Gedichte von August Grafen von Platen . Stuttgart und Tuͤbinge n . Verlag der J . G . Cotta'schen Buchhandlung . 1828 . Inhalt. Seite. Erstes Buch . Romanzen und Lieder 3 Vermischte Gedichte 53 Zweytes Buch . Gaselen 85 Der Spiegel des Hafis 99 Neue Gaselen 115 Drittes Buch . Sonette 167 Viertes Buch . Oden 237 Eklogen 277 Hymne 295 Erstes Buch . v. Platen's Gedichte. 1 Noch ungewiß, ob mich der Gott beseele, Zu seinem Priester ob er mich geweiht, Malt' ich die klaren Bilder meiner Seele In gluͤcklicher Verborgenheit. Romanzen und Lieder. 1813 — 1823. I . An eine Geisblattranke. Z wischen Fichtenbaͤumen in der Oede Find' ich, theure Bluͤthe, dich so spat? Rauhe Luͤfte hauchen schnoͤde, Da sich eilig schon der Winter naht. Dicht auf Bergen lagen Nebelstreifen, Hinter denen laͤngst die Sonne schlief, Als noch uͤber's Feld zu schweifen Mich ein inniges Verlangen rief. Da verrieth dich dein Geruch dem Wandrer, Deine Weiße, die dich blendend schmuͤckt: Wohl mir, daß vor mir kein Andrer Dich gesehn und dich mir weggepfluͤckt! Wolltest du mit deinem Dufte warten, Bis ich kaͤm' an diesen stillen Ort? Bluͤhtest ohne Beet und Garten Hier im Wald bis in den Winter fort? Werth ist wohl die spat gefundne Blume, Daß ein Juͤngling in sein Lied sie mischt, Sie vergleichend einem Ruhme, Der noch waͤchst, da schon so viel erlischt. II. Maͤdchens Nachruf. S chwalben ziehen, Blaͤtter fallen, Und gesammelt liegt die Frucht: Ach, mit meinen Freuden allen Nahm auch er die rasche Flucht! Unter niederm Huͤttendache Wohn' ich, jener im Pallast, Doch aus fuͤrstlichem Gemache Trieb ihn Muth und Kampfeshast. Als des Fruͤhroths erstes Tagen Mich vom Traume heut erweckt, War mit Dienern, Rossen, Wagen Dieser ganze Raum bedeckt. Und er kam im Jugendflore, Hob sich auf sein Pferd im Nu, Bebend stand ich unter'm Thore, Sah dem schoͤnen Reiter zu. Und im leichten Morgenkleide Trat zu ihm die Braut hervor, Diesmal ohne Gold und Seide, Doch wie er im Jugendflor. Vor der Trennung nicht erschrocken, Kuͤßt' er noch ihr Stirn und Mund, Bey den Lippen, bey den Locken Schwur er den begluͤckten Bund. Ritt mit Dienern und Vasallen, Dankte meinem Gruße kaum: Schwalben ziehen, Blaͤtter fallen, So zerfließt der Liebe Traum! III. Fischerknabe. D es Abendsterns ersehnter Schein Beglaͤnzt den Saum der Fluth, Der Knabe zieht den Kahn herein, Der still im Hafen ruht. „Mein Tagewerk ist treu vollbracht, Doch, liebe Seele, sprich, O sprich, wie soll die lange Nacht Vergeh'n mir ohne dich?“ Am Ufer steht ein Weidenbaum, Und dran gelehnt ein Stein, Und drunter liegt im schmalen Raum Ihr kaltes Todtenbein. IV. S o hast du reiflich es erwogen, Und dieses ist das lezte Wort? Dich lockt ein ferner Himmelsbogen, Es treibt dich in die Fremde fort? Doch wird geliebt, wer liebt und bleibet, Wer flieht, verkannt; und glaube mir, Wenn dich die Sehnsucht fuͤrder treibet, So bleibt die Liebe hinter dir! Und mag umwuchern dich das schoͤne Hesperien voll milder Au'n, Wo findest du die deutschen Toͤne? Wo findest du die deutschen Frau'n? V. Matrosenlied. W ann wird der goldne Freudentag erscheinen, Den das Geschick mir aufbewahrt, Der Tag des Wiedersehens bey den Meinen, Nach allzulanger Fahrt? O schoͤne Flur, wo unsre muͤden Kaͤhne Dereinst noch landen moͤgen unversehrt! O Maͤdchen, das vielleicht mit einer Thraͤne Den armen Fluͤchtling ehrt! Denkst du der heil'gen Eide noch im Stillen, Und hieltst du, Theure, das beschworne Wort? Ach, trieb nicht feindlich damals, wider Willen, Ein boͤs Geschick mich fort? Doch werden, glaub' mir, wir uns wiedersehen, Und harrst du sehnsuchtsvoll am Strande mein, So koͤnnen's, Theure, siehst du Wimpel wehen, Nur meine Wimpel seyn! VI. N och im wollustvollen Mai des Lebens, Wo die Seele sonst Entschluͤsse spruͤht, Fuͤhl' ich in der Waͤrme meines Strebens, Wie mein Lebenselement vergluͤht. Nicht ein Windstoß, ein belebend warmer, Meine Haare kraͤuselnd, weht mich an, Leer und traͤge schifft ein Thatenarmer Ueber'n stillen Vater Ocean. Was ich soll? Wer loͤs't mir je die Frage? Was ich kann? Wer goͤnnt mir den Versuch? Was ich muß? Vermag ich's ohne Klage? So viel Arbeit um ein Leichentuch? Kommt und lispelt Muth in's Herz mir, zarte Liederstimmen, die ihr lange schlieft, Daß ich, wie ein Traͤumer, nicht entarte, In verlorne Neigungen vertieft. VII. M ag der Wind in Segel beben, Steuernd nach dem Land der Pracht, Wo der Freyheit stolzes Leben Zwischen Palmen auferwacht. Der erhizte Wahn der Jugend, Der das Gluͤck sich fern verheißt, Weiche deiner strengern Tugend, Weiche deinem groͤßern Geist! Soll der lezte Stern erbleichen An des deutschen Himmels Rand, O, so decken uns're Leichen Das verlorne Vaterland! VIII. W enn des Gottes lezter, milder Schimmer sich vom See verlor, Steigen mir Gedaͤchtnißbilder Aus der Wellen Nacht empor: Malen mir des Kahnes Schwanken Den gefurchten Pfad entlang, Als die Morgenluͤfte tranken Zauberischen Liederklang. Malen mir, von Berges Kuppe Schweifend den ergoͤzten Sinn, Und die laͤndlichschoͤne Gruppe Um den Heerd der Sennerin. Malen mir die Felsgehege, Wo die Alpenrose hangt, Welche nicht durch Menschenpflege In des Thales Gaͤrten prangt. Naͤchtlich fuͤhl' ich jezt ein Bangen, Wann der See gehoben wallt, Jene Tage sind vergangen, Jene Stimmen sind verhallt. Frost'ge Nebel steigen, welche Berg und Kuppe truͤb' umziehn, Und die rothen Alpenkelche Werden mit dem Sommer fliehn. Bald, verjagt von Sturm und Flocken Zieht die Hirtin froh in's Thal, Und es toͤnt der Hall der Glocken Von der Hoͤh' zum lezten Mal. IX . W illst du lauen Aether trinken Auf dem hohen Goͤtterpferde? Wie Bellerophon zur Erde Bebst du nicht zuruͤck zu sinken? Daß sich nicht dein Herz verblute, Wisse deinem Trieb zu steuern: Sey wie Flaccus auf dem theuern, Einzigen Sabinergute! Bist du nicht gewohnt vor Allen, Als der Einsamkeit Geweihter, Ohne Fußpfad und Begleiter Durch den stillen Forst zu wallen? Dir genuͤge, wenn die Foͤhren, Die den Schuß der Wolken suchen, Wenn die dickbelaubten Buchen, Deine sanften Lieder hoͤren! Wiesenblumen pfluͤck' und schweige, Pfluͤck' und blicke nicht nach oben, Denn fuͤr dich sind nicht gewoben Jene dunkeln Lorbeerzweige! X. A uf Gewaͤsser, welche ruhen, Weil gebaͤndiget vom Eise, Zieht die Jugend leichte Kreise, Wandelnd auf den Fluͤgelschuhen. Doch ich wandle, Freund, alleine, Freund, allein und nicht zum Ziele: Der Gestalten sind so viele, Leider aber nicht die Deine. Hefte den Kothurn der Wogen An die leichten Hermesfuͤße, Daß begegnend bald dich gruͤße, Dem du dich so lang' entzogen! Welch ein Gluͤck, dahin zu schwinden Auf der Flaͤche, klar und eben, Magisch sich voruͤberschweben, Flieh'n sich und sich wiederfinden! Aber ist es nicht vergebens? Weilst du nicht, was kann es frommen? Dies unstaͤte Gehn und Kommen Ist das wahre Bild des Lebens. v. Platen's Gedichte. 2 XI . W erden je sich feinde Toͤne Fuͤgen im verbund'nen Klange? Ich mit meinem duͤstern Drange, Du in deiner Jugendschoͤne? Heiter schluͤrfst du leichte Stunden, Dem es nie vergebens tagte: Ich ersehne das Versagte, Und beweine, was verschwunden. Du, zu deines Maͤdchens Laren Kommst du naͤchtlich oft gegangen, Schmiegst dich an die zarten Wangen, Wuͤhlst in ihren seidnen Haaren: Waͤhrend ich, der im Gemuͤthe Auf den Wink der Gunst verzichtet, Buͤcher vor mir aufgeschichtet, Ueber'm Rauch der Lampe bruͤte. Freund, es war ein eitles Waͤhnen, Daß sich unsre Geister faͤnden, Unsre Blicke sich verstaͤnden, Sich vermischten unsre Thraͤnen: Laß mich denn allein, versaͤume Nicht um mich die goldnen Tage, Kehre wieder zum Gelage, Und vergiß den Mann der Traͤume! XII. Koͤnig Odo. A us dem Kloster hallen Glocken, Tausend Lichter funkeln helle, Die den Zug der Beter locken Nach der hohen Kirchenschwelle. Koͤnig Odo kommt gefahren, Hoͤrt vom alten Thurm Gelaͤute, Und er fragt die frommen Schaaren: Aber welch ein Fest ist heute? Sie erwiedern d'rauf und sagen: Eine Jungfrau nimmt den Schleyer, Koͤnig Odo springt vom Wagen, Tritt hinein und schaut die Feyer. Um den heil'gen Brauch zu wehren, Ruft er aus am Hochaltare: Keine Scheere soll versehren Diese langen, blonden Haare! Ueber diese feuchten Blicke Moͤge nie ein Schleyer fallen, Und kein haͤrnes Kleid ersticke Dieser Brust gelindes Wallen. Reißend vom Altar die Reine, Trat er nun hervor und tobte: Christus werde nie der Deine, Koͤnig Odo's Anverlobte! Frevelvoll und voll von Wonne, Selig im erbotnen Tausche, Neigt sich die bethoͤrte Nonne Seinem schoͤnen Liebesrausche. Als die Nacht begann zu schauern Um die Stunde der Gespenster, Zitterten des Schlosses Mauern, Und es flogen auf die Fenster. Bebend sahn empor die Gatten, Und an's goldne Lager Beyder Trat ein weißer Zug von Schatten, Angethan in Nonnenkleider. Alle hielten rothe Kerzen, Welche blau und duͤster flammten, Und die junge Braut vom Herzen Rissen sie dem Gottverdammten. Huͤlfe ruft er, greift verwegen Zur geschliffnen Wehr im Grimme; Aber ihm versagt der Degen, Aber ihm versagt die Stimme. Und das Maͤdchen ziehn am Haare Jene fort, das arme, bleiche, Legen dann auf eine Bahre Die lebend'ge, schoͤne Leiche. Und der Koͤnig folgte bange, Seiner Sinne halb nur maͤchtig: In der Kirche Saͤulengange Hielt der lange Zug bedaͤchtig. An des Altars hoher Schwelle Thut ein Grab sich auf mit Grauen, Ausgehoͤhlt, gespenstig schnelle, Von den weißvermummten Frauen. Mit Gewalt sein Weib zu holen, Rafft sich auf im Wahn der Gatte; Aber unter seinen Sohlen Dreht sich jede Marmorplatte. Und er sieht die schoͤnen Glieder Eingesargt in einem Schreine, Will hinzu, doch immer wieder Schwanken unter ihm die Steine. Und der Schaufeln Ton verstummet, Stille wird's im Gotteshause, Nur die Glocke, wenn sie brummet, Unterbricht die tiefe Pause. Und das Dunkel weicht, die Sonne Hebt am Horizont sich steiler, Man entdeckt das Grab der Nonne, Und den Koͤnig todt am Pfeiler. XIII. L aß tief in dir mich lesen, Verhehl' auch dies mir nicht, Was fuͤr ein Zauberwesen Aus deiner Stimme spricht? So viele Worte dringen An's Ohr uns ohne Plan, Und waͤhrend sie verklingen, Ist alles abgethan. Doch draͤngt auch nur von ferne Dein Ton zu mir sich her, Behorch' ich ihn so gerne, Vergess' ich ihn so schwer! Ich bebe dann, entglimme Von allzurascher Glut: Mein Herz und deine Stimme Verstehn sich gar zu gut! XIV. Der Pilgrim vor St. Just. N acht ist's und Stuͤrme sausen fuͤr und fuͤr, Hispan'sche Moͤnche, schließt mir auf die Thuͤr! Laßt hier mich ruh'n, bis Glockenton mich weckt, Der zum Gebet mich in die Kirche schreckt! Bereitet mir was euer Haus vermag, Ein Ordenskleid und einen Sarkophag! Goͤnnt mir die kleine Zelle, weiht mich ein, Mehr als die Haͤlfte dieser Welt war mein. Das Haupt, das nun der Scheere sich bequemt, Mit mancher Krone ward's bediademt. Die Schulter, die der Kutte nun sich buͤckt, Hat kaiserlicher Hermelin geschmuͤckt. Nun bin ich vor dem Tod den Todten gleich, Und fall' in Truͤmmer, wie das alte Reich. XV. Das Grab im Busento. N aͤchtlich am Busento lispeln, bey Cosenza, dumpfe Lieder, Aus den Wassern schallt es Antwort, und in Wirbeln klingt es wieder! Und den Fluß hinauf, hinunter, zieh'n die Schatten tapfrer Gothen, Die den Alarich beweinen, ihres Volkes besten Todten. Allzufruͤh und fern der Heimath mußten hier sie ihn begraben, Waͤhrend noch die Jugendlocken seine Schulter blond umgaben. Und am Ufer des Busento reihten sie sich um die Wette, Um die Stroͤmung abzuleiten, gruben sie ein frisches Bette. In der wogenleeren Hoͤhlung wuͤhlten sie empor die Erde, Senkten tief hinein den Leichnam, mit der Ruͤstung, auf dem Pferde. Deckten dann mit Erde wieder ihn und seine stolze Habe, Daß die hohen Stromgewaͤchse wuͤchsen aus dem Helden¬ grabe. Abgelenkt zum zweyten Male, ward der Fluß herbey¬ gezogen: Maͤchtig in ihr altes Bette schaͤumten die Busentowogen. Und es sang ein Chor von Maͤnnern: Schlaf' in deinen Heldenehren! Keines Roͤmers schnoͤde Habsucht soll dir je dein Grab versehren! Sangen's, und die Lobgesaͤnge toͤnten fort im Gothen¬ heere; Waͤlze sie, Busentowelle, waͤlze sie von Meer zu Meere! XVI. Warnung. S cheint dir der Pfad, auf dem du gehst, so sicher, Und willst du noch einmal, o Jugendlicher, Uneingedenk verschuldeter Gefahren, Die Zuͤge sehn, die dir so toͤdtlich waren? Darfst du so fest auf deine Seele bauen, Und waͤhnst du mit Besonnenheit zu schauen Der schwarzen Augen, die dir Sterne deuchten, Bedeutungsvolles, dunkeltiefes Leuchten? Nein! Laß die Wunde lieber sich vernarben, Entschließe dich zu meiden und zu darben, Und vor dir selbst sogar, o Herz, verhuͤlle Den ganzen Reichthum deiner Liebesfuͤlle! XVIl. I ch schleich' umher, Betaͤubt und stumm, Du fragst, o frage Mich nicht, warum? Das Herz erschuͤttert So manche Pein, Und koͤnnt' ich je Zu duͤster seyn? Der Baum verdorrt, Der Duft vergeht, Die Blaͤtter liegen So gelb im Beet, Es stuͤrmt ein Schauer Mit Macht herein, Und koͤnnt' ich je Zu duͤster seyn? XVIII. E rforsche mein Geheimniß nie, Du darfst es nicht ergruͤnden, Es sagte dir's die Sympathie, Wenn wir uns ganz verstuͤnden. Nicht jeder ird'sche Geist erkennt Sein eignes Loos hienieden: Nicht weiter frage, was uns trennt, Genug, wir sind geschieden! Es spornt mich ja nicht eitle Kraft, Mich am Geschick zu proben: Wir alle geben Rechenschaft Fuͤr unsern Ruf von oben. Was um mich ist, erraͤth mich nicht, Und draͤngt und druͤckt mich nieder; Doch, such' ich Trost mir im Gedicht, Dann find' ich ganz mich wieder! XIX. I ch bin ein Wassertropfen, Verschlossen im Krystalle: Will Keiner ihn zerklopfen, Daß ich ihm frey entwalle? Nur durch das Glas beschauen Kann ich der Blumen eine: O duͤrft' ich auf sie thauen Im Morgensonnenscheine! XX. E in Hochzeitbitter zog der Lenz Den Wald entlang und See, Zog hin mit Sang und Klange, Mir aber ward so bange, Als laͤge noch der Schnee. Und Gaͤste lud zu sich der Lenz, Mich aber lud er nicht, Er sah mich, ach! gefangen, Ich hing an jenen Wangen, An jenem Angesicht. Nun bin ich frey, nun kommt der Lenz, Nun erst genieß' ich ganz, Wenn ruh'ger auch und stiller, Der Baͤche gruͤnen Schiller, Der Rosen frischen Glanz. XXI. W o sich gatten Jene Schatten Ueber Matten Um den Quell, Reich an losen Hagerosen, Kommt zu kosen, Bruͤder, schnell! Kaum gefunden, Schon umwunden, Schon verbunden, Weiß ich wie? Keiner hoͤhne, Musensoͤhne, Diese schoͤne Sympathie! Jubelt, bringet Dank und singet, Welle klinget, Rose bluͤht: Das in Wonnen Nie zerronnen, Welch besonnen, Kalt Gemuͤth! Voͤgel neigen Aus den Zweigen, Heißen schweigen Mich zulezt: Wer beschriebe Lenzestriebe, Wer die Liebe, Wer das Jezt? v. Platen's Gedichte. 3 XXII . Winterseufzer. D er Himmel ist so hell und blau, O waͤre die Erde gruͤn! Der Wind ist scharf, o waͤr' er lau! Es schimmert der Schnee, o waͤr' es Thau! O waͤre die Erde gruͤn! XXIII. Gesang der Todten. D ich Wandersmann dort oben Beneiden wir so sehr, Du gehst von Luft umwoben, Du hauchst im Aethermeer. Wir sind zu Staub verwandelt In dumpfer Gruͤfte Schoos: O selig, wer noch wandelt, Wie preisen wir sein Loos! Vom Sonnenstrahl umschwaͤrmet, Ergehst du dich im Licht, Doch was die Flaͤchen waͤrmet, Die Tiefe waͤrmt es nicht. Dir flimmert gleich Gestirnen Der Blumen bunter Glanz, An unsern nackten Stirnen Klebt ein verstaͤubter Kranz. Wir horchen, ach! wir lauschen, Wo nie ein Schall sich regt, Dir klingt der Quell, es rauschen Die Blaͤtter sturmbewegt. Vom Huͤgel aus die Lande Vergnuͤgt beschaust du dir, Doch unter seinem Sande, Du Guter, schlafen wir. XXIV . Der Seelenwanderer. S cherzend rief ich solche Worte, da das Licht herab¬ gebrannt war: Dich beklag' ich, armes Kerzchen, daß zum Nichts dein Seyn so bald ward! Aber Antwort gab die Kerze, dieses hoͤrt' ich voll Ver¬ wund'rung: Ueberhebe nicht dich also, denn auch ich war einst was nun du! Starb ich, modert' ich, doch wieder wuchs ich aus dem Grab als Aglei, Kam ein Bienchen, naschte fleißig, nuzte mich im Korb zur Arbeit. Ward ich Wachs, woraus man endlich diese Kerze nun fuͤr dich goß: Staub und Erde mußt du werden, ich verzehre mich im Lichtstoff. XXV. A n der Erde Frey und froͤhlich Kroch die Raupe, Freute kindisch, Immer kriechend, Sich umhuͤllter, Junger Knospen. Aber selbstisch Eingeklostert Spinnt die Puppe: Der Entfaltung Qualenkaͤmpfe Wuͤhlen grausam Durch das Innre. Doch befreyend Sieget Waͤrme: Schwebe rastlos, Aetherkostend, Farbefunkelnd, Du erloͤster Sommervogel! XXVI. Licht. L icht, vom Himmel flammt es nieder, Licht, empor zum Himmel flammt es; Licht, es ist der große Mittler Zwischen Gott und zwischen Menschen; Als die Welt geboren wurde, Ward das Licht vorangeboren, Und so ward des Schoͤpfers Klarheit Das Mysterium der Schoͤpfung; Licht verschießt die heil'gen Pfeile Weiter immer, lichter immer, Ahriman sogar, der dunkle, Wird zulezt vergehn im Lichte. XXVII. I hr Voͤgel in den Zweigen schwank, Wie seyd ihr froh und frisch und frank, Und trillert Morgenchoͤre: Ich fuͤhle mich im Herzen krank, Wenn ich's von unten hoͤre. Ein Stuͤndchen schleich' ich blos heraus In euer aͤstig Sommerhaus, Und muß mich deß beklagen: Ihr lebet stets in Saus und Braus, Seht's nachten hier und tagen. Ihr sucht der Baͤume gruͤnes Dach, Der Wiese Schmelz, den Kieselbach, Ihr flieht vor Stadt und Mauer, Und laßt die Menschen sagen Ach! In ihrem Vogelbauer. XXVIII . Aufschub der Trauer. W ie dich die warme Luft umscherzt, Das schatt'ge Gruͤn, o wie dich's kuͤhlt! Wie leicht ist all das Weh verschmerzt, Das in der Seele wuͤhlt! Des Liebchens Bildniß zeige sich In jedem Quell, an dem du stehst, Ein sanftes Lied beruh'ge dich, Wenn durch den Wald du gehst. D'rum warte, bis der Winter naht, Bis alles starr und oͤde liegt, Und Reif und Schnee auf Flur und Saat Dich melancholisch wiegt! XXIX . W ie Einer, der im Traume liegt, Versank ich still und laß, Mir war's, als haͤtt' ich obgesiegt, Bezwungen Lieb' und Haß. Doch fuͤhl' ich, daß zu jeder Frist Das Herz sich quaͤlt und bangt, Und daß es nur gebrochen ist, Anstatt zur Ruh' gelangt. Du hast zerstuͤckt mit Unbedacht Den Spiegel dir, o Thor! Nun blickt der Schmerz verhundertfacht, Vertausendfacht hervor. XXX . D u scheust, mit mir allein zu seyn, Du bist so schroff: Gibt nicht der Liebe Lust und Pein Zum Reden Stoff? Wo nicht, was gilt der Lieb' ein Wo, Ein Wie, ein Was? Zu lieben und zu schweigen, o Wie lieb' ich das! Ich schweige, weil so kalt du scheinst, Und unerweicht, Mein Auge spricht, es spricht dereinst Mein Kuß vielleicht. XXXI . Irrender Ritter . R itter ritt in's Weite, Durch Geheg und Au', Ploͤtzlich ihm zur Seite Wandelt schoͤne Frau. Keusch in Flor gehuͤllet War sie, doch es hing Flasche wohl gefuͤllet Ihr am Guͤrtelring. Ritter sah es blinken, Luͤstern machte Wein, Sagte: Laß mich trinken! Doch sie sagte: Nein! Grimmig schaute Ritter, Der es nicht ertrug: Frau verhoͤhnt er bitter, Raubet schoͤnen Krug. Als er den geleeret Fuͤhlt er sich so krank; Ach, fuͤr Wein bescheeret Ward ihm Liebestrank. Nun durchschweift er Gruͤnde, Felder, Berge wild, Klaget alte Suͤnde, Suchet Frauenbild. Stimme laͤßt er schallen, Holt es nirgend ein: Waldes Nachtigallen Hoͤren Ritters Pein. XXXII. W ie rafft ich mich auf in der Nacht, in der Nacht, Und fuͤhlte mich fuͤrder gezogen, Die Gassen verließ ich, vom Waͤchter bewacht, Durchwandelte sacht In der Nacht, in der Nacht, Das Thor mit dem gothischen Bogen. Der Muͤhlbach rauschte durch felsigen Schacht, Ich lehnte mich uͤber die Bruͤcke, Tief unter mir nahm ich der Wogen in Acht Die wallten so sacht In der Nacht, in der Nacht, Doch wallte nicht eine zuruͤcke. Es drehte sich oben, unzaͤhlig entfacht, Melodischer Wandel der Sterne, Mit ihnen der Mond in beruhigter Pracht, Sie funkelten sacht In der Nacht, in der Nacht, Durch taͤuschend entlegene Ferne. Ich blickte hinauf in der Nacht, in der Nacht, Ich blickte hinunter auf's Neue: O wehe, wie hast du die Tage verbracht, Nun stille du sacht In der Nacht, in der Nacht, Im pochenden Herzen die Reue! XXXIII. I ch moͤchte gern mich frey bewahren, Verborgen vor der ganzen Welt, Auf stillen Fluͤssen moͤcht' ich fahren, Bedeckt vom schatt'gen Wolkenzelt. Von Sommervoͤgeln uͤbergaukelt, Der ird'schen Schwere mich entziehn, Vom reinen Element geschaukelt Die schuldbefleckten Menschen fliehn. Nur selten an das Ufer streifen, Doch nie entsteigen meinem Kahn, Nach einer Rosenknospe greifen, Und wieder ziehn die feuchte Bahn. Von ferne sehn, wie Heerden weiden, Wie Blumen wachsen immer neu, Wie Winzerinnen Trauben schneiden, Wie Schnitter maͤh'n das duft'ge Heu. Und nichts genießen, als die Helle Des Lichts, das ewig lauter bleibt, Und einen Trunk der frischen Welle, Der nie das Blut geschwinder treibt. Antwort. Was soll dies kindische Verzagen, Dies eitle Wuͤnschen ohne Halt? Da du der Welt nicht kannst entsagen, Erob're dir sie mit Gewalt! Und koͤnntest du dich auch entfernen, Es triebe Sehnsucht dich zuruͤck; Denn ach, die Menschen lieben lernen, Es ist das einz'ge wahre Gluͤck! Unwiderruflich dorrt die Bluͤthe, Unwiderruflich waͤchst das Kind, Abgruͤnde liegen im Gemuͤthe, Die tiefer als die Hoͤlle sind. Du siehst sie, doch du fliehst voruͤber, Im gluͤcklichen, im ernsten Lauf, Dem frohen Tage folgt ein truͤber, Doch alles wiegt zulezt sich auf. Und wie der Mond, im leichten Schweben, Bald rein und bald in Wolken steht, So schwinde wechselnd dir das Leben, Bis es in Wellen untergeht. XXXIV. D u denkst, die Freude fest zu halten, Du bist nur um so mehr geplagt: O laß die Tage mit dir schalten, Und thun, was ihnen wohlbehagt! Soll dir das Leben stets gefallen, Das nie auf Dauer sich verstand, So laß das Schoͤnste wieder fallen, Und schließe nicht zu fest die Hand! Vermoͤcht' ich doch gelind zu traͤufen In deine Brust, wenn Schmerz und Muth Sie oft vergeblich uͤberhaͤufen, Nur wen'ge Tropfen leichtes Blut! O suche ruhig zu verschlafen In jeder Nacht des Tages Pein, Denn wer vermoͤchte Gott zu strafen, Der uns verdammte, Mensch zu seyn? v. Platen's Gedichte. 4 XXXV. W as ruhst du hier am Bluͤthensaum Der sommerlichen Sprudelquelle, Und siehst entstehn und siehst vergehn den Schaum? So ruhn wir Menschen auf des Lebens Schwelle, Und was wir hoffen, was wir suchen stets, Ein leichter Hauch gebiert's, ein leichter Hauch verweht's. Es uͤbt sich mehr und mehr das Herz, Und staͤhlt sich, daß von Tag zu Tage Mit groͤßerm Muth es immer neuen Schmerz, Und immer neuen Kummer trage: Erringen quaͤlt, Errung'nem droht Verlust, Und ew'ge Sehnsucht hebt die bange Juͤnglingsbrust. Drum preis' ich den, der nicht begehrt! Was waͤre hier im leichten Staube Des Suchens oder Findens werth? Nach hoͤh'rem Ziel verweist der hoͤh're Glaube; Hier ist es nicht, wo jedes Ding verlezt, Jenseits des Lebens ward dein Ziel hinausgesezt! Im Geiste strebe zu entfliehn Den Schranken dieser Menscheninnung, Und laß am Busen dir voruͤberziehn Die Stimmungen der wechselnden Gesinnung; Dann truͤbt der Klarheit innern Spiegel nie, Durch Lieb' und Sorg' und Haß, die rege Phantasie. Laß Andre denn mit ird'schem Blick Nach ihren bunten Zwecken haschen, Sobald Geschick sie oder Mißgeschick Im steten Wandel spielend uͤberraschen: Geschaͤftig sind sie, doch ihr Thun ist leer, Und schnellzerstoͤrend folgt das Schicksal hinterher. XXXVI. W ie stuͤrzte sonst mich in so viel Gefahr Ein krausgelocktes Haar, Und eines Feuerauges dunkler Blitz, Und ach, zum Laͤcheln stets bereit, Der Rede holder Sitz, Ein suͤßer Mund voll schoͤner Sinnlichkeit! Da waͤhnt' ich noch, als waͤre der Besitz Das einz'ge Gut auf diesem Lebensgang, Und nach ihm rang Mein junger Sinn und mein bethoͤrter Witz. Da sah ich bald im Wandel der Gestalt Vor mir die Jugend alt, Und jede schoͤn geschwung'ne Form verschwand; Und ach, wonach ich griff in Hast, Entfloh dem Unverstand, Und nie Besess'nes wurde mir zur Last: Bis ich zulezt, nicht ohne Schmerz, empfand, Daß alles Schoͤne, was der Welt gehoͤrt, Sich selbst zerstoͤrt, Und nicht ertraͤgt die rohe Menschenhand. So ward ich ruhiger und kalt zulezt, Und gerne moͤcht' ich jezt Die Welt, wie außer ihr, von ferne schau'n: Erlitten hat das bange Herz Begier und Furcht und Grau'n, Erlitten hat es seinen Theil von Schmerz, Und in das Leben sezt es kein Vertrau'n; Ihm werde die gewaltige Natur Zum Mittel nur, Aus eigner Kraft sich eine Welt zu bau'n. Vermischte Gedichte . Epistel. 1817. D u, des Gedichts wohlwollender Freund und des stre¬ benden Dichters Freund, du, welchen der Kunst gluͤhende Liebe be¬ seelt, Wirst mit dem Tadel mich nicht unwuͤrdiger Musse verletzen, Die ich im stillen Bezirk dieser Gefilde gesucht. Wie mir aber allein hingehn die gefluͤgelten Tage Fragst du, waͤhrend ich fern lebe der staͤdtischen Welt? Haͤufig bewund'r ich rings, ausruhend am Huͤgel, die Landschaft, Wo den beweglichen Schirm Buche mir, Esche mir beut; Suͤße, doch seltene Thraͤnen, wie liebende Juͤnglinge weinen, Seh' ich, des Thals Fruͤhthau, hangen am Rosenge¬ buͤsch, Wenn ich zuruͤck von dem Wallfahrtsort, von der bunten Kapelle Kehre, dem heitersten Sitz, waͤhrend die Sonne sich hebt; Zweyfach laͤchelt mich dann dies gartenumzingelte Dorf an, Bald am Wiesengestad, bald im geglaͤtteten See; Oft auch freu' ich mich dann in dem Kahne des trau¬ fenden Ruders, Wenn auf flachem Krystall Zirkel an Zirkel sich reiht, Oefter des seltenen Flors großblumiger Alpengewaͤchse, Wenn ich bewaldeter Hoͤh'n ruhige Gipfel erstieg. Doch wer ist's, der sich zu dem einsam wallenden Juͤng¬ ling, Als willkommener Freund, bildend und liebend gesellt? Flaccus, apulischer Saͤnger, du bist's! Frohsinnige Weisheit Lehren, und gluͤcklichen Muth, deine Gesaͤnge das Herz: Maͤßig im Lauf der vergaͤnglichen Zeit zu genießen ge¬ beutst du, Neben die Bilder des Tods stellst du der Freude Pokal; Fuͤhrst mich nach dem begluͤckten Tarent, in's laͤndliche Tibur, Wo du die Wunder von Rom, ohne zu seufzen entbehrst; Oder ich lerne von dir, zum kuͤhlen Praͤneste dir folgend, Wie man sinnigen Geists lese den Vater Homer. Wahres verkuͤndetest du, denn selbst in die Waͤlder des Nordens Drang des latinischen Lieds bluͤhende Stimme hin¬ durch: Deines Augusts Altaͤre zerbroͤckelten, deine Gesaͤnge Nicht, um's roͤmische Haupt fliegen dir Voͤgel des Ruhms. Strebt auch Mancher, wie du, stets hofft er die Krone vergebens, Und es bewahrt kein Baum koͤstliche Zweige fuͤr ihn. Einst wohl trauert er noch um der Jahre verschwendetes Opfer: Leicht zwar ist der Besitz, doch das Erringen, wie schwer! So um den blendenden Nacken der Fuͤrstin bilden die Perlen Zierliche Ketten, sie traͤgt stolz ihr Geschmeide zur Schau; Aber bedenkt sie, wie oft in zerbrechlicher Glocke der Taucher Um den entbehrlichen Schmuck fuhr in die Tiefe des Meers? Christnacht. 1819 . Der Engel der Verkuͤndigung . S eraphim'sche Heere, Schwingt das Goldgefieder Gott dem Herrn zur Ehre, Schwebt vom Himmelsthrone Durch's Gewoͤlk hernieder, Suͤße Wiegenlieder Singt dem Menschensohne! Ein Hirte. Was seh' ich? Umgaukelt mich Schwindel und Traum? Ein leuchtender Saum Durchwebt den azurenen, ewigen Raum, Es schreitet die Sterne des Himmels entlang, Mit leisem Gesang, Der seligen Schaaren musikischer Gang. Chor der Hirten. Die Engel schweben singend Und spielend durch die Luͤfte, Und spenden suͤße Duͤfte, Die Liljenstaͤbe schwingend. Chor der Seraphim. Wohlauf, ihr Hirtenknaben, Es gilt dem Herrn zu dienen, Es ist ein Stern erschienen, Ob aller Welt erhaben. Chor der Hirten. Wie aus des Himmels Thoren Sie tief herab sich neigen! Chor der Seraphim. Laßt Eigentriebe schweigen, Die Liebe ward geboren! Der Engel der Verkuͤndigung. Fromme Gluth entfache Jedes Herz gelind, Eilt nach jenem Dache, Betet an das Kind! Jener heißerflehte Hort der Menschen lebt, Der euch im Gebete Lange vorgeschwebt. Traun! Die Macht des Boͤsen Sinkt nun fort und fort, Jener wird erloͤsen Durch das Eine Wort. Chor der Hirten. Preis dem Geborenen Bringen wir dar, Preis der erkorenen Glaubigen Schaar! Engel mit Lilien Stehn im Azur, Fromme Vigilien Singt die Natur: Der den krystallenen Himmel vergaß, Bringt zu Gefallenen Ewiges Maß! Der Engel der Verkuͤndigung. Schon les' ich in den Weiten Des kuͤnft'gen Tages bang, Ich hoͤre Voͤlker schreiten, Sie athmen Untergang. Es naht der muͤden Erde Ein frischer Morgen sich, Auf dieses Kindes „Werde“ Erbluͤht sie jugendlich. Chor der Seraphim. Vergeßt der Schmerzen jeden, Vergeßt den tiefen Fall, Und lebt mit uns im Eden, Und lebt mit uns im All! Osterlied. 1820. D ie Engel spielen noch um's Grab, Doch Er ist auferstanden! O truͤg' ich meinen Pilgerstab Nach jenen Morgenlanden, Zur Felsenkluft Mit hohler Gruft, Denn Er ist auferstanden! Wer nur sein eigner Goͤtze war, Geht unter in dem Staube, Mit jener lichten Engelschaar Verschwistert nur der Glaube: Wer liebend strebt So lang' er lebt, Der hebt sich aus dem Staube! So laß uns, wie du selbst, o Sohn, Ruͤckkehren aus der Hoͤlle! O daß schon jezt Posaunenton Von Pol zu Pol erschoͤlle! Dein Stachel sticht, O Tod, uns nicht, Du siegest nicht, o Hoͤlle! Die Antiken. 1820. L aßt uns ledig, und oͤffnet sogleich Ruͤstkammer und Wandschrank! Nicht am dumpfigen Ort in Gewoͤlben zu wohnen ge¬ ziemt uns: Denkt doch, was wir und wo wir gewesen, und schenket uns Mitleid! Dies uralte Gefaͤß war einst der egyptischen Gaͤrten Zier, und Cleopatra selbst ließ fuͤllen mit Myrtenge¬ zweig es; Dieser geschnittene Stein, ein doppelgeschichteter Onyx, Zierte des jungen Antinous Hand, als koͤstlichen Ring¬ schmuck Trug ihn der schoͤne, doch ach! zu fruͤhe vergoͤtterte Juͤngling; Ich, als Hermes, stand in der Halle des Caͤsar Augustus, Wo mich ein Lorbeergewaͤchs mit suͤdlichem Duft an¬ hauchte. Und nun habt ihr uns hier aneinandergehaͤuft und geordnet, Eines das andre verdraͤngend, und dies durch jenes verdunkelt, Keins am schicklichen Ort, in belebendem Schimmer der Sonne. Selbst das gelehrte Gesicht des begaffenden Kenners er¬ muͤdend, Liegen geschichtet wir hier, gleich traurigen Knochen im Beinhaus, Und in empfaͤnglicher Brust aufregen wir schmerzliche Sehnsucht Nach den Tagen, in denen wir fast wie Lebendige prangten. Zieht nicht Rosen auch ihr, frischbluͤhende Flechte zu winden Um den etrurischen Krug und die Scheitel der Buͤste von Marmor? Habt nicht Tempel auch ihr, und schattige Gartenarkaden, Daß ihr uns dorthin pflanzt, in die Naͤhe des ewigen Himmels, Jedem Beschauer zur Lust, uns selbst zur suͤßen Ge¬ wohnheit? Legende. 1822. E in hoher Tempel ward erbaut Der benedeiten Himmelsbraut, Die aller Welt zu Heil und Lohn Geboren den erlauchten Sohn. Sie mauerten so manches Jahr, Bis Dach und Decke fertig war; Ein Maler kam sodann herbey, Zu bilden eine Schilderey: Auf maͤchtigem Geruͤst er stand, Den frommen Pinsel in der Hand, Lebendig schaffend und genau Das Angesicht der lieben Frau. Doch als er fast am Ende war, Bringt ihm ein falscher Tritt Gefahr, Und vom Geruͤste stuͤrzt er jach, Das unter ihm zusammenbrach. Da ruft er an, aus banger Brust, Das Bild, das er vollendet just: Dir wandt' ich all mein Leben zu, O Himmlische, nun rette du! Und sieh! Es faßt es kein Verstand, Die Heil'ge streckt herab die Hand, Und hielt so lang ihn wunderbar, Bis Menschenhuͤlf' erschienen war. v. Platen's Gedichte. 5 Prolog an Goethe zu einer Uebersetzung Hafisischer Gedichte. 1822. E rhabner Greis, der du des Hafis Toͤnen Zuerst geneigt, sie gruͤßend aufgenommen, Du magst dich noch einmal an ihn gewoͤhnen, Du siehst ihn wieder dir entgegen kommen, Mit frohem Klang der Zeiten Drang verschoͤnen, Vielleicht von innerlichem Schmerz beklommen: Viel muß ein solcher Geist von solchen Gaben, Wenn er um Leichtsinn buhlt, gelitten haben. Im Kampfe muß er sich entgegen wagen Der eignen Liebe, wie dem fremden Hasse; Denn einem Solchen Liebe zu versagen, Ist eine Wollust fuͤr die stumpfe Masse, Und Dies und Jenes wird herbeygetragen, Daß man ihn stets bey seiner Schwaͤche fasse, Und fehlen ihm, so leiht man ihm Gebrechen, Ihm, der zu groß ist, um zu widersprechen. Das mochte Hafis wohl im Geist bedenken, Und ließ getrost des Lebens Stuͤrme rollen: Wenn in Befriedigung wir uns versenken, Entgehn wir eigner Qual und fremdem Grollen: Beym Wein im Becher, bey dem Kuß des Schenken, Bey Liedern, die melodisch ihm entquollen, Empfand er stets im Herzen sich gesuͤnder, Wiewohl sie schrien: Es ist ein großer Suͤnder! Er schuf indeß durch Bilder oder Spruͤche Ein Netz, worin die Herzen man erbeutet, Ein Gartenbeet erquickender Geruͤche, Dem jede falsche Nessel ausgereutet, Und einen Himmel ohne Wolkenbruͤche, Wo jeder Stern auf eine Blume deutet: Und so verglichest du dir ihn bescheiden, In That und Sinn, im Streben und im Leiden. Was hast du nicht erlitten und erfahren! Wie theuer mußtest du den Ruhm erkaufen! Verkannt von ferne hausenden Barbaren, Vom Schwarm der Gecken laͤstig uͤberlaufen, Die Uebelwollenden zu ganzen Schaaren, Die Mißverstehenden zu ganzen Haufen, Und wenn ich alles insgesammt erwaͤhne, Der Krittler freche, wenn auch stumpfe Zaͤhne. Und wie du sonst, in jugendlichen Tagen, Sie reich beschuͤttet hast mit Bluͤthenflocken, Und sie, zu feig die schoͤne Last zu tragen, Sich zeigten neidisch halb und halb erschrocken: So sehn wir jezt sie noch hervor sich wagen, Um Schmach zu bieten deinen Silberlocken; Doch dies Geschlecht vermag dich nicht zu hemmen, Es muß die Welt sich dir entgegenstemmen. Da schwoll's um dich in ungeheuern Wogen, Da schien der Boden unter dir zu wanken, Die ganze Masse ward mit fortgezogen, Und Jeder trat aus seinen eignen Schranken: Du bliebst allein der engen Pflicht gewogen, Getreu dem lebenschaffenden Gedanken, Indeß die Zeit, in ungebundner Meinung, Dem Leben bot die graͤßliche Verneinung. Da galt es Kaͤmpfe gegen ganze Massen: Ein ernster Streit entflammte sich, ein neuer, Weit uͤber das hinaus, was Menschen fassen, Und die politisch kleinen Ungeheuer Verzehrten sich im gegenseit'gen Hassen; Du aber standest unbewegt am Steuer, Sinnschwere Worte werfend in die Winde, Daß einst der Sohn, der Enkel einst sie finde. Und stelltest dar, in wahren, großen Zuͤgen, In welchen Abgrund die Begierde fuͤhret, Wenn das Gefuͤhl sich nicht vermag zu fuͤgen, Und wenn der Geist nach dem Versagten spuͤret, Und was, begabt mir froͤhlichem Genuͤgen, Den Deutschen, rechtlich wie sie sind, gebuͤhret: Bey dieses Taumels schwankender Empoͤrung Zu hemmen und zu meiden die Zerstoͤrung. Und uͤberall, im reichergoss'nen Leben, In tausendfachen Bildern und Gestalten, Die bis herunter in ihr kleinstes Weben Anmuth und Wahrheit um sich her entfalten, Hast du die große Lehre nur gegeben, Im eignen Kreise muͤsse jeder walten, Und uͤberall umschwebt uns der Gedanke: Freyheit erscheint nur im Bezirk der Schranke. Dich hat die Ahnung aber nicht betrogen: Macht wider Macht ist kraͤftig aufgestanden, Zur Haͤlfte schon ist jener Wahn verflogen, Der altes Leben loͤste von den Banden, Worin es guͤtig die Natur erzogen, Und da die Wahrheit wir verirrend fanden, So sey'n vergessen jene Graͤuelthaten: Es steht die Blume zwischen jungen Saaten. Wenn auch der alte, hohe Baum verdorben, Der eine Welt im Schatten konnte wahren, Wenn auch der Glanz von ehedem erstorben, Zerstuͤckt ein Reich, das trozte tausend Jahren, So ward dafuͤr ein geistiges erworben, Und immer schoͤner wird sich's offenbaren, Und fehlt ein Kaiser dieses Reiches Throne, So nimm von uns, die du verdienst, die Krone! An Schelling. Als Zueignung zu einem Drama. 1823. E s muß ein Volk allmaͤhlig hoͤher steigen, Es kann zuruͤck sich nicht ergehn zum Kinde; Der Dichtung erster, jugendlicher Reigen Zog laͤngst voruͤber, flog vorbey geschwinde: Sophisten kamen, sie begann zu schweigen, Und loͤste nach und nach die goldne Binde. Doch jene Nuͤchternen bezwang dein Streben, Und so entflammtest du das neue Leben! Was deutsche Kraft in dieser Zeit erreichte, Gehoͤrt dir an, und neigt sich deinem Bilde, Und dein vor allen sey dies Lied, das leichte, Das du zuerst empfingst mit edler Milde, Versammelnd rings um dessen fruͤhste Beichte, Von Frau'n und Maͤnnern eine schoͤne Gilde: Sey's, daß das Volk es nun mit Gunst bezahle, Du ließest leben es zum ersten Male! Nun moͤgen Lieder sich zum Liede reihen, Geschichte zu Geschichte, Sag' an Sage, Ich sehne mich, sie alle dir zu weihen, Die noch als Keim ich in der Seele trage, Dir, der gehoͤrt mit guͤtigem Verzeihen Die fruͤhsten Klaͤnge meiner jungen Tage, Da noch ich sang des Stolzes muth'ge Triebe, Und jenen brennenden nach Ruhm und Liebe. Doch hat das Herz sich nie zurecht gefunden In dieses Lebens ird'schen Paradiesen: Die freye Liebe, die es ungebunden Den Menschen bot, sie ward verlacht von diesen, Und fruͤhe fuͤhlt' ich in verlass'nen Stunden Mich auf mein eignes, dunkles Selbst verwiesen, Und fruͤh begann ein unaussprechlich Sehnen Die Brust durch Seufzer maͤchtig auszudehnen. Das ist vorbey! Ich lernte viel verschmerzen, Ich fuͤhlte Kraft, mir Alles zu versagen, Und eine Welt von Heiterkeit und Scherzen Im leichtbeweglichen Gemuͤth zu tragen: Nur selten soll die tiefe Qual im Herzen Ergießen sich in ungeheure Klagen, Und jeder Hoͤrer fuͤhle dann mit Beben, Was fuͤr ein trauriges Geschenk das Leben! So ward gestaͤhlt ich denn und ausgestattet Zu Thaten, die ich laͤnger nicht verschiebe: Mein Muth, in Qualen nach und nach ermattet, Wird nie mehr betteln gehn um weiche Liebe. Vielleicht, da Stunde sich zu Stunde gattet, Gelingt es meinem gluͤhenden Betriebe, Daß ich dereinst, wenn deutsches Wort ich meistre, Die edle Jugend dieses Volks begeistre. Am Grabe Peter Ulrich Kernell's. 1824. D en ein allzufruͤh Ermatten Um der Jugend Rest betrogen, Lasset uns den Freund bestatten, Den wir, wenn auch fern erzogen, Lieb, wie einen Bruder, hatten. Ach, es lockten heim'sche Bande, Lockten aus Hesperiens Eden, Vom erhabnen Tiberstrande, Wieder ihn in's theure Schweden, Nach dem frommen Vaterlande! Aber, eilendes Verderben, Du vergoͤnntest nicht dem Armen, Um das lezte Gluͤck zu werben, In den schwesterlichen Armen, An der Mutter Brust zu sterben! Schauernd in der Morgenstunde, Bey dem Schalle fremder Glocken, Senken hier wir ihn zu Grunde, Senden, ach! nur wen'ge Locken Nach dem allzufernen Sunde. Bess'res laͤßt sich nichts gewaͤhren Jenen, die so viel ertragen: Ihre Sehnsucht quillt in Zaͤhren, Schwillt in Seufzern, stuͤrmt in Klagen, Die sich ewig neu gebaͤren! Eh' der Lenz dir Frist gegeben, Ließ, o Freund, dein allzukarges Lebensloos dich uns entschweben, Und den Deckel deines Sarges Zieren Rosen ohne Leben. O wie zog es dich nach jenen Tagen hin, wo laue Winde Weichgepflaumte Fluͤgel dehnen! Nach der ersten Knospenrinde Lockte dich dein leztes Sehnen! Noch bey seinem mattern Pochen Hat vielleicht das Herz des Kranken, Eh' der starre Blick gebrochen, Unaussprechliche Gedanken Mit den Seinen still gesprochen! Diese Lieben zu ermuthen, Saͤuselt aus dem Schoos der Gruͤfte Noch ein Lebewohl des Guten: Haschet es, ihr Fruͤhlingsluͤfte, Tragt es uͤber Land und Fluthen! An die Diana des Niesen. Von den Jaͤgern der Muͤllimatt. 1825. O Goͤttin, die du stets geleitest Des Jaͤgers Gang durch Feld und Wiesen, Und gern das Hochgebirg beschreitest, Die Bluͤmlisalp und unsern Niesen, Und Allen stets dich hold erwiesen, Die dir, des Staͤdtelebens satt, Auf wald'ger Berge Ruͤcken huldigen: Was zuͤrnst du deinen ungeduldigen Verehrern auf der Muͤllimatt? Auf daß uns froh dein Auge nicke, Dein heil'ger Grimm uns endlich schone, Wie gerne lenkten wir die Blicke Hinauf zu deinem hoͤchsten Throne, Zu jener keuschen Glaͤtscherzone, Die dir den Namen hat geraubt; Doch Nebel ach! sich ewig haͤufende, Von allen Seiten niedertraͤufende, Umwehn der Jungfrau Strahlenhaupt. Wir ziehn dem Regenguß entgegen, Und weih'n dir manchen Tag und Morgen; Doch keine Schnepfe will sich regen, Und alle Hasen sind verborgen: So kehren wir denn stets in Sorgen Von mancher eitlen Fahrt zuruͤck, Die Muͤh' und Schweiß genug uns kostete, Und uns're Flinte, die verrostete, Ersehnt umsonst ihr altes Gluͤck. Zwar laͤßt sich Manches in den Lauben Der schoͤnen Muͤllimatt erwerben: Bey holden Frau'n, beym Saft der Trauben, Beym Duft so vieler Blumenscherben, Hier ließe leben sich's und sterben; Doch, Goͤttin, sieh, zu dir nur schau'n Wir hoffend auf, zu deinen luftigen Und wilden Hoͤhn von diesen duftigen Gewaͤchsen, diesen schoͤnen Frau'n! Laß dich von unserm Flehn erweichen, Und sey mit uns in diesen Tagen: Das Hoͤchste wollen wir erreichen, Die pfeilgeschwinde Gemse jagen; Es wird uns kein Gewehr versagen, Wenn du uns schuͤtzen willst, o du! Sey gnaͤdig unserer Verwegenheit, Erspaͤhe selbst uns die Gelegenheit, Und jag' uns alle Gemsen zu! Und wenn du uns von Schmach mit diesen Geschenken deiner Gunst gerettet, So moͤge dir am Rand des Niesen, Auf Alpenrosen hingebettet, Erscheinen was dich ewig kettet: Auf daß du senkst den Wagenthron, Erscheine dir ein hingesunkener, Von Lieb' und Wein und Schlummer trunkener, Ein schnarchender Endymion! Antwort an den Unbekannten. (S. Morgenblatt Nro. 311. 1827.) 1828 . B is zu mir, aus weiter Ferne, hoͤr' ich suͤße Worte fluͤstern, Glaͤttend jene Falten alle, welche meine Stirn verduͤstern, Zeigend, daß ich nicht vergebens Nesseln schwang und Disteln koͤpfte, Nicht mit Danaideneimern aus des Lebens Brunnen schoͤpfte; Meiner Widersacher Mißmuth stoͤrt mich nicht in Roms Ruinen, Doch die Liebe, wie ein Pilger, uͤbersteigt die Apenninen. Allen denen, die so gerne jede wahre Kraft verkennen Sey's gesagt, daß nicht einmal ich ihren Namen hoͤre nennen; Doch von Andern hoͤr' ich, welche sonder Scheu vor Witzes¬ nadeln Loben mein Gedicht mit Einsicht und mit Einsicht auch es tadeln: Diesen biet' ich aus der Ferne gern die Hand, und Dir vor Allen! Zwar Du ließest nicht die Stimme kritischer Vernunft erschallen, Aber nach dem Kapitole, dessen Hoͤh'n ich jezt erklimme, Liessest wehn Du mir Begeist'rung, jene reine Milder¬ stimme, Die so glockenhell und herrlich von der Menschenlippe gleitet, Und elektrisch ihren schoͤnen Liebesfunken weiter leitet. Ja, es muͤssen, wo dem Guten sie sich beigesellt, dem Wahren, Aus der Seele Dithyramben, wie aus Wolken Blitze, fahren! Moͤgen denn auch meine Toͤne durch des Nordens Stuͤrme lauten Wie ein Weihgesang des Orpheus auf dem Schiff der Argonauten, Die den Pelz, den im Barbarenland sie sich mit Muͤh' ergattert, Fuͤr Apollo's Mantel halten, der in Tempe's Luͤften flattert. Rufe nicht, da mich das deutsche Chaos wuͤrde blos er¬ muͤden, Rufe nicht zuruͤck den Dichter aus dem vielgeliebten Suͤden, Welcher, bis mich Frost und Alter luͤstern macht nach eurem Vließe, Ueber jedes meiner Worte Stroͤme von Musik ergieße. Immer mehr nach Suͤden laß mich meines Auges Wuͤnsche richten, Und genaͤhrt von Hyblahonig auf des Aetna Gipfel dichten! Laß mich Odysseen erfinden, schweifend an Homers Ge¬ staden, Bald, in voller Waffenruͤstung, folgen ihnen Iliaden. Ja, wenn ganz mit deutscher Seele griech'sche Kunst sich hat verschmolzen, Sollst Du sehn, zu welchen Pfeilen greift Apoll, zu wel¬ chen Bolzen! Noch so lange, Freund, so lange laß umher mich ziehn verlassen, Bis Thuiskons Volk und meine Wenigkeit zusammen passen, Bis wir Einer Lehre Schuͤler, Bruͤder sind von Einem Orden, Beide dann einander wuͤrdig, und einander lieb ge¬ worden. Wie die Lerche moͤcht' ich kommen, wann die ersten Knospen treiben, Nicht wie euer Schneegestoͤber wehn und endlich liegen bleiben. Eher nicht an eure Herzen klopf' ich an, an eure Pforten, Bis das Schoͤnste nicht gethan ich, eine große That in Worten, Welche kalte Sinne gluͤhn macht, Lob erpreßt von Syl¬ benklaubern, Selbst den Feinden muß gefallen, und die Freunde ganz bezaubern; Dann vor Solche will ich treten, die veraͤchtlich mir, verblendet Ehedem des Aberwitzes Achselblicke zugewendet, Die mir ins Gesicht gepredigt, deutsche Kunst sey laͤngst gesunken, Und umsonst in meinem Busen brenne dieser heiße Funken: Ihrem Schaamerroͤthen tret' ich schweigend dann und still entgegen, Und vor ihre Fuͤße will ich alle meine Kraͤnze legen. Waͤinaͤmdinens Harfe . Finnisches Volkslied, aus dem Schwedischen uͤbersezt. W aͤinaͤmdinen selbst, der alte, Rudert eines Tags auf Suͤmpfen, Und auf Seen des andern Tages, Und am dritten Tag im Meere, Stehend auf des Hechtes Schultern, Auf des rothen Lachses Finnen. Er beginnt, den Sohn zu fragen: Stehn auf Reisig oder Stein wir, Oder auf des Hechtes Schultern, Oder auf des Lachses Finnen? Und der Sohn erwiedert eilig: Nicht auf Stein und nicht auf Reisig, Auf des Hechtes festen Schultern, Auf des rothen Lachses Finnen. Waͤinaͤmoͤinen selbst, der alte, Stieß das Schwert in's Meer danieder, Und zertheilte so den Fisch, Zog das Haupt in seinen Nachen, Ließ den Schwanz im Meere liegen. Jenes blickt er an und wendet's: Was kann d'raus der Schmied verfert'gen? Was kann d'raus der Schmieder schmieden? Waͤinaͤmoͤinen selbst, der alte, Nimmt auf sich des Schmiedes Arbeit, Macht vom Bein des Hechts die Harfe, Macht das Kantele von Graͤten, Und von Fischgeripp die Leier. Und woraus der Harfe Schrauben? Aus des großen Hechtes Zaͤhnen. Und woraus der Harfe Saiten? Aus dem Haupthaar Kalevas. Zu dem Sohne sprach der Alte: Hole mir mein Kantele Unter die gewohnten Finger, Unter die gewoͤhnten Haͤnde! Freude stroͤmt nun uͤber Freude, Auf Gelaͤchter folgt Gelaͤchter, Waͤhrend spielet Waͤinaͤmoͤinen Auf dem Kantele von Graͤten, Auf dem Fischgeripp der Leier. Keines ward im Hain gefunden, Sey es auf zwey Fluͤgeln fliegend, Sey es auf vier Fuͤßen laufend, Das nicht eilte zuzuhoͤren, Waͤhrend spielte Waͤinaͤmoͤinen Auf dem Kantele von Graͤten, Auf dem Fischgeripp der Leier. Selbst der Baͤr im Walde stieß Mit der Brust sich gegen Zaͤune, Waͤhrend spielte Waͤinaͤmoͤinen Auf dem Kantele von Graͤten, Auf dem Fischgeripp der Leier. Selbst des Waldes alter Vater Schmuͤckte sich mit rothem Schuhband, Waͤhrend spielte Waͤinaͤmoͤinen Auf dem Kantele von Graͤten. Selbst des Wassers gute Mutter Zierte sich mit blauen Struͤmpfen, Ließ im gruͤnen Gras sich nieder, Um das Saitenspiel zu hoͤren, v. Platen's Gedichte. 6 Waͤhrend spielte Waͤinaͤmoͤinen Auf dem Kantele von Graͤten, Auf dem Fischgeripp der Leier. Und dem Waͤinaͤmoͤinen selbst Flossen Thraͤnen aus den Augen, Dicker noch als Heidelbeeren, Groͤßer noch als Schnepfeneyer, Nieder auf den breiten Busen, Von dem Busen auf die Kniee, Von den Knieen auf die Fuͤße: So durchnaͤßten Wasserperlen Fuͤnf von seinen Wollenmaͤnteln, Acht von seinen Zwillichroͤcken. Zweytes Buch . Im Wasser wogt die Lilie, die blanke, hin und her, Doch irrst du, Freund, so bald du sagst, sie schwanke hin und her! Es wurzelt ja so fest ihr Fuß im tiefen Meeresgrund, Ihr Haupt nur wiegt ein lieblicher Gedanke hin und her! Gaselen . 1821 . I. E ntspringen ließest du dem Ey die Welt, Dein ew'ger Wunderspiegel sey die Welt; Es schaut nach dir, wiewohl dich Keiner schaut, In liebevoller Schwaͤrmerey die Welt; Du athmest Leben und du athmest aus Mit jedem Athemzuge frey die Welt; Du siehst dich selbst, und dir am Auge geht In jedem Augenblick vorbey die Welt; Der einzig Eine bist du, doch du lenkst Als eine mystischgroße Drey die Welt. II. W ohl mir, es heilte die liebe Hand mich, Die mit balsamischem Blatt verband mich! Als mich in Flammen umdroht Verzweiflung, Deckte des Glaubens Asbestgewand mich; Irrend durchstrich ich das wald'ge Dickicht, Aber der floͤtende Vogel fand mich; Wellen verschlangen mich, doch der Delphin Segelte ruhig an's gruͤne Land mich; Nieder vom Berge zur Tiefe glitt ich, Aber die Rebe des Bergs umwand mich. III. D u bist der wahre Weise mir, Dein Auge lispelts leise mir; Du bist ein Gastfreund ohne Hehl Auf dieser langen Reise mir; Dein Leben wird, daß Liebe noch Lebendig, zum Beweise mir; Du bringst der Liebe Moschusduft, Du bringst der Wahrheit Speise mir; Es wird so licht, es wird so warm In deinem lieben Kreise mir; Du bist die Perle, deren Werth Hoch uͤber jedem Preise mir! IV. W enn du sammelst goldne Trauben ein, Huͤllen Reben dich in Lauben ein; Wenn am Huͤgel dich umfaͤngt der Schlaf, Girren dich verliebte Tauben ein; Wenn du liebst, so stellen Engel sich, Die der Sorge dich berauben, ein; Da die Weisheit muͤhevoll du fandst, Buͤßtest doch du nicht den Glauben ein. V. E s sprudelt Wasser aus dem Stein empor: Das spruͤzt der Wallfisch nicht so rein empor; Die feinsten Perlen, deine Thraͤnen sind's, Kein Taucher fischt sie dir so fein empor; Du mußt die Nelke binden an den Stab, Es rankt der Eppich sich allein empor; Den Trunk der Quelle fuͤhrst du still zum Mund, Doch hebst du hoch den Becher Wein empor! VI. D er Loͤwin dient des Loͤwen Maͤhne nicht; Buntfarbig sonnt sich die Phalaͤne nicht; Der Schwan befurcht mit stolzem Hals den See, Doch hoch im Aether hausen Schwaͤne nicht; Die Rieselquelle murmelt angenehm, Doch Schiffe traͤgt sie nicht und Kaͤhne nicht; An Dauer weicht die Rose dem Rubin, Ihn aber schmuͤckt des Thaues Thraͤne nicht; Was suchst du mehr, als was du bist, zu seyn, Ein andres je zu werden, waͤhne nicht! VII. N ach lieblicherm Geschicke sehn' ich mich; Wie nach dem Stab die Wicke sehn' ich mich; Nach deines Mundes Duft, nach deines Haars Geringel am Genicke sehn' ich mich; Ich sehne mich, daß poche mir dein Herz, Daß mich dein Arm umstricke, sehn' ich mich; Du gehst, o Schoͤnheit, mich so stolz vorbey, Nach einem zweyten Blicke sehn' ich mich. VIII. O weh dir, der die Welt verachtet, allein zu seyn, Und dessen ganze Seele schmachtet, allein zu seyn! Es schuf der unerschoͤpfte Schoͤpfer Geschoͤpfe rings, Und nicht ein einzig Wesen trachtet, allein zu seyn: Allein zu seyn verschmaͤht die Tulpe des Tulpenbeets, Es scheut der Stern sich, wenn es nachtet, allein zu seyn; Verlaß den Stolz, der deine Seele so tief bethoͤrt, Und der es fuͤr erhaben achtet, allein zu seyn! IX. D u grollst dem Schah, weil du gebunden bist, Und von dir selber uͤberwunden bist? Verklage nicht das fromme Schwert der Zeit, Wenn du der Mann der tausend Wunden bist! Bezeug' uns erst, daß nichts in dir dich hemmt, Daß du ein Freund von allen Stunden bist! Sprich erst zur Rose, wenn sie welk erstirbt: Was kuͤmmert's mich, daß du verschwunden bist? Dann, Bruder, glauben wir, wie sehr auch du Von uns, den Freyen, den Gesunden bist. X. J a, deine Liebe flammt in meinem Busen, Du hast sie nicht verdammt in meinem Busen, Und weichlich ruh'n, zum Lobe dir, Gesaͤnge, Wie Kronen auf dem Sammt, in meinem Busen; Der Dichtung Lanzen fass' ich mit einander, Und berge sie gesammt in meinem Busen; Ja, wie ein Flaͤmmchen, flackert eine Rose, Die noch aus Eden stammt, in meinem Busen. XI. D uͤrft' ich doch auf alle Pfade folgen dir, Als ein Sclave deiner Gnade folgen dir! Duͤrft' ich von mir werfen jeder Fessel Druck, Ueber Land und Meer gerade folgen dir! Duͤrft' ich, wenn dich stolz die schoͤnen Rosse ziehn, Gleichen deinem Wagenrade, folgen dir! Duͤrft' ich, wenn dich schnell die leichte Gondel traͤgt, Gleich dem Fisch im Wogenbade folgen dir! Mit den Blicken folgt die Pappel dir am Weg, Und die Tulpen am Gestade folgen dir! XII. D ie Rebe schlingt um ihre Stange Bluͤthen; Ich oͤffne liebend im Gesange Bluͤthen; Die Alpenrose spendet tiefgewurzelt Noch am granitnen duͤrren Hange Bluͤthen; Sogar im unfruchtbaren Schoos entfaltet Des wilden Meers der Lotos bange Bluͤthen; Zuruͤcke schauend in der Jugend Spiegel, Erblick' ich ewig deiner Wange Bluͤthen. XIII. D u waͤhnst so sicher dich und klug zu seyn, So ganz der Welt und dir genug zu seyn? Doch unbefriedigt schien nur jedes Herz, Und jedes Wesen, das ich frug, zu seyn; Ein duftig Raͤthsel schien die Rose mir, Und jedes Blatt nur auf dem Flug zu seyn; Des Baumes Schatten, unter dem ich lag, Schien mir ein koͤstlicher Betrug zu seyn; Gehemmt in Fesseln schien mein eigen Lied, In die ich's wider Willen schlug, zu seyn. XIV. D u siehst, wir laͤcheln deinem Hohne nur: Was nie du fassen wirst, verschone nur! Der Kaͤfer hier beschmuzt den reinen Quell, Doch er ertrinkt, er hat's zum Lohne nur! Es haͤngen Tropfen an die Tulpe sich, Doch sie verschoͤnern ihre Krone nur! Das Schilf erklang, der Hirte schnitt es ab, Als Floͤte scholl's mit suͤßerm Tone nur! XV. W aͤhnst du, daß der Frommen Haus dich aufgenommen? Bist du je des Zweifels Ungethuͤm entkommen? Bist du je des Sehnens Meere durchgeschwommen? Hat dir je den Busen Liebesschmerz beklommen? Hast du je des Todes Tiefen Sinn vernommen? Bist du, hinzuopfern Irdisches, entglommen? Offen stehn die Thore, Bist du's, magst du kommen! XVI. L aß dich nicht verfuͤhren von der Rose Duͤften: Die am vollsten wuchert, wuchert auf den Gruͤften; Laß dich nicht verlocken vom Cypressenwuchse, Denn Gewuͤrme nagen seine schlanken Huͤften; Staune nicht dem Felsen! Stuͤrme, Winde, Blitze, Selbst der Menschen Aexte moͤgen ihn zerkluͤften; Flehst du zu den Sternen? Sterne sind nur Flocken, Die nicht schmelzen koͤnnen in den kalten Luͤften. XVII. D as Morgenroth beschaͤmt die Nacht endlich; Die lange Muͤh' vergilt der Schacht endlich; Die Wolken bargen stets den Mond wieder, Doch er gewann die schoͤne Schlacht endlich; Es hat die Sonne gruͤne Brautperlen Aus Wittwenthraͤnenthau gemacht endlich; Der Samenfunke glimmt im Erdreiche, Bis man die Tulpenflamme facht endlich! XVIII. I ch bin wie Leib dem Geist, wie Geist dem Leibe dir! Ich bin wie Weib dem Mann, wie Mann dem Weibe dir! Wen darfst du lieben sonst, da von der Lippe weg Mit ew'gen Kuͤssen ich den Tod vertreibe dir? Ich bin dir Rosenduft, dir Nachtigallgesang, Ich bin der Sonne Pfeil, des Mondes Scheibe dir! Was willst du noch? Was blickt die Sehnsucht noch umher? Wirf Alles, Alles hin, du weißt, ich bleibe dir! XIX. D ie Ruhe wohnt in deinen Zuͤgen, Freund! Doch auch ein selbstisches Genuͤgen, Freund! Sie kleiden sich in sichre Harmonie, Uns um so sichrer zu betruͤgen, Freund! Doch suchen mehr wir, als die glatte Stirn, Die keine Runzel wagt zu pfluͤgen, Freund! Was in den Adern uns lebendig rollt, Es sey kein Leben, das wir luͤgen, Freund! Kein Faͤcher sey der schoͤne Fittig dir, Er trage dich zu hohen Fluͤgen, Freund! XX. W ie die Lilje sey dein Busen offen, ohne Groll; Aber wie die keusche Rose sey er tief und voll! Laß den Schmerz in deiner Seele wogen auf und ab, Da so oft dem Quell des Leidens dein Gesang entquoll! Peinigt dich ein Liebeskummer, sey getrost, o Herz! Traurig macht verschmaͤhte Liebe, doch begluͤckte toll; Waͤre Daphne nicht entronnen ihres Buhlen Arm, Welchen Kranz um seine Lyra schlaͤnge dann Apoll? Fuͤrchte nicht zu sterben, Guter! denn das Leben truͤgt: Gib der Erde gern den lezten, schauderhaften Zoll! Laß das welke Blatt vom Baume stuͤrzen in den Teich, Weil es noch im Todestaumel sich berauschen soll! v. Platen's Gedichte. 7 Der Spiegel des Hafis. 1821. Zueignung. W enn diese Blumen sich zur Krone reihen, Die Farb' an Farbe dir das Haupt umflicht, Magst du mir danken bald und bald verzeihen, Was hier gelungen oder was gebricht: Was koͤnnte dir die Poesie verleihen? Du bist mir selbst ein freundliches Gedicht, Das, wenn der Truͤbsinn oft ihn laͤhmend zuͤgelt, Den schweren Muth des Dichters froh befluͤgelt. Und waͤg' ich uns, erscheinst du von uns beyden Der Kluge sicher mir und ich der Thor: Ich trage nur das Leben und die Leiden, Dich aber traͤgt das Leben selbst empor: Wer nicht dich liebte, muͤßte dich beneiden, Allein wer zoͤge nicht die Liebe vor? Ich habe, durch dein Wesen unterrichtet, Den Hafis nachgefuͤhlt und nachgedichtet. Gaselen. I . W er haͤtte nicht, wie Schemseddin, des Weins Genuß geliebt? Wer hat nicht, was er muß, gehaßt, und was er muß, geliebt? Wir haben stets das volle Glas, das auf und nieder kreis't, Dabey der Rede Wechselkampf, des Lieds Erguß geliebt; Wir haben stets den Wohlgeruch im Rosenhain und stets Das feuerfarbne Tulpenbeet am kuͤhlen Fluß geliebt; Wo Maͤdchenwange ladet ein, wo Maͤdchenauge spaͤht, Wer haͤtte nicht verstohlnen Wink, verstohlnen Kuß ge¬ liebt; Es bleibe fern der feige Knecht, der schoͤne Form er¬ kannt, Und nicht sie mit unendlichem Gemuͤthsentschluß geliebt! Vor Allem lebe Hafis hoch, so rufe laut mir uns, Wer unsres Liedes Anbeginn, und wer den Schluß ge¬ liebt! II. O scheue dich nicht, in Noth zu seyn, Von Liebesgefahr bedroht zu seyn, Auf schaͤumendem Meer des Gluͤcks bestuͤrmt Ein schaukelgewohntes Boot zu seyn! O scheue dich nicht, daß nicht du bist, Was unser Prophet gebot zu seyn! Wie schoͤn, in der Wage Mustafa's Wenn auch nur ein leichtes Loth zu seyn! Schattirungen liebt die Tulpe zwar, Doch freut sich die Rose, roth zu seyn: Wer sehnte sich nicht, um stets zu bluͤhn Im Liede, wie Hafis todt zu seyn? III. O nimm die Rosen auf, und um den Becher schlinge, Daß duftig sey der Trank, gewobne Rosenringe! Verletzen moͤgt ihr mich, ihr kalten, Liebelosen, Doch wenn berauscht ich bin, eracht' ich euch geringe! Was ihr ergruͤbeln wollt, es raubt mir nicht die Ruhe: Geheim entsteht das Ich, geheim entstehn die Dinge; Doch hoͤrt, was Hafis spricht: Der Wein, was ist er? Sonne. Die Schaale? Halber Mond. Die Sonn' im Monde bringe! IV. D er Schenke spricht: „O seht, wie schoͤn ich prange!“ Doch Jugend, leider! bluͤht nicht allzulange! Dein wolkenfreyes Angesicht verklaͤret Ein leichter Sinn, an dem ich zaͤrtlich hange; Wie freundlich lacht das Aug' aus blonder Wimper, Wie schmuͤckt der Bart so schoͤn die Tulpenwange! Den Becher fuͤlle mir! Der Wein beschwichtigt Die kranke Brust mit ihrem wilden Drange: Du zwingst zu lieben dich die Welt, wie Hafis , Euch Beyde d'rum verkuͤnd' ich im Gesange. V. P reisen willst du mich? Was kann ich geben, Wuͤrdig kaum, zu dir emporzustreben? Deiner Blicke jeder ist ein Funken, Der verdunkelt jeden Stern daneben; Angefesselt haͤlt mich jede Locke, Und so schleppst du mich dir nach im Leben; Bluͤhen moͤcht' ich dir um's Haupt, wie Rosen, Schlingen mich um deine Knie, wie Reben; Selig seyd ihr, liebende Planeten, Ewig duͤrft ihr um die Sonne schweben! Liebe wirft mir in der Seele Wogen, Aber Hafis macht die Wogen eben. VI. D ie Sterne scheinen, und Alles ist gut, Sie tadeln Keinen, und Alles ist gut; D’rum keck, o Schenke, kredenze den Wein, Den suͤßen, reinen, und Alles ist gut; Die Sonnenaugen entflammen den Stern, Und mich die Deinen, und Alles ist gut; Dein Schmeicheln, Zuͤrnen und Trotzen und Flehn, Dein Lachen, Weinen und Alles ist gut; Die Welt im Großen, und du mir in ihr Die Welt im Kleinen und Alles ist gut; Des Hafis Lieder, ich ruͤhme sie laut, Du ruͤhmst die meinen, und Alles ist gut. VII. ⏓ — ⏑ — ⏑ — —, ⏓ — ⏑ — ⏑ ⏑ — W er spricht dem Traur'gen Trost zu? Wer gibt dem Liebenden Rath? Verwirrung traf mein Antlitz, sobald der Schenke genaht; Im Weine suche Heil nie, wen ach! die Liebe berauscht: Wer nuͤchtern nicht ihr ausweicht, der flieht im Rausche zu spat. Um Tuͤcher aus Samarkand, um Perlenschmuck von Aden Verhandl’ ich nicht das Staubkorn, das deine Ferse betrat: O denk’, ich waͤre Hafis , und reiche perlenden Wein Mit reiner Marmorhand mir, im bunten Glas von Agath! VIII. W er wagte je, zu hassen dich, wiewohl du schweigst? Wir kennen dich, wir fassen dich, wiewohl du schweigst: Der schelm'sche Zug um deinen Mund und um dein Aug' Verraͤth auf allen Gassen dich, wiewohl du schweigst; Verstellung irrt um deine Stirn so liebenswerth, Wie sollten wir verlassen dich, wiewohl du schweigst? Es ist der Wein, den Hafis trinkt, gefaͤrbt wie du, Doch Liebe macht erblassen dich, wiewohl du schweigst. IX. E s trillert Buͤlbuͤl fern von ihr, und Thau vergießt die Rose: Dem liebsten folgen kann sie nicht, im Boden sprießt die Rose: Ihr seht der Rose sehnend Herz und laͤchelt, stolze Tulpen, Wahr ist's, sie leidet viel, doch auch wie viel genießt die Rose! Zwar fallen ihre Blaͤtter ab, und flattern durch den Aether, Doch jedes Blaͤttchen wird ein Stern, und Strahlen schießt die Rose! Wohl euch, daß Hafis unter euch, euch ihren Schmerz zu deuten, Weil ihren goldnen Busen doch vor euch verschließt die Rose! X. M aͤdchen, ewig junge, schoͤner als die Sonne, wenn es tagt, Hat sie doch im Paradiese der Prophete nicht versagt! Wenn er euch den Wein verboten, hat er wohl bedacht, warum? Doch ein Thor, wer nach Geboten oder nach Verboten fragt! Hoͤrtet ihr die Rose fragen, ob sie bluͤhen darf? Sie bluͤht; Hoͤrtet ihr das Echo fragen, ob es klagen darf? Es klagt; Vom Gebirge faͤllt die Quelle, rinnt als Silberfluß daher, Prallt am Felsen ab und spruͤtzet bis zum Himmel un¬ verzagt! Klaͤglich meßt ihr eure Schritte, weil ihr strauchelt jeden Tritt, Doch es fuͤrchtet nicht zu fallen, wer fuͤr Alles Alles wagt. Staunet nicht, wenn unser Hafis euch ein stetes Raͤthsel bleibt, Da ihr stets des Lebens Sorge, wie der Baͤr die Pfote, nagt. XI. ⏑ — ⏑ — ⏑ ⏑ — —, ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — D u fingst im lieblichen Trugnetz der Haare die ganze Welt! Als spiegelhaltende Sclavin gewahre die ganze Welt! Ich such' um deine Gestalt her den Schatten des ew'gen Seyns, Der Segler, suchend was nicht ist, umfahre die ganze Welt! Was taͤuschen Jene so tief sich? Enthuͤllte nur mir allein Dein raͤthselbannendes Antlitz die wahre, die ganze Welt? Der Sofi geisele wund sich, mich ritze die Rose blos, Er scheid' und trenne was eins ist, ich paare die ganze Welt; Und was ich thue, verdank' ich dem Meister im Ost allein: Daß ich dir huldige, Hafis , erfahre die ganze Welt! XII. W ißt, daß Allah jedem Ird'schen irgend eine Kraft verlieh, Keiner moͤge d'rum verschweigen was im Busen voll¬ gedieh! Meine Habe sind Gedanken, Worte sind es, Toͤne sind's, Wenn sie dir gefallen, horche! Wenn sie dich ermuͤden, flieh! Einen weiß ich, moͤgt ihr Alle mich verdammen, weiß ich doch Wen ich tausendmal verlezte, wer mir tausendmal ver¬ zieh: Sieh mich hier im Staub und setze deine Ferse mir auf's Haupt, Mich, den lezten von den lezten deiner lezten Sclaven sieh! Denn was soll der Stolz? Wie Hafis hab' auch ich das Wort beherrscht, Doch es kommt der Tag, an dem es wiederfordert, der es lieh. Rubajat. 1. W enn ich Schenkenwangen kuͤsse, denk' ich, waͤren's deine nur! Moͤchtest du an seiner Stelle kommen mit dem Weine nur! Sprich, warum, wenn auf den Straßen ich begegne dir, warum, Statt in's Auge mir zu blicken, blickst du auf die Steine nur? 2. Habt ihr nie gesehn im Walde, daß auf truͤbem Wasser¬ schlamm Eine Lilie bescheiden, mit unzaͤhl'gen Bluͤthen, schwamm? Dieses Volks geschwaͤtz'ge Leere gleicht gestand'nem, trock¬ nem Pfuhl, Deines Wesens ew'ge Jugend ist des Lebens gruͤner Stamm. 3. Da ich fuͤr des Lebens Muͤhen hab' erfleht zum Lohne dich, Welch ein Recht erwarb die Stunde, zu verstreichen ohne dich? Komm, o komm! Doch willst du ferne bleiben, sey auch fern begluͤckt: Liebe, Liebe nur umgaukle, Friede nur umwohne dich! 4. Laͤngst verlernt zu kaͤmpfen haͤtt' ich deinetwegen manchen Straus, Waͤren deine Blicke kaͤlter, deine Locken minder kraus; Doch du bist ein Bild im Wasser, ohne Wesen und Bestand, Wenn du auch dem Auge schmeichelst, weichst du doch den Haͤnden aus. 5. Freund, es soll auch mir die Jugend ohne Liebgekose bluͤhn, Wenn die Blumen einst im Garten nach den Tafeln Mose bluͤhn; Doch es ist der Lenz gekommen, unsre Wege sind ge¬ theilt: Bluͤhe wie die keusche Lilje, laß mich wie die Rose bluͤhn! 6. Soll dein ganzes Lob geschrieben, vom Beginn zum Ziele, seyn, Muͤssen Paradiesesvoͤgel Spender ihrer Kiele seyn: Meine Lieder, Tepp'che sind es, die ich breite deinem Tritt, Doch sie koͤnnten Baldachine, wenn es dir gefiele, seyn. 7. Komm, denn ohne dich die Seele durch den Wein erlab' ich nicht, Komm zu mir und nimm mein Leben, denn was Bess'res hab' ich nicht! Vor den Hufen deines Rosses streut' ich meine Lieder aus, Doch du sprachst: Auf Steinen trab' ich, uͤber Perlen trab' ich nicht! 8. Schilt mich stolz die Welt, so weißt du, daß ich von den Milden bin, Daß ich scheu vor dir und schuͤchtern gleich dem Reh, dem wilden, bin; Schilt sie wortkarg mich, so weißt du, daß ich faͤhig neben dir Auch des Schoͤnsten, was die Sprache je vermocht zu bilden, bin. v. Platen's Gedichte. 8 Neue Gaselen . 1823 . Prolog . S ollen namenlos uns laͤnger Tag' um Tage so verstreichen? Kommt, verliebte Muͤssiggaͤnger, Trinker, kommt, die Stunden schleichen: Sammelt rings euch um den Saͤnger, Daß er sey bey seines Gleichen! Was Vernuͤnft'ge hoch verehren, Taugte Jedem, der's verstuͤnde; Doch zu schwer sind ihre Lehren, Zu verborgen ihre Gruͤnde: Sie, die von der Tugend zehren, Ließen uͤbrig uns die Suͤnde. Was wir fuͤhlen, was wir denken, Halten d'rum wir im Geheimen, Denn wer moͤcht' ein Korn versenken, Wenn's noch nicht vermag zu keimen? Laßt indeß uns in den Schenken Liebliche Gedichte reimen! I. W as heimlich oft mein Herz erfrischt, Wird endlich Allen aufgetischt: Gesegnet werde, wer da lobt, Gesegnet werde, wer da zischt! Wo find' ich den Verschwiegenen, Dem nie ein rasches Wort entwischt? Das Wort sey Jedem gern vergoͤnnt, Auch wenn er leere Halme drischt. Eroͤffnet er die Muschel nie, Was frommt's, ob Einer Perlen fischt? Wer schilt die Rose, wenn ihr Duft Sich mit des Aethers Wolke mischt? Was staunst du, da du ziehst den Kork, Daß an die Decke springt der Gischt? Das Herz ist eine Flamme, Freund, Sie lodert bis sie ganz erlischt. II . K ein Verstaͤnd'ger kann zergliedern, was den Menschen wohlgefaͤllt: Etwas ist in meinen Liedern, was den Menschen wohl¬ gefaͤllt. Sollen eures Wortes Pfeile dringen in des Lebens Herz, Muͤßt ihr sie mit dem befiedern, was den Menschen wohlgefaͤllt. Selbst der Herr des achten Himmels mochte diese Welt besehn, Mochte sich zu dem erniedern, was den Menschen wohl¬ gefaͤllt. Vor dem Hochaltar des Schoͤnen, neige sich das Gute selbst, Was den Herzen aller Biedern, was den Menschen wohlgefaͤllt! Hat uns auch der Mai verlassen, Jugend ist im Winter Mai, Jugend zeigt in schoͤnen Gliedern, was den Menschen wohlgefaͤllt. III . V erdammen moͤgen hier und da der Kunst gestrenge Richter mich, Doch wer verliebt ist und berauscht, der haͤlt fuͤr einen Dichter mich! Nur daß ich alt're, fuͤhl' ich nun, da mich ein kalter Blick verscheucht, Es machte sonst ein solcher Blick nur muth'ger und er¬ pichter mich; Doch senken alte Wuͤnsche sich, so steigen neue wieder auf, Verfolgen, wie ein Fliegenschwarm im Sommer, immer dichter mich; Vermoͤcht' ich zu vertrau'n die Qual, die seufzend nun im Wind zerrinnt, So troͤstete vielleicht ein Freund, ein redlicher und schlichter, mich: Die Guten lieb' ich allgesammt, und horche gern der Weisen Rath, Doch halt' ich freylich lieber stets zu luftigem Gelichter mich. IV. U nter deinen Fensterpfosten Sey mein Stand und sey mein Posten: Ach, ich schweifte nur vergebens Bald nach Westen, bald nach Osten! Doch es pflegt, wie Viele sagen, Alte Liebe nicht zu rosten. Suͤßeres, als deine Blicke, Gab mir nie die Welt zu kosten: Ewig sende mir dein schwarzes Auge suͤße Liebesposten! V . I ch sah vor mir dich wandeln einst; o schoͤne, goldne Tage mir, Entfuhr auch damals manches Ach, entfuhr auch manche Klage mir! Es brachte jedes Luͤftchen mir aus deinen Locken suͤßen Duft, Und Rede stand dein blitzend Aug', so schien's, auf meine Frage mir; An deiner Stimme hing ich fest, an deiner Lippen weichem Ton: Musik, bey der mein Herz gehuͤpft, wo flohst du hin, o sage mir! Da mir die leeren Hoffnungen gestoben in die leere Luft, Der Troͤster unberufne Schaar, wie wird sie nun zur Plage mir! An einer schoͤnen Brust zu ruh'n, das ist ein Trost, und das allein, Es ist verhaßt mein eigen Selbst in jeder andern Lage mir. VI. S chwarzes Auge, boͤser, falscher Dieb, Sprich, o sprich, wo meine Seele blieb? Bald vergleich' ich solch ein Aug' der Nacht, Bald der Sonne, die die Nacht vertrieb, Krause Locke, ringle Gold in Gold, Denn du mahnst an junger Reben Trieb! Lebte wohl ein Alexander je, Der so schoͤne Knoten frech zerhieb? Weiße Hand, verwalte Schenkenamt, Gieb mir Wein, o gieb mir Wein, o gieb! Was mir allzuhoch, vergaͤß' ich gern, Aber ach, es ist mir allzulieb! VII. E in Maienathem kommt aus deinen Landen her, Es weht ein Duft vom Ort, wo wir uns fanden, her; Der Winter ist ein Greis, doch schickt der Lenz den Duft Der Kraͤnze, die wir einst als Kinder wanden, her; Dein Angesicht verheißt des Lenzes Wiederkunft, Du schickst mir einen Blick, den ich verstanden, her; Koͤnnt' ich dem Fruͤhlingshauch nicht oͤffnen meine Brust, Wo naͤhm' ich solchen Muth in solchen Banden her? Laß traͤumen uns dahin, wo bald die Rebe bluͤht, Und, Knaben, bringt den Wein, der noch vorhanden, her! VIII. O Thor, wer nicht im Augenblick den wahren Augen¬ blick ergreift, Wer, was er liebt, im Auge hat, und dennoch nach der Seite schweift! Es hat der Saͤmann ausgesaͤt, doch frißt der Rost die Sense nun, Des Schnitters Arme sind zu schlaff, was hilft es, ob das Korn gereift? Die welken Blaͤtter les't ihr auf, da stuͤrmisch der November saus't, O pfluͤcktet Bluͤthen ihr im Mai, wenn aus dem Laub der Vogel pfeift! Nur Der vermag, wie Titus einst, zu rufen: Ich ge¬ wann den Tag! Wer einen suͤßen Mund beruͤhrt, an einen schoͤnen Arm gestreift: Die Lehre zwar ist alt, ich weiß; doch hat sie Mancher nicht befolgt, Deß Grab sich nun im Lenz beros't, deß Grab sich nun im Herbst bereift. IX. D er Hoffnung Schaumgebaͤude bricht zusammen, Wir muͤhn uns, ach! und kommen nicht zusammen: Mein Name klingt aus deinem Mund melodisch, Doch reihst du selten dies Gedicht zusammen; Wie Sonn' und Mond uns stets getrennt zu halten, Verschworen Sitte sich und Pflicht zusammen, Laß Haupt an Haupt uns lehnen, denn es taugen Dein dunkles Haar, mein hell Gesicht zusammen! Doch ach! ich traͤume, denn du ziehst von hinnen, Eh' noch das Gluͤck uns brachte dicht zusammen: Die Seelen bluten, da getrennt die Leiber, O waͤren's Blumen, die man flicht zusammen! X. E s liegt an eines Menschen Schmerz, an eines Men¬ schen Wunde nichts, Es kehrt an das, was Kranke quaͤlt, sich ewig der Ge¬ sunde nichts! Und waͤre nicht das Leben kurz, das stets der Mensch vom Menschen erbt, So gaͤb's Beklagenswertheres auf diesem weiten Runde nichts! Einfoͤrmig stellt Natur sich her, doch tausendfoͤrmig ist ihr Tod, Es fragt die Welt nach meinem Ziel, nach deiner lezten Stunde nichts; Und wer sich willig nicht ergiebt dem ehrnen Loose, das ihm draͤut, Der zuͤrnt in's Grab sich rettungslos, und fuͤhlt in dessen Schlunde nichts. Dies wissen Alle, doch vergißt es Jeder gerne jeden Tag, So komme denn, in diesem Sinn, hinfort aus meinem Munde nichts! Vergeßt, daß auch die Welt betruͤgt, und daß ihr Wunsch nur Wuͤnsche zeugt, Laßt eurer Liebe nichts entgehn, entschluͤpfen eurer Kunde nichts! Es hoffe Jeder, daß die Zeit ihm gebe was sie Keinem gab, Denn Jeder sucht ein All zu seyn, und Jeder ist im Grunde nichts. XI. D en Geruch berauscht der Flieder, Und Jasmine duften wieder; Und der Ost, der kecke Freyer, Loͤs't den Knospen ihre Mieder: Du allein verhuͤllst dich ewig, Schlaͤgst vor mir die Augen nieder! Bliese doch ein Wind und legte Das Gewand an deine Glieder! Naͤhm' er meiner Seufzer einen Auf sein rauschendes Gefieder! O belohne deinen Sclaven, Der so treu dir ist und bieder! Doch du sprichst: Begluͤck' ich jenen, So verstummen seine Lieder. v. Platen's Gedichte. 9 XII. O ft mit banger Seele spiel' ich den Zerstreuten, dir zu Liebe, Oft auch nehm' ich mich zusammen vor den Leuten, dir zu Liebe; Oft in deiner Freunde Zirkel hab' ich angehoͤrt geduldig Worte, welche nichts verfangen, nichts bedeuten, dir zu Liebe; Und damit des Lenzes Reize sich erhoͤhn in meinen Augen, Denk' ich, daß sich Flur und Garten nur erneuten dir zu Liebe; Auf verschiednen Wegen haben sich der Trunkenheit er¬ geben Fuͤr sich selbst die Stumpfgesinnten, die Gescheuten dir zu Liebe; Laß in deinem Schatten endlich schlummern uns, o schlanke Pappel, Da wir nur zu lang' an Schatten uns erfreuten, dir zu Liebe. XIII. D u bluͤhst umsonst, Natur! Die Zeiten sind verwirrt, Es hadern die Partei'n, und jede Waffe klirrt: Wer achtet nun den Lenz, den uͤpp'gen Gast der Welt, Der taumelnd und berauscht nach allen Seiten irrt? Wer blickt den Himmel an, und saugt die reine Luft, Die bruͤtend uͤber uns mit leisem Fluͤgel schwirrt? D'rum sammle sich umher, wem noch der Lenz behagt, Wer noch des Weins begehrt, wer noch von Liebe girrt! Ihm hat den Schleyer nicht umsonst gestickt die Nacht, Und nicht umsonst der Tag die Zelter angeschirrt. XIV . ⏑ — ⏑ — ⏑ — ⏑, ⏑ — ⏑ — ⏑ D en Zehnten gibt die Rose von ihrem Golde, Da bieten Kelch und Faͤcher die Bluͤth' und Dolde: Behalte diesen, faͤchle die feuchte Stirne, Fuͤr Freunde fuͤlle jenen, fuͤr Trunkenbolde! Der Traubenhyacinthus bewegt die Glocken, Da schmuͤckt sich weiß die Lilje zum Fest, die holde; Das Licht verschenkt die Farben, wie Band und Orden, Daß Tulpe sich verbraͤme, sich Lack vergolde: Damit Natur im Lenze sich selbst genieße, Ernaͤhrt sie einen Dichter in ihrem Solde. XV. M it Manchen taͤndelt' ich so manche Zeit hinweg, Doch du bist allzuschoͤn, dich wuͤnscht' ich weit hinweg! Denn, wie zu gut ich weiß, sobald die Liebe naht, So flieht die schelmische Gelegenheit hinweg! Wer stand gefuͤhlbegabt dir gegenuͤber je, Und schlug die Augen auf, und ging befreit hinweg? Auch Andre find' ich schoͤn, doch hebst du, wenn du kommst, Mich uͤber jede Wahl und jeden Streit hinweg! Wenn je sich in dein Haar verwickelt meine Hand, So fuͤhre mich der Tod, ich bin bereit, hinweg! XVI. O Zeit, in der ich rastete, In der mich nichts belastete, In der ich noch so wohlgemuth, Am Tisch der Ruhe gastete! In der ich nicht nach falscher Gunst Mit eil'gen Schritten hastete! Du flohst, es rette mich das Gluͤck, Da's weiß, wie lang ich fastete, Wie lang' ich keine schoͤne Hand Mit meiner Hand betastete! XVII. W ie doch sogleich im Werthe der Preis der Dinge faͤllt, Wenn deine goldne Locke in tausend Ringe faͤllt! Begluͤckt, wer einzuathmen der Locken Duft vermag, Begluͤckter, wer gefangen in ihre Schlinge faͤllt! Allmaͤchtig ist dein Auge, doch ist es ein Tyrann, Vor dem der Große zittert und der Geringe faͤllt. Du weilst als Stern am Himmel, indeß als Schnuppe stets Was sonst ich vor das Auge der Seele bringe, faͤllt. Du wohnst so hoch und ferne, daß eh' er dich erreicht, Dem Falken des Verlangens die matte Schwinge faͤllt! XVIII. D ie Fuͤlle dieses Lebens erfuͤllt mich oft mit Schrecken, Als fielen alle Sterne vom Himmel, mich zu decken: Es reizt die Welt mein Auge durch tausend praͤcht'ge Formen, Wo soll vor diesem Drange, wie Saul, ich mich ver¬ stecken? Des Forschens Labyrinthe! Der Kunst Gestaltenzauber! Der Voͤlker That und Sage! Der Laͤnder schoͤne Strecken! Auf meinem Busen lastet unendliche Begierde Nach jenen Schaͤtzen allen, die Lieb' und Lust erwecken! So waͤr' ich laͤngst erlegen; doch meine Blicke sollten In Einen Punkt verdichtet des Schoͤnen All entdecken: Seitdem du mir erschienen, entsagt' ich diesem Schweifen Nach allen Himmelswinkeln, nach allen Erdenecken. Es dampft der Quell der Jugend vom Fels im Wirbel¬ staube, Bis friedlich ihn und silbern umfaͤngt der Liebe Becken. XIX. H ab' ich doch Verlust in Allem, was ich je gewann, ertragen; Aber glaubet mir, das Leben laͤßt sich dann und wann ertragen! Zwar des Leidens ganze Buͤrde riß mich oft schon halb zu Boden, Doch ich hab' es immer wieder, wenn ich mich besann, ertragen: Mir geziemt der volle Becher, mir der volle Klang der Lauten, Denn den vollen Schmerz des Lebens hab' ich als ein Mann ertragen! Doch nun fuͤhl' ich, wie auf Fitt'gen, bis zum Himmel mich gehoben, Denn es lehrte mich das Leben, daß man Alles kann ertragen! Und es oͤffnet gegen Alle sich das Herz in reiner Liebe, Und ich will so gern mit Allen dieses Lebens Bann er¬ tragen: Schließt den Kreis und leert die Flaschen, diese Som¬ mernaͤchte feyernd, Schlimmre Zeiten werden kommen, die wir auch sodann ertragen. XX. E s laͤchelt, voll von Milde, mir manches Angesicht, Doch alles ist vergebens, ihr Alle seyd es nicht! Ihr blauen Augen werdet nie meine Sterne seyn, Ein schwarzes Auge weiß ich, aus diesem saug' ich Licht. Ein hartes Wort befuͤrcht' ich von deinem sproͤden Mund, D'rum laß die Lippe schweigen, so lang das Auge spricht! Die Sonne waͤrmet Steine, wie sollte nicht dein Aug' Ein Herz erwaͤrmen, dem es an Waͤrme nie gebricht? Doch rath' ich dir, vertraue dem Geiste nicht zu sehr, Der, fluͤcht'ger als die Rose, nur fluͤcht'ge Bande flicht; Der gern erproben moͤchte die ganze Welt umher, Dem nach so viel geluͤstet, den ach! so viel besticht. Allein was sag' ich? Flehen um Liebe sollt' ich dich, Denn dich vor mir zu warnen, ist uͤber meine Pflicht! Mein leichtes Wesen haͤtte sich laͤngst, wie Spreu, zer¬ streut, Doch Schmerz um deine Liebe verleiht mir noch Gewicht. XXI. D ie Zeiten, wo das Liebchen nah', sie gehn, ihr wißt nicht wie, herum; Doch jene Zeiten, wenn es fern, o sagt, wie bringt ihr die herum? Wenn ihr ein Lied zu singen denkt, so singt ein regel¬ rechtes Lied, Das meine schwankt am Gaͤngelband der losen Phantasie herum. Ein Nebenbuhler hatte schon entzogen mir dies schoͤne Bild, Doch bracht' ich wieder es zu mir, wiewohl er mich be¬ schrie, herum; Ich hoͤre hoffend schon voraus, wie mich dein erstes Du begruͤßt, O waͤre schon die bange Zeit, und dieses stolze Sie herum! Es windet sich der Liebe Geist um deiner Glieder Eben¬ maß, Wie um die Worte des Gesangs die weiche Melodie herum! Wann liegt mein Haupt auf deinem Schooß, indem sich mein verwegner Arm Um deine schlanke Huͤfte schlingt, und um dein schoͤnes Knie herum? XXII . J ahre schwanden, dieser Busen ist von Liebe rein ge¬ wesen, Was ihn wieder hat befangen, ist ein Becher Wein ge¬ wesen: Fruͤhlingshauch aus goldnen Locken lockte mich in ehr'ne Bande, Denn ihr Anbeginn ist Irrthum, und ihr Ende Pein gewesen: An bemalten Schaugerichten wollt' ich meinen Hunger stillen, Aber was mir Brod geschienen ist ein kalter Stein ge¬ wesen: Gold und Silber wollt' ich foͤrdern auf im Traum ge¬ seh'nen Plaͤtzen, Aber was ich ausgegraben ist ein morsch Gebein gewesen. Will mich dennoch, aus der Ferne, deine Huld und Milde segnen, Soll mir theurer seyn die Trennung, als es der Verein gewesen; Flattersinnig, unbestaͤndig ließ ich zwar das Auge schweifen, Doch es ist das Herz im Stillen, ganz im Stillen, dein gewesen: Was zu dir mich hingezogen, war Geschick und Gegenliebe, Was an Jene mich gefesselt, ist ein falscher Schein ge¬ wesen: Richte nicht zu streng die Lieder, die ich nicht an dich gerichtet, Freylich, solcher Lieder wuͤrdig waͤrst du ganz allein ge¬ wesen! XXIII. W ie, du fragst, warum dein Wohlgefallen Mich erwaͤhlt, umschlossen haͤlt vor Allen? Fragst, warum zu mir, dem Fernen, pilgernd Deine heimlichsten Gedanken wallen? Weiß ich's selbst? Vermag ich's selbst zu deuten, Welch ein schoͤner Wahn dich uͤberfallen? Glaubst du nicht, es sey mein Herz die Zither, Deren Saiten allgemach verhallen? Fuͤhlst du nicht, daß diese leichten Lieder Sterblich seyen, wie die Nachtigallen? Giebst du dich fuͤr mich? Du gleichst dem Wilden, Eitlen Tand erkaufend mit Metallen. XXIV. W eiß ich, wohin ich noch gezogen werde. Und ob von euch ich nicht betrogen werde? Ich staune, daß ich, da mein Lenz entwichen, Vom Bluͤthenstaub noch uͤberflogen werde; Ich zweifelte, da ich gespielt den Kalten, Ob ein Gemuͤth mir noch gewogen werde? Doch weiß ich euch kein suͤß Geschwaͤtz zu bieten, Das uns zu zaͤrtlichen Eklogen werde: Zum Himmel trozt mein Lebensbaum und harret, Ob er zur Laube noch gebogen werde; Wer meiner Fahrt Gefaͤhrte, sey gewaͤrtig, Daß er ein Spiel der falschen Wogen werde! XXV. I st's moͤglich, ein Geschoͤpf in der Natur zu seyn, Und stets und wiederum auf falscher Spur zu seyn? Ward nicht dieselbe Kraft, die dort im Sterne flammt, Bestimmt als Rose hier die Zier der Flur zu seyn? Was seufzt ihr euch zuruͤck in's sonst'ge Paradies, Um wie das Sonnenlicht verklaͤrt und pur zu seyn? Was wuͤnscht ihr schmerzbewegt euch bald im Erden¬ schooß, Und uͤber Wolken bald und im Azur zu seyn? Was forscht ihr fruͤh und spat dem Quell des Uebels nach, Das doch kein andres ist, als Kreatur zu seyn? Sich selbst zu schau'n, erschuf der Ewige das All, Das ist der Schmerz des All's, ein Spiegel nur zu seyn! XXVI. I ch trat die Straße der Gefahren an, Sie reihen sich zu ganzen Schaaren an! Als Unerfahrner ward ich eingeschifft, Und kam im Hafen unerfahren an! Wenn du besuchen willst der Liebe Markt, So triffst du stets von meinen Waaren an; Vertroͤdelt hab' ich fruͤherhin das Herz, D'rum fing ich spaͤterhin zu sparen an. O Gluͤck, wenn je du kommst, so thu' es jezt, Du triffst mich noch bey jungen Jahren an! XXVII. I mmer haͤlt die Verliebten wach Manches Entzuͤcken und manches Ach; Ohne zu schwindeln ergehn sie sich Mitten im Schlafe von Dach zu Dach. Wandelt geschwinde des Wunsches Weg, Doch in der Naͤhe des Ziels gemach! Wenn ihr den Gipfel erklommen waͤhnt, Oeffnen sich graͤßliche Schluͤnde jach. Freunde, mir ist die Vernunft zu schwer, Aber die Liebe, das ist mein Fach! v. Platen's Gedichte. 10 XXVIII. A us allen Fesseln wand mein Geist behende sich, Denn liebend schlingt mein Arm um deine Lende sich! Wo faͤnde Muth das Herz, sich karg zuruͤckzuziehn, Es gebe ganz sich hin, und es verschwende sich! Der Lenz der Liebe tritt hervor, und das Gesetz Es neigt, dem Winter gleich, zu seinem Ende sich: Der Eine bete dich, wie seine Heil'gen, an, Der Andre kniee fromm vor eine Blende sich! Dem Strengen goͤnnen wir, zu werden was er soll, Doch auch des Freyen Geist, o Freund, vollende sich! XXIX. I ch bedurfte, deine Liebe zu gewinnen, heut und morgen, D'rum, o Freunde, laßt vergebens nicht verrinnen heut und morgen! Heut und morgen ist die Summe dieses allzukurzen Lebens, Und wie schnell, wir wissen's Alle, gehn von hinnen heut und morgen! Im topas'nen Kelch der Tulpe schwelgt der Thau als Silbertropfen, Doch ihn laͤßt das Gold der Sonne nicht darinnen heut und morgen; Ein'ge Blaͤtter aus den Rosen hat ein Wind davon ge¬ tragen, Und er wird sie ganz entfuͤhren, fuͤrcht' ich, binnen heut und morgen! Laß den Trank im Becher steigen, denn der Wein des Morgenrothes Quillt empor bis an der Berge hohe Zinnen heut und morgen! XXX. K oͤnnt' ich spielen eine Laute, Wuͤßt' ich, wem ich mich vertraute: Vor dein Fenster wuͤrd' ich treten, Koͤnnt' ich blasen auf der Flaute; Worte scheinen mir so nuͤchtern, Daß mir oft vor ihnen graute! Worte hoͤrt man nicht von Ferne Wie die suͤßen Floͤtenlaute; Dennoch soll die Welt erfahren Was ich Holdes an dir schaute: Schwarzes Auge! Goldne Locken! Uepp'ge Glieder, schoͤngebaute! Nach dem Vließe deiner Locken Faͤhrt mein Herz als Argonaute. XXXI. W enn ich nur minutenlange deines Blicks genossen haͤtte, Wuͤnscht' ich, daß die Liebesleiter keine hoͤh're Sprossen haͤtte! Denn was muͤßte Der empfinden, der an deinen Lippen athmend Diese schoͤnen, keuschen Formen jugendlich umschlossen haͤtte? Freudetrunken dir am Busen wuͤrd' ich bruͤnstig weinen lernen, Wenn ich nicht, doch nicht aus Freude, Thraͤnen schon vergossen haͤtte; Wenn ich nun erkuͤhnt mich haͤtte, leise dir die Hand zu druͤcken, Gar zu gerne moͤcht' ich wissen, ob es dich verdrossen haͤtte? Wuͤnschen nicht, wir sollen wagen; denn wie leicht ist's, blos zu sagen: Fliegen wuͤrd' ich, wenn ich Fluͤgel, schwimmen, wenn ich Flossen haͤtte! Sittenzwang und Formelwesen haͤtten laͤngst die Welt verkuͤmmert, Wenn sich nicht Gesang zuweilen durch die Welt ergossen haͤtte. XXXII. S chuͤchtern war die Seele, war erschrocken sonst, Kam bey jedem Schritte fast in's Stocken sonst; Sie, die nun im Aether ihre Schwinge wiegt, Ließ in tausend Netze sich verlocken sonst; Sie, die nun die Hydra der Begier erlegt, Saß in Weiberroͤcken vor dem Rocken sonst; Gegenuͤber einem Angesicht wie deins War ich nicht so frostig, nicht so trocken sonst; Aber neu verfuͤhren wirst du mein Gemuͤth, Denn was wollen anders deine Locken sonst? XXXIII . D ir ja nicht allein vor Allen, ich entsage lange schon, Und ein stiller Gram vergiftet meine Tage lange schon: Seufzer floh'n und Thraͤnen flossen, was noch heischt die Welt und du? Zeugniß gab von meinem Leben meine Klage lange schon. Nicht das kleinste Liebeszeichen gabst du mir, ich lausch' umsonst, Lese dir umsonst im Auge, forsch' und frage lange schon! Aber nein! Ein leises Etwas, nenn' ich Wink es oder Gruß, Weht von dir zu mir und lindert unsre Plage lange schon. Doch was frommt's? Es trennt uns Alles, Sprach' und Sitte, Raum und Zeit, Wandern in die Ferne muß ich, und ich zage lange schon! XXXIV. W as giebt dem Freund, was giebt dem Dichter seine Weihe? Daß ohne Ruͤckhalt er sein ganzes Selbst verleihe: Erleuchten soll er klar der Seele tiefste Winkel, Ob auch ein Tadler ihn verlorner Wuͤrde zeihe. Ihr Halben hofft umsonst, mit enger Furcht im Herzen, Daß euer Lied man einst zu großen Liedern reihe: Stumpfsinnige, was waͤhnt ihr rein zu seyn? Ich hoͤrte, Daß keine Schuld so sehr, als solch ein Sinn entweihe; Ich fuͤhlte, daß die Schuld, die uns aus Eden bannte Schwungfedern uns zum Flug nach hoͤhern Himmeln leihe. Noch bin ich nicht so bleich, daß ich der Schminke brauchte, Es kenne mich die Welt, auf daß sie mir verzeihe! XXXV . E s schmuͤckt mit zarter Decke kaum Das junge, neue Laub den Baum: So gruͤnt um deine Wange rings Der frische, dunkle, weiche Flaum; Fuͤr schoͤne Weiber waͤr's ein Gluͤck, Nur zu beruͤhren deinen Saum! Doch warfst du deinem Nacken um Der reinen, keuschen Sitte Zaum. O bringe Wein und komm zu mir, Im hohen Grase hier ist Raum! Es letze deiner Zunge Wort Das Ohr mir und der Wein den Gaum; Der Rausch erhoͤht die Wange dir, Laß steigen dir zu Kopf den Schaum! Laß hier uns traͤumen, Arm in Arm, Der Jugend kurzen Morgentraum! XXXVI. D a, wie fast ich es vermuthe, deine Liebe lau ge¬ worden, Fuͤrcht' ich, daß die braune Scheitel uͤber Nacht mir grau geworden! Geizest du mit Augenblicken, die mir mehr als dir ge¬ hoͤren? Bist du, lieblicher Verschwender, ploͤtzlich so genau ge¬ worden? Haben deiner Treue Rosen sich als Dorn den Stolz er¬ lesen? Sind der Liebesgoͤttin Tauben wie der Juno Pfau ge¬ worden? Wenn dich Weiber mir gestohlen, werden sie so lang dich fesseln, Bis der Tempel deiner Glieder ein zerstoͤrter Bau ge¬ worden? Oder willst du blos mich locken, den du laͤngst im Netz gefangen, O so lohnt sich's nicht der Muͤhe, daß du kalt und schlau geworden! XXXVII. D as vermag ich nicht zu sagen, ob die Zeit dich mir entriß; Aber daß du schoͤn geblieben, wie du warst, das ist ge¬ wiß! Wenn im bruͤderlichen Zirkel andrer Juͤnglinge du stehst, O so stehst du wie der Morgen zwischen Grau'n und Finsterniß! Nur vergeb'ne Muͤhe war es, um zu retten mich vor dir, Daß ich Andre schoͤn zu finden uͤber Alles mich befliß! Doch in eines Stolzen Banden sich zu wissen, ist so hart, Daß ich oft, ergrimmt und trotzig, in die falsche Kette biß: Grausam ist es, Trank und Speise meiner Lippe zu entziehn, Und dabey mir Gluͤck zu wuͤnschen, und zu sagen: Trink' und iß! XXXVIII. O Thor, wer nicht des Gluͤcks geheimem Winke folgt, Und nicht dem Floͤtenton, dem Ton der Zinke folgt! Wer, ohne Tanz und Scherz, der alternden Vernunft, Wohin auch schleiche sie, wohin sie hinke, folgt! Kurz ist der Lenz, es ging das Veilchen keusch voran, Die Rose, die sich malt mit eitler Schminke, folgt: Kurz ist das Gluͤck, da stets der Freude die Gefahr, So wie dem rechten Fuß sogleich der linke folgt; Doch naht auch selbst ein Tag, der wahre Gunst verleiht, Der Traͤge bleibt zuruͤck, und nur der Flinke folgt. XXXIX. ⏑ — ⏑ — ⏑ — —, ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — H erein, ergreift das Kelchglas! Was ließe sich weiter thun? Was etwa duͤrft ihr sonst noch, o meine Begleiter, thun? Ihr ruͤckt mir nur mit Unrecht ein muͤssiges Treiben vor, Denn da das Schiff zu Grund ging, was sollen die Scheiter thun? Ich weiß ein Volk, das ehemals zum Muster gedient der Welt, Was wollt' ich, waͤr's ein Volk noch, als Ritter und Streiter thun! Doch greif' ich zum Pokal nun, und uͤbe Gesang, und will, Was hart und unabweisbar, gefaͤllig und heiter thun! Den Himmel, wenn an's Herz euch ich druͤcke, begehr' ich nicht, Was sollt' ich, waͤr' ich Jakob, mit Staffel und Leiter thun? XL. D er Trommel folgt' ich manchen Tag, und an den Hoͤfen lebt' ich auch, Erfahren hab' ich dies und das, und das und dies er¬ strebt' ich auch; Es zog der ungestillte Geist mich wandernd oft im Land umher, Und wieder stille saß ich dann, und an den Buͤchern klebt' ich auch; Verglommen ist die Hitze halb, die junge Seelen ganz erfuͤllt, Denn oft verzehrte mich der Haß, und vor der Liebe bebt' ich auch; Doch schien ich mir zu nichts bestimmt, als nur das Schoͤne weit und breit Zu kroͤnen durch erhabnes Lob, und solche Kronen webt' ich auch; Was kuͤnftig mir beschieden sey, verkuͤnde kein Orakel mir, Denn dieser Sorg' und Bangigkeit um Kuͤnftiges ent¬ schwebt' ich auch. XLI . E r, dessen Sinn durch Schoͤnes nicht anzufachen ist, Er ist's, fuͤr den die Erde der Hoͤlle Rachen ist: Der ew'gen Schoͤnheit Athem beseelt den Leib der Zeit, Der ohne sie ein Haufen von todten Sachen ist! Wer, ohne sie, noch moͤchte bestehn in einer Welt, Die, wenn auch reich an Schaͤtzen, es auch an Drachen ist. O selig, wer im Herzen ein schoͤnes Bild erkor, Bey dem es suͤß zu schlummern, und suͤß zu wachen ist! In dessen Augen Seele, in dessen Gliedern Maß, Und dessen Thraͤne lieblich wie dessen Lachen ist! Mir bleibt das Schoͤne ferne, der ich es stets besang: Sprich, Weiser, was in Faͤllen, wie der, zu machen ist? Es steuert nach dem Hafen des Gluͤcks mein Herz um¬ sonst, Das auf dem Meer der Liebe der kleinste Nachen ist! XLII. D ie Ketten streift' ich ab, und warf die Seile weg, Und wandte mich vom Tand der Welt in Eile weg! Von frost'ger Nuͤchternheit, von gruͤbelnder Vernunft, Wie sehn' ich mich davon, aus langer Weile, weg! Sagt ihr mir Schlimmes nach, so sagt' ich's im Voraus, Und nahm euch diesen Ruhm zum besten Theile weg: Ich zoͤge gern den Weg, den eure Tugend bahnt, Doch blieb ich stets davon um eine Meile weg; Denn wer zur Scheibe sich, zum Ziel die Sonne waͤhlt, Der sendet stets umsonst die leichten Pfeile weg! Nun aber, Dichter, schweig und laß der Welt den Lauf, Und was ihr nicht behagt, vertilge, feile weg! XLIII. D iese weichlichen Gesaͤnge, die ich hier zusammen flocht Wenn sie auch die Strenge tadelt, hat's die Liebe je vermocht? Laßt das schelmische Getaͤndel schmeicheln sich in eure Brust, Moͤge der Verstand es schelten, wenn das Herz euch nur gepocht! Dachtet ihr an weise Lehren, wenn das Liebchen euch umschlang? Fragtet ihr um Rath die Sitte, wenn ihr an den Rosen rocht? Andre Gaben wuͤrd' ich pflegen, wenn sie mir das Loos ertheilt, Doch nur Schoͤnes sezt in Flammen meines Lebens schwanken Docht; Denn mir ward ein Sinn gegeben, den ich selbst mir nicht verlieh, Stolz und trotzig gegen Alles, doch vom Schoͤnen unter¬ jocht: Das nur ist es, was mich fesselt, ob ich wandle durch den Hain, Ob mir holde Blicke laͤcheln, ob der Wein im Becher kocht! Das nur ist's, wofuͤr ich athme, das nur, was mich treu bewahrt, Wenn ich liebender Entsagung ehrenvolle Kaͤmpfe focht. v. Platen's Gedichte. 11 XLIV. F ruͤh und viel zu fruͤhe trat ich in die Zeit mit Ton und Klang, Und sie konnten kaum empfinden, was dem Busen kaum entsprang: Nicht den Geist, der scharf und sicher in des Lebens Auge blickt, Nicht die zarten Klagelaute jener Seele voll Gesang! Kalt und ahnungslos und schweigend, ja mit Hohn empfing sie mich, Waͤhrend sie um niedre Stirnen ihre schnoͤden Zweige schlang! Mir indessen, dem's im Busen thatenschwanger wuͤhlte, gohr, Diente selbst der Scherz als Maske, wenn ich tiefe Schmerzen sang; Doch getrost! Vielleicht nach Jahren, wenn den Koͤrper Erde deckt, Wird mein Schatte glaͤnzend wandeln dieses deutsche Volk entlang. Epilog. G ern gehorcht des Herzens Trieben Wer ein heitres Leben lebet: Manches ist ihm ausgeblieben, Doch er hoffet, doch er strebet, Doch er hoͤrt nicht auf zu lieben! Denn kein Schiffer soll verzagen, Hat ihn auch die Flut betrogen: Was er will, das muß er wagen, Und er goͤnnt sein Schiff den Wogen, Und er weiß, sie werden tragen. Was am Hoͤchsten oft erhoben, Lockt am Kuͤhnsten die Verwegnen, Die sich das Versagte loben, Und sie muͤssen ihm begegnen, Und sie muͤssen es erproben! Wenn ihr suchet ohne Wanken Was das Leben kann erfrischen, Bleiben jung euch die Gedanken; Weil sie ewig jung nur zwischen Hoffen und Erfuͤllen schwanken. Moͤgt ihr diesen Sinn bewahren, Die ihr stille Wuͤnsche traget, Trotz Beschwerden, trotz Gefahren: Wenn das Leben was versaget, Muͤßt ihr's fruͤh genug erfahren! Was uns Der und Jener zeiget, Laßt uns dem das Ohr verstopfen, Bis das Herz im Busen schweiget; Denn beginnt das Herz zu klopfen, Weiß es wohl, wohin sich's neiget! Drittes Buch . Wenn du ganz dich fuͤhlst zerrissen, Nichts der Welt mehr nimmst und giebst, Theile noch den lezten Bissen Mit dem Einz'gen, den du liebst! Sonette. I. E ntled'ge dich von jenen Ketten allen, Die gutgemuthet du bisher getragen, Und wolle nicht, mit kindischem Verzagen, Der schnoͤden Mittelmaͤßigkeit gefallen! Und mag die Bosheit auch die Faͤuste ballen, Noch athmen Seelen, welche keck es wagen, Lebendig, wie die deinige, zu schlagen, D'rum laß die frischen Lieder nur erschallen! Geschwaͤtz'gen Krittlern goͤnne du die Kleinheit, Bald dies und das zu tadeln und zu loben, Und nie zu fassen eines Geistes Einheit. Ihr kurzer Groll wird allgemach vertoben, Du aber schuͤttelst ab des Tags Gemeinheit, Wenn dich der heil'ge Rhythmus traͤgt nach oben. II. S onette dichtete mit edlem Feuer Ein Mann, der willig trug der Liebe Kette, Er sang sie der vergoͤtterten Laurette, Im Leben ihm und nach dem Leben theuer. Und also sang auch manches Abenteuer, In schmelzend musikalischem Sonette, Ein Held, der einst durch wildes Wogenbette Mit seinem Liede schwamm, als seinem Steuer. Der Deutsche hat sich beygesellt, ein Dritter, Dem Florentiner und dem Portugiesen, Und sang geharnischte fuͤr kuͤhne Ritter. Auf diese folg' ich, die sich groß erwiesen, Nur wie ein Aehrenleser folgt dem Schnitter, Denn nicht als Vierter wag' ich mich zu diesen. III. Das Sonett an Goethe . D ich selbst, Gewalt'ger, den ich noch vor Jahren Mein tiefes Wesen witzig sah verneinen, Dich selbst nun zaͤhl' ich heute zu den Meinen, Zu Denen, welche meine Gunst erfahren. Denn wer durchdrungen ist vom innig Wahren, Dem muß die Form sich unbewußt vereinen, Und was dem Stuͤmper mag gefaͤhrlich scheinen, Das muß den Meister goͤttlich offenbaren. Wem Kraft und Fuͤlle tief im Busen keimen, Das Wort beherrscht er mit gerechtem Stolze, Bewegt sich leicht, wenn auch in schweren Reimen. Er schneidet sich des Liedes fluͤcht'ge Bolze Gewandt und sicher, ohne je zu leimen, Und was er fertigt, ist aus ganzem Holze. IV. Shakespear in seinen Sonetten. D u ziehst bey jedem Loos die beste Nummer, Denn wer, wie du, vermag so tief zu dringen In's tiefste Herz? Wenn du beginnst zu singen, Verstummen wir als klaͤgliche Verstummer. Nicht Maͤdchenlaunen stoͤrten deinen Schlummer, Doch stets um Freundschaft sehn wir warm dich ringen: Dein Freund errettet dich aus Weiberschlingen, Und seine Schoͤnheit ist dein Ruhm und Kummer. Bis auf die Sorgen, die fuͤr ihn dich nagen, Erhebst du Alles zur Apotheose, Bis auf den Schmerz, den er dich laͤßt ertragen! Wie sehr dich kraͤnken mag der Seelenlose, Du laͤssest nie von ihm, und siehst mit Klagen Den Wurm des Lasters in der schoͤnsten Rose. V . Sophokles. D ir ist's, o frommer Sophokles, gelungen, Den Punkt zu schau'n, wo Mensch und Gott sich scheidet, Und was in ird'sche Worte du gekleidet, Das ward, vom Himmel aus, dir vorgesungen! Du bist in's Innre dieser Welt gedrungen Und kennst zugleich, was auf der Flaͤche weidet: Was nur ein Menschenbusen hofft und leidet, Du sprachst es aus mit deinen tausend Zungen! Nie bist du kuͤhl zur Nuͤchternheit versunken, Du spruͤhtest in erhabener Verschwendung Der goldnen Flamme lichte, dichte Funken! An dich erging die heil'ge, große Sendung, Du hast den Rausch der Poesie getrunken, Und schimmerst nun in strahlender Vollendung! VI. An Schelling. In ein Exemplar der Gaselen. G ebeut nicht auch im Koͤnigreich des Schoͤnen, Wer immer Koͤnig ist im Reich des Wahren? Du siehst sie beyde sich im Hoͤchsten paaren, Gleich in einander wie verlornen Toͤnen. Du wirst die kleine Gabe nicht verhoͤhnen, Wirst diese morgenlaͤndisch bunten Schaaren In ihrer Bilderfuͤlle gern gewahren, Und gerne dich an ihren Klang gewoͤhnen. Zwar auf den Bluͤthen eines fernen Landes Schweb' ich nur fluͤchtig, gleich dem Schmetterlinge, Vielleicht genießend eines eitlen Tandes. Du aber tauchst die heil'ge Bienenschwinge Herab vom Saum des Weltenblumenrandes In das geheimnißvolle Wie der Dinge. VII. An F. v. B. Bey demselben Anlasse. D ie schoͤne Schickung, welcher Lob gebuͤhret Fuͤr dieses Lebens Herrlichstes und Meistes, Sie hat hieher in unser unbereistes, Bescheidnes Staͤdtchen dich, o Freund, gefuͤhret. Die schoͤne Sehnsucht, welche du verspuͤret, Ein Hoͤchstes fruͤhe zu verstehn und Freystes, Hat auf die Spuren jenes großen Geistes Dich hergefuͤhrt, der alle Welt beruͤhret. Du hassest Alle, die nur Formeln schwaͤtzen, Du strebst das Innre jedes Dings zu sichten, Und uͤbst den Geist in schroffen Gegensaͤtzen. Dies hatt' ich scheidend noch an dich zu richten, Du packe nun zu deinen andern Schaͤtzen Auch diesen Schatz von naͤrrischen Gedichten! VIII. N ach langer Arbeit gluͤcklichem Vollbringen Mit suͤßem Nichts die Tage zu vertraͤumen, Bey jedem fluͤchtigen Genuß zu saͤumen, Am Großen sich ergoͤtzend und Geringen: Aus edlen Dichtern einen Vers zu singen, Gestreckt in's Gras, wo laute Quellen schaͤumen, An Rosenhecken, unter Lindenbaͤumen Das Leben unbesorgt dahin zu bringen. Im Mai die Stirn mit jungem Laub zu kroͤnen, Die lauen Naͤchte, bis es wieder taget, Durch Weingenuß und Liebe zu verschoͤnen: Dies ist, und wenn mich auch darob verklaget Ein Sittenrichter, der es will verpoͤnen, Das Einzige, was meinem Sinn behaget. IX. W enn du vergessen kannst und kannst entsagen, So bist du mir der Gluͤckliche hienieden; Dir ist ein leichter Lebenskampf beschieden, Wenn du verlierst, beginnst du neu zu wagen. Und wenn du hast Treulosigkeit ertragen, Als, die du liebtest, dich gehaßt, vermieden, Und doch im Herzen nie verlorst den Frieden, Dann ist die Zeit dir voll von schoͤnen Tagen! Wenn jede Trennung du mit Muth verschmerzest, Und wenn, da kaum ein Liebchen dich verlassen, Du schon ein andres voll Verlangen herzest: Dann weißt du, traun! dich in der Welt zu fassen; Das Leben stuͤrmt und wuͤthet, doch du scherzest, Mit sanftem Hauch bewegend schwere Massen. v. Platen's Gedichte. 12 X. W as will ich mehr, als fluͤchtig dich erblicken? Was waͤr' ich, truͤg' ich heißeres Verlangen? In welche Netze wuͤrd' ich, wenn ich hangen An deinem Auge bliebe, mich verstricken! Was will ich mehr noch, als ein eilig Nicken? Es wuͤrden deine Worte mich befangen: Vom Schuͤtzen wird ein Vogel rasch umgangen, Wenn mehr er will als an der Kirsche picken. Wohl moͤgen Reize, die so ganz dein eigen, Den Wunsch der Sehnsucht in den Andern wecken, Sich dir zu nah'n und dir ein Herz zu zeigen. Ich werde nur, wenn Jene sich entdecken, Vor deiner Schoͤnheit huldigend mich neigen, Nicht eine Sylbe soll dein Ohr erschrecken! XI. W er haͤtte nie von deiner Macht erfahren? Wer haͤtte je dich anzuschau'n bereuet? Wie viele Reize liegen hingestreuet Auf diesen Wangen, diesen schoͤnen Haaren! Du bist so zart, du bist so jung an Jahren, Durch jede Huldigung des Gluͤcks erfreuet; Doch wer die List in deinem Busen scheuet, Der mag vor dir sich Tag und Nacht bewahren! Noch prahlt ein Baum mit manchem frischen Aste, Die Blaͤtter bilden noch geraͤum'ge Lauben, Da schon Zerstoͤrung wuͤthet unter'm Baste. Doch soll mir frostige Betrachtung rauben Den suͤßen Schatten, unter dem ich raste? Nein, deine Schoͤnheit fordert blinden Glauben! XII. W ie schwillt das Herz von seligem Genuͤgen, Sobald ein Blick, der lange truͤb' umnachtet, Veraͤchtlich uns und blinzend nur betrachtet, Zulezt voll Milde ruht auf unsern Zuͤgen! Waͤr's Zufall, oder willst du mich betruͤgen? Hast du vielleicht mich deiner werth erachtet? Wenn, Augen, ihr mir nicktet oder lachtet, Dann wollt' ich stets mich euch als Sclave fuͤgen! O gieb Gewißheit, wo nur Zweifel waltet, Laß laͤnger nicht mich hin und wieder schwanken, Weil oft im Zweifel das Gemuͤth erkaltet! Nicht schwer zu helfen ist gewissen Kranken: Ein einz'ger Wink, ein Haͤndedruck entfaltet Uns Millionen liebende Gedanken. XIII. W as kann die Welt fuͤr unser Gluͤck empfinden, Die kalte Welt mit ihrem falschen Treiben? Kann sie es fesseln oder es vertreiben? Kann sie uns trennen oder uns verbinden? Wir sehn die Dinge rings um uns verschwinden, Als Dinge, die die Liebe nur umschreiben; Verborgen muß die wahre Liebe bleiben, Kein Dritter darf zu dir und mir sich finden. Sie, die uns wandeln sehn im bunten Schwarme, Nicht ahnen sollen sie, daß in der Stille Wir uns verzehren im verliebten Harme. Vergessen will ich jede fremde Grille, Wenn dich umschlingen meine frohen Arme, Und dir allein beugt sich mein Eigenwille. XIV . D es Gluͤckes Gunst wird nur durch dich vergeben, Schoͤn ist die Rose nur, von dir gebrochen, Und ein Gedicht nur schoͤn, von dir gesprochen: Todt ist die Welt, du bist allein am Leben. In diesen Lauben, die sich hold verweben, Wird ohne dich mir jeder Tag zu Wochen, Und dieser Wein, den warme Sonnen kochen, Kann nur aus deiner Hand ein Herz beleben. Von dir geschieden, trenn' ich mich vom Gluͤcke, Das Schoͤnste dient mir nur, mich zu zerstreuen, Das Groͤßte fuͤllt mir kaum des Innern Luͤcke. Doch druͤckst du mich an deine Brust, den Treuen, Dann kehrt die Welt in meine Brust zuruͤcke, Und am Geringsten kann ich mich erfreuen. XV. W er in der Brust ein wachsendes Verlangen Nach schoͤnen Augen fuͤhlt und schoͤnen Haaren, Den mahn' ich ab, der nur zu viel erfahren Von Schmerz und Qual durch eitles Unterfangen. Dem jaͤhen Abgrund nur mit Noth entgangen, Was blieb mir aus unendlichen Gefahren? Im Aug' die Spur von hingeweinten Jahren, Und in der Brust ein ungeheures Bangen. Naht nicht der jaͤhen Tiefe, junge Herzen! Des Ufers Lilien gluͤhn von falschem Feuer, Denn ach, sie locken in das Meer der Schmerzen! Nur Jenen ist das Leben schoͤn und theuer, Die frank und ungefesselt mit ihm scherzen, Und ihnen ruft ein Gott: Die Welt ist euer. XVI. D ich oft zu sehen, ist mir nicht beschieden, Und ganz versagt ist mir, zu dir zu kommen, Dir selten zu begegnen und beklommen Dich anzuschau'n, das ist mein Loos hienieden. Doch von dir traͤumen, dichten, Plane schmieden, Um dir zu nahn, das ist mir unbenommen, Das soll, so lang' es frommen will, mir frommen, Und mit so Wen'gem stell' ich mich zufrieden. Denn ach! ich habe Schlimmeres ertragen, Als dieses Schlimme jezt, und duld' ergeben, Statt heft'ger Qual, ein suͤßes Mißbehagen. Mein Wunsch, bey Andern, zeugte Widerstreben: Du hast ihn nicht erhoͤrt, doch abgeschlagen Hast du ihn auch nicht, o mein suͤßes Leben! XVII. N icht aus Begier und aus Genuß gewoben War unsre Liebe, nicht in Staub versunken: Nur deiner Schoͤnheit bebt' ich wonnetrunken, Und guͤtig warst du, gleich den Engeln oben. Du hattest mich zu dir emporgehoben, In deinem Auge schwamm ein lichter Funken, Der Farben schuf, den Pinsel d'rein zu tunken, Den reine Dichterhaͤnde Gott geloben. Nun, da ich fern von dir den Tag verbringe, Erscheinst du der Bewunderung noch reiner, Je mehr im Geist ich deinen Werth durchdringe. Ja, immer sehnsuchtsvoller denk' ich deiner, Und legt die Welt mir auch so manche Schlinge, Du sollst mich nie gefangen sehn in einer. XVIII. An Schelling . W ie sah man uns an deinem Munde hangen, Und lauschen Jeglichen auf seinem Sitze, Da deines Geistes ungeheure Blitze Wie Schlag auf Schlag in unsre Seele drangen! Wenn wir zerstuͤckelt nur die Welt empfangen, Siehst du sie ganz, wie von der Berge Spitze; Was wir zerpfluͤckt mit unserm armen Witze, Das ist als Blume vor dir aufgegangen. Noch sieht man Thoren zwar, erbost dagegen, Mit logischen Tiraden uͤberkleistern Der Geistesarmuth Eyer, die sie legen; Doch dieses Voͤlkchen, das dich waͤhnt zu meistern, Nie wird's die Welt der Wissenschaft bewegen, Und einen Dichter wird es nie begeistern. Venedig . XIX . M ein Auge ließ das hohe Meer zuruͤcke, Als aus der Flut Palladio's Tempel stiegen, An deren Staffeln sich die Wellen schmiegen, Die uns getragen ohne Falsch und Tuͤcke. Wir landen an, wir danken es dem Gluͤcke, Und die Lagune scheint zuruͤck zu fliegen, Der Dogen alte Saͤulengaͤnge liegen Vor uns gigantisch mit der Seufzerbruͤcke. Venedigs Loͤwen, sonst Venedigs Wonne, Mit ehrnen Fluͤgeln sehen wir ihn ragen Auf seiner kolossalischen Colonne. Ich steig' an's Land, nicht ohne Furcht und Zagen, Da glaͤnzt der Markusplatz im Licht der Sonne: Soll ich ihn wirklich zu betreten wagen? XX. D ies Labyrinth von Bruͤcken und von Gassen, Die tausendfach sich ineinander schlingen, Wie wird hindurchzugehn mir je gelingen? Wie werd' ich je dies große Raͤthsel fassen? Ersteigend erst des Markusthurms Terrassen, Vermag ich vorwaͤrts mit dem Blick zu dringen, Und aus den Wundern, welche mich umringen, Entsteht ein Bild, es theilen sich die Massen. Ich gruͤße dort den Ocean, den blauen, Und hier die Alpen, die im weiten Bogen Auf die Laguneninseln niederschauen. Und sieh! da kam ein muth'ges Volk gezogen, Pallaͤste sich und Tempel sich zu bauen Auf Eichenpfaͤhle mitten in die Wogen. XXI . W ie lieblich ist's, wenn sich der Tag verkuͤhlet, Hinaus zu sehn, wo Schiff und Gondel schweben, Wenn die Lagune, ruhig, spiegeleben, In sich verfließt, Venedig sanft umspuͤhlet! In's Innre wieder dann gezogen fuͤhlet Das Auge sich, wo nach den Wolken streben Pallast und Kirche, wo ein lautes Leben Auf allen Stufen des Rialto wuͤhlet. Ein frohes Voͤlkchen lieber Muͤssiggaͤnger, Es schwaͤrmt umher, es laͤßt durch nichts sich stoͤren, Und stoͤrt auch niemals einen Grillenfaͤnger. Des Abends sammelt sich's zu ganzen Choͤren, Denn auf dem Markusplatze will's den Saͤnger, Und den Erzaͤhler auf der Riva hoͤren. XXII. N un hab' ich diesen Taumel uͤberwunden, Und irre nicht mehr hier und dort in's Weite, Mein Geist gewann ein sicheres Geleite, Seitdem er endlich einen Freund gefunden. Dir nun, o Freund, gehoͤren meine Stunden, Du gabst ein Ziel mir nun, wonach ich schreite, Nach dieser eil' ich oder jener Seite, Wo ich, dich anzutreffen, kann erkunden. Du winkst mir zu von manchem Weihaltare, Dein Geist ist ein harmonisches Bestreben, Und deine sanfte Seele liebt das Wahre. O welch ein Gluͤck, sich ganz dir hinzugeben, Und, wenn es moͤglich waͤre, Jahr' um Jahre Mit deinen Engeln, Gian Bellin, zu leben! XXIII . V enedig liegt nur noch im Land der Traͤume, Und wirft nur Schatten her aus alten Tagen, Es liegt der Leu der Republik erschlagen, Und oͤde feiern seines Kerkers Raͤume. Die ehrnen Hengste, die durch salz'ge Schaͤume Dahergeschleppt, auf jener Kirche ragen, Nicht mehr dieselben sind sie, ach! sie tragen Des korsikan'schen Ueberwinders Zaͤume. Wo ist das Volk von Koͤnigen geblieben, Das diese Marmorhaͤuser durfte bauen, Die nun verfallen und gemach zerstieben? Nur selten finden auf des Enkels Brauen Der Ahnen große Zuͤge sich geschrieben, An Dogengraͤbern in den Stein gehauen. XXIV. E rst hab' ich weniger auf dich geachtet, O Tizian, du Mann voll Kraft und Leben! Jezt siehst du mich vor deiner Groͤße beben, Seit ich Mariaͤ Himmelfahrt betrachtet! Von Wolken war mein truͤber Sinn umnachtet, Wie deiner Heil'gen sie zu Fuͤßen schweben: Nun seh' ich selbst dich gegen Himmel streben, Wonach so bruͤnstiglich Maria trachtet! Dir fast zur Seite zeigt sich Pordenone: Ihr wolltet lebend nicht einander weichen, Im Tode hat nun jeder seine Krone! Verbruͤdert moͤgt ihr noch die Haͤnde reichen Dem treuen, vaterlaͤndischen Giorgione, Und jenem Paul, dem wen'ge Maler gleichen! XXV. E s scheint ein langes, ew'ges Ach zu wohnen In diesen Luͤften, die sich leise regen, Aus jenen Hallen weht es mir entgegen, Wo Scherz und Jubel sonst gepflegt zu thronen. Venedig fiel, wiewohl's getrozt Aeonen, Das Rad des Gluͤcks kann nichts zuruͤckbewegen: Oed' ist der Hafen, wen'ge Schiffe legen Sich an die schoͤne Riva der Sclavonen. Wie hast du sonst, Venetia, geprahlet Als stolzes Weib mit goldenen Gewaͤndern, So wie dich Paolo Veronese mahlet! Nun steht ein Dichter an den Prachtgelaͤndern Der Riesentreppe staunend und bezahlet Den Thraͤnenzoll, der nichts vermag zu aͤndern! v. Platen's Gedichte. 13 XXVI. I ch fuͤhle Woch' an Woche mir verstreichen, Und kann mich nicht von dir, Venedig, trennen: Hoͤr' ich Fusina, hoͤr' ich Mestre nennen, So scheint ein Frost mir durch die Brust zu schleichen. Stets mehr empfind' ich dich als ohne Gleichen, Seit mir's gelingt, dich mehr und mehr zu kennen: Im Tiefsten fuͤhl' ich meine Seele brennen, Die Großes sieht und Großes will erreichen. Welch eine Fuͤlle wohnt von Kraft und Milde Sogar im Marmor hier, im sproͤden, kalten, Und in so manchem tiefgefuͤhlten Bilde! Doch um noch mehr zu fesseln mich, zu halten, So mischt sich unter jene Kunstgebilde Die schoͤnste Bluͤthe lebender Gestalten. XXVII. H ier wuchs die Kunst wie eine Tulipane, Mit ihrer Farbenpracht dem Meer entstiegen, Hier scheint auf bunten Wolken sie zu fliegen, Gleich einer zauberischen Fee Morgane. Wie seyd ihr groß, ihr hohen Tiziane, Wie zart Bellin, dal Piombo wie gediegen, Und o wie lernt sich ird'scher Schmerz besiegen Vor Paolo's heiligem Sebastiane! Doch was auch Farb' und Pinsel hier vollbrachte, Der Meissel ist nicht ungebraucht geblieben, Und manchen Stein durchdringt das Schoͤngedachte: Ja, wen es je nach San Giulian getrieben, Damit er dort des Heilands Schlaf betrachte, Der muß den goͤttlichen Campagna lieben! XXVIII . I hr Maler fuͤhrt mich in das ew'ge Leben, Denn euch zu missen koͤnnt' ich nicht ertragen, Noch dem Genuß auf ew'ge Zeit entsagen, Nach eurer Herrlichkeit emporzustreben! Um Gottes eigne Glorie zu schweben Vermag die Kunst allein und darf es wagen, Und wessen Herz Vollendetem geschlagen, Dem hat der Himmel weiter nichts zu geben! Wer wollte nicht den Glauben aller Zeiten, Durch alle Laͤnder, alle Kirchensprengel Des Schoͤnen Evangelium verbreiten: Wenn Palma's Heil'ge mit dem Palmenstengel, Und Paolo's Alexander ihn begleiten, Und Tizians Tobias mit dem Engel? XXIX. Z ur Wuͤste fliehend vor dem Menschenschwarme, Steht hier Johannes, um zu reinern Sphaͤren Durch Einsamkeit die Seele zu verklaͤren, Die hohe, großgestimmte, gotteswarme. Voll von Begeisterung, von heil'gem Harme Erglaͤnzt sein ew'ger, ernster Blick von Zaͤhren, Nach Jenem, den Maria soll gebaͤren, Scheint er zu deuten mit erhobnem Arme. Wer kann sich weg von diesem Bilde kehren, Und moͤchte nicht, mit bruͤnstigen Geberden, Den Gott im Busen Tizians verehren? O goldne Zeit, die nicht mehr ist im Werden, Als noch die Kunst vermocht die Welt zu lehren, Und nur das Schoͤne heilig war auf Erden! XXX. H ier seht ihr freylich keine gruͤnen Auen, Und koͤnnt euch nicht im Duft der Rose baden; Doch was ihr saht an blumigern Gestaden Vergeßt ihr hier und wuͤnscht es kaum zu schauen. Die stern'ge Nacht beginnt gemach zu thauen, Um auf den Markus Alles einzuladen: Da sitzen unter herrlichen Arkaden, In langen Reih'n, Venedigs schoͤnste Frauen. Doch auf des Platzes Mitte treibt geschwinde, Wie Canaletto das versucht zu malen, Sich Schaar an Schaar, Musik verhallt gelinde. Indessen wehn, auf ehrnen Piedestalen, Die Flaggen dreyer Monarchien im Winde, Die von Venedigs altem Ruhme stralen. XXXI. W eil da, wo Schoͤnheit waltet, Liebe waltet, So duͤrfte Keiner sich verwundert zeigen, Wenn ich nicht ganz vermoͤchte zu verschweigen, Wie deine Liebe mir die Seele spaltet. Ich weiß, daß nie mir dies Gefuͤhl veraltet, Denn mit Venedig wird sich's eng verzweigen: Stets wird ein Seufzer meiner Brust entsteigen Nach einem Lenz, der sich nur halb entfaltet. Wie soll der Fremdling eine Gunst dir danken, Selbst wenn dein Herz ihn zu begluͤcken daͤchte, Begegnend ihm in zaͤrtlichen Gedanken? Kein Mittel giebt's, das mich dir naͤher braͤchte, Und einsam siehst du meine Tritte wanken Den Markus auf und nieder alle Naͤchte. XXXII. W enn tiefe Schwermuth meine Seele wieget, Mag's um die Buden am Rialto flittern: Um nicht den Geist im Tande zu zersplittern, Such' ich die Stille, die den Tag besieget. Dann blick' ich oft, an Bruͤcken angeschmieget, In oͤde Wellen, die nur leise zittern, Wo uͤber Mauern, welche halb verwittern, Ein wilder Lorbeerbusch die Zweige bieget. Und wann ich, stehend auf versteinten Pfaͤhlen, Den Blick hinaus in's dunkle Meer verliere, Dem fuͤrder keine Dogen sich vermaͤhlen: Dann stoͤrt mich kaum im schweigenden Reviere, Herschallend aus entlegenen Kanaͤlen, Von Zeit zu Zeit ein Ruf der Gondoliere. XXXIII. An Winkelmann. W enn ich der Froͤmmler Gaukeley'n entkommen, So sey der Dank dafuͤr an dich gewendet: Wohl fand dein Geist, was nie beginnt noch endet, Doch fand er's nicht im Predigtbuch der Frommen. Dir ist das Licht des Goͤttlichen entglommen Im Werk der Heiden, die es reich gespendet; Denn himmlisch ist, was immer ist vollendet, Und Christus selbst gebietet: Seyd vollkommen! Zwar moͤchten gern gewisse schwarze Roͤcke Den Geist verwickeln, der sich will befreyen, Wo nicht, uns stellen in die Zahl der Boͤcke. Doch laßt nur ab, die Heiden zu beschreyen! Wer Seelen hauchen kann in Marmorbloͤcke, Der ist erhaben uͤber Litaneyen. XXXIV. An Jean Paul. S o oft ich sonst mich trug mit deinem Bilde, Bereut' ich, daß ich meine Pflicht verschoben, Und nie zu dir ein Wort des Danks erhoben Fuͤr deine seelenvolle Lieb' und Milde. Nun hat der Tod mit seinem Gorgoschilde Den Blick erstarrt, der gern geschaut nach oben, Und was ich Freundliches fuͤr dich gewoben, Send' ich dir nach in fremdere Gefilde. Es hat den Juͤngling deine Gunst belebet, Dir galt fuͤr kuͤnft'ge Gluth der erste Zunder, Auf dem noch kaum ein Funke schwach gebebet. Nun weilt dein ewig wonniger, gesunder, Verjuͤngter Geist, wohin er stets geschwebet, Im uͤberschwaͤnglichen Gebiet der Wunder. XXXV. An Ruͤckert. K aum noch verschlang ich deines Buchs ein Drittel, Das von der Kunst Hariri's zeugt und deiner, Und schon erschein' ich der Entzuͤckten einer, Der's ohne Hehl bestaunt und ohne Krittel. Wenn das Genie so ganz auf eigne Mittel Die Welt durchbetteln muß, bewaͤhrt sich's reiner Als je, vergoͤttlichter und ungemeiner, Wenn auch verkappt in einen Gaunerkittel. Mit einem Andern aber soll ich losen, So willst du, statt zu schicken uns ein Paͤrchen, Um deines Ebu Seids Metamorphosen? Daruͤber wachse mir kein graues Haͤrchen: Nie trenn' ich mich von deinem Virtuosen, D'rum sende lieber noch ein Exemplaͤrchen! XXXVI . W er moͤchte sich um einen Kranz bemuͤhen, Den unsre Zeit, die feile Modedirne, Geschaͤftig flicht fuͤr jede flache Stirne, Aus Blumen flicht, die zwo Sekunden bluͤhen? Wer wollte noch fuͤr das Vollkommne gluͤhen, Wo man willkommen ist mit leerem Hirne? Wer wollte fliegen gegen die Gestirne, Wo Funken blos aus faulem Holze spruͤhen? Gereimten Aberwitzes Propaganden, Fahrt ruhig fort, euch wechselseits zu preisen, Und stellt euch nur, als waͤr' ich nicht vorhanden! Ein Zeitungsblatt ist leider nicht von Eisen, Und wenn posaunt ihr seyd in allen Landen, Eins fehlt euch doch — es ist das Lob der Weisen. XXXVII. A nstimmen darf ich ungewohnte Toͤne, Da nie dem Halben ich mein Herz ergeben: Der Kunst gelobt' ich ganz ein ganzes Leben, Und wenn ich sterbe, sterb' ich fuͤr das Schoͤne. Doch wuͤnsch' ich, daß man Bessere bekroͤne, Mich aber ziehen lasse, wo ich neben Dem Hoͤchsten lernen kann, nach Hohem streben, Ja, daß man mir mein Vaterland verpoͤne! Ich lieb' es d'rum in keinem Sinne minder, Da stets ich mich in seinem Dienst verzehre, Doch waͤr' ich gern das fernste seiner Kinder. Geschieht's, daß je den innern Schatz ich mehre, So bleibt der Fund, wenn laͤngst dahin der Finder, Ein sichres Eigenthum der deutschen Ehre. XXXVIII. W ie's auch die Tadler an mir tadeln moͤgen, Ich halte nie der Seele Muth in Schranken: Was waͤren wir, mit denen Alle zanken, Wenn wir uns selbst das bischen Ruhm entzoͤgen? Soll bergen ich mein innerstes Vermoͤgen, Was ich empfinde zu bekennen schwanken? Ich schaͤmte mich der eigenen Gedanken, Wenn sie, wie Schwalben, an der Erde floͤgen. Hienieden lohnt's der Muͤhe nicht, zu zagen, Und wahr und frey zu sprechen kleidet Jeden, Da bald wir Alle ruhn in Sarkophagen. Es werden Spaͤt're meinen Geist in Eden Beschwoͤren und entschuldigen und sagen: Er dachte groß, wie konnt' er kleinlich reden? XXXIX . N ie hat ein spaͤt'res Bild dein Bild vernichtet, Das fuͤhlt' ich stets vielleicht und fuͤhl' es heute, Da sich's nach langen Jahren mir erneute, Nachdem ich manchen Wahn der Welt gesichtet. O Zeit, in der ich noch fuͤr dich gedichtet Was, außer mir, sich keiner Leser freute! Noch war mein Name nicht der Welt zur Beute, Die selten fuͤhlt und oft so lieblos richtet! Noch unbekannt mit meinen eig'nen Trieben, Zu ernst, zu schuͤchtern, allzusehr verschlossen, Bin ich dir fremd durch eigne Schuld geblieben. Da wieder nun ich deines Blicks genossen, Empfind' ich wieder jenen Drang, zu lieben; Doch meine schoͤnste Jugend ist verflossen. XL. An C. T. G. D aß ich ein Recht auf dich zu zuͤrnen habe Fuͤr so verletzende Beleidigungen, Das fuͤhl' ich tief, doch thu' ich's blos gezwungen, Wenn ich mein Herz an diesem Recht erlabe. Denn ich verwuͤnsch' es als die schlimmste Gabe, Vom Schicksal unserer noch allzujungen, Noch zarten Liebe feindlich aufgedrungen, Da es die kaum geborne traͤgt zu Grabe. Beginnst du so, was soll ich kuͤnftig hoffen, Wenn schon am Morgen unsres neuen Bundes Mich solch ein Schlag aus blauer Luft getroffen? Doch ach, mein Recht begiebt sich jedes Grundes, Es sieht geformt dich aus zu schoͤnen Stoffen, Und lebt ja nur vom Hauche deines Mundes! XLI. W ann werd' ich dieses Bangen uͤberwinden, Das mich befaͤllt in deiner lieben Naͤhe? Wohin ich geh' und mit den Blicken spaͤhe, Da hoff' ich dich und fuͤrchte dich zu finden. Wie kann ich Furcht vor dir, o Freund, empfinden, Den ich so gern an meinem Busen saͤhe? Erklaͤre du mir, was so schnell und jaͤhe Das Blut mir hemmt, den Geist vermag zu binden? Ist es die Sorge, daß dein Herz mir schweiget, Daß ich an Klippen deines Stolzes strande, Der als der Liebe groͤßter Feind sich zeiget? Ist es die Goͤttlichkeit so suͤßer Bande, Da stets die Liebe, wie vor Gott, sich neiget Mit heil'ger Furcht vor ihrem Gegenstande? v. Platen's Gedichte. 14 XLII. A uch du betruͤgst mich, da von allen Seiten Ich mich betrogen weiß und hintergangen, Du fuͤllst mein Herz mit brennendem Verlangen, Und meinen Gaumen an mit Bitterkeiten. Was nur dem Feinde mag der Feind bereiten, Hab' ich von dir als Freundeslohn empfangen, Ich aber lasse deinen Namen prangen, Und uͤberlief're dich dem Lob der Zeiten. Bey diesem Thau, der mir im Auge flimmert, Noch geb' ich deine Liebe nicht verloren, Wie sehr dein Herz sich gegen mich verschlimmert! Dich hat zum Spiegel sich der Lenz erkoren, Die Jugend lacht auf deiner Stirn und schimmert Wie ein Gemisch von Sonnen und Auroren! XLIII. W enn auch getrennt die Koͤrper sind, zu dringen Vermag zum Geist der Geist, indem er denket; Wenn meine Seele sich in dich versenket, So mein' ich, muͤßt' es dir im Ohre klingen. Besaͤße nicht der Gott der Liebe Schwingen, Er haͤtte nie zum Himmel sie gelenket, Und wenn dein Herz er mir im Traume schenket, Von wem als dir vermag er mir's zu bringen? Wenn du mich liebst, so will ich gern ertragen, Dir fern zu seyn, weil ich zu gut verstehe, Was unsre Seelen ohne Laut sich klagen. Allein so lang' ich noch in Zweifel stehe, Und gerne moͤchte deine Blicke fragen, Acht' ich Entfernung als das groͤßte Wehe. XLIV. D u liebst und schweigst — O haͤtt' ich auch geschwiegen, Und meine Blicke nur an dich verschwendet! O haͤtt' ich nie ein Wort dir zugewendet, So muͤßt' ich keinen Kraͤnkungen erliegen! Doch diese Liebe moͤcht' ich nie besiegen, Und weh dem Tag, an dem sie frostig endet! Sie ward aus jenen Raͤumen uns gesendet, Wo selig Engel sich an Engel schmiegen. D'rum laß des Wahns mich, daß du liebst, mich freuen, Damit die Seele nicht mir ganz veroͤde, Und meinen Glauben moͤge nichts zerstreuen! O Gluͤck, verweig're nicht mir allzuschnoͤde Den Tag, an welchem seinem Vielgetreuen Die ganze Seele zeigt der schoͤne Sproͤde! XLV. W enn einen Freund du suchst fuͤr's ganze Leben, Der dich durch Freude soll und Schmerz geleiten, So waͤhle mich, du findest keinen zweyten, Und keinen faͤhigern, sich hinzugeben. Zwar kann er nicht, wie du, ein Wonnebeben Durch seine Schoͤnheit um sich her verbreiten; Doch Alle horchen gern den Lieblichkeiten, Die ihm begeistert auf der Lippe schweben. Ich fuͤrchte nur, es moͤchte dich erbittern, Wenn ich mir selbst so hohes Lob verstatte, Blos um vor dir in falschem Glanz zu flittern; Sonst wuͤrd' ich sagen, daß auf diese glatte, Noch junge Stirn, mit ungewissem Zittern, Der Schatten faͤllt von einem Lorbeerblatte. XLVI . O suͤßer Lenz, befluͤgle deine Schritte, Komm fruͤher diesmal, als du pflegst zu kommen! Du bist ein Arzt, wenn unsre Brust beklommen, Ein milder Arzt von immer sanfter Sitte! O koͤnnt' ich schon in deiner Blumen Mitte, Wenn kaum der Tag am Horizont entglommen, Bis er in’s Abendroth zulezt verschwommen, Von Traͤumen leben, ohne Wunsch und Bitte! Wenn deine helle Sonne flammt im Blauen, Wuͤrd’ ich, in's Gras gestreckt, nach oben blicken, Und wuͤrde glauben meinen Freund zu schauen! Geblendet wuͤrde dann mein Auge nicken, Ich wuͤrde schlummern bis die Sterne thauen, Und mich im Schlaf an seinem Bild erquicken! XLVIl. U m meinen Schmerz im Stillen zu verwinden, Such' ich nach guͤnst'gem Ort und guͤnst'ger Stunde; Doch schwebt dein Bild nur stets im Hintergrunde, Indeß die naͤhern Dinge schnell verschwinden. Geselligkeit vermag mich nicht zu binden, Und Einsamkeit ertragen blos Gesunde: Denk' ich, so schaͤrft des Denkens Pfeil die Wunde, Und schweif' ich muͤssig, klag' ich es den Winden. Und soll ich je von dieser Pein genesen, So werde mir, so zeige dich gewogen, Denn du nur fehlst dem Herzen, theures Wesen! Ich liebte manchen Freund und ward betrogen; Doch mag die Welt in diesen Blaͤttern lesen, Daß ich dich allen Andern vorgezogen. XLVIll. S choͤn wie der Tag und lieblich wie der Morgen, Mit edler Stirn, mit Augen voll von Treue, An Jahren jung und reizend wie das Neue, So fand ich dich, so fand ich meine Sorgen. O waͤr' ich schon an deiner Brust geborgen, Wo ich mich sammle, wenn ich mich zerstreue! O waͤre schon bezwungen diese Scheue, Die unsern Bund vertagt von heut auf morgen! Was fliehst du mich? Vermagst du mich zu hassen? Was quaͤlst du so durch deiner Huld Verschweigung Den Liebevollen, der sich fuͤhlt verlassen? Beym ersten Zeichen deiner kuͤnft'gen Neigung Wird eine bange Wonne mich erfassen, Wie einen Fuͤrsten bey der Thronbesteigung. XLIX. E s sey gesegnet wer die Welt verachtet, Denn falscher ist sie, als es Worte malen: Sie sammelt grausam unsern Schmerz in Schalen, Und reicht zum Trunk sie, wenn wir halb verschmachtet. Mir, den als Werkzeug immer sie betrachtet, Mir preßt Gesang sie aus mit tausend Qualen, Laͤßt ihn vielleicht durch ferne Zeiten stralen, Ich aber werd' als Opferthier geschlachtet. O ihr, die ihr beneidetet mein Leben, Und meinen gluͤcklichen Beruf erhobet, Wie koͤnnt in Irrthum ihr so lange schweben? Haͤtt' ich nicht jedes Gift der Welt erprobet, Nie haͤtt' ich ganz dem Himmel mich ergeben, Und nie vollendet was ihr liebt und lobet. L. Q ualvolle Stunden hast du mir bereitet, Die aber nie an dir der Himmel raͤche, Sonst muͤßten fließen deine Thraͤnenbaͤche, Wenn von der Lippe dir mein Name gleitet. Doch bis Gewißheit jeden Wahn bestreitet, Will gern ich dich, und thaͤt' ich es aus Schwaͤche, Vertheid'gen, Freund! von auf der Oberflaͤche Geschoͤpften Zufallsgruͤnden nie verleitet. Zwar wuͤrd' ich kaum dir zum Vertheid'ger taugen, Doch stets bedienst du dich als deiner beyden Fuͤrsprecher listig meiner beyden Augen: So lang sie sich an deinem Blicke weiden, So muͤssen Liebe sie aus ihm sich saugen, Du aber lies in ihrem Blick mein Leiden! LI . B ewunderung, die Muse des Gesanges, Gebeut mir stets, daß ich das Hoͤchste preise: D'rum ruͤhmt' ich Kuͤnstler, Fuͤrsten, Frau'n und Weise, Dem Zuge folgend eines großen Hanges. Dich nenn' ich nun die Seele dieses Dranges, Den sonn'gen Gipfel meiner Lebensreise, Den Mittelpunkt, um den ich lobend kreise, Bestrickt vom Schwindel des Planetenganges. Doch wenn vor Liebe deine Worte beben, O so verleihst du, Freund! mir mehr in diesen, Als meiner Kunst beschieden ist zu geben. Zwar hat auch dir die Welt sich hold erwiesen; Denn schoͤner stirbt ein Solcher, den im Leben Ein unvergaͤnglicher Gesang gepriesen. LII . W enn ich so viele Kaͤlte dir verzeihe, Geschieht's, indem ich bey mir selber sage: Er weiß ja nicht, wie sehr ich meiner Tage Zufriedenheit an seinen Namen reihe! Er weiß ja nicht, wie sehr ich ihm verleihe, Was Liebevolles ich im Herzen trage, Was gerne theilt des Lebens Lust und Plage, Ja, was dem Leben giebt die hoͤchste Weihe! Du weißt es nicht, und soll ich dir's beschwoͤren? O nein! Ich wage kaum, mit dir zu sprechen, Um nicht den Traum, der mich begluͤckt, zu stoͤren. Wie sehr mich Schoͤnheit auch und Reiz bestechen, So fuͤrcht' ich doch, sie koͤnnten mich bethoͤren, Es koͤnnte doch an Liebe dir gebrechen! LIII. E ntschuldigungen wirst du kaum beduͤrfen, Wenn du mich liebst; es kann dich nicht erniedern: Verlieren wuͤrden in der Gunst der Biedern, Die meine Gunst mir vor die Fuͤße wuͤrfen. Ich wuͤrde viele Freunde zaͤhlen duͤrfen, Wenn ich die Freundschaft Aller koͤnnt' erwiedern, Auch der Entfernten, welche blos aus Liedern Die ganze Flamme meiner Seele schluͤrfen. Ein warmes Herz, und wenn auch du mit herben, Gehaͤssigen Geschossen nach ihm zielest, Muß doch sich manchen warmen Freund erwerben! Du aber, der du jezt den Harten spielest, Laß einst mich nur an deinem Busen sterben, Und schließ' ein Auge, dem du wohlgefielest! LIV. D u pruͤfst mich allzuhart. Von deiner Senne Kommt Pfeil auf Pfeil in meine Brust geflogen: Du hast mir mehr als Einen vorgezogen, Den ich als Koͤrper ohne Seele kenne. Doch waͤhrend ich in deiner Flamme brenne, Bekaͤmpf ich stets in mir die stuͤrm'schen Wogen, Damit ich zuͤrnend nicht und oft betrogen Mit einem bittern Namen dich benenne! O nein, Geliebter! Keine Klage schaͤnde, Von schwarzem Unmuth weibisch hingerissen, Den liebenswuͤrdigsten der Gegenstaͤnde! Wenn meiner Freundschaft nie du dich beflissen, War mein die Schuld: man beut ja nicht die Haͤnde Zum Bunde blos, man muß zu fesseln wissen. LV . M an schilt mich stolz, doch hat mich's nie verdrossen, Daß ich so wenig dir gefallen habe; Denn deine blonde Jugend, suͤßer Knabe, Verschmaͤht den melancholischen Genossen. So will in Scherz ich mich ergehn, in Possen, Anstatt ich jezt mich blos an Thraͤnen labe, Und um der Froͤhlichkeit mir fremde Gabe Hab' ich den Himmel anzuflehn beschlossen. Zwar dank' ich viel dem wohlgelaunten Gluͤcke, Von dem ich mehr, als ich verdient, empfangen, Doch nichts, wodurch ich meinen Freund entzuͤcke: Wer aber gaͤbe mir die vollen Wangen Der ersten Jugend und den Glanz zuruͤcke, Woran allein der Menschen Blicke hangen? LVI. W enn unsre Neider auch sich schlau vereinen, Um uns zu hindern und getrennt zu halten, Noch zaͤhl' ich nicht dich zum Geschlecht der Kalten, Noch geht ein Weg von deinem Blick in meinen. Doch allzuselten seh' ich dich erscheinen, Und wenn ich rings das Auge lasse walten, Vermiss' ich stets die liebste der Gestalten, Die liebsten Zuͤge fehlen stets, die deinen! Ermanne dich, und lege nicht die Zaͤume Der Liebe furchtsam in die Hand des Neides, Der gern uns schiede durch entlegne Raͤume! Sey ganz du selbst, dann wird die Zeit des Leides Verronnen seyn, dann werden unsre Traͤume Verkoͤrpert werden. Wir verdienen beydes. LVIl. I ch moͤchte, wenn ich sterbe, wie die lichten Gestirne schnell und unbewußt erbleichen, Erliegen moͤcht' ich einst des Todes Streichen, Wie Sagen uns vom Pindaros berichten. Ich will ja nicht im Leben oder Dichten Den großen Unerreichlichen erreichen, Ich moͤcht', o Freund, ihm nur im Tode gleichen; Doch hoͤre nun die schoͤnste der Geschichten! Er saß im Schauspiel, vom Gesang beweget, Und hatte, der Ermuͤdete, die Wangen Auf seines Lieblings schoͤnes Knie geleget: Als nun der Choͤre Melodien verklangen, Will wecken ihn, der ihn so sanft geheget, Doch zu den Goͤttern war er heimgegangen. v. Platen's Gedichte. 15 LVIII. D ie Liebe scheint der zarteste der Triebe, Das wissen selbst die Blinden und die Tauben, Ich aber weiß, was wen'ge Menschen glauben, Daß wahre Freundschaft zarter ist als Liebe. Die Liebe wird mit feurigem Betriebe Sich in sich selber zu verzehren schnauben; Doch meines Freundes kann mich nichts berauben, Bis nicht ich selbst im leichten Staub zerstiebe. Er zeigt mir Kaͤlte nur und Uebelwollen, Er spottet mein, er hat mich laͤngst vergessen, Doch dacht' ich nie daran, mit ihm zu grollen. Nie wird er meine Hand in seine pressen, Stets aber werd' ich neues Lob ihm zollen, Und was man lobt, hat man im Geist besessen. LIX . W as sollt' ich noch der Menschen Gunst erlauern, Da Trost mir Keiner doch vermag zu schenken? Ich will mich ganz in meinen Schmerz versenken, Im Stillen weinen und im Stillen trauern. Nicht wuͤrdig bin ich, laͤnger fortzudauern, Seitdem ich starb in seinem Angedenken, Und in den schon ermattenden Gelenken Fuͤhl' ich die Keime der Zerstoͤrung schauern. Ihn aber, himmlische Gewalten, lasset Ganz gluͤcklich werden, und versagt ihm keinen Von allen Wuͤnschen, die sein Herz umfasset! Nie soll mein Blick begegnen mehr dem seinen, Und ach, das Bild des Menschen, den er hasset, Es soll ihm nicht einmal im Traum erscheinen! LX. I ndeß ich hier im Gruͤnen mich erfreue, Ruf' ich zu mir die kaum beseelten Dinge: Ihr Voͤgel kommt, o kommt ihr Schmetterlinge, Befuͤrchtet nichts, und glaubt an meine Treue! Daß ich verraͤtherische Kost euch streue, O waͤhnt es nicht! Ich lege keine Schlinge, Der ich die Zeit, den Menschen fern, verbringe, Der ich, noch mehr als ihr, die Menschen scheue! O zaͤhlt mich nicht zu jenen rohen Horden, Mich, der ich Andern nie gesucht zu schaden, Und von den Menschen stets vermieden worden! Laßt d'rum uns fliehn vor allen ihren Pfaden: Euch streben sie zu haschen und zu morden, Mich haben sie mit ihrem Gram beladen. LXI. O suͤßer Tod, der alle Menschen schrecket, Von mir empfingst du lauter Huldigungen: Wie hab' ich bruͤnstig oft nach dir gerungen, Nach deinem Schlummer, welchen nichts erwecket! Ihr Schlaͤfer ihr, von Erde zugedecket, Von ew'gen Wiegenliedern eingesungen, Habt ihr den Kelch des Lebens froh geschwungen, Der mir allein vielleicht wie Galle schmecket? Auch euch, befuͤrcht' ich, hat die Welt bethoͤret, Vereitelt wurden eure besten Thaten, Und eure liebsten Hoffnungen zerstoͤret. D'rum selig Alle, die den Tod erbaten, Ihr Sehnen ward gestillt, ihr Flehn erhoͤret, Denn jedes Herz zerhackt zulezt ein Spaten. LXII. D ie lezte Hefe sollt' ich noch genießen, Im Schmerzensbecher, den du mir gereichet! O waͤr' ein Kind ich, schnell und leicht erweichet, Daß ich in Thraͤnen koͤnnte ganz zerfließen! Da mich so hart von ihrer Seite stießen Die unermeßlich ich geliebt, erbleichet Der lezte Glaube, bittre Kaͤlte schleichet In ein Gemuͤth, das Lieb' und Muth verließen. O wohl mir, daß in ferne Regionen Ich fluͤchten darf, an einem fremden Strande Darf athmen unter guͤtigeren Zonen! Wo mir zerrissen sind die lezten Bande, Wo Haß und Undank edle Liebe lohnen, Wie bin ich satt von meinem Vaterlande! LXIII . D ies Land der Muͤhe, dieses Land des herben Entsagens werd' ich ohne Seufzer missen, Wo man bedraͤngt von tausend Hindernissen Sich muͤde quaͤlt und dennoch muß verderben. Zwar mancher Vortheil laͤßt sich hier erwerben, Staatswuͤrden, Wohlstand, eine Last von Wissen, Und unsre Deutschen waren stets beflissen, Sich abzuplagen und geplagt zu sterben. Ein Solcher darf zu keiner Zeit ermatten, Er foͤrdre sich, er schmeichle jeder Mode, Und sey dabey, wo Gluͤck und Macht sich gatten. Mir, der ich blos ein wandernder Rhapsode, Genuͤgt ein Freund, ein Becher Wein im Schatten, Und ein beruͤhmter Name nach dem Tode. LXIV. W er wuͤßte je das Leben recht zu fassen, Wer hat die Haͤlfte nicht davon verloren Im Traum, im Fieber, im Gespraͤch mit Thoren, In Liebesqual, im leeren Zeitverprassen? Ja, der sogar, der ruhig und gelassen, Mit dem Bewußtseyn, was er soll, geboren, Fruͤhzeitig einen Lebensgang erkoren, Muß vor des Lebens Widerspruch erblassen. Denn Jeder hofft doch, daß das Gluͤck ihm lache, Allein das Gluͤck, wenn's wirklich kommt, ertragen, Ist keines Menschen, waͤre Gottes Sache. Auch kommt es nie, wir wuͤnschen blos und wagen: Dem Schlaͤfer faͤllt es nimmermehr vom Dache, Und auch der Laͤufer wird es nicht erjagen. LXV. H ier, wo von Schnee der Alpen Gipfel glaͤnzen, Gedenk' ich still vergangner Mißgeschicke: Zuruͤck nach Deutschland wend' ich kaum die Blicke, Ja, kaum noch vorwaͤrts nach Italiens Graͤnzen. Vergebens hasch' ich nach getraͤumten Kraͤnzen, Daß ich die Stirne, die mir brennt, erquicke, Und Seufzer wehn, die selten ich ersticke, Als koͤnnten Seufzer das Gemuͤth ergaͤnzen! Wo ist ein Herz, das keine Schmerzen spalten? Und wer an's Weltenende fluͤchten wuͤrde, Stets folgten ihm des Lebens Truggestalten. Ein Trost nur bleibt mir, daß ich jeder Buͤrde Vielleicht ein Gleichgewicht vermag zu halten Durch meiner Seele ganze Kraft und Wuͤrde. Viertes Buch . Oden . 1825 — 1827 . I. An Koͤnig Ludwig. ⏓ — ⏑ — ⏓ — ⏑ ⏑ — ⏑ — ⏓ — ⏑ — ⏓ — ⏑ ⏑ — ⏑ — ⏓ — ⏑ — ⏓ — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — — V om Sarg des Vaters richtet das Volk sich auf, Zu dir sich auf, mit Trauer und Stolz zugleich: Vertrau'n im Blick, im Munde Wahrheit, Schwoͤrt es dem Sohne der Wittelsbacher. Des Thrones glatte Schwelle, wie selbstbewußt, Wie fest betrittst du sie, wie gereift im Geist! Ja, leichter hebt dein freyes Haupt sich, Seit die metallene Last ihm zufiel. Dir schwellt erhab'ne Guͤte das Herz, mit ihr, Was mehr noch frommt als Guͤte — der tiefe Sinn: Wo dieser Schoͤpfer mangelt, seh'n wir Alles zerstuͤckelt und schnell verungluͤckt. Dein Auge spaͤhte durch die Vergangenheit, Es lag das Buch der Zeiten auf deinem Knie, Gedanken pfluͤcktest du, wie Blumen, Ueber dem Grabe der deutschen Vorwelt. Dein Volk, du kennst es. Jeglichem Zeitgeschick, Das ihm zu Theil ward, fuͤhltest und sannst du nach, Und still, in eigner Brust verheimlicht, Trugst du den lachenden Lenz der Zukunft. Du hast mit uns erlitten den Fluch des Kriegs, Gezaͤhlt die Todesnarben der Juͤnglinge, Die deiner Ahnherrn Strom, der Rhein, sah Seelen verhauchen fuͤr deutsche Freyheit. Und nicht umsonst verhauchen, du fuͤhlst es wohl! Nach jenes Caͤsars tragischem Untergang, Was koͤnnten klein're Scheindespoten Anders erregen, als frost'ges Lachen? Du aber theilst die heilige Gluth mit uns, Vor der in Staub sank jener gepruͤfte Held, Und fallen ließest du mit uns ihr Eine begeisterte, warme Thraͤne. Dem Stein des Rechts, den edelgesinnt und treu Dein Vater legte, blaͤsest du Athem ein, Du siehst im Marmor keinen Marmor, Aber ein kuͤnftiges Jovisantlitz. Allein wie sehr du Wuͤnsche des Tags verstehst, Nicht horchst du blindlings jedem Geraͤusch, du nimmst Den Zepter, jenem Joseph ungleich, Nicht in die weltliche Faust der Neu'rung. Ehrfurcht erweckt, was Vaͤter gethan, in dir, Du fuͤhlst verjaͤhrter Zeiten Bedeutsamkeit, In's Wappenschild uralter Sitte Fuͤgst du die Rosen der juͤngsten Freiheit. Heil dir und Heil der Lieblichen neben dir, Heil jedem Sproͤßling, welchen sie dir gebar! Wenn Kinder dich und Volk umjubeln, Leerst du, als Becher, des Segens Fuͤllhorn! Wie eine Rebe, schattig und traubenschwer, Die schon den Keim des werdenden Rausches naͤhrt, Umschlaͤngelt deinen angeerbten, Bluͤhenden Zepter der gold'ne Friede. Ruͤckwaͤrts erblickst du Flammen und Krieg und Mord Doch mild am Guͤrtel traͤgst du das reine Schwert; Du stehst, wie jener fromme Dietrich, Ueber den Leichen der Nibelungen. v. Platen's Gedichte. 16 So sey (du warst es immer, erlauchter Fuͤrst!) Des Friedens Schirm und jeglicher Kunst mit ihm, Die nur an seiner sanften Waͤrme Seelenerquickende Knospen oͤffnet. Des Bildners Werkstatt wimmelt von Emsigkeit, Es hascht der Maler seltengebot'nen Stoff, Die Bretter, Schauplatz jeder Groͤße, Biegen sich unter dem Gang der Dichtkunst. Und jenen Festsaal, Guͤtiger, oͤffnest du, Voll edler Formen, wie sie ein Meissel schuf, An dessen Wuͤrde, dessen Kraft wir Gerne verschwenden das Ach der Sehnsucht. Fruͤh war die Schoͤnheit deines Gemuͤths Bedarf, Und Schoͤnes ist ja Goͤttliches, leicht verhuͤllt Durch einen Flor, den uns des Denkers Wesenerforschendes Auge luͤftet. Und nicht vergeblich sogst du, mit ems'ger Lust, Das tiefste Mark altgriechischer Bildung ein: Wofuͤr, als fuͤr's Vollkomm'ne, schluͤge Solch ein erhabenes Herz, wie deines? Es geht die Sage, daß du als Juͤngling einst, Dahingegeben thaͤtiger Einsamkeit, Am busch'gen Felsenstrand der Salzach Nur mit homerischen Helden umgingst. Und zuͤrnst du noch, wenn trunken ein Dichter dir Ausgießt des Lobes Weihungen? Zwar es sind Nur Tropfen Thau's, doch deine Sonne Macht sie zu farbigen Regenboͤgen. Vergieb, o Herr! dem Dichter, der ohne dich Verlassen stuͤnde, fremd in der Zeit und stumm: Dein fuͤrstlich Daseyn loͤs't den Knoten Seiner verworrenen Lebensraͤthsel. II. Florenz . ⏓ — ⏑ — ⏓ — ⏑ ⏑ — ⏑ — ⏓ — ⏑ — ⏓ — ⏑ ⏑ — ⏑ — ⏓ — ⏑ — ⏓ — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — — D ich hat, Florenz, dein altes Etruskervolk, Mit wahrem Fug dich bluͤhende Stadt genannt, Nicht weil der Arno nagt an Huͤgeln, Deren der kahlste von Wein und Oel trieft: Nicht weil die Saat aus wucherndem Boden keimt, Nicht weil des Lustparks hohe Cypressen und Steineichen, sammt Oliv' und Lorbeer, Neben der Pinie nie verwelken: Nicht weil Gewerbfleiß oder Verkehr dir bluͤht, Den and're Staͤdte missen, indeß du stolz Freyheit genießest, Ruhm genießest Unter der milden Gesetze Weisheit: Nicht weil im Prunksaal Schaͤtze der Kunst du haͤufst, Vor denen jezt stummgaffende Britten stehn; Wie manches Denkmal ist, Florenz, dir Fremder geworden als selbst dem Fremdling! Nie wieder tritt die Sonne der Medicis, Was auch geschehn mag, uͤber den Horizont, Laͤngst schlaͤft Da Vinci, Buonarotti, Macchiavell und der alte Dante: Allein du bluͤhst durch deine Gestalten fort, Und jener Kunst Vorbilder, sie wandeln am Lungarno heut wie sonst, sie fuͤllen Deine Theater noch an, wie vormals. Kaum hat der Blick, vor zoͤgerndem Unbestand Sich scheuend, freudvoll eine Gestalt erwaͤhlt, Als hoͤchste Schoͤnheit kaum gefeiert: Wandelt die schoͤnere schon voruͤber! Und hat das florentinische Maͤdchen nicht Von fruͤhster Jugend liebend emporgestaunt Zur Venus Tizians, und tausend Reize der Reizenden weggelauschet? Und deiner Soͤhne Muͤtter, o sprich, Florenz! Ob nie die sehnsuchtsvolleren Blicke sie Gesenkt vor Benvenuto's Perseus, Oder dem himmlischen Apollino? Wohl mag der Neid euch zeihen der Ueppigkeit, Frey spricht die Lieb' euch. Liebt und genießt, und stets An seiner Goͤttin Busen kuͤhle, Kuͤhle die leuchtende Stirn Adonis! Hier taͤndle Gluͤck und Jugend, den Dichter nur, Zum strengsten Ernst anfeuert die Zeit nur ihn, Und ihm zerbricht sein fruͤh'res Leben Unter den Haͤnden, wie Knabenspielzeug. Er rafft sich auf, dem reifere Stunden grau'n, Ihm naht der Wahrheit wehender Fluͤgelschlag, Und mehr und mehr Zukunft im Herzen, Lernt er entsagen der kalten Mitwelt. Du aber bluͤhe, gluͤckliche Stadt, hinfort In solcher Schoͤnheit, solchem Gefuͤhl der Kraft, Wie auf dem Springquell hier der Meergott Jenes unsterblichen Gian Bologna! III. Die Pyramide des Cestius. — ⏑ — — — ⏑⏑ — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑⏑ — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑⏑ — ⏑ — — — ⏑⏑ — — O eder Denkstein, riesig und ernst beschaust du Truͤmmer blos, Grabhuͤgel, den Scherbenberg dort, Und die weltschuttfuͤhrende, weg von Rom sich Wendende Tiber! Stolze Prunksucht thuͤrmte dich einst, o Grabmal, Als vor zwey'n Jahrtausenden hier Augustus Sich der Welt aufdrang, der erschreckten, durch die Leiche des Caͤsar. Rom jedoch, kaum neigte dem Untergang sich's, Als das Saatkorn neuer Gewalt gesaͤt ward, Und es schuf hier jener Apostelfuͤrst zum Throne den Altar. Aber Deutschlands rauhes Geschlecht, das ehmals Deinen Kriegsruhm, herrschendes Rom, zerstoͤrte, Stuͤrmt noch einmal, stuͤrmt, o geweihtes Rom, dein Heiliges Bollwerk! Allzuschwer fast schwebte der Rachedaͤmon Ueber Roms Haupt, Rache, daß einst des frechen Priesters Goldsteigbuͤgel an Hohenstaufens Eiserne Hand klang. Aber Rom trozt, doppelt besiegt und doppelt Unbesiegbar scheint es, gewoͤhnt an Hoheit, Und des Dreyreichs blitzende Krone wankt zwar, Aber sie bebt nicht. Wehe, wer nicht spielend im Schoos der Kirche Als ihr Kind ruht! Wehe, denn jeden Tag droht Priestermund ihm, Priestergemuͤth in Rom ihm Staͤte Verdammniß! Aber huldreich goͤnnten sie doch des Irrthums Soͤhnen gern hier eine geheime Ruhstatt, Und es kuͤhlt dein Schatten, o Bau des Cestius, Nordische Graͤber! Moͤchten hier einst meine Gebeine friedlich Ausgestreut ruhn, ferne der kalten Heimath, Wo zu Reif einfriert an der Lippe jeder Gluͤhende Seufzer. Gern vermißt sey, neben dem Heidengrabstein, Was so streng Rom jedem Verirrten weigert: Jenes Jenseits, das des Apostels goldner Schluͤssel nur aufthut. Fuͤhrt mich dorthin lieber, und sey's die Hoͤlle, Wo der Vorwelt wuͤrdigen Seelen Raum ward, Wo Homer singt oder der lorbeermuͤde Sophokles ausruht. Aber schweigt jezt, Sterbegedanken! Bluͤht nicht Lebenslust rings unter dem Roͤmervolk noch, Einem Volk, dem zehrendes Feu'r die Lieb' ist, Liebe die Freundschaft? Daure Herz, ausdulde die Zeit des Schicksals, Wenn auch einsam! Stimme geheim, o stimme Deinen bergstromaͤhnlichen, echoreichen, Starken Gesang an! IV. — ⏑ —, — ⏑ ⏑ —, ⏑ — ⏑ — — ⏑ —, — ⏑ ⏑ —, ⏑ — ⏑ — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — ⏑ — ⏑ —, — ⏑ — W arm und hell daͤmmert in Rom die Winternacht: Knabe, komm! Wandle mit mir, und Arm in Arm Schmiege die braͤunliche Wang' an deines Busenfreunds blondes Haupt! Zwar du bist duͤrftigen Stands; doch dein Gespraͤch, O wie sehr zieh' ich es vor dem Stutzervolk! Weiche, melodische Zauberformeln Lispelt dein Roͤmermund. Keinen Dank fluͤstere mir, o keinen Dank! Konnt' ich sehn, ohne Gefuͤhl, an deines Augs Wimper die schmerzende Thraͤne hangen? Ach, und welch Auge dies! Haͤtt' es je Bacchus erblickt, an Ampelos Stelle dich haͤtt' er gewaͤhlt, an dich allein Seines ambrosischen Leibs verlornes Gleichgewicht sanft gelehnt! Heilig sey stets mir der Ort, wo dich zuerst, Freund, ich fand, heilig der Berg Janiculus, Heilig das friedliche, schoͤne Kloster, Und der stets gruͤne Platz! Ja, von dort nanntest du mir die große Stadt, Wiesest mir Kirch' und Pallast, die Truͤmmer Sanct Pauls, die besegelte, leichte Barke, Die der Strom trieb hinab. V. In der Neujahrsnacht. — ⏑ ⏑ —, — ⏑ ⏑ —, ⏑ ⏑ — — — ⏑ ⏑ —, ⏑ ⏑ —, — ⏑ ⏑ — — — ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — S eele der Welt, kommst du als Hauch in die Brust des Menschengeschlechts, und gebierst ewigen Wohllaut? Große Bilder entstehn, und große Worte beklemmen das Herz. Blende mich nicht, willige Kraft, wie ein Traumbild Blende mich nicht! o und ihr, ziehet umsonst nicht Meine sorgende Stirn voruͤber, Wandelnde Strahlen des Lichts! Liebend bisher leitetet ihr, und ich folgte; Hinter mir ließ ich was nicht euer Geschenk war: Jeden irdischen Glanz und jede Stille des haͤuslichen Gluͤcks. Immer nach euch klimmt' ich empor, und es rollt mir, Was ich errang, wie der Kies, unter den Fuͤßen Weg, ich blicke zuruͤck nicht, Klimme nur weiter empor. Irrt' ich? Es sey. Aber wie sehr des Verstaͤnd'gen Tadel mich traf, so gewiß (fuͤhl' es, o Tadler!) War ich strenge mir selbst, so weit es Stuͤrmische Jugend vermag. Habt ihr umsonst, Sterne, mich nun an der Vorzeit Reste gefuͤhrt, und gestaͤhlt Augen und Herz mir? Lehrt mich groͤßere Schritte, lehrt mich Einen gewaltigen Gang! Gehet hinfort leuchtender auf, und ein Flaͤmmchen Wehe von euch, an des Haars Locke sich schmiegend, Sanft herab und erwaͤrme lieblich Jeden Gedanken des Haupts! VI. Acqua Paolina. ⏓ — ⏑ — ⏓ — ⏑ ⏑ — ⏑ — ⏓ — ⏑ — ⏓ — ⏑ ⏑ — ⏑ — ⏓ — ⏑ — ⏓ — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — — K ein Quell, wieviel auch immer das schoͤne Rom Fluthspendend ausgießt, ob ein Triton es spruͤzt, Ob sanft es perlt aus Marmorbecken, Oder gigantischen, alten Schalen: Kein Quell, so weit einst herrschte der Sohn des Mars, Sey dir vergleichbar, auf dem Janiculum Mit deinen fuͤnf stromreichen Armen Zwischen granitene Saͤulen plaͤtschernd. Dort winkt mir Einsamkeit, die geliebte Braut, Von dort beschaut, vielfaͤltig ergoͤzt, der Blick Das Rom des Knechts der Knechte Gottes Neben dem Rom der Triumphatoren. Kuͤhn ragt, ein halb entblaͤtterter Mauerkranz, Das Colosseum; aber auch dir, wie steigt Der Trotz der Ewigkeit in jedem Pfeiler empor, o Pallast Farnese! Wo sonst des finsterlockigen Donnergotts Siegreicher Aar ausbreitete scharfe Klau'n, Da hob sich manch Jahrhundert uͤber Gipfel und Zinne das Kreuz und herrschte. Bis juͤngst, der Schicksalslaune gewaltig Spiel, Ein zweyter Caͤsar lenkte den Gang der Welt, Der pflanzte sein dreyfarbig Banner Neben den schoͤnen Koloß des Phidias; Ein Sohn der Freyheit; aber uneingedenk Des edlen Ursprungs, einem Geschlechte sich Aufopfernd, das ihn wankelmuͤthig Heute vergoͤtterte, morgen preisgab. O haͤtte dein weitschallendes Kaiserwort Dem Volk Europa's, was es erfleht, geschenkt, Wohl waͤrst du seines Lieds Harmodius, Seines Gesanges Aristogiton! Nun ist verpoͤnt dein Name, Musik erhoͤht Ihn nicht auf Wohllautsfittigen; nur sobald Dein Grab ein Schiff umsegelt, singen Muͤde Matrosen von dir ein Chorlied. Und Rom? Es fiel nochmaliger Nacht anheim, Doch schweigt's, und lautlos neben der herrschenden, Sechsrossig aufgezaͤumten Hoffart Schleicht der Beherrschten unsaͤglich Elend. Nicht mehr das Schwert handhaben und nicht den Pflug Quiriten jezt, kaum pflegt die entwoͤhnte Hand Den suͤßen Weinstock, wurzelschlagend Ueber dem Schutte der alten Tugend. Im Flammenblick nur, oder im edlen Bau Des schoͤnen, freyheitluͤgenden Angesichts Zeigt Rom sich noch, am Scheideweg noch, Aber es folgte dem Wink der Wollust! VII. — ⏑ ⏑ —, ⏑ ⏑ —,— ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ —, ⏑ — ⏑ ⏑ —, — ⏑ — — — — ⏑ ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — W enn du, Natur, eine Gestalt bilden willst, Vor den Augen der Welt, wie viel du vermagst, darzuthun, Ja, dann trage der Liebling Deiner unendlichen Milde Spur. Alles an ihm werde sofort Ebenmaß, Wie ein prangender Lenz, von Bluͤthen geschwellt, jedes Glied; Huldreich alle Geberden, Alle Bewegungen sanft und leicht. Aber in sein Schwaͤrmergesicht praͤgest du Den lebendigen Geist, und jene, wenn auch froͤhliche, Doch kaltbluͤtige Gleichmuth, Wiegend in Ruhe Begier und Kraft. v. PIaten's Gedichte. 17 VIII. — — — ⏑ ⏑ —, — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — — ⏑ ⏑ —, — ⏑ ⏑ — ⏑ — — —́ ⏑ ⏑ — ⏑ — ⏑ ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — „ W em dein wachsender Schmerz Busen und Geist be¬ klemmt, Als Vorbote des Tods, bitterer Menschenhaß, Dem bluͤh'n der Gesang, die Taͤnze, Die Gelage der Jugend nicht! Sein Zeitalter und er scheiden sich feindlich ab, Ihm mißfaͤllt, was erfreut Tausende, waͤhrend er Scharfsichtige, finst're Blicke In die Seele der Thoren wirft. Weh' ihm, wenn die Natur zarteren Bau vielleicht Bildungsreicheren lieh seinem Gehoͤr, um durch Kunstvolle Musik der Worte Zu verewigen jede Pein! Wenn unreifes Geschwaͤtz oder Verlaͤumdung ihn Kleinlichst foltert, und er, welchen der Poͤbel hoͤhnt, Nicht ohne geheimes Knirschen Unertraͤgliche Qual ertraͤgt: Wenn Wahrheiten er denkt, die er verschweigen muß, Wenn Wahnsinn dem Verstand schmiedet ein ehrnes Joch, Wenn Schwaͤche des Starken Geißel Wie ein heiliges Zepter kuͤßt: Ja, dann wird er gemach muͤde des bunten Spiels, Freyheitathmender weh'n Luͤfte des Heils um ihn, Weg legt er der Taͤuschung Mantel, Und der Sinne gesticktes Kleid.“ Ob zwey Seelen es giebt, welche sich ganz verstehn? Wer antwortet? Der Mensch forsche dem Raͤthsel nach, Gleichstimmige Menschen suchend, Bis er stirbt, bis er sucht und stirbt. IX. — ⏑ ⏑ — ⏑ —, — ⏑ ⏑ — ⏑ — — ⏑ ⏑ — ⏑ —, — ⏑ ⏑ — ⏑ — — ⏑ ⏑ — ⏑ —, — ⏑ ⏑ — ⏑ — — ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — L ange begehrten wir, ruhig allein zu seyn, Lange begehrten wir’s, haͤtten erreicht es heut, Aber es theilt mit uns diese Genossenschaft Wein und Jugend, ein feurig Paar. Suͤße Melancholie maͤßigt den Liebesbrand, Zuͤchtiger Rose gleich mitten im Nelkenstraus, Laͤcheln verraͤth das Maß inniger Zaͤrtlichkeit, Kuͤsse fallen, wie Honigthau. Brennende Seufzer stets? Sage, warum? Warum Brennende Blicke? Sind’s Boten vielleicht des Gluͤcks? Aber du schweigst? O komm, scheuche den dreisten Mond, Schleuß den Laden, geliebtes Herz! X. Der Thurm des Nero. — — ⏑ ⏑ —, — — ⏑ ⏑ —, — — — — ⏑ ⏑ —, — — ⏑ ⏑ —, — — — — ⏑ — — — ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — ⏑ — ⏑ — G laubwuͤrdiges Wort, wohnt anders es noch beym Volk, Dann stieg, da er hieß anzuͤnden die Stadt, dann stieg Auf jenen Thurm schaulustig Nero, Und uͤbersah die Flamme Roms. Mordbrenner umher aussendete sein Machtwort, Bacchantinen gleich, trug Jeder des Fests Pechkranz; Dort aber stand auf goldner Zinne Der Kaiser, der die Laute schlug. Hoch ruͤhm' ich das Feu'r, sang Jener, es ist goldgleich, Ist werth des Titans, der's keck dem Olymp wegstahl: Zeus Adler traͤgt's, und einst empfing es Des Bacchus ersten Athemzug! Komm, leuchtender Gott! Reblaub in dem Haar, tanz' uns Weichfuͤßige Reihn, eh' vollends die Welt Staub wird: Hier magst du dir Rom's Asche sammeln, Und mischen deinen Wein damit! XI . — — — ⏑⏑ —,— ⏑⏑ — ⏑ — — — — ⏑⏑ —, —⏑⏑ — ⏑ — — —́ ⏑ ⏑ — ⏑ — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — S tets, doch immer umsonst, unter dem fremden Volk, Sey's auch milde gesinnt, sucht' ich ein zaͤrtliches, Huldvolles Gemuͤth, wie du bist, Ein erwuͤnschtes Gespraͤch, wie deins. Schoͤnheit selbst, wie sie bluͤht tausendgestaltig hier, Wollustrausch im Gefolg aͤußerster Weichlichkeit, Lehrt blos, wie geschwind zu Rauch wird Die bewegliche Gluthbegier. Halb gleichguͤltig besah dies Paradies ich sonst, Das dein finsteres Thor scheidet, o Posilipp! Gleichguͤltig des Mondes Diskus In die Welle des Golfs getaucht. Einsam wandelt' ich durch's Menschengewuͤhl der Stadt, Kaum einsamer des Nachts nieder am oͤden Strand, Lautlos. Die Gestirne schwiegen, Und das Meer und der Berg Vesuv. Als truͤbsinnig sofort, freudeverarmt ich ging, Ja, da fuͤhrten heran heilige Segel mir Vom Grabe des Aeschylus dich An die bluͤhende Gruft Virgils. Mehr als Jedem, o Freund! kamst du ein Trost mir selbst: Langher war so verwandt meinem Gefuͤhle kein Augapfel, und keine Stimme So erfreulich und suͤß dem Ohr! Horch! Dein Mund, er beschreibt jener Cyklopenschaar Felskluft, schildert Palerms reifen Orangenwald, Malt Agrigents Gefild uns Mit der dorischen Pracht im Staub. Zweyfach haben begabt schuͤtzende Geister dich: Lehrling bist du der Kunst, welche das Auge lockt Durch farbigen Reiz, und fuͤgst auch In den rhythmischen Gang das Wort. Wann einst wieder du schwebst uͤber des Nordens Eis, Wann Parthenope's Golf blos in der Seele dir Nachtoͤnt, und Gebirg und Inseln Wie ein daͤmmernder Traum erstehn: Ja, dann wisse, daß fern deiner gedenkt ein Freund Liebreich. Deinem Gesang wuͤnscht er den kraͤftigen, Hochwolkigen Schwung des Adlers, Und den fluͤssigen Weg des Schwans! XII . Einladung nach Sorrent. — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — — L aß, o laß, Freund, stieben den Staub Neapels, Hinter dir laß jene von tausendstimm'gem Kaufgeschrey lauthallende, hochgethuͤrmte Straße Toledo! Wo so furchtlos, trotz des Gerolls der Wagen, Auf dem Korb, den voll sie gebracht zu Markte, Nun er leer steht, schlummern die wegesmuͤden Knaben des Landvolks. Komm hieher, laß reinere Luft umwehn dich! Sieh, wie farbreich, doppeltes Gruͤn vermischend, Hier vom Oelbaum rankt zu dem andern Oelbaum Schlingen der Weinstock, Dessen Frucht schon rebengesenkt herabreift: Feige lockt, einhuͤllend in breit'res Laub sich, Ja, bis tief, bergtief in der Schlucht gedeihst du, Schoͤne Citrone! Schatten winkt hier, Schatten und sanfte Labung, Die des Meers Salzwoge dem Kuͤhnen zuhaucht, Der an Felsvorspruͤngen erlauscht beschaͤumter Brandungen Ankunft. Baͤder auch, weichsandiger Wellengrund ist, Wo die Steinwand Lasten ertraͤgt von Epheu, Grotten sind hier, kuͤhler als San Giovanni's Hoͤhlenvertiefung, Wo so oft hinruderten uns die Schiffer, Wo die rothblau dunkelnde See wie Purpur Glaͤnzte. Dort, Freund, goͤnntest dem Freund du manche Lehre der Schwimmkunst. Komm, und sieh, hochoben vom Dach, den Spiegel Dieses Golfs, weiteben und segelreich an! Sieh von fern herwehen den Rauch Neapels, Sieh des Vesuvs Rauch! Inseln auch, komm! schmuͤcken das Meer: Es streckt sich Ischia thurmgleich, Procida langgedehnt aus, Cap Misen ragt mitten im Abendlicht als Nackende Felsbrust, Die im Kahn sonst schaukelgewiegt umschifft wir, Als begruͤßt wir jenes zerstoͤrte zwar, doch Stets in Lenzgluth schimmernde, stets mit Zephyrn Buhlende Bajaͤ. Unser Bund, kein Bund, wie die meisten, ist er: Zeugen sind, holdlachende, Meer und Erdkreis, Zeugen sind ehrwuͤrdige Truͤmmer, welche Roͤmergewalt schuf. Deines Bilds Bild ruhte mir laͤngst im Innern, Seit der Freundschaft Seelenberuf erwacht war, Der so gern schau'n moͤchte des eignen Wesens Edlere Selbstheit. Hohe Thatkraft! Adel der Form! Die Zeit hat Tief in Roms brachliegenden Schutt versenkt euch, Hat als Bruchstuͤck nieder in's Gras die schoͤne Saͤule geschleudert! Liebe blieb, Freund! Busen an Busen laß uns Dienen ihr! Einst wieder vielleicht vermaͤhlt sich Ihr des Hochsinns Genius, dann erbaut auch Wieder ein Rom sie. XIII. Serenate. — — — ⏑ ⏑ — , — ⏑ ⏑ — , — ⏑ ⏑ — ⏑ — S choͤnheitszauber erwirbt Keiner so leicht ohne der Sproͤ¬ digkeit Mitgift. Dieses erfuhr Jeder und ich, Klagender, weiß es auch! Zwar mir laͤchelte manch freundlicher Blick suͤße Ver¬ staͤndigung Zu; bald waͤr' ich erhoͤrt, braͤchte mir, ach! blinder Ge¬ nuß Genuß; Doch ich seufze ja nur Liebe zu dir, Liebe zu dir ja nur! Ach, und waͤhrend ich hier klage, vielleicht dient ein Ge¬ stirn indeß Als Wegweiser fuͤr Ihn, welcher den Arm uͤber die Schulter dir Legt, und Kuͤsse vielleicht, freudeberauscht, griechischen Lippen stiehlt. XIV. — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — — W o fuͤr Metall feil Glauben und Tugend ist, Gilt als Verdienst wegstoßende Sproͤdigkeit: Daß du mir ausweichst, weckt in mir erst Deiner Umarmungen suͤße Sehnsucht. Reiz lockt und Schoͤnheit, deren die Welt entlang Kein reicher Maß ausspendete Gott als hier; Doch schmerzt die Habsucht Jeden, welchem Liebe begluͤckender als Genuß duͤnkt. Huldreiches Wort anhoͤren mit offner Hand, Was kennt das Herz Unedleres? Ach, es klagt, Daß, gleich der Pest, Leichtsinn entstelle Solche Geberden und solche Zuͤge! Noch sezt in dich mein glaͤubiger Muth indeß Sein fest Vertrau'n, hofft liebebethoͤrt, es sey Voll Zartgefuͤhl dein Busen, deine Wange die Wange der Scham und Unschuld. Dies macht verklaͤrt dein Auge, das meine sieht, Wie deines Leibs Gliedmaßen Unsterblichkeit Ausdruͤcken. Nun erst mag in vollen Wonnepokalen die Seele schwelgen. XV. An Goethe. — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — — W enn auch Natur mir Weihe verlieh, und auch, Tonreicher Brust Urbilder an's Licht zu ziehn, Mir Geisteskraft gab, ihr verschwisternd Eine bewegliche, weiche Seele: Mehr als Natur lieh'n Zeit und Geschick, sie lieh'n Mir Werth des Daseyns, Fuͤlle des Gegenstands Durch Ihn, den Schmuck Deutschlands und Baierns, Der das Erhabene denkt und ausfuͤhrt. Auf fernem Eiland wandelte schweifend ich; Doch drang bis hieher, uͤber Gebirg und Meer, Wie Koͤnig Ludwig dir, o Goethe! Reichte den spaͤtesten, schoͤnsten Lorbeer. Dies ist ein Kranz, gleich jenem, wodurch Athen Glorreichen Lohn schlang dichtender Siegerstirn, Ja, welker ist, glanzloser jener Kapitolinische Zweig Petrarca's. Denn daß die Dichtkunst irgend ein edles Volk Aufregend hinreißt, Staunen erweckt es kaum; Doch wer erstaunt nicht, wenn ein deutscher Koͤnig im Busen erzieht Begeist'rung? Schutzherr der Kunst wird? Seltener, seltner ist's, Als jenes Mann's Kronperle, die leuchtende, Die einst der Ehrgeiz Kleopatra's Warf in den Becher und stolz zermalmte. Dein friedlich Dach, Fußtritte der Koͤnige Noch nicht gewohnt, ehrwuͤrdiger Saͤnger, der Eugenien schuf uns, Iphigenien, Eleonoren und Dorothea, Weiht Koͤnig Ludwigs heilige Gegenwart Zum Tempel ein. Dich kraͤnzte Verdienst, o Greis, Und Koͤnig Ludwig lebt, als muͤßt' er Werben um die er besizt, die Krone. XVI. — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — — L iebe, Liebreiz, Winke der Gunst und Alles, Was ein Herz darbeut und ein Herz erwiedert, Wenig frommt's, leiht nicht die Gelegenheit ihm Athem und Daseyn. Dich zu sehn, schien Fuͤlle des Gluͤcks, und bebend Staunt' ich dir, traumaͤhnliches Bild der Schoͤnheit! Nie an Wuchs, Antlitz und Gestalt erblickt' ich Diese Vollendung! Deiner Form wolluͤstige Reize koͤnnten Heißern Wunsch aufregen; allein zur Erde Senkt sogleich anbetenden Sinn des Auges Ewige Hoheit. Ach, es hat dein brennendes Auge mir sich Zugewandt, huldvolle Gespraͤche sprach es, Ja, ich sah's anfuͤllen sich sanft, vergehn im Thaue der Sehnsucht! Alter Zeit Eindruͤcke bestuͤrmten neu mich, Euch an Kraft gleich, Schmerzen der ersten Liebe! Tief im Ohr nachtoͤnend erklang verschollner Knabengesang mir. Wehe mir, mir, welcher ein einzig Mal dich Durfte sehn! Nie leuchtet ein Wiedersehn uns! Deiner Spur nachforscht' ich das große Rom durch, Ewig erfolglos. Auf und ab stets irrend, so weit die Tiber, Hadrians Grabveste voruͤber, endlich Jenen Kranz schlankstaͤmmiger Saͤulen nezt am Tempel der Vesta. v. Platen's Gedichte. 18 XVII. — — ⏑ —, — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ —, — — ⏑ ⏑ — — ⏑ —, — ⏑ ⏑ —, — ⏑ — — ⏑ ⏑ —, — ⏑ ⏑ — R oms Mauern, Roms Prachtgaͤrten, wo stets Die Cypresse ragt, schwermuͤthig und stolz, Wiederum schließen sie mich friedlich ein, Rollen der Welt Sage mir auf. Dich haͤlt mit Recht Parthenope fest, Wo die heit're See Glanz streut, wo indeß Aloen, maͤchtig an Wuchs, uͤberbluͤhn Jede den Fels spiegelnde Bucht. Dorthin, o Freund, bald kehr' ich zuruͤck: Es ersehnt das Herz manch laͤndlichen Ort, Waͤhrend oft schaffender Trieb dichterisch Meines Gemuͤths Saite beschwingt. Auf Wogen traͤgt Unruhe den Geist, Sie erhebt und senkt fernschiffenden Wunsch; Sey es nun liebender Drang, oder sey's Kuͤnftiger That heiße Begier. Mein Leben mag Frucht bringen, es mag Wie die Knospe herb' abfallen im Lenz: Er verhaͤngt's, welcher dem Aug' unbekannt Wirft des Geschicks blutigen Pfeil. Mag Unverstand mich richten und Haß In dem Land, wo Teuts Ursprache gebluͤht, Bleiben wird, Jahre hindurch, meines Lieds Echo, bis auch dieses entschwebt. Jezt leuchtet Roms Suͤdhimmel mir noch, Und er liegt so rein auf Stadt und Gebirg: Ueber dein offenes Dach, Pantheon, Fuͤhrt er entlang Sterne der Nacht. Hier fesselt bald vorzeitlicher Kunst Unerreichte Kraft mich, Goͤtter in Stein, Oder bald neueren Ruhms Farbenhauch, Wann er verklaͤrt sinnigen Stoff: Wenn Guido's Eos Rosen verstreut, Und empor sich schwingt Schoͤnheit zum Apoll; Doch Saturn haͤlt sie zuruͤck streng. Es hat's Dominichin's Pinsel gedacht. XVIII. — — — ⏑ ⏑ —, — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — — ⏑ ⏑ —, — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — — ⏑ ⏑ —, — ⏑ ⏑ — ⏑ — — — — ⏑ ⏑ — ⏑ — M ag altroͤmische Kraft ruhen im Aschenkrug, Seit Germania sich loͤwenbeherzt erhob; Dennoch siehe, verraͤth manche behende Form Roms urspruͤngliche Seele, Roms Juͤngling seh' ich, um den staͤubte des Uebekampfs Marsfeld, oder getheilt schaͤumte die Tiber, der Voll kriegslustigen Sinns, gegen Cherusker selbst, Wurfabwehrende Schilde trug. Dich als Sieger gewahrt gerne der Blick. Wie dich Schuf einst attische Kunst jenes begeisterten, Weinstocknaͤhrenden Gotts praͤchtige, doch zugleich Schamhaft weiche Gestalt, o Freund! Ja, dich moͤcht' ich im Streit gegen den Inder schau'n, Wann dein Siegergespann fleckige Panther ziehn, Dich als Liebenden schau'n, wann Ariadnen dein Purpurn sehniger Arm umschließt. Eklogen . I. Die Fischer auf Capri. H ast du Capri gesehn und des felsenumguͤrteten Eilands Schroffes Gestad als Pilger besucht, dann weißt du, wie selten Dorten ein Landungsplatz fuͤr nahende Schiffe zu spaͤhn ist: Nur zwey Stellen erscheinen bequem. Manch maͤchtiges Fahrzeug Mag der geraͤumige Haven empfahn, der gegen Neapels Lieblichen Golf hindeutet und gegen Salerns Meerbusen. Aber die andere Stelle (sie nennen den kleineren Strand sie) Kehrt sich gegen das oͤdere Meer, in die wogende Wild¬ niß, Wo kein Ufer du siehst, als das, auf welchem du selbst stehst. Nur ein geringeres Boot mag hier anlanden, es liegen Felsige Truͤmmer umher, und es braust die bestaͤndige Brandung. Auf dem erhoͤhteren Felsen erscheint ein zerfallendes Vor¬ werk, Mit Schießscharten versehn; sey's, daß hier immer ein Wachthurm Ragte, den offenen Strand vor Algiers Flagge zu huͤten, Die von dem Eiland oft Jungfrauen und Juͤnglinge weg¬ stahl; Sey's, daß gegen den Stolz Englands und erfahrene See¬ kunst Erst in der juͤngeren Zeit es erbaut der Napoleonide, Dem Parthenope sonst ausspannte die Pferde des Wagens, Ihn dann aber verjagte, verrieth, ja toͤdtete, da er An's treulose Gestad' durch schmeichelnde Briefe gelockt ward. Steigst du herab in den sandigen Kies, so gewahrst du ein Felsstuͤck Niedrig und platt in die Wogen hinaus Trotz bieten der Brandung; Dort anlehnt sich mit rundlichem Dach die bescheidene Wohnung Duͤrftiger Fischer, es ist die entlegenste Huͤtte der Insel, Blos durch riesige Steine beschuͤzt vor stuͤrmischem An¬ drang, Der oft uͤber den Sand wegspuͤhlt und die Schwelle be¬ nezt ihr. Kaum hegt, irgend umher, einfachere Menschen die Erde; Ja kaum hegt sie sie noch, es ernaͤhrt sie die schaͤumende Woge. Nicht die Gefilde der Insel bewohnt dies arme Geschlecht, nie Pfluͤckt es des Oelbaums Frucht, nie schlummert es un¬ ter dem Palmbaum: Nur die verwilderte Myrte noch bluͤht und der wuchernde Caktus Aus unwirthlichem Stein, nur wenige Blumen und Meergras; Eher verwandt ist hier dem gewaltigen Schaumelemente Als der beackerten Scholle der Mensch und dem uͤppigen Saatfeld. Gleiches Geschaͤft erbt stets von dem heutigen Tage der naͤchste: Immer das Netz auswerfen, es einziehn; wieder es trocknen Ueber dem sonnigen Kies, dann wieder es werfen und einziehn. Hier hat fruͤhe der Knabe versucht in der Welle zu plaͤt¬ schern, Fruͤhe das Steuer zu drehen gelernt und die Ruder zu schlagen, Hat als Kind muthwillig gestreichelt den rollenden Del¬ phin, Der, durch Toͤne gelockt, an die Barke heran sich waͤlzte. Moͤg' euch Segen verleihn ein Gott, und jeglichem Tag¬ werk, Friedliche Menschen, so nah der Natur und dem Spiegel des Weltalls! Moͤge, da groͤßeren Wunsch auch nie die Begierde ge¬ lispelt, Moͤge der Thunfisch oft, euch Beute zu seyn, und der Schwertfisch Hier anschwimmen! Es liebt sie der Esser im reichen Neapel. Gluͤckliche Fischer! wie auch Kriegsstuͤrme verwandelt den Erdkreis, Freye zu Sclaven gemacht und Reiche zu Duͤrftigen, ihr nur Saht hier Spanier, saht hier Britten und Gallier herr¬ schen, Ruhig und fern dem Getoͤse der Welt, an den Graͤnzen der Menschheit, Zwischen dem schroffen Gekluͤft und des Meers aufschwel¬ lender Salzfluth. Lebet! Es lebten wie ihr des Geschlechts uraͤlteste Vaͤ¬ ter, Seit dies Eiland einst von dem Sitz der Sirene sich losriß, Oder die Tochter Augusts hier suͤße Verbrechen beweinte. II. Bilder Neapels. — —́ — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ — F remdling, komm in das große Neapel, und sieh's, und stirb! Schluͤrfe Liebe, geneuß des beweglichen Augenblicks Reichsten Traum, des Gemuͤthes vereitelten Wunsch ver¬ giß, Und was Quaͤlendes sonst in das Leben ein Daͤmon wob: Ja, hier lerne genießen, und dann, o Begluͤckter, stirb! — Im Halbzirkel umher, an dem lachenden Golf entlang, Unabsehlich benezt von dem laulichen Wogenschwall, Liegt von Schiffen und hohen Gebaͤuden ein weiter Kreis; Wo sich zwischen die Felsengekluͤfte des Bacchus Laub Draͤngt, und stolz sich erhebt in die Winde der Palmen¬ schaft. — Stattlich ziehn von den Huͤgeln herab sich die Wohnungen Nach dem Ufer, und platt, wie ein Garten, erscheint das Dach: Dort nun magst du die See von der Hoͤh' und den Berg besehn, Der sein aschiges Haupt in den eigenen Dampf verbirgt, Dort auch Rosen und Reben erziehn und der Aloe Starken Wuchs, und genießen die Kuͤhle des Morgen¬ winds. — Fuͤnf Kastelle beschirmen und baͤndigen keck die Stadt: Dort Sanct Elmo, wie drohts von dem gruͤnenden Berg herab! Jenes andere, rings von Gewaͤsser umplaͤtschert, einst War's der Garten Lukulls, des entthronten Augustulus Schoͤnes Inselasyl, in die Welle hinausgestreckt. — Wo du gehst, es ergießen in Stroͤmen die Menschen sich: Willst zum Strande du folgen vielleicht und die Fischer sehn, Wie mit nerviger Kraft an das Ufer sie ziehn das Netz, Singend, froͤhliches Muths, in begluͤckender Duͤrftigkeit? Und schon lauert der bettelnde Moͤnch an dem Ufersand, Heischt sein Theil von dem Fang, und die Milderen rei¬ chen's ihm. Ihre Weiber indeß, in bestaͤndiger Plauderlust, Sitzen unter den Thuͤren, die Spindel zur Hand, umher. Sieh, da zeigt sich ein heiteres Paar, und es zieht im Nu Castagnetten hervor und beginnt die bacchantische Tarantella, den uͤppigen Tanz, und es bildet sich Um die Beyden ein Kreis von Beschauenden flugs um¬ her ; Maͤdchen kommen sogleich und erregen das Tamburin, Dem einfacheren Ohr der Zufriedenen ist's Musik: Zierlich wendet die Schoͤne sich nun, und der bluͤhende Juͤngling auch. Wie er springt! Wie er leicht und be¬ hend sich dreht, Stampfend, Feuer im Blick! Und er wirft ihr die Rose zu. Anmuth aber verlaͤßt den Begehrenden nie, sie zaͤhmt Sein wolluͤstiges Auge mit reizender Allgewalt: Wohl dem Volke, dem gluͤcklichen, dem die Natur verliehn Angeborenes Maß, dem entfesselten Norden fremd! — Durch's Gewuͤhle mit Muͤh', ein Ermattender, draͤngst du dich, And're Gassen hindurch; der Verkaͤufer und Kaͤufer Laͤrm Ringsum. Horch, wie sie preisen die Waare mit lautem Ruf! Kaͤuflich Alles, die Sache, der Mensch, und die Seele selbst. Aus Carossen und sonstigem Pferdegespann, wie schrey'n Wagenlenker um dich, und der duͤrftige Knabe, der Auf die Kutsche sogleich, dir ein Diener zu seyn, sich stellt. Sieh, hier zuͤgelt das Cabriolett ein beleibter Moͤnch, Und sein Eselchen geisselt ein anderer wohlgemuth. Kuppler lispeln indeß, und es winselt ein Bettler dir Manches Ave, verschaͤmt das Gesicht mit dem Tuch be¬ deckt. Dort steht muͤssiges Volk um den hoͤlzernen Pulcinell, Der vom Marionettengebaͤlke possirlich glozt; Hier Wahrsager mit ihren gesprenkelten Schlangen; dort Magst du loͤschen den Durst an der Bude des Acquajuols, Der Eiswasser vermengt und der herben Limone Saft. Alles tummelt im Freyen sich hier: der geschaͤftige Garkoch siedet, er fuͤrchtet den seltenen Regen nicht; Ihn umgibt ein Matrosengeschwader, die heiße Kost Schlingend gieriges Muths. An die Ecke der Straße dort Sezt ihr Tischchen mit Kupfermoneten die Wechslerin, Hier den Stuhl der gewandte Barbier, und er schabt, nachdem Erst entgegen dem sonnigen Strahl er ein Tuch gespannt. Dort im Schatten die Tische des fertigen Schreibervolks, Stets bereit zu Bericht und Supliken und Liebesbrief, Ob ein Knabe diktire der fernen Ersehnten sein Seufzen, oder ein leidendes Weib den verwiesenen Gatten troͤste, verbannt nach entlegener Insel, ihn, Der sein freyes Gemuͤth in dem untersten Kerker quaͤlt Hoffnungslos, und den Lohn, der erhabenen Tugend Lohn, Erndtet. — Aber entferne die schattende Wolke, Schmerz! — Auch zum Molo bewegt sich die Menge, wo hingestreckt Sonnt die nackenden Glieder der braͤunliche Lazzaron. Capri siehst du von fern in dem ruhigen Wellenspiel; Schiffe kommen und gehn, es erklettern den hoͤchsten Mast Flugs Matrosen, es ladet die Barke dich ein zur Fahrt. Den Erzaͤhler indessen umwimmelt es, Jung und Alt, Stehend, sitzend, zur Erde gelagert und uͤber's Knie Beyde Haͤnde gefaltet, in horchender Wißbegier: Roland singt er, er singt das gefabelte Schwert Rinalds; Oft durch Glossen erklaͤrt er die schwierigen Stanzen, oft Unterbrechen die Hoͤrer mit muthigem Ruf den Mann. Aufersteh' o Homer! Wenn im Norden vielleicht man dich Kalt wegwiese von Thuͤre zu Thuͤr', o so faͤndst du hier Ein halbgriechisches Volk und ein griechisches Firmament! — Mancher Dichter vielleicht, in der Oede des Nords erzeugt, Schleicht hier unter dem Himmel des Gluͤcks, und dem Heimathland Stimmt er suͤßen Gesang und gediegenen Redeton, Den es heute vermag zu genießen und morgen noch, Der zunimmt an Geschmack mit den Jahren, wie deutscher Wein: Freyheit singt er und maͤnnliche Wuͤrde der feigen Zeit, Schmach dem Heuchler und Fluch dem Bedruͤcker, und Jedem, der Knechtschaft prediget, welche des Menschengeschlechts Ver¬ derb. Ach, nicht waͤhnt er den Neid zu besiegen und weilt ent¬ fernt, Taub den Feinden und hoffend, es werde die spaͤt're Welt Spreu von Waizen zu scheiden verstehn. — Wie erhaben sinkt Schon die Sonne! Du ruhst in der Barke, wie suͤß gewiegt! Weit im Zirkel umher, an dem busigen Rand des Golfs, Zuͤnden Lichter und Flaͤmmchen sich an in Unzaͤhligkeit, Und mit Fackeln befahren die Fischer das gold'ne Meer. O balsamische Naͤchte Neapels! Erlaͤßlich scheint's, Wenn auf kurze Minuten das schwelgende Herz um euch Selbst Sanct Peter vergißt und das goͤttliche Pantheon, Monte Mario selbst, und o Villa Pamfili, dich, Deiner Brunnen und Lorbeerumschattungen kuͤhlsten Sitz! — Doch der Morgen erscheint, und der Gipfel des Tags nach ihm: Traust du schon dem Gelispel der Welle dich an? Wohin? Fuͤhrt ein Wind die Orangengeruͤche Sorrents heran? Ja, schon schimmert von fern an dem Strande, mit Tasso's Haus, Jene felsige Stadt, die berauschende, voll von Duft. III. Amalfi. F esttag ist's und belebt sind Zellen und Gaͤnge des Klosters, Welches am Felsabhang, in der Naͤhe des schoͤnen Amalfi, Fluth und Gebirge beherrscht, und dem Auge behaglichen Spielraum Goͤnnt, zu den Fuͤßen das Meer und hinaufwaͤrts kantige Gipfel, Steile Terrassen umher, wo in Lauben die Rebe sich auf¬ rankt. Doch nicht Moͤnche bewohnen es mehr, nicht alte Choraͤle Hallen im Kirchengewoͤlb' und erwecken das Echo des Kreuzgangs: Leer steht Saal und Gemach, in den Kalktufgrotten der Felswand Knien, der Gebete beraubt, eingehende Heiligenbilder. Sonntags aber entschallt den veroͤdeten, langen Gebaͤuden Frohe Musik, es besucht sie die luftige Jugend Amalfi's: Kinder beschwingen im Hof, blitzaͤugige Knaben, den Kreisel Rasch an der Schnur, und fangen den taumelnden dann in der Hand auf; Aeltere werfen die Kugel indeß, die Entfernungen messend, Zaͤhlen, im Spiele der Morra, die Finger mit hurtigem Scharfblick, Oder sie stimmen zu rauhem Gesang einfache Guitarren, Freudebewegt. Theilnehmend erscheint ein gesitteter Juͤng¬ ling Unter der Schaar, doch nicht in die Spiele sich selbst ein¬ mengend; Hoch vom steilen Gebirge, das Fest zu begehn in Amalfi, Schoͤn wie ein Engel des Herrn, in die Tiefe herunterge¬ stiegen: Reizend in Ringen umkraͤuselt die Brau'n schwarzlockigen Haupthaars Schimmernde Nacht, rein leuchtet die bluͤhende Flamme des Auges, Nie von Begierde getruͤbt und dem Blick zweydeutiger Freundschaft, Welche dem kochenden Blut in der suͤdlichen Sonne ge¬ mein ist. Doch wer kann, da die Zeit hinrollt, festhalten die Schoͤn¬ heit? Schweige davon! Rings gaͤhnt, wie ein Schlund, die ge¬ wisse Zerstoͤrung: Tritt auf jene Balkone hinaus, und in duftiger Ferne Siehst du das Ufer entlegener Bucht und am Ufer erblickst du Herrlicher Saͤulen in Reih'n aufstrebendes, dorisches Bild¬ werk. Nur Eidechsen umklettern es jezt, nur flatternde Raben Ziehen geschaart jezt uͤber das offene Dach lautkreischend; Brombeere decken die Stufen, und viel giftsamiges Unkraut Kleidet den riesigen Sturz abfallender Truͤmmer in Gruͤn ein. Seit Jahrtausenden ruht, sich selbst hinreichend und einsam, Voll trotzbietender Kraft dein fallender Tempel, Poseidon, Mitten im Haidegefild und zunaͤchst an des Meers Einoͤde. Voͤlker und Reiche zerstoben indeß, und es welkte fuͤr ewig Jene dem Lenz nie wieder gelungene Rose von Paͤstum! Aber ich lasse den Geist abirren. O komm nach Amalfi, Komm nach Amalfi zuruͤck! Hier fuͤhrt ein lebendiges Tag¬ werk v. Platen's Gedichte. 19 Menschen voruͤber. Wenn auch einstuͤrzen die Burgen der Vaͤter Auf des Gebirgs Vorspruͤngen, wenn auch kein Massaniello, Der die Gemuͤther des Volks durch siegende Suada dahinriß, Willkuͤhr haßt, noch branden die Wellen, es rudert der Enkel, Wie es der Ahnherr that in den bluͤhenden Tagen des Frey¬ staats, Noch aus heimischer Bucht, aufziehend die Segel, das Fahr¬ zeug. Sprich, was reizender ist? Nach Suͤden die Flaͤche der Salz¬ fluth, Wenn sie smaragdgruͤn liegt um zackige Klippen und anwogt, Oder der plaͤtschernde Bach nach Norden im schattigen Muͤhl¬ thal? Sey mir, werde gegruͤßt dreymal mir, schoͤnes Amalfi, Dreymal werde gegruͤßt! Die Natur lacht Segen, es wandeln Liebliche Maͤdchen umher und gefaͤllige Knabengestalten, Wo du den Blick ruhn laͤssest in diesem Asyle der Anmuth. Ja, hier koͤnnte die Tage des irdischen Seyns ausleben, Ruhig wie schwimmendes Silbergewoͤlk durch Naͤchte des Vollmonds, Irgend ein Herz, nach Stille begierig und suͤßer Beschraͤn¬ kung. Aber es laͤßt ehrgeiziger Brust unstaͤte Begier mich Wieder verlassen den Sitz preiswuͤrdiger Erdebewohner, Bannt am Ende vielleicht in des Nords Schneewuͤste zu¬ ruͤck mich, Wo mein lautendes Wort gleichlautendem Worte begegnet. IV. Hirte und Winzerin. Winzerin. S ey willkommen im Freyen, Antonio! Selten erscheinst du: Siehe, wie klar fernher duftet das blaue Gebirg! Hirte. Hier an des Weinbergs Thuͤr und am Thore der Villa Borghese Hab' ich um dich oftmals, aber vergebens, geforscht. Winzerin. Gestern am Festtag war ich in Rom, und in Sanct Agnese Auf dem Navonischen Platz hoͤrt' ich die schoͤne Musik. Hirte. Sahst du den schoͤnen Sebastian auch in der linken Ka¬ pelle? Unter den Heiligen ist dieser, der nackte, beliebt. Winzerin. Unter den Liebenden sind in der Seele die Frechen ver¬ haßt mir: Rohes Gespraͤch schreckt ab, zierliche Rede gefaͤllt. Hirte. Hab' ich die suͤßesten doch, die gescheutesten Worte ver¬ schwendet! Frostig beharrst du, wie dort auf dem Sorakte der Schnee. Winzerin. Kommt Weihnachten heran, mein Suͤßer, und reift die Orange, Werde mit Fruͤchten der Korb, welchen ich gebe, gefuͤllt. Hirte. Deinem Geliebten den Korb anbieten, du wuͤrdest es nie thun, Haͤtte Vincenz nicht mich, deinen Geliebten, verdraͤngt. Winzerin. Waͤre Vincenz mir werth, nie haͤtt' ich zu schaͤmen der Wahl mich, Ehe der Flaum ihm schwoll, kuͤßtest den Schoͤnen du selbst. Hirte. Mir nun ist er ein Gegner geworden, und gestern in heft'gen Wechselgesangs Wettstreit improvisirt' ich mit ihm. Winzerin. Ihm fehlt selten ein Reim, auch dir fehlt selten ein Reim, Freund! Aber des Volks Beyfall wurde dem Knaben zu Theil. Hirte. Weil er in sammtener Jacke stolzirt und die Schaͤrpe so schoͤn traͤgt, Ihm d'rum schenken die Frau'n, goͤnnen die Maͤnner den Preis. Winzerin. Kein gleichguͤltiger Punkt in der Lieb' ist zierliche Klei¬ dung, Feineren Sitten entspricht gerne der feinere Hut. Hirte. Blos mit dem Spitzhut siehst du mich gehn und in zot¬ tigem Wollvließ; Aber ich kann gleich ihm zaͤrtlich empfinden und zart. Winzerin. Freund! Jezt eil' ich hinein. Schon laͤutet es Ave Maria, Hinter den Marioberg gleitet die Sonne hinab. Hirte. Laß halboffen, o laß halboffen die Thuͤre des Weinbergs, Fuͤhle, wie sehr Sehnsucht meine Gebeine verzehrt! Winzerin. Dort schon glaͤnzt ein Gestirn und es glaͤnzt dein leuch¬ tendes Auge; Aber du mußt Abschied nehmen, ich schließe die Thuͤr. Hirte. Siehe der straͤubenden Hand den eroberten Schluͤssel ent¬ wind' ich: Liebliches Kind, oftmals frommt in der Liebe Gewalt. Winzerin. Gieb mir wieder den Schluͤssel, Verrath in der Liebe geziemt nicht! Wer in dem Streit nachgiebt, fesselt ein weibliches Herz. Hirte. Wer in dem Streit nachgiebt, giebt Stoff zu Gelaͤchter. Allein jezt Gehe hinein, schon wird's dunkel, o gehe hinein! Winzerin . Spoͤtter! Ich gehe, du magst nachfolgen, ich weiche der List blos; Doch Jedwedem geheim bleibe der spaͤte Besuch! Hymne. Abschied von Rom. — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — — — ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — — — ⏑ — — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — ⏑ ⏑ — — — ⏑ — — ⏑ — — — ⏑ — W er vorbeyziehn darf an dem Appischen Weg, suͤdwaͤrts gewandt, Wem aus des Sumpflands Wiese der magischen Goͤttinn Vorgebirg ragt, (welche dereinst dem Odysseus reichte den Becher, indem sie Suͤßen Gesang an dem Webstuhl sanft erhob) Nenne begluͤckt sich, er hat Die umwoͤlkt schwermuͤthige Fieberluft Roms hinter sich! Frommt der Sehnsucht langeverschollener That lebloser Hauch? Frommt jenes urzeitkundigen Mannes Bericht uns, Der erzaͤhlt, hier wurde geraubt ein Gespann Pflugstiere dem Sohne des Zeus, dort Legte den ewigen Grundstein Romulus, Hier am Egerischen Quell, Wo ein Hain sonst rauschte, trank Numa Weisheit, frommt es uns? Wuͤstenei'n blos blieben und Truͤmmer. Erspaͤhn mag, zeigen mag Neugier den Unheilsort, wo der blutende Caͤsar Lag, des Orts Bildsaͤule sogar, Bildsaͤule des goͤttlichen Feldherrn, Der, in Pharsalus entmannt, durch Tempe's Thal Floh, das elysische Thal, Wo des Stromgotts Urne laͤngs Gruͤner Au'n Goldfluthen gießt. Doch ein Fahrzeug segelte bald in des Mordstrands Haven ihn: Nicht ohne Gram, nicht ohne die Thraͤne der Wehmuth, Sah des Todfeinds Leiche der Sieger, gedenk ehmaliger Tage der Freundschaft, Oder beweinend im Geist Roms Loos, er selbst Roͤmer, der Frevelnde, der Es gestuͤrzt. Zeitlaͤufte flohn, Aber Rom sank, sank und sinkt. Zwar es faͤllt langsam, wie das Dauernde faͤllt, gro߬ artigem Mannsinne gleich, der Sphaͤrengesaͤnge des Wohllauts Jener Welt — zufuͤhrt dem ermuͤdenden Werktagsleben und Schwaͤrmer gehoͤhnt wird, Waͤhrend allein er das All klardenkend waͤgt; Doch der Beladene beugt In den Staub allmaͤhlig sein Sinnend Haupt leidvoll hinab. Also Rom. Nichts frommte der uͤppige Prunk blutgie¬ riger Selbstherrscher ihm. Neusprossende Palme des Glaubens, Die du blos tiefsinnige Schatten umherwarfst uͤber die Male der Vorzeit, Retteten Glanz und des Pomps Scheinkuͤnste dich? Moͤge die Schulter des Volks Den Juwelstuhl tragen, der Deines Gotts Statthalter traͤgt! Aus dem Prachtschutt Roms den korinthischen Knauf, ja, Saͤulenreihn Wegfuͤhrend stuͤzt, Raubsucht zu verewigen, sinnlos Dein Levit Bethaͤuser in gothischer Form, Unschoͤnes und Schoͤnes in Einklang Zwingend umsonst. Es erhebt Sanct Peter sein Kuppelerhabenes Dach: Den Titansbau stoͤrt indeß Wittenbergs stahlharter Moͤnch. Nun verlor dein Schluͤssel, Apostelgewaltherrschaft, die Gunst, Er, der der Weltstadt Segen ertheilt und dem Welt¬ kreis : Nur Erinnrung blieb. Sie entriß die Heroen altheidni¬ scher Sage dem Erdschutt: Blutend verhaucht der Athlet siegswerthe Kraft, Pfeile versendet der Gott Des Gesangs, Wehmuth erweckt Hadrians bildschoͤner Freund. — Als an Josephs Brust das Sirenengeschoß abprallen sah Dein Kirchenhaupt, andaͤchtiges Rom, und der sechste Pius demuthsreich von dem Kaiserbesuch heimzog, der er¬ habene Pilgrim, Waͤhrend entschluͤpfte der Obmacht Zepter ihm, Schuf er die neue Gewalt, Und es ward dein Zauberstab Ihm ein Feldherrnstab, o Kunst! Steigen laͤßt sein Wort Obelisken empor, Golddecken woͤlbt, Prunkwaͤnde zieht, ausbreitet das schoͤne Musivwerk Sein Geheiß, euch wuͤrdige Sitze zu weihn, Denkmaͤler! (O haͤtt' er gefunden Mildere Schickungen! Frankreichs Kerkerluft Athmete sterbend er aus: Es verließ gramschwer der Greis Deinen Festraum, Vatikan!) Doch den Anblick truͤbt des verschwendeten Bildwerks Uebermaß, Unruhe schwankt zaghaft, wie die Seele der Jungfrau Aus der Schaar anmuthiger Freyer den anmuthsvollsten zu waͤhlen umherschwankt: Uebergenuͤssen erliegt oftmals der Geist. Nicht das Vergangene frommt, Da der Bildkraft Schuͤler selbst Nicht die Kunst lernt durch die Kunst. Hoͤrst du gern Rath an, so beginne zuerst Einfaches blos: Vollkommenheit treibt Fruͤchte hervor an erprobten Staͤmmen, Freund! Nicht wolle zu fruͤhe der Griechheit huldigen! Waͤchserne Federn Klebt an den Nacken des Flugs Nachahmer blos; Aber es bluͤhn in des Lichts Region Sternbilder Ihm, Den die Schwungkraft oben haͤlt. Manchen Geist zwar schafft die beseelte Natur, der Grie¬ chenlands Blos dem Stumpfsinn hieroglyphische Schoͤnheit Kennt und hold ausbildet unsterbliche Form. Aufweckt an dem rosenumhauchten Silbergeplaͤtscher des Bergquells wieder er Alten, olympischen Tanz: So erschuf Thorwaldsen aus Goͤtterdaͤmmerung Tageslicht. Aber dies Lied gleicht dem verrirrenden Waidmann; Nach¬ tigall- Ton lockt hinweg sein Herz von des Wildes Verfolgung: Ohne Pfad schweift rings in Gebuͤsch, in Gefild, Laub¬ waͤlder und Felsen entlang er; Endlich verscheucht der Gebirgsschlucht Wasserfall Jeden Gesang und den Traum Des Gemuͤths ihm. Wieder sucht Seinen Jagdweg Jener auf. Selig, Wem Thatkraft und behaglichen Sinn leiht Gegen¬ wart, Wer neu sich selbst fuͤhlt, Neues zu bilden bedacht ist, Wem das Daseyn ewig erscheint, und der Tod selbst eine Despotenerfindung, Deren Gedanke des Gluͤcks Pulsschlaͤge hemmt: Gerne verlaͤßt er und froh, Kapitol, dein Schattenreich, Eure Pracht, Kirchhoͤfe Roms! Lenz des Erdballs! Parthenopaͤische Flur! Stets neue Stadt! Aufnimm den Freund, geuß rauschende Buchten umher ihm, Denen einst (urweltliche Fabel erzaͤhlt's) wolluͤstig ent¬ stiegen die Schoͤnheit, Myrten der Kuͤste, des Fluthschaums Blum' im Haar; Aber es reichte, sobald Sie an's Land stieg, Bacchus auch Seines Weinlaubs Thyrsus ihr! Mir zum Beystand naht des quirinischen Weltruhms Dich¬ ter selbst: Aus Griechenland heimkehrend ereilte der Tod ihn; Doch es deckt kein roͤmischer Huͤgel des Fruͤhwegsterbenden Staub in der Urne: Meinen Gebeinen, befahl sein lezter Wunsch, Werde Neapel Asyl, Wo in Fruchthainlauben ich Hirten, Feldbau, Helden sang. Druckfehler. S. 14 Vers 4 statt Wellen lies Welle. S. 24 — 4 — mich l. euch. S. 28 — 2 — betaͤubt l. betruͤbt. S. 47 — 2 — verborgen l. verbergen. S. 49 — 10 — Muth l. Wuth. S. 60 — 8 — Glaubigen l. Glaͤubigen. S. 63 — 10 — Lorbeer l. Lorber. S. 102 — 8 — Den l. Dem. S. 107 — 10 — liebsten l. Liebsten. S. 108 — 9 — Klaͤglich l. Kluͤglich. S. 111 — 7 — trocknem l. todtem. S. 128 — 11 — auch l. euch. S. 145 — 1 — haͤlt l. erhaͤlt. S. 145 ist am Ende der Gasele folgendes Distichon ausgeblieben: Meine Gesaͤnge, das macht mir Muth, Fließen melodischer, als ein Bach. S. 147 — 3 — allzukurzen l. allzukargen. S. 148 — 7 — Ferne l. ferne. S. 162 — 2 — konnten l. konnte. S. 169 — 14 — Rhythmus l. Rhythmus. S. 226 — 8 — im l. in. S. 232 — 1 — wuͤßte l. wußte. S. 276 — 9 — Sieger l. Solchen. S. 281 — 11 — verleihe l. verleihen. S. 281 — 13 — auch l.euch. S. 282 — 3 — aufschwellender l. anschwellender. S. 287 — 8 — Lorbeerumschattungen l. Lorberum¬ schattungen. S. 289 — 14 — Brombeere l. Brombeern. S. 301 — 21 — Gotterdaͤmmerung l. Goͤtterdaͤmm¬ rung.