System des heutigen Römischen Rechts von Friedrich Carl von Savigny . Dritter Band . Mit K. Bairischen und K. Würtembergischen Privilegien. Berlin. Bei Veit und Comp . 1840. Inhalt des dritten Bandes. Zweytes Buch. Die Rechtsverhältnisse. Drittes Kapitel . Von der Entstehung und dem Unter- gang der Rechtsverhältnisse. Seite §. 104. Einleitung 1 §. 105. Wichtigste Fälle der juristischen Thatsachen. I. Suc- cessionen 8 §. 106. II. Freye Handlungen. — Hindernisse: A. Alters- stufen. Einleitung 21 §. 107. II. Freye Handlungen. — Hindernisse: A. Alters- stufen. Infantes und Qui fari possunt 25 §. 108. II. Freye Handlungen. — Hindernisse. A. Al- tersstufen. Infantes und Qui fari possunt. (Fortsetzung.) 39 Inhalt des dritten Bandes. Seite. §. 109. II. Freye Handlungen. — Hindernisse: A. Al- tersstufen. Impuberes und Puberes 55 §. 110. II. Freye Handlungen. — Hindernisse: A. Al- tersstufen. Impuberes und Puberes. (Fort- setzung.) 70 §. 111. II. Freye Handlungen. — Hindernisse: A. Al- tersstufen. Minores und Majores 79 §. 112. II. Freye Handlungen. — Hindernisse: B. Ver- nunftlose. Interdicirte. Juristische Personen 83 §. 113. II. Freye Handlungen. — Erweiterung durch Stell- vertretung 90 §. 114. III. Willenserklärungen. — Zwang und Irrthum 98 §. 115. III. Willenserklärungen. — Zwang und Irrthum (Fortsetzung.) 111 §. 116. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Begriff 120 §. 117. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Arten 127 §. 118. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Regel- mäßige Erfüllung 135 §. 119. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Fingirte Erfüllung 138 §. 120. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Regel- mäßige Wirkung 149 §. 121. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Noth- wendige und unmögliche 156 §. 122. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Unsittliche 169 Inhalt des dritten Bandes. Seite. §. 123. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Unsittliche (Fortsetzung.) 185 §. 124. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Unmög- liche und unsittliche. (Fortsetzung.) 191 §. 125. III. Willenserklärungen. — Zeitbestimmung 204 §. 126. III. Willenserklärungen. — Zeitbestimmung. (Fortsetzung.) 210 §. 127. III. Willenserklärungen. — Zeitbestimmung. (Fortsetzung.) 217 §. 128. III. Willenserklärungen. Modus 226 §. 129. III. Willenserklärungen. — Modus. (Fortsetzung.) 233 §. 130. III. Willenserklärungen. — Erklärung. Förmliche 237 §. 131. III. Willenserklärungen. — Erklärung. Ausdrück- liche oder stillschweigende 242 §. 132. III. Willenserklärungen. — Erklärung. Durch bloßes Schweigen 248 §. 133. III. Willenserklärungen. — Erklärung. Fingirte 253 §. 134. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Wil- len. Absichtliche 257 §. 135. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Wil- len. Unabsichtliche 263 §. 136. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Wil- len. Unabsichtliche. (Fortsetzung.) 269 §. 137. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Wil- len. Unabsichtliche. Error in substantia 276 Inhalt des dritten Bandes. Seite. §. 138. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Wil- len. Unabsichtliche. Error in substantia. (Fort- setzung.) 291 §. 139. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Wil- len. Unabsichtliche. Gränze dieses Falles 302 §. 140. IV. Vertrag 307 §. 141. IV. Vertrag. (Fortsetzung.) 314 Beylage VIII. Irrthum und Unwissenheit 326 Drittes Kapitel. Von der Entstehung und dem Untergang der Rechtsverhältnisse . §. 104. Einleitung . E s ist schon oben bemerkt worden (§ 52), daß unsre Wis- senschaft keine anderen Gegenstände hat, als erworbene Rechte. Dieses hat den Sinn, daß die Rechtsverhältnisse, deren Wesen wir zu erforschen haben, nicht schon in der menschlichen Natur als solcher gegründet, sondern als ihr von außenher kommende Zusätze zu betrachten sind. Nur die Moͤglichkeit und das Bedürfniß solcher Rechtsverhält- nisse, das heißt der Keim derselben, findet sich gleichmäßig in der Natur jedes Menschen, führt also eine innere Noth- wendigkeit mit sich; die Entwicklung jenes Keimes ist das Individuelle und Zufällige, und offenbart diese ihre Natur durch den höchst verschiedenen Umfang, den wir an den Rechten der Einzelnen wahrnehmen. Es würde aber irrig seyn, jene Behauptung auch noch dahin näher bestimmen zu wollen, daß alle Rechte einer III. 1 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Person nur im Laufe ihres Lebens erworben werden könn- ten; denn wenngleich dieses von den meisten Rechten aller- dings wahr ist, so giebt es doch auch viele und wichtige, die unmittelbar mit der Geburt ihren Anfang nehmen, in- dem sie gerade durch die unter besonderen Umständen er- folgte Geburt begründet werden So z. B. entsteht für das Kind im Augenblick seiner Ge- burt stets Cognation, wenigstens zur Mutter; gewöhnlich auch Ab- hängigkeit von der Gewalt des Vaters, und Agnation zu dessen Agnaten; ist vor der Geburt der Vater gestorben, in dessen Ge- walt das Kind außerdem gebo- ren wäre, so erwirbt das Kind mit der Geburt sogleich dessen Vermögen oder einen Theil des- selben als suus heres. . Die erworbenen Rechte können daher allerdings auch angeborene seyn. Jedes einzelne Rechtsverhältniß nun hat seine besonde- ren Regeln, nach welchen es in Beziehung auf eine be- stimmte Person entsteht und wiederum aufhoͤrt. Diese Re- geln sind von solcher Wichtigkeit, daß sie bey manchen Rechtsverhältnissen beynahe den einzigen Gegenstand ge- nauerer Forschung und Darstellung ausmachen Diese Wichtigkeit ist aner- kannt und selbst zu einseitig und ausschließend dargestellt von Ul- pian in L. 41 de leg. (1. 3.). „ Totum autem jus consistit aut in adquirendo, aut in conser- vando, aut in minuendo: aut enim hoc agitur quemadmodum quid cujusque fiat: aut quem- admodum quis rem vel jus suum conservet: aut quomodo alienet aut amittat.” Hier wird noch ein neues Moment in die Mitte jener beiden gestellt, das conser- vare. Nimmt man dieses im ei- gentlichen Sinn, für die Bewir- kung der Fortdauer des Rechts selbst , so fällt es mit dem drit- ten zusammen, indem es dann als die Negation des dritten (oder um- gekehrt) aufgefaßt werden kann; dann sagt aber auch das totum jus consistit viel zu viel. Ist dagegen das conservare als Er- haltung der Ausübung , oder als Rechtsverfolgung, gedacht, so umfassen allerdings jene drey Mo- mente den größten Theil aller Rechtsregeln überhaupt: dann . Jedoch §. 104. Einleitung. giebt es in diesen, die einzelnen Rechte betreffenden, Re- geln viele und wichtige gemeinschaftliche Bestimmungen, die gerade nur indem man sie als solche auffaßt und zusam- menstellt, richtig verstanden werden können. Diese Bestim- mungen gehören dem allgemeinen Theil des Rechtssystems an (§ 58), und ihre Darstellung ist die Aufgabe des ge- genwärtigen Abschnitts. Ich nenne die Ereignisse, wodurch der Anfang oder das Ende der Rechtsverhältnisse bewirkt wird, juristi- sche Thatsachen . Alle juristische Thatsachen also kom- men darin mit einander überein, daß durch sie an den Rechtsverhältnissen bestimmter Personen irgend eine Ver- änderung in der Zeit hervorgebracht wird. Innerhalb dieser ihnen gemeinsamen Natur aber zeigen sich in ihnen große Verschiedenheiten. Zunächst sind nun die wichtig- sten Verschiedenheiten, die in denselben wahrgenommen wer- den, übersichtlich zusammen zu stellen, und es sind dabey diejenigen Momente besonders hervorzuheben, deren Wich- tigkeit sodann eine abgesonderte genauere Darstellung nö- thig machen wird. 1) Die juristischen Thatsachen sind theils positiv, theils negativ, indem entweder etwas geschehen, oder etwas un- terbleiben muß, damit irgend ein Recht entstehe oder auf- höre. Unter diesen beiden Klassen aber ist die erste bey weitem die häufigste und wichtigste. aber sind die drey Momente nicht so gleichartig, daß diese Zusam- menstellung derselben gerechtfer- tigt werden könnte. 1* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. 2) Wir giengen davon aus, als Wirkung der juristi- schen Thatsachen entweder die Entstehung oder den Unter- gang der Rechtsverhältnisse zu bezeichnen. Es giebt jedoch viele und wichtige unter diesen Thatsachen, deren Wir- kung weder dem einen noch dem andern jener Momente rein zugerechnet werden kann, indem sie vielmehr als ge- mischt aus beiden erscheint. Eine solche gemischte Wir- kung juristischer Thatsachen ist die Umwandlung oder Me- tamorphose der Rechtsverhältnisse (§ 59). In diesem Fall wird durch die juristische Thatsache zwar die frühere Ge- stalt des Rechtsverhältnisses zerstört, zugleich aber eine neue Gestalt desselben erzeugt. Die Umwandlung selbst aber kann auf zweyerley Weise gedacht werden: A. Subjectiv, in Beziehung auf die Personen, indem dasselbe Rechtsverhältniß auf andere Personen übertragen, folglich durch neu eintretende Subjecte fortgesetzt wird. Dieser wichtige Rechtsbegriff führt den Namen Succes- sion , und von der allgemeinen Natur derselben wird nach- her besonders gehandelt werden. B. Objectiv, in Beziehung auf den Inhalt des Rechts- verhältnisses, indem dasselbe Rechtsverhältniß mit verän- dertem Inhalt als fortdauernd betrachtet wird. Diese ob- jective Umwandlung hat ihre vollständige und genaue Aus- bildung im Obligationenrecht erhalten Nämlich in der Lehre von Dolus, Culpa, Casus und Interesse. . Zwar wird da- von auch in anderen Rechtstheilen Anwendung gemacht, §. 104. Einleitung. aber nur indem man obligatorische Begriffe und Regeln auf sie anwendet So z. B. ist in der rei vin- dicatio auch Derjenige ein rech- ter Beklagter, qui dolo desiit possidere. Ferner hat ebenda- selbst in der Verurtheilung der Dolus und die Culpa des Beklag- ten den wichtigsten Einfluß. Allein in diesen Fällen nimmt auch das Verhältniß zwischen dem Kläger und Beklagten einen obligatori- schen Character an. . Es hat daher diese Lehre eine so concrete Natur, daß es gerathener erscheint, sie an der gegenwärtigen Stelle ganz zu übergehen, als eine Dar- stellung ihrer Grundbegriffe zu versuchen, die doch nur entweder unlebendig und unbefriedigend ausfallen könnte, oder in das besondere Gebiet des Obligationenrechts hin- übergreifen müßte. 3) Die juristischen Thatsachen können bestehen: A. In freyen Handlungen des Betheiligten, das heißt derjenigen Person, von deren Erwerb und Verlust die Rede ist. B. In zufälligen Umständen, unter welche auch die Handlungen Anderer als des Betheiligten, imgleichen auch Unterlassungen gehoͤren Wenn ich einen Diebstahl erleide, und dadurch Rechte er- werbe, so ist dieses zwar von Seiten des Diebes eine freye Handlung, in Beziehung auf mich aber etwas Zufälliges, außer mei- nem Willen Liegendes. — Wenn ich eine Nothfrist versäume, und dadurch ein Recht verliere, so ist dieses niemals eine freye Hand- lung, die Versäumniß mag nun aus Vergessenheit oder aus Ab- sicht hervorgegangen seyn. . In den freyen Handlungen ferner kann der Wille des Handelnden auf eine zwiefache Weise thätig seyn: a ) Als unmittelbar gerichtet auf die Entstehung oder Auflösung des Rechtsverhältnisses, wenngleich diese viel- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. leicht nur das Mittel für andere, auch nichtjuristische Zwecke seyn mag Wer ein Haus kauft, tritt mit Bewußtseyn in ein Rechts- verhältniß ein, welches ihm so- wohl Rechte als Verbindlichkei- ten giebt, aber dieses Verhältniß soll ihm doch nur als Mittel die- nen, um das Haus sicher und nach Gutdünken bewohnen zu können, oder durch Vermiethung, vielleicht auch durch neuen Verkauf, Geld zu gewinnen. . Diese Thatsachen heißen Willenserklä- rungen oder Rechtsgeschäfte. b ) Oder als unmittelbar gerichtet auf andere, nicht- juristische Zwecke, so daß die juristische Wirkung entwe- der als untergeordnet im Bewußtseyn zurücktritt Wer auf der Jagd ein Wild erregt, der will das Ver- gnügen der Jagd genießen, dane- ben auch das Wild verzehren oder verkaufen; des Eigenthumser- werbs durch Occupation wird er sich dabey weniger bewußt wer- den. — Wer das baufällige Haus eines abwesenden Freundes durch schleunige Anstalten gegen Ein- sturz sichert, der will Schaden ab- wenden, ohne dabey besonders an den Quasicontract negotiorum gestio zu denken, oder den fünf- ten Titel des dritten Buchs der Digesten nachzuschlagen. , oder entschieden nicht gewollt wird Wer mich bestiehlt, hat ge- wiß nicht die Absicht mein Schuld- ner ex delicto zu werden. Darum wird diese Thatsache, die in Be- ziehung auf mich zufällig (Note e ), in Beziehung auf ihn eine freye Handlung ist, dennoch auch in die- ser letzten Beziehung nicht ein Rechtsgeschäft genannt. . Die Willenserklärungen endlich erscheinen wieder auf zweyerley Weise: 1) Als einseitiger Wille des Betheiligten, wohin als wichtigster Fall der letzte Wille gehört, der jedoch nur im besonderen Theile des Rechtssystems, nämlich im Erbrecht, seine rechte Stelle findet. 2) Als übereinstimmender Wille des Betheiligten mit §. 104. Einleitung. dem Willen einer oder mehrerer anderer Personen, das heißt als Vertrag Der Vertrag also, der in Beziehung auf Jeden der Theil- nehmer Rechte und Verpflichtun- gen erzeugt, ist zugleich in Be- ziehung auf Jeden derselben eine freye Handlung, und zwar insbe- sondere ein Rechtsgeschäft. . Diese allgemeinen Rechtsbegriffe erscheinen in indivi- dueller Gestalt bey allen Arten der Rechtsinstitute, bey dem Eigenthum und anderen dinglichen Rechten, den Obli- gationen, dem Erbrecht, den Familienverhältnissen: diese ihre concrete Gestalten gehören der Darstellung eben jener Institute, also dem speciellen Rechtssystem, an. Allein zwey besondere Formen derselben sind wieder so umfassen- der Natur, und mit so verschiedenen einzelnen Rechtsinsti- tuten vereinbar, daß auch ihre genauere Betrachtung nur hier ihre rechte Stelle finden kann: diese weit umfassenden Formen der Willenserklärung sind der Vertrag und die Schenkung . 4) Eine besondere Rücksicht endlich verdienen diejeni- gen Thatsachen, welche als wesentliches Element den Ab- lauf irgend eines Zeitraums in sich schließen, folglich von Zeitbestimmungen abhängig sind. Nach dieser vorbereitenden Übersicht ist nun von den juristischen Thatsachen im Einzelnen zu handeln, und zwar: Erstlich von den wichtigsten unter denselben nach ihrer Natur und den darin vorkommenden Verschiedenheiten. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Dahin rechne ich folgende, die demnach einzeln abgehan- delt werden sollen: I. Successionen. II. Freye Handlungen. III. Willenserklärungen. IV. Verträge. V. Schenkungen. VI. Von Zeitbestimmungen abhängige Thatsachen. Zweytens von den Hemmungen, welche der Wirk- samkeit der juristischen Thatsachen entgegen stehen, oder von den verschiedenen Arten und Gründen ihrer Ungültigkeit. Das erste können wir als die positive, das zweyte als die negative Seite der Lehre von den juristischen Thatsa- chen bezeichnen. §. 105. Wichtigste Fälle der juristischen Thatsachen. I. Successionen . Es ist bereits als Eigenschaft der juristischen Thatsa- chen bemerkt worden, daß dieselben in Beziehung auf Rechtsverhältnisse stets eine Veränderung in der Zeit her- vorbringen, und daß diese Veränderung insbesondere auch in der bloßen Verwandlung des Subjekts des Rechtsver- hältnisses bestehen kann (§ 104). Die so eben bezeichnete Art der Thatsachen nennen wir Successionen , und de- ren Natur soll nunmehr näher bestimmt werden. §. 105. Successionen. Damit nun eine solche juristische Succession, das heißt die blos subjective Umwandlung eines Rechtsverhältnisses, angenommen werden könne, wird vorausgesetzt die fort- dauernde Identität dieses Rechtsverhältnisses selbst. Zur Annahme dieser Identität aber genügt keinesweges schon die gleiche Gattung des Rechts, bezogen auf den gleichen Gegenstand. Wenn z. B. Zwey Personen in verschiedenen Zeitpunkten Eigenthum an demselben Grundstück haben, so ist dieser Umstand allein nicht hinreichend, unter Beiden eine Succession anzunehmen; vielmehr muß zur Rechtfer- tigung dieser Annahme zwischen beiden Rechtsverhältnissen eine solche innere Verbindung wahrzunehmen seyn, wo- durch sie als ein einziges, nur in verschiedenen Personen fortdauerndes, Rechtsverhältniß erscheinen. Die Grund- lage einer solchen Verbindung ist der Umstand, daß das spätere Recht, der Zeit nach, unmittelbar auf das frühere folgt; denn wenn z. B. eine Sache von einem Eigenthü- mer derelinquirt, und nach einiger Zeit von einem Andern occupirt wird, so besteht unter denselben schon wegen des gänzlich trennenden Zwischenzustandes der Herrenlosigkeit keine Succession Man könnte einwenden, je- der Erbe sey ja Successor des Ver- storbenen, und doch könne zwi- schen dem Tod und dem Antritt der Erbschaft eine lange Zwischen- zeit gewesen seyn, in welcher das Vermögen keinen wirklichen Herrn hatte. Allein mit dem Antritt der Erbschaft wird stets durch eine Rechtsfiction das Recht des Er- ben auf den Augenblick des Todes zurück bezogen. S. o. § 102. b. . Allein auch jener Anschluß in der Zeit ist noch nicht hinreichend; ein solcher findet sich unter andern bey jedem Übergang des Eigenthums durch Usu- Buch. II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. capion, ohne daß deshalb zwischen beiden Eigenthümern eine juristische Verbindung besteht. Das Wesen dieser Ver- bindung nun ist darin zu setzen, daß das spätere Rechts- verhältniß auf das erste gegründet, von ihm abgeleitet, also auch durch dasselbe bedingt und von ihm abhängig ist. So verhält es sich mit dem Übergang des Eigen- thums durch Tradition. Das neue Eigenthum fängt nicht nur in demselben Augenblick an, wo das frühere aufhört, sondern es entsteht auch nur insoferne der frühere Besitzer wirklich Eigenthum hatte: eine solche Abhängigkeit von einem individuellen früheren Recht findet sich bey dem Er- werb durch Usucapion durchaus nicht. Das hier beschrie- bene Verhältniß allein berechtigt uns, das spätere Recht mit dem früheren als identisch anzusehen, und dieser Fall erscheint vorzugsweise vor den übrigen, hier damit zusam- men gestellten, so wichtig und folgenreich, daß für ihn die besondere Bezeichnung durch einen eigenen Kunstaus- druck ( Successio ) nöthig gefunden worden ist. Die einfachste und natürlichste Betrachtung der Rechts- verhältnisse führt dahin, die berechtigte Person als die bleibende Substanz, das Recht selbst aber als das Acci- dens anzusehen, welches nach wechslenden Umständen bald verbunden ist mit der Person, bald nicht (§ 4. 52). Der Begriff der Succession führt uns auf eine Betrachtungs- weise, worin die angegebene Stellung der Person gegen das ihr zukommende Recht umgekehrt erscheint. Das Recht kann nun als das Substantielle und Bleibende gelten, in- §. 105. Successionen. dem es in einer Reihe auf einander folgender wechslender Inhaber unverändert fortdauern kann. Zunächst ist zu untersuchen, ob der wichtige Rechtsbe- griff der Succession auf alle Arten der Rechtsverhältnisse gleichmäßig angewendet werden könne. Diese Frage müs- sen wir verneinen; vielmehr ist das wahre Gebiet seiner Anwendung das Vermögensrecht, während er in Bezie- hung auf die Familienverhältnisse nur eine untergeordnete und wenig bedeutende Stelle einnimmt. — Da nämlich das Vermögen an sich selbst der Person fremd, und nur von außen zu ihr hinzugethan ist, folglich die einzelnen Stücke desselben stets in einem ganz zufälligen und wech- selnden Verhältniß zu ihr stehen (§ 56), so ist die ausge- dehnteste und mannichfaltigste Anwendung des Successions- begriffs dem Wesen des Vermögensrechts ganz angemes- sen. — Anders ist es mit dem Familienrecht. Dessen ur- sprüngliche Institute sind mit dem Wesen der Person so eng verbunden, daß eine Anwendung der Succession ihnen nicht angemessen seyn kann. Auch finden wir sie hier in der That nur auf zweyerley Weise. Erstlich bey denjeni- gen künstlichen Theilen der Familie, die selbst nur auf Vermögensverhältnisse gegründet, und daher eben so wie diese der gewöhnlichen Succession unterworfen sind. So ist das Recht des Herrn über den Sklaven gegründet auf Eigenthum, folglich so wie jedes andere Eigenthum Ge- genstand einer gewöhnlichen Succession. Eine ähnliche Be- wandniß hat es mit dem Patronat, der mancipii causa, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dem Colonat (§ 55). Zweytens hat das älteste Römische Recht selbst einige Theile der ursprünglichen Familienver- hältnisse der Natur des Eigenthums angenähert, wodurch die väterliche Gewalt und die strenge Gewalt des Ehe- gatten ( manus ) zu Gegenständen einer möglichen Succes- sion gemacht wurden (§ 55 N. 1. 4). Allein fast alle diese Anwendungen sind im heutigen Römischen Recht verschwun- den: einige waren schon frühe bey den Römern selbst zu blos symbolischen Handlungen herabgesunken, und sind dann schon vor Justinian völlig untergegangen. Nur in Einem Institut des Familienrechts hat sich noch eine wahre Suc- cession erhalten, bey der datio in adoptionem; jedoch ist auch hier der Successionsbegriff ohne irgend einen erheb- lichen Einfluß. — Wir können demnach behaupten, daß das Vermögensrecht dasjenige Rechtsgebiet ist, in welchem allein eine bedeutende Anwendung von dem Begriff der Succession gemacht werden kann. An diese Bemerkung knüpft sich unmittelbar folgende wichtige Eintheilung der Succession. Dieselbe ist bald Singular- bald Universalsuccession Um jedem möglichen Mis- verständniß vorzubeugen, bemerke ich gleich hier, daß die von den Neueren gebrauchten Kunstaus- drücke Successio universialis und singularis (oder auch parti- cularis ) nicht ächt sind; ich weiß jedoch keine eben so kurze, ver- ständliche, und allgemein bekannte, an ihre Stelle zu setzen. Übri- gens wird die ächte Terminolo- gie weiter unten ausführlich fest- gestellt werden. . Singularsuccession nennen wir diejenige, welche irgend ein einzelnes Vermögensrecht zum Gegenstand hat, §. 105. Successionen. oder auch mehrere zusammengefaßte Vermögensrechte, je- doch so, daß jedes einzelne für sich übergeht, ohne durch diesen, zufällig gemeinschaftlichen, Übergang mit den übri- gen in Verbindung zu treten. Dieser Begriff ist für sich allein weder schwierig noch erheblich, und er bekommt nur durch den Gegensatz des nachfolgenden Falles seine Be- deutung. Die Universalsuccession hat zum Gegenstand das Vermoͤgen als ein ideales Ganze, das heißt so daß dabey von seinem speciellen Inhalt, sowohl nach der Quantität (dem Geldwerth), als nach der Qualität (der Art der darin enthaltenen einzelnen Rechte, und den Gegenständen dieser Rechte), ganz abstrahirt wird (§ 56) Die wichtigste Schrift über die Natur der Universalsuccession ist die Abhandlung von Hasse über Universitas juris und re- rum, Archiv B. 5 N. 1 (s. oben § 56. o ), obgleich darin dieser Ge- genstand nicht Hauptpunkt der Un- tersuchung ist. Von dem Begriff der Universalsuccession wird da- selbst S. 19 gehandelt. . Diese Succession also bezieht sich zwar allerdings auch auf die einzelnen in diesem Vermögen enthaltenen Rechte, jedoch nur mittelbar, das heißt nur insofern und weil sie Theile die- ses Vermögens als des eigentlichen Gegenstandes der Suc- cession sind. Dieser wichtige Rechtsbegriff erhält seine nä- here Bestimmung durch folgende Reihe von Sätzen. 1) Das Vermögen als solches, als eine ideale Groͤße, ohne Rücksicht auf seinen besondern Inhalt, ist Gegenstand dieser Art der Succession. Damit aber ist wohl vereinbar, daß dieselbe oft nicht das gesammte Vermögen, sondern Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nur eine Quote, das heißt einen Rechnungstheil desselben, betrifft; denn auch ein solcher Theil bezieht sich ja nur auf den angegebenen idealen Begriff des Vermögens als seine Grundlage: das Vermögen ist die Einheit, wovon jener Theil als ein Bruch erscheint. — Eben so ist mit dieser Art der Succession vereinbar der Umstand, daß manche einzelne Rechte, nach ihrer besonderen Natur, nicht fähig sind durch sie mit übertragen zu werden, und da- her, im Fall einer solchen Succession, vielmehr ganz un- tergehen Hasse a. a. O., S. 24. — So z. B. ist Erbschaft eine Uni- versalsuccession; eben so die Ar- rogation. Aber bey der Erbschaft geht der Niesbrauch des Verstor- benen nicht mit über; bey der Ar- rogation, nach dem älteren Recht, weder der Niesbrauch, noch auch selbst die Schulden des Arrogirten. ; denn durch dieses Ausscheiden bestimmter ein- zelner Stücke wird das Wesen der Vermögenseinheit, worauf es hier allein ankommt, gar nicht verändert. 2) Da das Vermögen eine universitas ist, und zwar die wichtigste unter allen, so kann man den eben aufge- stellten Satz auch so ausdrücken: Gegenstand dieser Art der Succession ist eine universitas als solche; auch wird sich sogleich zeigen, daß die Römische Bezeichnung dieser Successionsart auf den eben erwähnten Ausdruck gegrün- det ist. Irrigerweise aber haben Manche diesen Ausdruck umgekehrt, und daher angenommen, daß diese Succession auch auf andere Arten einer universitas, z. B. Dos oder Peculium (§ 56), angewendet werden könne, da sie doch nur allein bey dem Vermögen vorkommt. §. 105. Successionen. 3) Das eigentliche Kennzeichen der Universalsuccession ist der unmittelbare Übergang der zu diesem Vermögen ge- hörenden Forderungen und Schulden Hasse a. a. O., S. 21. — Bey der Erbschaft ist dieses un- zweifelhaft. Bey der Arrogation gehen wenigstens die meisten For- derungen über; die Schulden würden auch übergehen, wenn sie nicht durch capitis deminutio zer- stört würden (§ 70 N. III. ). — In Beziehung auf den Erben wird dieser Umstand geradezu als Kenn- zeichen angegeben in L. 37 de adqu. vel om. her. (29. 2.). , für welche die- ses sogar der einzig mögliche Übergang ist, indem sie durch Singularsuccession gar nicht übertragen werden können Bey den Obligationen giebt es keine Singularsuccession, son- dern nur Surrogate derselben für die Zwecke des Verkehrs; näm- lich Umtausch gegen eine neue Obligation von gleichem Werth ( novatio ), oder Verfolgung der Schuld durch einen Stellvertre- ter ( cessio actionis ). . 4) Dieses künstliche Rechtsverhältniß kann nicht etwa nach Gutdünken auf irgend einen beliebigen Zweck ange- wendet werden, sondern es ist vielmehr ausschließend für eine Anzahl bestimmter, einzelner Fälle angeordnet, in wel- chen es dann aber auch immer, und wiederum ohne Rück- sicht auf eine möglicherweise entgegengesetzte individuelle Willkühr eintritt Eine Aufzählung dieser Fälle findet sich bey Hasse S. 49. . Die wichtigsten dieser Fälle betreffen den Nachlaß eines Verstorbenen, als: hereditas, bonorum possessio, fideicommissaria hereditas, und andere ähnliche Verhältnisse. Das Vermögen eines Lebenden geht auf diese Weise über: erstlich, wenn der Inhaber in eines An- dern Gewalt kommt ( arrogatio, in manum conventio, Skla- verey zur Strafe), zweytens wenn das Vermögen dessel- ben im Concurse (nach der älteren Form desselben) ver- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. kauft wird. — In vielen anderen Fällen dagegen kann zwar auch die Absicht auf die Übertragung eines ganzen Vermögens gerichtet seyn; sie geht aber nicht unmittelbar in Erfüllung, weil von der Universalsuccession nicht will- kührlich Anwendung gemacht werden kann; vielmehr müs- sen in solchen Fällen alle Bestandtheile des Vermögens einzeln übertragen werden Hasse S. 23 — 40. — Die wichtigsten Fälle sind die, wenn ein ganzes Vermögen verschenkt, zu einer Dos verwendet, in eine Societät eingebracht werden soll, oder wenn ein Erbe die ihm an- gefallene Erbschaft verkauft. Ge- wissermaßen gehört dahin auch das legatum partitionis, indem die- ses gleichfalls nur als Singular- succession wirkt, obgleich es eine Quote der Erbschaft zum Gegen- stand hat; nur ist hier der Un- terschied, daß der Erblasser diese Quote dem ernannten Legatar eben so leicht als Erbeinsetzung zuwenden könnte, wodurch es eine Universalsuccession werden würde, daß also hier gerade die Absicht des Erblassers darauf gerichtet ist, die angewiesene Quote in den Gränzen einer Singularsuccession zu halten. — Eben dahin gehörte ursprünglich die Restitution einer fideicommissarischen Erbschaft, bis das Sc. Trebellianum die Natur einer Universalsuccession hinein legte. Gajus II. § 252. 253. . 5) Man kann nun fragen, aus welchem Grund dieser künstliche Rechtsbegriff aufgestellt, und auf bestimmte Fälle angewendet, auf andere aber nicht angewendet worden ist? Ohne Zweifel lag die Veranlassung dazu in dem uralten, stets wiederkehrenden, höchst wichtigen Verhältniß der he- reditas. In dieses die Forderungen und Schulden, so wie besonders die sacra, mit herein zu ziehen, war unentbehr- lich. Dieser praktische Zweck konnte durch einzelne, für jedes dieser Verhältnisse besonders erlassene, Vorschriften erreicht werden; es war aber dem juristischen Takt der Roͤmer angemessen, diese Einzelnheiten durch einen Total- §. 105. Successionen. begriff zusammen zu fassen, in welchem dann, neben jenen wichtigsten Zwecken, zugleich alle Nebenfragen ihre ganz zusammenstimmende Erledigung fanden. An die hereditas schlossen sich dann die wichtigsten anderen Fälle, wie die bonorum possessio, unmittelbar an, da sie ohnehin nur erweiterte Anwendungen jenes Rechtsbegriffs waren. Auch für die Arrogation u. s. w. war eine angemessenere Ana- logie gewiß nicht aufzufinden. Weiter zu gehen mit die- ser künstlichen Anstalt, als wohin das unmittelbare Be- dürfniß führte, sagte wieder dem juristischen Sinn der Roͤmer nicht zu; insbesondere konnte es zu großen Härten führen, wenn man die Anwendung jenes künstlichen Rechts- instituts ganz der Privatwillkühr hätte überlassen wol- len Man kann daneben wohl annehmen, daß die Gränzen der Anwendung mitunter etwas Zu- fälliges an sich tragen mögen, und daß unter den minder wichtigen Fällen einzelne mehr oder weni- ger der Universalsuccession hätten zugezählt werden können, ohne das Wesen dieses Rechtsverhält- nisses zu gefährden. Hasse S. 60 untersucht ansführlich, warum die Römer gerade diese und keine an- dere Fälle dahin gerechnet haben, wobey er vielleicht hie und da et- was zu subtil verfährt. . Insoferne könnte man wohl im Sinne der Römi- schen Juristen sagen, die Anwendung der Universalsucces- sion sey juris publici (§ 16). Es bleibt nun noch übrig, den Sprachgebrauch der Römer genau festzustellen Vergl. Hasse a. a. O. S. 40 fg. . Der Ausdruck Successio (Successor, Succedere) allein, ohne Zusatz, ist unsicher, indem er in zwey verschiedenen Bedeutungen gebraucht wird, so daß in jeder einzelnen III. 2 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Stelle dessen Bedeutung nur aus dem Zusammenhang zur Gewißheit gebracht werden kann. — In mehreren Stellen bezeichnet derselbe schon für sich allein ausschließend die Universalsuccession Gajus III. § 82. — pr. J. de eo cui lib. (3. 11.). — Inscript. tit. J. de successionibus sublatis (3. 12.). — L. 170 de V. S. (50. 16.), L. 7 § 2 de cond. furt. (13. 1.), L. 1 § 37. 43 de aqua (43. 20.) u. a. m. ; dahin gehören unter andern auch die Stellen, worin heredes ceterique successores zusam- mengestellt werden L. 1 § 44. 48 de vi (43. 16.), L . 14 § 1 de div. temp. (44. 3.), L. 17 § 1 de proc. (3. 3.). ; ja nicht selten wird der Ausdruck noch enger auf die durch einen Todesfall veranlaßte Universalsuccession beschränkt Hasse S. 43 fg. . — In anderen Stellen dagegen hat derselbe eine ganz allgemeine Bedeutung, so daß beide Arten der Succession von ihm umfaßt wer- den. Dahin gehören diejenigen Stellen, worin er bestimmt auf einzelne Fälle bloßer Singularsuccession angewendet wird L. 17 § 5 de pacti s (2. 14.) „etsi per donationem successio „facta sit.” L. 4 § 29 de doli exc. (44. 4.), L. 7 in f. L. 8 de jurej. (12. 2.). ; ganz besonders aber diejenigen, worin die Ver- fasser nöthig finden, durch Zusätze auszudrücken, daß die eine oder die andere Art besonders gemeynt sey, welche Aus- drucksweise unverkennbar voraussetzt, daß Successio ohne Zusatz eine ganz allgemeine, beide Arten umfassende, Be- deutung habe. Davon werden sogleich viele Beyspiele an- gegeben werden. Was nun aber die genauere Bezeichnung für jede Art besonders betrifft, so sind vor allen diejenigen Stellen §. 105. Successionen. wichtig, worin beide Arten neben einander, also in ihrem Gegensatz, erwähnt werden. Dahin gehören folgende: I. L. 3 § 1 de exc. rei vend. (21. 3.). „Pari ratione etiam venditoris successoribus nocebit: sive in uni- versum jus , sive in eam dumtaxat rem successerint.” II. L. 1 § 13 quod leg. (43. 3.). „In locum successisse accipimus, sive per universitatem , sive in rem his sit successum.” III. L. 37 de adqu. vel om. her. (29. 2.). „Heres in omne jus mortui, non tantum singularum rerum dominium succedit.” IV. L. 24 § 1 de damno inf. (39. 2.). „.. successo- res autem non solum qui in universa bona succe- dunt , sed et hi, qui in rei tantum dominium successerint , his verbis continentur.” (Nämlich in den Worten einer vorher erwähnten Stipulation, worin der Ausdruck successorum ohne näheren Zu- satz vorkam.) Ich will nun theils aus diesen, theils aus anderen Stellen eine Übersicht derjenigen Ausdrücke geben, wodurch die eine oder andere Art der Succession besonders bezeich- net wird. A. Die Universalsuccession: Per universitatem successio oder succedere. N. II. der abgedruckten Stellen. pr. J. de succ. subl. (3. 12.). 2* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Per universitatem adquirere oder adquisitio. § 1 J. de succ. subl. (3. 12.). § 6 J. per quas pers. (2. 9.). Gajus II. § 97. Per universitatem transire. L. 62 de adqu. rer. dom. (41. 1.). L. 1 § 1 de fundo dot. (23. 5.). Universitatis successio. L. 3 pr. de B. P. (37. 1.). In jus succedere. L. 9 § 1 de edendo (2. 13.). L. 177 § 1 de R. J. (50. 17.). L. 3 pr. de B. P. (37. 1.). In omne jus succedere. N. III. der abgedruckten Stellen. L. 11 de div. temp. (44. 3.). In universum jus succedere und successio. N. I. der abgedruckten Stellen. L. 19 § 5 de aedil. ed. (21. 1.). L. 24 de V. S. (50. 16.). L. 62 de R. J. (50. 17.). Juris successor. L. 9 § 12 de her. inst. (28. 5.). L. 9 § 1 de edendo (2. 13.). § 11 de J. test. ord. (2. 10.). In universa bona succedere. N. IV. der abgedruckten Stellen. §. 106. Altersstufen. B. Die Singularsuccession. In rem succedere. N. I. II. der abgedruckten Stellen. L. 8 de jurej. (12. 2.). In rei dominium succedere. N. IV. der abgedruckten Stellen. In singularum rerum dominium succedere. N. III. der abgedruckten Stellen. Bey den angeführten Formen: per universitatem suc- cedere u. s. w., ist jedoch zu bemerken, daß dadurch die Universalsuccession, d. h. die Succession in das Vermögen selbst als eine universitas, nur auf mittelbare Weise be- zeichnet wird. Denn zunächst ist in diesem Ausdruck die Rede von dem Erwerb einer einzelnen Sache, und es wird durch jenen Zusatz nur ausgedrückt, daß der Erwerb der einzelnen Sache vermittelst des Ganzen, wozu dieselbe als Bestandtheil gehört, vor sich gehe. §. 106. II. Freye Handlungen. — Hindernisse : A. Alters- stufen. Einleitung . Freye Handlungen können in zwey verschiedenen Be- ziehungen zu den Rechtsverhältnissen gedacht werden: als Gegenstände der Rechte, und als Entstehungsgründe derselben. Die erste Beziehung ist nur anwendbar auf eine einzelne Klasse der Rechte, die Obligationen, fällt also Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dem speciellen Theil des Systems anheim. Die zweyte Be- ziehung dagegen, in welcher sie als Gründe der Entste- hung, oder auch des Untergangs der Rechte, und daher als die wichtigste Klasse der juristischen Thatsachen über- haupt, erscheinen, gehört wesentlich hierher, indem sie für die gemeinsame Betrachtung folgende wichtige Frage dar- bietet: Welches sind die persönlichen Bedingungen der Handlungsfähigkeit Der wesentliche Unterschied der Rechtsfähigkeit von der Hand- lungsfähigkeit ist schon oben (§ 60) bemerkt worden. Das Verhält- niß beider Rechtsbegriffe zu ein- ander ist aber dieses: Der Rechts- fähige kann nach Umständen bald handlungsfähig seyn, bald auch nicht. Der Rechtsunfähige dage- gen muß gerade soweit, als er die- ses ist, auch handlungsunfähig seyn, weil in ihm die Handlung die ihr sonst zukommende Wir- kung gar nicht hervorbringen kann. Wo dieses anders zu seyn scheint, da ist es in der That, juristisch zu reden, nicht seine Handlung, sondern die Handlung eines von ihm nur vertretenen Anderen. So z. B. konnte ein Römischer Sklave allerdings die wichtigsten Geschäf- te, selbst Mancipationen und Sti- pulationen, gültig abschließen: allein er galt hierin nur als das juristische Instrument des Herrn, dem die Handlungen des Skla- ven gerade so zu gut gerechnet wurden, als ob er selbst gehan- delt hätte. , oder genauer: welches sind einestheils die Hindernisse, wodurch jene Fähigkeit ausge- schlossen oder vermindert wird, anderntheils die künstlichen Erweiterungen derselben? Die Hindernisse der Handlungsfähigkeit, oder des voll- ständig freyen Vernunftgebrauchs, können auf folgende Fälle zurückgeführt werden, die nunmehr einzeln zu erwä- gen sind: Unreifes Alter. Vernunftlosigkeit. §. 106. Altersstufen. Interdiction. Natur der juristischen Personen. Daß der Mensch, unmittelbar nach seiner Geburt, alles Vernunftgebrauchs gänzlich ermangelt, ist unzweifelhaft. Zwischen diesem Zustand aber, und dem der vollständigen Ausbildung, liegen allmälige, ganz unmerkliche Übergänge in der Mitte. Dadurch entsteht für die Rechtsanwendung eine zwiefache große Schwierigkeit: erstlich durch die un- sichere Gränzbestimmung im Leben jedes Einzelnen, zwey- tens durch die ungleiche Entwicklung verschiedener Men- schen. Das praktische Bedürfniß führt darauf, hierin po- sitiv durchzugreifen, weil nur dadurch die erwähnte zwie- fache Ungewißheit gehoben werden kann. Dieses ist die Bedeutung der im positiven Recht bestimmten Altersstufen, die also lediglich auf die Handlungsfähigkeit, nicht auf die Rechtsfähigkeit, Einfluß haben, und deren Feststellung daher nur an diesem Ort unternommen werden kann. Das Römische Recht nimmt in dem Leben jedes ein- zelnen Menschen Drey wichtige Gränzpunkte an, wodurch folgende Vier juristisch verschiedene Lebensalter entstehen: 1) Von der Geburt bis zum Ende des Siebenten Jah- res. — Infantes, Qui fari non possunt, Kinder. 2) Von Sieben Jahren bis zum Ende des Vierzehen- ten oder Zwölften Jahres, nach Verschiedenheit der Ge- schlechter. — Qui fari possunt (bey den Neueren Infantia majores). — Beide erste Lebens alter zusammengefaßt: Im- puberes, Un mündige. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. 3) Von Vierzehen oder Zwölf Jahren bis zum Ende des Fünf und zwanzigsten Jahres. — Adolescentes, Adulti. — Dieses Lebensalter mit den zwey ersten zusammen: Mi- nores Der Ausdruck Minores ist eine bloße Abkürzung, da es roll- ständig heißt: Minores XXV an- nis; eben so auch Majores. , Minderjährige. — Dieses Lebensalter mit dem folgenden zusammen: Puberes, Mündige. 4) Von Fünf und zwanzig Jahren an, ohne weitere Gränze. — Majores, Volljährige, Großjährige. Als Grundlage der weiteren Ausführung aber muß gleich hier bemerkt werden, daß unter diesen drey Gränz- punkten der mittlere ( Pubertas ), wie der älteste, so auch der wichtigste ist Diese vorherrschende Wich- tigkeit der pubertas zeigt sich auch darin, daß das Alter der Impu- beres und Puberes geradezu als prima und secunda aetas bezeich- net wird, gleich als ob dieses die einzigen Altersstufen wären. L. 30 C. de ep. aud. (1. 4.), L. 10 C. de impub. et al. subst. (6. 26.), L. 8 § 3 C. de bon. quae lib. (6. 61.). . Das Römische Recht nämlich, so weit historische Nachrichten aufwärts reichen, nimmt an, mit der Geschlechtsreife sey zugleich auch der volle Ver- nunftgebrauch wirklich vorhanden. Vor diesem Zeitpunkt ist daher der Mensch handlungsunfähig, weshalb sein Ver- mögen unter der Verwaltung eines Tutors steht. Nach demselben Zeitpunkt ist er voͤllig handlungsfähig, beherrscht also selbst sein Vermoͤgen, und bedarf eines Tutors nicht mehr Im männlichen Geschlecht hörte nun jede Tutel auf; im weiblichen trat allerdings eine neue Tutel (die muliebris ) an die Stelle der bisherigen, allein diese neue hatte gar keine Be- ziehung mehr auf das Alter, und hörte auch niemals des bloßen Al- ters wegen auf. . Beide Regeln aber haben allmälig Modifica- §. 107. Altersstufen. Infantes. tionen erhalten, worauf sich nun der erste und dritte Gränzpunkt beziehen. Das Ende der Kindheit bezeichnet den Punkt, bis zu welchem aufwärts doch noch ein ge- wisser Grad der Handlungsfähigkeit reicht; so wie das Ende der Minderjährigkeit den Punkt bezeichnet, bis zu welchem abwärts die ursprünglich unbedingte Handlungs- fähigkeit der Mündigen späterhin doch noch einigen Ein- schränkungen unterworfen worden ist. Unter diesen Vier Lebensaltern bedarf das letzte keiner besonderen Betrachtung, da dasselbe nur den normalen Zu- stand in sich schließt, worin überhaupt kein Hinderniß der Handlungsfähigkeit wahrzunehmen ist. Die drey ersten aber sind nunmehr nach ihrer natürlichen Zeitfolge abzuhan- deln, und zwar ist bey jedem derselben sowohl der Gränz- punkt selbst, als die praktische Bedeutung desselben zu un- tersuchen: beides, so weit es geschehen kann, mit Rück- sicht auf die historische Entstehung der darauf bezüglichen Rechtsregeln. §. 107. II. Freye Handlungen. — Hindernisse : A. Alters- stufen. Infantes und Qui fari possunt. Wir fragen zuerst: durch welche Betrachtungen wur- den die Römer veranlaßt, innerhalb der Unmündigkeit noch einen besonderen Zeitraum unter dem Namen Infantia aus- zuscheiden? oder mit anderen Worten: welches war die praktische Bedeutung der Infantia? Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Nach dem ältesten und durchgreifendsten Grundsatz wa- ren alle Impuberes zu juristischen Handlungen ganz un- fähig, und deshalb hatten sie stets einen Tutor, der für sie handelte (§ 106). Allein die strenge Durchführung die- ses Grundsatzes, auch in dem Fall wenn der Unmündige von väterlicher Gewalt frey, folglich im Besitz eines eige- nen Vermögens war, würde für den Rechtsverkehr im Ganzen sehr störend, für die Unmündigen selbst aber äu- ßerst nachtheilig gewesen seyn. Denn die meisten und wichtigsten Geschäfte des älteren Rechts konnten nur durch eigenes Handeln des Betheiligten zu Stande kommen, und die Vertretung durch einen Fremden (wie hier durch den Tutor) war dabey ganz unzulässig und wirkungslos. Folg- lich hätte der Tutor zwar die Felder des Unmündigen be- stellen, Pachtgelder und Kapitalzinsen erheben, den Unter- halt des Mündels bestreiten, kurz alles Dasjenige, was zur laufenden Verwaltung gehört, besorgen können: aber die vortheilhaftesten und nothwendigsten Rechtsgeschäfte, wie Mancipationen, Stipulationen, Kaufcontracte u. s. w., hätten zum großen Schaden des Unmündigen gänzlich un- terbleiben müssen. Wie war da zu helfen? Zunächst durch folgende Betrachtung. Der Grundsatz der Pubertät, als Anfang und Bedingung der Handlungs- fähigkeit, beruht auf der Voraussetzung, von diesem Zeit- punkt an werde gewiß die nöthige Einsicht in die Natur der vorkommenden Geschäfte vorhanden seyn. Allein Nie- mand kann annehmen, daß diese Einsicht mit jenem Zeit- §. 107. Altersstufen. Infantes. punkt plötzlich entstehe. Sie wird also wohl auch schon einige Zeit vorher (prope pubertatem) vorhanden seyn, und es hat kein Bedenken, auch schon in dieser Zeit den Unmündigen, der jetzt proximus pubertati ist, selbst han- deln zu lassen, wenn nur dafür gesorgt wird, daß er da- bey nicht zu Schaden komme. Diese Gefahr aber wird sicher verhütet, wenn man den Unmündigen nur diejeni- gen Geschäfte, bey welchen nichts zu verlieren ist (wie das Stipulari ), allein vornehmen läßt, bey bedenklichen Geschäften aber (wie das Promittere ) die Genehmigung des Tutors erfordert. Darin lag dann eine ganz unge- fährliche Erleichterung des Verkehrs, in Beziehung auf die oben dargestellte Schwierigkeit, und diese Erleichterung ha- ben die Roͤmer wirklich anerkannt, wobey wohl zu bemer- ken ist, daß sie Dieses nicht als eine Abweichung von all- gemeinen Grundsätzen ansehen, sondern als Etwas, das sich eigentlich von selbst verstehe. Allein genügend war diese Abhülfe nicht, da sie nur einen so kurzen Zeitraum umfaßte. Man that also einen zweyten und wichtigeren Schritt, indem man annahm, der Unmündige solle auch schon früher, also noch ehe man ihm Geschäftseinsicht zuschreiben konnte, dennoch selbst handeln dürfen: versteht sich mit den schon erwähnten schützenden Maasregeln, so daß er allein handeln sollte nur wo kein Verlust möglich war, sonst aber stets mit Genehmigung seines Tutors. Es ist wohl zu bemerken, daß die Römer diesen zweyten, wichtigeren Schritt als Etwas ansahen, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. das sich nicht von selbst verstehe, vielmehr als eine ganz positive, zur Erleichterung des Rechtsverkehrs getroffene Einrichtung, als benigna interpretatio, utilitatis causa recepta Am vollständigsten ausge- drückt findet sich dieser Gang der Gedanken in § 9. 10 J de inut. stip. (3. 19.). „Pupillus omne negotium recte gerit … Sed quod diximus de pupillis, uti- que de his verum est, qui jam aliquem intellectum habent: nam infans, et qui infanti pro- ximus est … nullum intellectum habent. Sed in proximis in- fanti, propter utilitatem eo- rum, benignior juris interpre- tatio facta est, ut idem juris habeant, quod pubertati proxi- mi.” (ist theils wörtlich über- einstimmend mit Gajus III. § 107. 109, theils aber bestimmter und unzweydeutiger; ohne Zweifel aus einem anderen Urtext.) — L. 6 rem pupilli (46. 6.) „si (pupil- lus) .. fari potest, etiamsi ejus aetatis erit, ut non intelligat quid agat: tamen propter uti- litatem receptum est , recte eum stipulari et agere.” — L. 1 § 13 de O. et A. (44. 7.). „Huic (fu- rioso) proximus est, qui ejus aetatis est, ut nondum intelli- gat quid agatur. Sed quod ad hunc, benignius acceptum est : nam qui loqui potest, creditur et stipulari et promittere recte posse.” — „ favorabiliter eis praestatur.” L. 9 de adqu. vel om. her. (29. 2.). , folglich als ein jus singulare (§ 16). Das Besondere dabey lag aber nach ihrer Ansicht darin, daß (unter dem Schutz der erwähnten Vorsichtsmaasregeln) auch Derjenige handeln kann, der von dem Geschäft noch Nichts versteht: eben darum aber betrachteten sie die Fähigkeit des proximus pubertati vielmehr als etwas Natürliches. Jedoch sollte auch diese wichtige Erleichterung wieder eine bestimmte Gränze haben, damit nicht mit Rechtsge- schäften ein bloßes Spiel getrieben würde. Sie sollte erst anfangen mit dem Ende der Infantia. Und so ist also die praktische Bedeutung der Infantia diese: sie ist der Lebens- abschnitt, mit dessen Ablauf der Mensch zu Rechtsge- §. 107. Altersstufen. Infantes. schäften (theils allein, theils mit dem Tutor) fähig wird L. 70 de V. O. (45. 1.). „Mulier .. fecerat .. promittere dotem … Infanti … placebat ex stipulatu actionem non esse, quoniam qui fari non poterat, stipulari non poterat.” L. 141 § 2 eod. „Pupillus .. ex quo fari coeperit, recte stipulari po- test.” — Vgl. auch L. 5 de R. J. (50. 17.) , und die in der Note a abgedruckte Stellen. . Welches ist aber die Gränze der Infantia? Infans heißt wörtlich ein Nichtsprechender, insbesondere jedoch verstand man darunter Den, welcher noch nicht durch sein Alter zum Besitz der Sprache gekommen ist, da der durch orga- nische Mängel Sprachlose mutus genannt wurde In L. 65 § 3 ad Sc. Treb. (36. 1.) wird neben dem Infans, oder qui fari non potest, der mutus als verschieden genannt. . Daß man nun in der That den Ausdruck in seinem etymologi- schen Sinn genommen hat, erhellt unwidersprechlich aus dem Umstand, daß die Römer in vielen Stellen, mit ganz willkührlicher Abwechslung, bald Infans, bald qui fari non potest sagen; und dieses wird wieder am anschaulichsten in solchen Stellen, worin beide Ausdrücke unmittelbar neben einander als gleichbedeutend gebraucht werden L. 70 de V. O. (45. 1.), s. o. Note b. — L. 65 § 3 ad Sc. Treb. (36. 1.), L. 30 § 1. 2. 4 de fid. lib. (40. 5.), L. 1 C. ad Sc. Tert. (6. 56.). . Also sollen Diejenigen, und nur Diejenigen, Geschäfte be- treiben dürfen, welche schon sprechen können . Allein in dieser Gränzbestimmung liegt noch eine unverkennbare Zweydeutigkeit. Man kann nämlich den Ausdruck nehmen in dem Sinn des gewöhnlichen Lebens, von der niederen Fertigkeit, wodurch das Kind seine kindischen Vorstellun- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gen in Tönen zu bezeichnen vermag, welches meist im zweyten oder dritten Lebensjahr anfängt; oder in dem hö- heren Sinn, nach welchem die Sprache schon ein zusam- menhängender Ausdruck verständiger Gedanken ist, und also zugleich einen Fortschritt der Geistesentwicklung vor- aussetzt und anzeigt. Die Römer nun haben den Aus- druck in diesem letzten Sinn genommen, folglich auch der Infantia eine weit größere Ausdehnung gegeben, als welche aus dem ersten Sinn folgen würde Die erste Bedeutung der Infantia (beschränkt auf die aller- ersten Lebensjahre) wird verthei- digt in einer Abhandlung von Unterholzner , Zeitschrift für geschichtl. Rechtswissenschaft B. 1 N. 3 S. 44—53. Eine gelehrte Widerlegung findet sich in einer Recension dieser Abhandlung, Hei- delberger Jahrbücher Jahr 1815 S. 664—683. . Daß sie über- haupt das fari posse als Gränzpunkt annahmen, hatte seinen Grund in der uralten Sitte, alle wichtigen Ge- schäfte in feyerliche Formeln mündlicher Rede einzuklei- den Das fari posse drückte also zweyerley zugleich aus: diejenige Verstandesentwicklung, welche sich durch den verständigen Redege- brauch kund giebt, und die Fä- higkeit zu mündlichen Rechtsge- schäften. Beides fällt zusammen, und daher war der Ausdruck auch auf diejenigen Rechtsgeschäfte an- wendbar, wozu mündliche Rede nicht gerade erfordert wurde, wie die Consensualcontracte. . Nun war ihre Meynung gar nicht, juristische Handlungen dadurch herabzuwürdigen, daß man ein Kind hätte gedankenlos unverstandene Worte nachsprechen las- sen, welches oft auch bey einem Blödsinnigen bewirkt wer- den könnte; vielmehr sollte der Knabe immer schon ver- stehen, was er sagte, also mit Bewußtseyn sprechen, wenn ihm auch vielleicht das Geschäft selbst, nach seinen Grün- §. 107. Altersstufen. Infantes. den und Zwecken, Vortheilen und Nachtheilen, noch unbe- kannt seyn mochte. Dabey lag also zum Grunde die sehr natürliche Unterscheidung folgender drey Zustände: I. Ein- sicht in das Geschäft selbst, worüber verhandelt wird, II. Mangel dieser (materiellen) Einsicht, neben (formaler) Verstandesentwicklung, das heißt neben dem Verständniß der bey der Verhandlung auszusprechenden Worte Diese Unterscheidung von zwey verschiedenen Entwicklungs- stufen, die in den Stellen der Römischen Juristen unverkennbar zum Grunde liegt, würde darin weniger übersehen worden seyn, wenn die Römer dabey einen fe- steren und bestimmteren Sprach- gebrauch durchgeführt hätten. Zu- weilen allerdings finden sich solche Ausdrücke, welche denjenigen, die noch nicht proximi pubertati sind, nur die Einsicht in den Gegen- stand , also die materielle Ge- schäftskenntniß, absprechen (z. B. L. 5 de R. J. „qui fari possunt, quamvis actum rei non intelli- gerent, eben so L. 1 § 13 de O. et A. (Note a) „nondum intel- ligat quid agatur ,” und L. 9 de adqu. vel om. her. „ut cau- sam adquirendae hereditatis non intelligat”) , während sie ih- nen das intelligere überhaupt, d. h. das verständige Bewußtseyn, wohl zusprechen ( L. 14 de spons., abgedruckt eben im Text N. 4). Dagegen sind wieder andere Stel- len, welche von jenen Unmündi- gen schlechthin sagen: nullum in- tellectum habent (§ 10 J. de inut. stip. 3. 19., s. o. Note a ). — Übrigens ist die höhere Entwick- lung (das actum rei intelligere ) relativ, und zwar nicht blos ab- hängig von den individuellen An- lagen, sondern auch von der Na- tur des Geschäfts selbst. Ein Knabe z. B. wird früher lernen, mit Sachkenntniß ein Kleidungs- stück einzukaufen, als einen ver- wickelten Societätscontract abzu- schließen. — Der Gedanke ist also eigentlich der: Nach zurückgeleg- ter Kindheit hat der Unmündige hinreichend passiven Verstand, um das Denken und Wollen des aucto- rirenden Tutors in sich aufzu- nehmen und zu dem seinigen zu machen; steht er nahe an der Mündigkeit, so darf ihm auch schon ein selbstthätiger, die Ge- schäfte begreifender und verar- beitender Verstand zugeschrieben werden. , III. Mangel dieses letzten Verständnisses, obgleich vielleicht die Worte vernehmlich, aber gedankenlos nachgesprochen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. werden könnten. Bey dem ersten Zustand ( Puberes und pubertati proximi ) versteht sich die Handlungsfähigkeit von selbst; bey dem zweyten (qui fari possunt) ist sie als Erleichterung des Verkehrs nachgelassen worden; bey dem dritten (Infantia) soll auch diese Erleichterung nicht statt finden. Ehe aber dieses Alles historisch bewiesen werden kann, muß an die schon oben erwähnte Schwierigkeit erinnert werden, die für das praktische Leben aus der bey jedem Einzelnen allmäligen, bey verschiedenen Menschen aber sehr ungleichen, Entwicklung der Sprachfähigkeit hervorgeht. Hier war eine feste und für Alle gleichförmige Gränze praktisch sehr wünschenswerth. Nun wurde den Römern eine uralte Lehre griechischer Philosophie bekannt, welche der Zahl Sieben geheimnißvolle Kräfte, und den sieben- jährigen Lebensperioden eine besondere Wichtigkeit beylegte. Diese Lehre kam jenem praktischen Bedürfniß auf die will- kommenste Weise entgegen, und so geschah es, daß die Gränze der Kindheit gerade auf das Ende des siebenten Jahres allgemein angesetzt wurde, anstatt daß wohl auch Sechs oder Acht Jahre dafür angenommen werden konn- ten Es darf also nicht so ver- standen werden, als wäre diese ganze Lehre von der Infantia erst durch griechische Philosophie in das Römische Recht gekommen; nur die Fixirung auf ein bestimm- tes Jahr überhaupt, und gerade auf Sieben Jahre, ist daher ab- zuleiten. Die Zeugnisse für die alte Philosophenlehre sind sehr gründlich zusammengestellt in der oben (Note e ) angeführten Re- cension S. 669 fg. . Nimmt man nun Sieben Jahre an, so folgt §. 107. Altersstufen. Infantes. daraus zugleich unmittelbar die Bestätigung der oben auf- gestellten Behauptung, daß das fari posse nicht in dem gemeinen, sondern in einem hoͤheren Sinn verstanden wurde, indem es kaum jemals vorkommen wird, daß ein Kind vor dem achten Jahr gar nicht sprechen lernen sollte. Die Richtigkeit dieser Sätze beruht auf dem Beweise, daß in der That die Infantia genau die ersten Sieben Le- bensjahre ausfüllt, und dieser Beweis soll nunmehr durch Zusammenstellung folgender übereinstimmenden Zeugnisse ju- ristischer und nichtjuristischer Art geführt werden. 1) L. 1 § 2 de admin. (26. 7.). Der Tutor kann für seinen Mündel, wenn dieser verklagt wird, den Prozeß führen. Diesen Satz führt Ulpian in folgenden Worten weiter aus: licentia igitur erit, utrum malint ipsi suscipere judici- um, an pupillum exhibere, ut ipsis auctoribus judici- um suscipiatur: ita tamen, ut pro his qui fari non possunt, vel absint, ipsi tutores judicium suscipiant: pro his autem qui supra septimum annum aetatis sunt , et praesto fuerint, auctoritatem praestent. Das heißt: der Tutor hat die Wahl, ob er will allein den Prozeß führen, oder dem prozeßführenden Mündel die auctoritas geben. Freylich wenn der Mündel noch nicht sprechen kann, oder abwesend ist, so kann nur der Tutor allein handeln; das erwähnte gemeinschaftliche Handeln kann also nur eintreten, wenn der Mündel sowohl das siebente Jahr zurückgelegt hat, als auch anwesend ist. — III. 3 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Hier ist also das fari posse als gleichbedeutend gesetzt mit dem Ablauf des siebenten Lebensjahres, und die Schluß- worte auctoritatem praestent müssen in Gedanken ergänzt werden durch si velint, so daß sie blos die Wiederho- lung bilden sollen von den vorhergehenden Worten licen- tia erit Unterholzner (Note e ) nimmt in dieser Stelle die Un- terscheidung von drey Lebensal- tern an: 1) Kinder, die noch gar nicht sprechen, 2) Von da bis Sieben Jahre, 3) Über Sieben Jahre. Im ersten soll nur der Tutor allein handeln, im zweyten soll er die Wahl haben, im drit- ten sollen nur beide vereinigt han- deln können. Zunächst wird aber durch diese Erklärung dem Ulpian eine sehr fehlerhafte Ausdrucks- weise aufgebürdet, wie dieses der oben angeführte Recensent S. 678 ausgeführt hat. Ganz entschei- dend aber gegen diese Erklärung ist Folgendes. Unter jenen drey Sätzen wäre der wichtigste der dritte, durch welchen es dem Tu- tor untersagt seyn soll, für den schon Siebenjährigen den Prozeß allein zu führen. Allein dieser wichtigste Satz ist auch ganz ge- wiß falsch. Für die active Pro- zeßführung (im § 2 ist von der passiven die Rede) giebt der § 4 dem Tutor ohne alle Einschrän- kung die Befugniß, allein zu han- deln. Besonders aber hat diese uneingeschränkte Befugniß, so- wohl bey der activen als bey der passiven Prozeßführung, auch der Curator eines Minderjährigen ( L. 1 cit. § 3. 4 ). Es ist aber völlig undenkbar, daß jemals die- ser Curator sollte ein ausgedehn- teres Recht gehabt haben, als der Tutor eines Unmündigen über Sieben Jahre. Nimmt man nun aus diesen Gründen an, daß der am Ende stehende Ausdruck aucto- ritatem praestent eben so wie der vorhergehende licentia erit, dem Tutor die Wahl läßt, so unterscheidet Ulpian überhaupt nicht Drey Lebensalter, sondern nur Zwey. . 2) L. 8 C. Th. de maternis bonis (8. 18.). Wenn ei- nem in vaͤterlicher Gewalt stehenden Sohn eine hereditas oder bonorum possessio zufällt, so soll während der In- fantia der Vater allein den Erwerb besorgen, nach der Kindheit, das heißt nach dem Ende des siebenten Lebens- §. 107. Altersstufen. Infantes. jahres, der Sohn selbst; auch soll dabey nicht auf die frühere oder spätere Sprachentwicklung der Individuen ge- sehen werden. .. infantis filii aetatem nostra auctoritate praescribi- mus, ut sive maturius, sive tardius, filius fandi sumat auspicia, intra septem annos aetatis ejus, pater .. im- ploret .. hac vero aetate finita, filius Edicti beneficium petat rel. Stände diese Stelle allein, so könnte man glauben, Arcadius habe die Sieben Jahre erfunden; die Verglei- chung mit allen übrigen Stellen läßt keinen Zweifel, daß dieser Ausdruck nur dem Gesetzstyl der späteren Kaiser zu- zurechnen ist. Eben deshalb ist selbst auf die Worte sive maturius sive tardius nicht allzu viel Gewicht zu legen, aus welchen man sonst wohl abnehmen könnte, nach einer abweichenden Meynung mancher Juristen hätte die indivi- duelle Sprachfähigkeit untersucht werden müssen, und diese Controverse hätte jetzt der Kaiser entscheiden wollen. Un- möglich ist eine solche Controverse nicht, aber jene Worte können auch als ganz müßige Amplification, oder als Vor- beugung gegen einen blos denkbaren Zweifel, dastehen. 3) L. 18 pr. und § 4 C. de jure delib. (6. 30.). Si infanti, id est minori septem annis , … hereditas sit derelicta .... und nachher § 4: Si autem septem annos aetatis pupillus excesserit rel. 4) L. 14 de sponsal. (23. 1.). In sponsalibus contrahendis aetas contrahentium defi- 3* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nita non est … si modo id fieri ab utraque persona intelligatur, id est si non sint minores quam septem annis. Hier ist nicht geradezu gesagt, daß unter den minores quam septem annis eben Diejenigen zu verstehen sind, welche anderwärts Infantes heißen; aber die Meynung des Juristen war es ohne allen Zweifel, und die Veranlassung zu dieser Zeitbestimmung lag ganz einfach darin, daß in der älteren Zeit die Verlobung durch eine Stipulation ge- schlossen zu werden pflegte L. 2 de sponsal. (23. 1.). — „Sponsalia autem dicta sunt a spondendo: nam moris fuit veteribus stipulari, et spondere sibi uxores futuras.” . 5) Quinctilianus I. 1: Aut cur hoc usque ad septem annos lucrum fastidiamus? … quantum in infantia prae- sumptum est temporis, adolescentiae adquiritur. Hier nimmt er offenbar Infantia und Alter unter Sie- ben Jahren als völlig gleichbedeutend. 6) Macrobius in somu. Scip. I. 6: eodemque anno, id est septimo, plene absolvitur integritas loquendi. 7) Isidori origines XI. 2. Prima aetas infantia est … quae porrigitur in septem annis. In diesem Theil der Untersuchung sind bisher zwey Ausdrücke stillschweigend angewendet worden, welche nun noch einer genaueren Feststellung um so mehr bedürfen, als darüber unsere Juristen von jeher sehr viel gestritten §. 107. Altersstufen. Infantes. haben; es sind die Ausdrücke Pubertati und Infantiae pro- ximus Über die Bedeutung dieser Ausdrücke finden sich viele ältere Meynungen zusammengestellt in J. Gothofredi Comm. in tit. de reg. juris, L. 111 tit. cit. — Von neueren Schriftstellern sind dar- über zwey besondere Abhandlun- gen zu bemerken: Gensler im Archiv für civilist. Praxis B. 4 N. 18, und Dirksen im Rhei- nischen Museum B. 1 (Jurispru- denz) S. 316—326. . Manche haben Dieses von einer genauen Hal- birung des Zeitraums zwischen der Kindheit und Pubertät verstanden, so daß, nach Verschiedenheit der Geschlechter, 10½ und 9½ Jahre den Graͤnzpunkt bilden wuͤrden Diese Meynung hat schon Accursius in L. Pupillum (111.) de R. J. . Andere nehmen es ganz subjectiv, so daß ein frühreifer Knabe schon im achten Jahr pubertati proximus heißen könnte, ein sehr unentwickelter noch im vierzehenten Jahr infantiae proximus. Hält man sich aber ganz einfach an den Wortsinn, so muß man beide Erklärungen verwerfen, und unter dem proximus denjenigen verstehen, der dem ei- nen oder anderen Gränzpunkte sehr nahe steht. Dann liegt zwischen beiden in der Mitte ein größerer Zeitraum, der gar keinen Namen führt. Der praktische Sinn jener Ausdrücke ist aber ohne Zweifel der, daß eine gewisse Ge- schäftskenntniß nahe an der Pubertät zu vermuthen, nahe an der Kindheit nicht zu vermuthen ist, wobey also die Beurtheilung der unbestimmten Zwischenzeit ganz dem rich- terlichen Ermessen überlassen bleibt, ja selbst nicht ausge- schlossen wird von jener Vermuthung da abzuweichen, wo eine ganz ungewöhnlich frühe oder späte Entwicklung klar Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. vorliegt Dieser praktische Sinn des proximus infantiae und puber- tati leuchtet deutlich genug aus solchen Stellen hervor, worin das so bezeichnete Alter als Kennzei- chen des Daseyns einer vollstän- digeren Urtheilsfähigkeit, das heißt als Vermuthungsgrund dafür, an- gegeben wird. § 10 J. de inut. stip. (3. 19.) „infans et qui in- fanti proximus est .. nullum intellectum habent (Note a ). — § 18 ( al. 20) J. de oblig. ex del. (4. 1.) „si proximus pubertati sit et ob id intelligat se delin- quere.” — L. 4 § 26 de doli exc. (44. 4.) „doli pupillos, qui pro- pe pubertatem sunt, capaces esse.” — Mit dieser Ansicht über- einstimmend ist Dirken a. a. O. Anders verfährt Gensler a. a. O. Er meynt, die Halbirung des Zeitraums (nach Accursius) liege zwar nicht in den Worten, aber doch im Geiste des R. R., und zwar in folgendem Sinn. Bey dem infantiae proximus sey Do- lus unmöglich, Culpa möglich, aber erst zu erweisen; der pub. prox. sey des Dolus wie der Culpa fähig, doch werde nur die Culpa präsumirt, der Dolus müsse er- wiesen werden; neben beiden Prä- sumtionen aber gelte stets der Gegenbeweis. Eine unrömischere Behandlung der Sache läßt sich schwer anbringen. . Insoferne liegt also auch in der zweyten, oben verworfenen, Erklärung ein wahres Element, nur daß sie ganz ohne Noth den Worten Gewalt anthut. Bey Rechtsgeschäften hat nun diese ganze Unterscheidung ihren praktischen Werth völlig verloren, seitdem hier die oben erwähnte benigna interpretatio (Note a ) Alles ausgegli- chen hat. Sie ist daher nur noch bey Delicten erheblich geblieben, wie dieses im folgenden § bemerkt werden wird. Zum Behuf der genauen Anwendung der zwey aufge- stellten Vermuthungen kann man fragen, welches die eigent- liche Gränze des proximus sey. Darüber findet sich keine Bestimmung. Will man indessen eine Gränze annehmen, die doch auf einem allgemeinen Grunde, nicht auf bloßer Willkühr, beruht, so kann man proximus Denjenigen nen- §. 108. Altersstufen. Infantes. (Fortsetzung.) nen, der weniger als ein volles Jahr von dem einen oder andern Gränzpunkt entfernt ist. Dann wären durch jene Ausdrücke die Zeiträume zwischen 7 und 8 Jahren und zwischen 13 und 14 (oder 11 und 12 im weiblichen Ge- schlecht) bezeichnet Auch diese Meynung ist schon früher aufgestellt worden. Vgl. J. Gothofredus l. c. . Daß die Roͤmischen Juristen es nicht nöthig fanden, eine solche genauere Bestimmung hin- zuzufügen, erklärt sich wohl aus der so eben bemerkten geringen praktischen Wichtigkeit, welche diesen Begriffen übrig geblieben war. §. 108. II. Freye Handlungen. — Hindernisse: A. Altersstufen. Infantes und Qui fari possunt. (Fortsetzung.) Die im vorigen §. über den Einfluß der zurückgelegten Kindheit aufgestellten Regeln sollen nunmehr auf die wich- tigsten einzelnen Rechtsverhältnisse angewendet werden, wobey zugleich noch einige merkwürdige Ausnahmen zur Sprache kommen müssen. Der hier anzuwendende Grundsatz lautete aber also. Das Kind ist aller juristisch wirksamen Handlungen un- fähig. Der Unmündige, der nicht mehr Kind ist, kann mit Genehmigung des Tutors alle Handlungen vorneh- men: ohne Genehmigung nur diejenigen, welche blos Vor- theil bringen ohne Nachtheil oder Gefahr. Dieser letzte Theil des Grundsatzes wird so ausgedrückt: meliorem qui- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dem suam condicionem licere eis facere, etiam sine tu- toris auctoritate, deteriorem vero non aliter quam tutore auctore pr. J. de auctor. (1. 21.), L. 28 pr. de pactis (2. 14.). In der Pandektenstelle steht nur die erste Hälfte dieser Regel, in den Institutionen stehen beide, obgleich in manchen Handschriften die zweyte Hälfte gleichfalls fehlt. Eine besondere Anwendung der zweyten Hälfte enthält L. 10 de jur. et facti ign. (22. 6.). „Im- puberes sine tutore agentes ni- hil posse scire intelliguntur.” So wie hier die Stelle in die Digesten aufgenommen ist, er- klärt sie den Pupillen für unfähig, durch sein Bewußtseyn in irgend einen Nachtheil zu kommen, wo- durch also jede Verpflichtung durch Culpa ausgeschlossen seyn würde. Zunächst dachte aber Papinian an den Verlust durch versäumte Frist der bonorum possessio, welches daraus erhellt, daß die Stelle durch ihre Inseription mit L. 2 de suc- cessorio ed. (38. 9.) zusammen- hängt, worin nicht von einem Pu- pillen, sondern von einem Min- derjährigen die Rede ist, der die B. P. wirklich agnoscirt, und dann dagegen restituirt wird. . I. Bey den obligatorischen Verträgen zeigt sich jener Grundsatz am reinsten und vollständigsten. Jeder Unmündige also, der nicht mehr Kind ist, kann auch ohne Tutor gültig stipuliren, nicht promittiren pr. J. de auctor. (1. 21.), § 9 J. de inut. stip. (3. 19.). ( Ga- jus III. § 107), L. 9 pr. de auctor. (26. 8.), L. 8 pr. de adqu. her. (29. 2.), L. 41 de cond. ind. (12. 6.), L. 1 C. de inut. stip. (8. 39.). . So bey einseitigen Verträgen. Schließt er dagegen allein einen zweyseitigen Vertrag, worin stets Gewinn und Verlust gemischt ist (wie Kauf und Miethe), so ist der Ver- trag für den Gegner bindend, für den Unmündigen nicht, das heißt es steht in der Wahl des Tutors, ob er den Vertrag ganz anerkennen oder verwerfen will pr. J. de auctor. (1. 21.), L. 5 § 1 de auctor. (26. 8.), L. 13 § 29 de act. emti (19. 1.). . Eine natürliche Beschränkung erleiden diese Regeln bey §. 108. Altersstufen. Infantes. (Fortsetzung.) dem Unmündigen, der noch unter väterlicher Gewalt steht, und der auf keine Weise eine Schuld contrahiren kann § 10 J. de inut. stip. (3. 19.), L. 141 § 2 de V. O. (45. 1.). — Dieser Satz bezieht sich nur auf das ältere Recht, nicht auf die der neueren Zeit des R. R. an- gehörenden sogenannten Peculien. Ein castrense kann der Unmün- dige überhaupt noch nicht haben; als aber das sogenannte adven- titium aufkam, war die Gewohn- heit und das Bedürfniß der aucto- ritas schon so vermindert, daß man es wohl deswegen unter- ließ, besondere Vorkehrung für diesen Fall zu treffen. Nament- lich für das sogenannte extraor- dinarium bekam der unmündige Sohn keinen Tutor, sondern ei- nen Curator, der also zur aucto- ritas unfähig war. L. 8 § 1 C. de bon. quae lib. (6. 61.). . Denn auch bey dem proximus pubertati paterfamilias grün- dete sich die Möglichkeit des Eintritts in ein Schuldver- hältniß, wenngleich nicht wie bey einem jüngeren auf be- nigna interpretatio (§ 107. a) , dennoch auf die künstliche Anstalt der auctoritas, und diese war nur eingeführt we- gen des dringenden Bedürfnisses bey einem mit eigenem Vermoͤgen versehenen Unmündigen (§ 107). Bey dem fili- usfamilias, der kein Vermögen haben konnte, war dieses Bedürfniß nicht vorhanden, und darum war es ganz un- nütz dem Vater eine ähnliche Macht wie die tutoris aucto- ritas zu verleihen, blos damit der Sohn möchte Schuld- ner werden können. II. Bey den Obligationen aus Delicten gelten andere Regeln. Delicte sind nicht, wie die Rechtsge- schäfte, Bedürfniß für den Verkehr, sondern vielmehr nur Stoͤrungen desselben. Daher ist für sie weder die benigna interpretatio (§ 107. a) angewendet worden, noch auch überhaupt die auctoritas, wodurch ja nur erlaubte Ge- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. schäfte erleichtert werden sollten. Wollte man aber dabey strenge stehen bleiben, so läge darin ein großes Unrecht gegen den Verletzten, der gegen das Delict des Unmündi- gen gar keine Hülfe gehabt hätte. Deshalb gilt hier fol- gende Regel. So lange der Unmündige das in seiner Handlung liegende Unrecht noch nicht begreift, entsteht für ihn überhaupt keine Verpflichtung; ist er fähig es zu begreifen, so wird er durch seine einseitige Handlung ver- pflichtet, so daß also diese Art der Obligationen auf der einen Seite schwerer, auf der andern aber leichter ent- steht, als die Obligationen aus Verträgen. Daß er fähig ist das Unrecht zu begreifen, wird bey ihm vermuthet so- bald er proximus pubertati ist; hier also ist der einzige Fall, worin dieser Begriff noch praktischen Einfluß hat In manchen Stellen wird als Bedingung der Zurechnung das proximus pubertati ausge- drückt, in anderen das doli (oder culpae) capax; mit so willkühr- licher Abwechslung, daß Beides nothwendig als gleichbedeutend ge- dacht seyn muß. Am unverkenn- barsten ist es in den Stellen, worin beide Bedingungen, als in einem Causalzusammenhang ste- hend, mit einander verbunden werden, vgl. § 107. n. . Allein die individuelle Beurtheilung sollte durch diese Ver- muthung nicht ausgeschlossen seyn. Diese gründet sich nicht blos auf die größere oder geringere Entwicklung des Unmündigen, sondern auch auf die mehr oder weniger ein- fache Natur der verbotenen Handlung; so z. B. wird ein zwölfjähriger Knabe leicht wissen was er thut, wenn er Geld stiehlt; aber er wird es vielleicht nicht begreifen, wenn ihn ein Anderer zu einem künstlich angelegten Be- §. 108. Altersstufen. Infantes. (Fortsetzung). trug als Werkzeug gebraucht L. 13 § 1 L. 14 de dolo (4. 3.). Die erste Stelle sagt, auch die doli actio könne gegen den pro- ximus pubertati gehen; dieses führt die zweyte Stelle weiter aus in folgenden Worten: Quid enim si impetraverit a procuratore petitoris ut absolveretur … vel alia similia admisit, quae non magnam machinationem exi- gunt? ” Noch deutlicher tritt diese Ansicht bey der Frage wegen der Zurechnung mancher öffentli- chen Verbrechen hervor, von wel- chen sogleich die Rede seyn wird. (Note k). . Dagegen würde es ganz unrichtig seyn, hierin den Unterschied zwischen culposen und dolosen Delicten als entscheidend anzusehen, so daß der Unmündige früher zu jenen als zu diesen für fähig zu halten wäre Diesen Unterschied behaup- tet Gensler (§ 107. n ), ohne Zweifel weil bey mehreren dolo- sen Delicten der proximus pu- bertati ausgedrückt wird, bey cul- posen (die aber überhaupt nur selten vorkommen) nicht, wie in L. 5 § 2 ad L. Aquil. (9. 2.), L. 23 de furtis (47. 2.). Allein in eben so vielen Stellen wird auch dort nur der doli capax erwähnt, gerade so wie hier nur der culpae capax. Ja in L. 23 cit. werden beide mit völlig gleich- artigen Ausdrücken unmittelbar neben einander genannt. — Sieht man auf das Wesen der Sache, so ist es wohl einleuchtend, daß man einem Knaben meist früher einen Diebstahl wird zurechnen können, als die Unvorsichtigkeit woraus gegen einen Erwachsenen unfehlbar die actio legis Aqui- liae entstehen würde. . — Diese Grundsätze werden nun in vielen Delicten mit großer Consequenz durchgeführt So bey furtum, damnum injuria datum, und injuria. § 18 ( al. 20.) J. de oblig. ex del. (4. 1.), L. 23 de furtis (47. 2.), L. 5 § 2 ad L. Aquil. (9. 2.), L. 111 pr. de R. J. (50. 17.), L. 3 § 4 de injur. (47. 10.). — Bey vi bonorum raptorum. L. 2 § 19 vi bon. rapt. (47.8.). — Bey se- pulchrum violatum. L. 3 § 1 de sep. viol. (47. 12.). — Bey dolus. L. 13 § 1 L. 14 de dolo . — Ganz dieselben Grundsätze aber gelten auch bey solchen Obligationen, deren erste Entstehung nicht in einem De- lict, sondern in einem Vertrag u. s. w., enthalten ist, wo- bey aber die einzelne Anwendung der Klage auf einen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Dolus sich gründet L. 1 § 15 depos. (16. 3.), L. 46 de O. et A. (44. 7.), L. 3 § 2 de tribut. (14. 4.). . — Und eben so werden diese Grund- sätze auch auf die Bestrafung öffentlicher Verbrechen an- gewendet, bey welchen ganz besonders hervorgehoben wird, daß die Zurechnung von der mehr oder weniger einfachen und leicht einzusehenden Natur des Verbrechens abhängig seyn soll So soll das Falsum nicht leicht jemals bey Unmündigen an- wendbar seyn. ( L. 22 pr. ad L. Corn. de falsis (48. 10.). Bey dem Falschmünzen wird sonst auch das Mitwissen bestraft, an den Unmündigen nicht weil sie es nicht verstehen. ( L. 1 C. de falsa mon. 9. 24.). Besonders lehrreich ist auch die feine Beurtheilung eines einzelnen Falls in L. 14 de Sc. Silan. (29. 5.). — Schon in den zwölf Tafeln war für das fur- tum manifestum und den Feld- schaden bestimmt, der Unmündige solle praetoris arbitratu gepeitscht werden; dieses Ermessen betraf wohl weniger das Maas der Züch- tigung, als die Zurechnung über- haupt. Vgl. Dirksen zwölf Ta- feln S. 45. 577, und im Rhein. Museum B. 1 S. 325. . III. Bey der Auflösung der Obligationen ist die Anwendung des Grundsatzes einfach und unbedenklich. Der Unmündige kann einen Erlaßvertrag schließen: wenn er Schuldner ist für sich allein, als Glaubiger aber nur mit dem Tutor L. 28 pr. de pactis (2. 14.). . — Zahlung leisten würde er können, weil er dadurch Befreyung erwirbt: dennoch kann er es nicht ohne Tutor, weil es nicht geschehen kann ohne Ver- äußerung des Geldes. Ganz eben so verhält es sich mit dem Empfang einer Zahlung, wodurch er zwar Geld er- wirbt, auf der andern Seite aber auch eine Forderung verliert § 2 J. quib. alienare (2. . (4. 3.), L. 4 § 26 de doli except. (44. 4.). §. 108. Altersstufen. Infantes. (Fortsetzung.) IV. Die Prozeßführung , der Unmündige mag nun Kläger oder Beklagter seyn, ist wegen des ungewissen Ausgangs stets ein gefährliches Geschäft; daher ist dazu der Unmündige fähig nur mit Genehmigung des Tutors L. 1 § 2. 4 de admin. (26. 7.). Vgl. § 107. Num. 1. . V. Eigenthum erwerben kann der Unmündige auch allein, weil er dadurch nur reicher wird. Veräußern kann er nur mit dem Tutor, weil er dadurch sein Ver- mögen vermindert § 2 J. quib. alienare (2. 8.), L. 9 pr. § 2 de auctor. (26. 8.), L. 11 de adquir. rer. dom. (41. 1.). — Die erste Hälfte der Regel kommt nicht leicht rein für sich zur Anwendung. Denn grün- det sich der Erwerb auf ein feyer- liches Geschäft, wie die Manci- pation, so konnte wohl niemals der Unmündige ohne Tutor da- bey überhaupt auftreten, so daß hierin Gewinn und Verlust kei- nen Unterschied machte; entsteht er aber durch Besitz, wie bey der Tradition, so kommen die etwas modificirten Regeln vom Besitz- erwerb (s. u. Num. VIII. ) zur An- wendung. . — So konnte also namentlich die Freylassung eines Sklaven von dem Unmündigen nur mit dem Tutor gemeinschaftlich vorgenommen werden L. 24 de manum. vind. (40. 2.), L. 30 § 1. 2. 3. 4 de fid. lib. (40. 5.), L. 9 § 1 de auctor. (26. 8.). . VI. Sponsalien schließen kann der Unmündige für sich allein L. 14 de sponsal. (23. 1.). Vgl. oben § 107. Num. 4. , welches so zu erklären ist. Steht er in väterlicher Gewalt, so ist er ohnehin, auch unabhängig von dem unreifen Alter, an des Vaters Einwilligung streng gebunden. Ist er unabhängig, so konnte freylich die Ge- nehmigung des Tutors nicht aushelfen, da diese sich nur auf das Vermögen bezieht, womit die Sponsalien nicht in Verbindung stehen. Man möchte also, nach der Analogie 8.), L. 9 § 2 de auctor. (26. 8.), L. 14 § 8 L. 15 de solut. (46. 3.). Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. der Obligationen, erwarten, daß die Sponsalien in jenem Alter vielmehr gänzlich unterbleiben müßten. Daß man sie dennoch, und zwar dem Unmündigen allein, gestattete, erklärt sich wohl aus der ganz ungefährlichen Natur einer Handlung, die durch einseitige Willkühr jederzeit wieder entkräftet werden kann. Die einzige Gefahr war etwa die, daß vielleicht derselbe Unmündige abermals Sponsa- lien eingieng, ohne die ersten gekündigt zu haben, auf welche Handlung allerdings die Infamie folgte (§ 77. IV. ). In den bisher abgehandelten Fällen (mit Ausnahme der Delicte) kam unser Grundsatz rein zur Anwendung; in den folgenden Fällen sind durch eigenthümliche Schwie- rigkeiten einige Ausdehnungen der sonst geltenden Fähig- keit veranlaßt worden. VII. Erwerb einer Erbschaft . Dieser ist stets mit der Übernahme von Obligationen verbunden. Daher kann der Unmündige nie allein diese Handlung vornehmen, wohl aber (vom achten Lebensjahr an) stets mit dem Tu- tor, selbst wenn er so jung und unentwickelt ist, daß er die Wichtigkeit dieser Handlung nicht begreift § 1 J. de auctor. (1. 21.), L. 9 L. 8 pr. de adqu. her. (29. 2.), L. 9 § 3. 4 de auctor. (26. 8.), L. 1 C. ad Sc. Tert. (6. 56.): „Licet liberi .. ita demum per se heredes existant, si fari pos- sint” rel. Hier heißt das per se nicht etwa: für sich allein — denn so können es auch die älteren Un- mündigen nicht; sondern: durch ihre Mitwirkung. Wahrscheinlich sind die Worte eingeschoben, um die Stellen mit den sogleich zu erwähnenden späteren Erleichte- rungen in Einklang zu bringen. . Dieses Alles liegt in der reinen Anwendung unsres Grundsatzes. §. 108. Altersstufen. Infantes. (Fortsetzung.) Allein damit war hier das praktische Bedürfniß noch lange nicht befriedigt. Der Erwerb der Erbschaft unter- scheidet sich von jedem andern Erwerb dadurch, daß er ein höchst persoͤnliches Geschäft ist. Darum konnte zu kei- ner Zeit ein Sklave die dem Herrn deferirte Erbschaft für diesen erwerben, anstatt daß er ihm durch Mancipation oder Stipulation allerdings erwerben konnte. Eben so konnte dieser Erwerb niemals durch freye Mittelspersonen bewirkt werden, selbst nachdem diese zu vielen anderen Erwerbungen zugelassen worden waren. War also der berufene Erbe noch in der Kindheit, so konnte für ihn weder der Tutor durch eigenes Handeln, noch auch ein Sklave, aushelfen, und diese wichtigste unter allen Er- werbungen hätte also überhaupt bey Kindern unterbleiben müssen, lediglich zu Ehren der strengen Rechtsform. — Dieselbe Schwierigkeit trat ein bey denjenigen Infantes, die noch in väterlicher Gewalt standen, nur kam bey die- sen im älteren Recht der Anfall einer Erbschaft seltner vor; er wurde erst häufig und wichtig seit dem Sc. Or- phitianum und den neueren Kaisergesetzen Nach Agnationsrecht näm- lich konnte dem filiusfamilias keine Erbschaft zufallen, weil der Vater dem Verstorbenen stets um einen Grad näher stand. Durch Testament war es zwar möglich, aber die Erbeinsetzung eines Kin- des von Seiten eines Fremden ist wohl überhaupt nicht häufig; vollends wenn dieses Kind in vä- terlicher Gewalt stand, war es einfacher sogleich den Vater ein- zusetzen. . Wie war nun in diesen Fällen zu helfen? Paulus schlägt eine Auskunft vor, die von folgender Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Betrachtung ausgeht. Die Erbschaft könne überhaupt er- worben werden durch ausgesprochene Worte ( cernendo oder nuda voluntate ) oder durch Handlungen ( gerendo ) Gajus II. § 167. . Die erste Art sey freylich nicht möglich bey dem qui fari non potest, wohl aber die zweyte, der Tutor könne also das Kind Handlungen eines Erben vornehmen lassen und dazu die Genehmigung ertheilen L. 65 § 3 ad Sc. Treb. (36. 1.) „sive enim heres insti- tutus esset, non dubie pro he- rede, tutore auctore, gerere posse videtur. ” Er macht da- von Anwendung auf den Empfang eines Erbschaftsfideicommisses, wo- bey er nur unter der Voraus- setzung einige Schwierigkeit fin- det, daß der eingesetzte Erbe zum Antritt gezwungen werden muß; eben diese Schwierigkeit beseitigt er in den angeführten Worten durch die Analogie der heredi- tas. — Bey der bonorum pos- sessio, die als ein prätorisches Institut viel freyer behandelt wur- de, half man sich einfacher. Der Vater sollte für das Kind, der Tutor für den Mündel, selbst die B. P. erbitten dürfen, also ganz ohne persönliches Mitwir- ken des berufenen bonorum pos- sessor. L. 7. § 1 L. 8 L. 11 de B. P. (37. 1.), L. 3 C. qui ad- mitti (6. 9.). — Über die Be- handlung der Erbschaftsfideicom- misse, die ein Unmündiger em- pfangen oder restituiren soll, vgl. außer der angeführten L. 65 § 3 ad Sc. Treb. auch L. 37 § 1 eod. und L. 7 pr. C. eod. (6 49.). . Hier gestattet er also die auctoritas während der Infantia, worin sie sonst durch- aus nicht zugelassen wird; offenbar nur aus Noth, und indem er sich zu diesem Zweck hinter den Wortsinn von Infans versteckt, sich also darüber hinwegsetzt, daß in allen anderen Beziehungen nicht blos wegen der Sprachunfähig- keit die Möglichkeit der auctoritas bey dem Infans ver- neint wird, sondern zugleich wegen des damit verbunde- nen gänzlichen Mangels an intellectus Vgl. oben § 107. f. Wäre die Ansicht des Paulus durchgrei- fend, und nicht blos ein Nothbe- . §. 108. Altersstufen. Infantes. (Fortsetzung.) Späterhin beseitigte man die Schwierigkeit auf eine durchgreifendere, weniger subtile Weise, durch Kaiserge- setze. Während der Kinderjahre des berufenen Erben sollte ihm ganz ohne eigenes Zuthun die hereditas erworben werden können durch seinen Tutor, oder (wenn er noch in väterlicher Gewalt stand) durch den Vater L. 8 C. Th. de bonis mat. (8. 18.), L. 18 pr. § 2. 4 C. de j. delib. (6. 30.). — Praktisch wich- tig war diese Neuerung eben nicht, da in allen Fällen einer solchen hereditas auch schon durch Agni- tion der bonorum possessio (Note u ) der Zweck des Vermögens- erwerbs erreicht werden konnte. . Da- durch war nun die Abweichung von den strengen alten Rechtsregeln auf eine andere Seite gelegt. Anstatt daß Paulus die auctoritas während der Kinderjahre zulassen wollte, ließ man jetzt die Regel fallen, daß der berufene Erbe nur in eigener Person die hereditas erwerben könne; dadurch war aber auch jene frühere Auskunft ganz über- flüssig geworden, und sie steht in den Digesten nur noch als eine Antiquität da. VIII. Erwerb des Besitzes . Nach der Analogie der bisher abgehandelten Rechts- institute möchte man hier Folgendes erwarten. Erwerben müßte der Unmündige den Besitz auch für sich allein, weil darin reiner Gewinn liegt; aufgeben koͤnnte er ihn nur mit dem Tutor, denn obgleich der Besitz an sich selbst kein Recht ist, so sind doch bedeutende rechtliche Vortheile helf gewesen, so hätte man auch die auctoritas neben dem Con- sensualcontract eines Infans be- haupten müssen. Dieses ist jedoch niemals versucht worden, offen- bar weil kein praktisches Bedürf- niß dazu trieb. III. 4 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. daran geknüpft worden. Dieser letzte Theil der aufge- stellten Sätze ist denn auch im R. R. unbedenklich aner- kannt L. 11 de adqu. rer. dom. (41. 1.). „Pupillus, quantum ad adquirendum, non indiget tutoris auctoritate: alienare vero nullam rem potest, nisi praesente tutore auctore, et ne quidem possessionem quae est naturalis ” rel. Verlieren frey- lich kann der Unmündige den Be- sitz auch allein, nämlich corpore. L. 29 de adqu. poss. (41. 2.). Das ist aber nicht veräußern , das heißt verlieren durch seinen Willen, so daß die Handlung, neben dem Verlust des Besitzes, auch zugleich die Natur einer Suc- cession hat. Vergl. Savigny Recht des Besitzes, 6te Auflage, S. 418. 419. . Nicht so der erste Theil der aufgestellten Regel. Hierin zeigte sich der Erwerb des Besitzes schwieriger, als der Erwerb der strengen Rechtsverhältnisse des alten Rechts. Zwar der Erwerb mit Genehmigung des Tutors wird auch für den Besitz unbedenklich zugelassen L. 1 § 3. 11 de adqu. poss. (41. 2.), L. 4 § 2 de usurp. (41. 3.). . Dagegen soll der allein handelnde Pupill schlechthin nur dann zu diesem Erwerb fähig seyn, wenn er persönlich bereits Einsicht in die Natur dieses Geschäfts ( rei intellectum ) haben kann; fehlt es ihm hieran, so erwirbt er nicht, und die fuͤr den Erwerb eigentlicher Rechte eingeführte benigna interpre- tatio (§ 107. a) kommt ihm hier nicht zu gut L. 1 § 3 de adqu. poss. (41. 2.). „… Ofilius quidem et Nerva filius, etiam sine tutoris auctoritate possidere incipere posse pupillum ajunt: eam enim rem facti, non juris esse: quae sententia recipi potest, si ejus aetatis sint, ut intellectum ca- piant. ” Daß hier der rei intel- lectus, also der Geschäftsbegriff, gemeynt ist, ergiebt sich theils aus der Vergleichung mit dem be- stimmteren Ausdruck einiger oben (§ 107. g ) angeführten Stellen, theils aus L. 26 C. de don. (8. 54.). „aut habeat rei, quae sibi donatur, adfectum. ” Eben dar- auf geht L. 4 § 2 de usurp. (41. 3.). „Pupillus .. si non tutore . Der §. 108. Altersstufen. Infantes. (Fortsetzung.) Grund liegt darin, daß der Besitz seinem Wesen nach ein faktisches Verhältniß ist, dessen Grundbedingung, der ani- mus possidendi, außerdem gänzlich fehlen würde. Bey der auctoritas, die allerdings auch nur ein künstliches Ver- hältniß ist, ließ man sich durch diese Bedenklichkeit nicht stören, weil in derselben der Tutor mit dem Pupillen als zu Einem Individuum verschmolzen gedacht wird, so daß in dieser Vereinigung das Bewußtseyn des Tutors zugleich als Bewußtseyn des Pupillen zu betrachten ist. — Ist nun in dieser Hinsicht der Erwerb des Besitzes, verglichen mit eigentlichen Rechten, dem Unmündigen erschwert, so wird er ihm auf der anderen Seite künstlich erleichtert. Anstatt daß nämlich außerdem während der Kinderjahre keine aucto- ritas zugelassen wird, so ist dieselbe hier, abweichend von der Regel, und blos wegen der Bedürfnisse des Verkehrs ( utilitatis causa ), besonders gestattet L. 32 § 2 de adqu. poss. (41. 2.). „Infans possidere recte . Der Grund auctore possideat, et animum possidendi habeat, dicemus pos- se eam usucapere;” das heißt, wenn er, seiner Entwicklung nach, schon fähig ist, für diese Sache einen wahren animus possidendi zu fassen. — Das Daseyn dieses intellectus ist nun hier, wie an- derwärts (§ 107. g ), nach der Be- schaffenheit der Gegenstände zu be- urtheilen, so daß also derselbe Un- mündige vielleicht den Besitz ei- nes Geldstücks oder eines Klei- des wird erwerben können, dem diese Fähigkeit bey einem Land- gut abzusprechen ist. — Aus den oben angeführten sehr bestimm- ten Stellen sind übrigens einige unbestimmtere zu erklären. L. 1 § 11 de adqu. poss. (41. 2.). ;, … pupillus, maxime tutore auctore, adquirit possessionem” (maxime, d. h. dann unbedingt, ohne Tutor nicht immer). L. 32 § 2 eod. „Pupillus tamen etiam sine tutoris auctoritate posses- sionem nancisci potest” (näm- lich wenn er hinreichend entwik- kelt ist). Eben so auch L. 9 pr. de auctor. (26. 8). 4* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dieser eigenthümlichen Abweichung ist so zu erklären. Nach dem älteren Recht konnte überhaupt Niemand durch freye Mittelspersonen Rechte erwerben, also auch nicht der Pu- pill durch die Handlungen seines Tutors: bey dem Besitz insbesondere, welcher freylich nicht wie ein Recht, sondern wie eine Thatsache entsteht, gehört zu dieser Thatsache wesentlich der Wille des Besitzerwerbers, der aber nicht vorhanden ist, wenn blos der Tutor will. Daher konnte denn im älteren Recht der Tutor seinem Pupillen eben so wenig den Besitz, als Eigenthum oder Obligationen, er- werben. Allein bey diesen eigentlichen Rechten half das Sklavenverhältniß aus, indem jeder Sklave des Pupillen durch Mancipation oder Stipulation seinen Herrn zum Eigenthümer oder Glaubiger machte. Diese rein juristi- sche Aushülfe fehlte bey dem Besitz, der nur durch die Thatsache des Willens, neben der körperlichen Herrschaft potest, si tutore auctore coe- pit, nam judicium infantis sup- pletur auctoritate tutoris: uti- litatis enim causa hoc recep- tum est ” rel. — Vgl. über diese Stelle Savigny Recht des Be- sitzes 6te Aufl. S. 285. — Es würde ganz unrichtig seyn, wenn man sich diese utilitas so vorstellen wollte, als hätten dadurch die ei- genen Speculationen der Kinder begünstigt werden sollen; es kam darauf an, den Erwerbungen rechtliche Vollendung zu geben, die sich auf Rechtsgeschäfte des Tutors, oder auch des Erblassers des Pupillen gründeten. Wie wich- tig die Sache war, ergiebt sich aus der Betrachtung folgendes einfa- chen und häufigen Falles. Wenn ein Mann starb und einen Sohn unter Sieben Jahren als suus heres hinterließ, so erwarb die- ser fogleich ipso jure das ganze Vermögen, aber den Besitz des- selben, also auch den Interdicten- schutz, konnte er nicht anders als mit Hülfe jener anomalischen tu- toris auctoritas erwerben. (Vgl. Savigny Recht des Besitzes § 28). §. 108. Altersstufen. Infantes. (Fortsetzung.) ( corpore et animo ), zu Stande kommen sollte: daher konn- ten Sklaven dem Pupillen zwar jedes Eigenthum durch Mancipation aus eignem Entschluß erwerben, den Besitz aber nicht anders als wenn ihnen der Pupill, tutore auctore, dazu Befehl gegeben hatte Eigenthum erwarb durch einen Sklaven Jeder, er mochte es wissen und wollen, oder nicht. Den Besitz dagegen erwarb man durch den Sklaven nur entweder vermittelst des eigenen animus possidendi, oder (was nicht hier- her gehört) peculiariter, d. h. wenn dieser Erwerb nur zur Er- weiterung eines schon ertheilten peculii gehört. L. 1 § 5 de adqu. poss. (41. 2.). Ganz consequent konnte daher ein Unmündiger durch den Sklaven Besitz erwerben nur 1) in Folge eines Befehls, den er selbst, tutore auctore , gege- ben hatte ( L. 1 § 11 eod. ), 2) oder peculiariter, welches letzte auch bey der Infantia des Unmündigen von selbst anwendbar war ( L. 32 § 2 in f eod. ). . Da nun in der Regel einem Kinde keine auctoritas gegeben werden konnte, so hätte für ein Kind auf keine Weise jemals Besitz ent- stehen können. Diesem sehr fühlbaren Nachtheil abzuhel- fen, war das dringende Bedürfniß, oder die utilitas, um derenwillen die Römer bey dem Besitz ausnahmsweise die auctoritas zur Ergänzung der Handlung eines Kindes zu- ließen. Eine formelle Schwierigkeit fand sich dabey nicht, weil der Besitzerwerb, eben so wie die pro herede gestio, keiner mündlichen Rede bedarf, wozu gerade das fari posse nöthig gewesen wäre (Note u. v ). Späterhin half man einfacher und durchgreifender da- durch, daß man dem Tutor gestattete, durch seine eigene Handlung dem Pupillen Besitz zu erwerben L. 1 § 20 de adqu. poss. (41. 2.), L. 13 § 1 de adqu. rer. dom. (41. 1.), L. 11 § 6 de pign. act. (13. 7.). Vgl. Savigny Recht des Besitzes 6te Aufl. S. 367. , so daß Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. man für diesen Fall über den manglenden animus possi- dendi des Besitzers ganz hinwegsah. Dadurch verlor nun freylich der anomalische Erwerb des Kindes, auctore tu- tore, alle Wichtigkeit, und behielt eigentlich nur noch ein Interesse für die Entwicklungsgeschichte des ganzen Rechts- instituts. Außerdem hätte er für das Justinianische Recht sogar noch eine weit groͤßere Wichtigkeit, als für das frü- here, haben müssen, da in jenem die Tradition (die sich immer auf Besitzerwerb gründet) die einzige Form für die Veräußerung des Eigenthums geworden ist. Im Anfang dieses §. wurde die Regel aufgestellt, daß der Unmündige solche Handlungen, woraus möglicherweise Schaden entstehen kann, für sich allein vorzunehmen nicht fähig ist. Solche von ihm ausgehende Handlungen (wie Verschuldung, Veräußerung, Aufgeben einer Forderung) sind also ungültig. Allein diese Ungültigkeit muß nun noch durch eine gemeinsame Ausnahme beschränkt werden. Die erwähnte Ungültigkeit hat nämlich nur den Zweck, Nach- theil von dem Unmündigen abzuwehren, nicht ihn zu be- reichern. Ist er also in Folge jener Handlung zugleich bleibend bereichert worden, so muß diese Bereicherung her- ausgegeben oder angerechnet werden. So geschicht es bey Rechtsgeschäften. Wenn z. B. ein Unmündiger Zahlung von seinem Schuldner annimmt, so wird dadurch allein der Schuldner nicht frey (Num. III. ). Soweit aber das Geld sich noch vorfindet, ist es allerdings als Tilgung §. 109. Altersstufen. Impuberes. der Schuld anzurechnen L. 5 pr. de auctor. (26. 8.), L. 4 § 4 de doli exc. (44 4.), L. 15 L. 47 pr. § 1 L. 66 de solut. (46. 3.). . Eben so aber auch bey De- licten. Wenn also der Unmündige eine delictartige Hand- lung in einem Alter begeht, worin er des Dolus noch nicht fähig ist, so muß dennoch Dasjenige herausgezahlt werden, was sich in Folge jener Handlung in seinem Ver- mögen befindet L. 1 § 15 depositi (16. 3.), L. 13 § 1 de dolo (4. 3.), L. 4 § 26 de doli exc. (44. 4.). . §. 109. II. Freye Handlungen. — Hindernisse. A. Altersstu- fen. Impuberes und Puberes Vgl. A. G. Cramer progr. de pubertatis termino Kiliae 1804. Rudorff Recht der Vor- mundschaft B. 3 § 202. . An die Pubertät oder Geschlechtsreife ist nach dem älte- sten Recht der Genuß vollständiger Handlungsfähigkeit ge- knüpft (§ 106). Diese Fähigkeit äußert sich in drey wich- tigen Beziehungen. Erstlich hat der Mündige die eigene Herrschaft über sein Vermoͤgen in der Gegenwart, womit also nothwendig verbunden ist das Ende der bisher beste- henden Tutel. Zweytens hat er diese Herrschaft selbst für die Zeit nach seinem Tode, indem er nunmehr ein Testa- ment machen kann. Drittens hat derselbe die Fähigkeit zur Ehe. Diese drey wichtigen Wirkungen sind im Justi- nianischen Recht unstreitig an die Pubertät mit der nähe- ren Bestimmung geknüpft, daß das zurückgelegte vierze- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. hente oder zwoͤlfte Jahr als Pubertät allgemein gelten soll, ohne Beachtung individueller Zustände und Verschieden- heiten. Früher war diese einfache Bestimmung von Vie- len bestritten, und zwar namentlich für die Vierzehen Jahre des männlichen Geschlechts. Es fragt sich aber, und ist jetzt zu untersuchen, ob dieser Streit alle angege- bene Wirkungen der Pubertät, oder etwa nur eine dersel- ben, zum Gegenstand hatte; ferner, ob er sich auch auf die Zwölf Jahre des weiblichen Geschlechts erstreckte. Was nun diese letzte Frage betrifft, so kann gleich hier bemerkt werden, daß wir durch kein altes Zeugniß zu der An- nahme veranlaßt sind, als wären hier die Zwölf Jahre, als Gränze der Mündigkeit, jemals auch nur bezwei- felt worden. I. Ich betrachte nunmehr genauer die erste und wich- tigste unter jenen drey Wirkungen, die eigene Herrschaft über das Vermögen, welche gleichbedeutend ist mit der Beendigung der Tutel; man kann dieselbe auch als die allgemeine Handlungsfähigkeit bezeichnen, im Gegensatz der beiden anderen, deren jede nur ein einzelnes Rechtsge- schäft zum Gegenstand hat. Justinian sagt uns, in Beziehung auf das männliche Geschlecht, die Alten hätten außer den Jahren auch die Geschlechtsreife der Einzelnen geprüft; diese Untersuchung untersage er, als dem keuschen Sinn seiner Zeit widerstre- bend, weshalb ohne Unterschied der Individuen das Ende des vierzehenten Lebensjahres als Zeitpunkt der Pubertät §. 109. Altersstufen. Impuberes. gelten solle pr. J. quib. mod. tut. (1. 22.), L. 3 C. quando tutores (5. 60.). Die Institutionenstelle ist ausführlicher als die des Codex. . Genauere Nachricht über die früheren Meynungen finden wir bey Gajus und Ulpian. Die Sa- binianer forderten die individuelle Reife, die also unter- sucht werden müsse, die Proculejaner nahmen 14 Jahre an, (Javolenus) Priscus meynte, es müsse beides verei- nigt seyn, das Alter von 14 Jahren und die individuell festzustellende Reife Gajus I. § 196, Ulpian . XI. § 28. Die Stelle des Gajus ist lückenhafter als die des Ulpian, worin die Angabe für das männ- liche Geschlecht vollständig steht; eine Verschiedenheit in den An- gaben beider Schriftsteller erhellt nicht. — Schilling Institutio- nen B. 2 § 35 Note m verwirft die handschriftliche Leseart Pris- cus, und emendirt: plerisque visum est. . Eigentlich ist wohl diese dritte Meynung blos als die Ergänzung der Sabinianischen an- zusehen, indem Priscus wohl nur aussprach, was auch Jene gedacht hatten, daß die körperliche Untersuchung nur nach Ablauf der 14 Jahre eintreten solle, daß sie also die Zeit der Impubertät nie verkürzen, wohl aber oft ver- längern solle. — Wie stand es nun aber vor der Entste- hung jener Controverse? Und wie wurde es neben der- selben in der Praxis gehalten? In der älteren Zeit ist von einer Begränzung des Kna- benalters die Rede, hergeleitet aus einer alten religiösen Lehre der Römer; die Natur hatte das Lebensziel des Menschen auf 120 Jahre bestimmt, dieses wurde durch das Fatum auf 90 Jahre verkürzt, welche drey gleiche Hauptabschnitte des Lebens, jeden zu 30 Jahren, geben; Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. genau die erste Hälfte des ersten Abschnitts (also 15 Jahre) bildet die Knabenzeit Censorinus de die natali C. 14 (aus Varro). Servius ad Virgil. Aen. IV. 653. . — Daneben steht eine andere rein praktische, die auf die Militärverfassung des Königs Servius zurückgeführt wird; das Knabenalter dauert hier 17 Jahre, dann fängt die Kriegspflicht an Gellius X 28. „C. Tubero in historiarum primo scripsit, Servium Tullium … pueros esse existimasse, qui minores essent annis XVII., atque inde ab anno XVII. .. milites scrip- sisse” — Livius XXII. 57 (a. 538) „juniores ab annis XVII. et quos- dam praetextatos scribunt.” Die natürliche Erklärung scheint mir diese: Die Aushebung betraf (nach der Schlacht bey Cannä) alle ju- niores, d. h. die älter als 17 Jahre waren (und dieses war in der Re- gel der Kriegsverfassung), dieses- mal aber auch manche, die noch nicht dieses Alter hatten, folglich noch zu den praetextati gehörten. . Inwie- fern die zweyte Angabe durch Voraussetzung ungenauer Ausdrücke und historischer Irrthümer auf die erste zurück- geführt werden kann, mag hier dahin gestellt bleiben Niebuhr R. Gesch. B. 1 S. 492 ed. 3 erklärt die Angabe des Tubero (Note e ) von denje- nigen, die noch nicht das 17te Jahr angetreten hätten (was wohl nicht den Worten gemäß ist), und fügt hinzu, Tubero habe doch noch um ein Jahr geirrt, indem das Knabenalter (nach Varro) mit dem Anfang des 16ten Jahres auf- gehört habe. Allein es scheint mir durchaus keine innere Nothwen- digkeit vorhanden, die alte, von Varro und Servius erwähnte, Lehre mit der praktischen Ein- richtung des Kriegsdienstes zu identificiren. Die Stelle des Li- vius ist allerdings noch mehr, als die des Tubero, verschiedener Er- klärungen empfänglich. . Neuerlich ist aber die Vermuthung aufgestellt worden, diese politisch-militärische Gränze des Knabenalters (mag es nun 15, 16 oder 17 Jahre umfassen) sey damals zugleich im Privatrecht der Anfangspunkt der Handlungsfähigkeit gewesen. Diese Annahme ist nicht nur möglich, sondern §. 109. Altersstufen. Impuberes . auch natürlich, und darum nicht unwahrscheinlich; aber ein Zeugniß dafür haben wir nicht, und besonders darf nicht übersehen werden, daß dadurch in die ältere Zeit des Privatrechts ein ganz neues Princip willkührlich hinein getragen wird. Denn die Geschlechtsreife und die körper- liche Fähigkeit zum Kriegsdienst sind nicht nur den Be- griffen nach verschieden, sondern sie können auch praktisch aus einander liegen, indem mit früher Entwicklung der Geschlechtsreife ein schwächlicher Körperbau wohl verein- bar ist. Alle unsre Nachrichten aber knüpfen die privat- rechtliche Fähigkeit unbedingt an die Pubertät ; die Zwei- fel und Streitigkeiten betreffen blos die Feststellung der Zeit der Pubertät, durchaus nicht die Berücksichtigung irgend eines von der Pubertät selbst verschiedenen Princips. Wir fragen also nun: wie wurde der Zeitpunkt der Pubertät bestimmt, ehe diese Bestimmung in den beiden Juristenschulen ein Gegenstand des Schulstreites geworden war? Und wir lassen daneben ganz auf sich beruhen die weitere Frage, ob vielleicht in irgend einer Zeit, wovon sich gar keine Nachricht erhalten hat, die privatrechtliche Fähigkeit durch ganz andere Gründe als die Pubertät be- stimmt worden sey. Bey der ältesten Bestimmung der Pubertät ist es noth- wendig, eine uralte Roͤmische Sitte zu erwähnen, die da- mit unverkennbar in irgend einem Zusammenhang stand. Jeder Knabe nämlich unterschied sich von dem Jüngling und Mann auf eine sichtbare Weise durch die Kleidung, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. indem er ein Kleid mit einem Purpursaum ( praetexta ) trug, anstatt daß die toga virilis ohne einen solchen farbigen Saum war. Die Anlegung dieser männlichen Tracht aber geschah öffentlich, als eine feyerliche Handlung, und darin lag augenscheinlich die öffentliche Erklärung des Ein- tritts in das Jünglingsalter. Das Alter nun, in wel- chem diese Handlung vorgenommen wurde, war keines- weges gleichförmig. Zunächst schon deshalb nicht, weil sie in der Regel für alle Jünglinge auf einen und den- selben Tag, den 17ten März, oder das Fest der Libe- ralien, gesetzt war Ovid . fasti III. v. 771—788. — Daß man in einzelnen Fällen auch wohl einen anderen Tag wählte, steht damit nicht im Wi- derspruch. Wegen solcher ausge- nommenen Fälle will Noris ce- notaphia Pisana Diss. 2 C. 4 p. 113 die ganze Regel verwer- fen, und die Stelle des Ovid so erklären, daß an den Liberalien jeder Knabe vorübergehend eine weiße Toga getragen hätte. Dem widerspricht besonders v. 777. 778: „Sive, quod es Liber, vestis quoque libera per te Sumitur, et vitae liberioris iter. ” , wodurch also, selbst wenn man ein bestimmtes Lebensjahr zum Grund gelegt hätte, den- noch unter den Einzelnen ein Unterschied von beynahe einem Jahr entstehen konnte. Als eine solche Grundlage galt nun wohl das Alter von Vierzehen Jahren, so daß regelmäßig die männliche Toga an den nächstfolgenden Li- beralien, folglich im Laufe des funfzehenten Lebensjahres, angelegt wurde Schol. in Juvenalem X. 99 p. 605 ed. Cramer: „Prae- texta genus erat togae, qua utebantur pueri, adhuc sub dis- ciplina, usque ad XV. annum: deinde togam virilem accipie- bant.” Usque ad XV. annum heißt, wenn es nicht ungenau ge- braucht seyn soll: bis zum An- fang des 15ten Jahres. Beson- . Jedoch band man sich keinesweges §. 109. Altersstufen. Impuberes . streng an diese Regel, vielmehr scheint es, daß man oft im einzelnen Fall die Zeit mit ziemlich freyer Willkühr auswählte, hauptsächlich wohl mit Rücksicht auf die gei- stige und leibliche Entwicklung der Individuen, jedoch so daß auch manche äußere Convenienz Einfluß haben mochte. Dieses wird durch folgende sichere Fälle bestätigt. August nahm die Toga im sechzehenten Jahr Sueton . Augustus C. 8 „duodecimum annum agens avi- am Juliam defunctam pro con- cione laudavit. Quadriennio post virili toga sumta ” rel. Vgl. Noris l. c. p. 115. ; Caligula weit später, nämlich (nach Verschiedenheit der Lesearten) im 19ten, 20sten oder 21sten Sueton . Caligula C. 10 „et inde vicesimo aetatis anno … togam sumsit.” Andere Hand- schriften lesen undevicesimo . Ou- dendorp aber emendirt unetvice- simo, weil er durch Berechnung darthut, daß in der That damals Caligula im 21sten Lebensjahr stand. Er war nämlich geboren 765, und die Erzählung des Sue- ton fällt in 786. Vergl. Noris l. c. p. 116. ; Nero umgekehrt schon im vierzehenten Er war geboren am 16. December 790, und nahm die Toga schon im Lauf des Jahres 804. Noris l. c. p. 115. ; Marc Aurel im funfzehenten, also auf die regelmäßige Weise Capitolini Marcus C. 4: „Virilem togam sumsit XV. ae- tatis anno.” . So lange nun kein Rechtsstreit in irgend einem ein- ders aber scheint mir für diesen Zeitpunkt entscheidend die Mey- nung der Proculejaner, deren Entstehung ja nicht anders un- gezwungen erklärt werden kann, als aus der ohnehin schon als Regel geltenden Volkssitte. — Noris l. c. p. 113—116 nimmt die Zeit nach dem vollendeten 15ten Jahr (also ein Jahr später) als Regel an; allein theils muß er doch wieder Ausnahmen daneben zugeben, theils sind mehrere von ihm angeführte Fälle schwankend; so p. 114 Cicero der Sohn ge- boren 690, Toga 705: Virgil ge- boren 684, Toga 699. Beide Fälle können auf das 15te oder das 16te Jahr bezogen werden, da wir die Tage nicht kennen. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zelnen Fall entstand, galt wohl in ganz Rom Jeder unbe- denklich als impubes oder pubes, jenachdem er die Prä- texta oder die männliche Toga trug. Und so werden bey Juristen und Nichtjuristen die Ausdrücke praetextatus (oder investis ) und impubes, so wie vesticeps und pubes, als ganz gleichbedeutend genommen L. 3 § 6 de lib. exhib. (43. 30). „In hoc interdicto, donec res judicetur, feminam, praetextatum, eumque qui pro- xime praetextati aetatem ac- cedet, interim apud matrem- familias deponi Praetor jubet. Proxime aetatem praetextati accedere eum dicimus, qui pu- berem aetatem nunc ingressus est.“ Unbegreiflich haben diese Stelle Manche mißverstanden, indem sie meynten, accedere müsse heißen: sich von unten an- nähern, also im Begriffe stehen hinein zu treten. Es bezeichnet aber nur das Nahestehen, und zwar hier nachdem jene aetas bereits überschritten ist, genau so wie bei dem infantiae proxi- mus. Der Prätor spricht also 1) von Unmündigen, 2) von de- nen, die eben erst puberes ge- worden sind, Jenen also noch sehr nahe stehen. — Festus : Vesti- ceps puer, qui jam vestitus est pubertate: econtra investis, qui necdum pubertate vestitus est.“ — Ferner war es alte Rechts- regel, (bis auf Hadrian und An- tonin) daß nur puberes arrogirt werden dürften. Gajus I. § 102. Ulpian . VIII. § 5. Diese Regel drückt aber Gellius V. 19 so aus: „Sed arrogari non potest nisi jam vesticeps.“ . Die Folgen davon waren diese. Der in väterlicher Gewalt stehende Sohn war unfähig Schulden zu contrahiren, so lange er die Prätexta trug, mit der männlichen Toga wurde er dazu fähig S. o. § 108 d. und § 67. f. . Weit wichtiger aber war die Folge bey dem Unabhängigen. So lange dieser die Prätexta trug, stand er unter dem Tutor, wenn er die männliche Toga anlegte, war die Tutel zu Ende Daß das Ablegen der Prä- texta und das Ende der Tutel zusammenfielen, folgt schon dar- aus, daß Jenes und Dieses iden- tisch war mit der eintretenden . Dieses konnte also bey ein- §. 109. Altersstufen. Impuberes . zelnen Pupillen bald früher bald später geschehen, und so lange der Tutor mit dem Pupillen darüber einverstanden war, hatte kein Dritter ein Interesse zu widersprechen. Vielmehr war es eine für die Rechtssicherheit sehr wohl- thätige Einrichtung, daß man es jedem jungen Mann so- gleich an der Kleidertracht ansehen konnte, ob er zu eige- nen Geschäften fähig sey oder nicht; und wo in einzelnen Fällen ein Irrthum über diesen Punkt erwähnt wird L. 2 § 15 pro emtore (41. 4.) „si a pupillo emero sine tutoris auctoritate, quem puberem esse putem” rel. , da ist wohl vorauszusetzen, daß ein Pupill durch betrüg- liche Anlegung einer männlichen Toga den Andern ge- täuscht hatte. — Nur wenn Beide nicht übereinstimmten, war eine richterliche Entscheidung nöthig, und auf diesen Fall allein muß der Streit der Schulen bezogen werden. Hier wollten die Proculejaner nach derjenigen Zahl von Lebensjahren entscheiden, die ohnehin von jeher als Grund- lage der erwähnten Sitte gegolten hatte (Note h ); die Sabinianer wollten die Pubertät durch individuelle Unter- suchung ausmitteln. Jetzt erklärt sich auch leicht die Ent- stehung dieser zweyten Meynung. Der Zeitpunkt der Pu- bertät war von jeher verschieden gewesen, aber nach freyer Wahl; im Fall eines Streites, wo diese freye Wahl nicht Pubertät. Es giebt aber dafür auch unmittelbare Andeutungen. Dahin gehören die Worte des Scholiasten in Note h „adhuc sub disciplina,” die zwar auch die väterliche Zucht, aber gewiß ebensowohl die Abhängigkeit vom Tutor bezeichnen. Ferner Festus : „ Bulla aurea insigne erat pue- rorum praetextatorum … ut significaretur eam aetatem al- terius regendam consilio .” Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gelten konnte, weil die Betheiligten uneinig waren, woll- ten die Sabinianer die individuelle Verschiedenheit, die ja auch außer dem Fall des Streites galt, beybehalten, und nur der eigenen freyen Wahl des Zeitpunktes die kör- perliche Untersuchung substituiren. Der Fall eines solchen Streites aber kam wohl nur selten vor. Er setzt voraus einen Pupillen, der nach Unabhängigkeit strebt, und einen Tutor, der die Herrschaft nicht aufgeben will. Aber die- ser Fall war gewiß selten, weil die Führung der Pupil- lartutel, wie wir aus den sehr ausgebildeten Excusationen wissen, fast immer als unerwünscht galt, indem sie Mühe ohne Lohn, und gefährliche Verantwortung mit sich führte. Aus dieser Seltenheit eines solchen Rechtsstreits erklärt es sich auch wohl, warum die ganze Frage, die auf den ersten Blick eine solche praktische Wichtigkeit für das täg- liche Leben zu haben scheint, dennoch erst zur Zeit der zwey Schulen angeregt wurde, und sich in diesen Schulen lange als theoretischer Streit erhalten konnte, ohne durch feste Praxis oder Gesetzgebung beseitigt zu werden. Diese letzte Betrachtung hat nun auch Einfluß auf Das, was wir über den späteren Zustand der Sache anzuneh- men haben. Es mag seyn, daß hie und da einmal die Frage vor Gericht gebracht worden ist Quinctilian . Inst. or. IV. 2 „cum .. de jure quaeritur apud centumviros … pubertas annis an habitu corporis aesti- metur.” , selten genug geschah Dieses gewiß, und zu der Annahme, daß jemals §. 109. Altersstufen. Impuberes . die Besichtigung der bisherigen Pupillen herrschende Sitte geworden wäre, haben wir durchaus keinen Grund. Viel- mehr sprechen alle zuverlässigen Zeugnisse der nachfolgen- den Zeit für die stete Anerkennung der Vierzehen Jahre als des unzweifelhaften Zeitpunktes der Pubertät Ulpian . XVI. § 1 „.. aut XIV. annorum filium vel filiam XII. amiserint … at intra an- num tamen et sex menses etiam .. impubes amissus solidi ca- piendi jus praestat.” (Hier ist offenbar 14 und 12 Jahre der Gegensatz von impubes). — L. 11 pr. quod falso (27. 6.). — L. un. § 1 C. Th. de his qui ven. (2. 17.) „feminas .. qua- rum aetas biennio viros prae- cedit”) . — Ferner von Nicht- juristen: Seneca consol. ad Mar- ciam C. 24 „pupillus relictus sub tutorum cura usque ad XIV. annum fuit: sub matris tutela semper.” — Macrobius in somn. Scip. I. 6. „.. tutela .. de qua tamen feminae .. ma- turius biennio legibus liberan- tur.” Macrobius Saturn. VII. 7 „secundum jura publica duo- decimus annus in femina et quartusdecimus in puero defi- nit pubertatis aetatem.” — Fe- stus v. pubes. — Isidori orig. XI. 2. . Da- gegen sind die wenigen Zeugnisse, die für eine entgegenge- setzte Praxis etwa angeführt werden könnten, von der un- zuverlässigsten Beschaffenheit Servius in Virg. ecl. VIII. 39 „cum annis recte jungit ha- bitum corporis, nam pubertas de jure ex utroque colligitur .” — Servius in Virg. Aen. VII. 53 „secundum jus locutus est, in quo et ex annorum ratione, et ex habitu corporis aetas probatur .” Daß dieses bloße Büchergelehrsamkeit ist, und zwar wenig verstandene, erhellt beson- ders aus der zweyten Stelle, die sich auf das Alter einer Jung- frau bezieht, da doch bey dem weiblichen Geschlecht nie auf die körperliche Beschaffenheit, sondern stets nur auf die Jahre gesehen wurde. — Isodori orig. XI. 2. welche Stelle aufgenommen ist in C. 3. X. de despons. impub. (4. 2.): „Quidam autem ex an- nis pubertatem existimant: id est eum puberem esse qui XIV. annos expleverit, quamvis tar- dissime pubescat. Certissimum autem (Decr. Certum autem est eum ) puberum esse, qui et (deest et in Decr.) ex habitu corporis pubertatem ostendat et generare jam possit.“ Auch . Ja es läßt sich aus fol- III. 5 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gendem Grunde annehmen, daß schon frühe unter den Kaisern die Vierzehen Jahre eine weit allgemeinere Anwen- dung erhielten, als sie zur Zeit der Republik gehabt hatten. Denn in der älteren Zeit kamen in der That die Vierzehen Jahre rein zur Anwendung nur in den nicht häufigen Streitfällen, außerdem entschied der mit ziemlicher Willkühr behandelte Wechsel der Toga. Unter den Kaisern aber fieng man an, den früheren Reiserock (paenula) auch in der Stadt zu tragen Schon zur Zeit des Taci- tus wurde die Pänula selbst in Gerichten getragen. Dial. de caussis corruptae eloquentiae C. 39. , der dann nach einiger Zeit die Toga gänzlich verdrängte. Eine Folge dieser Revolution in der Kleidertracht war es nun ohne Zweifel, daß auch die feyerliche Anlegung der männlichen Toga als Natio- nalsitte ganz wegfiel, da eine solche alte Sitte auf das neue, ohnehin nur allmälig eingeführte Kleid gewiß nicht übertragen wurde Daneben ist es allerdings nicht unwahrscheinlich, daß in ein- zelnen vornehmen Familien, na- mentlich bey dem Sohn eines Kaisers, die alte Feyerlichkeit den- noch beobachtet wurde. . Dann hatte man, auch außer dem seltenen Fall eines Rechtsstreites, nur noch die Wahl zwi- schen den Vierzehen Jahren und der körperlichen Besichti- gung, und es erklärt sich hieraus, warum die angeführten Stellen (Note r ) so unbedingt die Vierzehen Jahre als wirklichen Zeitpunkt erwähnen, wie es bey Schriftstellern aus der Zeit der Republik schwerlich geschehen seyn würde. diese Anführung und Billigung der Sabinianischen Meynung sieht bloßer Buchgelehrsamkeit ähnlich, wie das Meiste in die- sem Schriftsteller. §. 109. Altersstufen. Impuberes . — Ist nun diese ganze Ansicht der Sache richtig, so war auch zu Justinians Zeit in der Praxis schon längst nur von Vierzehen Jahren die Rede, und an eine Besichtigung dachte Niemand mehr. Justinians Gesetz sollte also, wie gewiß auch manches andere, nicht den praktischen Zustand des Rechts ändern, sondern eine in Büchern vorgefundene alte Streitfrage entscheiden. Die gewöhnliche Meynung freylich ist Dieses nicht, vielmehr pflegt man anzunehmen, die Meynung des Priscus habe bleibend die Oberhand be- halten, und zur Zeit von Justinian sey stets wirklich be- sichtigt worden Cramer l. c. p. 16. . Diese Annahme erklärt sich leicht aus der sittlichen Entrüstung, womit die beiden Justinianischen Gesetzstellen offenbar abgefaßt sind, und die aus einem wahrgenommenen scandalösen Gebrauch herzurühren scheint. Indessen hindert uns Nichts, dabey auch ein blos theore- tisches Scandal vorauszusetzen, und daß auch über ein solches Justinian in Affect gerathen konnte, ist gewiß dem rhetorischen Styl seiner Gesetze ganz angemessen. Ja so- gar findet sich bey ihm ein Ausdruck, der auf diesen Zu- stand der Sache geradezu hindeutet. In den Institutionen heißt es nämlich: Pubertatem .. veteres .. ex habitu cor- poris in masculis aestimari volebant . So konnte man sprechen, wenn Das was getadelt wurde blos in alten Büchern stand, aber der Ausdruck wäre sehr unpassend gewesen, wenn die Praxis der Gegenwart mit jener ge- tadelten Lehrmeynung übereingestimmt hätte. — Wie kam 5* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. man aber überhaupt auf das Alter von Vierzehen Jahren als Zeitpunkt der Pubertät? Dieses könnte zusammenhän- gen mit der alten Lehre griechischer Philosophen von der Wichtigkeit der Zahl Sieben, so daß die Jahre der Im- pubertät genau den doppelten Zeitraum der Kindheit aus- füllen sollten S. oben § 107. h. — So nimmt es auch Macrobius in somn. Scip. I. 6. „Post annos autem bis septem … pubescit.” Eben so auch Censorinus de die nat. C. 14 aus Hippokrates. . Dennoch glaube ich diese Erklärung ver- werfen zu müssen. Erstlich weil, wenn man blos auf den Werth der Zahlen sehen wollte, die altrömische Zahl 15 (Note d ) mehr Anspruch auf Beachtung gehabt hätte. Zweytens weil daneben die Zwölf Jahre für Frauen vor- kommen, die in dieses Zahlensystem gar nicht passen. Drit- tens weil sich für die Erklärung der 14 und 12 ein an- derer, weit einfacherer und natürlicherer, Weg darbietet. Man hatte nämlich als Erfahrungssatz, angemessen der Einwirkung des Italienischen Himmels, festgestellt, die Ge- schlechtsreife trete wirklich in den meisten Fällen also im Durchschnitt, mit 14 und 12 Jahren ein. Die ganze bisherige Untersuchung betraf lediglich das männliche Geschlecht, und es bleibt nur noch die Frage übrig, wie in dem weiblichen die Pubertät, in Beziehung auf das Ende der Pupillartutel, bestimmt wurde. Hier- über nun stimmen die alten Zeugnisse überein, daß stets der Ablauf von Zwölf Lebensjahren angenommen wurde, ohne Streit der Schulen, und ohne Anspruch auf Besich- §. 109. Altersstufen. Impuberes . tigung So sagt es ausdrücklich Justinian in den Institutionen und im Codex. Ulpian . XI. 28 ist bey den Frauen lückenhaft, aber die Art des Ausdrucks zeigt au- genscheinlich, daß beide Geschlech- ter völlig verschieden behandelt wurden. Ferner gehören hierher die in der Note r für das männliche Geschlecht angeführten Stellen. . Die Gründe der verschiedenen Behandlung beider Geschlechter waren folgende. Zuerst in der That die Rücksicht auf das durch ein entgegengesetztes Verfah- ren verletzte weibliche Zartgefühl, welchen Grund Justi- nian allein ausdrückt. Dazu kam aber ferner der Um- stand, daß bey den Jungfrauen keine ähnliche Veranlas- sung zu individuellen Schwankungen, wie bey den Kna- ben durch die Anlegung der männlichen Toga eintrat: denn die Prätexta trugen sie beständig bis zur Ehe Die Stellen sind gesam- melt bey Pitiscus v. Praetexta Num. 3. , so daß bey ihnen gar Nichts geschah, wodurch ein Abschnitt des Alters auf sichtbare Weise ausgedrückt worden wäre. End- lich kam auch noch hinzu, daß hier das Ende der Tutel weniger wichtig und merklich wurde, indem nur die Ge- schlechtstutel an die Stelle der pupillarischen trat, und ganz gewöhnlich auch in der Person desselben Tutors fort- dauerte. Die Zahl der Zwölf Jahre aber gründete sich ohne Zweifel auf uraltes Herkommen, und wir haben kei- nen Grund anzunehmen, daß sie durch Gesetze eingeführt, oder auch nur bestätigt worden wäre Cramer p. 9. 17 nimmt eine gesetzliche Bestätigung an we- gen des Ausdrucks legitima uxor in L. 4 de ritu nupt. (23. 2.). Allein dieser Ausdruck ist wohl ganz gleichbedeutend mit dem sonst gewöhnlicheren justa uxor oder civiliter nupta (z. B. in L. 28 § 3 de lib. et posth. 28. 2.), ge- rade so wie auch legitime oder . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. §. 110. II. Freye Handlungen. — Hindernisse. A. Altersstu- fen. Impuberes und Puberes . (Fortsetzung.) II. Einfacher und leichter stellt sich die Frage nach der Bestimmung der Pubertät in Beziehung auf die Te- stamentsmündigkeit. Hier sagen mehrere Stellen des Ju- stinianischen Rechts unbedingt, und ohne Hindeutung auf einen Schulstreit, daß Alles auf das zurückgelegte zwölfte oder vierzehente Jahr ankomme L. 5 qui test. (28. 1.), L. 2 pr. L. 15 de vulg. (28 6.), L. 4 C. qui test. (6. 22.). In der letz- ten Stelle findet sich sogar eine Hinweisung darauf, daß hier von der individuellen Entwicklung gar nicht die Rede seyn könne: „Nam si hanc aetatem egressus, licet vigoris nondum emersissent ve- stigia ” rel. . Diese Stellen könnte man noch etwa für interpolirt halten. Allein jeder Zwei- fel dieser Art wird beseitigt durch die ganz übereinstim- menden Zeugnisse des Gajus und des Paulus Gajus II. § 113 „mascu- lus minor XIV. annorum testa- mentum facere non potest … femina vero post XII. annum testamenti faciendi jus nancis- citur.” — Paulus III. 4 A. § 1. „Testamentum facere possunt masculi post completum quar- tum decimum annum, feminae post duodecimum.” . — Es läßt sich aber auch natürlich erklären, warum es die Sa- binianer ohne Inconsequenz unterlassen konnten, in dieser Anwendung die Forderung individueller Untersuchung gel- tend zu machen. Wenn Derjenige, welcher Vierzehen Jahre alt war, dessen wirkliche Pubertät aber bezweifelt werden illegitime concepti ( Gajus I. § 89) nur auf jus civile über- haupt, nicht auf eine einzelne lex geht. — Macrobius sagt einmal legibus liberantur, ein anderes- mal secundum jura publica (Note r ); auch diese beiden Aus- drücke scheinen gleichbedeutend, so daß legibus nicht mehr heißt als jure oder jure civili. §. 110. Altersstufen. Impuberes . (Fortsetzung.) konnte, ein Testament machte, so war für den Augenblick Niemand vorhanden, der die Pubertät bestreiten, und die Untersuchung veranlassen konnte. Vor Gericht kommen konnte die Frage erst nach dem Tode, im Rechtsstreit zwi- schen dem Testamentserben und dem Intestaterben; dann aber war es augenscheinlich zu spät, durch Untersuchung auszumitteln, ob der Erblasser zur Zeit des errichteten Testaments die Pubertät erreicht haben möchte. Daher ließen für diesen Fall die Sabinianer ihre Behauptung, die hier ganz unpraktisch gewesen wäre, fallen. Zugleich ist aber dieser Umstand wichtig, indem er beweist, daß von allen Seiten das Alter von Vierzehen Jahren als Zeitpunkt präsumtiver Pubertät unbedenklich anerkannt wurde, und daß die Sabinianer nur noch sicherer gehen wollten, indem sie, so weit es ausführbar war, Gewiß- heit durch Untersuchung an die Stelle der auch von ihnen nicht bezweifelten Präsumtion zu setzen versuchten. III. Es bleibt übrig die Feststellung der Pubertät in Beziehung auf die Möglichkeit der Ehe. — Für das weib- liche Geschlecht werden auch hier wieder Zwölf Jahre als unzweifelhaft angegeben L. 9 de sponsal. (23. 1.), L. 4 de ritu nupt. (23. 2.), L. 32 § 27 de don. int. v. et ux. (24. 1.), L. 17 § 1 de reb. auct. jud. (42. 5.), L. 11 § 3. 4 quod falso (27. 6.). . Dagegen wird für die Män- ner lediglich die Pubertät erfordert pr. J. de nupt. (1. 10.). , ohne irgend eine Hinweisung, ob dieselbe durch Jahre oder durch Untersu- chung ermittelt werden solle. Dieses Stillschweigen er- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. klärt sich wohl aus dem an sich zufälligen Umstand, daß das Unternehmen einer ungewoͤhnlich frühen Ehe weit oͤfter im weiblichen als im männlichen Geschlecht vorkommen wird, weshalb bey diesem weniger Veranlassung zu ge- nauen Bestimmungen vorhanden war. Wie haben wir aber jenes Stillschweigen zu deuten? Daß dem Sinn des Justinianischen Gesetzes in dieser, wie jeder anderen Be- ziehung die Besichtigung entgegen seyn würde, bezweifelt Niemand; dagegen nehmen Manche ein solches Verfahren für das ältere Recht an Zimmern Rechtsgesch. I. § 120 S. 428. , und nicht ohne Schein, da die Pubertät in der That eine unmittelbarere Beziehung zu der Ehe hat, als zu der Tutel oder zu den Testamen- ten. Dennoch halte ich diese Meynung bey der Ehe aus demselben inneren Grunde für verwerflich, welcher schon bey den Testamenten geltend gemacht worden ist. Zu der Zeit nämlich, wo eine solche Ehe von einem Vierzehen- jährigen, dessen wirkliche Pubertät bezweifelt werden könnte, geschlossen wird, ist wieder Niemand vorhanden, der durch seinen Widerspruch die gerichtliche Einmischung und die Untersuchung veranlassen koͤnnte. Wäre nun auch die Ehe einstweilen noch ungültig, so würde sie mit eintretender Pubertät eben so von selbst und stillschweigend gültig wer- den, wie z. B. unstreitig die ungültige Ehe einer elfjähri- gen Frau am Ende des zwölften Lebensjahres von selbst gültig wird L. 4 de ritu nupt. (23. 2.). . Nun koͤnnte allerdings hinterher einmal §. 110. Altersstufen. Impuberes . (Fortsetzung.) Streit darüber entstehen, ob an irgend einem bestimmten Tage die Ehe schon gültig gewesen sey oder nicht, wel- ches z. B. auf die Gültigkeit einer an diesem Tage ge- machten Schenkung Einfluß haben könnte; allein dann ist es auch nicht mehr möglich, durch Untersuchung den kör- perlichen Zustand festzustellen, der an einem vielleicht längst vergangnen Tage bestanden hat. Der einzige Fall, worin etwa die Untersuchung stattfinden konnte, war der, wenn bald nach dem Anfang einer solchen zweydeutigen Ehe ein Theil die Scheidung aussprach, oder auch die Nichtigkeit behauptete, und nun die Frage entstand, ob bis jetzt eine Ehe bestanden habe; für einen so seltenen, vielleicht nie eingetretenen Fall haben aber schwerlich die Sabinianer, aus bloßer Liebe zur Consequenz, die Anwendung ihres Princips behauptet. Höchst wahrscheinlich also hat man auch in Anwendung auf die Ehe die Vierzehen Jahre stets ohne Streit gelten lassen Die einzige Stelle, worin die Untersuchung in Beziehung auf Ehe erwähnt wird, ist Quincti- lian . declam. 279. Der Fall ist dieser. Ein Vater hat seinen un- reifen Knaben verheurathet; die- ser findet einen Ehebrecher bey der Frau und läßt sich von ihm mit Geld abfinden; deswegen will ihn der Vater abdiciren, und ge- gen die Rechtmäßigkeit dieser ab- dicatio ist die ganze Rede gerich- tet. Der Redner behauptet nun unter andern, es sey noch gar keine wahre Ehe gewesen, und will es deshalb auf eine Besich- tigung des Knaben ankommen lassen. Allein schon an sich kön- nen solche romanhafte Einfälle Nichts für das Daseyn eines Rechtssatzes beweisen; vollends aber in dieser Rede, deren gan- zer Gegenstand die abdicatio ist, welches Institut dem Römischen Recht gar nicht angehört. . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Nach eingetretener Pubertät, und vor der Volljährig- keit, werden noch manche Mittelstufen des Alters behaup- tet, die auch juristische Bedeutung haben sollen. Insofern sich diese auf ganz einzelne Rechtsgeschäfte beziehen, ha- ben sie mit der allgemeinen Betrachtung der durch das Alter bedingten Handlungsfähigkeit Nichts zu schaffen, viel- mehr gehören sie dann blos jenen einzelnen Instituten an, und sind als Elemente derselben zu betrachten. So ver- hält es sich mit folgenden Rechtsregeln. Siebenzehen Jahre werden erfordert, um postuliren zu koͤnnen L. 1 § 3 de postul. (3. 1.). ; Achtzehen zur Ausübung des (altrömischen) Richteramts L. 57 de re jud. (42. 1.). . Wer Zwanzig Jahre alt ist, und sich betrüglich als Sklaven verkaufen läßt, wird in der That Sklave zur Strafe dieses Betrugs § 4 J. de j. pers. (1. 3.). . Zwanzig Jahre alt sollte ein Herr seyn, um einen Sklaven ohne obrigkeitliche Prüfung frey lassen zu können: welches Justinian auf Siebenzehen Jahre herunter gesetzt hat Ulpian . I. § 13, Gajus I. § 38, § 7 J. qui et quib. ex cau- sis (1. 6.). . Etwas mehr Zusammenhang mit der Pubertät hat fol- gende Bestimmung. Trajan hatte vielen Knaben und Mäd- chen Alimente ausgesetzt, welche bis zur Pubertät (14 und 12 Jahre) ausgezahlt wurden; Hadrian dehnte dieselben bis zu 18 und 14 Jahren aus. Darin lag eine freyge- bige Willkühr, ohne alle Beziehung auf Pubertät; eine solche Beziehung entstand erst durch die Anwendung, die §. 110. Altersstufen. Impuberes . (Fortsetzung) davon im Privatrecht gemacht wurde; wenn in einem Te- stament Alimente ausgesetzt werden bis zur Pubertät, so soll das in diesem Fall, nach der Analogie jener kaiserli- chen Freygebigkeit, so ausgelegt werden, als wären die Alimente bis zu 18 und 14 Jahren ausgesetzt L. 14 § 1 de alim. leg. (34. 1.). Vgl. über diese merk- würdige Stelle Cramer l. c. p. 20. . — Eine andere, nur dem Namen nach ähnliche, Bestimmung ist diese. Bey der Adoption war es noch zur Zeit des Ga- jus bestritten, ob der Adoptivvater nothwendig älter seyn müsse, als das Adoptivkind Gajus I. § 106. . Später aber wurde als feste Regel angenommen, der Adoptivvater müsse wenig- stens Achtzehen Jahre älter seyn, und diese Differenz des Alters nannte man die plena pubertas, wodurch also die- ser Rechtssatz wenigstens durch den Namen mit der Pu- bertät in Verbindung gesetzt wird L. 40 § 1 de adopt. (1. 7.) von Modestin, § 4 J. de adopt. (1. 11.). Modestin sagt: „major esse debet eo, quem .. filium facit: et utique plenae puber- tatis, id est decem et octo an- nis eum praecedere debet.” Die Institutionen sagen plena puber- tate praecedere. . Mehr als dieses läßt sich über die plena pubertas nicht behaupten, und es ist ganz ohne Grund, wenn um dieses Namens willen neuere Schriftsteller hieraus ein eigenes Rechtsinstitut, ähn- lich der Pubertät selbst, machen wollen. Zuletzt ist noch eine Schwierigkeit zu erwähnen, die in Folge der Meynung der Sabinianer entstehen mußte. Diese wollten die individuelle Pubertät der jungen Männer be- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. achtet wissen; wie aber wenn sie Spadonen waren, also niemals zur Pubertät kamen? Ja selbst bey den Procu- lejanern wäre es nicht gerade inconsequent gewesen, die- sen Fall abweichend von anderen Fällen zu behandeln; denn wenn überhaupt eine innere Verbindung zwischen Ge- schlechtsreife und Geschäftsfähigkeit angenommen wird, wie sie die Römer unstreitig annehmen, so wäre es nicht un- natürlich, Denjenigen, der niemals zur Pubertät kommt, auch zu Geschäften später als Andere zuzulassen. Wir betrachten diese Frage zuerst in Anwendung auf die Testamentsfähigkeit. Hier sagt Paulus III. 4 A. § 2 ausdrücklich: Spadones eo tempore testamentum facere possunt, quo plerique pubescunt, id est anno decimo octavo . Nach dieser Stelle scheinen also beide Schulen darin übereingestimmt zu haben, daß bey den Spadonen ein festes Lebensjahr angenommen werden müsse, aber ein späteres als bey Anderen; und dieses erhält eine nicht ge- ringe Unterstützung durch die oben erwähnte plena puber- tas der Achtzehenjährigen; man muß dann zu decimo oc- tavo hinzudenken completo, oder noch besser die Leseart (wie es scheint, der meisten Handschriften) annehmen: an- norum decem et octo. Dabey liegt zum Grunde folgende sehr natürliche Betrachtung. Mit Vierzehen Jahren tritt die Pubertät im Durchschnitt ein, also bey den Meisten; bey Einigen verzögert sie sich bis zum Ende des achtzehen- ten Jahres ( plena pubertas ), und es ist natürlich, daß man diesen späteren Zeitpunkt auf die Spadonen anwen- §. 110. Altersstufen. Impuberes . (Fortsetzung.) det So versteht es auch Cuja- cius in L. 1 D. de minoribus (Opp. I. p. 988): „Sed in eis causis (bey der Adoption) non ideo dicitur plena, quod is sit pubertatis finis, sed quod fri- gidiores, qui tardius pubescunt , ea fere aetate puberes fiant, ut Paulus significat lib. 3 Sent. tit. 4.” . Man muß dann unter plerique nicht die Mei- sten verstehen, sondern gerade umgekehrt Einige , also gerade die Wenigsten, die Spätreifen; auch ist diese Er- klärung durch den Sprachgebrauch anderer Schriftsteller bestätigt Tacitus hist. IV. 84. „De- um ipsum multi Aesculapium … quidam Osirin … plerique Jovem … plurimi Ditem pa- trem … conjectant.” Eben so bezeichnet plerumque in L. 25 § 2 L. 26 de pactis (2. 14.) den seltneren, ausgenommenen Fall, im Gegensatz des regelmäßigen. Vgl. auch L. 32 § 10 de don. int, v. et ux. (24. 1.), und Brisso- nius v. plerumque. — In unsrer Stelle des Paulus lassen einige Handschriften das plerique weg, wodurch aber der Sinn zerstört wird. . — Manche verwerfen den Zusatz von Acht- zehen Jahren als einen eingeschobenen Zusatz der Abschrei- ber Dirksen Beiträge S. 53, und Frühere in den Noten von Schulting. ; andere wollen emendiren decimo quarto So die Note 3 der Bon- ner Quartausgabe. . Beide Vorschläge haben alle Handschriften gegen sich: durch den ersten wird außerdem die Stelle ganz unverständlich: durch den zweyten wird sie unnütz, da es nicht der Mühe lohnte die Spadonen zu erwähnen, wenn sie ganz dasselbe Recht wie Andere haben sollten. — Eine Constitution von Con- stantin stellt bey der Abfassung der Testamente die Eunu- chen (also die unterste Klasse der Spadonen) den übrigen Menschen gleich L. 4 C. qui test. (6. 22.). „Eunuchis liceat facere testa- mentum, componere postremas exemplo omnium voluntates” ; diese Vorschrift scheint als Aufhebung Buch. II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. der früheren Regel der Achtzehen Jahre gemeynt, die also dadurch wiederum eine indirecte Bestätigung erhält. Noch wichtiger war die Frage, wann die Spadonen von der Tutel frey werden sollten. Darüber sagt Gajus ( I. 196) Folgendes. Die Sabinianer nehmen juristisch als pubes an Denjenigen qui generare potest; sed in his, qui pubescere non possunt, quales sunt spadones, eam aetatem esse spectandam, cujus aetatis puberes fiunt . Das puberes fiunt kann nicht auf die Spadonen gehen, von welchen er selbst so eben bemerkt hatte, daß sie nie- mals pubescirten; es muß also heißen: in welchem Alter Andere die Pubertät erlangen. Hätte er damit die Vier- zehen Jahre gemeynt, die gleich nachher als Meynung der Proculejaner vorkommen, so hätte er ohne Zweifel die Zahl ausgedrückt; der umständliche, umschreibende Aus- druck deutet auf eine abweichende Bestimmung, und wenn man ihn mit der Stelle des Paulus über die Testamente vergleicht, so scheint es natürlich, so zu erklären: in wel- chem Alter auch noch Einige (die Spätreifen) die Puber- tät erlangen. Dann wäre das puberes fiunt des Gajus gleichbedeutend mit dem plerique pubescunt des Paulus. Vielleicht hat aber auch Gajus wirklich geschrieben pleri- que puberes fiunt, und das plerique ist dann in unsrer Handschrift eben so ausgefallen, wie es in einigen Hand- schriften des Paulus in der That ausgefallen ist. Es scheint sonderbar, daß auch für die Möglichkeit rel. — Die Stelle bekommt den das exemplo omnium auf das bestimmtesten Sinn, wenn man Alter bezieht. §. 111. Altersstufen. Minores. der Ehe den Spadonen ein Zeitpunkt vorgeschrieben seyn sollte; und doch konnte von einem solchen die Rede seyn, da denselben (nur mit Ausnahme der Eunuchen) die Ehe überhaupt gestattet ist L . 39 § 1 de j. dot . (23. 3.). . Indessen ist eine solche Ehe schon an sich so selten, daß es sich leicht erklärt, wenn ihr noch seltneres Zusammentreffen mit sehr früher Jugend nirgend erwähnt wird. Wäre es überhaupt vorgekommen, so würde man vielleicht auch hier Achtzehen Jahre gefor- dert haben. Im Justinianischen Recht kann von diesen eigenthümli- chen Bestimmungen für die Spadonen nicht mehr die Rede seyn; vielmehr muß die Regel der Vierzehen Jahre in je- der Beziehung auch auf sie angewendet werden, weil be- sondere Ausnahmen für Dieselben nicht anerkannt sind. Es ist nur zufällig, daß diese Behauptung lediglich in Anse- hung der Testamente (Note t ) eine ausdrückliche Bestäti- gung gefunden hat. §. 111. II. Freye Handlungen. — Hindernisse . A. Altersstu- fen. Minores und Majores Vgl. Savigny von dem Schutz der Minderjährigen im Römischen Recht und insbeson- dere von der Lex Plaetoria, in den Abhandlungen der Berliner Akademie von 1833 S. 1—39. . Die ursprünglich vollständige Freyheit aller Mündigen in der Beherrschung ihres Vermögens erschien schon fruͤhe als gefährlich, und machte daher neue künstliche Anstalten Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nöthig, die bis zu Ende des fünf und zwanzigsten Lebens- jahres reichen sollten. Dadurch wurde die letzte juristi- sche Altersgränze herbeygeführt, die der früheren Zeit ganz fremd gewesen war. Auf dieses neue Bedürfniß führte die steigende Ausdehnung des Staats, verbunden mit dem zunehmenden Reichthum und Luxus der Einzelnen; in Folge derselben auf der einen Seite das einreißende Sittenver- derben, auf der andern Seite eine größere Verwicklung der Geschäfte, auf welche die der älteren Zeit wohl an- gemessene Voraussetzung der Geschäftsfähigkeit aller Mün- digen nicht mehr paßte (§ 107. g ). Der künstliche Schutz für die Minderjährigen wurde aber nur allmälig, und zwar in folgenden Abstufungen, eingerichtet. Zuerst wurde um die Mitte des sechsten Jahrhunderts der Stadt eine Lex Plaetoria gegeben, die den früher un- bekannten Zeitpunkt von Fünf und zwanzig Jahren ein- führte Der unmittelbarste Beweis liegt in der L . 2 C. Th. de don . (8. 12.). Bey Plautus heißt da- her das Gesetz Lex quinavice- naria. Pseudolus I. 3. 69. , weshalb auch dieses Alter, und nicht die wich- tigere und früher anerkannte Pubertät, den Namen legi- tima aetas erhielt L. 2 C. Th. cit., L. un . § 3 C. Th. de his qui ven . (2. 17.), L . 28 in f. de appell . (49. 1.). Vergl. Brissonius v. legitimus. . Das Gesetz aber suchte nur auf indirecte Weise die Minderjährigen zu schützen, indem es Diejenigen, die mit ihnen betrügliche Geschäfte eingehen würden, mit einer Criminalanklage bedrohte. §. 111. Altersstufen. Minores Darauf folgte der viel wichtigere und durchgreifendere Schutz des prätorischen Edicts, welches den Minderjähri- gen eine allgemeine Restitution gegen alle nachtheilige Handlungen oder Unterlassungen ankündigte. Endlich kam noch hinzu die Verordnung von K. Marc Aurel, welche alle Minderjährige, zur Erhaltung ihres bereits vorhandenen Vermögens, unter Curatoren stellte. Alle diese Anstalten, innerhalb der letzten Altersstufe, betrafen also weniger unmittelbar, als die niederen Stu- fen, die Handlungsfähigkeit der Minderjährigen selbst. Ihre genauere Darstellung gehört daher anderen Theilen des Rechtssystems an Die Lex Plaetoria ist schon frühe aus dem praktischen Recht verschwunden ( Savigny a. a. O. S. 18). Die Restitution wird im folgenden Kapitel des zweyten Buchs (unter den Mitteln zum Schutz der Rechte) dargestellt wer- den. Endlich die Curatoren der Minderjährigen gehören in das Recht der Vormundschaft, also zu dem speciellen Theil des Sy- stems. , und die gegenwärtige allgemeine Uber- sicht ist hier nur deshalb gegeben worden, um den Zusam- menhang sämmtlicher Altersstufen anschaulich zu machen. Am Schluß dieser Lehre von den Altersstufen ist nun noch anzugeben, welche Theile derselben im heutigen Rechte fortbestehend sind. Die Römische Lehre von der Infantia hat ihren prak- tischen Werth größtentheils verloren, weil sie sich haupt- sächlich auf die tutoris auctoritas bezog, deren unprakti- sche Natur erst im Zusammenhang der ganzen Vormund- schaft vollständig dargestellt werden kann. Es ist also nur III. 6 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. noch als praktisches Recht zu betrachten die Regel, daß der Siebenjährige theils Sponsalien schließen, theils solche Handlungen, die reinen Gewinn bringen, gültig vorneh- men kann. Die Pubertät als Anfang freyer Vermögensherrschaft, folglich als Ende der Tutel, hat durch die der Vormund- schaft im heutigen Recht gegebene neue Gestalt ganz auf- gehoͤrt. — Die Pubertät als Anfang der Testamentsfä- higkeit hat sich am reinsten erhalten. — Die Pubertät von 14 und 12 Jahren als Anfang möglicher Ehe ist auch noch im canonischen Recht bestimmt anerkannt C . 6. 10. 11. 14 X. de de- spons. impub . (4. 2.). — Nur darin findet sich eine kleine Ab- weichung vom R. R., daß, wenn vor den 14 oder 12 Jahren den- noch wirklich der Beyschlaf statt findet, dadurch die Ehe gültig und folglich auch unauflöslich wird. C . 6. 8. 9. 11 X. eod. C. un. eod, in VI. (4. 2.). Um dieser Modification willen wurde denn auch die Stelle des Isidor als C . 3 X. eod . aufgenommen, wel- che die zwey Meynungen der Rö- mischen Juristenschulen anführt, und der Sabinianischen den Vor- zug giebt (§ 709. s ). — Vgl. über- haupt Glück Pandekten B. 23 § 1203 und Eichhorn Kirchen- recht B. 2 S. 339 fg. . Unse- ren Sitten ist diese Zeitbestimmung völlig fremd, und neuere Gesetzgebung hat sie in den meisten Ländern aus- drücklich und stark abgeändert. Endlich ist die Minderjährigkeit als Grund einer Re- stitution auch im heutigen Recht unverändert beybehalten. Als Grund einer eigenthümlichen Curatel aber kann sie nicht mehr gelten, weil diese Curatel mit der alten Tutel der Unmündigen verschmolzen worden ist. §. 112. Vernunftlose. Interdicirte. Juristische Personen. §. 112. II. Freye Handlungen. — Hindernisse . B. Vernunft- lose . C. Interdicirte . D. Juristische Personen . B. Die Vernunftlosigkeit oder der Wahn- sinn ist ein natürliches und unzweifelhaftes Hinderniß für freye Handlungen und ihre Folgen. Die Beurthei- lung ist hier theilweise weniger schwierig als bey dem unreifen Alter, indem die Veränderung nicht wie bey dem Alter durch lang dauernde, unmerkliche Entwick- lungsstufen hindurchgeht, sondern oft ganz plötzlich, au- ßerdem wenigstens in raschen Übergängen, erfolgt. Da- gegen kann auch hier eine Schwierigkeit entstehen durch zweifelhafte Gränzen der Zustände; diese Schwierigkeit aber ist nicht, wie bey dem Alter, durch positiv durchgrei- fende Regeln zu beseitigen möglich, auch liegt sie weniger auf dem Gebiet des Richters, als auf dem des Sachver- ständigen, an dessen Urtheil der Richter hier meist gebun- den seyn wird. Die äußere Erscheinung dieses Zustandes ist verschie- den, je nachdem er von heftigen Ausbrüchen begleitet ist oder nicht. Die Römer haben zwey Ausdrücke, furiosus und demens, die sie auf verschiedene Weise gebrauchen: bald mit ganz willkührlicher Abwechslung, als völlig gleich- bedeutende Bezeichnung der Vernunftlosigkeit überhaupt Cicero tusc. quaest. III. 5, L . 7 § 1 de cur. fur . (27. 10.), L . 14 de off. praes . (1. 18.). ; bald als besondere Benennung der zwey erwähnten Er- 6* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. scheinungsformen L . 25 C. de nupt . (5. 4.), L . 8 § 1 de tut. et cur . (26. 5.). — Im Deutschen gebrauchen wir als besondere Bezeichnungen: Ra- sende und Blödsinnige. . Diese Unsicherheit des Sprachge- brauchs ist jedoch ohne allen Nachtheil, da die juristische Beurtheilung beider Zustände völlig dieselbe ist Ausdrücklich anerkannt ist diese praktische Gleichheit in L . 25 C. de nupt . (5. 4.). . Die Vernunftlosen nun sind eben so rechtsfähig als Andere; nicht blos ihr Vermögen bleibt unverändert, son- dern auch jedes Familienverhältniß, wie Ehe und väter- liche Gewalt L . 8 pr. de his qui sui (1. 6.). . Nur ihre Handlungsfähigkeit ist völlig ruhend. Alles also, Was durch sie geschieht, kann nur den täuschenden Schein einer Handlung an sich tragen, die rechtlichen Folgen einer Handlung entstehen daraus niemals L . 40 L . 5 de R. J . (50. 17.), § 8 J. de inut. stip . (3. 19.). — Nur den Schein einer Aus- nahme hat der in L . 8 pr. de his qui sui (1. 6.) aufgestellte Satz, daß ungeachtet des Wahn- sinns eines Ehegatten oder auch beider, das in diesem Zustand er- zeugte Kind dennoch in väterliche Gewalt kommt. Denn die Er- zeugung (verschieden von dem Bey- schlaf) gilt nicht als freye Hand- lung, sondern als ein von dem Willen unabhängiges Naturer- eigniß. . Dieser wichtige Satz gilt in den mannichfal- tigsten Anwendungen. Er gilt bey Rechtsgeschäften, als Verträgen, Testamenten, Ehescheidung, Besitzerwerbung L . 2 C. de contr. emt . (4. 38.), L . 2 de inoff . (5. 2.), L . 17 qui test . (28. 1.), L . 22 § 7 sol. matr . (24. 3.), L . 1 § 12 de O. et A . (44. 7.), L . 18 § 1 de adqu. poss . (41. 2.). . Er gilt aber auch eben so entschieden bey Verbrechen und Delicten L . 14 de off. praes . (1. 18), L . 5 § 2 ad L. Aqu . (9. 2.). , so daß also die von dem Vernunftlosen aus- §. 112. Vernunftlose. Interdicirte. Juristische Personen. gehende Verletzung fremder Vermögensstücke durchaus keine Verpflichtung erzeugt. Nur wo der Zustand des Vernunftlosen abwechslend mit vernünftigem Zustand vorkommt, ist jede in solchen lichten Zwischenzeiten vorgenommene Handlung ganz eben so wirk- sam, wie wenn vor und nach derselben keine Vernunftlo- sigkeit vorhanden wäre L . 6 C. de cur. fur . (5. 70.), L . 9 C. qui test . (6. 22.), L . 14 de off. praes . (1. 18.), L . 2 C. de contr. emt . (4. 38.). . Wohl zu unterscheiden aber von der Vernunftlosigkeit ist die bloße Geistesschwäche Die Römischen Ausdrücke sind: Stultus, fatuus, insanus. § 4 J. de curat . (1. 23.), L . 25 C. de nupt . (5. 4.). — Zweydeu- tig ist der Ausdruck mente cap- tus, welcher bald den Wahnsin- nigen, bald blos den Geistes- schwachen bezeichnet, also überall, wo er vorkommt, eine besonders vorsichtige Erklärung nöthig macht. . Diese macht keinesweges unfähig zu freyen Handlungen, wohl aber kann sie, wenn sie einen hohen Grad erreicht, eine außerordentliche obrig- keitliche Vorsorge durch Anordnung einer Curatel veran- lassen § 4 J. de curat . (1. 23.), L . 2 de cur. fur . (27. 10.), L . 2 de postul . (3. 1.). . Was nun hier über den Fall des Wahnsinns bestimmt worden ist, darf nicht auf diesen allein beschränkt wer- den, indem es vielmehr auch auf jeden völlig gleichar- tigen Zustand eben so angewendet werden muß. Gleich- artig aber ist jeder Zustand eines Menschen, worin dem- selben der Vernunftgebrauch fehlt, während der äußere Schein einer menschlichen Thätigkeit allerdings vorhanden Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ist Für diejenigen Zustände also ist diese Rechtsregel unnütz und unanwendbar, in welchen, neben dem fehlenden gegenwärtigen Ver- nunftgebrauch, auch nicht einmal der Schein einer Thätigkeit vor- handen ist, wie Schlaf, Ohnmacht, Starrsucht, Scheintod. . Dahin gehört das fieberhafte Delirium Vom fieberhaften Zustand sprechen L 60 de re jud . (42. 1.), L . 113 de V. S . (50. 16.) , aber nicht in der Beziehung, in welcher hier die Rede davon ist, sondern in Beziehung auf die Fra- ge, ob das Fieber als ein voll- gültiges Hinderniß der Anwesen- heit im Gericht betrachtet wer- den könne. , das Nachtwandeln, und der durch magnetische Behandlung er- regte Somnambulismus. Wenn also in einem dieser Zu- stände der Mensch dahin gebracht wird, die einen Ver- trag enthaltenden Worte bewußtlos nachzusprechen, oder eine Urkunde zu unterzeichnen, so entsteht durchaus nicht die einer freyen Handlung zukommende Wirkung; eben so auch entsteht keine Delictsobligation, wenngleich der Mensch in solchen Zuständen (was noch leichter eintreten kann als der Schein eines Rechtsgeschäfts) das Vermögen eines An- deren beschädigt. Zweifelhafterer Natur sind folgende Zustände. Zuerst ein hoher Grad der Trunkenheit. In Ansehung der Rechts- geschäfte muß hier dasselbe wie bey dem Wahnsinn be- hauptet werden, wenn etwa der Trunkene (was wohl zu- weilen geschehen kann) zum bewußtlosen Nachsprechen von Worten, oder zur Unterschrift seines Namens gebracht wird. Anders verhält es sich bey Verbrechen und Delicten. Zwar ein Dolus wird auch in dieser Beziehung dem völlig Be- trunkenen nicht zugeschrieben werden können. Da jedoch nicht leicht Jemand ohne seine Schuld in diesen Zustand §. 112. Vernunftlose. Interdicirte. Juristische Personen. gerathen kann, so wird bey Verbrechen eine öffentliche Strafe, bey Delicten aber eine Verbindlichkeit zur Ent- schädigung behauptet werden müssen, weil der Trunkene, indem er sich berauschte, die culpose Ursache der später erfolgenden Verletzung wurde Diese Beurtheilung der Trunkenheit wird als die richtige anerkannt in c . 7. C . 15. q. 1. . — Etwas Ähnliches ist auch von dem höchsten Grad des Zornes behauptet wor- den, aber ohne Grund. Von Rechtsgeschäften kann in ei- nem solchen Zustand kaum die Rede seyn. Bey Verbre- chen und Delicten aber kann durch denselben der Dolus keinesweges ausgeschlossen werden. Ein Zweifel hieran ist veranlaßt worden durch die Regel des Römischen Rechts, daß eine in der Aufwallung des Zorns ausgesprochene Ehe- scheidung wirkungslos seyn soll L . 48 de R. J . (50. 17.), L . 3 de divort . (24. 2.). — Recht praktische Bedeutung hatte diese Regel wohl nur im früheren R. R. Denn seit der von August für die Scheidung eingeführten feyerli- chen Form ( L . 9 de divort .) konnte eine Scheidung in erster Aufwallung des Zornes kaum noch vorkommen; in den oben ange- führten Stellen scheinen daher die alten Juristen eine traditionelle Regel aus früherer Zeit vorzu- tragen. . Dieses betrifft aber nur das juristische Wesen der zu einer wahren Eheschei- dung tauglichen Handlung. Dahin gehören soll nicht je- der Ausspruch der bey der Scheidung üblichen Worte, sondern nur ein Ausspruch mit ruhiger, besonnener Über- legung; ein solcher freylich wird durch einen hohen Grad des Zornes allerdings ausgeschlossen. C. Die Interdiction wegen Verschwendung wird Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. einmal dem Wahnsinn gleich gestellt und als völlige Wil- lenlosigkeit bezeichnet L . 40 de R. J . (50. 17.). (Pomp. lib. 34 ad Sab.) „Fu- riosi, vel ejus cui bonis inter- dictum est, nulla voluntas est.” Die scheinbare Allgemeinheit die- ser Stelle ist sehr gut aus der Inscription erklärt von J. Go- thofred ., Comm. in tit. de R. J., L. 40 cit. Die Stelle steht nämlich, ihrem Inhalt nach, in Verbindung mit L . 19. 20 de aqua pluv . (39. 3.) (der Inscription nach nur mit L . 20 cit . ), welche so lauten: „Labeo ait, si pa- tiente vicino opus faciam, ex quo ei aqua pluvia noceat, non teneri me actione aquae plu- viae arcendae. — Sed hoc ita, si non per errorem aut impe- ritiam deceptus fuerit: nulla enim voluntas errantis est. ” Daran schloß sich nun der aus demselben Buch des Pomponius (34 ad Sab. ) herrührende Satz der L . 40 cit . an, welcher in die- ser Beziehung auch dem In- terdicirten die voluntas abspricht: nämlich weil er sich durch sein wissentliches Dulden, das als still- schweigende Einwilligung gilt, schaden würde, wozu er eben keine Fähigkeit hat. . Andere Stellen aber bestimmen das Verhältniß genauer so, daß man den Interdicirten völlig gleich stellen darf dem impubes pubertati proximus. Er kann nämlich durch Stipulation eine Forderung erwer- ben, aber nicht sich als Schuldner durch Vertrag verpflich- ten L . 6 de V. O . (45. 1.), L . 9 § 7 de reb. cred . (12. 1.). . Er kann Nichts veräußern L . 10 pr. de cur. fur . (27. 10.), L . 6 de V. O . (45. 1.), L . 26 de contr. emt . (18. 1.), L . 11 de reb. eor . (27. 9.). Daher kann er auch nicht gültige Zahlung lei- sten, indem der Curator das Geld vindiciren kann. L . 29 de cond. indeb . (12. 6.). , und hat über- haupt nicht die Verwaltung seines Vermögens, die stets unter einem besondern Curator steht L . 1 pr. de cur. fur . (27. 10.). . Eine Novation kann er vornehmen, insofern er dadurch seinen Zustand verbessert L . 3 de novat . (46. 2.). . Eine ihm deferirte Erbschaft kann er gültig antreten, was jedoch unter der so eben bey der Novation §. 112. Vernunftlose. Interdicirte. Juristische Personen. bemerkten Einschränkung gedacht werden muß L . 5 § 1 de adqu. her . (29. 2.). „Eum, cui lege bonis interdicitur, heredem institutum posse adire hereditatem con- stat.” Nach der gewöhnlichen Meynung ist der Consens des Cu- rators nöthig. Vgl. die ausführ- liche Abhandlung von Reinold . Var. Cap. 1. Betrachtet man die Form der Handlung (die gerade bey dem Erbschaftsantritt so viele Schwierigkeit macht), so ist da- zu der Interdicirte fähig, und wenn er es nicht wäre, so würde von dieser Seite der consensus, der niemals die Kraft einer aucto- ritas hat, Nichts helfen. Aber materiell kann die Handlung un- gültig seyn, wenn die Erbschaft Nachtheil bringt; daß nun dieses nicht der Fall ist, kann durch den Consens des Curators festgestellt werden. . Er kann kein Testament machen L . 18 pr. qui test . (28. 1.), § 2 J. quib. non est perm . (2. 12.), Ulpian . XX. 13. — Nicht einmal Zeuge bey einem fremden Testament kann er seyn (§ 6 J. de test. ord. 2. 10.), gerade wie jeder Unmündige, auch selbst der pubertati proximus. . Da er aber augenscheinlich des Dolus fähig ist, so muß er auch durch seine Delicte eben so, wie ein der Pubertät nahe stehender Unmündiger, verpflichtet werden J. Gothofrfdus l. c. . D. Endlich sind alle juristische Personen ihrer Natur nach, und für immer, handlungsunfähig (§ 90. 96), weil jede Handlung die menschliche Thätigkeit des Den- kens und Wollens voraussetzt, welche in der juristischen Person, als einer bloßen Fiction, nicht gedacht werden kann. Vergleichen wir die hier dargestellten Fälle der Hand- lungsunfähigkeit mit einander, so findet sich unter ihnen folgende Ahnlichkeit und Unähnlichkeit. Die drey ersten Fälle (unreifes Alter, Wahnsinn und Interdiction) haben einen zufälligen Character, indem sie auf individuellen Un- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. vollkommenheiten beruhen, jedoch mit dem Unterschied, daß das unreife Alter eine regelmäßige, in jedem menschlichen Leben nothwendig vorkommende, aber vorübergehende Un- vollkommenheit ist, anstatt daß der Wahnsinn und die In- terdiction als ungewöhnliche und krankhafte Zustände zu betrachten sind. Dagegen beruht die Unfähigkeit der juri- stischen Personen überhaupt gar nicht auf einer individu- ellen Unvollkommenheit, sondern auf dem allgemeinen und bleibenden Wesen dieser Klasse von Personen. §. 113. II. Freye Handlungen. — Erweiterung durch Stell- vertreter . Die natürliche Fähigkeit der Person, durch ihre freye Handlungen Veränderungen im Rechtszustand hervorzubrin- gen, kann nach zwey Seiten hin positiv modificirt wer- den: erstlich einschränkend, indem gewisse Personen ganz oder theilweise für unfähig erklärt werden, durch ihre Handlungen auf den Rechtszustand einzuwirken (§ 106 — 112); zweytens erweiternd, indem eine Stellvertre- tung in juristischen Handlungen gestattet wird. — Diese Stellvertretung, welche jetzt genauer zu betrachten ist, greift auf zweyerley Weise, als wichtige Förderung, in den ge- sammten Rechtsverkehr ein. Zunächst als bloße Erleich- terung, indem dadurch die juristischen Organe eines Je- den dergestalt gleichsam vervielfältigt werden, daß auf diesem Wege Rechtsgeschäfte zu Stande kommen, welche §. 113. Handlungen durch Stellvertreter. außerdem aus faktischen Gründen vielleicht gar nicht, viel- leicht nur mit größerer Schwierigkeit entstehen könnten. Außerdem aber dient die Stellvertretung auch als Ersatz für die nach den aufgestellten Regeln fehlende eigene Hand- lungsfähigkeit, und in dieser Anwendung zeigt sie sich noch weit wichtiger als in der ersten. Denn durch sie wird es möglich, die Rechtsverhältnisse des Unmündigen, des Wahn- sinnigen, des Interdicirten, so wie die der juristischen Per- sonen, durch freye Handlungen neu zu gestalten, welches ohne Stellvertretung meist ganz unmöglich seyn würde. Ehe aber die Regeln selbst über die Stellvertretung aufgestellt werden, ist es nöthig, das Gebiet, worin sie wirksam ist, zu bezeichnen. Dieses Gebiet ist das Ver- moͤgen, so weit dasselbe Gegenstand des lebendigen Rechts- verkehrs unter den Zeitgenossen ist. — Daher findet die Stellvertretung nur unbedeutende Anwendung innerhalb des Familienrechts So kann eine Ehe oder Adoption nur in eigener Person, nie durch Stellvertreter, geschlos- sen werden; eben so ist es bey der Emancipation, und bey der Freylassung der Sklaven. Ge- wissermaßen konnte es als Stell- vertretung gelten, wenn der fili- usfamilias eine Ehe durch con- farreatio oder coemtio schloß, und dadurch dem Vater das Recht der manus über die Schwieger- tochter erwarb. . Eben so auch im Erbrecht, welches die Vermögensverhältnisse nicht zwischen Zeitgenossen, sondern im Übergang von einem Geschlecht auf das andere zum Gegenstand hat So kann Niemand durch Stellvertreter ein Testament ma- chen, oder eine ihm selbst ange- fallene Erbschaft antreten. An- ders ist es, wenn der filiusfami- lias oder der Sklave eine ihm angefallene Erbschaft antritt, und dadurch dem Vater oder Herrn das Erbrecht erwirbt. . Endlich auch in den Obligationen, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. so weit diese nicht auf dem Rechtsverkehr beruhen, das heißt auf der rechtmäßigen Wechselwirkung zwischen Per- son und Person, sondern auf der nothwendigen Ausglei- chung der Rechtsverletzungen So können Verträge durch Stellvertreter geschlossen werden; bey Delicten ist das Verhältniß der Stellvertretung unanwendbar. . Die Rechtsregeln selbst haben sich in folgender Weise entwickelt. — Ursprünglich bestand der strenge, für den Rechtsverkehr sehr beschwerliche Grundsatz, daß eine Ver- tretung nur gelte durch die von unsrer juristischen Gewalt abhängenden Menschen, und auch durch diese nur zum Er- werben , nicht zur Verminderung des Vermögens. Nach diesem ursprünglichen Grundsatz also konnten Kin- der und Sklaven, so wie Die welche in manu oder in mancipio standen, dem Familienhaupt gültigerweise erwer- ben, und zwar sowohl Eigenthum und jura in re, als Schuldforderungen: dieses konnte geschehen selbst durch solche Rechtsgeschäfte, welche unter den strengen Regeln und Formen des alten jus civile standen, wie Mancipa- tion und Stipulation. Diese Wirkung war selbst unab- hängig von dem Willen des Vertretenen und des Vertreters; das heißt es konnte nicht blos der Vater zu seiner Be- quemlichkeit dem Sohne den Auftrag geben, für ihn zu stipuliren oder eine Mancipation zu empfangen, sondern auch wenn diese Handlungen von dem Sohn ohne Wissen des Vaters vorgenommen wurden, kam dennoch das so erworbene Recht unmittelbar in des Vaters Vermoͤ- §. 113. Handlungen durch Stellvertreter. gen Gajus II. § 86—96, III. § 163—167. Ulpian . XIX. § 18 — 21, tit. J. per quas pers. nob. adqu . (2. 9.), tit. J. per quas pers. nob. obl. adqu . (3. 28.), L . 3 C. per quas pers . (4. 27.). — Nur die in jure cessio konnte durch diese Vertretung nicht be- wirkt werden, weil der Sohn und der Sklave nicht die Worte aus- sprechen konnten: hanc rem meam esse ajo ex jure Quiri- tium ( Gajus II. § 96); bey dem Sklaven auch schon deswegen nicht, weil er niemals vor Gericht auf- treten durfte. . Es waren demnach alle in solcher Abhängigkeit stehende Menschen allgemeine Erwerbsinstrumente des ge- meinsamen Familienhauptes. Dagegen konnte vermittelst dieser Vertretung das Ver- mögen des Familienhauptes auf keine Weise vermindert werden. Wenn also der Sohn durch Stipulation etwas versprach, so wurde der Vater nicht Schuldner: wenn er eine Sache des Vaters mancipirte, so gieng auf den Em- pfänger kein Eigenthum über L . 133 de R. J . (50. 17.). „Melior conditio nostra per ser- vos fieri potest, deterior fieri non potest.” L . 27 § 1 ad Sc. Vell . (16. 1.), L . 3 C. de pactis (2. 3.), L . 12 C. de adqu. poss . (7. 32.). — Es ist ganz zufällig, daß in diesen Stellen nur die Sklaven erwähnt werden; der Satz ist gleich wahr bey allen an- deren Arten der Abhängigkeit. — Werden die von uns Abhängigen zu Erben eingesetzt, so können sie nur mit unsrem Willen die Erb- schaft antreten, weil diese insol- vent seyn, also Schaden bringen kann; haben sie so angetreten, so kommt dadurch das Erbrecht auf uns, ganz als ob wir selbst zu Erben eingesetzt wären. Gajus II. § 87, Ulpian . XIX. § 19. . Auch in dieser Hinsicht war wieder der Wille des Vaters gleichgültig, so daß zu solchen Zwecken der Vater zu seiner Bequemlichkeit den Sohn nicht als Instrument gebrauchen konnte Wenn also der Herr dem Sklaven befahl, für ihn eine Schuld zu contrahiren, so wurde dennoch der Herr nach altem Recht nicht Schuldner; deswegen führte hier der Prätor eine ei- gene Klage ein, quod jussu. Eben so verhält es sich mit den anderen, allmälig eingeführten, . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Unabhängige Menschen endlich konnten nach keiner Seite hin eine wirksame Vertretung übernehmen, so daß es ganz unmöglich war, durch die juristischen Handlungen fremder oder freyer Menschen Derjenige, welcher von uns unabhängig, und deshalb zu un- srer Vertretung nach altem Recht unfähig ist, heißt extranea oder auch libera persona ( Gajus II. § 95); libera bezeichnet also hier den Gegensatz nicht blos (wie sonst gewöhnlich) der dominica pote- stas, sondern jeder Abhängigkeit von potestas, manus, manci- pium. Rechte zu erwerben, Rechte auf- zugeben, oder Verpflichtungen zu übernehmen, selbst wenn alle dabey betheiligte Personen über diese Vertretung ein- verstanden waren Gajus II. §. 95, § 5 J. per quas pers. nob. adqu . (2. 9.). . Ein so beschränkender Grundsatz konnte sich nicht er- halten, sobald der Verkehr lebendiger und vielseitiger wurde. Man fieng daher an, in einzelnen Fällen auch eine freye Stellvertretung zuzulassen. Zuerst geschah dieses bey dem Erwerb des Besitzes, und bey den auf den Besitz gegrün- deten Erwerbungsarten des Eigenthums, wie Tradition und Occupation §. 5. J. per quas pers . (2. 9.), L . 1 C. de adqu. poss . (7. 32.), L . 20 § 2 de adqu. rer. dom . (11. 1.), L . 1 C. per quas pers . (4. 27.), L . 11 § 6 de pign. act . (13. 7.), Paulus V. 2 § 2. — Vgl. Savigny , Recht des Besitzes § 26. . Sehr natürlich wurde dann auch bey der Veräußerung durch Tradition, eben so wie bey der Erwerbung durch dieselbe, die Vertretung zugelassen, die dabey durch eigene Sklaven und Kinder eben sowohl als durch freye Menschen bewirkt werden konnte 42, 43 J. de rer. div. . Nun indirecten Verpflichtungen durch Kinder und Sklaven: actio de peculio, tributoria, de in rem verso. §. 113. Handlungen durch Stellvertreter. also war im Verkehr des Eigenthums die freye Vertre- tung nur noch für diejenigen Formen ausgeschlossen, die dem alten Civilrecht angehörten, das heißt für die Man- cipation und die in jure cessio. — Eine ähnliche Erleich- terung des Verkehrs wurde dann auch bey den Obliga- tionen gestattet, nur daß man hier die Veränderung mehr allmälig und zögernd, als bey dem Eigenthum, eintreten ließ Die genauere quellenmä- ßige Ausführung dieses Punktes ist nur im Zusammenhange des Obligationenrechts möglich. . Man ließ es also zu, daß bey Contracten, wie Kauf und Miethe, durch Stellvertreter Forderungen er- worben und Schulden übernommen würden; als vermitt- lende Rechtsform wurde dabey die Ertheilung von utiles actiones angewendet. Contracte aber, die auf der stren- gen Form des alten Civilrechts beruhten, das heißt die Stipulationen, sollten stets nur in eigener Person, nicht durch freye Stellvertreter, geschlossen werden, und diese Regel ist noch im Justinianischen Recht anerkannt L . 3 C. de contr. stip . (8. 38.), L . 1 C. per quas pers . (4. 27.), § 4 J. de inut. stip . (3. 17.), L . 126 § 2 de V. O . (45. 1.) . Nur wurde auch dabey noch eine praktische Milderung zu- gelassen. Für eine einzelne Stipulation zwar sollte kein Stellvertreter zugelassen werden. Wenn aber während einer allgemeineren Verwaltung fremder Geschäfte unter andern auch Stipulationen, als einzelne Stücke der Ge- schäftsführung, geschlossen werden mußten, so sollten die Klagen aus diesen nicht für und wider den Geschäftsfüh- (2. 1.), L . 9 §. 4 de adqu. rer. dom . (41. 1.), L . 41 § 1 de rei vind . (6. 1.) Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. rer, sondern für und wider den Herrn des Geschäfts, ge- geben werden. So bey dem Vormund L . 2 pr. de admin . (26. 7.), L . 5. 6. 7. 8. quando ex facto tut . (26. 9.) , und eben so bey dem Prozeßprocurator L . 5 de stip. praetor . (46. 5.) , wenn jener in den vor- mundschaftlichen Geschäften, dieser im Lauf des Prozesses, Stipulationen abzuschließen veranlaßt wurde. Aus diesen einzelnen Fällen bildete sich denn endlich die allgemeine Regel, die im Justinianischen Recht nur in fol- gender Stelle zu allgemeiner Anerkennung gekommen ist. L . 53 de adqu. rer. dom . (41. 1.) (aus Modestin. lib. 14 ad Q. Mucium): „Ea, quae civiliter adquiruntur, per eos qui in potestate nostra sunt adquirimus, veluti stipulationem: quod naturaliter adquiritur, sicuti est possessio, per quemlibet volentibus nobis possidere adquirimus.” Das Resultat, welches hieraus für das Justinianische Recht hervorgeht, läßt sich in folgenden Sätzen darstellen: 1) Civile Handlungen stehen noch jetzt unter den oben dargestellten Regeln des alten Rechts; bey ihnen gilt also nur Vertretung im Erwerb, und nur durch die vom Er- werber abhängigen Menschen. Civile Handlungen aber sind im Justinianischen Recht (innerhalb der oben bestimmten Gränzen, also mit Aus- schluß des Erbrechts und des Familienrechts) nur noch die Stipulationen. §. 113. Handlungen durch Stellvertreter. 2) Naturale Handlungen lassen jede Vertretung zu: durch abhängige, und durch freye Menschen: wir mögen durch die Handlung erwerben oder verlieren. Dahin also gehören bey weitem die meisten und wich- tigsten Geschäfte des Justinianischen Rechts, so daß die- ser Theil der Regel nunmehr von überwiegender Bedeu- tung ist Mehrere Stellen des Ju- stinianischen Rechts scheinen damit im Widerspruch zu stehen, z. B. § 5 J. per quas pers . (2. 9.) und L . 1 C. per quas pers . (4. 27.), nach welchen man glauben könnte, der Erwerb durch Besitz sey der einzige Fall, worin ausnahms- weise eine Vertretung durch freye Menschen gelte (wodurch damals, als jene Stellen geschrieben wur- den, besonders die Mancipation ausgeschlossen werden sollte); eben so andere Stellen, worin noch die freye Vertretung bey naturalen Contracten als zweifelhaft er- scheint. Alle diese Stellen kön- nen nun im Zusammenhang des Justinianischen Rechts nur so an- gesehen werden, daß sie die Ent- wicklungsgeschichte der Regel dar- stellen, die in ihrer unzweifelhaf- ten neuesten und allein gültigen Gestalt, durch die im Text ab- gedruckte L . 53 de a. r. d . aus- gesprochen wird. . 3) Die Vertretung selbst ist nun von zweyerley Art: a ) Die schon im alten Recht gegründete nothwendige Vertretung gilt nur für den Erwerb (geschehe dieser durch civile oder durch naturale Handlungen), hier aber unab- hängig vom Bewußtseyn und Willen des Herrn. Sie kommt aber fast nur noch vor bey Sklaven; denn manus und mancipium sind ganz verschwunden, und Kinder in väterlicher Gewalt erwerben in der Regel nicht mehr für den Vater, sondern für sich selbst Das heißt, wenn ein fili- usfamilias Etwas erwirbt, ohne dabey des Vaters zu erwähnen, so wird er selbst Eigenthümer, anstatt daß hier vor Justinian der Vater das Eigenthum er- warb. Will aber der Vater Et- was erwerben, so versteht es sich . III. 7 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. b ) Die freye Vertretung kann auf zweyerley Weise begründet werden. In der Regel geschieht es durch den Willen Desjeni- gen, dessen Rechte entstehen oder untergehen sollen. Ist aber Dieser selbst handlungsunfähig, so geschieht es durch ein allgemeines, jenen Willen ersetzendes, Rechts- verhältniß: in den Fällen des unreifen Alters, des Wahn- sinns, und der Interdiction, durch die Vormundschaft; bey juristischen Personen durch die in ihrer besonderen Verfassung dazu bestimmten Personen. Was ist nun von diesem Justinianischen System der Vertretung noch übrig in unsrem heutigen Recht? Wir haben keine Stipulationen und keine Sklaven mehr. Da- her besteht für uns nur noch: die unbeschränkte Zulassung der freyen Vertretung, indem in unsrem Recht alle Handlungen naturale sind, und indem die nothwendige Vertretung durch Sklaven nicht mehr vorkommen kann. §. 114. III. Willenserklärungen. — Zwang und Irrthum . Unter Willenserklärungen oder Rechtsgeschäften sind diejenigen juristischen Thatsachen zu verstehen, die nicht von selbst, daß dazu der Sohn, eben so wie jeder Fremde, als Mittelsperson dienen kann; ge- rade so, wie er auch zu Veräu- ßerungen vom Vater als Mit- telsperson gebraucht werden darf. §. 114. Zwang und Irrthum. nur freye Handlungen sind, sondern in welchen zugleich der Wille des Handelnden auf die Entstehung oder Auf- lösung eines Rechtsverhältnisses unmittelbar gerichtet ist (§ 104). Drey Momente derselben sind hier einzeln zu erwägen: der Wille selbst, die Erklärung des Willens, und die Übereinstimmung des Willens mit der Erklärung. Der Wille selbst bedarf nach zwey Seiten hin einer genaueren Bestimmung: 1) Das Daseyn desselben kann zweifelhaft werden durch entgegen wirkende Thatsachen, deren Einfluß unter- sucht und festgestellt werden muß. Diese Thatsachen sind: Zwang und Irrthum. 2) Der Umfang des Willens kann modificirt werden durch Beschränkungen, die er sich selbst giebt. Diese mög- liche Selbstbeschränkungen sind: Bedingung, Zeit, Modus. Das Daseyn des Willens scheint durch Zwang und Irrthum ausgeschlossen zu werden nach folgender Betrach- tung. Zwang ist der Gegensatz der Freyheit. Wenn also Zwang als Beweggrund auf den Willen eingewirkt hat, so ist kein freyer, also kein wirklicher Wille vorhanden, sondern nur der Schein des Willens. — Wenn ferner ein Irrthum als Beweggrund auf den Willen einwirkt, so ist der Wollende ohne wahres (mit der Wirklichkeit überein- stimmendes) Bewußtseyn, folglich eben so wenig einer wirk- 7* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. samen Willenserklärung fähig, als der Unmündige oder Vernunftlose. Die genauere Ergründung beider Fälle wird die in diesen Behauptungen enthaltene Täuschung darlegen. Je- doch muß schon jetzt auf das wahre Element hingewiesen werden, welches bey dieser Täuschung im Hintergrund steht. Es findet sich nämlich hier die wichtige Einwirkung sittlicher, dem Rechtszustand wesentlich verwandter, Mo- mente. Der Zwang an sich hebt das Daseyn und die Wirksamkeit des Willens nicht auf; aber die in demselben enthaltene, in das Rechtsgebiet störend eingreifende, Un- sittlichkeit macht eine positive Gegenwirkung nothwendig. — Eben so hebt der Irrthum an sich das Bewußtseyn, und mit diesem den Willen, nicht auf; aber es kann da- bey eine ähnliche, das Rechtsgebiet störende, Unsittlichkeit vorkommen, und dann ist die gleiche Nothwendigkeit posi- tiver Gegenwirkung vorhanden. — Nunmehr sind diese bei- den Fälle abgesondert darzustellen. Zwang oder Gewalt ( vis ) bezeichnet zwey ganz ver- schiedene Arten der Einwirkung eines Menschen auf einen andern. 1) Überwältigung durch körperliche Übermacht, so daß sich der Gezwungene blos leidend verhält. Von dieser kann hier, bey Willenserklärungen, die in geistiger Thätigkeit bestehen, gar nicht die Rede seyn. Denn wenn z. B. Ei- ner dem Andern mit Gewalt die Hand zur Unterschrift einer Urkunde führt, so liegt darin, eben so wie bey der §. 114. Zwang und Irrthum. von einem Anderen nachgemachten Unterschrift, gar keine Einwilligung, sondern höchstens der täuschende Schein ei- ner solchen. — Negativ freylich kann diese Art des Zwangs bey Willenserklärungen wohl vorkommen, nämlich um die- selben unmöglich zu machen; wenn z. B. Einer durch Ein- sperren verhindert wird, einen Vertrag zu schließen, oder ein Testament zu machen. — Die Neueren nennen diese Art der Gewalt vis absoluta. 2) Einwirkung auf den Willen des Handelnden durch Drohung, also durch die zu diesem Zweck in ihm absicht- lich erregte Furcht, bey den Neueren vis compulsiva ge- nannt Der Gegensatz beider Ar- ten der Gewalt wird besonders anschaulich bey dem Verlust des Besitzes; dieser kann sowohl durch absolute Gewalt bewirkt werden, als durch compulsive; im ersten Fall ist es eine Dejection, im zweyten eine erzwungene Tradi- tion; im ersten Fall ist das in- terdictum de vi begründet, im zweyten die actio quod metus causa. Vgl. L. 9 pr. quod me- tus (4. 2.), L. 5 de vi (43. 16.) . Von dieser allein, als von einer Einwirkung auf den Willen des Andern, kann hier die Rede seyn. Eigentlich wäre es daher besser, in dieser Untersuchung nur von Furcht, nicht von Zwang zu sprechen, wie es auch bey den Römern in der That geschieht Das Edict lautete ursprüng- lich so: quod vi metusque causa gestum erit, späterhin wurde die Erwähnung der vis weggelassen, so daß es nun blos heißt: quod metus causa gestum erit. L. 1 quod metus (4. 2.). ; dennoch ist hier der Ausdruck Zwang gebraucht worden, theils weil er bey neueren Schriftstellern der üblichere ist, theils weil aus ihm allein der Schein begreiflich wird, als ob gar kein Wille vorhanden wäre: dieser Schein aber ist es, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. auf dessen Vernichtung es in dieser Untersuchung vorzugs- weise ankommt. Allerdings liegt es sehr nahe, Zwang und Freyheit als einander ausschließende Zustände anzusehen, mithin die Freyheit schlechthin zu verneinen, da wo Zwang vorhan- den ist. Dennoch müssen wir bey genauerer Betrachtung diese Ansicht gänzlich aufgeben. Mit den speculativen Schwierigkeiten des Freyheitsbegriffs haben wir im Rechts- gebiet Nichts zu schaffen; uns berührt blos die Freyheit in der Erscheinung, das heißt die Fähigkeit, unter meh- reren denkbaren Entschlüssen eine Wahl zu treffen. Daß aber diese Fähigkeit bey dem Gezwungnen, das heißt bey dem Bedrohten, wahrhaft vorhanden ist, kann nicht be- zweifelt werden. Er hat die Wahl sogar zwischen Drey möglichen Entschlüssen: die Handlung vorzunehmen, wozu ihn der Drohende bestimmen will; das gedrohte Übel durch Widerstand abzuwehren; oder endlich dieses Übel zu er- dulden. Hat er nun den ersten dieser drey Wege erwählt, so ist die Freyheit der Wahl, also seines Wollens, wahr- haft vorhanden, und wir müssen das wirkliche, nicht blos scheinbare, Daseyn einer Willenserklärung, z. B. eines Vertrags, mit allen daran geknüpften Rechtswirkungen, unbedenklich anerkennen. Diese Ansicht ist denn auch die des Römischen Rechts in so klaren, entscheidenden Stellen L. 21 § 5 quod metus (4. 2.). „Si metu coactus adii he- reditatem, puto me heredem effici, quia, quamvis si liberum , daß selbst die §. 114. Zwang und Irrthum. scheinbar entgegenstehenden Zeugnisse keinen erheblichen Zweifel erregen können L. 6 § 7 de adqu. vel om. her . (29. 2.). „Celsus .. scripsit, eum qui metu … coactus, fal- lens adierit hereditatem .. he- redem non fieri” etc. Fallens steht für simulans, er hatte also nur zum Schein etwa Handlun- gen eines Erben (als gestio ) aus Furcht vorgenommen, folglich gar nicht wirklich angetreten (fallens adierit für simulaverit se adire). Die Emendation pallens für fal- lens ist verwerflich. Vgl. über die Stelle, außer der Glosse , auch Cujacius in L. 21 quod me- tus Opp. I. 971. Marckart in- terpret. II. 13. — L. 9 pr. qui et a quib. manum . (40. 9.). In der hier erwähnten erzwungnen Handlung liegt gar keine Manu- mission, sondern blos die an sich unwirksame schriftliche Anerken- nung der Freyheit. L. 17 pr. eod . spricht von einem positiven, polizeylichen Verbot der durch Volksgewalt erzwungenen Frey- lassungen; das Bedürfniß eines solchen Verbots beweist gerade, daß die Handlung ohne dasselbe gültig gewesen wäre. . Ganz vorzüglich aber ist die unzweifelhafte praktische Behandlung dieses Falles, von welcher sogleich die Rede seyn wird, nur unter Voraus- setzung jener Grundregel begreiflich. Obgleich nun der Zwang zu einer Willenserklärung die Freyheit des Handelnden an sich nicht aufhebt, folg- lich der natürlichen Wirksamkeit der Erklärung nicht im Wege steht, so steht er dennoch im geraden Widerspruch mit dem Zweck alles Rechts, welcher auf die sichere und selbstständige Entwicklung der Persönlichkeit gerichtet ist esset noluissem, tamen coactus volui: sed per Praetorem re- stituendus sum, ut abstinendi mihi potestas tribuatur.” — L. 21. 22 de ritu nupt. (23. 2.). „.. Si patre cogente ducit uxo- rem, quam non duceret si sui arbitrii esset … maluisse hoc videtur .” Es ist kein Grund vor- handen, unter dem allgemeinen Ausdruck dieser letzten Stelle, wie Manche wollen, etwas Anderes als den eigentlichen Zwang, näm- lich die ehrfurchtsvolle Nachgie- bigkeit gegen den ernsten Willen des Vaters (metus reverentia- lis) zu verstehen. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. (§ 52). Demnach liegt in dem Zwang eine in das Rechts- gebiet störend eingreifende Unsittlichkeit; sie ist dem Un- recht verwandt, wenngleich kein wirkliches, unmittelbares Unrecht Der Zwang oder die Dro- hung enthält nicht einmal noth- wendig ein beabsichtigtes, vorbe- reitetes Unrecht, da der Drohende fest entschlossen seyn kann, die Drohung nicht zu vollziehen. Für die rechtliche Wirkung macht Die- ses keinen Unterschied, da die un- gehörige Einwirkung auf den frem- den Willen stets dieselbe bleibt. . Es ist die Aufgabe des positiven Rechts, diese Unsittlichkeit, durch positive Gegenwirkung, von dem Rechtsgebiet abzuwehren, und genau diese Aufgabe findet sich im Römischen Recht deutlich anerkannt L. 116 pr. de R. J. (50. 17.). „Nihil consensui tam con- trarium est, qui bonae fidei ju- dicia sustinet, quam vis atque metus: quem comprobare, con- tra bonos mores est .” Anstatt qui bonae fidei liest die Floren- tina qui ac b. f., mehrere Hand- schriften lesen qui et b. f. Die hier angenommene bessere Lese- art beruht gleichfalls auf Hand- schriften. — L. 3 § 1 quod me- tus (4. 2.). „.. vim accipimus … quae adversus bonos mores fiat.” — L. 1 eod. „Ait Prae- tor: Quod metus causa gestum erit, ratum non habebo.” — L. 21 § 5 eod. (s. o. Note c ). . Die sehr mannichfaltigen Mittel zu dieser Abwehr koͤnnen nur in den einzelnen Theilen des Systems ganz deutlich gemacht werden; hier muß eine allgemeine Übersicht genügen. Es dient zu diesem Zweck erstlich eine besondere Klage; ferner eine Exception gegen die Klage jedes Andern; endlich, wenn diese regelmäßigen Mittel nicht genügen, die Wie- derherstellung des veränderten Rechtszustandes auf dem Wege einer Restitution Die Behandlung dieses Ge- genstandes ist in Beziehung auf dingliche Rechte und Obligatio- nen großentheils unzweifelhaft. Mehr bestritten ist die Wirkung solcher Drohungen, wodurch ein letzter Wille veranlaßt wird. Vgl. Glück B. 33 S. 426. Mühlen- . §. 114. Zwang und Irrthum. Die Bedingungen aber, unter welchen allein der Zwang diese wichtige Wirkung haben kann, sind gleich hier voll- ständig zusammen zu stellen. 1) Es ist noͤthig die Furcht vor einem bedeutenden Übel, das heißt die Bedrohung des Lebens, oder des Lei- bes L. 3 § 1 L. 7 § 1 L. 8 pr. § 2 quod metus (4. 2.), L. 3 ex quib. causis majores (4. 6.), L. 13 C. de transact . (2. 4.), L. 7 C. de his quae vi (2. 20.). , oder der Freyheit. Dieses letzte gilt in einem doppelten Sinn: sowohl für die factische Entziehung der Freyheit durch Gefängniß oder Ketten L. 7 § 1 L. 22 L. 23 § 1. 2 quod metus (4. 2.). , als auch für den wirklichen Sklavenstand L. 4 quod metus (4. 2.). „Ego puto etiam servitutis ti- morem, similiumque admitten- dum.” Die Similia sind nun eben die in Note i angeführten Dro- hungen: Gefängniß oder Fesseln. , wenn etwa die Drohung darauf geht, eine vindicatio in servitutem durch Unter- drückung von Urkunden verderblich zu machen L. 8 § 1 quod metus (4. 2.). , oder wenn es in der Macht des Drohenden steht, den Freyen in einen Sklaven zu verwandeln So z. B. die mit einem fremden Sklaven verheirathete freye Frau, nach dem Sc. Clau- dianum. Eben so den undank- baren Freygelassenen. Wenn in diesem letzten Fall die Anwend- barkeit des Edicts verneint wird ( L. 21 pr. quod metus 4. 2.) , so geschieht dieses nicht deswe- gen, weil die revocatio in ser- vitutem kein hinreichendes Übel wäre, sondern weil in dem durch die angeführte Stelle vorausge- setzten Fall die Furcht gar nicht . In allen diesen bruch § 643. — Bey der Ehe hatte das ältere R. R., wegen der freyen Scheidung, kein Bedürf- niß einer besonderen Abhülfe; die bey Obligationen angewendeten Mittel paßten hier nicht. Das neueste Recht, welches die Schei- dung so sehr erschwert, hat hier eine Lücke gelassen. Das cano- nische Recht nimmt ganz conse- quent Nichtigkeit der Ehe an. C. 15. 28 X. de spons . (4. 1.), C. 2 X. de eo qui dux . (4. 7.). Böhmer § 348. Eichhorn II. S. 351. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Fällen ist es gleichgültig, ob dem Handelnden für sich selbst, oder für seine Kinder, die Gefahr angedroht wird L. 8 § 3 quod metus (4. 2.). . — Auf diese Fälle aber beschränkt sich jene wich- tige Wirkung der Drohungen, weshalb folgende Fälle ohne Einfluß sind: Bedrohung des guten Rufs L. 7 pr. quod metus (4. 2.). „Nec timorem infamiae hoc edicto contineri.” Der Ausdruck ist zweydeutig. Er kann auf Zu- ziehung wahrer Infamie gehen (z. B. wenn der Drohende es in sei- ner Macht hat, durch doli oder furti actio die Ehre wirklich zu entziehen), oder auch auf Gefähr- dung des guten Rufs durch üble Nachreden. In beiden Bedeutun- gen muß der Satz für wahr ge- halten werden. , oder auch des Vermögens. Insbesondere ist die Bedrohung mit Pro- zessen, seyen es Civilklagen oder Criminalanklagen, dazu nicht hinreichend L. 7 pr. quod metus (4. 2) „neque alicujus vexationis ti- morem per hoc edictum resti- tui.” — L. 10 C. de his quae vi (2. 20.). „Accusationis institu- tae vel futurae metu alienatio- nem seu promissionem factam rescindi postulantis, improbum est desiderium.” — Damit ist nicht gesagt, daß gegen die Dro- hung einer Klage, um Geld oder Geldeswerth zu erpressen, kein Schutz zu finden wäre; vielmehr bezieht sich darauf das Edict de calumniatoribus (Dig. III. 6) , welches jedoch andere Regeln hat, als die actio quod metus causa. . — Man kann also sagen, daß die- jenigen Übel, deren Androhung jene Wirkung hervorbrin- gen soll, fast immer wahre Rechtsverletzungen enthalten müssen Ich sage: fa st immer, denn wenn die freye Frau eines Skla- ven, oder der undankbare Frey- gelassene, in Sklaven verwandelt werden, so ist das keine Rechts- verletzung. Diese scheinbare In- consequenz erklärt sich daraus, daß der zum Sklaven Gemachte recht- los wird, so daß von nun an ge- gen seine Person Alles möglich und erlaubt ist, was außerdem Rechts- verletzung gewesen wäre. : umgekehrt aber würde die Drohung einer blos durch eine Drohung des Patrons, sondern nur durch das böse Ge- wissen der Freygelassenen selbst, entstanden war. §. 114. Zwang und Irrthum. auf das Vermögen gerichteten Rechtsverletzung zu jener Wirkung gewiß nicht hinreichen Auch hier wieder (wie in Note p ) muß gegen das Mis- verständniß gewarnt werden, als ob gegen solche Drohungen jegli- cher Schutz fehlte. Hier kann die condictio ob turpem causam helfen ( L. 2 pr. L. 4 § 2 de cond. ob turp . 12. 5.) , die nur andere Regeln hat, als die actio quod metus causa. Der durchgrei- fendste praktische Unterschied liegt darin, daß die actio quod me- tus causa gegen jeden Dritten wirkt, anstatt daß die erwähnten anderen Rechtsmittel (Note p und r ) nur gegen den Thäter gehen. . 2) Es ist ferner nöthig eine gegründete Furcht, also ein wahrscheinliches Übel, welchem schwer zu widerstehen ist, so daß der Characterschwäche oder der leeren Einbil- dung kein Schutz verheißen seyn soll L. 6 quod metus (4. 2.). „Metum autem non vani homi- nis, sed qui merito et in ho- mine constantissimo cadat, ad hoc edictum pertinere constat.” L. 7 pr. L. 9 pr. eod. L. 184 de R. J. (50. 17.). . 3) Endlich aber, und was das Wichtigste ist, es ge- nügt nicht das bloße Daseyn der Furcht, sondern die Furcht muß auf einer Drohung beruhen, das heißt sie muß von irgend einem Menschen absichtlich erregt worden seyn, um diese Handlung zu bewirken L. 14 § 3 quod metus (4. 2.) „sufficit enim hoc docere, metum sibi illatum .” L. 9 § 1 L. 21 pr. eod . . War dieses der Fall, so beschränkt sich allerdings die Wirkung nicht auf den Ur- heber allein, sondern sie erstreckt sich auch auf andere, schuldlose Personen, das heißt sie geht in rem L. 9 § 8 quod metus (4. 2.), L. 4 § 33 de doli except . (44. 4.). . Fassen wir das hier Gesagte, und im Einzelnen Be- wiesene, zu einer kurzen Übersicht zusammen, so ergiebt sich daraus die Bestätigung des oben aufgestellten Grund- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. satzes: der Zwang schließt nicht die Freiheit aus, so daß neben ihm die Willenserklärung dennoch besteht und wirkt. Ihre natürlichen Folgen aber werden durch eine positive Gegenwirkung gehemmt, deren Grund in der Unsittlichkeit liegt, wodurch der Zwang das Rechtsgebiet stört. In dieser Verbindung aber tritt die Wahrheit der Grundregel, daß der Zwang die Freyheit nicht ausschließt, noch deutlicher hervor. Erstlich wegen der nöthig gefun- denen positiven Gegenanstalten. Wenn ein Unmündiger oder ein Wahnsinniger solche Worte ausspricht, wodurch ein Handlungsfähiger, welcher sie ausspräche, verpflichtet werden würde, so wird nicht daran gedacht, ihm dagegen einen künstlichen Schutz zu bereiten, z. B. durch eine Ex- ception gegen die Contractsklage des Gegners; es ist ju- ristisch gar Nichts geschehen, das ist genug. Ganz so müßte es auch seyn bey Demjenigen, welcher durch Dro- hungen zu einer Willenserklärung bestimmt wird, wenn wirklich der Zwang die Willensfreyheit ausschlösse; da es hier nicht so ist, so muß wohl Freyheit als vorhanden vorausgesetzt seyn. — Zweytens, wenn die Freyheit durch Furcht ausgeschlossen würde, so müßte es ganz gleichgül- tig seyn, ob diese Furcht durch das bloße Denken des Fürchtenden allein, oder durch fremde Drohung entstanden wäre, da in beiden Fällen der Seelenzustand des Fürch- tenden derselbe ist. Da nun aber jener Rechtsschutz nie der bloßen Furcht allein, sondern lediglich der durch Dro- hung erzeugten Furcht gewährt wird, so muß der Grund §. 114. Zwang und Irrthum. dieses Rechtsschutzes nicht in die mangelnde Willensfrey- heit des Fürchtenden, sondern in die rechtswidrige Unsitt- lichkeit des Drohenden, gesetzt werden. Um die hier bekämpfte Meynung, nach welcher der Zwang das Daseyn des freyen Wollens ausschließen soll, völlig zu beseitigen, ist es nöthig, zum Schluß noch eine mögliche Gestalt derselben zu erwähnen, welche mehreren ihrer Vertheidiger, wenn auch nicht ganz deutlich gedacht, vorgeschwebt zu haben scheint. Man kann sich nämlich den durch die Drohung erzeugten Seelenzustand in Gedan- ken so steigern, daß er dem Wahnsinn oder der äußersten Trunkenheit gleichartig wird, in welchem Fall der so Ge- ängstete in der That nicht mehr weiß was er thut oder redet, also wirklich bewußtlos ist. In diesem Fall ist nun in Wahrheit gar kein Wille vorhanden (§ 112), und kein Richter wird darüber im Zweifel seyn. Dabey ist es auch ganz gleichgültig, ob diese Art der Bewußtlosigkeit durch menschlichen bösen Willen, oder durch Naturereignisse, viel- leicht blos durch die Einbildungskraft eines höchst furcht- samen Menschen, hervorgebracht worden ist. Das Roͤ- mische Recht denkt entschieden gar nicht an diesen Fall, theils weil in demselben gewiß Alles ipso jure nichtig seyn würde, theils weil die Drohung als Grund der Furcht dabey gleichgültig ist, die doch das Roͤmische Recht als unerläßliche Bedingung seiner indirecten Schutzanstalten fordert. Dieser Fall ist aber auch praktisch eben so un- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. wichtig, als dessen Behandlung unzweifelhaft ist. Er ist unwichtig, weil er nur höchst selten vorkommen kann. Denn wo die Angst diesen höchsten Grad erreicht, in wel- chem sie den Menschen wahrhaft bewußtlos macht, da wird meist auch nicht die Möglichkeit einer scheinbaren Thätigkeit zurück bleiben; es wird vielmehr eine Ohn- macht erfolgen, oder wenigstens die gänzliche Unfähigkeit zu jeder Aeßerung, die als eine Willenserklärung fälsch- lich ausgelegt werden könnte. Die ganze Frage übrigens, die hier für das Privat- recht aufgeworfen und beantwortet worden ist, kommt auch im Criminalrecht vor, und hat auch hier ähnliche Schicksale gehabt, wie im Privatrecht. Das Princip ist auch hier dasselbe. Wer durch Drohungen bestimmt wird, ein Verbrechen zu begehen, handelt frey, und ist zurech- nungsfähig, mit Ausnahme der seltenen Fälle, worin die Angst zur wahren Bewußtlosigkeit wird. Allein die prak- tische Behandlung wird hier eine ganz andere. Von einer indirecten Ungültigkeit (per exceptionem) kann im Crimi- nalrecht natürlich nicht die Rede seyn; dagegen wird hier die Drohung zuweilen Grund einer Milderung oder selbst der Straflosigkeit seyn. Die genauere Ausführung dieser Frage kann hier nicht unternommen werden. §. 115. Zwang und Irrthum. (Fortsetzung.) §. 115. III. Willenserklärungen. — Zwang und Irrthum . (Fortsetzung.) Es bleibt übrig die Betrachtung des Irrthums als eines denkbaren Hindernisses für das Daseyn einer wahren, wirksamen Willenserklärung. Irrthum überhaupt ist der Zustand des Bewußtseyns, in welchem die wahre Vorstellung eines Gegenstandes von ei- ner unwahren verdeckt und verdrängt wird. Das Wesentliche jedoch in diesem Zustand ist blos der Mangel der wahren Vorstellung, welcher sich auch in der Gestalt bloßer Be- wußtlosigkeit über diesen Gegenstand zeigen kann, ohne daß eine bestimmte andere Vorstellung an die Stelle der wahren tritt. Hierin liegt der innere Unterschied zwischen Irrthum und Unwissenheit (error und ignorantia) , welche jedoch juristisch einander völlig gleich stehen. Es wäre genauer und erschöpfender, überall von Unwissenheit zu reden, da dieser Ausdruck das Wesen jenes mangelhaften Zustandes des Bewußtseyns am allgemeinsten bezeichnet. Dennoch ist bei unsren Schriftstellern häufiger von Irr- thum die Rede, ohne Zweifel weil diese Gestalt des er- wähnten Zustandes die häufigere und darum praktisch wichtigere ist; auch ist dieser Sprachgebrauch ohne alles Bedenken, sobald man sich voraus darüber verständigt hat, Alles, was über den Irrthum gesagt wird, auch für die bloße Unwissenheit gelten zu lassen. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Der Irrthum nun kommt als ein wichtiges Moment in so mancherley juristischen Beziehungen vor, daß es unmöglich ist, dieselben an einer einzelnen Stelle des Rechts- systems zu erschöpfen. Dennoch ist es für die Vollstän- digkeit der Einsicht wichtig, diese verschiedenen Beziehungen zu einer gemeinsamen Uebersicht zu verbinden. Diese zu- sammenhängende Darstellung des Irrthums in seinen ver- schiedenen Beziehungen auf Rechtsverhältnisse habe ich in einer abgesonderten Abhandlung zu geben versucht (Bey- lage VIII. ). Gegenwärtig fassen wir den Irrthum blos in der Be- ziehung auf, da er als Beweggrund zu einer Wil- lenserklärung erscheint. Bey dieser Beziehung wird fast immer ein eigentlicher Irrthum zum Grunde liegen, da die reine Unwissenheit gewöhnlich nur Unterlassungen zur Folge haben wird. — Wir fragen nun in dieser Be- ziehung, ob wohl der aus Irrthum entsprungene Wille als ein eigentlicher und wirksamer Wille zu betrachten seyn möge? Der schon oben angedeutete Schein für die Verneinung dieser Frage liegt in einer gewissen Aehnlich- keit des Irrthums mit der Bewußtlosigkeit. So wie näm- lich der Unmündige oder Wahnsinnige, könnte man sagen, zu Willenserklärungen unfähig sind wegen ihres allge- meinen Mangels an Bewußtseyn überhaupt (§. 106.), so muß dazu auch Derjenige unfähig seyn, welchem ein rich- tiges Bewußtseyn in besonderer Beziehung auf die den Willen bestimmenden Thatsachen mangelt. Es finden sich §. 115. Zwang und Irrthum. (Fortsetzung.) sogar einige sehr allgemein lautende Stellen des Römi- schen Rechts, wodurch man versuchen könnte, diese Ver- gleichung zu unterstützen L. 20 de aqua et aq. pluv . (39. 3.) „nulla enim voluntas errantis est.” Eben so mehrere andere Stellen. Vgl. Beyl. VIII. Num. VII. . Allein bey genauerer Betrachtung muß dennoch diese Gleichstellung gänzlich aufgegeben werden. Wenn wir sagen, die irrige Vorstellung habe den Willen bestimmt, so ist dieses nur in einem sehr uneigentlichen Sinne anzu- nehmen. Immer war es der Handelnde selbst, der dem Irrthum diese bestimmende Kraft einräumte. Die Frey- heit seiner Wahl zwischen entgegengesetzten Entschlüssen war unbeschränkt; welche Vortheile ihm der Irrthum auch vorspiegeln mochte, er konnte sie verwerfen, und durch den Einfluß jener irrigen Vorstellungen ist daher das Daseyn der freyen Willenserklärung keinesweges aufge- hoben. Die richtige Auffassung der Frage beruht also auf der scharfen Unterscheidung des Wollens selbst, von Demjenigen was ihm in der Seele des Wollenden vor- herging; das Wollen ist eine selbstständige Thatsache, die allein für die Bildung der Rechtsverhältnisse von Wich- tigkeit ist, und es ist ganz willkührlich und grundlos, wenn wir mit dieser Thatsache jenen vorbereitenden Prozeß so verbinden, als ob derselbe ein Bestandtheil ihres Wesens wäre. Auch ist hier der Schein für eine entgegengesetzte Ansicht weit geringer, als im Fall des Zwanges; sie hat III. 8 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. in dieser Allgemeinheit keine Vertheidiger gefunden, und die in dieser Lehre häufig vorkommenden Misverständnisse haben sich mehr an einzelne Momente, als an die allge- meine Betrachtung dieses Falles überhaupt, angeknüpft. Diese Grundansicht des Irrthums führt nun zu fol- genden Sätzen des römischen Rechts, die, für die hier vorliegende Anwendung (auf die Wirksamkeit der Wil- lenserklärungen), so wie für alle anderen, Gültigkeit haben. Der Irrthum an sich hat in der Regel gar keine Wir- kung, und es ist überall nur durch besondere Ausnahme, wo ihm eine Einwirkung eingeräumt wird Beylage VIII. Num. VI. — Es ist also falsch, wenn das Prin- cip aufgestellt wird, um Schaden abzuwenden gelte jeder Irrthum, um Gewinn zu ziehen gelte der factische, nicht der Rechtsirrthum. Beylage VIII. Num. VIII. XL. . Auch in diesen ausgenommenen Fällen wird seine Wir- kung ausgeschlossen, wenn dem Irrenden eine besondere Verschuldung zur Last fällt, das heißt wenn der Irrthum leicht zu vermeiden war. Eine solche Verschuldung wird in der Regel angenom- men, wenn der Irrthum nicht Thatsachen zum Gegenstand hat (facti error s. ignorantia) , sondern Rechtsregeln (ju- ris error s. ignorantia). Doch kann unter besonderen Um- ständen, und vorzüglich nach dem heutigen Rechtszustand, auch dieser Rechtsirrthum ein schuldloser, und daher wirk- samer, seyn Beylage VIII. Num. III. IV. . Bey Willenserklärungen insbesondere gilt die hier auf- gestellte Regel Beylage VIII. Num. X. : neben ihr finden sich zwey Ausnah- §. 115. Zwang und Irrthum. (Fortsetzung.) men, in welchen der unverschuldete Irrthum eigene Kla- gen erzeugt, um die Willenserklärungen hinterher zu ent- kräften: die aͤdilicischen Klagen, und die auf irrige causa gegründeten Condictionen, insbesondere die wichtigste der- selben, die condictio indebiti Beylage VIII. Num. XI. . Allein alle diese Sätze finden doch nur da Anwendung, wo der Irrthum für sich allein in Betracht kommt; denn er kann, eben so wie die Furcht, eine andere Natur annehmen, wenn eine besondere Entstehungsweise hinzuge- dacht wird. Ist nämlich der Irrthum hervorgebracht durch den unredlichen Willen eines Andern, das heißt durch Be- trug, so hat dieser Fall eine unverkennbare Ähnlichkeit mit dem des Zwanges. In beiden Fällen findet sich gleiche Unsittlichkeit in der Einwirkung auf Andere; auch wird in beiden recht eigentlich das Rechtsgebiet durch diese Unsitt- lichkeit gestoͤrt. Denn das Wesen des Rechts geht auf selbstständige Entwicklung der Einzelnen in lebendiger Ge- meinschaft und Wechselwirkung. Die nothwendige Bedin- gung aller Gemeinschaft aber ist Wahrhaftigkeit und das durch sie begruͤndete Vertrauen. So wie nun die Selbst- ständigkeit beeinträchtigt wird durch den Zwang, so das Vertrauen durch den Betrug. Daher kommen beide Arten der Einwirkung auf Andere — Zwang und Betrug — in folgenden Stücken überein. Beide haben eine unsittliche Natur. Beide enthalten an sich kein Unrecht, aber sie grei- 8* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. fen stoͤrend ein in die nothwendigen Bedingungen mensch- licher Lebensgemeinschaft, die in dem Rechtsgebiet Regel und Schutz empfängt. Beide also verdienen gleicherweise, durch das positive Recht als Unrecht anerkannt, verfolgt und bekämpft zu werden. Auf den ersten Blick möchte man geneigt seyn, einen Unterschied zwischen beiden Fällen darin zu setzen, daß der Zwang unbedingt verwerflich ist und eine juristische Gegenwirkung hervorruft, anstatt daß der Irrthum in der Regel ganz gleichgültig ist, und nur durch die Verbindung mit Betrug einen hemmenden Einfluß auf die Willenser- klärung erhält. Allein der Schein dieser Verschiedenheit entsteht nur aus dem zufälligen Umstand, daß man von dem Begriff des Zwanges auszugehen pflegt, anstatt von dem der Furcht (§ 114). In jedem der beiden Fälle muß gleich sorgfältig unterschieden werden Dasjenige, was in dem Innern des Handelnden vorgeht, von dem was durch die unsittliche Einwirkung eines Andern hinzutritt. Im Innern des Handelnden finden wir dort die Furcht, hier den Irrthum; beide sind für das Daseyn wahrer Willens- erklärung ganz gleichgültig, und ohne Einfluß auf deren Wirksamkeit. Aber beide koͤnnen eine besondere Natur an- nehmen, wenn sie in einer unsittlichen Einwirkung von au- ßen ihre Entstehung haben. Dann erscheint die Furcht als Zwang, der Irrthum als Betrug. Hier ist also überall der vollständigste Parallelismus wahrzunehmen. Bey dem Betrug, wie bey dem Zwang, kann die ge- §. 115. Zwang und Irrthum. (Fortsetzung.) naue Darstellung der dagegen geltenden Rechtsmittel nur in dem speciellen Theil des Rechtssystems ihre Stelle fin- den. Im Allgemeinen lassen sich diese Rechtsmittel auf dieselben Klassen, wie oben bey dem Zwang, zurückführen: dem Betrogenen wird nach Umstaͤnden durch Klage, Ex- ception, oder Restitution geholfen, wie er es gerade be- darf Bey der Ehe gilt für den Betrug wesentlich dasselbe, was oben (§ 114. g ) für den Zwang bemerkt worden ist, nur mit dem Unterschied, daß in jedem Fall der wesentliche Betrug vom un- wesentlichen unterschieden werden muß, so daß nur der wesentliche die Ehe vernichtet. Vergl. G. L. Böhmer jus can. § 348. Eich- horn Kirchenrecht II. S. 355. Pufendorf I. obs. 161. . Der durchgreifendste Unterschied zwischen Zwang und Betrug liegt darin, daß die dem Gezwungenen ge- währte Hülfe auch gegen fremde, schuldlose Personen wirkt (in rem) , die des Betrogenen nur gegen den Be- trüger und dessen Successoren (in personam) Nämlich gegen die Erben allgemein, gegen die Singular- successoren nur mit Einschrän- kung. Dieses gehört zur genaue- ren Ausführung. . Dabey liegt also die Ansicht zum Grunde, daß in dem Zwang die schlimmere, gefährlichere Störung des Rechtszustandes enthalten ist, vergleichungsweise mit dem Betrug. So wie es oben (§ 114) bey dem Zwang geschehen ist, müssen auch bey dem Betrug die Bedingungen gleich hier angegeben werden, unter welchen er dem Irrenden Anspruch auf Schutz gegen die Folgen der Willenserklä- rung geben kann. Der Ausdruck dolus bezeichnet überall eine unsittliche Verletzung desjenigen Zutrauens, worauf aller menschliche Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Verkehr beruht. Dieser umfassende Begriff nun kommt in sehr verschiedener Weise vor. Zuerst in verschiedener Abstu- fung, so daß er bald den härtesten Tadel in sich schließt Besonders sichtbar tritt die- ses hervor in den vielen Fällen, worin der in Privatrechtsverhält- nissen begangene dolus die In- famie zur Folge hat (§ 77). , bald nur eine mäßige Misbilligung So in vielen Fällen der doli exceptio, wo das Unred- liche oft nur in der hartnäckigen Rechtsverfolgung liegt, während den Kläger für seine bisherigen Handlungen gar kein Tadel trifft. L. 2 § 5 de doli exc . (44. 4.) „petendo facit dolose.” L. 36 de V. O. (45. 1.) „hoc ipso dolo facit quod petit.” . Ferner in verschie- dener Anwendung. Die bestimmtesten und einflußreichsten Anwendungen des Begriffs sind diese: 1) Absichtliches Zu- widerhandeln eines Schuldners gegen den Inhalt seiner Verpflichtung; dieses ist der dolus in Obligationen, wo er als Gegensatz von culpa und casus erscheint. 2) Ab- sichtliche Erzeugung eines Irrthums, wodurch der Irrende zu einer Willenserklärung bestimmt wird; von dieser An- wendung allein ist hier die Rede. In dieser Anwendung also heißt dolus Verfälschung der Wahrheit, und so ist der Ausdruck gleichbedeutend mit fraus L. 1 § 2 de dolo (4. 2.), L. 7 § 9. 10 de pactis (2. 14.), L. 43 § 2 de contr. emt . (18 1.). . Es muß aber noch hinzugedacht werden die böse Absicht, das heißt die welche auf des Gegners Nach- theil gerichtet ist, ohne Unterschied ob zugleich eigener Vor- theil bezweckt wird oder nicht L. 39. 40 de dolo (4. 3.). . Diesen Zusatz bezeich- nen die Römischen Juristen durch den Ausdruck dolus ma- lus , im Gegensatz eines denkbaren dolus bonus in solchen §. 115. Zwang und Irrthum. (Fortsetzung.) Fällen, worin selbst Gewalt als Selbstvertheidigung er- laubt seyn würde, worin also augenblicklich ein Rechts- verhältniß gar nicht vorhanden ist L. 1 § 2. 3 de dolo (4. 3.) „sicuti faciunt qui … tuentur vel sua vel aliena” … „maxi- me, si adversus hostem latro- nemve quis machinetur.” . In der Regel wird der Betrug durch positive Thätig- keit verübt. Er ist aber auch denkbar durch ein blos lei- dendes Verhalten, also durch wissentliches, stillschweigen- des Dulden des fremden Irrthums, den wir nicht selbst hervorgebracht haben. Dieses letzte jedoch nur unter Vor- aussetzung eines solchen Vertragsverhältnisses, worin der Andere von uns Offenheit zu erwarten berechtigt ist, so daß hier Schweigen und Reden als ein untrennbares Ganze betrachtet werden muß L. 43 § 2 L. 35 § 8 de contr. emt. (18. 1.), L. 11 § 5 de act. emti (19. 1.). . Die Begriffe von Zwang und Betrug, deren Verschie- denheit und Verwandtschaft hier nur in Beziehung auf die Gültigkeit der Willenserklärungen untersucht worden ist, kommen auch anderwärts in wichtigen und ausgedehnten Anwendungen vor. So in der sehr alten Zusammenstel- lung von vi, clam, precario in der Lehre vom Besitz Nämlich clam und preca- rio sind nur äußerlich verschie- dene Anwendungen des dolus bey Entziehung des Besitzes. . Ganz vorzüglich aber bey den aus Delicten entspringen- den Obligationen, welche großentheils auf jenen Begriffen beruhen, und nur vermittelst der scharfen Auffassung der- selben richtig verstanden werden können. Allerdings ist in diesen anderen Anwendungen weit mehr von absolutem, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. als von compulsivem Zwang die Rede. Allein diese bei- den Formen des Zwangs oder der Gewalt sind in ihrer unsittlichen Natur und in ihrer Gefährlichkeit für das Rechtsgebiet gar nicht verschieden. Wenn aber in der gegenwärtigen Untersuchung die Rücksicht auf die absolute Gewalt abgelehnt worden ist (§ 114), so geschah dieses nicht wegen einer wesentlich verschiedenen Natur dieser Art der Gewalt selbst, sondern nur weil sie als Veranlassung von Willenserklärungen (von welchen allein hier die Frage war) gar nicht vorkommen kann. Darin ist allerdings zwischen beiden Arten der Gewalt ein Unterschied, daß die absolute meist schon an sich eine unmittelbare Rechts- verletzung in sich schließt, die durch die Gewaltsamkeit oft nur noch eine erhöhte Wirkung erhält, anstatt daß die compulsive Gewalt erst durch das positive Recht zu einer Rechtsverletzung gestaltet wird. §. 116. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Begriff . In der Willenserklärung kann der Wille einen eigen- thümlichen Character dadurch annehmen, daß er sich selbst beschränkt, und so den Umfang , den er außerdem haben würde, vermindert. Dieses geschieht durch Hinzufügung von Bedingung, Zeit , oder Modus (§ 114). Ge- meinschaftliche Quellen für diese Zusätze einer Willenser- klärung finden sich in folgenden Titeln: §. 116. Bedingung. Begriff. Dig. XXVIII. 7, XXXV. 1. Cod. VI. 25. 45. 46, VIII. 55. Schriftsteller: Balduinus de conditionibus (Heineccii Jurispr. Rom. et Att. T. 1). Donellus VIII. 30 — 34 (Legate), XV. 8 — 12 (Verträge). Die wichtigsten Anwendungen sind die auf Verträge und Testamente, deren jede ihre Eigenthümlichkeiten hat Ich gebrauche hier der Kürze und Anschaulichkeit wegen, den Ausdruck Testament als Re- präsentanten jeder Art des letz- ten Willens, so daß also stets auch der Codicill darunter mit begrif- fen ist. Übrigens ist die Anwen- dung der Bedingungen auf den letzten Willen häufiger und man- nichfaltiger, als auf die Verträge, und daher auch mehr von den alten Juristen ausgebildet. — Noch weit weniger bedarf es einer Er- klärung und Rechtfertigung dar- über, daß ich den concreten Aus- druck Vertrag gebrauche, an- statt abstracter von Rechtsgeschäf- ten unter Lebenden zu reden; denn bey Quasicontracten können Bedingungen nicht leicht vorkom- men, Pollicitationen aber, ohne- hin selten und wenig wichtig, wer- den hier vielmehr den Legaten ähn- lich behandelt. L. 13 § 1 de pol- lic. (50. 12.). Sell Versuche II. 107. 110. . An dieser Stelle wird von solchen besonderen Anwendun- gen nur Dasjenige ausgehoben werden, welches zur voll- ständigen Einsicht in die gemeinsame Natur dieser Bestim- mungen nöthig ist. Bedingung (conditio) heist der Zusatz einer Willens- erklärung, welcher das Daseyn eines Rechtsverhältnisses von einem künftigen, ungewissen Ereigniß auf willkührliche Weise abhängig macht. Die einzelnen Momente dieses Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Begriffs werden durch die Betrachtung solcher Fälle an- schaulich werden, worin eine Bedingung nur dem Schein, nicht dem Wesen nach, vorhanden ist, weil es an einem jener Momente fehlt Die unmittelbare Folge ist freylich meist dieselbe, wir mö- gen es nun als eine Scheinbe- dingung ansehen, oder als eine wirkliche, aber erfüllte Bedin- gung. Im Einzelnen aber wird oft der Unterschied wichtig, na- mentlich da wo überhaupt Be- dingungen verboten sind. Aus jener gewöhnlichen Gleichgültig- keit erklärt es sich, wenn unsre Rechtsquellen sich zuweilen so aus- drücken, als wäre es eine wirk- liche und erfüllte Bedingung; sol- che Ausdrücke finden sich in man- chen der in Note o angeführten Stellen. . Es ist also keine wahre Bedingung, wenn der Eintritt des Ereignisses nicht ungewiß ist, sondern entweder sicher Statt findet, oder sicher unterbleibt (nothwendige oder un- mögliche Bedingung). Die Behandlung dieser Fälle wird unten, bey den Wirkungen der Bedingung, angegeben werden Vgl. § 121 — 124. . Eben so ist es keine wahre Bedingung, wenn das als Bedingung Ausgedrückte ohnehin schon nothwendige Vor- aussetzung des Rechtsverhältnisses war, so daß die Noth- wendigkeit nicht erst auf willkührliche Weise hervorgebracht worden ist. Solche Bedingungen heißen conditiones taci- tae, oder quae insunt, tacite insunt, extrinsecus veniunt L. 1 § 3 de cond. (35. 1.), L. 99 eod., L. 25 § 1 quando dies (36. 2.), L. 68 de j. dot. (23. 3.). Man kann die Natur dieses Falles auch so ausdrücken, daß darin die conditio juris zu- gleich zu einer conditio facti ge- macht wird ( L. 21 de cond. 35. 1.). — Über diesen Gegenstand ist zu vergleichen Donellus III. 32 § 2 — 4. . Beyspiele sind folgende: Erbeinsetzung unter der Bedingung, §. 116. Bedingung. Begriff. daß der Erbe den Testator überlebt; Erbeinsetzung eines extraneus unter der Bedingung, wenn er Erbe seyn will; Legat unter der Bedingung, daß der eingesetzte Erbe die Erbschaft antrete; Legat der Früchte eines Landguts, wenn solche entstehen sollten; Legat unter derselben Bedingung, woran auch schon die ganze Erbeinsetzung geknüpft ist (weil durch deren Nichterfüllung die Erbeinsetzung, mit dieser das Testament, und mit diesem das Legat, ohnehin zerfällt); Versprechen einer Dos unter der Bedingung, daß die Ehe zu Stande kommen wird. — Im Allgemeinen sind solche Bedingungen blos überflüssige Wiederholungen Des- jenigen, was ohnehin gilt, also unschädlich, aber auch unnütz und wirkungslos „frustra adduntur.” L. 12 de cond. inst. (28. 7.), L. 47 de cond. (35. 1.). . In den meisten Anwendungen wird dabey nicht einmal ein Zweifel möglich seyn. Von Erheblichkeit ist der Satz nur bey Legaten, bey welchen der Zeitpunkt wichtig ist, den der Legatar erlebt haben muß, damit das Legat auf seine Erben übergehen könne ( dies legati cedit ). Dieser Zeitpunkt ist in der Regel der Tod des Testators, bey bedingten Legaten aber die Er- füllung der Bedingung L. 1 § 1. 8 C. de caducis toll. (6. 51.). . Da jedoch die hier erwähnten Bedingungen gar nicht wahre Bedingungen sind, so wird durch sie das Legat nicht zu einem bedingten, so daß un- geachtet derselben der unwiderrufliche Erwerb schon mit dem Todestag des Testators eintritt L. 99. 107 de cond. (35. 1.), L. 21 § 1 L. 22 § 1 L. 25 § 1 quando dies (36. 2.). — An- . Darin liegt also Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zwar auch nur eine Anerkennung der aufgestellten allge- meinen Regel; sie ist aber insofern erheblich, als diese ein- zelne Anwendung leicht verkannt werden könnte. — Anders verhält es sich nur bey denjenigen Willenserklärungen, für welche der Zusatz einer Bedingung durch eine positive Rechts- regel untersagt ist. Hier sind auch jene Bedingungen nicht als wirkungslos anzusehen, vielmehr vernichten sie die ganze Bestimmung, welcher sie als Zusätze beygefügt sind, so daß also in dieser Beziehung die ganz positive Regel gilt: Expressa nocent, non expressa non nocent L. 195 de R. J. (50. 17.), L. 68 de her. inst. (28. 5.), L. 47 in f. de cond. (35. 1.). . Beyspiele sind diese. Der Vater hat die Wahl, seinen Sohn einzusetzen oder zu enterben, nur darf die Enterbung keine bedingte seyn L. 3 § 1 de lib. et posth. (28. 2). Der Grund liegt darin, daß der Sohn für den der Be- dingung entgegengesetzten Fall präterirt seyn würde. ; wenn nun der Vater den Sohn enterbt, unter der Bedingung, daß der eingesetzte einzige Erbe die Erbschaft antrete, so sagt er eigentlich etwas Überflüssiges (da bey dem Nichtantritt das ganze Testament zerfällt), dennoch ist eine solche Enterbung ungültig L. 68 de her. inst. (28. 5.). . ders ist es z. B. bey einem Legat unter der Bedingung: si volet le- gatarius, weil nun eine Willens- erklärung des Legatars erfordert wird, die sich nicht von selbst ver- steht, da vielmehr andere Legate ohne Zuthun des Legatars er- worben werden. L. 65 § 1 de leg. 1 (30. 1.), L. 69 de cond. (35. 1.). Hier ist also jener Zu- satz eine wahre und wirksame Be- dingung. Nicht so in der schein- bar ähnlichen Bestimmung bey ei- nem Fideicommiß „cum ipsi pe- tissent sine ulla juris cavilla- tione,” welches nur als Einschär- fung der unverzüglichen, unwei- gerlichen Entrichtung, nicht als Bedingung gemeynt ist. L. 85 de cond. (35. 1.), s. § 117. b. §. 116. Bedingung. Begriff. Die Acceptilation kann bey einer bedingten Stipulation natürlich nur dann wirken, wenn die Bedingung eintritt, weil sonst gar keine Schuld vorhanden ist L. 12 de acceptil. (46. 4.). ; die Accep- tilation selbst aber darf durch keine Bedingung beschränkt werden L. 4 de acceptil. (46. 4.). . Wenn nun der Acceptilation dieselbe Bedin- gung hinzugefügt wird, die auch schon in der Stipulation stand, so ist das eigentlich nur eine müßige Wiederholung des ohnehin Gültigen; dennoch ist eine so gefaßte Accep- tilation schlechthin ungültig L. 77 de R. J. (50. 17.). . — Diese letzte Bestimmung ist unstreitig sehr subtil, und opfert unverkennbar das We- sen der Form auf; im heutigen Recht wird dazu bey Ver- trägen ohnehin keine Anwendung moͤglich seyn, da wir keine Acceptilation in Römischer Form haben; und auch bey Enterbungen möchten gegen die Anwendbarkeit Beden- ken eintreten, die jedoch hier noch nicht klar gemacht wer- den koͤnnen. Ferner ist es keine wahre Bedingung, wenn das Er- eigniß schon nach dem gebrauchten Ausdruck nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit oder Gegenwart fällt ( in praeteritum vel praesens collata, relata, concepta conditio) , z. B. wenn Titius im vorigen Jahr Consul war, oder: wenn Titius gegenwärtig Consul ist. Eine solche Bestimmung ist stets wirksam, und zwar im Ganzen auf dieselbe Weise, wie wenn es eine Bedingung wäre, so daß also die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts ganz von dem Da- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. seyn oder Nichtdaseyn der als Bedingung ausgedrückten Thatsache abhängt. Dennoch ist es durchaus nicht Be- dingung, sondern das Rechtsgeschäft ist ein unbedingtes, da alle Ungewißheit nur für das Bewußtseyn des Urhebers besteht, in der Sache selbst aber Alles bereits völlig ent- schieden ist, und als solches auch durch den gebrauchten Ausdruck anerkannt wird L. 16 de injusto (28. 3.)., L. 3 § 13 de bonis lib. (38. 2.), L. 10 § 1 de cond. inst. (28. 7.) (bey Testamenten). — § 6 J. de verb. oblig. (3. 15.), L. 37. 38. 39 de reb. cred. (12. 1.), L. 100. 120 de verb. oblig. (45. 1.) (bey Verträgen). . Praktisch wichtig ist die Unterscheidung dieses Falles von dem Fall wahrer Bedin- gung in zwey Beziehungen. Erstlich wird dadurch die Gültigkeit derjenigen Geschäfte, in welchen Bedingungen überhaupt verboten sind, nicht gefährdet Wenn also ein Vater sei- nen Suus unter der Bedingung, wenn jetzt Titius Consul ist, zum Erben einsetzt, und Titius ist wirklich Consul, so ist die Erb- einsetzung gültig, obgleich es scheinbar eine nichtpotestative Be- dingung war. Ist freylich Titius nicht Consul, so ist der Sohn präterirt, und das Testament ist nichtig. . Zweytens wenn eine solche Bestimmung einer Erbeinsetzung oder einem Legat hinzugefügt wird, und sich nun als deficirend erweist, könnte man geneigt seyn, sie einer unmöglichen Bedingung zu vergleichen, und deshalb als nicht geschrie- ben zu behandeln; dieses darf jedoch nicht gelten, eben deswegen, weil es überhaupt keine Bedingung ist (§ 121. p ). Von diesem Fall ist aber noch der zu unterscheiden, da das Ereigniß als ein künftiges gedacht und ausgedrückt wird, jedoch zur Zeit des Rechtsgeschäfts ohne Wissen §. 117. Bedingung. Arten. des Urhebers desselben, bereits eingetreten oder vereitelt ist. Dieser Fall unterscheidet sich von dem vorigen durch die Absicht des Urhebers, die auf eine wahre Bedingung ge- richtet ist. Ist das Ereigniß eingetreten, so wird dadurch dennoch dasjenige Rechtsgeschäft, in welchem Bedingungen verboten sind, ungültig: ist es dagegen vereitelt, und ist das Rechtsgeschäft eine testamentarische Verfügung, so gilt die Bedingung einer unmöglichen gleich, folglich als nicht geschrieben (§ 121.). §. 117. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Arten . Es sind jetzt die verschiedenen Gegensätze zu betrachten, die mit dem allgemeinen Begriff der Bedingung vereinbar sind, das heist die Eintheilungen dieses Gattungsbegriffs. A. Sehen wir auf die logische Form der bedingenden Thatsache, so besteht diese entweder in einem Seyn oder Nichtseyn (positive, negative Bedingung). B. Die Ursache ferner, wovon der Eintritt der Be- dingung abhängt, kann enthalten seyn in der menschlichen Freyheit oder der Natur; und, wenn wir diesen Gegensatz mit dem vorigen in Verbindung setzen, so können alle Be- dingungen bestehen in einem Handeln oder Unterlassen, so wie in dem Eintreten oder Unterbleiben eines zufälligen, von menschlichem Willen unabhängigen, Ereignisses. — Diese Unterscheidung wird eben so von den Römischen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Juristen anerkannt. Nur waren sie von jeher gewohnt, die freyen Handlungen in zwey Klassen, dare und facere, zu sondern, und so nehmen sie, durch Zuziehung dieses untergeordneten Gegensatzes, drey Arten der Bedingun- gen an L. 60 pr. de cond. (35. 1.). „In facto consistentes condi- tiones varietatem habent, et quasi tripartitam recipiunt di- visionem, ut quid detur, ut quid fiat, ut quid obtingat: vel retro ne detur, ne fiat, ne obtingat: Ex his dandi faciendique con- ditiones in personas collocan- tur aut ipsorum, quibus quid relinquitur, aut aliorum; tertia species in eventu ponetur.” . Die in der Freyheit beruhenden Bedingungen bedürfen jedoch noch einer genaueren Betrachtung. Es kann näm- lich die Erfüllung abhängen von der freyen Handlung Desjenigen, der in diesem Rechtsverhältniß lediglich als Berechtigter erscheint; oder Desjenigen, der darin Ver- pflichteter ist (mag er auch daneben, in anderer Hinsicht, berechtigt seyn); oder endlich von der freyen Handlung eines unbetheiligten Dritten. 1) Beruht die Erfüllung auf der Freyheit des in die- sem Rechtsverhältniß ausschließend Berechtigten, z. B. des Stipulators, des ernannten Erben oder Legatars, so wird dadurch niemals das Rechtsverhältniß selbst ungültig. Allerdings ist oft die Bedingung selbst überflüssig und wir- kungslos, wenn sie nämlich auf ein bloßes Wollen gerich- tet ist ( si velit ), und es sich ohnehin von selbst versteht, daß das Recht nur durch den Willen erworben oder aus- geübt werden kann. So z. B. ist die Erbeinsetzung eines freywilligen Erben ( extraneus ) unter der Bedingung si §. 117. Bedingung. Arten. velit in der That eine unbedingte (§ 116); eben so die Stipulation mit dem Zusatz cum petiero, da es sich ohne- hin von selbst versteht, daß es von der Willkühr des Stipulators abhängt, sein Recht geltend zu machen oder nicht L. 48 de verb. oblig. (45. 1.). Es ist, den Worten nach, ein dies, der nur der Ungewiß- heit wegen zu einer Bedingung wird (§ 125). Hier hat ihn aber der Stipulator nicht als Bedin- gung gemeynt, sondern er wollte die augenblickliche Leistung, so- bald nur gefordert würde, ein- schärfen. Wäre es eine auf die persönliche Handlung des Stipu- lators gestellte Bedingung, so würde diese durch den Tod des Stipulators vereitelt werden, wel- ches nun nicht geschieht. Vergl. § 116. g. . Anders ist es bey solchen Rechten, die außerdem ihrer Natur nach ohne Willenserklärung erworben werden, und deren Erwerbung daher durch die Bedingung si velit aller- dings modificirt wird; dahin gehört die Erwerbung von Legaten (§ 116. g. ), so wie die Erwerbung der Erbschaft von Seiten eines eingesetzten unfreywilligen Erben, z. B. eines Suus L. 86 de her. inst. (28. 5.), L. 12 de cond. inst. (28. 7.). . Eben so ist es anders, ohne Unterschied der Rechte und ihrer regelmäßigen Erwerbung, wenn die Bedingung nicht auf den bloßen Willen an sich selbst ( si velit ) gestellt ist, sondern auf irgend eine äußere Handlung, z. B. si Capitolium ascenderit. Denn wenngleich diese Handlung ganz von dem Willen abhängig seyn kann, auch vielleicht als ganz gleichgültig erscheint, so daß man geneigt seyn könnte, sie blos als einen veränderten Ausdruck des si velit anzusehen, so ist dabey doch immer ein materielles III. 9 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Interesse der Betheiligten wenigstens denkbar, und sie gilt und wirkt daher stets als wahre Bedingung Bey Testamenten liegt das Interesse schon darin, daß der Erbe oder Legatar durch Erfül- lung der Bedingung seinen Ge- horsam gegen den Willen des Te- stators beweist. . Für diese Art der Bedingungen, die ganz auf der Frey- heit des künftigen Berechtigten beruhen, kommt in der be- sondern Anwendung auf Legate der Ausdruck potestativae vor, so daß hiernach alle Bedingungen in dieser Anwen- dung eingetheilt werden in casuales, potestativae, mixtae L. un. § 7 C. de caducis toll. (6. 51.). In anderen Stel- len heißt es stets conditio quae est in potestate ipsius. Auch außer den Rechtsquellen scheint das Wort potestativus nur in einer einzigen Stelle bey Tertul- lian vorzukommen. — Das Fran- zösische Gesetzbuch hat diese Ter- minologie auch, giebt ihr aber eine abweichende Bedeutung. Art. 1169 — 1171. . Wichtig ist der Begriff solcher Potestativbedingungen bey der Erbeinsetzung des Suus filius, die nur unter einer rei- nen Potestativbedingung gültig geschehen kann L. 4 pr. de her. inst. (28. 5.), L. 4 C. de inst. et subst. (6. 25.). . Dabey wird nun die nähere Bestimmung gegeben, es solle die Natur der Potestativbedingung aus den besonderen Um- ständen jedes einzelnen Falles beurtheilt werden L. 4 § 1 L. 5 de her. inst. (28. 5.), L. 28 de cond. inst. (28. 7.), L. 4 C. de inst. et subst. (6. 25.). — Aus diesen Stellen erhellt, daß auch schon die unge- wöhnliche Schwierigkeit und Ge- fährlichkeit der Erfüllung der Na- tur einer Potestativbedingung im Wege steht (ganz nach der in L. 137 § 2 de V. O. 45. 1 angewende- ten Ansicht), so daß es also nur darauf ankommt, ob der gute, kräftige Wille eines besonnenen Menschen die Erfüllung bewirken konnte. Ohnehin ist eigentlich nur eine negative Bedingung schlecht- hin potestativ, da den Entschlos- senen keine menschliche Gewalt zum Handeln zwingen kann. Die leichteste positive Handlung dage- gen (z. B. si Capitolium ascen- . §. 117. Bedingung. Arten. 2) Beruht die Erfüllung auf einer freyen Handlung Desjenigen, der in diesem Rechtsverhältniß als verpflichtet erscheint (mag er nun auch von seiner Seite Rechte haben oder nicht), so gelten folgende Regeln. Ist die Bedingung gestellt auf das bloße Wollen an sich ( si velit ), so wird dadurch das Daseyn eines Rechts- verhältnisses überhaupt gänzlich ausgeschlossen. Dieses gilt zunächst bey einseitigen Verpflichtungen, wenn in einer Stipulation der Schuldner unter jener Bedingung Etwas verspricht L. 17 L. 46 § 3 L. 108 § 1 de verb. oblig. (45. 1.), L. 7 pr. de contr. emt. (18. 1.). — Das Preußische A. L. R. Th. 1 Tit. 4 § 108 hat wesentlich den- selben Satz. Der Französische Code civil art. 1174 giebt dem- selben einen viel zu weit gehen- den Ausdruck, wodurch nament- lich alle Conventionalstrafen aus- geschlossen seyn würden. . Eben so aber auch, wenn bey einem Kauf der Käufer oder der Verkäufer diese reine Willkühr sich vorbehält; denn er selbst ist dann ja zu gar Nichts ver- pflichtet, woraus aber, wegen der in diesem Vertrag lie- genden Gegenseitigkeit, nothwendig folgt, daß auch der Gegner nicht verpflichtet seyn kann L. 7 pr. de contr. emt. (18. 1.), L. 13 C. eod. (4. 38.) — Es ist eine ganz einzelne Ausnahme dieser Regel, daß der Kauf ad gustum, also auf einseitige (je- doch nur die Güte der Sache be- treffende) Willkühr des Käufers geschlossen werden kann. L. 34 § 5 de contr. emt. (18. 1.), § 4 J. de emtione (3. 23.). . Auch verhält es sich nicht anders mit einem Legat, welches dem Erben un- ter der Bedingung seiner Einwilligung auferlegt wird L. 43 § 2 de leg. 1 (30. un.). „ Legatum in aliena vo- luntate poni potest, in heredis non potest.” (Vgl. jedoch unten . derit ) kann wenigstens durch fremde Gegenwirkung unmöglich gemacht werden, z. B. wenn der so eingesetzte Erbe gefangen ge- halten wird. 9* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Anders wenn die Bedingung auf eine äußere Handlung des Verpflichteten gestellt ist, wenngleich diese ganz von der Willkühr abhängen mag. So waren also zu allen Zeiten die höchst wichtigen Conventionalstrafen gültig, deren Wirksamkeit lediglich auf diesem Grunde ruht. Das le- gatum poenae nomine freylich war im älteren Recht nicht gültig Gajus Lib. 2 § 235, Ul- pian. XXIV. 17, XXV. 13. , und erst Justinian hat dasselbe zugelassen L. un. C. de his quae poe- nae (6. 41.), § 35. 36 J. de leg a- tis (2. 20.). . Das lag aber nicht an der allgemeinen Natur einer Be- dingung von der oben beschriebenen Art, sondern daran, daß man es für unwürdig hielt, den Schein der Liberali- tät (die ja das Wesen des Legats ausmacht) anzunehmen, da wo blos auf den Willen des Erben durch die Drohung eines Geldverlustes gewirkt werden sollte Göschen observ. jur. Rom. Berolini 1811. 8. p. 52 — 59. . Daher wäre es ganz irrig, jede von dem bloßen Willen des Erben abhängige Bedingung stets für ein legatum poenae nomine zu halten. Dieses hieng vielmehr ganz von der indivi- duellen Prüfung der Absicht ab L. 2 de his quae poenae (34. 6.). „Poenam a conditione voluntas testatoris separat , et an poena, an conditio .. sit, ex voluntate defuncti apparet.”. , und fand es sich, daß Note t). L. 11 § 7 de leg. 3 (32. un.) . — Waren unbestimmtere Ausdrücke gebraucht, z. B. si ae- stimaverit, si justum putaverit, so legte man diese als nichtssa- gende Höflichkeit gegen den Er- ben aus (nicht als Bedingung), und erhielt so das Legat aufrecht. L. 75 pr. de leg. 1 (30. un.), L. 11 § 7 de leg. 3 (32. un.). Noch leichter wurde es hierin mit den Fideicommissen genommen. L. 46 pr. § 3. 4 de fideic. lib. (40. 5.), deren Ausdrücke aller- dings etwas schwankend sind. §. 117. Bedingung. Arten. diese Absicht nicht vorzugsweise auf eine Bedrohung des Erben gieng, so war die von dem Willen des Erben ab- hängige Bedingung auch schon nach dem älteren Rechte gültig L. 3 de leg. 2 (31. un.), in welcher daher keine Interpo- lation vorauszusetzen ist, wie denn auch keine Spur einer solchen er- scheint. . 3) Beruht endlich die Erfüllung der Bedingung auf der freyen Handlung eines Dritten, so sind die Verträge von den Testamenten zu unterscheiden. Die Gültigkeit eines Vertrags von der bloßen Ein- willigung eines Dritten abhängig zu machen, hat nicht das geringste Bedenken, da Derselbe ein mögliches Interesse haben kann, den Vertrag zu verhindern, welches beide Theile zu schonen geneigt seyn möchten. Anders bey Erbeinsetzungen und Legaten, in welchen der Testator gewissermaßen als Gesetzgeber auftritt Ulpian. XXI. und XXIV. 1. . Dieser soll aus eigner Ueberzeugung von der Würdigkeit der durch ihn bedachten Personen verfügen, und nicht frem- den Willen walten lassen. Daher ist die Erbeinsetzung und das Legat ungültig, wenn dieselben von dem bloßen Wil- len eines Dritten abhängig gemacht werden L. 68 de her. inst. (28. 5.), L. 52 de cond. (35. 1.). — Man- che glauben, diese Regel sey auf- gehoben in C. 13 X. de test. (3. 26.). Diese Meynung ist aber gründlich widerlegt in der Anmer- kung von Böhmer zu dieser Stelle. Vergl. Sell Versu- che II. 290. . Bey Fi- deicommissen fällt jener, in der formellen Stellung des Testators liegende Grund weg, und daher koͤnnen sie auch Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. geradezu von dem Willen eines Dritten abhängig gemacht werden L. 46 § 2 de fid. lib. (40. 5.). Consequent wäre es gewe- sen, dieses freye Recht der Fidei- commisse auch auf die Erbein- setzung auszudehnen, nach L. 15 C. de test. (6. 23.), allein die in die Digesten aufgenommenen Stel- len (Note r ) stehen entgegen. Da- gegen müssen wir es wohl auf Legate anwenden, weil zwischen diesen und Fideicommissen aller Unterschied gänzlich aufgehoben ist. . — Besteht dagegen die Bedingung in einer materiellen Handlung jenes Dritten, so ist sowohl die Erb- einsetzung oder das Legat selbst, als auch die hinzugefügte Bedingung, voͤllig gültig L. 68 de her. inst. (28. 5.), L. 52 de cond. (35. 1.). We- sentlich dasselbe sagt auch L. 1 pr. de leg. 2 (31. un.), die nur dar- auf aufmerksam macht, daß der Testator durch eine solche indi- recte Form das gesetzliche Ver- bot leicht umgehen könne. Das war aber unvermeidlich, wenn nicht über Gebühr die Willens- freyheit beschränkt werden sollte, da der als Bedingung vorgeschrie- benen Handlung des Dritten nie mit Sicherheit anzusehen ist, ob sie um eines materiellen Interesse willen, oder zum Zweck jener Um- gehung, gewählt wurde. . Fassen wir alle diese Bestimmungen in einem gemein- samen Ueberblick zusammen, so ergiebt sich, daß in den meisten Fällen die auf den bloßen Willen (eines Betheilig- ten oder eines Dritten) gestellte Bedingung entweder selbst wirkungslos ist, oder das ganze Rechtsgeschäft ungültig macht. Dagegen ist, wiederum in den meisten Fällen, die Bedingung gültig und wirksam, wenn sie auf eine mate- rielle Handlung gerichtet ist, mag auch diese lediglich von der Willkühr der Person abhängen, und vielleicht nur dazu dienen, jene beschränkende Rechtsregel zu umgehen (Note t ). Auch in dieser Beziehung also gilt der oben (§ 116) in §. 118. Bedingung. Regelmäßige Erfüllung. einem andern Sinn gebrauchte Ausspruch: Expressa no- cent, non expressa non nocent L. 52 de cond. (35. 1.), L. 195 de R. J. (50. 17.) (die aus jener Stelle excerpirt ist), L. 68 de her. inst. (28. 5.). — Am meisten Gleichförmigkeit fin- det sich hierin bey den Testamen- ten, in welchen (mit Ausnahme des alten Verbots der legata poenae nomine) Nichts darauf ankommt, ob die Bedingung auf die freye Handlung des Berech- tigten, des Verpflichteten, oder eines Dritten geht. In diesen drey Fällen nämlich ist der als Bedingung ausgedrückte bloße Wille meist entweder wirkungs- los, oder für die Verfügung selbst vernichtend. Dagegen ist die ma- terielle freye Handlung als Be- dingung wirksam. Dieser behaup- teten Gleichheit der drey Fälle scheint zu widersprechen L. 43 § 2 de leg. 1 (30. un.), s. oben Note k. Ohne Zweifel entsteht dieser Schein aus der Weglas- sung eines ursprünglichen Theils der Stelle, welche durch das ver- änderte Recht der legata poe- nae nomine veranlaßt seyn dürfte. . C. Die wichtigste Eintheilung der Bedingungen betrifft die Art der Einwirkung, die sie auf das Rechtsverhältniß haben sollen; es ist die Eintheilung in suspensive und resolutive , welche weiter unten (§ 120) dargestellt wer- den wird. §. 118. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Regelmäßige Erfüllung . Bey der Untersuchung, wie eine Bedingung gemeynt sey, worin also regelmäßig ihre Erfüllung bestehen müsse, ist überall auf die Absicht des Urhebers der Bedingung, mehr als auf den wörtlichen Ausdruck, zu sehen L. 19 pr. de cond. (35. 1.), L. 101 pr. eod. „… cum in con- ditionibus testamentorum vo- luntatem potius quam verba considerari oporteat” … Was hier von Testamenten gesagt ist, soll gewiß auch von Verträgen . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Bey positiven Bedingungen (§ 117. A. ) kann die Na- tur des darin geforderten Ereignisses verschieden seyn. Ist dieses von solcher Art, daß es sich nicht oft und leicht wiederholt, so ist es genug, daß es irgend einmal geschehe, also bey Testamenten auch wenn es während des Lebens des Testators geschieht, z. B. „wenn der Erbe heurathet,“ „wenn er Consul wird“. Nur wenn es schon vor dem Testament geschah, und der Testator dieses weiß, ist eine spätere Wiederholung erforderlich. — Bey solchen Ereig- nissen dagegen, deren Natur eine öftere und willkührliche Wiederholung zuläßt, z. B. Zahlung einer bestimmten Summe an eine bestimmte Person ( conditio promiscua ), ist die Voll- ziehung der Handlung nach des Testators Tod (als Be- weis des Gehorsams) nöthig, selbst wenn dieselbe Hand- lung zufällig schon früher einmal geschehen seyn sollte L. 11 pr. § 1 de cond. (35. 1.), L. 45 § 2 de leg. 2 (31. un.), L. 7 C. de inst. et subst. (6. 25.). . Bey Verträgen ist es gleichgültig, ob die Erfüllung vor oder nach dem Tode des Glaubigers eintritt, so daß das bedingte Recht stets auf die Erben übergeht § 4 J. de verb. oblig. (3. 15.). . An- ders bey Testamenten, wegen der hoͤchst persönlichen Natur der darin enthaltenen Successionen, so daß der bedingte Erbe oder Legatar die Erfüllung der Bedingung erleben muß, wenn diese überhaupt Etwas wirken soll L. 1 § 1. 2 de cond. (35. 1.), L. un. § 7 C. de caducis toll. (6. 51.). Darum eben ist es so wichtig, die wahren von den Scheinbedingungen zu unter- scheiden (§ 116). — Sogar wird . gelten, nur mit Ausnahme der Stipulation, die wir aber nicht mehr haben. §. 119. Bedingung. Regelmäßige Erfüllung. Negative Bedingungen (§ 117. A. ) können auf folgende verschiedene Arten in Erfüllung gehen. Zuerst (wenn sie auf eine bestimmte Zeit beschränkt sind), sobald diese Zeit abgelaufen ist, ohne daß darin das Ereigniß eingetreten war. Ferner dadurch, daß das Ereigniß unmöglich wird, z. B. indem der Sklave stirbt, dessen Nichtfreylassung die Bedingung eines Rechts war. Endlich durch den Tod des Berechtigten, ohne daß Derselbe die ihm durch die Bedingung untersagte Hand- lung vorgenommen hat Gewöhnlich also hat eine negative Bedingung dieselbe Wir- kung, wie wenn es hieße: zur Zeit des Todes. § 4 J. de verb. oblig. (3. 15.), L. 73 de cond. (35. 1.). — Vgl. L. 103 de cond. (35. 1.), L. 61 pr. de manum. test. (40. 4.). . Zur Erleichterung der Erben und Legatare, deren Recht an eine negative Bedingung gebunden ist, wird die Muciana cautio zugelassen, wodurch sie sogleich in den Genuß der ihnen zugedachten Rechte durch Stellung einer Caution gelangen können, indem diese die Rückgabe des Empfangenen für den Fall künftiger Ver- letzung der Bedingung sichert L. 7 L. 73 de cond. (35. 1.). . einmal die Benennung creditor dem bedingten Legatar abgespro- chen, dem bedingten Stipulator beygelegt ( L. 42 pr. de O. et A. 44. 7.); jedoch ist sie auch bey die- sem letzten nur in beschränkten Beziehungen zuzulassen. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. §. 119. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Fingirte Erfüllung Vgl. Donellus VIII. 34. . In drey Fällen wird, vermittelst einer Fiction, die un- erfüllte Bedingung als erfüllt angesehen und behandelt; der Grund dieser Fiction liegt wiederum in der schon oben (§ 118. a. ) erwähnten Regel einer freyen, auf Billigkeit gegründeten, Auslegung und Anwendung der Bedingungen. Zwey dieser Fälle werden schon in den Rechtsquellen aus ursprünglichen und natürlichen Regeln abgeleitet; sie sind auf Verträge und Testamente gleich anwendbar, wiewohl die häufigste Anwendung allerdings bey Testamenten vor- kommt. Die Fiction für den dritten Fall wird dagegen als eine ganz positive Rechtsregel dargestellt, sie ist ent- sprungen aus der Begünstigung der Freylassungen, und nur anwendbar bey Testamenten. Es ist wichtig, die drey Regeln über diese Fictionen gerade in dem hier angegebe- nen Verhältniß zu einander aufzufassen, welches von neue- ren Schriftstellern öfter vernachlässigt worden ist. A. Die Bedingung gilt als erfüllt, wenn Derjenige, auf dessen Vortheil die Erfüllung berechnet ist, darauf frey- willig verzichtet. Man kann dieses so ausdrücken: quo- tiens per eum, cujus interest conditionem impleri , fit quo minus impleatur L. 5 § 5 quando dies (36. 2.), L. 78 pr. de cond. (35. 1.), L. 14. 31 eod., L. 23 de cond. inst. (28. 7.), L. 11 eod., L. 34 § 4 de leg. 2 (31. un.), L. 1 C. de his quae sub modo (6. 45.), Ulpian. II. § 6 „.. si is, cui jus- . Dieser Satz wird dem jus commune §. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung. zugeschrieben, und er gründet sich offenbar darauf, daß der Zweck erreicht ist, die in der Bedingung vorgeschriebene Handlung mag wirklich geschehen, oder von jener Person, auf welche dabey allein gesehen war, erlassen, also für überflüssig erklärt werden. Besonders einleuchtend ist Die- ses bey einer auf ein Geben gerichteten Bedingung; denn wollte man hier auch auf der buchstäblichen Vollziehung, ungeachtet des Verzichts, bestehen, so würde doch den Empfänger Nichts abhalten koͤnnen, das empfangene Geld sogleich wieder zurück zu geben. Allein der Satz ist keines- weges auf diesen, besonders unzweifelhaften, Fall einge- schränkt; vielmehr gilt er auch bey der Bedingung, eine bestimmte Frau zu heurathen, wenn Diese die Ehe aus- schlägt L. 23 de cond. inst. (28. 7.), L. 31 de cond. (35. 1.), L. 1 C. de his quae sub modo (6. 45.). : eben so bey der Bedingung der Arrogation, die der zu Arrogirende verweigert L. 11 de cond. inst. (28. 7.). , oder der öffentlichen Aufstellung von Bildsäulen, die von der Stadtgemeinde nicht zugelassen wird L. 14 de cond. (35. 1.). . Überall wird also bey dieser Fiction eine mixta con- ditio (§ 117. e.) vorausgesetzt, deren Erfüllung durch den Willen einer bestimmten Person (nicht durch zufällige Um- stände) verhindert wird Wenn also die Bedingung der Ehe mit einer bestimmten Frau deswegen unerfüllt bleibt, weil diese Frau die Ehe versagt, so gilt sie als erfüllt: wenn dage- gen durch den früheren Tod der Frau die Ehe unmöglich ist, so tritt die Fiction nicht ein, und das Legat ist verloren. Eben so in . Unter dieser Voraussetzung sus est dare .. nollet accipere. ” — Das Preußische A. L. R., Th. 1 Tit. 4 § 112. 113 bestimmt gerade das Gegentheil von dieser Regel. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. aber muß der Satz bey Verträgen ebensowohl gelten, als bey Testamenten, und es ist daher als ganz zufällig an- zusehen, daß in unseren Rechtsquellen nur bei Testamenten Erwähnung davon geschieht; dieses mag daher entstehen, daß bey Verträgen diese Fiction fast immer mit der fol- genden zweyten zusammen fallen wird, so daß sie dann in ihrer Eigenthümlichkeit nicht wahrzunehmen ist. B. Die Bedingung gilt ferner als erfüllt, wenn Der- jenige die Erfüllung verhindert, der aus der Nichterfüllung Vortheil zieht. Unsre Rechtsquellen selbst drücken diesen Satz so aus: Jure civili receptum est, quotiens per eum, cujus interest conditionem non impleri, fiat, quo minus impleatur, perinde haberi, ac si impleta conditio fuisset L. 161 de R. J. (50. 17.), L. 24 de cond. (35. 1.), L. 85 § 7 de verb. oblig. (45. 1.), L. 50 de contr. emt. (18. 1.) — L. 5 § 5 quando dies (36. 2.), L. 66. 81. 110 de cond. (35. 1.). L 3, L. 4 § 4, L. 20, L. 23 § 1, L. 34 § 1 de statulib. (40. 7.), L. 3 § 9 de cond. causa data (12. 4.). — Ulpian. II. § 5, Festus v. Sta- tuliberi. — Die zwey ersten un- ter den hier angeführten Stellen sind fast ganz wörtlich gleichlau- tend. In der ersten ist die Lese- art non impleri sicher, in der zweyten ( L. 24. de cond. ) lesen die Handschriften theils non im- pleri, theils (wie die Flor. ) im- pleri (ohne non ). Nach dieser letz- ten Leseart würde die Stelle nicht auf die zweyte, sondern auf die erste Fiction gehen, und ihr Inhalt wäre dann ein anderer, aber nicht minder wahr und gewiß. Jedoch entscheidet für die Leseart non impleri nicht nur die übrigens wörtliche Übereinstimmung beider Stellen, sondern auch das am Schluß angeführte Beyspiel von dem die Erfüllung verhindernden promissor; denn dieses Beyspiel paßt nur zu non impleri, das heißt zu der zweyten Fiction, da man von dem promissor nur sa- gen kann, daß er durch die Nicht- erfüllung allgemein Vortheil habe (nämlich nicht Schuldner werde), anstatt daß er durch die Erfül- lung gar nicht immer Vortheil . anderen, ähnlichen Fällen. L. 31 L. 94 pr. de cond (35. 1.), L. 23 § 2 ad L. Aquil. (9. 2.), L. 72 § 7 de cond. (35. 1.), L. 4 C. de cond. (6. 46.). §. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung. Auch diese Fiction wird als eine natürliche Regel be- trachtet. Der Grund derselben liegt in dem Dolus Des- jenigen, der aus Eigennutz den durch die Willenserklärung in die Bedingung gelegten Charakter der Zufälligkeit und Ungewißheit aufhebt; dieser Dolus soll ihm keinen Vortheil bringen Die hierauf gerichtete Ab- sicht also ist das Entscheidende. L. 38 de statulib. (40. 7.). „Non omne ab heredis persona in- terveniens impedimentum sta- tulibero pro expleta condi- tione cedit: sed id dumtaxat, quod impediendae libertatis ( causa ) factum est. ” Das Wort causa fehlt zwar in der Flor., steht aber in allen anderen Hand- schriften, und ist schon durch die Construction ganz unentbehrlich. — In vielen Fällen wird von ei- nem solchen Dolus gar nicht die Rede seyn können, und dann wird auch nicht die Erfüllung fingirt. So z. B. wenn Einer unter ei- ner Conventionalstrafe eine Un- terlassung verspricht, und nun wirklich unterläßt, so ist blos sein freyer Wille Ursache der vereitel- ten Bedingung der Strafe; den- noch braucht er nicht die Strafe zu zahlen, weil sein Unterlassen gerade der Zweck des Vertrags war. . Sie gilt nicht blos bey Bedingungen, die auf freyen Handlungen beruhen, sondern auch bey der casualis con- ditio, da bey dieser ein positives Entgegenwirken durch menschliche Willkühr wohl denkbar ist. Die Person, durch deren hindernde Einwirkung die Fiction begründet wird, ist oft dieselbe, welche in der er- sten Fiction erwähnt war So z. B. wenn der Testa- tor einen Sklaven frey läßt, un- ter der Bedingung dem Erben 100 zu zahlen. Verweigert der Erbe die Annahme, weil er dem Sklaven die Summe erlassen will, so tritt die erste Fiction ein: ver- weigert er die Annahme, um die Freyheit zu hindern, die zweyte. , oft auch eine andere So z. B. wenn die Bedin- . hat, sondern nur in dem beson- deren Fall, da die Bedingung ge- rade in einer an ihn zu entrich- tenden Leistung besteht. — Der- selbe Rechtssatz findet sich auch in dem Französischen Code civil art. 1178, und in dem Preußischen A. L. R. Th. 1 Tit. 4 § 104—107 (doch hier mit Beschränkungen). Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Diese Fiction endlich gilt nicht nur bey Testamenten, sondern auch bey Verträgen, und diese zweyte Art der Anwendung wird hier in unsren Rechtsquellen ausdrücklich erwähnt Vgl. die vier ersten unter den in Note g angeführten Stellen. . C. Eine ganz andere Natur hat die dritte Fiction, welche nicht auf einer, aus allgemeineren Grundsätzen ab- geleiteten, Rechtsregel beruht, sondern auf der bloßen Be- günstigung der Freyheit, folglich auch den Charakter eines ganz positiven Rechtssatzes, eines jus constitutum oder singulare (§ 16. q.) an sich trägt. Wenn nämlich ein Sklave durch letzten Willen, direct oder fideikommissarisch, freygelassen wird unter einer mixta conditio, und wenn derselbe von seiner Seite zur Erfüllung bereit ist, auch alle von ihm erwartete Mittel zur Erfüllung in Bereit- schaft hat, nun aber die Erfüllung durch eine äußere Ur- sache verhindert wird, so gilt die Bedingung dennoch als erfüllt, und der Sklave wird frey L. 20 § 3. 4, L. 19, L. 3 pr. § 8. 10. 11, L. 4 § 2. 5, L. 5 pr., L. 28 pr. de statulib. (40. 7.), L. 55 pr. § 1. 2 de manum. test. (40. 4.), L. 94 pr. § 1 de cond. (35. 1.). — Ulpian. II. § 6 „si paratus sit dare, et is cui jussus est dare … moriatur.” Ulpian hat in den §§ 5 und 6 un- sre drey Fictionen neben einan- der (s. o. Note b und g ), ohne sie genau zu unterscheiden, was auch in dem Fall des statuliber, von welchem allein er hier spricht, gar nicht nöthig war. . Dieses geschieht also namentlich in dem Fall, wenn der Sklave einer be- gung der Freyheit darin besteht, daß der Sklave einem Dritten 100 zahle. Hier tritt die erste Fiction ein, wenn der Dritte die Annahme verweigert: die zweyte, wenn der Erbe dem Sklaren die Zahlung verbietet. L. 3 § 2 de statulib. (40 7.). Vgl. L. 3 § 9 de cond. causa data (12. 4.). §. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung. stimmten Person Geld zahlen sollte, und Diese vor dem Empfang starb, der Sklave aber das Geld bereit hatte Auch hierin wurde die Be- günstigung allmälig erweitert. An- fangs sollte es nur gelten, wenn jene Person den Testator über- lebte; dann ließ man es auch zu, wenn sie vor dem Testator ver- storben war. L. 39 § 4 de sta- tulib. (40. 7.). (Starb sie selbst vor Abfassung des Testaments, so war die Bedingung unmöglich, also wie nicht geschrieben. Vgl. § 121). . Es wird aber in unsren Rechtsquellen die hierin liegende positive Begünstigung der Freyheit ausdrücklich bemerkt, und zwar gerade im Gegensatz der Legate. Wenn also demselben Sklaven, unter derselben mixta conditio , sowohl die Freyheit, als ein Legat hinterlassen ist, so wird er in dem oben bezeichneten Fall zwar frey, bekommt aber den- noch das Legat nicht L. 20 § 3 de statulib. (40. 7.). . Aber selbst diese Begünstigung der Freyheit sollte doch nur innerhalb der hier bezeichneten Gränzen eintreten. Ge- setzt also der Sklave kann die Mittel zur Erfüllung nicht herbeyschaffen, so wird er nicht frey, selbst wenn ihm da- bey keine Verschuldung zur Last fällt L. 3 § 5. 8, L. 4 § 6, L. 5 § 1 de statulib. (40. 7.). — Et- was besonderes ist späterhin be- stimmt worden für den Fall, da er das Geld überbringt, aber auf dem Wege durch Räubergewalt verliert. Hier wird er sogleich frey, und die Bedingung wird in einen Modus verwandelt, so daß er sie nachträglich erfüllen muß. L. 7 C. de cond. insertis (6. 46.). . Eben so darf die Begünstigung nicht ausgedehnt werden auf die casualis conditio, wobey ja von einer Bereitschaft des Sklaven gar nicht die Rede seyn kann L. 4 § 7 de statulib. (40. 7.), L. 96 pr. de cond. (35. 1.). — Besteht die casuelle Bedingung . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Diese letzte Fiction ist an sich selbst für das heutige Recht gleichgültig; sie ist aber wichtig, weil sie zur Be- seitigung der mancherley Irrthümer dienen kann, die von den Neueren in diese Lehre eingemischt werden. So neh- men Manche an, das zufällige Hinderniß der Erfüllung schade nicht, wenn es vor dem Tode des Testators ein- trete. Andere, es schade nicht, wenn es eine Potestativ- bedingung betreffe, sondern nur wenn eine gemischte da- durch unerfüllt bleibe. Alles ohne Grund, und der wahren Natur der Bedingungen ganz entgegen. Diese Irrthümer sind entstanden, indem man theils die ganz singuläre Be- günstigung der Freylassung auf Erbeinsetzungen und Legate willkührlich übertragen, theils indem man die in den Rechts- quellen, für diese Begünstigung selbst, gezogenen scharfen Gränzen verkannt hat. Allen diesen Irrthümern liegt die mehr oder weniger dunkle Voraussetzung zum Grunde, es komme bey der potestativa und mixta conditio nur auf die Bereitwilligkeit und Schuldlosigkeit des Handelnden an, darin, daß der Verpflichtete, oder daß ein Dritter ein gewisses Le- bensjahr erreiche, und stirbt Der- selbe vor diesem Jahr, so wird, durch begünstigende Interpreta- tion, die conditio in einen dies certus verwandelt, und der Sklave wird frey an dem Tage, an wel- chem Jener, bey fortdauerndem Leben, das bestimmte Jahr er- reicht haben würde. L. 16 de manum test. (40. 4.), L. 19 de statulib. (40. 7.), L. 23 § 3, L. 41 § 10 de fideic. lib. (40. 5.), L. 10 C. eod. (7. 4.). Für Legate gilt dieses nicht. Vgl. unten § 125. — Wiederum etwas Besonderes gilt für den Fall, wenn der Sklave pure zum Erben eingesetzt, und unter einer casuellen Bedingung, die deficirt, freygelassen ist. Hier wird er sogleich frey, bekommt aber die Erbschaft nur wenn sie insolvent ist. L. 6 C. de neces- sariis (6. 27.). §. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung. und äußere Hindernisse der Erfüllung schadeten nicht. Die- ses ist ausnahmsweise wahr in den Fällen der oben dar- gestellten drey Fictionen, in allen anderen Fällen ist es nicht wahr, und es ist grundfalsch, es in irgend einer Ge- stalt zur Regel erheben zu wollen. Ich will aber noch einige einzelne Bestimmungen an- führen, welche, durch Misverständniß über ihre wahre Na- tur, zur Befestigung jener Irrthümer beygetragen haben. 1) Wenn ein Testament die Erfüllung einer Bedingung vor einem bestimmten Tage vorschreibt, der Erbe oder Legatar aber die Erfüllung unterläßt, weil wegen des Sc. Silaniani das Testament vor jenem Tage gar nicht eröffnet wurde, so bekommt er Restitution gegen diese Versäumniß L. 3 § 31 de Sc. Silan. (29. 5.). Vgl. Beylage VIII. Num. XXIX. am Ende. . Dieser Fall gehört unter die (nicht häufigen) Restitutionen wegen Unwissenheit, und gerade daß eine solche Restitution möglich und nöthig gefunden wird, ist ein Beweis dafür, daß die regelmäßige Natur der Bedingung auf einen ent- gegengesetzten Erfolg führen mußte. Die einleuchtende Rechtfertigung der Restitution liegt aber darin, daß die Unwissenheit eine nothwendige Folge der Befolgung einer gesetzlichen Vorschrift war. 2) Werden Alimente oder Jahrgelder hinterlassen unter der Bedingung, daß der Legatar seinen steten Aufenthalt in der Nähe einer bestimmten Person habe, und stirbt diese Person, so dauert dennoch das Legat fort bis zum III. 10 Buch. II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Tode des Legatars, obgleich er die Bedingung nicht mehr erfüllen kann L. 20 pr. de annuis (33. 1.), L. 20 § 3 de alim. (34. 1.), L. 84 de cond. (35. 1.), L. 1 C. de leg. (6. 37.). — Vergl. auch L. 18 § 2 de alim. (34. 1.). . Dieses beruht auf einer begünstigenden Auslegung solcher Legate, als ob der Bedingung des Auf- enthalts die Worte hinzugefügt wären: „so lange diese Person lebt“. Dieses gehört also zur Interpretation der Legate, und zwar in einem Fall, dessen Natur ohnehin zu einer Behandlung nach Milde und Billigkeit auffordert: die Natur der Bedingungen und ihrer Erfüllung hat damit Nichts zu schaffen. 3) Wird ein Legat gegeben unter der Bedingung, daß der Legatar nach dem Gutfinden des Titius heurathe, und stirbt Titius vor dem Testator, so ist dennoch das Legat gültig, obgleich die Bedingung unerfüllt bleiben muß. Al- lein diese Bedingung soll, als unsittlich, ohnehin nicht be- achtet werden, selbst wenn Titius noch lebte; also kann natürlich auch dessen Tod hierin Nichts ändern L. 72 § 4 L. 28 pr. de cond. (35. 1.), L. 54 § 1 de leg. 1 (30. un.) (s. u. § 123. c ). . 4) Das Legat unter der Bedingung eines Eides, den Sklaven Stichus zu manumittiren, ist gültig, auch wenn die Manumission durch den Tod dieses Sklaven unmöglich wird. Das gründet sich aber darauf, daß die Bedingung des eidlichen Versprechens einer Handlung überhaupt nicht als Bedingung gelten soll; vielmehr wird dann die Hand- lung selbst als Modus behandelt, und durch dessen Un- §. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung. möglichkeit kann niemals die Gültigkeit des Legats gehin- dert werden L. 8 § 7 de cond. inst. (28. 7.), vgl. mit § 8 eod. und mit L. 26 pr. de cond. (35. 1.), so daß also nur der Ausdruck conditio in dem § 7 (so wie in gar manchen anderen Stellen) uneigentlich gebraucht ist. Vgl. Donellus VIII. 34 § 7. Avera- nius Interpr. II. 24 Num. 28. 29. — Vgl. auch unten § 123. s. . 5) Zwey Brüder werden zu Erben eingesetzt, so daß Derjenige, welchen die Seja zum Ehegatten erwählt, Zwey Drittheile, der Andere Ein Drittheil der Erbschaft erhalten soll. Stirbt Seja vor der Wahl, so sind dennoch Beide Erben, und zwar Jeder zur Hälfte L. 24 de cond. inst. (28. 7.). . Allein hier war die Erbeinsetzung selbst unbedingt, und nur die Ungleich- heit der Portionen bedingt. Da die Bedingung unerfüllt blieb, so fällt diese Ungleichheit weg, und es bleibt bey der regelmäßigen Gleichheit, wie wenn gar keine Portio- nen ausgedrückt wären. 6) Das Cap. 66 de Reg. juris in VI. ist so allgemein und unbestimmt gefaßt, daß es offenbar nicht dazu dienen kann, die Regeln des Römischen Rechts abzuändern, son- dern nur in Erinnerung zu bringen. Es muß daher diese Stelle als eine, nur etwas zu allgemein ausgedrückte, An- erkennung der ersten und zweyten oben dargestellten Fiction angesehen werden. Diese Auffassung ist dem allgemeinen Charakter des ganzen Titels angemessen, worin sich jene einzelne Stelle befindet. 7) Die bedenklichste Stelle endlich, und die vorzüglich 10* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zu den oben gerügten Irrthümern beygetragen hat, ist L. 54 § 2 de leg. 1. (30. un.). Sed et si servi mors impedisset manumissionem, cum tibi legatum esset, si eum manumisisses: nihilo minus debetur tibi legatum, quia per te non stetit quo minus perveniat ad libertatem. Sollte nun wohl diese einzige Stelle Dasjenige zweifel- haft machen können, was in so vielen anderen einstimmig anerkannt ist? Dann wäre ja die oben dargestellte dritte Fiction keine singuläre Begünstigung der Freyheit, und es bestände nicht in dieser Hinsicht der Gegensatz zwischen Legat und Freylassung, der doch von mehreren alten Ju- risten so scharf und bestimmt hervorgehoben wird (Note m. und o. ). Durch die geringe Veränderung eines einzigen Buchstabens ließe sich der Widerspruch heben, wenn an- statt mors gelesen würde mora, so daß die servi mora, das heißt das aus seinem widerstrebenden Willen hervor- gehende Hinderniß (z. B. indem er sich versteckte oder ent- fernte) der wirklichen Erfüllung im Wege stände. Nun würde die Bedingung als erfüllt gelten müssen, weil die erste unter den drey dargestellten Fictionen anwendbar wäre Die Art, wie Donellus VIII. 34 § 9 diesen Fall als ein- zelne Ausnahme zu beseitigen sucht, scheint mir gezwungen und will- kührlich. — Sell Versuche im Gebiete des Civilrechts Th. 2 S. 228. 232 nimmt an, bey rei- nen Potestativbedingungen schade die Nichterfüllung wegen eines äußeren Hindernisses nicht, die Bedingung si Stichum manumi- serit sey aber eine solche. Schon der aufgestellte Grundsatz selbst gehört in die Reihe der oben ge- . §. 120. Bedingung. Regelmäßige Wirkung. §. 120. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Regel- mäßige Wirkung . Indem nunmehr die regelmäßige Wirkung der Bedin- gungen darzustellen ist, muß die schon oben (§ 117) an- gedeutete wichtigste Eintheilung in Erinnerung gebracht, und jetzt genau dargestellt werden. Das allgemeine We- sen der Bedingungen wurde in die Abhängigkeit eines Rechtsverhältnisses von einem ungewissen Ereigniß gesetzt (§ 116). Diese Abhängigkeit aber läßt sich auf zwiefache Weise denken, indem durch das Ereigniß entweder der Anfang oder das Ende des Rechtsverhältnisses bestimmt werden soll. Unsere Juristen nennen die Bedingung im ersten Fall eine suspensive (aufschiebende), im zweyten eine resolutive (auflösende); in unsren Rechtsquellen finden sich Kunstausdrücke für diese Begriffe nicht. Der erste Fall ist übrigens so sehr der häufigere und darum wichtigere, daß überall, wo von conditio ohne nähere Be- stimmung geredet wird, zunächst an die suspensive zu den- ken ist. Das unter einer suspensiven Bedingung stehende Rechtsverhältniß kann in drey verschiedenen Zuständen ge- dacht werden. Zunächst in dem Zustand der Unentschie- rügten willkührlichen Behauptun- gen; ferner ist Das, was von außen verhindert werden kann, eben darum nicht mehr rein po- testativ; endlich ist besonders die angeführte Bedingung gar nicht potestativ, weil, wenn auch nicht die Einwilligung des Sklaven, doch dessen Gegenwart zur Ma- numission nöthig ist, so daß er diese durch die Flucht wohl hin- der n kann. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. denheit, der aus dem Wesen der Bedingung hervorgeht (pendet conditio). Hier ist ein Recht noch gar nicht vor- handen, und es ist nur das künftige Daseyn desselben von der Willkühr der Betheiligten mehr oder weniger unabhän- gig gemacht. — Dieser Zustand kann sich in Gewißheit verwandeln auf zweyerley entgegengesetzte Weise. Erstlich indem das Ereigniß wirklich eintritt ( erfüllte Bedingung, impleta oder expleta conditio ), wodurch das Rechtsver- hältniß völlig zu Stande kommt, wie wenn es ohne Be- dingung gewesen wäre L. 26 de cond. inst. (28. 7.). „… conditione expleta, pro eo est, quasi pure ei hereditas vel legatum relictum sit.” Jetzt also kann man erst sagen: cessit dies, das Recht selbst ist in das Vermögen gekommen, welches pendente conditione noch nicht behauptet werden konnte. L. 213 pr. de verb. sign. (50. 16.). In- dessen ist doch dieser Begriff und Kunstausdruck nicht bey allen Anwendungen von Erheblichkeit, worin Bedingungen vorkommen können, sondern nur bey Testa- menten, und zwar insbesondere bey Legaten, deren Übergang auf die Erben des Legatars davon abhängt, daß der Legatar den dies cedens erlebt (§. 116). . Zweytens indem umgekehrt gewiß wird, daß das Ereigniß nicht eintritt ( vereitelte Bedingung, deficit conditio ), wodurch nun die Erwartung eines Rechtsverhältnisses spurlos verschwindet. Die erfüllte Bedingung also begründet das Rechts- verhältniß gerade so, wie wenn es unbedingt gewesen wäre, und für die künftige Zeit ist diese Wirkung unzweifelhaft. Es fragt sich aber, ob diese Wirkung auch rückwärts, auf die Zwischenzeit zwischen dem eingegangenen Rechtsgeschäft und der erfüllten Bedingung, zu beziehen ist? Im Allge- §. 120. Bedingung. Regelmäßige Wirkung. meinen kann diese Frage bejaht werden Vgl. im Allgemeinen: W. Sell über bedingte Traditionen Zürich 1839 S. 100 fg. Man kann Das so ausdrücken: retro- trahitur impleta conditio ad conventionis diem. Zwar kommt der Ausdruck in dieser Verbin- dung nicht vor; aber bey der Ra- tihabition eines in fremdem Na- men geschlossenen Vertrags ge- braucht ihn Justinian in der That, und ganz in demselben Sinn. L. 7 C. ad Sc. Maced. (4. 28.). Eben so sagt Marcian in L. 15 pr. de reb. dubiis (34. 5.) „ex post facto retro ducitur, ” von einer legirten Sache, die der Erbe ver- äußert, wenn späterhin der Le- gatar das Legat entweder an- nimmt oder ausschlägt. Eben so Ulpian in L. 17 § 1 L. 35 ad L. Aquil. (9. 2.) „ retro adcre- visse dominium.” — In L. 11 § 2. 9 de don. int. vir. (24. 1.) steht retro agi, in L. 40 de m. c. don. (39. 6.) reducitur, in L. 25 C. de don. int. vir. (5. 16.) referatur und reduci. Vgl. über diese letzte Stellen, und über ihre Verbindung mit der Lehre von den Bedingungen, § 170. , jedoch sind dabey manche Beschränkungen zu bemerken. 1) Ist eine Sache bedingungsweise tradirt, so bleibt sie einstweilen im Eigenthum des Schuldners, der sie also auch ferner verpfänden oder mit Servituten beschweren kann. Sobald aber die Bedingung erfüllt wird, sind alle diese Veräußerungen der Zwischenzeit vernichtet. Eben so wird die Priorität eines bedingungsweise gegebenen Pfand- rechts nicht nach der Zeit der Erfüllung, sondern nach der Zeit des Pfandvertrags, bestimmt L. 8 pr. de peric. (18. 6.), L. 9 § 1 L. 11 § 1 qui pot. (20. 4.). Sell bedingte Traditionen S. 157 fg. . — Dieses leidet je- doch eine Ausnahme, wenn die Erfüllung der Bedingung in einer von der Willkühr des Schuldners abhängenden Handlung besteht L. 16 § 7 de pign. (20. 1.), L. 4 quae res pign. (20. 3.), L. 9 § 1 L. 11 pr. § 2 qui pot. (20. 4.). So z. B. bey einer Ver- pfändung unter der Bedingung, daß der Schuldner ein Darlehen empfangen, oder daß er Mobi- ; und zwar nicht als ob dieses keine Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. wahre Bedingung wäre, welches doch in der That anzu- nehmen ist (§ 117), sondern weil der Schuldner, der die Entstehung des ganzen Rechts seines Gegners verhindern kann, auch dauernd wirksame Beschränkungen desselben muß hervorbringen können. 2) Ob die Früchte, welche in der Zwischenzeit entstan- den sind, mit der Sache selbst herausgegeben werden müs- sen, ist streitig; consequenterweise muß im Allgemeinen diese Frage bejaht werden, jedoch mit steter Rücksicht auf die wahrscheinliche Absicht in einzelnen Fällen Vergl. Thibaut civilist. Abhandlungen S. 363; Sell be- dingte Traditionen S. 144; da- gegen ist, was die Regel betrifft, Vangerow Pandekten I. 116. Durch die hier (im Text) hinzu- gefügte Einschränkung verschwin- det großentheils die praktische Be- deutung der Streitfrage. — Hier und bey den folgenden Sätzen konnte es nicht die Absicht seyn, in das theilweise sehr weit füh- rende Detail einzugehen. Viel- mehr sollte nur eine übersichtliche Zusammenstellung der verschiede- nen Anwendungen gegeben wer- den, worin sich die Wirkung der erfüllten Bedingung zeigt. . 3) Bey einer bedingten Erbeinsetzung muß die Frage in jeder denkbaren Beziehung bejaht werden, und zwar schon aus dem Grunde, weil jeder Verstorbene von dem Augenblick seines Todes an beerbt seyn muß, so daß das Recht des Erben zwar lange Zeit ungewiß seyn kann, sobald es aber gewiß ist, auf die Todeszeit zurück bezogen werden muß S. o. § 102, und beson- ders die in der Note b dieses § angeführte Stellen. . 4) Bey bedingten Legaten tritt allerdings dieser Grund lien in ein Haus hereinbringen wird, die dann als Pfand gelten sollen. Denn er kann es willkühr- lich unterlassen, das Darlehen an- zunehmen, oder Mobilien in das Haus zu bringen. Vgl. Sell bedingte Traditionen S. 166. §. 120. Bedingung. Regelmäßige Wirkung. nicht ein. Dennoch sind auch hier, wie bey den Verträgen, alle Veräußerungen der Zwischenzeit vernichtet, sobald die Bedingung erfüllt wird L. 11 § 1 quemadm. serv. (8. 4.), L. 105 de cond. (35. 1.), L. 3 § 3 C. comm. de leg. (6. 43.). — Die Proculejaner nahmen an, die per vindicationem legirte Sache sey einstweilen herrenlos, die Sabinianer sahen den Erben als Eigenthümer an, so lange die Erfüllung nicht eingetreten war. Gajus II. § 200. Justinian hat die Sabinianische Meynung (für alle Legate) anerkannt, und nur unter dieser Voraussetzung hat auch der im Text aufgestellte Satz Sinn. L. 66 de rei vind. (6. 1.), L. 12 § 5 de usufr. (7. 1.), L. 12 § 2 fam. herc. (10. 2.), L. 29 § 1 qui et a quib. manum. (40. 9.), und mehrere andere Stellen. . 5) Dagegen gilt bey bedingten Legaten ein anderes Recht in Ansehung der Früchte der Zwischenzeit. Man nimmt nämlich an, daß der Testator die Bedingung zu- gleich als Zeitbestimmung gedacht habe L. 22 pr. quando dies (36. 2.). „… per conditionem tem- pus demonstratur” … , und daß daher der Fruchtgenuß der Zwischenzeit dem Erben verbleiben solle, auch nachdem durch die eingetretene Erfüllung alle Ungewißheit aufgehört hat L. 15 § 6 L. 24 § 1 L. 88 § 3 ad L. Falc. (35. 2.), L. 18 pr. L. 33 L. 57 pr. ad Sc. Tre- bell. (36. 1.). . Dieses ist jedoch nur In- terpretation des Willens, und es muß daher anders gehal- ten werden, wenn der Testator ausdrücklich verordnet, daß bey eintretender Erfüllung das Legat von der Todeszeit an zu entrichten sey, das heist, daß die in der Zwischen- zeit entstandenen Früchte dem Legatar herausgegeben wer- den sollten Darauf wohl ist zu bezie- hen das praeposterum, wovon Justinian sagt, es sey früher all- gemein ungültig gewesen, K. Leo habe es bey der Dos zugelassen, er selbst gestatte es allgemein, bey Stipulationen und Testamenten. L. 25 C. de testam. (6. 23.), § 14 . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Das unter einer resolutiven Bedingung stehende Rechtsverhältniß hat eine viel einfachere Natur. Zunächst ist es einem unbedingten völlig gleich. Tritt aber die Be- dingung ein, so ist es dadurch völlig vernichtet, als wenn es nie vorhanden gewesen wäre: es ist eine pura conven- tio, quae resolvitur sub conditione L. 3 de contr. emt. (18. 1.), L. 2 de in diem addict. (18. 2), L. 1 de L. Commiss. (18. 3.), L. 4 C. de pactis inter emt. (4. 54.). — L. 29 de mor- tis causa don. (39. 6.). — Man kann also die Resolutivbedingung auch auffassen als eine suspen- sive für die Vernichtung des Rechts- geschäfts; nur nicht als eine Sus- pensivbedingung für ein neues Rechtsgeschäft von umgekehrtem Inhalt und Zweck. . Das Eigenthum kehrt daher von selbst zurück, ohne neue Tradition, und alle in der Zwischenzeit vorgenommene Veräußerungen, die bis dahin allerdings gültig waren, sind augenblicklich ver- nichtet L. 41 pr. de rei vind. (6. 1.). — L. 4 § 3 de in diem addict. (18. 2.), L. 3 quib. mod. pign. (20. 6.). — Vgl. Sell be- dingte Traditionen S. 219 fg. . Der letzte Zweck einer solchen Resolutivbedingung kann auch unter zwey anderen Rechtsformen erreicht werden, die ihr also verwandt sind, aber nicht mit ihr verwechselt (13) J. de inut. stip. (3. 19.). Dahin würde z. B. dieses Legat gehören: Si Consul factus erit Titius, a die mortis meae fun- dum ei heres dato. Der Sinn und Erfolg war nun der, daß Titius die Früchte der Zwischen- zeit bekam. Auch lag in der Sache nichts Anstößiges, denn diese Be- stimmung über die Früchte konnte unbedenklich zu allen Zeiten in Stipulationen und in Testamen- ten getroffen werden. Vgl. L. 18 pr. ad Sc. Trebell. (36. 1.). Das Anstößige lag nur in dem Aus- druck, weil wörtlich etwas Un- mögliches und Widersinniges vor- geschrieben war, nämlich die Voll- ziehung einer Handlung in einer bereits vergangnen Zeit. Diese Unvollkommenheit der wörtlichen Fassung sollte nicht mehr schaden, die unzweifelhafte Absicht sollte zur Ausführung kommen. §. 120. Bedingung. Regelmäßige Wirkung. werden duͤrfen, da sie sich in einzelnen Folgen sehr von ihr unterscheiden. Es kann nämlich: 1) die umgekehrte Thatsache als Suspensivbedingung ausgedrückt seyn, da denn die oben angegebenen Wirkun- gen eintreten Es ist mithin in solchen Fällen eine factische Frage, wel- che von beiden Arten der Bedin- gungen die Parteyen gemeynt ha- ben. L. 2 de in diem addict. (18. 2.), L. 1 de L. commiss. (18. 3.). ; 2) die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zum Gegenstand eines eigenen Nebenvertrages unter sus- pensiver Bedingung gemacht seyn. Dann entsteht aus die- sem ein blos obligatorischer Anspruch, das Eigenthum kehrt nicht von selbst zurück, und die Veräußerungen der Zwi- schenzeit bleiben gültig L. 12 pr. de praescr. ver- bis. (19. 5.), L. 2 C. de pactis inter emt. (4. 54.). — Thibaut civilist. Abhandl. S. 361 übersieht diese Unterschiede, indem er blos darauf Rücksicht nimmt, wer am Ende die Sache bekommen und behalten soll, weshalb er den we- sentlichen Unterschied zwischen sus- pensiven und resolutiven Bedin- gungen ohne Grund verneint. (Vgl. Sell S. 183). In einem anderen Sinn freylich läßt sich allerdings die Resolutivbedingung auf eine suspensive zurückführen (Note l ). — Auch hier also ist es eine factische Frage, ob die Par- teyen nur die erste Veräußerung durch Bedingungen einschränken wollten, oder ob sie vielmehr ei- nen zweyten Vertrag über be- dingte Rückübertragung zur Ab- sicht gehabt haben. Nun fragt es sich ferner, woran der Richter diese Absicht erkennen soll. Die Römer haben, ächt praktisch, für bestimmte einzelne Geschäfte Prä- sumtionen aufgestellt: so enthält die in diem addictio und die lex commissoria eine bedingte Ver- äußerung, die retrovenditio ei- nen zweyten Vertrag auf Rück- veräußerung. Weniger praktisch haben viele neuere Juristen die Entscheidung davon abhängig ge- macht, ob die Parteyen verba directa oder obliqua gebraucht haben; Andere haben, auf noch bedenklichere Weise, eine durch- greifende Präsumtion für alle Fälle, und zwar gerade für einen . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Dieses ist die Natur der Resolutivbedingung, da wo sie überhaupt gültig und wirksam ist. Für welche Rechts- geschäfte aber dieses zu behaupten ist, kann erst weiter unten, in Verbindung mit den gleichartigen Zeitbestim- mungen, (§ 127) untersucht werden. Eine eigenthümliche Natur haben hierin die Schen- kungen auf den Todesfall (§ 170). Bey ihnen hat der Geber die Wahl zwischen der suspensiven und resolutiven Bedingung, und zwar so daß im Zweifel die letzte anzu- nehmen ist. Eben daher aber wird die suspensive, wenn er ihr den Vorzug giebt, nicht retrotrahirt in Beziehung auf die Veräußerungen der Zwischenzeit; wohl aber behält der Beschenkte die Früchte der Zwischenzeit. Geschieht eine solche Schenkung unter Ehegatten, so ist die augenblickliche Übertragung des Eigenthums (mit Resolutivbedingung) unmöglich; daher bekommt aber nun die allein moͤgliche Suspensivbedingung in der Regel eine retroactive Wirkung. §. 121. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Nothwen- dige und unmögliche Vgl. Donellus VIII. 32 § 5—24. W. Sell Versuche im . Außer der regelmäßigen Wirkung der Bedingungen (§ 120) muß nun auch die großentheils anomalische Wir- zweyten Vertrag, aufzustellen ver- sucht. Vergl. über die neuesten, diese Frage betreffenden, Äuße- rungen: Vangerow Pandek- ten I. S. 117. Sell bedingte Traditionen S. 220 fg. §. 121. Bedingung. Nothwendige und unmögliche. kung dargestellt werden, welche im Fall der nothwendi- gen und der unmöglichen Bedingungen stattfindet. So nennt man nämlich, mit etwas abgekürztem Ausdruck, die- jenigen Bedingungen, deren Erfüllung nothwendig oder unmöglich eintritt. Daß diese keine wahren Bedingungen sind, indem in ihnen die Ungewißheit des Erfolgs, also das Wesen der Bedingung, fehlt, ist schon oben bemerkt worden (§ 116). Um aber deutlich machen zu können, welche Wirkung eine solche irrig angewendete Form der Willenserklärung auf das Rechtsgeschäft selbst hat, ist es nöthig, zuvor die hier angedeuteten Fälle selbst, nach den verschiedenen Gestalten, deren sie empfänglich sind, genau ins Auge zu fassen. Zuvörderst ist es einleuchtend, daß jene sogenannte Be- dingungen sowohl positiv als negativ seyn können (§ 117). Sehen wir ferner auf den Grund der vorhandenen Noth- wendigkeit und Unmöglichkeit, so kann derselbe bald in einem Naturgesetz liegen, bald in einer Rechtsregel, und wir können daher eine physische und eine juristische Noth- wendigkeit oder Unmöglichkeit unterscheiden, die jedoch völ- lig gleiches Recht haben Die Gleichheit physischer und juristischer Unmöglichkeit der Be- dingung ist ausdrücklich anerkannt in L. 137 § 6 de verb. obl. (45. 1.). Eben so auch da, wo nicht von Bedingungen die Rede ist, nämlich bey der Unmöglichkeit der Handlung selbst, vgl. L. 35 pr. eod. . Hieraus ergeben sich nun folgende mögliche Combina- Gebiete des Civilrechts Th. 2 Giessen 1834. Arndts Beiträge zu verschiedenen Lehren des Ci- vilrechts. Heft 1. Bonn 1837. Num. IV. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. tionen, die überall durch Beyspiele anschaulich gemacht werden sollen: I. Nothwendig: A. positiv: a) physisch nothwendig. Wenn den Tag nach meinem Tode die Sonne aufgehen sollte; oder: wenn ich jemals sterben sollte. b) juristisch. Wenn Titius überhaupt rechtsfähig seyn sollte Weil nämlich wir eine gänz- liche Rechtsunfähigkeit nicht ken- nen. Bey den Römern hätte diese Bedingung den Sinn ge- habt: „wenn Titius ein freyer Mensch ist“ (welches ja zweifel- haft seyn konnte), und sie wäre nicht nothwendig gewesen. . B. negativ Die Neueren nennen irrig eine solche Bedingung: negativ unmöglich , da sie doch in der That nothwendig (und daneben zugleich negativ) ist; da nämlich der Gegenstand des Unterlassens unmöglich ist, (welches eben den falschen Ausdruck veranlaßt hat), so ist die Bedingung selbst, d. h. die Erfüllung, nothwendig. Al- lerdings hat jenen unrichtigen Sprachgebrauch schon Ulpian in L. 50 § 1 de her. inst. (28. 5.). „Si in non faciendo impossibi- lis conditio institutione here- dis sit expressa, secundum om- nium sententiam heres erit, pe- rinde ac si pure institutus es- set.” Man könnte glauben, Ul- pian habe nicht an diesen Fall ge- dacht, sondern an den, welchen ich mit II. B. bezeichnet habe, wobey sein Ausdruck richtig seyn würde. Das kann aber nicht angenom- men werden, weil gerade dieser Fall streitig war, so daß er von ihm nicht sagen konnte: secun- dum omnium sententiam. Der- selbe Sprachgebrauch liegt zum Grunde in L. 7 de verb. oblig. (45. 1.), und L. 20 pr. de cond. inst. (28. 7.). Diese ganze Be- merkung ist gut ausgeführt von Arndts S. 162—169. : a) physisch nothwendig. Wenn Titius unterläßt, den Mond zu ersteigen. §. 121. Bedingung. Nothwendige und unmögliche. b ) juristisch. Wenn Titius, mein einziger Erbe, das was ich ihm schuldig bin nach meinem Tode nicht ein- fordern wird L. 20 pr. in f. de cond. inst. (28. 7.). Er muß diese Schuld wohl uneingeklagt lassen, da vor der Antretung Niemand vorhanden ist, gegen den er kla- gen könnte, durch die Antretung aber Confusion eintritt, also die Forderung untergeht. . Wenn Titius unterläßt, vor seiner Mündigkeit ein gültiges Testament zu machen; oder das Ei- genthum der Kirchen meines Wohnorts zu er- werben. II. Unmöglich: A. positiv: a ) physisch unmöglich. Wenn Titius den Mond ersteigt. Eben dahin gehören, ihrem Begriffe nach, die einen inneren Widerspruch in sich schließende Bedingungen ( con- ditiones perplexae ) Sie sind nämlich unmög- lich durch das in der menschlichen Natur gegründete logische Gesetz. — Vgl. Sell S. 267. Beyspiele kommen vor in L. 16 de cond. inst. (28. 7.), L. 39 de man. test. . b ) juristisch. Wenn Titius vor seiner Mündigkeit ein gültiges Testament macht; oder: wenn er das Eigenthum der Kirchen meines Wohnorts erwirbt. B. negativ: a ) physisch unmöglich. Wenn Titius niemals sterben sollte. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. b ) juristisch. Wenn der jetzt vierzehenjährige Titius bey mei- nem Tod noch nicht mündig seyn sollte; oder: wenn Titius zur Zeit meines Todes gar nicht rechtsfähig seyn sollte. Diese Fälle sind nun nach folgenden Regeln zu be- urtheilen. Nothwendige Bedingungen sind gar nicht als Be- dingungen zu betrachten, vielmehr gilt das Rechtsgeschäft, dem sie hinzugefügt sind, als ein unbedingtes L. 9 § 1 de nov. (46. 2.). „Qui sub conditione stipulatur, quae omnimodo exstitura est, pure videtur stipulari. ” L. 7. 8 de verb. oblig. (45. 1.), L. 17. 18 de cond. indeb. (12. 6.) (von Verträgen). — L. 50 § 1 de her. inst. (28. 5.). „.... heres erit, perinde ac si pure institutus esset” (von Testamenten). Über diese letzte Stelle vgl. Note d. — Eine merkwürdige Ausnahme (bey dem legatum poenae nomine ) wird am Ende des § 124 er- wähnt werden. Eine andere, weit willkührlichere, findet sich in L. 13 quando dies (36. 2.). . Im Ganzen dieselbe Wirkung würde auch eintreten, wenn man sie als wahre Bedingungen betrachtete, die bereits in Er- füllung gegangen wären. Dennoch ist es nicht einerley, ob man sie nach jenem oder nach diesem Grundsatz be- handelt. Denn wären sie wahre Bedingungen, so würden durch ihre Hinzufügung diejenigen Rechtsgeschäfte, in wel- chen alle Bedingungen überhaupt untersagt sind, ungültig werden (§ 116). Da aber das Geschäft, neben welchem sie sich ausgedrückt finden, als ein unbedingtes angesehen (40. 4.), L. 88 pr. ad L. Falc. (35. 2.). — Ihre praktische Be- handlung aber ist abweichend (Note m ). §. 121. Bedingung. Nothwendige und unmögliche. wird, so kann auch durch sie dessen Gültigkeit nicht ge- fährdet werden. Ähnlichkeit hat mit ihnen diejenige, an sich zufällige, Bedingung, die zur Zeit des vorgenommenen Rechtsgeschäfts bereits in Erfüllung gegangen war, ohne daß der Urheber des Geschäfts dieses wußte. Jedoch gilt bey diesen das Geschäft nicht als unbedingt, sondern vielmehr als ein solches, dessen wahre Bedingung in Erfüllung gegangen ist L. 10 § 1 L. 11 pr. de cond. (35. 1.). „Si sic legatum sit: si navis ex Asia venerit, et ignorante testatore navis ve- nerit testamenti facti tempore: dicendum, pro impleta haberi ” ..... Der Zusatz ignorante te- statore bekommt nur dadurch Sinn, daß man den Gegensatz hinzudenkt: wenn es der Testa- tor wußte, so war nicht von einer erfüllten Bedingung, sondern von einem unbedingten Legat die Rede. . Daher aber muß consequenterweise angenommen werden, daß ein Geschäft, in welchem Bedingungen ver- boten sind, durch eine solche Bedingung ungültig werde. Wenn also z. B. ein Vater seinen Suus unter einer casuel- len Bedingung, die ohne sein Wissen bereits erfüllt ist, zum Erben einsetzt, so ist das Testament dennoch nichtig Dieses ist der einzige erheb- liche Unterschied des erwähnten Falles von dem Fall nothwendi- ger Bedingung. Für den dies cedens eines Legats ist gar kein Unterschied, denn auch in dem eben erwähnten Fall ist dafür der Todestag anzunehmen, da es hier- bey überhaupt nur auf den Ein- tritt des Ereignisses selbst an- kommt, nicht auf das Bewußt- seyn des Legatars. . Auch hat Dieses seinen guten Grund darin, daß es der Urheber als eine wahre Bedingung dachte, also dem Ge- schäft eine nach seinem Wissen unrechtliche Form gab. Eben daher muß aber auch das Gegentheil gelten, wenn III. 11 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. der Urheber die schon eingetretene Erfüllung wußte (Note h ), in welchem Fall die eben beschriebene Bedingung der noth- wendigen vollkommen gleich steht. Unmögliche Bedingungen sollten, nach allgemeiner Betrachtung, noch weniger Zweifel erregen können, als die nothwendigen. Es scheint nämlich, daß schon durch ihren Inhalt das ganze Rechtsgeschäft völlig entkräftet seyn müßte, wodurch dann zugleich alle mögliche Neben- fragen erledigt seyn würden. Allein unser positives Recht hat es großentheils anders gewollt. Zwar bey den Verträgen ist jene natürliche Behand- lung allerdings anerkannt worden. Eine unmögliche Be- dingung also soll sie völlig wirkungslos machen, und zwar ohne Unterschied, ob es Stipulationen oder Consensual- contracte sind Gajus III. § 98, § 11 J. de inut. stip. (3. 19.), L. 7 L. 137 § 6 de verb. oblig. (45. 1.), L. 1 § 11 L. 31 de oblig. et act. (44. 7.), L. 9 § 6 de reb. cred. (12. 1.), L. 29 de fidejuss. (46. 1.). . Aber ein Anderes ist vorgeschrieben für die testamen- tarischen Verfügungen. Bey diesen wollten nur die Pro- culejaner jene natürliche Ansicht gelten lassen, die Sabi- nianer dagegen sahen die Bedingung selbst als nicht ge- schrieben an, wodurch sich die Verfügung des Testators in eine unbedingte verwandelte Gajus III. § 98. . Und diese Meynung der Sabinianer ist denn auch in das Justinianische Recht aufgenommen worden § 10 J. de her inst. (2. 14.), L. 3 L. 6 § 1 de cond. (35. 1.), L. 1 L. 6 L. 20 pr. de cond. inst. (28. 7.), L. 16 de injusto (28. 3.) (am Ende der Stelle), ; wahrscheinlich nachdem sie schon §. 121. Bedingung. Nothwendige und unmögliche lange zuvor in der Praxis entschiedenes Übergewicht er- halten hatte Paulus III. 4 B. § 1, L. 3 de cond. (35. 1.). „ Obtinuit, impossibiles conditiones testa- mento adscriptas pro nullis ha- bendas.” Diese Stelle des Ul- pian trägt keine Spur einer In- terpolation an sich, scheint viel- mehr für die entschiedene Praxis zur Zeit ihres Verfassers Zeug- niß zu geben. . — Ehe ich von dem Grund dieser etwas auffallenden Bestimmung rede, will ich die Consequenzen derselben bemerklich machen. Ist die an sich moͤgliche Bedingung schon vor Abfas- sung des Testaments vereitelt worden, so gilt sie, auch wenn der Testator dieses nicht wußte, der unmöglichen gleich, folglich als nicht geschrieben L. 6 § 1 de cond. (35. 1.), woraus zugleich erhellt, daß auch diese einzelne Anwendung erst nach und nach, und nicht ohne Widerspruch, geltend wurde. ; woraus denn von selbst folgt, daß ihre Aufnahme in eine Verfügung, die keine Bedingungen enthalten darf, dennoch der Gültigkeit nicht schadet. Allerdings liegt darin eine Abweichung von dem Princip, welches oben bey den bereits früher erfüll- ten angewendet wurde (Note h ); allein diese Verschieden- heit ist eine consequente Folge der eigenthümlichen und ganz positiven Behandlung, welcher die unmoͤglichen Be- dingungen unterworfen worden sind. Ganz anders verhält es sich mit der Bedingung, welche der Testator selbst als in der Vergangenheit oder Gegen- L. 104 § 1 de leg. 1 (30. un.), L. 5 § 4 quando dies (36. 2.). — Nur bey den perplexen Be- dingungen gilt ein anderes Recht. Hier wird die Bedingung als un- zertrennlich verbunden mit der Verfügung selbst angesehen, und darum ist nun diese letzte nichtig. Vergl. die in der Note f ange- führte Stellen. 11* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. wart liegend ausgedrückt hat (§ 116). Zeigt sich eine solche hinterher als vereitelt, wenngleich der Testator dar- über wirklich in Ungewißheit war, so ist die daran ge- knüpfte Verfügung entkräftet L. 16 de injusto (28. 3.), deren größter Theil von diesem Fall handelt, und worin nur am Schluß auf die entgegengesetzte Behandlung der wirklichen, aber unmöglichen, Bedingungen über- gegangen wird. . Auf diesen Fall ist also die Regel, nach welcher die unmögliche Bedingung als nicht geschrieben gelten soll, gar nicht anzuwenden, und der Grund der Unanwendbarkeit liegt darin, daß eine solche Bestimmung überhaupt gar nicht Bedingung ist, sondern nur den äußeren Schein einer Bedingung an sich trägt. Ist die Bedingung theilweise möglich, theilweise un- möglich, so gilt der unmögliche Theil als nicht geschrieben, der mögliche besteht als gültige Bedingung L. 45 de her. inst. (28. 5.), L. 6 § 1 de cond. (35. 1.). . Die aufgestellte Regel gilt ferner nicht nur bey solchen Ereignissen, die nach Naturgesetzen an sich nicht vorkom- men können (absolut unmoͤgliche), sondern auch bey denen, deren Erfüllung durch zufällige Umstände ausgeschlossen wird, anstatt daß sie unter anderen Umständen möglich seyn würden (relativ unmögliche). So z. B. Zahlung an eine individuell bezeichnete Person, oder Freylassung be- stimmter Sklaven, wenn diese entweder nie gelebt haben, oder zur Zeit des Rechtsgeschäfts schon gestorben waren; Tilgung einer Schuld, wenn diese gar nicht vorhanden ist L. 72 § 7, L. 6 § 1 de cond. (35. 1.), L. 45 de her. inst. (28. 5.), L. 26 § 1 de statulib. . — Ja auch diejenigen Ereignisse sind als unmög- §. 121. Bedingung. Nothwendige und unmögliche. liche zu betrachten, deren Bewirkung, nach allen gewöhn- lichen Verhältnissen zwischen Mittel und Erfolg, für un- erreichbar gelten muß; man könnte sie unerschwingliche Bedingungen nennen. Der Grund dieser Unerreichbarkeit muß daher in allgemeinen Verhältnissen liegen, nicht in den besonderen einer einzelnen Person, indem eine solche subjective Unmöglichkeit gar nicht beachtet wird So z. B. wenn Einer 100 zahlen soll, und diese aus Armuth nicht aufbringen kann. Vgl. L. 137 § 4 de verb. oblig. (45. 1.). . Übri- gens kann die Gränze zwischen dieser Unerreichbarkeit und der bloßen Schwierigkeit, welche von der Erfüllung keines- weges befreyt, freylich nicht durch allgemeine Regeln, son- dern nur in jedem einzelnen Fall durch richterliches Er- messen bestimmt werden. Daß aber in der That dieser Fall dem Fall der wahren Unmöglichkeit gleich steht, wird in folgenden Anwendungen anerkannt. Die Bedingung, dem Testator binnen drey Tagen nach seinem Tode ein Denkmal zu errichten, gilt als eine unmögliche; und doch war die Erfüllung nicht völlig undenkbar, wenn etwa der so eingesetzte Erbe die Bedingung vor dem Tode erfuhr, alle Baumaterialien zubereiten und beyfahren ließ, auch eine große Zahl von Arbeitern voraus bestellte. An ein so höchst ungewöhnliches Zusammentreffen von Umständen wird hier, wie billig, nicht gedacht. Eben so gilt es als unmöglich, wenn die Freylassung eines Sklaven an die (40. 7.). — In der ersten dieser Stellen wird eine solche Bedin- gung falsa conditio genannt, sehr passend, da die Unmöglich- keit nur auf falschen factischen Voraussetzungen beruht. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Bedingung geknüpft wird, dem Erben Fünf Millionen Thaler unsres Geldes zu zahlen; dennoch wäre es nicht undenkbar, daß irgend ein Reicher diese ungeheure Summe für die Freyheit des Sklaven aufopfern wollte L. 6 de cond. inst. (26. 7.), L. 4 § 1 de statulib. (40. 7.). „… aut si tam difficilem, im- mo pene impossibilem conditio- nem adjecerit, ut aliunde ea libertas obtingere non possit, veluti si heredi millies dedis- set” .... Die Vulgata liest mille (könnte heißen 50 Thaler, oder auch 50000, je nachdem man kleine oder große Sesterze hinzudenkt), was in diesem Zusammenhang keinen befriedigenden Sinn giebt. Die Florentinische Leseart miles führt auf die sehr nahe liegende Emendation milies für millies. Dieses aber heißt tausendmal 100,000 Sesterze, oder Fünf Mil- lionen Thaler, welches offenbar das Richtige ist. — Übrigens ist hier nur von der Gleichstellung der unerschwinglich hohen Summe mit der Unmöglichkeit die Rede; die in dieser Stelle enthaltene Ent- scheidung des Falles selbst wird wei- ter unten erklärt werden (§ 124. h ). . Nur diejenige Unmoͤglichkeit aber kann als solche gel- ten, welche eine bleibende Natur hat, also nicht von dem Wechsel der Zeit und der Umstände abhängt. Ist daher ein Ereigniß zur Zeit des Rechtsgeschäfts möglich, so wird es bey später eintretender Unmöglichkeit keinesweges in eine unmögliche Bedingung verwandelt (welche neben einer testamentarischen Verfügung als nicht geschrieben gelten würde), sondern vielmehr in eine vereitelte, so daß dadurch die Erbeinsetzung oder das Legat selbst entkräftet werden L. 94 pr. de cond. (35. 1.), L. 19 L. 20 § 3 de statulib. (40. 7.), L. 23 § 2 ad L. Aquil. (9. 2). — So z. B. wenn ein Le- gat an die Bedingung geknüpft wird, daß der Legatar dem Ti- tius Hundert gebe; stirbt Titius nach gemachtem Testament, so ist die Bedingung vereitelt, und das Legat ist ungültig. Anders bey der Freylassung unter gleicher Be- dingung, weil diese hierin eine besondere Begünstigung genießt. Vgl. § 119. m und Sell S. 55. . Eben so wird auch im umgekehrten Fall die zur Zeit des §. 121. Bedingung. Nothwendige und unmögliche Rechtsgeschäfts unmögliche Bedingung, wenn die Unmoͤg- lichkeit eine veränderliche Natur hat, als wahre und gül- tige Bedingung behandelt, bey deren Hinzufügung der Ur- heber gerade an die vielleicht später eintretende Möglichkeit gedacht haben wird. So z. B. ist gültig das einer Skla- vin unter der Bedingung ihrer künftigen Ehe hinterlassene Legat, obgleich sie zur Zeit des Testaments als Sklavin einer Ehe unfähig ist; man muß nämlich abwarten, ob sie künftig freygelassen werde, und dann eine Ehe schließe L. 58 de cond. (35. 1.). . Nur muß freylich die Veränderung, wodurch die Möglich- keit herbeygeführt werden kann, von der Art seyn, daß man sie als ein gewöhnliches und nicht unwahrscheinliches Ereigniß wohl erwarten kann (wie z. B. die Freylassung eines Sklaven); außerdem wäre die Rücksicht auf sie nicht natürlich, nach Umständen sogar tadelnswerth, und die Bedingung müßte als eine schlechthin unmögliche behandelt werden. Dahin gehören z. B. die Bedingungen, wenn ein freyer Mensch Sklave werden, oder wenn eine res sacra zur profana gemacht werden sollte L. 83 § 5 de verb. oblig. (45. 1.). „… ut ne haec qui- dem stipulatio de homine li- bero probanda sit: illum cum servus erit dare spondes? item: eum locum, cum ex sacro re- ligiosove profanus esse coepe- rit, dari? quia .. ea duntaxat, quae natura sui possibilia sunt, deducuntur in obligationem … et casum adversamque fortu- nam spectari hominis liberi, neque civile, neque naturale est.” … L. 34 § 1 de contr. emt. (18. 1.) „nec enim fas est, ejus- modi casus exspectare.” Vgl. § 2 J. de inut. stip. (3. 20.). — Eben so gilt es als etwas Na- türliches und Gewöhnliches, daß . — Aber ganz das- selbe muß auch bey Verträgen gelten. Wenn also Einer Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dem Andern fuͤr die künftige Ehe der unmündigen Tochter desselben eine Brautgabe verspricht, so ist dieses Verspechen gewiß gültig, obgleich zur Zeit des Vertrags die Tochter eben so unfähig zur Ehe ist, wie jene Sklavin zur Zeit des gemachten Testaments. Denn gerade die Beachtung veränderlicher Umstände ist ja der Natur der auf eine unbestimmte Zukunft gerichteten Bedingungen im höchsten Grade angemessen. Eben darum verhält es sich anders, wenn die vertragsweise unbedingt versprochene Handlung selbst eine verbotene Natur hat; hier ist der Vertrag un- gültig, selbst wenn die Handlung später durch veränderte Umstände einen erlaubten Character annehmen könnte So z. B. wenn eine Ehe zwischen Adoptivgeschwistern durch Vertrag verabredet wird, obgleich diese Ehe durch spätere Emanci- pation des einen Theils zulässig werden kann. L. 35 § 1 de verb. oblig. (45. 1.). . Denn die aus dem Vertrag entspringende Obligation ist nicht, wie eine Bedingung, auf unbestimmte Zukunft be- rechnet, sondern auf die Gegenwart, und wenn sie in dieser einen unerlaubten Character hat, so ist der Vertrag schlecht- hin ungültig Darauf also, und nicht auf die Beurtheilung der Bedingun- gen, ist zu beziehen L. 144 § 1 de R. J. (50. 17.). „In stipula- tionibus id tempus spectatur, quo contrahimus.” . Endlich ist auch bey den Bedingungen nur diejenige Veränderlichkeit zu beachten, die aus den faktischen Zuständen hervorgeht, nicht die welche eine Ver- änderung gesetzlicher Vorschriften voraussetzt. Wenn also Etwas versprochen wird unter der Bedingung, daß eine ein Deportirter, aber nicht daß ein servus poenae, begnadigt werde und die Civität wieder er- lange. L. 59 § 1. 2 de cond. (35. 1.). §. 122. Bedingung. Unsittliche. res sacra oder religiosa veräußert werde, so ist der Ver- trag schlechthin ungültig, obgleich es denkbar wäre, daß durch ein neues Gesetz auch diese Sachen dem freyen Ver- kehr überlassen würden L. 137 § 6 de verb. oblig. (45. 1.). „… nec ad rem per- tinet, quod jus mutari potest, et id quod nunc impossibile est, postea possibile fieri: non enim secundum futuri tempo- ris jus, sed secundum praesen- tis, aestimari debet stipulatio.” (Allerdings könnte man die Stelle auch beziehen auf die in der Note w erwähnten Veränderungen, doch scheint mir die hier angenommene Erklärung natürlicher. Gleich wahr sind ohnehin beide denkbare Bedeutungen, denn auch eine Ver- änderung der gesetzlichen Regel gehört nicht zu den gewöhnlichen Ereignissen, auf deren Erwartung man Rechtsgeschäfte einzurichten pflegt). Ganz dasselbe muß aber in dieser Hinsicht auch von Erb- einsetzungen und Legaten gelten. — Sell S. 47. 51 übersieht die wesentliche Verschiedenheit des In- halts der in den vorhergehenden Noten benutzten Stellen, und be- hauptet deshalb mit Unrecht, ei- nen Unterschied zwischen Verträ- gen und Testamenten; der Ver- trag soll nämlich ungültig seyn und bleiben, wenn die Bedin- gung zur Zeit des Abschlusses eine unmögliche war, mag sie auch durch spätere Veränderung der Umstände möglich werden. ; denn auf die Veränderlichkeit der factischen Zustände zu rechnen, liegt in der Natur der Bedingungen, aber nicht auf die Veränderlichkeit der Rechts- regeln. §. 122. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Unsittliche . Nach der Lehre neuerer Schriftsteller giebt es eine drey- fache Unmöglichkeit der Bedingungen: physische, juristische, moralische, je nachdem in den Gesetzen der Natur, des Rechts, oder der Sittlichkeit, der Grund der Unmöglichkeit Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. enthalten ist Sehr vollständig ist diese herrschende Ansicht dargestellt von Sell S. 19 fg. — Consequenter- weise mußte man nun auch von einer dreyfachen Nothwendigkeit sprechen; daß dieses gewöhnlich nicht geschah, erklärt sich wohl aus der geringeren Erheblichkeit, die überhaupt die Betrachtung der nothwendigen Bedingungen hat. . Die Auffassung ist darum zu verwerfen, weil sie die verschiedensten Begriffe als gleichartig behan- delt, da doch höchstens von einer Gleichstellung in der Wirkung die Rede seyn kann; und weil sie eben deshalb genöthigt ist, in der Wirkung vollkommene Gleichheit an- zunehmen, anstatt daß nur eine beschränkte behauptet wer- den darf Sehr treffend ist dieses be- reits bemerkt von Arndts S. 172 fg. S. 182. 183. . Das Wesen der unmöglichen Bedingungen besteht darin, daß ihnen der Grundcharacter wahrer Bedingungen, die Ungewißheit des Erfolgs, gänzlich fehlt, daß also bey ih- nen weder der menschlichen Freyheit, noch dem Zufall, irgend ein Spielraum übrig bleibt. Mit diesen nun wer- den in jener Lehre als gleichartig zusammengestellt die- jenigen Handlungen, welche entweder durch Rechtsregeln oder durch Regeln der Sittlichkeit misbilligt werden. Diese sind aber völlig frey, bey ihnen ist es ganz ungewiß, ob sie geschehen oder nicht geschehen werden, und sie sind da- her dem Grundcharacter der Bedingungen, welchem die unmöglichen widersprechen, ganz angemessen. Die größte Verwirrung der Begriffe aber entsteht in jener Lehre da- durch, daß durch den Namen der juristischen Unmöglichkeit zwey völlig verschiedene Fälle zusammen geworfen werden: §. 122. Bedingung. Unsittliche. das Testament oder die Ehe eines Unmündigen ist juristisch unmöglich, der Diebstahl dagegen ist durchaus möglich; aber durch Rechtsregeln untersagt; von jenen Handlungen also wissen wir gewiß, daß sie nicht eintreten werden, bey dem Diebstahl bleibt dieses ungewiß. Wir haben also hier vielmehr diejenigen Bedingungen zu betrachten, die entweder widerrechtlich Also gegen Leges, Sena- tusconsulta, Kaiserconstitutionen, das Edict u. s. w. L. 14. 15 de cond. inst. (28. 7.). Wo dieses zweifelhaft war, konnte vom Kai- ser eine Aufhebung der Bedin- gung erbeten werden, L. 2 § 44 ad Sc. Tert. (38. 17.). — Das in fraudem legis steht hier, wie überall, dem contra legem gleich. L. 64 § 1, L. 79 § 4 de cond. (35. 1.), L. 7 de cond. inst. (28. 7.). — Auch was der publica uti- litas entgegen ist, gehört dahin. L. 13 § 1 de pollic. (50. 12.). , oder nur unsittlich sind; da jedoch das Widerrechtliche stets zugleich unsittlich ist, so ist es völlig genügend, wenn wir den ein- fachen Ausdruck unsittlicher Bedingungen gebrauchen, und darunter diejenigen verstehen, deren Inhalt eine unsittliche Handlung oder Unterlassung ist. Diese unsittlichen Bedingungen nun werden in der Wir- kung den unmoͤglichen gleichgestellt. Zwar wörtlich findet sich diese Gleichstellung in der dafür gewöhnlich angeführ- ten Hauptstelle nur beyläufig und indirect, indem nur aus- gesprochen wird, daß die unsittliche Bedingung als eine nichtpotestative anzusehen sey, so daß man Keinem vorhalten dürfe, es stehe in seiner Macht eine Handlung vorzunehmen, sobald diese Handlung sittlich verwerflich sey L. 15 de cond. inst. (28. 7.). „Filius qui fuit in pote- state, sub conditione scriptus . Allein der Sache nach läßt sich jene Gleichstel- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. lung nicht bezweifeln, da sich hier derselbe charakteristische Unterschied zwischen Verträgen und testamentarischen Ver- fügungen findet, wie bey den unmöglichen Bedingungen: Verträge werden durch sie entkräftet, Erbeinsetzungen und Legate werden in unbedingte verwandelt. Das Wichtigste jedoch besteht darin, daß jene Gleich- stellung keinesweges allgemein gilt, sondern nur insofern sie zur Aufrechthaltung der Sittlichkeit unentbehrlich ist, das heißt nur insofern durch die Wirksamkeit einer solchen Bedingung das Schlechte befördert werden würde. Diese Beziehung allein ist es, woraus wir mit Sicher- heit beurtheilen können, in welchen Fällen eine anomalische Behandlung solcher Bedingungen eintreten oder nicht ein- treten müsse; die Fiction, daß dem Menschen, vermöge seiner sittlichen Natur, das Schlechte unmöglich sey, ist zu dieser sicheren Beurtheilung keinesweges ausreichend, sie dient nur dazu, den allgemeinen Zusammenhang der Gedanken anzugeben, unter welchen diese Bedingungen ge- bracht werden. Der Hauptfall, in welchem jener Grundsatz zur An- heres quam Senatus aut Prin- ceps improbant, testamentum infirmat patris, ac si conditio non esset in ejus potestate: nam quae facta laedunt pieta- tem, existimationem, verecun- diam nostram, et ut generali- ter dixerim, contra bonos mo- res fiunt: nec facere nos posse credendum est. ” Die Stelle ist von Papinian, aus dessen Munde diese Worte besonders wohl klin- gen, da er ihnen durch seinen Tod treu geblieben ist. — Unmittelba- rer ist die Gleichstellung anerkannt in L. 137 § 6 de verb. oblig. (45. 1.), s. die folgende Note. §. 122. Bedingung. Unsittliche. wendung kommt, ist der, wenn die Bedingung selbst eine schlechte Handlung Desjenigen, der ein Recht erwerben soll, enthält, so daß eben diese Handlung, durch die Aus- sicht auf den daran geknüpften Gewinn, bewirkt werden soll. Geschieht dieses in einem Vertrag, so ist der ganze Vertrag ungültig L. 123 de verb. oblig. (45. 1.). „ Si flagitii faciendi vel facti causa concepta sit stipu- latio, ab initio non valet. ” Fla- gitii faciendi causa, das ist eben der Fall einer unwürdigen Hand- lung, unter deren Bedingung ein Lohn versprochen wird, die also durch dieses Versprechen bewirkt werden soll. — L. 137 § 6 eod. „Cum quis sub hac conditione stipulatus sit … ubi .. id fa- cere ei non liceat: nullius mo- menti fore stipulationem, proin- de ac si ea conditio, quae na- tura impossibilis est, inserta esset ” … Der größte Theil der Stelle geht auf solche Bedingun- gen, die wirklich unmöglich sind, aber aus juristischen Gründen (§ 121). : geschieht es in einem Testament, so gilt die Bedingung als nicht geschrieben, und die Erbein- setzung oder das Legat werden unbedingt L. 9 de cond. inst. (28. 7.) „remittendae sunt,” L. 14 eod. „… pro non scriptis ha- bentur, et perinde ac si con- ditio hereditati sive legato ad- jecta non esset, capitur here- ditas, legatumve.” L. 27 pr. eod., L. 5 C. de institut. (6. 25.), Paulus III. 4 B. § 2 „nullius sunt momenti.” ; beides völlig so, wie wenn die in der Bedingung ausgedrückte Handlung unmöglich gewesen wäre. Außerdem gilt jene Gleichstellung auch noch in folgen- dem Fall, aber mit umgekehrter Wirkung. Wenn ein Vater seinen Suus unter einer unsittlichen Bedingung zum Erben einsetzt, so konnte der sittliche Zweck dadurch erreicht werden, daß die Bedingung als nicht geschrieben, folglich die Erbeinsetzung als unbedingt, und daher als gültig be- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. handelt würde. Hier soll es aber vielmehr bey jener Gleichstellung bleiben: die Handlung gilt als unmöglich, die Bedingung ist daher nichtpotestativ, folglich fehlt es an einer Erbeinsetzung des Suus in gesetzlicher Form, das ganze Testament ist nichtig, und der Sohn wird Intestat- erbe (Note d ). Hier wird also der sittliche Zweck durch Vernichtung der ganzen Verfügung erreicht, immer aber indem die Gleichstellung des Unsittlichen mit dem Unmög- lichen festgehalten wird. Dagegen kann von jener Gleichstellung nicht die Rede seyn, überall wo der sittliche Zweck sie nicht nöthig macht, oder sogar durch sie gefährdet werden würde. Hier wird stets Dasjenige angenommen, was zu jenem Zwecke führt, und es findet sich keine ähnliche Fiction, wie die bisher betrachtete, wodurch ein gleichförmiger Gesichtspunkt ge- wonnen werden könnte. Dieses wird in folgenden Fällen anschaulich werden. Wenn Einer eine Conventionalstrafe verspricht, unter der Bedingung, daß er eine unsittliche Handlung begehen werde, so ist dieser Vertrag völlig gültig, da durch den- selben dem Schlechten geradezu entgegen gearbeitet wird L. 1. 2 C. si mancipium (4. 56.), L. 121 § 1 de verb. oblig. (45. 1.). Die letzte Stelle sagt: wenn ein Mann seiner Frau eine Conventionalstrafe verspricht für den Fall, daß er künftig wieder mit einer früheren Concubine le- ben werde, so ist diese Stipula- tion „quae ex bonis moribus concepta fuerat” gültig. — Zwei- fel könnte erregen L 19 de verb. oblig. (45. 1.): wenn ein Ehe- gatte für die durch seine Schuld bewirkte Ehescheidung eine Geld- strafe verspricht, so ist das un- gültig „quia contenti esse de- bemus poenis legum compre- hensis.” Man könnte nämlich . §. 122. Bedingung. Unsittliche. Wollte man hier das Unsittliche als unmöglich ansehen, so wäre das Versprechen ungültig (§ 121. k. ). — Eben so, wenn der Testator seinem Erben ein Legat auflegt, für den Fall, daß der Erbe eine schlechte Handlung be- gienge; das Legat muß bezahlt werden, sobald die Hand- lung geschieht, außerdem nicht Das ältere Recht verbot alle legata poenae nomine, der Testator mochte dadurch gleich- gültige oder pflichtmäßige Hand- lungen oder Unterlassungen des Erben erzwingen wollen; Justi- nian läßt sie im Allgemeinen zu, also auch für den Fall, daß der Erbe genöthigt werden sollte, ein Verbrechen zu unterlassen, oder eine Pflicht zu erfüllen (§ 117 Note l. m. n ). Der einzige Fall, worin sie unzulässig sind, wird in der folgenden Note angegeben. . Stände diese Bedin- gung einer unmöglichen gleich, so müßte sie als nicht ge- schrieben behandelt werden (§ 121. m. ). — Eben so end- lich ist in Verträgen und Testamenten die auf die schlechte Handlung eines Dritten gestellte Bedingung in der Regel erlaubt und wirksam. Ergiebt es sich aus den besonderen Umständen, daß diese Bedingung das Schlechte zu befoͤr- dern dient, so müßte sie allerdings die Natur einer unsitt- lichen Bedingung annehmen. Allein die absolute Gleich- stellung würde auch hier mit Unrecht dahin führen, selbst da wo dieser besondere Umstand nicht vorhanden wäre, diese Worte als ein allgemeines Verbot jeder vertragsmäßigen Strafanstalt, neben der in den Strafgesetzen des Staats enthal- tenen, ansehen. So sind sie aber nicht zu verstehen, sie gehen blos auf den Fall der Ehe, und ent- halten den auch sonst unzweifel- haften Rechtssatz, daß die Frey- heit der Eingehung und Fort- setzung einer Ehe nicht durch Pri- vatwillkühr, also auch nicht durch Conventionalstrafen, eingeschränkt werden dürfe. L. 134 pr. de verb. oblig. (45. 1.), L. 2 C. de inut. stip. (8. 39.). Vgl. § 123. e. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. eine solche Bedingung schlechthin als eine unmögliche zu behandeln. Wenn Jemand eine Conventionalstrafe verspricht, für den Fall, daß er ein Verbrechen unterlassen, oder eine Pflicht erfüllen werde, so ist die Ungültigkeit des Vertrags nicht zu bezweifeln, wenn auch keine Stelle in unsren Rechts- quellen diesen Fall namentlich erwähnen sollte. Wollte man die Gleichstellung des sittlichen Gebots mit dem Naturgesetz auch hier anwenden, so müßte man die Bedingung als eine nothwendige, folglich den Vertrag als unbedingt gül- tig behandeln (§ 121. g. ). — Ganz eben so verhält es sich, wenn der Testator seinem Erben ein Legat als Straf- drohung für den Fall auflegt, wenn derselbe ein Verbre- chen unterlassen, oder eine Pflicht erfüllen würde. Jene Gleichstellung würde auch hier darauf führen, die Bedin- gung als nothwendig und das Legat als unbedingt an- zusehen; hier aber hat Justinian ausdrücklich die Ungültig- keit des Legats verordnet, die auch gewiß dem sittlichen Zweck am meisten entspricht § 36 J. de legatis (2. 20.), L. un. C. de his quae poenae (6. 41.), am Ende beider Stel- len. Es ist dieses der einzige Fall, worin das alte Verbot der legata poenae nomine noch jetzt fortdauert (Note h ). . Wenn sich Jemand Geld versprechen läßt, unter der Bedingung ein Verbrechen zu unterlassen, oder eine Pflicht zu erfüllen, so würde wiederum jene Gleichstellung darauf führen, die Bedingung als nothwendig, folglich den Ver- trag als unbedingt und gültig zu betrachten; dennoch ist §. 122. Bedingung. Unsittliche. dieser Vertrag schlechthin ungültig L. 7 § 3 de pactis (2. 14.). „Si ob maleficium, ne fiat , pro- missum sit, nulla est obligatio ex hac conventione;” das heißt, wenn ich einem Andern Geld ver- spreche unter der Bedingung, daß er ein Verbrechen unterlassen werde. — Den Worten nach könnte die Stelle auch bezogen werden auf eine Conventionalstrafe unter der Bedingung, daß der promis- sor ein Verbrechen begehe; dann würde sie aber mit den in der Note g angeführten Stellen in geradem Widerspruch stehen. , so daß also dabey jene Gleichstellung ganz ohne Anwendung bleibt. Diese Vorschrift ist deswegen räthselhaft, weil ja durch den er- wähnten Vertrag der sittliche Zweck vielmehr gefördert erscheint. Man könnte den Grund darin suchen, daß durch den versprochnen Lohn die Reinheit der sittlichen Trieb- feder gefährdet würde, indem nun aus Eigennutz unter- bliebe, was aus Pflichtgefühl unterbleiben sollte; allein diese, für den Rechtsverkehr allzu feine, Rücksicht kann nicht gelten, denn sonst dürfte auch nicht eine Conventio- nalstrafe für den Fall einer Unsittlichkeit versprochen wer- den, die jedoch zulässig ist S. o. Note g. — Manche suchen das turpe darin, daß es überhaupt der Ehre zuwider sey, für eine Pflichtübung einen Geld- vortheil anzunehmen. Man kommt leicht dahin, sich in solche mora- lische Übertreibungen hinein zu reden. Niemand hält es für an- stößig, wenn einem Beamten für angestrengte Dienstleistung eine Gratification bewilligt, oder wenn Dem, der mit eigner Gefahr ei- nem Andern das Leben rettet, ein Ehrengeschenk gereicht wird. . Der wahre Grund liegt vielmehr darin, daß ein solcher Vertrag leicht zur unwür- digsten Speculation misbraucht werden kann, indem ein gedrohtes Verbrechen, oder eine verweigerte Schuldigkeit, den Andern, dem der Weg gerichtlicher Klage zu beschwer- lich oder unsicher scheint, bewegen kann, den bösen Willen III. 12 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. durch versprochnen Lohn zu überwinden. Diese Gefahr ist nicht vorhanden bey der Conventionalstrafe für den Fall eines Verbrechens, die daher ganz zulässig ist (Note g. ). Sie ist auch nicht vorhanden, wenn ein Testator die Erb- einsetzung oder das Legat an die Bedingung knüpft, daß der Erbe oder Legatar das Schlechte unterlasse, oder eine Pflicht erfülle; hier ist von einem solchen Verbot der Be- dingung in unsren Rechtsquellen gar nicht die Rede, wel- ches aus dem angeführten Grunde des Unterschieds nicht als eine zufällige Auslassung angesehen werden darf. — Es ist aber noch besonders zu bemerken, daß die ange- führte Rechtsregel in folgendem größeren Zusammenhang aufgefaßt werden muß, durch welchen jeder Zweifel über den hier entwickelten Grund verschwindet. Wenn nämlich für die Unterlassung eines Verbrechens oder die Erfüllung einer Pflicht Geld nicht blos versprochen, sondern baar bezahlt wird, so kann dieses gezahlte Geld mit der con- dictio ob turpem causam zurückgefordert werden L. 2 pr. § 1. 2, L. 4 § 2, L. 9 pr. § 1. 2 de cond. ob tur- pem (12. 5.), L. 6. 7 C. eod. (4. 7.). . Dar- aus aber folgt von selbst das geringere Recht, ein bloßes Versprechen der Zahlung als ungültig zu behandeln L. 1 C. de cond. ob tur- pem (4. 7.). — Nämlich aus dem Recht auf die condictio , folgt überall das auf die exceptio, aber nicht umgekehrt. Wenn z. B. einem Richter Geld versprochen wird unter der Bedingung eines ungerechten Urtheils, so ist das Versprechen, wegen der unsittli- chen Bedingung nicht bindend; ist das Geld aber schon gezahlt, so kann es der Geber nicht zu- rückfordern, weil auch ihn der sittliche Tadel trifft. L. 3 de cond. ob turp. (12. 5.). . §. 123. Bedingung. Unsittliche. (Fortsetzung.) Allein es folgt zugleich aus dieser Zusammenstellung, daß überall die Ungültigkeit nur insoweit behauptet wer- den kann, als dabey Derjenige, welcher gab oder versprach, durch Furcht oder Hoffnung bestimmt seyn konnte. Auch beziehen sich alle angeführte Stellen (Note k. m. n. ) auf solche Fälle, worin ein eigenes Interesse des Gebers ent- weder augenscheinlich ist, oder als vorausgesetzt leicht hin- zugedacht werden kann. Wenn dagegen Jemand einem Trunkenbold, um dessen Besserung zu befördern, eine Geld- summe verspricht unter der Bedingung, daß derselbe ein ganzes Jahr lang die Trunkenheit vermeide, so ist das Versprechen gültig, weil der Versprechende kein persön- liches Interesse bey Erfüllung der Bedingung hat, also auch nicht zu befürchten ist, daß der Andere durch die Drohung, das Laster fortzusetzen, in unzulässiger Weise auf den Willen des Versprechenden einwirken werde. §. 123. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Unsittliche . (Fortsetzung.) Bisher war von solchen Bedingungen die Rede, deren Gegenstand eine an sich selbst unsittliche Handlung ist. Es giebt aber auch mehrere Fälle, in welchen die an sich tadellose Handlung nur dadurch einen unsittlichen Cha- racter annimmt, daß sie eben zur Bedingung eines Rechts- 12* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. geschäfts gemacht wird. Bey einigen derselben finden sich bedeutende Abweichungen von den über die unsittlichen Be- dingungen im Allgemeinen (§ 122) aufgestellten Regeln. I. In Beziehung auf Ehe sind folgende Bedingungen untersagt. A. Die Bedingung der gänzlichen Ehelosigkeit, und zwar diese durch eine ausdrückliche Bestimmung der Lex Julia L. 22, L. 63 § 1, L. 72 § 5, L. 74, L. 77 § 2, L. 100 de cond. (35. 1.), L. 65 § 1 ad Sc. Treb. (36. 1.), Paulus III. 4 B. § 2. — Auch indirect, wenn un- ter dieser Bedingung dem Vater oder dem Sohn Desjenigen, der ehelos bleiben soll, ein Legat zu- gewendet wird. L. 79 § 4 de cond. (35. 1.). Auch das Verbot der Ehe mit einer bestimmten Person, wenn diese in einer Lage ist, dann keine Ehe zu finden, also ehelos bleiben zu müssen. L. 64 § 1 de cond. (35. 1.). — Ganz eigene Schicksale hat die Bedingung des Wittwenstandes gehabt, d. h. der Ehelosigkeit nach einer früheren, durch den Tod aufgelösten Ehe; diese Bedingung hat zuletzt Justinian als wirksam zugelassen. Vgl. Sell S. 178. . Diese Bestimmung war sehr natürlich in einem Gesetz, welches durch eine Reihe von Belohnungen und Strafen die Ehe auf alle Weise zu befördern suchte. B. Die Ehescheidung, wenn sie eben so, wie dort die Ehelosigkeit, zur Bedingung eines Vermögensvortheils ge- macht wird L. 8 § 1 de usu (7. 8.), L. 5. C. de inst. (6. 25.). . Denn auch die Römer sahen die Schei- dung stets als ein Übel an, wozu der Entschluß nur durch sittliche Nothwendigkeit gerechtfertigt werden könne; die Einladung dazu durch Gründe des Eigennutzes mußte da- her als unsittlich erscheinen. C. Unterwerfung unter fremdes Gutdünken bey der §. 123. Bedingung. Unsittliche. (Fortsetzung.) Wahl eines Ehegatten, als Bedingung eines Vermoͤgens- vortheils L. 28 pr., L. 72 § 4 de cond. (35. 1.), und zwar, nach dieser letzten Stelle, hauptsächlich deswegen, weil dieses zu gänzli- cher Ehelosigkeit führen konnte: „eamque legis sententiam vi- deri, ne quod omnino nuptiis impedimentum inferatur.” Vgl. oben § 119. t. . D. Conventionalstrafe, wodurch auf irgend eine Weise der freye Wille in Ehesachen gefährdet wird. Also Strafe für den Fall der Unterlassung einer bestimmten Ehe L. 71 § 1 de cond. (35. 1.), L. 134 pr. de verb. oblig. (45. 1.). „… quia inhonestum visum est, vinculo poenae ma- trimonia obstringi, sive futu- ra, sive jam contracta.” In dem Fall der letzten Stelle sollte nicht einmal von der Frau selbst, die nicht heurathen wollte, sondern von den Erben ihres Vaters, der den Vertrag geschlossen hatte, die Strafe bezahlt werden; selbst diese Bestimmung des Vertrags wird für ungültig erklärt. , eben so aber auch Strafe für den Fall der Scheidung L. 2 C. de inut. stip. (8. 39.) (der Grund ist: „Libera ma- trimonia esse antiquitus pla- cuit”). L. 134 pr. de verb. oblig. (45. 1.) verb. „sive jam con- tracta” (Note d ). L. 19 eod. (s. § 122. g ). . Nach dem Ausdruck mancher der hier angeführten Stellen könnte man glauben, es wäre jede Bedingung unsittlich, wodurch irgend ein Einfluß des Eigennutzes auf solche Entschlüsse herbeygeführt werden koͤnnte; so ist es jedoch nicht. Vielmehr werden folgende Bedingungen aus- drücklich als gültig und wirksam anerkannt. Am unbe- denklichsten gültig ist die Erbeinsetzung oder das Legat un- ter der Bedingung, wenn der Honorirte überhaupt heu- rathe Sell S. 162. Die Zu- lässigkeit folgt ohnehin schon aus der folgenden Bedingung, worin auch diese mit enthalten ist, nur mit weit größerer Beschränkung der Freyheit. . Aber es gilt auch die Bedingung, eine be- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. stimmte Person zu heurathen L. 63 § 1, L. 71 pr. § 1 de cond. (35. 1.), L. 2 C. de inst. (6. 25.). — Ist freylich die Ehe mit jener Person unanständig, so ist die Bedingung ungültig, nicht blos weil überhaupt dem Hono- rirten etwas Unanständiges zuge- muthet wird, sondern auch weil darin die indirecte Bedingung liegt, nun überhaupt gar nicht zu heurathen. L. 63 § 1 cit. — Schlägt die bezeichnete Person die Ehe aus, so gilt die Bedingung als erfüllt (§ 119. c ). — Eine be- sondere Gestalt dieses erlaubten Falles liegt in dem Legat an zwey Personen, unter der Bedingung, daß diese unter sich eine Ehe ein- gehen. L. 31 de cond. (35 1.). , oder nicht zu heura- then L. 63 pr. L. 64 pr. de cond. (35. 1.), mit Ausnahme des in der Note a berührten Falles aus L. 64 § 1 eod. , welches letzte besonders zweifelhaft scheinen konnte. Ja sogar ist es an sich gültig, und nur nach individuellen Umständen ungültig, wenn ein Mann einer Frau (oder umgekehrt) Geld verspricht, unter der Bedingung, daß sie ihn heurathe L. 97 § 2 de verb. oblig. (45. 1.). „Si tibi nupsero, decem dare spondes? causa cognita actionem denegandam puto: nec raro probabilis causa ejus- modi stipulationis est. Item si vir a muliere eo modo non in dotem stipulatus est.” Sell S. 175 hat diese Stelle mehrfach misverstanden. Zuerst indem er die negative Kraft übersieht, die das causa cognita (hier wie in vielen anderen Stellen) hat; es heißt: nonnisi causa cognita, nur unter besonderen, aus der Un- tersuchung hervorgehenden, Um- ständen. Dann indem er die ver- botene Schenkung unter Ehegat- ten mit hereinzieht, von der die- ser Fall gar nicht berührt wird, da es ein datum ob causam ist. Bey dem Mann soll es sich eben so verhalten wie bey der Frau ( item ), also auch causa cognita und nec raro. Das non in do- tem geht darauf, daß die dotis stipulatio ein höchst gewöhnlicher, ja auf alle Weise gepflegter und begünstigter Vertrag war, bey dem es widersinnig gewesen wäre, die Gültigkeit auch nur zu be- zweifeln, oder von einer causae cognitio abhängig zu machen. . Denkt man nämlich diesen Fall so, daß der Entschluß bezahlt, der Widerwille abgekauft werde, so ist gewiß der Vertrag unwürdig und ungültig; aber er kann auch einen ganz andern und tadellosen Sinn haben. §. 123. Bedingung. Unsittliche. (Fortsetzung.) Wenn die Frau bisher ihre armen Eltern durch Arbeit er- nährte, und nun durch die versprochene Summe versorgen will, wenn sie das Geld dem Mann als Dos zurückge- ben will, um für den Fall des Wittwenstandes ihren Un- terhalt zu sichern, so ist gegen die Absicht eines solchen Vertrags Nichts einzuwenden. Vergleicht man diese erlaubten Fälle mit den uner- laubten, so ergiebt sich Folgendes. Conventionalstrafen sind ungültig, wenn sie auf irgend eine Weise die Ent- schlüsse in Ehesachen zu leiten bestimmt sind. Vermögens- vortheile können in der Regel auch an solche Entschlüsse, als gültige Bedingungen, geknüpft werden. Schlechthin verboten, als solche Bedingungen, sind: Ehelosigkeit, Ehe- scheidung, Unterwerfung des Entschlusses unter fremde Willkühr. In anderen Fällen kann nur durch die beson- deren Umstände die Bedingung als eine unsittliche erschei- nen. — Im Ganzen also hat hier die Ansicht eingewirkt, daß Strafen meist gefährlicher für die Willensfreyheit seyen, als angebotene Vortheile. Diese Ansicht aber fin- det ihre Rechtfertigung nicht nur in der Natur der mensch- lichen Empfindung überhaupt, sondern auch noch in fol- gendem Umstand. Vermögensvortheile sind gar nicht im- mer (so wie Conventionalstrafen) dazu bestimmt, als ei- gennützige Reizmittel auf den Willen einzuwirken, sondern sie können auch dazu dienen, dem ohnehin vorhandenen tadellosen Willen die Ausführung möglich zu machen. Wenn z. B. die Tochter eines armen oder geizigen Vaters Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. einen armen Mann zu heurathen, oder einen ihr wider- wärtigen Reichen auszuschlagen geneigt ist, so kann ihr ein wohldenkender Testator zu Hülfe kommen, indem er ihr ein ansehnliches Legat aussetzt, unter der Bedingung jenen Armen zu heurathen, oder diesem Reichen die Ehe zu versagen. II. Wegen übertriebener Beschränkung der natürlichen Freyheit ist für unerlaubt erklärt die Bedingung, daß ein Legatar seinen Aufenthalt nicht nach freyer Wahl be- stimme, sondern entweder stets an einem bestimmten Ort wohne, oder seinen Wohnsitz von dem eines Andern ab- hängig mache L. 71 § 2 de cond. (35. 1.). Vgl. Sell S. 189. . Ausnahmsweise jedoch konnte der Pa- tron seinen Freygelassenen eine so beschränkende Bedingung gültig auferlegen L. 71 § 2, L. 13 § 1 de cond. (35. 1.), L. 44 de manum. test. (40. 4.), L. 18 § 1. 2 de alim. (34. 1.), ferner die in § 119 Note s angeführte Stellen. . III. Eben so gilt als unsittlich die Conventionalstrafe, die Einer unter der Bedingung zu zahlen verspricht, wenn er nicht den Andern zum Erben einsetzen werde L. 61 de verb. oblig. (45.1.). . Es wird nämlich für durchaus nothwendig erachtet, daß Je- der bis zu seinem Tode ein völlig freyes Urtheil über das den Umständen jeder Zeit angemessene Schicksal seines Ver- mögens behalte. IV. Unsittlich ist ferner, nach der von Vielen aufge- stellten, mit guten Gründen unterstützten, Behauptung, die auf Änderung oder Nichtänderung des Religionsbekennt- §. 123. Bedingung. Unsittliche. (Fortsetzung.) nisses gerichtete Bedingung Sell S. 142, wo diese Frage sehr befriedigend behandelt ist. Später hat sich Vangerow Pandekten I. 110 für die unbe- schränkte Zulässigkeit dieser Be- dingung erklärt. . Jeder dieser Entschlüsse nämlich ist an sich selbst bloße Gewissenssache, und von dem Standpunkt des Rechts aus tadellos. Allein der Einfluß von Gewinn und Verlust auf diese innerste An- gelegenheit des Menschen ist gewiß in hohem Grade be- denklich, und wir verfahren daher ganz im Sinn der vom Roͤmischen Recht für andere Fälle aufgestellten Grundsätze, wenn wir diese Bedingung als unsittlich behandeln, so daß durch die Aufnahme derselben der Vertrag selbst un- gültig, die testamentarische Verfügung dagegen unbe- dingt wird. Die bisher dargestellten Fälle hatten die gewöhnliche Wirkung unsittlicher Bedingungen überhaupt (§ 122). Die folgenden weichen davon in verschiedener Weise ab; diese beziehen sich insgesammt nur auf testamentarische Verfü- gungen, nicht auf Verträge. V. Conditio jurisjurandi, das heißt die Bedingung, daß der ernannte Erbe oder Legatar irgend eine künftige Leistung (Geben oder Thun) zuvor eidlich verspreche. Be- trachten wir zuerst, was geschehen würde, wenn diese Be- dingung nicht untersagt worden wäre. Der Eid müßte geschworen werden, dann wäre die Bedingung vollkom- men erfüllt, und von einer weiteren juristischen Folge Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. wäre nicht die Rede. Die Vollziehung der angelobten Handlung selbst bliebe dem Gewissen überlassen, ein Rechts- schutz bestände dafür nicht, weil sich der Testator blos an das Gewissen wenden wollte, anstatt daß es bey ihm ge- standen hätte, nicht den Eid auf die Handlung, sondern die Handlung selbst, als Bedingung auszudrücken So sagt es wörtlich Ulpian in L. 8 pr. de cond. inst. (28. 7.), am Schluß dieser Stelle. Es ist also ganz irrig, wenn Manche annehmen, nach dem Inhalt des Testaments bestehe eine doppelte, rechtlich geschützte Verpflichtung, erstlich zu schwören, und zwey- tens die Handlung selbst zu ver- richten. Thibaut Pandekten § 954 Num. III. Sell S. 235. — Die zweyte Verpflichtung ist nach dem Testament gar nicht vor- handen, und entsteht erst durch die künstliche Verwandlung, wo- von sogleich die Rede seyn wird. . — Daß nun dieses so geschehe, hat das Prätorische Edict untersagt, und zwar aus folgender Erwägung. Leichtsin- nige Menschen würden den Eid schwören, und dann un- erfüllt lassen; damit wäre die Religion verhöhnt, die Er- wartung des Testators getäuscht, und die unwürdigste Ge- sinnung führte zu einem unverdienten Gewinn. Andere würden aus übertriebener Angstlichkeit lieber Alles aus- schlagen, um nur nicht schwören zu müssen So erklärt es Ulpian in L. 8 pr. de cond. inst. (28. 7.), und diese Äußerung wird von Walch opusc. I. 188 aus dem un- begreiflichen Misverständniß be- stritten, als ob Ulpian läugnen wollte, daß es auch noch eine dritte Klasse gebe, nämlich Menschen von verständiger Religiosität, die un- bedenklich schwören, dann aber auch den Eid gewissenhaft erfül- len werden. Die Meynung ist aber die: wären alle Menschen verständig und religiös, so wäre die conditio jurisjurandi unbe- denklich, da aber auch jene beiden Klassen existiren, und der Hono- rirte eben so wohl zu diesen, als zu den verständig Gewissenhaften gehören kann, so ist die Bedin- gung nicht zuzulassen. , und auch §. 123. Bedingung. Unsittliche. (Fortsetzung.) dadurch würde die Erwartung des Testators getäuscht werden. Diese mögliche Verleitung zur Unsittlichkeit, ver- bunden mit dem höchst unvollkommnen Schutz für den Wil- len des Verstorbenen, hat das Verbot veranlaßt Irrige Erklärungsgründe sind folgende. Nach Walch opusc. I. 191 die Lehre der Stoiker, daß der Eid zu heilig sey, um wegen irdischer Vortheile gebraucht zu werden. Allein wie paßt dazu das von den Römern so hoch gehal- tene und so häufig angewendete jusjurandum delatum, welches ja auch stets des Vermögens wegen gebraucht wird? — Sell S. 235 meynt, es sey schimpflich für den Honorirten gewesen, daß man sich nicht mit seiner ohnehin vorhan- denen Obligation zu der Hand- lung begnügen wollte, sondern noch daneben, aus Mistrauen, einen Eid forderte. Allein eben jene andere Obligation ist gar nicht vorhanden (Note o ), und wäre sie da, so würde eine Be- stärkung derselben durch Eid eben so wenig kränkend seyn, als eine Bestärkung durch Caution es ist, die doch gewiß der Testator nach Belieben auflegen kann. Sell ist getäuscht worden durch die Ausdrücke turpis und turpiter ( L. 8 pr. de cond. inst., L. 20 de cond. ); diese aber bedeuten nicht nothwendig eine Beschim- pfung, sondern auch Alles, wo- durch sittliche Interessen verletzt oder gefährdet werden. . Die erste Maasregel des Prätors besteht nun darin, daß er die Bedingung misbilligt und als nicht geschrieben betrach- tet ( remittit Praetor conditionem ) L. 26 pr. L. 20 de cond. (35. 1.), L. 8 pr. § 1—5 de cond. inst. (28. 7.), L. 29 § 2 de test. mil. (29. 1.), L. 14 § 1 de leg. 3 (31. un.). — Mit Unrecht wird wohl darauf bezogen L. 112 § 4 de leg. 1 (30. un.), welche Stelle eher auf einen von dem Testator selbst niedergeschriebenen Eid zu deuten ist. . Bliebe er dabey stehen, so wäre der Wille des Verstorbenen, der ja doch nicht etwas an sich Schlechtes verlangte, eigenmächtig verändert. Man hätte nun die zu beschwörende Hand- lung selbst unmittelbar als Bedingung behandeln können (und das nehmen wirklich Manche an); damit aber wäre man über den Willen weit hinaus gegangen, denn die Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Handlung hätte nun jedesmal vor dem Erwerb geschehen müssen, was der Testator gar nicht verlangt hatte, und dadurch wäre bey Legaten die neue Gefahr entstanden, das ganze Recht (wegen des späteren dies cedens ) zu verlieren. Das geschieht also nicht, vielmehr wird die ganze Verfügung durchaus eine unbedingte Dieser Satz, den Manche verkennen ( Sell S. 253), ist der wichtigste. Er liegt vor Allem schon in der oft erwähnten re- missa conditio; dann ist er an- erkannt in L. 26 pr. de cond. (35. 1.), und in L. 8 § 7 de cond. inst. (28. 7.) (vgl. § 119. u ), am deutlichsten aber in L. 8 § 8 eod. Zwey Umstände haben den Irr- thum veranlaßt; erstlich der in § 7 gebrauchte Ausdruck conditio, der sich daraus erklärt, daß das Ganze ursprünglich als con- ditio gefaßt war: zweytens L. 8 § 6 eod., nach welchem der Erbe in diesem Fall die Klagen aus der Erbschaft nicht eher haben soll, als bis er zuvor die Hand- lung vollzogen hat. Allein dieses ist bey einem Universalerben ge- rade das eigentliche Mittel, einen Modus zu erzwingen; auch un- terscheidet sich die Einwirkung die- ser Zwangsmittel wesentlich von der Einwirkung einer auf die- selbe Handlung gerichteten Be- dingung. Denn dem Erben wird hier doch nur die Ausübung gewisser erbschaftlicher Rechte ent- zogen; das Erbrecht selbst ist ihm schon völlig erworben, und wird bey seinem Tod auf seine Erben übertragen. Ist es dagegen Be- dingung, und stirbt er vor deren Erfüllung, so geht Nichts auf seine Erben über. . Allein man zwingt nun hinterher den Erben oder Legatar, die Handlung, die er hätte beschwören sollen, wirklich zu voll- ziehen, oder mit anderen Worten, man verwandelt die Bedingung in einen Modus Vgl. die drey in der Note s zuerst angeführte Stellen. — Hierin liegt nun eben die wich- tige praktische Verschiedenheit die- ses Falles von den eigentlich un- sittlichen Bedingungen, indem diese spurlos vernichtet werden. . Dadurch ist der Wille des Testators viel mehr, als durch den Eid, gesichert, und die oben erwähnte sittliche Gefahr ist gänzlich abge- wendet. §. 123. Bedingung. Unsittliche. (Fortsetzung.) Jedoch ist dieses Alles nur als ein Recht des bedingt Honorirten zu betrachten ( remittit conditionem ). Verbo- ten ist der Eid nicht, und leistet ihn der eingesetzte Erbe freywillig, so thut er damit nichts Unerlaubtes, vielmehr liegt darin eine gültige pro herede gestio L. 62 pr. de adquir. her. (29. 2.). Hier heißt es: si ju- raverit, heres esto. Das ha- ben Manche so verstanden, als wäre ein Eid ohne Inhalt vor- geschrieben gewesen. Offenbar hat der Jurist nur den (hier gleich- gültigen) Inhalt weggelassen. . Aber frey- lich die Verwandlung in einen Modus bleibt daneben doch bestehen, sonst wäre die ganze Maasregel ohne Zweck und Erfolg. Die Bedingung des Eides aber ist ausnahmsweise L. 20 de cond. (35. 1.). „Non dubitamus, quin turpes conditiones remittendae sint: quo in numero plerumque sunt etiam jurisjurandi.” Das ple- rumque deutet auf Ausnahmen. in folgenden Fällen gültig. Zuerst wenn einer Stadtge- meine unter der Bedingung eines Eides Etwas hinterlassen ist, so müssen ihre Verwaltungsbeamte schwören L. 97 de cond. (35. 1.), s. o. § 92. n. . Der Grund der Ausnahme liegt wohl darin, daß eine Stadt weder leichtsinnig, noch abergläubisch seyn kann, die Ge- sinnung der Beamten aber ungefährlich ist, weil diese kein eigenes Interesse haben. — Zweytens wenn ein Sklave unter der Bedingung irgend eines eidlichen Versprechens freygelassen wurde L. 12 pr. § 1 de manum. test. (40. 4.). . Der Grund liegt darin, daß die meisten Handlungen, die man einem Freyen als Bedin- gung auflegen kann, von einem Sklaven wegen seiner Rechtlosigkeit nicht vollzogen werden können. Nun war Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. allerdings auch der vom Sklaven geleistete Eid nicht ju- ristisch verpflichtend, sondern nur der nach der Freylas- sung geleistete L. 36 de man. test. (40. 4.), L. 7 pr. § 1. 2 de op. lib. (38. 1.). Es war gleichgültig, ob der durch Testament Freygelas- sene früher oder später den Eid leistete ( L. 7 § 2 cit. ); bey der manumissio vindicta mußte es incontinenti geschehen, wenn es verpflichten sollte. L. 44 pr. de lib. causa (40. 12.). . Allein man rechnete darauf, der Sklave werde, wenn er durch den ersten Eid frey geworden wäre, aus Religiosität zu einer Wiederholung desselben sich ent- schließen, wodurch er dann klagbar verpflichtet wurde Diese Vorsicht wurde näm- lich angewendet bey der manu- missio vindicta, wobey man auch schon zuvor den Sklaven schwö- ren ließ. L. 44 pr. de lib. causa (40. 12.). Dieselbe Berechnung aber lag augenscheinlich auch der eonditio jurisjurandi in Testa- menten zum Grunde. . — Ohne Zweifel ist von diesem Fall die ganze Sitte aus- gegangen, in Testamenten einen Eid als Bedingung vor- zuschreiben; manche Testatoren haben später diese Bedin- gung auch Freyen auferlegt, und dadurch ist das Verbot im Edict veranlaßt worden. Diese Unzulässigkeit der conditio jurisjurandi galt je- doch nur in Testamenten, nicht in Verträgen L. 19 § 6 de don. (39. 5.). Die Gültigkeit der Bedingung wird vorausgesetzt, indem blos bemerkt wird, es sey keine Schen- kung, sondern ein datum ob cau- sam. Sell S. 245. ; ohne Zweifel, weil sich hier Jeder leicht die Überzeugung ver- schaffen kann, daß sein Gegner diejenige Gesinnung wirk- lich habe, wodurch eine solche Bedingung unbedenklich wird. VI. Ungültig ist diejenige Bedingung, wodurch die te- stamentarische Verfügung zu einer captatorischen wird. §. 124. Bedingung. Unmögliche, unsittliche. (Fortsetzung.) Hier soll aber nicht die Bedingung wegfallen, sondern die ganze Verfügung ist ungültig Sell S. 295. — Die ge- nauere Ausführung ist nur im Zusammenhang des Erbrechts möglich. . VII. Endlich gehörten dahin früher auch die poenae causa getroffenen Verfügungen in einem Testament, und auch hier war die Verfügung selbst ungültig, nicht die Bedingung. Justinian hat dieses aufgehoben (§ 117 Note l. m. n ). §. 124. III. Willenserklärungen. — Bedingung. Unmögliche und unsittliche . (Fortsetzung.) Es bleiben jetzt noch einige Fragen zu erörtern übrig, die sich auf die unmöglichen und unsittlichen Bedingungen gemeinschaftlich beziehen. Die erste Frage betrifft das Verhältniß dieser Hinder- nisse zu dem Bewußtseyn des Urhebers des Rechtsge- schäfts. Gewöhnlich denkt man an den Fall, da der Ur- heber das Hinderniß kennt, und sich dadurch nicht abhal- ten läßt, die Bedingung hinzu zu fügen. Wie aber wenn er es nicht kennt, also über die besondere Beschaffenheit der Bedingung im Irrthum ist? Ein solcher Irrthum wird bey absolut unmöglichen, so wie bey unsittlichen Be- dingungen, kaum vorkommen können; bey relativ unmög- lichen ist er allerdings denkbar, indem z. B. der Testator einen Erben einsetzen kann unter der Bedingung Geld an Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. eine bestimmte Person zu zahlen, die zur Zeit der Abfas- sung des Testaments, ohne Wissen des Testators, bereits verstorben ist. Die aufgeworfene Frage ist bestritten, wir müssen aber schon deshalb annehmen, daß im Fall des Irrthums basselbe gelte, wie im Fall des richtigen Be- wußtseyns, weil die in unsren Rechtsquellen aufgestellten Regeln von unmöglichen Bedingungen allgemein reden, ohne jenen denkbaren Unterschied auch nur zu berühren. Dazu kommt, als wichtige Unterstützung, die Analogie des Falles, da nicht die Bedingung, sondern die in einem Vertrag versprochene Handlung selbst, relativ unmöglich ist; durch diesen Umstand wird der Vertrag völlig ungül- tig, auch wenn die Contrahenten die Unmöglichkeit nicht kannten Sell S. 77 fg. . Endlich aber wird noch in dem gegenwärti- gen § gezeigt werden, daß wahrscheinlich die Regeln über die unmöglichen Bedingungen gerade von dem Fall des Irrthums ihren Ausgang genommen haben. Die bisher angestellte Betrachtung der unmoͤglichen und unsittlichen Bedingungen bezog sich nur auf Suspensivbe- dingungen; es ist nun noch die Anwendung dieser Regeln auf die resolutiven zu erwähnen. Jedoch nur mit weni- gen Worten, da schon das Schweigen unsrer Rechtsquellen beweist, wie wenig erheblich dieser Gegenstand ist. Auch kann diese Frage nur in Beziehung auf Verträge aufge- worfen werden (§ 120). — Halten wir uns nun an die Auffassung der Resolutivbedingung als einer suspensiven §. 124. Bedingung. Unmögliche, unsittliche. (Fortsetzung.) für die Vernichtung des Hauptgeschäfts (§ 120. l ), so ist durch die Unmöglichkeit derselben die daran geknüpfte Ver- nichtung entkräftet. Es ist also so gut, als ob der Ver- trag ganz ohne Resolutivbedingung geschlossen wäre. So einleuchtend nun im Allgemeinen diese Bestimmung ist, so wird doch auch folgende Einschränkung schwerlich einen Widerspruch finden. Ist nämlich von einer unsittlichen Bedingung die Rede, so können dieser die Parteyen die Form einer resolutiven geben, lediglich um die Anwen- dung der oben aufgestellten Regeln zu umgehen; dann muß in jedem einzelnen Fall Dasjenige geschehen, was zur Aufrechthaltung des sittlichen Zwecks nothwendig ist. Verspricht also Einer dem Andern Hundert unter der Sus- pensivbedingung, daß der Andere einen Dritten mishandle, so ist der Vertrag nichtig. Nun koͤnnte man dem Vertrag die Wendung geben, daß eine Schenkung von Hundert versprochen würde, mit der Resolutivbedingung, wenn die Mishandlung unterbliebe. Nach dem Buchstaben der eben aufgestellten Regel würde blos die Resolutivbedingung wegfallen, und die Hundert müßten bezahlt werden; nach der Absicht der Parteyen aber ist es so gut, wie wenn jene Form der Suspensivbedingung gewählt wäre, die unsittliche Absicht darf nicht durch Schenkung einen Lohn erhalten, und es muß vielmehr das ganze Geschäft als ungültig behandelt werden. Die wichtigste Frage endlich bleibt noch für die un- möglichen und unsittlichen Bedingungen gemeinschaftlich zu III. 13 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. beantworten übrig: was ist der Grund der aufgestellten Regeln, und insbesondere der auffallenden Regel, nach welcher in Testamenten die in solcher Weise bedingte Ver- fügung als unbedingt aufrecht erhalten wird? was ist also zugleich der Grund, die Testamente hierin anders zu be- handeln, als die Verträge? Die scheinbare Genealogie der Gedanken ist diese: Un- mögliche Bedingungen gelten als nicht geschrieben, und weil die unsittlichen für den besseren Menschen zugleich unmögliche sind, so müssen sie juristisch eben so behandelt werden, wie es sich bey den unmoͤglichen ohnehin von selbst versteht. Der Typus also, von welchem in diesen zusam- menhängenden Regeln ausgegangen werden müßte, wäre etwa die in den Rechtsquellen erwähnte Bedingung: si di- gito coelum tetigerit, heres esto. Allein nach dieser Auffassung bleibt die Sache von allen Seiten unerklärlich. Erwägen wir zuerst das logi- sche Wesen der Bedingung, so führt dieses gerade auf das entgegengesetzte Resultat. Denn das Seyn oder Nicht- seyn der bedingenden Thatsache soll das Seyn oder Nicht- seyn des Rechtsverhältnisses zur Folge haben, darin be- steht das Wesen der Bedingung. Nun ist aber das Nicht- seyn der Thatsache im Fall der Unmöglichkeit eben so un- zweifelhaft, als im Fall der zufälligen Vereitlung. Diese Identität wird bey den Verträgen ausdrücklich anerkannt, warum nicht bey den Testamenten? Die Unterscheidung derselben von den Verträgen fand schon Gajus anstoͤßig, §. 124. Bedingung. Unmögliche, unsittliche. (Fortsetzung.) obgleich er, seiner Secte getreu, die Regel selbst darum nicht minder annahm Gajus III. § 98 „.. diver- sae scholae auctores non mi- nus legatum inutile existimant, quam stipulationem. Et sane vix idonea diversitatis ratio reddi potest. ” (Die Leseart vix ist nach den von Blume angege- benen Schriftzügen und nach dem inneren Zusammenhang nicht zu bezweifeln.) . Betrachtet man aber die Sache weniger von der streng logischen, als von der praktischen Seite, nämlich nach dem wahrscheinlichen Gedankengange des Testators, so liegt in der That die Annahme sehr nahe, es sey demselben mit einer solchen Verfügung überhaupt nicht Ernst gewesen, sondern er habe nur mit Worten ein Spiel getrieben. Diese natürliche Annahme ist nun bey Verträgen wirklich anerkannt L. 31 de oblig. et act. (44. 7) „.. quorum procul du- bio in hujusmodi actu talis co- gitatio est, ut nihil agi existi- ment adposita ea conditione quam sciant esse impossibilem. , liegt aber bey Testamenten nicht minder nahe; ja auch hier findet sie sich einmal geradezu ausge- sprochen L. 4 § 1 de statulib. (40. 7.). Hier wird gesagt, eine te- stamentarische Freylassung sey nich- tig in folgenden drey Fällen: 1) wenn sie gegeben sey nach ei- ner solchen Zahl von Jahren, daß der Sklave dieselbe nicht erleben könne, 2) unter der Bedingung, millies zu zahlen (§ 121. t ), 3) zur Zeit seines Todes. Nun lautet der Schluß so: „sic enim libertas inutiliter datur, et ita Julianus scribit, quia nec ani- mus dandae libertatis est.” Vgl. unten Note i. . Aus diesen Gründen wollten nun in der That die Proculejaner Testamente und Verträge gleich behandelt wissen (Note b ). Daß aber dennoch die Sabi- nianer das Gegentheil annahmen, und daß Justinian ihrer Meynung den Vorzug gab, erklärt man gewöhnlich aus 13* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. einer gesetzlichen Begünstigung des letzten Willens So z. B. Sell S. 38 fg., der nach vielen künstlichen Wen- dungen endlich doch wieder auf diesen favor testamentorum zu- rück kommt. . In welchem Sinn diese hier gewissermaßen zugegeben werden könnte, wird sich weiter unten zeigen; nach dem einfachen Wortsinn, wie man sie gewöhnlich auffaßt, kann sie nicht gelten, denn so dürfte sie doch nur gebraucht werden, um den wahren Willen des Verstorbenen gegen das Hinderniß gesetzlicher Formen in Schutz zu nehmen; hier aber scheint Etwas gegen jenen Willen durchgesetzt zu werden. Eine befriedigende Erklärung ist nur möglich, wenn wir die oben dargestellte Genealogie der Gedanken gera- dezu umkehren, indem wir annehmen, es war ursprünglich die Rede von den unsittlichen Bedingungen, und nachdem man diese als nicht geschrieben anerkannt hatte, ist die- selbe Behandlung auf die unmöglichen übertragen worden, mit denen man, eben zu diesem Zweck, die unsittlichen identificirte. Gelingt es, diese Herleitung zu rechtfertigen, so wird dadurch zugleich ein anderer Anstoß beseitigt. Es läßt sich schwerlich annehmen, daß in Römischen Testa- menten die absolut unmöglichen Bedingungen oft genug vorgekommen seyn sollten, um dieser Frage irgend eine Erheblichkeit zu geben; die alten Juristen stellten vielmehr Beyspiele derselben auf, nur um den Begriff in aller Schärfe zur Anschauung zu bringen. Dagegen mögen die Fälle unsittlicher Bedingungen, die ja in so vielen Gestal- §. 124. Bedingung. Unmögliche, unsittliche. (Fortsetzung.) ten erscheinen, häufig genug vorgekommen seyn; hier war es von praktischem Interesse, Rechtsregeln auszubilden, und deren vollständige Behandlung führte dann weiter zu- rück auf die unmöglichen. Betrachten wir also nun den Fall der unsittlichen Be- dingungen an sich, noch ganz absehend von der Fiction der Unmoͤglichkeit unsittlicher Handlungen. Das erste und unzweifelhafteste bey ihnen ist Dieses, daß der Bedingung keine Folge gegeben werden darf, weil sonst das Schlechte gefördert werden würde. Diesen ersten Zweck nun kön- nen wir auf zwey entgegengesetzten Wegen erreichen, ent- weder indem wir das ganze Rechtsgeschäft vernichten, oder indem wir die Bedingung als nicht vorhanden ansehen, und das Geschäft als unbedingt behandeln. Das Justi- nianische Recht (übereinstimmend mit den Sabinianern) entscheidet für den ersten Weg bey Verträgen, für den zweyten bey Testamenten, und wir haben die Gründe die- ser Verschiedenheit aufzusuchen. Bey Verträgen liegt der Grund darin, daß eine Tren- nung der Bedingung von dem Versprechen in den meisten Fällen augenscheinlich gegen die Absicht der Parteyen seyn würde. Verspricht Einer Hundert für die Begehung eines Verbrechens, und wollten wir aus dem Vertrag nur diese Bedingung hinwegnehmen, so würden wir den ganzen Ver- trag voͤllig willkührlich und gegen die unzweifelhafte Ab- sicht in eine reine Schenkung verwandeln. Diese Behand- lung wäre aber nicht nur dem Willen der Parteyen wi- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dersprechend, sondern auch an sich selbst anstößig, da sie Demjenigen, der doch an der schlechten Absicht so viel als der Andere Theil genommen hat, einen bleibenden Vor- theil zuwenden würde. Und selbst in den seltneren und verwickelteren Fällen, worin die Parteyen den Vertrag auch bey Entfernung der Bedingung vielleicht eben so ge- schlossen haben würden, ist für sie Nichts verloren, indem sie diesen unbedingten Vertrag noch immer schließen, also das Versäumte nachholen können. Bey Testamenten finden wir von diesem Allen das Ge- gentheil. Wer ein Testament macht, hat die unzweifel- hafte Absicht, über sein Vermögen zu verfügen, und jede Erbeinsetzung, jedes Legat, fällt in diese allgemeine Ab- sicht freygebiger Austheilung des Vermögens. Finden wir also eine solche Verfügung unter einer unsittlichen Bedin- gung, so hat die Annahme viele Wahrscheinlichkeit, daß er zwar das Schlechte bey dieser Gelegenheit durchsetzen wollte, aber auch davon abgesehen, denselben Erben oder Legatar ernannt haben würde, indem er ohnehin damit be- schäftigt war, Erben oder Legatare zu ernennen, anstatt daß bey dem Vertrage kein anderer Beweggrund zu irgend einem Versprechen vorlag, als eben die Beförderung der unsittlichen Handlung Es wird also derselbe Ge- danke des Testators vorausge- setzt, der in L. 2 § 7 de don. (39. 5.) bey dem Fall einer Schen- kung so ausgedrückt ist: „si vero alias quoque donaturus Titio decem, quia interim Stichum emere proposuerat, dixerim in hoc me dare, ut Stichum eme- ret, causa magis donationis, quam conditio dandae pecu- niae, existimari debebit.” . Allerdings ist es zweifelhaft, §. 124. Bedingung. Unmögliche, unsittliche. (Fortsetzung.) ob der Testator diesen Gedanken hatte, oder ob er viel- mehr, wenn die schlechte Absicht nicht zu erreichen war, lieber dieses ganze Legat fallen lassen wollte; allein gerade für solche zweifelhafte Fälle besteht die Regel, daß für die Aufrechthaltung des letzten Willens gesprochen werden soll L. 24 de rebus dub. (34. 5.). „Cum in testamento am- bigue, aut etiam perperam, scriptum est: benigne interpre- tari, et secundum id quod cre- dibile est cogitatum, creden- dum est.” Diese Vorschrift paßt ganz auf den vorliegenden Fall. , und in diesem beschränkten Sinn koͤnnte man etwa noch die einwirkende Begünstigung der Testamente zuge- ben; in der That aber liegt auch darin keine Begünsti- gung, da für Verträge genau dieselbe allgemeine Ausle- gungsregel gilt L. 80 de verb. oblig. (45. 1.). „Quotiens in stipulationi- bus ambigua oratio est, com- modissimum est id accipi, quo res, qua de agitur, in tuto sit.” . Allein selbst wenn wir in einzelnen Fällen durch jene Annahme irren, so bekommt wenigstens nicht, wie bey Verträgen, ein Unwürdiger den Vortheil, da der Erbe oder der Legatar bey der aufgestellten unsitt- lichen Bedingung unschuldig ist; der Verstorbene aber hat es durch seine schlechte Absicht selbst verschuldet, wenn in diesem Stück sein Wille theilweise misverstanden wird. Irren wir jedoch nicht bey jener Annahme, so liegt zu- gleich in dieser Behandlung das einzig mögliche Mittel, den wahren Willen aufrecht zu halten, indem hier der Verstorbene nicht mehr im Stande ist, das Versäumte nachzuholen, so wie Dieses bey Verträgen noch immer geschehen konnte. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. War nun auf diese Weise die Sache entschieden für die unsittlichen Bedingungen, so gieng man weiter zurück auf die unmöglichen, die in der That eine entfernte Ver- wandtschaft mit jenen haben. Die aufgestellten Betrach- tungen paßten allerdings nicht auf die absolut unmögli- chen oder unerschwinglichen Bedingungen, aber diese sind ja überhaupt, wie oben bemerkt, so selten und unerheb- lich, daß sie auf eine besondere Vorsorge durch Rechtsre- geln keinen Anspruch haben können. Anders verhält es sich mit den relativ unmöglichen. Kennt hier der Testa- tor die Unmöglichkeit, so sind sie freylich in gleicher Lage mit den absolut unmöglichen, denn es gehört immer eine besondere Laune dazu, daß ein Testator in diesem ernsten Geschäft so mit leeren Worten spiele. Dieses gilt aber nicht von dem Fall, wenn er es nicht weiß, so z. B. von dieser Bedingung: ich setze den Gajus zum Erben ein, wenn er zuvor dem Sejus eine Wohnung gebaut haben wird; (vorausgesetzt, daß, zur Zeit der Abfassung des Testaments, Sejus ohne Wissen des Testators bereits ge- storben war). Hier nun sind die meisten der bey den un- sittlichen Bedingungen aufgestellten Gründe gleichfalls an- wendbar, theilweise sogar in noch höherem Grade. Denn offenbar kann man hier mit großer Wahrscheinlichkeit an- nehmen, der Testator wollte zwey, an sich von einander unabhängige, Zwecke erreichen: Gajus sollte Erbe seyn, Sejus sollte auf Kosten des Gajus eine Wohnung erhal- ten. Diesen letzten Zweck konnte er in verschiedenen For- §. 124. Bedingung. Unmögliche, unsittliche. (Fortsetzung.) men erreichen, am einfachsten in der Form eines Legats. Er wählte die Form einer Bedingung, die allerdings am schnellsten und kräftigsten wirken konnte; daraus folgt aber nicht einmal mit Wahrscheinlichkeit, daß, wenn die Er- reichung des zweyten Zwecks unmöglich wurde, deshalb auch der erste aufgegeben werden sollte. War man nun durch diese Erwägungen dahin gekom- men, die relativ unmöglichen und die unsittlichen Bedin- gungen in Testamenten nach einer gleichen Regel, und zwar ganz anders als in Verträgen, zu behandeln, so lag es dann sehr nahe, in diese Regel auch die (praktisch un- bedeutenden) absolut unmoͤglichen und unerschwinglichen Bedingungen mit aufzunehmen. Man gewann dadurch den Vortheil einer einfacheren Formel, die ganze Lehre erhielt gleichsam eine breitere Basis, und das Schicksal einiger selten vorkommenden wunderlichen Einfälle man- cher Testatoren konnte dabey kein sonderliches Bedenken erregen. Die hier versuchte Erklärung der Römischen Behand- lung unmöglicher Bedingungen in Testamenten läßt sich noch durch folgende Betrachtungen unterstützen. 1) Ist eine auf die vergangene oder gegenwärtige Zeit schon durch den Ausdruck gestellte Bedingung vereitelt, so wird sie nicht, gleich der unmöglichen, als nicht geschrie- ben angesehen, sondern die ganze Verfügung ist ungültig (§ 121. p ). Dennoch kommt dieser Fall mit dem der un- möglichen in der gegenwärtigen Entschiedenheit völlig über- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ein, so daß also hierin der Grund der besonderen Behand- lung überhaupt nicht liegen kann. Es fehlt hier aber die oben nachgewiesene innere Verwandtschaft der unmöglichen und unsittlichen Bedingungen, und hierin allein kann da- her der Grund jener eigenthümlichen Behandlung gesucht werden. 2) Das legatum poenae nomine ist von Justinian in der Regel erlaubt, und nur ausnahmsweise für unwirk- sam erklärt, wenn durch dessen Androhung der Erbe zu einer unmöglichen oder unsittlichen Handlung gezwungen werden soll (§ 122. h. i ). Eigentlich ist nun die Unterlas- sung der geforderten unmöglichen Handlung etwas schlecht- hin Nothwendiges, und man konnte daher erwarten, daß das Legat vielmehr unbedingt gelten würde (§ 121. g ). Weil aber hier der sittliche Zweck bey der geforderten un- sittlichen Handlung eine entgegengesetzte Behandlung nöthig machte (§ 122), so hat diese wiederum ein gleiches Ver- fahren auch bey der geforderten unmöglichen Handlung nach sich gezogen. 3) Außer den unmöglichen Bedingungen kommen auch unmögliche Zeitbestimmungen ( dies impossibilis ) vor. In der Entschiedenheit des Nichtseyns kommen diese mit jenen ganz überein, so daß man erwarten möchte, auch eine solche Zeitbestimmung werde als nicht geschrieben behan- delt, und so die Verfügung selbst aufrecht erhalten wer- den. Hier findet sich aber gerade das Gegentheil; die un- mögliche Zeit wird als ein Zeichen betrachtet, daß die §. 124. Bedingung. Unmögliche, unsittliche. (Fortsetzung.) ganze Verfügung nicht ernstlich gemeynt war, und diese ist dadurch vernichtet Vgl. unten § 126. i. k. l, und daraus besonders L. 4 § 1 de statulib. (40. 7.), deren In- halt oben in Note d angegeben ist. Übrigens erklärt sich hieraus auch, wie von der in der Mitte der Stelle erwähnten Bedingung si heredi millies dedisset ge- sagt werden konnte, sie entkräfte die ganze Freylassung (§ 121. t ). Diese Entscheidung paßt offenbar nur zu der Meinung der Pro- culejaner, und hat sich in die Justinianische Gesetzgebung blos verirrt. Dieses wurde dadurch übersehen, daß sie in der Mitte zwischen zwey, auch im Justinia- nischen Recht unbedenklichen, Ent- scheidungen über den dies impos- sibilis steht. . Diese scheinbare Inconsequenz erklärt sich daraus, daß zwischen der unmöglichen Zeit und der unsittlichen Bedingung gar kein Zusammenhang statt findet, so daß hier kein Grund vorhanden ist, von der natürlichsten und einfachsten Behandlung abzuweichen. Wäre die bloße Begünstigung des letzten Willens der Grund, warum die unmögliche Bedingung als nicht ge- schrieben behandelt wird, so müßte dieselbe ja ganz eben so auch den unmöglichen dies als nicht geschrieben hin- weg räumen. Zum Schluß soll noch angegeben werden, welche Grund- sätze über die den Testamenten beygefügten unmöglichen und unsittlichen Bedingungen in neueren Gesetzgebungen aufgestellt worden sind. Das Französische Gesetzbuch schließt sich ganz an das Römische Recht an. Unmögliche und unsittliche Bedingun- gen gelten als nicht geschrieben; ja es wird dieses selbst Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. auf Schenkungen ausgedehnt, die überhaupt in diesem Ge- setzbuch den Testamenten so sehr angenähert sind Code civil art. 900. — Anders natürlich bey Verträgen die nicht Schenkungen sind. art. 1172. Diese Behandlung der Schenkungen wird von den Fran- zösischen Juristen als inconsequent getadelt; Manche tadeln den Rechtssatz auch bey den Testa- menten. Maleville zu art. 900. Toullier droit civil T. 5 § 247. . Das Preußische Recht schlägt einen Mittelweg ein. Die unmoͤgliche Bedingung macht die testamentarische Ver- fügung selbst ungültig A. L. R., Th. 1. Tit. 4 § 129—132 Tit. 12 § 504. ; die unsittliche dagegen gilt als nicht geschrieben A. L. R., Th. 1. Tit. 12 § 63 (vergl. mit Tit. 5 § 227.). . Das Österreichische Gesetzbuch endlich ist ganz zu Pro- culejanischen Gesinnungen zurückgekehrt. Erbeinsetzungen und Legate werden durch unmögliche und durch unsittliche Bedingungen ganz ungültig Oesterreich. Gesetzbuch § 698 (vergl. mit § 897). . §. 125. III. Willenserklärungen. — Zeitbestimmung . Eine zweyte Art der Selbstbeschränkung, welche in ei- ner Willenserklärung vorkommen kann (§ 114), besteht in der hinzugefügten Zeitbestimmung ( dies ), das heißt in dem Ausdruck einer zeitlichen Begränzung der Wirksamkeit des Rechtsverhältnisses. Diese Zeitbegränzung kann, ähnlich der Bedingung, entweder an den Anfang oder an das Ende des Rechts- verhältnisses gelegt werden. Im ersten Fall heißt dieses §. 125. Zeitbestimmung. Verhältniß in diem oder ex die gegeben Ex die. L. 56 de cond. indeb. (12. 6.), L. 34 de her. inst. (28. 5.), L. 44 § 1 de O. et A. (44. 7.). In diem. § 2 J. de verb. obl. (3. 15.), L. 3. 15. 46. pr. de V. O. (45. 1.), L. 213 pr. de V. S. (50. 16.), L. 16 pr. de her. pet. (5. 3.), L. 43 de j. dot. (23. 3.), L. 22 de cond. inst. (28. 7.), L. 27 qui et a quib. man. (40. 9.), L. 22 de O. et A. (44. 7.). , im zweyten ad diem L. 34 de her. inst. (28. 5.), L. 44 § 1 de O. et A. (44. 7.). In dieser letzten Stelle heißt es daneben auch einmal in diem, jedoch nur in einer Construction: „nam vel ex die incipit obli- gatio, aut confertur in diem.” Das letzte heißt nachher: „ Ad diem autem.” . Wir können jene den Anfangstermin , diese den Endtermin eines Rechtsverhältnisses nennen. — Zunächst soll hier von dem Anfangstermin gehandelt werden. Alle Zeitbestimmung nun kann sich lediglich auf die Zukunft beziehen, da wir nur auf diese für unsre Hand- lungen Vorkehrung treffen können. Die künftige Zeit selbst aber kann bestimmt werden entweder durch Beziehung auf einen einzelnen Punkt in der allgemeinen, unabänderlich feststehenden Zeitreihe (Kalendertag) Auch dieses ist wieder auf zweyerley Weise möglich: unmit- telbar (z. B. am 1. März 1840), oder mittelbar, z. B. „in Einem Jahr,“ vorausgesetzt daß der Ver- trag am 1. März 1839 geschlossen wird, indem nämlich das Heute, worauf sich diese Bestimmung be- zieht, selbst gewiß und bekannt ist. Eben so: „drey Jahre nach meinem Tode,“ weil zu der Zeit, worin das Testament wirksam wird, der Todestag völlig gewiß und bekannt seyn muß. , oder auf relative Weise durch Beziehung auf ein künftiges Ereigniß, welches ja nothwendig auch in einen bestimmten Punkt jener Reihe fallen muß. — Nun knüpft sich auch die Bedingung stets an ein künftiges Ereigniß (§ 116), und eben so läßt sich Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. umgekehrt der Kalendertag auffassen als ein Ereigniß, naͤmlich als der Eintritt eben dieses bestimmten Tages, so daß also beide Arten einschränkender Nebenbestimmung oft in einander zu fließen scheinen. Da jedoch für Zeit und Bedingung ganz verschiedene Regeln aufgestellt sind, so ist es vor Allem nöthig, eine scharfe Gränze zwischen beiden zu ziehen. Auf die in den Rechtsgeschäften ge- brauchten Ausdrücke können wir gar nicht bauen, denn obgleich jede unter jenen Nebenbestimmungen ihre eigen- thümlichen Ausdrücke hat, so herrscht doch darin oft eine regellose Abwechslung Bey den Römern werden hier verschiedene Partikeln ge- braucht: si für die Bedingung, cum für den dies. Aber die alten Juristen erkennen selbst die gänzliche Unzuverlässigkeit dieser Ausdrücke. L. 45 § 3 de V. O. (45. 1.). . Die wahre Gränze aber ist dahin zu bestimmen: die Bedingung knüpft sich an ein ungewisses Ereigniß (§ 116), die Zeitbestimmung an ein gewisses . Jeder künftige Kalendertag nämlich ist ohne- hin gewiß; manche Ereignisse aber sind es nicht minder, vorzüglich für jeden Menschen der Tod. Wird also der Anfang eines Rechtsverhältnisses auf die Todeszeit des Berechtigten, oder des Verpflichteten, oder eines Dritten gestellt ( cum morietur ), so ist dieses im Allgemeinen we- gen der Gewißheit dieses Todes, nicht als Bedingung, sondern als dies anzusehen; und zwar besteht die besondere Regel, daß darunter stets der letzte Augenblick des Lebens, oder die Zeit unmittelbar vor dem Tode zu verstehen ist Denn Sterben ist eine Thä- tigkeit, weshalb nur der noch Le- bende sterben kann, nicht der Todte. L. 18 § 1 L. 61 de man. . §. 125. Zeitbestimmung. Diese relative Art der Zeitbestimmung hat jedoch auch noch ein ungewisses Element, das Verhältniß des Ereignisses zu der festen, allgemeinen Zeitreihe, welches neuere Schrift- steller die quaestio quando nennen. Doch ist sie darum nicht minder, ihrem Begriffe nach, den Bedingungen scharf entgegengesetzt. Dagegen ist jedes ungewisse Ereigniß, schon seinem Begriffe nach, eine wahre, eigentliche Bedingung, selbst wenn es durch die dabey gebrauchten Ausdrücke den täu- schenden Schein einer Zeitbestimmung an sich tragen sollte. Wer z. B. Etwas „an seinem Hochzeitstage“ zu geben verspricht, der verspricht eigentlich unter der Be- dingung, wenn er in die Ehe treten sollte, und diese erhält nur durch die woͤrtliche Fassung den Schein eines dies. Es kann dabey jedoch noch der besondere Fall eintreten, daß mit der Bedingung auch ein Kalendertag verbunden wird. Gesetzt, es ist Einer am 1. März 1825 geboren, und es wird ihm Etwas versprochen: „am Tage seiner Volljährigkeit,“ so heißt das so viel als: Am 1. März 1850, vorausgesetzt daß alsdann Jener noch lebt L. 22 pr. quando dies (36. 2.) „quoniam non solum diem, sed et conditionem hoc legatum in se continet.” Also sind hier beide Arten der Be- schränkung wirklich vorhanden und vereinigt. — Unter die als dies ausgedrückte Bedingung gehörte auch der, bey den Römern so wichtige, Fall, wenn ein Latinus Junianus, oder ein Eheloser, auf die Zeit seiner Capacität (d. h. also unter der Bedingung der- selben) eingesetzt wurde. L. 62 pr. de her. inst. (28. 5.). L. 51 . test . (40. 4.), L. 107 § 1 de leg. 1 (30. un.), Gajus II. § 232, III. § 100. Die Erheblichkeit die- ser Regel wird sich sogleich in mehreren Anwendungen zeigen. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Es ergeben sich hieraus für die als Zeitbestimmung ausgedrückte Zusätze der Rechtsgeschäfte Vier mögliche Combinationen, die von neueren Schriftstellern auf folgende Weise ausgedrückt zu werden pflegen: Dies certus für die quaestio an, certus für quando. Dies certus für die quaestio an , incertus für quando. Dies incertus für die quaestio an, certus für quando. Dies incertus für die quaestio an, incertus für quando. Für den ersten und vierten Fall ist die Bezeichnung un- zweifelhaft; der zweyte und dritte dagegen könnten, wegen ihrer gemischten Natur, bald als certus, bald als incertus dies, bezeichnet werden, es scheint indessen daß die alten Juristen hier vorzugsweise diesen letzten Ausdruck gebraucht, und unter certus dies meist den Kalendertag verstanden haben (Note h, und § 126. c. e. h. ). Der dritte und vierte Fall nun gehören, wie schon be- merkt, wegen der Ungewißheit des Ereignisses, gar nicht unter die Zeitbestimmungen; sie sind wahre Bedingungen, welchen hoͤchstens der falsche Schein eines dies durch den ungenauen Ausdruck gegeben worden ist. Bey dem vierten Fall insbesondere ist dieses ohne Ausnahme anerkannt So z. B. „zur Zeit, in welcher Jemand eine Ehe schlie- ßen, oder ein Amt erlangen wird.“ L. 21 pr. quando dies (36. 2.), L. 56 de cond. ind. (12. 6.), L. 8 C. de test. manum. (7. 2.). . de leg. 2. (31. un. ). Ohne diese wohlthätige Vorsorge war ihm die Erbschaft oder das Legat ver- loren, wenn er nicht spätestens 100 Tage nach des Erblassers Tod die Capacität erlangt hatte ( Ul- pian XVII. § 1). Jetzt konnte dieses auch nach vielen Jahren geschehen, weil ihm, wegen der Bedingung, die Erbschaft nicht früher deferirt war. §. 125. Zeitbestimmung. Bey dem dritten Fall gilt zwar allerdings auch dieselbe Regel, so daß also z. B. ein auf die Pubertät oder die Volljährigkeit eines Dritten gestelltes Legat völlig als ein bedingtes zu beurtheilen ist L. 21 pr. L. 22 pr. quando dies (36. 2.), L. 36 § 1 de cond. (35. 1.), L. 49 § 2. 3 de leg. 1 (30. un.). — In der ersten der angeführten Stellen wird ein sol- cher Tag dies incerta genannt. . Jedoch giebt es von dieser Regel natürliche Ausnahmen, wenn nämlich aus den Um- ständen sicher hervorgeht, daß der Urheber diese Neben- bestimmung lediglich aus Vorsorge für den Berechtigten, also zu dessen Vortheil, und nicht zur Beschränkung der Rechte desselben, gegeben hat; dann gilt das Rechtsver- hältniß als ein unbedingtes, das heißt es wird jene Ne- benbestimmung als Kalendertag behandelt, der nur indirect bezeichnet ist, nämlich durch Beziehung auf ein Ereigniß, welches freylich seiner Natur nach auch wohl ganz aus- fallen kann L. 46 ad Sc. Treb. (36. 1.), L 5 C. quando dies (6. 53.). Vgl. auch L. 18 § 2 de alim. leg. (34. 1.) (§ 119. 5.), und Averanius Interpr. II. 16 Num. 12. sq. — Es ist natürlich, daß eine solche günstige Interpretation vorzugsweise angenommen wird, wenn ein Testator seinen Kindern Etwas zuwendet; ferner vorzugs- weise bey den, besonders im äl- teren Recht, ohnehin freyer be- handelten Fideicommissen. . Hier wirkt also ausnahmsweise das in jenem dritten Fall enthaltene Element der Gewißheit, und zwar nicht als ob dann die regelmäßige Natur dieses Falles verkannt oder unrichtig behandelt würde, sondern wegen der durch die Umstände gerechtfertigten Interpre- tation des wahren Willens, die ja überall vorwalten soll (§ 118. a ). Nur in Einem Fall gilt dieselbe Ausnahme III. 14 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. auch ohne solche individuelle Gründe einer abweichenden Interpretation, nämlich bey der testamentarischen Freylas- sung (§ 119. q ); hier gründet sich die Ausnahme auf eine der vielen ganz positiven Begünstigungen der Freyheit. Nachdem diese Fälle beseitigt sind, in welchen nur der Schein eines dies, das Wesen einer Bedingung enthalten ist, bleibt nun noch die nähere Betrachtung der zwey Fälle des wahren dies übrig; die zeitliche Beschränkung des Rechtsverhältnisses vermittelst eines Kalendertags, und die vermittelst eines gewissen, das heißt nothwendig irgend einmal eintretenden Ereignisses. §. 126. III. Willenserklärungen. — Zeitbestimmung . (Fortsetzung). I. Die Beschränkung des Rechtsverhältnisses durch ei- nen Kalendertag, von welchem es erst anfangen soll, hat den Sinn, daß das Recht selbst sogleich erworben, die Ausübung desselben aber bis zu jenem Tage aufge- schoben werde. — Betrachten wir das Verhältniß einer solchen Bestimmung zu dem Bewußtseyn des Berechtigten, so finden wir darin gar nichts Unklares. Er kennt nicht nur das Daseyn des Rechts, sondern auch ganz genau dessen Umfang und Werth. Es läßt sich sogar durch eine Discontorechnung der gegenwärtige Werth ausmitteln, ja selbst der augenblickliche Genuß durch Verkauf um diesen sicheren Werth bewirken. Daher wird die in dieser Be- §. 126. Zeitbestimmung. (Fortsetzung.) stimmung liegende Gewißheit nicht einmal durch einen so entfernten Zeitpunkt ausgeschlossen, welchen der Berechtigte selbst unmöglich erleben kann So z. B. der Vertrag über eine Zahlung nach Hundert Jah- ren. L. 46 pr. de V. O. (45. 1.). — Ein Legat, Hundert Jahre nach des Testators Tod zahlbar. L. 21 pr. quando dies (36. 2.). ; denn dieser Umstand hindert ihn nicht, ein solches Recht in alle seine Berech- nungen und Verfügungen über die Zukunft mit aufzunehmen. Es bleibt nur noch übrig, diesen Grundsatz auf die wichtigsten einzelnen Rechtsverhältnisse, worin ein Kalen- dertag vorkommen kann, anzuwenden. A. Bey der Erbeinsetzung kann eine solche Beschränkung deswegen nicht zur Ausführung kommen, weil nach dem Tode weder eine Zeit ohne Vertretung des Verstorbenen, noch eine Abwechslung gesetzlicher und testamentarischer Erbfolge, zulässig ist. Daher gilt eine solche Beschränkung hier als nicht geschrieben, und das Erbrecht gilt vom Tode an § 9 J. de her. inst. (2. 14.), L. 34 de her. inst. (28. 5.). . Dieses scheint sonderbar, da doch die weit unge- wissere Bedingung als eine wirksame Beschränkung zuge- lassen wird. Dabey aber gleicht sich Alles dadurch aus, daß die erfüllte Bedingung auf die Todeszeit zurückgeführt wird (§ 120); wollten wir nun diese Zurückführung auch hier vornehmen, so würde das genau auf denselben Erfolg führen, der jetzt wirklich dadurch eintritt, daß der dies als nicht geschrieben gilt. B. Bey Legaten kommt der Kalendertag unbedenklich zur Ausführung, so daß das Recht auf das Legat vom 14* Buch. II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Tode an erworben wird ( dies cedit ), und nur der Genuß (das dies venit ) aufgeschoben bleibt. Die streng persönliche Natur aller durch einen Todesfall bedingten Successionen (§ 118) hindert dieses nicht, da der Legatar das Legat, auch wenn er selbst den Genuß nicht erlebt, dennoch in seine Verfügungen mit Sicherheit aufnehmen kann. C. Noch weniger zweifelhaft ist die völlige Wirksamkeit des Kalendertags bey Verträgen. II. Die Beschränkung auf den Zeitpunkt eines gewis- sen Ereignisses , das heißt eines solchen, welches ir- gend einmal nothwendig eintreten muß, hat ein anderes Verhältniß zum Bewußtseyn des Berechtigten, indem diesem der gegenwärtige Werth und Umfang des Rechts völlig unklar ist, so daß er es nicht mit Sicherheit in seine Ver- fügungen über die Zukunft aufnehmen kann. Dieses un- gewisse Element der Nebenbestimmung wird bei Testamen- ten, wegen der ganz persönlichen Natur der Successionen (§ 118), als überwiegend betrachtet, und verwandelt den dies in eine Bedingung, nämlich in die Bedingung des Erlebens eines solchen Tages L. 75 de cond. (35. 1.) „Dies incertus conditionem in testamento facit.” Das in te- stamento deutet auf eine entge- gengesetzte Behandlung der Ver- träge, die in diesem Fall auch wirklich eintritt. Dadurch aber wird es zugleich nothwendig, die Stelle nur auf diesen Fall zu beziehen, und nicht auf die wahr- haft ungewissen Ereignisse, die auch in Verträgen als Bedin- gungen gelten. Daraus folgt aber ferner, daß in dieser Stelle dies incertus zur Bezeichnung eines gewissen (nur bald frü- her, bald später eintretenden) Ereignisses gebraucht wird. ; bei Verträgen, in wel- chen jene persönliche Natur des Rechts nicht angenommen §. 126. Zeitbestimmung. (Fortsetzung.) wird, bleibt das gewisse Element überwiegend, die Neben- bestimmung kommt als dies (was sie ihrem Begriff nach in der That ist) rein zur Ausführung, und der Vertrag ist unbedingt. A. Bey der Erbeinsetzung also wird eine Zeitbestimmung solcher Art verwandelt in die Bedingung, „wenn der ein- gesetzte Erbe den Eintritt des Ereignisses erleben sollte“ L. 9 C. de her. inst. (6. 24.). . B. Ganz eben so wird in der Regel auch ein dergestalt gegebenes Legat behandelt. Es ist also bedingt dadurch, daß der Legatar das Ereigniß erlebe, und stirbt er früher, so geht davon auf seine Erben Nichts über So z. B. heres cum mo- rietur dato. L. 1 § 2, L. 79 § 1 de cond. (35. 1.), L. 12 § 1 de leg. 2 (31. un.), L. 4 pr. L. 13 in f. quando dies (36. 2.). In der ersten und dritten der hier angeführten Stellen heißt wieder ein solcher Tag incertus. — Eben so ist es unzweifelhaft, wenn das Legat auf den Tod eines Dritten gestellt wird. — Anders wenn der Testator sagt: cum ipse mo- riar. Ein solches Legat ist ganz ungültig, weil Niemand durch Testament Etwas bewirken kann, das vor seinem Tod geschehen müßte, sondern nur post mor- tem; nur die Freylassung wurde in einem solchen Fall durch be- sondere Begünstigung aufrecht er- halten. L. 18 § 1 de man. test. (40. 4.). Im Sinn des Justi- nianischen Rechts ist es aber un- streitig, auch bey dem Legat den ungeschickten Ausdruck zu beseiti- gen, und es so anzusehen, als ob es hieße post mortem meam. . — Nur in einem Fall ist es anders, wenn das Ereigniß von der Art ist, daß es der Legatar nothwendig erleben muß. Die- ses gilt von dem Legat auf die Todeszeit des Legatars ( cum ipse morietur ); denn dieses ist gemeynt von der Zeit unmittelbar vor dem Tode (§ 125), welche jeder Mensch gewiß erlebt. Daher ist ein solches Legat purum, und das Recht darauf wird unwiderruflich erworben mit Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dem Tode des Testators L. 79 pr. de cond. (35. 1.), L. 4 § 1 quando dies (36. 2.). . Selbst wenn man es als Bedingung ansehen wollte, so würde der Erfolg derselbe seyn, da die Bedingung eine nothwendige wäre, neben welcher das Legat unbedingt bleibt (§ 121. g ). Auch ist dieses keine bloße Spitzfindigkeit, sondern es hat einen guten praktischen Sinn, indem der Legatar, wenngleich er ein solches Legat gewiß nicht selbst genießt, es doch unter die, Jedem besonders wichtigen, Verfügungen für seine Erben sicher aufnehmen kann. C. Der Vertrag ist, ungeachtet einer solchen Nebenbe- stimmung, ein unbedingter, und die Beschränkung gilt ganz als dies. Die Ungewißheit des gegenwärtigen Werthes der Leistung steht hier nicht im Wege, da diese eben so bey jedem gewagten Geschäfte vorkommt, welches darum gar nicht nothwendig ein bedingtes zu seyn braucht. — Der praktische Einfluß jener Regel zeigt sich bey der con- dictio indebiti. Hier gilt im Allgemeinen der Grundsatz, daß die auf einen Kalendertag gestellte Schuld, wenn sie vor diesem Tage bezahlt wurde, nicht zurückgefordert wer- den kann, wohl aber die bedingte, vor erfüllter Bedingung gezahlte Schuld L. 10 L. 16 pr. L. 56 de cond. ind. (12. 6). Es versteht sich von selbst, daß auch bey der bedingten Schuld die Condictio indebiti wegfällt, wenn nur vor ihrer Anstellung die Bedingung erfüllt wird. L. 16 pr. cit. (Note h ). . Die Schuld nun, welche auf ein gewisses Ereigniß gestellt ist, hat ganz die Natur einer Schuld auf den Kalendertag, nicht die einer bedingten: §. 126. Zeitbestimmung. (Fortsetzung.) sie kann also nicht zurückgefordert werden, auch wenn die Zahlung vor dem eingetretenen Ereigniß erfolgte Die entscheidende Stelle steht in folgendem Zusammen- hang: L. 16 pr. de cond. ind. (12. 6.) „Sub conditione debi- tum, per errorem solutum, pen- dente quidem conditione repe- titur: conditione autem exis- tente repeti non potest. — § 1. Quod autem (Hal. etiam ) sub incerto die debetur, die exsi- stente non repetitur. — L. 17: Nam si cum moriar dare pro- misero, et antea solvam, repe- tere me non posse Celsus ait: quae sententia vera est.” Un- ter diesen drey Sätzen ist der erste und dritte unzweifelhaft: der erste betrifft die Bedingung, der dritte ein gewisses Ereigniß, und indem dabey die Condiction auch für die Zeit vor dem eintretenden Tag verworfen wird, (denn mir wird ja die Condiction verweigert, also muß ich wohl noch nicht ein Sterbender seyn, sonst könnte ich nicht klagen wollen), so ist damit der im Text aufgestellte Satz be- wiesen. Zweifelhaft ist der zweyte Satz (§ 1), wegen der Zweydeu- tigkeit des incertus dies. Cu- jacius obs. XIII. 20 läßt sich durch das autem verleiten, diesen Satz mit dem dritten ( L. 17) für identisch zu halten, und will daher im § 1 emendiren pendente oder non existente, welches ganz verwerflich ist. Haloanders etiam entfernt jenen Grund, und das Nam in L. 17 braucht nicht als Bestätigung des § 1 gedacht zu werden, sondern kann auch eine adversative Bedeutung haben. Dann ist der ganze Zusammen- hang folgender: L. 16 § 1. „Eben so, wie mit der Bedingung, ist es auch mit einem (ganz) unge- wissen Tage (z. B. si nupsero ), so daß auch hier die Condiction nur erst nach eingetretenem Tage wegfällt.“ L. 17 „Denn nur bei einem gewissen Tage, wie cum moriar, kann man sa- gen, daß die Condiction durchaus nicht gilt, auch wenn sie vor jenem Tage angestellt werden sollte.“ . Ist die Beobachtung des Anfangstermins unmöglich, so wird ein solcher Fall auf die natürlichste Weise, ohne positive Modification, behandelt. Das Rechtsverhältniß bleibt ohne Anfang, das heißt es entsteht gar nicht, und zwar gilt dieses nicht nur bey Verträgen, sondern auch bey Testamenten. Hierin unterscheidet sich also die Zeit- bestimmung von der Bedingung, und der Grund dieses Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Unterschieds ist schon oben (§ 124) angegeben worden. — Die Unmoͤglichkeit kann nun gegründet seyn in der Natur der Handlung, worauf das Rechtsverhältniß gerichtet ist, so z. B. wenn Einer verspricht, unmittelbar vor seinem Tode ( cum morietur ) nach Alexandrien zu kommen L. 46 § 1 de V. O. (45. 1.). Man möchte einwenden, der Ster- bende sey eben so wenig fähig Geld zu zahlen. Allein diese Hand- lung, als etwas Momentanes, ist von Seiten des Sterbenden we- nigstens nicht undenkbar, und kann in jedem Fall von dem Er- ben nachgeholt werden, ohne ihren Werth und Character zu verän- dern, jene versprochene Reise war etwas ganz Persönliches. Ist die für die Todeszeit versprochene Handlung zwar auch zeitraubend, aber nicht persönlich, wie z. B. ein Hausbau, so war die Stipu- lation auch ungültig, da nur der Erbe sie erfüllen konnte: Justi- nian gestattete sie, so wie die post mortem. L. 15 C. de contr. et comm. stip. (8. 38.). . Sie kann aber ferner gegründet seyn in der Beschaffenheit des Rechtsverhältnisses selbst, und dahin gehören folgende Fälle. Wenn der Niesbrauch gegeben wird für die Zeit unmittelbar vor dem Tode des Fructuars, so ist er un- möglich, weil er gleich in dem folgenden Augenblick wieder aufhören muß, also niemals genossen werden kann L. 51 de usufructu (7. 1.), L. 5 de usu et usufr. leg. (33. 2.). — Außerdem konnte ein Nies- brauch gegeben werden ex die, wenigstens gewiß durch Legat; bey den andern Entstehungsarten war die Möglichkeit wegen der besondern Form derselben streitig ( Fragm. Vat. § 49. 50), für das neueste Recht ist es gewiß möglich. . Eben so war es, wenn einem Sklaven im Testament die Freyheit gegeben wurde für die Zeit seines Todes, oder für eine so entfernte Zeit, daß er sie gar nicht erleben konnte L. 4 § 1 de statulib. (40.7.), L. 17 pr. L. 61 pr. de man. test. (40. 4.), L. 107 § 1 de leg. 1 (30. un. ) — Über L. 4 § 1 cit. vgl. oben § 124. d. i., und § 121. t. ; denn die Freyheit hat nur Werth, insofern sie §. 127. Zeitbestimmung. (Fortsetzung.) von dem Sklaven selbst genossen wird, anstatt daß Geld oder Geldeswerth auch den Erben zu gut kommt, und daher unter jenen Zeitbestimmungen allerdings gültig gegeben wer- den kann. Endlich ist hierauf zu beziehen das alte Verbot, Stipulationen zu schließen auf die Zeit post mortem des Gläubigers oder Schuldners Gajus III. § 100. — Die Stipulation cum moriar, oder cum morieris scheint immer gül- tig gewesen zu seyn. § 15 J. de inut. stip. (3. 19.), Fr. Vat. § 98, L. 20 L. 76 de j. dot. (23. 3.), L. 67 § 6 de leg. 2, L. 32 pr. ad. L. Falc. (35. 2.), L. 45 § 1. 3 L. 121 § 2 de V. O. (45. 1.), L. 4 C. de contr. et comm. stip. (8. 38.). Der einzige Widerspruch, Gajus III. § 100, dürfte wohl auf einer fal- schen Leseart beruhen. Huschke Studien I. 279. , desgleichen Legate zu geben post mortem des Erben Post mortem verboten, cum heres morietur erlaubt. Gajus II. § 232, Ulpian . XXIV. § 16. Bei Fideicommissen auch post mortem erlaubt. Gajus II, § 277, Ulpian . XXV. §. 8. , welche Einschränkungen Justinian aufgehoben hat § 13 J. de inut. stip. (3. 19.), L. 11 C. de contr. et comm. stip. (8. 38.). — § 35 J. de le- gatis (2. 20.), L. 11. C. cit. . Eine unsittliche Zeitbestimmung kann nicht vorkommen, da alle Unsittlichkeit freye Handlungen voraussetzt, welche bevor sie geschehen stets ungewiß sind, anstatt daß die wahre Zeitbestimmung nur auf gewisse Ereignisse gegründet seyn kann. §. 127. III. Willenserklärungen. — Zeitbestimmung . (Fortsetzung.) Es bleibt nun noch übrig, von dem Endtermin ( ad diem ) zu sprechen; mit diesem aber ist die Resolutivbedin- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gung nahe verwandt, und nur indem hier beide Rechtsin- stitute zusammengefaßt werden, ist es möglich, für die Resolutivbedingung Dasjenige, was oben (§ 120) ausge- setzt bleiben mußte, auf befriedigende Weise nachzuholen. Beide sollen nunmehr in Anwendung auf die wichtigsten Rechtsverhältnisse betrachtet werden. A. Die Erbeinsetzung kann weder durch Resolutivbe- dingung, noch durch Endtermin, begränzt werden, das heißt jede Nebenbestimmung dieser Art wird als nicht ge- schrieben betrachtet (§ 126. b ). Der Grund liegt darin, daß das einmal erworbene Erbrecht überhaupt nicht wie- der aufhören kann L. 88 de her inst. (28. 5.) „.. cum autem semel heres exstiterit servus, non potest adjectus efficere, ut qui semel heres exstitit, desinat heres esse. ” — L. 3 § 2 de liberis (28. 2.) „.. hujusmodi exhere- datio vitiosa est, quoniam post aditam hereditatem voluit eum summotum, quod est impossi- bile. ” — L. 3 § 10 de minor. (4. 4.) „… sine dubio heres manebit, qui semel exstitit. ” Endlich auch L. 15 § 4 de test. mil. (29. 1.), wo das Entgegen- gesetzte als ein besonderes Vor- recht der Soldaten angegeben wird. — Die Neueren drücken das so aus: Semel heres, sem- per heres. — Über die Unan- wendbarkeit der Resolutivbedin- gung ist auch eigentlich kein Streit, nur ist neuerlich von Mehreren behauptet worden, eine solche müsse dadurch künstlich aufrecht erhalten werden, daß man sie in die um- gekehrte Suspensivbedingung ver- wandle, und so den Willen auf- recht erhalte. Allein auch diese Behauptung ist unhaltbar. Vgl. Sell S. 254 und die von ihm angeführten Schriftsteller. . Die praktische Wichtigkeit dieses Satzes ist jedoch durch die Einführung der Fideicommisse sehr vermindert worden, indem nun der Testator seinen Zweck dadurch großentheils erreichen kann, daß er den eingesetzten Erben verpflichtet, die Erbschaft unter einer §. 127. Zeitbestimmung. (Fortsetzung.) Suspensivbedingung, oder nach einer bestimmten Zeit, an den Intestaterben zu restituiren. B. Bey Legaten war es nach dem älteren Recht gleich- falls unmöglich, das Ende des Rechts durch Resolutivbe- dingung oder durch Zeitbestimmung herbeyzuführen, und dieser Satz konnte auf zweyerley Weise zur Anwendung kommen: 1) Wenn innerhalb der bestimmten Zeit der Legatar (auf ein damnationis legatum ) nicht geklagt hatte, so sollte dennoch die Verpflichtung des Erben nicht (wie durch eine Art von Verjährung) erloschen seyn L. 55 de leg. 1 (30. un.) „.. nec tempore .. aut condi- tione finiri obligatio heredis legatorum nomine potest.” — L. 44 § 1 de O. et A. (44. 7.) „.. Placet enim ad tempus obli- gationem constitui non posse: non magis quam legatum. ” . Schon zur Zeit der klassischen Juristen aber wurde ohne Zweifel der Klage eine doli exceptio entgegengestellt, eben so wie es bey der Stipulation ausdrücklich bezeugt wird (Note f ). 2) War das damnationis legatum bereits erfüllt, oder war es ein vindicationis legatum, so sollte nicht etwa das Legat, durch den Eintritt der Bedingung oder des Tages, an den Erben zurück fallen. Dieser Satz beruhte nicht blos auf einer vom Testator verfehlten Form, denn es konnte gar nicht der Legatar mit der Entrichtung eines neuen Legats (welches in dieser Rückgabe enthalten gewe- sen wäre) onerirt werden Ulpian . XXIV. § 20, Ga- jus II. § 271. . Durch die Einführung der Fideicommisse fiel diese letzte Beschränkung hinweg Gajus II. § 271. , und Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nun war es blos ein Fehler in der Form, wenn jener Rückfall an den Erben nicht statt fand, da ihn der Testa- tor durch die für Fideicommisse eingeführten Ausdrücke un- bedenklich bewirken konnte. Daher war es ganz conse- quent, daß Justinian verordnete, ein solcher Formfehler solle niemals schaden, indem ein solches Legat immer so ausgelegt werden sollte, als wäre, für den Fall der Be- dingung oder für den bestimmten Tag, die Rückgabe an den Erben als Fideicommiß auferlegt L. 26 C. de leg atis (6. 37.), welche gewiß eben sowohl auf Re- solutivbedingung, als auf dies, geht. Vgl. Sell S. 258. — Hier also, wie auch anderwärts, ist Justinian, in der Beseitigung formeller Schwierigkeiten des äl- teren Rechts, bey Legaten weiter gegangen als bey der Erbein- setzung; und nicht ohne Grund. . C. Auch Verträge sollten nicht so eingerichtet werden, daß die Obligation durch Bedingung oder Zeit zu wirken aufhörte, und auch diese Regel war in denselben zwey Bedeutungen anzuwenden, welche schon bey den Legaten erklärt worden sind. 1) Versprach also Jemand eine Zahlung dergestalt, daß die Klage zwar zunächst wirksam seyn, mit dem Ein- tritt einer Bedingung oder eines bestimmten Tages aber (wie durch eine Art von Verjährung) wegfallen sollte, so war dennoch die Klage auch nach jenem Zeitpunkt gültig; diese buchstäbliche, die Absicht verletzende, Strenge wurde jedoch späterhin gemildert durch Zulassung einer doli oder pacti exceptio Für die obligatio ad diem sagt dieses § 3 J. de V. O. (3. 15.), L. 56 § 4 de V. O. (45. 1.), L. 44 § 1 de O. et A. (44. 7.), . §. 127. Zeitbestimmung. (Fortsetzung.) 2) War der Vertrag bereits erfüllt, so daß die ein- tretende Zeit oder Bedingung den Rückfall des Gegebenen hätte herbeyführen müssen, so sollte auch dieser Rückfall nicht eintreten. Gegen diese Folge aber half ohne Zwei- fel die condictio ob causam datorum (hier zusammen fal- lend mit der actio praescriptis verbis ), deren Princip auf einen Fall dieser Art vollkommen anwendbar ist. Bey den Verträgen nun ist es einleuchtend, daß diese strenge Ausschließung von Zeit und Bedingung nicht (wie früher bey den Legaten) in einer durch das Rechtsverhält- niß selbst herbeygeführten Unmöglichkeit, sondern lediglich in einem Formfehler, gegründet war. Denn unbedenklich konnte auch schon in alter Zeit der Zweck erreicht werden, wenn nur das Aufhören der Obligation, oder der Rück- fall des Gegebenen, in einer hinzugefügten zweyten, unter Suspensivbedingung oder ex die geschlossenen, Stipulation versprochen wurde, oder auch (bey dem dies ) durch bloße Hinzufügung der Suspensivbedingung „si intra quinquen- nium petiero.” Die Ungültigkeit lag also blos an einem Mangel der Form, und dagegen eben sollte die doli oder pacti exceptio schützen. Aber eben deshalb konnte die Un- gültigkeit niemals behauptet werden, und es bedurfte gar für die Resolutivbedingung L. 44 §. 2 eod. (vgl. über diesen §. Göschen obsf. j. Rom. p. 66). Der Grund dieser Einschränkung wird in L. 44 § 1 cit. so ausge- drückt: „Nam quod alicui de- beri coepit, certis modis desi- nit debere;” das heißt: der dies gehört nicht zu den unabänderlich bestimmten Tilgungsarten der Obligationen, und kann nicht durch Privatwillkühr diesen Cha- racter mitgetheilt bekommen. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nicht der nachhelfenden Exception, bey denjenigen Verträ- gen, welche gar keiner beschränkenden Form unterworfen waren, sondern nur nach der wahren Absicht der Parteyen beurtheilt wurden, also vorzüglich bey den Consensualcon- tracten. In der That spricht die Stelle, worin von der alten Strenge berichtet wird (Note f ), lediglich von der Stipulation. Dagegen war von jeher eine höchst gewöhn- liche und ganz unzweifelhafte Form des Miethcontracts die auf bestimmte Jahre gerichtete, mit deren Ablauf doch gewiß die Verpflichtung des Vermiethers aufhört. Eben so wird bey dem Kauf und bey der (ohne Stipulation möglichen) Schenkung die völlige Wirksamkeit der Resolu- tivbedingung auf eine Weise anerkannt, die keinem Ge- danken an späteres Recht, und an künstliche Nachhülfe, Raum läßt (§ 120. l. m ). Dieses also sind die Fälle, worauf sich auch schon nach dem früheren Recht das in seinen einzelnen Folgen völlig ausgebildete Institut der Resolutivbedingungen bezog; namentlich die im Fall der erfüllten Resolutivbedingung ipso jure eintretende Rück- kehr des Eigenthums zu dem früheren Eigenthuͤmer, mit Vernichtung aller in der Zwischenzeit vorgenommen, bis dahin gültigen, Veräußerungen Einen Zweifel könnten er- regen Justinians Worte in L. 26 C. de legatis (6. 37.) „Cum enim jam constitutum sit, fieri posse temporales donationes et contractus, ” welche allerdings auf neueres Recht hindeuten. Al- iein diese Worte gehen auf solche Schenkungen und andere Con- tracte, die durch Stipulation geschlossen werden, und auf die dabey zugelassene doli excep- tio; sie sind also nur eine kurze Verweisung auf den ausführlichen . §. 127. Zeitbestimmung. (Fortsetzung.) Nachdem hier die eigentliche Bedeutung der nach frü- herem Recht bey Legaten und Obligationen unzulässigen Resolutivbedingungen und Endtermine angegeben worden ist, muß noch eine sehr eigenthümliche Anwendung dersel- ben dargestellt werden. Verspricht Jemand eine jährliche Rente von Hundert, so wird dieses betrachtet als eine ein- fache, nur auf mehrere Zahlungen gerichtete, Stipulation, die auf ewige Zeiten fortwirken soll L 16 § 1 de V. O. (45. 1.), L. 35 § 7 de m. c. don. (39. 6.). . Wird diese Obli- gation nun auf Fünf Jahre, oder auch auf Lebenszeit, beschränkt, so widerspricht das der oben angegebenen Re- gel, die Rente wird eine immerwährende, und gegen diese Härte half man nur erst später durch eine Exception § 3 J. de V. O. (3. 15.). . Allerdings hätten die Contrahenten leicht und sicher durch eine andere Form des Vertrags die wahre Absicht erreichen können; man brauchte nur, anstatt der fünfjährigen Rente, überhaupt Fünfhundert versprechen, und zwar in Fünf Portionen ex die: oder, anstatt der lebenslänglichen Rente, viele einzelne Summen, und zwar jede ex die und zugleich unter der suspensiven Bedingung des Erlebens; dieses Alles war ja von jeher erlaubt. Allein bei den Stipulationen sollte nicht auf die Absicht, sondern auf die Worte, gese- Inhalt der L. 44 § 1. 2 de O. et A. (44. 7.) und der anderen in Note f. angeführten Stellen. — Ein besonderer Zweifel, in Beziehung auf die Schenkung allein, entsteht aus der Verglei- chung der L. 2 C. de don. q. s. modo (8. 55.) mit ihrer sehr abweichenden früheren Gestalt in Fr. Vat. § 283; das Verhältniß dieser beiden Texte zu einander dürfte schwerlich ganz in’s Reine zu bringen seyn. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. hen werden, und so mußten der Schuldner und seine Er- ben den Formfehler so lange büßen, bis die schützende Exception erfunden war. Daß man nicht von jeher gegen solchen Unsinn Schutz suchte, erklärt sich sehr natürlich aus der Seltenheit solcher Stipulationen. Anders verhielt es sich mit Legaten von ähnlichem In- halt, die in der That häufig vorkamen, und daher ein praktisches Bedürfniß der Abhülfe mit sich führten. Die Möglichkeit derselben war durch den allgemeinen Grundsatz gegeben, Legate überhaupt mehr nach der Absicht als nach dem Buchstaben auszulegen (§ 118. a ). Wußte man nun, daß, wie gewöhnlich, die Absicht dahin gieng, durch die legirte Rente dem Legatar seinen persönlichen Unterhalt ganz oder theilweise zu verschaffen, so wurde durch fol- gende Interpretation für Alles gesorgt. Das Legat soll gelten, als wären es mehrere: die erste Jahresrente ist pure legirt, und wird mit des Testators Tod erworben; jede folgende ist an die Suspensivbedingung gebunden, wenn der Legatar den Tag, wo sie fällig wird, erlebt L. 4 L. 8 de ann. leg. (33. 1), L. 10 quando dies (36. 2.), ferner die Stellen in Note h. — Bey einer Rente auf be- stimmte Jahre ist es eine factische Frage, ob der Testator sie als eine alimentenartige Unterstützung (so wie die lebenslängliche) dachte, oder vielmehr als eine gewöhn- liche Zahlung, die nur zur Er- leichterung in Termine zertheilt ist. Im ersten Fall wird sie eben so behandelt, wie die lebensläng- liche, im zweyten Fall ist es ein einfaches Legat, welches sogleich ganz erworben wird, so daß auch die nach des Legatars Tod fällig wer- denden Termine an seinen Erben zu zahlen sind. L. 20 quando dies (36. 2)., L. 3 pr. de annuis (33. 1.). . Dadurch erreichte man einen doppelten Vortheil. Erstlich §. 127. Zeitbestimmung. (Fortsetzung.) verhinderte man die immerwährende Dauer der Rente, die ja auch nicht in des Testators Absicht lag; zweytens ent- gieng man dem Verbot der zeitlichen Beschränkung der Legate, indem man nun nicht mehr mit einem einzelnen Legat ad diem zu thun hatte, welches ungültig gewesen wäre, sondern mit vielen bedingten Legaten, welche gültig waren. D. Bey einigen dinglichen Rechten finden sich folgende ausdrückliche Bestimmungen. Prädialservituten konnten durch Bedingung oder Zeit nicht beendigt werden, ohne Zweifel weil die Natur solcher Rechte auf immerwährende Dauer berechnet ist; pacti und doli exceptio schützt auch gegen diese buchstäbliche Strenge L. 4 pr. de serv. (8. 1.), L. 56 § 4 de V. O. (45. 1.). Durch die Natur der in jure cessio war dergleichen ohnehin ausgeschlossen; es muß also dabey entweder ein Legat vorausgesetzt werden, oder ein neben der in jure cessio (vor oder nachher) geschlossener besonderer Vertrag. . Der Niesbrauch dagegen, als ein ohnehin vergängliches Recht, konnte auch schon nach älterem Recht einer solchen willkührlichen Beendigung unterworfen werden Fragm, Vat. § 48. 52, L. 6 de usu et usufr. leg. (33. 2.), L. 16 § 2 fam. herc. (10. 2.), L. 12 pr. C. de usufr. (3. 33). In dieser letzten Stelle kommt eine ähnliche Interpretation vor, wie die in § 125. i. erwähnte; hier aber mit umgekehrtem Er- folg. . Und eben so auch das Pfandrecht, welches vermöge seiner neu- eren Entstehung, ohnehin weniger an die förmliche Strenge des alten Rechts gebunden ist L. 6 pr. quib. modis pign. (20. 6.). . Fassen wir alle bisher dargestellten Anwendungen zu- III. 15 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sammen, so ergiebt es sich, daß Resolutivbedingungen und Endtermine fast überall wirksam seyn können, und daß die früheren Beschränkungen derselben, mit Ausnahme der Erb- einsetzung, für das heutige Recht fast spurlos verschwun- den sind. Auch ein Endtermin läßt sich so denken, daß die An- wendung desselben unmoͤglich wird. Dann wird derselbe als nicht geschrieben betrachtet, und das Rechtsverhältniß bleibt von dieser Seite her unbeschränkt So z. B. wenn ein Nies- brauch auf Hundert Jahre legirt wird, da der Legatar diese Zeit gewiß nicht erlebt. . §. 128. III. Willenserklärungen. — Modus Unter den oben (§ 116) im Allgemeinen angeführten Rechts- quellen gehören hierher besonders: Dig. XXXV. 1, Cod. VI. 45, VIII. 55. . Rechtsgeschäfte, welche auf die Übertragung von Ver- moͤgensrechten, also auf ein Geben, gerichtet sind, können zugleich Bestimmungen über das fernere Schicksal des Em- pfangenen, vermittelst einer Verpflichtung des Empfängers, in sich aufnehmen. Die meisten Bestimmungen dieser Art gehören zum eigenthümlichen Inhalt der einzelnen Geschäfte selbst, und es entsteht für sie weder das Bedürfniß, noch die Möglichkeit, sie unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt, den Bedingungen und Zeitbestimmungen ähnlich, zu brin- §. 128. Modus. gen. So z. B. wenn bey dem Darlehen die Rückgabe des Geldes, oder vom Käufer bey Empfang der Sache die Zahlung des Kaufpreises, versprochen wird, so sind das wesentliche Theile dieser Verträge: verspricht der Käufer, das erkaufte Haus, so lange der Verkäufer lebt, nicht zu veräußern, oder dem Verkäufer darin drey Jahre lang freye Wohnung zu geben, so liegen darin zufällige Neben- verträge; in beiden Fällen dient die Contractsklage dazu, diese Verpflichtungen zur Ausführung zu bringen. Indes- sen können manche Bestimmungen dieser letzten Art auch in die Form von Bedingungen eingekleidet werden, und wirken dann in anderer Weise L. 41 pr. de contr. emt. (18. 1.). Hier ist nur gesagt, die Übereinkunft könne, je nach der Absicht der Parteyen, als pactum adjectum, oder als con- ditio, gemeynt seyn: von einem dritten möglichen Fall (dem mo- dus ) ist nicht die Rede. . Nur bey einigen Rechtsgeschäften reichte diese Behand- lungsweise nicht aus, und so ist für diese eine besondere Art von Nebenbestimmungen, der Modus, ausgebildet wor- den. Es sind dieses die testamentarischen Verfügungen, und die Schenkung; bey denselben ist zuvor das besondere Bedürfniß im Einzelnen nachzuweisen, weil nur dadurch ein fester Standpunkt für das erwähnte Rechtsinstitut ge- wonnen werden kann. 1. Erbeinsetzung. Besteht die Verpflichtung des Erben darin, daß er einem Dritten Etwas gebe, so ist ein solches Bedürfniß nicht vorhanden, da die Legate, und späterhin auch noch die Fideicommisse, für jenen Zweck vollkommen 15* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ausreichen. Aber der Erblasser kann auch ganz andere Dinge dem Erben auflegen: z. B. ein Denkmal zu errich- ten, öffentliche Spiele oder Gastmähler zu veranstalten, das Grab des Verstorbenen auf bestimmte Weise zu besu- chen und zu schmücken u. s. w. Manches dieser Art kann unter der Form einer Bedingung bewirkt werden; für An- deres ist diese unpassend, und überall kann der Erblasser die Form einer neuen, fortwirkenden Verpflichtung vorzie- hen. Dazu dient dann der Modus. 2. Legat. Auch hier kommen Verpflichtungen der eben beschriebenen Art vor, wozu der Modus angewendet wer- den kann L. 17 § 4 de cond. (35. 1.). . Aber bey ihnen war er lange Zeit auch wichtig und unentbehrlich, wenn der Legatar einem Dritten Etwas geben sollte, da der Legatar mit einem neuen Le- gat nicht belastet werden kann. Durch die Einführung der Fideicommisse freylich, die dem zuletzt erwähnten Zweck völlig genügen, fiel dieses Bedürfniß des Modus hinweg (§ 127. c. d. ). 3. Fideicommisse. Der Modus kommt hier auf gleiche Weise vor, wie bey den Legaten. 4. Eben so auch bey der testamentarischen Freylassung, neben welcher dem Sklaven jede Leistung, sey es als Be- dingung, sey es als Modus, nach Gutfinden des Testators auferlegt werden konnte. Hier war das Bedürfniß zu al- len Zeiten so ausgedehnt, wie in früherer Zeit bey den Legaten. Denn auch mit einem Fideicommiß kann nur §. 128. Modus. Derjenige belastet werden, der von dem Verstorbenen ein Vermögensrecht bekommen hat L. 1 § 6 de leg. 3 (32. un.), L. 9 C. de fideic. (6. 42.). ; da nun die Freyheit ein solches nicht ist, so war es consequent, die Belastung der Freygelassenen mit Fideicommissen, wenn sie blos die Freyheit erhielten, auszuschließen L. 94 § 2 L. 95 de leg. 1 (30. un.). . 5. Bey Schenkungen waren lange Zeit die gewöhnli- chen Rechtsmittel ( actio praescriptis verbis und condictio ) für solche Verpflichtungen des Beschenkten ausreichend. Späterhin fand man es gut, eine ähnliche Behandlung wie bey Legaten eintreten zu lassen, und nun war auch hier das Bedürfniß vorhanden, den Modus als eigenes Rechts- institut anzuwenden. Als Name dieses Rechtsinstituts ist modus technisch Der Ausdruck steht in die- ser bestimmten Bedeutung in der Überschrift der drey in der Note a. angeführten Titel; eben so in L. 17 § 4 de cond. (35. 1.). , obgleich freylich derselbe Name oft in anderer, sehr allge- meiner Bedeutung gebraucht wird, z. B. für die Begrän- zung oder die Ausübungsart eines Rechts, also für dessen nähere Bestimmung. Im Deutschen hat man dafür Zweck und Zweckbestimmung vorgeschlagen, jedoch nicht passend; denn wenn Jemand einen Freund oder Verwandten zum Erben einsetzt, und ihm die Errichtung eines Denkmals zur Pflicht macht, so hat er zum Zweck bey der Erbein- setzung, sein Vermögen in die Hände einer würdigen und geliebten Person zu bringen, nicht ein Denkmal zu veran- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. lassen. Zutreffender ist der Ausdruck Verwendung , da in den allermeisten Fällen das Empfangene, oder ein Theil desselben, zur Ausführung des Modus verwendet werden soll. Jedoch auch dieser Ausdruck hat eine zu abstracte Gestalt, um den Gedanken an das sehr eigenthümliche Rechtsinstitut hervorzurufen, und so ist es besser den la- teinischen Kunstausdruck beyzubehalten, der schon durch seine fremde Herkunft zu einer individuellen Bezeichnung geschickter ist. Es bedarf aber einer Rechtfertigung, daß hier der Modus mit der Bedingung und Zeitbestimmung auf gleiche Linie gestellt, also unter die Selbstbeschränkungen des Wil- lens aufgenommen wird (§ 114), da er vielmehr eine Er- weiterung des Willens auf einen neuen Gegenstand zu enthalten scheint. Jene Auffassung rechtfertigt sich durch die quantitative Betrachtung jedes Vermögens oder Ver- mögensstücks als einer bloßen Geldsumme. Da diese Be- trachtung eben sowohl auf das ursprünglich Gegebene (z. B. die Erbschaft oder das Legat), als auf den Modus, anwendbar ist, so erscheint der Modus als eine Vermin- derung des Werths der ursprünglichen Gabe, und insofern kann man sagen, daß der auf das Geben gerichtete Wille, durch Aufnahme eines Modus, sich selbst beschränke. Darin ist also auch die Gleichartigkeit des Modus mit Bedingung und Zeit begründet. Für die Anwendung ist es nöthig, den Begriff des Modus, nach zwey Seiten hin, scharf zu begränzen: er §. 128. Modus. darf nämlich auf der einen Seite nicht verwechselt werden mit der Bedingung, auf der andern nicht mit dem bloßen Wunsch oder Rath. Für die Gränze zwischen Bedingung und Modus ist zu bemerken, daß in den meisten Fällen die bezweckte Hand- lung auf beiden Wegen gleich sicher bewirkt werden kann, nur vermittelst ganz verschiedener Rechtsverhältnisse. Die Bedingung nämlich suspendirt, zwingt aber nicht, der Modus zwingt, suspendirt aber nicht. Der Modus ist daher weit vortheilhafter für den, welcher handeln soll, denn erstlich wird durch ihn der Rechtserwerb selbst (das dies cedit ) nicht hinausgeschoben, und dadurch in die Gefahr des gänzlichen Verlusts gebracht; zweytens kann der Genuß des Rechts erlangt werden durch bloße Cau- tion, ohne Vollziehung der Handlung selbst; drittens ist hier die eintretende Unmöglichkeit der Handlung unschäd- lich Zweifel könnte erregen L. 1 C. de his quae sub modo (6. 45.) „In legatis quidem et fideicommissis etiam modus ad- scriptus pro conditione obser- ratur. ” … Das heißt aber nur, der Modus wird eben sowohl als die Bedingung beachtet, aufrecht erhalten, namentlich durch For- derung einer Caution: völlige Gleichheit sollte damit nicht aus- gesprochen werden. Das ergiebt sich deutlich aus dem nachfolgen- den Hauptsatz, zu welchem jene Worte blos als Eingang dienen sollten. . Die Unterscheidung beider Rechtsformen ist daher für jeden einzelnen Fall praktisch wichtig. Auch hier sind die gebrauchten Worte unsichere Führer Eigentlich bezeichnet si die Bedingung, cum die Zeit, ut den Modus ( L. 80 de cond. 35. 1), aber dieser Unterschied wird nicht streng beobachtet, s. o. § 125. d. — Auch der Ausdruck conditio wird oft gebraucht, wo entschieden ein Modus gemeynt ist. Vgl. , und es muß Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. vielmehr aus den Umständen die wahre Absicht ermittelt werden L. 44 de man. test. (40. 4.), L. 80 de cond. (35. 1.). Die Schwierigkeit dieser letzten Stelle ist doch wohl am sichersten durch Wegstreichen des non zu beseiti- gen, welches nach dem Zeugniß der Glosse auch schon in alten Handschriften fehlte. Die Erklä- rung von Rücker interpr. II. 3 ist nicht haltbar. . Bleibt die Absicht völlig zweifelhaft, so ist der Modus, als die geringere Beschränkung, vorzugsweise vor der Bedingung, anzunehmen L. 9 de R. J. (50. 17.). . In Einem Fall wahrer, aber unzulässiger, Bedingung, bey der conditio jurisjurandi, wird die Absicht des Testators durch Verwandlung in ei- nen Modus aufrecht erhalten (§ 123. s. t. ). Auf der andern Seite darf der Modus nicht mit sol- chen Erklärungen verwechselt werden, die gar nicht die Absicht einer rechtlichen Verpflichtung in sich schließen. Wird also ein Legat oder eine Schenkung gegeben mit der Erklärung, daß der Empfänger davon ein Haus zu bauen, oder ein Landgut zu kaufen habe, so gilt dieses gewoͤhnlich als bloßer Ausdruck eines Rathes oder Wun- sches, auch wohl blos um die Veranlassung der Gabe zu bezeichnen; eine Verpflichtung ist dann nur unter solchen Umständen anzunehmen, welche die darauf gerichtete Ab- sicht besonders wahrscheinlich machen L. 13 § 2 de don. int. vir. (24. 1.), L. 71 pr. de cond. (35. 1.), L. 2 § 7 de don. (39. 5.). . L. 71 § 1 de cond. (35. 1.), L. 2 § 7 de don. (39. 5.), L. 44 de man. test. (40. 4.). §. 129. Modus. (Fortsetzung.) §. 129. III. Willenserklärungen. — Modus . (Fortsetzung.) Es ist nunmehr anzugeben, durch welche Mittel der in dem Modus enthaltene Wille eines Gebers zur Ausführung gebracht wird. 1) Ist ein einziger Erbe eingesetzt, und diesem der Modus auferlegt, so kann von einer Obligation nicht die Rede seyn, weil ihm kein Creditor gegenüber steht. Hier übernimmt die Obrigkeit den Zwang gegen den Erben, theils durch außerordentliche Zwangsmittel, theils indem dem Erben, wenn er Klagen aus der Erbschaft anstellen will, dieselben einstweilen verweigert werden. Sind meh- rere Erben eingesetzt, so kann Jeder den Andern durch die actio familiae herciscundae zur Erfüllung des Modus an- halten L. 7 de ann. leg. (33. 1.) „interventu judicis,” L. 50 § 1 de her. pet. (5. 3.) „principali aut pontificali auctoritate,” L. 8 § 6 de cond. inst. (28. 7.) (s. o. §. 123. s. t. ), L. 1 § 3 ubi pup. (27. 2.). . 2) Ist der Modus einem Legatar oder Fideicommissar vorgeschrieben, so nimmt die Verpflichtung die Gestalt ei- ner Obligation an, indem nun der Erbe die Stelle des Verstorbenen vertritt, und für die Ausführung des Willens zu sorgen hat. Dieses geschieht regelmäßig dadurch, daß die Entrichtung des Legats so lange, vermittelst einer doli exceptio, verweigert wird, bis der Legatar für die Erfül- lung des Modus Caution gestellt hat L. 40 § 5, L. 71 pr. § 1. 2, . Ist der Legatar Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. durch Zufall bereits in den Besitz des Legats gekommen, so kann es der Erbe zurück fordern, um dann jene Cau- tion zu erzwingen L 21 § 3 de ann. leg. (33. 1.), L. 17 de usu leg. (33. 2.), L. 25 C. de leg. (6. 37.). . Ein eigenes Interesse an der Er- füllung braucht der Erbe nicht nachzuweisen, der Wille des Erblassers ist als sein wohlbegründetes Interesse zu betrachten L. 19 de leg 3 (32 un.). . Außerdem kann aber auch dem Legatar gegenüber ein obrigkeitlicher Zwang eintreten, unabhängig von dem er- wähnten Rechte des Erben L. 92 de cond. (35. 1.) „ex auctoritate D. Severi eman- cipare eos compulsus est.” Vgl. über den in dieser Stelle vorkom- menden Fall auch L. 15 C. de fideic. (6. 42.). . 3) Bey der testamentarischen Freylassung erfolgt die Freyheit von selbst, so daß also hier ein Zwang durch verweigerte Klage nicht möglich ist. Daher wurde hier die Erfüllung des Modus durch die Obrigkeit unmittelbar erzwungen L. 44 de man. test. (40. 4.), „officio judicis,” L. 17 § 2 eod. . 4) Bezieht sich der Modus auf eine Schenkung, so ist der Zwang zur Erfüllung so eigenthümlicher Art, daß er nur im Zusammenhang mit dem ganzen Recht der Schen- kung dargestellt werden kann (§ 175). Ferner kann auch in allen oben genannten Fällen der L. 80 de cond. (35. 1.), L. 48 de fid. lib. (40. 5.). — Der bey dem Erben, wie bey dem Lega- tar, öfter vorkommende Ausdruck denegantur actiones geht sowohl auf die officielle Verweigerung von Seiten des Richters (bey dem Erben), als auf die durch des Gegners Widerspruch veran- laßte (bey dem Legatar). §. 129. Modus. (Fortsetzung.) Testator selbst den Modus dadurch mehr sichern, daß er dem Verpflichteten, der ihn nicht erfüllt, eine Strafe an eine öffentliche Kasse androht L. 6 pr. L. 27 de cond. (35. 1.). Die Strafe wird von der dieser Kasse vorgesetzten öf- fentlichen Behörde eingetrieben; bey uns also von der Armenver- waltung, wenn etwa die Strafe an die Armenkasse im Testament gewiesen ist. Dieser Fall ist we- sentlich verschieden von dem le- gatum poenae nomine, und das Verbot dieses letzten bezog sich auf jenen Fall niemals. . Überall aber ist der Modus ähnlichen Beschränkungen unterworfen, wie die Bedingung. Geht er also auf etwas Unsittliches oder Thörichtes, so wird die Erfüllung dessel- ben nicht verlangt L 7 de ann. leg. (33. 1.), L. 113 § 5 de leg. 1 (30. un.). — Die amtliche Einwirkung hö- herer Gewalten, z. B. des Kaisers oder der pontifices (Note a. e ) bezog sich nicht auf den Schutz des Modus überhaupt, der dazu nicht wichtig genug war, sondern auf den besonderen Inhalt des- selben, wenn er etwa auf die Errichtung eines Grabmals gieng, oder auf die Emancipation von Kindern; von diesen Fällen ist in den angeführten Stellen die Rede. . Ist die Erfüllung des Modus auf irgend eine Weise unmöglich, so fällt die Verpflichtung zu demselben hinweg, ohne daß die Erbschaft oder das Legat selbst, woran er geknüpft war, darunter leidet L. 8 § 7 de cond. inst. (28. 7.), L 1 C. de his quae sub modo (6. 45.). Dadurch sind die bey Bedingungen vorkommende Fälle fingirter Erfüllung (§ 119) von selbst absorbirt. ; darin besonders liegt eine wichtige Verschiedenheit von der Bedingung. — Ist die Erfüllung des Modus nicht ganz, sondern nur theil- weise, unmoͤglich oder durch sittliche Gründe verhindert, so wird der mögliche Theil dennoch aufrecht erhalten L. 6 pr. L. 27, L. 37 de cond. (35. 1.), L. 16 de usu et usufr. (33. 2.). . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Besonders merkwürdig ist derjenige Modus, welcher in einer Leistung des Erben oder des Legatars an eine dritte Person besteht Ein solcher kommt mitten unter anderen Arten des Modus, als ihnen völlig gleichartig vor in L. 17 § 4 de cond. (35. 1.). Diesen konnte der Testator, besonders seit Einfuͤhrung der Fideicommisse, dadurch unmittelbar sichern, wenn er dem Dritten, durch die Form eines Legats oder Fideicommisses, ein Klagerecht auf Erfüllung verschafft hätte. Dennoch behandelte man es lange Zeit nicht also, sondern ließ nur die oben erwähnten indirecten Zwangs- mittel eintreten, anstatt dem Dritten, was das Einfachste war, ein Klagerecht zu gestatten. Der Grund davon lag ohne Zweifel blos in der von dem Testator gerade ge- brauchten Formel, und es war gewiß fast immer nicht die Absicht des Testators, sondern ein Formfehler, weshalb der Wille nur unvollkommnen und minder sicheren Schutz erhielt Nämlich das Legat hätte so lauten müssen: do lego, oder damnas esto, das Fideicommiß: fidei committo, rogo, peto, volo ( Gajus II. 249). War keine die- ser Formeln gebraucht, sondern die auferlegte Leistung blos mit ut eingeleitet, so war es ein blo- ßer Modus, und der Dritte hatte keine Klage. Diese Ansicht ist deutlich ausgesprochen in L. 92 de cond. (35. 1.), L. 3 § 5. 6 de leg. praest. (37. 5.), L. 8 § 5 de transact. (2. 15.). — Die Sache ist sehr merkwürdig; die Fideicommisse waren einge- führt als Befreyung von der förmlichen Strenge des alten Ci- vilrechts. Die Römer waren aber so an den Formalismus gewöhnt, daß ihnen auch die Fideicommisse wieder zu einer einengenden Form wurden, zu deren Beseitigung eine neue Anstrengung nöthig war. . Diese Schwierigkeit überwand zuerst K. Se- verus zum Vortheil der Freyheit, indem er den auf Ma- numission gerichteten Modus als eine fideicommissarische § 130. Erklärung des Willens. Förmliche. Freylassung behandelte, und also durch die Fideicommiß- klage des Sklaven schützte. K. Gordian that den letzten Schritt, indem er dasselbe Recht auf den in einem Geben bestehenden Modus anwandte L. 2 C. de his q. sub mado (6. 45). — Aus dieser Entwicklung des Rechts erklärt es sich zugleich, warum die L. 48 de fid. lib. (40. 5.), die blos vom Fall eines Modus handelt, in diesen Dige- stentitel gesetzt worden ist. Vgl. Cujacii obs. XIV. 25, und opp. IX. 857. . Seitdem kann nun von einem Modus, der in einer Leistung an dritte Personen besteht, gar nicht mehr die Rede seyn. Denn ein solcher ist nun, ohne Rücksicht auf die gewählten Ausdrücke, als wahres Legat oder Fideicommiß zu behandeln, und bedarf eines indirecten Schutzes nicht mehr, da der Dritte stets eine Klage auf die Entrichtung hat. §. 130. III. Willenserklärungen. — Erklärung. Förmliche . Die Grundlage jeder Willenserklärung ist das Daseyn des Wollens, welches bisher betrachtet worden ist; unsere Betrachtung muß nun weiter fortschreiten zu der Offenba- rung desselben, wodurch das innere Ereigniß des Wollens in die sichtbare Welt als Erscheinung eintritt; das heißt, wir haben die Erklärung des Willens zu betrachten (§ 104. 114). Diese nun schließt folgende wichtige Gegen- sätze in sich. Sie kann förmlich oder formlos seyn; aus- drücklich oder stillschweigend; wirklich vorhanden, oder fin- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. girt, das heißt vermöge einer Rechtsregel als vorhanden anzusehen. Förmliche Willenserklärungen sind diejenigen, deren Wirksamkeit durch die Beobachtung einer positiv vorge- schriebenen Handlungsweise bedingt ist, die allein als Aus- druck dieses Willens gelten soll; wir nennen sie vorzugs- weise förmlich, weil in ihnen die Form durch positive Rechtsregeln als nothwendig bestimmt ist, anstatt daß sie bey den formlosen der freyen Willkühr der Handelnden über- lassen bleibt. Diese förmlichen Willenserklärungen nehmen vorzüglich im älteren Römischen Recht eine wichtige Stelle ein, und zwar in der besondern Gestalt feyerlicher Hand- lungen, wodurch der eigenthümliche Sinn eines jeden Rechts- verhältnisses symbolisch dargestellt, und so auf sinnliche Weise für die Betheiligten und für Andere zur Anschauung ge- bracht wird. In dieser Art die Rechtsgeschäfte zu behan- deln zeigt sich zunächst ein im Recht thätiger Kunstsinn J. Grimm von der Poe- sie im Recht, Zeitschrift für ge- schichtliche Rechtswissenschaft B. 2 Num. II. ; allein neben dieser ästhetischen Seite der symbolischen Hand- lungen darf auch die praktische nicht übersehen werden. Nichts ist geeigneter, als eine solche symbolische Form, um in dem Handelnden den Zustand gesammelter Besonnenheit zu wecken, der für alle ernsten Geschäfte so wünschenswerth ist. Ferner kommt ein Entschluß über wichtige Dinge sel- ten mit einemmal zur Reife; es pflegt ihm ein Zustand der Unentschiedenheit vorherzugehen, worin die Übergänge §. 130. Erklärung des Willens. Förmliche. allmälig und unmerklich sind, und dessen Unterscheidung von dem vollendeten Wollen eben so schwierig seyn kann, als sie für den später urtheilenden Richter unentbehrlich ist. Jene symbolische Form nun dient als untrügliches Kennzeichen des reifen Entschlusses. Dazu kommen, als untergeordnete Vortheile, die Sicherung des Beweises für den Fall eines künftigen Rechtsstreites, so wie die Öffent- lichkeit, die das neue Rechtsverhältniß durch die symbolische Form erhält, und die in vielen Fällen wünschenswerth und wichtig seyn kann. Nicht als ob Römische Gesetzge- ber (wie etwa der Alles ordnende Romulus) durch die Erwägung dieser Vortheile bewogen worden wären, die symbolischen Handlungen willkührlich zu erfinden und vor- zuschreiben. Wollte ein Gesetzgeber dieses versuchen, so würde er doch nur die ungeschickte Darstellung eines Schau- spiels erzwingen, und jene Vortheile würden ihm unter den Händen meist verschwinden, da sie gerade davon ab- hängen, daß der Handelnde selbst von dem Werth und der Bedeutung der Handlung durchdrungen ist. Vielmehr entstehen solche Formen durch den einer Nation inwohnen- den bewußtlosen Bildungstrieb, in welchem aber das Be- dürfniß der oben beschriebenen heilsamen Folgen wirksam ist. Auch würde es ein großer Irrthum seyn, wenn man das Daseyn solcher symbolischen Handlungen ausschließend im Römischen Recht anerkennen wollte. Dieselben zeigen sich vielmehr bey den verschiedensten Völkerstämmen, und besonders im alten germanischen Recht nehmen sie eine Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sehr wichtige Stelle ein J. Grimm in der angeführten Abhandlung. . Den Römern eigen ist der besondere Beruf, das Recht überhaupt, vorzugsweise vor anderen Nationen, zu einem hohen Grad der Vollendung zu bringen. Wie sich dieses in der späteren wissenschaft- lichen Ausbildung unverkennbar zeigt, so auch in den, ei- nem früheren Zeitalter angehörenden, symbolischen Hand- lungen; sie erscheinen bey ihnen ausgebildeter und fester, als bey anderen Völkern, und sie erhalten sich weit länger in gleichförmig fortdauernder Gestalt. Die Entstehung der symbolischen Rechtsformen fällt überall in diejenige Entwicklungsstufe, in welcher die Phan- tasie vor anderen Geisteskräften mächtig ist. In demselben Maaße, als der reflectirende Verstand seine Oberherrschaft ausbreitet, müssen jene Formen erst lästig erscheinen, dann verkümmern und absterben. So war es auch im Römi- schen Recht, und in dessen neuester Gestalt sind nur noch geringe Überreste vorhanden, von welchen wiederum nur Weniges, fast nur als Erinnerung an längst verschwundene Zeitalter, in das heutige Europa herüber gekommen ist. — Wo aber diese wichtige Veränderung in dem Recht vorgeht, da werden meist andere Formen, durch willkühr- liche Vorschrift der Gesetzgeber, an die Stelle treten. Da- hin gehört die schriftliche Abfassung der Rechtsgeschäfte, und, in höherer Stufe, die Abfassung vor Gericht, vor Notarien, vor Hypothekenbehörden. Die wichtigste und häufigste unter diesen neueren Formen war bey den Rö- §. 130. Erklärung des Willens. Förmliche. mern die gerichtliche Insinuation. Sie bestand darin, daß ein Rechtsgeschäft vor einer städtischen Curie, oder auch vor der Kanzley ( officium ) des Statthalters einer Provinz abgeschlossen, und in das Gerichtsprotokoll ( Acta, Gesta ) wörtlich eingetragen wurde, wovon man dann den Be- theiligten, so oft es nöthig war, beglaubigte Abschriften mittheilte. Es geschah oft ganz willkührlich, blos um einer Handlung mehr Feyerlichkeit oder sicherern Beweis zu ge- ben. Dann wurde es auch bey einigen Handlungen als besondere Form erfordert, namentlich bey Schenkungen, bey der Abfassung von Testamenten, so wie bey der Er- öffnung derselben Savigny Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 1 § 27—29. . Solche willkührlich eingeführte Formen gewähren gleich- falls die oben dargestellten praktischen Vortheile, nur mit dem Unterschied, daß die untergeordneten Folgen der sym- bolischen Handlungen (die Sicherung des Beweises und die Publicität) hier mehr in den Vordergrund treten, wäh- rend die inneren und wesentlichen Vortheile, die bey den symbolischen Handlungen mit ihrer lebendigen Anschaulich- keit zusammenhängen, hier weniger erreicht werden können, wo die Form nur als ein äußeres Gebot erscheint, dem man sich unvermeidlich fügen muß. In dieser Zusammen- stellung übrigens soll nur eine Anerkennung des eigenthüm- lichen Characters verschiedener Zeitalter liegen, der sich in dem Recht wie in anderen Seiten des Völkerlebens offen- bart. Das eine auf Kosten des andern erheben zu wollen, III. 16 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. wäre ein nichtiges Bemühen; jedes hat sein Gutes zu ge- nießen, seine Mängel aber zu tragen, oder, wenn es ver- mag, minder fühlbar zu machen. Am wenigsten kann es die Absicht seyn, die Gesetzgeber zu tadeln, welche durch Einführung neuer Formen dem praktischen Bedürfniß da entgegen kommen, wo die Sinnesart verschwunden ist, in welcher allein die symbolischen Handlungen entstehen, und ein lebendiges Daseyn fortführen koͤnnen. §. 131. III. Willenserklärungen. — Erklärung. Ausdrückliche oder stillschweigende . Die Erklärung kann ferner entweder eine ausdrück- liche , oder eine stillschweigende seyn. Der Wille selbst nämlich, als eine innere Thatsache, kann nur mittelbar, durch eine sinnlich wahrnehmbare Thatsache, erkannt wer- den. Dieses Mittel der Erkenntniß kann nun von zweyer- ley Art seyn. Gewöhnlich hat es nur allein die Bestim- mung, als Kennzeichen des Willens zu dienen; nicht selten aber hat es zunächst eine andere, selbstständige Bestimmung, jedoch so daß es daneben auch den Ausdruck des Willens in sich schließt. Im ersten Fall heißt die Willenserklärung ausdrücklich , im zweyten stillschweigend Neuerlich hat man die Benennungen unmittelbarer und mittelbarer Willenser- klärungen vorgeschlagen; ich ziehe die im Text gebrauchten vor, theils als anschaulicher, theils als üblicher und daher bekannter. Genauer wäre es allerdings, die- jenige die wir stillschweigend zu nennen pflegen, als Einwilli- gung durch Handlungen zu bezeichnen, weil der Ausdruck . §. 131. Erklärung des Willens. Ausdrückliche, stillschweigende. Das Mittel der ausdrücklichen Erklärung kann bestehen in mündlicher Rede, in schriftlicher Rede Beide stehen einander ganz gleich, natürlich mit Ausnahme der förmlichen Rechtsgeschäfte. L. 38 de O. et A. (44. 7.) „.. placuit non minus valere, quod scriptura, quam quod vocibus lingua figuratis significaretur.” , oder auch in bloßen Geberden; so z. B. wenn derjenige, welchem ein bestimmter Vertrag angeboten wird, durch bloßes Zunicken seine Einwilligung ausdrückt L. 21 pr. de leg. 3 (32. un.), L. 1 § 3 de adsign. lib. (38. 4.), L. 52 § 10 de O. et A. (44. 7.), L. 17 de nov. (46. 2.). : oder wenn der Gegen- stand des Vertrags durch Hindeuten mit der Hand be- zeichnet wird L. 6 de reb. cred. (12. 1.), L. 58 pr. de her. inst. (28. 5.). . Nur wird nicht leicht ein ganzes Rechts- geschäft durch bloße Geberden zu Stande kommen, viel- mehr wird dann die Erklärung meist aus Worten und Geberden gemischt seyn Vgl. die Stellen in Note d . . — Die schriftliche Willenser- stillschweigend zu einer Ver- wechslung dieses Falles mit dem des bloßen Schweigens (§ 132) verleiten kann; die Bezeichnung wäre aber wörtlich unbehülflicher, und jene Verwechslung wird durch das Herkömmliche des hier bey- behaltenen Sprachgebrauchs ab- gewendet. — Für ungenau halte ich es, den Unterschied beider Arten davon abhängig zu machen, ob der Wille aus einer äußeren Thatsache mit oder ohne Schluß- folgerungen erkannt werden könne ( Göschen Vorlesungen I. S. 274). Wenn eine undeutlich ge- faßte Vertragsurkunde nur durch künstliche Auslegung, wozu gewiß auch Schlüsse nöthig sind, ver- standen werden kann, so ist sie darum nicht weniger eine aus- drückliche Willenserklärung. Auch darin kann, streng genommen, der Unterschied nicht gesetzt wer- den, daß bey der einen Art durch Worte, bey der anderen ohne Worte, der Wille erklärt werde; denn es kann auch eine stillschwei- gende Erklärung in bloßen Wor- ten enthalten seyn, wenn diese Worte zunächst einen andern Zweck haben, als zum Ausdruck gerade dieses Willens zu dienen; davon werden sogleich Beyspiele unter den stillschweigenden Erklärungen vorkommen. Vgl. die Stellen in den Noten q. r. t. 16* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. klärung wird seit dem Mittelalter hauptsächlich durch die eigenhändige Unterschrift des eigenen Namens unter irgend eine, von dem Unterschreibenden oder einem Anderen her- rührende Schrift bewirkt, wodurch er den Inhalt dieser Schrift für seinen Gedanken und Willen erklärt. Wir sind an diese Form, in Briefen, wie in Urkunden über Rechtsgeschäfte, so gewöhnt, daß gewiß Viele glauben, sie verstehe sich von selbst, und es könne darin gar nicht an- ders seyn; den Römern aber war diese Form fremd, und sie ist bey ihnen erst spät und in sehr beschränkten Anwen- dungen eingeführt worden. Die in Worten enthaltene ausdrückliche Willenserklä- rung ist, eben so wie die Gesetzgebung, einer Auslegung empfänglich, und oft bedürftig Ein Unterschied zwischen beiden liegt allerdings darin, daß das Gesetz als einzelnes Element des in dem positiven Recht ent- haltenen großen Ganzen weit all- gemeiner Gegenstand einer kunst- mäßigen Behandlung seyn kann und muß, als das völlig verein- zelt stehende Rechtsgeschäft. Von diesem kann man daher mit mehr Wahrheit sagen, als von dem Gesetz, daß es nur unter Vor- aussetzung der Dunkelheit, also eines zufälligen und mangelhaften Zustandes, der Auslegung bedarf (vgl. § 50). . Die allgemeinsten Prin- cipien der Gesetzauslegung (§ 32—37) kommen auch hier insofern zur Anwendung, als in beiden Fällen der Zweck nur darauf gerichtet seyn kann, den in dem todten Buch- staben niedergelegten lebendigen Gedanken vor unsrer Be- trachtung wieder entstehen zu lassen. Auch darin kommen beide Fälle überein, daß die Römischen Juristen für die Behandlung derselben zwar eine Fülle belehrender Bey- §. 131. Erklärung des Willens. Ausdrückliche, stillschweigende. spiele, daneben aber sehr unzureichende und nur mit Vor- sicht anzuwendende allgemeine Regeln aufgestellt haben. Hier in das Einzelne dieser Regeln einzugehen, würde nicht räthlich seyn, da sie mit der Eigenthümlichkeit der Verträge und der Testamente dergestalt in Verbindung stehen, daß sie nur im Zusammenhang des Obligationen- rechts und des Erbrechts zweckmäßig dargestellt werden können. Die stillschweigende Erklärung des Willens besteht in solchen Handlungen, die zwar selbstständige Zwecke haben, zugleich aber als Mittel für die Erkenntniß des Willens dienen. Sollen sie dafür gelten, so muß ein sicherer Schluß möglich seyn von der vorgenommenen Handlung auf das Daseyn des Willens Die Neueren drücken das so aus: es müssen facta conclu- dentia seyn. . Die Annahme einer stillschwei- genden Erklärung beruht also stets auf einer wirklichen Beurtheilung der einzelnen Handlung, mit Rücksicht auf alle Umstände, von welchen sie begleitet ist, und diese Be- urtheilung nimmt hier dieselbe Stelle ein, wie bey der ausdrücklichen die Auslegung der gebrauchten Worte. Nicht selten wird die Handlung für sich allein gar nicht als Willenserklärung gelten können, sondern es wird dazu der positiven Mitwirkung äußerer Umstände bedürfen; aber auch wo aus ihr allein ein Schluß auf den Willen in der Regel wohlbegründet seyn mag, kann derselbe dennoch durch entgegenwirkende Umstände entkräftet werden. Diese Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. werden oft ganz individueller Natur seyn, also lediglich in dem besondern Hergang eben dieser einzelnen Handlung liegen; sie können aber auch einen allgemeineren Charakter an sich tragen, so daß sie sich auf gemeinsame Regeln zu- rückführen lassen. So wird die Wirksamkeit einer Hand- lung als stillschweigender Willenserklärung vor Allem ent- kräftet durch eine ausdrückliche Gegenerklärung, welche Protestation oder Reservation genannt wird Protestation ist der all- gemeinere Ausdruck; Reserva- tion wird von dem besonderen Fall gebraucht, worin wir uns gegen die Annahme der stillschwei- genden Verzichtung auf ein Recht durch ausdrückliche Gegenerklä- rung verwahren. . Ferner wenn die Handlung eine erzwungene ist, weil nun der Handelnde nicht die Absicht gehabt hat, seinen Willen auszudrücken, sondern sich nur dem gedrohten Übel entzie- hen wollte. Endlich auch wenn die Handlung auf einem solchen Irrthum beruht, daß sie um seinetwillen nicht als Ausdruck jenes Willens gelten kann Vgl. Beylage VIII. Num. XII., worin dieses Hinderniß stillschweigender Willenserklärung ausführlich dargestellt, und zu- gleich in gehörige Gränzen ein- geschlossen ist. . Alle diese Regeln werden durch folgende in unsren Rechts- quellen vorkommende Anwendungen anschaulich werden. Wenn der Gläubiger seinem Schuldner den Schuld- schein einhändigt Ist der Schuldner auf an- dere Weise, als durch des Gläu- bigers Willen, in Besitz des Schuldscheins gekommen, so ent- steht dadurch gar keine dem Gläu- biger nachtheilige Vermuthung. L. 15 C. de sol. (8. 43.). , so kann diese Handlung nach Um- ständen ganz verschiedene Bedeutungen haben. Sie kann §. 131. Erklärung des Willens. Ausdrückliche, stillschweigende. gelten als stillschweigender Erlaß der Schuld L. 2 § 1 de pactis (2. 14.), L. 7 C. de remiss. pign. (8. 26.). , besonders wenn etwa der Schuldner vorher um Erlaß gebeten hatte; sie kann die Zahlung der Schuld wahrscheinlich machen, wenn auch nicht vollständig beweisen L. 14 C. de sol. (8. 43.) In diesem Fall liegt in der Rück- gabe des Scheins ein Anerkennt- niß der empfangenen Zahlung, oder eine stillschweigende Quit- tung. ; sie kann aber auch zu ganz anderen Zwecken geschehen seyn; z. B. weil der Schuldner Abschrift davon zu nehmen wünschte. — Auf ähnliche Weise wird das Durchstreichen des Schuld- scheins, nach Umständen, bald als Beweis der Zahlung L. 24 de prob , (22. 3.). , bald als stillschweigender Erlaß gelten können. — Wenn derjenige, dem eine Erbschaft angefallen ist, Geschäfte, die zu derselben gehoͤren besorgt, so liegt in dieser pro herede gestio in der Regel eine stillschweigende Antretung der Erbschaft § 7 J. de her. qual. (2. 19.), L. 20 pr. § 1 de adqu. her. (29. 2.), Gajus II. § 166. 167, Ulpian . XXII. § 25. 26. . Es kann aber diese Deutung einer solchen Handlung ausgeschlossen werden, theils durch eine aus- drückliche Gegenerklärung, theils durch Irrthum, theils durch erweisliche andere Absichten L. 20 pr. § 1 de adqu. her. (29. 2.), L. 14 § 7. 8 de relig. (11. 7.). . — Die freywillige Einlassung vor einem incompetenten Richter gilt als still- schweigende Prorogation; jedoch wird durch Irrthum über die Gerichtsbarkeit diese Wirkung der Einlassung ausge- schlossen L. 1 L. 2 pr. de jud. (5. 1.), L. 15 de jurisd. (2. 1.). . — Wer den Prozeß, den ein Anderer ohne Auftrag für ihn führte, selbst fortführt, genehmigt dadurch Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. die von dem Andern bisher vorgenommenen Prozeßhand- lungen L. 5 ratam rem. (46. 8.). . — Wenn ein Gläubiger für einen künftigen Zeitraum Zinsen annimmt, so liegt darin das stillschwei- gende Versprechen, bis zum Ablauf dieses Zeitraums das Kapital nicht einzufordern L. 57 pr. de pactis (2. 14.). . — Wenn Jemand eine fremde Sache verpfändet, der Eigenthümer aber die Pfand- urkunde unterschreibt, so liegt darin eine stillschweigende Einwilligung in die Verpfändung L. 26 § 1 de pign. (20. 1.). . — Wenn ein Mit- erbe alle Grundstücke der Erbschaft verkauft, die übrigen Miterben aber nicht nur gegenwärtig sind ohne zu wider- sprechen, sondern auch ihren Theil am Kaufgeld in Em- pfang nehmen, so sind sie als stillschweigende Verkäufer ihres Antheils zu betrachten L. 12 de evict. (21. 2.). . §. 132. III. Willenserklärungen. — Erklärung. Durch bloßes Schweigen . Das bloße Stillschweigen zu den Handlungen, oder auf die Frage eines Anderen, kann in der Regel nicht als Ein- willigung oder Zugeständniß betrachtet werden L. 142 de R. J. (50. 17.) „Qui tacet, non utique fatetur, sed tamen verum est, eum non negare.” — Wenn also C. 43 de R. J. in VI. sagt: Qui tacet, consentire videtur, so kann das nicht als Regel gelten, sondern darf vielmehr nur auf die hier nachfolgenden Ausnahmen bezo- gen werden. An eine Abänderung des R. R. durch das canonische ist bey einer so abstracten Regel ohnehin nicht zu denken; zum Überfluß aber ist die angeführte Stelle des R. R. als C. 44 de R. J. in VI. unmittelbar hinter . Trägt §. 132. Erklärung des Willens. Durch bloßes Schweigen. mir also ein Anderer einen Vertrag an, und erklärt, daß er mein Schweigen als Einwilligung betrachten werde, so bindet mich dieses dennoch nicht, da Jener kein Recht hat, mich, wenn ich nicht einwillige, zu einem positiven Wider- spruch zu nöthigen. — Von diesem Standpunkt aus sind denn auch die wichtigen Ausnahmen jener Regel zu be- trachten, welche nunmehr zusammengestellt werden sollen. Sie gründen sich stets auf eine vorausgesetzte Pflicht, sich zu erklären, mag nun diese in der besonderen Wichtigkeit des Rechtsverhältnisses ihren Grund haben (besonders bey Familienverhältnissen), oder in dem natürlichen Anspruch des Anderen auf Ehrfurcht, oder in dem Zusammenhang des gegenwärtigen Schweigens mit früheren Willenserklä- rungen. Alle diese Ausnahmen haben eine ganz positive Natur, und es ist unzulässig, sie durch Aufnahme anderer, ähnlicher Fälle vermehren zu wollen. In einigen derselben wird die Auslegung des Schweigens als einer Einwilligung sogar auf den Fall des unmöglichen Wollens ausgedehnt; diese Ausdehnung aber trägt vielmehr die Natur einer fingirten Einwilligung an sich. Wenn der Vater seine Tochter verlobt, so gilt das bloße Schweigen der Tochter als Einwilligung. Eben so, wenn die Tochter sich selbst verlobt, das Schweigen des Vaters L. 12 pr. de sponsal. (23. 1.). — L. 7 § 1 eod. . — Die Adoption im engern Sinne wird gültig schon durch das bloße Schweigen des Adoptir- jene bedenklich lautende Stelle gesetzt worden. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ten L. 5 de adopt. (1. 7.). Darum ist die Adoption eines Kindes ( Infans ) möglich, welches zwar nicht widerspricht, aber auch unfähig ist zum Wollen wie zum Widersprechen; hier ist also die Einwilligung fingirt. . Eben so verhält es sich auch mit der Emancipa- tion Daß hier dasselbe gilt, wie in dem vorhergehenden Fall, er- giebt sich aus L. 5 in f. C. de emanc. (8. 49), verglichen mit Paulus II. 25 § 5. . — Wenn ein Vormund eine anwesende Person als Bürgen benennt, und dieser ohne zu widersprechen die Eintragung in das Gerichtsprotokoll geschehen läßt, so ist er dadurch wirklich Bürge geworden L. 4 § 3 de fidej. et no- min. (27. 7.). . — Die Ehe ei- nes in väterlicher Gewalt stehenden Kindes wird nur durch des Vaters Einwilligung gültig; als Einwilligung aber gilt das bloße Stillschweigen des Vaters, wenn diesem die Ehe bekannt ist Ursprünglich war bey dem Sohn ein ausdrücklicher, und zwar vorhergehender, Consens des Vaters nöthig. pr. J. de nupt. (1. 10); bey der Tochter ließ man auch schon früher das bloße Stillschweigen des Vaters zu. L. 25 C. de nupt. (5. 4.). Aber auch bey dem Sohn wurde in einzelnen Fällen durch kaiserliche Rescripte das Schweigen für ge- nügend erklärt. L. 5 C. de nupt. (5. 4.). Durch die Aufnahme ei- nes solchen Rescripts in den Co- dex ist nun dieser, ohnehin der neueren Begünstigung der Ehe angemessene, Satz zur allgemei- nen Regel erhoben. Die oben aus den Institutionen angeführte Vorschrift des vorhergehenden Consenses ist daher Ausdruck der strengen älteren Regel, und nur aus Versehen aus dem Werk ei- nes alten Juristen in die Com- pilation aufgenommen. . — Der Vater, welcher die Ernen- nung seines Sohnes zum Decurio einer Stadt weiß, und dazu schweigt, wird als einwilligend betrachtet L. 2 pr. ad munic. (50. 1.), L. 1 C. de filiisfam. (10. 60.). . — Wenn eine geschiedene Frau dem Manne ihre Schwan- gerschaft anzeigt, so gilt dessen Schweigen als Anerkennung §. 132. Erklärung des Willens. Durch bloßes Schweigen. des Kindes L. 1 § 4 de agnosc. (25. 3.). . — Wird die Ehe einer filiafamilias aufgelöst, so kann der Vater nur mit Einwilligung der Tochter auf Rückgabe der Dos klagen; jedoch gilt ihr Stillschweigen als Einwilligung L. 2 § 2 sol. matr. (24. 3.). Dieses nun wird dahin ausge- dehnt, daß der Vater ohne Ein- willigung klagen kann, wenn die Tochter wahnsinnig, also zum Widerspruch unfähig ist; hier ist der Consens wiederum ein fin- girter. . — Wenn der Erbe, der durch Testament zur Restitution der Erbschaft verpflichtet ist, die einseitige Be- sitzergreifung des Fideicommissars weiß und dazu schweigt, so gilt dieses als Restitution L. 37 pr. ad Sc. Treb. (36. 1.). . — Das Schweigen des Vaters zu einem Gelddarlehen, welches sein Sohn auf- nimmt, gilt als Einwilligung L. 12. 16 ad Sc. Maced. (14. 6.). . — Eben so das Schwei- gen des Vaters oder Herrn, wenn der Sohn oder Sklave mit dem Peculium Handelsgeschäfte treibt; hier hat die Einwilligung die Folge, daß sich der Vater die für ihn ungünstigere tributoria actio gefallen lassen muß L. 1 § 3 de tribut. act. (14. 4.). . — Der Vermiether, der den Miether nach geendigter Mieth- zeit den Gebrauch der Sache stillschweigend fortsetzen läßt, hat damit den Miethcontract verlängert L. 13 § 11 locati (19. 2.). Von Seiten des Miethers ge- schieht dieses nicht durch bloßes Schweigen, da die Fortsetzung des Gebrauchs eine positive Hand- lung ist. . — Wenn ohne Auftrag des Schuldners Bürgschaft geleistet wird, der Schuldner aber dazu wissentlich schweigt, so gilt die- ses als Mandat L. 6 § 2 mandati (17. 1.), L. 60 de R. J. (50. 17.). . — Das Urtheil eines Schiedsrichters Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. verpflichtet die Parteyen zur Erfüllung des Inhalts nur wenn sie einwilligen; wenn sie jedoch zehen Tage lang nicht widersprechen, so gilt ihr Schweigen als Einwilli- gung L. 5 pr. C. de receptis arb. (2. 56.). . — Wenn eine Anlage auf einem Grundstück dem Nachbar die Gefahr einer Beschädigung durch Regenwasser zuzieht, dieser aber dazu wissentlich schweigt, so willigt er ein durch dieses bloße Schweigen L. 19 de aqua pluvia (39. 3.). . In diesen ausgenommenen Fällen wird das bloße Still- schweigen als Kennzeichen des wirklich vorhandenen Wil- lens angesehen, gerade so wie bey der gewöhnlichen still- schweigenden Willenserklärung (§ 131) die positive Hand- lung. Daher muß auch, aus ähnlichen Gründen wie bey dieser, eine solche Wirkung des Schweigens oft ausge- schlossen werden. Dieses ist zu behaupten, wenn aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles andere Beweg- gründe des Schweigens hervorgehen; ferner wenn der Schweigende durch Zwang oder durch Irrthum zum Schwei- gen bestimmt worden ist. Dagegen würde eine Protestation in diesen Fällen gar nicht denkbar seyn, indem diese stets in einer ausdrücklichen Erklärung besteht, durch eine solche aber der Fall des bloßen Stillschweigens gänzlich ausge- schlossen wird. §. 133. Erklärung des Willens. Fingirte. §. 133. III. Willenserklärungen. — Erklärung. Fingirte . Alle bisher dargestellten Fälle der Willenserklärung kommen darin überein, daß wir den durch sie offenbarten Willen als eine wirklich vorhandene Thatsache annehmen, wie verschieden auch unsere Beweggründe zu dieser An- nahme seyn mögen. Daneben aber giebt es auch wichtige Fälle, welchen eine positive Rechtsregel die Kraft einer Willenserklärung beylegt, ohne daß deshalb der Wille als Thatsache behauptet werden kann; ich bezeichne diese als fingirte Erklärung. Allerdings liegt bey mehreren Fäl- len dieser Art eine allgemeine Wahrscheinlichkeit des Wil- lens zum Grunde, den man daher einen vermutheten oder präsumtiven nennen könnte; allein in anderen Fällen läßt sich auch diese Wahrscheinlichkeit nicht behaupten, die Gränze zwischen jenen und diesen ist schwankend, und in jedem Fall die Unterscheidung derselben unfruchtbar Es wäre den Worten nicht unangemessen, diesen Unterschied durch die Ausdrücke praesumtus und fictus zu bezeichnen. Vgl. Hofacker I. § 183 — 185; die Gründe, warum ich diesen Sprach- gebrauch verwerfe, sind im Text angegeben. — Andere brauchen dieselben Ausdrücke, um die Zu- lässigkeit oder Unzulässigkeit des Gegenbeweises auszudrücken. So Mühlenbruch I. § 98. — Die von mir angewendete Bezeichnung wird, als die einfachste, am we- nigsten Misverständnisse veran- lassen. Der schwankende Ausdruck praesumtus consensus, der an sich auch für die stillschweigende Erklärung gebraucht werden könn- te, wird dann ganz beseitigt. . Die gänzliche Verschiedenheit von der stillschweigenden Willenserklärung, die stets eine wirkliche ist, zeigt sich Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. darin, daß manche hierher gehörende Fälle gar nicht auf einer einzelnen Handlung beruhen, die etwa als Zeichen des Willens interpretirt werden könnte, sondern auf einem allgemeinen, bleibenden persönlichen Verhältniß: ferner daß diese Fiction in mehreren Fällen zur Anwendung kommt, worin der wirkliche Wille nicht einmal möglich ist. Eine fingirte Willenserklärung kommt in folgenden Fäl- len vor. Ist für einen Abwesenden ein Rechtsstreit zu führen, so dürfen für ihn seine Kinder, Eltern, Brüder, Schwäger, Freygelassene als fingirte Procuratoren auf- treten; desgleichen der Mann für seine Frau L. 35 pr. de proc. (3. 3.), L. 21 C. eod. (2. 13.). . — Eben dahin gehören sämmtliche Fälle des sogenannten stillschwei- genden Pfandrechts. Es würde ganz unrichtig seyn anzu- nehmen, in jedem Rechtsgeschäft, woran ein solches ge- knüpft ist, sey der Wille des Schuldners, gewisse Sachen zu verpfänden, auch wirklich enthalten. Wenn z. B. Je- mand eine Wohnung miethet, oder ein Landgut pachtet, so wird er, wenn er nicht zufällig Rechtsgelehrter ist, schwerlich daran denken, daß seine Mobilien oder seine Feldfrüchte mit einem Pfandrechte behaftet werden; es ge- schieht kraft einer Rechtsregel, welche dieses Pfandrecht als natürlich, billig und zweckmäßig voraussetzt Zweifel könnte hieran er- regen der Ausdruck pignus tacite contrahitur, den man als Aner- kenntniß einer stillschweigenden Willenserklärung ansehen könnte. Allein ein solcher Ausdruck würde in keinem Fall entscheidend seyn; am wenigsten ist er es hier, da L. 4 pr. in quib. causis pign. (20. 2.) sagt: „ quasi id tacite convenerit,” und L. 6 pr. eod. „tacite intelliguntur pignori . — §. 133. Erklärung des Willens. Fingirte. Ferner gehört dahin die Einwilligung des Pfandgläubigers in die Veräußerung oder neue Verpfändung der Sache, welche stets so ausgelegt wird, als wäre darin die frey- willige Aufhebung des eigenen Pfandrechts, oder wenig- stens die Einräumung des Vorzugs an den neuen Gläu- biger enthalten L. 4 § 1 L 7 pr. quibus modis pign. (20. 6.). — L. 12 § 4 qui potiores (20. 4.). — Hier könnte man noch zweifeln, ob nicht vielmehr eine stillschwei- gende Willenserklärung in jenen Einwilligungen angenommen wer- de. Dagegen ist aber zu bedenken, daß diese Regeln als schlechthin geltend aufgestellt werden, obgleich man in vielen Fällen nicht wird behaupten können, daß sich der Gläubiger gerade diesen Erfolg seiner Einwilligung bestimmt ge- dacht habe. . — Endlich auch diejenigen Fälle des als Einwilligung geltenden bloßen Stillschweigens, worin in der That weder Einwilligung noch Widerspruch möglich ist; so bey der Adoption oder Emancipation Desjenigen, der noch in dem Kindesalter steht, ferner bey der wahn- sinnigen Tochter, deren Vater ihre Dos nach aufgelöster Ehe zurückfordern will (§ 132. c. d. i. ). Da in diesen Fällen der Wille gar nicht als Thatsache angenommen wird, so daß wir dabey kein der Auslegung ähnliches Verfahren anzuwenden haben, so kann es auch nicht auf individuelle Umstände ankommen, wodurch bey der stillschweigenden Willenserklärung die Wahrscheinlich- keit erhöht oder vermindert werden kann (§ 131). Eben so wird hier der Zwang oder Irrthum nicht auf ähnliche Weise, wie bey der stillschweigenden Willenserklärung hin- esse,” welches gerade die eigent- lichsten Bezeichnungen einer Fic- tion sind. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dernd einwirken Wenn der Miether durch Drohungen zu dem Contract ge- zwungen wird, so ist dieser in jeder Beziehung unwirksam, also auch in Beziehung auf das Pfand- recht; es läßt sich aber nicht be- haupten, daß die Drohung den stillschweigend erklärten Willen der Verpfändung ausschließe, denn ein solcher Wille ist überhaupt nicht vorhanden. . Nur die ausdrückliche Gegenerklärung, das heißt die Protestation, soll in der Regel die Fiction ausschließen. Dieses ist ausdrücklich anerkannt bey der Prozeßführung durch nahe Verwandte u. s. w., wenn der entgegengesetzte Wille des Abwesenden dargethan werden kann L. 40 § 4 de proc. (3. 3.) „.. non exigimus, ut habeant voluntatem vel mandatum, sed ne contraria voluntas probe- tur ” … . — Eben so auch bey der Einwilligung des Pfand- gläubigers in den Verkauf der verpfändeten Sache L. 4 § 1 quibus modis pign. (20. 6.). . — Es hat ferner durchaus keinen Zweifel in den meisten Fäl- len des stillschweigenden Pfandrechts. Wenn also Jemand ein Haus miethet oder ein Landgut pachtet, wenn der Fiscus einen Vertrag schließt, wenn einem Ehemann eine Dos versprochen wird, so kann zuverlässig durch einen Nebenvertrag die Entstehung des stillschweigenden Pfand- rechts ausgeschlossen werden. Dagegen giebt es allerdings einige ausgenommene Fälle, in welchen eine solche Protestation entweder undenkbar, oder nach positiven Rechtsregeln unzulässig ist. Undenkbar ist sie bey der Adoption oder Emancipation im Kindesalter, so wie bey der Klage auf die Dos der wahnsinnigen Toch- ter, weil nämlich Kinder und Wahnsinnige überhaupt nicht wollen können. — Unzulässig ist sie bey dem stillschwei- §. 134. Erklärung ohne Willen. Absichtliche. genden Pfandrecht, welches die Frau am Vermögen des Mannes wegen Rückgabe der Dos hat. Denn wollte die Frau diesem Pfandrecht entsagen, so würde sie dadurch ihre rechtliche Lage in Beziehung auf die Dos ungünstiger stellen, welches, wenn es nicht mit Ruͤcksicht auf Kinder dieser Ehe geschieht, überhaupt unwirksam ist L. 1 § 1 de dote praeleg. (33. 4.), L. 17 de pactis dotal. (23. 4.). . — Eben so ist die Protestation unzulässig bey dem stillschweigenden Pfandrecht, welches der Unmündige und der Minderjährige am Vermoͤgen des Vormundes hat. Denn die Übernahme der Vormundschaft, welche den Grund jenes Pfandrechts enthält, geschieht weder durch Vertrag, noch überhaupt durch die Willkühr des Vormunds. Er selbst kann also durch seinen Willen weder diese Übernahme verhindern, noch die durch Rechtsregeln daran geknüpften Folgen ver- ändern; eben so aber steht auch ihm gegenüber Niemand, der durch seinen Willen dieses zu bewirken fähig wäre. §. 134. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Willen. Absichtliche. Bisher ist die Willenserklärung nach ihren beiden Be- standtheilen betrachtet worden, dem Willen an sich (§ 114 — 129), und der Erklärung desselben (§ 130—133); es bleibt noch übrig, von der Übereinstimmung beider Stücke, III. 17 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. oder von ihrer Verbindung zu einem Ganzen zu reden. Jedoch ist dieses nicht so zu verstehen, als ob beide ihrer Natur nach von einander unabhängig wären, etwa wie der Wille Eines Menschen von dem eines Anderen, deren Übereinstimmung in der That ganz zufällig ist; vielmehr sind sie schon ihrem Wesen nach als verbunden zu denken. Denn eigentlich muß der Wille an sich als das einzig Wichtige und Wirksame gedacht werden, und nur weil er ein inneres, unsichtbares Ereigniß ist, bedürfen wir eines Zeichens, woran er von Anderen erkannt werden könne, und dieses Zeichen, wodurch sich der Wille offenbart, ist eben die Erklärung. Daraus folgt aber, daß die Über- einstimmung des Willens mit der Erklärung nicht etwas Zufälliges, sondern ihr naturgemäßes Verhältniß ist. Allein es läßt sich eine Störung dieses natürlichen Ver- hältnisses denken. Dann entsteht ein Widerspruch zwischen dem Willen und der Erklärung, aus dieser geht der fal- sche Schein des Willens hervor, und das ist es, was ich die Erklärung ohne Willen nenne. Nun beruht aber alle Rechtsordnung gerade auf der Zuverlässigkeit jener Zeichen, wodurch allein Menschen mit Menschen in eine lebendige Wechselwirkung treten können. Daher darf die erwähnte Störung nicht angenommen wer- den in dem einfachsten dafür denkbaren Fall, wenn näm- lich Derjenige, welcher Etwas als seinen Willen erklärt, heimlich den entgegengesetzten Willen hat, mag er sich auch darüber anderwärts (etwa schriftlich, oder vor Zeu- §. 134. Erklärung ohne Willen. Absichtliche. gen) deutlich ausgesprochen haben Eine solche reservatio men- talis, verbunden mit einem an- genommenen falschen Namen, wird vorausgesetzt in C. 26 X. de spons. (4. 1.); in dem beson- deren Fall dieser Stelle wird ihr sogar seltsamerweise Wirkung zu- geschrieben, woraus aber gewiß Niemand geneigt seyn wird ein Rechtsprincip zu bilden. Vergl. Böhmer Jus eccl. Prot. Lib. 4 Tit. 1 § 142. . Demnach darf ein Widerspruch zwischen dem Willen und der Erklärung nur angenommen werden, insofern er für den, welcher mit dem Handelnden in unmittelbare Berührung kommt, erkennbar ist oder wird, also unabhängig bleibt von dem bloßen Gedanken des Handelnden. Dieses kann geschehen auf zweyerley Weise. Erstlich mit dem Bewußtseyn des Handelnden, indem Dasjenige, was sonst als Zeichen des Willens dient, in diesem einzelnen Fall erweislich einen anderen Zweck hat. Zweytens ohne dessen Bewußtseyn, indem derselbe in einem solchen Irrthum befangen ist, wo- durch der Wille selbst ausgeschlossen, und der bloße Schein des Willens hervorgebracht wird. Ich nenne jenes die absichtliche , dieses die unabsichtliche Erklärung ohne Willen. Die absichtliche Erklärung ohne Willen macht für die allgemeine Betrachtung wenig Schwierigkeit, und nur die Anwendung kann zuweilen durch zweifelhafte Thatsa- chen schwierig werden. Die wichtigsten Fälle derselben möchten folgende seyn. Worte, die an sich auch den vollendeten Willen aus- zudrücken fähig sind, können gebraucht seyn als Ausdruck des unentschiedenen Zustandes (§ 130), der nur erst auf 17* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dem Wege war, künftig in einen wahren Willen über- zugehen L. 24 de test. mil. (29. 1.). Soldaten können bekanntlich ohne alle Form testiren. Darüber heißt es hier: „Id privilegium sic in- telligi debet … ut utique prius constare debeat, testamentum factum esse … Ceterum si, ut plerumque sermonibus fieri so- let, dixit alicui, Ego te here- dem facio : aut, Tibi bona mea relinquo: non oportet hoc pro testamento observari … et per hoc judicia vera subvertuntur.” Hier, wie in den übrigen Fällen dieser Art, kommt es theils auf die Auslegung der Worte an (§ 131), theils auf den Zusam- menhang derselben mit allen um- gebenden Ereignissen. . Dieselben Worte, welche gewöhnlich bey einem Rechts- geschäft angewendet werden, können zum Scherz gebraucht seyn, oder als Übung bey dem Unterricht in einer Sprache oder im Recht L. 3 § 2 de V. O. (45. 1.). „Verborum quoque obligatio constat, si inter contrahentes id agatur: nec enim, si per jo- cum puta, vel demonstrandi in- tellectus causa, ego tibi dixero: Spondes? et tu responderis, Spondeo: nascetur obligatio. War es so bey der Stipulation, wie viel mehr bey anderen Con- tracten, in welchen der Buch- stabe weit mehr der Absicht un- tergeordnet blieb. , oder bey einer dramatischen Darstellung. Sie können ferner gebraucht seyn bey einem wirklichen Rechtsgeschäft, aber in einer blos symbolischen Bedeu- tung, so daß der unmittelbare Wortsinn ganz unwirksam bleibt. So erhielt bey dem Römischen Testament der fa- miliae emtor keine Rechte Gajus II. § 103. . Die Worte eines Kauf- contracts wurden bey der Mancipation, und in manchen anderen Fällen Gajus II. § 252, L. 66 de j. dot. (23. 3.). , blos symbolisch gebraucht, und bey ei- ner älteren Form der Vindication wurde eine sponsio prae- judicialis von Fünf und Zwanzig Sesterzen geschlossen, die §. 134. Erklärung ohne Willen. Absichtliche. blos den Prozeß reguliren sollte, und niemals eingeklagt wurde Gajus IV. § 93. 94. . Wird ein Rechtsgeschäft durch Drohungen herbeyge- führt, so ist dasselbe darum nicht minder vorhanden und an sich wirksam, aber der Bedrohte wird gegen die nach- theiligen Folgen desselben durch mancherley Anstalten des positiven Rechts geschützt (§ 114). Ganz anders wenn die Drohung angewendet wird, nicht um den Willen selbst, sondern um das bloße Zeichen des Willens hervorzubrin- gen, z. B. wenn Einer durch Drohungen bestimmt wird, seinen Namen unter eine Urkunde, die er nicht einmal ge- lesen hat, zu schreiben (§ 131). Hier ist es einleuchtend, daß kein Wille vorhanden seyn konnte, da er den Inhalt der Urkunde nicht kannte: es war also das bloße Zeichen des Willens vorhanden, welches nicht den Zweck hatte, den Willen zu erklären, sondern nur das gedrohte Ubel abzuwenden Die Unterscheidung beider Fälle im allgemeinen Begriff ist unzweifelhaft, in der Anwendung kann es ungewiß seyn, wohin der einzelne Fall zu rechnen ist, da die Gränzen in einander laufen. Erheblich wird der Zweifel nicht seyn, da die praktische Behand- lung des gar nicht vorhandenen und die des erzwungnen Ver- trags nicht sehr verschieden aus- fallen kann. — Gar nicht dahin gehört der Fall, wenn Einem mit absoluter Gewalt die Hand zur Unterschrift geführt wird. Hier handelt er gar nicht, eben so wie wenn ein Anderer seine Schrift- züge nachmacht; es ist also über- haupt keine von ihm ausgehende Erklärung vorhanden, deren Wi- derspruch mit seinem Willen be- merkt werden könnte. . Endlich gehört dahin auch der, oft allein erwähnte, Fall der Simulation . Darunter wird eine gemein- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. schaftliche Willenserklärung Mehrerer verstanden, die dar- über einverstanden sind, ihren Erklärungen eine andere als die gewöhnliche Bedeutung zu geben Hierauf bezieht sich der Titel des Codex: Plus valere quod agitur, quam quod simu- late concipitur (IV. 22.). — In den meisten Fällen dieser Art wird eine schlechte, unredliche Absicht zum Grunde liegen, keinesweges in allen Fällen. . Der allge- meine Grundsatz geht nun dahin, daß die wahre Mey- nung gelten soll, nicht die aus den Worten hervorgehende scheinbare L. 1 C. tit. cit. . Es kommt dieses vor in folgenden verschie- denen Anwendungen: 1) Wenn überhaupt gar kein Rechtsgeschäft gewollt wird, obgleich die Worte auf ein solches lauten L. 54 de O. et A. (44. 7.), L. 55 de contr. emt. (18. 1.), L. 4 § 5 de in diem addict. (18. 2.), L. 30 de ritu nupt. (23. 2.), L. 1 C. de don. ante nupt. (5. 3.), L. 20 C. de don. int. vir. (5. 16.), L. 3 C. de repud. (5. 17.). . 2) Wenn ein anderes, als das wörtlich ausgespro- chene, Rechtsgeschäft gewollt wird L. 36. 38 de contr. emt. (18. 1.), L. 14 pr. de in diem addict. (18. 2.), L. 46 loc. (19. 2.), L. 5 § 5 L. 7 § 6 de don. int. vir. (24. 1.), L. 3 C. tit. cit., L. 3 C. de contr. emt. (4. 38.). — In einigen dieser Stellen bleibt es zweifelhaft, ob von einer Si- mulation, oder von der irrigen Benennung eines Rechtsgeschäfts die Rede ist; eben so wird dieses in einzelnen Fällen der Anwen- dung zweifelhaft seyn können. Da indessen unter beiden Voraus- setzungen gleiche Wirkung eintritt, so kommt es hierauf nicht an. . 3) Wenn andere Personen Träger des Rechtsverhält- nisses seyn sollen, als worauf die Worte der Willenser- klärung lauten L. 2. 4 C. tit. cit., L. 5. 6 C. si quis alteri vel sibi (4. 50.), L. 16 C. de don. int. vir. (5. 16.). . Wie verschieden auch die hier zusammen gestellten Fälle §. 135. Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. seyn mögen, so bewährt sich doch in allen der oben be- merkte gemeinschaftliche Character, daß der Widerspruch zwischen dem Willen und der Erklärung nicht in dem blo- ßen Gedanken des Handelnden eingeschlossen ist, sondern von Denen, welche mit ihm in unmittelbare Berührung kommen, erkannt werden kann. §. 135. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche Von diesem Fall im All- gemeinen handelt H. Richel- mann , der Einfluß des Irr- thums auf Verträge. Hanno- ver 1837. Die unabsichtliche Erklärung ohne Willen beruht darauf, daß der Handelnde ein gültiges Rechtsgeschäft einzugehen glaubt, in der That aber Dasjenige, was zu einem solchen nöthig wäre, nicht will. Sie ist also stets von einem Irrthum begleitet, aber dieser ist nicht der po- sitive Grund des Schutzes, welcher dem Irrenden gegen Nachtheil gewährt wird, sondern dieser Grund ist ganz negativ, die bloße Abwesenheit des Willens, wodurch allein dieser Nachtheil begründet werden könnte Bey der condictio inde- biti ist der Irrthum der positive Grund für das Recht der Rück- forderung, denn die Zahlung ist eine an sich gültige, wirksame Handlung, die nur ausnahms- weise, und zwar nur des Irr- thums wegen, hinterher entkräf- tet werden kann. — Wenn da- gegen bey dem Kauf eines Hau- ses ein error in corpore zum Grund liegt, so gründet sich Der- jenige, der sich der Contractsklage des Andern entzieht, darauf daß es an einem übereinstimmenden Willen, also an dem Wesen des Vertrags, gänzlich fehlt. Dieser Mangel der Übereinstimmung würde eben so, ja noch unzwei- . Der Irr- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. thum ist also hier Das, was ich anderwärts den unächten Irrthum genannt habe Beyl. VIII. Num. XXXIV. , und diese Unterscheidung hat keinesweges blos das theoretische Interesse klarer und scharf bestimmter Begriffe, sondern es knüpfen sich daran auch praktisch wichtige Folgen. Es folgt daraus, daß hier der Irrende frey von jeder Verbindlichkeit bleibt, ohne Unter- schied ob er diesen Irrthum leicht vermeiden konnte oder nicht In dem oben (Note b ) angeführten Fall hatte vielleicht der Verkäufer deutlich gesagt, welches Haus er verkaufen wolle, und der Käufer hatte ihn blos aus Unbedachtsamkeit hierüber misverstanden. Mag er nun auch deshalb zu tadeln seyn, so hat er doch nicht daran gedacht, das von dem Andern angebotene Haus zu kaufen, ohne diesen Willen aber ist kein Vertrag über dieses Haus, und ohne Vertrag keine Verbind- lichkeit vorhanden. . Es ist jedoch dieser Irrthum nicht etwa hier für minder wichtig zu halten, als in anderen Fällen der ächte Irrthum, er ist es nur auf andere Weise; er ist wichtig, insoferne wir aus ihm erkennen, daß der Wille, welcher nach der Erklärung angenommen werden müßte, in der That nicht vorhanden ist (§ 134), weshalb auch die rechtlichen Folgen desselben nicht eintreten können. Die Schwierigkeit des hier darzustellenden Falles liegt hauptsächlich darin, daß er in sehr mannichfaltigen Ge- stalten vorkommt, und ich will es daher versuchen, vor Allem diese Verschiedenheiten übersichtlich anzugeben. Sie felhafter, die Entstehung einer Obligation verhindern, wenn beide Personen das Bewußtseyn dieses Mangels hätten; jetzt, da sie sich hierüber einige Zeit ge- täuscht haben, soll dieser Irr- thum nur Nichts ändern. Der Irrthum ist also augenscheinlich nicht der Grund, weshalb die Obligation nicht entsteht, da die- selbe ohne ihn eben so wenig ent- standen wäre. §. 135. Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. beziehen sich sowohl auf das irrende Subject, als auf den Gegenstand des Irrthums. Was das irrende Subject betrifft, so sind zwey Haupt- fälle möglich: A. Der Wille eines Einzelnen steht im Widerspruch mit der Erklärung desselben Einzelnen. Dieses kann ferner vorkommen bey einer einseitigen Willenserklärung; wenn z. B. der Testator, durch Ver- wechslung von Personen, einen Erben oder Legatar ernennt, den er nicht will, oder, durch Verwechslung von Sachen, eine Sache legirt, anstatt daß er eine andere Sache legi- ren wollte. Eben so aber auch bey einer gegenseitigen Willenser- klärung; entweder so, daß der Eine allein irrt So z. B. es kauft Jemand ein vergoldetes Gefäß, das er für ein goldnes hält, während der Verkäufer weiß, daß es nur ver- goldet ist. Hier ist ferner mög- lich, daß der Verkäufer den Irr- thum des Käufers kennt, oder daß er ihn nicht kennt. , oder auch so daß Jeder derselben irrt So z. B. wenn der Käu- fer und Verkäufer zugleich das vergoldete Gefäß für ein goldnes halten. . B. Der Wille jedes Einzelnen stimmt mit dessen Erklä- rung überein, so daß also Jeder für sich etwas Bestimm- tes und Wahres denkt und erklärt, aber etwas von dem Gedanken des Andern Verschiedenes. Hier irrt also jeder Einzelne blos über den Willen und die Erklärung des Andern, und nur wenn wir Beide als ein gemeinschaftlich wollendes Subject künstlich zusammenfassen, können wir Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. auch hier einen Irrthum annehmen, wodurch dieser Fall mit den vorhin angegebenen Fällen gleichartig wird Je nachdem wir den einen oder den anderen Standpunkt der Betrachtung wählen, können wir diesen Fall als dissensus in cor- pore oder als error in corpore bezeichnen. Beide Ausdrücke sind also an sich richtig, und bezeich- nen nur den Begriff von ver- schiedenen Seiten; beide sind aber auch quellenmäßig, und werden von den alten Juristen abwechs- lend gebraucht. Vergl. L. 9 pr. § 2 de contr. emt. (18. 1.), L. 57 de O. et A. (44. 7.), L. 4 pr. de leg. 1 (30. un.). — Der Grund des Misverständnisses wird hier meist darin liegen, daß die Er- klärung von jeder Seite durch Un- bestimmtheit zweydeutig war. . Wäre nun für jeden dieser Fälle eine besondere Regel aufzusuchen, und zugleich für jede Stelle des Römischen Rechts genau anzugeben, welcher unter jenen Fällen dem alten Juristen vorgeschwebt habe, so wäre unsre Aufgabe mißlich genug. Glücklicherweise aber verhält sich die Sache anders. Alle diese Fälle kommen darin überein, daß das Daseyn einer wirksamen Willenserklärung dadurch völlig ausgeschlossen ist, so daß in keinem derselben ein wahres Rechtsgeschäft vorhanden ist. Auch habe ich jene verschie- dene Fälle nur deshalb zusammengestellt, um die mannich- faltige Anwendung der aufgestellten gemeinsamen Rechts- regel zur Anschauung zu bringen Unsere Schriftsteller pfle- gen hierbey die Kunstausdrücke des einseitigen und zweyseitigen Irrthums anzuwenden, die sie bald so bald anders bestimmen, je nach- dem sie die angegebenen Fälle mehr oder weniger vollständig in’s Auge fassen. Vgl. Thibaut Pandek- ten § 449. 450, Versuche II. S. 120. Richelmann S. 9. Über die- sen Sprachgebrauch zu streiten, ist unfruchtbar; besser enthalten wir uns desselben gänzlich. — Wenn ich übrigens sage, daß alle diese Fälle auf gleicher Linie stehen, so ist das nur insofern wahr, als in allen gleichmäßig ein gültiges Rechtsgeschäft nicht vorhanden ist. Daneben aber kann allerdings der Dolus des einen Theils auch noch eigenthümliche Wirkungen hervor- . §. 135. Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. Was nun ferner den Gegenstand des Irrthums betrifft, so sind folgende mögliche Fälle zu bemerken: I. Der Irrthum kann sich beziehen auf den Inhalt des Willens im Ganzen. So wenn Jemand eine Urkunde unterschreibt (§ 131), die ihm anstatt einer anderen, rich- tigen, untergeschoben, oder die ihm unrichtig vorgelesen worden ist; oder, wenn Er im Vertrauen auf einen Be- vollmächtigten, ein leeres Blatt unterschreibt, der Bevoll- mächtigte aber dieses eigenmächtig, und gegen den ertheil- ten Auftrag, ausfüllt. Dieser Fall kann am wenigsten Zweifel erregen, und macht auch keine näheren Bestimmungen noͤthig. II. Der Irrthum kann sich aber auch beziehen auf ein- zelne Theile des Willens, und zwar: 1) auf die Natur des Rechtsverhältnisses; 2) auf die in dem Rechtsverhältniß uns gegenüber ste- hende Person; 3) auf die Sache, die den Gegenstand des Rechtsver- hältnisses bildet. Die drey zuletzt bezeichneten Fälle, die allein einer be- sonderen Erwägung bedürfen, sollen nunmehr einzeln dar- gestellt werden; zuvor aber ist es nöthig ihre gemeinsame Natur näher zu betrachten. In jedem derselben finden wir einen das Rechtsgeschäft begleitenden Irrthum, aus welchem wir die Abwesenheit des wahren Willens, also bringen, die hier, wo wir von der Wirksamkeit der Willenserklärung an sich reden, außer unsrer Auf- gabe liegen. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. auch des gültigen Rechtsgeschäfts, erkennen. Allein nicht jeder begleitende Irrthum ist ein Grund, diese Abwesenheit zu behaupten, und es ist daher von großer Wichtigkeit, die Gränzen genau zu bestimmen, innerhalb welcher dem Irrthum jener Einfluß allein zuzuschreiben ist. Unsere Schriftsteller haben diesen Unterschied durch die ganz pas- senden Ausdrücke des wesentlichen und unwesentli- chen Irrthums bezeichnet. Wir haben also zunächst, mit Rücksicht auf die schon angegebenen Gegenstände, die Fälle des wesentlichen Irrthums genau zu bestimmen, dann aber einige Fälle des unwesentlichen Irrthums hinzuzufügen, lediglich um gegen den möglichen Einfluß zu warnen, den man auch diesen irrigerweise zuschreiben möchte. Des Gegensatzes wegen muß hier an einige andere, schon oben dargestellte, Umstände erinnert werden, wo- durch der Wille mehr oder weniger unwirksam werden kann: Zwang und Betrug (§ 114. 115). Bey diesen war der Wille wirklich vorhanden, es wurde ihm aber durch positive Anstalten entgegen gewirkt. Ganz anders hier, wo wir das Daseyn des Willens schlechthin verneinen müssen, und wo daher auch kein Rechtsverhältniß, als Folge des Willens, denkbar ist. Um hierauf einen Rö- mischen Sprachgebrauch anzuwenden, müssen wir den Un- terschied so angeben: bey Zwang und Betrug ist eine Un- gültigkeit per exceptionem denkbar, ja dem Zweck ange- messen; in den Fällen des wesentlichen Irrthums kann das Rechtsverhältniß nur ipso jure nichtig seyn. §. 136. Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. (Fortsetzung) §. 136. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche . (Fortsetzung.) Unter den Fällen des wesentlichen, also den Willen ausschließenden Irrthums ist der erste und unzweifelhaf- teste der, welcher die Natur des Rechtsverhältnisses be- trifft. Wenn also Einer eine Sache zu leihen verspricht, der Andere nimmt das Versprechen an, welches er von einer Schenkung versteht, so entsteht keine Verbindlichkeit; eben so, wenn Einer Geld schenken will, der Andere nimmt es als Darlehen an, entsteht nicht die dem Darlehen ei- genthümliche Verbindlichkeit L. 3 § 1 de O. et A. (44. 7.). „.. non obligabor ei, quia non hoc inter nos actum est.” L. 9 pr. de contr. emt. (18. 1.). „.. sive in ipsa emtione dis- sentient .. emtio imperfecta est” .. — Die besondere Anwen- dung dieses Satzes auf die Schen- kung wird unten dargestellt wer- den (§ 161). . Ein zweyter Fall des Irrthums, welcher eben so all- gemein für wesentlich gehalten werden muß, ist der wel- cher die in dem Rechtsverhältniß uns gegenüber stehende Person betrifft. In manchen Anwendungen ist dieses nie- mals bezweifelt worden. So wenn ein Testator einen Erben schriftlich ernennt, während er erweislich eine an- dere Person in Gedanken hat, die er mit jenem ernann- ten Erben verwechselt; hier ist die Erbeinsetzung für Kei- nen von Beiden gültig L. 9 pr. de her. inst. (28. 5.). „Quotiens volens alium heredem scribere, alium scrip- serit, in corpore hominis er- rans” … . Noch leichter läßt sich dieses Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. denken, wenn der Testator mündlich testirt, und den Er- ben oder Legatar mit der Hand bezeichnet, dabey aber durch die Schwäche des Gesichts oder die Dunkelheit des Krankenzimmers Personen verwechselt. — Eben so un- zweifelhaft ist in diesem Fall die Ehe ungültig, selbst wenn im Fall einer solchen Personenverwechslung der kirchliche Segen über das vermeintliche Ehepaar ausgesprochen seyn sollte Eichhorn II. S. 352. . — Auf dieselbe Weise muß die Ungültigkeit ei- nes obligatorischen Vertrages behauptet werden, wenn Ein Contrahent durch Verwechslung an einen anderen Contrahenten denkt, als den welcher ihm wirklich gegen- über steht. In manchen Fällen ist dieses so augenschein- lich, daß es nie bezweifelt werden konnte, z. B. wenn ich eine bestimmte Person, die ich nie gesehen habe, beschen- ken will, und wir dafür eine andere Person untergescho- ben wird; eben so wenn ich bey einem bestimmten Künst- ler eine Arbeit bestellen will, ein Anderer aber sich für diesen ausgiebt, und mit mir contrahirt. Allein mit Un- recht haben Manche die Ungültigkeit auf diese Fälle be- schränken wollen, da sie vielmehr allgemein angenommen werden muß Thibaut Pandekten § 449, Versuche II. S. 114, Mühlen- bruch § 338, und besonders Ri- chelmann S. 24—32, der diese Frage gründlich behandelt. . Folgende Entscheidungen des Römischen Rechts lassen hieran keinen Zweifel. Wenn ich ein Dar- lehen von Gajus zu empfangen glaube, das in der That Sejus giebt, so entsteht aus dem angegebenen Grund keine §. 136. Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. (Fortsetzung.) Darlehensobligation L. 32 de reb. cred. (12. 1.). „.. non quia pecuniam tibi credidi, hoc enim nisi inter con- sentientes fieri non potest” … ; eine Klage soll aber Sejus den- noch gegen mich haben, und zwar ist diese Klage nicht etwa eine besonders für diesen Fall erfundene Man hat sie unter andern Juventiana condictio nennen wol- len, von Juventius Celsus, dem Verfasser der angeführten Pan- dektenstelle. Vergl. Glück XII. S. 25. XIII. S. 200. , sondern die gewöhnliche condictio ob causam datorum: denn Se- jus gab mir das Geld in der Erwartung, daß ich da- durch sein Darlehensschuldner werden würde, und diese Erwartung ist ihm durch meine Verwechslung der Perso- nen vereitelt worden Der Fall ist ganz ähnlich, wie wenn Jemand Geld als Dos giebt, die Ehe aber nicht zu Stan- de kommt; auch hier war die er- wartete Entstehung einer dotis obligatio vereitelt worden. L. 6 L. 7 § 1 L. 8 de cond. ob cau- sam datorum (12. 4.). Auch folgt es aus der allgemeinen Natur je- ner Condiction, welche überhaupt auf das aus einer irrigen causa futura Gegebene gerichtet werden kann, so wie die cond. sine causa und indebiti auf causa prae- sens und praeterita. . — Wenn ich dem Titius, einem wohlhabenden Mann, den ich aber nicht persönlich kenne, ein Darlehen geben will, ein Anderer aber wird mir für ihn untergeschoben, so entsteht keine Darlehensobligation, und das Eigenthum des Geldes geht so wenig auf den Empfänger über, daß dieser sogar, wenn er selbst an dem Betrug Antheil nahm, als Dieb behandelt werden muß L. 52 § 21 L. 66 § 4 de furtis (47. 2.). . — Die irrige Meynung vieler Rechtslehrer über diesen Punkt erklärt sich daraus, daß in vielen Fällen der Ir- rende gar kein Interesse bey der Verwechslung der Per- sonen haben wird, weshalb die Ungültigkeit des Vertrags, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. die hier überall behauptet werden kann, oft unbemerkt bleiben, auch wohl durch spätere Genehmigung, nachdem die Verwechslung entdeckt worden, förmlich beseitigt wer- den wird Wenn ich eine Sache kaufe oder verkaufe, so wird es mir oft ganz gleichgültig seyn, wer der Verkäufer oder Käufer ist; doch kann auch dieses anders seyn we- gen der Evictionspflicht des Ver- käufers, und wegen der mögli- chen Zahlungsunfähigkeit des Käu- fers. Bey dem Darlehen wird mir meist die Person meines Schuldners von Wichtigkeit seyn, die des Glaubigers weniger. Ver- miethe ich mein Haus, so kann die Persönlichkeit des Miethers an sich für wichtig gehalten wer- den; doch wird dieses Interesse dadurch gemindert, daß das R. R. die sublocatio zuläßt, wo- durch Dasselbe bewirkt werden kann, wie durch einen unterge- schobenen Miether. — Der Grund- satz muß allgemein gelten, daß Jeder, der es gut findet, diese Ungültigkeit des Vertrags behaup- ten kann. — Von einer Modifi- cation der aufgestellten Regeln in Anwendung auf die Schenkung wird im § 161 die Rede seyn. . Es bleibt nun noch übrig die Betrachtung des Irr- thums über die Sache, oder den Gegenstand des Rechts- verhältnisses. Dieser aber nimmt mannichfaltigere Gestal- ten an als die übrigen, und bietet eben deshalb auch grö- ßere Schwierigkeiten dar. Die einfachste und unzweifelhafteste Gestalt dieser Art des Irrthums ist folgende. Das Rechtsverhältniß hat eine individuell bestimmte Sache zum Gegenstand, und da- bey wird ein Individuum mit dem andern verwechselt: error oder dissensus in corpore (§ 135. g). Daß hier niemals ein Rechtsgeschäft vorhanden ist, kann nicht be- zweifelt werden. Einzelne Anwendungen sind folgende. Der Testator bezeichnet eine bestimmte Sache als legirt, während er in der That an eine andere denkt, die er mit §. 136. Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. (Fortsetzung.) jener verwechselt; hier gilt das Legat für keine von beiden Sachen L. 9 § 1 de her. inst. (28. 5.), L. 4 pr. de leg. 1 (30. un.). . — Wenn bey einem Kaufgeschäft Käufer und Verkäufer einander misverstehen, und an verschiedene in- dividuelle Sachen denken, so ist kein Contract geschlossen; eben so auch bey dem Miethcontract und der Societät L. 9 pr. de contr. emt. (18. 1.), L. 57 de O. et A. (44. 7.). ; desgleichen bey der Stipulation § 23 J. de inut. stip. (3. 19.), L. 83 § 1, L. 137 § 1 de V. O. (45. 1.). Der Unterschied der einseitigen und gegenseitigen Verträge, so wie der b. f. und str. j. contractus, kommt also hierbey nicht in Betracht. — Wahrscheinlich bezieht sich auf den Fall des error in corpore bey Verträgen die sehr unbestimmte L. 116 § 2 de R. J. (50. 17.). „Non videntur qui errant con- sentire.” Vergl. Beylage VIII. Num. VII. und Num. XXXIV. g. und bey der Schen- kung, die mit oder ohne Stipulation verabredet seyn konnte L. 10 C. de donat. (8. 54.). . — Auch die Tradition erfordert übereinstim- menden Willen, und auch sie wird daher durch ein Mis- verständniß über den Gegenstand verhindert L. 34 pr. de adqu. poss. (41. 2.). . Durch eine solche blos vermeintliche Tradition kann also weder unmittelbar Eigenthum, noch die Fähigkeit zur Usucapion erworben werden L. 2 § 6 pro emt. (41. 4.) . — Nur in Einem Fall soll ein sol- ches Misverständniß über individuelle Sachen die Gültig- keit juristischer Handlungen nicht hindern: im Prozeß. Behauptet also der Beklagte am Ende des Rechtsstreits, er habe an eine andere Sache gedacht, als der Kläger, so wird er damit nicht gehört, weil außerdem durch die- III. 18 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ses Vorgeben die gerichtliche Verhandlung leicht vereitelt werden könnte L. 83 § 1 de V. O. (45. 1.) „… actori potius creden- dum est, alioquin semper ne- gabit reus se consensisse.” Es versteht sich von selbst, daß nicht der Kläger durch fehlerhafte Be- zeichnung der Sache das Mis- verständniß selbst herbeygeführt haben muß. Aber auch ohne die- ses wird der Beklagte, der das behauptete Misverständniß, und zugleich sein Interesse, wahrschein- lich machen kann, leicht Restitu- tion erhalten. — Im ältesten Pro- zeß der Römer waren die ma- nus consertae, als Einleitung jeder Vindication, recht eigentlich darauf berechnet, das Misver- ständniß über den Gegenstand un- möglich zu machen. Bewegliche Sachen wurden dabey vor den Prätor gebracht, in das Grund- stück mußten sich die Parteyen ge- meinschaftlich hinbegeben. . Der Gegenstand des Rechtsverhältnisses, auf welchen sich der Irrthum bezieht, kann ferner eine nur nach Gat- tung und Quantität bestimmte Sache seyn. Betrifft hier der Irrthum die Gattung selbst, so ist der Fall dem error in corpore völlig gleich, z. B. wenn bey einem generi- schen Kaufcontract der Verkäufer an Roggen, der Käufer an Weizen denkt. Wenn über die bloße Quantität ein Misverständniß unter zwey Personen herrscht Man denkt dabey gewöhn- lich nur an Geldsummen, aber es kann auch bey der Waare ein Misverständniß über die Quan- tität vorkommen, z. B. wenn der Verkäufer 500 Scheffel Roggen anbietet, und der Käufer glaubt, es seyen 300 Scheffel angeboten; daneben kann der Preis nach ein- zelnen Scheffeln, oder auch zu ei- ner festen Summe im Ganzen bestimmt seyn, ohne daß bey des- sen Bezeichnung ein Misverständ- niß über die Quantität statt fin- det. — Am leichtesten können sol- che Irrthümer über die Quanti- tät vorkommen, wenn Unterhand- lungen durch Correspondenz ge- führt, und die Zahlen undeutlich geschrieben werden. , so kann diese Quantität entweder der einzige Gegenstand des Ver- trags seyn, oder auf eine Gegenleistung sich beziehen. Im ersten Fall gilt als wahrer Gegenstand des Vertrags die §. 136. Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. (Fortsetzung.) geringste unter den beiden Quantitäten, woran die Par- teyen dachten, weil über diese Quantität Übereinstimmung des Willens wirklich vorhanden ist L. 1 § 4 de V. O. (45. 1.). Nämlich wer Zwanzig anbietet, hat eigentlich Zehen und Zehen angeboten; nimmt also der Geg- ner Zehen an, weil er nur diese für angeboten hält, so ist für Ze- hen ein wahrer Consens, also Ver- trag, vorhanden, für die anderen Zehen ist kein Vertrag geschlossen. Eben so im umgekehrten Fall. . Im zweyten Fall muß unterschieden werden, ob Derjenige, welcher die zwei- felhafte Quantität leisten soll, mehr oder weniger als der Gegner in Gedanken hat; denkt er an mehr, so gilt wie- der der Vertrag auf die geringere Quantität; denkt er an weniger, so ist gar kein Vertrag vorhanden L. 52 locati (19. 2.). „Si decem tibi locem fundum, tu autem existimes quinque te conducere, nihil agitur. Sed et si ego minoris me locare sensero, tu pluris te conduce- re, utique non pluris erit con- ductio, quam quanti ego pu- tavi.” Denn wer Zehen als Mieth- geld anbietet, hat darin auch Fünf angeboten, für welche daher Con- sens vorhanden ist; wer aber um Zehen vermiethen will, ist darum keinesweges geneigt, sich auch mit Fünf zu begnügen. — Damit man nicht in diesem Beyspiel an der geringen Pachtsumme für einen ganzen Fundus Anstoß nehme, ist zu bemerken, daß die alten Juri- sten, wenn sie Cardinalzahlen als Beyspiele anführen, damit ge- wöhnlich so viele Tausend Se- sterze ausdrücken wollen. Decem ist also ein jährliches Pachtgeld von 10000 Sesterzen, oder unge- fähr 500 Thalern. . — Mit diesen Fällen wirklicher Misverständnisse über Quantitäten darf folgender Fall nicht verwechselt werden. Wenn Je- mand ein Legat so angiebt: „Zehen Thaler, die in mei- ner Kasse vorräthig seyn werden zur Zeit meines Todes,“ so erhält der Legatar nie mehr als Zehen, vielleicht aber weniger oder auch gar Nichts, wenn sich keine Zehen in der Kasse finden. Dasselbe soll auch gelten bey Stipula- 18* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. tionen, wobey also angenommen wird, der Schuldner habe den Bestand seiner Kasse als ungewiß gedacht L. 108 § 10 de leg. 1 (30. un.), L. 1 § 7 de dote praeleg. (33. 4.). . Diese Bestimmung beruht auf folgender Auslegung der erwähn- ten Rechtsgeschäfte: es ist dem Andern angewiesen dasje- nige Geld, was gerade in der Kasse sich findet, kein An- deres, aber auch Jenes nur bis zu einem Maximum von Zehen. Es gehört also diese Bestimmung zu den Anwei- sungen für die Auslegung der Rechtsgeschäfte; diese Aus- legung aber vorausgesetzt, ist dabey von einem Wider- spruch zwischen der Erklärung und dem Willen, also von einem Irrthum, gar nicht die Rede. §. 137. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. Error in substantia. Die bisher dargestellten Fälle des wesentlichen Irr- thums koͤnnten an sich für erschöpfend gehalten werden. Insbesondere dürfte dann derjenige Irrthum über den Ge- genstand nicht für wesentlich gelten, welcher, bey einer individuell bestimmten Sache, blos eine Eigenschaft der- selben beträfe. Dennoch kommen auch solche Fälle vor, denen die Kraft eines wesentlichen Irrthums beygelegt wird. Freylich werden wir, noch ehe die Natur dersel- §. 137. Error in substantia. ben untersucht ist, anerkennen müssen, daß sie nur als scharf begränzte Ausnahmen denkbar sind; denn wollten wir als Regel annehmen, daß jeder Irrthum über irgend eine dem Gegenstand des Rechtsverhältnisses zukommende Eigenschaft den Willen ausschließe, so würde damit die Sicherheit des Rechtsverkehrs völlig vernichtet seyn. Unsere Schriftsteller bezeichnen die dahin gehörenden Fälle mit dem Kunstausdruck Error in substantia, und dieser Ausdruck, wie so manche andere, hat nicht wenig dazu beygetragen, die Sache selbst zu verwirren. Die Gewöhnung an diesen vermeintlichen Kunstausdruck führte unvermerkt zu der stillschweigenden Voraussetzung, an der Spitze dieser Lehre stehe etwa folgender Grundsatz: Quo- tiens in substantia erratur, nullus est contractus. Die Untersuchung selbst wird aber zeigen, wie wenig ein so gefaßter Grundsatz der Wahrheit entspricht (§ 138. a. ). Unsere Aufgabe besteht also darin, die einzelnen Fälle aufzusuchen, in welchen der Irrthum über Eigenschaften einer Sache dem Error in corpore gleich wirkt, und diese Fälle wo möglich auf eine gemeinsame Regel zurückzufüh- ren. Bey diesem Unternehmen werden wir uns weniger an abstracte Begriffe halten dürfen, als an die im wirk- lichen Verkehr herrschenden Ansichten und Gewohnheiten, wodurch denn die ganze Untersuchung eine nicht streng ju- ristische Richtung erhält. Die Römischen Juristen geben uns Vier einzelne Fälle dieser Art an: Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. 1) Es kauft Jemand Hausgeräthe Allerdings ist in den hier einschlagenden Stellen meistens die Rede von aurum, aes, ar- gentum, plumbum, so daß man auch an unverarbeitetes Metall denken könnte; daß aber in der That metallene Geräthe gemeynt sind, zeigt deutlich das Beyspiel in L. 14 de contr. emt. (18. 1.), wo dasselbe, was zuerst aurum und aes hieß, nachher genauer als viriola aurea und aenea be- zeichnet wird; eben so in L. 45 eod. vas aurichalcum. Dazu kommt, daß als Beyspiele aus dem täglichen Verkehr die Con- tracte über Metallgeräthe so sehr viel näher liegen, als die über rohes Metall, die doch nur bey Handelsleuten und Handwerkern oder Fabrikanten vorzukommen pflegen, bey welchen wiederum ein Irrthum über den Gegen- stand ihres Gewerbes sehr selten seyn wird. von Bronze Aes, das bey den Römern von so ausgebreitetem Gebrauch war, und das wir noch in so vielen Tausenden von antiken Hausgeräthen und Bildwerken übrig haben, ist nicht Kupfer, sondern Bronze, eine Mischung, deren Grundlage freylich das Kupfer ist. , welches er für Gold hält; 2) Oder Hausgeräthe von Bley oder anderem geringen Metall, oder auch von Holz, welches er für Silber hält Diese beiden ersten Fälle kommen vor in L. 9 § 2 L. 10 L. 14 L. 41 § 1 de contr. emt. (18. 1.). In der letzten Stelle kann die mensa argento coo- perta sowohl versilbertes Holz als Metall seyn. ; 3) Oder Essig, den er für Wein hält L 9 § 2 de contr. emt. (18. 1.). Es wird dabey aus- drücklich bemerkt, daß nur von eigentlichem Essig, der als solcher bereitet oder angesetzt ist, nicht von sauer gewordenem Wein die Rede seyn dürfe. Damit ist zu vergleichen L. 9 § 1. 2 de tritico (33. 6.). ; 4) Oder endlich eine Sklavin, die er für einen männ- lichen Sklaven hält L. 11 § 1 de contr. emt. (18. 1.). . In allen diesen Fällen soll kein Consens des Käufers angenommen werden. In den drey ersten Fällen betrifft der Irrthum den Stoff , und dieser wird einmal als substantia bezeich- §. 137. Error in substantia. net L. 9 § 2 de contr. emt. (18. 1.). , aber abwechslend mit diesem Namen, und ungleich häufiger, kommt als ganz gleichbedeutend der Ausdruck materia vor L. 9 § 2 L. 11 pr. L. 14 de contr. emt. (18. 1.). Eben so bey der Frage, ob durch Ver- arbeitung eines Stoffs Eigenthum an demselben erworben werde, wo- bey materia als Gegensatz von species vorkommt. § 25 J. de rer. div. (2. 1.), L. 7 § 7 L. 24 de adqu. rer. dom. (41. 1.). . Schon dadurch wird es bedenklich, den Ausdruck Error in substantia an die Spitze der ganzen Un- tersuchung zu stellen; noch weit mehr aber dadurch, daß gar nicht gesagt ist, jeder Irrthum über den Stoff, und kein anderer als dieser, solle die Kraft eines Error in cor- pore haben. Wir wollen also den abstracten Begriff des Stoffs einstweilen bey Seite setzen, und die einzelnen Fälle genauer in’s Auge fassen. Bey den Metallarbeiten fällt zuerst auf, daß die Waare, die der Käufer zu erhalten glaubt, von der die er wirklich erhält, so sehr im Werth verschieden ist. Dennoch können wir hierin das Wesen der Sache nicht setzen, theils weil es an aller scharfen Gränze fehlen würde, wenn wir die- sen Gegensatz auf andere Gegenstände anwenden wollten, theils weil der Irrthum über gutes und schlechtes Gold kein wesentlicher Irrthum seyn soll L. 10. 14 de contr. emt. (18. 1.). In der letzten Stelle heißt: si inauratum aliquid sit nicht: wenn das Gefäß vergoldet ist, sondern: wenn dessen Stoff eine Mischung von Gold und an- derem Metall ist. Dieses folgt unwidersprechlich theils aus den vorhergehenden, nach dem Zusam- menhang gleichbedeutenden, Wor- ten, theils aus dem Zusatz ali- quid, der bey bloßer Vergoldung keinen Sinn haben würde. , obgleich auch da- von der Geldwerth sehr abhängt, besonders da in dieser Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Vorschrift gar keine Gränze für die mögliche Legirung des Goldes gesetzt wird. Sehen wir aber auf die im Verkehr auch bey uns allgemein herrschende Ansicht, so finden wir, daß goldne und silberne Geräthe, in Vergleichung mit an- deren Metallarbeiten, als Waaren von ganz eigenthümlicher Art betrachtet werden. Der durchgreifende Unterschied liegt darin, daß bey den edlen Metallen, auch nach zerstörter oder veralteter Form des Geräthes, stets ein bedeutender Werth im Stoff zurück bleibt, anstatt daß im gleichen Fall bey anderen Metallarbeiten meist ein sehr geringer, oft völlig unmerklicher, Werth übrig ist. Es zeigt sich dieses unter andern auch darin, daß die Fabrikation der edlen Metalle, und der Handel mit solchen Fabrikaten ein ganz eigenes, abgeschlossenes Gewerbe zu seyn pflegt. Halten wir nun diesen natürlichen, durch tägliche Erfahrung be- währten Gesichtspunkt fest, so ergeben sich folgende Be- dingungen und Gränzen der aufgestellten Regel. Sie kann nur gelten bey Arbeiten, die durch Fabrik oder Handwerk hervorgebracht werden, nicht bey eigentlichen Kunstwerken, wobey der Stoff ganz in den Hintergrund tritt Bey einem Bildwerk von Benvenuto Cellini wird Niemand das Hauptgewicht darauf legen, ob es von Silber oder übersilbert ist. Dagegen werden Geräthschaf- ten von Silber oder Gold in der Regel nach dem Gewicht verkauft, wenngleich die Fa ç on auch berück- sichtigt wird, jedoch nur so daß sie den Preis des Lothes, der Mark u. s. w. um Etwas höher oder niedriger stellt. — Zweifel kann entstehen bey Taschenuhren; denn Das, was wir eine goldne Uhr nennen, ist doch eigentlich nur eine Uhr mit goldnem Ge- häuse. Man würde wohl anneh- mendürfen, daß bey gewöhnlichen Fabrikuhren der Irrthum über das Gehäuse (ob golden oder . Sie §. 137. Error in substantia. gilt ferner auch bey vergoldeten, versilberten oder plattir- ten Arbeiten L. 41 § 1 de contr. emt. (18. 1.), vgl. Note c. , denn obgleich zu diesen wirklich edles Metall verbraucht wird, so läßt sich doch dasselbe, nach Zerstörung der Form, nicht mehr abgesondert herstellen. Sie gilt endlich auch, wenn das vergoldete silberne Gefäß für ein goldnes gehalten wird, da der Unterschied zwischen Gold und Silber, nach der im Verkehr allgemein geltenden Werthschätzung, ein eben so durchgreifender ist, als der zwischen dem edlen und unedlen Metall. Sie gilt aber nicht bey Geräthschaften von unedlem Metall, wenn nur über die Gattung dieses Metalls ein Irrthum obwaltet; denn obgleich auch dabey die Verschiedenheit des Stoffs Einfluß auf den Geldwerth zu haben pflegt, so ist doch in den meisten Fällen das Geräthe von dieser besonderen Form und Bestimmung die Hauptsache, die Art des Me- talls aber eben so das Untergeordnete, wie bey dem gold- nen Gefäß die Feinheit des Goldes. Aus allen diesen Anwendungen also folgt ganz klar, daß selbst diesen Re- geln über die Metallarbeiten etwas Anderes zum Grunde liegt, als der bloße abstracte Begriff des Stoffes. Bey dem Wein und Essig ist allerdings eine Verschie- denheit des Stoffes unverkennbar; dagegen kann man nicht allgemein sagen, daß der höhere oder geringere Werth ent- scheidend sey. Denn feiner, künstlich bereiteter Essig kann vergoldet) ein wesentlicher sey, bey einem besonders sorgfältig gearbeiteten Werk aber nicht; bey einem Chronometer z. B. ist ja der Werth des Gehäuses ein ganz unbedeutender Gegenstand. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. weit kostbarer seyn, als geringer Wein, und selbst der umgeschlagene, also gewiß sehr schlechte Wein soll kein Gegenstand eines wesentlichen Irrthums seyn. Auch hier also, wie bey den Metallarbeiten, ist nicht sowohl die Preisverschiedenheit, als die völlige Ungleichartigkeit der Waare Das, was den wesentlichen Irrthum bestimmt. Endlich bey dem Sklaven und der Sklavin liegt der Unterschied gewiß nicht in dem allgemein verschiedenen Geldwerth, da ohne Zweifel Sklavinnen oft weit theurer bezahlt wurden, als männliche Sklaven. Noch seltsamer würde es seyn, hier an verschiedenen Stoff denken zu wollen, auch hat kein Römischer Jurist von einer verschie- denen substantia oder materia der beiden Geschlechter ge- sprochen. Allein die regelmäßige Benutzung der Sklaven bestand in Dienst und Arbeit, und da die männlichen Skla- ven auch außer dem Hause zur Feldarbeit, in Fabriken, und als Handwerker regelmaͤßig benutzt zu werden pfleg- ten, die Sklavinnen vorzugsweise im Hausdienste und zu weiblichen Arbeiten, so galten beide Geschlechter für Waa- ren verschiedener Art, und daher war ein Irrthum über das Geschlecht ein wesentlicher Irrthum. Auch hier nun würde es wieder ganz irrig seyn, bey dem abstracten Be- griff des Geschlechts stehen zu bleiben, und diesen überall anzuwenden, auch bey einem Kauf von Thieren. Denn bey Pferden z. B. ist die regelmäßige Benutzung unab- hängig von dem Geschlecht, und es darf daher der Irr- thum hierüber nicht für einen wesentlichen gehalten werden. §. 137. Error in substantia. Fassen wir alle diese Anwendungen zusammen, so läßt sich daraus folgender allgemeine Begriff bilden. Der Irr- thum über eine Eigenschaft der Sache ist ein wesentlicher, wenn durch die irrig vorausgesetzte Eigenschaft, nach den im wirklichen Verkehr herrschenden Begriffen, die Sache zu einer anderen Art von Sachen gerechnet werden müßte, als wozu sie wirklich gehört. Die Verschiedenheit des Stoffs ist dazu weder nothwendig, noch stets hinreichend, und der Ausdruck Error in substantia ist daher keine an- gemessene Bezeichnung Wer Wein kauft, will nicht eine in diesem Faß enthaltene Flüssigkeit überhaupt, welche es sey, erwerben, sondern sein Ge- danke ist zunächst und hauptsäch- lich auf Wein gerichtet; eben so, wer ein goldnes Gefäß kauft, denkt nicht an ein Gefäß über- haupt, sondern wesentlich an das Gold als Stoff des Gefäßes. Rö- misch läßt sich das so ausdrücken: es ist eine species gekauft, aber unter der stillschweigenden Bedin- gung, daß sie zu einem bestimmten genus gehöre. Ist also unter der Hülle des Fasses Essig anstatt Wein verborgen, so wird der Fall eben so behandelt, wie wenn bey dem Kauf eines Sklaven un- ter der Hülle eines Gewandes, oder unter der Hülle des gemein- samen Namens Stichus, ein an- deres Individuum verborgen wäre, als dasjenige woran der Käufer denkt. . Ich will nun diesen Begriff zur Beurtheilung einiger, in den Rechtsquellen nicht erwähnter, Fälle anwenden. Der Irrthum ist wesentlich, wenn unächte Edelsteine oder Perlen für ächte gekauft werden Bey ungefaßten Steinen und Perlen muß dieses unbedingt gelten. Eben so auch bey gefaß- ten, wenn die Fassung nur dazu dient, den Stein zu zeigen und zu tragen, wie bey Brillantringen und bey dem Frauenschmuck; an- ders wenn der Stein zur Verzie- rung eines Gefäßes oder andern Geräthes gebraucht ist, wobey der Stein als Nebensache gilt, selbst wenn er von größerem Geldwerth seyn mag, als das Gefäß selbst. Vgl. L. 19 § 13—16 § 20 de auro (34. 2.). . — Eben so wenn Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. von verschiedenen Thierarten die Rede ist, weil Niemand ein Thier überhaupt, seinem abstracten Begriff nach, kauft, sondern jede Thierart zugleich eine Waare anderer Art ist, ohne Rücksicht auf die Größe der Preisverschiedenheit. — Eben so bey rohen Metallen verschiedener Art, weil jede derselben eine andere Waare ist. — Ferner bey ver- schiedenen Getreidearten; desgleichen bey verschiedenen flüs- sigen Stoffen, auch außer Wein und Essig Die Identität oder Ver- schiedenheit wird hier nicht selten schwankend seyn, auch wohl von persönlichen Gewohnheiten abhän- gen können. Vgl. L. 9 de tri- tico (33. 6.). — In allen diesen Fällen wird übrigens ein Vertrag über bestimmte Säcke, Haufen, Fässer mit Waaren (also über eine species ) vorausgesetzt; von dem ganz anderen Fall, da über ein genus contrahirt ist, war schon im § 136 die Rede. . — Endlich könnte dahin auch noch folgender Fall gerechnet werden. Wenn ich ein Grundstück kaufe, auf welchem ein Haus oder ein Wald stand, ohne zu wissen, daß unmittelbar vorher das Haus oder der Wald abgebrannt ist, so ist der Gegenstand des Vertrags, das Grundstück, eigentlich noch vorhanden L. 98 § 8 de solut. (46. 3.) „.. Non est his similis area, in qua aedificium positum est: non enim desiit in rerum na- tura esse, imo et peti potest area, et aestimatio ejus solvi debebit: pars enim insulae area est, et quidem maxima, cui etiam superficies cedit ” … , aber es ist für den Verkehr ein Ge- genstand anderer Art geworden, denn eine Brandstätte und ein Haus wird im Verkehr Jeder für ungleichartig halten. Auch ist nun der Vertrag in der That ungültig L. 57. 58 de contr. emt. (18. 1.). , aber diese Ungültigkeit wird hier unter einen andern Gesichts- §. 137. Error in substantia. punkt gebracht. Es gilt nämlich der Gegenstand des Ver- trags selbst als vernichtet, welches in manchen einzelnen Folgen von unsrem Fall verschieden ist Nämlich die Stipulation soll in einem solchen Fall ungül- tig seyn ( L. 1 § 9 de O. et A. 44. 7), die doch im Fall eines wesentlichen Irrthums, z. B. zwi- schen Gold und Bronze, gültig seyn würde. L. 22 de V. O. (45. 1.). . Dennoch kann die Analogie dieses Falles auch für unsre Frage benutzt werden. Dagegen wird in folgenden Fällen der Irrthum nicht als ein wesentlicher, den Willen ausschließender, betrachtet werden dürfen. Bey gutem und schlechtem Gold (Note h ); bey gutem und schlechtem Wein (Note d ); bey dem Stoff von Geräthen aus unedlem Metall; bey einer Sklavin, die irrig für eine Jungfrau gehalten wird L. 11 § 1 de contr. emt. (18. 1.). Der Kauf ist also hier wirklich geschlossen, und an sich gültig; ja selbst eine Klage auf Entschädigung oder auf Auflösung des Vertrags hat der Käufer nur dann, wenn ihn der Verkäufer betrog. L. 11 § 5 de act. emti (19. 1.). ; bey alten und neuen Kleidern L. 45 de contr. emt. (18. 1.) „.. si vestimenta interpola quis pro novis emerit. ” Mit diesen Worten ist eben so gut die An- nahme vereinbar, daß der Ver- käufer die Kleider für neu aus- gab (wissentlich oder unwissentlich), als daß blos der Käufer sich die- ses einbildete. Der Sache nach muß aber nothwendig das erste angenommen werden. Denn ein wesentlicher Irrthum ist gewiß nicht vorhanden, da hier der Ver- trag als wirksam vorausgesetzt wird, und da alte und neue Klei- der gewiß nicht verschiedener sind, als guter und verdorbener Wein, oder als feines und schlechtes Gold. Dann aber kann sich eine Entschä- digungsverbindlichkeit nur grün- den entweder auf den Dolus, oder auf die Zusage der Eigenschaft neuer Kleider; da nun der Jurist auch außer dem Fall des Dolus eine Verbindlichkeit annimmt, („si quidem ignorabat vendi- tor”) so ist nur die Zusage denk- bar. Eine Bestätigung liegt auch in dem als gleichartig dargestellten Fall von dem messingnen Gefäß, . Endlich auch noch in einem Fall, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. der eine genauere Betrachtung bedarf: bey hölzernen Haus- geräthen, wenn über die Holzart geirrt wird. Daß auch diese auf den Preis Einfluß haben kann, wird Niemand läugnen, aber zu einer andern Art von Waare werden dadurch die Möbeln nicht, besonders wenn das feinere Holz so täuschend durch Politur nachgeahmt ist, daß eine Verwechslung möglich wird. Der Unterschied von edlen Metallen ist augenscheinlich, da die Bearbeitung des gerin- geren und des edleren Holzes von demselben Gewerbe be- sorgt wird, und da nach zerstörter Form die übrig blei- benden Holzstücke bey feinem und geringerem Holz gleich werthlos zu seyn pflegen. So steht es nach allgemeiner Betrachtung, wovon die meisten Schriftsteller das Gegen- theil annehmen, theils durch die scheinbare Ähnlichkeit der edlen Metalle, theils durch den abstracten Begriff der Stoffsverschiedenheit irre geführt. Alles aber kommt auf die Erklärung folgender Stelle an. L. 21 § 2 de act. worin es ausdrücklich heißt: au- rum quod vendidit . Er muß es also für Gold ausgegeben haben. (Vgl. unten § 138). — Vestimenta interpola sind getragene, aufge- putzte, ausgebesserte Kleider, die dabey noch gut aussehen können, ja wohl müssen, wenn ihre Ver- wechslung mit neuen möglich seyn soll. Ganz unrichtig behauptet Richelmann S. 160, die Eigen- schaft alter Kleider sey wie vitium und morbus, und gebe daher An- laß zu den ädilicischen Klagen. Ihn täuschen die Worte in L. 37 de aedil. ed. „idcirco interpo- lant veteratores et pro novi- ciis vendunt.” Dieses heißt aber, die Verkäufer betrügen dadurch, daß sie den veterator unter no- vicii unterstecken , wodurch er selbst als novicius angesehen wird. Der Verkauf des veterator ohne Anzeige war von den Ädilen na- mentlich verboten; mit der Aus- dehnung des Edicts auf nicht na- mentlich erwähnte Fälle verfuhr man vorsichtig, stets nach der Analogie von vitium und mor- bus, wie L. 49 eod. zeigt. §. 137. Error in substantia. emti (19. 1.) „Quamvis supra diximus, cum in corpore consentiamus, de qualitate autem dissentiamus, emtionem esse, tamen venditor teneri debet, quanti interest (emto- ris se) non esse deceptum, etsi venditor quoque nesciat: veluti si mensas quasi citreas emat, quae non sunt.” Wir wollen das am Ende erwähnte Beyspiel an die Spitze stellen. Es hatte Jemand Tische gekauft, als ob sie von Citronenholz wären, die es nicht waren Von dem unglaublichen Lu- xus der Römer mit Citronenholz, welches in großen Stücken, wie sie zu Möbeln brauchbar waren, aus Afrika gebracht werden mußte, giebt genaue Nachricht Plinius hist. nat. XIII. 15. Er erzählt von einem Tisch, der mit 1400,000 Sesterzen, oder 70,000 Thalern, bezahlt wurde. ; das quasi citreas ist an sich zweydeutig, indem es sowohl auf die bloße Einbildung des Käufers, als auf die Versicherung des Verkäufers gehen kann: daß das letzte der wahre Sinn ist, wird sogleich gezeigt werden. Die Hauptfrage ist nun die, ob gelesen werden soll emtionem esse (wie in der Florentina), oder emtionem non esse (wie in anderen Hss., vielleicht allen anderen). Die herrschende Meynung ist für non, theils weil man von der vorgefaßten Meynung aus- gieng, jeder Irrthum über den Stoff, also auch bey Holz- möbeln, sey ein wesentlicher, theils weil man seltsamerweise annahm, die Worte supra diximus seyen von Tribonian, und giengen auf L. 9. 11. 14 de contr. emt. (18. 1.); dadurch war man genöthigt, qualitas gleichbedeutend mit substantia oder materia zu nehmen. Aber eben dieses letzte ist gegen allen klar erweislichen Sprachgebrauch, da in Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. allen sicheren Stellen qualitas nur auf die mehr oder we- niger gute Beschaffenheit geht, von welcher nie ein wesent- licher Irrthum abhängt L. 14 de contr. emt. (18. 1.) „Quid tamen dicemus, si in materia et qualitate ambo er- rarent?” Man hat hier in dem zweyten Ausdruck eine müßige Wiederholung des ersten finden, also die gleiche Bedeutung beider Worte daraus beweisen wollen; allein es folgen nun in der That zwey Beyspiele, in dem einen wird über den Stoff geirrt ( ma- teria ), in dem andern blos über die Güte ( qualitas ), und beide Fälle werden auf entgegengesetzte Weise entschieden. . Das logische Verhältniß des quamivs und tamen beweißt für keine von beiden denkba- ren Erklärungen. Denn nach unsrer Erklärung kann es heißen: „Obgleich der Vertrag gültig ist, so folgt daraus doch nicht, daß sich der Käufer mit den bloßen Tischen, ohne Geldentschädigung, begnügen müsse“ Cujacius findet es lächer- lich, daß der Jurist sagen sollte: „Obgleich der Vertrag gültig ist, kann dennoch der Käufer klagen.“ ( Comm. ad L. 22 de V. O., opp. T. 1). Allein wenn man den Nachsatz nicht auf das Da- seyn eines Klagrechts überhaupt, sondern auf dessen Gegenstand und Umfang bezieht, so verschwin- det die scheinbare Lächerlichkeit. . Nach der entgegengesetzten aber würde es, logisch eben so befriedi- gend, heißen: „Obgleich der Vertrag als solcher nicht gilt und wirkt, so ist doch der Verkäufer (aus anderen Grün- den, also neben dem Vertrag) verpflichtet.“ Deceptum heißt hier, wie in vielen Stellen, nicht betrogen, sondern irrend, getäuscht durch sich selbst, oder durch des Gegners Versicherung, nicht gerade durch dessen Betrug. — Nun ist der Hauptsatz dieser: der Vertrag ist zwar gültig, den- noch ist der Verkäufer durch die in der Tradition liegende scheinbare Erfüllung nicht frey; vielmehr muß er Entschä- §. 137. Error in substantia. digung leisten, selbst wenn er nicht betrog, sondern gleichfalls irrte . Aus dieser letzten, klaren Entschei- dung ist es denn gewiß, daß der Jurist voraussetzt, der Verkäufer habe im Contract ausgesprochen, die Tische seyen von Citronenholz; denn zur Entschädigung konnte er nur verpflichtet seyn entweder durch eine solche Zusage Die Zusage einer bestimm- ten Eigenschaft bey dem Verkauf einer Sache, verpflichtet stets den Verkäufer wenn diese Eigenschaft fehlt: und zwar hat der Käufer in diesem Fall sowohl die ädili- eischen Klagen ( L. 18 pr. L. 52 de aed. act. 21. 1), als die actio emti auf das Interesse ( L. 13 § 3 de act. emti 19. 1, L. 19 § 2 de aed. act. 21. 1). In L. 13 cit. heißt es: Videamus an ex emto teneatur? et putem teneri. Natürlich auf das In- teresse, wie immer bey dieser Klage. Gerade so heißt es aber auch in unsrer Stelle: teneri debet quanti interest. Über den Umfang und die Berechnung die- ses Interesse ist in beiden Stel- len Nichts gesagt, aus dem ein- fachen Grunde weil nicht jede Stelle alle bey einem Rechtsfall denkbare Fragen erschöpfen kann; es ist also unbegreiflich, wie Ri- chelmann S. 65 wegen der Art des hier vorgeschriebenen Interesse behaupten kann, die Worte etsi . . nesciat dürften nicht auf te- neri quanti interest bezogen wer- den. — Die Annahme einer aus- drücklichen Zusage hat also hier denselben Grund wie in L. 45 de contr. emt. , s. v. Note s. , oder durch seinen Dolus: ein dritter Grund ist dafür nicht denkbar. — So ist also durch diese Stelle anerkannt, daß bey Holzgeräthen der Irrthum über den Stoff kein we- sentlicher, der Vertrag also dennoch gültig ist, indem er die actio emti erzeugt; die Verbindlichkeit des Verkäufers zur Entschädigung, wenn er entweder betrog, oder die bessere Qualität im Vertrag aussprach, folgt aus allge- meinen Grundsätzen. — Es ist merkwürdig zu sehen, wie weit manche Interpreten gehen, um ihre vorgefaßte Mey- nung gegen die in den Worten etsi venditor quoque nes- III. 19 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ciat enthaltene Widerlegung zu retten. Noodt , dessen Interpretation überhaupt nicht sehr schüchtern ist, läßt dem Leser die Wahl, ob er jene Worte wegstreichen, oder ob er sie auf den Vordersatz ( quamvis ....emtionem [non] esse ) beziehen wolle, welches letzte jedoch ganz außer der Möglichkeit einer Construction liegt Noodt Comm. ad Pand. XVIII. 5. Die zuletzt vorgeschla- gene Construction nimmt auch Richelmann S. 66 an, ohne sich durch ihre Unmöglichkeit stö- ren zu lassen. . Bynkershoek hat die Stelle richtig aufgefaßt, aber freylich die Haupt- schwierigkeit, die scheinbare Analogie der edlen Metalle, gar nicht berührt Bynkershoek Observ. Lib. 8 C. 20. : weshalb auch seine Erklärung keinen Eingang gefunden hat Ich habe in diesem ganzen §. zu zeigen gesucht, daß der Stoff an und für sich nicht das Ent- scheidende ist bey der Feststellung des wesentlichen Irrthums. Die- ses würde wahr seyn, selbst wenn die Gleichartigkeit des Stoffs wirk- lich so an sich selbst gewiß, und von individuellen Ansichten unab- hängig wäre, wie man gewöhnlich voraussetzt. Allein auch daran fehlt viel. Bey Metallarbeiten z. B. kann man, je nach subjecti- ven Ansichten, entweder den all- gemeinen Begriff des Metalls zum Grunde legen, oder den besonde- ren Begriff des Goldes, Silbers u. s. w. Desgleichen bey Holz- arbeiten entweder den allgemeinen Begriff des Holzes (im Gegensatz von Metall oder Pappe), oder den der einzelnen Holzart. Allein auch mit dieser letzten Annahme ist bey weitem nicht Alles abgethan, da die Arten wieder viele Unter- arten haben. Um bey dem Fall der L. 21 cit. stehen zu bleiben, vorausgesetzt daß wirklich die Holz- art einen wesentlichen Irrthum begründete; soll es dann gerade auf die species der Citrone an- kommen, oder auf das genus der Agrumi, das bekanntlich eine große Zahl von species hat. . §. 138. Error in substantia. (Fortsetzung.) §. 138. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. Error in substantia. (Fortsetzung.). Im vorigen §. sind die Bedingungen festgestellt wor- den, unter welchen ein Irrthum über die Eigenschaften einer Sache als wesentlich zu betrachten ist; die prakti- schen Rechtsregeln für diesen Fall, welche einstweilen nur vorausgesetzt worden sind, sollen nunmehr genauer ange- geben werden. Fand man es überhaupt billig, dem Irrenden in die- sem Fall zu Hülfe zu kommen, so konnte dieser allgemeine Zweck auf zweyerley Weise erreicht werden. Man konnte das Rechtsgeschäft als an sich gültig ansehen, dem Irren- den aber ausnahmsweise die Anfechtung wegen eines irri- gen Beweggrundes gestatten, so wie dieses bey den ädili- cischen Klagen und bey der condictio indebiti geschieht; man konnte aber auch den Willen selbst durch jene Art des Irrthums als ausgeschlossen betrachten, woraus sich dann die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts von selbst als Folge ergab. Das Roͤmische Recht hat diese zweyte Be- handlung gewählt, welches sowohl aus der Zusammenstel- lung mit dem Error in corpore, als auch aus einzelnen Aussprüchen, unwidersprechlich hervorgeht L. 9 § 2 de contr. emt. (18. 1.). „.. in ceteris autem nullam esse venditionem puto, quotiens in materia erratur.” Dieses sieht dem oben für un- richtig erklärten allgemeinen Prin- cip ähnlich: quotiens in substan- tia (materia) erratur, nullus est contractus (§ 137), ist aber davon wesentlich verschieden, da es schon nach den Worten blos auf die vorhergehenden zwey Fälle . — Der Irr- 19* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. thum ist hier, wie bey dem Error in corpore, ein unäch- ter, so daß es also gleichgültig ist, ob den Irrenden ein Tadel der Nachlässigkeit trifft oder nicht (§ 135). — Der Irrthum an sich ist der Grund, der uns bestimmt, den Willen als nicht vorhanden anzusehen. Nun können aber mit demselben noch andere Thatsachen zusammentreffen, die vielleicht auch für sich wieder besondere juristische Fol- gen haben. So z. B. kann über die irrig angenommene Eigenschaft der Sache ein ausdrückliches Versprechen ge- geben seyn; es kann sich darauf ein Dolus des Gegners beziehen. Alle diese möglicherweise concurrirende Thatsa- chen liegen außer dem Kreise unsrer gegenwärtigen Be- trachtung, indem sich diese auf die Ausschließung des Wil- lens durch wesentlichen Irrthum über eine Eigenschaft der Sache beschränkt. Es ergiebt sich daraus, daß die juri- stische Beurtheilung von Fällen dieser Art eine sehr zu- sammengesetzte Natur haben kann. — Endlich ist hier, wie bey dem Irrthum über die Person (§ 136) zu bemerken, daß zuweilen diese Folge des Irrthums unmerklich ver- schwinden wird, weil in manchen Fällen die Verschieden- heit der wahren Beschaffenheit von der irrig vorausge- setzten, dem Irrenden gleichgültig, vielleicht sogar vor- theilhaft seyn wird. von Gold und Silber geht, also durchaus kein allgemeines Prin- cip für den abstracten Fall des Error in substantia überhaupt vorstellen will. — Eben so wird in L. 11 pr. eod. das Daseyn des consensus negirt. — Welche An- sicht bey dieser Behandlung zum Grund liegt, ist schon oben an- gegeben worden (§ 137, beson- ders Note l ). Vergl. auch Bey- lage VIII. Num. XXXIV. Note n §. 138. Error in substantia. (Fortsetzung.) Es darf jedoch nicht verkannt werden, daß diese Be- handlung des erwähnten Falles, so natürlich und billig sie uns oft erscheinen mag, eine künstlichere Natur hat, als die gleiche Behandlung des Error in corpore, bey welchem die Annahme eines wirklichen Willens ganz un- möglich seyn würde. Daher wird sie überhaupt nur da angewendet, wo ein (sicheres oder denkbares) Rechtsin- teresse des Irrenden dadurch zu schützen ist. Daher ist es ferner denkbar, daß jene Behandlung nicht zu allen Zei- ten, auch wohl nicht schlechthin für alle Fälle, statt gefun- den hat. Die nun folgende Aufstellung der Rechtsregeln im Einzelnen wird daher zugleich auf die Ermittlung und Angabe solcher historischen und praktischen Gränzen ge- richtet seyn müssen. Die einzelnen Stellen, die einen solchen Irrthum für wesentlich, und deshalb den Vertrag für nichtig erklären, betreffen insgesammt den Fall, da ein Käufer über die Gattung der gekauften Waare zu seinem Nachtheil irrt; er kauft nämlich ein Gefäß von Bronze oder Bley für Gold oder Silber, Essig für Wein, eine Sklavin für ei- nen Sklaven. Hier ist überall der Kauf nichtig, der Käu- fer braucht daher nicht zu zahlen, und kann das gezahlte Geld zurückfordern L. 9 § 2 L. 11 pr. § 1 L. 14 L. 41 § 1 de contr. emt. (18. 1.). . Dieses soll gelten, ohne Unter- schied ob der Verkäufer es besser wußte, oder gleichfalls im Irrthum war Die ersten unter den an- geführten Stellen sprechen von dem Irrthum des Käufers, ohne . Offenbar ist hier an das zunächst Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. liegende Interesse des Käufers gedacht, nicht einen hohen Preis für eine geringe Waare zahlen zu müssen, und die- ser Zweck ist durch die aufgestellte Regel vollständig er- reicht. Es hat dieselbe aber auch noch andere Folgen. War z. B. im Vertrag ausgesprochen, daß das Gefäß von Gold sey, und der Preis war für ein goldnes Gefäß nur mäßig, so würde der Käufer wünschen, den Vertrag als gültig zu behandeln und die Differenz des Werths zu verlangen (§ 137. w ); dieses kann er nun nicht, weil gar kein Vertrag geschlossen ist, selbst wenn der Verkäufer in dolo war. Allein dieser Betrug wird freylich selbststän- dige Folgen haben können, unabhängig von dem Vertrag; der unredliche Verkäufer also muß den Käufer entschädi- gen, wenn dieser durch das, nunmehr als nichtig erkannte, Geschäft irgend einen Verlust erlitten hat Wegen des Betrugs muß der Verkäufer den Käufer in die Lage setzen, wie wenn von die- sem Geschäft nie die Rede gewe- sen wäre. Hat also der Käufer durch das Geschäft Kosten gehabt, . sich über das Bewußtseyn des Verkäufers zu äußern; aber L. 14 cit. sagt: „Quid tamen dicemus, si in materia et qualitate ambo errarent? ” Daraus folgt un- widersprechlich, daß in den vor- hergehenden Stellen ein wissen- der Verkäufer vorausgesetzt wird. Dieses Wissen nun läßt sich noch auf zweyerley Weise denken, red- lich und unredlich, indem der Ver- käufer ein gleiches Wissen bey dem Käufer vorausgesetzt haben könnte. Allein in den Stellen selbst ist wohl die Unredlichkeit des Verkäufers vorausgesetzt, theils weil der ohne Zweifel weit höhere Preis das Wissen des Käufers unwahrscheinlich machen mußte, theils weil es in L. 9 § 2 cit. heißt: „si acetum pro vino ve- neat, aes pro auro .” Veneat ist so viel als venditum sit, das Wort bezeichnet also die Hand- lung des Verkäufers, welcher Essig anstatt Wein feil geboten und verkauft, also für Wein aus- gegeben hat, welches Verfahren bey seinem besseren Wissen noth- wendig einen Betrug in sich schließt. §. 138. Error in substantia. (Fortsetzung.) Diese Nichtigkeit des Kaufs war jedoch nicht zu allen Zeiten anerkannt, ihre völlige Anerkennung muß daher der ausgebildeteren Rechtswissenschaft zugeschrieben werden. Zwar hatte sie schon Julian behauptet L. 41 § 1 de contr. emt. (18. 1.). , Marcellus aber verwarf sie L. 9 § 2 de contr. emt. (18. 1.). „.. Marcellus scripsit .. emtionem esse et venditio- nem, quia in corpus consensum est, etsi in materia erratum.” Das wird nun scheinbar beschränkt, in der That völlig widerlegt. , und erst durch Ulpian und Paulus L. 9. 11. 14 de contr. emt. (18. 1.). mag diese Lehre die unbestrittene Herrschaft erlangt ha- ben. Aus der älteren Zeit hat sich denn auch noch ein Zeugniß für die Meynung erhalten, nach welcher der Kauf eines messingnen Gefaͤßes für ein goldnes den Ver- trag eben so wenig ungültig machen soll, wie der Kauf getragener Kleider, die man für neue hält. Die Stelle ist die theilweise schon oben erklärte L. 45 de contr. emt. (18. 1.) (§ 137. s ), die unter den neueren Schriftstellern besonders viele Misverständnisse erzeugt hat. Marcian sagt zuerst, Labeo führe (bestätigend) die Meynung des Trebatius an, wenn ein Verkäufer getragene Kleider für hat er an das vermeintlich goldne Gefäß Arbeitslohn gewendet, oder deshalb einen andern vortheilhaf- ten Kauf versäumt, so kann er Ersatz fordern. Allein für den Gewinn, den er, bey einem wirk- lich goldnen Gefäß, durch den gültigen Vertrag gemacht hätte, kann er keinen Ersatz fordern. Ganz unrichtig nehmen Manche an, der irrende Verkäufer sey wegen Culpa verantwortlich. Cul- pa ist gar nicht allgemein eine causa obligationis, wie es der Betrug allerdings ist. Nur wo ein wirklicher Vertrag vorhanden ist (der hier fehlt), da ist dieser eine causa obligationis, und die daraus entspringende Obligation kann durch Culpa, wie durch Be- trug, modificirt und erhöht werden. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. neue ausgebe, so könne der Käufer doch nur in dem Fall, wenn er sie wirklich für neu hielt, Entschädigung fordern. Hierauf folgt die aus Pomponius und Julian entlehnte Bestätigung und weitere Ausführung dieser Behauptung. Daran schließt sich endlich die Fortsetzung des von Labeo aufgestellten Satzes Die Worte: quam sen- tentiam et Pomponius bis: quod ex eo contingit bilden eine, blos auf das vorhergehende zu bezie- hende, Parenthese. Dieses Ver- hältniß der Sätze wird schon durch die wechslende Construction angedeutet, denn der Zwischensatz schließt mit: qui ait … teneri, während der folgende Satz so lautet: quemadmodum .. tene- tur, welches nicht mehr durch qui ait regiert werden kann. Noch sicherer aber folgt es daraus, daß der Schlußsatz unmöglich von Ju- lian herrühren kann, weil dieser nach L. 41 § 1 eod. über die Metallgefäße die entgegengesetzte Meynung hatte. , indem derselbe nun auch auf me- tallene Gefäße in folgenden Worten angewendet wird: „quemadmodum si vas aurichalcum aurichalcum oder orichal- cum ist Messing, eine Mischung aus Kupfer und Galmey, wie es auch die Alten beschreiben; nicht, wie es Manche nach einer täu- schenden Etymologie erklären woll- ten, Mischung aus Gold und Ku- pfer, welches gerade für unsre Untersuchung ein entgegengesetz- tes Resultat geben müßte. Hier wird das Wort, welches außer- dem nur substantivisch vorkommt, als Adjectivum gebraucht. Die- ser (bey einem nicht häufigen Wort minder erhebliche) Anstoß hat in der Vulgata die Leseart si vas aurichalci, bey Haloan- der die wichtigere Emendation si quis aurichalcum veranlaßt, wel- che letzte wohl durch keine Hand- schrift unterstützt wird, und ver- worfen werden muß. pro auro vendi- disset ignorans, tenetur ut aurum quod vendidit prae- stet” Scheinbaren Anstoß erregt es, daß es erst heißt auricha I- cum vendidisset, und nachher doch aurum quod vendidit. Aber Beides ist richtig; er verkaufte in der That Messing, nach sei- nen Worten (also nach dem In- halt des Contracts) Gold. Die Worte ut aurum quod vendidit praestet sind so zu verstehen: er soll für das im Vertrag zuge- . Hier ist es einleuchtend, daß der Kauf der me- §. 138. Error in substantia. (Fortsetzung.) tallenen Gefäße dem Kleiderkauf völlig gleich gestellt, und daß bey beiden gleichmäßig die Gültigkeit des Vertrags entschieden angenommen wird. Da nun in den anderen angeführten Stellen bey Metallgefäßen gerade das Gegen- theil angenommen wird, so nahmen hieran mit Recht un- sre Schriftsteller Anstoß. Die Vereinigungsversuche sind insgesammt gezwungen und unbefriedigend ausgefallen, theilweise widersprechen sie geradezu den Worten So ist bey Averanius In- terpr. I. 19 § 9. 10 (der übrigens die Sache gründlich behandelt) die Vereinigung höchst gezwun- gen; eben so bey Richelmann S. 69. Die Meisten helfen sich damit, daß sie auf die Schwie- rigkeit nicht recht eingehen. . Das Einfachste ist aber wohl, die Äußerung des Labeo, eben so wie die des Marcellus, zu der älteren, nunmehr ver- worfenen, Meynung zu zählen. Ob Marcian diese Mey- nung billigte, oder vielleicht in der nicht mit excerpirten Fortsetzung der Stelle widerlegte, läßt sich nicht ausma- chen. Zu tadeln sind die Compilatoren nur insofern, als sie diese Äußerung eines sehr alten Juristen in einer sol- chen Gestalt aufgenommen haben, aus welcher nicht un- mittelbar, und ohne Vergleichung anderer Stellen, ihre spätere Verwerfung erhellt; das Versehen erklärt sich aber daraus, daß dieser Fall hinter dem andern, ganz unbe- denklichen, Fall von den alten Kleidern erwähnt war, durch welche Verbindung den Compilatoren die wesentliche Verschiedenheit unbemerkt blieb, wie denn ähnliche Fälle öfter vorkommen (vgl. § 124. i ). sagte Gold Entschädigung leisten. Darauf geht nämlich die actio emti, s. o. § 137. w. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Ich will es nun versuchen, die in den angeführten Stellen nicht erwähnten, aber verwandten Fälle, nach den dort angewendeten Grundsätzen zu beurtheilen. Wenn der Käufer weiß, daß das Gefäß nur vergoldet ist, welches der Verkäufer für Gold hält, so gilt der Kauf, und der versprochene Preis muß gezahlt werden; denn der Käufer irrt nicht, und in dem irrenden Verkäufer ist kein denkba- res Rechtsinteresse durch Annahme der Ungültigkeit zu schützen Wer ein Gefäß um Hun- dert verkaufen will, das er für ein goldnes hält, kann unmöglich diesen Verkauf abweisen, wenn er erfährt, daß es nur vergoldet ist. Es ist genau derselbe Fall wie in L. 52 loc. (19. 2.), wo Derjenige, welcher ein Grund- stück um Zehen pachten will, ge- radezu so angesehen wird, als hätte er auch um Fünf pachten wollen, ohne daß er weiter hier- über gefragt wird. Es ist in beiden Fällen von einem reinen Mehr und Weniger die Rede. Auch spricht dafür die augenschein- liche Analogie von L. 57 § 2 L. 58 de contr. emt. (18. 1.). . — Wenn umgekehrt der Verkäufer das wirk- lich goldne Gefäß für vergoldet hält, und in diesem Irr- thum verkauft, so ist nach derselben Regel, die in jenen Stellen zum Schutz des Käufers angewendet wurde, auch der Verkauf für nicht geschlossen zu halten Man könnte dagegen ein- wenden, jeder Verkäufer müsse die Eigenschaften seiner Sache ken- nen, und der Irrthum sey daher seine eigene Schuld ( L. 15 C. de resc. vend. 4. 44.). Allein bey dem unächten Irrthum, wovon hier die Rede ist, kommt auf die Verschuldung überhaupt Nichts an. ; es ist auch dabey gleichgültig, ob der Käufer in demselben Irrthum war oder nicht. Die hier über den Kauf und Verkauf aufgestellten Re- geln sind unbedenklich auch auf den Tausch anzuwenden, dessen innere Verwandtschaft mit dem Kauf, an sich selbst §. 138. Error in substantia. (Fortsetzung.) unverkennbar, in unsren Rechtsquellen deutlich ausgespro- chen ist L. 2 de rer. perm. (19. 4.). . Bey dem Miethcontract wird seltner eine Veranlassung zu diesen Regeln vorkommen Es wäre möglich bey Skla- ven und Sklavinnen; eben so wenn Jemand ein Silberservice miethen wollte, und ein plattirtes erhielte. . Wo sie aber vorkäme, würde es dieser Regeln nicht einmal bedürfen, da hier der Vertrag auf Gebrauch gerichtet ist, welcher an sich schon eine bestimmte Form und Gebrauchsart der Sache voraus- setzt. Daher wird hier auch in ähnlichen Fällen dem Mie- ther ein viel durchgreifenderer Schutz als dem Käufer ge- währt Wenn ein Haus nach ge- schlossenem Kauf abbrennt, so trifft der Schade den Käufer, der das ganze Kaufgeld bezahlen muß; brennt es ab nach geschlossenem, ja sogar nach theilweise erfülltem Miethcontract, so wird von der Zeit des Brandes an kein Mieth- geld gezahlt. L. 19 § 6 locati (19. 2.). . Bey der Schenkung Es ist gleichgültig, ob hier von einem Schenkungsverspre- chen, oder von der Tradition als Schenkung, die Rede seyn mag. Denn auch die Tradition erhält ihre Kraft nur durch die dona- tionis causa, den donandi ani- mus, und dieser eben wird durch den wesentlichen Irrthum ausge- schlossen. — Ich betrachte übri- gens hier die Schenkung rein als solche, wobey das Versprechen nach L. 35 C. de don. (8. 54.) die Natur eines b. f. contractus hat. Inwiefern die hinzutreten- de Stipulation einen Unterschied macht, wird sogleich untersucht werden. sind folgende Grundsätze anzu- wenden. Wird ein vergoldetes Gefäß geschenkt, das der Beschenkte für Gold hält, so ist die Schenkung dennoch gültig, da der Irrende kein mögliches Rechtsinteresse da- gegen hat; denn dieses geringere Gefäß ist doch mehr werth, als gar Nichts. Wird umgekehrt ein goldnes ge- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. schenkt, das der Schenkende für vergoldet hält, so ist die Schenkung, ohne Rücksicht auf das Bewußtseyn des Be- schenkten, für ungültig zu halten. Dafür spricht die Ana- logie der gleichartigen Regel für den Verkauf, die hier sogar noch höheren Anspruch auf Anerkennung haben muß. Dasselbe ist unbedenklich auch anzunehmen, wenn ein Testator in einem so wesentlichen Irrthum über die legirte Sache ist. Bey der Stipulation wird ausdruͤcklich gesagt, das Versprechen sey gültig, auch wenn der Glaubiger das Bronzegefäß für Gold halte L. 22 de V. O. (45. 1.). „Si id quod aurum putabam, cum aes esset, stipulatus de te fuero, teneberis mihi hujus ae- ris nomine, quoniam in cor- pore consenserimus: sed ex doli mali cIausula tecum agam, si sciens me fefelleris.” Der dolus geht darauf, wenn mit Rücksicht auf eine (vergangne oder künftige) Gegenleistung die Sti- pulation geschlossen ist, welche da- durch dennoch nicht aufhört, ein einseitiger Vertrag zu seyn. Fehlt in der Stipulation die doli clau- sula, so gilt hier freylich nicht die Stipulationsklage, aber unstreitig die doli actio. . Dieses könnte nun schon aus der Natur des einseitigen Vertrags gefolgert werden, eben so wie bey der Schenkung Nämlich die Stipulation kann zugleich eine Schenkung seyn, dann fallen beide Gesichtspunkte zusammen; das ist aber ganz zu- fällig; vgl. Note s. , weil Bronze mehr ist als Nichts. Allein der Grund, den der alte Jurist an- giebt ( quoniam in corpore consenserimus ), deutet auf mehr. Da nämlich derselbe Jurist (Paulus) bey dem Kauf den Consens in corpore für nicht hinreichend hält, um bey Gold und Bronze den Irrthum über den Stoff zu beseitigen L. 10 de contr. emt. (18. , so will er ohne Zweifel sagen, die freye §. 138. Error in substantia. (Fortsetzung.) aequitas, die zu dieser etwas künstlichen Behandlung bey dem Kauf geführt habe, dürfe bey der streng buchstäbli- chen Natur der Stipulation nicht gelten. Daraus folgt denn, daß auch die Stipulation gelten mußte, worin der Schuldner das versprochene Gefäß für vergoldet hielt, welches in der That Gold war. Für unser heutiges Recht übrigens kann dieses gleichgültig seyn. Endlich wird noch diese Art des Irrthums erwähnt bey der Verpfändung. Empfängt der Glaubiger als Pfand ein vergoldetes Gefäß, das der Verpfänder für Gold aus- giebt, so soll das Pfandrecht dennoch begründet seyn L. 1 § 2 de pign. act. (13. 7.). — Ein ganz verschiede- ner, nicht hierher gehörender Fall ist es, wenn ein goldnes Gefäß wirklich verpfändet, diesem aber nachher bey der Übergabe ein vergoldetes untergeschoben wird. Hier ist das Rechtsgeschäft ohne Irrthum vollendet, und die Ver- tauschung gilt als Diebstahl. L. 1 § 1 de pign. act. (13. 7.), L. 20 pr. de furtis (47. 2.). . Dieses folgt wieder aus der Natur des einseitigen Ver- trags, da das vergoldete Gefäß mehr Sicherheit giebt als gar Nichts. Es wird aber hinzugesetzt, gegen den Ver- pfänder gehe eine pignoraticia contraria actio, und außer- dem habe er sich eines Stellionats schuldig gemacht (vor- ausgesetzt, daß er in dolo war, welches aus der Zusage allein nicht nothwendig folgt). Die pignoraticia contra- ria, die durch die Zusage unzweifelhaft begründet ist (§ 137. w ), geht darauf, daß ein Pfand von gleichem Werth mit dem versprochnen goldnen Gefäß gegeben 1.), die offenbar dieselbe Ansicht voraussetzt, wie die vorhergehende L. 9 eod. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kay. III. Entstehung und Untergang. werde. Aber ich glaube, daß dieselbe Klage, als b. f. actio, auch außer dem Fall einer ausdrücklichen Zusage gelten muß, wenn nur der wahre Werth der verpfände- ten Sache nicht im Verhältniß mit dem Betrag der Schuld steht. Denn auch in anderen Fällen gilt diese Klage, wenn der Glaubiger aus Irrthum ein Pfand annimmt, das ihm keine hinreichende Sicherheit gewährt: namentlich wenn die verpfändete Sache in fremdem Eigenthum, oder schon an Andere verpfändet, oder wenn der verpfändete Sklave durch Krankheit von geringerem Werth ist L. 9 pr., L. 16 § 1, L. 32, L. 36 § 1 de pign. act. (13. 7.). . §. 139. III. Willenserklärungen. — Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. Gränze dieses Falles . Es ist bisher eine Reihe von Fällen angegeben wor- den, in welchen der Irrthum bey einem Rechtsgeschäft als ein wesentlicher, das heißt den Willen ausschließen- der, zu betrachten ist (§ 135—138). Wegen der Wich- tigkeit dieses Einflusses ist es nun noch nöthig, die Gränze dieses Falles dadurch fester zu bestimmen, daß einige ver- wandte Fälle, denen dieselbe Natur leicht zugeschrieben werden möchte, ausdrücklich davon ausgeschlossen werden. Es darf also nicht dahin gerechnet werden der wich- tige Fall, da die Ausführung eines Rechtsgeschäfts schon zu der Zeit, worin das Geschäft geschlossen wurde, un- möglich war, z. B. wenn eine verkaufte Sache dem Ver- §. 139. Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. Gränze. kehr entzogen, oder zur Zeit des Verkaufs schon unterge- gangen ist. Zwar wird hier gewöhnlich auch ein Irrthum über die Eigenthumsfähigkeit oder das Daseyn der Sache vorhanden seyn: auch ist in der Regel die Wirkung, eben so wie bey dem wesentlichen Irrthum, Nichtigkeit des Ge- schäfts; dennoch hat dieser Fall eine ganz andere Natur, und gehört gar nicht in den gegenwärtigen Kreis der Be- trachtung. Zwar werden auch hier gewöhnlich die Par- teyen in Unwissenheit über den Untergang der Sache seyn, wodurch man verleitet werden möchte, diesen Fall mit dem wesentlichen Irrthum über die Eigenschaften in Ver- bindung zu setzen. Allein der Irrthum ist dabey keines- weges nothwendig, vielmehr wird die Nichtigkeit unbe- dingt, ohne Rücksicht auf das Bewußtseyn der handelnden Personen, ausgesprochen L. 8 L. 15 pr. L. 34 § 1 de contr. emt. (18. 1.), L. 1 § 9 de O. et A. (44. 7.). , ja sie wird ausdrücklich für den Fall anerkannt, da der Käufer jenen Grund der Un- gültigkeit kannte L. 6 pr. L. 34 § 2 de contr. emt. (18. 1.). . Demnach ist hier überhaupt nicht von einer mangelhaften Willenserklärung die Rede, diese ist vielmehr in sich vollendet, und alles Besondere, was hier eintritt, liegt in einem ganz anderen Gebiete, dem der Ausführung des Willens, oder seiner Wirkungen. Diese Wirkungen aber können nicht in einer gemeinsamen Be- trachtung zusammengefaßt werden, da sie bey den einzel- nen Klassen der Rechtsverhältnisse zu verschiedenartig sind; Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sie müssen daher dem besondern Theile des Systems vor- behalten bleiben So muß also z. B. bey den Verträgen der Fall beachtet wer- den, wenn die Ausführung un- möglich ist wegen des Untergangs der Sache oder wegen ihrer Un- fähigkeit zum Eigenthum. Eben dahin aber gehört auch der Fall, da der Inhalt des Vertrags, we- gen seiner Widerrechtlichkeit oder Unsittlichkeit, nicht zur Ausfüh- rung kommen darf, in welchem Fall auch nicht einmal der Schein einer mangelhaften Willenserklä- rung vorhanden ist. Diese Fälle, bezogen auf den Inhalt der Ver- träge, stehen unter einander in derselben Verbindung, in welcher sie oben in Beziehung auf die Bedingungen (die eine allgemei- nere Natur haben) betrachtet wor- den sind (§ 121 — 124). . Ferner ist der Irrthum in den Beweggründen in der Regel ohne Einfluß auf die Gültigkeit der Rechtsge- schäfte Vgl. § 115, und Beylage VIII. Num. X. XI. XVII. . Auch wenn der Beweggrund ausgesprochen wird, und sich ungegründet befindet ( falsa causa ), so ist darum das Geschäft nicht weniger gültig Ulpian . XXIV. § 19. § 31 J. de leg. (2. 20.), L. 17 § 2 L. 72 § 6 de cond. (35. 1.), L. 1 § 8 de dote prael. (33. 4.). . Nur giebt es bey Testamenten mehrere Fälle, in welchen der Irr- thum die Verfügung entkräftet, wobey es dann wieder gleichgültig ist, ob der Beweggrund ausgesprochen war oder nicht Beylage VIII. Num. XVII. . Auch kann bey allen Rechtsgeschäften dem Beweggrund die Gestalt einer Bedingung oder eines Mo- dus gegeben werden, in welchem Fall er nach der Natur dieser Rechtsverhältnisse wirkt. Im einzelnen Fall kann es zweifelhaft seyn, ob eine gegebene Erklärung die eine oder andere dieser Bedeutungen haben soll, da es denn auf deren Auslegung ankommt § 31 J. de leg. (2. 20.), . §. 139. Erklärung ohne Willen. Unabsichtliche. Gränze. Ferner ist in der Regel unwesentlich der bloße Irr- thum über Eigenschaften des Gegenstands eines Rechts- verhältnisses, mag auch die irrige Annahme derselben zu- gleich der Beweggrund für den Willen gewesen seyn. Die- ses ergiebt sich am unzweifelhaftesten aus dem Gegensatz der wenigen, beschränkten Fälle, in welchen der die Ei- genschaften betreffende Irrthum in der That ein wesentli- cher ist, und daher den Willen ausschließt (§. 137. 138). Unwesentlich ist eben so der Irrthum in der namentli- chen Bezeichnung persönlicher oder sachlicher Individuen ( nomen ), vorausgesetzt daß die Person oder Sache richtig gedacht, und nur der Name verwechselt ist So bey Erbeinsetzungen und Legaten in Ansehung der Per- sonen. § 29 J. de leg. (2. 20.), L. 16 § 1 de leg. 1 (30. un.), L. 4 C. de test. (6. 23.); in An- sehung der legirten Sachen. L. 4 pr. de leg. 1 (30. un.), L. 28 de reb. dub. (34. 5.), L. 7 § 1 C. de leg. (6. 37.). — Eben so bey Contracten. L. 32 de V. O. (45. 1.), L. 9 § 1 de contr. emt. (18. 1.). — Bey der Wahl eines Richters. L. 80 de jud. (5. 1.). — Bey der Tradition. L. 34 pr. de adqu. poss. (41. 2.). . — Eben so ist gleichgültig die unrichtige Benennung eines Rechts- geschäfts (z. B. Kauf oder Schenkung), wenn die Parteyen aus Rechtsunkunde für das von ihnen wirklich gemeynte Geschäft einen falschen Namen gewählt haben (§ 134. l ). — Endlich auch ist gleichgültig das in einem Testament von dem Testator selbst, oder von dem Schreiber dem er dictirte, falsch geschriebene Zahlzeichen, wenn nur die Zahl selbst, an die der Testator dachte, außer Zweifel steht L. 9 § 2. 3. 4 de her. inst. (28. 5.). . L. 17 § 3 de cond. (35. 1.), L. 2 § 7 L. 3 de don. (39. 5.). III. 20 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. — Dagegen ist nicht gleichgültig die irrige appellative Bezeichnung einer Gattung von Sachen; das Gemeynte, aber nicht Ausgedrückte, soll hier nicht gelten L. 4 pr. de leg. 1 (30. un.). „.. rerum enim vocabula immutabilia sunt, hominum mutabilia.” L. 7 § 2 de sup- pell. (33. 10.). „.. ex communi usu nomina exaudiri debere … non videri quemquam dixisse, cujus non suo nomine usus sit” … Das wird dabey frey- lich anerkannt, daß auch die Gat- tung nicht gelte, die der Testa- tor wörtlich bezeichnet, aber nicht gemeynt habe. — Indessen, auch mit dieser natürlichen Beschrän- kung, ist doch der Satz aus der etwas ängstlichen Behandlung der Legate zu erklären, und dürfte sich im heutigen Recht schwerlich rechtfertigen lassen. Wenigstens bey Verträgen scheint es unbe- denklich, diejenige Gattung gel- ten zu lassen, an welche die Con- trahenten übereinstimmend ge- dacht haben, selbst wenn sie die- selbe mit einem unrichtigen Aus- druck bezeichnet haben mögen. . Ferner ist auch unwesentlich der Irrthum in der be- schreibenden Bezeichnung von Individuen ( demonstratio ), das heißt in der Angabe nicht vorhandener Eigenschaften oder Verhältnisse derselben, wenn nur wiederum der rich- tige Gedanke dem Erklärenden beygewohnt hat So bey der Person des Er- ben oder Legatars. L. 17 § 1 L. 33 pr. L. 34 pr. L. 40 § 4 de cond. (35. 1.), L. 48 § 3 de her. inst. (28. 5.), L. 5 C. eod. (6. 24.); bey der legirten Sache. Ulpian . XXIV. § 19, § 30 J. de leg. (2. 20.), L. 17 pr. § 1 L. 72 § 8 de cond. (35. 1.), L. 35 § 1. 2 L. 102 § 1 de leg. 3 (32. un.), L. 28 de reb. dub. (34. 5.). . — An- ders ist es, wenn die falsche Beschreibung zusammenfällt mit einem falchen Beweggrund, und dieser zugleich ein solcher ist, welcher ausnahmsweise den Willen entkräf- tet Beylage VIII. Num. XVII. . — Von dem Fall der bloßen Beschreibung ist zu unterscheiden die Angabe der Eigenschaft einer Gattung, wodurch diese auf eine besondere Art beschränkt wird. §. 140. Vertrag. Diese Bestimmung ist eben so von Einfluß, wie die der Gattung selbst; ist sie nun irrig, indem eine solche Ei- genschaft bey der ganzen Gattung nicht vorkommt, so daß die Haupt- und Nebenbestimmung mit einander im Wider- spruch stehen, so wird dadurch das ganze Rechtsgeschäft entkräftet L. 7 § 1 de trit. (33. 6.). „ Lucio Titio tritici modios cen- tum, qui singuli pondo centum pendeant, heres dato. Ofilius, nihil legatum esse, quod et La- beo probat: quoniam ejusmodi triticum in rerum natura non esset: quod verum puto.” Der Modius Weizen mochte im Durch- schnitt kaum Fünf und zwanzig Römische Pfunde wiegen ( Pli- nius H. N. XVIII. 7.), Weizen zu Hundert Pfund schwer war also unmöglich zu finden. . §. 140. IV. Vertrag . Unsere Betrachtung der juristischen Thatsachen ist bis jetzt stets vom Allgemeinen zum Besonderen fortgeschritten: von der Thatsache überhaupt zur freyen Handlung, von dieser zur Willenserklärung (§ 104 fg.). Wir gehen auf diesem Wege einen Schritt weiter, indem wir das Wesen des Vertrags zu bestimmen suchen, welcher unter allen Arten der Willenserklärung die wichtigste und umfassendste ist. Der Begriff desselben ist Allen, auch außer dem Ge- biet unsrer Wissenschaft, geläufig, den Juristen aber durch vielfache Anwendungen so bekannt und unentbehrlich, daß man überall eine gleichförmige und richtige Auffassung des- selben erwarten möchte; dennoch fehlt hieran sehr viel. 20* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Ich will es versuchen, durch die Analyse eines Falles, an dessen Vertragsnatur Niemand zweifelt, den Begriff selbst zur Anschauung zu bringen. Betrachten wir zu die- sem Zweck den Kaufcontract, so ist das Erste, was wir dabey wahrnehmen, eine Mehrheit einander gegenüber ste- hender Personen. In diesem besonderen Fall, so wie in den meisten, sind es gerade zwey Personen; in manchen Fällen aber, wie bey der Societät, ist die Anzahl ganz zufällig, und so müssen wir bey dem allgemeinen, unbe- stimmten Merkmal der Mehrheit stehen bleiben. — Diese Mehreren müssen irgend Etwas, und zwar Beide dasselbe, bestimmt gewollt haben, denn so lange noch entweder Un- entschiedenheit, oder Mangel an Übereinstimmung vorhan- den ist, wird Niemand einen Vertrag annehmen können. — Sie müssen sich dieser Übereinstimmung bewußt gewor- den seyn, das heißt der Wille muß gegenseitig erklärt wor- den seyn, da der blos gefaßte, aber heimlich gehaltene Entschluß nicht als Bestandtheil eines Vertrags gelten kann. — Ferner ist der Gegenstand des Willens zu beach- ten. Kommen zwey Menschen mit einander überein, sich gegenseitig in Tugend, Wissenschaft, Kunst, durch Rath und Beyspiel zu fördern, so würde das nur sehr uneigent- lich ein Vertrag genannt werden. Der Unterschied von dem beyspielsweise angeführten Kaufcontract, der wirklich ein Vertrag ist, liegt aber darin, daß in diesem der Wille auf ein Rechtsverhältniß als Zweck gerichtet ist, in jenen Fällen auf andere Zwecke. — Aber auch die bloße Rich- §. 140. Vertrag. tung auf ein Rechtsverhältniß ist noch nicht hinreichend. Wenn die Mitglieder eines Gerichtshofs, nach langen De- batten, über ein Urtheil sich einigen, so finden sich alle bisher angegebene Merkmale, auch ein Rechtsverhältniß ist Zweck des Beschlusses, und dennoch ist kein Vertrag an- zunehmen. Der Grund liegt darin, daß das Rechtsver- hältniß ihnen fremd, nicht wie bey dem Kaufcontract ihr eigenes ist. Die angegebenen Merkmale lassen sich in folgenden Be- griff zusammenfassen. Vertrag ist die Vereinigung Meh- rerer zu einer übereinstimmenden Willenserklärung, wodurch ihre Rechtsverhältnisse bestimmt werden. — Dieser Begriff enthält eine einzelne Anwendung des allgemeineren, oben dargestellten Begriffs der Willenserklärung. Er unterschei- det sich als einzelne Art von dieser seiner Gattung durch das Merkmal der Vereinigung mehrerer Willen zu einem einzigen, ganzen ungetheilten Willen, anstatt daß die Wil- lenserklärung überhaupt auch von einer einzelnen Person ausgehen kann. Unter den zu diesem Begriff zusammengefaßten Merk- malen ist nur eines einer näheren Erwägung bedürftig, da gerade hierin der Sitz mancher Misverständnisse ist: das Merkmal des Rechtsverhältnisses. Es fragt sich näm- lich, ob Rechtsverhältnisse aller Art, oder etwa nur eine einzelne Art derselben, Gegenstand des Vertrages seyn können. Von dieser Seite nun müssen wir für den ange- gebenen Begriff die ausgedehnteste Anwendbarkeit in An- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. spruch nehmen. Es sind also Verträge möglich im Völ- kerrecht, im Staatsrecht, im Privatrecht: in diesem ferner bey allen Arten der ihm angehörenden Rechtsinstitute. Völkerrechtliche Verträge finden sich in allen Bündnis- sen, Friedensschlüssen, wie in der Unterwerfung eines sou- veränen Staats unter die Hoheit eines andern, oder umge- kehrt in der Verwandlung von Bestandtheilen eines Staats in einen eigenen, selbstständigen Staat Von Unterwerfungsverträ- gen in mancherley Abstufungen liefert die Römische Geschichte viele Beyspiele. Die Verträge, wodurch souveräne Staaten ent- stehen, sind meist die Folge von Revolution und Krieg: so die Losreißung Hollands von Spa- nien, der vereinigten Staaten in Nordamerika von England, Bel- giens von Holland, der Spani- schen und Portugiesischen Colonien vom Mutterland. Sie kommen aber auch als friedliche und frey- willige vor: so wenn in Nord- amerika eine Anzahl von Einwoh- nern zu einem neuen Staat ver- einigt werden. . Die Römischen Juristen nennen den völkerrechtlichen Vertrag publica con- ventio L. 5 de pactis (2. 14.). ; sie warnen vor der misbräuchlichen Anwendung der Regeln und Formen des Privatrechts auf denselben Gajus III. § 94. Nachdem er zuerst gesagt hatte, nur Rö- mische Bürger könnten in der Formel: Spondes? Spondeo gül- tig contrahiren, fährt er fort: „Unde dicitur, uno casu hoc verbo peregrinum quoque obli- gari posse, velut si Imperator noster Principem alicujus pe- regrini populi de pace ita in- terroget: Pacem futuram spon- des? vel ipse eodem modo in- terrogetur. Quod nimium sub- tiliter dictum est: quia si quid adversus pactionem fiat, non ex stipulatu agitur, sed jure belli res vindicatur. ” . Staatsrechtliche Verträge sind namentlich in Deutsch- land häufig vorgekommen: so zwischen dem Fürsten und den Ständen, zwischen verschiedenen Mitgliedern eines re- gierenden Hauses. Recht entschieden tritt diese Form ins- §. 140. Vertrag. besondere in der Wahlkapitulation des Kaisers hervor Am Schluß des Eingangs heißt es: „daß Wir Uns dem- nach aus freyem gnädigen Wil- len mit denselben .. Kurfürsten, für sich und sämmtliche Fürsten und Stände des heiligen römischen Reichs geding- und pakts- weise dieser nachfolgenden Artikel vereiniget, vergli- chen, angenommen und zu- gesagt haben .” . — Dagegen ist in diesem Gebiet dem Vertrag manche irrige Anwendung beygelegt worden. So bey der ursprüng- lichen Entstehung der Staaten, die häufig auf einen Ver- einigungs- und Unterwerfungs-Vertrag zurückgeführt wird, da doch jede Ableitung derselben aus individueller Will- kühr verneint werden muß (§ 9). Eben so aber auch bey dem Eintritt des Einzelnen in den Staat. Wie nämlich der Mensch durch seine Geburt Glied einer Familie wird, und zwar in der Regel einer durch Ehe rechtlich geordne- ten Familie: eben so wird er durch Geburt Glied eines Volks und zugleich eines Staates, welcher nur die Er- scheinung des Volks in bestimmter Rechtsform ist. Durch jenes, wie durch dieses Band wird der Einzelne an das Ganze der Menschheit angeknüpft, lange ehe er ein Be- wußtseyn davon haben kann; daher ist es für beiderley Verbindungen gleich unzulässig, sie auf Vertrag, also auf individuelle Willkühr, zurück zu führen. Allein das ur- sprünglich vorhandene Familienband kann durch freye Hand- lungen modificirt oder nachgeahmt werden, namentlich durch Emancipation und Adoption. Eben so ist es denkbar, daß der Einzelne durch freyen Entschluß den angebornen Staat verlasse, und in einen neuen eintrete; auch diese Verände- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. rung kann, je nach den Einrichtungen eines Staates, die Form eines wahren Vertrags annehmen. Die privatrechtlichen Verträge aber sind unter allen die mannigfaltigsten und häufigsten, und sie allein haben die gegenwärtige Betrachtung veranlaßt. Hier nun kommt der Vertrag bey allen Arten der Rechtsinstitute vor, und überall als eine der wichtigsten Rechtsformen. So zuerst bey den Obligationen, und zwar vor Allem zur Begrün- dung derselben, welche Verträge man vorzugsweise die obligatorischen nennt: eben so aber auch zur Auflösung der Obligationen. — Ferner im Sachenrecht, und zwar gleichfalls in der ausgedehntesten Anwendung. So ist die Tradition ein wahrer Vertrag, da alle Merkmale des Vertragsbegriffs darin wahrgenommen werden: denn sie enthält von beiden Seiten die auf gegenwärtige Übertra- gung des Besitzes und des Eigenthums gerichtete Willens- erklärung, und es werden die Rechtsverhältnisse der Han- delnden dadurch neu bestimmt; daß diese Willenserklärung für sich allein nicht hinreicht zur vollständigen Tradition, sondern die wirkliche Erwerbung des Besitzes, als äußere Handlung, hinzutreten muß, hebt das Wesen des zum Grund liegenden Vertrags nicht auf. Eben so entstehen die Servituten regelmäßig durch Vertrag, man mag nun mit den Meisten eine Tradition fordern, wie bey dem Ei- genthum, oder den bloßen Vertrag an sich für genügend halten. Eben so entsteht durch Vertrag die Emphyteuse, die Superficies, das Pfandrecht; bey diesem letzten ist §. 140. Vertrag. nicht einmal die irrige Behauptung versucht worden, daß noch eine Tradition hinzutreten müsse. — In diesen häu- figen und wichtigen Fällen wird die Vertragsnatur der Handlung meist übersehen, weil man sie nicht gehoͤrig von dem obligatorischen Vertrag unterscheidet, welcher jene Handlung gewöhnlich vorbereitet und begleitet. Wird zum Beyspiel ein Haus verkauft, so denkt man gewöhnlich an den obligatorischen Kauf, und ganz richtig; aber man ver- gißt darüber, daß die nachfolgende Tradition auch ein Vertrag ist, und ein von jenem Kauf ganz verschiedener, nur durch ihn nothwendig gewordener. Die Verwechslung wird recht anschaulich durch die seltneren Fälle der Tra- dition ohne vorhergehende Obligation, wie bey dem Ge- schenk an einen Bettler, das einen wahren Vertrag enthält ohne alle Obligation, bloßes Geben und Nehmen in über- einstimmender Absicht; ferner durch die Verpfändung ohne Besitz ( hypotheca ), wobey durch Vertrag blos das ding- liche Pfandrecht entsteht, gar keine Obligation. Man könnte, zur schärferen Unterscheidung alle diese Fälle als dingliche Verträge bezeichnen. — Endlich gehören un- ter die privatrechtlichen Verträge auch diejenigen, wodurch in der Familie Rechtsverhältnisse bestimmt werden, na- mentlich die Ehe, die Adoption, die Emancipation. Die Einwürfe gegen die Vertragsnatur der Ehe werden im folgenden §. geprüft werden; die Vertragsnatur der Adop- tion und Emancipation ist bey den durch ihr Alter hand- lungsfähigen Kindern nicht zu bezweifeln. Für diese Art Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. der Verträge würde die Benennung der Familienverträge an sich passend seyn; sie ist jedoch nicht räthlich, weil sie nach dem herrschenden Sprachgebrauch schon für andere (das Vermoͤgen betreffende) Verträge angewendet zu wer- den pflegt. §. 141. IV. Vertrag . (Fortsetzung.) Von der hier gegebenen Darstellung des Begriffs vom Vertrag weichen unsre Schriftsteller, ältere und neuere, darin ab, daß sie eine einzige unter den angegebenen An- wendungen für den Gattungsbegriff selbst nehmen, indem sie den Vertrag im Allgemeinen so erklären, und mit dem Ganzen ihrer Systeme in solche Verbindung setzen, als wäre der obligatorische Vertrag der einzige überhaupt Donellus Lib. 12 C. 6. Hofacker T. 3 § 1752. Thi- baut § 444. Heise B. 3 § 69. Mühlenbruch § 331. Mackel- dey § 353. — Von Puchta Lehrbuch der Pandekten 1838 § 237 wird die allgemeinere Be- deutung der Verträge ganz aus- drücklich anerkannt. . Sie geben dadurch dem Begriff eine zu enge Begränzung, und schließen viele wichtige Fälle von dessen Anwendung aus, anstatt daß im Staatsrecht nicht selten eine zu aus- gedehnte Anwendung jenes Begriffs gemacht wird (§ 140). Der Grund dieser unvollständigen Auffassung liegt darin, daß der obligatorische Vertrag nicht nur der häufigste un- ter allen ist, sondern auch derjenige, in welchem die Ver- §. 141. Vertrag. (Fortsetzung.) tragsnatur augenscheinlicher und wirksamer als in anderen Anwendungen hervortritt. Dieses zeigt sich deutlich in ei- ner Stelle des Ulpian, welcher den Vertragsbegriff im Allgemeinen festzustellen sucht L. 1 § 2. 3. 4 de pactis (2. 14.). . Er wählt dafür zuerst den Ausdruck Pactio, und erklärt diesen genau in dem allgemeinen, umfassenden Sinn, welchen ich dem Vertrag zugeschrieben habe: Pactio est duorum pluriumve in idem placitum consensus. Darauf wird der Ausdruck Conventio gebraucht, augenscheinlich nur als abwechslende Bezeich- nung, nicht als ob Conventio etwas Anderes, oder Enge- res, oder Weiteres ausdrücken sollte. Diese Conventio nun wird Anfangs eben so allgemein erklärt, dann aber verliert sich unvermerkt der Gattungsbegriff ganz in die einzelne Art der obligatorischen Verträge. Man könnte jedoch leicht diesem Gegensatz der Mey- nungen eine groͤßere Wichtigkeit beylegen, als ihm in der That zukommt. Wenn nämlich nun von mir allgemeine Rechtsregeln über die Verträge aufgestellt würden, die ich auf die Ehe, Tradition u. s. w. anwendete, während An- dere diese Anwendung unterließen, so würde darin eine wichtige praktische Verschiedenheit enthalten seyn. So ist es aber nicht. Denn die für die Verträge geltenden Rechts- regeln beziehen sich auf die ihnen zum Grunde liegenden allgemeineren Begriffe der freyen Handlungen oder der Willenserklärungen (§ 104. 106. 114); so die Lehre von den Altersstufen, von Zwang und Irrthum, von den Be- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dingungen u. s. w. Diese sind also auf alle Willenserklä- rungen unzweifelhaft anwendbar, folglich unabhängig von der hier angeregten Streitfrage. Man kann in dieser Hin- sicht die Verträge beynahe als gleichbedeutend ansehen mit den Rechtsgeschäften unter Lebenden überhaupt, und in diesem Sinn ist von ihnen auch schon bisher häufig geredet worden (§ 116. a ). Was aber außerdem noch bey den Verträgen von Wichtigkeit ist, namentlich die Eintheilungen derselben, und vorzüglich der Gegensatz der contractus und pacta, bezieht sich in der That nur auf die obligato- rischen Verträge. Und so können wir uns an dieser Stelle damit begnügen, dem Begriff des Vertrags seine wahre Ausdehnung vindicirt zu haben, ohne bey demselben in allgemeiner Betrachtung länger zu verweilen. Wollte man indessen die eingeräumte mindere Wichtig- keit des hier erhobenen Streites dazu benutzen, um den Streit selbst für leer und überflüssig auszugeben, so müßte ich dieser Ansicht sehr bestimmt widersprechen. Es haben sich nämlich an die gerügte unvollständige Auffassung des Vertragsbegriffs manche Irrthümer angeknüpft, deren gänz- liche Beseitigung nicht unerheblich ist. Wer den obligato- rischen Vertrag für den einzigen überhaupt hält, und also die Vertragsnatur in der Tradition verkennt, kann diese nur sehr einseitig auffassen. Zwar wird er bey ihr die nothwendige Handlungsfähigkeit, den Einfluß von Zwang und Betrug, die Möglichkeit von Bedingungen u. s. f., wo diese gerade zur Sprache kommen, nicht völlig verneinen, §. 141. Vertrag. (Fortsetzung.) weil dieses widersinnig wäre; aber er wird bey ihr diese Momente nicht aus dem wahren Grund und nicht im rechten Zusammenhang anerkennen, und dadurch wird un- vermeidlich die Einsicht in das Wesen eines Rechtsver- hältnisses verkümmert. Eben so wird er die Ehe entweder gar nicht als Vertrag ansehen, und daraus wird ihm der- selbe Nachtheil entstehen, welcher so eben bey der Tradi- tion bemerkt worden ist; oder er wird genöthigt seyn, sie unter die obligatorischen Verträge aufzunehmen, wie man sie denn in der That als einen neuen, von den Römern seltsamerweise nicht beachteten, Consensualcontract neben den Kauf und die Societät zu stellen versucht hat Langsdorf de pactis et contractibus Romanorum, Mannhemii 1777. 4. § 73. Er sieht freylich die Ehe nicht als einen besonderen Consensualcon- tract an, sondern geradezu als eine Art der Societät. . Dadurch aber wird das Wesen der Ehe im höchsten Grad entstellt, ja herabgewürdigt. Die hier, im Widerstreit mit der herrschenden Ansicht, aufgestellte Behauptung geht also keinesweges blos auf die Berichtigung eines Sprachge- brauchs; denn daß die Römer die Ausdrücke Pactio, Pac- tum und Conventio, von anderen als den obligatorischen Verträgen wirklich gebraucht haben, wird von mir gar nicht behauptet, und der Umfang, in welchem man unsren Deutschen Kunstausdruck gebrauchen will, ist an sich nicht von Erheblichkeit. Wichtig aber ist es, daß das Gemein- same, wodurch die Ehe, die Tradition u. s. w. mit den obligatorischen Verträgen verwandt sind, bestimmt aner- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. kannt und in einzelnen Anwendungen durchgeführt werde; will man aber dieses Gemeinsame anerkennen, so ist zur Bezeichnung desselben unser deutscher Kunstausdruck so ge- schickt und bequem, daß es unnatürlich wäre den Vortheil zu versäumen, den uns der Besitz eines passenden Ausdrucks für einen wichtigen Rechtsbegriff darbietet. Und das ist es, was ich durch die gegenwärtige Untersuchung über den Begriff des Vertrags zur allgemeinen Uberzeugung bringen möchte. Die hier an unsren juristischen Schriftstellern gerügte einseitige Auffassung der Verträge ist auch bey den Natur- rechtslehrern nicht ohne Einfluß geblieben. Kant Kant Metaphysische An- fangsgründe der Rechtslehre Kö- nigsberg 1797. — Vgl. hierüber oben § 54. be- stimmt sogar den Begriff noch weit enger, als es unsre Juristen zu thun pflegen. Ihm ist Vertrag nur diejenige vereinigte Willkühr zweyer Personen, wodurch Eigenthum veräußert (S. 98), oder eigentlich diese Veräußerung vor- bereitet wird, da ihre Vollendung doch erst in der Tradi- tion stattfindet (S. 103). Eigenthum aber nimmt er in demselben Sinn wie die Römer, nämlich für die Herrschaft über eine bestimmte Sache (S. 95. 96). Unter seinen Be- griff fallen also nicht einmal alle obligatorische Verträge, z. B. nicht die welche auf Dienst oder Arbeit gehen, son- dern nur die worin eine Tradition versprochen wird, wie Kauf oder Tausch. Dennoch behandelt er sogar die Ehe als Vertrag, und zwar indem er eine Art von Eigenthum §. 141. Vertrag. (Fortsetzung.) jedes Ehegatten an der Person des anderen (ein auf ding- liche Art persoͤnliches Recht) annimmt, welches dann wie- der nur durch das Zusammentreffen des Vertrags mit der Tradition ( copula carnalis ) wirklich erworben werden kann (S. 110. 111). Die Ehe ist ihm daher recht eigentlich ein obligatorischer Vertrag, und er erklärt sie ausdrücklich (S. 107) als „die Verbindung zweyer Personen verschie- „denen Geschlechts zum lebenswierigen wechselsei- „tigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften .“ — Hegel Hegel Grundlinien der Philosophie des Rechts Berlin 1833. erklärt zwar woͤrtlich gleichfalls den Vertrag, so wie Kant, als gleichbedeutend mit der Veräußerung (§ 71 — 75); bey ihm aber ist diese enge Begränzung doch nur scheinbar, indem er auch die einzelne Thätigkeit der Person als Sache, das heißt als Gegenstand des Eigen- thums und der Veräußerung, behandelt (§ 67. 80). In der That also nennt er Vertrag alles Dasjenige, was ich oben als den obligatorischen Vertrag bezeichnet habe. Weiter aber geht er auch nicht, vielmehr erklärt er sich bestimmt, und selbst in harten Ausdrücken, gegen die Be- handlung der Ehe und des Staats als Vertrag (§ 75). Was den Staat betrifft, so ist im vorigen §. gleichfalls die Natur desselben als eines Vertrags verneint worden, und zwar deswegen, weil der Staat überhaupt nicht von individueller Willkühr ausgeht; dieses also ist von dem hier erhobenen Streit über den Vertragsbegriff unabhän- gig. Der harte Tadel gegen die Subsumtion der Ehe Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. unter den Vertragsbegriff, die Hegel als Schändlichkeit bezeichnet (S. 116), bezieht sich lediglich auf die oben dar- gestellte Lehre von Kant, also auf die Auffassung der Ehe als eines obligatorischen, und zwar wechselseitig auf den Beyschlaf gerichteten, Vertrags. Allein was nöthigt uns, den in der Ehe liegenden Vertrag gerade so zu denken? Wenn der Geistliche die Verlobten fragt, ob sie einander Liebe und Treue beweisen wollen bis in den Tod, und sie diese Frage bejahen, so hat ihre Erklärung nicht den Sinn eines Versprechens bestimmter Handlungen, noch der Un- terwerfung unter den gerichtlichen Zwang, für den Fall daß diese Handlungen nicht geleistet würden; wohl aber hat sie den Sinn, daß sie sich der von dem Christenthum geforderten Gestalt der Ehe bewußt sind, und daß sie den übereinstimmenden Willen haben, in dieser Weise ihr ge- meinsames Leben zu führen. Weil von dieser Willenser- klärung die Anerkennung der Ehe als eines Rechtsverhält- nisses abhängt, nennen wir sie mit gutem Grund einen Vertrag. Man sage nicht, diese Auffassung sey gezwungen, oder mit Willkühr hineingetragen. Sie ist so sehr die na- türliche, daß Jeder, der sich darüber unbefangen Rechen- schaft geben will, gerade darauf kommen wird; sie ist ins- besondere die in allen christlichen Kirchen anerkannte, denn nur von diesem Standpunkt aus erklärt es sich, daß der Geistliche eine Handlung leitet und vermittelt, die zugleich einen kirchlichen und einen privatrechtlichen Character hat Das, was ich hier, gegen Hegel streitend, behaupte, ist, wie . §. 141. Vertrag. (Fortsetzung.) Der Grund, der uns bey dem Staat bestimmte, das Da- seyn eines Vertrags zu verneinen, fällt bey der Ehe ganz hinweg. Bey dem Staat kann die Willkühr als Entste- hungsgrund nicht für Wahrheit gelten, nur für eine Fic- tion; bey der Ehe ist es unzweifelhaft, daß es von der freyesten Willkühr jedes der beiden Gatten abhängt, diese Ehe zu schließen oder zu unterlassen. oben gezeigt worden, für das im Einzelnen durchgeführte Rechts- system nicht gleichgültig; im Zu- sammenhang der Lehre von He- gel ist es sehr unerheblich, ob man dem Ausdruck Vertrag eine engere oder weitere Bedeu- tung unterlegt, wie er denn auch in der angeführten Stelle nur wenige Worte daran wendet, die Vertragsnatur der Ehe abzuwei- sen. Worauf es ihm ankam, war der entschiedene Widerspruch ge- gen Kants Ansicht, worin ich ihm völlig beystimme. Mit seiner ei- genen, nicht genug zu lobenden, Darstellung der Ehe (§ 161—164) ist die hier vertheidigte Auffassung derselben als eines wahren Ver- trags völlig vereinbar. Sehr be- stimmt und befriedigend ist die Vertragsnatur der Ehe dargestellt von Hasse , Güterrecht der Ehe- gatten § 31. III. 21 Beylage . VIII. 21* Beylage VIII. Irrthum und Unwissenheit . (Zu § 115.) D ie wichtigsten Quellen dieser Lehre finden sich in den Titeln de juris et facti ignorantia in den Digesten ( XXII. 6) und im Codex ( I. 18). Folgende Schriftsteller sind zu bemerken: Cujacius observ. V. 39. Cujacius recit. in Dig. XXII. 6, Opp. VII. 886—896. Cujacius in Papin. quaest. XIX., ad L. 7 de j. et f. ignor., Opp. IV. 502. Cujacius in Papin. definit. I. ad L. 8 eod., Opp. IV. 1429. Donellus I. 18—23. Glück B. 22 S. 262—374. C. F. van Maanen de ignorantiae et erroris natura et effectibus Lugd. Bat. 1793. Mühlenbruch doctr. Pand. I. §. 95. 96. Mühlenbruch über juris und facti ignorantia, Archiv B. 2 S. 361—451. Beylage VIII. I. Der Mangel richtiger Vorstellung von einem Gegen- stand läßt sich auf zweyerley Weise denken: entweder als bloße Bewußtlosigkeit in Beziehung auf denselben, oder als falsche Vorstellung welche die Stelle der wahren einge- nommen hat. Den ersten Zustand nennen wir Unwis- senheit , den zweyten Irrthum . Die juristische Beur- theilung ist für beide Zustände völlig dieselbe, und darum ist es gleichgültig, welchen von beiden Ausdrücken man gebraucht. Bey unsren Juristen ist der zweyte gebräuch- licher, weil der Irrthum häufiger als die bloße Unwissen- heit bey Rechtsverhältnissen in Betracht kommt Über die wesentliche Iden- tität des Irrthums und der Un- wissenheit vgl. das System § 115, und Donellus I. 19 § 5. — Ei- gentlich besteht also das allgemein- ste Wesen des hier vorhandenen mangelhaften Seelenzustandes in der Unwissenheit, oder dem Man- gel richtiger Erkenntniß, und da- von ist der Irrthum nur eine be- sondere Modification, deren Eigen- thümlichkeit aber juristisch gleich- gültig ist. . Das Daseyn eines solchen mangelhaften Zustandes wird stets nach dem Bewußtseyn derjenigen Person beur- theilt, auf welche sich das Rechtsverhältniß zunächst und unmittelbar bezieht, ohne Rücksicht auf die, welche neben ihr ein Interesse, vielleicht selbst ein größeres, an jenem Verhältniß haben kann L. 5 h. t. , L. 3 quis ordo (38. 15.). Vgl. Cujacius opp. VII. 888 und in Africanum Tract. 8 ad L. 51 de aedil. ed. Hei- neccius ad L. Jul. p. 189. Glück B. 22 S. 306. Vgl. auch unten Num. XXI. Note w. . Man unterscheidet den Rechtsirrthum und den fac- Irrthum und Unwissenheit. tischen Irrthum . Der Rechtsirrthum hat zum Gegen- stand den Inhalt einer Rechtsregel, also das objective Recht Beyspiele des Rechtsirr- thums sind zusammengestellt in L. 1 pr. § 1—4 h. t. — Verschie- den von dem jus ignorare ist das jus suum (oder de jure suo ) ignorare, das heißt der Irrthum über den eigenen persönlichen Rechtszustand; denn dieser wird gerade gewöhnlich auf factischen Irrthümern beruhen, obgleich er allerdings auch mit Rechtsirrthum zusammenhängen kann. Vergl. über diesen Ausdruck L. 3 pr. h. t. und L. 2 § 7 de j. fisci (49. 14.). ; der factische Irrthum bezieht sich auf die juri- stischen Thatsachen, das heißt auf die thatsächlichen Be- dingungen der Anwendung einer Rechtsregel. — Von bei- den läßt sich noch derjenige Irrthum unterscheiden, wel- cher in der unrichtigen Subsumtion der Thatsachen unter die Rechtsregel enthalten ist; da jedoch unsre Rechtsquel- len nur jene beiden Arten des Irrthums anerkennen, so muß bestimmt werden, welcher derselben dieser dritte Fall hinzu zu rechnen ist. Sehen wir nun auf dessen innere Natur, so müssen wir ihn als factischen Irrthum aner- kennen. Denn die Rechtsregel ist als das Feste, unabän- derlich Gegebene anzusehen; unsere Aufgabe ist es, die einzelnen Elemente der Thatsachen, theils durch Zerglie- derung, theils durch Verbindung, dergestalt zu einem Gan- zen zu bilden, daß die feste Rechtsregel auf dasselbe an- wendbar erscheine. Wir mögen nun in der unmittelbaren Auffassung des Geschehenen selbst irren, oder in dieser Ausbildung desselben durch unser Denken, so ist es doch immer die Erkenntniß der Thatsachen, worüber wir irren, mithin der Irrthum selbst ein factischer. So ist es also Beylage III. aus dem inneren Wesen der Subsumtion der Thatsachen unter die Rechtsregel erwiesen, daß der auf sie bezügliche Irrthum als ein factischer, nicht als ein Rechtsirrthum, betrachtet werden muß. Weiter unten wird diese Behaup- tung von der praktischen Seite her ihre Bestätigung fin- den (Num. V. ). II. Der juristische Einfluß des Irrthums steht in Verbin- dung mit den juristischen Thatsachen, oder den Gründen der Entstehung und des Untergangs der Rechtsverhält- nisse. Wenn nämlich diese Thatsachen in freyen Hand- lungen oder Unterlassungen bestehen Vergl. das System § 104. Num. I. III. , und wenn auf jene oder diese irgend ein Irrthum Einfluß gehabt hat, so fragt es sich, ob etwa dieser Irrthum die regelmäßige Wirkung jener Thatsachen störe, so daß nun die Entste- hung oder der Untergang des Rechtsverhältnisses entweder ganz unterbliebe, oder doch auf andere als die gewöhn- liche Weise einträte. Ja es ließe sich denken, daß der Irrthum die Wirkung der Thatsachen nicht blos aus- schlösse oder verminderte, sondern in anderen Fällen sogar verstärkte, indem Dasjenige, was außerdem ein Hinder- niß des Rechtsverhältnisses seyn würde, um des Irrthums willen diese hindernde Kraft nicht äußern könnte. Alle diese Verschiedenheiten lassen sich unter den gemeinsamen Gesichtspunkt bringen, daß durch den Irrthum die regel- Irrthum und Unwissenheit. mäßige Wirksamkeit juristischer Thatsachen ausnahmsweise modificirt werden kann. Eine solche Einwirkung des Irrthums kommt in der That vor, und zwar auf zweyerley Weise. Nicht selten wird dadurch die Rechtsregel selbst bestimmt, so daß das Daseyn eines richtigen Bewußtseyns unter die Bedingun- gen der Rechtsänderung unmittelbar aufgenommen wird, und also der Fall des Irrthums von der Anwendung der Regel ausdrücklich ausgeschlossen ist So z. B. sagte das Edict: „Quae dolo malo facta esse di- centur .. judicium dabo.” L. 1 § 1 de dolo (4. 3.). Der Begriff des dolus begreift Bewußtseyn und Absicht in sich, schließt also den Fall des Irrthums von selbst aus. — Die Formel der Erbein- setzung cum cretione war diese: „cernitoque in centum diebus „proxumis, quibus scies pote- „risque.” ( Gajus II. § 165). Sehr wahrscheinlich sprach eben so das Edict, indem es für die agnitio der B. P. eine Zeit von 100 Tagen oder einem Jahr vor- schrieb. ( L. 1 § 1 h. t. , L. 10 de B. P. 37. 1.). Der Richter also, der den Verlust der B. P. ohne Rücksicht auf Unwissenheit aussprechen wollte, würde schon den bloßen Buchstaben der Rechts- regel eben so willkührlich ver- letzen, wie wenn er 80 Tage an- statt 100 als hinreichend für die- sen Verlust annähme. — Eben so ist die Infamie Demjenigen gedroht, der eine Wittwe vor Ab- lauf des Trauerjahrs wissentlich heurathet ( „sciens .. uxorem duxerit” L. 1 de his qui not. 3. 2.). Dadurch ist also der Fall einer aus Irrthum über jene That- sache geschlossenen Ehe schon wört- lich ausgeschlossen. — Am häufig- sten ist in eigentlichen Strafge- setzen die Formel sciens dolo malo. Vergl. Rudorff Zeit- schrift für geschichtl. Rechtswis- senschaft B. 9 S. 396. . In anderen Fäl- len dagegen kommt das richtige Bewußtseyn als Bedin- gung der Rechtsänderung nicht vor, es ist also nicht schon unmittelbar Bestandtheil der Rechtsregel selbst; allein es ist anderwärts anerkannt, daß der Irrthum die gewöhn- liche Anwendung der Regel modificiren, daß er eine Aus- Beylage VIII. nahme herbeyführen, oder als Grund einer Entschuldi- gung dienen soll. — Für die Theorie und für die Anwen- dung bedürfen eigentlich nur die Fälle der zweyten Art einer besonderen Untersuchung und Feststellung, indem die der ersten Art schon durch sich selbst hinreichende Begrün- dung haben. Der vollständigeren Übersicht wegen ist es jedoch räthlich, beide Arten von Fällen zusammen zu fassen. Um diese Einwirkungen des Irrthums auf die Rechts- verhältnisse hervorzubringen, werden, je nach Verschieden- heit der Fälle, folgende verschiedene Rechtsformen ange- wendet. 1) Oft wirkt der Irrthum geradezu, das heißt so daß nun die ohne denselben eintretende Rechtsveränderung schlechthin unterbleibt. Dieses geschieht in allen Fällen der oben angegebenen ersten Art, in welchen das richtige Bewußtseyn ein ausgesprochener Bestandtheil der Rechts- regel selbst war, welches in den beyspielsweise angegebe- nen Fällen (Note b ) von selbst einleuchtet. — Es geschieht aber zuweilen auch in Fällen der zweyten Axt, obgleich es hier die seltnere Rechtsform ist Wer einem filiusfamilias , den er aus guten Gründen für unabhängig hält, ein Gelddarle- hen giebt, ist ganz frey von der exceptio Sc. Maced., obgleich das wissentliche Geben im Se- natusconsult selbst nicht erwähnt wird. L. 3 pr. ad Sc. Maced. (14. 6.), verglichen mit L. 1 pr. eod. — Eben so gilt als nicht ge- schehen der Antritt oder die Aus- schlagung der Erbschaft, wenn der Erbe über Daseyn oder Art der Delation im Irrthum ist. L. 15. 16. 19. 22. 23. 32. 33. 34 de adqu. vel om. her. (29. 2.). . 2) In anderen Fällen wirkt der Irrthum nicht schon Irrthum und Unwissenheit. an sich selbst oder unmittelbar, wohl aber vermittelst ei- nes besondern, und zwar ordentlichen, Rechtsmittels. Da- hin gehören mehrere Condictionen, und eben so die Kla- gen aus dem Edict der Ädilen. Auch wird die doli ex- ceptio zu diesem Zweck angewendet So z. B. wenn ein Legat aus einem irrigen Beweggrund gegeben wird. L. 72 § 6 de cond. (35. 1.). . 3) Endlich giebt es auch noch andere Fälle, in wel- chen der Irrthum weder unmittelbar, noch in Kraft eines ordentlichen Rechtsmittels auf das Rechtsverhältniß ein- wirkt, sondern nur vermittelst einer außerordentlicherweise durchgreifenden richterlichen Verfügung, das heißt einer Restitution. Das Daseyn einer solchen, auf Irrthum ge- gründeten, Restitution hat im Allgemeinen keinen Zwei- fel Paulus L 7 § 2. „Integri restitutionem Praetor tribuit ex his causis, quae per … justum errorem .. gesta esse dicun- tur.” L. 2 de in int. rest. (4. 1.). „Sive per status mutationem, aut justum errorem .” , aber die Gränzen der Anwendung sind sehr be- stritten. Manche haben dieser Restitution, und dadurch der Wirksamkeit des Irrthums überhaupt, eine ungebühr- liche Ausdehnung gegeben; Andere haben sie allzusehr ein- geschränkt. Das Genauere darüber kann erst im Einzel- nen festgestellt werden; an dieser Stelle mag eine vorläu- fige Übersicht genügen. Die häufigste Anwendung hat diese Restitution bey unvorsichtigen Handlungen und Unterlas- sungen im Prozeß; außerdem kommt sie vor zum Schutz Desjenigen, der sich mit einem falsus tutor eingelassen hat L. 1 § 6 quod falso (26. : in manchen Fällen der Klagverjährung: gegen Beylage VIII. eine von den Erbschaftsglaubigern unvorsichtigerweise be- wirkte Separation: bey den Erben, die aus Nachlässig- keit die Mörder des Erblassers zu verfolgen unterlassen: endlich in mehreren Fällen zum Vortheil einiger beson- ders begünstigten Klassen von Personen (Num. XXX — XXXIII. ) Im Ganzen ist diese Be- gränzung der Restitution wegen Irrthums übereinstimmend mit Burchardi Wiedereinsetzung in den vorigen Stand § 21 und § 12 S. 181. Nur hält dieser noch daneben für zulässig alle Fälle, welche sich auf die bekannten Re- geln von damnum und lucrum zurückführen lassen (S. 385). Da- von wird weiter unten (Num. VIII. ) die Rede seyn. Ich nehme keine Restitution wegen Irrthums an, außer den in unsren Rechtsquel- len namentlich erwähnten Fällen. . III. Ehe die einzelnen Fälle zusammengestellt werden, worin der Irrthum wirkt oder nicht wirkt, muß der Versuch ge- macht werden, irgend ein allgemeineres Princip für diese Wirksamkeit aufzufinden. Hier tritt uns nun sogleich in vielen Stellen die Regel entgegen, nach welcher zwischen dem factischen und Rechtsirrthum ein Unterschied gelten soll. Bald werden beide Fälle geradezu, als praktisch verschieden, neben einander gestellt L. 2 h. t. „In omni parte error in jure non eodem loco, quo facti ignorantia, haberi de- bet” … L. 9 pr. h. t. „Re- gula est, juris quidem ignoran- tiam cuique nocere, facti vero ignorantiam non nocere” … L. 9 § 5 h. t. „.. sciant, igno- rantiam facti, non juris, prod- esse” … L. 8 h. t. , L. 29 § 1 mandati (17. 1.), L. 11 § 4 de his qui not. (3. 2.), C. 13 de reg. juris in VI. ; bald wird von dem 7.). So viel wir wissen, war die- ses der einzige, im Edict nament- lich erwähnte, Fall einer Restitu- tion wegen Irrthums. Andere Fälle wurden aus der clausula generalis abgeleitet. Irrthum und Unwissenheit. Rechtsirrthum besonders angegeben, daß er dem Irrenden nicht nütze L. 7 h. t. , L. 11. 12 C. h. t. . Fragen wir jedoch nach dem Grund dieser verschiede- nen Behandlung, so werden wir dadurch sogleich auf ein höheres Princip zurückgeführt, welches uns zugleich nö- thigt, jene beiden Regeln sehr zu beschränken. Der Grund nämlich der günstigen Behandlung des fac- tischen Irrthums wird darin gesetzt, daß es oft schwer, ja unmöglich sey ihn zu vermeiden L. 2 h. t. „cum … facti interpretatio plerumque etiam prudentissimos fallat.” . Hieran knüpft sich aber sogleich die natürliche Beschränkung, daß er Dem- jenigen nicht zu gut kommen soll, welcher sich dabey in einer groben Nachlässigkeit befindet L. 3 § 1 L. 6 L. 9 §. 2 h. t. , L. 11 § 11 de interrog. (11. 1.), L. 3 pr. ad Sc. Mac. (14. 6.), L. 15 § 1 de contr. emt. (18. 1.), L. 14 § 10 L. 55 de ae- dil. ed. (21. 1.), L. 3 § 7. 8 L. 4 quod vi (43. 24.). . — Die Anwen- dung dieser beschränkenden Bestimmung kann nur in jedem einzelnen Fall mit Sicherheit gemacht werden. Im Allge- meinen wird angenommen, daß der Irrthum über eine eigene Handlung oder über den eigenen Rechtszustand un- zulässig sey, weil man darüber nicht ohne große Nachläs- sigkeit irren könne L. 3 pr. h. t. , L. 6. 7 ad Sc. Vell. (16. 1.), L. 5 § 1 pro suo (41. 10.), L. 42 de R. J. (50. 17.). . Doch darf dieses nur als eine Ver- muthung gelten, indem auch ein solcher Irrthum zulässig seyn kann, theils wegen der besonderen Beschaffenheit der irrenden Person L. 2 § 7 de j. fisci (49. 14.) „si ea persona sit, quae igno- rare propter rusticitatem vel , theils wegen der eigenthümlichen, den Beylage VIII. Irrthum entschuldigenden, Umstände des einzelnen Fal- les Ein solcher Fall wird er- wähnt in L. 1 § 2 h. t. — Wenn nun in anderen Stellen der Irr- thum über eigene Handlungen ohne Weiteres als zulässig behan- delt wird, so sind dabey stets sol- che besondere entschuldigende Um- stände vorauszusetzen. So in L. 22 pr. L. 32 § 1. 3 de cond. indeb. (12. 6.). . Auf gleiche Weise soll der Rechtsirrthum deswegen ungünstiger beurtheilt werden, weil dabey den Irrenden stets der Vorwurf großer Nachlässigkeit treffe Daß hierin Alles auf den Begriff der culpa zurück zu füh- ren ist, erhellt deutlich sowohl aus den in Note d angeführten Stel- len, als aus L. 29 § 1 mandati (17. 1.). Hier ist nicht von der Zulässigkeit und den Wirkungen des Irrthums nach allgemeinen Rechtsregeln (wie in unsrer Un- tersuchung) die Rede, sondern im Verhältniß zu einem anderen Con- trahenten, wo gewiß nur die culpa entscheiden kann; und doch wird auch hier der Unterschied zwischen dem factischen und Rechtsirrthum zum Grund gelegt. Vgl. auch Glossa in L. 11 § 4 de his qui not. (3. 2.) und Cujacius Opp. IV. p. 508. ; denn die Rechtsregel sey klar und gewiß L. 2 h. t. „cum jus fini- tum et possit esse et debeat, facti interpretatio plerumque etiam prudentissimos fallat.” , und daher könne ein Jeder sie entweder selbst wissen, oder durch Erkundi- gung bey Rechtsverständigen leicht erfahren. Dieser letzte Gedanke wird nun noch dahin näher ausgebildet, daß es allerdings Fälle gebe, worin diese Nachlässigkeit, also auch die darauf gegründete ungünstige Behandlung, wegfalle, aber diese Fälle seyen sehr selten anzunehmen L. 10 de Bon. Poss. (37. 1.), L. 2 § 5 quis ordo (38. 15.), L. 9 § 3 h. t. „Sed juris igno- rantiam non prodesse, Labeo ita accipiendum existimat, si jurisconsulti copiam haberet, vel sua prudentia instructus sit: ut, cui facile sit scire, ei de- trimento sit juris ignorantia: . propter sexum femininum jus suum possit.” Über die Bedeu- tung des jus suum vergl. oben Num. I. Note c. Irrthum und Unwissenheit. In der That also lassen sich beide Regeln auf den gemeinsamen Grundsatz zurückführen, daß kein Irrthum, der auf großer Nachlässigkeit beruht, dem Irrenden zu gut kommen soll, oder, was die Sache von anderer Seite her ausdrückt, daß nur derjenige Irrthum geltend gemacht werden darf, den man justus oder probabilis error, justa ignorantia, nennen kann Über diesen letzten Ausdruck vgl. L. 11 § 10 de interrog . (11. 1.), L. 42 de R. J. (50. 17.), L. 25 pr. de prob. (22. 3.), fer- ner die in Num. II. Note e ab- gedruckten Stellen, und (was den probabilis error betrifft) L. 5 § 1 pro suo (41. 10.). — Das hier aufgestellte Princip wird im Allgemeinen auch anerkannt von Mühlenbruch Archiv B. 2 S. 383. . Dieser gemeinsame Grund- satz aber erscheint in der Anwendung verschieden, indem die Nachlässigkeit bey dem factischen Irrthum als eine be- sondere Thatsache erwiesen werden muß, anstatt daß sie sich bey dem Rechtsirrthum von selbst versteht, und nur durch den Beweis ungewöhnlicher Umstände widerlegt wer- den kann. Beide Arten des Irrthums stehen also nicht unter einer verschiedenen Rechtsregel, sondern die Beweis- quod raro accipiendum est. ” Diese letzten Worte könnten an sich eine dreyfache Bedeutung ha- ben. Erstlich: nur selten könne Jemand den Rechtsirrthum ver- meiden; dieses aber würde au- genscheinlich falsch seyn, auch mit den übrigen Stellen völlig im Widerspruch stehen. Zweytens: die Meynung des Labeo sey nur selten als wahr anzunehmen. Ein- facher und natürlicher ist aber die dritte Erklärung, nach welcher Paulus nicht die Meynung des Labeo bestreitet, sondern ihre An- wendbarkeit näher bestimmt. Denn eigentlich liegt in der Behauptung des Labeo der umgekehrte positive Satz, daß selbst der Rechtsirrthum zulässig sey, da wo er nicht ein- mal durch Erkundigung vermie- den werden könne. Diesen Satz nun will Paulus nicht bestreiten, er bemerkt nur, daß der darin vorausgesetzte Fall nur selten an- genommen werden könne, der Satz selbst also von keiner erheblichen Anwendung sey. Beylage VIII. last ist für beide Arten verschieden. Ja man kann noch einen Schritt weiter gehen, und behaupten, daß bey dem Rechtsirrthum nicht blos die Schuldlosigkeit, sondern selbst das Daseyn des Irrthums, schwerer und seltner, als bey dem factischen, anzunehmen ist; und dieser letzte Gegensatz ist besonders wichtig, da überhaupt der Irrthum, als eine innere Thatsache, durch gewöhnliche Beweismittel nur sel- ten zur vollen Gewißheit gebracht werden wird. IV. Die bereits angedeutete Beschränkung einer ungünsti- gen Behandlung des Rechtsirrthums soll jetzt genauer aus- geführt werden. Zu einer solchen sindet sich Veranlassung schon nach dem Römischen Recht, noch mehr aber nach dem heutigen. Es wird nämlich bey jener ungünstigen Behandlung als Gegenstand des Irrthums eine solche Rechtsregel vorausgesetzt, die als gewiß allgemein aner- kannt ist. Denn nur bey einer solchen kann man dem Ir- renden eine große Nachlässigkeit vorwerfen, auch sind die zahlreichen, in unsren Rechtsquellen vorkommenden, Bey- spiele insgesammt von Regeln eines solchen Characters hergenommen L. 1 § 1 — 4 h. t. , L. 25 § 6 de her. pet. (5. 3.), L. 10 de Bon. Poss. (37. 1.), L. 31 pr. de usurp. (41. 3.), L. 2 § 15 pro emt. (41. 4.). . Daher würde denn eine solche Behand- lung in folgenden zwey Fällen nicht eintreten dürfen. Er- stens bey controversen Rechtssätzen. Wenn z. B. ein Satz Irrthum und Unwissenheit. unter den beiden Schulen der Römischen Juristen streitig war, so konnte der Richter, welcher die Meynung einer Partey für einen Rechtsirrthum hielt, ihr nicht einen nach- lässigen Mangel der Erkundigung bey Rechtsverständigen vorwerfen, da ja auch die diversae scholae auctores Rechtsverständige waren. Zweytens bey Sätzen des par- ticulären Rechts, da dessen Kenntniß oft weit weniger verbreitet und zugänglich ist, als die des allgemeinen; vorzüglich wird diese Schwierigkeit anerkannt werden müs- sen, wenn das örtlich beschränkte Recht ein Gewohnheits- recht ist, welches meist schwerer kennen zu lernen seyn wird, als das Daseyn eines Gesetzes Gegen diese Berücksichti- gung des Unterschieds zwischen Ge- setz und Gewohnheitsrecht, in Be- urtheilung des Rechtsirrthums, ist Nichts einzuwenden. Dagegen ist es ganz verwerflich, wenn Man- che den Irrthum über ein Ge- wohnheitsrecht gar nicht als Rechtsirrthum, sondern als fac- tischen, ansehen wollen. Puchta Gewohnheitsrecht II. S. 217 — 220. . Die Anerken- nung dieser beiden Fälle aber muß uns dahin führen, in dem heutigen Recht den Rechtsirrthum überhaupt milder zu behandeln, als er nach den Aussprüchen der Römi- schen Juristen behandelt werden sollte. Denn der Um- fang des controversen Rechts ist in unsrem gelehrten und verwickelten Rechtszustand ungleich größer, als er den Römern erscheinen konnte. Eben so aber nimmt auch das particuläre Recht bey uns eine ohne Vergleich wichtigere Stelle ein, als bey den Römern; in Beziehung auf die- ses wird daher auch die Schuldlosigkeit des Rechtsirr- thums in einer merkwürdigen Stelle des canonischen Rechts III. 22 Beylage VIII. ausdrücklich anerkannt C. 1 de constitut. in VI. (1. 2.). „Romanus pontifex … locorum specialium et perso- narum singularium consuetudi- nes et statuta, cum sint facti et in facto consistant, potest probabiliter ignorare.” Was hier dem Pabst nachgesehen wird, muß doch wohl jeder andern Per- son nicht weniger zugestanden werden. . Indem wir also hier eine mil- dere Behandlung des Rechtsirrthums für die heutige Zeit in Anspruch nehmen, so liegt darin keinesweges eine will- kührliche Abweichung von den Grundsätzen des Römischen Rechts, die wir vielmehr ganz in ihrem Sinn auf die veränderten Umstände anwenden wollen. So verwandelt sich von selbst der eine bloße Thatsache ausdrückende Satz des Paulus: quod raro accipiendum est (Num. III. k ) in den etwas veränderten Satz: quod minus raro hodie accipiendum est. V. Aus der hier entwickelten Natur des Rechtsirrthums folgt nun zugleich die schon oben (Num. I. ) angekündigte praktische Bestätigung des Satzes, daß der Irrthum über die Subsumtion der Thatsachen unter die Rechtsregel zu den Fällen des factischen, nicht des Rechtsirrthums, zu rechnen ist. Die Subsumtion nämlich ist in einfachen Fäl- len so leicht, daß in derselben ein Irrthum kaum vorkom- men kann. Sobald aber ein Rechtsfall in verwickelter Gestalt erscheint, wird oft die Subsumtion so schwierig seyn, daß selbst Diejenigen, die über die einschlagenden Rechtsregeln ganz einig und im Klaren sind, dennoch den Irrthum und Unwissenheit. Fall selbst auf ganz entgegengesetzte Weise beurtheilen wer- den. Dann aber wäre es doch die hoͤchste Willkühr und Ungerechtigkeit, wenn wir Demjenigen, dessen Subsum- tion wir verwerfen, nicht nur Unrecht geben, sondern auch große Nachlässigkeit vorwerfen wollten, indem er durch Erkundigung die Wahrheit leicht hätte erfahren können. Ein Beyspiel mag dieses anschaulich machen. Der be- rühmten L. Frater a Fratre ( L. 38 de cond. indebiti ) liegt ein so verwickelter Rechtsfall zum Grund, daß sehr nam- hafte Juristen, lediglich durch verschiedene Subsumtion, auf ganz entgegengesetzte Erklärungen gerathen sind. Woll- ten wir nun Demjenigen, der unter Voraussetzung einer irrigen Erklärung dieser Stelle ein Rechtsgeschäft vorge- nommen hätte, eine unverzeihliche Nachlässigkeit vorwer- fen, und deshalb den Schutz entziehen, worauf er außer- dem, des Irrthums wegen, Anspruch haben dürfte? Die Römer urtheilten nicht also. Denn obgleich sie überhaupt den Rechtsirrthum sehr streng behandeln, und namentlich als Grund der condictio indebiti nicht gelten lassen, so gestattet doch Africanus in dem Fall dieser Stelle die Condiction unbedenklich: offenbar von der Ansicht ausge- hend, daß der Irrthum des an seinen Bruder zahlenden Schuldners, der sich in das verwickelte Rechtsverhältniß nicht hatte finden können, ganz anderer Natur sey, als der Irrthum über eine leicht faßliche, überall zu erfra- gende Rechtsregel Mühlenbruch S. 423 nimmt freylich in dieser Stelle 22* Beylage VIII. Die hier aufgestellten Regeln gelten übrigens nur da, wo der Irrthum lediglich als solcher in Betracht kommt. Tritt also zu dem Irrthum des Einen der Betrug des Andern hinzu, so kommt lediglich die Regel des Betrugs, nicht die des Irrthums, zur Anwendung. Dann also er- scheint die in dem Irrthum vielleicht enthaltene Nachläs- sigkeit als ganz gleichgültig, und eben deshalb auch die besondere Natur des Rechtsirrthums. Es ist daher ganz einerley, ob durch den Betrug ein factischer, oder ein Rechtsirrthum in dem Betrogenen erzeugt worden ist. VI. Obgleich wir nun die besonderen Regeln für den fac- tischen und den Rechtsirrthum auf eine gemeinsame Regel zurückführen konnten, so müssen wir dennoch anerkennen, daß damit ein positives Princip für die Lehre vom Irr- thum keinesweges aufgefunden ist: ein positives Princip nämlich in dem Sinn, daß daraus die Wirksamkeit des Irrthums für jeden einzelnen Fall erkannt werden könnte. Wer z. B. eine Sache zu theuer bezahlt oder zu wohlfeil verkauft, weil er über ihren wahren Werth im Irrthum ist, wird gegen diesen Nachtheil nicht geschützt, ohne Un- terschied des factischen oder des Rechtsirrthums, des schuld- losen oder nachlässigen. Dagegen kann die irrige Zahlung einer Nichtschuld allerdings zurück gefordert werden, vor- die Voraussetzung eines Rechts- irrthums an, und gebraucht sie als Beweis, daß dieser bey der condictio indebiti nicht schade. Irrthum und Unwissenheit. ausgesetzt daß ein factischer Irrthum zum Grunde liegt. Diesen Unterschied also, und somit überhaupt die Wirk- samkeit des Irrthums, erkennen wir aus jener Regel nicht. Vielmehr hat dieselbe die blos negative Bedeutung, daß in den Fällen, die an sich für die Wirksamkeit des Irr- thums wohl geeignet sind, diese Wirksamkeit dennoch weg- fällt, sobald dem Irrthum eine große Nachlässigkeit zum Grunde liegt, in der Regel also wenn derselbe ein Rechts- irrthum ist. Finden wir also nicht etwa anderwärts ein positives Princip, so werden wir genöthigt seyn, von fol- gender Ansicht auszugehen. Der Irrthum im Allgemeinen wirkt an und für sich gar nicht, schützt also auch nicht gegen den dadurch entstandenen Nachtheil. Für viele ein- zelne juristische Thatsachen ist ihm allerdings eine Einwir- kung mitgetheilt, und diese muß für jede derselben beson- ders begründet werden. Allein auch bey diesen fällt die Einwirkung hinweg, wenn der Irrthum auf einer großen Nachlässigkeit beruht, welches in der Regel bey dem Rechtsirrthum anzunehmen ist, bey dem factischen aber stets besonders erwiesen werden muß. Wir haben also nun die verschiedenen Klassen juristi- scher Thatsachen, in Beziehung auf die Wirksamkeit des Irrthums, einzeln zu untersuchen. Da jedoch in den Quellen des Römischen Rechts zwey scheinbare positive Principien erwähnt werden, so ist zur Rechtfertigung des vorgezeichneten Verfahrens zuvor die Prüfung dieser Prin- cipien nöthig. Beylage VIII. VII. In folgenden Stellen scheint das durchgreifende Prin- cip ausgesprochen, daß der aus Irrthum entsprungene Wille gar kein Wille sey, also auch nicht als Wille wirke. „.. cum non consentiant qui errent. Quid enim tam „contrarium consensui est quam error qui imperitiam „detegit?” L. 15 de jurisd. (2. 1.). „error enim litigatorum non habet consensum.” L. 2. pr. de jud. (5. 1.). „nulla enim voluntas errantis est.” L. 20 de aqua pluv. (39. 3.). „Non videntur, qui errant, consentire.” L. 116 § 2 de R. J. (50. 17.). „cum errantis voluntas nulla sit.” L. 8 C. h. t. „cum nullus sit errantis consensus.” L. 9 C. h. t. Wäre dieser Satz richtig, so würde er von der äußer- sten Wichtigkeit seyn, und wir hätten dann in ihm das durchgreifendste positive Princip für die Wirksamkeit des Irrthums gefunden. Aber Nichts ist auch gewisser, als daß derselbe verworfen werden muß. Der entscheidendste Beweis dafür liegt in der ganzen, vom Römischen Recht so sorgfältig ausgebildeten, Lehre vom dolus. Wäre der Irrthum schon an sich hinreichend, die Annahme irgend Irrthum und Unwissenheit. eines Willens, also auch aller Folgen desselben, völlig auszuschließen, so würde z. B. jeder durch Irrthum ver- anlaßte Vertrag nichtig seyn. Dann wäre also auch die Entstehung des Irrthums durch den Betrug des Gegners ganz gleichgültig. Das Römische Recht aber behandelt gerade diese Entstehung als höchst wichtig, und sieht sie als ganz entscheidend an. Ja selbst im Fall dieser Ent- stehung behandelt es den Vertrag nicht als nichtig, son- dern es sucht ihn auf indirectem Wege (durch doli ex- ceptio ) zu entkräften. Dieses Alles ist augenscheinlich nur denkbar unter der sicheren Voraussetzung, daß der Irr- thum an sich das Daseyn des Willens und dessen Folgen nicht ausschließt, daß also der durch bloßen Irrthum ver- anlaßte Vertrag ein vollgültiger, unanfechtbarer Ver- trag ist. Der in den mitgetheilten Stellen enthaltene scheinbare Widerspruch verschwindet, wenn man dieselben nicht in dieser willkührlichen Absonderung, worin allein der trüge- rische Schein derselben, als durchgreifender Rechtsregeln, enthalten ist, betrachtet, sondern im Zusammenhang mit ihrer ganzen Umgebung und mit anderen verwandten Stel- len. Jede derselben will also nur sagen, daß in einem gegebenen Fall, unter den besonderen Bedingungen desselben, die in Verbindung mit einem Irrthum vorgenommene Handlung keine Wirkung habe. Es wird im Verfolg un- srer Untersuchung gezeigt werden, welches die besonderen Bedingungen dieser Fälle sind. Hier war es genug, vor- Beylage VIII. läufig zu zeigen, daß jene Stellen ein positives Princip für die Lehre vom Irrthum überhaupt nicht enthalten können. VIII. Weit allgemeinere Anerkennung hat bey neueren Schrift- stellern folgendes positive Princip gefunden: der factische Irrthum helfe ohne Unterschied, der Irrende möge sich bereichern, oder nur Schaden von sich abwenden wollen; der Rechtsirrthum dagegen helfe nur in dem letzten dieser beiden Fälle, nicht in dem ersten. Dieses Princip scheint in zwey Stellen vollständig enthalten zu seyn, welche merk- würdigerweise beide von Papinian herrühren. L. 7 h. t. „Juris ignorantia non prodest adquirere vo- lentibus, suum vero petentibus non nocet.” L. 8 h. t. „Error facti ne maribus quidem in damnis vel compendiis obest: ceterum omnibus juris error in damnis amittendae rei suae non nocet.” Ein Stück dieses Princips kommt auch noch in folgender Stelle vor, die ohne Zweifel auf jene Aussprüche des Pa- pinian gegründet ist: L. 11 C. h. t. „Quamvis in lucro nec feminis jus igno- rantibus subveniri soleat” … Versucht man aber, dieses scheinbare Princip in der An- wendung durchzuführen, so zeigt es sich bald durch den Widerspruch mit den unzweifelhaftesten einzelnen Entschei- dungen, bald durch seine Unbestimmtheit, ganz unbrauchbar. Die erste dieser Behauptungen, die ihrer Natur nach die Irrthum und Unwissenheit. entscheidendste seyn muß, kann erst durch die ganze folgende Untersuchung des Irrthums in einzelnen Rechtsverhältnissen ihre volle Begründung erhalten. Zwei Betrachtungen aber können ihr schon vorläufig Zustimmung verschaffen. Die in unsren Rechtsquellen anerkannte Grundansicht war die, daß ein verschuldeter Irrthum niemals helfe, und daß der Rechtsirrthum, mit Ausnahme seltener Fälle, ein verschul- deter sey (Num. III. ). Damit aber steht es in offenbarem Widerspruch, wenn der Rechtsirrthum stets dazu helfen soll, positiven Schaden abzuwenden. Ferner ist einer der wichtigsten Fälle des Irrthums im täglichen Verkehr der, wenn Jemand aus Unkunde des wahren Werthes einer Sache zu Schaden kommt, z. B. wenn er zu theuer kauft oder miethet, zu wohlfeil verkauft oder vermiethet. Das ist stets ein factischer Irrthum, der also nach dem hier vorliegenden Princip den Schaden abwenden müßte. Aber gerade über diesen wichtigen und häufigen Fall sind so ziemlich Alle einig, daß der Irrthum keine Hülfe gewähre. Unsere Rechtslehrer haben diesen Maͤngeln durch höchst subtile Unterscheidungen abzuhelfen versucht. So z. B. be- zeichnen die Römischen Juristen die Zulässigkeit des Irr- thums, oder die günstige Behandlung des Irrenden, ab- wechslend durch prodest, non obest, non nocet, permissum est, subvenitur: die entgegengesetzte Unzulässigkeit eben so durch non prodest, obest, nocet, detrimento est L. 7. 8 h. t. , verglichen mit L. 9 pr. § 3 h. t. , worin die Ausdrücke ganz zufällig und willkührlich abwechslen. ; jeder Beylage VIII. dieser Ausdrücke nun soll nach manchen Neueren eine sub- tile Eigenthümlichkeit des Erfolgs bezeichnen Cujacius obs. V. 39, und Opp. VII. p. 890. . Eben so kommt einmal der besondere Ausdruck vor: in damnis amittendae rei suae (L. 8 h. t.); dieser wird benutzt, um darauf einen, die ganze Lehre beherrschenden, Gegensatz von damnum rei amittendae und amissae zu gründen Donellus I. 21 § 14—20, I. 22 § 1. 2. . Ein so willkührliches, unkritisches Verfahren in der Aus- legung würde höchstens durch sehr klare und einfache Re- sultate einige Wahrscheinlichkeit gewinnen können; allein auch daran fehlt es bey jenen Schriftstellern gänzlich. Es ist daher am Gerathensten, ein Princip ganz aufzugeben, welches doch nur durch die willkührlichsten Deutungen und Einschränkungen sein Scheindaseyn fristen kann, also eine ganz unnütze Verwicklung in eine Lehre bringt, die in der Anwendung auf einzelne Rechtsinstitute meist klar und ge- wiß erscheint Im Allgemeinen stimmt diese Ansicht überein mit Müh- lenbruch S. 413—416, der nur darin nicht consequent verfährt, daß er einen Theil jener im Allge- meinen auch von ihm aufgegebe- nen Regel zu retten versucht, nämlich die Unzulässigkeit des Rechtsirrthums im Fall des lu- crum. Allein eine solche Theilung läßt sich eben so wenig durchfüh- ren, als das ganze Princip. . Wir widersprechen also nicht etwa durch dieses Verfahren unsren Rechtsquellen, sondern wir halten uns nur an deren sichere Entscheidungen im Einzelnen, und behandeln die oben mitgetheilten Stellen als einen nicht gelungenen Versuch zur Aufstellung eines allgemeinen Princips. Dieser Tadel aber trifft nicht Papinian, son- Irrthum und Unwissenheit. dern die Compilatoren. Hätten wir jene Stellen in ihrem ursprünglichen Zusammenhang vor uns, so würde ohne Zweifel aus ihrer Umgebung klar werden, in welcher be- schränkten Beziehung Papinian jene Sätze aufstellen wollte Wir behaupten also nicht, daß die in Papinians Stellen gemachten Unterscheidungen un- wahr, sondern daß sie nur bezie- hungsweise wahr sind. Welches nun die besonderen Beziehungen waren, an welche Papinian dabey dachte, und die aus dem ganzen Zusammenhang seiner Rede deut- lich hervorgehen mochten, können wir freylich bey dem abgerissenen Zustande der Stellen nicht mit völ- liger Sicherheit angeben. Wahr- scheinlich aber sprach Papinian von den Wirkungen des Irrthums nicht im Allgemeinen, sondern bey be- ders privilegirten Klassen, oder vielmehr blos bey Frauen. Das Genauere hierüber wird am Ende dieser Nummer ausgeführt wer- den. . Nur so abgerissen, wie wir sie jetzt lesen, erhalten sie die absolute Bedeutung, in welcher wir sie nicht als wahr annehmen können. Ja selbst abgesehen von dieser neuen Gestalt, in welche diese Stellen durch ihre Aufnahme in die Digesten gerathen sind, dürfen wir uns auf den all- gemeineren Grundsatz der Auslegung berufen, nach welchem im Conflict allgemeiner, von den alten Juristen gebildeter Rechtsregeln mit sicheren concreten Entscheidungen, diese letzten den Vorzug erhalten müssen (§ 44). Zur noch vollständigeren Rechtfertigung dieses Verfah- rens gegen den Vorwurf willkührlicher Behandlung unsrer Rechtsquellen mögen folgende Betrachtungen dienen. Im Wesentlichen ist dasselbe nicht von demjenigen verschieden, welches wir oben zur Beseitigung des scheinbaren ersten Princips (Num. VII. ) angewendet haben. Ist es nun hier Beylage VIII. von den Meisten stets als zulässig und unbedenklich ange- nommen, wenigstens stillschweigend vorausgesetzt worden, so darf es nicht ohne Inconsequenz bey der Prüfung des zweyten Princips verworfen werden. — Ferner ist das Resultat unsrer Untersuchung eigentlich dieses, daß in den mitgetheilten Stellen die Unterscheidung zwischen lucrum und damnum, als zu einem allgemeinen Princip nicht ge- eignet, ausgeschieden werden müsse; dann aber bleibt in denselben Nichts übrig, als die ohnehin gewisse verschiedene Behandlung des factischen und des Rechtsirrthums, und sie stimmen nun ganz überein mit den vielen, diese Ver- schiedenheit bezeugenden Stellen (Num. III. Note a ). Ja unter diesen ist eine so gefaßt, daß sie mit den Stellen Papinians geradezu in Widerspruch treten würde, wenn wir nicht diesen, auf die oben vorgeschlagene Weise, die Kraft eines durchgreifenden Princips versagen wollten L. 9 pr. h. t. „Regula est, juris quidem ignorantiam cui- que nocere, facti vero ignoran- tiam non nocere.” Hier wird die Schädlichkeit des Rechtsirr- thums absolut ausgesprochen, ohne Unterschied des positiven Verlustes und des entbehrten Gewinnes. . — Endlich müssen wir aber auch noch zu der schon oben angedeuteten Behauptung zurückkehren, daß das in den Stellen Papinians scheinbar enthaltene Princip zu einer sicheren Anwendung durchaus nicht geeignet ist, weil ihm keine scharf bestimmbaren Begriffe zum Grunde liegen. Denn ob der durch den Irrthum veranlaßte Nachtheil als entbehrter Gewinn, oder als positiver Schade gelten soll, das hängt oft blos von dem Zeitpunkt ab, den wir für Irrthum und Unwissenheit. die Betrachtung wählen; dieser Zeitpunkt aber wird durch jenes Princip auf keine Weise bestimmt, so daß dasselbe den letzten Erfolg meist unentschieden lassen wird. Wer z. B. die condictio indebiti anstellt, will etwas gewinnen in Beziehung auf die unmittelbar vorhergehende Zeit, da das bezahlte Geld in seinem Vermögen gegenwärtig gar nicht mehr enthalten, er also durch die geleistete Zahlung schon wirklich ärmer geworden ist; in Beziehung auf die Zeit vor der Zahlung will er Verlust abwenden; Alles hängt also davon ab, ob wir den Umfang des Vermögens vor oder nach der Zahlung unsrer Betrachtung zum Grund legen wollen Hieraus erklärt sich die subtile Unterscheidung des Donel- lus zwischen damnum rei amit- tendae und amissae. — Höpf- ner , Institutionencommentar § 954, nimmt an, der Kläger bey der condictio indebiti wolle zwar gewöhnlich nur Verlust abwenden, zuweilen aber auch Gewinn ma- chen; dieses namentlich wenn der Testamentserbe die Legate ohne Abzug der Falcidia ausgezahlt habe, und nun das so zuviel Bezahlte zurückfordere; denn die- ser Abzug sey reiner Gewinn. Hier schiebt also Höpfner den Standpunkt der Beurtheilung in eine noch frühere Zeit zurück, nämlich vor den Erwerb der Erb- schaft, in welcher Zeit freylich die ganze Erbschaft, also auch der in der Falcidia enthaltene Theil der- selben, noch als bevorstehender reiner Gewinn erscheinen muß; oder gar in die Zeit vor der Lex Falcidia, die ja überhaupt erst den Abzug, als reinen Gewinn, dem Erben zugestanden hat. Hieraus wird es nun immer einleuchten- der, daß jene Unterscheidung die willkührlichste Anwendung zuläßt, also schon an sich selbst als sichere Regel zu dienen unfähig ist. . Wer eine Usucapion vollendet, wird vielleicht gar nicht reicher, da die Usucapion sehr oft nur dadurch einen praktisch höchst wichtigen Dienst leistet, daß sie den fehlenden Beweis des bereits vorhandenen Eigen- Beylage VIII. thums entbehrlich macht. Jedoch auch Der, welcher durch sie wirklich erst Eigenthum erwirbt, wird zwar um den ganzen Werth dieses Eigenthums reicher, als er unmittel- bar vor der Usucapion war; gehen wir aber auf einen früheren Zeitpunkt zurück, so wendet er vielleicht blos den Verlust ab, den er durch den Kauf einer fremden Sache erleiden würde, wenn gerade der Verkäufer die Eviction zu leisten nicht im Stande ist. Wer eine Sache zu theuer kauft, und nun gegen diesen nachtheiligen Contract Hülfe verlangt, will Schaden abwenden mit Rücksicht auf den Vermögenszustand vor geschlossenem Contract; sehen wir auf den gegenwärtigen Zeitpunkt, so will er reicher wer- den, denn der Schade ist durch die in dem geschlossenen Contract übernommene Obligation bereits vollendet, und wird es nicht erst durch die Zahlung des Geldes. — In- dem also jenes Princip ganz entgegengesetzte Anwendungen zuläßt, zeigt es sich schon durch seine Fassung untauglich als sichere Regel gebraucht zu werden, ganz abgesehen noch von den ihm widersprechenden sicheren Entscheidungen einzelner Fälle. Ich will damit nicht behaupten, daß der Begriff von lucrum überall ein unbestimmter, juristisch wenig brauch- barer Begriff wäre. Wenn einem Rechtsgeschäft die be- stimmte Absicht einseitiger Bereicherung zum Grunde liegt (durch Schenkung), so ist allerdings der lucri animus eine bestimmte und wichtige Bedingung für die Eigenthümlich- keit dieser Handlung. Aber hier ist uns auch durch die Irrthum und Unwissenheit. Handlung selbst ein unzweifelhafter Zeitpunkt gegeben, in Beziehung auf welchen das Mehr oder Weniger in dem Vermögen abzumessen ist. Gerade der Mangel eines sol- chen sicheren Zeitpunkts ist es, wodurch jenes angebliche Princip für die Lehre vom Irrthum so unbrauchbar für die Anwendung wird. Diese letzte Bemerkung aber führt uns nun noch zu einer bestimmteren Behauptung über die ursprüngliche Ge- stalt der Stellen Papinians und deren gegenwärtig vorlie- gende Interpolation. Die ganze Verwirrung entsteht da- durch, daß Papinian eine erschöpfende Klassification aller möglichen Rechtsereignisse aufstellen zu wollen scheint, aus welcher man für jeden vorkommenden Fall eines Irrthums abnehmen könne, ob dem Irrenden zu helfen sey oder nicht. In dieser Gestalt aufgefaßt, führten die Stellen theils zu anerkannt unrichtigen, theils zu schwankenden, in beiden Fällen also zu unbrauchbaren Resultaten. In der That aber hatte Papinian nicht von dem Irrthum überhaupt, sondern nur von dem Irrthum der Frauen gesprochen. Diese hatten zu seiner Zeit das Vorrecht, da wo überhaupt der Irrthum schützte, auch den Rechtsirrthum für sich gel- tend machen zu dürfen: jedoch mit Ausnahme der Schen- kungen, d. h. der Geschäfte, die uns nicht etwa blos be- reichern (welches bey sehr vielen Geschäften nach Einer Seite hin geschieht), sondern wobey diese einseitige Berei- cherung die bestimmte Absicht beider zusammen wirkenden Personen ist. In diesem Zusammenhang hatte der von Beylage VIII. ihm gebrauchte Ausdruck lucrum eine ganz bestimmte Be- deutung, und in welcher Verbindung daneben von damnum gesprochen war, können wir jetzt nicht errathen. Daß er aber von den Frauen sprach, erhellt aus den Worten der Stelle selbst ganz deutlich. Die generalisirende Interpo- lation fanden die Compilatoren deswegen nöthig, weil späterhin das ausgedehnte Vorrecht der Frauen beschränkt, und dem Recht der Männer nahe gebracht worden ist (Num. XXXI. ). So haben durch ungeschickte Behandlung jene Stellen die irre führende Gestalt eines durchgreifenden Princips über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Irrthums im Allgemeinen erhalten. — Bisher habe ich diese Behauptung blos als eine Hypothese aufzustellen ge- sucht, die sich als wahrscheinlich durch ungezwungene und befriedigende Lösung der vorliegenden Schwierigkeit bewährt. Sie erhält aber ein historisches Gewicht durch eine, auch schon oben angeführte, Kaiserconstitution, in welcher wir glücklicherweise unmittelbar nachweisen können, daß die Com- pilatoren ein ähnliches, als das hier für Papinian behaup- tete, Verfahren wirklich angewendet haben. Es ist dieses die von Constantin herrührende L. 3 C. Th. de sponsal. (3. 5.) „Quamvis in lucro nec feminis jus ignorantibus subveniri soleat, contra aetatem adhuc imperfectam locum hoc non habere, retro principum statuta declarant. Ne igitur soluta matrimonii caritate inhumanum aliquid sta- tuatur, censemus, si futuris conjugibus tempore nuptiarum intra aetatem constitutis res fuerint donatae et traditae, Irrthum und Unwissenheit. non ideo posse eas revocari, quia actis consignare dona- tionem quondam maritus noluit.” Soweit hier die Stelle cursiv gedruckt ist, steht sie wörtlich gleichlautend (nur mit Einschaltung des gleichgültigen Worts attamen ) als L. 11 C. h. t. im Justinianischen Codex. Aus dem weg- gelassenen Stück aber erhellt deutlich, daß das lucrum hier speciell die Schenkung, und nicht die eine Hälfte aller Rechtsgeschäfte überhaupt bezeichnet: ferner daß von der Begünstigung gewisser Klassen die Rede ist, welche im Fall der Schenkung bey Frauen nicht gelten, bey Minder- jährigen gelten soll. Erst durch die Weglassung des letz- ten, concreten Stücks hat die so abgekürzte Stelle dasselbe abstracte Ansehen erhalten, wie die Stellen Papinians; und da im Codex die Entstehung dieses Ansehens durch bloße Abkürzung vor unsren Augen liegt, so gewinnt durch diese Analogie unsre Annahme einer gleichartigen Entste- hung in den Digesten, historischen Boden. IX. Nachdem diese beiden scheinbaren Principien beseitigt sind, kehre ich zu der früher (Num. VI. ) eingeschlagenen Bahn zurück, um nach den einzelnen Klassen juristischer Thatsachen zu untersuchen, auf welche derselben dem Irr- thum ein, die regelmäßige Wirksamkeit modificirender, Ein- fluß zuzuschreiben ist. Zur leichteren Übersicht will ich gleich hier den Gang dieser Untersuchung durch eine ta- bellarische Zusammenstellung anschaulich machen. III. 23 Beylage VIII. I. Positive Thatsachen (Thun): 1. Rechtsgeschäfte inter vivos: A. Wirksamkeit an sich. a. Ausdrückliche Willenserklärung (Num. X. XI. ). b. Stillschweigende Willenserklärung (Num. XII. ). B. Hindernisse der Wirksamkeit, die in Folge eines Irrthums beseitigt werden können: a. entweder gleich ursprünglich (Num. XIII. ); b. durch spätere Ergänzung (Num. XIV—XVI. ). 2. Handlungen im Gebiet des Erbrechts (Num. XVII. XVIII. ). 3. Prozessualische Handlungen (Num. XIX. ). 4. Delicte und delictenähnliche Handlungen (Num. XX—XXIII. ). II. Negative Thatsachen (Unterlassen) (Num. XXIV — XXIX. ). X. Der wichtigste und ausgedehnteste Fall einer denkbaren Einwirkung des Irrthums betrifft die Rechtsgeschäfte des täglichen Verkehrs, und namentlich die Verträge; sowohl die obligatorischen, als die Tradition, die ihrem eigensten Wesen nach auch ein Vertrag ist. Hier aber hat in der Regel der Irrthum gar keine Einwirkung, er mag nun ein factischer oder ein Rechtsirrthum, verschuldet oder unver- schuldet seyn. Der Kauf aus Irrthum also ist dennoch ein unanfechtbarer Kauf, eine aus Irrthum entsprungene Irrthum und Unwissenheit. Tradition ist vollgültig. In dieser regelmäßigen Unwirk- samkeit des Irrthums liegt sogar die einzige Rettung des Verkehrs gegen gränzenlose Unsicherheit und Willkühr. Sie muß zugleich behauptet werden im Gegensatz jeder an sich denkbaren Form der Einwirkung (Num. II. ). Es ist also der durch Irrthum veranlaßte Vertrag weder schon an sich selbst ungültig, noch auch durch eine gewöhnliche Klage oder durch eine Restitution zu entkräften möglich Der hier aufgestellte Grund- satz ist auch schon dargestellt und gegen die widersprechenden Be- hauptungen anderer Schriftsteller vertheidigt worden von Thi- baut , Versuche B. 2 Abhand- lung 4 Num. II. . Der aufgestellte Satz ist gleich wahr, der Irrthum mag nun den Werth und die Brauchbarkeit des Gegenstandes (welches der häufigste Fall ist) betreffen, oder aber das Rechtsverhältniß des Irrenden zu diesem Gegenstand. Wenn ich also meine Sache, deren Eigenthum ich dem Titius irrig zuschreibe, im Auftrag des Titius veräußere, so ist diese Veräußerung dennoch für mich bindend L. 49 § 1 mandati (17. 1.). Scheinbar widersprechend ist L. 35 de adqu. rer. dom. (41. 1.), die jedoch von der Verwechslung zweyer verschiedener Sachen bey der Tradition (error in corpore) verstanden werden muß. Vgl. Thibaut Versuche B. 2 S. 107. . — Fer- ner ist der Satz wahr, nicht blos in der gewoͤhnlich be- achteten Bedeutung, daß der Irrende nicht verlangen kann, um des Irrthums willen von den nachtheiligen Folgen des Geschäfts befreyt zu werden; sondern auch in der umge- kehrten Bedeutung, daß der Irrende die Vortheile des an sich gültigen Geschäfts behaupten kann, wenngleich er irrig 23* Beylage VIII. glaubte, dasselbe sey weniger gültig. Wer also eine Sache von dem Eigenthümer tradirt bekommt, den er irrig für einen Nichteigenthümer hält, wird darum nicht minder Ei- genthümer L. 9 § 4 h. t. ( Herald . obs. C. 35 emendirt ementis für mentis, was einen guten Sinn giebt, aber nicht nöthig ist). — Allerdings ist hier der Empfänger in mala fide, und dieses würde die Usucapion hindern: die un- mittelbare Wirkung der Tradition des wahren Eigenthümers, wobey eine ergänzende Usucapion nicht nöthig ist, hindert es nicht. . Dieser wichtige Satz soll nunmehr gegen jede Einwen- dung gesichert werden. Er folgt erstlich aus der Natur des freyen Willens selbst, dessen Daseyn und Wirkung von den wahren oder irrigen Beweggründen ganz unabhängig ist: und zwar sowohl nach der allgemeinen Betrachtung der Freyheit (System § 115), als nach den Bestimmungen des Römischen Rechts, wenngleich einige derselben das Gegentheil zu sagen scheinen (Num. VII. ). — Er ist ferner unzweifelhaft als die nothwendige Voraussetzung einiger der wichtigsten Institute des Römischen Rechts, die ohne ihn ganz unmöglich seyn würden. Dahin gehört die Lehre vom dolus, die schon oben zu diesem Zweck benutzt worden ist (Num. VII. ). Eben so aber auch die Ausnahmen des Satzes, von welchen sogleich ausführlich die Rede seyn wird, nämlich die ädilicischen Klagen, und die Condictio- nen; denn diese wären völlig überflüssig, ja in ihrer fest begränzten Ausnahmenatur undenkbar, wenn nicht unser Satz als bekannte und unzweifelhafte Regel vorausgesetzt Irrthum und Unwissenheit. werden dürfte. — Endlich wird dieser Satz noch durch folgende einzelne Aussprüche des Römischen Rechts be- stätigt: 1. Wer Etwas schenkt, um den Andern für irrig vor- ausgesetzte Dienste zu belohnen, kann ungeachtet dieses Irr- thums das Gegebene nicht zurück fordern L. 65 § 2 de cond. indeb. (12. 6.). . 2. Wenn Waaren nach Gewicht verkauft werden, und ein Dritter hat zu diesem Handel wissentlich falsches Ge- wicht hergeliehen, so kann in der Regel der Beschädigte die Berichtigung der ungenauen Erfüllung des Vertrags verlangen, wodurch dann jeder Schade abgewendet ist. Nur wenn ausdrücklich auf dieses individuelle Gewicht contrahirt war, fällt diese Aushülfe weg, und nun gilt die doli actio gegen den Betrüger L. 18 § 3 de dolo (4. 3.). . Daraus aber folgt nothwendig, daß jener Vertrag selbst, ungeachtet des Irr- thums, unanfechtbar seyn muß, indem die doli actio nicht gegeben werden darf, sobald der Schade durch ein anderes Rechtsmittel (Klage oder Exception) abgewendet werden kann, es möge dieses Rechtsmittel gegen den Betruͤger selbst, oder gegen einen Andern, zulässig seyn L. 1 § 4—8, L. 2—7 de dolo (4. 3.). . 3. Wenn der Gläubiger durch Betrug seines Schuld- ners zur Acceptilation bestimmt wird, so hat er gegen den Schuldner die doli actio L. 38 de dolo (4. 3.). . Daraus folgt aber, daß die Acceptilation, ungeachtet des Irrthums, gültig seyn muß, Beylage VIII. weil außerdem jene Klage entbehrlich, also auch unzulässig, seyn würde (Note f ). XI. Es giebt jedoch zwey wichtige Ausnahmen der eben dargestellten Regel: Fälle, in welchen ein Rechtsgeschäft blos wegen eines irrigen Beweggrundes als ungültig durch besondere Klagen angefochten werden kann Mit diesen ausgenommenen Fällen darf nicht zusammengestellt werden der Fall des Betrugs; denn bey diesem tritt der Irrthum als solcher ganz zurück, und der Betrug für sich ist selbstständiger Entstehungsgrund eigenthümlicher Rechtsverhältnisse (System § 115). Eben so darf dahin nicht gezählt werden die Anfechtung des Kaufs wegen laesio ultra dimidium; denn bey dieser ist der Irrthum des Verkäufers über den wahren Werth der Sache zwar ein mög- licher Beweggrund, aber nicht der nothwendige: es kann auch ein Verkauf seyn aus Geldnoth, die der Käufer wucherlich misbraucht, in welchem Fall kein Irrthum zum Grund liegt. . Der erste dieser ausgenommenen Fälle findet sich in den ädilicischen Klagen. Wer eine Sache kauft, die mit einem heimlichen Fehler besonders bestimmter Art behaftet ist, kann nach seiner Wahl entweder den Kauf aufheben, oder eine Verminderung des Kaufgeldes verlangen, und zwar lediglich wegen dieses Irrthums, der Verkäufer also mag den Fehler gekannt haben oder nicht Mit den ädilicischen Klagen darf in dieser Hinsicht nicht zu- sammengestellt werden die Klage auf Evictionsleistung, obgleich auch bey dieser ein Irrthum allerdings vorausgesetzt wird. ( L. 27 C. de evict. 8. 45.). Denn der wahre Grund der Klage ist hier nicht der Irrthum, sondern der nicht gehörig erfüllte Kauf ( L. 11 § 2 de act. emti 19. 1, L. 8 de evict. 21. 2.); der Irrthum aber kommt hier nur insofern in Be- tracht, als umgekehrt in der Be- kanntschaft mit dem fremden Recht eine Entsagung auf den Regreß . Die ge- Irrthum und Unwissenheit. naueren Bestimmungen dieses Rechtssatzes gehören hierher nicht, sondern nur dessen Verbindung mit der Lehre vom Irrthum, worin er als positive Ausnahme erscheint von der Regel, nach welcher der Irrthum keinen Einfluß auf die Gültigkeit der Verträge hat. Das ganz Positive des erwähnten Rechtssatzes ist von allen Seiten unverkennbar: in der unzulässigen Contractsklage: in den dafür einge- führten eigenen Klagen mit ganz besonderer, kurzer Ver- jährung: in dem Wahlrecht des Klägers: ja schon in den sehr eigenthümlich und willkührlich bestimmten factischen Bestimmungen der Klage ( vitium und morbus ). — Gleich hier aber bewährt sich deutlich das oben (Num. VI. ) auf- gestellte negative Princip, indem die erwähnten Klagen ungeachtet des Irrthums wegfallen, wenn derselbe nicht ohne große Nachlässigkeit des Irrenden eintreten konnte L. 14 § 10 de aedil. ed. (21. 1.) „Si … talis tamen mor- bus sit, qui omnibus potuit ap- parere .. ejus nomine non te- neri Caecilius ait … ad eos enim morbos vitiaque pertinere Edictum Aedilium probandum est, quae quis ignoravit, vel ignorare potuit.” Der letzte Ausdruck erklärt sich aus dem ersten; es soll der Irrthum ent- weder als Thatsache nachgewiesen seyn, oder wegen der Verborgen- heit des Fehlers mit Wahrschein- lichkeit angenommen werden kön- nen. Dabey versteht es sich von selbst, und wird durch die voran- stehenden Worte bestätigt, daß auch der wirklich vorhandene Irr- thum nicht beachtet wird, wenn er mit großer Nachlässigkeit ver- bunden ist. . Der zweyte, weit wichtigere, ausgenommene Fall ist gegen den Verkäufer liegen würde. Darum gilt auch bey den Römi- schen Juristen die Evictionsleistung gar nicht, so wie die Vorschrift des ädilicischen Edicts, als ein ganz positiver Rechtssatz, sondern als eine natürliche Folge des Kaufcontracts; sie kann daher durch die actio emti geltend ge- macht werden, die wegen vitium und morbus der erkauften Sache nicht gilt. Beylage VIII. enthalten in den Condictionen Ich gebrauche hier der Kürze wegen diesen allgemeinen Ausdruck, obgleich dabey als hier- her nicht gehörend abgerechnet werden müssen: 1. Die Condic- tionen aus Verträgen (Darlehen und Stipulation), 2. die anoma- lischen Condictionen, bey welchen es auf Irrthum gar nicht an- kommt, nämlich condictio furtiva und ob turpem causam. Dann bleiben folgende, als hierher ge- hörend, das heißt auf einer irri- gen causa beruhend, übrig: a. wegen einer künftigen causa die condictio ob causam datorum, b. wegen einer gegenwärtigen oder vergangenen: die allgemeine con- dictio sine causa, und für einen einzelnen Fall, aber den wichtig- sten und häufigsten unter allen, die condictio indebiti. . Auch bey diesen wird ein an sich gültiges Rechtsgeschäft vorausgesetzt, welches lediglich wegen des Irrthums durch eine besondere Klage wiederum entkräftet werden kann. Die eigenthümliche Vor- aussetzung wird darin gesetzt, daß das Rechtsgeschäft vor- genommen werde mit Rücksicht auf eine juristische causa, und daß der Irrthum gerade diese causa, nicht etwa blos die factischen Vortheile oder Nachtheile, die dabey eintre- ten können, betreffe Wenn ich einen Tauschver- trag von meiner Seite erfülle, so geschieht es, um den Andern zur gegenseitigen Erfüllung zu verpflichten. Diese (obligandi) causa hat eine ganz juristische Natur, und wenn ich mich in dieser Erwartung getäuscht finde, so habe ich die condictio ob causam datorum. Wenn dage- gen der Andere gleichfalls erfüllt, und es sich findet, daß ich eine gute Sache gegen eine schlechte vertauscht habe, so ist mir zwar auch ein Nachtheil aus Irrthum entstanden, aber dieser Irrthum betrifft blos die factischen Ver- hältnisse der Sache (Brauchbar- keit und Preis), steht nicht in Verbindung mit einer juristischen causa, und begründet keine Con- diction. Die juristische causa ist hier vielmehr vollständig in Er- füllung gegangen, und auf sie hat sich daher kein Irrthum be- zogen. . Das Rechtsgeschäft kann nun bestehen entweder in einem Geben, besonders einer Geld- zahlung, oder in dem Abschluß eines obligatorischen Ver- Irrthum und Unwissenheit. trags: im ersten Fall geht die Condiction auf Rückgabe des gezahlten Geldes L. 1 § 1, L. 7 de cond. indeb. (12. 6.). Dieses ist der gewöhnlichste Fall, der in dem ganzen Digestentitel fast überall vorausgesetzt wird. , im zweyten auf Befreyung von der übernommenen Obligation; und dieser Anspruch auf Befreyung kann nicht blos durch die Condiction geltend gemacht werden, sondern noch einfacher durch eine Excep- tion gegen die Klage des Gläubigers auf Erfüllung jenes abgeschlossenen Vertrags L. 5 § 1 de act. emti (19. 1.), L. 51 pr. § 1 de pactis (2. 14.), L. 31 de cond. ind. (12. 6.). Auch dieses wieder läßt sich auf ganz verschiedene Weise denken. Es geschieht, wenn ich als Erbe fälschlich glaube, durch Testament zum Verkauf meines Hauses verpflichtet zu seyn, und deswegen das Haus wirklich ver- kaufe. Es geschieht aber auch, wenn ich für eine fälschlich an- genommene Geldschuld, anstatt baarer Zahlung, durch Novation eine ganz neue Schuld contrahire, z. B. einen Wechsel ausstelle. An- dere und verstecktere Formen, worin dieser wichtige Rechtssatz erscheint, werden noch weiter un- ten erwähnt werden. . — Es kann nun hier noch weniger, als bey den ädilicischen Klagen, die Rede davon seyn, diesen sehr wichtigen Abschnitt des Obligationenrechts am gegenwärtigen Ort vollständig abzuhandeln; vielmehr soll hier nur der Zusammenhang der Condictionen mit der Lehre vom Irrthum nachgewiesen werden. Die genauere Bestimmung dieses Zusammenhangs aber wird fast nur bey der condictio indebiti erforderlich; auch ist diese über- haupt häufiger und wichtiger als die übrigen Condictionen, und erscheint daher unter allen am meisten im Römischen Recht ausgebildet. Es wird deshalb hier ausschließend von dem Irrthum in Beziehung auf die condictio indebiti Beylage VIII. ferner die Rede seyn. — Bey dieser nun zeigt sich der oben aufgestellte Unterschied des factischen und Rechtsirr- thums (Num. III. ) vorzüglich wirksam, indem nur der erste, nicht der zweyte den Anspruch auf die Condiction soll be- gründen können. Indessen ist dieser wichtige Satz sehr bestritten, und bedarf einer ausführlichen Darstellung der entgegen stehenden Meynungen und ihrer Gründe. Da- durch würde aber, wenn diese gleich hier vorgenommen werden sollte, der übersichtliche Zusammenhang der Haupt- untersuchung sehr gestört werden. Ich habe es daher vor- gezogen, diese Streitfrage hier auszuscheiden, und an das Ende der gegenwärtigen Abhandlung, als eine für sich bestehende Untersuchung zu verweisen (Num. XXXV. u. fg.). Dieses sind die beiden Ausnahmen des Römischen Rechts. Das canonische Recht fügt eine dritte hinzu, welche sich auf die Eingehung einer Ehe aus irrigen Voraussetzungen bezieht. Dadurch soll jedoch die Ehe nur in dem einzigen Fall nichtig werden, wenn der eine Ehegatte frey, der an- dere unfrey ist, und der Freye die Unfreyheit des Andern nicht kannte c. 4 C. 29. q. 2, C. 2. 4 X. de conj. serv. (4. 9.). Böhmer § 348. 384 not. a. Eichhorn II. S. 352. — Ohne Grund will die Praxis dieses auf andere Fälle ausdehnen. Dazu wird in den meisten Fällen nicht einmal ein Bedürfniß vorhanden seyn, da meist Betrug concurrirt, von wel- chem dann der Irrthum absorbirt wird. . Im Römischen Recht konnte dieser Fall gar nicht vorkommen, da für die Sklaven, die einzigen Unfreyen die bey den Römern vorkommen, eine Ehe über- Irrthum und Unwissenheit. haupt unmöglich war, ohne Rücksicht auf das Bewußtseyn und den Willen der Parteyen. XII. Bisher war von Rechtsgeschäften durch ausdrückliche Willenserklärung die Rede; eine etwas andere Natur hat in Beziehung auf Irrthum die stillschweigende (§ 131). Denn das Daseyn des Willens war, bey der ausdrückli- chen, durch die mündliche oder die schriftliche Rede voͤllig gewiß, und es konnte nur die Frage seyn, ob diesem wirk- lich vorhandenen Willen wegen des Irrthums die gewöhn- liche Wirkung entzogen werden sollte. In der stillschwei- genden Erklärung dagegen ist das Daseyn des Willens nicht schon für sich gewiß, vielmehr soll dasselbe erst aus Handlungen geschlossen werden, die wir als Ausdruck des Willens annehmen. Sind nun aber diese Handlungen in einer solchen irrigen Voraussetzung unternommen, daß sie gar nicht als Ausdruck jenes Willens gelten können, dann fehlt es an allem positiven Grund einer Rechtsänderung, und es kann gar nicht die Frage davon seyn, dem Willen seine gewöhnliche Wirksamkeit zu versagen. Wenn wir aber dieses anerkennen, so nehmen wir nicht etwa blos einen anderen Grund an für die Einwirkung des Irrthums auf die stillschweigenden Willenserklärungen, sondern auch die praktische Beurtheilung im Einzelnen wird eine ganz andere. Denn die Schuldlosigkeit des Irrthums wird nunmehr ganz gleichgültig: dann aber verschwindet Beylage VIII. auch der Unterschied zwischen dem factischen und Rechts- irrthum, indem auch dieser letzte das Daseyn des Wil- lens, mithin den positiven Grund irgend einer Rechtsän- derung, ausschließt. Bestätigungen der hier aufgestellten Ansicht sind fol- gende. Wer auf seinem Grundstück solche Arbeiten vornimmt, wodurch das Regenwasser einem Nachbar schädlich wer- den kann, wird durch eine eigene Klage zur Herstellung des früheren Zustandes gezwungen. Hat aber der Nach- bar die Arbeit gewußt und geschehen lassen, so hat er dadurch in die möglichen Nachtheile stillschweigend einge- willigt, weshalb die Klage wegfällt. Jedoch kann wie- derum diese Ausnahme nicht gelten, wenn der Nachbar aus Irrthum die Gefährlichkeit der Arbeit nicht einsah; denn nun kann sein Stillschweigen nicht als freye Unter- werfung unter diese Gefahr angesehen werden L. 19. 20 de aqua et aquae pluv. (39. 3.). Dieses ist eine der oben angeführten Stellen (Num. VII. ), deren allgemeiner Ausdruck dahin führen könnte, wegen des Irrthums das Daseyn jedes (auch des ausdrücklich erklärten) Wil- lens zu verneinen. — Der au- genscheinliche Grund der von der Ausnahme gemachten Ausnahme liegt darin, daß der Nachbar, dem die Arbeit wirklich keine Gefahr bringt, auch kein Recht des Wi- derspruchs hat, weshalb sein Schweigen nicht als Einwilligung gelten kann. . Dabey ist nun blos von error aut imperitia die Rede, ohne Un- terschied ob der Irrthum schwer oder leicht zu vermeiden war, welcher letzte Fall hier wohl am häufigsten ange- nommen werden dürfte. Irrthum und Unwissenheit. Wenn sich zwey Parteyen vor einem incompetenten Gericht einlassen, so wird dieses durch freywillige Proro- gation competent; die Einlassung also gilt als stillschwei- gende Erklärung, daß sie diesem Gericht durch freyen Ent- schluß sich unterwerfen wollen L. 1 de judiciis (5. 1.). . Glaubten sie aber irri- gerweise, das Gericht sey ohnehin competent, so wollten sie sich blos der vermeyntlichen Nothwendigkeit fügen; dann kann ihre Einlassung nicht als stillschweigende freye Unterwerfung ausgelegt werden, und sie hat daher nicht die Kraft einer Prorogation L. 2 pr. de judiciis (5. 1.), L. 15 de jurisd. (2. 1.). Diese beide Stellen gehören wiederum, eben so wie die in Note a an- geführte, unter diejenigen, welche scheinbar jede Willenserklärung für nicht vorhanden erklären, wenn ihr ein Irrthum zum Grunde liegt (Num. VII. ). Gerade die Hälfte der dort angeführten Sechs Stel- len bezieht sich also lediglich auf die eigenthümliche Natur der still- schweigenden Willenserklärung. . Hier wird nun der Irr- thum fast immer ein Rechtsirrthum seyn, indem er die Rechtsregeln über die örtlichen oder persönlichen Gränzen des Gerichtssprengels zum Gegenstand haben wird, so daß also hier, wie oben bemerkt, der Rechtsirrthum dieselbe Wirkung hat, wie der factische Irrthum. Wenn ein zur Erbschaft Berufener Geschäfte der Erb- schaft besorgt, so liegt in dieser pro herede gestio eine stillschweigende Antretung. Wenn er jedoch irrigerweise das zur Erbschaft gehörende Geschäft nicht für ein sol- ches, sondern für sein eigenes hielt, so kann unmöglich seine Handlung als Ausdruck jenes Willens angesehen werden L. 20 pr. de adqu. her. (29. 2.) „.. si quid non quasi . Beylage VIII. Allein nicht jeder Irrthum schließt die stillschweigende Willenserklärung aus, sondern nur derjenige, welcher dem Schluß von der Handlung auf das Daseyn des Willens im Wege steht. Wenn also jener berufene Erbe die erb- schaftlichen Geschäfte besorgt, weil er aus Irrthum die Erbschaft für vortheilhaft hält, obgleich sie insolvent ist, so ist er dennoch Erbe geworden; denn der Wille, Erbe zu werden, war in ihm unzweifelhaft vorhanden. XIII. Bisher war die Rede von solchen Fällen, worin die regelmäßige Wirksamkeit von Rechtsgeschäften wegen eines Irrthums auf irgend eine Weise gehemmt wird. Umge- kehrt aber giebt es auch Fälle, worin die in der Regel eintretende Ungültigkeit eines Rechtsgeschäfts durch die Zwischenkunft eines Irrthums weggeräumt, und dem Ge- schäft Gültigkeit verschafft wird. In einigen Fällen geschieht dieses gleich von Anfang an, so daß dann zu keiner Zeit die Ungültigkeit des Ge- schäfts behauptet werden kann. Das Sctum Macedonia- num erklärt das Gelddarlehen an einen in väterlicher Ge- walt stehenden Schuldner allgemein für ungültig, ohne zu unterscheiden, ob der Glaubiger jene Eigenschaft des Schuldners kenne oder nicht L. 1 pr. de Sc. Maced. (14. 6.). . Die Interpretation der heres egit, sed quasi alio jure dominus” … § 1 eod. „.. aut putavit sua.” Irrthum und Unwissenheit. Juristen fügte jene billige Unterscheidung hinzu, und nahm also an, daß der Irrthum des Schuldners die Schuld- klage von der gewöhnlichen Exception befreye; vorausge- setzt jedoch, daß es weder ein Rechtsirrthum, noch ein leicht zu vermeidender factischer sey, also ganz nach den oben fuͤr den Irrthum überhaupt aufgestellten Grund- sätzen L. 3 pr. de Sc. Maced. (14. 6.). „Si quis patremfami- lias esse credidit, non vana simplicitate deceptus, nec juris ignorantia , sed quia publice paterfamilias plerisque vide- batur, sic agebat, sic contra- hebat, sic muneribus fungeba- tur: cessabit Senatusconsul- tum.” Dasselbe sagt indirect, in Beziehung auf den Rechtsirrthum, L. 9 pr. h. t. , worin nur dem Minderjährigen (also dem Voll- jährigen nicht) Hülfe zugesagt wird, wenn er aus Rechtsirrthum einem filiusfamilias Geld als Dar- lehen giebt. . — Minderjährige jedoch dürfen sich hier auch auf den Rechtsirrthum berufen L. 9 pr. h. t. (s. Note b), L. 11 § 7 de minor. (4. 4.). . Eine ganz ähnliche Bestimmung findet sich bey der durch das Sc. Vellejanum untersagten Bürgschaft der Frauen. Die Exception aus diesem Senatusconsult gilt ohne Unterschied, ob die Frau selbst die Bürgschaft leistet, oder ein Anderer im Auftrag der Frau. Wenn aber in diesem letzten Fall der Glaubiger von dem Auftrag Nichts weiß, und also den Bevollmächtigten für einen Bürgen auf eigene Rechnung hält, so wird die Exception durch doli replicatio ausgeschlossen L. 6 ad Sc. Vellej. (16. 1.). . Ein Sklave konnte nicht als Zeuge bey einem Testa- ment zugezogen werden. Geschah dieses dennoch, jedoch bey einem solchen Sklaven, der allgemein für einen Freyen Beylage VIII. gehalten wurde, so sollte das Testament darum nicht min- der gültig seyn § 7 J. de test. ord. (2. 10.), L. 1 C. de test. (6. 23.). . Eben dahin kann man auch die Vortheile rechnen, die der redliche Besitz einer Sache verschafft; denn dieser muß immer auf Irrthum beruhen, wenn in der That kein Ei- genthum zum Grunde liegt Dahin gehört der Fruchter- werb (§ 35 J. de rer. div. 2. 1. ), und der (etwas beschränkte) Er- werb durch den servus bona fide possessus (§ 4 J. per quas pers. 2. 9.). . XIV. Wichtiger aber sind die Fälle, in welchen der Irrthum die Folge hat, daß die anfängliche Ungültigkeit eines Rechts- geschäfts hinterher weggeräumt wird. Eine solche Verän- derung kann man als Ergänzung eines unvollstaͤndigen Rechtsgeschäfts bezeichnen, und diese Ergänzung eben ist es, welche durch den Irrthum vermittelt werden kann. Ein Fall dieser Art war im älteren Recht die erroris causae probatio. War nämlich eine Ehe unter solchen Personen geschlossen, die kein gegenseitiges Connubium hat- ten, so war sie nach Civilrecht ungültig, die Kinder folg- ten nicht dem Stande des Vaters, und kamen nicht in väterliche Gewalt. Hielten aber die Ehegatten ihre Ehe für eine richtige, indem sie aus Irrthum dem einen unter ihnen einen höheren oder niederen Stand, als er hatte, zuschrieben, und deshalb Standesgleichheit unter sich an- nahmen, so war ihnen gestattet, eine causae probatio, Irrthum und Unwissenheit. das heißt den Beweis des Irrthums, zu unternehmen; dann kam der niedere Gatte nebst den in dieser Ehe er- zeugten Kindern in den Stand des höheren, also gewöhn- lich in die Civität, und die Kinder kamen zugleich in die Gewalt des Vaters Ulpian . VII. § 4. Gajus Lib. 1 § 67 sq. . Es wird nicht gesagt, ob der Irrthum durch ungewöhnliche Umstände entschuldigt wer- den mußte, welches man, da er den Zustand der eigenen Person betrifft, nach allgemeinen Grundsätzen wohl an- nehmen möchte (Num. III. ). Vielleicht aber galt hier eine begünstigende Ausnahme mit Rücksicht auf die Kinder; vielleicht auch ist eben der Nachweis besonderer Umstände in dem Ausdruck causae probatio angedeutet, und wird nur zufällig in den angeführten Stellen nicht besonders hervorgehoben. Eine weit wichtigere Anwendung dieses ergänzenden Verhältnisses aber, die auch noch in dem heutigen Recht volle Anwendung findet, gilt bey der Usucapion. Wenn eine Handlung, wodurch Eigenthum erworben werden soll, dazu auf irgend eine Weise untauglich ist, so kann der Erwerber dieses entweder wissen oder nicht wissen. Im ersten Fall ist ihm nicht zu helfen; im zweyten dagegen wird das Anfangs fehlende Eigenthum durch den Ablauf der Usucapionszeit ergänzt, vorausgesetzt daß der Irrthum die gehörige Beschaffenheit hat. Hier ist also der (gehö- rig qualificirte) Irrthum nicht nur kein Hinderniß des red- lichen Erwerbs, sondern sogar dessen nothwendige Bedin- III. 24 Beylage VIII. gung und Vermittlung, so daß man sagen kann, es gebe keine Usucapion ohne Irrthum Damit dieser Satz nicht misverstanden werde, ist eine zwiefache Erinnerung nöthig. Erst- lich kannte das ältere Recht zwey ganz verschiedene Anwendungen des Usucapionsprincips, indem da- durch sowohl das in bonis, als die davon ganz verschiedene b. f. possessio in vollständiges Eigen- thum verwandelt werden konnte. ( Gajus Lib. 2 § 41—44 ). Un- ser Satz gilt blos für die zweyte Anwendung, gar nicht für die erste; allein diese erste Anwen- dung ist auch überhaupt im Ju- stinianischen Recht völlig ver- schwunden, so daß nunmehr un- ser Satz allgemein wahr gewor- den ist. — Zweytens ist der Satz allerdings nur wahr da wo die Usucapion vollständig wirkt, näm- lich in der That Eigenthum dem Einen nimmt, dem Andern giebt. Praktisch stellt sich die Sache oft ganz anders, indem die Usuca- pion vielleicht nur den fehlenden Beweis des wirklich schon vor- handenen Eigenthums ersetzt, in welchem Fall allerdings kein Irr- thum vorhanden ist. Die weitere Ausführung dieser Ansicht gehört an einen andern Ort. . — Es kann nun nicht die Absicht seyn, hier die ganze Lehre der Usucapion vor- zutragen; allein das Verhältniß derselben zum Irrthum muß hier allerdings vollständig dargestellt werden. Es wird sich zeigen, daß die über den Irrthum oben aufge- stellten Regeln bey der Usucapion sehr rein angewendet, und mit vorzüglicher Sorgfalt ausgebildet worden sind. XV. Soll sich nun diese Behauptung bewähren, so muß der zur Usucapion geeignete Irrthum erstlich ein factischer, und zweytens ein durch die Umstände gerechtfertigter, also nicht leichtsinniger Irrthum seyn. Gerade diese zwey For- derungen sind es aber, die der ganzen Lehre der Usuca- pion zum Grunde liegen. Irrthum und Unwissenheit. Ehe dieses bewiesen werden kann, muß zuvor unter- sucht werden, welche Elemente der Usucapion eigentlich in Verbindung mit dem Irrthum gedacht werden müssen. Die Usucapion hat zwey positive Bedingungen: redliches Bewußtseyn, und Daseyn eines Rechtstitels. Das erste ist eine Thatsache, auf deren bloßes Daseyn die Art ihrer Entstehung keinen Einfluß hat. Mag also auch ein Rechts- irrthum, oder ein leichtsinniger factischer, zum Grunde liegen, das redliche Bewußtseyn ist darum nicht minder vorhanden Man kann umgekehrt fra- gen, ob das auf Irrthum beru- hende unredliche Bewußtseyn die Usucapion hindert. Es hindert, wenn es auf einem Rechtsirr- thum beruht ( L. 32 § 1 de usurp. 41. 3. ), aber nicht im Fall des factischen Irrthums. L. 25 de don. int. vir. (24. 1.), L. 3 pro don. (41. 6.). Vgl. das System § 156. ; allein zur Usucapion taugt der Irrthum nur, wenn er gerechtfertigt ist, und diese Rechtfertigung eben wird durch die Forderung des Titels ausgedrückt. Insofern kann man sagen, die Nothwendigkeit besonderer Eigenschaften des Irrthums beziehe sich nicht auf die bona fides, sondern auf den Titel Man könnte diese Unter- scheidung für eine leere Subtili- tät halten, da doch eben nach unsrer Darstellung der Titel Nichts seyn soll, als die Recht- fertigung der bona fides, so daß beide Momente als ein unge- trenntes Ganze erscheinen. Allein sie wird praktisch wichtig bey der außerordentlichen Usucapion, in welcher der dreyßigjährige Besitz den Titel ersetzt und entbehrlich macht ( L. 8 § 1 C. de praescr. XXX. 7. 39. ). Hier bleibt die bona fides als einziges Erfor- derniß bey dem Anfang des Be- sitzes übrig, und der Rechtsirr- thum macht dabey kein Hinderniß . Über das Verhältniß aber der bona fides zum Titel muß hier noch Folgendes hinzugefügt werden. Der Titel dient nicht nur dazu, die 24* Beylage VIII. bona fides zu rechtfertigen, sondern auch das Daseyn der- selben als Thatsache so lange festzustellen, bis der Gegner die Unredlichkeit beweist L. 30 C. de evict. (8. 45.). . Dieses ist bey der Usucapion der durchgreifende Grund, weshalb der Besitzer seine bona fides nicht zu beweisen braucht. Aber auch von diesem Grunde abgesehen, müssen wir sagen, daß stets Derjenige, welcher einem Gegner die Unredlichkeit vorwirft, diese als eine Thatsache zu beweisen hat. Wir verfahren daher am genauesten, wenn wir die bona fides überhaupt negativ, als Abwesenheit eines unredlichen Bewußtseyns, aus- drücken Diese Auffassung ist dem Ausdruck der Rechtsquellen ganz gemäß. L. 109 de V. S. (50. 16.). „Bonae fidei emtor esse videtur, qui ignoravit eam rem alienam esse: aut putavit eum, qui vendidit, jus vendendi ha- bere, puta procuratorem, aut tutorem esse.” Auch ist die in der Note c angeführte L. 30 C. de evict. , welche den Besitzer vom Beweise der bona fides entbin- det, gar nicht auf die Usucapion eingeschränkt. . Die Natur des zur Usucapion tauglichen Titels soll nunmehr genauer festgestellt werden. Der Titel besteht in einem solchen Anfang des Besitzes, welcher zwar kein Eigenthum giebt (denn sonst bedürfte es keiner ergänzenden Usucapion), wohl aber zu geben scheint, so daß selbst der Besonnene und Geschäftskundige glauben kann, es sey Eigenthum schon jetzt vorhanden. Was darf nun zum ursprünglichen Eigenthumserwerb feh- len, damit dennoch für diesen gerechtfertigten Glauben Raum bleibe? Irrthum und Unwissenheit. Vor Allem darf bey den Veräußerungen, als der häu- figsten unter allen Erwerbungsformen, das Eigenthum des Auctors fehlen; dieses ist der Hauptfall aller Usucapion, und dabey wird der Irrthum am unbedenklichsten zuge- lassen, weil in der Regel die genaue Prüfung fremder Rechte uns nicht zugemuthet werden kann. Lassen sich je- doch Umstände nachweisen, welche diesen Irrthum als be- sonders leichtsinnig darstellen, so liegt gewiß auch hierin ein Hinderniß der Usucapion Es kann dieser Irrthum noch eine zwiefache Gestalt an- nehmen, indem man dem Ver- käufer fälschlich entweder das Ei- genthum selbst, oder die Vollmacht der Veräußerung für den Eigen- thümer, zuschreibt, welche beide Fälle in L. 109 de V. S. (Note c ) erwähnt werden. Vorzüglich in dem letzten Fall wird der Irr- thum oft leicht zu vermeiden, also zur Usucapion untauglich seyn. . Bedenklicher schon wird der Mangel, wenn er das zur wirklichen Erwerbung erforderliche Rechtsgeschäft betrifft, indem er sich dann meist auf eine eigene Handlung des Irrenden beziehen wird. Zwar wenn das Geschäft blos wegen der Handlungsunfähigkeit des Veräußernden ungül- tig ist, so kann in Beziehung auf diese, als den Zustand einer fremden Person, der Irrthum leicht gerechtfertigt seyn; so z. B. wenn der Käufer den unmündigen oder wahnsinnigen Verkäufer für mündig oder vernünftig hält L. 2 § 15. 16 pro emtore (41. 4.). (Bey § 15 ist es be- stritten, wie man den Fall zu den- ken habe, damit die Stelle nicht mit anderen in Widerspruch kom- me. Vgl. Unterholzner Ver- jährungslehre I. S. 128. 133). Na- türlich wird vorausgesetzt, daß die irrige Annahme durch das täu- schende äußere Ansehen der Per- son unterstützt wurde; sonst würde derselbe dennoch als leichtsinnig anzusehen seyn, und zur Usuca- pion nicht genügen. — Von der . Beylage VIII. Anders wenn die Handlungen selbst, die zu dem Geschäft gehören, auf mangelhafte Weise vorgenommen waren, oder wenn sogar das Daseyn irgend eines Rechtsgeschäfts nur irrigerweise von dem Erwerber angenommen wird, wel- ches letzte man einen Putativtitel zu nennen pflegt. Aller- dings erscheinen gerade für diesen Fall die Ausspruͤche un- srer Rechtsquellen schwankend; einige Stellen scheinen ihn schlechthin zuzulassen L. 3, L. 4 § 2 pro suo (41. 10.). , andere schlechthin zu verwer- fen L. 27 de usurp. (41. 3.), § 11 J. eod. (2. 6.). . Noch andere aber vermitteln diesen scheinbaren Widerspruch auf eine Weise, die mit den allgemeinen Grundsätzen vom Irrthum völlig übereinstimmt: in der Regel ist der Irrthum über das Daseyn eines Titels un- zulässig, weil er meist eine eigene Handlung betreffen wird; er kann jedoch durch ungewöhnliche Umstände gerechtfer- tigt werden, z. B. wenn der Erwerber den Kaufcontract durch einen Bevollmächtigten abschließen wollte, und durch dessen falschen Bericht über den wirklichen Abschluß ge- täuscht worden ist L. 11 pro emtore (41. 4.), L. 5 § 1 pro suo (41. 10.), L. 4 pro legato (41. 8.). . XVI. Bisher ist angegeben worden, wie ein factischer Irr- Interdiction, und einer ähnli- chen, bey dem spatium delibe- randi möglichen, Beschränkung reden indirect (nach dem argu- mentum a contrario) L. 12 de usurp. (41. 3.), L. 7 § 5 pro emt. (41. 4.), mit welchen Stel- len noch zu verbinden ist L. 26 de contr. emt. (18. 1.). Irrthum und Unwissenheit. thum beschaffen seyn müsse, um eine Usucapion möglich zu machen. Bey dem Rechtsirrthum ist eine so genaue Unterscheidung nicht nöthig, da er schon im Allgemeinen als unzulässig anzusehen ist, welches bey dem factischen Irr- thum von den Umständen jedes Falles abhängt (Num. III. ). Daher wird in mehreren Stellen unsrer Rechtsquellen die Regel allgemein ausgesprochen, daß der (den Titel be- treffende) Rechtsirrthum die Usucapion stets unmöglich mache L. 4 h. t., L. 31 pr. L. 32 § 1 de usurp. (41. 3.), L. 2 § 15 pro emtore (41. 4.). Vgl. Un- terholzner Verjährungslehre § 117 S. 408. — Bey der ange- führten L. 2 § 15 pro emtore ist die Erklärung sehr bestritten- jedoch in Beziehung nicht auf die Unzulässigkeit des Rechtsirrthums, sondern umgekehrt auf die Zu- lässigkeit des factischen, s. oben Num. XV. Note f. . Indessen darf diese Regel doch nicht so unbedingt an- genommen werden, wie man es nach der woͤrtlichen Fas- sung der angeführten Stellen glauben möchte. Vielmehr sind darauf diejenigen Einschränkungen anzuwenden, die schon oben (Num. IV. ) für die Unzulässigkeit des Rechts- irrthums im Allgemeinen geltend gemacht worden sind. Auch passen dazu ganz die in den angeführten Stellen (Note a ) angeführten Beyspiele des Rechtsirrthums, die insgesammt von den einfachsten und unbestrittensten Rechts- regeln hergenommen sind; so die Regel, daß ein Unmün- diger ohne den Vormund Nichts veräußern dürfe: ferner daß die vormundschaftliche auctoritas unmittelbar nach der Willenserklärung des Pupillen ausgesprochen werden muß, also weder vorher, noch auch lange Zeit nachher. Da- Beylage VIII. gegen müssen wir auch bey dem Rechtsirrthum die Usu- capion zulassen, wenn er sich auf wirklich controverse Rechtsregeln bezieht. Folgende, aus dem älteren Römi- schen Recht hergenommene Fälle werden diesen Satz ein- leuchtend machen. Die Sabinianer rechneten die Pubertät von der Zeu- gungsfähigkeit an, die Proculejaner (so wie Justinian) von Vierzehen Jahren Ulpian . XI. § 28. Vergl. das System § 109. . Wenn nun ein Proculejaner von einem Vierzehenjährigen, der noch nicht zeugungsfähig war, eine Sache kaufte, so glaubte er sogleich Eigenthü- mer zu werden. Entstand aber nach Jahren Streit über dieses Eigenthum, so war der Prätor, der den Prozeß durch seine Instruction leitete (oder dessen juristischer Rath- geber), entweder ein Proculejaner oder ein Sabinianer. Im ersten Fall erkannte er jenem Käufer das Eigenthum schon von der Tradition oder Mancipation an zu. Im zweyten Fall konnte er dieses freylich nicht, aber nun ent- stand die Frage, ob dem Käufer nicht wenigstens die Usu- capion zu gut komme? Allerdings mußte jener Prätor dem Käufer einen Rechtsirrthum zuschreiben, allein für einen leichtsinnigen, durch bloße Erkundigung zu vermei- denden, Irrthum konnte er ihn gewiß nicht erklären, da ja die diversae scholae auctores doch auch für angesehene Juristen galten. Ich glaube also, daß selbst der Sabi- nianische Prätor in diesem Fall die Usucapion zulassen mußte, nach dem (von dem Schulenstreit ganz unabhängi- Irrthum und Unwissenheit. gen) Ausspruch des Labeo: ut, cui facile sit scire , ei detrimento sit juris ignorantia (Num. III. Note k ). Ganz ähnliche Fälle sind folgende. Das unter einer unmöglichen Bedingung gegebene Legat erklärten die Pro- culejaner für ungültig, die Sabinianer (und eben so Ju- stinian) für gültig Gajus Lib. 3 § 98. . Hatte nun ein Sabinianischer Le- gatar mehrere Jahre hindurch ein solches Legat besessen, so konnte ihm ein Proculejanischer Prätor wenigstens die usucapio pro legato nicht versagen. — Eben so bey dem alten Streit, ob der Niesbrauch einer Sklavin dem Fructuar das Eigenthum an den Kindern dieser Sklavin gewähre L. 68 pr. de usufructu (7. 1.). Cicero de finibus I. 4. . Der Prätor, der dieses auch nicht annahm, mußte den- noch dem Fructuar die usucapio pro suo gestatten. War nun schon bey den Römern die Usucapion nicht allgemein wegen eines Rechtsirrthums zu verwerfen, so muß dieses in noch ausgedehnterer Weise für unser heuti- tiges Recht anerkannt werden (Num. IV. ) Mit dieser Ansicht, daß der Rechtsirrthum über einen contro- versen Rechtssatz die Usucapion nicht ausschließe, stimmen auch schon ältere Rechtslehrer überein. Gilken de usucapionibus P. 2 membr. 1. Cap. 3 Num. 2. . XVII. Bey den auf das Erbrecht bezüglichen juristischen Hand- lungen hat der Irrthum eine etwas ausgedehntere Ein- wirkung, als bey den Geschäften des Verkehrs unter Le- benden. Beylage VIII. Dieses zeigt sich zunächst bey den Verfügungen des Erblassers in folgenden Fällen: 1) Das Testament ist nichtig, wenn der Testator über seinen persönlichen Rechtszustand im Irrthum, oder auch nur im Zweifel ist L. 14. 15 qui test. (28. 1.), Ulpian . XX. § 11. — Glück B. 22 S. 285. . 2) Die Erbeinsetzung ist in der Regel von dem bloßen (unförmlichen) Willen unabhängig, und unterscheidet sich dadurch von den Legaten, von welchen sogleich die Rede seyn wird. Daher wird sie, abweichend von den Legaten, durch einen unförmlichen Widerruf nicht entkräftet L. 22 de adimendis (34. 4.), L. 36 § 3 de test. mil. (29. 1.). . Eben so aber schadet ihr auch in der Regel nicht ein blo- ßer Irrthum im Beweggrund Dieses folgt aus dem in der vorhergehenden Anwendung (Note b ) anerkannten Princip, woraus der Unterschied zwischen Erbeinsetzung und Legat klar her- vorgeht, und wozu sich die fol- genden Fälle als bloße singuläre Ausnahmen verhalten. Eine sehr scheinbare Einwendung gegen die hier aufgestellte Regel liegt in L. 4 § 10 de doli exc. „Prae- terea sciendum est, si quis quid ex testamento contra volunta- tem petat, exceptione eum doli mali repelli solere, et ideo he- res, qui non habet voluntatem, per exceptionem doli repelli- tur. ” Erklärt man den letzten Satz von einer Ausschließung der hereditatis petitio, so ist unsre Behauptung widerlegt; allein diese Erklärung muß verworfen wer- den, weil die doli exceptio bey einem dritten, vielleicht ganz un- rechtmäßigen, Besitzer völlig ohne Grund seyn würde. Die Stelle ist vielmehr von einem einzelnen Anspruch des wahren Erben, z. B. gegen einen Erbschaftsschuldner, zu erklären, dessen Befreyung in dem Willen des Erblassers lag, und nur nicht durch ein rechts- gültiges Legat civilrechtliche Kraft erhalten hat, also von solchen Fällen wie der in L. 6 § 1 de pecul. leg. (33. 8.) erwähnte. . Von diesem letzten Satz giebt es jedoch Zwey wichtige Ausnahmen: Irrthum und Unwissenheit. A. Die Erbeinsetzung ist ungültig, wenn sie bewirkt wurde durch die irrige Annahme, daß ein Intestaterbe oder ein früher eingesetzter Erbe verstorben sey L. 28 de inoff. (5. 2.), L. 92 de her. inst. (28. 5.). Die Legate und andere Nebenbestim- mungen des auf jenem Irrthum beruhenden Testaments werden aufrecht erhalten. Man sah es freylich nicht als eine gewöhnliche Rechtsregel an, sondern als eine frey eingreifende Billigkeit; da- her wird in beiden Stellen er- wähnt, daß der Kaiser auf diese Weise zu Hülfe gekommen sey. . B. Sie ist ungültig, wenn sie sich gründet auf die irrige Annahme einer Verwandtschaft zwischen dem Erb- lasser und dem eingesetzten Erben. Bezieht sich diese irrige Erbeinsetzung auf ein vermeyntliches, aber untergeschobe- nes Kind des Testators, so liegt darin eine Indignität, und die Erbschaft fällt an den Fiscus L. 46 pr. de j. fisc. (49. 14.), L. 4 C. de her. inst. (6 24.) „ auferendam ei succes- sionem.” Der Grund der ab- weichenden Behandlung dieses Falles liegt darin, daß durch die Drohung der Confiscation dem Verbrechen der Unterschiebung entgegen gewirkt werden soll. — Wären diese Stellen nicht so sehr bestimmt, so könnte man nach L. 1 § 11 de Carbon. ed. (37. 10.) annehmen, auch die Ein- setzung eines untergeschobenen Kindes sey pro non scripta, wo- durch das Recht des Fiscus aus- geschlossen würde. Man muß nun den Ausdruck dieser letzten Stelle als einen ungenauen ansehen, so daß der bestimmtere Erfolg allein aus den vorher angeführten Stel- len zu entnehmen ist. Vielleicht ist auch das Recht des Fiscus erst nach der Zeit des Ulpian einge- führt, von welchem L. 1 § 11 cit. herrührt; die L. 46 de j. fisci ist von Hermogenian. ; in allen ande- ren Fällen gilt die Erbeinsetzung als nicht geschrieben L. 7 C. de her. inst. (6. 24.). Der Fall dieser sehr be- strittenen Stelle muß so gedacht werden. Ein Peregrinus hatte einen Andern als Bruder adop- tirt, dann waren Beide Römi- sche Bürger geworden, und der Adoptirende hatte den vermeynt- lichen Bruder zum Erben einge- setzt. Die Kaiser erklären die Erbeinsetzung für ungültig, weil die vorausgesetzte brüderliche Ver- wandtschaft gar nicht vorhanden . Beylage VIII. 3) Die Enterbung eines ächten Sohnes, den der Te- stator irrig für unächt hält, ist ungültig L. 14 § 2 L. 15 de lib. et posth. (28. 2.). . Eben so auch die in einer allgemeineren Formel ausgedrückte Ent- erbung eines Sohnes, der aus Irrthum für verstorben gehalten wird L. 25 pr. de lib. et posth. (28. 2.). Ein Testator hatte ge- sagt: ceteri omnes filii filiae- que meae exheredes sunto; Einen Sohn hatte er aber fälsch- lich für todt gehalten. Paulus erklärt nun, dieser Sohn könne zwey Gründe für sich geltend ma- chen wollen: a) die mangelhafte Form der Enterbung, da diese hätte nominatim geschehen müs- sen ( pr. J. de exher. 2. 13.); dieser Grund sey jedoch hier un- haltbar, da die angeführte Ent- erbung für nominatim geschehen gelten müsse. b) Den Irrthum über den Tod; dieser Grund sey an sich entscheidend, und es kom- me nur darauf an, das Daseyn der behaupteten falschen Voraus- setzung vor Gericht zu erweisen. . 4) Auch ein Legat wird in der Regel durch den blo- ßen Ausdruck eines irrigen Beweggrundes nicht entkräftet, sey, indem selbst unter Peregri- nen Niemand als Bruder adop- tirt werden könne. Die später erworbene Civität muß in den Fall der Stelle hinein interpre- tirt werden; denn wenn (wie Manche wollen) die fortdauern- de Peregrinität der Grund der ungültigen Erbeinsetzung wäre, so würde gewiß dieser einfachste Grund namhaft gemacht seyn, durch welchen ja die irrige Mey- nung des Testators zu einem ganz gleichgültigen Umstand werden würde. — Dasselbe Princip liegt zum Grunde in L. 5 C. de te- stam. (6. 23.). Denn wenngleich diese Stelle vielleicht ursprüng- lich auf den Fall eines Legats gegangen seyn mag („non de- beri ”) , so hat sie doch durch ihre Aufnahme in den Titel de te- stamentis eine allgemeinere Be- deutung bekommen, und es ist kein nothwendiger Grund vor- handen, ihre Beweiskraft für die Erbeinsetzung dadurch zu beseiti- gen, daß man sie (wie Manche wollen) für eine lex fugitiva erklärt. — Fälschlich würde man zur Widerlegung unsrer Behaup- tung anführen L. 33 pr. de cond. (35. 1.) , denn diese spricht von der falsa demonstratio, die von der falsa causa wesentlich ver- schieden ist. Irrthum und Unwissenheit. weil der Erblasser zugleich durch andere, nur nicht aus- gedrückte, Gründe bestimmt seyn kann L. 17 § 2. 3 L. 72 § 6 de cond. (35. 1.), § 31 J. de leg. (2. 20.), L. 1—5 C. de falsa causa (6. 44.). . Wenn jedoch aus den Umständen sicher hervorgeht, daß ohne jenen Irr- thum das Legat nicht gegeben seyn würde, so steht dem Legatar eine doli exceptio entgegen L. 72 § 6 de cond. (35. 1.), L. 1 in f. C. de falsa causa (6. 44.). . Diese ist nur eine einzelne Anwendung der allgemeineren Regel, daß der Le- gatar, dem der erweisliche Wille des Verstorbenen entge- gensteht, durch die doli exceptio ausgeschlossen wird L. 4 § 10 de doli exc. (44. 4.), s. oben Note c. ; weshalb denn auch der unförmliche Widerruf eines Legats zur Begründung dieser doli exceptio hinreicht L. 22 de adimendis (31. 4.), L. 36 § 3 de test. mil (29. 1.). . Hierin liegt also ein wichtiger, von Vielen verkannter, Unter- schied zwischen Erbeinsetzungen und Legaten Über diese ganze Frage sind zu vergleichen Ramos bey Meer- man. V. 176 , und Chesius , Ju- rispr. Rom. et Att. II. 723. . 5) Ungültig ist endlich das Legat einer fremden Sache, wenn nicht der Testator wußte, das sie eine fremde sey, welches Bewußtseyn vom Legatar bewiesen werden muß § 4 J. de leg. (2. 20.), L. 67 § 8 de leg. 2 (31. un.). . Wenngleich nun hier der Irrthum einen größeren Ein- fluß hat, als bey Verträgen, so würde es doch ganz un- richtig seyn, über die Gränzen der angegebenen Fälle hin- aus zu gehen, und jedem Irrthum überhaupt eine gleiche Kraft beyzulegen. Gesetzt also, der Testator hätte dem eingesetzten Erben Verdienste oder andere Eigenschaften zu- Beylage VIII. geschrieben, die dieser in der That nicht besäße, so wäre dennoch der Intestaterbe nicht berechtigt, deshalb das Te- stament als ungültig anzufechten. Man darf mit diesen Fällen nicht verwechseln den scheinbar ähnlichen Fall, da der Testator einen Erben er- nennt, den er für eine andere Person hält. Hier wird nicht, wie in jenen Fällen, die gewöhnliche Wirkung juri- stischer Thatsachen wegen des Irrthums modificirt, sondern es ist in Beziehung auf den wörtlich bezeichneten Erben gar kein Wille vorhanden, so daß dieser Fall unter die des unächten Irrthums gehört S. u. Num. XXXIV. und das System § 135. — In einem solchen Fall also gilt weder der Ausgesprochene als Erbe, weil er nicht gemeynt ist, noch der Ge- meynte, weil er nicht ausgespro- chen ist. L. 9 pr. de her. inst. (28. 5.). . XVIII. Eben so zeigt sich die Einwirkung des Irrthums bey den zum Erwerb der Erbschaft führenden Handlungen auf folgende Weise. Ist der berufene Erbe über die Art der Delation (aus letztem Willen oder gesetzlich u. s. w.) im Irrthum, so ist seine ausdrückliche oder stillschweigende Antretung Die Ungültigkeit der irri- gen pro herede gestio könnte nun zugleich auf das allgemeinere Princip der irrigen stillschweigen- den Willenserklärungen zurückge- führt werden (Num. XII. ). sowohl, als seine Ausschlagung der Erbschaft ohne Wirkung L. 13 § 1 L. 14. 15. 16. 19. 22. 23. 32. 33. 34. de adquir hered. (29. 2.). . Auch hier wird die gewöhnliche Be- schränkung hinzugefügt, daß der Rechtsirrthum eine solche Irrthum und Unwissenheit. Wirkung nicht hervorbringe L. 2 C. h. t. . — Jeder andere Irrthum dagegen kann dem antretenden Erben nicht zu gut kommen. Insbesondere nicht der vorzüglich wichtige Irrthum über den reinen Werth des erbschaftlichen Vermögens. In einem solchen Fall gab einmal Hadrian, aus durchgreifender Bil- ligkeit, dem irrenden Erben Restitution: Gordian erhob die- selbe bey Soldaten zu einer allgemeinen Rechtsregel: Ju- stinian aber machte jede Hülfe dieser Art auf einem andern Wege entbehrlich, indem er jeden Erben, der ein Inventa- rium macht, von allem Überschuß der Schulden über das active Erbschaftsvermögen befreyte. Jetzt fällt also auch jene Restitution des irrenden Erben als überflüssig im All- gemeinen hinweg, und ist nur wieder dem Soldaten, der das Inventarium versäumt, vorbehalten Gajus Lib. 2 § 163, § 5. 6 J. de hered. qualit. (2. 19.). Die im Text enthaltenen Sätze stellen den wahren Sinn und Zusammenhang der Institutionen- stelle dar. Es ist also irrig, wenn Manche glauben, es gelte noch außer und neben dem beneficium inventarii eine allgemeine Resti- tution des unvorsichtig antreten- den Erben. (So Burchardi Wiedereinsetzung S. 388). Aller- dings wollte Justinian, wie er ausdrücklich sagt, dem berufenen Erben gründlicher helfen, als es Hadrian und Gordian gethan hatten: nur nicht durch Erweite- rung der Restitution, sondern durch ein ganz anderes Mittel. In Justinians Sinn müssen wir sagen: entweder hat der Erbe ein Inventarium gemacht, dann braucht er keine Restitution; oder er hat es unterlassen, dann ver- dient er sie nicht. Der Soldat freylich sollte auch durch diese Unterlassung nicht leiden (Num. XXXIII. ). ; in diesem Fall aber betrifft sie nicht mehr, wie früher, die unvor- sichtige Handlung, sondern die bloße Unterlassung. Die Richtigkeit dieser Behauptung, daß jeder andere Irrthum Beylage VIII. des antretenden Erben gleichgültig ist, bewährt sich noch in dem besondern Fall, da der Patron die Testamentserb- schaft seines Freygelassenen antritt, dessen große Veräuße- rungen er nicht kannte; in diesem Fall würde dem Patron die Anfechtung des Testaments vortheilhafter gewesen seyn, und dennoch muß es bey der erklärten Antretung verblei- ben L. 3 pr. si quid in fraud. patr. (38. 5.). . Wenn die Erbschaftsgläubiger eine Separation der Erb- schaft auswirken, die sich hinterher als nachtheilig zeigt, so koͤnnen sie, bey vollständiger Rechtfertigung ihres Irr- thums, Restitution erlangen L. 1 § 17 de separat. (42. 6.). . Fassen wir alle diese Bestimmungen zusammen, so müs- sen wir allerdings bey erbschaftlichen Handlungen dem Irrthum einen größeren Einfluß zuschreiben, als bey Ge- schäften des gewoͤhnlichen Verkehrs. Allein es ist doch nur eine etwas größere Zahl einzelner Fälle, worin der Irrthum ausnahmsweise wirkt. Und so erscheint auch hier das allgemeinste Princip festgehalten und bestätigt, daß der Irrthum an sich das Daseyn des freyen Willens nicht ausschließt, also auch den Wirkungen desselben im Allge- meinen nicht im Wege steht. XIX. Im älteren Römischen Prozeß kamen mehrere Hand- lungen vor, die schon für sich allein eine strenge formelle Irrthum und Unwissenheit. Wirkung mit sich führten, und daher dem Handelnden, wenn sie unvorsichtigerweise vorgenommen wurden, großen Schaden bringen konnten. Gegen diesen Nachtheil aber konnte ihm Hülfe gewährt werden nach den Grundsätzen vom Irrthum; das heißt also wenn der Irrthum nicht nur seinem Daseyn nach dargethan werden konnte, sondern auch weder ein Rechtsirrthum, noch ein leichtsinniger fac- tischer Irrthum war. Die Hülfe aber bestand hier nicht in einer besonderen Klage, wodurch ja der Gang des frü- heren Prozesses nur hätte erschwert und verwirrt werden können, sondern in einer Restitution, die hier, wo sich oh- nehin schon die Parteyen vor dem Prätor befanden, gewiß die angemessenste Form war. Die Fälle selbst, wie sie in unsren Rechtsquellen vorkommen, sind folgende. 1. Jedes Klagerecht wurde durch die angebrachte Klage consumirt, oft auch wenn man eine unrichtige Person als Gegner gewählt hatte. Dieses geschah namentlich durch die Klage gegen einen Pupillen, bey welcher ein falsus tutor die auctoritas gegeben hatte; dagegen gab aber der Prätor Restitution L. 1 § 6 L. 2—6 quod falso (27. 6.). Vgl. Keller Litiscontestation § 68. Burchar- di Wiedereinsetzung § 21. . — Eben so geschah es, wenn eine Erbschaftsschuld gegen einen der Miterben, der sich fälsch- lich für den einzigen Erben ausgegeben hatte, ganz einge- klagt wurde. Dieser war nun wirklich für das Ganze verpflichtet, gegen die Miterben war die Klage consumirt. War nun aber jener, theilweise falsche, Beklagte insolvent, III. 25 Beylage VIII. so wurde die verlorne Klage gegen die Miterben restituirt L. 18 de interrog. (11. 1.). . 2. Wer mehr einklagte, als er zu fordern hatte, ver- lor sein ganzes Recht (plus petendo). War es aber aus erweislichem, und zugleich voͤllig gerechtfertigtem, Irrthum geschehen, so konnte er dagegen Restitution erhalten § 33 J. de act. (4. 6.) Gajus Lib. 4 § 53. Vgl. Bur- chardi Wiedereinsetzung S. 387. — Die Restitution, die in einem ähnlichen Fall der Beklagte er- hielt ( Gajus Lib. 4 § 57) , bezog sich nicht auf dessen Irrthum. . 3. Wenn eine Partey Prozeßcaution zu fordern berech- tigt war, und dafür einen Bürgen annahm, der nachher als Sklave anerkannt wurde, folglich zur Bürgschaft un- tauglich war, so konnte die dadurch gefährdete Partey Restitution erhalten L. 8 § 2 qui satisdare (2. 8.). Der erste Theil der Stelle setzt einen factischen Irr- thum voraus, und gestattet daher die Restitution allgemein; der zweyte Theil, der den Minder- jährigen und Frauen besonders die Restitution einräumt, muß von dem Fall eines Rechtsirr- thums verstanden werden, näm- lich so daß die Partey wußte, daß es ein Sklave sey, und ihn den- noch für fähig hielt. Vgl. Müh- lenbruch S. 390. . 4. Wer vor dem Prätor Etwas einräumte, sey es aus eigenem Antriebe (confessio) , oder auf die Aufforderung des Gegners (responsio) , der war dadurch in der Regel verpflichtet. Wenn er aber einen Irrthum in diesem Ge- ständniß besonders nachweisen konnte L. 2 de confessis (42. 2.), L. 11 §. 8. 10. 11 de interrog. (11. 1.). , oder wenn dieser Irrthum aus der nachher augenscheinlich gewordenen Un- möglichkeit der eingeräumten Thatsache von selbst hervor- gieng L. 13 pr. de interrog. , so wurde er von dieser Verpflichtung durch Re- Irrthum und Unwissenheit. stitution befreyt. Hier wird nun ausdrücklich bemerkt, es dürfe weder ein Rechtsirrthum gewesen seyn L. 2 de confessis (42. 2.). Dieser Satz hängt zusammen mit dem Grundsatz der condictio indebiti, welcher gleichfalls den Rechtsirrthum von der Rückfor- derung ausschließt (Num. XXXV. fg.). Denn wer gesteht, thut es, eben so wie der welcher zahlt, in der Meynung, damit nur seine Schuldigkeit zu thun, nicht aus freyer Willkühr. , noch ein auf grober Nachlässigkeit beruhender factischer Irrthum L. 11 § 11 de interrog. (11. 1.). . Von diesen Fällen sind die meisten schon im Justinia- nischen Recht, noch mehr aber in dem unsrigen, nicht mehr anwendbar. Der letzte jedoch, welcher das gerichtliche Geständniß betrifft, kann, ungeachtet der veränderten Form des zum Grunde liegenden Rechtssatzes, auch noch im heu- tigen Recht zur Anwendung kommen Wichtiger, als alle hier zu- sammengestellte, Prozeßrestitutio- nen ist die gegen das rechtskräf- tige Urtheil. Vgl. Burchardi Wiedereinsetzung S. 185. Allein diese gehört nicht zur Lehre vom Irrthum, da der Irrthum der unterliegenden Partey doch nur unter andern, und nur auf indi- recte Weise, als Ursache des Ur- theils angesehen werden kann. . Ich habe hier absichtlich Fälle des älteren Rechts zu- sammengestellt. Die Art, wie in dem heutigen Prozeßrecht der Irrthum behandelt wird, ist diesem ganz eigenthümlich, und gehört nicht mehr zu den Entwicklungen der allgemei- nen Rechtslehre vom Irrthum So z. B. steht die Behand- lung des Irrthums eines Advo- caten im Zusammenhang mit der besondern Stellung der Advoca- ten im Prozeß. . (11. 1.), L. 23 § 11 L. 21 L. 25 pr. ad L. Aquil. (9. 2.), L. 8 de confessis (42. 2.). 25* Beylage VIII. XX. In Anwendung auf Delicte Ich gebrauche hier der Kürze wegen diesen Ausdruck, und verstehe darunter sowohl das öffentliche Verbrechen (crimen) , als das Privatdelict, das heißt die Rechtsverletzung, welche im Privatrecht die eigenthümliche Wirkung einer actio quae poe- nae causa datur hervorbringt; es mag nun diese Klage zum Inhalt haben eine Strafe (wie die furti actio ), oder bloßen Schadensersatz (wie die doli ac- tio ), oder beides zugleich (wie vi bonorum raptorum ). Beide Fälle hier zusammen zu fassen, wird dadurch nothwendig, daß die Be- handlung des Irrthums in beiden völlig dieselbe ist. erscheint die Lehre vom Irrthum auf folgende eigenthümliche Weise. Es giebt Delicte, deren Begriff zunächst nur auf die Erscheinung eines äußeren Ereignisses gegründet ist, so daß dabey die Freyheit des Handelnden zwar auch als nöthig, aber doch als untergeordnet erscheint. Bey diesen ist Do- lus und Culpa strafbar; so bey dem Todschlag, obgleich mit verschiedenem Grade der Strafbarkeit: so auch bey der actio legis Aquiliae, bey welcher selbst die Höhe der Strafe von jenem Unterschied unabhängig ist. — Dagegen giebt es andere Delicte, zu deren Begriff und Thatbestand der rechtswidrige Wille, also auch das Bewußtseyn der Rechtsverletzung, gehört, so daß in dessen Ermanglung gar kein Delict vorhanden ist. Bey diesen kann es nicht einmal einen Unterschied machen, ob der den Dolus aus- schließende Irrthum durch die Umstände gerechtfertigt ist oder nicht, also auch ob er factisch oder ein Rechtsirrthum ist. Denn der Dolus ist eine Thatsache, deren Daseyn durch den Irrthum jeder Art ausgeschlossen wird. Irrthum und Unwissenheit. Indessen ist hierin noch folgender Unterschied wohl zu beachten. Wenn der Handelnde das Strafgesetz kennt, aber durch einen Rechtsirrthum über die strafbare Beschaf- fenheit seiner Handlung getäuscht wird, so ist der eben aufgestellte Satz allgemein wahr. Anders, was die Kennt- niß des Strafgesetzes selbst betrifft. Diese wird bey Jedem gefordert und vorausgesetzt, und ihr Mangel schließt den Dolus und die Strafbarkeit nicht aus. Von dieser Strenge sind nur gewisse Klassen von Personen ausgenommen, de- nen auch die Rechtsunwissenheit überhaupt nachgesehen wird; dahin gehört Minderjährigkeit, weibliches Geschlecht, Rusticitas und Soldatenstand. Jedoch sind auch diese Klas- sen nur bey denjenigen Strafgesetzen ausgenommen, welche eine mehr positive Natur haben (juris civilis) , nicht bey denen, welche schon dem natürlichen Rechtsgefühl einleuch- ten (juris gentium) Der Unterschied ist deutlich anerkannt in L. 38 § 2. 4 ad L. J. de adult. (48. 5.), L. 2 C. de in jus voc. (2. 2.) , welche Stel- len im Num. XXI. , bey den ein- zelnen Delicten, benutzt werden sollen. . Der Ausdruck juris ignorantia nun ist zweydeutig, indem er an sich sowohl auf die straf- bare Natur der Handlung, als auf die Unbekanntschaft mit dem Strafgesetz bezogen werden kann; die juris igno- rantia im ersten Sinn also wird jedes dolose Delict aus- schließen, die im zweyten Sinn dagegen nur in den be- schränkten Fällen der angegebenen Ausnahmen. Durch diese Zweydeutigkeit des Ausdrucks sind manche scheinbare Wi- dersprüche in unsren Rechtsquellen aufzulösen Coll . LL. Mos . et Rom . . Beylage VIII. Diese Grundsätze kommen in unsren Rechtsquellen nir- gend in der Allgemeinheit vor, worin sie hier aufgestellt worden sind; dagegen werden sie in folgenden einzelnen Anwendungen zum Theil so bestimmt und unverkennbar vorausgesetzt, daß wir berechtigt sind, diese bestimmteren Vorschriften theilweise auch auf diejenigen Fälle anzuwen- den, worüber wir weniger genau bestimmte Vorschriften besitzen. XXI. Zum Begriff des Diebstahls gehört rechtswidrige, und zwar insbesondere gewinnsüchtige Absicht. Wer nun dem Andern eine Sache entwendet, die er irrigerweise für seine eigene hält, begeht keinen Diebstahl, und macht die Sache nicht zur res furtiva, selbst wenn er durch Rechtsirrthum zu jener Meynung gekommen wäre; z. B. wenn er den Niesbrauch einer Sklavin hat, und an dem Kind derselben aus Rechtsirrthum Eigenthum zu haben meynt § 5 J. de usuc. (2. 5.), L. 36 § 1 L. 37 pr. de usurp. (41. 3.). . Die I. § 12 (von Modestin): „Non- nunquam per ignorantiam de- linquentibus juris civilis venia tribui solet, si modo rem facti quis, non juris ignoret: quae scilicet consilio delinquentibus praestari non solet. Propter quod necessarium est, addita distinctione considerare, utrum sciente an ignorante aliquo quid gestum proponatur.” Hier wird unzweifelhaft unter der juris igno- rantia, die niemals entschuldigen soll, die Unbekanntschaft mit dem Strafgesetz verstanden, und auch dafür blos die Regel vorgetragen, mit Übergehung der persönlichen Ausnahmen, die dadurch nicht etwa von Modestin verneint wer- den sollen. Das Nonnunquam bezieht sich darauf, daß die Straf- losigkeit selbst des factischen Irr- thums nicht für alle Delicte be- hauptet werden kann, sondern nur für die dolosen. Irrthum und Unwissenheit. Unbekanntschaft mit dem Strafgesetz gegen den Diebstahl würde ihn, da der Diebstahl schon nach dem jus gentium verboten ist, selbst dann nicht schützen, wenn er zu jenen begünstigten Klassen von Personen gehörte (Num. XX. ). Eben so, wer eine Sache, die er für sein hält, mit Gewalt wegnimmt, unbekannt mit dem Verbot der Selbst- hülfe, ist frey von der actio vi bonorum raptorum, weil zu dieser das Bewußtseyn der Eigenthumsverletzung erfor- dert wird. Um dieser Entschuldigung zu begegnen, haben daher die Kaiser auch schon die bloße Selbsthülfe mit schwerer Strafe bedroht § 1 J. de vi bon. rapt. (4. 2.). . Offenbar liegt dabey die Voraussetzung zum Grunde, die Unbekanntschaft mit dem Gesetz gegen die Selbsthülfe befreye nicht von der Strafe der Selbsthülfe, so wie die Unbekanntschaft mit dem Edict vi bonorum raptorum nicht von dieser prätorischen Straf- klage befreye. Beide Strafbestimmungen hatten auch nicht einmal eine streng positive Natur, sie waren vielmehr in dem natürlichen Rechtsgefühl gegründet. Der Incest wird natürlich immer ausgeschlossen durch die factische Unbekanntschaft mit dem Verwandtschaftsver- hältniß L. 4 C. de incestis (5. 5.). . Dagegen soll der Rechtsirrthum, das heißt die Unbekanntschaft mit dem Eheverbot, nur ausnahms- weise entschuldigen: 1. die Frauen, jedoch nur wenn der Incest juris civilis, nicht gentium, also begangen mit Sei- tenverwandten, nicht mit Ascendenten oder Descendenten, Beylage VIII. ist L. 38 pr. § 2. 4. 7 ad L. Jul. de adult. (48. 5.), vgl. mit L. 68 de ritu nupt. (23. 2). ; 2. die minderjährigen Männer, und zwar unter derselben Einschränkung wie die Frauen L. 38 § 4. 7 ad L. Jul. de adult. (48. 5.), L. 4 C. de incestis (5. 5.). — Wörtlich ist hier von incestus juris civilis Nichts gesagt; dennoch können wir diese Beschränkung hinzu den- ken wegen der völligen Zusam- menstellung mit den Frauen. Daß sie nicht ausdrücklich erwähnt ist, mag aus der äußersten Selten- heit des incestus juris gentium bey minderjährigen Männern er- klärt werden. Denn mit der Mutter (also der älteren Frau) wird er nicht vorkommen, und eine Tochter, die des Incests fähig wäre, kann er schon seinen Jahren nach nicht haben. — In L. 38 § 4 cit. muß übrigens statt Claudiae gelesen werden Claudio, da offenbar von einem Mann die Rede ist, wie der nachher folgende Gegensatz zeigt. . Das Sc. Turpillianum verbietet unter Strafe den An- klägern, von ihrer Anklage ohne ausgewirkte obrigkeitliche Abolition zurück zu treten. Dieses Strafgesetz ist ganz positiver Art, weshalb Frauen und Minderjährige wegen Rechtsunwissenheit von der Strafe desselben Befreyung erhalten L. 1 § 10 L. 4 pr. ad Sc. Turpill. (48. 16.). Der § 10 enthält zwey verschiedene Erwäh- nungen der straflosen Frauen: 1. wenn ihre Anklage ohnehin ungültig ist, als nicht auf eige- nes Interesse gegründet, 2. (am Schluß) ganz allgemein, wobey die Frauen mit den Minderjähri- gen zusammengestellt werden. Die erste (beschränktere, aber besonders einleuchtende) Erwähnung beruft sich auf ein Responsum des Pa- pinian, und dieses Responsum steht eben in der angeführten L. 4 pr. eod. , weshalb aber auch in dieser anstatt injuriae propriae emendirt werden muß injuriae non propriae, wie schon Cujacius bemerkt hat. . Die dolose Beschädigung obrigkeitlicher Edicte war mit einer Strafe von 500 aurei bedroht L. 7 pr. de jurisd. (2. 1.). , und diese Strafe konnte durch ihre Höhe als eine völlig positive Bestimmung Irrthum und Unwissenheit. angesehen werden. Deshalb wurde hier dem Erforderniß des Dolus eine größere Ausdehnung als in anderen Fäl- len gegeben. Es sollte daher der Thäter durch allgemeine Rechtsunwissenheit oder durch gänzlichen Mangel an Bil- dung von der Strafe befreyt werden L. 7 § 4 de Jurisd. (2. 1.) „.. si per imperitiam vel ru- sticitatem … aliquis fecerit, non tenetur.” Imperitia ist die Unbekanntschaft mit dem Recht und den Geschäften, die mit an- derer Art von Bildung wohl be- stehen kann, und damit sind, nach der Analogie anderer Stellen, Frauen und Minderjährige, auch wohl Soldaten, gemeynt. Ru- sticitas ist die allgemeine Roh- heit und Unbildung, wie sie in der untersten Klasse häufig vor- kommt. . Das Testament eines Ermordeten sollte bey Strafe von 100 aurei nicht eher eröffnet werden, als die Sklaven desselben gefoltert wären, damit nicht durch die im Testa- ment vielleicht enthaltene Freylassung solcher Sklaven die Folter verhindert werden möchte L 25 § 2 de Sc. Silan. (29. 5.). . Die Strafe war durch den Dolus des Thäters bedingt, und wegen der ganz positiven Natur des Strafgesetzes wurde dieselbe Be- freyung gestattet, wie bey dem vorhergehenden Fall L. 3 § 22 de Sc. Silan. (29. 5.) „Et si sciens, non ta- men dolo aperuit, neque non tenebitur: si forte per imperi- tiam, vel per rusticitatem, ig- narus Edicti Praetoris vel Scti, aperuit.” . Wer aus Rechtsunwissenheit die Zollgesetze übertritt, wird dadurch von der Strafe um so weniger frey, als dieselbe überhaupt nur durch die materielle That, nicht durch Dolus, bedingt ist L. 16 § 5 de publicanis (39. 4.). . Nur der Minderjährige bleibt Beylage VIII. von der Strafe ausgenommen, wenn ihm nicht Dolus be- sonders nachgewiesen werden kann L. 9 § 5 de minor. (4. 4.) Der Vorbehalt des Dolus ist ei- gentlich keine Ausnahme, da durch den erwiesenen Dolus die behaup- tete Rechtsunwissenheit von selbst widerlegt ist. . Wer einer in jus vocatio nicht Folge leistet, wird zu einer willkührlichen Geldstrafe verurtheilt, wovon jedoch gänzliche Unbildung befreyt L. 2 § 1 si quis in jus. voc. (2. 5.). . Der Schreiber, dem ein Testament dictirt wird, soll bey schwerer Strafe kein ihm selbst angewiesenes Legat niederschreiben. Dagegen sollte Rechtsunwissenheit weniger als in anderen Fällen schützen L. 15 pr. ad L. Corn. de falsis (48. 10.). . Soldaten zwar waren auch hier allgemein befreyt L 5 C. de his qui sibi adscrib. (9. 23.). Näm lich befreyt von der Strafe, nicht von der Ungültigkeit des Legats. , Frauen aber nur unter besonderen entschuldigenden Umständen L. 15 § 5 ad L. Corn. de falsis (48. 10.). . Wer eine Frau innerhalb des Trauerjahres heurathet, wird infam; dagegen schützt nur die Unwissenheit über die Thatsache, nicht der Rechtsirrthum L. 1 L. 11 § 4 de his qui not. (3. 2.). In diesen Stellen ist blos von dem Mann die Rede, Die Frau selbst aber hatte gewiß auch keine Straflosigkeit, weil die- ses Verbot nichts weniger als po- sitiv war, und gerade den Frauen vorzugsweise einleuchten mußte. . Der Freygelassene, der sich eine in jus vocatio gegen den Patron erlaubt, wird bestraft. Dagegen schützt selbst gänzliche Unbildung nicht, weil schon das natürliche Ge- fühl der Ehrfurcht ihn zurückhalten mußte L. 2 C. de in jus voc. . Irrthum und Unwissenheit. Dem Vormund ist unter Strafe verboten, seine vor- malige Mündel für sich oder seinen Sohn zur Ehefrau zu nehmen. Dagegen schützt auch nicht imperitia und rusti- citas L. 1 C. de interdicto ma- trim. (5. 6.). . Die Frau, die es unterläßt einen Vormund für ihr Kind zu erbitten, wird bestraft, und dagegen schützt sie nur Minderjährigkeit, nicht die allgemeine Rechtsunwissen- heit des Geschlechts, ohne Zweifel weil sie als Mutter zur äußersten Sorgfalt durch die Natur aufgefordert war L. 2 C. si adv. del. (2. 35.), vgl. L. 8 C. qui pet. (5. 31.). . Der Senator, der eine Freygelassene zur Frau nahm, war mit Strafen bedroht, wenn er es sciens dolo malo that L. 44 pr. de ritu nupt. (23. 2.). . Dagegen schützte ihn natürlich nicht die Unbe- kanntschaft mit dem Gesetz, wohl aber der Irrthum über den Stand der Frau, vorausgesetzt jedoch daß selbst die- ser Irrthum nicht leicht zu vermeiden, also nicht tadelns- werth war L. 6 h. t. Die Beziehung dieser Stelle auf das Eheverbot zwischen dem Senator und der Freygelassenen folgt aus der In- scription. Heineccius ad L. Jul. p. 442. Aus gleichem Grunde gehört eben dahin L. 5 h. t. , welche sagen will, es komme nur auf Wissen oder Nichtwissen des Senators selbst, nicht auf das der Frau, bey Beurtheilung sei- ner Strafbarkeit an. Vgl. oben Num. I. Note b. . XXII. Bisher ist die Beziehung des Irrthums zum Dolus (2. 2.) „Nec in ea re rusticitati venia praebeatur, cum naturali ratione honor hujusmodi per- sonis debeatur.” Beylage VIII. bey den Delicten nachgewiesen worden. Eine gleichartige Beziehung aber kommt auch bey einigen Rechtsinstituten vor, worin der Dolus nicht selbst als Delict erscheint, sondern nur andere Rechtsverhältnisse modificirt. Wegen dieser Gleichartigkeit wird es zweckmäßig seyn, davon an dieser Stelle zu reden. Bey der hereditatis petitio und bey der rei vindicatio macht es, wenn der Kläger Recht behält, einen großen Unterschied, ob der Beklagte ein b. f. oder ein m. f. pos- sessor ist, unter welchen letzten Fall insbesondere auch der praedo gehört, das heißt der Besitzer, welcher seinen Besitz nicht einmal durch einen angeblichen Titel zu beschönigen weiß. Das Bewußtseyn des redlichen Besitzers kann sich nun entweder gründen auf einen factischen Irrthum über die früheren Schicksale der Sache, oder auf einen Rechts- irrthum. Wenden wir auf diesen letzten Fall dieselbe Be- urtheilung, wie bey den Delicten (Num. XXI. ) an, so er- geben sich als unzweifelhaft folgende Sätze. Niemand kann sich darauf berufen, daß er die Rechtsregeln über den un- redlichen Besitz und dessen nachtheilige Folgen nicht gekannt habe. Hat aber der Besitzer über die Regeln des Eigen- thumserwerbs geirrt, und sich deswegen das Eigenthum fälschlich zugeschrieben, so ist er darum nicht weniger ein redlicher Besitzer, denn dieser Zustand ist eine Thatsache, die durch den Rechtsirrthum, woraus sie entstanden seyn mag, nicht ungeschehen gemacht werden kann. Dieser prak- Irrthum und Unwissenheit. tisch wichtige Satz wird nun in folgender Stelle auf das Deutlichste anerkannt. L. 25 § 6 de hered. petit. (5. 3.) „Scire ad se non per- tinere, utrum is tantummodo videtur, qui factum scit, an et is, qui in jure erravit? putavit enim recte factum testamentum, cum inutile erat: vel, cum eum alius praecederet adgnatus, sibi potius deferri. Et non puto hunc esse praedonem, qui dolo caret, quam- vis in jure erret. ” Es ist wohl zu bemerken, daß die Rechtssätze, über welche hier ein Irrthum vorausgesetzt wird, nicht etwa verwickelte und bestrittene, sondern einfache und gewisse sind: die be- kannten Formen des Testaments, und noch mehr die Ord- nung worin die Agnaten zu der Intestaterbfolge berufen werden. Dennoch wird ein so Irrender unbedingt als red- licher Besitzer anerkannt. — Hier zeigt sich nun auch recht deutlich die Unbrauchbarkeit des oben (Num. VIII. ) beur- theilten Princips, nach welchem der Rechtsirrthum zwar soll Schaden abwehren, aber nicht Gewinn bringen können. Der redliche Besitz hat bey den oben angeführten Klagen zweyerley Folgen: er wendet Schaden ab, indem der un- redliche Besitzer auch nicht gewonnene Früchte, und auch den Werth der verschenkten oder verschwendeten Sachen vergüten muß L. 25 § 2. 4. 11. 15 de hered. petit. (5. 3.). ; er bringt Gewinn, indem der redliche Besitzer den Werth der verzehrten oder verkauften Früchte als Bereicherung behalten darf, die der unredliche Besitzer Beylage VIII. zu vergüten hat § 35 J. de rer. divis. (2. 1.), § 2 J. de off. jud. (4. 27.). . Da nun nach der oben mitgetheilten Stelle der redliche Besitz, ungeachtet des Rechtsirrthums, unbedingt als vorhanden anerkannt wird, so ist eben da- durch dem Rechtsirrthum die Kraft zugeschrieben, nicht nur die Abwendung des Schadens, sondern auch die Erwerbung eines reinen Gewinns zu vermitteln. XXIII. Eine ähnliche, vielleicht noch wichtigere, Frage ent- steht für die Beziehung des Irrthums auf die Klagver- jährung. Diese Beziehung kommt auf zweyerley Weise vor: bey dem Irrthum des Klagberechtigten, wovon wei- ter unten, bey den Unterlassungen, die Rede seyn wird (Num. XXV. ); bey dem des Beklagten, welcher Irrthum hier zu erwägen ist, indem er mit einer delictähnlichen Handlung des Beklagten in Verbindung steht. Die Klagverjährung wird größtentheils vom Römi- schen Recht als bloße Versäumniß des Klagberechtigten behandelt, ganz ohne Rücksicht auf das Verhalten des möglichen Beklagten. Nur zu der longi temporis prae- scriptio war es nöthig, daß der Besitzer gerade so besitze, wie zum Zweck der Usucapion, also mit redlichem Be- wußtseyn und mit einem Titel des Besitzes. Dabey also müssen unzweifelhaft, auch in Beziehung auf den Irrthum, und namentlich den Rechtsirrthum, genau dieselben Re- Irrthum und Unwissenheit. geln angewendet werden, welche eben über den Irrthum bey der Usucapion aufgestellt worden sind (Num. XV. XVI. ). Allein das canonische Recht hat für die Verjährung zwey neue und wichtige beschränkende Regeln aufgestellt: die bona fides soll bey jeder Verjährung noͤthig seyn, und sie soll während der ganzen Verjährungsfrist fortdauern C. 5 und C. 20 X. de prae- script . (2. 26.). — Die aus Au- gustin genommene Stelle c. 5 C. 34 q. 1 sagt nur, daß der An- fangs redliche Besitzer durch spä- teres Bewußtseyn des fremden Rechts ein injustus oder m. f. possessor werde. Das ist auch schon nach R. R. wahr, aber es folgt daraus noch nicht die Un- terbrechung der Verjährung. Gra- tian selbst trägt vielmehr noch das reine Römische Recht vor. ( Additio ad c. 15 C. 16 q. 3). Daher ist denn der Anfang des neuen Rechtssatzes auf die ange- führten Decretalen von Alexan- der III. und Innocenz III. zurück zu führen. , anstatt daß sie das Römische Recht, da wo sie überhaupt nöthig war (bey der Usucapion und l. t. praescriptio ) doch nur für den Anfang des Besitzes erforderte. Was nun die erste neue Bestimmung betrifft, so ist anzunehmen, daß das canonische Recht, abweichend von dem Roͤmi- schen Sprachgebrauch, unter praescriptio jede durch Zeit- lauf bewirkte Rechtsänderung begreift, also die Usucapion und die Klagverjährung zugleich; und als Klagverjäh- rung nicht blos die longi temporis praescriptio, sondern gewiß auch die dreyßigjährige, welche die wichtigste unter allen ist. Jedoch diese, nach der richtigern Meynung, nicht in allen Fällen, sondern nur insofern sie zum Schutz eines Besitzverhältnisses des Beklagten geltend ge- macht wird Unterholzner Verjäh- rungslehre § 92. . Daher schließt das unredliche Bewußt- Beylage VIII. seyn die Klagverjährung aus, nicht nur bey der rei vin- dicatio und hereditatis petitio, sondern auch bey der actio commodati, depositi, locati auf Rückgabe der anvertrau- ten Sache, weil auch durch diese der Kläger die Rück- gabe eines unrechtmäßig vorenthaltenen Besitzes verlangt; dagegen nicht bey den gewöhnlichen Schuldklagen aus Ver- trägen oder Delicten, auch nicht bey der actio emti oder der Klage auf Erfüllung eines Tauschvertrags. Damit ist der Umfang der neuen Regel bestimmt, und nun haben wir für dieselbe die Frage zu beantworten, ob etwa die Redlichkeit des Besitzes, mithin die Klagverjäh- rung selbst, durch einen Rechtsirrthum des Beklagten aus- geschlossen werde? Es ist merkwürdig, daß diese von den älteren Schriftstellern lebhaft verhandelte Streitfrage von den neueren gar nicht berührt zu werden pflegt. Nach den oben aufgestellten Grundsätzen wird die Klag- verjährung durch den Rechtsirrthum nicht verhindert. Denn die Redlichkeit des Bewußtseyns, die das canonische Recht allein fordert, ist eine Thatsache, für deren Daseyn der Entstehungsgrund, auch wenn derselbe in einem Rechtsirr- thum liegen mag, ganz gleichgültig ist. Die buchstäbliche Vorschrift des canonischen Rechts hindert also die auf ei- nem Rechtsirrthum beruhende Klagverjährung nicht. Aber auch der Grund dieses Gesetzes führt auf ein gleiches Re- sultat. Denn dieser Grund wird darin gesetzt, daß vor Allem die Sünde vermieden werden müsse (Quoniam omne, quod non est ex fide, peccatum est); Niemand aber wird Irrthum und Unwissenheit. behaupten wollen, daß jeder Rechtsirrthum eine sündliche Natur an sich trage. Endlich entscheidet für diese Mey- nung auch noch die augenscheinliche Analogie der L . 25 § 6 de hered. petit . (Num. XXII. ). Denn wenn der Rechtsirrthum den Beklagten nicht hindert, die Vortheile des redlichen Besitzes im Fall der Verurtheilung zu genie- ßen, so ist kein Grund denkbar, warum er den Vortheil der Klagverjährung sollte verhindern können. Folgende Gegengründe sind aufgestellt worden: 1) Die Klagverjährung bewirke eine Bereicherung des Beklagten, wozu der Rechtsirrthum niemals führen dürfe. — Dieses Princip ist oben schon an sich widerlegt wor- den (Num. VIII. ). Auch hier aber zeigt sich wieder seine (von der historischen Begründung noch unabhängige) ge- ringe Tauglichkeit zu irgend einer sicheren Anwendung. Denn ob der Beklagte durch die Klagverjährung reicher wird, oder blos Schaden vermeidet, wird in den meisten Fällen völlig ungewiß bleiben; er wird reicher, wenn eine wirklich vorhandene Klage untergeht; er vermeidet Scha- den, wenn ihm blos der zufällig fehlende Beweis des ohne- hin schon aufgehobenen Klagerechts durch die Verjährung ersetzt wird. Ob nun aber im einzelnen Fall der eine oder der andere Erfolg anzunehmen sey, dieses eben wird meist im Dunkeln bleiben, und in der Umgehung dieser Schwierigkeit liegt ein Hauptvortheil des durchgreifenden Princips der Klagverjährung. 2) Die Analogie der Usucapion, welche gleichfalls III. 26 Beylage VIII. durch den Rechtsirrthum verhindert werde. Allein bey die- ser bezieht sich der allerdings hindernde Rechtsirrthum nicht auf die bona fides, sondern auf den Titel (Num. XV. ), und ein Titel wird zur Klagverjährung im Allgemeinen nicht erfordert. Mit der hier vertheidigten Meynung stimmten die äl- teren Rechtslehrer größtentheils überein Gilken de usucapione P. 2 membr. 1 Cap. 3 Num. 8 sq. handelt sehr gründlich von dieser Frage, und erklärt sich für die hier angenommene Meynung, die auch, nach vielen von ihm angeführten Schriftstellern, als communis opinio angesehen wer- den muß. . Die neueren haben diese Frage so wenig behandelt, daß sich unter ih- nen eine überwiegende Meynung gar nicht bilden konnte Rave de praescriptione § 56 erklärt sich für unsre Mey- nung; gegen dieselbe Lüder Mencken an requiratur b. f. in praescript. actionum persona- lium Lips. 1692 Thes. 4. . Das wahre Element aber, welches man in der ent- gegengesetzten Meynung noch anerkennen kann, ist folgen- des. Über die Annahme der Unredlichkeit als einer That- sache hat der Richter freyes Urtheil. Wenn nun der Be- klagte nach den vorliegenden Beweisen, vielleicht nach ei- genem Geständniß, alle factischen Umstände vollständig kannte, und daneben sein redliches Bewußtseyn lediglich aus einem Rechtsirrthum ableitet, so ist dieser nicht zu vermuthen, vielmehr von dem Beklagten darzuthun (s. o. Num. III. ). Der Richter wird dabey ein freyes Ermessen haben müssen, und besonders auch die Persoͤnlichkeit des Beklagten zu berücksichtigen haben Gilken l. c. Num. 19. . In dieser Hinsicht Irrthum und Unwissenheit. kann man sagen, daß der Besitzer bey der Klagverjäh- rung zuweilen in einer nachtheiligeren Lage seyn kann, als bey der Usucapion. Jedoch ist dieser Nachtheil nur scheinbar. Der Unterschied entsteht vielmehr daraus, daß der usucapirende Besitzer stets einen Titel für sich hat, welcher seine bona fides bis zum Beweise des Gegentheils außer Zweifel setzt (Num. XV. ), und daß er nie in den Fall kommen kann, durch Berufung auf Rechtsirrthum in eine verdächtige und darum ungünstige Lage zu gerathen. Alles nun, was hier über den Irrthum im Verhältniß zur Klagverjährung gesagt worden ist, gilt ganz eben so auch bey der außerordentlichen oder dreyßigjährigen Er- sitzung. Denn diese hat keine andere Voraussetzungen, als die bloße Klagverjährung, nur unter der hinzutretenden Bedingung eines redlichen Besitzes L . 8 § 1 C. de praescr. XXX. (7. 39.). . Da nun diese Be- dingung durch das canonische Recht schon zum Zweck der bloßen Klagentilgung allgemein aufgestellt worden ist, so ist die Klagverjährung des Besitzers, in ihren factischen Bedingungen, mit der dreyßigjährigen Ersitzung identisch geworden, so daß die eben beendigte Untersuchung noth- wendig beide zugleich umfassen muß. XXIV. Es bleibt nun noch übrig, von den Folgen des Irr- thums bey bloßen Unterlassungen zu sprechen. Auch hier müssen wir zuvörderst an das allgemeine Princip erin- 26* Beylage VIII. nern, welches in dieser Anwendung mehr als anderwärts verkannt zu seyn scheint: Der Irrthum schützt in der Re- gel gegen die nachtheilige Folge der Unterlassung nicht, weder direct noch durch Restitution, und es sind daher nur einzelne, ausgenommene Fälle worin er schützt; aber auch in diesen Fällen wird der Schutz ausgeschlossen durch besondere Nachlässigkeit, also auch in der Regel bey je- dem Rechtsirrthum. — Die einzelnen Fälle, worin der Irrthum als Ursache einer Unterlassung vorkommt, sind folgende: I. Die Bonorum Possessio muß innerhalb einer Frist von einem Jahr oder 100 Tagen agnoscirt werden, sonst ist sie verloren. Wie aber, wenn der Berufene aus Un- wissenheit die Frist versäumt hat? Da wir die Worte des hier einschlagenden Edicts nicht kennen, so ist es nö- thig, auf ein anderes, dem älteren Recht angehörendes, Institut zurück zu gehen. Es war üblich, die Erben cum cretione einzusetzen, und zwar besonders häufig mit dieser Formel: Titius heres esto, cernitoque in diebus centum proximis, quibus scieris, poterisque Dieses hieß cretio vulga- ris. Ulpian . XXII. § 27. 31. 32, Gajus Lib. 2 § 165. 171—173. Ähnliche Bedingungen (des An- tritts in einer bestimmten Zeit) können auch nach dem neuesten Recht in einem Testamente vor- kommen ( L . 72 de adqu. her . 29. 2.). Ob dann die Frist von dem Todestage, oder von der Zeit worin der Erbe die Bedingung erfuhr, gerechnet werden soll, das muß von dem Inhalt und der Auslegung des Testaments abhän- gen. — Auf den Fall einer cretio vulgaris bezog sich ohne Zweifel in ihrer ursprünglichen Abfassung L . 86 de adqu. her . (29. 2.), die durch Verwandlung von cretio- nis in aditionis interpolirt ist. . Wahrscheinlich Irrthum und Unwissenheit. hatte das Edict über die Bonorum Possessio dieselben Ausdrücke, oder doch ähnliche, gebraucht, so daß die Frist erst anfangen sollte von der Zeit, wo der Berufene den Tod und zugleich den Grund seiner Berufung (Testament, Verwandtschaft u. s. w.) erfahren hatte L . 2 pr. quis ordo (38. 15.). „.. ut per singulos dies et scierit et potuerit admittere.” . Die Unter- lassung durch factischen Irrthum war also schon unmittel- bar durch die buchstäbliche Fassung der Rechtsregel gegen Nachtheil geschützt, so daß sie eines künstlichen Schutzes gar nicht bedurfte (Num. II. ). Allein auf den factischen Irrthum sollte dieser Schutz beschränkt bleiben, der Rechts- irrthum sollte ihn nicht genießen L . 1 § 1 — 4 h. t., L . 3 C. h. t., L . 10 de Bon. Poss . (37. 1.), L . 6 C. qui admitti (6. 9.). . Dieser Satz gestat- tet zwey Anwendungen, und ist in beiden wahr. Die Erb- schaft geht also durch versäumte Frist verloren, sowohl wenn der Berufene über das Daseyn oder die Länge die- ser Frist in Unwissenheit ist, als wenn er, bey völliger Bekanntschaft mit den verwandtschaftlichen Verhältnissen, über die Successionsordnung irrt; so z. B., wenn ein ent- fernter Agnat des Verstorbenen glaubt, daß ein naher Cognat ihm vorgehe. Von dieser Regel werden zwey Ausnahmen erwähnt, die rusticitas und die Minderjährigkeit. Wenn also der Berufene durch seinen hohen Grad allgemeiner Unbildung in einer solchen Rechtsunwissenheit sich befindet, so soll ihm die Versäumniß nicht schaden, das heißt wohl, er soll Beylage VIII. dagegen Restitution erhalten L . 8 C. qui admitti (6. 9.). „.. sciat sibi non obesse, si per rusticitatem, vel ignoran- tiam facti, vel absentiam, vel quamcunque aliam rationem in- tra praefinitum tempus bono- rum possessionem minime pe- tiisse noscatur: quoniam haec sanctio hujusmodi consuetudi- nis necessitatem mutavit.” Soll die Stelle keine müßige Wieder- holung enthalten, so muß die ru- sticitas auf den Rechtsirrthum gehen, womit sie ja auch ander- wärts stets in Verbindung ge- nannt wird: die quaecunque alia ratio aber auf eine der Abwesen- heit ähnliche äußere Abhaltung, z. B. Gefangenschaft am Wohn- ort selbst oder lange schwere Krankheit. Die Schlußworte deu- ten auf einen neuen Rechtssatz; damit ist wohl der durch rustici- tas entschuldigte Rechtsirrthum, und eben so die äußere (auch ne- ben der factischen Sachkenntniß denkbare) Abhaltung gemeynt, denn der factische Irrthum schützte ja auch schon früher gegen jeden Nachtheil (Note b ). . Desgleichen haben Min- derjährige allgemein Restitution gegen versäumte Bonorum Possessio L . 2 C. de in int. rest. min . (2. 22.). ; also auch im Fall des Rechtsirrthums, der ihnen ja überall nachgesehen wird (Num. XXX. ). II. Bey dem alten spatium deliberandi bedurfte es keiner besonderen Vorsorge für den Fall des Irrthums, da es überhaupt nur auf die Bitte des berufenen Erben gegeben wurde, die ja ohne Bewußtseyn der Berufung nicht denkbar ist. Dagegen ist im neueren Recht auf die Befugniß zur Deliberation ein besonderes Transmissions- recht gegründet; dieses dauert Ein Jahr, welches aller- dings erst von der Zeit der Kenntniß des berufenen Er- ben angeht L . 19 C. de j. delib . (6. 30.). . III. Eben so ist in Justinians neuer Vorschrift, daß der berufene Erbe, um gegen jeden Verlust sicher zu seyn, binnen Dreyßig Tagen ein Inventarium zu machen an- Irrthum und Unwissenheit. fangen solle, ausdrücklich hinzugefügt, diese Dreyßig Tage seyen zu zählen von dem Tage an, wo der Erbe die Be- rufung erfahre L . 22 § 2 C. de jure de- lib . (6. 30.). „.. ut intra tri- ginta dies post apertas tabu- las, vel postquam nota fuerit ei apertura tabularum, vel de- latam sibi ab intestato heredi- tatem cognoverit, numerandos, exordium capiat inventarium”… ; dieses jedoch mit Ausnahme der Sol- daten, die durch die Versäumniß der Frist nicht leiden sollen L . 22 § 15 eod . . XXV. IV. Die wichtigste Anwendung des Irrthums bey Un- terlassungen betrifft die Klagverjährung, womit wir in dieser Beziehung auch die Verjährung der Restitution ver- binden können, wenngleich das Restitutionsgesuch nicht als eine Römische actio bezeichnet werden kann. Kann nun der Kläger die verjährte Klage mit Erfolg anstellen, wenn er sie aus Unbekanntschaft mit seinem Klagrecht in der vorgeschriebenen Zeit anzustellen unterlassen hat? Diese Frage kommt in zwey verschiedenen Bedeutungen vor. Jede Verjährung hat einen bestimmten Zeitraum angewie- sen, bey welchem zuerst der Anfangspunkt festzustellen ist. Dieser könnte möglicherweise entweder auf ein äußeres Ereigniß gesetzt werden, oder auf des Klägers Bekannt- schaft mit diesem Ereigniß, welche vielleicht erst in einem weit späteren Zeitpunkt eintritt. Darin liegt eine erste denkbare Einwirkung des Irrthums. Allein wenn man Beylage VIII. auch regelmäßig die Verjährung von dem äußeren Ereig- niß an berechnet, so wäre es doch wiederum denkbar, daß gegen den Ablauf derselben der Kläger wegen seines Irr- thums einen außerordentlichen Schutz (durch Restitution) in ähnlicher Weise erhielte, wie es nun schon für viele andere Fälle nachgewiesen worden ist. Zuerst also: Wird die Klagverjährung regelmäßig be- rechnet von dem äußeren Ereigniß, das heißt von der Rechtsverletzung an, oder aber von des Klägers Bekannt- schaft mit diesem Ereigniß (a scientia)? Eine scheinbare Ähnlichkeit mit den Fristen der Bonorum Possessio (Num. XXIV. ) könnte uns für diese letzte Behandlung bestimmen. Allein eine genauere Betrachtung muß uns von der we- sentlichen Verschiedenheit beider Fälle überzeugen. Die kurzen Fristen der Bonorum Possessio haben den Zweck, die Person des Erben bald außer Zweifel zu setzen. Diesem Zweck ist die von der Kenntniß des Berufenen anfangende Berechnung nicht hinderlich, da Diejenigen, welche bey der schnellen Entscheidung Interesse haben, den Berufenen unterrichten, und so den Lauf der Frist veran- lassen können. Die Klagverjährung soll auf schnelle Rechts- verfolgung hinwirken, damit die sichere Entscheidung er- leichtert und die Rechtsungewißheit abgekürzt werde. Die- sem Zweck würde durch die Berechnung der Frist von der Kenntniß des Klägers an entgegengewirkt, da hier Nie- mand ist, der zu einer Aufforderung des Klägers veran- laßt wäre; dem moͤglichen Beklagten kann man diese nicht Irrthum und Unwissenheit. zumuthen, da in so vielen Fällen das Recht auf der Seite des Beklagten, oder doch ungewiß ist, der Beklagte aber wünschen muß, den Rechtsstreit lieber ganz zu vermeiden. In der That würde die wohlthätige Wirkung der Klag- verjährung größtentheils vernichtet seyn, wenn man von der erweislichen Kenntniß des Klägers an rechnen wollte. Dazu kommt noch, daß der Kläger durch Aufmerksamkeit auf seine Rechte die Verletzung wahrnehmen kann, also meist den Vorwurf der Nachlässigkeit verdient, wenn er die Verjährung, sey es auch durch Unbekanntschaft mit der Verletzung, ablaufen läßt. Nicht so der prätorische Erbe, der keinen Beruf hat, den vielleicht ganz zufälligen und unerwarteten Anfall der Bonorum Possessio schnell in Erfahrung zu bringen. Es ist demnach der Natur der Klagverjährung angemessen, die Frist von dem äußeren Ereigniß anfangen zu lassen, ohne Rücksicht auf die Kennt- niß des Klagberechtigten. Auch wird in allgemeineren Verjährungsgesetzen beyläufig bemerkt, die Unwissenheit des Klägers sey gleichgültig L . 12 C. de praescr. longi temp . (7. 33.). „… nulla scien- tia vel ignorantia exspectanda, ne altera dubitationis inextri- cabilis oriatur occasio.” — Eine ganz andere Natur haben die Pro- zeßfristen, die stets von der Zeit an berechnet werden, wo die Par- tey das Ereigniß erfährt, welches sie zum Handeln veranlassen soll. ; vollends die Rechtsun- wissenheit, das heißt die Unbekanntschaft mit dem Ver- jährungsgesetze selbst, sollte gar keinen Einfluß haben L . 3 C. de praescr . XXX. (7. 39.). „.. Post hanc vero temporis definitionem nulli mo- vendi ulterius facultatem com- petere censemus, etiamsi se le- gis ignorantia excusare tenta- verit.” An sich war dieser Zu- satz überflüssig, er wurde wohl . Beylage VIII. XXVI. Nur bey Einer, und zwar sehr zahlreichen, Klasse von Klagen konnte ein Zweifel entstehen: bey den Klagen mit utile tempus, also bey denen, welche eine einjährige oder noch kürzere Verjährung hatten. In das utile tempus nämlich wurden nur eingerechnet diejenigen Tage, an wel- chen es dem Kläger möglich war, die Klage anzustellen (quibus experiundi potestatem habebat); die übrigen Tage wurden bey Berechnung des Ablaufs der Verjährung nicht mitgezählt, so daß der wörtlich vorgeschriebene Zeitraum um die Zahl dieser nicht mitgezählten Tage verlängert wurde L . 1 de div. temp. praescr . (44. 3.). . Nun entstand die Frage, ob der Kläger auch dadurch in der Unmöglichkeit zu klagen sey, daß er die Verletzung nicht wisse? Faßt man die Stellen des Rö- mischen Rechts zusammen, so ergiebt sich folgende Ant- wort. Jener Kläger ist der Regel nach nicht in der Un- moͤglichkeit zu klagen, denn in vielen Fällen ist es augen- scheinlich, daß er durch gehörige Aufmerksamkeit die Ver- letzung hätte erfahren können, und in noch mehreren Fäl- len wird gerade dieser Umstand ungewiß bleiben. Es gilt also die im Allgemeinen für den Anfang der Klagverjäh- rung aufgestellte Regel auch bey den einjährigen Klagen. In einzelnen, seltenen Fällen jedoch kann für den Kläger deswegen nöthig gefunden, weil das ganze so wichtige Princip ei- ner allgemeinen Klagverjährung etwas völlig Neues, dem frühe- ren Recht Fremdes war. Irrthum und Unwissenheit. die Entdeckung der Rechtsverletzung so schwer seyn, daß sie der Unmöglichkeit gleich zu achten ist; kann er also solche Umstände nachweisen, so wird die Verjährung aus- nahmsweise von der Zeit seiner Kenntniß an gerechnet. Es verhält sich also hier gerade umgekehrt, als in ande- ren Fällen, worin die Unwissenheit Einfluß hat, und worin dieser Einfluß gilt, wenn nur nicht eine besondere Nach- lässigkeit dargethan werden kann, anstatt daß bey den Klagen mit utile tempus die Unmöglichkeit der Kenntniß zu erweisen ist. Die besonders zahlreichen Fälle zweifel- hafter, unerweislicher Umstände kommen daher in anderen Fällen dem Unwissenden, bey der Verjährung der einjaͤh- rigen Klagen seinem Gegner zu gut. Hierin wird also die einjährige Klagverjährung namentlich ganz anders be- handelt, als die Frist der Bonorum Possessio (Num. XXIV. ) Vergl. über diese verschie- dene Behandlung das System § 190. — Mit Unrecht wirft beide Fälle zusammen Burchardi Wiedereinsetzung S. 188. — Der hier aufgestellten Ansicht nähert sich Arndts in Linde’s Zeitschrift B. 14 S. 31, der jedoch das Ver- hältniß von Regel und Ausnah- me nicht so, wie es hier gesche- hen, auffaßt, sondern Alles dem richterlichen Ermessen überläßt, und dabey eher geneigt scheint, die Regel auf die entgegengesetzte Seite zu legen. . — Der hier aufgestellte Grundsatz ist von den Römern nirgend allgemein ausgesprochen; er findet sich in einzelnen Anwendungen, und zwar hier bald mehr bald weniger vollständig, so daß es gewiß das einzig rich- tige Verfahren ist, die weniger bestimmten Stellen aus den bestimmteren zu ergänzen, da ihnen allen ohne Zwei- Beylage VIII. fel ein und derselbe Gedanke zum Grunde liegt. Gerade das wichtigste Stück meiner Behauptung aber, daß näm- lich auch bey den einjährigen Klagen in der Regel ge- rechnet werde von dem äußeren Ereigniß an (also nicht von der Kenntniß), ist in allen Stellen deutlich anerkannt; die Ausnahme, die ja so selten zur Anwendung kommen kann, wird nur in einigen derselben erwähnt. Da aber diese letzten unsere ganze Behauptung am Vollständigsten enthalten, will ich sie hier voranstellen. A. Das Interdict quod vi aut clam dauert Ein Jahr, und dieses fängt an mit der widerrechtlichen Unterneh- mung selbst, nicht mit der Kenntniß, die davon der Klä- ger erhält. Anders ist es nur, wenn die Arbeit unter sol- chen besonderen Umständen geschieht, daß sie der Kläger fast gar nicht ohne bloßen Zufall bemerken kann L . 15 § 4. 5 quod vi (43. 24.). Annus autem cedere in- cipit, ex quo id opus factum perfectum est, aut fieri desiit ..... (§ 5) Sed si is sit lo- cus, in quo opus factum est, qui facile non adiretur, utputa in sepulchro vi aut clam fac- tum est, vel in abdito alio lo- co, sed et si sub terra fieret opus, vel sub aqua, vel cloaca aliquid factum sit; etiam post annum causa cognita competit interdictum de eo quod factum est, nam causa cognita annu- am exceptionem remittendam, hoc est magna et justa causa ignorantiae interveniente .” . Die Vorschrift für diesen Fall ist die klarste und vollständigste unter allen, und sie kann am Sichersten zur Ergänzung der übrigen weniger bestimmten Vorschriften benutzt werden. B. Die Strafklage de calumnia gilt unter andern für den Fall, da ein Anderer einem Dritten Geld giebt, da- mit dieser Dritte eine grundlose Klage gegen mich erhebe. Irrthum und Unwissenheit. Diese Klage dauert Ein Jahr, welches aber berechnet wird nicht von jener verwerflichen Verabredung an, son- dern von meiner Kenntniß L . 6 de calumniatoribus (3. 6.). „.. In illius vero per- sonam, cum quo ut agatur alius pecuniam dedit, dubitari po- test, utrum ex die datae pecu- niae numerari debeat, an po- tius ex quo cognovit datam esse, quia qui nescit, is vide- tur experiundi potestatem non habere: et verius est, ex eo annum numerari, ex quo co- gnovit .” Das qui nescit u. s. w. ist hier von diesem einzelnen Rechts- verhältniß (der calumnia ) zu ver- stehen, nicht als allgemeine Re- gel für alle Verjährungen mit utile tempus. Unbedenklich kön- nen wir es auch anwenden auf gleichartige Fälle, nur nicht (mit Mühlenbruch S. 366) auf alle Klagen aus einem factum alie- num, wohin namentlich alle De- lictenklagen gehören würden; denn die meisten Delicte berühren un- sre Rechte auf so merkliche Weise, daß es ganz unsre Schuld ist, wenn wir darüber in Unwissenheit blei- ben. . Hier wird also das, was die vorhergehende Bestimmung als Ausnahme bezeichnete, sogleich als Regel ausgedrückt, und dieser verschiedene Ausdruck erklärt sich hinreichend aus der Eigenthümlichkeit des Falles. Denn jene hinterlistige Verabredung ist für mich immer und nothwendig so lange verborgen, bis die spätere Ausführung oder ein anderer Zufall sie mir offen- bart. Ja, wenn man dieses nicht annehmen wollte, so würde die widersinnige Folge eintreten, daß die Strafe dieses Delicts von den Thätern durch eine kleine Vorsicht stets abgewendet werden könnte; sie brauchten nur ihrer Abrede den Zusatz zu geben, daß sie erst nach einem Jahr ausgeführt werden solle, und während dieser Zeit über die Sache zu schweigen. C. Die Klagen aus dem Edict der Ädilen verjähren theils in Einem Jahr, theils noch kürzer. Diese Verjäh- Beylage VIII. rung fängt an von dem abgeschlossenen Contract L . 19 § 6 de aedil. act . (21. 1.). , nicht von der Bekanntschaft des Käufers mit dem mangelhaften Zustand der Sache. Diese Regel gilt selbst in dem Fall, worin man sie am leichtesten bezweifeln könnte, wenn der gekaufte Sklave die Gewohnheit hat zu entlaufen ( fugiti- vus ) L . 2 C. de aedil. act . (4. 58.). Hier ist allerdings blos die Flucht des Sklaven als einzelne Thatsache, nicht die fehlerhafte Ge- wohnheit eines fugitivus erwähnt. Diese wird aber offenbar voraus- gesetzt, da die Regreßklage nicht als an sich unbegründet, sondern blos wegen der Verjährung, ver- worfen wird. ; nur dann leidet sie eine Ausnahme, wenn die- ser Fehler des Sklaven besonders versteckt war (etwa durch ein täuschendes gutes Betragen), und zugleich der Käufer nicht durch versäumte Erkundigung Nachlässigkeit bewie- sen hat L . 55 de aedil. act . (21. 1.). „… non videbitur pote- statem experiundi habuisse, qui vitium fugitivi latens ignoravit: non idcirco tamen dissolutam ignorationem emtoris excusari oportebit.” Hier sind zwey Be- dingungen aufgestellt für die gün- stigere Zeitberechnung: erstlich daß die böse Gewohnheit des Sklaven nicht aus dem sichtbaren Beneh- men desselben vermuthet werden konnte (latens); zweytens daß auch sonst nicht die Unkunde des Käufers leicht vermeidlich war. Indessen könnte man auch den zweyten Satz für eine Wiederho- lung des ersten in anderen Wor- ten halten, was den Sinn nicht wesentlich ändern würde. — Der Widerspruch dieser Stelle mit der in der Note f angeführten ist wohl nur auf die im Text angegebene Weise zu beseitigen. Vgl. auch Haubold opuscula T. 1 p. 429. 430. . D. Die doli actio verjährte ehemals in Einem annus utilis, und verjährt jetzt in Zwey gewöhnlichen Jahren (continui). Diese sollen angehen von der Zeit des Be- trugs, nicht der Kenntniß des Betrogenen L . 8 C. de dolo (2. 21.), d. h. L . 1 C. Th. de dolo (2. 15.). . Die Worte Irrthum und Unwissenheit. dieses Zusatzes sind so gefaßt, daß auch hierin eine beab- sichtigte Neuerung unverkennbar ist. Der hier abgeän- derte Zustand des älteren Rechts war aber nicht der, daß immer von der Zeit der erlangten Kenntniß an gerechnet wurde, sondern daß diese Berechnung, eben so wie bey den vorher erwähnten Klagen, zuweilen statt finden konnte, nämlich wenn der Betrug besonders listig versteckt war; selbst diese Ausnahme sollte jetzt wegfallen Man könnte dieses Letzte für zu hart halten, um es an- nehmbar zu finden, es paßt aber völlig zu dem übrigen Inhalt die- ses Gesetzes, welches ja auch ganz unerhörterweise nicht blos die An- stellung der Klage, sondern die Beendigung des Prozesses, auf die Zeit von zwey Jahren be- schränkt. Praktisch wird die eine und die andere Härte dadurch sehr gemildert, daß dreyßig Jahre lang eine actio in factum fortdauert insoweit der Betrüger Vortheil durch den Betrug erlangt hat. L . 28. 29 de dolo (4. 3.). . E. Die Restitutionsfrist dauerte früher Ein Jahr, wel- ches bey Minderjährigen genau von ihrer Volljährigkeit an berechnet wurde L . 19 de minor . (4. 4.). , bey Abwesenden von der Wieder- kehr, also bey Allen ohne Rücksicht auf die erlangte Kennt- niß. Dieselbe Berechnungsweise ist natürlich auch auf die im neuesten Recht bestimmten Vier Jahre übertragen worden L . 7 C. de tempor. in int. rest . (2. 53.). . F. Die actio Pauliana dauert Ein Jahr lang, wel- ches von der unredlichen Veräußerung des Schuldners an „Optimum duximus, non ex eo die, quo se quisque admissum dolum didicisse commemorave- rit , neque intra anni utilis tem- pus, sed potius ex eo die, quo adseritur commissus dolus in- tra continuum biennium de dolo actionem moveri” … Beylage VIII. gerechnet wird, also nicht von der erlangten Kenntniß des Glaubigers L . 6 § 14 L . 10 § 18 quae in fraud . (42. 8.). . G. Die Anklage aus der Lex Julia de adulteriis ver- jährte bey beiden Geschlechtern in Fünf Jahren von der Zeit des begangnen Verbrechens an; außerdem bey Frauen auch noch in Sechs Monaten. Diese Sechs Monate wa- ren ein utile tempus, und wurden dennoch berechnet, bey Wittwen von der That an, bey Ehefrauen von der Schei- dung an; in beiden Fällen also ganz ohne Rücksicht auf die Kenntniß, die der Ankläger von der That haben mag L . 29 § 5 ad L. Jul. de adult . (48. 5.), L . 1 § 10 ad Sc. Turp . (48. 16.). — Bey Witt- wen wurden die Fünf Jahre stets absorbirt von den Sechs Mona- ten, weil beide Zeiträume densel- ben Anfangspunkt haben; bey Ehe- frauen kann bald die eine, bald die andere Verjährung vortheil- hafter seyn, und die Frau hatte zwischen beiden die Wahl. L . 29 § 5 cit . — Alles Dieses übrigens gehört nur dem ältern Recht an; späterhin wurde diese sechsmonat- liche Verjährung ganz aufgeho- ben, und die fünfjährige für die einzige erklärt. L . 28 C. ad L. J. de adult . (9. 9.). . In den Fällen nun, worin eine begünstigende Berech- nung als Ausnahme eintreten soll, könnte man zweifeln, ob diese ganz von selbst eintrete, oder nur vermittelst ei- ner Restitution. Nach den Ausdrücken mehrerer Stellen (Note d und g ) dürfte wohl das erste angenommen wer- den, womit jedoch eine vorgängige Cognition des Prä- tors (Note c ) wohl vereinbar ist. Auch würde wenig- stens die Anordnung einer Restitution hier gar nicht prak- tisch fühlbar gewesen seyn. Denn das Wichtigste bey der Restitution war die Einschränkung auf Ein Jahr; in jenen Irrthum und Unwissenheit. Fällen aber wäre das Restitutionsjahr mit der einjähri- gen Klagverjährung völlig zusammen gefallen, da beide von der Zeit der erlangten Kenntniß an gerechnet werden mußten. Dagegen ist es sehr wichtig sich davon zu über- zeugen, daß nicht noch neben jenen strengen Bedingungen der Ausnahme, also in Ermanglung derselben, eine Resti- tution gegen die einjährige Klagverjährung blos auf den Grund des (nicht unüberwindlichen) Irrthums statt finden konnte. Wer die angeführten Stellen unbefangen betrach- tet, kann wohl nicht an eine solche Restitution denken; ohnehin wäre die Unterscheidung einer solchen Restitution von der ohne dieselbe eintretenden günstigen Berechnung viel zu kleinlich und unpraktisch gewesen, als daß wir sie bey den Römischen Juristen voraussetzen dürften. Allein alles hier Gesagte darf blos auf die Fälle be- zogen werden, worin der Irrthum allein, als solcher, die Anstellung der Klage verhindert. Anders ist es, wenn man den Beklagten nicht kennt, oder nicht verklagen kann weil derselbe entflohen oder verborgen ist. Denn nun ist eine vom Irrthum ganz unabhängige wahre Unmöglichkeit der Klage vorhanden, die den Lauf des utile tempus an sich ausschließt L . 1 de div. temp. praescr . (44. 3.). So z. B. ist die actio vi bonorum raptorum einjährig ( L . 3. 4 pr. vi bon. rapt . 47. 8.). Sind die Räuber entflohen, so läuft keine Verjährung. Eben so wäre es mit der actio furti, wenn man, wie gewöhnlich, gar nicht weiß wer der Dieb ist; allein da- von kann deswegen nicht die Rede seyn, weil diese Klage 30 Jahre dauert. . III. 27 Beylage VIII. XXVII. Bisher ist gezeigt worden, daß die Klagverjährung zu laufen anfängt von dem äußern Ereigniß an, welches die Klage begründet, ohne Rücksicht auf die mögliche Unwis- senheit des Klägers über dieses Ereigniß; und zwar bey den Verjährungen mit tempus continuum ganz allgemein, bey denen mit utile tempus unter Vorbehalt einer seltenen Ausnahme (Num. XXV. XXVI. ). Es bleibt nun noch die Frage übrig, ob nach Ablauf einer solchen durch Unwissen- heit veranlaßten Verjährung, dem früher Unwissenden durch Restitution geholfen werde. Eine solche Restitution würde wichtig seyn für die einjährigen Verjährungen, sobald die Bedingung der begünstigenden Ausnahme fehlt; weit wich- tiger noch für die übrigen, weil bey diesen überhaupt keine Ausnahme vorkommt. Diese Frage aber nimmt wieder zwey verschiedene Ge- stalten an, indem die Restitution gedacht werden könnte entweder wegen des Irrthums oder der Unwissenheit an sich, die also selbst der Restitutionsgrund wäre: oder aber wegen eines anderen, allgemeineren Restitutionsgrundes, der dann die nachtheiligen Folgen der Unwissenheit hin- wegnehmen würde. Zuerst also: Wird der Kläger schon aus dem Grund allein restituirt, weil er aus Unbekanntschaft mit dem Klag- recht die Verjährung ablaufen ließ? Sind die bisher auf- gestellten Sätze richtig, so kann die Verneinung dieser Irrthum und Unwissenheit. Frage keinen Zweifel haben. Sie folgt aus dem prakti- schen Bedürfniß der Klagverjährung, deren wohlthätige Wirksamkeit durch diese Art der Restitution nicht minder entkräftet werden würde, als durch die oben widerlegte anfängliche Berechnung der Verjährung (Num. XXV. ). Sie folgt aber noch nothwendiger aus der Art, wie das Römische Recht die einjährige, mit utile tempus versehene Verjährung behandelt. Daß bey dieser eine Restitution wegen Unwissenheit nicht gegeben wird, ist bereits gezeigt worden (Num. XXVI. ). Daraus aber folgt unwidersprech- lich, daß sie noch weit weniger bey den längeren Verjäh- rungen gelten kann, die auf ein continuum tempus ange- wiesen sind. — Dennoch haben Viele der angesehensten Rechtslehrer diese Restitution in Schutz genommen; Manche ganz allgemein, Andere nur mit Ausnahme der dreyßigjäh- rigen Verjährung Cocceji Lib. 4 Tit. 6 qu. 4, Thibaut Besitz und Verjäh- rung § 73, Unterholzner Ver- jährungslehre § 137 Num. 4, Burchardi Wiedereinsetzung S. 188. Sehr gut wird die ent- gegengesetzte Ansicht vertheidigt von Emminghaus zu der ange- führten Stelle von Cocceji ed. Lips. 1791. . Alle diese Schriftsteller unterlassen es, die Frage in dem hier dargestellten Zusammenhang aufzufassen, durch welchen ich sie insgesammt für widerlegt halte. Daneben setzen sie stillschweigend voraus eine unbe- schränkte Anwendbarkeit der Restitution aus Irrthum auf alle denkbare Fälle; sie selbst suchen diese Voraussetzung mit Nichts zu begründen, und im Widerspruch mit dersel- ben ist schon oben (Num. II. ) bemerkt worden, daß die 27* Beylage VIII. Restitution aus Irrthum kein allgemeines Rechtsmittel ist, sondern nur eine ziemlich beschränkte Aushülfe darbietet für einzelne genau bestimmte Fälle. Und diese Behauptung steht wieder mit unsrer Grundansicht vom Irrthum (Num. VI. ) in so unzertrennlicher Verbindung, daß sie mit der- selben stehen und fallen muß. Zweytens: Kann der Kläger, der aus Unwissenheit eine Verjährung ablaufen ließ, gegen diesen Verlust durch all- gemeine Restitutionsgründe, wie Minderjährigkeit, Abwe- senheit u. s. w. geschützt werden? Die Bejahung dieser Frage könnte, eben wegen der allgemein umfassenden Na- tur jener Gründe keinen Zweifel haben, wenn nicht be- sondere gesetzliche Bestimmungen gerade über diese Frage vorhanden wären, deren Inhalt nunmehr dargestellt wer- den soll. A. Gehört die Klage zu einem sogenannten peculium adventitium ordinarium, so daß der eigentlich Klagberech- tigte auf die Ausübung seiner Rechte keinen Einfluß hat, so ist während dieses Rechtszustandes die Klagverjährung ipso jure gehemmt, so daß es keiner Restitution bedarf. Es ist dabey gleichgültig, ob die Klage einer einjährigen oder einer dreyßigjährigen Verjährung unterworfen ist L. 1 § 2 C. de annali except. (7. 40.). . B. Völlig dasselbe gilt, wenn der Klagberechtigte noch unmündig ist, solange dieser persönliche Zustand dauert L. 3 C. de praescr. XXX. (7. 39.). . C. Dasselbe Recht, nur in einer beschränkteren Anwen- Irrthum und Unwissenheit. dung, gilt, solange der Klagberechtigte minderjährig ist. Es gilt dieses nämlich bey denjenigen Verjährungen, welche weniger als dreyßig Jahre dauern, so daß dabey der Min- derjährige keiner Restitution bedarf L. 5 C. in quib. causis (2. 41.). — Voet IV. 4 § 29 behauptet, die Minderjährigen müßten in dieser Hinsicht gleiches Recht mit den Unmündigen ha- ben, weil sie gleich diesen unter Tutoren ständen. Allein die Un- terordnung unter Tutoren hin- dert sie nicht, zugleich selbst von ihren Geschäften Kenntniß zu neh- men. Auch zu Justinians Zeit wurde ihr Vermögen nicht von ihnen selbst, sondern von Cura- toren verwaltet, und doch sollten sie der dreißigjährigen Verjährung völlig unterworfen seyn. . Für alle übrige Fälle muß unterschieden werden die dreißigjährige Verjährung von den kürzeren, wobey also die einjährige und zwanzigjährige ganz auf gleicher Linie stehen. Bey der dreyßigjährigen ist jede anderwärts gel- tende Restitution völlig ausgeschlossen, und dieser Satz ent- hält eine positive Ausnahme von allgemeineren Rechtsre- geln. Bey den kürzeren ist gar nichts Positives vorge- schrieben, so daß hier die gewöhnlichen Regeln der Resti- tution unbeschränkt zur Anwendung kommen. Der erste Satz ist in hohem Grade bestritten Die hier vorgetragene Mey- nung wird vertheidigt von Thi- baut Besitz und Verjährung § 65. 73, und Unterholzner Verjäh- rungslehre § 136; die entgegen- gesetzte von Burchardi Wieder- einsetzung S. 136. ; bey dem zweyten kommt ein solcher Streit nicht vor. Gegen die dreyßigjährige Klagverjährung also sollen auch Diejenigen keine Restitution erhalten, die gegen jeden anderen Nachtheil restituirt werden, namentlich die Min- Beylage VIII. derjährigen. Der Beweis liegt in folgenden Worten der L. 3 C. de praescr. XXX. (7. 39.): non sexus fragilitate, non absentia, non militia contra hanc legem defendenda , sed pupillari aetate duntaxat, quamvis sub tutoris defensione consistat, huic eximenda sanctioni. Nam cum ad eos annos pervenerint, qui ad sollicitudinem pertinent curatoris, necessario eis simili- ter ut aliis, annorum triginta intervalla servanda sunt. Der Sinn dieser Worte ist folgender. Von der dreißig- jährigen Verjährung sind ipso jure frey (so daß sie keiner Restitution bedürfen), die Unmündigen (huic eximenda sanctioni) Daß nur diese ipso jure Befreyten, und nicht auch die filiifamilias (Note b ) hier genannt werden, erklärt sich historisch. Das im Text abgedruckte Gesetz ist von Theodosius II., die Be- freyung der filiifamilias hat erst Justinian hinzugefügt. . Alle übrigen dagegen sollen nicht einmal Restitution erhalten (contra hanc legem defendenda ) , noch viel weniger also ipso jure frey seyn; in dieser Hinsicht sollen die Minderjährigen ganz auf gleicher Linie stehen mit den Frauen, Abwesenden, und Soldaten. — Hätten wir blos den wörtlichen Gegensatz von eximenda und de- fendenda vor uns, so würde dieser in einer Constitution aus so später Zeit nicht völlig entscheiden; der Verfasser hätte eine nichtssagende Abwechslung der Ausdrücke als Zierlichkeit der Rede anbringen koͤnnen. Allein folgende Gründe nöthigen uns, diese Ausdrücke in dem bestimmte- ren Sinn zu nehmen, welcher oben in unsrer Erklärung vorausgesetzt ist. Erstlich will der Gesetzgeber offenbar Irrthum und Unwissenheit. einen starken praktischen Unterschied anordnen zwischen den Pupillen und Minderjährigen. Nun ist aber der Unter- schied zwischen Befreyung ipso jure und durch Restitution ungleich geringer, als der zwischen Befreyung überhaupt und Nichtbefreyung. Der Gesetzgeber konnte also unmoͤg- lich jenen geringeren Unterschied mit Wichtigkeit behandeln, und den größeren mit Stillschweigen übergehen, also zwei- felhaft lassen; er konnte nicht von den Minderjährigen sa- gen, sie seyen strenge an die Beobachtung der 30 Jahre gebunden, wenn sie sich von dieser Strenge sogleich wieder durch Restitution los machen konnten. Zweytens zeigt der ganze Ausdruck, daß der Gesetzgeber etwas Neues, Uner- wartetes anordnen wollte, Etwas das ohne diese Vorschrift nicht so gewesen seyn würde. Dieses paßt ganz zu unsrer Erklärung, denn die hier zusammen gestellten Personen hat- ten in der That einen sehr ausgedehnten Anspruch auf Restitution, der ihnen unzweifelhaft auch gegen die dreißig- jährige Verjährung geholfen haben würde, wenn nicht hier die Restitution ausdrücklich verboten worden wäre. Zu der entgegengesetzten Erklärung paßt jener Ausdruck gar nicht, da Niemand daran denken konnte, den Frauen u. s. w. gegen die dreyßigjährige Verjährung eine Befreyung ipso jure zu geben, die sie selbst gegen kürzere Verjährungen niemals gehabt hatten Burchardi S. 136 stellt dagegen die Behauptung auf, die Abwesenden und Soldaten hätten allerdings oft ipso jure Befreyung gehabt, und er führt zum Beweise mehrere Stellen an, die in der That nicht ausdrücklich von Restitution sprechen. Allein es ist eine ganz . Beylage VIII. Der zweyte oben aufgestellte Satz war der, daß gegen alle kürzere als dreyßigjährige Verjährungen jede an sich begründete Restitution geltend gemacht werden könne, wo- durch dann auch der Nachtheil aus der Unwissenheit ab- gewendet werde, die nur nicht als ein selbstständiger Re- stitutionsgrund angesehen werden darf. Diesen zweyten Satz haben wir nicht, so wie den ersten, gegen den Wi- derspruch Anderer zu vertheidigen, sondern nur in unsren Rechtsquellen als anerkannt und vielfältig angewendet nach- zuweisen. Darüber ist voraus im Allgemeinen zu bemer- ken, daß auch diejenigen Stellen von dieser Restitution verstanden werden müssen, welche bey Abwesenden u. s. w. nur überhaupt die Befreyung von der Verjährung erwäh- nen, selbst wenn darin die Restitution nicht namentlich angegeben wird (Note g ). Die vorkommenden Fälle selbst sind folgende. 1. Abwesenheit schützt gegen die vierjährige Verjährung der Regreßklage gegen den Fiscus, der die Sache des Ab- wesenden veräußert hat L. 5 C. de rest. mil. (2. 51.) „Neque … praescrip- tionem quadriennii .. obesse manifestum est,” nämlich eben wegen der Restitution, worauf sogar in den hier ausgelassenen Worten ausdrücklich hingewiesen wird. Burchardi S. 136 ver- steht es dennoch von der Befreyung . verwerfliche Interpretation, aus jeder etwas unbestimmt redenden Stelle (besonders wenn es ein Rescript ist) sogleich einen isolir- ten Rechtssatz zu machen, da wo sich die Zurückführung auf ein sonst schon bekanntes Princip so ungezwungen darbietet. Zudem stehen in der Reihe jener befrey- ten Personen auch die Frauen; bey diesen aber hat Burchardi auch nicht einmal den Schein ei- ner früheren Befreyung ipso jure, so wie bey Abwesenden, hervorzubringen vermocht. Irrthum und Unwissenheit. Ferner gegen die Verjährung einer öffentlichen An- klage L. 44 pr. ex quib. causis maj. (4. 6.) „.. non perimitur,” nämlich mit Hülfe der Restitution, von welcher ja der ganze Titel handelt. . Ferner gegen die einjährige Verjährung des Interdicts quod vi L. 15 § 6 quod vi (43. 24.). . Ferner gegen die longi temporis praescriptio L. 1. 2. 4. 6. 8 C. quibus non objicitur (7. 35.). In eini- gen dieser Stellen wird deutlich genug auf die Restitution hinge- wiesen, in anderen ist der Aus- druck unbestimmter; ohne Zweifel aber kann diese ganz zufällige Abwechslung des Ausdrucks eine verschiedene Auslegung dieser we- sentlich übereinstimmenden Re- scripte nicht rechtfertigen. — Die L. 8 cit. steht nochmals im Codex als L. 8 C. de rest. mil. (2. 51.). . 2. Die Abhaltung durch Amtsgeschäfte (sie mag mit Abwesenheit verbunden seyn oder nicht) schützt gegen die Verjährung der doli actio L. 3 C. de dolo (2. 21.). . 3. Wer die Klage, die er gegen einen Pupillen hat, gegen den falsus tutor anstellt, und darüber die Verjäh- rung ablaufen läßt, hat die Wahl zwischen der Restitution und dem Regreß gegen den Tutor; die erste gilt allgemein, der Regreß nur wenn der Tutor in mala fide war L. 1 § 6 L. 7 pr. quod falso (27. 6.) enthalten das Prin- cip des Wahlrechts überhaupt, L. 10 eod. enthält die Anwen- dung der Regreßklage auf den Fall der erlittenen Klagverjäh- rung. Die Restitution gegen die Klagverjährung ist eben so un- zweifelhaft; die alten Juristen haben sie wohl deswegen nicht besonders erwähnt, weil sie zu ihrer Zeit mit der Restitution gegen die Klageconsumtion (Num. XIX. ) zusammen fiel. . 4. Minderjährige würden diese Restitution haben, wenn sie nicht von Justinian die günstigere Befreyung ipso jure ipso jure. Der ganze Titel han- delt aber von der Restitution. Beylage VIII. erhalten hätten S. o. Note d. — Daraus erklärt es sich wohl, daß in den Digesten so wenig von dieser Re- stitution die Rede ist. Ich finde sie nur einmal erwähnt, in L. 15 § 6 quod vi (43. 24.). . Vor diesem Gesetz hatten sie die Re- stitution unzweifelhaft; eben so auch die Pupillen vor dem Gesetz von Theodosius II. 5. Kirchen sollen adversus lapsum temporis restituirt werden Clem. un. de restit. (1. 11.). . Da dieselben jedoch im Allgemeinen die Rechte der Minderjährigen haben C. 1. 3 X. de in int. rest. (2. 41.). , so müssen sie bey der Klag- verjährung theils ipso jure geschützt seyn, theils auch nicht einmal durch Restitution. Daher kann ihre oben erwähnte Restitution gar nicht auf die Klagverjährung bezogen wer- den, sondern auf andere Zeitversäumnisse, namentlich auf die bey den Prozeßfristen Unterholzner Verjäh- rungslehre § 136. . Es ist also überhaupt die Restitution gegen Klagver- jährungen von sehr beschränkter Anwendung, ja die Ab- wesenheit ist eigentlich die einzige etwas umfassende Ver- anlassung derselben. Und nicht nur die Abwesenheit des Klägers kann sie veranlassen, sondern auch die des Be- klagten. Zwar bey den einjährigen Klagen (mit utile tempus ) würde es einer Restitution nicht einmal bedürfen, weil die Tage der Abwesenheit, wegen der fehlenden ex- periundi potestas, ohnehin nicht mitgezählt werden. Allein bey den Verjährungen von Zwey, Vier, Fünf, Zehen, Zwanzig Jahren kann diese Restitution eine wichtige und billige Hülfe gewähren. Irrthum und Unwissenheit. XXVIII. Ich fasse das hier Dargestellte kurz zusammen. Gegen die Versäumniß der Frist zur Bonorum Possessio schützt der factische Irrthum, nicht der Rechtsirrthum, außer bey gänzlichem Mangel an Bildung (Num. XXIV. ). — Die Klagverjährung wird in der Regel berechnet von der Ent- stehung des Klagrechts an, ohne Rücksicht auf die Be- kanntschaft des Klägers mit ihrem Daseyn (Num. XXV. ). Dieses letzte leidet eine Ausnahme bey den einjährigen Klagen, vorausgesetzt daß durch besondere Umstände die Unbekanntschaft des Klägers unüberwindlich war (Num. XXVI. ). Außerdem sind manche Personen gegen die Klag- verjährung (also auch gegen den dieselbe veranlassenden Irrthum) ipso jure, ohne Restitution geschützt: nämlich filiifamilias und Pupillen allgemein, Minderjährige gegen die Verjährungen die weniger als dreyßig Jahre dauern. Endlich gilt jede gewöhnliche Restitution auch gegen die Klagverjährungen unter dreißig Jahren: gegen die drey- ßigjährige gilt gar keine Restitution (Num. XXVII. ). XXIX. Nachdem die wichtigsten Fälle der Unterlassungen, wo- bey der Irrthum von Einfluß seyn kann, betrachtet wor- den sind (Num. XXIV. XXV. u. fg.), bleiben jetzt nur noch folgende zu erwägen übrig. V. Wer es zur Zeit des älteren Prozesses unterließ, Beylage VIII. zugleich mit einer angestellten Klage die Beweisurkunden einzureichen, sollte diese nachher nicht mehr gebrauchen dürfen. Gegen diesen Nachtheil erhielten Restitution die Minderjährigen, Frauen, und sehr ungebildete Menschen L. 1 § 2—5 de edendo (2. 13.). Vgl. Schulting enar- ratio Lib. 2 Tit. 13 § 13. Bur- chardi Wiedereinsetzung S. 184. — Unrichtig erklärt diese Stelle Noodt ad Pand. II. 13. . VI. Gegen die unterlassene Einwendung einer perem- torischen Einrede wurde im älteren Prozeß allgemein Re- stitution ertheilt; bey dilatorischen Einreden war es be- stritten Gajus Lib. 4 § 125. Vgl. Burchardi Wiedereinsetzung S. 185. . VII. Wenn eine schwangere Frau nach aufgelöster Ehe die vorgeschriebenen Formen wegen der künftigen Geburt aus Unkunde versäumt, so wird ihr dieses nachgesehen L. 2 § 1 de inspic. ventre (25. 4.). . VIII. Der Erbe, der es unterläßt, die Moͤrder seines Erblassers gerichtlich zu verfolgen, verliert sein Erbrecht, und selbst die Klagen, die ihm durch Confusion verloren giengen, werden ihm nicht restituirt. Unterläßt er es aber aus factischer Unwissenheit über den Hergang, so bekommt er Restitution gegen diese Confusion, nicht gegen den Ver- lust des Erbrechts L. 8. 17 de his quae ut ind. (34. 9.), L. 29 § 1. 2 de j. fisci (49. 14.), L. 21 § 1 de Sc. Silan. (29. 5.). Vgl. Burchardi Wiedereinsetzung S. 390. . IX. Wenn ein Testament die Erfüllung einer Bedin- gung vor einem bestimmten Tage vorschreibt, der Erbe oder Legatar aber diese Bedingung deswegen nicht erfuhr, Irrthum und Unwissenheit. weil die Eröffnung des Testaments wegen einer gesetzlichen Vorschrift verschoben wurde, so wird gegen die Unterlas- sung rechtzeitiger Erfüllung Restitution gegeben L. 3 § 31 de Sc. Silan. (29. 5.). Vgl. Burchardi Wie- dereinsetzung S. 185. . X. Endlich werden die Prozeßfristen in der Regel, und ohne daß es dabey einer Restitution bedarf, von dem Zeit- punkt an berechnet, in welcher der Partey die ihren An- fang bestimmende Thatsache bekannt geworden ist, so daß sie in dieser Hinsicht wie die Bonorum Possessio, und nicht wie die Klagverjährung, behandelt werden. In dieser Be- ziehung ist auch die Excusationsfrist gegen eine uns ange- fallene Vormundschaft, ganz wie eine Prozeßfrist zu be- handeln § 16 J. de excus. (1. 25.), L. 13 § 9 eod. (27. 1.), L. 6 C. eod. (5. 62.) Fragm. Vatic. § 156. — Über die Prozeßfristen vgl. u. a. L. 1 § 15 quando ap- pell. (49. 4.). . XXX. Im Laufe dieser Untersuchung sind viele Fälle vorge- kommen, in welchen der Irrthum bey gewissen Klassen von Personen günstiger als bey allen Übrigen behandelt wurde. Es gehören dahin: Minderjährige, Frauen, Ungebildete (Rusticitas) , Sol- daten. Indem diese jetzt einzeln betrachtet werden sollen, ist es nöthig, neben jener gemeinschaftlichen Begünstigung, Beylage VIII. zugleich die eigenthümliche Natur jeder Klasse sorgfältig im Auge zu behalten. Die Minderjährigen haben bekanntlich einen allge- meinen Anspruch auf Restitution gegen alles Thun oder Lassen, welches ihnen im erlaubten Rechtsverkehr (also abgesehen von Verletzungen) Nachtheil bringen kann. Die- ser allgemeine Grundsatz hat die wichtigsten Folgen auch in Beziehung auf den Irrthum. Volljährige werden in der Regel nicht gegen den aus ihrem Irrthum entstehen- den Nachtheil geschützt, sondern nur in besonders bestimm- ten Fällen (Num. VI. ): Minderjährige allgemein L. 8 C. de in int. rest. min. (2. 22.), interpolirt aus L. 3 C. Th. de int. rest. (2. 16.) s. u. Num. XXXI. . Bey Volljährigen wird der Schutz gegen Irrthum ausgeschlos- sen durch besondere Nachlässigkeit, und deshalb in der Re- gel bey jedem Rechtsirrthum: Minderjährige dürfen sich auch auf den Rechtsirrthum berufen L. 9 pr. h. t., L. 11 C. h. t., interpolirt aus L. 3 C. Th. de sponsal. (3. 5.). . Bei Volljährigen deutet der Schutz gegen Irrthum darauf hin, daß durch wissentliches Handeln jeder Schutz ausgeschlossen seyn soll: Minderjährige werden auch in diesem Fall geschützt. Folgende Anwendungen dieser Grundsätze werden aus- drücklich erwähnt: Wenn der Minderjährige einem filius- familias Geld als Darlehen giebt (Num. XIII. ), wenn er einen untauglichen Bürgen zur Prozeßcaution annimmt (Num. XIX. Note d. ), und wenn er die Frist einer Bono- Irrthum und Unwissenheit. rum Possessio versäumt (Num. XXIV. ). Es hat aber durchaus keinen Zweifel, daß sie auch in allen anderen, nichterwähnten, Fällen gelten müssen, so daß also gewiß ein Minderjähriger usucapiren kann, auch wenn sein Be- sitztitel mit einem Rechtsirrthum in Verbindung steht. Es ist jedoch wohl zu bemerken, daß diese Beguͤnsti- gung bey dem Irrthum, so wie die Restitution überhaupt, nur auf den erlaubten Verkehr zu beziehen ist. Auf De- licte geht Beides nicht, hier wird überhaupt keine Resti- tution gegeben, und der Minderjährige kann sich also auch nicht durch die Unbekanntschaft mit dem Strafgesetz ent- schuldigen L. 9 pr. h. t. „ .. ante praemisso, quod minoribus vi- gintiquinque annis jus ignorare permissum est: quod et in fe- minis in quibusdam causis prop- ter sexus infirmitatem dicitur: et ideo sicubi non est delictum, sed juris ignorantia, non lae- duntur.” Die hier cursiv gedruck- ten Worte müssen als Parenthese gedacht werden, so daß der letzte Satz unmittelbar an den ersten anschließt, und auf die Minder- jährigen geht, nicht auf die Frauen (vgl. Num. XXXI. ). — L. 9 § 2. 3. 4 L. 37 § 1 de minor. (4. 4.), L. 1 C. si adv. del. (2. 35.). . Diese Regel gilt ohne Unterschied der do- losen und culposen Delicte, ja auch bey dem in Contracten begangenen Dolus, da dieser eine delictenähnliche Natur hat L. 9 § 2 de minor. (4. 4.). . Jedoch gilt sie nur für diejenigen Rechtsverletzun- gen, deren Strafbarkeit schon dem natürlichen Rechtsgefühl einleuchtet, nicht auf die welche eine mehr positive Natur haben (Num. XX. ). Daher sollte der Minderjährige frey seyn von der Strafe des incestus juris civilis und der übertretenen Zollgesetze, so wie die minderjährige Frau, Beylage VIII. die ihrem Kind keinen Vormund erbittet, von der Strafe dieser Unterlassung (Num. XXI. ) Von solchen Fällen müssen denn auch folgende etwas unbe- stimmt beschränkende Ausdrücke verstanden werden: L. 37 § 1 de minor. (4. 4.) „utique atrocio- ribus,” L. 1 C. si adv. del. (2. 35.) „Si tamen delictum non ex animo, sed extra venit … restitutionis auxilium compe- tit.” Auf die culposen Delicte im Allgemeinen kann diese mildernde Vorschrift nicht bezogen werden, da gerade bey der actio Legis Aquiliae die Restitution schlecht- hin verneint wird (Note d ). . XXXI. Frauen befinden sich in einer ganz anderen Lage als Minderjährige. Einen allgemeinen Anspruch auf Restitu- tion haben sie überhaupt nicht, also auch nicht bey Gele- genheit des Irrthums. Wenn aber der Fall, worin ihnen ein Irrthum Nachtheil gebracht hat, so gestaltet ist, daß dagegen ohnehin, und selbst Männern, Hülfe gewährt wird, dann haben die Frauen die Begünstigung, daß ihnen auch der Rechtsirrthum, nicht blos wie den Männern der facti- sche, zu gut kommen soll. Sie gehören also auch zu den Personen, quibus jus ignorare permissum est, und das ist die einzige Ähnlichkeit, die wir zwischen ihnen und den Minderjährigen annehmen können. Jedoch ist hierin noch eine wichtige Veränderung des Rechts zu bemerken. Ursprünglich war diese Begünstigung der Frauen in Ansehung des Rechtsirrthums eben so un- beschränkt als die der Minderjährigen. K. Leo aber hob dieselbe im J. 469. als allgemeine Regel auf, und ließ sie Irrthum und Unwissenheit. nur als Ausnahme für diejenigen einzelnen Fälle fortdau- ern, worin ihre Anwendung in früheren Gesetzen speciell erwähnt worden war L. 13 C. h. t. „Ne passim liceat mulieribus omnes suos contractus retractare, in his quae praetermiserint vel igno- raverint: statuimus, si per ig- norantiam juris damnum ali- quod circa jus vel substantiam suam patiantur, in his tantum casibus, in quibus praeterita- rum legum auctoritas eis suf- fragatur, subveniri.” Hätten wir diese Stelle allein, so könnte man annehmen, das Recht der Frauen sey von jeher so beschränkt ge- wesen, und die bisher geltende Rechtsregel sollte nicht abgeän- dert, sondern nur eingeschärft werden. Allein die Stellen in Note b. und c. machen die im Text dargestellte Erklärung nöthig. . Von dieser Änderung des Rechts haben sich die sichtbarsten Spuren erhalten theils in In- terpolationen L. 3 C. Th. de integri re- stit. (2. 16.) vom J. 414 „Etmulie- ribus, et minoribus in his, quae vel praetermiserint, vel ignora- verint, innumeris auctoritatibus constat esse consultum.” Daß damit eine unbeschränkte Begün- stigung der Frauen in Beziehung auf die juris ignorantia gemeynt war, zeigt theils die unbestimmte Allgemeinheit des Ausdrucks, theils die Zusammenstellung mit den Minderjährigen, deren Recht oh- nehin unzweifelhaft ist. Dieselbe Stelle nun lautet im Justiniani- schen Codex ( L. 8 C. de in int. rest. min. 2. 22.) wörtlich eben so, nur mit Weglassung der drey ersten Worte (Et mulieribus et) , wobey die Absicht unverkennbar ist, dieses Recht der Frauen nicht mehr gelten zu lassen. — Eine gleiche Interpolation, nur durch Zusetzen anstatt durch Weglassen, findet sich in L. 9 pr. h. t. (Num. XXX. Note c ), wo die Worte in quibusdam causis ganz im Sinn der Constitution des K. Leo, ein- geschoben sind. , theils in solchen Stellen, worin das frü- her ausgedehntere Recht nicht sowohl ausgesprochen, als unverkennbar vorausgesetzt ist L. 3 C. de praescr. XXX. (7. 39.) sagt, bey Einführung der dreyßigjährigen Klagverjährung: non sexus fragilitate , non ab- sentia, non militia contra hanc legem defendenda (s. o. Num. XXVII. ) welches offenbar voraus- setzt, daß die hier zusammenge- stellten Personen gegen die bis- her bekannten kürzeren Verjäh- rungen Restitution haben konnten, weil es außerdem überflüssig war, diese Restitution für die neu ein- . — Nur für Eine Art III. 28 Beylage VIII. von Rechtsgeschäften sollte auch schon im älteren Recht die juris ignorantia den Frauen nicht zu gut kommen, bey Schenkungen nämlich L. 11 C. h. t., und die auf dieselbe Ausnahme anspielen- den Worte ne maribus quidem in L. 8 h. t. Vgl. über beide Stellen oben Num. VIII. . Wir haben also nunmehr die einzelnen Fälle aufzusu- chen, in welchen die Frauen ausnahmsweise befugt seyn sollen, sich auf ihre Rechtsunwissenheit zu berufen, und worauf der Ausdruck der Constitution von Leo ( in his tan- tum casibus ), nach dem Inhalt der Justinianischen Gesetzgebung, allein noch anzuwenden ist. Es gehört dahin die Annahme eines untauglichen Bür- gen im Prozeß (Num. XIX. Note d. ). Ferner die unterlassene Urkundenedition (Num. XXIX. ). Ferner die versäumte Form, welche nach aufgelöster Ehe im Fall der Schwangerschaft zu beobachten war (Num. XXIX. ). Ferner die Zahlung einer solchen Schuld, gegen welche sie durch die exceptio Scti Vellejani geschützt war, wenn die Frau dieses Senatusconsult nicht kannte L. 9 C. ad Sc. Vell. (4. 29.). Es ist dieses eine einzelne Aus- nahme von der Regel, welche die condictio indebiti im Fall des Rechtsirrthums überhaupt aus- schließt. Donellus will diese Ausnahme auf alle von Frauen . geführte längere Verjährung zu verbieten. Bey den Frauen nun kann diese Restitution nichts An- deres seyn, als eine Folge der ihnen damals allgemein nachge- sehenen Rechtsunwissenheit. — Eben dahin gehört die in den Stellen der folgenden Note er- wähnte Ausnahme bey Schenkun- gen, die nur unter Voraussetzung der entgegengesetzten Regel bey allen anderen Rechtsgeschäften Sinn hat. Endlich auch die all- gemeine Gleichstellung von rusti- citas und sexus im L. 2 § 7 de j. fisci (49. 14.). Irrthum und Unwissenheit. Außerdem aber gehören dahin auch die Fälle des Straf- rechts, worin die Frau aus Unkunde eines völlig positiven Strafgesetzes (juris civilis) gefehlt hat. Hierin steht die Frau mit dem Minderjährigen noch jetzt fast ganz auf gleicher Linie. Als solche Fälle werden namentlich erwähnt: Incestus juris civilis, Sc. Turpillianum, und das Vergehen der Frau, welche in ein ihr dictirtes Testament Verfügun- gen zu ihrem eigenen Vortheil aufnimmt; dieses letzte je- doch nur unter besonderen, entschuldigenden Umständen (Num. XXI. ). Dagegen kommt nun gewiß nicht mehr der Rechtsirr- thum einer Frau zu gut in folgenden wichtigen Fällen: Bey dem Titel einer Usucapion. Bey der Frist der Bonorum Possessio Hier ist die Begünstigung ausdrücklich verneint in L. 3 C. h. t., und L. 6 C. qui admitti (6. 9.). Beide Stellen sind älter als die Verordnung des K. Leo. Ob sie nun mit Rücksicht auf diese interpolirt sind (was man ihnen allerdings nicht ansieht), oder ob den Frauen von jeher, bey der B. P. allein, der Rechtsirrthum weniger als in allen anderen Fäl- len zu Hülfe kommen sollte, muß unentschieden bleiben. Das Re- sultat des neuesten Rechts ist un- zweifelhaft. . Bey der Frist der Klagverjährung. Denn für die dreyßigjährige ist ihr die Begünstigung aus- drücklich untersagt (Num. XXVII. ), für die kürzeren aber ist sie ihr nicht besonders beygelegt, folglich kann sie dar- aus Rechtsirrthum geleistete Zah- lungen ausdehnen ( I. 21 § 13), und er führt zum Beweise an die L. 5 C. de pactis (2. 3.). Allein die Worte dieser Stelle „cum et solutum per ignoran- tiam repeti potuisset” können eben so gut von einem factischen Irrthum verstanden werden, be- weisen also jene ausgedehnte Aus- nahme nicht. 28* Beylage VIII. auf, nach dem Gesetz des K. Leo, keinen Anspruch mehr haben, obgleich sie einen solchen vor diesem Gesetz ohne Zweifel hatte. XXXII. Es ist ferner zu betrachten der Zustand ganz roher, ungebildeter Menschen (Rusticitas) , deren allgemeine Unwissenheit auch über ihre besondere Rechtsunkunde kei- nen Zweifel läßt Rusticitas bezeichnet also nicht einen Stand oder ein Ge- werbe, sondern einen Geisteszu- stand, der sich allerdings vorzugs- weise bey dem abgesonderten Le- ben der untersten Klassen auf dem Lande finden wird. Imperitia ist zweydeutiger: Es heißt oft die Unwissenheit im Einzelnen, als Thatsache, also so viel als igno- rantia. Einigemal steht es ne- ben rusticitas (imperitia vel ru- sticitas, vgl. Num. XXI. Note h. k und t ). Dann heißt es wohl die allgemeine Rechtsunwis- senheit der einzelnen Person, die neben mancher andern Art von Kenntniß oder Bildung be- stehen kann, und darum von der umfassenderen rusticitas noch ver- schieden ist. — Vgl. auch Müh- lenbruch S. 446 fg. . Diese haben eben so wenig, als die Frauen, einen allgemeinen Restitutionsgrund. Ihnen kommt die Rechts- unwissenheit nur in folgenden einzelnen Fällen zu gut. Bey der versäumten Frist der Bonorum Possessio, wobey sie gerade den Frauen nicht gestattet ist (Num. XXIV. ) Es ist wohl nicht zufällig, daß gerade hierin eine Begünsti- gung gilt. Verwandtschaft und Erbschaft sindet sich bey jeder Bil- dungsstufe, und ist auch jedem Stande gleich wichtig. Bey sehr ungebildeten Menschen wird es aber leicht selbst an der Ahnung fehlen, daß Formen zu beobach- ten und Rath einzuholen seyn möchte. Frauen dagegen, die nicht zu der untersten Klasse gehören, auch wenn sie völlig rechtsunkun- dig sind, werden doch leichter die . Irrthum und Unwissenheit. Bey der versäumten Urkundenedition (Num. XXIX. ). Bey einigen strafbaren Handlungen, deren Strafbar- keit eine blos positive Natur hat; namentlich bey der Ver- letzung obrigkeitlicher Edicte, Sc. Silanianum, und bey Un- gehorsam gegen eine in jus vocatio (Num. XXI. ). In anderen Fällen, namentlich bey der Usucapion und der Klagverjährung, kann keine Ausnahme zum Vortheil dieses Zustandes behauptet werden. XXXIII. Bey Soldaten kamen zwey verschiedene Rücksichten zusammen, um große Begünstigungen zu bewirken: die An- erkennung, daß sie meist durch ihre Beschäftigung an der Erwerbung von Rechtskenntnissen verhindert werden; zu- gleich aber der Wunsch, durch Privilegien die Neigung zum Soldatenstand zu befoͤrdern, wovon sich ja auch an- derwärts viele Beyspiele finden. Dennoch haben sie ihres Standes wegen eine allge- meine Restitution, etwa gleich den Minderjährigen, nie erhalten; in vielen Fällen aber werden sie an der allge- meinen Restitution der Abwesenden Antheil nehmen, die sogar ursprünglich als ein höchst billiger Schutz der im Feld stehenden Soldaten eingeführt worden ist. Dagegen ist allerdings von den Kaisern die unverschul- dete Rechtsunwissenheit der Soldaten im Allgemeinen an- Wichtigkeit eines Todesfalls insoweit begreifen, daß sie um Rath fra- gen werden. Beylage VIII. erkannt worden L. 22 pr. C. de j. delib. (6. 30.). „arma etenim magis quam jura scire milites, sacra- tissimus Legislator existimavit. . Indessen hat dieselbe niemals zu ei- ner allgemeinen Restitution der Soldaten wegen Rechts- unwissenheit geführt, sondern nur zu einzelnen, allerdings wichtigen, Begünstigungen, worüber jetzt eine Übersicht gegeben werden soll. Eine derselben ist zu einer regelmäßigen Rechtsform aus- gebildet worden, und kommt also nicht mehr als Restitu- tionsgrund in Betracht; es ist das Soldatentestament, des- sen privilegirte Gültigkeit ausdruͤcklich durch die Rechts- unkunde der Soldaten begründet wird L. 1 pr. de test. mil. (29. 1.). „simplicitati eorum con- sulendum existimavi.” — pr. J. de militari test. (2. 11.). „pro- pter nimiam imperitiam.” . Soldaten werden restituirt, wenn sie die Frist zur adi- tio einer hereditas versäumen L. 9 § 1 h. t. Ohne Zwei- fel sprach die Stelle von einer cretio, und ist daher interpolirt. Im Justinianischen Recht muß sie verstanden werden von einer Erb- einsetzung, bedingt durch den An- tritt innerhalb eines bestimmten Zeitraums, also dem Wesen nach der alten cretio ähnlich. , oder zur agnitio einer Bonorum Possessio L. 1 C. de restit. mil. (2. 51.). . Wenn sie aus Unkunde eine sehr verschuldete Erbschaft antraten, so erhielten sie dagegen im früheren Recht Re- stitution § 5 J. de hered. qual. (2. 19.), L. 22 pr. C. de j. delib. (6. 30.). . Diese hat Justinian dadurch entbehrlich ge- macht, daß er allgemein, nicht blos für Soldaten, das Inventarium einführte, wodurch der Erbe von den die Erbschaft übersteigenden Schulden frey wird. Für dieses Irrthum und Unwissenheit. Inventarium freylich sind kurze Fristen vorgeschrieben; aber von der Beobachtung dieser Fristen sind wieder die Sol- daten dispensirt L. 22 § 15 C. de j. delib. (6. 30.). . Bey Strafgesetzen genießen sie keine allgemeine Be- freyung. Ein Soldat, der in ein ihm dictirtes Testament eine Verfügung zu seinem Vortheil aufnahm, erhielt Frey- heit von der Strafe (Num. XXI. Note p ). Über diese einzelnen Fälle hinaus zu gehen, ist selbst im Justinianischen Recht kein Grund vorhanden. Für das heutige Recht aber müssen wir die Unanwendbarkeit auch dieser Bestimmungen behaupten, da sie sich auf die Stel- lung der Soldaten als eines eigenen Standes bezieht, die zu den Staatseinrichtungen, also zum öffentlichen Rechte, gehört Anders ist es mit dem Mi- litärtestament, wobey nicht blos der Stand als solcher, sondern auch die Handlung unter beson- deren Umständen, in Betracht kommt, welche Umstände in un- srer Zeit dieselben sind wie bey den Römern. Ohnehin ist diese Testamentsform in den Deut- schen Reichsgesetzen ausdrücklich anerkannt. . Fassen wir die hier dargestellten Klassen von Perso- nen (Num. XXX — XXXIII. ) unter einen gemeinsamen Ge- sichtspunkt zusammen, so finden wir, daß ihnen allen mehr als gewöhnlich die Rechtsunwissenheit nachgesehen, das heißt daß sie zu ihrem Vortheil der factischen Unwissenheit gleich behandelt wird; jedoch dieses wieder in verschiede- nen Graden, so daß sich eine durchgreifende praktische Re- Beylage VIII. gel für die Vier Klassen nicht aufstellen läßt. Aber nicht blos diese Nachsicht muß bey ihnen angewendet werden, sondern es liegt dabey auch unzweifelhaft der Gedanke zum Grunde, daß bey ihnen stets die Rechtsunwissenheit als Thatsache vermuthet werde, so lange nicht ihre Rechts- kenntniß besonders bewiesen werden kann Diese Ansicht ist deutlich ausgesprochen bey dem Minder- jährigen, der die Zollgesetze über- tritt, s. o. Num. XXI. Note m. . XXXIV. Die juristische Lehre vom Irrthum ist dadurch nicht wenig verdunkelt worden, daß man (theilweise schon in den alten Rechtsquellen) Fälle in dieselbe eingemischt hat, die eigentlich außer ihrem Gebiet liegen. Von einer Ein- wirkung des Irrthums nämlich kann nur da die Rede seyn, wo die gewöhnlichen, regelmaͤßigen Folgen solcher juristi- schen Thatsachen, die auf dem freyen Willen beruhen, durch das Daseyn eines Irrthums aufgehoben oder verän- dert werden, indem der Wille, mit Rücksicht auf diesen Irrthum, als ein unvollkommner Wille betrachtet wird (Num. II. ). Ist aber der Fall, worin ein Irrthum vor- kam, auch schon an sich selbst so gestaltet, daß es an den nothwendigen Bedingungen einer juristischen Thatsache fehlt, so ist es nicht der Irrthum, der die Folgen dersel- ben hindert, weshalb es unrichtig ist, in diesen Fällen von einer Einwirkung des Irrthums zu reden, und dieselben überhaupt mit den bisher abgehandelten Fällen zusammen Irrthum und Unwissenheit. zu stellen. Man kann diese Fälle als unächten Irrthum bezeichnen. Wenn also ein Eigenthümer fälschlich glaubt, seine Sache gehöre einem Andern, und diese Meynung auch wörtlich ausspricht, so schadet das seinem Eigenthum nicht L. 18 C. de rei vind. (3. 32.). . Eben so wenn er es dadurch ausspricht, daß er dem Andern, der dieselbe Sache gegen einen Dritten vindicirt, in diesem Rechtsstreit Beystand leistet L. 54 de rei vind. (6. 1.). . Eben so, wenn er es durch die That erklärt, indem er dem An- dern, den er für den Eigenthümer hält, Früchte der Sache zukommen läßt L. 79 de leg. II. (31. un.). Hier heißt es „juris ignoratione lapsi;” und dennoch sollen sie ihr wahres Recht geltend machen können. . Der Grund der Unschädlichkeit liegt nicht in dem Irrthum, sondern darin daß diese einseitige Handlungen schon an sich selbst keine rechtsverbindliche Na- tur haben. Wenn der Eigenthümer eines Sklaven diesen aus Irr- thum als einen freyen Menschen anerkennt, so wird da- durch der Sklave nicht frey, und der Eigenthümer oder dessen Erben können ihn noch immer in servitutem vindi- ciren L. 8. 9 C. de jur. et facti ign, (1. 18.). Diese beide Stellen gehören unter diejenigen, woraus man die unrichtige allge- meine Regel gebildet hat, daß jeder Irrthum den Willen aus- schließe (Num. VII. ). Der Aus- druck derselben ist freylich nicht vorsichtig genug gefaßt. . Denn die Freyheit des Sklaven entsteht nur durch die Freylassung in bestimmten Formen Allerdings gehörte unter diese Formen auch die unfeyer- liche manumissio inter amicos, , und die Beylage VIII. einseitige Anerkennung einer schon vorhandenen Freyheit ist eine gleichgültige, wirkungslose Handlung. Wenn ein Erbe gegen seine Miterben eine unvollstän- dige Collation vornimmt, indem diese sie für vollständig halten, also nicht durch Vertrag das Fehlende erlassen, so können dieselben das Fehlende in der Theilung nach- fordern, weil jene vorläufige Handlung an sich nichts Rechtsverbindliches hat L. 20 pr. fam. hercisc. (10. 2.). . Es ist also wie eine unvoll- ständige Geldzahlung, die man für vollständig hält, und wodurch die Nachforderung des Restes nicht ausgeschlos- sen wird Wer zu viel zahlt, bedarf einer condictio indebiti, weil die Tradition des Geldes Eigen- thum übertragen hat. Wer zu wenig annimmt, bedarf weder einer Klage noch einer Exception, weil für den nicht gezahlten Theil der Schuld noch gar nichts juri- stisch Wirksames geschehen ist. Nur wenn eine Acceptilation der ganzen Schuld hinzugekommen wäre, würde er eine condictio gebrauchen. . Wer ein Stück seines Vermögens für mütterliches Erb- gut irrig erklärt, da es in der That väterliches ist, wird dadurch nicht gebunden, weil eine solche einseitige Erklä- rung an sich nichts Verbindliches hat L. 5 C. de jur. et facti ign. (1. 18.). . Nach altem Recht sollte der Ehelose aus einem Testa- ment gar Nichts bekommen können, der Kinderlose nur die Hälfte des ihm angewiesenen Werthes; das, was ein und die Berufung auf den Irr- thum konnte dazu dienen, um die Behauptung einer solchen zu wi- derlegen. Dann aber stand doch nur die Thatsache in Frage, und der Grund, warum der Sklave nicht frey wurde, lag nicht in dem Irrthum, sondern darin daß der Wille des Herrn, den Sklaven in einen Freyen zu verwandeln, nicht vorhanden war. Irrthum und Unwissenheit. Solcher nicht erwerben konnte, sollte in vielen Fällen (spä- terhin immer) dem Fiscus zufallen. Nur wer die ihm günstige Verfügung des Testaments und seine Incapacität freywillig anzeigte, sollte zum Lohn für diese Offenheit die Hälfte der dem Fiscus gebührenden Portion erhalten L. 13 pr. § 1 de j. fisci (49. 14.). . Hatte er aber aus Irrthum die Anzeige gemacht, obgleich er in der That nicht unfähig war Dieses läßt sich beyspiels- weise so denken. Das Gesetz sollte überhaupt nicht Anwendung fin- den bey den an nahe Verwandte angewiesenen Erbschaften oder Le- gaten. Nun konnte es geschehen, daß ein zum Erben eingesetzter Erbe sich irrig für unfähig hielt, entweder weil er über die Ver- wandtschaft in Unwissenheit war, oder weil er die gesetzliche Be- günstigung nicht kannte; das erste war ein factischer, das zweyte ein Rechtsirrthum. , so sollte ihm diese irrige Anzeige nicht schaden, das heißt er sollte dennoch alles ihm Zugedachte bekommen, ohne die Hälfte an den Fiscus abgeben zu müssen L. 13 § 10 de j. fisci (49. 14.), nach Rescripten dreyer Kai- ser. L. 2 § 7 eod., nach com- plura rescripta. Dann folgt aber der Zusatz, nach Einem Rescript könnte man behaupten, diese Frey- heit von den Nachtheilen der ir- rigen Selbstdelation gelte nur „si ea persona sit, quae ignorare propter rusticitatem, vel pro- pter sexum femininum, jus su- um possit.” Von diesem Zusatz wird sogleich weiter die Rede seyn. . Der Grund lag hier offen- bar nicht in dem entschuldigenden Irrthum bey der Dela- tion, sondern darin daß der Anspruch des Fiscus an sich gar nicht auf die Delation gegründet war, sondern auf die (in einem solchen Fall gar nicht vorhandene) Inca- pacität. Ein ähnlicher Fall ist der, wenn Jemand seine eigene Sache, die er für eine fremde hält, aus dem Besitz eines Beylage VIII. Andern entwendet, der gar kein Recht (auch nicht ein jus in re ) daran hat, vielleicht selbst durch Diebstahl in ihren Besitz gekommen ist. Der entwendende Eigenthümer hat zwar die Absicht eines Diebstahls, begeht aber einen sol- chen dennoch nicht, weil zum Wesen des Diebstahls eine Rechtsverletzung gehört, die hier unmöglich ist. Es be- freyt ihn also nicht etwa der entschuldigende Irrthum, son- dern der Umstand, daß der Begriff des Diebstahls (das corpus delicti ) gar nicht vorhanden ist Ähnliche Fälle kommen auch im Prozeß vor. Dabey hängt Alles von der Frage ab, unter welchen Bedingungen die Erklä- rung einer Partey an sich unver- bindlich, oder einer Berichtigung empfänglich ist, und die Beant- wortung dieser Frage kann nicht aus der allgemeinen Lehre vom Irrthum, sondern nur aus den besonderen Bestimmungen des Prozeßrechts entnommen werden. Dahin gehören L. 6 § 1 de off. praes. (1. 18.), L. un. C. ut quae desunt (2. 11.), L. 1. 2. 3 C. de error. advoc. (2. 10.), und noch mehrere andere Stellen. . Unter einen gleichen Gesichtspunkt aber sind ferner auch die Fälle zu bringen, welche man als error in corpore oder in substantia bezeichnet. Bey diesen ist gar nicht (so wie bey dem wahren Irrthum) von einem unvollkomme- nen, und darum oft minder wirksamen, Willen die Rede, sondern vielmehr von einem Mangel an Übereinstimmung des Willens selbst, mit der Erklärung des Willens Vgl. hierüber das Rechts- system § 135. 138. Auf den er- ror in corpore ist am Wahr- scheinlichsten zu beziehen L. 116 § 2 de R. J. (50. 17.), eine der Stellen, woraus man beweisen wollte, daß der Irrthum den Wil- len überhaupt ganz ausschließe (Num. VII. ). Vgl. § 136. m. . Ein Beyspiel wird die Grundverschiedenheit sogleich an- schaulich machen. Wenn ein Kaufcontract über den Skla- Irrthum und Unwissenheit. ven Stichus geschlossen wird, der Verkäufer aber hat zwey Sklaven dieses Namens, und Jeder der Contrahenten denkt an einen andern Stichus, so hat Keiner von Beiden ge- irrt, vielmehr hat Jeder einen bestimmten und richtigen Gedanken gehabt, und es fehlt nur an der Übereinstim- mung, die blos scheinbar vorhanden war, und über deren Daseyn allein Beide irrten. Wir haben also nicht zu thun mit einem geschlossenen, wegen des Irrthums unwirk- samen, Vertrag. Vielmehr fehlt das Daseyn irgend eines Vertrags gerade so, wie wenn Einer einen Vertrag an- bietet, der Andere verneint, und der Erste glaubt fälsch- lich, eine Bejahung gehört zu haben. Endlich gehören zu diesem unächten Irrthum auch meh- rere der schon oben abgehandelten Fälle. Wenn nämlich wegen des Irrthums diejenige Auslegung einer Handlung verneint wird, wodurch sie außerdem als stillschweigende Willenserklärung zu betrachten gewesen wäre (Num. XII. ), so wollen wir nicht die regelmäßige Wirkung einer juri- stischen Thatsache ausschließen, sondern vielmehr das Da- seyn einer solchen verneinen, und nur den falschen Schein aufdecken, der uns zur Annahme dieses Daseyns verleiten könnte. Ganz eben so verhält es sich in den wichtigen Fällen, worin wir wegen des Irrthums das Daseyn eines Dolus nicht annehmen können, also auch, weil derselbe gar nicht vorhanden ist, jede rechtliche Folge desselben schlechthin abweisen müssen (Num. XX — XXIII. ). Indem ich nun behaupte, daß alle diese Fälle des un- Beylage VIII. ächten Irrthums aus der Lehre vom Irrthum sorgfältig entfernt werden müssen, könnte man einwenden, dieses sey eine überflüssige, blos theoretische Strenge, da das Re- sultat ja doch dasselbe sey. Allein das praktische In- teresse der Unterscheidung ist im Gegentheil sehr groß. Die Grundregel des eigentlichen Irrthums ist die, daß derselbe, da wo er überhaupt von Einfluß ist, diesen Ein- fluß dennoch verlieren soll, wenn er ein verschuldeter, na- mentlich also wenn er ein Rechtsirrthum ist. In allen hier zusammen gestellten Fällen dagegen kann es auf die- sen Umstand durchaus nicht ankommen. Wer also durch eine einseitige Erklärung an seiner Sache das Eigenthum eines Andern fälschlich anerkennt, der ist daran nicht ge- bunden, auch wenn ein Rechtsirrthum seiner falschen Mey- nung zum Grunde liegt. In einer der oben angeführten Stellen ist dieses sogar ausdrücklich anerkannt (Note c ). Allerdings wird in einer anderen Stelle (Note l ) eine ent- gegengesetzte Behauptung aufgestellt; die irrige Selbstde- lation an den Fiscus soll nur dann nicht schaden, wenn der Irrthum durch die Rusticität oder durch das weib- liche Geschlecht der irrenden Person entschuldigt werde. Allein dieser (der Natur der Caducität ganz widerspre- chende) Satz wird doch nur als die mögliche Consequenz eines einzelnen (von den übrigen verschieden lautenden) Rescripts versuchsweise aufgestellt, nicht bestimmt behaup- tet; auch ist darin eine bloße Fiscalität kaum zu verken- nen. — Eben so ist es bey dem error in corpore ganz Irrthum und Unwissenheit. gleichgültig, ob das Misverständniß vielleicht von einer Seite leicht zu vermeiden, also verschuldet war. — End- lich ist auch da, wo der Dolus durch Irrthum ausge- schlossen wird, die Beschaffenheit desselben ganz ohne Ein- fluß, so daß selbst der Rechtsirrthum keine nachtheilige Folgen hat, wie dieses in einer Stelle des R. R. (Num. XXII. ) ausdrücklich anerkannt wird. XXXV. Ich kehre jetzt zu der oben (Num. XI. ) einstweilen ausgesetzten, wichtigen und bestrittenen, Frage zurück, ob die condictio indebiti nicht blos durch einen factischen Irr- thum (worüber kein Streit ist), sondern auch durch einen Rechtsirrthum, begründet werden könne? Ich muß diese Frage entschieden verneinen, und habe hierin die größere Zahl namhafter Rechtslehrer auf meiner Seite Die Frage wird gleichfalls verneint von Cujacius opp. VII. 895. Donellus I. 21 § 12. 18, XIV. 14 § 5 — 10. Voet . XII. 6 N. 7. Cocceji XII. 6. qu. 14 (wo zugleich viele Schriftsteller für die Anerkennung dieser Meynung in der Praxis angegeben werden). Merlin Répertorie v. Ignorance § 1. — Sie wird bejaht von Vin- nius quaest. I. 47. Mühlen- bruch S. 419 — 431. — Höpf- ner § 954 unterscheidet zwischen Gewinn und Schadensabwen- dung, womit ohnehin Nichts an- zufangen ist. Thibaut Pandek- ten § 29 bejaht die Frage, aber in den Vorlesungen ( Braun S. 41 — 43) fügt er die Bedin- gung hinzu, wenn der Rechtsirr- thum entschuldbar sey, und damit bin ich ganz einverstanden. Eben so Bangerow Pandekten I. S. 100 — 104, der also auch nur scheinbar zu den Gegnern gehört. Glück B. 13 S. 128 — 151 ver- neinte zuerst; nachdem aber die Abhandlung von Mühlenbruch er- schienen war, gerieth er (B. 22 S. 336 — 340) in solches Schwan- ken, daß der Leser völlig rathlos bleibt. . Beylage VIII. Die hier ausgesprochene Verneinung geht mit Noth- wendigkeit hervor aus der ganzen, in gegenwärtiger Ab- handlung dargestellten, Natur des Irrthums. Derselbe soll nicht überall helfen, sondern nur ausnahmsweise in einzelnen Fällen; auch die condictio indebiti versteht sich nicht von selbst, der Zahlende hat freywillig das Geld veräußert, und es ist besondere Begünstigung aus Billig- keit, wenn ihm die Rückforderung verstattet wird Cujacius opp. VII. 895. A. . In den Fällen aber, worin der Irrthum zur Abwendung eines Nachtheils geltend gemacht werden kann, ist doch diese Hülfe ausgeschlossen im Fall eines verschuldeten Irrthums, und als ein solcher wird in der Regel jeder Rechtsirr- thum betrachtet (Num. III. ). Durch diese allgemeine Be- trachtung ist die Verneinung der aufgeworfenen Frage be- gründet, und sie erhält eine große Unterstützung dadurch, daß diese Betrachtung sich jetzt bereits in der Anwendung auf so viele andere Rechtsverhältnisse, worin der Irrthum von Einfluß ist, bewährt hat. Ich will aber sogleich einige, schon oben begründete, Einschränkungen des Satzes hinzufügen, wodurch vielleicht die Gegner geneigter werden möchten ihn anzunehmen. Der Satz gilt nicht, wenn der Irrthum nicht den Inhalt der Rechtsregel, sondern die Subsumtion einer verwickel- ten Thatsache unter die Regel betrifft (Num. I. V. ). — Eben so auch nicht, wenn die Rechtsregel selbst nicht leicht mit Sicherheit zu erkennen ist, welches sowohl bey dem Irrthum und Unwissenheit. controversen, als bey dem partikulären Recht vorzugs- weise der Fall seyn wird; denn in diesen Fällen führt selbst die Erkundigung bey Rechtsverständigen oft zu keinem sichern Erfolg, wodurch also der Rechtsirrthum, wo er sich zeigt, zu einem unverschuldeten wird (Num. IV. ). Dieses wird häufiger in unsrem heutigen Rechtszustand eintreten, aber auch bey den Römern fehlt es nicht an Beyspielen eines Rechtsirrthums, bey welchem nach diesem Grundsatz die condictio indebiti zugelassen werden mußte. So z. B. wenn der Erbe ein unter unmöglicher Bedingung aufer- legtes Damnationslegat auszahlte Gajus Lib. 3 § 98. , oder wenn der Kauf auf die Bestimmung des Kaufpreises durch eine dritte Per- son geschlossen war, und nun der Käufer das Geld aus- zahlte Gajus Lib. 3 § 140. . Denn in diesen beiden Fällen war vor Justi- nian die Gültigkeit der Obligation controvers, und es konnte daher von keiner Seite der etwa vorhandene Rechts- irrthum als ein verschuldeter, leicht zu vermeidender, an- gesehen werden. — Ferner darf auch der aufgestellte Satz nicht zur Anwendung kommen, da wo nicht der Irrthum als solcher, sondern etwas außer ihm Liegendes, das Über- wiegende ist. Dieser Fall tritt ein, wenn der Empfänger den Irrthum veranlaßt hat oder wenigstens wissentlich dul- det (Num. V. ). Hier gilt der Empfang des Geldes so- gar als wahrer Diebstahl L. 18 de condict. furtiva (13. 1.). „.... furtum fit, cum quis indebitos numos sciens ac- ceperit” … , wobey es natürlich keinen III. 29 Beylage VIII. Unterschied machen kann, ob es bey dem Geber ein facti- scher oder ein Rechtsirrthum war. Dann aber muß con- sequenterweise auch für den Fall, wo nicht sogleich Geld gegeben, sondern erst eine Obligation contrahirt war ( in- debita obligatio ) L. 5 § 1 de act. emti (19. 1.), L. 51 pr. de pactis (2. 14.). , dem Schuldner die condictio inde- biti gestattet werden. Ja wollte man sie versagen, so würde ihm wenigstens die doli actio eingeräumt werden müssen, worin aber eine noch härtere Behandlung des Gegners liegen würde. Dasselbe aber, was hier vom Do- lus behauptet worden ist, muß gewiß auch gelten in den ausgenommenen Fällen, worin selbst das wissentlich Ge- zahlte mit der Condiction zurückgefordert werden kann, wie bey der Spielschuld, der nicht insinuirten großen Schen- kung, und den wucherlichen Zinsen; denn da, wo selbst das Bewußtseyn des Zahlenden die Condiction nicht hin- dert, kann um so weniger der etwa vorhandene Rechts- irrthum im Wege stehen, indem hier überhaupt nicht der Irrthum das entscheidende Moment ist, sondern die durch- greifende Handhabung absoluter Rechtsregeln. — Endlich aber wird jener Satz auch nicht gelten können zum Nach- theil solcher Personen, denen im Allgemeinen jeder Rechts- irrthum nachgesehen wird. Dieses ist unstreitig der Fall bey den Minderjährigen (Num. XXX. ). Im früheren Recht war es eben so bey den Frauen; im Justinianischen Recht ist nur noch als einzelne Ausnahme der Fall übrig, wenn eine Frau aus Unbekanntschaft mit dem Sc. Velle- Irrthum und Unwissenheit. janum eine Zahlung leistet, die sie verweigern konnte (Num. XXXI. e ). XXXVI. Für die entgegengesetzte Meynung werden folgende all- gemeine Gründe geltend gemacht. 1. Die Regel, daß sich Niemand durch den Schaden eines Andern bereichern soll L. 14 de cond. indeb. (12. 6.), L. 206 de R. J. (50. 17.) Mühlenbruch S. 417. . — Diese Regel ist in- dessen so allgemeiner und unbestimmter Natur, daß sie eine unmittelbare Anwendung auf die Beurtheilung praktischer Rechtsfragen gar nicht zuläßt, sondern lediglich auf die Entstehung mancher Rechtsregeln Einfluß gehabt hat, so daß sie höchstens als einzelnes Element in wirklich prakti- schen Regeln enthalten ist, wo sie nur in Verbindung mit sehr concreten Voraussetzungen Leben und Wirksamkeit er- hält. So wird sie in der That in den angeführten Stellen (Note a ) erwähnt, und zwar gerade als ein Element der in der condictio indebiti wirksamen praktischen Regel, so daß wir aus ihr allein unmöglich den Umfang der zur condictio indebiti noch außerdem nöthigen rein praktischen Bedingungen bestimmen können. Wollten wir aber in der That jener Regel, nach ihrer buchstäblichen Fassung, prak- tische Anwendbarkeit einräumen, so würden wir sogleich durch die Folgen zur Umkehr genoͤthigt werden. Denn nach ihr koͤnnte jeder theure Kauf angefochten werden, 29* Beylage VIII. weil durch ihn der Verkäufer mit dem Schaden des Käu- fers reicher wird. Um die Sicherheit eines lebendigen Verkehrs, die auf der Möglichkeit des Gewinns und Ver- lustes durch freyen Austausch beruht, wäre es alsdann geschehen. 2. Der Umstand, daß so viele Stellen, und zwar na- mentlich im Digestentitel de condictione indebiti, den error im Allgemeinen als Bedingung der Condiction ausdrücken, ohne den Rechtsirrthum auszuschließen Mühlenbruch S. 420. 421. — Vgl. hierüber Donellus XIV. 14. § 6. 7. . — Dieser Grund widerlegt sich durch den oben dargestellten Zusammenhang, in welchem allein der Rechtsirrthum vorkommt. Allerdings ist error die wahre Bedingung der Condiction, aber es ist diesem Begriff in allen Anwendungen (nicht blos bey der Condiction) die nähere Bestimmung gegeben worden, daß er, um wirksam zu seyn, nur nicht ein verschuldeter Irr- thum seyn dürfe, wohin aber in der Regel jeder Rechts- irrthum gehört. War es nun nöthig oder moͤglich, bey jeder einzelnen Erwähnung des Irrthums diese nähere Bestimmung ausführlich zu wiederholen? Es war genug, wenn sie in einzelnen Stellen niedergelegt war, und dazu war der Titel de juris et facti ignorantia gerade der pas- sende Ort. Diese Ansicht der Sache erhält volle Bestäti- gung durch die schlagende Analogie der actio quod metus causa. Bey dieser ist metus die allgemeine Bedingung, so einfach wird sie im Edict, und auf gleiche Weise in Irrthum und Unwissenheit. zahlreichen Anwendungen des Digestentitels ausgedrückt. Beyläufig wird gesagt, es reiche nicht jede Furcht hin, sondern nur die vor einem großen Übel, und nur die vor einem wahrscheinlichen, nicht in der Ängstlichkeit einer un- männlichen Seele gegründeten L. 5. 6. quod metus (4. 2.). . Sollte nun etwa diese Einschränkung in jeder einzelnen Anwendung wiederholt werden, und dürfen wir darum, daß dieses nicht geschehen ist, die Klage bey jeder Furcht ohne Unterschied zulassen? Der Fall ist genau derselbe, wie bey der Ausschließung des Rechtsirrthums als Veranlassung der condictio indebiti. 3. Der Rechtsirrthum könne überhaupt geltend gemacht werden zur bloßen Abwendung eines Schadens, eine solche aber, und nicht Gewinn, werde stets durch die Condiction bezweckt. — Hier muß ich mich auf Dasjenige beziehen, was oben über die Unhaltbarkeit dieser ganzen Unterschei- dung ausgeführt worden ist; insbesondere auch darauf, daß dieselbe, gerade in Anwendung auf die Condiction, zu gar keinem sicheren Resultat fuͤhrt S. o. Num. VIII. — Um diesem Grunde zu begegnen, hatte Donellus seine Unterscheidung von damnum rei amittendae und amissae ausgesonnen ( I. 21 § 12. 8, XIV. 14 § 9). . 4. Der Irrthum überhaupt werde bey der Condiction nur gefordert, um die Absicht der Schenkung auszuschlie- ßen L. 53 de R. J. (50. 17.) „Cujus per errorem dati repe- titio est, ejus consulto dati do- natio est.” L. 82 eod., L. 29 pr. de don. (39. 5.), L. 47 de operis libert. (38.1.), L. 7 § 2 pro emt. (41.4.), L. 12 de novat. (46. 2.). , eine solche Absicht aber sey bey dem Rechtsirr- thum eben so wenig, als bey dem factischen, vorhanden. Beylage VIII. — Dieser Grund ist der scheinbarste unter allen, jedoch nicht entscheidend. Es steht fest, daß die wissentliche Zah- lung (mit einigen Ausnahmen) nicht zurückgefordert werden kann, wohl aber die aus factischem Irrthum geleistete; der Rechtsirrthum ist bestritten. Der Fall der wissentlichen Zahlung war am leichtesten und sichersten durch die Ab- sicht der Schenkung zu beseitigen, und darum wurde vor- zugsweise dieser Grund geltend gemacht. Es folgt aber daraus nicht, daß es der einzige Grund sey, und daß in Ermanglung desselben das Gegentheil gelten müsse. Ge- rade umgekehrt bedarf jede Anwendung der Condiction ei- ner positiven Begründung, diese liegt in dem Irrthum, der Irrthum aber darf überall, um wirken zu können, kein verschuldeter, also unter andern kein Rechtsirrthum seyn. XXXVII. Bisher ist die Frage aus allgemeinen, für beide Mey- nungen aufgestellten, Gründen erwogen worden; ich wende mich jetzt zu einzelnen Aussprüchen unsrer Rechtsquellen, welche aber wiederum die Frage theils im Allgemeinen, theils in der Anwendung auf besondere Fälle, beantworten. Allgemein redende Stellen sind folgende. L. 10 C. h. t. „Cum quis jus ignorans indebitam pe- cuniam solverit, cessat repetitio. Per ignorantiam enim facti tantum repetitionem indebiti soluti com- petere tibi notum est.” L. 6 C. h. t. „Si . . indebitam, errore facti, olei mate- Irrthum und Unwissenheit. riam spopondisse . . animadverterit … condicentes audiet.” L. 7 C. h. t. „Error facti, necdum finito negotio, ne- mini nocet” … L. 6 C. de cond. ind. (4. 5.) „Si per ignorantiam facti non debitam quantitatem pro alio solvisti . . restitui eo agente providebit.” L. 7 C. eod. „Fideicommissum vel legatum indebitum, per errorem facti solutum, repeti posse, explorati juris est.” Wer diese übereinstimmende Stellen läse, ohne noch irgend eine Meynung über die vorliegende Frage gefaßt zu haben, möchte die entscheidende Kraft derselben schwer- lich in Zweifel ziehen. Wir wollen zusehen, was unsre Gegner dawider vorzubringen haben Mühlenbruch S. 427 — 431. . Alle diese Stel- len, sagt man, haben den großen Fehler, daß sie Rescripte sind: einem Rescript aber soll niemals recht zu trauen seyn, weil man nicht weiß, was noch neben dem mitge- theilten Excerpt gestanden hat, und wie viel von der darin scheinbar enthaltenen Regel auf die besonderen Bedingun- gen des einzelnen Falles zu rechnen ist. — Dieser, die Rescripte überhaupt entkräftende, Grund darf indessen über- all nur mit großer Vorsicht angewendet werden. Bey den vier letzten unter den oben abgedruckten Stellen gewinnt er dadurch Schein, daß in denselben unsre Regel über den Rechtsirrthum nur vermittelst des argumentum a contrario Beylage VIII. gefunden werden kann, dieses aber allerdings in Rescripten bedenklicher als in anderen Stellen ist. Es wäre also denkbar, daß die Kaiser in diesen vier Stellen die Zuläs- sigkeit des factischen Irrthums ausgesprochen hätten, ohne dabey als Gegensatz die Unzulässigkeit des Rechtsirrthums andeuten zu wollen. Allein wahrscheinlich ist dieses doch nicht, weil sonst überall der Gegensatz beider Arten des Irrthums in der Art vorkommt, daß der eine hilft, der andere nicht hilft. Wer also in irgend einer Anwendung die helfende Natur des factischen Irrthums ausspricht (wie es in jenen vier Stellen geschieht), der wird dabey so nothwendig an die nichthelfende Natur des Rechtsirrthums erinnert, daß er es fast unvermeidlich ausdrücken müßte, wenn er sie nicht anerkennen wollte. — Allein selbst jener schwache Schein verschwindet bey der ersten der abgedruck- ten Stellen. Diese sagt auf das Bestimmteste: der facti- sche Irrthum hilft zur condictio indebiti, der Rechtsirr- thum hilft dazu nicht. Was sagt nun dagegen Mühlen- bruch? Nichts, als es sey ein Rescript, und es könne irgend Etwas dabey gestanden haben, wodurch die ausge- sprochene Regel beschränkt, oder eigentlich vernichtet werde. Doch nein: er giebt sogar an, was daneben gestanden haben werde, nämlich ein Fall von der Falcidischen Quart. Aber erstlich ist dieses eine rein willkührliche Zuthat, und zweytens führt es ihn gar nicht einmal zu seinem Zweck, wie sich sogleich bey der folgenden Stelle zeigen wird. Und heißt denn das überhaupt interpretiren? Die Römer Irrthum und Unwissenheit. wußten auch, was Rescripte seyen, und wie sie behandelt werden müßten, damit der Kern einer reinen Regel von der Hülse seiner zufälligen concreten Umgebung befreyt würde. Von dem Theil des Rescripts, welcher allein in den Codex aufgenommen ist, hätten sie ohne Zweifel ge- sagt, wie sie es von anderen Rescripten wirklich sagen: illa pars rescripti generalis est Vgl. das System § 24 Note k. . Zu jenen allgemein redenden Stellen will ich nun noch folgende hinzufügen, welche die Unzulässigkeit des Rechts- irrthums in einzelnen Anwendungen aussprechen Unter diese einzelnen An- wendungen kann man auch rech- nen die irrige in jure confessio, die nicht schadet, außer wenn sie auf einem Rechtsirrthum beruht. Denn Das geht ganz aus dem der condictio indebiti zum Grunde liegenden Princip hervor (Num. XIX. g ). . L. 9 § 5 h. t. Der Erbe, welcher ein Legat ganz aus- zahlt, ohne die Falcidia, wozu er berechtigt wäre, abzu- ziehen, hat keine condictio indebiti, wenn er durch Rechts- irrthum dazu veranlaßt wurde. Dieser Satz wird durch ein ausführliches Kaiserrescript belegt Wörtlich Dasselbe, und eben so bestimmt, nur kürzer, findet sich in L. 9 C. ad. L. Falc. (6. 50.). . Es ist wohl zu bemerken, in welchem Zusammenhang diese Stelle steht. Paulus hatte (im princ. ) den allgemeinen Satz an die Spitze gestellt, der factische Irrthum sey unschädlich, der Rechtsirrthum aber schädlich. Diese Sätze werden theils mit Beschränkungen versehen, theils durch Anwendungen erläutert, und eine solche Anwendung der Schädlichkeit Beylage VIII. des Rechtsirrthums ist es denn auch, die in dem eben an- geführten § 5 weitläufig dargestellt wird. Könnte man noch daran zweifeln, daß es so gemeynt sey, so würde durch folgende Worte des Rescrips jeder Zweifel ver- schwinden: „Quod si ideo repetitionem ejus pecuniae habere cre- dunt, quod imperitia lapsi legis Falcidiae beneficio usi non sunt: sciant, ignorantiam facti non juris prodesse: nec stultis solere succurri, sed errantibus.” Also wegen des Rechtsirrthums sollen sie die Condiction nicht haben, und zwar weil in dem Rechtsirrthum ein thörichter Leichtsinn liegt, dessen Folgen sie mit Recht zu tragen haben. Es ist wohl einleuchtend, daß die Entscheidung und der Grund derselben ganz unverändert geblieben wäre, wenn auch irgend eine andere Veranlassung der Condiction vorgelegen hätte; so daß also die Erwähnung der Falcidia ein ganz gleichgültiger Nebenumstand war. — Zu dieser Stelle sagt Mühlenbruch Mühlenbruch S. 393. 394. , der Grund der Entscheidung liege lediglich in der Falcidia. Die volle Auszahlung der Legate sey nämlich zwar keine naturalis obligatio, aber doch eine Gewissenspflicht, und dieses habe die Folge, daß die Condiction wegen eines Rechtsirrthums wegfalle, die bey jedem andern Indebitum gelten würde. Allein durch diese Erklärung wird zuerst willkührlich der oben darge- legte Zusammenhang der ganzen Stelle ignorirt. Eben so wird ignorirt der wahre Sinn des von den Kaisern Irrthum und Unwissenheit. ausgesprochenen Grundes, der ja auf jedes andere Inde- bitum völlig eben so paßt. Was soll nun hier die Ge- wissenspflicht die keine naturalis obligatio erzeugt? Sie könnte nur erheblich seyn als Beweggrund der Auszahlung; dann waren die Erben wegen ihres Edelmuths zu loben, nicht als stulti zu schelten: davon also war im vorliegen- den Fall gar nicht die Rede, sondern vielmehr von einem ganz entgegengesetzten Beweggrund, dem Rechtsirrthum Darum ist es denn auch völlig unrichtig, wenn Mühlen- bruch a. a. O. mit L. 9 § 5 h. t. die L. 2 C. de fideic. (6. 42.) zusammenstellt. Denn in dieser letzten ist geradezu von einem Fall wissentlicher Zahlung aus Achtung gegen den Willen des Verstorbe- nen die Rede. Der Inhalt bei- der Stellen hat also gar keine Ähnlichkeit. . Die ganze von Mühlenbruch zur Rettung seiner Meynung versuchte Erklärung ist also der Stelle völlig aufgezwun- gen. Und diese Erklärung nun ist es zugleich, die er zur Fiction eines Rechtsfalls benutzt, der ursprünglich in der L. 10 C. h. t. gestanden haben soll Mühlenbruch S. 430. 431. . Wollte man ihm also auch diese Fiction nachsehen, so würde damit für die Vertheidigung seiner Sache gegen die L. 10 C. h. t. gar Nichts gewonnen seyn. Eine andere Stelle, L. 2 C. si adv. sol. (2. 33.) drückt unsre Regel in folgender noch allgemeineren Anwendung aus: „Indebito legato, licet per errorem juris a minore so- luto, repetitionem ei decerni, si necdum tempus, quo restitutionis tribuitur auxilium, excesserit, rationis est.” Ein Minderjähriger hatte ein Legat, das er aus irgend Beylage VIII. einem Grunde nicht schuldig war, aus Rechtsirrthum aus- gezahlt. Er soll es zurück bekommen, wenn die Restitu- tionszeit noch nicht abgelaufen ist. (Also nicht, wenn sie abgelaufen ist; und eben so wenig, wenn die Zahlung von einem Volljährigen geschah. Gegen dieses arg. a contrario wird wohl Niemand Etwas einwenden.). — In dieser Stelle liegt wiederum eine reine, einfache Anwendung un- srer Regel. Mühlenbruch erklärt auch sie wieder aus der (oben wiederlegten) Natur der Gewissenspflicht Mühlenbruch S. 440, verbunden mit S. 393. 394. . Frey- lich ist er zu diesem Behuf genöthigt, erst noch den Fall einer solchen in die Stelle hinein zu tragen; denn das inde- bitum legatum, wovon die Stelle spricht, kann ja auch so gedacht werden, daß dabey selbst nach seiner Ansicht von einer Gewissenspflicht nicht die Rede seyn würde So z. B. wenn der Testa- tor die Legate einem Miterben allein auflegte, und der Minder- jährige aus Rechtsirrthum glaub- te, er sey dennoch mit verpflichtet; oder wenn der Legatar ein Pere- grinus war, und der Minderjäh- rige von dieser Unfähigkeit Nichts wußte, der Testator vielleicht auch Nichts. . XXXVIII. Ich will nun noch die Stellen angeben, welche von den Gegnern für ihre Meynung angeführt werden Die meisten dieser Stellen finden sich bey Mühlenbruch S. 418 u. fg., einige bey Glück . . Davon ist eigentlich nur die erste von einiger Erheblichkeit. L. 1 pr. ut in poss. (36. 4.). Der Testamentserbe mußte den Legataren Caution stellen, und davon konnte Irrthum und Unwissenheit. ihn nach älterem Recht selbst der Wille des Testators nicht entbinden; diese letzte Bestimmung wurde von M. Aurel durch ein Rescript aufgehoben, welches in die Semestria dieses Kaisers aufgenommen wurde L. 46 de pactis (2. 14.), L. 2 C. ut in poss. (6. 54.). Über die Semestria von D. Mar- cus vgl. das System § 24 Note v. . Nun hatte ein Erbe die ihm erlassene Caution dennoch geleistet. That er es, weil er von dem Erlaß im Testament Nichts wußte, so konnte er unstreitig mit der condictio indebiti die Be- freyung von der Caution verlangen. Wie aber, wenn er diesen Erlaß für unwirksam hielt, also in einem Rechts- irrthum befangen war? Darüber sagt hier Ulpian: „Adhuc tamen benigne quis dixerit, satisdationem con- dici posse.” Auf den ersten Blick ist es einleuchtend, wie schüchtern und zweifelnd der Jurist seine Meynung vorbringt, gleich- sam versuchsweise; daran ist also wohl nicht zu denken, mit dieser einzelnen Äußerung die vielen entschiedenen Aus- sprüche für die entgegengesetzte Meynung zu entkräften. Aber wie ist auch nur diese zweifelnde Äußerung zu er- klären, da alle andere Stellen so entschieden sprechen? Man hat gesagt, es sey hier nur ein geringes Interesse im Spiel gewesen Cujacius opp. IV. 1432. ; das ist völlig willkührlich, und wo wäre die Gränze? Eine andere Erklärung ist die, es handle sich hier von einer indebita promissio, nicht solu- tio Donellus I. 21 § 18. ; aber beide haben nicht nur auch sonst überall glei- Beylage VIII. ches Recht, sondern gerade die Nothwendigkeit des facti- schen Irrthums wird auch bey der indebita promissio aus- drücklich anerkannt L. 6 C. h. t. . Andere sagen, es sey eine specielle Ausnahme, zur Aufrechthaltung des letzten Willens Glück B. 13 S. 145, und eben so vor ihm Westenberg und Weber, die er anführt. , und diese Erklärung könnte zur Noth zugelassen werden. Allein ich halte auch sie nicht für nöthig, und erkläre die zweifelnde Äußerung Ulpians aus der Natur des vorliegen- den Rechtssatzes. Dieser enthält eine Abänderung des frühe- ren Rechts, nicht etwa durch eigentliches Gesetz begrün- det, sondern durch praktisches Bedürfniß herbeygeführt, und in dem Rescript eines Kaisers anerkannt, das ja kein Gesetz war, ungeachtet der Aufnahme in die Semestria (§ 24). Es konnte also als ungewisses Recht betrachtet werden, und in dieser Sachlage konnte ein billiger, nachsichtiger Prätor wohl Grund finden ( benigne quis dixerit ), den Rechtsirrthum als unverschuldet anzusehen, und daher die condictio indebiti zu gestatten. Die übrigen Stellen geben weit weniger Schein; die meisten trifft die gemeinschaftliche Bemerkung, daß in ihnen eben so gut ein factischer, als ein Rechtsirrthum voraus- gesetzt werden kann, daß wir also diesen erst willkührlich hinzu denken müßten, um die Stellen für unsre Frage ent- scheidend zu machen. L. 17 § 10 ad mun. (50. 1.). Kann factischer Irr- thum seyn. Irrthum und Unwissenheit. L. 16 § 2 de minor. (4. 4.). Eben so; wahrscheinlich Irrthum über den Inhalt oder die Auslegung des Testa- ments. So ist wenigstens die Stelle nach dem Justinia- nischen Recht auszulegen; der Verfasser der Stelle (Ulpian) wollte wohl sagen, diese Frau würde auch nach ihrer Volljährigkeit durch die Condiction geschützt seyn, weil nämlich zu seiner Zeit die Frauen auch durch den Rechts- irrthum nicht leiden konnten (Num. XXXI. ). Man muß dann am Ende der Stelle lesen: munita (anstatt munitus ), welches auch durch sehr alte Ausgaben unterstützt wird. L. 10 C. de cond. ind. (4. 5.). Es hatte Einer zwey Sachen alternativ versprochen, und aus Irrthum beide abgeliefert. Darüber waren Alle einig, daß er Eine zu- rückfordern könne, nur das Wahlrecht war streitig; Ju- stinian entschied für das Wahlrecht des zurückfordernden Schuldners. — Auch hier ist ein Rechtsirrthum nicht noth- wendig vorauszusetzen; der Inhalt oder die Auslegung der Stipulation konnte zweifelhaft seyn, besonders wenn die Erfüllung nicht von dem ursprünglichen Schuldner, sondern von dem Erben ausgieng. Hätte ein Rechtsirrthum (über die Natur der Alternativobligation) zum Grunde gelegen, so wäre es undenkbar, daß von so vielen über die Neben- frage streitenden Rechtslehrern nicht Einer diesen Haupt- punkt auch nur der Erwähnung werth gehalten haben sollte. L. 16 § 4 de publicanis (39. 4.). Wer aus Irrthum dem Zollpächter zahlt, was er nicht schuldig ist, kann es zurück fordern. — Auch hier kann der Irrthum ein facti- Beylage VIII. scher seyn, z. B. in unrichtigem Wiegen der Waare be- stehen. Aber selbst wenn er das Zollgesetz, z B. den Ta- rif, betrifft, so hat doch die Condiction kein Bedenken. Denn der Zollpächter kennt gewiß das Zollgesetz; wenn er also das indebitum dennoch annimmt, so ist sein Do- lus unzweifelhaft, und dann ist dieser, und nicht der Rechtsirrthum des Zahlenden, der Grund der Rückforde- rung (Num. V. und XXXV. ) Selbst die Worte der Stelle weisen nicht undeutlich auf den Dolus des Zollpächters hin: „si quid autem indebitum per er- rorem solventis publicanus ac- cepit;” also der Zahler allein war im Irrthum, der Publicanus benutzte das, und nahm stillschwei- gend das Geld an. . L. 38 de cond. indebiti (12. 6.). In dem hier beur- theilten Rechtsfall betraf der Irrthum nicht die Rechtsre- gel, sondern die Subsumtion der Thatsache, und hatte daher die Natur eines factischen Irrthums (Num. I. und V. ). L. 37 de auro (34. 2.). Ob die Frauenkleider zu den Ornamentis gerechnet werden sollten, war eine die Ausle- gung der Testamente betreffende Frage, mithin hatte ein Irrthum darüber blos factische Natur. Eine bestimmte Rechtsregel ist erst entstanden durch die Aufnahme dieser Stelle in die Digesten. Auch ist nicht gesagt, ob der Irr- thum des Erben bereits zur Tradition, oder nur erst zu einer einseitigen Erklärung geführt hatte, die ohnehin nicht bindend war, und einer condictio indebiti zur Abhülfe gar nicht bedurfte. L. 79 de leg. II. (31. un.) . Diese Stelle spricht von Irrthum und Unwissenheit. einer einseitigen, schon ihrer Form nach nicht verbindli- chen, Handlung, wobey es einer Condiction gar nicht be- darf (Num. XXXIV. c ). L. 20 pr. fam. herc. (10. 2.). Es gilt hier dasselbe wie bey der vorhergehenden Stelle (Num. XXXIV. f ) Auch ist dabey nicht einmal gesagt, daß gerade ein Rechts- irrthum zum Grunde gelegen habe. XXXIX. Die condictio indebiti giebt außerdem Veranlassung, auf eine schon oben (Num. III. ) aufgestellte Ansicht über den Beweis des Irrthums zurück zu kommen. Wo näm- lich der Irrthum überhaupt hilft (welches in der Regel nur vom factischen gilt), da wird zugleich sein Daseyn von selbst angenommen, anstatt daß bey dem Rechtsirr- thum, welcher überhaupt nicht helfen soll, auch schon das bloße Daseyn nicht anzunehmen ist. Daher braucht denn bey der Usucapion, der mit einem Titel versehene Besitzer den factischen Irrthum, der die bona fides möglich machte, nicht zu beweisen: eben so der Bonorum Possessor, dem der Lauf der Agnitionsfrist erst angerechnet werden kann von dem Tage, für welchen ihm die Kenntniß der Dela- tion zuerst nachgewiesen werden kann. Diese ganze Ansicht liegt zum Grunde bey folgender Bestimmung, welche in Anwendung auf die condictio in- debiti eine festere Regel über die Beweislast enthält, als III. 30 Beylage VIII. sonst wohl über dieselbe vorzukommen pflegt L. 25 pr. § 1 de prob. (22. 3.). . Wenn nämlich die Frage streitig ist, ob die Schuld vorhanden war oder nicht, so soll der Zurückfordernde das indebi- tum in der Regel beweisen, also indirect auch den bey der Zahlung vorgefallenen Irrthum: aber nicht etwa wegen der allgemeinen Natur des Irrthums überhaupt, sondern gerade umgekehrt, nur wegen der besondern Beschaffen- heit dieses Falles. Der Grund wird nämlich darin ge- setzt, daß nicht leicht Jemand so unvorsichtig seyn werde, sein Geld, wenn er Nichts schuldig ist, wegzuwerfen „qui enim solvit, nun- quam ita resupinus est, ut fa- cile suas pecunias jactet, et in- debitas effundat .... et ideo eum, qui dicit indebitas sol- visse, compelli ad probationes, quod per dolum accipientis, vel aliquam justam ignorantiae causam indebitum ab eo solu- tum” … Hier erscheint also die justa ignorantiae causa, die an- derwärts als Bedingung eines zu- lässigen, nicht völlig verwerflichen Irrthums vorkommt (Num. III. ), zugleich als Grund, das bloße Daseyn desselben anzunehmen: und Dieses ist praktisch um so wichtiger, als der Irrthum ein innerer Zustand ist, der nur sel- ten und zufällig durch unmittel- baren Beweis dargethan werden kann. : dieses aber besonders in dem Fall, wenn außerdem der Zahler als ein sorgfältiger Mann und besonnener Haus- halter anerkannt ist. Ausnahmsweise aber soll gerade das Gegentheil angenommen, und dem Empfänger der Beweis der Schuld auferlegt werden, wenn die Zahlung geschah von einem Minderjährigen, Weibe, Soldaten, Bauer, oder überhaupt einem Solchen, der aller Geschäfte unkundig, oder einfältig und sorglos ist. Diese Eigenschaften also sollen wieder die Unwahrscheinlichkeit aufwiegen, daß Ei- Irrthum und Unwissenheit. ner sein Geld wegwerfen werde. In der Mitte liegen nun noch manche unentschiednere Fälle, worin der Richter ein freyes Urtheil nach den individuellen Umständen haben muß. Im Ganzen aber liegt die Hauptansicht zum Grunde, daß der factische Irrthum, da wo jene besondere Unwahr- scheinlichkeit nicht vorhanden ist, Dem der ihn behauptet, vorläufig wohl geglaubt werden kann. XL. Es sind oben zwey scheinbare Principien für die Lehre vom Irrthum geprüft und verworfen worden (Num. VII. VIII. ); diese lassen sich jetzt, nachdem diese Lehre im Ein- zelnen durchgeführt worden ist, mit noch größerer Sicher- heit zu ihrer wahren und sehr beschränkten Bedeutung zu- rückführen. Das eine lautete so: der Irrthum schließt das Daseyn des freyen Willens selbst aus. Was zu einem so starken Ausdruck in einigen Stellen des Römischen Rechts Gele- genheit gab, waren nur folgende einfache Sätze: Wenn eine Handlung als stillschweigende Willenserklärung gelten soll, darf sie nicht auf Irrthum beruhen, sonst würde man ihr durch jene Auslegung Gewalt anthun (Num. XII. Note a und c ). Ferner: Wenn eine Handlung schon an sich, ihrer Form nach, keine verbindliche Kraft hat, so wird sie noch weniger als Grund eines Rechts angeführt werden können, wenn sie auf Irrthum beruht (Num. XXXIV. Note d und o ). 30* Beylage VIII. Das andere Princip war: Der factische Irrthum hilft in allen Fällen, der Rechtsirrthum nur wenn man Scha- den abwenden, nicht wenn man reicher werden will. Die- ses sehr eingreifende Princip zeigt sich in den unzweifel- haftesten Anwendungen bald falsch, bald unbrauchbar zu irgend einem sicheren praktischen Resultat. Als wahre Veranlassung ergab sich nur der Satz des älteren Rechts: Frauen haben das Vorrecht, sich eben sowohl auf Rechts- irrthum, als auf factischen Irrthum, berufen zu dürfen, nur mit Ausnahme der Schenkungen. Dieser Satz war im späteren Recht größtentheils aufgegeben worden. Durch ungeschickte Behandlung in der Compilation hatten dann Stellen der alten Juristen, welche jenen Satz enthielten, die trügerische Gestalt angenommen, in welcher sie uns jenes falsche Princip verkündigen (Num. VIII. XXXI. ). XLI. Nachdem jetzt die Römische Lehre vom Irrthum dar- gestellt worden ist, wird es nicht uninteressant seyn, einen vergleichenden Blick auf die Behandlung dieser Lehre in- neueren Gesetzbüchern zu werfen. Das Preußische Landrecht stellt den allgemeinen Satz auf: „Es kann sich Niemand mit der Unwissenheit „eines gehörig publicirten Gesetzes entschuldigen“ (Einl. § 12), wovon es nur eine Ausnahme bey den Strafge- setzen gegen vorher unverbotene Handlungen zuläßt (§ 13). Bey den Willenserklärungen ( I. 4 § 75—82) werden Irrthum und Unwissenheit. Regeln aufgestellt, die großentheils mit den Römischen Grundsätzen über den error in corpore u. s. w., jedoch mit manchen Erweiterungen, übereinstimmen. Dann aber wird ausdrücklich der wichtige Satz anerkannt, daß jeder andere Irrthum die Gültigkeit der Willenserklärung nicht aufhebe, namentlich nicht der Irrthum im Beweggrund, außer wenn der Gegner in dolo sey, oder das Geschäft eine blos lucrative Natur habe (§ 83. 148—150). Die- ses stimmt im Ganzen mit dem R. R. überein, nur die letzte Ausnahme enthält eine absichtliche und nicht zu tad- lende Abweichung von demselben. Endlich die condictio indebiti (I. 16) wird, so wie im Römischen Recht, auf Irrthum des Zahlenden gegründet, den Derselbe zu beweisen hat (§ 166. 178. 181). Ein Rechts- irrthum aber ist dazu deswegen nicht hinreichend, weil das Daseyn desselben in der Regel nicht angenommen werden kann Ursprünglich hatte Suarez, dem R. R. folgend, die condic- tio indebiti wegen jedes Rechts- irrthums schlechthin versagen wol- len. Dieses wurde späterhin ver- worfen, und die Condiction, dem Grundsatz nach, für jeden Irr- thum ohne Unterschied zugelassen. Jedoch ist diese geänderte Ansicht praktisch nicht erheblich. Denn da in der Regel ein Rechtsirrthum gar nicht als vorhanden angenom- men werden darf (L. R., Einlei- tung § 12. 13), so kann man sich auch zur Begründung der con- dictio indebiti auf denselben nicht berufen. Dieser Gedanke liegt zum Grunde bey L. R. I. 16 § 176. 184 . Nur der Dolus des Gegners ersetzt jede an- dere fehlende Bedingung (§ 167). Im Ganzen also wird hier die Rechtsunwissenheit mit noch weniger Nachsicht, als im Römischen Recht, behan- delt, obgleich unser heutiger Rechtszustand eine mildere Beylage VIII. Behandlung wohl rechtfertigen dürfte (Num. IV. ). Man wird aber jene Bestimmung natürlich finden, wenn man erwägt, daß bey der Abfassung des Landrechts die Er- wartung gehegt wurde, das Recht werde von nun an nicht nur unzweifelhaft, sondern auch der ganzen Nation bekannt seyn. Die angeführte Bestimmung ist ohne Zwei- fel gemeynt von jedem Rechtsirrthum überhaupt; der Aus- druck aber geht zunächst auf das Daseyn der einzelnen Gesetze, indem deren Publication als das einzig entschei- dende Moment betrachtet wird. Es ist also dabey nicht beachtet, daß der Rechtsirrthum in den allermeisten Fällen nicht auf der Unbekanntschaft mit dem Daseyn eines ein- zelnen Gesetzes, sondern auf der Bildung einer unrichti- gen, aus vielen Gesetzen abgezogenen, wissenschaftlichen Theorie beruhen wird. Wir müßten daher, zur Rechtferti- gung jener Strenge des Landrechts, annehmen, daß Nie- mand ohne eine leicht vermeidliche Nachlässigkeit in einen solchen theoretischen Irrthum gerathen könne. Dieser An- nahme aber steht schon die große Zahl von Gesetzdeclara- tionen entgegen, die seit der Erscheinung des Landrechts nöthig gefunden worden sind, und die fast immer durch irrige, oder widersprechende, Entscheidungen der mit wohl- geprüften Personen besetzten Gerichtshöfe veranlaßt wurden. Das Österreichische Gesetzbuch sagt § 2, so wie das Preußische, es könne sich Niemand durch die Unbe- kanntschaft mit dem Gesetze entschuldigen Zeillar Vorbereitung zur Österreich. Gesetzkunde B. 4 S. 84 . — Der Irr- Irrthum und Unwissenheit. thum entkräftet den Vertrag nur bey dem Dolus des Geg- ners (§ 871); nicht, wenn er durch einen Dritten oder den Irrenden selbst (also auch nicht wenn er durch blo- ßen Zufall) entstanden ist (§ 875. 876). — Die condictio indebiti wird durch jeden Irrthum begründet, auch durch den Rechtsirrthum (§ 1431); welches letzte, verglichen mit der vorher angegebenen Strenge der allgemeinen Vor- schrift, nicht ganz consequent scheint. Das Französische Gesetzbuch scheint im Fall je- der Art des Irrthums die Verträge für ungültig anzuse- hen ( art. 1109). In der That aber ist damit doch nur der error in corpore und Ähnliches gemeynt ( art. 1110). Der Irrthum im Beweggrund, wohin namentlich der über den Werth und die Brauchbarkeit der Sache gehört, wird unter der allgemeinen Bezeichnung der lésion begriffen, und gegen diese finden zwar die Minderjährigen allgemein Schutz ( art. 1305), die Volljährigen aber in der Regel nicht ( art. 1313), und nur ausnahmsweise bey dem Ver- rechtfertigt diese Vorschrift da- durch, daß bey einem guten ein- heimischen Gesetzbuch selbst der minder Gebildete nicht leicht durch Rechtsunwissenheit in Schaden kommen könne. Das R. R., sagt er, gestattete in mehreren Fällen den Landleuten, Soldaten, Wei- bern u. s. w. die Entschuldigung der Rechtsunwissenheit. „Bey ei- ner zahllosen Menge unordentlich zusammengehäufter, in einer gelehrten , wenigstens den er- wähnten Personen unverständli- chen Sprache abgefaßter Gesetze war die Ausnahme billig, ja sie hätte billigerweise schon zur Zeit der Römer .... beynahe auf alle … ausgedehnt werden sollen.“ Dabey scheint fast die Voraus- setzung zum Grund zu liegen, das Römische Volk habe Wienerisch gesprochen, und deshalb die latei- nisch geschriebenen Volksschlüsse und Edicte nicht verstehen können. Beylage VIII. kauf eines Grundstücks mit einem Verlust von mehr als 7/12 des Werthes. — Der Rechtsirrthum wird nur in zwey einzelnen Fällen nachtheiliger, als der factische, behan- delt: bey dem gerichtlichen Geständniß ( art. 1356), und bey dem Vergleich ( art. 2052. 2053). In allen übrigen Fällen stehen beide Arten des Irrthums einander ganz gleich. Namentlich zur condictio indebiti berechtigt jeder Irrthum ohne Unterschied ( art. 1235. 1376—1381), und dieser allgemeine Ausdruck wird von den Auslegern und in der Praxis so verstanden, daß auch der Rechtsirrthum zur Klage berechtigt Merlin Répertoire v. Igno- rance § 1. Toullier droit ci- vil T. 6 Num. 59—67 Num. 75. T. 11 Num. 63. . Dieses Letzte ist bemerkenswerth, da Pothier , dessen Lehrmeynungen sonst auf die Bestim- mungen des Code überwiegenden Einfluß auszuüben pfle- gen, für das Roͤmische Recht den entgegengesetzten Grund- satz vertheidigt Pothier traités de bien- faisance, Condictio indebiti Num. 162. Anders freylich äu- ßert sich derselbe an einem an- dern Ort. Pandectae Justin. XXII. 6. Num. 5. . Vergleicht man diese gesetzliche Bestimmungen in Be- ziehung auf die condictio indebiti, so geben sie folgendes merkwürdige Resultat. Das Römische und das Preußische Recht lassen den Rechtsirrthum nicht zu, das Österreichi- sche und das Französische lassen ihn zu. Und betrachtet man diese letzte Bestimmung von dem legislativen Stand- punkt aus, so liegt darin eigentlich die praktische Aner- Irrthum und Unwissenheit. kennung des Umstandes, daß nach heutigem Rechtszustand weniger, als nach dem Römischen, der Rechtsirrthum des Zahlenden den Vorwurf großer Nachlässigkeit begründen könne (Num. XXXV. ). Diese eingetretene Veränderung ist in den erwähnten Gesetzgebungen dahin ausgebildet wor- den, daß die Präsumtion in Beziehung auf Verschuldung nunmehr auf die entgegengesetzte Seite gelegt worden ist. Gedruckt bei den Gebr. Unger .