidium impos mentis an potius erebi furiis incitatus designat, quo tanquam de religione ac regno bene meritus peccatorum veniam facilius, ut demens re- putabat, consequeretur. Absolution Heinrichs IV. er ihn herzustellen: wo sich derselbe in ausschließender Ue- bung behauptet, bestaͤtigte er ihm dieses Recht in feierli- chen Privilegien. Alles das that er, ohne noch mit dem Papst versoͤhnt zu seyn. Fuͤr diesen ward es aber nun selbst zu einer dringenden Nothwendigkeit, auf die Aussoͤhnung zu denken Erst 5. Nov. 1594 findet der venezianische Gesandte den Papst in franzoͤsischen Angelegenheiten „meglio inclinato che nel passato“. . Haͤtte er sich laͤnger geweigert, so wuͤrde ein Schisma, eine factisch getrennte franzoͤsische Kirche haben entstehn koͤn- nen. Zwar setzten sich die Spanier noch immer dagegen. Sie behaupteten, Heinrich sey schlechterdings nicht wahr- haft bekehrt: ein Schisma sey erst recht zu fuͤrchten, wenn er die Absolution empfangen habe Ossat a m r de Villeroy Rome 6 dec. 1594. Lettres d’Ossat I, 53. : schon gaben sie die Gelegenheiten an, bei denen es ausbrechen muͤsse. Fuͤr den Papst gehoͤrte noch immer Entschluß dazu, sich im Wider- spruch mit Denen, deren Macht ihn umgab, die eine große Partei in der Curie hatten, von einer Meinung zu trennen, die fuͤr orthodox gegolten, fuͤr welche seine Vorfahren ihre geistlichen und weltlichen Waffen so oft in Bewegung ge- setzt, die er doch auch selbst mehrere Jahre gebilligt hatte; allein er sah ein, daß jeder Aufschub verderblich werden muͤsse, daß er von der andern Seite nichts mehr erwar- ten duͤrfe: er fuͤhlte, daß die in Frankreich emporgekommene Gewalt, wenn sie auch in geistlichen Dingen einen gewis- Buch VI. Innere Streitigkeiten . sen Gegensatz gegen die strengen Doctrinen bilde, doch in den weltlichen eine offenbare Sympathie mit den roͤmischen Interessen habe: vielleicht ließ sich jener noch beseitigen und diese um so besser benutzen: genug, jetzt zeigte sich Clemens bereitwillig, so wie das erste Wort an ihn gerichtet wurde. Wir haben die Berichte des franzoͤsischen Bevollmaͤchtigten d’Ossat uͤber seine Unterhandlungen: sie sind angenehm, unterrichtend, lesenswuͤrdig: aber ich finde nicht, daß er große Schwierigkeiten zu uͤberwinden gehabt haͤtte: es waͤre unnuͤtz seine Schritte im Einzelnen zu begleiten: die allgemeine Lage der Dinge hatte den Papst schon be- stimmt. Es kam nur darauf an, daß der Koͤnig dagegen auch dem Papst einige Forderungen bewilligte. Die Un- guͤnstigen haͤtten diese gern so hoch als moͤglich gesteigert: denn der groͤßten Sicherheiten beduͤrfe die Kirche in diesem Falle: der Papst blieb bei ertraͤglichern stehn. Er forderte besonders die Herstellung des Katholicismus in Bearn: die Einfuͤhrung des Concils von Trient, so weit es mit den Gesetzen des Landes vereinbar sey: genaue Beobachtung des Concordates: die Erziehung des praͤsumtiven Thronerben, des Prinzen Cond é , im katholischen Glauben. Auch fuͤr den Koͤnig blieb es noch allemal sehr wuͤnschenswerth sich mit dem roͤmischen Stuhle zu versoͤhnen. Seine Macht beruhte auf seinem Uebertritt zum Katholicismus: erst durch die Absolution des Papstes erhielt dieser Act vollstaͤndige Be- glaubigung: wiewohl bei weitem die Meisten sich gefuͤgt, so gab es doch immer noch Einige, die den Mangel der- selben als den Grund ihres fortgesetzten Widerstandes gel- Absolution Heinrichs IV. tend machten Du Perron au roi 6 nov. 1595: De toucher icy, com- bien l’authorité et la faveur de ce siége estant entre vos mains vous peut servir d’un utile instrument non seulement pour re- mettre et conserver vos sujets en paix et en obeissance, mais aussi pour vous preparer toutes sortes de grandeur hors de vo- stre royaume, et a tout le moins pour tenir vos ennemis en quelque crainte et devoir par l’apprehension de la meme auto- rité dont ils se sont aydez pour troubler vos estats et vos peu- ples, ce seroit un discours superflu. Les ambassades du cardi- nal du Perron I, 27. . Heinrich IV. ging ohne viel Schwierig- keit auf jene Bedingungen ein: — schon hatte er ihre Er- fuͤllung zum Theil von selbst eingeleitet: es lag ihm am Herzen sich gut katholisch zu zeigen: wie viel maͤchtiger er jetzt auch war als bei der Mission des Herzogs von Nevers, so lautete doch das Schreiben, in welchem er nun- mehr den Papst um seine Absolution ersuchte, um vieles demuͤthiger und unterwuͤrfiger als damals. „Der Koͤnig“, heißt es darin Requête du roi in den Anmerkungen des Amelot bei Ossat I, 160. , „kehrt zu den Fuͤßen Eurer Heiligkeit zu- ruͤck, und fleht sie in aller Demuth bei den Eingeweiden unsers Herrn Jesu Christi an, ihm ihren heiligen Segen und ihre hoͤchste Absolution verleihen zu wollen.“ Der Papst fuͤhlte sich vollkommen befriedigt Der roͤmische Hof fand den Entschluß noch immer rasch und gewagt. Dolfino Relatione: I più gravi negotii il papa ha sa- puto espedire e molto bene e molto ancora con gran celerità: perchè con tanti contrarj quanti ogn’uno sa benedisse il re di Francia, lo accettò nel grembo della chiesa, mandòli un le- gato nel tempo che tutti lo ributtavano sotto pretesto che non fosse sua dignità mandarlo avanti che’l re mandasse il suo ambasciatore a Roma, et in quello l’autorità della S ria V ra giovò . Buch VI. Innere Streitigkeiten . Es war nur noch uͤbrig, daß auch das Collegium der Cardinaͤle sich einverstanden erklaͤrte. Der Papst wollte es doch nicht auf ein regelmaͤßiges Consistorium ankommen lassen: leicht haͤtte die Consequenz bisheriger Beschluͤsse ein unbequemes Resultat herbeifuͤhren koͤnnen: er lud die Car- dinaͤle ein, ihm in besondern Audienzen ihre Meinung einzeln zu eroͤffnen: eine Auskunft die in aͤhnlichen Faͤllen schon oͤfter beliebt worden war. Als er alle vernommen, erklaͤrte er, zwei Drittheil der Stimmen seyen fuͤr die Ab- solution. Und so schritt man am 17. Dez. 1595 zur Vollzie- hung der Ceremonie. Vor der Peterskirche war der Thron des Papstes errichtet: Cardinaͤle und Curie umgaben ehr- erbietig ihr Oberhaupt. Das Gesuch des Koͤnigs, die Be- dingungen, zu denen er sich verstanden hatte, wurden ver- lesen. Hierauf warfen sich die Stellvertreter des allerchrist- lichsten Koͤnigs zu den Fuͤßen des Papstes nieder: mit einem leichten Ruthenschlag ertheilte er ihnen seine Absolution. Wie so vollkommen in dem Glanze seiner altherkoͤmmlichen Au- toritaͤt erschien hier noch einmal der paͤpstliche Stuhl Ossat, sonst uͤber alles hoͤchst ausfuͤhrlich, geht I, 168 uͤber die Ceremonie leichten Fußes hinweg. Tout s’y est passé, sagt er, convenablement à la dignité de la couronne très chrétienne. Nicht Alle theilten diese Meinung. . Auch ward in der That ein großer Erfolg hiemit be- zeichnet. Die herrschende Gewalt in Frankreich, nunmehr in sich stark und wohlgegruͤndet, war wieder katholisch; sie hatte ein Interesse dabei mit dem Papst gut zu stehn. Es assai, che così mi disse S. S à , per diversi offici che a quel tempo io aveva fatto a nome di lei. Absolution Heinrichs IV. bildete sich hier ein neuer Mittelpunkt fuͤr die katholische Welt, von dem eine große Wirkung ausgehn mußte. Naͤher betrachtet sprangen dann zwei verschiedene Sei- ten dieses Erfolges hervor. Nicht durch unmittelbare Einwirkung des Papstes, nicht durch einen Sieg der strengen Partei war Frankreich wieder gewonnen: es war vielmehr durch eine Vereinigung der gemaͤßigten, mittleren Meinungen, durch die Ueberlegen- heit einer Gesinnung, die sich als Opposition constituirt hatte, geschehen. Daher kam es, daß die franzoͤsische Kirche eine ganz andere Stellung einnahm, als die italienische, als die niederlaͤndische, die neu eingerichtete deutsche. Sie un- terwarf sich dem Papst, aber sie that es mit einer Frei- heit und innern Selbstaͤndigkeit, die sich auf ihren Ur- sprung gruͤndete, deren Gefuͤhl sich niemals wieder verlor. In so fern konnte der paͤpstliche Stuhl Frankreich bei weitem nicht als eine reine Eroberung betrachten. Um so vortheilhafter aber war ihm die andere, die po- litische Seite. Das verlorene Gleichgewicht war hergestellt: — zwei große, auf einander eifersuͤchtige, in unaufhoͤrli- chem Wettstreit begriffene Maͤchte hielten einander wechsel- seitig in Schranken: beide waren katholisch und konnten doch zuletzt in Einem Sinne geleitet werden: zwischen bei- den aber nahm der Papst eine weit unabhaͤngigere Stel- lung ein, als es ihm und seinen Vorgaͤngern lange Zeit moͤglich gewesen. Von den Banden, mit denen ihn bis- her das spanische Uebergewicht umfaßt hatte, ward er um vieles freier. Zuerst tritt in dem Fortgange der Begebenheiten diese Buch VI. Innere Streitigkeiten . politische Richtung hervor. Bei dem Heimfalle von Fer- rara an den paͤpstlichen Stuhl zeigte sich der franzoͤsische Einfluß zum ersten Mal wieder in italienischen Geschaͤften. Ein Ereigniß das auch sonst fuͤr die Machtentwickelung des Kirchenstaates von großem Belange ist: das hier, wie ja auch in der Aufmerksamkeit der Mitlebenden, die Angele- genheiten der Religion unterbrechen mag. Beginnen wir mit einem Ruͤckblick auf das Land unter seinem letzten Fuͤrsten. Ferrara unter Alfonso II. Man nimmt haͤufig an, Ferrara sey unter dem letz- ten Este in besonders bluͤhendem Zustande gewesen: doch ist dieß wohl eine Taͤuschung, wie so viele andere, die auf der Abneigung gegen die weltliche Herrschaft von Rom beruht. Montaigne besuchte Ferrara unter Alfonso II. Er bewundert die breiten Straßen der Stadt, die schoͤnen Pal- laͤste: aber schon er findet sie oͤde und menschenleer, wie die heutigen Reisenden Montaigne: Voyage I, 226—231. . Der Wohlstand der Landschaft beruhte auf der Erhaltung der Daͤmme, der Regulirung der Gewaͤsser: aber weder die Daͤmme noch die Fluͤsse und Canaͤle wurden recht in Ordnung gehalten: nicht selten traten Ueberschwemmungen ein: Volana und Primaro ver- sandeten, so daß die Schiffahrt daselbst ganz aufhoͤrte Eine Relation uͤber den Kirchenstaat aus dem Anfange des siebzehnten Jahrhunderts behauptet, der Herzog habe die Bauern, welche die Pflicht hatten am Po zu arbeiten, bei seinem Landgut Me- sola verwendet, so daß dort alles in Verfall gerathen sey und nicht habe wieder hergestellt werden koͤnnen. ( Inff. politt. tom. IX. ) . Noch Ferrara unter Alfonso II. Noch ein groͤßerer Irrthum aber waͤre es, die Un- terthanen dieses Hauses fuͤr frei und gluͤcklich zu hal- ten. Alfonso II. machte die Rechte seiner Kammer auf das strengste geltend. Bei jedem Contract, selbst wenn er nur ein Darlehn betraf, fiel der Zehnte an den Herzog; er nahm den Zehnten von allem, was in die Stadt einging. Er hatte das Salzmonopol: er belastete das Oel mit einer neuen Auflage: auf den Rath seines Zollverwalters Chri- stofano da Fiume nahm er endlich auch den Handel mit Mehl und Brot an sich: nur von den herzoglichen Beam- ten durfte man dieß erste aller Lebensbeduͤrfnisse an sich bringen: kein Nachbar haͤtte gewagt dem andern eine Schuͤs- sel Mehl zu borgen Frizzi: Memorie per la storia di Ferrara tom. IV, p. 364. Hauptsaͤchlich Manolesso: Relatione di Ferrara. Il duca non è così amato come li suoi precessori e questo per l’austerità et esat- tioni che fa Christofano da Fiume cognominato il Frisato (Sfre- giato) suo gabelliere. — Il Frisato s’offerse di vendere miglior mercato le robbe a beneficio del popolo di quello che facevano gli altri e di darne molto utile a S. Ecc za : piacque il partito al duca: — ma se bene il Frisato paga al duca quello che gli ha data intentione, non sodisfa però al popolo, vendendo la robba cattiva quanto alla qualità e molto cara quanto al prezzo. . Selbst den Edelleuten war die Jagd nur auf wenige Tage und nie mit mehr als etwa drei Hunden gestattet. Eines Tages sah man auf dem Marktplatz sechs Gehaͤngte: todte Fasanen waren an ihre Fuͤße gebunden: zum Zeichen, sagte man, daß sie bei ei- nem Diebstahl in der herzoglichen Fasanerie erschossen worden. Wenn man demnach von der Bluͤthe und Regsamkeit von Ferrara redet, so kann man nicht Land und Stadt, man kann nur den Hof meinen. Päpste* 17 Buch VI. Innere Streitigkeiten . In jenen Stuͤrmen der ersten Jahrzehende des sechs- zehnten Jahrhunderts, in denen so viel bluͤhende Haͤuser, so viel maͤchtige Herrschaften untergegangen, und ganz Ita- lien von Grund aus umgewandelt worden, hatte sich das Haus Este durch geschickte Politik und herzhafte Verthei- digung unter allen Gefahren zu behaupten gewußt. Es vereinigte aber hiemit noch andere Eigenschaften. Wer hat nicht von jenem Stamme gelesen, der, wie Bojardo sich aus- druͤckt, dazu bestimmt war, Tapferkeit, Tugend, Courtoisie, heiteres Leben in der Welt zu erhalten Bojardo: Orlando innamorato II, 22. Da questa (stirpe) fia servato ogni valore, ogni bontade et ogni cortesia, amore, leggiadria, stato giocundo tra quella gente fiorita nel mundo. : von seinem Wohnsitz, den er, wie Ariosto sagt, nicht allein mit koͤniglichen Gebaͤu- den, sondern auch mit schoͤnen Studien und trefflichen Sit- ten ausgestattet Ariosto: Orlando furioso XXXV, 6. Non pur di mura e d’ampli tetti regj, ma di bei studi e di costumi egregi. . Haben sich die Este ein Verdienst er- worben, indem sie Wissenschaften und Poesie beguͤnstigten, so sind sie reichlich dafuͤr belohnt worden. Das Andenken des Glanzes und der Macht, welche rasch voruͤbergehn, hat sich mit dem Andenken der Autoren fortgepflanzt, welche immer leben. Wie es nun unter den fruͤhern Herzogen gewesen, so suchte es Alfonso II. zu erhalten. Die nemlichen Gesichts- punkte verfolgte auch er. Zwar hatte er nicht so schwere Stuͤrme zu bestehn Ferrara unter Alfonso II. wie seine Vorfahren: indeß, da er mit Florenz in unauf- hoͤrlichem Mißvernehmen stand, und auch des Papstes, sei- nes Lehensherrn, nicht immer ganz sicher war, so hielt auch er sich fortwaͤhrend geruͤstet. Ferrara galt nach Pa- dua fuͤr die vornehmste Festung von Italien: 27000 Mann waren in die Milizen eingeschrieben Relatione sopra la Romagna di Ferrara: Erano descritti nelli rolli della militia dal commissario della battaglia a ciò de- putato tutti i sudditi atti a portar armi. Erano costretti a starne provisti per haver da servire nell’ occasioni a piedi o a cavallo secondo le forze delle loro facoltà e godevano essi al- cune esentioni. : Alfonso suchte den militaͤrischen Geist zu erhalten. Um alsdann der Beguͤnsti- gung welche Toscana an dem paͤpstlichen Hofe fand, eine Freundschaft von nicht minderm Belang entgegensetzen zu koͤnnen, hielt er sich an die deutschen Kaiser. Nicht selten ging er mit glaͤnzendem Gefolge uͤber die Alpen: er ver- maͤhlte sich mit einer oͤstreichischen Prinzessin: er sprach, wie man versichert, deutsch: im Jahre 1566 zog er mit einer Schaar, die sich auf viertausend Mann belaufen konnte, dem Kaiser wider die Tuͤrken nach Ungarn zu Huͤlfe. Ebenso bildete sich auch unter ihm das literarische Element in Hof und Staat weiter aus. Selten mag ir- gendwo anders die Verbindung so enge gewesen seyn. Zwei Professoren der Universitaͤt, Pigna und Montecatino wur- den nach einander die ersten Minister des Landes: sie ga- ben darum ihre literarischen Bestrebungen nicht auf: we- nigstens Pigna hielt, als er die Geschaͤfte leitete, noch immer seine Vorlesungen, und ließ von Zeit zu Zeit ein Buch erscheinen Manolesso: Segretario intimo è il S r Giovamb. Pigna, . Battista Guarini, der Dich- 17* Buch VI. Innere Streitigkeiten . ter des Pastor fido, ward als Gesandter nach Venedig, nach Polen abgeordnet. Selbst Franz Patrizi, obwohl er sich mit abstrusen Gegenstaͤnden beschaͤftigte, ruͤhmt doch die Theilnahme, die er bei Hofe gefunden. Es war hier alles eins. Mit den Wettkaͤmpfen der Wissenschaft wechsel- ten Disputationen ab, welche Streitfragen der Liebe betra- fen, wie z. B. Tasso, der eine Zeitlang auch an der Uni- versitaͤt angestellt war, einmal eine hielt. Bald gab die Universitaͤt, bald der Hof ein Schauspiel: das Theater hatte noch einen literarischen Reiz, da es noch immer neue Formen suchte, und eben damals die Pastorale ausbildete, die Oper begruͤndete. Zuweilen treffen dann fremde Ge- sandte, Cardinaͤle, Fuͤrsten ein, wenigstens die benachbar- ten, von Mantua, Guastalla, Urbino, wohl auch ein Erz- herzog. Dann erscheint der Hof in seinem vollen Glanze: man gibt Turniere, bei denen der Adel des Landes die Kosten nicht spart: zuweilen turnieren hundert Ritter auf dem Schloßhof. Es sind dieß zugleich Darstellungen aus der Fabel, nach irgend einem poetischen Werke: wie schon ihre Namen anzeigen: der Tempel der Liebe Auszuͤge aus damals erschienenen Beschreibungen, z. B. dem tempio d’amore, bei Muratori, Serassi und Frizzi. , die selige Insel: verzauberte Castelle werden vertheidigt und erobert. Die eigenste Verbindung von Poesie, Gelehrsamkeit, per mano del quale passano tutti negotii. Legge publicamente la filosofia morale, e scrive l’istoria della casa d’Este: è ora- tore filosofo e poeta molto eccelente: possiede benissimo la lin- gua Greca, e servendo il suo principe ne’ negotii e trattando e iscrivendo quanto occorre, non tralascia però i studi, et in tutte le professioni è tale che pare che ad una sola attenda. Ferrara unter Alfonso II. Politik und Ritterschaft. Die Pracht wird durch ihren Sinn geadelt, die Geringfuͤgigkeit der Mittel durch den Geist ergaͤnzt. In den Reimen und dem epischen Gedichte des Tasso tritt uns dieser Hof lebendig entgegen. Der Fuͤrst, „dem man Hochherzigkeit und Kraft ansieht, von dem man nicht weiß ob er ein besserer Ritter oder Anfuͤhrer ist“, seine Gemahlinn, vor allem seine Schwestern. Die aͤltere, Lucrezia, die nur eine kurze Zeit bei ihrem Gemahl in Ur- bino, uͤbrigens aber immer in Ferrara lebte, und hier auch Einfluß anf die Geschaͤfte hatte, hauptsaͤchlich aber litera- rischen und musikalischen Bestrebungen Schwung und An- trieb gab: sie ist es die Tasso an dem Hofe befoͤrdert hat: die juͤngere, Leonora, in beschraͤnktern Verhaͤltnissen, still, kraͤnklich, zuruͤckgezogen: aber wie ihre Schwester von star- ken Zuͤgen des Gemuͤths Im Jahre 1566 hat sie in Abwesenheit des Herzogs die Regentschaft gefuͤhrt, nach Manolesso „con infinita sodisfattione de’ sudditi“: — non ha preso, faͤhrt er fort, nè vuol prendere marito, per esser di debolissima complessione: è però di gran spirito. . Waͤhrend eines Erdbebens weigerten sie sich beide das Schloß zu verlassen: besonders Leonora gefiel sich in einer stoischen Gleichmuͤthigkeit: als sie endlich nachgaben, war es die hoͤchste Zeit: unmittel- bar hinter ihnen stuͤrzte die Decke ein. Man hielt Leo- nora fast fuͤr eine Heilige: ihren Gebeten schrieb man die Rettung von einer Ueberschwemmung zu Serassi: Vita di Torquato Tasso p. 150. . Tasso widmet ihnen eine ihrer Gemuͤthsart entsprechende Verehrung: der juͤngern gemaͤßigt, selten, immer als ginge er mit Absicht Buch VI. Innere Streitigkeiten . nicht weiter heraus: der aͤltern ohne alle Zuruͤckhaltung: er vergleicht sie mit der vollen duftenden Rose, der das minder frische Alter ihren Reiz nicht entrissen, u. s. w. Neben ihnen erscheinen auch andere Damen: Barbara San- severina und ihre Tochter Leonora Sanvitale: Tasso hat die ruhige Zuversicht der Mutter, den heitern Reiz jugendlicher Schoͤnheit in der Tochter unuͤbertrefflich geschildert: kein Bildniß koͤnnte sie besser vergegenwaͤrtigen. Es folgen die Lustschloͤsser die man besucht, die Jagden und die Spiele die man anstellt, das ganze Thun und Treiben in dem man sich ergeht; wer kann sich des Eindrucks erwehren, den diese in vollem reichem Wohllaut daherstroͤmende Beschrei- bung hervorbringt. Jedoch diesem Eindruck darf man sich nicht ganz uͤber- lassen. Dieselbe Gewalt, die das Land in so vollkommenem Gehorsam hielt, machte sich auch an dem Hofe fuͤhlbar. Jene Scenen der Poesie und des Spieles wurden zu- weilen durch ganz andere unterbrochen. Die Vornehmen wurden so wenig geschont wie die Gemeinen. Es war ein Gonzaga ermordet worden. Jedermann gab dem jungen Ercole Contrario den Mord Schuld und wenigstens hatten die Moͤrder auf einem Gute desselben Auf- nahme gefunden. Der Herzog forderte ihre Auslieferung: der junge Contrario, um nicht durch sie angeklagt zu werden, ließ sie gleich selber umbringen, und nur die Leich- name uͤberlieferte er dem Herzog. Hierauf ward er ei- nes Tages selbst an Hof beschieden: am 2. August 1575 hatte er seine Audienz. Die Contrarj waren das reichste und aͤlteste Geschlecht von Ferrara: Ercole war der letzte Ferrara unter Alfonso II. Sproͤßling: nicht lange nachdem er in den Pallast getreten, ward er todt aus demselben herausgetragen. Der Herzog sagte, der junge Mensch sey im Gespraͤch mit ihm ploͤtz- lich vom Schlage geruͤhrt worden. Allein Niemand glaubte ihm das, an der Leiche nahm man Spuren von Gewaltthaͤ- tigkeiten wahr: auch bekannten die Freunde des Herzogs, der Herr habe ihn toͤdten lassen, sie entschuldigten ihn nur damit, daß er den beruͤhmten Namen nicht mit einer schimpf- lichern Todesart habe schaͤnden wollen Frizzi: Memorie IV, 382. . Eine Justiz die Jedermann in Schrecken hielt. Das Schlimmste ist, daß die Guͤter des Hauses nunmehr an den Herzog fallen mußten. Aber uͤberhaupt waͤre es Keinem zu rathen gewesen sich dem Herrn im Mindesten entgegenzusetzen Wenn Tasso nicht in gutem Humor ist, druͤckt er sich an- ders aus als oben: Perchè io conosceva, sagt er in einem Schrei- ben an den Herzog von Urbino, il duca per natural inclinatione dispostissimo alla malignità e pieno d’una certa ambitiosa alte- rezza, la quale egli trae della nobiltà del sangue e della co- noscenza ch’egli ha del suo valore, del quale in molte cose non si da punto ad intendere il falso — — (Lettere n. 284. Opere tom. IX, 188.) . Dieser Hof war ein sehr schluͤpfriger Boden. So fein Monteca- tino auch war, so konnte er sich doch nicht bis zuletzt hal- ten. Panigarola, damals der beruͤhmteste Prediger in Ita- lien, war nicht ohne Muͤhe nach Ferrara gezogen worden: ploͤtzlich ward er mit Ungestuͤm verwiesen: man fragte sich, was sein Verbrechen sey: man fand nichts, als daß er we- gen einer Befoͤrderung nach einer andern Seite hin unterhan- delt habe. Da konnte auch der unbestaͤndige, reizbare, me- Buch VI. Innere Streitigkeiten . lancholische Tasso sich auf die Laͤnge nicht behaupten. Der Herzog schien ihn zu lieben, hoͤrte ihn gern, nahm ihn oft mit sich aufs Land, und verschmaͤhte es sogar nicht die Schilderun- gen des Kriegswesens, die in der Gerusalemme vorkommen, zu berichtigen. Aber seit Tasso einmal Miene gemacht in die Dienste der Medici uͤberzutreten, wurden sie nie wieder rechte Freunde: der arme Dichter entfernte sich: durch einen unwiderstehlichen Hang gezogen kehrte er wieder zuruͤck: dann waren einige Schmaͤhworte, die er in einem Anfall seiner Melancholie ausstieß, hinreichend um den Herzog zu bestimmen, daß er den Ungluͤcklichen sieben lange Jahre hindurch gefangen hielt Serassi: Vita del Tasso p. 282. . Es ist das noch einmal ganz das italienische Fuͤrsten- thum, wie es im funfzehnten Jahrhundert ausgebildet wor- den: auf wohlberechneten politischen Verhaͤltnissen beruhend, in dem Innern unbeschraͤnkt und gewaltsam, mit Glanz umgeben, mit der Literatur verbuͤndet, eifersuͤchtig auch auf den Schein der Gewalt. Sonderbare Gestalt menschlicher Dinge! Die Kraͤfte des Landes bringen den Hof hervor, der Mittelpunkt des Hofes ist der Fuͤrst, das letzte Pro- duct des gesammten Lebens ist zuletzt das Selbstgefuͤhl des Fuͤrsten. Aus seiner Stellung zur Welt, dem Gehorsam den er findet, der Verehrung die man ihm widmet, ent- springt ihm das Gefuͤhl seines Werthes, seiner Bedeutung. Alfonso II. nun mußte begegnen, daß er von drei Ge- mahlinnen keine Nachkommen bekam. Es spricht seine ganze Politik aus, wie er sich unter diesen Umstaͤnden be- trug. Ferrara unter Alfonso II. Sein Absehen war doppelt: einmal die Unterthanen nicht glauben zu lassen, daß sie von seinem Hause abkom- men koͤnnten, sodann die Ernennung eines Nachfolgers in seiner Hand zu behalten und sich nicht etwa selbst einen Nebenbuhler aufzustellen. Im September 1589 gieng er nach Loreto, wo sich damals die Schwester Sixtus V , Donna Camilla, befand; er sparte weder Geschenke noch Versprechungen um sie zu ge- winnen. Sie sollte ihm, hoffte er, auswirken, daß er denje- nigen von seinen naͤchsten Verwandten zum Nachfolger er- nennen duͤrfe, den er fuͤr den geeignetsten halte. Kaum aber waren die Unterhandlungen eigentlich eroͤffnet, so starb Sixtus V. Durch aͤhnliche Mittel, Geschenke an die Schwaͤgerin des Papstes, Dienstbeflissenheit gegen den Neffen wußte sich Alfonso im Jahre 1591 Eingang bei Gregor XIV. zu verschaffen. Als er sah, daß er Hoffnung schoͤpfen duͤrfe, ging er selbst nach Rom um die Unterhandlung zu fuͤhren. Die erste Frage war, ob die Bulle Pius V , welche die Wiederverleihung heimgefallener paͤpstlicher Lehen verbot, sich auch auf Ferrara beziehe. Alfonso leugnete dieß, weil es noch niemals heimgefallen gewesen. Jedoch allzu deutlich waren die Worte: die Congregation entschied, die Bulle begreife allerdings auch Ferrara. Dann fragte sich nur, ob nicht ein Papst die Macht habe in einem besondern Falle eine besondere Bestimmung zu geben. Dieß wagte die Con- gregation nicht zu verneinen: jedoch setzte sie die Bedin- gung, daß die Nothwendigkeit dringend, der Nutzen au- Buch VI. Innere Streitigkeiten . genscheinlich sey Dispaccio Donato: „quando ci fusse evidentissima uti- lità et urgente necessità — — il che fu fatto per aprire la strada all’ intentione del S r duca. Der Cardinal S Severina behaup- tet, daß er es vorzuͤglich gewesen der die Absicht ruͤckgaͤngig gemacht habe, obwohl mit großer Schwierigkeit und unter vielem Wider- spruch: auch habe der Papst jenen Zusatz endlich bereut. . Hiedurch war ein großer Schritt ge- schehen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß wenn man ge- eilt und sogleich eine neue Investitur auf einen bestimm- ten Namen ausgefertigt haͤtte, die Sache zu dem erwuͤnsch- ten Ziele gebracht worden waͤre. Jedoch Alfonso wollte seinen Erben nicht nennen. Auch war er hieruͤber mit den Sfondrati nicht ganz einerlei Meinung: sie haͤtten Mar- chese Filippo von Este vorgezogen: ihm war sein naͤherer Vetter Cesare lieber. Hieruͤber verging die Zeit, und auch Gregor starb, ehe etwas festgesetzt worden Cronica di Ferrara Ms. der Bibl. Albani berichtet auch, es sey kein Zweifel, daß Gregor XIV. etwas fuͤr Ferrara gethan haben wuͤrde. Aus der Congregation sey er entruͤstet weggegangen, und daruͤber sey er krank geworden. Alfonso geht nach einer Villa des Cardinal Farnese „aspettando o vita o morte di questo papa. Venne la morte. Il duca ritornò.“ . Indessen hatte man auch die Unterhandlungen mit dem kaiserlichen Hofe eroͤffnet. Ferrara zwar war ein paͤpstliches, Modena und Reggio aber waren kaiserliche Lehen. Hier nun kam dem Herzog seine bisherige Politik zu Statten: mit dem leitenden Minister des Kaisers, Wolf Rumpf, stand er im besten Vernehmen. In der That gewaͤhrte ihm Ru- dolf II. die Erneuerung der Belehnung, und gestand ihm selbst eine Frist zu, innerhalb deren es ihm frei stehn solle, wen er selbst wuͤnsche als seinen Nachfolger zu ernennen. Desto hartnaͤckiger aber zeigte sich der nunmehrige Papst Ferrara unter Alfonso II. Clemens VIII. Es schien katholischer, kirchlicher ein Lehn einzuziehen, als es wieder zu vergeben: so hatte der h. Papst Pius V. verordnet. Noch im Jahre 1592 schlug Clemens im geheimen Consistorium die Bestaͤtigung jener Bulle, wie sie urspruͤnglich lautete, ohne den Zusatz Gre- gors XIV , vor: so ließ er sie durchgehn Dispaccio Donato 27 Dec. 1592. . Und nun war auch die vom Kaiser gesetzte Frist ver- strichen. Der Herzog mußte sich entschließen seinen Nach- folger zu bezeichnen. Alfonso I. hatte sich noch in spaͤtern Jahren mit Laura Eustochia vermaͤhlt, nachdem er bereits einen Sohn von ihr hatte: von diesem Sohne stammte Don Cesare d’Este: nach langem Zoͤgern ernannte ihn endlich der Herzog. Aber auch jetzt brauchte er noch die geheim- nißvollste Vorsicht. Ohne Jemandes Mitwissen, in einem eigenhaͤndigen Schreiben an den Kaiser, vollzog er die Er- nennung: zugleich aber bat er denselben auf das drin- gendste sie Niemand wissen zu lassen, selbst den ferrari- schen Gesandten nicht, der an dem kaiserlichen Hofe war, und seine Genehmigung nur dadurch auszusprechen, daß er das Schreiben selbst mit dem kaiserlichen Namenszug ver- sehen zuruͤcksende Relatione di quello che è successo in Ferrara dopo la morte del duca Alfonso (Ms. Barber.) Il duea fra l’anno con- cessogli di tempo alla dichiaratione scrisse di suo pugno una lettera all’imperatore e nominò Don Cesare, pregando calda- mente S. M. Ces a che in confirmatione del nominato sottoscri- vesse la sua, quale sigillata senza publicare il fatto la riman- dasse indietro per il conte Ercole Rondinelli, non conferen- dogli altramente il negotio. Il tutto faceva S. A. acciò Don Cesare non s’insuperbisse nè della nobiltà fusse riverito e cor- teggiato come lor principe. . Buch VI. Innere Streitigkeiten. Das hoͤchste Ansehen in dem kleinen Lande wollte er bis an seinen letzten Athemzug ungetheilt besitzen: er wollte nicht erleben, daß sein Hof sich der aufgehnden Sonne zu wende. Cesar selbst erfuhr nichts von der ihm zu Theil gewordenen Gnade: er ward sogar noch etwas strenger gehalten, der Glanz seiner Erscheinung ward noch etwas eingeschraͤnkt (nie sollte er mehr als drei Edelleute in seinem Gefolge haben), und erst als es mit dem Leben ganz voruͤber war, als die Aerzte die letzte Hoffnung auf- gegeben, ließ der Herzog ihn rufen, um ihm sein Gluͤck zu verkuͤndigen. In Gegenwart der vornehmsten Einwoh- ner ward das Testament eroͤffnet: diese wurden von dem Minister ermahnt, dem Haus Este getreu zu seyn: Cesarn sagte der Herzog, er hinterlasse ihm den schoͤnsten Staat der Welt, befestigt durch Waffen, Voͤlker, Verbuͤndete inner- halb und außerhalb Italiens, von denen er sich alle Huͤlfe versprechen koͤnne. Hierauf, an dem nemlichen Tage noch, starb Alfonso II: 27. October 1597. Eroberung von Ferrara. Ohne Widerspruch nahm Cesar die kaiserlichen Lehen in Besitz: auch die paͤpstlichen huldigten ihm: in Ferrara ward er von dem Magistrat mit dem herzoglichen Mantel beklei- det, von dem Volke mit jauchzendem Zuruf als der neue Fuͤrst begruͤßt. Hatte ihm aber sein Vorfahr von eigener Macht und fremder Unterstuͤtzung gesprochen, so kam er sogleich in den Fall auch diese zu erproben. Eroberung von Ferrara. Unerschuͤtterlich blieb Clemens bei seinem Entschlusse Ferrara einzuziehen. So viele Paͤpste hatten es fruͤher ver- sucht: er glaubte einen ewigen Nachruhm zu erwerben wenn er es vollbringe. Auf die Nachricht vom Tode Al- fonsos erklaͤrte er, es thue ihm leid, daß der Herzog kei- nen Sohn hinterlasse: aber die Kirche muͤsse das Ihre wie- derhaben. Die Gesandten Cesars wollte er nicht hoͤren, seine Besitzergreifung nannte er Usurpation: er bedrohte ihn mit der Strafe des Bannes, wofern er sie innerhalb 14 Ta- gen nicht aufgegeben habe: und um seinen Worten Nach- druck zu geben, begann er augenblicklich sich zu ruͤsten. Es ward eine neue Anleihe gemacht und ein neuer Monte gegruͤndet, um das Geld im Castell nicht angreifen zu muͤs- sen Obwohl Viele behaupten, es sey doch geschehen. Delfino sagt dagegen: Con gran strettezza de’ danari, senza metter mano a quelli del castello per conservar la riputatione della chiesa, in poco più di un mese ha posto insieme un esercito di 22 m. fanti e 3 m. cavalli. : in kurzem begab sich der Neffe des Papstes, Car- dinal Pietro Aldobrandino, von erfahrenen Kriegshaupt- leuten umgeben, nach Ancona, um ein Heer zusammenzu- bringen: nach allen Seiten sandte er Werber aus: die Pro- vinzen wurden zu starken Lieferungen genoͤthigt. Auch Cesar zeigte sich Anfangs muthvoll Niccolò Contarini delle historie Venetiane Ms. tom. I, lib. I. Cesare nel principio si mostrò molto coraggioso in vo- ler difender le sue ragioni, o perchè non prevedeva il contrasto o pur perchè gl’ inesperti come nei vicini pericoli s’atterri scono così nelli lontani si manifestano intrepidi. Uebrigens enthaͤlt die Erzaͤhlung Contarinis sehr viel gute exacte und eindringende Noti- zen uͤber dieß Ereigniß. . Er er- klaͤrte, er wolle sein gutes Recht bis auf den letzten Bluts- Buch VI. Innere Streitigkeiten. tropfen vertheidigen: es werde ihm an seiner Religion und Seligkeit nichts schaden: und so befestigte er seine Plaͤtze aufs neue: die Landmilizen traten in die Waffen: eine Trup- penschaar ruͤckte an die Grenzen des Kirchenstaates vor, und wir finden eine Aufforderung an ihn, in der Romagna zu erscheinen, wo man mit der paͤpstlichen Herrschaft unzu- frieden sey nnd sich nur einen Anlaß wuͤnsche sie zu stuͤr- zen. Ueberdieß hatte er das Gluͤck, daß auch die benach- barten italienischen Staaten fuͤr ihn Partei nahmen. Sein Schwager, der Großherzog von Toscana, erklaͤrte er werde ihn nicht verlassen. Die Republik Venedig hinderte den Papst in Dalmatien zu werben, und versagte ihm den Kriegsbedarf und die Waffen, die er aus Brescia ziehen wollte. Die Vergroͤßerung des Kirchenstaates war Allen von Herzen verhaßt. Waͤre Italien in einem Zustande gewesen wie hun- dert Jahre fruͤher, ziemlich unabhaͤngig von fremden Ein- wirkungen und auf sich selber angewiesen, so wuͤrde Cle- mens VIII. wahrscheinlich nicht mehr ausgerichtet haben als damals Sixtus IV: aber diese Zeiten waren voruͤber: jetzt kam alles auf die allgemeinen europaͤischen Verhaͤltnisse und die damaligen großen Maͤchte Frankreich und Spa- nien an. Die Neigungen der Spanier waren nun nicht sehr zweifelhaft. Cesar d’Este hatte ein so großes Vertrauen auf Philipp II , daß er ihn dem Papste zum Schiedsrichter vor- schlug: ganz unumwunden erklaͤrte sich der koͤnigliche Go- vernator in Mailand fuͤr Cesar: er bot demselben spanische Garnisonen fuͤr seine Plaͤtze an. Nur war doch auch nicht Eroberung von Ferrara. zu verkennen, daß der Koͤnig, der sein Lebenlang alle Be- wegungen in Italien verhindert hatte, Bedenken trug, in dem hohen Alter, in dem er war, nicht noch einen Krieg zu veranlassen, und sich mit außerordentlicher Vorsicht ver- nehmen ließ. Eine aͤhnliche beobachtete sein Gesandter in Rom Delfino meldet, wie viel man von ihm in Rom fuͤrchtete: Vi è un pensiero radicato a buon fundamento che la benedizione data al re di Franza sia stata offesa tale al cattolico et a Spa- gnuoli che non siano per scordarsela mai, e pare a S. S à es- serne molto ben chiarita in questa occasione di Ferrara. . Um so mehr kam unter diesen Umstaͤnden auf die Ent- scheidung Heinrichs IV. an: die Herstellung eines katho- lischen und maͤchtigen Frankreichs entwickelte sogleich eine hohe Bedeutung fuͤr Italien. Mit den italienischen Fuͤr- sten in Einverstaͤndniß hatte sich Heinrich IV. wieder erhoben: sie zweifelten nicht, daß er nun auch dank- bar seyn und in ihrer Differenz mit dem heiligen Stuhle sich auf ihre Seite schlagen werde. War doch die Krone Frankreich ohnehin dem Hause Este sehr verpflichtet. Waͤh- rend der buͤrgerlichen Kriege hatten die Este dem koͤnigli- chen Hause uͤber eine Million Scudi vorgestreckt, die noch nicht zuruͤckbezahlt worden, und die jetzt hingereicht haben wuͤrde, um ein Heer zu werben, dem kein Papst haͤtte Widerstand leisten koͤnnen. Dieß waren jedoch nicht die Betrachtungen, welche Heinrich IV. anstellte. Trotz seines Uebertrittes zum Ka- tholicismus mußte er noch immer gar Manches thun, was dem roͤmischen Hofe nicht anders als mißfallen konnte: in der Sache von Ferrara erblickte er nur eine Gelegenheit Buch VI. Innere Streitigkeiten. diese Dinge vergessen zu machen, die Lilien, wie seine Staats- maͤnner sich ausdruͤckten, am roͤmischen Hofe wieder em- porzubringen. Ohne alles Zoͤgern noch Schwanken ließ er dem heiligen Vater die Huͤlfe von Frankreich anbieten. Nicht allein sey er bereit, sobald es der Papst wuͤnsche, ein Kriegsheer uͤber die Berge zu senden, sondern auch im Nothfall mit seiner ganzen Macht und persoͤnlich ihm zu Huͤlfe zu kommen. Diese Erklaͤrung war es, was die Sache entschied. Der roͤmische Hof, der schon alle die Verlegenheiten fuͤhlte, in die ihn die Abneigung seiner Nachbarn und der offene Widerstand von Ferrara setzen konnte, schoͤpfte Athem. „Ich kann nicht ausdruͤcken“, schreibt Ossat an den Koͤ- nig, „wie viel Wohlwollen, Lob, Segen Ew. Majestaͤt fuͤr Ihr Erbieten zu Theil geworden ist.“ Er verspricht seinem Herrn, wenn er es ausfuͤhre, die Stellung eines Pip- pin und Carolus Magnus zu der Kirche. Seinerseits machte nun der Papst unverzuͤglich Anstalt zu der foͤrmli- chen Excommunication seines Gegners. Um so tiefer betroffen, erschrocken waren die Fuͤrsten: sie redeten von schwarzer Undankbarkeit: jetzt verloren sie den Muth Ferrara zu unterstuͤtzen: was sie sonst, offen oder geheim, ohne Zweifel aus allen Kraͤften gethan haben wuͤrden. Unmittelbar wirkte das dann auf Ferrara zuruͤck. Die strenge Regierung Alfonsos hatte nothwendiger Weise viel Unzufriedene gemacht. Cesar war neu in der Herrschaft, ohne rechte Talente und ganz ohne Uebung: mit den Mit- gliedern des geheimen Rathes machte er erst in den Sitzun- gen Eroberung von Ferrara . gen, die er als Fuͤrst hielt, naͤhere Bekanntschaft Niccolò Contarini. Cesare si ridusse in camera co’ suoi soli consiglieri, de’ quali molti, per la ritiratezza nella quale era vissuto così volendo chi comandava, non conosceva se non di faccia, et egli non sufficiente di prender risolutione da se, va- cillava nei concetti perchè quelli che consigliavano erano pieni di passioni particolari e per le speranze di Roma in cui mira- vano infetti di grandi contaminationi. Auch Ossat Lettres I, 495 fuͤhrt als die Ursache seines Ungluͤckes an: le peu de fidelité de ses conseillers mêmes, qui partie pour son peu de resolution par- tie pour avoir des rentes et autres biens en l’etat de l’eglise et esperer et craindre plus du st. siége que de lui, regardoient au- tant ou plus vers le pape que vers lui. : da er nun seine aͤltern Freunde, die ihn kannten, auf die auch er sich persoͤnlich verließ, nach den verschiedenen Hoͤfen ver- sendete, so behielt er Niemand um sich, zu dem er wahres Vertrauen gehabt, mit dem er sich gehoͤrig verstanden haͤtte. An falschen Schritten konnte es nicht fehlen. Von oben her griff eine Unsicherheit um sich, wie sie dem Verder- ben vorher zu gehn pflegt. Schon bedachten die Vorneh- mern, die einen Antheil an der Macht besaßen, was sich bei einer Veraͤnderung fuͤr sie gewinnen lasse: sie suchten insgeheim ihren Vertrag mit dem Papste abzuschließen: Antonio Montecatino begab sich nach Rom. Ohne Zwei- fel aber das Auffallendste, Ungluͤcklichste war, daß sich in dem Hause Este selbst ein Zwiespalt offenbarte. Lucrezia hatte den Vater Cesars gehaßt, sie haßte nicht minder auch ihn, und wollte nicht seine Unterthanin seyn: sie selbst, die Schwester des vorigen Herzogs, trug kein Bedenken mit dem Papst und dem Cardinal Aldobrandini in Verbindung zu treten. Indessen hatte der Papst den Act der Excommunica- Päpste* 18 Buch VI. Innere Streitigkeiten . tion vollzogen. Am 22. Dezember 1597 begab er sich in dem Pomp der Procession nach St. Peter und bestieg mit seinem naͤhern Gefolge die Loggia dieser Kirche. Ein Car- dinal verlas die Bulle. Don Cesare d’Este ward darin fuͤr einen Feind der roͤmischen Kirche erklaͤrt, schuldig der be- leidigten Majestaͤt, verfallen in die groͤßern Censuren, in die Sentenz der Verfluchung: seine Unterthanen wurden des Eides der Treue entbunden: seine Beamten wurden ermahnt seine Dienste zu verlassen. Nachdem die Bulle verlesen wor- den, warf der Papst mit zornvollem Angesicht eine große brennende Kerze auf den Platz herab. Trompeten und Trommeln wirbelten: Kanonen wurden abgefeuert: das Volk uͤberschrie ihren Laͤrm. Die Umstaͤnde waren so beschaffen, daß diese Excom- munication ihre volle Wirkung hervorbringen mußte. Ein Ferrarese selbst brachte ein Exemplar der Bulle, in seine Kleider genaͤht, in die Stadt, und uͤberlieferte es dem Bischof Ein gewisser Coralta. Ributtato al primo ingresso da’ soldati se escusò che lui ivi dimorava nè era ancora partito per Bologna (woher er doch eben kam: er war eine Strecke vor dem Thore vom Pferde gestiegen), e ragionando si pose fra loro a sedere, finalmente assicurato si licentiò della guardia, entrò nella città, presentò al vescovo la scommunica con la lettera del arcivescovo di Bologna. (Relatione di quello che etc.) . Den naͤchsten Morgen, am 31. Dezember 1597, sollte ein Domherr begraben werden: die Kirche war schwarz ausgeschlagen: das Volk versammelte sich, um die Leichen- predigt zu hoͤren. Der Bischof bestieg die Kanzel und fing an vom Tode zu reden. „Noch viel schlimmer aber“, lenkte er ploͤtzlich ein, „als der Tod des Leibes, ist das Verderben Eroberung von Ferrara . der Seele, das uns jetzt alle bedroht.“ Er hielt inne, und ließ die Bulle verlesen, in der alle, die sich von Don Ce- sare nicht absondern wuͤrden, bedroht wurden „als ver- dorrte Zweige von dem Baume des geistlichen Lebens abgehauen zu werden.“ Hierauf ward die Bulle an der Thuͤre ange- schlagen: die Kirche erfuͤllte sich mit Geschrei und Seufzen: die Erschuͤtterung setzte sich in die Stadt fort. Don Cesar war nicht der Mann, einer solchen Be- wegung Einhalt zu thun. Man hatte ihm gerathen Schwei- zer, Deutsche zu werben: allein er hatte sich nicht entschlie- ßen koͤnnen. Katholische wollte er nicht, weil sie Anhaͤn- ger des Papstes, aber noch weniger protestantische, weil sie Ketzer seyen: „gleich als komme es ihm zu“, sagt Niccolo Contarini, „das Amt eines Inquisitors zu verwal- ten.“ Jetzt fragte er seinen Beichtvater, was er zu thun habe: es war ein Jesuit, Benedetto Palma: der rieth ihm sich zu unterwerfen. So weit war Don Cesar gebracht, daß er um diese Unterwerfung unter guͤnstigen Bedingungen zu bewerkstelli- gen sich eben an die wenden mußte, die er als seine hef- tigste Feindin kannte: der geheimen und in gewissem Sinne verraͤtherischen Verbindungen, in welche Lucrezia mit Rom getreten, war er genoͤthigt sich zu einem ertraͤglichen Ab- kommen zu bedienen Contarini: Come chi abandona ogni speranza, più fa- cilmente si rimette nell’ arbitrio dell’ inimico che nella confi- denza dell’ amico, andò (Cesare) a ritrovare la duchessa d’Ur- bino, et a lei, la qual ben sapeva haver pur troppo intelligenza col C 1 Aldobrandino, rimise ogni sua fortuna. Accettò ella al- . In seinem Auftrag begab sie sich, nicht ohne die gewohnte Pracht, in das feindliche Lager. 18* Buch VI. Innere Streitigkeiten . Die Anhaͤnger Cesars haben immer behauptet, sie haͤtte wohl bessere Bedingungen erlangen koͤnnen, aber durch das Versprechen lebenslaͤnglichen Besitzes von Berti- noro mit dem Titel eines Herzogthums gewonnen, und von dem jungen geistreichen Cardinal persoͤnlich eingenommen, habe sie alles zugegeben, was man verlangte. Am 12. Januar 1598 ward der Vertrag entworfen, kraft dessen Cesare auf Ferrara, Comachio, seinen Theil der Romagna Verzicht leisten und dafuͤr Absolution von dem Kirchenbanne erhalten sollte. Wenigstens Einiges zu retten hatte er sich geschmeichelt, sehr hart kam ihm ein so vollstaͤndiger Ver- lust vor: noch einmal berief er die vornehmsten Magistrats- personen der Stadt, den Giudice de’ Savj, einige Doctoren und Edelleute um ihren Rath zu vernehmen. Sie gaben ihm keinen Trost: schon dachte ein Jeder sich nur selbst mit der neuen Gewalt, die man erwartete, auf guten Fuß zu setzen: schon wetteiferte man allenthalben die Wappen der Este abzureißen, ihre Beamten zu verjagen: dem Fuͤr- sten blieb nichts uͤbrig als zu unterschreiben und das Erbe seiner Vaͤter zu verlassen. So verloren die Este Ferrara. Archiv, Museum, Bi- bliothek, ein Theil des Geschuͤtzes, das Alfonso I. mit ei- gener Hand gegossen, ward nach Modena gebracht: alles andere ging verloren. Auf 50 Wagen hatte die Witwe Al- legramente l’impresa ridotta dove al principio haveva deside- rato. — — Con molta comitiva quasi trionfante, accompagnata dal marchese Bentivoglio, capo delle militie del duca, faceva il suo viaggio. Er findet Lucrezia „di pensieri torbidi: benchè si- mulasse altrimente, era non di meno di lungo tempo acerrima nemica di Don Cesare.“ Eroberung von Ferrara . fonsos II. ihre Habe weggefuͤhrt: die Schwester desselben, in Frankreich verheirathet, nahm die Forderungen des Hau- ses an diese Krone fuͤr sich in Anspruch: das Unerwartetste aber that Lucrezia. Sie selbst hatte nicht Zeit von ihrem Herzogthum Besitz zu ergreifen: gerade einen Monat nach- dem sie jenen Vertrag abgeschlossen, am 12. Februar, starb sie. Als man ihr Testament eroͤffnete, fand sich daß sie eben Den, der ihr Haus aus seinem alten Besitze vertrieben, den Cardinal Aldobrandini, zum Universalerben eingesetzt hatte. Auch ihre Anspruͤche hatte sie ihm vermacht, die nun gegen Cesar selbst ausgefochten werden mußten. War es doch als haͤtte sie ihrem alten Feind einen Gegner hinterlassen wol- len, der ihm das Leben verbittern koͤnnte. Es ist etwas Daͤmonisches in dieser Frau, die ihr eigenes Haus mit Ver- gnuͤgen und Genugthuung seinem Verderben zufuͤhrt. Und so trat nun die kirchliche Herrschaft an die Stelle der herzoglichen. Am 8. Mai traf der Papst selbst in Fer- rara ein. Er wollte zugleich den Anblick der neuen Er- werbung genießen und sie mit angemessenen Einrichtungen an die Kirche knuͤpfen. Er begann mit Milde und Gnade. Eine Anzahl fer- raresischer Oberhaͤupter wurden mit kirchlichen Wuͤrden aus- gestattet Contarini: Al Bevilacqua, che era di molto potere, fu dato il patriarcato latino di Constantinopoli. Il Saciato fu creato auditor di rota. Ad altri si dispensarono abbatie. : Cardinalshuͤte, Bisthuͤmer, Auditorate fielen Buch VI. Innere Streitigkeiten . ihnen zu: unter den uͤbrigen ward der junge Bentivoglio, der Geschichtschreiber, geheimer Kaͤmmerer des Papstes. Die Gewalt der Herzoge hatte auf dem Besitz der municipalen Berechtigungen beruht: der Papst entschloß sich den Buͤr- gern ihre alten Rechte zuruͤckzugeben. Er bildete ein Con- seglio aus den drei Classen, des hoͤhern Adels mit 27, der geringern Nobilitaͤt und der angesehenen Buͤrger mit 55, der Zuͤnfte mit 18 Stellen. Ihre Rechte waren sorgfaͤltig geschieden: die erste Classe hatte die bedeutend- sten, doch hing dafuͤr die Besetzung der Stellen am meisten von dem Papste ab. Diesem Conseglio uͤberließ nun der Papst die Sorge fuͤr die Lebensmittel, die Regulation der Fluͤsse, die Ernennung der Richter und Podesta’s, selbst die Besetzung der Stellen an der Universitaͤt: alles Rechte die der Herzog sich fruͤher eifersuͤchtig vorbehalten: und wie man denken kann, begann hiedurch ein ganz neues Leben. Auch fuͤr die geringere Classe ward gesorgt: von den strengen fis- calischen Ordnungen ward vieles nachgelassen Frizzi: Memorie V, p. 25. . Jedoch nicht alles konnte in diesem Sinne seyn. Auch die kirchliche Herrschaft war nicht lauter Milde. Gar bald fiel die Rechtspflege kirchlicher Beamten dem Adel beschwer- lich: der erste Giudice de’ Savj, jener Montecatino, fand es ungebuͤhrlich, wie man die Rechte seiner Wuͤrde ein- schraͤnke, und dankte ab. Allgemeines Mißvergnuͤgen er- regte es, daß Papst Clemens fuͤr noͤthig hielt sich seiner Eroberung durch ein Castell zu versichern. Die Vorstel- lungen, welche die Einwohner gegen dieß Vorhaben ein- reichten, so flehentlich sie auch abgefaßt seyn mochten, wa- Eroberung von Ferrara . ren vergebens: gerade einer der bewohntesten Theile der Stadt ward zum Castelle ausersehen Dispaccio Delfino 7 Giugno 1598. Si pensa dal papa di far una citadella della parte verso Bologna, per la poca so- disfattione che ha la nobilità per non esser rispettata dalli mini- stri della giustitia e che non li siano per esser restituiti le en- trate vecchie della communità — dolendosi di esser ingannati. . Ganze Straßen wurden niedergerissen: Kirchen, Oratorien, Hospitien, die Lusthaͤuser des Herzogs und des Hofes, das schoͤne Belve- dere, von so vielen Dichtern gepriesen. Vielleicht hatte man geglaubt mit diesen Zerstoͤrungen noch vollends die Erinnerung an das herzogliche Haus zu vernichten: jedoch hieruͤber erwachte sie wieder: die schon uͤbertaͤubte Neigung zu dem angestammten Fuͤrstengeschlechte kehrte zuruͤck. Alles was zu dem Hofe gehoͤrt hatte, wandte sich nach Modena. Ferrara, schon fruͤher nicht sehr leb- haft, veroͤdete noch mehr. Doch konnten nicht alle die es wuͤnschten dem Hofe folgen. Von einem alten Diener des herzoglichen Hauses ist eine handschriftliche Chronik uͤbrig, in der er von dem Hofe Alfonsos, seinen Vergnuͤgungen, seinen Concerten und Predigten mit Behagen Bericht erstattet. „Jetzt aber“, sagt er zum Schluß, „ist es mit alle dem vorbei. Jetzt gibt es keinen Herzog mehr in Ferrara und keine Prinzessinnen: kein Concert und keine Concertgeberinnen: so vergeht die Pracht der Welt. Fuͤr Andere wird die Welt durch die Veraͤnderungen angenehm, nicht fuͤr mich, der ich allein zuruͤckgeblieben bin, alt, gebrechlich und arm. Jedoch ge- lobt sey Gott.“ Cronica di Ferrara: „Sic transit gloria mundi. E per Buch VI. Innere Streitigkeiten . Jesuitische Bewegungen. Es liegt am Tage, daß Clemens VIII. sich durch ei- nen so großen Erfolg, den er im Einverstaͤndniß mit der franzoͤsischen Politik erreicht hatte, enge und enger an diese geknuͤpft fuͤhlen mußte. Jetzt kam es ihm zu Gute, daß er sich in Sachen der Ligue so gemaͤßigt gehalten, der Ent- wickelung der Ereignisse in Frankreich doch kein Hinderniß in den Weg gelegt, und sich wenigstens noch in dem letz- ten Moment zur Ertheilung der Absolution entschlossen hatte. An dem Kriege, der an den niederlaͤndisch-franzoͤsischen Gren- zen fortging, nahm man zu Rom einen Antheil, als waͤre es ein eigener: man war entschieden fuͤr Frankreich. Die Eroberung von Calais und von Amiens, die den Spa- niern gelang, brachte an dem roͤmischen Hofe ein Miß- vergnuͤgen hervor „das man nicht schildern koͤnnte,“ sagt Ossat, „eine aͤußerste Melancholie, Beschaͤmung und Zorn“ Ossat a Villeroy 14 mai 1596: 20 avril 1597. I, 251. 458. Delfino: Li pericoli di Marsiglia fecero stare il papa in gran timore e li nepoti: la perdita di Cales e poi quella di Amiens apportò loro gran mestitia e massime che si dubitò al- lora per le voci che andavano attorno di peggio, temendo quelli che ogni poco che cadeva più la riputatione de’ Francesi, i Spa- gnoli non avessero mostrato apertamente lo sdegno che hanno avuto della resolutione (absolutione?) loro e la sua mala vo- lontà: per questa causa principalmente hanno avuto carissimo il bene della Franza. . Der Papst und seine Nepoten fuͤrchteten, be- tale variare natura è bella, ma non per me, che io son restato senza patrone, vecchio, privo di tutti i denti e povero. Lau- detur deus.“ Jesuitische Bewegungen . merkt Delfino, die Spanier moͤchten den Unwillen, den sie uͤber die Absolution empfunden, an ihnen auslassen. Gluͤcklicherweise stellte Heinrich IV. seine erschuͤtterte Re- putation durch die Wiedereroberung von Amiens bald wie- der her. Nicht als ob man zu Rom diejenigen zu lieben an- gefangen haͤtte, die man fruͤher bekaͤmpfte: den Oberhaͤup- tern der Geistlichkeit, die sich zuerst an Heinrich IV. an- geschlossen und jene Opposition begruͤndet, vergaß man es doch nie: viel lieber befoͤrderte man die Anhaͤnger der Li- gue, wenn sie nur zuletzt freiwillig zuruͤckgetreten, d. i. wenn sie ungefaͤhr im Falle der Curie selber waren. Aber in Kur- zem that sich — wie denn die Meinungen der Menschen, wenn auch einander nahestehend, doch sogleich verschiedene Hinneigungen offenbaren — unter den Anhaͤngern des Koͤ- nigs selbst eine mit Absicht strenger katholische Partei her- vor, die vor allen Dingen das gute Vernehmen mit dem Hofe zu Rom zu erhalten trachtete: an diese vor- nehmlich hielt sich der Papst: er hoffte alle Differenzen, die es zwischen den franzoͤsischen und roͤmischen Interessen noch geben mochte, auszugleichen: hauptsaͤchlich war sein Wunsch und sein Bemuͤhen die Jesuiten, die aus Frank- reich, wie wir sahen, verjagt worden, dahin zuruͤckzufuͤh- ren, und damit der Entwickelung der Dinge, die in Frank- reich Statt gehabt, zum Trotz den roͤmischen Doctrinen daselbst freiere Bahn zu verschaffen. Es kam ihm hiebei eine Bewegung in dem Orden der Jesuiten zu Statten, die, obwohl sie aus dem Innern des- selben hervorging, doch mit der Veraͤnderung der allge- Buch VI. Innere Streitigkeiten . meinen Tendenz des roͤmischen Hofes eine große Analogie hatte. So sonderbar verwickeln sich oft die Dinge der Welt, daß in dem Augenblick, in welchem die Pariser Universi- taͤt den Jesuiten nichts so sehr zum Verbrechen machte als ihre Verbindung mit Spanien, in welchem man in Frank- reich sagte und glaubte, ein Jesuit bete taͤglich fuͤr Koͤnig Philipp „pro nostro rege Philippo“. , er sey durch ein fuͤnftes Geluͤbde zur Erge- benheit gegen Spanien verpflichtet, daß eben damals das Institut der Gesellschaft in Spanien von mißvergnuͤgten Mitgliedern, der Inquisition, einem andern Orden, end- lich sogar von der koͤniglichen Gewalt selbst die heftigsten Anfechtungen erfuhr. Eine Wendung der Dinge welche mehr als einen Grund hatte, zunaͤchst aber folgendergestalt entsprungen war. Im Anfange waren die aͤltern und bereits ausgebil- deten Maͤnner, welche in die Gesellschaft traten, groͤßten- theils Spanier: aus andern Nationen fanden sich meistens nur juͤngere Leute hinzu, die ihre Bildung noch zu machen hatten. Natuͤrlich folgte hieraus, daß die Regierung der Gesellschaft in den ersten Jahrzehenten vorzugsweise in spa- nische Haͤnde fiel. Die erste Generalcongregation bestand aus 25 Mitgliedern: 18 von diesen waren Spanier Sacchinus V, 7, 99. In der zweiten Generalcongregation war das Verhaͤltniß schon ermaͤßigt, obwohl noch wenig. Auf 39 Mitglieder kamen 24 Spanier. . Die ersten drei Generale gehoͤrten derselben Nation an: nach Jesuitische Bewegungen . dem Tode des dritten, Borgia, — im Jahre 1573 — hatte abermals ein Spanier, Polanco, die groͤßte Aussicht. Es zeigte sich aber, daß man in Spanien selbst die Erhebung desselben nicht gern gesehen haben wuͤrde. Es gab in dieser Gesellschaft viele Neubekehrte, Judenchristen: auch Polanco gehoͤrte zu dieser Classe: man wuͤnschte dort nicht, daß die hoͤchste Gewalt in einer so maͤchtigen und so monarchisch eingerichteten Gesellschaft in solche Haͤnde geriethe Sacchinus: Historia societatis Jesu pars IV sive Ever- ardus lib. I: Horum origo motuum duplex fuit, studia natio num et neophytorum in Hispania odium. . Papst Gregor XIII , der hievon einen Wink bekommen, hielt auch aus andern Gruͤnden eine Abwechse- lung fuͤr nuͤtzlich. Als sich ihm eine Deputation der zur Wahl versammelten Congregation vorstellen ließ, fragte er sie, wie viel Stimmen jede Nation habe: es fand sich, daß die spanische deren mehr hatte als alle andern zusam- men. Er fragte ferner, aus welcher Nation die Generale des Ordens bisher genommen worden. Man sagte ihm, man habe ihrer drei gehabt, alle drei Spanier. „Es ist billig“, entgegnete Gregor, „daß Ihr auch einmal einen aus einer andern Nation waͤhlt“. Er schlug ihnen sogar sel- ber einen Candidaten vor. Nun straͤubten sich wohl die Jesuiten einen Augen- blick hiewider, weil es ihre Privilegien verletze: aber zu- letzt ernannten sie doch eben den, welchen der Papst vor- geschlagen. Es war Eberhard Mercurianus. Schon hiemit trat eine bedeutende Veraͤnderung ein Mercurian, ein schwacher und unselbstaͤndiger Mann, uͤber- Buch VI. Innere Streitigkeiten . ließ die Geschaͤfte anfangs zwar wieder einem Spanier, aber darauf einem Franzosen, seinem bestallten Admonitor: — es bildeten sich Factionen: eine verdraͤngte die andere aus den wichtigen Aemtern: die herrschende fand schon zu- weilen einen gewissen Widerstand in den untern Kreisen. Noch viel wichtiger aber wurde es, daß bei der naͤch- sten Vacanz im Jahre 1581 Claudius Aquaviva, ein Nea- politaner aus einem Hause das sich fruͤher zu der fran- zoͤsischen Partei gehalten, ein kraͤftiger Mann, der erst 38 Jahre zaͤhlte, diese Wuͤrde erhielt. Einmal nemlich glaubten die Spanier einzusehen, daß ihre Nation, von der die Gesellschaft begruͤndet und auf ihre Bahn geleitet worden, von dem Generalat auf ewig ausgeschlossen sey: sie wurden daruͤber mißvergnuͤgt, wider- spenstig Mariana: Discurso de las enfermedades de la compañia c. XII. La nacion española està persuadida queda para sem- pre excluida del generalato. Esta persuasion, sea verdadera sea falsa, no puede dexar de causar disgustos y disunion tanto mas que esta nacion fundò la compañia, la honrò, la enseñò y aun sustentò largo tiempo con su substancia. , und faßten den Gedanken sich auf irgend eine Weise, etwa durch die Aufstellung eines eigenen General- commissars fuͤr die spanischen Provinzen, von Rom unab- haͤngiger zu machen. Aquaviva dagegen war nicht gemeint von der Autoritaͤt, welche ihm der Buchstabe der Verfas- sung zuerkannte, das Mindeste fallen zu lassen. Um die Mißvergnuͤgten in Zaum zu halten, setzte er ihnen Obere auf deren persoͤnliche Ergebenheit er rechnen durfte: juͤn- gere Maͤnner, die ihm an Alter und Gesinnung naͤher stan- Jesuitische Bewegungen . den Mariana c. XII. Ponen en los gobiernos homes mozos — — porque son mas entremetidos saben lamer a sus tiempos. : wohl auch Mitglieder von minderm Verdienst, Coadjutoren, die nicht alle Berechtigungen genossen: die dann, die einen wie die andern, ihre Stuͤtze in dem Gene- ral sahen: endlich Landsleute, Neapolitaner Außer Mariana sind hieruͤber auch noch die Eingaben an Cle- mens VIII. wichtig: abgedruckt in der tuba magnum clangens so- num ad Clementem XI p. 583. Videmus cum magno detri- mento religionis nostrae et scandalo mundi quod generalis nulla habita ratione nec antiquitatis nec laborum nec meritorum facit quos vult superiores et ut plurimum juvenes et novicios, qui sine ullis meritis et sine ulla experientia cum maxima arrogan- tia praesunt senioribns: — — et denique generalis, quia homo est, habet etiam suos affectus particulares, — — et quia est Neapolitanus, melioris conditionis sunt Neapolitani. . Die alten, gelehrten, erfahrnen Patres sahen sich nicht allein von der hoͤchsten allgemeinen Wuͤrde, sondern auch von den Aemtern in den Provinzen entfernt. Aquaviva gab vor, ihre Fehler seyen daran Schuld: der eine sey cho- lerisch, der andere melancholisch: natuͤrlich, sagt Mariana, ausgezeichnete Leute pflegen wohl auch mit einem Mangel behaftet zu seyn: doch war der eigentliche Grund, daß er sie fuͤrchtete, und zur Ausfuͤhrung seiner Befehle gefuͤgi- gere Werkzeuge haben wollte. In der Regel bedarf der Mensch der Genugthuung selbstthaͤtigen Antheil an den oͤf- fentlichen Dingen zu nehmen, und am wenigsten wird man sich ruhig aus seinem Besitze treiben lassen. Es entstanden Reibungen in allen Collegien. Mit stummer Animositaͤt wurden die neuen Obern aufgenommen: sie konnten nichts wesentliches durchsetzen: sie waren nur froh wenn sie ohne Buch VI. Innere Streitigkeiten . ohne Bewegung, ohne Unruhen wegkamen. Doch hatten sie Macht genug sich auch wieder zu raͤchen. Auch sie besetz- ten nun die untergeordneten Aemter bloß mit ihren persoͤn- lichen Anhaͤngern: denn an Anhaͤngern konnte es ihnen bei der monarchischen Verfassung des Ordens und dem Ehr- geiz der Mitglieder auf die Laͤnge nicht fehlen: sie schickten ihre hartnaͤckigsten Gegner fort, und zwar gerade dann am liebsten, wenn eine wichtige Berathung im Werke war: sie versetzten sie in andere Provinzen. So loͤste sich alles in Druck und Gegendruck von Persoͤnlichkeiten auf. Je- des Mitglied hatte nicht allein das Recht, sondern sogar die Pflicht die Fehler anzuzeigen, die es an Andern be- merke: eine Einrichtung, die bei der Unschuld einer kleinen Genossenschaft nicht ohne moralischen Zweck seyn mochte: jetzt aber entwickelte sie sich zur widerwaͤrtigsten Angebe- rei: sie ward ein Mittel des geheimen Ehrgeizes, des un- ter der Maske der Freundschaft verborgenen Hasses: „wollte man das Archiv zu Rom nachsehen,“ ruft Mariana aus, „so wuͤrde sich vielleicht kein einziger rechtschaffener Mann wenigstens unter uns Entferntern finden“: es riß ein allge- meines Mißtrauen ein: Keiner haͤtte sich seinem Bruder vollkommen eroͤffnet. Dazu kam nun, daß Aquaviva nicht bewogen wer- den konnte Rom zu verlassen und die Provinzen zu be- suchen, wie doch noch Lainez und Borgia gethan. Man entschuldigte dieß damit, daß es auch seinen Vortheil habe die Dinge schriftlich in Erfahrung zu bringen, in ununter- brochenem Fortgang, ohne die Stoͤrung der Zufaͤlligkei- ten einer Reise. Allein zunaͤchst folgte doch auf jeden Jesuitische Bewegungen . Fall hieraus, daß die Provinzialen, in deren Haͤnden die ganze Correspondenz lag, eine noch groͤßere Selbstaͤndig- keit erhielten. Es war vergebens uͤber sie zu klagen: sie konnten dieß leicht vorhersehen und die Wirkung um so eher in voraus vernichten, da Aquaviva sie ohnehin beguͤnstigte: sie behielten ihre Stellen so gut wie auf Lebenszeit. Unter diesen Umstaͤnden sahen die alten Jesuiten in Spanien, daß sich eine Lage der Dinge, die sie als Ty- rannei fuͤhlten, innerhalb der Grenzen der Gesellschaft allein niemals wuͤrde abaͤndern lassen, sie beschlossen sich nach fremder Huͤlfe umzusehen. Zuerst wandten sie sich an die nationale geistliche Ge- walt ihres Landes, an die Inquisition. Die Inquisition hatte, wie man weiß, gar manches Vergehn ihrem Rich- terspruch vorbehalten. Ein mißvergnuͤgter Jesuit klagte — wie er erklaͤrte, durch Gewissensscrupel bewogen — seinen Orden an, daß er Verbrechen dieser Art, wenn sie von seinen Mitgliedern begangen worden, verberge und selbst abmache. Ploͤtzlich ließ die Inquisition den Provinzial, der bei einem Falle dieser Art betheiligt war, und einige seiner thaͤtigsten Genossen einziehen Sacchinus pars V, lib. VI, n. 85. Quidam e confessa- riis seu vere seu falso delatus ad provincialem tum Castellae, Antonium Marcenium, erat de tentata puellae per sacras confes- siones pudicitia, quod crimen in Hispania sacrorum quaesitorum judicio reservabatur. . Da nach diesem ersten Anfang auch andere Anklagen hervortraten, ließ sich die Inquisition die Statuten des Ordens aushaͤndigen, und schritt zu neuen Verhaftungen. Es entstand eine um so lebhaftere Aufregung in den glaͤubigen Spaniern, da man Buch VI. Innere Streitigkeiten . nicht wußte weshalb: da sich die Meinung ausbreitete, die Jesuiten seyen um einer Ketzerei willen eingezogen worden. Die Inquisition haͤtte jedoch nur eine Strafe verhaͤn- gen, keine Aenderung vorschreiben koͤnnen. Wie es so weit war, wandten sich die Mißvergnuͤgten auch an den Koͤ- nig. Mit weitlaͤuftigen Klageschriften uͤber die Maͤngel in ihrer Verfassung bestuͤrmten sie ihn. Philipp dem II. hatte diese Verfassung niemals gefallen: er pflegte zu sagen, alle andern Orden durchschaue er, nur den jesuitischen koͤnne er nicht verstehn: besonders schien ihm einzuleuchten, was man ihm von dem Mißbrauch der absoluten Gewalt und dem Unwesen der geheimen Anklagen sagte: in der Mitte des gro- ßen europaͤischen Kampfes, in dem er sich befand, widmete er doch auch dieser Sache seine Aufmerksamkeit: zunaͤchst beauftragte er den Bischof Manrique von Carthagena be- sonders mit Hinsicht auf jene Punkte den Orden einer Visitation zu unterwerfen. Ein Angriff der, wie man sieht, dem Charakter des Institutes, dem Oberhaupte selbst galt: um so bedeuten- der, da er aus eben dem Lande kam, wo die Gesellschaft entsprungen war und zuerst Fuß gefaßt hatte. Aquaviva erschrak nicht davor. Er war ein Mann der hinter einer großen aͤußern Milde und sanften Sitten eine innerliche Unerschuͤtterlichkeit verbarg, eine Natur, wie auch Clemens VIII , und wie sie uͤberhaupt in dieser Zeit emporkamen, vor allen Dingen besonnen, gemaͤßigt, klug, verschwiegen. Er haͤtte sich nie ein absprechendes Urtheil erlaubt: er litt nicht daß ein solches auch nur in seiner Gegen- wart verlautete, am wenigsten uͤber eine ganze Nation: seine Se- Jesuitische Bewegungen . Secretaͤre waren ausdruͤcklich angewiesen jedes verletzende, jedes bittere Wort zu vermeiden. Er liebte die Froͤmmig- keit, auch ihren aͤußern Anschein; in seiner Haltung am Altar druͤckte er einen hingegebenen Genuß an den Wor- ten des Hochamtes aus: jedoch hielt er alles fern, was an Schwaͤrmerei erinnerte. Er ließ eine Erklaͤrung des Hohenliedes nicht zum Druck gelangen, weil er es anstoͤ- ßig fand, daß der Ausdruck auf den Grenzen sinnlicher und geistiger Liebe schwankte. Auch wenn er tadelte, wußte er zu gewinnen: er zeigte die Ueberlegenheit der Ruhe, mit sinnreichen Gruͤnden wies er die Irrenden zurecht: mit Be- geisterung hing die Jugend an ihm. „Man muß ihn lie- ben“, schreibt Maximilian von Vaiern seinem Vater von Rom, „wenn man ihn nur ansieht.“ Diese Eigenschaften nun, seine unermuͤdliche Thaͤtigkeit, seine vornehme Her- kunft selbst, die stets wachsende Bedeutung seines Ordens machten ihm eine große Stellung in Rom. Gelang es seinen Gegnern die nationalen Gewalten in Spanien zu gewinnen, so hatte er den roͤmischen Hof fuͤr sich, den er von Jugend auf kannte — er war schon Kammerherr als er in den Or- den trat, — den er mit der Meisterschaft eines angebornen und geuͤbten Talentes zu behandeln wußte Sacchinus, und besonders Juvencius: Hist. soc. Jesu par- tis quintae tomus posterior XI, 21 und XXV, 33—41. . Besonders ward es ihm bei der Natur Sixtus V. leicht die Antipathien dieses Papstes gegen die Bestrebungen der Spanier zu erwecken. Papst Sixtus hatte, wie wir wissen, die Idee Rom noch mehr zur Metropole der Christenheit zu erheben, als es das schon war: Aquaviva stellte ihm vor, Päpste* 19 Buch VI. Innere Streitigkeiten . man suche in Spanien nichts anders als sich von Rom unabhaͤngiger zu machen. Papst Sixtus haßte nichts so sehr als unechte Geburt: Aquaviva hinterbrachte ihm, je- ner zum Visitator ausersehene Bischof Manrique sey ein Bastard. Grund genug fuͤr den Papst die schon ertheilte Bewilligung der Visitation wieder zuruͤckzunehmen. Auch den Proceß des Provincial zog er nach Rom. Unter Gre- gor XIV. gelang es dem General eine foͤrmliche Bestaͤti- gung der Institute des Ordens auszubringen. Aber auch die Gegner waren hartnaͤckig und verschla- gen. Sie sahen wohl, daß man den General an dem roͤ- mischen Hofe selbst angreifen muͤsse. Einen Augenblick der Abwesenheit desselben — er hatte den Auftrag eine Zwi- stigkeit zwischen Mantua und Parma beizulegen — benutz- ten sie um Clemens VIII. zu gewinnen. Auf den Antrag der spanischen Jesuiten und Philipps II. ordnete Clemens, im Sommer 1592, ohne Wissen Aquavivas eine General- congregation an. Erstaunt und betroffen eilte Aquaviva zuruͤck. Den Generalen der Jesuiten waren allgemeine Congregationen so unbequem, wie eine Kirchenversammlung dem Papst. Suchte sie schon jeder Andere zu vermeiden, wie viel mehr Aquaviva, gegen den ein so lebhafter Haß sich regte. Doch sah er bald, daß die Anordnung unwiderruflich war In einer Consulta del padre C 1 Aquaviva coi suoi pa- dri assistenti, MS der Bibl. Corsini n. 1055, welche die Momente der innern Entzweiung im Ganzen recht gut und uͤbereinstimmend mit Mariana darstellt, laͤßt man Aquaviva uͤber ein Gespraͤch, das er mit dem Papst hatte, folgendes berichten: S. S tà disse che io non aveva sufficiente notizia de’ soggetti della religione, che io : Jesuitische Bewegungen . er faßte sich und sagte: „Wir sind gehorsame Soͤhne: der Wille des heiligen Vaters geschehe.“ Dann eilte er seine Maaßregeln zu nehmen. Schon auf die Wahlen verschaffte er sich einen gro- ßen Einfluß. Es gluͤckte ihm, selbst in Spanien mehrere von seinen gefaͤhrlichsten Widersachern, z. B. Mariana, zu- ruͤckgewiesen zu sehen. Als nun die Versammlung beisammen war, wartete er nicht so lange, bis man ihn angriff. Gleich in der ersten Sitzung erklaͤrte er: da er das Ungluͤck habe einigen seiner Mitbruͤder zu mißfallen, so bitte er vor allen andern Ge- schaͤften um eine Untersuchung seines Betragens. Es ward eine Commission ernannt: es wurden Beschwerden namhaft gemacht; allein wie haͤtte ihm die Ueberschreitung eines po- sitiven Gesetzes nachgewiesen werden sollen: er war viel zu klug um sich eine solche zu Schulden kommen zu lassen: er ward glaͤnzend gerechtfertigt. Dergestalt persoͤnlich gesichert, ging er mit der Ver- sammlung an die Eroͤrterung der das Institut betreffenden Vorschlaͤge. Koͤnig Philipp hatte einiges gefordert, anderes der Er- waͤgung empfohlen. Gefordert hatte er zweierlei: Verzicht- leistung auf gewisse paͤpstliche Privilegien, z. B. verbotene veniva ingannato da falsi delatori, che io mi dimostrava troppo credulo. — Zu den Ursachen weshalb eine Congregation nothwendig sey, rechnet man auch diese: Perchè molti soggetti di valore, che per non esser conosciuti più che tanto da’ generali non hanno mai parte alcuna nel governo, venendo a Roma in occasione delle congregationi sarebbero meglio conosciuti e per conse- guenza verrebbero più facilmente in parte del medesimo governo, senza che questo fosse quasi sempre ristretto a pochi. 19* Buch VI. Innere Streitigkeiten . Buͤcher zu lesen, vom Verbrechen der Ketzerei zu absolvi- ren, und ein Gesetz, kraft dessen sich jeder Noviz der in den Orden trete aller Majorate die er besitze, selbst aller seiner Pfruͤnden begeben solle. Es waren Dinge, in de- nen die Gesellschaft mit Inquisition und Staatsverwaltung zusammenstieß. Nach einigem Bedenken wurden diese For- derungen hauptsaͤchlich durch Aquavivas eigenen Einfluß bewilligt. Noch um vieles wichtiger aber waren die Punkte, die der Koͤnig der Erwaͤgung empfohlen. Vor allem: ob nicht die Gewalt der Oberen auf eine bestimmte Zeit einzuschraͤn- ken, ob nicht eine Wiederholung der Generalcongregationen in festgesetzten Terminen anzuordnen sey. Das Wesen des Instituts, die Rechte der absoluten Herrschaft kamen hiedurch in Frage. Da war Aquaviva nicht so geneigt. Nach leb- haften Debatten wies die Congregation diese Antraͤge des Koͤnigs zuruͤck. Allein auch der Papst war von der Nothwen- digkeit derselben uͤberzeugt. Was dem Koͤnig abgeschlagen worden, befahl nunmehr der Papst: aus apostolischer Macht- vollkommenheit setzte er fest, daß die Oberen, die Rectoren alle drei Jahr wechseln, die Generalcongregationen alle sechs Jahr einmal zusammentreten sollten Juvencius hat in seinem ersten Buch, das er das elfte nennt, „societas domesticis motibus agitata“ hieruͤber ausfuͤhr- liche Nachrichten, welche hier zu Grunde liegen. . Nun ist es zwar an dem, daß die Ausfuͤhrung dieser Anordnungen doch nicht so viel wirkte, als man gehofft hatte. Die Congregationen konnten gewonnen werden; die Rectoren wurden freilich gewechselt, aber in einem engen Jesuitische Bewegungen . Kreise, und bald kehrten die nemlichen wieder. Aber alle Mal war es ein bedeutender Schlag fuͤr die Gesellschaft, daß es durch innere Empoͤrung und auswaͤrtige Einwir- kung zu einer Abaͤnderung ihrer Gesetze gekommen war. Und schon erhob sich in den nemlichen Gegenden noch ein anderer Sturm. Die Jesuiten hatten sich anfangs an den Lehrbegriff der Thomisten gehalten, wie er in den Schulen jener Zeit uͤberhaupt herrschte. Ignazio hatte seine Schuͤler aus- druͤcklich auf die Lehre des Doctor Angelicus angewiesen. Gar bald aber glaubten sie zu finden, daß sie mit diesen Lehren den Protestanten gegenuͤber nicht ganz zum Ziele gelangen koͤnnten. Sie wollten in den Doctrinen selbstaͤndig seyn wie im Leben. Es war ihnen unbequem den Dominicanern nachzutreten, zu denen S. Thomas ge- hoͤrt hatte, und die als die natuͤrlichen Erklaͤrer seiner Mei- nungen angesehen wurden. Nachdem sie schon fruͤher man- ches Zeichen dieser Gesinnung gegeben, so daß schon zu- weilen bei der Inquisition von der freiern Denkart der Vaͤter Jesuiten die Rede war Lainez selbst war der spanischen Inquisition verdaͤchtig. Llo- rente III, 83 , so trat Aquaviva 1584 in seiner Studienordnung offen mit derselben hervor. Er meint, S. Thomas sey zwar der beifallswuͤrdigste Autor, doch wuͤrde es ein unertraͤgliches Joch seyn, in allen Din- gen seinen Fußtapfen folgen, gar keine freien Meinungen hegen zu sollen. Von neuern Theologen sey manche alte Lehre besser begruͤndet, manche neue vorgetragen worden, Buch VI. Innere Streitigkeiten . die zur Bekaͤmpfung der Ketzer trefflich diene, in alle dem moͤge man diesen Doctoren folgen. Schon dieß veranlaßte in Spanien, wo die theologi- schen Katheder noch groͤßtentheils von Dominicanern ein- genommen waren, eine gewaltige Aufregung. Man erklaͤrte die Studienordnung fuͤr das verwegenste, anmaßendste, ge- faͤhrlichste Buch in seiner Art: man ging Koͤnig und Papst daruͤber an Pegna in Serry: Historia congregationum de auxiliis di- vinae gratiae p. 8. y dado a censurar, fue dicho por aquellos censores (Mariana und Serry reden sogar von der Inquisition) que aquel libro era el mas peligroso, temerario y arrogante que jamas havia salido in semejante materia, y que si se metia en pratica lo que contenia, causaria infinitos daños y alborotos en la republica christiana. . Wie viel groͤßer aber mußte die Bewegung werden, als nun wirklich das thomistische System in einem der wichtigsten Lehrstuͤcke von den Jesuiten verlassen ward. In der gesammten Theologie, der katholischen wie der protestantischen, waren die Streitfragen uͤber Gnade und Verdienst, freien Willen und Praͤdestination noch immer die wichtigsten, wirksamsten: sie beschaͤftigten noch immer Gemuͤth, Gelehrsamkeit und Speculation der Geistlichen wie der Laien. Auf der protestantischen Seite fanden nun damals die strengen Lehren Calvins von dem particularen Rathschluß Gottes, nach welchem „Einigen die ewige Seligkeit, Andern die Verdammniß vorherbestimmt wor- den“, den meisten Beifall: die Lutheraner mit ihren mildern Begriffen hieruͤber waren im Nachtheil, und erlit- ten bald hier bald dort Verluste. Eine entgegengesetzte Jesuitische Bewegungen . Entwickelung fand auf der katholischen Seite Statt. Wo irgend eine Hinneigung zu den Begriffen auch der milde- sten Protestanten, auch nur eine schaͤrfere Auffassung der augustinischen Vorstellungsweise zum Vorschein kam, z. B. bei Bajus in Loͤwen, ward sie bekaͤmpft und unterdruͤckt. Besonders die Jesuiten zeigten sich hierin eifrig. Das in dem tridentinischen Concilium aufgestellte Lehrsystem, das ja selbst nicht ohne den Einfluß ihrer Mitbruͤder Lai- nez und Salmeron zu Stande gekommen, vertheidigten sie gegen jede Abweichung nach der verworfenen und verlasse- nen Seite hin. Und selbst dieß System that ihrem pole- mischen Eifer nicht immer Genuͤge. Im Jahre 1588 trat Luis Molina zu Evora mit einem Buche hervor, in wel- chem er jene Streitfragen neuerdings vornahm und die noch immer uͤbrig gebliebenen Schwierigkeiten auf eine neue Weise zu beseitigen versuchte Liberi arbitrii cum gratiae donis concordia. In den Streitigkeiten hat man immer fuͤr noͤthig gehalten die Ausgaben von Lissabon 1588, von Antwerpen 1595 und von Venedig sorgfaͤltig zu unterscheiden, weil sie alle von einander abweichen. . Seine vornehmste Absicht bei diesem Unternehmen war, dem freien Willen des Menschen noch einen groͤßern Spielraum zu vindiciren, als der thomistische oder der tridentinische Lehrbegriff annahm. In Trident hatte man das Werk der Heiligung vorzuͤglich auf die inhaͤrirende Gerechtigkeit Christi begruͤndet, welche uns eingegossen die Liebe hervorrufe, zu allen Tugenden und guten Werken leite, und endlich die Rechtfertigung her- vorbringe. Einen bedeutenden Schritt weiter geht Molina. Er behauptet, der freie Wille koͤnne ohne Huͤlfe der Gnade Buch VI. Innere Streitigkeiten . moralisch gute Werke hervorbringen: er koͤnne Versuchun- gen widerstehn: er koͤnne sich selbst zu einem und dem an- dern Act der Hoffnung, des Glaubens, der Liebe und der Reue erheben Es wird hiebei immer der concursus generalis dei vor- ausgesetzt: allein es wird damit eigentlich nur der natuͤrliche Zu- stand des freien Willens bezeichnet, der allerdings nicht ohne Gott so ist wie er ist: Deus semper praesto est per concursum gene- ralem libero arbitrio, ut naturaliter velit aut nolit prout pla- cuerit. Das ist ungefaͤhr so, wie bei Bellarmin natuͤrliches und goͤttliches Recht identificirt werden, weil Gott der Urheber der Na- tur ist. . Wenn der Mensch so weit sey, so ge- waͤhre ihm alsdann Gott um des Verdienstes Christi wil- len die Gnade Auch diese Gnade faßt er sehr natuͤrlich auf: Disput. 54. Dum homo expendit res credendas — — per notitias conciona- toris aut aliunde comparatas, influit deus in easdem notitias in- fluxu quodam particulari quo cognitionem illam adjuvat. , durch die er die uͤbernatuͤrlichen Wir- kungen der Heiligung erfahre: allein ganz wie vorher sey auch bei dem Empfangen dieser Gnade, bei ihrem Wachsen der freie Wille unaufhoͤrlich thaͤtig. Auf diesen komme doch alles an; es stehe bei uns die Huͤlfe Got- tes wirksam oder unwirksam zu machen. Auf der Verei- nigung des Willens und der Gnade beruhe die Rechtferti- gung, sie seyen verbunden wie ein paar Maͤnner die an Einem Schiffe ziehen; es versteht sich nun, daß Molina hiebei den Begriff von Praͤdestination, wie er bei Augusti- nus oder Thomas von Aquino vorkommt, nicht annehmen kann. Er findet ihn zu hart, zu grausam. Er will von keiner andern Vorherbestimmung wissen, als einer solchen, welche eigentlich Voraussicht sey. Nun wisse aber Gott aus hoͤchster Einsicht in die Natur eines jeden Willens vor- Jesuitische Bewegungen . aus, was derselbe in dem gegebenen Falle thun werde, ob- wohl er auch das Gegentheil haͤtte thun koͤnnen. Allein nicht darum erfolge etwas, weil es Gott vorherwisse: sondern Gott sehe es darum vorher, weil es erfolgen werde. Eine Lehre die nun allerdings der calvinistischen ganz an dem entgegengesetzten Ende gegenuͤbertritt: zugleich die erste die es unternimmt das Geheimniß, so zu sagen, zu rationalisiren. Sie ist verstaͤndlich, scharfsinnig und flach: eben darum kann sie einer gewissen Wirkung nicht verfeh- len: man darf sie wohl mit der Doctrin von der Volks- souveraͤnetaͤt vergleichen, welche die Jesuiten zu der nemli- chen Zeit auch ausbildeten Diese rationalistische Richtung tritt auch sonst hervor, z. B. in den Behauptungen der Jesuiten Leß und Hamel 1585 zu Loͤwen: Propositiones in Lessio et Hamelio a theologis Lovaniensibus notatae: ut quid sit scriptura sacra, non est necessarium singula ejus verba inspirata esse a spiritu sancto. Von den Worten gehn sie sogleich zu den Wahrheiten fort: non est necessarium ut sin- gulae veritates et sententiae sint immediate a spiritu sancto ipsi scriptori inspiratae. Die wesentlichen Behauptungen Molinas fin- den sich bereits, wenigstens zum Theil, in diesen Saͤtzen; auch wird darin auf ihre voͤllige Abweichung von den protestantischen aufmerk- sam gemacht: haec sententia — — quam longissime a sententia Lutheri et Calvini et reliquorum haereticorum hujus temporis recedit, a quorum sententia et argumentis difficile est alteram sententiam (die augustinische und thomistische) vindicare. . Nothwendig aber mußten sie damit in ihrer eigenen Kirche Widerstand erwecken: schon darum, weil sie sich von dem Doctor Angelicus entfernten, dessen Summa noch im- mer das vornehmste Handbuch der katholischen Theologen bildete. Einige Mitglieder des Ordens selbst, Henriquez, Buch VI. Innere Streitigkeiten . Mariana, sprachen oͤffentlich ihren Tadel aus. Bei wei- tem lebhafter aber nahmen die Dominicaner ihren Patriar- chen in Schutz. Sie schrieben und predigten gegen Molina, in ihren Vorlesungen griffen sie ihn an. Endlich veranstal- tete man am 4. Merz 1594 in Valladolid eine Disputa- tion zwischen beiden Theilen. Die Dominicaner, die sich im Besitze der Rechtglaͤubigkeit glaubten, wurden heftig. „Sind denn“, rief ein Jesuit aus, „die Schluͤssel der Weisheit etwa bei Euch?“ Die Dominicaner schrien auf: sie nahmen dieß fuͤr einen Angriff auf S. Thomas selbst. Seitdem trennten sich die beiden Orden voͤllig. Die Dominicaner wollten nichts mehr mit den Jesuiten zu thun haben. Die Jesuiten nahmen, wo nicht alle, doch bei wei- tem zum groͤßten Theil fuͤr Molina Partei. Aquaviva selbst, seine Assistenten waren fuͤr denselben. Aber schon griff auch hier die Inquisition ein. Der Großinquisitor — es war eben jener Hieronymus Manri- que, der zum Visitator des Ordens bestimmt gewesen — machte Miene Molina zu verdammen: er ließ ihm bemer- ken, sein Buch duͤrfte wohl nicht mit einer einfachen Ver- werfung wegkommen, sondern zum Feuer verurtheilt wer- den. Gegenklagen Molinas wider die Dominicaner wei- gerte er sich anzunehmen. Eine Streitigkeit welche die ganze katholische Welt sowohl der Lehren als ihrer Verfechter halber in Bewegung setzte, und die jenen Angriff auf das jesuitische Institut, der sich in Spanien erhoben, um vieles verstaͤrkte. Eben hiedurch trat nun aber die sonderbare Erschei- Jesuitische Bewegungen . nung ein, daß waͤhrend man die Jesuiten wegen ihrer Hinneigungen zu Spanien aus Frankreich verjagte, von Spa- nien her selbst der gefaͤhrlichste Angriff gegen sie unternommen ward. In beiden Laͤndern waren Momente der Politik und der Doctrin hiebei thaͤtig. Der politische war am Ende in beiden der nemliche, ein nationaler Gegensatz gegen die Vorrechte und Freiheiten dieses Ordens: in Frankreich war er gewaltsamer, heftiger: in Spanien aber eigenthuͤmlicher, besser gegruͤndet; in Hinsicht der Doctrin waren es die neuen Lehren, welche den Jesuiten Haß und Verfolgung zuzogen. Ihre Lehre von der Volkssouveraͤnetaͤt und dem Koͤnigs- mord ward ihnen in Frankreich, ihre Meinungen von dem freien Willen wurden ihnen in Spanien verderblich. Ein Augenblick in der Geschichte dieser Gesellschaft der fuͤr die Wendung die sie nahm von großer Bedeu- tung ist. Gegen die Angriffe der nationalen Gewalten, des Par- laments und der Inquisition, suchte Aquaviva Huͤlfe in dem Mittelpunkte der Kirche, bei dem Papst. Er benutzte den guͤnstigen Augenblick, als jener Groß- inquisitor gestorben und seine Stelle noch nicht wieder be- setzt war, um den Papst zu bestimmen die Entscheidung der Glaubens-Streitigkeit nach Rom zu evociren. Es war schon viel gewonnen, wenn die Entscheidung nur zunaͤchst verschoben ward. Wie leicht fanden sich dann in Rom an- derweite Einfluͤsse, welche sich in einem bedenklichen Augen- blicke geltend machen ließen. Am 9. October 1596 wur- den die Acten des Processes nach Rom gesendet. Von bei- Buch VI. Innere Streitigkeiten . den Seiten fanden sich die gelehrtesten Theologen ein um ihren Streit unter den Augen des Papstes durchzufechten Pegna: Rotae Romanae decanus istarum rerum testis locupletissimus, wie ihn Serry nennt. Cerniendo (Molina) lo que verisimilmente podia suceder de que su libro fuese prohibido y quemado, porque assi se lo avia asomado el inquisitor general, luego lo avisò a Roma, donde por obra y negociacion de su general su santidad avocò a se esta causa, ordinando a la in- quisicion general que no la concluyesse ni diesse sententia. . In der franzoͤsischen Angelegenheit nahm sich Clemens der Jesuiten ohnehin an. Er fand es unverantwortlich, um eines Einzigen willen, welcher Strafe verdient haben moͤge, einen ganzen Orden zu verbannen, und zwar den, der das Meiste zur Herstellung des Katholicismus vollbringe, der eine so starke Stuͤtze der Kirche sey. Litt nicht auch der Orden in der That fuͤr seine Hingebung an den paͤpst- lichen Stuhl, fuͤr die Lebhaftigkeit mit der er die An- spruͤche desselben an eine hoͤchste Gewalt auf Erden verfocht? Dem Papst mußte alles daran liegen den Gegensatz vol- lends zu verloͤschen, in welchem sich Frankreich noch gegen ihn hielt. Je genauer die Verbindung ward, in die er mit Heinrich IV. trat, je einhelliger die beiderseitige Po- litik, desto wirksamer wurden seine Vorstellungen: von Mo- ment zu Moment gab Heinrich nachgiebigere Erklaͤrungen Die Jesuiten moͤchten leugnen, daß ihre Sache mit der Po- litik in Verbindung gekommen; jedoch ergibt sich aus Bentivoglio Memorie II, 6 p. 395, wie sehr Cardinal Aldobrandini bei den Unterhandlungen von Lyon auf ihr Interesse Ruͤcksicht nahm: und gleich damals gab der Koͤnig eine guͤnstige Erklaͤrung (Le roi au card l Ossat 20 janv. 1601). . Hierin unterstuͤtzte nun das wohlerwogene Betragen des Ordens den Papst ungemein. Jesuitische Bewegungen . Die Jesuiten huͤteten sich wohl dem Koͤnig von Frankreich Entruͤstung oder Widerwillen zu zeigen: auch waren sie nicht geneigt sich ferner fuͤr die verlorne Sache der Ligue in Gefahr zu stuͤrzen: so wie sie die Wendung wahrnahmen, welche die paͤpstliche Politik genommen, schlu- gen auch sie eine aͤhnliche ein. Pater Commolet, der noch nach der Bekehrung Heinrichs IV. auf den Kanzeln aus- gerufen, man beduͤrfe eines Ehud wider ihn, und bei dem Siege des Koͤnigs hatte fliehen muͤssen, war umgestimmt als er nach Rom kam, und erklaͤrte sich fuͤr die Losspre- chung des Koͤnigs. Unter allen Cardinaͤlen trug wohl kein Anderer durch Nachgiebigkeit, versoͤhnende Schritte und per- soͤnlichen Einfluß auf den Papst so viel zu dieser Absolu- tion bei wie der Jesuit Toledo Du Perron a Villeroy: Ambassades I, 23. Seulement vous diray-je que M r le C l Tolet a fait des miracles et s’est monstré bon Français. . Sie thaten dieß, waͤh- rend das Parlament noch immer neue Beschluͤsse gegen sie faßte, Beschluͤsse, uͤber die sich Aquaviva beklagte, ohne sich doch dadurch zu Eifer und Heftigkeit fortreißen zu lassen. Nicht alle hatten vertrieben werden koͤnnen: die Zuruͤckge- bliebenen erklaͤrten sich jetzt fuͤr den Koͤnig, und ermahnten das Volk ihm ergeben zu seyn, ihn zu lieben. Schon drangen Einige nach den verlassenen Orten vor: Aquaviva billigte dieß nicht, und wies sie an, die Erlaubniß des Koͤ- nigs abzuwarten. Man trug Sorge daß Heinrich sowohl das Eine als das Andre erfuhr: er war hoͤchlich erfreut daruͤber: er dankte dem General in besondern Schreiben. Auch versaͤumten die Jesuiten nicht ihn nach Kraͤften in Buch VI. Innere Streitigkeiten . dieser Neigung zu befestigen. Pater Rocheome, den man den franzoͤsischen Cicero nannte, verfaßte eine populaͤre Apologie des Ordens, die dem Koͤnig besonders einleuch- tete Gretser hat sie fuͤr die Nichtfranzosen lateinisch uͤbersetzt. Gretseri opera tom. XI, p. 280. . Zu diesem doppelten Antriebe, von der Seite des Pap- stes und des Ordens, kamen nun politische Betrachtungen Heinrichs IV. selbst. Er sah, wie er in einer Depe- sche sagt, daß er durch die Verfolgung eines Ordens, der so viel Mitglieder von Geist und Gelehrsamkeit zaͤhle, so viel Macht und Anhang habe, sich in der eifrig katholi- schen Classe, die noch immer so zahreich sey, unversoͤhnliche Feinde erhalten, Verschwoͤrungen veranlassen werde. Er sah, daß er sie selbst dort nicht verjagen koͤnne, wo sie sich noch hielten: er haͤtte den Ausbruch einer oͤffentlichen Bewegung zu fuͤrchten gehabt Dispaccio del re de’ 15 Agosto 1603 al re Jacopo d’In- ghilterra, excerpirt in Siri: Memorie recondite I, p. 247. . Ueberdieß hatte Heinrich durch das Edict von Nantes den Hugenotten so starke Zugestaͤndnisse gemacht, daß er auch dem Katholicismus eine neue Ga- rantie schuldig war. Schon murrte man in Rom: zu- weilen gab der Papst doch noch zu erkennen, daß er fuͤrchte betrogen zu seyn Ossat à Villeroy I, 503. . Endlich aber stand der Koͤnig hoch genug, um die allgemeine Lage der Dinge besser zu uͤber- sehen als sein Parlement, und die Verbindung der Je- suiten mit Spanien nicht zu fuͤrchten. Pater Lorenz Maggio eilte im Namen des Generals nach Frankreich, Jesuitische Bewegungen . um dem Koͤnig mit theuern Eidschwuͤren die Treue der Gesellschaft zuzusichern. „Ergebe es sich anders, so solle man ihn und seine Mitbruͤder fuͤr die schwaͤrzesten Verraͤ- ther halten“ Sully lib. XVII, p. 307. . Dem Koͤnig schien es rathsamer ihre Freundschaft als ihre Feindseligkeiten zu erproben. Er sah ein, daß er sich ihrer zu seinem eigenen Vortheil gegen Spa- nien werde bedienen koͤnnen Riconobbe chiaramente d’esserne per ritrarre servigio e contentamento in varie occorrenze a prò proprio e de’ suoi amici contra gli Spagnoli stessi. (Dispaccio bei Siri.) . Durch so viel Motive aͤußerer Politik und innerer Nothwendigkeit bewogen erklaͤrte sich der Koͤnig schon im Jahre 1600 bei den Unterhandlungen von Lyon bereit den Orden wieder aufzunehmen. Er selbst waͤhlte sich den Je- suiten Cotton zu seinem Beichtvater. Nachdem manche an- dere Gunstbezeugung vorhergegangen, erfolgte im Septem- ber 1603 das Edict, durch welches die Jesuiten in Frank- reich wiederhergestellt wurden. Es wurden ihnen einige Bedingungen gemacht: von denen die wichtigste ist, daß so die Vorsteher wie die Mitglieder der Gesellschaft in Frank- reich in Zukunft nur Franzosen seyn duͤrften Edictum regium bei Juvencius p. V, lib. XII, n. 59. Bei Juvencius findet man alles zu Gunsten der Jesuiten, in des Ludovicus Lucius Historia Jesuitica Basileae 1627 lib. II, c. II was damals gegen die Jesuiten gesagt wurde. Die entscheidenden Momente findet man weder hier noch dort: bei dem Vertheidiger sind sie aber doch noch mehr angedeutet als bei dem Anklaͤger. . Heinrich zweifelte nicht, daß er alles auf eine Weise angeordnet habe, die ihn zu vollkommenem Zutrauen berechtige. Unbedenklich wandte er ihnen seine Gunst zu. In ih- Buch VI. Innere Streitigkeiten . ren eigenen Sachen, zunaͤchst in ihrer dominicanischen Strei- tigkeit kam er ihnen zu Huͤlfe. Clemens VIII. zeigte in dieser Sache ein lebhaftes theologisches Interesse. In seiner Gegenwart sind 65 Ver- sammlungen, 37 Disputationen uͤber alle Punkte, welche hiebei in Frage kommen konnten, gehalten worden: er selbst hat mehreres daruͤber geschrieben, und so weit wir urthei- len koͤnnen, neigte er sich zu dem herkoͤmmlichen Lehr- begriff, zu einer fuͤr die Dominicaner guͤnstigen Entschei- dung. Selbst Bellarmin sagte: er leugne nicht, daß der Papst sich gegen die Jesuiten zu erklaͤren geneigt sey, aber er wisse, daß dieß doch nicht geschehen werde. Zu ge- faͤhrlich waͤre es gewesen, in einer Zeit, wo die Jesui- ten die vornehmsten Apostel des Glaubens in aller Welt waren, mit ihnen uͤber einen Artikel des Glaubens zu brechen, und wirklich machten sie schon einmal Miene ein Concilium zu fordern: der Papst soll ausgerufen haben: „sie wagen alles, alles.“ Serry 271. Auch Contarini behauptet, sie haͤtten gedroht: Portata la disputatione a Roma ventilata tra theologi, il papa e la maggior parte de’ consultori inclinavano nell’ opinione di Domenicani. Ma li Gesuiti, vedendosi in pericolo di cader da quel credito per il quale pretendono d’haver il primo luoco di dottrina nella chiesa catolica, erano resoluti di mover ogni ma- china per non ricever il colpo. Die Lehre mit der sie bei Conta- rini drohen, ist daß allerdings der Papst infallibel sey, aber es sey kein Glaubensartikel Einen oder den Andern fuͤr den wahren Papst zu halten. La potenza di questi e l’autorità di chi li proteggeva era tanta che ogni cosa era dissimulata e si mostrava di non sentirlo e sopra diffinire della controversia si andava temporeg- giando per non tirarsi adosso carica maggiore. Zu entschieden nahmen auch die Jesuitische Bewegungen . die Franzosen Partei. Heinrich IV. war fuͤr sie: sey es, daß ihm ihre Vorstellungsweise einleuchtete, was aller- dings moͤglich waͤre, oder daß er vorzugsweise dem Or- den, der dem Protestantismus den Krieg machte, auch darum beifiel, um seine Orthodoxie außer Zweifel zu setzen. Cardinal du Perron nahm an den Congregationen Theil, und hielt die jesuitische Partei mit geschicktem Eifer aufrecht. Er sagte dem Papst, die Lehren der Dominica- ner koͤnne auch ein Protestant unterschreiben, und es mag wohl seyn, daß er damit Eindruck auf denselben ge- macht hat. Der Wettstreit zwischen Spanien und Frankreich, wel- cher die Welt bewegte, mischte sich auch in diese Streitig- keiten ein. Die Dominicaner fanden eben so viel Schutz bei den Spaniern, wie die Jesuiten bei den Franzosen Hauptstelle bei du Perron: Ambassades et negotiations liv. III, tom. II, p. 839 Lettre du 23 janv. 1606: Les Es- pagnols font profession ouvertement de proteger les Jacobins (Dominicaner), en haine, comme je croy, de l’affection que le pere general des Jesuites et presque tous ceux de son ordre, excepté ceux qui dependent des peres Mendozze et Personius comme particulierement les Jesuites Anglois, ont monstré de porter à vostre Majesté: et semble que d’une dispute de reli- gion ils en veuillent faire une querelle d’estat. Man sieht dar- aus, daß die Jesuiten bis auf eine kleine Fraction jetzt fuͤr franzoͤ- sisch gesinnt galten. Bei Serry p. 440 findet sich, daß die Domi- caner damals von dem franzoͤsischen Hof ausgeschlossen worden: Praedicatores tum temporis in Gallia minus accepti et a publi- cis curiae muneribus nuper amoti. . Daher kam es auch, daß Clemens VIII. in der That zu keiner Entscheidung schritt. Es haͤtte ihn in neue Ver- legenheiten verwickelt, von so maͤchtigen Orden, so gewal- tigen Fuͤrsten den einen oder den andern zu verletzen. Päpste* 20 Buch VI. Innere Streitigkeiten . Politische Stellung Clemens VIII. Ueberhaupt war dieß nun eine der vornehmsten Ruͤck- sichten des paͤpstlichen Stuhles, von den beiden Maͤch- ten, auf denen das Gleichgewicht der katholischen Welt be- ruhte, weder die eine noch die andere von sich zu ent- fremden, ihre Streitigkeiten unter einander beizulegen und wenigstens nie zu einem Kriege ausbrechen zu lassen, sei- nen Einfluß auf beide zu behaupten. Das Papstthum erscheint uns hier in seinem loͤblich- sten Berufe, vermittelnd, friedestiftend. Den Frieden von Vervins — 2. Mai 1598 — verdankte die Welt hauptsaͤchlich Clemens dem VIII. Er ergriff den guͤnstigen Augenblick, als der Koͤnig von Frankreich wegen seiner zerruͤtteten Finanzen, der Koͤnig von Spanien wegen seiner zunehmenden Altersschwaͤche auf ein Abkommen zu den- ken genoͤthigt war. Er traf die Einleitungen: von ihm gingen die ersten Eroͤffnungen aus: der Franciscanergene- ral, Fra Bonaventura Calatagirona, den er zu diesem Ge- schaͤfte gluͤcklich ausersehen und nach Frankreich gesendet, legte die ersten und groͤßten Schwierigkeiten bei. Die Spa- nier hatten eine Menge Plaͤtze in Frankreich inne: sie wa- ren bereit dieselben zuruͤckzugeben, jedoch Calais nahmen sie aus: die Franzosen bestanden auf die Ruͤckgabe auch von Calais: Fra Calatagirona war es, der die Spanier bestimmte dieß zuzusagen. Dann erst wurden die Unter- handlungen zu Vervins foͤrmlich eroͤffnet. Ein Legat und ein Nuntius praͤsidirten denselben: der Franciscanergene- Politische Stellung Clemens VIII. ral fuhr fort auf das geschickteste zu vermitteln: auch sein Secretaͤr Soto erwarb sich ein nicht geringes Verdienst dabei. Die Hauptsache war, daß der Koͤnig von Frank- reich sich entschloß, sich von seinen Verbuͤndeten, England und Holland, zu trennen. Es ward dieß zugleich als ein Vortheil fuͤr den Katholicismus betrachtet, indem erst hie- durch der Abfall Heinrichs IV. von dem protestantischen Systeme vollendet zu werden schien. Nach langen Zoͤge- rungen verstand sich Heinrich dazu. Und hierauf gaben nun die Spanier alle ihre Eroberungen wirklich zuruͤck: der Besitzstand ward hergestellt wie er im Jahre 1559 gewesen war. Der Legat erklaͤrte, Seine Heiligkeit werde daruͤber ein groͤßeres Vergnuͤgen empfinden als selbst uͤber die Einnahme von Ferrara: weit mehr als diese weltliche Erwerbung habe ein Friede zu bedeuten, der die gesammte Christenheit umfasse und in Ruhe setze Hinter der Ausgabe der Mémoires von Angouleme bei Di- dot 1756 findet sich I, 131—363 unter dem Titel Autres Mé- moires ein ausfuͤhrlicher Bericht uͤber die Unterhandlung von Ver- vins, der sich durch Genauigkeit und Unparteilichkeit auszeichnet: aus dem denn auch die mitgetheilten Notizen stammen: die letzte p. 337. . Bei diesem Frieden war nur Ein Punkt, die Strei- tigkeit zwischen Savoyen und Frankreich, unerledigt geblie- ben. Der Herzog von Savoyen hatte, wie wir beruͤhrten, Saluzzo an sich gerissen, und wollte sich nicht bequemen es wieder herauszugeben: nach viel vergeblicher Unterhand- lung griff ihn endlich Heinrich IV. mit offenen Waffen an. Dem Papst, dem ohnehin in Vervins die Vermittelung in dieser Sache ausdruͤcklich uͤbertragen worden war, lag alles 20* Buch VI. Innere Streitigkeiten . daran, den Frieden wiederherzustellen: bei jeder Gelegenheit in jeder Audienz drang er darauf: so oft ihn der Koͤnig sei- ner Ergebenheit versichern ließ, forderte er diesen Frieden als einen Beweis derselben, als einen Gefallen den man ihm thun muͤsse. Die eigentliche Schwierigkeit lag darin, daß die Herausgabe von Saluzzo die allgemeinen italienischen Interessen zu verletzen schien. Man sah es nicht gern, daß die Franzosen eine Landschaft in Italien besitzen sollten. Zuerst, so viel ich finde, hat jener Minorit Calatagirona die Auskunft vorgeschlagen, dem Herzog Saluzzo zu lassen und Frankreich durch Bresse und einige benachbarte savoyi- sche Landschaften zu entschaͤdigen Ossat an Villeroy 25. Merz 1599. . Diesen Vorschlag zu einem wirklichen Abkommen zu erheben war das Verdienst das sich Cardinal Aldobrandino im Jahre 1600 in Lyon erwarb. Auch die Franzosen dankten es ihm: Lyon bekam dadurch eine breitere Umgrenzung, wie es sich dieselbe schon lange gewuͤnscht hatte Bentivoglio theilt in dem vornehmsten Abschnitt bes zwei- ten Buches seiner Memorie (c. 2 — c. 6) diese Unterhandlungen ausfuͤhrlich mit. . Unter so gluͤcklichen Umstaͤnden dachte Papst Clemens zuweilen daran, der unter ihm vereinigten katholischen Welt eine gemeinschaftliche Richtung wider den alten Erb- feind zu geben. In Ungarn war der Tuͤrkenkrieg wieder ausgebrochen: schon damals glaubte man wahrzunehmen, daß das osmanische Reich von Tage zu Tage schwaͤcher werde: bei der persoͤnlichen Untauglichkeit der Sultane, dem Einfluß des Serails, den unaufhoͤrlichen Empoͤrungen Politische Stellung Clemens VIII. besonders in Asien schien es moͤglich etwas Rechtes gegen sie auszurichten. Der Papst ließ es wenigstens an sich nicht fehlen. Schon im Jahre 1599 belief sich die Summe, die er fuͤr diesen Krieg aufgewendet hatte, auf anderthalb Millionen Scudi. Bald darauf finden wir ein paͤpstliches Heer von 12000 Mann an der Donau. Aber um wie viel wichtigere Erfolge ließen sich erwarten, wenn man einmal die Kraͤfte des Abendlandes in einiger Ausdehnung zu einem orientalischen Unternehmen vereinigte, wenn sich be- sonders Heinrich IV. entschloß seine Macht der oͤstreichi- schen zuzugesellen. Der Papst unterließ nicht ihn dazu zu ermuntern. Und in der That schrieb Heinrich gleich nach dem Frieden von Vervins den Venezianern, er hoffe in kurzem in Venedig zu Schiff zu steigen, wie die fruͤhern Franzo- sen, zu einem Unternehmen auf Constantinopel. Er wieder- holte sein Versprechen bei dem Abschluß des Friedens mit Sa- voyen Lettre du roy im Anhang zu dem zweiten Bande der Briefe von Ossat p. 11. . Aber allerdings haͤtte der Ausfuͤhrung ein in- nigeres Verstaͤndniß vorausgehn muͤssen, als sich nach so starken Erschuͤtterungen sobald erreichen ließ. Vielmehr kam der Gegensatz und Wetteifer, der zwi- schen den beiden vornehmsten Maͤchten bestehn blieb, dem paͤpstlichen Stuhle in seinen eigenen Angelegenheiten noch mehr als einmal zu Statten. Papst Clemens hatte selbst noch einmal Anlaß sich desselben sogar in Sachen des Kir- chenstaates zu bedienen. Bei so viel glaͤnzenden Unternehmungen, so viel Fort- Buch VI. Innere Streitigkeiten. gang nach außen uͤbte Clemens auch an seinem Hofe, in seinem Staate eine strenge und sehr monarchische Ge- walt aus. Die neue Einrichtung, die Sixtus V. dem Cardinal- collegium gegeben, schien demselben erst einen recht regel- maͤßigen Einfluß in die Geschaͤfte verschaffen zu muͤssen. Jedoch die Formen enthalten nicht das Wesen, und es er- folgte das gerade Gegentheil. Der processualische Geschaͤfts- gang, die Unbeweglichkeit, zu der eine deliberirende Ver- sammlung hauptsaͤchlich wegen der widerstreitenden Meinun- gen die in ihr hervorzutreten pflegen verdammt ist, machte es Clemens dem VIII. unmoͤglich, den Congregationen die wich- tigen Sachen anzuvertrauen. Anfangs befragte er sie noch: doch wich er schon damals oft von ihren Entscheidungen ab; dann theilte er ihnen die Sachen erst kurz vor ihrem Abschluß mit: die Consistorien dienten mehr zur Publi- cation als zur Berathung; endlich beschaͤftigte er sie bloß mit untergeordneten Angelegenheiten oder den Formalitaͤ- ten Delfino: Ora li consistorj non servono per altro che per comunicare in essi la collation delle chiese e per publicar le resolutioni d’ogni qualità fatte dal papa e le congregationi, da quella dell’ inquisitione in poi che si è pur conservata in qualche decoro e si riduce ogni settimana, tutte le altre, anche quelle che sono de’ regolari e de’ vescovi, sono in sola appa- renza: perchè se bene risolvono ad un modo, il papa eseguisce ad un altro e nelle cose più importanti, come nel dar ajuto a principi, di spedir legati, dichiarar capi. . Ohne Zweifel lag in der neuen Wendung, welche Cle- mens der Politik des roͤmischen Hofes gab, hiezu eine gewisse Politische Stellung Clemens VIII. Noͤthigung. Allein es war auch eine persoͤnliche Neigung zur Alleinherrschaft dabei. Das Land ward in demselben Sinne verwaltet: neue Auflagen wurden ausgeschrieben, ohne daß man Jemand gefragt haͤtte, die Einkuͤnfte der Communen unter besondere Aufsicht genommen, die Barone der strengsten Rechtspflege unterworfen: man achtete nicht mehr auf Herkommen und Bevorrechtung. So lange nun der Papst persoͤnlich alle Geschaͤfte lei- tete, ging das wohl. Die Cardinaͤle wenigstens, obwohl nicht alle ihre Gedanken ihnen auf der Oberflaͤche lagen, gefielen sich in Bewunderung und Unterwuͤrfigkeit. Allmaͤhlig aber, mit den hoͤhern Jahren, kam der Besitz, die Ausuͤbung dieser monarchischen Gewalt an den paͤpst- lichen Nepoten, Pietro Aldobrandino. Er war ein Sohn jenes Pietro Aldobrandino, der sich unter den Bruͤdern durch juristische Praxis ausgezeichnet hatte. Beim ersten Anblick versprach er wenig. Er war unansehnlich, pockennarbig, litt an Asthma, hustete immer, und in der Jugend hatte er es selbst in den Studien nicht weit gebracht. So wie ihn aber sein Oheim in die Geschaͤfte nahm, zeigte er eine Gewandtheit und Gefuͤgigkeit wie sie kein Mensch erwartete. Nicht allein wußte er sich sehr gut in die Natur des Pap- stes zu finden, sie so zu sagen zu ergaͤnzen, seine Strenge zu mildern, die Schwachheiten, die sich auch in ihm allmaͤh- lig zeigten, weniger auffallend und unschaͤdlich zu machen Relatione al C l Este. Dove il papa inasprisce, Aldo- brandino mitiga: dove rompe, consolida: dove comanda giustitia, intercede per gratia. : er erwarb auch das Zutrauen und die Genugthuung der Buch VI. Innere Streitigkeiten. fremden Gesandten, so daß sie saͤmmtlich die Geschaͤfte in seinen Haͤnden zu sehen wuͤnschten. Urspruͤnglich hatte er dieselben mit seinem Vetter Cinthio theilen sollen, der auch nicht ohne Geist war, besonders fuͤr die Literatur, allein gar bald hatte er diesen Genossen verdraͤngt. Im J. 1603 finden wir Cardinal Pietro allmaͤchtig an dem Hofe. „Die gesammten Unterhandlungen, sagt eine Relation von die- sem Jahre, alle Gunst und Gnade haͤngt von ihm ab, Praͤlatur, Adel, Hofleute, Gesandte erfuͤllen sein Haus. Man kann sagen, durch sein Ohr wird alles vernommen, von seinem Gutachten haͤngt alles ab, aus seinem Munde kommt die Eroͤffnung, in seinen Haͤnden liegt die Ausfuͤh- rung“ „Orbis in urbe“. Doch finden sich auch hier geheime Maͤchte. Ha diversi servitori, sagt dieselbe Relation, ma quel che assorbe i favori di tutti, è il cav r Clemente Sennesio, mastro di came- ra, salito a quel grado di privatissima fortuna, e che per am- pliar maggiormente la sua autorità ha fatto salire il fratello al segretariato della consulta: così possedendo tra lor due la som- ma, l’uno della gratia del cardinale, l’altro della provisione d’of- ficj e delle maggiori espeditioni. . Eine solche Gewalt, so unumschraͤnkt, durchgreifend, und dabei doch keinesweges gesetzmaͤßig, erweckte, trotz der Freunde die sie finden mochte, in den Uebrigen einen gehei- men, tiefen und allgemeinen Widerspruch. Bei einem ge- ringfuͤgigen Anlaß trat das unerwartet hervor. Ein Mensch, den man um seiner Schulden willen fest- genommen, wußte im rechten Augenblick seine Fesseln zu zerreißen und in den Pallast Farnese zu entspringen, vor dem man ihn eben vorbeifuͤhrte. Schon lange hatten die Paͤpste von dem Rechte der Politische Stellung Clemens VIII. vornehmen Geschlechter Verbrechern in ihrem Hause eine Freistaͤtte zu gewaͤhren nichts mehr wissen wollen. Der Cardinal Farnese, obwohl durch die Vermaͤhlung einer Al- dobrandina in das Haus Farnese mit dem Papste verwandt, machte es wieder geltend. Er ließ die Sbirren, die ihren Gefangenen in dem Pallaste suchen wollten, mit Gewalt heraustreiben: dem Governatore, der sich darauf einstellte, entgegnete er, sein Haus habe nicht die Sitte Angeklagte auszuliefern: dem Cardinal Aldobrandino, welcher Aufsehen zu vermeiden wuͤnschte und in eigener Person erschien um die Sache in Guͤte beizulegen, gab er wegwerfende Ant- worten: er ließ ihn merken, nach dem Tode des Papstes, der bald zu erwarten sey, werde ein Farnese mehr zu be- deuten haben, als ein Aldobrandino. Was ihm zu einem so trotzigen Betragen den Muth gab, war vor allem seine Verbindung mit den Spaniern. Aus der Verzichtleistung Heinrichs IV. auf Saluzzo, die man in Rom ein wenig armselig fand, hatte man geschlossen, daß sich dieser Fuͤrst mit den italienischen Geschaͤften nicht befassen wolle: das Ansehen der Spanier war hierauf wie- der gestiegen: da die Aldobrandini eine so starke Hinnei- gung zu Frankreich an den Tag legten, so schlossen die Geg- ner derselben sich an Spanien an. Der spanische Botschaf- ter, Viglienna, gab dem Verfahren Farneses seine volle Billigung Contarini: Historia Veneta tom. III, lib. XIII MS, unter allen Autoren jener Zeit hieruͤber am ausfuͤhrlichsten und glaub- wuͤrdigsten: Viglienna mandò ordine a tutti i baroni e cava- lieri Romani obligati alla corona che per servitio del re fos- sero immediate nella casa del cardinal Farnese. . Buch VI. Innere Streitigkeiten. Der Ruͤckhalt einer auswaͤrtigen Macht, der Schutz eines großen Geschlechtes, bedurfte es mehr um die Unzufrie- denheit des roͤmischen Adels zum Ausbruch zu bringen? Cavalieri und Nobili stroͤmten in den Pallast Farnese. Ei- nige Cardinaͤle schlugen sich offen zu ihnen Contarini: Diede grand’ assenso al fatto la venuta de’ cardinali Sfondrato e Santiquatro, che niente mirarono trattan- dosi di Spagna al debito de’ cardinali verso il papa: ed a que- sti che apertamente si dichiaravano diversi altri in occulto ad- herivano, tra’ quali il C l Conti. — Ma il popolo, la plebe senza nome, sempre avida di cangiar stato, favoriva al cardìnale, e per le piazze, per le strade a gran caterve applaudevano al par- tito di lui. : andere beguͤn- stigten sie insgeheim. Alles rief, man muͤsse Papst und Kirche von der Gefangenschaft des Cardinal Aldobrandino befreien. Da der Papst Truppen nach Rom berief, so rieth der spanische Botschafter den Vereinigten, denen er sogar Belohnungen versprach, einige bewaffnete Banden, die sich eben an der neapolitanischen Grenze zeigten, ebenfalls herbeizurufen. Es haͤtte wenig gefehlt, daß nicht eine offene Fehde, im Sinne vergangener Jahrhunderte, in Rom selbst ausgebrochen waͤre. So weit aber wollte es der Cardinal doch nicht kom- men lassen. Es war ihm genug, seine Unabhaͤngigkeit, seine Macht, die Moͤglichkeit eines Widerstandes gezeigt zu ha- ben. Er beschloß sich nach Castro zuruͤckzuziehen, das ihm eigenthuͤmlich zugehoͤrte. In großem Style fuͤhrte er es aus. Er versicherte sich eines Thores und ließ es besetzen: alsdann im Geleite von 10 Wagen und 300 Pferden verließ er die Stadt. Und hiedurch hatte er in der That alles gewonnen: Politische Stellung Clemens VIII. alle diese Widersetzlichkeit ging ihm durch: es ward eine foͤrmliche Unterhandlung eingeleitet: man nahm die Miene an, als liege die Sache am Governator, und veranstaltete eine Versoͤhnung desselben mit dem Hause Farnese. Dann kehrte der Cardinal zuruͤck: nicht minder glaͤnzend, als wie er gegangen war. Alle Straßen, Fenster, Daͤcher waren mit Menschen erfuͤllt. Nie waren die Farnesen zur Zeit ihrer Herrschaft so glaͤnzend empfangen, oder gar mit so lautem Jubel begruͤßt worden Contarini: S’inviò in Roma entrando in guisa trion- fante con clamori popolari che andavano al cielo, incontrato in forma di re dall’ ambasciator di Cesare, di Spagna, dalli cardi- nali Sfondrato, Santiquatro, San Cesareo e Conti, dal general Georgio suo cognato, tutta la cavalleria e tutte le guardie del papa, confluendo li cavalieri e baroni. . Wenn aber Cardinal Pietro Aldobrandino dieß geschehen ließ, so war es nicht allein Schwaͤche, erzwungene Nach- giebigkeit: die Farnesen waren am Ende nahe Verwandte des paͤpstlichen Hauses: auch haͤtte es nichts geholfen, sich unversoͤhnlich anzustellen; vor allem mußte der Ursprung des Uebels gehoben werden, der in den politischen Verhaͤlt- nissen lag. Von den Spaniern war keine Aenderung ih- res Systemes, nicht einmal die Abberufung eines so un- bequemen Gesandten zu erlangen: Aldobrandino konnte sich nur dadurch helfen, daß er Heinrich IV. zu lebhafter Theil- nahme an den italienischen Angelegenheiten bewog. Es war ihm erquickend, sagen seine Feinde, „wie an einem heißen Tage ein kuͤhler ruhiger Wind“, als im De- zember 1604 drei franzoͤsische Cardinaͤle, alles ausgezeichnete Maͤnner, auf einmal ankamen. Es ward wieder moͤglich Buch VI. Innere Streitigkeiten. zu Rom eine franzoͤsische Partei zu bilden. Mit Freuden wurden sie empfangen. Die Schwester des Cardinals, Si- gnora Olympia, erklaͤrte den Angekommenen tausend Mal, ihr Haus werde sich unbedingt in franzoͤsischen Schutz be- geben. Baronius behauptete, durch seine Geschichte gelernt zu haben, daß der roͤmische Stuhl keiner andern Nation so viel verdanke wie der franzoͤsischen: als er ein Bild des Koͤnigs sah, brach er in ein Lebehoch aus. Er suchte sich zu unterrichten, ob nach dem Verluste von Saluzzo gar kein Alpen-Paß mehr in den Haͤnden der Franzosen geblieben sey. Dieser Baronius war aber nicht bloß ein Geschicht- schreiber, er war der Beichtvater des Papstes, und sah ihn alle Tage. Der Papst und Aldobrandino nahmen sich in Acht und ließen sich nicht so weit heraus. Allein eben so viel schien es zu bedeuten, wenn ihre naͤchsten Angehoͤrigen sich so unverholen ausdruͤckten: nur die Gesinnung der Herrn schienen sie zu wiederholen. Da sich nun Hein- rich IV. entschloß auch Pensionen zu zahlen, so hatte er bald eine Partei, die der spanischen ein Gegengewicht gab. Allein noch viel weiter gingen die Absichten Aldobran- dinos. Oft stellte er den venezianischen Gesandten und Cardinaͤlen die Nothwendigkeit vor, dem Uebermuthe der Spa- nier Schranken zu setzen. Koͤnne man ertragen, daß sie in dem Hause eines Andern zum Trotz diesem gebieten wollten? Du Perron au roi 25 janv. 1605 (Ambass. I, 509) . Zwar sey es fuͤr Jemand, der in kurzem in den Privat- stand zuruͤckzutreten habe, gefaͤhrlich, sich den Unwillen die- ser Macht zuzuziehen, doch koͤnne er auch um seiner Ehre willen nicht zugeben, daß das Papstthum unter seinem Politische Stellung Clemens VIII. Oheim an Reputation verliere. Genug er schlug den Ve- nezianern eine Verbindung der italienischen Staaten unter franzoͤsischem Schutze gegen Spanien vor. Schon war er auch mit den uͤbrigen in Unterhand- lung getreten. Er liebte Toscana nicht, mit Modena hatte er fortwaͤhrende Streitigkeiten, Parma war in die Haͤndel des Cardinals Farnese verwickelt: aber er schien alles zu vergessen, um sich an Spanien zu raͤchen. Mit Leidenschaft widmete er sich dieser Absicht: er sprach von nichts anderm, er schien an nichts anderes zu denken. Um den Staaten, mit denen er sich vereinigen wollte, naͤher zu seyn, begab er sich im Anfange des Jahres 1605 nach Ancona. Er hatte noch nichts erreicht, als sein Oheim starb, 5. Merz 1605, und damit auch seine Gewalt ein Ende nahm. Indessen war auch schon die Anregung des Gedan- kens, diese geflissentliche Erneuerung des franzoͤsischen Ein- flusses in Rom und Italien von vieler Bedeutung. Sie bezeichnet eine Tendenz der gesammten Politik der Aldo- brandini. Wir gehn, denke ich, nicht zu weit, wenn wir uns dadurch an die urspruͤngliche Stellung dieses Geschlechtes in Florenz erinnern lassen. Es hatte immer zur franzoͤsi- schen Partei gehoͤrt: Messer Salvestro hatte den Aufruhr im Jahr 1527, in dem die Medici verjagt, die Franzo- sen berufen wurden, vorzuͤglich mit veranlaßt. Dafuͤr hatte er denn auch, als seine Gegner, Spanier und Medici, den Platz behielten, buͤßen, sein Vaterland verlassen muͤssen. Sollte Papst Clemens dieß vergessen, sollte er Spanier und Buch VI. Innere Streitigkeiten. Medici geliebt haben? Er war von Natur verschlossen, zuruͤckhaltend: nur zuweilen eroͤffnete er sich gegen seine Vertrauten: dann ließ er wohl den Spruch hoͤren: „Frage deine Vorfahren, und sie werden dir deine Straße zei- gen“ Delfino: La poca inclinatione che per natura e per he- redità ha il papa a Spagnoli. . Es ist gewiß, daß er einmal beabsichtigte den Staat von Florenz, wie er sich ausdruͤckte, zu reformiren. Seine Hinneigung zu Frankreich liegt am Tage: er fand das Papstthum im engsten Bunde mit Spanien, er fuͤhrte es bis nahe an eine Vereinigung mit Frankreich wider Spa- nien. Wenn die Herstellung einer nationalen Macht in Frankreich im Interesse der Kirche lag, so war sie doch zugleich eine Sache der Neigung, eine persoͤnliche Genug- thuung. Jedoch war dieser Papst besonnen, vorsichtig, be- hutsam: er griff nichts an, als was sich durchfuͤhren ließ. Statt Florenz zu reformiren, reformirte er, wie ein Vene- zianer sagt, seine eigenen Gedanken, als er sah, daß es nicht ohne allgemeine Gefahr angehn werde Venier: Vedendo le preparazioni e risolutioni di V ra S à et anco del granduca e che la nostra republica s’era dichia- rata col mandar un ambasciatore espresso per questo negotio a S. S à , conoscendo ella che si sarebbe acceso un gran fuoco in Italia e con pericolo di gravissimo incendio della chiesa, in luogo di tentar la riforma dello stato di Firenze riformò i suoi pensieri. . Die franzoͤ- sischen Waffen nach Italien zu rufen war nie seine Mei- nung. Es war ihm genug, das Gleichgewicht herzustellen, sich von der Uebermacht der Spanier loszumachen, der kirchlichen Politik eine breitere Grundlage zu geben: auf Paul V. friedlichem Wege, nach und nach, ohne Erschuͤtterung noch Geraͤusch: aber desto sicherer. Wahl und erste Handlungen Pauls V. Gleich in dem naͤchsten Conclave trat nun auch der Einfluß der Franzosen hervor. Aldobrandino verband sich mit ihnen. Vereinigt waren sie unwiderstehlich: einen Car- dinal, den der Koͤnig von Spanien namentlich ausgeschlos- sen, einen Medici, nahen Verwandten der Koͤnigin von Frankreich, erhoben sie zur paͤpstlichen Wuͤrde. Voll Ju- bel sind die Briefe, in denen Du Perron diesen unerwar- teten Erfolg Heinrich dem IV. meldet: in Frankreich be- ging man ihn mit oͤffentlichen Festlichkeiten Histoire de la vie de Messire Philippe de Mornay sei- gneur du Plessis p. 305. Ce pape de la maison des Medicis, dit Leon XI, qui avoit cousté au roi 300000 escus à faire, en la faveur duquel il faisoit grand fondement, et pour l’élection duquel par un exemple nouveau furent faits feux de joye et tiré le canon en France, qui vescut peu de jours et ne laissa au roy que le reproche par les Espagnols d’une largesse si mal employée et le doute de rencontrer une succession, comme il advint, plus favorable à l’Espagnol. . Nur war es ein kurzes Gluͤck. Leo XI, wie dieser Papst sich nannte, uͤberlebte seine Wahl nur 26 Tage. Man behauptet, der Gedanke seiner Wuͤrde, das Gefuͤhl der Schwierigkeit sei- nes Amtes habe seine alterschwachen Lebenskraͤfte vollends erdruͤckt. Das Gewuͤhl der Wahlkaͤmpfe erneuerte sich hierauf um so lebhafter, da Aldobrandino nicht mehr so enge mit Buch VI. Innere Streitigkeiten. den Franzosen verbuͤndet war. Montalto trat ihm maͤch- tig gegenuͤber. Es begann ein Wettstreit, wie bei den fruͤ- hern Wahlen, zwischen den Creaturen des letzten und ei- nes fruͤhern Papstes. Zuweilen fuͤhrte jeder, umgeben von seinen Getreuen, den Mann seiner Wahl in die eine oder in die andere Capelle: sie stellten sich einander gegenuͤber auf: bald mit dem einen, bald mit dem andern ward ein Versuch gemacht: auch Baronius, obwohl er sich mit Haͤn- den und Fuͤßen straͤubte, ward einmal nach der Capella Paolina gefuͤhrt; allein allemal zeigte sich die Opposition staͤrker, es konnte Keiner von Allen durchgesetzt werden. Bei den Papstwahlen kam es wie bei andern Befoͤrderun- gen allmaͤhlig mehr darauf an, wer die wenigsten Feinde, als wer die meisten Verdienste habe. Endlich warf Aldobrandino seine Augen unter den Crea- turen seines Oheims auf einen Mann, der sich allgemei- nen Beifall erworben und gefaͤhrliche Feindschaften zu ver- meiden gewußt hatte, den Cardinal Borghese. Fuͤr diesen gelang es ihm die Franzosen zu gewinnen, die bereits eine Annaͤherung zwischen Montalto und Aldobrandino bewirkt hatten: auch Montalto stimmte ein: Borghese ward gewaͤhlt, ehe nur die Spanier erfahren hatten, daß er vorgeschlagen war Doch mag es auch seyn, daß Montalto und Aldobrandino sich zuerst uͤber Borghese verstanden. Conclave di Paolo V p. 370 sagt von beiden: Dopo d’haver proposti molti, elessero Bor- ghese, amico di Montalto e creatura confidente di Aldobran- dino. , 16. Mai 1605. So blieb es denn auch dieß Mal dabei, daß der Ne- pot Paul V. pot des letzten Papstes den Ausschlag fuͤr die Wahl des neuen gab. Die Borghesen waren auch uͤbrigens von Hause aus in einer aͤhnlichen Stellung wie die Aldobrandini. Wie diese aus Florenz, waren sie aus Siena weggegangen, um nicht der mediceischen Herrschaft unterworfen zu seyn. Um so mehr schien die neue Regierung eine folgerichtige Fort- setzung der vorigen werden zu muͤssen. Indeß entwickelte Paul V. auf der Stelle eine eigen- thuͤmlich schroffe Natur. Von dem Stande eines Advocaten war er durch alle Grade kirchlicher Wuͤrden emporgestiegen Relatione di IV ambasciatori mandati a Roma 15 Genn. 1605 m. V. d. i. 1606. Il padre Camillo non volendo più ha- bitare Siena caduta della libertà, se ne andò a Roma. Di buono spirito, d’ingegno acuto, riuscì nella professione d’avvocato. — — Il papa non vuol esser Sanese ma Romano. : Vicelegat in Bologna, Auditor di Camera, Vicar des Papstes, Inqui- sitor war er gewesen: er hatte stillehin in seinen Buͤchern, seinen Acten vergraben gelebt, und sich in keinerlei politische Geschaͤfte gemischt: eben daher war er ohne besondere Feind- schaften durchgekommen: keine Partei sah in ihm einen Geg- ner, weder Aldobrandino noch Montalto, weder die Fran- zosen noch die Spanier: und dieß war denn die Eigenschaft, die ihm zur Tiare verhalf. Er jedoch verstand dieß Ereigniß anders. Daß er ohne sein Zuthun, ohne alle kuͤnstliche Mittel zum Papst- thum gelangt war, schien ihm eine unmittelbare Wirkung des heiligen Geistes. Er fuͤhlte sich dadurch uͤber sich selbst erhoben: die Veraͤnderung seiner Haltung und Bewegung, seiner Mienen und des Tons seiner Rede setzte selbst diesen Päpste* 21 Buch VI. Innere Streitigkeiten. Hof in Erstaunen, der doch an Umwandlungen aller Art gewoͤhnt war: er fuͤhlte sich aber auch zugleich gebunden, verpflichtet. Mit derselben Unbeugsamkeit, mit der er in seinen bisherigen Aemtern den Buchstaben des Gesetzes ge- handhabt, nahm er sich vor auch die hoͤchste Wuͤrde zu verwalten. Andere Paͤpste pflegten ihre Thronbesteigung mit Gna- den zu bezeichnen. Paul V. begann mit einem Richter- spruch, der noch heute Grauen erregt. Ein armer Autor, Cremonese von Geburt, Piccinardi, hatte sich ich weiß nicht aus welchem Verdruß in seiner Einsamkeit damit beschaͤftigt, eine Lebensbeschreibung Cle- mens des VIII. aufzusetzen, in der er diesen Papst mit dem Kaiser Tiberius verglich, so wenig Aehnlichkeit auch diese Regenten mit einander haben moͤgen. Er hatte dieß selt- same Werk nicht allein nicht drucken lassen, sondern ganz fuͤr sich behalten und so gut wie Niemand mitgetheilt: eine Frau, die er fruͤher im Hause gehabt, gab ihn an. Paul V. aͤußerte sich hieruͤber anfangs mit viel Ruhe, und es schien um so weniger zu besorgen, da sich maͤchtige Per- sonen selbst Botschafter fuͤr ihn verwandten. Wie sehr erstaunte man, als Piccinardi eines Tages auf der En- gelsbruͤcke enthauptet wurde. Was auch zu seiner Entschul- digung gesagt werden mochte, so hatte er doch das Ver- brechen der beleidigten Majestaͤt begangen, fuͤr das die Ge- setze diese Strafe bestimmen. Bei einem Papst wie Paul, war keine Gnade: auch die Habseligkeiten des armen Men- schen wurden eingezogen Jene Gesandten erzaͤhlen diesen Fall. „Si congettura“, . Erste Handlungen Pauls V. An dem Hofe erneuerte dieser Papst unverzuͤglich die Anordnungen des Tridentinums uͤber die Residenz. Er erklaͤrte es fuͤr eine Todsuͤnde, von seinem Bisthum ent- fernt zu seyn und die Einkuͤnfte desselben zu genießen. Er nahm die Cardinaͤle hievon nicht aus: er ließ Stellen in der Verwaltung nicht als Entschuldigung gelten. In der That zogen sich Viele zuruͤck: Andere baten nur um Auf- schub Du Perron à Villeroy 17 may 1606. Le pape ayant fait entendre ces jours passez que sa volonté estoit que tous les cardinaux qui avoient des eveschez y allassent ou bien les resignassent ou y missent des coadjuteurs, — — j’ay pensé — — : noch Andere, um Rom nicht verlassen zu muͤssen und doch auch nicht fuͤr pflichtvergessen zu gelten, gaben ihre Entlassung ein. Allein das Bedenklichste war, daß er sich bei seinen canonistischen Studien mit einem uͤberschwenglichen Begriffe vom Papstthum durchdrungen hatte. Die Lehre, daß der Papst der einzige Stellvertreter Jesu Christi, daß die Ge- walt der Schluͤssel seinem Gutduͤnken anvertraut, daß er von allen Voͤlkern und Fuͤrsten in Demuth zu verehren sey, wollte er in ihrer vollen Bedeutung behaupten Relatione di IV ambasciatori: Conoscendo il pontefice presente sua grandezza spirituale, e quanto se le debba da tutti li popoli christiani attribuir di ossequio e di obedienza, non eccettuando qualsivoglia grandissimo principe. . Er sagte, nicht von Menschen, sondern vom goͤttlichen Geiste sey er auf diesen Stuhl erhoben worden, mit der Pflicht die Im- munitaͤten der Kirche, die Gerechtsame Gottes wahrzunehmen: fuͤgen sie hinzu, „fondatamente che abbi ad esser il pontefice severo e rigorosissimo et inexorabile in fatto di giustitia.“ 21* Buch VI. Innere Streitigkeiten. in seinem Gewissen sey er gehalten alle seine Kraͤfte anzu- strengen, um die Kirche von Usurpation und Vergewalti- gung zu befreien. Er wolle lieber sein Leben dafuͤr wagen, als einst wegen einer Vernachlaͤssigung seiner Pflicht zur Rechenschaft gezogen werden, wenn er vor Gottes Thron erscheinen muͤsse. Mit juridischer Schaͤrfe faßte er die Anspruͤche der Kirche als ihre Rechte: als seine Gewissenspflicht sah er es an, sie in aller ihrer Strenge zu erneuern und durch- zusetzen. Venezianische Irrungen. Seit die paͤpstliche Gewalt sich im Gegensatze gegen den Protestantismus wiederhergestellt, die Ideen, auf de- nen die Hierarchie uͤberhaupt beruht, erneuert hatte, machte sie auch alle ihre canonischen Berechtigungen in Be- zug auf das Innere der katholischen Staaten aufs neue geltend. Indem sie ihre Gegner besiegte, wuchs auch ihre Au- toritaͤt uͤber ihre Anhaͤnger. Nachdem die Bischoͤfe zu strengerm Gehorsam verpflich- tet, die Moͤnchsorden enge an die Curie geknuͤpft, alle Re- formationen in dem Sinne vollzogen waren zugleich die hoͤchste Macht des Papstes zu befoͤrdern, schlugen al- lenthalben in den Hauptstaͤdten von Europa regelmaͤßige Nuntiaturen ihren Sitz auf, die mit dem Ansehen der Ge- sandtschaft einer einflußreichen Macht jurisdictionnelle Rechte verbanden, welche ihnen auf die wichtigsten Verhaͤltnisse des Venezianische Irrungen. Lebens und des Staates eine wesentliche Einwirkung ver- schafften. Selbst da wo die Kirche sich im Einverstaͤndniß mit dem Staate hergestellt, wo sich beide vereinigt dem Empor- kommen protestantischer Meinungen entgegengesetzt hat- ten, brachte doch dieß Verhaͤltniß gar bald Mißhelligkei- ten hervor. Gleich damals, wie noch heute, ließ es sich der roͤmi- sche Hof besonders angelegen seyn seine Anspruͤche in Ita- lien aufrecht zu erhalten. Unaufhoͤrlich finden wir deshalb die italienischen Staaten in Mißverstaͤndnissen mit der kirchlichen Gewalt. Die alten Streitigkeiten zwischen Papst und Kir- che waren weder im Allgemeinen durch ein entscheidendes Prinzip, noch auch im Besondern durch Vertrag und Ue- bereinkunft beseitigt worden. Die Paͤpste selbst waren sich nicht immer gleich. Auf das hartnaͤckigste bestanden Pius V, Gregor XIII. wenigstens in der ersten Haͤlfte seiner Re- gierung auf ihren Anspruͤchen: Sixtus V. war in den ein- zelnen Faͤllen um vieles nachsichtiger. Die Staaten und ihre Abgeordneten suchen uͤber die schwierigen Augenblicke ohne Nachtheil wegzukommen, die guͤnstigen zu ihrem Nutzen zu ergreifen: auch kann das ihnen nicht ganz mißlingen: die Neigungen der Paͤpste gehn voruͤber und wechseln: die Interessen der Staaten bleiben immer. Auf jeden Fall werden hiedurch die Fragen, die man zu entscheiden hat, bei weitem weniger Gegenstand des Jus canonicum und der Rechtsfindung, als der Politik, gegenseitiger Forde- rung und Nachgiebigkeit. Papst Paul V. jedoch verstand seine Anspruͤche ein- Buch VI. Innere Streitigkeiten. mal wieder voͤllig juridisch: er hielt die canonischen An- ordnungen der Decretalen fuͤr Gesetze Gottes: er schrieb es nicht einer innern Nothwendigkeit der Sache, sondern per- soͤnlicher Nachlaͤssigkeit zu, wenn seine Vorfahren etwas nachgegeben, uͤbersehen hatten, und hielt sich fuͤr berufen diesen Fehler wieder gut zu machen. Bald nach seiner Thronbesteigung finden wir ihn deshalb mit allen seinen italienischen Nachbarn in bittern Streitigkeiten. In Neapel hatte der Reggente Ponte, Praͤsident des koͤniglichen Rathes, einen kirchlichen Notar, von dem die Information uͤber eine Ehesache dem buͤrgerlichen Gericht verweigert, und einen Buchhaͤndler, von dem einer koͤnig- lichen Verordnung zuwider das Buch des Baronius gegen die sicilianische Monarchie verbreitet worden war, zu den Galeeren verurtheilt: ein Monitorium Clemens VIII. hie- gegen war ohne Folgen geblieben. Papst Paul V. zoͤgerte keinen Augenblick die Excommunication auszusprechen Les ambassades du cardinal du Perron II, 683. 736. . Der Herzog von Savoyen hatte einige Pfruͤnden ver- gabt, deren Verleihung der roͤmische Hof in Anspruch nahm, Genua Gesellschaften verboten, die bei den Jesui- ten gehalten wurden, weil man da die Wahlen zu den Aemtern zu beherrschen versuche; Lucca hatte ganz im All- gemeinen die Execution der Decrete paͤpstlicher Beamten ohne vorlaͤufige Genehmigung der einheimischen Magistrate untersagt; in Venedig endlich waren ein paar Geistliche, die sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht, vor die welt- liche Gerichtsbarkeit gezogen worden. Gerade die Allge- meinheit dieses Widerstandes gegen die kirchliche Gewalt Venezianische Irrungen . setzte den Papst in Amtseifer und Zorn. Allenthalben fuhr er mit strengen Befehlen und Drohungen dazwischen. Ja in diesem Augenblick erweiterte er sogar noch die bishe- rigen Anspruͤche kirchlicher Autoritaͤt. Er sagte unter andern, was nie erhoͤrt worden: dem Staate komme es nicht zu, seinen Unterthanen den Verkehr mit den Protestanten zu verbieten, das sey eine Sache der Kirche und gehoͤre aus- schließend vor die kirchliche Jurisdiction. Die meisten italienischen Staaten sahen diese Schritte als Uebertreibungen an, die sich bei mehr Erfahrung von selbst verlieren wuͤrden. Keiner wuͤnschte der Erste zu seyn der mit dem Papste braͤche. Der Großherzog von Tos- cana aͤußerte, er habe Sachen vor der Hand, die den Papst außer sich bringen muͤßten, aber er suche sie hinzu- halten: Paul V. sey ein Mann, der die Welt nach einer Stadt des Kirchenstaates beurtheile, wo es nach dem Buch- staben der Gesetze hergehe: bald muͤsse sich das aͤndern: die Spanier wuͤrden sich fangen, sie wuͤrden entweder von freien Stuͤcken losgelassen werden, oder das Netz zerrei- ßen: ein solches Beispiel muͤsse man erwarten Relatione di IV ambasciatori. Il granduca ricordava che il pontefice non era uso a governar come principe grande, per- chè aver avuto qualche governo di città delle chiesa, dove si procede col rigor ecclesiastico e da prete, non basta per saper governare come capo supremo. . So dachten ungefaͤhr auch die Uebrigen, und gaben fuͤrs Erste nach. Genua widerrief seine Verordnung; der Herzog von Savoyen ließ die streitigen Pfruͤnden auf einen Nepoten des Papstes uͤbergehn; die Spanier selbst gestatteten, daß Buch VI. Innere Streitigkeiten . jener Reggente vor zahlreichen Zeugen die Absolution nach- suchte und empfing. Nur die Venezianer, sonst so klug und gefuͤgig, ver- schmaͤhten es, diese Politik zu beobachten. In der That war aber auch Venedig mehr als die Andern gereizt. Es bietet ein rechtes Beispiel dar, wie ver- letzend die Eingriffe des roͤmischen Hofes besonders fuͤr ei- nen benachbarten Staat werden konnten. Schon diese Nachbarschaft an sich erwies sich hoͤchst unbequem, zumal nachdem die Kirche Ferrara erworben hatte. Die Grenzstreitigkeiten, welche die Republik mit den Herzoͤgen gehabt, wurden vom roͤmischen Hofe bei wei- tem lebhafter fortgesetzt: sie wurde in der Regulation des Po, die sie eben mit großen Kosten ausfuͤhrte, in dem alt- hergebrachten Besitze ihrer Fischereien gestoͤrt: sie konnte nicht anders fertig werden, als indem sie jene Arbeiten durch bewaffnete Fahrzeuge beschuͤtzen, und fuͤr einige ihrer Fischerbarken, die der Legat von Ferrara aufgebracht, auch ihrerseits paͤpstliche Unterthanen aufgreifen ließ. Indessen nahm Papst Paul V. auch ihre Hoheits- rechte uͤber Ceneda, die sie seit Jahrhunderten ruhig aus- uͤbte, in Anspruch: er machte einen Versuch die Appellatio- nen von dem bischoͤflichen Gerichte, dem dort die Juris- diction zustand, nach Rom zu ziehen. Man gerieth dar- uͤber sehr hart an einander: der paͤpstliche Nuntius schritt zu Excommunicationen: der venezianische Senat sorgte da- fuͤr, daß dieselben keine buͤrgerliche Wirkung nach sich zogen Niccolò Contarini: Mentre si disputava, pareva che da . Venezianische Irrungen . Und nicht minder bitter waren die Streitigkeiten uͤber den Zehnten der Geistlichkeit. Die Venezianer behaupteten, daß sie ihn fruͤherhin eingezogen ohne den Papst daruͤber zu befragen, sie wollten es nicht anerkennen, daß die Be- willigung des Papstes erfordert werde um diese Auflage zu erheben. Aber noch empfindlicher war es ihnen, daß der roͤmische Hof von Tage zu Tage die Exemtionen von derselben erweiterte. Die Cardinaͤle, denen sehr reiche Pfruͤn- den zugehoͤrten, die Malteser, die Moͤnchskloͤster zur Haͤlfte, die Bettelorden, außerdem alle welche im Dienste der Kirche auswaͤrts beschaͤftigt waren oder unter irgend ei- nem Titel zur paͤpstlichen Hofhaltung gezaͤhlt wurden, end- lich auch die, denen der Hof Pensionen auf venezianische Pfruͤnden angewiesen, waren fuͤr eximirt erklaͤrt. Es er- folgte, daß die Reichen nichts zu bezahlen brauchten, und die ganze Last auf die Armen fiel, welche nicht zahlen konn- ten. Das Einkommen des venezianischen Clerus ward auf 11 Millionen Ducaten berechnet: der Zehnte warf effectiv nicht mehr als 12000 Duc. ab Aus einer Erklaͤrung die in Rom eingegeben ward. Men- tre s’esagera sopra la severità del magistrato, non si ritrovava fin hora essersi conseguiti più di 12 m. ducati, per li quali non si doveva far tanti richiami, e le fortune della republica per gratia di dio non erano tali che ne dovesse far conto più che tanto. Es wurden hierauf einige Einrichtungen getroffen, die dem . alcuno fusse fuggita la conversatione de’ censurati — Beamten der Republik welche sich den Appellationen nach Rom widersetzt hat- ten — la qual cosa giudicando il senato apportarli offesa, pri- mieramente fece publicare un bando contra chi li havesse a schivo, e dopo a questi tutti in vita li fu data annua provisione quale era corrispondente alla loro fortuna. Buch VI. Innere Streitigkeiten . Dazu kamen nun noch unzaͤhlige, mehr die Privatleute als gerade den Staat selbst angehende Streitpunkte. Ich will nur Einen anfuͤhren. Man weiß, wie sehr im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts die venezianischen Druckereien bluͤhten: die Republik war stolz auf diesen ehrenvollen Gewerbzweig: aber durch die Anordnungen der Curie ging er nach und nach zu Grunde. Man fand in Rom kein Ende Buͤcher zu verbieten: erst die protestantischen, dann die Schriften wider die Sitten der Geistlichkeit, wider die kirchliche Im- munitaͤt, alle die vom Dogma im geringsten abwichen, die gesammten Werke eines Autors, der einmal Tadel er- fahren. Der Verkehr konnte nur noch in untadelhaft ka- tholischen Sachen Statt finden: kaufmaͤnnisch betrachtet, erholte er sich wirklich ein wenig an den kunstreichen und praͤchtigen Messalen und Breviarien, die bei der Erneuerung der kirchlichen Gesinnungen guten Absatz fanden. Jetzt aber ward auch dieser Erwerb geschmaͤlert. Man legte zu Rom Hand an eine Verbesserung dieser Buͤcher, die in ih- rer neuen Gestalt von Rom selbst ausgehn sollten Contarini: Al presente s’era devenuto in Roma in que- sto pensiero di ristampar messali et altro, levando di poterlo far ad altri. . Die Venezianer bemerkten mit jenem Ingrimme, den ein zum Privatvortheil benutzter Gebrauch der oͤffentlichen Gewalt immer hervorbringt, daß einige bei der Congregation des Index, welche die Drucksachen beaufsichtigte, angestellte Uebel steuern sollten. Aber Contarini sagt: In effetto montò poco perciocchè il foro era già fatto e l’abuso troppo confermato che distornarlo era più che malagevole. Venezianische Irrungen . Beamte Antheil an dem Geldgewinn der roͤmischen Drucke- reien haͤtten. Unter diesen Umstaͤnden ward das Verhaͤltniß zwischen Rom und Venedig durch und durch gehaͤssig und gespannt. Wie sehr aber mußte damit jene Gesinnung kirchlich- weltlicher Opposition, die schon 1589 Heinrich dem IV. zu Huͤlfe kam, befoͤrdert werden. Der Sieg Heinrichs, die ganze Entwickelung der europaͤischen Angelegenheiten bestaͤ- tigte sie, brachte sie empor. Die Irrungen mit dem Papst selbst trugen dazu bei, daß die Vertreter dieser Gesinnung allmaͤhlig zur Leitung der Geschaͤfte gelangten. Niemand schien geeigneter die Interessen der Republik gegen die geist- liche Gewalt wahrzunehmen. Im Januar 1606 ward Leo- nardo Donato, das Oberhaupt der Antiroͤmischgesinnten, zum Doge erhoben. Alle seine Freunde, durch deren Theil- nahme es ihm in dem Kampfe innerer Parteiung gegluͤckt, zog er zur Theilnahme an den Geschaͤften heran. Indem ein Papst auftrat, welcher die streitigen An- spruͤche seiner Gewalt mit ruͤcksichtslosem Eifer uͤberspannte, gerieth die venezianische Regierung in die Haͤnde von Maͤn- nern welche die Opposition gegen die roͤmische Herrschaft zu ihrer persoͤnlichen Gesinnung ausgebildet, durch sie em- porgekommen, und ihr Prinzip nun um so nachdruͤcklicher behaupteten, weil es ihnen zugleich diente ihre Gegner in- nerhalb der Republik abzuwehren, zu unterdruͤcken. Es lag in der Natur beider Gewalten, daß die Rei- bungen zwischen ihnen von Tage zu Tage feindseliger, weit- aussehender wurden. Der Papst drang nicht allein auf die Auslieferung Buch VI. Innere Streitigkeiten . jener geistlichen Verbrecher: er forderte auch bie Abschaf- fung zweier vor kurzem von den Venezianern erneuerten Ge- setze, durch welche die Veraͤußerung liegender Gruͤnde an die Geistlichkeit verboten, und die Errichtung neuer Kir- chen von der Genehmigung der weltlichen Behoͤrde abhaͤn- gig gemacht ward. Er erklaͤrte, Verordnungen nicht dul- den zu wollen, welche in so entschiedenem Widerspruch mit den Schluͤssen der Concilien, den Constitutionen seiner Vor- gaͤnger, allen canonischen Rechtssatzungen seyen. Die Ve- nezianer wichen um kein Haarbreit. Sie sagten, es seyen Grundgesetze ihres Staates, von ihren Altvordern gegeben, die sich um die Christenheit so wohl verdient gemacht, fuͤr die Republik unverletzlich. Nicht lange aber blieb man bei den unmittelbaren Gegenstaͤnden des Streites stehn: sogleich gingen beide Theile zu weitern Beschwerden fort. Kirchlicher Seits fand man sich durch die Verfassung von Venedig uͤberhaupt beein- traͤchtigt. Diese Republik verbiete den Recurs nach Rom, schließe diejenigen welche durch geistliche Aemter in Ver- bindung mit der Curie gekommen, unter dem Titel von Papalisten von der Berathung uͤber geistliche Angelegenhei- ten aus, und belaste sogar den Clerus mit Auflagen. Die Venezianer dagegen erklaͤrten diese Beschraͤnkungen fuͤr noch lange nicht hinreichend. Sie forderten, die kirchlichen Pfruͤn- den sollten nur an Eingeborne verliehen, nur diesen Antheil an der Inquisition verstattet werden, jede Bulle muͤsse der Genehmhaltung des Staates unterworfen, jede geistliche Versammlung durch einen Weltlichen beaufsichtigt, alle Geld- sendung nach Rom verboten werden. Venezianische Irrungen . Allein auch hiebei hielt man nicht inne: von den un- mittelbaren Fragen des Streites stieg man zu den allgemei- nen Grundsaͤtzen auf. Die Jesuiten hatten schon laͤngst aus ihrer Lehre von der Gewalt des Papstes die wichtigsten Folgerungen fuͤr das geistliche Recht abgeleitet, und saͤumten nicht sie zu wie- derholen. Der Geist, sagt Bellarmin, leite und zuͤgele das Fleisch: nicht umgekehrt. Eben so wenig duͤrfe die weltliche Ge- walt sich uͤber die geistliche erheben, sie leiten, ihr befehlen, sie strafen wollen: es wuͤrde dieß eine Rebellion, eine heid- nische Tyrannei seyn Risposta del C l Bellarmino ad una lettera senza nome dell’ autore (Flugschrift von 1606). La raggione indrizza e regge e comanda alla carne e talvolta la castiga con digiuni e vigilie, ma la carne non indrizza nè regge nè comanda nè punisce la ragione: così la potestà spirituale è superiore alla secolare e però la può e deve drizzare e reggere e comandarli e pu- nirla quando si porta male; ma la potestà secolare non è su- periore alla spirituale nè la può drizzare nè reggere nè gli può comandare nè punirla se non di fatto per ribellione e tiran- nide, come hanno fatto talvolta li principi gentili o heretici. . Die Priesterschaft habe ihren Fuͤrsten, der ihr nicht allein in geistlichen sondern auch in weltlichen Angelegenheiten befehle; unmoͤglich koͤnne sie noch einen besondern weltlichen Obern anerkennen, Nie- mand koͤnne zweien Herren dienen. Der Priester habe uͤber den Kaiser zu richten, der Kaiser nicht uͤber den Priester: es wuͤrde absurd seyn, wenn das Schaf den Hirten richten wollte Bellarminus de clericis I, c. 30. Respondeo, principem quidem ovem ac spiritualem filium pontificis esse, sed sacerdo- tum nullo modo filium vel ovem principis dici posse, quoniam . Auch duͤrfe der Fuͤrst keine Auflagen von geist- Buch VI. Innere Streitigkeiten . lichen Guͤtern ziehen. Von den Laien moͤge er seine Ab- gaben nehmen: von den Priestern werde ihm die bei wei- tem groͤßere Beihuͤlfe des Gebetes und des Opfers gelei- stet. Von allen sachlichen und persoͤnlichen Lasten sey der Geistliche eximirt: er gehoͤre zur Familie Christi. Beruhe diese Exemtion auch nicht auf einem ausdruͤcklichen Gebot in der heiligen Schrift, so gruͤnde sie sich doch auf Fol- gerung aus derselben und Analogie. Den Geistlichen des neuen Testaments komme eben das Recht zu, was den Le- viten des alten zugestanden Diese Saͤtze finden sich woͤrtlich entweder in obgedachter Risposta, oder in dem Buche Bellarmins de clericis besonders lib. I, c. 30. . Eine Lehre, welche jener geistlichen Republik, der ein so großer Einfluß auf den Staat zufallen sollte, eine nicht minder vollkommene Unabhaͤngigkeit von den Ruͤckwirkun- gen desselben zusprach: die man in Rom mit unzaͤhligen Beweisen aus Schrift, Concilien, kaiserlichen und paͤpstli- chen Constitutionen zu befestigen suchte, und im Ganzen fuͤr unwiderlegbar hielt. Wer sollte es in Venedig wagen sich einem Bellarmin, einem Baronius zu widersetzen? Die Venezianer besaßen in ihrem Staatsconsultor, Paul Sarpi, einen Mann den Natur und Umstaͤnde zu einer Gesinnung ausgebildet, in eine Stellung gefuͤhrt hat- ten, daß er es wagen konnte die Waffen gegen die geist- liche Macht zu ergreifen. Paul Sarpi war der Sohn eines Kaufmannes, der sacerdotes et omnes clerici suum habent principem spiritualem a quo non in spiritualibus solum sed etiam in temporalibus re- guntur. Venezianische Irrungen . von St. Veit nach Venedig gewandert, und einer Mutter aus einem venezianischen Geschlechte das die Privilegien der Cittadinanza genoß, aus dem Hause Morelli. Der Va- ter war ein kleiner, schwarzer, ungestuͤmer, haͤndelsuͤchtiger Mann, der durch falsche Speculationen ungluͤcklich wurde. Die Mutter war eine von den schoͤnen venezianischen Blon- dinen, wie man ihnen dort nicht selten begegnet, groß von Gestalt, bescheiden und vernuͤnftig. Der Sohn glich ihr in den Zuͤgen des Gesichtes Sarpi geb. 14. Aug. 1552. Sein Vater Franz, seine Mut- ter Elisabeth. Fra Fulgentio: Vita di Paolo Sarpi. Griselini: Memorie di Fra Paolo Sarpi, deutsch von Lebret p. 13. . Ein Bruder der Mutter nun, Ambrosio Morelli, stand damals an der Spitze einer Schule, die sich eines beson- dern Rufes erfreute, und vornehmlich zur Erziehung des jungen Adels diente. Es ergab sich von selbst, daß auch der Neffe des Lehrers an dem Unterrichte Theil nahm. Nic- colo Contarini, Andrea Morosini waren seine Mitschuͤler, und wurden sehr vertraut mit ihm. Gleich an der Schwelle seines Lebens trat er in die wichtigsten Verbindungen. Jedoch ließ er sich weder durch die Mutter, noch durch den Oheim, noch durch diese Verbindungen abhalten sei- nem Hange zur Einsamkeit zu folgen und bereits in seinem 14ten oder 15ten Jahre in ein Servitenkloster zu treten. Er sprach wenig: er war immer ernsthaft. Niemals aß er Fleisch: bis zu seinem dreißigsten Jahre trank er kei- nen Wein: er haßte anstoͤßige Gespraͤche: „da kommt die Jungfer,“ sagten seine Cameraden, wenn er erschien, „re- den wir von etwas Anderm.“ Alles, was Verlangen, Nei- Buch VI. Innere Streitigkeiten . gung, oder Begierde in ihm seyn mochte, galt den Stu- dien, fuͤr die er eine große Gabe mitbrachte. Er hatte das unschaͤtzbare Talent einer raschen und sichern Auffassung: wie er denn Jedermann wiederkannte, den er einmal gesehen: wie er, sobald er etwa in einen Gar- ten trat, ihn sogleich uͤberblickt und Alles bemerkt hatte: er war geistig und leiblich mit einem guten, scharfen Auge ausgeruͤstet Nach Fra Fulgentio ( p. 38) sprach er selbst von seiner gran passibiltà, perchè non sola l’oggelto in lui facesse moto, ma ogni minima reliquia. Come un perito suonatore, faͤhrt Fulgen- tio fort, ad un sol tocco fa giudicio del instrumento, così con far parlar le persone con prestezza ammirabile conosceva i fini, gli interessi etc. . Mit besonderm Gluͤcke widmete er sich des- halb den Naturwissenschaften. Seine Bewunderer schreiben ihm die Entdeckung der Valveln iu den Blutgefaͤßen, die Wahrnehmung der Expansion und Contraction der Pupille S. auch Fischer: Geschichte der Physik I, 167. , die erste Beobachtung der Neigung der Magnetnadel und gar mancher andern magnetischen Erscheinungen zu, und es laͤßt sich nicht leugnen, daß er an den Arbeiten Aquapen- dente’s und besonders Porta’s anregenden, mithervorbringen- den Antheil nahm A quo, sagt Porta von ihm, aliqua didicisse non solum fateri non erubescimus, sed gloriamur, quum eo doctiorem, sub- tiliorem, quotquot adhuc videre contigerit, neminem cognoveri- mus ad encyclopaediam. Magiae natur. lib. VII praef. Grise- lini I, § 20. 24. . Den physikalischen Studien fuͤgte er mathematischen Calcuͤl und Beobachtung der Phaͤnomene des Geistes zu. In der Servitenbibliothek zu Venedig be- wahrte man ein Exemplar der Werke des Vieta auf, in wel- Venezianische Irrungen . welchem die mancherlei Fehler dieses Autors von der Hand des Fra Paolo verbessert waren: man hatte daselbst einen kleinen Aufsatz von ihm uͤber den Ursprung und Untergang der Meinungen in den Menschen, der, nach den Auszuͤgen die Foscarini daraus mittheilt zu urtheilen, eine Theorie des Erkenntnißvermoͤgens enthielt, welche Sensation und Reflexion zu ihrer Grundlage nahm, und mit der Lockischen viel Aehnlichkeit hatte Besonders auffallend waͤre die Erklaͤrung der Substanz. Paolo Sarpi bei Foscarini und Griselini leitet die Substanz aus der Vielheit der Ideen her, ohne daß man den Grund auf wel- chem sie ruhen, erkennen kann, und in diesem Grunde, sagt er, be- stehe eigentlich das wir Substanz nennen. Griselini I, p. 46 d. Ueb. Locke: Humane understanding B. II, ch. 23. Not imagining how the simple ideas can subsist by themselves, we accustom ourselves to suppose some substratum wherein they do subsist and from which they do result, which therefore we call sub- stance. , wenn sie ihr auch nicht so ganz entsprochen haben sollte, wie man behauptet hat. — Fra Paolo schrieb nur so viel als nothwendig war; Neigung zur Production hatte er nicht von Natur: er las immer, eignete sich an, beobachtete: sein Geist war nuͤchtern und umfassend, methodisch und kuͤhn: auf den Bahnen freier For- schung ging er einher. Mit diesen Kraͤften nun kam er an die theologischen und kirchenrechtlichen Fragen. Man hat gesagt, er sey insgeheim Protestant gewe- sen; doch schwerlich ging sein Protestantismus uͤber die ersten einfachen Saͤtze der augsburgischen Confession hinaus: wenn er ja noch diese festhielt. Wenigstens hat Fra Paolo sein Lebenlang alle Tage Messe gelesen. Das Bekenntniß Päpste* 22 Buch VI Innere Streitigkeiten . wird man nicht nennen koͤnnen, zu welchem er sich inner- lich gehalten; es war eine Gesinnung, wie sie sich beson- ders in Maͤnnern, die sich den Naturwissenschaften gewid- met, in jenen Zeiten oͤfter zeigt, von keinem der bestehen- den Lehrsysteme festgehalten; abweichend, forschend; jedoch in sich selbst weder abgeschlossen noch vollkommen ausge- bildet. So viel aber ist gewiß, daß Fra Paolo dem weltli- chen Einfluß des Papstthums einen entschiedenen unversoͤhn- lichen Haß widmete. Es ist vielleicht die einzige Leiden- schaft die er hegte. Man hat sie daher leiten wollen, weil ihm ein Bisthum versagt worden, zu dem er vorgeschla- gen war. Und wer moͤchte wohl den Einfluß einer em- pfindlichen Zuruͤcksetzung, die einem natuͤrlichen Ehrgeize seine Bahn verschließt, auch auf ein maͤnnliches Gemuͤth von vorn herein ableugnen wollen? Jedoch lagen die Dinge hier um vieles tiefer. Es war eine politisch-religioͤse Ge- sinnung, die mit allen andern Ueberzeugungen zusammen- hing, sich durch Studien und Erfahrung befestigt hatte, von den Freunden, den Altersgenossen, jenen Maͤnnern die sich einst bei Morosini versammelt hatten und jetzt an das Ruder des Staates gelangt waren, getheilt wurde. Vor der Schaͤrfe einer eindringenden Beobachtung verschwanden jene chimaͤrischen Beweise, mit denen die Jesuiten ihre Be- hauptungen zu erhaͤrten versuchten: Lehrsaͤtze, deren eigent- licher Grund doch auch nur in einer aus voruͤbergegange- nen Lebensmomenten entsprungenen Ergebenheit gegen den roͤmischen Stuhl zu suchen war. Nicht ohne Muͤhe uͤberzeugte Sarpi zuerst die einhei- Venezianische Irrungen . mischen Juristen. Die einen hielten die Exemtion der Geist- lichen, wie Bellarmin, fuͤr eine Anordnung des goͤttlichen Rechtes: die andern behaupteten wenigstens, der Papst habe sie befehlen duͤrfen: sie beriefen sich auf die Concilienschluͤsse in denen jene Exemtion ausgesprochen sey: was aber ein Concilium gedurft, wie viel mehr stehe dieß dem Papste zu. Leicht waren die ersten widerlegt: den andern bewies Fra Paolo hauptsaͤchlich, daß die Concilien auf die es ankomme, von den Fuͤrsten berufen, als Reichsversammlungen anzu- sehen seyen, von denen auch eine Menge politischer Gesetze ausgegangen Schreiben Sarpis an Leschasser 3. Februar 1619, in Le- brets Magazin I, 479. Eine fuͤr jene Zeiten um so wichtigere Be- merkung, da z. B. Mariana aus den spanischen Concilienschluͤssen die ausgedehntesten weltlichen Befugnisse der Geistlichkeit herleitete. Immer aber wird man zu bemerken haben, daß schon in jenen Zei- ten die geistlichen und weltlichen Anspruͤche entweder vermischt wur- den oder im Streite lagen. Die alte gothische Monarchie in Spa- nien hatte wirklich ein sehr starkes geistliches Element. Denn die alten Gesetze beruhen doch uͤberhaupt auf alten Zustaͤnden. . Es ist dieß ein Punkt, auf dem sich die Lehre, wie sie Fra Paolo und seine Freunde vortrugen, hauptsaͤchlich mit begruͤndet. Sie gingen von dem Grundsatze aus, der in Frank- reich durchgefochten worden, daß die fuͤrstliche Gewalt un- mittelbar von Gott stamme und Niemand unterworfen sey. Der Papst habe auch nicht einmal zu untersuchen, ob die Handlungen eines Staates suͤndlich seyen oder nicht. Denn wohin sollte dieß fuͤhren? Gebe es denn irgend eine die nicht wenigstens ihres Endzweckes halber suͤndlich seyn koͤnne? Der Papst wuͤrde alles zu pruͤfen, in alles ein- 22* Buch VI. Innere Streitigkeiten . zugreifen haben: das weltliche Fuͤrstenthum wuͤrde dadurch aufgeloͤst werden. Dieser Gewalt seyen nun Geistliche so gut wie Welt- liche unterthan. Alle Gewalt, sage der Apostel, komme von Gott. Von dem Gehorsam gegen die Obrigkeit sey Niemand ausgenommen, so wenig wie von dem Gehor- sam gegen Gott. Der Fuͤrst gebe die Gesetze: er richte Je- dermann: er fordere die Abgaben ein: in alle dem sey ihm der Clerus den nemlichen Gehorsam schuldig wie die Laien Risposta d’un dottore in theologia ad una lettera scrit- tagli sopra il breve delle censure. Sono dunque tutti gli eccle- siastici et i secolari de jure divino soggetti al principe seco- lare. Omnis anima potestatibus sublimioribus subdita sit. E la ragione si è perchè siccome niuno è eccettuato dall’ ubbi- dienza che deve a dio, così niuno è eccettnato dall’ ubbidienza che deve al principe: perchè, comme soggionge l’apostolo, omnis potestas a deo. . Allerdings stehe auch dem Papst Jurisdiction zu: aber lediglich eine geistliche. Habe denn Christus eine weltli- che Gerichsbarkeit ausgeuͤbt? Weder dem h. Peter noch dessen Nachfolger koͤnne er uͤbertragen haben, was von ihm selbst nicht in Anspruch genommen worden sey. Nimmermehr schreibe sich demnach die Exemtion der Geistlichkeit von einem urspruͤnglichen goͤttlichen Rechte her Difesa di Giovanni Marsilio a favore della risposta delle otto propositioni, contro la quale ha scritto l’ill mo e rev mo S r C l Bellarmino, Venezia 1606, erklaͤrt seinen Autor, der sich etwas dunkel ausgedruͤckt hatte, und wenigstens ist die Erklaͤrung authen- tisch, da sie von derselben Seite herkommt, folgendergestalt: Dice l’autore due cose: la prima si è che le persone ecclesiastiche non siano esente dalla potestà secolare nè meno i beni di esse, intendendo in quelle cose alle quali la detta potestà si estende (d. i. nicht in den rein geistlichen): la seconda che l’esentione : Venezianische Irrungen . sie beruhe allein auf den Bewilligungen des Fuͤrsten. Der Fuͤrst habe der Kirche Besitz und Gerichtsbarkeit verliehen, er sey ihr Protector, ihr allgemeiner Patron: von ihm hange billig die Ernennung der Geistlichen, die Publication der Bullen ab. Der Fuͤrst koͤnne diese Gewalt selbst wenn er wolle nicht aufgeben, sie sey ein ihm anvertrautes Fideicom- miß: er sey in seinem Gewissen verbunden sie seinem Nach- folger unversehrt zu uͤberliefern. So tritt der Anspruch und die Theorie des Staates dem Anspruche und der Theorie der Kirche kuͤhnlich gegenuͤber. Die Tendenzen kaͤmpfender Gewalten sprechen sich in ent- gegengesetzten Systemen aus. Bei der innigen Verschmel- zung geistlicher und weltlicher Interessen in den europaͤischen Staaten gibt es ein weites Gebiet menschlicher Handlun- gen wo sich beide beruͤhren, vermischen. Die Kirche hat schon lange dieses ganze Gebiet fuͤr sich in Anspruch ge- nommen und thut es jetzt aufs neue. Der Staat hat sei- nerseits auch zuweilen einen aͤhnlichen Anspruch erhoben: vielleicht aber bisher noch niemals so kuͤhn, so systematisch, wie es hier geschah. Rechtlich ließen sich diese Anspruͤche niemals ausgleichen: politisch war es nur durch wechsel- seitige Nachgiebigkeit moͤglich: sobald man diese nicht mehr fuͤr einander hatte, kam es zum Kampfe. Jeder Theil mußte versuchen, wie weit seine Kraft reichen wuͤrde. Strit- ten sie uͤber das Recht auf den Gehorsam, so mußte es nun an Tag kommen, wer sich diesen zu verschaffen vermoͤge. ch’hanno li detti ecclesiastici non è de jure divino, ma de jure humano (p. 62). Buch VI. Innere Streitigkeiten . Am 17ten April 1606 sprach der Papst in der stren- gen Form fruͤherer Jahrhunderte, mit ausdruͤcklicher Be- ziehung auf so allgewaltige Vorgaͤnger wie Innocenz III. einer gewesen war, uͤber Doge, Senat und saͤmmtliche Staatsgewalten von Venedig, ausdruͤcklich auch uͤber die Consultoren, die Excommunication aus. Zu etwanigem Wi- derruf gestattete er den Verurtheilten nur die kuͤrzesten Fri- sten: drei von acht, eine von drei Tagen. Nach deren Verlauf sollten alle Kirchen des venezianischen Gebietes, Klosterkirchen und Privatcapellen nicht ausgenommen, dem Verbote des Gottesdienstes, dem Interdict unterliegen. Den Geistlichen des Landes ward zur Pflicht gemacht dieß Breve der Verdammung vor den versammelten Gemeinden abzukuͤndigen, und es an den Kirchthuͤren anschlagen zu lassen Mentre in esse si troverà adunata maggior moltitudine di popolo per sentir li divini officj. Wie es in Ferrara mit so großem Erfolge geschehen war. Breve di censure et interdetto della S tà di NS re P. Paolo V contra li S ri Venetiani 1606. . Allesammt, vom Patriarchen bis zum Pfarrer, wurden sie bei schweren Strafen, goͤttlichen und menschli- chen Gerichtes, dazu angewiesen. So geschah der Angriff. Nicht so gewaltig nahm sich die Vertheidigung aus. Es war in dem Collegium von Venedig vorgeschla- gen worden, eine feierliche Protestation einzulegen, wie in fruͤhern Zeiten geschehen: doch ward dieß nicht beliebt, aus dem Grunde, weil das Urtheil des Papstes an sich null und nichtig sey, und gar nicht einmal einen Schein von Ge- rechtigkeit habe. In einem kleinen Erlaß, auf einem Quart- Venezianische Irrungen . blatt, machte Leonardo Donato den Geistlichen den Beschluß der Republik bekannt, die fuͤrstliche Autoritaͤt, „die in welt- lichen Dingen keinen Obern außer Gott erkenne“, aufrecht zu erhalten: ihre getreue Geistlichkeit werde schon von selbst die Nullitaͤt der gegen sie ergangenen Censuren erkennen, und in ihren Amtsverrichtungen, Seelsorge und Gottes- dienst, ununterbrochen fortfahren. Keine Befuͤrchtung, keine Drohung ward ausgesprochen: es war nur eine Erklaͤrung des Vertrauens. Obwohl man denn muͤndlich wohl etwas Mehreres gethan haben mag Dieser Erlaß vom 6ten Mai 1606 ist bei Rampazetto, stampator ducale, gedruckt. Auf dem Titelblatt sieht man den Evangelisten S. Marcus mit dem Evangelienbuch und dem erhobe- nen Schwert. In dem Senat eroͤrterte man, wie Priuli sagt, le nullità molte e notorie des paͤpstlichen Breve. . Und hiedurch ward nun aus der Frage des Anspru- ches, des Rechtes unmittelbar eine Frage der Macht und des Besitzes. Von ihren beiden Oberherrn, dem Papst und der Republik, zu entgegengesetzten Beweisen des Gehorsams aufgefordert, mußte die venezianische Geistlichkeit sich ent- scheiden, wem sie dieselben leisten wolle. Sie schwankte nicht: sie gehorchte der Republik. Von dem paͤpstlichen Breve ward nicht ein einziges Exemplar angeschlagen P. Sarpi: Historia particolare lib. II, p. 55 versichert, es seyen Leute die die Bullen haͤtten anschlagen wollen, von den Ein- wohnern selbst festgenommen worden. . Die Fristen die der Papst gesetzt, verstrichen. Allenthalben ging der Gottesdienst auf die gewohnte Weise fort. Wie die Weltgeistlichen, thaten auch die Kloͤster. Nur die neugegruͤndeten Orden, welche das Prinzip Buch VI. Innere Streitigkeiten . der kirchlichen Restauration vorzugsweise in sich darstellten, Jesuiten, Theatiner und Capuziner machten hievon eine Ausnahme. Die Jesuiten waren an und fuͤr sich nicht so ganz entschlossen: sie fragten erst bei ihrem Provincial in Ferrara, bei dem General in Rom an, und dieser wandte sich selbst an den Papst: die Antwort Pauls V. war, sie muͤßten entweder das Interdict beobachten, oder den Staub von ihren Fuͤßen schuͤtteln und Venedig verlassen. Gewiß, ein schwerer Entschluß, da man ihnen hier geradehin er- klaͤrte, sie wuͤrden niemals wieder zuruͤckkommen duͤrfen: aber ihr Prinzip ließ ihnen keine Wahl: auf einigen Bar- ken begaben sie sich in das paͤpstliche Gebiet Juvencius: Hist. soc. Jesu V, II, p. 93. . Ihr Bei- spiel riß die beiden andern Orden mit sich fort Wenn V. Sandi ( VI, 1110) noch „i reformati di S. Francesco“ erwaͤhnt, so beruht dieß, so viel andere Autoren auch diesen Irrthum theilen, nur darauf, daß die Capuziner eben refor- mirte Franciscaner sind und von A. Morosini bei dieser Gelegenheit so bezeichnet werden. . Einen Mittelweg, den die Theatiner vorgeschlagen, fanden die Ve- nezianer nicht rathsam: sie wollten keine Spaltung inner- halb ihres Landes: sie forderten entweder Gehorsam oder Entfernung. Leicht waren die verlassenen Kirchen mit an- dern Priestern besetzt: es ward dafuͤr gesorgt, daß Niemand einen Mangel spuͤrte. Mit besonderm Pomp und unge- woͤhnlich zahlreicher Procession wurde das naͤchste Frohn- leichnamsfest begangen A. Maurocenus: Historia Ven. tom. III, p. 350. . Auf jeden Fall aber trat hiemit eine vollstaͤndige Spal- tung ein. Venezianische Irrungen . Der Papst war erstaunt: — seinen uͤberspannten Vor- stellungen setzte sich die Realitaͤt der Dinge schroff gegen- uͤber: — gab es ein Mittel sie zu uͤberwaͤltigen? Paul V. dachte wohl zuweilen an die Anwendung von Kriegsgewalt; auch in den Congregationen behielt einmal die kriegerische Stimmung das Uebergewicht: Cardinal Sauli rief aus, man werde die Venezianer zuͤchtigen: man ord- nete Legaten ab, und ruͤstete ein Heer. Im Grunde aber durfte man es nicht wagen. Man haͤtte fuͤrchten muͤssen, daß Venedig sich protestantische Huͤlfe gesucht und Italien ja die katholische Welt uͤberhaupt in die gefaͤhrlichste Be- wegung gesetzt haͤtte. Man mußte zuletzt doch wieder wie sonst eine Aus- gleichung der kirchenrechtlichen Fragen durch Politik versu- chen: nur daß dieselbe jetzt nicht zwischen den Betheiligten selbst Statt finden konnte, die sich zu lebhaft entzweit hatten, sondern der Vermittelung der beiden vorwaltenden Maͤchte, Spanien und Frankreich, anheimfiel. Deren eigene Inte- ressen mußten dann aber auch dabei hervortreten. Es gab wohl in dem einen wie in dem andern Reiche eine Partei, welche den Ausbruch von Feindseligkeiten ge- wuͤnscht haͤtte. Unter den Spaniern waren es die eifrigen Katholiken, welche den roͤmischen Stuhl aufs neue an die Monarchie zu ketten hofften: die Governatoren der italie- nischen Landschaften, deren Macht im Kriege wachsen mußte: auch der Botschafter Viglienna in Rom hegte diesen Wunsch, er dachte dabei sein Haus zu kirchlichen Wuͤrden zu befoͤr- dern. In Frankreich dagegen waren es gerade die eifrigen Protestanten. Sully und seine Anhaͤnger haͤtten einen ita- Buch VI. Innere Streitigkeiten . lienischen Krieg schon deshalb gern gesehen, weil dadurch den Niederlaͤndern, die eben von Spinola bedraͤngt wur- den, eine Erleichterung zu Theil geworden waͤre. Auch brachten es diese Parteien auf beiden Seiten zu Demonstra- tionen. Der Koͤnig von Spanien erließ ein Schreiben an den Papst, worin er demselben wenigstens in allgemeinen Ausdruͤcken seine Huͤlfe zusagte. In Frankreich erhielt der venezianische Botschafter Anerbietungen auch von bedeuten- den Maͤnnern: er haͤtte, meint er, in einem Monat ein Heer von 15000 Franzosen zusammenbringen koͤnnen. Diese Richtungen behielten jedoch nicht die Oberhand. Die lei- tenden Minister, Lerma in Spanien, Villeroi in Frankreich, wuͤnschten in ihrem Herzen, die Ruhe zu erhalten. Der Erste setzte seinen Ruhm uͤberhaupt in die Herstellung des Friedens: der Zweite gehoͤrte der strenger katholischen Seite an: nie haͤtte er zugegeben, daß der Papst von Frankreich angegriffen worden waͤre Relatione di Pietro Priuli ritornato di Francia 4 Sett. 1608 enthaͤlt eine ausfuͤhrliche Darstellung der Theilnahme der Fran- zosen an diesen Haͤndeln. Villeroi erkaͤrt: esser questa opportu- nissima e propria occasione di guadagnare l’animo del papa. — — Il re, assicurato dal suo ambasciatore presso la republica che V. S à non metteria in mano d’altri questo negotio che della M à S., ebbe mira di guadagnare et obligarsi con questa occa- sione l’animo del pontefice. . Auch die Fuͤrsten stimmten hiemit uͤberein. Heinrich IV. bemerkte mit Recht, wenn er das Schwert fuͤr die Republik zoͤge, so wuͤrde er seine Reputation als guter Katholik aufs Spiel setzen. Phi- lipp III. erließ eine neue Erklaͤrung an den Papst: er wolle ihn unterstuͤtzen, aber einmal nicht ohne Sicherheit des Venezianische Irrungen . Kostenersatzes, und sodann zum Guten, aber nicht zum Boͤsen Francesco Priuli: Relatione di Spagna 20 Ag. 1608. Venne il contestabile a trovarmi a casa, e mi disse constante- mente che gli ordini dell’ ammassar genti non erano per altro se non per non star in otio mentre tutte potenze del mondo si armavano, ma che però non s’erano proveduti di danaro: rac- comandò la pace d’Italia non potendo perder la republica nell’ esser liberale di parole ossequenti, per haver in effetto quello che desiderava. — — In quel tempo che il duca di Lerma delle forze da amassarsi parlò iperbolicamente all’ ambasciator d’In- ghilterra, — — scrissono al papa che S. M à gli aveva ben pro- messo d’ajutarlo ma che ciò s’intendeva al bene e non al male, — — che il cominciar le guerre stava in mano degli uomini et il finire in quelle di dio. . So zerschlugen sich die Moͤglichkeiten des Krieges. Die beiden Maͤchte wetteiferten nur, welche am meisten zu dem Frieden beizutragen, und dabei ihren Einfluß am si- chersten zu befestigen vermoͤchte: dazu kamen aus Spanien Franz von Castro, Neffe Lermas, aus Frankreich der Car- dinal Joyeuse nach Venedig. Ich haͤtte weder die Neigung noch waͤre ich im Stande den gesammten Gang ihrer Unterhandlungen auseinanderzu- setzen: auch ist es schon hinreichend, nur die wichtigsten Mo- mente zu fassen. Die erste Schwierigkeit lag darin, daß der Papst vor allem die Suspension der venezianischen Gesetze die ihm so großen Anstoß erregt hatten forderte, und die Suspension seiner kirchlichen Censuren davon abhaͤngig machte. Auch die Venezianer aber pflegten nicht ohne eine ge- wisse republikanische Selbstgefaͤlligkeit ihre Gesetze fuͤr hei- lig und unverletzlich zu erklaͤren. Als die Sache im Ja- Buch VI. Innere Streitigkeiten . nuar 1607 zuerst zur Berathung kam, ward sie zwar im Collegium nicht geradezu, aber im Senate verworfen Ger. Priuli: Cronica Veneta 20 Zener 1606 (1607): Dopo lunga disputa di otto giorni e varie pendentie di giudicio deli- berò il senato rispondere agli ambasciatori di Francia e di Spa- gna che il devenir a qualsivoglia forma di sospensione non si può accomodar la republica, essendo cosa di perpetuo pregiudi- cio: il che fu proposto da S. Bembo et Al. Zorzi savj del con- silio et A. Mula et S. Venier savj della terra ferma. Andere sind fuͤr eine gemaͤßigtere Auskunft. Auch ist es nicht unwahrschein- lich daß sie durchdringen. Jedoch es laͤuft die Nachricht ein, daß man von spanischen Waffen auch wegen der Irrungen in Neapel nichts zu befuͤrchten habe. E fu perciò preso la total negativa di sospensione. Mit 99 gegen 78, also einer Majoritaͤt von 21 Stim- men. — Am 9. Merz jedoch ist Bembo von jenem Antrag selbst zu- ruͤckgetreten. Es wird am 14 Merz dem Widerspruche des Zorzi, Mula und Venier zum Trotz die mildere Auskunft beliebt. . Den Franzosen, die dem Papst ihr Wort gegeben, gelang es, sie im Merz noch einmal in Vorschlag zu bringen. Von den vier Opponenten im Collegium trat dann wenig- stens einer zuruͤck: nachdem die Gruͤnde fuͤr und wider in dem Senate zum zweiten Mal durchgesprochen worden, kam es zwar auch dießmal nicht zu foͤrmlicher und ausdruͤck- licher Suspension: aber man faßte einen Beschluß, in wel- chem man sagte, „die Republik werde sich mit gewohnter Froͤmmigkeit betragen.“ So dunkel diese Worte auch lau- teten, so meinten doch der Gesandte und der Papst die Er- fuͤllung ihres Wunsches darin zu erblicken. Auch der Papst suspendirte dann seine Censuren. Sogleich aber erhob sich eine andere, sehr unerwar- tete Schwierigkeit. Die Venezianer weigerten sich die Je- suiten, die nach ihrer Entfernung durch ein feierliches De- cret ausgeschlossen worden, wieder aufzunehmen. Venezianische Irrungen . Sollte aber der Papst seine Getreuen, die kein an- deres Verbrechen begangen, als daß sie ihm unverbruͤch- lich anhingen, in so großen Nachtheil setzen lassen? Er wandte alles an um die Venezianer umzustimmen. Auch hatten die Jesuiten die Franzosen fuͤr sich: durch eine besondere Gesandtschaft hatten sie sich der Gunst des Koͤ- nigs auch fuͤr diesen Fall versichert: Joyeuse ließ sich ihre Sache sehr angelegen seyn. Die Venezianer blieben uner- schuͤtterlich Pietro Priuli: Relatione di Francia setzt hinzu: Solamente l’ufficio dell’ ambasciatore ritenne la dispositione che aveva S. M à , eccitata dall’ efficaci instanze che furono fatte da un padre Barisoni Padoano mandato in Francia espressamente dalla sua congregatione con pensiero d’ottener di interessarsi acciocchè fussero di nuovo ricevuti. . Da war nur auffallend, daß die Spanier sich eher wider den Orden erklaͤrten, als fuͤr ihn. In Spanien herrschte das dominicanische Interesse vor: Lerma liebte die Jesuiten nicht, und hielt es uͤberhaupt nicht fuͤr gut, daß ein Staat genoͤthigt werden sollte ungehorsame Unterthanen wieder aufzunehmen: genug Franz von Castro vermied es anfangs von den Jesuiten zu reden: endlich setzte er sich den Verwendungen der Franzosen geradehin entgegen Francesco Priuli: Relatione di Spagna: Sentendo (i Spa- gnuoli) che Franciosi insistevano nell’ introduzione de’ Gesuiti, scrissero a Roma et a Venezia che non trattassero di ciò, dando ragione alla republica di non voler capitolare con gente suddita che l’aveva si gravemente offesa. . Eine Erscheinung, zwar in der Lage der Dinge wohl begruͤndet, aber doch so auffallend, daß der Papst selbst daruͤber stutzte, und indem er irgend ein tiefer liegendes Buch VI. Innere Streitigkeiten . Geheimniß vermuthete, es aufgab, auf die Herstellung der Jesuiten zu dringen Francesco Priuli: Venuto l’avviso dell’ intiero acco- modamento, desisterono dal procurare che si trattasse di loro con la S tà V., non solo per non aver voluto parlar di loro, ma per essersi attraversati alli gagliardi ufficj di Francesi: che fece dubitare il papa di qualche recondito mistero, e non vi volse insistere con che essi non sapevano che dire. . Wie viel aber mußte ihm dieser Entschluß kosten. Um ein paar unbedeutender Gesetze willen hatte er entschlossen geschienen die Welt in Feuer und Flamme gerathen zu lassen: jetzt gab er das immerwaͤhrende Exil seiner getreue- sten Anhaͤnger aus einer katholischen, einer italienischen Landschaft zu Ger. Priuli: Pesò molto a S. S tà questa cosa de’ Ge- suiti, non per loro ma per la sua propria riputatione. . Dagegen bequemte sich nun auch die Republik die beiden Geistlichen auszuliefern die sie festgenommen hatte. Nur machte sie auch hier den Anspruch eine Rechts- verwahrung einzulegen, von der der Papst schlechterdings nichts wissen wollte. Sehr sonderbar ist doch die Aus- kunft zu der man sich endlich entschloß Joyeuse druͤckt das als Bedingung so aus: „che levan- dosi le censure siano consignati li due prigioni a chi li riceve in nome di S. Santità, li quali, se bene S. Serenità (Venedig) dice di darli in gratificatione di S. M. Chr ma , si dovessero con- signare senza dir altro“: . Der Secretaͤr des venezianischen Senates fuͤhrte die Gefangenen in den Pallast des franzoͤsischen Gesandten, und uͤbergab sie ihm, „aus Ruͤcksicht,“ sagte er, „fuͤr den allerchrisilichsten Koͤ- nig und mit dem Vorbehalt, daß das Recht der Republik uͤber ihre Geistlichen zu richten damit nicht geschmaͤlert Venezianische Irrungen . seyn solle.“ „So empfange ich sie“, antwortete der Ge- sandte, und fuͤhrte sie vor den Cardinal, der in einer Log- gia auf und abging. „Dieß sind die Gefangenen“, sagte er, „die dem Papst auszuantworten sind“: des Vorbehal- tes gedachte er dabei nicht. Der Cardinal ließ sie dann, auch ohne ein Wort hinzuzufuͤgen, dem paͤpstlichen Com- missarius ausliefern, der sie mit dem Zeichen des Kreuzes annahm. Wie weit war man doch entfernt sich einigermaßen einzuverstehn. Man wollte nur eben ein aͤußerliches Ver- nehmen herstellen. Dazu war nun noch die Aufhebung der Censur, die Ertheilung der Absolution erforderlich. Aber selbst hiegegen hatten die Venezianer Einwendun- gen zu machen: sie blieben dabei, daß die Censur in sich selbst null und nichtig gewesen und sie gar nichts angegan- gen, daß sie demnach auch keiner Lossprechung beduͤrftig seyen. Joyeuse erklaͤrte ihnen, er koͤnne die Formen der Kirche nicht aͤndern. Endlich kam man uͤberein, daß die Ab- solution nicht mit der gewoͤhnlichen Oeffentlichkeit vollzogen werden solle: Joyeuse erschien in dem Collegium: gleichsam privatim sprach er sie hier aus. Die Venezianer haben sich immer angestellt, als seyen sie ganz ohne alle Absolution weggekommen Daru theilt am Schlusse seines 29sten Buches das Schrei- ben von Joyeuse mit, ohne Zweifel das einzige Wichtige was er in dieser Sache vorbringt; nur macht er auch dagegen einige, wie mir scheint, sehr unhaltbare Einwendungen. . Auch war sie nicht in aller Form ge- geben: gegeben aber allerdings. Buch VI. Innere Streitigkeiten . Ueberhaupt sieht man wohl, nicht so durchaus zum Vortheil der Venezianer, wie gewoͤhnlich behauptet wird, waren die streitigen Punkte erledigt worden. Die Gesetze uͤber die der Papst sich beklagte, waren suspendirt: die Geistlichen, deren Auslieferung er forderte, ihm uͤberantwortet: die Absolution selbst empfangen. Je- doch war alles nur unter außerordentlichen Einschraͤn- kungen geschehen. Die Venezianer verfuhren wie bei einer Ehrensache, mit aͤngstlicher Besorgniß fuͤr ihre Reputation: jede Nachgiebigkeit hatten sie verclausulirt, so viel als moͤg- lich versteckt. Der Papst dagegen war in dem Nachtheil, daß er sich zu einer auffallenden und wenig ehrenvollen Concession entschließen muͤssen, die in der ganzen Welt Auf- sehen erregte. Seitdem kehrten nun die Verhaͤltnisse zwischen Rom und Venedig wenigstens aͤußerlich wieder in das alte Ge- leis zuruͤck. Dem ersten Gesandten der Venezianer rief Paul entgegen: das Alte sey beseitigt, alles werde neu: er beklagte sich zuweilen, daß Venedig nicht vergessen wolle, was er doch vergessen habe; er zeigte sich so mild und nachgiebig, wie irgend einer seiner Vorfahren Relatione di Mocenigo 1612. Der Papst erklaͤrte „che conveniva per servitio d’Italia che fosse sempre buona intelli- genza fra quella sede e questa republica“. . Allein damit wurden doch im Grunde nur neue Feind- seligkeiten vermieden: die innern Gegensaͤtze blieben: ein ei- gentliches Vertrauen stellte sich sobald nicht wieder her. Aus- Austrag der jesuitischen Sache. Auf eine aͤhnliche Weise, d. i. nicht vollkommener, wurde indessen auch die Streitigkeit zwischen Jesuiten und Dominicanern beseitigt. Clemens starb, wie wir sahen, ehe er ein Urtheil ge- sprochen. Paul V , der die Sache mit alle dem Eifer an- griff, durch den sich der Anfang seiner Verwaltung uͤber- haupt auszeichnete — vom September 1605 bis Februar 1606 wurden allein siebzehn Versammlungen in seiner Ge- genwart gehalten, — neigte sich nicht minder zu dem alten System, auf die Seite der Dominicaner, als sein Vor- gaͤnger. Im October und November 1606 wurden bereits Versammlungen gehalten um die Form festzusetzen, in der die jesuitischen Lehren zu verdammen seyen: die Dominica- ner glaubten den Sieg in Haͤnden zu haben Serry: Historia congregationum de auxiliis hat p. 562 f. die hierauf bezuͤglichen Actenstuͤcke. Gratiae victrici, sagt er selbst, jam canebatur „Io triumphe“. . Ebendamals hatten sich nun aber auch die veneziani- schen Angelegenheiten auf die Weise, die wir betrachte- ten, entwickelt: die Jesuiten hatten dem roͤmischen Stuhle einen Beweis von Anhaͤnglichkeit gegeben, durch welchen sie alle andern Orden bei weitem uͤbertrafen; und Vene- dig ließ sie dafuͤr buͤßen. Unter diesen Umstaͤnden haͤtte es eine Grausamkeit ge- schienen, wenn der roͤmische Stuhl diese seine getreuesten Diener mit einem Verdammungsdecret haͤtte heimsuchen Päpste* 23 Buch VI. Innere Streitigkeiten . wollen. Als alles zu demselben vorbereitet worden, hielt der Papst inne. Eine Weile ließ er die Sache ruhen: end- lich, am 29sten August 1607, trat er mit einer Erklaͤrung hervor, durch welche Disputatoren und Consultoren nach ihrer Heimath entlassen wurden: die Entscheidung werde zu seiner Zeit bekannt gemacht werden, indeß sey es Sr Hei- ligkeit ernstliche Willensmeinung, daß kein Theil den an- dern verunglimpfe Coronelli, Secr. der Congregationen, bei Serry p. 589. Tra tanto ha ordinato (S. S à ) molto seriamente che nel trattare di queste materie nessuno ardisca di qualificare e censurare l’al- tra parte. . Dergestalt hatten die Jesuiten von dem Verluste den sie in Venedig erlitten, doch auch wieder einen Vortheil. Es war ein großer Gewinn fuͤr sie, daß ihre angefochte- nen Lehren, wiewohl nicht bestaͤtigt, doch auch nicht ver- worfen wurden. Sie ruͤhmten sich sogar des Sieges. Mit dem Vorurtheil der Rechtglaͤubigkeit, das sie einmal fuͤr sich hatten, verfolgten sie nun die doctrinelle Rich- tung, die sie eingeschlagen, unaufhaltsam weiter. Es fragte sich nur noch, ob es ihnen nun auch ge- lingen wuͤrde ihre eigenen innern Streitigkeiten vollstaͤndig beizulegen. Noch immer gab es lebhafte Gaͤhrungen. Die Ver- aͤnderungen in der Constitution erwiesen sich unzureichend, und die spanische Opposition gab es nicht auf, zu ihrem Ziele zu gelangen Aquaviva zu entfernen. Endlich erklaͤr- ten sogar, was noch nie geschehen, die Procuratoren saͤmmt- licher Provinzen eine allgemeine Congregation fuͤr noth- Austrag der jesuitischen Sache . wendig: im J. 1607 kam sie zusammen, und es war aufs neue von durchgreifenden Umwandlungen die Rede. Wir bemerkten schon oͤfter die enge Verbindung in welche die Jesuiten mit Frankreich getreten, die Gunst die ihnen Heinrich IV. angedeihen ließ. Auch an den innern Streitigkeiten des Ordens nahm er Antheil: er war ganz fuͤr Aquaviva. In einem ausdruͤcklichen Schreiben sicherte er demselben nicht allein seine Gewogenheit zu: er gab auch der Congregation den Wunsch zu erkennen, daß in der Verfassung der Gesellschaft keine Aenderung vorgenommen werde Literae christianissimi regis ad congregatos patres IV Kal. Dec. 1607 bei Juvencius V, II, lib. IX, n. 108 „Vosque hortamur ad retinendam instituti vestri integritatem et splen- dorem“. . Eines so maͤchtigen Schutzes wußte sich nun Aqua- viva vortrefflich zu bedienen. Vornehmlich in den Provinzialcongregationen hatte der Widerstand, den er erfuhr, seinen Sitz. Er brachte jetzt ein Gesetz durch, kraft dessen erstens kein Vorschlag in einer Provinzialversammlung als angenommen betrachtet werden solle, wenn er nicht durch zwei Drittheile aller Stimmen gebilligt werde, und ferner auch ein auf diese Weise beliebter Vorschlag doch nur alsdann zur Berathung in der allgemeinen Versammlung gelangen koͤnne, wenn in dieser die Majoritaͤt dazu ihre vorlaͤufige Zustimmung gebe. Anordnungen, durch welche, wie man sieht, der Einfluß der Provinzialcongregationen außerordentlich geschmaͤlert wurde. 23* Buch VI. Innere Streitigkeiten . Aber uͤberdieß ward nun auch ein foͤrmliches Verdam- mungsurtheil uͤber die Gegner des Generals ausgesprochen, und den Obern in den Provinzen die ausdruͤckliche Wei- sung ertheilt, gegen die sogenannten Ruhestoͤrer zu verfah- ren. Hierauf kehrte der Friede allmaͤhlig zuruͤck. Die spa- nischen Mitglieder bequemten sich, und hoͤrten auf, der neuen Richtung ihres Ordens zu widerstreben. Unter dem herrschenden Einfluß wuchs allmaͤhlig eine gefuͤgigere Ge- neration empor. Dagegen suchte der General Heinrich dem IV. die Beguͤnstigungen die er von ihm erfahren, durch doppelte Ergebenheit zu erwiedern. Schluß. Noch einmal neigten sich dergestalt alle diese Streitig- keiten zur Beruhigung. Ueberlegen wir aber ihre Entwickelung und ihr Er- gebniß im Ganzen, so war doch damit die groͤßte Veraͤn- derung im Innern der katholischen Kirche eingetreten. Wir gingen von dem Moment aus, in welchem die paͤpstliche Gewalt, in siegreichem Kampfe begriffen, zu im- mer groͤßerer Machtfuͤlle fortschritt. In engem Bunde mit der spanischen Politik faßte sie die Absicht alle katho- lischen Maͤchte in Einer Richtung fortzureißen, die Abtruͤn- nigen in Einer großen Action zu uͤberwaͤltigen. Waͤre es ihr gelungen, so wuͤrde sie die geistlichen Motive zu un- bedingter Herrschaft erhoben, alle katholischen Staaten zu einer in Idee, Glauben, Leben und Politik zusammenschlie- Schluß . ßenden Einheit verbunden, und damit auch auf ihr Inne- res einen vorwaltenden Einfluß erworben haben. In eben diesem Momente aber traten die staͤrksten in- nern Gegensaͤtze hervor. In der franzoͤsischen Angelegenheit erhob sich das Ge- fuͤhl der Nationalitaͤt gegen die Anspruͤche der Hierarchie. Von den geistlichen Beweggruͤnden, von der Leitung des kirchlichen Oberhauptes wollten doch auch die Katholisch- glaͤubigen nicht in allen Stuͤcken abhangen: es blieben Prinzipien uͤbrig, der weltlichen Politik, der nationalen Selbstaͤndigkeit, die sich mit unbesiegbarer Energie den Absich- ten des Papstthums entgegenstellten. Wir duͤrfen im Allge- meinen sagen: diese Prinzipien behielten den Sieg: der Papst mußte sie anerkennen: die franzoͤsische Kirche selbst stellte sich her, indem sie sich auf dieselben gruͤndete. Hieraus folgte nun aber, daß Frankreich sich auch sofort wieder in Feindseligkeiten gegen die spanische Mo- narchie warf, daß zwei große, von Natur einander wider- strebende und eigentlich immer zum Kampfe gewiegte Maͤchte einander in der Mitte der katholischen Welt gegenuͤber traten. So wenig war es moͤglich die Einheit zu be- haupten. Die Verhaͤltnisse von Italien bewirkten sogar, daß dieser Gegensatz, das Gleichgewicht das dadurch hervor- gebracht ward, dem roͤmischen Stuhle Vortheil gewaͤhrte. In dem brachen auch neue theologische Entzweiungen aus. So scharfsinnig und genau die Bestimmungen des tridentinischen Conciliums seyn moͤgen, so konnten sie das doch nicht verhindern: innerhalb der von ihnen gezogenen Grenzen gab es noch Raum zu neuen Glaubensstreitigkei- Buch VI. Innere Streitigkeiten . ten. Die beiden maͤchtigsten Orden traten gegen einander in die Schranken: jene beiden Maͤchte selbst nahmen ge- wissermaßen Partei: in Rom hatte man nicht den Muth eine Entscheidung auszusprechen. Und hiezu kamen nun die Irrungen uͤber die Gren- zen der geistlichen und der weltlichen Gerichtsbarkeit: Ir- rungen die einen localen Ursprung hatten, mit einem nicht eben sehr maͤchtigen Nachbar, die aber mit einem Geist und Nachdruck gefuͤhrt wurden, durch welche sie eine all- gemeine Bedeutung erlangten V. S tà , ruft P. Priuli bei seiner Ruͤckkehr von Frankreich aus, a dichiarito, si può dire, sin a quai termini sia permesso al pontefice estendere la sua temporale e spirituale autorità (Relatione di Francia 1608). . Billig haͤlt man in allen katholischen Staaten das Andenken Paolo Sarpi’s in ho- hen Ehren. Er hat die Grundlagen zu den kirchlichen Be- rechtigungen, deren sie sich saͤmmtlich erfreuen, durchge- kaͤmpft. Der Papst vermochte nicht ihn zu beseitigen. Gegensaͤtze der Ideen und der Lehre, der Verfassung und der Macht, die nun jener kirchlich weltlichen Einheit, welche das Papstthum darzustellen suchte, gewaltig wider- strebten und sie zu zersetzen drohten. Der Gang der Dinge zeigt jedoch, daß die zusammen- haltenden Ideen noch einmal die staͤrkern waren. Den in- nern Widerstreit konnte man nicht versoͤhnen, aber es ge- lang einen eigentlichen Kampf zu vermeiden. Der Friede zwischen den großen Maͤchten ward hergestellt und erhal- ten: die italienischen Interessen erhoben sich noch nicht zu vollem Bewußtseyn und einwirkender Thaͤtigkeit; den strei- Schluß . tenden Orden ward Stillschweigen auferlegt. Die Strei- tigkeiten zwischen Kirche und Staat trieb man nicht auf das Aeußerste: Venedig nahm die angebotene Vermitte- lung an. Die Politik des Papstthums war, so viel wie moͤg- lich eine Stellung uͤber den Parteien zu nehmen, die Ent- zweiungen zu vermitteln. Noch besaß es Autoritaͤt genug um dieß zu vermoͤgen. Ohne Zweifel wirkte darauf zuruͤck, wie es hinwie- derum davon abhing, daß indessen die große Action nach außen, der Fortschritt in dem man begriffen war, der Kampf gegen den Protestantismus unaufhoͤrlich fortging. Auf diesen und seine Entwickelung muͤssen wir nun zuruͤckkommen. Siebentes Buch . Gegenreformationen. Zweiter Zeitraum. 1590—1630. I ch denke nicht mich zu taͤuschen oder die Schranken der Historie zu uͤberschreiten, wenn ich an dieser Stelle ein all- gemeines Gesetz des Lebens wahrzunehmen glaube. Unzweifelhaft ist: es sind immer Kraͤfte des lebendi- gen Geistes welche die Welt so von Grund aus bewegen. Vorbereitet durch die vorangegangenen Jahrhunderte, erhe- ben sie sich zu ihrer Zeit, hervorgerufen durch starke und in- nerlich maͤchtige Naturen, aus den unerforschten Tiefen des menschlichen Geistes. Es ist ihr Wesen daß sie die Welt an sich zu reißen, zu uͤberwaͤltigen suchen. Je mehr es ih- nen aber damit gelingt, je groͤßer der Kreis wird den sie um- fassen, desto mehr treffen sie mit eigenthuͤmlichem unabhaͤn- gigem Leben zusammen, das sie nicht so ganz und gar zu besiegen, in sich aufzuloͤsen vermoͤgen. Daher geschieht es, denn in unaufhoͤrlichem Werden sind sie begriffen, daß sie in sich selbst eine Umwandlung erfahren. Indem sie das Fremdartige umfassen, nehmen sie schon einen Theil seines Wesens in sich auf: es entwickeln sich Richtungen in ihnen, Momente des Daseyns, die mit ihrer Idee nicht selten in Widerspruch stehn. Es kann aber nicht anders seyn als daß in dem allgemeinen Fortschritt auch diese wachsen und gedeihen. Es kommt nur darauf an, daß sie nicht das Uebergewicht bekommen: sie wuͤrden sonst die Einheit und ihr Prinzip geradezu zerstoͤren. Nun sahen wir, wie gewaltig sich in dem restauri- renden Papstthum innere Widerspruͤche, tiefere Gegensaͤtze regten: jedoch die Idee behielt den Sieg: die hoͤhere Ein- heit, wenn gleich nicht mit ihrer ganzen alten zusammen- fassenden Gewalt, behauptete das Uebergewicht, und schritt unablaͤssig, noch in den Momenten des innern Kampfes, fuͤr den sie vielmehr daraus frische Kraft sog, zu neuen Eroberungen fort. Diese Unternehmungen ziehen jetzt unsere Aufmerksam- keit auf sich. Es ist von hoher Wichtigkeit fuͤr die Welt, wie weit sie gelingen, welche Umwandlungen sie zur Folge haben, welchen Widerstand in sich oder von außen her sie finden. Erstes Kapitel . Fortschritte der katholischen Restauration. 1590—1617. 1. Unternehmungen des Katholicismus in Polen und den angrenzenden Laͤndern. Es ist die Meinung ausgesprochen worden, die Pro- testanten, die ja, wie wir sahen, in Polen eine Zeitlang ent- schieden die Oberhand besaßen, waͤren auch wohl im Stande gewesen einen Koͤnig ihres Glaubens auf den Thron zu erheben: aber ihnen selbst sey am Ende ein Katholik vor- theilhafter vorgekommen, weil er in dem Papste doch noch eine hoͤhere Gewalt, einen Richter uͤber sich habe. Waͤre dem so, so wuͤrden sie sich fuͤr eine so unpro- testantische Gesinnung selber eine harte Zuͤchtigung zugezo- gen haben. Denn eben durch einen katholischen Koͤnig vermochte der Papst ihnen den Krieg zu machen. Hatten doch sogar die paͤpstlichen Nuntien von allen fremden Gesandten in Polen allein das Recht sich mit dem Koͤnig ohne Anwesenheit eines Senators zu unterreden. Man kennt sie wohl: sie waren klug und gewandt genug um Buch VII. Kap. 1. Fortschritte das vertraulichere Verhaͤltniß, das ihnen hiedurch moͤglich wurde, zu pflegen und zu benutzen. Im Anfang der achtziger Jahre des 16ten Jahrhunderts war Cardinal Bolognetto Nuntius in Polen. Er klagt uͤber die Beschwerden des Climas, die fuͤr einen Italiener dop- pelt empfindliche Kaͤlte, den Dampf der engen geheizten Stuben, die ganze ungewohnte Lebensweise; dessenungeach- tet begleitet er Koͤnig Stephan von Warschau nach Kra- kau, von Wilna nach Lublin — durch das Reich: zu- weilen in etwas melancholischer Stimmung, aber nichts desto minder unermuͤdlich: waͤhrend der Feldzuͤge bleibt er mit demselben wenigstens in Briefwechsel: in ununterbrochener Verbindung erhaͤlt er die roͤmischen Interessen mit der koͤ- niglichen Person. Wir haben eine ausfuͤhrliche Relation uͤber seine Amts- fuͤhrung, aus der wir ersehen, was er unternahm, wie weit er es brachte Spannocchi: Relatione all’ Ill mo Rev mo Cardinal Rusticucci, segretario di N. S. Papa Sisto V, delle cose di Polonia in- torno alla religione e delle azioni del cardinal Bolognetto in quattro anni ch’egli è stato nunzio in quella provincia. . Vor allem forderte er den Koͤnig auf, die Aem- ter nur mit Katholischen zu besetzen, in den koͤniglichen Staͤdten nur katholischen Gottesdienst zu gestatten, die Zehn- ten herzustellen: — Maaßregeln, wie sie um dieselbe Zeit in andern Laͤndern ergriffen wurden und die Erneuerung des Katholicismus herbeifuͤhrten oder bezeichneten. Damit drang er nun nicht durch. Koͤnig Stephan glaubte nicht so weit gehn zu koͤnnen: er erklaͤrte, er sey nicht maͤchtig genug dazu. der katholischen Restauration. Polen . Allein dabei hatte doch dieser Fuͤrst nicht allein katho- lische Ueberzeugungen, sondern einen angebornen Eifer fuͤr das Kirchenwesen: in vielem Andern gab er den Vorstel- lungen des Nuntius nach. Durch unmittelbare koͤnigliche Unterstuͤtzung kamen die Jesuiten-Collegien in Krakau, Grodno, Pultusk zu Stande: der neue Calender ward ohne Schwierigkeit eingefuͤhrt, der groͤßte Theil der Anordnungen des tridentinischen Conciliums zur Vollziehung gebracht. Das Wichtigste aber war der Beschluß des Koͤnigs die Bisthuͤmer in Zukunft nur noch an Katholiken zu geben Sendosi (il re) determinato che nessuno possa tenere chiese che non sia della vera fede romana. (Spannocchi.) . Auch in diese hoͤchsten geistli- chen Wuͤrden waren Protestanten eingedrungen: dem Nun- tius ward jetzt verstattet sie vor seinen Richterstuhl zu ziehen, sie abzusetzen: was um so mehr sagen wollte, da mit dem bischoͤflichen Amt zugleich Sitz und Stimme in dem Se- nat verbunden war. Eben diese politische Bedeutung des geistlichen Institutes suchte der Nuntius uͤberhaupt zu benutzen. Vor allem forderte er die Bischoͤfe zu einhel- ligen Maaßregeln an den Reichstagen auf: er gab ihnen dieselben an: mit den maͤchtigsten, dem Erzbischof von Gne- sen, dem Bischofe von Kraken hatte er persoͤnlich ein en- geres Verhaͤltniß angeknuͤpft, das ihm ausnehmend foͤrder- lich wurde. Und so gelang es ihm, nicht allein die Geist- lichkeit selbst mit verjuͤngtem Eifer zu durchdringen: er be- kam bereits auf weltliche Angelegenheiten einen großen Ein- fluß. Die Englaͤnder brachten einen Handelsvertrag mit Polen in Anregung, der namentlich fuͤr Danzig sehr nuͤtz- Buch VII. Kap. 1. Fortschritte lich zu werden versprach; der Nuntius war es allein der ihn ruͤckgaͤngig machte, hauptsaͤchlich weil die Englaͤnder das ausdruͤckliche Versprechen verlangten, Handel und Wan- del in Ruhe treiben zu duͤrfen, ohne um ihrer Religion willen belaͤstigt zu werden Spannocchi: Il che non prima venne agli orecchj del Bo- lognetto, che andò a trovare S. M tà , e con efficacissime ra- gioni mostrò quanto esorbitante cosa sarebbe stata che avesse concesso per publico decreto una tanto obbrobriosa setta, e co- me non senza nascosto inganno e speranza d’importantissime conseguenze quella scellerata donna voleva che si dichiarasse così per decreto potersi esercitar la setta Anglicana in quel regno, dove tutto il mondo pur troppo sa che si permetta il credere in materia di religione quel che piace a chi si sia: con queste ed altre efficacissime ragioni il re Stefano rimase tal- mente persuaso che promesse non voler mai far menzione al- cuna di religione, in qualunque accordo avesse fatto con quella regina o suoi mercanti. . Genug so gemaͤßigt auch Koͤnig Stephan seyn mochte, so nahm sich doch zuerst unter ihm der Katholicismus wie- der wesentlich auf. Es hatte dieß aber desto mehr zu bedeuten, da die maͤchtigste Partei im Lande, die Faction Zamoisky, der durch die Gunst des Koͤnigs uͤberhaupt die wichtigsten Stel- len zufielen, auch eine katholische Farbe annahm Spannocchi: Alle dignità senatorie et all’ entrate del re- gno dicono hoggi non ammettersi se non i dependenti da esso cancelliero, acciò che da nissuno venga impedito di far quello che ad esso ed al re più tornerà di piacere di fare. , und da diese es war, die nach dem Tode Stephans in den Wahlstreitigkeiten den Ausschlag gab. Jenen schwedischen Prinzen, welchen Catharina Jagellonica im Gefaͤngniß ge- boren, und der von erster Jugend an, sey es durch ur- spruͤng- der katholischen Restauration. Polen . spruͤngliche Neigung, oder durch den Einfluß der Mutter, oder gleich durch die Hoffnung auf die polnische Krone, oder durch alles zusammen, in der Mitte eines protestantischen Landes unerschuͤtterlich bei dem katholischen Glauben fest- gehalten worden war, brachten die Zamoiskys auf den Thron. Es ist Siegmund III , ein Fuͤrst, dessen Gesinnung sich durchaus nach den katholischen Antrieben bildete, die da- mals Europa in Bewegung setzten. Papst Clemens VIII. sagt in einer seiner Instructio- nen, er habe — noch als Cardinal und Legat in Polen — diesem Fuͤrsten den Rath gegeben, alle Stellen des oͤf- fentlichen Dienstes in Zukunft nur an Katholiken zu ver- theilen. Schon oͤfter war dieser Rath gegeben worden: von Paul IV. bereits, vom Cardinal Hosius In einem Schreiben vom 14. Merz 1568 bittet er den Koͤ- nig zu erklaͤren nullis se deinceps vel honores vel praefecturas vel quaecunque tandem alia munera publice mandaturum nisi qui Christum aperte confessus fuerit et omni perfidiae sive Lu- theristicae sive Calvinisticae sive anabaptistarum nuntium re- miserit. , auch von Bolognetto. Jetzt aber erst fand sich ein geeigneter Boden, um ihn aufzunehmen. Was weder von Siegmund August noch von Stephan zu erhalten gewesen war, dazu zeigte sich Sieg- mund III. sehr bald entschlossen. Er machte es in der That zu seinem Grundsatze, nur noch die Katholischen zu befoͤr- dern, und Papst Clemens hat ganz Recht, wenn er den Fortgang des Katholicismus in Polen vor allem dieser Maaßregel zuschreibt. Das vornehmste Attribut der koͤniglichen Gewalt in Polen bestand in der Verleihung der Wuͤrden. Alle geist- Päpste* 24 Buch VII. Kap. 1. Fortschritte lichen und weltlichen Stellen, groͤßere und geringere — man wollte ihrer bei 20000 rechnen — vergab der Koͤnig. Welch einen Einfluß mußte es nun haben, daß Siegmund III. begann, nicht allein die geistlichen, sondern alle Aemter uͤberhaupt bloß mit Katholiken zu besetzen: die Wohlthat des Staates wie einst die Italiener sagten, das volle Buͤrgerrecht in hoͤherm Sinne, bloß seinen Glaubensgenossen angedei- hen zu lassen. Man kam um so besser fort, je mehr man sich die Gunst der Bischoͤfe, der Jesuiten erwarb. Der Starost Ludwig von Mortangen erlangte die pomerellische Woiwodschaft hauptsaͤchlich dadurch, daß er sein Haus in Thorn der Gesellschaft Jesu schenkte. Wenigstens in den polnisch-preußischen Landschaften bildete sich hierauf eine Opposition zwischen den Staͤdten und dem Adel, welche eine religioͤse Farbe annahm. Urspruͤnglich hatten beide den Protestantismus ergriffen: jetzt trat der Adel zuruͤck. Das Beispiel der Kostka, Dzialinsky, Konopat, welche maͤchtig wurden weil sie uͤbertraten, uͤbte einen großen Einfluß auf die uͤbrigen aus. Die Schulen der Jesuiten wurden hauptsaͤchlich von dem jungen Adel besucht: bald finden wir, daß sich die Jesuitenschuͤler in den protestantisch verbliebenen Staͤdten an der buͤrgerlichen Jugend reiben. Aber uͤberhaupt ergriff die neue Einwirkung besonders die Edelleute. Das Collegium zu Pultusk zaͤhlte 400 Zoͤglinge, alle von Adel Maffei II, 140. . Der Impuls der im Allgemeinen im Geiste der Zeit lag, der Unterricht der Jesuiten, der neu erwachte Eifer in der ge- sammten Geistlichkeit, und die Beguͤnstigung des Hofes, der katholischen Restauration. Polen . alles kam zusammen um den polnischen Adel zum Ruͤcktritt zum Katholicismus zu stimmen. Es versteht sich aber, daß man auch sogleich weiter ging, und diejenigen die nun nicht uͤbertraten, die Ungunst der Staatsgewalt empfinden ließ. In Polen kehrte die katholische Geistlichkeit besonders den Anspruch hervor, daß die kirchlichen Gebaͤude, die ja von Katholisch-glaͤubigen, unter der Mitwirkung der Bi- schoͤfe, haͤufig der Paͤpste, gegruͤndet worden, ein unver- aͤußerliches Eigenthum ihrer Kirche seyen. Allenthalben, wo der katholische Dienst von den Pfarrkirchen ausgeschlos- sen worden, erhoben die Bischoͤfe, gestuͤtzt auf jenen Grund- satz, gerichtliche Klagen. Die Gerichte waren jetzt mit ei- frigen Katholiken besetzt: gegen eine Stadt nach der andern begannen die nemlichen Processe, erfolgten die nemlichen Urtel: es half nichts daß man an den Koͤnig appellirte und ihn an jene Confoͤderation erinnerte, durch welche bei- den Bekenntnissen gleicher Schutz verheißen worden: die Antwort war: der gleiche Schutz bestehe eben darin, daß man jedem Theile zu seinem Rechte verhelfe: die Confoͤ- deration schließe keine Versicherung der kirchlichen Gebaͤude ein Das ausfuͤhrliche Schreiben des Woiwoden von Culm, uͤber- setzt bei Lengnich: Polnisch-preußische Geschichte Theil IV, S. 291 setzt besonders diese Motive auseinander. . In wenigen Jahren setzten sich die Katholischen in den Besitz aller Pfarrkirchen in den Staͤdten: „in den Pfarrkirchen“, rief der Pole aus, „wird der alte Gott ver- ehrt“: in den kleineren preußischen Staͤdten durfte der evangelische Gottesdienst nur noch in einem Zimmer auf 24* Buch VII. Kap. 1. Fortschritte dem Rathhause ausgeuͤbt werden: von den groͤßern behaup- tete allein Danzig seine Pfarrkirche Lengnich: Nachricht von der Religionsaͤnderung in Preu- ßen § 27. . In diesem Augenblick eines gluͤcklichen Fortganges aber blieb man nicht allein bei der Bekaͤmpfung der Pro- testanten stehn, man faßte auch schon die Griechen ins Auge. Koͤnig und Papst vereinigten auch hier ihren Einfluß: besonders wirksam war, so viel ich finde, die Drohung die griechischen Bischoͤfe von Sitz und Stimme in dem Senat auszuschließen: genug, der Wladika von Wladimir und einige andere griechische Bischoͤfe entschlossen sich im Jahre 1595, sich nach Maaßgabe des florentinischen Con- ciliums mit der roͤmischen Kirche zu vereinigen. Ihre Ge- sandten gingen nach Rom: roͤmische und koͤnigliche Abge- ordnete erschienen in der Provinz: die Ceremonie der Ver- soͤhnung ward vollzogen: ein Jesuit, Beichtvater des Koͤ- nigs belebte sie durch eine begeisterte Predigt; den Katho- lischen wurden auch hier einige Kirchen eingeraͤumt. Ein ungemeiner Aufschwung binnen wenigen Jah- ren. Vor kurzem, sagt ein paͤpstlicher Nuntius schon im Jahre 1598, konnte es scheinen, als wuͤrde die Ketzerei den Katholicismus in Polen vollends beseitigen: jetzt traͤgt der Katholicismus die Ketzerei zu Grabe. Fragte man wodurch dieß hauptsaͤchlich geschehen war, so war es doch vor allem die persoͤnliche Gesinnung des Koͤnigs. Eine Gesinnung die bei der eigenthuͤmlichen Stellung der katholischen Restauration. Schweden . dieses Fuͤrsten sogleich noch weitere große Aussichten er- oͤffnete. Versuch auf Schweden. Durch den Tod seines Vaters Johann im Jahre 1592 wurde Siegmund Koͤnig von Schweden. Zwar war er hier weder an und fuͤr sich unbeschraͤnkt, noch auch ohne persoͤnliche Verpflichtung. Schon 1587 hatte er eine Versicherung unterzeichnet, daß er in den Ce- remonien der Kirche nichts aͤndern, daß er selbst Niemand befoͤrdern wolle der nicht Protestant sey: und auch jetzt verpflichtete er sich aufs neue, die Privilegien der Geistli- chen wie der Laien erhalten, um der Religion willen Nie- mand hassen noch lieben, die Landeskirche auf keine Weise beeintraͤchtigen zu wollen. Nichts desto minder erwachten auf der Stelle alle Hoffnungen der Katholischen, alle Be- sorgnisse der Protestanten. Was die Katholischen zu erreichen immer so eifrig ge- wuͤnscht, einen Koͤnig ihres Glaubens in Schweden zu haben, war ihnen jetzt gewaͤhrt. Von katholischer Beglei- tung umgeben, bei der selbst ein paͤpstlicher Nuntius, Ma- laspina, nicht fehlte, brach Siegmund im Juli 1593 nach seinem Erbreich auf. Schon seine Reise durch die preußischen Provinzen war mit Befoͤrderungen des Katho- licismus bezeichnet. In Danzig ereilte ihn ein paͤpstli- cher Abgeordneter, Bartholomaͤus Powsinsky, mit einem Geschenke von 20000 Scudi, „einem kleinen Beitrag“, wie Buch VII. Kap. 1. Fortschritte es in der Instruction heißt, „zu den Kosten welche die Herstellung des Katholicismus veranlassen koͤnnte.“ Sehr merkwuͤrdig ist diese Instruction. Sie zeigt uns, wie unbedingt man in Rom diese Herstellung hoffte und empfahl Instruttione al S r Bartolommeo Powsinsky alla M à del re di Polonia e Suetia. (MS Rom.) . „Powsinsky“, heißt es in derselben, „ein vertrauter Diener Sr Heiligkeit und Vasall Sr Majestaͤt, werde ge- sendet, um dem Koͤnige die Theilnahme des Papstes an den erwuͤnschten Ereignissen, die ihm seit kurzem begegnet, zu bezeigen: an der Niederkunft seiner Gemahlin, dem guten Ausgange des letzten Reichstages, vor allem aber an dem groͤßten Gluͤck das ihm haͤtte wiederfahren koͤnnen, nem- lich daß er jetzt Gelegenheit habe den Katholicismus in seinem Vaterlande wiederherzustellen.“ Der Papst ver- saͤumt nicht einige Gesichtspunkte fuͤr dieses Werk anzu- geben. „Ohne Zweifel durch Gottes besondere Vorsehung“, sagt er, „seyen gerade mehrere Bisthuͤmer, unter andern selbst der erzbischoͤfliche Stuhl in Upsala erledigt Intendendosi restar vacante l’arcivescovato di Upsalia, che la divina providenza per più facilitare le cose del suo ser- vitio non ha permesso che in due anni sia stato proveduto dal re morto, haverà S. M tà particulare pensiere a pigliare un ar- civescovo cattolico. . Sollte der Koͤnig ja einen Augenblick anstehn die protestantischen Bischoͤfe, die es noch im Lande gebe, zu entfernen, so werde er doch unfehlbar die erledigten Sitze mit Katholisch-glaͤu- bigen besetzen.“ Der Abgeordnete hat ein Verzeichniß von der katholischen Restauration. Schweden . schwedischen Katholiken bei sich, die dazu geeignet scheinen. Der Papst ist uͤberzeugt, daß diese Bischoͤfe dann schon darauf denken werden, katholische Pfarrer und Schul- meister zu bekommen. Nur muß man ihnen dazu die Moͤglichkeit verschaffen. „Vielleicht“, meint er, „lasse sich sogleich ein Jesui- tencollegium in Stockholm einrichten. Waͤre dieß aber nicht der Fall, so werde der Koͤnig doch gewiß so viel faͤhige junge Schweden als er nur finden koͤnne, nach Po- len mitnehmen, und sie an seinem Hofe, bei einigen der eifrigsten Bischoͤfe oder in den polnischen Jesuitencollegien im katholischen Glauben aufziehen lassen.“ Die erste Absicht war hier, wie allenthalben, sich des Clerus wieder zu bemeistern. Noch eine andere hatte indeß der Nuntius gefaßt. Er dachte die Katholiken die in Schweden noch uͤbrig waren zu veranlassen, gegen die Pro- testanten Beschwerde zu fuͤhren. Dann werde der Koͤnig eine Stellung uͤber beiden Parteien nehmen, jede Neuerung werde das Ansehen einer rechtlichen Entscheidung bekommen koͤnnen Ragguaglio dell’ andata del re di Polonia in Suetia. (MS Rom.) Erano tuttavia nel regno alcune reliquie de’ cattolici: et il nuntio seguendo la forma già tenuta da C l Madruzzo, per for- tificar l’autorità dell’ imperatore, cercava di costituire il re giu- dice tra li cattolici e gli heretici di Suetia, inducendo quelli a querelarsi appresso il re dell’ insolenza e delle ingiurie di questi. . Es war ihm nur leid, daß Siegmund nicht eine staͤrkere bewaffnete Macht mit sich fuͤhrte, um seinen Entschluͤssen Nachdruck zu verschaffen. Nun laͤßt sich wohl nicht beweisen, daß der Koͤnig Buch VII. Kap. 1. Fortschritte die Absichten des roͤmischen Hofes auch sogleich zu den seini- gen gemacht habe. So viel sich aus seinen eigenen Erklaͤ- rungen abnehmen laͤßt, mochte zunaͤchst sein Sinn dahin gehn, den Katholischen nur erst einige Freiheiten zu verschaf- fen ohne die protestantische Verfassung umzustuͤrzen. Aber sollte er faͤhig seyn dem starken religioͤsen Antriebe Ein- halt zu thun, der seine Umgebung beherrschte, dessen Re- praͤsentanten er mit sich fuͤhrte? Durfte man glauben, daß er an jenem Punkte, wenn er ihn erreicht haͤtte, stehn bleiben wuͤrde? Die Protestanten wollten es nicht erwarten. Die Absichten die man diesseit hegte, riefen jenseit unmittelbar, fast unbewußt, ihr Gegentheil hervor. Gleich nach dem Tode Johanns vereinigten sich die schwedischen Reichsraͤthe — fruͤher und spaͤter beruͤhmte Namen: Gyllenstern, Bielke, Baner, Sparre, Oxenstern — mit dem Bruder des verstorbenen, dem Oheim des jun- gen Koͤnigs, noch Einem von den Soͤhnen Gustav Wa- sas, dem eifrig protestantischen Herzog Carl, „ihn in Abwe- senheit seines Neffen als Reichsgubernator anzuerkennen und ihm in alle dem Gehorsam zu versprechen, was er zur Erhaltung der augsburgischen Confession in Schweden thun werde.“ In diesem Sinne ward im Merz 1593 ein Con- cilium zu Upsala gehalten. Das augsburgische Bekennt- niß ward hier aufs neue proclamirt, die Liturgie des Koͤ- nigs Johann verdammt, selbst in dem fruͤhern Ritus alles das ermaͤßigt, was noch an katholische Gebraͤuche zu erin- nern schien, — den Exorcismus behielt man nur in mil- dern Ausdruͤcken und um seiner moralischen Bedeutung wil- der katholischen Restauration. Schweden . len bei Denn man muß es Messenius nicht glauben daß er abge- schafft worden. Es wurden nur die Worte Faar haͤr uth in die Worte Wick haͤr ifra veraͤndert, und dem Herzog Carl, der die voͤl- lige Abschaffung forderte, entgegnete man: retinendum esse exor- cismum tanquam liberam cerimoniam propter utilem commone- factionem ad auditorium et baptismi spectatores permanantem; eine Ansicht der sich Herzog Carl fuͤgte. Baaz: Inventarium IV, X, 525. Bei Baaz finden sich die Acten uͤberhaupt in ziemlicher Vollstaͤndigkeit. ; es ward eine Erklaͤrung abgefaßt, daß man kei- nerlei Ketzerei, weder papistische noch calvinistische, im Lande dulden werde Concilium definit, heißt es weiter, ne haereticis advenien- tibus detur locus publice conveniendi. . In demselben Sinne wurden nun auch die Stellen besetzt. Viele alte Vertheidiger der Liturgie sagten ihr jetzt ab, doch nicht allen half das; einige wur- den doch entfernt. Die Bisthuͤmer, auf deren Erledigung man zu Rom so große Entwuͤrfe gegruͤndet, wurden Luthe- ranern gegeben: das Erzbisthum Upsala dem heftigsten Geg- ner der Liturgie, M. Abraham Angermannus: durch eine unverhaͤltnißmaͤßige Majoritaͤt — er hatte 243 und sein naͤchster Mitbewerber nur 38 Stimmen — stellte die Geist- lichkeit den eifrigsten Lutheraner den sie finden konnte an ihre Spitze. Unter Koͤnig Johann hatte sich bis zuletzt ein mitt- lerer, dem Papstthum nicht so scharf wie anderwaͤrts ent- gegengesetzter Zustand erhalten: leicht haͤtte Siegmund eine Veraͤnderung, wie die Katholiken sie wuͤnschten, daran knuͤpfen koͤnnen: aber jetzt war man ihm von der andern Seite zuvorgekommen: der Protestantismus hatte sich fester in Besitz gesetzt, als er es jemals gewesen war. Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Auch die koͤniglichen Gerechtsame Siegmunds waren hiebei nicht geschont worden. Er ward schon nicht eigent- lich mehr ganz als der Koͤnig, vielmehr als ein Fremder mit dem Anspruch an die Krone, als ein Abtruͤnniger, vor dem man sich in Acht nehmen muͤsse, der die Religion be- drohe, ward er betrachtet. Die große Mehrheit der Na- tion, einmuͤthig in ihren protestantischen Ueberzeugungen, hielt sich an Herzog Carl. Wohl fuͤhlte der Koͤnig seine vereinsamte Stellung, als er angekommen. Er konnte nichts thun; er suchte nur die Forderungen die man an ihn machte, von sich abzu- lehnen. Aber indessen er schwieg und wartete, geriethen die Gegensaͤtze in Kampf, die einander hier noch nie so unmit- telbar gegenuͤber gestanden. Die evangelischen Prediger schal- ten wider die Papisten: die jesuitischen die in der Hofca- pelle predigten, blieben die Antwort nicht schuldig. Die Katholiken des koͤniglichen Gefolges bemaͤchtigten sich bei einer Beerdigung einer evangelischen Kirche: die Protestanten hielten hierauf fuͤr noͤthig sich der Benutzung ihres ent- weihten Heiligthums eine Zeitlang zu enthalten. Schon kam es zu Thaͤtlichkeiten. Die Heiducken brauchten Ge- walt um sich einer verschlossenen Kanzel zu bemaͤchtigen: dem Nuntius warf man vor, daß er aus seinem Hause mit Steinen nach singenden Chorknaben habe werfen las- sen: die Erbitterung stieg von Moment zu Moment. Endlich ging man nach Upsala um die Kroͤnung zu vollziehen. Die Schweden forderten vor allen Dingen die Bestaͤtigung der Schluͤsse ihres Conciliums. Der Koͤnig der katholischen Restauration. Schweden . straͤubte sich. Er wuͤnschte nur Duldung fuͤr den Katho- licismus: er waͤre zufrieden gewesen, haͤtte man ihm nur die Aussicht gelassen sie in Zukunft einmal zu gestatten. Aber diese schwedischen Protestanten waren unerschuͤtterlich. Man behauptet, die eigene Schwester des Koͤnigs Das Ragguaglio nennt sie ostinatissima eretica. habe ihnen gesagt, die Natur desselben sey, nach langem und und standhaftem Widerstande, endlich doch nachzugeben, und in sie gedrungen, ihn nur immer aufs neue zu bestuͤr- men. Sie forderten schlechthin, daß allenthalben in Kir- chen und Schulen einzig und allein die Lehre der Augsbur- ger Confession verkuͤndigt werden solle Messenius VII, 19. „absolute urgebant ut confessio Au- gustana qualis sub ultimo Gustavi regimine et primi Johannis in patria viguisset, talis in posterum unica sola et ubique tam in ecclesiis quam in scholis perpetuo floreret. . An ihrer Spitze stand Herzog Carl. Die Stellung die er einnahm, gab ihm eine Unabhaͤngigkeit und Macht, wie er sie sonst nie- mals haͤtte hoffen duͤrfen. Sein personliches Verhaͤltniß zu dem Koͤnige ward immer unangenehmer, bitterer. Der Koͤ- nig, wie gesagt, war fast ganz ohne Waffen: der Herzog sammelte ein paar tausend Mann auf seinen Guͤtern um die Stadt her. Endlich erklaͤrten die Staͤnde dem Koͤnig geradezu, man werde ihm die Huldigung nicht leisten, wenn er sich nicht fuͤge Supplicatio ordinum: Quodsi cl. rex denegaverit subditis regiam approbationem horum postulatorum, inhibent nostri fra- tres domi remanentes publicum homagium esse S. R. M. prae- standum. . Der arme Fuͤrst sah sich in schmerzlicher Verlegenheit. Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Zuzugestehn was man von ihm verlangte beschwerte ihn in seinem Gewissen, es zu verweigern brachte ihn um eine Krone. In dieser Noth fragte er zuerst bei dem Nuntius an, ob er nicht nachgeben duͤrfe. Malaspina war nicht dahin zu bringen, das gutzuheißen. Hierauf wandte sich der Koͤnig an die Jesuiten in seinem Gefolge. Was der Nuntius nicht gewagt, nahmen sie auf sich. Sie erklaͤrten, in Betracht der Nothwendigkeit und der unverkennbaren Gefahr, in der sich der Koͤnig befinde, koͤnne er den Ketzern ihre Forderung zugestehn, ohne Gott zu beleidigen. Nicht eher gab sich der Koͤnig zufrieden, als bis er diesen Bescheid schriftlich in Haͤnden hatte. Alsdann erst fuͤgte er sich den Forderungen seiner Unterthanen. Er bestaͤtigte die Schluͤsse von Upsala, die ausschließende Uebung der unveraͤnderten Augsburger Con- fession: ohne daß in Kirche oder Schule eine fremde Lehre beigemischt, ohne daß irgend jemand angestellt wer- den duͤrfe, der nicht zu ihrer Vertheidigung bereit sey Diese Worte lauten doch so, daß sie die Moͤglichkeit einer Ausflucht uͤbrig lassen. „Ad officia publica nulli promovebuntur in patria qui religionem evangelicam nolunt salvam, quin potius qui eam serio defendere volunt publicis officiis praeficiantur.“ Generalis confirmatio postulatorum regis Sigismundi bei Baaz p. 537. . Er erkannte die Praͤlaten an, die wider seinen Willen in jene Aemter gekommen. Sollte sich aber hiebei sein katholisches Herz beruhi- gen? Sollte seine roͤmisch-gesinnte Umgebung sich mit ei- nem Resultat begnuͤgen, das sie so ganz verdammen mußte? Es waͤre an sich nicht zu erwarten. der katholischen Restauration. Schweden . In der That schritt man endlich zu einer Protesta- tion, wie sie wohl in aͤhnlichen Faͤllen auch sonst vor- gekommen ist. „Der Nuntius“, heißt es in dem Berichte, der uͤber diese Sache nach Rom erstattet wurde, mit dessen Worten ich wohl am besten diese Thatsache erlaͤutere, „der Nun- tius war eifrig bemuͤht der geschehenen Unregelmaͤßigkeit abzuhelfen. Er bewirkte, daß der Koͤnig zur Sicherheit seines Gewissens schriftlich eine Protestation abfaßte, in welcher er erklaͤrte, daß er nicht mit seinem Willen, son- dern ganz allein durch Gewalt genoͤthigt, zugestanden, was er zugestanden. Ferner bewog der Nuntius S. Maje- staͤt, auch den Katholiken entsprechende Zugestaͤndnisse zu machen: um wie in Polen, so auch in Schweden beiden Theilen verpflichtet zu seyn: wie dieß auch bei dem deut- schen Kaiser Statt findet. Der Koͤnig war zufrieden dieß zu thun“ Relatione dello stato spirituale e politico del regno di Suezia 1598. Mandò alcuni senatori Polacchi a darle parte dello stato delle cose in le sue circostanze e conseguenze, e detti pa- tri dichiararono che presupposto la necessità e pericolo nel quale era costituita la M tà S. la potesse senza offender dio conce- dere alli heretici ciò che ricercavano, e la M tà S. per sua giu- stificazione ne volle uno scritto da detti patri. — — Hora fatta la coronatione e concessione pose ogni studio il nunzio per ap- plicare qualche remedio al disordine seguito, onde operò per si- curezza della coscienza di S. M à ch’ella facesse una protesta in scritto, come ella non con la volontà sua ma per pura forza si era indotto a concedere ciò che haveva concesso; e persuase al s mo re che concedesse da parte agli cattolici altrettanto quanto haveva conceduto alii heretici, di modo che a guisa dell’impera- tore e del re di Polonia restasse la M à S. giurata utrique parti. S. M à si contentò di farlo, et immediatamente mise in esecu- . Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Seltsame Auskunft. An einer Protestation ist es noch nicht genug. Um einer Verpflichtung, die man durch einen Eid uͤbernommen, einigermaßen entledigt zu seyn, leistet man der andern Partei einen entgegengesetzten Eid: so ist man beiden verpflichtet, und in der Nothwendigkeit beiden die gleiche Gerechtigkeit angedeihen zu lassen. Die Schweden waren erstaunt, daß der Koͤnig nach so feierlichen Versprechungen doch sogleich hierauf den Ka- tholischen einen wenig verhehlten Schutz angedeihen ließ. Es ruͤhrte ohne Zweifel von dieser geheimen Verpflichtung her. „Noch vor seiner Abreise“, faͤhrt unser Berichterstatter mit Zufriedenheit fort, „gab der Koͤnig Aemter und Wuͤrden an Katholischglaͤubige. Vier Statthalter, obwohl sie Ketzer waren, ließ er schwoͤren die Katholiken und ihre Religion zu beschuͤtzen. An vier Orten richtete er die Uebung des katholischen Gottesdienstes wieder ein.“ Maaßregeln welche vielleicht das unruhige Gewissen eines devoten Fuͤrsten beschwichtigen, allein auf den Gang der Dinge keinen andern als einen nachtheiligen Einfluß ausuͤben konnten. Denn eben dadurch geschah es, daß die schwedischen Staͤnde, in unaufhoͤrlicher Aufregung gehalten, sich um so entschiedener in den Widerstand warfen. Die Geistlichkeit reformirte ihre Schulen in streng lu- therischem Sinne, sie ordnete ein besonderes Dankfest fuͤr zione le dette concessioni: perchè avanti la sua partenza diede uf- ficj e dignità a cattolici, e lasciò in quattro luoghi l’esercitio della religione e fece giurare a quattro governatori, se ben erano heretici, quali lasciò nel regno, che haverebbero protetto la religione e li cattolici. der katholischen Restauration. Schweden . die Behauptung der wahren Religion „gegen die Absich- ten und Raͤnke der Jesuiten“ an; 1595 ward auf dem Reichstag von Suͤdercoͤping ein Beschluß gefaßt, daß alle Uebung des katholischen Ritus, wo ihn der Koͤnig etwa eingerichtet hatte, wieder abgeschafft werden sollte. „Ein- muͤthig heißen wir gut“, sagen die Staͤnde, „daß alle Sec- tirer, die der evangelischen Religion zuwider sind und ih- ren Sitz im Lande aufgeschlagen haben, binnen 6 Wochen aus dem ganzen Reiche entfernt werden“ Acta ecclesiae in conventu Sudercop. bei Baaz 567. : und auf das strengste wurden diese Beschluͤsse ausgefuͤhrt. Das Kloster Wadstena, das seit 211 Jahren bestanden und sich in der Mitte so vieler Bewegungen noch immer erhalten, ward nunmehr aufgeloͤst und zerstoͤrt. Angermannus hielt eine Kirchenvisitation die ihres Gleichen nicht gehabt. Wer die evangelische Kirche versaͤumte, ward mit Ruthen gepeischt: der Erzbischof fuͤhrte einige starke Schuͤler mit sich, welche die Zuͤchtigung unter seiner Aufsicht vollzogen: die Altaͤre der Heiligen wurden zerstoͤrt, ihre Reliquien zerstreut, die Ceremonien, welche man noch 1593 fuͤr gleichguͤltig er- klaͤrte, im Jahre 1597 an vielen Orten abgeschafft. Das Verhaͤltniß zwischen Siegmund und Carl gab nun dieser Bewegung eine persoͤnliche Gestalt. Alles, was man that, lief dem wohlbekannten Willen den Anordnungen des Koͤnigs entgegen: in allem hatte Her- zog Carl einen uͤberwiegenden Einfluß. Wider den aus- druͤcklichen Befehl Siegmunds hielt der Herzog die Reichs- tage: jeden Eingriff desselben in die Landesangelegenheiten suchte er zu entfernen, er ließ einen Beschluß fassen, kraft Buch VII. Kap. 1. Fortschritte dessen die Rescripte des Koͤnigs erst dann guͤltig seyn soll- ten, wenn sie von der schwedischen Regierung bestaͤtigt wor- den Ausa illustrissimi principis domini Caroli Sudermanniae ducis adversus serenissimum et potentissimum dominum Sigis- mundum III regem Sueciae et Poloniae suscepta, scripta et publicata ex mandato S. R. Majestatis proprio Dant. 1598. . Carl war bereits durch die That Fuͤrst und Herr. Schon regte sich in ihm der Gedanke, es auch dem Namen nach zu werden. Unter andern deutet es ein Traum an, den er 1595 hatte. Es kam ihm vor, als werde ihm auf einem Gastmahle in Finnland eine verdeckte doppelte Schuͤssel auf- getragen: er hebt den Deckel auf: in der einen erblickt er die Insignien der Krone, in der andern einen Todtenkopf. Aehnliche Gedanken regen sich in der Nation. Es geht eine Sage durchs Land, man habe in Linkoͤping einen ge- kroͤnten Adler mit einem ungekroͤnten streiten sehen: der un- gekroͤnte habe den Platz behalten. Als es aber so weit war, als die protestantischen Grundsaͤtze mit so vieler Haͤrte geltend gemacht wurden, ihr Vorfechter einen Anspruch auf die koͤnigliche Gewalt zu erheben schien, regte sich doch auch eine Partei fuͤr den Koͤnig. Einige Große, die an seiner Autoritaͤt einen Ruͤckhalt gegen den Herzog gesucht, wurden verjagt: ihre Anhaͤnger blieben im Lande: das gemeine Volk war miß- vergnuͤgt uͤber die Abschaffung aller Ceremonien, und lei- tete laͤndliche Unfaͤlle von dieser Vernachlaͤßigung her: in Finnland hielt der Statthalter Flemming das Banner des Koͤnigs aufrecht. Eine der katholischen Restauration. Schweden . Eine Lage der Dinge, die es fuͤr Koͤnig Siegmund auf der einen Seite nothwendig, auf der andern rathsam machte, sein Gluͤck noch einmal zu versuchen. Es war vielleicht der letzte Moment, in welchem es ihm moͤg- lich war seine Gewalt herzustellen. Im Sommer 1598 brach er zum zweiten Male auf um sein Erbreich einzu- nehmen. Er war dieß Mal wo moͤglich noch strenger katholisch als fruͤher. Der gute Herr glaubte, das mancherlei Un- gluͤck das ihn seit der ersten Reise betroffen, unter andern der Tod seiner Gemahlin, sey deshalb uͤber ihn geschickt worden, weil er damals den Ketzern Zugestaͤndnisse gemacht habe: mit tiefem Herzeleid eroͤffnete er dem Nuntius diesen seinen peinlichen Gedanken. Er erklaͤrte, er wolle eher ster- ben, als aufs neue etwas gestatten, was die Reinheit sei- nes Gewissens beflecken koͤnne. Es verknuͤpfte sich aber hiemit zugleich ein europaͤisches Interesse. In so großem Fortgange war der Katholicis- mus, daß er auch ein Unternehmen in einem so entfern- ten Theile von Europa hauptsaͤchlich im Lichte einer allge- meinen Combination betrachtete. Schon fruͤher hatten die Spanier in ihrem Kampfe mit England ihre Augen geworfen, zuweilen auf die schwe- dischen Kuͤsten; sie hatten gefunden, der Besitz eines schwc- dischen Hafens werde ihnen von dem groͤßten Nutzen seyn, und Unterhandlungen daruͤber eroͤffnet. Jetzt zweifelte man nicht, daß Siegmund, wenn er nur erst Herr in seinem Lande sey, ihnen Elfsborg in Westgothland einraͤumen werde. Päpste* 25 Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Leicht lasse sich hier eine Flotte erbauen, in Stand halten, mit Polen und Schweden bemannen: wie viel anders koͤnne man von hier, als von Spanien aus, England den Krieg machen; gar bald werde es vergessen Indien anzugreifen. Auch fuͤr die Autoritaͤt des Koͤnigs in Schweden koͤnne ein Bund mit dem katholischen Koͤnig nicht anders als vortheilhaft seyn Relatione dello stato spirituale e politico. Der Vor- schlag ist: che a spese del cattolico si mantenga un presidio nella fortezza che guardi il porto, sopra lo quale niuna superiorità habbia il cattolico, ma consegni lo stipendio per esso presidio al re di Polonia. . Aber noch mehr. Die Katholischen zogen in Betracht, daß sie sich zur Herrschaft in Finnland und auf der Ostsee erheben wuͤrden. Von Finnland aus hofften sie einen gluͤck- lichen Angriff auf das russische Reich machen, durch den Besitz des baltischen Meeres das Herzogthum Preußen in ihre Gewalt bringen zu koͤnnen. Noch hatte das Churhaus Brandenburg die Belehnung durch keine Unterhandlung zu erwerben vermocht; der Nuntius versichert, der Koͤnig sey entschlossen sie demselben nicht zu gewaͤhren, sondern das Herzogthum an die Krone zu bringen: er sucht ihn darin nach Kraͤften zu bestaͤrken, hauptsaͤchlich, wie sich versteht, aus religioͤsen Erwaͤgungen: denn niemals werde Branden- burg die Wiederherstellung des Katholicismus in Preußen zugestehn Relatione di Polonia 1598. Atteso che se rimarrà il ducato nelli Brandeburgesi non si può aspettare d’introdurre la religione cattolica, si mostra S. M tà risoluto di voler ricu- perare il detto ducato. Schon Koͤnig Stephan haͤtte dieß thun . der katholischen Restauration. Schweden . Betrachtet man den Umfang der Aussichten, welche sich an einen Erfolg des Koͤnigs knuͤpften, der doch so unwahrscheinlich nicht war auf der einen, und auf der an- dern Seite die allgemeine Bedeutung, welche dem schwedi- schen Reiche bevorstand, wenn der Protestantismus den Sieg davon trug, so erkennt man hier den Moment einer weltgeschichtlichen Entscheidung. Zamoisky hatte dem Koͤnig gerathen, an der Spitze eines starken Heeres aufzubrechen, um Schweden mit den Waffen zu erobern. Koͤnig Siegmund hielt dafuͤr, daß das nicht noͤthig sey; er wollte nicht glauben, daß man ihm in seinem Erbreiche Gewalt entgegensetzen werde. Er hatte in- deß ungefaͤhr 5000 Mann bei sich: ohne Widerspruch lan- dete er mit ihnen in Calmar, und setzte sich von da ge- gen Stockholm in Bewegung; hier war eine andere Ab- theilung seiner Truppen bereits angelangt und aufgenom- men worden; eine finnische Schaar ruͤckte gegen Upland vor. Indessen hatte sich auch Herzog Carl geruͤstet. Es war offenbar mit seiner Macht so wie mit der Alleinherr- schaft des Protestantismus aus, wenn der Koͤnig den Sieg behielt. Waͤhrend seine Uplandsbauern die Finnen ab- wehrten, stellte er sich selbst mit einer regelmaͤßigen Kriegs- mannschaft dem Koͤnige auf seinem Zuge bei Stegeborg in den Weg. Er forderte die Entfernung der koͤniglichen Heere, die Uebertragung der Entscheidung an einen Reichs- tag: alsdann wolle er auch seine Leute entlassen. Der Koͤ- sollen. Ma ritrovandosi con penuria di danari mentre era occu- pato nelle guerre, ne fu sovvenuto delli Brandeburgesi. 25* Buch VII. Kap. 1. Fortschritte nig ging nicht darauf ein. Die feindlichen Schaaren ruͤck- ten gegen einander. Gering an Zahl: unbedeutende Massen: jede von ein paar tausend Mann. Aber die Entscheidung erfolgte nicht minder nachhaltig, als waͤre sie durch große Heere herbei- gefuͤhrt worden. An der Person der Fuͤrsten lag doch alles. Carl, sein eigener Rathgeber, trotzig, entschlossen, ein Mann: und was die Hauptsache war, wesentlich im Besitz. Siegmund, von andern abhaͤngig, weich, gutmuͤthig: kein Kriegsmann: und jetzt in der ungluͤcklichen Nothwendigkeit das Reich das ihm gehoͤrte erobern zu muͤssen: zwar legitim, aber im Kampfe gegen das Bestehende. Zwei Mal stießen die Truppen bei Stangebro auf ein- ander. Zuerst mehr durch Zufall als mit Absicht: der Koͤnig war im Vortheil, und er selbst soll der Ermordung der Schweden Einhalt gethan haben. Das zweite Mal aber, als die Dalkarlier sich fuͤr den Herzog erhoben, seine Flotte angekommen war, hatte dieser die Oberhand: den Mord der Polen hielt Niemand ein: Siegmund erlitt eine vollstaͤndige Niederlage: er mußte alles eingehn was man von ihm forderte Piacesii Chronicon gestorum in Europa singularium p. 159. Auszuͤge aus den Briefen der Fuͤrsten bei Geijer: Schwedi- sche Geschichte II, S. 305. . Ließ er sich doch sogar dahin bringen, die einzigen Getreuen auszuliefern die er gefunden, damit sie vor ein schwedisches Gericht gestellt wuͤrden. Er selbst versprach, sich der Entscheidung des Reichstages zu unterwerfen. der katholischen Restauration. Schweden . Doch war dieß nur eine Auskunft fuͤr die Verlegen- heiten des Augenblicks. Statt den Reichstag zu besuchen, wo ihm nur die traurige Rolle des Besiegten haͤtte zu Theil werden koͤnnen, schiffte er mit dem ersten guͤnstigen Winde nach Danzig zuruͤck. Er schmeichelte sich wohl mit der Hoffnung, ein an- der Mal, in einem gluͤcklichern Augenblick, doch noch Herr in seinem Erbreiche zu werden: in der That aber uͤberließ er es durch diese Entfernung sich selber und dem uͤberwie- genden Einflusse seines Oheims, der kein Bedenken trug nach einiger Zeit auch den Koͤnigstitel anzunehmen, und alsdann den Krieg nicht erst lange in Schweden erwartete, sondern ihn nach dem polnischen Gebiete spielte, wo er un- ter abwechselnden Schicksalen gefuͤhrt ward. Aussicht auf Rußland. In kurzem aber schien es, als wolle sich dieses fehl- geschlagene Unternehmen durch einen andern gluͤcklichen Er- folg verguͤten. Man weiß, wie so manch Mal schon sich die Paͤpste Hoffnung gemacht hatten Rußland zu gewinnen — schon Adrian VI , Clemens VII: dann hatte der Jesuit Pos- sevin bei Iwan Wasiljowitsch sein Gluͤck versucht: noch 1594 sandte Clemens VIII. einen gewissen Comuleo nach Moskau, mit mehr als gewoͤhnlichem Vertrauen, da er die Sprache kannte: allein es waren alles vergebliche Bestrebungen; erklaͤrte doch Boris Godunow geradezu, Buch VII. Kap. 1. Fortschritte „Moskwa sey jetzt das wahre rechtglaͤubige Rom“: er ließ fuͤr sich beten „als fuͤr den einzigen christlichen Herr- scher auf Erden.“ Um so willkommener war unter diesen Umstaͤnden die Aussicht, welche das Auftreten des falschen Demetrius auf das unerwartetste darbot. Fast noch mehr an die geistlichen, als an die politi- schen Interessen von Polen schloß sich Demetrius an. Es war ein katholischer Beichtvater, dem er sich zu- erst entdeckte: Vaͤter Jesuiten wurden geschickt ihn zu pruͤ- fen: dann nahm sich der paͤpstliche Nuntius Rangone sei- ner an. Gleich bei der ersten Zusammenkunft erklaͤrte ihm dieser, er werde nichts zu hoffen haben, wenn er nicht die schismatische Religion abschwoͤre und die katholische an- nehme. Ohne viel Umstaͤnde zeigte sich Demetrius hiezu bereit: er hatte es schon vorher versprochen: den naͤchsten Sonntag geschah der Uebertritt Alessandro Cilli: Historia di Moscovia p. 11. Cilli war bei dem Act zugegen. Bei Karamsin X, 109 der Ueb. findet sich eine Stelle die doch nicht so genau aus Cilli ist, als es der Fall zu seyn scheint. Karamsin sah den Cilli selbst nicht ein. Von den Worten die bei Karamsin dem Demetrius in den Mund gelegt werden, findet sich bei Cilli nichts. . Er war entzuͤckt, daß ihn hierauf Koͤnig Siegmund anerkannte: er schrieb es mit Recht der Verwendung des Nuntius zu, und versprach die- sem zur Ausbreitung und Vertheidigung des roͤmischen Glaubens alles zu thun was in seinen Kraͤften stehe Cilli: con rinnovare insieme la promessa dell’ augumento e difesa per quanto havessero potuto le sue forze e nel suo im- perio e fuori di quello della santa fede cattolica. . Ein Versprechen das sofort eine hohe Bedeutung be- der katholischen Restauration. Rußland . kam. In Polen mochte man doch nicht recht an ihn glau- ben. Wie sehr erstaunte man, als der armselige Fluͤcht- ling in der That bald darauf in den Pallast der Zaaren ein- zog. Der ploͤtzliche Tod seines Vorgaͤngers, in welchem das Volk ein Gottesurtheil sah, mag wohl am meisten dazu beigetragen haben. Und hier erneuerte nun Demetrius seine Zusage: den Neffen jenes Nuntius nahm er mit großer Ehrerbietung bei sich auf: da seine polnische Gemahlin in kurzem bei ihm anlangte, mit einem zahlreichen Hofe, nicht allein von Rittern und Damen, sondern vorzuͤglich von Moͤnchen — Dominicanern, Franciscanern und Jesuiten Cilli p. 66. — so schien er sein Wort unverzuͤglich halten zu wollen. Aber eben dieß gereichte ihm am meisten zum Verder- ben. Was ihm die Unterstuͤtzung der Polen verschafft, entzog ihm die Neigung der Russen. Sie sagten, er esse und bade nicht wie sie: er ehre die Heiligen nicht, er sey ein Heide und habe eine ungetaufte heidnische Gemahlin auf den Thron von Moskwa gefuͤhrt: unmoͤglich, das sey kein Zaarensohn. Muͤller: Sammlung Russischer Gesch. V, 373 bemerkt, daß man Schreiben des Papstes an ihn gefunden. Durch eine unerklaͤrliche Ueberzeugung hatten sie ihn anerkannt: durch eine andere, die sich ihrer mit noch groͤ- ßerer Staͤrke bemeisterte, fuͤhlten sie sich bewogen ihn wie- der zu stuͤrzen. Der wesentliche Moment war doch auch hier die Re- ligion. In Rußland erhob sich wie in Schweden eine Ge- Buch VII. Kap. 1. Fortschritte walt, die ihrem Ursprunge nach den Tendenzen des Katho- licismus entgegengesetzt war. Innere Bewegungen in Polen. Mißlungene Unternehmungen gegen einen aͤußern Feind werden in der Regel die Wirkung haben, daß sie innere Streitigkeiten erwecken. Jetzt trat in Polen eine Bewe- gung ein, die es zweifelhaft machte, ob der Koͤnig auf die angefangene Weise werde weiter regieren koͤnnen. Sie hatte folgende Ursachen. Nicht immer hielt sich Koͤnig Siegmund mit denen in Einverstaͤndniß, durch deren Bemuͤhung er zur Krone gelangt war. Im Widerspruch gegen Oestreich hatten ihn diese berufen: er dagegen schloß sich enge an Oestreich an. Zweimal nahm er seine Gemahlin aus der Linie von Graͤtz: er kam einst in Verdacht, daß er die Krone an dieß Haus bringen wolle. Schon daruͤber war der Großkanzler Zamoisky miß- vergnuͤgt. Noch mehr aber erbitterte ihn, daß der Koͤnig, um von seinem Befoͤrderer selbst unabhaͤngig zu werden, nicht selten Gegner desselben zu den wichtigern Stellen er- hob und in den Senat nahm Cilli: Historia delle sollevationi di Polonia 1606—1608, Pistoia 1627, — ein Autor der um so glaubwuͤrdiger ist, da er lange Zeit im Dienste des Koͤnigs gestanden, — fuͤhrt gleich im Anfange aus, wie maͤchtig Zamoisky gewesen: Zamoschi si voleva alquanto della regia autorità usurpare: — wie ihm aber der Koͤ- nig widerstanden, „essendo patrone S. M tà non solo di conferire le dignità del regno, ma anco le stesse entrate. . der katholischen Restauration. Polen . Denn hauptsaͤchlich mit dem Senat suchte Siegmund III. zu regieren. Er erfuͤllte ihn mit persoͤnlich ergebenen Maͤn- nern: zugleich machte er ihn ganz katholisch: die Bischoͤfe, unter dem Einfluß des Nuntius von dem Koͤnig ernannt, bildeten darin eine starke und wohl allmaͤhlig die vorherr- schende Partei. Eben hieraus aber ergab sich eine fuͤr die polnische Verfassung und die religioͤsen Interessen uͤberaus wichtige doppelte Opposition. Dem Senat als politischem Koͤrper setzten sich die Landboten entgegen. Wie jener an den Koͤnig, schlossen sie sich an Zamoisky Piasecius: Zamoyscius cujus autoritate potissimum nite- batur ordo nunciorum. Von dieser Zeit an werden die Landboten maͤchtig. Ein Theil unterstuͤtzt den andern. , dem sie eine unbedingte Vereh- rung widmeten, und der ihrer Ergebenheit ein dem koͤnig- lichen beinahe gleiches Ansehen verdankte. Eine Stellung die fuͤr einen unternehmenden Magnaten einen maͤchtigen Reiz haben mußte. Nach dem Tode des Großkanzlers bemaͤch- tigte sich ihrer der Palatin von Krakau, Zebrzydowski. An diese Partei schlossen sich nun die Protestanten an. Es waren doch am Ende die Bischoͤfe, gegen welche beide klagten, die Einen wegen ihres weltlichen, die An- dern wegen ihres geistlichen Einflusses. Die Protestanten beschwerten sich, daß man in einem Gemeinwesen wie das polnische, das auf freier Uebereinstimmung beruhe, wohl- erworbene Rechte unaufhoͤrlich kraͤnke, daß man gemeine Leute zu hohen Wuͤrden erhebe, und Maͤnner von gutem Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Adel noͤthigen wolle diesen zu gehorchen. Viele Katho- lische stimmten ihnen hierin bei Cilli: Gli eretici, spalleggiati da cattivi cattolici, face- vano gran forza per ottenere la confederatione. . Es ist wohl keine Frage, daß dieses religioͤse Element der politischen Bewegung noch einen besondern Antrieb verlieh. Nachdem die Beschwerden oͤfter vorgetragen, die Sub- sidien verweigert, die Reichstage gesprengt worden — al- les ohne Frucht, — so griffen die Mißvergnuͤgten endlich zu dem aͤußersten Mittel, und riefen den gesammten Adel zum Rokoß. Rokoß war eine gesetzliche Form der Insurrec- tion: der versammelte Adel machte alsdann den Anspruch Koͤnig und Senat vor sein Gericht zu ziehen. In dieser Versammlung waren die Evangelischen von um so groͤße- rer Bedeutung, da sie sich mit den Griechisch-glaͤubigen vereinigten. Indessen auch der Koͤnig hatte seine Anhaͤnger. Der Nuntius hielt die Bischoͤfe zusammen Cilli: Il nuntio Rangone con sua destrezza e diligenza tenne e conservò in fede molti di principali. : die Bischoͤfe gaben dem Senat seine Richtung: es ward ein Bund zur Ver- theidigung des Koͤnigs und der Religion geschlossen: kluͤglich ergriff man den guͤnstigen Zeitpunkt, die alten Irrungen zwischen Weltlichen und Geistlichen zu heben. Der Koͤnig zeigte sich auch in dem Augenblick der Gefahr unerschuͤt- terlich: er habe eine gerechte Sache, er traue auf Gott. In der That behielt er die Oberhand. Im October 1606 sprengte er den Rokoß auseinander, als sich eben der katholischen Restauration. Polen . eine große Anzahl seiner Mitglieder entfernt hatte: im July 1607 kam es zu einem foͤrmlichen Treffen. Unter dem Geschrei Jesu Maria griffen die koͤniglichen Truppen den Feind an, und brachten ihm eine Niederlage bei. Noch eine Zeitlang hielt sich Zebrzydowski im Felde: aber im Jahre 1608 mußte er sich doch zur Unterwerfung beque- men: es ward eine allgemeine Amnestie verkuͤndigt. Und hiedurch geschah es nun, daß die Staatsverwal- tung die katholische Richtung, welche sie einmal eingeschla- gen, weiter verfolgen konnte. Die Unkatholischen blieben von den Aemtern ausge- schlossen, und in Rom faͤhrt man fort die Wirkung zu prei- sen die dieß hervorgebracht habe Instruttione a V. S ria M re di Torres: Il re, benchè nato di patre e fra popoli eretici, è tanto pio e tanto divoto e di santi costumi guernito, che dentro a Roma non avrebbe potuto nascere o allevarsene un migliore, imperocchè havendo esso con la longhezza del regnare mutati i senatori eretici, che se tre ne togli erano tutti, gli ha fatto divenire, levatine due o tre, tutti quanti cattolici. Ihr Grundsatz war: le cose spirituali seguono il corso delle temporali. . „Ein protestantischer Fuͤrst, — ein Fuͤrst, der die Wuͤrden nur beiden Par- teien zu gleichen Theilen verleihe, wuͤrde das ganze Land mit Ketzereien anfuͤllen: das Privatinteresse beherrsche nun einmal die Menschen. Da der Koͤnig so standhaft sey, so folge der Adel dem Willen desselben.“ Auch in den koniglichen Staͤdten beschraͤnkte man den protestantischen Gottesdienst: „ohne offenbare Gewalt“, sagt eine paͤpstliche Instruction, „noͤthigt man doch die Ein- wohner sich zu bekehren“ Instruttione a M r Lancelotti: La conforti (den Koͤnig) . Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Der Nuntius sah darauf, daß die hoͤchsten Gerichte im Sinne der katholischen Kirche besetzt wuͤrden, und „nach den Worten der heiligen canonischen Satzungen“ verfuͤhren. Besonders wichtig waren dann die gemischten Ehen. Das hoͤchste Tribunal wollte keine fuͤr guͤltig erkennen, die nicht vor dem Pfarrer und einigen Zeugen geschlossen worden: die Pfarrer aber weigerten sich gemischte Ehen einzusegnen: kein Wunder, wenn gar Mancher schon deshalb sich dem katholischen Ritus unterwarf, um seine Kinder nicht in Nachtheil zu setzen. Andere wurden dadurch bewogen, daß man den Protestanten das Kirchenpatronat streitig machte. Tausend Mittel besitzt ein Staat um eine Meinung zu be- foͤrdern, die er beguͤnstigt: sie wurden hier so weit es au- ßer directem Zwange moͤglich war, alle angewendet; wenig bemerkt, aber unaufhoͤrlich ging der Uebertritt fort. Ohne Zweifel hatte hieran auch der Ernst und Nachdruck Antheil, mit welchem die Nuntien die geistlichen Geschaͤfte verwalteten. Sie hielten darauf, daß die Bis- thuͤmer nur mit wohlgeeigneten Maͤnnern besetzt wuͤrden: visitirten die Kloͤster, und litten nicht, daß wie man wohl zu thun angefangen, ungehorsame und stoͤrrige Mitglieder, die man anderwaͤrts los seyn wollte, nach Polen geschickt wuͤrden: auch den Pfarren wendeten sie ihre Aufmerksam- keit zu: geistliche Gesaͤnge, die Kinderlehre suchten sie ein- grandemente a vietare che nelle città regie che da lei dipen- dono altro esercitio di religione che il cattolico si comporti, nè permetta che v’abbiano tempj nè sinagoge loro: poichè si ven- gono per tal dolce modo senza violenza espressa a far conver- tire o a mutar paese. der katholischen Restauration. Polen . zufuͤhren. Sie drangen auf die Einrichtung der bischoͤfli- chen Seminarien. Unter ihnen arbeiteten nun besonders die Jesuiten. In allen Provinzen finden wir sie thaͤtig: unter dem ge- lehrigen Volke der Liefen: in Littauen, wo sie noch Spu- ren des alten Schlangendienstes zu bekaͤmpfen haben: un- ter den Griechen, wo oft Jesuiten die einzigen katholischen Priester sind; zuweilen muß die Taufe achtzehnjaͤhrigen Juͤnglingen ertheilt werden, sie stoßen auf hochbetagte Maͤn- ner, welche niemals das Abendmahl empfangen: vorzuͤglich aber in dem eigentlichen Polen, „wo“, wie ein Mitglied ruͤhmt, „Hunderte von gelehrten, rechtglaͤubigen, gottge- weihten Maͤnnern aus dem Orden beschaͤftigt sind, durch Schulen und Sodalitaͤten, Wort und Schrift, Irrthuͤmer auszurotten, die katholische Froͤmmigkeit zu pflanzen“ Argentus de rebus societatis Jesu in regno Poloniae 1615: es koͤnnte jedoch noch viel belehrender seyn. . Auch hier erweckten sie in ihren Anhaͤngern den ge- wohnten Enthusiasmus: auf das ungluͤcklichste aber verei- nigte er sich mit der Insolenz eines uͤbermuͤthigen jungen Adels. Der Koͤnig vermied eigentliche Gewaltthaten: die Jesuitenschuͤler hielten sich fuͤr befugt dazu. Nicht selten feierten sie den Himmelfahrtstag damit, daß sie einen Sturm auf die Evangelischen machten, in ihre Haͤuser eindrangen, sie pluͤnderten, verwuͤsteten; wehe dem der sich ergreifen, der sich nur auf der Straße be- treffen ließ. Schon 1606 ward die Kirche, 1607 der Kirchhof der Evangelischen in Krakau gestuͤrmt: die Leichen wurden aus Buch VII. Kap. 1. Fortschritte den Graͤbern herausgeworfen: 1611 zerstoͤrte man die Kirche der Protestanten in Wilna, mißhandelte oder toͤdtete ihre Priester: 1615 erschien in Posen ein Buch, daß die Evan- gelischen kein Recht haͤtten in dieser Stadt zu wohnen, im naͤchsten Jahre zerstoͤrten die Jesuitenschuͤler die boͤhmische Kirche, so daß kein Stein auf dem andern blieb: die luthe- rische Kirche ward verbrannt. So ging es an vielen andern Orten: hie und da wurden die Protestanten durch die steten Angriffe genoͤthigt ihre Kirchen zu veraͤußern. Bald begnuͤgte man sich nicht mehr mit den Staͤdten: die Krakauer Stu- denten verbrannten die benachbarten Kirchen auf dem Lande. In Podlachien ging ein alter evangelischer Pfarrer, des Na- mens Barkow, auf seinen Stab gestuͤtzt vor seinem Wa- gen daher: ein polnischer Edelmann, der von der andern Seite denselben Weg kam, befahl seinem Kutscher die Pferde geradezu auf ihn loszutreiben: ehe der alte Mann noch ausweichen konnte, war er schon uͤberfahren: er starb an seinen Wunden Wengerscii Slavonia reformata p. 224. 232. 236. 244 247. . Mit alle dem konnte aber doch der Protestantismus nicht unterdruͤckt werden. Der Koͤnig war durch ein Ver- sprechen gebunden, das er nicht die Macht hatte zuruͤckzu- nehmen. Fuͤr sich selbst blieben die Herrn doch ungezwun- gen, und nicht alle traten sofort uͤber. Zuweilen wurde nach vielen unguͤnstigen auch ein guͤnstiges Urtheil ausge- bracht, und eine oder die andere Kirche wiederhergestellt. In den polnisch-preußischen Staͤdten bildeten die Protestan- ten immer die Majoritaͤt. Noch viel weniger waren die der katholischen Restauration. Deutschland . Griechen bei Seite zu bringen: jene Union von 1595 er- weckte vielmehr Abscheu als Nachfolge. Die Partei der Dissidenten, aus Protestanten und Griechen zusammengesetzt, war immer von großer Bedeutung: die gewerbreichsten Staͤdte, die streitbarsten Voͤlkerschaften, wie die Kosaken, gaben ihren Forderungen einen besondern Nachdruck. Dieser Widerstand war um so maͤchtiger, da er an den Nachbarn, die nicht hatten uͤberwaͤltigt werden koͤnnen, Rußland und Schwe- den, von Tage zu Tage einen staͤrkern Ruͤckhalt fand. 2. Fortsetzung der Gegenreformation in Deutschland. Ganz andere Grundsaͤtze hegte man in Deutschland: jeder Fuͤrst hielt es fuͤr sein gutes Recht, in seinen Land- schaften die Religion nach seinen persoͤnlichen Grundsaͤtzen einzurichten. Ohne viel Zuthun der Reichsgewalt, ohne besonderes Aufsehen wogte dann die angefangene Bewegung weiter. Besonders hielten es die geistlichen Fuͤrsten fuͤr ihre Pflicht ihre Territorien zum Katholicismus zuruͤckzufuͤhren. Schon erschienen die Schuͤler der Jesuiten unter ih- nen. Johann Adam von Bicken, Churfuͤrst von Mainz von 1601—1604, war ein Zoͤgling des Collegium Ger- manicum in Rom. In dem Schloß von Koͤnigstein hoͤrte er einst die Gesaͤnge, mit denen die dortige lutherische Ge- meinde ihren verstorbenen Pfarrer bestattete. „Mag sie denn,“ rief er aus, „ihre Synagoge ehrlich zu Grabe brin- Buch VII. Kap. 1. Fortschritte gen.“ Den naͤchsten Sonntag bestieg ein Jesuit die Kan zel: einen lutherischen Prediger hat es daselbst niemals wie- der gegeben. So ging es auch anderwaͤrts Serarius: Res Moguntinae p. 973. . Was Bicken unvollendet gelassen, setzte sein Nachfolger, Johann Schweikard, eifrig fort. Es war ein Mann der die Freu- den der Tafel liebte, der aber dabei selbst regierte und ein ungemeines Talent zeigte. Es gelang ihm die Gegenre- formation in seinem ganzen Stifte, selbst auf dem Eichs- felde, zu vollenden. Er sendete eine Commission nach Hei- ligenstadt, welche binnen 2 Jahren 200 Buͤrger, unter ihnen Viele die im protestantischen Glauben ergraut waren, zum Katholicismus zuruͤckbrachte. Es waren noch einige wenige uͤbrig: er ermahnte sie persoͤnlich „als ihr Vater und Hirt,“ wie er sagte, „aus tiefem getreuem Herzen“, und brachte sie zum Uebertritt. Mit außerordentlichem Vergnuͤ- gen sah er eine Stadt wieder katholisch, die vor vierzig Jahren voͤllig protestantisch gewesen war Wolf: Geschichte von Heiligenstadt S. 63. Zwischen 1581 und 1601 zaͤhlte man 497 Convertiten, die meisten im Jahre 1598, wo es 73 waren. . So verfuhren nun auch Ernst und Ferdinand von Coͤln, beides baierische Prinzen: der Churfuͤst Lothar aus dem Hause Metternich von Trier, ein ausgezeichneter Fuͤrst, von scharfem Verstand, mit dem Talente die Schwierig- keiten die sich ihm darboten zu uͤberwinden, prompt in seiner Justiz, wachsam, um den Vortheil sowohl seines Landes als seiner Familie zu befoͤrdern, auch uͤbrigens leut- selig und nicht allzu strenge, nur mußte es nicht die Reli- gion der katholischen Restauration. Deutschland . gion anbetreffen: Protestanten duldete er nicht an seinem Hofe Masenius: Continuatio Broweri p. 474. . So großen Namen gesellte sich Neithard von Thuͤn- gen, Bischof von Bamberg, zu. Als er von seiner Hauptstadt Besitz nahm, fand er den ganzen Rath bis auf zwei Mitglie- der protestantisch. Er hatte schon in Wuͤrzburg dem Bischof Julius beigestanden: er entschloß sich die Maaßregeln desselben nunmehr auf Bamberg anzuwenden. Bereits fuͤr Weihnachten 1595 erließ er sein Reformationsedict: es lautet auf Abend- mahl nach katholischem Ritus oder Auswanderung; und ob- wohl Domcapitel, Adel und Landschaft ihm widersprachen, von den Nachbarn die dringendsten Vorstellungen ergingen, so finden wir doch alle die folgenden Jahre hindurch die Re- formationsbefehle erneuert und im Ganzen ausgefuͤhrt Jaͤck: Geschichte von Bamberg, z. B. III, 212. 199; al- lein im Grunde allenthalben, denn diese Geschichte beschaͤftigt sich besonders mit der Antireformation. . Mit dem Bamberger wetteiferte in Niederdeutschland Theo- dor von Fuͤrstenberg zu Paderborn. Im Jahre 1596 setzte er alle Priester seiner Dioͤces gefangen, die das Abendmahl unter beiderlei Gestalt austheilten. Natuͤrlich gerieth er hieruͤber mit seinem Adel in Entzweiung, und wir finden Bischof und Adel sich wechselseitig ihre Heerden, ihre Stu- tereien wegtreiben. Auch mit der Stadt gerieth er end- lich in offene Fehde. Ungluͤcklicherweise erhob sich hier ein ungestuͤmer Volksfuͤhrer, der doch der großen Stellung nicht gewachsen war, deren er sich bemaͤchtigt hatte. Im Jahre 1604 ward Paderborn zu neuer Huldigung gezwungen. Hierauf ward das Jesuitencollegium auf das praͤchtigste ausgestattet: in kurzem erging auch hier ein Edict, das Päpste* 26 Buch VII. Kap. 1. Fortschritte nur zwischen Messe und Auswanderung die Wahl ließ. Wie so ganz katholisch wurden allmaͤhlig Bamberg und Paderborn Strunk: Annales Paderborn. lib. XXII, p. 720. . Hoͤchst merkwuͤrdig bleibt alle Mal die rasche und da- bei doch so nachhaltige Verwandlung, welche in allen die- sen Laͤndern hervorgebracht ward. Soll man annehmen, daß der Protestantismus in der Menge noch nicht recht Wurzel gefaßt hatte, oder soll man es der Methode der Je- suiten zuschreiben? Wenigstens ließen sie es an Eifer und Klugheit nicht fehlen. Von allen Punkten wo sie sich festge- setzt, ziehen sie in weiten Kreisen umher. Sie wissen die Menge zu fesseln: ihre Kirchen sind die besuchtesten: sie gehn immer auf die vornehmste Schwierigkeit los: ist ir- gendwo ein bibelfester Lutheraner, auf dessen Urtheil die Nachbarn etwas geben, so wenden sie alles an, um ihn zu gewinnen: was ihnen auch bei ihrer Uebung in der Contro- vers selten fehlschlaͤgt. Sie zeigen sich huͤlfreich: sie hei- len Kranke: sie suchen Feindschaften zu versoͤhnen. Durch heilige Eide verpflichten sie alsdann die Ueberwundenen, die Bekehrten. Nach allen Wallfahrtsorten sieht man die Glaͤu- bigen unter ihren Fahnen heranziehen: Menschen die eben noch eifrige Protestanten gewesen, schließen sich jetzt den Pro- cessionen an. Und nicht allein geistliche, sondern auch weltliche Fuͤr- sten hatten die Jesuiten erzogen. Noch am Ende des 16ten Jahrhunderts traten ihre beiden großen Zoͤglinge auf, Fer- dinand II. und Maximilian I. Man sagt, als der junge Erzherzog Ferdinand im der katholischen Restauration. Deutschland . Jahre 1596 Ostern in seiner Hauptstadt Graͤtz feierte, sey er der Einzige gewesen der das Abendmahl nach katholi- schem Ritus nahm; in der ganzen Stadt habe es nur noch drei Katholiken gegeben Hansitz: Germania sacra II, p. 712. Numerus Lu- theri sectatorum tantus ut ex inquilinis Graecensibus paene cunctis invenirentur avitae fidei cultores tres non amplius. Das paene cunctis macht freilich die Sache wieder zweifelhaft. . In der That waren nach dem Tode des Erzherzogs Carl unter einer nicht sehr kraͤftigen vormundschaftlichen Regierung die Unternehmungen zu Gunsten des Katholi- cismus ruͤckgaͤngig geworden. Die Protestanten hatten die ihnen entrissenen Kirchen wieder eingenommen, ihre Schule zu Graͤtz durch neue gluͤckliche Berufungen verstaͤrkt: der Adel hatte einen Ausschuß aufgestellt, um sich allem zu wi- dersetzen, was zum Nachtheil des Protestantismus versucht werden moͤchte. Demohnerachtet entschloß sich Ferdinand augenblicklich, zur Ausfuͤhrung und Vollendung der Gegenreformation zu schreiten. Geistliche und politische Antriebe kamen zusam- men. Er sagte, auch er wolle Herr in seinem Lande seyn, so gut wie der Churfuͤrst von Sachsen, der Churfuͤrst von der Pfalz. Gab man ihm die Gefahr zu bedenken, die ein Anfall der Tuͤrken waͤhrend innerer Zwistigkeiten herbeifuͤh- ren koͤnne, so entgegnete er, erst nach vollzogener Bekehrung duͤrfe man auf die goͤttliche Huͤlfe zaͤhlen. Im J. 1597 begab sich Ferdinand uͤber Loreto nach Rom zu den Fuͤßen Papst Clemens VIII. Er that das Geluͤbde die katholische Re- ligion in seinen Erblanden auch mit Gefahr seines Lebens 26* Buch VII. Kap. 1. Fortschritte herstellen zu wollen: der Papst bestaͤrkte ihn darin. So kam er zuruͤck und schritt ans Werk. Im September 1598 erging sein Decret, durch welches er die Entfernung aller lutherischen Praͤdicanten in Graͤtz binnen vierzehn Ta- gen gebot Khevenhiller: Annales Ferdinandei IV, 1718. . Graͤtz war der Mittelpunkt der protestantischen Lehre und Gewalt. Man ließ nichts unversucht, um den Erz- herzog wankend zu machen: weder Bitte noch Warnung, noch auch Drohung: aber der junge Fuͤrst war nach dem Ausdruck des krainerischen Geschichtschreibers fest „wie ein Marmor“ Valvassor: Ehre des Herzogthums Krain Th. 2, Buch 7, p. 464; ohne Zweifel die wichtigste Darstellung dieser Begebenheit: „Solche mit Warnung gemischte Bittschrift traf einen festen Mar- mel an, welchen ihre Feder nicht kunte durchdringen, noch er- weichen.“ . Im October erging ein aͤhnlicher Erlaß in Krain, im Dezember in Kaͤrnthen. Und nun zeigten sich zwar die Staͤnde aͤußerst schwie- rig: selbst auf ihren besondern Landesversammlungen, denn eine allgemeine gestattete Ferdinand nicht mehr: sie weiger- ten sich ihre Subsidien zu zahlen: schon wurden die Sol- daten an den Grenzen unruhig. Aber der Erzherzog er- klaͤrte, er werde eher alles verlieren, was er von Gottes Gnaden besitze, als daß er einen Schritt breit weiche. Die Gefahr vor den Tuͤrken, die unter diesen Umstaͤnden bereits Canischa erobert hatten und taͤglich drohender vorruͤckten, noͤthigte die Staͤnde doch zuletzt ihre Steuern zu bewilligen, ohne irgend eine Concession erhalten zu haben. Hierauf hielt nun den Erzherzog nichts weiter zuruͤck. der katholischen Restauration. Deutschland . Im October 1599 ward die protestantische Kirche in Graͤtz verschlossen und der evangelische Gottesdienst bei Leib- und Lebensstrafe verboten. Es ward eine Commission gebildet, die sich mit bewaffnetem Gefolge in das Land begab. Zu- erst wurde Steiermark, dann Kaͤrnthen, endlich auch Krain reformirt. Von Ort zu Ort erscholl der Ruf: „es kommt die Reformation.“ Die Kirchen wurden niedergerissen, die Prediger verjagt oder gefangen gesetzt, die Einwohner genoͤ- thigt entweder des katholischen Glaubens zu leben oder das Land zu raͤumen. Es fanden sich doch Viele, z. B. in dem kleinen St. Veit funfzig Buͤrger, welche die Aus- wanderung dem Abfall vorzogen Herrmann: St. Veit: in der Kaͤrnthnerischen Zeitschrift V, 3, p. 163. . Die Auswanderer muß- ten den Zehnten Pfennig bezahlen, was fuͤr sie immer kein kleiner Verlust war. Mit so großer Haͤrte verfuhr man. Dafuͤr erlebte man die Genugthuung, daß man im J. 1603 uͤber 40000 Communicanten mehr zaͤhlte als fruͤher. Und sogleich entwickelte das nun eine weitere Wir- kung auf alle oͤstreichischen Gebiete. Anfangs hatte Kaiser Rudolf seinem jungen Vetter sein Vorhaben widerrathen: da es gelang, ahmte er es sel- ber nach. Von 1599 bis 1601 finden wir eine Refor- mationscommission in Oberoͤstreich, 1602 und 1603 in Unteroͤstreich thaͤtig Raupach: Evangel. Oestreich I, 215. . Von Linz und Steier mußten die im Dienst des Evangeliums ergrauten Prediger und Schul- lehrer weichen; schmerzlich empfanden sie es: „nunmehr, Buch VII. Kap. 1. Fortschritte vom Alter gebeugt“, ruft der Rector zu Steier aus, „werde ich ins Elend verstoßen!“ „Jam senio squalens trudor in exilium“. Valentin Pruen- huebers Annales Styrenses p. 326. „Taͤglich“, schreibt Einer von denen, die noch zuruͤckgeblieben, „bedroht uns das Verderben: unsere Gegner beobachten uns, spotten un- ser, duͤrsten nach unserm Blute“ Hofmarius ad Lyserum: Raupach IV, 151. . In Boͤhmen glaubte man sich durch die uralten utra- quistischen Privilegien, in Ungarn durch die Selbstaͤndig- keit und Macht der Staͤnde besser geschuͤtzt. Jetzt aber schien sich Rudolf weder um die einen noch um die andern kuͤm- mern zu wollen. Er war uͤberredet worden, daß die alten Utraquisten untergegangen, und die Evangelischen zum Ge- nusse jener Privilegien nicht berechtigt seyen. Im J. 1602 erließ er ein Edict, das zunaͤchst die Kirchen der maͤhrischen Bruͤder zu schließen befahl, und ihre Zusammenkuͤnfte ver- bot Schmidt: Neuere Geschichte der Deutschen III, 260, ein Auszug aus den Beilagen zu der Apologie der Boͤhmen vom Jahre 1618, die bei den spaͤtern Drucken haͤufig fehlen. . Auch alle anderen fuͤhlten, daß sie in demselben Falle waren: und man ließ sie nicht in Zweifel uͤber das, was sie zu erwarten hatten. Schon begann in Ungarn die offenbare Gewalt. Basta und Belgioioso, welche die kai- serlichen Truppen in diesem Lande befehligten, nahmen die Kirchen von Caschau und Clausenburg weg: mit ihrer Huͤlfe suchte der Erzbischof von Colocsa die 13 Staͤdte in Zips zum Katholicismus zuruͤckzufuͤhren. Auf die Beschwerden der Ungarn gab der Kaiser die Resolution: Seine Maje- der katholischen Restauration. Deutschland . staͤt, welche den heiligen roͤmischen Glauben von Herzen bekenne, wuͤnsche ihn auch in allen ihren Reichen und besonders den ungarischen auszubreiten: sie bestaͤtige hie- mit und ratificire alle Beschluͤsse die seit den Zeiten des heil. Stephan, Apostels der Ungarn, zu Gunsten dieses Glau- bens erlassen worden Art. XXII anno 1604. Bei Ribiny: Memorabilia Augu- stanae confessionis I, p. 321. . Trotz seiner hohen Jahre hatte denn auch der behut- same Kaiser seine Maͤßigung abgelegt: die katholischen Fuͤr- sten insgesammt befolgten dieselbe Politik: so weit nur ir- gend ihre Macht reichte, breitete sich der Strom der katho- lischen Meinungen weiter aus: Doctrin und Gewalt trie- ben ihn vorwaͤrts: in der Reichsverfassung gab es kein Mittel hiegegen. Vielmehr fuͤhlten sich die katholischen Be- strebungen so stark, daß sie in diesem Momente auch die Reichsangelegenheiten zu ergreifen, die bisher behaupteten Rechte des protestantischen Theiles zu gefaͤhrden anfingen Relatione del nuntio Ferrero 1606 faßt die Erfolge zu- sammen: Da alcuni anni in qua si è convertito alla nostra santa religione una grandissima quantità d’anime, restorate le chiese, rivocate molte religioni di regolari alli loro antichi monasteri, restituite in bona parte le cerimonie ecclesiastiche, moderata alquanto la licenza degli ecclesiastici, e domesticato il nome del pontefice Romano riconosciuto per capo della chiesa uni- versale. . Schon waren, nicht ohne Einfluß der paͤpstlichen Nun- tien, besonders Card. Madruzzi’s, der zuerst die Aufmerksamkeit dahin lenkte, im Zustande der Reichsgerichte Veraͤnderungen eingetreten, die Anlaß und Mittel dazu an die Hand gaben. Auch das Kammergericht hatte endlich gegen den An- Buch VII. Kap. 1. Fortschritte fang des siebzehnten Jahrhunderts eine mehr katholische Faͤrbung bekommen: es waren Urtel ergangen, die der ka- tholischen Auslegung des Religionsfriedens entsprachen. Die Benachtheiligten hatten dagegen das Rechtsmittel der Re- vision ergriffen: allein mit den Visitationen waren auch die Revisionen ins Stocken gekommen: die Sachen haͤuf- ten sich an, und blieben alle liegen Missiv und Erinnerung des Reichskammergerichts am Reichs- tag von 1608 — in den Reichstagsacten zu Frankfurt am Main, von denen eine vorlaͤufige Einsicht zu nehmen, freundlich gestat- tet worden. Das Kammergericht erklaͤrt es fuͤr „land und reichs- kuͤndig in waß großer und merklicher Anzall seit Ao. 86 die Revi- sionen deren von gedachtem Kammergericht ergangenen und außge- sprochenen Urthell sich gehaͤuft, dergestalt daß derselben nunmehr in die Einhundert allbereit beim kaiserlichen Collegio denunciirt und de- ren vielleicht taͤglich mehr zu gewarten.“ . Unter diesen Umstaͤnden geschah es, daß der Reichs- hofrath in Aufnahme kam. Wenigstens ließ sich hier ein Ende absehen: die unterliegende Partei konnte nicht zu einem niemals auszufuͤhrenden Rechtsmittel ihre Zuflucht nehmen. Aber der Reichshofrath war nicht allein noch entschiedener katholisch als das Kammergericht: er hing auch durchaus vom Hofe ab. „Der Reichshofrath“, sagt der florentinische Geschaͤftstraͤger Alidosi, „erlaͤßt keinen definitiven Urtheils- spruch, ohne ihn vorher dem Kaiser und dem geheimen Rathe mitzutheilen, die ihn selten ohne Abaͤnderungen zu- ruͤckschicken Relatione del S r Rod. Alidosi 1607—1609. È vero che il consiglio aulico a questo di meno che tutte le definitioni che anno virtù di definitiva non le pronuntia se prima non dia parte a S. M tà o in suo luogo al consiglio di stato, il quale alle volte o augumenta o toglie o modera l’opinione di questo . der katholischen Restauration. Deutschland . Welche allgemein wirksame Institute gab es aber im Reiche, als die richterlichen? Die Einheit der Nation knuͤpfte sich an dieselben. Aber auch sie waren jetzt unter den Einfluß der katholischen Meinung, der Convenienz des Hofes gerathen. Schon fing man auf vielen Seiten an, uͤber die parteiischen Urtel, die gewaltsamen Executionen zu klagen, als bei der Sache von Donauwerth die allge- meine Gefahr hervortrat, die von diesem Punkte aus drohte. Daß ein katholischer Abt in einer protestantischen Stadt, der seine Processionen oͤffentlicher und feierlicher halten wollte als herkoͤmmlich Der Bericht „wegen der Donawerdischen Execution“ in den Reichstagsacten vom 4ten Februar 1608 bemerkt (womit auch die uͤbrigen Relationen und Informationen uͤbereinstimmen) der Abt habe „allein so viel herbracht daß er mit niedergelegten und zusam- mengewickelten Fahnen ohne Gesang und Klang und zwar allein durch ein sonderes Gaͤßlein beim Kloster hinab bis ausser der Stadt und ihrem Bezirk gangen, und die Fahnen nit eher aufrichten und fliegen oder singen und klingen lassen, er sey denn außer deren von Donawerth Grund.“ Diese Beschraͤnkungen uͤbertrat er nun eben. , hiebei von dem Poͤbel gestoͤrt und be- schimpft worden, genuͤgte dem Reichshofrath, um die Stadt selbst mit einem weitaussehenden Proceß, Mandaten, Cita- tionen, Commissariaten, heimzusuchen und endlich die Acht uͤber sie auszusprechen. Ein benachbarter strengkatholischer Fuͤrst, Maximilian von Baiern, bekam den Auftrag sie zu vollstrecken. Er begnuͤgte sich nicht Donauwerth zu besetzen: auf der Stelle berief er Jesuiten herbei, erlaubte nur noch den katholischen Gottesdienst, und schritt in gewohnter Weise zur Gegenreformation. consiglio, e così fatto si rimanda a detto consiglio tal delibe- ratione e così si publica. Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Maximilian selbst sah diese Sache in dem Lichte ih- rer allgemeinen Bedeutung. Er schrieb dem Papst, wie an einem Pruͤfstein koͤnne man daran die Abnahme des An- sehens der Protestanten erkennen. Allein er taͤuschte sich, wenn er glaubte, sie wuͤrden es sich gefallen lassen. Sie sahen sehr wohl, was sie zu erwarten hatten, wenn es so fortging. Schon erkuͤhnten sich die Jesuiten die Verbindlichkeit des Religionsfriedens zu leugnen. Er habe im Grunde gar nicht geschlossen werden koͤnnen ohne die Beistimmung des Papstes: auf keinen Fall sey er laͤnger als bis zum tridentinischen Concilium guͤltig gewesen: als eine Art In- terim sey er anzusehen. Und auch die, welche die Guͤltigkeit dieses Vertrages anerkannten, meinten doch, daß wenigstens alle seit dem Abschluß desselben von den Protestanten eingezogenen Guͤter wieder herausgegeben werden muͤßten. Auf die protestan- tischen Erklaͤrungen seiner Worte nahmen sie keine Ruͤcksicht. Wie nun, wenn diese Ansichten, wie es ja schon zu geschehen anfing, von den hoͤchsten Reichsgerichten aner- kannt, Urtel danach ausgesprochen und zur Vollstreckung gebracht wurden? Als der Reichstag im Jahre 1608 zu Regensburg zusammenkam, wollten die Protestanten zu keiner Berathung schreiten, ehe ihnen nicht der Religionsfriede schlechthin be- staͤtigt worden sey Protocollum im Correspondenzrath 5. April 1608 in den RTA: „die Hauptconsultation jetziger Reichsversammlung sey bisher darumben eingestelt verbliben daß die Stend evangelischer Religion . Selbst Sachsen, das sich sonst im- der katholischen Restauration. Deutschland . mer auf die kaiserliche Seite neigte, forderte jetzt die Ab- schaffung der Hofprocesse, insofern sie dem alten Her- kommen zuwider seyen, die Verbesserung des Justizwesens, und nicht allein die Erneuerung des Religionsfriedens, wie er 1555 geschlossen worden, sondern auch eine pragmatische Sanction, durch welche den Jesuiten verboten wuͤrde wi- der denselben zu schreiben. Auf der andern Seite hielten aber auch die Katholi- ken eifrig zusammen: der Bischof von Regensburg hatte schon vorher ein Rundschreiben erlassen, in dem er seine Glaubensgenossen ermahnte, die Gesandten vor allem zu einhelliger Vertheidigung der katholischen Religion anzu- weisen, „steif und fest wie eine Mauer zusammenzustehn“: nur nicht zu temporisiren: jetzt habe man nichts zu fuͤrch- ten: an stattlichen, hochloͤblichen Fuͤrstenhaͤusern besitze man grundfeste eifrige Defensoren. Zeigten sich dann die Ka- tholiken ja noch geneigt den Religionsfrieden zu bestaͤti- gen, so trugen sie doch auf die Clausel an, „daß das, so demselben zuwidergehandelt, abgeschafft und restituirt werde“: eine Clausel, die eben alles enthielt, was die Pro- testanten fuͤrchteten, und vermieden wissen wollten. Bei diesem Zwiespalt in der Hauptsache war nicht daran zu denken, daß in irgend einem Punkte ein einmuͤthiger Beschluß gefaßt oder dem Kaiser die Tuͤrkenhuͤlfe, die er wuͤnschte und bedurfte, bewilligt worden waͤre. den Religionsfriden zu confirmiren begert und der papistische Theil die Clausulam dem Abschied zu inseriren haben wollen: daß alle Guͤ- ter die sinthero a. 55 von den Evangelischen Stenden eingezogen worden restituirt werden sollen. Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Es scheint doch, als habe dieß auf den Kaiser Ein- druck gemacht, als sey man am Hofe einmal entschlossen gewesen dem Begehren der Protestanten unumwunden zu willfahren. Wenigstens ergibt sich das aus einem sehr merkwuͤr- digen Berichte, welchen der paͤpstliche Geschaͤftstraͤger uͤber diesen Reichstag abgestattet hat. Der Kaiser war nicht selbst dahin gegangen: Erzherzog Ferdinand versah seine Stelle. So war auch nicht der Nuntius selbst in Regensburg: er hatte aber einen Au- gustiner, Fra Felice Milensio, Generalvicar seines Ordens, in seinem Namen dahin geschickt, der dann auch mit un- gemeinem Eifer die Interessen des Katholicismus aufrecht zu erhalten suchte. Dieser Fra Milensio nun, von dem unser Bericht stammt, versichert, der Kaiser habe sich wirklich zu einem Er- laß entschlossen, den Wuͤnschen der Protestanten gemaͤß. Er leitet ihn von den unmittelbaren Einwirkungen des Satans her: ohne Zweifel sey er von den geheimen Kaͤmmerieren des Kaisers, von denen der eine ein Jude, der andere ein Ketzer, ausgegangen Ragguaglio della dieta imperiale fatta in Ratisbona 1608, nella quale in luogo dell’ ecc mo e rev mo Mons r Antonio Gae- tano arcivescovo di Capua nuntio apostolico, rimasto in Praga appresso la M tà Cesarea, fu residente il padre Felice Mi- lensio maestro Agostiniano vicario generale sopra le provincie aquilonari. E certo fu machinato dal demonio e promosso da suoi ministri, di quali erano i due camerieri intimi di Ridolfo, heretico l’uno, Hebreo l’altro, e quei del consiglio ch’eran Hussiti o peggiori. . Hoͤren wir von ihm selbst, was er nun weiter be- der katholischen Restauration. Deutschland . richtet. „Auf die Nachricht von dem eingelaufenen Er- laß,“ sagt er, „die mir und einigen Andern mitgetheilt worden, begab ich mich zu dem Erzherzog, und fragte, ob ein solches Decret gekommen sey. Der Erzherzog bejahte dieß. — „„Und denkt nun auch Ew. Erzherzogl. Durchlaucht es bekannt zu machen?““ — Der Erzherzog antwortete: So befiehlt der kaiserliche Geheime Rath: der ehrwuͤrdige Va- ter sieht selbst, in welcher Lage wir sind. Hierauf entgeg- nete ich „Sovenga le, Ser ma Altezza, di quella cattolica pietà con la quale ella da che nacque fu allevata e per la quale pochi anni a dietro non temendo pericolo alcuno, anzi a rischio di per- dere i suoi stati, ne bandì tutti gli heretici con ordine che fra pochi mesi o si dichiarassero cattolici o venduti gli stabili sgom- brassero via dal paese: sovengale che nella tavola dipinta della chiesa dei padri Capuccini in Gratz ella sta effigiata con la lancia impugnata come un altro Michele e con Luthero sotto i piedi in atto di passarli la gola: et hora essendo ella qui in per- sona di Cesare, non devo credere che sia per soffrire se perdano i beni dotali della chiesa il patrimonio di Christo, e molto meno che la diabolica setta di Luthero sia con questa moderna conces- sione confirmata e per peggio quella ancor di Calvino già incor- porata la quale non ricevè mai tolleranza alcuna imperiale. Que- sto e più dissi io et ascoltò il piissimo principe. — — Prie- gola, dissi, a sospender questa materia fino alla risposta del sommo pontefice: e così fece differendo i decreti degli huomini per non offendere i decreti di dio. : Ew. Erzherzogliche Durchlaucht wird ihre Froͤmmigkeit nicht verleugnen wollen, die Froͤmmigkeit, in der sie aufgezogen ist, mit der sie vor kurzem gewagt hat so vielen drohenden Gefahren zum Trotz die Ketzer ohne Ausnahme aus ihren Landschaften zu verbannen. Ich kann nicht glau- ben, daß Ew. Durchlaucht den Verlust der Kirchenguͤter, die Bestaͤtigung der teuflischen Secte Luthers und der noch Buch VII. Kap. 1. Fortschritte schlimmern Calvins, die doch nie im Reiche oͤffentliche Dul- dung genossen, durch dieß neue Zugestaͤndniß genehmigen werde. Der fromme Fuͤrst hoͤrte mich an. Was ist aber zu machen? sprach er. Ich bitte Ew. Durchlaucht, sagte ich, diese Sache Seiner Heiligkeit dem Papste vorzulegen, und keinen Schritt zu thun ehe wir dessen Antwort haben. So that der Erzherzog: er achtete mehr auf die Gebote Got- tes als auf die Beschluͤsse der Menschen.“ Ist alle dem wirklich so, so sieht man wohl, welch eine wichtige Stelle dieser namenlose Augustinerbruder in unserer Reichsgeschichte einnimmt. In dem entscheidenden Momente hintertrieb er die Bekanntmachung einer Conces- sion, welche die Protestanten wahrscheinlich befriedigt haben wuͤrde. An deren Stelle trat Ferdinand mit einer Inter- positionsschrift hervor, die die Moͤglichkeit jener Clausel nach wie vor einschloß. In einer Versammlung vom 5ten April 1608 vereinigten sich die Protestanten, sich nicht zu fuͤgen, sie nicht anzunehmen Votum der Pfalz im Correspondenzrath: „daß die Con- firmation des Religionsfriedens keineswegs einzugehn wie die Inter- positionsschrift mit sich bringe: dann selbige den evangelischen Sten- den undienlich, weilen der Abschied anno 66 eben die Clausulam habe so jetzt disputirt werde.“ In den Abschieden von 1557 und 1559 war sie nicht. Die Interpositionsschrift bezog sich bloß auf 1566. Auch verwarf man sie deshalb, weil sie den Kaiser als Richter in Religionssachen betrachte. . Da jedoch auch der an- dere Theil nicht nachgab, von dem Kaiser oder seinem Stellvertreter nichts zu erlangen war was ihre Furcht haͤtte beschwichtigen koͤnnen, so griffen sie zu dem aͤußer- sten Mittel: sie verließen den Reichstag. Zum ersten Male kam es zu keinem Abschied, geschweige denn zu Bewilligun- der katholischen Restauration. Deutschland . gen: es war der Augenblick, in welchem die Einheit des Reiches sich factisch aufloͤste. Und unmoͤglich konnten sie hiebei stehn bleiben. Die eingenommene Stellung zu behaupten waͤre Jeder allein zu schwach gewesen: eine Vereinigung, wie sie schon lange beabsichtigt, berathen und entworfen hatten, fuͤhrten sie jetzt im Drange des Momentes aus. Unmittelbar nach dem Reichstage kamen zwei pfaͤlzische Fuͤrsten, Churfuͤrst Frie- derich und der Pfalzgraf von Neuburg, zwei brandenbur- gische, die Markgrafen Joachim und Christian Ernst, der Herzog von Wuͤrtemberg und der Markgraf von Baden zu Ahausen zusammen, und schlossen ein Buͤndniß, das unter dem Namen der Union bekannt ist. Sie verpflichteten sich, einander auf jede andere Weise und auch mit den Waf- fen beizustehn, besonders in Hinsicht der auf dem letzten Reichstage vorgetragenen Beschwerden. Sie setzten sich so- gleich in eine Kriegsverfassung: jedes Mitglied nahm es uͤber sich, einen oder den andern seiner Nachbarn in den Bund zu ziehen. Ihr Sinn war, da die Lage der Dinge, wie sie im Reiche bestand, ihnen keine Sicherheit gewaͤhrte, sich diese selbst zu verschaffen, sich selbst zu helfen. Eine Neuerung von der umfassendsten Bedeutung, um so mehr, da in den kaiserlichen Erblanden ein Ereigniß ein- trat, das ihr sehr wohl entsprach. Aus mancherlei Gruͤnden nemlich war der Kaiser mit seinem Bruder Matthias zerfallen: die in ihrer Freiheit und ihrer Religion bedraͤngten oͤstreichischen Staͤnde sahen in diesem Zwiespalt eine Gelegenheit beides zu behaupten, und traten auf die Seite des Erzherzogs. Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Schon im Jahre 1606 schloß der Erzherzog im Ein- verstaͤndnisse mit ihnen einen Frieden mit den Ungarn, ohne den Kaiser darum gefragt zu haben. Sie entschuldigten sich damit, daß der Kaiser die Geschaͤfte vernachlaͤssige, daß die Lage der Dinge sie gezwungen habe. Da nun aber Rudolph sich weigerte diesen Frieden anzuerkennen, so er- hoben sie sich und zwar sogleich in Kraft ihres Vertrages zur Empoͤrung Der Vertrag hatte die Clausel: quodsi propter vel con- tra tractationem Viennensem et Turcicam — — hostis aut tur- bator aliquis ingrueret, tum serenissimum archiducem et omnes status et ordines regni Hungariae et archiducatus superioris et inferioris Austriae mutuis auxiliis sibi et suppetiis non defutu- ros. Reva ap. Schwandtner: Scriptt. rerum Ung. II. Kurz: Beitraͤge zur Geschichte des Landes Oestreich ob der Ens B. IV, p. XXI. . Zuerst schlossen die ungarischen und die oͤstreichischen Staͤnde einen Bund zu Schutz und Trutz mit einander. Dann zogen sie auch die Maͤhren, besonders durch den Einfluß eines Lichtenstein an sich: sie vereinten sich alle, Gut und Blut fuͤr den Erzherzog zu wagen. So ruͤckten sie, in denselben Tagen in welchen der Re- gensburger Reichstag sich aufloͤste, im Mai 1608, mit ihrem selbstgewaͤhlten Oberhaupt ins Feld wider den Kai- ser. Rudolf mußte sich bequemen, seinem Bruder Ungarn, Oestreich und Maͤhren abzutreten. Natuͤrlich mußte nun aber Matthias den Staͤnden die Dienste, die sie ihm geleistet, mit Concessionen erwiedern. Seit 48 Jahren hatten die Kaiser vermieden einen Pala- tinus in Ungarn zu ernennen: jetzt ward ein Protestant zu dieser Wuͤrde befoͤrdert. Die Freiheit der Religion ward nicht der katholischen Restauration. Deutschland . nicht allein den Magnaten, sondern auch den Staͤdten, al- len Staͤnden, ja selbst den Soldaten an den Grenzen auf das feierlichste zugesichert Der Artikel steht bei Ribiny I, 358. . Nicht eher leisteten die Oest- reicher die Huldigung als bis auch ihnen das Exercitium Religionis in Schloͤssern und Doͤrfern, so wie in den Pri- vathaͤusern der Staͤdte freigegeben worden. Was den Oestreichern und Ungarn der Angriff, ver- schaffte den Boͤhmen die Vertheidigung. Gleich anfangs hatte sich Rudolf zu großen Zugestaͤndnissen bequemen muͤs- sen, nur um seinem Bruder noch einigermaßen zu wider- stehn: nachdem Ungarn und Oestreicher durch diesen zu so großen Freiheiten gelangt, konnte auch er, was auch im- mer der paͤpstliche Nuntius, der spanische Gesandte dazu sagen mochten, den Boͤhmen ihre Forderungen nicht verwei- gern. Er gewaͤhrte ihnen den Majestaͤtsbrief, der nicht allein die alten Concessionen wiederholte, die Maximilian II. gegeben, sondern ihnen auch eine eigene Behoͤrde zu deren Vertheidigung zu gruͤnden gestattete. Wie so ganz anders standen nun ploͤtzlich die deut- schen, die erblaͤndischen Angelegenheiten. Die Union breitete sich in Deutschland aus, und wachte uͤber jeden Angriff des Katholicismus, den sie gewaltig zuruͤcktrieb. Ihre al- ten Anspruͤche hatten die Staͤnde der oͤstreichischen Pro- vinzen zu einer wohlgegruͤndeten verfassungsmaͤßigen Ge- walt ausgebildet. Es war dabei ein nicht unbedeutender Unterschied. Im Reiche hatte der Katholicismus die Ter- ritorien der katholischen Fuͤrsten wieder erfuͤllt: erst als er weiter ging, in die Reichssachen gewaltiger eingriff, die Päpste* 27 Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Existenz freier Staͤnde gefaͤhrdete, da fand er Widerspruch. In den Erblanden stellte sich ihm dagegen noch innerhalb der Territorialbefugnisse die Macht protestantischer Landsas- sen unuͤberwindlich entgegen. Im Ganzen war es aber der nemliche Sinn. In Oestreich sagte man sehr be- zeichnend: man muͤsse ein Schwert mit dem andern in der Scheide halten. Denn auch die andere Partei setzte sich sogleich in kriegerische Verfassung. Am 11. Juli 1609 ward ein Bund zwischen Maximilian von Baiern und sieben geistlichen Herrn, den Bischoͤfen von Wuͤrzburg, Constanz, Augsburg, Passau, Regensburg, dem Probst von Ellwangen, dem Abt von Kempten, geschlossen, zu gemeinschaftlicher Vertheidigung, in dem nach dem Muster jenes alten Bundes zu Lands- perg An diesen Landsperger Bund erinnert Maximilian in einer Instruction an seinen Gesandten nach Mainz, bei Wolf II, p. 470. der Herzog von Baiern eine außerordentliche Ge- walt bekam. Bald gesellten sich, doch mit einer gewis- sen Unabhaͤngigkeit, die drei rheinischen Churfuͤrsten hinzu. Erzherzog Ferdinand wuͤnschte aufgenommen zu werden: Spanien erklaͤrte seinen Beifall: der Papst versprach, nichts zu unterlassen, was er fuͤr den Bund leisten koͤnne. Man darf nicht zweifeln, daß sich der Papst besonders durch spa- nischen Einfluß nach und nach immer staͤrker in die Inter- essen dieser Liga verwickeln ließ Die Documente hieruͤber sind nicht bekannt geworden; bis auf weiteres mag die Versicherung des venezianischen Botschafters Mocenigo genuͤgen. . Und so stellten sich zwei feindselige Parteien einander der katholischen Restauration. Deutschland . gegenuͤber, beide geruͤstet, jede immer voll Furcht uͤber- rascht, angegriffen zu werden, keine vermoͤgend die Sache zu einer großen Entscheidung zu bringen. Es folgt, daß man in Deutschland keine Schwierig- keit mehr beseitigen, keine gemeinschaftliche Sache abthun kann. Im Jahre 1611 soll zur Wahl eines roͤmischen Koͤ- nigs geschritten werden: vergebens versammeln sich die Chur- fuͤrsten: sie koͤnnen sie nicht zu Stande bringen. Im Jahr 1612 kann es doch selbst nach dem Tode Rudolfs lange zu keiner Wahl kommen. Die drei weltli- chen Churfuͤrsten fordern die Einfuͤhrung eines paritaͤtischen Reichshofrathes durch die Wahlcapitulation: die drei geist- lichen setzen sich dieser Forderung entgegen. Nur dadurch daß Sachsen, das in allen diesen Dingen eine große Er- gebenheit gegen das Haus Oestreich zeigt, auf die katholi- sche Seite tritt, kann die Wahl vollzogen werden. Was aber im Churfuͤrstenrathe nicht durchgegangen, fordert die Union der Fuͤrsten an dem Reichstag von 1613 desto ungestuͤmer: eben so entschieden stellen sich ihr die Katholiken entgegen: es kommt zu keiner Berathschlagung mehr: die Protestanten wollen sich dem Joche der Stim- menmehrheit nicht mehr unterwerfen. In Juͤlich und Cleve, wo trotz der wechselnden Stim- mungen der schwachen Regierung des letzten eingebornen Fuͤrsten zuletzt doch durch den Einfluß der lothringischen Gemahlin desselben starke Maaßregeln fuͤr die Restaura- tion des Katholicismus ergriffen worden, schien es jetzt eine Zeitlang als muͤsse der Protestantismus die Oberhand be- 27* Buch VII. Kap. 1. Fortschritte kommen: die naͤchsten Erben waren beide protestantisch. Allein auch hier war das Prinzip der religioͤsen Spaltung das staͤrkere. Von den protestantischen Praͤtendenten tritt der eine zum Katholicismus uͤber: auch hier setzen sich die Parteien auseinander. Da sie keinen hoͤchsten Richter an- erkennen, so schreiten sie 1614 zu Thaͤtlichkeiten. Der eine greift mit spanischer, der andere mit niederlaͤndischer Huͤlfe so weit um sich als er vermag, und reformirt ohne Weiteres den ihm zugefallenen Antheil auf seine Weise. Wohl macht man Versuche der Aussoͤhnung. Es wird auf einen Churfuͤrstentag angetragen: aber Churpfalz will davon nichts hoͤren, da es seinem Collegen von Sachsen nicht traut: — oder auf einen allgemeinen Compositionstag: die katholischen Staͤnde haben unzaͤhlige Gruͤnde ihm zu wider- sprechen. Andere blicken auf den Kaiser: sie rathen ihm durch die Aufstellung einer ansehnlichen Truppenmasse sein Ansehen herzustellen. Aber was waͤre von Matthias zu er- warten gewesen, der schon durch den Ursprung seiner Gewalt beiden Parteien angehoͤrte, aber von den Fesseln erdruͤckt, die er sich angelegt, sich zu keiner freien Thaͤtigkeit erheben konnte. Laut beschwerte sich der Papst uͤber ihn: er er- klaͤrte ihn fuͤr untauglich eine so große Wuͤrde in diesen Zeiten zu bekleiden, er ließ ihm in den staͤrksten Ausdruͤcken Vorstellungen machen, und wunderte sich nur daß der Kaiser das so hinnahm. Spaͤter waren die Katholiken nicht so unzufrieden mit ihm. Selbst die Eiferer erklaͤrten, er sey ihrer Kirche nuͤtzlicher geworden, als man haͤtte glauben koͤnnen. Aber in Sachen des Reichs vermochte er nichts. Im Jahre 1617 machte er einen Versuch die beiden Buͤndnisse der katholischen Restauration. Schweiz . aufzuloͤsen. Allein unmittelbar hierauf verjuͤngte sich die Union, und die Liga ward so gut wie neu gegruͤndet. Nuntiatur in der Schweiz. Ein Zustand des Gleichgewichtes, wie er sich schon seit geraumer Zeit, nur friedlicher, in der Schweiz entwickelt hatte. Die Autonomie der Territorien war in der Schweiz schon laͤngst ausgesprochen: auf den Tagsatzungen durfte nicht einmal von Religionssachen gehandelt werden. Im Anfange des siebzehnten Jahrhunderts hegte man auf der katholischen Seite gar nicht einmal mehr die Hoffnung die Protestanten zu uͤberwaͤltigen: sie waren nicht allein maͤch- tiger und reicher, sie hatten auch geschicktere, in den Ge- schaͤften geuͤbtere Maͤnner Informatione mandata dal S r Card l d’Aquino a Mons r Feliciano Vescovo di Foligno per il paese de’ Suizzeri e Gri- soni (Informationi Politt. IX.) fuͤgt noch hinzu: Li cantoni cat- tolici sino a questi tempi sono tenuti più bellicosi che i can- toni heretici, ancora che quelli siano più potenti di genti al doppio e di denari: ma hoggi li cattolici si mostrano tanto affettionati e mutati da quelli antichi Suizzeri che se non fosse particolare gratia del Signore, humanamente parlando, poco o veruno avvantaggio haverebbero questi sopra gli avversarii here- tici, e non sarebbe sicuro senza ajuto straniero il venir a rot- tura con essi, oltre che li medesimi protestanti hanno persone più dotte, prattiche, giudiciosi e potenti in ogni affare. . Die Nuntien, die in Luzern ihren Sitz aufgeschlagen, taͤuschten sich hieruͤber nicht: sie selbst sind es, die diesen Zustand der Dinge bezeichnen. Jedoch auch bei dieser Be- schraͤnkung ihres Wirkungskreises in der Mitte der Katho- Buch VII. Kap. 1. Fortschritte liken, nahmen sie noch immer eine recht bedeutende Stel- lung ein. Ihre vornehmste Absicht war, die Bischoͤfe zu ihrer Pflicht anzuhalten Relatione della nuntiatura de’ Suizzeri: L’esperienza mi ha mostrato che per far frutto nella nuntiatura non è bene che i nuntii si ingerischino nelle cose che possono fare i vescovi e che spettano a gli ordinarii, se non in sussidio e con vera necessità: perchè mettendosi mano ad ogni cosa indifferente- mente, non solo essi vescovi si sdegnano, ma si oppongono spesse volte e rendono vana ogni fatica del ministro apostolico, oltre che è contro la mente di monsignore e delli canoni che si metta mano nella messe aliena mandandolì i nuntii per ajutare e non per distruggere l’autorità degli ordinarii. . Die Bischoͤfe deutscher Nation be- trachteten sich gern als Fuͤrsten: unaufhoͤrlich stellten ihnen die Nuntien vor, daß sie das doch bloß um ihres geistli- lichen Berufes willen seyen, und schaͤrften ihnen diesen ein. In der That finden wir viel Leben in der schweizerischen Kirche. Visitationen werden ausgefuͤhrt, Synoden veran- staltet, Kloͤster reformirt, Seminarien gestiftet. Die Nun- tien suchen das gute Vernehmen zwischen der geistlichen und der weltlichen Gewalt zu erhalten: durch Milde und Ueberredung kommen sie darin ziemlich zum Ziele. Es ge- lingt ihnen, das Eindringen protestantischer Schriften zu verhindern, wenn sie sich auch bescheiden muͤssen, den Leu- ten ihre Bibeln und ihre deutschen Gebetbuͤcher zu lassen. Mit großem Erfolge arbeiten Jesuiten und Capuziner. Ma- rianische Sodalitaͤten werden gestiftet: sie umfassen Alt und Jung: Predigt und Beichte werden eifrig besucht: die Wall- fahrten zu den wunderthaͤtigen Bildern nehmen wieder uͤber- hand: und man muß zuweilen die Strenge mildern, die der katholischen Restauration. Schweiz . sich der Eine oder der Andere auflegt Ein Beispiel geben: Literae annuae societatis Jesu 1596 p. 187. Modus tamen rigido illi jejunio est a confessario ad- hibitus. . Die Nuntien wissen die Dienste die ihnen besonders die italienischen Ca- puziner leisten nicht genug zu ruͤhmen. Und so kommen denn auch Bekehrungen vor. Die Nuntien nehmen die Convertiten bei sich auf, unterstuͤtzen, empfehlen sie: sie suchen aus den Beitraͤgen der Glaͤubi- gen unter der Aufsicht von Praͤlaten Cassen zu Gunsten der Neubekehrten zu gruͤnden. Zuweilen gelingt es, verlo- ren gegebene Jurisdictionen wieder zu gewinnen: dann eilt man die Messe daselbst wiederherzustellen. Der Bischof von Basel, der Abt zu St. Gallen zeigen sich hierin beson- ders eifrig. In alle dem kommt es nun den Nuntien sehr zu Statten, daß der Koͤnig von Spanien sich eine Partei in der katholischen Schweiz gemacht hat. Die Anhaͤnger von Spanien, z. B. die Lust in Unterwalden, die Amli in Luzern, die Buͤhler in Schwyz, und wie sie alle heißen, sind in der Regel auch dem roͤmischen Stuhl am ergeben- sten. Die Nuntien verfehlen nicht, diese Neigungen nach Kraͤften zu pflegen. Sie beobachten jede denkbare Ruͤck- sicht. Die laͤngsten und langweiligsten Reden hoͤren sie ge- duldig an: sie sparen nicht mit Titeln: sie zeigen sich als große Bewunderer der alten Thaten der Nation und der Weisheit ihrer republikanischen Einrichtungen. Besonders finden sie es nothwendig ihre Freunde durch regelmaͤßig wiederkehrende Gestgebote zusammenzuhalten: sie selbst er- Buch VII. Kap. 1. Fortschritte wiedern jede Einladung, jede Ehre, die man ihnen er- weist, mit einem Geschenk: Geschenke vor allem sind hier wirksam: wer zum Ritter vom goldenen Sporn ernannt worden, und dazu eine goldene Kette, eine Medaille er- halten, fuͤhlt sich ihnen auf ewig verpflichtet. Nur muͤs- sen sie sich huͤten etwas zu versprechen was sie nicht ge- wiß waͤren zu halten: koͤnnen sie mehr leisten, als sie zu- gesagt, so wird ihnen das desto hoͤher angerechnet. Ihr Haushalt muß immer wohlgeordnet seyn und keinem Ta- del Raum geben. So geschah es nun, daß die katholischen Interessen auch in der Schweiz im Allgemeinen in gute Aufnahme und ruhigen Fortschritt gelangten. Es gab nur Einen Punkt, wo der Gegensatz zwi- schen Protestanten und Katholiken innerhalb Eines Gebie- tes, zusammentreffend mit schwankenden politischen Verhaͤlt- sen, Gefahr und Kampf veranlassen konnte. In Graubuͤndten war die Regierung wesentlich prote- stantisch: unter ihren Landschaften waren dagegen die ita- lienischen, vor allem Valtellina, unerschuͤtterlich katholisch. Daher kam es hier zu unaufhoͤrlichen Reibungen. Die Regierung litt keine fremden Priester im Thal: sie hatte verboten, selbst eine auswaͤrtige Jesuitenschule zu besuchen: sie gestattete nicht einmal dem Bischof von Como, zu des- sen Dioͤcese Valtellina gehoͤrte, sein bischoͤfliches Amt da- selbst auszuuͤben. Dagegen sahen auch die Eingeborenen mit großem Mißvergnuͤgen Protestanten in ihrem Lande, und zwar als die Herrn und Meister desselben: sie hielten sich innerlich doch zu den Italienern, zu dem rechtglaͤubigen Mai- der katholischen Restauration. Schweiz . land: aus dem Collegium Helveticum daselbst, wo allein sechs Stellen fuͤr das Thal bestimmt waren, gingen im- mer aufs neue junge Theologen hervor, welche ihren Eifer entzuͤndeten Rel ne della nuntiatura: Il collegio Elvetico di Milano è di gran giovamento, et è la salute in particolare della Val Te- lina, che quanti preti ha, sono soggetti di detto collegio, e quasi tutti dottorati in theologia. . Es war das aber darum so gefaͤhrlich, weil Frank- reich, Spanien und Venedig nach Kraͤften wetteiferten sich in Graubuͤndten eine Partei zu machen: Parteien, die sich nicht selten mit offener Gewalt bekaͤmpften, und eine die andere aus der Stelle trieben. Im Jahre 1607 nahm zuerst die spanische, gleich darauf die veneziani- sche Faction Chur ein. Jene zerriß die Buͤndnisse, diese stellte dieselben wieder her. Die spanische hatte katholische, die venezianische protestantische Sympathien; wonach sich dann die ganze Politik des Landes bestimmte. Hauptsaͤch- lich kam es darauf an, fuͤr welche Seite Frankreich war. Die Franzosen hatten in der ganzen Schweiz, nicht allein in der katholischen, sondern auch in der protestantischen, ihre Pensionaͤre: in Graubuͤndten genossen sie alten Einfluß. Um das Jahr 1612 waren sie fuͤr das katholische Interesse: dem Nuntius gelang es, ihre Freunde fuͤr Rom zu gewin- nen: das venezianische Buͤndniß ward sogar foͤrmlich aufge- kuͤndigt. Parteienkaͤmpfe die an sich wenig Aufmerksamkeit ver- dienen wuͤrden, die aber dadurch eine hoͤhere Bedeutung bekamen, daß die Oeffnung oder Schließung der buͤndtne- Buch VII. Kap. 1. Fortschritte rischen Paͤsse fuͤr die eine oder die andere Macht davon ab- hing. Wir werden sehen, daß sie ein Gewicht in die Waag- schale der allgemeinen Verhaͤltnisse der Politik und der Re- ligion warfen. Regeneration des Katholicismus in Frankreich. Da ist nun die vornehmste Frage, welche Stellung Frankreich uͤberhaupt in religioͤser Hinsicht annahm. Der erste Blick zeigt, daß sich die Protestanten noch immer uͤberaus maͤchtig daselbst hielten. Heinrich IV. hatte ihnen das Edict von Nantes ge- waͤhrt, durch das ihnen nicht allein der Besitz der Kirchen die sie inne hatten, bestaͤtigt, sondern Antheil an den oͤf- fentlichen Lehranstalten, paritaͤtische Kammern in den Par- lamenten, Sicherheitsplaͤtze in großer Anzahl uͤberlassen, und uͤberhaupt eine Unabhaͤngigkeit eingeraͤumt wurde, von der man fragen konnte, ob sie sich mit der Idee des Staates vertrage. Um das Jahr 1600 zaͤhlte man 760 Kirchen- sprengel der franzoͤsischen Protestanten: alle wohl geordnet: 4000 Edelleute hielten sich zu diesem Bekenntniß: man rech- nete, daß es ohne Muͤhe 25000 Streiter ins Feld stellen koͤnne: es besaß bei 200 befestigte Plaͤtze. Eine ehrfurchtge- bietende Macht, die man nicht ungestraft beleidigen durfte Badoer: Relatione di Francia 1605. . Neben ihnen aber, und im Gegensatz mit ihnen erhob sich zugleich eine zweite Macht, die Corporation des ka- tholischen Clerus in Frankreich. Die großen Besitzthuͤmer der franzoͤsischen Geistlichkeit der katholischen Restauration. Frankreich . gaben ihr an und fuͤr sich eine gewisse Unabhaͤngigkeit; da- durch aber daß sie zur Theilnahme an den Staatsschulden herbeigezogen worden, kam dieß auch zur Darstellung und zum Bewußtseyn In den Mémoires du clergé de France tom. IX — Re- cueil des contrats passés par le clergé avec les rois — fin- det man die Actenstuͤcke hieruͤber vom Jahre 1561 an. Auf der Ver- sammlung von Poisy in diesem Jahre nemlich uͤbernahm der Clerus, einen bedeutenden Theil der Staatsschulden nicht allein zu verzinsen, sondern auch abzuloͤsen. Die Abloͤsung kam nicht zu Stande: dage- gen blieb es bei der Verpflichtung die Zinsen zu zahlen. Es waren hauptsaͤchlich die Schulden die beim Hotel de Ville von Paris ge- macht worden, und dieser Stadt kamen die Zinsen zu gute: eine bestimmte Rente ward ihr jaͤhrlich von der Geistlichkeit. Man sieht weshalb Paris, auch wenn es nicht so gut katholisch gewesen waͤre wie es war, doch den Ruin der Geistlichkeit niemals haͤtte gestat- ten, das Verderben der geistlichen Guͤter, seiner Hypothek, niemals haͤtte zugeben duͤrfen. . Denn nicht so ganz erzwungen war diese Theilnahme, daß die Verpflichtung zu derselben nicht von Zeit zu Zeit mit den Formen einer freiwilligen Entschließung haͤtte wie- derholt werden muͤssen. Unter Heinrich IV. bekamen die Zusammenkuͤnfte die zu dem Ende gehalten wurden, eine regelmaͤßigere Gestalt. Sie sollten von zehn Jahr zu zehn Jahr wiederholt wer- den: alle Mal im Mai, wo die Tage lang sind und sich viel thun laͤßt: niemals zu Paris, um keine Zerstreuung zu veranlassen: alle zwei Jahre sollten kleinere Versamm- lungen Statt finden um die Rechnungen abzunehmen. Es laͤßt sich an sich nicht erwarten, daß diese Ver- sammlungen, namentlich die groͤßern, bei ihren finanziellen Verbindlichkeiten haͤtten stehn bleiben sollen. Schon die Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Erfuͤllung derselben gab ihnen Muth zu umfassendern Be- schluͤssen. In den Jahren 1595 und 1596 beschlossen sie, die Provinzialconcilien zu erneuern, sich den Eingriffen der weltlichen Gerichtsbarkeit in die geistliche Amtsfuͤhrung zu widersetzen, keine Simonie zu dulden, und was dem mehr ist: der Koͤnig gab nach einigem Schwanken seine Zustim- mung hiezu Relation des principales choses qui ont esté resolues dans l’assemblée generale du clergé tenue à Paris ès années 1595 et 1596, envoyée à toutes les dioceses. Mémoires du clergé tom. VIII, p. 6. . Es war die Regel, daß der Clerus allge- meine Vorstellungen in Bezug auf Kirchen und Kirchen- zucht machte. Der Koͤnig konnte sich denselben unmoͤglich entziehen: es ging nie ohne neue Bewilligungen ab. Bei der naͤchsten Zusammenkunft begann dann der Clerus mit der Untersuchung, ob sie auch ausgefuͤhrt worden seyen. Sehr eigenthuͤmlich ward hiedurch die Stellung Hein- richs IV. zwischen zwei Corporationen, die beide eine ge- wisse Selbstaͤndigkeit hatten, beide ihre Versammlungen in den bestimmten Zeiten hielten, und ihn dann mit entgegen- gesetzten Vorstellungen bestuͤrmten, denen er sich in der That weder auf der einen noch auf der andern Seite so leicht entgegensetzen konnte. Sein Sinn war im Allgemeinen ohne Zweifel, das Gleichgewicht zwischen ihnen zu erhalten, sie nicht in neuen Kampf gerathen zu lassen: fragen wir aber, welchem von beiden Theilen er am geneigtesten war und durch die That den groͤßten Vorschub leistete, so ist das doch offen- bar der katholische, obwohl sein eignes Emporkommen sich von dem protestantischen herschrieb. der katholischen Restauration. Frankreich . Dankbar war Heinrich nun einmal eben so wenig wie rachsuͤchtig: es lag ihm mehr daran neue Freunde zu ge- winnen, als die alten zu belohnen, zu beguͤnstigen. Hatten ihn nicht in der That die Protestanten selbst zu jenem Edict bereits zwingen muͤssen? Er gewaͤhrte es ihnen nur in einem Augenblick, wo er von den spanischen Waffen bedraͤngt war, und sie zugleich eine sehr drohende kriegerische Stellung einnahmen Geht unwidersprechlich aus der Darstellung von Benoist, Histoire de l’édit de Nantes I, 185, hervor. . In dem Sinne in welchem sie ihre Freiheiten erworben, bedienten sie sich derselben nun auch. Sie bildeten eine Republik, auf die der Koͤnig nur wenig Einfluß hatte; von Zeit zu Zeit sprachen sie sogar davon, sich einen andern auswaͤrtigen Protector zu waͤhlen. Der Clerus dagegen schloß sich dem Koͤnig an: er for- derte keine Geldhuͤlfe, er leistete deren: seine Unabhaͤngig- keit konnte nicht gefaͤhrlich werden, da ja der Koͤnig die Besetzung der Stellen in seiner Hand hatte. In so fern die Stellung der Hugenotten, wie am Tage lag, eine Be- schraͤnkung der koͤniglichen Gewalt enthielt, hing deren Ausdehnung sogar offenbar mit dem Fortschritte des Ka- tholicismus zusammen Niccolò Contarini: Il re se ben andava temporeggiando con le parti e li suoi ministri e consiglieri fussero dell’ una e l’altra religione, pur sempre più si mostrava alienarsi dagli Ugo- noti e desiderarli minori: la ragione principal era perchè te- nendo essi per li editti di pace molte piazze nelle loro mani, delle quali ben trenta erano di molto momento, senza di queste li pareva non essere assolutamente re del suo regno. . Schon im Jahre 1598 erklaͤrte der Koͤnig dem Cle- rus, seine Absicht sey die katholische Kirche wieder so bluͤ- Buch VII. Kap. 1. Fortschritte hend zu machen, wie sie vor hundert Jahren gewesen: er bat ihn nur um Geduld und Vertrauen: Paris sey nicht an Einem Tage gebaut worden Mémoires du clergé tom. XIV p. 259. . Ganz auf eine andere Weise wurden nun die Rechte des Concordats ausgeuͤbt als fruͤher: die Pfruͤnden gelang- ten nicht mehr an Kinder und Frauen: der Koͤnig sah bei der Besetzung geistlicher Stellen sehr ernstlich auf Ge- lehrsamkeit, Gesinnung und erbauliches Leben. „In allen aͤußerlichen Dingen“, sagt ein Venezianer, „zeigt er sich persoͤnlich der roͤmisch-katholischen Religion zugethan und der entgegengesetzten abgeneigt.“ In diesem Sinne war es, daß er die Jesuiten zuruͤck- berief. Er glaubte, daß ihr Eifer zur Herstellung des Ka- tholicismus und dadurch auch zur Erweiterung der koͤnig- lichen Gewalt, wie er sie jetzt verstand, beitragen muͤßte Contarini: per abbassamento del quale (del partito de- gli Ugonotti) s’imaginò di poter dar gran colpo col richiamar li Gesuiti, pensando anco in questa maniera di toglier la radice a molte congiure. Den Parlamenten habe er geantwortet, man moͤge ihn seines Lebens versichern, und das Exil der Jesuiten solle nie aufhoͤren. . Doch wuͤrde dieß alles wenig geholfen haben, waͤre nicht die bereits begonnene innere Regeneration der katho- lischen Kirche in Frankreich in dieser Zeit maͤchtig fortge- schritten. In den beiden ersten Decennien dieses Jahrhun- derts nahm sie in der That eine neue Gestalt an. Werfen wir noch einen Blick auf diese Umwandlung, besonders auf die Verjuͤngung der Klosterzucht, in der sie sich darstellt. Mit großem Eifer wurden die alten Orden reformirt, Dominicaner, Franciscaner, Benedictiner. der katholischen Restauration. Frankreich . Die Frauencongregationen wetteiferten mit ihnen. Die Feuillantines nahmen so uͤbertriebene Buͤßungen vor, daß einst in Einer Woche vierzehn dadurch umgekommen seyn sollen: der Papst selbst mußte sie zur Milderung ihrer Strenge ermahnen Helyot: Histoire des ordres monastiques V p. 412. . Im Portroyal ward Gemeinschaft der Guͤter, Stillschweigen, Nachtwachen wieder eingefuͤhrt: Tag und Nacht ohne Aufhoͤren ward hier das Myste- rium der Eucharistie angebetet Felibien histoire de Paris II, 1339: ein Werk das fuͤr die Geschichte dieser Restauration uͤberhaupt von Werth ist, und oft auf eigenthuͤmlichen Relationen beruht. . Ungemildert beobachte- ten die Nonnen von der Schaͤdelstaͤtte die Regel des heil. Benedict: durch unausgesetztes Gebet am Fuße des Kreuzes suchten sie eine Art Buße fuͤr die Beleidigungen zu uͤben, die dem Baume des Lebens von den Protestanten zugefuͤgt wuͤrden La vie du véritable père Josef 1705 p. 53. 73. . In einem etwas andern Sinne hatte damals die h. Teresa den Orden der Carmeliterinnen in Spanien refor- mirt. Auch sie verordnete die strengste Clausur: selbst die Besuche der Verwandten an dem Sprachgitter suchte sie zu beschraͤnken, nicht ohne Aufsicht blieb der Beichtvater. Jedoch sah sie in der Strenge nicht schon den Zweck. Sie suchte eine Stimmung der Seele hervorzurufen, welche sie dem Goͤttlichen naͤhere. Da fand sie nun, daß keine Ent- fernung von der Welt, kein Entsagen, keine Casteiung das Gemuͤth in den Schranken halte deren es beduͤrfe, wenn nicht etwas anders hinzukomme: Arbeit, geradezu Buch VII. Kap. 1. Fortschritte haͤusliche Beschaͤftigung, weibliche Handarbeit, das Salz das die weibliche Seele vor Verderbung bewahre, durch welche den unnuͤtzen umherschweifenden Gedanken die Thuͤr geschlossen werde. Doch sollte diese Arbeit, wie sie ferner anordnete, nicht kostbar, kunstreich, oder auf eine gewisse Zeit bestellt seyn: sie sollte doch das Gemuͤth nicht selbst beschaͤftigen. Ihre Absicht war, die Ruhe einer in Gott sich selbstbewußten Seele zu befoͤrdern, einer Seele, wie sie sagt, „die immer lebt als stuͤnde sie vor Gottes Angesicht: die keinen Schmerz hat als seiner Gegenwart nicht zu ge- nießen“: sie wollte hervorbringen, was sie das Gebet der Liebe nennt, „wo die Seele sich selbst vergißt, und die Stimme des himmlischen Meisters vernimmt“ Diego de Yepes: Vita della gloriosa vergine S. Te- resa di Giesu, fondatrice de’ Carmelitani scalzi, Roma 1623, p. 303. Constituzioni principali § 3 p. 208. Die Exclamaciones o meditaciones de S. Teresa con algunos otros tratadillos, Brus- selas 1682, zeigen ihre Begeisterung fuͤr unser Gefuͤhl fast in zu ho- hem Schwung. . Ein En- thusiasmus der wenigstens von ihr auf eine reine, großar- tige und naive Weise gefaßt ward, und in der ganzen ka- tholischen Welt den groͤßten Eindruck machte. Gar bald ward man auch in Frankreich inne, daß man noch etwas anders beduͤrfe als die bloße Bußuͤbung. Es ward ein eigener Abgeordneter nach Spanien geschickt, Pierre Be- rulle, der auch endlich, obwohl nicht ohne Schwierigkeiten den Orden nach Frankreich uͤberpflanzte, wo er dann sehr bald Wurzel faßte und die schoͤnsten Fruͤchte trug. Auch die Stiftungen des Franz von Sales waren in die- der katholischen Restauration. Frankreich . diesem mildern Sinne. Franz von Sales pflegte in allen seinen Beschaͤftigungen mit heiterer Gemuͤthsruhe, ohne An- strengung noch Eile zu Werke zu gehn. Mit seiner Ge- huͤlfin, M è re Chantal, stiftete er den Orden von der Heim- suchung ausdruͤcklich fuͤr solche, deren zartere Leibesbe- schaffenheit sie abhalte in die strengern Vereinigungen einzu- treten. Er vermied in seiner Regel nicht allein die eigentliche Buͤßung, und dispensirte von den schwereren Pflichten: er warnte auch vor allen innerlichen Anmuthungen: ohne viel Nachgruͤbeln muͤsse man sich vor Gottes Angesicht stellen, und nicht verlangen ihn mehr zu genießen als er sich selbst gewaͤhre: unter der Gestalt von Entzuͤckungen verfuͤhre uns der Hochmuth: nur den gewoͤhnlichen Weg der Tugenden muͤsse man wandeln. Deshalb machte er vor allem seinen Nonnen die Krankenpflege zur Pflicht. Immer zwei und zwei, eine die Oberin, die andere die Beigesellte, sollten die Schwestern ausgehn, und die beduͤrftigen Kranken in ihren Haͤusern aufsuchen. Mit den Werken, durch die Arbeit muͤsse man beten, meinte Franz von Sales Z. B. bei Gallitia: Leben des h. Franz von Sales II, 285. Seine Gesinnung tritt aber in seinen eigenen Werken, besonders der Anleitung zum andaͤchtigen Leben, am deutlichsten und anziehendsten hervor. . Ueber ganz Frankreich breitete sein Orden eine wohlthaͤtige Wirksam- keit aus. Es ist in diesem Gange der Dinge, wie man leicht sieht, ein Fortschritt, von der Strenge zur Maͤßigung, von der Entzuͤckung zur Ruhe, von abgeschiedener Bußuͤbung zur Erfuͤllung einer socialen Pflicht. Päpste* 28 Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Schon waren auch die Ursulerinnen in Frankreich auf- genommen, deren viertes Geluͤbde es ist, sich dem Unter- richte junger Maͤdchen zu widmen: und die dieß mit be- wunderswuͤrdigem Eifer erfuͤllten. Wie es sich von selbst versteht, waren nun aͤhnliche Tendenzen auch in den Congregationen fuͤr Maͤnner lebendig. Jean Baptiste Romillon, der bis zu seinem 26sten Jahre die Waffen wider den Katholicismus getragen, aber sich dann zu demselben bekehrt hatte, stiftete mit einem gleichge- sinnten Freunde die Vaͤter der christlichen Lehre, welche den Elementarunterricht in Frankreich neu begruͤndet haben. Wir gedachten schon Berulles, eines der ausgezeichne- ten Geistlichen des damaligen Frankreichs. Von erster Ju- gend an hatte er einen recht ernsten Eifer bewiesen sich zum Dienste der Kirche auszubilden: er hatte sich dazu taͤglich, wie er sagt, „den wahrsten und innerlichsten Sinn seines Herzens“ vorgehalten, welcher sey „nach der groͤßten Voll- kommenheit zu trachten“. Vielleicht haͤngt es mit den Schwie- rigkeiten die er hiebei fand zusammen, daß ihm nichts so nothwendig schien, wie ein Institut zur Bildung von Geist- lichen unmittelbar zum Kirchendienst zu errichten. Er nahm sich hiebei Philipp Neri zum Muster: auch er stiftete Prie- ster des Oratoriums. Er duldete keine Geluͤbde: er ließ nur einfache Verpflichtungen zu: er war großgesinnt genug um zu wuͤnschen daß sich ein Jeder wieder entferne, der den Geist dazu nicht in sich spuͤre. In der That hatte nun auch sein Institut ungemeinen Fortgang: durch seine Milde zog es auch vornehmere Zoͤglinge an: bald sah sich Berulle an der Spitze einer glaͤnzenden, kraͤftigen, gelehri- der katholischen Restauration. Frankreich . gen Jugend: bischoͤfliche Seminarien, gelehrte Schulen wur- den ihm uͤbertragen: in der Geistlichkeit, die aus dem In- stitut hervorging, regte sich ein neuer, frischer Geist. Eine ganze Anzahl bedeutender Prediger hat es gebildet: von dieser Zeit an setzte sich der Charakter der franzoͤsischen Pre- digt fest Tabaraud: Histoire de Pierre de Berulle Paris 1817. . Und koͤnnten wir an dieser Stelle der Congregation von S. Maur vergessen? Indem die franzoͤsischen Bene- dictiner sich der in Lothringen vollzogenen Reformation die- ses Ordens anschlossen, fuͤgten sie den uͤbrigen Obliegenhei- ten die Verpflichtung hinzu sich der Erziehung des jun- gen Adels und der Gelehrsamkeit zu widmen. Bald im Anfang erschien dann der ruhmwuͤrdige Mann unter ihnen, Nicolaus Hugo M é nard, der ihren Studien die Richtung auf die kirchlichen Alterthuͤmer gab, der wir so viele groß- artige Werke verdanken Filipe le Cerf: Bibliotheque historique et critique des auteurs de la congregation de S. Maur p 355. . Schon waren auch die barmherzigen Bruͤder, Stif- tung jenes unermuͤdlichen Krankenpflegers Johannes a Deo Approbatio congregationis fratrum Johannis Dei 1572 Kal. Jan. (Bullar. Cocquel. IV, III, 190.) , eines Portugiesen, dem ein spanischer Bischof in einem Augenblick der Bewunderung diesen Beinamen gege- ben, durch Maria Medici in Frankreich eingefuͤhrt worden: sie nahmen hier eine noch strengere Regel an, aber nur um so mehr Nachfolge fanden sie: in kurzem sehen wir 30 Spi- taͤler von ihnen gegruͤndet. 28* Buch VII. Kap. 1. Fortschritte Welch ein Vorhaben ist es aber, ein ganzes Reich religioͤs umzugestalten, in Eine Richtung des Glaubens und der Lehre hinzureißen. In den tiefern Regionen, in dem Landvolke, bei den Landpfarrern selbst, gingen an vie- len Orten noch immer die alten Mißbraͤuche in Schwange. Mitten in der allgemeinen Regung erschien endlich auch der große Missionar der gemeinen Leute, Vincenz von Paul, der die Congregation der Mission stiftete, deren Mitglieder von Ort zu Ort ziehend, die religioͤsen Anregungen bis in die ent- ferntesten Winkel des Landes ausbreiten sollten. Vincentius war selbst ein Bauernsohn, demuͤthig, voll von Eifer und praktischem Sinne Stolberg: Leben des heiligen Vincentius von Paulus. Muͤn- ster 1818. Nur haͤtte der gute Stolberg seinen Helden nicht als den „Einen Mann durch den Frankreich erneuert ward“ ( p. 6. p. 399) betrachten sollen. . Auch der Orden der barmherzigen Schwestern, in welchem sich das zartere Geschlecht noch in dem Alter worin es alle Anspruͤche auf haͤusliches Gluͤck oder weltlichen Glanz zu machen haͤtte, dem Dienste der Kranken, oft der verworfenen weihet, ohne auch nur die religioͤse Gesinnung, von der diese ganze Thaͤtigkeit aus- geht, anders als fluͤchtig aͤußern zu duͤrfen, verdankt ihm seine Entstehung. Bestrebungen, wie sie in christlichen Laͤndern gluͤckli- cherweise immer aufs neue hervorgetreten sind: der Erzie- hung, des Unterrichts, der Predigt, gelehrter Studien, der Wohlthaͤtigkeit. Nirgends werden sie ohne Vereinigung mannigfaltiger Kraͤfte und religioͤser Begeisterung gedeihen. Anderwaͤrts uͤberlaͤßt man sie dem sich immer verjuͤngenden der katholischen Restauration. Frankreich . Geschlechte, dem jedesmaligen Beduͤrfniß. Hier sucht man den Vereinigungen eine unerschuͤtterliche Grundlage, dem re- ligioͤsen Antriebe eine feste Form zu geben: um alles dem unmittelbaren Dienste der Kirche zu weihen, und die kuͤnf- tigen Geschlechter unvermerkt zu demselben Sinne heran- zuziehen. In Frankreich zeigten sich nun in kurzem die groͤß- ten Erfolge. Schon unter Heinrich IV. sahen sich die Protestanten durch eine so tiefgreifende als ausgebreitete Thaͤtigkeit einer entgegengesetzten Gesinnung beschraͤnkt und gefaͤhrdet, eine Zeit lang hatten sie keinen Fortgang mehr: aber gar bald erlitten sie Verluste, bereits unter Heinrich IV. klagen sie, daß der Abfall in ihren Reihen beginne. Und doch war Heinrich schon durch seine Politik ge- noͤthigt ihnen Beguͤnstigungen widerfahren zu lassen und sich den Zumuthungen des Papstes, der sie z. B. von al- len oͤffentlichen Stellen ausgeschlossen wissen wollte, zu widersetzen. Unter Maria Medici aber verließ man die bisherige Politik: man schloß sich um Vieles enger an Spanien an: eine entschieden katholische Gesinnung bekam in allen in- nern und aͤußern Geschaͤften die Oberhand. Wie am Hofe, so hatte sie selbst in der Staͤndeversammlung das Uebergewicht. Von den beiden ersten Staͤnden ward im Jahre 1614 nicht allein die Publication des Tridentinums, sondern sogar die Herstellung der Kirchenguͤter in Bearn ausdruͤcklich gefordert. Da war es nun fuͤr die Protestanten, in denen doch auch ein lebendiges kirchliches Leben waltete, um dieß nicht Buch VII. Kap. 1. Frankreich . unterdruͤckt zu sehen ein großes Gluͤck, daß sie politisch noch immer so stark, daß sie so gut geruͤstet waren. Wie sich die Regierung mit ihren Gegnern vereinigt hatte, so fanden sie an maͤchtigen Mißvergnuͤgten, an denen es dort nie- mals gefehlt hat noch fehlen wird, Ruͤckhalt und Huͤlfe. Es dauerte noch eine Weile ehe man sie geradezu angrei- fen konnte. Zweites Kapitel . Allgemeiner Krieg. Siege des Katholicismus. 1617—1623. Ausbruch des Krieges. So verschieden auch die Zustaͤnde seyn moͤgen, welche sich hiedurch entwickelt haben, so treffen sie doch in einem großen Resultat zusammen. Allenthalben ist der Katholi- cismus gewaltig vorgedrungen: allenthalben ist er auch auf einen maͤchtigen Widerstand gestoßen. In Polen vermag er seine Widersacher schon darum nicht zu erdruͤcken, weil sie an den benachbarten Reichen einen unuͤberwindlichen Ruͤckhalt finden. In Deutschland hat sich eine eng ge- schlossene Opposition dem vordringenden Dogma, der zu- ruͤckkehrenden Priesterschaft entgegengeworfen. Der Koͤnig von Spanien hat sich entschließen muͤssen den vereinigten Niederlanden einen Stillstand zu gewaͤhren, der nicht viel weniger als eine foͤrmliche Anerkennung in sich enthaͤlt. Die franzoͤsischen Hugenotten sind durch feste Plaͤtze, kriegs- bereite Mannschaften und zweckdienliche finanzielle Einrich- tungen gegen jeden Angriff geruͤstet. In der Schweiz ist das Gleichgewicht der Parteien schon lange ausgebildet, und Buch VII. Kap. 2. Ausbruch auch der regenerirte Katholicismus vermag es nicht zu er- erschuͤttern. Europa ist in zwei Welten geschieden, die sich auf je- den Punkt umfassen, beschraͤnken, ausstoßen, bekaͤmpfen. Vergleichen wir sie im Allgemeinen, so stellt die ka- tholische Seite zunaͤchst eine bei weitem groͤßere Einheit dar. Zwar wissen wir wohl, daß es ihr nicht an innern Feind- seligkeiten fehlt, aber diese sind doch fuͤrs Erste beschwich- tigt. Vor allem, zwischen Frankreich und Spanien besteht ein gutes und sogar vertrauliches Vernehmen: dann will es nicht viel sagen, daß sich der alte Widerwille von Venedig oder Savoyen zuweilen regt: selbst so gefaͤhrliche Attentate wie jene Verschwoͤrung gegen Venedig gehn ohne Erschuͤt- terung voruͤber. Papst Paul V. zeigte sich, nachdem ihm seine ersten Erfahrungen eine so nachdruͤckliche Lehre er- theilt, ruhig und gemaͤßigt, er verstand es den Frieden zwischen den katholischen Maͤchten aufrecht zu erhalten, und dann und wann gab er einen Moment der gemeinschaftli- chen Politik an. Die Protestanten dagegen hatten nicht allein uͤberhaupt keinen Mittelpunkt: seit dem Tode der englischen Elisabeth und der Thronbesteigung Jakobs I , der von Anfang an eine etwas zweideutige Politik beobachtete, nicht einmal eine vorwaltende Macht. Lutheraner und Re- formirte standen einander mit einem Widerwillen gegenuͤber, der nothwendig zu entgegengesetzten politischen Maaßregeln fuͤhrte. Aber auch die Reformirten selbst waren unter ein- ander entzweit: Episcopalen und Puritaner, Arminianer und Gomaristen bekaͤmpften sich mit wildem Haß: in der Assemblee der Hugenotten zu Saumur von 1611 brach eines allgemeinen Krieges . ein Zwiespalt aus, der niemals wieder gruͤndlich beigelegt werden konnte. Gewiß, man duͤrfte diesen Unterschied nicht von einer geringeren Lebendigkeit der religioͤsen Bewegung innerhalb des Katholicismus herleiten: wir nahmen eben das Gegen- theil wahr. Eher ließe sich folgender Grund angeben. In dem Katholicismus war nicht jene Energie der ausschlie- ßenden Dogmatik, die den Protestantismus beherrschte: es gab wichtige Streitfragen, welche man unausgemacht ließ; Enthustasmus, Mystik und die tiefere, nicht bis zur Klar- heit des Gedankens durchzubildende Sinnesweise, die sich aus religioͤsen Tendenzen von Zeit zu Zeit immer wieder erheben muß, ward von dem Katholicismus in sich aufge- nommen, geregelt, in den Formen kloͤsterlicher Ascetik dienst- bar gemacht, von dem Protestantismus dagegen zuruͤckge- wiesen, verdammt und ausgestoßen. Eben darum brach dann unter den Protestanten eine solche Gesinnung, sich selbst uͤberlassen, in mancherlei Secten hervor, und suchte sich einseitig aber frei ihre eigenen Bahnen. Dem entspricht es, daß die Literatur uͤberhaupt auf der katholischen Seite um vieles mehr Gestalt und Re- gel gewonnen hatte. Wir koͤnnen sagen, unter den Auspi- cien der Kirche setzten sich in Italien zuerst die modern- classischen Formen durch: in Spanien naͤherte man sich ih- nen, so weit es der Geist der Nation immer zuließ: schon begann eine aͤhnliche Entwickelung in Frankreich, wo sie sich spaͤter so vollkommen ins Werk gesetzt, so glaͤnzende Re- sultate hervorgebracht hat. Malherbe trat auf, der sich zuerst der Regel willig unterwarf und alle Licenz selbstbe- Buch VII. Kap. 2. Ausbruch wußt fahren ließ Ueber die Sinnesweise Malherbes und seine Art zu arbei- ten finden sich neue bemerkenswerthe Zusaͤtze zu der Lebensbeschrei- bung des Dichters von Racan in den Mémoires oder vielmehr Hi- storiettes de Tallemant des Reaux, herausgegeben von Monmerqu é 1834 I, p. 195. , und der nun der monarchisch-katholi- schen Gesinnung die er hegte durch die epigrammatische Praͤ- cision, die etwas prosaische aber dem Sinne der Franzosen entsprechende Popularitaͤt und Eleganz, mit welcher er sie aussprach, einen neuen Nachdruck verlieh. In den germa- nischen Nationen konnte diese Richtung damals selbst auf der katholischen Seite noch nicht zur Herrschaft gelangen: sie ergriff nur erst die lateinische Poesie, wo sie aber doch wirk- lich zuweilen, selbst bei unserm Balde, der sonst ein ausge- zeichnetes Talent hat, wie eine Parodie herauskommt; in der Muttersprache blieb noch alles der Ausdruck der Na- tur. Noch viel weniger aber konnte sich die Nachahmung der Antike in diesen Voͤlkern auf der protestantischen Seite durchsetzen. Shakespeare stellte den Inhalt und Geist der Ro- mantik in unvergaͤnglichen frei hervorgebrachten Formen vor Augen: Alterthum und Historie mußten seinem Sinne dienen. Aus einer deutschen Schuhmacherwerkstatt gingen, dunkel, formlos und unergruͤndlich, aber mit unwidersteh- licher Kraft der Anziehung, Werke deutschen Tiefsinns und religioͤser Weltanschauung hervor die ihres Gleichen nicht haben, freie Geburten der Natur. Jedoch ich will nicht versuchen den Gegensatz dieser beiden einander gegenuͤberstehenden geistigen Welten darzu- stellen: um ihn ganz zu fassen, muͤßten wir der protestan- tischen Seite eine groͤßere Aufmerksamkeit gewidmet haben. eines allgemeinen Krieges . Nur noch einen fuͤr die Begebenheit selbst unmittelbar wirk- samen Moment sey mir verstattet hervorzuheben. In dem Katholicismus herrschten jetzt die monarchi- schen Tendenzen vor. Ideen von popularen Berechtigungen, von gesetzlichem Widerstande gegen die Fuͤrsten, von Volks- souveraͤnetaͤt und Koͤnigsmord, wie sie dreißig Jahre fruͤ- her selbst von den eifrigsten Katholiken verfochten worden, waren nicht mehr an der Zeit. Es gab jetzt keinen bedeu- tenden Gegensatz einer katholischen Bevoͤlkerung gegen ei- nen protestantischen Fuͤrsten: selbst mit Jacob I. von Eng- land vertrug man sich: jene Theorien fanden keine Anwen- dung mehr. Schon daraus folgte, daß das religioͤse Prin- zip sich dem dynastischen immer enger anschloß: es kam, wenn ich mich nicht irre, hinzu, daß die fuͤrstlichen Persoͤn- lichkeiten auf der katholischen Seite ein gewisses Uebergewicht entwickelten. Wenigstens darf man das von Deutschland sagen. Da lebte noch der alte Bischof Julius von Wuͤrz- burg, der bei uns den ersten durchgreifenden Versuch ei- ner Gegenreformation gemacht hatte: Churfuͤrst Schwei- kard von Mainz verwaltete sein Erzkanzleramt mit einem durch warmen innerlichen Antheil erhoͤhten Talente, und verschaffte demselben wieder einmal großen Einfluß Montorio: Relatione di Germania 1624: di costumi gravi, molto intento alle cose del governo così spirituale come tempo- rale, molto bene affetto verso il servigio di cotesta santa sede, desideroso del progresso della religione, uno de’ primi prelati della Germania. : die beiden andern rheinischen Churfuͤrsten waren entschlossene, thaͤtige Maͤnner: an ihrer Seite erhoben sich der maͤnnliche, scharfsinnige, unermuͤdliche Maximilian von Baiern, ein Buch VII. Kap. 2. Ausbruch geschickter Administrator, von großartigen politischen Ent- wuͤrfen erfuͤllt, und Erzherzog Ferdinand, unerschuͤtterlich durch seinen Glauben, den er mit der Inbrunst einer starken Seele umfaßte: — fast alles Schuͤler der Jesuiten, welche es noch verstanden in den Gemuͤthern ihrer Zoͤglinge große Antriebe hervorzurufen: auch ihrerseits Reformatoren, die den Zustand der Dinge, in welchem man sich befand, mit Anstrengung und geistigem Schwunge zu Stande gebracht hatten. Die protestantischen Fuͤrsten dagegen waren mehr Er- ben, als Stifter: sie waren bereits die zweite oder die dritte Generation. Nur in Einem und dem Andern zeig- ten sich ich weiß nicht ob Kraft und innerliche Staͤrke, aber doch Ehrgeiz und Liebe zur Bewegung. Dagegen traten jetzt unter den Protestanten offenbar Hinneigungen zur Republik, wenigstens zu einer aristokra- tischen Freiheit hervor. An vielen Orten, in Frankreich, in Polen, in allen oͤstreichischen Gebieten war ein maͤchti- ger Adel von protestantischer Ueberzeugung mit der katho- lischen Regierungsgewalt in offenem Kampfe. Was sich durch einen solchen erreichen lasse, davon gab die Republik der Niederlande, die sich taͤglich zu hoͤherer Bluͤthe erhob, ein glaͤnzendes Beispiel. Es ist allerdings in dieser Zeit in Oestreich die Rede davon gewesen, daß man sich von dem herrschenden Geschlechte lossagen und eine Verfassung wie die Schweiz oder wie die Niederlande annehmen muͤsse. In dem Gelingen dieser Bestrebungen lag fuͤr die deutschen Reichsstaͤdte die einzige Moͤglichkeit wieder zu groͤßerer Bedeutung zu gelangen, und lebhaft nahmen sie daran eines allgemeinen Krieges . Theil. Die innere Verfassung der Hugenotten war schon republikanisch, und zwar selbst nicht ohne demokratische Elemente. In den englischen Puritanern traten diese be- reits einem protestantischen Koͤnig entgegen. Es existirt eine kleine Schrift von einem kaiserlichen Botschafter in Paris aus dieser Zeit, in welcher die europaͤischen Fuͤr- sten mit vieler Lebhaftigkeit auf die gemeinschaftliche Ge- fahr aufmerksam gemacht werden, die ihnen aus dem Em- porkommen eines solchen Geistes entspringe Advis sur les causes des mouvements de l’Europe, en- voyé aux roys et princes pour la conservation de leurs royau- mes et principautés, fait par Messir Al. Cunr. baron de Fri- demburg e presenté au roy très chrestien par le comte de Fur- stemberg, ambassadeur de l’empereur. Aufgenommen im Mer- cure françois tom. IX, p. 342. . Die katholische Welt war in diesem Augenblick ein- muͤthig, classisch, monarchisch: die protestantische entzweit, romantisch, republikanisch. In dem Jahre 1617 ließ sich bereits alles zu einem entscheidenden Kampfe zwischen ihnen an; auf der katholi- schen Seite fuͤhlte man sich, wie es scheint, uͤberlegen: es ist nicht zu leugnen, daß sie sich zuerst erhob. In Frankreich erging am 15ten Juni 1617 ein Edict, das der katholische Clerus schon laͤngst gefordert, aber der Hof aus Ruͤcksicht auf die Macht und die Oberhaͤupter der Hugenotten noch immer verweigert hatte, kraft dessen die Kirchenguͤter in Bearn wieder herausgegeben werden sollten. Dahin ließ sich Luines bringen, der sich, obwohl die Protestanten anfangs auf ihn rechneten Man ersieht das unter andern aus einem Schreiben von , doch all- Buch VII. Kap. 2. Ausbruch maͤhlig der jesuitisch-paͤpstlichen Partei angeschlossen: schon erhoben sich, im Vertrauen auf diese Gesinnung der hoͤch- sten Gewalt, hie und da, zuweilen unter dem Laͤuten der Sturmglocke Angriffe des Poͤbels auf die Protestanten: die Parlamente nahmen gegen sie Partei. Noch einmal machte der polnische Prinz Wladislaw sich auf, der sichern Erwartung, daß er jetzt den Thron von Moskau einnehmen werde. Man hielt dafuͤr, daß hie- mit Absichten gegen Schweden verbunden seyen, und unver- zuͤglich ging der Krieg zwischen Polen und Schweden wie- der an Hiaͤrn: Esth- Lyf- und Lettlaͤndische Geschichte p. 418. „Die Schweden wußten, daß der Koͤnig in Polen — — seinen Sohn mit einer gewaltigen Kriegsmacht zu dem Ende nach Reußland gesandt daß er die Befestigungen so die Moscowiter den Schweden abgetre- ten hatten uͤberraschen solte, damit wenn ihm dieser Anschlag gelingen wuͤrde, er selber das Reich Schweden desto besser angreiffen koͤnndte: denn es war ihm sowol auf dem in Pohlen gehaltenen Reichstage von den Staͤnden als auch von dem Hause Oesterreich zur Wieder- eroberung des Reiches Schweden Huͤlfe zugesagt: dahero er auch alle seine Gedanken mehr darauf als anderswohin gestellet hatte.“ . Allein bei weitem das Wichtigste bereitete sich in den Erblanden des Hauses Oestreich vor. Die Erzherzoͤge hat- ten sich versoͤhnt und verstanden: mit dem großen Sinne den dieß Haus in gefaͤhrlichen Augenblicken oͤfter bewiesen, gaben die Uebrigen die Anspruͤche, die ihnen nach dem Tode des Kaisers Matthias, dem es an Nachkommenschaft ge- brach, zuwachsen mußten, an Erzherzog Ferdinand auf; und in kurzem ward derselbe in der That als Thronfol- Duplessis Mornay Saumur 26 Avril 1617: „sur ce coup de ma- jorité“, wie er die Ermordung des Marschalls von Ancre nennt. La vie de du Plessis p. 465. eines allgemeinen Krieges . ger in Ungarn und Boͤhmen anerkannt. Es war dieß am Ende nur eine Ausgleichung persoͤnlicher Anspruͤche, aber die eine allgemeine Bedeutung in sich schloß. Von einem so entschlossenen Eiferer wie Ferdinand ließ sich nichts anderes erwarten, als daß er unverzuͤglich auch hier seinem Glauben die Alleinherrschaft zu verschaffen, und darnach die gesammte Kraft dieser Laͤnder zur Fortpflan- zung des Katholicismus zu verwenden suchen werde. Eine gemeinschaftliche Gefahr fuͤr alle Protestanten in den Erblanden, in Deutschland und in Europa. Eben deshalb erhob sich zunaͤchst an diesem Punkte der Gegensatz. Die Protestanten, die sich dem Vordringen des Katholicismus entgegengeworfen, waren nicht allein zur Ge- genwehr geruͤstet, sie hatten Muth genug die Vertheidi- gung sogleich in einen Angriff zu verwandeln. In Churfuͤrst Friedrich von der Pfalz concentrirten sich die Elemente des europaͤischen Protestantismus. Seine Ge- mahlin war die Tochter des Koͤnigs von England, die Nichte des Koͤnigs von Daͤnemark: sein Oheim Prinz Mo- ritz von Oranien: nahe mit ihm verwandt das Oberhaupt der franzoͤsischen Hugenotten von der minder friedlichen Par- tei, der Herzog von Bouillon. Er selbst stand an der Spitze der deutschen Union. Ein ernster Fuͤrst, der Selbst- beherrschung genug besaß um sich von den schlechten Ge- wohnheiten frei zu halten, die damals an den deutschen Hoͤfen herrschten, und sich vielmehr angelegen seyn ließ seine landesherrlichen Pflichten zu erfuͤllen, den Sitzungen seines geheimen Rathes fleißig beizuwohnen: — etwas me- Buch VII. Kap. 2. Ausbruch lancholisch, stolz, voll hoher Gedanken Relatione di Germania 1617: Federico V d’età di anni 20, di mezzana statura, d’aspetto grave, di natura malinconico, di carnaggione buona, uomo di alti pensieri, e rare volte si ral- legra, e coll’ appoggio dell’accasamento fatto con la figliuola del re d’Inghilterra e di altri parenti e confederati aspirarebbe a cose maggiori se segli appresentasse occasione a proposito: onde essendo ben conosciuto suo naturale per il colonnello di Scomburg già suo ajo, seppe così ben valersene, accomodan- dosi al suo umore, che mentre visse fu più d’ogni altro suo con- fidente. . Zu seines Vaters Zeit standen im Speisesaale auch Tische fuͤr Raͤthe und Edel- leute: er ließ sie alle wegschaffen: er speiste nur mit Fuͤr- sten und hoͤchsten Personen. Man naͤhrte an diesem Hofe ein lebhaftes Gefuͤhl einer großen politischen Bestimmung: geflissentlich warf man sich in tausend weitausschende Verbindungen: da so lange nicht ernstlich geschlagen wor- den, hatte man keinen deutlichen Begriff, was sich errei- chen lasse, was die Zukunft bringen koͤnne: den verwegen- sten Entwuͤrfen gab man Raum. In dieser Stimmung war der Hof zu Heidelberg, als die Boͤhmen, die besonders im Gefuͤhle jener religioͤsen Ge- fahr mit dem Hause Oestreich in eine immer heftiger auf- brausende Entzweiung gerathen waren, sich entschlossen Fer- dinand zu verwerfen, obwohl er ihr Wort bereits besaß, und dem Churfuͤrsten von der Pfalz ihre Krone anzutragen. Einen Augenblick bedachte sich Churfuͤrst Friedrich. Es war doch unerhoͤrt, daß ein deutscher Fuͤrst einem an- dern eine demselben rechtmaͤßig zufallende Krone entreißen wollte! Aber alle seine Freunde, Moritz, der den Still- stand mit den Spaniern nie gemocht, der Herzog von Bouil- eines allgemeinen Krieges . Bouillon, Christian von Anhalt, welcher das ganze Ge- triebe der europaͤischen Politik uͤbersah, und sich uͤberzeugt hielt, es werde Niemand den Muth und die Macht ha- ben sich dem vollzogenen Ereigniß zu widersetzen, seine vertrautesten Raͤthe feuerten ihn an: die unermeßliche Aus- sicht, Ehrgeiz und Religionseifer zugleich rissen ihn hin: er nahm die Krone an (August 1619). Welch einen Er- folg mußte es haben, wenn er sich behauptete! Die Macht des Hauses Oestreich im oͤstlichen Europa waͤre gebrochen, der Fortgang des Katholicismus auf immer gehemmt ge- wesen. Und schon regten sich ihm allenthalben maͤchtige Sym- pathien. In Frankreich erhob sich eine allgemeine Bewe- gung unter den Hugenotten: die Bearner widersetzten sich jenem koͤniglichen Befehle: die Assemblee zu Loudun nahm sich ihrer an: nichts waͤre der Koͤnigin Mutter erwuͤnsch- ter gewesen als diese kriegsbereite Opposition fuͤr sich zu gewinnen: schon war Rohan auf ihrer Seite, und hatte ihr den Beitritt der Uebrigen versprochen. Da war auch in dem unaufhoͤrlich wogenden Grau- buͤndten die katholisch-spanische Partei wieder einmal unter- druͤckt, die protestantische zur Herrschaft emporgestiegen: mit Vergnuͤgen empfing das Gericht zu Davos die Botschafter des neuen Koͤnigs von Boͤhmen, und versprach ihm, die Paͤsse des Landes den Spaniern auf ewig verschlossen zu halten Den Zusammenhang dieser Ereignisse, auf den man spaͤter nicht mehr achtete, fuͤhlten die Zeitgenossen. Fuͤrstl. Anhaltische Geh. Canzlei Fortsetzung p. 67. . Bemerken wir wohl, daß sich hiemit auch zugleich die Päpste* 29 Buch VII. Kap. 2. Allgemeiner Krieg . republikanischen Tendenzen erhoben. Nicht allein behaupteten die boͤhmischen Staͤnde ihrem gewaͤhlten Koͤnig gegenuͤber eine natuͤrliche Unabhaͤngigkeit: in allen oͤstreichischen Erb- landen suchte man sie nachzuahmen: die deutschen Reichs- staͤdte faßten neue Hoffnungen, und in der That ist die beste Geldhuͤlfe, die Friedrich bei seinem Unternehmen empfing, von dieser Seite gekommen. Allein eben darum, aus dem doppelten Gesichtspunkte der Religion und der Politik, nahmen sich nun auch die katholischen Fuͤrsten mehr als je zusammen. Maximilian von Baiern und Ferdinand, der das Gluͤck gehabt hatte in diesem Augenblicke zum Kaiser ernannt zu werden, schlossen den engsten Bund: der Koͤnig von Spa- nien ruͤstete sich zu nachdruͤcklicher Huͤlfleistung: Papst Paul V. ließ sich zu sehr ansehnlichen und willkommenen Subsidienzahlungen bewegen. Wie die Winde in der stuͤrmischen Jahreszeit zuwei- len ploͤtzlich umschlagen: so trat der Strom des Gluͤckes, des Vollbringens mit einem Mal auf die andere Seite. Den Katholischen gelang es, einen der maͤchtigsten pro- testantischen Fuͤrsten, aber einen Lutheraner, dem jene von dem Calvinismus ausgegangene Bewegung von Herzen ver- haßt war, den Churfuͤrsten von Sachsen, fuͤr sich zu ge- winnen. Schon hierauf erhoben sie sich mit der gewissen Hoff- nung des Sieges. Eine einzige Schlacht, am weißen Berge 8. November 1620, machte der Gewalt des pfaͤlzischen Friedrich und allen seinen Entwuͤrfen ein Ende. Siege des Katholicismus . Denn auch die Union vertheidigte ihr Oberhaupt nicht mit dem noͤthigen Nachdruck. Es mag wohl seyn, daß jenes republikanische Element den vereinten Fuͤrsten selbst gefaͤhr- lich vorkam: sie wollten den Hollaͤndern den Rhein nicht einraͤumen: sie fuͤrchteten die Analogien welche ihre Ver- fassung in Deutschland erwecken moͤchte. Auf der Stelle erfochten die Katholiken auch in Oberdeutschland das Ueber- gewicht. Die Oberpfalz ward von den Baiern, die Unter- pfalz von den Spaniern besetzt: schon im April 1621 loͤste die Union sich auf. Alles was sich zu Gunsten Friedrichs regte und erhob, ward verjagt oder zerschmettert. In Ei- nem Moment, unmittelbar nach der groͤßten Gefahr, war das katholische Prinzip in dem obern Deutschland und in den oͤstreichischen Provinzen allmaͤchtig. In dem erkaͤmpfte es sich auch in Frankreich eine große Entscheidung. Nach einem gluͤcklichen Schlage den die koͤ- nigliche Gewalt gegen die ihr entgegengesetzten Factionen des Hofes, die Partei der Koͤnigin Mutter gefuͤhrt, mit denen allerdings die Hugenotten in naher Beruͤhrung ge- standen Selbst Benoist sagt II, 291: Les reformés n’auroient at- tendu que les premiers succès pour se ranger au même parti (de la reine). , drang der paͤpstliche Nuntius darauf, daß man den guͤnstigen Augenblick zu einer Unternehmung gegen den Protestantismus uͤberhaupt benutzen muͤsse: er wollte von keinem Aufschub hoͤren: er meinte, was in Frankreich erst einmal verschoben werde, geschehe dann niemals Siri: Memorie recondite tom. V, p. 148. : er riß Luines und den Koͤnig mit sich fort. In Bearn bestan- 29* Buch VII. Kap. 2. Allgemeiner Krieg den noch die alten Factionen, Beaumont und Grammont, die sich seit Jahrhunderten bekaͤmpft: ihr Zwist verursachte, daß der Koͤnig unaufgehalten in dem Lande einzog, die be- waffnete Macht, die Verfassung desselben aufloͤste, und die Herrschaft der katholischen Kirche wiederherstellte. Zwar trafen die Protestanten im eigentlichen Frankreich nunmehr Anstalt sich ihrer Glaubensbruͤder anzunehmen: aber sie wurden im Jahre 1621 allenthalben geschlagen. Da hatte sich auch ein veltlinisches Oberhaupt, Jacob Robustelli, mit katholischen Verbannten aus dem Lande, einigen Banditen aus dem Mailaͤndischen und Venezianischen umgeben, und den Entschluß gefaßt die Herrschaft der Graubuͤndtner, de- ren protestantische Tendenz auf diesen Landestheil so besonders druͤckte, ein Ende zu machen. Ein Capuzinerpater entflammte die an sich blutduͤrstige Schaar zu religioͤs-fanatischem Eifer: in der Nacht zum 19. Juli 1620 drang sie in Tirano ein: in der Morgendaͤmmerung laͤutete sie die Glocken: indem die Protestanten hieruͤber aus ihren Haͤusern stuͤrzten, wur- den sie angefallen, uͤberwaͤltigt und saͤmmtlich ermordet. Wie in Tirano, so gleich darauf im ganzen Thal. Verge- bens kamen die Graubuͤndtner aus dem hohen Gebirg mehr als einmal herab, um die verlorne Herrschaft wiederzuer- obern: so oft sie kamen, wurden sie auch geschlagen. Im Jahre 1621 drangen die Oestreicher aus Tyrol, die Spa- nier aus Mailand sogar in das eigentliche Graubuͤndten ein. „Das rauhe Gebirg erfuͤllte sich mit Mordgeheul: von den Feuersbruͤnsten der einsamen Haͤuser ward es furcht- bar beleuchtet.“ Die Paͤsse und das ganze Land wurden in Besitz genommen. Siege des Katholicismus . In diesem gewaltigen Fortgange wachten alle Hoff- nungen der Katholischen auf. Der paͤpstliche Hof stellte dem spanischen vor, die Nie- derlaͤnder seyen entzweit, und jetzt ohne Verbuͤndete, eine gelegenere Zeit koͤnne es nicht geben um den Krieg gegen die alten Rebellen zu erneuern: es gelang ihm die Spanier zu uͤberreden Instruttione a M re Sangro. Là onde S. M tà non può voltare le sue forze in miglior tempo ovvero opportunità. . Der Kanzler von Brabant, Peter Peckius erschien am 25. Merz 1621 im Haag, und statt auf die Erneuerung des Stillstandes, welcher eben ablief, trug er auf die Anerkennung der rechtmaͤßigen Fuͤrsten an Woͤrtlich auf eine Vereinigung sub agnitione dominorum principumque legitimorum. Antrag und Antwort in Leonis ab Aitzema historia tractatuum pacis Belgicae p. 2. u. 4. . Die Generalstaaten erklaͤrten diese Anmuthung fuͤr ungerecht, un- erwartet, ja unmenschlich: — die Feindseligkeiten brachen wieder aus. Auch hier waren die Spanier anfangs im Vortheil. Sie entrissen den Niederlaͤndern Juͤlich: was ihren Unternehmungen am Rhein einen großen Abschluß gab. Von Emmerich bis Straßburg hatten sie das linke Rheinufer inne. So viele zusammentreffende Siege auf einmal, auf so verschiedenen Seiten, von so mannigfaltiger Vorbereitung, die aber im Lichte der Weltentwickelung uͤberschaut, doch in der That einen einzigen bilden. Betrachten wir nun, was fuͤr uns das Wichtigste ist, wie man sie benutzte. Buch VII. Kap. 2. Siege Gregor XV. Bei der Procession, die man zur Feier der Schlacht am weißen Berge veranstaltete, erlitt Paul V. den An- fall eines Schlages: kurz darauf folgte ein zweiter, an dessen Folgen er starb — 28sten Januar 1621. Die neue Wahl vollzog sich im Allgemeinen wie die fruͤheren. Paul V. hatte so lange regiert, daß unter ihm beinahe das gesammte Collegium erneuert worden war: bei weitem der groͤßte Theil der Cardinaͤle hing deshalb von seinem Nepoten dem Cardinal Borghese ab. Nach eini- gem Schwanken fand derselbe den Mann, uͤber den sich alle seine Anhaͤnger vereinigten, Alexander Ludovisio von Bo- logna, der dann auch sofort gewaͤhlt ward, 9. Februar 1621, und den Namen Gregor XV. annahm. Ein kleiner, phlegmatischer Mann, der sich in fruͤhern Zeiten den Ruf erworben geschickt zu unterhandeln, es zu verstehn ohne Aufsehen, im Stillen, zu seinem Ziele zu ge- langen Relatione di IV ambasciatori 1521: di pelo che avvici- nasi al biondo. La natura sua è sempre conosciuta placida e flemmatica, lontana dall’imbarraciarsi in rotture, amicissimo d’andare in negotio destreggiando et avanzando li proprj fini. : jetzt aber schon vom Alter gebeugt, schwach und krank. Was sollte man fuͤr den Moment des welthistorischen Kampfes in welchem man sich befand, von einem Papste erwarten, dem man sich oft nicht getraute schwierige Ge- schaͤfte mitzutheilen, aus Furcht seiner Gebrechlichkeit den letzten Stoß zu geben Rainier Zeno: Relatione di Roma 1623: aggiungendosi . des Katholicismus. Gregor XV. Allein zur Seite dieses hinsterbenden Greises trat ein junger Mann von 25 Jahren auf, sein Nepote Ludovico Ludovisio, der sich sogleich in Besitz der paͤpstlichen Allge- walt setzte, und so viel Geist und Kuͤhnheit zeigte, als die Lage der Dinge nur immer erforderte. Ludovico Ludovisio war praͤchtig, glaͤnzend, versaͤumte nicht Reichthuͤmer an sich zu bringen, vortheilhafte Fami- lienverbindungen zu schließen, seine Freunde zu beguͤnstigen, zu befoͤrdern: er lebte und ließ leben: aber dabei hatte er doch auch die großen Interessen der Kirche im Auge: selbst seine Feinde gestehn ihm wahrhaftes Talent fuͤr die Lei- tung der Geschaͤfte zu, einen richtig fuͤhlenden Geist der in den schwierigsten Verwickelungen eine befriedigende Aus- kunft entdeckte, und alle den unbesorgten Muth der dazu gehoͤrt ein moͤgliches Ergebniß in dem Dunkel der Zukunft wahrzunehmen und darauf hinzusteuern Rainier Zeno: È d’ingegno vivacissimo: l’ha dimostrato nel suo governo per l’abondanza dei partiti che in ogni grave trattatione gli suggerivano suoi spiriti nati per comandare, i quali se bene in molte parti aberravano dell’uopo della bona politica, nondimeno l’intrepidezza, con la quale si mostrava pronto ad abbracciare ogni ripiego appreso da lui per buono, poco curan- dosi di consigli di chi gli haveria potuto esser maestro, davano a credere che la sua natura sdegnava una privata conditione. . Haͤtte ihn nicht die Schwaͤchlichkeit des Oheims, die ihm keine lange Dauer seiner Gewalt verhieß, in Schranken gehalten, so wuͤrde keine Ruͤcksicht auf der Welt Einfluß auf ihn gehabt haben. Da ist nun sehr wichtig, daß der Nepote wie der Papst von der Idee, in der Ausbreitung des Katholicismus all’età cadente una fiacchissima complessione in un corpiccivolo stenuato e mal affetto. Buch VII. Kap. 2. Siege das Heil der Welt zu erblicken, erfuͤllt war. Cardinal Lu- dovisio war von den Jesuiten erzogen und ihr großer Goͤn- ner: die Kirche S. Ignatius zu Rom ist großentheils auf seine Kosten gebaut worden: er gab etwas darauf, daß er Protector der Capuziner wurde, und meinte, das sey die wich- tigste Protection die er habe: mit Vorliebe und Hingebung widmete er sich der devotesten Abstufung roͤmischer Mei- nungen Giunti: Vita e fatti di Ludovico Ludovisio MS. . Will man sich den Geist der neuen Verwaltung im Allgemeinen vergegenwaͤrtigen, so braucht man sich nur zu erinnern, daß Gregor XV. es ist, unter dem die Propa- ganda gestiftet, und die Begruͤnder der Jesuiten, Ignatius und Xaver, heilig gesprochen worden sind. Der Ursprung der Propaganda liegt eigentlich schon in einer Anordnung Gregors XIII , durch welche eine Anzahl Cardinaͤle mit der Leitung der Missionen im Orient beauf- tragt und der Druck von Katechismen in den minder be- kannten Sprachen angeordnet wurde Cocquelines: Praefatio ad Maffei Annales Gregorii XIII p. V. . Jedoch war das Institut weder fest begruͤndet, noch mit den noͤthigen Mit- teln versehen, noch auch umfassend. Nun bluͤhte damals ein großer Prediger zu Rom, Girolamo da Narni, der sich durch ein Leben, das ihm den Ruf eines Heiligen verschaffte, die allgemeine Verehrung erwarb, und auf der Kanzel eine Gedankenfuͤlle, Gediegenheit des Ausdrucks, Majestaͤt des Vortrags entwickelte, welche Jedermann hinriß. Als Bel- larmin einst aus einer Predigt desselben kam, sagte er, er des Katholicismus. Gregor XV. glaube daß ihm so eben von den drei Wuͤnschen des h. Au- gustin einer gewaͤhrt worden sey, nemlich der Wunsch S. Paulum zu hoͤren. Auch Cardinal Ludovisio stand ihm nahe: er hat die Kosten zum Druck seiner Predigten hergegeben. Dieser Capuziner nun zunaͤchst faßte den Gedanken einer Erweiterung jenes Institutes Fr. Hierothei: Epitome historica rerum Franciscanarum etc. p. 362: „publicis suasionibus et consiliis privatis“ habe Fra Girolamo den Papst veranlaßt. Vgl. Cerri: Etat présent de l’é- glise Romaine p. 289. Man findet da auch eine ausfuͤhrlichere Schilderung des Institutes und der Zunahme seines Vermoͤgens. . Auf seinen Rath ward eine Congregation in aller Form gegruͤndet, um in regel- maͤßigen Sitzungen die Leitung der Missionen in allen Thei- len der Welt zu besorgen: wenigstens jeden Monat einmal sollte sie sich vor dem Papste versammeln. Gregor XV. wies die ersten Gelder an: der Nepot steuerte aus seinem Privatvermoͤgen bei: und da dieß Institut einem in der That vorhandenen Beduͤrfnisse entgegenkam, das sich eben fuͤhlbar machte, so nahm es sich von Tage zu Tage glaͤn- zender auf. Wer weiß nicht, was die Propaganda schon fuͤr allgemeine Sprachkunde gethan hat? Sie hat aber uͤberhaupt, und vielleicht in den ersten Zeiten am erfolg- reichsten, ihren Beruf auf eine großartige Weise zu erfuͤllen gesucht. An diese Gesichtspunkte schloß sich die Canonisa- tion jener beiden Jesuiten an. „Zu der Zeit“, sagt die Bulle, „als man neue Welten gefunden, und als in der alten sich Luther zur Bekaͤmpfung der katholischen Kirche erhoben habe, sey der Geist Ignatio Loiolas zur Stiftung einer Gesell- schaft erweckt worden, die sich vorzugsweise der Bekehrung Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung der Heiden und der Herbeibringung der Ketzer widme. Vor allen andern Mitgliedern derselben habe sich aber Franz Xaver wuͤrdig gemacht, der Apostel der neugefundenen Na- tionen zu heißen. Deshalb seyen sie jetzt beide in das Verzeichniß der Heiligen aufgenommen: Kirchen und Al- taͤre, wo man Gott sein Opfer darbringe, sollen ihnen ge- weihet werden“ Bullarium Cocquelines V, 131. 137. . Und in dem Geiste nun, der sich in diesen Acten dar- stellt, traf die neue Regierung auch unverweilt Anstalt, den Siegen welche die Katholiken erfochten, Bekehrungen fol- gen zu lassen, die Eroberungen die sie gemacht, durch Wiederherstellung der Religion zu rechtfertigen und zu be- festigen. „Alle unsere Gedanken“, sagt eine der ersten In- structionen Gregors XV , „muͤssen wir dahin richten, von dem gluͤcklichen Umschwung, von der sieghaften Lage der Dinge so viel Vortheil zu ziehen als moͤglich“. Ein Vor- haben, das auf das glaͤnzendste gelang. Allgemeine Ausbreitung des Katholicismus. 1. Boͤhmen, die oͤstreichischen Erblande. Zuerst fiel das Augenmerk der paͤpstlichen Gewalt auf das aufgehende Gluͤck der katholischen Meinung in den oͤst- reichischen Provinzen. Indem Gregor XV. dem Kaiser die Subsidien ver- des Katholicismus. Boͤhmen . doppelte Von 20000 Gulden auf 20000 Scudi. Das Geschenk 200000 Sc. Er haͤtte gewuͤnscht davon selbst Regimenter unter paͤpstlicher Autoritaͤt zu erhalten. , die ihm bisher gezahlt worden, und ihm zu- gleich ein nicht unbetraͤchtliches außerordentliches Geschenk versprach — obwohl er, wie er sagt, kaum selbst zu leben uͤbrig behalte, — schaͤrft er ihm ein, daß er keinen Augen- blick zoͤgern, seinen Sieg auf das rascheste verfolgen, und zugleich die Herstellung der katholischen Religion ins Werk setzen moͤge Instruttione al vescovo d’Aversa 12 Apr. 1621: non è tempo di indugi nè di coperti andamenti. — Besonders hielt man zu Rom Bucquoi fuͤr allzu langsam. La prestezza apportarebbe il rimedio di tanti mali, se dal conte di Bucquoi per altro valo- roso capitano ella si potesse sperare. . Nur durch diese Herstellung koͤnne er dem Gott des Sieges danken. Er geht von dem Grundsatze aus, durch die Rebellion seyen die Lande der Nothwendig- keit eines strengeren Zwanges verfallen: man muͤsse sie mit Gewalt noͤthigen ihre Gottlosigkeiten fahren zu lassen. Der Nuntius, welchen Gregor XV. an den Kaiser schickte, war der in deutschen Geschichten wohlbekannte Carl Caraffa. Aus den beiden Relationen die von ihm uͤbrig sind, die eine gedruckt, die andere handschriftlich, koͤnnen wir mit Sicherheit entnehmen, welche Maaßregeln er zur Erreichung jener Absichten ergriffen hat. In Boͤhmen, wo seine Thaͤtigkeit begann, war seine erste Sorge, die protestantischen Prediger und Schullehrer zu entfernen, „welche der Beleidigung goͤttlicher und mensch- licher Majestaͤt schuldig seyen.“ Nicht so ganz leicht ward ihm dieß: die Mitglieder Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung der kaiserlichen Regierung zu Prag fanden es noch zu ge- faͤhrlich. Erst als Mansfeld aus der Oberpfalz vertrieben, alle auswaͤrtige Gefahr entfernt, und ein paar auf das Verlangen des Nuntius angeworbene Regimenter in Prag eingeruͤckt waren, am 13ten Dezember 1621, wagte man dazu zu schreiten. Aber auch dann schonte man noch die beiden lutherischen Prediger aus Ruͤcksicht auf den Chur- fuͤrsten von Sachsen. Der Nuntius, Repraͤsentant eines Prinzipes das keine Ruͤcksicht kennt, wollte davon nichts hoͤren: er klagte, das ganze Volk haͤnge sich an die Leute, ein katholischer Priester bekomme nichts zu thun, er finde sein Auskommen nicht Caraffa ragguaglio MS: conducevano in disperatione i parochi catolici per vedersi da essi (Luterani) levarsi ogni emo- lumento. Die gedruckten Commentarii haben jedoch einen osten- siblern Grund: „quamdiu illi haerebant, tamdiu adhuc sperabant sectarii S. Majestatem concessurum aliquando liberam faculta- tem“ (p. 130). . Im October 1622 drang er endlich durch, und auch die lutherischen Prediger wurden verwiesen. Einen Augenblick schien es, als wuͤrden sich die Befuͤrchtungen der Regierungsraͤthe bewaͤhren: der Chur- fuͤrst von Sachsen erließ ein drohendes Schreiben, und nahm in den wichtigsten Fragen eine feindselige Stellung an: selbst der Kaiser sagte dem Nuntius einmal, man habe wohl allzuviel Eile gehabt, und es waͤre besser gewesen eine gelegenere Zeit zu erwarten Caraffa ragguaglio: Sua M tà mi si dimostrò con que- sto di qualche pensiere, ed uscì a dirmi che si haveva havuta troppa prescia e che saria stato meglio cacciare quei predicanti in altro tempo dopo che si fosse tenuto il convento in Ratis- bona. Al che io replicai che Sua Maestà poteva havere più . Jedoch man kannte des Katholicismus. Boͤhmen . die Mittel Ferdinand festzuhalten: der alte Bischof von Wuͤrzburg stellte ihm vor: „vor Gefahren werde ein glorreicher Kaiser nicht erschrecken; es stehe ihm auch alle- mal besser an, in die Gewalt der Menschen zu fallen als in die Haͤnde des lebendigen Gottes.“ Der Kaiser gab nach. Der Nuntius erlebte den Triumph, daß Sachsen sich die Entfernung der Prediger zuletzt doch gefallen ließ, und von seiner Opposition zuruͤcktrat. Hiedurch war der Weg geebnet. An die Stelle der protestantischen Prediger traten — denn an Weltgeistlichen hatte man noch einen empfindlichen Mangel — Dominicaner, Augustiner, Carmeliter: aus Gnesen langte eine ganze Co- lonie Franciscaner an: die Jesuiten ließen es nicht an sich fehlen: als ein Schreiben der Propaganda einlief, worin sie ersucht wurden die Stellen von Pfarrern zu uͤberneh- men, hatten sie das schon gethan Cordara: Historia societatis Jesu tom. VI, lib. VII, p. 38. . Und nun haͤtte nur noch die Frage seyn koͤnnen, ob man nicht wenigstens zum Theil den nationalen utraqui- stischen Ritus nach den Bestimmungen des Basler Conci- liums bestehn lassen duͤrfe. Die Regierungsraͤthe, der Gouverneur selbst, Fuͤrst Lichtenstein, waren dafuͤr Nach den bisherigen Annahmen, z. B. bei Senkenberg, Fortsetzung der haͤberlinschen Reichshistorie Bd. 25, p. 156, Note k , : sie tosto errato nella tardanza che nella fretta circa questo fatto, poichè se il Sassone fosse venuto al convento, di che non am- mettono che egli havesse avuta mai la volontà, si sapeva per ognuno che haverebbe domandato a S. M à che a sua con- templazione permettesse in Praga l’esercizio Luterano che già vi era. Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung gestatteten, daß der gruͤne Donnerstag 1622 noch einmal mit dem Genuß beider Gestalten gefeiert wurde; und schon erhob sich eine Stimme in dem Volke, daß man sich die- sen altherkoͤmmlichen vaterlaͤndischen Gebrauch nicht entrei- ßen lassen duͤrfe. Aber durch keine Vorstellung war der Nuntius dafuͤr zu stimmen, unerschuͤtterlich hielt er die Gesichtspunkte der Curie fest: er wußte wohl, daß der Kai- ser sie zuletzt billigen werde; und in der That gelang es ihm, eine Erklaͤrung desselben auszubringen, daß sich seine weltliche Regierung in die religioͤsen Geschaͤfte nicht zu mi- schen habe. Hierauf ward die Messe allenthalben nur noch nach roͤmischem Ritus gehalten: lateinisch, mit Ausspren- gung von Weihwasser und Anrufung der Heiligen: an den Genuß beider Gestalten war nicht mehr zu denken, der keckste Vertheidiger dieses Gebrauchs wurde gefangen ge- setzt: endlich ward auch das Symbol des Utraquismus der große Kelch mit dem Schwert an der Theinkirche, des- sen Anblick die alten Erinnerungen wach erhalten haͤtte, her- untergenommen. Den sechsten Juli, wo man sonst das Andenken an Johann Huß gefeiert, wurden die Kirchen sorgfaͤltig verschlossen gehalten. Dieser strengsten Einwirkung roͤmischer Dogmen und Gebraͤuche kam nun die Regierung mit politischen Mitteln zu Huͤlfe. Die Confiscationen brachten einen betraͤchtlichen Theil des Landeigenthums in katholische Haͤnde; die Er- werbung liegender Gruͤnde ward den Protestanten so gut sollte man von Lichtenstein das Gegentheil glauben. Doch waͤre das ganz falsch, wie sich aus Caraffa ergibt. Der Nuntius fand dage- gen bei Plateis Unterstuͤtzung. des Katholicismus. Boͤhmen . wie unmoͤglich gemacht Caraffa: con ordine che non si potessero inserire nelle tavole del regno, il che apportò indicibile giovamento alla ri- forma per tutto quel tempo. ; in allen koͤniglichen Staͤdten ward der Rath geaͤndert; man haͤtte kein Mitglied darin geduldet, dessen Katholicismus verdaͤchtig gewesen waͤre; die Rebellen wurden begnadigt, so bald sie sich bekehrten: den Widerspenstigen dagegen, den Unuͤberzeugbaren, die sich den geistlichen Ermahnungen nicht fuͤgen wollten, wurde Einquartierung in die Haͤuser gelegt, „damit“, wie der Nuntius woͤrtlich sagt, „ihre Drangsale ihnen Einsicht verschaffen moͤchten“ „acciò il travaglio desse loro senso ed intelletto“; was denn auch im gedruckten Werke wiederholt ist: cognitumque fuit solam vexationem posse Bohemis intellectum praebere. . Die Wirkung, die aus dieser vereinigten Anwen- dung von Gewalt und Lehre entsprang, war selbst dem Nuntius unerwartet. Er war erstaunt, wie zahlreich die Kirchen in Prag besucht wurden, manchen Sonntag Mor- gen von zwei bis dreitausend Menschen, und wie beschei- den, andaͤchtig und aͤußerlich katholisch sich diese betrugen. Er leitet das daher, daß die katholischen Erinnerungen hier doch niemals ganz verloschen gewesen: — wie man z. B. das große Crucifix auf der Bruͤcke selbst von der Gemah- lin Koͤnig Friedrichs nicht habe wegnehmen lassen; der Grund wird seyn, daß die protestantischen Ueberzeugungen die Massen hier in der That noch nicht durchdrungen hat- ten. Unaufhaltsam schritt die Bekehrung vorwaͤrts: im Jahre 1624 wollen die Jesuiten allein 16000 Seelen zur Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung katholischen Kirche zuruͤckgebracht haben Caraffa: messovi un sacerdote catolico di molta dottrina e poi facendosi missioni di alcuni padri Gesuiti. . In Tabor, wo der Protestantismus ausschließend zu herrschen geschienen, traten bereits Ostern 1622 funfzig, Ostern 1623 alle an- dern Familien uͤber. Wie so vollkommen ist Boͤhmen mit der Zeit katholisch geworden. Wie nun in Boͤhmen, ging es auch in Maͤhren, und hier kam man sogar noch rascher zum Ziel, da der Cardinal Dietrichstein, zugleich Gouverneur des Landes und Bischof von Olmuͤtz, geistliche und weltliche Gewalt in diesem Sinne vereinigte. Nur fand sich hier eine besondere Schwierig- keit. Der Adel wollte sich die maͤhrischen Bruͤder nicht entreißen lassen, deren Dienste in Haus und Feld unschaͤtz- bar, deren Ortschaften die bluͤhendsten im Lande waren Ragguaglio di Caraffa: Essendo essi tenuti huomini d’in- dustria e d’integrità venivano impiegati nella custodia de’ ter- reni, delle case, delle cantine e de’ molini, oltre che lavorando eccellentemente in alcuni mestieri erano divenuti ricchi e con- tribuivano gran parte del loro guadagno a’signori de’ luoghi ne’ quali habitavano, sebbene da qualche tempo indietro havevano cominciato a corrompersi essendo entrata tra di loro l’ambizione e l’avarizia con qualche parte di lusso per comodità della vita. Costoro si erano sempre andati augumentando in Moravia, per- ciocchè oltre a quelli che seducevano nella provincia e ne’ luo- ghi convicini, havevano corrispondenza per tutti li luoghi della Germania, di dove ricorrevano alla loro fratellanza tutti quelli che per debito o povertà disperavano potersi sostentare, e specialmente veniva ad essi gran numero di poveri Grisoni e di ; in dem geheimen Rathe des Kaisers selbst fanden sie Fuͤr- sprache. Jedoch der Nuntius und das Prinzip siegten auch hier. Bei 15000 wurden entfernt. Un- des Kathol. Maͤhren. Oestreich. Ungarn . Unter diesen Umstaͤnden wurden die so oft wiederhol- ten, so oft mißlungenen Versuche den Katholicismus in dem eigentlichen Oestreich herzustellen endlich mit entschei- dendem Erfolge erneuert Es war der erste Gedanke des Kaisers gewesen, noch vor der Prager Schlacht, so wie Maximilian das oberoͤstreichische Gebiet betrat: er drang in denselben, unverzuͤglich die Praͤdicanten abzustel- len, „damit die Pfeifer abgeschafft und der Tanz eingestellt werde“. Sein Schreiben in Breiers Forts. von Wolfs Maximilian. IV, 414. . Erst wurden die der Rebellion angeklagten, dann alle andern Prediger verjagt; mit einem Zehrpfennig versehen, fuhren die armen Leute langsam die Donau hinauf: man rief ihnen nach: wo ist nun eure feste Burg? Der Kaiser erklaͤrte den Landstaͤnden gerade heraus: „er habe sich und seinen Nachkommen die Dispo- sition uͤber die Religion gaͤnzlich und allerdings vorbehal- ten.“ Im October 1624 erschien eine Commission, die den Einwohnern eine Frist setzte, binnen welcher sie sich zum katholischen Ritus bekennen oder das Land geraͤumt haben muͤßten. Nur dem Adel ward noch fuͤr den Augenblick und persoͤnlich einige Nachsicht gewaͤhrt. Nun konnte man in Ungarn, obschon es auch besiegt war, wohl nicht so gewaltsam verfahren: doch brachten der Zug der Dinge, die Gunst der Regierung und vor allem die Bemuͤhungen des Erzbischofs Pazmany auch hier eine Veraͤn- derung hervor. Pazmany besaß ein großes Talent seine Mut- tersprache gut zu schreiben. Sein Buch: Kalauz Hodoegus Igazságra vezérlö Kalauz. Presb. 1613, 1623. , geist- Svevia lasciandosi rapire da quel nome di fratellanza e sicurtà di havere sempre del pane, che in casa loro diffidavano potersi col proprio sudore guadagnare, onde si sono avvanzati alle volte sino al numero di centomila. Päpste* 30 Buch VII. Kap. 1. Ausbreitung des Kathol . reich und gelehrt, war fuͤr seine Landsleute unwiderstehlich. Auch die Gabe der Rede war ihm verliehen: er soll bei 50 Familien persoͤnlich zum Uebertritt bewogen haben. Na- men wie Zrinyi, Forgacz, Erdoͤdy, Balassa, Jakusith, Ho- monay, Adam Thurzo finden wir darunter. Der Graf Adam Zrinyi hat allein zwanzig protestantische Pfarrer verjagt und katholische an ihre Stelle gesetzt. Unter die- sen Einfluͤssen nahmen auch die ungarischen Reichsangele- genheiten eine andere Wendung. Auf dem Reichstage von 1625 hatte die katholisch-oͤstreichische Partei die Majori- taͤt. Ein Convertit, den der Hof wuͤnschte, ein Esterhazy, ward zum Palatin ernannt. Bemerken wir aber hier gleich den Unterschied. In Ungarn war der Uebertritt bei weitem freiwilliger als in den uͤbrigen Provinzen: die Magnaten gaben mit demsel- ben kein einziges ihrer Rechte auf: es koͤnnte eher seyn, daß sie neue erworben haͤtten. In den oͤstreichisch-boͤhmi- schen Landschaften dagegen hatte sich die ganze Selbstaͤn- digkeit der Staͤnde, ihre Kraft und Macht in die For- men des Protestantismns geworfen: ihr Uebertritt war, wenn nicht in jedem einzelnen Falle, doch im Ganzen erzwungen: mit der Wiederherstellung des Katholicismus trat hier zu- gleich die vollkommene Gewalt der Regierung ein. 2. Das Reich. Uebertragung der Chur. Wir wissen, wie so viel weiter man in dem deutschen Reiche schon war als in den Erblanden; demohnerachtet Das Reich. Pfalz . hatten die neuen Ereignisse auch hier eine unbeschreib- liche Wirkung. Einmal bekam die Gegenreformation wieder frischen Antrieb und ein neues Feld. Nachdem Maximilian die Oberpfalz in Besitz genom- men, zoͤgerte er nicht lange die Religion daselbst zu aͤn- dern: — er theilte die Landschaft in 20 Stationen, in de- nen 50 Jesuiten arbeiteten: die Kirchen wurden ihnen mit Gewalt uͤbergeben, die Uebung des protestantischen Gottes- dienstes uͤberhaupt verboten: je mehr die Wahrscheinlichkeit zunahm, daß das Land baierisch bleiben wuͤrde, um so mehr fuͤgten sich die Einwohner Kropff: Historia societatis Jesu in Germania superiori tom. IV, p. 271. . Auch die Unterpfalz betrachteten die Eroberer gleich als ihr Eigenthum. Schenkte doch Maximilian sogar die Heidelberger Bibliothek dem Papste! Schon vor der Eroberung nemlich — um hievon ein Wort hinzuzufuͤgen — hatte der Papst durch den Nuntius Montorio in Coͤln den Herzog um diese Gunst ersuchen las- sen: der Herzog hatte sie mit gewohnter Bereitwilligkeit versprochen: bei der ersten Nachricht von der Einnahme von Heidelberg machte dann Montorio sein Recht gel- tend. Man hatte ihm gesagt, daß vornehmlich die Hand- schriften von unschaͤtzbarem Werthe seyen, und er ließ Tilly nur bitten sie zunaͤchst vor der Pluͤnderung zu schuͤtzen Relatione di M r Montorio ritornato nunzio di Colonia 1624. Die Stelle im Anhang. . Dann schickte der Papst den Doctor Leone Allacci, Scrip- 30* Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung tor der Vaticana, nach Deutschland, die Buͤcher in Empfang zu nehmen. Gregor XV. nahm die Sache sehr hoch auf. Er erklaͤrte es fuͤr eines der gluͤcklichsten Ereignisse seines Pontificates, welches dem h. Stuhle, der Kirche, den Wis- senschaften zu Ehre und Nutzen gereichen werde: auch dem baierischen Namen sey es ruͤhmlich, daß eine so kostbare Beute zu ewigem Gedaͤchtniß in der Weltschaubuͤhne Rom aufbewahrt werde Che così pretioso spoglio e così nobil trofeo si con- servi a perpetua memoria in questo teatro del mondo. Instrut- tione al dottore Leon Allatio per andare in Germania per la li- breria del Palatino. Im Anhang wollen wir ihre Echtheit pruͤfen. . Uebrigens zeigte der Herzog auch hier einen unermuͤd- lichen reformatorischen Eifer: er uͤbertraf darin die Spa- nier, die doch auch gut katholisch waren Montorio: Benchè nelle terre che occupano i Spagnuoli non si camini con quel fervore con quale si camina in quelle che occupa il S r D a di Baviera alla conversione de’ popoli. . Mit Ent- zuͤcken sah der Nuntius in Heidelberg, „von wo die Norm der Calvinisten, der berufene Katechismus ausgegangen sey“, die Messe celebriren und Bekehrungen geschehen. Indessen reformirte Churfuͤrst Schweikard die Berg- straße, die er in Besitz genommen, — Markgraf Wilhelm Oberbaden, das ihm nach langem Proceß zuerkannt wor- den, obwohl sein Herkommen kaum ehelich, geschweige denn ebenbuͤrtig war: er hatte es dem Nuntius Caraffa schon vorher ausdruͤcklich versprochen Caraffa: Germania restaurata p. 129. . Auch in Landschaf- ten welche von den politischen Ereignissen nicht unmittelbar beruͤhrt worden, setzte man die alten Bestrebungen mit ver- des Katholicismus. Das Reich . juͤngtem Eifer fort: in Bamberg Besonders durch Joh. Georg Fuchs von Dornheim, der auch 23 ritterschaftliche Pfarreien wieder zum Katholicismus brachte. Jaͤck: Geschichte vom Bamberg II, 120. , Fulda, auf dem Eichs- felde: in Paderborn, wo zweimal nach einander katholische Bischoͤfe in Besitz gelangten: vorzuͤglich im Muͤnsterischen, wo Meppen, Vechta, Halteren, viele andere Bezirke im Jahre 1624 katholisch gemacht wurden: bis nach Halber- stadt und Magdeburg finden wir jesuitische Missionarien: in Altona siedeln sie sich an, um die Sprache zu lernen und alsdann nach Daͤnemark und Norwegen vorzudringen. Mit Gewalt, sehen wir, ergießen sich die katholischen Bestrebungen von dem obern Deutschland nach dem niede- ren, von dem Suͤden nach dem Norden. Indeß wird auch der Versuch gemacht in den allgemeinen Reichsangelegen- heiten einen neuen Standpunkt zu erobern. Unmittelbar bei dem Bundesabschluß hatte Ferdi- nand II. dem Herzog Maximilian das Versprechen gege- ben, im Falle eines gluͤcklichen Erfolges die pfaͤlzische Churwuͤrde auf ihn zu uͤbertragen Schreiben des Kaisers an Baltasar de Zuniga 15. Oct. 1621, abgedruckt bei Sattler: Wuͤrtemberg. Geschichte VI, p. 162. . Es kann keine Frage seyn, welchen Gesichtspunkt man katholischer Seits hiebei vorzuͤglich faßte. Der Stimmen- mehrheit welche diese Partei im Fuͤrstenrathe besaß, hatte sich bisher die gleiche Stimmenanzahl entgegengesetzt welche die protestantische im churfuͤrstlichen Collegium behauptete; geschah die Uebertragung, so war man einer solchen Fessel auf immer entledigt Instruttione a M r Sacchetti nuntio in Spagna bezeich- . Buch VII. Kap. 1. Ausbreitung des Kathol . Von jeher stand der paͤpstliche Hof mit Baiern in en- gem Vernehmen: auch Gregor XV. machte diese Sache recht eigentlich zu der seinigen. Gleich durch den ersten Nuntius, den er nach Spanien schickte, ließ er den Koͤnig ermahnen, zur Vernichtung des Pfalzgrafen, zur Uebertragung der Chur beizutragen, — was die kaiserliche Krone auf ewig den Katholiken sichern werde Instruttione a Mons r Sangro. Er wird ermahnt, di in- fervorare S. M tà , acciò non si lasci risorgere il Palatino, e si metta l’elettorato in persona cattolica, e si assicuri l’impero eter- namente fra cattolici. . Nicht so ganz leicht waren die Spanier dazu zu stimmen. Sie standen mit dem Koͤnige von England in den wichtigsten Unterhandlungen, und trugen Bedenken ihn in seinem Schwiegersohne, jenem Pfalzgrafen Friedrich, dem ja die Chur gehoͤrte, zu beleidigen. Um so eifriger ward Papst Gregor. An dem Nuntius war es ihm nicht genug: im Jahre 1622 finden wir auch den geschickten Capuziner Bruder Hyacinth, der das besondere Vertrauen Maximi- lians genoß, im paͤpstlichen Auftrage an dem spanischen Hofe Khevenhiller IX, p. 1766. . Hoͤchst ungern ging man dort naͤher heraus. Nur so viel erklaͤrte endlich der Koͤnig, er wolle die Chur lieber in dem baierischen Hause sehen als in seinem eigenen. Dem Bruder Hyacinth genuͤgte dieß. Mit dieser Erklaͤ- net die Ruͤckgabe der Pfalz als eine irreparabile perdita della re- putazione di questo fatto e della chiesa cattolica, se il papa ci avesse condisceso, con indicibil danno della religione cattolica e dell’ imperio, che tanti e tanti anni hanno bramato, senza po- terlo sapere non che ottenere, il quarto elettor cattolico in ser- vitio ancora del sangue Austriaco. Uebertragung der Chur . rung eilte er nach Wien, um dem Kaiser die Zweifel zu benehmen die er aus Ruͤcksicht auf Spanien hegen moͤchte. Hier kam ihm dann der gewohnte Einfluß des Nuntius Caraffa, der Papst selbst kam ihm mit einem neuen Schreiben zu Huͤlfe. „Siehe da“, ruft der Papst darin dem Kaiser zu, „die Pforten des Himmels sind geoͤffnet: die himmli- schen Heerscharen treiben dich an, eine so große Ehre zu erwerben: sie werden in deinem Lager fuͤr dich streiten.“ Eine besondere Betrachtung wirkte hiebei auf den Kai- ser, die ihn recht eigen bezeichnet. Schon lange dachte er auf die Uebertragung, und hatte diese Absicht in einem Briefe ausgesprochen, der den Protestanten in die Haͤnde fiel und von denselben bekannt gemacht ward. Der Kaiser fand sich hiedurch gleichsam gebunden. Er glaubte, es gehoͤre zur Behauptung seines kaiserlichen Ansehens, einen einmal ge- hegten Willen um so strenger festzuhalten, jemehr man da- von erfahren habe. Genug er faßte die Resolution, bei dem naͤchsten Churfuͤrstentage zur Uebertragung zu schreiten Caraffa: Germ. restaur. p. 120. . Es fragte sich nur, ob das auch die Reichsfuͤrsten bil- ligen wuͤrden. Das Meiste kam hiebei auf Schweikard von Mainz an, und der Nuntius Montorio wenigstens versi- chert, anfangs sey dieser bedaͤchtige Fuͤrst dagegen gewesen: er habe erklaͤrt, der Krieg werde sich nur noch furchtba- rer erneuern, als er schon gewuͤthet: uͤbrigens stehe, wenn man ja zu einer Veraͤnderung schreiten wolle, dem Pfalz- grafen von Neuburg das naͤhere Recht zu, man koͤnne ihn unmoͤglich vorbeigehn. Der Nuntius sagt nicht, wodurch er den Fuͤrsten endlich uͤberredete. „In den vier oder fuͤnf Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung Tagen, sind seine Worte die ich mit ihm in Aschaffenburg zubrachte, erlangte ich den erwuͤnschten Beschluß.“ Nur so viel sehen wir: auf den Fall, daß es aufs neue zum Krieg komme, ward die ernstliche Huͤlfe des Papstes zugesagt. Der Entschluß des Churfuͤrsten von Mainz war aber fuͤr die Sache entscheidend. Seine beiden rheinischen Colle- gen folgten seiner Meinung. Obwohl Brandenburg und Sachsen noch immer widersprachen — erst spaͤter ward der saͤchsische Widerspruch ebenfalls durch den Erzbischof von Mainz beseitigt Montorio nennt Schweikard unico instigatore a far vol- tare Sassonia a favore dell’ imp re nella translatione dell’ elet- torato. — obwohl auch der spanische Gesandte sich jetzt geradezu dagegen erklaͤrte O ñ ates Erklaͤrung und das heftige Schreiben Ludovisio’s wider die Zuruͤckgabe einer Chur an einen gotteslaͤsterlichen Calvi- nisten bei Khevenhiller X, 67. 68. : so schritt doch der Kaiser standhaft vorwaͤrts. Am 25. Febr. 1623 uͤbertrug er die Chur auf seinen siegreichen Verbuͤndeten; doch sollte sie an- fangs bloß ein persoͤnlicher Besitz seyn: den pfaͤlzischen Er- ben und Agnaten sollten ihre Rechte fuͤr die Zukunft vor- behalten bleiben. Indessen war auch unter dieser Bedingung unendlich viel gewonnen, vor allem das Uebergewicht in dem hoͤchsten Rathe des Reiches, dessen Veifall nunmehr jedem neuen Beschluß zum Vortheil des Katholicismus eine rechtliche Sanction gab. Maximilian sah wohl, wie viel er hiebei Papst Gre- gor dem XV. zu verdanken hatte. „Ew. Heiligkeit,“ schreibt er ihm, „hat diese Sache nicht allein befoͤrdert, sondern durch des Katholicismus. Frankreich . Ihre Erinnerungen, Ihr Ansehen, Ihre eifrigen Bemuͤhun- gen geradezu bewirkt. Ganz und gar muß sie der Gunst und Wachsamkeit Ew. Heiligkeit zugeschrieben werden.“ „Dein Schreiben, o Sohn,“ antwortete Gregor XV , „hat unsere Brust mit einem Strome von Wonne wie mit himmlischem Manna erfuͤllt: endlich darf die Tochter Sion die Asche der Trauer von ihrem Haupte schuͤtteln und sich in festliche Gewande kleiden.“ Giunti, Vita di Ludovisio Ludovisi, schreibt das Verdienst hauptsaͤchlich dem Nepoten zu. Da S. S tà e dal C le furono scritte molte lettere anche di proprio pugno piene d’ardore et efficacia per disporre Cesare, et in oltre fu mandato M or Verospi andi- tore di rota e doppo il P. F. Giacinto di Casale cappuccino. Durch diese sey dem Kaiser gesagt worden, che il vicario di Chri- sto per parte del S re fin con le lacrime lo pregava e scongiu- rava e le ne prometteva felicità e sicurezza della sua salute. 3. Frankreich. In dem nemlichen Momente trat nun auch die große Wendung der Dinge in Frankreich ein. Fragen wir, woher im Jahr 1621 die Verluste des Protestantismus hauptsaͤchlich kamen, so war es die Ent- zweiung derselben, der Abfall des Adels. Es moͤchte wohl seyn, daß dieß mit jenen republikanischen Bestrebungen zu- sammenhing, die eine municipale, eine theologische Grund- lage hatten, und dem Einfluß des Adels unguͤnstig waren. Die Edelleute mochten es nuͤtzlicher finden sich an Koͤnig und Hof anzuschließen als sich von Predigern und Buͤrgermei- Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung stern regieren zu lassen. Genug schon im Jahre 1621 wur- den die Sicherheitsplaͤtze von ihren Gouverneurs wetteifernd uͤberliefert: ein Jeder suchte nur sich selbst eine guͤnstige Stellung auszubedingen: im Jahre 1622 wiederholte sich dieß: La Force und Chatillon erhielten Marschallstaͤbe, als sie von ihren Glaubensgenossen abfielen: der alte Lesdiguie- res ward katholisch Mémoires de Deageant p. 190 und an vielen andern Stel- len, recht merkwuͤrdig uͤber diesen Uebertritt. und fuͤhrte selbst eine Heeresabtheilung gegen die Protestanten an: ihr Beispiel riß viele andere zum Uebertritt fort Liste des gentilhommes de la religion reduits au roi bei Malingre: Histoire des derniers troubles arrivés en France p. 789. Auch Rohan schloß seinen Vertrag, ungluͤcklicherweise sind aber die Artikel desselben, wie sie im Mercure de France VII, p. 845 stehn, nicht authentisch. . Unter diesen Umstaͤnden konnte 1622 nur ein hoͤchst unguͤnstiger Friede geschlossen werden. Ja man durfte sich nicht einmal schmeicheln, daß er gehalten werden wuͤrde. Fruͤher, als die Protestanten maͤchtig wa- ren, hatte der Koͤnig die Vertraͤge so oft uͤbertreten und gebrochen: sollte er sie beobachten, nachdem diese ihre Macht verloren hatten? Es geschah alles was der Friede un- tersagte: das protestantische Exercitium ward an vielen Or- ten geradezu verhindert: man verbot den Reformirten auf der Straße, in den Laͤden ihre Psalmen zu singen: ihre Rechte auf den Universitaͤten wurden beschraͤnkt Benoist II, 419. : Fort Louys, das man zu schleifen versprochen, ward beibehal- ten: es folgte ein Versuch, die Wahl der Magistrate in den protestantischen Staͤdten in koͤnigliche Haͤnde zu brin- des Katholicismus. Frankreich . gen Rohan: Mém. l. III. : gleich durch ein Edict vom 17. April 1622 ward ein Commissaͤr fuͤr die Versammlungen der Reformirten auf- gestellt; nachdem sich diese einmal einen so großen Eingriff in ihre althergebrachten Freiheiten gefallen lassen, mischte sich die Regierung in die eigentlich kirchlichen Angelegen- heiten: die Hugenotten wurden durch die Commissaͤre ver- hindert die Beschluͤsse der Dordrechter Synode anzunehmen. Es war keine Selbstaͤndigkeit mehr in ihnen: sie konn- ten keinen nachhaltigen Widerstand mehr leisten. In ih- rem ganzem Gebiete griffen die Bekehrungen um sich. Die Capuziner erfuͤllten Poitou und Languedoc mit Missionen Instruttione all’ arcivescovo di Damiata MS. : die Jesuiten, welche in Aix, Lyon, Pau und vielen andern Orten neue Institute erhielten, mach- ten in den Staͤdten und auf dem Lande die groͤßten Fort- schritte: ihre marianischen Sodalitaͤten wußten durch die Bemuͤhung, die sie den im letzten Kriege Verwundeten widmeten, die allgemeine Aufmerksamkeit und Billigung zu erwerben Cordara: Historia soc. Jesu VII, 95. 118. . Auch Franciscaner zeichneten sich aus, wie jener Pa- ter Villele von Bourdeaux, von dem man fast mythisch erzaͤhlt, nachdem er die ganze Stadt Foix auf seine Seite gebracht, habe sich auch ein mehr als hundertjaͤhriger Al- ter wieder bequemt: eben derselbe, der einst aus der Hand Calvins den ersten protestantischen Prediger empfangen und nach Foix gefuͤhrt hatte. Die protestantische Kirche ward niedergerissen: den verjagten Prediger ließen die triumphi- Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung renden Patres durch einen Trompeter von Stadt zu Stadt begleiten Relation catholique, eingeschaltet in den Mercure fran- çois VIII, 489. . Genug die Bekehrung schritt maͤchtig fort: Vornehme, Geringe, selbst Gelehrte traten uͤber: auf diese letzten wirkte besonders der Beweis, daß schon die alte Kirche vor dem Concilium von Nicaͤa die Heiligen angerufen, fuͤr die Ver- storbenen gebetet, eine Hierarchie und viele katholische Ge- braͤuche gehabt habe. Wir haben Relationen einiger Bischoͤfe uͤbrig, aus denen sich das numerische Verhaͤltniß der Bekenntnisse er- gibt, wie es sich unter diesen Umstaͤnden festsetzte. In dem Sprengel von Poitiers war in einigen Staͤdten die Haͤlfte der Einwohner protestantisch, z. B. in Lusignan, S. Mai- xant: in andern, wie Chauvigny, Niort, ein Drittel: ein Viertel in Loudun: in Poitiers selbst nur der zwanzigste Theil: bei weitem eine geringere noch auf dem Lande Relatione del vescovo di Poitiers 1623. MS. . Auch zu Behuf der Bekehrung standen die Bischoͤfe in un- mittelbarem Verkehr mit dem roͤmischen Stuhle: sie mach- ten ihm ihre Berichte, und trugen ihm ihre Wuͤnsche vor; der Nuntius war angewiesen, was sie ihm ange- ben wuͤrden, an den Koͤnig zu bringen und zu bevor- worten. Sie gehn hiebei oft sehr ins Einzelne. Der Bi- schof von Vienne z. B. findet die Missionarien besonders von einem Prediger in S. Marcellin gehemmt, der sich unuͤberwindlich zeigt: der Nuntius wird beauftragt die Entfernung desselben bei Hofe zu betreiben. Er soll den des Katholicismus. Frankreich . Bischof von S. Malo unterstuͤtzen, der sich beklagt hat, daß man in einem Schlosse seiner Dioͤces keinen katholi- schen Gottesdienst dulde. Dem Bischof von Xaintes soll er einen geschickten Bekehrer, der ihm namhaft gemacht wird, zufertigen. Zuweilen werden die Bischoͤfe aufgefor- dert, wenn sie auf Hindernisse stoßen, naͤher anzugeben, was sich thun lasse, damit es der Nuntius dem Koͤnig vor- tragen koͤnne Instruttione all’ arcivescovo di Damiata: — es sey ein Beispiel genug. Dalla relatione del vescovo di Candon si cava, che ha il detto vescovo la terra di Neaco, ove sono molti ere- tici, con una missione di Gesuiti, li quali in danno s’affaticano se con l’autorità temporale il re non da qualche buon ordine: ed ella potrà scrivere al detto vescovo che avvisi ciò che può fare Sua M tà , perchè nella relazione non lo specifica. Da quella del vescovo di S. Malo s’intende che in un castello e villa del marchese di Moussaye è solo lecito di predicare a Cal- vinisti: però sarebbe bene di ricordare alla M tà del re che le- vasse i predicatori acciocchè i missionarj del vescovo potessero far frutto: il castello e villa non è nominato nella relazione, e però si potrà scrivere al vescovo per saperlo. Il vescovo di Monpellier avvisa di haver carestia d’operarj, e che dagli ere- tici sono sentiti volontieri i padri Cappuccini, onde se gli po- trebbe procurare una missione di questi padri. . Es ist eine enge Vereinigung aller geistlichen Gewal- ten mit der Propaganda, die sich, wie gesagt, in den ersten Jahren vielleicht am wirksamsten zeigte, und dem Papste: Eifer, lebendige Thaͤtigkeit im Gefolge einer gluͤcklichen Entscheidung der Waffen: Theilnahme des Hofes, der hierin ein großes politisches Interesse sieht: — ein Zeitraum des- halb, in welchem sich die Verluste des Protestantismus in Frankreich auf immer eutscheiden . Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung 4. Vereinigte Niederlande. Es beschraͤnkten sich aber diese Fortschritte nicht auf Laͤnder wo die Regierung katholisch war: in dem nemli- chen Moment zeigten sie sich auch unter protestantischen Herrschaften. Man erstaunt schon, wenn man bei Bentivoglio liest, daß in jenen niederlaͤndischen Staͤdten, die dem Koͤnig von Spanien doch hauptsaͤchlich um der Religion willen so hel- denmuͤthig und so lange Widerstand geleistet hatten, viel- leicht der groͤßere Theil der angesehenen Haͤuser sich zum Katholicismus bekannt habe Relatione delle provincie ubbidienti parte II, c. II, wo von der Religion in Holland die Rede ist. : allein noch bei weitem auffallender ist es, wenn eine sehr ins Einzelne gehende Re- lation vom Jahre 1622 sogar von Zunahme und Fortschrit- ten des Katholicismus unter so unguͤnstigen Umstaͤnden be- richtet. Die Priester wurden verfolgt, verjagt: dessenun- geachtet nahm ihre Anzahl zu. Im Jahre 1592 war der erste Jesuit nach den Niederlanden gekommen: im Jahre 1622 zaͤhlte man 22 Mitglieder dieses Ordens daselbst. Aus den Collegien von Coͤln und Loͤwen gingen immer neue Arbeiter hervor: im J. 1622 waren 220 Weltpriester in den Provinzen beschaͤftigt, — aber sie reichten fuͤr das Beduͤrfniß bei weitem nicht hin. Jener Relation zufolge stieg die Anzahl der Katholiken in der Erzdioͤces Utrecht auf 150000, in des Katholicismus. Vereinigte Niederlande . der Dioͤees Harlem, zu welcher Amsterdam gehoͤrte, auf 100000 Seelen: Leuwarden hatte 15000, Groͤningen 20000, Deventer 60000 Katholiken: — der apostolische Vicar, welcher damals vom roͤmischen Stuhl nach Deventer ge- schickt ward, hat dort in 3 Staͤdten und einigen Doͤrfern 12000 Personen die Firmelung ertheilt. Die Zahlen die- ser Relation werden sehr uͤbertrieben seyn: aber man sieht doch, daß auch dieß so vorzugsweise protestantische Land noch ungemein starke katholische Elemente hatte. Wurden doch selbst jene Bisthuͤmer, die Philipp II. hier einzu- fuͤhren gesucht, von den Katholischen fortwaͤhrend aner- kannt Compendium status in quo nunc est religio catholica in Holandia et confoederatis Belgii provinciis 1622 2 dec.: „his non obstantibus — laus deo — quotidie crescit catholicorum nu- merus, praesertim accedente dissensione haereticorum inter se.“ . Eine Lage der Dinge, die es eben seyn mochte, was in den Spaniern den Muth erweckte ihren Krieg wie- der zu erneuern. 5. Verhältniß zu England. Friedlichere Aussichten hatten sich indeß in England eroͤffnet. Der Sohn der Maria Stuart vereinigte die groß- britannischen Kronen: und entschlossener als je naͤherte er sich jetzt den katholischen Maͤchten. Schon ehe Jacob I. den englischen Thron bestieg, ließ ihn Clemens VIII. wissen, „er bete fuͤr ihn, als den Sohn einer so tugendreichen Mutter: er wuͤnsche ihm alles welt- Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung liche und geistliche Heil: er hoffe noch ihn selbst katholisch zu sehen.“ In Rom beging man diese Thronbesteigung mit feierlichen Gebeten und Processionen. Eine Annaͤherung die Jacob auf eine entsprechende Weise zu erwiedern nicht haͤtte wagen duͤrfen, wenn er auch dazu geneigt gewesen waͤre. Aber er gestattete doch, daß sein Gesandter Parry in Paris mit dem dortigen Nuntius Bubalis in vertrauliches Vernehmen trat. Der Nuntius kam mit einem Schreiben des Cardinal-Nepoten Aldobran- dino hervor, worin dieser die englischen Katholiken er- mahnte dem Koͤnig Jacob als ihrem Koͤnig und natuͤrli- chen Herrn zu gehorchen, ja fuͤr ihn zu beten: Parry ant- wortete mit einer Instruction Jacobs I , worin dieser ver- sprach die friedfertigen Katholiken ohne alle Beschwerde le- ben zu lassen Breve relatione di quanto si è trattato tra S. S tà ed il re d’Inghilterra (MS Rom.) . In der That fing man in dem noͤrdlichen England wieder an die Messe oͤffentlich zu halten: die Puritaner be- klagten sich, es seyen seit kurzem 50000 Englaͤnder zum Katholicismus uͤbergetreten: Jacob soll ihnen die Antwort gegeben haben: „sie moͤchten ihrerseits eben so viel Spa- nier und Italiener bekehren.“ Diese Erfolge moͤgen die Katholiken veranlaßt haben ihre Hoffnungen zu hoch zu spannen. Als sich der Koͤnig dabei doch immer auf der andern Seite hielt, die alten Par- lamentsacten doch wieder ausgefuͤhrt wurden, neue Verfol- gungen eintraten, geriethen sie in eine desto erbittertere Auf- des Katholicismus. Verhaͤltniß zu England . Aufregung: — in der Pulververschwoͤrung brach sie auf eine furchtbare Weise hervor. Hierauf konnte nun auch der Koͤnig keinerlei Toleranz weiter Statt finden lassen. Die strengsten Gesetze wurden gegeben und gehandhabt: Haussuchungen, Gefaͤngniß, Geld- strafen verhaͤngt: die Priester, vor allem die Jesuiten ver- bannt und verfolgt: mit aͤußerster Strenge glaubte man so unternehmende Feinde in Zaum halten zu muͤssen. Fragte man aber den Koͤnig privatim, so waren seine Aeußerungen sehr gemaͤßigt. Einem lothringischen Prin- zen, der ihn einst nicht ohne Wissen Pauls V. besuchte, sagte er geradezu, zwischen den verschiedenen Bekenntnissen sey doch am Ende nur ein kleiner Unterschied. Zwar halte er das seine fuͤr das beste: er nehme es an aus Ueberzeu- gung, nicht aus Staatsgruͤnden: aber gern hoͤre er auch Andere: da es allzuschwer halte ein Concilium zu berufen, so wuͤrde er es gern sehen, wenn man eine Zusammenkunft gelehrter Maͤnner veranstalten wollte, um eine Aussoͤhnung zu versuchen. Komme ihm der Papst nur einen Schritt ent- gegen, so werde er von seiner Seite deren vier thun. Auch er erkenne die Autoritaͤt der Vaͤter an: Augustin gelte ihm mehr als Luther, S. Bernhard mehr als Calvin: ja er sehe in der roͤmischen Kirche, selbst der gegenwaͤrtigen, die wahre Kirche, die Mutter aller andern: nur habe sie eine Reinigung noͤthig: — er gestehe ein, was er freilich einem Nuntius nicht sagen wuͤrde, aber wohl einem Freund und Vetter anvertrauen koͤnne, der Papst sey das Haupt der Kirche, der oberste Bischof che riconosce la chiesa Romana etiandio quella d’adesso . Ihm thue man deshalb Päpste* 31 Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung großes Unrecht, wenn man ihn als Ketzer oder Schisma- tiker bezeichne: ein Ketzer sey er nicht, denn er glaube eben das was der Papst glaube, nur daß dieser einiges mehr annehme: auch kein Schismatiker, denn er halte den Papst fuͤr das Oberhaupt der Kirche. Bei solchen Gesinnungen und einer damit zusammen- hangenden Abneigung gegen die puritanische Seite des Pro- testantismus, waͤre es dem Koͤnig allerdings lieber gewe- sen, sich mit den Katholiken friedlich zu verstaͤndigen, als sie mit Gewalt und unaufhoͤrlicher Gefahr in Zaum zu halten. Noch immer waren sie in England maͤchtig und zahl- reich. Trotz großer Niederlagen und Verluste, oder viel- mehr gerade in Folge derselben war Irland in unaufhoͤr- licher Gaͤhrung: es hatte ein großes Interesse fuͤr den Koͤ- nig, sich dieses Widerstandes zu entledigen Relatione di D. Lazzari 1621 gruͤndet seine Vorschlaͤge auf die Furchtsamkeit des Koͤnigs: „havendo io esperimentato per ma- nifesti segni che prevale in lui più il timore che l’ira.“ Uebrigens „per la pratica che ho di lui (del re) lo stimo indifferente in qualsivoglia religione.“ . Nun muß man wissen, daß sich englische und irische Katholiken an Spanien anschlossen. Die spanischen Bot- schafter in London, gewandt, klug, praͤchtig, hatten sich einen ungemeinen Anhang verschafft: ihre Capelle war im- per la vera chiesa e madre di tutte, ma ch’ella aveva bisogno d’esser purgata, e di più ch’egli sapeva che V. S tà è capo di essa chiesa e primo vescovo. Aeußerungen die sich doch auf keine Weise mit dem Prinzip der englischen Kirche vereinigen lassen, wie sie aber diesem Fuͤrsten auch anderwaͤrts zugeschrieben werden. ( Re- latione del S r di Breval al papa. ) des Katholicismus. Verhaͤltniß zu England . mer voll, die heilige Woche ward daselbst mit großer Ce- lebritaͤt gefeiert: auch nahmen sich die Gesandten ihrer Glaubensgenossen haͤufig an, sie wurden, wie ein Vene- zianer sagt, gleichsam als die Legaten des apostolischen Stuhles betrachtet. Ich fuͤrchte nicht zu irren, wenn ich annehme, daß es vor allem dieß Verhaͤltniß war, was Koͤnig Jacob auf den Gedanken brachte seinen Erben mit einer spanischen Prinzessin zu vermaͤhlen. Er hoffte, daß er sich hiedurch der Katholiken versichern, daß er die Gunst, welche diese dem spanischen Hause widmeten, fuͤr das seine gewin- nen werde. Die auswaͤrtigen Verhaͤltnisse fuͤgten einen neuen Beweggrund hinzu. Es ließ sich erwarten, daß das Haus Oestreich, so nahe mit ihm verwandt, sich seinem Schwiegersohne von der Pfalz guͤnstiger zeigen wuͤrde. Es fragte sich nur, ob die Sache ausgefuͤhrt werden koͤnne. In der Verschiedenheit der Religion lag ein Hin- derniß, das fuͤr jene Zeit wahrhaft schwer zu beseitigen war. Immer wird die Welt, die Ordnung der Dinge von einem phantastischen Element umgeben seyn, das sich in Poesie und romantischen Erzaͤhlungen ausspricht, und dann in der Jugend leicht auf das Leben zuruͤckwirkt. Indem die Unterhandlungen, die man angeknuͤpft, sich von Tage zu Tage, von Monat zu Monat verzogen, faßte der Prinz von Wales mit seinem vertrauten Freund und Altersgenos- sen Buckingham den romanhaften Gedanken, sich selbst aufzumachen und sich seine Braut zu holen Papers relative to the spanish match, in Hardwicke Pa- pers I, p. 399. Sie enthalten eine Correspondenz zwischen Jacob I. . Nicht ganz 31* Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung ohne Antheil an diesem Unternehmen scheint der spanische Botschafter Gondomar gewesen zu seyn. Er hatte dem Prin- zen gesagt, seine Gegenwart werde allen Schwierigkeiten ein Ende machen. Wie erstaunte der englische Gesandte in Madrid, Lord Digby, der bis jetzt diese Unterhandlungen gefuͤhrt hatte, als er eines Tages aus seinem Zimmer gerufen ward, weil ein paar Cavaliere ihn zu sprechen verlangten, und als er dann in diesen Cavalieren den Sohn und den Guͤnstling sei- nes Koͤnigs erkannte! Und allerdings schritt man nun auf das ernstlichste an die Beseitigung jener religioͤsen Schwierigkeit. Man bedurfte dazu der paͤpstlichen Beistimmung, und Koͤnig Jacob hatte sich nicht gescheut mit Paul V. unmit- telbare Unterhandlungen daruͤber anzuknuͤpfen. Doch hatte dieser Papst nur unter der Bedingung einwilligen wollen, daß der Koͤnig den Katholiken seines Landes vollkommene Religionsfreiheit gewaͤhre. Auf Gregor XV. machte dage- gen die Demonstration die in der Reise des Prinzen lag, einen solchen Eindruck, daß er auch schon geringere Zuge- staͤndnisse fuͤr annehmlich hielt. In einem Schreiben an den Prinzen druͤckte er demselben seine Hoffnung aus, „daß sich der alte Same christlicher Froͤmmigkeit, wie er ehedem in englischen Koͤnigen Bluͤthen getragen, jetzt in ihm wie- und den beiden Reisenden, welche das groͤßte Interesse an den Personen erweckt. Die Fehler Jacobs erscheinen wenigstens sehr menschlich. Sein erster Brief faͤngt an: My sweat boys and dear ventrous knights worthy to be put in a new romanso. — My sweat boys ist die gewoͤhnliche Anrede: dear dad and gossip schrei- ben sie. des Katholicismus. Verhaͤltniß zu England . der beleben werde: auf keinen Fall koͤnne er, da er sich mit einem katholischen Fraͤulein zu vermaͤhlen denke, die katholische Kirche unterdruͤcken wollen.“ Der Prinz ant- wortete, niemals werde er eine Feindseligkeit gegen die roͤ- mische Kirche ausuͤben: er werde es dahin zu bringen su- chen, „so wie wir alle“, sagte er, „Einen dreieinigen Gott und Einen gekreuzigten Christus bekennen, daß wir uns auch alle zu Einem Glauben und Einer Kirche vereinigen“ Oefter gedruckt: ich folge dem Abdruck in Clarendon und Hardwicke Papers, der nach dem Original gemacht seyn will. . Man sieht, wie sehr man sich von beiden Seiten einander naͤherte. Olivarez behauptete, den Papst auf das drin- gendste um die Dispensation ersucht, ihm erklaͤrt zu haben, der Koͤnig koͤnne dem Prinzen nichts versagen was in sei- nem Koͤnigreiche sey In der ersten Freude sagte er sogar, nach Buckinghams Erzaͤhlung (20. Merz): that if the pope would not give a dis- pensation for a wife, they would give the infanta to thy sons Baby as his wench. . Auch die englischen Katholiken drangen in den Papst: sie stellten vor, daß die Verweige- rung der Dispensation eine neue Verfolgung uͤber sie her- beiziehen werde. Hierauf kam man dann uͤber die Punkte uͤberein, welche der Koͤnig zu versprechen habe. Nicht allein sollte die Infantin mit ihrem Gefolge ihre Religion in einer Capelle am Hoflager ausuͤben duͤrfen: auch die erste Erziehung der Prinzen aus dieser Ehe sollte von ihr abhangen: kein Poͤnalgesetz sollte auf dieselben An- wendung finden, oder ihr Thronfolgerecht zweifelhaft ma- Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung chen koͤnnen, wenn sie auch katholisch blieben: Das Wichtigste und die Quelle vielen Unheils. Der Artikel lautet: quod leges contra catholicos Romanos latae vel ferendae in Anglia et aliis regnis regi magnae Britanniae subjectis non attingent liberos ex hoc matrimonio oriundos, et libere jure suc- cessionis in regnis et dominiis magnae Britanniae fruantur. (Merc. franc. IX, Appendice II, 18.) — uͤber- haupt gelobte der Koͤnig, „die Privatuͤbung der katholischen Religion nicht zu stoͤren, die Katholischen zu keinem Eide zu noͤthigen der ihrem Glauben widerspreche, und dafuͤr zu sorgen, daß die Gesetze gegen die Katholiken von dem Par- lamente abgeschafft wuͤrden.“ Im August 1623 beschwur Koͤnig Jacob diese Arti- kel, und es schien kein Zweifel an der Vollziehung der Vermaͤhlung uͤbrig zu bleiben. In Spanien stellte man Festlichkeiten an: der Hof empfing die Gluͤckwuͤnsche: die Gesandten wurden foͤrmlich benachrichtigt: die Hofdamen der Infantin und ihr Beicht- vater wurden angewiesen, sich kein Wort entfallen zu las- sen, das dieser Heirath zuwider laufe. Koͤnig Jacob erinnerte seinen Sohn, in der Freude dieser gluͤcklichen Verhaͤltnisse auch seiner Neffen nicht zu vergessen, die ihres Erbtheils beraubt seyen, seiner Schwe- ster, die in Thraͤnen schwimme. Eifrig nahm man die pfaͤlzische Sache auf. Es ward der Entwurf gemacht auch die kaiserliche Linie und das pfaͤlzische Haus in die neue Verwandtschaft zu ziehen: — der Sohn des geaͤchte- ten Churfuͤrsten sollte mit einer Tochter des Kaisers ver- maͤhlt werden: um Baiern nicht zu beleidigen ward die Er- richtung einer achten Chur in Vorschlag gebracht. Der des Katholicismus. Verhaͤltniß zu England . Kaiser eroͤffnete hieruͤber sogleich die Unterhandlung mit Maximilian von Baiern, der denn auch nicht dawider war, und nur die Forderung machte, daß die uͤbertragene pfaͤlzische Chur ihm verbleibe und die neu zu errichtende achte an die Pfalz komme. Fuͤr die katholischen Interes- sen trug dieß nicht viel aus. In der wiederhergestellten Pfalz sollten die Katholiken Religionsfreiheit genießen: in dem Churfuͤrstencollegium wuͤrden sie doch immer die Stim- menmehrheit behauptet haben Bei Khevenhiller X, 114. . So trat die Macht, die unter der vorigen Regierung das Hauptbollwerk des Protestantismus gebildet, in die freundschaftlichste Beziehung zu jenen alten Feinden, denen sie einen unversoͤhnlichen Haß geschworen zu haben schien, dem Papst und Spanien. Schon fing man in England an, die Katholiken ganz anders zu behandeln. Die Haus- suchungen und Verfolgungen hoͤrten auf: gewisse Eideslei- stungen wurden nicht mehr gefordert: die katholische Capelle erhob sich, den Protestanten zum Verdruß: die puritanischen Eiferer welche die Vermaͤhlung verdammten, wurden be- straft. Koͤnig Jacob zweifelte nicht, daß er noch vor Win- ter seinen Sohn und dessen junge Gemahlin, so wie seinen Guͤnstling umarmen werde: alle seine Briefe druͤcken ein herzliches Verlangen danach aus. Es leuchtet ein, welche Vortheile sich schon aus der Ausfuͤhrung jener Artikel ergeben mußten: die Verbindung selbst aber ließ noch ganz andere, unabsehliche Folgen er- warten. — Was der Gewalt nicht gelungen, einen Ein- fluß auf die Staatsverwaltung in England zu erwerben, Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung schien jetzt auf dem friedlichsten, natuͤrlichsten Wege erreicht zu seyn. 6. Missionen. An dieser Stelle, in der Betrachtung dieses glaͤnzen- den Fortganges in Europa moͤgen wir wohl auch unsere Augen nach den entferntern Weltgegenden richten, in wel- chen der Katholicismus vermoͤge verwandter Antriebe ge- waltig vorgedrungen war. Gleich in der ersten Idee, welche die Entdeckungen und Eroberungen der Spanier und Portugiesen hervorrief, lag ein religioͤses Moment; es hatte sie immer beglei- tet, belebt; und in den entwickelten Reichen sowohl im Osten als im Westen trat es maͤchtig hervor. Im Anfange des 17. Jahrhunderts finden wir das stolze Gebaͤude der katholischen Kirche in Suͤdamerika voͤl- lig aufgerichtet. Es sind 5 Erzbisthuͤmer, 27 Bisthuͤmer, 400 Kloͤster, unzaͤhlige Pfarren und Doctrinas daselbst Herrera descripcion de las Indias p. 80. . Praͤchtige Kathedralen erheben sich: die glaͤnzendste vielleicht in Los Angeles. Die Jesuiten lehren Grammatik und freie Kuͤnste: mit ihrem Collegium San Ildefonso zu Mexico ist ein theologisches Seminar verbunden. Auf den Universitaͤ- ten zu Mexico und Lima werden alle theologischen Disci- plinen gelehrt. Man findet, daß die Amerikaner von euro- paͤischer Abstammung sich durch besondern Scharfsinn aus- zeichnen; sie selbst bedauern nur von dem Anblick der koͤnig- des Katholicismus. Suͤdamerika . lichen Gnade zu weit entfernt zu seyn um auch nach Ver- dienst belohnt werden zu koͤnnen. In regelmaͤßigem Fortschritt haben indeß vorzuͤglich die Bettelorden das Christenthum uͤber den suͤdamerikanischen Continent auszubrciten ange- fangen. Die Eroberung hat sich in Mission verwandelt, die Mission ist Civilisation geworden: die Ordensbruͤder lehren zugleich saͤen und ernten, Baͤume pflanzen nnd Haͤu- ser bauen, lesen und singen. Dafuͤr werden sie dann auch mit tiefer Ergebenheit verehrt. Wenn der Pfarrer in seine Gemeine kommt, wird er mit Glockengelaͤute und Musik empfangen: Blumen sind auf den Weg gestreut: die Frauen halten ihm ihre Kinder entgegen und bitten um seinen Se- gen. Die Indianer zeigen ein großes Wohlgefallen an den Aeußerlichkeiten des Gottesdienstes. Sie werden nicht muͤde bei der Messe zu dienen, die Vesper zu singen, das Officium im Chor abzuwarten. Sie haben musikalisches Talent: eine Kirche auszuschmuͤcken macht ihnen eine harmlose Freude. Denn das Einfache, Unschuldig-phantastische scheint auf sie den groͤßten Eindruck gemacht zu haben Compendio y descripcion de las Indias ocidentales. MS. Tienen mucha caridad con los necessitados y en particular con los sacerdotes: que los respetan y reverencian como ministros de Christo, abraçan los mas de tal suerte las cosas de nuestra santa fe, que solo el mal exemplo que los demos es causa de que no aya entre ellos grandes santos, como lo experimente el tiempo que estuve en aquellos reynos. — Besonders merkwuͤrdig sind die literae annuae provinciae Paraquariae missae a Nico- lao Duran, Antv. 1636 , weil hier die Jesuiten die Spanier ent- sernt hielten. . In ihren Traͤu- men sehen sie die Freuden des Paradieses. Den Kranken erscheint die Koͤnigin des Himmels in aller ihrer Pracht, — junge Gefaͤhrtinnen umgeben sie und bringen den Dar- Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung benden Erquickung. Oder sie zeigt sich auch allein: und lehrt ihren Verehrer ein Lied von ihrem gekreuzigten Sohne, „dessen Haupt gesenkt ist, wie der gelbe Halm sich neigt.“ Diese Momente des Katholicismus sind es, welche hier wirken. Die Moͤnche beklagen nur, daß das schlechte Beispiel der Spanier und ihre Gewaltsamkeit die Einge- bornen verderbe, dem Fortgange der Bekehrung in Weg trete. In Ostindien ging es nun, so weit die Herrschaft der Portugiesen reichte, ungefaͤhr eben so. Der Katholicismus bekam in Goa einen großartigen Mittelpunkt: Jahr bei Jahr wurden Tausende bekehrt; schon 1565 zaͤhlte man bei 300000 neue Christen um Goa, in den Bergen von Cochin und am Cap Comorin Maffei: Commentarius de rebus Indicis p. 21. . Aber das allgemeine Verhaͤlt- niß war doch durchaus anders. Den Waffen wie der Lehre stellte sich hier eine große, eigenthuͤmliche, unbezwungene Welt entgegen: uralte Religionen, deren Dienst Sinn und Gemuͤth fesselte, mit der Sitte und Denkweise der Voͤlker innig vereinigt. Es war die natuͤrliche Tendenz des Katholicismus auch diese Welt zu uͤberwinden. Dem ganzen Thun und Treiben Franz Xavers, der be- reits 1542 in Ostindien anlangte, liegt diese Idee zu Grunde. Weit und breit durchzog er Indien. Er betete am Grabe des Apostels Thomas zu Meliapur: er predigte von einem Baume herab dem Volke von Travancor: auf den Moluk- ken lehrte er geistliche Gesaͤnge, die dann von den Knaben auf dem Markte, von den Fischern auf der See wieder- des Katholicismus. Ostindien . holt wurden: doch war er nicht geboren um zu vollenden: sein Wahlspruch war: Amplius! amplius! sein Bekehrungs- eifer war zugleich eine Art Reiselust: schon er gelangte nach Japan: er war im Begriff den Heerd und Ursprung der Sinnesweise die ihm dort entgegengetreten war, in Sina aufzusuchen, als er starb Maffei: Historiarum Indicarum lib. XIII et XIV. . Es liegt in der Natur der Menschen, daß sein Bei- spiel, die Schwierigkeit der Unternehmung zur Nachahmung mehr aufforderte, als davon abschreckte. Auf die mannig- faltigste Weise war man in den ersten Decennien des 17ten Jahrhunderts im Orient beschaͤftigt. In Madaura finden wir seit 1606 den Pater Nobili. Er ist erstaunt, wie wenig Fortschritte das Christenthum in der langen Zeit gemacht, und glaubt sich dieß nur da- durch erklaͤren zu koͤnnen, daß die Portugiesen sich an die Parias gewandt hatten. Christus ward als ein Gott der Parias betrachtet. Ganz anders griff er es an: er hielt dafuͤr, eine wirksame Bekehrung muͤsse von den Vorneh- men anfangen. Er erklaͤrte bei seiner Ankunft, daß er vom besten Adel sey — er hatte Zeugnisse dafuͤr bei sich — und schloß sich an die Braminen. Er kleidete sich und wohnte wie sie, unterzog sich ihren Buͤßungen, lernte San- scrit, und ging auf ihre Ideen ein Juvencius: Historiae societ. Jesu pars V, tom. II, lib. XVIII, § IX, nr. 49. „Brachmanum instituta omnia caerimo- niasque cognoscit: linguam vernaculam, dictam vulgo Tamuli- cam, quae latissime pertinet, addiscit: addit Baddagicam, qui principum et aulae sermo, denique Grandonicam sive Samutcra- dam, quae lingua eruditorum est, ceterum tot obsita difficulta- . Sie hegten die Mei- Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung nung, es habe fruͤher in Indien vier Wege der Wahr- heit gegeben, von denen einer verloren gegangen. Er be- hauptete, er sey gekommen ihnen diesen verlornen, aber ge- radesten, geistigen Weg zur Unsterblichkeit zu weisen. Im Jahre 1609 hatte er schon 70 Braminen gewonnen. Er huͤtete sich wohl, ihre Vorurtheile zu verletzen: selbst ihre Unterscheidungszeichen duldete er und gab densel- ben nur eine andere Bedeutung: in den Kirchen sonderte er die Staͤnde von einander ab: die Ausdruͤcke mit denen man fruͤher die christlichen Lehren bezeichnet hatte, ver- tauschte er mit eleganteren, literarisch vornehmeren. Er ver- fuhr in allen Dingen so geschickt, daß er bald Schaaren von Bekehrten um sich her sah. Obwohl seine Methode viel Anstoß erregte, so schien sie doch auch allein geeignet vor- waͤrts zu bringen. Gregor XV. sprach im Jahre 1621 seine Billigung derselben aus. Nicht minder merkwuͤrdig sind die Versuche die man um dieselbe Zeit am Hofe des Kaisers Akbar machte. Man erinnert sich, daß die alten mongolischen Chane, die Eroberer von Asien, lange eine eigenthuͤmlich unentschie- dene Stellung zwischen den verschiedenen Religionen, welche die Welt theilten, einnahmen. Es scheint fast, als habe Kaiser Akbar eine aͤhnliche Gesinnung gehegt. Indem er die Jesuiten zu sich rief, erklaͤrte er ihnen, „er habe alle Religionen der Erde kennen zu lernen gesucht: jetzt wuͤnsche er auch die christliche kennen zu lernen: mit Huͤlfe der Vaͤter, die er ehre und schaͤtze.“ Den ersten festen Sitz tibus, nulli ut Europaeo bene cognita fuisset ad eam diem atque inter ipsosmet Indos plurimum scire videantur qui hanc ut- cunque norint etsi aliud nihil norint. des Katholicismus. Ostindien . nahm Hieronymus Xaver, Neffe des Franz, im Jahre 1595 an seinem Hofe: die Empoͤrungen der Mahumedaner tru- gen dazu bei, den Kaiser guͤnstig fuͤr die Christen zu stim- men. Im Jahre 1599 ward zu Lahore Weihnachten auf das feierlichste begangen: die Krippe war 20 Tage lang ausgestellt: mit Palmen in der Hand zogen zahlreiche Ka- techumenen in die Kirche: und empfingen die Taufe. Der Kaiser las ein Leben Christi, das man persisch verfaßt, mit vielem Vergnuͤgen: ein Muttergottesbild, nach dem Muster der Madonna del Popolo in Rom entworfen, ließ er sich in den Pallast bringen, um es auch seinen Frauen zu zei- gen. Die Christen schlossen nun wohl hieraus mehr als zu schließen war; aber sie brachten es doch immer sehr weit: nach dem Tode Akbars im Jahre 1610 empfingen 3 Prinzen aus koͤniglichem Gebluͤte feierlich die Taufe. Auf weißen Elephanten ritten sie nach der Kirche: mit Trom- peten- und Paukenschall empfing sie Pater Hieronymus Juvencius l. l. nr. 1 — 23. . Allmaͤhlig — obwohl auch hier wechselnde Stimmungen eintraten, je nachdem man politisch mit den Portugiesen mehr oder minder gut stand — schien es mit dem Chri- stenthume zu einer gewissen Festigkeit kommen zu wollen. 1621 ward ein Collegium in Agra gegruͤndet, eine Station in Patna. Noch im Jahre 1624 machte der Kaiser Dsche- hangir Hoffnung selbst uͤberzutreten. Zu derselben Zeit waren die Jesuiten auch schon in Sina vorgedrungen. Der kunstfertigen, wissenschaftlichen, lesenden Bevoͤlkeruug dieses Reiches suchten sie durch die Erfindungen des Occidents, durch Wissenschaften beizukom- men. Den ersten Eingang fand Ricci dadurch, daß er Ma- Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung thematik lehrte, daß er sich geistig-bedeutendere Stellen aus den Schriften des Confucius aneignete und sie recitirte: Zutritt in Peking verschaffte ihm das Geschenk einer Schlag- uhr, das er dem Kaiser machte: in dessen Gunst und Gnade hob ihn dann nichts so sehr, als daß er ihm eine Landkarte entwarf, durch welche alle Versuche der Sinesen in diesem Fache bei weitem uͤbertroffen wurden. Es bezeichnet Ricci, daß er, als der Kaiser zehn solcher Tafeln auf Seide zu mahlen und in seinen Zimmern aufzuhaͤngen befahl, die Gelegenheit ergriff dabei auch etwas fuͤr das Christenthum zu thun und in den Zwischenraͤumen der Karte christliche Symbole und Spruͤche anbrachte. So war sein Unterricht uͤberhaupt: er fing gewoͤhnlich mit Mathematik an und hoͤrte mit Religion auf: seine wissenschaftlichen Talente verschaff- ten seinen Religionslehren Ansehen. Nicht allein wurden seine unmittelbaren Schuͤler gewonnen, auch viele Manda- rinen, deren Tracht er angenommen, gingen zu ihm uͤber: schon im Jahre 1605 ward eine marianische Societaͤt in Peking gegruͤndet. Ricci starb schon 1610, nicht allein von uͤberhaͤufter Arbeit, sondern hauptsaͤchlich von den vie- len Besuchen, den langen Mittagsessen und alle den uͤbri- gen gesellschaftlichen Pflichten Sina’s aufgerieben; aber auch nach seinem Tode folgte man dem Rathe den er gegeben „ohne Aufsehen und Laͤrm zu Werke zu gehn, sich bei diesem stuͤrmischen Meere nahe an die Kuͤsten zu halten“ und seinem wissenschaftlichen Beispiele. Im Jahre 1610 trat eine Mondfinsterniß ein: die Vorangaben der einheimischen Astronomen und der Jesuiten waren um eine volle Stunde verschieden; daß die Jesuiten aufs neue Recht des Katholicismus. Sina . hatten, brachte ihnen großes Ansehen zu Wege Jouvency hat sein ganzes 19tes Buch dem Unternehmen in Sina gewidmet, nnd demselben p. 561 eine Abhandlung hinzuge- fuͤgt: Imperii Sinici recens et uberior notitia, die noch immer le- senswuͤrdig bleibt. . Sie wurden nicht allein nebst einigen Mandarinen, ihren Schuͤ- lern, mit der Verbesserung der astronomischen Tafeln beauf- tragt, auch das Christenthum kam vorwaͤrts. 1611 ward die erste Kirche in Nanking eingeweiht: 1616 gibt es in 5 Provinzen des Reiches christliche Kirchen: bei dem Wi- derstande, den sie nicht selten erfahren, ist es ihnen dann vor allem nuͤtzlich, daß ihre Schuͤler Werke geschrieben welche die Billigung der Gelehrten genießen: den drohen- den Stuͤrmen wissen sie auszuweichen: auch sie schließen sich so enge wie moͤglich an die Gebraͤuche des Landes an: in dem Jahre 1619 werden sie in einem oder dem an- dern Stuͤcke dazu von dem Papst ermaͤchtigt. Und so ver- geht denn kein Jahr, wo sie nicht Tausende bekehren: all- maͤhlig sterben ihre Gegner ab: 1624 erscheint bereits Adam Schall: die genaue Beschreibung von zwei Mondfinster- nissen, die in diesem Jahre eintraten, eine Schrift Lom- bardo’s uͤber das Erdbeben verjuͤngen ihr Ansehen Relatione della Cina dell’ anno 1621. Lo stato presente di questa chiesa mi pare in universale molto simile ad una nave a cui e li venti e le nuvole minaccino di corto grave borasca, e per ciò li marinari ammainando le vele e calando le antenne fermino il corso, e stiano aspettando che si chiarisca il cielo e cessino li contrasti de’ venti: ma bene spesso avviene che tutto il male si risolve in paura e che sgombrate le furie de’ venti svanisce la tempestà contenta delle sole minaccie. Così ap- punto pare che sia accaduto alla nave di questa chiesa. Quat- tro anni fa se le levò contro una gagliarda borasca, la quale pa- . Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung Einen andern Weg hatten die Jesuiten in dem krie- gerischen, durch unaufhoͤrliche Parteiung entzweiten Japan eingeschlagen. Von allem Anfang ergriffen auch sie Partei. Im Jahre 1554 hatten sie das Gluͤck sich fuͤr Den er- klaͤrt zu haben, der den Sieg behielt: seine Gunst war ihnen gewiß, und sie machten durch dieselbe ungemeine Fortschritte. Schon im Jahre 1579 hat man dort 300000 Christen gezaͤhlt: der Pater Valignano, welcher 1606 starb, ein Mann dessen Rath Philipp II. in ostindischen Angelegen- heiten gern einholte, hat 300 Kirchen, 30 Haͤuser der Je- suiten in Japan gegruͤndet. Jedoch eben diese Verbindung der Jesuiten mit Me- xico und Spanien erregte zuletzt die Eifersucht der einhei- mischen Gewalten: in neuen Buͤrgerkriegen hatten sie nicht mehr das fruͤhere Gluͤck: die Partei der sie sich angeschlos- sen, unterlag: seit dem Jahre 1612 waren furchtbare Ver- folgungen uͤber sie verhaͤngt. Aber sie hielten sehr gut Stand. Ihre Bekehrten for- derten den Maͤrtyrertod heraus: sie hatten eine Maͤrtyrer- sodalitaͤt gestiftet, in welcher man sich gegenseitig zur Er- duldung aller Leiden ermuthigte: sie bezeichnen diese Jahre als die Aera Martyrum: — wie sehr auch die Verfolgung zunahm, sagen ihre Geschichtschreiber, so gab es doch in je- reva che la dovesse sommergere ad un tratto: li piloti accom- modandosi al tempo raccolsero le vele delle opere loro e si ri- tirarono alquanto, ma in modo che potevano essere trovati da chiunque voleva l’ajuto loro per aspettare donec aspiret dies et inclinentur umbrae. Sin’ hora il male non è stato di altro che di timore. des Katholicismus. Japan . jedem Jahre Neubekehrte Lettere annue del Giappone dell’ anno 1622 geben ein Beispiel: I gloriosi campioni che morirono quest’ anno furon 121: gli adulti, che per opera de’ padri della compagnia a vi- sta di così crudele persecutione hanno ricevuto il santo batte- simo arrivano il numero di 2236 senza numerar quelli che per mezzo d’altri religiosi e sacerdoti Giapponesi si battezzano. . Sie wollen von 1603 bis 1622 genau 239339 Japanesen zaͤhlen, welche zum Chri- stenthume uͤbergegangen. In allen diesen Laͤndern bewaͤhren denn die Jesuiten ein eben so gefuͤgiges als beharrliches und hartnaͤckiges Naturell: sie machen Fortschritte in einer Ausdehnung wie man sie nie haͤtte erwarten sollen: es ist ihnen gelungen den Widerstand jener gebildeten nationalen Religionen, die den Orient beherrschen, wenigstens zum Theil zu besiegen. Dabei haben sie auch nicht versaͤumt auf die Vereini- gung der orientalischen Christen mit der roͤmischen Kirche zu denken. In Indien selbst hatte man jene uralte nestorianische Gemeinde gefunden, die unter dem Namen der Thomaschri- sten bekannt ist; und da sie nicht den Papst zu Rom, von dem sie nichts wußte, sondern den Patriarchen von Ba- bylon (zu Mosul) fuͤr ihr Oberhaupt und den Hirten der allgemeinen Kirche hielt, hatte man gar bald Anstalt gemacht sie in die Gemeinschaft der roͤmischen Kirche zu ziehen. Es ward weder Gewalt noch Ueberredung gespart. Im Jahre 1601 schienen die Vornehmsten gewonnen zu seyn: ein Jesuit wurde zum Bischof eingesetzt. Man druckte das roͤmische Ritual chaldaͤisch: auf einem Dioͤce- Päpste* 32 Buch VII. Kap. 2. Allgemeine Ausbreitung sanconcilium wurden die Irrthuͤmer des Nestorius verflucht: in Cranganor erhob sich ein Jesuitencollegium: die neue Besetzung des bischoͤflichen Stuhles im Jahre 1624 geschah mit Einwilligung der Hartnaͤckigsten unter den bisherigen Gegnern Cordara: Historia soc. Jesu VI, IX, p. 535. . Es versteht sich, daß hiebei das politische Uebergewicht der spanisch-portugiesischen Macht das Beste that. Auch in Habesch war es zur nemlichen Zeit von groͤßtem Einfluß. Die fruͤhern Versuche waren alle vergeblich gewesen. Erst als im Jahre 1603 die Portugiesen von Fremona den Abyssiniern in einer Schlacht mit den Kaffern wesent- liche Dienste geleistet, gelangten sie und ihre Religion in groͤßeres Ansehen. Eben traf der Pater Paez ein: ein ge- schickter Jesuit, der in der Landessprache predigte, und sich an dem Hofe Eingang verschaffte. Der siegreiche Fuͤrst wuͤnschte mit dem Koͤnig von Spanien in ein naͤheres Ver- haͤltniß zu treten, hauptsaͤchlich um einen Anhalt gegen seine Feinde im Innern zu haben: Paez stellte ihm als das einzige Mittel hiezu vor, daß er von seiner schismatischen Doctrin ablasse und zur roͤmischen Kirche uͤbertrete. Er machte um so mehr Eindruck, da die Portugiesen in der That in den innern Bewegungen des Landes Treue und Tapferkeit bewiesen. Disputationen wurden angestellt: leicht waren die unwissenden Moͤnche zu besiegen: der tapferste Mann des Reiches, Sela-Christos, ein Bruder des Kaisers Seltan-Segued (Socinius), ward bekehrt, unzaͤhlige Andere folgten seinem Beispiel: und man trat bereits mit Paul V. und Philipp III. in Verbindung. Natuͤrlich regten sich des Katholicismus. Habesch . hiewider die Repraͤsentanten der eingefuͤhrten Religion: auch in Habesch nahmen, wie in Europa, die buͤrgerlichen Kriege eine religioͤse Farbe an: der Abuna und seine Moͤnche stan- den immer auf Seite der Rebellen, Sela-Christos, die Portugiesen und die Bekehrten auf der Seite des Kaisers. Jahr fuͤr Jahr wird geschlagen: Gluͤck und Gefahr wechseln: zuletzt behaͤlt der Kaiser und seine Partei den Sieg. Es ist ein Sieg zugleich des Katholicismus und der Jesui- ten. Im Jahre 1621 entscheidet Seltan-Segued jene alten Streitigkeiten uͤber die beiden Naturen in Christo nach dem Sinne der roͤmischen Kirche; er verbietet, fuͤr den alexan- drinischen Patriarchen zu beten; in seinen Staͤdten, sei- nen Gaͤrten werden katholische Kirchen und Capellen er- baut Juvencius p. 705. Cordara VI, 6, p. 320. Ludolf nennt den Kaiser Susneus. . Im Jahre 1622 empfaͤngt er, nachdem er bei Paez gebeichtet, das Abendmahl nach katholischem Ri- tus. Lange schon war der roͤmische Hof ersucht worden einen lateinischen Patriarchen heruͤberzusenden: doch trug man dort Bedenken, so lange die Gesinnung oder die Macht des Kaisers zweifelhaft waren: jetzt hatte dieser alle seine Gegner besiegt, ergebener konnte er sich nie bezei- gen: am 19ten Dezember 1622 ernannte Gregor XV. einen Portugiesen, den Koͤnig Philipp vorgeschlagen, Doctor Alfonso Mendez, von der Gesellschaft Jesu, zum Patriar- chen von Aethiopien Sagripanti: Discorso della religione dell’ Etiopia MS, aus den atti consistoriali. . Nachdem Mendez endlich ange- langt, leistete der Kaiser dem roͤmischen Papste seine feier- liche Obedienz. 32* Buch VII. Kap. 2. Missionen . Indessen faßte man auch alle griechischen Christen im tuͤrkischen Reiche ins Auge: die Paͤpste schickten Mission auf Mission aus. Unter den Maroniten war durch einige Jesuiten die roͤmische Professio fidei eingefuͤhrt worden: ei- nen nestorianischen Archimandriten finden wir 1614 zu Rom, der den Lehren des Nestorius im Namen einer großen Menge von Anhaͤngern entsagt: in Constantinopel ist eine jesuiti- sche Mission eingerichtet, die daselbst durch den Einfluß des franzoͤsischen Gesandten eine gewisse Festigkeit und Hal- tung bekommt, der es unter andern gelingt den Patriar- chen Cyrillus Lucaris, der sich zu protestantischen Meinun- gen neigte, im Jahre 1621 wenigstens auf einige Zeit zu entfernen. Eine unermeßliche weltumfassende Thaͤtigkeit! — wel- che zugleich in den Andes und in den Alpen vordringt, nach Tibet und nach Scandinavien ihre Spaͤher, ihre Vor- kaͤmpfer aussendet, in England und in Sina sich der Staatsgewalt naͤhert: — auf diesem unbegrenzten Schau- platz jedoch allenthalben frisch und ganz und unermuͤdlich: der Antrieb, der in dem Mittelpunkte thaͤtig ist, begeistert und zwar vielleicht noch lebhafter und inniger jeden Arbei- ter an den aͤußersten Grenzen. Drittes Kapitel . Gegensatz politischer Verhaͤltnisse. Neue Siege des Katholicismus. 1623—1628. Was einer vordringenden Macht Grenzen setzt, ist nicht immer und wohl niemals allein Widerstand von au- ßen: in der Regel wird dieser durch innere Entzweiungen wo nicht geradezu hervorgerufen, doch sehr beguͤnstigt. Waͤre der Katholicismus einmuͤthig geblieben, mit ver- einigten Kraͤften auf sein Ziel losgegangen, so sieht man nicht recht, wie das germanische noͤrdliche Europa, das schon großentheils in seine Interessen verflochten, von sei- ner Politik umsponnen war, ihm auf die Laͤnge haͤtte wi- derstehn wollen. Sollten aber nicht auch auf dieser Stufe der Gewalt in dem Katholicismus die fruͤhern Gegensaͤtze, die doch nur auf der Oberflaͤche beseitigt und im Innern unaufhoͤrlich wirksam geblieben, wieder zum Vorschein kommen? Das Eigenthuͤmliche in dem Forschritte der Religion war in diesem Zeitraume, daß er allenthalben auf politisch- militaͤrischem Uebergewicht beruhte. In Folge der Kriege Buch VII. Kap. 3. Gegensatz drang die Mission vorwaͤrts. Daraus folgte, daß mit dem- selben die groͤßten politischen Veraͤnderungen verbunden wa- ren, die doch auch als solche etwas bedeuten und Ruͤck- wirkungen, die man nicht berechnen konnte, hervorrufen mußten. Von allen diesen Veraͤnderungen nun war ohne Zwei- fel die wichtigste, daß die deutsche Linie des Hauses Oest- reich, die bisher, durch die erblaͤndischen Unruhen gefesselt, in die allgemeinen Angelegenheiten weniger eingegriffen, auf einmal zu der Selbstaͤndigkeit, Bedeutung und Kraft einer großen europaͤischen Macht gedieh. Durch die Erhebung des deutschen Oestreich geschah, daß auch Spanien, wel- ches sich seit Philipp II. friedlich gehalten, mit neuer Kriegs- lust zu seinen fruͤhern Hoffnungen und Anspruͤchen wieder- erwachte. Schon waren beide in Folge der Graubuͤndtner Haͤndel unmittelbar in Verbindung getreten: die Alpenpaͤsse waren auf der italienischen Seite von Spanien, auf der deutschen von Oestreich in Besitz genommen: hier in dem hohen Gebirg schienen sie sich zu gemeinschaftlichen Unter- nehmungen nach allen Seiten der Welt hin die Hand zu bieten. Gewiß lag in dieser Stellung auf der einen Seite eine große Aussicht fuͤr den Katholicismus selbst, dem sich beide Linien mit unverbruͤchlicher Ergebenheit gewidmet hat- ten, aber auf der andern doch auch eine große Gefahr innerer Entzweiung. Wie viel Eifersucht hatte die spa- nische Monarchie unter Philipp II. erweckt! Aber bei wei- tem gewaltiger und kernhafter erhob sich jetzt die Gesammt- macht des Hauses durch den Anwachs ihrer deutschen politischer Verhaͤltnisse . Kraͤfte. Nothwendig mußte sie die alten Antipathien in noch hoͤherem Grade erregen. Zuerst zeigte sich das in Italien. Die kleinen italienischen Staaten, an und fuͤr sich nicht selbstaͤndig, hatten das Beduͤrfniß und auch das Gefuͤhl des Gleichgewichtes in jener Zeit am lebhaftesten. Daß sie jetzt von zwei Seiten in die Mitte genommen, durch die Besetzung der Alpenpaͤsse von aller fremden Huͤlfe abge- schnitten werden sollten, empfanden sie als eine unmittel- bare Bedrohung. Ohne viel Ruͤcksicht, welcher Vortheil ihrem Glaubensbekenntniß aus jener Combination erwachsen koͤnne, wandten sie sich an Frankreich, das ihnen ja allein helfen konnte, um dieselbe zu zerstoͤren. Auch Louis XIII. fuͤrchtete seinen Einfluß auf Italien zu verlieren. Unmittelbar nach dem Frieden von 1622, noch ehe er in seine Haupt- stadt zuruͤckgekommen, schloß er mit Savoyen und Vene- dig einen Vertrag ab, kraft dessen das Haus Oestreich mit gemeinschaftlichen Kraͤften genoͤthigt werden sollte jene buͤndt- nerischen Paͤsse und Plaͤtze herauszugeben Nani: Storia Veneta p. 255. . Eine Absicht die freilich nur einen einzelnen Punkt ins Auge faßte, aber leicht die allgemeine Entwickelung ge- faͤhrden konnte. Sehr wohl erkannte das Gregor XV , die Gefahr die dem Frieden der katholischen Welt, dem Fortgange der re- ligioͤsen Interessen und hiedurch auch der Erneuerung des paͤpstlichen Ansehens von diesem Punkte aus drohe: mit demselben Eifer, mit welchem er Mission und Bekehrung befoͤrderte, suchte er nun auch — denn ihm vor allem stellte Buch VII. Kap. 3. Gegensatz sich der Zusammenhang dar — den Ausbruch der Feindse- ligkeiten zu verhindern. Noch war das Ansehen des paͤpstlichen Stuhles, oder vielmehr das Gefuͤhl der Einheit der katholischen Welt so lebendig, daß sowohl Spanien als Frankreich erklaͤrten, die Entscheidung dieser Sache dem Papste uͤberlassen zu wollen. Ja ihn selbst ging man an, bis zu voͤlliger Ausgleichung die festen Plaͤtze, die so viel eifersuͤchtige Besorgniß rege machten, als ein Depositum in seine Hand zu nehmen und mit seinen Truppen zu besetzen Dispaccio Sillery 28 Nov. 1622. Corsini 13. 21 Genn. 1623, bei Siri: Memorie recondite tom. V, p. 435. 442. Scrit- tura del deposito della Valtellina, ib. 459. . Einen Augenblick bedachte sich Papst Gregor, ob er auf diese thaͤtige und ohne Zweifel auch kostspielige Theil- nahme an entfernten Haͤndeln eingehn solle: da es aber am Tage lag, wie viel davon fuͤr den Frieden der katho- lischen Welt abhing, so ließ er endlich ein paar Compa- gnien werben, und schickte sie unter seinem Bruder Herzog von Fiano nach Graubuͤndten. Die Spanier hatten wenig- stens Riva und Chiavenna zu behalten gewuͤnscht: auch diese uͤberlieferten sie jetzt den paͤpstlichen Truppen Siri: Memorie recondite V, 519. . Erzher- zog Leopold von Tyrol ließ sich endlich auch bereit finden, ihnen die Landschaften und Plaͤtze zu uͤbergeben, auf welche er nicht etwa Anspruͤche eigenen Besitzes erhob. Und hiedurch schien nun in der That die Gefahr besei- tigt, welche die italienischen Staaten zunaͤchst in Bewegung gesetzt hatte. Hauptsaͤchlich kam es noch darauf an, bei den politischer Verhaͤltnisse . weitern Anordnungen die katholischen Interessen wahrzu- nehmen. Man faßte den Plan, Valtellin, wie es den Spa- niern nicht in die Haͤnde fallen duͤrfe, so auch nicht wie- der unter Graubuͤndten gerathen zu lassen: wie leicht haͤtte dann die katholische Restauration daselbst unterbrochen werden koͤnnen: selbstaͤndig sollte es den drei alten rhaͤtischen Buͤn- den als ein vierter gleichberechtigter hinzugefuͤgt werden. Aus derselben Ruͤcksicht wollte man selbst die Verbindung der beiden oͤstreichischen Linien, die zum Fortgange des Ka- tholicismus in Deutschlaud nothwendig schien, nicht voͤllig unterbrechen. Die Paͤsse durch Worms und Valtellin soll- ten den Spaniern offen bleiben: wohlverstanden um Trup- pen nach Deutschland gehn, nicht um deren nach Italien kommen zu lassen Art. IX. des Entwurfes der Convention. . So weit war es: zwar noch nichts abgeschlossen, aber alles zum Abschluß reif, als Gregor XV. starb: — 8. Juli 1623. Er hatte noch die Genugthuung diese Zwistigkei- ten beseitigt, den Fortschritt seiner Kirche unaufgehalten zu sehen. War doch bei den Unterhandlungen sogar von ei- ner neuen Verbindung der Spanier und Franzosen zu ei- nem Angriff auf Rochelle und Holland die Rede gewesen. Es fehlte jedoch viel, daß es nach dem Tode Gre- gors nun auch dahin gekommen waͤre. Einmal genoß der neue Papst Urban VIII. noch nicht jenes Vertrauen das auf der erprobten Voraussetzung ei- ner vollkommenen Unparteilichkeit beruht: sodann waren Buch VII. Kap. 3. Gegensatz die Italiener durch den Vertrag lange nicht zufrieden ge- stellt: aber was das Wichtigste ist, in Frankreich kamen Maͤnner an das Ruder, welche die Opposition gegen Spa- nien nicht mehr auf fremde Bitten als Huͤlfsmacht, son- dern aus eigenem freien Antrieb als den hauptgesichts- punkt der franzoͤsischen Politik wieder aufnahmen, Vieu- ville und Richelieu. Vielleicht liegt hierin weniger Willkuͤhr, als man an- zunehmen geneigt ist. Auch Frankreich war wie Oestreich- Spanien in einer Zunahme aller seiner Kraͤfte begriffen: durch die Siege uͤber die Hugenotten war die koͤnigliche Macht, die Einheit und das Selbstgefuͤhl der Nation un- endlich gestiegen: und wie nun mit der Kraft auch die An- spruͤche wachsen, so trieb alles dahin, eine kuͤhnere Poli- tik zu ergreifen als die bisher befolgte: diese natuͤrliche Tendenz rief sich ihre Organe hervor, Maͤnner, welche sie durchzusetzen geneigt und faͤhig waren. Von Anfang an war Richelieu entschlossen der Autoritaͤt welche das Haus Oestreich noch immer behauptet und damals verjuͤngt und erhoͤht hatte, entgegenzutreten, und den Kampf um das oberste Ansehen in Europa mit demselben einzugehn. Ein Entschluß der nun eine noch viel gefaͤhrlichere Spaltung in die katholische Welt brachte, als die fruͤhere gewesen war. Die beiden Hauptmaͤchte mußten in offenen Krieg gerathen. An die Ausfuͤhrung jenes roͤmischen Trac- tates war nicht mehr zu denken, und vergeblich bemuͤhte sich Urban VIII. die Franzosen bei ihren Zugestaͤndnissen festzuhalten. Aber eine Verbindung mit der katholischen Opposition genuͤgte den Franzosen noch nicht. Obwohl politischer Verhaͤltnisse . Cardinal der roͤmischen Kirche, trug Richelieu kein Beden- ken mit den Protestanten selbst unverholen in Bund zu treten. Zuerst naͤherte er sich den Englaͤndern, um jene spa- nische Vermaͤhlung zu hintertreiben, die dem Hause Oest- reich so viel neuen Einfluß haͤtte verschaffen muͤssen. Es kamen ihm hiebei persoͤnliche Verhaͤltnisse zu Huͤlfe: die Un- geduld Jacobs I , der mit der Zaͤrtlichkeit eines alten Man- nes der sich dem Tode nahe glaubt, nach der Ruͤckkehr seines Sohnes und seines Lieblings verlangte: ein Mißverstaͤnd- niß zwischen den beiden leitenden Ministern Olivarez und Buckingham: aber das Meiste that doch auch hier die Sa- che selbst. Die pfaͤlzische Angelegenheit entwickelte in der Unterhandlung mit Oestreich, Spanien, Baiern und Pfalz unuͤberwindliche Schwierigkeiten Aus einem Schreiben des Pfalzgrafen vom 30sten October ergibt sich, daß er nur mit Gewalt haͤtte zur Annahme der Vor- schlaͤge die man ihm machte haͤtte bewogen werden koͤnnen. : — eine Verbindung mit Frankreich dagegen ließ bei der neuen Richtung welche diese Macht nahm, eine baldige Entscheidung derselben durch die Waffen erwarten. Da nun diese Verbindung dem Koͤ- nig von England nicht allein eine eben so bedeutende Mit- gift verschaffte, sondern auch die Aussicht die englischen Katholiken mit dem Throne zu versoͤhnen, so zog er es vor, seinen Sohn mit einer franzoͤsischen Prinzessin zu vermaͤh- len: er gewaͤhrte ihr dieselben religioͤsen Zugestaͤndnisse die er den Spaniern gemacht. Und sogleich ruͤstete man sich nun hierauf zu dem An- griff. Richelieu entwarf einen weltumfassenden Plan, wie Buch VII. Kap. 3. Gegensatz sie vor ihm noch nicht in der europaͤischen Politik erschie- nen, ihm aber so besonders eigen sind. Durch einen allge- meinen Anfall auf allen Seiten dachte er die spanisch-oͤstrei- chische Macht mit Einem Male zu verderben. Er selbst wollte im Bunde mit Savoyen und Venedig in Italien angreifen: ohne alle Ruͤcksicht auf den Papst ließ er unerwartet franzoͤsische Truppen in Graubuͤndten ein- ruͤcken und die paͤpstlichen Garnisonen aus den festen Plaͤtzen verjagen Relatione di IV ambasciatori 1625. Il papa si doleva che mai Bettune gli aveva parlato chiaro, e che delle sue pa- role non aveva compreso mai che si dovessero portare le armi della lega contra li suoi presidii . — Die gewohnte Politik in Frankreich. . — Mit der englischen hatte er zugleich die hollaͤndische Allianz erneuert. Die Hollaͤnder sollten Suͤd- amerika, die Englaͤnder die Kuͤsten von Spanien angreifen. Durch Koͤnig Jacobs Vermittelung bewegten sich die Tuͤr- ken und drohten einen Einfall in Ungarn. — Der Haupt- schlag aber sollte in Deutschland geschehen. Der Koͤnig von Daͤnemark, der schon lange geruͤstet, war endlich ent- schlossen, die Kraͤfte von Daͤnemark und Niederdeutschland fuͤr seine pfaͤlzischen Verwandten in Kampf zu fuͤhren. Nicht allein England versprach ihm Huͤlfe, Richelieu sagte einen Beitrag von einer Million Livres zu den Kriegskosten zu Auszug aus der Instruction Blainvilles bei Siri VI, 62. Nel fondo di Alemagna sollte Mansfeld mit ihm operiren (Siri 641.) Relatione di Caraffa: (I Francesi) hanno tuttavia continuato sino al giorno d’hoggi a tener corrispondenza con li nemici di S. M à Ces a e dar loro ajuto in gente e danari se ben con coperta, quale però non è stata tale che per molte lettere intercette e per molti altri rincontri non si siano scoperti tutti l’andamenti e corrispondenze: onde prima e doppo la rotta data dal Tilly . politischer Verhaͤltnisse . Von beiden unterstuͤtzt sollte Mansfeld neben dem Koͤnig auftreten und den Weg in die oͤstreichischen Erblande suchen. Zu einem so universalen Angriff ruͤstet sich demnach von den beiden vorwaltenden katholischen Maͤchten die eine wider die andere. Es ist keine Frage, unmittelbar muß dieß den Fort- schritt der katholischen Interessen einhalten. Obwohl das franzoͤsische Buͤndniß politischer Natur ist, so muß doch, eben wegen jener engen Verbindung der kirchlichen und po- litischen Verhaͤltnisse, der Protestantismus darin eine große Foͤrderung sehen. Aufs neue schoͤpft er Athem. Ein neuer Vorkaͤmpfer, der Koͤnig von Daͤnemark, erscheint fuͤr ihn in Deutschland, mit unverbrauchten frischen Kraͤften, von der großen Combination der europaͤischen Politik unterstuͤtzt. Ein Sieg desselben wuͤrde alle Erfolge des Erzhauses und der katholischen Restauration ruͤckgaͤngig gemacht haben. Jedoch erst der Versuch pflegt die Schwierigkeiten zu entwickeln, die ein Unternehmen in sich enthaͤlt. So glaͤn- zend die Talente Richelieus seyn mochten, so war er doch zu rasch an das Werk gegangen, dem seine Neigungen gal- ten, das er als ein Ziel des Lebens, sey es in vollem Be- wußtseyn oder in dunklerem Vorgefuͤhl, vor sich sah: aus seinem Unternehmen erhoben sich ihm Gefahren fuͤr ihn selbst. Nicht allein die deutschen Protestanten, die Gegner al re di Danimarca sempre l’imperatore nel palatinato infe- riore e nelli contorni d’Alsatia v’ha tenuto nervo di gente, du- bitando che da quelle parti potesse venire qualche ruina. Buch VII. Kap. 3. Gegensatz des Hauses Oestreich, ermannten sich, sondern auch die franzoͤsischen, die Gegner Richelieus selbst, faßten unter der neuen politischen Combination wieder Muth. Sie selbst sagen, sie haͤtten gehofft, im schlimmsten Falle durch die jetzigen Verbuͤndeten des Koͤnigs wieder mit ihm ausgesoͤhnt zu werden Mémoires de Rohan P. I, p. 146: „esperant que s’il venoit à bout, les alliés et ligués avec le roi le porteroient plus facilement à un accommodement.“ . Rohan erhob sich zu Lande, Soubise zur See. Im Mai 1625 waren die Hugenotten weit und breit in den Waffen. Und in demselben Momente traten dem Cardinal auf der andern Seite vielleicht noch gefaͤhrlichere Feinde hervor. Bei aller seiner Neigung zu Frankreich besaß Urban VIII. doch zu viel Selbstgefuͤhl, als daß er die Verjagung seiner Garnisonen aus Graubuͤndten so leicht haͤtte verschmerzen sol- len Relatione di P. Contarini: S. S tà (er spricht von der er- sten Zeit nachdem die Nachricht eingelaufen war) sommamente dis- gustata, stimando poco rispetto s’havesse portato alle sue in- segne, del continuo e grandemente se ne querelava. . Er ließ Truppen werben und nach dem Mailaͤn- dischen vorruͤcken, in der ausgesprochenen Absicht mit den Spaniern im Bunde die verlornen Plaͤtze wieder einzuneh- men. Wohl mag es seyn, daß auf diese Kriegsbedrohun- gen wenig zu geben war. Allein um so mehr hatte die kirchliche Einwirkung zu bedeuten, die sich damit ver- knuͤpfte. Die Klagen des paͤpstlichen Nuntius, daß der allerchristlichste Koͤnig der Gehuͤlfe ketzerischer Fuͤrsten seyn wolle, fanden Anklang in Frankreich: die Jesuiten traten mit ihren ultramontanen Doctrinen hervor: von den Stren- politischer Verhaͤltnisse . ger-kirchlich-gesinnten erfuhr Richelieu lebhafte Angriffe Mémoires du cardinal Richelieu: Petitot 23, p. 20. . Zwar fand er dagegen eine Stuͤtze in den gallicanischen Grundsaͤtzen, Vertheidigung bei den Parlamenten: — je- doch er durfte es nicht wagen den Papst lange zum Feinde zu haben. Das katholische Prinzip war zu genau mit dem wiederhergestellten Koͤnigthum verbunden: wer konnte dem Cardinal fuͤr den Eindruck stehn, welchen die geistlichen Ermahnungen auf seinen Fuͤrsten hervorbringen mochten? In Frankreich selbst demnach sah sich Richelieu ange- griffen, und zwar durch die beiden entgegengesetzten Par- teien zugleich. Was er auch immer gegen Spanien aus- richten mochte, so war dieß doch eine Stellung, die sich nicht halten ließ: er mußte eilen aus ihr herauszukommen. Und wie nun bei dem Angriff das Genie der Welt- umfassung, des kuͤhnen vordringenden Entwurfes, so zeigte er in diesem Augenblick die treulose Gewandtheit Verbuͤn- dete nur zu seinem Werkzeug zu machen und dann zu ver- lassen, die ihm sein Lebelang eigen war. Er brachte zuerst seine neuen Bundesgenossen dahin, ihm wider Soubise beizustehn. Er selbst hatte keine Seemacht: mit protestantischen Streitkraͤften aus fremden Laͤndern, mit hollaͤndischen und englischen Schiffen uͤberwaͤltigte er im September 1625 seine protestantischen Gegner in der Hei- math. Er benutzte ihre Vermittelung dazu, die Hugenot- ten zu einer unvortheilhaften Abkunft zu noͤthigen. Sie zweifelten nicht, daß er, sobald er sich dieser Feinde entle- digt habe, den allgemeinen Angriff erneuern werde. Allein wie erstaunten sie, als statt dessen ploͤtzlich die Buch VII. Kap. 3. Gegensatz Kunde von dem Frieden von Monzon erscholl, der im Maͤrz 1626 zwischen Spanien und Frankreich abgeschlos- sen worden. Ein paͤpstlicher Legat war deshalb an beide Hoͤfe gereist. Zwar scheint er keinen wesentlichen Einfluß auf die Abkunft gehabt zu haben, doch machte er auf je- den Fall das katholische Prinzip rege. Waͤhrend Richelieu die Protestanten unter dem Anschein des engsten Vertrauens zu seinen Zwecken benutzte, hatte er mit noch groͤßerem Ei- fer Unterhandlungen zu ihrem Verderben mit Spanien ge- pflogen. Ueber Valtellin einigte er sich mit Olivarez da- hin, daß es zwar unter die Herrschaft von Graubuͤndten zu- ruͤckkehren solle, aber mit selbstthaͤtigem Antheil an der Be- setzung der Aemter und der ungeschmaͤlerten Freiheit katho- lischer Gottesverehrung Du Mont V, 2, p. 487, § 2. qu’ils ne puissent avoir par ci-après autre religion que la catholique — — § 3. qu’ils puis- sent élire par élection entre eux leurs juges, gouverneurs et au- tres magistrats tous catholiques; folgen dann einige Beschraͤn- kungen. . Die katholischen Maͤchte, wel- che so eben einen Kampf auf Leben und Tod beginnen zu wollen geschienen, standen in Einem Moment wieder ver- einigt da. Es kam hinzu, daß sich uͤber die Ausfuͤhrung der in dem Vermaͤhlungsvertrag eingegangenen Verpflichtungen Mißhelligkeiten zwischen Franzosen und Englaͤndern erhoben. Mit Nothwendigkeit erfolgte dann ein Stillstand al- ler jener antispanischen Unternehmungen. Die italienischen Fuͤrsten mußten sich, so ungern sie es auch thaten, in das Unabaͤnderliche fuͤgen: — Savoyen schloß einen Stillstand mit Genua: Venedig pries sich politischer Verhaͤltnisse. gluͤcklich, daß es nicht bereits in Mailand eingefallen war, und entließ seine Milizen. Wenigstens hat man behaup- tet, das schwankende Betragen der Franzosen habe noch im Jahre 1625 den Entsatz von Breda gehindert, so daß ih- nen der Verlust dieser wichtigen Festung an die Spanier zuzuschreiben sey. Jedoch das große und entscheidende Miß- geschick trat in Deutschland ein. Die Kraͤfte von Niederdeutschland hatten sich um den Koͤnig von Daͤnemark gesammelt, unter dem Schirm, wie man glaubte, jener allgemeinen Verbindung wider Spa- nien: Mansfeld ruͤckte gegen die Elbe. Ihnen gegenuͤber hatte sich auch der Kaiser mit doppelter Anstrengung geruͤ- stet: er wußte wohl, wie viel davon abhing. Als es zum Schlagen kam, bestand die Verbindung schon nicht mehr: die franzoͤsischen Subsidien wurden nicht gezahlt, allzu langsam lief die englische Unterstuͤtzung ein: die kaiserlichen Truppen waren krieggeuͤbter: es erfolgte, daß der Koͤnig von Daͤnemark die Schlacht bei Lutter ver- lor, und auf sein Land zuruͤckgeworfen, daß auch Mans- feld als ein Fluͤchtling in die oͤstreichischen Provinzen ge- trieben ward, die er als Sieger und Wiederhersteller zu beschreiten gehofft hatte. Ein Erfolg der nothwendig eben so universale Wir- kungen haben mußte wie seine Ursachen waren. Zunaͤchst fuͤr die kaiserlichen Laͤnder. Wir koͤnnen sie mit Einem Worte bezeichnen. Die letzte Bewegung welche hier fuͤr den Protestantismus unternommen worden — in Hoffnung auf jene allgemeine Combination — ward ge- Päpste* 33 Buch VII. Kap. 3. Neue Siege daͤmpft: nunmehr ward auch der Adel, der bisher per- soͤnlich noch unbelaͤstigt geblieben, zum Uebertritt genoͤ- thigt. Der Kaiser erklaͤrte am Ignatiustage 1627, daß er nach Ablauf von sechs Monaten Niemand mehr, auch nicht vom Herrn und Ritterstande, in seinem Erbreich Boͤh- men dulden werde, der nicht ihm und der apostolischen Kirche in dem allein seligmachenden katholischen Glauben beistimme Caraffa: Relatione MS. Havendo il S r cardinale ed io messo in consideratione a S. M à , che come non si riformassero i baroni e nobili eretici, si poteva poco o nulla sperare della conversione delli loro sudditi e per conseguenza havriano po- tuto ancora infettare pian piano gli altri, piacque a S. M à di aggiungere al S r C le ed agli altri commissarj autorità di rifor- mare anche li nobili. ; aͤhnliche Edicte ergingen in Oberoͤstreich, im Jahre 1628 in Kaͤrnthen, Krain und Steiermark, nach einiger Zeit auch in Niederoͤstreich. Vergebens war es, auch nur um Aufschub zu bitten; der Nuntius Caraffa stellte vor, nur von der Hoffnung auf einen allgemeinen Gluͤcks- wechsel schreibe sich diese Bitte her. Seitdem erst wurden jene Landschaften wieder vollkommen katholisch. Welche Oppo- sition hatte 80 Jahre daher der Adel von Oestreich dem Erzhause gemacht! Jetzt erhob sich die landesfuͤrstliche Macht, rechtglaͤubig siegreich und unumschraͤnkt, uͤber je- den Widerstand. Und noch weitaussehender waren die Wirkungen des neuen Sieges in dem uͤbrigen Deutschland. Niedersachsen war eingenommen: bis an den Kattegat standen die kaiserli- chen Voͤlker: Brandenburg und Pommern hielten sie besetzt: Meklenburg war in den Haͤnden des kaiserlichen Feldherrn: des Katholicismus. Deutschland. so viele Hauptsitze des Protestantismus waren von einem katholischen Kriegsheere uͤberwaͤltigt. Es zeigte sich sogleich, wie man diese Lage der Dinge zu benutzen denke. Ein kaiserlicher Prinz ward zum Bi- schof von Halberstadt postulirt: aus apostolischer Macht ernannte dann der Papst ebendenselben zum Erzbischof von Magdeburg. Es ist keine Frage, daß wenn eine katholische erzherzogliche Regierung sich hier festsetzte, sie mit der Strenge der uͤbrigen geistlichen Fuͤrsten auf die Herstellung des Ka- tholicismus in dem gesammten Sprengel dringen mußte. Indessen setzten sich die Antireformationen in Ober- deutschland mit neuem Eifer fort. Man muß einmal das Verzeichniß der Erlasse der Reichskanzlei aus diesen Jahren bei Caraffa ansehen: wie viele Anmahnungen, Beschluͤsse, Entscheidungen, Empfehlungen, alle zu Gunsten des Ka- tholicismus Brevis enumeratio aliquorum negotiorum quae — — in puncto reformationis in cancellaria imperii tractata sunt ab anno 1620 ad annum 1629, im Anhang zur Germania sacra restaurata p. 34. . Der junge Graf von Nassau-Siegen, die juͤngern Pfalzgrafen von Neuburg, der Deutschmeister un- ternahmen neue Reformationen: in der Oberpfalz ward nun auch der Adel zum Katholicismus genoͤthigt. Jetzt nahmen jene alten Processe geistlicher Herrn ge- gen weltliche Staͤnde uͤber eingezogene Kirchenguͤter einen andern Gang als fruͤher. Wie ward allein Wuͤrtemberg geaͤngstigt! Es drangen alle die alten Klaͤger, die Bischoͤfe von Constanz und Augsburg, die Aebte von Moͤnchsreit und Kaisersheim mit ihren Anspruͤchen gegen das herzog- 33* Buch VII. Kap. 3. Neue Siege liche Haus durch, die Existenz desselben ward gefaͤhrdet Sattler: Geschichte von Wuͤrtenberg unter den Herzogen, Th VI, p. 226. . Allenthalben bekamen die Bischoͤfe Recht wider die Staͤdte: der Bischof von Eichstaͤdt wider Nuͤrnberg, das Capitel von Straßburg wider die Stadt Straßburg: Schwaͤbisch- Hall, Memmingen, Ulm, Lindau, viele andere Staͤdte wur- den genoͤthigt den Katholischen die ihnen entrissenen Kir- chen zuruͤckzugeben. Begann man nun hier allenthalben auf den Buchsta- ben des Religionsfriedens zu dringen, wie nahe lag dann eine allgemeinere Anwendung der Grundsaͤtze desselben wie man sie jetzt verstand Senkenberg: Fortsetzung der Haͤberlinschen Reichsgeschichte B. 25, p. 633. . „Nach der Schlacht bei Lutter“, sagt Caraffa, „schien der Kaiser wie von einem langen Schlafe zu erwachen: von einer großen Furcht befreit, die seine Vorfahren und ihn selbst bisher gefesselt, faßte er den Gedanken ganz Deutsch- land zu der Norm des Religionsfriedens zuruͤckzufuͤhren.“ Außer Magdeburg und Halberstadt waͤren dann auch Bremen, Verden, Minden, Camin, Havelberg, Schwerin, fast alle norddeutschen Stifter dem Katholicismus zuruͤckge- geben worden. Es war immer das entfernte Ziel gewesen, das der Papst und die Jesuiten in den glaͤnzendsten Au- genblicken ihres Gluͤckes ins Auge gefaßt hatten. Eben darum war doch selbst der Kaiser bedenklich. Er zweifelte, sagt Caraffa, nicht an dem Rechte, sondern an der Moͤg- lichkeit der Ausfuͤhrung. Allein der Eifer der Jesuiten, des Katholicismus. Deutschland. vor allem des Beichtvaters Lamormain, das guͤnstige Gut- achten der vier katholischen Churfuͤrsten, das unermuͤdliche Anhalten jenes paͤpstlichen Nuntius, der ja selbst berichtet, es habe ihm monatlange Arbeit gekostet um durchzudrin- gen, beseitigte am Ende alle Bedenklichkeiten. Bereits im August 1628 ward das Restitutionsedict eben so abgefaßt wie es nachher erschienen ist Dieser Zeitpunkt der Abfassung ergibt sich aus Caraffa: Commentar. de Germ. sacra restaurata p. 350. Er bemerkt, daß das Edict 1628 abgefaßt, 1629 publicirt worden; dann faͤhrt er fort: Annuit ipse deus, dum post paucos ab ipsa deliberatione dies Caesarem insigni victoria remuneratus est. Er meint den Sieg von Wolgast, der am 22sten August erfochten ward. . Ehe es erlassen wuͤrde, sollte es nur noch einmal den katholischen Churfuͤrsten in Erwaͤgung gegeben werden. Es war aber hiemit noch ein weiterer Plan verknuͤpft: man gab der Hoffnung Raum die lutherischen Fuͤrsten in Gutem zu gewinnen. Nicht die Theologen, sondern der Kaiser oder einige katholische Reichsfuͤrsten selbst sollten es versuchen. Man beabsichtigte davon auszugehn, daß die Vorstellung, die man im noͤrdlichen Deutschland vom Katholicismus hege, irrig, daß die Abweichung des un- geaͤnderten augsburgischen Bekenntnisses von der echt-ka- tholischen Lehre nur sehr gering sey: den Churfuͤrsten von Sachsen hoffte man dadurch zu gewinnen, daß man ihm das Patronat der drei Hochstifter seines Gebietes uͤberlasse Schon 1624 hegte man zu Rom Hoffnung auf die Bekeh- rung dieses Fuͤrsten. Instruttione a mons r Caraffa. Venne an- cora qualche novella della sperata riunione con la chiesa cat- tolica del sig r duca di Sassonia, ma ella svanì ben presto: con tutto cìò il vederlo non infenso a’ cattolici e nemicissimo de’ . Buch VII. Kap. 3. Neue Siege Man verzweifelte nicht den Haß der Lutheraner gegen den Calvinismus erwecken und dann zu einer vollkommenen Herstellung des Katholicismus benutzen zu koͤnnen. Ein Gedanke den man in Rom mit Lebhaftigkeit er- griff und zu einem ausfuͤhrlichen Project ausarbeitete. Kei- nesweges meinte Urban VIII. sich mit den Bestimmungen des Religionsfriedens zu begnuͤgen, den ja niemals ein Papst gutgeheißen hatte A cui, sagt der Papst vom Passauer Vertrag in einem Breve an den Kaiser, non haveva giammai assentito la sede apo- stolica. . Nur eine voͤllige Restitution aller Kirchenguͤter, eine vollkommene Zuruͤckfuͤhrung aller Protestanten konnte ihn befriedigen. Hatte sich doch dieser Papst in dem gluͤcklichen Au- genblicke zu einem wo moͤglich noch kuͤhneren Gedanken erhoben, dem Entwurfe England anzugreifen. Gleichsam mit einer Art von Naturnothwendigkeit tritt dieser Plan von Zeit zu Zeit in den großen katholischen Combinationen wieder hervor. Jetzt hoffte sich der Papst des wiederher- gestellten Einverstaͤndnisses der beiden Kronen dazu zu be- dienen In Siris Memorie VI, 257 findet sich hievon Notiz, obwohl nur eine sehr unvollstaͤndige. Auch die Nachricht in Richeliens Me- moiren XXIII, 283 ist nur einseitig. Um vieles ausfuͤhrlicher und authentischer ist die Darstellung bei Nicoletti, die wir hier benutzen. . Zuerst dem franzoͤsischen Gesandten stellte er vor, welche Calvinisti ed amicissimo del Magontino e convenuto nell’ elet- torato di Baviera ci fa sperare bene: laonde non sarà inutile che S. S à tenga proposito col detto Magontino di questo desi- derato acquisto. des Kathol. Absicht auf England. Beleidigung fuͤr Frankreich darin liege, daß man sich in England an die bei der Vermaͤhlung gemachten Zusagen so ganz und gar nicht binde. Entweder muͤsse Ludwig XIII. die Englaͤnder noͤthigen ihre Verpflichtungen zu erfuͤllen, oder einem Fuͤrsten die Krone entreißen, der als ein Ketzer vor Gott und als ein Wortbruͤchiger vor den Menschen sie unwuͤrdig trage Der Papst sagt bei Nicoletti: Essere il re di Francia of- feso nello stato pel fomento che l’Inghilterra dava agli Ugo- notti ribelli: nella vita, rispetto agli incitamenti e fellonia di Sciales, il quale haveva indotto il duca di Orleans a macchinare contro S. M tà , per lo cui delitto fu poscia fatto morire: nella riputazione, rispetto a tanti mancamenti di promesse: e final- mente nel proprio sangue, rispetto agli strapazzi fatti alla re- gina sua sorella: ma quello che voleva dir tutto, nell’ anima, insidiando l’Inglese alla salute di quella della regina ed insieme a quella del christianissimo stesso e di tutti coloro che pur troppo hebbero voglia di fare quello infelice matrimonio. . Hierauf wandte er sich auch an den spanischen Bot- schafter O ñ ate. Der Papst meinte, schon als ein guter Ritter sey Philipp IV. verpflichtet, der Koͤniginn von Eng- land, einer so nahen Verwandten — sie war seine Schwaͤ- gerin, — die jetzt um ihres Glaubens willen bedraͤngt werde, zu Huͤlfe zu kommen. Als der Papst sah, daß er Hoffnung hegen duͤrfe, uͤber- trug er dem Nuntius Spada zu Paris die Unterhandlung. Unter den einflußreichen Maͤnnern in Frankreich er- griff Cardinal Berulle, der die Unterhandlung uͤber die Ver- maͤhlung geleitet, diesen Gedanken am lebhaftesten. Er be- rechnete, wie man sich der englischen Fahrzeuge an den fran- zoͤsischen Kuͤsten bemaͤchtigen, wie man sogar die Flotte der Englaͤnder in ihren Haͤfen verbrennen koͤnne. In Spanien Buch VII. Kap. 3. Neue Siege ging Olivarez ohne viel Zoͤgern auf diesen Plan ein. Zwar haͤtten ihn fruͤhere Treulosigkeiten bedenklich machen koͤnnen, und ein anderer hoher Staatsbeamter, Cardinal Bedmar, stimmte deshalb dagegen: aber der Gedanke war zu groß- artig, zu umfassend, als daß Olivarez, der in allen Din- gen das Glaͤnzende liebte, ihn haͤtte zuruͤckweisen moͤgen. Auf das geheimste ward die Unterhandlung betrieben: selbst jener franzoͤsische Gesandte in Rom, dem die ersten Er- oͤffnungen geschehen waren, erfuhr nichts von ihrem Fort- gange. Richelieu entwarf die Artikel des Vertrages: — Oli- varez verbesserte sie: — auch so ließ sie sich Richelieu ge- fallen. Am 20. April 1627 wurden sie ratificirt. Die Franzosen verpflichteten sich sogleich die Ruͤstungen zu be- ginnen und ihre Haͤfen in Stand zu setzen. Die Spanier waren bereit noch im Jahre 1627 zum Angriff zu schrei- ten: im naͤchsten Fruͤhling sollten ihnen dann die Franzo- sen mit ganzer Macht zu Huͤlfe kommen Lettere del nunzio 9 Aprile 1627. Tornò a Parigi il prefato corriere di Spagna con avvisi che il re cattolico con- tentavasi di muoversi il primo, come veniva desiderato da Fran- cesi, purchè da questi si concedessero unitamente le due offerte altre volte alternativamente proposte, cioè che il christianissimo si obligasse di muoversi nel mese di maggio o di giugno dell’ anno seguente e che presentemente accomodasse l’armata cat- tolica di alcune galere ed altri legni. Portò anche nuova il me- desimo corriere che il conte duca haveva in Ispagna staccata la pratica e dato ordine che se ne staccasse una simile in Fiandra col re d’Inghilterra, il quale offriva al cattolico sospensione d’ar- mi per tre anni o altro più lungo tempo tanto a nome del re di Danimarca quanto degli Olandesi. . Es tritt aus unsern Nachrichten nicht deutlich her- des Kathol. Absicht auf England. vor, wie Spanien und Frankreich die Beute zu theilen gedachten: so viel ergibt sich, daß man dabei auch auf den Papst Ruͤcksicht nahm. In tiefstem Vertrauen eroͤff- nete Berulle dem Nuntius, wenn es gelinge, so solle Irland an den paͤpstlichen Stuhl fallen: der Papst moͤge es dann durch einen Vicekoͤnig regieren lassen. Mit außerordentli- cher Genugthuung empfing der Nuntins diesen Antrag: nur empfahl er Seiner Heiligkeit nichts davon verlauten zu lassen: damit es nicht scheine, als habe sie bei ihren Anschlaͤgen weltliche Absichten. Auch an Deutschland und Italien dachte man aber bei diesem Plane. Noch schien es moͤglich, das Uebergewicht der engli- schen und der hollaͤndischen Seemacht durch eine allgemeine Vereinigung zu bezwingen. Man faßte den Gedanken eine bewaffnete Compagnie zu errichten, unter deren Schutze ein unmittelbarer Verkehr zwischen der Ostsee, Flandern, den fran- zoͤsischen Kuͤsten, Spanien und Italien ohne allen Antheil der beiden Seemaͤchte eingerichtet werden koͤnne. Schon machte der Kaiser den Hanscstaͤdten Antraͤge in diesem Sinne: — die Infantin zu Bruͤssel wuͤnschte, daß den Spaniern ein Hafen an der Ostsee eingeraͤumt werden moͤchte Papst Urban sagt dieß in einer Instruction an Ginetti, bei Siri: Mercurio II, 984. : — es ward mit dem Großherzog von Toscana daruͤber unterhan- delt, der den spanisch-portugiesischen Handel hiedurch nach Livorno ziehen koͤnne Scrittura sopra la compagnia militante, MS im Archi- vio Mediceo, enthaͤlt eine Deliberation uͤber die Ausfuͤhrbarkeit die- . Buch VII. Kap. 3. Neue Siege. So weit brachte man es nun freilich nicht. Einen sehr abweichenden Gang nahm durch die Verflechtung der Verhaͤltnisse das Ereigniß, aber doch einen solchen, der zu- letzt zu einem den katholischen Tendenzen uͤberaus guͤnsti- gen Resultate fuͤhrte. Indem man so umfassende Plaͤne zu einem Angriffe auf England entwarf, begegnete daß man selbst einen An- griff von England erfuhr. Im Juli 1627 erschien Buckingham mit einer statt- lichen Flotte an der Kuͤste von Frankreich: er landete auf der Insel Rh é , und nahm sie ein, bis auf die Citadelle von S. Martin, die er sofort belagerte: er rief die Huge- notten zur erneuten Vertheidigung ihrer Freiheiten und ih- rer religioͤsen Unabhaͤngigkeit auf, die allerdings von Tage zu Tage mehr gefaͤhrdet war. Die englischen Geschichtschreiber pflegen dieß Unter- nehmen von einer seltsamen Leidenschaft Buckinghams fuͤr die Koͤnigin Anna von Frankreich herzuleiten. Stehe es mit dieser Neigung wie es wolle, so liegt doch in dem großen Gange der Angelegenheiten ein ganz anderer und gewiß der wesentlichste Grund desselben. Sollte Bucking- ham den Angriff den man beabsichtigte, in England er- warten? Es war doch ohne Zweifel besser, ihm zuvorzu- kommen und den Krieg nach Frankreich zu tragen Man duͤrfte fragen, ob Buckingham von jenem geheimniß- vollen Anschlag etwas erfahren habe. Es ist doch hoͤchst wahrschein- . Ei- ses Planes: Si propone che i popoli delle città anseatiche en- treranno nella compagnia militante per farne piacere all’ impe- ratore e che i Toscani non abbino a ricusare come chiamati da sì gran monarchi. des Katholicismus. Rochelle. nen guͤnstigeren Zeitpunkt konnte es nicht geben: Louis XIII. war gefaͤhrlich krank, und Richelieu im Kampfe mit starken Factionen. Nach einigem Zoͤgern erhoben die Huge- notten in der That die Waffen aufs neue: ihre kuͤhnen und kriegskundigen Anfuͤhrer erschienen noch einmal im Felde. Nur haͤtte Buckingham nun auch den Krieg nachdruͤck- licher fuͤhren, und besser unterstuͤtzt werden muͤssen. Koͤ- nig Carl I. bekennt in allen seinen Briefen, daß dieß nicht hinreichend geschehe. Wie man es trieb, war man dem Cardinal Richelieu, dessen Genius in schwierigen Augenblicken seine Mittel mit doppelter Kraft entwickelte, und der sich nie entschlossener, standhafter, unermuͤdlicher bewiesen, in kurzem nicht mehr gewachsen. Buckingham rettete sich durch einen Ruͤckzug. Sein Unternehmen, das die fran- zoͤsische Regierung in außerordentliche Gefahr haͤtte bringen koͤnnen, hatte dann keinen andern Erfolg, als daß sich die gesammte Kraft des Landes mit erneuter Gewalt unter der Leitung des Cardinals uͤber die Hugenotten ergoß. Der Mittelpunkt der hugenottischen Macht war ohne Zweifel in Rochelle; schon in fruͤhern Jahren hatte Riche- lieu, wenn er sich in seinem Bisthume Lu ç on dort in der lich. Denn wie selten ist ein Geheimniß so ganz geheim, daß nicht etwas davon verlauten sollte. Wenigstens der venezianische Gesandte Zorzo Zorzi, der um die Zeit daß jene Verabredungen im Gange waren, nach Frankreich kam, hoͤrte sogleich davon. Si aggiungeva che le due corone tenevano insieme machinationi e trattati di assalire con pari forze e dispositioni l’isola d’Inghilterra. Da ist nun sehr unwahrscheinlich, daß man es in England nicht erfah- ren habe; die Venezianer standen im engsten Vernehmen mit Eng- land: sie kamen selbst in Verdacht die Expedition gegen Rh é gera- then zu haben. ( Rel. di Francia 1628.) Buch VII. Kap. 3. Neue Siege Naͤhe aufhielt, uͤber die Moͤglichkeit diesen Platz zu erobern nachgedacht: jetzt sah er sich selbst berufen ein solches Un- ternehmen zu leiten: er beschloß es auszufuͤhren, es koste auch was es wolle. Sonderbarer Weise kam ihm hiebei nichts so sehr zu Statten wie der Fanatismus eines englischen Puritaners. Endlich hatte Buckingham sich noch einmal geruͤstet, um Rochelle zu entsetzen: seine Ehre war dafuͤr verpflich- tet, seine Stellung in England und der Welt hing davon ab; und ohne Zweifel haͤtte er alle seine Kraͤfte dazu an- gestrengt: diesen Augenblick waͤhlte jener Fanatiker, von Rachsucht und mißverstandenem Religionseifer angetrieben, um Buckingham zu ermorden. In großen Entscheidungen ist es nothwendig, daß maͤchtige Maͤnner eine Unternehmung zu ihrer persoͤnlichen Angelegenheit machen. Die Belagerung von Rochelle war wie ein Zweikampf zwischen den beiden Ministern. Jetzt blieb Richelieu allein uͤbrig. In England fand sich Niemand der Buckinghams Stelle vertreten, seine Ehre sich zu Her- zen genommen haͤtte: die englische Flotte erschien an der Rhede, aber ohne etwas Rechtes zu unternehmen. Man sagt, Richelieu habe gewußt, daß sie dieß nicht thun wuͤrde. Unerschuͤtterlich hielt er aus. Im October 1628 ergab sich ihm Rochelle. Nachdem die Hauptfeste gefallen, verzweifelten auch die benachbarten Plaͤtze sich zu halten: ihre Sorge war nur, eine ertraͤgliche Abkunft zu treffen Zorzo Zorzi: Relatione di Francia 1629. L’acquisto di Rocella ultimato sugli occhi dell’ armata Inglese, che professava . des Katholicismus. Rochelle. Und so entsprangen aus alle diesen politischen Verwik- kelungen, die den Protestanten anfangs guͤnstig geschienen, am Ende doch wieder dem Katholicismus entscheidende Siege, gewaltige Fortschritte. Das nordoͤstliche Deutsch- land, das suͤdwestliche Frankreich, die so lange widerstan- den, waren beide besiegt. Es schien nur noch darauf anzukommen, die uͤberwundenen Feinde durch Gesetze und fortwirkende Einrichtungen auf immer zu unterwerfen. Die Huͤlfe welche Daͤnemark den Deutschen, England den Franzosen angedeihen ließ, war denselben eher verderb- lich geworden: sie hatte den uͤberlegenen Feind erst herbeige- zogen: diese Maͤchte waren bereits selbst gefaͤhrdet oder an- gegriffen. Die kaiserlichen Truppen drangen nach Juͤtland vor. Zwischen Spanien und Frankreich ward im Jahre 1628 noch auf das lebhafteste uͤber jenen gemeinschaftlichen Angriff auf England unterhandelt. di sciogliere l’assedio et introdurvi il soccorso, l’impresa con- tro Roano, capo et anima di questa fattione, i progressi contra gli Ugonotti nella Linguadocca colla ricuperatione di ben 50 piazze hanno sgomentato i cuori e spozzato la fortuna di quel partito, che perdute le forze interne e mancategli le intelligenze straniere si è intieramente rimesso alla volontà e clemenza del re. Er bemerkt, daß die Spanier freilich spaͤt und nur mit 14 Schiffen, aber daß sie doch wirklich gekommen seyen, um an der Be- lagerung von Rochelle Theil zu nehmen. Den Uebertritt schreibt er der „certezza del fine“ und dem „participar agli onori“ zu. Viertes Kapitel. Mantuanisch-schwedischer Krieg. Umschwung der Dinge. Auf den ersten Blick bietet der Gang der Weltereig- nisse, der Fortschritt einer angefangenen Entwickelung den Anschein des Unabaͤnderlichen dar. Tritt man aber naͤher heran, so zeigt sich nicht sel- ten, daß das Grundverhaͤltniß, auf welchem alles beruht, leicht und zart ist, fast persoͤnlich, Hinneigung oder Ab- neigung, nicht so schwer zu erschuͤttern. Fragen wir, was diese neuen großen Vortheile der katholischen Restauration hauptsaͤchlich hervorbrachte, so war es nicht so sehr die Kriegsmacht des Tilly und des Wal- lenstein oder das militaͤrische Uebergewicht Richelieus uͤber die Hugenotten, als das erneute Einverstaͤndniß zwischen Frankreich und Spanien, ohne welches weder Jene noch auch Dieser viel ausgerichtet haben wuͤrden. Der Protestantismus leistete schon 1626 keinen selb- staͤndigen Widerstand mehr: nur durch eine Entzweiung der katholischen Maͤchte ermannte er sich dazu: die Versoͤhnung derselben fuͤhrte sein Verderben herbei. Mantuanisch-schwedischer Krieg. Wer haͤtte sich aber verbergen koͤnnen, wie leicht sich jenes Einverstaͤndniß erschuͤttern ließ. Innerhalb der Grenzen des Katholicismus waren zwei entgegengesetzte Antriebe mit gleicher Nothwendigkeit aus- gebildet, der eine der Religion, der andere der Politik. Jener forderte Zusammenhalten, Ausbreitung des Glau- bens, Hintansetzung aller andern Ruͤcksichten: dieser rief den Wettstreit der großen Maͤchte um ein vorwaltendes An- sehen unablaͤßig hervor. Man duͤrfte wohl nicht sagen, durch den Gang der Ereignisse sey das Gleichgewicht von Europa bereits um- gestuͤrzt gewesen. Das Gleichgewicht beruhte in jenen Zei- ten auf dem Gegensatze zwischen Frankreich und Oestreich- Spanien, und auch Frankreich war im Laufe dieser Bege- benheiten unendlich viel staͤrker geworden. Aber nicht minder von der Voraussicht der Zukunft als von einer gegenwaͤrtigen Bedraͤngniß haͤngt die Thaͤ- tigkeit der Politik ab. Der natuͤrliche Lauf der Dinge schien eine allgemeine Gefahr herbeifuͤhren zu muͤssen. Daß die altprotestantischen norddeutschen Laͤnder von den wallensteinischen Kriegsvoͤlkern uͤberschwemmt worden, eroͤffnete die Moͤglichkeit einer Herstellung der kaiserlichen Hoheit im Reiche, die seit Jahrhunderten, einen Moment im Leben Carls V. etwa ausgenommen, nur noch ein Schat- ten gewesen, zu wahrhafter Macht und wesentlicher Be- deutung. Ging es mit der katholischen Restauration auf dem eingeschlagenen Wege fort, so war das unvermeidlich. Einmal hatte nun Frankreich dagegen kein Aequiva- lent zu erwarten: sobald es der Hugenotten Herr gewor- Buch VII. Kap . 4. den war, so blieb ihm nichts weiter zu gewinnen uͤbrig. Aber hauptsaͤchlich erhoben sich die Besorgnisse der Italiener. Sie fanden die Erneuerung eines maͤchtigen Kaiserthums, das so viele Anspruͤche in Italien hatte, und mit der ver- haßten Gewalt der Spanier so unmittelbar zusammenstand, gefahrvoll, ja unertraͤglich. Aufs neue war die Frage, ob die katholischen Be- strebungen ohne Ruͤcksicht hierauf fortgesetzt werden, noch einmal die Oberhand erkaͤmpfen, oder ob die politischen Ge- sichtspunkte uͤberwiegen und einen Einhalt derselben ver- anlassen wuͤrden. Indem der Strom der katholischen Restauration sich noch mit voller Gewalt uͤber Frankreich und Deutschland ergoß, trat in Italien eine Bewegung ein, bei der sich das entscheiden mußte. Mantuanische Erbfolge. In den letzten Tagen des Jahres 1627 starb Vin- cenz II Gonzaga, Herzog von Mantua, ohne Leibeserben. Sein naͤchster Agnat war Carl Gonzaga, Herzog von Nevers. An und fuͤr sich bot nun diese Erbfolge keine Schwie- rigkeiten dar, an den Rechten des Agnaten konnte kein Zweifel obwalten. Allein sie schloß eine politische Veraͤn- derung von großer Bedeutung ein. Carl Nevers war in Frankreich geboren, und mußte als ein Franzose angesehen werden: man glaubte, die Spanier wuͤrden es nicht dulden, daß ein Franzose in Oberitalien, wel- Mantuanische Erbfolge. welches sie von jeher mit besonderer Eifersucht vor allem franzoͤsischen Einfluß sicher zu stellen gesucht, maͤchtig wuͤrde. Gehn wir nach so langer Zeit der Sache auf den Grund, so findet sich doch, daß man anfangs weder an dem spanischen noch an dem oͤstreichischen Hofe ihn auszuschlie- ßen gedachte. Er war doch auch mit dem Erzhause verwandt: die Kaiserin war eine mantuanische Prinzessin und immer sehr fuͤr ihn: „man muthete ihm“, sagt Khevenhiller, der in den mantuanischen Geschaͤften gebraucht wurde, „an- fangs nichts Widriges zu: man berathschlagte vielmehr, ihn zu des Erzhauses Devotion zu bringen“ Annales Ferdinandei XI, p. 30. . Auch Oli- varez hat dieß ausdruͤcklich versichert: er hat erzaͤhlt, als man von der schweren Krankheit Don Vincenzos gehoͤrt, sey beschlossen worden, einen Courier an den Herzog von Nevers abzusenden, um ihm den Schutz von Spanien zu einer friedlichen Besitznahme von Mantua und Montferrat anzutragen Francesco degli Albizi, negotiato di mons r Cesare Monte: S. M à , sagt Olivarez, in sentire la grave indispositione del duca Vincenzo ordinò che si dispacciasse corriero in Fran- cia al medesimo Nivers promettendogli la protettione sua ac- ciò egli potesse pacificamente ottenere il possesso di Mantova e del Monferrato: ma appena consegnati gli ordini, si era con altro corriere venuto d’Italia intesa la morte di Vincenzo, il matrimonio di Retel senza participatione del re etc. . Es ist wohl moͤglich, daß man ihm Bedin- gungen gesetzt, Sicherheiten von ihm verlangt haben wuͤrde: sein Recht dachte man ihm nicht zu entreißen. Merkwuͤrdig wie diese natuͤrliche Entwickelung verhin- dert ward. In Italien traute man den Spaniern ein so recht- Päpste* 34 Buch VII. Kap . 4. liches Verfahren nicht zu. Man hatte ihnen nie glauben wollen, so oft sie auch fruͤher versicherten daß sie es beob- achten, daß sie sich der Erbfolge des Nevers nicht wider- setzen wuͤrden Nè si deve dar credenza, sagt unter andern der veneziani- sche Gesandte in Mantua, Mulla, 1615, a quello che si è lasciato intender più volte il marchese di Inoiosa, già governator di Mi- lano, che Spagnoli non porterebbono, quando venisse il caso, mai altri allo stato di Mantoa che il duca di Nivers: — aber warum nicht? Es ergibt sich nur das Factum: der Governator sagt es, die Italiener glauben es nicht; dennoch ist es ohne Zwei- fel so. . Die spanischen Machthaber in Italien hatten nun einmal den Verdacht auf sich geladen, auch auf eine ungesetzliche Weise nach dem Besitz einer unumschraͤnk- ten Macht zu streben. Man ließ sich jetzt nicht ausreden, daß sie ein ihnen ergebeneres Mitglied des Hauses Gonzaga zu dem Herzogthume zu befoͤrdern suchen wuͤrden. Gestehn wir aber, daß der Wunsch der Italiener einen mit Frankreich natuͤrlich verbuͤndeten und von Spa- nien unabhaͤngigen Fuͤrsten in Mantua zu sehen, an dieser Meinung viel Antheil hatte. Sie wollten nicht glauben, daß Spanien etwas zugeben wuͤrde, was ihnen im anti- spanischen Interesse so erwuͤnscht kam. Sie uͤberredeten die berechtigte Linie selbst hievon, und diese hielt fuͤr das Beste, sich nur zuerst auf welche Weise auch immer in Besitz zu setzen. Man moͤchte sagen, es war wie in einem animalischen Organismus. Die innere Krankheit suchte nur einen An- laß, einen angegriffenen Punkt, um zum Ausbruch zu kommen. In tiefstem Geheimniß, noch vor dem Ableben Vincen- Mantuanische Erbfolge . zos, langte der junge Gonzaga Nevers, Herzog von Rethel, in Mantua an. Ein mantuanischer Minister, der sich zur antispanischen Partei hielt, des Namens Striggio, hatte hier alles vorbereitet. Der alte Herzog machte keine Schwierig- keit die Rechte seines Vetters anzuerkennen. Es war noch ein Fraͤulein aus der einheimischen Linie vorhanden — Urenkelin Philipps II. von Spanien, von seiner juͤngern Tochter, die sich nach Savoyen verheirathet — und es schien viel darauf anzukommen, daß der junge Herzog sich mit ihr vermaͤhle. Zufaͤllige Umstaͤnde verzoͤgerten die Sache, und Vincenzo war schon todt Nani Storia Veneta l. 7, p. 350, Siri memorie recondite VI, 309 geben dieß Factum an; der letzte nach einem Schreiben Sabrans an den franzoͤsischen Hof. , als man das Fraͤulein einst in der Nacht aus dem Kloster holte wo sie erzogen ward, in den Pallast brachte, und hier ohne viel Zoͤgern die Vermaͤhlung schloß und vollzog. Dann erst ward der Tod des Herzogs bekannt gemacht, Rethel ward als Prinz von Mantua begruͤßt und empfing die Huldigung. Ein mailaͤndischer Abgeordneter wurde so lange entfernt gehal- ten bis alles vollbracht war, und dann nicht ohne eine Art von Hohn in Kenntniß gesetzt. Zugleich mit der Anzeige von dem Tode des Herzogs trafen diese Nachrichten in Wien und Madrid ein. Man wird bekennen, daß sie recht geeignet waren um so maͤchtige Fuͤrsten, die sich in der Haltung einer religioͤ- sen Majestaͤt gefielen, zu entruͤsten, zu erbittern. Eine so nahe Verwandte ohne ihre Zustimmung, ja ohne ihr Wis- sen mit einer Art von Gewaltsamkeit verheirathet; ein 34* Buch VII. Kap . 4. bedeutendes Lehen in Besitz genommen ohne die mindeste Ruͤcksicht auf den Lehensherrn! Jedoch ergriffen nun die beiden Hoͤfe abweichende Maaßregeln. Olivarez, stolz als ein Spanier, doppelt als Minister eines so maͤchtigen Koͤnigs, immer erfuͤllt von hochfliegen- dem Selbstgefuͤhl, war jetzt weit entfernt sich dem Her- zog zu naͤhern: er beschloß, wenn nichts weiter, doch we- nigstens, wie er sich ausdruͤckt, ihn zu mortificiren Nicoletti: Vita di papa Urbano, aus einer Depesche des Nuntius Pamfilio: Dichiaravasi il conte duca che per lo meno voleva mortificare il duca di Nivers per lo poco rispetto por- tato al re nella conclusione del matrimonio senza parteciparlo: ma a qual segno potesse giungere la mortificatione, non poteva il nuntio farne congettura, e tanto più che le ragioni che ave- vano mosso il papa a concedere la dispensa, erano acerba- mente impugnate dal medesimo conte duca. . Und war nicht sein Bezeigen offenbar feindselig? Durfte man ihm nach dieser Probe seiner Gesinnung die wichtigen Staͤdte von Montferrat anvertrauen, die als eine Vormauer von Mailand betrachtet wurden? Der Herzog von Gua- stalla machte Anspruͤche auf Mantua, der Herzog von Sa- voyen auf Montferrat: jetzt traten die Spanier mit beiden in Verbindung: man griff zu den Waffen, der Herzog von Savoyen ruͤckte von der einen, Don Gonzalez de Cordova, Governator in Mailand, von der andern Seite in Mont- ferrat ein. Schon hatten Franzosen in Casale Zutritt ge- funden. Don Gonzalez eilte es zu belagern. Er zwei- felte um so weniger daß er es in kurzem erobern werde, da er auf innere Einverstaͤndnisse rechnete. Nicht so rasch ging der Kaiser zu Werke. Er war Mantuanische Erbfolge . uͤberzeugt, daß Gott ihn beschuͤtze, weil er den Weg der Ge- rechtigkeit wandle. Er mißbilligte das Verfahren der Spa- nier, und ließ Don Gonzal foͤrmlich abmahnen. Dagegen wollte er seine oberrichterliche Function mit voller Frei- heit ausuͤben. Er sprach das Sequester uͤber Mantua aus, bis er entschieden haben werde, welchem von den ver- schiedenen Praͤtendenten die Erbschaft zugehoͤre. Da der neue Herzog von Mantua — er war nun selbst angekom- men — sich nicht unterwerfen wollte, so ergingen die schaͤrf- sten Mandate wider ihn Die Absichten des kaiserlichen Hofes ergeben sich aus den Berichten Pallottas 10. Juni 1628: nach dem Auszug bei Nico- letti: Il nunzio ogni dì più accorgevasi, che era malissima l’impressione contro il duca di Nivers, che havesse disprezzato il re di Spagna e molto più l’imperatore conchiudendo matri- monio senza sua participazione col possesso dello stato senza investitura, anzi senza indulto imperiale, che fosse nemico della casa d’Austria, che avesse intelligenza e disegno co’ Francesi di dare loro mano nell’ invasione dello stato di Milano; e che non di meno S. M tà Ces a havesse grandissima inclinatione alla pace, e con questo fine havesse fatto il decreto del sequestro per le- vare l’armi dalle mani di Spagnuoli e di Savojardi stanti le ra- gioni che pretendevano Guastalla, Savoja, Lorena e Spagna negli stati di Mantova e Monferrato: che dapoi il duca havesse di nuovo offeso l’imperatore col disprezzo de’ commissarj non dando loro la mano dritta e non gli ammettendo in Mantova e sopra tutto col appellazione e protesta che l’imperatore fosse caduto dalla ragione e superiorità di detti feudi. . Waren nun aber auch Ursprung und Sinn dieser Maaßregeln verschieden, so trafen sie doch in ihrer Wir- kung zusammen. Nevers sah sich durch die Rechtsanspruͤche der deutschen Linie des Hauses Oestreich nicht minder be- droht als durch die Gewaltsamkeit der spanischen. Indem Buch VII. Kap . 4. er der Gefahr zu entgehn dachte, zog er sie sich eben uͤber das Haupt. Und anfangs hatte er in der That nur schlechte Aus- sichten. Es ist wahr, einige italienische Staaten sahen seine Sache fuͤr so gut als die ihrige an: sie unterließen nichts, ihn bei dem Entschlusse des Widerstandes festzuhalten: aber um an sich selbst fuͤr ihn etwas auszurichten, fehlte es ih- nen doch an hinreichenden Kraͤften. Wohl hatte ihm auch Richelieu zugesagt ihn nicht fal- len zu lassen, wenn er sich nur halte bis ihm Frankreich zu Huͤlfe kommen koͤnne. Aber die Frage war, wann dieß seyn duͤrfte. Die Verhaͤltnisse von Mantua entwickelten sich noch waͤhrend der Belagerung von Rochelle auf einen sehr ge- faͤhrlichen Punkt. Ehe es gefallen, konnte Richelieu keinen Schritt thun. Er durfte es nicht wagen, sich aufs neue in Feindseligkeiten gegen Spanien einzulassen, so lange da- durch noch eine gefaͤhrliche Erhebung der Hugenotten ver- anlaßt werden konnte. Aber auch noch eine andere Ruͤcksicht zu nehmen noͤ- thigten ihn seine fruͤheren Erfahrungen. Um keinen Preis durfte er sich mit der devoten, ernstlich-katholischen Par- tei in seinem Vaterlande entzweien. Er durfte es nicht wa- gen mit dem Papste zu brechen, oder nur eine Politik ein- zuschlagen, die demselben mißfaͤllig gewesen waͤre. Unendlich viel kam noch einmal auf den Papst an. Seine Stellung, die Natur seines Amtes forderten ihn auf, alles fuͤr die Erhaltung des Friedens in der katholischen Welt zu thun. Als ein italienischer Fuͤrst hatte er auf seine Urban VIII. Nachbarn einen unzweifelhaften Einfluß. Auch fuͤr Frank- reich mußte sein Verfahren, wie wir sahen, maaßgebend wer- den. Es lag alles daran, ob er den Ausbruch der Ent- zweiung verhuͤten, oder ob er selbst Partei ergreifen wuͤrde. In den fruͤhern Verwickelungen hatte Urban VIII. seine Politik eingeleitet ihre Bahn vorgezeichnet gefunden. Hier tritt seine Sinnesweise zum ersten Mal vollstaͤndiger und zugleich fuͤr die Weltangelegenheiten bestimmend hervor. Urban VIII. Unter andern Fremden die durch den Handel von An- cona, der sich im 16ten Jahrhundert in ziemlicher Aufnahme befand, zu ansehnlichen Reichthuͤmern gelangten, zeichnete sich das florentinische Haus Barberini durch geschickte Be- rechnung der Geschaͤfte und gluͤcklichen Erfolg aus. Ein Sproͤßling dieses Hauses, Maffeo, im Jahre 1568 zu Flo- renz geboren, ward nach dem fruͤhen Tode seines Vaters nach Rom gebracht, wo ihm ein Oheim lebte, der sich an der Curie eine gewisse Stellung gemacht hatte. Auch Maf- feo schlug die Laufbahn an der Curie ein: er ward durch die Wohlhabenheit seines Hauses befoͤrdert, doch entwickelte er auch ein ausnehmendes Talent dazu. Auf jeder Stufe die er betrat, erkannten seine Amtsgenossen eine gewisse Ue- berlegenheit in ihm an: hauptsaͤchlich durch eine Nuntiatur in Frankreich, bei welcher er die volle Gewogenheit des franzoͤsischen Hofes erwarb, eroͤffnete er sich dann ferner hohe Aussichten. Nach dem Tode Gregors XV. dachte ihm die franzoͤsische Partei von allem Anfang das Pontificat Buch VII. Kap . 4. zu. Die Gestalt des Conclave war damals von den fruͤ- heren dadurch unterschieden, daß der letzte Papst nur eine kurze Zeit gesessen. Obwohl er eine bedeutende Anzahl Car- dinaͤle ernannt hatte, so waren doch die Creaturen seines Vorgaͤngers noch immer eben so zahlreich: in dem Con- clave standen einander der vorletzte und der letzte Nepot mit ziemlich gleichen Kraͤften gegenuͤber. Maffeo Barberino soll jedem von ihnen zn verstehn gegeben haben, er sey ein Gegner des andern: man behauptet, daß er hierauf von beiden und zwar von jedem aus Haß wider den andern unterstuͤtzt worden sey. Noch wirksamer jedoch war es ohne Zweifel, daß er sich immer als einen Verfechter der juris- dictionellen Anspruͤche der roͤmischen Curie gezeigt und sich da- durch der Mehrzahl der Cardinaͤle werth gemacht hatte. Ge- nug von eigenem Verdienst und fremder Unterstuͤtzung gleich ge- foͤrdert drang Maffeo Barberino durch, und stieg in dem fri- schen Alter von 55 Jahren zur Wuͤrde des Papstthums auf. Gar bald nahm der Hof einen starken Unterschied zwi- schen ihm und seinen naͤchsten Vorfahren wahr. Clemens den VIII. fand man in der Regel mit den Werken des h. Bernard, Paul V. mit den Schriften des sel. Justinian von Venedig beschaͤftigt: bei dem neuen Papst Urban VIII. la- gen dagegen die neuesten Gedichte oder auch Fortifications- zeichnungen auf dem Arbeitstische. Es wird sich in der Regel finden, daß die Zeit, in der ein Mensch seine entschiedene Richtung ergreift, in die erste Bluͤthe der maͤnnlichen Jahre faͤllt: in denen er an Staat oder Literatur einen selbstthaͤtigen Antheil zu nehmen anfaͤngt. Die Jugend Pauls V , geboren 1552, Gre- Urban VIII. gors XV , geboren 1554, gehoͤrte in eine Epoche, in wel- cher die Prinzipien der katholischen Restauration in vollem ungebrochenem Schwunge vorwaͤrts schritten: auch sie wur- den von denselben erfuͤllt. Die ersten Thaͤtigkeiten Urbans VIII. — geboren 1568 — fielen dagegen in die Zeiten der Opposition des paͤpstlichen Fuͤrstenthums gegen Spanien, der Herstellung eines katholischen Frankreichs. Wir finden, daß nun auch seine Neigung sich vorzugsweise diesen Rich- tungen hingab. Urban VIII. betrachtete sich vornehmlich als einen welt- lichen Fuͤrsten. Er hegte den Gedanken, der Kirchenstaat muͤsse durch Befestigungen gesichert, durch eigene Waffen furchtbar seyn. Man zeigte ihm die marmornen Denkmale seiner Vorfah- ren: er sagte, er wolle sich eiserne setzen. An den Grenzen des Bolognesischen baute er Castelfranco, das man das Fort Urbano genannt hat, obgleich der militaͤrische Zweck desselben so wenig in die Augen sprang, daß die Bolognesen arg- woͤhnten, es sey mehr gegen als fuͤr sie angelegt. In Rom fing er schon 1625 an, Castel S. Angelo mit neuen Brust- wehren zu befestigen: unverzuͤglich versah er es, gleich als sey ein Krieg vor der Thuͤr, mit Munition und Mundvor- rath: auf Monte Cavallo zog er die hohe Mauer die den paͤpstlichen Garten einschließt, ohne es zu achten, daß da- bei einige großartige Reste des Alterthums in den Gaͤrten der Colonnesen zu Grunde gingen. In Tivoli richtete er eine Gewehrfabrik ein A. Contarini: Rel ne di 1635. Quanto alle armi, i papi n’erano per l’addietro totalmente sproveduti, perchè confida- : die Raͤume der vaticanischen Bi- Buch VII. Kap . 4. bliothek wurden zum Zeughause bestimmt: Soldaten gab es uͤberfluͤssig, und die Staͤtte der obersten geistlichen Macht der Christenheit, der friedliche Bezirk der ewigen Stadt, erfuͤllte sich mit militaͤrischem Laͤrmen. Auch einen Frei- hafen mußte ein wohleingerichteter Staat haben: Civitavec- chia ward mit vielen Kosten dazu eingerichtet. Nur ent- sprach der Erfolg mehr der Lage der Sachen als der Ab- sicht des Papstes. Die Barbaresken verkauften daselbst die den christlichen Seefahrern abgenommene Beute. Dazu muß- ten die Anstrengungen des Oberhirten der Christenheit dienen. In alle diesen Dingen verfuhr aber Papst Urban mit unbedingter Selbstherrschaft. Wenigstens in seinen er- sten Jahren erweiterte er noch die unumschraͤnkte Regie- rungsweise seiner Vorfahren. Schlug man ihm vor, das Collegium zu Rathe zu ziehen, so entgegnete er wohl, er allein verstehe mehr als alle Cardinaͤle zusammengenommen. Nur selten ward Con- vano più nell’ obligarsi i principi con le gratie che nelle difese temporali. Hora si è mutato registro, et il papa presente in particolare vi sta applicatissimo. A Tivoli egli ha condotto un tal Ripa Bresciano, suddito di V. Ser tà , il quale poi di tempo in tempo è andato sviando molti operai della terra di Gardon. Quivi costui fa lavorare gran quantità d’arme, prima facendo condurre il ferro grezzo dal Bresciano et hora lavorandone qual- che portione ancora di certe miniere ritrovate nell’ Umbria: di che tutto diedi avviso con mie lettere a suo tempo, che m’ ima- gino passassero senza riflessione. Di queste armi ha il papa sotto la libreria del Vaticano accomodato un’ arsenale, dove con buon ordine stanno riposti moschetti, picche, carabine e pistole per armare trentamila fanti e cinquemila cavalli oltre buon nu- mero che dalla medesima fucina di Tivoli si è mandato a Fer- rara e Castelfranco in queste ultime occorrenze. Urban VIII. sistorium gehalten, und auch dann hatten nur Wenige den Muth sich freimuͤthig zu aͤußern. Die Congregationen ver- sammelten sich in der gewohnten Weise, jedoch wurden ihnen keine wichtigen Fragen vorgelegt, die Beschluͤsse, welche sie ja etwa faßten, wenig beruͤcksichtigt Le congregationi servono, sagt Aluise Contarini, per co- prire talvolta qualche errore. . Auch fuͤr die Verwaltung des Staates bildete Urban keine eigent- liche Consulta, wie seine Vorfahren. Sein Nepot Franz Barberino hatte in den ersten zehn Jahren des Pontificats ganz Recht, wenn er fuͤr keine Maaßregel, die man ergrif- fen hatte, welcher Art sie auch seyn mochte, die Verant- wortlichkeit uͤbernehmen wollte. Die fremden Gesandten waren ungluͤcklich, daß sie so wenig mit dem Papste anfangen konnten. In den Audien- zen sprach er selbst das Meiste Pietro Contarini: Rel ne di 1627. Abbonda con grande facondia nelli discorsi, è copioso nelli suoi ragionamenti, di cose varie argomenta, e tratta nelli negotj con tutte le ragioni che intende e sa, a segno che le audienze si rendono altrettanto e più lunghe di quelle de’ precessori suoi: e nelle congregationi dove interviene segue pur il medesimo con grande disavan- taggio di chi tratta seco, mentre togliendo egli la maggior parte del tempo poco ne lascia agli altri; et ho udito io dire ad un card le che andava non per ricever l’audienza ma per darla al papa, poichè era certo che la S tà S. più avrebbe voluto discor- rere che ascoltarlo; e molte volte è accaduto che alcuni entrati per esporre le proprie loro istanze, postosi egli nei discorsi, se ne sono usciti senza poter de’ loro interessi dirle cosa al- cuna. , docirte, setzte mit dem Nachfolgenden das Gespraͤch fort, das er mit dem Vor- hergehenden begonnen. Man mußte ihn hoͤren, ihn bewun- dern, ihm mit der groͤßten Ehrerbietung begegnen, selbst wenn Buch VII. Kap . 4. er abschlug. Auch bei andern Paͤpsten erfolgten viele ab- schlaͤgliche Bescheide, aber aus einem Prinzip, sey es der Religion oder der Politik: bei Urban bemerkte man Laune. Man konnte nie sagen, ob man ein Ja oder ein Nein zu erwarten haben wuͤrde. Die gewandten Venezianer lausch- ten ihm ab, daß er den Widerspruch liebe, daß er durch eine fast unwillkuͤhrliche Hinneigung immer auf das Gegen- theil von dem Vorgetragenen verfalle: um zu ihrem Zwecke zu gelangen, brauchten sie das Mittel sich selbst Einwuͤrfe zu machen. Indem der Papst das Entgegengesetzte aufsuchte, gerieth er dann von selbst auf Vorschlaͤge, zu denen ihn sonst keine Ueberredung der Welt zu bringen vermocht haͤtte. Eine Gesinnung, die sich auch in untergeordneten Krei- sen auf ihre Weise zeigen kann, und damals in Italienern und Spaniern nicht selten vorkam. Sie betrachtet eine oͤffentliche Stellung gleichsam als einen Tribut, welcher dem Verdienste, der Persoͤnlichkeit gebuͤhre. In der Verwaltung eines Amtes folgt sie dann auch bei weitem mehr diesen persoͤnlichen Antrieben als den Forderungen der Sache. Nicht viel anders, als ein Autor der von dem Gefuͤhle seines Ta- lentes erfuͤllt, nicht sowohl den Gegenstand ins Auge faßt der ihm vorliegt, als dem Spiele seiner Willkuͤr freien Lauf laͤßt. Gehoͤrte doch Urban selbst zu dieser Art von Autoren! Die Gedichte, die von ihm uͤbrig sind, zeigen Witz und Ge- wandtheit. Aber wie seltsam sind darin doch die heiligen Gegenstaͤnde behandelt! Die Gesaͤnge und Spruͤche des alten wie des neuen Testamentes muͤssen sich in horazische Metra fuͤgen, der Lobgesang des alten Simeon in zwei Urban VIII. sapphische Strophen! Von der Eigenthuͤmlichkeit des Tex- tes kann hiebei wie natuͤrlich nichts uͤbrig bleiben: der In- halt muß sich einer Form fuͤgen, die ihm an sich wider- spricht, nur weil der Verfasser sie eben beliebt. Aber diese Talente, der Glanz mit dem sie die Person des Papstes umgaben, die athletische Gesundheit selbst de- ren er genoß, vermehrten nur in ihm das Selbstgefuͤhl, das ihm seine hohe Stellung ohnehin einfloͤßte Von Anfang an bemerkte man dieß. Relatione de’ quat- tro ambasciatori 1624: Ama le proprie opinioni e si lascia lu- singare dal suo genio, a che conseguita una salda tenacità dei proprj pensieri: — — è sempre intento a quelle cose che pos- sono ringrandire il concetto della sua persona. . Ich wuͤßte keinen Papst der es in dem Grade gehabt haͤtte. Man machte ihm einst einen Einwurf aus den al- ten paͤpstlichen Constitutionen: er antwortete, der Ausspruch eines lebenden Papstes sey mehr werth als die Satzun- gen von hundert verstorbenen. Jenen Beschluß des roͤmischen Volkes niemals wie- der einem Papste bei seinen Lebzeiten eine Bildsaͤule zu er- richten hob er mit den Worten auf, „ein solcher Beschluß koͤnne einem Papste nicht gelten wie er einer sey.“ Man lobte ihm das Betragen eines seiner Nuntien in einer schwierigen Angelegenheit: er versetzte, „der Nun- tius habe nach seiner Instruction gehandelt.“ Ein solcher Mann war es — so erfuͤllt von der Idee ein großer Fuͤrst zu seyn: so franzoͤsisch gestimmt durch seine fruͤhere Thaͤtigkeit wie durch die Foͤrderung die er von Frankreich erfahren: endlich so eigenwillig, kraͤftig und voll Selbstgefuͤhls — an den in diesem Augenblicke die Lei- Buch VII. Kap . 4. tung der hoͤchsten geistlichen Macht der katholischen Chri- stenheit gekommen war. An seinem Entschlusse, an der Haltung, die er in der Mitte der katholischen Maͤchte annahm, hing unendlich viel fuͤr den Fortschritt oder Einhalt der universalen Restaura- tion, mit der man beschaͤftigt war. Schon oͤfter aber hatte man in diesem Papste eine Abneigung gegen Spanien-Oestreich bemerken wollen Marquemont ( Lettres, bei Aubery: Mémoires de Riche- lieu I, p. 65) bemerkt das von allem Anfang. Den Papst zu behan- deln, sagt er, wird nicht schwer seyn: seine Neigung ist fuͤr den Koͤ- nig und fuͤr Frankreich: aus Klugheit will er aber auch die andern Fuͤrsten zufrieden stellen. Der Papst ward sofort auch die Abnei- gung der Spanier inne. . Schon im Jahre 1625 beklagte sich Cardinal Borgia uͤber die Haͤrte desselben, „der Koͤnig von Spanien koͤnne nicht die mindeste Bewilligung erlangen: alles werde ihm abgeschlagen.“ Cardinal Borgia behauptete, die Sache von Valtellin habe Urban VIII. mit Willen nicht beigelegt: der Koͤnig habe sich erboten die streitigen Paͤsse fahren zu lassen, der Papst habe niemals darauf geachtet. So laͤßt sich auch nicht leugnen, daß Urban mit daran Schuld hatte, wenn jene Verbindung zwischen den Haͤusern Oestreich und Stuart nicht zu Stande kam. Als er die Dispensation ausfertigte welche sein Vorgaͤnger ent- worfen, setzte er zu den alten Bedingungen noch hinzu, daß in jeder Provinz oͤffentliche Kirchen fuͤr die Katholiken er- richtet werden sollten: eine Forderung die bei der Ueber- zahl einer gereizten protestantischen Bevoͤlkerung niemals zu- Urban VIII. gestanden werden konnte, die der Papst hernach bei der fran- zoͤsischen Vermaͤhlung selbst fallen ließ. Er schien in der That den Zuwachs an Macht ungern zu sehen, den Spa- nien durch die Verbindung mit England erlangt haben wuͤrde. Ganz insgeheim unterhandelte in jenen Tagen der Nuntius, der in Bruͤssel residirte, uͤber eine Vermaͤhlung des Churprinzen von der Pfalz nicht mit einer oͤstreichischen, sondern mit einer baierischen Prinzessin Der Emissaͤr des Nuntius war ein Capuziner, Francesco della Rota. Rußdorf Négociations I, 205 ist uͤber seine Unterhand- lungen besonders ausfuͤhrlich. . Und an der mantuanischen Verwickelung nun, die sich jetzt erhob, hatte der Papst nicht minder einen wesentlichen Antheil. Die geheime Vermaͤhlung der jungen Prinzessin mit Rethel, von der alles abhing, haͤtte ohne paͤpstliche Dispensation nicht vollzogen werden koͤnnen. Papst Urban gab sie, ohne die naͤchsten Verwandten, den Kaiser oder den Koͤnig, auch nur gefragt zu haben, und noch im rechten Au- genblicke traf sie ein. Dergestalt lag die Gesinnung des Papstes bereits offen am Tage. Wie die uͤbrigen italienischen Maͤchte, wuͤnschte er vor allem einen von Spanien unabhaͤngigen Fuͤrsten in Mantua zu sehen. Auch wartete er nicht bis er etwa von Richelieu ange- gangen wuͤrde. Da seine Verwendungen am kaiserlichen Hofe unwirksam blieben, dessen Schritte vielmehr immer feindseliger wurden, die Belagerung von Casale fortdauerte, wandte sich der Papst selbst an Frankreich. Er ließ die dringendsten Bitten vernehmen. „Der Buch VII. Kap . 4. Koͤnig moͤge ein Heer ins Feld ruͤcken lassen, selbst ehe Ro- chelle noch genommen sey: eine Unternehmung in der man- tuanischen Sache sey eben so gottgefaͤllig, wie die Belage- rung jenes Hauptbollwerkes der Hugenotten: erscheine der Koͤnig nur erst in Lyon und erklaͤre sich fuͤr die Freiheit von Italien, so werde auch er der Papst nicht saͤumen, ein Heer ins Feld stellen und sich mit dem Koͤnige vereinigen“ Auszuͤge aus den Depeschen Bethunes vom 23. Sept. und 8. Oct. 1628 bei Siri: Memorie VI, p. 478. . Von dieser Seite hatte demnach Richelieu dießmal nichts zu fuͤrchten, wenn er die vor drei Jahren fehlge- schlagene Opposition gegen Spanien wieder aufnahm. Aber er wollte ganz sicher gehn: er hatte nicht die Eile des Pap- stes: in jener Belagerung, die seinen Ehrgeiz fesselte, ließ er sich nicht stoͤren. Desto entschlossener zeigte er sich, so wie nun Rochelle gefallen war. „Monsignore,“ redete er den paͤpstlichen Nun- tius an, den er sogleich rufen ließ, „nun wollen wir auch keinen Augenblick weiter verlieren, aus allen Kraͤften wird sich der Koͤnig der italienischen Sache annehmen“ Dispaccio Bagni 2 Nov. 1628. . Dergestalt erhob sich jene Feindseligkeit gegen Spanien und Oestreich, die sich schon so oft geregt, kraͤftiger als jemals. Die Eifersucht von Italien rief noch einmal den Ehrgeiz der Franzosen hervor. Die Lage der Dinge schien so dringend, daß Ludwig XIII. das Fruͤhjahr nicht abwar- ten wollte. Noch in der Mitte des Januar 1629 brach er von Paris auf und nahm den Weg gegen die Alpen. Ver- Urban VIII. Vergebens widersetzte sich der Herzog von Savoyen, der sich, wie gesagt, zu Spanien hielt; seine Paͤsse, die er bar- ricadiren lassen, wurden im ersten Anlauf gestuͤrmt, Susa genommen: schon im Merz mußte er einen Vertrag eingehn: die Spanier sahen sich in der That genoͤthigt die Belage- rung von Casale aufzuheben Recueil de diverses relations des guerres d’Italie 1629 —31. Bourg en Bresse 1632. . Und so standen die beiden vorwaltenden Maͤchte der katholischen Christenheit aufs neue in den Waffen gegen einander. Richelieu nahm seine kuͤhnsten Plaͤne gegen die spanisch-oͤstreichische Macht wieder auf. Vergleichen wir aber die Zeiten, so fußte er jetzt hiebei auf eine bei weitem gediegenere, haltbarere Grundlage, als fruͤher bei seiner graubuͤndtnerisch-pfaͤlzischen Unternehmung. Damals hatten die Hugenotten den Augenblick ergreifen koͤn- nen um ihm den innern Krieg zu erneuern. Auch jetzt waren sie zwar nicht vollkommen unterdruͤckt, aber seit sie Ro- chelle verloren, floͤßten sie keine Besorgniß mehr ein: ihre Nie- derlagen und Verluste gingen ununterbrochen fort: auch nur eine Diversion zn machen waren sie nicht mehr faͤhig. Und vielleicht noch wichtiger ist es, daß Richelieu jetzt den Papst fuͤr sich hatte. Bei der fruͤheren Unternehmung entsprang ihm aus dem Gegensatze, in den er dabei mit der roͤmi- schen Politik gerieth, eine Gefahr selbst fuͤr seine Stellung im Innern von Frankreich; die jetzige war dagegen von Rom selbst hervorgerufen, in dem Interesse des paͤpstlichen Fuͤrstenthums. Richelieu fand es uͤberhaupt gerathen, sich so enge wie moͤglich an das Papstthum anzuschlie- Päpste* 35 Buch VII. Kap. 4. Die Macht ßen: in dem Streite zwischen roͤmischen und gallicanischen Doctrinen hielt er sich nunmehr zu den roͤmischen und verleugnete die gallicanischen. Welche Bedeutung entwickelte hiemit der Gegensatz des Urbans VIII. gegen das Haus Oestreich! Mit der religioͤsen Entwickelung, mit dem Fortschritte der katholischen Restauration waren politische Veraͤnderun- gen verknuͤpft, die immer unaufhaltsamer ihr eigenes Prin- cip geltend machten, und sich jetzt dem kirchlichen selbst ent- gegensetzten. Der Papst trat gegen diejenige Macht in die Schran- ken, welche sich die Wiederherstellung des Katholicismus am eifrigsten angelegen seyn ließ. Es fragt sich nun, welche Haltung diese Macht, be- sonders Kaiser Ferdinand, in dessen Haͤnden die Unterneh- mung der Wiederherstellung hauptsaͤchlich ruhte, einer so maͤch- tigen und drohenden Opposition gegenuͤber einnehmen wuͤrde. Die Macht Kaiser Ferdinands II. im Jahre 1629. Es war dem Kaiser eben als waͤre nichts geschehen. Zwar konnte er sich unter den obwaltenden Umstaͤn- den keinerlei Gunst von dem Papste versprechen: in den kleinsten Dingen, z. B. einer Sache der Abtei S. Maxi- mian, ja in den devotesten Antraͤgen — wenn er unter andern wuͤnscht, S. Stephan und S. Wenceslaus, weil man dem einen in Ungarn, dem andern in Boͤhmen eine so große Ver- ehrung widmet, in den roͤmischen Kalender aufgenommen zu sehen — fand er Widerstand, und er bekam nichts als ab- Kaiser Ferdinands II. im Jahre 1629. schlaͤgliche Antworten. Nichts desto minder ließ er am 6. Merz 1629 das Restitutionsedict ins Reich ergehn. Es ist als das Endurtel in einem nunmehr uͤber ein Jahrhun- dert gefuͤhrten großen Proceß zu betrachten. Die Evange- lischen werden durchaus condemnirt: den Katholischen wird vollkommen Recht gegeben: „es bleibt uns nichts uͤbrig“, sagt der Kaiser, „als dem beleidigten Theil beizustehn und unsere Commissarien abzuordnen, um alle seit dem Passauer Vertrag eingezogenen Erzbisthuͤmer, Bisthuͤmer, Praͤlatu- ren, Kloͤster und andere geistliche Guͤter von ihren unbe- fugten Inhabern zuruͤckzufordern.“ Auf der Stelle erschie- nen die Commissionen: fuͤr jeden Kreis des Reiches trat eine besondere in Wirksamkeit: die ruͤcksichtslosesten Execu- tionen begannen. Und sollte nicht damit wenigstens der Papst beguͤtigt, zu einiger Gunst und Hinneigung bewogen werden? Papst Urban nahm es auf als eine Pflichter- fuͤllung. Der Kaiser bat um das Recht die durch das Restitutionsedict gewonnenen geistlichen Stellen wenigstens das erste Mal selbst zu besetzen: der Papst schlug es ihm ab: denn, sagte er, er duͤrfe die Concordate nicht ver- letzen: auch in Frankreich halte man sie Lettera di segreteria di stato al nuntio Pallotta li 28 Aprile 1629. Der Papst bestimmte seinen Nuntius in Coͤln, Pier Luigi Caraffa, nach Niedersachsen „con titolo per la restitutione de’ beni ecclesiastici, e deliberò di dargli anche le facoltà a parte se fosse stato bisogno di usarle nelle controversie fra ecclesiastici ed ecclesiastici.“ . Es liegt fast ein Hohn in dieser Verweisung, denn das franzoͤsische Con- cordat gewaͤhrte ja eben dem Koͤnige das Recht, das der Kaiser verlangte. Der Kaiser wuͤnschte die zuruͤckerwor- 35* Buch VII. Kap. 4. Die Macht benen Kloͤster in Collegien besonders fuͤr die Jesuiten ver- wandeln zu koͤnnen: der Papst antwortete, die Kloͤster muͤßten zunaͤchst den Bischoͤfen uͤberantwortet werden. Indessen fuhr der Kaiser auf seinem Wege fort, ohne auf die Ungunst des Papstes Ruͤcksicht zu nehmen: er be- trachtete sich als den großen Vorfechter der katholischen Kirche. Drei Heere ließ er auf einmal ins Feld ruͤcken. Das erste kam den Polen wider die Schweden zu Huͤlfe, und stellte in der That das Kriegsgluͤck der Polen einigermaßen wieder her. Doch war das nicht die ein- zige Absicht: bei diesem Feldzuge dachte man zugleich daran, Preußen an das Reich und den Orden, dem es entrissen worden, wieder zuruͤckzubringen Mémoires et négotiations de Rusdorf II, 724. Comiti Negromontano (Schwarzenberg) Viennae nuper claris verbis a consiliariis et ministris Caesaris dictum fuit, imperatorem sci- licet sibi et imperio subjecturum quidquid milite suo in Borus- sia occuparit et ceperit. . Ein anderes Heer ruͤckte gegen die Niederlande, um hier den Spaniern zu Huͤlfe zu kommen. Es ergoß sich uͤber die Haide von Utrecht gegen Amsterdam hin, und nur ein Zufall, die Ueberrumpelung von Wesel, hinderte es an den groͤßten Erfolgen. Indessen sammelte sich ein drittes Heer bei Memmin- gen und Lindau um nach Italien zu gehn und die man- tuanische Sache mit dem Schwerte auszumachen. Die Schweizer waren nicht zu bewegen den Durchzug in Gu- tem zuzugestehn: sie wurden mit Gewalt gezwungen: in ei- nem Augenblicke waren Luciensteig, Chur, mit allen grau- Kaiser Ferdinands II. im Jahre 1629. buͤndtnerischen Paͤssen bis an den Comersee, eingenommen: 35000 Mann stark stieg alsdann dieses Heer laͤngs der Adda und dem Oglio hinab. Noch einmal ward der Herzog von Mantua aufgefordert sich zu unterwerfen. Er erklaͤrte, er stehe im Schutze des Koͤnigs von Frankreich, mit diesem muͤsse man unterhandeln. Indem nun die Deutschen sich gegen Mantua, die Spanier sich gegen Montferrat bewegten, erschienen auch die Franzosen zum zweiten Male. Sie mach- ten auch dieß Mal Fortschritte; sie nahmen Saluzzo, Pi- nerolo: aber in der Hauptsache richteten sie nichts aus; nicht einmal den Herzog von Savoyen vermochten sie aufs neue zu ihrem Willen zu noͤthigen. Die Spanier be- gannen Casale, die Deutschen nach kurzem Stillstand Man- tua zu belagern: Das elfte Buch dell’ istoria di Pietro Giov. Capriata er- oͤrtert die einzelnen Momente dieser Ereignisse. sie hatten bei weitem das Ueber- gewicht. Kein Wunder, wenn in dieser Lage der Dinge jetzt in Wien selbst Erinnerungen an die alte kaiserliche Hoheit laut wurden. „Man werde den Italienern zeigen, daß es noch ei- nen Kaiser gebe, man werde Rechnung mit ihnen halten.“ Besonders hatte sich Venedig den Haß des Hauses Oestreich zugezogen. Man urtheilte zu Wien, daß wenn Mantua einmal gefallen, auch die Terra ferma von Vene- dig nicht mehr widerstehn koͤnne. In ein paar Monaten muͤsse man sie haben, dann koͤnne man die kaiserlichen Lehen zuruͤckfordern. Der spanische Gesandte ging noch weiter. Er verglich die spanisch-oͤstreichische Macht mit der roͤmi- Buch VII. Kap. 4. Die Macht schen, die venezianische mit der carthaginiensischen. „ Aut Roma “, rief er aus, „ aut Carthago delenda est. “ Und hier gedachte man auch der weltlichen Rechte des Kaiserthums gegen das Papstthum. Ferdinand II. beabsichtigte sich kroͤnen zu lassen: er forderte, daß ihm der Papst nach Bologna oder Ferrara entgegenkomme: der Papst wagte es weder zu versprechen noch abzuschlagen, und suchte sich mit einer Reservatio mentalis zu helfen Se bene Urbano una volta uscì coll’ ambasciatore Sa- velli che bisognando si saria trasferito a Bologna o Ferrara, non intese però dire in correspettività di quello che espresse il principe di Eckenberg. . Es kam die Rede auf die Lehens- rechte des Reiches uͤber Urbino und Montefeltro; man sagte dem paͤpstlichen Nuntius ohne Weiteres, Wallenstein werde sich daruͤber naͤher informiren, wenn er nach Italien komme. In der That war das Wallensteins Absicht. Er war fruͤher gegen den italienischen Krieg gewesen: jetzt aber erklaͤrte er, da er sehe, daß der Papst mit seinen Verbuͤn- deten das Haus Oestreich unterdruͤcken wolle, sey er da- fuͤr Welche Meinung man von dem Papste zu Wien uͤberhaupt hatte, zeigt das Schreiben Pallottas 10. Aug. 1628. È stato qui rappresentato da’ maligni, che son quelli che vogliono la guerra, che lo stato di Milano sta in grandissimo pericolo, essendo cosa sicura che papa Urbano havendo vastissimi pensieri sia di cattivo animo verso la casa d’Austria, che perciò si habbia da temere di S. S tà non meno che di Veneziani e di Francesi havendo gli stati così vicini al ducato di Milano e potendo in un tratto mettere potente esercito in campagna: e di più gli stessi maligni hanno rappresentato per cosa già stabilita che S. S à vuole in ogni modo far fare re de’ Romani il re di Francia, ed in confermazione di ciò hanno allegato che essendo la S à S. . Er ließ sich vernehmen: es sey bereits hundert Kaiser Ferdinands II. im Jahre 1629. Jahr her, daß Rom nicht gepluͤndert worden: jetzt muͤsse es noch um vieles reicher seyn als damals. Indessen sollte auch Frankreich nicht verschont werden. Der Kaiser dachte die drei abgekommenen Bisthuͤmer mit Gewalt der Waffen zuruͤckzuerwerben: sein Plan war Co- saken von Polen zu uͤbernehmen und nach Frankreich zu schicken. Die Zwistigkeiten Ludwigs XIII. mit seinem Bru- der und seiner Mutter schienen dazu eine erwuͤnschte Ge- legenheit darzubieten. Und so nahm das Haus Oestreich eine Stellung ein, in welcher es seine Bestrebungen gegen die Protestanten auf das kuͤhnste verfolgte, aber zugleich die katholische Oppo- sition, ja den Papst selbst maͤchtig beugte und in Zaum hielt. Unterhandlungen mit Schweden. Churfuͤrstentag zu Regensburg. So oft in fruͤheren Zeiten ein Fall dieser Art nur von ferne gesehen, nur gefuͤrchtet wurde, hatte sich alles vereinigt was in Europa noch unabhaͤngig geblieben: jetzt war er wirklich eingetreten. Die katholische Opposition sah sich, nicht mehr aus Eifersucht sondern zu ihrer Ret- tung zur Nothwehr, nach Huͤlfe außerhalb der Grenzen des Katholicismus um. An wen aber konnte sie sich wenden? England war durch die Entzweiung zwischen Koͤ- nunzio in Francia dicesse alla regina che s’egli arrivava ad esser papa, voleva procurare di fare re de’ Romani il suo figliuolo, il quale ancora era fanciullo. Buch VII. Kap . 4. nig und Parlament in sich selbst beschaͤftigt, und unterhan- delte uͤberdieß bereits aufs neue mit Spanien: die Nieder- lande waren selbst von dem Feinde uͤberzogen: die deut- schen Protestanten entweder geschlagen oder von den kaiser- lichen Heeren in Furcht gehalten: der Koͤnig von Daͤne- mark zu einem nachtheiligen Frieden gezwungen. Es blieb Niemand uͤbrig als der Koͤnig von Schweden. Waͤhrend die Protestanten allenthalben geschlagen wur- den, hatte allein Gustav Adolf Siege erfochten. Er hatte Riga, ganz Liefland bis auf Duͤnamuͤnde, von Litthauen, wie die Polen sich ausdruͤcken, so viel als er selbst gewollt erobert: dann war er 1626 in Preußen erschienen, hauptsaͤch- lich, wie er sagte, um die Geistlichkeit im Bisthum Ermeland heimzusuchen: die Hauptsitze des wiederhergestellten Katholi- cismus in jenen Gegenden, Frauenburg und Braunsberg, hatte er eingenommen, und den bedraͤngten Protestanten daselbst einen neuen starken Ruͤckhalt gegeben. Aller Augen richte- ten sich auf ihn. „Ueber alle andern Menschen“, schreibt Rus- dorf schon im Jahre 1624, „schaͤtze ich diesen siegreichen Helden: ich verehre ihn als den einzigen Schutz unserer Sache, als den Schrecken unserer gemeinschaftlichen Feinde: seinen Ruhm, der uͤber den Neid erhaben ist, begleite ich mit meinem Gebet“ Rusdorf Mémoires II, 3. „Ejus gloriam invidiae me- tas eluctatam, excelsam infracti animi magnitudinem, et virtutis magis ac magis per merita enitescentis et assurgentis invictum robur cum stupore adoro et supplici voto prosequor.“ . Zwar hatte Gustav Adolf jetzt in dem Gefecht auf der Stummschen Halde einen Verlust ge- habt, und waͤre beinahe selbst gefangen genommen worden, Unterhandlungen mit Schweden . aber die ritterliche Tapferkeit, mit der er sich durchschlug, warf sogar einen neuen Glanz auf ihn, und alle Mal be- hauptete er sich im Felde. An diesen Fuͤrsten nun wandten sich jetzt die Franzo- sen. Zuerst vermittelten sie einen Stillstand zwischen ihm und den Polen, und es ist wohl sehr moͤglich, daß jene preußische Absicht des Kaisers dazu beitrug, wenn nicht den Koͤnig, doch die Magnaten von Polen friedlich zu stim- men Rusdorf l. l. 724. Poloniae proceres, si unquam, vel nunc maxime pacem desiderabunt. . Hierauf traten sie ihrem vornehmsten Zweck, den Koͤnig von Schweden nach Deutschland zu ziehen, naͤher. Dabei hatten sie nur die Ruͤcksicht einige Bestimmungen zu Gunsten des Katholicismus in den Vertrag zu bringen. Unter diesem Vorbehalt erklaͤrten sie sich bereit den Koͤnig, der eine ansehnliche Armee ins Feld zu stellen habe, mit einer entsprechenden Geldsumme zu unterstuͤtzen. Nach ei- nigem Zoͤgern ging Koͤnig Gustav hierauf ein. In seinen Instructionen vermeidet er der Religion zu gedenken: als den Zweck des Buͤndnisses stellt er nur die Herstellung der deutschen Staͤnde zu ihren alten Gerechtsamen, die Entfer- nung der kaiserlichen Truppen, die Sicherheit der Meere und des Handels dar Tenor mandatorum quae S. R. Maj. Sueciae clementer vult ut consiliarius ejus — — Dn. Camerarius observare de- beat, Upsaliae 18 dec. 1629. Mosers patriotisches Archiv B. VI, p. 133. . Man entwarf einen Vertrag, in welchem der Koͤnig den katholischen Gottesdienst, wo er ihn finde, zu dulden, und sich in Sachen der Religion, so druͤckte man es aus, nach den Reichsgesetzen zu halten zu- Buch VII. Kap . 4. sagte. Es war dieß noͤthig auch um des Papstes willen, dem auf der Stelle davon Kunde gegeben ward. Die Voll- ziehung des Vertrages stieß sich zwar noch an einige For- malitaͤten: doch ward er schon im Sommer 1630 als de- finitiv betrachtet Bagni 18 Giugno 1630. Er fuͤhrt den Artikel, der sich auch in dem Bunde vom 6ten Jan. 1631 findet, mit geringer Ab- weichung folgendergestalt an: „Si rex aliquos progressus faciet, in captis aut deditis locis, quantum ad ea quae religionem spe- ctant, observabit leges imperii.“ Er zeigt auch, wie man das ver- standen. „Le quali leggi“, fuͤgt er hinzu, „dicevano dovere in- tendersi della religione cattolica e della confessione Augustana.“ So daß der Calvinismus ausgeschlossen geblieben seyn wuͤrde. . Der paͤpstliche Nuntius in Frank- reich behauptet, Venedig habe sich verpflichtet den dritten Theil der Subsidien zu zahlen Bagni 16 Luglio 1630. Sopragiunsero, heißt es im Aus- zug, nuove lettere del Bagni coll’ aviso che alla prefata confe- deratione fra il re di Francia e lo Sueco erasi aggiunta la re- publica di Venetia, la quale obligavasi a contribuire per la terza parte. . Ich habe nicht ermit- teln koͤnnen, wie viel Grund diese Angabe hat: wenigstens der Lage der Verhaͤltnisse waͤre sie entsprechend. Durfte man aber wohl hoffen, daß Gustav Adolf al- lein im Stande seyn werde die Uebermacht der kaiserlich- ligistischen Armee zu brechen, sie im Felde zu besiegen? Niemand traute es ihm zu. Vor allem erschien es wuͤn- schenswerth, in Deutschland selbst eine seinem Unternehmen entgegenkommende Bewegung hervorzubringen. Und hier durfte man nun ohne Zweifel auf die Prote- stanten rechnen. Welches auch die Politik seyn mochte die den einzelnen Fuͤrsten aus persoͤnlicher Ruͤcksicht oder Befuͤrchtung entsprang, so hatte sich doch der Gemuͤther jene Gaͤhrung be- Unterhandlungen mit Schweden . maͤchtigt die bis in die Tiefe des allgemeinen Lebens dringt, die den großen Stuͤrmen vorausgeht. Ich will nur Einen Gedanken anfuͤhren der damals um sich griff. Als es hie und da zur Ausfuͤhrung des Restitutionsedictes kam, und die Jesuiten schon die Absicht andeuteten auch nicht ein- mal den Religionsfrieden anzuerkennen, ließen die Prote- stanten vernehmen, ehe es so weit komme, werde die voͤllige Zerruͤttung des Reiches deutscher Nation erfolgen: „sie wuͤr- den eher Gesetz und Sitte von sich werfen und Germanien wieder in seine alte Waldeswildniß verwandeln.“ Aber auch auf der katholischen Seite zeigte sich Un- zufriedenheit und Entzweiung. Es ist nicht zu sagen, welche Bewegung in der Geist- lichkeit die Absicht der Jesuiten, sich der zuruͤckgegebenen Klosterguͤter zu bemaͤchtigen, veranlaßte. Die Jesuiten sol- len erklaͤrt haben, es gebe keine Benedictiner mehr: sie seyen alle abgefallen, und gar nicht einmal faͤhig in den verlore- nen Besitz wieder einzutreten. Dagegen machte man ihnen auf der andern Seite ihre Verdienste streitig: man wollte nicht Wort haben, daß Bekehrungen durch sie vollbracht worden: was so scheine, sey nichts weiter als das Werk der Gewalt Aus den heftigen Streitschriften, Anklagen und Vertheidi- gungen, die hieruͤber erschienen, ersieht man zwar nicht die Wahrheit der Thatsachen, aber doch die Punkte des Streites. È verissimo, sagt der paͤpstliche Nuntius in einem chiffrirten Schreiben, che i padri Gesuiti hanno procurato e procurano col favore dell’ im- peratore, che non può esser maggiore, di non solo soprastare agli altri religiosi, ma di escluderli dove essi v’hanno alcun in- teresse o politico o spirituale. Ich finde doch, daß der Kaiser, so ergeben er damals auch den Jesuiten war, im Jahre 1629 sich zu . Ehe die Kirchenguͤter nur noch zuruͤckge- Buch VII. Kap . 4. geben waren, brachten sie schon Entzweiung und Hader hervor, uͤber den Anspruch sie zu besitzen, zwischen den Or- den, uͤber das Recht der Collation, zwischen Kaiser und Papst. Zu diesen geistlichen Mißverstaͤndnissen gesellten sich aber weltliche von noch weiteraussehender Natur. Die kaiserli- chen Kriegsvoͤlker waren eine unertraͤgliche Last, ihre Durch- zuͤge erschoͤpften Land und Leute: wie der Soldat den Buͤr- ger und Bauer, mißhandelte der General die Fuͤrsten: Wal- lenstein ließ die verwogensten Reden verlauten. Auch die alten Verbuͤndeten des Kaisers, die Haͤupter der Liga, vor allem Maximilian von Baiern, waren mißvergnuͤgt uͤber die Gegenwart und besorgt wegen der Zukunft. In dieser Lage der Dinge geschah es, daß Ferdinand, um seinen Sohn zum roͤmischen Koͤnige erwaͤhlen zu lassen, die katholischen Churfuͤrsten im Sommer 1630 zu Regens- burg versammelte. Es konnte nicht anders seyn als daß hiebei nun auch alle andern oͤffentlichen Angelegenheiten zur Sprache kamen. Wohl sah der Kaiser, daß er etwas nachgeben muͤsse. Sein Sinn war, dieß in den deutschen Sachen zu thun; er zeigte sich geneigt das Restitutionsedict in Hinsicht auf die brandenburgischen und chursaͤchsischen Lande noch zu sus- einer reinen Restitution an die alten Orden neigte. Pier Luigi Ca- raffa, Nuntius in Coͤln, erzaͤhlt dieß. Aber schon waren in diesem Augenblick die Jesuiten in Rom durchgedrungen. Juli 1629 er- folgte ein Beschluß daselbst, che alcuna parte (dei beni ricuperati) potesse convertirsi in erezioni di seminarj, di alunnati, di scuole e di collegj tanto de’ padri Gesuiti, quali in gran parte furono motori dell’ editto di Cesare, come di altri religiosi. Die Jesui- tenschulen wuͤrden sich auch uͤber ganz Norddeutschland ergossen haben. Churfuͤrstentag zu Regensburg . pendiren, uͤber Pfalz und Meklenburg eine Abkunft zu tref- fen, auch Schweden wieder zu versoͤhnen — schon waren Unterhandlungen dazu eroͤffnet, — und indeß seine Kraft nach Italien zu wenden, den mantuanischen Krieg zu Ende zu bringen, und den Papst zur Anerkennung seiner kirchli- chen Anspruͤche zu noͤthigen Dispaccio Pallotta 2 Ag. 1630 gibt unter den Punkten die zur Berathung kommen sollten, an: 1° se si doveva sospendere o tirare avanti l’editto della ricuperatione de’ beni eccl ci ; 2° se ha- vendosi da procedere avanti, si avesse da sospendere quanto a quelli che erano negli stati dell’ elettori di Sassonia e di Bran- denburgo: ed inclinavasi a sospenderlo ; 3° quanto ai beneficii e beni eccl ci che si erano ricuperati, pretendevasi che alli imperatori spettasse la nominazione — — 6° trattavasi di restituire il ducato di Mechelburgh agli antichi padroni, siccome il palatinato almeno inferiore al palatino con perpetuo pregiu- ditio della religione cattolica come era seguito con Danimarca. . Er mochte glauben, weil er es mit deutschen Fuͤrsten zu thun habe, durch Nachgiebigkeit in deutschen Angelegen- heiten das Meiste auszurichten. Jedoch nicht so einfach lagen die Dinge. Die italienisch franzoͤsische Opposition hatte bei den katholischen Churfuͤrsten bereits Eingang gefunden, und suchte das Mißvergnuͤgen derselben zu ihren Zwecken zu benutzen. Zuerst erschien der paͤpstliche Nuntius Rocci in Re- gensburg. Wie haͤtte er nicht alles anwenden sollen um die Ausfuͤhrung der italienischen und antipaͤpstlichen Ab- sichten des Kaisers zu hintertreiben? Der Papst hatte ihm aufgetragen sich vor allem mit dem Churfuͤrsten von Baiern in gutes Einverstaͤndniß zu setzen: in kurzem meldet er, daß dieß Verstaͤndniß in tief- Buch VII. Kap . 4. stem Geheimniß erhalten werde Dispaccio Rocci 9 Sett. 1630. E questa corrispondenza riuscì molto fruttuosa, perchè Baviera di buon cuore operò che in quel convento non si trattò delle operationi sopra mento- vate. : er brachte eine Erklaͤ- rung der katholischen Churfuͤrsten aus, daß sie in allen kirchlichen Angelegenheiten mit ihm vereinigt bleiben und besonders die Jurisdiction und Verehrung des paͤpstlichen Stuhles aufrecht erhalten wuͤrden. Um aber der Sache die entscheidende Wendung zu ge- ben, kam ihm der Vertraute Richelieus, Pater Joseph, zu Huͤlfe. Niemals ist wohl die durchtriebene Schlauheit die- ses Capuziners thaͤtiger, wirksamer und den Mitwissenden offenbarer gewesen als hier: sein Begleiter in Regensburg, Herr von Leon, welcher zu dieser Gesandtschaft seinen Na- men hergab, hat gesagt, der Pater habe gar keine Seele, sondern an ihrer Stelle Untiefen und Lachen, in die ein Je- der gerathen muͤsse der mit ihm unterhandle. Durch diese Vermittler nun machte sich jene italienisch- franzoͤsische Opposition des Kaisers die deutschen Verbuͤn- deten desselben in kurzem voͤllig zu eigen. Zur Versoͤhnung des Reiches mit Schweden, zur Beruhigung der Protestan- ten ward nichts gethan: niemals haͤtte der Papst in die Suspension des Restitutionsedictes gewilligt. Dagegen dran- gen die Churfuͤrsten auf Herstellung des Friedens in Ita- lien: sie forderten die Absetzung des kaiserlichen Feldhaupt- manns, der sich als unumschraͤnkter Dictator gebehrde. Und so maͤchtig war dieser Einfluß, so geschickt ward er geltend gemacht, daß der gewaltige Kaiser, in dem Ze- Churfuͤrstentag zu Regensburg . nith seiner Macht, ohne Widerstand, ohne Bedingung nachgab. Waͤhrend man in Regensburg unterhandelte, hatten seine Truppen Mantua erobert: er konnte sich als Herrn von Ita- lien betrachten: in diesem Augenblicke verstand er sich dazu, Mantua dem Nevers gegen die nichtige Formalitaͤt einer Ab- bitte einzuraͤumen. Aber vielleicht noch mehr wollte die andere Forderung sagen. Zugleich die deutschen Fuͤrsten, Frankreich und der Papst waren von dem Feldherrn be- droht, an dessen Persoͤnlichkeit das Gluͤck der kaiserlichen Waffen geknuͤpft war! Man darf sich nicht wundern, wenn sie ihn haßten und sich seiner zu entledigen wuͤnschten. Der Kaiser, um des Friedens willen, gab ihn auf. In dem Moment daß er Italien beherrschen koͤnnte, laͤßt er es fahren! In dem Moment daß ihn der gefaͤhr- lichste, kriegskundigste Feind in Deutschland angreift, dankt er den Feldherrn ab, der allein im Stande waͤre ihn zu vertheidigen. Nie haben Politik und Unterhandlung groͤßere Erfolge hervorgebracht. Schwedischer Krieg. Verhaͤltniß des Papstes. Und nun erst begann der Krieg. Unter den guͤnstigsten Auspicien, man kann es nicht leugnen, eroͤffnete ihn Gu- stav Adolf. Denn war nicht das kaiserliche Heer auf Wal- lensteins Namen zusammengebracht, ihm persoͤnlich ergeben und verpflichtet? Der Kaiser entließ sogar einen Theil da- von: die Contributionsforderungen der Generale, die bis- Buch VII. Kap . 4. her in deren Belieben gestanden, unterwarf er einer Ermaͤ- ßigung der Reichskreise Adlzreitter III, XV, 48. Caesar statuit ne in posterum stipendia pro tribunorum arbitrio, sed ex circulornm praescripta moderatione penderentur. : man muß sagen, daß der Kai- ser indem er den General entließ, zugleich sein Heer zer- stoͤrte, die moralische Kraft ihm nahm. Ein Italiener, der fruͤher in paͤpstlichen Diensten gestanden, Torquato Conti, sollte dem beherzten und eifrigen Feinde damit Widerstand lei- sten. Es liegt in der Sache, daß dieser schlecht ausfiel: das kaiserliche Heer zeigte sich nicht mehr als das alte: man sah nichts als Unentschlossenheit, Schwanken, Schrecken, Ver- lust: Gustav Adolf schlug es vollkommen aus dem Felde, und setzte sich an der untern Oder fest. Anfangs glaubte man in Oberdeutschland, daß dieß fuͤr das uͤbrige Reich wenig zu bedeuten habe: — mit großer Ruhe fuhr indeß Tilly in seinen Unternehmungen an der Elbe fort. Daß er endlich Magdeburg eroberte, erschien dem Papst als ein großer Sieg: man knuͤpfte die glaͤnzendsten Hoffnungen daran. Schon wurde auf Tillys Antrieb ein Commissarius ernannt, „um die Angelegenheiten des Erz- bisthums nach den Gesetzen der katholichen Kirche einzu- richten.“ Allein eben dieß bewirkte nun, daß alle noch unent- schiedenen protestantischen Fuͤrsten sich an Gustav Adolf an- schlossen, und indem Tilly sie daran zu hindern suchte, mit der Liga in eine Feindschaft geriethen, welche es nicht laͤn- ger gestattete einen Unterschied zwischen ligistischen und kaiserlichen Voͤlkern zu machen. Die Schlacht von Leipzig er- Schwedischer Krieg . erfolgte: Tilly ward aufs Haupt geschlagen, und uͤber die ligistischen so gut wie uͤber die kaiserlichen Laͤnder ergossen sich die protestantischen Heerschaaren: Wuͤrzburg und Bam- berg fielen dem Koͤnig in die Haͤnde: an dem Rhein tra- fen die Protestanten des entfernten Nordens mit den alten Vorfechtern des romanischen Katholicismus, den spanischen Truppen, zusammen: dort bei Oppenheim sieht man ihre vermischten Schaͤdel; — Mainz ward erobert: alle unter- druͤckten Fuͤrsten schlossen sich an den Koͤnig an: der ver- jagte Pfalzgraf erschien in dem Feldlager desselben. Nothwendiger Weise mußte nun eine Unternehmung welche von der katholischen Opposition in politischen Ab- sichten hervorgerufen, gebilligt worden, zum Vortheil des Protestantismus ausschlagen. Die uͤberwaͤltigte, unterdruͤckte Partei sah sich mit Einem Male wieder im Siege. Zwar ließ der Koͤnig auch den Katholiken seinen Schutz im All- gemeinen angedeihen, wie ihn denn sein Buͤndniß dazu ver- pflichtete: aber dabei erklaͤrte er doch, er sey gekommen um seine Glaubensgenossen von ihren Gewissensdrangsalen zu erretten Schreiben des Koͤnigs an die Stadt Schweinfurt bei Chem- nitz: Schwedischer Krieg Th. I, p. 231. : er nahm die evangelischen Kirchendiener die unter katholischen Regierungen gestanden, z. B. in Erfurt, in seinen besondern Schutz: auch das Bekenntniß der augs- burgischen Confession ließ er allenthalben wieder zu: die verjagten Pfarrer kehrten in die Pfalz zuruͤck: mit dem sieg- reichen Heere durchzog die lutherische Predigt das Reich aufs neue. So sonderbar verwickelte sich die Politik Urbans VIII. Päpste* 36 Buch VII. Kap . 4. In sofern der Koͤnig die oͤstreichische Macht angriff und uͤberwand, war er der natuͤrliche Verbuͤndete des Papstes: gleich in den italienischen Angelegenheiten zeigte es sich; unter dem Einfluß der deutschen Verluste ließ sich der Kai- ser im Jahre 1631 in der mantuanischen Sache noch un- guͤnstigere Bedingungen gefallen, als das Jahr zuvor in Regensburg. Ja es bestanden selbst, wenn nicht unmittel- bare, doch mittelbare Verbindungen zwischen dem paͤpstli- chen Stuhle und den im siegreichen Kampfe wieder vordrin- genden protestantischen Maͤchten. „Ich rede davon mit gutem Grunde,“ sagt Aluise Contarini, der erst an dem franzoͤsischen, dann am roͤmischen Hofe gestanden, „ich bin bei allen Verhandlungen zugegen gewesen, die Nuntien des Papstes haben immer die Unternehmungen Richelieus be- guͤnstigt; sowohl wo es auf dessen eigene Erhaltung an- kam, als in so fern er Baiern und die Ligue mit Frank- reich zu vereinigen suchte; zu seiner Verbindung mit Hol- land und den protestantischen Maͤchten uͤberhaupt haben sie stillgeschwiegen, um nicht zu sagen, daß sie dieselbe gebilligt. Andere Paͤpste haͤtten sich vielleicht ein Gewissen daraus gemacht: die Nuntien Urbans VIII. gelangten dadurch zu groͤßerem Ansehen und persoͤnlichen Vortheilen“ Al. Contarini: Relatione di Roma 1635. . Laut und bitter beklagte sich der Kaiser: „erst habe ihn der roͤmische Hof zum Restitutionsedict vermocht, und verlasse ihn nun in dem Kriege der daher entspringe; die Wahl seines Sohnes zum roͤmischen Koͤnig habe der Papst hintertrieben; er ermuntere den Churfuͤrsten von Baiern mit Rath und That, eine abgesonderte Politik zu befolgen, Stellung des Papstes . sich mit Frankreich zu verbinden; es sey vergebens Urban um Huͤlfe zu ersuchen, wie sie fruͤhere Paͤpste mit Geld oder Mannschaften so oft geleistet; er weigere sich selbst die Ver- bindung der Franzosen mit den Ketzern zu verdammen oder diesen Krieg fuͤr einen Religionskrieg zu erklaͤren.“ Aluise Contarini: Gli Alemanni si pretendono delusi dal papa, perchè dopo aver egli reiteratamente persuaso l’impera- tore di ripetere dagli eretici i beni ecclesiastici d’Alemagna ch’erano in loro mani, origine di tante guerre, resistesse S. S tà poi alle reiterate spedizioni di card li e d’amb ri nelle assi- stenze di danaro, nel mandar gente e bandiere con l’esempio de’ precessori, nel publicar la guerra di religione, nell’ impe- dire colle scomuniche gli appoggi ai medesimi heretici della Francia: anzi nel medesimo tempo ritardata l’elettione del re de’ Romani, confortato il duca di Bavìera con la lega cattolica all’ unione di Francia, assistendo lo medesimo di danari e di consiglio per sostenersi in corpo separato. Il papa si lagna d’esser tenuto eretico et amatore di buoni progressi de’ prote- stanti, come tal volta in effetto non li ebbe discari. Im Jahre 1632 finden wir die kaiserlichen Gesandten in Rom vor allem das letzte Gesuch wiederholen: noch immer, sag- ten sie, koͤnne die Erklaͤrung S. Heiligkeit die groͤßte Wir- kung nach sich ziehen: noch immer sey es so gar unmoͤglich nicht, den Koͤnig von Schweden zu verjagen: er habe nicht mehr als 30000 Mann. Der Papst entgegnete mit kuͤhler Gelehrsamkeit: „mit dreißig tausend hat Alexander die Welt erobert.“ Er blieb dabei, es sey kein Religionskrieg: er betreffe nur Staatsangelegenheiten: uͤbrigens sey auch die paͤpstliche Kammer erschoͤpft, er koͤnne nichts thun. Die Mitglieder der Curie, die Einwohner von Rom waren erstaunt. „Mitten in der Feuersbrunst katholischer 36* Buch VII. Kap. 4. Stellung des Papstes . Kirchen und Kloͤster“ — so druͤckten sie sich aus — „stehe der Papst kalt und starr wie Eis. Der Koͤnig von Schwe- den habe mehr Eifer fuͤr sein Lutherthum, als der heilige Vater fuͤr den allein selig machenden katholischen Glauben.“ Noch einmal schritten die Spanier zu einer Protestation. Wie einst Olivarez vor Sixtus V , so erschien jetzt Cardinal Borgia vor Urban VIII , um feierlich wider das Betragen Seiner Heiligkeit zu protestiren. Es erfolgte eine vielleicht noch heftigere Scene als damals. Indem der Papst in zornige Aufwallung gerieth und den Botschafter unterbrach, nahmen die anwesenden Cardinaͤle fuͤr oder wider Partei. Der Botschafter mußte sich bequemen seine Protestation schriftlich einzugeben nella quale, sagt Card. Cecchini in seiner Autobiographie, concludeva che tutti li danni che per le presenti turbolenze erano per venire alla christianità, sariano stati attribuiti alla ne- gligenza del papa. . Aber die eifrig-religioͤse Gesinnung war damit nicht zufrieden: schon erhob sich, besonders auf Anregung des vorigen Cardinalnepoten Ludovisio, der Ge- danke ein Concilium in Opposition gegen den Papst zu berufen Al. Contarini spricht von „orecchio che si prestava in Spagna alle pratiche di Ludovisio per un concilio.“ . Welches Feuer waͤre aber damit angezuͤndet worden! Schon nahmen die Ereignisse eine Wendung, welche uͤber ihre Natur keinen Zweifel uͤbrig ließ, und die paͤpstliche Politik anders bestimmen mußte. Urban VIII. schmeichelte sich eine Zeitlang, der Koͤ- nig werde eine Neutralitaͤt mit Baiern abschließen und die gefluͤchteten geistlichen Fuͤrsten in ihre Laͤnder wiederher- Schwedischer Krieg . stellen. Nur allzubald aber scheiterte jeder Versuch der Aus- soͤhnung von Interessen, die einander so geradezu entgegen- standen. Die schwedischen Waffen ergossen sich auch nach Baiern: Tilly fiel: Muͤnchen wurde erobert: Herzog Bern- hard drang nach Tyrol vor. Hierauf ließ sich nicht mehr zweifeln, was Papst und Katholicismus von den Schweden zu erwarten hatten. Wie so durchaus war die Lage der Dinge in Einem Moment veraͤndert. Hatte man so eben die Hoffnung gehegt die protestantischen Stifter in Norddeutschland wieder katholisch zu machen, so erwachte jetzt in dem Koͤnige der Plan die suͤddeutschen Stifter die in seiner Hand waren, in welt- liche Fuͤrstenthuͤmer zu verwandeln. Er redete bereits von seinem Herzogthume Franken: — in Augsburg schien er seinen koͤniglichen Hof aufschlagen zu wollen. Vor zwei Jahren hatte der Papst die Ankunft der Oest- reicher in Italien zu fuͤrchten gehabt: mit einem Angriff auf Rom war er bedroht worden. Jetzt erschienen die Schwe- den an den Grenzen von Italien: mit dem Namen eines Koͤnigs der Schweden und Gothen, wie ihn Gustav Adolf fuͤhrte, verknuͤpften sich Erinnerungen, die in beiden Thei- len erwachten Dennoch versichert Al. Contarini: L’opinione vive tutta- via che a S. S tà sia dispiaciuta la morte del re di Suezia e che più goda o per dir meglio manco tema i progressi de’ prote- stanti che degli Austriaci. . Buch VII. Kap. 4. Herstellung eines Herstellung eines Gleichgewichtes der beiden Be- kenntnisse. Und nun will ich den Kampf nicht ausfuͤhren, der Deutschland noch 16 Jahre lang erfuͤllte. Genug, wenn wir wahrgenommen haben, wie jener maͤchtige Fortschritt des Katholicismus, der im Begriffe war unser Vaterland auf immer in Besitz zu nehmen, eben als er Anstalt machte die protestantische Meinung an ihren Quellen zu vertilgen, in seinem Laufe aufgehalten waͤrd, und einen siegreichen Wi- derstand erfuhr. Im Allgemeinen ist zu sagen, daß der Katholicismus, als eine Einheit betrachtet, seine eigenen Siege nicht ertragen konnte. Das Oberhaupt der Kirche selbst glaubte sich genoͤthigt, sich um politischer Gruͤnde wil- len den Maͤchten entgegenzusetzen die seine geistliche Au- toritaͤt am meisten verfochten und ausbreiteten. Katholi- ken, in Uebereinstimmung mit dem Papste, riefen die noch unbezwungenen protestantischen Kraͤfte auf, und machten ih- nen Bahn. So große Plaͤne, wie Gustav Adolf im Hochpunkte seiner Macht sie hegte, konnten nun nach dem fruͤhen Tode dieses Fuͤrsten freilich nicht ausgefuͤhrt werden, schon darum nicht, weil ja auch die Erfolge des Protestantismus sich keinesweges allein von eigener Macht herschrieben. Aber auch der Katholicismus vermochte, selbst als er sich besser zusammennahm, als Baiern sich wieder an den Kaiser schloß, und auch Urban VIII. aufs neue Subsidien zahlte, den Protestantismus nicht mehr zu uͤberwaͤltigen. Gleichgewichtes der beiden Bekenntnisse . Gar bald gelangte man wenigstens in Deutschland zu dieser Ueberzeugung. Schon der Friede von Prag beruhte darauf. Der Kaiser ließ sein Restitutionsedict fallen: der Churfuͤrst von Sachsen und die Staaten, welche ihm bei- traten, gaben die Herstellung des Protestantismus in den Erblanden auf. Zwar widersetzte sich Papst Urban allem was dem Re- stitutionsedicte zuwider beschlossen werden koͤnnte, und in dem geistlichen Rathe des Kaisers hatte er die Jesuiten besonders den Pater Lamormain auf seiner Seite — der denn auch oft genug daruͤber belobt ward „als ein wuͤrdiger Beichtvater, als ein Mann der keine weltliche Ruͤcksicht nehme“ Lettera del card l Barberino al nuntio Baglione 17 Marzo 1635: essendo azione da generoso Christiano e degno confessore di un pio imperatore ciò che egli ha fatto rimi- rando più il cielo che il mondo. ; — allein die Mehrheit war gegen ihn: die Capuziner Quiroga und Valerian, die Cardinaͤle Dietrich- stein und Pazmany; sie behaupteten, wenn man die katho- lische Religion in den Erblanden rein erhalte, so koͤnne man wohl Gewissensfreiheit im Reiche geben. Der Pra- ger Friede ward in Wien von allen Kanzeln verkuͤndigt: die Capuziner ruͤhmten sich ihres Antheils an diesem „eh- renvollen und heiligen“ Werke und stellten besondere Feier- lichkeiten dafuͤr an; kaum konnte der Nuntius verhindern, daß man nicht ein Tedeum sang Aus der Correspondenz Baglionis, die im 6ten Bande des Nicoletti excerpirt ist, z. B. 14. April 1635. Disse un giorno il conte di Ognate che assolutamente il re di Spagna non havrebbe dato ajuto alcuno all’ imperatore se non in caso che seguisse la pace con Sassonia: di che maravigliandosi il nunzio disse . Buch VII. Kap. 4. Herstellung eines Indem Urban VIII , obwohl er thatsaͤchlich so viel dazu beigetragen, daß die Plaͤne des Katholicismus schei- terten, dennoch in der Theorie keinen Anspruch fallen lassen wollte, bewirkte er nur, daß das Papstthum eine Stel- lung außerhalb der lebendigen und wirsamen Interessen der Welt annahm. Nichts ist dafuͤr bezeichnender als die Instruction welche er seinem Legaten Ginetti bei dem er- sten Versuche eines allgemeinen Friedens im Jahre 1636 nach Coͤln mitgab. Gerade in allen wichtigen Punkten, auf die es schlechthin und durchaus ankam, werden da dem Gesandten die Haͤnde gebunden. Eine der dringendsten Noth- wendigkeiten z. B. war die Herstellung der Pfalz. Nichts desto minder wird der Legat angewiesen sich der Ruͤckgabe der Pfalz an einen unkatholischen Fuͤrsten zu widersetzen Siri: Mercurio II, p. 987. . che la pietà del re cattolico richiedeva che si cumulassero gli ajuti non seguendo detta pace, la quale doveva piuttosto distur- barsi trattandosi con eretici, ed applicare l’animo alla pace uni- versale coi principi cattolici. Fulli risposto che ciò seguirebbe quando la guerra si fosse fatta per la salute delle anime e non per la ricuperazione de’ beni ecclesiastici, ed il padre Quiroga sogginnse al nunzio che l’imperatore era stato gabbato da quelli che l’havevano persuaso a fare l’editto della ricuperazione de’ beni ecclesiastici, volendo intendere de’ Gesuiti, e che tutto erasi fatto per interesse proprio: ma avendo il nunzio risposto che la persuasione era stata interposta con buona intenzione, il pa- dre Quiroga si accese in maniera che proruppe in termini esor- bitanti, sicchè al nunzio fu difficile il ripigliarlo perchè mag- giormente non eccedesse. Ma Ognate passò più oltre, dicendo che l’imperatore non poteva in conto alcuno ritirarsi dalla pace con Sassonia per la necessità in cui trovavasi, non potendo resistere a tanti nemici, e che non era obbligato a rimettervi l’havere de’ suoi stati hereditarj ma solamente quelli dell’ imperio, che erano tenuissimi, e che non compliva di tirare avanti con pericolo di perdere gli uni e gli altri. Gleichgewichtes der beiden Bekenntnisse . Was schon in Prag sich unvermeidlich gezeigt, den Pro- testanten in Hinsicht der geistlichen Guͤter einige Zugestaͤnd- nisse zu machen, war es spaͤter noch mehr; dessenungeachtet wird der Legat „zu besonderm Eifer“ ermahnt „um nichts zuzugeben was in Hinsicht der geistlichen Guͤter den Pro- testanten zum Vortheil gereichen koͤnnte.“ Sogar die Frie- densschluͤsse mit protestantischen Maͤchten will der Papst nicht billigen. Der Abgesandte soll es nicht unterstuͤtzen, wenn man die Hollaͤnder in den Frieden einschließen wolle, jeder Abtretung an die Schweden — es war damals nur von einem Hafen die Rede — soll er sich entgegensetzen; „die goͤttliche Barmherzigkeit werde schon Mittel finden diese Nation aus Deutschland zu entfernen.“ Der roͤmische Stuhl durfte vernuͤnftiger Weise keine Hoffnung mehr hegen die Protestanten zu uͤberwaͤltigen; es ist doch von großer Bedeutung, daß er, wiewohl ohne seinen Willen, aber durch die hartnaͤckige Behauptung un- ausfuͤhrbarer Anspruͤche es sich selbst unmoͤglich machte, auf das Verhaͤltniß seiner Glaͤubigen zu denselben einen wesentlichen Einfluß auszuuͤben. Wohl schickte der roͤmische Stuhl auch ferner seine Gesandten zu dem Friedenscongresse. Auf Ginetti folgten Machiavelli, Rosetti, Chigi. Ginetti, sagt man, war sehr sparsam, und schadete damit seiner Wirksamkeit, — Ma- chiavelli sollte eigentlich hier nur Rang erwerben, Befaͤhi- gung zu einer hoͤhern Stelle, — Rosetti war den Franzo- sen unbequem: — so erklaͤrt man die Geringfuͤgigkeit ih- res Einflusses: Pallavicini: Vita di papa Alessandro VII. MS. die Wahrheit ist, daß die Sache selbst, Buch VII. Kap. 4. Herstellung eines die Stellung welche der Papst eingenommen, eine bedeu- tende Einwirkung der Nuntien unmoͤglich machte. Chigi war geschickt und beliebt; er richtete doch nichts aus. Un- ter seinen Augen ward ein Friede geschlossen wie ihn der roͤmische Stuhl ausdruͤcklich verdammt hatte. Der Chur- fuͤrst von der Pfalz, alle verjagten Fuͤrsten wurden her- gestellt. Weit gefehlt, daß man an die Bestimmungen des Restitutionsedictes denken konnte: viele Stifter wur- den geradezu saͤcularisirt und den Protestanten uͤberlassen. Spanien entschloß sich, die Unabhaͤngigkeit jener Rebellen gegen Papst und Koͤnig, der Hollaͤnder, endlich anzuerken- nen. Die Schweden behielten einen bedeutenden Theil des Reiches. Selbst den Frieden des Kaisers gegen Frankreich konnte die Curie nicht billigen, weil er Stipulationen uͤber Metz, Toul und Verdun enthielt durch die sie ihre Rechte gekraͤnkt fand. Das Papstthum fand sich in der traurigen Nothwendigkeit zu protestiren: die Grundsaͤtze, die es nicht hatte geltend machen koͤnnen, wollte es wenigstens ausspre- chen. Aber schon hatte man dieß vorausgesehen. Die geist- lichen Bestimmungen des westphaͤlischen Friedens wurden gleich mit der Erklaͤrung eroͤffnet, daß man sich dabei an Niemands Widerspruch kehren wolle, er sey auch wer er wolle, von weltlichem oder geistlichem Stande Osnabruͤckischer Friedensschluß V Articul, § 1. . Durch den Frieden ward jener große Proceß zwischen Protestanten und Katholiken, aber nun ganz anders als man in dem Restitutionsedicte versucht hatte, endlich zu ei- ner Entscheidung gebracht. Der Katholicismus behauptete immer große Erwerbungen, indem das Jahr 1624 als Gleichgewichtes der beiden Bekenntnisse . das Normaljahr, auf welches die Dinge zuruͤckzufuͤhren seyen, angenommen wurde; dagegen bekam der protestanti- sche Theil die ihm so unentbehrliche, so lange vorenthal- tene Paritaͤt. Nach diesem Princip wurden alle Reichs- verhaͤltnisse geregelt. Wie durfte man da so gar nicht mehr an Unternehmungen denken wie sie fruͤher gewagt worden und gelungen waren. Vielmehr wirkten die Resultate der deutschen Kaͤmpfe unmittelbar auf die benachbarten Laͤnder zuruͤck. Obwohl der Kaiser in seinen Erblanden den Katholi- cismus aufrecht zu erhalten vermocht hatte, mußte er doch in Ungarn den Protestanten Zugestaͤndnisse machen: im Jahre 1645 sah er sich genoͤthigt ihnen eine nicht geringe An- zahl Kirchen zuruͤckzugeben. Und haͤtte nun wohl nach jenem Aufschwunge der Schweden zu einer universalen Bedeutung Polen jemals daran denken koͤnnen, die alten Anspruͤche an dieses Land zu erneuern? Wladislav IV. ließ sogar von dem Bekeh- rungseifer seines Vaters ab, und war den Dissidenten ein gnaͤdiger Koͤnig. Selbst in Frankreich beguͤnstigte Richelieu die Huge- notten, nachdem sie ihrer politischen Selbstaͤndigkeit beraubt waren. Noch bei weitem mehr aber unterstuͤtzte er das pro- testantische Princip dadurch, daß er jener vorwaltenden ka- tholischen Macht, der spanischen Monarchie, einen Krieg auf Leben und Tod zu machen fortfuhr, welcher sie in ihren Grundfesten erschuͤtterte. Diese Entzweiung war die einzige die der Papst so ganz ohne Scrupel haͤtte beilegen koͤnnen. Waͤhrend aber alle andern wirklich beseitigt wurden, blieb Buch VII. Kap. 4. Herstellung eines diese unausgetragen, und zerruͤttete unaufhoͤrlich das Innere der katholischen Welt. An dem Kriege gegen Spanien nahmen bis zum west- phaͤlischen Frieden die Hollaͤnder den gluͤcklichsten Antheil. Es war das goldene Zeitalter ihrer Macht, ihres Reich- thums. Indem sie aber das Uebergewicht in dem Orient erlangten, traten sie zugleich dem Fortgange der katholi- schen Missionen daselbst gewaltig entgegen. Nur in England schien zuweilen der Katholicismus oder wenigstens eine Analogie seiner aͤußern Formen Ein- gang finden zu wollen. Wir finden Abgeordnete des eng- lischen Hofes in Rom, paͤpstliche Agenten in England: die Koͤnigin, der man zu Rom eine Art von amtlicher Aner- kennung widmete Nani: Relatione di Roma 1640: Con la regina d’Inghil- terra passa communicatione de’ ministri con officii e donativi di cortesia, e si concede a quella M tà nominatione di cardinale a pare degli altri re. Spada: Relatione della nunziatura di Fran- cia 1641: Il S r conte Rossetti, residente in quel regno, bene corrisponde nell’ ossequio gli ordini del S r card l Barberini pro- tettore tutti pieni dell’ ardore e zelo di S. Em za . , uͤbte einen Einfluß auf ihren Gemahl aus, welcher sich auch auf die Religion erstrecken zu muͤssen schien: schon naͤherte man sich in mancherlei Ceremonien katholischen Gebraͤuchen. Jedoch aus alle dem erfolgte auch hier das Gegentheil. Schwerlich ist Carl I. in seinem Her- zen jemals von dem protestantischen Dogma abgewichen, aber schon die geringen Annaͤherungen zu dem katholischen Ritus, die er sich erlaubte, schlugen ihm zum Verderben aus. Es war als ob die heftige Aufregung, welche so langjaͤhrige, allgemeine, unablaͤssige Angriffe in der prote- stan- Gleichgewichtes der beiden Bekenntnisse . stantischen Welt uͤberhaupt hervorgebracht, sich in den eng- lischen Puritanern concentrire. Vergebens suchte sich Ir- land ihrer Herrschaft zu entziehen, und im katholischen Sinne zu organisiren: es wurde um so schwerer unterworfen. In der Aristokratie und den Gemeinen von England bildete sich eine Weltmacht aus, deren Erhebung die Wiederaufnahme des Protestantismus in Europa uͤberhaupt bezeichnet. Hiedurch sind nun aber dem Katholicismus auf ewig Schranken gesetzt. Er ist in bestimmte Grenzen gewiesen: an eine Welteroberung, wie er sie vorhatte, kann er nie- mals wieder im Ernste denken. Ja die geistige Entwickelung selbst hat eine Wendung genommen die dieß unmoͤglich macht. Jene die hoͤhere Einheit gefaͤhrdenden Triebe haben das Uebergewicht bekommen: das religioͤse Element ist zu- ruͤck getreten: die politischen Ruͤcksichten beherrschen die Welt. Denn nicht durch sich selbst retteten sich die Prote- stanten. Vor allem war es eine Spaltung im Schooße des Katholicismus, durch die es ihnen gelang sich wiederher- zustellen. Im Jahre 1631 finden wir die beiden großen katholischen Maͤchte im Bunde mit den Protestanten: Frankreich unverholen, Spanien wenigstens insgeheim. Es ist gewiß, daß die Spanier in dieser Zeit ein Verstaͤndniß mit den franzoͤsischen Hugenotten angeknuͤpft hatten. Aber eben so wenig hielten die Protestanten zusam- men. Nicht daß sich nur Lutheraner und Reformirte be- Päpste* 37 Buch VII. Kap. 4. Herstellung eines kaͤmpft haͤtten: dieß war vielmehr von jeher geschehen: son- dern die entschiedenen Reformirten, obwohl sie ohne allen Zweifel eine gemeinschaftliche Sache verfochten, sind in die- sem Kriege wider einander gezogen. Die Seemacht der franzoͤsischen Hugenotten ward nur durch die Unterstuͤtzung gebrochen, die ihre Religionsverwandten und alten Ver- buͤndeten der Krone Frankreich zu leisten sich bestimmen ließen. Das Oberhaupt des Katholicismus selbst, das den An- griff gegen die Protestanten bisher geleitet, der Papst zu Rom, setzte am Ende diese hoͤchsten Interessen der geistli- chen Gewalt bei Seite: er nahm gegen Die Partei, welche die Wiederherstellung des Katholicismus am eifrigsten betrieben: er verfuhr nur noch nach den Gesichtspunk- ten des weltlichen Fuͤrstenthums. Er kehrte zu der Po- litik zuruͤck, welche seit Paul III. aufgegeben worden war. Wir erinnern uns, daß der Protestantismus in der ersten Haͤlfte des 16ten Jahrhunderts durch nichts so sehr befoͤrdert worden ist wie durch die politischen Bestrebun- gen der Paͤpste. Eben diesen hatte, nach menschlicher An- sicht, der Protestantismus jetzt seine Rettung, seine Erhal- tung zu danken. Es mußte aber dieß Beispiel nothwendig auch auf die uͤbrigen Maͤchte wirken. Endlich ergriff das deutsche Oest- reich, das sich so lange ohne Wanken rechtglaͤubig gehal- ten, dieselbe Politik: die Stellung welche es seit dem west- phaͤlischen Frieden einnahm, beruhte auf seiner innigen Ver- bindung mit Norddeutschland, England und Holland. Fragen wir nach der tieferen Ursache dieser Erschei- nung, so wuͤrden wir Unrecht haben, sie allein in einer Gleichgewichtes der beiden Bekenntnisse . Verflachung und Verkuͤmmerung der geistlichen Antriebe zu suchen: ich denke, wir werden den Inhalt und die Be- deutung des Ereignisses anders fassen muͤssen. Einmal hatte der große geistliche Kampf seine Wir- kung in den Gemuͤthern vollbracht. In den fruͤhern Zeiten war das Christenthum mehr eine Sache der Ueberlieferung, der naiven Annahme, des von Zweifeln unberuͤhrten Glaubens gewesen: jetzt war es eine Sache der Ueberzeugung, der bewußten Hingebung ge- worden. Von hoher Bedeutung ist es, daß man zwischen den verschiedenen Bekenntnissen zu waͤhlen hatte: daß man verwerfen, abfallen, uͤbertreten konnte. Die Person ward in Anspruch genommen, ihre freie Selbstbestimmung her- ausgefordert. Hiedurch geschah, daß die christlichen Ideen alles Leben und Denken noch tiefer und vollstaͤndiger durch- drangen. Dazu kommt dann ein anderer Moment. Wohl ist es wahr, daß das Ueberhandnehmen der in- nern Gegensaͤtze die Einheit der Gesammtheit zerstoͤrt: aber es ist, wenn wir uns nicht taͤuschen, ein anderes Gesetz des Lebens, daß sich damit doch auch zugleich eine hoͤhere und groͤßere Entwickelung vorbereitet. In dem Gedraͤnge des allgemeinen Kampfes war die Religion nach den verschiedenen Abwandlungen ihrer dogma- tischen Ausbildung von den Nationen ergriffen worden: mit dem Gefuͤhl der Nationalitaͤt hatte sich das Dogma ver- schmolzen, wie ein Besitz der Gemeinsamkeit, des Staates oder des Volkes. Mit den Waffen war es erkaͤmpft, unter tausend Gefahren behauptet, in Fleisch und Blut war es uͤbergegangen. Buch VII. Kap . 4. Hiedurch ist es geschehen, daß sich die Staaten auf bei- den Seiten zu großen kirchlich politischen Individualitaͤten ausgebildet haben; schon auf der katholischen nach dem Maaße der Ergebenheit gegen den roͤmischen Stuhl, der Duldung oder Ausschließung der Nichtkatholiken; noch mehr aber bei den Protestanten, wo die Abweichung der symbo- lischen Buͤcher die man beschwoͤrt, die Mischung des lu- therischen und des reformirten Bekenntnisses, die groͤßere oder geringere Annaͤherung an die bischoͤfliche Verfassung eben so viele in die Augen fallende Verschiedenheiten be- gruͤnden. Es wird die erste Frage bei jedem Lande, wel- ches die herrschende Religion daselbst ist. In mannigfalti- gen Gestalten erscheint das Christenthum. So groß auch die Gegensaͤtze derselben sind, so kann kein Theil dem an- dern abstreiten, daß auch er den Grund des Glaubens be- sitze. Vielmehr sind die verschiedenen Formen durch Ver- traͤge und Friedensschluͤsse, an denen Alle Theil haben, Grundgesetze gleichsam einer allgemeinen Republik, gewaͤhr- leistet. Es kann nicht mehr daran gedacht werden das eine oder das andere Bekenntniß zu einer universalen Herrschaft zu erheben. Nur darauf kommt es an, wie jeder Staat, jedes Volk von seiner politisch religioͤsen Grundlage aus seine Kraͤfte zu entwickeln vermoͤgen wird. Darauf beruht nun- mehr die Zukunft der Welt. Gedruckt bei A. W. Schade .