S amlung S atyrischer und E rnsthafter S chriften. Franckfurt und Leipzig, 1739 . V orrede. J ch sehe vorher, daß diejeni- gen, welche sich an meinen Schriften, zu der Zeit, als sie eintzeln heraus kamen, so sehr geaͤrgert haben, uͤber gegenwaͤrtige Sammlung derselben gleichfals erbaͤrmlich seufzen wer- den. Allein, wie sehr ich sie auch desfals beklage, so kan ich ihnen doch nicht helfen. Jch habe es dem Herrn Verleger nicht verwehren koͤnnen, meine Schriften zu- sammen drucken zu lassen. Mit dem muͤs- sen sie es ausmachen. Jch bin unschuldig, und wuͤrde vor mich selbst nimmer darauf a 2 ver- ( o ) verfallen seyn, an eine Sammlung und neue Auflage solcher Kleinigkeiten zu geden- cken, die vieleicht kaum des ersten Drucks wuͤrdig gewesen sind. Sind meine schwachen, murrischen, eigensinnigen und scheinheiligen Leser mit dieser Entschuldigung nicht zu frieden, so weiß ich nicht, wie ich es anfangen soll, ih- ren Zorn von mir abzuwenden. Buß- Thraͤnen muͤssen sie von mir nicht erwar- ten. Denn, wie wenig ich auch in meine Schriften verliebt bin, so sehe ich sie doch nicht mit solchem Abscheu an, als Buchka seinen Muffel. Es gereuet mich nicht, daß ich sie gemacht habe. Jch liebe sie als meine Kinder, und meine Absicht ist nicht, sie in dieser Vorrede zu verfluchen. Jch ertheile ihnen, da ich sie von neuen in die Welt schicke, meinen vaͤterlichen Seegen. Dieses ist die lezte Pflicht, die ich ihnen leiste. Um ihr Schicksal werde ich mich wenig bekuͤmmern. Sie haben schon Gu- tes und Boͤses erfahren, und es kan ihnen nicht viel aͤrger ergehen, als es ihnen er- gangen ist, da sie das erste mahl in der Welt erschienen. Wenigstens werden sie, allem Ansehen nach, nicht mehr so vielen ungleichen Urtheilen unterworfen seyn, als ( o ) als ehemahls; weil sie, eben darum, daß sie nicht mehr neu sind, wenig Kaͤufer und Leser finden werden. Dieses kan vieleicht den Herrn Verleger verdriessen: Aber mich nicht. Jch weiß, das satyrische Schriften, die wieder eine gewisse Person gerichtet sind, nur eine kur- tze Zeit gesuchet werden. Man hat ihrer bald satt; und wer einen Ruhm suchet, der dauren soll, und seinen Nahmen unsterb- lich machen will, der muß seine Sachen gantz anders anfangen, als ich. So hohe Absichten habe ich in meinem Schreiben nicht gehabt. Die Lust, die mit der Zeu- gung geistlicher Kinder verknuͤpfet ist, ist mein eintziger Endzweck gewesen. Diesen Endzweck habe ich erreichet. Damit bin ich zu frieden, und es soll mir gleich viel seyn, ob die Nachwelt sich noch an meinen Schriften ergetzet, oder ob man noch bey meinem Leben aufhoͤret, dieselbe zu lesen. Die Unsterblichkeit suche ich nicht. Jch will lieber Un buffet bien garni pendant cent ant de vie Que mille autels aprés ma mort. S. Les Nouvelles oeuvres de Mr. le Pays p. a 3 Jch ( o ) Jch bin versichert, daß man mich mit die- ser Ehre verschonen wird. Durch meine Schriften habe ich sie zum wenigsten nicht verdienet. Jch habe in selbigen die Bloͤsse gewisser Leute aufgedecket, die so schon of- fenbar genug war. Das ist keine Helden- that, und ich gebe es auch nicht davor aus. Jch weiß wohl, daß ich keine Riesen erle- get; sondern nur mit Zwergen gekaͤmpfet habe: Und nichts in der Welt ist so geschickt, mich demuͤthig zu machen, als der Sieg, den ich uͤber dieselbe erhalten habe. Viele haben es mir sehr verdacht, daß ich mich mit solchen Leuten in einen Kampf ein- gelassen; Sie haben gesagt, . . . . . . demit honorem Æmulus Ajaci . . . . . Ovid. Metam. Lib. XIII. v. 16. 17. und von meinem Verfahren Urtheile gefaͤl- let, die mir eben nicht ruͤhmlich sind. Al- lein, zu geschweigen, daß diese Herren in der Verachtung, die sie gegen meine Geg- ner bezeugen, vielleicht gar zu weit gehen, so hofe ich, sie werden von meinem Ver- fahren milder urtheilen, wenn sie sehen, wie unschuldig und unvermuthet ich mit diesen ehrlichen Maͤnnern in Haͤndel ge- rathen bin. Jch will ihnen zu dem En- de ( o ) de die Geschichte dieser Haͤndel aufrichtig erzehlen. Der erste, mit dem ich verfiel, war der Herr Mag. Sievers, ein junger Mensch aus Luͤbeck gebuͤrtig, woselbst sein Vater Cantor war. Eine gar zu vor- theilhafte Einbildung von der Groͤsse sei- ner Gaben, die an sich nicht zu verachten waren, hatte in ihm von Jugend auf ei- ne Begierde gewircket, seinem Nechsten zu dienen, die groͤsser war, als sein Ver- moͤgen. Er ward gantz fruͤhe Meister der freyen Kuͤnste, unterrichtete die studiren- de Jugend zu Rostock, und theilte der Welt in kurtzer Zeit eine solche Menge Schriften in gebundener und ungebunde- ner Rede mit, daß er schon in seinem 21 ten Jahr im Stande war, eine Sammlung derselben in Zween Octav Baͤnden her- auszugeben. Alle diese Schriften waren nicht weit her, und, aufs bescheidenste davon zu re- den, nichts anders, als ein Mischmasch gemeiner, unreifer, und gutentheils ge- stohlner Gedancken, die entweder, mit vieler Muͤhe, in deutsche Reime gezwun- gen, oder durch ein plattes und barbari sches Kuͤchen-Latein noch mehr verstelet waren. a 4 Jch ( o ) Jch laß sie, und lachte daruͤber, wie viele andere: Aber es kam mir nicht in den Sinn, gegen dem Hrn. Mag. Sievers zu schreiben. Jch hielte dieses der Muͤhe nicht werth. Und so war ich noch gesin- net, als er im Jahr 1732. die Paßion mit Anmerkungen herausgab. Diese Anmer- kungen waren so laͤppisch, daß ich noch nicht begreifen kan, wie der Hr. M. Sie- vers es wagen moͤgen, einen so ehrwuͤrdi- gen Text damit zu schaͤnden. Jndessen haͤt- te er es meinentwegen noch aͤrger machen moͤgen. Jch bekuͤmmerte mich so wenig um ihn, und seine Schriften, daß ich mir nimmer die Muͤhe wuͤrde genommen ha- ben, ihn zu demuͤthigen, wenn er nicht selbst, auf gewisse Maasse, Gelegenheit dazu gegeben haͤtte. Seine Anmerkungen uͤber die Paßion waren kaum herausgekommen, so wur- den sie in dem Hamburgischen Correspon- denten recensirt. Diese Recension war zwar satyrisch aber dabey so fein, und hoͤf- lich, daß der Hr. Mag. Sievers, wenn er nicht gar zu sehr von sich selbst waͤre ein- genommen gewesen, sich unmoͤglich daruͤ- be r haͤtte entruͤsten koͤnnen, und ich war so ( o ) so unschuldig daran, als der Hr. M. Sie- vers selbst. Allein der Hr. M. Sievers war gar zu empfindlich. Er zog sich die ihm angethane Beschimpfung zu schmertzlichen Gemuͤthe: Er ließ einen trotzigen Aufsatz in das 33 te Stuͤck des hamburgischen Cor- respondenten ruͤcken, in welchem er den Verfasser der anzuͤglichen Recension einen boßhaftigen und neidischen Menschen nen- nete, und sein Unstern wollte, daß er, oh- ne alle Ursache, und wider alle Wahrschein- lichkeit, mich vor den Urheber dieser un- gluͤckseeligen Recension halten muste. Jch suchte ihm diesen ungegruͤndeten Verdacht zu benehmen, und ließ ihn durch Leute, die mit ihm umgiengen versichern, daß ich an der Recension seiner Anmerkun- gen uͤber die Paßion keinen Theil haͤtte: Allein, es half alles nichts. Er blieb da- bey, ich sey sein Verfolger, und sprach in allen Gesellschaften laͤsterlich von mir. Die- ses waͤre genug gewesen, einen andern in Harnisch zu jagen: Aber ich war so gelas- sen, daß ich ihn sprechen ließ, und gedach- te an keine Rache. Wie indessen zu der Zeit jederman in Luͤ- beck von dem neuen Buche des Hrn. Mag. a 5 Sie- ( o ) Sievers redete; so kam ich auch mit ei- nem meiner Freunde davon zu sprechen. Wir wunderten uns, daß ein sonst nicht unvernuͤnftiger Mensch, sich nicht schaͤ- mete, der Welt, so kindische Anmerkun- gen vorzulegen: Wir entschuldigten ihn mit seiner Jugend, und ich sagte unter an- dern, daß es mir, wenn ich so schreiben wollte als der Hr. Mag. Sievers, ein leichtes seyn sollte, alle 24 Stunden ein Buch zu machen. Man frug mich, wie ich das anfangen wollte? Jch antwortete: Jch duͤrfte nur die Historie von der Zerstoͤ- rung der Stadt Jerusalem, welche der Hr. Mag. Sievers seiner erlaͤuterten Pa- ßion angehaͤnget hatte, nehmen, und An- merkungen daruͤber machen. Dieser Einfall gefiel meinem Freunde so wohl, daß er mich bat, denselben zur Wuͤrcklichkeit zu bringen. Jch that es, und war in weniger, als 24 Stunden mit meinen Anmerkungen uͤber die Ge- schichte von der Zerstoͤrung der Stadt Jerusalem fertig. Meine Absicht war noch nicht, daß dieselbe gedruckt wer- den sollten. Jch schickte sie meinem Freun- de, zu seiner privat Belustigung zu, und dabey ( o ) dabey waͤre es geblieben, wenn meine Schrift nicht einem andern guten Freunde in die Haͤnde gerathen waͤre. Dieser be- hielte sie, und ließ sie drucken; welches ich vieleicht wuͤrde verhindert haben, wenn der Hr. Mag. Sievers sich bescheidener aufgefuͤhret, und mich durch sein loses Maul nicht wieder sich gereitzet haͤtte. Auf solche Art kamen meine Anmer- ckungen uͤber die Geschichte von der Zerstoͤrung der Stadt Jerusalem ans Licht. Sie sind meine erste Schrift wieder den Hrn. Mag. Sievers, und nehmen auch in dieser Sammlung den ersten Platz ein. Die andere Schrift, welche ich wieder den Hrn. Mag. Sievers geschrieben ha- be, ist das Schreiben des Ritters Ro- bert Clifton an einen Gelehrten Sa- mojeden ꝛc. Jch versprach dieses Schrei- ben in dem Verzeichnisse meiner Schrif- ten, welches ich, nach Art des Hrn. M. Sievers, meinen Anmerckungen uͤber die Historie von der Zerstoͤrung der Stadt Jerusalem angehaͤnget hatte. Jch glaub- te aber nicht, daß ich dieses Versprechen jemahls erfuͤllen wuͤrde. Der ( o ) Der Hr. Mag. Sievers wolte mit al- ler Gewalt ein Naturkuͤndiger seyn. Jch weiß nicht, ob diese Begierde eine Frucht, oder eine Ursache der unverdienten Ehre war, die ihm die Koͤnigl. Preußische So- cietaͤt der Wissenschaften erwieß. So viel ist gewiß, daß er, nachdem ihm diese be- ruͤhmte Gesellschaft, aus Ursachen, die ihr allein bekannt sind, zu ihrem Mit- gliede erkohren hatte, bestaͤndig an dem Ufer der Ostsee herumirrete, und bunte Steine suchte. Die er fand ließ er so gleich in Kupfer stechen, schreib ein lateinisches Briefchen dabey, und versandte sie in gantz Deutschland an unterschiedene beruͤhmte Maͤnner. Dieses war nun freylich ein bequemes Mittel, ohne grosse Unkosten in der Welt bekannt zu werden: Allein ich hielte es doch vor Kinderey, von einem jeden bunten Quarck so viel Aufhebens zu machen, und wollte dem Hrn. M. Sie- vers dieses durch den Titel des Schreibens des Ritters Clifton an einen gelehrten Sa- mojeden, auf eine hoͤfliche Art, zu verste- hen geben. Jch nannte zu dem Ende die Betrachtungen dieses Ritters uͤber eine ge- frorne Fenster-Scheibe, Vitrea fracta, oder nichtswuͤrdig, laͤppisch Zeug. Der mu- ( o ) musicalische Stein, den der Hr. Mag. Sievers gefunden hatte, gab mir vor- nehmlich Anlaß dazu. Man machte viel Wercks aus diesem Stein, auf welchem man sich musicalische Noten zu entdecken einbildete. Das Geruͤcht desselben er- schallete weit und breit; ja man hat gar gesaget, der verstorbene Koͤnig von Poh- len habe ihn nach Dreßden in die Kunst- Kammer verlanget. Er soll auch, nach- dem ihn der Hr. Mag. Sievers vorher, in perpetuam rei memoriam, abmah- len lassen, wuͤrcklich dahin geschicket seyn. Jch habe diesen Stein nicht gesehen: A- ber, nach dem Kupfer zu urtheilen, so muß man just eines Cantors Sohn seyn, um Noten darauf zu sehen. Jndessen war ich nicht gesonnen, ein solches Schreiben an einen Samojeden, als ich versprochen hatte, wuͤrcklich zu ver- fertigen. Jch haͤtte es bey dem Titel be- wenden lassen, wenn man mir nicht in einer Gesellschaft gesaget haͤtte, die Erfuͤl- lung meines Versprechens sey schlechter- dings unmoͤglich. Jch hielte mich Ehren halber verbunden, das Gegentheil zu be- haupten, und fieng von der Zeit an, an, auf meine Fenster-Scheibe zu sinnen. Es ge- ( o ) gelung mir einmahl des Morgens beym The, ein Blaͤttchen Papier mit so viel wunderlichen Figuren zu bemahlen, als ich zu meinem Zweck noͤthig zu haben ver- meinte. Das war das wichtigste. Mit dem Schreiben an dem Samojeden ward ich bald fertig. Es wurde gedruckt, und der Hr. Mag. Sievers hatte den Ver- druß, auch so gar seinen Raritaͤten-Ka- sten, den Grund aller seiner Hofnung, und den eintzigen Trost in seinen Noͤthen, laͤcherlich, gemacht zu sehen. Er ward zwar in dem Schreiben an den Samoje- den nicht genennet; Allein er merckte doch wohl, daß es auf seine bunte Steine ge- muͤntzet war, und daß Mr. Mackewind niemand anders seyn konnte, als er selbst. Er fand sich aber auch in dieses Ungluͤck, that vor wie nach groß, und fluchte und drohete seinen Verfolgern. Diese Aufuͤhrung machte, daß ich so viel weniger Bedencken trug die dritte Sa- tyre gegen ihn zu schreiben. Der Hr. M. Sievers war zu der Zeit, als meine An- merckungen uͤber die Geschichte der Zer- stoͤrung der Stadt Jerusalem heraus ka- men, so wenig Meister von seinen ersten Bewegungen gewesen, daß er mich in St. An- ( o ) Annen-Kloster, auf oͤfentlicher Cantzel, verfluchet, und in den Abgrund der Hoͤl- len verdammet hatte. Viele Leute, und insonderheit gewisse einfaͤltige und mur- rische Priester, hegten ein so unvernuͤnf- tiges Mitleiden mit dem Hrn. M. Sie- vers, daß sie das, was ich wieder denselben vorgenommen hatte, vor ein strafbahres Beginenn hielten, und meine Schriften vor schaͤndliche Pasquillen ausriefen, und einige wollten darinn einen strafbaren Miß- brauch biblischer Redens-Arten entdecket haben. Jch hielte vor noͤthig, so wohl den Hrn. M. Sievers wegen seines un- besonnenen Eyfers, als auch die elende Schaar seiner gar zu mitleidigen Freun- de, und andere unbillige Richter meiner Schriften, wegen ihrer laͤcherlichen Ur- theile, zu zuͤchtigen, und verfertigte, zu dem Ende eine eigne Schrift, welche in dieser Sammlung die dritte ist. Jch gab ihr den Titel: Der sich selbst entdeckende X. Y. Z. ꝛc. und stellete mich, als wenn ich mich dem Hrn. Mag. Sie- vers entdecken wollte; weil derselbe oͤf- ters gesaget hatte, er wollte seinem Geg- ner schon antworten, wenn er nur wuͤste; wer es waͤre. Da es nun aber meine Ab- sicht ( o ) sicht gar nicht war, dem Hrn. M. Sie- vers meinen rechten Nahmen zu sagen, so borgte ich so lange einen fremden, und Herr Lucas Hermann Backmeister, ein gelehrter Candidatus Ministerii, der sich durch seinen stillen und unschuldigen Wandel, durch seine sittsahmen Geberden, und durch die besondere Hoͤflicheit seiner Sitten, von vielen seines gleichen, auf ei- ne ihm sehr vortheilhafte Art, unterschei- det, muste den seinigen hergeben. Jch war genoͤthiget, zu einem Candi- dato Ministerii meine Zuflucht zu nehmen, weil ich mich auf dem Titel meiner An- merckungen uͤber die Geschichte von der Zerstoͤrung der Stadt Jerusalem vor einen Candidatum Ministerii ausgegeben hatte, und glaubte nicht, daß man mir dieses uͤ- bel deuten wuͤrde; zumahl, da ich die Bescheidenheit gebrauchte, mich nur bloß der stummen Buchstaben des Nahmens das Hrn. Backmeisters zu bedienen, auf welche ich eben so viel Recht zu haben ver- meinte, als dieser ehrliche Mann, ohne mich an den Laut-Buchstaben desselben, die doch die Seele eines Nahmens sind, und ohne welche die stummen Buchstaben nichts bedeuten, im geringsten zu vergreifen. Al- lein ( o ) lein, ich habe nachdem erfahren muͤssen, daß, nicht nur der Hr. Backmeister, son- dern auch andere mir dieses hoͤchstens ver- dacht haben. Jch finde nicht noͤthig, mich gegen diese letzten zu vertheidigen. Denn gegen diejenigen, die den Hrn. Backmei- ster niemahlen gesehen haben, getraue ich mir nicht, mein Verfahren zu rechtferti- gen, und diejenigen, welche die Ehre ha- ben, diesen wackern Mann von Person zu kennen, die werden mir, wenn sie densel- ben nur einmahl recht betrachten, den Feh- ler, den ich begangen habe, gerne vergeben. Den Hrn. Backmeister aber, der allein berechtiget ist, sich uͤber den Mißbrauch sei- nes Nahmens zu beschweren, bitte ich hie- mit oͤfentlich um Vergebung. Jch beken- ne, ich habe mich an ihm versuͤndiget: Al- lein die Freyheit, die ich mir in Ansehung seines Nahmens genommen habe, hat ihm so wenig geschadet, daß er gar keine Ursa- che hat, auf mich zu zuͤrnen. Keine See- le in Luͤbeck hat jemahls den geringsten Ver- dacht, auf ihn gehabt, daß er die Schrift, vor deren Urheber ich ihn ausgab, gemacht haͤtte. Die gantze Stadt hielt dieses vor schlechterdings unmoͤglich. Da er nun un- streitig zu dem auserwehlten Haͤuflein der- b je- ( o ) jenigen gehoͤret, die meine Schriften, als aͤrgerlich und gottloß, verdammen; so muß er nothwendig die allgemeine Ueberzeu- gung von seinem christlichen Gemuͤthe, die eine grosse und volckreiche Stadt so einmuͤ- thig an den Tag geleget hat, vor seinen hoͤchsten Ruhm achten, und es mir noch Danck wissen, daß ich ihm zu diesem oͤfent- lichen Zeugnisse von seiner ausnehmenden Tugend verholfen habe. Uebrigens kam diese Schrift, der ich des Hrn. Backmeisters Nahmen vorgesetzet hatte, allererst im Jahr 1733, und also zu einer Zeit zum Vorschein, da man mei- ner Haͤndel mit dem Hrn. Mag. Sievers fast vergessen hatte. Jch hatte so wenig Lust, diese Haͤndel fortzusetzen, daß ich mich nicht entschliessen konnte, eine Schrift drucken zu lassen, die nothwendig den Hrn. Mag. Sievers, und viele andere noch mehr wieder mich erbittern muste. Aber endlich muste ich den Vorstellungen meiner Freun- de weichen. Mein Backmeister ward ge- druckt, und mit demselben hatte mein Streit mit dem Hrn. M. Sievers ein Ende. Jch bin, eigentlich zu reden, der Urheber desselben nicht gewesen. Der unbillige Verdacht, den der Hr. Mag. Sievers auf mich ( o ) mich warf, und die ungegruͤndeten Klagen, die er gegen mich fuͤhrete, gaben Anlaß da- zu. Jch habe ihm zwar nichts geschencket, und viele glauben, ich sey gar zu unbarm- hertzig mit ihm umgegangen. Allein seine Schriften waren unertraͤglich, und sein Stoltz verdiente eine Zuͤchtigung. Er selbst wird niemahls leugnen, daß meine Saty- ren ihm sehr heilsahm gewesen sind, und ihn von vielen Ausschweifungen abgehal- ten haben. Jch glaube dieses darum, weil ich versichert bin, daß er jetzo! da er zu reifern Jahren gekommen ist, seine Schrif- ten mit gantz andern Augen ansiehet, als vor diesen. Er hatte viel Gutes an sich, und ich habe ihn immer vor den besten und vernuͤnftigsten von allen meinen Geg- nern gehalten. Seine Person ist mir al- lemahl lieb gewesen; ob ich gleich seine Schriften verabscheuet habe, und noch verabscheue. Jch goͤnne ihm auch noch alles Gutes, und habe mit Freuden ver- nommen, daß er in Schweden befordert ist. Es ist dieses ein Gluͤck, daß er vie- leicht in seinem Vaterlande nicht erlebet haͤtte, und mir fallen, so oft ich daran gedencke, die Worte des Cicero an den Trebatius ein: Est quod gaudeas, te in b 2 ista ( o ) ista loca venisse, ubi aliquid sapere vi- derêre Epist. ad Famil. Lib. VII. ep. 10. . Jch wuͤnsche indessen von Her- tzen, daß er nicht als Compastor an der deutschen Kirche zu Nordkoͤping sterben; sondern bald zu einer bessern, und ihm an- genehmern Stelle in seine Vater-Stadt zuruͤck berufen werden moͤge. Der andere Held, mit dem ich gekaͤm- pfet habe, ist der Hr. D. Johann Ernst Philippi, ehemahliger Professor der deut- schen Wohlredenheit zu Halle. Er ist der andere Sohn eines Hof-Predigers zu Mer- seburg, der vor einigen Jahren gestorben ist, und den Ruhm hinterlassen hat, daß er ein frommer und exemplarischer Mann gewesen. Der Sohn hat nimmer in den Wegen seines Vaters gewandelt, sondern allezeit einen unruhigen Kopf gehabt. Jm Jahr 1726 gab er eine Schrift wie- der die damahlige grosse Lotterey in Sach- sen heraus, und ward dieses Muthwil- lens wegen auf das Schloß zu Meissen gefangen gesetzet. Er kam endlich wieder loß, und begab sich nach Merseburg, wo- selbst er advocirte: Aber mit so schlech- tem Gluͤcke, daß ihm fast in allen Urtheln bald ein derber Verweiß, bald eine Geld- Stra- ( o ) Strafe vor die gebrauchten Jnjurien zu- erkannt wurde. Ohngefehr im Jahr 1729 gerieth er in Haͤndel, die ihn zwangen Merseburg zu verlassen. Er begab sich aus Verzwei- felung nach Halle, und ward daselbst Professor der deutschen Beredsamkeit. So bald er diesen Posten erhalten hatte, gab er unterschiedene Schriften heraus, die er ietzo vieleicht wuͤnschet, nimmer ge- schrieben zu haben. Denn sie sind die Quellen seines Ungluͤcks. Sie waren an sich im hoͤchsten Grad elend, und unterschiedene Gelehrte in Sachsen hielten sie einer scharfen Ahndung um so viel wuͤrdiger, je groͤsser sich der Ver- fasser damit wuste. Allein es hatte nie- mand das Hertz, mit dem Hrn. Prof. Phi- lippi anzubinden. Man fuͤrchtete sich vor dessen Vater, der im Ober-Consistorio zu Dreßden viele Freunde hatte, und der Hr. Prof. Philippi blieb eine gute Zeit in der suͤssen Einbildung, die er von der Groͤsse seiner Verdienste hatte, ungestoͤret. Jch vor meine Person konnte natuͤrlicher Wei- se nicht die geringste Begierde haben, ihm diese stoltze Zufriedenheit mit sich selbst zu rauben; weil ich, was auch seine b 3 wun- ( o ) wunderlichen Schriften in Sachsen vor Aufsehen gemacht hatten, nicht wuste, daß er in der Welt war. Allein das Maaß seiner gelehrten Ausschweifungen war voll, und ich muste, wieder alles Vermuthen, seine Geissel seyn. Meine Anmerckungen uͤber die Geschich- te von der Zerstoͤrung der Stadt Jerusa- lem gaben Gelegenheit dazu. Einer mei- ner Freunde brachte diese Anmerckungen nach Sachsen, und sie hatten das Gluͤck, ge- wissen Leuten daselbest zu gefallen. Man glaubte, eine Satyre von eben der Art, wuͤrde dem Hrn. Prof. Philippi sehr heil- sahm seyn, und ich ward instaͤndig ersu- chet, mich auch uͤber diesen elenden Scri- benten zu erbarmen. Man schickte mir zu dem Ende seine sechs deutsche Reden, und ertheilte mir eine umstaͤndliche Nach- richt von seiner Person und von seinen Um- staͤnden. Jch gestehe, es kam mir hart vor, gegen einen Menschen zu schreiben, den ich nicht kannte, und der mir niemahlen das gering- ste zuwieder gethan hatte. Allein ich trug, aus gewissen Ursachen, Bedencken, denen- jenigen, die mich darum ersuchten, ihr Begehren abzuschlagen. Jch laß uͤberdem das ( o ) das Helden-Gedicht auf den Koͤnig von Pohlen, nebst den sechs deutschen Re- den, und muß bekennen, daß ich uͤber die- se zwo Proben der heroischen Beredsam- keit des Hrn. Prof. Philippi erstaunte. Siehe! sprach ich, hier ist mehr, als Sie- vers, und verfertigte, ohne mir weiter den geringsten Scrupel zu machen, meine Lob- rede auf dem Hrn. Prof. Philippi, der ich den Titel, Briontes der juͤngere, gab. Man mag von dieser Satyre sagen, was man will, so wird man doch bekennen muͤs- sen, daß sie nichts, als eine Critick der sechs deutschen Reden des Hrn. Prof. Phi- lippi in sich fasset, und so bescheiden ein- gerichtet ist! daß man leicht sehen kan, daß mich nicht ein Haß gegen die Person des Hn. Prof. Philippi, sondern bloß ein gerechter Eifer wieder seine laͤcherliche Beredsamkeit bewogen habe, dieselbe zu schreiben. Zum wenigsten glaubte man in Sachsen, der Hr. Prof. Philippi sey noch zu gelinde davon gekommen; und dieser haͤllische Redner haͤt- te also Ursache gehabt, GOtt zu dancken, daß er ihn in meine Haͤnde fallen lassen. Allein so gerieth er in die aͤusserste Wut. Er glaubte, seine Ehre sey auf das empfind- lichste verletzet. Es verdroß ihn, daß mei- b 4 ne ( o ) ne Schrift wider ihn mit Lust gelesen wur- de; ja das so gar seine Zuhoͤrer den Bri- ontes mit ins Collegium brachten, und einander, in seiner Gegenwart, gantze Stellen daraus vorlasen, und gab sich da- her alle Muͤhe von der Welt, meine Schrift zu unterdruͤcken. Er bediente sich zu dem Ende eines, zwar gemeinen, aber doch sehr unredli- chen und tuͤckischen Mittels. Sein Vater muste an zwey geistliche Glieder des Ober-Consistorii zu Dreßden, die seine Freunde waren, einen beweglichen Brief schreiben, und flehentlich bitten, man moͤchte doch eine mit so entsetzlicher Religi- ons-Spoͤtterey angefuͤllte Schrift nicht so oͤfentlich verkaufen lassen. Jch weiß nicht, was diese Herren vor Muͤhe angewandt haben, ihren flehenden Amts-Bruder zu vergnuͤgen: Das weiß ich aber, daß das Ober-Consistorium kluͤger war, als der Hr. Prof. Philippi und sein Vater; denn alles, was sie erhalten konnten, das war ein kaltsinniger Befehl an die Buͤcher- Commißion zu Leipzig, zu untersuchen, ob sich die Sache so verhalte. Dabey blieb es, und der Briontes ward vor wie nach in Leipzig verkauft. Wer ( o ) Wer der Verfasser dieser Satyre sey, das konnte der Herr Prof. Philippi un- moͤglich errathen. Er suchte ihn in Sach- sen, und der Hr. Prof. Gottsched hatte das Ungluͤck, daß der staͤrckste Verdacht auf ihn fiel. Der Hr. Prof. Philippi setz- te auch wuͤrcklich in der ersten Hitze eine heftige Schrift gegen den Hrn. Gottsched auf, und wuͤrde sie haben drucken lassen, wenn dieser nicht einen hoͤflichen Brief an ihn geschrieben, und ihn heilig versichert haͤtte, daß er den Briontes nicht gemacht habe. Er soll auch dem Hrn. Prof. Phi- lippi in eben diesem Schreiben vertraulich eroͤfnet haben, daß ich der Verfasser die- ser Satyre sey. Jch glaube dieses gerne; denn er war einer von denen, die es am besten wissen konnten. Allein das glaube ich nicht, daß der Hr. Prof. Gottsched, wie Herr Philippi vorgiebt, den Bri- ontes vor ein infames Pasquill erklaͤret habe. Denn ich habe eine viel zu gute Mei- nung von dem Hrn. Gottsched, als daß ich mir sollte einbilden koͤnnen, daß er, aus Furcht, vor einem gar nicht furchtbaren Manne, einer Schrift, die ihm gewiß nicht zuwider war, und die er wenigstens vor b 5 er- ( o ) ertraͤglich hielte, wider sein Gewissen ei- nen so schimpflichen Titel beygeleget habe. Er mag indessen an den Hrn. Prof. Phi- lippi geschrieben haben, was er will, so trauete dieser doch seinen Versicherungen so wenig, als seinen vertraulichen Nach- richten, und hielt ihn dennoch vor seinen Feind und Verfolger. Zwar wuste er nicht gewiß, ob Herr Gottsched den Brion- tes gemacht habe, oder wer sonst der Ver- fasser desselben sey? Allein diese Ungewiß- heit hinderte ihn nicht, seine Ehre gegen seinen unbekannten Feind zu retten. Er schrieb zu dem Ende noch im Jahr 1732. seine sieben neue Versuche Die Titel dieser neuen Versuche waren folgende: 1) Rede von dem Character der kleinen Redner, als eine vorlaͤufige Abfertigung der Satyre Bri- ontes; 2) Daß der Verstand alle Gewalt uͤber- trefe; 3) Der Character der Freygeisterey und wahrer Verdienst ꝛc. 4) Von grossen, mittelmaͤßi- gen und kleinen Genies, besonders von der Nieder- traͤchtigkeit der kleinen Geister; 5) Send-Schrei- ben wegen Guͤltigkeit der Woͤrter: Tuckmaͤuser, Saalbader, Charletan und Pedant ꝛc. 6) Die großmuͤthige Verachtung, als eine erlaubte Noth- wehre gegen unrechtmaͤßige Gewalt, Unverstand und Verlaͤumbdung; 7) die Bedaurung von Red- lichgefinnten, als ein Bewegungs-Grund sich mit Pasquillanten in keine Streitschristen einzulassen. Jn in der dent- schen ( o ) schen Beredsamkeit, und die Schrift: Gleiche Bruͤder, gleiche Kappen ꝛc. So hurtig er mit diesen Schriften fertig war, so langsam gieng es mit dem Druck. Niemand wolte sie verlegen, und er bot sie in Leipzig und Hamburg vergebens aus. Sein Manuscript indessen gerieth an bey- den Orten, ich weiß nicht, auf was Art, meinen Freunden in die Haͤnde, welche mir einen vollstaͤndigen Auszug aus den Kappen, in so ferne sie mich angiengen, und eine Abschrift von dem ersten der sie- ben neuen Versuche, welcher wider die Gesellschaft der kleinen Geister gerichtet war, zuschickten. Jch entschloß mich gleich, beydes drucken zu lassen, und zu beant- worten. Nicht darum, daß ich dieses elen- Jn dem 15 ten Stuͤcke des Hamburgischen Cor- respondenten von 1733. wird zwar gesagt, der Hr. Prof. Philippi habe seine sieben neuen Versu- che zu Hamburg unter die Presse gegeben. Allein das war nur Schertz. Jn Hamburg wollte sie nie- mand haben. Man schickte sie dem Hrn. Prof. Philippi wieder, und ich weiß nicht, was er damit gemacht hat. Jch glaube, er hat sie untergesteckt, oder wenigstens das vornehmste daraus in der Vor- rede zu seinem Windbeutel, und in seinen Mo- ralischen Bilonissen, mit welchen er die Maxi- mes de la Marquisé de Sablé erlaͤutert hat, ange- bracht. ( o ) elende Zeug der geringsten Antwort wuͤr- dig schaͤtzte, sondern aus gantz andern Ur- sachen. Jch hatte, seit dem ich, um meiner Suͤnden willen, ein Scribent geworden war, so viel ungereimte und laͤcherliche Urtheile von der satyrischen Schreib-Art uͤberhaupt, und von meinen Schriften ins besondere anhoͤren muͤssen, daß ich es nicht laͤnger erdulden konnte. Zwar kan ich mich nicht daruͤber beschweren, daß man gar zu veraͤchtlich von meinen Schrif- ten geredet haͤtte; Man lobte sie mehr, als sie es verdienten. Allein auch dieje- nigen, welche sie lobten, begleiteten ihr gezwungenes Lob mit einem haͤmischen Aber, das mir empfindlicher war, als wenn man meine Art zu dencken und zu schrei- ben gerade weg getadelt, oder mich gar mit meinen poßierlichen Gegnern in eine Clas- se gesetzet haͤtte. Dieses Aber sollte die Weißheit und Bil- ligkeit des Heuchlers andeuten, der sich des- selben bediente: Allein es war doch nichts, als eine Frucht der Einfalt und Boßheit, und weit unchristlicher und verdamm- licher, als alle meine Satyren. Man sprach: „Es sey doch gleichwohl unbillig und ( o ) und unchristlich, daß ich ehrliche Leu-„ te so empfindlich kraͤnckte, die mir nim-„ mer etwas zuwieder gethan haͤtten. Es„ gienge mich ja nicht an, ob die Schriften„ dieser Leute gut oder schlecht gerathen waͤ-„ ren. Man muͤsse sich nicht klug duͤncken„ lassen, jederman zu tadeln. Die satyri-„ sche Schreibart sey einem Christen unan-„ staͤndig. Meine Schriften waͤren Pas-„ quille, und ich muͤste ein sehr boßhaftes„ Gemuͤth haben. Jch bezeugte auch eine„ schlechte Ehrerbietung gegen die heilige„ Schrift, mißbrauchte biblischer Redens-„ Arten, und man saͤhe wohl, daß ich wenig„ Religion haͤtte, weil alles, was ich ge-„ schrieben mit Religions-Spoͤttereyen an-„ gefuͤllet sey u. s. w.‟ Es haͤtte mich nicht verdriessen sollen, wenn diese unbilligen Urtheile nur von Leuten waͤren gefaͤllet worden, denen ihre Einfalt, oder ihr Amt ein Recht giebt, zu sagen, was sie wollen: Allein so muste ich sie auch von Leuten hoͤren, die klug seyn wollten, und die es, ohne Verletzung ihres Gewissens, seyn konnten. Jch ler- nete daraus, daß ein gesunder Verstand seltener ist, als man insgemein glaubet, und fand vor noͤthig, meinen unbilligen Rich- ( o ) Richtern zu zeigen, daß es ihnen haupt- saͤchlich daran fehle. Dasjenige, was mich vornehmlich dazu bewog, das war der Vorwurf von der Religions-Spoͤtterey, der ungegruͤndete- ste, und boßhafteste von allen. Es ver- droß mich, daß man, obgleich meine Schrif- ten von keinen Religions-Materien han- delten, dennoch so dreiste und verwegen von meinem Glauben und Unglauben ur- theilete, als wenn ich einen Catechismus geschrieben haͤtte, und ich verfertigte dem- nach im Jahr 1733. die Unpartheyische Untersuchung der frage: Ob die be- kannte Satyre Briontes der juͤnge- re mit entsetzlichen Religions-Spoͤtte- reyen angefuͤllet, und eine strafbare Schrift sey? ꝛc. Jch bemuͤhete mich in dieser Schrift, den mich richtenden Pharisaͤern einmahl vor allemahl das Maul zu stopfen. Jch glaube nicht, daß ich sie gaͤntzlich bekehret habe: doch fiengen sie an, sich zu schaͤmen, und wurden stille. Weil indessen der Hr. Prof. Philippi den Vorwurf von Religions-Spoͤtterey- en, durch welchen er das Ober-Consisto- rium wieder den Briontes haͤtte aufbrin- gen ( o ) gen wollen, in seinen so genanten Kap- pen wiederholet, und zur Vertheidigung seiner sechs deurschen Reden unterschie- denes vorgebracht hatte; so bediente ich mich der Gelegenheit, auch ihm seine Ab- fertigung zu geben, und ruͤckte den mir zugeschickten Auszug aus seinen, damahls noch ungedruckten, Kappen in meine unpartheyische Untersuchung ein. Jch bewieß, daß diese Schrift im hoͤch- sten Grad albern, und so beschafen sey, das es nicht zu glauben, daß der Hr. Prof. Philippi sie gemacht habe. Jch sprach sie ihm auch wuͤrcklich aus vierzehn wichti- gen Gruͤnden ab. Allein der Hr. Prof. Philippi hat sich dennoch nicht geschamet, dieses abentheurliche Werckchen oͤfentlich vor das seine zu erkennen, und es im Jahr 1735, als einen Anhang zu seinem ruͤchti- gen Buche: Cicero, ein grosser Wind- beutel ꝛc. drucken zu lassen. Eben dieses Buͤchlein pranget noch mit einem andern Anhange, welcher Acht Vertheidigungs-Schriften wieder eben so viel Chartequen in sich fasset. Eine derselben ist wieder meine unpar- theyische Untersuchung gerichtet, und gantz poßierlich. Der Hr. Prof. Philip- pi ( o ) pi zieht 80 seltsame Reden aus meiner Schrift, und sagt Dinge daruͤber, die lustig genug zu lesen sind; aber den elen- den Zustand des armen Menschen so klar an den Tag legen, daß ich mich ein Ge- wissen gemacht habe, darauf zu antworten. Damit ich nicht noͤthig habe, ferner von dem Buche: Cicero ein grosser Windbeutel ꝛc. zu reden, so muß ich noch sagen, daß man einen vollstaͤndigen Auszug aus demselben in dem 12 ten Stuͤ- cke der Niedersaͤchsischen Nachrichten auf das Jahr 1735 findet. Der Aus- zug ist von mir, und fasset alle Selten- heiten dieser laͤcherlichen Schrift, und zu- gleich eine Critick derselben in sich. Es hat auch der Hr. Prof. Philippi wegen seines an dem Cicero veruͤbten Frevels in dem 20 ten Stuͤcke des Hamburgischen Correspondenten von 1735 sein Urtheil aus dem Seneca empfangen. Nachdem ich also der Welt den Auszug einer Schrift mitgetheilet hatte, der sie sonst noch eine ziemliche Zeit wuͤrde ha- ben entbehren muͤssen; so saͤumete ich nicht, auch die Rede des Hrn. Prof. Philippi an die Gesellschaft der kleinen Geister, von der ich eine Abschrift erhalten hatte, zum Druck ( o ) Druck zu befordern. Jch gab ihr den Titel: Stand-oder Antritts-Rede, welche der Hr. Prof. Philippi in der Gesellschaft der kleinen Geister gehal- ten hat ꝛc. Jch beantwortete sie im Nah- men des Aeltesten dieser Gesellschaft. Die- se Antwort ist unstreitig die giftigste Schrift, die ich gegen dem Hrn. Prof. Philippi gemacht habe, Und dennoch sagt der Doctor Hartmann zu Erfurt, in seiner Anleitung zur Historie der Leibnitz- Wolfischen Philosophie p. 951. 952. daß Phi- lippi diese Schrift gemacht habe, und daß darinn der mathematische Versuch wider jederman verthei- diget werde. Es ist dieses ein Fehler, den er nicht wuͤrde begangen haben, wenn er sich nur feste an sei- nen, ihm so nuͤtzlichen Vorgaͤnger, den Hrn. Lu- dovici, den er vor Augen gehabt zu haben scheinet, gehalten haͤtte: Aber da er kluͤger seyn will, so sagt er etwas, das eben so wahr ist, als daß, wie er p. 134. meinet, die Socinianer kurtz nach dem Ni- cenischen Concilio entstanden. und ich glau- be nicht, daß er jemahlen auf eine unbarm- hertzigere Weise gemißhandelt worden. Allein er empfieng, was seine Thaten werth waren. Warum gab er sich mit mir ins Spotten? Warum wagte er sich in die Jronie, eine Figur, die ihm zu hoch war? Uber mich kan er sich nicht beschwe- ren, und thut er es, so antworte ich ihm: c Hæc ( o ) Hæc scripsi … ut eo ipso in genere, in quo aliquid posse vis, te nihil esse cog- nosceres Cicer o Epist. Ad Fam. Lib. VII. ep. 27. . Jndessen war dieses meine eintzige Ab- sicht nicht; sondern ich hatte noch einen andern Zweck. Der Hr. Prof. Philippi hatte zwo Schriften ausgehen lassen, an welchen wenig gesundes war. Die eine war seine thuͤringische Historie/ und die andere sein mathematischer Ver- such von der Unmoͤglichkeit einer ewi- gen Welt Der Hr. Prof. Philippi hatte in der ersten dem Chur-Hause Sach- sen die Bißthuͤmer Merseburg und Naum- burg gaͤntzlich abgesprochen; ja er war gar so thoͤrigt, daß er sich einbildete, fei- ne elende Schrift habe zu unterschiedenen harten Rescripten Anlaß gegeben, wel- che zu der Zeit, als der kaͤyserliche und saͤchsische Hof, bekannter maassen, nicht wohl mit einander standen, dieser Biß- thuͤmer wegen an den verstorbenen Koͤnig von Pohlen ergiengen. Man hatte mich ersuchet, den Hrn. Prof. Philippi dieses Frevels und Stoltzes wegen zu zuͤchtigen, und ihm zu weisen, daß seine thuͤringi sche Historie kein Werck sey, auf wel- ches ( o ) ches er sich viel einzubilden Ursache haͤtte. Dieses suchte ich, meinem in einer Anmer- ckung zu dem Briontes gethanen Ver- sprechen zu Folge, in dieser Beantwor- tung der philippischen Anrede an die Ge- sellschaft der kleinen Geister, ins Werck zu richten, und der mathematische Ver- such von der Unmoͤglichkeit einer ewi- gen Welt muste, bey der Gelegenheit, mit an den Tantz. Jch war nicht der eintzige, dem diese letzte Schrift laͤcherlich vorkam. Sie war schon, ehe ich dieselbe gesehen hatte, in zwo unterschiedenen Satyren, mit unter- schiedenem Gluͤcke, angegrifen worden. Die erste war das Sendschreiben der fuͤnf Schwestern an den Hrn. Prof. Philippi. Die fuͤnf Schwestern waren die fuͤnf Sinnen, und die Satyre war, so viel ich mich erinnere, artig genug ge- schrieben. Sie gieng nur zu Leipzig im Manuscript herum, und der Hr. Prof. Philippi, dem eine Abschrift davon in die Haͤnde fiel, ließ sie unter dem Titel: Wun- derseltsames Fuͤndel-Kind ꝛc. im Jahr 1733 mit Anmerckungen drucken. Jch habe dieser Anmerckungen in meiner un- partheyischen Untersuchung erweh- c 2 net, ( o ) net, und dem Hrn. Prof. Philippi, wie die Kappen, abgesprochen. Der Hr. Prof. Philippi meinet in diesen Anmer- ckungen, daß ich Vater zu dem so genann- ten Fuͤndel-Kinde sey. Allein er thut mir Unrecht. Jch bin an dieser Satyre unschuldig, und habe auch nimmer erfah- ren koͤnnen, wer der Verfasser derselben sey. Die andere Satyre, welche wieder den mathematischen Versuch heraus kam, fuͤhrte den Titel: Abgestrafter Vor- witz eines unbesonnenen Critici ꝛc. Sie war in Versen geschrieben, welche der Verfasser mit Anmerckungen erlaͤuter- te. Er nennete sich Grimaldo, und gab sich auf dem Titel vor einen dem Hrn. Prof. Philippi wohlbekannten Weissenfelser aus. Er hieß aber Gruͤtzner, und war ein Student aus Jena. Jch kenne den Menschen nicht: Aber, nach seiner Schrift zu urtheilen, ist es ein armer Suͤnder, der nur immer haͤtte zu Hause bleiben moͤgen. Der Hr. Prof. Philippi hat ihn auch in dem Anhange zu seinem Windbeutel nach Verdienst gezuͤchtiget, und mir selbst kam sein Geschmier so abscheulich und unertraͤg- lich vor, daß ich eine scharfe Censur des- selben ( o ) selben in das 80 te Stuͤck des Hambur- gischen Correspondenten von 1733 se- tzen ließ. Der gute Grimaldo empfand dieses so hoch, daß er drohete, er wollte auch wieder den Verfasser des Correspon- denten schreiben. Es ist aber, so viel ich weiß, nichts daraus geworden. Der Hr. Prof. Philippi indessen war viel zu streitbar, als daß er meine Stand- oder Antritts-Rede haͤtte unbeantwor- tet lassen sollen. Er gab, auf frischer That, eine kleine Schrift dagegen heraus, welche er ein Bedencken der patrioti- schen Assemblée nennete. Jch weiß den Jnhalt dieser Schrift nicht mehr; So viel weiß ich, daß sie sehr grob und einfaͤltig ge- rathen war. Mittlerweile nun, daß ich mit der Ver- fertigung meiner Antwort auf die phi- lippische Stand-Rede beschaͤftiget war, spielte man dem Hrn. Prof. Philippi ei- nen Streich, dessen er sich nicht versahe. Es war dieser kurzweilige Redner in ein reiches und junges Frauenzimmer zu Leip- zig sterblich verliebt gewesen, und hatte dieser seiner Goͤttin zu Ehren ein Schaͤ- fer-Gedicht gemacht, welches die Frau von Ziegler in Verwahrung hatte, und c 3 sehr ( o ) sehr geheim hielt. Es fiel aber doch, ich weiß nicht, durch was vor einen Zufall, gewissen Leuten zu Leipzig in die Haͤnde; die schickten es nach Hamburg, und ba- ten, man moͤchte es daselbst zum Druck befordern. Von Hamburg ward es an mich nach Luͤbeck geschickt, und ich gab ihm den Nahmen: Sottises champêtres , oder Schaͤfer-Gedicht des Hrn. Prof. Philippi ꝛc. machte eine kurtze Vorrede dazu, und schickte es wieder nach Ham- burg, woselbst es, nachdem ein anderer guter Freund den Jnhalt dazu gemacht hatte, eiligst gedruckt ward. Die frau von Ziegler empfand die Bekanntmachung dieses Schaͤfer-Gedich- tes sehr hoch. Jch weiß nicht, was sie vor Ursachen dazu hatte; doch kan ich ver- sichern, daß, wenn ich dieses vorher gewust haͤtte, die besondere Ehrerbietung, welche ich gegen diese Dame hege, mich wuͤrde abgehalten haben, das geringste zu der Herausgabe dieses philippischen Schaͤfer- Gedichtes beyzutragen. Was den Hrn. Prof. Philippi anlan- get, so setzten ihn die Sottises champêtres in der aͤusserste Wut. Er verfiel wieder auf die alten Grillen, daß Hr. Gottsched sein ( o ) sein Verfolger sey, und gab, unter dem Nahmen eines Freyherrn von frohen- muth, gegen diesen gantz unschuldigen Mann eine Schrift heraus, die er Sotti- ses galantes nennete, und in welcher er den Hrn. Prof. Gottsched, auf eine recht rasende Art, angrif. Der Hr. Prof. Gott- sched wehlte, statt der Rache, ein groß- muͤthiges Stillschweigen, und er that wohl daran. Eine so ehrenruͤhrige Schand- Schrift war keiner Beantwortung wuͤr- dig. Als der Lerm wegen der Sottises cham- pêtres und galantes vorbey war, kam al- lererst die Stand- und Antritts-Rede ans Licht. Jch gedachte, dieses sollte mei- ne lezte Schrift gegen den Hrn. Prof. Phi- lippi seyn: Aber ich muste noch einen Gang mit ihm wagen. Er gab im Jahr 1734 eine Ubersetzung der Maximes de la Marquise de Sablé heraus, welche er mit 366 moralischen Bildnissen erlaͤutert hatte. Von dieser Ubersetzung ward in dem 83 ten Stuͤcke des Hamburgischen Correspondenten von 1734 sehr veraͤchtlich geurtheilet, und der Hr. Prof. Philippi nahm diese Freyheit, welcher der Verfasser des Cor- c 4 respon- ( o ) respondenten sich gegen ihn bedienet hatte, so uͤbel, daß er sich bey dem Rath zu Ham- burg daruͤber beschwerete, und seinen Brief an den Rath, ich weiß nicht, warum, drucken ließ. Aus diesem Briefe, der auf gewisse Maasse, nicht ohne Wirckung war, leuchtete so viel Boßheit, und ein so uner- traͤglicher Stoltz hervor, daß ich, so bald ich ihn laß, den Entschluß fassete, die laͤ- cherliche Schrift, uͤber deren Censur der Herr Prof. Philippi sich beschwerete, noch schaͤrfer vorzunehmen, als der Ver- fasser des Corresondenten gethan hatte. Denn, die Wahrheit zu sagen, es ver- droß mich, daß der Hr. Prof. Philippi, nach aller meiner Muͤhe, die ich mir ge- geben hatte, ihn zu demuͤthigen, sich doch noch so trotzig geberdete, und unverschaͤmt genug war, mit Ungestuͤm zu verlangen, daß die Leute anders, als mit Verachtung und Abscheu von seinen Schriften reden solten. Jch wolte ihm demnach den Rest geben, und schrieb den glaubwuͤrdigen Bericht eines Medici von dem Zustande, in welchem er den Hrn. Prof. Philippi den 20ten Junius 1734 angetroffen. Jch fuͤhrte in diesem Bericht den Herrn Prof. ( o ) Prof. Philippi redend ein. Er muste sei- ne Fehler bereuen, seine Schriften ver- fluchen, und von seiner Ubersetzung der Maximes de la Marquise de Sablé, und allen ihren Zusaͤtzen, so viel boͤses sagen, als ich glaubte, daß eine so laͤppische Schrift verdiente. Jn der Vorrede sagte ich, der Hr. Prof. Philppi sey den 21ten Junius wuͤrcklich gestorben. Dieses Vorgeben war falsch: Aber daß der Hr. Prof. Philip- pi Schlaͤge bekommen hatte, das war mehr, als zu wahr. Er bekam sie unge- fehr um die Zeit, als ich gesaget hatte, in einem Wirthshause zu Halle, von zwe- en Officieren, gegen welche er sich sehr unnuͤtze gemacht hatte. Ja er war von diesen unbarmhertzigen Kriegs-Knechten so zugerichtet worden, daß man ihn hat- te nach Hause tragen muͤssen. Dieses war die Begebenheit, welche mich veranlasste, meiner Satyre die Tour zu geben, die ich ihr gegeben habe. An die andern Schlaͤge, die der Hr. Prof. Philippi kurtz darauf von hoͤherer Hand bekommen hatte, habe ich nicht gedacht. Jch hielte es vor niedertraͤchtig, uͤber ei- nen Unfall zu spotten, der einem jeden ehrlichen Manne haͤtte begegnen koͤnnen, c 5 und ( o ) und beklagte den Hrn. Prof. Philippi von Hertzen. Jndessen hatten diese letzten Schlaͤge den Hrn. Prof. Philippi gezwungen, Hal- le, und seine ausserordentliche Professur zu verlassen, und ihn in einen Stand gesetzet, daß er, ich weiß nicht was, dar- um haͤtte geben sollen, daß meine Nach- richt von seinem Tode wahr gewesen waͤ- re. Er war unstet und fluͤchtig, und hat- te alle Muͤhe von der Welt, den Haͤnden der Merseburgischen Regierung zu entge- hen, die ein Urtheil an ihm vollziehen woll- te, in welchem ihm, ich weiß nicht wa- rum, ein zweyjaͤhriges Gefaͤngniß zu er- kannt war. Aber, dem allen ungeachtet wollte er doch nicht tod seyn. Er ließ, wiewohl nicht in seinem Nahmen, von Goͤttingen aus einen Aufsatz in die ham- burgischen Berichte ruͤcken, in welchem ich, der ich ihm dieses nachgeredet hatte, ein nahmloser Pasquillant genennet, und aller Welt kund gethan wurde, der Hr. Prof. Philippi sey noch am Leben, und befinde sich in Goͤttingen. Das war nun wohl der Muͤhe werth, und es stand dem Hrn. Prof. Philippi, der in allen Stuͤcken etwas besonders hat- te, ( o ) te, wohl an, auf eine so ernsthafte Art eine Nachricht zu wiedersprechen, die je- derman vor Schertz hielte. Nach meiner Meynung hat der Hr. Prof. Philippi nie- mahlen etwas laͤcherlicheꝛs begangen. Allein er ließ es dabey noch nicht bewenden; son- dern gab eine Schrift gegen den glaub- wuͤrdigen Bericht eines beruͤhmten Medici heraus, in welcher er Dinge sag- te, die mich im geringsten nicht angien- gen. Sie hatte den Titel: Der gehei- men patriotischen Assemblée anderwei- tiges Bedencken an den Herrn Prof. Philippi ꝛc. und war so wunderlich ein- gerichtet, daß man Muͤhe hatte, klug daraus zu werden. Ein so genannter Her- molaus Barbarus, welches, wo mir recht ist, des D. Langens juͤngster Sohn seyn sollte, und ein gewisser Professor zu Hal- le, der nur mit den Buchstaben F. W. angedeutet wurde, behielten nicht vor ei- nen Heller Ehre darinn. Der Hr. Prof. Philippi hatte, aus Ursachen, die mir un- bekannt sind, einen Verdacht auf diese Leu- te geworfen, und glaubte gantz feste, der glaubwuͤrdige Bericht eines Medici sey in Halle gedruckt worden; weil das Exemplar, daß er bekommen hatte, noch naß ( o ) naß gewesen war. Allein er betrog sich; denn ich hatte diese Schrift in Mecklen- burg auf dem Lande gemacht, und zu Lauenburg drucken lassen. Was man uͤbrigens in dem Bericht des Medici den sterbenden Philippi von sich und seinen Schriften hatte sagen las- sen, das uͤbergieng die geheime patrioti- sche Assemblée, ob es gleich das Haupt- werck war, mit Stillschweigen, und be- muͤhete sich nur, zu beweisen/ daß der Hr. Prof. Philippi noch lebe. Es gab also der ehrliche Mann seine, ihm sonst so liebe, Schriften Preiß, um sein Leben zu retten. Denn tod wollte er mit Ge- walt nicht seyn. Er hielte es vor eine Beschimpfung, daß ich dieses von ihm ge- saget hatte: Er stieß die groͤbsten Schelt- worte wieder mich aus, und stellete sich nicht anders, als wenn ein seeliger Tod eine Sache gewesen waͤre, der sich ein ehrlicher Mann zu schaͤmen haͤtte. Mir kam dieses Verfahren sehr wun- derlich vor. Jch gedachte bey mir selbst: Es sind so viele ehrliche Leute gestorben, und der Hr. Prof. Philippi meint, es sey ihm eine Schande! Lumina ( o ) Lumina sis oculis etiam bonus Ancus reliquit, Qui melior multis quam tu fuit improbe re- bus; Inde alii multi reges, rerumque po- tentes Occiderunt, magnis qui gentibus im- peritarunt. . . . . . . . . . . . . Ipse Epicurus obit decurso lumine vitæ, Qui genus humanumingenio supera- vit, \& omnes Præstrinxit stellas, exortus uti æthe- reus Sol. Tu’ vero dubitabis \& indignabere obire Mortua cui vita est prope jam vivo atque vident. Lucret. Lib. IV. Diese Gedancken veranlasseten mich, es mit der geheimen patriotischen Assem- blée aufzunehmen, und ihr aus Gruͤnden die sie mir, durch ihren laͤcherlichen, un- noͤthigen und unbedachtsamen Wieder- spruch, selbst an die Hand gegeben hatte, zu beweisen, daß der Hr. Prof. Philippi dennoch gestorben sey. Jch ( o ) Jch schrieb zu dem Ende zu Anfang des 1735 ten Jahrs meine bescheidene Be- antwortung der Einwuͤrfe, welche einige Freunde des Hrn. Prof. Phi- lippi wieder die Nachricht von des- sen Tode gemacht haben. Der Herr Prof. Philippi hat nicht darauf geant- wortet. Und daran hat er, meines Er- achtens, sehr weißlich gehandelt. Denn wenn er haͤtte fortfahren wollen, im Nah- men der patriotischen Assemblée, auf eben dem Fuß, gegen mich zu schreiben; so wuͤrde die Sache, woruͤber wir strit- ten, so zweifelhaft geworden seyn, daß niemand, und so gar er selbst, zuletzt nicht gewust haben wuͤrde, ob er lebe, oder tod sey. Man kan hieraus lernen, wie ungluͤcklich die Leute sind, die keinen Schertz verstehen, und wie nothwendig solche Leu- te, denen, welche ihnen die Ehre thun, mit ihnen zu scherzen, durch ihre Heftig- keit, und durch ihren ernsthaften und un- noͤthigen Wiederspruch, die Waffen in die Hande geben muͤssen, sie noch laͤcher- licher zu machen. Meine Absicht war, den Hrn. Prof. Philippi zu guter letzt wenigstens noch von dieser Wahrheit zu uͤberfuͤhren. Nach der Zeit habe ich weiter mit ihm nichts zuthun gehabt. Er ( o ) Er gerieth auch kurtz darauf in einen Zustand, daß man seiner, ohne Suͤnde, ferner nicht spotten konnte. Da er, wie ich schon erwehnet habe, genoͤthiget wur- de, Halle zu verlassen, so begab er sich nach Goͤttingen. Allein, ausser, daß die merseburgische Regierung ihn noch immer verfolgte, und auf seine Auslieferung drang, so wollte es auch sonst daselbst mit ihm nicht fort. Er fieng an zu lesen, und seinen Freydenck er herauszugeben. Man wollte es aber nicht leiden, und es ward ihm so wohl das lesen, als das Buͤcher schreiben gaͤntzlich verboten. Jch bekenne, die Diaͤt, welche man ihm durch dieses Verbot vorschrieb, war seinem innern Menschen sehr heilsam; aber der aͤussere muste nothwendig dabey zu kurtz kommen, und das, deucht mich, war zu hart. Al- lein nicht lange darauf gieng es ihm noch aͤrger. Er bekam das Consilium abeun- di, und ward, wie man mir berichtet hat, bey hellem Tage zum Thor hinaus ge- bracht. Ob nun gleich dadurch erfuͤllet ward, was ich von seiner ploͤtzlichen Ver- schwindung in meiner letzten Schrift ge- weissaget hatte; so habe ich ihn dennoch von Hertzen bedauret, und haͤtte lieber ein ( o ) ein falscher Prophet seyn, als ihn derge- stalt beschimpfet sehen moͤgen. Was man in Goͤttingen vor Ursachen gehabt habe, so hart mit einem Manne zu verfahren, der doch, was er sonst auch vor Schwachheiten an sich hatte, einmahl ein Doctor und Professor war, das kan ich nicht sagen. Jch habe das Verbre- chen des Hrn. Prof. Philippi nimmer er- fahren koͤnnen. Vermuthlich hat er sein Un- gluͤck seinem Freydencker zu dancken. Denn in dieser elenden Wochen-Schrift soll er keines Menschen verschonet haben. Neun Stuͤcke habe ich davon gesehen, und ich glaube nicht, daß sie weiter fortgesetzet ist, weil man dem Hrn. Prof. Philippi das Handwerck gar zu bald legte. Was nun diesem ehrlichen Manne nach seiner Vertreibung von Goͤttingen begeg- net ist, das weiß ich so eigentlich nicht. Viel Freude hat er, allem Ansehen nach, nicht gehabt. Denn er hat nach der Zeit seinen Vater verlohren, und, wie man sagt, auch zu Jena das Consilium abeun- di bekommen. Er soll aber, wie ich hoͤre, jetzo wieder da seyn. Auf meine Schriften gegen dem Hrn. Mag. Sievers und den Hrn. Prof. Phi- lippi ( o ) lippi folget in dieser Sammlung eine Sa- tyre, die gegen niemand ins besondere ge- richtet ist. Sie handelt von der Vor- treflichkeit und Nothwendigkeit der elenden Scribenten. Jch versprach die- se Schrift in dem Schreiben des Rit- ters Clifton an den Samojeden, und dieses Versprechen erfuͤllete ich im Jahr 1734. Es hat diese Satyre unter allen mei- nen Schriften den besten Abgang gehabt, und ist schon im Jahr 1736 wieder aufge- leget worden. Jch schliesse daraus, daß es doch noch Leute gegeben haben muͤsse, welche dieselbe mit andern Augen angese- hen, als Herr Reimmann. Diesem Pre- laten will sie gar nicht gefallen. Scrip- tores miserandos, sagt er in Catalogo Biblioth. Reimmanniana Cap. III. §. 468. p. 732. , eos esse judicat autor, qui, quicquid in buccam defluit, in chartam conjiciunt, \& mo- numenta sine ratione (p. I-78) \& ordi- ne (p. 78-90) \& ornatu (p. 90-97) corrogata in vulgus spargunt. Atque ad hunc censum spectare cum aliis sex- centis Happelium, Menantem, Uhse- nium, Hubnerum (p. 53) D. J. E. Phi- d lippi, ( o ) lippi, S-v-s, R-d-gstum (p. 8. 36. 42. 43. 49. 50. 71. 85. 90). Nec desunt, qui temere negligenterque libros ad compo- nendos se accingunt, nullo delecturerum \& verborum habito. Scribimus indocti doctique poemata passim. Sed accusat tantummodo non coarguit Autor, quorum nomina profert, nec ullo documento ostendit, eos esse ta- les, contra quos ingeminat tremulos na- so crispante cachinnos. Nec qui vilio- ris sunt ordinis scriptores exsibilandos propinat solum; Sed \& rectores Reipu- blicæ \& doctores Ecclesiæ (p. 18. 28. 29. 41). Dicta etiam S. S. non raró sannis conspuit. Et quam in aliis redarguit culpam interdum ipsemet committit, \& ordinem in scribendo negligit Vsque adeo in sese tentat descendere nemo Sed præcedenti spectatur mantica tergo. Jch weiß nicht, ob man veraͤchtlicher von einem Buche urtheilen kan? Darum aber werde ich doch nicht boͤse. Hr. Reim- mann hat mein Buch bezahlet: Er hat es in seiner Bibliotheck: Er kan davon sa- gen, ( o ) gen, was ihm gut duͤncket. Dieses ist ein Recht, das ich ihm nicht streitig mache. Nur bitte ich mir die Erlaubniß aus, ihm zu sagen, daß ich Muͤhe habe, in dem Urtheile, welches er von meiner Schrift faͤllet, die Ueberlegung, die Billigkeit und die Unpartheylichkeit zu finden, die ich von ihm vermuthet haͤtte. Jch will nicht untersuchen, was seine zaͤrtliche, und ihm so unanstaͤndige Neigung zu gewissen laͤ- cherlichen Schreibern vor Ursachen hat: A- ber ich beklage, daß er sich durch diese un- gluͤckseelige Zaͤrtlichkeit verleiten lassen, von meiner Schrift ein Urtheil zu faͤllen, daß so unbillig, und ihm so wohl, als mir nachtheilig ist. Er rechnet es mir als ein grosses Ver- sehen an, daß ich mit keinem Worte be- wiesen habe, daß die enigen, welche ich in meiner Schrift unter die elenden Scri- benten zehle, wuͤrcklich elende Scriben- ten sind. Jch sage ihm aber, daß, ohne dieses Versehen, mein Buch das albern- ste Buch von der Welt seyn wuͤrde. Jst ihm dieses zu hoch, so beliebe er folgendes zu mercken. Meine Absicht war nicht, zu beweisen, daß dieser oder jener ein elender Scribent d 2 sey; ( o ) sey; sondern, daß die elenden Scribenten die vortreflichsten, besten und nuͤtzlichsten unter allen sind. Ein elender Scribent seyn, das war folglich, nach meiner Mei- nung, eine ruͤhmliche Eigenschaft. Ruͤhm- liche Eigenschaften kan ich aber einem bey- legen, ohne daß ich noͤthig habe, zu be- weisen, daß er dieselben wuͤrcklich besitze: Ja wenn ich einen recht loben will, so se- tze ich, als bekannt, voraus, daß er mein Lob verdienet. Jch lobte diejenigen, die ich in meiner Schrift nenne, und war al- so nicht nur berechtiget; sondern auch, nach den Regeln der ironischen Hoͤflichkeit, ver- bunden, sie, ohne den geringsten Beweiß, in die Classe der elenden Scribenten zu se- tzen. Haͤtte ich es anders gemacht, so haͤt- te ich meinem Caracter entgegen gehan- delt: Mein verstelltes Lob wuͤrde alle An- nehmlichkeit verlohren haben, und meine Satyre ein ungesalzenes Gewaͤsche gewor- den, und gantz aus dem Gelencke gekom- men seyn. Wer dieses nicht begreifen kan, der weiß nicht, was Jronie und Satyre ist, und muß von meinem Buche nicht urtheilen. Jch muͤste uͤberdem einen schlechten Be- grif von den Einsichten meiner Leser ge- habt ( o ) habt haben, wenn ich ihnen weitlaͤuftig haͤtte beweisen wollen, daß Happels Mord- Geschichte, Menantes Romane, Uhsens wohl informirter Redner, und Huͤbners Oratorie elende Buͤcher sind. Wer zwei- felt daran? Niemand anders, als einfaͤl- tige Leute, oder Schul-Knaben, die nicht wissen, was recht und linck ist. Was Philippi, Sievers und Rodigast anlan- get, so waren diese drey Helden schon so ruͤchtig, daß es sich nicht der Muͤhe ver- lohnte zu beweisen, daß sie elende Scri- benten waͤren, und es wundert mich sehr, daß Herr Reimmann sich desfalls den ge- ringsten Scrupel macht. Er muß diese Leute gar nicht kennen, und meine Sa- tyren gegen Sievers und Philippi nicht gelesen haben. Denn sonst wuͤrde er sich ja entsehen, diesen armseeligen Scriben- ten das Wort zu reden, und von mir zu verlangen, daß ich beweisen sollen, was weltkuͤndig ist. Ofenbahre Wahrheiten beduͤrfen keines Beweises, und wer nicht glauben will, daß Sievers und Philippi elende Scribenten sind, der lese ihre Schrif- ten, und meine Satyren. Hat er die gelesen, und zweifelt doch noch daran, so weiß ich ihm nicht zu helfen. Vor solche d 3 Leute ( o ) Leute kan ich wohl beten: Aber uͤberzeu- gen kan ich sie nicht. Herr Reimmann spricht ferner: Jch suchte so gar die Regenten und die Lehrer der Kirche laͤcherlich zu machen. Aber er thut mir Unrecht. Jch sage von den Re- genten nichts, als was Salomon und Ju- venal vor mir gesagt haben. Nicht in der Absicht, die Majestaͤten zu laͤstern, wie Herr Reimmann meinet; sondern bloß den Mangel der Vernunft zu ent- schuldigen, den man meinen Bruͤdern, den elenden Scribenten, vorwirft. Mein Character verband mich dazu, und gab mir ein unstreitiges Recht, alles zusammen zu suchen, was in meinen Kram dienete. Da ich nun beym Salomo fand, daß Un- verstand unter den Gewaltigen gemein sey, und sahe, daß Juvenal den Guͤnst- lingen der Grossen fast alle Vernunft ab- sprach: So darf man sich nicht wundern, daß ich mir dieses zu Nutze gemacht habe. Man kan mir dieses um so viel weni- ger verdencken, weil ich gar die Be- hutsahmkeit gebrauchet habe, die harten Ausdruͤckungen der Scribenten welche ich anfuͤhre, zu mildern, und nichts mehr sage, als daß nicht allemahl die Kluͤgsten am ( o ) am Ruder sitzen. Welches eine Wahrheit ist, die ich mir getraue, allen Koͤnigen in die Augen zu sagen, ohne daß sie es mir ungnaͤdig nehmen sollen. Solche allge- meine Wahrheiten verletzen die Ehrer- bietung nicht, die man den Goͤttern auf Erden schuldig ist. Die Grossen dieser Welt sind auch so wunderlich nicht, daß sie sich uͤber den geringsten Schertz, der keinen von ihnen insbesondere trift, ent- ruͤsten sollten, und wenn die Priester nur halb so billig waͤren, so haͤtte ich nicht noͤ- thig, das, was ich in meiner Schrift von ihnen gesagt habe, zu rechtfertigen. Al- lein, ich weiß nicht, wie es zugehet? Die- se Herren sind so argwoͤhnisch, daß sie sich immer einbilden, man spotte ihrer, wenn man von ihnen redet. Dieses ist eine Auffuͤhrung, die man kaum einer bloͤden unerfahrenen Jugend, gebrechlichen Per- sonen, oder Leuten, die kein gut Gewis- sen haben, und sich ofenbahrer Maͤngel bewust sind, zu gute haͤlt. Mich deucht, alten, gesetzten und ehrwuͤrdigen Maͤn- nern wuͤrde ein wenig mehr Großmuth, und eine gewisse Zuversicht zu sich selbst besser anstehen, als ein ewiges Klagen, daß man sie auslachet. Doch gienge es d 4 noch ( o ) noch hin, wenn sie es bey dem Klagen be- wenden liessen: Allein so sind sie, was sie auch andern von der Gedult vorpredigen, empfindlicher als alle andere Menschen, und man hat Ursache, es nicht mit ihnen zu verderben. Car ces Menins de la Cour étherée Sont tous douez d’ un appetit strident De se venger, quand ils sentent la dent Rousseau Tom. II. Ep. 2. p. 35. . Jch muß also auch dasjenige, wessen Hr. Reimmann mich, in Ansehung ihrer, beschuldiget, von mir ablehnen. Da ich meine Schrift nicht bey der Hand habe, so ist es mir zwar unmoͤglich, die Stel- len nach zuschlagen, die Hr. Reimmann, zum Beweiß seiner Beschuldigung, aufuͤhret. Allein ich glaube doch, daß mein gantzes Verbrechen darinn bestehet, daß ich den Mangel der Vernunft, den man an den elenden Scribenten wahrnimmt, da- durch zu rechtfertigen gesuchet habe, daß auch die Gottesgelehrten die Vernunft verwerfen. Man bildet sich vieleicht ein, ich wolle dadurch zu verstehen geben, daß die Gottesgelehrten eben so albern sind, als die veraͤchtliche Schaar der elenden Schrei- ( o ) Schreiber, auf deren Unkosten ich mich lustig mache. Aber dieses ist wahrlich mei- ne Absicht nicht. Jch muͤste ja gantz ra- send seyn, wenn ich nicht begrife, daß zwischen einem Menschen, der seine Ver- nunft in Glaubens-Sachen gefangen nimmt, und einem ofenbahren Gecken, der gar keine Vernunft hat, ein unend- licher Unterscheid sey. Jch erklaͤre mich hiemit oͤfentlich, daß ich diejenigen Got- tesgelehrten, die am meisten wieder den Mißbrauch der Vernunft in goͤttlichen Dingen eyfern, vor die besten und ver- nuͤnftigsten halte. Es ist mir nimmer in den Sinn gekommen, uͤber ihre Auf- fuͤhrung zu spotten, und wer andere Ge- dancken von mir hat, der irret sich. Jch bemuͤhe mich in meiner Schrift, unter der Larve eines elenden Scribenten, der boͤ- sen Sache meiner Bruͤder einen guten Schein zu geben: Aber ich bin so dumm nicht, daß ich nicht sehen sollte, daß alles, was ich sage, Sophistereyen sind. Jch schertze nur, und verlange mit Recht, daß Leute, welche von meinem Buche urthei- len wollen, wenigstens so viel Verstand haben, daß sie Schertz und Ernst unter- scheiden koͤnnen. d 5 Habe ( o ) Habe ich sonst etwas gesagt, daß die Geistlichen verdriessen koͤnnte, so bin ich versichert, daß es entweder in dem, was ich bißher geschrieben habe, seine Ent- schuldigung finden wird; oder ich habe auch wahre Fehler an ihnen getadelt, wel- che rechtschaffene Gottesgelehrte selbst nicht billigen: Und dieses ist kein Verbrechen. Auf die Laͤsterung des Hrn. Reimmans, daß ich auch oft uͤber Spruͤche der heiligen Schrift, wie er gar nachdruͤcklich sagt, meinen satyrischen Geifer ausschuͤtte, will ich alsdann antworten, wann es ihm ge- fallen wird, die Stellen meiner Schrift an- zuzeigen, da ich dieses gethan habe. Vor- ietzo sage ich nur mit ihm: Sed accusat tantummodo Autor non coarguit, \& quam in me redarguit culpam ipsemet committit. Usque adeo in sese tentat descendere nemo Sed præcedenti spectatur mantica ter- go. Dieses ist das weise Epiphonema, mit welchem Hr. Reimmann sein Urtheil von meiner Schrift beschliesset. Er will mir dadurch, auf eine hoͤfliche Art, zu verste- hen geben, daß ich nicht befugt gewesen bin, ( o ) bin, der elenden Scribenten zu spotten, weil ich selbst zuweilen den Fehler begehe, den ich an ihnen tadele, und unordentlich schreibe. Er sagt es ausdruͤcklich: Aber da ich nicht wissen kan, worinn die Un- ordnung, der er mich beschuldiget, beste- hen soll; so kan ich mich nicht verantwor- ten. Jch will es auch nicht thun; son- dern, wie grosse Ursache ich auch habe, zu zweifeln, ob er geschickt sey, von der Ord- nung und Unordnung einer ironischen Schrift zu urtheilen, dennoch so hoͤflich seyn, und glauben, daß er es einmahl recht getrofen hat. Jch beobachte also in mei- ner Schrift nicht allemahl die Ordnung, die ich haͤtte beobachten sollen: Aber ist die- ser Fehler so groß, daß er mir das Recht nehmen sollte, den elenden Scribenten die ihrigen vorzuwerfen? Jch glaube es nicht. Denn wenn es noͤthig waͤre, die Thorheiten anderer so lange ohne alle Er- innerung hingehen zu lassen, biß man selbst ohne Fehler ist; so muͤste man alle Bestra- fung und Ermahnung biß in jene Welt versparen, da man ihrer nicht mehr be- darf: Das Amt eines unwiedergebohr- nen Priesters wuͤrde, wider die Meinung unserer reinesten Gottesgelehrten, gantz und ( o ) und gar unkraͤftig, und Herr Reimmann selbst, wie fromm und eremplarisch auch sein Wandel ist, wuͤrde nicht befugt seyn, wider die Laster zu eyfern, so lange er noch, so oft er zur Beichte gehet, beken- nen muß, daß er mit Gedancken, Wor- ten und Wercken wider alle zehn Gebote gesuͤndiget habe. Gefallen ihm diese Folgen nicht, so muß er auch bekennen, daß er sein Epiphone- ma nicht wohl angebracht hat, und mir erlauben, uͤber ofenbahre Thorheiten zu lachen, ob ich gleich selbst nicht vollkom- men bin. Denn das wird er mir doch las- sen, daß ich gerechter bin, als diejenigen, welche ich tadele. Haͤlt er aber die Unord- nung, welche er in meiner Schrift bemer- cket, vor einen Fehler, der dieselbe eben so scheußlich machet, als die Buͤchlein der elenden Scribenten, und will er, wie es das Ansehen hat, mich, durch den hoͤhni- schen Seufzer aus seinen Persius, als ei- nen elenden Tropf herunter machen, der gar keine Ehre zu sprechen hat; so muß ich es zwar geschehen lassen: Aber es sollte mir doch seinentwegen leid seyn. Denn mir kan es nicht schaden. Ego enim ( o ) enim ne pilo quidem minus me ama- bo Cicero Lib. II. ad Qv. Frat. Epist. 15. . Jch sehe wohl, daß meine Schrift ge- wissen Leuten unmoͤglich gefallen kan, weil sie nicht nach ihrem Geschmack eingerich- tet ist. Sie ist satyrisch und im hoͤchsten Grad ironisch. Gleichwie es nun nicht je- dermanns Werck ist, solche Schriften zu machen; so ist es auch nicht allen gegeben, von denselben geschickt zu urtheilen. Eine hochgetriebene Jronie gebuͤhrend einzuse- hen, das ist eine Sache, die eine gewisse Hurtigkeit und Biegsahmkeit des Verstan- des erfordert, welche in lateinischen Koͤ- pfen, durch die poßierliche Schul-Gra- vitaͤt gemeiniglich ersticket wird. Wenn nun ein solcher Kopf uͤber ein Buch geraͤth, in welchem er keine steife und ehrbare Schulweißheit antrift; so koͤmmt er in ein fremd Land, und verirret sich gar zu leicht. Jch sage nicht, daß dem Hrn. Reim- mann dieses Ungluͤck auch begegnet ist; Nur sage ich noch, daß drey oder vier sol- che Urtheile, als dasjenige ist, welches er von meiner Schrift gefaͤllet hat, genug sind, seinen gantzen Catalogum, der sonst ( o ) sonst angenehm zu lesen ist, in uͤbeln Ruf zu bringen. Jch bitte uͤbrigens den Hrn. Reimmann, die Freyheit, die ich mir nehme, von sei- nem Urtheile zu urtheilen, nicht uͤbel zu deuten. Jch bilde mir ein, daß ich es mit einer bescheidenen Aufrichtigkeit gethan habe, die ihm gefallen wird. Koͤmmt ihm aber dennoch das, was ich zu meiner Vertheidigung sage; zu hart vor, so muß er bedencken, daß er Gelegenheit dazu gegeben hat: … Siquis est, qui dictum in se in- clementius Existimabit esse, sic existimet: Responsum, non dictum esse, quia læ- sit prius Torent Prol. in Eunuch. . Jch finde bey dieser Satyre sonst wenig zu erinnern. Nur muß ich kuͤrtzlich von einem Nahmen Rechenschaft geben, der oft darinn vorkoͤmmt. Dieses ist der Nah- me Rodigast. Jch habe den Menschen, der diesen Nahmen fuͤhret, im Jahr 1733. aus seinem Avertissement von einem be- reits im Druck habenden Corpore Juris Civilis Justinianeo-Casuali zu erst kennen ler- nen. ( o ) nen. Er nennete sich auf dem Titel, D. Samuel Christoph Rodigast JC. und war eine Art von Melchisedech, ter- ræ filius, von dem ich weiter nichts er- fahren konnte, als daß es ein junger Mensch von etwan 19. Jahren sey, der sich in Dreß- den aufhalte, und sich eigenmaͤchtig zum Doctor gemacht habe. Weil ich nun eben zu der Zeit, als mir sein Avertissement in die Haͤnde fiel, beschaͤftiget war, der Schmiersucht gewisser elenden Scribenten Einhalt zuthun, so hielte ich vor noͤthig auch dem Ungluͤck vorzubeugen, welches dieser Rodigast, als ein Comet, der ge- lehrten Welt zu drohen schien. Jch brach- te zu dem Ende meine Gedancken von sei- nem Vorhaben zu Papier, und ließ sie in das 123te Stuͤck des Hamburgischen Corresponden ten von 1733. setzen. Rodi- gast ward daruͤber so boͤse, daß er eine Schrift von 4 Bogen in 4 to unter dem Nahmen von Martin Albrecht, wieder den Verfasser des Corresponden ten, der doch gantz unschuldig war, heraus gab. Der Titel dieser Schrift war so naͤrrisch, und der Jnhalt so rasend, daß ich wahr- haftig davor erschrack. Doch weil ich die- se Haͤndel angefangen hatte, so gab ich dem Mar- ( o ) Martin Albrecht, welches Rodigast selbst war, einen kurtzen Bescheid, der in dem 173 ten Stuͤcke des Hamburgi- schen Corresponden ten von eben dem Jah- re zu lesen ist. Kurtz darauf kamen mir eben die- ses Rodigasts Gedancken uͤber den Spruch: Viele sind berufen; aber wenig sind auserwehlet; imgleichen uͤber die Worte: Und sie meynten, sie saͤhen ein Gespenst ꝛc. zu Gesicht, woraus man siehet, daß der Verfasser vor diesen sich der Gottes-Gelahrtheit be- flissen hat. Jch habe niemahlen etwas elenders gelesen, und darum fuͤhre ich den Rodigast als ein Muster eines vollkom- men elenden Scribenten an. Jch wuͤrde ihm aber diese Ehre nicht erwiesen haben, wenn ich zu der Zeit, als ich meine Satyre schrieb, gewust haͤtte, daß, wie ich hernach erfuhr, der arme Rodigast wuͤrcklich in Raserey gefallen sey, und in dem elendesten Zustande zu Dreßden lebe. Jch habe nach der Zeit von ihm nichts ge- hoͤret, und kan also nicht sagen, ob er noch lebe, oder ob er gestorben sey. Jch habe die Hrn. Sievers und Philip- pi, mit diesem elenden Scribenten in ei- ne ( o ) ne Classe gesetzet. Allein meine Meynung ist nicht, dadurch anzudeuten, daß ich sie vor eben so albern halte, als den Rodi- gast. Jch sehe den Unterscheid zwischen ihnen, und diesem armen Suͤnder wohl ein. Doch, da dieser Unterscheid, wie groß er auch seyn mag, nicht verhindert, daß sie alle drey elende Scribenten sind; So habe ich geglaubt, sie haͤtten sich eben der Gesellschaft eines Menschen nicht zu schaͤmen, der die Ehre hat ihr Bruder zu seyn; ob sie gleich gewisse Vozuͤge vor ihm haben, die ich ihnen nicht streitig ma- chen will. Uber die Neue Gesellschaft, die ich ih- nen gegeben habe, werden sie sich ver- muthlich nicht beschweren. Jch besorge auch nicht, daß der Hr. Prof. Manzel, und der Hr. Mag. Hillige es mir uͤbel deuten werden, daß ich sie zween so be- ruͤhmten Maͤnnern zugesellet habe. Jch habe also meinen Lesern von allen meinen satyrischen Schriften Rechenschaft gegeben. Von der ernsthaften Schrift gegen den Hrn. Prof. Manzel, die in die- ser Sammlung die Letzte ist, sage ich nichts. Jch werde eine eigne Vorrede zu derselben machen, weil die gegenwaͤrtige e so ( o ) so schon lang genug ist: Doch bitte ich mir von meinen Lesern die Freyheit aus, nur noch ein paar Worte mit gewissen Leu- ten zu reden, die in dem Wahn stehen, daß ich mich durch meine Satyren sehr schwer an GOtt und meinem Nechsten versuͤn- diget habe. Wenn ich wollte, so koͤnnte ich mein Verfahren durch die ironischen Ausdruͤ- ckungen, die in der Bibel vorkommen, eben so gruͤndlich rechtfertigen, als gewisse hitzige Priester ihre Grobheit durch eini- ge harte Worte, der sich die Propheten, Christus, und die Apostel bedienet haben. Allein ich will es nicht thun. Jch will ihnen, auf eine andere Art, weisen, daß sie nicht wissen, was sie sagen, wann sie meine Satyren verdammen, und sie da- hin bringen, daß sie selbst meine Verthei- diger werden sollen. Jch gebe ihnen demnach zu, daß man in der Christenheit von keinen Satyren wissen wuͤrde, wenn es den Aposteln ge- lungen waͤre, alle Welt so weise zu ma- chen, als sie es selbst waren. Aber sehen sie dann nicht, daß man, auf den Fall, auch von Krieg und Krieges-Geschrey nichts hoͤren wuͤrde? Jst es nicht ofenbahr, daß ( o ) daß man, wenn es mit dem Eyfer, mit der Andacht, mit der Selbst-Verleugnung, und mit der Entfernung von aller Eitel- keit, welche die Christen in der ersten Hi- tze von sich blicken liessen, Bestand ge- habt haͤtte, von Processen, von Ost-und Westindischen Compagnien, von Manu- facturen, Tantzen, Fechten und derglei- chen nicht das geringste wissen wuͤrde? Es wuͤrde niemand Buͤcher schreiben, und sich in Wissenschaften vertiefen, die so viel Zerstreuung in sich fassen; Die Sal- bung wuͤrde uns alles lehren, und wir die Zeit, die wir vom Ackerbau, und von anderer unumgaͤnglich noͤthiger Hand- Arbeit uͤbrig haͤtten, mit Wercken der Liebe, und im Gebet zubringen. Dar- um aber haͤlt niemand, als ein Qvaͤcker- und Wiedertaͤufer, den Krieg vor uner- laubt und suͤndlich. Die Priester zwoer im Krieg verwickelter christlichen Republi- cken bitten von beyden Seiten, GOtt moͤ- ge die Waffen der ihrigen gesegnen, und singen, ohne Scrupel, das Te Deum, wenn ihre Parthey einen Sieg erhalten hat. Kein Priester in einer Handels- Stadt macht sich ein Gewissen, auf der Cantzel vor einen Schiffer zu beten, der e 2 mit ( o ) mit Schif und Volck nach Bourdeaux ge- gangen ist; wohin er doch niemahlen kom- men wuͤrde, wenn er so gesinnet waͤre, als die ersten Christen zu Jerusalem: Ja der Priester thut diese Vorbitte zuweilen aus Absichten, die er nicht haben wuͤrde, wenn der Geist der Apostel auf ihm ruhete. Ein Kaufmann, ein Soldat, ein Advocat, ein Fechtmeister, ein Tantzmeister, das sind alles Leute, von denen niemand glaubt, daß ihre Profeßion sie ungeschickt mache zum Reiche GOttes. Und wer verdam- met die Gelehrten? Man muß also gestehen, daß man ohne Suͤnde etwas thun koͤnne, das mit der Voll- kommenheit, welche die Regeln des Chri- stenthums zum Endzweck haben, nicht be- stehen kan, und welches nimmer geschehen wuͤrde, weñ alle Welt diese Regeln genau be- obachtete. Jch verlange nichts mehr, als daß man nach diesem Satz, den man, ohne sich zu wiedersprechen, und, ohne die gantze heutige Christenheit zu verdammen, nicht leugnen kan, die satyrische Schreibart beur- theile. Jch bin sehr hoͤflich: Aber es sey darum. Jch will zu frieden seyn, wenn man nur so billig ist, und dieser unschul- digen Schreibart mit dem Kriege und mit den ( o ) den Processen gleiches Recht wiederfah- ren laͤsset Thut man dieses nicht, so sa- ge ich, daß man Muͤcken seiget, und Ca- meele verschlucket. Es koͤmmt wahrlich laͤcherlich heraus, daß man sich stellet, als koͤnne man ein unschuldiges Spotten mit dem Sinne des Christenthums nicht reimen; Da man doch so kuͤnstlich ist, daß man Krieg und Blutvergiessen, Aufruhr und Zwietracht als Dinge vorstellen kan, die mit dem Christenthum gar wohl bestehen koͤnnen. Jch habe wider die Gruͤnde, die man zu dem Ende anfuͤhret, nichts einzuwen- den. Jch bekenne, Krieg und Processe sind ein nothwendiges Ubel, und werden durch die vorhergegangene Beleidigung so erlaubt und unschuldig, als sie sonst an sich verwerflich sind. Aber ich bin auch versichert, daß eine Satyre wieder ein naͤrrisches Buch (denn von solchen rede ich nur) durch die Thorheit des Scribenten, der ein solches Buch heraus giebt, gantz und gar entsuͤndiget wird. Benimmt uns das Christenthum das Recht nicht, uns wieder Unrecht zu wehren; so wird es uns auch ja die Befugniß lassen, der Uberhand nehmenden Schmiersucht alberner Schrei- e 3 ber ( o ) ber zu steuren. Jch weiß nicht, ob es na- tuͤrlicher ist, eine angethane Beleidigung zu raͤchen, als uͤber das, was laͤcherlich ist, zu lachen! Man wird sprechen: „Die er- „laubte Rache werde von der Obrigkeit „ausgeuͤbet, die das Schwerd nicht um- „sonst fuͤhret: Hergegen wuͤrden die Sa- „tyren von Leuten gemacht, die nicht das „geringste Recht haͤtten, ihren Nechsten „auszu hoͤhnen.‟ Aber man muß wissen, daß ein Mensch der lesen und schreiben, und von einem Buche urtheilen kan, auf seine Art, eben so wohl ein geistlicher Koͤnig ist, als ein Christ, und seine Feder so wenig umsonst fuͤhret, als die Obrigkeit ihr Schwerd. Die Rache, die ein solcher an einem elenden Scribenten ausuͤbet, der ihn ins besondere nicht beleidiget hat, und den er oft gar nicht kennet, kan nicht als eine privat Rache angesehen werden. Sie ist folglich erlaubt, und gruͤndet sich auf ein Recht, welches ich in meiner unpar- theyischen Untersuchung so nachdruͤck- lich behauptet habe, daß es nicht noͤthig ist, hier desfalls ein Wort mehr zu sagen. Die Herren die so hurtig gewesen sind, mich zu verdammen, werden indessen wohl thun, wenn sie das, was ich bißher gesagt habe, reiflich ( o ) reiflich uͤberlegen. Sie werden finden, daß meine Verdammniß unzaͤhlige Seelen mit ins Verderben reissen wird und mich daher, um so vieler Unschuldigen willen, begnadigen. Soll ich aber allein der Suͤnder seyn: So muß ich es zwar gesche- hen lassen, daß ein so unbarmhertziges Ge- richt uͤber mich ergehet: Aber kluge Leute werden wohl sehen, wie partheyisch sie richten; und ich muß mich damit troͤsten, daß mein Gewissen mich von aller Boß- heit loßspricht, die sie in meinem Verfah- ren bemercken. Was habe ich dann gethan? Jch habe einigen elenden Scribenten, die sich duͤn- cken liessen, sie waͤren etwas, da sie doch nichts waren, im Lachen die Wahrheit ge- saget. Sollte dieses eine so grosse Suͤn- de seyn? Jch will es glauben, wenn man mir erst wird bewiesen haben, daß GOtt diese Art Menschen in seinen besondern Schutz genommen, und ihnen die Frey- heit gegeben habe, die Welt durch ihre al- berne Schriften zu qvaͤlen, ohne daß an- dere ehrliche Leute das Recht haͤtten, auch zu dem unertraͤglichsten Schmierer zu sa- gen: Was machst du? Man sage mir nicht, daß ein Christ auch einen solchen Schmie- e 4 rer ( o ) rer mit Geduld tragen muͤste: Denn die christliche Geduld verbindet uns nicht zur Unempfindlichkeit. Wir fangen, ohne Suͤnde, Floͤhe: wir schlagen die Muͤcken tod: Wir vertilgen die Fliegen. Der Heilige thut es so wohl, als der Suͤnder. Warum wollte man sich dann ein Gewis- sen machen, daß gelehrte Ungeziefer aus- zurotten? Diejenigen, weche ein so dickes Fell haben, daß sie die Bisse dieses Unge- ziefers nicht fuͤhlen, die sind gluͤcklich: Al- lein es stehet ihnen uͤbel an, daß sie die Empfindlichkeit anderer verdammen, wel- che die Natur mit einer zarteren Haut ver- sehen hat. Es waͤre wahrhaftig zu wuͤn- schen, daß man noch empfindlicher waͤre, und sich mehr Muͤhe gebe, die Welt von diesem Ungeziefer zu befreyen. Es nimmt von Jahr zu Jahr zu; und ich weiß nicht, wo es damit endlich hinaus will? Die greu- liche Menge der elenden Scribenten ist eben so geschickt, eine Barbarey einzufuͤh- ren, als ein Schwarm von Ost-und West- Gothen: Und dennoch traͤgt man Be- dencken, den Anwachs dieser Schmierer zu hemmen! Man glaubt es sey wieder die christliche Liebe, die Bloͤsse dieser Leute aufzudecken, und ( o ) und sie so laͤcherlich zu machen, als sie es verdienen. Aber man muß wahrlich, um dieses zu glauben einen wunderlichen Be- grif von der christlichen Liebe haben. Soll- te sie uns verbinden auch die Thorheiten un- sers Nechstens vor Weißheit zu halten, und einen elenden Scribenten, zum Verdruß aller ehrlichen Leute und zum Aergerniß der Schwachen, nach eigenem Belieben, un- gehindert schwaͤrmen zu lassen? Man kan ja diesen Leuten seine Liebe nicht besser bezeu- gen, als wenn man sie zur Erkaͤnntniß ih- res Elendes zu bringen sucht, und sie irren sich, wenn sie meinen, man hasse sie, wenn man ihnen die Wahrheit saget. Jch habe zum wenigsten meine Gegner, so ferne sie, Menschen sind, nicht gehasset; sondern al- lezeit den Scribenten von dem ehrlichen Manne sorgfaͤltig unterschieden. Daß mich aber die christliche Liebe verbinden sollte, die Thorheiten dieser Leute mit dem Mantel der Liebe zuzudecken, die sie, als Weißheit, vor den Augen aller Welt auskramen, und mit welchen sie sich bruͤsten, das glaube ich nicht. Eine solche Auffuͤhrung macht auch die elendesten und preßhaftesten Personen alles Mitleidens unwuͤrdig. Wenn der Lah- e 5 me ( o ) me vor der schoͤnen Thuͤr, den Petrus ge- sund machte, an statt zu betteln, alle die in den Tempel giengen, mit lauter Stim- me ersuchet haͤtte, sich an einem ge- wissen Orte zu Jerusalem einzufinden, und seine Luft-Spruͤnge anzusehen, so bin ich versichert, daß die Apostel Petrus und Johannes, wie ehrbar sie auch sonst wa- ren, uͤber den Narren gelachet, und nim- mer ein Wunder an ihm gethan haben wuͤrden. Und ich soll nicht lachen, wenn Sievers und Philippi Buͤcher schreiben, und ein Handwerck treiben wollen, wo- zu sie vieleicht ungeschickter sind, als der Lahme vor der schoͤnen Thuͤr zum Tan- tzen? Kein vernuͤnftiger Mensch wird ei- nes Blinden spotten: Aber, wenn er sich unterstehet von Farben zu urtheilen, so kan man ihm ohne Suͤnde sagen, daß er nicht sehen kan. Man wird nimmer uͤber die Auffuͤhrung eines Bauren lachen, wie sehr er auch wieder den Wohlstand suͤn- diget. Er ist nicht schuldig die Regeln des Wohlstandes zu wissen, und giebt sich auch nicht davor aus. Allein die Bocks-Spruͤn- ge und Verdrehungen eines anderen, der recht manierlich thun will, und sich ein- bildet, er wisse zu leben koͤnnen auch den Ernst- ( o ) Ernsthaftesten zum lachen bewegen. Ein elender Scribent gleichet einem solchen voll- kommen, und muß es sich also nicht be- fremden lassen, wenn man auch uͤber ihn lachet. Der Mangel des Verstandes, der aus seinen Schriften hervorleuchtet, ist es nicht, der ihm dieses Ungluͤck zuziehet. Die- ses waͤre ein Fehler, den man ihm so wohl, als vielen andern ehrlichen Leuten zu gu- te halten koͤnnte, weil er nicht willkuͤhr- lich ist. Aber der laͤcherliche Stoltz, der ihn verleitet, sich, seiner Schwachheit ungeachtet, vor einen Lehrer der Unwis- senden aufzuwerfen, die Unverschaͤmtheit mit welcher er von der Welt verlanget, sein Geschmier zu lesen, und die Verach- tung, die er dadurch vor dieselbe bezeuget, das sind Dinge, die nicht zu dulden sind, und denen er es eintzig und allein zu dancken hat, daß man seiner spottet. Die Scheinheiligen meinen, dieses Spot- ten sey unerlaubt: Sie sprechen, Ernst und Sanftmuth stehe einem Christen bes- ser an. Jch sage ihnen aber, daß das Spot- ten zuweilen unumgaͤnglich noͤthig ist, und daß ein Christ auch lachen und schertzen kan, ohne Suͤnde. Wir reden hier von solchen Spoͤttereyen, durch welche ein Scri- ( o ) Scribent, so ferne er ein Scribent ist, oder viel mehr sein Buch, laͤcherlich ge- macht wird. Wenn diese Spoͤttereyen uͤberhaupt suͤndlich sind, so weiß ich nicht, wie man es anfangen soll, wenn man ge- wisse Scribenten wiederlegen will? Die armseeligsten Schreiber wuͤrden, auf den Fall, die wenigste Anfechtung zu besor- gen haben, weil niemand, ohne selbst ein Narr zu werden, ernsthaft wieder die Gril- len solcher Troͤpfe schreiben kan. Einer ernsthaften Wiederlegung sind nur dieje- nigen Scribenten wuͤrdig, die, auch wenn sie Jrrthuͤmer behaupten, Proben eines gesunden Verstandes von sich geben. Die- jenigen hergegen, mit denen es so schlecht bestellet ist, daß auch die Wahrheit unter ihren Haͤnden laͤcherlich, und die Spruͤ- che Salomons in ihrem Munde Thorheit werden, die verdienen, daß man sie aus- zischet. Jene wiederlegt man in der Ab- sicht, daß sie sich bessern, und der Welt immer nuͤtzlicher werden sollen: Diese aber nicht so wohl in Absicht auf ihre eigene Besserung, als andern zum Schrecken. Solche Leute muͤssen gar nicht schreiben. Da nun eine scharfe Satyre das eintzige Mittel ist, sie zum Stillschweigen zu brin- gen; ( o ) gen; so kan man das Spotten uͤberhaupt nicht verwerfen; es sey dann, daß man den elenden Scribenten eine unumschraͤnck- te Freyheit zuschreiben wolle, zur Schan- de des menschlichen Geschlechts, und zur Quaal der klugen Welt, so lange zu ra- sen, biß sie von sich selbst muͤde werden. Jch koͤnnte dasjenige, was ich hier von der Nothwendigkeit des Spottens in gewissen Faͤllen, sage, mit Exempeln erlaͤutern: Aber ich finde es unnoͤthig, weil ich in mei- ner unpartheyischen Untersuchung schon von eben dieser Materie gehandelt habe. Jch bin auch uͤberdem nicht geson- nen, meine ehemahligen Gegner von neuen zu kraͤncken; und es soll mir nicht zuwider seyn, wenn meine Leser gedencken wollen, daß alles, was ich bißher zur Vertheidi- gung des Spottens geschrieben habe, mei- ne Satyren nicht rechtfertige. Mein Verfahren wird darum nicht we- niger unschuldig seyn. Jch habe gespot- tet: Jch bekenne es: Aber auf eine solche Art, daß, wenn ich gleich die Ernsthaf- tigkeit, die einem Christen so wohl anste- hen soll, aus den Augen gesetzet habe, mein Spotten dennoch mit dem sanftmuͤthigen Geiste, mit welchem man seinen Bruder, der ( o ) der von einem Fehl uͤbereilet wird, wieder zurecht zu helfen verbunden ist, sehr wohl bestehen kan. Jch gehe mit meinen Geg- nern um, als ein Vater mit seinem Kin- de. Ein Kind gewoͤhnt sich oft an, das Maul zu verdrehen, die Augen zu verschies- sen, oder sonst etwas, das ihm nicht wohl anstehet. Der Lehrmeister dieses Kindes, ein strenger Mann, den Amt und Christen- thum verbinden, ernsthaft zu seyn, bestra- fet desselbe wegen der unanstaͤndigen Ver- drehung des Gesichtes, und stellet ihm so gruͤndlich, als beweglich vor, wie sehr es sich dadurch an seinem Schoͤpfer versuͤndige, von dem es doch so wohl gebildet sey: Er laͤsset ein wenig vom vierdten Gebote, und von der Nothwendigkeit des Gehorsahms gegen Eltern und Lehrer mit einfliessen, und schliesset seinen Sermon mit einer ernstli- chen Drohung; welche er denn auch, nach Gelegenheit, mit einem anstaͤndigen Amts- Eyfer, ins Werck setzet. Man siehet, daß dieser Schulmeister es ungefehr so macht, als es die Feinde der Satyren haben wol- len: Aber er predigt tauben Ohren: Das Kind hoͤrt sein Geschwaͤtz an, und bessert sich doch nicht. Der Vater indessen, der nicht so gelehrt, und folglich kluͤger ist als ( o ) als der Schulmeister wird den Fehler des Kindes gewahr: Macht ihm seine Verdre- hungen, auf eine geschickte Art nach, und fraͤgt: Wie laͤßt mir das? Das Kind schaͤmt sich, und fasset von Stund an den Ent- schluß, sich zu bessern. Die geschickte Nach- ahmung durch welche dieser Vater sein Kind bekehret, ist nichts anders, als eine liebrei- che und sanftmuͤthige Spoͤtterey, wodurch er den Fehler seines Kindes, zu dessen Be- sten, laͤcherlich macht: Und meine ersten Satyren gegen Sievers und Philippi sind nichts anders, als eine Nachahmung des- sen, was ich in ihren Schriften zu tadeln fand? Wie konnte ich liebreicher und sanft- muͤthiger mit ihnen verfahren? Jch frug sie gleichsahm: Wie laͤßt mir das? Und gab ihnen stillschweigend die Lehre: Cauendum est, ne quid in agendo dicendove facias, cujus imitatio rideatur Cicere in Bruto. . Diese Lehre haͤtten sie annehmen, und sich bedancken sollen. Denn gewiß, ich begegnete ihnen bescheidener und hoͤflicher, als sie es verdien- ten. Man sehe ihre Schriften an. Wer die gelesen hat, und doch meine Satyren, als gar zu scharf, unchristlich und suͤndlich laͤ- stert, der verdienet nicht, daß ich mich um ihn bekuͤmmere. Was ( o ) Was uͤbrigens den Mangel der Ernst- haftigkeit betrift, den man mir vorwirft, so begehre ich nicht zu leugnen, daß ich gescher- tzet, und uͤber die Fehler meiner Gegner gela- chet habe. Jch glaube aber nicht, daß dieses eine Suͤnde sey. Man kan nicht allemahl ehrbar seyn. Der Schertz hat oft seinen Nutzen, so wohl als der Ernst. . . . . . . . Ridiculum acri Fortius \& melius magnas plerumque secat res Horas. Lib. 1. Sat. 10. . Jch habe uͤber die Fehler meiner Gegner ge- lachet: Aber waren sie nicht laͤcherlich? Soll- te ich daruͤber weinen? Sollte ich mich uͤber fremde Thorheiten betruͤben? So traurig bin ich nicht. Wer es thun will, der thue es im̃erhin: Aber er muß wissen, daß er in mei- nen Augen noch laͤcherlicher ist, als derjeni- ge, uͤber dessen Thorheit er sich betruͤbet. Ein solcher Schwermuͤthiger kan unmoͤglich ei- ne froͤliche Stunde haben, und ich moͤchte lieber nicht gebohren seyn, als in einem sol- chen Zustande leben. Wollen die Feinde der Freude mich darum unter die Unwiederge- bohrnen rechnen, so muß ich es geschehen las- sen: Sie werden mir aber dann auch er- lauben, daß ich ihre murrische Schwer- muth ( o ) muth nicht vor eine Frucht der Wiedergeburth, son- dern vor eine Kranckheit halte, die gemeiniglich aus einen dicken Gebluͤte zu entstehen pfleget. Je ne prens point pour vertu Les noirs accés de tristesse D’un Loup-garou revêtu Des habits de la Sagesse. Rousseau T. l. p. 80. Jch will jetzo nicht untersuchen, wie es in der Welt aussehen wuͤrde, wenn es diesen neuen Heili- gen gelingen sollte, alle Freude aus derselben zu ver- bannen, und das menschliche Geschlecht in die tiefe Schwermuth zu stuͤrtzen, die sie als den Gipfel der christlichen Vollkommenheit ansehen, und auf wel- che sie sich so viel einbilden: Sondern ich frage nur; was sie von der Gottheit vor einen Begrif haben, wenn sie glauben, sie koͤnne nicht leiden, daß ihre Creaturen froͤlich sind? Jch kan mir einen so traurigen und schimpflichen Begrif von GOtt nicht machen; sondern ich bin ver- sichert, daß es ihm nicht zuwider ist, wenn man sich nach der Vorschrift Salomons richtet. Jch esse demnach mein Brod mit Freuden, und trincke mein Wein mit gutem Muth. Denn das ist mein Theil. Jch entschlage mich aller traurigen Gedancken, so viel mir moͤglich ist, und mache mir so viele gute Ta- ge, als ich kan. Die boͤsen kommen wohl ohne un- sere Bitte. Jch sehe alles, was in der Welt vor- gehet, mit Gelassenheit, und groͤsten theils von der laͤcherlichen Seite an: Und ich befinde mich wohl dabey. Meinen Satyren insonderheit habe ich man- che lustige Stunde zu dancken, und ich erinnere mich f noch ( o ) noch mit Vergnuͤgen der Zeit, da ich sie machte. Jch bin auch mit allen Folgen, die sie gehabt haben voll- kommen zufrieden, und also nicht im Stande, die Suͤnde, die ich begangen haben soll, zu bereuen. Wiewohl es mir nun unmoͤglich ist, meine alten Suͤnden zu bereuen; so werde ich mich doch, allem Ansehen nach, vor neue huͤten. Jch bin zum Ta- deln nicht so geneigt, als Leute, die mich nicht genau kennen, sich vieleicht einbilden. Meine Verachtung gegen die elenden Scribenten nimmt auch, mit der Anzahl derselben, taͤglich zu. Jch lese ihre Buͤch- lein nicht, und es ist also nicht wahrscheinlich, daß ich sie weiter beunruhigen werde. Jnzwischen laͤsset sich von zukuͤnftigen Dingen nichts gewisses sagen. Verredet habe ich es eben nicht: Doch koͤnnen die beyden Herren, die sich neulich in einer gewissen Reichs-Stadt uͤber mich und meine Schriften so lustig gemacht haben, versi- chert seyn, daß ich mich an Leuten ihrer Art nimmer vergreifen werde. Der eine ist ein Juͤngling, qui animas negotiatur, \& experimenta per mortes agit. Jch kenne den guten Menschen nicht, und weiß nicht, was ihn bewogen hat, uͤbel von mir zu reden, und zu prahlen, wie er mich abfertigen woll- te, wenn ich mit ihm anbaͤnde. Er kan meinent- wegen ruhig schlafen. Jch weiß nicht, ob er mehr als ein Recept schreiben kan: Und Recepte wieder- lege ich nicht. Hæc satis ad juvenem, quem nobis fama superbum Tradit, \& inflatum . . . . Juvenal. Sat. JII. Der ( o ) Der andere ist ein elender Schulmeister, den niemand kennen wuͤrde, wenn ich ihn gleich mit Nahmen nennete: Ein Mensch von so erstaunender Unwissenheit, daß er auch die Knaben in seiner eige- nen Classe, welche von unten auf die erste ist, in diesem Stuͤcke uͤbertrift. Dieser ehrliche Mann hat laͤsterlich auf mich gescholten, und endlich gar ge- drohet, er wolle wieder mich schreiben. Qvænam te mala mens, miselle Ravidi, Agit præcipitem in meos jambos? Quis Deus tibi non bene advocatus Vecordem parat excitare ripam Catullus Ep. 37. ? Aber sein Schelten ruͤhrt mich so wenig, als sein Drohen. Er schreibe wider mich, wenn er es vor gut findet. Dieses ist das aͤrgste, was ich ihm wuͤnschen koͤnnte, wenn ich noch so rachgierig waͤre. Doch muß er wissen, daß ich ihm nim- mer antworten werde. Allatres licet usque nos \& usque Et gannitibus improbis lacessas. Certum est, hanc tibi pernegare famam, Olim quam petis in meis libellis, Qvaliscunque legaris ut per orbem. Nam te cur aliquis sciat fuisse? Jgnotus pereas, miser, necesse est Martiab. Lib. V. Ep. 81. . Wenn er sich diese Verse von einem guten Freun- de erklaͤren laͤsset, so wird er erfahren, wessen er sich f 2 zu ( o ) zu mir zu versehen hat. Jch werde mich so wenig um ihn; als um den Doctor bekuͤmmern, und nimmer mit Leuten abgeben, quos natos non puto. Jch uͤbergebe den Doctor dem Schulmeister, und den Schulmeister dem Doctor. Sie koͤnnen einander, nach den Regeln ihrer Kunst, das Blut abzapfen, so ist ihnen beyden geholfen. Nun ist es, deucht mich, einmahl Zeit, daß ich diese Vorrede schliesse. Sie koͤmmt mir selbst schon zu lang vor. Jch sage also nichts von den Auszuͤgen aus gewissen woͤchentlichen Blaͤttern, welche man dieser Sammlung meiner Schriften angehaͤnget hat. Wer sie lesen wird, der wird finden, daß man daran nicht uͤbel gethan hat, und daß viele derselben zur Erlaͤuterung einiger Stellen dieser Vorrede unumgaͤnglich noͤthig sind. Meinen Nahmen wird man weder auf dem Ti- tel-Blatt, noch zu Ende dieser Vorrede finden. Jch mag denselben nicht gerne gedruckt sehen, und habe geglaubt, es koͤnne meinen Lesern gleich viel seyn, wie ich heisse. Hiermit endige ich meine Vorrede. Meine Le- ser werden daruͤber so froh seyn, als ich es selbst bin, und mir das gewoͤhnliche Abschieds-Compli- ment gerne schencken. Jnhalt Jnhalt dieser Sammlung. I. D ie Anmerckungen uͤber die Zerstoͤrung der Stadt Jerusalem. p. 1. II. Das Schreiben des Ritters Cliftons an den Samojeden. 45. III. Der sich selbst entdeckende X. Y. Z. 91. IV. Briontes der Juͤngere. 135. V. Unpartheyische Untersuchung der Frage: Ob die bekandte Satyre Briontes der Juͤngere, oder Lobrede auf Hrn. D. J. E. Philippi mit entsetzlichen Religions- Spoͤttereyen angefuͤllet, und eine straf- bare Schrift sey? 197. VI. Stand-oder Antritts-Rede, welche der Hr. Prof. Joh. Ernst. Philippi, in der Gesellschaft der kleinen Geister gehal- ten. 337. VII. ( o ) VII. Sottises champêtres. p. 423. VIII. Der glaubwuͤrdige Bericht eines Medi- ci. 437. IX. Bescheidene Beantwortung der Einwuͤr- fe wieder die Nachricht von dem Tode des Hrn. Philippi. 451. X. Vortreflichkeit und Nothwendigkeit der elenden Scribenten. 473. XI. Anmerckungen in Form eines Briefes wieder den Hrn. Prof. Manzel zu Rostock. 575. XII. Anhang einiger Auszuͤge aus den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen, dem Hamburgischen Correspondenten, den Hamburgischen Berichten, und Nie- dersaͤchsischen Nachrichten. 805. I. Kurtze, aber dabey deutliche und erbauliche A nmerckungen, uͤber die Klaͤgliche Geschichte, von der Jaͤmmerlichen Zerstoͤhrung der Stadt Jerusalem ; nach dem Geschmack des ( S. T. ) Hn. M. Hen. Jac. Sievers verfertiget, und als eine Zugabe zu dessen Anmerckun- gen uͤber die Paßion, ans Licht gestellet, von X. Y. Z. Rev. Minist. Cand. Franckfurt und Leipzig, 1732 . Plinius. Stultissimum est, ad imitandum non optima qvæqve proponere. V orrede. Geehrter, geliebter und geneigter L eser. J ch uͤberliefere dir hiemit ein Werckgen, welches zwar, dem er- sten Ansehen nach, von schlechter Wichtigkeit zu seyn scheinet; aber doch ver- muhtlich solche Sachen in sich fasset, daß es dich nicht gereuen wird, einige Augen- blicke auf dessen Durchblaͤtterung gewen- det zu haben. Die Regeln der Bescheidenheit verbie- ten mir, meine eigene Arbeit zu loben und ich habe auch dieses um so viel weniger noͤh- tig, weil dajenige, was ich auf dem Ti- tul-Blat gesaget habe, hinlaͤnglich ist, dir ei- nen guten Begriff von selbiger zu geben. Meine Anmerckungen sind nach dem Ge- A 2 schmack Vorrede. schmack des (S. T.) Hn. M. Hen. Jac. Ste- vers geschrieben. Sie koͤnnen also nicht anders als wohl gerahten seyn, wofern ich nur geleistet, was ich versprochen. Ob dieses aber geschehen sey, muß der Augenschein geben. Jch bescheide mich zwar gerne, daß meine Anmerckungen unmoͤglich ihrem Urbilde vollkommen aͤhnlich seyn koͤnnen: Allein ich bin zu frieden, wenn ich nur einen merck- lichen Grad der Aehnlichkeit erreichet habe, und verlange gar nicht, daß man meine An- merckungen den Anmerckungen des Hn. M. gleich schaͤtze. Jch habe mir dieses vortrefli- chen Mannes Schriften zu einem Muster vorgestellet. Jch folge ihm, wie wohl mit ungleichen Schritten: ‒ ‒ ‒ ‒ non passibus æquis. Virgil. Æneid. Lib. 2. Darinn suche ich meinen Ruhm, und hoffe, der geneigte Leser wird so billig seyn, und gestehen, daß ich wohl gewaͤhlet habe. Jch haͤtte hier die schoͤnste Gelegenheit, dem Hn. M. Sievers eine Lob-Rede zu halten: allein ich thue es nicht, denn ich kenne seine Bescheidenheit, und weiß, wie wenig ihm mein Lob nuͤtzen kan. Es sind auch uͤberdem die Verdienste desselben so be- Vorrede. bekannt, und alle Welt stimmet so sehr darinn uͤberein, daß sie ausnehmend sind, daß ich nur der Sonnen eine Fackel anzuͤn- den wuͤrde, wenn ich durch mein unge- schicktes und unnoͤhtiges Lob Jhm und dem geneigten Leser verdrießlich fallen wolte. Jch wennde mich vielmehr zu dem Zoi- lus und Momus. Es ist nunmehro leider! in diesen letzten Zeiten in der Welt dahin ge- kommen, daß ein ehrlicher Mann fast nichts schreiben kan, das nicht von naseweisen Leuten aufs unbarmhertzigste durch die Hechel solte gezogen werden. Dieses, glau- be ich, schrecket viele gute Gemuͤhter ab, der Welt mit ihrem Talent zu dienen. Nun tadele ich zwar diese behutsame Per- sonen desfals nicht: Allein sie werden mir doch erlauben, daß ich aufrichtig bekenne, es mehr mit denen hertzhafften Scribenten zu halten, die sich durch die hoͤnischen Ur- theile tadelsuͤchtiger Menschen nicht abhal- ten lassen, ihre Gedancken der Welt mit- zutheilen, sondern, ohne zu bedencken, was die boͤse Welt etwan sagen werde, ge- trost darauf loß schreiben, und in allen wi- drigen Begebenheiten, sich mit dem Zeug- nisse ihres Gewissens, und einer lebhafften Empfindung ihrer eigenen Vollkommen- A 3 heiten Vorrede. heiten aufrichten, und in ihrem Kaͤmmer- lein, bey sich selbst, laͤchelnd, sprechen: ‒ ‒ populus me sibilat, at mihi plaudo Jpse domi ‒ ‒ ‒ Horat. L. J. Sat. 1. Alle diejenigen, so ihr Vergnuͤgen dar- inn suchen, daß sie ihres Nechsten wahre oder vermeynte Fehler auffdecken und be- lachen, koͤnnen demnach versichert seyn, daß es mir sehr gleichguͤltig, was sie von mir und meinen Anmerckungen urtheilen werden. Jch schreibe aus keinen eiteln Absichten: Nicht ums Brod; nicht um Ruhm zu erjagen; sondern bloß meinem Nechsten zu dienen, und mit dem mir bey- gelegten Pfunde zu wuchern. Die Er- bauung, welche so viele fromme Seelen in und ausser dieser guten Stadt, aus den herrlichen Anmerckungen des Hn. M. Sievers uͤber die Geschichte des Leidens und Sterbens JEsu Christi ziehen, hat mich auf die Gedancken gebracht, es waͤre nicht uͤbel gethan, wenn man, statt einer Zugabe zu diesen Anmerckungen, die Ge- schichte von der Zerstoͤhrung der Stadt Jerusalem, welche der Hr. M. mit dru- cken lassen, mit eben so kurtzen, nachdruͤck- lichen und erbaulichen Noten erlaͤuterte. Viele andaͤchtige Personen beyderley Ge- schlechts, Vortede. schlechts, welche die Sieverschen An- merckungen mit unbeschreiblichem Vergnuͤ- gen lesen, und die Vortreflichkeit derselben nicht genug zu erheben wissen, haben mich angefrischet, selbst Hand an ein so loͤbli- ches Werck zu legen; und die Hoͤflichkeit so wohl, als die christliche Liebe hat mir nicht zugelassen, ihnen dieses gottseelige Begehren abzuschlagen. Meine Absicht ist also, wie du mein Le- ser siehest, lauter und untadelich. Jch erlaͤutere eine lehrreiche Geschichte mit Anmerckungen, die ich, wenn ich sie nicht selbst gemacht haͤtte noch lehrreicher nennen wolte: zu keinem andern Ende, als die Lehr- Begierde einiger gottseeligen Personen zu vergnuͤgen, die ungemein beklagen, daß es dem Hrn. M. Sievers nicht gefallen, auch uͤber diese Geschichte, die er seinem Wercklein beygefuͤget hat, seine Gedancken der Welt mitzutheilen; und hoffe also, der geneigte Leser werde so guͤtig seyn, und die- jenigen Fehler, so er etwan in meiner Arbeit entdecken moͤchte, meiner guten und unschul- digen Absicht wegen, geneigt und groß- guͤnstig uͤbersehen. Jch meine es doch gut, und wer meiner spottet, der versuͤndiget sich an mir. A 4 Wie Vorrede. Wie beweglich und nachdruͤcklich indes- sen ich hier auch meinen Lesern zurede, so muß ich doch besorgen, es werde an Spoͤt- tern nicht mangeln, die bey einer jeden Zeile meiner Anmerckungen etwas zu er- innern haben werden. Da wird der Eine sprechen: Meine An- merckungen waͤren laͤppisch; ich zeigte dar- inn weder Verstand noch Gelehrsamkeit, sondern verriehte nur meine Einfalt so mercklich, daß man sagen koͤnnte, ich haͤt- te es, wenn meine Absicht gewesen, alle Welt zu uͤberfuͤhren, daß ich ein elender Stuͤmper, nicht besser anfangen koͤnnen. Er wird hertzlich lachen, daß ich einige griechische Stellen angefuͤhret, und Stein und Bein schweren, ich verstuͤnde nichts davon: Ja wer weiß, ob er nicht gar sagen wird, ich koͤnne nicht einmahl griechisch lesen. Der andere wird sich stellen, als wenn er mit diesem freyen und ziemlich plumpen Urtheil nicht zu frieden waͤre, und sagen: Man muͤsse es mit mir so genau nicht neh- men; Jch sey noch jung, und mein Fleiß und gute Absicht verdiene, daß man gnaͤ- dig mit mir verfahre: Nuͤtzten meine An- merckungen den Gelehrten nicht, so koͤnn- ten Vorrede. ten sich doch die Ungelehrten daraus erbau- en: Dieses sey auch, allem Ansehen nach, mein Endzweck gewesen, und darnach muͤs- se man meine Arbeit beurtheilen. Der dritte wird von dem Urtheil des an- dern Gelegenheit nehmen, stillschweigend zu verstehen zu geben, daß er unter die Zahl derer gehoͤre, denen meine Anmerckun- gen nichts nuͤtzen koͤnnen, und folglich ge- lehrt sey. Er wird mein Buͤchlein in die Haͤnde nehmen, darinne blaͤttern, es dar- auf mit einer hoͤnischen Mine wieder nie- derlegen, und sprechen: Jch lese dergleichen Geschmier nicht. Der vierdte, fuͤnffte und vielleicht auch der sechste wird seine Gedancken von mei- nem Wercke noch auf eine andere Art, ent- weder feiner oder groͤber entdecken; Alle aber werden darinn uͤbereinkommen, daß ich besser gethan haben wuͤrde, wenn ich es nicht geschrieben haͤtte, und ich muͤste sehr fremd in der Welt seyn, wenn ich mir einbil- den wolte, daß unter hundert einer zu finden, der unpartheyisch und nach der Wahrheit von mir uñ meiner Schrifft uꝛtheilen weꝛde. Allein ein jeder mag sagen, was ihm be- liebt, ich bleibe darum doch wohl, wer ich bin. Mich wird auch das freieste und A 5 beißigste Vorrede. beißigste Urtheil nicht befremden, weil ich mir das schlimmste vorstelle. Richtet, mei- ne Herren, spottet, lachet, so scharff, so grob, so fein und so laut, als ihr immer wollet, ihr werdet mich dadurch nicht zum Zorn bewegen. Mein Essen und mein Trincken soll mir darum eben so gut schmecken als sonst: Jch werde deswegen keine unruhige und schlaflose Naͤchte haben: Ja ihr werdet durch eure Spoͤttereien meine Zufrieden- heit, wider euren Willen, vermehren: Denn je aͤrger ihr mit mir umspringet, je aͤhnlicher werde ich demjenigen vortreff- lichen Mann, dessen Schrifften ich mir zu einer Richtschnur auserkohren habe: Und dieses ist es, was ich suche. Jch habe Ursache zu vermuhten, daß ich meines Wunsches werde gewehret wer- den: Denn da man sich nicht gescheuet hat, einen Mann, dessen Schrifften so vor- treflich sind, das eine der beruͤhmte- sten gelehrten Gesellschafften in der Welt dadurch bewogen worden, ihn, aus eigener Bewegniß, zu ihrem Mitgliede zu erweh- len, auf die allerschaͤndlichste Art, so gar in den oͤffentlichen Zeitungen, herum zuneh- men, so wird man gewiß mit mir nicht saͤuberlicher verfahren. Geschicht das am gruͤnen Vorrede. gruͤnen Holtz, was will am duͤrren wer- den? Jch sage indessen nochmahl, ein jeder mag sagen, was ihm beliebt: ich werde auch die widrigsten Urtheile mit Gelassenheit anhoͤren, weil dasjenige, was dem Hn. M. Sievers begegnet ist, mich voͤllig uͤber- fuͤhret, daß dergleichen Urtheile nichts, als Neid und Einfalt zum Grunde haben. Unpartheyische urtheilen gantz anders von den Anmerckungen dieses wackern Mannes, als derjenige, dessen haͤmisches Urtheil man in den hamburgischen Cor- respondenten geruͤcket hat. Jch redete noch neulich mit einem ehrlichen Manne, der nicht studiret hat, der bekannte mir auf- richtig, daß er wuͤnsche, daß viele solche Buͤcher geschrieben wuͤrden: Denn, sprach er, wann ich des Hn. M. Sievers An- merckungen lese, so duͤncke ich mir gantz ge- lehrt. Dieses Bekaͤnntniß gereichet dem Hn. M. Sievers zu grossen Ehren. Denn da der Entzweck eines Scribenten ist, seine Leser zu unterrichten, so ist es ja unstreitig, daß derjenige seine Sachen sehr wohl muͤsse gemachet haben, dessen Schrif- ten die Leser gleichsam zwingen, zu beken- nen, daß sie eine Veraͤnderung in ihrem Ver- Vorrede. Verstande wahrnehmen, und einen Wachsthum ihrer Erkaͤnntniß spuͤren. Und in der That, die Anmerckungen des Hn. M. Sievers sind der Art. Er ver- knuͤpfft in selbigen mit einer angenehmen Kuͤrtze, die groͤsseste Deutlichkeit, die man wuͤnschen kan, welches nach der Meinung eines grossen Dichters, so wenigen gegeben, daß gemeiniglich eine kurtze Schreib-Art mit einer verdrießlichen Dunckelheit ver- gesellschafftet ist. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ brevis esse laboro obscurus fio ‒ ‒ ‒ Hor at. de Art. Poët. Es solte mir uͤberdem nicht schwer fal- len, zu beweisen, daß in den Anmerckungen des Hn. M. Sievers Sachen vorkom- men, die man bey andern Auslegern verge- bens suchet, und an welche vor ihm kein Mensch gedacht hat; woraus dann seine Scharfsinnigkeit und tiefe Einsicht zur Gnuͤge erhellet: Allein ich will mich dabey nicht aufhalten, sondern nur so viel sagen, daß das grosse Lob, welches ein beruͤhmter Gottes-Gelehrter, dem der Hr. M. Sievers seine Anmerckungen, ehe sie gedruckt wor- den, gezeiget, diesem ausbuͤndig schoͤnen Wercke ertheilet hat, mehr als hinlaͤnglich seyn wuͤrde, den Spoͤttern das Maul zu sto- pfen, Vorrede. pfen, wenn es nur die Bescheidenheit des Hn. M. zuliesse, dasjenige, was unter ihnen ins- geheim geredet worden, nach allen Umstaͤn- den bekannt zu machen. Was meinest du, geehrter Leser? Solte der Beyfall eines solchen Mannes nicht mehr gelten, als das alberne Urtheil des boͤ- sen und neidischen Menschen, der neulich seine elenden Spoͤttereyen uͤber die Anmer- ckungen des Hn. M. Sievers in die Zeitun- gen setzen lassen. Und muß man nicht be- kennen, daß dieser Elende durch die Schmaͤh-Schrifft, mit welcher er dem Hn. M. wehe thun wollen, seine Einfalt, und sei- nen verdorbenen Geschmack zu seiner eige- nen Schande verrahten? O daß er doch immer zu Hause geblieben waͤre! was hat er vor Ehre davon, daß er uͤber ein Werck spottet, so die gantze kluge Welt mit Erstaunen ansiehet, und, als ein anderer Midas, der eintzige ist, der nicht zwar dem Apollo selbst, doch einem Lieb- ling und Schooßkinde dieses Gottes Hohn zu sprechen, das Hertze hat? „Judicium sanctique placet sententia montis „Omnibus: arguitur tamen atque in- justa vocatur „Vnius Vorrede. „Vnius sermone Midæ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Ovid. Met. Lib. IX. Er verdienete wahrlich, daß ein eben so strenges Gericht uͤber ihn ergienge, als uͤ- ber diesen phrygischen Koͤnig. Und ich mei- ne, er ist geputzet. Wie hat ihm nicht der Hr. M. Sievers durch die scharfsinnige und hertzhaffte Antwort, die gleichfals in dem hamburgischen Corresponden ten zu lesen ist, das Maul gestopffet? Er ist verstum- met, und wird sich auch, wofern er nicht gantz verblendet ist, eben so wenig weiter regen, als der Hr. M. Sievers aufhoͤren wird, Buͤcher zu schreiben. Dieser mu- thige Scribent wird sich durch solche arm- seelige Spoͤttereyen nicht abschrecken lassen, die Welt ferner mit seinen koͤstlichen Schriff- ten zu erfreuen. Er verspricht uns dieses in der gemeldten Abfertigung des Spoͤt- ters, der sich an ihm reiben wollen. Er hat auch, als ein redlicher Mann, sein Wort gehalten, und eine Schrifft in ge- bundener Rede ans Licht gestellet, die sei- nen Anmerckungen uͤber die Paßion, an Schoͤnheit, nichts nach giebt, ja denselben so aͤhnlich ist, als Zwillinge einander zu seyn pflegen. So recht, grosser und fruchtbahrer Geist! Verlache Vorrede. Verlache die Spoͤtter, und laß dich nichts irren: Vollende, wie du es angefangen hast: „Perge modo, \& qua te ducit via, dirige gressum. Virgil. Æneid. Lib. I. Sey fruchtbahr, und mehre die Anzahl deiner Schrifften taͤglich: Fahre fort, alle Monathe mit so wohlgebildeten Zwillin- gen nieder zu kommen, so wird dein Ruhm schnell wachsen, und, ehe man sichs versiehet, bis an die Sterne steigen. „Macte noua virtute puer! sic itur ad astra. Virgil. Æneid. Lib. IX. O gluͤckseeliges Vaterland! das du mit einem so wohlgerahtenen Kinde prangen kanst. Aber erkennest du auch dein Gluͤck? Ja, ich weiß, du erkennest es, und wirst nicht saumen, die Verdienste eines Sohnes, der dir so viele Ehre bringet, und so manche Lust machet, nach Vermoͤgen zu belohnen. Jst es also wohl glaublich, daß die Schmaͤh- Schrift wider den Hn. M. Sievers, die wir in dem Hamburgischen Corresponden- ten gelesen, aus Luͤbeck nach Hamburg ge- sand worden, wie man uns bereden will? Aus Vorrede. Aus der Stadt, da niemand, von dem Vornehmsten an bis auf den Geringsten zu finden, der nicht vor den Hn M. eine Hochachtung hege, die mit der Groͤsse sei- ner Verdienste uͤbereinstimmet? Aus der Stadt, da auch auf den Gassen ‒ ‒ ‒ ‒ doch, geneigter Leser, es ist Zeit, daß ich schliesse. Ein Eyfer fuͤr die Ehre eines Mannes, den ich hoch schaͤtze, setzet mich so gar ausser mir, daß ich nicht einmahl mercke, wie noͤthig es sey, Abschied von dir zu nehmen, und mich dir bestens zu empfehlen. Lebe demnach wohl, geneig- ter Leser! Kurtze Kurtze Aber dabey deutliche und erbauliche A nmerckungen Uber die Geschichte von der Zerstoͤhrung der Stadt Jerusalem. C Hristus selbst) Matth. XXIV. Jhnen) den Juͤden. Ein Comet,) Es giebt Leute, die nichts glau- ben, und also auch leugnen, daß die Cometen was Boͤses bedeuten, wie vornemlich der gott- lose Bayle in seinen Pensées diverses sur la Comete sich zu behaupten bemuͤhet. Allein ein from- mer Christ laͤsset sich durch das boͤse Geschwaͤtz dieser Leute nicht irren. Von den Meynun- gen der alten Weltweisen von den Cometen, v. Plutarchum de Placitis Philosophorum Lib. III. cap. 2. Von jederman,) Nemlich von allen Leuten, die nicht blind waren. Ein gantz Jahr,) Nicht daß er immer stille gestanden, sondern er ist, ein gantz Jahr durch, alle Tage auf und untergegangen. Der ungesaͤutten Brod,) Nemlich zu der Zeit, da die Juͤden die Ostern hielten. Exod. XII. 8. 15. XXIII. 15. XXXIV. 18. Des Monaths Aprilis,) Das war der 14. Tag des Monaths Nisan. B 20 20 Maͤnner anheben musten,) Vermuth- lich, weil es sehr schwer war. Um die sechste Nacht-Stunde, Das ist um 12 Uhr, da es gemeiniglich zu spucken pflegt. Etliche sagen,) Jch wolte wohl wetten, daß diese etliche Unrecht haben; Denn wenn sich dieses zu der Zeit des Leidens Christi begeben haͤtte, so haͤtten es die Evangelisten wohl ange- mercket. Gemeinen Mannes Sohn,) Darum nicht geleugnet, daß er auch eine Mutter gehabt: Denn alle Menschen werden von Weibern gebohren, wie der christliche Leser ohne mein Erinnern schon wissen wird. Kommen,) Es ist zu vermuhten, daß er zu Fusse dahin gegangen, weil er eines gemei- nen Mannes Sohn gewesen. Wiewohl eini- ge Ausleger anderer Meynung sind. Vid. Phlege- ton l. c. Sondern,) Dieses ist nicht die Conjunctio adversativa; Sed; sondern das adjectivum, sin- gularis, welches man um der Einfaͤltigen willen anfuͤhren wollen. Vom Morgen,) Es wird hier nicht verstan- den die Zeit des Tages, so man Morgen nen- net, gleich wie auch das Wort Abend hier nicht die Zeit andeutet, da die Sonne untergehet; sondern man muß darunter Osten und Westen verstehen. Tag und Nacht aneinander,) Man kan hieraus schliessen, daß er nicht geschlaffen; wie- wohl wohl einige dafuͤr halten, daß dieses eine hy- perbole. Nicht gerne hoͤreten,) Nach Art aller Men- schen. Denn es ist bekannt, daß niemand ger- ne etwas hoͤret, das ihm unangenehm ist. Doch nicht auf,) sondern schrie immer fort. Diesen Menschen,) Den Jesus, genannt A- nani, eines gemeinen Mannes Sohn, der aus einem sondern heftigen Geist so geschrien. Die Roͤmer da hatten,) Denn die hatten in allen ihren Provintzen gewisse Stadthalter, welche nach dem Unterscheid der Provintzen Procon- sules, Prætores, Proprætores, oder Præsides ge- nennet wurden. Denn es ist zu wissen, daß die Provintzen nicht alle einer Art gewesen. Anfangs theilte man sie in Consulares \& Præ- torias. Vid. Sigonius de antiquo jure provincia- rum Lib. II. cap. I. Nachdem eignete sich Au- gustus einige zu, und ließ dem Rath die an- dern. Dio Cassius Lib. LIII. p. 503. Strabo Lib. XVII. fin. Wodurch zwar der erste Unterscheid nicht aufgehoben ward; weil so wohl die Kaͤy- serlichen als raͤthlichen Provintzen in Consulares \& Prætorias eingetheilet wurden. Salmasius ad Capitolinum in vita M. Antonini Cap. XXII. p. 375. edit. Hack. Jedoch wurden diejenigen Stadt- halter, so der Kaͤyser in seine Provintzen setzte, eigentlich Præsides genennet. Gruterus Inscript. p. 457. Inscript. 4. Spanhemius de U. \& P. Numism. Dissert. XVII. p. 180. Egypten hatte was beson- ders: Denn dahin ward kein Proconsul oder B 2 Præses Præses gesandt, sondern der Stadthalter daselbst heist nur Præfectus Augustalis, und hatte kei- ne fasces. Arrianus de Expeditione Alexandri M. Lib. III. cap. 5. Tacitus Annal. XII. Cap. 6. Hist. Lib. I. cap. 2. Dio Lib. LIII. p. 504. Und dieses ei- ner alten Prophezeihung wegen. Trebellius Pollio in Æmiliano. Der Landpfleger in Syrien, wo- von hier die Rede ist, war ein Præses. Zaͤhren und Thraͤnen gelassen,) Das ist, er hat nicht geweinet. Ohne unterlaß) Doch hat er zuweilen Athem geholet, und denn hat er nicht geschrien, quia nemo potest simul sorbere \& flare. Uberlaut geschrien) Denn leise Schreyen hat- te er nicht gelernet, so wenig als ich und der ge- neigte Leser. Albinus der Richter,) Dieser Albinus war der Landpfleger oder Præses Syriæ. Josephus de Bello Jud. Lib. II. Cap. 13. saget nicht viel gutes von ihm. Nicht viel mit Leuten umgangen) Man kan daraus gar wahrscheinlich schliessen, daß er me- lancolisch gewesen. Oder dichtet) Nicht als wenn alle Dichter Thoren und wuͤtende Leute waͤren: Denn das waͤ- re manchem zu nahe geredet; Sondern dichten heist hier nur so viel als dencken. Nicht muͤde worden) Hiedurch wird meine Muthmassung bestaͤrcket, daß er nicht geschlaffen: denn hier steht ausdruͤcklich, daß er nicht muͤde geworden. Man schlaͤfft aber nicht, wenn man nicht muͤde ist. Die Die Stadt,) Jerusalem. Ungewoͤhnliche Worte,) Das ist kein Wun- der. Denn damahls war die deutsche Spra- che noch nicht sonderlich bekannt zu Jerusalem. Daher war es freylich was ungewoͤhnliches, daß dieser Jesus Anani: Au wey mir! rief. Man kan indessen so viel hieraus lernen, daß er der erste gewesen, der sich dieses Seuffzers be- dienet, welches vor mir niemand angemercket; so wenig als daß hier der Text verdorben. Denn in den gedruckten editionen der Historie von der Zerstoͤhrung Jerusalem stehet, er habe: Weh auch mir! geschrien: Da doch ein jeder leicht sehen kan, daß es: Au wey mir! heissen soll: Denn so sagen die Juden. Vermuthlich ist diese Verderbung des Textes auf folgende Art entstanden. Es hat nemlich derjenige, so Schuld daran, sich verschrieben, und an statt Au wey mir! Wey au mir gesetzet. Dieses hat ein anderer verbessern wollen, und Wehe auch mir daraus gemacht, zum deutlichen Be- weis, daß es wahr sey was der Heil. Hierony- mus epist. 28. ad Lucinium von den ungeschickten und dabey naseweisen Abschreibern sagt. Scri- bunt non quod inveniunt, sed quod intelli- gunt, \&, dum alienos errores emendare nitun- tur, ostendunt suos. Diese Muthmassung ist sehr wahrscheinlich, und wird noch dazu durch ei- nen alten niedersaͤchsischen Codicem bestaͤrcket, der mir neulich durch einen sonderbaren Zufall in die Haͤnde gerahten ist. Ohngefehr,) Da sage ich nein zu: Denn es B 3 ge- geschicht nichts von ohngefehr; und sind das ro- he Leute, welche sagen, ohngefehr werden wir gebohren, Sap. II. 2. Fromme Christen wissen, daß alles von GOtt koͤmmt. Todt blieben,) O der arme Schelm! waͤre er von der Mauer geblieben, so haͤtte er vermuht- lich noch lange leben koͤnnen. Stephanus sagt,) Act. VII. 52. Enderung und Zerruͤttung,) Denn Friede ernehrt, Unfriede verzehrt, und Salustius sagt gar wohl. Concordia res parvæ crescunt, dis- cordia maximæ sæpe dilabuntur. Wie dann auch Christus selbst sagt, daß ein jeglich Reich, so es mit ihm selbst uneins wird, wuͤste wird, und nicht bestehen kan. Luc. XI. 17. 18. Rotten,) Der christliche niedersaͤchsische Le- ser muß nicht meynen, daß Jerusalem mit Ra- tzen geplaget worden, und daß es den Juͤden damahls eben so gegangen, als dem Ertz-Bischoff Hattoni zu Mayntz. s. die Acerram Philologi- cam p. m. 201. sq. Mit nichten: Sondern Rotten heissen hier die unterschiedene Partheyen in welche sich die Juden theileten; wie man auch zur Noth, ohne mein Erinnern, aus dem nach- folgenden sehen kan. Nero,) Der bekannte Tyrann. Er war ein Schwester Sohn des Kaͤysers Caligula, und folgte im Jahr 54. dem Claudio im Regi- ment. Die ersten 5 Jahre regierte er loͤblich, und verbarg sein boͤses Naturel so, daß auch sein Lehrmeister Seneca seine Buͤcher de Cle- mentia mentia ihm zu Ehren geschrieben: aber nachge- hends ward er grausam, und ließ nicht nur sei- nen Lehrmeister den Seneca, sondern auch so gar seine eigne Mutter die Agrippina hinrichten. Er zuͤndete auch einmahl Rom an, um sich dabey die Zerstoͤhrung von Troja lebhafft vorzustel- len, hernach warf er die Schuld auf die Chri- sten, und verfolgte sie jaͤmmerlich, wie dann unter andern die beyden Apostel Petrus und Pau- lus unter seiner Regierung hingerichtet sind, und erzehlen die Geschicht-Schreiber, daß das abgehauene Haupt Pauli noch dreymahl JEsus gerufen habe. V. Suetonium in Nerone. Tacit. Annal. Lib. XIII. XIV. XV. XVI. Er pflegte im Sprich- wort zu sagen. . Artem quævis terra alit. Wer etwas kan, koͤmmt allenthalben fort. Suetonius l. c. cap. 40. Florus,) Der war noch aͤrger als Albinus, und machte es noch plumper. V. Joseph. de Bello Jud. Lib. II. cap. 13. Der seinen,) Van den Sinigen, sagt mein alter Cod. MSt. Es ist aber hier die Rede nicht von seinen Verwandten: Denn es ist nicht glaublich, daß die Florische Familie so starck ge- wesen; sondern seine Soldaten werden die seini- gen genennet, weil sie seine Soldaten, und er ihr General war. Gottes Verhaͤngniß,) Nicht als wenn GOtt sie zur Rebellion gereitzet haͤtte. Nein; denn GOtt ist nicht ein Versucher zum Boͤsen Jacob. I. 13. Er concurri rt zu dem Boͤsen nicht effectivè B 4 sondern sondern nur permissivè. V. Dieterici Instit. Cate- chet. p. m. 240. Causas vero, cur Deus homines peccare permittat, eleganter explicat Damascenus L. 2. orthod. fid. cap. 29. p. 149. Vid. etiam Quen- stedius, Scherzerus, Brochmannus, Hollazius \&c. loco de Providentia, ni fallor. Von ihnen,) Den Roͤmern. Das erfuhr,) Nemlich, daß sie von den Roͤ- mern abgefallen. Seinen Sohn,) Des Vespasiani Sohn. Denn Nero hatte keine maͤnnliche Erben. Orient,) Morgenland. Tranquillus,) Das ist der offt angefuͤhrte C. Suetonius Tranquillus. Wir haben von ihm, ausser denen Leben der 12. ersten Kaͤyser, noch 2. Buͤcher de illustribus Grammatticis, \& claris Rhetoribus. Inter recentiores editiones eminet Schildii, quæ prodiit Lugd. Bat. 1667. in 8vo. cum notis variorum. Ornatior \& copiosior e- ditio Sam. Pitisci cum selectis annotationibus \& elegantissimis Iconibus Traject. ad Bhenum 1690. II. volum. in 8vo. Laudabilior \& editio I. G. Græuii cum integris Is. Causaboni \& alio- rum notis, ac locupletissimo Berneggeri indice Trajecti 1672. in 4. quæ editio repetita est Hag. Comitis 1691. auctior illa quidem \& additis ico- nibus elegantior, sed minus emendata. In u- sum Delphini publicavit Augustinus Babelo- nius Paris. 1684. in 4. Vid Olai Borrichii Con- spect. Scrip. Linguæ latinæ p. m. 73. 74. Stoltz,) Wie es allezeit zu gehen pflegt. Wie Wie wohl haͤtten die Leute gethan, wenn sie be- dacht haͤtten, was die christliche Kirche im guͤlde- nen A. B. C. singet: „Erheb’ dich nicht in deinem Gluͤck „Es hat noch wunderbahre Tuͤck. Oder was der alte Comicus Græcus sagt: . Hauptleute,) Das war ein grosser Schade. Denn da die Philister sahen, daß ihr Staͤrckester todt war, liessen sie den Muth fallen. 1. Sam. XVII. 51. Des Kaͤysers,) Neronis. Galilaͤa,) So hieß das Theil des juͤdischen Landes, so gegen Mitternacht an dem Berg Liba- non und See Genezareth liegt. Kein Ende) Nicht, daß er ewig gewaͤhret. Denn es hat schon lange ein Ende gehabt; son- dern Vespasianus mordete, raubte und brannte so lange, als etwas zu morden, rauben und brennen war. Das es so zu verstehen, wird nie- mand leugnen, der nur einmahl gehoͤret hat, quod talia sunt prædicata, qualia permittuntur esse à suis subjectis. Auf einmahl,) Nicht auf einen Hieb, das gienge schwerlich an, sondern einer nach dem andern. Wehrhafftige Leute,) Leute, die zum Krie- ge tuͤchtig. Denn daß es Leute gewesen, die nach Deutschem Gebrauch wehrhafft gemacht, glaube ich nicht. B 5 Kinder Kinder in der Wiegen,) O der Grausam- keit! Allein, so gehts im Kriege: Da wird ver- acht, und nicht betracht, was recht und loͤblich waͤre. Eigene Leute,) Egene Luͤde. Cod. MSt. cit. Nicht, daß sie von sonderlichem Eigensinn ge- wesen, sondern sie wurden als Leibeigene verkaufft; wie ex consequentibus erhellet. Jsthmus) Jst ein schmaler Strich Landes zwischen zweyen Meeren. Vid. Amos Comenius in orbe sensualium picto p. m. 17. Hier wird von demjenigen geredet, durch welchen Morea, vor diesem Peloponesus genannt, an dem uͤbrigen Griechenland haͤnget. Es haben sich viele un- ternommen, diesen Jsthmum zu durchgraben: Allein es hat noch keinem gelingen wollen. Ver- muhtlich, weil GOtt nicht haben will, daß man die von ihm dem Meer gesetzte Graͤntzen aͤndere. Diese Anmerckung ist nicht meine, sondern der Christliche Leser hat sie dem sel. Hn. Johann Huͤbnern zu dancken. Vid. dessen Geographi sche Fragen p. m. 94. welches ich aus Bescheidenheit nicht verschweigen wollen. Herab gestuͤrtzet,) Einige wollen behaupten, daß wenige, und vielleicht gar keine mit dem Le- ben davon gekommen: Aber ich halte vor siche- rer, daß man in einer Sache von so grosser Unge- wißheit das ergreiffe. Fast gelehrt) sehr gelehrt. Nicht vix sondern valde. Obersten einer im Krieg,) Er war uͤber Gali- laͤa laͤa gesetzet, wie er selbst erzehlet. Lib. II. de Bello Jud. Cap. 25. Ergriffen) Wie es zugegangen. V. Beym Joseph. l. c. lib. III. cap. 14. Noch Kaͤyser werden,) Josephus l. c. Und es ist auch eingetroffen. Raͤuberisches Volck) V. Joseph. de Bello Jud. Lib. IV. cap. 5. Abermahl) Denn es war schon vorher geschehn. Arme Stadt,) Nemlich die Einwohner; con- tinens pro recontenta. Offt,) Vaken. Cod. MSt. cit. Wetter,) Ungluͤck, Noht, Jammer. Dreyerley Ungluͤck,) Nach dem Sprichwort: Nulla calamitas sola. Ein Ungluͤck ist selten alleine. Tyrann,) Das Wort Tyrannus hat vorzei- ten eine gute Bedeutung gehabt: nachgehends a- ber ist es in einem boͤsen Verstande genommen worden. Um der Herrschafft,) Nam si violandum est jus, regnandi gratia violandum est, aliis re- bus pietatem colas. Euripides. Gadarener,) V. Marc. V. 1. Luc. VIII. 27. Sie hiessen auch Gergesener. Matth. VIII. 29. Und waren wohl boͤse Leute, weil sie Christum nicht bey sich leiden wolten. O Blindheit! Gadara die Stadt,) Die Stadt Gadara. Nahm er gefangen,) Durch seine Leute. Nam quod quis per alium facit, ipse fecisse pu- tandus. Vid. Compendium Metaphysices, quod pri- mum tibi inciderit in manus. Andere Andere,) Nicht secunda, sondern reliqua plebs. Stuͤrtzet sich in den Jordan,) Jch glau- be, wo sie nicht schwimmen koͤnnen, sind sie alle ersoffen. Asphaltiten ,) Von diesem See hat Josephus ein eigen Capitel, welches das 6te ist in seinem 5ten Buche de Bello Judaico, und woraus ein geneigter Leser viele schoͤne Sachen lernen kan. Zu Ausgang des Winters,) Da kan man sehen, daß vor Alters die Jahrs-Zeiten in eben der Ordnung auf einander gefolget als jetzo. Lentz,) Fruͤhling. Froͤhjahr. Cod. MSt. cit. Nero todt war,) Er erstach sich selbst. Sue- tonius in Nevone cap. 49. Lag er,) Nicht, daß er eben gestreckt gele- gen, sondern er hielte sich daselbst auf. He was to Cesarea. Cod. MSt. cit. Eilend auf,) Quia periculum in mora. Vespasianus,) Er war ein guter Regent; aber etwas geitzig, indem er so gar auf die Secre- te s. v. einen Tribut legte, und dabey zu sagen pflegte: Lucri bonus odor ex re qvalibet. Wie er merckte, daß er sterben wolte, stand er auf, und sprach: Imperatorem decet stantem mori. Svetonius in Vespas. c. 16. 24. Tito,) Das war sein Sohn. Entkam schwerlich,) Mit nauer Not. Cod. MSt. cit. Man mercke beylaͤuffig, daß es ein Feh- ler an einem General, wenn er sich zu sehr wagt. Eine Eine viertel Meile von der Stadt,) Denn er war gewitziget. Piscator ictus sapit: und er- innerte sich des Sprichworts: Procul à Jove pro- cul à fulmine. Part) Theil. Zeloten,) Eyferer, à Græco . unde , æmulator, æmulus, sectator, , ajunt Stoici, . Boͤs heuchlisch Volck,) Nicht daß alle Ze- loten und Eyferer ein boͤses heuchlisch Volck, son- dern es ist nur von diesen Zeloten zu verstehen, von welchen hier die Rede ist: Quod probe notandum contra Indifferentistas \& Fana- ticos, speciatim Christianum Thomasium, Ar- noldum \& Dippelium. Nicht koͤnnen los werden,) Es waͤre also besser gewesen, man haͤtte diese Gaͤste nicht ge- laden, quia. Turpius ejicitur quam non admittitur hospes. Der Hunger,) Nam graue tormentum fa- mes. Hunger ist ein scharffes Schwerdt. Jhre hoͤchste Macht,) Denn auch ein Wurm kruͤmmt sich vor dem Tode. Es war aus,) Et was ut. Cod. MSt. cit. Aus dem Munde gerissen,) Ut dem Mule reten. Cod. MSt. cit. Man sagt dahero auch noch, wenn man sich ihrer zwey um ein Stuͤ- cke Brod reissen siehet: da geht es her, wie bey der Zerstoͤhrung Jerusalem. Sich eines des andern erbarmet,) Denn ein ein jeder ist sich selbst der Naͤchste. Proximus sum egomet mihi. Scheffel,) Schepel. Cod. MSt. cit. Kuh. Mist,) Koh-Dreck. Cod. MSt. Unflat,) Schiet. Cod. MSt. Vielmehr Arbeit,) Denn es war eine star- cke Festung. Trompeter mit der Posaunen,) Entweder dieser Trompeter hat mehr als ein Jnstrument verstanden, oder es ist auch eine Trompete, und keine Posaune gewesen, damit er ein Zei- chen gegeben. Alle erschlagen,) Fast alle; denn einige sind bey Nacht in die Stadt entkommen. Kein verschonen,) Denn Christus hatte gesagt, es solte kein Stein auf dem andern blei- ben. Matth. XXIV. 2. Weder mit Draͤuen noch vermahnen,) O der Hartnaͤckigkeit! Duͤrffte man keiner Priester mehr,) Da kan man sehen, was die Fanatici vor gefaͤhrli- che Absichten haben, wenn sie die Kirchen, und den aͤusserlichen Gottes-dienst verwerfen, denn die Folge ist richtig: wenn man keine Kirchen und oͤffentlichen Gottes-dienst hat, so braucht man keiner Priester. Bald ein Geruͤcht,) Denn „Fama malum, qua non aliud velocius ullum. „Mobilitate viget, viresque acqvirit eundo. Virgil. Æneid. Lib. IV. Jn einer Nacht umkommen,) Was thut der leidige Geitz nicht! quid ( o ) „ ‒ ‒ ‒ qvid non mortalia pectora cogis „Auri sacra fames. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Virgil. Æneid. Lib. III. Nicht toͤdten solte,) Denn er war gar ein gnaͤdiger Printz, daher er auch, wenn ein Tag verstrichen, an welchem er niemand gutes gethan, zu sagen pflegte: Amici, diem perdidi, Welche Auffuͤhrung ihm dann den Titel: Deliciæ generis humani, zu wege gebracht. O daß doch alle Fuͤrsten diesem Kaͤyser gleichten! 1. Register Der angefuͤhrten Schrifft-Stellen. Matth. VIII. 29 ‒ ‒ ‒ ‒ XXIV ‒ ‒ ‒ ‒ XXIV. 12 Marc. V. 1 Luc. VIII. 27 ‒ ‒ ‒ XI. 17 . 18 Iac. I. 13 Exod. XII. 8 . 15 ‒ ‒ ‒ XXIII. 15 ‒ ‒ ‒ XXXIV. 18 Sap. II. 2 2. Register Der angefuͤhrten Autorum. Acerra Philologica. Arrianus. Bayle (Pierre) Borrichius (Olaus) Brochmannus. Cod. MStus. Comenius (Amos) Comicus Græcus. Damascenus. Dio Cassius. Diete- ( o ) Dietericus. Euripides. Gruterus. Hieronymus. Hollazius. Horatius. Hubnerus. Iosephus. Ovidius. Phlegeton. Plutarchus. Quenstedius. Salustius. Salmasius. Scherzerus. Sigonius. Spanhemius. Strabo. Suetonius. Tacitus. Trebellius Pollio. Virgilius. 3. Register Der Vornehmsten Materien. A A. B. C. (das guͤldene) haben die Juden nicht fleissig gesun- gen. p. 25 . Albinus, Landpfleger in Syrien. p. 20 . Josephus sagt nicht viel gutes von ihm. ibid. Arnold, (Gottfried) ein Indifferenti ste und Fanaticus. p. 29 . Asphaltites (der See) Josephus schreibt schoͤne Sachen da- von p. 28 . Autor , Mag sich nicht selbst loben p. 1 . ist bescheiden p. 26 schreibet seine An- merck. nach dem Geschmack des Hn. Mag. Sievers p. 1 . suchet dem Hn. Mag. Sievers nach- zuahmen ib. Mag den Hn. Mag. Sie- vers nicht loben p. 4 . Ursachen, war- um ( o ) um er dieses nicht thun moͤge, p. 4 . Autor klaget uͤber die na- seweisen Splitter- Richter p. 5 . Erlaͤutert ein Lehr- reiches Buch mit noch lehrreichern Anmerckungen. p. 7 . Autor , kehrt sich nicht daran, was man von ihm und seiner Arbeit urtheilet. p. 6 . schreibt nicht ums Brod. ib. nicht um Ehre zu erjagen. ib. will seinem Nech- sten dienen. ib. will mit seinem Pfunde wuchern. ib. wie er auf die Ge- dancken kommen, seine Anmerckun- gen zu schreiben. ib. wer ihn dazu an- gefrischet. ib. ist hoͤflich, und voll christlicher Liebe. ib. Autor dessen Absicht ist lauter und unta- delich. ib. wer seiner spottet versuͤndiger sich. p. 7 . redet seinen Lesern beweglich zu p. 8 . stellt seiner Schrift die nativi taͤt. ib. ist gelassen. p. 10 . 11 . hat mit einem ehr- lichen Manne ge- redt. p. 1 . ergreift das - . p. 26 . wird dem Hn. M. Sievers desto aͤhn- licher, je aͤrger die Spoͤtter mit ihm umspringen. p. 10 . bekoͤmmt durch ei- nen sonderlichen Zufall einen Cod. MSt. p. 12 . macht eine An- merckung, die gantz neu ist, und an wel- che vor ihm nie- mand gedacht. p. 21 . eyfert vor die Eh- C re ( o ) re des Hn. Mag. Sievers. p. 19 . Autor vergisst fast von seinem Leser Ab- schied zu nehmen. ib. Au wey mir/ ein Juͤdi- scher Seufzer. 21. war zu den Zei- ten der Zerstoͤh- rung Jerusalem noch ein unge- woͤhnliches Wort bey den Juden. ib. wer zu erst so ge- schrien. ib. Aus, was es auf Nie- dersaͤchsisch heisse. p. 29 . B. Bayle (Pierre) glaubt nicht, daß die Co- meten was Boͤses bedeuten. p. 10 . hat penseés diver- ses sur la Comete geschrieben ib. ist gottloß. ib. C. Cometen, ob sie was Boͤses bedeuten. p. 17 was die Alten da- von geglaubt. ib. Comet wird von jeder- man gesehen, der nicht blind war. p. 10 . D. Deursche Sptache, ist zur Zeit der Zer- stoͤhrung Jerusa- lem daselbst noch nicht sonderlich be- kannt gewesen. p. 21 . Dichter, sind nicht alle Thoren und wuͤ- tende Leute. p. 20 . Dichten, heist offt so viel als dencken. ib. Dippel, (Joh Conr.) ein Indifferen tiste und Fanaticus. p. 29 . E. Eyferer, s. Zeloten. Etliche, haben unrecht. p. 18 . F. Florus, (der Landpfle- ger) noch aͤrger als ( o ) als Albinus. p. 23 . machte es noch plumper. ib. Florus, dessen Familie ist nicht 5000 Mann starck gewesen. ib. Fanatici, haben boͤse Absichten. p. 30 . G. Gadarener, wie sie sonst genennet wer- den. p. 27 . wollen Christum nicht leiden. ib. Galilaͤa, wo es gele- gen. p. 25 . General, muß sich nicht zu sehr wagen. p. 28 . Geschichte, von der Zerstoͤhrung Jeru- salem ist lehrreich. p. 7 . Geschichte, von der Zerstoͤhrung Je- rusalem, hat Hr. M. Sievers mit drucken lassen. p. 6 . man beklagt, daß er sie nicht mit An- merck. erlaͤutert. ib. der Text derselben ist an einem Ort verdorben. p. 21 . wie es damit zuge- gangen. ib. Gruͤnes Holtz, Schluß daraus a majori ad minus. p. 11 . Hauptleute, wenn sie in der Schlacht bleiben ist es ein grosser Schade. p. 25 . Hatto, (Ertzbischoff von Maͤyntz) wird von den Maͤusen ge fressen. p. 22 . Hunger, ist ein scharf- fes Schwerd. p. 29 . J. Jahrs Zeiten, wie sie vor diesem auf ein- ander gefolget. p. 28 . Jesus (Anani) eines gemeinen Man- nes Sohn. p. 19 . hat auch eine Mut- ter gehabt. p. 18 . geht zu Fuß nach Jerusalem. ib. C 2 schlaͤfft ( o ) Jesus schlaͤfft nicht. ib. schreiet immerfort. p. 19 . weinet nicht, wenn er gepeitschet wird p. 20 . hohlt zuweilen A- them. ib. kan nicht leise schreien. ib. ist melancolisch ge- wesen. ib. wird nicht muͤde. ib. hat zu erst au wey mir! geschrien. p. 21 . haͤtte noch laͤnger leben koͤnnen, wenn er nicht erschossen. p. 22 . Josephus, wird uͤber Galilaͤa gesetzet. p. 26 . schreibt schoͤne Sa- chen von dem See- Asphaltites p. 28 . Jsthmus, was es sey. p. 26 . sol durchgegraben werden. ib. es will aber nicht angehen. ib. und warum. ib. K. Krieg, wie es darinnen hergehet. p. 26 . Kuͤhemist, wie es auf Niedersaͤchsisch heis- se. p. 30 . L. Lentz, was es bedeute. p. 20 . wie es auf Nieder- saͤchsisch heisse. ib. Leute, wie dieses Wort auf Niedersaͤch- sisch heisse. p. 26 . Luͤbeck, ist gluͤcklich daß es an Hn. M. Sievers ein wohl- gerathenes Kind hat. p. 15 . hat manche Lust von dem Hn. M. ib. will dessen Ver- dienste belohnen. p. 16 . M. Morea, wie es vor Zei- ten geheissen. p. 26 . Men- ( o ) Menschen, werden al- le von Weibern gebohren. p. 18 . N. Nero, ist ein Tyrann gewesen. p. 22 . regieret anfangs wohl. 23 . laͤst seine Mutter hinrichten. ib. zuͤndet Rom an. ib. verfolget die Chri- sten ib. ersticht sich selbst. 28 . Niemand, hoͤret gerne etwas unangeneh- mes. p. 19 . O. Offt, wie es auf Nie- dersaͤchsisch heisse. 27 . P. Paulus, (der Apostel) wird unter Nero enthauptet. p. 23 . sein abgehauener Kopff rufft noch dreymahl JEsus. ib. Petrus, (der Apostel) wird unter Nerone hingerichtet. ib. Provintzen, (roͤmische) sind nicht einer Art gewesen p. 19 . in allen waren Stadthalter. ib. Kaͤyser eignen sich einige zu. p. 19 . R. Rotten, was es sind p. 22 . Ratzen, Jerusalem ist nicht damit gepla- get worden. ib. Rebellion, GOtt hat die Juden nicht da- zu gereitzet. p. 23 . S. Scheffel, wie es auf Niedersaͤchsisch heis- se. p. 30 . Schmaͤh-Schrifft, wi- der den Hn. Mag. Sievers ist nicht aus Luͤbeck kom- men. p. 15 . Autor derselben ist ein boͤser und neidi- scher Mensch. p. 13 . verraͤht seine Ein- falt ib. ist der ein- tzige, der uͤber den C 3 Hn. ( o ) Hn. Mag. Sievers spottet. ib. wird mit dem Mi- das verglichen. ib. wird geputzt. p. 14 . verstummet. ib. Schwerlich, wie es auf Niedersaͤchsisch koͤnne gegeben wer- den p. 28 . Sechste Nacht-Stun- de, wie viel es nach unserer Uhr sey? p. 18 . pflegt darinn zu spuͤcken. ib. Sievers, ( M. Hen. Jac.) ein vortref- licher Mann p. 4 . 10 . ein wackerer Mann p. 11 . dienet dem Autori zum Muster. p. 4 . ist bescheiden. p. 4 . seine Verdienste sind aller Welt be- kannt. 5 . und ausnehmend. ib. schreibt Anmer- ckungen uͤber die Paßion. p. 6 . seine Anmerckun- gen schaffen viel Frucht. ib. werden von Leu- ten beyderley Ge- schlechts gelesen. 7 . wird von einer ge- lehrten Gesell- schafft zum Mitt- gliede angenom- men. p. 10 . wird in den Zei- tungen gestriegelt. ib. ein Ungelehrter lobt sein Buch. 11 . schreibt kurtz und deutlich. p. 12 . hat viel besonders in seinen Anmer- ckungen, so man sonst nirgends fin- det, ib. ist scharffsinnig. ib. hat tiefe Einsich- ten, ist ein Liebling und Schooß-Kind des Apollo. p. 13 . ist ein muhtiger Scribent. p. 14 . Sie- ( o ) Sievers, (M. H. J.) wird nicht aufhoͤ- ren Buͤcher zu schreiben. p. 14 . putzt den Spoͤt- ter der sich an ihm reiben wollen. ib. ist ein grosser und fruchtbahrer Geist ib. koͤmmt mit Zwil- lingen nieder. 15 . bringt seiner Va- ter-Stadt viel Eh- re ib. macht ihr manche Lust. ib. zeigt seine Anmer- ckungen einen gros- sen Gottes-Gelehr- ten. p. 12 . wird von selbigem gelobet. ib. mag aber aus Sittsamkeit nicht nachsagen, was zwischen ihnen vor- gegangen. p. 13 . Stadthalter, die Roͤ- mer hatten in al- len ihren Provin- tzen einen. p. 19 . wie der in Egy- pten genennet wor- den p. 20 . in Egypten hat keine fasces ib. und warum. ib. wie die, so die Kaͤy- ser in ihren Pro- vintzen gesetzet, ge- nennet werden. 19 . T. Thomasius, (Christ.) ein Indifferenti ste und Fanaticus. p. 29 . Tyrann, dieses Wort hat vor diesen ei- ne gute Bedeutung gehabt. p. 27 . Titus, ein gnaͤdiger Printz. p. 31 . V. Vespasianus, ein guter Regent p. 28 . ist etwas geitzig. ib. legt Tribut auf die Secrete. ib. stirbt stehend. ib. Unflat was es auf niedersaͤchsisch heisse. p. 30 . Z. Zeloten, sind nicht alle ein boͤß und heuchlisch Volck, p. 29 . ety mologie dieses Worts. ib. Zaͤhren und Thraͤnen (keine) las- sen, was es sey. p. 20 . Ent ( o ) Entschuldigung an den G eneigten L eser . J ch sehe vorher, daß meine Anmer- ckungen uͤber die Historie von der Zerstoͤrung der Stadt Jerusalem bey dem geneigten Leser eine Begierde erwecken werden, zu wissen, ob ich sonst nichts ge- schrieben. Nun wuͤrde ich freylich nicht ermangelt haben, demselben, nach Art al- ler rechtschaffenen Gelehrten, um meinem Buche die rechte Figur eines Buchs nach der Mode zu geben, mit einem Verzeichniß meiner Schrifften so schuldig, als willig aufzuwarten: Allein der geneigte Leser wird mich entschuldiget halten, daß ich vor dieses mahl einem so loͤblichen Gebrauch nicht nachlebe: Denn ich kan auf meine Ehre versichern, daß diese Anmerckungen die erste Kraft meines Verstandes sind, und ich sonsten noch nichts geschrieben habe: Weil man mir in meiner Jugend weiß ge- macht hat, ein junger Mensch muͤsse erst et- was lernen, ehe er die Feder ansetzte, und sich, ( o ) sich, andere zu lehren, unter finge. Dieses Vorurtheil hat mich bishero abgehalten, der Welt mit meinem Talent zu dienen: Al- lein, da ich auf das, was in der gelehrten Welt taͤglich vorgehet, genauere Acht ge- habt, bin ich gewahr worden, wie schaͤndlich man mich betrogen habe, und begreiffe nu- mehro gantz deutlich, daß man gar fuͤglich ein beruͤhmter Scribent seyn koͤnne, ohne die geringste Wissenschafft zu besitzen, und daß es folglich eine unnuͤtze Muͤhe sey, wenn man durch vieles Studiren seinen Ver- stand, und seine Gesundheit schwaͤcht. Jch halte demnach das Vorurtheil, so man mir in meiner Jugend beygebracht hat, vor hoͤchst schaͤdlich, und bin versichert, daß, wenn man sich nach selbigem richten wolte, in kurtzem die Buchdrucker und Buchhaͤnd- ler an den Bettel-Stab kommen wuͤrden. Uber mich sollen diese Leute nicht seufftzen; Jch will ihnen, wo ich lebe, genug zu schaffen geben: Niemand verachte meine Jugend. Jch bin, GOtt Lob! uͤber mein 21tes Jahr: Wer aber uͤber seine 3 mahl 7 Jahre ist, kan, wie bekannt, in allen Gesell- schafften, und folglich auch in der gelehrten Welt ein Wort mit sprechen. Jch weiß wohl, daß es gemeiniglich heist: Ver- C 5 stand ( o ) stand koͤmmt vor Jahren nicht: Allein ich weiß auch, daß dieses Sprichwort von alten Leuten herruͤhre. Die Alten sind, wie jederman weiß, neidisch und ei- gensinnig. Die guten Leute meinen, sie haͤtten alle Weißheit gefressen: Was sie sagen, das muß vom Himmel herab geredet seyn, und was ein junger Mensch vorbringet, das muß Kinderey heissen, es sey auch so klug, als es wolle. Aber es giebt, zu allem Gluͤcke, so viele alte Narren, daß niemand an der Wahrheit des Sprichworts: Alter schadt der Thor- heit nicht, zweifeln kan, und die Alten sind selbst so wenig in Abrede, daß die Kraͤffte ihres Verstandes mit den Jahren abnehmen, daß vielmehr die Em- pfindung dieser Abnahme ihnen die bittersten Klagen auspresset: Ja die Macht der Wahrheit ist so groß, daß sie offt, wieder ihren Willen, mit Unmuth beken- nen, und sprechen muͤssen: Die Jungen sind immer kluͤger als die Alten. Ein Mensch, der den Vorsatz hat, sich durch seine Schrifften um die Welt verdient zu machen, thut demnach sehr wohl, wenn er bey zei- ten anfaͤngt, und die Zeit, da sein Verstand in seiner besten Bluͤthe ist, mit dieser edlen Bemuͤhung zu- bringet. Die Buͤcher, welche wir schreiben, sind die Kinder unsers Verstandes, und die Zeugung dieser geistlichen Kindersetzt eben so wohl, als die Zeugung der leiblichen eine Beschaffenheit unserer Kraͤffte voraus, die man bey den Alten vergebens suchet, und nirgends besser, als bey frischen Juͤnglingen findet. Wir heyrathen also, wann wir noch jung sind, und dieses hat, nach einem sehr bekannten Sprichwort, noch niemand gereuet. Die Ursache davon ist leicht zu begreiffen: Denn auf solche Art koͤnnen wir hoffen, unsere ( o ) unsere Kinder groß zu sehen, und an ihnen, in unserm Alter unsere Freude zu haben. Die Freude, die wir an den Kindern unsers Verstandes erleben, ist gewiß nicht geringer, alsdas Vergnuͤgen, welches uns un- sere leibliche Kinder geben; und folglich handelt der- jenige, der das Buͤcherschreiben bis ins Alter sparet, eben so thoͤrigt, als ein Greiß, der erst heyrathet, wann er schon einen Fuß im Grabe hat. Wer dieses recht bedencket, der wird mit mir den Schluß machen, daß man schreiben muͤsse, wann man noch jung ist, ut nos metipsi, wie Cicero sagt, vivigloria nostra perfrua- mur. Die Zeit, wann man anfangen muͤsse, ist zwar so eigentlich nicht zu benennen, doch deucht mich, daß man einem Scribenten, der 3 mahl 7 Jahr alt ist, nicht vorwerfen koͤnne, er habe zu jung angefangen; und hoffe, ein jeder, der weiß, was vor Geheimnisse in den Zahlen stecken, werde mir Beyfall geben. Jch behalte mir vor, dieses alles in einem eigenen Wercke, zum Trost aller jungen Scribenten, weitlaͤuftiger auszufuͤhren, und versichere zum Beschluß den ge- neigten Leser, daß ich hinfort kein Papier und Dinte sparen, sondern durch Herausgebung der herrlichsten Wercke ihn zu vergnuͤgen, und mich in der Welt be- kannt zu machen nicht ermangeln werde. Die Wer- cke aber, welche ich theils unter Haͤnden, theils zum Druck fertig liegen habe, sind folgende: 1. Kurtze und gruͤndliche Anleitung, wie ein junger Mensch ohne allen Verstand und Wissenschafft gelehrt und beruͤhmt werden koͤnne. 8¾ Bogen. 8. 2. Thraso, oder von dem anmuthigen Geruch des Selbst-Lobes 2. Bogen. 8. 3. Tiresias, oder Untersuchung der Frage: Ob der Vater ( o ) Vater oder die Mutter sich am meisten freue, wann der Sohn gelehrt ist. 4 Bogen, 4. 4. Vorschlag zu Verbesserung der Manufacturen in Nieder-Sachsen. 5¼. Bogen, 8. 5. Vitrea fracta, oder des Ritters Robert Clifton Schreiben an einen gelehrten Samojeden, betref- fend die seltsamen und nachdencklichen Figuren, welche derselbeden 13. Januar. st. v. Anno 1732. auf einer gefrornen Fenster-Scheibe wahr ge- nommen, aus dem Englischen ins Deutsche uͤbersetzet, 4. Bogen. 6. Neue Methode die Juͤden zu bekehren, 6¾. Bo- gen, 8. 7. Das Leben des beruͤhmten Poeten Bavius, 10. Bogen in 8. 8. Lob der Jnquisition, 4. Bogen 4. 9. Vorschlag zu Abkuͤrtzung der Processe 6. Bogen 4. 10. Das jaͤmmerliche Ende des Ketzers Arrius in gebundener Rede: Mit Kupfern 4. Bogen, 4. 11. Die Gluͤckseligkeit der Rasenden. 8. Bogen. 8. 12. Sammlung aller meiner Schrifften. 2½. Al- phabet aufs hoͤchste. II. VITREA FRACTA, Oder des Ritters Robert Clifton S chreiben an einen gelehrten Samojeden, betreffend die seltsamen und nachdencklichen Figuren , welche Derselbe den 13. Jan. st. v. Anno 1732. auf einer gefrornen F enster- S cheibe wahrgenommen; Aus dem Englischen ins Deutsche uͤbersetzet. Franckfurt und Leipzig, 1732. VIRGILIUS. ‒ ‒ juvat ire jugis, qua nulla prio- rum Castaliam molli divertitur orbita cliuo. Mein Herr! N immer habe ich mich so sehr gefreuet, als da mir, zu Ausgang des vorigen Jahres, der Hr. William Medley Dero vortref- liche Ode auf den Tod Kaysers Peters des ersten, samt Dero gelehrten Nachricht von dem Zustande der Jnsul Nova Zembla vor der Suͤnd- fluth, von Archangel aus zuschickte. Jch bin zwar niemahlen so leichtglaͤubig gewesen, daß ich alles vor unstreitige Wahrheiten angenom- men haͤtte, was die gemeinen Buͤcher von der Bar- barey sagen, die in den Nord-Laͤndern herrschen soll; noch weniger hat mir der hochmuͤthige Wahn vieler meiner Lands-Leute gefallen wollen, die sich einbil- den, daß aller Witz in den Graͤntzen unserer Jnsul eingeschlossen sey: Der Umgang, den ich, auf mei- nen ehemahligen Reisen, mit vielen gelehrten und scharfsinnigen Laplaͤndern gehabt habe, hat mich eines andern belehret: Allein das haͤtte ich mir doch nimmer traͤumen lassen, daß in einem Lande, wel- ches man uns als eine Wuͤsteney, und als eine Wohnung der Ohim und Zihim beschreibet, ein Mann von scharffem Verstande, und von so gros- ser Gelehrsamkeit anzutreffen sey, als aus ihren Schrifften hervor leuchtet. Jn ( o ) Jn Spanien buder sich der Poͤbel ein, ein Ketzer sey ein Thier, das Hoͤrner und Klauen hat. Unser Jrr- thum, in Ansehung der Samojeden, ist gewiß nicht kleiner gewesen. Kaum hat man bishero geglaubet, daß ihr Vaterland von vernuͤnfftigen Creaturen be- wohnet werde: So scheußlich hat man uns dessen Einwohner abgemahlet. Urtheilen Sie demnach, mein Herr, wie groß meine Verwunderung gewesen seyn muͤsse, als ich Dero herrliche Schrifften gelesen. Gewiß, mein Herr, ich bin erstaunet, daß ein Poet, der in einem so kalten Lande gebohren ist, in seinen Ge- dichten so viel Feuer zeigen koͤnne, und muß bekennen, daß die Einfaͤlle unserer Dichter, gegen die ihrigen zu rechnen, kaͤlter sind, als alle Eis-Berge in der Meer- Enge Weygatz. Sie schreiben so hoch und praͤchtig, als ein Araber, und ich wuͤste keinen unter den Alten, der ihnen gleich zu schaͤtzen sey, als den Pindarus. Jch weiß nicht, ob Sie denselben gelesen haben; das weiß ich, daß ihre vortreffliche Ode eben die Bewegungen in mei- nem Gemuͤthe erreget, die ich spuͤre, wann ich diesen alten Griechen lese: Und einer meiner Freunde hat mir zu geschworen, er verstuͤnde von ihrer Ode eben so viel, als vom Pindarus. Jch glaube es ihm gerne, und bin versichert, daß al- le unsere Gelehrten, die sich so klug duͤncken, und so ge- neigt sind andere zu verachten, von Jhren Schrifften nicht das Geringste verstehen. Jch habe noch keinen gesehen, der nicht Nase und Maul aufgesperret haͤtte, wann er von den herrlichen Nachrichten gehoͤret, die Sie uns von Nova Zembla geben. Wie groß wird nicht ihre Besturtzung seyn, wann sie des Hn. Medley vor- ( o ) vortrefliche Ubersetzung dieser gelehrten Geschichte erst lesen, und mit ihren Augen sehen werden, wie wenig Ursache sie haben, die nordischen Voͤlcker zu verach- ten. Jch wolte wuͤnschen, daß sie dadurch bescheide- ner wuͤrden, und begreiffen lerneten, daß ihr Wissen Stuͤckwerck sey: Allein ich weiß nicht, ob ich es hof- fen kan. Wo fern ich unsere Gelehrten recht kenne, werden sie lieber alles, was Sie uns von Nova Zem- bla erzehlen, vor erdichtet ausgeben, als gestehen, daß sie es bishero nicht gewust haben. Jch werde mich dieser Suͤnde nicht theilhaftig ma- chen; sondern allemahl bekennen, daß ich aus ihren Schrifften unglaublichen Nutzen geschoͤpffet habe. Jch werde es dem Herrn Medley, so lange ich lebe, Danck wissen, daß er mir Dero Bekantschafft zuwe- ge gebracht, und ein bestaͤndiger Verehrer ihrer Ver- dienste leben und sterben. Diese Erklaͤrung habe ich schon lange auf meinem Hertzen gehabt, und auch beꝛeits etliche mahl die Fedeꝛ ergriffen, mich derselben in einem Schreiben an Sie zu entledigen. Allein es hat mir bis auf diese Stunde nicht gluͤcken wollen: Jch habe wohl dreymahl ange- fangen; aber auch drey mahl wieder ausgestrichen, was ich geschrieben hatte. Es ist dieses an Leuten meiner Art etwas unge- woͤhnliches. Wir, die wir von den Spoͤttern aꝛmselige Scribenten betitelt werden, haben auch bey unsern Feinden den Ruhm, daß wir nicht lecker sind, und daß uns alles geraͤth, was wir anfangen. Jch wuͤste noch keinen von allen meinen Bruͤdern, der sich jemahlen geschaͤmet haͤtte, etwas vorzubringen, so die leckere und verwehnte Welt vor laͤppisch haͤlt, und ich selbst D erkenne ( o ) erkenne gar wohl, daß die Schamhafftigkeit eine Tu- gend sey, die mir und meines gleichen eben so schaͤdlich ist, als einem Duͤrftigen. Jch erkenne dieses, sage ich, und bewundere die Vollkommenheit meiner Bruͤder: Jch muß aber zugleich meine Schwachheit gestehen. Jch streiche noch aus, und scheue das Urtheil derer, die sich klug duͤncken. Dieses ist das einzige, das meine Freunde an mir tadeln. Allein, ich bin nun so, und mein Schicksal will, daß ich mich mit dieser Unvollkom- menheit schleppen soll. Jch fuͤhle am besten, wie beschwerlich es ist, und wer da wuͤste, was mich bloß der Anfang dieses Schreibens vor Muͤhe gekostet hat, der wuͤrde ein Mitleiden mit mir haben. Als ich das erste mahl die Feder ansetzte, fing ich folgender Gestalt an: „Nach- „demmalen ich aus Dero Schrifften ersehen, daß sie „ein feiner gelehrter Mann, habe ich nicht unterlassen „wollen, diese geringe Zeilen an Sie abzulassen, und „Sie unterdienstlich zu ersuchen, mir ihre hoͤchst schaͤtz- „bare Gewogenheit zu goͤnnen.‟ Mancher von mei- nem Orden wuͤrde fortgefahren seyn: Allein ich stutz- te, und die Furcht, es moͤchte mir eben so gehen, als je- nem, der ein Dancksagungs-Schreiben, an, ich weiß nicht wen, fast auf gleiche Art angefangen hatte, mach- te, daß ich diesen Eingang, ohne alle Barmhertzigkeit, wegstrich. Jch fieng darauf wieder von vorne an, und brachte, nach einem halbstuͤndigen Gruͤbeln, nachfolgendes zu Papier:„ Gleich wieder Magnet das Eisen, ein Beu- „tel voll Ducaten einen Geitzigen, grosse Titel einen „Hochmuͤthigen, die Hoffnung des Gewinns den „Kuͤnstler, ein Glaß Wein und huͤbsches Maͤdgen „einen ( o ) einen Wolluͤstigen, und ein geriebenes Stuͤck Bern-„ stein und Siegel-Lack leichte Sachen an sich ziehet:„ also reisset mich, grosser Mecenat, Dero Vortreflich-„ keit zu Sie. „Aber auch dieser Anfang wolte mir nicht gefallen; denn, wie mir der erste etwas zu schlecht und baͤurisch vorkam, so klang mir der andere Comoͤdian- tenhafft. Jch strich ihn also gleichfalls weg, uñ befand mich in einem erbaͤrmlichen Zustande. Da ich indessen den Muht nicht sincken ließ; sondern alle Kraͤfte mei- nes geringen Verstandes anspannete, etwas taugli- ches zu Marckte zu bringen; so ist es mir endlich gelun- gen, und ich hoffe, mein Herr, Sie werden aus dem, so ich bisher geschrieben, die Groͤsse der Hochachtung, welche ich gegen Sie hege, zur Gnuͤge erkennen. O wie gluͤcklich waͤre ich nun, wenn ich Witz genug besaͤsse, dasjenige, was ich Jhnen noch zu sagen habe, mit dem Eingange meines Schreibens, auf eine ge- schickte Art zu verbinden! Abermal eine eitle Sorge, wovon meine vortreflichen Mit-Bruͤder frey sind. Diese Herren sind uͤber alle Regeln, und sehen es als eine unertraͤgliche Sclaverey an, wann ein Scribent gehalten seyn solte, das, was er schreibet, allemal ge- schickt mit einander zu verknuͤpffen. Sie sprechen, die- ses nehme viele Zeit weg, hemme den Lauff der Gedan- cken, und mache, daß manchmahl die besten Einfaͤlle verlohꝛen giengen. Sie haben recht; aber ich mag mich doch dieser Freyheit nicht bedienen: Nicht aus Beysor- ge, daß Sie, mein Herr, es mir uͤbel nehmen moͤgten. Ach nein! Jch weiß gar wohl, daß man es in ihrem Lande so genau nicht nimmt: Allein ich fuͤrchte nur die giftigen Zungen unserer uͤberklugen Gelehrten. Eingeschickter Kopfdieser Jnsul schrieb neulich ei- D 2 nen ( o ) nen gelehrten Brief an einen gewissen Lord uͤber das bekannte: Stultorum plena sunt omnia, und fieng, nach dem er sich die Gnade dieses Herrn in einem wohl ausgesonnenen Eingange ausgebeten hatte, die Ab- handlung seiner Materie auf folgende Art an: Dantur autem stulti varii generis. Mein GOtt! wie hat man nicht uͤber dis dantur autem gespottet. Aus keiner andern Ursache, als weil man den Zusammen- hang dieser Worte mit dem vorhergehenden Com- pliment nicht einsehen konnte. Mein Brief ist eben der Art, als derjenige, von welchem ich rede. Jch schreibe ihn nicht an Sie allein; sondern zugleich an die gantze Welt. Er wird ge- druckt, und von jederman gelesen. Nur ist dieses zwi- schen Jhnen und andern Lesern der Unterscheid, daß ich Jhnen ein Exemplar auf Schreib-Papier zu- schicke, das sauber eingebunden, und auf den Schnitt verguͤldet ist; andere aber, wenn sie eines haben wollen, ihren Beutel aufthun muͤssen. Wie wuͤrde es mir also nicht ergehen, wenn ich, nachdem ich Sie mei- ner Hochachtung gegen Sie versichert, ploͤtzlich zufah- ren und sagen wolte: „Die Figuren aber, die ich auf der „gefrornen Fenster-Scheibe wahrgenom̃en habe, sind „seltsam und wunderbar!‟ Ja wuͤrden Sie selbst, mein Herr, nicht gedencken: Was will der Kerl? Damit ich nun weder Jhnen noch andern Anlaß geben moͤge, uͤber meinen Vortrag zu lachen, so will ich versuchen, ob es nicht moͤglich sey, von der Versiche- rung meiner Hochachtung auf meine gefrorne Fen- ster-Scheibe zu kommen, ohne einen so gefaͤhrlichen Sprung zu thun, als der erwehnte Scribent in seinem Schreiben an einen Lord gethan hat, und habe dem- nach ( o ) nach die Ehre, Jhnen zu sagen, daß ich, um Jhnen noch deutlicher zu erkennen zu geben, wie hoch ich Sie schaͤtze, mir die Freyheit nehmen wollen, meine weni- gen Gedancken uͤber eine gefrorne fenster-Schei- be ihrer Beurtheilung zu unterwerffen. Sie werden sich vielleicht wundern, mein Herr, daß ich eine so gemeine und nichtswuͤrdige Sache zu einem Gegenstand meiner Betrachtungen erwaͤhlet. Eine gefrorne Fenster-Scheibe, werden Sie dencken, ist ei- ne gefrorne Fenster-Scheibe: Was kan ein solcher Quarck an sich haben, so das Nachsinnen eines vernuͤnftigen und gelehrten Mannes verdiene? Aber, mein Herr, erlauben Sie mir, daß ich Jhnen zu Ge- muͤthe fuͤhre, wie keine Sache so geringe sey, daß ein Kluger nicht Gelegenheit finden solte, daruͤber nuͤtzli- che Betrachtungen zu haben. Eine Lauß ist ein ver- aͤchtlich Thier, schimmelicht Brodt fressen auch die Hunde nicht, und es ist kein Bauer so einfaͤltig, daß er nicht wissen solte, was ein Stroh-Halm sey. Aber dennoch haben kluge und geschickte Maͤnner diese ge- ringscheinende Sachen ihrer Betrachtung nicht un- wuͤrdig geschaͤtzet. Ja sie haben sich nicht begnuͤget, dieselben mit blossen Augen anzusehen, sondern so gar die Vergroͤsserungs-Glaͤser zu Huͤlffe genom̃en; und, was noch mehr ist, zu keinem andern Ende die Kunst, diese Glaͤser zu verfertigen, durch viele Muͤhe und lan- ges Nachsinnen, zu einer so grossen Vollkommenheit gebracht, als, um dadurch die Betrachtung solcher Kleinigkeiten zu erleichtern. Sie kennen den beruͤhm- ten Lewenhoeck; Sie haben von Swammerdam ge- hoͤret. Was haben diese Maͤnner nicht vor schoͤne Sa- chen entdecket? Haben sie aber wohl einen Wurm, D 3 das ( o ) das veraͤchtlichste unter allen Geschoͤpffen, uͤbrig ge- lassen, den sie nicht hinten und vorne betrachtet, und uns nach allen Theilen beschrieben? Aber was bemuͤhe ich mich viel, mein Verfahren zu rechtfertigen? Belieben Sie nur den Abriß meiner gefrornen Fenster-Scheibe anzusehen: Jch bin versi- chert, Sie werden uͤber die seltsamen Figuren erstau- nen, und gestehen, daß die Natur, so viel wir wissen, noch niemahlen etwas hervor gebracht hat, das mit selbigẽ zu vergleichen waͤre. Sie wohnen in einem Lan- de, da die Kaͤlte so strenge ist, als an einem Orte in der Welt: aber eriñern Sie sich dergleichen gesehen zu ha- ben? Jch will eben nicht sagen, daß die Natur bey Jh- nen nicht eben so spiele, als bey uns: Jch glaube gerne, daß, wer sich die Muͤhe geben wolte, ihre Eis-Berge zu durchsuchen, viele sonderbare Entdeckungen ma- chen koͤnnte: Allein es gehet Jhnen und ihren Lands- Leuten, wie allen andern Menschen. Wir achten nicht auf das, was wir taͤglich sehen, und bewundern nur was selten ist. Selbst bey uns, da die Kaͤlte kaum einige Monate anhaͤlt, herrscht eine unglaubliche Nachlaͤßigkeit in Untersuchung der Wirckung des Frostes; und ich zweifele nicht, daß vielemeiner Lan- des-Leute mich auslachen werden, daß ich aus einer gefrornen Fenster-Scheibeso viel Wesens mache. Aber ich will diesen Herren rahten, daß sie nicht so laut lachen, daß ich es hoͤre. Jch werde sie fragen, was dann die Kleinigkeiten, daruͤber sie gantze Buͤcher schreiben, wohl sonderbares an sich haben? Wie durchwuͤhlen sie nicht unser Ufer, um ein Steinchen zu finden, das wehrt ist, in Kupffer gestochen, und seiner Seltenheit wegen umstaͤndlich beschrieben zu weꝛden? Jch ( o ) Jch tadele ihre Bemuͤhung nicht. Sie thun es, wie sie vorgeben, zu GOttes Ehren; sie wollen die Men- schen zur Bewunderung der Goͤttlichen Weisheit aufmuntern. Jhr Zweck ist loͤblich: Aber sie wer- den dann auch so guͤtig seyn, und mir erlauben, daß ich zu eben dem Ende meine Betrachtungen uͤber Dinge anstelle, dieich derselben wuͤrdig achte. Meine gefrorne Fenster-Scheibe ist gewiß so be- schaffen, daß alle ihre schoͤne Raritaͤten, und alles, was sie daruͤber schwatzen und schreiben, gegen diesel- be und meine Betrachtungen, aufs bescheidenste da- von zu reden, eitel Kinderspiel und Thorheit ist. Man sehe nur ihre wunderbaren Steine und andere schoͤne Sachen an, so wird man finden, daß die Einbildungs- Krafft des Beschauers der Natur zu Huͤlffe kommen muͤsse, um die Figuren hervor zu bringen, welche der sinnreiche Naturkuͤndiger, der sich breit damit macht, darauf entdecket. Gewiß, viele dieser Seher gemah- nen mich nicht viel anders, als die Bauren, die beym Untergang der Sonnen offt streitende Krieges-Heere, Tuͤrcken-Koͤpffe, Thiere, und ich weiß nicht was in den Wolcken erblicken. Denn wie diese Heere, diese Koͤpffe, diese Thiere nur in dem Gehirn des phantasi- renden Bauren zu finden sind, so haben auch die mei- sten Seltenheiten unserer Forscher ihren Grund in ei- ner starcken, und von einer unbaͤndigen Begierde, Wunder-Dinge zu erzehlen, in Unordnung gebrach- ten Einbildungs-Krafft. Und wenn dann ja die selte- nen und wunderbaren Figuren, so man der Welt zur Bewunderung darstellet, wuͤrcklich ausser der Phan- tasie des Naturkuͤndigers vorhanden sind; so sind sie doch gemeiniglich so klein, daß man nothwendig ein D 4 Ver- ( o ) Vergroͤsserungs-Glas gebrauchen muß, wofern man sie sehen will. Hiedurch aber wird alles wunderbare, das man darinn findet, vernichtet: Denn es ist keine Sache in der Welt, an welcher man, wenn man sie durch ein Vergroͤsserungs-Glas betrachten will, nicht Dinge entdecken solte, die einem, der diese Sache nie- mals anders, als mit dem blossen Auge angesehen hat, nothwendig fremd und seltsam scheinen muͤssen. Meine Fenster-Scheibe ist vor solchen Vorwuͤrf- fen sicher. Die Figuren, womit sie von der spielen- den Natur gezieret ist, sind deutlich, und man braucht nicht mehr, als seine Augen aufzuthun, wenn man die- selbe sehen will. Sie sehen darauf, mein Herr, in der Mitten ein Menschen-Angesicht, auf dessen Stirne die Zahl 666. sich deutlich zeiget. Das Haupt ist mit einer Art von Muͤtzen gezieret, die Anfangs immer spi- tzer wird, endlich aber sich zu beyden Seiten, als eine Flagge, ausbreitet, in deren Mitten ein halber Mond zu sehen, welcher zur Rechten und Lincken mit Cara- cteren umgeben ist, die den arabischen und malaba- rischen Buchstaben aͤhnlich sind. Um den Hals ist ein doppelter Kragen: auf der Brust siehet man gantz deutlich ausgedruckte hebraͤische Buchstaben, und der zu diesem Gesichte gehoͤrige Coͤrper laͤufft unter- werts immer spitzer zusammen, und gewinnet endlich fast die Gestalt eines Fisch-Schwantzes. Zu beyden Seiten des Kopfes sehen sie zweene foͤrmliche Sterne. Sie sehen ferner auf meiner Fenster-Scheibe Come- ten, Donner-Keile, chymische Zeichen, magische Cara- cteres, lateinische Buchstaben, Zahlen, Gesichter, Blumen, Baͤume, ein vierfuͤßiges Thier mit einem menschlichen Antlitze, Bocks-Hoͤrnern und einem Ra- tzen- ( o ) tzen-Schwantz, des Neptuns Dreyzack, den Jupiter mit zween Trabanten, die Jahrs-Zahl, eine foͤrmliche Vestung, musicalische Noten, und ich weiß nicht was fuͤr andere seltsame Figuren mehr. Mich deucht, eine solche Fenster-Scheibe ist werth, daß man sie bewun- dere; sie ist geschickt, allen guten Gemuͤthern zu erbau- lichen Gedancken Anlaß zu geben, und ich scheue mich nicht zu sagen, daß, wer dadurch nicht geruͤhret wird, ein vollstaͤndiger Atheiste sey. Wennich dem Exempel unserer neuen Naturkuͤn- diger folgen wolte, so koͤnte ich hier schliessen, und Sie GOtt befehlen. Diese Herren haben die Gewohn- heit, daß sie sich begnuͤgen von einem kuͤnstlich gebilde- ten Steinchen, oder einer andern dergleichen Raritaͤt, ihrem Leser eine magere Beschreibung zu geben, sich darauf von ihm zu beurlauben, und ihre Schrift mit einem andaͤchtigen Seufzer zu beschliessen. Allein ich schaͤme mich, es eben so zu machen, und halte mich schuldig, Jhnen meine Gedancken uͤber die Wunder mitzutheilen, die ich entdecket habe. Jch hoffe, mein Herr, Sie werden es mir zu gute hal- ten, wenn ich es, uͤber Verhoffen, nicht allemahl tref- fen solte. Jch schreibe von einer Sache, daran vor mir kein Mensch gedacht hat. Jch habe also keinen Vor- gaͤnger, den ich ausschreiben koͤnnte. Jch muß alles, was ich schreibe, aus meinem Kopfe nehmen. Dieses ist muͤhsam, und ein Scribent, der sich in solchen Um- staͤnden befindet, verdienet, daß man Gedult mit ihm hat. Es giebt sehr wenige, die dieses erkennen, weil es wenige giebt, die wissen, was es sey, aus seinem eigenen Kopfe zu schreiben. Die meisten waͤhlen ih- nen solche Materien, von denen andere bereits alles D 5 ge- ( o ) gesagt haben, was zu sagen ist. Jch preise solche Scri- benten gluͤcklich: Jch lobe sie: Aber ich bitte sie auch hergegen zu bedencken, daß es mich weit mehr Muͤhe kosten muͤsse, vier oder fuͤnff Zeilen zu schreiben, als es sie kostet, gantze Bogen zu beklecken. Nichts ist leichter als nachbeten, was mir ein anderer vorsagt. Schrie- be ich z. E. von einem Stern-Steine, so wolte ich bald fertig werden. Jch koͤnnte nur sagen, man finde sol- che Steine an unterschiedenen Orten. Der und der habe dieses und jenes davon geschrieben, und ich haͤt- te nichts mehr zu sagen, als daß ich auch einen gefun- den haͤtte, der so und so aussaͤhe. Jch konnte, wenn die- ses noch nicht genug, hinzusetzen, was man von den Wirckungen und Kraͤfften eines solchen Steines sa- get, und durch Anfuͤhrung vieler Scribenten, deren keinen ich mit Augen gesehen, vielweniger gelesen, mir den Ruhm eines gelehrten und belesenen Mannes er- werben. Diese Art zu schreiben ist so leicht, daß ich mir ge- traue, von meinem Hunde, der sonderlich artig gezeich- net ist, ein feines Werckgen zu schreiben, wenn ich es so machenwolte. Denn daß es viele bunte Hunde ge- be, das ist bekannt, daß ich auch einen habe, das ist ge- wiß: Dieser aber ist andern bunten Hunden nicht vollkommen aͤhnlich. Wenn ich dieses sagte, und dabey mein Huͤndgen in Kupffer stechen liesse, so waͤre mein Buͤchlein fertig. Aber es ist mir wohl verboten, diesen leichten und lustigen Weg zu wandeln, wenn ich auch gleich Lust dazu haͤtte. Gefrorne Fenster-Scheiben, die so viele Seltenheiten in sich fassen, als die meine, sind nicht so gemein, als ein Stern-Stein und bunte Hunde. Jch ( o ) Jch bin der erste, der davon schreibt. O was wird es mich nicht vor Muͤhe und Nachdencken kosten, mein wichtiges und nuͤtzliches Vorhaben so auszufuͤhren, daß ich Ehre davon habe! Jch bin schuldig, fals ich mich um diejenigen rechtschaffen verdient machen will, die etwan, durch mein Beyspiel aufgemuntert, nach diesem von eben dieser Materie schreiben werden, alles zu sagen, was gesagt werden kan, damit ihnen ihre Arbeit desto leichter werde, und ich das Vergnuͤ- gen haben moͤge, die trostreichen Worte: Vid. Do- ctissimus Robertus Clifton, magnum illud An- gliæ Sidus, auf allen Seiten ihrer Schrifften zu le- sen. Die blosse Vorstellung dieses Vergnuͤgens ver- suͤsset mir meine Arbeit, und machet, daß ich alle Schwierigkeiten verachte. Magnum opus aggredior, sed dat mihi gloria vires. Jch wende mich demnach, ohne fernere Weitlaͤuf- tigkeit, zur Sache selbst, und werde die Ehre haben, Jhnen sowohl meine wenigen Gedancken von den Figuren meiner Fenster-Scheibe zu eroͤffnen, als auch zu sagen, was andere davon geurtheilet haben. Denn, mein Herr, Sie koͤnnen leicht gedencken, daß ich uͤber eine Sache von der Wichtigkeit, Leute, die gelehrter, als ich, zu Rathe gezogen. Als Nebucadnezar einen bedencklichen Traum gehabt hatte, und sein Sohn Belsazer die unbekannte Schrifft an seiner Wand nicht lesen konnte, wurden alle Weisen und Chaldaͤer zusammen geruffen. Nun will ich eben meine gefrorne Fenster-Scheiben nicht mit dem Traum, und der Schrifft vergleichen, wodurch diese beyde Monar- chen so verwirrt gemacht worden: So viel kan ich aber ( o ) aber sagen, daß ich ungemein dadurch geruͤhret wor- den, und wenn Sie wissen wollen, wie mir zu Muthe gewesen, als ich den 13 den Jenner des Morgens zwi- schen 8. und 9. Uhr meine wunderbare Fenster-Schei- be zuerst erblickte, so kan ich Jhnen meinen Zustand nicht besser beschreiben, als wenn ich sage, daß ich eben so bestuͤrtzt gewesen, als Belsazer. Jch ließ demnach alle Weisen und Gelehrten, die ich kannte, zu mir bitten, und wenn ich einen Zaube- rer zu finden gewust haͤtte, wuͤrde ich nicht ermangelt haben, auch denselben um Rath zu fragen. Sie fan- den sich in ziemlicher Anzabl ein, und ich legte ihnen ei- nen Abriß von meiner Fenster-Scheibe vor. Nachdem sie nun die seltsamen Figuren wohl betrachtet, und sich hoͤchstens daruͤber gewundert hatten, fieng der D. Bromley, ein Mann von ziemlicher Gelehrsamkeit, aber auch von sehr wunderlichen Einfaͤllen, mit seiner gewoͤhnlichen Beredsamkeit an, zu behaupten, die Bilder auf meiner gefrornen Fenster-Scheibe waͤren prophetisch, und voller Geheimnisse. Er wisse wohl, setzte er hinzu, daß unsere Kirche nicht viel von neuen Offenbahrungen halte: Allein er wisse auch, daß sie dieses nur in Ansehung der Lehr- Puncren thaͤte, und gerne zugebe, daß GOtt auch noch heutiges Tages das zukuͤnfftige Schicksal sei- ner Kirche gewissen Leuten offenbaren koͤnne. Es sey, fuhr er fort, offenbar, daß meine gefrorne Fenster- Scheibe eben zu solchem Ende mit so lehrreichen Bil- dern gezieret worden. Er bat die gantze Gesellschafft, ihm zu sagen, ob das in der Mitten befindliche Gesicht mit der hohen Muͤtze wohl etwas anders, als das Bild der grossen Hure, seyn koͤnne? Die Zahl des Thieres, ( o ) Thieres, die an der Stirn dieses Bildes so deutlich zu sehen, koͤnne, sprach er, auch den Hartnaͤckigtsten von dieser Wahrheit uͤberfuͤhren. Der halbe Mond bedeute den Tuͤrcken, und daß die Flagge, auf welcher derselbe zu sehen, mit der hohen Muͤtze zusammen haͤnge, sey nicht von ungefehr ge- kommen; sondern um anzudeuten, daß die beyden Antichriste in der Verfolgung der Glaͤubigen mit ein- ander uͤberein kaͤmen. Daß nun uͤber das Pabst- thum sowoh!, als uͤber das Tuͤrckische Reich, ein schweres Gericht ergehen werde, koͤnne man aus dem Cometen und Donner-Keil, zweyen deutlichen und unstreitigen Zeichen des Goͤttlichen Zornes, schliessen. Die Zeit aber, wann dieses Gericht werde vollzogen werden, sey so deutlich bemercket, daß man deßfalls nicht den geringsten Scrupel haben koͤnnte. Denn die Jahrs-Zahl 1732. lasse sich unten in der Ecke zur Lincken so deutlich lesen, daß derjenige gantz verstockt und verblendet seyn muͤste, der noch daran zweifeln wolte, daß noch vor Ablauff dieses Jahres der Anti- Christ in Orient und Occident fallen werde. Es sey uͤberdem die Jahres-Zahl so artig gesetzet, daß man sich nicht genug daruͤber wundern koͤnnte. Denn wenn man die Zahlen, so wie sie unter einander stuͤn- den, zusammen setzte, so kaͤmen die beyden Jahrhun- derte heraus, in welchen das Pabstthum unter dem ruͤchtigen Hildebrand aufs hoͤchste gestiegen, und der Luͤgen-Prophet Mahomet aufgestanden. Die uͤbrigen Figuren, fuhr er fort, wuͤrden unstrei- tig auch ihre Bedeutung haben, die, wenn sie be- kannt waͤre, seine Erklaͤrung ungemein bekraͤfftigen wuͤrde: Allein, gleichwie viele Weissagungen der Art waͤren, ( o ) waͤren, daß sie durch nichts, als durch den Erfolg ver- staͤndlich wuͤrden, so muͤsse man auch die Erklaͤrung der uͤbrigen Figuren meiner Fenster-Scheibe so lange aussetzen, bis das, was durch selbige vorher verkuͤn- diget, wuͤrcklich geschehen sey. Doch was die Noten anlange, wolle er uns nicht verhalten, wie er vor seine Person feste versichert sey, daß, gleichwie auf der gan- tzen Fenster-Scheibe der Fall Babels vorher verkuͤn- diget werde, also die Noten nichts anders, als das Triumph-Lied der Glaͤubigen andeuten solten. Die gantze Versammlung schuͤttelte die Koͤpffe zu dieser wunderlichen Erklaͤrung: Aber was dann ei- gentlich die seltsamen Figuren bedeuten solten, daruͤ- ber konnte sie sich nicht vergleichen. Der eine fand darinn die Uberfahrt des Don Carlos nach Jtalien; der andere die Unruhe in Corsica; der dritte, ein Eid- Weigerer, das Schicksal des Praͤtendenten; der vierte, ein Mathematicus, behauptete, wenn man die auf meiner Fenster-Scheibe befindliche Zahlen, auf eine gewisse Art, mit einander vermehrte und theilte, so wuͤrde man die quadraturam circuli finden. Die- semwidersprach der fuͤnfte, und suchte uns zu uͤberre- den, daß in den Zahlen eine schoͤne Anleitung zu Er- findung des Steins der Weisen stecke. Er meinte, wer die Zahlen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 auf alle moͤgliche Arten versetzte, und die Summe, so alle diese Versetzungen, zusammen genommen, ausmachten, mit 666 ver- mehrte, und darauf mit 96 theilte, der wuͤrde seine Zeit nicht uͤbel anwenden. Der sechste sprach hierauf laͤ- chelnd: Meine Herren, ich wundere mich, daß keiner von ihnen der hebraͤischen Buchstaben gedacht hat, die recht mitten auf der Fenster-Scheibe zu sehen sind. Wer ( o ) Wer da einsiehet, was diese Buchstaben sagen wollen, der verstehet alle uͤbrige Figuren. Jch getraue mir, durch Huͤlffe der Cabbala, hinter den wahren Ver- stand derselben zu kommen: Allein, dieses erfordert viel Nachsinnen, und es ist hier der Ort nicht, viel davon zu reden. Aber auch dieser fand kein Gehoͤr; sondern ein jeder meinte, seine Erklaͤrung sey die beste, und lachte die andern aus. Auf solche Art zanckten sie sich eine geraume Zeit mit einander, und ich dachte bey alle dem Geplau- dere: Fecistis probé incertior sum multó quam dudum. Jn dieser Ungewißheit, sagte ich zu dem Ritter Cockburn, der noch seinen Mund nicht aufge- than haͤtte: Sie sehen, mein Herr, wie scheinbar ein je- der dieser Herren seine Meinung vortraͤgt, und daß es ihre Schuld nicht ist, wenn ich mir nicht einbilde, daß ich einer hohen Offenbahrung gewuͤrdiget worden. Sagen sie mir, wie bin ich daran? Und wer hat, nach ihrer Meynung, Recht? Keiner, war seine Antwort; denn die Figuren auf ihrer Fenster-Scheibe sind zu- faͤlliger Weise entstanden, und bedeuten nichts; hat aber ja die Natur eine Absicht gehabt, so ist es keine andere, als den verworrenen Zustand des Gestirnes vieler Gelehrten abzubilden, die sich nicht schaͤmen, mit der groͤssesten Ernsthafftigkeit die elendesten Gril- len vorzubringen. Dieser kurtze und nachdruͤckliche Ausspruch endigte alle unsere Betrachtungen, und ein jeder gieng hin, wo er hergekommen. Als ich mich nun allein befand, wiederholete ich in Gedancken alles, was geredet woꝛden, und ob ich zwar wenig Trost darinnen fand; so lernete ich doch so viel daraus, daß die Gedancken, welche die Gelehrten uͤber ( o ) uͤber eine dunckele Sache wachend haben, den Traͤu- men der Schlaffenden nicht ungleich: Denn, gleich- wie diese ihren vornehmsten Grund in den Verrich- tungen des vorigen Tages haben; so findet ein Ge- lehrter dasjenige, worauf er seine Gedancken vornem- lich zu richten gewohnet ist, allenthalben. Jch fassete also den Entschluß, mich an alle diese wachende Traͤumer nicht zu kehren; sondern zu versu- chen, ob ich nicht durch eigenes Nachsinnen der Na- tur hinter die Kuͤnste kommen, und die wahre Ursache der wunderbaren Figuren auf meiner gefrornen Fen- ster-Scheibe ergruͤnden koͤnte. Die Muͤhe, so mich diese Untersuchung gekostet hat, ist gewiß groß gewesen: Aber sie ist mir auch durch die vortrefliche Entdeckung, die ich gemacht habe, mehr als doppelt belohnet worden. Ein jeder, der mich kennet, wird mir das Zeugniß geben, daß ich gar nicht prahlhaft bin. Jch halte von mir maͤßiglich, und habe mich, ausser dem Nothfall, noch niemahlen selbst gelo- bet. Jch will es auch jetzo noch nicht thun, in der festen Hoffnung, daß Sie, mein Herr, meine Scharffsinnig- keit erkennen werden, ohne daß ich noͤthig habe, mit Hindansetzung deꝛ mir angebohꝛnen Sittsamkeit, Jh- nen die Wichtigkeit und Vortrefflichkeit der von mir entdeckten neuen und nuͤtzlichen Wahrheiten anzu- preisen. Die That mag vor mich reden: Und wofern sie jemahlen etwas gehoͤret und gelesen haben, das mit den tiefsinnigen Gedancken, die ich uͤber meine gefror- ne Fenster-Scheibe gehabt habe, nur einiger massen in Vergleichung zu ziehen ist, so gebe ich Jhnen die Freyheit, ins kuͤnfftige nichts von mir zu halten. So bald demnach die Gesellschafft, die ich bey mir ge- ( o ) gehabt, aus einander gegangen war, fieng ich an zu gruͤbeln: nicht zwar, was doch die seltsamen Figuren meiner Fenster-Scheibe vor Geheimnisse in sich fassen moͤchten: Denn diesen Wahn, daß die Figuren etwas sonderliches zu bedeuten haͤtten, hatte mir der Rit- ter Cockburn schon benommen: sondern nur, woher dieselben entstanden? Jch wuste, daß nichts ohne Ursache geschicht, und daß also auch ein zureichender Grund vorhanden seyn muͤste, warum die Figuren meiner Fenster-Scheibe so wunderbar geworden. Jch bilde mir ein, daß ich diesen Grund entdecket habe. Sie wissen, mein Herr, daß die Fenster nur frieren wann es sehr kalt ist, und daß sie nicht frieren, als in ei- nem Zimmer, das bewohnet und geheitzet wird. Die Ursache davon ist diese, weil ein warm gemachte Stu- be mehr Ausduͤnstungen hat, als ein Zimmer, das nicht geheitzet wird. Jch setze demnach voraus, daß das Eis, welches wir zu Winters-Zeit an den Fen- stern wahrnehmen, von nichts anders, als von den Ausduͤnstungen der in dem Zimmer befindlichen Coͤr- per entstehet. Es ist keine Zeit des Jahres, da nicht sol- che Ausduͤnstungen vorhanden: Aber bey gelindem und warmem Wetter bleiben sie unsichtbar, weil nichts ist, das ihre Ausbreitung und Verfliegung ver- hindert. Sie zerflattern also in der Luft, ohne daß wir derselbẽ anders, als etwan durch den Geruch, gewahr werden. Jm Winter aber, wann die Kaͤlte groß ist, koͤnnen sie sich nicht so ausbreiten. Sie suchen zwar dann sowohl, als sonst eine Oeffnung: aber die Kaͤlte verwehret ihnen den Ausgang. Zuruͤcke koͤnnen sie nicht: so muͤssen sie also nothwendig an den Fenstern E sitzen ( o ) sitzen bleiben. Jst nun die Kaͤlte draussen maͤßig, so erblicken wir sie in der Gestalt eines Wassers, und es heisst, die Fenster schwitzen. Jst es aber sehr kalt, so verliehret das Wasser, durch die gewaltsame Zusam- mendruͤckung, seine Fluͤßigkeit, und aus dem Schweis- se der Fenster wird ein foͤrmliches Eis. Da nun also dieses Eis aus den Ausduͤnstun- gen der in einem Zimmer befindlichen Coͤrper entste- het; so ist es klar, daß man alles, was an diesem Eise merckwuͤrdiges ist, aus den Ausduͤnstungen, woraus es entstanden, erklaͤren muͤsse. Die Ausduͤnstungen sind nicht alle einer Art; son- dern, nach Beschaffenheit der Coͤrper, unterschieden. Es muß also das aus selbigen an den Fenstern ent- stehende Eis, nach dem Unterscheid der Ausduͤnstun- gen, auch unterschiedene Gestalten bekommen: und folglich ist der Grund aller Figuren, die man auf ei- ner Fenster-Scheibe sehen kan, in dem Unterscheid der Ausduͤnstungen zu suchen. Meine Fenster-Scheibe ist auch eine Fenster- Scheibe, und mit gewissen Figuren bemahlet. Wenn ich, also wissen will, warum diese Figuren so, und nicht anders geworden sind, so muß ich nothwendig auf ih- ren Ursprung zuruͤck gehen, und untersuchen, wie die Ausduͤnstungen beschaffen gewesen, aus welchen sie entstanden sind. So dachte ich, mein Herr, und diese Gedancken ge- reuen mich noch nicht. Denn wie einfaͤltig sie auch, beym ersten Anblick, scheinen; so sind doch die Folgen, die ich gantz ungezwungen daraus gezogen habe, so herrlich, so vortrefflich, so nuͤtzlich, daß ich es nicht aus- sprechen kan. Nachdem ich diesen Gꝛund geleget hatte, war ( o ) war es mir leicht, hinter die Wahrheit zu kom- men. Jch hatte den Tag vorher eine grosse Gesellschafft gelehrter Leute von allerhand Art bey mir gehabt. Jn einer solchen Gesellschafft wird gemeiniglich viel gere- det. Jch gerieht also auf die Gedancken, daß der Athem dieser gelehrten Versammlung ein grosses zu den wunderbaren Figuren meiner Fenster-Scheibe beygetragen habe, wo nicht gar die einzige Ursache der- selben gewesen sey: Und diese Gedancken kamen mir um so viel gegruͤndeter vor, je unstreitiger es ist, daß die staͤrckste Ausduͤnstung des menschlichen Coͤrpers durch den Athem geschiehet. Die Ausduͤnstungen aber der in einem Zimmer befindlichen Coͤrper sind die Ursache, warum die Fenster bey kaltem Wetter mit Eis beleget werden. Jch hatte also gluͤcklich entdecket, was es vor Duͤn- ste gewesen, welche verursachet, daß meine Fenster ge- froren. Aber darum wuste ich noch nicht, woher die seltsamen und nachdencklichen Figuren entstanden. Jch muste also weiter nachsinnen: Solte nun meine Muͤhe nicht vergeblich seyn, so war es noͤthig, daß ich die Natur der Ausduͤnstungen, die den Stoff zu den seltsamen Figuren meiner Fenster-Scheibe abgegeben hatten, genauer untersuchte. Jch that es, und befand, daß diese Ausduͤnstungen in dem Athem der in mei- ner Stuben versammleten Gelehrten bestanden; daß dieser Athem groͤsten Theils von ihnen gegangen sey, wann sie gesprochen, und daß sie nur gesprochen, um ihre Gedancken auszudruͤcken. Aus diesen unstreiti- gen Wahrheiten machte ich folgenden Schluß, den ein jeder, der faͤhig ist, von der Staͤrcke und E 2 Schwaͤ- ( o ) Schwaͤche eines Beweises zu urtheilen, nothwendig vor buͤndig und unumstoͤßlich erkennen muß. Unsere Gedancken sind Bilder der Dinge, so ausser uns sind: Die Worte, die wir sprechen, sind Bilder unserer Gedancken. Sprechen ist nichts anders, als den Athem auf eine gewisse Art von sich lassen. Der Athem bestehet in gewissen Ausduͤnstungen. Folg- lich sind die Worte, die wir sprechen, nichts als Aus- duͤnstungen unsers Coͤrpers. Da nun aber die Wor- te Bilder unserer Gedancken, und die Gedancken Bil- der der Dinge, die ausser uns sind; so sind auch die Ausduͤnstungen unsers Mundes, wann wir sprechen, Bilder der Dinge, die ausser uns sind. Wann nun diese Ausduͤnstungen, durch die Kaͤlte zusammrn ge- druͤcket, sichtbar werden; so werden auch die Gedan- cken, deren Bildniß diese Ausduͤnstungen vorstellen, sichtbar. Werden die Gedancken sichtbar; so muͤssen wir auch noth wendig die Bilder der Dinge, die aus- ser uns sind, und von welchen wir reden, in diesen sicht- bar gewordenen Ausduͤnstungen erblicken. Q. E. D. Nach dieser tieffinnigen Betrachtung war mir al- les auf meiner Fenster-Scheibe klar und deutlich. Jch erinnerte mich der gefuͤhrten Reden, und war al- so im Stande, fast von einer jeden Figur meiner ge- frornen Fenster-Scheibe eine gruͤndliche Ursache zu geben. Wir hatten von der Mathematic, Astronomie, Chymie, und Mythologie, von der hebraͤischen, ara- bischen, chinesischen und malabarischen Sprache, vom Festungs-Bau, von Cometen, von Donner und Blitz, und, ich weiß nicht, von wie viel andern Dingen geredet. Der D. Bromley, der in den Figuren meiner ( o ) meiner Fenster-Scheibe so hohe Geheimnisse gefun- den, hatte uns eine lange Stelle aus seiner Erklaͤrung der Offenbarung Johannis vorgelesen, in welcher von der grossen Hure, die auf den Wassern sitzet, und von der Zahl des Thiers gehandelt wurde. Alle diese schoͤne Raritaͤten sehen Sie auf meiner gefrornen Fenster-Scheibe Zwar in ziemlicher Un- ordnung: Aber dieses ist kein Wunder; ich wundere mich vielmehr, daß eine solche Menge Ausduͤnstun- gen von so unterschiedener Art nicht noch auf wunder- lichere und verwirrtere Weise vermischet worden. Es ist, meines Beduͤnckens, noch ziemlich ordentlich hergegangen, und, ausser dem Thier mit dem Men- schen-Kopf, den Bocks-Hoͤrnern und dem Ratzen- Schwantze, wuͤste ich keine einzige Figur auf der gan- tzen Fenster-Scheibe, deren Ursprung ich nicht erklaͤ- ren wolte. Vielleicht ergruͤnde ich auch noch, woher dieses Thier entstandẽ. Da es mir mit meiner Fenster- Scheibe so weit gelungen ist, so verzage ich an nichts. Es ist mir schon mit den musicalischen Noten so ge- gangen. Anfangs wuste ich in der That nicht, was ich daraus machen solte. Jch erinnerte mich nicht, daß wir von der Music geredet hatten, und wunderte mich also ungemein, wo diese deutliche Noten hergekom- men. Endlich fiel mir bey, daß ein Saͤnger aus der O- pera, der mit einem von der Gesellschafft, welcher ein Poete war, etwas zu reden gehabt hatte, auf einige Minuten in meiner Stube gewesen war. Da ver- schwand meine Verwunderung, uñ ich bin gewiß ver- sichert, daß man die Ursache dieser Noten in diesem Saͤnger suchen muß. Es sey nun, daß er mit dem Poe- ten, ohne daß ich es gewahr worden, von der Music ge- E 3 redet ( o ) redet, oder daß die Ausduͤnstungen seines Coͤrpers uͤberhaupt so harmonisch gewesen, daß sie nicht an- ders, als in der Gestalt des Anfangs einer Arie sicht- bar werden koͤnnen. Jch will mir daruͤber den Kopf nicht zerbrechen; sondern zu wichtigern Dingen schreiten. Den D. Bromley, Es ist wuͤrcklich ein D. Bromley in Engelland, der uͤber die Offenbahrung Johannis geschrieben hat: Welches ich aber zu der Zeit, als ich dieses schrieb, nicht wuste. der, als ein Geistlicher, kei- nen Widerspruch vertragen kan, und insonderheit in seinen Erklaͤrungen der Offenbahrung Johannis eben so verliebt ist, als der bekannte Jurieu war, hat es sehr geschmertzet, daß ich die Figuren meiner gefror- nen Fenster-Scheibe aus natuͤrlichen Ursachen zu er- klaͤren gesucht, und dadurch die vortrefflichen und er- baulichen Gedancken, die er daruͤber gehabt hat, um- gestossen habe. Er hat sich demnach bemuͤhet, meine Erklaͤrung laͤcherlich zu machen. Sie werden sehen, mein Herr, daß alles, was er zu dem Ende gesagt, nichts heisse: Aber die Aufrichtig- keit, die ich in der Untersuchung meiner Fenster- Scheibe bisher gewiesen habe, erfordert, daß ich Jh- nen auch von den Einwuͤrffen, die man mir gemacht hat, Nachricht gebe. Er frug mich neulich gantz hoͤnisch, warum dann, wenn die Figuren meiner Fenster-Scheibe bloß von dem Athem der in meiner Stube versammleten Ge- lehrten entstanden, nicht alle Fenster so bemahlet wor- den? Uñ was dann die einzige Scheibe sonderbares an sich gehabt habe, wesfalls alle die gelehrten Ausduͤn- stungen sich auf derselben versammlet? Jch antwor- tete ( o ) tete ihm kuͤrtzlich: Es sey darum geschehen, weil sie zerbrochen gewesen. Denn da die Luft den staͤrcksten Zug nach der in der Fenster-Scheibe befindlichen Oeffnung gehabt; so sey es kein Wunder, daß alle Aus- duͤnstungen mit dahin gerissen worden: Und weil nun wegen der Menge der Duͤnste ein Gedraͤnge ent- standen, so sey es gar was Natuͤrliches, daß ein gut Theil derselben zuruͤcke bleiben muͤssen: und zwar eben auf der zerbrochenen Fenster-Scheibe, als zu wel- cher sie sich alle gedrungen, und also auch sonst nir- gends, als auf derselben, die Verwandelung leiden koͤnnen. Jch erlaͤuterte das, was ich gesagt hatte, mit dem Gedraͤnge einer Menge Volcks, das zu einer Thuͤꝛ hinaus will, und der gute D. Bromley verstummete. Sonst hat niemand wider meine Erklaͤrung etwas einzuwenden gehabt: Und wie waͤre es auch moͤglich, da sie so gruͤndlich ist? Mich deucht, ich habe mit un- wie dertreiblichen Gruͤnden dargethan, daß die Figu- ren meiner Fenster-Scheibe von dem Athem der in meiner Stube versammleten Gelehrten entstanden. Und dieses ist eine Entdeckung, die nicht nur gantz neu, sondern auch von so grosser Nutzbarkeit ist, daß ich mich in meinem Gewissen verbunden achte, noch bey gegenwaͤrtiger Parlaments-Versammlung Jh- ro Maj. unserm allergnaͤdigsten Koͤnige sowohl, als den beyden Haͤusern, dieselbe im Vertrauen be- kannt zu machen. Jch werde dadurch die Pflichten eines wohlgesinneten Buͤrgers erfuͤllen, und mich um meine Nation, ja um die gantze Welt, unsterblich verdient machen. Lachen Sie nicht, mein Herr! Jch rede die Wahr- heit: Und wenn Sie nur belieben, der Sache ein we- E 4 nig ( o ) nig nachzudencken, werden Sie befinden, daß kein besserer Vorschlag zu gluͤcklicher Entdeckung aller wider die Regierung, und die Ruhe eines Landes ge- schmiedeten Anschlaͤge koͤnne erdacht werden, als der- jenige ist, den ich zu thun willens bin. Denn da die Figuren auf meiner gefrornen Fenster-Scheibe so au- genscheinlich zeigen, daß man alles, was zu Winters- Zeiten, wann es starck frieret, in einem Zimmer vor- gegangen, und geredet worden, aus den gefrornen Fenstern lesen kan; so, deucht mich, waͤre es eine heil- same Sache, wenn es der Regierung gefallen wolte, zu verordnen, daß zu solchen Zeiten alle Morgen die Fenster in allen verdaͤchtigen Haͤusern besichtiget wer- den solten. Jn dem mitternaͤchtligen Theile von Groß-Brittañien waͤre eine solche Besichtigung am noͤthigsten, weil daselbst die Zahl der Mißvergnuͤgten so groß ist, als die Kaͤlte. Jch hoffe, die Regierung wird dieses erwegen, und meinen berrlichen Vor- schlag nicht nur billigen; sondern auch belohnen. Sie, mein Herr, wohnen in einem Lande, da es un- gemein starck frieret. Meine Entdeckung kan also bey Jhnen sast noch mehr Nutzen schaffen, als bey uns, und Sie werden wohl thun, wenn Sie Jhrer Monarchin Nachricht davon geben. Jch bin Jh- nen gut davor, daß Sie diejenige Belohnung erhal- ten werden, die man vor einen Vorschlag von der Wichtigkeit von einer so freygebigen und großmuͤthi- gen Prinzeßin, als Jhre Beherrscherin ist, hoffen kan. Jch verlange nicht, mein Herr, daß Sie die Be- lohnung, die Sie bekommen, mit mir theilen sollen. Jch bin zufrieden, wenn Sie mir nur die Ehre der er- sten Erfindung lassen, und werde meine Muͤhe vor uͤber- ( o ) uͤberfluͤßig belohnet halten, wenn Sie belieben wer- den, die Wunder, die der Frost wircket, nach der schoͤ- nen Gelegenheit, die Jhnen Jhr Clima giebt, weiter zu erforschen, und mir Jhre Entdeckungen mit zuthei- len. Jch ersuche Sie darum, mein Herr, und habe aus keiner andern Ursache Jhnen von meiner gefror- nen Fenster-Scheibe eine so umstaͤndliche Nachricht gegeben, als um Sie zur Betrachtung einer Sache aufzumuntern, welche Sie, weil sie bey Jhnen gar zu gemein ist, vielleicht bishero ihrer Untersuchung nicht werth geachtet haben. Jch habe zu eben dem Ende an einen Gelehrten in der Terra del fuogo, und nach ei- ner unbekannten Jnsul unter dem Suͤd-Pol, Angel- pont genannt, welche der zu Brinn sitzende Printz von Chabanois, der sich einen Koͤnig davon schreibt, entdecket, und nach seiner Gemahlin Angelique du Pont, also betitelt haben will, geschrieben: So bald ich Antwort erhalte, werde ich nicht ermangeln, Jh- nen auch von den Gedancken Nachricht zu geben, welche die dasigen Gelehrten uͤber meine gefrorne Fenster-Scheibe haben. Jndessen, mein Herr, will ich Sie noch mahlen in- staͤndigst gebeten haben, meine Entdeckung, die ich mir gemacht zu haben einbilde, nach der groͤssesten Schaͤrffe zu beurtheilen. Sie sind geschickt dazu, daß weiß ich, und koͤnnen mich nicht allein, wenn ich, uͤber Verhoffen, gefehlet, eines bessern unterrichten; sondern auch durch die Anmerckungen, die Sie viel- leicht schon gemacht haben, meine Gedancken bestaͤr- cken. Jch kehre mich an diejenigen nicht, die mich aus- lachen, daß ich einem Samojeden viel von einer gefror- nen Fenster-Scheibe vorschwatze, und behaupten, daß E 5 man ( o ) man in einem Lande, welches mit einer fast im̃erwaͤh- renden Finsterniß bedecket ist, Quod latus mundi ne- bulæ, malusque Jupiter urget, und dessen Einwoh- ner wie die Thiere in Hoͤhlen und Loͤchern liegen, nicht einmahl wisse, was ein Fenster sey. Jch traue dem Hn. Medley, der ihren Pallast in Beresowa, und ihr praͤchtiges Lust-Schloß unfern Sobskaja an dem Oby, mit seinen Augen gesehen hat, mehr, als den elen- den Buͤchern, in welchen die abgeschmacktesten Fa- beln von ihrer vortreflichen Nation enthalten sind. Wofern Sie es vor gut finden, koͤnnen Sie diesen Brief in der Versammlung der vortreflichen Koͤpfe verlesen, welche, wie ich von dem Hn. Medley verneh- me, woͤchentlich vier mahl, unter Dero Aufsicht, zu- sammen kommen. Es wird mir eine Ehre seyn, sol- chen Leuten bekannt zu werden, und Sie wuͤrden mich Jhnen ungemein verbinden, wenn Sie die Guͤte haben wolten, diese gelehrte Gesellschafft, in meinem Nahmen, gehorsamst zu ersuchen, mich, in Betracht meiner grossen Verdienste, aus eigener Bewegniß, zu ihrem Mitgliede anzunehmen. Jch koͤnte Sie dieser Muͤhe uͤberheben, und nur selbst in einem wohl gesetzten Schreiben der Gesell- schafft die grosse Begierde zu erkennen geben, welche ich habe, die Zahl ihrer Glieder zu vermehren: Aber dieses ist nicht Sitte in unserm Lande. Werbey uns Lust hat, in eine gelehrte Gesellschafft aufgenom̃en zu werden, der begnuͤgt sich, an das Haupt derselben ei- nen, mit einem Wunder-Bilde begleiteten, Brief zu schreiben; so ist die Sache richtig. Dieser Gebrauch gesaͤllt mir wohl: Denn auf solche Art ist die Auf- nahme dem neuen Mitgliede um so viel ruͤhmlicher, weil ( o ) weil es laͤsst, als sey sie ohne sein Gesuch geschehen. Jch habe mich also von der loͤblichen Gewohnheit meiner Lands-Leute nicht entfernen wollen, und glau- be, daß dieser Brief mir Jhren Vorspruch bey der gelehrten Gesellschaft, deren Haupt Sie sind, und die Ehre, ein Mitglied derselben zu heissen, zuwege brin- gen werde. Jch bin zwar nicht ehrgeitzig: aber ich kan Jh- nen doch nicht bergen, daß es mir eine sonderliche Freu- de seyn wuͤrde, wenn meine Lands-Leute durch meine Aufnahme in eine so beruͤhmte Gesellschafft, als die ih- rige ist, uͤberfuͤhret werden moͤchten, daß es ausser die- ser Jnsul Leute gebe, die meine Verdienste besser zu erkennen wissen, als mein undanckbares Vaterland. Gewiß, mein Herr, ich moͤchte Blut weinen, wann ich daran gedencke, wie sehr der Geschmack meiner gantzen Nation verdorben ist. Sie werden vermuth- lich wohl gehoͤret haben, wie lecker wir Engellaͤnder in Essen und Trincken sind; wie wir an unsern Speisen kuͤnsteln, und alles vor abgeschmackt halten, was nicht unsern verwehnten Gaumen aufs empfindlich- ste kuͤtzelt. Dieses Verderben einer sonst vortreflichen und klugen Nation ist zu beklagen: aber noch mehr ist zu bedauren, daß wir in Ansehung der Nahrung unserer Seelen, eben so lecker, und eben so unmaͤßig sind, als in unserm Essen und Trincken. Jch kan mit Seneca sagen: Quemadmodum omnium rerum, sic litterarum quoque intempe- rantia laboramus. Diese Unmaͤßigkeit im Wissen hat sich unter den Gelehrten dieser Jnsul so sehr ausgebreitet, daß ich und meines Gleichen, die wir durch unsere Reden und Schrifften unser gerechtes Miß- ( o ) Mißfallen daruͤber an den Tag legen, diesem Unwesen zu steuren nicht vermoͤgend sind; ja noch dazu, wegen der Maͤßigkeit im Wissen, der wir uns befleißigen, vor einfaͤltige, ungelehrte Leute gehalten, und als elen- de und armselige Scribenten, wie man uns gar ver- aͤchtlich nennet, fast von jederman ausgezischet wer- den. O tempora! o mores! Man gehet mit uns um, daß es zu bejammern ist, und ich selbst habe es mehr als einmahl erfahren, daß alle Bemuͤhung, den Beyfall unserer leckern Gelehrten zu erhalten, vergeb- lich sey. Ob man mir demnach gleich rahten wollen, der hie- sigen Koͤniglichen Societaͤt der Wissenschafften von meinen Entdeckungen Nachricht zu geben, und meine Gedancken uͤber die gefrorne Fenster-Scheibe dem Urtheil derselben zu unterwerffen: So habe ich doch Bedencken getragen, diesem Raht zu folgen. Was kan ich von einer Gesellschafft hoffen, deren Glieder mit allen Gelehrten meiner Art fast in offenbarem Kriege leben, und vor unsern herrlichen Schrifften ei- nen fast unuͤberwindlichen Eckel bezeugen? Ein Gelehrter, der einen Brief, als derjenige ist, den ich die Ehre habe an Sie zu schreiben, an eine ge- lehrte Gesellschafft richtet, erwecket bey dem Leser den Verdacht, daß er einen Platz in derselben suche, und wenn er dieser Ehre nicht gewuͤrdiget wird, ein allge- meines Gelaͤchter. Jch mag nicht, daß man mich aus- lache: und daß mich unsere Societaͤt der Wissen- schafften, meiner gefrornen Fenster-Scheibe wegen, in die Zahl ihrer Glieder aufnehmen werde, kan ich oh- ne Thorheit nicht hoffen. Jch begehre es auch nicht. Denn wer will mir gut davor ( o ) davor seyn, daß sie mich nicht, wenn ich fortfuͤhre, nach meinem Geschmack zu schreiben, unter dem Vor- wand, sie habe Schimpff von mir, wieder ausstossen wuͤrde? Jch kenne sie gar zu wohl. Sie versteht kein Ehren-Wort, und wenn man ihr, aus Hoͤflichkeit, verspricht, sich zu bessern, und sich zu bemuͤhen, solche Schrifften ans Licht zu stellen, welche faͤhig, zu ver- hindern, daß die getroffene Wahl sie nicht gereue, so macht sie Ernst daraus, und haͤlt sich berechtiget, die- ses, als eine Schuldigkeit, zu fordern. Jch liebe die Freyheit, und lasse mir die Haͤnde so nicht binden. Wuͤrde es mir also nicht eben so gehen, als meinem wehrten Freunde, Mr. Makewind? Dieser junge Mensch ist einer der vortreflichsten Koͤpfe unserer Zeit, und wird wenige seines gleichen haben. Man hat an ihm, von seiner Kindheit an, vie- len Witz, und eine ungemein starcke Einbildungs- Kraft wahrgenommen. Diese vortrefliche Gemuͤths- Gaben sind mit den Jahren immer staͤrcker gewor- den, und alle, die ihn kennen, geben ihm das Zeugniß, daß er in seinem 14ten Jahre Dinge gethan, daruͤber man erstaunen muß. Die Eltern sparten nichts an seiner Erziehung, weil sie sich von einem Knaben so guter Hoffnung mit Recht grosse Dingeversprechen konnten. Sie gaben ihm die geschicktesten Lehr-Meister: Aber keiner von allen war so geschickt, daß er ihm eine Lust zu den Anfangs-Gruͤnden der Wissenschafften haͤtte bey- bringen koͤnnen, in welchen junge Leute pflegen unter- richtet zu werden. Er sahe dieses als Kleinigkeiten an, und trachtete nach hoͤhern Dingen. Man schickte ihn demnach, wie er kaum 17. Jahr alt ( o ) alt war, nach Cambridge. Jch weiß nicht warum. Denn man will vor gewiß sagen, daß er sich schon seit seinem 12ten Jahre nicht undeutlich mercken lassen, daß er mit der gemeinen Art zu studiren nicht zufrieden sey, und es als eine grosse Thorheit ansaͤhe, daß man die schoͤnste Zeit des menschlichen Lebens mit einem verdrießlichen Lernen zubraͤchte, die man mit mehrerm Ruhm anwenden koͤnte, andere zu lehren. Jch weiß nicht, ob sich dieses so verhaͤlt: So viel weiß ich, daß er seine Lehrer zu Cambridge nicht vor wuͤrdig gehalten, das Geringste von ihnen zu lernen. Ein so ausseror- dentlicher Kopf brauchte keines Unterrichts. Er war kluͤger, als sie alle, und fieng sein Studiren da an, wo andere Gelehrte aufhoͤren. Es fand sich zu der Zeit die, allen rechtschaffenen Gelehrten so noͤthige Dreistigkeit, bey ihm ein. Er schrieb demnach Buͤcher, und zeigte also, daß es gros- sen Koͤpfen ein leichtes, auch ohne etwas gelernet zu haben, von allerhand Materien die schoͤnsten Sachen zu schreiben. Oxford war der Ort, da er anfieng sich hervor zu thun. Er that es mit sonderlichem Gluͤcke, und alles, was er anfieng, gieng ihm um so viel besser von statten, je weniger er in seiner Arbeit von der ver- drießlichen Eigenschafft des Verstandes, welche man die Beurtheilungs-Krafft nennet, beunruhiget und gehindert wurde. Diese gluͤckselige Beschaffenheit seines Gemuͤths machte, daß die gelehrte Welt mit einer vortreflichen Schrift nach der andern beschencket, und in die aͤus- serste Bestuͤrtzung gesetzet wurde. Niemand war faͤ- hig zu begreiffen, woher einem so jungen Menschen die Weisheit gekommen, und jederman wunderte sich, ( o ) sich, wie ein Mensch, der nicht eine Wissenschaft recht studiret, in allen so beschlagen seyn koͤnnte. Viele be- sorgten, er wuͤrde sich endlich erschoͤpffen, und einige propheceyeten ihm gar einen fruͤhen Tod. Der Aus- gang hat gewiesen, daß die Sorge der ersten unnoͤthig gewesen, und ich wuͤnsche, daß die Weissagung der letzten falsch seyn moͤge. GOtt verleihe dem Herrn Makewind ein langes Leben! Wir wuͤrden an ihm gar zu viel verlieren. Aber wieder auf die Schriften dieses grossen Man- nes zu kommen, so waren sie alle von ausnehmender Schoͤnheit, und kan man mit Wahrheit sagen, daß die Welt dergleichen nicht gesehen. Der Haupt-Zweck aller seiner Arbeit war, die leichte und gemaͤchliche Schreib-Art, die wir in unserer Sprache Bombast nennen, und welche seit einiger Zeit ziemlich in Abnahme und Verachtung gerathen ist, wieder in den Gang zu bringen, die Scribenten von dem schweren Joche der Sprach-Kunst zu befreyen, und, durch Widerlegung des Horatz und Boileau, die Herrschafft des Reims, uͤber die Vernunft, zu be- haupten. Gewiß ein Unternehmen, das vielen Muth und Geschicklichkeit erforderte, und welches von dem Hrn. Makewind auf eine so sonderbare Art ausgefuͤh- ret worden, daß man noͤthwendig seine Klugheit be- wundern, und gestehen muß, daß niemand, als er, ge- schickt dazu gewesen. Er sahe wohl, daß es eine vergebliche Arbeit seyn wuͤrde, wenn er gerade zu, und ohne Umschweiff, den Bombast vertheidigen, die Sprach-Kunst verwerf- fen, und den Horatz und Boileau widerlegen wolte. Er war viel zu schlau, als daß er nicht haͤtte mercken sol- len, ( o ) len, daß dieses, bey so verderbtem Zustande der Welt, ein sicher Mittel, sich laͤcherlich zu machen. Er war demnach so listig, daß er nicht eigene Regeln vom Bombast gab, sondern sandte nur allerhand kleine Schrifften von unterschiedlichem Jnhalt in die Welt, in welchen diese vortrefliche Schreib-Art in ihrer gan- tzen Schoͤnheit zu sehen war. Er schrieb kein eigen Buch wider die Tyranney der Sprach-Kunst, son- dern begnuͤgte sich, in seinen Schrifften keine einige ihrer Regeln zu beobachten. Den Horatz und Boi- leau griff er nicht nahmentlich an: Er lobte sie viel- mehr zum Schein: Aber er verfertigte selbst Gedich- te, die so beschaffen waren, daß kluge und nachdencken- de Leser wohl sahen, daß sie diesen beyden grossen Dichtern, und den von ihnen gegebenen Regeln zum Trotz geschrieben. Wer da weiß, daß ein gutes Exempel mehr aus- richtet, als die besten Lehren, der wird mit mir beken- nen, daß der Hr. Makewind sich derjenigen Klugheit und Behutsamkeit bedienet habe, die zu Ausfuͤh- rung eines so wichtigen und nuͤtzlichen Vorhabens erfordert wird. Jch, und alle andere, so genannte, armselige Scri- benten freueten uns von Hertzen, daß in unsern Tagen ein so hertzhaffter Mann aufgestanden, und schmei- chelten uns mit der Hoffnung, durch die Huͤlffe dieses Helden unsern verloschenen Ruhm wieder hergestellet zu sehen. Allein die Schaar der leckern und nasewei- sen Schreiber verdoppelte ihre Wuth wider uns, und handthierte insonderheit unsern Goliath so uͤbel, daß ein Mann von geringerm Muth und einiger Scham- hafftigkeit sich wuͤrde haben abschrecken lassen, und es ver- ( o ) verschworen haben, jemahlen die Feder wieder anzuse- tzen. Allein sie fand an dem Hn. Makewind, was sie suchte, und nichts war faͤhig, unsern Helden von sei- nem loͤblichen Vorhaben abwendig zu machen. Er kehrte sich an alle Spoͤttereyen seiner Neider nichts, sondern blieb unbeweglich: Ille velut Pelagirupes immota resistit: Ut Pelagi rupes, magno veniente fragore, Quæ sese multis circum latrantibus undis Mole tenet: Scopuli nequicquam \& spumea circum Saxa fremunt, laterique illisa refunditur alga. Er fuhr fort, uns armselige Scribenten durch seine herrlichen Schrifften zu erbauen, und unsere Gegner zu quaͤlen. Seinem Beyspiel folgten viele, und es ge- wann das Ansehen, als ob die gute Sache endlich triumphiren wuͤrde. Unsern Feinden ward allgemach nicht wohl dabey zu Muthe. Sie sahen, daß das lehrreiche Beyspiel des Hn. Makewind von unbeschreiblicher Kraft war. Sie sahen, daß dieser tapffere und ruͤstige Scribent durch Spott und Drohungen nicht zu schrecken: Sie such- ten ihn also auf eine andere Art zu gewinnen, in der fe- sten Hoffnung, mit dem Rest der armseligen Scriben- ten leicht fertig zu werden: Und die Koͤnigliche So- cietaͤt der Wissenschafften muste dem Herrn Make- wind einen Platz anbieten. Dieses war, ihrer Meynung nach, ein listiger Streich, und unsere Feinde machten sich die sichere Rechnung, der Hr. Makewind wuͤrde, wo nicht durch das Beyspiel seiner Collegen gantz umgekehrt, deñoch durch die Ehre, welche ihm eine so beruͤhmte Gesell- F schafft ( o ) schafft erwiesen, bewogen werden, seine Hand von uns abzuziehen, und es nicht mehr so offenbar mit uns zu halten. Wie aber den wenigsten diese geheime Absicht der Societaͤt bekannt war, so gerieht gantz Londen in die aͤusserste Verwunderung, als es kund ward, daß Mr. Makewind in die Societaͤt der Wissenschafften aufgenommen sey. Man konnte sich nicht darinn fin- den, daß eine so beruͤhmte Gesellschafft einen Men- schen zu ihrem Mitgliede erwehlet, dessen Schriften ih- ren Absichten so sehr entgegen waren, uñ von welchem sie also, menschlichem Ansehen nach, mehr Schande, als Ehre zu erwarten hatte: Und wenn ich ihnen die Verwirrung, die Bestuͤrtzung, und den Lerm, so dieser unveꝛmuthtete Entschluß der Societaͤt in dieser Stadt erregte, nach allen Umstaͤnden beschreiben wolte, so muͤste ich eine Beredsamkeit besitzen, die mir fehlet. Jch sage nur so viel, Londen gerieht fast in den Zustand, in welchem sich Egypten befand, als der Wuͤrge-Engel ausgieng, die Erst-Gebuhrt zu schlagen. ‒ ‒ concussam bacchatur fama per utbem Lamentis, gemituque \& foemineo ululatu Tecta fremunt, resonat magnis plangoribus æther, Non aliter, quam si immissis ruat hostibus omnis. Carthago, aut antiqua Tyros, flammæque furentes Culmina perque hominum volvantur perque deorum. Dreyen der vornehmsten Frauen gieng es daruͤber unrichtig. Vier saͤugende Muͤtter liessen, vor Be- stuͤrtzung, ihre Kinder auf die Erde fallen, von denen zwey auf der Stelle todt blieben, und zwey so viel bekamen, daß sie vermuthlich Zeit ihres Lebens ge- brechlich bleiben werden. Ein gewisser Lord wolte, wie ( o ) wie er hoͤrte, was sich begeben hatte, die Achseln zu- cken, und siehe! die eine Schulter erstarrete, und ist seit dem immer hoͤher gewesen, als die andere. Mr. Phips, der ehedessen die Ehre vergebens gesuchet hat- te, die dem Hn. Makewind ohne seine Bemuͤhung wiederfahren war, machte es wie Ahitophel, und er- hieng sich aus Verzweiffelung, selbst. Und, was das erbaͤrmlichste, so starb die Mutter des Hn. Makewind vor Freuden. Ein wunderbar Gemisch von Bestuͤr- tzung und Freude beklemmte ihr muͤtterliches Hertze dergestalt, daß sie, indem sie ihren Sohn aufs zaͤrt- lichste umarmete, und demselben Gluͤck wuͤnschen wolte, eben wie jene Roͤmerin, die ihren Sohn, den sie todt geglaubet, aus der Schlacht wieder kommen sahe, in Ohnmacht fiel, niedersanck, und in den Ar- men ihres geliebten Sohnes den Geist aufgab. Ru- he sanft, gluͤckseliger Leib, der du einen so vortreflichen Mann getragen hast! Jch weiß, mein Herr, Sie wuͤnschen ihr mit mir: ‒ ‒ ‒ tenuem \& sine pondere terram Spirantesque crocos \& in urna perpetuum ver. Die Spoͤtter indessen waren nicht faul, sich uͤber diese unvermuthete Aufnahme des Herrn Makewind lustig zu machen. Der eine sprengte aus, die Socie- taͤt der Wissenschaften haͤtte den Herrn Makewind mit eben der Bedingung aufgenommen, unter wel- cher ehedessen Sylla einem schlechten Poeten seine Veꝛse belohnet, das ist, eꝛ habe eydlich angeloben muͤs- sen, ferner nichts zu schreiben. Ein anderer sprach: Die Societaͤt waͤre uͤppig worden, und wolte durch solche Mitglieder, als der Hr. Makewind, den Glantz ihrer Schoͤnheit vermehren, wie das Frauenzimmer F 2 durch ( o ) durch die Schoͤnpflaͤstergen. Ja der Hertzog von N … war gar so arg, daß er zu dem Frantzoͤsischen Gesandten, dem Grafen von B …, der sich auch uͤber das Verfahren der Societaͤt wunderte, auf Frantzoͤsisch sagte: Pourquoi s’en étonner, Mon- sieur? Ne sauez vous pas que la Societé est un corps mystiqve? II faut donc, qu’elle ait ses par- ties honteuses. Was mich und andere ehrliche Leute anlanget, so waren wir aͤusserst betruͤbt, daß man uns einer so gros- sen Stuͤtze berauben wolte. Anfangs war dieses unser Trost, daß entweder der Herr Makewind die ihm angebotene Ehre ausschlagen, oder, wenn er sie annehme, vielleicht die gantze Societaͤt der Wissen- schafften mit der Zeit auf unsere Seite ziehen wuͤrde: Aber wie bestuͤrtzten wir nicht, als derselbe ein Danck- sagungs-Schreiben an die Societaͤt drucken ließ, in welchem er bekannte, daß seine Schrifften bishero nicht viel wehrt gewesen, und heilig angelobte, sich zu aͤndern, uñ ins kuͤnftige in allem nach dem Geschmack der Gesellschafft zu richten. Dieses Bekaͤnntniß, diese Zusage war ein Donnerschlag in unsern Ohren; wir sahen nunmehro wohl, daß wir auf die Art von dem Herrn Makewind weiter nichts gutes zu hoffen haͤtten, und unsere Feinde konnten die Freude, welche sie daruͤber empfanden, daß sie uns einen solchen Mann abspaͤnstig gemacht, nicht bergen. Doch diese Freude waͤhrete nicht lange, und mit derselben endigte sich auch unsere Betruͤbniß. Naturam expellas furca tamen usque recurret. Mr. Makewind, der, durch die ihm unvermuhtet angetragene Ehre geblendet, in der ersten Hitze ein so unbe- ( o ) unbedachtsames Versprechen gethan hatte, kam end- lich wieder zu sich selbst. Das Gewissen wachte auf. Er sahe, wie sehr er seine Bruͤder betruͤbet hatte. Er be- reuete es, und schrieb, zu grossem Troste des betruͤbten Haͤufleins der elenden Scribenten, solche Buͤcher, daß man wohl sehen kunte, daß alles, was er in seinem Dancksagungs-Schreiben der Gesellschafft Gutes vorgesagt hatte, nur Ehren-Worte gewesen, die ihm nicht von Hertzen gegangen. Der Societaͤt gefiel dieses nicht: Doch schwieg sie Anfangs stille dazu. Sie hielte davor, man muͤ- ste mit Mr. Makewind, als einem jungen Menschen, Gedult haben. Die Besserung geschehe nicht durch einen Sprung: Er wuͤrde noch wohl werden. Al- lein diese Hoffnung schlug fehl. Mr. Makewind legte das Stillschweigen der Societaͤt so aus, als wenn sie seine Auffuͤhrung billigte. Er wagte es demnach, und trat voͤllig wieder auf unsere Seite. Er gab Schrifften ans Licht, die, eben wie die vorigen voller Bombast, und Uebertretungen der Gesetze der Sprach-Kunst waren. Jn seinen Gedichten war der Reim das Haupt-Werck, und die Vernunfft er- schrecklich gemißhandelt. Sie koͤnnen leicht geden- cken, wie sehr uns dieses erfreuet, und wie hergegen un- sere Feinde, und das Haupt derselben, ich meine die Societaͤt der Wissenschafften, sich geaͤrgert habe, als sie gesehen, daß ihr listiger Anschlag zu ihrem eigenen Schaden ausgeschlagen. Und gewiß, die Societaͤt war uͤbel daran: Solte sie ein, nach ihrer Meynung, unwuͤrdiges Mitglied auf eine gewaltsame Art von ihren Coͤrper absondern; so muste sie ihre eigene Un- vorsichtigkeit im waͤhlen bekennen, und die Rache, ei- F 3 nes ( o ) nes ihr ehedessen so gefaͤhrlichen Mannes, befuͤrchten. Solte sie ferner zu der Auffuͤhrung des Hn. Make- wind stille schweigen, so war zu besorgen, man moͤgte dencken, sie billige alles, was er vornehme. Und in der That fanden sich Leute, die dieses aussprengeten, und die Societaͤt kam dadurch in einen Ruf, den sie sich nicht vor ruͤhmlich hielt. Es vergieng ihr demnach die Gedult, und sie machte den unerhoͤrten Schluß, den Hn. Makewind, als ein faules Gliedmaß, von ihrem Coͤrper zu trennen. Er ward also foͤrmlich ausgestossen, und sein Nahme in dem Register der Glieder der Societaͤt ausgeloͤschet. Sehen Sie, mein Herr, so springet man hier mit ehrlichen Leuten um. Wolten Sie es mir also wohl rathen, daß ich einen Platz in einer Gesellschafft su- chen solte, der man es so wenig zu Danck machen kan, daß auch Mr. Makewind in ihre Ungnade gefallen? Jch habe Jhnen die Historie dieses geschickten Kopfes etwas umstaͤndlich erzehlet, damit Sie die Verdienste desselben, und den Eigensinn der Societaͤt, welcher auch ein solcher Mann nicht gut genug gewesen ist, de- sto besser erkennen moͤgen. Sie werden, hoffe ich, aus dem, was ich bisher geschrieben habe, zur Gnuͤge erse- hen, daß meine Klagen uͤber den bedraͤngten Zustand der Gelehrten meiner Art, nicht ungegruͤndet sind, und daß wir Ursache haben, bey auswaͤrtigen Natio- nen, und entlegenen Voͤlckern, den wohlverdienten Ruhm zu suchen, welchen uns unser Vaterland so halsstarrig verweigert. Sagen Sie mir, ist es nicht was unerhoͤrtes, so mit ( o ) mit einem Manne zu verfahren, der von so grossen Verdiensten ist, als der Hr. Makewind? Mit einem Manne, dem, auch nach dem Zeugniß seiner Feinde, unsere gantze Nation unendlich verbunden ist? Jch habe gar offt gehoͤret, daß man gesagt hat, die Schrif- ten des Hn. Makewind bewegten die Leser zum Mit- leiden und Lachen. Mich deucht, ein Scribent, der diese zwo Gemuͤths-Bewegungen bey einer Nation erregen kan, die, ihrer Schwermuͤthigkeit und Grau- samkeit wegen, so ruͤchtig ist, verdienet die Ehrerbie- tung eines gantzen Volcks, und eine oͤffentliche Belohnung. Allein statt dieser Belohnung hat man dem Herrn Makewind den empfindlichsten Schimpff angethan. Sie koͤnnen leicht erachten, wie sehr den ehrlichen Mann dieses schmertzen muͤsse. Er war Anfangs untroͤstbar, und flohe alle menschliche Gesellschaft. Ja er hatte so boͤse Stunden, daß man besorgte, er moͤchte gar von Sinnen kommen; und es fehlte nicht viel, so waͤre er seinem Vater, der vor Kummer uͤber den Unfall seines Sohnes, wie die Mutter vor Freu- den uͤber dessen Gluͤck, ploͤtzlich gestorben ist, in die Ewigkeit gefolget. Noch lebet er: und faͤngt an, sich in sein Un- gluͤck zu finden. Er thut wohl daran: Und mich deucht, ich thue auch nicht uͤbel, wenn ich mich an seinem Exempel spiegle, und nicht ferner vergebliche Muͤhe anwende, meinen eigensinnigen und undanck- baren Landes-Leuten zu gefallen. Wollen sie mei- F 4 ne ( o ) ne Verdienste nicht erkennen, so koͤnnen sie es bleiben lassen. Jch habe gethan, was ein ehrlie- bender Scribent thun kan: Da alle meine Arbeit vergebens ist, so schuͤttele ich den Staub von mei- nen Fuͤssen, und gehe von nun an rein zu den Sa- mojeden. Nehmen Sie mich auf, mein Herr, und glauben, daß ich des Beyfalls einer so politen Nation, als die Jhrige ist, nicht unwuͤrdig bin. Jch werde gewiß Jhre Gesellschafft nicht verunzieren. Dieser Brief, den ich Jhnen schreibe, wird Sie von meiner Ge- schicklichkeit uͤberfuͤhren, und die Wuͤrckung haben, die ich wuͤnsche. O wie werden meine Lands-Leute grißgrammen, wenn ich mich hinfort Societatis Scientiarum Ar- cticæ, quæ Beresovæ est, Socium nennen werde! Es wird ihnen dieses durch die Seele gehen. Aber wer kan ihnen helffen? Sie haben es um mich, und alle Scribenten meiner Art wohl verdienet, daß ich ihnen diesen Verdruß mache. Sie hassen uns, und ich bin versichert, sie wuͤnschen, daß uns der Teufel alle nach Nova Zembla fuͤhrte. Aber sie wissen nicht was sie bitten. Sie solten uns wohl missen, wenn wir nicht mehr vorhanden. Denn waͤren wir nicht, womit wolten sie wohl ihre Zeit hinbrin- gen? Wo wolten sie wohl etwas zu lachen und zu spotten finden? Wo wolten sie wohl mit ihren sinnreichen Einfaͤllen hin? Jch sehe es nicht ab: und mache dahero den Schluß, daß wir einem Lan- de unentbehrlich sind. Abermahl ein Beweiß unserer Vor- ( o ) Vortreflichkeit, welchen ich Sie, nicht aus der Acht zu lassen, bitte, und welchen ich mit leichter Muͤhe noch weiter ausfuͤhren koͤnte. ‒ ‒ ‒ extremo ni jam sub fine laborum Vela traham, \& terris festinem advertere pro- ram. Jch will mir aber vorbehalten, diese bishero noch nicht erkannte Nothwendigkeit und Vortteff- lichkeit der elenden Scribenten, in einer eigenen Schrifft, so gruͤndlich zu behaupten, daß, wofern noch ein Fuͤnckgen Redlichkeit in unsern Feinden ist, diese Ungluͤckselige hoffentlich in sich gehen, und aufhoͤren werden, uns ferner zu kraͤncken. Jch nehme mir die Freyheit, Jhnen einige Sel- tenheiten zu uͤbersenden, die ich neulich mit einem Schiffe aus Groͤnland erhalten habe. Sie bestehen in einem Schach-Spiel von Eis, welches von der spie- lenden Natur so gebildet worden, in einigen seltenen Voͤgeln, und in einer gewissen gelblichten Materie, welche von demjenigen, der mich damit beschencket hat, vor einen schwefelichten Auswurff des Berges Hekla ausgegeben, von andern aber vor den Auswurf eines groͤnlaͤndischen oder ißlaͤndischen Bauren ge- halten wird. Jch uͤberlasse es Jhnen, zu untersu- chen, wer recht hat: Und gestehe gerne, daß ich in solchen Sachen unerfahren bin. Es sey, was es wolle: so ist es doch eine Raritaͤt. Der Herr Makewind, der eben bey mir ist, em- F 5 pfiehlt ( o ) pfiehlt sich Jhnen bestens, und wird sich ehestens die Freyheit nehmen, selbst an Sie zu schreiben. Waͤre es nicht moͤglich, daß Sie diesem ehrlichen Manne, dem es unertraͤglich ist, nach dem Un- gluͤck, so er gehabt hat, in seinem Vaterlande zu leben, bey Jhnen eine anstaͤndige Bedienung ver- schaffen koͤnnten? Dencken Sie darauf, mein Herr, ich bitte Sie. Der Herr Makewind ver- dienet es. Sie duͤrfen nicht befuͤrchten, daß es ihm bey Jhnen zu kalt seyn werde. Er ist ein Poet; und der Microcosmus eines Dichters hat ein so starckes Central-Feuer, daß er eben der Sonne nicht bedarf. Mr. Makewind wuͤrde al- so in Nova Zembla noch schwitzen. Haben Sie die Guͤte, und beehren mich, so bald es geschehen kan, mit einer Antwort; Sie werden mich dadurch ungemein erfreuen. Jch habe die Ehre, mit aller ersinnlichen Hoch- achtung zu seyn, Londen, den ½ \frac{8}{9} Mertz, 1732. Mein Herr, DERO ergebenster Diener, R. Clifton. III. Der sich selbst entdeckende X. Y. Z, Oder L_c_s H_rm_n B_ckm_rs Rev. Minist. Candid. Aufrichtige Anzeige, der Ursachen, die ihn bewogen, die Geschichte von der Zerstoͤrung der Stadt Jerusalem mit kurtzen Anmerckungen zu erlaͤutern, und diese Anmerckungen unter einen fal- schen Nahmen ans Licht zu stellen, zur Beruhigung und Trost des ( S. T. ) Herrn Mag. Sievers , imgleichen zu Rettung der Unschuld seiner Absichten wider allerhand ungleiche Urtheile und Deutungen zum Druck befoͤrdert. Leipzig, 1733. BOILEAU Qvel tort lui fais-je enfin? ai-je par un écrit Petrifié sa veine, \& glacé son esprit? Vorrede des Verlegers. E s ist nunmehro ungefehr ein halb Jahr, daß mir gegenwaͤrtiges MSt. zu Haͤnden kam, und ich bin versichert, der geneigte Leser werde es mir schlechten Danck wissen, daß ich ihm eine Schrift, die unstreitig, wo er nicht gar zu murrisch ist, viel zu seiner Belusti- gung beytragen wird, so lange vorent- halten habe. Doch hoffe ich, wegen dieser Verzoͤgerung leicht Vergebung zu erhal- ten, wenn ich sage, daß ich nimmer die Her- ausgabe meines MSt. so lange wuͤrde aufge- schoben haben, wenn ich nur versichert gewesen waͤre, daß es dem Verfasser des- selben nicht entgegen seyn wuͤrde, seine Arbeit ohne sein Vorwissen in oͤffentli- chem Druck erscheinen zu sehen. Leute meiner Art sind zwar wegen ihres engen Gewissens in diesem Falle nicht sonderlich beruͤhmt: Allein, was man auch von dem Eigennutz der Buch- haͤndler sagt, so kan ich doch versichern, daß ich bedencken getragen habe, einem Scri- ( o ) Scribenten durch die Gemeinmachung ei- ner Schrift Verdruß zu machen, die er viel- leicht nur zu seinem Zeitvertreib verferti- get hat, und mir also alle Muͤhe von der Welt gegeben, den wahren Uhrheber des sich selbst entdeckenden X. Y. Z. ken- nen zu lernen, um von ihm sowohl die Einwilligung zu der Herausgebung sei- ner Schrift, als auch eine Erklaͤrung ei- niger darin vorkommenden dunckeln, und verderbten Stellen, zu erlangen. Allein alle meine Bemuͤhung ist ver- geblich gewesen. Derjenige, von dem ich das MSt. erhandelt habe, versicherte mich zwar, daß der X. Y. Z. selbst Verfas- ser desselben sey, und diese Satyre zu kei- nem andern Ende geschrieben habe, als um sich theils an dem Hn. M. Sievers we- gen einiger in der ersten Wuth gegen ihn ausgestossenen harten Reden zu raͤchen, und theils einigen elenden Troͤpfen, und scheinheiligen Heuchlern, die seine An- merckungen uͤber die Historie von der Zerstoͤhrung der Stadt Jerusalem vor ein Pasqvill ausgeruffen, und ihn ei- nes Mißbrauchs der Schrift beschuldi- get haͤtten, ihre Unwissenheit, und Thor- heit vorzustellen. Um mich hievon zu uͤber- ( o ) uͤberzeugen, berief er sich auf die Gleich- heit der Schreib-Art: Aber durch alles, was er mir vorsagte, ward ich nicht kluͤ- ger, weil er mir nicht sagen konnte, wer denn eigentlich der X. Y. Z. sey. Jch schrieb dahero an einen beruͤhm- ten Mann in Luͤbeck, und ersuchte ihn, mir zu melden, wer denn eigentlich der X. Y. Z. und wo er anzutreffen sey? Seine Antwort war: „Es sey ihm „unmoͤglich, mein Verlangen zu er- „fuͤllen. Weil er selbst nicht vor ge- „wiß sagen koͤnnte, wer die Anmerckun- „gen uͤber die Historie von der Zerstoͤh- „rung der Stadt Jerusalem gemacht „habe. Man habe zwar anfangs ei- „nen gewissen Mann in Luͤbeck dieser- „wegen in Verdacht gehabt: Allein, „da der Herr M. Sievers oͤffentlich ge- „saget habe, und noch bestaͤndig behaup- „te, daß dieser Mann ein elender „Stuͤmper, und der duͤmmste Jgno- „rant sey, so falle dieser Verdacht von „selbst weg. Uberdem achte dieser „Mann den Herrn M. Sievers so we- „nig, daß er nur daruͤber lachte, wenn „er hoͤrte, was derselbe von ihm ur- „theile; Und sey es also nicht wahr- „scheinlich, ( o ) „scheinlich, daß er sich einen Gegner wuͤr- „de auserlesen haben, an dem, seiner „Meynung nach, so wenig Ehre zu erja- „gen, oder daß er, wenn er ja einmahl „habe versuchen wollen, einen stoltzen „Juͤngling zur Erkaͤntniß seines Elendes „zu bringen, sich weiter mit einem Men- „schen abgeben werde, an dem alle Hof- „nung verlohren, u. s. w. Da ich nun auch in dieser Antwort so wenig Trost fand, verzweiffelte ich, und ließ alle Hoffnung, den wahren X. Y. Z. jemahlen kennen zu lernen, gaͤntzlich fahren. Es haben sich zwar nach der Zeit viele gefunden, die mir bald diesen, bald jenen, als den rechten Uhrheber der Anmerckungen uͤber die Hi- storie von der Zerstoͤrung der Stadt Je- rusalem genennet haben: Allein ich habe mich an diese Nachrichten so wenig ge- kehret, als an das Vorgeben desjenigen, der mir neulich, als ein sonderbahres Ge- heimniß offenbahrte, daß nicht der X. Y. Z. sondern sein Bruder der noch ein aͤr- gerer Spoͤtter sey, das MSt. so ich jetzo der Welt vor Augen lege: verfertiget habe. Es kan mir endlich gleich viel gelten, wer der X. Y. Z. und sein Vertheidiger sey. ( o ) sey. Jch bin zufrieden, daß ich der Welt eine Schrift mittheilen kan, die ihr nothwendig gefallen, und mir denjenigen Vortheil bringen muß, den ich mir sicher versprechen kan, wenn ich den guten Abgang der Sa- tyre ansehe, auf welche sie sich beziehet. Der Verfasser derselben wird es indessen nicht uͤbel nehmen, daß ich seine Arbeit wider sein Wissen und Willen herausgebe. Jch kenne ihn nicht, und er kan es mir unmoͤglich verdencken, daß ich meinen Vortheil und die Ehre, etwas zum Vergnuͤgen der klugen Welt beygetragen zu haben, allen andern Betrachtungen vorziehe. Nur bedaure ich, daß ich nicht im Stande bin, die Luͤcken meines MSt. auszufuͤllen, und dieses um so viel mehr, weil, soviel ich urtheilen kan, in der einen der verdorbenen Stellen die Tumheit derjenigen, die eine Satyre vor ein Pasqvill ansehen, und in der an- dern die alberne Scheinheiligkeit eines gewissen Suͤnders, der sich an einigen biblischen Redens- Arten gestossen hatte, so lebhaft abgebildet gewesen, daß man es unstreitig mit Lust wuͤrde gelesen haben. Jndessen liefere ich gegenwaͤrtige Schrift, so, wie ich sie bekommen, ohne die geringste Verfaͤlschung. Mehr kan ich nicht, und hofe der Leser wird mit mir zu frieden seyn, und mir bestaͤndig gewogen verbleiben. Leipzig, den 24. Sept. 1733. G Vor- ( o ) Vorbericht. G ar nachdenckliche Worte sind es, geneig- ter und andaͤchtiger Leser, die wir bey dem grossen roͤmischen Redner Cicero lesen, wenn es heist: Negligere qvid de se qvis- qve sentiat, non solum arrogantis est, sed etiam hominis omnino dissoluti. „Nicht achten, was die Leute von einem sagen, zeigt nicht nur einen Hochmuth, sondern auch eine grosse Liederlichkeit an. Es will der vortrefliche Tullius hiemit so viel sagen, daß man sich bestreben muͤsse, einen guten Nahmen zu haben. Negligere, spricht er, qvid de se qvisqve sentiat, non solum arrogantis est, sed etiam hominis omnino dissoluti. Man muß nicht meynen, daß dieser grosse Mann durch diese guͤldenen Worte die Menschen zu einem thoͤrigten Ehrgeitz verleiten wolle; seine Absicht ist nur, die- selbe zu bereden, es sey nicht gleich viel, was die Welt von uns dencke. Das Wort, das im Grunde liegt, ist von gar besonderm Nachdruck. Es heist: Negligere qvid de se qvisqve sentiat. Qvisqve heist einjeder, alle Menschen ohne Ausnahme. Er will demnach so viel sagen, daß man nicht aller Menschen Ur- theil verachten muͤsse. Non - omnium hominum. Welches eben soviel gesagt ist, als, man muͤsse einiger Menschen Urtheil nicht verachten; nach dem bekannten Non - omnis qvidam non, sed omnis - non qvasi nullus. Jeder- ( o ) Jederman weiß, daß die Menschen nicht alle einer Art sind. Einige sind klug und tugendhaft, andere aber dumm und boͤse. Ein ehrlicher Mann kehrt sich wenig daran, was diese letzten von ihm sa- gen oder dencken. Er verlanget nicht von ihnen gelobet zu seyn, und achtet es nicht, wenn sie ihn laͤstern. Er spricht: Non moror, an laudet me turpis, an im- probet osor. Aber der Beyfall kluger und tugendhafter Per- sonen ist eine Sache, die er eyferig suchet. Es ist ihm nicht gleichviel, was solche Leute von ihm sagen, und so wenig er darnach fraͤgt, was die dumme Welt von ihm urtheilet, so sehr erquicket ihn das Lob, so ihm die Klugen beylegen. Er ist gesinnet, wie der Hector beym Naͤvius. Lætus sum, spricht er, laudari me abs te, pater, lau- dato viro. Denn ea profecto jucunda laus, qvæ ab iis proficiscitur, qvi ipsi in laude vixerunt. Zu reden mit dem Cicerone Lib. XV. ep. 6. Jst es nun einem gelehrten Mann angenehm, von rechtschaffenen Leuten gelobet zu werden, so so ist es ihm hergegen ein empfindliches Creutz, wenn solche Personen ungleiche Gedancken von ihm haben. Jch rede aus der Erfahrung, geneig- ter Leser, und habe seit einigen Monathen mit Verdruß empfunden, was die widrigen Urtheile, solcher Leute, denen wir zu gefallen suchen, einem Menschen vor Kummer verursachen, den sein Ge- wissen uͤberzeuget, daß er dieselben nicht verdiene. Der Christliche Leser weiß, daß vor nicht lan- ger Zeit eine kleine Schrift zum Vorschein gekom- G 2 men ( o ) men ist, in welcher die Geschichte von der Zerstoͤh- rung der Stadt Jerusalem mit Anmerckun- gen erlaͤutert worden. Der Urheber dieser Schrift nennet sich X. Y. Z. und giebt sich auf dem Titel vor einen Nachahmer des Hn. M. Sievers aus. Der Ruhm welchen sich dieser gelehrte Mann durch seine vielen und herrlichen Schriften erworben hat, hat gemacht, daß die Anmerckungen des X. Y. Z. weil sie nach dem Geschmack des Hn. M. Sievers geschrieben, begierig gelesen worden, und jeder- man ist so billig gewesen, daß er dem Verfasser die Ehre, ein wahrer Nachfolger des Hn. M. Sie- vers zu heissen, nicht streitig gemacht bat. Allein, gleichwie grosse Verdienste gar selten unbeneidet zu seyn pflegen, so haben sich auch Leute gefunden, die, aus einem heimlichen Widerwillen gegen den Hn. M. Sievers, die Anmerckungen uͤber die Ge- schichte von der Zerstoͤhrung der Stadt Jerusalem vor eine satyrische Schrift ausgegeben, und ohne Scheu behauptet haben, der Verfasser derselben suche die vortreflichen Anmerckungen uͤber die Paßi- on, die der Hr. M. Sievers ans Licht gestellet hat, laͤcherlich zu machen. Man hat fast aus einem je- den Worte dieser Schrift einen, ich weiß nicht wie tiefen, mystischen Verstand gezogen; Ja eini- ge sind gar so unverschaͤmt gewesen, daß sie die gantze Schrift vor ein Pasqvill gescholten haben. Der Hr. M. Sievers selbst ist durch die gemeine Sage verfuͤhret worden, zu glauben, daß der soge- nannte X. Y. Z. ein haͤmischer Spoͤtter sey, der sich auf seine Unkosten lustig machen wolle, und hat sich alle Muͤhe gegeben, zu entdecken, wer denn ei- gentlich ( o ) gentlich dieser X. Y. Z. sey, mit der angehaͤngten Drohung, denselben, wenn er es nur wuͤste, nach Verdienste zu zuͤchtigen. Jch bin der X. Y. Z. und gebe demnach dem geneigten Leser zu bedencken, wie nahe es mir muͤs- se gegangen seyn, daß so viel kluge Leute, und un- ter denselben der Hr. M Sievers, ein Mann, vor welchen ich eine besondere Hochachtung hege, mir, ich weis nicht was vor boͤse Absichten beygeleget. Jch muͤste gantz unempfindlich seyn, wenn ich zu solchen Beschuldigungen still schwiege, und nicht, nach allem Vermoͤgen, meine Unschuld, die an sich zwar offenbahr genug ist, zu retten suchte. Ein Spoͤt- ter, ein Pasqvillant sind Ehren-Titel, vor welche ich mich sehr bedancke, und die einem Menschen von meiner Profeßion gar nicht anstehen. Es erfor- dert demnach die Liebe, die ich mir selbst schuldig bin, daß ich zur Rettung meiner Ehre, die Feder ergrei- fe, und denenjenigen, die von mir so ungleiche Ge- dancken hegen, ihren falschen Wahn, wo moͤglich, benehme. Jch bin um soviel mehr gezwungen, dieses zu thun, weil mir schon von meinen Patronen, denen ich meine Schrift noch ungedruckt gezeiget habe, nicht undeutlich zu verstehn gegeben worden, sie machten sich ein Gewissen, einen Menschen von so boßhaftem Gemuͤthe, als ich seyn muͤste, wenn ich die Absichten gehabt haͤtte, die man mir beymisset, zu einem Geistlichen Amt zu befordern. Jch geste- he, diese Erklaͤrung meiner Goͤnner hat mir manche unruhige Nacht gemacht, und bin ich oft auf die verzweifelten Gedancken gefallen, eine andere Handthierung zu ergreifen. Die ( o ) Die Medicin gefiel mir vor allen andern; Denn dieses ist, nach der Meynung eines gewissen Fran- tzoͤsischen Printzen, eine Kunst, in der man ohne Gefahr ein Stuͤmper seyn kan; C’ est un art, où I’on peut étre impunement ignorant: Aber die Zaͤrtlichkeit meines Gewissens, und die Furcht, mich zu versuͤndigen, wenn ich meine Hand vom Pflug zoͤge, ist Ursache, daß ich diese boͤse Gedancken fahren lasse, und mich entschlossen ha- ben, erst zu versuchen, ob ich nicht, durch eine kla- re Darthuung meiner Unschuld, die uͤble Meynung, die man von mir hat, umstossen koͤnne. Jch weiß nicht, ob ich hoffen kan, meinen Zweck bey dem groͤssesten Hauffen zu erreichen; das weiß ich aber gewiß, daß der Hr. M. Sievers, wenn er nur die Guͤte haben will, meine Entschuldigun- gen zu lesen, mich voͤllig lossprechen wird. Erlan- ge ich dieses, so bin ich zu frieden; so bin ich der Gunst meiner Befoͤrderer versichert, und werde mich uͤber dem gluͤcklich schaͤtzen, etwas zu der Beruhigung des Hr. Mag. Sievers beygetragen zu haben. Qvi- ( o ) Qvilibet verborum suorum optimus interpres. D er Zweck, den ich mir in dieser Schrift vorgesetzet habe, ist, die Unschuld meiner Absichten, wider die ungleichen Urtheile zu retten; die von meinen Anmerckungen uͤber die Geschichte von der Zerstoͤhrung der Stadt Je- rusalem gefaͤllet worden sind. Jch werde mich bemuͤhen, dieses auf eine so gruͤndliche Art zu thun, daß alle Unpartheyische mit Haͤnden greiffen moͤ- gen, wie sehr mir zu nahe geschehen sey. Um alle Verwirrung zu vermeiden, theile ich meine unbilligen Richter in drey Classen. Zu der ersten rechne ich diejenigen, welche meine Schrift vor ein Pasquill ausgeben: Zu der andern dieje- nigen, welche behauptet haben, meine Absicht sey gewesen, des Hn. Mag. Sievers zu spotten, und zu der dritten diejenigen, welche, ohne von meinen Achsichten zu urtheilen, eines und das andere an meinen Anmerckungen auszusetzen gefunden haben. Diejenigen, welche meine Schrifft vor ein Pas- quill ausgerufen haben, verdienen zwar nicht, daß ich ihrer erwehne. Jhre Unbilligkeit und Einfalt faͤllt so sehr in die Sinne, daß ich nicht noͤthig ha- be, mich gegen sie zu vertheidigen: Und mich deucht, ich erweise ihnen schon zu viel Ehre, daß ich ihrer Meldung thue. Sie duͤrffen also nicht be- sorgen, daß ich sie so abfertigen werde, wie sie es ver- dienen. Jch habe aber ihre Laͤsterung nur darum nicht mit Stillschweigen uͤbergehen wollen, damit G 4 ich ( o ) ich Gelegenheit haben moͤchte, ihnen aus Christli- cher Liebe, die wohlgemeynte Erinnerung zu geben, daß es ihrer Ehre sehr zutraͤglich seyn wuͤrde, wenn sie belieben wolten, sich auf einander mahl nicht so zu uͤbereilen, und eine Schrifft nicht eher vor ein Pasquill auszugeben, als bis sie gelernet haben, was eigentlich dieses Wort vor eine Bedeu- tung haben. Jn Postillen und in ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ desunt non nulla ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒. Dieses ist es, was ich ihnen zu sagen habe. Wofern sie klug sind, werden sie meinen Rath folgen, und sich nicht durch ferneres Laͤstern des Glimpfs un- wuͤrdig machen, den ich jetzo, in Betracht ihrer Unwissenheit gegen sie gebrauche. Jch wende mich zu denen, die meine Schrift vor satyrisch angesehen haben. Deren ist nun eine grosse Menge, und viele sind darunter, denen ich, ihres Standes und ihrer Verdienste wegen, eine beson- dere Ehrerbietung schuldig bin. Es ist mir dem- nach sehr leyd, daß ich mich genoͤthiget sehe, ihnen zu sagen, daß ihre Gedancken von der Absicht mei- ner Anmerckungen uͤber die Geschichte von der Zer- stoͤhrung der Stadt Jerusalem, gantz und gar irrig sind. Es wird schwer halten, daß ich ihnen dieses be- greiflich mache. Denn die falsche Einbildung, daß ich ein Spoͤtter sey, hat in den Gemuͤthern derer, die meine Schrift gelesen haben, so tiefe Wurtzel geschlagen, daß ich glaube, die meisten schwuͤren einen Eyd, daß sie recht haben. Jch muß mich wundern, wie so viele kluge Leute auf eine so we- nig wahrscheinliche Meynung verfallen koͤnnen, und kan, ( o ) kan, wie viel ich auch darauf gedacht habe, nicht ergruͤnden, was ihnen Anlaß gegeben, meine un- schuldigen Worte so uͤbel auszulegen. Sie thun mir gewiß zu viel Ehre, wenn sie glauben, daß ich geschickt sey, eine Satyre zu schreiben, und beleidigen mich, wenn sie sich ein- bilden, daß ich Lust habe durch eine so unchristli- che Schreib-Art mein Gewissen zu beflecken. Jch bin mit allem, was in der Welt vorgehet, sehr wohl zu frieden, und mehr geneigt jedermann zu loben, als zu tadeln. „ ‒ ‒ ‒ per me eqvidem sint omnia protinus alba, „Nil moror. Euge! omnes bené miræ eritis res. Persius Sat. I. Jn Ansehung der Schriften, die heraus kom- men, bin ich uͤberdem von Natur so wenig lecker, als jemand in der Welt, und die Buͤcher, die ich nothwendig lesen muß, sind so beschafen, daß mein Geschmack unmoͤglich dadurch verwehnet werden kan. Durch diese taͤgliche Kost ist mein Gaumen so ausgehaͤrtet, daß ich alles, was ge- druckt ist, ohne Eckel lesen kan, und es mir gleich viel ist, ob ich eine Historie in meinem Almanach, oder ob ich in der Europaͤischen Fama lese. Und wenn ich auch gleich von Natur zur Spoͤtterey ge- neigt waͤre, so wuͤrde mich doch meine natuͤrliche Bloͤdigkeit abhalten, meinem Triebe zu folgen, und mir ohne Noth Feinde zu machen. Jch weiß wohl, wie gefaͤhrlich es ist, Satyren zu schreiben: „C est un méchant métier que celui de medire G 5 „A ( o ) „A l’ auteur qui l’embrasse il est toûjours fatal. „Le mal qu’ on dit d’ autrui ne produit que du mal. Boileau Sat. VII. Jedermann hasset den, der dieses Handwerck treibt, und flieht ihn, als ein gefaͤhrliches Thier. Man spricht: „Fœnum habet in cornu: longé fuge; dum- modo risum „Excutiat sibi non hic cuiqvam parcetamico. Horat. Lib. I. Sat. 4. Es ist wahr, man lacht uͤber die Einfaͤlle eines solchen Menschen. Man lobet ihn, wenn er es gut gemacht hat. So bringt es der verderbte Lauf der Welt mit sich! Aber auch diejenigen, die an seinen Spoͤttereyen einen Gefallen haben, und sich uͤber den Unfall ihres armen Nechsten ergetzen, wi- der welchen dieselbe gerichtet sind, hassen denjeni- gen in ihrem Hertzen, der ihnen diese Lust machet. Boileau wuste es wohl, darum schreibt er am an- gefuͤhrten Ort: „‒ ‒ un auteur malin, qui rit \& qui fait rire „Qu’on blâme en le lisant, \& pourtant qu’ on veut lire „Dans ses plaisans accés qui se croit tout permis, „De ses propres rieurs se fait des ennemis. Jch glaube wohl, es giebt so wunderliche Ge- muͤther, die sich durch die Hoffnung des eiteln Lobes, welches ein lustiger Einfall seinem Urheber zu Wege zu bringen pfleget, so sehr blenden lassen, daß sie die Gefahr, ( o ) Gefahr, welche damit verknuͤpfet ist, verachten. Sie haben ihren Willen: Aber ich vor meine Per- son bekenne aufrichtig, daß ich so nicht gesinnet bin. Jch bin nicht eitler Ehre geitzig, noch weniger von denen, welche „Pissent au benestier, à fin qu’ on parle d’ eux. Regnier Sat. II. Jch lasse einen jeden in seinen Wuͤrden; So bleibe ich auch wer ich bin. Jch kehre vor meiner eigenen Thuͤr, und wuͤnsche von Hertzen, daß ein jeder so waͤre, wie ich. Dieses sind meine wenigen Gedancken von dem unchristlichen und gefaͤhrlichen Handwercke der Spoͤtter, unter welche man mich, ohne mein Verschulden, zehlen will. Jch bitte alle diejenigen, welche dieses thun, das, was ich hier schreibe, reiflich zu erwegen, so werden sie, wie ich hoffe, befinden, wie unwahrscheinlich es sey, daß ich meiner Erkaͤnntniß so sehr habe entgegen handeln wollen. Jch weiß, die Herren, mit denen ich hier zu thun habe, sind so guͤtig gewesen, daß sie von der Faͤhigkeit meines Verstandes eben kein schlim- mes Urtheil gefaͤllet haben. Wenn sie demnach auch glauben, daß die Boßheit meines Willens die Er- kaͤnntniß meines Verstandes habe uͤberwiegen koͤn- nen, so werden sie mir doch die Einfalt nicht zutrau- en, daß ich mich an den Herrn Mag. Sievers wuͤr- de gewaget haben. Dieser geschickte Kopf hat schon gewiesen, daß er ein Meister in der feinen Satyre sey. Jch will seines Satyrischen Patrioten nicht erwehnen, ob- gleich diese Blaͤtter alles, was Rom, Griechenland, und ( o ) und alle andere Laͤnder in dieser Schreib-Art gutes aufzuweisen haben, weit uͤbertreffen. Nur bitte ich meine Leser, sich der vortreflichen Gedaͤchtniß- Muͤntzen zu erinnern, die der Hr. M. Sievers, wie wohl nur in Idea und mit dem Stempel sei- nes Verstandes, auf den Schwaͤrmer Gerhard gepraͤget hat. Man kan mit Wahrheit sagen, daß der Hr. M. Sievers in dieser kleinen Schrift sich selbst uͤber- trofen habe. Der schaͤbigte Bullen-Beisser, auf welchem er den M. Gerhard, zum Trost aller Rechtglaͤubigen, einhertraben laͤsset, hat mir fuͤr- nehmlich wohl gefallen; Und ich kan mich, so offt ich daran gedencke, welches ich dann, zu Anfeu- rung meines Eyfers wider die Jrrglaͤubigen, alle Wochen wenigstens etliche mahl thue, noch nicht enthalten, auszuruffen: Faceté, lepidé, laute: nihil suprá. Jch habe die Apophtegmata der Alten bey dem Plutarchus gelesen: Auch beym Cicero, Macrobius und andern viele bona dicta (bons mots) und scharfsinnige Einfaͤlle gefunden: Aber der Bullen- Beisser, der schaͤbigte Bullen-Beisser, uͤber- trift alles, was man in den Schriften der Alten und Neuern schoͤnes in diesem Stuͤcke antrift. Durch dieses Sinnbild hat der Hr. M. Sievers gewiesen, wie weit sich die Kraͤfte des menschli- chen Witzes erstrecken, und wuͤste ich in dem gan- tzen Alterthum nichts, das mit selbigem einiger- massen in Vergleichung zu ziehen sey, als die scharf- sinnigen Worte des Thraso beym Terentius: Eóne ( o ) Eóne ferox es, qvia habes imperium in belluas? Terent. in Eunuch. Act. III. Sc. I. Weil ich weiß, daß es Leute giebt, welche mei- nen, der Hr. M. Sievers habe mit diesen Ge- daͤchtniß-Muͤntzen den armen Gerhard zu hart an- gegriffen, so ergreiffe ich hier mit vielem Vergnuͤ- gen die Gelegenheit, den Hn. M. wider solche un- besonnene Richter zu vertheidigen, und sage ihnen ohne Scheu, daß sie einfaͤltige Troͤpfe, wo nicht gar heimliche Ketzer und Jndiferentisten sind: Denn entweder sie wissen nicht, daß gegen einen Feind alles erlaubt ist. Hosti in hostem omnia licent; und daß man den Feinden der Kirchen auch, wenn man Lust hat, fluchen kan, oder sie halten auch den Schwaͤrmer Gerhard hoͤher, als es sich gebuͤhret. Und was hat dann endlich der Hr. M. Sievers dem Gerhard vor Grobheit bewiesen? Jst es nicht hoͤflich genug, daß er ihn auf den Bul- len-Beisser gesetzt hat, und reiten laͤsset? Haͤtte er ihn doch eben so leicht auf allen vieren kriechen, und von dem Bullen-Beisser weidlich koͤnnen zerzausen lassen. Jch schaͤme mich in einer so klaren Sache mehr Worte zu verschwenden. Jch kehre wieder zu mei- nem Zweck, und frage einen jeden Unpartheyischen, ob es wohl glaublich sey, daß ich, da mir die spi- tzige Feder des Hn. M. Sievers mehr als zu wohl bekannt ist, eine Satyre wider diesen gelehrten Mann habe schreiben wollen? Da er den guten Gerhard, der ihm mein Tage nichts zu wider ge- than hatte, in die Back-Pfanne gelegt hat, um dem ( o ) dem Teufel einen fetten Braten zuzurichten, so wuͤr- de das wenigste, das ich haͤtte befuͤrchten koͤnnen, dieses gewesen seyn, daß er mich in Stuͤcken zerhackt, auf den Rost geleget, und dem Beelzebub als eine Carbonnade wuͤrde vorgesetzet haben. Ein Mann, der mit denen, welchen er nicht gewogen ist, so scharf verfaͤhret, kan auch den kuͤhnsten abschrecken, sich an ihm zu reiben? Jch bin von Natur furchtsam, und soll doch wider den H. M. Sievers eine Satyre geschrieben haben. Die- ses, deucht mich, ist etwas, das nicht den gering- sten Schein der Wahrheit hat. Aber was bemuͤhe ich mich viel, durch allerhand Gruͤnde diesen falschen Verdacht von mir abzuleh- nen? ubi rerum testimonia adsunt non opus est verbis. Meine Schrift liegt vor jedermans Au- gen. Jch biete allen meinen unbilligen Richtern Trotz, mir das geringste darinne zu zeigen, welches zur Beschimpfung des Hn. M. Sievers gereiche. Man lese meine Vorrede, so wird man meine wah- re Absicht erfahren. Mein Zweck ist, meinem Naͤchsten mit meinem Talent zu dienen, und dem Herrn M. Sievers nachzuahmen. Wer kan mich desfalls tadeln? Das Sieges-Zeichen des Miltiades machte dem Temistocles unruhige Naͤchte, und Caͤsar seuffzete, als er zu Cadix das Bildniß Alexanders des Gros- sen sahe, und bedachte, daß er in einem Alter, da dieser schon die halbe Welt bezwungen, noch nichts gethan haͤtte. Was ist es dann Wunder, daß ich, der ich unstreitig aͤlter bin, als der Hr. M. Sie- vers, ( o ) vers, zu einer gleichen Nacheyferung angefeu- ret worden, da ich diesen vortreflichen Mann an den Ecken aller Buchlaͤden in Effigie haͤn- gen gesehen? Jch habe mich demnach unterwun- den, seinen Fußstapffen zu folgen, und durch aller- hand nuͤtzliche Schriften mich in den Stand zu se- tzen, daß ich mich auch einmahl mit Ehren in Ku- pfer stechen lassen, und neben ihm haͤngen koͤnnte. Diese Begierde, dem Hn. M. Sievers nach- zuahmen, und demselben, so viel moͤglich, gleich zu werden, ist eintzig und allein hinlaͤnglich, mich bey allen, welche die Billigkeit lieben, ausser Ver- dacht zu setzen. Man ahmet gewiß keinem nach, den man nicht vor vortreflich haͤlt, und was einer vor vortreflich haͤlt, das wird er nimmer laͤcher- lich zu machen suchen. Woher koͤmmt es dann, daß man mir eine so alberne Auffuͤhrung beymis- set? Jch solte nicht meynen, daß es daher ruͤhre, weil ich meine Schrift unter einem falschen Nah- men herausgegeben habe. Jch habe darinn viele vortrefliche Maͤnner zu Vorgaͤngern, und kluge Leute pflegen eine Schrift nach ihrem Jnhalt, und nicht nach dem vorgesetzten Nahmen zu beurthei- len. Damit ich aber meinen Ubelwollenden das Maaß voll mache, will ich ihnen aus Hoͤflich- keit, auch die Ursachen von diesem meinem Verfahren kuͤrtzlich melden. Die Anmerckun- gen uͤber die Geschichte von der Zerstoͤhrung der Stadt Jerusalem sind meine erste Schrift. Eine Behut- ( o ) Behutsamkeit, die allen angehenden Scribenten natuͤrlich ist, bewog mich demnach, meinen wah- ren Nahmen zu verschweigen, um mit desto meh- rer Sicherheit, und weniger Gefahr zu verneh- men, was kluge Leute von meiner Arbeit urthei- len wuͤrden. Man hat meine Schrift gelesen: Man hat sie beurtheilet, und die Urtheile sind so ausgefallen, daß ich weiter keine Ursache habe, mich zu verbergen, ja fast gezwungen bin, mich kund zu geben. Denn da man eines theils meine Schrift gelobet, und einhellig gesaget hat, daß ich dem Hn. M. Sievers gluͤcklich nach- geahmet habe; so kan ich, ohne Gefahr einiger Schande, sagen, wer ich bin: Jndem man aber andern theils mir Schuld giebt, daß ich dem Hn. M. Sievers durch meine Nachahmung beschimpf- fen wollen: so bin ich genoͤthiget, mich zu melden, und dieser Beschuldigung zu widersprechen. Jch finde in diesem Verfahren nichts, als Unschuld. Nachdem ich also auch diesen Stein des Anstosses aus dem Wege geraͤumet, und gewiesen habe, daß ich nicht gefaͤhrlicher Weise einen falschen Nah- men angenommen, so fahre ich weiter fort, und frage diejenigen, die, ungeachtet ich in der Vor- rede meiner Schrift meine Absicht aufrichtig und deutlich entdecket habe, mir dennoch den straf- bahren Vorsatz beylegen, daß ich den Hn. M. Sie- vers habe laͤcherlich machen wollen, was sie auf solche Gedancken gebracht hat? Glauben sie etwan meinen Worten nicht? Jch solte es fast dencken: Aber was bewegt sie denn zu diesem Mißtrauen? Bin ich denn vor einen Luͤgner bekannt? Koͤnnen meine ( o ) meine Leser klagen, daß ich sie schon eher betrogen habe? Jch glaube es nicht: Denn ich habe ja sonst noch niemahlen etwas drucken lassen. Jch kan also nicht ergruͤnden, warum man so unglaͤubig ist. Will man dem unbilligen Verdacht, den man wider mich hat, einigen Schein geben, so muß man entweder voraus setzen, daß ich des Hn. M. Sievers Feind bin, und daß folglich eine so grosse Hochachtung gegen denselben, als ich vor- gebe, nicht von mir zu vermuthen sey: Oder man muß auch weisen, daß in meiner Schrift Dinge enthalten sind, die mit der vorgegebenen Absicht derselben streiten. Beydes aber ist unerweißlich. Jch habe die Zeit meines Lebens mit dem Hn. M Sievers keinen Streit gehabt, und daß ich in meiner Schrift meinen vorgegebenen Absichten sol- te entgegen gehandelt haben, das laͤuft wider den Augenschein. Jch habe dem Hn. M. Sievers nachahmen wollen. Und alle Welt saget, ich habe es gluͤck- lich gethan. Jch bezeuge eine Hochachtung gegen den Hn. M. Sievers. Und darum ist meine gan- tze Schrift voll von seinem Lobe. Jch bewundere darinn seine Verdienste. Jch rette seine Ehre wider diejenigen, die seiner spotten. Wer dieses nicht siehet, der muß blind seyn. Warum aber will man dann meinen Worten nicht trauen? Warum spricht man, ich suche den Hn. M. Sievers zu beschimpfen? Es ist diese Ein- bildung so laͤcherlich, und so offenbahr irrig, daß ich mich fast entsehe, dieselbe weitlaͤuftig zu wider- legen, und von Hertzen bedaure, daß so viele weise H und ( o ) und ehrwuͤrdige Maͤnner derselben Platz gegeben haben. Sie streitet augenscheinlich wider den er- sten Grund-Satz aller menschlichen Erkaͤnntniß, nach welchem das, was einen Widerspruch in sich fasset, nicht wahr seyn kan. Jch wuͤste nicht, was einander mehr entgegen seyn koͤnnte, als Lob und Beschimpfung. Jenes ist eine Bewunderung und Ausbreitung der Vollkommenheiten unsers Nechsten; Diese ist eine Aufdeckung seiner Maͤn- gel. So wenig nun Vollkommenheit und Man- gel bey einander stehen koͤnnen, so wenig ist es wahrscheinlich, daß ein Mensch, der eines andern Vollkommenheiten bewundernd ausbreitet, die Absicht haben solte, eben durch diese Ausbreitung dessen Maͤngel aufzudecken. Jch sehe vorher, daß viele, die nicht gerne ohne Ursache gelacht haben wollen, diesen meinen unum- stoͤßlichen Beweiß, weil er ihrem Vergnuͤgen ent- gegen ist, anfechten werden. Sie werden sagen; es sey bekannt, daß man durch ein verstelltes Lob einen aufs allerempfindlichste beschimpfen koͤnne; und sey dieses eben das schlimmste an meiner Schrift, daß ich mich gestellet haͤtte, als suche ich den Hn. M. Sievers zu loben, da doch in der That meine Absicht sey, ihn durch meine Lobes-Erhebungen laͤcherlich zu machen. Dieses ist ihre eintzige Aus- flucht. Darauf bestehen sie, und haben dadurch manches gutes Gemuͤth auf ihre Seite gebracht. Jch erschrecke aber vor diesem Einwurff gar nicht, wie groß sie sich auch damit wissen, sondern ant- worte darauf mit der Freymuͤthigkeit, die ein gu- tes Gewissen giebet, in aller Kuͤrtze folgendes: 1) Daß ( o ) Daß es ein sehr lahmer Schluß ist, wenn man daher, daß etwas geschehen kan, folgern will, es sey wuͤrcklich geschehen: A posse ad esse non va- let conseqventia: und daß es 2.) eine grosse Verwegenheit sey, wenn man sich zu einem Her- tzens-Kuͤndiger aufwirft, und sich von den inner- sten Gedancken seines Nechsten zu urtheilen unter- faͤngt. Dieses kan zu Abfertigung derer, die mir die- sen Einwurf machen, genug seyn. Jch bleibe dabey, daß ich, wie es der Augenschein giebt, den Hn. M. Sievers nicht geschimpfet, sondern gelobet habe. Jch verlange mit Recht, daß man glaube, daß dieses im Ernst von mir geschehen sey, und daß man mei- ne Worte verstehe, wie sie lauten. Wer diese For- derung vor unbillig haͤlt, der giebt gar zu deutlich zu erkennen, daß er selbst die Billigkeit nicht liebe, und verdient nicht, daß man sich weiter Muͤhe ge- be, ihn zu bessern Gedancken zu bringen. Jch wer- de mich auch wenig bekuͤmmern, ob diejenigen, die bißhero, von meinen Absichten so ungleich geurthei- let haben, nach diesem von ihrer ungegruͤndeten Meynung abstehen werden, oder nicht. Jch habe meine Unschuld gruͤndlich dargethan, und werde zu frieden seyn, wenn nur der Hr. M. Sievers seinen wider mich gefasten Zorn fahren laͤsset. Um dieses von ihm zu erhalten, nehme ich mir die Freyheit, ihn allhier ins besondere anzureden. Jch bitte ihn demnach zu erwegen, daß ich in meiner gantzen Schrift nichts gethan habe, als daß ich ihn, nach Verdienst, gelobet. Meine Worte sind so klar, daß er dieses selbst nicht wird leugnen koͤnnen. H 2 Er ( o ) Er weiß, daß man ohne dringende Noht, von den klaren Worten eines Scribenten nicht abweichen muͤsse. Diese Regel ist so gruͤndlich, daß auch un- sere Gottes-Gelehrten dieselbe in Erklaͤrung heili- ger Schrift zum Grunde legen. Der Hr. M. Sie- vers weiß dieses so gut, als jemand in der Welt. Warum weicht er dann von meinen klaren Wor- ten ab? Warum sucht er, mit Verwerfung des buchstaͤblichen Verstandes, einen geheimen Sinn? Jch dencke nicht., daß er sagen werde, es sey eine dringende Noth vorhanden, die ihn zwinge dieses zu thun. Denn diese Antwort wuͤrde ihm gar nicht ruͤhmlich seyn. Die eintzige Ursache, warum man eine Schrift, in welcher jemand gelobet wird, vor satyrisch haͤlt, ist, wenn derjenige, der gelobet wird, von den guten Eigenschaften, wesfalls man ihn lobet, nichts, oder wohl gar das Gegentheil an sich hat. Wenn ich demnach z. E. den Hn. Prof. Philippi in Halle als einen grossen Redner und Poeten, und den P. Girard wegen seiner Keuschheit gelobet haͤtte, so wuͤrde man mir nicht Unrecht thun, wenn man sagte, ich habe spotten wollen: Aber da ich an dem Herrn M. Sievers nichts, als solche Tugenden lobe, die er alle in einem hohen Grad besitzet, so haͤtte ich vermuthet, man wuͤrde eher sagen, mein Lob sey vor seine Verdienste noch zu geringe, als mich vor einen Spoͤtter halten. Gewiß diejenigen, welche dieses thun, muͤssen des Hn. M. Sievers Freunde nicht seyn. So nachtheilig ihr Urtheil mir ist, so schimpf- lich ist es dem Hn. M. Denn der Satz, den sie zum Grunde desselben legen, muß nothwendig dieser seyn: ( o ) seyn: Daß es unglaublich sey, daß einer den Hn. M. Sievers im Ernst loben koͤnne, weil er nichts lobenswuͤrdiges an sich habe. Jch gebe dem Hn. M. zu bedencken, ob sein aͤrgster Feind wohl was schlimmers von ihm sagen koͤnne? Er mag selber urtheilen, ob er Ursache habe auf mich, der ich ihn lobe, zu zuͤrnen, oder auf diejenigen, welche sagen, das Lob, das ich ihm beylege, komme ihm nicht zu. Mich deucht, es ist offenbahr, daß nicht ich, sondern diese letzten ihn beschimpfen. Jch kan mich dahero nicht genug wundern, wie der Hr. M. Sievers diesen Leuten Beyfall geben, und sich einbilden koͤnnen, ich spotte seiner. Jhm, als einem Weltweisen, der es unstreitig in der Erkaͤnntniß sein selbst hochgebracht hat, muß die Groͤsse seiner Verdienste am besten bekannt seyn. Wie kan er also glauben, daß man seiner spotte, wenn man ihn lobt? Durch einen solchen Ver- dacht beleidiget er sich selbst. Jch habe Ursache zu vermuthen, daß der Herr M. Sievers, nach der ihm beywohnenden Scharf- sinnigkeit, die Wahrheit dessen, was ich hier schrei- be, einiger massen erkenne. Denn ob man mir gleich anfangs |gesagt hat, er sey so sehr auf den X. Y. Z. erbittert, daß er gegen ihn schreiben wol- le, so ist dieses doch noch zur Zeit nicht geschehen. Jch glaube, er hat begrifen, daß er es nicht mit Ehren thun koͤnne. Einen Menschen widerlegen, der uns lobet, heißt sich selbst schelten. Jch habe gesagt, der Hr. M. Sievers sey ein vortreflicher Mann, ein wackerer Mann; er sey scharfsinnig; seine Anmerckungen uͤber die Paßion wuͤrden gelobt H 3 u. ( o ) u. s. w. Was haͤtte er mit Vernunft dawider sagen koͤnnen, wo er nicht, zu seinem schlechten Ruhm, haͤtte behaupten wollen, er sey nichts weniger als ein vortreflicher, wackerer und scharfsinniger Mann, und seine Anmerckungen wuͤrden von jedermann getadelt? Uberdem sind meine Anmerckungen uͤ- ber die Geschichte von der Zerstoͤhrung der Stadt Jerusalem an sich so beschaffen, daß er sie uͤber- haupt nicht vor laͤppisch ausgeben koͤnnen, ohne seine eigene Arbeit zu schimpfen, weil sie derselben in allem aͤhnlich; und die darinn von mir vorge- tragene Wahrheiten insonderheit zu widerlegen, ist ebenfalls unmoͤglich. Jch moͤchte den sehen, der mir leugnen wolte, daß alle Menschen von Weibern gebohren werden; daß oft, auf Nieder- saͤchsisch vacken heist; daß die Jahr-Zeiten vor diesen eben so auf einander gefolget, als itzo, u. s. w. Dieses sind Wahrheiten, die eben so unstrei- tig sind, als diejenigen, welche wir in den An- merckungen des Hn. Mag. lesen, wenn er z. E. be- hauptet, daß die Juͤden bey Nacht Licht angezuͤn- det haben, um im Dunckeln desto besser zu sehen; daß ein Fuͤllen auf Niedersaͤchsisch Valen, und Zwilling, Twesecke heist, u. s. w. Es hat demnach der Hr. M. Sievers sehr wohl gethan, daß er nicht wider mich geschrieben. Leute, die so schreiben, als wir, die sind unwider- leglich. Und ich schaͤme mich nicht zu bekennen, daß ich diese Art der Passauischen Kunst von dem Hn. Mag. gelernet habe. Jch dancke ihm davor, daß er mir durch sein Beyspiel zur Erkaͤnntniß dieses biß- her verborgenen Geheimnisses Anleitung geben wol- len- ( o ) len. Jch wuͤrde ihm aber noch mehr verbunden seyn, wenn er belieben wolte, alle die widrigen Gedan- cken, die er von mir hat, fahren zu lassen. Er kan versichert seyn, daß ich es redlich mit ihm meyne, und daß diejenigen, welche vorgeben, ich habe den Hn. Mag. laͤcherlich machen wollen, etwas sagen, das ihm schimpflich ist. Jch habe dieses so deutlich dargethan, daß ich hoffe, der Hr. Mag. werde endlich anders Sinnes werden, und nicht mehr wider mich, sondern wider diejenigen eyfern, die es verdienen. Solte er aber, uͤber Vermuthen, noch den Scrupel dabey haben, daß es doch gleichwohl nicht glaͤublich sey, daß die gantze Stadt so einmuͤthiglich sagen wuͤrde, meine Schrift sey eine Satyre, wenn es nicht wahr waͤ- re: So bitte ich ihn, zu erwegen, daß die Menge der Jrrenden einen falschen Satz nicht wahr mache. Multitudo errantium non parit errori patrocini- um. Und uͤberdem habe ich die Ehre, ihm zu sagen, daß es noch in Luͤbeck so unpartheyische Gemuͤther giebt, die der falschen Einbildung, welche der groͤ- ste Haufe von meiner Schrift hat, widersprechen. Jch hatte neulich bey dem Vogel-Schiessen der Kloster Kinder die Ehre, eine verstaͤndige Ma- trone aus St. Annen-Kloster zu sprechen, die sagte mir, sie haͤtten in ihrem Kloster die Schrift des X. Y. Z. etliche mahl mit Bedacht durchgele- sen; Aber niemand von ihnen haͤtte finden koͤnnen, daß der Hr. Mag. Sievers darin geschimpfet sey. Sie konnte sich also nicht genug wundern, wie der Hr. M. Sievers diese Schrift so uͤbel aufnehmen koͤnnen, und glaube gantz gewiß, es muͤsten boͤse H 4 Leute ( o ) Leute darunter stecken, die dem Hn. M. Sievers das wohlverdiente Lob, welches der X. Y. Z. ihm beygeleget habe, nicht goͤnneten. Jch kan nicht leugnen, daß dieses gegruͤndete Urtheil eines so andaͤchtigen, wiewohl verachteten Haͤufleins mich inniglich erquicket hat. Jch scheue mich nicht, dasselbe allen falschen Deutungen, die andere von meiner Schrift gemacht haben, entge- gen zu setzen, und bitte den geneigten Leser, dasselbe nicht aus der Acht zu lassen. Man darf nicht mey- nen, die Leute in St. Annen- Kloster haͤtten die verborgene Absicht meiner Schrift, wegen ihrer Einfalt, nicht einsehen koͤnnen. Wer so denckt, der kennet diese Leute nicht. Seit dem der Hr. M. Sie- vers ihnen das Evangelium geprediget hat, weichen sie an Wissenschaft in der Theologie und Kirchen- Historie, und an Geschicklichkeit, von einem Bu- che zu urtheilen, dem gelehrtesten nicht. Dieser ge- lehrte Mann laͤst sich die Muͤhe nicht verdriessen, diese ehrbare Versammlung in das innerste der Theologie zu fuͤhren. Er ertheilet ihr Nachricht von allerhand alten und neuen theologischen Buͤ- chern; Er unterrichtet sie in den neuern Religions- Streitigkeiten, und laͤsset so gar die alten Ketzer, welches in diesen indiferentistischen und laulichten Zeiten was rares ist, nicht in der Erden ruhen. Der Saame, den er ausstreuet, faͤllt auf ein gutes Land. Man redet numehro in St. Annen- Kloster nicht mehr von Kleinigkeiten, und gemei- nen Dingen. Man spricht von Gnosticis, Va- lentinianern, Manichaͤern, Marcioniten, Dona- tisten, Novatianern, Sabellianern, Photinia- nern, ( o ) nern, Arrianern, Nestorianern, von den tribus capitulis, von Theodorus Mopsvestenus, von Aphtardoceten, Patripaßianern, Monotheliten, Euthychianern, Priscillianisten, Rosen-Creutzern, Widertaͤufern, Qvaͤckern, und mit einem Wort, von allen alten und neuen Ketzern. Man stellt sich vor, wie artig es wol gelassen habe, als Simon der Zauberer den Halß gebrochen, und eine alte Bad-Stube dem Cerinthus uͤber den Kopf eingefallen sey, und also die Kirche von die- sem Buben befreyet habe. Man schilt den Gro- tius, eyfert wider Thomasius, flucht Gerhard und Dippeln, und laͤst keinem Schwaͤrmer vor einen Heller Ehre. So groß ist die Einsicht, und der Eyfer dieser andaͤchtigen Personen! Und das ist kein Wunder: denn der Herr M. Sie- vers predigt gewaltig. Die Frau, mit welcher ich redete, versicherte mich, daß sie oͤffters, wann sie aus des Hn. M. Sievers Predigten kaͤme, wider Dippeln inson- derheit so erbittert waͤre, daß sie oft wuͤnsche, den Buben vor sich zu haben, um ihm die Augen aus- zukratzen. Sie sagte mir ferner, daß dergleichen Gemuͤths-Bewegungen in den Zuhoͤrern des Hn. Mag. Sievers nichts seltenes waͤren. Sehen sie wol, mein Herr, sprach sie, den Mann mit dem blauen Auge? Und indem sie dieses sagte, wiese sie mir einen wohlgekleideten Buͤrger, der unter dem Hauffen stand. Dieser Mann fuhr sie fort, hat eine Frau, die des Hr. Mag. Sievers Predigten, die er zu St. Annen haͤlt, fleißig besuchet, und aus selbigen einen so grossen Haß gegen die Ketzer, H 5 in- ( o ) insonderheit gegen Dippeln geschoͤpffet hat, daß sie, wo sie gehet und stehet, auf ihn flucht. Weil sie nun bestaͤndig mit so christlichen Gedancken umge- het, so muß es ihr neulich im Traum vorkommen, als zancke sie sich mit Dippeln; Sie faͤngt also im Schlafe mit greßlicher Stimme an zu schreyen: O du schaͤdlicher Unflat der hoͤllischen Schmeiß-Fliegen! schlaͤgt um sich, und trift ihren Mann auf das rechte Auge, daß es ihm braun und blau geworden ist. Jch gebe einem jeden zu bedencken, ob Leute, die das Gluͤck haben, des Unterrichts eines Man- nes zu geniessen, dessen Predigten so erstaunende Dinge wuͤrcken, und die in ihrem Glauben so wohl gegruͤndet, und von den Rechten der Glaͤubigen wider die Ketzer so wohl unterrichtet sind, nicht Faͤhigkeit genug besitzen, von einer so schlechten Schrift, als die meinige ist, zu urtheilen: und ob ich also nicht Ursache habe, mich auf sie zu beruf- fen? Der Hr. M. Sievers kan das Urtheil der frommen und scharfsinnigen Matronen aus St. Annen-Kloster um so viel weniger verwerffen, weil er zu erst seine Zuflucht zu diesen andaͤchtigen Per- sonen genommen, und ihnen seine Noth geklaget hat. Er muß also ihnen eine Faͤhigkeit zutrauen, von der Beleidigung, die ich ihm, seiner Meynung nach, zugefuͤget habe, zu urtheilen. Jch sage nicht, daß er hieran uͤbel gethan hat, aber ich moͤchte wuͤnschen, daß er seine Klage in St. Annen-Kloster mit einer groͤsseren Gelassenheit, als vielleicht geschehen seyn mag, angebracht haͤt- te. Jch mache diese Sache ungerne wieder rege, und ( o ) und wolte was darum geben, daß es in meiner Macht stuͤnde, den Fehler, den der Hr. M. Sie- vers in diesem Stuͤcke begangen hat, gaͤntzlich aus dem Gedaͤchtnisse der Menschen zu reissen. Jch schreibe mit Verdruß davon. Qvam vellem ne- scire literas! Aber ich kan unmoͤglich das verheh- len, was coram facie Ecclesiæ, und in einer grossen Versammlung geschehen ist; Und die christ- liche sowohl, als die besondere Liebe, womit ich dem Hn. Mag. zu gethan bin, treibt mich an, ihm, mit aller Ehrerbietung, die ich ihm schuldig bin, zu sagen, daß er sehr uͤbel gethan habe, zu St. Annen auf oͤfentlicher Cantzel, mich, den Drucker meiner Schrift, den Verkaͤufer dersel- ben, und alle, die sie gelesen, zu verfluchen, und in den Abgrund der Hoͤllen zu verdammen. Wenn ich Lust zu spotten haͤtte, so koͤnnte ich wahrlich keine bessere Gelegenheit, als diese wuͤnschen. Jch koͤnnte seine Klugheit loben, daß er seinen Eyfer wider mich an einem Ort ausgeschuͤttet, wohin ich niemahlen komme, und woselbst ich ihm, wenn ich gleich zugegen gewesen waͤre, doch nicht haͤtte antworten duͤrffen. Jch koͤnnte sagen, er habe versuchen wollen, ob ihm das Anathema Ma- haram Motha, leichter auszusprechen sey, als die hebraͤische Uberschrift des Creutzes Christi. Jch koͤnnte sprechen: er habe durch sein Fluchen gewie- sen, daß er ein guter Hacke werden wuͤrde, und aus keiner andern Ursache wider den X. Y. Z. ei- nige Luft-Streiche gethan, als um zu sehen, ob er eben so geschickt sey, den Hammer des Gesetzes gegen die Suͤnder zu gebrauchen, als das Schwerdt des ( o ) des Geistes wider die Ketzer zufuͤhren. Jch koͤnte die allerhand laͤcherliche Ungluͤcks-Faͤlle erzehlen, die mir begegnet, seit der Zeit ich unter seinem Fluch gestanden; und wenn ich der Mann waͤre, wovor er mich haͤlt, so thaͤte ich es. Allein ich bin ein Feind von solchen Thorheiten, und will mir die Freyheit nehmen, dem Hn. Mag. seine Uber- eilung im Ernst vorzustellen. Jch werde dieses, obgleich der Schimpf, den er mir angethan hat, weit groͤsser ist, als die Schmach, die er, seiner Mey- nung nach, von mir erlitten hat, seyn wuͤrde, und wenn er sich gleich in seiner Meynung nicht betroͤ- ge, mit der Sanftmuth und Bescheidenheit thun, daß er zugleich aus meinen gegruͤndeten Vorstel- lungen Nutzen schoͤpfen, und sich aus meinem Exempel, wo es ihm beliebt, wird erbauen koͤnnen. Jch bitte ihn demnach, zu bedencken, ob er nicht, als ein Christ, zur Gedult in allem Leyden, und, als ein Geistlicher, andern mit einem guten Exempel vorzuleuchten verbunden sey? Er weiß, daß man auch seine Feinde lieben, und die, welche uns fluchen, segnen muͤsse, und seine Zuhoͤrer wu- sten es auch. Wie meynet er dann wohl, daß sie sich uͤber seine Heftigkeit, und uͤber sein unartiges Fluchen geaͤrgert haben? ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ tantæ ‒ ne animis cœlestibus iræ? haben sie unstreitig, wie wohl nur auf deutsch, ge- dacht: Ja sie wuͤrden sich daruͤber geaͤrgert haben, und wenn auch die Beleidigung, die ihn so sehr aus- ser sich gesetzet hat, noch groͤsser waͤre, als er sie sich, wie wohl ohne allen Grund, einbildet. Wir wollen den Fall setzen, ich haͤtte die Boß- heit ( o ) heit gehabt, zu schreiben: „Der Hr. M. Sievers, „der sich vor grosser Begierde beruͤhmt zu seyn, nicht „zu lassen weiß, ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ \& calet uno „Scribendi studio ‒ ‒ ‒ ‒ Horat. Lib. II. Ep. I. „hat die Paßion mit Anmerckungen herausgegeben. „Diese Anmerckungen sind im hoͤchsten Grad al- „bern. Um dieses recht lebhaft vorzustellen, will „ich die Historie von der Zerstoͤhrung der Stadt „Jerusalem mit eben so laͤppischen Anmerckungen „erlaͤutern, und zugleich dem Hn. M. Sievers „wohlmeynentlich gerahten haben, sich hinfuͤhro „des Buͤcher-Schreibens zu enthalten, und sich „erst in den Wissenschaften, die einem Menschen, „der sich mit Ehren in der gelehrten Welt sehen „lassen will, noͤthig sind, noch einige Jahre um- „zusehen, u. s. w. Wir wollen, sage ich, den Fall setzen, ich haͤt- te so geschrieben. So wuͤrde doch der Hr. M. Sie- vers, wie plump auch das Compliment gewesen waͤre, und wie sehr ich auch der Wahrheit so wohl als dem Hn. Mag. dadurch zu nahe getreten haͤtte, nicht christlich gehandelt haben, wenn er mich des- falls auf der Cantzel haͤtte verfluchen wollen. Es waͤren dieses kleine Haͤndel zwischen uns beyden ge- wesen, um welche sich kein Mensch in der Welt, am wenigsten die Leute in St. Annen-Kloster zu bekuͤmmern gehabt haͤtten, und die gar nicht auf die Cantzel gehoͤren. Ja es wuͤrde dem Hn. Mag. gar nicht erlaubt gewesen seyn, einen so heiligen Ort mit solchen Kleinigkeiten zu entweihen, und wenn er gleich schon ein beruffener und verordneter Diener ( o ) Diener des Worts waͤre. Auch ein ordentlicher Prediger ist nicht befugt, seine eigene Haͤndel auf die Cantzel zu bringen. Thut er ers, so klopfft man ihm in allen wohleingerichteten Staaten auf die Finger. Was meint also der Hr. M. Sievers wohl, daß er vor einen Verweiß wuͤrde zu gewar- ten gehabt haben, wenn diejenigen, welche ihm denselben zu geben berechtiget sind, seinen Fehler nicht guͤtig uͤbersehen haͤtten; theils weil er densel- ben zu einer Zeit begangen hat, da er nicht bey sich selbst war. Ira furor brevis est; theils weil sie wusten, daß man einen Betruͤbten nicht noch mehr betruͤben muͤste? Jch habe mich nicht entbrechen koͤnnen, durch diese ehrerbietige und glimpfliche Vorstellung dem Hn. M. Sievers zu zeigen, wie sehr er sich vergangen hat. Er kan glauben, daß es mir in der That sauer angekommen ist, einen Mann, der so viel Gutes an sich hat, und den ich, seiner Vortreflichkeit wegen, so hoch schaͤtze, einer Ubereilung zu beschuldigen. Jch befuͤrchte so we- nig, daß er die Erinnerung, die ich ihm aus gu- tem Hertzen gebe, uͤbel aufnehmen werde, daß ich vielmehr mir die Hoffnung mache, es werde die Freymuͤthigkeit, mit welcher ich ihn bestraffe, ihm den ungegruͤndeten Verdacht, als ob ich ihm durch ein haͤmisches und gezwungenes Lob zu schaden ge- suchet haͤtte, gaͤntzlich benehmen. Die Aufrich- tigkeit, die ich hier beweise, ist so groß, daß sie mich hoffentlich, nicht nur in dem Gemuͤthe des Hn. M. Sievers rechtfertigen, sondern auch an- dere bewegen wird, von meinen Absichten milder zu urtheilen. Die ( o ) Die gewisse Rechnung, die ich mir darauf mache, macht mich so kuͤhne, daß ich meinen Nahmen, nach welchem so viel Fragens gewesen ist, und den der Hr. M. Sievers insonderheit so sehnlich zu wissen verlanget hat, ungescheut nenne, doch nur auf eine Art, daß es den meisten schwer fallen wird, ihn zu errahten. Man sage nicht, daß ich daran unge- schickt handele. Man wuͤrde dazu berechtiget seyn, wenn ich mit jemand anders, als mit dem Hn. M. Sievers zu thun haͤtte. Einem Manne, der seinen Talmud so fertig, als seinen Abend-See- gen lieset, entdecke ich mich deutlich genug: der wird einen deutschen Nahmen leicht ohne Puncte lesen koͤnnen. Der Hr. M. Sievers siehet also oh- ne Muͤhe, wer ich bin, und wie ich heisse. Jch weiß wohl, der Hr. M. Sievers hat sich verlau- ten lassen, er wolle, wenn er nur wuͤste, wer ich waͤre, mich dergestalt abwuͤrtzen, daß ich bereuen solte, mit ihm angebunden zu haben: Aber diese Drohung macht mir keinen Kummer. Jch habe die Unschuld meiner Absichten so deutlich darge- than, daß ich von der Billigkeit des Hn. M. hof- fen kan, er werde mich wieder zu Gnaden anneh- men, und seinen Eyfer wider diejenigen kehren, deren unbesonnenes Urtheil von meiner Schrift ihn anfangs wider mich in Harnisch gejaget. Wir sind Freunde. Valeant qvi inter nos dissidium volunt. Solte ich mich aber in meiner Hoffnung be- trogen sehen, so werde ich zwar nicht wieder auf die verzweifelten Gedancken verfallen, ein Medi- cus zu werden; Denn ich hoffe, daß meine Un- schuld ( o ) schuld wenigstens meinen Goͤnnern in die Augen leuchten wird; Doch will ich es auf den Fall hie- mit verredet haben, jemahlen wieder etwas drucken zu lassen. Jch muͤste nicht klug seyn, wenn ich mich ferner in Gefahr setzen wolte, von jederman aufs unbarmhertzigste gerichtet zu werden. Jch mercke wohl, daß es mit solchen Leuten, als der Hr. M. Sievers und ich, nicht anders beschafen ist, als mit den Jnvaliden. Die thun noch gute Dien- ste in Festungen: Aber ins Feld kommen sie nicht; Uns laͤst es wahrlich auch nicht besser, als wenn wir, bis am Guͤrtel wenigstens, bedeckt stehen. Hinter einer Brustwehr, und solte sie auch nur von Holtz seyn, thun wir Thaten. Wagen wir uns ins freye Feld, so sind wir verlohren. Wir haben es, deucht mich, beyde erfahren: Noch habe ich es einmahl versuchen wollen. Gehts mir dieses mahl nicht gut, so will ich hinfort in meinem Elemente bleiben, und alle meine Weißheit auf der Cantzel auskramen. „C’est là que bien ou mal on a droit de tout dire Boileau Sat. I. Wie manchmahl habe ich nicht Sachen auf der Cantzel vorgebracht, die gewiß nicht kluͤger gewesen sind, als meine Anmerckungen, an wel- chen ein jeder zum Ritter werden will, und es hat kein Hund oder Hahn darnach gekraͤhet? Jch mag schwatzen, was ich will, man hoͤrt mir an- daͤchtig zu; Man seuftzt; man weint nach Gele- genheit, und wann die Predigt aus ist, so lobt man mich. Das macht die anstaͤndigen Gebaͤr- den, und der Ton der Stimme giebt unsern Wor- ten, ( o ) ten, wann wir auf der Cantzel stehen, eine An- nehmlichkeit, die ihnen fehlt, wenn sie zu Papier gebracht sind, und der Ort, an welchem wir re- den, sammt unserer Kleidung wuͤrcket in den Ge- muͤthern unserer Zuhoͤrer, eine Ehrerbietung, die sie antreibet, alles, was wir sagen, vor gur zu halten, und welche sie nicht haben, wenn sie uns nicht vor sich sehen, sondern nur unsere Schristen lesen. Un predicateur, sagt der P. Mallebran- che dans sa recherbhe de la verité T. I. Liv. I. ch. 18. a raison dans tout ce qu’il auance, \& il n’y a pas jusqu’ à son colet, \& à ses man- chettes qui ne prouve quelque chose. Jch will also bey meinem Leisten bleiben. Jch will pre- digen, und das Buͤcher-schreiben andern uͤberlas- sen. Es waͤre was Gutes, wenn der Hr. M. Sievers einen gleichen Entschluß fassen wolte. Er koͤnnte dadurch vieler Verdrießlichkeiten uͤberhoben seyn. Jch gestehe, die gelehrte Welt wuͤrde an uns beyden viel verliehren: Aber wer kan ihr helf- fen? Sie wuͤrde es ihr selbst zu dancken haben. Denn warum begegnet sie uns nicht besser? Nun muß ich noch, ehe ich schliesse, ein Wort in Vertrauen, mit derjenigen Art meiner Tadler reden, die sich, ohne von meinen Absichten zu ur- theilen, einige Fehler in meiner Schrift zu entde- cken einbildet. Jn dieser Classe setze ich diejenigen oben an, die sich daran aͤrgern, daß ich in meiner Vorrede geschrieben: Geschicht das am gruͤnen Holtz, was wil am duͤrren werden? und in der Entschuldigung an den Leser gesagt habe: Niemand verachte meine Jugend. J Sie ( o ) Sie bilden sich ein, dieses sey ein unverantwort- licher Mißbrauch der Heil. Schrift. Jch gestehe diese Censur hat mich sehr befremdet, und ich weiß fast nicht, was ich darauf antworten soll. Kaum kan ich mir einbilden, daß es Ernst damit sey. Denn es ist schwer zu begreifen, wie kluge Leute ihre Gottseligkeit so gar hoch treiben koͤnnen. Wenn ich also arg wolte, so koͤnnte ich die Herren, die sich so gar ohne Ursach an meiner Schrift geaͤrgert haben, ziemlich laͤcherlich machen. Aber auch bey dieser Gelegenheit zu zeigen, wie wenig ich zum Spotten geneigt sey, so will ich ihnen ihre Scru- pel mit aller Sanftmuth zubenehmen suchen, und ernsthaft mit ihnen reden. Es verdienet auch uͤberdem ihr zaͤrtliches Gewis- sen, mehr ein Mittleiden, als daß man daruͤber lache. Jch bedaure sie von Grund meiner Seelen. Sie setzen sich durch ihre gar zu grosse Heiligkeit in den Stand, daß sie ohne Gefahr zu suͤndigen, nicht einmahl Essen und Trincken fordern koͤnnen. Plagt sie der Durst, so duͤrfen sie nicht sagen, daß sie duͤrste. Und wann sie auf Reisen in ein Wirths-Haus kommen, ist es ihnen nicht erlaubt zu fragen: Habt ihr nichts zu essen? Leute mit denen es so beschaffen ist, die sind vor andern eines liebreichen Unterrichts wuͤrdig; Und ich mache mir ein Gewissen, sie auszuhoͤhnen. Jch bitte sie demnach zu bedencken, daß dasje- nige, was ich vom gruͤnen Holtz gesaget habe, ein Sprichwort sey. Unser Heyland hat sich desselben bedienet, das weiß ich wohl: Aber ich solte nicht meinen, daß dadurch die Natur dieses Sprichworts geaͤndert sey, und das menschliche Geschlecht et- was ( o ) was von seinem Recht auf dasselbige verlohren ha- be. Jch glaube also nicht, daß es eine Suͤnde sey, sich desselben zu bedienen, und das um so viel weniger, weil auch die andaͤchtigsten alten Wei- ber sich kein Gewissen daruͤber machen. Was das anlanget, daß ich gesaget habe: Nie- mand verachte meine Jugend: So moͤchte ich wohl von den gewissenhafften Personen, die mir dieses zur Suͤnde deuten, belehret seyn, wie ein Mensch, der sagen will, man solle ihn seiner Jugend wegen nicht verachten, seine Worte ordnen muͤsse, wenn er sich nicht versuͤndigen wil. Jch vor meine Per- son wuste es nicht kurtzer und deutlicher auszudruͤ- cken, und kan nicht davor, daß Luther eine gewisse Stelle in den Briefen Pauli eben so uͤbersetzet hat. Jch halte es fuͤr eine gar zu grosse Beschwerlich- keit, allezeit, wenn man etwas reden oder schreiben will, die Nase in der Concordantz zu haben, um zu se- hen, ob die Redens-Arten, der man sich bedienen will, auch in der Bibel stehen. Meine heiligen Richter muͤssen dieses thun, falls man nicht muth- massen soll, daß es mit ihrem engen Gewissen nicht viel zu bedeuten habe. Jch beklage sie desfals und gehe weiter. Doch muß ich noch demjenigen ‒ ‒ ‒ hiatus in MSt. ‒ ‒ ‒ Jch habe in meinen Anmerckungen p. 18. gemuthmasset, Jesus Ana- ni sey, weil er eines gemeinen Mannes Sohn ge- wesen, zu Fusse nach Jerusalem gegangen: Die- se Muthmassung will einem gelehrten und beruͤhm- ten Manne in Sachsen nicht gefallen. Er hat mir die Ehre gethan, desfalls an mich zu schreiben, und die Hoͤflichkeit, mit welcher er meine Mey- J 2 nung ( o ) nung bestreitet, verdienet, daß ich sie oͤffentlich lobe. Jch war willens, seinen Brief, weil er viele besondere Anmerckungen in sich fasset, hier gantz einzuruͤcken: Aber da derselbe durch und durch mit Lobes Erhebungen, der ich mich gantz unwuͤrdig schaͤtze, angefuͤllet ist, so hat es mir meine Demuth nicht zulassen wollen. Meine Leser werden zu frieden seyn, wann ich ihnen sa- ge, daß der gelehrte Mann behauptet, Jesus Anani sey nicht zu Fusse nach Jerusalem ge- gangen, sondern er habe dem Post-Knecht ein Trinckgeld gegeben, und sich vor dem Thor auf die Post gesetzt. Folglich sey er nach Jerusa- lem gefahren. Ob ich nun gleich vieles wider die Zeugnisse der Scribenten, aus welchen er dieses zu beweisen suchet, einzuwenden haͤtte, so will ich mich doch lieber bemuͤhen, unsere Mey- nungen zu vergleichen, als mit einem so vor- treflichen Manne uͤber eine Sache von so we- niger Wichtigkeit zancken. Wir haben, deucht mich, beyde recht. Jesus Anani hat sich un- terwegens auf die Post gesetzet, und so lange er auf der Post gesessen, ist er nicht gegangen. So weit hat mein Gegner recht. Aber ich glaube, dieser geschickte Mann, wird mir auch nicht streiten, daß Jesus Anani vor dem Thor zu Jerusalem absteigen muͤssen. Denn dieses muͤssen sich alle diejenigen gefallen lassen, die der Post-Knecht vor ein Trinckgeld aufnimmt. Er ist also unstreitig zu Fusse nach Jerusalem gekommen. Und auf solche Art waͤre dieser Streit gehoben. Jch ( o ) Jch eile zum Ende, und will dahero dasjeni- ge, was ausser diesem noch an meiner Schrift getadelt worden, nur mit ein paar Worten un- tersuchen. Einige haben mich desfalls einer Grobheit be- schuldigen wollen, daß ich in meinen Anmer- ckungen gesaget habe, was Kuͤh-Mist und Un- flat auf Niedersaͤchsisch heisse. Die Sittsamkeit dieser gar zu feinen Leute koͤmmt mir eben so wunderlich vor, als die uͤbergrosse Heiligkeit de- rer, die sich einbilden, ich mißbrauche der Schrifft: und ich wuͤste sie auch an meinem Bru- der nicht zu billigen: Sehen sie dann nicht, daß ich nichts mehr thue, als daß ich anfuͤhre, was in meinem Codice Mst. stehet? Mich deucht nicht, daß es billig ist, mir zu zumuthen, daß ich salva venia dabey setzen sollen. Doch vielleicht ist ein solcher Codex MStus nicht in der Welt? Jch weiß wohl, es giebt Leute, welche vorgeben, ich aͤffe meine Leser, wenn ich meinen Codicem anfuͤhre. Aber diese Herren muͤs- sen andere Leute nach sich selbst beurtheilen. Jch bin nicht der Mann, der andern etwas vorzuluͤ- gen faͤhig ist. Was ich sage, das kan man glau- ben. Und wer meinen Worten nicht trauet, der komme zu mir, so will ich ihm meinen Codicem weisen. Nach dem ich also alle ungleiche Urtheile, die von meiner Schrift gefaͤllet worden, beantwortet habe, J 3 so ( o ) so bitte ich zum Beschluß meine Leser nochmahl, das, was ich geschrieben, wohl zu behertzigen. Jch schmei- chele mir mit der Hofnung, daß Unpartheyische die Gruͤndlichkeit meiner Verantwortung einsehen, und mir recht wiederfahren lassen werden. Bin ich so gluͤcklich, so werde ich mich wenig daran kehren, was die Einfaͤltigen von mir und meiner Schrift urthei- len. Jch bin zu frieden, wenn nur der Hr. M. Sievers und der kluͤgste Theil dieser Stadt eine gute Mey- nung von mir hat. Der Rest mag sagen, was ihm be- liebt: doch warne ich meine Laͤsterer zum Beschluß wohlmeinentlich, es nicht gar zu bunt zu machen. Jch bin von Hertzen fromm: Aber macht man mich boͤse, so tauge ich auch nicht viel. „‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ at ille, „Qui me commôrit (melius non tangere clamo) „Flebit, \& insignis tota cantabitur urbe, Horatius Lib. II. Sat. I. IV. B riontes der juͤngere, oder L obrede, auf den Hochedelgebohrnen und Hochgelahrten Herrn, Herrn D. Johann Ernst Philippi, oͤffentlichen Professoren der deutschen Bered- samkeit auf der Universitaͤt Halle, wie auch Chursaͤchsischen immatriculirten Advocaten ꝛc. ꝛc. nach den Regeln einer natuͤrlichen, maͤnnlichen und heroischen Beredsamkeit, gehalten in der Gesellschaft der kleinen Geister, in Deutschland, von einem unwuͤrdigen Mitgliede dieser zahlreichen Gesellschaft. 1732 . Baudius. Hic se beatos atque sublimes putant Vocabulorum quum tumore spumeo, Strepituque anhelant futiles sententias, Ut qui pusilli corporis statum juvant Grandi cothurno, vestis aut farctu student, Fortes videri, ac succulentis artubus. Vorbericht. D ie Gesellschaft der kleinen Geister hat einige Aehnlichklit mit der un- sichtbaren Kirche. Sie ist in der gantzen Welt ausgebreitet, und doch kan niemand sagen: siehe hie oder da ist sie. Jch sage dieses, um dem Vorwitz meiner Leser vorzubeugen, die sich ohne Zweifel bemuͤhen werden zu entdecken, wo gegen- waͤrtige Lobrede eigentlich gehalten wor- den. Jch gebe Jhnen mein Wort, daß sie dieses so wenig errathen werden, als sie errathen werden wer der aͤltere Herr Bri- ontes sey. Sie duͤrffen aber darum nicht zweifeln, ob eine solche Gesellschaft auch wuͤrcklich vorhanden sey. Sie glauben eine unsichtbare Kirche: Sie glauben eine Patriotische Assemblée, und eine stille Todtengesellschaft zu Friedensburg. Sie glauben also, ob sie gleich nicht sehen. Warum wollen sie denn die Wuͤrcklichkeit der Gesellschaft der kleinen Geister in Zweifel ziehen, weil sie unsichtbar ist? Jch versichere sie, daß sie in der Welt ist. Sie koͤnnen mir trauen. Jch luͤge nicht. Es sind darinn viele grosse und beruͤhmte Maͤnner, die ich nahmhaft machen koͤnn- te, wenn ich nicht besorgte, sie moͤgten es uͤbel nehmen. Die Mitglieder unserer J 5 Gesell- ( o ) Gesellschaft sind von so grosser Beschei- denheit, daß sie lieber sterben, als sich kund geben: Und der Leser kan glauben, daß ich mir lieber die Zunge abbeissen, als mei- nen Namen sagen wuͤrde. Jch halte vor unnoͤthig, mich wieder den Momus zu verwahren. Wer meine Re- de tadeln will, der thue es immer hin. Jch werde mir desfals weder einigen Kummer machen, noch meine Tadler hassen. Jch bin versichert, daß diejenigen, denen meine Rede am wenigsten gefallen wird, meine wuͤrdigsten Mitbruͤder sind, ohne daß sie es selbst wissen. Man darf sich daruͤber nicht wundern. Unsere Gesellschaft hat allent- halben die ihrigen, und viele, die es sich nicht einbilden, stehen mit mir in einer un- sichtbaren Gemeinschaft. Es wird mir ei- ne Freude seyn, bey dieser Gelegenheit ei- nige dieser Herren kennen zu lernen, und ich bitte sie samt und sonders versichert zu seyn, daß ich als dann nicht ermangeln wer- de, meine Schuldigkeit gegen sie zu beob- achten, und ihnen diejenigen Liebesdienste zu leisten, die ich ihnen, als meinen wehr- ten Bruͤdern, schuldig bin, aber bißhero nicht habe erweisen koͤnnen, weil ich nicht die Ehre gehabt sie zu kennen. Hoch- Hochzuehrende Herren, Hochwehrtgeschaͤtzte Goͤnner und Freunde! E s lebe der Herr Professor Philippi! Hoch! Sie erschrecken nicht, Meine Herren, daß ich meine Rede mit einem Geschrey Jch bruͤllte hier greßlich, und halte es vor eine der vor- nehmsten Pflichten eines Redners, seine Stimme, nach Erforderung der Sachen, zu erheben und fal- len zn lassen. Jch bedaure, daß der geneigte Leser mich nicht gehoͤret hat. Jch kan Jhn verfichern, daß ich es, ohne Ruhm zu melden recht artig machte. anfange, so sich eher auf der Gas- sen, als in einem engen Zimmer, und besser in ei- ner Schaar schwaͤrmender Studenten, als in der Versammlung sittsamer Personen schicket. Es ist die Freude, so ich uͤber das Gluͤck eines so aus- serordentlichen Geistes, als der vortrefliche Mann, dem ich in dieser Stunde eine Lobrede halten soll, empfinde, so unbaͤndig, daß ich, ohne mir die groͤsseste Gewalt anzuthun, unmoͤglich in den Schrancken des gemeinen Wohlstandes bleiben kan. Fam fur or humanos nostro de pectore sensus Expulit, \& totum spir ant præcordia Phœbum Claudianus de Rapt. Prosery. Lib. I. Jch setze alle Betrachtung der Ehrerbietung, die ich einer so ansehnlichen Versammlung schuldig bin, aus den Augen, und lasse meinem Triebe den freyen Lauf. Jch ( o ) Jch schreye mit Macht, und aus vollem Halse, daß die Pfosten beben, daß es weit und breit erthoͤnet, die Nachbarschaft in Unruhe setzt, und die halbe Stadt rege macht: Es lebe der Herr Prof. Philippi! Hoch! Jch wuͤrde nicht ermangeln, meine Herren, die- sen frohen Ausruf mit dem gewoͤhnlichen Anhange Kluae Leser mercken leicht, daß ich auf das bekannte: Ein H . . . . moquirt sich! ziele. Jch habe hier also gewiesen, daß man auch von unflaͤtigen Dingen reden koͤnne, ohne ein unziemliches Wort zu sagen. Welches gewiß was schoͤnes ist. zu begleiten, wenn ich nicht versichert waͤre, daß es eines solchen Trumpfs in einer Versammlung nicht beduͤrfte, welche aus Personen bestehet, die alle von der Vortreflichkeit des Herrn Prof. Philippi eben so starck uͤberfuͤhret sind als ich, und folglich, da ihre Freude uͤber dessen Erhebung nicht geringer als die meinige ist, ohne Zweifel mit mir Vivat! ruffen wuͤrden, wenn sie sich nicht ein Gewissen machten, die wohlhergebrachten Rechte eines oͤfentlichen Redners zu verletzen. Es wuͤrde demnach eine unzeitige Hoͤflichkeit seyn, wenn ich mein Schreyen gegen eine Versammlung entschuldigen wolte, die, wenn ich schwiege, selbst, vielleicht noch aus einem hoͤhern Ton, anstimmen wuͤrde. Jch ruffe, meine Herren, in ihrer aller Namen: Es lebe der Herr Prof. Philippi! Hoch! Aber wie wird mir? Hier trat ich ungefehr drey Schritte zuruͤcke. Jch bin niemahlen mit einer ( o ) einer groͤssern Freudigkeit aufgetreten eine Rede zu halten, als jetzo, und doch, da es recht angehen soll, befinde ich mich in einer Verwirrung, die ich nicht wohl zu beschreiben vermag. Jch lasse die Haͤnde sincken Hier ließ ich wuͤrcklich die Haͤnde sincken, und zitterte mit dem gantzen Leibe. , meine Lenden schuͤttern, und mir wird gruͤn und gelbe vor den Augen. Es scheinet, als wenn Traurigkeit und Freude, zwo Gemuͤthsbewegun- gen, die einander gerade entgegen lauffen, wenn sie einen gewissen Grad erreichet haben, fast von einer- ley Wuͤrckung sind. Eine gar zu grosse Traurigkeit macht uns starr: Curæ leves loqvuntur, ingentes stupent Seneca in Hippolito. . Und mir laͤhmet eine uͤbermaͤssige Freude die Zunge. Jch verstumme beym Anfang meiner Rede Hier schwieg ich einige Minuten still. Der geneigte Leser beliebe zu mercken, wie meine Bestuͤrtzung stufenweise zugenommen. Welches Kunststuͤck um so viel groͤsser, je genauer es mit der Natur uͤber- ein koͤmmt. … .... Wundern Sie sich nicht, Meine Herren, uͤber einen so besondern Zufall. Bedencken Sie vielmehr die Groͤsse der Last, so Sie mir aufzulegen belieber. Jch soll zu Bezeugung der innigsten Freude, so un- sere Gesellschaft uͤber die Erhebung des Herrn D. Philippi zu der Profession der Deutschen Beredsam- keit in Halle, empfindet, einem Manne eine Lobre- de halten, der bisher aus sonderbahrer Demuth seine Vortreflichkeit so geschickt zu verbergen gewust, daß man ( o ) man alle Muͤhe von der Welt hat, sich einen rechten Begrifvon selbigen zu machen. Jch gestehe, Meine Herren, ich habe diese Muͤhe uͤberstiegen. Jch habe die Sechs deutsche Reden, so der Herr D. Philippi durch den Druck bekannt ge- macht hat, ja, was noch mehr ist, ich habe sein Helden- Gedicht gelesen; und sehe also die Verdienste dieses grossen Mannes voͤllig ein Als ich diese Rede hielte, war die beruͤhmte Thuͤringische Historie des Hrn. Prof. Philippi noch nicht aus Licht ge- treten; ich behalte mir also vor, das Lob dieses vortref- lichen Buches bey einer andern Gelegenheit unserer Gesell- schaft kund zu machen. . Aber, Meine Herren, dadurch wird meine Verwirrung nicht gemindert; sie nimmt vielmehr zu, und die Menge und die Groͤsse der vortreflichen und ausnehmenden Eigenschaften, so ich an|dem Herrn Prof. Philippi erblicke, macht mir den Mangel der Beredsamkeit, den ich allemahl bey mir spuͤre, empfindlicher als jemahls. Wie fange ich es also an, daß ich mit Ehren wie- der von diesem Platz komme? Jch wolte wohl den Apollo bitten, mir schoͤne Gedancken einzublasen, und das Band meiner Zunge zu loͤsen: Allein der stum- me Goͤtze vermag es nicht. Jch wolte den Herrn Brockes wohl um seinen Mund ansprechen S. das Heldengedicht des Hrn. Philippi p. 5. : Aber ich bin zu bloͤde. Er braucht ihn selber, und uͤber dem soll ich kein Gedichte machen. Koͤnnte ich, wie dort Saul den Samuel, die alten graubaͤrtigen und vermoderten Redner, Demosthenes und Cicero, be- schwoͤren, aus ihrer Gruft hervorzutreten S. die Sechs deutschen Reden des Hrn. Philippi p. 12. , so wol- te ( o ) te ich selbige um Huͤlffe in dieser Noth anruffen. Al- lein ich kan nicht hexen, und ich bin uͤber dem zweifel- haft, ob alle Beredsamkeit dieser beyden Alten zurei- chen moͤgte, den Hrn. Prof. Philippi nach Wuͤrden zu erheben. Jch wuͤrde also untroͤstbar seyn, und mit Schanden abtreten muͤssen, wenn ich nicht selbst bey dem grossen Geiste Trost faͤnde, dessen Vortref- lichkeiten mich in diese Verwirrung gesetzet haben. Es mag demnach Demosthenes, Cicero, Apollo, ja Brockes selbst einen guten Tag haben. Jch be- darf ihrer Huͤlffe nicht: Jch halte mich an den Herrn Prof. Philippi. Dieser grosse Mann hat mir durch sein Beyspiel gewiesen, wie ich und meines gleichen kuͤmmerliche Redner es machen muͤssen, wenn wir etwas sagen wollen, und nicht wissen was es seyn soll. Er hat die Kunst erfunden, wie ein Redner das, was ihm mangelt, geschickt von seinen Zuhoͤ- rern entlehnen kan. Er saugt Glut aus den Augen der Hochgeschaͤtzten Anwesenden, und wenn seine matte Faͤhigkeit zum Dencken, und eine schaam- haftsvolle Furcht ihm allen Muth benimmt, und seinen Geist entkraͤftet, so nimmt Er seine Zuflucht zu seinen Zuhoͤrern und spricht: Jedoch es ist noch Rath: Wann Dero Huld erlaubt Daß mein Gedancke ietzt denselben et- was raubt; Will ich das Feuer nur aus Dero Au- gen fassen, So wird mein Mund beredt ....... S. das Heldengedicht p. 5. Jch ( o ) Jch wolte nicht um wie viel, daß von dem Herrn Prof. Philippi dieser vortrefliche Handgrif nicht er- funden waͤre. Haͤtte ich von ihm nicht gelernet, wie man Feuer aus den Augen der Zuhoͤrer fassen muͤste, was koͤnte ich wohl machen? Aber so bin ich aller meiner Sorge entlediget. Jch fas- se das Feuer aus dero Augen, und spreche: Saͤh’ also Jhre Huld mich ietzt aufs schaͤrfste an, So koͤnnt wohl Dero Glut auch in mir Glut erwecken. Wie oft wird das entzuͤndt, das selbst nicht brennen kan, So kan ihr Feuer auch ietzt meinen Geist anstecken. S. das Heldengedicht p. 5. Ob also gleich Ehrfurcht und Ohnmacht mir billig ein Stillschweigen auflegen solten, so lasse ich doch den Muth nicht sincken; sondern da Dero, aus un- verdienter Guͤtigkeit, auf mich unverwandt gerich- tete Augen, hoch wehrteste Anwesende! mir be- fehlen, daß ich in meiner Rede noch nicht aufhoͤren, sondern fortfahren solle; Zumahl in den Gesetzen un- serer Versammlung versehen, daß wir bey dergleichen Begebenheiten lieber das Hertz, als die Kunst, das Wort fuͤhren lassen wollen: So gehorche denn, und sehe zugleich in voraus, daß, wo ich reden soll, als es mir wahrhaftig ums Hertze ist, ich eher einen An- fang, als Ende meiner auszudruͤckenden Bewegun- gen, werde antreffen koͤnnen S. die sechs deutschen Reden p. 21. sq. . Wie vermoͤgte ich auch ( o ) auch, mich weiter des Redens zu enthalten, da die un- wandelbare hoͤchst-erfreuliche Nachricht von der unvermutheten Erhebung des Herrn Prof. Philippi durch das Hertz aller redlichgesinnten, mithin auch vornehmlich durch die Jhrigen, gleich einem gewalt- samen Strohm, den keine Daͤmme aufhalten, hin- durch bricht und die Freude durch alle Glieder des Lei- bes, um nicht bey weiterer Beklemmung in den Her- tzen, es gar zu zerbrechen, einen ungehinderten Aus- gang zu nehmen trachtet? Sind demnach gleich meine Worte zu niedrig, als daß sie den hohen Grad unsers Vergnuͤgens auszudruͤcken vermoͤgten, und laͤsst sich gleich ein erhabner Cedernbaum nicht mit einem geringen Maaßstabe von Cypressenholtz ausmessen; So soll doch dasmahl mein Hertz vor mich reden, und Dero eigene gerechte Freude uͤber die Beforderung des Herrn Prof. Philippi soll mir zur Regel und zum Maaßstabe dienen, um darnach die Gerechtigkeit der Freude aller Verehrer dieses gros- sen Mannes auszumessen. Es breche also nunmehr ungehindert die verborge- ne Freude meines Hertzens aus der Quelle der Ehr- erbietigkeit hervor, und ohnerachtet solche Dero aller- seits hellen Gemuͤths-Augen bereits unverborgen ist; so vermenge sich doch mein Freudenton mit dem In dulci jubilo aller, so die Verdienste des Hn. Pr. Philippi kennen, und erfuͤlle die Lufft mit einem hel- len und deutlichen Vivat! mit einem freudigen Hoch! und mit einem frohlockenden Jubelgeschrey Wann der geneigte Leser hier einen Unterscheid in der . Es lebe der Herr Prof. Philippi! Hoch! K Mich ( o ) Mich deucht, meine Herren, ich nehme in Dero unverwandt auf mich gerichteten Augen, aus wel- chen ich dasjenige Feuer gefasset, so jetzo in die Flam- men eines ausserordentlichen Freudengeschreyes aus- bricht, einen heimlichen Widerwillen wahr. Sie befuͤrchten, ich sehe es Jhnen an, ich duͤrfte meines Hauptzweckes vergessen, und die Zeit, so bestimmet ist, den Herrn Prof. Philippi zu loben, mit blossen Wuͤnschen vor das Wohlseyn eines so vortreflichen Mannes zubringen. Und gewiß, Meine Herren, bald solte ich mich dieser List bedienen, um mich einer Last zu entledigen, die mir fast zu schwer fallen will. Was soll ich von einem Manne sagen, den ich nicht kenne? Jch kan mit gutem Gewissen einen Eyd schweren, daß ich nicht eher gewust habe, daß der Herr Prof. Philippi in der Welt sey, als biß derselbe, aus GOttes gerechtem Verhaͤngniß, erkohren worden, den Hochmuth einer Academie zu daͤmpfen, die un- serer Gesellschaft bißhero ein Dorn im Auge gewesen ist, und Derselben zu einer Geissel hat dienen muͤssen. Es ist wahr, Meine Herren, ich habe die vortreflichen Reden des Herrn Prof. Philippi gelesen. Jch ken- neihn also aus seinen Schriften. Aber diese Schrif- ten sind, nach dem Urtheil der Kenner, mit solcher Kunst verfertiget, daß man Muͤhe hat, die Kunst darinn Schreib-Art wahrnimmt, so wisse Er, daß ich hier dem Herrn Prof. Philippi nachzuahmen gesuchet. Siehe dessen Sechs deutsche Reden p. 24. 25. Jch erinnere dieses darum, damit man das Lob, wel- ches Gedancken solcher Art und so besondere Ausdruͤ- ckungen verdienen, nicht mir ertheile, sondern dem Herrn Philippi. ( o ) darinn zu finden. Artis estcelare artem. Die- ses Kunststuͤck hat der Herr Prof. Philippi in sei- nen Reden meisterlich angebracht. Er hat mit sol- cher Sorgfalt seine Geschicklichkeit verborgen, daß zu deren Entdeckung die Einsicht eines grossen Staats-Mannes erfordert wird S. in den Sechs deutschen Reden, die Vorerinnerung zu der dritten Rede p. 48. , und die Weisheit der Schulgelehrten dazu nicht hinlaͤnglich ist S. in den Sechs deutschen Reden die der vierten Rede vorgesetzte Anmerckung p. 80. . Diese Nachteulen blendet ein so grosses Licht. Es wuͤrde mir daher nicht zu verdencken seyn, wenn ich ietzo, da ich, zu Bezeugung unserer Freude, Hoch! gerufen, ohne ferner ein Wort zu sagen, nach Hau- se gienge, und daselbst die seltenen Eigenschaften des Herrn Prof. Philippi stillschweigend bewunderte. Aber, Meine Herren, ich habe mich schon so weit herausgelassen, daß ich dieses mit Ehren nicht thun kan. Jch habe schon bekannt, daß ich die Verdien- ste des Herrn Prof. Philippi voͤllig einsaͤhe. Die- ses Bekaͤnntniß wiederufe ich nicht. Jch bin voͤl- lig uͤberzeuget, daß der Herr Prof. Philippi ein Red- ner ist, der seines gleichen nicht hat. Doch verlan- ge ich darum nicht, Meine Herren, daß Sie mich den gemeinen Gelehrten vorziehen, und von mei- ner Scharfsichtigkeit gar zu grosse Begrife haben sol- len. Jch wuͤrde mit allen Gelehrten meiner Art, see- lig gestorben seyn, ohne zu dieser Erkaͤnntniß zu gelangen, wenn nicht der Herr Pr. Philippi die Guͤ- te gehabt haͤtte, auf dem Titelblat seiner sechs deut- K 2 schen ( o ) schen Reden zu melden, daß sie nach denen Regeln einer natuͤrlichen, maͤnnlichen, und heroischen Beredsamkeit ausgearbeitet sind. Dieses Zeugniß, welches der Hr. Prof. Philippi sich selbst giebt, ist so glaubwuͤrdig, daß derjenige sehr un- verschaͤmt seyn muͤste, der sich geluͤsten lassen wolte, an der Geschicklichkeit des Herrn Prof. Philippi zu zweifeln. Es giebt uns diejenige gute Meynung von dem Herrn Prof., welche noͤthig ist, die verborgene Schoͤnheiten seiner Reden einzusehen, und nach die- ser Einsicht von der Vortreflichkeit des Verfassers zu urtheilen: Und man muß bekennen, der Herr Prof. Philippi hat durch dasselbe die Pflicht, mit welcher Er sich und seinem Naͤchsten verwandt ist, vollenkom- men erfuͤllet, indem Er dadurch die vortheilhaften Ge- dancken, die Er von seiner eigenen Arbeit hat, aufs bescheidenste an den Tag leget, und andern die Ge- legenheit benimmt, sich, durch Entziehung des ihm gebuͤhrenden Lobes, an ihn zu versuͤndigen. Jch weiß wohl, es hat ein alter Wahn das mensch- liche Geschlecht so sehr bethoͤret, daß die meisten es als eine Unanstaͤndigkeit ansehen, wenn einer sich selbst lobet; und es gibt wuͤrcklich so eigensinnige, neidi- sche Gemuͤther, die sich an dem Titelblatte der sechs deutschen Reden des Herrn Philippi aͤrgern, und es diesem grossen Mann zur Suͤnde deuten, daß Er sei- nen Leser zum voraus einen guten Begrif von seiner Arbeit zu geben suchet. Aber gleich wie Leute von die- ser Art gemeiniglich erhabenen und tugendhaften Ge- muͤthern, als der Herr Prof. Philippi ist, zu solchen Voꝛwuͤrfen dienen, daran sie deꝛselben ihre Schwach- heiten ( o ) heiten deutlich erkennen, und ihre Edelmuth in groß- muͤthiger Ertragung solcher unverschuldeten Urtheile ruͤhmlichst erweisen lernen S. den Vorbericht zu den Sechs deutschen Reden. ; so hoffe ich auch, Mei- ne Herren, Sie werden den Eigensinn dieser Tadler mit mir verabscheuen, und, nach der Jhnen beywoh- nenden Klugheit, wohl begreifen, daß der Herr Prof. Philippi eines theils, wie ich schon erwiesen, wichti- ge Ursachen gehabt, sich selbst zu loben, und andern theils auf dem Titelblatte nichts gesetzet hat, von des- sen Wahrheit nicht ein jeder, der seine Reden lieset, beym ersten Anblick uͤberfuͤhret werden solte. Er spricht, seine Reden waͤren nach den Regeln einer natuͤrlichen, maͤnnlichen, und heroischen Be- redsamkeit ausgearbeitet. Er redet die Wahrheit. Wer will leugnen, daß seine Beredsamkeit natuͤrlich sey? Ein jeder siehet leicht, daß es mit seinen sechs Reden ohne Hexerey zugegangen ist. Sie ist maͤnn- lich: Denn der Herr Prof. Philippi ist ein Mann und kein Weib. Sie ist heroisch; weil der Herr Prof. Philippi sich an die gemeinen Regeln der Re- dekunst gantz und gar nicht kehret. Mich deucht, Meine Herren, ein solcher Redner ist werth, daß ihn alle Welt lobet, und ich zweifele nicht, es werde Jh- nen allerseits sehr angenehm seyn, wenn ich Jhnen die so sehr versteckten Schoͤnheiten seiner Reden so deutlich, als es mir moͤglich ist, zur Bewunderung darstelle. Jch bin versichert, Meine Herren, daß keiner un- ter ihnen ist, der nicht die sechs deutschen Reden des K 3 Herrn ( o ) Herrn Prof. Philippi ein, ja mehrmahl, durchgelesen habe. Jch frage sie demnach auf ihr Gewissen, ob Sie jemahlen etwas gelesen, so mit denselben zu vergleichen ist? An ihren Augen, Meine Herren, sehe ich es Jhnen an, daß Sie mir diese Frage mit nein beantworten werden. Aber ich moͤgte doch fast wet- ten, daß Sie die verborgene Absicht des Herrn Phi- lippi nicht so tief einsehen, als erfordert wird, um recht zu erkennen, wie sehr unsere Gesellschaft diesem aus- serordentlichen Redner verpflichtet ist. Sie wissen, Meine Herren, wie schwer es die alten Griechen und Roͤmer gehalten haben, eine geschickte Rede zu verfertigen. Cicero zweiffelt, ob jemahls ein vollkommener Redner gewesen sey, oder seyn wer- de. Wir duͤrffen uns uͤber dieses Verfahren der Griechen und Roͤmer nicht wundern, wenn wir nur bedencken, daß sie die Redekunst der Vernunftleh- re auf eine schaͤndliche Art unterworffen, und sich ein- gebildet haben, man muͤsse erst dencken lernen, ehe man sich zu reden unterstuͤnde. Das Licht des Evan- gelii, welches die Finsterniß, in der die Heiden wan- delten, vertrieb, hat auch diesen so boͤsen und schaͤd- lichen Wahn verjaget. Die Heil. Kirchenvaͤter, und ihre wuͤrdige Nachfolger haben sich ein Gewis- sen gemacht, den Weg der Gottlosen zu wandeln, sondern eine solche Art der Beredsamkeit durch ihre Beyspiele eingefuͤhret, daß es einem Menschen, der nicht stumm ist, und nur Hertz genug hat, das heraus- zusagen, was ihm zu erst ins Maul koͤmmt, nim- mer fehlen kan, den Ruhm eines guten Redners da- von zu tragen. Jedermann hat sich bestrebet, die- sem ( o ) sem Exempel so ehrwuͤrdiger Personen zu folgen, und die Welt ist von einer entsetzlichen Menge grosser Redner uͤberschwemmet worden. Es hat zwar im- mer einige eckele und naseweise Gemuͤther gegeben, die da mit der gemeinen Beredsamkeit nicht zu frieden gewesen sind, und es vor besser gehalten haben, wenn man sich nach dem Geschmack der Griechen und Roͤ- mer richtete: Aber es sind ihrer allzeit so wenige gewe- sen, daß sie gegen die grosse Menge ihrer Gegner nicht aufkommen koͤnnen. Dieses schreckt diese verwegene nicht ab: Und viele von Jhnen, deren Namen ich nicht einmal nennen mag, haben sich un- terstanden, ihre Grillen in Regeln zu bringen, und aller Welt die Nachahmung der Alten, als den eintzigen Weg zur wahren Beredsamkeit, anzu- rathen. Jch irre sehr, oder der Herr Prof. Philippi hat zu keinem andern Ende seine sechs deutschen Reden herausgegeben, als dem Unheil, das solche Schrif- ten anrichten koͤnnen, vorzubeugen. Man hat Ur- sache zu hoffen, daß er seinen Zweck erreichen werde. Denn da diese naseweise Herren durch ihre Regeln allen Lehrbegierigen eine Last auflegen, die auch unsere Vaͤter nicht zu tragen vermogt, und von ei- nem Redner so viel Vernunft, Scharfsinnigkeit und Wissenschaft erfordern, daß viele gute Gemuͤh- ter, denen es sonst weder an Worten, noch Drei- stigkeit, fehlet, nothwendig in Verzweiflung gerah- ten muͤssen; auch uͤber dem sich nicht schaͤmen, bey so hellem Lichte des Evangelii, die blinden Heiden K 4 als ( o ) als rechte Muster vollkommener Redner vorzustellen: So hoffe ich, daß alle diejenigen, die ihr eigen Be- stes lieben, und ihr Gewissen betrachten, sich innig- lich freuen werden, daß der Herr Prof. Philippi auf eine so feine Art die Nichtigkeit solcher Einfaͤlle zeigen, und durch sein eigen Beyspiel unwidersprech- lich darthun wollen, wie leicht es sey, auch ohne sich an so beschwerliche Regeln zu binden, und ohne Ab- sicht auf die blinden Heiden, ein natuͤrlicher, maͤnn- licher und heroischer Redner zu werden. Sie, Hochgeschaͤtzte Anwesende, haben um so viel mehr Ursache uͤber dieses heldenmuͤthige Unternehmen des Herrn Prof. Philippi zu frolocken, je genauer dasselbe mit dem Endzweck ihrer Gesellschaft uͤber- einstimmet, und je gewisser Sie hoffen koͤnnen, daß dadurch ihre Absichten ungemein werden befordert, und die Zahl ihrer Glieder, den Neidern zum Trotz, vermehret werden. Jch vor meine Person weiß mich fast vor Freu- den nicht zu lassen, und es fehlet wenig, ich huͤpfte auf einem Beine Bey diesen Worten hub ich wuͤrcklich das eine Bein empor, um den Affect, in welchem ich war, lebhaft auszudruͤcken; welches Verfahren der geneigte Leser nicht vor ungereimt halten wird, wenn er sich nur erinnert, daß der Herr Prof. Philippi davor haͤlt, es wuͤrde einen ungemeinen Eindruck geben, wenn der Redner im Stande waͤre, durch die Kunst eine Ohnmacht, oder andern Hertzbrechenden Affect an- zunehmen. S. seine Sechs deutsche Reden p. 25. , wenn ich mir vorstelle, was ein so ( o ) so vortreflicher Mann unserer Gesellschaft vor Vor- theil bringen wird. O! wie gluͤcklich waͤren wir ....... Doch, Meine Herren, ich maͤssige mich, und behalte das, was ich jetzo sagen wolte, auch mit Gefahr meiner Gesundheit, auf dem Hertzen, weil Dero huldreiche Augen S. die Sechs deutsche Reden p. 86. Jch traue mei- nen Lesern nicht zu, daß sie es mir uͤbel nehmen, daß ich so oft mit den Augen meiner Zuhoͤrer zu thun ha- be. Ein Redner, der zu leben weiß, bedient sich sol- cher Ausdruͤckungen, und ich muß bekennen, daß mei- ne Hochachtung gegen den Herrn Professor Philippi um ein grosses zugenommen, da ich gesehen, daß die- ser hoͤfliche Mann bestaͤndig mit seinen Zuhoͤrern lieb- aͤugelt, nicht anders, als wenn er seine Dulcineam vor sich haͤtte. , welche mit einer ehrer- bietigen, und zugleich hoͤchstverbindlichen Freymuͤ- thigkeit anjetzo anschauen zu duͤrfen, vor einen gros- sen Theil meiner Gluͤckseeligkeit achte, und meinen sicheren Anfuͤhrer, und bestaͤndigen Wegweiser seyn lasse, mir einen Winck geben, daß ich Jhnen keinen groͤssern Gefallen erweisen koͤnne, als wenn ich zu der Vorstellung, der in denen Reden des Herrn Philip- pi verborgenen Schoͤnheiten, zu welcher ich mich an- heischig gemacht, ohne fernere Umschweiffe schreite: So gehorche denn. Aber was unterwinde ich mich? Meine schwache Schultern ersincken unter einer sol- chen Last, und meine unbeschnittene Lippen verhin- dern mich, so unaussprechliche Seltenheiten nach dem Leben vorzustellen, und nach Wuͤrden zu er- heben. K 5 Jch ( o ) Jch wende mich also zu dir, Großmaͤchtigste Koͤnigin Beredsamkeit Da der Hr. Prof. Philippi in seinen Sechs deutschen Reden p. 30. die Tugend auf solche Art angeredet, so wird sich der geneigte Leser uͤber die Titel, so ich der Beredsamkeit gebe, um so viel weniger wundern. Mich deucht, man gehe nicht sicherer, als wenn man einem so grossen Meister in der Beredsamkeit folget, und ich halte die Bemuͤhung, dem Hrn. Prof. Philip- pi nachzuahmen, vor die groͤsseste Zierde meiner Rede. ! Du allgewaltige Hertzenszwingerin, deren Gegenwart, wie sie der gantzen Welt, also auch mir armer Suͤnder, un- entbehrlich ist, einen Mann nach Verdienst zu prei- sen, der dazu ersehen, daß Er das elende Haͤuf- lein deiner wahren Verehrer, wider die boͤse Rotte der Naseweisen vertrete, welche die Ober-Hand sich mit List und Macht mehr und mehr herauszunehmen scheinen, und dich selbst durch Erhebung der gar- stigen Hure der Vernunft unterdruͤcken wollen. Jch flehe dich an, laß diejenigen Vollkommenheiten, damit der Geist deines im hohen Maaß gesalbten, des grossen und ausserordentlichen Redners Philippi, reichlich geschmuͤcket ist, mir in dieser Stunde zu Huͤlffe kommen. Erleuchte meine Au- gen, damit ich durch den Vorhang der Bescheiden- heit dringen koͤnne, hinter welchen die vornehmsten Schoͤnheiten der Reden unsers grossen Philippi ver- borgen sind, und loͤse das Band meiner Zungen, damit ich geschickt sey, die Wunder, die ich erblicke, aller Welt kund zu machen. Jch ( o ) Jch fuͤhle, Meine Herren, daß dieser Seufzer nicht ohne Wuͤrckung ist. Machen Sie sich dem- nach gefast, solche Sachen zu hoͤren, daruͤber Sie erstaunen werden. Neigen Sie ihre Ohren Da der geneigte Leser mich nun nicht hoͤren kan, so wird Er so guͤtig seyn, und statt der Ohren, seine Augen brauchen, und meine Rede, die er nunmeh- ro gedruckt lesen mag, eines geneigten Anblicks wuͤr- digen. zu meiner Rede, und bewundern mit mir die ausneh- menden Eigenschaften eines Redners, der seines glei- chen nicht hat. Dero huldreicher Anblick verspricht mir diejenige Aufmercksamkeit, welche Sachen von der Wich- tigkeit mit Recht verdienen, sie moͤgen auch so schlecht vorgetragen werden, als sie wollen; und die grosse Begierde Dero sehnliches Verlangen zu stillen, macht, daß ich nicht lange nach sinne, wie ich Jhnen die so grosse Anzahl der Schoͤnheiten, welche ich in den Reden des Herrn Philippi wahrnehme, ohne Verwirrung vor Augen legen soll. Jch nehme, mit Dero guͤtigen Erlaubniß Wie ich dieses mit einer wohlanstaͤndigen Beugung des Leibes gesaget hatte, so naͤherte ich mich auf eine un- gezwungene, jedoch sittsame Art dem Fenster, als in welchem ich die Reden des Herrn Philippi, aus Ver- sehen, , die Reden des Herrn Prof. Philippi selbst zur Hand. Jch werde sie nach der Reihe durchblaͤttern, und, was ich schoͤnes in denselben finde, aufrichtig vortragen. Die ( o ) Die erste Rede ist eine Antrittsrede, die der Herr Prof. Philippi in der vertrauten Rednerge- sellschaft zu Leipzig gehalten hat. Sie handelt von dem Rechte der in den roͤmischen Gesetzen verworfenen Loͤ- wen-Gesellschaft. Jch weiß nicht, Meine Her- ren, ob ich in derselben mehr des Herrn Prof. tiefe Einsicht in die Rechtsgelahrtheit, oder die sinn- reiche und feine Art zu spotten, bewundern soll? Doch da diejenigen Stellen, aus welchen man zur Noth schliessen kan, daß der Herr Prof. Philippi ein grosser Jurist sey, nur solche Urtheile in sich fas- sen, die auch oft von Leuten gefaͤllet werden, welche die Pandecten, uͤber deren Unordnung sie seufzen, mit keinem Auge angesehen haben, und die roͤmischen Rechtsgelahrte, die sie aushoͤhnen, weiter nicht, als dem Namen nach, kennen, so will ich mich dabey nicht aufhalten, sondern Sie, Meine Herren, nur gehorsamst ersuchen, die artigen Spoͤttereyen des Herrn Prof. zu betrachten. Wie sinnreich spottet Er nicht uͤber die Weißheit des Kaͤysers Justinianus? Haͤtte Er wohl die ma- gere Wissenschaft dieses Printzen lebhafter vorstellen, und dessen Verehrern ihre Thorheit auf eine empfind- lichere sehen, hatte liegen lassen. Doch nahm ich mich in Acht, daß ich nicht, als ich mich wieder nach meinem Platz verfuͤgte, meinen Zuhoͤrern den Ruͤcken zukehrete. Das wuͤrde wider die Hoͤflichkeit gewesen seyn. Jch halte vor unnoͤthig, zu sagen, wie ich diesen Un- stand vermieden: Geuͤbte Leser koͤnnen dieses ohne mein Erinnern errathen. ( o ) lichere Art vorruͤcken koͤnnen, als wenn Er sagt: Justinianus habe nicht nur das A. B. C. verstan- den, sondern er sey biß in den Donat, ja gar biß in die Fabeln des Esopus gekommen S. die sechs deutschen Reden p. 6. ? Wie artig stehet dem Herrn Prof. nicht der an- genommene Eyfer, mit welchem Er den Anbetern des Roͤmischen Rechts es als ein grosses Versehen vorwirft, daß sie in dem blutigen Kriege wegen der Spanischen Nachfolge, nicht eine condictionem ex lege wider den Koͤnig in Franckreich anzustellen gerathen haben ibid. p. 7. ? Dieser Eyfer koͤmmt so natuͤrlich heraus, und die unter demselben verborgene Spoͤtte- rey ist so fein, daß der Herr Prof. Philippi es vor noͤ- thig erachtet hat, seinen Lesern in einer eigenen Anmer- ckung zu sagen, daß er spotten wollen. Sie ist aber zugleich eine recht heroische Spoͤtte- rey. Der Herr Prof. legt zum Grunde derselben, daß der Koͤnig von Franckreich in dem Kriege we- gen der Spanischen Nachfolge, eben dergleichen Theilungstractat vorgehabt habe, als dort der Loͤwe in der Fabel. Ein gemeiner Redner, der bloß sei- ner Vernunft gefolget, und die Freyheiten und Rech- te eines heroischen Redners nicht gewust haͤtte, wuͤr- de Bedencken getragen haben, seine Spoͤtterey auf einen Satz zu gruͤnden, der so uͤbel mit der Historie uͤberein koͤmmt. Er wuͤrde sich erinnert haben, daß zwar der Koͤnig in Franckreich noch bey Lebzeiten des andern ( o ) andern Carls mit dem Koͤnig William einen Thei- lungstractat wegen der Spanischen Monarchie geschlossen: Daß aber dieser Tractat niemahls zur Wuͤrcklichkeit gekommen, sondern der Koͤnig von Franckreich, so bald der Hertzog von Anjou durch ein foͤrmliches Testament, zum Erben der gantzen spanischen Monarchie eingesetzet worden, sich deutlich erklaͤret habe, daß Er an dem Thei- lungstractat nicht ferner gebunden seyn wolte. Er wuͤrde also, in seiner Einfalt gedacht haben, es kaͤme laͤppisch heraus, die Juristen damit zu schee- ren, daß sie sich des L. 29. ff. pro Socio, nicht wi- der den Koͤnig in Franckreich bedienet haͤtten, in ei- nem Streit, in welchem es nicht auf die Rechte ei- ner Gesellschaft, sondern auf die Guͤltigkeit eines Testaments ankam. Aber der Herr Prof. Philippi, als ein heroischer Redner, hat sich durch solche Betrachtungen nicht abhalten lassen, einen Spaß zu machen, der so scharfsinnig ist, daß der Herr Prof. nimmer ein ru- higes Gewissen wuͤrde gehabt haben, wenn Er den- selben, um solcher Kleinigkeiten willen, haͤtte bey sich behalten wollen: Zumahl, da Er bey der Gele- genheit einer sehr anmuthigen, aber ziemlich alten Historie, von jenem Hof-Mann, der den Koͤnig in Franckreich ex L. Aquilia belangen wollen, durch eine geschickte Anwendung einen neuen Glantz geben konnte. Jch zweifele nicht, Meine Herren, diese heroische Aufuͤhrung des Herrn Prof. Philippi wird Jhnen son- ( o ) sonderlich wohl gefallen: Aber ich besorge, der gute Begrif, den Sie dadurch von dem Herrn Prof. be- kommen, duͤrfte durch die Anmerckung, mit welcher Er seinen feinen und heroischen Schertz erlaͤutert, ei- nen Stoß leiden, indem der Herr Prof. in derselben sich vor einen Thomasianer ausgiebt. Ein Thomasianer? werden Sie dencken. Be- wahre GOtt! Ach! ist es nicht ewig Schade, daß ein so geschickter Mann an den boͤsen Lehren dieses Unseeligen, einen Gefallen findet, der unserer Ge- sellschaft, und vornehmlich dem ehrwuͤrdigsten Theil derselben so vielen Dampf angethan hat? Wir ge- dachten an dem Hrn. Prof. Philippi noch viele Freu- de zu erleben, und sahen ihn bereits als die groͤsste Zier- de, und vornehmste Stuͤtze unserer Gesellschaft an: und siehe! nun ist er ein Thomasianer. Ach das GOtt erbarm! .... Aber gemach, Meine Herren! ge- baͤrden Sie sich nicht so uͤbel. Der Herr Prof. Philippi ist kein Thomasianer. Jch schwere es ih- nen zu. Er sagt es zwar: Aber Er meint es so boͤse nicht. Er ist nur in so weit ein Thomasianer, daß Er mit dem Thomasius mißbilliget, wenn einfaͤltige Rechtsgelahrte das Roͤmische Recht zur Unzeit an- fuͤhren. Seine Worte geben es deutlich zuerkennen, daß dieses seine Meynung sey. Er spricht: Jch bin NB. hierinn ein Thomasianer. Und wie waͤre es auch moͤglich, daß der Herr Prof. Philippi ein voͤl- liger Thomasianer sey, da er in der Leichenpredigt, so Er der Koͤnigin von Pohlen gehalten hat, und welche unter seinen sechs deutschen Reden die andere ist, so ( o ) so viele deutliche Proben einer ausnehmenden An- dacht und Heiligkeit gegeben, daß man schweren sol- te, Er sey ein Schooß-Juͤnger des Knechts GOt- tes Jochen in Halle S. des Herrn Rambachs Denckmahl der Liebe p. 5. ? Sie erlauben mir, Meine Herren, daß ich zum Beweiß dieses Satzes ihnen eine Stelle, ja wenns auch noch mehrere waͤren S. die sechs deutschen Reden p. 39. , aus der gemeldten Gedaͤchtnißrede vorlese. Sie werden daraus er- kennen, daß der Herr Prof. Philippi einer der gotts- fuͤrchtigsten Rechtsgelahrten ist, die iemahls gele- bet haben. Wahrlich, Meine Herren, ich kan ohne in- nigliche Bewegung meiner Seelen, an die seltenen, hohen, und zaͤrtlichen Ausdruͤckungen nicht geden- cken, deren Er sich in der zierlichen Anrede an die GOttesfurcht, die ich Jhnen jetzo vorlesen werde, bedienet hat. Nachdem der Herr Prof. vorhero auf die beweglichste Art mit der Großmaͤchtigsten Koͤnigin Tugend complimentiret, und dieselbe instaͤn- digst gebeten hat, noch etwas hier auf Erden zu ver- weilen, so koͤmmt Er auf die GOttesfurcht der Koͤni- gin, und bricht, nachdem Er gesaget, daß die Koͤnigin, als eine wahrhafte Christiana, sich der ungeheuchel- ten Froͤmmigkeit zu einem voͤlligen Eigenthum Le- benslang gewidmet, und mit ihr, wie er sich gar nachdencklich ausdruͤcket, anders nicht, als leben und sterben zu wollen, verlanget, in diese guͤldene Worte aus: Aber o! du Flaͤmmlein aus goͤtt- licher ( o ) licher Flamme, du ungeheuchelte GOttes- Furcht! steigest du denn nicht deiner Natur nach, lieber aufwaͤrts in die Hoͤhe, als her- unter in die Tiefe? Ach freylich! dein maͤchti- ger Strahl dringet, aus dem ewigen Lichte des Unsichtbaren und Allmaͤchtigen, in die Hertzen derer, die dich begierig auffassen, und schlaͤget von da nach beschehener Entzuͤn- dung des von Natur eiskalten Hertzens, in sei- nen ersten Ursprung wiederum zuruͤck. Dieß Steigen und Fallen des goͤttlichen Liebes-Feuers, das bald aus dem Hertzen zu GOtt empor steiget, bald aus dem Altar des Heiligthums herunter faͤllt, und die goͤttlich- entzuͤndeten Hertzen immer noch mehr durch- gluͤet, waͤret denn in einer wunderbaren Ab- wechselung, und in einem bestaͤndigen Lauf- Feuer so lange, bis davon endlich das Sterb- liche in das Unsterbliche, der Tod in das Le- ben verschlungen, und, gleich jenem Wasser um den Brand-Opfer-Altar, von dem himm- lischen Feuer gaͤntzlich verzehret, mithin die zerstoͤrliche menschliche Leibes-Huͤtte in eine unzerstoͤrliche, und alleredelste Natur verse- tzet wird S. die sechs deutschen Reden p. 32. 33. . Was meinen Sie, Hochgeehrte Herren, sind dies Reden eines Thomasianers? Oder vielmehr, sind es Reden eines sich selbst gelassenen Menschen? Jch betriege mich sehr, oder Ausdruͤckungen dieser Art haben einen hoͤhern Ursprung, als die ihr selbst L gelassene ( o ) gelassene Vernunft des Redners. Jch finde hier deutliche Spuren einer Entzuͤckung, und bin nicht vermoͤgend weder in dem vorhergehenden, noch nach- folgenden etwas zu entdecken, woraus ich schliessen koͤnnte, wie diese koͤstliche Stelle, natuͤrlicher Wei- se, in diese Rede gekommen ist. Aber o! wie ungluͤcklich bin ich, daß ich so tiefe Gedancken, und so hohe Worte nicht, wie ich wuͤnschte, voͤllig verstehen kan! Mein unerleuchte- ter Verstand findet hier nichts, als Dunckel und Finsterniß. Jch begreife nicht, was der Herr Prof. Philippi von der GOttes-Furcht haben will. Die Frage, so Er an dieses Flaͤmmlein aus goͤttli- cher Flamme ergehen laͤsset, ist mir so dunckel, als die Antwort, die Er sich selbst ertheilet. Mich uͤberfaͤllt ein heiliger Schauer, wann ich von dem Steigen und Fallen des goͤttlichen Liebes-Feuers, und von dem bestaͤndigen Lauf-Feuer hoͤre, und ich empfinde itzo, mit Verdruß, die Wahrheit eines Satzes, den ich ehedessen bey einem mystischen Scri- benten gelesen habe, daß, nemlich, wer die Sprache der Heiligen verstehen wolle, den Geist der Heiligen ha- ben muͤsse. Jndessen, ob gleich meine natuͤrliche Blindheit mir im Wege stehet, so hohe Geheimnisse zu ergruͤn- den, so zweifele ich doch im geringsten nicht, daß Sie, Meine Herren, dieselbe tiefer einsehen wer- den, als ich. Solten Sie aber, vielleicht, eben wie ich, nichts als Verwirrung und Dunckelheit in den beweglichen und zaͤrtlichen Worten des Herrn Prof. Philippi finden: So hoffe ich doch, Sie werden denn auch darinn mit mir einer Mei- nung ( o ) nung seyn, daß man die Ursache dieser Dunckelheit groͤssesten Theils in dem Verstande des Lesers suchen, oder, dafern auch ja der Herr Pr. selbst nicht gantz unschuldig, doch desfals diesen grossen und gottseeli- gen Redner nicht tadeln muͤsse. Man kan aus |den zaͤrtlichen Ausdruͤckungen, deren Er sich gegen das Flaͤmmlein aus goͤttlicher Flamme, die ungeheuchelte GOttes-Furcht, in sei- ner Anrede bedienet, die bruͤnstige Liebe, so Er zu dieser Koͤnigin aller Tugenden traͤget, so deutlich ab- nehmen, daß es eine Unbilligkeit seyn wuͤrde, wenn man von ihm verlangen wolte, daß Er mit mehre- rer Kaltsinnigkeit und Gelassenheit reden sollen. Verliebte, Meine Herren, sind, wie Sie wissen, oftmahls gantz ausser sich, wann sie mit der geliebten Person reden, und eine kleine Verwirrung, abge- brochene Worte, und dergleichen Merckmahle eines abwesenden Verstandes, stehen ihnen ungemein wohl an. Die Reden solcher Personen sind niemahls uͤberzeugender, als wenn kein Mensch, ja sie selbst nicht wissen, was sie sagen wollen. O! wie wohl hat demnach der Herr Prof. Philippi gethan, daß Er seine Anrede an die ungeheuchelte GOttes-Furcht so eingerichtet hat, als es der Zustand eines Hertzens erfordert, das von einem so reinen und heiligen Feuer entzuͤndet ist, als das seinige. Hochgeehrteste Herren! Jch bemercke mit vielem Vergnuͤgen, daß Sie uͤber diese Probe der Froͤm- migkeit des Herrn Prof. Philippi eine Freude em- pfinden, die Jhnen zu bergen fast unmoͤglich faͤllt. Es fehlet nicht viel, so brechen ihre huldreiche Au- gen in Freuden-Thraͤnen aus. Aber, Meine Her- L 2 ren, ( o ) ren, sparen Sie diese edle Feuchtigkeit noch einen Augenblick. Jch rathe es Jhnen: Denn wenn Sie sich jetzo muͤde weinen, was wollen Sie denn thun, wenn ich Jhnen den Herrn Prof. Philip- pi in der beweglichsten Stellung zeige, wie Er, zum Beschluß seiner Gedaͤchtniß-Rede, auf der Erden liegend, mit gebogenen Knien, ausgebreiteten Ar- men, und kindlich zu GOTT erhabenen Augen, so kraͤftig betet, daß seine Zuhoͤrer alle vor Freuden, wie die Kinder, weinen muͤssen S. die sechs deutschen Reden p. 44. 45. ? Jch verden- cke es Jhnen nicht, Meine Herren, wenn Jhnen bey einem so unvermutheten Anblick die Augen uͤber- gehen. Ein so ausserordentliches Bezeigen eines Redners, von dem man gantz was anders, als aus der Offenbahrung Johannis entlehnte Seufzer ver- muthet haͤtte, verdienet die heissesten Zaͤhren. Der Herr Prof. Philippi ist der erste, der sich die Frey- heit genommen, eine weltliche Rede auf eine so prie- sterliche und erbauliche Art zu schliessen. Er verdie- net dahero, daß man seine GOttes-Furcht lobet, und seinen Heldenmuth bewundert. Die Welt, Meine Herren, liegt so gar im Argen, daß ihr al- les, was den geringsten Schein der Gottseeligkeit hat, laͤcherlich und thoͤrigt vorkoͤmmt. Man kan also nicht anders, als uͤber die heilige Hertzhaftigkeit des Herrn Philippi erstaunen, der sich nicht gescheuet hat, durch seine andaͤchtige Gebaͤrden der boͤsen Welt zu trotzen. Er hat wohl vorher gesehen, daß sein Verfahren, ausser der gottseligen Versammlung, in welcher Er seine Rede gehalten hat, wenig Bey- fall ( o ) fall finden wuͤrde. Wie gut auch der Begrif ist, den Ervon sich und seinen Reden hat, und wie fest Er auch, in dem Vorbericht zu seinen Reden, ver- sichert zu seyn scheinet, daß keiner seiner Leser ein Momus seyn werde, so vermuthet Er doch, daß viele uͤber die heilige Tour lachen werden, die Er seiner Rede gegeben, und welche seinen heiligen Zuhoͤrern besser als alle Kunst-Grife der Beredsamkeit gefal- len hat. Aber Er kehrt sich an das Lachen solcher Spoͤtter nicht. Er setzt einen Trumpf darauf, und erklaͤrt alle, die uͤber seine andaͤchtige Seufzer, und seinen vor GOtt gethanen Fuß-Fall lachen, gerade weg vor Religions-Spoͤtter. Er hat vielleicht gedacht die Gottlosen dadurch zu schrecken: Aber, Meine Herren, ich habe mit Be- stuͤrtzung erfahren muͤssen, daß diese Halsstarrige noch Recht uͤbrig zu haben vermeynen, und durch die Anmerckung, in welcher der Herr Philippi sie Religi- ons-Spoͤtter heisset, noch mehr erbittert worden sind. “Was? sprach neulich einer zu mir, solte man „darum gleich ein Spoͤtter der Religion werden, „wenn man uͤber einen Menschen lacht, der durch „eine unzeitige Andacht eine Gesellschafft, die bloß „die Uebung der Beredsamkeit zum Zweck hat, in „eine Qvaͤcker-Versammlung verwandelt? Oder „meint der Herr Prof. Philippi, daß dieses das „Kenn-Zeichen eines rechten Christen sey, wenn „man, ohne Betrachtung des Wohlstandes, und „ohne Zeit und Ort zu unterscheiden, zur Erden nie- „derfaͤllt, und, unter den greßlichsten Verdrehun- „gen, GOtt mit einer Menge hebraͤischer Titel zu „uͤbertaͤuben sucht? Jch bete auch: Aber in mei- L 3 „nem ( o ) „nem Kaͤmmerlein. Jch rufe GOtt an: Aber ich „gebaͤrde mich nicht dabey als ein Besessener. Jch „kan mit GOtt reden, ohne daß ich noͤthig habe, „den Psalter, und die Offenbahrung Johannis aus- „zupluͤndern. Ein so wuͤstes Geplapper gefaͤllt „GOtt nicht. Jch rede, als ein Deutscher, deutsch „mit ihm, und ich dencke, er verstehe mich. Jch „will diese Art zu beten dem Herrn Prof. Philippi „nicht aufdringen. Er kan mit seinem GOtt so hoch „und unverstaͤndlich reden, als es ihm beliebt. Er „kan es thun, in welcher Leibes-Stellung er will. „Nur thue er es nicht zur Unzeit. Auf der Can- „tzel kan er beten, so lange es ihm gut deucht: Auf „der Catheder aber muß er den Priestern nicht nach- „aͤffen. Thur er es, so lacht man ihn aus: Und „wirft Er denn mit Religions-Spoͤttern um sich, „so haͤlt man ihn vor einen scheinheiligen Laͤsterer, „und das von Rechts wegen. So redete der Boͤsewicht. Allein, Meine Her- ren, ich bin von ihrer bekannten GOttes-Furcht so uͤberfuͤhret, daß ich festiglich glaube, Sie werden darum von dem Verfahren des Herrn Prof. Phi- lippi nicht anders urtheilen, als der Herr Prof. selbst und, Trotz allen Religions-Spoͤttern, ein so gott- seeliges Bezeigen vor hoͤchst erbaulich halten. Jch bin auch versichert, daß keiner unter Jhnen ferner unsern Bet- Ernst, in Verdacht haben wird, daß Er ein Thomasianer sey, und wenn Er es gleich selbst sagte. Seine Thaten rechtfertigen ihn, und ich brauche weiter kein Wort vor ihn zu reden. Jch gehe demnach, mit Dero Erlaubniß wieder zuruͤcke, um diejenigen Schoͤnheiten, welche ich in dieser ( o ) dieser unvergleichlichen Gedaͤchtniß-Rede uͤbergan- gen habe, nachzuhohlen. Es ist deren, Meine Herren, eine solche Menge, daß, wenn ich dieselben alle bemer- cken wolte, ich etliche Stunden damit zu bringen wuͤr- de. Jch begnuͤge mich demnach, die vornehmsten kuͤrtz- lich vorzustellen. Jndem ich darauf sinne, wo ich zuerst anfangen soll, faͤllt mir diejenige Stelle in die Augen, woselbst der Herr Prof. Philippi der beyden Frantzoͤsischen Printzessinnen erwehnet S. die sechs deutschen Reden p. 19. 20. . Diese Stelle ist voll- kommen heroisch, und die darinn enthaltenen Ge- dancken sind so beschafen, daß niemand als der Herr Prof Philippi dieselbe haben koͤnnen. Wenn es mir vergoͤnnet ist, Meine Herren, so will ich die gan- tze Stelle herlesen. Der Herr Prof. hatte vorher ausgegruͤbelt, war- um doch die Russische Catharina, der Englische Ge- org, und die Koͤnigin von Pohlen fast zu einer Zeit gestorben? Ob es darum geschehen, weil der Be- herrscher des unterirrdischen Reiches auch die gedritte Zahl liebe? Oder ob es eine Anzeige seyn solle, daß das Reich der Todten so wohl, als das Reich der Lebendigen fruchtbarer an Heldinnen, als Hel- den? Er setzt diese tiefsinnige Gedancken nicht wei- ter fort, sondern verfaͤllt auf die Frantzoͤsischen Prin- tzessinnen. Lebten wir annoch, spricht er, in denen Zeiten des Heydenthums, so wuͤrden wir uns in dergleichen Begebenheit wohl kaum zufin- den wissen, sondern uns bereden, die Goͤttin L 4 des ( o ) des Schicksals koͤnne mit gleich guͤltigen Au- gen den bald hinter einander erfolgten Ver- lust zweyer grossen Printzessinnen ansehen, weil sie in Franckreich mit einmahl zwey Printzessinnen davor gebohren werden lassen, die, wo kein Cron-Printz nachkommen solte, wohl noch das Frantzoͤsische Scepter erlan- gen, und also eine der groͤssesten und bisher nicht erhoͤrten Veraͤnderungen in Europa verursachen, ja durch ihre einmahl erfolgen- de Verheyrathung, wohl noch mehrere Cro- nen zusammen bekommen duͤrften. Jch frage Sie, Meine Herren, haben sie jemah- len etwas gelesen, das dieser tiefen Betrachtungen gleich kaͤme? Jn dieser Stelle hat der Herr Prof. gewiesen, daß die Gottesfurcht einem Menschen nicht hinderlich sey die Staats-Lehre zu verstehen. Sein erleuchteter, und durch das Flaͤmmlein aus goͤttlicher Flamme durchgluͤeter Verstand ist so durch dringend, daß er auch zukuͤnftige Begebenhei- ten vorher siehet, und auf Muthmassungen verfaͤllt, die vor ihm keinem Menschen in den Sinn gekom- men sind. Jch zweifele sehr, ob ausser dem Herrn Prof. Philippi ein Mensch in der Welt zu finden ist, dem es auch nur im Traum eingefallen sey, daß, wenn kein Dauphin in Franckreich waͤre, die Toͤchter des Koͤ- niges das Frantzoͤsische Scepter erlangen wuͤrden. Man hat bisher immer geglaubet, und in allen Buͤ- chern geschrieben, daß die Frantzoͤsische Crone nicht auf die Toͤchter fallen koͤnne, que le Roïaume de France ne tombe jamais en quenouïlle. Es ist zu vermuthen, daß dem Herrn Prof. Philippi die- ses ( o ) ses nicht unbekannt; Aber dem allen ungeachtet nimmt Er sich die Freyheit, sich an diesen gemeinen Wahn nicht zu kehren. Er lacht uͤber das Sali- sche Gesetz, und haͤlt es vor ein Unding, und giebt uns also hier nicht nur eine Probe einer Heroischen Schreib-Art, die an keine Regeln gebunden ist, son- dern auch zugleich Gelegenheit an die Hand, seine grosse Erkaͤnntniß in politischen Dingen zu bewun- dern. Jch bitte Sie, Meine Herren, entziehen Sie dem Herrn Prof. das Lob nicht, das ihm wegen ei- ner Anmerckung von Rechts wegen gebuͤhret, die wir bloß seiner Guͤte zu dancken haben, und die wir nach der Einrichtung seiner Rede vernuͤnftiger Weise weder hoffen noch verlangen konnten. Jch vor meine Person, kan schweren, je mehr ich in den Re- den des Herrn Philippi blaͤttere, je mehr erstaune ich uͤber die Groͤsse seiner Verdienste; und erbiete mich hiemit wohlbedaͤchtlich gegen jederman zu behaup- ten, daß dieser vortrefliche Mann den Platz, den er be- kleidet, vollen kommen verdienet, und, in recht eigentli- chen Verstande, eine ausserordentlicher Redner ist. Hat jemand Lust mit mir darob zu kaͤmpfen, der melde sich: Jch will ihm Kampfs nicht versa- gen, sondern Streits satt geben. Doch darauf werde ich lange warten muͤssen. Am allerwenigsten vermuhte ich, daß in dieser ansehnlichen Versamm- lung einer zu finden ist, der mit mir dieserwegen ein Speer zu brechen verlangen solte. Jch sehe viel- mehr aus Dero huldreichen Augen, daß Sie mit mir einer Meynung, und begierig sind, noch im- mer mehr und mehr darinn bestaͤrcket zu werden. Jch werde ( o ) werde mein Bestes thun, dieser Jhrer Begierde ein Genuͤgen zu leisten. Betrachten Sie demnach mit mir, Meine Her- ren, die ungemein-bewegliche Vorstellung des gros- sen Schmertzens, den der Herr Prof. Philippi uͤber den Tod der Koͤnigin empfunden hat. Alles ist in die- ser Beschreibung natuͤrlich, und so lebhaft vorge- stellet, daß mich deucht, ich sehe vor meinen Augen, die mancherley heftigen Bewegungen S. die sechs deuschen Reden p. 21. des Schreckens, des Schmertzes, der Furcht, der Bangig- keit und des Wehklagens, mit welchen der Hertzens- Schrein des Herrn Prof. angefuͤllet gewesen. Jch se- he, wie der geheime Schmertz sich gestreubet, und we- der vor, noch hinter sich gewolt hat ibid. . Jch sehe, wie die Zunge, die beredte und nie genug zu preisende Zunge, gebebet. Nur eins ist mir zu hoch. Jch kan mir die Verschmachtung der Augen ibid. nicht vorstellen: Doch daruͤber betruͤbe ich mich nicht. Diese Bloͤdigkeit meines Verstandes verhindert mich nicht zu begreifen, wie viel Kunst in dieser Stel- le verborgen ist. Betrachte ich ferner, wie artig der Herr Prof. Philippi sich von diesem grossen Schmertz erhohlet; Gleich darauf aber vor Ehr-Furcht und Ohnmacht stutzig wird, und eine Weile stille schweiget: Wie Er durch die aus unverdienter Guͤtigkeit auf ihn un- verwandt gerichtete Augen der Hochwerthesten An- wesenden sich den Mund wieder oͤfnen laͤsset: Wie Er, nachdem Er seine Zuhoͤrer, die nichts mehr wuͤn- ( o ) wuͤnschen, als daß Er fort reden moͤge, um ein guͤn- stiges Gehoͤr angeflehet, und angefangen hat seine Heldin zu preisen, wieder von einem neuen Schrecken, und einer ausserordentlichen Bestuͤrtzung uͤberfallen wird. Wie Er dieses Schreckens, und dieser Verstuͤr- tzung ungeachtet, mit grosser Sittsamkeit, und einer nicht geringern Beredsamkeit seine Ungeschicklichkeit entschuldiget: Wie Er dennoch, da der Schmertz, den Er empfindet, zu allen Glieder heraus will, um allem Ubel vorzukommen, die verborgene Weh- muht seines Hertzens aus der Qvelle der Ehrerbie- tigkeit hervor brechen laͤsset, und endlich, da er sich eben fertig macht, die Luft mit lauter gebrochnen Seufzern, mit einem bangen ach! und mit einem wehmuͤthigsten Geschrey zu erfuͤllen, in eine wahre, ungekuͤnstelte, und hertzbrechende Ohnmacht danie- der sincket ibid. p. 21. 25. : So werde ich durch diesen so wunderbaren Zufall, und durch so seltene, und so wunderbar unter einander gemischte, und noch auf eine wunderbarere Art ausgedruͤckte Gedancken so sehr geruͤhret, daß, wenn mir Dero huldreicher An- blick nicht statt eines kraͤftigen Balsams diente, mir gantz gewiß eine Ohnmacht anwandeln wuͤrde. Es ist ein Gluͤck vor Sie, Meine Herren, daß Sie aus meinem unvollkommenen Vortrage die erstau- nenswuͤrdige Beredsamkeit des Herrn Prof. Philip- pi sich nicht so vollenkommen vorstellen koͤnnen, als Sie es thun wuͤrden, wenn Sie dessen Worte mit gehoͤrigem Bedachte laͤsen. Jch bin versichert, Sie wuͤrden mir hier alle unter den Haͤnden todt bleiben, wenn Sie die in seinem Vortrage verborgene Kuͤn- ste ( o ) ste in der Geschwindigkeit tief genug einsehen koͤnn- ten. Aber da ich Jhnen nun, werthgeschaͤtzte Anwe- sende, noch keine Todten-Farbe ansehe ibid. p. 27. ; So hofe ich, sie werden noch so viel bey sich selbst seyn, daß Sie mit mir das guͤtige Schicksal bewundern koͤnnen, welches verursachet, daß der Herr Prof. Philippi in eine Ohnmacht fallen muͤssen, die seiner Rede eine ungemeine Zierde, und ihm Gelegenheit gegeben hat, seine Geschicklichkeit und grosse Bered- samkeit auf eine ausnehmende Art an den Tag zu le- gen. Man muß, man will, oder will nicht, den Herrn Prof. Philippi als einen gantz ausserordentlichen Menschen ansehen, wenn man erweget, daß die ihm zugestossene Ohnmacht ein Zufall, der alle Kraͤfte der Seelen und des Leibes in Unordnung, und den- jenigen, dem er begegnet, in die aͤuserste Bestuͤrtzung setzet, ihn so wenig in seinen Gedancken gestoͤret, daß Er, so bald Er nur wieder zu recht gebracht ist, nichts anders, als wenn Er sich nur etwan die Nase geschneutzet haͤtte, in seiner Rede, ohne die geringste Verwirrung, fortfahren koͤnnen. Jch glaube gewiß, Meine Herren, es werden wenige seyn, die es Jhm nachthun solten. Zwar ich will eben nicht leug- nen, daß man endlich zur Noht, wenn man voͤllig wieder zu sich selbst gekommen, eine angefangene Rede fortzusetzen im Stande seyn moͤgte: Aber was der Herr Prof. Philippi gethan hat, das hat etwas mehr zu bedeuten, und uͤbersteiget allen Glauben. So bald hat ihn nicht der huldreiche Anblick sei- ner ( o ) ner Zuhoͤrer, und die geschaͤftige Mitleidenheit der zu beyden Seiten sitzenden annehmlichsten Kinder, aus seinem ohnmaͤchtigen Schlummer erwecket: So stattet Er denen, so ihm diesen Dienst erwiesen, eine so verbindliche und kuͤnstliche Dancksagung ab, daß man schweren solte, er habe die ihm zugestossene Ohn- macht im Geiste vorher gesehen, und das wohlge- setzte Compliment an die annehmlichsten Kinder, bey guter Musse, und mit gutem Bedachte zum voraus verfertiget. Dieses giebt uns von der Geschicklich- keit des Herrn Prof. Philippi einen Begrif, den wir gewiß nicht haben wuͤrden, wenn er nicht in Ohnmacht gefallen waͤre. Es verdienet also dieser Zufall eine sonderliche Betrachtung. Er hat sich gewiß nicht von ohnge- fehr zugetragen, wie der Herr Prof. Philippi in der Anmerckung meinet. Erlaube mir, Grosser Phi- lippi, daß ich Dir in diesem Stuͤcke widerspreche: und sey versichert, daß der Himmel dir vor andern hold ist. Er sorget selbst vor die Vermehrung deines Ruhms, weil du ausersehen bist, eine neue, und gantz wunderbare Beredsamkeit einzufuͤhren. Er schickt dir eine Ohnmacht zu, damit du Gelegenheit haben moͤgest, aller Welt zu zeigen, daß du, wenn du halb todt bist, eine bessere Rede halten kanst, als alle andere Redner. O nimium dilecte Deo, tibi militat æther! Der Herr Prof. Philippi, Meine Herren, ist diese Gnade nicht unwuͤrdig. Er wendet die ihm zu- gestossene Ohnmacht zum Besten seines Nechsten an. Sie muß ihm dienen, allen Lieb habern der Beredsam- keit ( o ) keit einen neuen Kunst-Griff an die Hand zu geben, wovor sie ihm nimmer genug dancken koͤnnen. Es wuͤrde, schreibt Er in der Anmerckung, bey einer dergleichen Trauer-Rede einen unge- meinen Eindruck geben, wenn der Redner im Stande waͤre, durch die Kunst so eine dergleichen Ohnmacht, oder andern hertz- brechenden Affect anzunehmen, als mich hier ehedem in der Rede von ohngefehr befiel. Doch muͤste die Kunst es voͤllig natuͤrlich machen, und sich gehoͤrig wieder zu recht zu finden, wissen. O! erwuͤnschte Ohnmacht, die du zu Erfindung einer so unerhoͤrten Regel Anlaß gegeben hast. Die Alten haben in ihrer Einfalt davor gehalten, solche gar zu nachdruͤckliche Vorstellungen eines Afects, schickten sich wohl auf dem Schauplatz, aber nicht in einer Rede, und sie haben allemahl einen Unteꝛscheid unter einem Redner und Comoͤdianten gemacht. Cicero selbst, ob er gleich wohl erkannte, daß ein ieder Redner auf seine Art ein Roscius seyn muͤsse Cicero de Oratore Lib. I. ; ist doch so verblendet, daß er denen, die sich der Rede- Kunst befleißigen, anraͤth, sich vor eine gar zu grosse Aehnlichkeit mit den Comoͤdianten zu huͤten Quis neget, spricht er Lib. I. de Orat. opus esse orato- ri, in hoc oratorio motu statuque, Roscii gestum \& ve- nustatem? Tamen nemo suaserit studiosis dicendi adolescentibus in gestu discendo histrionum more ela- borare. Und Lib. III. heist es: Omnes autem hos mo- tus subsequi debet gestus, non hic verba exprimens, sccnicus, sed universam rem \& sententiam, non de- mon- . Lob sey ( o ) sey dir demnach, O! aussetordentlicher Philippi, daß du zur Aufnahme der wahren und hertzbrechen- den Beredsamkeit, einen Handgrif ans Tages Licht gebracht hast, von dem die Alten nichts gewust haben, und der wohl immer wuͤrde verborgen geblieben seyn, wann du nicht durch deine Ohnmacht darauf geleitet, und von deinem heroischen Geist angefeuret worden waͤrest, denselben ohne alle Furcht der Ur- theile, so daruͤber ergehen wuͤrden, kund zu machen. Diesem alle Schrancken der gemeinen Rede-Kunst durchbrechenden Heldenmuth haben wir alles zu dancken, was in den Reden des Herrn Pr. Philippi seltenes, schoͤnes und anmuthiges ist. Wir Christen stellen uns den Ort, wohin die seeligen Seelen der Glaͤubigen, nach ihrem Abschiede aus dem Coͤrper, versetzet werden, als einen Platz vor, den wir uͤber uns suchen muͤssen. Die Hey- den hergegen haben in ihren Fabeln den Verstor- benen eine unterirrdische Wohnung angewiesen. Darinn aber kommen Heyden und Christen uͤber- ein, daß in iener Welt der Unterschied des Standes und der Wuͤrde aufhoͤre. Diese Begrife legen die gemeinen Redner allemahl zum Grunde, wenn sie von dem Zustande der Verstorbenen reden, und hal- ten es nicht nur einem Christen unanstaͤndig, die Sprache der Heyden anzunehmen, sondern sie ha- ben auch eine eigene Regel, die ihnen verbietet, die Fabeln der Heyden mit den Wahrheiten des Chri- stenthums monstratione, sed significatione declarans, laterum inflexione hac forti, ac virili, non ab scena \& histrio- nibus, sed ab armis aut etiam a palæstra. ( o ) stenthums zu vermengen. Es ist leicht zu begreifen, Meine Herren, daß sie sich durch eine solche Ein- schraͤnckung viele unnoͤthige Muͤhe aufbuͤrden, und ihre Reden unzaͤhliger Annehmlichkeiten berauben. Wohl hat demnach der Herr Prof. Philippi gethan, daß er alle diese aberglaͤubige Regeln, auf eine heroi- sche Weise mit Fuͤssen getreten, und so wohl durch Einmischung heidnischer Begrife, als durch deren liebliche Vermengung mit denen christlichen, seiner Rede eine Zierde gegeben hat, die unaussprechlich ist, und alle, die sie hoͤren, oder lesen, ungemein ver- gnuͤgen muß. Ohne diese Heldenmuͤthige Ubertretung der ge- meinen Regeln wuͤrden wir nicht folgende anmuthi- ge Stelle lesen. Es werden, spricht der Herr Prof. Philippi S. die sechs deutschen Reden p. 29. 30. , aber davor die unterirr- digen Grotten mit dieser neu ankommenden Preißwuͤrdigsten Goͤttin begluͤckseeliget, und sie wird von allen deren Jnwohnern auf das ehrerbietigste und zaͤrtlichste empfangen; dar- uͤber solten wir denn nun auch uns selbst hoͤchlich erfreuen, weil wir ia uns, gleich nach unser Geburth, als Unterthanen des Reichs derer Todren haben einschreiben las- sen, und dessen oberster Beherrscher, der nicht etwan, wie die blinden Heyden dichten, Plu- to heist, sondern Jehovah Zebaoth ist, wir den Eyd der Treue, und daß wir unser Leben bioß von ihm zu Lehen tragen, allbereit abgeleget haben. Was ( o ) Was duͤnckt Jhnen, Meine Herten, haͤtte der Herr Prof. Philippi wohl mit auserlesenen Wor- ten von dem Einzug seiner Heldin in das Paradiß reden, und sie eine Preißwuͤrdigste Goͤttin nennen koͤnnen, wenn Er sich nach denen Regeln der gemei- nen christlichen Redner haͤtte richten wollen? Haͤtte Er wohl sagen koͤnnen, die unterirrdigen Grotten, o- der, christlich zu reden, die Wohnungen der Seeligen wuͤrden durch die Ankunft der Koͤnigin begluͤckseeli- get, wenn Jhm seine heroische Beredsamkeit zugelas- sen haͤtte, zu bedencken, daß es vielmehr ein Gluͤck vor seine Preißwuͤrdigste Goͤttin, daß sie in die Schaar der Heiligen aufgenommen, und diese vollkommen gluͤckseelige Geister durch die Ankunft einer Koͤnigin, wo anders unser Glaube nicht irrig ist, nicht gluͤck- licher werden koͤnnen? Aber solche Betrachtungen, womit sich nur bloͤde Gemuͤther quaͤlen, kommen ei- nem heroischen Redner nicht in den Sinn. Unser Herr Prof. Philippi ist weit uͤber solche Kleinigkei- ten erhaben, und wann ihn sein heroischer Redner- Geist treibet, so vergist Er gar, daß Er ein Christ ist. Es scheinet, Er glaube, ein Redner muͤsse, wie ein Staats-Mann, ohne Weib, ohne Schaam, und ohne Religion seyn. Eine vortheilhafte Einbil- dung, wodurch der Herr Pr. Philippi zur Erkaͤnntniß solcher Geheimnisse gekommen, die auch denen Hei- ligsten unbegreiflich geblieben. Wenn der Herr Prof. Philippi den Koͤnig von Pohlen nur von fer- ne siehet, so bekoͤmmt Er durch dieses Anschauen seines allergnaͤdigsten Landes-Vaters, ein Bild, wie die Auserwehlten, durch das Anschauen GOttes M am ( o ) am hoͤchsten werden begluckseeliget werden S. die sechs deutschen Reden p. 57. . Er ist gluͤcklich. Aber nimmer wuͤrden so vortrefliche Worte aus seinem beredten Munde gegangen seyn, wenn Er sich erinnert haͤtte, daß, wie die gemeine Rede gehet, noch kein Auge gesehen, kein Ohr ge- hoͤret, und in keines Menschen Hertz kommen ist, was GOtt bereitet hat denen, die ihn lieben. Paulus, Mei- ne Herren, ward, wie Sie wissen, biß in den drit- ten Himmel entzuͤckt, und kam so klug wieder, als Er hingegangen war. Was, meinen Sie, wuͤrde uns der Herr Prof. Philippi nicht vor schoͤne Sachen erzehlen, wenn ihm ein solches Gluͤck begegnen solte, da Er schon durch das blosse Anschauen seines Landes- Vaters mehr gelernet hat, als Paulus im Paradiß? Solte man nicht aus seinen Worten schliessen, daß Paulus, nur immer zu Hause bleiben, und die wei- te Reise sparen koͤnnen? ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Quod petis, hic est Horatius L. I. Ep. 2. Da nun der Herr Prof. Philippi die gemeinen Meynungen der Christen so wenig achtet, wenn sie seiner heroischen Einbildungs-Kraft entgegen laufen, was ist es denn Wunder, daß er die thoͤrichten Re- geln blinder Heyden verlachet? Weil ich weiß, Meine Herren, daß Sie insgesammt, wie es rechtschaffenen Gliedern unserer Gesellschafft zuste- het und gebuͤhret, abgesagte Feinde dieser Regeln so wohl, als der Regeln der gesunden Vernunft sind, so kan ich leicht vorher sehen, wie sehr ihre Hochachtung gegen den Herrn Prof. Philippi wird ver- ( o ) vermehret werden, wenn ich Jhnen eine Stelle aus seinen Reden vor Augen lege, in welcher Er diese Jhnen und mir so verhassten Regeln so heroisch uͤber- schritten hat, daß man daruͤber erstaunen muß. Belieben Sie demnach zu hoͤren, wie Er in der Lob-Rede auf den Koͤnig in Pohlen von der Gene- sung dieses grossen Printzen redet. Doch da nu- mehro, spricht er, dasjenige, was unserm Großmaͤchtigsten und unuͤberwindlichem Koͤnige den hoͤchst verdienten Ruhm der Un- sterblichkeit einigermassen noch streitig zu machen, schien, durch den gewaltigen Arm des Koͤniges aller Koͤnige, voͤllig aus dem Wege geraͤumet worden; Ueberdieß das ver- aͤnderliche Schicksahl, das wohl eher die groͤ- sten Potentaten voͤllig zu Boden geworfen, und von dem hoͤchsten Gipfel der Ehren her- abgestuͤrtzet hat, sich nur ehedem an die Zehe, als einen entbehrlichen Rest von der geheilig- ten Person unsers Koͤniges wagen duͤrfen: So sehen wir numehro mit Freuden, daß unser Theurestes Ober-Haupt weit uͤber allen Wechsel der Zeit, und des Gluͤcks, erhaben werden; hingegen alle unsere Glieder, Kraͤfte und Bluts-Tropfen, an sich ein unzulaͤngli- ches Loͤse-Geld gewesen seyn wuͤrden, das Leben, die Gesundheit, und gluͤckseeligste Re- giment, unsers Allerruhmwuͤrdigsten Beherr- schers zu erhalten, wenn nicht, nach dem Ra- the der heiligen Waͤchter selbst, Jhro Maje- staͤt uns noch laͤnger waͤren geschencket, und M 2 unser ( o ) unser einmuͤthiges Flehen dadurch gnaͤdigst von GOtt erhoͤret worden S. die sechs deutschen Reden p. 53. 54. . Sie sehen, meine Herren, daß der Herr Prof. Philippi sich in dieser Stelle so heroisch gebaͤrdet, als Er sonst noch nicht gethan hat. Er scheuet sich nicht, gleich zu Anfange dem gantzen menschlichen Ge- schlechte ins Angesicht zu wiedersprechen; indem Er sich nicht undeutlich mercken laͤsset, Er glaube, daß ein Mensch ewig leben koͤnne. Er spricht; es sey dasjenige, so dem Koͤnige den hoͤchstverdienten Ruhm der Unsterblichkeit noch einigermassen streitig ge- macht, numehro aus dem Wege geraͤumet. Der wahre Sinn dieser Worte kan auf gut deutsch kein anderer seyn, als daß der Koͤnig, da Er dieses mahl wieder gesund worden, numehro gar nicht sterben, sondern ewig leben werde. O! was wolte ich nicht darum geben, daß dieses wahr waͤre! Billig solten solche Koͤnige, als derjenige, den der Herr Prof. Philippi lobt, nicht sterben. Und wir haͤtten Ursache uns zu freuen, wenn der Herr Prof. Philippi ein so wahrhafter Prophet waͤre, als er ein heroischer Redner ist, der, nach den Regeln seiner Kunst, Dinge sagen muß, die nicht geschehen koͤnnen, und die kein Mensch glaubt. Aber so sehen wir wohl, daß der Hr. Prof. Philippi hier nicht hat weissagen, sondern nur durch seine wun- derbare Ausdruͤckungen uns von der Natur der he- roischen Beredsamkeit einen Begriff geben wollen. Er hat seinen Zweck voͤllig erreichet. Was ist wohl heroischer, als sich der gantzen Welt, ent- gegen ( o ) gegen setzen, und alle Einrede der gesunden Ver- nunft und Erfahrung großmuͤthig in den Wind schlagen? Wie kanst du demnach verlangen, o! eckeler und eigensinniger Longin, daß der Herr Prof. Philippi sich nach deinen critischen Grillen richten sollen? Verdencke es, so lange du wilt, dem Theopompus, daß Er eine praͤchtige Beschreibung der Ankunft ei- nes Koͤniges von Persien in Egypten durch die ohne Noth aufgethuͤrmte Berge von gesaltzenem Fleische verdorben hat Longinus de sublimi Cap. XXXIV. . Der Herr Prof. Philippi muß freye Haͤnde haben. Diesem grossen Manne ste- het es frey, von grossen und geringen Sachen durch einander, nach eigenem Belieben, bald hoch, bald niedrig, zu reden. Er ist befugt, von der Zehe sei- nes Koͤniges zu sprechen, wann es ihm gut duͤnckt: Er kan sagen: “Daß das veraͤnderliche Schick-„ sal, das wohl eher die groͤssten Potentaten voͤllig zu„ Boden geworfen, und von dem hoͤchsten Gipfel„ der Ehren herab gestuͤrtzet hat, sich nur ehedem an die„ Zehe, als einen entbehrlichen Rest von der gehei-„ ligten Person des Koͤniges, wagen duͤrfen. Nie-„ mand wundere sich, daß der Herr Prof. hier zu ei- ner Zeit, da er recht praͤchtig schreiben will, von der krancken Zehe eines Koͤniges spricht. Jch bin versi- chert, daß der Herr Prof. Philippi kein Bedencken tragen wuͤrde, nach Beschaffenheit der Umstaͤnde, auf die praͤchtigste Art von Verstopfungen und Cly- stiren zu reden. Dieses erfodern die Regeln einer na- M 3 tuͤrli- ( o ) tuͤrlichen Beredsamkeit: Und mich deucht, daß dieses Steigen und Fallen einer Rede eine grosse Anmuht giebt, und fuͤglich mit denen Dissonantzen in der Mu- sic verglichen werden koͤnne. Laß demnach, O! theurer Philippi, die eckele Welt die Nase ruͤm- pfen. Laß den laͤngst vermoderten Grillenfaͤnger Lon- gin schwatzen was er will. Behaupte du deine Rech- te: Rede wie es einem natuͤrlichen, maͤnnlichen und heroischen Redner zustehet, und scheue den Teufel nicht. Mich deucht, Meine Herren, ich sehe aus Dero huldreichen Augen die stille Zufriedenheit hervorleuch- ten, mit welcher Sie die Seltenheiten betrachten, die ich Jhnen vorzutragen die Ehre habe. Verzeihen Sie mir demnach, daß ich Sie darinnen stoͤhre, und durch einen etwas verdrießlichen Vortrag unru- higere Bewegungen in ihren huldreichen Hertzen errege. Es giebt Leute, Meine Herren, die, weil sie nicht ergruͤnden koͤnnen, warum der Herr Prof. Philippi die Zehe, von welcher Er redet, einen entbehrli- chen Rest genennet hat, die Ausdruͤckung entsetzlich aushoͤhnen. “Ein Rest, sprechen sie, ist dasjenige, „das von einer verlohrnen oder vernichteten Sache „uͤbrig bleibet. Wenn also der Herr Prof. Philippi „nicht im hoͤchsten Grad kauderwelsch reden will, so „muß Er behaupten, daß von seinem Koͤnige nichts „mehr, als die eine Zehe uͤbrig sey. Glaubt er das nun, „so steht es ihm sehr uͤbel, daß Er diesen Rest eines „grossen Koͤniges einen entbehrlichen oder unnuͤtzen „Rest nennet. Er muͤste auf diesem Fall die noch „uͤbrige ( o ) „uͤbrige Zehe seines Landesvaters in Spiritus legen, „und als eine koͤstliche Reliqvie bewahren. Die hoͤnischen Gebaͤrden, Meine Herren, welche ich ietzo an Jhnen wahrnehme, lassen mich hoffen, Sie werden sich uͤber solche laͤppische Spoͤttereien nicht so sehr aͤrgern, als sich uͤber die Uhrheber der- selben erbarmen. Leute, Meine Herren, die ihrer verderbten Vernunft zuviel Gehoͤr geben, sind wahr- lich zu beklagen, und die Vermessenheit, mit welcher sie auch von Sachen urtheilen, die sie nicht verstehen, und alles, was Jhnen etwan zu hoch ist, als unge- reimt verwerfen, ist dadurch schon genug bestrafet, daß sie desjenigen Vergnuͤgens entbehren muͤssen, welches eine stille und demuͤthige Bewunderudg er- habener und unbegreiflicher Ausdruͤckungen mit sich fuͤhret. Wenn wir, Meine Herren, das Ungluͤck haͤtten, diesen Leuten gleich zu seyn, wuͤrden wir denn wohl in den Reden des Herrn Prof. Philippi so viele Suͤs- sigkeiten finden? Was wuͤrden uns nicht vor ver- drießliche und schwermuͤhtige Gedancken aufsteigen, wenn wir lesen: Und wahrlich, da ein jeder treu-gesinnete Saͤchsische Unterthan sein Hertz gleichsam auf den Weg leget, den Jhro Majestaͤt zu nehmen allerhoͤchst gesonnen, damit Selbe, als fuͤhren sie auf lauter Hertzen ihrer getreuen Unterthanen dahin, und als wuͤrden Sie von selbigen unterwegs getra- gen, in hoͤchst-erwuͤnschtem Wohl zuruͤckkeh- ren, uñ so oft Sie, unter waͤhrender Reise, Ru- hestart halten, auf eben solchen getreuen Her- M 4 tzen ( o ) tzen ihrer Unterthanen, als einem gar sanf- ten Kuͤssen, Sich zu lagern, geruhen moͤgen: So laͤsst die schnelle Durchfarth Jhro Ma- jestaͤt in allen unsern Hertzen weit kenntbarli- chere Fußstapfen von Jhro allerhoͤchst ge- wuͤrdigten Durchreise durch hiesige Lande, als der groͤste Steuer-Mann, auf der See zu erhalten, nicht vermag, wenn er gleich, auf Schifen vom ersten Rang, die Wasser mit dem Ruder durchschnitten, und einige bald verschwindende Spuhren seiner Durchfarth hinterlassen S. die sechs deutschen Reden p. 63. 64. . Wir wuͤrden|uͤber den| so kost- bar gepflasterten Weg erstaunen, und, ich weiß nicht was, dawider einzuwenden haben. Wir wuͤrden nicht begreifen koͤnnen, wie der Herr Prof. Philip- pi Jhro Majestaͤt zumuthen moͤgen, allemahl, wenn Sie Ruhestatt hielten, aus der Kutsche zu steigen, und sich auf die auf dem Weg gelegte Hertzen zu la- gern. Noch weniger wuͤrden wir begreifen koͤn- nen, was Er verlanget, wenn Er spricht, der Koͤ- nig solle sich auf den Hertzen seiner Unterthanen lagern, als fuͤhre er auf lauter Hertzen derselben da- hin, und wuͤrde von selbigen unterwegs getragen. Es wuͤrde uns schwer fallen mit diesem Lagern die schnelle Durchfahrt zu reimen. Es wuͤrde uns vor- kommen, als gaͤbe der Herr Prof. Philippi uns von der Tiefe der Fußstapfen, so der Koͤnig in den Her- tzen seiner Unterthanen hinterlassen, einen gar gerin- gen Begrif, indem Er nichts mehr sagt, als sie wuͤr- den nur kennbarer seyn, als die Spuren eines Schifes ( o ) Schifes im Wasser, welche Salomon vor so un- sichtbar gehalten, daß er daher des Schifs Weg auf dem Meer unter die Dinge gerechnet hat, die er nicht wisse. Wir wuͤrden uns wundern, warum der Herr Prof. des Steuermanns, und noch dazu des groͤssesten Steuermanns, Meldung gethan; da doch gewiß, daß der Steuermann, er sey so geschickt, als er wolle, nichts zu denen Spuren beytrage, die ein Schif im Wasser hinterlaͤsset. Wir wuͤrden nicht ergruͤnden koͤnnen, was der Herr Prof. mit den Schifen vom ersten Rang haben wolle. Wir wuͤr- den nicht begreifen koͤnnen, warum Er diese Schife mit Rudern versehen, und was doch immer der arme Steuermann ihm muͤsse zuwider gethan haben, daß Er ihn ohne alle Barmhertzigkeit zur Ruder- Banck verdammet, und auf seine neue Galeren ge- schmiedet. Mit einem Worte, Meine Herren, wir wuͤrden in dieser, an sich so schoͤnen, Stelle, nichts als Verwirrung, und einen verdrießlichen und uner- traͤglichen Galimatias finden. Aber, Meine Herren, so sind wir gantz anders gesinnet. Wir entschlagen uns so boͤser Gedancken. Wir glauben einfaͤltiglich, daß unter so wiedersin- nigen Gedancken und so unbegreiflichen Worten, die groͤsseste Weißheit verborgen liege. Wir verlachen nicht, was unsere Begrife uͤbersteiget: Und wir be- finden uns wohl dabey. Jch ersuche Sie, Meine Herren, betrachten Sie mit so glaͤubiger Ehrfurcht die folgenden Reden das Herrn Philippi. O! was werden Sie nicht vor herrliche Dinge in selbigen finden! Sie werden mit Vergnuͤgen gewahr werden, wie der Herr Philippi M 5 in ( o ) in seiner Antritts-Rede, die er als ausserordentli- cher Professor der deutschen Beredsamkeit gehalten, alle Schaͤtze seiner philosophischen und politischen Weißheit aufgethan, und verschwenderisch ausge- streuet hat. Sie werden sich wenig bekuͤmmern, ob die- se Weißheit an dem rechten Ort angebracht sey, oder nicht, und zufrieden seyn, wenn Sie allenthalben nuͤtz- liche Wahrheit finden, welche Jhnen um so viel an- genehmer seyn muͤssen, je unvermutheter der Herr Philippi Sie damit uͤberfaͤllt. Wie werden Sie sich nicht freuen, wenn Sie so unverhoft in dieser vortreflichen Antritts-Rede einen vollkom̃enen Abriß eines wohl eingerichteten Staats antrefen S. die sechs deutschen Reden p. 120. sqq. ? Wie wird sie nicht die so gelehrte, tiefsinnige und nach den Regeln der Vernunft, Be- scheidenheit uñ Gelindigkeit angestellte Betrachtung uͤber den Ursprung und Bedeutung des Vivatrufens, und des damit verknuͤpften Woͤrtlein Hoch! samt der so gluͤcklich entdeckten Etymologie des Worts: Mucker, erqvicken ibid. p. 106 — 117. zumahl da dieses, wie der Herr Prof. Philippi p. 117. gar wohl anmercket, eine Ma- terie ist, die sonst wenig, oder gar nicht vorkommt. . Sie werden sich freuen, daß der Herr Prof. Philippi die Jenaischen Studenten ihrer unanstaͤndigen Aufuͤhrung wegen, auf eine so scharfsinnige und feine Art durchgehechelt hat ib. p. 110. sqq. : Und sie werden in eine angenehme Bestuͤrtzung gerah- ten, wenn Sie sehen, wie beweglich der Hr. Prof. Phi- lippi zum Beschluß seinen alten 63jaͤhrigen Vater anredet ( o ) anredet ib. p. 146. sq. Jch habe nachher erfahren, daß vie- le, welche von der heroischen Beredsamkeit keinen Be- grif haben, dieses dem Herrn Prof. als eine Schwach- heit auslegen wollen. . Ja was soll ich von dem artigen Neu- Jahrs-Wunsch sagen, den der Herr Prof. Philip- pi an seine Hochwertheste Eltern, als deroselben Ge- horsamste andre Sohn schriftlich abgestattet hat? Lesen Sie ihn, Meine Herren, mit gehoͤriger Andacht und Demuth, so werden Sie befinden, daß er den Reden des Herrn Prof. Philippi an Schoͤnheit und Vortreflichkeit nicht allein nichts nachgiebt, sondern sie auf gewisse Maasse uͤbertrift. Er ist voll ho- her Gedancken. Jch will Jhnen, Meine Herren, mit Dero Erlaubniß, einen kleinen Vorschmack da- von geben. Faͤllt mir eben, spricht der Herr Prof. ibid. p. 150. der Gedancken ein, wo wir wohl heute uͤber tausend Jahr seyn duͤrften: So leget eine un- straͤfliche Unwissenheit mit zwat ein ehrerbie- tiges Stillschweigen auf, daß ich dieses nicht sagen koͤnne. Gleichwohl wenn heute vor tausend Jahren etwan einige unser Vorfah- ren auch so gedacht haͤtten: So wuͤrden wir Jhnen nunmehro die Antwort leicht geben koͤnnen, wo sie waͤren, und wie wir selbigen in der Reihe nachgefolget. Herrliche Gedancken! Aber noch weit mehr ist die Demuht und Bescheidenheit des Herrn Prof. zu ( o ) zu bewundern, der sich nicht unterstehet, auf eine so hohe Frage zu antworten. Glaube mir, unvergleichlicher Philippi, eine solche Sittsamkeit stehet einem Manne von deinen Verdiensten nicht wohl an. Verstelle dich so viel du wilt. Wir wissen doch wohl, wer du bist, und was du vermagst. Du wirst uns nimmer weiß machen, daß du auf die Frage, so du aufwirfst nicht antworten koͤnnest. Jndem du gestehest, es wuͤrde dir leicht seyn, einem unserer Vorfahren auf diese Frage Bescheid zu geben, so hast du deine wich- tige Frage schon entschieden. Qvaͤle demnach deine Verehrer nicht ferner, durch eine Bescheidenheit, die sich nur vor Leute von mittelmaͤssigen Verdien- sten schicket, und nimm dasjenige Wesen an, so grosse Leute noch ehrwuͤrdiger macht. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ sume superbiam Quæsitam meritis ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Horatius Lib. III. Od. 30 . Jch wuͤrde Sie groͤblich beleidigen, Meine Her- rer, wenn ich nicht von Jhnen allerseits glaubte, daß Sie den Rath, welchen ich hier dem Herrn Prof. Philippi gebe, billigen. Sie erkennen alle die wurderbaren Eingenschaften dieses grossen Man- nes, der in unsern Tagen aufgestanden ist, die deut- sche Beredsamkeit auf einen gantz andern Fuß zu setzen. Sie erkennen, sag ich, seine Verdienste: Aber Sie erkennen sie nur halb, dafern Sie nur das Wenige an Jhm bewundern, das ich von ihm ge- sagt habe. Jch uͤbergehe eine gute Anzahl derer Schoͤn- ( o ) Schoͤnheiten, die in seinen Reden zu finden, mit Stillscheigen, und wenn ich sie gleich alle, ohne eine einzige auszulassen, nach der Reihe hergezehlet, und durch alle Kunst-Grife der Rede-Kunst in das hel- leste Licht gesetzet haͤtte, so wuͤrde doch noch die Helfte seiner Vortreflichkeiten verborgen bleiben. Jch habe den Herrn Prof. Philippi nur als ei- nen grossen, und gantz besondern Redner vorgestellet. Aber, Meine Herren, er ist noch mehr als das. Er ist auch ein Poet. Jch berufe mich desfals auf das vortrefliche Heldengedicht, das Er verfertiget hat, und bedaure nichts mehr, als daß mir die Zeit nicht vergoͤnnet, mich in demselben gebuͤhrend um- zusehen. O! was wolte ich Jhnen vor Herrlich- keiten zeigen! Aber, Meine Herren, ich mache mir ein Gewissen ihrer Geduld zu mißbrauchen. Wie aufmercksam Sie mir auch bisher zugehoͤret haben, und wie fest ich auch versichert bin, daß alles, was man Jhnen von einem Manne, den Sie so hoch schaͤtzen, vorsaget, Jhnen ein unaussprechliches Ver- gnuͤgen giebt, so muß ich doch besorgen, durch die Weitlaͤuftigkeit, wozu mich die entsetzliche Menge, der in dem Heldengedichte des Herrn Prof. Phi- lippi enthaltenen poetischen Seltsamkeiten Jch ziele hier auf eine Sammlung unterschiedlicher finnreichen Gedichte, so unter diesem Titel heraus gekommen. Derjenige, so diese Sammlung besor- get, wuͤrde seinem Wercke keine geringe Zierde ge- ben, wenn er auch dem Heldengedicht des Herrn Prof. Philippi einen Platz in selbigem goͤnnen wolte. , verleiten wuͤrde, Jhnen verdrießlich zu fallen, ja selbst ( o ) selbst meiner Gesundheit Schaden zu thun. Denn, Meine Herren, ich wuͤrde mit der blossen Erzehlung derselben heute nicht zu Ende kommen. Das, was der Herr Prof. Philippi in seinem Heldengedicht von einem Naturaliencabinet schreibet, schickt sich, mit einer kleinen Veraͤnderung, gar wohl hieher, und ich kan mit Fug sagen: Nennt in der Poesie mir irgend eine Art Von Raritaͤten, die nicht da gefunden ward. Solt ichs von Stuͤck zu Stuͤck mit Nah- men nur beschreiben, Jch muͤste wenigstens ein gantz Jahr druͤber bleiben S. das Heldengedicht p. 13. Jch begnuͤge mich demnach nur uͤberhaupt zu sa- gen, daß die Poesie des Herrn Prof. Philippi so heroisch ist, als seine Beredsamkeit. Es ist eine Lust anzusehen, wie wenig Er die unnuͤtzen Regeln beob- achtet, wodurch man heutiges Tages die Dichtkunst so schwer machet. Er giebt sich alle Freyheiten, die einem Manne von seiner Art zukommen koͤnnen. Abschnitt, Sylbenmaaß und Fuͤsse sind bey ihm gar veraͤchtliche Sachen, und seine einzige Sorge gehet auf das einige Nothwendige in der Poesie, ich meine den Reim. Dieses muß ihm nothwendig die Hochachtung aller Kenner erwerben, die den Sinn des Spruͤchworts: In fine videbitur cujus toni gebuͤhrend einsehen, und, nach Art der Och- sen- ( o ) senkaͤuffer, aus dem Hintertheil eines Verses, von dessen Guͤte zu urtheilen wissen. Was ich bisher gesagt, betrift nur die aͤusserliche Gestalt dieses wunderbaren Heldengedichts. Sieht man nun dasselbe nach seiner innerlichen Beschaffen- heit an, so muß man nothwendig in die aͤusserste Verwunderung gerathen. Es ist eine gemeine Sage, Meine Herren, daß die Poeten nicht gemacht, sondern gebohren werden. Jch kan nicht leugnen, die Gedichte unterschiedener Poeten haben mir diese so gemeine Einbildung ver- daͤchtig gemacht: Aber durch das Heldengedicht des Herrn Prof. Philippi bin ich von dem Ungrund derselben voͤllig uͤberfuͤhret worden. Man kan mit Haͤnden greifen, Meine Herren, daß der Herr Prof. kein gebohrner Poete sey. Ein jeder Vers seines Heldengedichts zeiget von der grossen Gewalt, die Er seiner Natur anthun muͤssen, um diese Probe sei- ner Geschicklichkeit, und diesen Vorwurf unserer Bewunderung hervor zubringen Diese Erkaͤnnt- niß, Meine Herren, erhoͤhet die Begrife unendlich die wir schon von dem Herrn Philippi, und seinem ausserordentlichen Geiste haben. Wer muß nicht uͤber den Fleiß, die Muͤhe, und das Nachsinnen erstaunen, die es dem Herrn Prof. Philippi geko- stet hat, sich eine Geschicklichkeit zu erwerben, wel- che die Natur, die sonst gegen Jhn so verschwende- risch gewesen, aus einem Eigensinn, den ich nicht begreifen kan, Jhm versaget hatte? Auf diese Art ein Poete werden, ist weit ruͤhmli- cher, als wenn man diese Eigenschaft einem natuͤr- lichen ( o ) lichen Geschicke zu dancken hat. Jch muß immer lachen, Meine Herren, wenn ich den Ovidius und Canitz, ihrer Poesie wegen, ruͤhmen hoͤre, die doch beyde aufrichtig gestanden, daß sie von Jugend auf einen unuͤberwindlichen Trieb zum Dichten, bey sich gespuͤret haben. Es ist groß Wunder, daß man auch nicht an ihnen lobet, daß sie gegessen haben, wenn der Hunger sie geplaget. Dieser Trieb zum Essen war ihnen nicht mehr natuͤrlich, als die Nei- gung und Geschicklichkeit zur Poesie. Die beste Eigenschaft, Meine Herren, zu welcher wir nichts beytragen, kan uns nicht zum Ruhm gereichen. Es haben schon andre angemer- cket, daß derienige, der, um den Cato recht groß zu machen, sagte: Cato habe nicht anders ge- konnt, als Gutes thun Vellejus Paterculus Lib. II. Cap. 35. nunquam recte fecit, ut videretur, sed quia aliter non poterat. , sich schlecht um den- selben verdient gemacht hat; Und Socrates wuͤrde nicht die Helfte der Hochachtung verdienen, die man ietzo vor ihm heget, wenn nicht sein eigen Ge- staͤndniß, daß sein Naturel grund boͤse, und seine Tugend gekuͤnstelt sey, seine Weißheit so bewunde- rungs-wuͤrdig gemachet haͤtte. Was vor Lob verdienet demnach nicht die so sehr gekuͤnstelte, und unnatuͤrliche Poesie des Herrn Prof. Philippi? Und was vor Ehrerbietung ein so grosser Poet? Jch weiß, Meine Herren, dieje- nige, die Sie gegen ihn hegen, ist so groß, als es seine Verdienste erfordern. Ja, grosser Dichter, wir verehren dich, als einen ( o ) einen Mann, der in seiner Art der einzige ist. Fah- re nur fort, deine matte Faͤhigkeit zum Dencken, und zum Dichten, uͤber welche du klagest S. das Helden-Gedicht p. 5. , mit Nachdruck zu bestreiten: Zeige der Welt, daß Horatz ein Gecke gewesen, da er geschrieben: Tu nihil invita dicas faciasve Minerva Horatius de Arte poëtica. . Dein Helden-Gedicht lehret uns, daß man auch ohne der Minerven Wissen und Willen in der Dicht-Kunst groß seyn koͤnne: und dir, Christlicher Philippi, stehet es vor andern wohl an, dieser heid- nischen Goͤttin zum Possen, ein Handwerck zu trei- ben, dazu du nicht gebohren bist. Schreib dem- nach, unvergleichlicher Dichter, und schone kein Papier. Die Schaar der Musen giebt dir von den Zehn tausend Ballen, die sie geschenckt bekommen hat S. das Helden-Gedicht p. 16. , gerne einige Ballen wieder zuruͤcke. Kehre dich nicht daran, wenn deine verderbte Vernunft dir zu- ruft: Schreibe nicht! oder wenn andere uͤber deine Verse spotten. Jenes ist eine Anfechtung die Leute dei- ner Art leicht uͤberwinden, und dieses ein Unfall, den du mit vielen vortreflichen Dichtern gemein hast. Die Gesellschaft der kleinen Geister wird darum eben so wenig von der Hochachtung gegen dich etwas fallen lassen, als du selbst, und dich alle Zeit, du magst wol- len oder nicht, als ein Mitglied ansehen, das ihr die meiste Ehre bringet. N Jch ( o ) Jch scheue mich nicht, Meine Herren, dieses in Jhrer aller Namen zu versprechen. Sie werden mich nicht zum Luͤgner werden lassen. Dero huld- reicher Anblick versichert mich, daß ich nichts gesagt habe, das Sie nicht genehm halten, und, wo es mir er- laubt ist, von unserer gantzen Gesellschaft nach denen- jenigen Regungen zur urtheilen, die ich selbst empfin- de, so weiß ich gewiß, daß dieselbe uͤber die Erhebung des Herrn Philippi zur Profession der deutschen Be- redsamkeit eine Freude empfindet, die allen Verdruß weit uͤberwieget, den die fruchtbare Schaar ihrer Wi- dersacher derselben verursachet. Sie vergisset daruͤber alle ihres Leides, und wo etwas ist, das ihr Vergnuͤgen mangelhaft machet, so ist es der schwache Gesundheits-Zustand des Herrn Prof. Philippi Jch sehe mit Bestuͤrtzung, Meine Herren, daß der Herr Prof. Philippi den Ohnmachten so sehr unterworfen ist. Die eine verursachte ihm der blosse Anblick eines koͤniglichen Bildnisses, und die andere wandelte ihm in der Gedaͤchtniß-Rede auf die Koͤ- nigin in Pohlen an. Es ist gewiß, Meine Herren, daß, wenn ihm nicht das erste mahl seine damahls gegenwaͤrtige leibliche Frau Mutter, nebst dem redlichen Hrn. Commissions-Rath und Crayß- Amtmann Fleuter aufgerichtet S. die sechs deutschen Reden p. 40. , und das an- deꝛe mahl die geschaͤftige Mitleidenheit einiger añehm- lichsten Kinder, durch einen kraͤftigen Balsam wie- der ( o ) der zu recht gebracht haͤtte S. die sechs deutschen Reden p. 25. , so wuͤrden die unter- irrdigen Grotten durch die Ankunft eines grossen Red- ners und Poeten begluͤckseeliget seyn, mit welchem jetzo das Reich der Lebendigen noch pranget. Aber, Meine Herren, da es nicht zu glauben, daß ein Mann, der zu so grossen Dingen gebohren ist, so bald den Weg alles Fleisches gehen werde, so hoffe ich, daß die Vor- stellung seiner Sterblichkeit nicht faͤhig seyn wird, unsere gegenwaͤrtige Zufriedenheit zu stoͤhren, und uns zu verhindern, einander auf die Gesundheit des Herrn Prof. Philippi in gebuͤhrender Maasse, und ehrerbietigster Bescheidenheit eines zuzu- bringen ibid. p. 75. . Sie kan uns vielmehr antreiben un- sere Wuͤnsche vor das lange Leben eines so unent- behrlichen Mannes zu verdoppeln. Lebe demnach, Theurer Philippi, und vollen- de das grosse Werck, das du angefangen hast. Zerstoͤh- re das Reich der falschen Beredsamkeit; und erweite- re, nach der Gelegenheit, die dir dein Amt giebt, die Graͤntzen unserer Gesellschaft, die dich als ihren Aug-Apfel hoch haͤlt. Laß die Spoͤtter immerhin schwatzen, man habe dich zu einem ausserordentli- chen Bekenner der deutschen Beredsamkeit erkoh- ren, um durch dein Lehr-reiches Beyspiel die Jugend auf eben die Art beredt zu machen, als die alten La- cedaͤmonier ihre Kinder durch das Exempel truncke- ner Knechte zur Maͤssigkeit anfuͤhrten. Diejenigen, N 2 welche ( o ) welche wissen, wie unentbehrlich du der Welt bist, werden nicht aufhoͤren, vor dein Wohl- seyn zu seuftzen, und die Gesellschaft der klei- nen Geister, die dich als ihre vornehmste Stuͤ- tze und ihren eintzigen Trost in diesen betruͤb- ten Zeiten, ansiehet, wird nicht muͤde werden deinen Ruhm bey aller Gelegenheit auszubrei- ten. Was ich sage, Meine Herren, das dencken Sie; und weil ich nun dessen versichert bin, so vermag ich dieser meiner geringfuͤgigen Re- de, deren hochgeneigte Aufnahme, und Bede- ckung der untergelauffenen Fehler, mir noch- mahlen gehorsamst und ergebenst ausbitte, kei- nen bessern Schluß zu machen, als damit ich angefangen habe S. die sechs deutschen Reden p. 147. . Es lebe der Herr Prof. Philippi! Hoch! DIXI . V. Unpartheyische U ntersuchung der F rage: Ob die bekannte Satyre, Briontes der Juͤngere, oder L obrede auf den Herrn D. Johann Ernst Philippi, Professor der deutschen Wohlredenheit auf der Universitaͤt Halle, mit entsetzlichen Religions-Spoͤttereyen ange- fuͤllet, und eine straf bare Schrift sey? Bey welcher Gelegenheit zugleich augenscheinlich gezeiget wird, daß der Herr Professor Philippi die Schrift: Gleiche Bruͤder, gleiche Kappen ꝛc. unmoͤglich gemacht haben koͤnne. Leipzig, 1733. Boileau. Qui méprise Cotin n’estime point son Roi, Et n’a, selon Cotin, ni Dieu, ni foi, ni loi. S ich in fremde Haͤndel mischen, Eingang. und um Sachen bekuͤmmern, die einen nicht angehen, das wird von allen klugen Leuten vor ein so vorwitziges Unternehmen gehal- ten, dem die Reue auf dem Fusse zu folgen pfleget. Diese Betrachtung sollte mich be- wegen, meine Gedancken uͤber die Frage, wel- che ich zu untersuchen willens bin, bey mir zu behalten: Allein die Unschuld vertreten, und die Jrrenden auf den rechten Weg bringen, das ist eine Pflicht, der ein Vernuͤnftiger sich nicht entschlagen kan. Und daher deucht mich, ich werde nicht uͤbel thun, noch von Leuten, die Vernunft und Billigkeit lieben, eines Vor- witzes, oder einer Verwegenheit beschuldiget werden, wenn ich von denen Urtheilen, die uͤber die im vorigen Jahr unter dem Titel: Brion- tes der juͤngere, oder Lobrede auf den Hrn. Prof. Philippi, heraus gekommene Satyre gefaͤllet worden, auf eine unpartheyi- sche und bescheidene Art, meine Meinung sage. Jch setze voraus, daß alle diejenigen, welche Endzweck dieser Schrift. sich die Muͤhe nehmen werden, gegenwaͤrtige Schrift durchzublaͤttern, auch die Satyre, so N 4 mir ( o ) mir Gelegenheit gegeben hat dieselbe zu verferti- gen, gelefen haben. Sie werden also wissen, daß in Halle ein Professor der deutschen Wohl- redenheit ist, der Philippi heifft; daß dieser, um seine Geschicklichkeit zu zeigen, sechs deut- sche Reden durch den Druck bekannt ge- macht; und daß ein ungenannter, dem diese Reden nicht gefallen, eine ziemlich scharfe Sa- tyre, unter dem Nahmen einer Lob-Rede, wie- der den Hn. Prof. Philippi heraus gegeben hat. Jch glaube daher, es werde nicht noͤthig seyn, daß ich meinen Lesern von dem Endzweck und der Beschaffenheit dieser Satyre eine weit- laͤuftige Nachricht gebe, der sie leicht entbehren koͤnnen. Mein Zweck ist nur, zu untersuchen, ob die wiedrigen Urtheile, welche von derselben gefaͤllet worden, gegruͤnder sind oder nicht. Ein Ein- wurf und dessen Be- antwor- tung. Jch sehe vorher, daß viele meiner Leser den- cken werden, dieses sey eine unnoͤthige Arbeit: Sie werden sich einbilden, eine Schrift, die so wohl aufgenommen worden, koͤnne solchen Ur- theilen unmoͤglich unterworffen seyn, und koͤn- nen mich also leicht vor einen Menschen halten, der mit seinem eigenen Schatten kaͤmpft. Al- lein alle diejenigen, die diese Gedancken haben, muͤssen mir erlauben, ihnen zu sagen, daß sie sich in ihrer Meinung betriegen, und daß eine Saty- re, sie mag so wohl gerathen seyn, und mit so vieler Begierde gelesen werden, als sie immer will, dennoch einer weit schaͤrfern Censur unterworfen ist, als irgend eine andere Schrift. Jch ( o ) Jch gestehe, wenn man bedencket, daß die Satyren mißfallen den mei- sten. Menschen ungemein geneigt sind, sich uͤber den Unfall ihres Naͤchsten zu erfreuen, so sol- te man glauben, eine, auch nur mittelmaͤssi- ge, Satyre muͤsse allemahl mit allgemeinem Beyfall aufgenommen werden. Aber dieser Schluß ist trieglich, und die Erfahrung giebt es, daß eine Satyre, sie mag auch noch so wohl geschrieben seyn, den meisten mißfalle, und daß der Verfasser derselben, auch so gar von denen, welche seine Schrift mit Lust lesen, und dieselbe loben, dennoch ge- tadelt werde. Denn obgleich die lustigen Einfaͤlle, welche eine Satyre beliebt machen, alle Leser kuͤ- tzeln, und zum Lachen gleichsam zwingen, so gehet doch dieses Lachen den meisten eben so wenig von Hertzen, als dasjenige, so durch ei- ne leibliche Kuͤtzelung verursachet wird. Die Empfindung, welche in unserm Coͤrper entstehet, wenn er gekuͤtzelt wird, ist einer sehr zweydeutigen Natur, und, wie angenehm sie auch scheint, mit einer Art des Schmertzes un- termischet. Mit der geistlichen Kuͤtzelung hat es eben die Bewandniß, und das Vergnuͤ- gen, das eine Satyre ihren Lesern giebt, ist fast allemahl mit einem heimlichen Verdruß verge- sellschaftet. Die Ursachen dieses Verdrusses sind nicht Die Ursa- chen da- von: 1) der Wahn daß sich ein Spoͤtter schwer zu errathen. Die erste ist der gemeine Wahn, daß einer, der sich klug genug duͤncket andere zu tadeln, eine grosse Einbildung von N 5 sich ( o ) gar zu viel einbilde. sich selbst haben, und sich allein vor weise hal- ten muͤsse. Jch untersuche hier nicht, ob die- ser Wahn gegruͤndet sey: Jch mercke nur an, daß ein solcher Wahn ungemein geschickt ist, solche Bewegungen in den Hertzen derer, die eine Sache lesen, zu erregen, wodurch sie ver- hindert werden, dieselbe unpartheyisch zu be- urtheilen. Der Hochmuht ist zwar allemahl eine ver- hasste Eigenschaft, nimmer aber unertraͤgli- cher, als wenn er von derjenigen Einbildung herruͤhret, die ein Mensch von seinem eigenen Verstande hat. Denn in Ansehung des Ver- standes, goͤnnt keiner dem andern den Vorzug. Niemand ist mit dem seinen uͤbel zufrieden, und kan also denjenigen nicht anders, als mit scheelen Augen ansehen, von dem er glaubt, daß er thoͤrigt genug, sich allein vor klug zu halten. Die Satyren-Schreiber haben das Ungluͤck, daß der groͤsseste Haufe dieses von ihnen arg- wohnet, und folglich muß nothwendig die Zahl derer sehr groß seyn, die einen heimlichen Wie- derwillen gegen sie hegen. Ein ieder siehet leicht, was dieser Wiederwille, natuͤrlicher Weise, vor Wuͤrckungen haben muͤsse, und daß es gar kein Wunder, wenn sich die meisten dadurch verleiten lassen, von den Absichten, und von dem Verfahren der Spoͤtter aufs schlimmste zu urtheilen. 2) das Mit- leiden mit den Tho- ren. Es waͤre ein Gluͤck vor diejenigen, die Sa- tyren schreiben, wenn die Urtheile uͤber ihre Schriften nur allein aus dieser Qvelle floͤssen, und ( o ) und es nicht Leute gebe, deren Mißfallen uͤber eine Satyre noch aus einer andern Ursache herruͤhrete. Allein so zeigt es die Erfahrung, daß ein unvernuͤnftiges Mitleiden, mit denen Thoren, die in einer Satyre laͤcherlich ge- macht werden, den meisten auch die gluͤcklich- sten Einfaͤlle, und unschuldigsten Reden ver- hasst und verdaͤchtig mache. Man darf nicht lange nachsinnen, wo- Ursachen dieses Mit- leidens: 1) die Men- ge der Tho- ren. her doch immer dieses Mitleiden entstehe. Ei- ne Satyre greift allemahl eine gewisse Art der Thorheit an, und macht dieienigen laͤ- cherlich, welche damit behaftet sind. Dieses muß nothwendig vielen nicht anstehen, weil die Menge der Thoren unzaͤhlig ist. Es ist demnach etwas gar natuͤrliches, daß derieni- ge, der in einer Satyre angegriffen wird, ei- nen groͤssern Anhang findet, als derienige, der sie geschrieben hat. Dieser ist ein gemeiner Feind, und iener ein bedraͤngtes Bruͤder- gen, dessen Nothstand ein ieder zu Hertzen nimmt. Wie muß es also dem frechen Spoͤtter, der in der Person desienigen, wie- der welchen er seinen Gift ausgelassen, so vie- le ehrliche Leute beleidiget hat, nicht ergehen, und wie kan man mit Vernunft hofen, daß man, einiger lustigen Einfaͤlle halber, seine Schmaͤh-Schrift nicht aufs schaͤrfste richten werde? Quum sibi quisque timet, quanquam est intactus, \& odit. Horat. Lib. II. Sat. I. Das ( o ) 2) das boͤse Gewissen der Leser. Das Gewissen ist ein wunderlich Ding. Man denckt: Heute mir, morgen dir, und lie- set also eine Satyre mit Furcht und Zittern. Ense velut stricto quoties Lucilius ardens Infremuit, rubet auditor, cui frigida mens est Criminibus, tacitaque sudant præcordia culpa. Juvenalis Sat. I. Erinne- rung an die Spoͤt- ter. Jch nehme mir demnach die Freyheit, bey die- ser Gelegenheit allen denen, die zum Spotten Lust haben, wohlmeinentlich zu rahten, daß sie diese boͤse Neigung mit aller Macht bestreiten. ..... quid opus teneras mordaci rade- re vero Auriculas? ......... Persius Sat. I. Sie bilden sich ein, durch ihre artigen Ein- faͤlle der Welt eine Lust zu machen, und ihren Lesern zu gefallen. Jch gebe ihnen zu, daß sie, was das erste anlanget, ihren Zweck ei- niger massen erreichen. Aber was wird ih- nen dafuͤr? Wenn sie nur belieben wollen zu erwegen, daß, wie ich schon gesagt, das Biß- gen Lust, so man bey Lesung einer Satyre empfindet, sehr genau mit einem empfindli- chen Verdruß verbunden ist, so werden sie be- greifen, daß sie durch ihre Schriften bey ihren Lesern eben so wenig Danck verdienen koͤnnen, als wenn sie im gemeinen Leben al- le, die ihnen begegnen, und mit denen sie um- gehen, ( o ) gehen, anfallen und kuͤtzeln wollten. Ei- ne so wunderliche Aufuͤhrung wuͤrde ihnen unstreitig viele Feinde machen, und wo sie ihrer Tadelsucht keine Graͤntzen setzen, wird es ihnen gleichfalls nicht daran mangeln. Sie duͤrfen nicht dencken, es habe dieses nichts zu bedeuten, wenn sie sich der Bestra- fung allgemeiner Thorheiten enthielten, und sich nur an so elende Troͤpfe machten, die auch von ihres gleichen vor ausgemachte Ge- cken gehalten werden. Die Erfahrung wird sie lehren, daß sie sich in ihrer Hofnung be- triegen, und daß es zu allen Zeiten wahr ist, was Horatz sagt: ......... fuit intactis quoque cura Conditione super communi ....... Horat. Lib. II. Epist. I. Wer nur einen Phantasten angreift, der hat so- Einigkeit der Tho- ren wenn sie von ei- nem aus- waͤrtigen Feinde an- gegriffen werden. gleich die gantze Schaar der Thoren auf dem Halse. Jch bekenne, das Reich dieser Her- ren scheint sonst so gar einig nicht zu seyn. Sie leben in bestaͤndigem Krieg, und lachen einander um die Wette aus. Aber ein Frem- der muß sich diese Freyheit nicht nehmen. Sobald werden sie nicht von einem auswaͤr- tigen Feinde angegrifen, so vergleichen sie sich, und stehen vor einen Mann. Dieses ist nicht so wohl eine Wuͤrckung ihrer Klug- heit, als eine Folge desjenigen Mitleidens, das sie, aller innerlichen Uneinigkeit ungeachtet, mit ihren geaͤngstigten Bruͤdern hegen. Es ist dieser Afect ( o ) Afect unter Geschoͤpfen einer Art so natuͤr- lich, daß man auch bey unvernuͤnftigen Thie- ren einige Spuren davon findet. Wenn nur das kleineste Ferckel seine Noth durch ein klaͤgliches Geschrey bekannt machet, so grun- tzet die gantze Heerde, und eilet ihrem noth- leidenden Gliede zu Huͤlfe. Thun dieses nun unvernuͤnftige Thiere, was werden Menschen nicht thun? Und solten also wohl die Tho- ren einen von ihrem Orden huͤlflos lassen, wenn er belachet wird? Die Erfahrung giebt es, daß sie es nicht thun, und bekraͤftiget den Ausspruch des Poeten: Man greife nur einmahl dem Narren an die Schellen, So fangen Laff, und Mops, und Melac an zu bellen. Schlot p. 8. Die Saty- re Brion- tes ist nicht gluͤcklicher als ande- re. Jch bitte alle Spoͤtter dieses wohl zu beher- tzigen, und frage numehro meine Leser, denen zu gefallen ich diese Ausschweiffung gemacht ha- be, ob es wohl zu bewundern sey, daß es Leute ge- geben, denen die Lob-Rede auf den Hn. Prof. Philippi nicht gefallen wollen? Jch bilde mir ein, deutlich gezeiget zu haben, daß dieses das gemeine Schicksal aller Satyren, und mich deucht nicht, daß diejenige, von welcher wir handeln, so beschaffen sey, daß sie ein besseres Gluͤck verdiene. Wird gelo- bet, aber Zwar muß ich bekennen, der Briontes ist von vielen mit grossem Vergnuͤgen gelesen wor- ( o ) worden. Man hat die darinn enthaltene der Verfas- ser doch ei- ner Religi- ons-Spoͤt- terey be- schuldi- get. Einfaͤlle und Spoͤttereyen scharfsinnig gefun- den, und ich kan zum Ruhm unsers Vater- landes sagen, daß noch niemand des Hn. Prof. Philippi Parthey oͤfentlich genommen, oder diesen Haͤllischen Redner beklaget hat. Alle Welt, die Klugen so wohl, als die Thoren, stimmen darinn uͤberein, daß dem Hrn. Prof. Recht geschehen ist, und seine Re- den eine so scharfe Lauge voͤllig verdienet haben. Es ist also gar kein Streit dar- uͤber, ob der Briontes gut, und die Reden, und das Helden-Gedicht des Hn. Prof. Phi- lippi schlecht geschrieben sind. Dieses sind Wahrheiten, daran kein Mensch zweifelt. Allein ob nun gleich die natuͤrliche und lebhaf- te Vorstellung der, in den philippischen Re- den vorkommenden, abentheurlichen Schni- tzer jederman wohl gefallen, und niemand an der Schreib-Art, und gantzen Einrich- tung des Briontes noch zur Zeit etwas auszusetzen gefunden hat: So hat doch diese Satyre dem Ungluͤck, welches allen Schriften dieser Art eigen ist, so wenig ent- gehen koͤnnen, daß man vielmehr sagen kan, sie sey noch auf eine unbarmhertzigere Weise, als sonst gebraͤuchlich, mitgenommen wor- den. Denn da man sonst nichts dagegen vorzubringen gewust, so hat man sich begnuͤget Religions-Spoͤttereyen darinn zu entdecken, und den Verfasser einer Verachtung der H. Schrift zu beschuldigen. Mich deucht, ein sol- ( o ) solches Urtheil ist weit aͤrger, als wenn man bloß die Schreib-Art, und Einfaͤlle als al- bern und kaltsinnig tadelt. Denn diese Censur haͤtte, wenn sie Grund gehabt, den Verfasser nur laͤcherlich gemacht: Da berge- gen ein so harter Ausspruch, er mag gegruͤn- det seyn oder nicht, weit schlimmere Wuͤrckun- gen haben kan. Die Sor- ge, die der Verfasser der Nieder- saͤchsischen Nachrich- ten desfals gehabt, ist nicht un- noͤhtig. Jch verdencke es meinen Lesern nicht, wenn es ihnen unwahrscheinlich vorkoͤmmt, daß es Leute gebe, die von dem Verfasser des Bri- ontes ein so liebloses Urtheil zu faͤllen faͤhig sind. Jch haͤtte mir selbst nicht eingebildet, daß es moͤglich sey, und ob ich gleich sahe, daß in den Niedersachsischen Nachrichten dem Verfasser des Briontes gerathen wur- de, sich kuͤnftig solcher Ausdruͤckungen zu ent- halten, aus welchen man eine schlechte Ehr- erbietung gegen die H. Schrift schliessen koͤnn- te, so hielte ich doch, nach der Liebe, davor, der Herr Verfasser dieser Nachrichten habe durch diesen guten Rath nicht so sehr seine ei- gene Meinung, als seine wohlgemeinte Sor- ge, daß andere so urtheilen moͤchten, an den Tag legen wollen. Und ich gestehe diese Sor- ge kam mir unnoͤthig vor. Allein ich erken- ne nunmehro, daß der Hr. Verfasser der Nie- dersaͤchsischen Nachrichten weiter gesehen hat als ich, und schaͤme mich meiner Einfalt. Der Ver- fasser des Briontes Jch haͤtte wissen sollen, daß der Verfasser des Briontes nicht der erste ist, dem dieses Un- gluͤck ( o ) gluͤck begegnet. Jst es dem D. Schwift wohl ontes ist nicht der erste Sa- tyren- Schreiber den man zum Reli- gions- Spoͤtter gemacht hat. besser gegangen? Hat nicht Wotton die Dreistigkeit gehabt, in seinen Reflections upon Learning zu schreiben: That the Tale of“ a Tub is a design’d Banter upon all that„ is esteem’d Sacred among Men; and that„ God and Religion, Truth and moral Ho-„ nesty, Learning and Industry, are ma-„ de a May-Game. S. the complete Key to„ the Tale of a Tub. pag. 28 Und haben sich auch nicht in Deutschland Leute von so schlechten Nachsinnen gefunden, die dieses unvernuͤnftige Urtheil des Wottons nachge- betet? Haͤtte ich dieses bedacht, so wuͤrde ich wohl begriffen haben, daß nichts in der Welt so wunderlich sey, das man nicht von ei- nem boͤsen Scribenten, der durch eine Saty- re in Wuth gebracht ist, vermuthen muͤsse. Leute dieser Art wissen in solcher Angst Boͤse Scri- bentenfas- sen die Hoͤrner des Al- tars, und handeln kluͤglich daran. nicht, was sie thun. Sie sehen, daß jeder- mann ihre Thorheit erkennet, und niemand ist, der sich ihrer annimmt. Wenn sie dann nicht wissen, wo sie sich hinwenden sollen, so fassen sie aus Verzweifelung die Hoͤrner des Altars. Jch kan nicht anders, als einen so klugen Entschluß loben. Es findet sich selten ein Benaja, der das Hertz haͤtte auch in dem Heiligthum einem solchen Stuͤmper den Kopf abzureissen, und dieser findet gemeiniglich Schutz. ........ Supere vetuere necari. Ovid. Metam. Lib. VIII. O Man ( o ) Warum dieses kluͤg- lich gehan- delt sey? Man darf sich also nicht wundern, war- um die nothleidenden Scribenten ihre Ver- folger, mit denen sie nicht auskommen koͤn- nen, allemahl einer Gottlosigkeit beschuldigen. Dieses ist unstreitig das gemaͤchlichste, sicher- ste und kraͤftigste Mittel seinen Feind zu un- terdruͤcken, und man koͤmmt weiter damit, als wenn man sich in einen ordentlichen Kampf einlassen wolte. Es gleicht, wie ein gewisser Scribent sagt, einer Mine, durch wel- che der Feind, ehe er sichs versiehet, in die Luft ge- sprenget wird, und es ist selten ohne Wuͤrkung. Die Religion hat so was ehrwuͤrdiges an sich, daß auch der blosse Nahme derselben selbst Leuten, welche am wenigsten Lust haben, die Pflichten, wozu die Religion uns verbindet, zu erfuͤllen, eine sonderbare Ehrerbietung einpraͤget. Es muß folglich ein Satyren- Schreiber, der das Ungluͤck hat, vor einen Veraͤchter der Religion gehalten zu werden, ein Greuel in jedermans Augen seyn. Es ist niemand, der sich nicht verbunden achten solte, wieder einen solchen Menschen zu ey- fern. Ein solcher Eyfer stehet allen recht- schaffenen Christen sonderlich wohl an, und kan bey vielen aufrichtig seyn. Allein er ist es nicht bey allen. Viele wenden ihn nur vor, damit man sie vor Leute halten moͤge, denen die Schrift und Religion vor andern lieb ist; und bey den meisten muß er demjeni- gen Mitleiden, das sie mit den Thoren hegen, zum Deckmantel dienen. Jch ( o ) Jch will hier nicht untersuchen, ob der Hr. Pꝛofess. Philippi hat wohl gethan, daß er es auch so ge- macht. Eyfer, den man wieder einige in dem Bri- ontes vorkommende Ausdruͤckungen hie und da bezeuget, aus so boͤsen Quellen herfliesse, oder ob er aufrichtig sey. Er mag meinent- wegen beschafen seyn, wie er will. Jch sa- ge nur, daß es kein uͤbler Fund von dem Hn. Prof. Philippi sey, daß er, an statt sich durch ei- ne unmoͤgliche Vertheidigung seiner begange- nen Fehler noch laͤcherlicher zu machen, uͤber Religions-Spoͤttereyen zu seufzen angefan- gen. Er hat dadurch wenigstens so viel zu wege gebracht, daß Leute, denen es entweder an Zeit gefehlet, den Briontes selbst zu lesen, oder auch die Faͤhigkeit gemangelt, dessen Sinn einzusehen, den Verfasser dieser, sonst so belieb- ten Satyre, vor einen Veraͤchter der Schrift und gottlosen Menschen halten. Mir koͤnnte dieses freilich gleich viel gelten. Warum es aber der Verfasser nicht lei- den koͤnne, und den Ur- heber des Briontes vertheidi- ge? Jch kenne diesen ungenannten Scribenten so wenig als den Hn. Prof. Philippi: Allein die Liebe, die ich meinem unbekannten Nech- sten so wohl, als denen, die ich kenne, schul- dig bin, bewegt mich, den Verfasser des Bri- ontes von einem so unbilligen Verdacht zu befreyen, und denen, welche ihn einer Gott- losigkeit beschuldiget, ihre Uebereilung aufs glimpflichste vorzustellen. Jch halte dieses um so viel noͤthiger, weil so gewaltige Verdre- hungen unschuldiger Worte, als diejenige, wodurch man aus einigen Stellen des Bri- ontes Religions-Spoͤttereyen erpresset, vielen O 2 Un- ( o ) Unfug anrichten, und ehrlichen Leuten Ver- druß machen koͤnnen, und hoffe demnach es werde mein Unternehmen, welches auf die Rettung der Unschuld zielet, von keinem, der Entschul- digung an den Leser. die Billigkeit liebet, getadelt werden. Nur will ich meine Leser ersuchen, daß sie es mir nicht uͤbel, oder zur Einfalt deuten, wenn ich Dinge widerlege, die es kaum zu verdienen scheinen. Die Schuld ist nicht meine, son- dern derer, die vor gut befunden haben, so schwache Beweißthuͤmer ihrer Beschuldigung vorzubringen. „Quod si fortè inepta vide- „bor \& oppidò frivola velle defendere, il- „lis debet ea res vitio verti quibus turpe „est … hæc objectasse: non mihiculpæ „dari, cui honestum erit … hæc diluisse. Apulejus in Apologia p. m. 442. Beweiß, daß der Verfasser des Bri- ontes ein Religions- Spoͤtter, ist sehr schwach. Meine Untersuchung der Gruͤnde, wodurch man darthun will, daß in dem Briontes Re- ligions-Spoͤttereyen enthalten sind, braucht dieser Entschuldigung unumgaͤnglich. Denn es sind diese Gruͤnde von Hertzen schwach, und zeugen von einer grossen Verzweifelung; da- her ich auch niemand als den Herrn Prof. Philippi vor den Urheber derselben halten kan. Unpartheyische Leser des Briontes sehen leicht, daß die Stellen, die man als verdaͤchtig ange- geben hat, nichts in sich fassen, das auch dem eigensinnigsten und heiligsten aͤrgerlich schei- nen koͤnne. Worin die Religions- Es sind diese Stellen drey. Der Ver- fasser des Briontes soll ein Religions- Spoͤtter ( o ) Spoͤtter seyn, 1) Weil er in dem Vorbe- Spoͤtterey- en bestehen sollen. richt gleich zu Anfange sagt: Die Gesellschaft der kleinen Geister habe einige Aehnlichkeit mit der unsichtbaren Kirche; 2) Weil er meint, man koͤnne erhoͤrlich beten, oder mit GOtt reden, ohne daß man noͤthig ha- be, den Psalter und die Offenbahrung Jo- hannis auszupluͤndern: Und endlich 3) weil er von Paulus Entzuͤckung aͤrgerlich und veraͤchtlich redet. Es wird mir ein leichtes seyn, augenschein- lich darzuthun, daß in diesen angefuͤhrten Stellen nichts boͤses enthalten ist. Jch will sie zu dem Ende nach der Reihe untersuchen. Ehe ich aber weiter gehe finde ich noͤthig, Vorlaͤufi- ge Erinne- rung, wie die Leser dieser Schrift be- schaffen seyn sollen. nachfolgende Erklaͤrung zu thun. Der Bri- ontes ist eine Satyre, in welcher von Anfang biß zu Ende eine immerwaͤhrende Jronie herr- schet. Jch setze also solche Leser voraus, die nicht allein in der Schule gelernet haben, was eine Jronie sey, sondern auch die Faͤhigkeit, und die Lust besitzen, diese Figur, wann sie hoch getrieben, und lange fortgesetzet wird, gebuͤh- rend einzusehen. Wer nun entweder so bloͤ- des Verstandes ist, daß er den verborgenen Sinn einer Jronie nicht zu erreichen ver- mag, oder auch so schwermuͤthig, daß er al- len Schertz vor suͤndlich haͤlt, und in den unschuldigsten Schriften, wenn sie nicht nach der Salbung schmecken, nichts als Greuel entdecket, der wisse, daß ich vor ihn nicht schreibe. Mit solchen Leuten habe ich nichts O 3 zu ( o ) zu thun, und ich sehe gern, wenn sie meine Schrift nicht lesen. Odi profanum vulgus, \& arceo. Horat. Lib. III. Od. I. Jch bin nicht gedungen sie klug zu machen. Doch will ich ihnen, aus gutem Hertzen ei- nen Raht geben, dabey sie sich wohl befin- den werden. Sie wuͤrden meiner Meinung nach, kluͤglich handeln, wenn sie gar keine Satyren lesen, oder doch wenigstens durch ein unbesonnenes Urtheil ihre Schwaͤche nicht verriethen. Die Schwachen, Einfaͤl- tigen und Bloͤden muͤssen sich an ihren Ku- bach halten, und die Schwermuͤthigen wer- den in Wudrians Creutz-Schule, und in der Betrachtung der vier letzten Dinge mehr Trost und Erquickung finden. Wollen aber diese letzten doch manchmahl eine Sa- tyre lesen, so muͤssen sie vorhero den Geist der Traurigkeit, der sie unruhig macht, be- schwoͤren, und den Gratien ein Opfer bringen. Lascivientem si quis indigné ferat Musam jocari, læta cum protervitas, Insonsque ludus lene tormentum ad movet Calamo calenti, Gratiis litet prius Seniumque ponat, quam poëticas fores Irrumpat invenustus agrestisque homo. Baudius Jambic. Lib. I. p. m. 13. Man ( o ) Man siehet aus dieser vorlaͤufigen Erin- Ablehnung der ersten Beschuldi- gung, daß der Verfas- ser des Bri- ontes der unsichtba- ren Kirche gespottet habe. i nerung, was ich vor Leser verlange. Sind nun dieselbe so beschafen, als ich es wuͤnsche, so werden sie ohne Muͤhe sehen, daß zum we- nigsten die Laͤster-Worte, die der Verfasser des Briontes wieder die unsichtbare Kirche geredet haben soll, so gar groß nicht sind. Er sagt: “Die Gesellschaft der kleinen Geister haben einige Aehnlichkeit mit deꝛ unsichtbaren„ Kirche, weil sie in der gantzen Welt ausge-„ breitet sey, und doch niemand sagen koͤnne, sie-„ hehie oder da ist sie.” Diese Vergleichung kom̃t gewissen Leuten anstoͤssig vor, und man spricht der Verfasser des Briontes treibe sein Gespoͤt- te mit der unsichtbaren Kirche. Jch gestehe, dieses waͤre eine That, die nicht zu billigen. Aber ich begreife nicht, warum man dem Verfasser des Briontes so boͤse Absichten bey- misset. Mich deucht es ist ofenbahr, daß es ihm niemahlen in den Sinn gekommen sey, der unsichtbaren Kirche zu spotten. Er giebt sich vor ein Mitglied der Gesell- 1) Die Ver- gleichung der Gesell- schafft der kleinen Gei- ster mit der unsi chtba- ren Kirchẽ ist dem Cara- cter des Verfassers des Brion- tes gemaͤß. schaft der kleinen Geister aus, und dieser ange- nommene Caracter verbindet ihn, von seiner Gesellschaft die hoͤchsten Begrife zu haben. Wie kan man ihm denn verdencken, daß er die- selbe, um sie recht groß zu machen, mit einer so ehrwuͤrdigen Sache, als die unsichtbare Schaar der wahren Glaͤubigen ist, verglichen hat? Es stehet ihm dieses so wohl an, daß ich vor meine Person diese laͤcherliche Vergleichung, und die gantze Vorrede vor das Beste in dem O 4 Bri- ( o ) Briontes halte. Ja es wuͤrde ihm wohl an- stehen, wenn auch die Vergleichung noch wunderlicher und verwegener waͤre, als sie in der That ist. Denn, da er, seinem Vorge- ben nach, zu der Gesellschaft der kleinen Geister gehoͤret; diese Gesellschaft aber die Unterdruͤ- ckung der gesunden Vernunft, und die Ein- fuͤhrung der wahnsinnigsten Schwaͤrmerey zum Endzweck hat, so wuͤrde er seine Pflicht gemaͤß gehandelt haben, wenn er gleich aufs aͤrgste geschwaͤrmet haͤtte. 2) Hat ih- ren guten Grund. Allein so bedarf er dieser Entschuldigung gar nicht. Seine Vergleichung, wie unge- woͤhnlich sie auch ist, hat doch ihren guten Grund. Sie gruͤndet sich auf zweene Saͤtze, an deren Wahrheit niemand zweifelt. Denn daß GOtt allenthalben die Seinen habe, ist so gewiß, als daß die gantze Welt voller Nar- ren ist. Stultorum plena sunt omnia. Jch frage die Herren, welche sich an der, von dem Verfasser des Briontes angestellten Verglei- chung aͤrgern, ob sie diese beyden Saͤtze nicht eben so wohl vor wahr halten als der Verfas- ser des Briontes? Sie werden mir unstreitig mit ja antworten; und ich glaube es ist kein Glied der unsichtbaren Kirche, das nicht eben der Meinung seyn solte. Die unsichtbare Kirche selbst wird also nimmer leugnen koͤn- nen, das zwischen ihr und der Gesellschaft der kleinen Geister in Ansehung der weitlaͤuftigen Ausbreitung eine Aehnlichkeit sey; und folg- lich kan sie sich unmoͤglich vor beleidiget ach- ten, ( o ) ten, wenn von ihr etwas gesaget wird, wel- ches so wahr ist, daß sie es selbst gestehen muß. Wie ist es dann moͤglich, daß es Leute geben koͤnnen, die sich eingebildet haben, die unsicht- bare Kirche sey von dem heillosen Verfasser des Briontes so ehrenruͤhrig angegrifen, daß sie es nimmer auf sich sitzen lassen koͤnne? Doch Warum sie den einfaͤl- tigen verdaͤchtig vorkom- me? und das Mitlei- den des Verfassers mit diesen guten Leu- ten. ich mercke wohl, wo dieser Jrrthum herruͤh- ret. Die guten Leute stehen in dem Wahn, es sey allemahl ein unehrerbietiges, und oft fuͤndliches und aͤrgerliches Verfahren, wenn man etwas grosses ehrwuͤrdiges und heiliges, und eine geringe nichtswuͤrdige und veraͤchtli- che Sache auf gewisse Maasse mit einander vergleichet. Jch gestehe diese Einbildung ist ziemlich einfaͤltig, und hat bey vielen vieleicht eine kleine Boßheit zum Grunde. Es schei- net also, diejenigen, welche das Ungluͤck ha- ben, von so boͤsen Gedancken geplaget zu wer- den, verdienten kaum, daß man sich bemuͤhe, sie auf den rechten Weg zu bringen: Allein da es gar wohl moͤglich ist, daß Leute, die bey einem ausserordentlich zaͤrtlichen Gewissen ein sehr geringes Maaß von Verstands-Kraͤf- ten besitzen, aus guter Meinung auf solche Grillen verfallen: So kan ich es nicht uͤber mein Hertz bringen, diesen bloͤden Seelen den- jenigen Unterricht zu versagen, dessen sie so sehr beduͤrfen, und ohne welchen sie allezeit Gefahr laufen, ihr Gewissen zu verletzen, ih- ren Naͤchsten zu beleidigen, und sich selbst laͤ- cherlich zu machen. Meine verstaͤndige Leser O 5 werden ( o ) werden es mir nicht unguͤtig deuten, daß ich sie eine Weile mit Kleinigkeiten aufhalte. Stehet es doch bey ihnen, dieselbe uͤberzuschlagen. Daß die verdaͤchti- ge Verglei- chung er- laubet sey, wird be- wiesen 1) durch Gruͤnde, Es mercken demnach alle diejenigen, die es nicht wissen, daß, gleich wie in der gantzen Welt nicht zwey vollkommen aͤhnliche Dinge anzutreffen, also auch nicht zwey Dinge zu fin- den sind, die nicht e ini ge Aehnlichkeit mit einan- der haben solten. Es mag demnach eine Sache so geringe, so klein, so nichtswuͤrdig, so ver- aͤchtlich seyn als sie will, so wird sie doch etwas an sich haben, worinnen sie mit einer hoͤhern, groͤssern, und ehrwuͤrdigern uͤberein koͤmmt: Und es ist nichts so groß, so hoch, so vornehm, so ehrwuͤrdig und so heilig, das nicht in einem Stuͤcke mit geringen und niedrigen Dingen einige Aehnlichkeit haͤtte. Diese Aehnlichkeit hebt den wesentlichen Unterscheid zwischen dem grossen und kleinen, hohen und niedrigen, ehrwuͤrdigen und ver- aͤchtlichen gar nicht auf: Und folglich ist es falsch, daß derjenige, der etwas grosses und ehrwuͤrdiges mit einer geringen und nichts- wuͤrdigen Sache auf gewisse Maasse verglei- chet, allemahl den Vorsatz habe, das grosse zu verkleinern, und das ehrwuͤrdige laͤcherlich zu machen. So lange eine solche Vergleichung den wesentlichen Unterscheid dieser Dingen nicht angreiffet, so lange ist dieses nicht zu vermuthen. Legt man aber einer grossen und ehrwuͤrdigen Sache, die man mit einer geringen und ver- aͤchtlichen vergleichet, diejenige Eigenschaft bey, welche ( o ) welche eben die gringe und veraͤchtliche Sache gering und veraͤchtlich macht, so wird die Ver- gleichung der grossen und ehrwuͤrdigen nach- theilig. Jch erlaͤutere das, was ich jetzo gesaget habe 2) durch Exempel. mit Exempeln. Die Apostel Petrus und Pau- lus sagen, des Menschen Sohn werde kommen als ein Dieb in der Nacht. Diese Ver- gleichung lesen wir ohne Aergerniß. War- um? Weil die Aehnlichkeit, so die heiligen Ur- heber derselben zwischen des Menschen Sohn und einem Diebe wahrnehmen, nur die unver- muthete Ankunft, und nicht eine Eigenschaft eines Diebes betrift, die ihn just zum Diebe macht. Ein Dieb ist darum kein Dieb, weil er unangemeldet koͤmmt. Wer aͤrgert sich wohl, wann ein Hof-Prediger auf der Cantzel sagt: Ein Koͤnig ist vor GOtt nichts mehr als der geringste Bettler? Die Ursache ist die- se: Weil man wohl siehet, daß der Koͤnig darum doch Koͤnig, und der Bettler ein Bett- ler bleibt; ob sie gleich darinn einander aͤhnlich sind, daß sie beyde GOtt vor ihren Herrn er- kennen muͤssen. Wolte ich aber sagen, der Koͤnig gleiche dem geringsten seiner Untertha- nen darinn, daß er, wenn er wieder die Gesetze handelt, eben so wohlstrafbar sey, als ein ande- rer, so wuͤrde ich seine Majestaͤt beleidigen, weil diese Vergleichung den wesentlichen Unter- scheid zwischen einem Koͤnig und seinen Un- terthanen aufhebet. Wenn ( o ) Der Ver- fasser des Briontes vergleicht nicht die unsichtba- re Kirche mit der Ge- sellschaft der klei- nen Gei- ster, son- dern diese mit jener. Wenn demnach der Verfasser des Briontes gesagt haͤtte; die unsichtbare Kirche sey der Gesellschaft der kleinen Geister sehr aͤhnlich, weil sie, eben wie diese, aus lauter elenden und wahnsinnigen Gliedern bestuͤnde; so haͤtte er unverantwortlich geredet, und ich wolte den ersten Stein wieder ihn aufheben. Allein so hat er nicht einmahl die unsichtbare Kirche mit der Gesellschaft der kleinen Geister, sondern die- se mit jener verglichen. Die Schwachen mer- cken diesen Unterscheid. Sie koͤnnen von mir lernen, daß es nicht einerley, ob ich im Schertz eine ehrwuͤrdige und erhabene Sache mit einer veraͤchtlichen und niedrigen, oder diese mit je- ner vergleiche. Denn ob gleich jenes, nach- dem die Sache beschaffen, nicht allemahl un- zulaͤssig seyn wuͤrde; so giebt es doch gewisse Dinge, mit welchen man keinen Schertz trei- ben muß. Die unsichtbare Kirche verdient, daß man sie in diese Classe setze. Aber hat denn der Verfasser des Briontes mit derselben seinen Schertz getrieben? Jst es sein Endzweck, sich auf Unkosten der unsichtbaren Kirche lustig zu machen? Legt er ihr die Eigenschaften der Gesellschaft der kleinen Geister bey, um sie zum Schertz kleiner und geringer zu machen? Der Augenschein giebt, daß er dieses nicht gethan hat. Diese Ver- gleichung ist der un- sichtbaren Kirche nicht Eine verstellte Verkleinerung grosser und ehrwuͤrdiger Sachen ist nicht so angenehm, als die Erhebung geringschaͤtziger und veraͤcht- licher Dinge. Das Bildniß eines Riesen mit einer ( o ) einer kleinen Peruͤcke und mit einem kleinen schimpf- lich. Degen vergnuͤgt das Gesicht bey weiten nicht so sehr als die possierlichen Figuren des Zwer- gen-Cabinets; Und ich wuͤrde nicht gelachet haben, wenn der Verfasser des Briontes seinen Witz durch eine laͤcherliche Erniedrigung der unsichtbaren Kirche haͤtte zeigen wollen. Allein dieses ist seine Absicht im geringsten nicht. Er will nicht die unsichtbare Kirche klein, sondern die Gesellschaft der kleinen Geister durch eine Vergleichung mit der unsichtbaren Kirche groß machen. Und dieses thut er auf eine so bescheidene Art, daß die unsichtbare Kirche in ihren Wuͤrden bleibt. Denn diejenigen Eigenschaften, in Ansehung welcher der Ver- fasser des Briontes die Gesellschaft der kleinen Geister mit der unsichtbaren Kirche vergleichet, ich meine die Unsichtbarkeit und weitlaͤuftige Ausbreitung, sind der unsichtbaren Kirche so wenig eigen, daß sie dieselbe vielmehr, ihrer Ehre unbeschadet, nicht nur mit der Gesell- schaft der kleinen Geister, sondern so gar mit den Spitz-Buben und Beutelschneidern ge- mein hat. Wie kan man demnach sagen, die unsicht- Daß der Verfasser des Brion- res keine boͤse Ab- sicht ge- habt, be- wiesen 1) durch ein Gleichniß. bare Kirche sey geschimpfet? Was thut es ihr, daß, ausser ihr, noch andere unsichtba- re, und in der gantzen Welt ausgebreitete Ge- sellschaften sind? Solte es eine Suͤnde seyn, etwas zu sagen, das so unstreitig ist als dieses? Oder spottet man der unsichtbaren Kirche, wenn man durch eine, ihrem Ansehen gar nicht nach- ( o ) nachtheilige, Vergleichung mit derselben die grosse und verborgene Menge der Thoren dem Scheine nach, ich weiß nicht wie hoch, erhebet, in der That aber laͤcherlich macht? Jch solte es nicht meinen. Wenn mir die Lust ankaͤme, zum Lobe der Schwein-Schneider eine Rede zu schreiben, und in dieser Rede meine Helden mit den Koͤnigen zu vergleichen, weil dieselbe eben so wohl als der groͤsseste Monarch Nase und Ohren haben, solte dann wohl ein so wahn- witziger Tyrann unter den Grossen dieser Welt zu finden seyn, der sich durch diese Verglei- chung beleidiget achten solte? So weit ist es noch nicht gekommen, und ein unschuldiger Schertz ist allemahl erlaubet gewesen. 2) durch Exempel. Man hat Reden, die zum Lobe des Esels, der Lauß, des Flohes, der Blindheit, des vier- taͤgigen Fiebers u. s. w. verfertiget sind, und was diese Reden, beliebt machet, ist hauptsaͤch- lich dieses, daß die Urheber derselben denen Kleinigkeiten, von welchen sie geschrieben, Ei- genschaften groͤsserer Sachen, auf eine so pos- sierliche Art, beyzulegen gewust haben, daß man nothwendig uͤber ihre Einfaͤlle lachen muß. Wer hat aber jemahlen sich daran geaͤr- gert, oder diese aufgeweckte Koͤpfe in dem Ver- dacht gehabt, als suchten sie diejenigen Dinge, mit welchen sie ihre Kleinigkeiten verglichen laͤcherlich und veraͤchtlich zu machen? Fortse- tzung die- ses Bewei- ses. Jch habe in den Arlequinianis ein Gedicht gelesen, welches zum Lobe der Kraͤtze gemacht, und voller possierlichen Vergleichungen ist. Der ( o ) Der Verfasser dieses Gedichts vergleicht eine kraͤtzige Hand mit den Thuilleries, und spricht: Quel plaisir, quelle joye égale Celle de visiter sa galle Lorsque l’ on a quelque loisir? Deux mains diversement fleuries Par cent objets divers viennent plaire à nos yeux. Et ces objets delicieux Valent au moins les Thuilleries. Er ist noch nicht zufrieden, daß er die Kraͤtze mit den Thuilleries in Vergleichung gezo- gen hat. Er wagt sich auch an die Grossen, und niemand ist so vornehm, dem derjenige, der die Kraͤtze hat, nicht gleich zu schaͤtzen sey. Un galeux, schreibt er, est par tout distin- gué respecté Comme un homme de qualite, Par exemple vent-il manger ou boire, Il a toûjours son fait à part, Toûjors son verre est à l’ écart, Aucun ne le prophane, \& n’y porte la bouche On n’ose toucher ce qu’il touche. Ja endlich sagt er gar, die Kraͤtze, sey zu allen Zeiten ein Bild der Weisheit gewesen, sie mache die Leute klug, und habe eine grosse Aehnlichkeit mit der Philosophie. De plus la galle de tout temps Fut un Simbole de Sagesse, Un ( o ) Un proverbe des vieilles gens Deja tout usé de vieillesse, En prouve fort bien la Noblesse; Tout ainsi que trop galler cuit, Tout de même trop parler nuit. Tu connois bien par ce langage, Que la galle reud l’ homme sage Qu’elle instruit de bonne facon, Et qu’ avec la philosophie. Elle a tres grande Simpathie. S. die Arlequiniana, p. 96. 68. 99. Schluß daraus. Man siehet, daß die Thuilleries, die Gros- sen, ja die Weisheit selbst, alles, was sie schoͤ- nes und ehrwuͤrdiges an sich haben, hergeben muͤssen, um eine so garstige und scheußliche Sache, als die Kraͤtzeist, groß und annehmlich zu machen. Niemand hat aber darum dem Verfasser dieses Gedichtes Schuld gegeben, er verachte die Thuilleries, laͤstere alle Leute von hohem Stande, und treibe sein Gespoͤtte mit der Welt-Weisheit. Und ich moͤchte dem- nach wohl wissen, womit es der Verfasser des Briontes verdienet hat, daß man mit ihm so unbillig verfaͤhret. Mich deucht, wo es unver- nuͤnftig ist, einen Menschen, der im Schertz sa- get: Die Kraͤtze habe viele Aehnlichkeit mit der Philosophie, in dem Verdacht zu haben, er treibe sein Gespoͤtte mit der Welt-Weisheit, so ist es gleichfals thoͤrigt gehandelt, einem an- dern, der im Lachen sagt: die Gesellschaft der kleinen Geister habe einige Aehnlichkeit mit der un- ( o ) unsichtbaren Kirche, eine Verspottung der Ge- meine der Heiligen beyzumessen. Es thut hierwieder nichts, daß die Welt- Ein Ein- wurf wird beantwor- tet, und be- wiesen, wie unglaub- lich es sey, daß der Verfasser des Brion- tes der un- sichtbaren Kirche spotten wollen. Weisheit bey weiten nicht so heilig und ehr- wuͤrdig ist als die unsichtbare Kirche. Denn wenn ich dieses gleich zugebe, so wird doch uͤberhaupt wahr bleiben, daß es eine Unbillig- keit sey, einem Menschen, der etwas kleines, mit dem, was groß ist, aus Possen, vergleichet, Schuld zu geben, seine Absicht gehe dahin, das grosse zu verkleinern. Hat aber der Verfasser des Briontes in Ansehung der unsichtbaren Kirche diese boͤse Absicht gehabt, so will ich ger- ne gestehen, daß ein naͤrrisches Vorhaben nim- mer naͤrrischer ausgefuͤhret sey als dieses. Er sagt nicht das geringste, woraus man mer- cken koͤnne, daß er der unsichtbaren Kirche habe einen Stich geben wollen. Jch weiß aber nicht, ob dieses von einem Spoͤtter zu vermuthen, der eine so beissende Schreib-Art hat. Er wuͤrde es gewiß mercklicher gemacht haben; und da dieses nicht geschehen, so faͤllt die Thorheit, die man ihm beymisset, auf seine Anklaͤger zu- ruͤcke. Was mag aber nun diese Leute wohl bewo- Ursachen, warum ei- nige dieses geglaubt, samt deren Unzulaͤng- lichkeit, uñ dem Cara- cter solcher Leute. gen haben, in Ansehung des Verfassers des Briontes die Regeln der Billigkeit und der Vernunft so sehr zu uͤberschreiten? Meinen sie etwan, es sey doch gleichwohl eine Schande, daß er der unsichtbaren Kirche in seiner schertz- haften Schrift erwehnet? Jch glaube fast, daß sie solche Gedancken haben. Allein wo- P mit ( o ) mit wollen sie beweisen, daß die unsichtbare Kirche so heilig und ehrwuͤrdig sey, daß man mit Furcht und Zittern von ihr reden, und so- gar ihren Rahmen nicht anders als auf dem Catheder, der Cantzel, oder hoͤchstens nur in ei- ner Erweckungs-Rede nennen muͤsse? Die unsichtbare Kirche ist von Hertzen demuͤthig, und verlanget nicht, daß man unnoͤthige Com- plimente mit ihr mache, und eine abgeschmack- te Behutsamkeit gegen sie gebrauche. Jch glaube also nicht, daß sie das, was der Ver- fasser des Briontes von ihr gesagt, uͤbel genom- men hat. Sie ist so empfindlich nicht. Sie be- stehet aus Gliedern, die alle gerne leiden, wenn sie jemand schilt, wenn sie jemand schlaͤget, ja wenn man sie gar schindet, und ihnen ins An- gesicht streicht: Sie wuͤrde also, wenn sie gleich wuͤrcklich beleidiget waͤre, die ihr angetha- ne Schmach in der Stille verschmertzen, und desfalls keine Weitlaͤuftigkeit machen, und die Herren, mit denen ich hier zu thun habe, wer- den mir demnach nicht verdencken, wenn ich einigen Zweifel hege, ob die unsichtbare Kir- che ihnen Vollmacht ertheilet habe, ihre Ehre zu retten. Jch kan nicht leugnen, ihr Eyfer koͤmmt mir verdaͤchtig vor, weil ihm die Klugheit feh- let: Und sie selbst scheinen mir etwas hitziger vor der Stirne zu seyn, als wahre Glieder der unsichtbaren Kirche es zu seyn pflegen. Jch bit- te sie demnach um Vergebung, daß ich sie noch zur Zeit nicht vor Glieder der unsichtbaren Kir- che ( o ) che halten kan. Jch thaͤte es gern: Aber ih- re Sprache verraͤth sie, und das wunderbare Urtheil, das sie von den Absichten des Ver- fassers des Briontes faͤllen, giebt zu erkennen, daß sie wuͤrdige Glieder derjenigen Gesellschaft sind, welche dieser Scribent in der Person des Hn. Prof. Philippi, so empfindlich betruͤbet hat. Sie verdienen also kein Gehoͤr, weil sie par- theyisch sind: und keine Antwort, wenn sie vor die Ehre der unsichtbaren Kirche eyfern, mit der sie keine Verwandschaft haben. Was bekuͤmmern sie sich um Dinge, die sie nicht an- gehen? Culpa est immiscere se rei ad se non pertinenti. Pomponius L. 36. ff. de divers. reg. jur. Sie koͤnnen es als eine Hoͤflichkeit ansehen, daß ich mir ihrentwegen so viel Muͤhe gegeben habe, und es soll mich diese Muͤhe nicht verdriessen, wenn sie nur nicht vergeblich angewendet ist. Jch will das Beste hoffen, und mich wieder Antwort auf die an- dere Be- schuldi- gung von Auspluͤn- derung der Schrift. zu derjenigen Art meiner Leser wenden, denen mein weitlaͤuftiges Geschwaͤtz nothwendig Verdruß erwecken muß, weil sie meines Unter- richts nicht beduͤrfen, und die vor sich klug ge- nug sind zu begreifen, daß der Verfasser des Briontes der unsichtbaren Kirche nicht in ihre Ehre geredet habe. Von diesen vernuͤnftigen Leuten habe ich nun auch die Hoffnung, daß sie sich an die in dem Briontes vorkommende Aus- druͤckung von Auspluͤnderung des Psalters und der Offenbahrung Johannis um so viel weniger stossen werden. P 2 Der ( o ) Wahre Vorstel- lung der Sache. Der Herr Prof. Philippi hatte seine Ge- daͤchtniß-Rede auf die Koͤnigin von Pohlen mit einem Gebet beschlossen, und in einer An- merckung erwehnet, daß er dabey auf die Knie niedergefallen waͤre. Er hatte auch allen und je- den diese, wider den Wohlstand lauffende, pha- risaͤische Gauckeley, als ein sonderbar heiliges Verfahren, zur Nachahmung angepriesen. Wie aber nun der Hr. Philippi wohl vorher gesehen, daß viele uͤber eine so ungewoͤhnliche und unzeitige Andacht lachen wuͤrden, so hatte er zum voraus alle diejenigen, die das Hertz ha- ben wuͤrden, seine Scheinheiligkeit zu tadeln, oh- ne Umschweif vor Religions-Spoͤtter erklaͤ- ret, und also seine begangene Thorheit durch eine Grobheit rechtfertigen wollen, und Feh- ler mit Fehler gehaͤufet. Es ist nicht zu verwundern, daß der Ver- fasser des Briontes ihn davor zu gebuͤhrender Strafe gezogen, und ihm durch den Spoͤtter, den er p. 32. redend einfuͤhret, die Wahrheit fein derbe hat sagen lassen. Alles, was dieser Spoͤtter sagt, ist vernuͤnftig; Nur koͤmmt es einigen bedencklich vor, daß er unter andern sagt: Er koͤnne mit GOtt reden, ohne daß er noͤthig habe den Psalter und die Offenbah- rung Johannis auszupluͤndern. Der Aus- druck von Auspluͤn- derung der Schrift ist nichtwider die Schrift, Jch begreiffe nicht, was sie in diesem Aus- druck anstoͤssiges finden. Es ist wahr, der Verfasser des Briontes haͤtte nicht noͤthig ge- habt, sich desselben in seiner Sermocination zu bedienen. Sein Zweck war nicht, die in- nerliche ( o ) nerliche Beschafenheit der philippischen- sondern wider die gezwunge- ne Art schriftmaͤs- sig zu be- ten gerich- tet. Seufzer zu untersuchen; sondern nur zu zei- gen, daß der Hr. Prof. Philippi keine Ursache gehabt, diejenigen, so uͤber seine ungewoͤhnli- che und unzeitige Andacht lachen wuͤrden, vor Religions Spoͤtter zu schelten. Da aber der Hr. Prof. Philippi, so viel ich mich erinnere, auch biblische Redens-Arten in seinem Gebet angebracht hat, so glaube ich, daß der Verfasser des Briontes, dem es vieleicht geschienen, als habe der Hr. Prof. Philippi die aus der Schrift entlehnte Stellen uͤbel und unfoͤrmlich zusam- men gehaͤnget, dadurch bewogen worden, dar- uͤber zu spotten. Jch bekuͤmmere mich wenig, ob der Hr. Prof. Philippi wuͤrcklich die bibli- schen Spruͤche ungeschickt zusammen gesetzet hat. Es mag der Verfasser des Briontes sich dieses ohne Ursache eingebildet haben. Jch ge- be sie daruͤber zusammen, und sage nur so viel, daß es unbillig sey, den Verfasser des Briontes darum einer schlechten Ehrerbietung gegen die H. Schrift zu beschuldigen, weil er das Ver- fahren solcher Leute, die sich einbilden, sie muͤ- sten ihre Gebeter aus allerhand zusammen ge- stoppelten biblischen Spruͤchen auf eine wun- derliche Art zusammen flicken, eine Auspluͤn- derung der Schrift nennet. Denn da dieser Ausdruck nur die That solcher Personen als thoͤrigt vorstellen soll, so tritt der Verfasser des Briontes dadurch der Schrift, welche sich nur leidend dabey verhaͤlt, im geringsten nicht zu- nahe. P 3 Solte ( o ) Eine solche Bet-Art ist aberglaͤu- bisch, und fliesset nicht aus den Lehren unserer Kirchen. Solte es nun aber eine so grosse Suͤnde seyn, daß der Verfasser des Briontes von Leuten et- was hoͤnisch redet, die so uͤbel in ihrem Chri- stenthum unterrichtet sind, daß sie glauben, sie muͤsten nothwendig die Sprache Canaans mit GOtt reden, und ihr Gebet werde nicht erhoͤ- ret, wo sie nicht ihres Hertzens Anliegen mit solchen Worten vortruͤgen, deren sich ehedes- sen der Koͤnig David auch bedienet? Jch glaube es nicht: Denn eine solche Einbildung setzt einen nicht geringen Aberglauben voraus, und aller Aberglaube ist laͤcherlich. Jch weiß wohl, unsere GOttes-Gelehrten rathen, man solle, so viel moͤglich mit Worten der Schrift reden, wenn man betet. Allein dieser Rath, wie gut und vernuͤnftig er auch an sich seyn mag, ist doch kein Gesetze. Er verbindet niemand, so lange unsere GOttes-Gelehrte den Worten der Schrift noch keine magische Kraft beyle- gen; und ich wuͤste nicht eine Lehre unserer Kir- che, aus welcher die Nothwendigkeit einer so gezwungenen Art zu beten fliessen sollte. Unschuld und wahre Absicht des Verfassers des Brion- tes. Der Verfasser des Briontes ist demnach weder ein Luͤgner, noch ein Ketzer wenn er spricht: daß er mit GOtt reden koͤnne ohne daß er noͤhtig habe, den Psalter und die Of- fenbahrung Johannis auszupluͤndern. Er redet auch nicht uͤberhaupt von denen veraͤcht- lich, die mit Worten der Schrift beten. Jch sehe nicht warum man ihn in dem Verdacht haben will, als wenn er allen Gebrauch bibli- scher Redens-Arten vor unerlaubt und thoͤrigt ausge- ( o ) ausgeben wolle. Eben der Ausdruck von Auspluͤnderung des Psalters und der Ofen- bahrung Johannis zeiget, daß er nur wieder eine gezwungene und aberglaͤubige Zusam- menraspelung Biblischer Spruͤche, und deren unfoͤrmliche und abgeschmackte Verbindung in einem Gebete rede. Wer kan ihm verden- cken, daß er eine so laͤcherliche Bemuͤhung, schriftmaͤssig zu beten, vor den nechsten Weg zu demjenigen Geplapper ansiehet, vor wel- chem Christus seine Juͤnger warnet? Mich deucht, man kan von einem auf solche Art eingerichtetem Gebete eben das sagen was Au- sonius in der Vorrede zu seinem Centone nuptiali p. m. 174. von solchen Centonibus uͤberhaupt sagt: “ Peritorum concinnatio miraculum: imperitorum junctura ridi-„ culum.„ Jch wende mich zu der dritten Beschuldi- Antwort auf die dritte Be- schuldi- gung, daß der Verfas- ser des Bri- ontes von Pauli Ent- zuͤckung veraͤchtlich geredet. gung. Diese bestehet darinn, daß der Verfas- ser des Briontes von der Entzuͤckung Pauli veraͤchtlich geredet hat. Lasst uns sehen, ob diese Anklage bessern Grund habe, als die beyden vo- rigen. Es scheinet, man habe den Verfasser des Briontes hier auf frischer That ertappet. Er spricht ausdruͤcklich: Paulus sey so klug wieder gekommen als er hingegangen. Dieses klingt veraͤchtlich, und ist allemahl ein Vorwurf, den ungeschickte Bothen hoͤren muͤssen. Allein es hat nichts zu bedeuten, und dient die- se Beschuldigung weiter zu nichts als die P 4 Billig- ( o ) Billigkeit meiner Forderung zu beweisen, da ich gleich anfangs solche Leser verlangte, die faͤ- hig waͤren, den verborgenen Sinn einer Jronie zu erreichen. Haͤtten diejenigen, welche in dem, das der Verfasser des Briontes von Paulo sagt, ich weiß nicht was vor Greuel finden wol- len, diese Faͤhigkeit besessen, so wuͤrden sie nim- mer ein so unbilliges Urtheil gefaͤllet haben. Jch muß ihnen also das Verstaͤndniß oͤfnen. Wahre Vorstel- lung der Sache. Sie werden sich zu erinnern belieben, daß der Verfasser des Briontes, ehe er sich an dem Apostel Paulus so unverantwortlich vergreift, von derjenigen Stelle der sechs Philip- pischen Reden handelt, woselbst der Herr Prof. Philippi sagt: “Die unterirrdigen „Grotten waͤren durch die Ankunft einer „preißwuͤrdigsten Goͤttin, (ein Titel, welchen „er den Koͤnigin von Pohlen giebt), begluͤck- „seeliget worden.” Um diese wunderliche Aus- druͤckungen laͤcherlich zu machen, spricht er: “Es scheine, der Herr Philippi glaube, daß „ein Redner, wie ein Staats-Mann, ohne „Weib, Schaam und Religion seyn muͤsse. Weil es nun sein Endzweck ist, alle Thorheiten des Hn. Prof. Philippi zu loben, so faͤhrt er fort, und sagt: “Dieses sey eine vortheilhaf- „te Einbildung; denn der Hr. Prof. Philip- „pi komme dadurch zur Erkaͤnntniß solchet „Geheimnisse, die auch denen Heiligsten ver- „borgen geblieben. Er beweiset dieses mit ei- ner Stelle aus der Lob-Rede, die der Hr. Prof. Philippi auf dem Koͤnig von Pohlen gehalten hat, ( o ) hat, und in welcher er sagt: “Er habe durch das Anschauen dieses grossen Printzen ein Bild„ bekommen, wie die Auserwehlten im ewigen„ Leben durch das Anschauen GOttes am„ hoͤchsten werden begluͤckseeliget werden.” Man kan nicht leugnen, daß dieses eine abge- schmackte Schmeicheley. Der Verfasser des Briontes durfte aber nicht gerade zu sagen, daß der Hr. Prof. Phlippi geschwaͤrmet habe. Dieses waͤre seinem Caracter nicht gemaͤß ge- wesen. Er lobt also den Hn. Prof. Philippi auch in diesem Stuͤck. Er preiset ihn gluͤckseelig: Aber auf eine so haͤmische Art, daß die schoͤnen Sa- chen, die er dem Hn. Philippi sagt, diesem ungluͤckseeligen Redner hoch genug zu ste- hen kommen. Seine wahre Absicht ist, durch ein verstelltes Lob die Thorheit, die er dem Hn. Philippi beymisset, so hoch zu treiben, daß sie handgreiflich, und dem Hn. Philippi selbst scheußlich werden moͤge. Zu dem Ende nen- net er es eine gemeine Rede, wenn Paulus sagt, es habe kein Auge gesehen, kein Ohr gehoͤ- ret, und sey in keines Menschen Hertz kommen was GOtt bereitet hat, denen die ihn lieben. Er geht noch weiter, und verachtet diesen gros- sen Apostel gegen den Hn. Philippi. “Pau- lus, spricht er, sey biß in den dritten Himmel„ entzuͤckt worden, aber er sey so klug wieder ge-„ kommen, als er hingegangen. Wenn dem„ Hn. Philippi dieses Gluͤck begegnen solte,„ wuͤrde er uns weit schoͤnere Sachen erzehlen;„ weil er aus dem blossen Anschauen seines„ P 5 Landes ( o ) „Landes-Vaters mehr gelernet, als Paulus „im Paradiß. Er faͤhrt fort, und sagt: „Man solte aus den Worten des Hn. Phi- „lippi fast schliessen, daß Paulus nur immer „zu Hause bleiben, und seine weite Reise spa- „ren koͤnnen. Die Ab- sicht des Verfassers des Brion- tes ist un- schuldig. Jn dieser Stelle soll nun das Verbrechen stecken, dessen man ihn beschuldiget. Jch muͤste aber einen uͤbeln Begrif von dem Ver- stande meiner Leser haben, wenn ich nicht glaubte, sie wuͤrden, ohne mein Erinnern, se- hen, daß alles, was der Verfasser des Brion- tes von Paulus sagt, nichts, als eine unge- reimte Folge sey, die er aus den Worten des Hn. Prof. Philippi ziehet. Diese Verkleine- rung der Entzuͤckung Pauli, und der Vor- zug, den der Verfasser des Briontes seinem Helden vor diesem Apostel giebt, gereicht eben dem Hn. Prof. Philippi zur groͤßsten Schan- de, und soll ihn als einen Menschen vorstellen, der Zeug schwatzet, aus welchem man schliessen solte, er halte sich hoͤher, als den Apostel Pau- lus. Denn der Verfasser des Briontes schliesset so: Jst es wahr, daß der Hr. Prof. Philippi, wie er sagt, durch das Anschauen des Koͤniges von Pohlen ein Bild bekommen, wie die Auserwehlten im ewigen Leben durch das Anschauen GOttes am hoͤchsten werden begluͤckseeliget werden, so folgt, daß es falsch, was Paulus von der Unmoͤglichkeit einer sol- chen Erkaͤnntniß in diesem Leben sagt. Es folget, daß der Hr. Prof. Philippi durch das Anschauen ( o ) Anschauen seines Koͤniges kluͤger geworden, als Paulus durch seine Entzuͤckung. Denn Paulus, nachdem er wieder zu sich selbst ge- kommen, kunnte sich so grosser Einsichten nicht ruͤhmen, als der Herr Prof. Philippi durch das Anschauen seines Koͤniges bekom- men zu haben vorgiebt. Er gestehet aufrich- tig, er habe nicht gewust, wie ihm geschehen, und unaussprechliche Worte gehoͤret. Es folget also weiter, daß, wo es moͤglich hier auf dieser Welt zu einem Begrif der Freude jenes Lebens zu gelangen, die Entzuͤckung Pauli| un- nuͤtz und vergeblich gewesen ist. Dieses ist die Meinung des Verfassers des Sein Aus- druck in Ansehung der Entzuͤ- ckung Pau- li ist seinem Caracter gemaͤß, und iro- nisch. Briontes, die einem jeden, nothwendig in die Augen fallen muß, der seine Schrift mit Bedacht lieset. Jch vor meine Person finde dar- inn nichts aͤrgerliches, und traue meinen Lesern nicht zu, das sie durch die eintzige Ausdruͤckung: Paulus sey so klug wieder gekommen, als er hingegangen, sich bewegen lassen werden, an- ders zu urtheilen. Jch bekenne, es ist dieses eine veraͤchtliche Umschreibung der unaus- sprechlichen Worte, wovon Paulus re- det: Allein mich deucht auch, daß ein so ver- aͤchtlicher Ausdruck in dem Munde des Ver- fassers des Briontes ungemein wohl stehet, weil die Absicht desselben war, den Apostel Pau- lus und dessen Erkaͤnntniß von dem Zustande jener Welt gegen den Hn. Prof. Philippi, und seine Erleuchtung gering zu machen. Wenn er noch veraͤchtlicher geredet haͤtte, waͤre es nicht ( o ) nicht unrecht gewesen, und niemand, der weiß, was eine Jronie ist, wuͤrde sich daran geaͤrgert haben. Man siehet leicht, daß der Verfasser des Briontes nicht uͤber die Entzuͤ- ckung Pauli spottet. Es ist sein Vorsatz nicht, diesen grossen Apostel recht im Ernst zu verklei- nern. Was er veraͤchtliches von ihm sagt, ist, seiner Meinung nach, eine Folge des wunder- baren Einfalls, den der Hr. Prof. Philippi uͤber das Anschauen seines Koͤniges gehabt hat, und man muß demnach, wo man billig ver- fahren will, alles, was man in seinen Anmer- ckungen aͤrgerliches, greuliches und gottloses findet, auf des Hn. Philippi Rechnung setzen. Dieser ausserordentliche Redner muß, wo er nicht eine Thorheit begangen haben will, be- haupten, er habe durch das Anschauen seines Koͤniges mehr gelernet, als Paulus im Para- diß: Paulus sey so klug wieder gekommen als er hingegangen, und er habe also nur immer zu Hause bleiben koͤnnen. Dieses meint der Ver- fasser des Briontes, folge aus derjenigen Stel- le der Philippischen Lob-Rede auf den Koͤnig in Pohlen, welche er laͤcherlich machen will. Weil er aber nicht gerade heraus sagt, daß die- ses seine Meinung ist, so hat er das Ungluͤck, daß die Einfaͤltigen ihn des Verbrechens beschul- digen, welches er dem Hn. Philippi aufbuͤrden will. Der Ver- fasser des Briontes thut dem Es wird ihm diese Beschuldigung bey klu- gen Leuten wenig schaden, und dahero goͤnne ich es ihm recht gern, daß er so angelaufen ist. Er ( o ) Er hat es an dem Hn. Prof. Philippi wohl Herrn Prof. Phi- lippi unrecht. verdienet. Denn er thut ihm unrecht. Es hat, so viel mir wissend, dieses noch niemand angemercket; Weil der Einfall des Verfassers des Briontes was Blendendes an sich, und der Hr. Prof. Philippi das Ungluͤck hat, daß man gern das aͤrgste vom ihm glaubt. Aber ich bin unpartheyisch, und lasse einem jeden Recht wiederfahren. Jch habe den Verfas- ser des Briontes vertheidiget, und muß also auch ein Wort vor den Hn. Prof. Philippi reden. Der Herr Verfasser des Briontes wird mir dieses nicht uͤbel nehmen. Da er sich berechtiget haͤlt, andern Leuten ihre Fehler auf die empfindlichste Art zu zeigen, so muß mir dieses in Ansehung seiner auch erlaubt seyn. Jch habe demnach die Ehre, ihm mit aller Hr. Prof. Philippi wird ver- theidiget. Bescheidenheit zu sagen, daß er die Worte des Hn. Prof. Philippi, uͤber welche er hier spot- tet, nicht recht angesehen, und folglich seine Einfaͤlle, die er daruͤber hat, wie sinnreich sie ihm und andern auch scheinen moͤgen, keinen Grund haben. Er bildet sich ein, der Herr Prof. Philippi ruͤhme sich, daß er durch das Anschauen des Koͤniges von Pohlen einen deutlichen Begrif von der Freude der Seeligen in jener Welt bekommen habe: Und diese Ein- bildung hat ihn verfuͤhret, den Hn. Prof. Phi- lippi als einen Menschen abzubilden, der sich hoͤher und kluger halte, als den Apostel Pau- lus. Allein der Hr. Prof. Philippi ist wahr- lich in diesem Fall unschuldig. Er sagt nicht, daß ( o ) daß er durch das Anschauen des Koͤniges von Pholen einen deutlichen und vollstaͤndigen Be- grif von der Freude jenes Lebens bekommen; sondern er spricht nur, daß er dadurch ein Bild bekommen, wie die Auserwehlten im ewigen Leben durch das Anschauen GOttes am hoͤch- sten werden begluͤckseeliget werden. Was findet der Hr. Verfasser des Briontes daran zu tadeln? Jst es nicht ofenbahr, daß der Hr. Prof. Philippi nichts mehr thut, als daß er von dem kleinern aufs groͤssere schliesset? Da mir, will er gleichsam sagen, der blosse Anblick ei- nes Koͤniges, der nur ein sterblicher Mensch ist, ein so grosses Vergnuͤgen gegeben, wie groß und unaussprechlich muß denn nicht die Freude der Auserwehlten im ewigen Leben seyn, die das Gluͤck haben, GOtt selbst von Angesicht zu Angesicht zu schauen? Der Ver- fasser des Briontes bekoͤmmt einen Ver- weiß. Was ist an diesem Schlusse auszusetzen? Er ist so gruͤndlich, als erbaulich. Mich deucht daher, der Hr. Verfasser des Briontes habe sich zur Unzeit daruͤber lustig gemacht, und er haͤtte fuͤglich alles, was er davon gesagt, bey sich behalten koͤnnen. Die Entzuͤckung Pauli schickte sich hieher nicht. Jch wundere mich, daß der Hr. Verfasser des Briontes dieses nicht eingesehen hat. Leute seiner Art solten billig be- hutsamer seyn, und sich nicht durch eine gar zu grosse Begierde zu spotten verleiten lassen, Din- ge vorzubringen, die den Stich nicht halten. Jch wolte es ihm nicht verdencken weñ ihn die Noth gezwungen haͤtte, auf so ungegruͤndete Spoͤtte- reyen ( o ) reyen zu verfallen: Allein so konnte es ihm nim- mer an Materie zu spotten gebrechen; weil er es mit einem Manne zu thun hatte, uͤber welchen auch seine aͤrgsten Feinde nicht klagen koͤnnen, daß er ihnen nicht genugsame Bloͤsse gebe. Er kan also den Fehler, welchen er hier begangen, mit nichts entschuldigen, und ich befuͤrchte nicht, daß er meine, desfalls gethane, Erinne- rung uͤbel deuten werde. Jch habe vielmehr das Vertrauen, er werde, nach seiner Scharf- sinnigkeit, das Urtheil, welches ich uͤber seine Spoͤtterey faͤlle, so gegruͤndet, und billig finden, als dasjenige, das andere von seinen Absichten gefaͤllet haben, ungegruͤndet und unbillig ist. Jch bilde mir ein, dieses letzte auf eine un- wiedertreibliche Art dargethan zu haben, und hoffe demnach, daß diejenigen, so aus Einfalt oder Boßheit den Verfasser des Briontes vor einen Religions-Spoͤtter ausschreyen, sich schaͤmen, und andere, die den Klagen der Einfaͤltigen, und dem unvernuͤnftigen Ge- schrey der Thoren ohne Untersuchung Gehoͤr geben, hinfort behutsamer seyn werden. Nachdem ich nun deutlich erwiesen, daß Ob der Briontes aus an- dern Ursa- chen straf- bar? die Satyre Briontes der juͤngere nicht mit entsetzlichen Religions-Spoͤttereyen angefuͤl- let ist, so gehe ich weiter und untersuche, ob denn diese Schrift aus einem andern Grunde straf- bar sey. Wenn eine Schrift nichts in sich fasset, so Was eine Schrift strafbar mache? und wieder die Religion laͤuft, so kan sie nicht an- ders strafbar und unzulaͤssig seyn, als wenn sie entweder ( o ) daß der Briontes nicht eh- tenruͤhrig. entweder aufruͤhrisch oder auch den guten Sitten, und dem guten Leumund und ehr- lichem Nahmen eines Menschen nachtheilig ist. Daß der Briontes nicht mit Religions- Spoͤttereyen angefuͤllet sey, habe ich, deucht mich, klaͤrlich dargethan: daß er der Ruhe des Staats, und den guten Sitten zuwieder sey, wird vermuthlich niemand, ja der Hr. Prof. Philippi selbst nicht sagen. Es ist also nichts mehr uͤbrig, warum diese Satyre strafbar seyn koͤnne, als weil der Hr. Prof. Philippi darinn auf eine ehrenruͤhrige und paßquillanti- sche Art angegriffen ist. Nach den Titeln der sieben neuen Versuche zu urtheilen, mit welchen der Hr. Prof. Philippi der gelehrten Welt drohet, so stehet der Hr. Prof. wuͤrcklich in dem Wahn und es giebt uͤberdem so einfaͤlti- ge Leute, die sich einbilden, eine jede Spoͤtterey, ein jeder lustiger Einfall, sey eine strafbare Mif- sethat, und die dahero gantz wunderlich von dem Briontes urtheilen. Jch werde also nicht uͤbel thun, wenn ich so wohl dem Hn. Prof. Philippi seinen Wahn benehme, als auch die andern Unwissenden, Einfaͤltigen, Bloͤden und Schwachen unterrichte, und sie auf den rechten Weg bringe. Boͤse Scri- benten ha- ben unrich- tige Be- grife von der Ehre. Es wird zu dem Ende noͤthig seyn, daß ich ihnen einen rechten Begrif von der Ehre gebe, und untersuche, wie weit die Obrigkeit vor die Ehre ihrer Unterthanen zu sorgen, und diesel- be zu beschuͤtzen verbunden ist. Die boͤsen Scribenten haben von diesen Dingen gantz eigene ( o ) eigene Gedancken, und ihre Menge giebt ihnen Gelegenheit, dieselbe weit auszubreiten, und viele, die nicht wohl auf ihrer Hut sind, damit anzustecken. Jch verstehe durch die boͤsen Scribenten Was ei- gentlich boͤse Scri- benten sind? nicht alle Leute, in deren Schriften Jrrthuͤmer und Thorheiten enthalten. Wenn ich es so genau nehmen wolte, so wuͤrde man gar keine gute Scribenten haben. Alle Menschen koͤnnen irren, und irren auch wuͤrcklich. Viele an sich kluge und verstaͤndige Maͤnner werden durch die Erziehung, und andere Umstaͤnde, die nicht in ihrer Gewalt sind, verleitet und gleichsam ge- noͤhtiget, allgemeine Thorheiten, die den Schein der Weisheit haben, in ihren Schristen zu ver- theidigen. Sie koͤnnen dieses aus guter Mei- nung, und aufrichrig thun: Aber man kan sie nicht unter die boͤsen Scribenten rechnen, so lange sie nur bloß ihren besten Fleiß anwenden, allgemeine Thorheiten, als heilsame Lehren vor- zustellen. Denn sie koͤnnen dem ungeachtet, Proben von ihrem guten Verstande geben, und wenn sie dieses thun, so ist es nicht ihre Schuld, daß sie nichts kluͤgers vorbringen, sondern ein Fehler der Materie, von welcher sie schreiben. Jch verstehe auch durch die boͤsen Scriben- ten nicht alle diejenigen, denen es an Ordnung, Deutlichkeit und einer zierlichen Schreib-Art mangelt. Denn solche Leute koͤnnen die Maͤn- gel, so man in ihrem Vortrage und an ihrer Schreib-Art wahrnimmt, durch die herrlichen und vortreflichen Sachen, die sie vorbringen, Q oft ( o ) oft doppelt ersetzen. Sondern boͤse Scriben- ten sind, nach meinem Begrife, diejenigen, welche allerhand abgeschmackte Grillen, und laͤppische Einfaͤlle, die ihnen eigen sind, und de- ren Thorheit alle Leute, die nur ihre fuͤnf Sin- ne haben, begreifen koͤnnen, in einer albernen und scheußlichen Schreib-Art so verworren und undeutlich vortragen, daß man mit Haͤn- den greifen kan, daß sie nicht wohl unter dem Hut verwahret sind, und daß sie selbst nicht wissen, was sie haben wollen. Boͤse Scri- benten von laͤcherli- chem Ehr- geitz, wer- den im ge- meinen Le- ben nichts geachtet, und war- um sie Buͤ- cher schrei- ben? Diese Ungluͤckseelige werden allemahl bey ihrer tieffen Unwissenheit, oder doch nur sehr magern und unordentlichen Wissenschaft, von einer laͤcherlichen Ehrgierde geplaget: und die- se Verbindung so koͤstlicher Eigenschaften setzt allezeit eine so elende Mischung der Afecten voraus, welche alle diejenigen, die das Ungluͤck haben, so gebohren zu werden, gemeiniglich auslachenswuͤrdig und veraͤchtlich macht. Solche Leute sind, ordentlicher Weise zu allen Geschaͤften im buͤrgerlichen Leben untuͤchtig, weil es ihnen an Witz und Muth gebricht, und, da ihre Aufuͤhrung laͤcherlich ist, so sind sie ein Spott aller, mit denen sie umgehen. Dieses daͤmpft ihren Hochmuth nicht, und ist lange nicht hinlaͤnglich, die Einbildung, im geringsten zu mindern, die sie von ihrem Verstande, und von ihrer Weisheit haben. Sie seufzen uͤber die blinde Welt, und raͤchen die Schmach, die sie von derselben leiden, an dem unschuldigen Pa- pier. Sie sperren sich ein, und schreiben Buͤcher, in ( o ) in der Hofnung durch diesen Weg zu demjeni- gen Grad der Ehren und des Ansehens zu gelan- gen, welchen sie durch Verrichtungen, die dem gemeinen Wesen nuͤtzlich, und durch eine kluge Aufuͤhrung, die sie im gemeinen Umgange be- liebt und angenehm machen koͤnnte, sich nicht zu erreichen getrauen. Sie thun wohl daran. Denn gedruckte Thorheiten haben ein besseres Ansehen, als diejenigen, welche muͤndlich vorgetragen werden, und die Fehler einer Schrift fallen nicht so sehr in die Augen, als die Laͤcherlichkeit einer That, uͤber welche auch die Ungelehrten urtheilen. Die boͤsen Scri- benten nehmen das Wesen grosser Schreiber an sich, und blenden dadurch die Einfaͤltigen. Der groͤsseste Haufe stehet in dem Wahn, wer ein Buch geschrieben hat, der muͤsse gelehrt und folglich klug seyn, und richtet seine Urtheile darnach ein. Un sot trouve toûjours un plus sot qui l’ admire. Boileau. Art. poët. p. 167. Und es mangelt also den boͤsen Scriben- Boͤse Scri- benten sind empfind- lich, und ruffen die Obrigkeit um Huͤlfe an, wenn sie gestrie- gelt wer- den. ten niemahls an Bewunderern. Diese Be- wunderung der Thoren uͤberschuͤttet sie mit un- aussprechlicher Freude, weil sie sich einbilden, sie wuͤrden dadurch auf den hoͤchsten Gipfel der Ehren gesetzet. Wie muß es sie demnach nicht schmertzen, wenn ein unbescheidener und unbarmhertziger Spoͤtter die Dreistigkeit hat, ihnen die Larve Q 2 abzu- ( o ) abzuziehen, und einen Spiegel vorzuhalten, welcher ihnen ihre scheußliche Gestalt aufrich- tig vorstellet? Sie sind in solchem Unfall un- troͤstbar, und gerathen in die groͤsseste Wuth. Der Spiegel wird zur Erden geschmissen, mit Fuͤssen getreten, und muß es entgelten, daß sie nicht besser gebildet sind. Sie indessen duͤncken sich doch schoͤn, und heissen denjenigen, der ih- nen durch einen Liebes-Dienst, den sie nimmer genug erkennen koͤnnen, zu der Erkaͤnntniß ih- rer selbst Anleitung geben wollen, einen Pas- quillanten und einen Ehren-Dieb. Sie thun klaͤglich, und stimmen ein jaͤmmerliches: Porro Quirites! an. Denn Ehre verlohren, alles verlohren. Sie suchen Himmel und Erde ge- gen ihren Feind zu bewegen, und geberden sich nicht viel kluͤger, als jener Gecke in der Fabel, der von einem Floh gebissen wurde. S. Les Fables de M. de la Fontaine Liv. II. Fab. 5. Denn wie dieser es dem Hercules verwieß, daß er die Welt auch nicht von dem ihn plagen- den Ungeheuer befreyet haͤtte, und vom Jupiter verlangte, seinen Peiniger mit Donner und Blitz zu vertilgen, so rufen sie die Obrigkeit um Schutz an, und nehmen es uͤbel, wenn diese ih- rem Jammer ohne Erbarmung zusiehet, und dem Frevel ihrer Verfolger nicht steuret. Thun thoͤ- richt dar- an. Allein sie muͤssen wissen, daß ihr Geschrey unvernuͤnftig, und ihre Forderung unbillig ist. Die Obrigkeit ist schuldig in allen Stuͤcken vor das wahre Beste ihrer Unterthanen zu sorgen: Aber, sie koͤmmt, wo sie klug ist, den thoͤrig- ten ( o ) ten Begierden derselben nicht zu Huͤlffe. Sie sorget wohl vor die Gesundheit ihrer Unter- thanen, aber sie ist nicht schuldig, ihnen gute Schmincke zu verschafen. Sie bessert die Wege aus, zum Besten der Reisenden; aber nimmer erstreckt sich ihre Vorsorge so weit, daß sie sich bemuͤhen solte, die Luft-Schife zur Vol- kommenheit zu bringen, um gewissen Gecken den Weg nach dem Mond zu bahnen. Die boͤsen Scribenten sind demnach gar nicht berechtiget, von der Obrigkeit zu verlan- gen, daß sie sich in ihre Haͤndel mischen, und sie bey derjenigen Ehre schuͤtzen solle, welche sie durch ihre laͤcherliche Schriften sich erlanget zu haben einbilden. Es ist wahr, die Obrigkeit muß nicht zuge- ben, daß auch der geringste ihrer Unterthanen an seinem ehrlichen Nahmen, und guten Leu- mund angegrifen werde: Aber sie ist nicht ver- pflichtet, den thoͤrigten Hochmuth ihrer Buͤr- ger zu naͤhren. Die Ehre bestehet uͤberhaupt in der guten Was die Ehre sey? und ihre Grade. Meinung, die andere von uns, und unserm Thun und Lassen haben. Jhr wird entgegen gesetzet die Schande, welche also nichts anders ist, als die boͤse Meinung, die man von uns und unsern Thaten heget. Unsere guten und boͤ- sen Thaten sind nicht alle gleich gut und gleich boͤse: Folglich hat auch die Ehre, die uns dar- aus erwaͤchset, ihre gewisse Grade. Wer auf der untersten Stuffe der Weisheit stehen blei- bet, und sich begnuͤget, die Regeln der Gerech- Q 3 tig- ( o ) tigkeit zu beobachten, von dem sagt man, daß er nicht grund boͤse ist. Dieses Urtheil wuͤrcket nur den untersten Grad der Ehre, der in nichts, als einem Mangel der Schande bestehet, und eigentlich der ehrliche Nahme genennet werden kan. Wer aber weiter gehet, und nicht nur die Regeln der Gerechtigkeit beob- achtet, und sich vor Thaten huͤtet, die aͤusserst boͤse sind, sondern noch daruͤber auch die Re- geln des Wohlstandes und der innerlichen Tu- gend nicht uͤberschreitet, und durch tugend- hafte, und loͤbliche Verrichtungen andern ei- nen vortheilhaften Begrif von sich beybrin- get, der erlanget dasjenige Lob, welches die eigentliche Ehre ausmachet. Wodurch sie ver- schertzet werde? Den ehrlichen Nahmen verliehrt man durch aͤusserst boͤse, und wieder die Gerechtigkeit lauf- fende Thaten, mit einem Worte, durch straf- bare Verbrechen. Dasjenige Lob hergegen worinn die eigentliche Ehre bestehet, wird durch Laster, die nicht bestrafet werden, und durch allerhand menschliche Fehler und Schwach- heiten verschertzet. Wer demnach einen an- dern strafbarer Verbrechen beschuldiget, oder ihm solche Titel beyleget, die uͤberhaupt einen grundboͤsen und unehrlichen Menschen aus- druͤcken, der greift dessen ehrlichen Nahmen an. Ob man ei- nen an sei- nem ehrli- chen Nah- men an- greifen duͤrfe, und Die Frage ist: Ob dieses erlaubt sey? Man muß darauf mit Unterscheid antworten. Da dem gemeinen Wesen daran gelegen, daß das Boͤse nicht ungestraft bleibe, so ist es nicht ver- boten, einen, der ein Verbrechen begangen hat, ( o ) hat, als einen Missethaͤter anzuklagen. Wer was ein Pasqvil- lant sey? den ehrlichen Nahmen seines Naͤchsten auf die- se Art angreifet, der thut nichts boͤses, weil der Angeklagte sich verantworten kan, und also nicht durch die Anklage, sondern durch seine be- gangene Missethat, und das daruͤber gefaͤllte Urtheil des Richters, seinen ehrlichen Nahmen verliehret, und der Anklaͤger, wo er seine Be- schuldigung nicht hinlaͤnglich beweiset, Ge- fahr laͤuft, als ein Calumniant gestraft zu werden. Wenn aber einer sich geluͤsten laͤsset, seinen Mit-Buͤrger ausser Gericht, es sey muͤndlich oder schriftlich solcher Verbrechen zu beschuldigen, auf welche die Strafe der Obrig- keit, und der Verlust des ehrlichen Nahmens nothwendig folgen muß, der begeht eine straf- bare That. Denn unser ehrlicher Nahme fliesset aus der Beobachtung der Regeln der Gerechtigkeit, und aus derjenigen Enthaltung von aͤusserst-boͤsen Thaten, wozu uns die Ge- setze der Obrigkeit verbinden. Ob wir diese Gesetze gehalten haben oder nicht, das ist eine Frage, welche niemand, als die Obrigkeit ent- scheiden kan. Folglich koͤmmt unser ehrlicher Nahme hauptsaͤchlich auf diejenige gute Mei- nung, welche die Obrigkeit von uns hat, und auf das Urtheil an, das sie von unsern Thaten, so ferne dieselbe den Gesetzen unterworfen sind, faͤl- let. Wenn nun einer dieses Urtheil der Obrigkeit nicht erwartet, sondern uns eigenmaͤchtig, auf eine tuͤckische Weise, vor Uebertreter der Gesetze erklaͤret, und unehrlich machen will, so greift Q 4 er ( o ) er der Obrigkeit ins Amt. Denn da es al- lein der Obrigkeit zustehet die Verbrechen zu bestrafen, und diejenigen, welche sie begangen, mit Schande zu belegen, so koͤmmt ihr auch einseitig die Macht zu, zu urtheilen, ob dieser oder jener die auf die Missethaten gesetzte Stra- fe und Schande verdiene. Derjenige, der sich dieser Macht ungebuͤhrlich anmasset, beleidi- get demnach seine Obrigkeit so wohl, als sei- nen Naͤchsten. Jene, weil er ihr Eingrif thut: Diesen, weil er demselben an Ehre, Gut, ja oft an Leib und Leben zu schaden suchet. Die- ses ist nun eine Bosheit, die in den Gesetzen verboten ist, und wer sie in Schriften begehet, der ist ein Pasqvillant, und der schaͤrfsten Stra- fe wuͤrdig. Die Obꝛig- keit sorget vor den ehrlichen Nahmen ihrer Un- teꝛthanen, nicht aber vor einen hoͤhern Grad der Ehre. Aus dem, was ich gesagt habe, ersieht man nun, was ein Pasquillant sey, und daß die O- brigkeit vor den ehrlichen Nahmen ihrer Unter- thanen sorge. Weiter bekuͤmmert sie sich um die Ehre derselben nicht. Dasjenige, was man eigentlich Lob, Ehre und Ruhm nennet, ent- springet, wie ich oben erwehnet, aus der Be- obachtung der Regeln des Wohlstandes, und der innerlichen Tugend, und also aus Thaten, dazu uns die Obrigkeit durch die Gesetze nicht verbindet. Denn die Obrigkeit wuͤnschet zwar, daß alle ihre Unterthanen so tugendhaft seyn moͤchten, als es immer moͤglich ist: Allein da sie durch ihre Macht diesen Wuͤnschen kei- nen Nachdruck geben kan, weil die Tugend keinen Zwang leidet, so begnuͤgt sie sich, durch die ( o ) die ihr verliehene Gewalt den Ausbruch der groͤbsten Bosheit zu verhindern, und ist zu- frieden, wenn ihre Unterthanen die unterste Stafel der Weisheit betreten, und nichts begehen, das mit dem Endzweck der buͤrgerli- chen Gesellschaft streitet. Das uͤbrige stellet sie eines jeden Gutbefinden anheim. Da nun die Ehre aus solchen Thaten entste- her, welche die Obrigkeit in unsere Willkuͤhr stellet, deren Verrichtung sie nicht unumgaͤng- lich von uns fordert, und um deren Unterlas- sung sie uns nicht strafet; so kan man dieselbe als eine Sache ansehen, um welche sich die Obrigkeit wenig bekuͤmmert, und woruͤber sie sich keine Erkenntniß anmasset. Denn da die Obrigkeit, als Obrigkeit, nicht von der Guͤte und Beschafenheit derer Thaten urthei- let, durch welche wir Ehre erlangen, so kan sie auch von der Ehre selbst nicht urtheilen. Sie kan dieselbe niemand geben oder nehmen, son- dern wir haben sie von unsern Mit-Buͤrgern zu gewarten. Auf deren Urtheil von unserer Aufuͤhrung beruhet sie. Ein jeder hat dem- nach die Freyheit von den Thaten anderer Leute, so ferne dieselbe den Gesetzen, und der Erkaͤnntniß des Richters nicht unterworfen sind, seine Gedancken zu sagen. Er kan loben, was ihm gefaͤllt, und tadeln, was ihm nicht an- stehet, ohne Gefahr dem Richter in die Haͤnde zu fallen. So strafbar es demnach ist, seinen Naͤch- Ueber Feh- ler die sten eines Todschlages, Raubes, Diebstahls, Q 5 Ehe- ( o ) nicht straf- bar, kan man spot- ten. Ehebruchs und anderer Verbrechen zu beschul- digen, so erlaubt ist es, ihm solche Fehler bey- zumessen, die nicht bestrafet werden, und sei- nen ehrlichen Nahmen nicht beschmitzen. Jch kan also von einem Menschen sagen, daß er hochmuͤthig, geitzig, argwoͤhnisch, eigensin- nig, lecker in Essen und Trincken, furchtsam, verwegen, ein Verschwender, ein Muͤssig- gaͤnger und Saͤufer sey, ohne daß er mich darum verklagen koͤnnte. Jch habe dieses gleichfals nicht zu besorgen, wenn ich uͤber sei- ne Aufuͤhrung in Gesellschaften spotte. Wer will mir z. E. wehren, uͤber einen geschosse- nen Seladon zu lachen, der mit seiner Clarimene à l’ Hombre spielet, und alle- mahl, wann er die Charten giebt, seine Schoͤne mit verschmachtenden Augen ansiehet, und die Charten, die sie haben soll, aufs zaͤrtlichste kuͤsset? Eine wunderli- che Tracht, ein naͤrrischer Gang, eine ungereim- te und verdrießliche Art zu complimentiren und dergleichen Fehler geben mir gleiches Recht, und uͤberhaupt alle Schwachheiten, die ich je- tzo genennet habe, samt noch vielen andern, die mir nicht beyfallen, koͤnnen ohne Verletzung des ehrlichen Nahmens derer, die zu ihrem Un- gluͤck damit behaftet sind, laͤcherlich gemacht werden. Diese Fehler und Gebrechen sind es e- ben, an welchen ein Spoͤtter seine Kunst bewei- sen kan; Daher sie dann auch Cicero materiem ridiculorum nennet. Er thut es an demjenigen Ort, da er untersuchet, wie weit es einem Red- ner ( o ) ner erlaubet sey zu spotten, qua tenus sint ridi- cula tractanda oratori. Er spricht: “Nec in- signis improbitas \& scelere juncta, nec„ rursus miseria insignis agitata ridetur.„ Facinorosos majore quadam vi, quam„ ridiculi vulnerari volunt: miseros illudi„ nolunt, nisi se forte jactant . . . . . .„ . . . . . itaque ea facillimè luduntur,„ quæ neque odio magno, neque misericor-„ dia maxima digna sunt. Quamobrem„ materies omnis ridiculorum est in istis„ vitiis, quæ sunt in vita hominum neque„ carorum, neque calamitosorum, neque„ eorum, qui ob facinus ad supplicium, ra-„ piendi videntur: eaque belle agitata ri-„ dentur.” Cicero de Oratore Lib. II. Die- se Regel, welche Cicero giebt, gruͤndet sich in dem, was ich gesaget habe, und wer dieselbe nur nicht uͤberschreitet, und in seinem Spotten nicht weiter gehet, als ich es haben will, der ist kein Pasqvillant; er begeht nichts strafbares, weil das, was er thut, zu allen Zeiten erlaubt ge- wesen ist. Noch habe ich nicht gehoͤret, daß um solcher den ehrlichen Nahmen eines Menschen nicht angreifenden Spoͤttereyen willen, viele Jnjurien Processe entstanden sind. Denn wo ist wohl ein so einfaͤltiger Tropf zu finden, der nicht sehen solte, daß er sich durch seine abge- schmackte Klage noch laͤcherlicher machen wuͤr- de? Jst es nun erlaubt, seinem Naͤchsten gewis- Man kan einem Maͤn- se Laster und Gebrechen vorzuwerfen, und dar- ( o ) gel vor- werffen die nicht Wil- kuͤhrlich. daruͤber zu spotten, so wird es noch vielmehr vergoͤnnet seyn, sich uͤber noch geringere Feh- ler lustig zu machen. Unsere wahre Ehre koͤmmt auf die Beschafenheit unsers Willens an. Kan ich nun, ohne ein Pasquillant und Laͤsterer zu werden, meinen Mit-Buͤrger eines verdorbenen Willens beschuldigen, und ihm auf eine beissende Art gewisse Fehler vorruͤcken, die zwar nicht strafbar sind, aber doch die Hoch- achtung, die man sonst vor ihn gehabt hat, ver- ringern, so kan ich um so viel weniger so boͤse Ti- tel verdienen, wenn ich nur uͤber solche Maͤngel spotte, die eben darum, weil sie nicht willkuͤhr- lich sind, demjenigen, der damit behaftet ist, nicht schimpflich seyn koͤnnen. Was die- ses vor Maͤngel sind. Jch rechne zu solchen Maͤngeln die Leibes- Gebrechen, den Mangel zeitlicher Guͤter, die Schwachheit des Verstandes und den Man- gel der Wissenschaft. Jch weiß wohl, die Vollkommenheit des Coͤrpers, der Reichthum, ein scharffer und durchdringender Verstand, und eine grosse Gelehrsamkeit sind Eigenschaf- ten, die demjenigen, der damit begabet ist, oft mehr Ansehen zu wege bringen, als die tugend- hafteste Aufuͤhrung: Aber es ist doch gewiß, daß die wahre Ehre eines Menschen auf diese Eigenschaften nicht beruhet. Es ist so aus- gemacht, daß einer ohne dieselbe ein ehrlicher Mann seyn kan, als es ofenbahr ist, daß oft die aͤrgsten Boͤsewichter dieselbe besitzen. Es giebt auch schoͤne, reiche, verschmitzte und ge- lehrte Buben, die dem ungeachtet, doch nicht werth ( o ) werth sind, daß sie unter ehrlichen Leuten ge- duldet werden. Man kan demnach, ohne was strafbares Von dem Vorwurf der Leibes- Gebrechen. zu begehen, diese Eigenschaften einem Men- schen absprechen. Jch kan sagen: Der Mensch sieht nicht gut aus, er hincket, er schie- let, erhat einen Puckel, einen ungeschickten Fuß, und ich weiß nicht was, ohne daß er sich desfals beleidiget halten, und mich als einen Ehren-Schaͤnder verklagen kan. Ja wenn ich es gleich nicht bey dem blossen Sagen bewen- den lasse, sondern gar uͤber sein Gebrechen spot- te, so muß ers haben, und er wuͤrde ungereimt handeln, wenn er mit mir zum Richter wan- deln, und ihn durch seine Gegenwart uͤberfuͤh- ren wolte, daß ich die Wahrheit geredet haͤtte. Der Hr. Prof. Philippi hat in seiner Thuͤrin- gischen Historie p. 166. in einer Anmerckung, uͤber das stock finstere Gesicht und das Au- gen-Blitzen eines Menschen, den er vie- leicht nicht gewogen ist, gespottet. Wer wolte ihm aber desfals Schuld geben, daß er diesen Menschen an seiner Ehre angegrifen habe? Al- les was man dawieder sagen kan, ist dieses, daß es ein Zeichen eines niedertraͤchtigen Gemuͤhts, und einer thoͤrigten Rachgierde ist, einem Men- schen ein Gebrechen vorzuwerfen, das er vie- leicht nicht heben kan. Und derjenige, auf welchen der Hr. Prof. Philippi zielet, und wel- chen er besser kennet, als ich, wuͤrde ihn, ob ihn gleich der Hr. Philippi als einen tuͤcki- schen Menschen, vor dem man ein Creutz machen ( o ) machen muͤsse, vorgestellet hat, nicht verkla- gen koͤnnen, wenn der Herr Prof. ihn gleich mit Nahmen genennet haͤtte. Von dem Vorwurf der Ar- muth. Jch kan sagen, der Mann ist nicht reich, er ist blut arm, er hat nicht, wo er sein Haupt hinleget, und niemand kan mich desfals stra- fen. Jch bekenne es stehet sehr geringe, einen ehrlichen Mann durch den Vorwurf seiner Ar- muth zu kraͤncken. Allein ich behaupte, daß ein Mensch, der sich nicht schaͤmet, so laͤppisch zu spotten, nicht vor Gericht belanget werden kan. Was will mir ein Edelmann thun, wenn ich ihn einen armen Land-Juncker nenne? Der Juncker kan boͤse werden: Er kan mir mit Schlaͤgen drohen; Er kan seine Drohungen wuͤrcklich ins Werck setzen: Al- lein so wunderlich wird er nimmer seyn, daß er mir einen Proceß an den Halß werfen solte. Es giebt viele arme Ritter, die darum ehrliche Leute sind, und ein armer Land-Juncker ist eben kein Schelt-Wort. Von dem Vorwurf der Tumm- heit und Unwissen- heit, wie auch von dem Nu- tzen dieser Betrach- rungen. Was den Verstand und die Wissenschaft anlanget, so glaube ich, alle Welt werde darinn mit mir einig seyn, daß keiner verbunden sey, ei- nen Menschen vor kluͤger und gelehrter zu hal- ten, als er sich in seinen Reden und Schriften be- zeiget. Mehr sage ich nicht, sondern ich bitte nur diejenigen, die sich etwan eingebildet haben, der Hr. Prof. Philippi sey von dem Verfasser des Briontes auf eine ehrenruͤhrige Art angetastet worden, diese Satyre, mit denen Wahrheiten zusam̃en zuhalten, die ich, zu ihꝛem besten, so deut- lich, ( o ) lich, und um meine Leser, die meiner Unterwei- sung nicht beduͤrfen, nicht verdrießlich zu ma- chen, so kurtz, als es mir nur moͤglich gewesen ist, bißhero vorgetragen habe. Es muͤste viel seyn, wenn sie dadurch nicht erkennen solten, wie uͤbel sie geurtheilet, und wie noͤhtig ihnen ins kuͤnftige die Behutsamkeit in Beurtheilung einer Satyre sey. Jch frage sie: Ob der Verfasser des Bri- Der Ver fasser des Briontes gꝛeiffer den Hr. Philip- pi nicht an seiner Eh- re an, son- dern ur- theilt nur von seinen Schriften. ontes den Hn. Prof. Philippi eines einigen strafbaren Verbrechens, einer eintzigen unred- lichen That beschuldiget habe? Hat er uͤber sei- ne Sitten und Aufuͤhrung gespottet? Hat er seine Person angegriffen, und ihn durch Vor- werfung einiger Leibes-Gebrechen, laͤcherlich machen wollen. Er hat es nicht gethan, und kan seine Tadler dreiste fragen: En blâmant ses écrits, ai-je d’ un stile afreux Distilé sur sa vie un venin dangereux? Boileau Sat. IX. Wie kan man ihm dann Schuld geben, daß er was unzulaͤssiges begangen hat? Wie kan man sagen, der Hr. Prof. Philippi habe grosse Ursache sich uͤber ihn zu beschweren? “Quasi quis illum neget \& bonum virum \& comen„ \& humanum ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ de ingenio ejus„ in his disputationibus non de moribus„ quæritur.” Cicero de Fin. bon. \& mal. Lib. II. Der Hr. Prof. Philippi bleibt ein ehr- licher, braver, feiner, wackerer, und vieleicht auch gelehrter und geschickter Mann; der Ver- fasser ( o ) fasser des Briontes macht ihm diese Ehre nicht streitig. Er hat nur mit seinen sechs deut- schen Reden, und mir seinem Helden- Gedichte zu thun. Diese beyde Schriften beurtheilet er, und weiset, daß der Hr. Prof. Philippi weder ein geschickter Redner noch ein guter Poet sey. Jst dieses nun ein so strafbares Beginnen, daß es die Obrig- keit nothwendig ahnden muͤste? Jst es nicht vielmehr ein erlaubter Gebrauch derjenigen Freyheit, die alle Welt hat, uͤber ein Buch zu urtheilen? Denn … de blâmer des vers ou durs ou lan- guissans, De choquer un Auteur, qui choque le bon sens De railler d’ un plaisant, qui ne sait pas nous plaire C’est ce que tout Lecteur eût toûjours droit de faire Boileau ibid. Wer schreibt un- terwirft sich dem Ur- theil seiner Leser. Ein jeder, der schreibt, unterwirft sich durch die Herausgebung seiner Schrift dem Eigen- sinn seiner Leser. Quiscribit, multos sumit judices, alius in alterius livet ac grassatur ingenium, sagt der heil. Hieronymus Ep. 29. ad Præsidium Diaconum. Wie kan es also ein Scribent uͤbel nehmen, wenn man von seinem Buche seine Meinung sagt? Haͤt- te er doch dasselbe ungedruckt lassen, und vor sich die Vollkommenheit seiner Geburt in aller Stille ( o ) Stille bewundern koͤnnen. So bald er sein Buͤchlein ans Licht giebt, muß er es ihm auch gefallen lassen, daß man es lieset, und nach be- finden davon urtheilet. Die Obrigkeit kan ihn wieder die Urtheile seiner Leser nicht schuͤtzen, noch ihnen eine Freyheit nehmen, die sie, wie die Juristen reden, titulo oneroso besitzen. Wann ich ein Buch kaufe, so erkaufe ich zu- gleich das Recht, davon zu sagen, was ich will. Jch kan es loben, wenn es mir gefaͤllt, und es aufs unbarmhertzigste richten, wenn es mir ab- geschmackt scheinet. Un Auteur à genoux dans une humble preface Au lecteur qu’ il ennuïe a beau deman- der grace II ne gagnera rien sur ce juge irrité Qui lui fait son procés de pleine auto- rité. Boileau idid. Es schickt sich nicht von diesem Gericht an Von die- sem Urtheil kan nicht an die O- brigkeit appelliret werden. die Obrigkeit zu appelliren. Eine kluge Obrigkeit nimmt eine solche Appellation nicht an; Sie erkennet keine Processe, sondern verweiset den thoͤrigten Appellanten ad judi- cem à quo. Die Gelehrten muͤssen ihre Haͤn- del, die sie mit einander haben, unter sich aus- machen. Die Obrigkeit mischet sich nicht darinn; es sey dann, daß es, wenn es zwischen ihnen von Worten zu Schlaͤgen koͤmmt, noͤ- thig sey, Frieden zu gebieten. So lan- R ge ( o ) ge es nur darauf ankoͤmmt, ob eine Lehre wahr oder falsch, ob ein Buch gut, oder schlecht ge- schrieben sey, sieht sie dem Streit gelassen zu, und masset sich keiner Erkaͤnntniß daruͤber an. Solche Streitigkeiten gehoͤren vor die Obrig- keit nicht. Sie lassen sich durch einen Macht- Spruch nicht abthun, und sieh in das Ge- zaͤnck zu mengen, das steht der Obrigkeit nicht wohl an. So tief muß sie sich nicht herunter lassen. Will man sagen, die Obrigkeit koͤn- ne doch beyden Partheyen das Stillschweigen auflegen; So gebe ich zu, daß dieses ihr ein leichtes sey. Allein sie wuͤrde durch ein solches Gebot alle Untersuchung der Wahrheit, und alle Bestreitung des Jrrthums aufheben, das Aufnehmen der Wissenschaften hindern, die Vernunft unterdruͤcken, den Jrrthuͤmern und Thorheiten Platz machen, und bey nie- mand, als albernen und boͤsen Scribenten Danck verdienen. Die koͤnnten alsdann in stoltzer Sicherheit schmieren, und wuͤrden al- le Schaam und Scheu bey seit setzen, und unertraͤglich haußhalten. Wie weit sich die Obrigkeit um das, was in der gelehrten Welt vor- gehet, be- kuͤmmere. Jch sehe nicht, was dieses dem gemeinen Wesen vor Vortheil bringen koͤnne, und glaube demnach, daß die Obrigkeit sehr wol thut, wenn sie sich um das, was in der gelehr- ten Welt vorgehet, nicht weiter bekuͤmmert, als daß sie dahin siehet, daß die Gelehrten nichts lehren, oder schreiben, das dem Staat nachtheilig. Sie kan urtheilen, ob eine Lehre dem gemeinen Wesen nuͤtzlich, oder schaͤdlich ist, und ( o ) und sie also, nach Befinden, entweder verbie- ten, oder frey geben. Sie kan urtheilen, ob ein Buch mit nuͤtzlichen Lehren angefuͤllet, oder ob es Saͤtze in sich fasse, die der allgemeinen Ruhe zuwieder sind. Allein von der Wahr- heit oder Falschheit einer Lehre ein Urtheil zu faͤllen, das koͤmmt ihr nicht zu. Denn der Ver- stand ist keinem Gesetze unterworfen. Ob ein Buch gut, oder schlecht geschrieben; ob einer ein alberner oder kluger und verstaͤndiger Scri- bent sey, das kan sie nicht ausmachen. Die- ses koͤmmt auf den Ausspruch der Kenner an. Die gelehrte Welt hat also vollkommene Ein jeder Gelehrter hat das Recht uͤber die Schrif- ten ande- rer zu ur- theilen. Gewalt, uͤber die Schriften zu urtheilen, die herauskommen, und ein jeder Gelehrter in- sonderheit ist befugt sich dieser Gewalt zu be- dienen. Diese Befugniß fliesset aus der be- sondern Verfassung der Republick der Gelehr- ten. Die Gelehrten haben kein sichtbares Ober-Haupt, und folglich kein sichtbares Tri- bunal, das uͤber ihre Schriften urtheilen koͤnnte. Sie erkennen die Vernunft vor ihre Koͤni- gin, die mit leiblichen Augen nicht zu sehen ist, und es ist kein Gelehrter, der sich nicht einbilde, seine Beherrscherin habe in seinem Gehirne ih- ren Thron aufgeschlagen. Man kan es kei- nem verwehren diese Einbildung zu haben, und folglich auch keinem Gelehrten das Recht ab- sprechen, die Ehre seiner Monarchin, mit wel- cher er so genau vereiniget ist, und an deren Ma- jestaͤt er so viel Antheil hat, wieder alle diejeni- gen zu retten, die er vor ihre Veraͤchter haͤlt. R 2 Da ( o ) Da nun ein boͤser Scribent die Majestaͤt der gesunden Vernunft, als des unsichtbaren Haupts der gelehrten Welt beleidiget, so kan ein jeder Gelehrter ihn desfals abstrafen, ohne daß er sich uͤber Unrecht beschweren koͤnne: Ein solcher Stuͤmper ist, so zu reden, vogelfrey. Es kan ihn schlagen wer ihn findet. Es kan sich niemand beschwe- ren, wenn seine schrift benꝛtheilet wird. Ein Gelehrter nun, der sich dieses, ihm un- streitig zustehenden Rechtes bedienet, thut nichts unrechtes, nemini facit injuriam qui jure suo utitur. Ein boͤser Scribent, der empfaͤhet, was seine Thaten werth sind, darf sich nicht vor beleidiget achten. Er hat nicht Ursach uͤber Gewalt zu schreien. Und dieses um so viel weniger, weil es ihm allemahl erlaubt ist, seine Nothdurft vorzubringen. Die Sententz, die ein Gelehrter uͤber ihn, und seine Schrift gesprochen, wird nicht gleich rechts- kraͤftig. Er kan davon an die gantze Schaar der Gelehrten appelliren; ja er kan, wenn es ihm beliebt, aus eigener Macht, dieselbe vor ungerecht erklaͤren. Es stehet ihm allemahl frey, selbst seine Richter zu richten. Nur koͤmmt es darauf an, daß er wohl richtet. Thut er dieses nicht, so bekraͤftiget er den, wieder ihn gefaͤllten Spruch, und wird immer laͤcherli- cher. Und wenn er sich dann gleich auch noch so uͤbel verantwortet, und zu seiner Vertheidi- gung so ungereimte Dinge vorbringet, daß al- le Welt das Urtheil, wodurch er sich beleidiget achtet, vor gegruͤndet haͤlt, so hat er doch noch vollkommene Freyheit, nicht nur seine un- billige ( o ) billige Richter, sondern auf das gantze mensch- liche Geschlecht auszulachen und sich vor so klug, so weise, so gelehrt, und so vortreflich zu hal- ten, als es ihn immer gut deucht. Dieses wehrt ihm niemand, und er kan versichert seyn, daß es immer einige Narren geben wird, die ihn, Trotz allen Spoͤttern, hochschaͤtzen. Da nun die Urtheile, die uͤber eine Schrift gefaͤllet werden, dem Verfasser derselben nicht einmahl diejenige Ehre, die er in der gelehrten Welt hat, gaͤntzlich rauben koͤnnen; so sehe ich nicht, wie es moͤglich, daß auch die schaͤrfste Censur eines Buches, dem Scribenten, der es verfertiget hat, an seinem guten Leumund, und an derjenigen Ehre nachtheilig seyn koͤnne, die man in der buͤrgerlichen Gesellschaft haben muß, wo man mit einigem Vergnuͤgen in der Welt leben will. Es bedeutet also nichts, wenn einige gar zu mitleidige Personen sagen; “Es sey zwar nicht zu leugnen, daß den Gelehr-„ ten das Recht zustehe, uͤber die Schriften„ ihrer Bruͤder zu urtheilen, und die darinn„ enthaltene Fehler und Jrrthuͤmer anzuzeigen,„ und zu wiederlegen: Allein man muͤsse es„ doch so machen, daß derjenige, den man ta-„ delt, und wiederlegt, bey Ehren bleibe.” Jch begreife nicht, was man durch diese Das Ur- theil so die Gelehrten uͤber eine Schꝛift faͤl- len, nimmt dem Ver- fasser die Ehre nicht, Einschraͤnckung haben will. Die Urtheile der Gelehrten uͤber unserer Schriften koͤnnen uns zwar, nachdem sie beschafen, bey der ge- lehrten Welt in Ansehen, oder in Verachtung bringen: Allein ordentlicher Weise haben sie R 3 ausser ( o ) die er in der buͤrgeꝛ- lichen Ge- sellschaft hat. ausser der gelehrten Welt, keine Wuͤrckung. Unsere Oberen, und die meisten unserer Mit- Buͤrger, nehmen dieselbe nicht als eine Regel an, nach welcher sie ihre gute Meinung von uns einrichten muͤsten. Sie urtheilen von unsern Verdiensten aus andern Thaten, als aus der Verfertigung eines Buches. Unsere Ehre beruhet also nicht auf den Werth unserer Schriften. Man kan diese verachten, oh- ne daß dem Ansehen das geringste abgehet, das wir durch unsere gute Aufuͤhrung uns in der Gesellschaft, in welcher wir leben, erworben ha- ben. Ein Gelehrter, der ein gut Buch ge- schrieben hat, wird darum in gemeinen Leben nicht mehr geehret; er wird nicht vornehmer; er bekoͤmmt keinen groͤssern Rang. Die wenig- sten wissen es, und die es wissen, die achten es nicht. Vermehrt nun ein gut Buch die Eh- re seines Verfassers in der buͤrgerlichen Gesell- schaft nicht, so kan auch ein schlechtes unmoͤg- lich seinen Urheber schaͤnden. Ein solcher Mensch wird dadurch im gemeinen Leben nicht veraͤchtlich. Er behaͤlt alle Ehre, die er sonst gehabt hat, sein Amt, seine Wuͤrde, und alle Vortheile, die er, als ein guter Buͤrger, und tu- gendhafter Mann, verlangen kan. Die Erfah- rung bekraͤftiget, was ich sage, und daher tra- ge ich kein Bedencken zu behaupten, daß kein Urtheil uͤber eine Schrift so strenge, keine Sa- tyre so scharf seyn koͤnne, daß dadurch derjeni- ge, der diese Schrift gemacht, an seiner Ehre Schaden nehmen solte. Jch ( o ) Jch glaube wohl, daß zuweilen ein boͤser Was es vor Scri- benten sind, die auch im ge- meinen Le- ben wegen eines sol- chen Ur- theils laͤ- cherlich werden? Scribent, dem man die Larve abgezogen, und dessen Thorheit jedermann ofenbar gemacht worden, auch dieser wegen im gemeinen Leben von Leuten verspottet und ausgezischet werde, die nicht zur gelehrten Welt gerechnet werden koͤnnen, und die nicht im Stande sind vor sich zu urtheilen, ob die Schriften desjenigen, uͤber dessen Unfall sie sich freuen, taugen, oder nicht: Allein wenn man diejenigen, denen dieses Un- gluͤck begegnet, nur ein wenig genau ansiehet, so wird man befinden, daß es allemahl Leute sind, die sich schon, ehe sie noch unter die Spoͤt- ter gefallen, und von denselben laͤcherlich ge- macht worden, durch ihre abgeschmackte Aufuͤh- rung, und einen laͤcherlichen Stoltz, die Verach- tung ihrer Mit-Buͤrger zugezogen haben. Sol- chen stoltzen, und dabey albernen Phantasten goͤnnt es ein jeder gern, wenn sie gestriegelt wer- den. Man freuet sich daruͤber, und haͤlt sich um so viel mehr berechtiget sie auszulachen. Man sage mir aber, ob diese Art der elenden Schreiber diese Verspottung dem schlimmen Urtheil, das man von ihren Buͤchern gefaͤllet hat, zu dancken habe? Jst es nicht ofenbar, daß alle die Be- wegung, die ein solches Urtheil unter den Ungelehrten erreget, ihren Grund in der vor- hergehenden Aufuͤhrung des Scribenten hat? Haͤtte dieser sonst keine Gebrechen, als daß er eine Schrift verfertiget, in welcher man Feh- ler entdecket, so wuͤrde niemand uͤber ihn lachen, als der faͤhig ist von seiner Schrift zu urtheilen. R 4 Wer ( o ) Dieses be- gegnet kei- nem, der sonst Ver- dienste hat. Wer nut sonst Verdienste hat, die ihn der Hochachtung seiner Mit-Buͤrger wuͤrdig ma- chen, dem wird es wenig an dem Ansehen scha- den, zu welchem er durch seine gute Aufuͤhrung im gemeinen Leben gelanget ist, wenn ihm et- wan eine Schrift nicht geraͤth, und andere Ge- lehrte ihm zeigen, daß er die Sache von welcher er geschrieben, nicht recht verstanden hat. Dieses sind Kleinigkeiten, an welche der ehrliche Nahme, und das Ansehen eines ehrlichen Man- nes nicht haͤnget. Man kan sie ihm vorwerfen, und aufs aͤrgste daruͤber spotten, ohne daß er sich beschweren koͤnne, man nehme ihm seine Ehre, so lange man ihm nur seine andern guten Eigenschaften laͤsset. Es kan einer ein schlech- ter Scribent, und doch dabey ein ehrlicher und dem gemeinen Wesen nuͤtzlicher Mann seyn. Es kan seine Schreib-Art unzierlich und ver- drießlich, hergegen sein Umgang manierlich und angenehm seyn. Es kan in seinem Buche eine grosse Unordnung herrschen; in seinem Hause aber alles wohl zustehen. Es kan seine Wissenschaft geringe, und seine Klugheit und Redlichkeit groß seyn. Mit einem Worte, er kan bey den Schwachheiten, die ihn ver- hindern, in der gelehrten Welt mit Ehren fort- zukommen, alle Tugenden eines ehrlichen Mannes und guten Buͤrgers besitzen, und al- ler Ehren werth seyn. Der Brion- tes schadet der Ehre des Hn. Von dem Hn. Prof. Philippi insonderheit zu reden, so sehe ich nicht ab, wie seine Ehre durch die Spoͤttereyen seines Gegners geschmaͤ- lert ( o ) lert werden koͤnne, und warum sich der Herr Profess. Philippi nicht. Prof. dieses einbilde. Ob ich gleich nicht die Ehre habe, ihn weiter zu kennen als aus seinen sechs deutschen Reden, und dem Hel- den-Gedicht, auf den Koͤnig in Pohlen, so will ich doch hofen, daß er nicht von derjeni- gen Art der Scribenten ist, die, weil sie wenig Hofnung sehen, durch eine vernuͤnftige und kluge Aufuͤhrung die Hochachtung ihrer Mit-Buͤrger zu erlangen, aus Verzweifelung zu einer Handthierung greifen, welche ihnen ein natuͤrlicher Mangel der Beurtheilungs- Kraft, und ein hoher Grad der Unverschaͤmt- heit leichte machet. Ein Scribent von die- sem Schlage schreibt allemahl mit Lust und ohne Muͤhe, und ist ungemein mit sich selbst zufrieden. Un sot en écrivant fait tout avec plaisir, Il n’a point dans ses vers l’embarras de choisir, Et toûjours amoureux de ce qu’il vient d’écrire, Ravi d’étonnement en soi même il s’ad- mire. Boileau Sat. II. Weil er nun hoffet, daß alle seine Leser so ge- sinnet seyn werden, wie er, so haͤlt er sein Schmieren vor den geradesten Weg zum Tempel der Ehren, und suchet seinen Ruhm bloß in seinen Schriften. Es ist gar natuͤr- lich, daß ein solcher Mensch es vor ein ehren- R 5 ruͤhri- ( o ) ruͤhriges Beginnen haͤlt, wenn man seine Schriften tadelt, und daß er denen thoͤrichten Weibes-Personen gleicht, die es nicht so hoch empfinden, wenn jemand ihre Keuschheit in Zweifel ziehet, als wenn man ihnen ihre Schoͤn- heit streitig macht. Einen solchen Scribenten kan der bescheidenste Widerspruch, die feineste und unschuldigste Spoͤtterey ausser sich setzen. Aber der Hr. Prof. Philippi hat keine Ursache sich des Briontes wegen ungebaͤrdig zu stellen, es sey denn, daß er glaube, er koͤnne nicht mit Ehren in der Welt leben, wo ihn nicht jeder- mann vor einen grossen Dichter, und vor ei- nen natuͤrlichen, maͤnnlichen und heroi- schen Redner halte. Es giebt viele ehrliche, geschickte und kluge Maͤnner, die weder grosse Poeten, noch ausserordentliche Redner sind, und doch von jedermann hoch gehalten wer- den, und ich will hofen, daß der Hr. Prof. Phi- lippi noch viele gute Eigenschaften besitzet, die nicht so zweifelhaft sind, als seine Geschicklich- keit in der Beredsamkeit und in der Dicht- Kunst. Er kan ein grosser Welt-Weiser, ein gu- ter Juriste, ein geschickter Advocat seyn, ja ich bin versichert, daß er ein ehrlicher und tugend- hafter Mann ist. Derjenige, der ihn als einen ungeschickten Redner und unertraͤgli- chen Reimer vorgestellet hat, laͤsset ihm, ausser den Ruhm eines Redners und Dichters, alle Verdienste, die ein gelehrter Mann und ehrli- cher Buͤrger haben kan. Was hat er dann zu klagen? Meint er aber, alle seine Ehre gruͤn- de ( o ) de sich auf ein kahles Buch: Fassen seine sechs deutsche Reden alles in sich, was an ihm schaͤtzbar ist, und hat er sonst keine Verdienste, als die aus seinem Helden-Gedichte hervor- leuchten, so beklage ich ihn zwar von Hertzen; allein ich weiß ihm, auf den Fall, keinen bessern Rath, als daß er sein Hauß bestelle, und sich je eher, je lieber, zu seinen Vaͤtern versammle. Aus diesen allen werden meine Leser hoffent- Fernere Beant- wortung des Ein- wurfs lich begreifen, daß diejenigen, mit welchen ich bisher gestritten habe, sich sehr betriegen, wenn sie sich einbilden, eine Satyre, oder eine Censur einer Schrift, koͤnne so scharf seyn, daß sie der Ehre des Verfassers nachtheilig werde. Jch ha- be gewiesen, daß einer ein unertraͤglicher Scri- bent, und doch ein ehrlicher Mann seyn koͤnne. Verstehen aber diese mitleidige Leute durch die Ehre denjenigen Ruhm, den ein Scribent durch seine Schriften erlanget, so gebe ich ih- nen zu, daß unstreitig dieser Ruhm durch eine Satyre, oder andere Widerlegung, geschmaͤ- lert und vernichtet werden koͤnne; allein ich leugne, daß darum eine solche Satyre, oder ei- ne so starcke und nachdruͤckliche Widerlegung allemal unzulaͤssig sey. Jch beweise dieses auf folgende Art. Ein Gelehrter hat eine unumschraͤnckte Ge- Regeln, nach wel- chen sich ein Gelehr- ter in sei- nem walt, uͤber alle Scribenten und ihre Buͤcher zu urtheilen. Es stehet ihm also frey, sie zu richten, wie er sie findet. Wie nun ein jeder Richter in Bestrafung der Boͤsen die Regeln der ( o ) Straf- Amt zu richten der Klugheit und Billigkeit zu beobachten ver- bunden ist, so liegt diese Schuldigkeit einem Ge- lehrten in seinem Richter-Amt auch ob. Al- le Strafe muß nach der Groͤsse des Verbre- chens und nach dem Grad der Bosheit des Missethaͤters eingerichtet seyn, und folglich muß auch ein Gelehrter, wenn er sein Straf- Amt braucht, nicht kleine Fehler so scharf, als grobe Vergehungen bestrafen. Jhm muß immer die Lehre in Gedancken schweben: ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Adsit Regula peccatis quæ pœnas irroget æquas Ne scutica dignum horribili sectêre fla- gello. Horatius Lib. I. Sat. 3. Jn der buͤrgerlichen Gesellschaft werden ei- nige Missethaͤter gezuͤchtiget zu ihrem eigenen Besten, einige hergegen, ohne Absicht auf ihre eigene Besserung, die nicht mehr zu hofen ist, andern zum Schrecken, gestrafet und abge- than. Ein Gelehrter muß also auch wohl uͤber- legen, ob der Scribent, den er verurtheilen will, noch Hofnung der Besserung uͤbrig las- se oder nicht, und darnach die Strafe, die er ihm zuerkennet, mildern oder schaͤrfen. Mit wel- chen Scri- benten man gnaͤ- dig veꝛfah- ren muͤsse? Jch gebe demnach zu, daß ein Gelehrter nicht gleich hinter alle Scribenten, die eine Zuͤchtigung verdienen, mit Staupen-Schlaͤ- gen, und Landes-Verweisung, oder gar mit dem Schwerd her seyn muͤsse. Es giebt Scri- benten, ( o ) benten, deren Verbrechen in einem kleinen Versehen, und in eine Uebereilung bestehen, von welcher kein Gelehrter frey ist. Diese verdienen nicht mehr, als eine Erinnerung, und es waͤre ein Mißbrauch der Gewalt, die ein Gelehrter hat, wenn er wegen des geringsten Fehlers in der Historie, wegen eines falschen Schlusses, wegen einer Uebertretung der Re- geln der Sprach-Kunst, und einiger Unfoͤrm- lichkeit und Ungeschicklichkeit im Vortrage, gleich einen Scribenten mit harten Censuren, scharffen Wiederlegungen, und beissenden Sa- tyren verfolgen, und also entweder schon in Ansehen lebenden Maͤnnern ihren wohlver- dienten Ruhm rauben, oder angehende Scri- benten, die mit aller Sittsamkeit zum ersten mahl in der gelehrten Welt erscheinen, auf ein- mal von allem ferneren Schreiben abschrecken wolte. Jch billige ein so unfreundliches, gro- bes und hochmuͤthiges Verfahren im gering- sten nicht. Non sum, sageich, exjudicibus severissimis, qui omnia ad exactam regu- lam redigam. Multa donanda ingeniis pu- to; Sed donanda vitia, non portenta sunt. Seneca Controvers. Lib. V. p. m. 282. Ein Fehler, der wenig zu bedeuten hat: Ein Jrrthum, der nicht aus einer besondern Dumheit des Scribenten entstehet, sondern ei- nigen Schein hat; eine unliebliche Schreib- Art macht, nach meiner Meinung, nicht gleich ein Buch unertraͤglich, und den Verfasser des- selben auslachens wuͤrdig. Wo ist ein Buch ohne ( o ) ohne Fehler? Und wo findet man einen Scri- benten ohne Jrrthuͤmer? Die Urtheile von der Schreib-Art sind so unterschieden, als der Geschmack der Leser: Und uͤber den Geschmack streitet man nicht. Es koͤmmt auch uͤberdem mehr auf die Sachen, als auf die Worte an, und wenn die Sachen gut sind, so muß man es in Ansehung der Worte so genau nicht neh- men. Man kan auch Thorheiten in schoͤne Worte einhuͤllen, und eine unzierlich vorgetra- gene Wahrheit bleibt doch Wahrheit. Vie- le Scribenten dencken besser, als sie schreiben. Wer wolte sie aber um dieses Fehlers willen hart anfahren? Dieses verdient niemand, als solche Leute, die weder ordentlich dencken, noch ihre Gedancken geschickt, und angenehm vor- tragen koͤnnen. Fieri ‒ ‒ ‒ potest, ut re- ctè quis sentiat, \& id, quod sentit, po- litè eloqui non possit. Sed mandare quen- quam litteris cogitationes suas, qui eas nec disponere, nec illustrare possit, nec delectatione aliqua allicere lectorem, ho- minis est intemperanter abutentis \& otio \& litteris. Cicero Tuscul. Quæst. Lib. I. Und diese Art der Scribenten verdienet eine Zuͤchtigung. Welche kein Mit- leiden ver- dienen? Mit Leuten, die ihre Ungeschicklichkeit so deutlich an den Tag legen, daß man augen- scheinlich sehen kan, wie sie nicht zum Schrei- ben gebohren, die dabey aber so hochmuͤthig sind, daß sie dencken wunder! was sie vor Tha- ten gethan, wenn sie das gelehrte Jsrael durch eine ( o ) eine alberne Schrift uͤber die andere verwirren, und der Jugend ein boͤses Exempel geben, mit solchen Leuten muß man kein Mitleiden haben. Ein verworrener Kopf, der mit dem groͤssesten Trotz in der gelehrten Welt auftrit, und, mit ei- ner unertraͤglichen Verwegenheit der gesunden Vernunft, und dem guten Geschmack den Kꝛieg ankuͤndiget, und dabey so stoltz und aufgeblasen ist, daß er seine portenta und ungeheure Grillen vor herrliche Einfaͤlle, und alle Welt vor so tumm haͤlt, daß sie ihm auf sein Wort glauben werde, er sey ein grosser Redner und Poete, kan also nicht uͤber Unrecht klagen, wenn man Stand-Recht uͤber ihn haͤlt, ihn zum Tode verurtheilet, und durch eine scharfe Satyre, andern zum Abscheu, und zu Verhinderung alles Unfugs, den er durch sein boͤses Exempel anrichten koͤnnte, aus dem Lande der Gelehr- ten vertilget, und also die beleidigte Vernunft raͤchet. Denn an einem solchen Menschen ist alle Hofnung verlohren. Er bessert sich nicht, wenn man ihm gleich seine Fehler noch so deut- lich und glimpflich vorstellen wolte; weil er sich einbildet, er sey vollkommen. Dieses ist eine Schwachheit, die allen Rednern und Poe- ten natuͤrlicher weise anklebet. Ein jeder bil- det sich ein, er sey der Beste, und diejenigen, die es am wenigsten Ursache haben, sind in diesem Fall am allerunertraͤglichsten. Will man mir nicht glauben, so hoͤre man, was Cicero aus der Erfahrung sagt: Nemo nunquam, spricht er Epist. ad Atticum Lib. XIV. Ep. 23. neque ( o ) neque poëta, neque orator fuit, qui quem- quam meliorem, quam se arbitraretur. Hoc etiam malis contingit. Und dieses ist die Ursache, warum alberne Redner sich so sel- ten bessern, und ein boͤser Poet eben so schwer zu bekehren ist, als ein Pharisaͤer. Es ist leich- ter, daß ein Cameel durch ein Nadel-Oehr ge- he, als daß ein solcher Schwaͤrmer klug werde. Was ist nun mit solchen Leuten anzufangen? Soll man sie wuͤten lassen? Das waͤre was schoͤnes vor sie. Allein was wuͤrde endlich daraus werden? Jhre Thorheit ist anste- ckend, und junge Leute, deren Verstand noch nicht zu seiner Reife gelanget ist, sind leicht zu verfuͤhren. Die gelehrte Welt muß diesem Unfug, so viel moͤglich, vorbeugen, und ihr ge- rechtes Mißfallen uͤber das Verfahren der boͤ- sen Scribenten, so ernstlich und nachdruͤcklich bezeugen, daß andere sich scheuen, diesen Ver- aͤchtern der Vernunft und Feinden des guten Geschmacks nachzuahmen. Folglich ist es nichts ungerechtes, wenn ein Gelehrter einen boͤsen Scribenten so abstrafet, daß andere Ge- legenheit haben, sich an seinem Exempel zu spiegeln. Ein Ein- wurf und die Ant- wort dar- auf. Aber hier faͤllt mir ein ernsthafter Cato in die Rede, und spricht: “Er gebe zu, daß man „einen boͤsen Scribenten, ohne Suͤnde, ta- „deln und ihm seine Fehler vorhalten koͤnne: „Allein dieses muͤsse auf eine bescheidene Art, „ohne alle Bitterkeit, nicht aber durch beissen- „de Spott-Schriften geschehen. Durch „Satyren ( o ) Satyren richte man nichts aus, und erbitte-„ re nur die Gemuͤther: Mit Glimpf und„ Sanftmuth komme man viel weiter: Die„ satyrische Schreib-Art sey ein Zeichen eines„ boͤsen Gemuͤths, und schicke sich nicht vor ei„ nen wetsen Mann.” Hier schweigt er, und giebt mir Raum seine Weisheit zu bewundern und zu preisen. Jch antworte ihm demnach mit aller Ernsthaftigkeit und nicht laͤchelnd: … Felicia tempora quæ te Moribus opponunt: habeat jam Roma pudorem, Tertius è cœlo cecidit Cato … Fuvenalis Sat. 2. Allein ich besorge, daß andere nicht so hoͤflich seyn werden. Es wird Leute geben, die sa- gen werden: Es sey falsch, daß man allemal„ ernsthaft schreiben muͤsse: Eine Satyre koͤn-„ ne auch bescheiden und glimpflich seyn: Eine„ lustige Spoͤtterey richte oft mehr aus, als„ die ernsthafteste Predigt. Es sey falsch, daß„ alle, die Satyren schreiben, Leute von boͤsem„ Gemuͤthe, und es sey eben kein untriegliches„ Zeichen einer sonderbaren Weisheit, wenn„ man andern, die sich nicht nach unserm Kopfe„ richten wollen, vor der Faust den Nahmen„ weiser Leute abspreche.„ Jch habe mein Tage keine Satyre geschrie- Ein jeder muß schrei- ben wie es sein Natu- rel mit- bringet. ben, und bin es auch noch nicht willens. Aber ich sehe nicht, womit man diese Leute widerle- gen koͤnne; denn da sich die ernsthaften, christ- lichen und sanftmuͤthigen Personen, welche ei- S nen ( o ) nen so grossen Eckel an den Saͤtyren haben, so weit heraus lassen, daß es erlaubt, einem boͤsen Scribenten die Wahrheit zu sagen, und ihm seine Thorheiten zu zeigen, so ist es bedencklich, daß sie sich uͤber die Art und Weise, die boͤsen Scribenten zur Erkaͤnntniß ihres Elendes zu bringen, einen Scrupel machen, der den Spoͤt- tern nothwendig laͤcherlich scheinen muß. Der Vortrag der Wahrheit, werden die„ Spoͤtter sagen, ist willkuͤhrlich. Man kan„ sie auch im Lachen sagen.„ . . . . . . . . ridentem dicere verum Quid vetat? Horat. Lib. I. Sat. 1. “Ein jeder muß in diesem Fall seinem Na- „turel folgen. Wer so gesinnet ist, daß er „zum Lachen spricht, du bist toll, und zur „Freude, was machst du? Der enthalte sich „des Schertzens: Aber er richte nicht seinen „Bruder, der in seinet Einfalt glaubt, daß bey- „des Lachen und Weinen seine Zeit habe. Er „hat nicht Ursache sich mit seinem sauren Ge- „sicht, mit seiner runtzelichten Stirne, und „mit seinem haͤngenden Kopf groß zu wissen, „oder sich einzubilden, seine Seufzer waͤren ein „gewisses Zeichen, daß sein Hertz von Weis- „heit uͤberlauffe. Die Weisheit koͤmmt auch „in eine lustige Seele, und kan mit einem froͤh- „ligem Muth, und heiterm Gesicht gar wohl „bestehen. „Wir, werden sie fortfahren, prahlen nicht „mit unserer Weisheit; Aber, meine Her- „ren, ( o ) ren, die ihrige scheint uns auch doch nicht so„ groß, daß wir sie desfals beneiden solten, und„ die Probe, die sie uns, durch ihre Klagen uͤber„ unsere lustige Schreib-Art davon geben wol-„ len, scheint uns so wenig uͤberzeugend, daß„ wir vielmehr uns berechtiget halten, eben aus„ ihren Klagen zu schliessen, ihr Hertz muͤsse noch„ nicht so sehr mit Weisheit uͤberladen seyn,„ daß nicht noch ein kleiner Hochmuth, und ein„ ziemlicher Eigensinn in demselben ein Plaͤtz-„ gen finden solten. Denn meine Herren, waͤ-„ ren sie so weise, als sie uns glauben machen„ wollen, so wuͤrden sie nicht so unbillig seyn,„ und verlangen, daß ein jeder in seinem Reden„ und Schreiben sich nach ihrem Sinn rich-„ ten solle. Was wuͤrden sie sagen, wenn„ wir uns die Freyheit nehmen wolten, ihnen„ ihr aͤngstliches Gepinsel, und sauertoͤpfisches„ Poltern mit eben dem Trotz zu untersagen,„ mit welchem sie uns das Lachen verbieten?„ Wir thun es nicht; und sie koͤnnen sich also,„ wo es ihnen gefaͤllt, aus dem Exempel der„ Unweisen erbauen. Lassen sie uns lachen,„ und froͤhlich seyn; und aͤrgern, und haͤrmen,„ und graͤmen, und quaͤlen sich, so lange es ih-„ nen beliebt. Koͤnnen sie es dann unmoͤglich„ mit Geduld ansehen, daß wir lustig sind,„ wann sie sich das Hertz abfressen? Oder„ meinen sie, daß ihr Jammer werde verfuͤsset„ werden, wenn wir eben die Quaal empfuͤn-„ den, die sie sich selbst machen? So dencken„ die gefallenen und ungluͤckseeligen Geister.„ S 2 Sind ( o ) „Sind sie nun auch so gesinnet, so muͤssen wir „ihnen sagen, daß sie sich nicht der rechten „Mittel bedienen, uns ihnen gleich zu machen. „Mit ihren Klagen, Seufzen und Schelten „richten sie nichts aus. Dadurch reitzen sie „uns nur zum Lachen, denn es stehet ihnen gar „zu artig. Versuchen sie es aber einmal, und „fangen an zu spotten und zu lachen: Jch „bin ihnen gut davor, daß uns gleich die Au- „gen uͤbergehen werden. Wenn sie alsdann „sehen, daß uns das Weinen eben so uͤbel an- „stehet, als ihnen das Lachen, so hofen wir, „daß sie in sich gehen und begreifen werden, „daß sie etwas ungereimtes von uns verlanget „haben, und daß es besser sey, wenn ein jeder so „bleibt, als ihn GOtt erschafen hat, und keiner „den andern meistert. Eine Saty- re ist ein kraͤftig Mittel die Thoren einzutrei- ben und ei- gentlich nichts als eine deduc- tio ad absur- dum. So werden die Spoͤtter unstreitig reden. Jch aber sage nur kuͤrtzlich, daß eine Satyre zu Bestreitung der Jrrthuͤmer und Thorheiten eben so geschickt ist, als eine ernsthafte Schrift, und daß es folglich auf eines ieden Gutbefin- den ankomme, ob er sich einer ernsthaften, oder satyrischen Schreib-Art bedienen wolle. Wenn ich einen uͤberfuͤhren will, daß er geir- ret hat, so kan ich entweder gewisse Grund- Wahrheiten voraussetzen, und ihm zeigen, daß seine Lehre, oder sein Verfahren mit selbigen streitet, und wenn ich dieses thue, so rede oder schreibe ich ernsthaft: Oder ich kan mich stellen, als weñ ich die Lehꝛe, die ich wiedeꝛlegen, und das Verfahren, das ich tadeln will, billige, und Fol- gen ( o ) gen daraus ziehen, die so handgreiflich unge- reimt sind, daß derjenige, mit dem ich zu thun habe, selbst, wo er klug ist, davor erschrecken, sie verwerfen, und also seine eigene Saͤtze umstos- sen, und seine That mißbilligen muß. Diese letz- te Art der Widerlegung nennet man in den Schulen deductionem ad absurdum, und sie ist zu allen Zeiten nicht nur vor erlaubt, son- dern auch vor die kraͤftigste gehalten worden. Eine Satyre ist eigentlich nichts an- ders, als eine deductio ad absurdum, und folglich ein erlaubtes und kraͤftiges Mittel, die Thoren einzutreiben. Man kan demnach keinen Gelehrten ta- deln, oder ihn einer sonderbaren Bosheit be- schuldigen, wenn er sich eines so nachdruͤckli- chen und kraͤftigen Mittels, die Thorheiten sichtbar und scheußlich zu machen, in seinen Schriften bedienet: und dieses um so viel we- niger, weil oft die Jrrenden und Thoren auf keine andere Weise zur Erkaͤnntniß zu bringen und zu baͤndigen sind. Alle Jrrthuͤmer und Thorheiten bestehen Einige Thorheitẽ verdienen nicht, daß man ernst- haft wie- der sie ey- fort. in der Abweichung von gewissen Grund- Wahrheiten. Diese Abweichung ist nicht allemal gleich sichtbar, und daher entstehet un- ter den Jrrthuͤmern und Thorheiten ein mercklicher Unterscheid. Einige, deren Ab- weichung von den Grund-Wahrheiten nicht gar augenscheinlich ist, haben einigen Schein, und diejenigen, welche damit behaf- tet, sind also einiger massen zu entschuldigen. S 3 Man ( o ) Man hat Ursache zu glauben, daß solche Leute sich finden werden, wenn man ihnen nur deut- lich vorstellet, wie sehr ihre Lehren und Thaten gewissen unstreitigen Saͤtzen, die sie selbst nicht leugnen, zuwider laufen. Sie verdienen al- so, daß man ihnen diesen Dienst erweise; und dieses heisset einen ernsthaft wiederlegen. Andere Jrrthuͤmer und Thorheiten sind her- gegen so handgreiflich, daß ein jeder Mensch von gesundem Verstande deren Abweichung von den Grund-Wahrheiten bemercket, und uͤber die Einfalt dessen, der sie vorgebracht, oder begangen hat, erstaunet. Es wuͤrde eine vergebliche Bemuͤhung seyn, wenn man sol- che Fratzen ernsthaft wiederlegen wolte. Die- jenigen, welche so weit verfallen, geben einen gar zu schlechten Begrif von dem Zustande ih- res Gehirnes, als daß man hofen koͤnnte, sie wuͤrden sich besinnen, wenn man ihnen die greuliche Abweichung ihrer Lehren und Tha- ten von den Grund-Wahrheiten auf eine ernsthafte Art deutlich vorstellete. Da sie nicht faͤhig gewesen sind, dieses vor sich zu be- greifen, so wird auch die deutlichste Vorstellung bey ihnen nichts verfangen. Mit solchen Leu- ten muß man nicht ernsthaft reden. Sie wuͤr- den nur dadurch auf die hochmuͤhtigen Gedan- cken gerahten, man glaube, daß ihre Grillen einigen Schein haͤtten, und zu deren Verthei- digung nur immer neue Thorheiten vorbrin- gen. Man thut also nicht besser, als wenn man ihnen, dem Scheine nach, Recht giebet, sich ( o ) sich noch naͤrrischer gebaͤrdet, als sie, und ihre Thorheit so hoch treibet, daß sie, wenn sie die ungeheuren Folgen derselben sehen, davor er- staunen, und, wie ein kollerndes Pferd bey Er- blickung eines Abgrundes, stutzen. So macht man es mit allen, die im Kopfe nicht richtig sind. Denn wenn man mit einem Wahnsinnigen ernsthaft und vernuͤnftig reden wolte, so muͤste man selbst nicht klug seyn. Diese ungluͤckseelige sind einer solchen Ehre unwuͤrdig: Quand l’ absurde est outré, l’ on lui fait trop d’ honneur De vouloir par raison combattre son erreur, Encherir est plus court, sans s’échauffer la bile. Mr. de la Fontaine Liv. III. Fab. 1. Es wuͤrde also ziemlich laͤcheꝛlich stehen, und ein Beweiß des vorigẽ durch E- xempel und durch ein Gleich- niß. Zeichen einer sonderlichen Einfalt seyn, wenn man ofenbare Thorheiten gantz ernsthaft und gravitaͤtisch wiederlegen wollte. Ein Kluger huͤtet sich davor. Jch will nicht sagen, daß in den sechs deutschen Reden des Herrn Philippi ofenbare Thorheiten enthalten sind: Aber ich bitte nur meine Leser, zu bedencken, ob der Verfasser des Briontes nicht der elendeste Tropf von der Welt seyn muͤste, weñ er wieder den Hn. Prof. Philippi gantz ehrbar und weit- laͤuftig ausgefuͤhret haͤtte, daß eine Frantzoͤsi- sche Princessin in Eꝛmangelung eines Dauphin, nicht mit Ausschliessung aller Printzen von Ge- S 4 bluͤte, ( o ) bluͤte, zur Crone gelangen koͤnne? Ob man nicht wunderliche Gedancken von ihm wuͤrde bekommen haben, wenn er aus Vernunft, Schrift und Erfahrung dargethan haͤtte, daß ein Mensch, und folglich auch der Koͤnig von Pohlen, nicht ewig leben koͤnne? Und ob er nicht verdienet haͤtte, ausgezischet zu werden, wenn er uͤber die Spuren eines Schiffes aufdem Meer, muͤhsam haͤtte philosophiren, und den Hn. Prof. Philippi auf eine ernsthafte Art uͤberfuͤhren wollen, daß ein Steuer- Mañ nicht rudert, und ein Kriegs-Schif vom ersten Rang keine Galeere sey? Ueber solche ungluͤckliche und wunderliche Einfaͤlle muß man nur lachen, und es verlohnt sich der Muͤhe nicht, dieselbe ernsthaft zu wiederlegen. Ernsthafte Wiederlegungen muͤssen auf wich- tigere Faͤlle versparet werden. Wenn sich ein Wolf in einer gewissen Gegend sehen laͤsset, in die Heerden faͤllt, und nicht nur die Schaͤfer betruͤbet, sondern auch dem Land-Mann Scha- den zufuͤget, so versammlen sich die Bauren, die Jaͤger werden aufgeboten, und man verfolgt das Unthier, biß man es erleget hat: Allein wenn zur Sommers-Zeit, cum calet maxume, eine Menge von Fliegen und Muͤcken das Land uͤberschwemmet und die Menschen quaͤlet, so macht man so viele Weitlaͤuftigkeiten nicht. Der Bauer greift darum nicht zu seiner Mist- Gabel: Der Jaͤger ladet sein Gewehr nicht. Der gantze Schwarm des Ungeziefers ist nicht einen Schuß Pulver werth; sondern man braucht ( o ) braucht nur die Fliegen-Klappe, oder wenns hoch koͤm̃t, vor einige Groschen Fliegen-Was- ser. Wer boͤsen und schaͤdlichen Jrrthuͤmern, auf eine kuͤnstliche Weise, einen Schein der Wahrheit giebt, und durch seine Schriften dieselbe in die Welt ausbreitet, der ist ein Wolf, und verdienet, daß man ihn mit Spiessen und Stangen verfolge, oder deutlicher zu reden, gruͤndlich, nachdruͤcklich und ernsthaft wieder- lege. Die albernen Scribenten hergegen sind dasjenige Ungeziefer, so den Helicon beunruhi- get, und es ist nicht noͤthig, daß man ihrentwe- gen den Harnisch anleget, und einen ernstlichen Kampf mit ihnen antritt. Man kan sie spie- lend vertilgen, und eine eintzige Satyre ist ih- nen so toͤdlich als den Fliegen das Fliegen- Wasser. Was ich bißher gesaget habe wird hoffent- Schließli- che Abferti- gung der Ernsthaf- ten. lich hinlaͤnglich seyn, die gar zu ernsthaften Leu- te, die keine Satyren vertragen koͤnnen, zu uͤber- fuͤhren, daß sie ohne Ursache murren, und eine satyrische Schreib-Art so wenig uͤberhaupt zu verwerfen ist, daß sie vielmehr in gewissen Faͤl- len mehr Nutzen schaft, als eine ernsthafte. Da- mit ich nun diese gestrengen Herren voͤllig zu- frieden stelle, muß ich ihnen noch ein falsche Einbildung aus dem Sinne reden. Sie mei- nen, die Satyren sind darum verwerflich, weil sie die Thoren erbittern. Allein, wo dieser Schluß richtig ist, so muß man die Wahrheit gar aus der Welt verbannen; denn diese ist den Thoren allemahl bitter. Sie schmeckt S 5 ihnen ( o ) ihnen nicht, man mag sie ihnen vortragen auf welche Art man will. Wollen demnach die gravitaͤtischen Feinde einer Satyre diese Leute nicht erzuͤrnen, so muͤssen sie ihnen auch nicht einmahl die Wahrheit im Ernst und ohne La- chen sagen. Sie muͤssen nicht eyfern, nicht poltern. Dieses muß die Thoren natuͤrlicher weise ja so sehr erbittern, als wenn man ihnen durch hoͤfliche Umwege ihre Fehler zeiget, und die Wahrheit auf eine angenehme Art beybrin- get. Alle gute Satyren sind nichts als Schrif- ten, in welchen den Thoren ihre Fehler auf ei- ne hoͤfliche Weise, ohne alle herbe Ausdruͤckun- gen, die bey einer ernsthaften Wiederlegung kaum zu vermeiden sind, vor Augen geleget wer- den. Wie kan man ihnen dann den Mangel der Bescheidenheit vorwerfen? Jst es nicht beschei- dener, den Leuten die Wahrheit mit Lachen, und auf eine verdeckte Art sagen, als wenn man mit der Thuͤr ins Hauß faͤllt? Und wie koͤnnen denn die Spoͤtter mit den boͤsen Scribenten saͤuberlicher verfahren? Sie uͤberzuckern ja die Wahrheit, und machen es nicht anders als wenn sie einem Kinde Wurm-Saamen ein- gaͤben. . . . . veluti pueris absinthia tetra me- dentes Cum dare conantur, prius oras pocula circum Contingunt mellis dulci flavoque li- quore, Ut ( o ) Ut puerorum ætas improvida ludifice- tur, Labrorum tenus, interea perpotet ama- rum Absinthi laticem, deceptaque non ca- piatur, Sed potius tali facto recreata valescat. Lucretius Lib. IV. v. 19 ‒ 25. So machen es diejenigen, die Satyren schreiben. Was kan man mehr von ihnen verlangen. Weil ich besorge, es duͤrften meine Leser Ein Ein- wurf wird aus dem Wege ge- raͤumet. Ei- ne Satyre ist eine Ar- tzeney. dencken, ich wiederspraͤche mir, indem ich hier eine Satyre vor eine Artzeney auszugeben schei- ne, da ich sie doch vorher als eine Strafe, und als ein toͤdliches Gift angesehen habe, so muß ich mit wenigen anmercken, daß dieses nur dem Scheine nach ein Widerspruch sey, und, wenn man es recht bedencket, gar wohl mit einander bestehen koͤnne. Denn 1) ist es in der Politick ausgemacht, daß alle Strafen eine Artzeney sind: 2) muß man erwegen, daß es gar nichts unfoͤrmliches, eine Satyre eine Artzeney zu nen- nen, und zugleich als ein Gift anzusehen, das ei- ne gewisse Art des Todes wuͤrcket. Eine Sa- tyre ist eine Artzeney, weil sie die Besserung der Thoren zum Endzweck hat; und sie hoͤrt es nicht auf zu seyn, wenn sie gleich, als ein Gift, den Thoren toͤdlich ist. Denn in dem To- de, welchen sie verursachet, bestehet eben die Besserung der Thoren. Dieser Tod gereicht ihnen zum Leben. Sie sollen der Thorheit abster- ( o ) absterben und klug werden. Dieses nennet der Heil. Augustinus mori vitaliter. Confess. Lib. VIII. cap. 8. Ob demnach gleich die Satyren eine Art der Strafe in der Gelehr- ten Republick und ein toͤdliches Gift sind, so bleiben sie, dem ungeachtet, doch eine Artzeney, und ich darf meine Verse aus dem Lucretius nicht wieder ausstreichen. Die zwar nicht bey allen an- schlaͤgt. Jch kehre demnach wieder zu meinem Zweck, und sage, daß die ernsthaften und murrischen Feinde einer satyrischen Schreib-Art nicht be- rechtiget sind, so heftig wider eine Satyre zu ei- fern, und daß sie sich heßlich betriegen, wenn sie meynen, eine Satyre laufe wider die Regeln der Hoͤflichkeit, Sanftmuth und Weisheit, und ein Spoͤtter sey ein boshafter Mensch, ein Thor, und ich weiß nicht was. Jch habe ge- wiesen, daß die satyrische Schreib-Art hoͤflicher und bescheidener ist, als eine andere; ich habe ge- wiesen, das es Faͤlle gebe, da dieselbe unumgaͤng- lich noͤthig ist; ich glaube also nicht, daß man ferner diejenigen, die sich derselben bedienen, vor Leute von boͤsem Gemuͤth halten wird, wenn man nur die Unschuld ihrer Absicht, welche auf nichts, als die Besserung der Thoren gehet, in Betracht ziehen will. Die Schriften dieser Leute fuͤhren eine den Thoren sehr heilsame Artzeney bey sich, an welcher sonst nichts aus- zusetzen ist, als daß sie den gemeinen Fehler aller Artzeneyen an sich hat, und nicht allemal die gewuͤnschte Wuͤrckung thut. Denn da sie aus nichts als Wahrheit, die ungemein bitter ist, ( o ) ist, und aus wohlgemeynten Erinnerungen, die allemal wiederlich sind, zusammen gesetzet wiꝛd, so sperren sich die Thoren, denen Wahrheit und gute Lehren gleich verhasst sind, so oft sie davon einnehmen sollen, und wenn sie ihnen denn durch List oder Gewalt beygebracht wird, so machen sie es, wie die ungezogenen Kinder. Sie klagen, daß sie gar zu bitter schmecke, sie ziehen das Maul, schuͤtteln den Kopf, heulen, schreyen, aͤrgern sich, stampfen den Boden, gebaͤrden sich uͤbel und geben sie endlich wieder von sich. Es ist also kein Wunder, wenn sie nicht allemal an- schlaͤget, und es liegt die Schuld nicht an der Artzeney, sondern an dem uͤbeln Bezeigen der Patienten. Koͤnnten diese sich entschliessen, die Artzeney bey sich zu behalten, so wuͤrden sie den Nutzen derselben spuͤren, und es ihrem Artzte Zeit ihres Lebens dancken, daß er sie ihnen ver- ordnet. Es ist zu beklagen, daß die wenigsten mora- Aber doch bey eini- gen. lischen Patienten zu diesem Entschluß zu brin- gen sind. Die meisten boͤsen Scribenten wi- dersetzen sich mit aller Macht der guten Wuͤr- ckung, so eine moralische Artzeney, die man ihnen in einer Satyre beybringet, in ihrem krancken Verstande haben koͤnnte, und scheuen die Genesung. Dieses kan aber den Satyren nicht zum Vorwurf gereichen. Sie sind darum eben so wenig verwerflich, als die Pre- digten, welche die meisten anhoͤren und sich doch nicht bessern. Genug, daß es noch im- mer einige gute Gemuͤther unter den boͤsen Scri- ( o ) Scribenten giebt, die, wenn ihnen in einer Sa- tyre ihr Elend klar vor Augen geleget wird, ih- re Fehler bereuen und auf Besserung dencken. Hr. Prof. Philippi ist ein buß- fertiger Suͤnder, und will sich bekeh- ren. Jch befuͤrchte nicht, daß der Hr. Prof. Phi- lippi es uͤbel nehmen werde, wenn ich ihn unter diese bußfertige Suͤnder zehle. Seine Auf- fuͤhrung in Ansehung der Satyre, die wider ihn heraus kam, ist so beschafen, daß man Ursache hat, sie zu loben. Er hat sich nicht so uͤbel ge- baͤrdet, als andere seiner Art, sonden er hat den Wurm-Samen, den ihm der Verfasser des Briontes eingegeben, in aller Gelassenheit verschlucket, und ihn bis auf diese Stunde bey sich behalten. Die meisten boͤsen Scribenten sind halsstarrig und verhaͤrten ihr Hertz: Al- lein der Hr. Prof. Philippi hat die Zeit, welche andere auf die Verfertigung einer unnuͤtzen Ehren-Rettung wenden, mit einer stillen Be- reuung seiner Fehler zugebracht. Er giebt da- durch zu erkennen, daß er noch nicht in dem Stande der Verhaͤrtung stehe, und der gelehr- ten Welt eine gegruͤndete Hofnung von seiner Besserung. Sie freuet sich daruͤber im Geiste vorher, und sieht denen deutlichen Proben, die der Hr. Prof. Philippi von seiner Bekehrung geben wird, mit Lust entgegen. Seine Ver- folgeꝛ wol- len es nicht haben, und dichten ihm eine abge- Nur die Verfolger des Hrn. Philippi schei- nen uͤber die Gelassenheit dieses zerknitschten Scribenten mißvergnuͤgt zu seyn, und sehen seine Bekehrung ungerne. Die Klagen, so der Hr. Prof. Philippi in der ersten Bewe- gung, ( o ) gung, die memand in seiner Gewalt hat, wider schmackte Schꝛift an. den Verfasser des Briontes ausgestossen, ga- ben diesen Spoͤttern Anlaß zu hofen, der Hr. Prof. wuͤrde sich mit ihnen einlassen, und sie wuͤrden also Gelegenheit finden, ferner ihren Muthwillen mit ihm zu treiben. Sie haben un- streitig anfangs gedacht, der Hr. Prof. waͤre noch ein Mann, mit dem man seine Lust haben koͤnnte, und ich glaube, sie haben sich daruͤber ge- freuet. Aber ihre Hofnung ist fehl geschlagen. Der Hr. Prof. Philippi hat ein kluges Still- schweigen erwehlet, und dieses quaͤlet die Spoͤt- ter. Sie suchen, es koste was es wolle, ihre Ein- faͤlle an den Mann zubringen, und, da der Hr. Prof. Philippi ihnen durch sein gedultiges Be- zeigen die Gelegenheit dazu beschneidet, so sind sie auf eine unerhoͤrte Erfindung verfallen. Sie antworten sich selbst in des Hrn. Prof. Philip- pi Nahmen, und dichten diesem gebeugten Manne eine Schrift an, die im hoͤchsten Grad albern ist, in keiner andern Absicht, als damit sie Gelegenheit haben moͤgen, des Hrn. Prof. ferner zu spotten, und ihn vollends um das Bißgen Ehre zu bringen, welches sie ihm noch in der gelehrten Welt uͤbrig gelassen haben. Jch zweifele sehr, daß sie auf diese Weise ih- Werden desfals ge- tadelt und des Herrn Prof. Phi- lippi Ehre gerettet. ren Zweck erreichen werden, und kan mich nicht entbrechen, ihnen ungescheut zu sagen, daß ich ihr Verfahren nicht billige weil es gar zu bos- haft und haͤmisch ist. Wie gern ich auch Saty- ren lese, und wie eifrig ich auch die Spoͤtter in dieser Schrift vertheidiget habe, so will es mir doch ( o ) doch nicht gefallen, daß man die Sache so weit treibet. Jch sehe das Verfahren der Verfol- ger des Hrn. Prof. Philippi als eine Zunoͤthi- gung an, die etwas mehr an den Tag leget als eine blosse Begierde zu lachen. Einem Scri- benten seine Fehler auf eine beissende Art zu zei- gen, das ist nicht zu tadeln: Aber man muß doch seinem Gegner nicht alle gesunde Ver- nunft absprechen, und ihn als einen Rasenden vorstellen. Ein so plumpes, hochmuͤthiges und pedantisches Verfahren wird von allen klugen Leuten gemißbilliget, und ein Spoͤtter, der sich durch seinen satyrischen Geist so weit verleiten laͤsset, findet keinen Glauben, und verringert selbst die Ehre, die er aus dem Siege uͤber den boͤsen Scribenten, welchen er angreift, zu hofen hat. Wenn es demnach auch moͤg- lich waͤre, daß es Leute gebe, die den Betrug der Feinde des Hn. Philippi nicht merckten, so wuͤrden doch dieselbe sagen, es gereiche dem Verfasser des Briontes zu schlechten Ehren, daß er sich mit einem solchen Menschen abgege- ben, als der Hr. Prof. Philippi seyn muͤste, wenn er die Schrift gemacht haͤtte, die unter sei- nem Nahmen herumgehet; weil es eine schlech- te Kunst, uͤber einen solchen Menschen Meister zu spielen. Aber so glaube ich nicht, daß der Verfasser des Briontes mit seinem Anhange, wie listig er es auch angefangen hat, jemand fin- den wird, der dem Hn. Prof. Philippi die Thor- heit zutrauen solte, daß er durch eine so schwa- che, ja laͤcherliche Vertheidigung seinen Fein- den ( o ) den das Schwerd in die Haͤnde geben wollen, mit welchem sie ihn erwuͤrgen koͤnnen. Jch gestehe, der Spoͤtter, der diese Vertheidigung in des Hn. Prof. Philippi Namen verfertiget, hat, was die Schreib-Art anlanget, dem Hn. Prof. so geschickt nach geahmet, daß man fast dadurch solte verfuͤhret werden; Allein die Sachen, die er vorbringet, sind so beschafen, daß man den Hn. Prof. Philippi groͤblich be- leidigen wuͤrde, wenn man ihn in dem Ver- dacht haben wolte, daß er dieselben zu Papier gebracht. So weit ist es noch mit ihm nicht gekommen, und ich wuͤrde nicht unpartheyisch seyn, wenn ich nicht die Ehre dieses angefoch- tenen Scribenten, an welchem ein jeder zum Ritter werden will, wieder seine gar zu un- barmhertzige Verfolger rettete, und die sinn- reiche Betriegerey derselben entdeckete. Jch weiß wohl, daß es eine gefaͤhrliche Sache ist, so fuͤrchterliche Leute wieder sich zu reitzen: Al- lein die Liebe zur Wahrheit besieget in mir alle Furcht fuͤr dem Grimm der Spoͤtter. Diese Herren moͤgen machen was sie wollen: Jch muß die Wahrheit sagen, und bin zufrieden, wenn meine Leser nur begreifen, daß es nicht wahrscheinlich ist, daß der Hr. Prof. Philippi die Schrift gemacht habe, welche man ihm an- dichtet. Zu dem Ende will ich meinen Lesern ei- nen kurtzen Auszug von dieser haͤmischen Schrift mittheilen. Der Titel ist folgender: “ Gleiche Bruͤ- „ Jnhalt deꝛ Schrift: gleiche der, gleiche Kappen, bey Abfertigung „ T vier ( o ) Bruͤder, gleiche Kappen, welche der Hr. Prof. Philippi gemacht haben soll. „ vier satyrischer Schrifren, als 1) des „Send-Schreibens von fuͤnf Schwe- „stern. 2) Der Confiscirt en Satyre Brion- „tes. 3) Des Extracts aus den Nieder- „Saͤchsischen Nachrichten. 4) Eines „Auszuges aus den Schifbeckischen „Zeitungen, ertheiler von F. E. Philippi. „p.p. “Der Endzweck des Hn. Prof. Philippi „ist hauptsaͤchlich, sich wieder den Verfasser „des Briontes zu verantworten. Eine jede „Verantwortung nennet er eine Kappe. Er „stehet in dem Wahn, daß die Satyre Brion- „tes und das Send-Schreiben der fuͤnf „Schwestern aus einer Feder geflossen sey. „Weil er aber den Nahmen des Verfassers „nicht recht weiß, so will er denselben, Hr. von „Bockshorn nennen, weil dieses Wort in dem „ Schreiben des Ritters Clifton an den „Samojeden oft vorkommt. Diesen Hrn. „von Bockshorn ruͤhmt er nun wegen seines „Credits bey dem Frauen-Zimmer, insonder- „heit bey der Dorilis: Wundert sich, warum „derselbe einige Verse aus dem Baudius vor „dem Briontes setzen lassen, und doch nicht „vermuttersprachet, und sagt bey der Gelegen- „heit, Baudius sey ein grosser Saͤufer, und „ein eben so grosser Jungfern-Knecht gewesen, „als der englisch gebildete Clifton. Er „uͤbersetzt die Verse, die, wie er klagt nicht ein- „mahl in allen Editionen des Baudius stehen, „zum besten der Einfaͤltigen auf folgende Art: Stax ( o ) Stax duͤncket sich gluͤckselig und er- haben, Wenn Schaum und Schwulst in seinen Worten ist: Wenn er tumm Zeug redt, schreibet, dichtet, liest. Man siehet ihn mit hohen Schrit- ten traben, Den Ritter da mit seinem stoltzen Kleid, Den starcken Geist, voll Schalck- heit, Tuͤck und Neid. und nennt seinen Gegner am Rande einen„ Fincken-Ritter und pusillum corpus. „ Prahlt darauf von dem Beystand, den ihm„ ein Freund versprochen, und sagt endlich, der„ Hr. von Bockshorn oder M. Stax sey ein„ kleiner Geist in Ansehung der Wissenschaf-„ ten, ein Ritter unter den Spoͤttern, und dem„ gemeinen Wesen so unentbehrlich, als in„ dem A. B. C. die Buchstaben X. Y. Z. Den„ Vorwurf, daß er sich auf dem Titel seiner„ sechs deutschen Reden einer natuͤrlichen,„ maͤnnlichen und heroischen Beredsamkeit ge-„ ruͤhmet, lehnt er durch folgende Gruͤnde von„ sich ab. 1) Der Verleger habe es ohne sein„ Wissen darauf gesetzet. 2) Es sey heutiges„ Tages Mode, den Titel so einzurichten, daß„ er wohl in die Augen falle. 3) Der Hr. von„ Bockshorn habe es ja auch gethan. 4) Die„ Absicht seiner Abhandlung auf dem Titel„ T 2 auszu- ( o ) „auszudruͤcken, sey kein Eigen-Lob. 5) Sonst „muͤsten alle diejenigen, die vor ihren Buͤchern „setzen: Gruͤndliche Erleuterung, oder ver- „nuͤnftige Gedancken, sich selbst loben. 6) Er „sey einmal Professor der Wohlredenheit, und „sein Amt verbinde ihm solches zu sagen. „Doch habe er, setzt er hinzu, von dem Titel „seiner sieben neuen Versuche die Worte: na- „tuͤrlich, maͤnnlich und heroisch weg gelassen, „damit der Hr. von Stolperleicht sich nicht „daran stossen, oder die Madame Richtgern „daruͤber fallen moͤge. „Den Anfang des Briontes parodirt er „gar scharfsinnig und hoͤflich folgender Ge- „stalt: Pereat der Nieder-Saͤchsische „Pasquillant! tief! Doch bald darauf „thut er gantz demuͤthig, und spricht §. 11. Er „habe seine erste Rede schon A. 1727. also vier „Jahre vorher, ehe er Professor worden, ge- „halten. Gesetzt nun, er habe damalen noch „nicht so eine Erfahrung in der Rede-Kunst „gehabt, als zu einem Professor gehoͤret, so ha- „be er ja wohl in den vier Jahren, ehe er es ge- „worden, zunehmen koͤnnen. Er bekennet „aufrichtig, daß er die Rede-Kunst damals „nur als ein Neben-Werck getrieben, und ge- „lobet heilig an, er wolle sich bessern, und diesel- „be hinfort sein Haupt-Werck seyn lassen. „Er kan nicht leiden, daß der Verfasser des „Briontes seine Gedaͤchtniß-Rede auf die Koͤ- „nigin von Pohlen eine Leichen-Predigt nen- „net, und giebt demselben bey der Gelegenheit „einen ( o ) einen blutigen Stich. Wenn es wahr,„ spricht er, was gantz Leipzig sagt, daß der Hr.„ von Bockshorn sonst ein Magister und Ab-„ warter des Predigt-Amts gewesen, so haͤtte„ er billig kein Ueberlaͤuffer werden sollen, in-„ dem er da vielleicht schon manchen Thaler„ mit Leichen-Predigten verdient haben wuͤrde.„ Weil er meynt, daß sein Gegner daruͤber„ spottet, daß er die GOttes-Furcht ein Flaͤmm-„ lein aus goͤttlicher Flamme genennet, so sucht„ er sich desfals zu rechtfertigen. Er gebe,„ spricht er, allen Lesern zu bedencken: 1) daß„ er die Rede den 9 Septemb. 1727. (wie sein„ Concept und Abschriften besagen) aufgese-„ tzet, da die Koͤnigin den 5 vorher gestorben,„ folglich in der ersten Bewegung des Schmer-„ tzens: 2) daß er sie lange vorher gehalten, ehe„ er Professor geworden. Hierauf nimmt er„ seine Zuflucht zum hohen Liede, in welchem„ noch wohl zaͤrtlichere Ausdruͤckungen vorkaͤ-„ men, und zu dem Haͤllischen Gesang-Buch, Er„ erklaͤret, was er durch das Steigen und Fal-„ len des goͤttlichen Liebes-Feuers haben wolle,„ und beweiset, daß er Bibel-maͤssig geredet.„ Denn GOtt habe ja einen hellen Schein in„ unsere Hertzen gegeben, und die christliche Kir-„ che singe: Das ewige Licht geht da herein.„ Endlich spricht er, er habe seine Rede in einer„ Gesellschaft gehalten, da gottselige Hertzen„ zugegen gewesen, nicht aber so raffinir te„ Spoͤtter, als der Hr. von Bockshorn. Er„ habe auch mehr einen Geschicht-Schreiber„ T 3 „als ( o ) „als Redner abgeben wollen, als er die Rede „ accurat so drucken lassen, wie er vorgegeben, „sie gehalten zu haben. Er sey, setzt er hin- „zu, ein Freund von aufgeweckten Einfaͤllen, „aber die Religion muͤsse nicht mit hinein ge- „flochten werden. „Die 9te Kappe betrift die Stelle vom „Salischen Gesetz. Da es anfangs laͤsst, „als wenn der Hr. Prof. Philippi Lust haͤtte, „zu leugnen, daß er dem Salischen Gesetze „zu nahe geredet. Denn er spricht, er habe „nur uͤberhaupt gesagt, daß der Verlust „zwoer vornehmen Fuͤrstinnen durch die zwo „Frantzoͤsische Printzessinnen ersetzet. Aber „endlich sagt er doch, es sey ja nicht unmoͤg- „lich, daß das Salische Gesetz mit der Zeit auf- „gehoben werden koͤnne. „Jn der 11ten Kappe handelt er von der „Verschmachtung der Augen, welche Re- „dens-Art der Verfasser des Briontes ver- „worfen. Ein Buͤrger von Hamburg oder „Luͤbeck, sagt er, wo man keine Landes-Mut- „ter habe, koͤnne nicht wissen, wie nahe einem „Saͤchsischen Patrioten der Verlust seiner „Landes-Mutter gehe. Wer damals in „Sachsen gewesen, wuͤrde sich diese Ver- „schmachtung der Augen leicht einbilden koͤn- „nen. Die Frantzosen nennten es: des „yeux languissans \& demourans. Der „Hr. von Bockshorn, setzt er hinzu, solle sich „nur besinnen, ob er nicht bey seinen Ten- „dressen, die er der Dorilis gemacht, manch- „mal ( o ) mal verschmachtende Augen gehabt, oder„ an ihr wahrgenommen? Sagte doch so„ gar David, daß alle seine Gebeine und folg-„ lich auch wohl seine Augen verschmachtet„ durch sein taͤglich Heulen.„ Die 12te Kappe betrift die Ohnmacht,„ die ihm angewandelt, und woruͤber sein„ Gegner gespottet. Der Hr. Prof. sagt, es„ sey kein Ernst damit gewesen, und die Sa-„ che ja endlich nicht unmoͤglich. Habe doch„ der Hr. von Bockshorn auf einem Bein ge-„ huͤpfet, warum sollte man nicht eben so gut„ eine Ohnmacht affectir en koͤnnen? Esther„ habe den Ahasverus gleich beweget, da sie„ vor ihm in Ohnmacht gesuncken. Wenn„ man so verfahren wollte als der Hr. von„ Bockshorn, so koͤnne man die pathetischen„ Redens-Arten laͤcherlich machen, z. E.„ wenn Esaias sagt: Hoͤret ihr Himmel, und„ Erde nimm zu Ohren.„ Jn der 15ten Kappe rechtfertiget der Hr.„ Philippi seine Redens-Arten von unterirr-„ digen Grotten und Reich der Todten, die„ der Verfasser des Briontes als gar zu heid-„ nisch getadelt, und spricht: Er habe sich„ nach den Begrifen seiner Zuhoͤrer gerichtet,„ die damals die Gespraͤche im Reiche der Tod-„ ten alle gelesen. Den Vorwurf, daß er„ glaube, der Koͤnig von Pohlen werde nicht„ sterben, lehnt er in der 17ten Kappe ab, und„ spricht: Er habe nicht gesagt, daß der Koͤ-„ nig von Pohlen nicht sterben werde, sondern„ T 4 nur ( o ) „nur von dessen Ruhm geredet. Die alber- „ne Redens-Art von entbehrlichen Rest will „er in der 18ten Kappe damit entschuldigen, „weil Rest bey uns auch so viel heisse als Stuͤck „und Theil. Jn der 19ten Kappe sagt er, „daß die Unterlegung der Hertzen, wovon er „geredet, nicht nach dem Buchstaben zu ver- „stehen. Die 20te Kappe handelt von dem „Gleichnisse vom Steuer-Mann. Er sehe „wohl, spricht der Hr. Philippi, daß dieses „Gleichniß dem Hrn. von Bockshorn zu hoch „sey; er wolle es ihm also so frey vor Augen „legen, als ein Stuͤck Poͤckel-Fleisch, wo- „von er neulich in einer Postille schoͤne, erbau- „liche Gedancken gelesen. Denn als einer „von Ambra geredet, habe der andere gesagt: „Er lobe sich davor ein gut Stuͤck Poͤckel- „Fleisch. Wohlan denn, faͤhrt der Herr „Prof. Philippi fort, mein Herr von Bocks- „horn, thun sie, als ob sie dergleichen auch „eben vor sich haͤtten, und trenchi ren fein „sauber und appetitlich. „Jn der 21ten Kappe sagt er: daß er sei- „nen Vater in der Antritts-Rede, die er als „Professor der deutschen Beredsamkeit ge- „halten, angeredet, und ihm seine kindliche „Pflicht bezeuget, gehe dem Herrn von „ Plumpsack, wollte schreiben Bockshorn, „nicht an, so wenig als dieses, daß er das „leere Blatt hinten am Schluß mit dem Neu- „Jahrs-Wunsche an seine liebe Eltern ange- „fuͤllet. Er habe deswegen nichts unnoͤthi- „ges ( o ) ges beygebracht. Er zeige es, sagt er, Hr.„ Magister, oder lasse die Professores der Be-„ redsamkeit ungehofmeistert. Und endlich„ beschwert er sich in der 22ten und letzten Kap-„ pe, daß man in seinem Helden-Gedicht sei-„ nen Sinn uͤberall verdrehet; weswegen er„ auch den Hrn. von Bockshorn mit dem Na-„ men, Hr. von Drehsleicht, beleget.„ Jn der Absertiguug der Nieder-Saͤchsi-„ schen Nachrichten frohlocket er daruͤber, daß„ der Briontes in Sachsen bey 30. Rheinische„ Gold-Guͤlden confisci rt, und prahlt, daß„ ein gewisser Freund, dessen Brief an ihn er„ gantz einruͤcket, ein hertzliches Mitleyden mit„ ihm trage. Mehr mag ich daraus nicht an-„ fuͤhren. Jch uͤbergehe auch die Abferti-„ gung der Schifbeckischen Zeitungen, oder„ des Hamburgischen Corresponden ten, mit„ Stillschweigen. Der Schluß der gantzen„ Schrift ist aber gar zu possierlich, als daß„ ich meinen Lesern das Vergnuͤgen nicht goͤn-„ nen sollte, denselben gantz zu lesen.„ Nun trete ich, spricht der Herr Prof.„ Philippi, von dem Kampf-Platz wieder ab,„ auf welchem ein vor allemal gewesen. Mei-„ ne Gegen-Salve ist nun geschehen, und„ wuͤnsche, daß es bey diesem eintzigen Tref-„ fen sein Bewenden haben moͤge. Jch nei-„ ge zum Frieden, nicht aus Furcht vor dem„ Feind, sondern aus Liebe zur Ruhe. Jch„ will denen Grossen nachahmen, die auf„ Friedens-Schluͤsse dencken, ob sich gleich„ T 5 noch ( o ) „noch so wohl geruͤstet sind. Ja wenn ich auch „spraͤche, ich wollte am ersten die Feder nieder- „legen, duͤrfte mich des nicht schaͤmen. „Das geschehene sey also geschehen, und „so gut als vorbey. Jch versichere meine „Gegner, daß ich mit aller Aufrichtigkeit sie „lieber als Freunde und Goͤnner, als zu Geg- „nern haben moͤgte. Einem Widersacher, „der Kraͤfte hat einem zu schaden, traͤgt man „gerne Freundschaft an. Noch mehr aber, „wenn man selbst vor seine Gegner Hochach- „tung hat. Erfolgt ihre Freundschaft, so „soll alles vergessen seyn. Wo aber nicht, so „soll mein Wahl-Spruch seyn: O ihr Zeiten! die verlaufen, Koͤnnt ich euch mit Gold erkaufen! Wie werdt ihr, aus Unbedacht, Oft unnuͤtzlich zugebracht! Jhr verschwendte Augenblicke Maͤssigt kuͤnftig euren Schritt; Ja, wenns moͤglich, kommt zuruͤcke, Uñ bringt manchem Weisheit mit. „So viel vor diesmal. Beweiß, daß der Hꝛ. Prof. Phi- lippi diese Schrift nicht ge- macht. Dieses ist der Jnhalt der saubern Schrift, die der Hr. Prof. Philippi zu seiner Verthei- digung verfertiget haben soll. Aber wer siehet nicht, daß ein so unfoͤrmliches Gewaͤsche unmoͤglich aus der Feder des Herrn Prof. ge- flossen seyn koͤnne? Jch getraue mir klaͤrlich darzuthun, daß seine Feinde Urheber davon find. Denn diese Spoͤtter haben ihre Ab- sicht ( o ) sicht nicht so sehr verbergen koͤnnen, daß man dieselbe nicht mercken solte. Sie machen den Hn. Prof. Philippi gar zu einfaͤltig. Um dieses zu beweisen, will ich nicht reden von dem laͤppischen Titel, den man den Verantwor- tungen in dieser Schrift giebt, indem man sie Kappen nennet. Jch will nicht anmercken, daß es im hoͤchsten Grad unwahrscheinlich ist, daß der Hr. Prof. Philippi den Verfasser des Briontes, und den Urheber des Send- Schreibens der fuͤnf Schwestern, vor eine Person halte. Von so stumpfen Gau- men ist der Hr. Prof. Philippi nicht, und ich bin versichert, daß niemand den Unterscheid dieser zwo Satyren besser fuͤhlet als er. Jch will nicht sagen, daß es laͤcherlich sey zu glau- ben, daß der Hr. Prof. Philippi seinen unbe- kannten Verfolger aus keiner andern Ursache Herr von Bockshorn nenne, als weil in dem Schreiben des Ritters Clifton an den Samojeden von einem Thier mit Bocks- hoͤrnern geredet wird. Der Hr. Prof. Phi- lippi ist viel zu klug dazu. Jch will nicht weit- laͤuftig ausfuͤhren, wie schimpflich es dem Hn. Prof. Philippi, daß man ihn als einen Men- schen vorstellet, der verwegen und boßhaft ge- nug, den so genannten Hn. von Bockshorn eines verdaͤchtigen Umganges mit dem Frau- en-Zimmer uͤberhaupt, insonderheit aber mit der Dorilis zu beschuldigen, und ihn einen grossen Jungfern-Knecht zu nennen, ob er gleich denselben nicht kennet, und weder von dessen ( o ) dessen Nahmen, und Stande, noch von dem Ort seines Aufenthalts die geringste zuverlaͤs- sige Wissenschaft hat. Man siehet wohl, daß der Hr. Prof. Philippi sich so weit nicht vergehen koͤnnen, und man erkennet leicht die Sprache seiner Spoͤtter, die nur Gelegenheit suchen, ihm ein so unbesonnenes Verfahren hoch aufzumutzen, ja vieleicht gar durch Vor- wuͤrffe dieser Art wehe zu thun. Jch will nicht sagen, wie unglaublich es sey, daß der Hr. Prof. Philippi seinen Feind einen Fincken-Ritter, und pusillum corpus nennen koͤnnen. Er weiß zu leben, und ist viel zu wohl erzogen, als daß er, wenn man mit ihm schertzet, anfangen solte zu schimpfen; Ja diejenigen, so die Ehre haben ihn zu kennen, versichern mich alle einmuͤthig- lich, daß niemand wichtigere Ursachen habe, keinem Menschen seine kleine Statur vorzu- werffen, als eben der Hr. Prof. Philippi. Jch will alle diese verdaͤchtige Stellen mit Still- schweigen uͤbergehen, und nur meine Leser bit- ten, mit mir zu betrachten, wie elend die Ver- antwortungen, oder Kappen, an sich selbst gerathen sind. Es sind dieselbe so albern und laͤ- cherlich, daß es viel seyn muͤste, wenn sie wuͤrck- lich von dem Hn. Prof. Philippi herruͤhren solten. Jch glaube es nicht, und will von meinem Glauben Rechenschaft geben. Jch werde, was ich zu dem Ende sage, in gewisse Anmerckungen einschliessen. I. Jst es unglaublich, daß der Hr. Prof. Philippi, wenn er den Titel seiner sechs deut- schen ( o ) schen Reden rechtfertigen wollen, dieses auf ei- ne so erbaͤrmliche Art gethan haben wuͤrde, als in der Schrift geschehen ist, die er verfertiget ha- ben soll. Der Verfasser des Briontes hatte in diesem Titel eine kleine Prahlerey angemer- cket, weil der Hr. Prof. Philippi sich einer na- tuͤrlichen, maͤnnlichen und heroischen Bered- samkeit geruͤhmet. Dieser Vorwurf eines Selbst-Lobes wird nun in den so genannten Kappen auf folgende Art abgelehnet. Es heisst: der Verleger habe, ohne des Hn. Phi- lippi Wissen, den Titel so prahlerisch eingerich- tet. Der Fehler wird also gestanden, und die Schuld auf den Verleger geschoben. Jch will nicht untersuchen, wie weit diese Ausflucht gelten koͤnne; Es ist eben nicht schlechterdings unmoͤglich, daß ein Verleger sich diese Frey- heit nehme. Aber das kan ich nicht verdauen, daß der Hr. Prof. Philippi, ob er sich gleich erst auf eine gar sittsame Art entschuldiget, doch hernach gantz trotziglich sagt: Er sey einmahl Prof. der Wohlredenheit, und sein Amt ver- binde ihn, so von seiner Beredsamkeit zu reden, als er auf dem Titel seiner sechs deutschen Re- den gethan. Dieses klingt gantz anders, wie- derspricht dem vorigen, und macht die Aus- flucht zu nichte. Jst es nun wohl wahrschein- lich, daß der Hr. Prof. Philippi so unbedacht- sam wuͤrde geredet haben? Doch auch dieses mag hingehen. Jch will es vor moͤglich hal- ten, daß der Hr. Prof. Philippi sich befugt ach- tet, die Titel seiner Schriften etwas hochtra- bend ( o ) bend einzurichten. Aber lasst uns die Gruͤn- de hoͤren, warum er so dencken soll. Die all- gemeine Gewohnheit, die Buͤcher mit blenden- den Titeln zu zieren, kan unmoͤglich diese Thor- heit rechtfertigen: Weil vieles gebraͤuchlich, und doch unrecht ist. Dieses weiß der Herr Prof. Philippi unstreitig; Und man will uns doch glauben machen, daß er unbescheiden genug sey, von seinen Lesern zu verlangen, seine Prahlerey vor keine Prahlerey zu halten, weil das Prahlen mode ist. Das ist, deucht mich, etwas zu plump. Besser laͤsst es sich noch hoͤ- ren, wenn man in den Kappen sagt: Es sey kein Selbst-Lob, wenn ein Scribent die Ab- sicht seiner Abhandlung auf dem Titel aus druͤ- cke. Aber auch in diesen Worten steckt eine Sophisterey, die so mercklich ist, daß ich nim- mer glauben kan, daß der Hr. Prof. Philippi faͤhig sey, sich derselben zu seiner Rechtfertigung zu bedienen. Der Hr. Prof. Philippi weiß gar zu wohl, daß es nicht einerley ist, die Ab- sicht seiner Abhandlung schlechtweg aus zudruͤ- cken, oder von seiner Schrift auf dem Titel sol- che Dinge zusagen, aus welchen folget, daß sie ohne Fehler, und die vortreflichste in ihrem Geschlechte sey. Man kan also mit Fug zweiseln, ob der Herr Prof. Philippi sich, wie in den Kappen geschiehet, auf diejenige wuͤrde beru- fen haben, die ihre Buͤcher, gruͤndliche Erlaͤu- terungen, und vernuͤnftige Gedancken betiteln. Das Lob, so in diesen Titeln steckt, ist so gar groß nicht, daß man es sich nicht selbst ohne Prah- ( o ) Prahlerey beylegen koͤnnte. Gruͤndlich und vernuͤnftig muß ein jeder schreiben. Wer es thut, der thut, was er zu thun schuldig, und ist ein unnuͤtzer Knecht. Wer demnach schrei- bet, der muß voraus setzen, daß er im Stande sey, gruͤndlich und vernuͤnftig zu schreiben. Hat er andere Gedancken von sich, so muß er gar nicht schreiben. So bald also einer die Feder ergreift, so giebt er stillschweigend zu ver- stehen, daß er sich einbilde, er schreibe gruͤnd- lich und vernuͤnftig. Er kan dieses auch, wenn er will, laut sagen, und prahlt nicht, so lange er seiner Schreib-Art nicht Vortreflichkeiten und Eigenschaften beyleget, die das uͤbersteigen, was man insgemein gruͤndlich und vernuͤnf- tig nennet. Wer dieses letzte thut, giebt ei- nen uͤbeln Begrif von seinem Verstande. Elende Scribenten bilden sich ein, daß sie na- tuͤrlich, maͤnnlich und heroisch schreiben; ver- nuͤnftige Leute hergegen glauben nur, daß sie vernuͤnftig schreiben. Un esprit mediocre croit écrire divinement, un bon esprit croit écrire raisonnablement. La Bruyere dans ses Caracteres Chap. des Ouvrages d’ e- sprit. Was ich hier schreibe hat der Hr. Prof. Philippi lange gewust, und sieht also den Un- terscheid zwischen den Titel seiner sechs deut- schen Reden, und dem Titel eines Buchs, von dem nurbloß gesagt wird, daß es vernuͤnftig, gar zu tief ein, als daß man glauben koͤnnte, er habe seine Vergehung auf eine so unzulaͤng- liche Art rechtfertigen wollen. Wie koͤnnen denn ( o ) denn seine Verfolger hoffen, man werde sich von ihnen weiß machen lassen, er sey so gar ver- blendet, daß er sich auf das Exempel des Hn. von Bockshorn zu beruffen, kein Bedencken trage. Ein Kind siehet, daß der Herr von Bockshorn nicht im Ernst, sondern nur dem Hn. Prof. Philippi seine Prahlerey stillschwei- gend zu erkennen zu geben, die Worte na- tuͤrlich, maͤnnlich, und heroisch auf dem Titel seiner Satyre gesetzet hat; Und der Herr Prof. Philippi solte so ungluͤcklich seyn, daß er dieses nicht saͤhe? Er muͤste auf den Fall allen Witz verlohren haben. Damit man dieses von ihm dencken moͤge, bringen seine Gegner so elende Dinge vor, und legen ihm Worte in dem Mund, die man kaum von einem Bloͤd- sinnigen vermuthen solte. Dieser Streich ge- faͤllt mir nicht, und giebt zu erkennen, daß die Feinde des Hn. Prof. Philippi ihren eigenen Vortheil nicht kennen. Sie verrathen sich nicht allein dadurch, sondern beschimpfen sich auch selbst. Denn was waͤre es ihnen nicht vor eine Schande, daß sie sich mit dem Herrn Prof. Philippi abgegeben haben, wenn er so gar unertraͤglich albern waͤre, als sie ihn vor- stellen? II. Jst es unglaublich, daß der Hr. Prof. Philippi die Anfangs-Worte des Briontes: Es lebe der Hr. Prof. Philippi! hoch! auf eine so grobe Art parodir et habe. Pereat, heisst es in den Kappen, der Nieder-Saͤch- sische Pasquillant! tief! Ein jedes Wort dieses ( o ) dieses grimmigen Seufzers ist so beschafen, daß der Hr. Prof. Philippi ein gantz anderer Mann seyn muͤste, als er ist, wenn er sich des- selben bedienet. Er ist ein guter Christ, und weiß, daß man auch denen, die uns fluchen, ge- schweige einem Menschen, der uns seegnet, nicht fluchen muͤsse. Wie kan er dann pereat sa- gen? Er weiß, daß es unrecht ist, und hat so viele Proben seiner Gottesfurcht gegeben, daß man nicht Ursache hat, von ihm zu glauben, er sey so rachgierig, daß er daruͤber der noͤthig- sten Pflichten eines guten Christen vergesse, von denen er so wohl unterrichtet ist. Das Wort: Nieder-Saͤchsisch kan gleichfals nicht von dem Hn. Prof. Philippi seyn. Er weiß gar zu wohl, daß der Sa- tans-Engel, der ihn mit Faͤusten schlaͤgt, nicht in Nieder-Sachsen ist. Man mercke daher die List dieses Menschen, der durch das Wort: Nieder Saͤchsisch den Hn. Prof. Philippi in die weite Welt schicken will, um in entfern- ten Laͤndern seinen Verfolger zu suchen, der ihm doch gantz nahe ist, und den der Herr Prof. vielleicht vor seinen Freund haͤlt. Noch weniger aber ist zu glauben, daß der Herr Prof. Philippi seinen Feind vor einen Pasquillanten halte. Ein solches Schelt- Wort schickt sich nicht in dem Munde eines grossen Rechts-Gelehrten, der die Halß-Ge- richts-Ordnung gelesen, und vielleicht an- dern schon oft erklaͤret hat, was libellus famo- sus sey. Die Einfaͤltigen meinen, daß eine Spott, U Schrift, ( o ) Schrift, deren Verfasser seinen Nahmen nicht genennet, ein Pasquill sey. Aber ein Gelehrter ist so unwissend nicht, zumahl wenn er selbst die Gesetze erklaͤret. Es ist also ofen- bahr, daß die Feinde des Hn. Prof. Philippi in der laͤcherlichen Parodie den Verfasser des Briontes aus keiner andern Ursache einen Pasquillanten genennet haben, als damit man glauben moͤge, der Hr. Prof. Philippi sey tumm genug ihn davor zu halten. Es ist wunder, daß sie nicht gar gedichtet, der Hr. Prof. Phi- lippi halte seinen Feind darum vor einen straf- baren Laͤsterer, weil er ihn mit einem Geschrey, und zwar in einer Versammlung beschim- pfet, dieser Einfall haͤtte sich nicht uͤbel zu der Parodie geschicket, und noch durch ein Gesetz beschoͤniget werden koͤnnen. Denn Ulpia- nus sagt l. 15. §. 11. 12. ff. de Injur. \& Fam. lib. ausdruͤcklich: … apparet, non omne maledictum convicium esse, sed id solum quod cum vociferatione dictum est. Sive unus, sive plures dixerint, quod in cœtu dictum est, convicium est. Was haͤtten sie nicht uͤber diese so troͤstliche Stelle dem Herrn Prof. Philippi vor gravitaͤtische Thorheiten sagen lassen koͤnnen? Und in der That waͤre ihr Betrug wahrscheinlicher geworden, wenn sie den Hn. Prof. Philippi haͤt- ten mit Gesetzen um sich werfen lassen Zum we- nigsten haͤtte sich dieses vor einen Rechts-Ge- lehrten besser geschickt, als daß der Hr. Prof. Philippi, wie in folgenden geschicht, auf das Haͤllische ( o ) Haͤllische Gesang-Buch trotzet, und in seiner Noth ein Weihnacht-Lied anstimmet. Doch ich gehe weiter, und mercke nur noch dieses kuͤrtzlich an, daß auch das eintzige Woͤrt- lein: Tief! zeige, daß der Hr. Prof. Phi- lippi keinen Theil an der laͤppischen Parodie habe. Dieser beruͤhmte Mann hat, in einer von seinen sechs deutschen Reden, so ge- lehrt, gruͤndlich und scharfsinnig von dem Woͤrtlein: Hoch! gehandelt, daß es ein Wunder waͤre, wenn er nicht solte gesehen haben, daß der Anhang: Tief! in dieser Parodie nicht das Gegentheil von dem Wort: Hoch! ausdruͤcken koͤnne, in was vor einem Verstande man es auch nehme. III. Jst es unglaublich, daß, wann der Herr Prof. Philippi wuͤrcklich Urheber der Kappen, er, nachdem er so boͤse und trotzig gethan, gleich darauf eine Entschuldigung wuͤrde vorgebracht haben, die so gut, als eine foͤrmliche Beicht. Denn so laͤsst man ihn §. 11. sagen; Er habe die erste Rede vier Jahr vorher, ehe er Professor geworden gehalten, und ja in den vier Jahren in der Beredsamkeit zu nehmen koͤnnen. Der Hr. Prof. Philip- pi wuͤrde unmoͤglich so geredet haben. Er haͤtte vorher gesehen, daß seine Feinde ihm gantz hoͤnisch antworten wuͤrden. “Sie saͤhen wohl daß er, wie er seine erste Rede gehalten, noch„ nicht weit in der Rede-Kunst gekommen ge-„ wesen: Sie glaubten auch, daß er, wie er„ sage, in vier Jahren an Beredsamkeit zu„ U 2 neh- ( o ) „nehmen koͤnnen: Allein sie beklagten, daß „es nicht geschehen. Und uͤberhaupt lautet wohl die gantze Entschuldigung nicht viel bes- ser, als wenn der Herr Prof. gesagt haͤtte: Jch habe es so gut gemacht, als ich gekonnt. Man halte mir meine Schnitzer zu gute. Jch war zu der Zeit noch ein Saͤugling in der Rede-Kunst, und lallete noch. Jch will es ins kuͤnftige besser machen? Und in der That haben seine Feinde sich nicht gescheuet, ihn als einen Mann vorzustellen, der mit ei- nem ziemlichen Stoltz eine so ausserordentliche Demuth zu verknuͤpfen faͤhig sey. Er bekennet in den Kappen, daß er die Rede-Kunst vor die- sem nur als ein Neben-Werck getrieben habe, und verspricht, er wolle sie ins kuͤnftige sein Haupt-Werck seyn lassen. Dieses heisset Besse- rung angeloben, und wer das thut, der erkennet seine Schwachheit. Wer aber sein Elend erkennet, der prahlt nicht, der pocht nicht, der schilt nicht, der stellet sich nicht an, als wenn er noch Recht uͤbrig haͤtte. Da nun aber in den so betitelten Kappen der Herr Prof. Philippi bald groß und boͤse thut, bald seine Suͤnde bekennet, und zu der Barmhertzig- keit seiner Richter seine Zuflucht nimmt, so kan er diese Kappen unmoͤglich verfertiget haben. Die sind und bleiben ein Werck sei- ner Feinde, die den Hn. Prof. Philippi mit aller Gewalt zu einem Menschen machen wol- len, mit dem man Geld verdienen koͤnnte. Jndem ( o ) Jndem ich dieses sage, will ich nicht leugnen, daß das Bekaͤnntniß, so man dem Herrn Prof. in den Mund leget, sich gar wohl auf seinen Zustand schicke, wenn man es ausser dem Zusammenhang mit dem Rest der Kappen ansiehet: Jch will auch zuge- ben, daß die Spoͤtter seine jetzigen Gedan- cken gar gluͤcklich ausgedruͤcket; weil ich die feste Vermuthung habe, daß der Hr. Prof. auf seine Besserung eyfrig bedacht ist: Aber darum koͤmmt es mir doch nicht wahrschein- lich vor, daß er seine Fehler so oͤfentlich sollte bekannt haben. Dieses waͤre ein Grad der Selbst-Verleugnung, den man von dem Herrn Prof. Philippi im Anfange seiner Bes- serung nicht vermuthen und ohne Unbillig- keit nicht verlangen kan. Die Kirche verlan- get von oͤfentlichen Suͤndern auch eine oͤf- fentliche Busse; aber die gelehrte Welt ver- faͤhrt so scharf mit denen boͤsen Scribenten nicht. Sie ist zufrieden, wenn diese Suͤn- der nur ihre Thorheiten ins geheim bewei- nen. IV. Jst es unglaublich, daß der Herr Prof. Philippi, wenn er die Kappen ge- machthaͤtte, sich wegen Vertheidigung seiner Redens-Art von Flaͤmmlein aus goͤttli- cher Flamme, so viel unnuͤtze und laͤcherliche Muͤhe wuͤrde gegeben haben. Denn wer hat je- malen diese Redens-Art angefochten? Und kan man sich also des Lachens wohl erwehren, wenn man siehet, wie sauer es sich der Herr U 3 Prof. ( o ) Prof. Philippi in den Kappen werden laͤsset, zu beweisen, daß in der Theologie die Worte: Feuer, Licht und Flamnie in einem verbluͤmten Verstande gebraucht werden? Gerade als wenn ihm dieses jemand geleugnet haͤtte. Der Hr. von Bockshorn hat es zum wenigsten nicht gethan, und es muͤste einer sehr einsaͤltig seyn, wenn er nicht beym ersten Anblick ersaͤhe, daß alles, was der Verfasser des Briontes von der possierlichen Anrede an die Gottesfurcht saget, da hinaus laͤuft, daß der Hr. Philippi, indem er gantz hoch und heroisch mit seinem Flaͤmm- lein aus goͤttlicher Flamme reden wollen, in ei- nen ungeheuren Galimatias verfallen sey, und niemand, ja vielleicht er selbst nicht, wissen koͤn- ne, was er baben wolle. Darauf gruͤnden sich alle seine Spoͤttereyen, und hat er den Ti- tel von Flaͤmmlein aus goͤttlicher Flamme, den der Hr. Prof. Philippi der Gottesfurcht bey- geleget, einigemal wiederholet, so hat er es un- streitig nur darum gethan, weil es ihm laͤcher- lich vorgekommen, daß der Hr. Prof. Philip- pi sein verworrenes Gewaͤsche mit einem so praͤchtigen Titel angefangen, der wegen der ihn begleitenden Thorheiten selbst possierlich klin- get; nicht aber in der Absicht, daß er leugnen wolle, es sey erlaubt, die Gottesfurcht eine Flamme, ein Licht, ein Feuer zu nennen, und ihr einen himmlischen Ursprnng zuzuschreiben. Jch bekuͤmmere mich wenig darum, ob der Verfasser des Briontes von der Philippischen Anrede an das Flaͤmmlein aus goͤttlicher Flamme ( o ) Flamme recht geurtheilet hat, oder nicht. Das mag der Hr. Prof. Philippi, wenn er Lust hat, mit ihm ausmachen. Jch sage nur, daß seine Absicht keine andere sey, als uͤber das, seiner Meinung nach, unverstaͤndliche Geschwaͤtz des Hrn. Philippi zu spotten. Dieses hat der Hr. Prof. Philippi unstreitig begreifen muͤssen; weil er lesen kan: denn diesen Ruhm werden ihm doch seine Feinde noch lassen. Wie ist es denn glaublich, daß er, wenn er ja seine Ehre retten wollen, nichts sollte vorgebracht haben, das wi- der den Verfasser des Briontes waͤre, sondern daß er ohne Noht seine Bibel und sein Gesang- Buch muͤhsam wuͤrde durchgeblaͤttert haben, um eine Sache zu beweisen uͤber welche nie- mand mit ihm streitet? Wie gerne saͤhen es seine Feinde, wenn wir ihm diese Einfalt zutraueten? Aber ich vor meine Person kan mich so weit nicht uͤberwinden, und aͤrgere mich, wenn ich sehe, daß diese Spoͤtter so unverschaͤmt sind, daß sie der Welt weiß machen wollen, der Hr. Prof. Philippi wuͤrde sich eben nicht entsehen, seine wunderliche Anrede an die Gottesfurcht damit zu entschuldigen, daß er, wie sein Con- cept ausweise, seine Rede kurtz nach der Koͤni- gin Tode, und also in der ersten Bewegung des Schmertzens haͤtte gehalten: Da ich doch v er si- chert bin, daß der Hr. Prof. Philippi gar wohl siehet, daß seine Feinde uͤber eine so kahle Ent- schuldigung nur frohlocken, und sagen wuͤr- “den: Wir glauben gerne, daß der Hr. Prof. „nicht bey sich selbst gewesen, als er seine Rede U 4 verfer- ( o ) „verfertiget hat; und darum ist sie auch so uͤbel „gerahten. Er besinne sich auf ein andermal „erst, wenn er schreiben will. Eben eine sol- che Antwort wuͤrde er zu gewarten haben, weñ er, wie in den Kappen unter seinem Namen geschiehet, sich damit retten wollte; daß er sei- ne Rede lange vorher geschrieben habe, ehe er Professor geworden. “Es mag ihm denn, wuͤr- „den seine Feinde sprechen, diesesmahl hinge- „hen; aber mache er es auf ein andermal bes- „ser. Da nun die in den Kappen vor- kommende Vertheidigung des Puncts von dem Flaͤmmlein aus goͤttlicher Flamme so schwach, und dem Hrn. Prof Philippi so schimpflich ist, so muͤste man einen sehr uͤblen Begrif von ihm haben, wenn man glauben wollte, sie sey aus seinem Gehirn gekommen. V. Halte ich den Hrn. Prof. Philippi vor viel zu klug, als daß er glauben sollte, es sey moͤglich, daß ein Koͤnig in Franckreich das Sa- lische Gesetz, abschafen koͤnne, es sey nun mit, oder ohne Einwilligung des Parlaments. Dieses ist ein Fund seiner Feinde, um ihn als einen Menschen abzubilden, der zwar siehet, daß er geschlaͤgelt hat, und sich schaͤmet, der aber doch so halßstarrig ist, daß er lieber noch eine Thorheit vorbringet, als seinen Fehler gestehet. Jch uͤbergehe mit Stillschweigen, daß man gar in den Kappen dem Herrn Prof. Philippi Schuld giebet, er habe nicht geringe Lust zu leugnen, daß er jemalen gesagt, die Frantzoͤsi- schen Princessinnen koͤnnten noch wohl einmal, wenn ( o ) wenn kein Dauphin kaͤme, zur Crone gelan- gen. Dieser Betrug faͤllt gar zu sehr in die Sinne, und ich glaube, daß niemand dem Hrn. Prof. Philippi eine so eiserne Stirn zutrauen werde. VI. Glaube ich nicht, daß der Hr. Prof. Philippi zu Vertheidigung des Ausdruckes von verschmachtenden Augen so unnuͤtze, laͤppische Dinge wuͤrde vorgebracht haben. Z. E. Ein Buͤrger in Hamburg oder Luͤbeck, wo man keine Landes-Mutter habe, koͤnne nicht wissen, wie nahe einem Saͤchsischen Pa- trioten der Verlust seiner Landes-Mutter ge- he. Dieses heisset nichts gesagt, und wird nicht eher gelten, als bis man wahrscheinlich macht, daß der Hr. von Bockshorn, wenn er sagt, er koͤnne die Verschmachtung der Augen nicht begreifen, dadurch zu verstehen geben wolle, er koͤnne nicht begreifen, wie es moͤglich sey, daß man uͤber den Tod einer Landesmutter so viel Betruͤbniß empfinde. Jch bin versichert, daß der Hr. Prof. Philippi dieses nicht glaubt, sondern wohl siehet, daß der Verfasser des Briontes nur bloß das Wort: verschmach- tend, an diesem Orte tadeln will, und vermuth- lich in der Einbildung stehet, die Verschmach- tung sey eine Wuͤrckung des Durstes und nicht der Traurigkeit. Er kan also nicht so ausgeschweifet haben, als der Spoͤtter, der die Kappen gemacht hat, es uns einbilden will: aber dieser hat, um sich zu verbergen, und seines Vortheils wegen abermal die Gelegenheit er- U 5 grifen, ( o ) grifen, von Hamburg und Luͤbeck zu schwa- tzen, den Hrn. Prof. Philippitheils zu verwir- ren, theils als einen verworrenen Kopf vorzu- stellen. Aus gleich boͤser Absicht hat er nicht versaͤumet, den Hrn. von Bockshorn wieder- um mit seiner Dorilis zu scheeren, und ihn der verschmachtenden Augen, die er oft gehabt, oder an seiner Goͤttin wahrgenommen, auf ei- ne hoͤnische Art zu erinnern, ohne zu bedencken, daß ihm nicht leicht jemand glauben werde, daß der Hr. Prof. Philippi, wenn er die Kap- pen gemacht, von den in Thraͤnen schwim- menden und gebrochenen Augen der Trauri- gen, auf die verschmachtende Augen … oculosque in fine trementes. Juvenalis Sat. VII. der Verliebten verfallen seyn wuͤrde, bloß aus einer unbaͤndigen Begierde, seinem ihm gantz unbekannten Feinde, durch eine verwegene Be- schuldigung einer Liederlichkeit, wehe zu thun. Ob uͤbrigens der Ausdruck von verschmach- tenden Augen deutsch oder undeutsch sey, das geht mich nicht an. VII. Gebe ich meinen Lesern zu bedencken, ob es nicht wieder alle Wahrscheinlichkeit sey, daß der Hr. Prof. Philippi dasjenige geschrie- ben, was zur Vertheidigung der Ohnmacht ge- sagt wird, die dem Hn. Prof. Philippi ange- wandelt. Man spricht: Es sey kein Ernst damit gewesen. Wie kan aber der Hr. Prof. Philippi dieses sagen, da er doch in einer eige- nen Anmerckung, als etwas besonders, erzeh- let, ( o ) let, daß ihm die Ohnmacht von ohngefehr an- gewandelt, und also nicht gekuͤnstelt gewesen? Jst es glaublich, daß der Hr. Prof. es uͤbel nehmen koͤnne, wenn man seinen Worten trau- et, und ihm die Ehre thut zu glauben, daß er nicht leicht ohne alle Noth eine Unwahrheit sa- gen werde? Jch kan mir nicht einbilden, daß der Hr. Prof. Philippi so gar unvernuͤnftig ist. Jch glaube vielmehr, er wuͤrde, wenn er vor gut befunden, wieder den Hn. von Bocks- horn zu schreiben, diesem Spoͤtter durch ver- nuͤnftige Gruͤnde bewiesen haben daß eine ver- stellte Ohnmacht eines Redners keine Gaucke- ley und kein Comedianten Streich sey. Aber zu dem Ende wuͤrde er sich nicht auf das Exem- pel der Esther berufen haben. Denn die Ohnmacht dieser Koͤnigin war ungekuͤnstelt, und zu dem stand Esther nicht auf der Catheder. Noch weniger wuͤrde er den rasenden Schluß gemacht haben: Kan der Hr. von Bockshorn auf einen Beine huͤpfen, so kan ich auch wohl, wenn es mir beliebt in Ohnmacht fallen. Denn der Hr. Prof. Philippi siehet wohl, daß der Verfasser des Briontes ihn nur durch sein Huͤpfen, auf eine sinnliche Art, uͤberfuͤhren wollen, daß ein vernuͤnftiger Redner kein Gauckler seyn, und solglich nicht zum Schein in Ohnmacht fallen muͤsse. Jndessen steht dieser abentheurliche Schluß in denen Kap- pen, mit welchen man sich, als mit einer Schutz- Schrift des Hn. Prof. Philippi traͤgt; und dieses eintzige ist hinlaͤnglich, alle vernuͤnftige Leute ( o ) Leute zu uͤberfuͤhren, daß diese Kappen nicht von dem Herrn Prof. Philippi zugeschnitten seyn koͤnnen. VIII. Jst die Entschuldigung der heidni- schen Redens-Arten von unterirdigen Grot- ten, und dem Reiche der Todten so albern, daß ich mich entsehe, zu glauben, daß der Hr. Prof. Philippi sich derselben bedienen koͤnnen. Er habe sich, laͤsst man ihn in den Kappen sa- gen, nach dem Begrif seiner Zuhoͤrer richten muͤssen, die damahlen die Gespraͤche im Reiche der Todten alle gelesen. Suchte sich der Hr. Prof. Philippi wuͤrcklich durch diese Ausflucht zu retten, so wuͤrden seine Feinde ihm antwor- ten; Er schwaͤrme: Und sie haͤtten recht. Denn was konnte es seinen Zuhoͤrern vor Trost geben, daß er, ob er gleich ein Christ war, von dem Zustand der Seeligen nach dem Tode auf eine heidnische Art redete? Solte es dienen, ihnen einen rechten Begrif von diesem begluͤck- ten Zustande zu geben, oder solte es ihnen den Verstand der Gespraͤche im Reiche der Todten erleichtern? Beydes ist gleich unmoͤglich, und gleich unvernuͤnftig. Doch ich mercke die Ab- sicht der Spoͤtter wohl. Sie wollen nicht nur den Hn. Philippi laͤcherlich machen, son- dern auch der Gesellschaft, in welcher er seine Rede gehalten, einen Stich geben; Darum mahlen sie dieselbe als eine Versammlung von Leuten ab, die sich an solchen Schriften erqui- cken, welche nur von Halb-Gelehrten hoch ge- halten werden. IX. ( o ) IX. Jst es unglaublich, daß der Hr. Prof. Philippi das Hertz wuͤrde gehabt haben, zu leugnen, daß er gesagt: der Koͤnig von Pohlen werde nimmer sterben. Seine Worte sind viel zu klar. Er spricht: “Es sey nunmehro dasjenige aus dem Wege geraͤumet, so dem„ Koͤnige den hoͤchstverdienten Ruhm der Un-„ sterblichkeit noch einigermassen streitig zu ma-„ chen geschienen.“ Er redet also nicht von dem Ruhm des Koͤniges, sondern von dem Koͤ- nige selbst. Denn der Ruhm des Koͤniges wuͤrde doch unsterblich gewesen seyn, wenn auch das Uebel, wovon die Rede ist, nicht aus dem Wege geraͤumet worden: Und ein un- sterblicher Ruhm, und der Ruhm der Unsterb- lichkeit ist unmoͤglich einerley. X. Mercke ich an, daß es eine grosse Verwe- genheit sey, daß man in den Kappen den Herrn Prof. Philippi als einen Mann vorstellet, der um die offenbahr kauderwelsche Redens-Art: entbehrlicher Rest, zu rechtfertigen, wohl so weit verfallen koͤnne, daß er vorgebe; Rest bedeute bey uns auch ein Stuͤck oder Theil. Gerade als wenn der Hr. Prof. Philippi seine Mutter-Sprache so wenig verstuͤnde, daß er glaube man wuͤrde mercken was er haben wol- le, wenn er uͤber Tisch spraͤche: Gebt mir einen Rest Brod, einen Rest Fleisch u. s. w. Ein Fenster Bier wuͤrde kaum laͤcherlicher lauten. Ein Rest ist freylich ein Theil; Aber ein jedes Theil eines Gantzen ist nicht gleich ein Rest. Der Verfasser des Briontes ist so gut gewesen, und ( o ) und hat dem Hr. Prof. Philippi gesagt, was eigentlich ein Rest sey. Jch glaube daher nicht, daß dieser ehrliche Mann Lust habe seinen Fehler zu beschoͤnigen. Er bereuet ihn. XI. Klingt es laͤppisch, wenn in den Kappen, als was besonders gesagt wird, die Unterle- gung der Hertzen auf den Wege, den der Koͤ- nig gereiset, sey nicht nach dem Buchstaben zu verstehen. Denn wer thut das? Der Ver- fasser des Briontes spottet nur daruͤber, daß der Hr. Prof. Philippi, nachdem er die Her- tzen der Unterthanen in Steine verwandelt, und den Weg damit gepflastert hat, von dem Koͤnige verlanget, er solle geruhen, sich darauf zu lagern. Er meint es sey eine Unbescheidenheit, dem Koͤnige zuzumuthen, daß er aus dem Wa- gen steigen, und sich auf dem Wege liegende Hertzen legen solle: Er lacht uͤber dieses Zumu- then, und es ist zu glauben, daß der Hr. Prof. Philippi ihm seinen Scrupel gantz anders wuͤrde benommen haben, als durch die unge- reimte Erinnerung, man muͤsse die Unterle- gung der Hertzen nicht nach dem Buchstaben verstehen. XII. Erhellet die Unmoͤglichkeit, daß der Hr. Prof. Philippi die Kappen gemacht haben koͤnne, vornehmlich aus der Stelle, da sein Gleichniß von dem wunderbaren Steuer- Mann vertheidiget wird der auf Schifen vom ersten Rang, das Wasser mit einem Ruder durchschneidet. Man stellet ihn als ei- nen Menschen vor, der, ob er wohl seine Thor- heit ( o ) heit nicht leugnen, und auf keine Weise recht- fertigen kan, dennoch von einem so laͤcherlichen Eigensinn ist, daß er sich lieber durch die abge- schmacktesten und kaͤltesten Spoͤttereyen, noch veraͤchtlicher machen, und gar in den Verdacht eines verletzten Gehirnes setzen, als sein Verse- hen erkennen will. Wer zweifelt, ob ich hier den Caracter recht ausgedruͤckt habe, den man dem Hn. Prof. Philippi in den Kappen beyleget, der lese den erstaunens-wuͤrdigen Einfall von einem Stuͤcke Poͤckel-Fleisch, das jener hoͤher gehalten als Ambra, und sage mir denn, ob er begreifen koͤnne was man damit haben wolle. Es leuchtet daraus ein Stoltz hervor, den man von einem so sehr gede- muͤthigten Scribenten nicht vermuthen kan. Hier sieht man die Klauen seiner Feinde, die ihm die wahnsiñigsten Grillen in den Mund legen, um ihn immer laͤcherlicher zu machen. XIII. Jst es nicht wahrscheinlich, daß der Hr. Prof. Philippi Urheber der Kappen sey, weil auf den Titel dieser Schrift der Brion- tes eine confiscirte Satyre genennet, und in der Abfertigung der Niedersaͤchsischen Nach- richten gesaget wird, daß die erwehnte Satyre in Sachsen bey 30 Reinhl. Gold-Guͤlden zu verkaufen verboten worden. Dieses ist eine Unwahrheit, die der Hr. Prof. nimmer gesaget haben kan. Wir wissen hier in Dreßden selbst von einem solchen Verbot, und von der Confiscation nichts. Der Hr. Prof. Phi- lippi ist so nahe bey Leipzig, daß er leicht wissen kan, ( o ) kan, was da vorgehet. Hat er aber jemah- len gehoͤret, daß man Bedencken getragen den Briontes zu verkaufen? Und wie ist es denn moͤglich, daß er eine Sache vor geschehen aus- geben solte, an welche niemand gedacht, noch dencken koͤnnen; weil der Briontes nichts in sich haͤlt, das die Einsicht der Obrigkeit verdien- te? Man kan also dreiste sagen, daß auch die- se Unwahrheit auf die Verunglimpfung des Hr. Prof. Pilippi abziele, und daß seine Feinde dieselbe aus keiner andern Ursache in ihre laͤ- cherlichen Kappen mit einfliessen lassen, als um dadurch zu verstehen zu geben, der Hr. Prof. sey so einfaͤltig, daß er glaube, der Bri- ontes verdiene confiscir et zu werden, und boß- haft und unverschaͤmt genug zu sagen, er sey wuͤrcklich confiscirt, ob es gleich nicht gesche- hen. XIV. Bitte ich meine Leser, eine kleine Be- trachtung uͤber die artigen Namen anzustellen, die dem Verfasser des Briontes in den Kap- pen gegeben werden. Koͤnnen sie glauben, daß der Hr. Prof. Philippi der Erfinder da- von sey, so will ich gerne gestehen, daß sie Leute sind, denen man einbilden kan, was man will. Allein ich habe ein besser Vertrauen zu ihnen. Jch bin fest versichert, daß sie eben so gut, als ich, sehen werden, daß die Urheber der Kap- pen die Regeln der Wahrscheinlichkeit nicht groͤber uͤbertreten haben, als eben in diesem Stuͤck. Sie nennen den Verfasser des Brion- tes bald Hr. von Bockshorn, bald Msr. Stax, bald ( o ) Hr. von Stolperleicht, bald Hr. von Plump- sack, bald Hr. von Drehsleicht, und meinen, daß so laͤppische Beynahmen sich in dem Mun- de eines Lehrers der Wohlredenheit gar wohl schicken. Allein wer will ihnen glauben, daß der beruͤhmte Lehrer, den sie beschimpfen wollen, von so niedertraͤchtigem Gemuͤhte, und von so verderbtem Geschmacke sey, daß er sich durch so gemeine und abgeschmackte Beynahmen dem Poͤbel gleich stellen, und durch solche Pickel- herings Possen seinen Feinden die schoͤnste Ge- legenheit an die Hand geben wolle, uͤber ihn zu lachen? Wenn der Herr Prof. Philippi ein Handwercks-Pursche waͤre, so moͤchte ihre Erfindung noch einigen Schein haben, denn diese Leutlein sind grosse Liebhaber von solchen Raritaͤten, und Meister in der Kunst solche Beynahmen zu erdencken, weil zu keiner Sa- che weniger Verstand erfordert wird, als zu die- ser. Allein Leute, welche ihr Stand und ihre Geburt nur einigermassen von Poͤbel unter- scheidet, haben einen Eckel an solchen Possen; Und ich wolte also eher glauben, daß der Herr Prof. Philippi ein falscher Muͤntzer, ja daß er ein guter Poet sey, als daß ihm jemahlen, auch nur im Traum, der Gedancke eingefallen sey, den Verfasser des Briontes Hr. von Plumpsack zu nennen. Jch schliesse hier meine Anmerckungen, und hofe, das keiner meiner Leser, wenn er das reif- lich erwogen, was ich zur Vertheidigung des Hrn. Prof. Philippi gesagt habe, so leichtglaͤu- X big ( o ) big seyn wird, daß er sich von den Feinden des Herrn Prof. Philippi bereden lassen sollte, die- ser Haͤllische Lehrer sey wuͤrcklich Urheber von den so genannten Kappen. Hat jemand noch einigen Zweifel, der nehme sich die Muͤhe, und sehe den Beschluß dieser Kappen nur einmal mit Bedacht an. Jch bin versichert, seine Scrupel werden verschwinden, und er wird mit Haͤnden greifen, daß der Hr. Prof. Phi- lippi die Kappen unmoͤglich gemacht haben koͤnne. Denn wie scheußlich ist der Begrif nicht, den man uns in dem Schluß dieser haͤ- mischen Schrift von der Gemuͤths-Beschaf- fenheit des Hrn. Prof. giebt? Er bittet um Friede, und traͤgt seinen Verfolgern Freund- schaft an. Er thut es auf eine Art, daß man, er mag sagen, was er will, wohl siehet, daß er in tausend Aengsten sey, und vor Furcht und Warten der Dinge, die da kommen sollen, nicht zu bleiben wisse. Man halte dieses Be- zeigen gegen den Caracter, den man dem Hrn. Prof. Philippi in den Kappen beygeleget hat. Jn den Kappen ist der Hr. Prof. Philippi weit uͤber seine Widersacher erhaben, er tantzet ihnen auf den Koͤpfen, und aus allem, was er sagt, leuchtet nichts als Hochmuth, Trotz, Zorn, Rachgierde, Grobheit und eine grosse Verachtung seiner Feinde hervor. Jn dem Schluß dieser Schrift hergegen kruͤmmet sich derl Hr. Prof. Philippi, und faͤllt seinen Fein- den zu Fusse. Er laͤsset nichts als Demuth, Kleinmuͤthigkeit, Gedult und Friedfertigkeit von ( o ) von sich blicken. Er ist hoͤflich, und bezeugt gegen seine Feinde eine Hochachtung, von welcher man in seiner gantzen Schrift nicht die gering- ste Spur findet. Wie kan dieses mit einander bestehen? und sollte man nicht fast auf die Muthmassung gerathen, daß die Kappen und der Beschluß derselben nicht bey einem Meister gemacht worden; wenn man nicht augenschein- lich saͤhe, daß alles mit Fleiß so widersinnig ein- gerichtet, und die Absicht der Spoͤtter keine andere sey, als den Hrn. Prof. Philippi zu be- schimpfen? Sie bilden ihn als einen Menschen ab, der zu gleicher Zeit stoltz und niedertraͤchtig, trotzig und verzagt, zornig und gedultig, rach- gierig und friedfertig, grob und hoͤflich ist. Sie machen ihn also zu der ungluͤckseligsten Crea- tur, die unter der Sonne lebt, und zu einem Menschen, der die groͤsseste Ursache von der Welt hat, den Tag seiner Geburt zu ver- fluchen. Und diese gar zu hoch getriebene Spoͤtterey macht alle ihre Bemuͤhung zu nich- te. Man mercket ihre Schalckheit und trauet ihnen nicht. Denn wer will glauben, daß der Hr. Prof. Philippi sich in einem so elenden Zu- stande befinde? Glaubt man aber dieses nicht, so kan man auch nicht glauben, daß er Urheber von den Kappen sey. Jch habe mir bisher alle Muͤhe von der Ein Ein- wurf wird beantwor- tet, und ge- wiesen, daß der Hr. Prof. Welt gegeben, den Hrn. Prof. Philippi von diesem, ihm so schimpflichen, Verdacht zu be- freyen, und ich bilde mir ein, daß meine Arbeit nicht vergeblich seyn werde. Die Gruͤnde, X 2 mit ( o ) Philippi die Anmer- ckungen uͤ- ber das Fuͤndel- Kind nicht gemacht. mit welchen ich bewiesen habe, daß der Hr. Prof. Philippi die Kappen nicht geschrieben, sind unumstoͤßlich. Jch wuͤrde aber die gute Wuͤrckung, welche sie, natuͤrlicher Weise, bey allen vernuͤnftigen Leuten haben muͤssen, selbst hindern, wenn ich nicht einem Einwurf begegne- te, den man mir machen kan, und der einen gros- sen Schein hat. Man wird sprechen: Es sey umsonst, daß ich mich bemuͤhe, dem Herrn Prof. Philippi die Schrift: Gleiche Bruͤ- der, gleiche Kappen, abzusprechen: da er selbst, in seinen Anmerckungen uͤber das Send- Schreiben der fuͤnf Schwestern, diese Mißgeburth fuͤr sein Kind erkenne. Der Hr. Professor muͤste es ja unstreitig besser wissen, als ich. Nun weiß ich wohl, daß das Send- Schreiben der fuͤnf Schwestern unter dem Titel: Wunderseltsames Fuͤndel- Kind, und mit Anmerckungen in oͤfentlichen Druck erschienen ist, die den Hrn. Prof. Phi- lippi zum Urheber haben sollen. Jch weiß auch, daß der Hr. Prof. Philippi in einer die- ser Anmerckungen sich auf die Kappen be- rufet, als auf eine Schrift, die er gemacht hat, und die er ehestens unter die Presse geben werde: allein darum glaube ich doch noch nicht, daß der Herr Prof. Philippi wuͤrcklich so unbe- dachtsam gewesen, daß er durch eine so alberne Schutz-Schrift, als die Kappen sind, sich selbst so sehr beschimpfen und seinen Verfol- gern ein Lachen zubereiten wollen. Man be- weise mir erst, daß die Anmerckungen in der That ( o ) That von ihm sind die dem so genannten Fuͤn- del-Kinde statt eines Gebuꝛts-Bꝛiefes und Passes dienen sollen. Jch habe wichtige Ur- sachen, daran zu zweifeln. Wer versichert uns, daß auch die Herausgebung dieses Fuͤn- del-Kindes nicht ein Streich der Verfolger des Herrn Philippi sey? Koͤnnen diese ver- wegene Spoͤtter den Geburts-Brief, mit welchen dasselbe versehen ist nicht eben so wohl geschrieben haben, als die Kappen? Ja ich will ein hohes verwettet haben, wo sie es nicht gethan. Sie haben wohl vorher gese- hen, daß ihre Betriegerey etwas zu plump und niemand leicht glauben wuͤrde, daß der Hr. Prof. Philippi Urheber von den Kap- pen sey. Darum haben sie sich der List bedie- net, erst das Fuͤndel-Kind, als einen Vor- laͤufer ihrer erdichteten Schutz-Schrift, in die Welt zu setzen, in denen, unter des Hrn. Prof. Philippi Namen, dazu gemachten Anmerckun- gen, gleichsam im Vorbeygehen, der Kap- pen, als einer Schrift des Hrn. Prof. Phi- lippi, die bald das Licht sehen werde, zu erweh- nen, und also der Mißgeburt und dem Wechselbalg, die sie dem Hrn. Prof. Philip- pi unterschieben wolten, den Weg zu bahnen: Jn der festen Hofnung, es wuͤrde ein jeder die- sen Wechselbalg fuͤr ein aͤchtes Kind des Hrn. Prof. Philippi halten, wenn dieser gantz unschuldige Mann nur einmal bekennet haͤtte, daß er Vater dazu sey. X 3 Diese ( o ) Diese Muthmassung ist sehr wahrschein- lich, und ich werde noch mehr darinn bestaͤrcket, wenn ich die Kappen mit den Anmerckun- gen zu dem Fuͤndel-Kinde zusammen halte. Kein Rabe ist dem andern so aͤhnlich, als diese beyde Schriften. Zwar hat man es in den Anmerckungen uͤber das Fuͤndel-Kind so arg nicht gemacht, als in den Kappen: Aber diese Anmerckungen musten auch etwas er- traͤglicher seyn, als die Kappen. Dieses er- forderten die Regeln der Klugheit; weil sonst die Welt den Betrug gar zu bald gemerckt ha- ben wuͤrde. Jndessen haben sich die Spoͤtter auch in den Anmerckungen uͤber das Fuͤn- del-Kind nicht so sehr verstellen koͤnnen, daß man ihre Schalckheit nicht mercken sollte. Die possierliche Vorrede, die laͤppischen Spoͤttereyen, und noch viele andere bedenckli- che Ausdruͤckungen, die dem Hrn. Prof. Phi- lippi wenig Ehre bringen, legen schon eine grosse Begierde an den Tag, den Herrn Prof. laͤcherlich zu machen. Will man aber noch eine deutlichere Probe von dieser boͤsen Ab- sicht haben, so betrachte man die elenden Knit- tel-Verse, welche die Urheber des Fuͤndel- Kindes bey aller Gelegenheit, eben so wie in den Kappen geschehen, unter die kaltsinni- gen Spoͤttereyen mengen, welche sie in des Herrn Professor Philippi Namen vorbrin- gen. Sie werfen diesem ehrlichen Manne dadurch seine Reimsucht, auf eine haͤmi- sche Weise, vor, und geben allen Lesern, die den ( o ) den Herrn Professor Philippi vor den wah- ren Urheber der Anmerckungen uͤber das Fuͤndel-Kind halten, Anlaß, wenn sie die Verse lesen, den Herrn Professor Phi- lippi den andern Eumolpus zu nennen, und bey sich selbst zu dencken: consumta fri- gidissima urbanitate, rediit ad carmina sua. Petronius p. m. 137. Ja was ist nicht vor ein Abgrund von Bosheit in derjenigen Stelle verborgen, da sie den Herrn Professor Philippi sagen las- sen: Es gehe ihm so, als allen grossen“ Geistern. Leibnitz und Thomasius haͤtten„ eben ihre Anfechtungen gehabt.“ Wie„ prahlhaft klinget dieses nicht? Jst es glaub- lich, daß der Herr Professor Philippi die Dreistigkeit wuͤrde gehabt haben, sich mit so grossen Geistern zu vergleichen, oder daß er sich selbst so wenig kenne, daß er zwischen der Operation, die der Verfasser des Brion- tes an ihm verrichtet hat, und dem, was einige Elende wider den Herrn von Leibnitz und den seel. Thomasius vorgenommen haben, eine Aehnlichkeit finden solte? Eine so hoch- muͤthige Einbildung koͤnnte vielleicht seinen Jammer auf einige Minuten lindern, aber in der That wuͤrde sie ihm doch noch mehr Verdruß zuwege bringen, und dem kleinen Faustulus beym Ausonius vollkommen aͤhnlich machen, der, wie er das Ungluͤck hatte, von einer Ameise, die er ritte, abge- X 4 wor- ( o ) worfen, und, da dieses kollernde Thierchen hinten ausschlug, so gefaͤhrlich beschaͤdiget zu werden, daß er daruͤber seinen Geist aufge- ben muste, sich in seinem Letzten damit auf- richtete, daß er einen eben so schweren Fall gethan, als Phaeton: Faustulus insidens formicæ, ut magno elephanto Decidit, \& terræ terga supina de- dit. Moxque idem est ad mortem multatus calcibus ejus Perditus ut posset vix retinere ani- mam. Vix tamen est fatus: Quid rides, im- probe Livor? Quod cecidi? cecidit non aliter Phaëton. Ausonius Epigr. CXV. Es ist also unmoͤglich, daß der Hr. Prof. Philippi sich mit Leibnitzen und Thomasius koͤnne verglichen haben. Es ist unmoͤglich, daß er Urheber der Anmerckungen uͤber das Fuͤndel-Kind sey: und dieses Fuͤndel-Kind kan demnach keinen guten Einwurf wieder die Gruͤnde abgeben, durch welche ich bewiesen, daß der Hr. Prof. Philippi die Kappen nicht gemacht habe. Meine Gruͤnde beharren in ihrer Kraft, und niemand, der dieselbe gebuͤhrend einsiehet, wird sich durch die Feinde des Hn. Prof. Philippi ver- ( o ) verleiten lassen, so uͤbele Gedancken von diesem Manne zu haben, als man uns beybringen will. Der Betrug dieser frechen und listigen Spoͤtter ist numehro gluͤcklich entdecket, und niemand wird hinfort glauben, daß der Herr Prof. Philippi die Anmerckungen uͤber das Fuͤndel-Kind, und die Kappen verfertiget habe. Jch habe es deutlich gewiesen, und mache mir die Hofnung, meine Leser werden die Bos- heit der Feinde des Hn. Prof. Philippi mit mir verabscheuen. War es nicht genug, daß der Verfasser des Briontes diesen Haͤllischen Red- ner seiner Ausschweifungen wegen gezuͤchti- get? Und ist es nicht was unerhoͤrtes, daß man einem Manne, der in einer ansehnlichen Be- dienung lebet, und loß in Halle herumge- het, zu einer Zeit, da er vielleicht im Staub und in der Asche Busse thut, Schriften an- dichtet, aus welchen eine unglaubliche Hart- naͤckigkeit, und ein so grimmiger Aberwitz her- vorleuchtet, daß ich wenigstens dem Herrn Professor Philippi nicht gerne begegnen moͤg- te, wenn er sie gemacht haͤtte? Jch uͤberlasse es dem erleuchteten Ermessen Herr Prof. Philippi wird er- mahnet, seine Ehre wider die- jenigen zu retten, die ihm solche Schriften andichten. des Hn. Prof. Philippi, was er vor rechtliche Mittel zu Ahndung eines so grossen Frevels vorkehren will. Niemand wird es ihm ver- dencken, wenn er eine so grobe Beleidigung, und einen so strafbaren Mißbrauch seines be- ruͤhmten Nahmens aufs hoͤchste empfindet. Ein so ehrenruͤhriges Beginnen kan auch den X 5 gedul- ( o ) gedultigsten zum Zorn reitzen, und der Eyfer, den der Herr Professor Philippi wieder die Kappen bezeugen muß, wo er nicht gantz unempfindlich ist, wird mich eben so sehr be- lustigen, als seine Gelassenheit in Ansehung der Satyre Briontes. Diese Satyre hiel- te nichts in sich, das dem Herrn Professor Philippi an seiner Ehren schaden konnte. Al- lein die Kappen, die abgeschmackten Kap- pen, die thun ihm den Tod, und bringen ihm eine Schande, die er nimmer wird ab- wischen koͤnnen, wo er die Meynung, daß er dieselbe wuͤrcklich gemacht, einwurtzeln laͤsset, und nicht, so bald seine Feinde mit dieser Schand-Schrift hervorruͤcken, seine Ehre rettet, und oͤfentlich bezeuget, daß er an de- ren Verfertigung keinen Theil habe. Ein solches Bekaͤnntniß wird demjenigen, welches ich zur Vertheidigung des Herrn Professor Philippi geschrieben habe, das rechte Gewicht geben, seine Unschuld ausser Zweifel setzen, und seine Verfolger beschaͤmen. Beschluß. Hier endige ich meine Schrift, die weitlaͤuf- tiger geworden ist, als ich selbst vermuthet habe. Jch schmeichle mir es so gemacht zu haben daß meine Leser, der Herr Professor Philippi und seine Verfolger mit mir zufrieden seyn koͤnnen. Jch unterrichte die ersten, vertheidige den an- dern, und bestrafe die letzten auf eine solche Art, daß sie die wunderlichsten Leute von der Welt seyn muͤsten, wenn sie sich uͤber mich beschweren, und mich ihren Zorn empfinden lassen ( o ) lassen wolten. Jch bekenne, ich habe ihnen die Wahrheit ungeheuchelt gesagt: Aber wie kan sie dieses verdriessen, da sie vor Leute an- gesehen seyn wollen, welche die Wahrheit vor andern lieben? Die Unpartheylichkeit, die ich bezeiget, ist so groß, daß sie ihnen noth- wendig gefallen muß. Denn habe ich gleich die Bosheit getadelt, mit welcher sie sich der Bekehrung des Hn. Prof. Philippi entgegen setzen; Habe ich es ihnen, vieleicht manch- mahl etwas zu hart verwiesen, daß sie durch die thoͤrigten Schriften, so sie unter des Hn. Prof. Philippi Nahmen in die Welt geschi- cket haben, und noch schicken werden, diesen betruͤbten Scribenten vollends zur Verzwei- felung bringen wollen: So muͤssen sie herge- gen auch bedencken, wie sauer ich es mir wer- den lassen, ihren Briontes wieder die unglei- chen Urtheile zu retten, die von ihm gefaͤllet worden sind. Es waͤre viel, wenn sie mir meine Muͤhe mit Undanck lohnen solten. Jn- dessen wenn sie so unbillig seyn wollen, so muß ich es mir gefallen lassen, und werde zu- frieden seyn, wenn unpartheyische Leser nur erkennen, daß die Satyre Briontes nicht mit Religions-Spoͤttereyen angefuͤllet, daß sie nicht ehrenruͤhrig, und folglich keine straf- bare Schrift sey. Jch habe vor noͤthig erachtet, diesen boͤ- sen Wahn zu wiederlegen, so wohl die Un- schuld des Verfassers des Briontes zu retten, als auch den Herrn Professor Philippi vor die ( o ) die Verfuͤhrung derer zu bewahren, die ihn vieleicht durch die schmeichelnde Ein- bildung daß ihm in dem Briontes sehr zu nahe geschehen, und diese Satyre, ich weiß nicht wie ehrenruͤhrig, gottloß und strafbar sey, von Vollfuͤhrung des wich- tigen Wercks seiner Bekehrung, in wel- chem er begrifen ist, abhalten, und durch ihr loses, und dem Fleische angenehmes Geschwaͤtz auf die unvernuͤnftigen Gedan- cken bringen moͤchten, es sey nicht nur noͤthig, sondern auch moͤglich, daß er seine Feh- ler gegen den Verfasser des Briontes biß auf den letzten Bluts-Tropfen ver- theidige. Gute Erinnerungen sind dem aͤussern Men- schen allemahl verdrießlich. Er will nicht ge- meistert seyn. Unsere verderbte Natur wie- derstrebet dem Guten, und die uns allen ange- bohrne Selbst-Liebe blendet uns so sehr, daß wir dasjenige, welches andere an uns tadeln und verabscheuen, oft vor unsere beste Eigen- schaft halten. Es ist also gar natuͤrlich, daß eine Schrift, wie der Briontes, dem Herrn Pro- fessor Philippi, der sich, ich weiß nicht warum, eine gute Zeit eingebildet hat, er sey ein heroi- scher Redner, und ein vortreflicher Dichter, nicht sonderlich gefallen muͤsse, weil sie ihm diese suͤsse Einbildung, wieder seinen Willen raubet, und zu allerhand verdrießlichen Be- trachtungen Anlaß giebt. Die Gelassenheit, die der Herr Professer bißhero bezeiget, laͤsset uns ( o ) uns hofen, er habe sich als ein vernuͤnftiger Mann in seinem Unfall gefunden, und den wahrhaftig heroischen Entschluß gefasset, nicht wieder den Stachel zu lecken, sondern mit Ernst auf Besserung zu dencken. Allein wie leicht ist es nicht, daß dieser Lobens-wuͤrdige Vorsatz durch die sich noch immer regende Ei- gen-Liebe unterbrochen, und der Herr Pro- fessor Philippi durch die versuͤhrischen Reden anderer beweget werde, zu glauben, der Bri- ontes sey eine ehrenruͤhrige, boͤse, strafbare Schrift, der man sich mit aller Macht wie- dersetzen muͤsse. Man siehet unerinnert, daß ein solcher Wahn die Bekehrung des Herrn Philippi ungemein hindern koͤnne. Deswe- gen nun habe ich denen, die durch ihre Urthei- le uͤber den Briontes ihm eine so boͤse Mei- nung etwan beybringen moͤgten, einmahl vor allemahl das Maul gestopfet, und, wo sie ja nicht schweigen wollen, den Herrn Professor Philippi genugsam wieder die li- stigen Anlaͤufe dieser Verfuͤhrer gewafnet. Der Herr Professor Philippi kan aus dieser Schrift die heilsame Erkaͤnntniß schoͤp- fen, daß er keine Ursache habe, auf den Ver- fasser des Briontes zu zuͤrnen. Er ist sein Artzt, der es redlich mit ihm meinet. Er hat ihm, es ist wahr, einen herben und bit- tern Tranck eingegeben. Aber dieses ist dem Herrn Professor gesund. Seine Mit- tel sind beissend und scharf. Allein der Scha- den des Herrn Professors konnte anders nicht ( o ) nicht getheilet werden. Weiche Aertzte tau- gen nicht, und machen faule Wunden. Der Herr Professor Philippi kan demjenigen, welchen ihm das Gluͤck bescheret hat, diesen Fehler nicht vorwerfen. Er hat also keine Ursache, ihn zu hassen, und vor seinen Feind zu halten. Der groͤsseste Feind, den er in der Welt, finden mag, ist derjenige, der die Kappen gemacht hat. Den verfolge er, wieder den eyfere er, mit dem kaͤmpfe er, biß er ihn zu Boden geworfen, und zur Erkaͤnntniß seiner Thorheit gebracht hat. Dieser Ungluͤcksee- lige hat ihn durch die elenden Kappen weit groͤber beschimpfet, als der Verfasser des Briontes durch seine Satyre. Ja, wo dem Geruͤchte zu trauen, so ist eben der Ver- fasser der Kappen Schuld an allem Ver- druß, den der Herr Professor Philippi einige Zeit her ausstehen muͤssen. Er hat, wie man sagt, nicht nur zu der Satyre Briontes, sondern auch zu allen den beissenden Cen- suren Anlas gegeben mit welchen man den Herrn Professor gequaͤlet hat. Der Herr Professor Philippi rette dem- nach seine Ehre wieder diesen gefaͤhrlichen Feind, und lasse den Verfasser des Bri- ontes zufrieden. Fasse er einmahl ein Hertz und greife den Verfasser der Kap- pen ernstlich an. Hat er diesen Feind besieget, und unter seine Fuͤsse gebracht, so kan er versichert seyn, daß er, durch dessen ( o ) dessen Niederlage, die Quelle seines Jam- mers verstopfet. Mit dem Verfasser des Briontes muß der Herr Professor Philippi nicht an- binden. Wider den richtet er nichts aus. Der kennet die Schwaͤche des Herrn Professors, und kan ihn mit leich- ter Muͤhe zu Boden schlagen. Der Hr. Professor Philippi darf nicht dencken: Es sey zwar mit seiner Macht nichts gethan; allein er wolle den wetlichen Arm um Huͤlfe anschreyen. Meine Schrift kan ihn lehren, daß er nicht Ursache habe, sich auf den Beystand der Maͤchtigen die- ser Welt zu verlassen. Jch habe gewie- sen, daß der Verfasser des Briontes nichts gethan, welches die Ahndung der Obrig- keit verdiene. Er hat dem Herrn Profes- sor Philippi seine Fehler auf eine erlaub- te Art gezeiget, und dadurch einen Dienst erwiesen, den der Herr Professor die Zeit seines Lebens nicht vergelten kan. Jch wuͤnsche zu Beschluß von Hertzen, daß der Herr Professor Philippi dieses erken- nen moͤge, und hofe es auch. Dieses ist der sicherste Weg, seine Spoͤtter zu entwafnen. Sich entruͤsten, zur Obrig- keit seine Zuflucht nehmen, und um Rache schreyen, das stehet nicht wohl, und ist verge- bens. Ein boͤser Scribent, der, wenn er mit Vernunft gestriegelt worden, sich auf diese ( o ) diese Art wehren will, vergroͤssert nur sein Ungluͤck. Die Obrigkeit erhoͤret sein Ge- schrey nicht, sondern lacht uͤber seine Kla- gen, und sein Feind triumphirt, wenn er mit Schande abgewiesen wird: ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Si quis Opprobriis dignum latraverit, integer ipse, Solventur risu tabulæ, tu mis- sus abibis. Horatius Lib. II. Sat. I. VI. Stand- VI. S tand- oder A ntritts- R ede, welche der ( S. T. ) Herr D. Joh. Ernst Philippi, oͤfentlicher Professor der deutschen Wohlredenheit zu Halle, den 21. December 1732. in der Gesellschaft der kleinen Geister gehalten, sammt der Jhm darauf, im Namen der gantzen loͤbl. Gesellschaft der kleinen Geister von dem ( S. T. ) Herrn B. G. R. S. F. M. als Aeltesten der Gesellschaft, gewordenen hoͤflichen Antwort. Auf Befehl und Kosten der Gesellschaft der kleinen Geister zum Druck befordert. EXSEQVIAS PHILIPPO QVOI COMMODVM EST IRE, JAM TEMPVS EST, OLLVS DEFER TVR. 1733. Vorrede. N iemahlen sind die Meinungen in unsern Versammlungen so getheilet gewesen, als neulich uͤber die Frage: Ob die Stand-Rede des Hn. Prof. Philippi, und die Antwort darauf dem Druck zu uͤbergeben sey, oder nicht? Einige behaupteten: Es sey zu besor- gen, der Hr. Prof. Philippi werde es uͤbel nehmen, daß man seine Rede wider sei- nen Willen drucken lassen. Es fuͤnden sich in dieser Rede allerhand bedenckliche Ausdruͤckungen, die der Ehre des Hrn. von Boxhorn, und unserer Gesellschaft selbst, entgegen. Man muͤsse die geheimen An- gelegenheiten der Gesellschaft nicht ofen- bahren, und ihre innerliche Streitigkei- ten ( o ) ten nicht bekannt machen. Dieses heisse die Bloͤsse seiner Mutter aufdecken, sey eine Suͤnde wider das vierte Gebot, und gebe dem Feinde nur Anlaß zu spotten. Es sey viel kluͤger gehandelt, wenn man, so viel moͤglich vertuschte, daß der Herr Prof. Philippi zu uns gehoͤre, und unser Haupt sey? Wenn die Feinde unserer Gesellschaft dieses wuͤsten, wuͤrden sie um so viel mehr auf ihrer Hut seyn u. s. w. Andere hergegen sagten: Man wisse von gewisser Hand, daß es dem Herrn Prof. Philippi nicht zuwider, wenn sei- ne Rede gedruckt wuͤrde. Es sey diese Rede weder dem Herrn von Borhorn, noch unserer Gesellschaft schimpflich. Daß wir ein Haupt erwehlet, und daß der Hr. Prof. Philippi sich etwas noͤhtigen lassen, sey nichts geheimes. Die innerliche Un- einigkeit habe nichts zu bedeuten gehabt, und die Feinde unserer Gesellschaft koͤnn- ten sich dieselbe unmoͤglich zu Nutze ma- chen, weil sie gluͤcklich beygeleget. Es sey unmoͤglich zu verbergen, daß der Herr Prof. Philippi ein kleiner Geist, und daß er unser Haupt sey, gereiche uns zur Ehre. Es koͤnne unsern Feinden nichts Y 2 helfen, ( o ) helfen, wenn sie dieses wuͤsten; ja es sey gut, wenn man ihnen Nachricht da- von gaͤbe, weil dadurch ihre Quaal ver- groͤssert wuͤrde. Es wurde hieruͤber drey Tage und drey Naͤchte mit grosser Heftigkeit gestritten, biß endlich mit 777. Stimmen gegen 365. der Druck beschlossen wurde. Jch halte diesen Schluß vor einen der kluͤgsten, so in langer Zeit in unserer Ver- sammlung gemacht worden, und bin ver- sichert, daß Freund und Feind damit zu frieden seyn werde. Der Hr. Prof. Philip- pi wird sich freuen, ein Werckgen gedruckt zu sehen, das ihm viele Muͤhe gekostet, und welches er in Halle, Leipzig und Hamburg so lange vergebens ausgeboten hat. Un- sern abwesenden Bruͤdern wird es zu un- aussprechlichem Trost gereichen, daß wir ein so wuͤrdiges und streitbares Haupt er- wehlet haben: Und unsere Feinde werden es uns Danck wissen, und unsere Großmuth bewundern, daß wir sie vor dem Ungluͤck, das uͤber ihren Haͤuptern schwebet, haben warnen wollen. Jch will dahero nicht sa- gen, daß ich derjenige bin, der diesen so wei- sen ( o ) sen Schluß veranlasset hat. Man moͤchte es mir zur Prahlerey deuten. Doch kan ich es geschehen lassen, wenn der geneigte Leser dieses vor sich dencken, und mir dasjeni- ge Lob ertheilen will, so die gantze Welt demjenigen schuldig, der Ursache ist, daß zwo, so ausbuͤndig-schoͤne Reden das Licht sehen. Der geneigte Leser wird es nicht unguͤ- tig nehmen, daß ich mich von ihm beur- laube. Jch war willens, ihm noch viele schoͤne Sachen zu sagen: Allein ich habe mich bey einer andern Gelegenheit so er- schoͤpfet, daß ich Zeit brauche, mich wieder zu erhohlen. Wo wir leben, sprechen wir uns bald wieder. Biß dahin GOTT be- fohlen! L ..... den 21 Mertz 1733. C. A. V. E. Secretarius der Gesellschaft der kleinen Geister. Y 3 Stand- ( o ) Stand- oder Antritts-Rede des ( S. T. ) Herrn Prof. Philippi, gehalten in der Gesellschaft der kleinen Geister. Virgilius. His agitur furiis, totoque ardentis ab ore Scintillæ absistunt: oculis micat acribus ignis Mugitus veluti cum prima in prœlia taurus Terrificos ciet, atque irasci in cornua tentat, Arboris obnixus trunco, ventosque lacessit Ictibus, \& sparsa ad pugnam proludit arena. Wohlansehnliche kleine Geister! V erwundert euch nicht, und legt mirs vor kei- ne Unhoͤflichkeit aus, daß ich so unangemel- det in eure Versammlung trete. Jch be- zeuge euch zufoͤrderst meine Hochachtung, die so groß ist, als eure Wissenschaft und Verdienste. Die Natur, die alle Dinge weißlich eintheilet, hat euch ein solches Maaß von Verstands-Kraͤften gegeben, damit ( o ) damit ihr zufrieden seyn koͤnnet. Jhr seyd dadurch uͤber zwey grosse Feinde, dem Neid und die Ver- folgung hinweg gesetzet. Denn eure Gemuͤths-Ga- ben mißgoͤnnt euch niemand; es verlangt auch niemand, als wer zu eurer ansehnlichen Versamm- lung gehoͤret, euch nachzuahmen. Vor Verlaͤum- dern aber seyd ihr auch gesichert, weil man euch in einem solchen Werth laͤst, daß von euch wenig oder gar nicht gesprochen wird. Redet man aber ja von euch, so sagt man bloß, daß ihr kleine Geister seyd, und man giebt euch also denjenigen Namen, den ihr selbst vor die groͤste Ehre achtet, und den ihr euren Schriften zu besonderer Zierde vorse- tzet, mithin es vor keine Verleumdung achtet, wenn man euch mit diesem Ehren-Titel der klei- nen Geister benennet. Jhr seyd mir, Wohlansehnliche kleine Gei- ster, mit Hoͤflichkeit zuvorgekommen. Denn ich hielte es vor unrecht, daß man eurer so gar we- nig gedencket, ausser was ihr selbst etwa von eurer ruͤh mlichen Gesellschaft juͤngst kundbar gemacht. Da- her fand ich den Caracter eures Gemuͤths vor wuͤrdig, in meinen bald heraus kommenden Morali- schen Bildnissen von Personen und Sitten, Tu- genden und Lastern, euch eine besondere Stelle zu geben, und die gantz begreifliche Eigenschaften, so ihr besitzet, darinne auszufuͤhren. Aber, wie gesagt, ihr seyd so guͤtig, und habt euch, in der von einem eurer Mitglieder gehaltenen Lob- Rede so natuͤrlich abgeschildert, daß mein von euch entworfenes Portrait dadurch ungemein verbessert worden. Weil ihr nun darinne so viel Freude Y 4 an ( o ) an meinen bißher in Druck gegebenen Schriften be- zeuget; So schaͤtze es vor ein Gluͤck, daß wenig- stens euch, als einer so zahlreichen Gesellschaft, damit dienen koͤnnen, und ich verbinde mich hiedurch in meiner unter Haͤnden habenden Anatomie des menschlichen Verstandes ein eigen Capitel von der Staͤrcke eurer Einbildungs-Kraft, von der Gluͤck- seeligkeit eurer Einfaͤlle, von der angenehmen Ver- bindung auslaͤndischer, und anderer bedenckli- chen Redens-Arten, in eurer ans Licht gestellten Wercken, von der Richtigkeit eurer Urtheile, Gruͤnd- lichkeit eurer Schluͤsse, und in Summa, was zur Vollkommenheit der kleinen Geister gehoͤret, zu reden. Jch behalte mir auch vor, eure gerechte Beschwer- den darinne zu pruͤfen, daß die grossen Geister sich in ihren Begrifen nicht nach euch richten, sondern sich oft nicht entbloͤden Dinge zu reden, und zu schrei- ben, die gantz uͤber euren Horizont sind. Hin- gegen verspreche euch hiermit, kuͤnftig nichts mehr in Druck ausgehen zu lassen, dabey ich nicht eurer alle- zeit in Ehren gedencken sollte, und wenn ich ja weiter Schriften ans Licht stellen moͤchte, die, wie mein neuester Philosophischer Tractat, von der Unmoͤglichkeit einer ewigen Welt, euch unbe- greiflich waͤren; So glaubet doch, ich habe so viel Hochachtung vor euch, daß ich euch deren Durch- lesung nicht einmahl anmuthe. Doch ich erinnere mich einer gantz besondern Pflicht, die ich den Augenblick, da ich diese Stelle betreten, gegen euch abzutragen, so schuldig als wil- lig bin. Jch bezeuge euch nemlich meine ungemei- ne ( o ) ne Danck-Verpflichtung, daß ihr mich gewuͤr- diget, eine eigene Lob Rede in eurer so ansehn- lichen Gesellschaft auf mich halten zu lassen. Jch hofe das Gluͤck zu haben, dessen, der sie gehal- ten, ansichtig zu werden, aber das widrige Ver- haͤngniß hat mir auch diesesmahl einen Theil des Vergnuͤgens durch dessen Abwesenheit entzogen. Jch sehe nunmehro mit sichtigen Augen, was ich vorhin kaum glauben konnte, daß nicht bloß in klei- nen, sondern auch in grossen wohlgestalten Leibern, mit erhabenen Augen, starcken Schultern, und mit andern Vollkommenheiten begabten Coͤrpern, Gei- ster eurer Art wohnen koͤnnen. Sehe ich doch so gar welche vor mir, die in der Welt viel Gewalt und Hoheit haben, von denen ich nicht vermuthet, daß sie Mitglieder eurer Gesellschaft seyn koͤnnten. Sce- pter und Kleinodien sind ja sonsten nur der Schmuck, und Ehren-Zeichen erhabener Personen, denen die guͤtige Natur das Gluͤck zugedacht, uͤber andere zu herrschen, und erstaune also, daß euer etzliche sich auch damit behaͤnget. Zu meiner Rechten und Lincken sehe auch ansehnliche Leute in Trauer-Tracht, und wohlgesteiften Kraͤgel- gen, die mir scheinen denenjenigen in der Kleidung nachahmen zu wollen, die bey mir nach aller Wahr- heit im hohen Werth sind. Waͤre ich aber das, was ihr mich in eurer Lob-Schrift zu nennen belie- bet, so wuͤrde ich mich nicht enthalten koͤnnen, eine Reforme unter euch vorzunehmen, und zum Unter- scheid eurer von den treuen und ehrwuͤrdigen Bothen GOttes, euch eine andere Tracht zu bestim- men, die sich besser vor euch schicket. Y 5 Billig ( o ) Billig erstaune ich auch, daß, da die Namen von Rechts-Gelehrten, Raͤhten, Beysitzern, Ad- vocaten, Aertzten und Weltweisen unter so vie- len grossen Geistern angetrofen werden, es euch doch groͤßten theils beliebet hat, Masquen davon anzu- nehmen, und ich erkenne euch darinne vor Leute von weit einsehendern Verstande, als mich selbst, weil ich nicht zu begreifen vermag, wie diese eure an- genommene Larven mit eurem wahren Ge- muͤhts-Caracter in einiger Gleichheit stehen. Noch mehr bewundere ich die Gesetze eurer Rede- Kunst, nach welcher es eꝛlaubet ist, alles heraus zu sagen, was man denckt, auch eine so natuͤrliche und ungezwungene Leibes-Stellung dabey anzuneh- men, darinne ich es euch gar nicht gleich zu thun ver- mag. Jch sehe hier welche so erbar sitzen, die ich an an- dern Orten habe in aͤuserster Leibes-Bewegung zu einem grossen Volck reden hoͤren. Ein groß Geschrey, ein Geklatsche mit den Haͤnden, ein oͤfteres Raͤuspern stehet einigen von euch recht angenehm. An andern sehe eine so grosse Lebhaftigkeit mit ihren Zuhoͤrern zu schertzen, daß sie denen Haupt-Personen in einem Lust-Spiel gleichen, und reden dabey so leise, daß man ihnen sehr aufmercksame Ohren geben muß, um sie nur zu verstehen, und daß man schwoͤren sollte, es waͤren Statuen, wenn man nicht noch eine kleine Bewegung an ihren Lippen wahrnaͤhme. Wie soll ich mich aber anietzo gegen die verhalten, die hinter mir theils stehen, theils sitzen? Doch weil in eurer Gesellschaft einem nichts vor uͤbel genom- men wird, so werdet ihr mir wohl erlauben, euch eine Weile den Ruͤcken zuzukehꝛen, um solche zu beschauen. O ( o ) O was sehe ich da voꝛ eine vermischte Schaar bey- derley Geschlechts, die sich einer handfesten Bered- samkeit ruͤhmen! Jch sehe eine grosse Anzahl, die, an statt der Worte, mit zornigen Gebaͤrden und gela- denem Gewehr alle Welt schweigen machen. Jch sehe eine Menge von Gerichts-Dienern, die eu- re Leibwachten sind, so daß mir fast bange wird, mich unter so strengen Aufsehern zu befinden, die sich nach dem Winde derer, die ich um, wider, vor mir und zur Seiten sehe, genau richten. Aber wie artig siehet nicht erst die Wafen-Ruͤstung derje- nigen, die ihr in eurer Gesellschaft erzuͤrnte Weibes- Bilder nennet. Sie sehen in Wahrheit so fuͤrch- terlich aus, daß ich grossen Fleiß tragen werde, ih- ren Zorn mit keinem Worte gegen mich zu erregen. Jndem ich aber meine Augen auf die Decke eu- res Saals richte, entdecke ein besonderes Kunst- Stuͤck, das ich billig, ob es gleich meinen Augen gros- se Gewalt thut, so starr uͤber mich zu sehen, in naͤhern Augenschein nehme. Jch bemercke daselbst, daß ihr eure Gesetze sehr hoch gehalten wissen wollet, weil ihr sie an einem so erhabenen Ort gestellet. Mit eurer guͤtigen Erlaubniß muß ich sie mir doch al- sobald in meine Schreib-Tafel einzeichnen, damit unterdessen meine durch bestaͤndige Abwechselung der lincken und rechten Hand abgemuͤdeten Arme et- was ausruhen, und der Hut, der durch sein oft- mahliges in die Luft heben so viel Luft in sich ge- zogen, mir nicht zu schwer werde. Daher ich ihn nun nach den Gesetzen eurer Gesellschaft gantz erbar unter dem Arm nehme, mit dem Vorbehalt, daß ihr daran ein Wahr-Zeichen abnehmen koͤnnet, daß ich ( o ) ich bald alsdenn in der Rede aufhoͤren werde, wenn ich solchen wieder unter dem Arm hervorziehe, und in der Luft herumstreichen werde. Euer erstes Gesetz, so viel ich vor dem Ne- bel lesen kan, der von den moralischen Ausduͤn- stungen eures Verstandes entstehet, lautet also: Huͤte dich, bey Strafe, daß du dem Scharf- Richter nicht in die Haͤnde fallest, vor der heroi- schen Beredsamkeit, ja nimm dis Wort, wel- ches des Landes auf ewig verwiesen, nicht ein- mahl in den Mund. O ihr gnaͤdigen kleinen Geister! Wie so gar streng ist dis euer Gesetze, dessen Grund man doch nicht erfoꝛschen darf, weil ihr einen blinden Gehorsam fordert, und darnach nichts fraget, was andere von euren Gesetzen dencken. Aber gewiß ich habe es erfahren, daß ihr mit allem Ernst uͤber sol- chem Gesetze haltet, indem ihr meine Sechs Deut- sche Reden durch einen Scharf-Richter den von Vorhorn habet raͤdern und viertheilen lassen; so daß ich voraus sehe, es werde allen meinen uͤbri- gen Schriften, wenn ich dis Wort weiter brau- chen solte, eben so ergehen, besonders meiner Thuͤ- ringischen Historie, als der ihr bereits das Leben abgesprochen habet. Euer anderes Gesetze heisset: Trage keine Sor- ge, wenn du gleich in der gewoͤhnlichsten Titula- tur fehlest. Das zeiget ohne Zweifel eine grosse De muth an, daß ihr so verschwenderisch seyd, andere mit grossen Titeln zu beehren, hingegen euch es ei- nerley, ob man euch nenne Großmaͤchtige, Durch- lauchte, Hochgebohrne, Wohlgebohrne, Hoch-Ed- le und s. f. oder aber nur schlecht weg: Die klei- nen ( o ) nen Geister: So werdet ihr mir denn auch jetzt verzeihen, wenn ich euch nicht die rechte Titel gege- ben. Denn wie solten sich dergleichen grosse Ti- tel vor euch kleine Geister schicken, da sie von rechtswegen nur vor grosse Geister gehoͤren. Doch ich mercke, daß ihr denen, die hinter mir mit Schwerdten und mit Stangen stehen, wincket. Jhr werdet euch doch wohl nicht an meiner Person vergreifen, und da ich jetzo nur als ein Gast bey euch bin, nicht das Gast-Recht verletzen wollen? Um aber allem Uebel vorzubauen, wo ihr vieleicht Feinde der Critic waͤret, will ich gerne uͤber eure uͤbrige Gesetze nicht raisonni ren, sondern sie zu meiner Nachricht abschreiben. Es heisset also euer drittes Gesetz, wo ich anders recht lese; Bleibe bey dem alten Schlen- drian, und ob gleich die deutsche Sprache ihre gantz eigentliche Regel hat, so binde dich doch an die Regeln der Lateinischen und Griechischen Rede- Kunst eines Cicero und Demostenes. Zum vierdten; Huͤte dich vor einem fruchtbah- ren Vortrag nuͤtzlicher Wahrheiten, damit du nicht die Weißheit verschwendest, sondern rede lieber von einerley mit vielen gleichguͤltigen Worten, solte auch aus dem, was du in wenig Seiten sagen koͤnntest, vier gestopfte Bogen gleich voll werden. Fuͤnftens: Rede fein natuͤrlich, daß dich ein jeder verstehet. So! So! nun sehe ich erst, warum euer juͤngster Lob-Redner pag. 58. auf so natuͤrliche Weise mein Helden-Gedichte mit einem Ochsen-Kaͤufer vergleichet, der aus dem Hin- tertheil von der Guͤte urtheile; desgleichen in ei- ner ( o ) ner Anmerckung: Ein Hunds . . . . . moqui rt sich. Gewiß das ist ungemein natuͤrlich gesprochen. Sechstens: Huͤte dich vor einer genauen Wahl der Gedancken, vor einem richtigen Zusammen- hang der Urtheile, und vor einer Buͤndigkeit in den Schluͤssen; am meisten aber vor solchen verborge- nen Schoͤnheiten, die der Zuhoͤrer, vermittelst ei- nes starcken Verstandes, den ihm der Redner zu- trauet, erst heraus bringen muß; denn so wuͤrdest du uns kleinen Geistern gantz unverstaͤndlich seyn. Rede aber auf noch so hochtrabende, befehleri- sche, (solten auch viel Fluͤche mit unterlaufen) ge- schwaͤtzige, hoͤnische, poͤbelhafte und un- geschlifene Art, so werden wir dich gleich verstehen. Nun erkenne ich erst, warum euer scharfsinni- ger Redner in seiner auf mich gehaltenen Lob-Re- de unter andern die schoͤnen Einfaͤlle angebracht: Meine Beredsamkeit sey maͤnnlich, denn ich sey ein Mann, und kein Weib. Desgleichen, daß er vor Freuden auf einem Bein huͤpfen moͤchte, auch es schon wuͤrcklich aufgehoben. Nicht minder: daß ein Koͤnig, der in den Herzen seiner Unterthanen ruhet, aus der Kutschen steigen, und sich auf solche la- gern solte. Mein! wie handgreiflich scharfsin- nig ist das. Jndem ich aber jetzo einen Blick nach eurem sie- benden Gesetz thue, so erschroͤcke fast uͤber eure Kuͤhnheit daß ihr so frey urtheilen koͤnnet. Man duͤrfte in Reden und Schriften uͤber die Religion, die Heilige Schrift, hohe Haͤupter, beruͤhmte Maͤnner, und seinem Nechsten, der einem nichts ( o ) nichts zu leide gethan, herfahren, und je groͤ- ber man es mache, je besser sey es. Nun bekomme ich also erst den Schluͤssel, warum euer Luͤbeckischer Lob-Redner gleich im Vorbe- richt seine Spoͤtterey mit der unsichtbahren Kir- che treibet: Nun entsetze mich nicht so wohl vor seinem Ausdruck, als Gemuͤth, daß er dem Ertz- Spoͤtter Luciano nachspottet: Paulus, als er entzuͤckt worden, sey so klug zuruͤck kommen, als hingegangen, und habe die weite Reise sparen koͤn- nen. Nun begreife ich, warum er von der hoͤchst- seeligen Koͤnigin in Pohlen, saget: Es sey un- ser Glaube wohl irrig, daß sie in der Schaar ver- klaͤrter Geister sey. Nun verstehe ich, was sein Ausdruck wolle: Man haͤtte die einem grossen Prinzen abgeloͤsete Zehe in Spiritus legen, und als eine Reliquie verwahren sollen, desgleichen, da er einer gantzen Academie einen Hochmuth beymisset, und sie Nacht-Eulen nennet, auch uͤber eines be- ruͤhmten Theologi Hn. D. Rambachs Ausdruck, daß er Johannem einen Schooß-Juͤnger des Hey- landes genennet, dadurch spottet, daß er mich einen Schooß-Juͤnger Jochens in Halle, welches kein Mensch rahten kan, auf wen es gehe, benennet, da er wohl gerade das Gegentheil sagen wuͤrde, wenn er wuͤste, wie ich mit ihm stuͤnde. Nun wun- dert mich endlich nicht, daß er auf meine erhaltene Profeßion, und die hohen Ministros, deren Hul- de ich solche, nechst GOtt und Jhro Majestaͤt, zu ver- dancken, mit so anzuͤglicher Beredsamkeit loßgehet. So wenig er also verlangen kan, daß ich ihm vor solche, nach aller anderer gescheider Leute Urtheil, nur eures ( o ) eures ausgenommen, aͤrgerliche und strafwuͤrdi- ge Ausdruͤcke Danck sagen solle, da es vielmehr hoͤ- hern Orts berichtet habe: So dancke ihm doch vor diejenige lustige Einfaͤlle, darinne er mir und an- dern was zu lachen gemacht hat, und weil ein sol- cher Mann auf mancher Universitaͤt noch fehlet, der einem was lustiges und laͤcherliches vorma- chen koͤnne, so wolte ihm fast rathen, sich dahin zu wenden, zumahl wir ein und andern grossen Railleur seit nicht gar langer Zeit verlohren haben. Was ich euch uͤbrigens, ihr wohlansehnlichen kleinen Geister, hierdurch in einem versiegelten Schreiben vertraue, nemlich meine voͤllige Beant- wortung derjenigen Puncte, die noch einer Antwort werth sind, das uͤbergebet ihm eher nicht, als wenn er wieder in eure Gesellschaft koͤmmt. Solte er aber aussen bleiben, und meine Antwort gern gedruckt se- hen wollen; so thut ihm zu wissen, daß, wo er vor ei- nen rechtschafenen Wiedersacher, und nicht vor einen Pasquillanten, oder gar vor den, den er in sei- ner vierdten Anmerckung voͤllig auszusprechen verbis- sen, angesehen seyn wolle, er sich mit Nahmen nen- ne, sonst ich ihn nicht einmahl vor ein Mitglied eurer Gesellschaft weiter erkennen wuͤrde. Lebet wohl! ihr kleinen Geister! lebet wohl! Statius. Quas gerit ore minas? quanto premit omnia fastu? Hic ne unquam privatus erit? . . . . Hoͤfliche ( o ) Hoͤfliche Antwort des Aeltesten der Gesellschaft der kleinen Geister, auf des ( S. T. ) Herrn Prof. Philippi Antritts-Rede. Virgilius. Venisti tandem? tuaque exspectata parenti Vicit iter durum pietas? datur ora tueri Nate, tua? \& notas audire \& reddere voces. Hoch-Edelgebohrner und Hochgelahrter, Hochzuehrender Herr Professor! E w. Hoch-Edelgeb. ploͤtzliche und unvermuthe- te Ankunft ist uns so erschrecklich, als erfreu- lich. Das unverhofte Gluͤck einen Mann, den wir bis- hero aus seinen unvergleichlichen, und vor uns so er- baulichen Schriften zu kennen die Ehre gehabt, in unserer Versammlung zu sehen, und von Person ken- Z nen ( o ) nen zu lernen, muß uns nothwendig ein unausspꝛechli- ches Vergnuͤgē geben, weil es eine Sache ist, die wir so lange vergebens gewuͤnschet haben. Allein das zorni- ge Gesicht, die funckelnden, und gar nicht huldrei- chen Augen, samt den uͤbrigen, von nichts, als Ra- che, Grimm, Eyfer, Wut und Verzweifelung zeu- genden Geberden, mit welchen Ew. Hoch-Edelgeb. in unsere Versammlung treten, setzen uns in die groͤs- seste Verwirrung. Wir wissen uns nicht darin zu finden, daß Ew. Hoch-Edelgeb. so boͤse thun, da wir doch Dieselbe so wenig beleidiget haben, daß wir vielmehr uns ruͤhmen koͤnnen, eben diejenigen zu seyn, die vor Ew. Hoch- Edelgeb. die groͤsseste Hochachtung hegen. Die Pro- ben, so wir davon gegeben haben, liegen vor jedermans Augen, und sind so deutlich, daß es uns vermuthlich niemand zum Hochmuth deuten wird, wenn wir sa- gen, daß wir von Ew. Hoch-Edelgeb. eine groͤssere Erkenntlichkeit vermuthet haͤtten. Eine hoͤfliche Dancksagung war das wenigste, das wir hoften. Aber so muͤssen wir, zu unserer nicht geringen Be- fremdung, erfahren, daß wir uns in unserer Hofnung betrogen haben. Ew. Hoch-Edelgeb. Eintritt in unsere Versamm- lung siehet einem feindlichen Einbruch nicht ungleich. “Iratus, Germane, venis . . . . . . . Statius Thebaid Lib. II. Sie schnauben mit Dreuen und Morden, und er- regen dadurch in unseren Hertzen so mancherley Bewegungen des Schreckens, Schmertzens, Furcht, Bangigkeit und Wehklagens, S. die sechs deutschen Reden des Hn. Prof. Philippi p. 21. daß Leute, ( o ) Leute, denen die Ursache unserer Bestuͤrtzung und un- seres Jammers unbekannt ist, schweren solten, daß uns unsere Landes-Mutter abgestorben sey. Meine saͤmmtlichen hier versammleten Bruͤder sind, wie ich ihnen an ihren Augen angemercket habe, dreymahl im Begrif gewesen, unsern lieben Bruder, den von Boxhorn, zu verfluchen, weil er durch seine zwar wohlgemeinte, aber von Ew. Hoch-Edelgeb. so ungnaͤdig aufgenommene Lob- Rede Ew. Hoch-Edelgeb. zu einem so fremden und unfreundlichen Bezeigen gegen unsere Gesell- schaft veranlasset hat, und es Ew. Hoch-Edelgeb. auf den Knien abzubitten, daß unsere Gesellschaft so nach- laͤßig gewesen, und nicht vorhero reiflich uͤberleget, ob das Verfahren des von Boxhorn Ew. Hoch-Edel- geb. auch gefallen wuͤrde: Allein keiner von allen hat ein Wort aus seiner beklemmten Brust hervorbrin- gen koͤnnen. Sie sind alle erstarret, sitzen mit niederge- schlagenen Augen, und die Furcht vor dem Grimm Ew. Hoch-Edelgeb. hat ihrer aller Zungen gelaͤhmet. Was wuͤrde demnach daraus werden, wenn auch ich, dem es oblieget, das Wort vor unsere Gesellschaft zu fuͤhren, durch den Donner der ausserordentlichen Beredsamkeit, mit welcher Ew. Hoch-Edelgeb. ge- wohnt sind Wunder zu thun, so starck waͤre geruͤhret worden? Wuͤrde nicht unsere Gesellschaft die Unhoͤf- lichkeit begehen, und Ew. Hoch-Edelgeb. ohne alle Antwort von sich lassen muͤssen? Allein so bin ich, zu allem Gluͤcke, noch so viel bey mir selbst, daß ich meiner Pflicht ein Genuͤge thun, Z 2 und ( o ) und unsere Gesellschaft von dem schimpflichen Ver- dacht einer Grobheit sichern kan. Jch habe die Re- de Ew. Hoch-Edelgeb. mit Gelassenheit angehoͤret, und die Vorzuͤge, die eine grosse, und sich auf eine bey nahe funfzig-jaͤhrige Erfahrung gruͤnden- de Erkenntniß der Natur der kleinen Geister, und die daher entstehende tiefe Einsicht in den Abgrund der Verdienste und Vortreflichkeiten, mit welchen Ew. Hoch-Edelg. zur Zierde und zum Troste unserer Gesellschaft prangen, mir vor dem Rest meiner Mit- Bruͤder giebt, haben nicht zugegeben, daß die unbe- schreibliche Freude, welche mir Ew. Hoch-Edelgeb. Gegenwart verursachet, durch die bedencklichen Aus- druͤckungen, und das zornige Bezeigen, womit Ew. Hoch-Edelgeb. alle meine hier versammleten Bruͤder so sehr erschrecket, gestoͤret werden koͤnnen. Jch schmecke die Suͤßigkeit dieses entzuͤckenden Vergnuͤgens ohne Mischung der geringsten Bitter- keit, und rechne diesen Tag, an welchem Ew. Hoch- Edelgeb. unsere Gesellschaft mit dero hohen Ge- genwart beehret, unter diejenigen Tage, die wir vor andern zu mercken Ursache haben, und unter die gluͤckseligsten meines langen und muͤhseeligen Lebens. „Hic dies vere mihi festus atras „Eximet curas . . . . Horat. Lib. III. Od. 14. Jch will nun gerne sterben, allerliebster Philippi, nachdem ich dein Angesicht gesehen habe. Und ach! was wolte ich darum geben, daß diese gantze Versammlung eben so gesinnet waͤre, und mit mir erkennete, wie grosse Ursache wir haben, uns zu freuen! ( o ) freuen! Wohlan! dann, meine Bruͤder, erhohlet euch von der Bestuͤrtzung, in welche euch der unver- muthete Uberfall, und die noch unvermuthetere Anre- de des Hn. Pr. Philippi gesetzet hat. Erkennet die Ehre, so euch dieser grosse Mann erweiset, mit schuldigem Danck, und macht euch derselben, durch ein unhoͤfliches Stillschweigen, und durch eine un- zeitige Traurigkeit nicht unwuͤrdig. Lernert von mir, daß der heutige Tag ein Tag der Freude und Wonne sey. Frolocket, jauchtzet, jubiliret, und thut euch guͤtlich. „Nunc est bibendum, nunc pede libero „Pulsanda tellus: nunc Saliaribus „Ornare pulvinar Deorum „Tempus erat dapibus, Sodales. Horat. Lib. I. Od. 37. Kehrt euch nicht daran, daß der Hr. Prof. Philippi sich grausam gegen uns stellet. Habt ihr jemahlen mich eures Vertrauens wuͤrdig gefchaͤtzet, so lasset je- tzo ein Zeichen derjenigen Zuversicht von euch blicken, die ihr meinen grauen Haaren, meiner Erfahrung, meinen Einsichten, und den unzaͤhligen und wichtigen Diensten, so ich unserer Gesellschaft geleistet habe, oh- ne Unbilligkeit nicht versagen koͤnnet. Glaubet mir, daß die Anrede des Hn. P. Philippi nichts in sich fas- set, das mit den Absichten, und dem Vortheil unserer Gesellschaft streitet. Sehet dieselbe, ich bitte euch, mit mir von der guten Seite an, und seyd versichert, daß alsdann eure ungereimte Furcht verschwinden, und eure Traurigkeit sich in Freude verkehren wird. Es kraͤncket euch, meine Bruͤder, daß der Hr. Pr. Philippi, ein Mann, auf den ihr alle eure Hofnung Z 3 gesetzet ( o ) gesetzet habt, und dessen Gewogenheit ihr vor eure groͤ- ste Gluͤckseeligkeit achtet, euch so spoͤttisch begegnet, und so hoͤnisch anredet. Der Zorn, den er gegen den von Boxhorn blicken laͤsset, macht euch Sorge, weil derselbe nothwendig auf uns alle fallen muß, die wir das Verfahren unsers Bruders billigen. Seine Dro- hungen schrecken euch, und ihr seyd untroͤstbar, daß deꝛjenige, den ihr wohlbedaͤchtlich zu euꝛem Haupte er- kohren habt, mit euch keine Gemeinschaft haben will, sondern sich, wider alles Vermuthen, und ungeachtet aller Proben, die er von seiner Neigung zu unserer Ge- sellschaft gegeben hat, zu unsern Feinden schlaͤget, und uns also gleichsam den Krieg ankuͤndiget. Aber vergoͤnnet mir, wertheste Bruͤder, daß ich euch, wie es meine Pflicht erfordert, ohne Umschweif sage, daß euer Urtheil von der Anrede des Hrn. Prof. Philippi sich auf eine Uebereilung gruͤndet, die auch kleinē Geistern unanstaͤndig ist. Saget mir, ist es nicht unbillig, daß ihr auf einige kleine und fast nicht zu merckende Spoͤttereyen, auf einige Ausdruͤckun- gen, aus welchen ein Unwille wider den von Boxhorn, und eine Verachtung unserer Gesellschaft zu schliessen ist, mehr sehet, als auf die gantze Einrichtung der Rede, welche der Hr. Prof. Philippi bey seinem Eintritt in unsere Versammlung gehalten hat? Betrachtet, wo- fern ihr eurem eigenẽ Vergnuͤgen nicht gram seyd, die- se Rede in ihrem gantzen Zusammenhang; so werden euch die Verdienste des Hn. Prof. Philippi staͤrcker in die Augen leuchten, als jemahls, und eben die Spoͤtte- reyen und die harten, und veraͤchtlichen Ausdruͤckun- gen, wider den von Boxhorn, und unsere Gesellschaft uͤberhaupt, alle die verdrießlichen Bewegungen von Furcht, ( o ) Furcht, Angst, Schrecken und Bekuͤmmerniß, die ihr in eurem Hertzen empfindet, und ich aus eurem fin- stern Gesichte lesen kan, stillen, und euch faͤhig machen, dasjenige Vergnuͤgen, welches die Gegenwart des Hn. Prof. Philippi allen, die es mit unserer Gesell- schaft redlich meinen, natuͤrlicher Weise geben muß, in seiner groͤsten Reinigkeit zu kosten. Wofern mich meine Augen nicht triegen, so neh- me ich in den eurigen eine Veraͤnderung wahr, die mich glauben macht, meine wohlgemeinte und pflicht- maͤßige Erinnerung sey nicht ohne Frucht gewesen. Jhr erhebet eure Haͤupter, und lasset die liebreich- sten Blicke auf das neue und wuͤrdige Haupt unser Gesellschaft schiessen, dessen sichtbaren Ge- genwart wir heute erst gewuͤrdiget werden. Eure Lip- pen regen sich auf eine so angenehme Art, daß ich nicht anders dencken kan, als daß ihr bey euch selbst den fro- hen Ausruf des von Boxhorn murmelt, von welchen uns noch die Ohren gellen. Jch bitte euch, thut eurem Triebe keine Gewalt. Erhebet eure Stimme, und be- willkommet den Hn. Prof. Philippi mit einem lauten Freuden-Geschrey. Alsdann werde ich erkennen, daß euer Hertz rechtschaffen sey . . . . . Hier schrien sie alle: Es lebe der Hr. Prof. Philippi, hoch! mit solchem Eyfer, daß ich ihnen dreymahl win- cken, und viermahl mit dem Fuß stampfen muste, ehe sie aufhoͤren wolten. Der Leser bliebe die philippische Natuͤrlichkeit dieser Stelle meiner Rede zu mercken. Siehe, theurer Philippi, wie wir gegen dich gesinnet sind. Spotte, schilt, hoͤhne uns aus, so viel, und lange es dir beliebt. Drohe, poltere, wuͤte, tobe, ver- stelle deine Gebaͤrde, daß wir alle vor deinem Anblick Z 4 erschrecken: ( o ) erschrecken: du bist uns darum doch lieb und werth. Wir kennen dich besser, als du vielleicht selbst. Wir wissen, was du unserer Gesellschaft vor Ehre und Vortheil bringest. Wir uͤbersehen daher alles, was uns in deiner Rede anstoͤßig scheinen koͤnnte, in Be- tracht deiner grossen Verdienste. Unsere Ehrerbietung gegen dich ist viel zu groß, als daß wir uns uͤber die Spoͤtteꝛeyen, mit welchen du uns wehe thun wilt, und uͤber die bittern Ausdruͤcke, deren du dich gegen den von Boxhorn, und uns alle bedienest, entruͤsten solten. Du bezeigest dich in deinem Spotten, in deinem Zorn, mit einem Worte in deiner gantzen Anrede, als ein Ausbund und Muster eines kleinen Geistes, und die Freude, so dieses unserer Gesellschaft verursa- chet, uͤberwieget allen Verdruß, den ich aus deinen Spoͤttereyen und grimmigem Bezeigen anfangs ge- schoͤpfet habe. Deine Spoͤttereyen, grosser Philippi, sind in der That so beschafen, daß man, wenn man nicht wuͤste wer du waͤrest, fast dencken solte, sie gingen dir nicht von Hertzen. Es scheinet, du habest nicht so wohl die Absicht, uns durch deine spoͤttischen Ausdruͤckungen zu kraͤncken, als mit uns, auf eine liebreiche Art, zu schertzen. Du sprichst im Anfange deiner Rede: „Uns „sey ein Maaß von Verstandes-Kraͤften gegeben, da- „mit wir zufrieden seyn koͤnnten. Niemand mißgoͤn- „ne uns unsere Gemuͤths-Gaben. Es wuͤrde wenig „von uns geredet, und wenn man ia von uns rede, so „sage man bloß, daß wir kleine Geister waͤren. Und „dieses koͤnten wir nicht uͤbel nehmen, weil man uns „den Nahmen gaͤbe, den wir vor die groͤste Ehre achte- „ten. Wir waͤren dir durch die, auf dich gehaltene, Lob- ( o ) Lob-Rede, mit Hoͤflichkeit zuvorgekommen, und ha-„ best du es vor unrecht gehalten, daß man unser so we-„ nig gedencke, und daher schon lange den Schluß ge-„ fasset, in deinen Moralischen Bildnissen von„ Personen und Sitten, Tugenden und La-„ stern uns eine besondere Stelle zu geben; Da wir„ nun so viel Freude uͤber deine Schriften bezeuget, so„ sey es dir lieb, daß du wenigstens einer so zahlreichen„ Gesellschaft damit dienen koͤnnen, und wollest du„ dich hiedurch verbinden, in deine unter Haͤnden ha-„ bende Anatomie des menschlichen Verstan-„ des ein eigen Capitel von unsern vortreflichen Ei-„ genschaften, und allen, was zur Vollkommenheit„ der kleinen Geister gehoͤret, einzuruͤcken, und darin„ auch unsere gerechte Beschwerden zu pruͤfen, daß die„ grossen Geister sich in ihren Begrifen nicht nach„ uns richten wollen u. s. w.‟ Dieses soll gespottet heissen. Aber, vortreflicher Philippi, wir muͤsten sehr empfindlich seyn, wenn uns Spoͤttereyen dieser Art beissen solten. Wir koͤn- nen, was dusagest, suͤglich nach dem Buchstaben an- nehmen. Wir sind mit dem geringen Maaß von Verstands-Kraͤften, das uns gegeben ist, voͤllig zu frieden. Wir wissen, daß wir vor der Welt verach- tet; Wir wissen, daß wir kleine Geister sind. Wir geben uns nicht hoͤher aus, und ich versichere dich, daß unsere Gesellschaft es mit besonderem Danck erken- nen wird, wenn du so guͤtig seyn wilt, ihrer in deinen Moralischen Bildnissen, und in deiner Anato- mie des menschlichen Verstandes, zwo Schrif- ten, denen sie mit Verlangen entgegen siehet, zu er- wehnen, und den Eigensinn, und verwehnten Ge- Z 3 schmack ( o ) schmack unserer Feinde der grossen Geister, zu bestrei- ten und zu daͤmpfen. Deine Spoͤttereyen trefen uns also, wie du siehest, im geringsten nicht. „Urbanus tibi, Cæcili, videris: „Non es, crede mihi. . . . . . Martialis Lib. I. Epigr. 41. Waͤrest du kein kleiner Geist, so wolte ich sagen, es sey dir, wie boͤse du auch thust, kein Ernst mit deinem Angrif. Laͤßt es doch, als woltest du mit uns spielen, weil du nur blind schiessest, und mit einem stum- pfen Speer auf uns loßrennest. Allein wir kennen die Natur der kleinen Geister. Alle Glieder unserer Gesellschaft haben unter andern wunderbaren Eigen- schaften auch diese an sich, daß sie gerne spotten wol- len, aber nicht damit fort kommen koͤnnen. Wann wir einen Spaß machen, so lacht niemand. Das macht, unsere Einfaͤlle haben das Ungluͤck, daß sie den meisten abgeschmackt scheinen, und unsere Spoͤttereyen sind allemahl kaltsinnig und stumpf. „ … „Obtusum enim telum viri imbellis . . Homerus Iliad. A. Es hat dahero schon vor mehr als 1700 Jahren ein grosser Spoͤtter seiner Zeit, und abgesagter Feind unserer Gesellschaft, allen kleinen Geistern gerabten, sich des Spottens und Schertzens gaͤntzlich zu ent- halten, weil es nicht ihr Werck sey… Salem istum spricht er, quo caret vestra natio, in irridendis no- bis nolitote consumere: \& mehercule, si me au- diatis, ( o ) diatis, ne experiamini quidem. Non decet; non datum est, non potestis. Cicero de Nat. Deor. Lib. I. Dieser Rath ist so boͤse nicht, und wenn wir uns entschliessen koͤnnten, demselben zu folgen, so wuͤrden wir vieler Verdrießlichkeiten uͤberhoben seyn. Allein es ist Schade, daß er von unsern Feinden herruͤhret. Sollen wir, unsern Verfolgern zu gefallen, eine Sa- che verschwoͤren, ohne welche wir nicht seyn wuͤrden, was wir seyn muͤssen, wenn wir der Gemaͤchlichkeiten und der Vortheile theilhaftig seyn wollen, die mit dem Caracter eines kleinen Geistes unaufloͤßlich verknuͤ- pfet sind? Dieses wird nimmer geschehen. Wir sind kleine Geister, und also nicht einmahl faͤhig, un- sere Maͤngel zu erkennen. Alle gute Rathschlaͤge halten wir vor Verfuͤhrung, und ein edler Eigen- sinn, der uns angebohren ist, und welchen wir mit dem Nahmen der Standhaftigkeit belegen, treibt uns an, allezeit auf unserm Kopf zu bestehen, und unsern Feinden nicht einen Finger breit nachzugeben. Wir spotten also, und werden immer spotten, ob wir gleich nicht dazu geschickt sind. Wer nicht lachen will, der kan es bleiben lassen. Es wird uns dieses um so viel lieber seyn, je mercklicher unsere Spoͤttereyen dadurch von den Spoͤttereyen der grossen Geister, mit welchen wir, Gewissens halber, nicht die gering- ste Aehnlichkeit haben koͤnnen, unterschieden werden. Und koͤnnen wirs dann nicht machen wie du, theurer Philippi, es in deinem Mathematischen Ver- such wider Wolfen gemacht hast, und alleine uͤber unsere Einfaͤlle lachen, daß uns der Bauch schuͤt- tert? Laß es seyn, daß wir manchmahl keine Ursache darzu ( o ) darzu haben. Muͤssen nicht unsere Feinde selbst beken- nen, daß es uns wohl anstehet, wann wir ohne Ur- sache lachen? Dieses ist, nach einem bekannten Sprichwort, ein proprium quarti modi kleiner Geister. Lachet demnach, meine Bruͤder, lachet uͤberlaut, wie es kleinen Geistern zustehet und gebuͤhret, ob ihr gleich nicht wisset warum; damit dem Herrn Prof. Philippi die viele und saure Muͤhe, welche ihn die arti- gen Spoͤttereyen, mit welchen er uns angreifen wol- len, gekostet haben, einiger massen belohnet werde. Denn wenn ihr nicht lachen wollet, wer will es dann thun Hier lachten sie alle, als wenn sie gekuͤtzelt wuͤrden: Der Leser wird so gut seyn, und hieraus abnehmen, wie kraͤftig meine Beredsamkeit sey. ? Ja lache du selbst mit, unvergleichlicher Philippi, und ergetze dich mit uns uͤber die sinnrei- chen Einfaͤlle, die dich des Platzes, den unsere Ge- sellschaft dir zugedacht hat, so wuͤrdig machen. Oder, wofern dir dein Zorn dieses nicht zulaͤsset, so erkenne doch wenigstens aus unserm Gelaͤchter, wie ange- uehm es uns seyn muͤsse, daß durch deine so vollkom- men nach dem Geschmack unserer Gesellschaft eingerichtete Spoͤttereyen unsere, auf deine außeror- dentliche Person gefallene, Wahl rechtfertigen wollen. Gewiß wir haͤtten die Ehre und Aufnahme unserer Gesellschaft nicht besser befordern koͤnnen, als durch diese so gluͤckliche Wahl. Denn ob du gleich, gros- ser Philippi, dich desfals gar kaltsinnig und hoͤnisch gegen uns bedanckest, uñ nicht undeutlich zu verstehen giebst, daß du die Ehre, welche wir dir anbietẽ, vor eine grosse ( o ) grosse Beschimpfung haltest; so wirst du dadurch doch nicht machen, daß wir unsere Wahl widerrufen. Wir werden dich auch wider deinen Willen, als unser Haupt, verehren, und allezeit deine herrliche Schrif- ten unsere Richtschnur seyn lassen. Der Unwille, und die Verachtung, so du gegen uns bezeigest, macht uns weder bange noch boͤse. Wir leiden von dir, als un- serm Ober-Haupt, alles, und hofen, du werdest endlich erkennen, daß es dir nicht schimpflich sey, den vornehmsten Platz in einer Gesellschaft zu bekleiden, die aus so ansehnlichen Gliedern bestehet. Es sind darinn Leute aus allen Staͤnden, Regen- ten, Priester, Raͤthe, Rechtsgelehrte, Advocaten, Aertzte, Weltweise, Soldaten, Edelleute, Buͤrger und Bauren. Du scheinest daran zu zweifeln, und dir einzubilden, wir haͤtten nur die Larven solcher Personen angenommen. Allein, mit aller Ehrer- bietung zu reden, du irrest dich, und giebst eben durch diesen wunderbaren Zweifel, uñ durch eine so fal- sche Einbildung zu erkennen, daß du im hoͤchsten Grad ein kleiner Geist bist, indem du eine Sache in Zweifel ziehest, die auch unsere aͤrgsten Feinde sich zu leugnen schaͤmen. Denn wo ist wohl der grosse Geist zu finden, der nicht willig zugeben solte, daß alle Ty- rannen, und bloͤde Fuͤrsten, alle Postillanten, alle Enthusiastische und zancksuͤchtige Geistli- che, alle Rabulisten und Zungendrescher, alle Quacksalber, alle Marcktschreyer, alle alberne Weltweise, und alle Pedanten zu unserer Gesell- schaft gehoͤren? Verliehren aber diese Leute, darum, daß sie Glieder unserer Gesellschaft sind, und desfals von unsern Feinden mit so schimpflichen Nahmen bele- get ( o ) get werden, die Wuͤrde, welche sie ausseꝛ unseꝛer Gesell- schaft bekleiden, samt den ihnen zukommenden Titeln? Sie bleiben darum eben so wohl Regenten, Priester, Rechtsgelehrte, Advocaten, Aertzte und Weltweise, als Du, ungeachtet wir dich zu unserm Haupt erkoh- ren haben, ein ausserordentlicher Bekenner der deutschen Beredsamkeit auf der Universitaͤt Halle bleibest, und bleiben wuͤrdest; wenn auch gleich der dir allergnaͤdigst geschenckten Professur der deutschẽ Elo- quentz, zu voͤlligeꝛ Vollkommenheit, eine alleꝛgnaͤ- digste Koͤnigliche Besoldung nicht mehr fehlte S. die Zueignungs-Schrift der Thuͤringischen Historie. . Was wunderst du dich dann, O wunderbarer Philippi! daß unsere Gesellschaft im Lehr-Wehr- und Nehr-Stand die ihrigen hat? Zum wenigsten deucht mich, du habest nicht Ursache daruͤber zu eꝛstau- nen, daß auch Weltweise und Advocaten unter uns anzutrefen sind, weil du ja selbst als ein grosser Weltweiser und immatriculirter Advocat „Strenuus ac fortis, causisque Philippus agendis „Clarus . . . . . . . . . Horat. Lib. I. Epist. 7. unserer Gesellschaft den groͤsten Glantz giebst. Wir haͤtten vielmehr Ursache, uͤber deine Erstaunung, und die bedencklichen Ausdruͤckungen, mit welchen du die- selbe an den Tag legest, zu erstaunen, wenn wir nicht wuͤsten, daß der Caracter eines kleinen Geistes alles, was nur Verwunderungs- und Erstaunens- wuͤrdiges zu erdencken ist, in sich schliesset. Wir ( o ) Wir wundern uns also nicht, daß du, wie du sa-„ gest, vorhin nicht glauben koͤnnen, das auch in gros-„ sen Leibern kleine Geister wohnen koͤnnten, und„ immer gemeinet hast, Geister solcher Art fuͤnden sich„ nur in kleinen Coͤrpern, biß du heute mit deinen„ sichtlichen Augen das Gegentheil gesehen.‟ Deine Gegenwart macht es uns gar begreiflich, wie es moͤg- lich gewesen, daß du so lange in einem so mercklichen Jrrthum stecken koͤnnen. Eine lebhafte Empfindung der genauen Gleichheit zwischen deinem Coͤr- per, und Geiste hat dich verleitet, aus dem, was du an dir selbst wahrgenommen, eine allgemeine Regel zu machen. Dieses ist eine Uebeꝛeilung, die wiꝛ dir leicht zu gute halten, weil wir derselbẽ alle unterworfen sind. Wir wundern uns auch nicht, daß du das grosse„ Geschrey, das Geklatsche mit den Haͤnden, die son-„ derbare Art mit den Zuhoͤrern zu schertzen, und die lei-„ se Stimme und Unbeweglichkeit,‟ so du an einigen unserer hier gegenwaͤrtigen Gleidern bemercket zu ha- ben vorgiebst, auf eine hoͤnische Art tadelst; da doch alle diese Dinge kleinen Geistern wohl anstehen. Wir bemercken in diesen Spoͤttereyen eine Unfoͤrmlichkeit, die so sonderbar ist, daß es von undencklichen Jahren her, niemand, als dem Haupt unserer Gesellschaft, ver- goͤnnet gewesen, dieselbe zu begehen. Nur solten wir fast vor Verwunderung ausser uns gesetzet werden, wenn wir hoͤren, daß du mit Zittern und mit Zagen, mit einer klaͤglichen Stimme, und mit einer blassen Todten-farbe anhebest zu klagen: O! was sehe ich da vor eine vermischte Schaar bey-„ derley Geschlechts, die sich einer handfesten Bered-„ samkeit ruͤhmen. Jch sehe eine grosse Anzahl die an-„ statt„ ( o ) „statt der Worte mit zornigen Geberden, und gelade- „nen Gewehr alle Welt schweigen machen. Jch se- „he eine Menge von Gerichts-Dienern, die eure „Leib-Wachten sind, so daß es mir fast bange wird, „mich unter so strengen Aufsehern zu befinden, die sich „nach dem Winde derer, die ich um, wider, vor mir, „und zur Seiten sehe, genau richten. Aber wie artig „siehet nicht erst die Wafen-Ruͤstung derjenigen, „die ihr in eurer Gesellschaft erzuͤrnete Weibes- „Bilder nennet. Sie sehen in Wahrheit so fuͤrchter- „lich aus, daß ich grossen Fleiß tragen werde, ihren „Zorn mit keinem Worte gegen mich zu erregen. Wir haͤtten Ursache zu erstaunen, daß du dir ein- bildest,‟ es stuͤnden Leute mit Schwerdtern und „mit Stangen hinter dir, welchen wir winckten, „ja gar zu besorgen scheinest, wir wolten uns an dei- ner Person vergreifen. Denn, allerliebster Phi- lippi, wie koͤmmst du zu solchen Gedancken? Jagt etwan der Anblick einiger unserer Schwestern, die hier gegenwaͤrtig sind, dir eine solche Furcht ein? Jch solte es nicht meinen; denn was koͤnnen dir so schwa- che Werckzeuge thun? Ja siehest du nicht aus ih- ren huldreichen Augen, wie angenehm ihnen deine Gegenwart ist? Betrachte sie recht, so wirst du sie nicht vor erzuͤrnte Weibs-Bilder schelten, und sa- gen, daß sie fuͤrchterlich aussehen. Siehe sie einmahl recht an, so wirst du befinden, daß es eben so annehmliche Kinder sind, als die weiblichen Gliedmassen der Patriotischen As- semblée, deren Mitglied du bist, und alle sich eine Ehre daraus machen werden, dir im Falle der Noth, ihre geschaͤftige Mitleidenheit zu bezeugen, und wenn ( o ) wenn dir etwan, welches der Himmel verhuͤte, eine Ohnmacht anwandeln solte, mit ihrem kraͤfti- gen Balsam zu staͤrcken. S. die sechs deutschen Reden. p. 25. Was setzt dich dann so gar ausser dir, daß du so aͤngstlich thust, als wenn du unter die Moͤrder gefallen waͤrest? Was schreyest du, als wenn dir schon das Messer an die Kehle gesetzet sey? Sage uns, werther Philip- pi, wo sind die Leute mit dem geladenen Gewehr, mit den Spiessen, Schwerdtern und Stangen? Wo ist die Menge der Gerichts-Diener, die du siehest? Wir sehen nichts. Besinne dich demnach, Oheroi- scher Philippi, und aͤngstige uns nicht ferner durch ein so jaͤmmerliches Zetter-Geschrey. Sey ge- trost und fuͤrchte dich nicht. Du bist nirgends siche- rer, als in unserer Versammlung, und befindest dich unter Leuten, die dich alle recht zaͤrtlich lieben, und vor dich, wenn es Noth thaͤte, mit Freuden ihr Leben wagen wuͤrden. Urtheile demnach selbst, O erleuchteter Philip- pi! wie laͤcherlich, daß ich so rede, deine Furcht uns vorkommen wuͤrde, wenn wir faͤhig waͤren, bey dei- nem Jammer, und wenn er auch nur eingebildet, zu lachen. Gluͤcklich bist du, werther Philippi, daß wir alleine sind. Was wuͤrde daraus werden, wenn un- sere Feinde sehen solten, wie du dich geberdest? Wie du ohne alle Ursache uns vor Moͤrder, und die zu beyden Seiten sitzenden annehmlichsten Kin- der, deine Mit-Schwestern, vor Furien ansie- hest? Wuͤrden sie nicht uͤbele Gedancken von dir be- kommen? Wuͤrden sie nicht erbaͤrmlich mit dir um- A a springen? ( o ) springen? Jhres Spottens wuͤrde kein Ende seyn. Ja, wofern ich sie recht kenne, wuͤrden sie gar die Boßheit haben, dich mit dem Orestes zu verglei- chen, und mit einer hoͤnischen Mine sagen: „. . ex quo est habitus male tutæ mentis Orestes „Nil sane fecit quod tu reprendere posses. „Non Pyladen ferro violare, aususve Sororem „Electram: tantum maledicit utrique, vo- cando „Hanc furiam, huncaliud, jussit quodsplen- dida bilis. Horat. Serm. Lib. II. Sat. 3. Allein wir sehen das, was dir in unserer Versamm- lung begegnet, mit gantz andern Augen an. Wir wundern uns eben so sehr nicht daruͤber, und es sey ferne, daß wir daruͤber spotten solten. Wir wissen, daß es ein Zufall ist, dem kleine Geister unterworfen sind. Es lehret uns dieses die Erfahrung, und es haben es auch schon andere angemercket. Ein be- ruͤhmter Franzoͤsischer Medicus sagt an dem Ort, da er der kleinen Geister ruͤhmlichst erwehnet: Sunt præterea qui se a latronibus continuo pu- tant circumveniri, \& spoliari: Aliivero qui a li- ctoribus se colligari, \& mox in carcerem conjiciendos credunt. Alii se vivos à terra absorberi \& deglu- tiri jam tremuli exclamant: alii aliis imaginatio- nibus, prout vitæ fuit institutum, perturban- tur. Josephus Quercetanus in Diætetico Polyhistorico Cap. IX. p. m. 103. Er meint der lapis lazuli, und helleborus arte spagyrica præparatus, ut decet, waͤren bewehr- te ( o ) te Mittel wider solche Zufaͤlle, und spricht: Quin \& Chirurgia sanguinis missione, \& hæmorrhoidum apertione, aliisque manuum operationibus, suas partes explebit Ibidem p. 129. . Allein ich weiß nicht, werther Philippi, ob diese Mittel bey dir anschlagen werden. Ein heiliges Grausen, so mich bey deiner Entzuͤckung uͤberfal- len hat, macht mich glauben, daß dieselbe einen hoͤhern Ursprung habe, als die Kranckheit kleiner Geister, von welcher der Frantzoͤsische Artzt redet. Deine Ge- berden, deine Verdrehungen, die Schoͤnheit und Wichtigkeit der Sachen, welche du vorbringest, zwin- gen mich, deine Entzuͤckung vor uͤbernatuͤrlich zu hal- ten. Die saͤmtlichen anwesenden Glieder unserer Ge- sellschaft sind auf gleiche Weise geruͤhret worden, und daher koͤmmt es, daß sich niemand dich in deinem pa- roxysmo anzugreifen, und dir huͤlfliche Haͤnde zu bieten getrauet hat. Selbst die unnatuͤrlichen Verdrehungen deines ehrwuͤrdigen Haupts, und deine starren und unverwandt auf die weisse Decke unsers Saals gerichteten Au- gen, die gewissesten Zeichen einer nahen Ohn- macht, haben unsere annehmlichsten Schwe- stern nicht bewegen koͤnnen, dir mit ihrem kraͤf- tigen Balsam beyzuspringen. Die Hofnung etwas hohes, heroisches und sonderbares zu hoͤren, hat sie abgehalten, dich durch eine unzei- tige Mitleidenheit wieder zu recht zu bringen. Sie wissen, daß ein Mensch, so lange er bey sich A a 2 selbst ( o ) selbst ist, nichts uͤbermenschliches reden kan. Da- zu wird eine kleine Verruͤckung des Verstandes unumgaͤnglich erfodert. Non potest grande ali- quid, sagt Seneca, \& supra ceteros loqui, nisi mo- ta mens. Cum vulgaria \& solita contempsit, in- stinctuque sacro surrexit excelsior, tunc demum aliquid cecinit grandius ore mortali. Non potest sublime quicquam \& in arduo positum continge- re, quamdiu apud se est. Desciscat oportet à so- lito, \& efferatur, \& mordeat frænos, \& recto- rem rapiat suum, eoque ferat, quo per se timuis- set ascendere Seneca de Tranquillitate animi. Cap. XV. . Und wuͤrdest du also, entzuͤck- ter Philippi, wohl so herrliche Dinge an der De- cke unsers Saals gewahr worden seyn, wenn nicht deine, durch eine unsichtbare Gewalt angefeurte Einbildungs-Kraft uͤber deine Sinnen und Ver- nunft, die Oberhand bekommen haͤtte? Sie durch- bricht die Schrancken, die dein erleuchteter Ver- stand ihr sonst setzet, und reist ihren Fuͤhrer mit da- hin. Sie stellet dir Dinge, die nicht sind, so leb- haft vor, als waͤren sie da. Du bildest dir ein, aus- ser dir dasjenige zu sehen, das doch nur ein Geschoͤ- pfe deiner erhoͤheten Einbildungs-Kraft, und ausser deinem bewegten Gehirn, dem Sammel- Platz aller Weißheit, nicht zu finden ist. Du erblickest an der Decke unsers Saals die Ge- setze unserer Gesellschaft; da doch nicht ein Buchstab an derselben zu sehen ist. Jch befuͤrchte nicht, daß du mir dieses leugnen werdest. Da du nu- mehro wieder zu dir selbst gekommen bist, siehest du wohl, ( o ) wohl, daß an der Decke unsers Saals nichts, als die Bildnisse des Schutz-Gottes, und des Stif- ters unserer Gesellschaft, des grossen Pans, / und des phrygischen Koͤniges Midas, zu sehen sind. Wir haben vor gut befunden, zwey Faͤcher der De- cke unsers Saals mit diesen erbaulichen Gemaͤhl- den zu zieren, und wofern es uns erlaubt ist, grosser Philippi, so werden wir dich dem allerdurchlauchtig- sten Stifter unserer Gesellschaft zur Seite setzen, weil niemand demselben in seinen Urtheilen naͤher koͤmmt, als du. Noch zur Zeit aber sind die uͤbrigen Faͤcher der Decke unsers Saals weiß und leer, und es ist uns nimmer in den Sinn gekommen, dieselbe mit un- sern Gesetzen auszufuͤllen. Urtheile demnach selber, mit was vor Ehrfurcht wir dich hier wachend traͤumen gesehen? Du hast Gesichter, O grosser Mann! und bekraͤftigest uns in den Gedancken, daß du den Geist der Weissa- gung habest. Wie sehr du auch, aus Bescheiden- heit, diese ausserordentliche, und in diesen letzten Zeiten so seltene und verdaͤchtige Gabe verbir- gest, so haben wir doch in deinen Schriften einige Spuren derselben gefunden, und der heilige Kol- ler, in welchen du hier vor unsern Augen gerathen, uͤberfuͤhrt uns voͤllig, daß du ein Prophet bist. Denn, grosser Philippi, waͤrest du Meister von dir selbst gewesen, und waͤre nicht deine Zunge von dem dich reissenden Geiste regieret worden, so wuͤr- dest du unstreitig menschlich und verstaͤndlich mit uns geredet haben. Aber so blendet uns die Ma- jestaͤt deines Vortrags so sehr, daß wir nicht wissen was du haben wilt. Du sprichst: Unser erstes Gesetz A a 3 laute ( o ) laute also: „Huͤte dich, bey Strafe, daß du dem „Scharf-Richter nicht in die Haͤnde fallest, „vor der heroischen Beredsamkeit, ja nimm „dis Wort, welches des Landes auf ewig „verwiesen, nicht einmahl in den Mund.‟ Du scheinest zu glauben, wir haͤtten, diesem Gese- tze zu Folge, deine sechs deutsche Reden durch un- sern Scharf-Richter, den von Boxhorn, raͤdern und viertheilen lassen: Ja du befuͤrchtest, es werde allen deinen uͤbrigen Schriften, insonderheit deiner Thuͤringischen Historie, als der wir bereits das Leben abgesprochen, eben so ergehen. Alles dieses ist uns zu hoch, theurer Philippi, und die Ehrerbietung, welche wir gegen dich hegen, laͤsset uns nicht zu, deine Worte nach dem Buchstaben zu verstehen, sondern befiehlt uns, zu glauben, daß grosse Geheimnisse darunter verborgen sind. Denn ist es moͤglich, daß du im Ernst glauben kanst, wir waͤren Feinde der heroischen Beredsamkeit? Jst nicht die Lob-Rede des von Boxhorn eben so wohl nach den Regeln einer heroischen Beredsamkeit verfertiget, als deine sechs deutsche Reden? Wer zweifelt daran, da er es ja selbst, nach deinem Bey- spiel, auf dem Titel gar sittsam gesaget hat? Wie kanst du sagen, wir haͤtten deine sechs deutsche Reden raͤdern und viertheilen lassen? Wie kanst du den von Boxhorn einen Scharf-Richter nennen? Hat dieser ehrliche Mann deine sechs deutsche Reden nicht nach Verdienst gelobet? Jst in seiner gantzen Rede wohl ein Wort zu finden, das dich ver- driessen koͤnnte? Jst etwa deine Demuth so uͤber- maͤßig, daß dich das Lob, welches man dir beyleget, eben ( o ) eben so sehr schmertzet, als wenn man dich aufs Rad floͤchte? Oder steckt in dem Ehren-Titel, den du dem von Boxhorn giebst, ein stillschweigendes Bekaͤnntniß, daß du ein armer Suͤnder bist? Dieses waͤre zu viel. Wir muͤssen also glauben, daß deine Worte anders zu verstehen sind, als sie lau- ten. Sie haben unstreitig einen geheimen Sinn, den wir so unfaͤhig sind zu erreichen, als es uns schwer faͤllt, zu begreifen, warum du vor deine Thuͤringi- sche Historie besorgt bist. Glaube mir, allerliebster Philippi, ob wir gleich alle deine ausserordentli- chen Schriften in hohem Werth halten, so ist uns doch deine Thuͤringische Historie die liebste unter allen. So vollkommen ist sie nach unserm Geschmack, und so herrlich stimmet sie mit unsern Regeln uͤberein. Wir lesen taͤglich mit dem groͤsten Vergnuͤgen einige Blaͤtter darinn, und wuͤrden denjenigen, der es nicht thaͤte, ohne alle Gnade aus unserer Gesellschaft stossen. Jch glaube nicht, daß eines unserer Glie- der uns jemahlen zu einem so harten Verfahren An- laß geben werde. Ein Buch, das von Anfang biß zu Ende mit so vielen Seltenheiten angefuͤllet ist, als deine Thuͤringische Historie, muß Geistern unserer Art nothwendig gefallen. Jch will nichts erwehnen von der vortreflichen Zu- eignungs-Schrift, in welcher ein jeder Absatz vor sich selbst in voͤlliger Vollkom̃enheit bestehet, und mit dem andern keine Verwandschaft hat, und welche so kuͤnstlich gemacht ist, daß man sie, ohne daß sie et- was von ihrer Schoͤnheit verloͤhre, von hinten zu so gut, als von vorne lesen kan. Wer uns kennet, der weiß, wie hoch wir eine so besondere und kuͤnst- A a 4 liche ( o ) liche Schreib-Art halten. Nur bitte ich dich, unver- gleichlicher Philippi, bedencke einmahl, wie sehr uns die Anmerckungen, die du mit Recht auser- lesen nennest, vergnuͤgen muͤssen? Was meinestu wohl, wie uns zu Muthe sey, wenn wir sehen, daß du so sorgfaͤltig anmerckest, daß man heutiges Tages anstatt Durchlauchtiger, Durchlauchtigster Fuͤrst sage Siehe die Thuͤringische Historie des Hrn. Prof. Phi- lippi p. 14. not. a. ; Daß du uns lehrest, wie der Ti- tel: Hochfuͤrstl. Gnaden in Hochfuͤrstl. Durch- lauchtigkeit verwandelt, und nur noch den gefuͤr- steten Reichs-Aebten beygeleget werde Ibid. p. 29. not. ff. ; ob es gleich gewiß ist, daß nicht nur die gefuͤrsteten Aebte, sondern alle Bischoͤfe, die, ihrer Geburt nach, keine Prinzen sind, sich damit behelfen muͤssen; Daß du die schaͤdliche Lehre unserer Feinde, quod om- nis majestas sit ex pacto, so nachdruͤcklich widerle- gest, und gar andaͤchtig behauptest: quod majestas sit immediate à Deo Ibid. p. 18. sq. not. l. , ohne zu bedencken, daß diese heilsame Wahrheit von den meisten vor eine abgedroschene Grille gehalten wird, und der seel. Masius, dessen Gedaͤchtniß noch bey allen kleinen Geistern im Seegen ist, dieselbe kaum mit Feur und Schwerd wider die Spoͤtter retten koͤnnen? Dieses alles sind Gedancken, so dir wohl anstehen, und unsere Hochachtung gegen dich ungemein vermehren. Wie erfreuen uns nicht die scharfsinnigen Anmer- ckungen; daß man von einem der sich s. v. uͤbergiebt zu sagen pflege: Er ruft St. Ulrichen; oder: Er appellirt ( o ) appellirt an St. Ulrichen ibid. p. 76 not. 42. ; daß eine grosse Weißheit und Erfahrung noͤthig sey, um das rechte Maaß zwischen Gelindigkeit und Strenge zu trefen ibid. p. 93. not. 77. ; daß auch unter Bruͤdern oft Feindschaft und Rache sey, und daß dieses dem Natur-Recht gantz entgegen ibid. p. 110. not. 109. ? Wie erquicket uns nicht die uner- hoͤrte Etymologie des Worts: Spittal; da du meinest: Spittal solle wohl, seinem Ursprung nach, so viel heissen, als: Speist alle ibid. p. 125. not. 130. ? Mit wie vie- lem Vergnuͤgen lernen wir nicht von dir, daß auch der Koͤnig von Preussen die grosse Commißion uͤ- ber Mecklenburg mit seinen Voͤlckern unterstuͤtzet ibid. p. 180. not. 217. ? Und daß unvermuthete Zufaͤlle, und der oft schnell einbrechende Tod, auch ihren Eintrit in die groͤsten Pallaͤste nehmen; daß auch Helden an einem Schlag-Fluß sterben, und ein solches Ende, wenn man anders wohl bereitet ist, das beste sey ibid. p. 190. not. 239. ? Denn ob es gleich eben nichts neues, daß die Grossen die- ser Welt sterben, wie andere Menschen, so ist es doch sehr erbaulich, daß du dieses anmerckest, und die Nachricht von preußischen Executions- Truppen in Mecklenburg ist vollkommen neu, und wir konnten sie von niemand, als dir er- warten, weil du der eintzige bist, dem es gegeben ist, auch ungeschehene Dinge zu wissen. A a 5 Wie ( o ) Wie loͤblich ist nicht der christliche Eifer, den du in unterschiedenen Anmerckungen ibid. pag. 150. not. 173. p. 152. not. 179. p. 154. not. 180. p. 155. not. 181. wider den Concubinat und die Vielweiberey bezeugest. Gewiß, andaͤchtiger und keuscher Philippi, wir haͤtten einen solchen Glauben bey einem Rechtsgelehrten, in diesen verderbten Zeiten, nicht gesuchet. Wir erfreuen uns also inniglich, daß du dich durch das verfuͤhrische Geschwaͤtz der unschlachtigen und verkehrten Juristen nicht einnehmen lassen, sondern zum Trost unserer Ge- sellschaft, die unterschiedenen Begrife einer Hure und Concubine, aus einer heiligen, und an einem Juristen ungewoͤhnlichen Einfalt, so christlich, oder wie unsere Feinde reden, so postil- lantisch vermengest, daß wir die sichere Hofnung he- gen, du werdest nicht nur viele gute Gemuͤther, wie ei- nen Brand aus dem Feur reissen, sondern auch an jenem Tage viele Rechtsgelehrte, welche dir von der boͤsen Welt weit vorgezogen werden, beschaͤmen. Dasjenige aber, was uns am meisten an deinen auserlesenen Anmerckungen behaget, ist dieses, daß du deinen Huͤbner so wohl inne hast, und dich, wann es auf die Historie ankoͤmmt, nicht mit den abgenuͤtzten Lumpen alter Troͤster behaͤngest, sondern auch die aͤltesten Geschichte mit den neue- sten und frischesten Urkunden belegest, die eben darum am allerglaubwuͤrdigsten sind, weil die- jenigen, von welchen du selbige entlehnest, mit so viel mehrerm Fug vor unpartheyisch gehalten werden koͤn- ( o ) koͤnnen, je weiter sie von den Zeiten, da die alten Be- gebenheiten sich zugetragen haben, entfernet, und von den Afecten, die den Bericht der Alten ver- daͤchtig machen, frey sind. Eine gegruͤndete Furcht, deiner Bescheidenheit zu nahe zu treten, verbietet mir, grosser Philippi, mich weiter in die Betrachtung der ausserordentlichen Eigenschaften deiner Anmerckungen zu vertiefen. Jch uͤbergehe also eine grosse Menge der darinn vorkommenden Schoͤnheiten mit Stillschweigen, und sage nur noch kuͤrtzlich, daß wir deine Thuͤrin- gische Historie unter diejenigen Schriften zehlen, die unserer Gesellschaft die meiste Ehre bringen, und daß die beyden Glieder unserer Gesellschaft, die sich neulich durch ihre vortreflichen Anmerckungen uͤber die Paßion, und uͤber die Geschichte von der Zerstoͤhrung der Stadt Jerusalem beruͤhmt gemacht haben, gegen dich vor Kinder in der ed- len und kleinen Geistern anstaͤndigen Schreib- Art zu achten sind. Es ist uns demnach unbegreiflich, wie du auf die Gedancken gerathen koͤnnen, wir haͤtten deiner Thuͤ- ringischen Historie das Leben abgesprochen. Sie soll leben, theurer Philippi, und zu ewigen Zeiten eine Zierde unsers Buͤcher-Vorraths, und ein Vorwurf unserer Bewunderung seyn. Die tiefe Einsicht, die du in die Vortreflichkeit deiner eigenen Schriften hast, wird dich uͤberzeugen, daß dieses keine Complimente sind, und wir haben also die groͤ- ste Ursache von der Welt, alles was du von unserm ersten Gesetze sagest, deine Klagen uͤber den von Boxhorn, und deine Sorge vor deine Thuͤringi- sche ( o ) sche Historie vor Fruͤchte deiner Entzuͤckung zu halten. Eben dieses sage ich von dem andern Gesetze, so du an der Decke unsers Saals findest. “Trage kei- „ne Sorge, heist es, wenn du gleich in der ge- „woͤhnlichen Titulatur fehlest. Wir koͤnnen dich, werther Philippi, auf unsere Ehre versichern, daß wir nicht wissen, was du mit diesen Worten haben wilt. Du redest uns gar zu mystisch: Wer kan es er- reichen? Ja ich mag dich nicht einmahl um eine deut- liche Erklaͤrung bitten. Vieleicht ist es dir selbst un- moͤglich, die hohen Worte auszulegen, welche in der heiligen Verwirrung, ohne alles Zuthun dei- nes Verstandes, aus deinem prophetischen Munde gegangen sind. Und was soll ich also von dem dritten Gesetze un- serer Gesellschaft, das du im Geiste gesehen hast, sa- gen? Auch dieses koͤnnen wir, ohne die Ehrerbietung, so wir dir schuldig sind, zu verletzen, nicht nach dem Buchstaben verstehen. Wir koͤnnen uns unmoͤglich einbilden, daß du uns in dem Verdacht habest, als suchten wir in der Nachahmung eines Cicero und Demostenes unsern Ruhm. Du weist, mein lieber Philippi, daß diese blinden Heiden zu ihren Zeiten abgesagte Feinde unserer Gesellschaft, und ihre Schrif- ten jederzeit ein Greuel in unsern Augen gewesen sind. Wie hat es nicht unsere Gesellschaft geschmertzet, daß gewiße Veraͤchter unserer Anstalten, den vermale- deyeten und Grund-boͤsen Geschmack der Heiden, die von GOTT nicht wissen, in die christliche Be- redsamkeit einfuͤhren wollen? Und wie haben wir uns hergegen nicht gefreuet, daß du, O streitbarer Philippi, ( o ) Philippi, vor dem Riß getreten, und dich durch deine vortrefliche Schriften dem einreissenden Ver- derben entgegen gestellet hast? Wie kanst du uns dann Schuld geben, wir hielten den Cicero und De- mostenes hoch? Jch bin versichert, grosser Philippi, daß du eine bessere Meinung von uns hast, und solte dahero fast auf die Gedancken gerathen, du wollest ge rade das Gegentheil von dem, das du sagest, ver- standen wissen, und nur so viel sagen, daß unsere Fein- de thoͤrigt handeln, wenn sie, obgleich die deutsche Sprache ihre eigene Regeln hat; doch verlangen, man solle sich nach den Regeln der lateinischen und grie- chischen Rede-Kunst eines Cicero und Demostenes richten. Auf solche Art wuͤrde unser drittes Gesetz, nach deinem Sinn, folgender Gestalt lauten muͤssen: Bin- de dich nicht an die Regeln der lateinischen und griechischen Rede-Kunst eines Cicero und Demostenes, denn die deutsche Sprache hat ihre eigene Regeln. Dieses waͤre ein Gesetz vor uns, und der Schluß, auf welchen sich dasselbe gruͤndet, wuͤrde uns als klei- nen Geistern wohl anstehen, weil in selbigem die Sprach-und Rede-Kunst so artig mit einander vermenget sind, und nicht undeutlich zu verstehen ge- geben wird, daß es eine lateinische, eine griechische und eine deutsche Beredsamkeit gebe, die wesent- lich von einander unterschieden; welches gewiß unsern Feinden eben so wunderlich vorkommen wuͤrde, als wenn man ihnen von einem lateinischen, griechischen und deutschen Ein mahleins vorsagen wolte. Allein, ( o ) Allein, grosser Mann, eine heilige Ehrfurcht, haͤlt mich von einer vorwitzigen Ausgruͤbelung deiner heiligen und verborgenen Absichten zuruͤ- cke. Jch weiß, daß nichts, als die Unbegreiflichkeit und Dunckelheit die Reden solcher Propheren, als du, schaͤtzbar macht: Und es waͤre eine strafbare Verwegenheit, wenn ich mich unterfangen wolte, dei- ne Weissagungen ihrer groͤsten Annehmlichkeit zu berauben. Du weist am besten, theurer Philippi, ob wir die hohen Geheimnisse, die in deinen Wor- ten verborgen liegen, fassen koͤnnen, oder nicht, und wirst also schon wissen, wann es Zeit ist, uns mit ei- nem groͤssern Lichte zu begnadigen. Jch sehe, meine Bruͤder, die Ungedult, mit wel- cher ihr diese frohe Stunde erwartet, aus euren Au- gen hervor leuchten. Allein gebt euch zufrieden, und freuet euch, daß der Hr. Prof. Philippi in seiner Ent- zuͤckung nicht durchgaͤngig gleich hoch und dun- ckel geredet hat. Er wird gegen das Ende derselben immer verstaͤndlicher. In sese redit, atque hominis tandem ore lo- cutus Virgilius Georg Lib. IV. v. 444. . Redet er nicht, indem er die uͤbrigen, ihm im Gesich- te vorkommenden Gesetze unserer Gesellschaft von der ledigen Decke unsers Saals ablieset, so deutlich und umstaͤndlich von unserer Soꝛgfalt in Veꝛmeidung eines fruchtbaren Vortrags nuͤtzlicheꝛ Wahr- heiten, von unserer Bemuͤhung fein natuͤrlich zu reden, von unserm Verbot einer genauen Wahl der Gedancken, eines richtigen Zusammen- hangs ( o ) hangs der Urheile, und einer Buͤndigkeit in den Schluͤssen, und endlich von der Ruͤhnheit, mit welcher wir uͤber alles, was in der Welt heilig und ehrwuͤrdig ist, herfahren, als wenn er viele Jahre unter uns zugebracht haͤtte? Diese Erkaͤnntniß unse- rer Verfassung, welche du, theurer Philippi, von dir blicken laͤsset, erfuͤllet unsere Hertzen mit einer unaus- sprechlichen Freude. Denn es ist unmoͤglich, aller- liebster Philippi, daß du eine Gesellschaft hassen koͤnn- test, deren Hochachtung gegen dich so groß ist, daß sie durch ihre Gesetze alle ihre Glieder zur Nachahmung deiner ausserordentlichen Schreib-Art verbin- det. Bedencke aber einmahl, koͤnnen die vier letzten Gesetze, die du im Geiste gesehen hast, und die wir vor die unsern erkennen, wohl einen andern Endzweck ha- ben? Sind sie nicht aus deinen, uns so lieben, Schrif- ten genommen? Es scheinet fast, theurer Philippi, als wenn du die- ses erkennetest. Denn du tadelst nicht ein einziges, und wenn du vorgiebst, du erschreckest bey Erbli- ckung unsers Gesetzes, welches, nach deiner Rechnung, das siebende ist, uͤber unsere Kuͤhnheit; so glauben wir, dieses Erschrecken sey mehr eine Frucht deiner, auch wider deinen Willen sich in dir regenden, Nei- gung zu uns, deinen dir so aͤhnlichen Bruͤdern, als ein Zeichen, daß dir unsere Kuͤhnheit mißfalle. Es ist dieses nicht zu vermuthen von einem Manne, der mit Fug unter die kuͤhnesten und verwegen- sten Scribenten seiner Zeit gerechnecht werden kan. Mit was vor Dreistigkeit, hast du nicht, hertzhaf- ter Philippi, dem Churhause Sachsen die Stifter Mer- ( o ) Merseburg und Naumburg abgesprochen S. die Thuͤring. Historie. p. 203. sqq. not. 260. ? Wie verwegen hast du nicht, an einen gewissen Ort, vor einer schon verstorbenen grossen Printzeßin, und was noch mehr zu bewundern, von der noch lebenden Hertzogin von K-nd-l geredet ib. p. 155. not. 181. ? Und haben nicht viel Grosse bey dem Lotterey-Wesen in Sachsen mit ihrem Schaden erfahren, daß auch die angesehensten Maͤnner vor deiner Feder nicht sicher sind, wenn dein gerechter Zorn erst an zu brennen faͤngt? Wir folgen deinem Exempel, heldenmuͤthiger und kuͤhner Philippi, und scheuen uns vor nichts. Unser Wahlspruch ist: „Aude aliquid brevibus Gyaris, \& carcere dignum „Si vis esse aliquis . . . . . . Juvenalis Sat. I. . Laß es seyn, daß man unsere Kuͤhnheit bestrafet; Wir leiden allemahl unschuldig. Man werfe uns in den Kercker: Wir wissen uns groß damit. Wir sind so sehr von dem Rest der Menschen unterschieden, daß wir das, was andere Schande nennen, vor unsere groͤste Ehre achten. Es koͤmmt nur darauf an, wie man eine Sache ansiehet. Empfangen wir, was un- sere Thaten, nach dem Urtheil unserer Verfolger, werth sind, so sind wir Maͤrryrer der Wahrheit; Legt man unsere Fuͤsse in den Stock; so troͤsten wir uns damit, daß ein dergleichen Gefaͤngniß, daß ei- ner nicht um Missethat willen, sondern aus unver- schul- ( o ) schuldetem Haß der Maͤchtigen, ausstehet, mehr edie Seelen betroffen habe S. die Thuͤringische Historie. p. 166. n. 198. . Wir sind nimmer Delinquenten und Missethaͤter, sondern Staats- Gefangene und Koͤnigliche Arrestanten S. die S. deutsche Reden. p. 76. not. (*) , und unser Kercker ist uns ein Pathmus. Sey demnach unsertwegen unbesorget, werther Philippi. Unsere Kuͤhnheit wird uns so wenig scha- den, als dir die deinige: Und haben wir desfals An- fechtung, so haben wir auch von dir gelernet, solche Fatalitaͤten zu uͤberstehen, und uns, nach deinem Beyspiel, zu troͤsten. Beseufze vielmehr unser Ver- haͤngniß, daß wir selten Gelegenheit haben unsere Standhaftigkeit in solchen Faͤllen zu beweisen. Wir gaͤben oͤfters viel darum, daß unsere Schriften ver- boten, und wir zur Verantwortung gezogen wuͤrden. Denn jenes wuͤrde den Abgang unserer Wercke, der ordentlicher Weise sehr schlecht ist, befoͤrdern, und die- ses ein Zeichen seyn, daß man unsere Stiche gefuͤhlet. Allein es wird uns so gut nicht. Man achtet uns nicht einmahl so viel, daß man sich um uns, und unsere Schriften bekuͤmmert. Du wirst aus eigener Er- fahtung wissen, grosser Philippi, daß ich die Wahr- heit sage. Hat man deiner Thuͤringischen Histo- rie, einer Schrift, die so viel bedenckliches in sich fas- set, in Sachsen wohl die Ehre gethan, daß man sie confisciret? Man hat sich gestellet, als waͤre sie nicht in der Welt, und dieses unvergleichliche Werck wuͤrde unstreitig schon guten Theils von den Motten verzehret, oder wohl gar den Weg aller, nach dem B b Ge- ( o ) Geschmack unserer Gesellschaft verfertigten, Schrif- ten, gegangen, und niemahls zum Vorschein gekom- men seyn, wenn nicht unser lieber Bruder, der von Boxhorn, den Lohn von GOTT genommen haͤtte, desselben in der auf dich gehaltenen Lob-Re- de, zu erwehnen, und also, zugleich mit deinen sechs deutschen Reden, aus dem Staube hervor zu ziehen. Jch bin versichert, werther Philippi, du siehest al- le diese Wahrheiten tiefer ein, als ich, und weist besser, als ich es dir sagen kan, wie noͤthig Geistern unserer Art diejenige Kuͤhnheit ist, die du vor gefaͤhrlich haͤltst. Jndessen erkennen wir aus deiner so liebreichen Be- sorgniß, die Groͤsse deiner zu uns tragenden Liebe, von welcher du uns auch mitten in deinem Zorn so deutliche Proben giebest. Wir sind dir davor unend- lich verbunden, und preisen die Gnade unsers Schutz- Gottes des grossen Pans, daß es ihm gefallen, dei- nen, ohne unser Verschulden, wider uns entbrannten Grimm durch eine Entzuͤckung zu brechen, und dir in einem Gesichte unsere Gesetze sehen zu lassen, aus welchen eine so genaue Aehnlichkeit zwischen dei- nem und unserm Geiste hervorleuchtet, daß, wo- fern du nicht von Stein bist, dein Hertz dadurch nothwendig geruͤhret, und wieder zu uns gewandt werden muß. Vergoͤnne uns, grosser Philippi, daß wir uns mit dieser angenehmen Hofnung schmeicheln. O wie vortheilhaft wird deine Gewogenheit uñ Fꝛeundschaft unserer Gesellschaft seyn? Was wird es ihr nicht vor Ehre bringen, daß unter uns ein Propher aufgestan- den? Und wie werden sich unsere Feinde aͤrgern, wann sie ( o ) sie unsere Gesellschaft unter dem Schirm eines Haup- tes von so ausserordentlichen Verdiensten bluͤ- hen, und an Ruhm und Ansehen wachsen sehen? Alle ihre Bemuͤhung, uns zu schaden, wird ins kuͤnftige vergebens seyn. Wollen sie ofenbahre Gewalt ge- brauchen, so wird es ihnen gehen, wie den Riesen, die den Himmel stuͤrmten, und auch der grimmigste An- grif ihnen nichts, als die traurige Ehre, von dem Strahl der heroischen Beredsamkeit unsers Ju- piters zerschmettert zu werden, zu wege bringen. Wollen sie uns durch List stuͤrtzen, so wird deine Vorsicht, und Weißheit ihre geheimesten Anschlaͤ- ge zu nichte machen. Du wirst ihnen, nach der Gabe, die dir gegeben ist, in das innerste ihrer Hertzen sehen, und vorher wissen, was sie dencken, und nicht den- cken. Denn was ist dir wohl, O du Seher! verbor- gen? Du siehest vorher, was kuͤnftig geschehen wird, und weist was in dem Rath der Goͤtter beschlos- sen ist. Was bißher kein Mensch gewust, ja was nicht einmahl den Engeln im Himmel bekannt ge- wesen, das ist dir ofenbahret. Du weist, grosser Prophet wann der juͤngste Tag kommen wird. Du hast uns vor nicht langer Zeit verkuͤndiget: Daß die Welt 6000. Jahr biß zum Untergan-„ ge Babels, und des grossen Antichrists, eines„ atheistischen Koͤniges, so viertehalb Jahr„ vor dem Einbruch des Welt-Gerichts tyrannisi-„ ren wird, stehen werde: daß die Tage, durch ei-„ ne sonderbare Veraͤnderung, so an der Sonne„ noch geschehen wird, verkuͤrtzet werden sollen,„ B 2 und„ ( o ) „und daß sich in Zeit von 53 Jahren, wer es erleben „solte, die allerwunderbarsten Begebenheiten, „und erschroͤcklichsten Gerichte noch zutragen „werden S. den mathematischen Versuch von der Unmoͤglich- keit einer ewigen Welt. p. 413. . Wie troͤstlich muß der seufzenden Creatur diese Weissagung nicht seyn, aus welcher sie lernet, daß ihre Erloͤsung so nahe ist? Und verdientest du nicht, o Mann GOttes! daß man dir Altaͤre aufrichtete? Deine Demuht laͤsst dieses zwar nicht zu: Allein das solt du mir doch nicht wehren, daß ich die Gnade, die in dir ist, verehre, und deine Einsicht in das Kuͤnftige bewundere. Jch muß der Spoͤtter lachen, die, nach ihrer Nase- Weisheit, dich vor einen philosophischen En- thusiasten halten, und es nicht verdauen koͤnnen, daß du deine besondere Einsicht in die Materien, welche du in deinem mathematischen Versuch abgehandelt hast, und die Erkaͤnntniß der Unmoͤg- lichkeit einer ewigen Welt vor einen, dir un- verdient geschenckten, Strahl des ewigen Lichts ausgegeben ib p. 428. ; daß du den, dir vor die herrliche Ausfuͤhrung so wichtiger Wahrheiten gebuͤhrenden Ruhm, nicht dir, sondern der Gnade, die in dir ist, zugeschrieben ib. p. 429. , und endlich gar zum Schluß mit aufgehabenen Haͤnden GOtt gepriesen, daß er das, was du in deiner Schrift wi- der Wolfen vorgetragen, den Weisen und Klu- gen verborgen, und dir, als einem Unmuͤndigen, offen- ( o ) offenbahret, ja die Beweise in dieser Sache dir selbst in den Mund geleget habe ibid. p. 437. . Diese Elende stehen in dem Wahn, es sey eine„ scheinheilige Prahlerey, und ein andaͤchtiger„ Mißbrauch des goͤttlichen Nahmens, wann du„ dich einer goͤttlichen Eingebung ruͤhmest.„ Man koͤnne, sprechen sie, zur Noth aus natuͤr- lichen Kraͤften, und ohne eine besondere Er-„ leuchtung begreifen, daß das, was nothwen-„ dig einen Anfang gehabt haben muß, nicht al-„ lezeit gewesen, und folglich nicht ewig seyn koͤn-„ ne. Es sey daher nicht zu glauben, daß die goͤtt-„ liche Vorsicht dich in diesem Zeit-Raum er-„ wecket habe, etwas zu beweisen, daran niemand„ zweifelt, und dich zu einer so unnoͤthigen Arbeit „ mit einer besondern Einsicht begabet habe, die„ andere nicht gehabt. Es sey folglich deine Danck-„ sagung laͤcherlich, und komme nicht viel besser her-„ aus, als wenn du zum Beschluß deiner Schrift„ GOTT auch davor dancken wollen, daß er dir„ Kraͤfte verliehen, in waͤhrendem Schreiben dei-„ ne Sand-Buͤchse von deinem Dinten-Faß zu„ unterscheiden. Man muͤsse sich wundern, daß du„ dich nicht entsehen, deine Einsichten einer Ein-„ blasung zu zuschreiben, da du doch selber gestuͤn-„ dest, daß die Unmoͤglichkeit einer ewigen„ Welt dir gleich in die Augen gestrahlet, so bald„ du nur die Begrife des ewigen, selbststaͤndi-„ gen, nothwendigen, unterwuͤrfigen u. s. w.„ mit einander verglichen, ja es vor eine sehr begreif-„ liche Sache hieltest, daß die Welt nicht ewig seyn„ B b 3 koͤnne„ ( o ) „koͤnne ibid. p. 269. not. 229. . Ueberdem waͤre dein Mathemati- „scher Versuch so beschafen, daß man einen sehr „uͤblen Begrif von der goͤttlichen Weißheit haben „muͤste, wenn man glauben wolte, daß sie an den „darinn vorkommenden Gedancken einigen Antheil „haͤtte; Und sey es also eben nicht gar ehrerbietig, „daß du GOtt Schuld gaͤbest, er habe dir Gedan- „cken eingefloͤsset, deren sich viele kluge Leute „schaͤmen wuͤrden. Sie wenigstens, fahren sie „fort, moͤchten nicht, daß man ihnen nachredete, „sie haͤtten die Worte des Herrn Wolfs: Thur „Herr Budde dieses dem Thomas von Aqvi- „no, einem englischen Lehrer, was will er „mir nicht thun? so verstanden, als wenn Herr „Wolf sagen wollen: Jst Thomas Aqvinas ein „englischer Lehrer, wie vielmehr bin ichs „ ib. p. 441. not. 51. . Sie wuͤrden es vor eine Beschimpfung ach- „ten, wenn man von ihnen sagen wolte, sie glaub- „ten, daß GOttzornig sey, wann es donnert, „und daß der Blitz nur die Gottlosen traͤfe „ ib. p. 401. sq. not. 346. ; oder sie waͤren so uͤbel in ihrem Gehirne ver- „wahret, daß sie nicht begreifen koͤnnten, wie es „moͤglich sey, daß GOtt, der die Kraft etwas „zu wuͤrcken von Ewigkeit besessen, von E- „wigkeit etwas habe wuͤrcken koͤnnen, da sie „doch so gar glaubten, es sey moͤglich, daß mehr, als „ein GOtt sey. ib. p. 66. 92. . Da nun dein mathemati- „scher Versuch voll von solchen Einfaͤllen; so sey „es mehr als laͤcherlich, daß du so deutliche Merck- ( o ) Merckmahle eines duncklen Verstandes vor„ zuruͤckprallende Strahlen des dich beschei-„ nenden goͤttlichen Lichts ausgaͤbest, und wer-„ dest du mit deiner vorgegebenen Einbiasung und„ Erleuchtung um so viel weniger Glauben finden,„ je schwerer es zu begreifen, warum der Geist, der dir„ so wunderliche Gedancken eingegeben, nicht„ so viel Liebe vor dir gehabt, daß er dir dein barbari-„ sches Epistolium ib. p. 430. sq. , welches du, als ein da-„ mahliger Juͤngling ib. p. 273. not. 233. an den Hrn. Wolf„ geschrieben, corrigiret, oder wenigstens dich an-„ getrieben, dasselbe nochmahl incudi conscii tui „ Jst eine in dem lateinischen Epistolio des Herrn Philippi vorkommende neue Redens-Art, davon die einfaͤltigen Alten eben so, wenig gewust, als von dem Wort: irrefraganeus. zu unterwerfen; sondern dich dasselbe in dem„ jaͤmmerlichen Zustande, worinn es jetzo vor al-„ ler Welt Augen liegt, drucken lassen, gerade als„ wenn es noͤthig, jederman zu uͤberfuͤhren, daß du„ kein besserer Lateiner, als deutscher Redner „ seyst; ja daß er gar so neidisch gewesen, daß er dir„ dasjenige vorenthalten, welches dir doch zu wissen„ hoͤchstnoͤthig gewesen, nemlich, daß niemand zu„ finden, der den Jrrthum hege, welchen du in deinem-„ Mathematischen Versuch widerleget hast. Du„ saͤhest also eine Wind-Muͤhle vor einen Riesen „ an, und dieses habe Don Qvixot, ohne allen„ ausserordentlichen Beystand von oben, „ bloß aus natuͤrlichen Kraͤften auch gethan.„ B b 4 Es ( o ) Es sey demnach . . . . . . Doch mich eckelt schon vor diesem Geschwaͤtz. Jch uͤbergehe den groͤsten Theil der giftigen Spoͤttereyen, welche diese Ungluͤckseelige wider deinen Mathematischen Versuch uͤberhaupt, und insonderheit wider den an- daͤchtigen und demuͤhtigen Beschluß desselben ausstossen, mit Stillschweigen. Die Reden solcher Leute irren mich nicht. Jch bin versichert, sie wuͤrden anders urtheilen, wenn der Neid, und die Vorur- theile, mit welchen sie alle Schriften kleiner Gei- ster lesen, ihnen zugelassen haͤtten, diejenige Stelle dei- nes Mathematischen Versuchs, aus welcher der dir geschenckte Strahl des ewigen Lichts so helle hervorleuchtet, mit gehoͤriger Aufmercksamkeit anzusehen. Jch habe diese Stelle gefunden, begeisterter Phi- lippi. Jch erkenne, daß du Ursache hast, dich einer hohen Ofenbahrung in Demuth zu ruͤhmen, und eh- re dich als einen Propheten, der alle Propheten, die unsere Gesellschaft seit ihrer Stiftung gehabt hat, weit uͤbertrift. Es ist bekannt, erleuchteter und be- strahlter Mann, daß der Trieb zu weissagen bey kleinen Geistern nicht selten ist. Nicht nur die neuen Propheren, deren Lohn in diesen verderbten Zeiten sehr schlecht ist, sondern auch die Zauberer in Egyp- ten, alle Wahrsager, Zeichendeuter, Sternse- her, Chaldaͤer, ja auch diejenigen juͤdischen Pro- pheten, von denen in der Bibel nicht viel gutes ge- sagt wird, gehoͤren zu uns. Jch will alle diese vortref- lichen Maͤnner, denen unsere Gesellschaft so vieles zu dancken hat, nicht verachten: Allein was sind sie gegen dich? Wie groß auch ihre Verdienste gewesen sind, ( o ) sind, so hat es ihnen doch an derjenigen Klugheit ge- fehlet, die Du, O grosser Prophet! in deinen Weis- sagungen bezeigest. Nur von denen zu reden, die sich, wie du, unterfan- gen haben, den Tag des juͤnsten Gerichts vorher zu verkuͤndigen, so haben sie nicht die Vorsicht ge- brauchet, die zu einem so wichtigen Unternehmen er- foꝛdert wird. Sie haben allemahl ein gewisses Jahꝛ bestimmet, und also, wo nicht bey ihrem Leben den Verdruß; doch wenigstens nach ihrem Tode die Schande gehabt, daß man gesagt sie haͤtten gelogen. Ob es nun gleich bey allen vernuͤnftigen Leuten aus- gemacht ist, daß es eine Einfalt, nach dem Ausgange von einer Sache zu urtheilen, und folglich eine Pro- phezeihung, die nicht erfuͤllet wird, eben so wenig aufhoͤret, eine wahre vollstaͤndige Prophezei- hung zu seyn, als eine nach den Regeln der Artz- ney-Kunst verfertigte Purgantz, die aus gewissen Ursachen ihre Wuͤrckung nicht hat, aufhoͤret eine Purgantz zu seyn: Auch unsere Feinde selbst ihren Jonas darum nicht vor einen falschen Propheten halten, weil der Untergang der Stadt Ninive, welchen er vorher verkuͤndiget hatte nicht erfolget ist: So hast du doch wohl gethan, werther Philippi, daß du dem Laͤsterer nicht Raum gegeben; sondern den Einfaͤltigen alle Gelegenheit beschnitten, das Maul, nach ihrer loͤblichen Weise, uͤber dich und deine Weissagung zu reissen, wenn sie, wie es leicht gesche- hen kan, entweder zu fruͤhe, oder gar nicht erfuͤllet werden solte. Auf die Art, wie du es machst, bist du sicher, es mag kommen wie es will. Bricht der juͤngste Tag ein, noch ehe die 53 jaͤhrige Fꝛist, die du der Welt zur Bus- B 5 se ( o ) se gegeben hast, zu Ende laͤuft, so verliehrest du nichts dabey. Denn qui potest majus, potest etiam mi- nus, und alle kluge Leute werden also erkennen, daß, da du auf 53. Jahr hinaussehen koͤnnen, es dir ein leichtes gewesen seyn wuͤrde, das, was in einer kuͤrtzern Zeit geschehen sollen, und nicht so weit entfernet war, vorher zu wissen, wenn die Schaͤrfe deines geistli- chen Gesichts nicht so uͤbergroß gewesen. Sie werden dich demnach vor einen so viel groͤssern Pro- pheten halten, je weiter sich deine Einsicht in das Kuͤnftige erstrecket. Gesetzt aber, deine 53. Jahr lie- fen zu Ende, und der juͤngste Tag bliebe aus. Was fragst du darnach? Drey und funfzig Jahr ist eine lange Zeit, in welcher sich vieles zutragen kan. Vie- leicht erlebest du das Ende derselben nicht, und nach deinem Tode hoͤrest du nicht, was man von deiner Weissagung sagt. Und was waͤre es dann, wenn du gleich das 1785te Jahr uͤberlebtest? Jch glaube wohl, die Einfaͤltigen wuͤrden dich, als einen falschen Propheten auslachen, wenn der juͤngste Tag nicht kaͤme: Allein koͤnntest du diese Troͤpfe nicht leicht zu Schanden machen? Du hast ja nicht gesagt, daß der juͤngste Tag eben im 1785ten Jahr kommen werde. Du sagst nur uͤberhaupt, die Welt werde noch 53. Jahr stehen; Und hast du also nicht vollkom̃ene Frey- heit, im Falle der Noth, zu sagen, du habest nicht von gemeinen, sondern von prophetischen Jahren ge- redet. Diese Ausflucht kan nicht nur bey deinem Leben deine Ehre retten; sondern muß auch nach dei- nem Tode in alle Ewigkeit gelten, und du wirst folglich den Ruhm eines Propheten mit dir ins Grab nehmen, und die Ehre haben, daß deine Weissagun- gen ( o ) gen von unsern spaͤtesten Nachkommen vor wahr ge- halten werden. Wie kluͤglich ist es demnach von dir gehandelt, gros- ser Philippi, daß du die gemeine und plumpe Art, den juͤngsten Tag vorher zu verkuͤndigen, verlassen, uñ durch eine prophetische Zweydeutigkeit deine Ehre in Sicherheit gesetzet hast. Das heisse ich nach der Kunst weissagen. Wer wolte dich daher nicht be- wundern, theurer Philippi? Wer muß nicht uͤber die Bescheidenheit erstaunen, mit welcher du die wichtige Nachricht von der Zeit des juͤngsten Gerichts, die du unstreitig von guter Hand hast, vor- bringest? Du sprichst nicht trotziglich: So spricht der HErr. Sondern du sagest mit einer Sittsam- keit, die man nicht leicht bey einem andern Prophe- ten finden wird: Du wollest deine Meinung nie- manden aufdringen. Diese Bescheidenheit, grosseꝛ Mann, muß nothwendig deine Weissagungen bey edlen Gemuͤthern, die sich nicht leicht mit Gewalt zu einer Meinung zwingen lassen, hoͤchst beliebt ma- chen, und kan dir auch, wenn allenfals die Erfuͤllung deiner Prophezeihung nicht zur bestimmten Zeit erfol- gen solte, eben so grosse Dienste thun, als die Zweydeu- tigkeit, der du dich beflissen. Es kan zwar wohl seyn, daß einige daher, daß du deine Meinung nur vor hoͤchst wahrscheinlich ausgiebst, Anlaß nehmen zu glauben, du seyest kein Prophet: Allein kluge Leute sehen wohl, daß dieses uͤbel geschlossen, und daß du ohne Ofenbahrung die hohe Wahrscheinlichkeit deiner Meinung nicht einsehen koͤnnen; Weil es unmoͤglich ist, zu be- greifen, wie ein sich selbst gelassener Mensch, ohne ( o ) ohne ausserordentliche Erleuchtung mehr Wahrscheinlichkeit darinn finden koͤnne, daß der juͤngste Tag um 53. Jahr kommen, als daß er heute, morgen, oder uͤber hundert, tausend, oder zehntausend Jahr einbrechen werde. Denn eines ist so gewiß, und ungewiß, wahrscheinlich und unwahrscheinlich, als das andere. Du bist und bleibest also, O Wunder-Mann! ein grosser Prophet, und wir haben die wichtigsten Ur- sachen von der Welt, auf dich unser Vertrauen zu se- tzen, und feste zu hofen, du werdest den Hochmuth un- serer Feinde daͤmpfen, und diese lose Veraͤchter unserer Gesellschaft unter unsere Fuͤsse treten, in kurtzen. Und wie wird mir? Jst es doch, als wenn deine Gegen- wart eben so ansteckend, als die Verdrehungen ei- nes entzuͤckten Quaͤckers. Jndem ich dich ansehe, grosser Philippi, und mit den Augen meines Ge- muͤths deinen prophetischen Geist betrachte, werde ich bey nahe selbst ein Prophet. „. . . . . . Bella, horrida bella „Et Tibrim multo spumantem sanguine cerno Virgilius Æneid. Lib. VI. v. 86. 87. . Jch sehe dich im Geiste mit eisernen Hoͤrnern einher- treten, und die verfluchte Rotte unserer Widersa- cher zerstossen. Euge Philippe! pulchre Philippe! percute scelestos. Percussisti, vulnerasti, inter- fecisti. So recht! O Held! da liegen sie bey Hau- fen. Wehe euch ihr grossen Geister! Wehe euch! Euer Untergang ist nahe. Die Wuͤnsche unserer Vaͤ- ter sind erfuͤllet. Wir duͤrfen nicht mehr seufzen: „Exo- ( o ) „Exoriare aliquis nostris ex ossibus ultor, „Qui face Dardanios, ferroque sequare colonos ibid. lib. IV. v. 625. 626. Unser Raͤcher ist da. Heulet ihr ungluͤckseeligen Verfolger kleiner Geister! Er koͤmmt euch zu ver- derben. Wie wolt ihr seinem Zorn entfliehen? Er wird euch in seinem Grimm aufreiben, eure Aecker verwuͤsten, eure Wohnungen mit Feuer verbren- nen, und es wird kein Retten da seyn. Dieses und noch ein mehrers versprechen wir uns von dir, tapferer Philippi, und das um so viel mehr, je herrlicher der Anfang ist, den du schon ge- machthast. Du hast dich, so oft du dich, seit dem du ge- schrieben, in eine Disciplin gewaget hast, nicht an- ders gestellet, als wenn du in Feindes Land waͤrest. Du hastniedergerissen, verwuͤstet, gesenget und ge- brennet, ohne alles Erbarmen. Noch neulich hast du in der Chronologie so haußgehalten, daß unsere Feinde in hundert Jahren nicht werden ausbessern koͤn- nen, was du verdorben hast S. den Mathematischen Versuch. p. 409. sqq. n. 359. . Fahre so fort, aus- erwehlter Philippi, und raͤche deine bißher be- draͤngten und verfolgten Bruͤder. Erfreue uns, so bald es moͤglich ist, mit deiner Anatomie des menschlichen Verstandes ib. p. 324. , und mache durch diese herrliche Schrift, das feste Nest der Vernunft-Lehre, aus welchem unsere Feinde uns so vielen Dampf anthun, dem Erdboden gleich. Es ( o ) Es wird nicht noͤthig seyn, daß ich dich zu Vollfuͤh- rung eines so wichtigen Wercks, durch weitlaͤuftiges Zureden, aufmuntere. Dein Eyfer vor die Ehre und Aufnahme unserer Gesellschaft, ist fast groͤsser, als wir wuͤnschen. Du bedarfst mehr eines Zuͤgels als der Spornen, grosser Philippi: Und ich bitte dich, im Nahmen unserer Gesellschaft, deine Hitze zu maͤßigen. Es steigt dieselbe manch mahl so hoch, daß du alles niedermachst, was dir vorkommt, und kaum im Stande bist, Freund und Feind zu unterschei- den. Unser lieber Bruder, der von Boxhorn, hat es, deucht mich, erfahren, daß es besser einem Baͤren zu begegnen dem die Jungen geraubt sind, als dir, O Held! wann du auszeuchst zum Streit, und dein gereitzter Grimm dich Freund und Feinden schreck- lich macht. Du siehst ihn im Eyfer vor deinen Feind an; Du koͤmmest mit Ungestuͤm, ihn aufzusuchen, und wer weiß, wie es ihm ergangen waͤre, wenn du ihn gefunden haͤttest? Jst es moͤglich, erzuͤrnter Held, so begreife dich. Wuͤte nicht ferner|gegen einen Unschuldigen, der das Gluͤck hat dem Mitbruder, und einer deiner groͤsten Verehrer zu seyn. Schuͤtte deinen Grimm aus auf unsere Feinde, und schone unser. Warum wollen wir, allerliebster Philippi, uns, zur groͤsten Freude unserer Widersacher, unterein- ander aufreiben? „Dii meliora piis erroremque hostibus il- lum Virgilius Georg. Lib. III. v. 513. O! ( o ) O! was wolte ich darum geben, daß der Herr von Boxhorn gegenwaͤrtig waͤre, und sich selbst gegen dich rechtfertigen koͤnnte! Aber da dieses nun nicht seyn kan, so erfordert meine Pflicht, einen abwesenden Bruder zu vertreten. Wir haben ihn in wichtigen Angelegenheiten verschicket, und es waͤre unbillig, daß seine Abwesenheit ihm zur Last gereichen solte. Er- laube mir demnach, grosser Mann, daß ich dir einen Jrrthum benehme, der dich zu Thaten verleiten koͤnn- te, deren Folgen dir und unserer Gesellschaft gleich nachtheilig seyn wuͤrden. Du bildest dir ein, theurer Philippi, der von Box- horn habe die strafbare Absicht gehabt, deiner zu spot- ten, und desfals seinen Nahmen verschwiegen. Aber ist es moͤglich, daß du dieses im Ernst glaubest? Jch solte es nimmer dencken. Denn bist du wohljemah- len mehr gelobet worden, als in der Rede, welche der von Boxhorn in unserer Gesellschaft, dir zu Ehren, ge- halten? Jch glaube wohl, demuͤthiger Philippi, daß die Lob-Spruͤche, welche er dir beygeleget, deine Bescheidenheit verletzet haben: und es stehet dir wohl an, und macht dich um so viel groͤsser, daß du dich derselben unwuͤrdig schaͤtzest, und sie von dir ableh- nest. Nur moͤchte ich wuͤnschen, daß du dieses letz- te mit wenigerm Ungestuͤm, und mehrerer Hoͤf- lichkeit gethan haͤttest.. Jch sage dieses nicht in der Absicht, dich zu mei- stern, grosser Mann: Denn wer bin ich, daß ich mich dieses unterstehen solte? Jch vor meine Person, erkenne aus deinem sonderbaren Verfahren die Ueberschwenglichkeit deiner Demuth: Aber ich fuͤrchte, unsere Feinde werden dasselbe mit andern Au- gen ( o ) gen ansehen, und die Art, mit welcher du das dir bey- gelegte Lob ablehnest, vor baͤurisch, und vor ein Zei- chen halten, daß du nicht zu leben wissest: Und mich deucht, du haͤttest ohne Verletzung deines Gewissens dich etwas manierlicher geberden, und solche Urtheile vermeiden koͤnnen. Du waͤ- rest darum doch wohl geblieben, wer du bist, und wuͤrdest es auch unstreitig gethan haben, wenn du nur bedacht haͤttest, daß, wie es deine Pflicht ist, maͤßiglich von dir selbst zu halten, und das Lob, das man dir ertheilet, nicht ohne Compli- mente anzunehmen, also unsere Schuldigkeit erfordere, die Tugend zu ehren, wo wir sie fin- den, und so ausserordentlichen Verdiensten, als die deinigen sind, denjenigen Tribut zu zahlen, der ihnen von Rechtswegen zukoͤmmt. Waͤre dir dieses eingefallen, so wuͤrdest du, wie sauer es deiner De- muth angekommen, grosse Lob-Spruͤche ohne Widerrede zu verschlucken, doch gefunden haben, du habest keine Ursache auf denjenigen, der dir die- selbe beygeleget, zu zuͤrnen, und ihm vor seinen gu- ten Willen mit Schelt Worten zu dancken. Der Herr von Boxhorn verdiente dieses um so viel weniger, je deutlicher die Zeichen sind, die er von seiner Aufrichtigkeit gegeben hat. Er hat, glau- be mir, grosser Philippi, nicht die geringste Absicht gehabt, dir, nach Art der boͤsen Welt zu schmei- cheln, oder durch seine Lobes-Erhebungen deiner zu spotten. Du weist, ja selber, daß er nichts als die Wahrheit von dir gesagt, und dir kein Lob bey- geleget hat, ohne durch eine oder mehr Stellen, dei- ner sechs deutschen Reden zu erweisen, daß es dir zukom- ( o ) zukomme. Urtheile hieraus, ob aus der Verschwei- gung seines Nahmens etwas tuͤckisches und boͤses zu schliessen. Sey versichert, daß dasjenige, so ihm bewogen hat, seinen Nahmen der auf dich ge- haltenen Lob-Rede nicht vordrucken zu lassen, nichts anders gewesen, als eben die Demuth, die Ursache ist, daß du diese Lob-Rede so uͤbel aufgenommen, und die Furcht, man moͤchte ihn, wenn er sich nennete, vor einen Menschen halten, der dich aus unlautern und eigennuͤtzigen Absichten, nicht aber ohne Hofnung einiger Dancksagung und Belohnung lobe. Wie wird es also den ehrlichen Manne nicht schmer- tzen, wann er hoͤren wird, daß du ihm die Verschwei- gung seines Nahmens so uͤbel auslegest, und ihn des- fals vor einen Pasquillanten und \& cetera geschol- ten hast? Gewiß, er wird daruͤber um so viel empfindli- cher seyn, je unschuldiger er sich in seinem Gewissen weiß: Und ich kan ohne Grausen nicht daran geden- cken, was wir hier vor ein Spectackel erleben wuͤr den, wenn er zugegen waͤre. Die Schelt-Worte mit welchen du ihn, ohne Ursache, angreifest, sind so beschafen, daß kein rechtschaffener Mann sie leicht verdauen kan, und sein Stand und seine Geburt wuͤrden ihn also verbinden, einen so grossen Schimpf mit deinem Blute abzuwaschen. Er ist ein gebohrner Edelmann, und du, als ein Doctor Juris, hast auch jura nobilium, und kanst, wenn es dir beliebt, die Leute auf Degen und Pistolen aus- fordern. Er hat es auch wuͤrcklich gethan. Aber es ist ihm uͤbel bekommen. Bedencke demnach allerliebster Phi- lippi, wozu dich dein Eyfer verleitet? Der Herr von Boxhorn ist ungemein hitzig, und wuͤrden wir also, C c wenn ( o ) wenn es das Gluͤck nicht so sonderbar gefuͤget haͤtte, daß er eben jetzo abwesend, nicht Gefahr laufen, an die- sem frohen Tage zwey der wuͤrdigsten Glieder unse- rer Gesellschaft auf einmahl einzubuͤssen? Oder, wel- ches fast eben so arg, das gute Verstaͤndniß zwi- schen dir, und dem Hrn. von Boxhorn, so zur Aufnah- me unserer Gesellschaft unumgaͤnglich noͤthig ist, auf ewig gestoͤret zu sehen? Noch sind wir vor diesem Un- gluͤck nicht gaͤntzlich sicher: Denn was will daraus werden, wann dem Herrn von Boxhorn zu Ohren koͤmmt, was du ihm vor schoͤne Ehren-Titel beyge- leget hast? Von mir soll ers gewiß nicht erfahren. Jch werde ihm auch, werther Philippi, dein versiegeltes Hand-Schreiben noch vor der Hand nicht zuschi- cken, weil ich besorge, es moͤchten gleichfals Anzuͤg- lichkeiten darinn seyn, die zu einem Streit, zwischen euch beyden, Anlaß geben moͤchten, von welchem nie- mand mehr Schaden haben wuͤrde, als unsere loͤbli- che Gesellschaft: Und ich habe das Vertrauen zu unsern hier gegenwaͤrtigen Mit-Bruͤdern, sie werden gleichfals reinen Mund halten. Wann der Herr von Boxhorn, nach Verlauf ei- niger Jahre, denn so lange wird seine Gesandschaft wohl waͤhren, wieder in unserer Versammlung er- scheinet, werden wir ihm das, was heute hier vorge- gangen, fuͤglicher beybringen koͤnnen. Er wird sich alsdann nicht so sehr uͤber dein Schelten entruͤsten, als uͤber deinen wunderlichen Eyfer, und die Muͤhe, so wir gehabt haben, dich auf andere Gedan- cken zu bringen, lachen: Und wird er dann ja end- lich boͤse, so wird er doch nicht um einer alten und verjaͤhrten Beleidigung, Haͤndel mit dir anfan- gen; ( o ) gen; sondern sich, durch unser Zureden, besaͤnf- tigen lassen. Wie hitzig er auch ist; so kan ich ihm doch ruͤhm- lich nachsagen, daß er den Vorstellungen seiner Freunde Raum giebt. Jch erinnere mich, daß er ein- mahl um ein paar lumpen Ohrfeigen so boͤse wur- de, daß er von Leder ziehen wolte: Er zog auch wuͤrcklich den Degen halb aus, aber auf mein Zu- reden machte er es wie der Achilles, und steckte ihn saͤuberlich wieder in die Scheide So hat es der Herr Prof. Philippi wuͤrcklich in Mer- seburg gemacht. . . . . . . . . . . . . . . . . In argenteo manubrio tenebat manum gravem Rursus autem vaginæ impulit magnum en- sem, nec fuit inobediens Verbo Minervæ . . . . . . . Homerus Iliad. A. Es ist also bey mir noch nicht alle Hofnung ver- schwunden, grosser Philippi, allen Weiterungen zwischen dir, und dem Herrn von Boxhorn, vorzubeugen, und dich gaͤntzlich mit ihm auszu- soͤhnen. Jndessen wirst du mir erlauben, dir zu sagen, daß ich dieser Muͤhe gerne uͤberhoben gewe- sen waͤre und viel darum geben wolte, daß du un- sern Bruder, den von Boxhorn nicht so hart ange- griffen haͤttest. Er hat es nicht um dich verdienet, und C c 2 ich ( o ) ich muß gestehen, daß ich noch nicht begreiffen kan, wie dich sein wohlgemeintes Lob so sehr ausser dir setzen koͤnnen. Jch sage dieses nicht um dir deine Uber- eilung zu verweisen. Glaube nicht, daß der unver- diente Haß, den du auf den von Boxhorn geworffen hast, die Hochachtung, so wir gegen dich begen, schmaͤ- lere. Je weniger Vernunft wir in deinem Verfah- ren bemercken, je hoͤher schaͤtzen wir dich. Dein Schelten, dein Wuͤten, dein Toben uͤberfuͤhꝛt uns voͤl- lig, daß wir kein wuͤrdiger Haupt als dich erweh- len koͤnnen. Wie muß es uns also nicht erqvicken, daß du mit einer so maͤnnlichen und heroischen Unbe- scheidenheit von dem Herrn von Boxhorn verlan- gest, er solle seinen Nahmen nennen, ob du gleich schon vorher weist, wie er heisse, und wo er sich aufhalte? Wir lernen immer mehr und mehr daraus, was wir vor einen Mann an dir haben. Wir sehen, daß es eine Thorheit sey, sich vor einem Propheten verber- gen wollen, der alles weiß, und unsere Ehrerbie- tung gegen dich, wird dadurch immer groͤsser. Wer haͤtte es dencken sollen, O! allwissender Philippi, daß du den Herrn von Boxhorn so genau kennetest? Aber dir ist nichts verborgen. Du weist seinen Nahmen, du weist den Ort seines Auffent- halts, und ich glaube, du wuͤrdest ihn gleich kennen, wenn du ihn nur sehen soltest. Non hæc humanis opibus non arte magistra Proveniunt . . . . . . . . . Virgilius Æneid. L. XII. v. 427. 428. . Man siehet leicht, daß du ohne Offenbahrung den Nahmen deines ungenannten Anbeters nicht er- fahren, ( o ) fahren, und ihn unsern luͤbeckischen Lob-Redner nennen koͤnnen, und du kanst glauben, daß wir demjenigen Geiste, der dich zu dieser Erkaͤnntniß gebracht hat ungemein verbunden sind; ob er dir gleich nicht alles entdecket hat. Denn du must nicht meinen, werther Philippi, daß der Herr von Box- horn wuͤrcklich in der Stadt Luͤbeck wohnet. Dieses ist ihm so wenig, als andern kleinen Gei- stern erlaubt. Alle die sich in Luͤbeck oͤffentlich zu unserer Gesellschaft bekennen, muͤssen ausser der Stadt, vor einem gewissen Thor in gewissen klei- nen Haͤusern pctites maisons. wohnen, und werden fast als Gefangene gehalten. So begegnet man uns in Luͤbeck! Das macht, unsere Feinde sind daselbst zu maͤchtig, und wir haben es noch als eine sonder- bare Gnade anzusehen, daß man uns die Ehre thut, und uns mit den Juden in eine Classe setzet. Denn gleichwie man nur einen Juden in Luͤbeck duldet, so duldet man auch nur oͤffentlich einen kleinen Geist, und dieser ehrliche Mann findet doch lange nicht so viel Schutz, wider Unrecht und Verspottung, als der unglaͤubige Mauschel. Unter Christen ist dieses was unerhoͤrtes, und . . . . Doch ich maͤßige meinen Eyfer, und erin- nere dieses nur darum, weil der Geist, der dir, es sey nun muͤndlich, im Traum oder in einem Ge- sichte geschehen, die Nachricht gegeben hat, daß der Herr von Boxhorn in Luͤbeck sey, dir diese Um- staͤnde, ich weiß nicht warum, verschwiegen hat, und unserer Gesellschaft so wohl, als dem Herrn von Boxhorn sehr viel daran gelegen ist daß du von C c 3 der ( o ) der Wahrheit und Unbetrieglichkeit deiner gehabten Offenbahrung, aufs kraͤftigste uͤberzeuget werdest. Du bist es nunmehro vollenkommen, theurer Phi- lippi, das weiß ich. Vergoͤnne uns demnach, O! vortreflicher Mann, daß wir dich, theils als einen Propheten, bewundern, theils daruͤber frohlocken, daß du, auf eine, unsern Gesetzen so gemaͤsse Art, von dem von Boxhorn, ohne alle Ursache, verlangest, er solle sich mit Nahmen nennen. Die Freude, die wir uͤber eine so seltsame Auffuͤhrung empfinden, ist um so viel gerechter, je gewisser wir vermuthen koͤn- nen, daß deine wunderliche Forderung den Herrn von Boxhorn bewegen werde, die Schelt-Worte, mit welchen sie begleitet, in Gelassenheit zu verschlu- cken. Es ist diesem wuͤrdigen Mitgliede unserer Gesellschaft die Ehre seiner Mutter weit lieber, als seine eigene. Wie kan er dann einem Manne etwas uͤ- bel nehmen, der eben durch die Art, mit welcher er auf ihn loßziehet, unsere Gesellschaft verherrlichet? Er wird es nicht thun, grosser Philippi, sondern die her- ben Ausdruͤckungen, der du dich in deinem Grim̃, gegen ihn, bedienet hast, und welche ihn, wenn sie ihm gleich jetzo, ausser dem Zusammenhang, solten vorge- tragen werden, zum Zorn reitzen, und zu verzweifelten Unternehmungen unstreitig verleiten wuͤrden, als ei- nen kraͤftigen Bewegungs-Grund ansehen, dich als seinen werthen Mit-Bruder zu lieben, und als ein wuͤrdiges Ober-Haupt zu ehren. Glaube nicht, grosser Philippi, daß er von einem so heilsamen Vorsatz werde abwendig gemachet wer- den, wenn er hoͤren solte, daß du die hoͤchst aͤrgerliche und strafwuͤrdige Ausdruͤcke, so du in seiner Lob- ( o ) Lob-Rede angetroffen, hoͤhern Orts berichtet. Solche Drohungen schrecken ihn nicht, und er wuͤr- de sich in dem Fall mit den herrlichen Worten eines pygmaͤischen Weltweisens troͤsten, dessen Schrif- ten wir vor nicht langer Zeit in einem alten Kra- nichs-Nest gefunden haben Unsere Gesellschaft schaͤtzt sich gluͤcklich, daß sie die- sen herrlichen Fund gethan hat; Sie haͤlt ein so rares Manuscript vor ihren groͤsten Schatz, und wuͤrde nicht ermangeln, dasselbe, zum Besten des menschli- chen Geschlechts, heraus zu geben, wenn sie nur ei- nen Verleger bekommen koͤnnte: Aber so will es niemand haben: Welches gewiß zu beklagen ist. , und in aller Gelassenheit sagen: Jch bin unter GOTT, und“ dessen seiner Gewalt. Jch scheue die Gewalt der„ Grossen, die den HERRN fuͤrchten. Die an-„ dern habe ich nicht Ursache zu scheuen: Denn sie ste-„ hen selbst unter der Gewalt eines erzuͤrnten Richters.„ Meine Schrift betrefend, so stehet darinn entweder„ Wahrheit oder Jrrthum. Jst es Wahrheit, so„ bleibt auch die confiscir te Wahrheit doch„ Wahrheit. Jst es Jrrthum, so gehet auch hier„ der Verstand und ein deutlicher Beweiß uͤber alle„ Gewalt.” Dieser Worte hatte sich Philippi in der Vorrede zu sei- nen sieben neuen Versuchen bedienet; aber dieselbe wieder ausgestrichen; doch so, daß sie derjenige, dem sein Manuscript in die Haͤnde fiel noch lesen konnte. Ja wenn er die Beschuldigungen, durch welche du ihn hoͤhern Orts anzuschwaͤrtzen suchest, recht anse- hen wird, so wird er befinden, daß es deutliche Kenn- zeichen derjenigen seltenen Gemuͤths-Beschafen- C c 4 heit, ( o ) heit sind, welche wir von unserm Haupte unum- gaͤnglich erfordern, und sich in seiner Seelen freuen, daß eben er derjenige seyn muͤssen, an dessen Lobrede du dein Meister-Stuͤck in der Kunst, eine Schrift, wider welche man mit Vernunft nichts aufzubringen weiß, nachdruͤcklich zu widerlegen, mit allgemei- nem Beyfall unserer Gesellschaft abgeleget hast. Und eben die Betrachtung dieses Meister- Stuͤcks, setzt uns fast ausser uns. Wie genau, unver- gleichlicher Mann, stimmet dasselbe nicht mit den Ge- setzen unserer Gesellschaft uͤberein! Und wie wuͤrdig macht es dich nicht derjenigen Stelle in unserer Ge- sellschaft, welche wir uns erkuͤhnet haben, dir einmuͤ- thiglich anzubieten! Man siehet deutlich aus den Kla- gen und Beschwerden, welche du gegen den von Box- horn fuͤhrest, daß du mit einer bedachtsamen Le- sung und genauen Erwegung der Lob-Rede, die er auf dich gehalten hat, die edle Zeit, nach Art unserer Feinde, nicht verdorben, sondern daß du, da dir diese Lob-Rede beym ersten Anblick bedencklich geschienen, so gleich in dich gekehret bist, um durch eine leb- hafte Vorstellung deiner unendlich grossen Verdienste, und durch eine tiefsinnige Betrach- tung des eingebildeten Frevels, deines vermein- ten Widersachers, in denjenigen Eyfer zu gerathen, der unentbehrlich ist, wenn man doppeltsehen, und in einer Schrift Fehler entdecken will, die nirgends zu finden sind. So machen es alle Geister unserer Art, werther Philippi, und wir muͤssen bekennen, daß du in diesem Stuͤcke alle deine Bruͤder weit uͤbertrifft. Wir preisen dich desfals gluͤcklich, vor- treflicher Mann, und werden uns bestreben, deinem Bey- ( o ) Beyspiel zu folgen. Was haͤttest du machen wollen, grosser Philippi, wenn du in derjenigen Gelassenheit geblieben waͤrest, mit welcher sich unsere Feinde groß wissen? Haͤttest du wohl das geringste wider die Lob- Rede des von Boxborn sagen koͤnnen, wenn du dich nicht, nach den Regeln unserer Gesellschaft, des Ge- brauchs deines Verstandes auf eine Zeitlang ge- aͤussert, und die Wut, in der du dich befunden, deine Vernunft in gebuͤhrenden Schrancken gehal- ten, und sie verhindert haͤtte, dich in deinem wich- tigen Unternehmen durch ihre verdrießlichen Vorstellungen zu beunruhigen? Aber da nun ein gerechter Eyfer sich deiner Sinnen bemeistert, und deine Vernunft gefesselt hat, so hat deine er- hitzte Einbildungskraft freye Haͤnde, und du sie- hest in der Lob-Rede des von Boxhorn die ungeheu- resten Thorheiten, aͤrgerliche Reden, strafbare Ausdruͤckungen, Religions-Spoͤttereyen, und ich weiß nicht was vor Greuel. Du bildest dir ein, der Herr von Boxhorn ha- be dein Helden-Gedicht vor einen Ochsen-Kaͤu- fer gescholten; obgleich ein jeder, der lesen kan, wohl siehet, daß er nur diejenigen, die von der Guͤte eines Verses aus dem Reim urtheilen, mit dem Ochsen-Kaͤufern verglichen. Du ta- delst an dem Herrn von Boxhorn diejenigen Ge- berden, in welchen er dir nachgeahmet, z. E. daß er auf einem Beine gehuͤpfet. Du wirfst ihm als eine Thorheit vor, daß er gesagt, der Koͤ- nig muͤsse aus der Kutsche steigen, wenn er sich auf die Hertzen seiner Unterthanen lagern wolle; Da doch dieses nichts, als eine unge- C c 5 zwun- ( o ) zwungene folge, aus deinen heroischen Re- den, ist. Du meinest, der Herr von Boxhorn trei- be sein Gespoͤtte mit der unsichtbaren Kirche, und der Entzuͤckung des Apostels Paulus; ungeachtet es der Augenschein giebt, daß ihm dieses nimmer in den Sinn gekommen sey. Du sprichst ohne Scheu: Er sage von der Koͤnigin in Pohlen: Es sey unser Glaube wohl irrig, daß Sie in der Schaar verklaͤrter Geister sey; da er doch nichts mehr sagt, als: deine Meinung, daß die Freude der Seligen durch die Ankunft der Koͤnigin ver- mehret worden, streite mit den gemeinen Meinungen der Christen. Du schreibst die Spoͤt- tereyen unserer Feinde uͤber die Stelle, in welcher du von der Zehe des verstorbenen Koͤnigs von Poh- len so sonderbar geredet hast, auf die Rechnung deines und unsers Bruders. Du verdenckest es diesem Eyferer vor deine Ehre, daß er der Aca- demie, auf welcher du lehrest, eines Hochmuhts beschuldiget, und deine jetzigen Collegen Nachteu- len nennet; da doch niemand besser weiß, als du, was du vor ein geringes Lichtlein in den Augen dieser Stoltzen bist, und wie unfaͤhig diese grimmigen Feinde aller kleinen Geister sind, deine Vortreflich- keiten zu erkeñen. Du machest dir die wunderlich- sten Gedancken von der Welt, von derjenigen Stel- le der Lob-Rede des Herrn von Boxhorn, in welcher er sagt: Man solte fast schweren, du waͤrest ein Schooß-Juͤnger des Knechts GOttes Jochen in Halle, und bildest dir, ich weiß nicht warum, ein, der Herr von Boxhorn wolle durch den Ausdruck von Schooß-Juͤnger des Herrn Rambachs spotten, der, ( o ) der, wie du sagst, Johannem einen Schooß-Juͤn- ger Christus genennet. Gerade, als wenn es moͤg- lich sey, daß ein kleiner Geist von so entsetzlicher Dummheit zu finden, der uͤber einen so gewoͤhnli- chen Titel des Evangelisten Johannes spotten, und es dem Hrn. Rambach verdencken koͤnne, daß er den Evangelisten Johannes damit beleget; ob es gleich unstreitig, daß der Herr Rambach so we- nig, als du, und ich, Urheber von dieser Benennung ist. Du siehest nicht, daß der Herr von Boxhorn keine andere Absicht gehabt habe, als dem Herrn D. Langen den Titel zu geben, den ihm sein wuͤrdiger Schwieger-Sohn in dem erbaulichen Denck- mahl der Liebe beyleget, welches er seiner verstor- benen Ehegattin aufgerichtet, und mit welchem er unserer Gesellschaft, die ihm sonst wenig gutes zu- trauet, eine so unverhofte Freude gemacht hat. Du stellest dir endlich gar den Herrn von Boxhorn als einen Possenreisser, und lustige Person vor. Du raͤthst ihm gantz hoͤnisch, er solle sich nach man- cher Universitaͤt wenden, da dergleichen Leute feh- len, und kanst dich nicht enthalten bey der Gelegen- heit auf einige, schon an ihren Ort gegangene Spoͤtter zu sticheln, die vieleicht bey ihrem Leben moͤgen verhindert haben, daß manche Universitaͤt schon lange, nach dem Wunsch unserer Gesellschaft, voͤllig zu einer Wohnung der Unmuͤndigen S. des Herrn Rambachs Leichen-Predigt auf den Spoͤtter Gundling. geworden, unter welchen du dich mit Recht zehlest. Dieses gefaͤllt uns, grosser Philippi, und wir sehen es als ein Zeichen deines Eyfers vor das ( o ) das Beste unserer Gesellschaft an, welche allen denen feind ist, die da sitzen, da die Spoͤtter sitzen, und diejenigen vor ihre Freunde haͤlt, welche diese schaͤd- liche und gefaͤhrliche Menschen mit ihr hassen und verabscheuen. An dir, auserwehlter Philippi, haben wir nicht nur einen so treuen Freund gefunden, sondern die Art, mit welcher du wider den von Boxhorn eyferst, uͤberfuͤhret uns voͤllig, daß du mehr, als ein Freund unserer Gesellschast bist; Du bist unser Bruder, unser Fleisch und Blut, und wuͤrdig uͤber uns zu herrschen. Komm demnach, Ounendlich kleiner Geist, und nimm den Platz ein, der dir, als unserm Haupte, ge- buͤhret. Verschmaͤhe nicht die Ehre, die unsere Gesell- schaft durch mich dir antragen laͤsset. Alle meine Bruͤ- der flehen dich darum an. Sey unser Koͤnig, und errette uns von unsern Feinden. Wir unterwerfen uns dir ohne alle Bedingung, und ich verspreche dir, im Nahmen unserer gantzen Gesellschaft, den ge- nauesten Gehorsam. Du schweigest grosser Philippi. Erlaube uns dem- nach, daß wir dein Stillschweigen als eine Einwilli- gung ansehen. Erlaube mir, deinem Knechte, daß ich dich umarme, und durch den Kuß des Friedens . . . . . . . . . . . . Hier naͤherte ich mich dem Herrn Prof. Philippi, und wolte ihn umsassen: Aber er stieß mich von sich, steckte die Zunge aus, und bloͤckte mich an. . . . . Du stoͤssest mich zuruͤcke, ungnaͤdiger Phi- lippi, und giebst durch die zornigsten Geberden mehr, ( o ) mehr, als zu deutlich zu erkennen, wie sehr dir unser demuͤthiger Antrag zu wider sey. Aber dadurch wirst du uns nicht vom Halse loß. Du solt unser Koͤnig seyn: Du must unser Koͤnig seyn, du magst wollen, oder nicht. Glaube nicht, daß die Verach- tung, welche du gegen uns bezeigest, uns zum Zorn reitzen, und bewegen werde, unsere Wahl zu wi- derrufen, und dir die Thuͤre zu weisen. Wir ken- nen dich: Wir haben dich zu unserm Ober-Haupt erkohren: Dabey bleibt es. Du magst noch so hart darauf bestehen, daß du kein kleiner Geist seyest; Wir wissen doch wohl, was wir glauben sollen. Dei- ne Schriften bezeugen das Gegentheil, und eben dieser merckliche Mangel der Selbst-Er- kaͤnntniß macht dich in unsern Augen groß und ehrwuͤrdig. Solche Leute suchen wir. Wundere dich nicht daruͤber, werther Philippi; Wir ha- ben Ursache dazu. Die kleinen Geister sind, dem Grad nach, eben so sehr von einander unter- schieden, als die Grossen, und man kan sie fuͤglich in drey Classen theilen. Einige Glieder unserer Ge- sellschaft geben sich vor kleine Geister aus, und sind es nicht: Einige geben sich davor aus, und sind es auch. Einige hergegen sind es, und wissen es nicht. Die ersten machen uns eitel Verdruß und Hertzeleid, und wir koͤnnen sie nicht anders ansehen, als falsche Bruͤder und heimliche Feinde. Die andern sind zwar gute ehrliche Leute, die unserer Gesellschaft viele Dienste thun: Aber es fehlt ihnen an der Bestaͤndigkeit. Eine Zeitlang halten sie es mit uns: Aber zur Zeit der Anfechtung fallen sie abe; Das macht der ungluͤckseelige Rest ihrer ver- ( o ) verderbten Vernunft stellet ihnen die Vortheile, wodurch unsere Feinde sie zum Abfall locken, groͤsser vor, als sie wuͤrcklich sind. Sie kennen sich: Sie wissen, wer sie sind, und nehmen sich die Verfol- gungen, und die Drangsale, denen die kleinen Gei- ster unterworfen sind, recht zu Hertzen. Sie suchen denselben zu entgehen, und haben oft so boͤse Stun- den, daß sie diejenigen Maͤngel, in welchen un- sere Vollkommenheit bestehet, als Maͤngel er- kennen. Sie mercken, daß eben diese Maͤngel sie verhast und laͤcherlich machen. Sie fangen an, mit ihnen selbst nicht zu frieden zu seyn, und die Furcht vor den Spoͤttern verleitet sie zur Heucheley. Sie bemuͤhen sich unsern Feinden zu gefallen, und legen unvermerckt eine Eigen- schaft kleiner Geister nach der andern ab, biß sie endlich voͤllig zu Mammelucken werden. Unsere Feinde sagen dahero im Sprichwort: daß die Erkaͤnntniß der Thorheit der Weißheit An- fang sey. Die dritte Art der kleinen Geister hergegen ist die allerbeste. Die macht den Kern unserer Gesell- schaft aus. Und diesen Ruhm kan ihr auch der Feind nicht rauben. Selbst unsere Verfolger be- kennen, daß derjenige der groͤsseste kleine Geist ist, der es nicht wissen will. Diese begluͤckten Gei- ster haben ihre verderbte Vernunft, mit welcher Leute unserer Art bestaͤndig zu kaͤmpfen haben, voͤl- lig unter die Fuͤsse getreten, und ihre Einbil- dungs-Kraft so sehr erhoͤhet, daß sie sich selbst vor gantz andere Leute halten, als sie sind. Sie glau- ben sicherlich, sie waͤren grosse Geister, und bekuͤm- mern ( o ) mern sich also wenig, wie es den kleinen gehet. Es ist dahero unmoͤglich, daß der Jammer unserer Ge sellschaft sie ruͤhren solte. Sie glauben, was uns wiederfaͤhret, das gehe sie nicht an; Weil sie nicht einmahl faͤhig sind zu erkennen, daß sie zu uns gehoͤren. Was wuͤrde aus unserer Gesell- schaft werden, wenn sie solche Glieder nicht haͤtte? Wuͤrde sie nicht in kurtzer Zeit untergehen? Denn auf diejenigen, die nur einige V ermuthung, ge- schweige dann eine voͤllige Uberzeugung haben, daß sie uns angehoͤren, koͤnnen wir uns nicht verlassen. Und, wie groß auch meine Hochachtung gegen alle meine hier versammelten Bruͤder ist; so bin ich doch nicht gut davor, daß sie starck genug sind, die Versuchungen ihrer verderbten Vernunft, die noch zuweilen sich in ihnen reget, zu uͤberwinden, und den listigen Anlaͤufen unserer Feinde zu wider- stehen. Dazu wird eine mehr, als menschliche, Standhaftigkeit, und ein Heldenmuth erfor- dert, den man nur bey denen findet, die sich durch die Besiegung ihrer Vernunft diejenige Unem- pfindlichkeit erworben haben, die wir bey dir in einem so hohen Grad antreffen. Wie kanst du uns demnach verdencken, grosser Philippi, daß wir unser Haupt aus der besten Art unserer Mitbruͤder wehlen, und dich als den Besten unter den Besten zu dieser Wuͤrde erheben? Je mehr du dich wegerst, diese Ehre anzunehmen; Je hoͤher du es empfindest, daß wir dich voꝛ einen kleinen Geist ansehen, je mehr bekꝛaͤftigest du uns in deꝛ Mei- nung, daß wir nicht besser wehlen koͤnnen. Besorge nicht, daß die Einbildung, du waͤrest kein kleiner, sondern ( o ) sondern ein grosser Geist, unsere Hertzen von dir abwendig machen werde. Wir lassen dir dieselbe um so viel lieber, je groͤsser die Vortheile sind, die uns daher zuwachsen koͤnnen. Wir sehen es gerne, daß du dich aͤusserlich, und mit Worten zu un- sern Feinden bekennest, wenn deine Schriften uns nur von der unsichtbaren Gemeinschaft, in wel- cher du mit uns stehest, uͤberzeugen, und nach dem Geschmack unserer Gesellschaft eingerichtet sind. Wir haben dahero nicht den geringsten Ver- dacht wider dich geschoͤpfet, als wir vernommen, daß du deinen mathematischen Versuch wider Wolfen an einen unserer Feinde An Herrn Clarck. , nach Engel- land, geschicket. Wir haben uns vielmehr dar- uͤber gefreuet. Denn was wird diese Schrift nicht vor eine V eraͤnderung verursachen in einem Lande, mit dessen Einwohnern wir bißhero in einem bestaͤn- digen Kriege gelebet haben? Und haͤttest du es wohl kluͤger anfangen koͤnnen, eine uns bißher so aufsaͤtzi- ge Nation auf unsere Seite zu ziehen, als daß du ihr, auf eine so listige Art, durch die Vermittelung eines Feindes unserer Gesellschaft, ein Buch in die Haͤnde spielest, welches sie von einem andern nicht wuͤrde angenommen haben, und ohne Frucht nicht lesen kan? Jch gestehe unsere Bruͤder in Bedlam haben es dir uͤbel genommen, daß du an sie nicht gedacht, und ihnen nicht die Ehre gegoͤnnet hast, durch die Bekanntmachung deines mathemati- schen Versuchs in Engelland unser Reich zu er- weitern: Allein sie haben endlich begriffen, daß der Weg, den du erwehlet hast, der beste sey, und wer- den ( o ) den sich durch die Verachtung, welche du gegen sie bezeiget, nicht abhalten lassen, mit dem ehesten ein Werck ins englische zu uͤbersetzen, das unserer Ge- sellschaft einen unglaublichen Vortheil, und dir ei- nen unsterblichen Nahmen zuwege bringen wird. Dieser Entschluß unserer Freunde in Bedlam, welchen sie uns neulich bekannt gemacht haben, er- freuet uns ungemein. Wir sehen schon im Geiste das stoltze Engelland den Halß unter das Joch unserer Gesetze schmiegen, und dich, als einen neuen Apostel der Britten, und andern Augustinus, an. Der Pabst wuͤrde uͤber die Wiedereinfuͤhrung des Peters-Groschen in Engelland keine groͤssere Freude empfinden, als diejenige ist, welche uns bloß die Hofnung verursachet, daß dein mathemati- scher Versuch diese gluͤckseelige Jnsel von der entsetzlichen Menge unserer Feinde saͤubern, und zu dem Gehorsam unserer Gesellschaft bringen werde. Wird diese Hofnung erfuͤllet, grosser Philippi, so solt du, wofern es anders deiner Demuth nicht zu- wider ist, Ernestus Conquestor heissen. Da nun deine Gemeinschaft mit den Feinden unserer Gesellschaft, und der Trotz, mit welchem du dich, ohne alle Ursache, vor einen grossen Geist ausgiebst, unserer Gesellschaft so ersprießlich, so nuͤtzlich, so vortheilhast ist: So kanst du leicht erachten, unvergleichlicher Mann, daß auch der ver- trauteste Umgang mit unsern Verfolgern, und der groͤsseste Abscheu, den du vor uns, deinen Bruͤ- dern, bezeigen kanst, uns nicht verhindern werde, dich zu lieben, dich zu ehren, und dich vor eine Zier- de und Stuͤtze unserer Gesellschaft zu halten. D d Trage ( o ) Trage demnach kein Bedencken unser Haupt zu seyn. Du irrest dich wofern du meinest, daß unsere Absicht sey, durch unsere auf dich gefallene Wahl, deine Freyheit einzuschraͤncken. Wir sind zu frieden, daß du vor, wie nach, mit Worren wider uns wuͤ- test, und vor unsere Feinde die groͤsseste Hochachtung blicken laͤssest. Es ist uns nicht zuwider, daß du, so lange du lebest, ein Glied der deutschen Gesell- schaft in Leipzig bleibest. Der Herr Prof. Philippi hat nicht vor gut befunden, sich der Freyheit, die wir ihm hier geben, zu bedienen, sondern den heldenmuͤthigen Entschluß gefasset, in ei- ner eigenen Rede, die mit dem ehesten das Licht sehen wird, von der deutschen Gesellschaft in Leipzig Abschied zu nehmen. Wir erkennen daraus, daß er es redlich mit uns meine, und wie wir nicht zweifeln, daß diese Ab- schieds-Rede allen rechtschaffenen Gliedern unserer Ge- sellschaft zu unaussprechlichem Trost gereichen werde, so hofen wir auch, sie werde gewissen Laͤsterern das Maul stopfen, die sich nicht entbloͤden, aus zusprengen, der Herr Prof. Philippi sey niemahlen ein Mitglied der deutschen Gesellschaft in Leipzig gewesen, ob er sich gleich davor ausgegeben hat. Es habe sich zwar, dich- ten diese Verwegene, der Herr Prof. Philippi um diese Ehre sehr beworben: Allein die deutsche Gesellschaft habe, Wir haben in al- len gelehrten Gesellschaften, die unsere Feinde zu un- serm Verderben aufgerichtet haben, die unsern, und wir wuͤrden es vor ein besonderes Gluͤck ach- ten, wenn du dich in alle diese Dersammlungen unserer Widersacher einschleichen, und, unter der Larve eines grossen Geistes, vor die Wohl- farth der kleinen wachen koͤnntest. Ver- ( o ) Versuche es, theurer Philippi. Gewinne durch eine kluge Verstellung die Liebe unserer Feinde. Du kanst dich nicht besser um uns verdient machen. Denn wenn sie dich erst hochhalten, so koͤnnen sie uns nicht hassen. Sie muͤssen uns nothwendig, wofern sie dich, ihren vermeinten Freund, nicht mit treffen wollen, vieles, welches sie, auf ihre Sprache, Thorheir nen- nen, hingehen lassen, und wir koͤnnen also unter dei- nem Schirm vor ihrer Verfolgung sicher seyn, und thun was wir wollen. D d 2 Wohl- habe, ob sie gleich zu der Zeit, aus Mangel der Mitglie- der, dem Untergang nahe gewesen, sich doch nicht ent- schliessen koͤnnen, ihn aufzunehmen, sondern die Schan- de, welche sie aus der Aufnahme eines so ungeschickten Redners und albernen Reimers besorget, vor erschreckli- cher gehalten als den Tod; und also mit einer mehr, als roͤmischen Standhaftigkeit, lieber verderben, als sich durch ein so schimpfliches Mittel erhalten wollen. Alle diese Luͤgen wird die Abschieds-Rede, die der Hr. Prof. Philippi unter Haͤnden hat, zu nichte machen Denn wer will dem Hrn. Prof. Philippi, ob er gleich das Haupt einer Gesellschaft ist, von deren Gliedern man alles ver- muthen kan, die Thorheit zutrauen, daß er oͤffentlich von einer Gesellschaft Abschied nehmen solte, zu der er nie- mahlen gehoͤret? Wir widersprechen also den Laͤste- rern des Herrn Prof. Philippi hiemit oͤfentlich, und wuͤnschen diesem wuͤrdigem Haupte unserer Gesellschaft nicht nur Muth und Kraͤfte zu Verfertigung seiner Ab- schieds-Rede; sondern auch, welches das Hauptwerck ist, einen Verleger zu der koͤstlichen Arbeit, die er unter Haͤn- den hat, und hoffen, daß endlich die verblendeten Buch- fuͤhrer die Augen aufthun, und begreifen werden, wie vortheilhaft ihnen der Verlag solcher Schriften noth- wendig seyn muͤsse, deren Abgang selbst durch die Ver- aͤchter derselben, befordert wird. ( o ) Wohlan! demnach, O! wuͤrdiges Haupt der kleinen Geister! mache dich auf, und betriege un- sere Widersacher. . . dolus an virtus, quis in hoste requirat Virgilius Æneid. L. II. v. 390. ? Wir wuͤnschen dir Gluͤck zu einem so wichtigen Un- ternehmen, und unsern Feinden versinsterte Augen ihres Verstandes, damit sie deinen Betrug nicht mercken. Aber, unvergleichlicher Philippi, ist es uns erlaubt, dir unsere Meinung aufrichtig zu sagen, so zweifeln wir sehr ander Erfuͤllung unserer Wuͤnsche. Wofern ich unsere Feinde recht kenne, so sind sie viel zu listig, als daß sie sich von dir hintergehen lassen sol- ten. Du bist ihnen schon verdaͤchtig, und hast es in deinen bißherigen Schriften so arg gemacht, daß man bereits an vielen Orten die gerechte Vermu- thung hat, du seyst ein kleiner Geist. Wie schwer wird es dir demnach nicht fallen, dich so zu verstellen, daß unsere Feinde dich vor einen von ihrer Rotte hal- ten? Verkappe dich, so starck du wilt: Sie werden dich doch kennen. Denn einem so vollkommen kleinem Geiste, als du bist, ist es unmoͤglich, seine Neigung zu unserer Gesellschaft gaͤntzlich zu verbergen. Er laͤsset sie auch wider seinen Willen, bey aller Gelegenheit, blicken. Wofern demnach unser weniger Rath bey dir et- was gilt, so gieb dir, allerliebster Philippi, keine ver- gebliche Muͤhe, unsere listige Feinde durch eine Ver- stellung zu fangen, die uͤber dein Ve rmoͤgen ist. Bilde dir nicht ein, es sey moͤglich, diese schlaue Koͤpfe durch Liebkosungen einzuschlaͤfern. Sie sind gar zu mißtrauisch, und gar zu wohl auf ihrer Hut. ( o ) Hut. Sie sind die Leute nicht, die sich leicht etwas weiß machen lassen, und suͤssen Worten mehr trauen, als dem Augenschein. Meine nicht, eine demuͤ- thige Zueignungs-Schrift, eine ehrerbietige Versicherung, du suchest ihnen allen nach zuah- men, und einige gezwungene Spoͤttereyen wi- der unsere Gesellschaft waͤren hinlaͤngliche Mittel ihre Gewogenheit zu gewinnen, und ihnen einzubil- den, du waͤrest wuͤrcklich ein grosser Geist, und Feind unserer Anstalten. So bald sie deine Schrif- tenlesen, so sehen sie wer du bist; sie verlachen dei- ne Complimente, und halten dein Vorgeben, du suchest ihnen nachzuahmen, vor eine Beschim- pfung. Was kanst du also von diesen Leuten hof- fen? Jst dir zu rathen, theurer Philippi, so kehre dich nicht weiter an sie. Sie haben dich bißher noch unter sie geduldet: Aber wer weiß, was uͤber dich verhenget ist? Wie wenn ihre Gedult, der du so lange gemißbrauchet hast, zerrisse? Komme ihnen zu- vor, und zetreiß die Bande, die dich noch an ihre Gesellschaft heften. Jst es dir nicht ruͤhmlicher, sie zu verlassen, als von ihnen mit Ungestuͤm ausgestossen zu werden? Fasse demnach ein Hertz, grosser Mann, und erklaͤre dich oͤfentlich wider eine Schaar loser Veraͤchter, die dich, wie fein sie sich auch aͤusserlich stellen, in ihrem Hertzen verachten und hassen. Reiß die falsche Einbildung, daß du ein grosser Geist, und wir deine Feinde, mit Strumpf und Stiel aus deiner Brust. Wirf einen Blick auf deine Schriften, und halte sie gegen die Gesetze unserer Ge- sellschaft, die in deinem Hertzen weit deutlicher, als an der Decke unsers Saals geschrieben stehen: So wirst D d 3 du ( o ) du gewahr werden, daß du, mit gutem Gewissen, dich nicht ferner grausam gegen uns stellen koͤnnest. Du wirst die Stunden bereuen, die du ausser unserer stchtbaren Gemeinschaft zugebracht hast, und dich nicht einen Augenblick bedencken, oͤfentlich in eine Gesellschaft zu treten, die deine Verdienste besser zu schaͤtzen weiß, als die grossen Geister, denen es niemand leicht recht machen kan. Du siehest, wie un- moͤglich es ist, den Beyfall dieser Hochmuͤthigen zu gewinnen. Je eyferiger du darnach strebest, je laͤ- cherlicher wirst du ihnen. Zeige ihnen demnach, daß du auch ohne ihren Beyfall groß seyn kanst. Wende dich zu uns, deinen Verehrern, die bereit sind, dich mit ofenen Armen zu empfangen. Nim̃ den Posten ein, den wir dir anbieten, und ergreife die Gelegenheit, in demselben, dich, und unsere Gesellschaft, wegen aller Verachtung und Drangsale, so wir von unsern Fein- den erlitten haben, mit Nachdruck zu raͤchen. Erlaube uns, grosser Philippi, daß wir dich, in aller Demuth, noch einmahl darum anflehen. Er- hoͤre unsere Bitte, und fasse denjenigen heldenmuͤ- thigen Entschluß, der allein faͤhig ist, den Ueber- muth unserer Widersacher zu daͤmpfen, unsere Ge- sellschaft aus ihrem Bedruck zu reissen, und deinen Namen unsterblich zu machen. „Hæc sunt, quæ nostra liceat te voce moneri, „Vade age, \& ingentem factis fer ad æthera Trojam Virgilius Æneid. Lib. III. v. 461. 462. . VII. Sottises VII. Sottises Champêtres oder S chuͤfer- B edicht des ( Tit. ) Herrn Prof. Philippi, seiner Seltenheit wegen zum Druck befoͤrdert. Richey. Ja, ja! da seht Jhn nur fuͤr an: Er mengt es schon, wie Kraut und Ruͤben, Und wann Er etwa Zeug geschrieben, Daraus kein Mensch was machen kan; So weiß Er sich geschwind zu rathen. Er setzet kuͤhnlich hie und da Das edle Woͤrtlein Aria, So sinds den Augenblick Cantaten. Leipzig, 1733. Vorbericht. E ine lange Vorrede vor einer kleinen Schrift stehet nicht wohl. Jch will also den Leser nicht lange aufhalten, sondern sage nichts mehr als dieses: ‒ ‒ ‒ nec satis apparet cur versus facti- tet, vtrum Minxerit in patrios cineres, an triste bidental Moverit incestus. Certe furit. Horatius de arte poëtica. Das uͤbrige zeiget der Jnhalt. Hiemit GOtt befohlen! Merseburg, den 26. Mertz 1733. Jn- Jnhalt. C lara ist ein junges Frauenzimmer, dem die Natur alles beygeleget, was gefallen und reitzen kan. Sie lebte in einer Stadt an der Pleis- se, die wegen ihrer Academie und Messe in und ausser Deutschland beruͤhmt ist. Placidus, der Vater dieser Schoͤnen, hatte allda der hoͤchsten obrigkeitlichen Wuͤrde mit grossem Ruhme vor- gestanden und ihr ein ansehnliches Erbtheil hinter- lassen. So viel Vorzuͤgen konnte es an einer Menge von Anbetern nicht wohl fehlen, und un- ter solchen befand sich auch Briontes der Juͤn- gere. Belebte Seelen sind zur Empfindlichkeit geneigt, und man begreifet ohne langes Nachden- cken die Wunden, die Flammen, die Sehnsucht, die Luͤsternheit, das Lechzen, die Ohnmacht, die Bezauberung, oder wie man dasjenige nennen will, was ihn bey dem Anblick einer so ausbuͤndi- gen Gestalt befallen. Er entdeckte den Verlust sei- ner Freyheit der Mariane, einer sinnreichen Dichterin, deren vertrauten Brief-Wechsel er be- D d 5 reits ( o ) reits oͤfentlich als ein gantz besonderes Gluͤck ge- ruͤhmet. Jn dem andern Traum-Gesichte dieses Hirten-Gedichtes nennet er sie Zedena, seine Ge- bieterin Clarimene und ihren Vater den gros- sen Pan. Nach einiger Zeit, die er in H. unweit L. mit Ausfertigung bekannter Wercke zugebracht, wird ihm von der Schaͤferin Zedena vorgeschla- gen, die Probe seiner deutschen Beredsamkeit in einer muͤndlichen Anwerbung abzulegen, zu wel- chem Ende sie eine Unterredung zwischen ihm und seiner Grausamen zu veranlassen verhofe. Brion- tes eilet auf diese Einladung nach dem Orte ih- res Aufenthalts, und, so bald er daselbst angelan- get, mit einer sehr behenden Geschwindigkeit, nach dem Zimmer der Zedena, allwo seine Geliebte nebst ihrer Mutter und andern eben einen Besuch abstattete und die schoͤne Hand mit dem Carten- Spiele beschaͤftigte. Er ward ihr zur Seiten ge- setzt und ach! er konnte kaum die mit mercklicher Heftigkeit abwechselnde Gemuͤths-Bewegungen verhehlen, so in seinem Zunder-vollen Hertzen auf- stiegen, da er dem Ziel seiner Wuͤnsche sich so unverhoft genaͤhert sahe. Zwar erfolgte der Aufbruch der Gesellschaft viel zu zeitig fuͤr ihn, doch hatte er noch den Trost, seine entzuͤckende Nachbarin die Treppe hinunter in die Kutsche zu fuͤhren. Ein widriges Schicksahl wollte ihm den lautren Genuß dieser Freude nicht erlau- ben. Die Liebe oder eine uͤbel gerathene Wen- dung, oder auch ein unsichtbarer und neidischer Gnome risse ihn aus dem Gleich-Gewicht, und ( o ) und er waͤre bey nahe der Clarimene zu Fuͤs- sen gefallen. Er rafte sich aber bald wieder auf, kuͤßte ihren Zeige-Finger zum Abschiede, und eilte (wie er schreibt) uͤber Stroh und Heu nach Hause. Allda hieng er den Degen an die Wand, das Gehencke uͤber den Degen und den Hut uͤber beyde, ergrif Feder und Papier und verfasste in der Nacht zwischen dem 26. und 27. Mertz 1732. gegenwaͤrtiges Ge- dichte, welches er, unter einem zahlreichen Ge- folge von Seufzern und Westen-Winden, der Zedena den folgenden Tag zuschickte, mit Bitte, es seiner Goͤttin zu uͤberreichen. Gleich- wohl empfing er in kurtzer Zeit das schreckliche Urtheil seiner Verstossung fast mit grossem Ent- setzen, doch nicht geringerer Ehrfurcht, als ein Tuͤrckischer Bassa die seidene Schnur, die ihn hinrichten soll: bewundert aber noch itzo, daß Clara so kraͤftigen Worten widerstehen koͤnnen und dem treflichen Poeten einen fuͤrnehmen Ca- vallier vorgezogen, mit dem sie in vergnuͤgter Ehe lebet. Der D er gantz geheime Brand, Der einge Jahre schon Briontens treue Brust durchdrungen, Nahm in dem angenehmen Mertz Den Ausgang durch sein redlich Hertz, Und da er oft des Schicksals Macht besungen, So sprach er endlich juͤngst mit mattem Thon: Aria. Jhr Goͤtter! koͤnnt ihr grausam seyn? Koͤnnt ihr der Tugend reine Flammen, Koͤnnt ihr die Unschuld wohl verdam- men? Ach richtet uͤber meine Pein! Jhr Goͤtter! koͤnnt ihr grausam seyn? So brachte er den Goͤttern seine Klagen, Und scheute sich ein lautes Wort zu sagen. Die Ehrfurcht hielt ihn allezeit zuruͤck, Die liebste Schaͤferin zu nennen, Der er im Geist sein Hertz geschenckt. Jedoch ( o ) Jedoch des Himmels Gluͤck Kroͤnt eines Wuͤnsche oft eh er es denckt. So gieng es dem Briontes auch, Er trieb nach seinem Brauch Die Heerd in einen dicken Wald, Durch den ein reiner Quell mit sanften Rauschen floß, Und der ein weites Feld von Wiesen gantz um- schloß. Weil keine Seele nun in diese Oede kam, Auch ihm die Einsamkeit die Furcht benahm, Sein Leid den Luͤften zu bekennen; So rief er daselbst bald: Aria. Ach worzu bin ich doch versehn! Jch darf nicht Clarimenen lieben, Und kan doch nicht den starcken Trieben Von ihrer Schoͤnheit wiederstehn. Ach worzu bin ich doch versehn! Kaum da er dis gesagt, Und seine Seufzer so der stillen Luft geklagt, Legt er sich unter einen Baum Auf die noch duͤnn-belaubte Erde, „Das eine Auge warf er stets auf seine Heerde, „Das andere im Geist auf Clarimenens Brust. Er sah mit angegangnem Mertzen Die anvertrauten Schaͤflein schertzen. Da lagen sie in bunter Reyh, Und da gesellte sich hier eins dem andern bey. O was war das ihm nicht vor eine Lust, Sie ( o ) Sie so vergnuͤgt vereint zu sehen! Sein Melar muste auch als Huͤter stehen, Sein Bellen machte daß kein Schaͤflein sich ver- irrte. Ein Turteltaͤubichen. Das in der Einsamkeit des Waldes vor sich girrte, Bracht ihn bey dem geheimen Kummer Zu einem unvermerckten Schlummer, Darinne kam ihm fuͤr, Als kaͤm er vor Clarimenens Thuͤr. Er wurde gleich hinein gelassen, Er durfte sie auch bey der Hand anfassen, Er kuͤsste diese Hand in groͤster Zaͤrtlichkeit, Und war sie gleich ein Kind vom grossen Pan, So both er ihr im Schlaf sein Hertz doch an, Und wurde gantz entzuͤcket, Dieweil es ihm im Traume gar gegluͤcket, Von ihrem Rosen-Mund ein Bluͤmchen abzubre- chen; Ja er durfte sich im Schlaf durch viel tausend Kuͤsse raͤchen. Gleich drauf erschreckte ihn ein jaͤher Donnerschlag, Davon er alsobald erwachte, Und gantz bestuͤrtzt an seine Schaͤfchen dachte, Ob etwan eins des Donners Macht geruͤhrt, Doch da er nichts gespuͤhrt, Und, da die Wetter sonst die Schaͤflein bald ver- jagen, Sie doch noch, wie zuvor, still ausgestrecket lagen, Vermerckte er, es sey ein blosser Traum, Da gab er denn den matten Seutzern Raum: Aria. ( o ) Aria Ach unerbittliches Geschicke! Beweisest du mir wieder eine Tuͤcke! Ach Clarimene stoͤhrest du Auch selbst im Schlafe meiner Ruh! Darf ich bey brennenden Verlangen Dich denn im Traume bloß umfangen? Heist dis ein holder Blick? Ach unerbittliches Geschick! Jndem befahl der abgeneigte Tag Die Schaͤfchen wieder einzutreiben; Die rauhe Morgen-Luft Und der darinn noch rauhe Duft Gestattete des Nachts nicht auf dem Feld zu blei- ben, Drum trieb er sie in ihre Huͤrden, Und legte sich mit seinen Liebes-Buͤrden Zu ihnen auf die Streu; „Sein Unterbette war ein frisch Bund Heu, „Und da sonst nichts als jene, „Die holde Clarimene, „Vor seinen Augen schwebte, „Weil er gantz in ihr lebte, „So wickelte die suͤsse Pein „Die muͤden Glieder bald in Schlaf und Schlum- mer ein. Von tausend Traum-Gesichtern Ward er bald froh bald schuͤchtern. Die grosse Zedena, Die ( o ) Die unter ihren Orden Die beste Dichterin geworden, Kam ihm zuletzt im Schlaf auch vor, Und sprach ihm leise in das Ohr: Aria. Kan Clarimene dich allein vergnuͤgen, So nenn ihr doch selbst den geheimen Schmertz, Das Gluͤck wird sich nach deinen Wuͤn- schen fuͤgen, Wer weiß, sie schenckt dir endlich auch ihr Hertz, „Komm eile, komm noch in dem Mertz. Der Rest der dunckelgrauen Nacht Ward drauf von ihm mit Wachen zugebracht. Er hielte dieses alles nicht Vor ein betruͤglich Traum-Gesicht, Er sahs vor einen Winck der Gottheit an, Er dachte weiter nach Und fuͤhlte allgemach Das alleraͤusserste Verlangen Und ein geheimes Sehnen, Die Hand der Zedena und Clarimenen Mir Kuͤssen zu umfangen. Er schwur bey ihrer Augen Paar, Das schoͤner als sonst keiner Schaͤfrin war, Sich weiter nicht zu graͤmen, Noch seiner Leidenschaft zu schaͤmen. Die Zaͤrtlichkeit ließ ihm nicht weiter Ruh, Er eilte nach den Linden-Feldern zu, Und ( o ) Und zu der Zedena, der theuren Schaͤferin, Mit doppelt starcken Schritten hin. Und o wie wurde er begluͤckt, Ja als wie ausser sich entzuͤckt, „Als er die Schaͤferin, die Schoͤne, „Die liebenswuͤrdge Clarimene „So unvermuther da antraf, „Da dacht er jetzt an Hirten-Stab und Schaf. Und ach! wie freut ihn das so sehr, Daß er der Clarimenen Mutter, Die weise Richterin von allen Schaͤfer-Sachen Und andere Gespielen mehr, Besonders auch den Schaͤfer Dorilas, Der gantz verliebt bey der Glorinde saß, Sah unter sich ein Spielchen machen. Die Zedena erkannte gleich das Ziel Von des Briontes treuen Wuͤnschen: Sie zog ihn also mit ins Spiel. Ach! wie verspielte er mit Lust! Dieweil sich Auge, Ohr und Brust An Clarimenen nur ergoͤtzte, Und dadurch den Verlust vollkommentlich ersetzte. Das wichtigste das sie ihm nahm, War, daß er um sein Hertz und Freyheit vollends kam, Sein Gluͤcks-Stern gieng den Tag noch heller auf, „Als sich die Sonn vor diesen groͤssern Licht „Gleich als beschaͤmt versteckte; Weil auch der Zedena liebkosend Angesicht Jhn immer mehr erweckte, E e So ( o ) So ward er frohen Muhts, Und kuͤhlte den verschwiegnen Brand Durch einen Kuß auf Clarimenens Hand, „Auch druͤckte er mit allem Fleiß „Sein gantzes Hertz in selbige hinein, „Jch schwere aber drauf, „Daß Clarimene selbst es itzo noch nicht weiß. Die Ehrfurcht hielt ihn dabey ab, Den Zucker-Mund zum erstenmahl zu kuͤssen, Ob gleich die Reihe rum es reine Kuͤsse gab. Nein! dacht er, dieser Nectar-Saft Hat eine allzugrosse Kraft, Denn wer ihn einmahl kost, will ihn noch mehr ge- niessen. Jetzt meynte er nun sey es Zeit und Ort, Sie um ihr Hertze zu befragen, Allein das schlaue aufgeweckte Kind, Das an Lebhaftigkeit kaum seines gleichen findt, Fieng also an zu sagen: Soll ich einst lieben oder freyn, Muß es was recht à part es seyn. Die Rede schluge ihm fast alle Hofnung nieder, Es war als wie bey einem schwuͤlen Tag Ein unversehner Donnerschlag. Doch Zedena, die sich so gar freygebig wieß, Und ihre Gaͤste nie in Grillen fallen ließ, Erweckte den Briontes wieder, Sie brachte die Gesundheit aus: Freund! ( o ) Freund! liebst du redlich in Gedan- cken, So laß dabey den Muth nicht wan- cken. Dadurch ward denn Briontes wieder froh Und tranck vor Aufbruch zu der Ruh Noch dieses ihr dagegen zu: Es lebe was das Hertze kennt, Eh es der treue Mund noch nennt. „Nachdem es nun zum Aufbruch kam „Und er von Zedena verpflichtet Abschied nahm, „Konnt er nicht Worte finden, „Noch sich genug verbinden. „Die schoͤne Schaͤferin, die Engels- Clarimene, „Die er durch einen Sprung und Fehltritt bald ver- lohr, „Ward ihm mit ihrem Arm statt einer Stuͤtz und Lehne. „Drum hob er sich geschwind empor, „Und gab zum voͤlligen Beschluß „Der schoͤnen Hand noch einen Liebes-Kuß, „Und hierauf gieng er uͤber Heu und Stroh „Nach einer kleinen Pause, „Biß Clarimene ihm aus dem Gesichte floh, „Zumahl schon der Polar sich uͤbern Scheitel zoh, „Aus dieser Schaͤferey nach Hause. E e 2 „Da ( o ) „Da stimmte er noch dieses Schaͤfer-Lied: Aria. Hofe fest! es kan geschehen, Daß sich Clarimenens Brust Endlich wird darzu verstehen, Was itzt ihr noch unbewust. Kan der Himmel was entzuͤnden, So kan ers auch wohl verbinden. Solltest du es itzt nicht sehn, Hofe fest! es kan geschehn. „Dis war der eintzge Trost, den er sich selbst be- schied. VIII. Eines VIII. Eines beruͤhmten MEDICI Glaubwuͤrdiger Bericht von dem Bustande, in welchem Er den ( S. T. ) Herrn Prof. Philippi den 20ten Junii 1734. angetroffen. Merseburg, 1734. ( o ) Vorrede. Geneigter Leser! E s ist nicht noͤthig, daß ich dir gegen- waͤrtige Schrift weitlaͤuftig an- preise. Sie muß dir nothwendig gefallen, weil sie den Schwanen-Gesang eines Mannes in sich fasset, der wenige seines gleichen gehabt hat. Die letzten Worte grosser Maͤnner sind zu allen Zeiten sorgfaͤltig aufgezeichnet worden, und die Reden, welche der Herr Prof. Philippi kurtz vor seinem Ende ge- fuͤhret hat, sind um so viel merckwuͤrdi- ger, je weniger man von ihm dergleichen vermuthet. Der Medicus hat also wohl gethan, daß er dieselbe seinem Bericht einverlei- bet, und ich bin noch mehr zu loben, daß ich diesen Bericht durch den Druck bekannt mache. Jch stifte dadurch sehr viel gutes. Die Klugen, die sonst immer die Bekehrung des Herrn Prof. Philippi unter die un- moͤglichen Dinge gezehlet haben, setze ich in eine angenehme Bestuͤrtzung, und ge- be ihnen Gelegenheit, sich uͤber die unver- muthete Busse eines Suͤnders zu freuen, von dem sie geglaubet, daß er schon in dem Stande ( o ) Stande der Verhaͤrtung stuͤnde: Und die albernen Schreiber noͤthige ich, in sich zu gehen, und sich an dem Exempel ihres Goliaths zu spiegeln. Sie koͤnnen daraus lernen, was vor ein schweres Gericht uͤber diejenigen erge- he, die keinen vernuͤnftigen Erinnerungen Platz geben wollen, und alle gelinde Mit- tel klug zu werden muthwillig verwerf- fen. Der Herr Prof. Philippi hat vor vielen seines gleichen das Gluͤck gehabt, daß ihm sein Elend auf eine sonderbar deut- liche, hoͤfliche und liebreiche Art von mit- leidigen Personen, vorgestellet worden: Aber er hat es nicht erkennen, noch beden- cken wollen, was zu seinem Frieden diene. Wie hat er sich nicht in seiner tiefsten Erniedrigung gebruͤstet? Mit wie vieler Frechheit hat er nicht der klugen Welt zu- gemuthet, ihn, wieder den klaren Augen- schein, vor einen grossen Geist zu halten? Mit wie unglaublicher Hartnaͤckigkeit hat er nicht der liebreichen Bemuͤhung seiner Bekehrer wiederstrebet? „Non Hydra fecto corpore firmior „Vinci dolentem crevit in Herculem. Und siehe! da er am aͤrgsten wuͤtet, und seine Verfolger durch eine elende Schrift E e 4 uͤber ( o ) uͤber die andere zu uͤbertaͤuben suchet, fuͤgt es der Himmel, daß ihm das Verstaͤndniß auf eine so gewaltsame Art geoͤfnet wird, daß allen, die es hoͤren, die Ohren gellen muͤssen. Ein stumpfer Pruͤgel muß dasje- nige moͤglich machen, woran bißhero so viele spitzige Federn umsonst gearbeitet ha- ben, und ein eintziger Schlag ein Gewis- sen aufwecken, dessen Schlummer auch durch den Donner der schaͤrfsten Satyren nicht gestoͤret werden koͤnnen. Diese Zuͤchtigung scheinet zu hart zu seyn. Aber ein harter Sinn kan auf kei- ne andere Art gebrochen, und ein wun- derlicher Kopf durch keine andere als wun- derliche Mittel zu recht gebracht werden. Don Qvixot bekam durch ein hitziges Fie- ber, so bey klugen Leuten eine Raserey wuͤrcket, seine Vernunft wieder, und es giebt Aertzte, welche die verdorbene Ein- bildungs-Kraft der Wahnsinnigen durch nichts als Schlaͤge curiren. Mich deucht, ein Mensch, der sich oh- ne Ursache, vor einen grossen Geist haͤlt, ist nicht viel kluͤger, als einer der mit Ge- walt ein irrender Ritter, oder der grosse Mogol seyn will; und ich kan also, das, was dem Herrn Prof. Philippi begegnet ist, ( o ) ist, vor nichts anders, als vor eine heil- same Zuͤchtigung, und sonderbare Gnade halten. Gluͤcklich ist indessen derjenige, der einer solchen Gnade nicht bedarf, sondern bey Zei- ten in sich schlaͤget, und sein Elend erkennet. Jch bitte alle, die mit dem Herrn Professor Philippi in gleicher Verdamniß sind, dieses wohl zu behertzigen. Sie koͤnnen aus den letzten Klagen desselben lernen, was eine spaͤte Busse vor eine mißliche und gefaͤhrli- che Sache sey. Wie nahe ist der arme Mann der Verzweifelung nicht gewesen? Doch er hat sich endlich noch ziemlich gefas- set, und ein Ende genommen, das sehr er- baulich ist. Er starb, wie der Medicus vermuthet, den 21ten Junius, Abends um 6 Uhr 53 Minuten. Eine halbe Stunde vorher wie- derhohlte er nochmahl das gethane Bekaͤñt- niß von der Scheußlichkeit seiner Schriften, bereuete mit Thraͤnen, daß er sie gemacht, und ließ alle diejenigen, die noch nicht ge- druckt waren, vor seinen Augen verbren- nen. Wie dieses geschehen war, rief er gantz freudig: Nun will ich gerne ster- ben. Und ach! fuhr er seufzend fort, E e 5 was ( o ) was wolte ich darum geben, daß ich meine schon gedruckten Schriften eben so vernichten koͤnnte! Aber es gehet leider! nicht an. Er wolte noch mehr sagen: Allein der Tod uͤbereilte ihn, und machte seinen Klagen und seinem Jammer ein Ende. ‒ ‒ Ast illi solvuntur frigore mem- bra Vitaque cum gemitu fugit indignata sub umbras. Eines ( o ) Eines beruͤhmten MEDICI Glaubwuͤrdiger B ericht von dem Zustande, in welchem er den ( S.T. ) Herrn Profess. Philippi den 20ten Junii 1734. angetroffen. D a der Herr Prof. Philippi heute das Un- gluͤck gehabt, von zwoen Personen, mit welchen er in Haͤndel gerathen, sehr uͤbel zugerichtet zu werden, ward ich Endes Unterschrie- bener zu ihm gefordert, und verfuͤgte mich so gleich nach seiner Behausung. Jch traf denselben auf einem Ruhe-Bette, noch in seinen Kleidern, und in einer tiefen Ohnmacht liegend an. Sein Gesicht war gantz blutig, und auf der lincken Backe erblickte ich fuͤnf blaue Strie- men, die ich vor nichts anders, als vor Spuren einer verwegenen Hand ansehen kunte. Nach- ( o ) Nachdem man ihn durch einen kraͤftigen Bal- sam wieder zurecht gebracht hatte, richtete er sich in die Hoͤhe, und setzte sich in die Stellung eines Menschen, der sich erbrechen will: Allein es kam nicht so weit; sondern er spie nur ungefehr einen guten Loͤffel voll Blut, und vier Zaͤhne aus, unter welchen sich auch derjenige befand, den man den Bachanten Zahn nennet. Jch ließ ihn darauf entkleiden, und fand seinen Ruͤcken und die beyden Arme, uͤber und uͤber mit Blut untergelaufen; doch war keine solutio con- tinui, noch vielweniger eine toͤdliche Wunde vor- handen, woraus ich schloß, daß diejenigen, wel- chen der Herr Profess. Philippi in die Haͤnde ge- fallen war, denselben nur trucken abgepruͤgelt haͤtten. Wie aber der Herr Professor ungemein uͤber das Haupt klagte, so besahe ich es, und endeckte darauf unterschiedene Baͤulen, und in der Mitte eine kleine Wunde, die gefaͤhrlicher war, als ich anfangs glaubte. Denn so bald man dieselbe nur an- ruͤhrete, wandelte dem Herrn Prof. Philippi eine Ohnmacht an, die laͤnger als eine viertel Stunde daurete. Endlich ermunterte er sich wieder, schlug die Augen auf, und gab durch einen tiefgehohlten Seufzer zu verstehen, daß noch Leben in ihm sey. Jch frug ihn: Wie er sich beyfuͤnde? Und erhielte zur Antwort: Sehr schlecht. Jch that noch einige Fra- gen an ihm: Allein er antwortete mir nicht ein Wort, sondern lag immer in tiefen Gedancken vor sich weg. Nach einigen Minuten sahe er auf, druͤckte mir die Hand, und sagte mit matter Stimm: Ach! wer ( o ) wer sein Maul halten koͤnnte! Bin ich nicht ein Narr gewesen, daß ich mich mit den Leuten abgegeben? Was gieng es mich an, ob ‒ ‒ ‒ ‒ Ach! ich mag nicht mehr daran gedencken. Da liege ich nun, und kan weder Hand noch Fußregen. Ja wer weiß, ob mir meine ungereimte Begierde von allen Dingen ohne Nachdencken zu plaudern, nicht das Leben kosten wird? Jch fiel ihm in die Rede, und sagte: Das haͤtte nechst goͤttlicher Huͤlfe, keine Noth. Keine Noth? erwiederte er: Jch muß am besten wissen, wie mir zu Muthe ist. Doch was ist daran gelegen? Jch habe wenig Freude in der Welt gehabt, und bin meines Lebens so muͤde, daß es mir gleich viel ist, ob ich heu- te oder morgen sterbe. Nur verdrießt es mich, daß ich, durch meine eigene Schuld, so liederlich um mein Leben komme, und mich die kurtze Zeit, die ich in diesem Jammerthal gewallet, nicht vernuͤnftiger aufgefuͤhret habe. Wie ich ihn darauf frug: Was dann in seiner Auffuͤhrung thoͤrigtes waͤre, das ihn so beunruhigte? Sahe er mich starr an, und sprach: Was? Habe ich nicht geschrieben? Ach! meine verfluchte Schriften! Jhre Schriften, wandte ich ein, wer- den machen, daß Sie auch nach Jhrem Tode leben. Ja wohl, war seine Antwort; aber sie werden auch das Andencken meiner Thorheit verewigen, und das ist es eben, was mich quaͤlet. Jch suchte ihm diese traurige Gedancken zu benehmen, und fieng an seine Schriften zu loben: Allein er machte mir ein so ernst- haftes Gesichte, daß ich bald wieder aufhoͤrte. Mein lieber Herr Doctor, sprach Er, schertzen Sie nicht zur ( o ) zur Unzeit mit mir. Jch befinde mich in einem Zustan- de, da alle Complimente aufhoͤren muͤssen, und es waͤre eine Suͤnde, wenn Sie jetzo meiner spotten wolten. Sie sind viel zu christlich dazu, daß weiß ich: Aber sind Sie dann der eintzige der so gluͤcklich gewe- sen ist, daß ihm keine von meinen elenden Schriften zu Gesichte gekommen? Jch kan mirs kaum einbilden. Wie koͤnnen Sie dann aber mit gutem Gewissen meine Schriften, ich will nicht sagen, loben, sondern nur vor ertraͤglich halten? Wenn Sie meine sechs deutsche Reden gelesen haben, so werden Sie wis- sen, was ich vor ein poßirlicher Redner gewesen, und wenn Sie sich nur meines Helden-Gedichts auf den Koͤnig von Pohlen erinnern, so werden Sie mir gestehen, daß ich den Nahmen eines unertraͤglichen Reimers mit Recht verdiene. An meine thuͤringi- sche Historie mag ich nicht einmahl gedencken. Sie wuͤrde unstreitig die albernste unter allen meinen Schriften gewesen seyn, wenn sie nur die letzte geblie- ben waͤre. Aber so habe ich nach der Zeit noch weit naͤrrischer Zeug geschrieben; und kan noch nicht be- greifen, wie es moͤglich gewesen, daß ich meiner Schmiersucht keine Grentzen gesetzet, da meine ersten Schriften so uͤbel aufgenommen worden. Denn so bald meine Reden, und mein Helden-Gedicht zum Vorschein kamen, erweckte GOtt christliche Her- tzen, die mir mein Elend vorstelleten, und mich auf den rechten Weg zu bringen suchten. Jch haͤtte diese Zuͤchtigung mit Danck annehmen, und die Ruthe kuͤssen sollen: Aber ich war gantz verstockt, und hielte alle die guten Erinnerungen, die man mir gab, vor ehrenruͤhrige Beschimpfungen. Jch leckte wieder den Stachel, ( o ) Stachel, und suchte Himmel und Erde wieder meine eingebildete Verfolger zu bewegen. Jch war gar so verblendet, daß ich wieder diese ehrliche Leute schrieb: Aber was half es mir? Niemand wolte mein Ge- schmier verlegen, und das wenige, das ich selbst davon drucken ließ, vergroͤsserte nur meine Schande, und uͤberfuͤhrte alle Welt, daß meine Einfalt mit einer ziemlichen Boßheit vergesellschaftet seyn. Wenn ich mich bey so gestalten Sachen aus Unmuth erhenckt haͤtte, so haͤtte ich etwas gethan, woruͤber sich niemand wuͤrde gewundert haben: Allein ich war viel zu wohl mit mir selbst zu frieden, und geberdete mich so trotzig, als wenn ich einer der geschicktesten Scribenten mei- ner Zeit gewesen waͤre. Sagen Sie mir nun, habe ich nicht Ursache mich in mein Hertze zu schaͤmen, daß ich mich so vorsetzlich zu einem Liedlein in der gelehrten Weltgemacht? Jst meine Auffuͤhrung nicht naͤrrisch genug, mich zu be- unruhigen? Und verdienen meine abgeschmackten Schriften nicht, daß ich sie verfluche? Ja ich verflu- che sie, und wolte wuͤnschen, daß ich niemahlen die Feder angesetzet haͤtte. Keine aber sehe ich mit solchem Abscheu an, als die letzte, die ich herausgegeben. Die macht mir den groͤßsten Kummer. Sie werden wissen, Mein Herr Doctor, daß ich die Maximes de la Mar- quise de Sablé ins Deutsche uͤbersetzet habe: Da ich doch wenig oder gar kein Frantzoͤsisch kan. Sie koͤn- nen also leicht erachten, was ich vor Schnitzer ge- macht, und wie meine Feinde lachen werden, wenn sie sehen, daß ich, dem allen ungeachtet, verwegen genug gewesen bin, der Frau von Ziegler zu Ehren selbst frantzoͤsische Verse zu machen, die so voller Feh- ler ( o ) ler sind, daß man wohl sehen kan, ich sey meinem Sprach-Meister zu zeitig entlaufen. Aber dieses sind Kleinigkeiten. Haͤtte ich es bey der blossen Ubersetzung bewenden lassen, so waͤre es noch hingegangen, und man wuͤrde mich gelobet haben, daß ich der gelehrten Welt, die ich bißhero mit meinen eigenen Einfaͤllen gequaͤlet, durch eine, ob wohl schlechte, Uebersetzung frembder und guter Gedancken dienen wollen. Denn es ist doch allemahl ruͤhmlicher ein mittelmaͤßiger Ubersetzer, als ein unertraͤglicher Scribent zu seyn. Allein so habe ich uͤber die schoͤnen Gedancken der Marquise de Sablé eine Bruͤhe gemacht, welchen al- len, die sie kosten, einen Eckel erwecken muß. Die 366 Moralische Bildnisse, womit ich die Lehren die- ser Dame erlaͤutern wollen, sind im hoͤchsten Grad scheußlich, und zeugen nicht nur von der Ungeschick- lichkeit meines Pinsels, sondern auch von der Boß- heit meines Hertzens. Denn ich habe in denselben vie- le ehrliche Leute, auf die abgeschmackteste Art ange- grifen, und so gar meines eigenen Vaters nicht verschonet, der doch, ausser dem, daß er mich ge- zeuget, nichts ungeschicktes gehandelt hat. Meine Schreib-Art in dieser Schrift uͤberhaupt ist recht ausserordentlich laͤppisch, scheußlich, und manchmahl wie z. E. p. 223. voll unflaͤtiger Zwey- deutigkeiten, deren sich ein Schneider-Gesell schaͤ- men wuͤrde, und vor welche ich jetzo erroͤthe. Jch mag an die erdichteten Nahmen, mit welchen meine Anmerckungen ausgespicket sind, nicht gedencken. Sie sind gar zu abgeschmackt. Nur bitte ich Sie, die artige Abhandlung der Frage, wie man sich zu verhalten habe, wenn man einen Korb bekommen? Und ( o ) Und die frantzoͤsische Unterredung mit dem so genann- ten Fraͤulein von Frohenmuth, mit Bedacht zu lesen. Jch glaube Sie werden alsdann gestehen, daß niemand, als ich, faͤhig gewesen, so erbaͤrmli- che Gedancken zu haben, und dieselbe so poßierlich auszudruͤcken: Und dennoch bin ich so verblendet, daß ich mir einbilde, ich braͤchte wichtige Sachen vor, und gar so aufgeblasen, daß ich die Unterre- dung mit dem Fraͤulein von Frohenmuth, die doch, was das Frantzoͤsische anlanget, im aͤusser- sten Grad barbarisch, und, ihrem Jnhalt nach, kindisch ist, vor ein Nachfolgungs-wuͤrdiges Exem- pel, was den guten Verstand, und beredten Mund betrift, ausgebe, und zum voraus denen trotze, wel- che da, wie mir mein eigen Gewissen vorhersaget, dieses Gewaͤsche vor albern, und mich vor rasend halten werden, daß ich es drucken lassen. Urtheilen Sie hieraus, ob man die Thorheit hoͤ- her treiben koͤnne? Jch vor meine Person bin ver- sichert, daß ich mich in dieser meiner letzten Schrift gantz erschoͤpfet habe, und nicht im Stande gewesen seyn wuͤrde, weiter zu schwaͤrmen, und wenn ich gleich nicht zur Erkaͤnntniß meines Elendes gekom- men waͤre. Aber, GOTT Lob! ich erkenne ietzo meine Schwachheit, und bedaure nichts mehr, als daß ich nicht Zeit habe, durch deutliche Proben meiner Besserung, die Schande abzuwischen, die ich mir durch meine Thorheiten zugezogen habe. Ach! daß mir GOtt mein Leben so lange fristen wolte! Jch gelobe hiemit heilig an, ein gantz anderer Mensch zu werden. Jch wolte meine ausserordentliche Pro- F f fessur, ( o ) fessur, die mir ohne das nichts eintraͤget, und der ich auch mit Ehren nicht vorstehen kan, und mit derselben den naͤrrischen Hochmuth, wozu sie mich verleitet hat, niederlegen, von vorne zu studiren anfangen, und mich, nechst goͤttlicher Huͤl- fe, in den Stand setzen, daß diejenigen, die sich so viele Muͤ- he gegeben haben, mich klug zu machen, Ehre und Freude an mir erleben solten. Aber ich kan dieses nicht hofen. Jch suͤhle wohl, daß ich sterben muß, und kan die wenigen Stun- den, die ich etwa noch zu leben uͤbrig habe, nicht besser an- wenden, als daß ich der gelehrten Welt den Verdruß, den ich ihr durch meine Schriften erwecket habe, demuͤthig ab- bitte, und denenjenigen, die mich desfalls freundlich be- strafet, den verbindlichsten Danck abstatte. Sie, Mein Herr Doctor, werden die Guͤte haben, und, nach meinem Tode, von meiner Bekehrung zeugen. Sie koͤnnen glau- ben, daß sie aufrichtig ist: Denn mein jetziger Zustand lei- det keine Verstellung. Er kehrete hierauf das Gesicht gegen die Wand, und weinete bitterlich. Wenn ich nun diese vernuͤnftigen Reden des Herrn Prof. Philippi recht erwege, so muß ich sie nothwendig vor ein sehr gefaͤhrliches Symptoma ansehen. Denn da es dem Herrn Prof. Philippi bey gesunden Tagen niemahlen begegnet, daß er ze- hen kluge Worte hinter einander geredet: Da Er sonst immer von allen Sachen gantz anders als kluge Leute zu dencken ge- wohnt, und daher der einzige gewesen, der, allen vernuͤnftigen Menschen zum Trotz, sich vor einen grossen Mann, und sei- ne Schriften vor unverbesserlich gehalten: Sokan ich daraus, daß Er gantz vernuͤnftig geredet, und von sich selbst, und seinen Schriften eben so geurtheilet, als bißher die gantze kluge, und vernuͤnftige Welt gethan hat, nichts anders schliessen, als daß durch den Schlag uͤber dem Kopf sein Gehirn gantz umgekeh- ret, und just in die Ordnung gesetzet worden, in welcher es sich bey Leuten von gesundem Verstande befindet. Bey einer so entsetzlichen Verruͤckung und Erschuͤtterung des Gehirnes kan der Hr. Prof. ohne Wunderwerck nicht uͤber 24 Stunden leben, und ich halte also den Schlag uͤber dem Kopf, und die dadurch verursachte Wunde vor toͤdlich. Ge- geben Halle den 20ten Junius 1734. H. B. M. D. IX. Bescheidene Beantwortung der Einwuͤrffe, welche einige Freunde des Herrn D. Joh. Ernst Philippi, weiland wohl-verdienten Professors der deut- schen Wohlredenheit zu Halle, wieder die Nachricht von Dessen Tode gemacht haben. Tasso. Andava combattendo ed era morto. Halle, 1735. Horatius. Qvum semel occideris, \& de te splendi- da Minos Fecerit arbitria, Non, Torquate, genus, non te, facundia, non te Restiruet pietas. J ch habe vor einigen Monathen einen glaubwuͤrdigen Bericht eines beruͤhmten Medici von dem Zustande, in welchem er den Herrn Professor Philippi den 20sten Junius 1734. angetroffen, ans Licht gestellet, und in meinem Vorbericht gemeldet, daß der Herr Prof. Philippi, wie der Medicus gemuthmasset, den 21sten Junius, Abends um 6 Uhr 53 Minuten, wuͤrcklich dieses Zeitliche gesegnet. Jch haͤtte mir nimmer eingebildet, daß sich je- mand unterstehen wuͤrde, mir eine so bekannte und ofenbahre Sache streitig zu machen: Allein ich habe, zu meiner nicht geringen Befremdung, erfahren muͤs- sen, daß es wuͤrcklich so wunderliche Leute gebe, die meine wahrhafte Nachricht von dem Tode des Hrn. Prof. Philippi vor falsch, und den glaubwuͤrdigen Bericht eines beruͤhmten Medici vor erdichtet, aus- zuschreyen das Hertz haben. Es hat sich nicht allein ein Ungenannter gefunden, der eine Nachricht in die Hamburgischen B erichte ruͤcken lassen, darinn er behauptet, der Herr Prof. Philippi sey noch am Leben; sondern es hat auch die sogenannte geheime Patriotische Assemblée eine ei- gene Vertheidigungs-Schrift, oder ein ander weiti- ges Bedencken an den Herrn Prof. Philippi, nebst zwoen Beylagen, drucken lassen, und will die Welt F f 3 bere- ( o ) bereden, alles, was der beruͤhmte Medicus, und ich, von des Herrn Prof. Philippi klaͤglichem Zu- stande, und darauf erfolgtem Absterben geschrie- ben haben, sey falsch und erlogen. Jch uͤberlasse dem Herrn D. B … seinen Be- richt von dem Zustande, in welchem er den Herrn Prof. Philippi angetrofen hat, wofern er es vor noͤ- thig findet, zu rechtfertigen, und begnuͤge mich, nur auf dasjenige zu antworten, wodurch man meine Nachricht von dem Tode des Herrn Prof. Philippi verdaͤchtig zu machen, gesuchet hat. Jch bin zwar sonst ein Feind von allen Zaͤnckereyen, und goͤnne einem jeden gerne seine Meinung. Jch wuͤrde mir also nimmer die Muͤhe gegeben haben, meinen Widersprechern ein Wort zu antworten, wenn diese hitzige Herren sich nur in den Schrancken des gemeinen Wohlstandes gehalten, und mich nicht auf eine, unter wohlerzogenen, und in einigem Anse- hen lebenden Leuten, unerhoͤrte Weise angegriffen haͤtten. Jch habe Narren gekannt, die zu der Zeit, als der vorige Koͤnig in Schweden vor Friedrichs- Halle erschossen wurde, aus einer unsinnigen Nei- gung gegen diesen Printzen, in langer Zeit nicht glauben wollten, er sey wuͤrcklich todt; sondern alles, was von seinem Tode gesaget, und geschrieben wur- de, vor falsch hielten: Aber diese Phantasten gien- gen doch nicht so weit, daß sie diejenigen, so ande- rer Meinung waren, als sie, vor Laͤsterer und Ma- jestaͤt-Schaͤnder gehalten haͤtten. Wenn demnach meine Gegner nur halb so viel Vernunft gegen mich gebraucht haͤtten, als diese Gecken; so wuͤrde ich ihren ungereimten Widerspruch ihrer, obgleich un- ver- ( o ) vernuͤnftigen, Liebe zu einem verstorbenen Freunde zu gut gehalten haben. Aber so kan ich unmoͤglich schweigen. Jhr Verfahren gegen mich ist gar zu grob und Ehren-ruͤhrig. Der Ungenannte heisset mich in den Hamburgi-„ schen Berichten einen Nahmlosen Pasquillan-„ ten, und die geheime Patriotische Assemblée nen-„ net die von mir herausgegebene Schrift eine infame„ Charteque, und mich einen infamen Scribenten. Sie„ wirft mir, auf die unbescheidenste Art, Unvernunft,„ kindische Erfindung, und boßhafte Wuth vor, und„ bietet mir, zu Reinigung meines verschleimten Ge-„ hirns, einen gantzen Centner Niesewurtz aus ihrer„ Apothecke und 10 Doses von ihrem Hertz-staͤrcken-„ den Gold-Pulver an, um mein lasterhaftes Ge-„ muͤth zu bessern.‟ Wenn ich gesaget haͤtte, der Herr Prof. Philippi habe seinen Vater ermordet, und seine Mutter ge- nothzuͤchtiget: Wenn ich faͤlschlich vorgegeben haͤt- te, er sey, um dieser oder anderer Missethaten willen, durch Schwerdt, Strang, Rad oder Feuer, auf eine schimpfliche Art, vom Leben zum Tode gebracht wor- den; so moͤchten die entsetzlichen Schelt-Worte, welche die Freunde des Herrn Prof. Philippi gegen mich ausgestossen haben, vielleicht einiger massen zu entschuldigen seyn: Allein, da mein gantzes Verbre- chen darinn bestehet, daß ich gesaget habe, der Herr Prof. Philippi sey auf seinem Bette, sanft und selig, mit den erbaulichsten Gedancken, eingeschlafen; So weiß ich gewiß, daß ein jedes ehrliebendes Ge- muͤth, uͤber die Unbescheidenheit meiner Wi- dersprecher, erstaunen, und sich von der Gemuͤths- F f 4 Be- ( o ) Beschaffenheit derselben einen gar schlechten Be- grif machen wird. Jch glaube nicht, daß, seit der Zeit es gebraͤuchlich ist, daß die Gelehrten gegen einander schreiben, je- mahlen ein ehrlicher Mann, wegen einer Sache von so weniger Erheblichkeit, auf eine so entsetzlich grim- mige und plumpe Art angegrifen worden: Und es koͤnnte mir also nicht verdacht werden, wenn ich mei- nen Gegnern aus eben dem Ton antwortete: Allein, es sey ferne von mir, daß ich mich Leuten gleichstellen solte, deren Auffuͤhrung so ungeschliffen, und nieder- traͤchtig ist. Der Abscheu, mit welchem die gantze vernuͤnftige Welt die Ehrenruͤhrigen Ausdruͤckun- gen, die sie gegen mich gebrauchet haben, nothwen- dig ansehen muß, wird mich genugsam an ihnen raͤ- chen, und ich kan sie nicht aͤrger beschaͤmen, als wenn ich, mit aller Hoͤflichkeit und Gelassenheit, die Ur- sachen anzeige, warum ich glaube, daß ich die schimpf- lichen Titel, nicht verdiene, womit es ihnen beliebet hat, mich zu belegen. Jch habe gesaget, der Herr Prof. Philippi sey ge- storben. Dieses leugnen meine Gegner, und sagen, der Herr Prof. Philippi lebe. Jch will setzen, sie haͤt- ten Recht: Aber wuͤrde dieses genug seyn, mich zu ei- nem Pasqvillanten, und infamen Scribenten zu machen? Kan denn das, was ich von dem Herrn Prof. Philippi gesaget habe, seiner Ehre nachtheilig seyn? Sterben ist kein Schelmstuͤck, sondern eine der natuͤrlichsten Pflichten eines Menschen. Die ehr- lichsten und tugendhaftesten Maͤnner koͤnnen sich der- selben nicht entbrechen, und haben sie zu allen Zeiten so ( o ) so wenig vor schimpflich gehalten, daß sie vielmehr den groͤssesten Theil ihres Lebens angewendet haben, sich zu deren Beobachtung geschickt zu machen. Schimpfet man demnach den Herrn Prof. Philippi, wenn man sagt, er sey gestorben, und an den Ort ge- gangen. Quo pius Æneas, quo Tullus dives, \& Ancus? Er waͤre nicht der erste ehrliche Mann, dem dieses be- gegnet: Abstulit clarum cita mors Achillem. Abraham und die Propheten sind gestorben, und bleiben darum doch wohl, wer sie sind. Ceciderunt in profundum Summus Aristoteles, Plato, \& Euripides. Warum schilt man mich demnach fuͤr einen Pas- qvillanten, und infamen Scribenten, weil ich gesa- get, der Herr Prof. Philippi habe etwas gethan, welches so viele grosse Leute, denen er das Wasser nicht reichet, vor ihm gethan haben, und welches er, wann er es noch nicht gethan, uͤber kurtz oder lang doch einmahl thun muͤste? Was ich, in meinem Vorbericht zu dem medicinischen Bedencken, von seinem Absterben gemeldet habe, kan unmoͤglich sei- nen ehrlichen Nahmen beschmitzen, da es, wie ich versichert bin, wahr ist; Und ich glaube also um so viel weniger, daß es seinen guten Leumund schmaͤlern koͤnnte, und wenn es gleich, wie seine Freunde wol- len, falsch waͤre. Lebt der Herr Prof. Philippi noch, so ist es desto besser vor ihn, und desto schlimmer vor mich. Er kan mich auslachen, und ich wuͤrde die Schande haben, daß ich gelogen. Daß ich aber dar- F f 5 um ( o ) um ein Pasquillant, und unehrlicher Scribent, seyn wuͤrde, glaube ich nicht; ob gleich meine Herren Geg- ner, aus einer laͤcherlichen Hochachtung gegen den Herrn Prof. Philippi, mich so nennen. Jch glaube, sie werden, wenn sie lesen, was ich bisher geschrieben, sich ihrer Uebereilung schaͤmen, und auf ein ander mahl behutsamer seyn. Jhr unanstaͤndi- ger Eifer, und das Geschrey, welches sie wider mich er- reget haben, nuͤtzet zu nichts. Sie irren sich, wofern sie meynen, den Herrn Prof. Philippi dadurch von den Todten wieder aufzuwecken. Er ist todt, und wird wohl todt bleiben. Die eintzige Wuͤrckung, die ihr Schmaͤhen haben kan, ist diese, daß kluge Leute daher Gelegenheit nehmen, zu muthmassen, ihre Sache muͤsse eben die beste nicht seyn, weil sie, nach Art aller derer, denen es an guten Gruͤnden fehlet, mit Schelt-Worten um sich werfen: Und wer so denckt, betriegt sich nicht. Meine Gegner, die sich so unnuͤtze machen, sind nicht im Stande gewesen, ihrer verzweifelten Sache auch nur den geringsten Schein zu geben. Alles, was sie gegen meine Nachricht von dem Tode des Herrn Prof. Philippi vorbringen, be- stehet in einem leeren, und unbescheidenen Wider- spruch, oder in schaͤndlichen Sophistereyen. Unser gantze Streit koͤmmt darauf an, ob der Herr Prof. Philippi todt sey, oder nicht? Jch be- haupte das erste. Meine Gegner koͤnnen dieses nicht leiden, und fassen daher den Entschluß, mich zu wie- derlegen. Wie es nun ein laͤcherliches Unternehmen ist, einem Menschen, der seine Vernunft und Sinne hat, etwas abzustreiten, davon er so gewiß, als von seinem ( o ) seinem eigenen Seyn uͤberfuͤhret ist: So ist es kein Wunder, daß sie es auf eine laͤcherliche Art ausge- fuͤhret haben, Sie begnuͤgen sich, mir mit den aus- erlesensten Schelt-Worten zu sagen, daß ich gelogen habe. Jch bekenne, diese Art zu wiederlegen ist kurtz und gemaͤchlich: Aber ich glaube, ihr fehlt der Nach- druck. Mein Ja muß allezeit zum wenigsten so viel gelten, als ihr Nein; und es bleibt also, ihres Wi- derspruchs ungeachtet, noch immer die Frage uͤbrig, ob sie Recht haben, oder ich? Jch will diese Frage nicht entscheiden, weil ich par- theyisch bin. Esmag bey meinen Lesern stehen, ob sie lieber einem unbescholtenen Manne glauben wol- len, der zeuget von dem, das er gesehen hat, und al- lenfalls das, was er saget, nicht nur durch das Zeug- niß einer gantzen Stadt; sondern auch durch einen Auszug aus dem Kirchen-Buche, auf die allerbuͤn- digste Art, zu erweisen im Stande ist: Oder, einer elenden Rotte unbekannter Personen, die zwar grob genug widersprechen; aber nicht den geringsten Grund ihres Widerspruchs geben koͤnnen: Dabey ihre Einfalt so mercklich verrathen, daß man Urfa- che hat, zu zweifeln, ob sie die Sache, woruͤber sie zu streiten angefangen haben gruͤndlich verstehen, und so viel Boßheit bezeigen, daß man mit Haͤnden greifen kan, daß nicht die Liebe zur Wahrheit; son- dern ein blosser Frevel, und die boßhafte Absicht, ih- rem Naͤchsten wehe zu thun, sie angetrieben hat, eine Sache zu bestreiten, von deren Wahrheit sie selbst so gut uͤberfuͤhret sind, als jemand in der Welt. Solche Leute muͤssen einen wunderlichen Begrif von dem menschlichen Geschlecht haben, wofern sie glauben, ( o ) glauben, ihr Geschwaͤtz sey faͤhig, meine Nachricht von dem Tode des Herrn Prof. Philippi bey Leuten von gesundem Verstande verdaͤchtig zu machen. Daß sie sagen, ich sey ein Feind des Herrn Prof. Philippi, kan ihnen wenig helfen; weil es Grund- falsch ist. Gantz Halle weiß, in was fuͤr einem gu- ten Vernehmen ich mit dem Herrn Prof. Philippi gestanden; und ich gebe der gantzen vernuͤnftigen Welt zu bedencken, ob der seel. Mann mich wohl in seinem Letzten wuͤrde haben zu sich bitten, und die vornehme Leid-tragende Familie zu seinem Begraͤb- niß einladen lassen, wenn ich sein Feind gewesen waͤre. Jedoch, meine laͤcherlichen Gegner scheinen in dem Wahn zu stehen, es sey ein deutliches Zeichen eines feindseligen Gemuͤths, wenn man von einem Menschen saget, daß er gestorben sey. Jch moͤchte ihnen also nicht sagen, daß mein Vater todt ist. Sie wuͤrden mich gantz gewiß vor ein ungerathenes Kind halten. Aber hassen denn diese Herren alle diejenigen, von denen sie glauben, daß sie gestor- ben sind? Sind sie Feinde der Patriarchen, Pro- pheten und Apostel? Jch glaube es nicht. Muͤssen sie aber nicht gestehen, daß diese Maͤnner schon laͤngst den Weg alles Fleisches gegangen sind? Jch sehe vorher, meine Gegner werden hierwi- der einwenden: „Sie hielten mich nicht vor einen „Feind des Herrn Prof. Philippi, weil ich gesa- „get, er sey gestorben; sondern darum, weil meine „Nachricht von seinem Tode erdichtet: Denn dar- „aus koͤnne man schliessen, daß ich seinen Tod „wuͤnsche:‟ Aber ich weiß auch, daß meine Leser uͤber ( o ) uͤber eine so elende Ausflucht lachen werden. Ge- wiß meine Herren Gegner sind die poßierlichsten Leute von der Welt. Sie beweisen die Falschheit meiner Nachricht von dem Tode des Herrn Prof. Philippi daher, weil ich sein Feind sey. Und fraͤgt man sie, woher sie dieses wissen? so sprechen sie: Es sey daher klar, weil meine Nachricht von des- sen Tode erdichtet. Jch bekenne, dieses ist eine Art zu schliessen, die Leute, welche muthwillig schwaͤr- men wollen, sonderlich wohl anstehet: Aber sie ist bey verstaͤndigen Leuten in so schlechtem Ruf, daß es sich nicht der Muͤhe verlohnet, die Schwaͤche derselben zu zeigen. Meine Leser sehen vor sich schon, daß meine Widersprecher nicht erwiesen haben, daß ich des Herrn Prof. Philippi Feind sey, und moͤ- gen also urtheilen, ob man Ursache habe, mein Zeugniß von dem Tode des Herrn Prof. Philippi zu verwerfen? Meine Gegner indessen moͤgen dencken was sie wollen. Jch habe keine so grosse Einbildung von meiner Geschicklichkeit, daß ich mir die Hofnung machen sollte, Leute ihrer Art durch meine Vor- stellungen, wie deutlich und nachdruͤcklich sie auch immer sind, zur Erkenntniß ihres Unfugs zu brin- gen. Sie moͤgen meinentwegen immer dabey bleiben, daß ich des Herrn Prof. Philippi Tod wuͤnsche, und folglich sein Feind sey. Genug, daß mein Gewissen mich von dieser Beschuldigung frey spricht. Jch kan auf meine Ehre versichern, daß es mir niemahlen eingefallen, des Herrn Prof. Philippi Tod zu wuͤnschen. Was sollte mich dazu bewe- gen? ( o ) gen? Jch verlange weder sein Erbe, noch sein Nachfolger im Amte zu seyn. Jch habe den Herrn Prof. Philippi allemahl vor einen Mann gehalten, der in der gelehrten Welt unentbehr- lich ist; und ich hofe, man wird mir die Ehre thun, zu glauben, daß ich es mit der gelehrten Welt viel zu gut meine, als daß ich den Tod ei- nes Mannes wuͤnschen sollte, der ihr so manche Lust gemacht hat. Gesetzt aber, ich haͤtte des Herrn Prof. Philip- pi Tod gewuͤnschet; folgt denn daraus nothwendig, daß ich sein Feind seyn muͤsse? Der liebe seel. Mann befand sich in den letzten Jahren seines Lebens in so verdrießlichen Umstaͤnden, daß er sich oft selbst den Tod wuͤnschte. Jch kan es am besten wissen, weil er gegen mich sein Hertz oft auszuschuͤtten pflegte. Jch glaube aber nicht, daß er es aus Feindschaft gegen sich selbst gethan hat: Denn ich kan versi- chern, daß er, dem allen ungeachtet, seine kleine Person ungemein liebte. Warum sollte man dann nicht, ohne des Herrn Prof. Philippi Feind zu seyn, etwas wuͤnschen koͤnnen, so er selbst gewuͤn- schet hat? Haͤtten meine Gegner den ehrlichen Mann auf seinem Sterbe-Bette gesehen, wie ich, so wuͤr- den sie mit mir glauben, das ein seeliges Ende das eintzige gewesen, welches sein bester Freund ihm, mit Vernunft, wuͤnschen koͤnnen. Jch habe ihn unger- ne verlohren: Aber, die Wahrheit zu sagen, er ist wohl daran. Waͤre er gleich wieder genesen, so haͤtte er doch keine froͤliche Stunde mehr gehabt; sondern wuͤrde sich, da durch den Schlag uͤber dem Kopf seine, bis dahin im Schlaf gelegene, Ver- nunft ( o ) nunft erwecket worden, bestaͤndig mit denen ver- drießlichen Gedancken haben plagen muͤssen, mit welchen er die letzten Stunden seines Lebens zuge- bracht hat: Und kan man also von ihm sagen, was Cicero Tusc. Quæst. Lib. V. von dem Tyrannen Dionysius schreibt: Iis enim se adolescens im- provida ætate irretierat erratis, eaque commi- serat, ut salvus esse non posset, si sanus esse cœ- pisset. Man siehet hieraus, daß, wenn ich ’ gleich des Herrn Prof. Philippi Tod gewuͤnschet haͤtte, doch daraus nicht zu schliessen sey, daß ich | eine Feind- schaft gegen ihm geheget habe. Wenn ich indes- sen meinen Gegnern gleich zugeben wolte, daß ich ein Feind des Herrn Prof. Philippi sey; So sehe ich doch nicht, was ihnen dieses helffen wuͤrde. Al- ler Vortheil, den sie aus diesem Bekaͤnntniß zie- hen koͤnnten, waͤre dieser, daß mein Zeugniß von dem Tode des Herrn Prof. Philippi unguͤltig. Aber ich moͤchte wissen, ob sie dann geschickter sind, von dessen Leben zu zeugen? Bin ich ein verwerflicher Zeuge, weil ich sein Feind bin; So kan gewiß ihr Zeugniß nicht von grossem Gewichte seyn, weil sie seine Freunde sind. Die Menschen sind so geartet, daß sie glauben, was sie wuͤnschen; Und vieleicht bilden sich meine Gegner ein, der Herr Prof. Philippi lebe, weil sie es gerne saͤhen. Es ist also eine ziemliche Unbe- scheidenheit, daß sie verlangen, man solle ihnen auf ihr blosses Wort glauben, der Herr Prof. Phi- lippi sey nicht gestorben: Sie sind gewiß die Leu- te nicht, von denen man eine zuverlaͤßige Nach- richt ( o ) richt von dem Leben und Tode des Herrn Prof. Philippi erwarten kan. Jhre Partheylichkeit liegt gar zu klar am Tage, und ihr Widerspruch kan folglich meine Nachricht von dem Tode des Herrn Prof. Philippi nicht verdaͤchtig machen: zumahl, da meine Herren Gegner die Guͤte gehabt haben, ihn so einzurichten, daß dieselbe dadurch noch mehr bekraͤftiget wird. Jch habe nicht noͤthig zu meiner Vertheidigung weiter ein Wort zu sagen; sondern bitte nur mei- ne Leser, das, was meine Gegner wider mich vor- gebracht haben, mit einiger Aufmercksamkeit zu betrachten. Sie werden befinden, daß diese eyfri- gen Freunde des Herrn Prof. Philippi es so gemacht haben, wie alle, die eine boͤse Sache vertheidigen. Sie verkehren den statum controversiæ, und su- chen ihre Leser durch eine Sophisterey zu blenden, die so handgreiflich ist, daß kein Kind dadurch be- trogen werden kan. Jch verdencke ihnen dieses nicht. Jhre Verzweifelung entschuldiget sie hin- laͤnglich. Was haͤtten sie sagen wollen, wenn sie es so nicht gemacht? Es laͤsset anfangs, als wol- ten sie redlich mit mir kaͤmpfen. Sie strafen mich Luͤgen, schelten mich, und thun alles, was Leute thun koͤnnen, die vor Eyfer nicht bey sich selbst sind. Aber endlich siehet man, daß der Endzweck ihres gantzen Gewaͤsches kein anderer sey, als zu behaupten, der Herr Prof. Philippi sey den 20sten Junius nicht gestorben, und habe am 21sten kei- ne Haͤndel gehabt. Solte man nicht Blut dabey weinen? Gewiß, ich bin erstaunet, als ich dieses gewahr ward; und bin versichert, daß alle meine Leser ( o ) Leser eine so unerhoͤrte Verdrehung meiner Worte, und eine so plumpe Sophisterey mit mir verabscheuen werden. Wer hat dann jemahlen gesagt, daß der Herr Prof. Philippi den 20sten Junius gestorben sey? Jch habe es zum wenigsten nicht gethan. Warum dichten mir dann meine Gegner einen Satz an, den ich nimmer behauptet habe? Jst es moͤglich, daß sie sich einbilden koͤnnen, die Welt zu uͤberreden, ich sey toll genug zu sagen, der Herr Prof. Philippi sey den 20sten Junius von den Schlaͤgen gestorben, die er den 21sten erst bekommen sollen? Habe ich nicht gerade das Gegentheil gesaget? Den 20sten Ju- nius bekam der Herr Prof. Philippi die Schlaͤge; den 21sten starb er. Das sage ich. Sind meine Gegner rechtschaffene Leute, so fechten sie diesen Satz an. Aber das Hertz haben sie nicht. Sie sol- len ihn auch wohl in Ewigkeit stehen lassen. Trotz sey ihnen geboten! Was wird es ihnen also helffen, daß sie sich die laͤcherliche Muͤhe gegeben haben, Dinge zu bewei- sen, die ihnen niemand zu leugnen begehret? Was soll es heissen, daß sie sprechen: Der Herr Prof. Philippi sey vom 20sten Junius bis dato gesund ge- wesen, und den 30sten August von Halle nach Goͤt- tingen gereiset? Jch glaube gerne, daß der Herr Prof. Philippi den 20sten Junius, bis des Nach- mittags um 2 Uhr, da er in die ungluͤckseligen Haͤn- del gerieth, frisch und gesund gewesen ist: Allein die gantze vernuͤnftige Welt mag urtheilen, ob ein Mensch, der den 21sten Junius gestorben ist, bis dato gesund seyn, und den 30sten August von Halle G g nach ( o ) nach Goͤttingen habe reisen koͤnnen? Daß aber der Herr Prof. Philippi wuͤrcklich an gemeldtem Tage gestorben sey, ist ein Satz, der dadurch ausser al- lem Streit gesetzet wird, daß meine Gegner sich nicht getrauet haben, demselben zu widersprechen? Jch kan nicht leugnen, es gereichet mir zu einem unaussprechlichen Vergnuͤgen, daß meine grimmi- gen Gegner eben diejenigen seyn muͤssen, die meiner Nachricht von dem Tode des Herrn Prof. Philippi durch ihren kindischen Widerspruch den hoͤchsten Grad der Wahrscheinlichkeit geben, und also mei- ne Ehre wieder sich selbst retten. Mich deucht, die greulichen Laͤster-Worte, welche sie wieder mich ausgestossen haben, sind dadurch genug gebuͤsset. Gleichwie ich nun hoffe, daß sie, wenn sie meine Schrift lesen, in sich schlagen, und ihre Thorheit bereuen werden; So hege ich auch zu meinen Lesern das Vertrauen, sie werden sich durch den kahlen Wiederspruch eines Ungenannten, und durch das elende Bedencken der geheimen Patriotischen Assem- blée nicht verfuͤhren lassen, die Richtigkeit meiner Nachricht von dem Absterben des Herrn Prof. Phi- lippi in Zweifel zu ziehen. Die Schwachen indessen, die sich, uͤber Verhoffen, durch die Frechheit, mit welcher man behauptet, der Herr Prof. Philippi lebe, etwan noch abhalten lassen moͤchten, meiner Nachricht von dessen Tode voͤlligen Glauben beyzu- messen, ersuche ich, nachfolgendes zu bedencken. Niemand thut umsonst Boͤses: Und wer luͤget, luͤget also nicht ohne Ursache. Was mich aber bewe- gen solte, eine falsche Zeitung von dem Tode des Herrn Prof. Philippi auszusprengen, das weiß ich nicht ( o ) nicht. Jst es also wahrscheinlich, daß ich, ohne Hofnung des geringsten Vortheils, eine Thorheit solte begangen haben, die mir unstreitig wenig Ehre bringen wuͤrde? Wer mir eine solche Einfalt zu- trauet, der muß mich gar nicht kennen. Jch bin viel zu ehrliebend, als daß ich mich durch offenbare Luͤgen bey der gantzen ehrbaren Welt veraͤchtlich machen solte, und uͤberlasse allen meinen Lesern zu urtheilen, ob ein Mensch, der so gesinnet ist, wuͤrde vorgege- ben haben, der Herr Prof. Philippi sey gestorben, wenn dieser beruͤhmte Lehrer noch lebte, und also im Stande waͤre, ein so ungegruͤndetes Gedicht auf das nachdruͤcklichste zu wiederlegen? Und gewiß, es wuͤrde mir uͤbel bekommen seyn, wenn ich die Frech- heit gehabt haͤtte, noch bey seinem Leben eine solche Nachricht von seinem Tode herauszugeben, als ich jetzo, da er wuͤrcklich in die Ewigkeit gegangen ist, der Welt mitgetheilet habe. Wer den seel. Mann gekannt hat, der weiß, daß er sehr empfindlich und hitzig war, und von der, mehr als menschlichen, Gedult seiner beyden Bruͤder, Montmaur und Sievers, nicht das geringste an sich hatte. Er schenckte seinen Feinden nichts, und so bald kam nicht eine Schrift gegen ihn heraus, so war er mit der Antwort fertig. Jst es also glaublich, daß er, wenn er noch lebte, meine Nachricht von seinem To- de unbeantwortet gelassen haben wuͤrde? Jch will hier nicht untersuchen, wie weit sein Zeugniß in ei- ner Sache, die ihn so nahe angehet, gelten koͤnnte: So viel ist indessen, deucht mich, gewiß, daß, wenn der Herr Prof. Philippi einmahl sagte, daß er noch im Leben, dieses ein Einwurf wieder meine Nach- G g 2 richt ( o ) richt seyn wuͤrde, der nicht zu verachten waͤre, und Leuten, die nicht gar geuͤbte Sinnen haben, und von der wahren Beschaffenheit der Sache nicht hin- laͤnglich unterrichtet sind, leicht zu einem Anstoß ge- reichen koͤnnte. Aber so geberdet sich der Herr Prof Philippi nicht anders, als es der Zustand eines Menschen, der wahrhaftig gestorben ist, mit sich bringet. Er sagt kein Wort; Und obgleich gantz Halle, und halb Deutschland, uͤber die Nachricht von seinem Abster- ben, in Bewegung koͤmmt; so ruͤhrt er sich doch nicht. Seine Freunde sind so liebreich, und wollen ihn durch den Lerm, den sie wieder meine Nachricht erregen, wieder aufwecken Er aber liegt stille, und giebt nicht das geringste Zeichen einiges Lebens, oder, daß ihm ihre Bemuͤhung gefalle, von sich. Mich deucht, diese einem Verstorbenen so wohl- anstaͤndige Auffuͤhrung des Herrn Prof. Philippi beweiset klaͤrlich, daß meine Nachricht von seinem Tode wahr sey; und ist allein faͤhig, meinen unver- schaͤmten Gegnern das Maul zu stopfen. Jch weiß wohl, diese Herren haben in ihre Schrift einen Brief eingeruͤcket, dender Herr Prof. Philip- pi an sie geschrieben haben soll. Aber dieser Brief ist zu nichts weniger geschickt, als meine Nachricht umzu- stossen. Es waͤre mir ein leichtes, zu sagen, er sey von meinen Gegnern erdichtet; weil er nicht das ge- ringste von Anglicanen, Ackermanninnen, verstorbe- nen und noch lebenden Geliebten, geheimen Brief- Wechseln, Fraͤnckischen Rittern, und vornehmen Fraͤulein, als den rechten Kennzeichen eines aͤchten Philippischen Briefes, in sich haͤlt: Allein ich will es ( o ) es nicht thun, sondern glauben, daß sie zu ehrlich sind, einen solchen Betrug zu begehen. Der Brief ist mit so viel Vernunft und Gelassenheit geschrieben, als man von einem Menschen, der mit dem Leibe alle Eitelkeiten und Schwachheiten abgeleget hat, vermuhten kan, und beweiset also, wofern er, wie ich nicht streiten will, wuͤrcklich von dem Herrn Prof. Philippi ist, daß dieser ehrliche Mann das sterbliche schon ausgezogen hat. Jch glaube auch nicht, daß meine Gegner die Ab- sicht gehabt haben, mit diesem Briefe die Falschheit meiner Nachricht von dem Tode des Herrn Prof. Philippi zu beweisen: Denn dieses waͤre eine Einfalt, die ich ihnen, wie schlecht es auch um sie bestellet ist, kaum zutraue. Eben aus diesem Briefe ist deutlich zu ersehen, daß meine Nachricht von dem Tode des Herrn Prof. Philippi wahr sey. Der Herr Prof. Philippi sagt darinn mit keinem Worte, daß er noch lebe. Jst es aber zu glauben, daß er eine so schoͤne Gelegenheit, mich zu Schanden zu machen, wuͤrde haben vorbey gehen lassen, wenn er sich getrauet haͤt- te, meiner Nachricht zu wiedersprechen? Er ist viel zu ehrlich dazu. Er spricht nicht, daß sie falsch sey. Alles, was er thut, ist dieses, daß er sie, nebst den Schriften gegen dieselbe, der Patriotischen As- semblée zuschicket, und sich ihr Bedencken daruͤber ausbittet. Man siehet hieraus, daß der Herr Prof. Philippi selbst nicht weiß, ob er lebet, oder todt ist. Zeigt aber diese Ungewißheit, in welcher ein lebendi- ger Mensch sich unmoͤglich befinden kan, nicht deut- lich genug, daß der Herr Profess. Philippi wuͤrck- lich gestorben sey? Denn, wer von sich selbst nichts G g 3 weiß, ( o ) weiß, und nicht mehr fuͤhlet, daß er lebet, der ist gantz gewiß todt. Daß aber der Herr Prof. Phi- lippi sich in einem solchem Zustande befinde, ist da- her klar, weil er sich nicht getrauet, die Frage: Ob er lebe, oder todt sey? selbst zu entscheiden; sondern sich ein Bedencken von andern daruͤber ausbittet. Jch bedaure, daß er nicht zu mir gekommen ist. Jch haͤtte ihm aus dem Traum helfen koͤnnen: Denn ich habe ihn sterben, und seinen erblaßten Coͤrper in die Grust sencken sehen, welches Dinge sind, die er unmoͤglich wissen kan. Diejenigen hergegen, zu welchen er sich gewendet hat, wissen von nichts, und koͤnnen auch, natuͤrlicher Weise, von seinem Leben nicht mehr wissen, als er selbst: Und dennoch schaͤ- men sich diese Leute nicht zu behaupten, der Herr Prof. Philippi lebe, ob gleich dieser ehrliche Mann aufrichtig bekennet, daß er selbst nichts davon weiß. Jst es nicht eine entsetzliche Frechheit? Jch sollte nicht meinen, daß jemand so unver- schaͤmt seyn werde, mir hier einzuwerfen: Der Herr Prof. Philippi habe meine Nachricht von sei- nem Tode dadurch schon genug wiederleget, daß er einen Brief geschrieben; und also nicht noͤthig ge- habt, zu sagen, daß er lebe, und meine Nachricht falsch sey. Denn dieser Einwurf wuͤrde gar zu elend seyn. Jndessen, weil ich gewohnt bin, gruͤndlich zu verfahren, und meinen Gegnern alle Ausfluͤchte zu beschneiden; so will ich mich die Muͤhe nicht verdries- sen lassen, mit wenigen darauf zu antworten. Jch sage demnach, daß es eben nicht nothwendig folge, daß ein Mensch, der einen Brief geschrieben hat, noch lebe. Wir haben gantze Buͤcher von Briefen der ( o ) der Todten an die Lebendigen. Die Letters from the Dead to the Living, so Thomas Brown heraus gegeben, sind bekannt; und noch neulich hat der vori- ge Koͤnig von Franckreich einen langen Brief an den jetzigen geschrieben, ohne daß darum jemand gesaget hat, Ludwig der XIV te sey von den Todten erstan- den, oder gar niemahls gestorben. Jch glaube, dieses wird so wohl zu Ueberzeugung meiner Leser; als auch zu Beschaͤmung meiner Wie- dersacher genug seyn; und ich kan also die Feder ohne Bedencken niederlegen. Denn was das Ding an- langet, das zu Goͤttingen, unter der Gestalt und dem Nahmen des Herrn Prof. Philippi, herumge- hen soll; so lasse ich mich darauf nicht ein. Jch habe deßfalls noch keine zulaͤngliche Nachricht eingezogen. Daß es indessen der Herr Prof. Philippi selbst nicht seyn koͤnne, das hat wohl seine Richtigkeit: Denn der ist schon an dem Ort, unde negant, redire quemquam. Wenn ich aber meine unvorgreifliche Meinung sagen soll, so halte ich davor, daß der Teufel sein Spiel darunter habe; und glaube, daß, wer kein Atheiste oder Thomasianer ist, meine Meinung, wo nicht vor wahrscheinlich, doch vor erbaulich halten wird. Was sich mit dem bekannten Wagner zu Witten- berg auf oͤffentlichem Marckte zugetragen hat, das ist frommen Christen aus der wahrhaftigen Historie von D. Faust bekandt. Der Teufel ist noch eben so maͤchtig, als er damahls war; und mag vielleicht seine Ursachen haben, warum er sich jetzo, in der Ge- stalt des Herrn Prof. Philippi, zu Goͤttingen sehen laͤsset. Wer weiß, ob er nicht, als ein abgesagter G g 4 Feind ( o ) Feind aller guten Anstalten, der neuen Universitaͤt dadurch einen Schandfleck anzuhaͤngen suchet? Jch will diese Muthmassung zwar niemanden auf- dringen; das glaube ich aber gantz gewiß, daß der Philippi, der ietzo zu Goͤttingen zu sehen seyn soll, nicht der rechte Philippi, sondern sein Gespenst; und also weit geschickter ist, meine Nachricht von dem Tode des Herrn Prof. Philippi zu bestaͤrcken, als verdaͤchtig zu machen. Hat jemand hieran noch einigen Zweifel, der war- te nur noch eine kleine Zeit, so wird sichs weisen, ob dieses, in der Gestalt des Herrn Prof. Philippi, zu Goͤttingen umhergehende Gespenst nicht ploͤtzlich verschwinden, und einen Gestanck hinter sich lassen wird. Moliere. Disparoissez donc, je Vous prie, Et que le Ciel par sa bonté Comble de joye \& de santé Vôtre defunte Seigneurie. X. Die X. Die Vortreflichkeit , und Rohtwendigkeit der elenden S cribenten gruͤndlich erwiesen von Horatius Dicam insigne, recens, adhuc Indictum ore alio . . . . 1736 . Vorbericht. J ch finde vor noͤthig, meinen Lesern gleich anfangs zu sagen, daß sie in meiner Schrift lauter neue, und unerhoͤrte Sachen fin- den werden. Jch sage dieses mit aller ersinnlichen Sittsamkeit, und hofe, meine Leser werden durch den Augen-Schein uͤberfuͤhret werden, daß ich nicht zu viel geredet habe. Meine Absicht ist, die Ehre der so genannten elen- den Scribenten wider ihre Laͤsterer zu retten, und gruͤndlich zu erweisen, daß diese Art der Schreiber die vortreflichste und unentbehrlich sey. Es ist die- ses ein wichtiges Unternehmen, welches mir unsaͤg- liche Muͤhe kosten wird. Nec sum animi dubius, verbis ea vincere magnum Quam sit, \& angustis hunc addere rebus honorem Virgilius Georg. lib. III. Allein ich kan es unmoͤglich laͤnger uͤber mein Hertz bringen, eine Art Menschen huͤlfloß zu lassen, zu welcher ich, von Jugend auf, eine zaͤrtliche Nei- gung bey mir gespuͤret habe. Mein Hertz hat es mir immer zugesaget, daß ich einmahl keine gerin- ge Figur unter den elenden Scribenten machen wuͤr- de, ( o ) de, und dieses giebt mir ein unstreitiges Recht, mich dieser geplagten Leute anzunehmen, und die- selbe so nachdruͤcklich, als es mir immer moͤglich ist, wider ihre Verfolger zu vertheidigen. Vor mir hat hieran kein Mensch gedacht, und wofern ich die Welt recht kenne, so wird sich, wenn ich meinen Mund nicht aufthue, wohl keiner des Scha- dens Josephs annehmen. Man muß gestehen, man will oder will nicht, daß es in der Welt gantz verkehrt zugehe. Wenn irgend ein wahrhaftig guter Scribent von unver- staͤndigen und neidischen Leuten angegriffen wird, so findet sich gleich ein tapferer Ritter, der vor ei- nen solchen Mann einen Speer bricht: Aber dem Jammer der elenden Scribenten siehet man mit Lachen zu. Niemand eilet ihnen in ihrer Noth zu Huͤlfe. Und es ist doch gewiß, daß die elenden Scri- benten, eben darum weil sie elende Scribenten, und ihre Verdienste und Vollkommenheiten nicht so sichtbar sind, einer Vertheidigung vor andern beduͤrfen; Hergegen ein unstreitig guter Scribent durch seine eigene, und in die Sinnen fallende Ver- dienste wider den Angrif seiner Neider hinlaͤnglich beschuͤtzet wird. Solche Leute brauchen keiner Vertheidigung, und Bayle wuͤrde doch wohl Bayle bleiben, wenn man gleich einen eigensinni- gen Crousaz, zu seiner eigenen Schande, wider ihn wuͤten liesse. Jndessen nimmt man sich der guten Scriben- ten an, und spottet der elenden, wenn sie verfol- get werden. Jch finde darinn keine Billigkeit: Aber ich wundere mich doch uͤber dieses unfoͤrm- liche ( o ) liche Betragen der Gelehrten nicht. Jch weiß diese Herren sind gemaͤchlich; Und es kostet un- streitig weit mehr Muͤhe, Dinge zu beweisen, die nicht den geringsten Schein der Wahrheit haben, als gewisse und ofenbare Wahrheiten zu behaup- ten. Es ist also gar natuͤrlich, daß sich viele fin- den, die sich Muͤhe geben, eine ofenbahre Unschuld zu vertheidigen; Kein einziger hergegen, der sich angelegen seyn lasse, die unsichtbahre Vortreflich- keit der elenden Scribenten sichtbar zu machen. Jenes ist eine schlechte Kunst; dieses aber unge- mein schwer. Was ist es dann Wunder, daß biß auf den heutigen Tag noch niemand, zum Besten der elen- den Scribenten, die Feder angesetzet hat? Die gu- ten Scribenten, die am geschicktesten dazu waͤren, werden es nimmer thun. Der Neid laͤsst es ih- nen nicht zu. Sie sind nur gut in Vergleichung mit den schlechten: und also erfordert es ihr ei- gener Vortheil, die elenden Scribenten immer veraͤchtlicher, und sich, durch deren Erniedrigung, groß zu machen. Die elenden Scribenten selbst legen die Haͤnde in den Schooß, und lassen alles uͤber sich ergehen, ohne einmahl zu muchsen. Wer kan ihnen dann helfen? Warum sind sie so traͤge, ihre eigene Ehre zu retten? Jch sollte nicht meinen, daß eine gewisse Schamhaftigkeit sie abhalte, den Beweiß ihrer Unschuld und Vor- treflichkeiten zu unternehmen. Jch gestehe es ist derselbe schwer, und erfordert eine ziemlich harte Stirn: Allein die elenden Scribenten haben wohl eher verzweifeltere Dinge unternommen, ohne ( o ) ohne roth zu werden, und Saͤtze behauptet, die der Vernunft schnurstracks entgegen zu laufen schei- nen. Es waͤre demnach eine unzeitige Bloͤdigkeit, wenn Leute, die so oft die Graͤntzen der Scham- haftigkeit uͤberschritten haben, sich schaͤmen wollten, sich wider ihre Verfolger zu vertheidigen, bloß dar- um, weil es unvernuͤnftig und unmoͤglich scheinet. Zum wenigsten sind sie, wenn es auf die Ehre ei- nes jeden unter ihnen insonderheit ankoͤmmt, so le- cker nicht. Nichts ist empfindlicher, rachgieriger, und wuͤtender, als ein elender Scribent. Wie groß, wie sichtbahr, und augenscheinlich der Fehler auch ist, den ein solcher Mensch begangen hat, so wird er doch hartnaͤckigt vertheidiget, und Vernunft, Billigkeit und Schamhaftigkeit mit Fuͤssen getre- ten. Nur die allgemeine Noth nimmt sich keiner zu Hertzen. Soll man sich der annehmen, so ist man bloͤde und verzagt. Ein jeder sorget nur vor sich, und daher geht es den elenden Scribenten nicht an- ders, als den alten Britten, dum singuli pu- gnant universi vincuntur Tacitus in Vita Agricolæ. . Mir gehet dieser verwirrte Zustand, in wel- chem sich meine Bruͤder befinden, ungemein na- he: Und ich wollte, ich weiß nicht was, dar- um schuldig seyn, wenn ich dieses Uebel heben koͤnnte. Jch will sie zu dem Ende hiemit bruͤ- derlich ermahnet, und bey den Ohren des Midas beschworen haben, auf eine genauere Verbindung bedacht zu seyn. So lange wir nicht naͤher zu- sammen treten, und mit vereinigten Kraͤften un- sern ( o ) sern Laͤsterern widerstehen, so werden wir wohl, biß ans Ende der Welt, in der Verachtung blei- ben, worinn wir, durch unsere eigene Nachlaͤssig- keit, bey andern Gelehrten gerathen sind. Es ist unmoͤglich, daß auch der elendeste Scribent eine so ofenbahre Wahrheit in Zweifel ziehen sol- te: Aber darum befuͤrchte ich doch, mein wohlge- meinter Rath werde bey meinen Bruͤdern schlechten Eingang finden. Denn, wofern ich die schlechten Scribenten recht kenne, so stehen der, von mir vorgeschlagenen, genauern Verbindung fast unuͤ- berwindliche Schwierigkeiten im Wege. Soll sie vor sich gehen, so muß unter den elenden Scri- benten eine groͤssere Einigkeit und Vertraulichkeit eingefuͤhret werden. Wie ist dieses aber moͤglich, so lange die elenden Scribenten einander nicht recht kennen? Ja wie ist es anzufangen, daß sie mit einander bekannt werden? Die elenden Scribenten sind zu allen Zeiten die Gegen-Fuͤsser der klugen gewesen. Da nun, wie Cicero gar wohl saget, niemand, als ein weiser Mann, er- kennen kan, ob ein anderer weise sey: Statue- re quis sit sapiens vel maxime videtur esse sapientis Cicero Acad, Quæst, lib. IV. : So folget unwidertreiblich, daß ein elender Scribent gantz unfaͤhig sey, seine Bruͤder zu kennen. Jch gestehe, es giebt elende Scribenten, die manchmahl gar wohl erkennen, daß dieser oder jener ein elender Scribent sey: Aber dieses stoͤsst meinen Schluß nicht um: Genug, daß sie, uͤberhaupt zu reden, gantz wunderlich von dem Werth ( o ) Werth der ihnen vorkommenden Schriften urthei- len, und auch selbst diejenigen, die sie vor elende Scribenten halten, nicht vor ihre Bruͤder erken- nen. Denn dieses koͤnnen sie nicht thun, weil sie sich selbst nicht kennen. Nichts ist gut oder schlecht, als in Vergleichung mit einer andern Sache: Und die boͤsen Scribenten sind dem Grade nach, eben so sehr unterschieden, als die guten. Es ist also gar natuͤrlich, daß ein jeder elender Scribent durch den geringsten Vorzug, den er etwan vor einem andern zu haben vermeinet, verfuͤhret wird, sich selbst unter die guten zu zehlen. Der kleine, und fast nicht zu merckende Unterscheid zwischen Philippi, und Ro- digast, giebt dem ersten, wie er glaubt, Recht, zu dencken, er sey etwas, und uͤber einen Menschen zu lachen, der doch sein Bruder ist. Man kan nicht leugnen, er kan dieses mit eben dem Fug thun, als einer, der einen andern in einer tiefen Gru- be liegen siehet, dencken kan, er befinde sich an einem erhabenen Ort, ob er gleich nur auf ebener Erde stehet. Und Philippi ist nicht der eintzige, der so dencket. Seine Bruͤder sind alle so gesinnet. Es scheinet die Natur habe zwischen den guten und elenden Scribenten einen eben so mercklichen Unter- scheid gemacht, als zwischen dem Menschen und den unvernuͤnftigen Thieren. „Pronaque cum spectent animalia cetera ter- ram, „Os homini sublime dedit, cœlumque tueri „Jussit, \& erectos ad sidera tollere vultus Ovidius Metamorph, lib. I. . Ein ( o ) Ein guter Scribent richtet allezeit seine Augen nach dem Gipfel des Parnasses. Er bemuͤhet sich, den- selben zu ersteigen, und siehet mehr auf diejenigen, die vor ihm her klettern, als auf diejenigen, wel- che noch hinter ihm sind. Ein elender Scribent hergegen macht es gantz anders. Sein von Na- tur schwerer Kopf erlaubt ihm nicht, einen Blick nach den Hoͤhen zu thun, welche die guten Scri- benten sich zu erreichen bestreben. Er schauet un- ter sich. Und weil er dann in den Suͤmpfen und Abgruͤnden, mit welchen der Parnaß umgeben ist, eine unzaͤhlige Menge elender Creaturen er- blicket, die unstreitig noch niedriger stehen, als er; so belustiget er sich an diesem Anblick, und glaubt, er habe den Gipfel des Parnasses wuͤrck- lich erstiegen. Es ist also nicht wohl moͤglich, daß er diejenigen, die er unter sich in den Tiefen wahr- nimmt, vor seines gleichen halten solte. Die ge- ringste Kluft, die zwischen ihm und seinem nech- sten Nachbarn befestiget ist, koͤmmt ihm, wegen der natuͤrlichen Bloͤdigkeit seines Gesichts, uner- meßlich vor, und macht ihn glauben, er sey un- endlich uͤber ihn erhaben. Der Parnaß ist just so beschaffen, als die Leib- nitzische Pyramide der moͤglichen Welten Essais de Theodicée pag. 618. . Oberwerts hat er ein Ende, unterwerts nicht. Folglich muß auch der elendeste Scribent immer noch Leute finden, mit denen es noch schlechter be- stellet ist, als mit ihm, und in deren Vergleichung er Ursache hat, mit seinem Zustande vergnuͤgt zu seyn. Jch gestehe, diese suͤsse Einbildung ist der Grund ( o ) Grund der Zufriedenheit, die einem jeden elenden Scribenten ins besondere sein Leyd versuͤsset: Allein ich behaupte, daß sie dem gemeinen Besten der elenden Scribenten nachtheilig ist, eben darum, weil dadurch die Bekanntschaft, die Einigkeit, und das Vertrauen, welche unter den elenden Scriben- ten herrschen muͤssen, fals sie sich ihrer Feinde er- wehren wollen, gehindert, und geschwaͤchet werden. Jch wuͤnsche, daß meine werthen Bruͤder mit mir erkennen, daß der Unterscheid, der sich zwi- schen den elenden Scribenten befindet, nicht wesent- lich sey; Daß alle, die dem Gipfel des Parnasses den Ruͤcken zukehren, und in die Tiefe schauen, wie weit sie auch von einander entfernet sind, elende Scribenten, und Bruͤder unter einander sind; Daß der Unrath, welchen die guten Scribenten, die entweder schon den Gipfel des Parnasses erstie- gen haben, oder noch zu ersteigen trachten, zum Zeit-Vertreib, auf die elenden Scribenten von ih- rer Hoͤhe herabwerfen, diejenigen der elenden Scri- benten, welche ihnen die nechsten sind, ja so wohl, und noch eher treffe, als diejenigen, die noch so weit von ihnen entfernet sind; und daß folglich ein jeder elender Scribent verbunden sey, sich seines Bruders, und wenn derselbe gleich hundertmahl elender ist, als er, anzunehmen. Alsdann wuͤrde es um unsere Sachen besser stehen. Wir wuͤrden auf die allgemeine Sicherheit mit groͤsserm Ernst bedacht seyn, und mit zusammen gesetzten Kraͤften unsern Feinden die Spitze bieten. Nichts, als un- sere Zaghaftigkeit, und heuchlerische Verstellung hat unsere Feinde bißhero muthig gemacht. Noch H h hat ( o ) hat keiner vor mir das Hertz gehabt, ungescheut zu bekennen, er sey ein elender Scribent; sondern alle meine Bruͤder, von dem vornehmsten an, biß auf den geringsten, haben allezeit, so oft sie angegrif- fen worden, hoch betheuret, sie waͤren gute Scri- benten; Sie sind so niedertraͤchtig gewesen, daß sie die Grund-Saͤtze der guten Scribenten, wider welche sie in allen Zeilen ihrer Schriften, offenbar handeln, wider ihr Gewissen, als wahr haben gel- ten lassen: Und es ist also kein Wunder, daß man sie so leicht zu Boden geschlagen hat. Jch schaͤme mich so oft ich daran gedencke, und hoffe, meine Bruͤder werden, durch mein Bey- spiel aufgemuntert, endlich auf andere Gedancken kommen. Es ist einmahl Zeit, daß wir die Lar- ve abziehen, und uns in unserm natuͤrlichen We- sen zeigen. Wozu nuͤtzet die Verstellung? War- um wollen wir ferner, durch eine unmoͤgliche Be- maͤntelung unserer Schwachheiten, und durch ei- ne schaͤndliche Heucheley, uns bey unsern Wider- sachern noch veraͤchtlicher machen? Unser Zustand ist, GOtt Lob! noch nicht so verzweifelt, daß wir Ursache haben solten, mit den ungluͤckseeligen Tro- janern zu sagen: „Mutemus Clypeos, Danaumque insignia nobis „Aptemus . . . . . . . . . Virgilius Æneid. lib. II. . Was haben wir zu fuͤrchten? Sind wir nicht eben so streitbar, als unsere Feinde? Sind wir ihnen nicht an Anzahl uͤberlegen? Vix ( o ) Vix hostem alterni, si congrediamur, ha- bemus ibid, lib, XII. . Jch habe neulich nur so ungefehr einen Ueberschlag gemacht, und gefunden, daß wir drey viertheil von der gelehrten Welt ausmachen. Wolte man gar genau rechnen, so wuͤrde noch mehr herauskom- men. Jch scheue mich also im geringsten nicht, den guten Scribenten hiemit oͤfentlich den Krieg anzukuͤndigen, und meine verfolgte Bruͤder wider sie zu vertheidigen. Jch werde ihnen nicht heu- cheln; sondern getrost die Wahrheit sagen. Jch werde die Vortreflichkeit der elenden Scribenten in ein so helles Licht setzen, daß sich hinfort, wie ich glaube, niemand wird geluͤsten lassen, diese unver- gleichliche Maͤnner zu beschimpfen. Und die guten Scribenten werden, fals sie sich selbst nicht muth- willig verblenden wollen, durch meine Schrift uͤber- zeuget werden, daß nicht wir; sondern sie des rech- ten Weges verfehlen, und daß es eine Thorheit sey, mit unsaͤglicher Muͤhe, auf dem rauhen Gipfel ei- nes unfruchtbahren Berges, dasjenige Vergnugen zu suchen, dessen wir in den anmuthigen Thaͤlern, und stillen Tiefen, woselbst wir unsere Wohnung aufgeschlagen haben, ohne alle Arbeit geniessen. D ie guten Scribenten haben die Gewohnheit, daß sie allemahl eine richtige und vollstaͤn- dige Beschreibung von derjenigen Sache geben, die sie abhandeln wollen, und aus dieser H h 2 Beschrei- ( o ) Beschreibung alsdann die Schluͤsse machen, die zu ihrem Zwecke dienlich sind. Sie wissen sich recht groß mit diesem Verfahren, weil sie glauben, daß, auf solche Art, alle Zweydeutigkeit am besten vermie- den werde, und ihre Schriften denjenigen Grad der Vollkommenheit erlangen, den sie haben muͤs- sen, wenn man sie loben soll. Jch will ihnen diese angenehme Einbildung ger- ne lassen: Aber ich glaube ihr eigen Gewissen wird ihnen sagen, daß ihre Art zu schreiben hoͤchst muͤh- sam sey, und sie nicht nur vieler Freyheiten berau- be; sondern ihnen auch manche, zur Zeit der An- fechtung unentbehrliche, Ausflucht beschneide. Meine vortrefliche Bruͤder zum wenigsten haben es zu al- len Zeiten vor eine unertraͤgliche Last, und schaͤnd- liche Sclaverey gehalten, daß ein Scribent alle- mahl verbunden seyn sollte, seinen Lesern deutlich zu sagen, was er haben wolle: Und ich haͤtte also, wenn ich arg wolte, voͤllige Freyheit, nicht zu sagen, was ich durch einen elenden Scribenten verstehe: Allein weil ich besorgen muß, daß unsere Wider- sacher daher Anlaß nehmen moͤchten, meine Schrift, ihrer Gruͤndlichkeit und Vortreflichkeit ungeachtet, bey der Welt, als ein verworrenes Gewaͤchse, aus- zuschreyen: So will ich mich, dieses mahl, meines Rechts begeben, und eine Beschreibung eines elen- den Scribenten zum Grunde meiner Abhandlung legen, mit welcher alle Welt zu frieden seyn wird. Jch bitte aber meine Bruͤder um Vergebung, daß ich dem loͤblichen Herkommen, welches bey uns so viel gilt, als ein Gesetze, entgegen handele. Sie koͤnnen glauben, daß ich mich, bloß zu ihrem Be- sten ( o ) sten, so tief herunter lasse, und ich verspreche he ili g, mich, in andern Faͤllen, so zu bezeigen, als es ei- nem elenden Scribenten, von Rechts und Gewohn- heits wegen, gebuͤhret. Jch schreite hierauf, ohne fernere Weitlaͤuftigkeit, zur Sache selbst. Wer unter die guten Scribenten gerechnet seyn will, der muß vernuͤnftig, ordentlich, und zierlich schreiben: Jn dessen Schriften also weder Ver- nunft, noch Ordnung, noch Zierlichkeit anzutref- fen ist, der ist ein elender Scribent. Jch glaube nicht, daß jemand an dieser Be- schreibung was auszusetzen haben wird; Sie muß nothwendig allen meinen Lesern gefallen, und mich in ihren Augen zu einem Wunder machen, weil ich so ehrlich bin, und ungescheut bekenne, was mei- ne Bruͤder bißhero so muͤhsam haben zu verbergen gesuchet. Zwar sehe ich vorher, daß unsere Ver- folger uͤber meine Aufrichtigkeit lachen, und sich ein- bilden werden, es sey unmoͤglich, nach einer so offen- hertzigen Bekaͤnntniß, das geringste zur Vertheidi- gung der elenden Scribenten vorzubringen: Allein ich bin auch versichert, daß ihnen die Lust zu lachen wohl vergehen wird, wenn ich ihnen deutlich be- weisen werde, daß eben die Maͤngel, welche sie den elenden Scribenten vorwerfen, und welche ich nicht zu leugnen begehre, meine Bruͤder, und mich, vor- treflich, und unentberlich machen. Dieser Be- weiß wird ihnen durch die Seele gehen, und ihres Spottens und Laͤsterns ein Ende machen. Zu dem End nehme ich alles, was sie uns, auch in der groͤ- sten Hitze ihres Eyfers, vorwerfen koͤnnen, vor wahr und ausgemacht an. H h 3 Jch ( o ) Jch bekenne aufrichtig, daß die elenden Scriben- ten ohne Vernunft schreiben. Dieses ist das schwe- re Gebrechen, welches uns in den Augen unserer Feinde so laͤcherlich und veraͤchtlich macht. Aber eben das Geschrey, so die Veraͤchter elender Schrif- ten daruͤber erregen, daß die elenden Scribenten ihre Vernunft nicht gebrauchen, beweiset die Un- billigkeit dieser Leute. Jch bitte meine Leser, un- partheyisch zu urtheilen, ob es billig sey, uns elen- de Scribenten um eines Fehlers willen auszuhoͤh- nen, den wir nicht nur mit unsern Feinden; son- der mit dem gantzen menschlichen Geschlechte, ge- mein haben? Lassen sich die Menschen in ihren Hand- lungen wohl von der Vernunft regieren? Folgen sie nicht allemahl den thoͤrigten Begierden ihres Hertzens? Sie wollen gluͤcklich seyn: Sie wollen vergnuͤgt und lange leben: Sie wissen auch gar wohl, wie sie es anfangen muͤssen, wenn sie diesen Zweck erlangen wollen. Aber dennoch machen sie sich vorsetzlich selbst ungluͤcklich, verkuͤrtzen ihr Le- ben, und sind ihnen selbst die fruchtbarste Quelle alles Mißvergnuͤgens, welches ihnen dasselbe saur machet. Man kan also, ohne Verletzung der Wahrheit, sagen, daß die Menschen ihre Ver- nunft nicht gebrauchen. Dieses ist ein Satz, den die Thorheiten, die Eitelkeiten, die Laster, und der Aberglaube, worinn das menschliche Geschlecht verfallen ist, hinlaͤnglich beweisen. Die Schrif- ten der Geschicht-Schreiber, Poeten, und Welt- Weisen, sind voll von Klagen uͤber dieses Verder- ben: Und man hat schon lange angemercket, daß, wer recht vernuͤnftig handeln wolle, gerade das Ge- gentheil ( o ) gentheil von demjenigen thun muͤsse, was der groͤ- ste Haufe vornimmt. Der Vorschlag ist gegruͤn- det; Aber es haben sich doch zu allen Zeiten weni- ge gefunden, die Lust gehabt haͤtten, demselben zu folgen. Jch wundere mich daruͤber eben nicht; Denn es wird dazu ein Eigensinn erfordert, den wenig Leute haben. Man muß sehr wunderlich seyn, und eine unertraͤgliche Einbildung von sich selbst haben, wenn man sich der gantzen Welt entgegen setzen, und sich bereden will, man sey alleine klug, und der Rest des menschlichen Geschlechts rase. Wie kan man es also den elenden Scribenten verargen, daß sie ihre Vernunft nicht gebrauchen? Sie koͤnnen es nicht thun, ohne die Ehrerbietung zu verletzen, die man den groͤsten Haufen schuldig. Jch wolte nichts sagen, wenn die Vernunft im menschlichen Leben unentbehrlich waͤre: Aber so sehe ich nicht, wozu sie nuͤtze. Es ist gar zu bekannt, daß die Weißheit, wodurch die Welt regieret wird, sehr geringe sey. Parva est sapientia, qua regitur mundus. Es koͤmmt alles auf die Vorsehung an. Wir sehen, daß die kluͤgsten Anschlaͤge oft zuruͤcke gehen; un- vernuͤnftige hergegen einen guten Fortgang haben, zum deutlichen Beweiß, daß es wahr sey, was der Prediger sagt: “Daß zum Laufen nicht hilft schnell„ seyn, zum Streit hilft nicht starck seyn, zur Nah-„ rung hilft nicht geschickt seyn, zum Reichthum hilft„ nicht klug seyn. Daß einer angenehm sey, hilft„ nicht, daß er ein Ding wohl koͤnne, sondern alles„ liegt es an der Zeit und Gluͤck Pred. Salom. IV. 8. .” Die taͤgli- H h 4 che ( o ) che Erfahrung kan auch einen jeden uͤberfuͤhren, daß auch die wichtigsten Geschaͤfte in der menschli- chen Gesellschaft, ohne Vernunft verrichtet wer- den koͤnnen. Salomon sagt ibid. Cap. X. 5. ; daß der Unver- stand unter den Gewaltigen sehr gemein sey, und von ihren vornehmsten Bedienten spricht ein heid- nischer Poet: „Rarus ... ferme sensus communis in illa „Fortuna . . . . . . . . . . Juvenalis Sat. VIII. . Diese Regel hat unstreitig ihre Ausnahme: Aber so viel ist doch gewiß, daß nicht allemahl die kluͤg- sten am Ruder sitzen. Wir sind so gut, und glauben es. Jhre Gewalt, die aͤusserliche Pracht, und die ernsthaften und gravitaͤtischen Gebaͤrden, wodurch sie sich ein Ansehen machen, pregen uns eine besondere Ehrerbietung ein, und verfuͤhren uns, sie vor weise zu halten, weil sie groß sind; Solten wir aber diese Herren genauer kennen, so wuͤrden wir inne werden, daß ihre Klugheit an dem gluͤck- lichen Ausgang ihrer friedlichen und kriegerischen Verrichtungen den geringsten Antheil habe, und derselbe guten theils dem Gluͤcke zuzuschreiben sey. Es gereichet dieses den Grossen dieser Welt so we- nig zur Schande, daß man vielmehr daraus ihr Vertrauen auf GOtt abnehmen, und es als den einzigen Beweiß ihres Christenthums ansehen kan. Koͤnnen nun die Regenten, in Krieg- und Frie- dens- ( o ) dens-Zeiten, ihr Amt ohne Vernunft, mit Ruhm, fuͤhren, so koͤnnen es die Gottes-Gelehrten noch weit fuͤglicher thun; weil sie berufen sind, die Welt durch thoͤrigte Predigten seelig zu machen. Sie haben mit Geheimnissen zu thun, darinn sich die Vernunft nicht mischen muß, und predigen einen Glauben, dem dieselbe, ohne Ausnahme, zu ge- horchen verbunden ist. Die Rechts-Gelehrte und Advocaten gruͤnden sich auf willkuͤhrliche Gesetze, und einen hoͤchstunvernuͤnftigen Schlendrian: Sie brau- chen also der Vernunft so wenig, als die Aertzte, die es in ihrer Kunst gemeiniglich auf eine zweifel- hafte Erfahrung, und auf ein ungewisses Gluͤck ankommen lassen, Urin besehen, Recepte verschrei- ben, und zu frieden sind, wenn sie ihre Patienten, canonicamente, e con tutti gli ordini Aristippe de Msr. de Balzac p. 96. zur Ruhe bringen. Die Welt-Weisen scheinen der Vernunft mehr benoͤthiget zu seyn: Allein sie ha- ben sich, ohne Nachtheil ihrer Ehre, derselben doch allemahl wenig bedienet. Cicero sagte schon zu sei- ner Zeit, es sey keine Thorheit zu erdencken, die nicht einer von denen Welt-Weisen behauptet ha- be Cicero de Droinat lib. II. nescio quomodo nihil tam absurde dici potest, quod non dicatur ab ali- quo Philosophorune. : und heutiges Tages, da wir so schoͤne Compendia Philosophiæ haben, muͤste einer ein Narre seyn, wenn er ohne Noth seine Vernunft abnutzen wolte. Hat er nur so viel Gedaͤchtniß, daß er eines dieser heilsamen Buͤcher auswendig H h 5 lernen ( o ) lernen kan, und Mauls genug, wieder her zu be- ten, was er gelernet hat, so ist er geborgen. Da man nun ohne Vernunft gantze Voͤlcker regieren, Laͤnder erobern, Schlachten gewinnen, Seelen bekehren, Rechts-Haͤndel entscheiden, Pil- len drechseln, Recepte verschreiben, und ein Welt- Weiser seyn kan, so moͤchte ich wohl wissen, war- um es dann nicht erlaubt seyn solte, ohne Ver- nunft ein Buch zu schreiben? Es waͤre viel, wenn die Vernunft zu einer Sache von so weniger Wich- tigkeit unentbehrlich seyn solte, da man doch ohne dieselbe die groͤsten Thaten verrichten kan. Jch glau- be es nicht, und halte es vor eine Himmel-schreyen- de Unbilligkeit, daß man uns elenden Scribenten eine Last auflegen will, die niemand mit einem Fin- ger anzuruͤhren Lust hat. Wenn unsere Feinde es redlich mit der Ver- nunft meinten, so wuͤrden sie, ohne Unterscheid, wider alle diejenigen eyfern, welche sich durch ihre Thaten, als Veraͤchter derselben bezeigen, und nicht bloß uns arme Leute aus der unzaͤhligen Men- ge dieser Veraͤchter auskippen, um an uns ihren Eyfer auszulassen. Allein so hat alle Welt die Frey- heit, die Vernunft so geringe zu achten, als es ihr beliebt; nur uns will man es nicht vergoͤnnen. Un- vernuͤnftige Thaten laͤsset man ungeahndet hinge- hen; Aber eine unvernuͤnftige Schrift zu machen, ist eine unvergebliche Missethat. Auf eine solche Schrift sind alle Pfeile der guten Scribenten ge- richtet, die sich doch sonst, wie die Erfahrung leh- ret, eben kein Gewissen machen, die Vernunft, vor deren Ehre sie eyfern, in ihrem Leben und Wan- del ( o ) del aufs groͤbste zu verletzen. Wo dieses nicht Muͤcken seigen, und Cameele verschlucken ist, so weiß ichs nicht. Jndessen haben wir eben nicht Ursache, uns uͤber diese Unbilligkeit zu betruͤben. Denn eben dieses widersinnige Betragen unserer Feinde muß zu un- serer Rechtfertigung dienen. Sie geben eines theils dadurch zu erkennen, daß es nicht allemahl noͤthig sey, seine Vernunft zu gebrauchen, und koͤnnen al- so unmoͤglich eine gute Ursache anfuͤhren, warum sie es von uns, als eine unumgaͤngliche Nothwendig- keit, fordern: Und andern theils kan man daraus, daß sie zu Thorheiten von anderer Gattung, als die unsern, still schweigen, und, bey Gelegenheit, dieselbe mit machen, deutlich abnehmen, daß ihr ei- gen Gewissen ihnen sage, wie schaͤdlich es sey, der Vernunft in allen Stuͤcken zu folgen. Einer, der das Ungluͤck hat, so weit zu verfal- len, beraubet sich selbst alles Vergnuͤgens, dessen ein Mensch hier auf Erden geniessen. kan. Denn die tiefe Einsicht, welche er, durch einen unmaͤssigen Gebrauch seiner Vernunft, in den wahren Werth aller irrdischen Dinge bekoͤmmt, benimmt ihm ge- wisse Vorurtheile, ohne welche man nicht gluͤcklich seyn kan. Montaigne sagt Essais de Montaigne Liv. II. Chap. 12. pag. 313. : Une âme garan-“ tie de prejugé, a un merveilleux advancement„ vers la tranquillité;” und daher sehen wir auch, daß der Poͤbel, der sich begnuͤget, alles nur von aus- sen anzusehen, mit dem gemeinen Lauf der Welt zu frieden ist, und die Muͤhseeligkeit des menschlichen Lebens, ( o ) Lebens, woruͤber die Vernuͤnftler so hertzbrechend seufzen, kaum empfindet. Zu dieser gluͤcklichen Zufriedenheit kan ein Mensch, der seiner Vernunft Gehoͤr giebt, nicht gelangen. Die Eitelkeiten und Thorheiten der Welt muͤssen ihm nothwendig Ver- druß und Eckel erwecken. Alle Ehre, aller Vor- theil und alles Vergnuͤgen, so die Welt geben kan, ist in seinen Augen gar zu veraͤchtlich, als daß er darnach trachten sollte. Er spricht: Die Welt vergeht mit ihrer Lust. Die gantze Ordnung der Natur ist ihm zuwider. Er tadelt dieselbe, und zweifelt, ob die Natur muͤtterlich, oder als eine Stief-Mutter mit uns gehandelt habe, parens me- lior homini, an tristior noverca fuerit Plinius Hist. Nat. Lib. VII. in proœm. ? Ja seine Schwermuth und Verzweifelung steiget biß- weilen so hoch, daß er behauptet; das beste sey, gar nicht gebohren werden, oder doch bald wieder sterben Plinius l. c. multi extitere, qui non nasci optimum censerent, aut quam ocyssime aboleri. . Alle diese traurige Gedancken ruͤhren aus dem Gebrauch der Vernunft her. Wie kann aber mit diesen Einfaͤllen die Gluͤckseeligkeit bestehen, nach welcher alle Menschen trachten? Mich deucht, die- jenigen, die ein gluͤcklicher Mangel von Nachden- cken vor solchen schwermuͤthigen Grillen sichert, ha- ben nicht Ursache, Leute zu beneiden, die mit einer so verdrießlichen Weißheit begabet sind. Jch verlange zum wenigsten nicht an ihrer Stel- le zu seyn; was sie auch von ihrer Gluͤckseeligkeit schwatzen. Denn das Mittel, wodurch sie gluͤck- lich ( o ) lich werden wollen, ist im hoͤchsten Grad laͤcherlich Sie sagen, man koͤnne nicht fuͤglicher und eher zur Gemuͤhts-Ruhe, oder zu einer bestaͤndigen Zufrie- denheit gelangen, als wenn man sich bemuͤhe, seine Begierden einzuschraͤncken, und zu daͤmpfen. Aber koͤmmt dieser Vorschlag wohl viel kluger heraus, als wenn ich einem, der Kopf-Schmertzen hat, ra- then wollte, er solle sich den Kopf abhauen lassen? Und koͤnnte man wohl besser von der Schaͤdlichkeit der Vernunft uͤberfuͤhret werden, als wenn man siehet, was sie vor verzweifelte Lehren giebt? Jch bitte meine Leser, sich mit mir das Elend, und die Verwirrung vorzustellen, die nothwendig erfolgen wuͤrden, wenn die Begierden gedaͤmpfet waͤren, und die Vernunft freye Haͤnde haͤtte. Das gantze menschliche Geschlecht wuͤrde dadurch in ei- ne Art von Schlafsucht verfallen. Jch gestehe, es unterbliebe alsdann viel boͤses: Allein es wuͤrde auch wenig gutes ausgerichtet werden: Weil man gar nichts thun wuͤrde. Si la raison dominoit sur„ la terre, sagt einer von unsern aͤrgsten Feinden,„ il ne s’y passeroit rien. On dit que les Pilotes„ craignent au dernier point ces mers pacifiques,„ où l’on ne peut naviger, \&qu’ils veulent du vent,„ au hazard d’avoir des tempêtes. Les passions„ sont chez les hommes les vents qui sont neces-„ saires pour mettre tout en mouvement, quoi-„ qu’ils causent souvent des orages Fontenelle, Dialognes des morts p. 141. . Der Endzweck aller menschlichen Handlungen ist Ehre, Vortheil und Lust. Wenn der Mensch ohne Ehrgeitz, Geldgeitz, und Wollust waͤre, so wuͤrde ( o ) wuͤrde er stille sitzen, und die Haͤnde in den Schooß legen. Jch begreife also nicht, wie es moͤglich sey, daß kluge Leute sich so grosse Vortheile von dem Siege der Vernunft uͤber die Afecten versprechen koͤnnen; da es doch so ofenbahr ist: daß ohne die Afecten nicht eine tugendhafte That verrichtet wer- den kan? Montaigne nennet sie mit Recht: des pi- queures \& sollicitations acheminans l’ame aux actions vertueuses Montaigne l. c. p. 431. , und scheuet sich nicht, zu behaupten, daß eben die Unordnung, welche die Afecten in unserm Verstande anrichten, uns tugend- haft mache. Par la dislocation que les passions ap- portent à nostre raison, nous devenons vertueux ibid. p. 432. . Jch moͤchte wohl wissen, ob sich, wenn die Be- gierde nach Ehre und Reichthum von der Ver- nunft unterdruͤcket, und gaͤntzlich aus der Men- schen Hertzen ausgerottet waͤre, jemand finden wuͤrde, der Lust haͤtte, vor das Beste des Staats, und der Kirche zu wachen? Ob wohl jemand so treuhertzig seyn wuͤrde, daß er sein Leben vor sein Vaterland wagte? Ja ob wohl, welches zur Be- schaͤmung unserer Feinde das meiste thut, die gu- ten Scribenten sich die Muͤhe geben wuͤrden, die Welt durch ihre herrlichen Schriften zu erbauen? Jch glaube es nicht, und bin, was die guten Scri- benten insonderheit anlanget, feste versichert, daß sie, wenn die Hofnung des Lobes sie nicht zum Schreiben reitzte, Zahnstoͤcher aus ihren Federn machen ( o ) machen, und wir nimmer das Vergnuͤgen haben wuͤrden, eine Zeile von ihnen zu sehen. Und dennoch schaͤmen diese Leute sich nicht, von uns zu verlangen, daß wir die Vernunft gebrau- chen sollen, die sie selbst, so oft sie schreiben, aus den Augen setzen muͤssen, die alle Tugend aufhe- bet, allen tapfern, und zum Besten des Staats, und der Kirche noͤthigen Unternehmungen entgegen, und gar so schaͤdlich ist, daß man, ohne Gefahr zu irren, sagen kan, sie wuͤrde, wenn sie einmahl uͤber die Afecten die Oberhand bekommen solte, die allergefaͤhrlichste Veraͤnderung, so jemahls in der Welt geschehen ist, verursachen, und das unterste zu oberst kehren. Denn wenn die Menschen sich nicht mehr von ihren Afecten regieren liessen, son- dern bloß der Vernunft folgten, so waͤre es um die Thorheiten geschehen, denen wir eintzig und allein unsere Verfassungen, und gute Ordnungen zu dan- cken haben. So bald ein jeder ungezwungen thut, was er zu thun schuldig ist, und freywillig, wie es die Vernunft erfordert, die Regeln der Gerechtig- keit, der Ehrbarkeit, und des Wohlstandes beob- achtet, braucht man weder Strafe, noch Beloh- nung, noch Ermahnung; folglich weder Regenten noch Lehrer. Ein allgemeiner, und immerwaͤh- render Gebrauch der Vernunft fuͤhrt einen bestaͤn- digen Frieden mit sich und schliesset allen Krieg, al- len Streit, und alle Uneinigkeit aus. Man braucht also weder Soldaten, noch Richter, noch Advo- caten. Faͤllt die Begierde nach Reichthum weg, so liegt aller Handel und Wandel: Und wie viele Menschen sind nicht in der Welt, die sich bloß von der ( o ) der Wollust, und dem thoͤrigten Hochmuth ande- rer naͤhren? Alle diese ehrlichen Leute wuͤrden aber an den Bettelstab kommen, wenn das menschli- che Geschlecht klug werden, und der Vernunft zu folgen anfangen solte. Mich deucht, es erhellet hieraus deutlich, daß keine Republick bey dem Gebrauch der Vernunft bestehen koͤnne, und daß eine gaͤntzliche Daͤmpfung der Affecten und Ablegung der Thorheit den Un- terscheid zwischen Obrigkeit und Unterthanen auf- hebe, und alle Staͤnde der buͤrgerlichen Gesellschaft zu Grunde richte. Was soll man also von solchen Leuten dencken, die so sehr auf den Gebrauch der Vernunft dringen? Laͤst es doch nicht anders als wenn ihnen alle Ordnung, und alle gute Verfassun- gen zuwider sind. Wolte man ihnen Gehoͤr geben, und sie rathen lassen, so wuͤrden sie uns in kurtzen zu vollstaͤndigen Hottentotten machen. Jch sage dieses nicht um unsere Feinde, die gu- ten Scribenten, in uͤbeln Ruf zu bringen, und sie als gefaͤhrliche und dem gemeinen Wesen schaͤdliche Leute vorzustellen. Was sie mir auch vor Bloͤsse geben, so sey es doch ferne von mir, daß ich das Unrecht, welches sie uns elenden Scribenten zufuͤ- gen, auf eine so grausame Art raͤchen solte. Jch bin gewiß von ihnen versichert, daß sie so boͤse Ab- sichten nicht haben, und glaube, daß sie vor den entsetzlichen Folgen ihrer Lehre selbst erschrecken. Sie wuͤrden am allerwenigsten ihre Rechnung da- bey finden, wenn wir uns entschliessen solten, un- sere Thorheiten abzulegen, und Hottentotten zu werden. Denn die Hottentotten schreiben nicht, und lesen ( o ) lesen keine Buͤcher, sie moͤgen auch so gut geschrieben seyn, als sie wollen. Und man koͤnnte also den guten Scribenten keinen aͤrgern Possen thun, als wenn man, wie sie es haben wollen, die Vernunft aufs hoͤchste triebe. Jch glaube nicht, daß sie dieses Ungluͤck jemahls erleben werden: Denn was man auch von dem menschlichen Geschlecht sagt, so ha- be ich doch eine viel zu gute Meinung von demsel- ben, als daß ich glauben solte, es werde so einfaͤl- tig seyn, und sich entschliessen, klug zu werden, und die Thorheiten abzulegen, bey denen es sich alle- mahl so wohl befunden hat. Wenn demnach auch die Absichten der guten Scribenten noch so boͤse waͤ- ren, so haͤtte man doch keine Ursache dawider zu eyfern; weil nicht zu besorgen ist, daß die Welt ih- rem verfuͤhrischen Geschwaͤtze Gehoͤr geben werden. Meine Widersacher koͤnnen also glauben, daß alles, was ich bißher wider sie geschrieben habe, nicht auf ihre Verunglimpfung ziele. Jch bin zu frieden, wenn meine Leser nur erkennen, daß die Vernunft schaͤdlich sey. Jch habe dieses, deucht mich klaͤrlich erwiesen, und getraue es mir gegen unsere Feinde zu behaupten, wenn ich auch gleich zugaͤbe, daß die buͤrgerliche Gesell- schaft durch einen unmaͤssigen Gebrauch der Ver- nunft nicht aufgehoben werde. Denn es bleibt doch allemahl gewiß, daß die Vernunft eine Ei- genschaft ist, die einen Menschen sehr ungeschickt macht, ein Glied der buͤrgerlichen Gesellschaft, und der wahren Kirche zu seyn. Ein Buͤrger muß gehorchen, und ein Christ muß glauben. Wer seiner Vernunft nachhaͤnget, J i der ( o ) der taugt zu beyden nicht. “Gens qui jugent, „sagt Montaigne l. c. pag. 313. 314. , \& contre rollent leurs „juges, ne s’y soûmettent jamais deuëment. „Combien \& aux loix de la Religion, \& aux loix „politiques, se trouvent plus dociles, \& aisés à „mener, les esprits simples \& incurieux, que „ces esprits surveillans, \& pedagogues des cau- „ses divines \& humaines? Wie viel boͤses kan also die Vernunft in dem Staat, und der Kirche nicht stiften? Wer uͤber die Befehle der Obrigkeit gruͤbelt, und sie vor dem Richter-Stuhl seiner Vernunft stellet, muß sie nothwendig schlecht beobachten, wenn sie ihm unvernuͤnftig scheinen. Daher entstehet dann ein Ungehorsam, und eine Wi- derspenstigkeit gegen die Obrigkeit, die endlich zu einer ofenbaren Rebellion ausschlagen, und einen gantzen Staat umkehren kan. Man kan also sa- gen, daß die Vernunft die eintzige Quelle aller Re- bellionen sey, und noch ist kein Rebelle gewesen, der nicht seinen Aufstand dadurch zu beschoͤnigen gesuchet haͤtte, daß die Befehle seiner Obern unge- recht, und folglich unvernuͤnftig waͤren. Wer sich zu klug duͤncket, seinen geistlichen Fuͤh- rern einfaͤltiglich und blindlings zu folgen, der ist nicht geschickt zum Reiche GOttes, geraͤth auf Jrr- Wege, und verfaͤllt endlich in das abscheuliche La- ster der Ketzerey: Und gesetzt, er verfaͤllt so weit nicht, so ist doch auch der geringste Widerspruch einem Geistlichen verdrießlich: denn da diese ehr- wuͤrdigen Personen von der Wahrheit ihrer Leh- ren, ( o ) ren, und der Aufrichtigkeit, und Unschuld ihrer Absichten uͤberzeuget sind, so muß es sie nothwen- dig schmertzen, wenn man sie mit vernuͤnftigen Einwuͤrfen aͤngstiget, und alles, was sie sagen, meistert; Die Vernuͤnftler thun dieses. Wie uͤbel wuͤrden also unsere Lehrer nicht dran seyn, wenn alle ihre Zuhoͤrer ihrer Vernunft zu vielen Willen liessen? Sie wuͤrden mit Furcht und Zit- tern die Cantzel betreten, und ihr Amt mit Seufzen thun; welches uns doch nicht gut ist. Nicht allein aber die Geistlichen wuͤrden bey ei- nem allgemeinen Gebrauch der Vernunft uͤbel fah- ren; sondern es wuͤrden auch andere Profeßionen ihre Rechnung nicht dabey finden. Man bedencke nur z. E. ob, wenn die Menschen ihre Vernunft allemahl zu Rathe zoͤgen, die Richter und Advoca- ten wohl das liebe Brod haben wuͤrden? Ein jeder wuͤrde lieber einen geringen Schaden leiden, und sich mit seinem Widersacher in der Guͤte vertragen, als sich in einen langwierigen Proceß einlassen, der, wie es die Erfahrung lehret, allemahl zum Verder- ben beyder Partheyen gereichet. Waͤren die Leute klug, so wuͤrden die Aertzte schmal beissen muͤssen. „Si tout le monde avoit l’esprit de se conduire „Remede \& Medecin seroit peu de saison Je ne sai quoi pag. 151. . Ein Krancker wuͤrde seine Natur walten lassen, und mit Msr. de Fresny Amusement serieux \& comique pag. 49. sprechen: “Quand un„ J i 2 ma-„ ( o ) „malade laisse tout faire à la nature, il hazarde „beaucoup: quand il laisse tout faire aux me- „decins, il hazarde beaucoup aussi: Mais ha- „zard pour hazard, j’aimerois mieux me confier „à la nature, car au moins on est sûr, qu’elle agit „de bonne foi, comme elle peut, \& qu’elle ne „trouve pas son compte à faire durer les maladies. Diese Gedancken sind vernuͤnftig: aber wuͤrden nicht die Aertzte, wenn alle Leute so daͤchten, ihren Patienten, die sie vorangeschicket haben, in kurtzer Zeit, vor Hunger, in jene Welt folgen muͤssen? Jch uͤberlasse meinen Lesern vor sich selbst nach- zudencken, was andere Handthierungen, die ich hier, Weitlaͤuftigkeit zu vermeiden, mit Still- schweigen uͤbergehe, vor Vortheil von dem Ge- brauch der Vernunft zu hofen haben? Und frage nunmehr unsere Verfolger, ob der Mangel der Ver- nunft, den sie in unsern Schriften wahrnehmen, ein solcher Haupt-Mangel sey, daß wir desfalls ver- dienten, ausgezischet zu werden? Und ob es nicht vielmehr an uns zu loben sey, daß wir eine Kraft der menschlichen Seele, die im gemeinen Leben nichts nuͤtzet, in dem Staat, und in der Kirche so vielen Unfug anrichtet, und alle gute Ordnungen und Verfassungen aufhebet, so viel an uns ist, zu un- terdruͤcken bemuͤhet sind? Laͤßt es ihnen ihre Hart- naͤckigkeit, und eingebildete Weißheit nicht zu, diese Frage so zu beantworten, als es die Wich- tigkeit der Gruͤnde, mit welchen ich das Verfah- ren meiner Bruͤder gerechtfertiget habe, zu erfor- dern scheinet; So hofe ich doch, sie werden sich eines bessern besinnen, wenn ich ihnen vorstelle, daß ( o ) daß wir elende Scribenten, wenn man unsere Schrif- ten recht ansiehet, nichts mehr thun, als daß wir einfaͤltiglich dem guten Rath folgen, den einige der guten Scribenten, schon vor langer Zeit, der Welt gegeben haben. Einer der besten Scribenten, den ich, zu Be- schaͤmung meiner Widersacher, schon oͤfters ange- fuͤhret habe, sagt ausdruͤcklich: Die Vernunft selbst erfordere, daß man dem menschlichen Verstande so enge Graͤntzen setze, als nur immer moͤglich ist. On a raison de donner à l’ esprit humain les ba- nieres les plus contraintes qu’on peut Montaigne l. c. p. 413. . Er will, daß man dieses auch in Ansehung der Wissenschaften, und folglich auch der Schriften thun soll, in welchen man die Wissenschaften vor- traͤgt. “En l’estude, faͤhrt er fort, comme au„ reste il lui faut compter \& regler les marches,„ il lui faut tailler par art les limites de sa chasse„ ibid p. 413. 414. . Ja er bekennet aufrichtig, daß die Vernunft ein gefaͤhrliches Werckzeug in der Hand desjeni- gen sey, der sich derselben nicht mit Vernunft, das ist, ordentlich, und maͤßig zu gebrauchen weiß. „C’est„ un outrageux glaive à son possesseur mesme„ que l’ esprit, à qui ne sçait s’en armer ordonne-„ ment \& discretement ibid. p. 414. .„ Und raͤth dahero, man solle sie, so viel als immer moͤglich ist, im Zaum halten. “Et n’y a, faͤhrt er fort, point de„ beste, à qui il faille plus justement donner des„ orbieres pour tenir sa veuë sujette, \& contrain-„ J i 3 te ( o ) „te devant ses pas, \& la garder d’ extravaguer „ny ca ny la, hors les ornieres que l’usage \& les „loix luy tracent ibid. .” So wollen es unsere Feinde selbst haben: So machen wirs; Und machen es ihnen doch nicht recht. Wir muͤsten aber sehr einfaͤltig seyn, wenn wir, da numehro ihr Eigensinn, und ihr Unbilligkeit so klar am Tage lieget, uns groß bekuͤmmern wollten, ob ihnen unsere Ausfuͤhrung gefalle oder nicht. Laß sie sagen, was sie wollen. Wir koͤnnen mit dem Zeugniß unsers Gewissens zu frieden seyn, welches uns saget, daß wir auf dem rechten Wege sind. Und wie koͤnnte man auch sicherer gehen, als wenn man denen folget, die ihr Amt verbindet, vor die Seelen zu sorgen, und die also am geschicktesten sind von den Kraͤften der Seele zu urtheilen, und uns Regeln zu geben, wie dieselben ohne Gefahr gebrauchet werden koͤnnen? Diese Seelsorger nun sehen die Vernunft, eben wie Montaigne, als ein wildes, unbaͤndiges, reissendes und gefaͤhrliches Thier an, dem man Zaum und Gebiß ins Maul legen muß, und mit welchem nicht auszukommen ist, wo- fern es nicht an einer starcken Kette geschlossen wird. Es ist wahr, sie sind uͤber die Laͤnge dieser Kette sehr uneinig: Allein darinn stimmen sie doch alle uͤberein, daß die Vernunft angeschlossen seyn muͤsse. Nur mit diesem Unterscheid. Einige wollen, die Kette muͤsse fein lang seyn, damit die Vernunft, bey einer maͤßigen Freyheit, ihre Bande desto gedultiger trage. “Ein Ketten- Hund, ( o ) Hund, sprechen sie, der gar zu kurtz angebunden„ ist, giebt sich so leicht nicht zu frieden, als einer,„ dem die Laͤnge der Kette, an welcher er liegt, die„ Freyheit laͤsset, herumzugehen, und seine Gefan-„ genschaft ertraͤglich macht. Er stellet sich unge-„ baͤrdig, heult, schreyt, springt, bemuͤhet sich die„ Kette zu zerreissen, und haͤlt uͤbel Hauß, wenn er„ loß koͤmmt. Mit der Vernunft ist es eben so,„ und hat man Exempel, daß sie, wann man sie„ gar zu kurtz gebunden gehabt, ihre Fessel zerbrochen,„ alles, was ihr vorgekommen, niedergerissen hat,„ und so unbaͤndig geworden ist, daß man sie hernach„ nimmer wieder hat zaͤhmen koͤnnen.” Andere hergegen behaupten; “Man muͤsse die„ Vernunft so kurtz, als moͤglich, binden. Denn„ sonst sey man nimmer vor derselben sicher, eben so„ wenig als vor einem Ketten-Hunde, der gar zu„ weit herumgehen kan. Es sey wahr, die Ver-„ nunft liebe die Freyheit, und thue sehr uͤbel, wenn„ sie gar zu hart gefesselt sey. Es sey auch gefaͤhr-„ lich umgehen mit ihr, wenn sie in der Wut loß„ kaͤme. Aber es sey zu allem Rath. Man koͤnne ihr„ ja, im Falle der Noth, einen Knebel ins Maul stecken,„ so muͤste sie ihr Schreyen wohl lassen; und sie an„ allen Vieren so fest binden, daß sie sich nicht ruͤh-„ ren koͤnnte, so waͤre es nicht moͤglich, daß sie sich„ loß risse. Ja die Vernunft sey so gar ungedultig„ nicht, als man vorgaͤbe. Sie koͤnnten wenig-„ stens versichern, daß sie von der ihrigen, wie kurtz„ sie auch angebunden sey, so wenig beunruhiget wuͤr-„ den, daß sie kaum merckten, daß sie noch lebe.„ Sie berufen sich desfalls auf ihre Reden und„ J i 4 Schrif- ( o ) „Schriften, die so beschafen sind, daß man schwe- „ren solte, sie haͤtten keine Vernunft. Jch bin viel zu wenig, zu entscheiden, welche Parthey recht hat. Es thut auch zu meinem Zweck nichts, dieses auszumachen. Denn die Kette, an welche die Vernunft geleget werden muß, mag nun lang oder kurtz seyn sollen; so gewinnen wir elende Scribenten allemahl dabey: Weil doch immer ausgemacht bleibt, daß die Vernunft, und deren Gebrauch nicht frey seyn muͤsse, woraus gantz un- gezwungen folget, daß es uns nicht koͤnne verar- get werden, wenn wir eine so gefaͤhrliche Kraft der Seele, so viel moͤglich, in ihren Schrancken halten. Wenn es mir indessen erlaubt ist, meine un- vorgreifliche Meynung zusagen, so halte ich davor, daß man diese Schrancken so enge machen muͤsse, als nur immer thulich ist, und daß diejenigen der Wahrheit am nechsten kommen, welche glauben, man muͤsse die Vernunft fein kurtz anschliessen. Jch bin auch versichert, daß es nicht uͤbel gethan seyn wuͤrde, wenn man sie bestaͤndig geknebelt, und an allen vieren gebunden, liegen lassen wolte. Ja, wenn ich aufrichtig sagen soll, wie mirs ums Her- tze ist, so halte ich davor, das sicherste sey, ihr das Genicke zu brechen; denn so koͤnnte sie gar nichts boͤses mehr anrichten, und man waͤre aller Muͤhe und Sorge auf einmahl loß. Es hat mir dahero sehr wohl gefallen, daß mein vornehmer Goͤnner, und in Midas hertz- lich geliebter Bruder, Philippi, den heroischen Entschluß gefasset hat, eine Anatomie des mensch- lichen ( o ) lichen Verstandes anzustellen. Das feindseelige Gemuͤth, welches er bißhero gegen die Vernunft von sich hat blicken lassen, macht mich hofen, seine Absicht sey, dieselbe vom Leben zum Tode zu brin- gen. Jch wuͤnsche, daß er bey seinem guten Vor- haben bleiben moͤge Dieser Wunsch ist nicht erfuͤllet worden. Aber was Philippi versprochen hat, das hat mein lieber Bruder, Joh. Ambrosius Hillige, Meister der freyen Kuͤnste und Pfarrer zu Zschaitz, in seiner Anatomie der Seelen mit solchen Nachdruck ins Werck gerichtet, daß, wer sein Buͤchlein lieset, nothwendig bekennen muß, die Vernunft habe an ihm ihren Mann gefunden, und sey nimmer so gemißhandelt worden. : Denn da eine Anatomie ohne Zerschneidung nicht geschehen kan, so muß die Vernunft nothwendig drauf gehen, und ihm unter den Haͤnden sterben. Er wird also die Ehre ha- ben, daß er ein Ungeheur gedaͤmpfet, welches bißhero so vielen Schaden gethan hat, und dieses wird ihm weit ruͤhmlicher seyn, als wenn er, ich weiß nicht wie viele, Riesen erleget haͤtte. Er kan sich nicht bes- ser um das menschliche Geschlecht verdient ma- chen, als wenn er dasselbe zu demjenigen Grad der Vollkommenheit verhilft, welchen er, durch die Besiegung und Daͤmpfung seiner Vernunft, schon lange erreichet hat, und wir elende Scriben- ten insonderheit, werden ihn unendlich verbunden seyn. Denn uns geschicht, durch die Toͤdtung der Vernunft der groͤste Gefallen; weil wir ihrent- wegen so viel leyden muͤssen. O! wie gluͤcklich waͤren wir, und die gantze Welt, wenn dieses Un- J i 5 thier ( o ) thier vertilget wuͤrde! und kan man demnach die Blindheit unserer Feinde gnug beseufzen, die so viel Wesens aus einer Kraft unserer Seele machen, die nimmer das geringste gutes, wohl aber unsaͤglich viel boͤses gestistet hat? Jch gestehe, die Vernunft ist eine Gabe GOt- tes: Aber der Ausgang hat gewiesen, daß sie ein schaͤdliches Geschenck gewesen ist. Wenigstens haben sich Leute gefunden, die geglaubt, es waͤre besser, wenn uns GOtt die Vernunft nicht gege- ben haͤtte. Haud scio, sagt Cicero de Natura Deorum lib. III. . an melius fuerit, humano generi motum istum ce- lerem cogitationis, acumen, solertiam, quam rationem vocamus, quoniam pestifera sit mul- tis, admodum paucis salutaris non dariomnino, quam tam munifice, \& tam large dari. Er fuͤh- ret dieses noch weitlaͤuftiger aus: Und ich weiß nicht, ob er groß Unrecht hat. Denn die Ver- nunft hat dem Menschen nimmer viel Vortheil ge- bracht. Kaum war der erste Mensch erschaffen, so verleitete ihn seine Vernunft zu derjenigen Suͤn- de, wodurch er sich und seine Nachkommen un- gluͤcklich machte. Eva fieng an zu gruͤbeln, und da war es um sie, und um uns alle geschehen. Sie wuͤrde es wohl gelassen haben, wenn sie entweder keine Vernunft gehabt haͤtte, oder nur so gesinnet gewesen waͤre, als ich und meine vortreflichen Bruͤ- der. Und dennoch lachet man uns aus. Nachdem die Vernunft in der Mutter aller Le- bendigen den ersten Schnitzer begangen hat, ist sie immer weiter verfallen, und unsere Feinde bekennen selbst, ( o ) selbst, daß sie durch den Fehltritt, wozu sie unsere Stamm-Mutter verleitet hat, im Grunde verderbet worden ist. Sie muß also, nach ihrem eigenen Gestaͤnd- niß, nichts nuͤtzen. Jch weiß wohl, unsere Feinde sagen, man muͤsse sich bestreben, sie auszubessern, und wieder zu der ersten Vollkommenheit zu brin- gen: Aber man hat nunmehro beynahe 6000. Jahr daran curiret, und noch ist niemand, der das Hertz haͤtte, zu sagen, daß die Mittel, die man gebrau- chet hat, angeschlagen haben, oder daß es sich zur Besserung anlasse. Jch gebe also einem jeden zu be- dencken, ob es nicht kluͤger gehandelt sey, wenn man sich an eine Eigenschaft der Seele, die in einem so verzweifeltem Zustande ist, weiter nicht kehret, als wenn man in alle Ewigkeit seine Schande daran cu- riret, und unmoͤgliche Dinge moͤglich machen will? Dieses thun unsere Feinde: Aber sehen denn diese uͤberkluge Herren nicht, daß sie wider den Strohm schwimmen? Sie wollen die Vernunft ausbessern, und zu ihrer urspruͤnglichen Vollkom- menheit bringen, das ist; Sie wollen ihr wieder zu derjenigen Herrschaft verhelfen, welche sie ehe- dessen uͤber die Begierden gehabt haben soll. Jch will so hoͤflich seyn, und glauben, daß alles wahr sey, was man von dieser Herrschaft der Vernunft uͤber die Affecten sagt; ob es gleich unsern Feinden sehr schwer fallen wuͤrde, zu beweisen, daß die Vernunft, so lange Menschen in der Welt gewe- sen sind, nur einen einzigen actum possessionis verrichtet habe: Aber unsere Feinde geben doch selbst zu, daß die Vernunft, durch ihre eigene Schuld diese Herrschaft verlohren habe. Sie ist derselben ent- ( o ) entsetzet; weil sie uͤbel regieret hat, und muß jetzo, zur Strafe den Afecten gehorchen. So will es die Natur haben. Was bemuͤhen sich denn unsere Feinde, die Vernunft, der Natur zum Trotz, wie- der auf den Trohn zu setzen, von welchem sie, ih- res uͤbeln Verhaltens wegen, gestossen worden? Jch versichere sie, ihre Bemuͤhung ist vergebens, und wenn sie die Vernunft selbst fragen, so wird sie ihnen sagen, daß sie sich nach der verlohrnen Hoheit nicht sehne, sondern mit ihrem jetzigen Zustande wohl zu frieden sey, und das suͤsse Joch der Afecten mit Lust trage. Denn die Vernunft siehet wohl, daß sie zum Regiment nicht tauge. Sie weiß wohl, daß, wie ich schon oben erwiesen habe, al- les in der Welt umgekehret werden wuͤrde, wenn sie die Oberhand bekommen solte. Und wenn sie denn gleich dieses nicht erkennete, sondern die laͤcher- liche Bemuͤhung ihrer unbesonnenen Verehrer bil- ligte: So bleibt es doch allemahl wahr, daß es ein strafbarer Frevel sey, wenn man die Natur meistert, die doch eine so weise und liebreiche Mutter ist, und besser weiß, was zu unserm Frieden die- net, als wir selbst. Wenn demnach unsere Feinde, die guten Scri- benten, nicht die eigensinnigsten und wunderlich- sten Leute von der Welt waͤren, so wuͤrden sie uns nimmer die kindliche Ehrerbietung, welche wir ge- gen die Natur hegen, zur Suͤnde deuten, und mit der groͤsten Unbescheidenheit von uns verlangen, mit ihnen wider die Natur zu murren. Sind sie denn just so gesinnet, als die boͤsen Geister, die sich ein Vergnuͤgen daraus machen, wenn sie die Men- schen ( o ) schen zur Suͤnde verleiten, und eben so ungluͤcklich machen koͤnnen, als sie selbst sind? Sie haben den natuͤrlichen Brauch der Vernunft in den unnatuͤr- lichen verkehret. Man laͤsset ihnen ihren Willen: Aber warum wollen sie uns denn nicht erlauben, nach unserm Gewissen zu handeln? Warum rech- nen sie es uns als eine grosse Thorheit an, daß wir, wie es die Pflicht eines jeden vernuͤnftigen Menschen erfordert, mit der Ordnung der Natur zu frieden sind? Denn darinn bestehet eigentlich unser Verbre- chen. Wie gerne wir auch gaͤntzlich von der Ver- nunft befreyet waͤren, so koͤnnen wir dieselbe doch nicht voͤllig daͤmpfen, und es scheinet eben so un- moͤglich, gantz ohne Vernunft, als gantz ohne Suͤn- de zu seyn. So lange wir mit dem Leibe dieses Todes umgeben sind, werden wir uns wohl mit die- ser verdrießlichen Eigenschaft schleppen muͤssen. Wie es indessen die Pflicht eines Christen erfordert, daß er die Suͤnde nicht herrschen lasse; so muß auch ein jeder Mensch sich sorgfaͤltig huͤten, daß er der Ver- nunft nicht gar zu viele Gewalt uͤber seine Hand- lungen einraͤume. Dieses thun wir elende Scri- benten, und bilden uns ein, das sicherste sey, der Natur zu folgen. Da nun die Vernunft ihr Fuͤr- stenthum verlohren hat, und mit den Ketten der Afecten gebunden ist; So muß man sie, will man gute Dienste von ihr haben, von diesen Banden nicht loß machen, sondern immer in den Schrancken hal- ten, welche die Natur derselben gesetzet hat. Man muß sie also, wenn man sie ja gebrauchen will, nur als ein Werck-Zeug, zu Ausfuͤhrung seiner Absich- ten, ( o ) ten, gebrauchen: Denn da die Vernunft den Be- gierden unterworfen ist; Unsere Absichten aber aus unsern Begierden herfliessen; So folget unwider- treiblich daß die Vernunft sich nach unsern Absich- ten richten muͤsse; nicht aber wir in unsern Absich- ten nach der Vernunft uns zu richten verbunden sind. So dencken wir elende Scribenten, so dencket das gantze menschliche Geschlecht mit uns. Nur einige mißvergnuͤgte, und eigensinnige Koͤpfe wol- len kluͤger seyn, als die gantze Welt, und lachen uns aus, weil wir unsere Vernunft nicht nach ih- rer Phantasie gebrauchen. Aber laß sie lachen. Wir koͤnnen uns damit troͤsten, daß wir ihnen kei- ne rechtmaͤssige Ursache dazu geben. Wir sehen die Vernunft als ein Werckzeug an, und bedienen uns derselben bißweilen zu Erreichung unserer Ab- sichten. Jst dieses uͤbel gehandelt, so weiß ich nicht, was man von dem Verfahren unserer Gottes-Ge- lehrten sagen soll, die in ihrer Kunst die Vernunft nicht anders, als ein Werck-Zeug gelten lassen. Sie brauchen dieselbe, die Widersprecher zu strafen, und zum Vortrag ihrer Lehren: Aber es sey ferne von ihnen, daß sie ihren Eyfer wider die Ketzer, und ihre Lehren nach der Vorschrift der Vernunft einrichten, und dem Urtheil derselben unterwerfen sollten. O wie wohl thaͤten, unsere Feinde, wenn sie mit uns dem Beyspiel dieser ehrwuͤrdigen Maͤn- ner folgten, und daraus lerneten, worinn eigentlich der rechte Gebrauch der Vernunft bestehe! Koͤn- ten sie sich, so weit uͤberwinden, so wuͤrden sie uns den Mangel der Vernunft, den sie in unsern Schris- ten ( o ) ten bemercken, nicht mehr so hoch aufmutzen, und sich entsehen, uns ferner Schuld zu geben, wir brauchten die Vernunft gar nicht. Wir brauchen sie: Aber auf unsere Weise, mit Maasse, in gehoͤri- ger Ordnung, bloß zu Erreichung unsers End- zwecks. Wenn die Begierde beruͤhmt zu seyn uns zum Schreiben reitzet, so sagt uns unsere Vernunft, daß wir ohne Feder, Dinte, und Papier unsern Zweck nicht erreichen koͤnnen, und noch hat man kein Exempel, daß ein elender Scribent sich ein Gewis- sen gemacht habe, in diesem Fall seiner Vernunft zu folgen. Wir sind so wunderlich nicht, daß wir statt der Feder die Mist-Gabel ergreifen sollten. Wenn Sievers schreibt, so schreibt er mit Dinte, und tunckt seine Feder nicht in Wasser. Selbst Manzel Ein Professor zu Rostock, mein grosser Goͤnner. Er hat sich durch viele herrliche Schriften bekannt gemacht, die niemand lieset. Man kan sie bey Fritschen in Rostock, und sonst nirgends, zu hal- ben und gantzen Pfunden, um sehr civilen Preiß, haben. und Rodigast, die allerelendesten Scri- benten unserer Zeit, verrichten ihre gelehrte Noth- durft auf Papier. Jch thue es auch, und Philippi weiß wohl, daß er seine herrlichen Wercke in die Druckerey, und nicht zum Gewuͤrtz-Haͤndler schi- cken, oder Fidibus davon machen muß, wofern er will, daß die Welt sich daran belustigen soll. Wie koͤnte er dieses aber wissen, wenn er ein Geluͤbde ge- than haͤtte, der Vernunft in keinem Stuͤcke Gehoͤr zu geben? Und wer siehet also nicht, daß die Ver- nunft ( o ) nunft mehr Theil an unsern Schriften hat, als un- sere Feinde glauben? Waͤren wir so gar albern, als unsere Feinde uns ausschreyen, so wuͤrde die gelehr- te Welt keine Zeile von unsern Haͤnden sehen. Aber so verachten wir die Vernunft so lange sie sich in ihren Schrancken haͤlt, und als eine Dienerin un- serer Begierden auffuͤhret, gar nicht. Wir fol- gen ihr willig, wenn sie uns einen Rath giebt, der zu Befoͤrderung unserer Absichten dienet. So bald sie sich aber ein mehrers herausnimmt, un- sern Begierden widerspricht, und uͤber unsere Ab- sichten urtheilen will, so legen wir ihr ein ewiges Stillschweigen auf, und thun ihr allen ersinnli- chen Verdruß an. Wenn die Vernunft zu Philippi sagt: Schicke deine Schriften nach Hamburg, damit sie daselbst den Verleger finden, den du an denen Orten, da man dich kennet, vergebens suchest, so spricht er: Wahrlich das ist ein guter Rath, und thut was die Vernunft haben will. Sagt sie aber zu ihm: Schreibe nicht; du taugst nicht dazu: die Leute la- chen dich nur aus: so wird er unwillig, haͤlt beyde Ohren zu, und dencket, seine Vernunft sey von sei- nen Feinden bestochen. Sie soll sich, wie man sagt, neulich die Freyheit genommen haben, ihm dieses plumpe Compliment zu machen: Aber er hat sie so zugerichtet, daß sie ins kuͤnftige ihr Maul wohl halten wird. Du hast wohl daran gethan, allerliebster Bruder, denn wie uͤbel wuͤrden wir nicht daran seyn, wenn wir unserer Vernunft, die nur gemacht ist zu gehorchen, eine Herrschaft uͤber unsere Begierden einraͤumen, und ihr gestatten wol- ten, ( o ) ten, von unsern Absichten, und dem Werth unse- rer Schriften zu urtheilen? Jch habe mich begnuͤget bißhero zu erweisen, daß der Vernunft dieses nicht zukomme, und wir also nichts laͤcherliches begehen, wenn wir diesel- be, bey Verfertigung unserer Schriften nicht zu Rathe ziehen. Aber ich will weiter gehen, und ge- traue mir, zu behaupten, daß eben die Verachtung der Vernunft, woraus unsere Feinde ein so grosses Verbrechen machen, der Grund unserer Vortref- lichkeit, und derjenigen Vorzuͤge sey, die uns so weit uͤber unsere Feinde erheben. Ein sehr altes scythisches Sprichwort sagt; Daß es eine groͤssere Kunst sey, aus einem ledigen, als aus einem vollen Glase zu trincken: Und mich deucht, daß also, wenn die Vernunft zu Verfer- tigung einer Schrift so unumgaͤnglich noͤthig ist, als die guten Scribenten wollen, einer, der ohne Vernunft ein Buch schreiben kan, weit vortrefli- cher, und mehr zu bewundern ist, als einer, der, wenn er etwas zu Papier bringen will, allemahl seine Vernunft zu Huͤlfe nehmen muß. Man muß nicht meinen, daß die Buͤcher, die ohne Vernunft geschrieben werden, nicht so wohl gerathen, als diejenigen, die mit Verstand gemacht sind. Denn es giebt Buͤcher, die unstreitig ohne Zuthun der Vernunft verfertiget, und doch so wohl gerathen sind, daß selbst unsere Feinde daruͤber erstaunen. Jst es moͤglich, schreyen sie gemeiniglich, daß ein vernuͤnftiger Mensch dergleichen Zeug schreiben koͤn- ne? Ja ich habe mit meinen Ohren gehoͤret, daß einer, dem die hoͤchst unvernuͤnftigen Gedancken K k eines ( o ) eines gewissen elenden Scribenten, uͤber den Spruch: Viele sind berufen ꝛc. zu Gesicht kamen, im Bey- seyn vieler Leute, hoch betheurte, es sey ihm, wenn er auch Engels-Verstand haͤtte, und sein Leben damit zu retten wuͤste, unmoͤglich, so zu schreiben. Unsere Feinde gestehen also selbst, daß einem Men- schen, der seine Vernunft nicht gebrauchet, vieles moͤglich sey, welches ein vernuͤnftiger Mensch nicht thun kan, und daß wir die besondere Geschicklich- keit besitzen, ohne Vernunft Thaten zu thun, wo- zu ein mehr als englischer Verstand erfordert wird. Sie halten dieses vor etwas schweres, ja vor eine Sache, die ihnen schlechterdings unmoͤglich ist. Jch versichere sie aber, daß es uns nicht nur moͤg- lich, sondern gar etwas leichtes ist, ohne Vernunft gantz wunderbare Buͤcher zu schreiben. Solten unsere Feinde wissen, wie geschwinde wir mit un- sern Schriften fertig werden, und wie wenig Muͤ- he und Nachdencken wir darauf wenden; so wuͤr- den sie erst uͤber unsere Geschicklichkeit erstaunen; Sie wuͤrden, von dem Glantz unserer Vortreflich- keit geruͤhret, vor uns niederfallen, und, ohne Zeit-Verlust, ihre Vernunft ins Meer werfen, da es am tiefsten ist. Denn eben diese Vernunft ist es, welche ihnen ihre Arbeit so muͤhsam macht. Wir zaͤhmen sie, und legen ihr ein Gebiß ins Maul, und eben dar- um wird uns unsere Arbeit so leichte. Unsere Fein- de machen sich ein Gewissen, den Regeln der ge- sunden Vernunft, die doch so schwer zu beobach- ten sind, entgegen zu handeln. Sie koͤnnen nicht schreiben, wenn sie nicht vorher dencken. Sie bil- den ( o ) den sich ein, sie muͤsten die Sache, wovon sie schrei- ben wollen, aus dem Grunde verstehen, und ver- derben die edle Zeit mit der unnuͤtzen und laͤcherli- chen Ueberlegung, ob sie auch der Materie, wel- che sie abhandeln wollen, gewachsen sind, bloß darum, weil ein alter Grillenfaͤnger, der, aus vor- setzlicher Boßheit, den Menschen das Schreiben schwer machen wollen, gesaget hat: “ Sumite materiam vestris, qui scribitis, æquam “Viribus, \& versate diu, quid ferre re- cusent. “Quid valeant humeri . . . . . . … Horatius de Arte poëtica. . Von allem diesem Ungemach sind wir frey. Wir erkennen die Schaͤdlichkeit der Vernunft, und kehren uns also wenig an ihre Regeln. Unsere Absicht ist, ein Buch zu schreiben. Diesen Zweck erreichen wir, wenn wir so viel Papier, als dazu noͤthig ist, mit Buchstaben bemahlen. Ob der Sinn, der aus diesen Buchstaben heraus koͤmmt, wenn man sie zusammen setzet, vernuͤnftig ist, oder nicht, daran ist uns wenig gelegen. Wolten wir alles nach der Vernunft abmessen, so muͤsten wir dencken: Und das Dencken greift den Kopf an, nimmt viel Zeit weg, und nuͤtzet doch, wenn man die Wahrheit sagen soll, nichts. So oft unsere Feinde unsere Schriften lesen, sprechen sie: Der Mensch kan nicht dencken; Und dennoch koͤnnen sie unmoͤglich leugnen, daß dieser Mensch, der nicht dencken kan, ein Buch geschrieben habe; weil Kk 2 sie ( o ) sie es in Haͤnden haben. Sie muͤssen also, sie moͤgen wollen oder nicht, gestehen, daß man schrei- ben koͤnne, ohne vorher zu dencken. Wir thun es, und befinden uns wohl dabey. Es ist leichter, und natuͤrlicher, mit den Fingern zu schreiben, als mit dem Kopf. Wer das letzte thut, ist einem Gauckler aͤhnlich, der auf dem Kopfe tanzet. Dieses moͤgen wir nicht von uns ge- saget wissen, und brauchen also unsere Finger, wenn wir schreiben, und nicht den Kopf. Wenn unsere Feinde die Gemaͤchlichkeiten, welche diese Schreib- Art mit sich fuͤhret, einzusehen faͤhig waͤren, so wuͤrden sie uns gewiß beneiden. Nur zweene sind, so viel mir wissend, so weit gekommen, daß sie dieses erkannt haben, und haben daher kein Be- dencken getragen, uns gluͤcklich zu preisen, und den guten Scribenten vorzuziehen. Der eine ist ein Englaͤnder, und beweiset gar gruͤndlich, daß das Dencken nichts nuͤtze, und derjenige, der sich des- selben gantz und gar enthaͤlt, nohtwendig am besten schreiben muͤsse. Er spricht: Here some would scratch their Heads, and try What they should write, and How, and Why. But I conceive, such Folks are quite in Mistakes in Theory of Writing. If once for Principle ’tis laid That Thought is Trouble to the Head. I argue thus: The World agrees That He writes well, who writes with Ease. Then ( o ) Then He, by Seqval logical, Writes best, who never thinks at all Priors Poems T. 1. p. 12. Der kratzt den Kopf, sinnt Zweifels-voll Was, wie, warum er schreiben soll; Doch merck ich selbst aus seinem Fleiß, Daß er vom Schreiben wenig weiß. Denn haͤlt man diesen Satz bewaͤhrt, Daß dencken nur den Kopf beschwert. So folgt auch: Es gesteht die Welt, Der schreibt gut, dem’s nicht muͤhsam faͤllt. Draus macht selbst die Vernunft den Schluß, Daß der, so niemahls denckt, am besten schrei- ben muß. Mich deucht dieser Beweiß ist unumstoͤßlich. Der andere ist ein Franzose, und “O bienheureux Ecri-„ vains, rufet er aus, Mr. de Saumaise en Latin,„ \& Mr. de Scuderi en François! J’admire vôtre„ facilité, \& j’admire vôtre abondance. Vous„ pouvez écrire plus de Calepins, que moi d’ Al-„ manachs. Bienheureux, faͤhrt er fort, les Ecri-„ vains qui se contentent si facilement, qui ne„ travaillent que de la memoire \& des doigts,„ qui sans choisir écrivent tout ce qu’ils savent„ Balzac Liv. 23. Lett. 12. . Jst es nicht ewig Schade um die ehrlichen Maͤnner, daß sie, da sie so viele Erleuchtung hat- ten, sich nicht bestrebet haben, uns gleich zu wer- den? Sie haben uͤbel bey sich gehandelt. Jch be- klage sie, und halte sie, als Zeugen der Wahr- heit, ungemein hoch. Solten sie jetzund noch le- Kk 3 ben, ( o ) ben, da meine vortrefliche Schrift zum Vorschein koͤmmt, so wuͤrden sie unstreitig gantz umgekehret, und neue Menschen werden. Jch kehre wieder zu meinem Zweck, und sage, daß wir, wenn wir schreiben wollen, die Pruͤfung unserer Kraͤfte, mit welcher sich unsere Feinde quaͤ- len, vor eben so unnuͤtz halten, als Vernunft und Nachdencken. Wir brauchen so vieler Umstaͤn- de nicht. Wir haben die besondere Gabe von der Natur, daß wir schreiben koͤnnen, was wir nicht gelernet haben, und von Sachen urtheilen koͤnnen, die wir nicht verstehen. Wir schreiben gantze Buͤ- cher von der Moͤglichkeit einer ewigen Welt, und handeln die schwersten Fragen aus der Welt-Weiß- heit, auf eine gantze eigene Weise, ab, ob wir gleich nichts davon begreifen. Philippi kan unbesehens von den Schriften urtheilen, die vor und wider die wolfische Philosophie herausgekommen sind. Sievers, der kaum seinen Cathechismus weiß, ist doch geschickt, andere zu lehren, was der seeligma- chende Glaube sey, und Rodigast kan die ungeheure- sten Wercke aus dem Lateinischen ins Deutsche uͤber- setzen, ob er gleich weder Latein noch Deutsch beste- het, und niemand, ja vielleicht er selbst nicht weiß, was er vor eine Sprache redet. Haͤtte dieses edle Klee-Blat elender Scribenten sich lange besinnen, und seine Kraͤfte untersuchen wollen, ehe es die Fe- der ansetzte, so will ich wetten, wir wuͤrden noch nicht wissen, ob es in der Welt sey. Allein wir elende Scribenten sind so mißtrauisch gegen uns selbst nicht: Weil wir wissen, daß uns, auch bey der groͤsten Schwachheit, alles moͤglich ist. Diese ( o ) Diese vortrefliche Eigenschaft erhebet uns un- endlich uͤber unsere Feinde. Ein guter Scribent muß seine besten Jahre mit einem verdrießlichen Lernen verderben: Weil er die aberglaͤubige Einbil- dung hat, man koͤnne sonst nicht schreiben. Wir hergegen fangen gantz fruͤhe an zu schreiben, und warten nicht biß die boͤsen Tage kommen, und die Jahre herzu treten, da man sagt: Sie gefallen mir nicht. Wir koͤnnen gleich, ohne alle Vorberei- tung, zum Wercke, schreiten, und ehe ein guter Scribent mit der Einsammlung der Sachen fertig ist, die er zu seinem Zweck noͤthig achtet, haben wir uns zehnmahl in Kupfer stechen lassen, und den be- sten Platz in den Buch-Laͤden eingenommen. Ein guter Scribent mag seine Zeit noch so wohl ange- wandt und sich zum Schreiben so geschickt gemacht haben, als er immer will, so wird er doch allezeit gestehen, daß einige Materien ihm zu hoch sind, und selbst von denen, die er verstehet, nicht ohne vorhergegangene Ueberlegung und mit Furcht und Zittern schreiben. Uns ist keine Materie zu hoch. Wir wissen alles, ob wir gleich nichts wissen. Wir schreiben drauf loß und kehren uns an nichts. Und daher hat die Welt von uns die besten Dienste. Wir entdecken eine unsaͤgliche Menge der gefaͤhr- lichsten Jrrthuͤmer, die unsere Feinde gemeiniglich uͤbersehen, und das in Schriften, die wir nicht ge- lesen haben, und die wir, wenn wir sie lesen, kaum verstehen. Wir sind die eyferigsten Vertheidiger der Wahrheit, und ein Schrecken der Ketzer. Wir entdecken sie, wie sehr sie sich auch verbergen: Und ob wir gleich nicht wissen, was Ketzer und Ketzerey ist; Kk 4 So ( o ) So kan uns doch keiner entwischen; weil wir wie die Hunde, die das Capitolium bewacheten, den sichersten Weg gehen Cicero Orat. pro Sex. Roscio Amerino. Canes aluntur in Capitolio, ut significent, si fures ve- nerint. At fures internoscere non possunt, signi- ficant tamen si qui noctu in Capitolium venerint, \& quia id est suspieiosum, tametsi bestiæ sunt, tamen in cam partem potius peccant, quæ est cautior. , und alles, was uns verdaͤchtig vorkoͤmmt, anbellen. Unsere Feinde ver- dencken es uns, daß wir so oft einen unnuͤtzen Lerm erregen. Sie wollen, daß man mit Behutsamkeit und Verstand eyfere: Aber eben dadurch verrathen sie ihre Schwaͤche, und geben uns das Zeugniß, daß wir ohne Nachdencken und Verstand eine der wichtigsten Pflichten eines Wahrheit und Ord- nung-liebenden Menschen beobachten koͤnnen, wel- ches gewiß nichts geringes ist. Alles, was ich bißher gesaget habe, ist unstreitig und klar. Aber, da mir die Hartnaͤckigkeit und Boßheit unserer Feinde bekannt ist, so sehe ich vor- her, daß sie mit einem hoͤhnischen Gelaͤchter sagen werden: „Sie machten uns unsere Vortreflichkeit „nicht streitig. Sie glaubten gerne, daß wir ohne „Vernunft, ohne Nachdencken, und ohne vorher- „gegangene Pruͤfung unserer Kraͤfte schreiben koͤnn- „ten. Allein unsere Schriften wuͤrden denn auch „darnach. Wir haͤtten wenig Ehre davon. Nie- „mand wolte sie kaufen, niemand laͤse sie, und wer „sie laͤse lachte daruͤber und zischte uns aus.‟ Die- ser Einwurf kan vielen erschrecklich vorkommen; Mir aber nicht. Denn ein elender Scribent kan auch ( o ) auch gruͤndliche Einwuͤrfe mit Nachdruck wieder- legen, und seinen Feinden zeigen, daß sie Unrecht haben, wenn er ihnen gleich zugiebt, sie haͤtten Recht. Jch sehe dieses als eine Kleinigkeit an, und will es eben nicht mit unter unsere Vortreflich- keiten zehlen. Ein billiger Leser wird vor sich schon wissen, was er davon dencken soll. Jch darf mich auch vor dieses mahl so nicht angreifen, sondern be- gnuͤge mich, unsern Feinden mit aller Bescheiden- heit zu sagen, daß ihr Einwurf nichts bedeute, und alles, was sie sagen, grundfalsch sey. Wir sind mit der Ehre, welche uns unsere Schrif- ten bringen, wohl zu frieden. Sind wir nicht so gluͤcklich, daß wir den Beyfall der guten Scri- benten erhalten, so muͤssen wir uns damit troͤsten, daß es allezeit noch so billige Gemuͤther giebt, die das veraͤchtliche Urtheil, welches die guten Scri- benten von unsern Schriften faͤllen, vor verdaͤch- tig halten, weil es von unsern Feinden herruͤhret, und sich dadurch nicht abschrecken lassen, unsere Schriften zu lesen. Unsere Schriften moͤgen also beschaffen seyn, wie sie wollen, so finden sie doch allemahl einen Verleger, Kaͤufer und Leser. “… ils trouvent pourtant quoiqu’on en puisse dire “Un Marchand pour les vendre, \& des Sots pour les lire Boileau Sat. 2. . Man frage nur die Buch-Haͤndler, ob nicht die Postillen, Romane, Brief-Steller, poetische Hand-Buͤcher, und Trichter, Reim-Register, Kk 5 Nota- ( o ) Notariat-Kuͤnste, Complimentir-Buͤchlein, der Eulenspiegel, und dergleichen schoͤne und nuͤtzliche Wercke den besten Abgang haben? Wie begierig sind nicht Happels und Menantes Schriften ge- kauft worden? Und Uhsens wohl-informirter Red- ner ist wenigstens neun mahl aufgeleget. Huͤb- ners Oratorie hat eben das Gluͤck gehabt, und ich muß mich also wundern, wie unsere Feinde so un- verschaͤmt seyn, und sagen koͤnnen, daß niemand un- sere Schriften kaufen wolle, und das um so viel mehr, weil sie selbst am hitzigsten darauf sind, und nicht allein unsere Schriften mit Lust lesen, sondern auch durch ihre sinnreiche Spoͤttereyen dieselben bekannt, und andere, sie zu sehen, begierig machen. Wir haben also das Vergnuͤgen, daß selbst unsere Fein- de unsern Nahmen herrlich machen muͤssen. Sol- ten sie sich entschliessen, uns in Ruhe zu lassen, so wuͤrde unser Ruhm nicht halb so weit erschallen. Jndessen wuͤrde es uns doch niemahls an einer Menge Verehrer, und Bewunderer gebrechen. Un- sere Schriften sind so beschaffen, daß sie dem Poͤ- bel nothwendig gefallen muͤssen: weil sie nach sei- nem Begrif eingerichtet sind. Wir entfernen uns nicht einen Finger breit von den gemeinen Vorur- theilen. Wir versteigen uns nicht zu hoch in un- sern Betrachtungen, sondern halten uns herunter zu dem Niedrigen. Dieses macht unsere Wercke dem groͤsten Haufen verstaͤndlich, und erwirbt uns seinen Beyfall. Die guten Scribenten sind so gluͤck- lich nicht. Jhre Schriften sind den meisten zu hoch: weil sie mit Vernunft gemacht sind. Sie werden also von wenigen gelesen, und von noch wenigern gelobet: ( o ) gelobet: Weil niemand leicht an Sachen, die er nicht verstehet, Geschmack findet. Tantum quis- que laudat quantum se posse sperat imitari Cicero in Oratore. . Die guten Scribenten sind naseweise und wollen alle Welt meistern. Sie tadeln die gemeinen Thorheiten, und haben das Hertz, die Wahrheit zu sagen, die doch so bitter ist. Dieses setzt kein gut Gebluͤt zwischen ihnen, und den meisten ihrer Leser, und bringt ihnen keinen andern Vortheil, als daß man sie vor eigensinnige Grillenfaͤnger haͤlt, und auslachet. “ Hos populus ridet multumque torosajuven- tus “Ingeminat tremulos naso crispante cachin- nos Persias Sat. 3. . Ja man siehet sie vor gefaͤhrliche, unruhige Koͤpfe an, und hasset sie. Die guten Scribenten sind viel zu klug, als daß sie dieses nicht mercken solten. Sie wissen es, und sind sich, wenn sie sich recht besinnen, selbst desfals gram. Sie erkennen auch, daß aller Haß, den der groͤste Haufe gegen sie, und die Verachtung, welche er gegen ihre Schriften blicken laͤsset, bloß daher ruͤhret, weil sie ihre Ver- nunft, wider die Gewohnheit des menschlichen Ge- schlechts, gar zu sehr gebrauchen, und es ist kein Zweifel, daß sie, ins geheim, die Vernunft, als eine Quelle ihres Ungluͤcks oft verfluchen. Cicero wenigstens hat gegen einen seiner besten Freunde, in Vertrauen, aufrichtig gestanden, daß er was darum ( o ) darum geben wolte, wenn er der seinen mit Ehren loß waͤre. “Fama, spricht er Lib. IX. Epist. ad Atticum Ep. 16. , ingenii mihi “est abjicienda; quod si possem, non recusarem.” Aber dennoch sind sie viel zu hallstarrig und hoch- muͤthig, als daß sie ihr Elend oͤfentlich bekennen solten. Stellet man ihnen vor, wie groß die Menge de- rerjenigen sey, welche sich an den Schristen elen- der Scribenten erquicken, und wie klein hergegen das Haͤuflein derer, welche die ihrigen lesen; so sprechen sie: “Sie bekuͤmmerten sich um den Bey- „fall des einfaͤltigen und ungelehrten Poͤbels wenig, „und waͤren zu frieden, wenn auch nur ein oder „zweene rechtschaffen gelehrte Maͤnner von ihrer „Arbeit ein gutes Urtheil faͤllten. Wenn von der „Guͤte einer Schrift die Frage sey, komme es auf „die Mehrheit der Stimmen nicht an, und sey es „eben ein gewisses Kennzeichen der Stuͤmper, sich „auf den Beyfall des gemeinen Volcks, und der „Ungelehrten zu berufen. Es ist ein Gluͤck vor die guten Scribenten, daß sie sich selbst so artig zu troͤsten wissen: Aber ich befuͤrchte, diese Trost-Gruͤnde werden, zur Zeit der Anfechtung, den Stich nicht halten: Denn sie sind von Hertzen schwach. Jch will nicht sagen, daß es ziemlich liederlich herauskoͤmmt, wenn die guten Scribenten sprechen, sie bekuͤmmerten sich wenig darum, was die Leute von ihnen urtheilten: Ehrliebende Gemuͤther sind gantz anders gesinnet, und suchen, so viel moͤglich, auch den geringsten zu gefallen; ( o ) gefallen; Sondern ich will nur anmercken, daß es ein unertraͤglicher Stoltz sey, den Beyfall des Poͤ- bels so geringe zu achten, und diejenigen vor Stuͤm- per zu schelten, die sich groß damit wissen. Die guten Scribenten stehen unstreitig in dem Wahn, als wenn die Ungelehrten gantz und gar ungeschickt sind, von ihren herrlichen Schriften zu urtheilen: Aber sie koͤnnten leicht inne werden, wie irrig die- se Einbildung sey, wenn sie nur belieben wolten, zu bedencken, daß insgemein davor gehalten wird, ein Frauenzimmer koͤnne nicht so gut von der Schoͤn- heit eines andern Frauenzimmers urtheilen, als eine Manns-Person. Die Ursache ist; weil ein jedes sich vor das schoͤnste haͤlt, und andere neben sich verachtet. Die Gelehrten gleichen, in diesem Fall, den Weibern vollkommen, und es ist kein eintziger, wie elend es auch um ihn bestellet ist, der sich nicht in seinem Hertzen kluͤger duͤncken solte, als alle seine Bruͤder. Es muß also nothwendig, Haß und Neid, zwo Leidenschaften, die vor an- dern einem unpartheyischen Urtheil entgegen sind, unter den Gelehrten herrschen. Die Ungelehrten sind von diesen Afecten frey, und urtheilen folglich unpartheyisch von den Schriften, die ihnen vor- kommen. Solte dann ihr Urtheil nicht hoͤher zu schaͤtzen seyn, als das Urtheil einiger neidischen Ge- lehrten, die nichts, als ihre eigene Arbeit hoch halten, und, natuͤrlicher Weise, alles, was sie nicht ge- macht haben, tadeln muͤssen? Mich deucht, wer sich dem Ausspruch so unpartheyischer Richter nicht unterwerfen will, der laͤst ein schlechtes Vertrauen zu seiner Sache von sich blicken, und muß kein gut Gewissen haben. Die- ( o ) Dieser Verdacht wird gehoben, wenn gleich die guten Scribenten sprechen wolten: Die Unge- lehrten verstuͤnden die Schriften der Gelehrten nicht, und koͤnnten also nicht davon urtheilen. Denn die- se Ausflucht wuͤrde sich auf nichts gruͤnden, als auf den laͤcherlichen Wahn, daß man allemahl die Sache, von der man urtheilet, verstehen muͤsse. Jch bilde mir ein, daß ich diese Grille schon uͤber- fluͤssig widerleget habe. Wir elende Scribenten urtheilen von vielen Sachen, die wir nicht verste- hen: der Poͤbel kan die Kunst auch; und sind die guten Scribenten so geschickt nicht, so ist es ein Un- gluͤck vor sie: Aber sie werden so gut seyn, und von der Faͤhigkeit anderer nicht nach ihrer eigenen urtheilen. Jch solte nicht meinen, daß die guten Scribenten mir einwerfen werden: Sie wuͤsten wohl, daß es Leute gaͤbe, die verwegen genug waͤ- ren von Sachen zu urtheilen, die sie nicht verste- hen: Allein es muͤste so nicht seyn: Denn dieses waͤre ein verzweifelter Satz, wodurch die Gelehr- ten mit den geringsten und veraͤchtlichsten Hand- wercks-Leuten in eine Classe wuͤrden gesetzet werden. Bey diesen muß niemand, als die Aeltesten einer Zunft von der Arbeit eines jungen Meisters urthei- len. Die Gelehrten wissen von einer solchen Ver- fassung nichts, und es ware ihnen auch in der That schimpflich, wenn sie sich Leuten gleich stellen wol- ten, die in ihren Augen so veraͤchtlich sind. Da nun ein jeder, er mag es verstehen oder nicht von den Schriften der Gelehrten zu urtheilen nicht nur geschickt, sondern auch befugt ist, so moͤch- te ich wohl wissen, was uns hindern solte, auf den Bey- ( o ) Beyfall des groͤsten Haufens zu trotzen? Und ob es nicht ein laͤcherlicher Hochmuht sey, daß unsere Feinde sich so wenig darum bekuͤmmern? Diese Leute muͤssen gantz besondere Creaturen seyn. Es ist kein Mensch, ausser sie, zu finden, der nicht wuͤnschen solte, von den meisten gelobet zu werden. . . . . . . An erit, qui velle recuset Os populi meruisse? . . . . . . . . . Persius Sat. 1. Dem vortrefllichen Redner Demosthenes, den unsere Feinde so hoch halten, thate es gewiß gantz sanfte, als eine geringe Frau zu Athen ihrer Freun- din, doch so, daß er es hoͤrte, ins Ohr sagte: Das ist der Demosthenes Cicero Tuscul. Quast, Lib. V. Demosthenes, … illo susurro delectari se dicebat aquam ferentis mulierculæ, ut mos in Græcia est, insusurtantique alteri: Hic est ille De- mosthenes. : Und mein Freund Sie- vers wuͤrde laͤngst vor Kummer, wie ein Sche- men, vergangen seyn, wenn nicht das Lob der al- ten Weiber, und das guͤtige Urtheil der Karren- Schieber, Last-Traͤger, und anderer ehrlichen Maͤnner, Poͤbel-Volcks, ihn in seinem schweren Leiden aufrichtete, und seine Gebeine fett machte. Er hat Ursache, sich groß damit zu wissen, und sich desfals einzubilden, er sey ein stattlicher Scri- bent, und die es anders sagen, boßhafte Laͤsterer: Denn wer wolte so vielen ehrlichen, und unpar- theyischen Personen beyderley Geschlechts nicht glauben? egre- ( o ) .. egregium cum me vicinia dicat Non credam? . . . . . . . Persius Sat. 4. . Und muß man also nicht uͤber die Frechheit unserer Feinde erstaunen, die sich nicht scheuen, der uns bewundernden Menge ins Angesicht zu widerspre- chen, und, ob sie gleich uͤberstimmet sind, dennoch von der uͤbeln Meinung, welche sie von uns hegen, nichts fallen lassen wollen? Daß sie sprechen: Die Mehrheit der Stimmen gelte in diesem Falle nicht, kan gewiß ihr Verfah- ren nicht rechtfertigen. So reden die Ketzer auch, und haben doch Unrecht, weil sie Ketzer, das ist, uͤberstimmet sind. Unsere Feinde muͤssen gewiß auch nicht reiner Lehre seyn; denn wie waͤre es sonst moͤglich, daß sie auf so gottlose Gedancken verfie- len? Wenn die Frage von der Guͤte einer Schrift, oder von der Wahrheit eines Satzes ist, so hat die Mehrheit der Stimmen kein statt, sagen sie: Heis- set dieses aber nicht offenbar der Kirche Christi, die es zu allen Zeiten, in weit wichtigern Faͤllen, auf die Mehrheit der Stimmen hat ankommen lassen, eine entsetzliche Thorheit und Ungerechtigkeit vor- werfen? Es ist ein Gluͤck vor uns, daß die heili- gen Kirchen-Vaͤter kluͤger gewesen sind. Haͤtten unsere Feinde vor 13. oder 1400. Jahren gelebet, und etwas zu sagen gehabt, so waͤre kein einziges Concilium gehalten worden, und die Ketzer wuͤrden freye Haͤnde gehabt haben, den Weinberg der christlichen Kirche, nach Belieben, zu verwuͤsten. Jch erschrecke, wann ich daran gedencke, und bitte ( o ) bitte unsere Widersacher, in sich zu gehen, und ein- mahl zu erwegen, wohin ihr Haß gegen uns sie ver- leite. Sie sehen wohl, daß sie, so lange sie ver- nuͤnftig schreiben, den Beyfall des groͤssesten Hau- fens nicht erlangen koͤnnen. Sie machen es also wie der Fuchs in der Fabel, und verachten das, was ih- nen nicht werden kan. Sie stossen in Unmuth, Worte heraus, die erschrecklich sind, und machen da durch ihren Geruch bey den unpartheyischen, welche sie, gar veraͤchtlich, den Poͤbel nennen, noch stinckender. Jch bedaure sie desfals, ob ich gleich wohl weiß, daß sie uͤber mein Mitleiden nur lachen werden: Denn ich bin versichert, es werde sie ein- mahl gereuen, daß sie die Ehrerbietung, welche sie dem groͤssesten Haufen schuldig sind, aus den Au- gen gesetzet haben. Sie werden gewiß die Laͤster- Worte, die sie wieder den Poͤbel reden, um so viel schwerer zu verantworten haben, je besser sie wissen, daß die Stimme des Volcks so viel gelte, als die Stimme GOttes. Vox populi, vox Dei. Und uͤberdem muͤssen sie sich nicht einbilden, daß die Menge, die uns und unsern Schriften hold ist, aus lauter elenden, geringen und nichtswuͤrdigen Leu- ten bestehe. Sie koͤnnen glauben, daß sich viele vornehme und angesehene Maͤnner aus allen Staͤn- den darunter befinden: Denn GOtt giebt denen, welche er, in seinem Zorn, groß machet, nicht alle- mahl, mit der Wuͤrde, so viel Verstand, als man noͤthig hat, wenn man an guten Schriften ein Ver- gnuͤgen finden will, und man hat schon lange ange- mercket, daß diejenigen, welche die wichtigsten Aemter verwalten, und die groͤssesten Ehren-Stel- Ll len ( o ) len bekleiden, wie viel sie auch sonst auf sich halten, doch gemeiniglich so bescheiden gewesen sind, daß sie sich in ihren Urtheilen wenig oder gar nicht von dem Poͤbel entfernet, sondern sich zu allen Zeiten nicht so sehr durch den guten Geschmack, als durch die Kleidung von demselben zu unterscheiden gesuchet haben. “Mirari quidem non debes, sagt Sene- “ca Epist. CXIV. , corrupta excipi, non tantum a corona „sordidiore, sed ab hac turba quoque cultiore: „Togis enim inter se isti, non judiciis distant. Es ist also eine unverantwortliche Grobheit, daß unsere Feinde von dem Poͤbel so veraͤchtlich reden, unter welchem sich doch Leute befinden, denen sie al- le Ehrerbietung schuldig, und die im Stande sind, die Verachtung, welche man gegen ihr Urtheil be- zeuget, mit Nachdruck zu raͤchen. Jch wuͤnsche nicht, daß die guten Scribenten dieses jemahls er- fahren moͤgen: Aber es sollte mir eine Freude seyn, wenn diese Herren, durch meine gegruͤndete Vor- stellungen endlich einmahl begriffen; daß unsere Schriften den meisten gefallen; daß der Beyfall des groͤsten Haufens nicht zu verachten sey; daß derje- nige, der sich darauf beruft, kein Stuͤmper ist; daß wir elende Scribenten mit Recht darauf tro- tzen, und daß uns dieser Beyfall des Poͤbels einen grossen Vorzug vor unsern Feinden giebt, und unse- re Vortreflichkeit eben so unstreitig macht als der Ausspruch des Orakels die Weißheit des Socrates. Jch habe dieses handgreiflich erwiesen: Allein was wirds helfen? So lange unsere Feinde noch sehen, ( o ) sehen, daß viele elende Scribenten in der aͤussersten Verachtung leben, und ihre Schriften entweder gar nicht abgehen, oder nur von Leuten gekauft werden, die daruͤber lachen und spotten, werden sie immer dabey bleiben, daß eine Schrift, die ohne Vernunft gemacht ist, ihrem Urheber wenig Ehre bringe. Nun koͤnnte ich zwar dieses mit eben dem Fug leugnen, als meine Bruͤder leugnen, daß sie elende Scribenten sind: Allein ich mache mir ein Gewissen, dem Augenschein zu widersprechen. Es ist leyder! mehr als zu wahr, daß viele meiner Bruͤ- der von aller Muͤhe, die sie auf ihre Schriften wen- den, nicht so viel haben, daß auch nur ein einziger ihre Arbeit lobe. Es ist unstreitig, daß eine gute Anzahl elender Schriften nimmer des Tages Licht siehet, und von denen Motten verzehret wird. Vie- le brauchen die Buchhaͤndler zu Maculatur, und einige haben gar das Ungluͤck, daß sie, wenn sie kaum aus der Presse kommen, nach dem Ge- wuͤrtz-Laden geschickt werden. . . . . in vicum vendentem thus \& ordores, Et piper, \& quicquid chartis amicitur ineptis Horatius Lib. II. Ep. I. . Aber dieses widrige Schicksal elender Schriften, an welchem sich unsere Feinde aͤrgern, kan unmoͤg- lich das, was ich von den Vorzuͤgen, und von der Vortreflichkeit der elenden Scribenten geschrie- ben habe, umstossen, und unwahr machen. Keine Regel ist ohne Ausnahme; Und wenn ich sage, daß Ll 2 alles, ( o ) alles, was unvernuͤnftig ist, dem Poͤbel am besten gefalle, so begehre ich nicht zu leugnen, daß nicht bißweilen eine unvernuͤnftige Schrift von dem groͤ- sten Haufen anders, als es billig seyn solte, aufge- nommen werde. Jch weiß wohl, was solchen Schriften oͤfters zu begegnen pfleget. Aber alles, was ihnen begegnet, sind Ungluͤcks-Faͤlle, nach welchen man, ohne Unbilligkeit, von ihrem inner- lichen Werth nicht urtheilen kan, und woruͤber die guten Scribenten sich um so viel weniger zu kuͤtzeln Ursache haben, je gewisser es ist, daß ihre Schrif- ten denselben eben so wohl unterworfen sind, als die unsern. Es ist noch eine grosse Frage, ob mehr schlechte, als gut Schriften verlohren gegangen? Und mißbraucht man unsere Blaͤtter zu Pfeffer- Teuten, so hat man wohl eher in den Schriften des Livius Kaͤse gewickelt. Gesetzt aber, es wiederfuͤhre dieses Ungluͤck un- sern Schriften nur allein. Gesetzt es fiele dadurch alles, was ich von dem Vorzug, den die elenden Scribenten, in Ansehung der Anzahl ihrer Bewun- derer, vor den guten haben, bißhero geschrieben, gaͤntzlich uͤbern Haufen; So wuͤrde doch dadurch der wesentlichen Vortreflichkeit meiner Bruͤder nicht das geringste abgehen; weil dieselbe sich nicht auf die Gedancken, die andere von uns haben; son- dern auf unsere eigene Empfindung, und auf die gute Meinung, welche wir von uns selbst hegen, gruͤndet. Unsere Feinde betriegen sich, wenn sie meinen, daß ich unsere Vortreflichkeit in dem Bey- fall des groͤsten Haufens suche. Was ich davon geschrieben habe, das hat kei- nen ( o ) nen andern Zweck, als sie zu uͤberfuͤhren, daß der Mangel der Vernunft uns nicht so veraͤchtlich ma- che, als sie sich einbilden; sondern uns vielmehr die Hochachtung des uns gleichgesinnten Poͤbels, und folglich der meisten Menschen erwerbe. Aber glauben sie denn, daß wir ohne diese Hochachtung nicht gluͤcklich seyn koͤnnen? Jch gestehe, es ist eine angenehme Sache, von vielen gelobet zu wer- den: Allein mich deucht, wir wuͤrden doch wohl bleiben, wer wir sind, wenn wir gleich von aller Welt ausgezischet, und unsere Schriften von nie- mand gelesen, oder von allen, die sie lesen, geta- delt wuͤrden. Der Mangel der Vernunft, der uns das Schreiben so leicht, und unsere Schriften dem Poͤbel so angenehm machet, wuͤrde uns auch, auf dem Fall, Dienste thun, wenn der Poͤbel sich zu unsern Feinden schluͤge, und wir wuͤrden in unserm Ungluͤck groͤsser seyn, als bey gluͤcklichen Tagen. Unsern Feinden kan dieses nicht unglaublich vor- kommen: denn sie kennen unsere Großmuth, un- sere Gedult, unsere Gelassenheit. Wir haben ih- nen, seit der Zeit, daß sie uns geaͤngstiget haben, so viele ausnehmende Proben davon gegeben, daß sie daruͤber erstaunet sind. Was wuͤrden sie also nicht sagen, wenn sie sehen solten, wie wenig wir uns daraus machen wuͤrden, wenn gleich alle, die uns sonst noch hochgehalten, mit ihnen auf uns loß stuͤrmeten? Sie hielten es nicht aus, wenn ihnen dergleichen begegnete, daß weiß ich wohl: Aber ich kan versichern, daß wir dieses Ungluͤck, wie groß es auch seyn mag, nicht einmahl empfinden wuͤrden. Wie wenig Verstand wir auch haben, so be- Ll 3 greifen ( o ) greifen wir doch, daß es naͤrrisch sey, seine Gluͤck- seligkeit in Dingen zu suchen, die ausser uns sind. Unser Wahl-Spruch ist: . . . . . . . . ne te quæsiveris extra Persius Sat. 1. Und die Natur, die wohl vorhergesehen hat, daß wir wegen unserer Schriften viele Anfechtungen haben wuͤrden, hat uns dergestalt wider die Anlaͤufe unse- rer Feinde gewafnet, daß alle Pfeile der Spoͤtter, wie spitzig, und scharf sie auch sind, uns nicht die ge- ringste schmertzhafte Empfindung verursachen koͤn- nen. Eine innerliche Empfindung unserer Vollkom- menheiten ersetzet den Mangel eines fremden Lobes, mit welchem sich unsere Feinde so groß wissen, und troͤstet uns kraͤftiglich, wann man unser spottet. “Ridentur mala qui componunt carmina: verum “Gaudent scribentes, \& se venerantur, \& ultro “Si taceas, laudant, quicquic scripsere bea- ti Horat. Lib. II. Ep. 2. Unsere Schriften fuͤhren also, wie die Tugend, ihre Belohnung mit sich, und wir haben nicht noͤthig, den Lohn unserer Arbeit von andern zu erwarten. Ein gewisser Lehrer der Roͤmischen Kirche hat hier- uͤber gar artige Gedancken. Er meint, GOtt be- zeige sich eben so gnaͤdig und gerecht gegen uns, als gegen die Froͤsche. Denn wie er diesen die Gnade gebe, daß sie sich selbst an ihrem, eben nicht gar angenehmen, Gesang belustigten: So habe er es, in ( o ) in Ansehung unserer, so weißlich gefuͤget, daß wir, da niemand unsere Verdienste erkennen will, eine ungemeine Zufriedenheit mit uns selbst haͤtten. Selon la justice, spricht er, tout travail honnê-„ te doit être recompensé de louange ou de satis-„ faction. Quand les bons Esprits font un ouvra-„ ge excellent, ils sont recompensés par les ap-„ plaudissemens du Public. Quand un pauvre„ Esprit travaille beaucoup pour faire un mauvais„ ouvrage, il n’est pas juste ni raisonnable qu’il„ attende des louanges publiques; car elles ne„ lui sont pas dûës: Mais à fin que ses travaux„ ne demeurent pas sans recompense, Dieu lui„ donne une satisfaction personelle, que person-„ ne ne lui peut envier sans une injustice plus„ que barbare. Tout ainsi que Dieu qui est ju-„ ste, donne de la satisfaction aux Grenouilles„ de leur chant: autrement le blâme public, joint„ à leur mécontentement, seroit suffisant pour„ les reduire au desespoir Le P. Francois Garasse, Somme Theolog. Liv. II. p. 419. .“ Leute, vor die der Himmel so sonderlich gesor- get hat, koͤnnen sich leicht uͤber die Verachtung, welche die boͤse Welt gegen sie bezeiget, zu frieden geben, und unsere Feinde koͤnnen dahero, wofern es ihnen beliebet, leicht die Ursache ergruͤnden, war- um ihre Spoͤttereyen, durch welche sie uns wehe thun wollen, so fruchtloß sind. Unsere Zufrieden- heit mit uns selbst macht ihre boßhafte Bemuͤhung vergeblich: Und ich werde also nicht zu viel sagen, wenn ich behaupte, daß dieselbe die groͤsseste unse- Ll 4 rer ( o ) rer Vortreflichkeiten, und der Grund unserer Gluͤck- seeligkeit sey. So lange wir mit uns selbst zu frieden sind, und an unserer Arbeit ein Vergnuͤgen finden, wird alles, was unsere Feinde gegen uns vornehmen, viel zu wenig seyn, uns ungluͤcklich zu machen, und unsere Gemuͤths-Ruhe zu stoͤhren. Cicero nennet die Anhaͤnger des Epicurus gluͤcklich, und giebt keine andere Ursache davon, als weil sie sich es einbildeten. Sunt enim , spricht er de Oratore Lib. III. , \& boni viri, \&, quoniam sibi ita videntur , beati. Da wir nun eben diese Einbildung haben, so moͤchte ich den sehen, der uns den geringsten Verdruß erwe- cken koͤnte. Ein elender Scribent ist weit uͤber die Laͤ- sterungen und Spoͤttereyen seiner Neider erhaben. “Celsior exsurgit pluviis, auditque ruentes „Sub pedibus nimbos, \& rauca tonitrua cal- cat Claudianum de Mall. Theodos. Consul. v. 206. . Man stelle ihm seine Einfalt, seine Unwissenheit, seine Thorheit, und Ungeschicklichkeit so deutlich, und lebhaft vor, als man immer will; Er wird doch dabey bleiben, daß die Natur an ihm ihr Meister-Stuͤck bewiesen habe, und sich an seinen Schriften, die andere ohne Eckel nicht lesen koͤn- nen, auf seine eigene Hand belustigen. Jch sehe nicht, was wider einen solchen Men- schen auszurichten ist? Er ist unuͤberwindlich, und die guten Scribenten thun thoͤrigt, daß sie sich be- muͤhen, ihn auf andere Gedancken zu bringen. Die Klagen, ( o ) Klagen, welche die guten Scribenten uͤber unsere Hartnaͤckigkeit fuͤhren, zeigen deutlich, daß sie die Eitelkeit ihres Beginnens selbst erkennen. Sie muͤssen also auch wider ihren Willen gestehen, daß Leute, die so sehr von sich eingenommen sind, daß man ihnen auf keinerley Weise die suͤsse Einbildung von ihrer Vortreflichkeit, und die daher fliessende Zufriedenheit mit ihrem Zustande rauben kan, die allergluͤckseeligsten Creaturen sind. Jst es nun nicht, wie der Pater Garasse sagt, barbarisch ge- handelt, wenn man seinem Neben-Christen sein Gluͤck nicht goͤnnet? Diesesheisset die Boßheit aufs hoͤchste treiben; und unsere Feinde solten sich also schaͤmen, von uns zu verlangen, daß wir die Ver- nunft gebrauchen sollen. Es ist dieses ein Ansinnen, so nicht hoͤflicher und christlicher heraus koͤm̃t, als wenn ich einen ersuchen wolte, er moͤchte doch so gut seyn, und sich von einem Felsen herabstuͤrtzen; Und koͤnn- ten unsere Feinde uns zu der Thorheit verleiten, so waͤre es um uns geschehen, und wuͤrden wir hin- fort keine froͤhliche Stunde haben. Denn mit dem Gebrauch der Vernunft kan die Zufriedenheit, die uns so gluͤcklich macht, und uns vor unsern Feinden einen so grossen Vorzug giebt, unmoͤglich bestehen. So bald wir der Vernunft zu viel Willen lassen, nimmt sie sich Freyheiten heraus, die unertraͤglich sind. Sie hat die boͤse Gewohnheit, daß sie allen, die ihr zu viel Gehoͤr geben, den vermaledeyten Rath giebt, sie solten suchen, sich selbst kennen zu lernen. Das waͤre uns elenden Scribenten eben Recht. Der Mangel der Selbst-Erkaͤnntniß ist der einzige Grund unserer Ll 5 Zu- ( o ) Zufriedenheit; Und wir muͤsten also weit naͤrrischer seyn, als unsere Feinde glauben, wenn wir nicht, mit aller Macht, unsere Vernunft, die so verfuͤh- risch ist, im Zaum hielten. Wenn meine drey Freunde, Sievers, Philippi und Rodigast, sich selbst kenneten, so waͤren sie laͤngst in Verzweifelung gerathen, und haͤtten sich vielleicht schon selbst Leid angethan. Aber so leben sie noch, und sind lustig und guter Dinge. Jhre Feinde wundern sich daruͤber; Aus keiner andern Ursache, als weil sie die Vortreflichkeiten und Vorzuͤge der elenden Scribenten nicht gebuͤhrend einsehen. Haͤt- ten sie aber die Alten gelesen, so wuͤrde ihnen die Unempfindlichkeit, und Zufriedenheit, welche die erwehnten drey Maͤnner mitten in ihrem Ungluͤck, eben wie Sadrach, Mesach, und Abed Nego in dem feurigen Ofen, von sich blicken lassen, nicht die geringste Verwunderung verursachen. Plinius Hift. Nat. Lib. XI. c. 33. hat schon lange angemercket, daß die Esel keine Laͤuse haben: Und wem es gegeben ist, den heimlichen Sinn dieser, nach dem Buch- staben ungegruͤndeten, Anmerckung zu fassen, der siehet wohl, daß Plinius nichts anders sagen wol- le, als daß ein elender Scribent von seinen Maͤn- geln nicht die geringste Empfindlichkeit habe. Jch halte vor unnoͤthig, die Gruͤndlichkeit meiner my- stischen Auslegung weitlaͤuftig zu beweisen. Es ist gar zu bekannt, daß es eine alte Gewohnheit ist, von den elenden Scribenten unter dem Bilde ei- nes Esels zu reden, und da jedermann weiß, daß die ( o ) die Erkenntniß unserer Vergehungen, mit einem Worte, daß Gewissen genennet wird; das Gewis- sen aber in dem Ruf ist, daß es beisse, so ist leicht zu begreifen, was zwischen demselben und einer Lauß vor eine Aehnlichkeit sey. Jch halte mich dabey nicht auf; sondern bitte nur meine Leser mit mir zu erwegen, was die vortrefliche Eigenschaft, die wir, wie Plinius zeuget, und die Erfahrung lehret, be- sitzen, vor Vortheile mit sich fuͤhret. Die Erkaͤnntniß der Fehler gebiehret Reue. Die Reue ist nichts anders, als eine Art von Traurigkeit, und folglich ein verdrießlicher Afect. Sie kan ohne Zerknirschung, und ohne einen Ab- scheu vor uns selbst nicht begrifen werden. Sie macht also einen Menschen mißvergnuͤgt mit seinem Zustande; Und wer mit seinem Zustande nicht zu frieden ist, kan nimmer gluͤcklich seyn. Unsere Feinde empfinden mit ihrem Schaden, daß das, was ich hier schreibe, die Wahrheit ist. Je mehr Verstand sie haben, je tiefer sehen sie ihre Fehler ein, und diese verdrießliche Einsicht macht ihnen das Leben rechtschafen sauer. Jch darf ihnen nicht vorstellen, mit wie vielen Schmertzen sie ihre geist- lichen Kinder empfangen, und zur Welt bringen. Sie wissen es besser, als ich es ihnen sagen kan: Sie leugnen es auch nicht. Und wenn denn end- lich ein guter Scribent von seiner gelehrten Buͤrde, nach einer schweren Geburt, entbunden wird, so ist er nicht einmahl so gluͤcklich, als die Affen, die ihre Jungen, ihrer Heßlichkeit ungeachtet, zaͤrtlich lieben; sondern er entdecket an den Kindern seines Ver- ( o ) Verstandes, wie schoͤn sie auch sind, so viele Ge- brechen, daß er sie kaum vor Augen schen mag. “Et toûjours mécontent de ce qu’il vient de faire „Il plait à tout le monde, \& ne sauroit se plai- re Boileau Sat. 2. . Ein elender Scribent hergegen empfaͤngt die Lust, gebiehret ohne Schmertzen, und erdruͤcket seine Jungen fast vor Liebe, nicht anders als die Affen. Man lache uͤber diese Auffuͤhrung, so viel man will, so wird man doch nicht in Abrede seyn koͤn- nen, daß ein elender Scribent weit gluͤcklicher sey, als ein guter. Es ist nicht noͤthig, daß ich mir, die Muͤhe gebe, dieses, durch viele Gruͤnde, darzuthun. Unsere Feinde sind so billig, daß sie es selbst erken- nen. Boileau beneidet den Pelletier. “J’envie en écrivant le sort de Pelletier Ibid. . Und Horatz sagt ausdruͤcklich, er moͤchte lieber ein elender Scribent seyn, und seine Fehler nicht er- kennen; als einer der besten und dabey mißvergnuͤgt mit sich selbst seyn. “Prætulerim scriptor delirus, inersque videri „Dum mea delectent mala me, vel denique fallant, „Quam sapere, \& ringi . . . . . . . . . . Horatius Lib. II. Ep. 2. . Was brauchen wir weiter Zeugniß? Unsere Fein- de selbst machen uns unsere Vortreflichkeit, und Gluͤckseeligkeit nicht streitig. Aber dennoch sind diese, ( o ) diese, mit so besonderer Klugheit begabte, Crea- turen, so verblendet, und so uͤbel berathen, daß sie die Selbst-Erkaͤnntniß vor noͤthig halten. Meine Leser moͤgen urtheilen, ob ein so widersinniges Be- tragen mit der tiefen und aberglaͤubigen Ehrerbie- tung, die guten Scribenten gegen die Vernunft hegen, bestehen koͤnne? Jch weiß wohl, es mangelt den guten Scriben- ten nimmer an Ausfluͤchten. Sie werden spre- chen: Ob gleich die Erkaͤnntniß ihrer Fehler im Anfange verdrießlich waͤre: So habe sie doch eine gute Wuͤrckung, und treibe sie an, die erkannte Fehler auszubessern, und nach der Vollkommenheit zu trachten, die ein so unaussprechliches Vergnuͤ- gen mit sich fuͤhre, daß dadurch einem Scribenten die, auf die Ausbesserung seiner Fehler gewandte, Muͤhe mehr als doppelt belohnet wuͤrde. Aber alles dieses heist nichts gesagt. Ein Scribent ist ein Mensch, und muß also Feh- ler haben. Wer sich daruͤber nicht zu frieden ge- ben kan, dem weiß ich keinen bessern Rath, als daß er seine Menschheit ablege, und sich entweder um eine Stelle unter den Seraphinen bewerbe, oder gar vergoͤttern lasse. Jn dieser Sterblichkeit nach ei- ner Vollkommenheit trachten ist laͤcherlich und ver- gebens. Und wenn es denn ja moͤglich waͤre diese eingebildete Vollkommenheit zu erlangen; so weiß ich doch nicht, ob es der Muͤhe werth seyn wuͤrde, desfalls seiner Natur Gewalt anzuthun, und sich mit einer verdrießlichen Ausbesserung einiger, der Menschheit so wesentlichen, Fehler zu quaͤlen? Und ob man nicht auf eine gemaͤchlichere Art derjenigen Vor- ( o ) Vortheile theilhaftig werden koͤnne, welche sich un- sere Feinde von der Vollkommenheit, oder gaͤntzli- chen Befreyung von allen Maͤngeln versprechen? Wofern ich nicht irre, so bestehet aller Vortheil, den die Vollkommenheit geben kan, in dem un- aussprechlichen Vergnuͤgen, dessen ein Mensch, der sich keiner Fehler bewust ist, nothwendig geniessen muß. Wir elende Scribenten sind uns nun unse- rer Fehler nicht bewust; weil wir sie nicht erken- nen, und besitzen also wuͤrcklich diejenige Gluͤckseelig- keit, nach welcher unsere Feinde mit so vieler Muͤhe ringen. Jst dieses nicht gemaͤchlich? Und kan man sich wohl des Lachens enthalten, wenn man siehet, wie wunderlich sich die guten Scribenten gebaͤrden? Sie kommen mir wahrlich nicht anders vor, als der Koͤnig Pyrrhus, der sich einbildete, er koͤnne sich mit seinen Freunden nicht recht lustig machen, wenn er nicht vorher Jtalien, Sicilien, Cartha- go, und ich weiß nicht was vor Laͤnder mehr, be- zwungen haͤtte. Man stellte ihm vor, er duͤrfe des- falls nicht einen Fuß aus seinem Koͤnigreiche setzen, und wenn unsere Feinde nur einmahl bedencken wol- ten, wie vergnuͤgt wir unser Leben zubringen, oh- ne unsere Fehler zu erkennen, so wuͤrden sie leicht begreifen, daß die Muͤhe, welche sie sich geben, um zu einem Gluͤcke zu gelangen, das in ihren Haͤnden stehet, hoͤchst unnuͤtze sey. Jch sage wenig: Denn wenn man ihre Auffuͤhrung recht ansiehet, so ist sie im hoͤchsten Grad laͤcherlich. Sie suchen durch die Erkaͤnntniß ihrer Fehler gluͤcklich zu werden: Da doch die Gluͤckseeligkeit darinn bestehet, daß man sich keiner Fehler bewust ist. ( o ) ist. Kan man wohl wunderlicher zu Wercke gehen? Sprechen sie: Sie blieben bey der Erkaͤnntniß ihrer Fehler nicht, stehen, sondern bemuͤheten sich, durch die Ablegung derselben, die Vollkommenheit zu er- reichen, die allein einen Scribenten vergnuͤgt ma- chen kan? So antworte ich: Daß es unmoͤglich sey, auf folche Art vergnuͤgt und gluͤcklich zu werden. Jch berufe mich desfalls auf die Erfahrung. Waͤre es moͤglich, so muͤste die Zufriedenheit eines Scriben- ten, der es in der Ausbesserung seiner Fehler weit ge- bracht, und der Vollkommenheit sehr nahe gekom- men ist, groͤsser seyn, als eines andern, der es nicht so hoch gebracht, und weiter von der Vollkommen- heit entfernet ist. Aber so sehen wir taͤglich das Ge- gentheil. Montaigne Liv. II. Chap. 12. pag. 302. 303. Il est advenu aux gens veritablement sçavans, ce qui advient aux espics de bled, ils vont s’eslevant \& haussant la teste droite \& fiere, tant qu’ils sont vuides; mais quand ils sont pleins \& grossis de grain en leur maturité, ils commencent à s’humiliet \& baisser les cornes. sagt; Es gehe den Ge- lehrten wie den Aehren, die so lange aufrecht stehen, und sich bruͤsten, als sie leer sind; so bald sie aber von Koͤrnern schwer werden, das Haupt sincken lassen; Und er hat Recht. Ein unvollkommener Scri- bent ist bey allen seinen Fehlern vergnuͤgt, und mit sich selbst zu frieden. Je naͤher hergegen ein Scri- bent der Vollkommenheit koͤmmt, je mehr Fehler entdeckt er an sich; je leckerer, je verdrießlicher, je mißvergnuͤgter mit sich selbst wird er. Die Ursa- che ist diese, weil die Vollkommenheit, nach wel- cher die guten Scribenten streben, eine leere Ein- bildung ( o ) bildung, und ein suͤsser Traum gar zu hochmuͤthi- ger Leute ist. Die Bescheidensten unserer Feinde stimmen hierin mit mir uͤberein. Sie bekennen, daß alle ihr Arbeit, ihr Wachen, ihr Lesen, ihr Nachdencken ihnen keinen andern Vortheil gebracht hat, als daß sie ihre Schwachheit erkennen, und be- greifen gelernet haben, daß unser Wissen Stuͤck- Werck sey. Wie diese verdrießliche Entdeckung ge- schickt sey, einen Menschen vergnuͤgt zu machen, das begreife ich nicht. Jch halte vielmehr davor, daß, natuͤrlicher Weise, die Verzweifelung ihr auf dem Fusse folgen muͤsse, und ein guter Scribent, wann er sich lange geqvaͤlet hat, statt der Zufriedenheit, die er suchet, nicht als einen ewigen Abscheu vor sich selbst, zur Belohnung seiner Muͤhe, erlangen koͤnne. Wie eine schoͤne Gelegenheit haͤtte ich hier nicht, unsere Feinde auszuhoͤhnen, und laͤcherlich zu ma- chen? Jch koͤnnte uͤber ihre eingebildete Weißheit spotten, und ihnen deutlich zeigen, daß sie nichts weniger, als weise sind. Denn die vornehmste Eigenschaft eines weisen Mannes ist die Zufrieden- heit mit sich selbst. Nisi sapienti sua non placent, sagt Seneca Epist. IX. , omnis stultitia laborat fasti- dio sui. Diese Vorruͤckung ihrer Thorheit wuͤrde ihrem Hochmuth sehr empfindlich seyn. Allein ich will ihr Ungluͤck nicht groͤsser machen. Sie sind ohne dem hoch genug betruͤbet. Jch bin zu frieden, wenn nur meine Leser erkennen, daß unsere Feinde, die guten Scribenten, sehr unvernuͤnftig handeln, wann sie uns den Mangel der Vernunft zur Suͤn- de ( o ) de deuten, der doch die Quelle unserer Vortreflich- keiten ist, und in uns eine Zufriedenheit wuͤrcket, zu welcher ausser uns, wenig Menschen, in diesem Jammerthal, zu gelangen, das Gluͤck haben. Jch bilde mir ein, dieses mit stattlichen Gruͤn- den uͤberfluͤßig erwiesen zu haben, und schreite da- hero zu dem andern Haupt-Fehler elender Schriften, der, wie unsere Feinde meinen, in dem Mangel der Ordnung bestehen soll. Da es mir leichter ge- worden, als ich anfangs selbst geglaubet habe, den Mangel der Vernunft, den man uns vorwirft, zu rechtfertigen; So wird es mir wenig Muͤhe kosten, unsern Feinden zu zeigen, daß sie gar keine Ursache haben, unsere Schriften zu verachten, weil sie eben nicht allemahl die ordentlichsten sind. Die Ordnung im Schreiben ist, wie jederman gestehet, willkuͤhrlich. Es ist also kein Scribent befugt, dem andern vorzuschreiben, wie er sein Buch einrichten solle; eben so wenig, als ein Buͤrger das Recht hat, seinen Nachbarn, uͤber die Einrichtung seiner Haußhaltung zur Rede zu stellen. Da nun dieses unstreitig ist; so nehmen sich unsere Feinde zu viel heraus, wenn sie sich unterstehen, uͤber die Ordnung oder Unordnung unserer Schriften zu rich- ten. Jhr Urtheil kan in diesem Fall nicht gelten, ich will nicht sagen, weil sie partheyisch sind; son- dern auch nur deßwegen; weil das, was man Ord- nung nennet, etwas sehr zweydeutiges und unge- wisses ist. Die Uberforscher Metaphysici. Vid. Ames Comenius in Orbe san- sualium picte p. m. 206. sagen: Die Ordnung Mm sey ( o ) sey eine Uebereinstimmung des Mannigfaltigen. Dieses Mannigfaltige kan auf vielerley Art, und unzaͤhlige Mahl versetzet werden, und es bleibt doch allemahl eine gewisse Ubereinstimmung in demsel- ben uͤbrig. Da nun das Mannigfaltige auf un- terschiedliche Art uͤbereinstimmen kan; so stehet es bey einem jeden, was er vor eine Uebereinstimmung der andern vorziehen will, und keiner ist befugt, mich einer Unordnung zu beschuldigen, wenn ich et- wa das Mannigfaltige von einer andern Seite an- gesehen habe, als er. Soll dieses nicht wahr seyn; So muͤste in der Musick nur eine eintzige Melodey statt haben. Denn die Melodey ist nichts anders, als eine harmonirende Menge unterschiedener Toͤne. Haͤtte nun in dem Mannigfaltigen nur eine einzige Ubereinstimmung statt; So muͤste auch in der Mu- sick nur eine einzige Harmonie unterschiedener Toͤne die rechte seyn, und alle andere Mischungen dieser Toͤne uͤbel klingen. Dieses ist laͤcherlich. Folglich kan ein jeder das Mannigfaltige, mit dem er zu thun hat, mengen, wie er will, und diejenige Uberein- stimmung desselben wehlen, die ihm die beste scheinet. Es waͤre viel, wenn bloß den elenden Scriben- ten dieses nicht frey stehen, und ein jeder Spoͤtter berechtiget seyn solte, ihre Schriften vor unordent- lich zu schelten, wenn sie das Mannigfaltige, wor- aus sie bestehen, nicht nach seiner Phantasie ge- mischet haben. Die elenden Scribenten schreiben Buͤcher: Ein Buch ist eigentlich nichts, als eine Menge mit Buchstaben befchriebener Blaͤtter. Wenn unter diesen Buchstaben eine Uebereinstim- mung ist, so ist das Buch, welches sie ausmachen, ein ( o ) ein ordentliches Buch. Unter den Buchstaben ist eine Uebereinstimmung, wenn sie nur so zusammen ge- setzet sind, daß verstaͤndliche Worte herauskommen. Diese Worte koͤnnen nun in allen Sprachen wie- der unzaͤhlige Mahl versetzet werden, ohne Nach- theil der so noͤthigen Uebereinstimmung des Man- nigfaltigen; Und es stehet also in eines jeden Be- lieben, wie er die Worte der Sprache, in welcher er schreibt, untereinander mengen will. Da die- ses nun in eines jeden Freyheit stehet, so handelt derjenige unvernuͤnftig, und tyrannisch, der sich die Macht zueignet, einen Scribenten, wegen dieser willkuͤhrlichen Vermengung der Worte, zur Ver- antwortung zu ziehen: Wofern man nicht, wider alle Vernunft behaupten will, es koͤnne die noͤthige Uebereinstimmung des Mannigfaltigen nur durch eine einzige Art aller moͤglichen Wort-Mischungen erhalten werden, und folglich nur ein einziges or- dentliches Buch in der Welt seyn. Jch habe das Vertrauen zu unsern Feinden, daß sie sich schaͤmen werden, so entsetzlich zu schwaͤr- men. Aber mit was vor Fug koͤnnen sie dann un- sere Schriften vor unordentlich ausschreyen? Be- stehen diese Schriften nicht aus verstaͤndlichen Wor- ten? Jch solte es meinen: Denn sonst wuͤrden sie doppelt unvernuͤnftig handeln, wenn sie von der Ordnung solcher Schriften urtheilen wolten, in welchen sie kein Wort verstehen: Haben wir nicht eben die Macht, die Worte nach unserm Gutduͤn- cken zu mischen, die sie haben? Und haͤtten wir also nicht auch das Recht, ihre Schriften vor un- ordentlich zu halten, wenn die Vermischung der M m 2 Wor- ( o ) Worte, die sie erwaͤhlet, uns nicht anstuͤnde? Aber wir sind so unbillig nicht. Wir lassen einem jeden seine Freyheit, und verlangen von unsern Feinden ein gleiches. Es ist schwehrlich zu vermuthen, daß sie uns diese Gnade wiederfahren lassen werden; Wie gruͤndlich ich auch gezeiget habe, daß unsere For- derung billig ist. Denn sie sind gar zu ungerecht und eigensinnig. Jch will also diese Forderung fahren lassen, und ihnen, jedoch unsern Rechten unverfaͤnglich, zugeben, daß in unsern Schriften die groͤste Unordnung herrsche. Mich deucht nicht, daß dieser Fehler so groß ist, als ihn unsere Fein- de machen, und ihre eigene Auffuͤhrung bestaͤrcket mich in dieser Meinung. Es ist bey ihnen gar nichts seltenes, daß sie Schriften mit Lust lesen, und biß in den Himmel erheben, die doch gantz unordentlich geschrieben sind. Wenn diese Schrif- ten Leute zu Urhebern haben, denen sie gewogen sind, so wissen sie den Fehler, den sie uns, als eine greuliche Missethat anrechnen, nicht genug zu preisen. Sie nennen die Unordnung, die sie in solchen Schriften wahrnehmen, eine angenehme Unordnung, und bewundern die Hoͤflichkeit des Verfassers, der dem Eckel seiner Leser so geschickt vorbeuget, und vor ihre Belustigung so sehr sorget, daß er sich oft mit ihnen von der ordentlichen Land- Strasse entfernet, und sie in so lustige Gegenden und auf so angenehme Auen fuͤhret, daß sie, vor Lust entzuͤckt, und vor Freude ausser sich, die Be- schwerlichkeiten der Reise nicht mercken, und sich nicht nach der Herberge sehnen. Wenn wir arme Leute ( o ) Leute hergegen, aus gutem Hertzen, unsern Leser qveer Feld ein fuͤhren, und ihm eine Ehre anthun wollen, so bekoͤmmt es uns eben so uͤbel, als wenn der Esel, nach dem Exempel des Huͤndgens, sei- nem Herren liebkosen will. Man nennet unsere Hoͤflichkeit eine Ausschweifung, und uns elende Schwaͤrmer, die nicht wissen, wo sie zu Hause sind. Ob dieses billig gehandelt sey, weiß ich nicht; das weiß ich, daß meine Leser uͤber das ungerechte Verfahren unserer Feinde erstaunen werden; Aber sie werden sich noch mehr wundern, wenn sie fol- gendes zu bedencken belieben wollen. Die Poesie, welcher unstreitig der Rang uͤber die ungebundene Beredsamkeit gebuͤhret, hat nichts vortreflichers, als die Ode und das Helden-Ge- dicht. Jn beyden muß aber eine gewisse Unord- nung herrschen, wofern sie gut seyn sollen. Eine Ode, in der man keine Fußstapfen eines entzuͤck- ten Geistes findet, taugt nicht viel. Sie muß voller Ausschweifungen seyn, und mit einer ange- nehmen Verwirrung prangen. So bald hen- gen ihre Strophen nicht, auf eine gemeine Weise, ordentlich zusammen, so wird sie platt und abge- schmackt. Ein Helden-Gedicht, in dem eine ge- meine Historische Ordnung beobachtet worden, wird seinem Urheber wenig Ehre bringen. Will er, daß man ihn unter die Dichter zehle, so muß er schwaͤrmen, und alles untereinander mengen. Er kan anfangen wo er will, nur bey Leibe nicht von vorne: Sed per ambages, deorumque mi- nisteria, \& fabulosum sententiarum tormentum præcipitandus est liber spiritus; ut potius fu- M m 3 rentis ( o ) rentis animi vaticinatio appareat; quam religio- sæ orationis sub testibus fides Petronius p. m. 156. . So reden unsere Feinde, und so machen sie es auch. Solten sie sich dann nicht schaͤmen, unse- re Schriften wegen einer Unordnung zu verachten, die sie selbst zu den wichtigsten und groͤssesten Wer- cken des menschlichen Verstandes so noͤthig halten? Muͤssen sie nicht selbst gestehen, daß die Unordnung unserer Schriften uns von dem gemeinen Haufen derer, die in ungebundener Rede schreiben, merck- lich unterscheide, und eine Eigenschaft sey, wodurch unsere ungereimten Wercke der Ode und dem Hel- den-Gedicht, welches unstreitig die vollkommensten Geburten des menschlichen Witzes sind, ungemein aͤhnlich werden? Jhre Unbilligkeit faͤllet so sehr in die Sinne, daß ich mich schaͤme, desfals ein Wort mehr zu sagen. Sie moͤgen sehen, wie sie ihr Ver- fahren gegen Unpartheyische rechtfertigen. Es wird ihnen dieses um so viel schwerer fallen, je offenbarer es ist, daß unsere Schriften den ihri- gen, was die Ordnung anlanget, nichts nachge- ben. Man sehe nur unsere Buͤcher an, und sage mir, ob sie nicht eben so aussehen, als diejenigen, welche unsere Feinde machen. Der Anfang kommt erst; dann folgt das Mittel, und das Ende schlies- set die Reihe. Jch habe noch nicht erlebet, daß einer meiner Bruͤder sein Buch mit einem andaͤch- gen Soli Deo Gloria angefangen, und mit einem glaͤubigen Quod Deus benè vertat, beschlossen; Und biete unsern Feinden Trotz, mir einen nahm- haft ( o ) haft zu machen, der sich so weit vergangen habe. Wie sehr wir uns auch sonst von unsern Feinden unterscheiden, so richten wir doch unsere Buͤcher eben so ein, als sie. Sievers, mein wuͤrdiger Bruder, von dem man sagen kan, daß er der Ver- nunft, und ihren unmaͤßigen Verehrern zum Pos- sen geschrieben, und Philippi der Streitbare, eine Zierde, und Crone der elenden Schreiber, haben Buͤchlein ausgehen lassen, die so wohl eingerichtet sind, daß man, ehe man sie lieset, schweren solte, sie waͤren von guten Scribenten gemacht. Wann man sie aufmachet, so erblicket man zuerst das lieb- liche Antlitz des vortreflichen Verfassers, dessen Vor-und Zu-Nahmen, Vaterland, Alter und Wuͤrde; oder ein ander wohl oder uͤbel ausgesonne- nes Kupfer: Dann koͤmmt die Vorrede eines be- ruͤhmten Mannes, die das Lob des Verfassers in sich halten soll, ob sie gleich bißweilen, wie es mei- nem lieben Bruder Sievers wuͤrcklich begegnet ist, zu seiner Schande gereichet; oder eine demuͤthige Zu- eignungs-Schrift. Hierauf folget die Vorrede des Verfassers, und dann das Wercklein selbst. Nach dem Wercklein kommen die Register, und zuletzt ein Verzeichniß der Schriften des Verfassers. Das weisse Blat, das dann noch folget, rechne ich nicht mit; weil es der Buchbinder nur hinzu gethan hat. Doch kan man auch daraus abnehmen, daß ein elendes Buch einem guten so aͤhnlich siehet, als ein Ey dem andern. Jst nun aber eine bessere Ordnung zu erdencken, als diejenige, so meine beyden Bruͤder, die ich eben jetzo genennet, in ihren Buͤchern beobachtet haben? Und so machen wirs alle. Was wollen un- sere Feinde mehr? M m 4 Ueber ( o ) Ueber die Ordnung der Buchstaben und Wor- te in unsern Schriften lasse ich mich mit ihnen nicht ein: Denn ich habe schon oben aus der Meta- physick erwiesen, daß es in eines jeden Belieben stehe, wie er die Worte und Buchstaben, die er zu Verfertigung seiner Schrift gebrauchet, mischen wolle. Doch kan ich wohl so viel sagen, daß wir, oh- ne Ruhm zu melden, eben so gut, als unsere Fein- de wissen, wo ein jeder Buchstabe hingehoͤret. Wann wir: Aber schreiben, so setzen wir das A zuerst, und das R zuletzt; Und so machen wir es in allen andern Woͤrtern. Was die Ordnung der Woͤrter unter sich anlanget; so bilde ich mir ein, wir thun genug, wenn wir sie so setzen, daß, die meiste Zeit, ein Verstand herauskoͤmmt. Koͤnnen unsere Leser unsern Sinn manchmahl nicht errei- chen, so muͤssen sie es entweder ihrer Einfalt zuschrei- ben; oder dencken, daß wir selbst nicht gewust, was wir haben wollen: Und dann waͤre es eine Unbe- scheidenheit, von uns zu verlangen, daß wir sagen sollen, was wir nicht gewust haben. Aus diesem allen koͤnnte ich numehro den Schluß machen, daß unser Schriften so ordentlich geschrie- ben sind, als es immer seyn kan; Wenn ich nicht vorher saͤhe, daß unsere hallstarrigen Feinde sagen werden, es sey noch zu fruͤhe. Die Grillenfaͤnger werden sprechen: Es komme in einer Schrift haupt- saͤchlich auf die Gedancken an: Wir aber daͤchten un- gemein unordentlich, und unsere Gedancken kaͤmen alle uͤber Kopf zu Papier. Dieser Einwurfbedeu- tet nichts, und ist, mit aller Bescheidenheit zu sa- gen, im hoͤchsten Grad elend. Jch koͤnnte nur dar- auf ( o ) auf antworten: Es sey, ihrem eigenen Gestaͤnd- niß nach, unmoͤglich, daß wir unordentlich daͤchten: weil sie sagten, wir koͤnnten gar nicht dencken. Denn quicquid non est simpliciter tale, illud non est cum addito tale. Allein ich will sie so schimpflich nicht abfertigen. Jch bitte sie nur, mir zu sagen, woher sie dann wissen, daß die Gedan- cken in unsern Schriften nicht in gehoͤriger Ord- nung stehen? Sie koͤnnen ja unsere Gedancken nicht sehen; weil sie unsichtbar sind, und also nicht an- ders, als nach den Zeichen, mit welchen wir sie an- deuten, von denselben urtheilen. Diese Zeichen sind die Worte, aus welchen unsere Buͤcher zu- sammen gesetzet sind. Da nun diese Worte, wie ich schon gezeiget habe, so ordentlich von uns gese- tzet werden: Und uͤberdem kein Scribent dem an- dern von der Art seiner Wort-Mischung Rede und Antwort zu geben verbunden ist; So sehe ich nicht, wie die Gedancken, weche durch die Worte ange- deutet werden, in unsern Schriften unordentlich unter einander gemenget seyn koͤnnen, und was un- sere Feinde vor Recht haben, uͤber die von uns be- liebte Ordnung, wenn sie ihnen nicht anstehet, zu spotten. Zwar muß ich bekennen, daß wir in der Wahl unserer Gedancken eben nicht sonderlich lecker sind. Wir schreiben sie hin, wie sie uns einfallen. Aber ich weiß auch, daß dieses etwas sehr gemaͤchliches, und loͤbliches, ja ein klarer Beweiß unserer Vor- treflichkeit ist. Jch verdencke es unsern Feinden nicht, daß sie, wann sie schreiben wollen, sich mit einer aberglaͤubigen Wahl der ihnen beyfallenden M m 5 Gedan- ( o ) Gedancken qvaͤlen, und nicht schluͤssig werden koͤn- nen, welchen Einfall sie zuerst zu Papier bringen wollen. Denn ihre Gedancken sind nicht alle gleich gut. Allein sie werden dann auch so gut seyn, und nicht von uns verlangen, daß wir uns eben so quaͤlen sollen. Wir haben dieses nicht noͤthig: Weil unsere Gedancken alle gleich gut sind, und also wenig daran gelegen ist, welcher zuerst oder zu- letzt hingeschrieben werde. Dieses giebt uns einen besondern Vorzug vor unsern Feinden, und erleich- tert uns die Geburt ungemein. Jn den Koͤpfen der guten Scribenten gehet es nicht anders her, als in dem Leibe der Rebecca. Die Gedancken stossen sich darinn, wie die Kinder in dem Bauche dieser Ertz-Mutter. Ja das Gedrenge der Gedan- cken, von denen immer einer eher als der andere her- aus will, ist so groß in dem Gehirn dieser Ungluͤck- seeligen, daß es nicht zu verwundern waͤre, wenn vie- le in der Geburt darauf giengen, wie die Thamar. Wir haben dergleichen Zufaͤlle nicht zu besor- gen. Unsere Gedancken sind einander vollkommen gleich. Sie leben in Friede, und streiten sich nicht um den Rang. Sie drengen sich nicht, sondern gehen ohne alle Ceremonie, wie sie die Reihe trift, aus Mutter-Leibe hervor. Soll dieses eine Unord- nung heissen, so muͤssen unsere Feinde glauben, daß, ausser den oͤfentlichen Processionen, keine Ordnung zu finden, und z. E. in einer Gesellschaft recht guter Freunde nichts als Verwirrung und Unordnung anzutrefen sey. Sie werden so wunderlich nicht seyn, daß sie dieses sagen: Warum aber bilden sie sich dann ein, daß unsere Schriften darum unor- dentlich ( o ) dentlich sind, weil wir keine Rang-Ordnung unter unsern Gedancken eingefuͤhret haben? Da unsere Gedancken alle gleich gut sind, so kan es unsern Schriften nicht an Ordnung gebrechen, und wenn wir die Gedancken noch so wunderlich durch einan- der werfen. Ja unsere Schriften werden dadurch um so viel kuͤnstlicher. Man sehe sie von vorne, von der Seite, oder von hinten zu an; So wird man allezeit eine Ordnung darinn finden; Und da- her sagen unsere Feinde selbst, man koͤnne sie, ohne Gefahr sich zu verwirren, von hinten zu so gut, als von vorne lesen. Sie haben Recht: Aber es stehet ihnen sehr uͤbel, daß sie dem ungeachtet doch uͤber die Unordnung unserer Schriften klagen. Wer meine Gruͤnde, mit welchen ich die Ungereimtheit dieser Klagen dargethan habe, gebuͤhrend einsiehet, wird mit Haͤnden greifen, wie unmoͤglich es sey, daß sich die geringste Unordnung in unsern Schrif- ten einschleiche. Denn da unsere Gedancken ein- ander vollkommen gleich: So kan es nicht fehlen, es muß eine Uebereinstimmung unter ihnen seyn, sie moͤgen auch gemenget seyn, wie sie wollen. Ja ich bin gut davor, daß, wenn man die Schriften meiner beyden Freunde, Sievers und Philippi in Stuͤcke zerhacken, die Stuͤcke in einen Hut schuͤtten, und, nachdem man sie vorher wohl umgeruͤttelt, von einem 7 jaͤhrigen Knaben blindlings heraus- ziehen lassen wollte, ein Werck zum Vorschein kommen wuͤrde, das, wo nicht besser doch allemahl so gut seyn wuͤrde, als alles, was diese beyden Maͤnner jemahls geschrieben haben. Die Ursache ist aus dem vorigen klar. Nachdem ( o ) Nachdem ich also nunmehro auch den ungegruͤn- deten Vorwurf einer erdichteten Unordnung von den elenden Scribenten so gruͤndlich und vortreflich abgelehnet habe, so gehe ich, mit einer, einem elen- den Schreiber anstaͤndigen, Zufriedenheit weiter, und beleuchte dasjenige, was die guten Scribenten wider unsere Schreib-Art einzuwenden haben. Da die guten Leute in allen Stuͤcken so lecker, und von so verwehntem Geschmacke sind, so ist es nicht zu verwundern, daß ihnen unsere Schreib- Art nicht zierlich genug ist. Sie ruͤmpfen die Nase, wann sie unsere Schriften lesen, und druͤcken ihren Eckel durch die bittersten Worte aus. Sie klagen, unsere scheußliche Schreib- Art verursache ihnen ein Bauch-Grimmen, und gebaͤrden sich so uͤbel, daß man fast davor erschre- cken sollte. Allein ich kenne diese Herren, und muß ihres Eckels und ihrer Verdrehungen lachen. Jch glaube auch, daß alle diejenigen, die mir die Ehre thun, meine Schrift biß hieher zu lesen, schon begreifen werden, daß diese Zaͤrtlich- keit unsere Feinde mehr schaͤnde, als uns der Vor- wurf, denn sie uns machen, und wenn er gleich noch so gegruͤndet waͤre. Ein weiser Mann befleißiget sich in allen Din- gen der Maͤßigkeit, und siehet also die gar zu grosse Bemuͤhung, zierlich zu schreiben, vor eine Schwach- heit an, die sich vor ihn nicht schicket. Unsere Vorfahren, die alten Teutschen, waren gewiß gantz andere Leute, als wir, und ihre Tugenden setzen selbst diejenigen in Verwunderung, die am weitesten von der Vollkommenheit unserer Vaͤter abge- ( o ) abgewichen. Man sehe aber die Schreib-Art die- ser vortreflichen Maͤnner an. Wie ungekuͤnstelt, wie rauh ist sie nicht. Und dieses aus keiner an- dern Ursache, als weil ihre Sitten von aller Uep- pigkeit, und Zaͤrtlichkeit entfernet waren: talis ho- minibus fuit oratio, qualis vita Seneca Ep. 114. . Wenn wir dahero sonst nicht wuͤsten, wie sehr wir aus der Art geschlagen sind, so koͤnnte man es, zur Noth, aus der muͤhsamen Kuͤnstelung in der Schreib-Art abnehmen, die zu unsern Zeiten ley- der! so sehr uͤberhand genommen hat. Denn dieses ist, nach des Seneca Anmerckung, ein sicheres Kennzeichen eines verdorbenen Staats. Si disci- plina, spricht er ibid. , civitatis laboravit; \& se in delicias dedit, argumentum est luxuriæ pu- blicæ, orationis lascivia. Er setzt eine Ursache hinzu, die gewiß buͤndig ist. Non potest, faͤhrt er fort, alius esse ingenio alius animo color. Si ille sanus est, si compositus, gravis, temperans, ingenium quoque siccum ac sobrium est. Das Zeugniß eines Mannes, der selbst so zierlich ge- schrieben hat, muß nothwendig bey unsern Wi- dersachern viel gelten, und ich hofe also, sie wer- den sich dadurch bewegen lassen, ins kuͤnftige von unserer unzierlichen und trockenen Schreib-Art et- was milder zu urtheilen. Dieses um so viel eher von ihnen zu erhalten, will ich ihnen nachfolgende Stelle aus ihrem Se- neca zur Ueberlegung mittheilen, aus welcher sie lernen koͤnnen, wie wenig ein Mann, dessen Ur- theil ( o ) theil sie so viel trauen, auf die Zierlichkeit, um deren Mangel ihnen unsere Schreib-Art so scheuß- lich vorkommt, gehalten hat. Cujuscumque, sagt er Epist. 115. , orationem videris sollicitam \& po- litam, scito animum quoque non minus pusil- lis occupatum. Magnus ille remissius loquitur \& securius: quæcumque dicit plus habent fidu- ciæ, quam curæ. Nosti complures juvenes, barba \& coma nitidos, de capsula totos: nihil ab illis speraveris forte, nihil solidum. Oratio vultus animi est, si circum tonsa est, \& fucata, \& manufacta, ostendit illum quoque non esse sincerum, \& habere aliquid fracti. Non est ornamentum virile, concinnitas. Guͤldene Worte! Jst es nicht, als wenn der vortrefliche Seneca den Vorsatz gehabt haͤtte, uns wider un- sere unbillige Verfolger zu vertheidigen? Er hat es so nachdruͤcklich gethan, daß ich es nicht besser zu machen weiß. Unsere Feinde koͤnnen von ihm lernen, wie eitel und weibisch ihre Bemuͤhung, und wie unanstaͤndig einem rechtschafenen Mann eine zierliche Schreib-Art sey. Sie werden demnach so guͤtig seyn, und die Unzierlichkeit der unsrigen nicht weiter verachten. Wir haben es ihnen so oft gesagt, daß wir maͤnnlich schreiben, und nun hoͤ- ren sie von einem Scribenten, denn sie gewiß kei- ner Partheylichkeit beschuldigen koͤnnen, daß eine maͤnnliche Schreib-Art keinen Zierrath leide. Wenn sie dadurch nicht bekehret werden, so ist alle Hof- nung an ihnen verlohren. Sie ( o ) Sie irren sich, wofern sie sich einbilden, daß un- sere Schreib-Art durch den Mangel der Zierlichkeit alle Annehmlichkeit verliehre, und aufhoͤre schoͤn zu seyn. Sie findet doch ihre Liebhaber, und ist um so viel schoͤner, je natuͤrlicher und ungekuͤnstel- ter sie ist. Ein geputztes und geschmincktes Gesicht faͤllt sehr in die Augen: Aber das sind die rechten Schoͤnheiten, die auch ungeputzt gefallen. Die Schoͤnheit unserer Schreib-Art hat diese Eigen- schaft. Unser Styl ist auch bey seiner natuͤrlichen Scheußlichkeit schoͤn. Er ist, wie die Moͤpse, speciosus ex horrido Sencea Ep. 44. : Und wir wuͤrden ihn verderben, wenn wir daran kuͤnsteln wolten. Ja wenn wir gleich dieses thaͤten, so waͤre doch noch Gefahr dabey, ob wir es unsern Feinden zu Danck machen wuͤrden. Wir sind mit diesen ei- gensinnigen Leuten uͤbel daran. Schreiben wir natuͤrlich, und maͤnnlich, so ist es ihnen nicht recht: Schreiben wir zierlich und kuͤnstlich, so lachen sie uns aus. Diejenigen aus unserm Mittel, welche man die boͤsen Poeten nennet, erfahren es taͤglich. Diese zierliche Herrenputzen sich ungemein heraus, weil sie so oft zur Hochzeit gehen. Jhre Schriften sind praͤchtig geschmuͤcket, und eine jede Zeile der- selben pranget mit Gold, Silber, und Ertz, da- zu auch Edelgestein. Sie gleichen dem Wagen des Phoͤbus. “Aureus axis erat, temo aureus, aurea summæ “Curvatura rotæ; radiorum argenteus ordo, “Per ( o ) “Per juga chrysolithi, positæque ex ordine gemmæ “Clara repercusso reddebant lumina Phœ- bo Ovid. Metam. Lib. II. . Und wer sie mit glaͤubigen Augen ansiehet, der findet darinn einen Vorschmack des neuen Jerusa- lems. Aber, dem allen ungeachtet, kommen sie unsern Feinden eben so laͤcherlich vor, als die Pre- cieuses ridicules beym Moliere. Und so hoͤnisch diese wunderliche Leute denenjenigen meiner Bruͤ- der, die, wie ich, in ungebundener Rede schreiben, ihre unzierliche Schreib-Art vorwerfen, so uͤbel sind sie mit der Zierlichkeit meiner lieben Bruͤder, der boͤsen Poeten, zu frieden. Es ist ein Elend anzu- sehen, wie sie mit diesen armen Leuten, die gewiß keine Kosten sparen, ihre Leser zu vergnuͤgen, hauß- halten. Sie lassen ihnen nicht vor einen Heller Ehre, und haben diese praͤchtige Schreiber so weit herunter gebracht, daß man kaum glauben sollte, sie stammten in gerader Linie von dem Koͤnige Mi- das, glorwuͤrdigsten Andenckens, her, wenn nicht ihre hohe Abkunft dadurch ausser allen Streit gesetzt wuͤrde, daß alles, was sie anruͤhren, Gold wird. Da sich nun unsere Feinde so ofenbahr in ihren Urtheilen widersprechen, so verdienen sie nicht, daß man sich groß an sie kehre. Sie wissen nicht was sie haben wollen. Bald schreiben wir ihnen zu zier- lich; bald nicht zierlich genug. Es ist uns also nicht zu verdencken, wenn wir sie immerhin schwa- tzen lassen, und feste dabey bleiben, daß es eine Thor- ( o ) Thorheit sey, zierlich zu schreiben, wenn man keine Verse macht. Denn ich begehre kein Joch auf meiner Bruͤder, der boͤsen Poeten, Haͤlse zu legen, oder ihrer Verschwendung Ziel und Maasse zu se- tzen. Diese Herren koͤnnen mit den Schaͤtzen, welche ihnen nicht sauer zu verdienen, haußhalten, als sie wollen. Je reichlicher und freygebiger sie ihre Kostbarkeiten ausspenden, je lieber ist es mir. Jch sage nur, daß ich, und meines gleichen elende Scribenten besser thun, wenn wir uns der gekuͤn- stelten und zierlichen Schreib-Art, in welcher un- sere Feinde ihr Vergnuͤgen suchen, gaͤntzlich ent- halten. Denn gewiß die gar zu aͤngstliche Sorgfalt, mit welcher die guten Scribenten ihre Worte aus- suchen, und ihre Schriften schmuͤcken, stehet einem weisen Mann, der sich mit Kleinigkeiten nicht auf- haͤlt, gantz und gar nicht an; Und insonderheit hat ein elender Scribent nicht noͤthig, daß er sich so viele Muͤhe giebt. Wir koͤnnen ohnedem gluͤcklich seyn. Sind wir nur großmuͤthig, und kehren uns an der Leute Reden nicht: Sind wir nur mit uns selbst zu frieden, und duͤncken uns groß, eben dar- um, weil wir Eigenschaften besitzen, die andern laͤcherlich vorkommen: Bilden wir uns nur ein, daß wir um so viel gelehrter sind, je weniger Lust wir haben, etwas zu lernen; So ist unsere Gluͤck- seeligkeit feste genug gegruͤndet. Seneca, der uns sehr genau gekannt haben muß, sagt es ausdruͤck- lich. Ad hanc, spricht er Ep. 115. , tam solidam N n feli- ( o ) felicitatem, quam tempestas nulla concutiat, non perducent te apté verba contexta, \& ora- tio fluens leniter. Eant ut volent, dum animo compositio sua constet, dum sit magnus, \& opinionum securus, \& ob ipsa, quæ aliis displi- cent, sibi placens: qui profectum suum vita æstimet, \& tantum scire se judicet, quantum non cupit, quantum non timet. Seneca fasset in diesen Worten alles, was ich von den Vortreflichkeiten der elenden Scribenten, und von ihrer Gluͤckseeligkeit gesagt habe, kuͤrtzlich zusammen. Es ist glaublich, daß der ehrliche Mann das Elend der guten Scribenten erkannt, und, ob es ihm selbst gleich unmoͤglich gewesen, sich aus demselben herauszureissen, doch wenigstens seinen Freund, an den er schreibt, vor Schaden warnen, und ihm den rechten Weg zur wahren Gluͤckseeligkeit eines Scribenten zeigen wollen. Dieses ist auch meine Absicht in Ansehung unse- rer Widersacher, und ich bilde mir ein, daß ich die- selbe wohl ausgefuͤhret habe. Jch habe gruͤndlich gezeiget, daß die Maͤngel, welche die guten Scri- benten in unsern Schriften entdecken, uns nicht schimpflich sind. Ja ich habe eben aus diesen Maͤn- geln unsere Vortreflichkeiten so ungezwungen her- geleitet, daß wer mein Buͤchlein lieset daruͤber er- staunen muß. Es wird mir dahero etwas gar leichtes seyn, die Nothwendigkeit der elenden Scribenten, meinem Versprechen gemaͤß, eben so gruͤndlich, als ihre Vortreflichkeit, zu behaupten. Jch will es mit we- nigen thun, und frage unsere Feinde, ob die Buch- Hand- ( o ) Handlung und Druckerey nicht ehrliche, und dem gemeinen Wesen nuͤtzliche Handthierungen sind. Sie koͤnnen nicht anders als Ja antworten. Sie muͤssen also auch gestehen, daß diejenigen, welche eine so nuͤtzliche Profeßion treiben, Leute sind, die verdienen, daß man ihnen alles gutes goͤnne, und ihre Nahrung befordere. Jch moͤchte aber gerne wissen, was die armen Buch-Fuͤhrer und Buch- Drucker wohl anfangen wolten, wenn keine elende Scribenten in der Welt waͤren? Wir sind diejeni- gen, die ihnen am meisten zu verdienen geben: Von uns leben sie, und muͤsten also betteln gehen, wenn wir aufhoͤren solten zu schreiben. Von den Wer- cken der guten Scribenten wuͤrden sie das liebe Brod nicht haben. Jch will setzen, es sind in Deutschland nur 6000. Personen, die von der Druckerey und Buch-Handlung leben. Nun neh- me man die Verzeichnisse der neuen Buͤcher, die alle Messe herauskommen, nur von 10 Jahren her, und mache den Ueberschlag, wie viel gute darunter sind. Jch habe es gethan, und, nach einer genauen Aus- rechnung, gefunden, daß, ein Jahr ins andere gerech- net, ohngefehr drey gute Buͤcher des Jahrs zum Vorschein kommen. Was ist das aber unter so viele? Und wuͤrde also nicht eine grosse Menge ehr- licher Leute Hungers sterben muͤssen, wenn die elen- den Scribenten, nach dem Wunsch unserer Fein- de, vom Erd-Boden vertilget waͤren? Den Tag sollen sie nimmer erleben: Aber man siehet doch daraus, was unsere Verfolger vor boͤse, schaͤdliche Leute, und wie liebloß sie gegen ihren Nechsten sind. Doch wie kan man von den guten N n 2 Scri- ( o ) Scribenten verlangen, daß sie ihren Naͤchsten lie- ben sollen, da sie sich selbst nicht lieben? Sie kennen ihren eigenen Vortheil nicht. Sie wollen uns aus- rotten: Allein wie uͤbel wuͤrden sie nicht daran seyn, wenn sie ihren boßhaften Zweck erreichen solten? Wir machen ihnen durch unsere Schriften so man- che froͤliche Stunde; woran wolten sie sich dann wohl belustigen, wenn wir nicht schrieben? Das Vergnuͤgen, dessen sie in dieser Welt geniessen, ha- ben sie einzig und allein uns zu dancken. Ja sie wuͤr- den nicht seyn, was sie sind, wenn wir nicht waͤren. Man nennet sie jetzund gute Scribenten: Aber muͤ- sten sie diesen Ehren-Titel nicht fahren lassen, wenn es keine schlechte gaͤbe? Dieses waͤre schon arg ge- nug: Aber der Untergang der elenden und laͤcherli- chen Schreiber wuͤrde noch weit mehr boͤses nach sich ziehen. Unsere Feinde sind reich an lustigen und sinnrei- chen Einfaͤllen. Sie spotten gerne, und wir sind diejenigen, die ihnen Gelegenheit geben, ihre Ein- faͤlle an den Mann zu bringen, und ihre Tadelsucht zu vergnuͤgen. Wie wuͤrde es demnach um ihre Ge- sundheit stehen, wenn sie uns nicht haͤtten? Wo wolten sie mit ihren Einfaͤllen hin? Sie duͤrfen nicht dencken, ich scherze: Denn es ist kein Kinderspiel mit einem verhaltenen Spaß. Er verursachet vie- le Quaal, und ein verhaltener Wind ist nicht so gefaͤhrlich. Es ist mir die Zeit meines Lebens nur ein einziges mahl begegnet, daß ich einen Ein- fall hatte, der vor einen Einfall eines boͤsen Scri- benten noch so ziemlich sinnreich war: Aber ich mu- ste ihn bey mir behalten; Und da weiß ich, wie mir zu ( o ) zu Muthe gewesen. Jch wolte meinem aͤrgsten Fein- de die Schmerzen nicht goͤnnen. Da nun ein einzi- ger Spaß, den ich nicht zu rechter Zeit loß wurde, mir so viel Ungemach verursachen konnte; was wuͤrden denn die guten Scribenten, die so fruchtbar an artigen Einfaͤllen sind, nicht vor Quaal empfin- den, wenn wir ihnen nicht Gelegenheit gaͤben, sich zu erleichtern. Jhre Einfaͤlle brennen ihnen auf dem Hertzen, und Ennius soll schon zu seiner Zeit gesagt haben, daß ein weiser Mann eher Feuer im Maul halten, als einen sinnreichen Einfall verschweigen koͤnnte: flammam a sapiente facilius ore in ar- dente opprimi, quam bona dicta teneat Cicero de Oratore Lib. II. . Unsere Feinde wuͤrden also gantz gewiß bersten, wenn wir nicht waͤren. Warum wuͤnschen sie denn unsern Untergang, mit welchem der ihrige so genau verknuͤpfet ist? Gesetzt aber, es waͤre moͤglich, daß sie uns uͤberlebten; so wuͤrde doch die gelehrte Welt wenig gutes mehr von ihnen haben. Denn wir sind eben diejenigen, welche die sinnreichsten und artigsten Schriften, an welchen sich die Welt so sehr belu- stiget, von ihnen heraus locken. Wo wolten aber so viele stattliche Satyren herkommen, wenn unsere Feinde niemand haͤtten, uͤber den sie spot- ten koͤnnten? Und was wuͤrde also die kluge Welt nicht an uns verliehren? Es ist wahr wir koͤnnen ihr mit guten Schriften nicht aufwarten: Aber die Alten haben schon angemercket, daß, obgleich N n 3 der ( o ) der Esel eben nicht die beste Stimme habe, und zur Musick gantz ungeschickt sey, man doch aus seinen Knochen die schoͤnsten Floͤten machen koͤn- ne Plutarchus in Convivia ex vers. Xylandri, ut mirari subeat, animal crassissimum, \& à Mufica alienissimum, tamen ossa tenuissima \& maximó canora suppeditarc. . Und unsere Schriften, wie elend sie auch sind, geben doch Anlaß zu vielen gruͤndlichen Widerlegungen, und sinnreichen Spott-Schrif- ten, deren die gelehrte Welt nothwendig entbeh- ren muͤste, wenn niemand waͤre, der elend und laͤcherlich schriebe. Dieses ist der geringste Vortheil den die Welt von uns hat; weil er sich eigentlich nur auf die Gelehrten erstrecket. Der Nutzen, den wir dem ganzen menschlichen Geschlechte bringen, ist wich- tiger, und beweiset unsere Nothwendigkeit noch kraͤftiger. Wir sind diejenigen, welche die Ver- nunft, die der Ruhe des Staats und der Kirche so nachtheilig ist, mit Macht unterdruͤcken. Wir sind Beschuͤtzer der gemeinen Meinungen, und der Vorurtheile, die zu einem ruhigen, stillen, und vergnuͤgten Leben so unentbehrlich sind. Wir ver- theidigen die vaͤterlichen Weisen, und saubern die Kirche von Ketzern. Es ist wahr, unsere Fein- de thun dieses letzte auch: Aber sehr selten, und wann sie es thun, so thun sie es mit Vernunft; Und das taugt nicht. Ohne uns wuͤrde es also wunderlich in der Welt hergehen, und unsere Fein- de alles umkehren. Wer haͤtte sich wohl den ge- faͤhr- ( o ) faͤhrlichen Neuerungen des Pufendorfs, Tho- masius, Leibnitzens, und ihrer Anhaͤnger wieder- setzen wollen, wenn wir nicht vor den Riß getre- ten waͤren? Und dieses einzige ist genug zu bewei- sen, wie nothwendig wir der Welt sind. Unsere Verdienste sind so groß, daß wir die Ehrerbie- tung des gantzen menschlichen Geschlechts ver- dienen: Allein niemand will sie erkennen. Man lohnt uns mit Undanck, und es ist leider! schon dahin gekommen, daß uͤber uns und unsere Schriften lachen, vor ein sicher Merckmahl ei- nes scharfen Verstandes gehalten wird. Wie indessen den Frommen alles zum Besten die- nen muß, so hat auch unser schweres Creutz, welches niemand, als wir, zu ertragen faͤhig ist, seine Vortheile: Und mich deucht, es ist ungemein geschickt, unsere Nothwendigkeit ausser Zweifel zu setzen. Jch habe schon oft gesagt, daß unsere Feinde, die guten Scribenten, weil sie ihre Vernunft ge- brauchen, mit dem, so in der Welt vorgehet, schlecht zu frieden sind. Sie entdecken allenthal- ben Thorheiten, wenigstens bilden sie sichs ein, und es ist ihnen unmoͤglich, daß sie uͤber das, was ih- nen thoͤrigt vorkoͤmmt, nicht lachen und spotten soll- ten. Wenn sie demnach keine elende Scribenten haͤtten, an welchen sie ihre Boßheit auslassen koͤnn- ten, so wuͤrde kein ehrlicher Mann vor ihnen sicher seyn; Sie wuͤrden, weil sie doch immer etwas zu meistern haben muͤssen, alles anfallen, was in der Welt groß und ehrwuͤrdig ist, und durch ihre Sa- N n 4 tyren ( o ) tyren den Staat und die Kirche beunruhigen. Wir koͤnnen uns also ruͤhmen, daß wir unsere eigene Wohlfahrt vor das gemeine Beste aufopfern, und ohne Prahlerey sagen, daß wir einem Staat unent- behrlich sind. Jch wuͤnsche von Hertzen, daß alle christliche Obrigkeiten das, was ich hier schreibe, in reifliche Erwegung ziehen moͤgen, und flehe insonderheit Jhro Kaͤyserl. Majestaͤt und alle Churfuͤrsten, Fuͤr- sten und Staͤnde des Heil. Roͤmischen Reichs de- muͤthigst an, hocherleucht zu ermessen, wie wuͤrdig solche Leute ihres Schutzes sind, die dem Staat und der Kirche so lange zu einer Vormauer wider die unruhige Schaar der Naseweisen gedienet haben. Es waͤre, deucht mich, nach gerade Zeit, daß man auf eine Vergeltung unserer wichtigen Dienste gedaͤchte: Oder uns nur wenigstens vor unsern Fein- den einiger massen Ruhe schafte, und diesen boͤsen Leuten ein Gebiß ins Maul legte. Womit haben wir es denn verdienet, daß man, da andere ehrliche Leute wider die Laͤsterer Schutz finden, uns der Willkuͤhr unserer Verfolger uͤberlaͤsset? Es dienet dieses zur Sicherheit anderer. Jch weiß es wohl. Allein warum sollen wir denn die Suͤnden unserer Mit-Buͤrger tragen? Jch finde darinn keine Billig- keit, und zweifele nicht, daß meine gegruͤndete Vor- stellungen die Wuͤrckung haben werden, die ich wuͤnsche. Sollten aber, uͤber Verhofen, die Grossen dieser Welt durch das leidige Geschwaͤtz unserer Feinde verfuͤhret, in dem Wahn stehen, unser Jammer ver- ( o ) verdiene nicht, daß sie ihn zu Hertzen naͤhmen, und das Verbrechen unserer Feinde sey eben so groß nicht, daß es noͤthig, mit dem Schwerd darein zu schla- gen; So wende ich mich zu denen, die das geistli- che Schwerd fuͤhren, und ersuche sie gantz erge- benst, wider das boßhafte Verfahren unserer Fein- de denjenigen Eyfer zu bezeugen, den ihr Amt von ihnen erfordert. Jch verlange dieses eben von den klugen Geistlichen nicht. Denn diese Herren hal- ten es, zu ihrer Schande oͤffentlich mit den Spoͤt- tern. Sondern ich bin zu frieden, wenn nur die tummen ihre Stimme, wie eine Posaune, erheben, und mit ihrer gewoͤhnlichen Beredsamkeit, wenig- stens dem gemeinen Mann einblaͤuen wollen, daß es eine grosse Suͤnde sey, uͤber laͤcherliche Dinge zu lachen. Sie duͤrfen nicht dencken, daß es schwer, ja gar unmoͤglich sey, einen so albernen Satz zu be- haupten. Sie koͤnnen glauben, daß der P. Girard in einer Schrift, die man nach seinem Tode, unter seinen Papieren gefunden, mit 666 wichtigen Gruͤn- den dargethan hat, daß es eine weit groͤssere Suͤn- de sey, eine Satyre zu schreiben, als bey seiner Koͤ- chin zu schlafen. Und ich bin von ihrer Geschick- lichkeit so uͤberfuͤhret, daß ich festiglich glaube, sie koͤnnen wohl mehr, als das. Jch hofe demnach, sie werden die Guͤte haben, und wider unsere Fein- de, die gewiß auch ihre Freunde nicht sind, mit dem Munde eben so tapfer, als ich mit der Feder streiten. Dieses wird meiner Schrift den rechten Nachdruck geben, und zu ihrer eigenen Sicherheit gereichen. N n 5 Be- ( o ) Beschluß. Hiermit beurlaube ich mich von dem geneigten Leser, und schmeichele mir mit der angenehmen Einbildung, es so gemacht zu haben, daß er mit mir zufrieden seyn wird. Von meinen Widersachern kan ich mir dieses nicht versprechen: Denn die muß, natuͤrlicher Wei- se, ein so unvermutheter und scharfer Angrif in die aͤusserste Bestuͤrtzung setzen. Es kan ihnen unmoͤg- lich gefallen, daß ich sie so gewaltig zu Boden ge- schlagen habe. Wenn sie waͤren wie andere Leu- te, so wuͤrde diese Niederlage sie zu Friedens-Ge- dancken bringen: Allein da mir ihr harter Sinn, und unbezwinglicher Helden-Muth bekannt ist, so kan ich dieses ohne Thorheit nicht hofen. Doch glaube ich, der Sieg, den ich in dieser Schrift uͤber sie befochten habe, werde wenigstens so viel bey ihnen wuͤrcken, daß sie, nur auf einige Mi- nuten, einen Stillstand der Waffen mit uns ein- gehen, und meine Friedens-Vorschlaͤge anhoͤren. Jn dieser Zuversicht hebe ich meine Augen em- por, und ersuche sie aufs freundlichste, dasjenige, was ich, im Nahmen meiner Bruͤder, gegen sie vor- ( o ) vorgenommen habe, bloß als eine Nothwehr, und nicht als ein Zeichen eines feindseeligen Gemuͤths anzusehen. Jch versichere sie, daß wir nichts als ihr Bestes suchen, und unsere Ab- sicht keine andere sey, als sie zur Erkaͤnntniß ihres Elendes zu bringen. Es schmertzet uns sehr, daß sie mit so vieler Muͤhe nach einer Vollkommenheit trachten, die unmoͤglich zu er- halten ist, und sich durch diese laͤcherliche Bemuͤ- hung immer weiter von der Zufriedenheit ent- fernen, die uns so gluͤcklich macht. Jch gebe ihnen zu bedencken, ob sie nach der Vernunft, die sie so hoch achten, ohne Suͤnde Leute hassen koͤnnen, die so liebreich gegen sie gesinnet sind; Und ob es nicht vor sie so wohl, als vor uns besser waͤre, wenn wir in Friede mit einander lebten. Wir spinnen bey dem ungluͤcklichem Kriege, in welchen wir verwickelt find, beyderseits keine Seide, und haben keinen andern Vortheil davon, als daß die Ungelehrten uns auslachen, und aus den Wahrheiten, die wir uns einander sagen, den schimpflichen Schluß machen, daß alle Gelehrten nicht klug sind. Da nun dieses Urtheil der ungelehrten Zuschau- er unsers Kampfs sie mehr schmertzen muß, als uns, die wir aufrichtig unsere Einfalt ge- stehen; so waͤre es, nach meiner Meinung, wohl von ihnen gehandelt, wenn sie die Feindseelig- keiten einstellten und Friede machten. Wir, ( o ) Wir, unsers wenigen Orts, sind geneigt da- zu: Aber da wir uns nun in einem so gluͤck- seeligen Zustande befinden, daß wir uns vor hoͤchst vollkommen halten, und glauben, wir haͤtten noch Recht uͤbrig: So ist es unmoͤglich, daß wir den ersten Schritt thun. Ja wenn es gleich moͤglich waͤre, so muͤsten wir doch besorgen, sie moͤgten es als einen Eingrif in ihre Rechte ansehen, und, wenn wir nachge- ben wollten, uns in dem Verdacht haben, wir hielten uns vor kluͤger, als sie. Denn der Kluͤgste giebt allemahl nach. Es sey ferne von uns, daß wir ihnen zu diesen Gedancken An- laß geben sollten. Dadurch wuͤrde die Verbit- terung noch groͤsser werden. Wir haben, ob sie gleich unsere Feinde sind, so viele Hochachtung gegen sie, daß wir ihnen die Ehre des Nachgebens nicht streitig machen. Und kaͤme uns ja die Lust an, ihnen dieselbe zu rauben; So wuͤrde doch unser natuͤrliches Unvermoͤgen unsere thoͤrigte Bemuͤhung frucht- loß machen. Denn wollten wir nachgeben, so muͤsten wir zu ihnen hinauf steigen: Und dieses leidet unser ausserordentlich schwerer Kopf nicht. Wir erwarten also von unsern Feinden, daß sie zu uns herunter kommen, und das von Rechts wegen. Denn fallen ist leichter als steigen. Facilis ( o ) . . . . Facilis discensus aver- ni; At revocare gradum, superasque eva- dere ad auras Hoc opus, hic labor est . . . . Virgilius Æneid. Lib. VI. Unsere Feinde brauchen nichts mehr, als daß sie den Kopfzwischen die Beine nehmen, und sich der natuͤrlichen Schwere ihrer Coͤrper, wie wir, uͤber- lassen. Dieses ist der einzige Vorschlag, den ich ihnen thun kan. Nehmen sie ihn an, so ist ihr Gluͤck gemacht. Der Fall, zu welchem ich ihnen ra- the, wird ihnen vortheilhafter seyn, als ihr muͤh- sames Klettern. Dieses bringet ihnen nichts, als Mißvergnuͤgen; Durch den gluͤcklichen Sturtz, zu welchem ich sie aufmuntere, versin- cken sie hergegen in ein unergruͤndliches Meer der suͤssesten Zufriedenhett, und erreichen, ohne Muͤhe, den Grad der Vollkommenheit, nach wel- chem sie auf eine verkehrte Art, und folglich verge- bens trachten. Verwerfen sie aber meinen hoͤchst billigen Vorschlag, so muß zwar alle Hofnung zum Frie- den ( o ) den gaͤnzlich verschwinden: Allein ich hofe doch, daß der Glimpf, den ich in dieser Schrift ge- gen sie gebrauchet habe, und die liebreiche Art, mit welcher ich ihnen, ob ich gleich uͤber sie gesieget, den Frieden anbiete, ihren Grimm in et- was mildern, und sie uͤberzeugen werde, daß sie unrecht thun, wenn sie so unschuldige, ehrliche und fromme Leutlein, als wir sind, so heftig verfolgen. Erlange ich dieses nur, so soll mich die Muͤ- he, die ich auf diese Schrift gewendet habe, nicht verdriessen: Weil ich alsdann versichert seyn kan, daß meine Bruͤder nicht ermangeln werden, einem so tapfern Vertheidiger, als sie an mir haben, ihre Erkenntlichkeit zu bezeigen. XI. XI. A nmerckungen in Form eines Briefes uͤber den A briß eines neuen R echts der N atur , welchen der ( S. T. ) Hr. Prof. Mantzel zu Rostock in einer kleinen Schrift, die den Titul fuͤhret: Primæ Lineæ Juris Naturæ vere talis secundum sanæ rationis principia ductæ. der Welt mitgetheilet. Kiel 1735. Cicero de Nat. Deorum Lib. 111. Mihi … unum satis erat, ita nobis ma- jores nostros tradidisse. Sed tu aucto- ritates omnes contemnis, ratione pu- gnas. Patere igitur rationem meam cum tua ratione contendere. N eue V orrede des Verfassers. D ie Schrift von welcher ich in die- ser Vorrede handeln werde, ist zwar nicht satyrisch, als die vo- rigen. Jch glaube aber nicht, daß sie darum diese Sammlung verunzie- ren wird. Sie ist wieder den Abriß eines neuen Rechts der Natur gerichtet, den der Hr. Prof. Mantzel zu Rostock im Jahr 1726. unter dem Titel: Primæ lineæ ju- ris naturæ veré talis secundum sanæ ra- tionis principia ductæ, ans Licht gabe. So bald mir diese Schrift des Herrn Mantzels zu Gesichte kam, entschloß ich mich, meine Gedancken daruͤber zu Pa- pier zu bringen. Allein es blieb dabey, und ich hatte derselben fast gantz vergessen, als sie mir im Jahr 1729. von ungefehr wie- der in die Haͤnde fiel. Jch fand noch eben O o so ( o ) so viel daran auszusetzen, als vor dem, und machte Anmerckungen daruͤber, denen ich die Form eines Briefes gab. Jch that es bloß zum Zeitvertreib, und war nicht gesonnen, diese Anmerckungen jemahls druͤcken zu lassen. Jch wuͤrde es auch nim- mer gethan haben, wenn ich nicht im Jahr 1735. mit dem Hrn. Prof. Mantzel, bey einer andern Gelegenheit, im Streit ge- rathen waͤre. Es schrieb dieser Rostockische Lehrer im Anfange des gedachten Jahrs eine Di- sputation, die den Titel hatte: Disserta- tio circularis januariana de Juris pruden- tia salutis civium æternæ rationem ha- bente. Er behauptete darinn einen Satz, den ich, wie gottseelig er auch scheinet, vor Grund boͤse und vor eine Quelle der schaͤd- lichsten Unordnungen halte, und ich nahm mir daher die Freyheit, dem Hrn. Man- tzel einige Einwuͤrfe zu machen, welche ich in das 22 te Stuͤck der Niedersaͤch- sischen Nachrichten von 1735 setzen ließ. Jch glaubte nicht, daß dem Hrn. Prof. Mantzel dieses zuwieder seyn wuͤr- de, und das um so viel weniger, weil ich mich aller Bescheidenheit gegen ihn bedie- net hatte. Allein ich betrog mich sehr in der ( o ) der guten Meinung, die ich von ihm hat- te. Er muste vielleicht in meinen Einwuͤr- fen nicht die Demuth und Lehr-Begierde finden, die er von den sittsahmen Juͤnglin- gen gewohnt war, die gedrungen sind, sich von ihm uͤberwinden zu lassen, und welche er gemeiniglich spatzierend, mit einem Ma- jestaͤtischen laͤcheln, zu Boden zu schlagen pfleget: Vielleicht hatte ich ihm Dinge vorgesaget, die schwerer zu beantworten waren, als die Dubiola, welche drey oder vier arme Suͤnder, welche er ordentlicher Weise mit vieler Behutsamkeit aus dem kleinen Haͤuflein seiner Schuͤler zu Oppo- nenten aussuchet, mit Furcht und Zittern von ihrem Zettel abgelesen hatten. Das verdroß ihm, und seine Empfindlichkeit gieng so weit, daß er sich bey dem Rath von Hamburg uͤber den Verfasser der Nieder- saͤchsischen Nachrichten beschwerete. Waͤ- re er vor Eifer nicht gantz ausser sich gewe- sen, so wuͤrde er wohl begrifen haben, daß es eine Unbescheidenheit sey, eine Obrig- keit, die wichtigere Geschaͤfte hat, mit sol- chen Kleinigkeiten zu behelligen, und ihr zuzumuthen, daß sie mit ihrem Schwerd die Haͤndel eines armseeligen und stoltzen Scribenten ausmachen solle, die dieser sich O o 2 mit ( o ) mit seiner Feder nicht auszumachen ge- trauet: Allein so glaubte er, man wuͤrde seinen Jammer zu Hertzen nehmen. Jch weiß nicht, was er vor Antwort bekom- men hat; das weiß ich, daß alle Wirckung, die seine Klagen hatten, diese war, daß man den Verfasser der Niedersaͤchsischen Nachrichten befragte: Ob er den Aufsatz, uͤber welchen sich der Hr. Prof. Manzel be- schwerete, selbst, oder ob ihn ein anderer gemacht habe? Und ob er nicht wisse, wer der Urheber sey? Er antwortete. Der Aufsatz sey ihm zugeschickt: Er wisse aber nicht, wer ihn gemacht habe. Damit war man zufrieden. Der Hr. Verfasser der niedersaͤchsischen Nachrichten fuͤrchtete sich auch so wenig vor dem Hrn. Prof. Man- zel, daß er sich nicht scheuete, einen an- dern Aufsatz, den ich in seinem Nahmen verfertiget hatte, in das 27 te Stuͤck seiner Nachrichten zu ruͤcken, in welchem dem Hrn. Prof. Manzel die Thorheit seines Verfahrens deutlich genug vorgeworfen wird. Jch war inzwischen bey allen diesen Bewegungen, die sich der Hr. Manzel gab, gantz stille, und erwartete in aller Gelas- senheit, was endlich daraus werden wuͤr- de. ( o ) de. Jch suchte mich aber nicht zu verber- gen; sondern gab dem Hrn. Verfasser der niedersaͤchsischen Nachrichten die Erlaub- niß, meinen Nahmen zu nennen: Ja ich freuete mich recht, als ich hoͤrete, daß der Hr. Prof. Manzel einem gewissen Doctor in Hamburg aufgetragen hatte, mich durch Notarien zu beschicken, und gar zu verkla- gen; Allein meine Freude war vergeblich. Es hat sich weder Doctor noch Notarius bey mir gemeldet. Jch glaube auch nicht, daß der Hr. Prof. Manzel jemahlen gewil- let gewesen ist, die Sache so weit zu treiben. Jndessen erhellete aus seiner Auffuͤh- rung so viel, daß er nicht wiederleget seyn wollte. Aus welchem Grunde er verlang- te, in diesem Falle etwas vor andern Ge- lehrten voraus zu haben, das habe ich nim- mer begreifen koͤnnen. Vieleicht hat er gemeinet, man habe das Recht, gegen ihn zu schreiben, versessen; weil man sich des- selben in so langer Zeit nicht bedienet hatte. Allein er haͤtte bedencken sollen, daß die- ses Recht, juristisch zu reden, eine res meræ facultatis sey, wieder welche keine Verjaͤhrung Statt hat; ja daß es fast un- moͤglich gewesen, sich desselben zu bedie- nen; weil er, auf gewisse Maasse, clàm O o 3 ge- ( o ) geschrieben hatte, und seine Schriften aus- ser Rostock nicht bekannt waren. Er hat- te also die lange Ruhe, die er genossen hat- te, bloß seiner Dunckelheit, und der schlech- ten Figur zu dancken, die er in der gelehr- ten Welt machte. Es wuͤrde ihn auch niemand von den andern Gelehrten so leicht darinn gestoͤhret haben, wenn ich mich nicht uͤber ihn her gemacht haͤtte. Die Gelehrten sind, wenn sie gegen andere schreiben, in der Wahl ih- rer Gegner ungemein lecker. Sie schrei- ben darum, daß sie in der gelehrten Welt beruͤhmt seyn wollen, und wehlen sich da- her gemeiniglich solche Gegner, die es schon in einem so hohen Grad sind, daß sie auch andere durch ihren Glantz erleuchten koͤn- nen. Mit mir und meines gleichen ver- haͤlt es sich gantz anders. Wir sehen die gelehrte Welt in einer gewissen Entfernung an, und koͤnnen so eigentlich nicht unter- scheiden, was in derselben groß oder klein ist. Jch verlange uͤber dem nicht beruͤhmt zu seyn, und gebe nichts um einen Ruhm, den ich meinem Feinde zu dancken habe. Jch will lieber andere durch meine Wieder- legung bekannt und beruͤhmt machen, als durch die Wiederlegung groͤsserer Maͤnner be- ( o ) beruͤhmt werden. Mich deucht, ich habe mehr Ehre davon, daß man meiner dun- ckeln Gegner unbekannte Schriften um meiner Wiederlegung willen, als daß man meine Wiederlegung um der Schriften willen meiner angesehenen Gegner lieset. Jn dem ersten Fall erweise ich meinem Nechsten eine Wohlthat, in dem andern empfange ich sie. Der Hr. Prof. Manzel, dem ich eine solche Wohlthat, durch meine Einwuͤrfe gegen seine Disputation, erwiesen hatte, wuͤrde also weit vernuͤnftiger gehandelt ha- ben, wenn er dieses erkennet, und sich nicht auf eine so unanstaͤndige Art entruͤstet haͤt- te. Allein so meinete er, es waͤre ein straf- bahrer Frevel, wenn man sich die Freyheit naͤhme, ihm zu wiedersprechen. Gerade, als wenn er nicht irren koͤnnte, oder, wenn er gleich irrete, jederman doch, aus Ehr- furcht vor ihn, auch seine Jrrthuͤmer anzu- beten, schuldig sey. Dieser Stoltz verdroß mich, und mach- te, daß ich meine Anmerckungen uͤber sein wunderliches Recht der Natur, der ich fast vergessen hatte, herausgab. Jch hoffte, er wuͤrde daraus erkennen, wie viel ihm noch fehle, ehe er die tiefe Ehrerbietung, O o 4 welche ( o ) welche er zu fordern schien, verlangen koͤnn- te; oder doch wenigstens begreifen, daß man ihn nicht sonderlich fuͤrchte. Allein meine Hofnung schlug fehl. Er blieb bey der gu- ten Meinung, die er von sich hatte, und ließ eine Art von Manifest in daß 49 te Stuͤck der Hamburgischen Berichte von 1735 ruͤcken, in welchem er von meinen Anmer- kungen aufs veraͤchtlichste redete, mich ei- nen luci fugam nennete, und sich nicht un- deutlich mercken ließ, er glaube, daß ich aus Furcht meinen Nahmen verhehlet haͤt- te. Jch benahm ihm diese vornehme Ein- bildung durch eine kurze und nachdruͤckliche Antwort auf sein trotziges Manifest, wel- che ich in das 54te Stuͤck der nieders. Nach- richten von 1735 setzen ließ. Dabey ist es ge- blieben, und ich habe mich weiter um den Hr. Prof. Manzel nicht bekuͤmmert. Weil ich mir vorgenommen habe, in dieser Vorrede meinen Lesern auch von mei- ner Schrift gegen Jhn Rede und Antwort zu geben, so habe ich seiner nothwendig er- wehnen muͤssen. Es ist mir leid, daß ich nicht so viel gutes von ihm habe sagen koͤn- nen, als ich wohl gewuͤnschet haͤtte. Er kan glauben, daß alles, was ich von ihm gesaget habe, nicht den geringsten Haß ge- gen ( o ) gen seine Person, sondern bloß die Liebe zur Wahrheit zum Grunde hat. Jch hege kei- nen Wiederwillen gegen ihn, und wuͤnsche nichts so sehr, als Gelegenheit zu haben, ihm zu dienen, und ihm wirckliche Proben meiner Freundschaft zu geben. Allein sei- ne Schriften gefallen mir nicht. Jch habe dieses mit den meisten gemein, die sie gelesen haben. Nur unterscheide ich mich darinn von andern, daß ich aufrichtig sage, was sie alle gedencken. Jch that es mit so vieler Hoͤflichkeit, daß ich glaubte, der Hr. Prof. Manzel wuͤrde meine Freyheit nicht uͤbel nehmen. Jch redete ernsthaft mit ihm; da ich hergegen mit andern, die vieleicht ge- rechter waren, als er, nur meinen Muth- willen trieb. Er ward aber dennoch boͤse, und geberdete sich aͤrger, als alle meine an- dern Gegner. Diese Auffuͤhrung kam mir um so viel wunderlicher vor, je weniger ich dem Hn. Prof. Manzel Gelegenheit dazu ge- geben hatte. Sie war so unordentlich, und einem Gelehrten so unanstaͤndig, daß ich mich nicht habe entbrechen koͤnnen, ihm in dieser Vorrede, ohne Heucheley, meine Mei- nung daruͤber zu sagen. Will er mir dieses uͤbel nehmen, so muß ich es geschehen lassen. Jch werde zu frieden seyn, wenn er nur end- O o 5 lich ( o ) lich begreifet, was eine gar zu grosse Em- pfindlithkeit vor schlimme Folgen hat, oder wenigstens andere gar zu empfindliche Scri- benten sich an seinem Exempel spiegeln, und einen bescheidenen Wiederspruch mit Ge- duld ertragen lernen. Von dem Jnhalt meiner Anmerkun- gen uͤber das neue Recht der Natur des Hn. Prof. Manzels muß ich noch etwas sagen. Jch weiß nicht, ob es viel oder wenig seyn wird: Doch will ich es so kurtz machen, als es mir immer moͤglich ist. Es hatte der Hr. Prof. Manzel sein Recht der Natur auf den Stand der Un- schuld gegruͤndet, und sich viele Muͤhe gege- ben, aus der Vernunft zu beweisen, daß der erste Mensch hoͤchst vollkommen erschaf- fen worden: aber seine Vollkommenheit durch einen gewaltsamen Zufall verlohren habe. Seine Gruͤnde kamen mir sehr schwach vor. Jch wiederlegte sie, und zeig- te, daß die ihr selbst gelassene Vernunft von dem Stande der Unschuld nichts wisse; ja daß ihr derselbe unbegreiflich, und der ge- waltsame Zufall, durch welchen der erste Mensch um seine urspruͤngliche Vollkom- menheit gekommen seyn sollte, gar unmoͤg- lich vorkomme. Es scheinet also, als wenn ich ( o ) ich den Stand der Unschuld, und den Fall des ersten Menschen leugne. Gleichwie ich mich aber deutlich genug erklaͤret habe, daß meine Absicht nicht sey, das, was unsere Kirche aus der Schrift davon lehret, in Zweifel zu ziehen; So hofe ich, daß recht- schafene Gottesgelehrte, welche die Blind- heit und das Verderben der Vernunft ge- buͤhrend einsehen, und wissen, wie noͤthig es sey, dieselbe unter dem Glauben gefan- gen zu nehmen, sich an meiner Schrift nicht aͤrgern werden. Sollten sich, wie es zu diesen Demonstrativischen Zeiten leicht seyn kan, sonst einige finden, die es mir verargen, daß ich die schoͤne Harmonie nicht einsehe welche sie sich zwischen Vernunft und Ofen- barung eingefuͤhret zu haben einbilden; So bitte ich diese Herren, zu bedencken, daß die- se hohe Einsicht nicht jedermans Ding sey, so wenig als der Glaube. Jch ruͤhme mich keiner Philosophie, durch welche ich auch die Tiefe der Gottheit ergruͤnden koͤnnte, und will lieber mit unsern reinesten Gottes- gelehrten nicht sehen, und doch glauben, als, diesen philosophischen Christen zu gefallen, sagen, daß ich sehe, was ich doch nicht sehe. Jch schaͤme mich dieser Auffuͤhrung um so viel weniger, weil der Hr. Probst Rein- beck ( o ) beck selbst, wie sehr er auch sonst bemuͤhet ist, der Religions-Wahrheiten, und den Geheimnissen unsers Glaubens den An- strich einer philosophischen Gruͤndlichkeit zu geben, nicht vor gut befunden hat, in seinen Betrachtungen uͤber die Augsburgi- sche Confeßion, die Lehren von dem Stan- de der Unschuld, und dem Falle des ersten Menschen aus der Vernunft herzuleiten. Er bekennet aufrichtig, daß die blosse Ver- nunft nicht auf den rechten Grund kommen koͤnne S. die XXII te Betracht. §. 1. , und leget, wenn er vom Eben- bilde GOttes, und vom Falle des ersten Menschen handelt, die Erzehlung Mosis zum Grunde S. die XVI te und XXII te Betracht. Jch weiß wohl, er saget, nach der gu- ten Meinung, die er von der menschlichen Vernunft hat, an unterschiedenen Orten S. die II te Betracht. §. 17. 18. und dir XXII te Betracht. §. 1. , daß die Vernunft nicht anders muth- massen koͤnne, als daß GOtt den Menschen gut, und ohne suͤndliche Neigungen erschaf- fen habe; Daß sie aus dem grossen Verder- ben des menschlichen Geschlechts nothwen- dig schliessen muͤsse, es sey ein grosser Ver- fall ( o ) fall vorgegangen, und daß alles, was Mo- ses von der Herrschaft des Menschen uͤber die Thiere sagt, der Vernunft gemaͤß sey. Allein er wird mir erlauben, ihn zu sagen, daß er der Vernunft gar zu viel Ehre erwei- set. Sie ist so viel ich sie kenne, nicht im Stande, aus eigenen Kraͤften, zur Erkaͤnnt- niß dieser wichtigen Wahrheiten zu gelan- gen: ja sie ist gar so blind und verkehrt, daß ihr diese Wahrheiten, wenn man sie ihr aus der Ofenbahrung vortraͤgt, gantz un- wahrscheinlich vorkommen. Sie siehet wohl, daß die Menschen, durch ihre unordentlichen Begierden, sich selbst und andern schaden; Aber sie haͤlt die- se Unvollkommenheit des Menschen vor ei- ne Frucht der nothwendigen, und an sich un- schuldigen Neigungen, die ihm von der Na- tur zu seiner Erhaltung eingepreget sind, und vor eine gantz natuͤrliche Folge seiner Einschraͤnkung S. die XXIII te Betrachtung §. 18. woselbst Hr. Reinbeck aus der nothwendigen Einschraͤnkung einer Creatur sehr gruͤndlich beweiset, daß es GOtt un- moͤglich gewesen sey, den Menschen so zu erschaffen, daß er nicht suͤndigen koͤnnen. Man siehet leicht, was daraus folget. . Sie siehet also das, was Herr Reinbeck ein Verderben nennet, als ein Ungemach an, wieder welches man sich, ( o ) sich, eben so wohl, als wie der Hitze und Kaͤlte, durch Kunst verwahren muß, oh- ne vor sich darauf zu verfallen, daß man vor Zeiten dieser Muͤhe uͤberhoben gewe- sen sey. Jch gestehe, es waͤre besser, daß man von diesem Ungemache frey waͤre, und die Vernunft erkennet es auch: Aber dar- um glaubt sie nicht, daß das menschliche Geschlecht sich jemahlen in einem so begluͤck- ten Zustande befunden habe, so wenig, als sie sich einbildet, daß die Erdkugel vor Al- ters mit Canaͤlen, wie der Globus mit Strichen, durchschnitten gewesen, und daß es in der gantzen Welt ausgesehen ha- be, als in Holland; obgleich diese Einrich- tung unstreitig besser ist, als die ietzige. Sie ist viel zubescheiden, als daß sie von der Natur verlangen sollte, sich in ihren Wirckungen noch der Phantasie eigennuͤtzi- ger Menschen zu richten. Sie machet einen Unterscheid unter Natur und Kunst, und erwartet nicht von jener, was ihr nur diese geben kan. Sie siehet, daß alle Wercke der Natur roh sind, und einer Ausarbei- tung und Zubereitung beduͤrfen. Die Kunst muß der Natur zu Huͤlfe kommen, und der Mensch wuͤrde sich kuͤmmerlich behelfen muͤssen, wenn er mit dem, was die Natur ihm ( o ) ihm fertig liefert, zufrieden seyn wollte. Er hat alle Bequemlichkeiten dieses Lebens sei- nem eigenen Witze und seiner Bemuͤhung zu dancken. Die Natur giebt ihm den Stof zu allem, was er noͤthig hat: Aber Kleider und Haußgerath; Haͤuser und Pal- laͤste wachsen doch nicht: Man muß sie ma- chen und bauen. Dieses weiß die Ver- nunft: Wie sollte sie demnach auf die Ge- dancken gerathen, daß jemahlen eine Zeit gewesen sey, da die weisen Leute gewach- sen, wie die Piltze? Es wuͤrde ihr nicht schwerer fallen, zu glauben, daß die Natur vor Zeiten Pasteten hervorgebracht habe. Weißheit und Tugend sind Fruͤchte der Kunst, des Nachdenckens uñ der Erfahrung. Die Natur giebt uns die Faͤhigkeit dazu, und weiter nichts. So dencket die Vernunft, und ist also weit von dem Muthmassungen entfernet, die Hr. Reinbeck ihr beyleget. Jch will indessen nicht leugnen, daß Leute gewesen sind, welche, ohne von un- serer Bibel das geringste zu wissen, von dem Verderben des menschlichen Geschlechts und dessen Ursachen Muthmassungen ge- habt haben, die mit der Geschichte Moses uͤberein zu kommen scheinen. Allein ich bin versichert, daß man diese Muthmassungen mehr ( o ) mehr gewissen Vorurtheilen und Ofenbah- rungen, daran es in der Welt niemahlen ge- fehlet hat, als der sich selbst gelassenen Ver- nunft dieser Leute zuschreiben muͤsse. Die Scrupel uͤber das Verderben des Menschen, und die Muͤhe, die man sich giebt, die Ursache desselben auszugruͤbeln, haben ihren Grund in dem Begrife, den man sich gemeiniglich von GOTT machet. Man glaubt, GOTT regiere die Welt auf menschliche Weise, und sehe die Fehler der Menschen als wahre Verbrechen an, die er, Kraft seiner Gerechtigkeit, willkuͤhrlich stra- fe. Da es nun aber unbillig zu seyn schei- net, den Menschen wegen einer Unvollkom- menheit zu strafen, die ihm angebohren ist, und bey welcher niemand zu kurtz koͤmmt, als er selbst: So spricht man: Der Mensch sey vollkommen von GOtt erschafen wor- den; habe sich aber muthwillig, durch eine Ubertretung, in das Verderben gestuͤrzet, in welchen er sie ietzo befindet. Es sind dieses alles unstreitige Wahr- heiten. Allein, gleichwie die Vernunft vor sich nicht im Stande ist, zu erkennen, daß GOtt die Fehler des Menschen, als Uber- tretungen seiner Gesetze, willkuͤrlich strafen werde: So wuͤrde man ihr auch zu nahe thun, ( o ) thun, wenn man den Satz, durch welchen man sich bemuͤhet, dieses Verfahren der GOttheit zu rechtfertigen, auf ihre Rech- nung schreiben wollte: Und dieses um so viel mehr, weil dieselbe, so viel die Vernunft davon verstehet, einen wahren Wieder- spruch in sich fasset. Denn nichts ist so un- begreiflich, als ein vollkommener Mensch, ohne alle Neigung zur Suͤnde; der dennoch muthwillig suͤndiget. Jch habe dieses in meinen Anmerckun- gen deutlich gewiesen. Weil ich aber sehe, daß Hr. Reinbeck in den Gedancken stehet S. die XXII te Betracht. §. 14. , man koͤnne aus gewissen erdichteten Umstaͤnden, durch welche er die Luͤcken in der Erzehlung Mosis ausfuͤllen will, wenn man sie gleich nicht als gewiß annehmen wollte, wenigstens so viel schliessen, daß es sehr wohl moͤglich gewesen, daß Eva, auch im Stande der Unschuld, auf die Art, als er die Sache vorstellet, habe irre gemacht werden koͤnnen; so nehme ich mir die Frey- heit, ihm zu sagen, daß die Zusaͤtze, durch welche er die Erzehlung Mosis wahrschein- licher machen will, bey mir diese Wirckung nicht gehabt haben. P p Er ( o ) Er meinet l. . §. 13. : „Die Schlange habe „mit der Eva, auf eine gantz unmoͤgliche „Weise, von allerhand hohen Dingen zu re- „den angefangen. Eva habe sich daruͤber „gewundert, und die Schlange gefraget; „wie sie zu diesen Einsichten, und zu der „Sprache gekommen sey? die Schlange „habe geantwortet: Sie habe von der „Frucht des verbotenen Baumes gegessen, „und dadurch sey ihre Natur gantz veraͤn- „dert, und sie aus einem unvernuͤnftigen „Thiere eine vernuͤnftige Creatur gewor- „den. Da nun Eva, habe sie hinzugese- „tzet, schon eine vernuͤnftige Creatur sey, „so solle sie es einmahl versuchen, und auch „von der Frucht dieses Baumes essen, so „wuͤrde sie noch zu einer hoͤhern Stufe der „Erkaͤnntniß gelangen. Eva habe darauf „versetzet: Dieses sey ihr von GOtt verbo- „ten: Worauf die Schlange gesaget; das „koͤnne sie sich nicht einbilden: Eva habe es „ja nicht selbst gehoͤret: Der Mann koͤnne „vielleicht GOtt, oder sie ihren Mann nicht „verstanden haben. Eva habe geantwortet: „Sie und ihr Mann duͤrften von den Fruͤch- „ten aller Baͤume essen: Aber nicht von „der Frucht des Baumes mitten im Gar- ten: ( o ) ten: Wenn sie dieses thaͤten, so muͤsten sie„ sterben. Darauf habe die Schlange gesa-„ get: Jhr werdet nicht sterben. Uns Thie-„ ren hat GOtt das gruͤne Kraut zur Spei-„ se verordnet. Jch habe diese Ordnung uͤ-„ berschritten, und lebe doch noch, und bin„ gluͤcklicher, als vorher. Dadurch sey Eva„ bewogen worden, von dem Baum zu es-„ sen, um zu mehrer Klugheit zu gelangen,„ und GOtt gleich zu werden.‟ Es bleibt aber meiner Vernunft noch immer unbegreiflich; Wie Eva, bey aller ihrer Weißheit, so einfaͤltig seyn koͤnnen, daß sie sich mit einem Thiere in eine Unterre- dung eingelassen von dem sie versichert war; daß es nicht sprechen konnte! Wir, die wir uns einer so hohen Weißheit nicht ruͤhmen koͤnnen, mercken gleich, daß der Teufel durch die Schlange geredet habe, obgleich Moses nicht ein Wort davon sagt. Wie ist es moͤg- lich gewesen, daß Eva dieses nicht gemercket hat? Sie hat unstreitig gewust, daß ein Teufel waͤre: Sie hat gewust, daß es ein boͤ- ser und listiger Geist sey, der dem Menschen sein Gluͤck mißgoͤnne, und mit dem sie sich also ohne Gefahr nicht einlassen koͤnne. Es ist nicht glaublich, daß der guͤtige GOtt den ersten Menschen eine, ihnen so unumgaͤng- P p 2 lich ( o ) lich noͤthige, Wahrheit sollte verborgen ha- ben. Warum macht also Eva, die sonst eine so gute Christin war, kein Creutz vor sich, und geht davon? Sie thut es nicht. Aber ist es moͤglich, daß sie die laͤppische Ur- sache, welche ihr die Schlange von ihrer un- gewoͤhnlichen Weißheit giebt, vor wahr- scheinlich genug gehalten habe, ihr Glauben beyzumessen? Sie kannte ja die Natur der Thiere, und wuste also, daß es unmoͤglich sey, daß aus einer unvernuͤnftigen Bestie ei- ne verstaͤndige Creatur wuͤrde. Jst es moͤg- lich, daß der kahle Scrupel, welchen die Schlange der Eva wieder das Goͤttliche Verbot beyzubringen sucht, diese gute Frau so irre gemacht haben koͤnne? Laß es seyn, daß GOtt dem Adam noch vor der Erschaf- fung der Eva verboten habe von dem Baum mitten im Garten zu essen: Jst es darum glaublich, daß Eva von diesem Verbot nicht eben so starck uͤberzeuget gewesen sey, als ihr Mann: Es sey nun, daß sie es nur von diesen oder von GOtt selbst gehoͤret habe? Kan man ohne Suͤnde gedencken, daß Gott just die Eva am schlechtesten wieder den An- grif des Teufels gewafnet habe; da er doch vorher wuste, daß der Versucher sich eben an das Weib machen wuͤrde? Wann end- lich ( o ) lich die Schlange die Eva, durch ihr Exem- pel, zur Ubertretung des goͤttlichen Verbots zu verfuͤhren sucht, und ihr sagt, sie habe die von GOtt gemachte Ordnung uͤber- schritten, und sey doch nicht gestorben; So weiß ich nicht, wie die mit so ausnehmender Weißheit ausgeruͤstete Eva dadurch habe verfuͤhret werden koͤnnen? Wuste sie dann nicht, daß die Schlange, als ein Thier, von der Ordnung, die GOtt, in Ansehung der Nahrung seiner Geschoͤpfe, gemacht hatte, nicht die geringste Wissenschaft haben konn- te? Wuste sie nicht, daß die Thiere, weil sie keinem Gesetze unterworfen sind, nicht suͤn- digen, und folglich nicht gestraft werden koͤnnen? und daß es sich mit ihr, als mit einer Freyheit begabten Creatur gantz anders verhalte? Wo bleibt die Weißheit, die man sonst dem ersten Menschen beyleget, wenn man dieses von ihr glaubt? Ja wo bleibt sie, wenn man ihr nachredet, sie habe noch kluͤ- ger, als sie war, und GOtt gleich werden wollen? die ersten Menschen waren voll- kommen gluͤcklich: Sie waren folglich auch vollkommen mit dem Grad ihrer Weißheit zufrieden. Wie konnte demnach in Eva eine Begierde entstehen, kluͤger zu werden? Es ist dieses eben so unmoͤglich, als daß sie P p 3 sollte ( o ) sollte getrachtet haben, GOtt gleich zu wer- den. Sie hatte eine viel zu grosse Erkaͤnnt- niß GOttes, als daß man dieses, mit Grun- de, von ihr muthmassen koͤnnte. Jst sie aber dennoch auf diese Thorheit verfallen, so wird man der Vernunft nicht verdencken, daß sie alles, was man sonst von den hohen Einsichten, und von der vortreflichen Er- kaͤnntniß des ersten Menschen sagt, vor falsch und erdichtet haͤlt. Man siehet demnach, daß die Zusaͤtze des Herrn Reinbecks den Fall des ersten Menschen nicht wahrscheinlicher machen, als die Complimente, welche der Ertzbischof von Vienne, Alcimus Avitus der Schlan- ge in den Mund leget Diese Complimente lauten also: „O felix, mundiquo decus pulcherrima virgo, „Ornat quam roseo præfulgens forma pudore. „Tu generi ventura parens, te maximus orbis „Exspectat matrem, tu prima \& certa voluptas „Solamenque viri, sine qua nec vivere possit, „Vt major, sic jure tuo subjectus amori, „Cui juncta es, pulchram reddas, vt tempore pro- lem. „Vobis digna datur paradisi in vertice sedes „Vos subjecta tremit famulans substantia mundi \&c. Eva ist nicht weniger hoͤflich. Sie antwortet der Schlange: „Svavibus o pollens, coluber dulcissime, verbis, „Non, vt vere, Deus nobis jejunia svafit, Nec , und daß die Ver- nunft ( o ) nunft, was man ihr auch vor gute Worte giebt, dennoch dabey bleibet, daß der Fall ei- ner so vollkommenen, weisen und heiligen Creatur, als der erste Mensch gewesen seyn soll, einen Wiederspruch in sich fasset, und unmoͤglich ist. Die Herrschaft uͤber die Thiere, die man dem ersten Menschen beyleget, will ihr eben so wenig in den Kopf. Sie glaubt, daß man durch die Wunder-Dinge, welche man davon erzehlet, das Paradiß dem Lande der Fabeln gleich machet, und Herr Rein- beck trauet ihr zu viel zu, wenn er meinet, daß sie wieder die unglaublichen Folgen, die P p 4 man „Nec prohibet largo curari corpora pastu „Ecce vides epulas, totus quas porrigit orbls, „Omnibus iis licité genitor promptissineus uti „Præstitit, \& totas esu laxavit habenas, „Hæc sola est nemoris medii, quam perspicis, arbor „Interdicta cibis, hæc tantum tangere nobis „Poma nefas: dives præsumit cætera victus. „Quod si libertas temerarit noxia legem, „Iurans terribili prædixit voce creator, „Quadam nos statim luituros morte reatum, „Quid vero mortem appellet, doctissime ferpens, „Pande libens, rudibus nobis incognita res est. Alcimus Avitus Lib. II. Wann man die ersten Menschen so dumm machet, so wird, deucht mich, ihr Fall viel wahrscheinlicher, als wenn man ihnen, ich weiß nicht was vor eine hohe Weißheit beyleget. ( o ) man aus der kurtzen Erzehlung Mosis zie- het, nichts zu erinnern habe. Er nimmt S. die XVI. Betracht. §. 21. die ofenbahr hyperboli- sche Beschreibung die Jesaias in seinem XI ten Capitel von einer gluͤckseeligen Zeit machet, welche, wenn man seine Weissa- gung nach dem Buchstaben verstehet, nie- mahlen gewesen ist, noch seyn wird, in ei- gentlichem Verstande, und findet darinn ei- ne Abbildung des Standes der Unschuld, und der Herrschaft des Menschen uͤber die Creaturen. Jch kan mir aber kaum ein- bilden, daß er von der Vernunft verlan- gen wird, eine Abbildung vor wahrschein- lich zu halten, durch welche die erste Welt, ohne alle Ursache, in ein Schlaraffen-Land verwandelt wird. Jch will eben nicht sa- gen, daß es schlechterdings unmoͤglich sey, daß alle Thiere, wie diese wunderbare Ab- bildung des Standes der Unschuld vor aus- setzet und Hr. Reinbeck auch behauptet l. c. §. 23. , anfangs alle zahm gewesen: Allein eine Sache wird dadurch nicht gleich glaubwuͤr- dig, daß sie nicht schlechterdings unmoͤg- lich ist. Die Mythologie ist voll von Din- gen, die man nicht vor schlechterdings un- moͤg- ( o ) moͤglich halten kan: Aber, ist darum das, was davon fabuliret wird, der Vernunft gemaͤß und wahrscheinlich. Jch habe in meinen Anmerckungen wie- der den Hrn. Prof. Manzel eine ziemlich gute Ursache von dem Unterscheide der wil- den und zahmen Thiere gegeben. Allein jezo moͤchte ich doch lieber sagen, daß alle Thiere, ja der Mensch selbst, urspruͤnglich wild gewesen. Dieses stimmet mit mei- ner Vernunft um so viel besser uͤberein, je deutlicher sie bemercket, daß alles, was die Natur hervor bringet, wild ist. Ein Weinstock, der nicht gepfleget wird, traͤgt Heerlinge: Die Fruͤchte der Baͤume, die wild wachsen, sind unschmackhaft und wiederlich. Der Mensch muß ihnen, durch seine Wartung, Kunst und Pflege, zu Huͤl- fe kommen. Mit den Thieren verhaͤlt es sich nicht anders. Sie lieben von Natur ihre Freyheit, und hassen den Zwang. Will der Mensch Dienste von ihnen haben, so muß er sie, durch Kunst, baͤndigen und abrichten. Spricht man, es sey dieses im Stande der Unschuld nicht noͤthig gewesen: So muß man auch behaupten, daß der Un- terscheid unter Natur und Kunst im Stan- de der Unschuld keine Statt gehabt habe; P p 5 Wel- ( o ) Welches ein Satz ist, der uns bald dahin bringen wird, daß wir glauben, die Voͤ- gel haͤtten im Stande der Unschuld schoͤne Arien und geistliche Gesaͤnge gepfifen; die Pferde waͤren wohl zugeritten gewesen, und die Hunde haͤtten alle Kuͤnste, die wir ihnen nun mit Muͤhe beybringen muͤssen, mit auf die Welt gebracht. Denn alles dieses ist der Vernunft eben so gemaͤß, als der buchstaͤbliche Sinn der Weissagung Jesaias, in welcher Herr Reinbeck ein Bild des Standes der Unschuld findet. Jch zweifle sehr, daß dieser beruͤhmte Mann lust habe, so weit zu gehen: Allein, da er einmahl voraussetzet, daß die Herr- schaft, welche GOtt dem Menschen uͤber die Thiere gegeben, hauptsaͤchlich das Ver- gnuͤgen desselben zum Endzweck gehabt ha- be; so muß es ihm nicht sauer ankommen, zu glauben, daß die Thiere im Stande der Unschuld von Natur abgerichtet gewesen; Und dieses um so viel mehr, weil sonst nicht abzusehen ist, wie es moͤglich gewesen, daß sie, wie er davor haͤlt, dem Menschen, auf seinen Winck, und auf sein Wort, willi- gen Gehorsahm geleistet. Dieser willige Gesorsahm setzet eine Ge- schicklichkeit voraus, welche heutiges Ta- ges ( o ) ges auch unsern zahmesten Thieren fehlet, und welche um so viel unglaublicher wird, je groͤsser man sie nothwendig machen muß, wenn man die Herrschaft des Menschen uͤber die Thiere behaupten will. Hr. Rein- beck sagt z. E. S. die XVI. Betracht. §. 19. „Adam habe durch sei- „ne ihm anerschaffene Herrschaft verweh- „ren koͤnnen, daß der Raupen die frucht- „baren Baͤume nicht verderbet, und die „Heuschrecken und Feldmaͤuse die Frucht „auf dem Felde nicht weggefressen haͤtten. „Er siehet dieses als einen Vorzug an, der „den Adam weit uͤber alle unsere heutige „Potentaten erhebet. Und darinn hat er gantz Recht. Allein, ob das, was er sagt, der Vernunft gemaͤß sey, das weiß ich nicht. Meine Vernunft wenigstens findet vieles daran auszusetzen. Herr Reinbeck sagt ibid. : „GOtt habe „vor dem Fall eine Eintheilung der Spei- „sen fuͤr Menschen und Vieh gemacht, und „jenen das Kraut, das sich besaamet, und „die fruchtbaren Baͤume, diesem aber das „uͤbrige gruͤne Kraut zur Speise verordnet. Nun moͤchte ich wissen, ob die Thiere diese von GOtt, in Ansehung der Nahrung, zum ( o ) zum besten des Menschen, gemachte Ord- nung allezeit genau beobachtet haben, oder nicht? Jst es das erste; so haben sie es ge- than, entweder weil sie von Natur an den, zu des Menschen Nahrung bestimmten, Dingen keinen Geschmack gefunden: oder sie haben die Begierde, auch von diesen Dingen zu essen, besieget und gedaͤmpfet. Auf den ersten Fall wuͤrde der Mensch nim- mer mit den Raupen, Heuschrecken und Feldmaͤusen das geringste zu theilen, und keine Gelegenheit gehabt haben, seine Herr- schaft uͤber dieselbe, auf die Art, als Herr Reinbeck meint, zu beweisen. Hoͤchstens wuͤrde seine Herrschaft uͤber dieselbe unge- fehr so viel bedeutet haben, als diejenige, Kraft welcher wir noch heutiges Tages den Hunden verwehren, Heu und Stroh zu fressen. Haben sie aber ihre Begierde nach der, vor den Menschen ausgesetzten Speise besieget; so ist es entweder darum gesche- hen, weil sie die goͤttliche Verordnung nicht uͤberschreiten moͤgen; oder sie haben es aus Ehrerbietung gegen den Menschen gethan. Jenes setzt bey den Thieren Freyheit, Ge- wissen und Gottesfurcht; und dieses einen so hohen Grad der Erkaͤnntniß voraus, daß die Vernunft daruͤber erstaunen muß. Man muß ( o ) muß nothwendig sagen, daß z. E. die Rau- pe, ein Thier, welches Herr Reinbeck so einfaͤltig beschreibt S die XVI. Betracht. §. 53. , daß man Ursache hat, zu zweifeln, ob es von sich selbst et- was wisse, gewust habe, daß ein Thier in der Welt sey, welches der Mensch heisse: Daß dieser Mensch ein Herr der andern Thiere sey, und daß kein Thier an demjeni- gen, was sein Beherrscher sich zur Speise ausgesetzet habe, sich vergreifen muͤsse. Ja man muß behaupten, daß eine Raupe, eine Heuschrecke, eine Feldmauß die Faͤhigkeit gehabt habe, das, was dem Menschen zur Speise bestimmet, von der Nahrung der Thiere zu unterscheiden. Da nun aber dieses alles unglaublich ist, und die Herrschaft des Menschen uͤber die Thiere unnuͤtze macht: So kan ich mir nicht einbilden, daß Herr Reinbeck sagen wer- de; die Thiere haͤtten die Ordnung, wel- che GOtt, in Ansehung der Speise, ge- macht hatte, allezeit genau beobachtet. Er muß also sagen; die Thiere haͤtten ihrem Triebe, von allen Dingen, daran sie einen Geschmack fanden, ohne Unterscheid, zu essen, gefolget, und die goͤttliche Ordnung, die ihnen unbekannt war, vielfaͤltig uͤber- schrit- ( o ) schritten: Allein der Mensch habe, Kraft der ihm anerschafenen Herrschaft uͤber die Thiere, diesem Eingrife durch ein blosses Verbot vorbeugen und steuren koͤnnen. Jch bekenne, dieses waͤre ein herrliches Vorrecht gewesen: Aber es ist, zu allem Ungluͤck, so groß, daß es unbegreiflich wird. Jch will nicht sagen, daß Herr Reinbeck, so bald er den Thieren einen Trieb beyleget, auch von den Dingen zu essen, die zur Spei- se des Menschen bestimmet waren, dasje- nige umstoͤsset, was er von der goͤttlichen Eintheilung der Speisen schreibet. Denn daß GOtt von einer Creatur, die keinen Verstand und freien Willen hat, etwas verlangen, und derselben doch einen Trieb lassen sollte, seiner Absicht entgegen zu han- deln, das sind Dinge, die nicht mit einan- der bestehen koͤnnen. Eine solche Creatur muß nothwendig ihrem Triebe folgen, und ist gantz und gar unfaͤhig, sich nach Regeln zu richten, von welchen sie nichts weiß. Jch will auch nicht sagen, daß es, wenn die Thie- re die, von GOtt, in Ansehung der Speise, gemachte Ordnung uͤberschritten haben, nicht wahr seyn koͤnne, daß sie, wie Herr Reinbeck meint, sich nicht unterstehen duͤr- fen, dasjenige, was ihre Herren sich zur Speise ( o ) Speise aussetzeten anzutasten: Sondern ich frage nur; durch was vor Kuͤnste der Mensch die Raupen von seinen Baͤumen, und die Heuschrecken und Feldmaͤuse von seinem Acker vertrieben habe? Ein Winck, ein einziges Wort war, nach des Hrn. Rein- becks Meinung, genug dazu. Aber sahen dann die Raupen allemahl diesen Winck? hoͤreten sie dieses Wort? Wusten sie, daß man mit ihnen redete? Verstanden sie die Sprache des Menschen? Begrifen sie, was er von ihnen haben wollte? Urtheilten sie, daß sie schuldig waͤren, ihm, als ihrem Herrn, zu gehorchen? Jch glaube nicht, daß man dieses sagen wird: Wie kan man aber, ohne dieses alles vorauszusetzen, den willigen Gehorsahm der Raupen begrei- fen. Jch befuͤchte nicht, daß Hr. Reinbeck mir hier einwerfen wird: „Es sey nicht noͤthig,„ das man, um den Gehorsahm der Rau-„ pen begreiflich zu machen, ihnen eine so„ grosse Erkaͤnntniß, und eine Uberlegung„ zuschreibe, der sie nicht faͤhig zu seyn schei-„ nen. Die Thiere thaͤten weit wunderbarer„ Dinge ohne Verstand, und ohne Schluͤs-„ se zu machen: Und es sey also genug, daß„ man sage, GOtt habe die Maschine der„ Thiere ( o ) „Thiere so eingerichtet gehabt, daß sie, auf „den Winck des Menschen thun und lassen „muͤssen, was er ihnen befohlen, oder ver- „boten habe‟. Denn dieses kan er nicht thun, ohne eine vorher bestimmte Har- monie zwischen dem Willen des Menschen und dem Coͤper der Thiere zu behaupten, und also einen Satz der Wolfischen Philoso- phie, den er nicht annimmt, hoͤher zu trei- ben, als Hr. Wolf selbst. Uberdem ist Hr. Reinbeck auch viel zu scharfsinnig, als daß er nicht einsehen solte, daß unter den ordent- lichen Handlungen der Thiere, und unter dem willigen Gehorsahm, den sie dem ersten Menschen geleistet haben sollen, ein grosser Unterscheid sey. Die ordentlichen Hand- lungen verrichten die Thiere ohne Ver- nunft, und ohne Uberlegung: Denn sie sind ihrer Natur und ihren Begierden ge- maͤß. Aber wenn sie ihrer Natur Gewalt anthun sollen, so verhaͤlt es sich gantz anders. Die Verrichtung solcher Thaten, die ihnen zuwieder und unnatuͤrlich, und die Unter- lassung anderer, die ihnen angenehm, und ihren natuͤrlichen Triebe gemaͤß sind, hat allemahl eine gewisse Erkaͤnntniß und Furcht zum Grunde. Die Furcht aber ist keinem Thiere angebohren. Sie gruͤndet sich ( o ) sich auf eine unangenehme Erfahrung, wel- che die Natur nicht geben kan. Man muß also den Raupen nicht nur die Faͤhigkeit beylegen, den Willen des Menschē aus seinen Worten zu erkennen; sondern ih- nen auch die Kraͤfte zuschreiben, aus Ehr- furcht gegen ihren Herrn, ihre natuͤrlichste und vieleicht eintzige Neigung zu bezwingen. Thut man dieses nicht, so wird das Verbot des ersten Menschen eben so unkraͤftig und laͤcherlich, als das Geschrey unserer Kna- ben, die im Sommer hinter den Schmet- terlingen herlaufen, und sie mit hoͤflichen Worten zu bereden suchen, daß sie sich se- tzen, und von ihnen greifen lassen sollen: Und thut man es, so wird alles, was man von der Herrschaft des Menschen uͤber die Thiere saget, eben so wahrscheinlich, als die Fabeln, die man von den Unterredungen des Heil. Franciscus mit seiner Gevatterin der Ameise und der Schwalbe, in dem be- kannten Libro conformitatum lieset. Was ich von den Raupen gesaget habe, das sage ich auch von den Heuschrecken und Feldmaͤusen. Die Geschicklichkeit zu gehor- chen, ohne welche alles Befehlen vergeblich ist, fehlte ihnen so wohl, als den Raupen. Jnsonderheit begreife ich nicht, wie der erste Qq Mensch ( o ) Mensch den Feldmaͤusen seinen Willen be- kannt gemacht habe; weil diese Thiere in der Erde wohnen, und sich selten sprechen lassen. Aber vieleicht sagt man, er habe, Kraft der ihm anerschafenen Herrschaft, dieses Ungeziefer zwingeu koͤnnen, vor ihm zu erscheinen, und es alsdann aus seinem Gebiete verbannet: welches eine Kunst ist, die unsere Ratzenfaͤnger mit ihm gemein zu haben glauben. Jch will daruͤber mit niemand streiten; sondern frage nur noch; wozu dann dem Menschen eine so ausschweifende Zauber- Gewalt Dieses Ausdrucks bediene ich mich darum, weil, nach der Beschreibung die Hr. Reinbeck in seiner XVI ten Betracht. §. 17. 18. von der Herrschaft giebt, kein Koͤnig in der Welt, ja GOtt selbst nicht, son- dern bloß die Feen, die schoͤne Melusine, und der Zauberer Merlin sich einer wahren Herrschaft ruͤh- men koͤnnen. Er meinet eine eigentliche Herrschaft erfordere allezeit einen willigen Gehorsam und koͤn- ne mit Furcht und Schrecken nicht bestehen: Da doch die Herrschaft eigentlich in der Macht bestehet, andere zu zwingen, daß Sie ihren Willen dem meini- gen unterwerfen und thun muͤssen, was mir und nicht was ihnen gutduͤncket. Jch habe nicht Zeit dieses weitlaͤuftiger auszufuͤhren. Die Sache ist auch an sich klar genug. uͤber die Thiere genuͤtzet habe? Herr Reinbeck meint S. die XVI te Betracht. §. 23. 24. 25. : Die Herrschaft des Menschen uͤber die Thiere habe zu des Menschen ( o ) Menschen Sicherheit, Beqvemlichkeit und Vergnuͤgen gedienet. Aber geniessen wir dieser Vortheile nicht noch heutiges Tages ohne diese Herrschaft? Wir wissen uns schon Sicherheit zu schaffen: Es fehlet uns nicht an Thieren die uns die Arbeit erleich- tern, und diejenigen, die wir nur zu unserer Belustigung um uns haben, die werden uns aus allen Ecken der Welt in Uberfluß zuge- fuͤhret. Es ist wahr, wir haben nicht mehr das Hertz, uns in die Tiefe des Meers zu wa- gen, und mit den Wallfischen zu spielen; Allein, zu allem Gluͤcke haben wir mit dem hohen Grad der Geschicklichkeit zu schwim- men, und auf den Grund zu tauchen, wel- che Hr. Reinbeck dem ersten Menschen zu- schreibet l. c. §. 26. , auch die Lust zu dieser Art des Zeitvertreibes verlohren. Jch beken- ne, der Mensch haͤtte im Stande der Un- schuld mit Loͤwen und Tiegern fahren koͤn- nen, als die Cybele und Bacchus: Eva wuͤrde keine Floͤhe gehabt, und keine Fliege sich an Adams Nase gewaget haben: Allein das sind Beqvemlichkeiten, die kein ver- nuͤnftiger Mensch begehret, und folglich ist es der Vernunft nicht gemaͤß, daß man den- cket, der erste Mensch habe nicht gluͤcklich Qq 2 seyn ( o ) seyn koͤnnen, wenn er nicht als ein Syba- rit gelebet. Es scheinet sich nicht mit der Ernsthaftigkeit der Natur zu reimen, daß sie mit dem Menschen dergestalt solte gespie- let haben. Und hat sie es gethan; so ist es kein Wunder, daß nicht viel gutes aus ihm geworden ist. Man hat ihn in der Jugend verzaͤrtelt. Aber die Natur ist unschuldig in diesem Stuͤcke. Sie ist eine weise Mut- ter, die keine Afen-Liebe zu ihren Kindern traͤget. Sie hat sie von jeher hart genug gehalten. Doch macht sie es nicht so arg, daß man Ursache haͤtte, sie vor eigensinnig zu halten, und zu glauben, es sey ihr zuwider, daß ei- ne Creatur sich der andern zu ihrer Erhal- tung bediene. Es scheinet, als wenn Herr Reinbeck so ungleiche Gedancken von ihr he- ge. „Was uͤbrigens, spricht er S. die II te Betracht. §. 17. , Mo- „ses von der dem ersten Menschen anver- „trauten Herrschaft uͤber die Creaturen „meldet, solches ist der Vernuft nicht allein „gleichfalls gemaͤß, sondern es wuͤrden auch „die Menschen sich immer befahren muͤssen, „daß sie vor GOtt, in einem und dem an- „dern Stuͤck, als unbefugte Eigenthuͤmer „dieser und jener Creatur moͤchten angese- „hen werden, wenn es anders seyn sollte. Denn ( o ) Denn da man GOtt unstreitig vor den„ rechten Eigenthums-Herrn aller Creatu-„ ren halten muß; so wuͤrde daraus, daß„ GOtt den ersten Menschen auf dem Erd-„ boden gesetzet, noch nicht schlechterdings„ folgen, daß denn auch der Mensch sich aller„ Creaturen auf demselben ohne Unter-„ scheid gebrauchen duͤrfen, wenn nicht die„ Verguͤnstigung von Seiten GOttes mit„ Gewißheit zum Grunde geleget werden„ koͤnnte.‟ Er haͤlt also die Herrschaft des Menschen uͤber die Creaturen, von welcher Moses re- det, zur Beruhigung unsers Gewissens vor unumgaͤnglich noͤthig. Er glaubt, wir wuͤrden, ohne Furcht und Zittern, kein Huhn schlachten koͤnnen, wenn wir nicht die Verguͤnstung von Seiten GOttes ge- wiß waͤren. Aber ich bekenne, dieses ist mir zu hoch. Mich deucht, die Vernunft ist gar nicht geschickt, uns ein so enges Ge- wissen zu geben, und kein Volck unter der Sonne wird jemahlen, so lange es GOtt nicht mit Casuisten heimsuchet, auf solche Scrupel verfallen. Waͤre dieses nicht, so muͤsten die Hottentotten schon lange vor Hunger gestorben seyn, oder vor Unruhe Qq 3 ihres ( o ) ihres Gewissens nicht zu bleiben wissen; wo- von doch die Reise-Beschreibungen nichts melden. Allein, so ist, zu allem Gluͤcke vor die armen Hottentotten, essen, was einem schmeckt, und was man am bequem- sten haben kan, eine Sache von so dringen- der Nothwendigkeit, daß man nicht lange Zeit hat, zu uͤberlegen, ob sie recht oder unrecht sey. Ein sich selbst gelassener Mensch wird auch, wenn er ja eine solche Uberle- gung anstellet, mit aller seiner Vernunft nichts mehr herausbringen, als daß das Recht einer jeden lebendigen Creatur auf alles, was sie zu ihrer Nahrung und Erhal- tung dienlich erachtet, sich so weit erstrecke, als ihre Macht, und sich nicht die geringste Sorge machen, daß ihn GOtt wegen des Gebrauchs der Creaturen zur Verantwor- tung ziehen werde. Denn was er sich auch etwan von dem oͤbersten Wesen vor Begri- fe machet, so wird er sich doch nimmer ein- bilden koͤnnen, daß dasselbe dem Menschen die Sorge vor seine Erhaltung, seine na- tuͤrlichen Begierden, und die Kraͤfte, die- se Begierden zu vergnuͤgen, umsonst ein- gepflanzet und gegeben habe, und so eigen- sinnig sey, daß es nicht leiden koͤnne, daß der Mensch thue, was er nicht lassen kan, wofern ( o ) wofern er leben will. Er schliesset demnach, daß GOtt ihm den Gebrauch der Creatu- ten frey gegeben habe, und bedarf nicht, daß er durch eine besondere Ofenbahrung von dieser Verguͤnstigung vergewissert werde. Es ist auch unmoͤglich, daß er auf die Ge- dancken gerathe, diese Verguͤnstigung er- strecke sich nicht auf alle Creaturen ohne Unterscheid. Denn dieses wuͤrde eben so viel seyn, als wenn er glauben wollte, es sey ihm der Gebrauch aller Creaturen ohne Unterscheid verboten, weil er, ohne Ofen- bahrung unmoͤglich errathen koͤnnte, was es vor Creaturen sind, deren Gebrauch ihm von GOtt nicht vergoͤnnet, und folglich sich entweder, wenn er sicher gehen wollte, al- ler enthalten, und tod hungern, oder, wenn er sich nur einer einzigen bediente, nothwendig suͤndigen muͤste. Jch gestehe, wenn die Vernunft den Menschen auf sol- che Grillen fuͤhrete, so waͤre sie die aller- schaͤdlichste Gabe, die ihm GOtt, in seinem Zorn geben koͤnnen: Allein, so glaube ich nicht, daß sie jemahlen einen Menschen ver- leiten wird, sich einzubilden, daß GOTT dem Menschen, durch eine heimliche Aus- nahme einiger Creaturen, ein so gefaͤhrli- Qq 4 ches ( o ) ches Fallstrick geleget habe. Ein solches Verfahren waͤre so tuͤckisch, daß man es, oh- ne Suͤnde, von GOtt nicht vermuthen kan. Man muß also sagen, daß ein sich selbst gelassener Mensch nicht anders gedencken kan, als daß das Recht, sich aller Creaturen, nach Belieben, zu bedienen, ihm angeboh- ren sey; obgleich Herr Reinbeck anderer Meinung ist. Er spricht: „Es folge dar- „aus, daß GOtt den ersten Menschen auf „den Erdboden gesetzet, noch nicht schlech- „terdings, daß denn auch der Mensch sich „aller Creaturen auf demselben ohne Un- „terscheid gebrauchen duͤrfe. Die Ursache ist, weil man GOtt unstreitig vor den rech- ten Eigenthums-Herrn aller Creaturen er- kennen muͤsse. Jch bekenne, dieses hat ei- nigen Schein; Denn was einem andern zugehoͤret, dessen kan ich mich, ohne seine Erlaubniß, nicht anmassen. Aber eben daher wuͤrde schlechterdings folgen, daß der Mensch sich keiner einzigen Creatur ge- brauchen duͤrfe. Da nun Herr Reinbeck sich nicht getrauet hat, diesen Schluß zu machen, so siehet man, daß sein Argument zu viel, und folglich nichts beweiset. Uberdem ist es ein gantz unphilosophischer Ausdruck, wenn Hr. Reinbeck GOtt den rechten ( o ) rechten Eigenthums-Herrn aller Creatu- ren nennet. Eigenthum ist eine menschli- che Erfindung, die Noth und Geitz zum Grunde hat. Da nun GOtt von beiden frey ist, so kan man ihn auch kein eigentlich so genanntes Eigenthum zuschreiben. GOtt verlanget nicht Dinge vor sich allein zu be- sitzen, deren er nicht bedarf, und das mit Ausschliessung seiner Geschoͤpfe, die ohne diese Dinge nicht leben koͤnnen. Die Ursa- che, warum wir Menschen andre von dem Gebrauch unsers Eigenthums ausschlies- sen, ist diese; weil uns dadurch etwas ab- gehet, und wir Gefahr laufen endlich selbst Mangel zu leiden. GOtt darf dieses Letz- te nicht besorgen, und sein Eigenthum ist so beschafen, daß es auch durch den unum- schraͤncktesten Gebrauch nicht verringert werden kan. Ja es ist von so besonderer Art, daß eben der scheinbare Abgang, den es leidet, das meiste zu seiner Erhaltung beytraͤget. Denn das Eigenthum GOt- tes bestehet aus den Creaturen, die er er- schafen hat. Will nun GOtt sein Eigen- thum erhalten, so muß er seine Creaturen erhalten. Diese koͤnnen aber nicht erhal- ten werden, wofern es einer jeden nicht er- laubet ist, sich anderer, die zu ihrer Nah- Qq 5 rung ( o ) rung und Erhaltung dienlich sind, zu ge- brauchen. GOtt muß also einer jeden Crea- tur den Gebrauch der andern frey geben. Der Gebrauch der Creaturen ist nichts an- ders, als der Gebrauch des goͤttlichen Ei- genthums. Da nun dieser Gebrauch, ob er gleich den Untergang vieler Creaturen mit sich fuͤhret, dennoch zur Erhaltung der Creaturen noͤthig ist; so ist auch der schein- bare Abgang den GOtt an seinem Eigen- thum leidet, eine Sache, ohne welche das- selbe nicht erhalten werden kan. Man siehet also, daß aus dem Satz, daß GOtt der rechte Eigenthums-Herr aller Creaturen ist, nicht folge, was Herr Reinbeck daraus erzwingen will. Man siehet, daß es mit dem Eigenthum GOttes eine gantz andere Bewandniß habe, als mit einem menschlichem Eigenthum, und daß folglich GOtt, wenn man ihn ja einen Eigenthums-Herrn nennen will, ein gantz uneigentlicher Eigenthums-Herr sey: Weil er das Seine Preiß gegeben hat, und Preiß geben muß, wofern er nicht in kurtzen um alles kommen will. Doch alles dieses thut eigentlich nichts zu meinem Zweck. Meine Absicht war nur, anzumercken, daß Herr Reinbeck hier einen gantz ( o ) gantz andern Begrif von der Herrschaft des Menschen uͤber die Creaturen giebt, als in den Willen seiner Betrachtungen, die ich schon untersuchet habe. Hier ist sie nichts, als die Erlaubniß, sich der Creaturen zu gebrauchen: Und darinn bin ich voͤllig mit dem Herrn Reinbeck einig. Jch gebe ihm gerne zu, daß, wenn Moses nichts anders sagen wollen, alles, was er von der Herr- schaft des Menschen uͤber die Creaturen sagt, der Vernunft so gemaͤß sey, daß alle Welt es wuͤrde geglaubet haben, und wenn er es gleich nicht gesaget haͤtte. Scimus, \& hoc nobis non altius in- seret Ammon ‒ Lucan. Lib. IX. v. 575. Aber es wundert mich, warum Herr Reinbeck entweder bey diesem vernuͤnftigen Begrif von der Herrschaft des Menschen uͤber die Creaturen nicht geblieben ist, oder, wenn er diesen Begrif vor unzulaͤnglich ge- halten, dennoch denselben an dem Orte zum Grunde geleget hat, da er die Unglaͤubigen uͤberreden will, daß alles, was die Ofen- bahrung lehret, der Vernunft gemaͤß sey. Jch kan aus diesem Verfahren nichts an- ders schliessen, als daß er sich nicht ge- trauet hat, die unbegreiflichen Dinge, die er ( o ) er uns hernach von der Herrschaft des Men- schen uͤber die Creaturen erzehlet, vor ver- nuͤnftig auszugeben, und daher, aus theo- logischer Klugheit, an dem Orte da er die Ofenbahrung von ihrer schoͤnen Seite zei- get, die Unglaͤubigen durch so harte und un- verdaͤuliche Wahrheiten nicht erschrecken wollen. Die Unglaͤubigen werden sagen, Herr Reinbeck handele also nicht aufrichtig mit ihnen, sondern suche durch eine falsche Vorstellung ihren Beyfall zu erschleichen: Aber ich sage nur, daß Hr. Reinbeck durch diese Auffuͤhrung die Einwuͤrfe, die ich ihm mache, schon zum voraus stillschweigend vor gruͤndlich erklaͤret hat. Zuletzt moͤchte ich noch wohl wissen, warum der Mensch die ihm anerschaffene Herrschaft uͤber die Thiere nicht noch habe? Jch weiß wohl, man saget, er habe sie durch den Suͤndenfall verlohren: Allein damit bin ich nicht zufrieden. Jch will nicht sagen, daß die Vernunft der Moͤglichkeit dieses Falles, der den Verlust dieser Herr- schaft nach sich gezogen haben soll, nicht be- greifet: Sondern ich frage nur; wie es moͤglich gewesen, daß dieser Fall eine so un- glaubliche Folge gehabt? Es gruͤndet sich die Herrschaft des Menschen uͤber die Thiere nicht ( o ) nicht auf eine gewisse Eigenschaft des Men- schen; sondern auf die zahme Natur der Thie- re. Es muͤste also duꝛch den Fall des Menschen auch die Natur der Thiere geaͤndert seyn. Wer kan das fassen? Der Wolf wohnte bey den Laͤmmern, und die Loͤwen spielten mit den Kaͤlbern in groͤster Eintracht und Vertraulichkeit: Aber auf einmahl faͤhrt der Wolf zu, und frisst das Lamm, und der Loͤwe zerreisset das Kalb: Und warum das? Aus keiner andern Ursache, als weil der Mensch von einem Apfel gegessen hatte. Dieses ist der Vernunft zu hoch. Es ist leicht gesagt, daß GOtt die Natur der Thiere geaͤndert habe, um den Menschen zu strafen, und ihn der Herrschafft uͤber die Thiere, und der daraus fliessenden Bequem- lichkeiten zu berauben: Aber der Beweiß ist schwer. Die Vernunft kan sich in eine Strafe nicht finden, die nur die Unschuldi- gen trift, und welche der Suͤnder nicht fuͤh- let. Was kan das Schaaf davor, daß A- dam gesuͤndiget hat? Warum muß es des- falls ein Raub des Wolfes seyn? Quid meruêre boves, animal sine frau- de deloque Innocuum . . . . . . ? Ovid. Lib. XV. Metam. v. 120. 121. Der ( o ) Der Ochse hat gewiß nicht vom verbote- nen Baum gegessen: Und dennoch frisst ihn der Loͤwe. Der Mensch indessen, der al- lein gesuͤndiget hat, empfindet von alle dem Ungemach, das mit der Veraͤnderung der Natur der Thiere verknuͤpfet ist, nichts. GOtt hat ihn, sagt man, dadurch strafen, und seiner Herrschaft uͤber die Thiere berau- ben wollen: Aber er weiß seine Herrschaft schon zu behaupten. Die nuͤtzlichsten unter den Thieren sind ihm entweder getreu ver- blieben, oder er hat sie auch wieder unter sein Joch gebracht; und die uͤbrigen, die wuͤrcklich wild bleiben, die fuͤrchten ihn, in der That, noch mehr, als er sie. Sie sind froh, wenn sie nur Friede haben koͤnnen. Allein der Mensch laͤsset ihnen keine Ruhe. Sectamur ultrò, quos opimus Fallere \& effugere est triumphus Horat. Lib. IV. Od. 4. . Er findet in ihrer Verfolgung ein unaus- sprechliches Vergnuͤgen, dessen er noth- wendig entbehren muͤste, wenn diese Thie- re nicht wild waͤren. Man kan also mit Wahrheit sagen, daß der Mensch die Jagd, die Koͤnigliche Lust, bloß seiner Ubertretung zu dancken hat. Was ihm eine Strafe seyn ( o ) seyn solte, daß muß seine Gluͤckseeligkeit vermehren. Er jagt, . . . . . . . . \& fruitur Diis Iratis . . . . . . . . Invenal Sat. l. v. 49. 50. . Wenn man dieses recht bedencket, so weiß ich nicht, ob man die gaͤntzliche Umkehrung der Natur der Thiere, durch welche der Mensch um seine Herrschaft uͤber dieselbe gekommen seyn soll, als eine Strafe anse- hen, und vor eine Folge des Falles halten kan? Es bleibt also noch immer die Frage uͤbrig: Warum der Mensch die Herrschaft uͤber die Thiere, die er urspruͤnglich gehabt haben soll, nicht noch habe? Jch glaube nicht, daß man sie so bald beantworten wird. Es ist auch, die Wahrheit zu sagen, nicht noͤthig. Einem Christen, der von der Wahrheit und Goͤttlichkeit der Heil. Schrift uͤberzeuget ist, liegt wenig daran, ob die Einwuͤrfe, welche die Vernunft wider die Glaubens-Lehren macht, gehoben werden, oder nicht. Sein Glaube stehet dennoch feste; und wenn er alles gedultig angehoͤ- ret hat, was ihm seine Vernunft wieder die Moͤglichkeit des Falles, und von der Un- wahr- ( o ) wahrscheinlichkeit der Herrschaft des Men- schen uͤber die Thiere, in so ferne sie in den Worten Mosis gegruͤndet ist, vorschwatzet; so macht er den Schluß; Es muͤsse der Fall moͤglich seyn, weil er wuͤrcklich geschehen ist, und alles, was Moses von der Herrschaft des Menschen uͤber die Thiere sagt, wahr seyn, eben darum, weil es Moses sagt. So habe ich es in meiner Schrift wieder den Hrn. Prof. Manzel gemacht, und ich bin auch noch der Meinung, daß dieses das beste ist, was man thun kan. Jch streite also mit dem Hrn. Reinbeck nicht daruͤber: Ob der Mensch gefallen, und das, was Moses von dessen Herrschaft uͤber die Thie- re sagt, wahr ist? Sondern nur uͤber die Frage: Ob die Vernunft die Moͤglichkeit des Falles erkennen, und das, was Moses von der Herrschaft des Menschen uͤber die Thiere sagt, in dem Sinn, welchen man gemeiniglich seinen Worten giebt, ver- dauen koͤnne? Beides hatte ich in meiner Schrift gegen den Hrn. Prof. Manzel ge- leugnet. Da ich nun sehe, daß Hr. Rein- beck es mehr mit meinem Gegner, als mit mir haͤlt; so habe ich vor noͤthig erachtet, zu verhindern, daß der Hr. Prof. Manzel sich auf den Beyfall eines so beruͤhmten Man- ( o ) Mannes nicht zu viel einbilde. Die Ein- wuͤrfe, die ich wieder einige Stellen der vortreflichen Betrachtungen des Hrn. Rein- becks uͤber die Augsburgische Confeßion ma- che, ruͤhren also nicht aus einem Kuͤtzel her, einem Manne zu wiedersprechen, dessen grosse Gaben ich verehre, und dessen Schrif- ten ich mit Lust und Nutzen lese: sondern bloß aus einer unschuldigen Begierde einen Satz zu behaupten, den ich vor wahr halte. Jch besorge auch gar nicht, daß der Herr Probst Reinbeck meine Freyheit uͤbel neh- men werde. Er kan versichert seyn, daß dieselbe der besondern Hochachtung die ich vor ihn hege, nicht den geringsten Eintrag thut, und allen falls meinen Widerspruch als eine Schutz-Schrift wieder diejenigen ansehen, die ihm Schuld geben, daß er der Vernunft, zum Nachtheil der Theolo- gie, zu viel einraͤume. Wenn sich uͤbrigens der Hr. Prof. Man- zel uͤber den Beyfall des Hrn. Reinbecks ge- freuet hat, so hat er Ursache sich zu betruͤ- ben, daß dieser beruͤhmte Mann nicht in allen Stuͤcken seiner Meinung ist. Jn un- serm Streit uͤber die Frage: Ob der Mensch im Stande der Unschuld auch im Beyschla- R r fe ( o ) fe eine Lust wuͤrde empfunden haben? haͤlt er es ofenbahr mit mir. Jch will seine Wor- te hieher setzen; nicht so wohl, dem Hrn. Prof. Manzel zu kraͤncken, als zur Beschaͤ- mung der Heuchler, die es mir etwan ver- dencken moͤchten, daß ich von einer so kuͤtzeli- chen Materie so weitlaͤuftig und frey ge- handelt habe. „Es laͤsset sich zwar, spricht Hr. Rein- „beck S. die XVII. Betracht. §. 11. von dem, was im Stande der „Unschuld bey dem Gebrauch des Ehe- „Standes fuͤr Empfindlichkeiten sich wuͤr- „den gefunden haben, nicht so voͤllig reden; „so sind auch sehr viele Menschen so geartet, „daß wenn in Sachen des Ehe-Standes, „zu Rettung der Ehre des Schoͤpfers, und „seiner Stiftung etwas beygebracht wird, „sie sich anstellen, als ob sie uͤberaus zar- „te Ohren haͤtten, und leicht geaͤrgert „werden koͤnnten, ob sie schon sonst die „groͤbesten Sau-Zoten von den ofenbah- „resten Wercken des Fleisches unterein- „ander vertragen koͤnnen. Man will „aber nur dabey zu bedencken geben, daß, „uͤberhaupt von Empfindlichkeiten zu re- den, ( o ) den, nicht alle angenehme Empfindun-„ gen an sich selbst suͤndlich sind; sondern„ daß dieselbe der Schoͤpfer selbst in die„ Natur, durch die Einrichtung, theils„ der sinnlichen Gliedmassen, theils auch„ der sichtbaren Creaturen ausser dem„ Menschen, geleget habe. Man neh-„ me zum Exempel den Genuß der Spei-„ se, und des Trancks. Wer kan mit„ Grunde behaupten, daß die Annehm-„ lichkeit bey dem Essen und Trincken an„ sich selbst solte suͤndlich seyn? Sie wuͤr-„ de sich ja auch im Stande der Unschuld„ gefunden haben, indem Moses aus-„ druͤcklich bezeuget, daß GOtt der HErr„ aus der Erden allerley Baͤume habe„ aufwachsen lassen, lustig anzusehen,„ und gut zu essen 1 Buch Mose Cap.„ 2. v. 9. die Suͤndlichkeit stecket nicht„ in dem, was von der Einrichtung des„ Schoͤpfers, die in der Natur gesche-„ hen ist, herruͤhret; sondern, wenn„ man darunter wieder die Absicht des„ Schoͤpfers handelt, an den blossen„ Sinnlichkeiten hangen bleibet, die See-„ le dadurch verschlimmert, den Ver-„ stand verdunckelt, den Willen verkeh-„ R r 2 ret, ( o ) „ret, und also ausser den Schrancken „gehet. Geschiehet dieses letztere, so ist „Essen und Trincken eben auch suͤnd- „lich; geschiehet es nicht, so saget der „Apostel Paulus, daß man auch zur „Ehre GOttes essen und trincken koͤn- „ne 1 Cor. 10. v. 31. Man mache die „Zueignung auf den Gebrauch des „Ehe-Standes, so wird man, wenn „man will, schon finden, was unver- „werflich, und was zu verwerfen „sey. Die Heuchler finden in dieser Stel- le ihre Abfertigung, und ich habe al- so nicht Ursache, mich vor ihrer Censur zu fuͤrchten. Vorrede Vorrede des Herausgebers. Geneigter Leser! J ch theile dir die Widerlegung einer Schrift mit, die nunmehro beynahe schon 10 Jahre ruhig und unangefochten in den Buchlaͤden gelegen. Du wirst dich un- streitig daruͤber wundern, und nicht begreifen koͤn- nen, was ein so seltsames Verfahren vor Ursachen habe. Wisse demnach, daß die Widerlegung, die ich dir zu uͤberliefern die Ehre habe, aͤlter ist, als du vielleicht glaubest. Sie ist wuͤrcklich im Jahr 1726, so bald die Schrift, wider welche sie gerichtetist, zum Vorschein gekommen war, auf Veranlassung eines gelehrten Meklenburgischen Cavaliers, zu Papier gebracht. Da aber weder dieser gelehrte Edelmann, noch der Verfasser jemahlen die Absicht gehabt, die- selbe drucken zu lassen, so wuͤrde sie wohl nimmer des Tages Licht gesehen haben, wenn sie mir nicht neulich von ungefehr in die Haͤnde gefallen waͤre. Jch hat- te die Schrift des Hrn. Prof. Manzels gelesen, und der in selbiger versprochenen weitern Ausfuͤhrung ei- nes gantz neuen Rechts der Natur mit Schmerzen entgegen gesehen. Jch fassete dahero so gleich den Ent- schluß, die mir so unverhoft zu Handen gekommene Anmerckungen uͤber dieselbe ans Licht zu stellen, was auch diejenigen, welche diese Anmerkungen der Welt so lange vorenthalten, dazu sagen moͤchten; und ich bilde mir ein, ich thue nicht uͤbel, daß ich meinen Vor- satz ins Werck richte. Meiner Meinung nach hat sich der Verfasser der Widerlegung seiner Arbeit nicht zu schaͤmen, und der H. Prof. Manzel keine Ursache, es uͤbel zu nehmen, daß R r 3 eine ( o ) eine Schrift gegen ihn gedruckt wird, die ihm zu aller- hand erbaulichen Betrachtungen Anlaß geben kan. Es hat der Hr. Prof. Manzel in der Vorrede zu seiner Schrift alle Gelehrten ersuchet, ihm von seinem neuen und wahren Recht der Natur ihre Meinung zu sagen. Niemand hat sich bißher die Muͤhe geben wollen, und dadurch, glaube ich, ist der Hr. Prof. Manzel abge- haltẽ worden, sein neues Recht der Natur weiter aus- zufuͤhren. Jch hoffe demnach, es werde ihm sehr an- genehm seyn, endlich einmahl zu erfahren, was andere von seiner Schrift dencken. Zwar muß ich gestehen, der Verfasser der Anmerkungen, die ich jetzo zum Druck befordere, ist mit dem Hrn. Prof. Manzel in den wenigsten Stuͤcken einig, und schreibt ziemlich frey: Allein Hr. Prof. Mnnzel weiß zu leben, und hat bey aller Welt den Ruhm, daß er einen hoͤflichen und bescheidenen Widerspruch gar wohl vertragen koͤnne. Wer recht oder unrecht habe, will ich nicht entschei- den. Jch uͤberlasse es dem geneigten Leser, und da- mit derselbe desto besser von der Sache urtheilen koͤn- ne, habe ich vor dienlich erachtet, die Schrift des Hrn. Prof. Manzels, welche, ob sie schon wenig Kaͤufer ge- funden hat, dennoch durch allerhand Zufaͤlle, denen Schriften solcher Art unterworfen sind, fast gantz un- sichtbar geworden war, der Wiederlegung anzuhaͤn- gen. Die Ursachen, warum sie nicht ins Teutsche uͤber- setzt, wird der geneigte Leser beym durchblaͤttern selbst finden. Uebrigens kan ich leicht gedencken, daß jederman, und inson- derheit der Hr. Prof. Manzel, begierig seyn wird, zu wissen, wer sein Widersacher sey. Allein es ist mir nicht erlaubt seinen Nahmen zu nennen. Jch habe so schon genug zu verantworten, daß ich seine Arbeit ohne sein Vorwissen, und wider seinen Wil- len drucken lasse. Gehabe dich wohl, Geneigter Leser! Hoch ( o ) Hochwohlgebohrner ꝛc. J ch bin Ew. Hochwohlgeb. sehr verbunden, daß Sie mir die Schrift des Hrn. Prof. Manzels haben schicken wollen, von wel- cher Sie neulich erwehnten: Allein es gefaͤllt mir nicht, daß Sie meine Meinung von derselben zu wis- sen verlangen. Ew. Howohlgeb. sind weit geschickter, als ich, von der Staͤrcke und Schwaͤche einer solchen Schrift, und ich viel zu wenig von der Arbeit des Hn. Mantzels zu urtheilen. Jndessen, da ich besorgen muß, Ew. Hochwohlgeb. moͤchten diese Entschuldigung nicht gelten lassen, und meine Bescheidenheit vor verstellet halten: So habe ich Dero Befehl gehorsa- men, und meine wenigen Gedancken von dem neuen Recht der Natur des Hrn. Manzels zu Papier brin- gen wollen. Ew. Hochwohlgeb. moͤgen urtheilen, ob ich den Sinn des Hrn. Manzels allemahl recht getrofen ha- be. Jch weiß es nicht, und gestehe gerne, daß ich mich in das neue Recht der Natur, so derselbe einfuͤhren will, noch nicht zufinden weiß. Jch lese zwar in der Vorrede, daß seine Absicht sey, der Verwirrung vor- zubeugen: welche aus vielen Uꝛsachen, die Er nahmhaft machet, im Rechte der Natur entstehet: Jch bekenne auch, daß dieses ein Vorhaben sey, das unstreitig Lob verdienet: Allein, zu geschweigen, daß mancher dencken moͤchte, die Verwirrung des Rechts der Na- tur sey so gar groß nicht mehr, nachdem man ange- fangen, ohne Absicht auf einiges Menschen Ansehen, bloß aus der allgemeinen menschlichen Natur, die na- tuͤrlichen Gesetze herzuleiten, und die Regeln der Ge- R r 4 rech- ( o ) rechtigkeit, des Wohlstandes und der innerlichen Tu- gend sorgfaͤltig von einander zu unterscheiden: So weiß ich nicht, ob es dem Herrn Manzel mit der Ver- besserung derjenigen Wissenschaft, die wir das Recht der Natur nennen, ein Ernst sey: indem er dieselbe fast gar verwirft, und des Nahmens, welchen sie bißhero gefuͤhret hat, unwuͤrdig schaͤtzet. „ His hactenus posi- „tis, sagt er §. 9. satis elucescit, communiter tracta- „tum jus naturale, quod scilicet accommodatur ad „præsentem mundi statum, abusiue ita appellari. Man kan, wofern ich nicht irre, hieraus abnehmẽ, daß der Hr. Prof. Manzel gantz ein anderes Jus Naturæ, als bißhero gebraͤuchlich gewesen ist, im Sinne habe, und nichts weniger, als den compilatoribus syste- matum \& compendiorum Juris naturæ, wie er die- jenigen, die vom Rechte der Natur geschrieben haben, gar veraͤchtlich nennet, mit seinen Einsichten auf den rechten Weg zu helfen gewillet sey. Nun will ich zwar nicht untersuchen, ob dieses neue Recht der Natur, welches der Hr. Prof. dem alten vorziehet, so sehr von demselben unterschieden sey. Ew. Hochwohlgeb. moͤgen selbst urtheilen, ob die Beschrei- bung, die der Hr. Prof. §. 8. von dem wahren Recht der Natur giebt, sich nicht gar wohl auf unser altes Jus Naturæ passe. Noch weniger will ich hart darauf dringen, daß es unmoͤglich andere Regeln der Gerech- tigkeit, als die bißhero im Gebrauch gewesen sind, ge- ben koͤñe, und daß also die distinction inter æquum siue naturale in sensu vulgari, \& inter id quod juris naturæ vere talis in primis fundamentis est, wel- che der Hr. Prof. §. 11. machet, nicht viel besser her- aus komme, als wenn einer inter calidum in sensu vulgari ( o ) vulgari \& inter id quod calidum est secundum Physicam vere talem \& paradisiacam in primis fundamentis einen Unterscheid machen wolte: Nur moͤchte ich wissen, was dann ein Recht der Natur, das nicht auf unsern Zustand gerichtet ist, vor Nutzen ha- be? Wenn der Hr. Prof. Manzel in einem Collegio Juris publici die LL. XII. Tabb. zum Grunde legen wolte, so wuͤrde auch der einfaͤltigste von seinen Zuhoͤ- rern uͤber ihn lachen: Warum aber will er dann eine Wissenschaft, die unsere Gluͤckseeligkeit zum End- zweck hat, auf einen Stand der Unschuld gruͤnden, von welchem die Vernunft nichts weiß, und der von un- serm ietzigen Zustande, nach seiner Meinung, noch mehr unterschieden ist, als der Zustand der alten Roͤ- mer von der jetzigen Verfassung des deutschen Rei- ches? So machte es Alberti zu Leipzig: Aber er legte wenig Ehre ein: Und dieses haͤtte dem Hn. Pr. Manzel eine Warnung seyn koͤnnen. Zwar sagt der Hr. Prof. Manzel § 12. daß er es mit diesem paradisischen Welt- weisen nicht halte; Allein Strimesius, welchem der Hr. Manzel zu folgen scheinet, hat nicht mehr Gehoͤr gefunden, als der gute Alberti, ob er gleich den Stand der Unschuld nicht aus der Schrift, sondern aus der Vernunft und den Heidnischen Poeten herleitete. Es koͤmmt nicht darauf an, ob man den Stand der Un- schuld aus der Bibel, oder aus dem Ovidius beweiset, die Frage ist, ob derselbe geschickt sey, einen guten Grund des Rechts der Natur abzugeben? Und wenn ich ja diesen begluͤckten Zustand der ersten Menschen zum Grunde des Rechts der Natur legen wolte, so moͤchte ich ihn doch lieber nach Anleitung der Schriften Moses, als nach der Vernunft betrachten. R r 5 Denn ( o ) Denn die Vernunft weiß von dem Stande der Un- schuld nichts, und irret der Hr. Prof. nicht, wenn er sagt; er sehe schon vorher, was er sich vor eine Last auf- lege, indem er sich unterstuͤnde, denselben aus der sich selbst gelassenen Vernunft zu erweisen. Er haͤtte dem- nach, meines Erachtens, besser gethan, wenn er sich nicht eines so schweren Beweises unterfangen haͤtte, der, wenn er gleich noch so wohl gerathen waͤre, in der Weltweisheit nicht den geringsten Nutzen schafen kan. Nun aber werden Ew. Hochwohlgeb. wenn Sie die Gruͤnde, durch welche der Hr. Prof. seinen Stand der Unschuld aus der Vernunft beweisen will, genau betrachten, wohl sehen, daß sein Beweiß un- gemein schwach sey. Es ist ein Jammer anzusehen, wie er sich drehet: Und doch muß er oft zu der Schrift seine Zuflucht nehmen. Jch will das, was er schreibt etwas genauer beleuchten. Vorher aber muß ich Ew. Hochwohlgeb. bitten, mich nicht vor einen Ketzer zu halten, wenn Sie in die- ser meiner Unteꝛsuchung etwan einige Dinge antꝛefen, die mit den gemeinen Lehren von dem Zustande der er- sten Menschen nicht uͤbereinstimmen. Sie werden so guͤtig seyn, und mir die Freyheit goͤnnen, die sich der Hr. Prof. Manzel heraus genommen hat. Er dichtet, er abstrahirt von der Ofenbahrung, und sagt uns, was ihm, nach seiner Vernunft, von dem Stande der Unschuld duͤncket. Jch mache es eben so: ausser daß ich nicht dichte, sondern nur seine Fictiones ver- werfe. Wir sind beyde orthodox, ob wir gleich et- was sagen, das mit den Meinungen unserer Gottes- Gelehrten streitet. Nachdem ich also allem ungleichen Verdacht vor- gebeu- ( o ) gebeuget habe, so schreite ich zum Haupt-Wercke und folge dem Hrn. Prof. Manzel auf dem Fusse nach. Seine Absicht ist, aus der Vernunft zu beweisen, daß die Menschen nicht in dem Zustande leben, in welchem sie von GOtt erschaffen sind. Er setzet zu dem Ende (§. 20.) zum Grunde, „daß GOtt, als das„ allervollkommenste Wesen nichts als vollkomme-„ ne, ja hoͤchst vollkommene Dinge erschafen koͤnnen:„ und auch, wie aus allen Dingen um, neben, unter„ und uͤber uns zu sehen, nichts, als was hoͤchst voll-„ kommen, erschafen habe. Da nun der Mensch aber„ unter allen erschaffenen Dingen allein in dem groͤß-„ sten Elende und in der erbaͤrmlichsten Unvollkom-„ menheit lebet, meint er berechtiget zu seyn, daraus zu„ folgern, daß der Mensch seine erste Vollkommenheit„ durch einen gewaltsamen Zufall ( casu violento )„ verlohren habe.‟ Ew. Hochwohlgeb. sehen, daß ich dieses erste Ar- gument des Hrn. Prof. Manzels so kraͤftig vortra- ge, als es mir moͤglich; ob ich mich gleich an seine Worte und die Art seines Vortrages nicht binde. Damit Sie nun die Nichtigkeit desselben desto besser begreifen moͤgen, will ich einige Anmerckungen daruͤber machen. I. Die erste soll diese seyn: Daß es noch eine gros- se Frage ist, ob aus der Vollkommenheit GOttes fol- ge, daß GOtt nur vollkommene Dinge erschafen koͤnne. Jch glaube es nicht. Denn, wenn GOtt et- was schafet, so macht er keine Goͤtter; sondern Creatu- ren Jch dencke nicht, daß der Hr. Prof. dieses leugnen wird. Er muß also auch gestehen, daß einer Creatur nothwendig etwas fehlen muß, von dem, das in der Gott- ( o ) Gottheit anzutrefen ist. Wem etwas fehlet, der ist nicht hoͤchst vollkommen ( perfectissimus ); folglich ist eine Creatur, ihrem Wesen nach, unvollkommen. II. Aus dieser Anmerckung fliesset eine andere; daß es, nemlich, sehr uͤbel geschlossen ist, wann man aus der Unvollkommenheit einer Creatur Anlaß nimmt zu muthmassen, es muͤsse dieselbe durch einen sonderlichen Zufall ihre urspruͤngliche Vollkommen- heit verlohren haben. Die Unvollkommenheit ist eine Eigenschaft der Creatur, die aus ihrem Wesen flies- set. Wenn sie vollkommen waͤre, so wuͤrde unter ihr und dem Schoͤpfer kein Unterscheid seyn. Dieser al- lein ist vollkommen. Das ist: Er kennet, was Raum, Zeit, Macht und Wissen anlanget, keine Graͤntzen. Hergegen ist die Ausdehnung, die Daurung, Macht und Erkaͤnntniß aller Creaturen in gewissen Schran- cken eingeschlossen. Je enger dieselben sind, je unvoll- kommener ist eine Creatur. Ueberhaupt aber sind diese Einschraͤnckungen, die das Wesen einer Crea- tur erfordert, der Grund aller Unvollkommenheiten, welche wir an den erschafenen Dingen wahrneh- men. Wenn demnach eine Creatur unvollkommen ist, so befindet sie sich in dem Zustande, darinn sie, ih- rem Wesen nach, seyn muß. Die Groͤsse der Unvoll- kommenheit, so wir an einigen Creaturen wahrneh- men, darf uns nicht stutzen machen. Wir haben nicht Ursache zu dencken, das Verderben einer gewissen Art von Geschoͤpfen sey gar zu groß, als daß es aus dem ersten Zustande derselben fliessen koͤnne. Denn, da einmahl ausgemacht ist, daß die Einschraͤnckungen der Creaturen dieselbe unvollkommen machen; die- se Einschraͤnckungen aber ihre Grade haben; so folget, daß ( o ) daß auch die aus diesen Einschraͤnckungen entstehen- de Unvollkommenheit bald groͤsser, bald kleiner seyn muͤsse. Sie kan aber nimmer so groß seyn, daß man die Ursache, warum sie vorhanden, ausser der nothwendi- gen Einschraͤnckung, in welcher die Creatur erschaf- fen worden, zu suchen noͤthig habe. III. Hiernechst deucht mich, daß es dem Hrn. Manzel, wenn ich ihm ja die Folge, wieder welche ich bißher gestritten habe, zugeben wolte, schwer, ja unmoͤglich fallen wuͤrde, eine vernuͤnftige Ursache von dem Elende und der Unvollkommenheit des Menschen zu geben, er spricht: Was seinen Ursprung von einem hoͤchst-vollkommenen Wesen hat, das muß selbst hoͤchst vollkommen seyn. Allein, sage ich, der Mensch ist es nicht. Woher koͤmmt das? Hr. Manzel antwortet: Er hat seine Vollkommenheit durch einen Zufall verlohren. Diese Antwort kan ich nicht vor hinlaͤnglich halten, so lange mir die Moͤglichkeit dieses Zufalles nicht gezeiget wird. Wenn der Hr. Prof. sich nicht anheischig gemacht haͤtte, den Stand der Unschuld aus der Vernunft zu beweisen, so koͤnnte er sich nur auf die Schrift berufen, und sagen, der Verlust unserer urspruͤnglichen Voll- kommenheit muͤsse moͤglich seyn, weil wir ihn erlitten. Ab esse ad posse valet consequentia. Allein das darf er nicht thun. Was will er also machen? Die Ver- nunft sagt, daß der Mensch, wenn er hoͤchst vollkom- men erschafen worden, auch hoͤchst vollkommen blei- ben muͤssen. Denn sie findet weder in dem Men- schen, noch ausser demselben etwas, das eine solche Veraͤnderung, als der Hr. Manzel geschehen zu seyn vorgiebt, haͤtte verursachen koͤnnen. Nicht in dem Men- ( o ) Menschen: denn da der Mensch in der hoͤchsten Voll- kommenheit erschafen war; so hat er unmoͤglich einen Trieb zum Boͤsen und ein Verlangen, seinen Zustand zu aͤndern, haben koͤnnen. Folglich hat er seine Voll- kommenheit so lange behalten muͤssen, biß ihn eine hoͤhere Hand derselben beraubet: Oder biß er durch ei- nen gewaltsamen Zufall ( casu violento ), wie der Hr. Manzel redet, dieselbe verlohren. Aber auch dieses ist unbegreiflich. Denn wer sol- te den Menschen wohl wieder seinen Willen aus sei- nem vollkommenen Zustand in das Elend, in welchem er sich jetzo befindet, gesetzet haben? Niemand hat es thun koͤnnen, als derjenige, der ihn erschafen hat: A- ber ist es wohl erlaubt, dieses auch nur zu gedencken? GOtt, der den Menschen in der groͤßten Vollkom- menheit erschaffen, hat gewollt, daß er vollkommen seyn und bleiben solte. Was GOtt will, das muß geschehen. Folglich kan auch kein unvermutheter, gewaltsamer Zufall den Menschen um seine Unschuld und Vollkommenheit gebracht haben. Denn da GOtt erstlich gewollt, daß der Mensch vollkommen bleiben solte: So muß er auch die Zufaͤlle so geordnet haben, daß sie seinem Endzweck nicht entgegen. Den alten Drachen, den Teuffel und Satanas kan der Hr. Prof. Manzel hier nicht einmischen. Den kennet die Vernunft nicht. Sie weiß nicht ob eine so boßhafte Creatur vorhanden ist. Und fraͤgt wer dann, da doch alles von GOtt hoͤchst vollkommen erschaf- fen worden, diesen Verfuͤhrer verfuͤhret? oder durch was vor einen gewaltsamen Zufall dieser seine Voll- kommenheit verlohren hat? Ja ( o ) Ja wenn sie auch gleich so boͤse Geister, als dieje- nigen, die wir Teufel nennen, kennete, so wuͤrde sie doch nicht verdauen koͤnnen, daß dieselbe, wieder den Willen des allmaͤchtigen GOttes, den Menschen ge- waltsamer Weise seine Vollkommenheit solten be- raubet haben. Sie findet darinn eine doppelte Unfoͤrmlichkeit. Einmahl, daß eine Creatur maͤchtiger seyn solle, als ihr Schoͤpfer: und zum andern, daß dem Menschen etwas gewaltsamer Weise solle entwandt seyn, wel- ches er nicht anders, als mit Willen hat verliehren koͤnnen. Die Vollkommenheit, so der erste Mensch verloh- ren haben soll, war keine Sache, die man ihm mit Ge- walt nehmen konnte. Sie steckte vornemlich in der Seele, und was noch mehr ist, in dem Willen selbst. Dieser muste verdorben werden. Wie aber? Durch aͤusserliche Gewalt? Das geht nicht an. Voluntas non potest cogi. Durch Verfuͤhrung und liebrei- chen Zwang? Aber so waͤre der Casus, wie der Herr Manzel will, nicht violentus; so waͤre der Mensch nicht vollkommen gewesen. Denn es ist ausgemacht, daß, auch bey unserm ietzigen Verderben, der Teufel uns nicht verfuͤhren kan, ohne sich unserer Schwach- heit zu bedienen. Er verfuͤhret niemand, als der ver- fuͤhret seyn will. Wer ihm wiederstehet vor dem fleucht er. Der Mensch in seiner Vollkommenheit hat dieses letzte mit weit groͤsserm Nachdruck, als wir in unserer ietzigen Schwachheit thun koͤnnen, und die Lust verfuͤhret zu werden, sammt allen den Neigungen, deren sich der Teufel bedienet, uns zu beruͤcken, fan- den sich bey ihm nicht. Wie hat er dann verfuͤhret werden koͤnnen? Ew. ( o ) Ew. Hochwohlgeb. ersehen aus diesem allen, daß das Argument des Hn. Manzels noch viel zu schwach ist, die urspruͤngliche Vollkommenheit des menschli- chen Geschlechts zu erweisen. Jch schreite demnach zu „dem folgenden, welches §. 21. also lautet: „Ein jeder „Gesetzgeber muß dahin sehen, daß seine Gebote die „Kraͤfte derjenigen, welchen er sie giebet, nicht uͤbeꝛstei- „gen, und muß kein Gesetze geben, das seine Untertha- „nen nicht vollkommen zu halten vermoͤgend sind. „Macht er es anders, so ist er ein Tyrann. Nun ist aus- „gemacht, daß GOTT die Gesetze der Natur in un- „ser Hertz geschrieben; Wir aber halten sie nicht, wie „die klaͤgliche Erfahrung lehret: Folglich leben wir „nicht in dem Zustande, in welchem wir, nach der Ab- „sicht GOttes, leben solten. Hier muß ich vor allen Dingen Ew. Hochwohl- geb. sagen, daß dieses Argument gar nicht so eingerich- tet ist, als es seyn solte. Die Frage ist nicht, ob die Men- schen die natuͤrlichen Gesetze beobachten; sondern, ob sie faͤhig sind, dieselbe zu halten? Daß die meisten Men- schen dawider handeln, ist unstreitig: Aber dieses thut zu des Hrn. Manzels Endzweck nichts. Der haͤtte sa- gen sollen der Mensch waͤre gar nicht in Stande, die Gesetze der Natur zu halten: So haͤtte er daher folgern koͤnnen, daß der Mensch sich einmahl in einem andern Zustande befunden habe. Wie er seine Sachen vor- gebracht hat, heißt alles, was er saget, nichts. Dieses koͤnnte zu Abfertigung dieses andern Argu- ments genug seyn: Allein da mir die Hoͤflichkeit zu glauben befiehlt, daß der Hr. Prof. Manzel besser und ordentlicher gedacht hat, als er geschrieben: So will ich seinem Schluß die rechte Form geben, und alsdann se- hen, ( o ) hen, ob derselbe den Stand der Unschuld, aus welchem der Mensch gefallen seyn soll, zu beweisen tuͤchtig ist. „Der Mensch, will der Hr. Prof. Manzel ver-„ muthlich sagen, ist so gar verderbet, daß er nicht im„ Stande ist, die Gesetze der Natur zu beobachten.„ Es ist aber nicht zu glauben, daß sie ihm von GOtt„ wuͤrden gegeben seyn, wenn er nicht, zu der Zeit, als„ sie ihm gegeben wurden, die Kraͤfte gehabt haͤtte, sie„ zu halten: Folglich muß er diese Kraͤfte nothwendig„ verlohren haben, und befindet sich also in einem an-„ dern Zustande, als derjenige war, in welchem er„ von GOtt erschafen. Dieses liesse sich, deucht mich, hoͤren, wenn nur erst ausgemacht waͤre, daß der Mensch nicht im Stande ist, die Gesetze der Natur zu halten. Die Erfahrung giebt es leyder zwar, daß die meisten Menschen nicht erkennen wollen, was zu ihrem Frie- den dienet, sondern ihren thoͤrigten Begierden lie- ber, als der Einrede der gesunden Vernunft, oder, welches einerley ist, den Gesetzen der Natur folgen: Allein, da es doch zu allen Zeiten einige, wiewohl ge- gen die Menge der Thoren zu rechnen, sehr wenige ge- geben hat, welche die Regeln der Gerechtigkeit und des Wohlstandes nicht allein genau beobachtet; son- dern auch ihre Begierden so gebaͤndiget haben, daß dieselbe die Ruhe ihres Gemuͤths nicht mercklich stoͤh- ren koͤnnen: So deucht mich, daß man, mit Bestande der Wahrheit, nicht sagen koͤnne, die Menschen uͤber- haupt waͤren gantz und gar untuͤchtig die Gesetze der Natur zu halten. Das eintzige Exempel des vortref- lichen Socrates wuͤrde einem, der dieses behaupten wolte, zeigen, daß er zu hart rede: Denn, da man Ss wohl ( o ) wohl nicht leicht sagen wird, daß dieser grosse Welt- weise aus einer Massa præservata entsprossen, so bleibt es wohl gewiß, daß dasjenige, was dem Socrates moͤglich gewesen ist, andern auch nicht schlechter- dings unmoͤglich sey. Werden demnach gleich die natuͤrlichen Gesetze nicht von allen Menschen aufs genaueste beobachtet; so kan uns dieses doch nicht bewegen, zu schliessen, wir waͤren nicht in dem Stan- de, in welchem wir waren, als die Gesetze entstun- den, das ist, als wir erschafen wurden. Genug, daß wir sie halten koͤnnen, wenn wir nur wollen. Will aber der Herr Prof. Mantzel den fast allge- meinen Mangel dieses Willens als eine Unvollkom- menheit anfehen, die, wenn sie sich bey dem ersten Menschen gefunden haͤtte, GOtt wuͤrde abgehalten haben, die Gesetze der Natur zu geben, und daher den Schluß machen, daß der erste Mensch von derselben frey gewesen sey, und eine bestaͤndige Neigung zum Guten gehabt habe: So muß er wissen, daß dieses sehr uͤbel geschlossen sey. Die gesunde Vernunft stim- met nicht damit uͤberein. Die sagt, daß die Gesetze ein Zeichen unserer Unvollkommenheit sind, und daß dem Gerechten kein Gesetz gegeben ist, weil er freywil- lig thut, was recht ist: Und dieses letzte bekraͤftiget auch die Schrift. Mich deucht also, GOtt wuͤrde uns niemahlen gewisse Gesetze vorgeschrieben haben, wenn wir so heilige, unschuldige, und vollkommene Creaturen gewesen waͤren, als der Herr Mantzel aus den ersten Menschen machen will. Wo zu sollen einer Creatur, die hoͤchst vollkommen ist, ihren wahren Nutzen voͤllig erkennet, nicht die geringste Begierde hat nach solchen Dingen, die ihrem Nutzen entgegen sind, ( o ) sind, und also unmoͤglich andeꝛs, als heilig und gerecht leben kan, die besten Gesetze nuͤtzen? Ein Stein der in die Hoͤhe geworfen worden, bedarf keiner Ermah- nung, oder Anweisung, daß und wie er herunterfallen solle. So nothwendig es nun abeꝛ ist, daß ein in die Luft geworfener Stein herunter faͤllt, so nothwendig ist es auch, daß eine vollkommene, und in rechtschafener Ge- rechtigkeit und Heiligkeit erschafene, Creatur alles thut, was noͤthig ist, sie in dieser Vollkommenheit, Heiligkeit und Gerechtigkeit zu erhalten. Dieses flies- set aus ihrem Wesen, und sie wuͤrde nicht vollkommen seyn, wenn sie nicht auch die Faͤhigkeit haͤtte, sich in ihrem begluͤckten Stande zu erhalten. Jch sehe nicht, warum GOtt einer solchen Creatur Gesetze vorschrei- ben solte? Gesetze verbieten das Boͤse, und befehlen das Gute. Das Gute thut eine vollkommene Creatur von sich selbst: und ihr das Boͤse untersagen, wuͤrde eben so viel seyn, als sie vor unvollkom̃en halten; weil ein solches Verboth nothwendig aus einer Beysorge herruͤhren muͤste, daß die vollkom̃ene Creatur das Boͤ- se dem Guten vorziehen moͤchte. Eine Creatur aber, von welcher man dieses veꝛmuthet, ist unvollkommen. Und vor unvollkommene Creaturen gehoͤren ei- gentlich die Gesetze. Die Starcken beduͤrfen des Artz- tes nicht, sondern die Krancken. Wir sind alle geistli- cher Weise kranck. Was ist es dann Wunder, daß uns GOtt die Gesetze der Natur, als eine heilsame Artzney vorgeschrieben? Waͤren wir von Natur so be- schafen, als es die Regeln der gesunden Vernunft er- fordern, so beduͤrften wir keine Gesetze, die unserm ver- kehrten Willen gewisse Schrancken setzen, und keiner Anleitung zur Erkenntniß unsers wahren Nutzens. Ss 2 Die ( o ) Die Gesetze der Natur schicken sich also gar wohl zu unserer Unvollkommenheit, und es ist nicht noͤthig, zu sagen, wir waͤren zu der Zeit, als sie uns gegeben sind, hoͤchst weise und vollkommen gewesen. Aber hat also GOtt nicht tyrannisch mit uns ge- handelt, daß er uns Gesetze gegeben, die unsern Nei- gungen so sehr entgegen sind, daß es uns schwer, ja fast unmoͤglich faͤllt, dieselbe zu halten? Dieses ist der Scrupel, den sich der Hr. Prof. Man- zel macht, und der ihn bewogen hat, um GOTT von den Verdacht einer Grausamkeit zu befreyen, den Schluß zu machen, der Mensch muͤsse sich zu der Zeit, als GOtt die Gesetze der Natur gegeben, in einem bes- sern und vollkommenern Zustande, als ietzo, befunden haben. Allein dieser Scrupel wird sich bald verlieh- ren, wenn man nur die Gesetze der Natur ein wenig genauer ansiehet. Es ist gewiß, wenn die Gesetze der Natur will- kuͤhrliche Verordnungen waͤren, kraft welcher GOtt dem Menschen an sich gleichguͤltige, und zum wah- ren Wohlseyn der Menschen nichts beytragende Dinge verboͤte und befoͤhle, so waͤre es freylich eine Art einer Tyranney, mit denselben eine Creatur zu beschweren, die entweder gar nicht, oder doch we- nigstens nicht ohne grosse Schwierigkeit, dieselbe zu halten vermoͤgend ist. Allein so sind die Gesetze der Natur nicht beschafen. Es bestehen dieselbe nicht in willkuͤhrlichen Verordnungen, auf deren Uebertretung willkuͤhrliche, und nicht aus den Thaten der Menschen selbst fliessende Strafen gesetzet sind. Sie sind nichts, als eine Einsicht in die Folgen unserer Handlungen, und sind uns nicht gegeben, weil wir voll- ( o ) vollkommen erschaffen worden, sondern nur den Un- vollkommenheiten zum Gegengewicht zu dienen, die aus unserer Einschraͤnckung, und unserm Zusammen- hang mit den uͤbrigen Creaturen entstehen. Solte also GOtt wohl einer Tyranney beschuldi- get werden koͤnnen, daß er uns, als ein liebreicher Va- ter vor Schaden warnet? Jch solte es nicht dencken. Laß es seyn, daß die meisten Menschen ihren wahren Nutzen aus den Augen setzen, und sich in Ungluͤck stuͤr- tzen: Die Gesetze der Natur bleiben darum doch eine Wohlthat GOttes, und machen den Menschen, der sie entweder aus Schwachheit, oder Boßheit nicht haͤlt, nicht ungluͤcklicher, als er seyn wuͤrde, wenn sie GOtt nicht in sein Hertz gepraͤget haͤtte. Der Hr. Prof. Manzel hat also keine Ursache, zu schliessen, daß wir hoͤchst vollkommen gewesen sind, als GOtt uns die Gesetze der Natur gegeben hat. Meinen nun aber Ew. Hochwohlgeb. daß der Hr. Prof. mit diesem Begrif von den Gesetzen der Natur nicht zufrieden seyn; sondern vieles dagegen einzuwenden haben wuͤrde: So will ich eben so hart darauf nicht dringen. Ja ich will ihm zulassen, daß die Gesetze der Natur, die er meinentwegen vor eigentliche Gesetze halten mag, nur Creaturen, die hoͤchst vollkommen sind, gegeben werden koͤn- nen. Jch will ihm zu gestehen, daß wir sie ietzo nicht halten koͤnnen: Allein er wird mir dann auch eine Frage zu gute halten. Sie ist nicht schwer zu beantworten. . . . . . . . . Minimum est quod scire laboro. Er kan nur ja oder nein sagen. Jch moͤchte ger- ne wissen, ob die Gesetze der Natur, die GOtt dem Ss 3 ersten ( o ) ersten Menschen in seiner Vollkommenheit gegeben, hat, und die wir ietzo, wie der Hr. Manzel will, nicht mehr halten koͤnnen, uns noch verbinden oder nicht? Antwortet er nein: So muß man alle Systemata Juris Naturæ zum Gewuͤrtz-Kramer schicken, und nimmer- mehr von Recht und Billigkeit reden, sondern nach seinen Luͤsten leben. Der Hr. Prof. Manzel wird auch keine gute Ursache geben koͤnnen, warum er sein Werckgen geschrieben, und warum er sich bemuͤhet hat, die edle Wissenschaft des Rechts der Natur auf einen bessern Fuß zu setzen. Da es nun aber nicht glaublich ist, daß er so ant- worten wird, so muß er sagen, die Gesetze der Natur verbinden uns noch, ob wir gleich nicht mehr im Stande sind, dieselbe zu halten. Mit was vor Grun- de kan er aber dieses sagen, da er selbst meinet es sey eine Tyranney, jemanden Gesetze zu geben, die er nicht halten kan? Jch kan zwar leicht dencken, daß er sich, um vor diesem Einwurf sicher zu seyn, unter die Canonen der Kirche retiriren, und mit der Lehre von der Erb- Suͤnde, als mit einem Schilde wafnen wird: Allein Ew. Hochwohlgeb. sehen wohl, daß dieses einem Weltweisen, der aus der blossen Vernunft von dem Stande der Unschuld handeln will, nicht sonder- lich wohl anstehet. Die Vernunft weiß von keiner Erb-Suͤnde, von keinen Kindern des Zorns. Sie begreift wohl, daß, wenn der erste Mensch aus seineꝛ Vollkommenheit ge- fallen ist, die aus diesem Fall in seiner Natur entstan- dene Verschlimmerung auf seine Nachkommen habe koͤnnen foꝛtgepflantzet weꝛden. Sie begꝛeift aber nicht, wie ( o ) wie diesen Nachkommen des ersten Menschen die an- gebohrne Unart, als ein Verbrechen, koͤnne zugerech- net werden. Es ist nicht unsere Schuld, daß wir boͤse gebohren werden, und folglich, wegen unserer ange- bohrnen Schwachheit, die Gesetze nicht halten koͤn- nen, welche dem ersten Menschen gegeben worden, der in vollkommener Gerechtigkeit und Heiligkeit erschafen war. Wer uns darum strafet, der begehet eine Ungerechtigkeit, und die wird gar schlecht bemaͤn- telt, wenn man spricht: Wir haͤtten die Kraͤfte ge- habt, denen Gesetzen, welche uns gegeben worden, die gebuͤhrende Folge zu leisten; wir haͤtten aber diese Kraͤfte durch unser eigen Versehen verschertzet. Denn nicht der Hr. Prof. Manzel und ich, oder sonst irgend einer von allen ietzo lebenden Menschen, haben vom verbotenen Baum gegessen. Warum sollen wir dann die unordentliche Lust unserer ersten Eltern buͤssen? Womit haben wir verdienet, daß uns durch unmoͤg- lich zu haltende Gesetze eine Last aufgelegt wird, die uns zu schwer ist? GOtt haͤtte unsere erste Eltern nach Belieben, wegen Uebertretung der Gesetze, welche sie, durch ihr Versehen, nicht halten konnten, zuͤchtigen koͤnnen: Uns aber muß er, falls er will, daß wir ihm gehorchen sollen, Gesetze geben, die mit dem Zustan- de uͤbereinkommen, in welchem wir uns ietzo befin- den, und die wir vermoͤgend sind zu halten. Unmoͤgli- che Dinge muß er nicht von uns fordern, sonst dencken wir von ihm, was wir von einem Menschen dencken wuͤrden, der einen Lahmen mit Schlaͤgen zwingen wolte, ein Menut zu tantzen, unter dem Vor- wande, der Ur-Elter-Vater dieses Kruͤppels sey ein geschickter Taͤntzer gewesen; habe sich aber, Ss 4 durch ( o ) durch seine Unmaͤßigkeit, eine Kranckheit zugezogen, die hernach auf alle seine Nachkommen geerbet sey. Und was braucht es viel Redens? daß ein Sohn die Missethat des Vaters nicht tragen solle, ist ein Satz, der so fest in der Vernunft gegruͤndet ist, als er klar in der Bibel stehet. Folglich ist es nach der Ver- nunft, eine ausgemachte Sache, daß wir nicht verdie- nen, mit Gesetzen beschweret zu werden, die wir darum nicht halten koͤnnen, weil unsere ersten Eltern die Kraͤf- te verlohren haben, welche dazu erfordert werden. Ew. Hochwohlgeb. sehen hieraus, daß es nicht wahr seyn koͤnne, daß wir nicht im Stande sind, die Gesetze der Natur zu halten, weil daraus die unge- reimte Folge fliesset, daß entweder die Gesetze der Na- tur uns nicht mehr verbinden, oder daß auch GOtt ungerecht mit uns verfahꝛe, wenn er uns wegen Ueber- tretung derselben strafet. Da nun aber der Hr. Man- zel sich auf diesen falschen Satz gruͤndet, so faͤllt alles, was er saget, uͤbern Haufen, nachdem ich den Grund umgestossen habe. Mich deucht, ich kan also mit gutem Gewissen zu dem dritten Argument des Hrn Prof. Manzels schreiten, und sehen ob es mehr, als die bey- den vorigen, beweiset. „Ferner, spricht er (§. 22.), beweiset dieses (daß „wir nemlich in einem verdorbenen Zustande leben) „der bestaͤndige Streit des Fleisches und des Geistes, „welchen auch selbst die Heiden gefuͤhlet, beseufzet, „und nicht GOtt; sondern ein boͤses principium vor „desselben Ursache gehalten haben. Jch mercke hierbey an I. Daß es nicht Regelmaͤßig geredet ist, wann der Hr. Prof. Manzel den Streit zwischen der gesunden Vernunft, ( o ) Vernunft, und den thoͤrigten Begierden des Men- schen einen Streit des Fleisches und des Geistes ( lu- ctam carnis \& spiritus ) nennet. Diese Redens- Art ist den Gottesgelehrten eigen, und ich moͤchte die- selbe nicht so entheiligen. Derjenige Streit, von wel- chem der Hr. Manzel redet, heisset, wie bekannt, pug- na rationis \& appetitus sensitivi. II. Daß dieser Streit, den wir in uns spuͤren, er mag nun heissen wie er will, wohl beweise, daß wir unvollkommen und ungluͤcklich sind; indem wir Be- gierden haben, die dem Verlangen, so wir uͤberhaupt haben, lange und gluͤcklich zu leben, gerade entgegen laufen: Aber daß noch nicht daraus folge, der erste Mensch sey anders beschafen gewesen. Und diese mei- ne Anmerckung muß um so viel eher gelten, weil ich schon gewiesen habe, daß, da das Wesen einer Creatur erfordert, daß sie unvollkommen sey, die Unvollkom- menheit, die wir ietzo an uns haben, uns nicht Recht gebe, zu schliessen, wir waͤren vor diesen anders ge- macht gewesen. III. Daß es wenig zur Sache thut, ob die Heyden diesen Streit gefuͤhlet, und einem boͤsen principio zu- geschrieben, oder nicht. Jch weiß wohl, daß einige das Verderben der menschlichen Natur, als die Strafe eines, in einer andern Welt begangenen, Ver- brechens angesehen: Allein dieses beweiset noch nicht, daß also wuͤrcklich eine gewaltsame Veraͤnderung in der Natur des Menschen vorgegangen sey. Die Heiden bemuͤheten sich, den Ursprung der Un- vollkommenheit und des Boͤsen in dem Menschen zu erklaͤren, und erdichteten, zu dem Ende, eben wie der Hr. Manzel, einen Stand der Unschuld, nach ihrer S s 5 Art. ( o ) Art. Sie hatten davon so wenig Gewißheit aus der Vernunft, als er: Allein sie meinten auf die Art die Eh- re der GOttheit zu retten, der man es als einen Man- gel der Macht, oder Guͤte auslegte, daß sie so unvoll- kommene und elende Creaturen hervorgebracht. Die Seelen der Menschen haben sich, sagten sie, ehe sie in die Leiber verbannet worden, versuͤndiget, und darum hat sie GOtt zur Strafe an die Materie geknuͤpfet. Ein Heide aber, der auf solche Art alle Scrupel he- ben wolte, war leicht zu wiederlegen. Man konn- te ihn nur fragen, ob die Seelen, vor ihrer Ver- bannung in die Leiber, vollkommen oder unvollkom- men gewesen? Sagte er: Sie waren vollkommen; So konnte man fragen: Warum suͤndigten sie dann? Sagte er: sie waren es nicht. So blieb der Scrupel da, den er, durch sein Gedichte, heben wolte, nemlich woher die Unvollkommenheit in dem Menschen entstanden? Ew. Hochwohlgeb. sehen also, daß der Fall, wel- chen die Heiden erdichtet, ein elender Behelff ist, von der Unvollkommenheit des Menschen eine Ursache zu geben: und daß folglich der Hr. Prof. Manzel in den Meinungen dieser Leute wenig Trost finden koͤnne, und wenn er sich auch gleich auf dasjenige berufen haͤtte, was ich eben von dem Glauben der Heiden er- wehnet habe. Nun aber thut er dieses nicht einmahl; sondern begnuͤgt sich nur anzumeꝛcken, daß die Heiden den Streit des Fleisches und des Geistes gefuͤhlet, und einem boͤsen principio zugeschrieben haben: Und die- ses hat wenig zu bedeuten. Denn eines theils ist es kein Wunder, daß diejenigen unter den Heiden, welche zwey principia glaubten, die Unvollkom̃enheit in dem Men- ( o ) Menschen dem Boͤsen zuschreiben: und andern theils ist es falsch, daß die Heiden uͤberhaupt den Streit des Fleisches und des Geistes einem boͤsen princi- pio zugeschrieben haben. Alle diejenigen, welche nicht zwey principia glaubten, gaben ihren Goͤt- tern Schuld, daß sie sie zu Lastern reitzeten: Und es ist bekannt, daß fast keine Untugend zu erdencken ist, die nicht ihren eigenen Patron unter den Goͤttern ge- habt haͤtte. Die Heiden meinten also, daß von den Goͤttern, die ihnen das Gute gaben, auch das Boͤse herruͤhre, und bildeten sich, wann sie von ihren Be- gierden zu etwas getrieben wurden, dessen Unbillig- keit und Schaͤdlichkeit sie wohl erkannten, feste ein, dieser Trieb sey goͤttlich. So erklaͤrte die Medea ihre unbaͤndige Liebe zu dem Jason, deren Unver- nunft sie selbst wohl erkannte. „Concipit interea validas Æetias ignes „Et luctata diu, postquam ratione furorem „Vincere non poterat; Frustra Medea re- pugnas „Nescio quis DEVS obstat, ait … OVIDIVS Metam. Lib. VII. Mr. Bayle sagt Diction. Histor. \& Crit. Art. Ovid. not. G. die Heiden haͤtten diese goͤttli- che Reitzung zum Boͤsen als eine Strafe einer vorher- gegangenen Uebertretung angesehen, und vergleicht die Begrife, welche sie gehabt, mit dem, so unsere Got- tes-Gelehrten vom Verlust des freyen Willens durch den Fall, und der Entziehung der Gnade GOttes leh- ren. Aber auch dieses kan dem Hn. Prof. Manzel we- nig helfen: Denn, wie sehr auch die Grillen der Heiden mit ( o ) mit den Lehren unserer Gottesgelehrten uͤbereinstim- men, so bleibt es doch noch eine Frage, ob es vernuͤnf- tig sey, zu glauben, daß GOtt eine Creatur, wie grob sie sich auch an ihm versuͤndiget, immermehr zur Suͤn- de reitzen solle: Diese Erklaͤrung des Streites, den wir in uns fuͤhlen, ist, meiner Meynung nach, nicht weit her, und man findet auch unter den Heyden selbst einige, denen sie nicht gefallen hat. Wann die Phaͤdra beym Seneca In Hyppolito Act. 1. ihre rasende Liebe gegen ihren Stief-Sohn mit einem Goͤttlichen Triebe be- maͤnteln will, und spricht „. . . . . . . . . quæ memoras scio „Vera esse Nutrix: sed furor cogit sequi „Pejora. Vadit animus in præceps sciens, „Remeatquefrustra sana consilia appetens. „. . . . . „. . . . . „. . . . . „Quod ratio poscit, vincit ac regnat furor „Potensque tota mente dominatur DEUS. So wird ihr gar vernuͤnftig geantwortet, sie irre sich sehr, wenn sie meine, Gott reitze sie zu der Thorheit ih- ren Sohn zu lieben. Diese Einbildung sey eine Erfin- dung liederlicher Gemuͤther ꝛc. „Deum esse amorem, turpiter vitio favens „Finxit libido: quoque liberior foret, „Titulum furori NUMINIS FALSI addidit „. . . . . „. . . . . „Vana ( o ) „Vana ista demens animus ascivit sibi „Venerisque numen finxit, atque arcus Dei. Ob nun gleich die Heiden die Unvollkommenheit des Menschen erkannt, und, da sie sich in den Streit der gesunden Vernunft mit den thoͤrigten Begierden des Hertzens nicht finden koͤnnen, einen Deum ex Machi na zu Aufloͤsung dieses Raͤtzels gebrauchet haben So hilft doch dem Hn. Manzel ihr Exempel nichts. Sein Stand der Unschuld, sein Fall wird dadurch nicht wahrscheinlicher: Und wenn sie auch, wie er will, eine Art von alten Drachen gekannt haͤtten: Denn es wuͤrde noch die Frage uͤbrig bleiben, ob sie wohl ge- schlossen. Was will er aber also sich auf die Heiden be- rufen, da ich gewiesen, daß sie den innerlichen Streit, den wir fuͤhlen, als etwas Goͤttliches angesehen ha- ben? Wie kan er sagen, die Heiden haͤtten die luctam carnis \& Spiritus erkannt? Der Hr. Mantzel siehet diesen Streit als ein Zeichen unsers Verderbens an: Das thaten, aber die Heiden nicht; die hielten einen erzuͤrneten GOtt vor den Urheber desselben, und mu- sten also die einheimische Unruhe, welche sie fuͤhlten, mehr vor ein Zeichen des Eigensinnes ihrer Goͤtter, als vor ein Zeichen ihrer eigenen Unvollkommenheit ansehen. Sie konnten unmoͤglich daraus folgern, daß in der menschlichen Natur eine Veraͤnderung vorge- gangen sey, aus welcher dieser innerliche Krieg der Vernunft und Begierden herruͤhre. Mr. Bayle ist am angezogenen Ort anderer Meynung, und meint die Heiden haͤtten von dem Fall, und dem daraus er- folgten Verlust des freyen Willens etwas gerochen: Allein mich deucht ich wolte mit leichter Muͤhe das Gegentheil darthun, wenn ich nicht besorgte Ew. Hoch- ( o ) Hochwohlgeb. durch meine Weitlaͤuftigkeit ver- drießlich zu fallen. Jch wende mich also zu dem folgenden Argument des Hrn. Prof. Manzels, welches er (§. 23.) von der guͤldenen Zeit hernimmt, von welcher die Heiden so viel geschwatzet haben. Jch glaube es muß ihm recht gefreuet haben, als er gesehen, daß das Seculum aure- um der Heiden und sein Stand der Unschuld einan- der so aͤhnlich sehen; weil dieses wenigstens ein Zei- chen ist, daß man aus der Vernunft den Stand der Unschuld erkennen koͤnne. Allein, ob ich ihm gleich den Einwurf nicht machen will, den er (§. 24.) schon zum voraus beantwortet hat, so weiß ich doch nicht, ob das, was die heidnischen Poeten von der guͤldnen Zeit gesungen haben, seine Sache gut machen kan. Jch glaube dieses um so viel weniger, weil der Hr. Prof. Manzel selbst gestehet, sie haͤtten es erdichtet ( quæ illi ipsi gentiles de aureo FINXERUNT seculo ). Mich deucht, wenn das was Ovidius von der guͤldnen Zeit schreibet, erdichtet ist, so kan das, was der Hr. Prof. von dem Stande der Unschuld sagt, auch nicht weit her seyn, weil das beste, so er vorbringt nichts anders ist, als was Ovidius schreibt. Jndessen haͤtte der Hr. Prof. besser gethan, weñ er nicht weiter gegangen waͤ- re, als die Heiden. Diese gute Leute wusten aus der Hi- storie und Tradition, konntens auch zur Noth aus der Vernunft wohl wissen, daß die Liderlichkeit, Schwel- gerey, der Geitz, der Hochmuth und andere Laster in den aͤltern Zeiten nicht so groß gewesen, als sie diese Laster zu ihren Zeiten sahen, und daß die Alten also, ge- gen ihre Nachkommen zu rechnen, vor weise und hei- lige Leute zu halten. Aber daraus schlossen sie nicht, daß die ( o ) die Alten nicht eben die Neigungen gehabt, die wir ha- ben: Sie legten ihnen darum nicht eine allen mensch- lichen Witz uͤbersteigende Vollkommenheit bey, die in folgenden Zeiten, ich weiß nicht durch was vor ei- nen gewaltsamen Zufall, verlohren gegangen. Und haͤtten sie es gethan, so haͤtten sie, wie der Hr. Prof. Manzel, unrichtig geschlossen. Es ist nicht schwer zu begreifen, daß der erste Mensch nebst seiner Gehuͤlfin, einen Augenblick nach feiner Erschafung, nicht so lasterhaft seyn koͤnnen als wir. Er suchte, wie andere Thiere seine Nahrung, und nahm vorlieb mit dem, so ihm zuerst vorkam. Er hatte noch nichts geschmecket, das seinen Gaumen ge- kuͤtzelt, und ihn verleiten koͤnnen, lecker zu werden. Er war also maͤßig, und zu frieden, wenn er nur seinen Hunger und Durst stillen konnte. Eine solche Crea- tur brauchte wenig, und konnte also nicht verlangen, viel zu besitzen, der Geitz plagte sie nicht, und, da sie ausser einer Republick lebte, so war sie auch von Hochmuth frey. Allein, waren darum die ersten Menschen, ihrem Wesen nach, vollkommner, als wir? Jch solte es nicht meinen. Eine solche Vollkommenheit, eine solche Unschuld finden wir noch bey vielen wilden Voͤlckern, und nehmen sie selbst an unsern Kindern, und an vielen Land-Leuten wahr. Gleich wie nun aber die Tugend und Unschuld dieser Leute sich auf ihre gluͤckseelige Unwissenheit gruͤndet: So kan man auch die Un- schuld der ersten Menschen aus eben diesem Grun- de herleiten. Die ( o ) Die Erfahrung hat es auch gegeben, daß die er- sten Menschen nur aus Einfalt tugendhaft gewesen: Denn so bald sie die Welt nur etwas besser kennen gelernet, und die Dinge so unsere Sinne belustigen gekostet hatten; waren sie nicht mehr mit dem, was der Erdboden trug, zufrieden: Sie kuͤnstelten an die- sen Dingen, und begnuͤgten sich nicht mehr mit der Stillung ihres Hungers und der Loͤschung ihres Durstes, sondern suchten ihren Geschmack zu kuͤ- tzeln. Sie wurden lecker, und fiengen folglich an mehr noͤthig zu haben, als ihre Nothdurft erforder- te, und daher entstand die Begierde viel zu besitzen. Aus dieser Begierde entstand, da ihre Anzahl ver- mehret wurde, Zanck und Streit; und diese Unei- nigkeit gab Gelegenheit zu Aufrichtung gewisser Ge- sellschaften, theils, um andere desto leichter zu unter- druͤcken, theils, um sich besser zu wehren. Die Auf- richtung der Republicken fuͤhrte eine Ordnung, und einen Unterscheid unter Obrigkeit und Unterthanen ein: Und aus dieser Ungleichheit muste nothwendig der Ehrgeitz entstehen. Auf solche Art verschwand die erste Unschuld in ei- nem Theil des Erdbodens eher, als in dem andern. Die alten Deutschen erhielten sich laͤnger darinn, als die Griechen und Roͤmer, und in den Laͤndern, die den Alten unbekannt gewesen, sind gantze Voͤlcker in der gluͤckseeligen Unwissenheit der ersten Menschen geblieben, biß wir sie entdecket, und durch unser boͤses Exempel verfuͤhret haben. Hieraus aber ist klar, daß die ersten Menschen keine sonderliche Vollkommenheit an sich gehabt ha- ben, die sie durch einen gewaltsamen Zufall verloh- ren ( o ) ren haͤtten. Man siehet leicht, daß es gar nothwen- dig gewesen, daß eine solche Creatur, als der Mensch anfaͤnglich war, mit der Zeit aͤrger geworden, so wie sich nach und nach die urspruͤngliche Unwissenheit, als der Grund seiner Unschuld, verlohren. Die ersten Menschen hatten alle Faͤhigkeit, so zu werden, als wir ietzo sind. Die zu ihrer Erhaltung noͤthige Be- gierden, welche sie hatten, waren hinlaͤnglich, oh- ne allen gewaltsamen Zufall, die Veraͤnderung, die wir an den Menschen wahrnehmen, zu verur- sachen. Daß sie gleich anfangs ihre Begierden nicht mißbrauchten, das machte ihre Dummheit: Sie enthielten sich vieler Fehler und Laster, die wir begehen, nicht, wegen ihrer grosser Heiligkeit, sondern weil sie dieselbe nicht zu begehen wusten. Und dieses ist die Ursache, warum Seneca den ersten Menschen den Titel weiser Leute streitig macht. „Sed, sagt er: Ep. 90. quamuis egregia illis vita fue-„ rit, \& carens fraude, non fuere sapientes.„ . . . . . Non tamen negauerim fuisse„ alti Spiritus viros, \&, ut ita dicam, à Diis„ recentes . . . . Quid ergo? Ignorantia re-„ rum innocentes erant. Multum autem interest,„ utrum peccare aliquis nolit an nesciat.„ Jch bin mit dem, was Seneca sagt, voͤllig zufrie- den, und will dem Hrn. Prof. Manzel, wenn er den Stand der Unschuld eben so erklaͤret, gerne einraͤu- men, daß man denselben aus der Vernunft erkennen koͤnne. Aber da er sich einen Menschen dichtet, der ohne alle Schwachheiten, und mit einer unbegreifli- chen Weißheit und Heiligkeit begabet gewesen: So T t muß ( o ) muß man ihm sagen, daß die Vernunft ein solches Geschoͤpfe nicht kenne. Sie stellet sich die ersten Men- schen als unsere Kinder vor; diese lassen in dem Anfan- ge ihres Lebens nicht so viele Boßheit von sich spuͤren, als erwachsene Leute; desfalls aber sagen wir nicht daß sie vollkommen sind. Und die Folge giebt es auch, daß sie es nicht sind. So bald sie sich selbst erst recht fuͤhlen, lassen sie ihre angebohrne Unart blicken, und diese waͤchst mit den Jahren. So gieng es nun auch mit den ersten Menschen. Sie suͤndigten, wie ich schon gesagt, aus Einfalt nicht, und werden gewiß nicht lange in dieser heilsamen Einfalt geblieben seyn. Wir haben von den ersten Zeiten schlechte Nach- richten: Allein aus dem wenigen, so uns die Historie von den alleraͤltesten Zeiten lehret, koͤnnen wir, ohne grosse Kunst, sehen, daß nichts neues unter der Son- nen geschiehet, und sich von je her unter den Menschen gute und boͤse gefunden haben. Der Mensch ist, von der Zeit seiner Schoͤpfung an, immer ein Mensch, das ist: ein naͤrrisches Thier gewesen. Unsere Stamm-Mutter, Eva, begieng, kurtz nach ihrer Schoͤpfung, da sie sich noch in ihrer Unschuld be- fand, eine That, von welcher ich mir, in diesen letzten Zeiten, ein Kind von einem nuꝛ mittel maͤßig guten Ge- muͤthe, durch die blosse Furcht der Ruthe abzuhalten getraue. Jch weiß nicht, ob diese traurige Begebenheit uns, so lange wir sie nach der blossen Vernunft be- trachten, einen grossen Begrif von der Vollkommen- heit der ersten Menschen geben kan. Was wuͤrde, spricht die Vernunft, die gute Eva nicht vor Fehltritte begehen, wenn sie mit aller Unschuld in der jetzigen Welt lebte? Die Verfuͤhrung ist heutiges Tages weit groͤs- ( o ) groͤsser als vor diesem, und es ist glaublich, das Adam wenig froͤhlige Stunden in seinem Ehe-Stande wuͤr- de gehabt haben, wenn seine Gemahlin, die so wenig Meister von sich selbst war, den Versuchungen un- terworfen gewesen waͤre die ietzo eine junge Dame an einem Hofe, da es nur etwas lustig hergehet, auszu- stehen hat. Jhre Auffuͤhrung machet, daß man ihr wenig Gutes zutrauen kan: „Car bien qu’ Adam fût jeune \& vigoureux „Bien fait de corps \& d’esprit agreable „Elle aima mieux, pour s’en faire conter, „Prêster l’oreille aux fleuretes du Diable, „Qve d’ estre femme \& ne pas coquetter. S. les Poësies de Sarrasin p. 61. Jch weiß wohl, daß dieses nur ein poetischer Ein- fall ist: Allein, die Wahrheit zu sagen, das, was Eva im Paradieß gethan hat, ihre grosse Neugierigkeit, und ihr unordentlicher Appetit, den selbst die Dro- hungen ihres Schoͤpfers, von dessen Macht und Wahrhaftigkeit sie mehr als zu viel uͤberzeuget war, nicht maͤßigen konnten, macht, daß ich be- fuͤrchte, sie wuͤrde, wenn man sie mit aller ihrer Heilig- keit und Vollkommenheit, so wie sie von GOtt aus der Ribbe des schlafenden Adams verfertiget wor- den, in die Umstaͤnde, darinn sich eine junge Hof-Da- me befindet, setzen koͤnnte, sich so auffuͤhren, daß die Vertheidiger ihrer unbegreiflichen Vollkommenheit nichts, als Schimpf von ihr haben wurden: Wenig- stens wuͤrde sie es nicht besser machen, als unser, in Suͤnden empfangen und gebohrnes, Frauenzimmer. Jndessen thun wir ihr die Ehre, und glauben, sie habe Tugenden und Vollkommenheiten besessen, die nach- T t 2 mahls ( o ) mahls verlohren gegangen. Und dieses ist kein Wun- der. Das Alterthum hat etwas an sich, das in uns eine Art einer Ehrerbietung erwecket, die uns an- treibt, auch die Fehler desselben zu uͤbersehen. Wenn wir demnach sehen, daß in alten Zeiten Laster, so bey uns nicht seltsam sind, entweder gar nicht, oder gar selten begangen worden: So gerathen wir in Ver- wunderung, und bilden uns ein, die Menschen, die zu den Zeiten gelebet haben, muͤssen gantz andere Thiere gewesen seyn, als wir. Aber wir betriegen uns sehr: Wie loͤblich auch ihr Wandel war, so waren sie doch Menschen, wie wir. Daß uns der Unterscheid zwi- schen uns und ihnen so groß vorkoͤmt, das macht, daß wir unsere Thorheiten vor Augen sehen, und diejeni- gen, welche die Alten begangen haben, entweder gar nicht wissen, oder doch, aus Ehrerbietung gegen das Alterthum, nicht so hoch aufmutzen, als die Fehler des mit uns lebenden Nechsten. Jch gebe Ew. Hochwohlgeb. zu bedencken, ob es nicht wahrscheinlich, daß alles, was die Heiden von der guͤldenen Zeit geschrieben haben, mehr aus einer uͤbermaͤßigen Ehrerbietung gegen das Alterthum, als aus der gesunden Vernunft hergeflossen sey, und ob also der Hr. Prof. Manzel durch diese Einfaͤlle der heidnischen Poeten etwas beweisen koͤnne? Jch zw eifele an dem letzten um so viel mehr, weil selbst die heidnischen Poeten von dem Stande der Unschuld des Hrn. Manzels nichts wissen, und vielleicht das, was sie von der guͤldnen Zeit geschrieben, selbst nicht geglaubet haben. Sie bedienten sich in diesem Stuͤ- cke der Freyheit, die ihnen Horatz gegeben hat: aber welcher er sich doch selbst, in Ansehung der guͤld- ( o ) guͤldnen Zeit, nicht bedienen wollen. Weil er ausdruͤcklich schreibt: „Quum prorepserunt primis animalia terris „Mutum \& turpe pecus, glandem atque cu- bilia propter „Unguibus \& pugnis, dein fustibus atque ita porro „Pugnabant armis, quæ post fabricaverat usus: „Donec verba, quibus voces sensusque no- tarent „Nominaque invenêre: dehinc absistere bello „Oppida cœperunt munire, \& ponere leges, „Ne quis fur esset, neu latro, neu quis ad- ulter. Horat. Lib. I. Sat. 3. Und wenn dann gleich alle heidnische Poeten ich weiß nicht was vor abentheurliche Dinge von der guͤldnen Zeit geschrieben, und festiglich gelaubet haͤt- ten: So wuͤrde doch daraus nicht folgen, daß die sich selbst gelassene Vernunft uns zur Erkaͤnntniß des Standes der Unschuld fuͤhren koͤnne. Die heidnischen Weltweisen und Geschicht-Schreiber redeten von dem Zustande der ersten Menschen gantz anders. Ew. Hochwohlgeb. koͤnnen dieses aus der Stelle des Se- neca, welche ich schon angefuͤhret habe, und aus dem Diodorus Siculus Lib. I. Cap. 8. deutlich sehen. Der Hr. Prof. Manzel faͤhrt indessen fort, seinen Stand der Unschuld §. 25. auf folgende Art zubewei- T t 3 sen. ( o ) sen. „Der Mensch spricht er, ist die vortreflichste „Creatur: Er ist aber ietzo das elendeste unter allen „Thieren. Es ist nicht zu glauben, daß dieses von „GOtt also verordnet sey: Folglich muß sich etwas „begeben haben, wodurch der Mensch die ihm aner- „schafene Vortreflichkeit verlohren, und sich den „Zorn seines Schoͤpfers zugezogen hat. Jch dencke nicht, daß ich diesem Schlusse etwas von seiner Kraft benommen, ob ich gleich die Worte des Hrn. Prof. nicht behalten habe. Allein, wie sehr ich mich auch bemuͤhet habe, etwas darinne anzu- trefen, das mich bewegen koͤnnte, meine Gedancken zu aͤndern, so habe ich doch nichts buͤndiges darinne finden koͤnnen: Jch bekenne, es laͤuft wieder die Ver- nunft, daß GOtt dasjenige Geschoͤpfe, welches das vortreflichste unter allen seyn sollen, zu dem aller groͤß- sten Elende solte verdammet haben. Aber wer hat uns dann gesagt, daß wir nothwendig das allervor- treflichste Geschoͤpfe haben seyn sollen? Dieser Satz, auf welchen der Hr. Prof. seinen gantzen Beweiß gruͤndet, haͤtte verdienet, erwiesen zu werden. So lan- ge das nicht geschiehet, halte ich mich berechtiget, die Einbildung von unserer Vortreflichkeit vor eine Frucht unsers Hochmuths, und folglich vor ein Zei- chen unserer Unvollkommenheit anzusehen. Die Vernunft saget uns, daß GOtt alle seine Geschoͤpfe gleich werth halte, und vor sie alle so ge- sorget habe, daß sie, nach dem Maaß einer Creatur, alle gluͤcklich seyn koͤnnen. Jch finde in dem Menschen nichts, das mich bewegen koͤnnte, zu glauben, GOtt muͤsse in Ansehung seiner eine Ausnahme machen. Ja, da ich sehe, daß der Mensch, wie der Hr. Man- zel ( o ) zel sagt, so gar elend ist, so wolte ich lieber den Schluß machen, GOtt habe in Ansehung seiner ei- ne Ausnahme gemacht, die klaͤrlich weiset, daß er nicht das vortreflichste Geschoͤpfe seyn sollen. Denn die Vortreflichkeit eines Dinges ersehe ich aus dessen Eigenschaften. Diejenige Creatur nun, welche die vortreflichste unter allen seyn soll, die muß die andern an Macht, Daurung, Verstand, Tu- gend, oder auch an kuͤnstlicher Bildung uͤbertrefen. Wenn ich den Menschen noch so viel betrachte, so finde ich nicht, daß man dieses von ihm sagen koͤnne. Seine Kraͤfte erstrecken sich nicht gar weit, und die meisten Thiere haben keine Ursache, ihn zu benei- den. Was die Daurung anlanget, so ist es ofen- bahr, daß viele Creaturen weit laͤnger dauren, als der Mensch. Mit seiner Weißheit, und mit seinem Verstande bruͤstet sich der Mensch zwar sehr: Allein auch die Thiere haben die Faͤhigkeit, ihren wahren Vortheil zu kennen, und bedienen sich derselben bes- ser, als der Mensch. Daß sie nicht so tiefsinnige Schluͤsse machen, und abstrahiren koͤnnen, das ist mehr ein Zeichen, daß sie vortreflicher sind, als der Mensch, als daß es den Vorzug, den wir fuͤr ihnen haben, beweisen solte. Mit einem Blick, ohne weitlaͤuf- tige Schluͤsse, nuͤtzliche Warheiten erkennen, ist eine groͤssere Vollkom̃enheit, als mit grosser Muͤhe aus ei- nigen bekañten Saͤtzen unbekañte herleiten. Ein Mu- sicus, der, ohne darauf zu dencken, die schwersten Stuͤ- cke wegspielet, hat unstreitig den Vorzug vor einem Lehrling, der sich den Kopf daruͤber zerbricht. Unnuͤtze aber, oder wohl gar schaͤdliche Warheiten nicht eꝛken- nen, ist so wenig ein Fehler, daruͤber sich die Thiere zu T t 4 be- ( o ) betruͤben haͤtten, als es eine Vortreflichkeit unserer Natur anzeiget, daß wir sie in dieser Art der Er- kaͤnntniß uͤbertrefen. Mit unserer Tugend ist es so beschafen, daß es wohl besser diente. Jch habe noch niemahlen gehoͤ- ret, daß man unsere Heiligkeit und Unschuld als einen Beweiß unsers Vorzuges vor andern Creaturen gebrauchet hat. Wir stellen uns wenigstens die Thiere eher zum Muster vor, als daß wir ihnen ra- then solten unserm Beyspiel zu folgen. Und was dann endlich den kuͤnstlichen Bau unsers Coͤrpers betrift, so ist kein Thiergen in der Welt, dessen Bil- dung uns nicht ja so viel Gelegenheit geben solte, die unendliche Weißheit des Schoͤpfers zu bewundern, als unser Coͤrper. Da nun der Mensch nichts an sich hat, woraus man schliessen koͤnnte, daß er das vortreflichste Thier seyn sollen; man aber von den Absichten GOttes nicht wohl anders, als aus dem Erfolg urtheilen kan: So moͤchte ich wohl wissen, woher dann der Hr. Pr. Manzel erfahren habe, daß der Mensch das aller- vortreflichste Thier seyn sollen. A priori und aus der Vernunft kan er es unmoͤglich wissen: Da er aber dennoch diesen Satz, also ausgemacht, voraus setzet, so mischt er fremde Begrife in die Weltweiß- heit, und dieses heisset nicht philosophiren. Wenn ich an jemand anders, als an Ew. Hoch- Wohlgeb. schriebe, so wuͤrde ich besorgen man moͤch- te mir einwerfen: Jch thaͤte uͤbel, daß ich den Men- schen in seinem verdorbenen Zustande betrachten; man muͤste von der Absicht GOttes in Erschafung des Menschen nach der urspruͤnglichen Vollkommen- heit ( o ) heit desselben urtheilen. Aber Ew. Hochwohlg. sind nicht so unerfahren in der Vernunft-Lehre, daß Sie nicht sehen solten, daß derjenige, der mir diesen Ein- wurf zu machen sich unterstehen wolte, denjenigen lo- gicalischen Schnitzer begehen wuͤrde, den man Cir- culum nennet. Denn der Herr Prof. Manzel setzt voraus, daß der Mensch die allervortreflichste Crea- tur seyn sollen, und sucht daher zu beweisen, er muͤsse sich ehedessen in einem vollkommenern und gluͤckseli- gern Zustande befunden haben. Er kan demnach, ohne unertraͤglich zu schliessen, diesen vollkommenen Zustand nicht zum Grunde legen, wenn er beweisen will, daß der Mensch das allervortreflichste Thier seyn sollen. Denn wer wolte uͤber einen so ungereim- ten Schluß nicht lachen? Der Mensch muß in ei- nem vollkommenen Zustande erschafen seyn, weil er das allervortreflichste Geschoͤpfe seyn sollen, und der Mensch hat das allervortreflichste Thier seyn sollen, weil er vollkommen erschafen worden. Da es nun also noch sehr zweifelhaft ist, ob der Mensch das vortreflichste Thier seyn sollen; so siehet man klar, daß der Herr Manzel viel zu fruͤhe aus un- serm Elende eine Veraͤnderung unsers urspruͤnglichen Zustandes schliesset. Wer sagt uns, daß der Mensch nicht so seyn sollen, wie er ist? Die Vernunft nicht. Die begreift wohl, daß es ein Hochmuth ist, sich uͤber die andern Geschoͤpfe zu erheben, da uns doch viel- mehr die Empfindung unsers Elendes die Beschei- denheit lehren solte. Es ist ein Gluͤck vor uns, daß die Thiere nicht wissen, was wir vor schoͤne Sachen von unserer Vor- treflichkeit schwatzen. Wuͤrden sie uns nicht ausla- T t 5 chen, ( o ) chen, wenn sie wuͤsten, wie wir armseelige Creatu- ren uns, bey allem unserm Elende, bruͤsten? Allein so sichert uns einer von unsern Vorzuͤgen auch vor diesem Schimpf. Solus homo est risibi- lis. Jndessen ist es gewiß, daß wir sehr uͤbel fahren wuͤrden, wenn wir mit ihnen uͤber unsere Vortreflich- keit disputiren solten. Der Hr. Prof. Manzel inson- derheit wuͤrde wenig Ehre einlegen: Denn der ist schon so weit, daß er unsere Vortreflichkeit aus dem Verlust derselben beweiset: Weil es unstreitig ist, daß man das was man verlohren hat, einmahl ge- habt haben muͤsse. Jch finde dieses eben so artig, als die Ausflucht jenes Edelmanns, der seinen Adel beweisen solte „Qui prétendoit prouver sans titre \& PAR RAISON „Que sa famille \& sa maison „Estoient plus vieilles que Grenoble. „Il confessoit qu’entre ses mains „Pour justifier sa naissance „Il n’auoit point de parchemins: „Mais il disoit pour sa defense. „Que par la haine de Noé „Avec qui sa famille eût certain demêlé „Ses titres en manquant de refuge „Perirent tous dans le Deluge. S. les Nouvelles ocuvres de Mr. le Pays p. 73. Da nun unsere Sachen in einem so verzweifelten Stande sind, so waͤre es, meineꝛ Meinung nach, besser, wenn wir alle vornehme Gedancken fahren liessen, und uns nicht mehr einbildeten, wir wuͤrden von der Natur ( o ) Natur nicht standesmaͤßig gehalten. Wir sind elend. Das ist wahr; Aber laßt uns dieses Elend durch et- was anders, als durch suͤsse Traͤume von einer verlohr- nen Vortreflichkeit, zu versussen suchen. Wir thun kluͤger, wenn wir mit unserm Zustande zufrieden sind, und uns bemuͤhen, denselben so ertraͤglich zu ma- chen, als es moͤglich ist. Es ist kein Thier in der Welt, daß nicht mit eben so gutem Grunde, als wir, das vortreflichste zu seyn verlangen, und also sein Elend, darinn es sich befin- det, als etwas ausserordentliches, und aus einem Versehen seiner Vorfahren herruͤhrendes, ansehen koͤnnte. Auch die Thiere haben ihre Noth; und wenn sonst nichts waͤre, daruͤber sie sich zu beklagen, und allerhand Gedancken zu machen Ursache haͤtten, so waͤre es gewiß die Grausamkeit des Menschen, und alles, das Boͤse, so sie von diesem artigen Thiere erdulden muͤssen. Sie koͤnnten also alles dasjenige, was der Herr Prof. Manzel zum Beweiß der urspruͤnglichen Vol- lenkommenheit und Gluͤckseeligkeit des Menschen vorgebracht hat, vor sich anfuͤhren. Jch glaube wohl, wir wuͤrden sie auslachen: Allein womit wol- ten wir sie wiederlegen? Gewiß nicht aus der Ver- nunft. Die ist nicht vor uns. Sie siehet unsere Vortreflikeit nicht, wofern sie nicht das Vergroͤs- serungs-Glaß eines thoͤrichten Hochmuths gebrau- chet. Es wuͤrde laͤcherlich seyn, wenn wir unsere Zu- flucht zur Ofenbahrung nehmen, und ihnen darinn unsere Vorzuͤge weisen wolten. Denn dieses wuͤrde bey den Thieren wenig verfangen. Sie wuͤrden un- sere ( o ) sere Ofenbahrung, weil sie von Menschen geschrie- ben ist, als partheyisch verwerfen, und uns eben das antworten, was der Loͤwe in der Fabel sagte, als er sahe, daß die Menschen sich uͤber ein Gemaͤhlde kuͤtzel- ten, welches einen Loͤwen vorstellete, der von einem ein- tzigen Menschen zur Erden geworfen war. „Je vois bien, dit-il, qu’en effêt „On vous donne ici la victoire: „Mais l’ouvrier vous a deçus, „Il avoit liberté de feindre „Avec plus de raison nous aurions le dessus „Si mes confreres savoient peindre. S. les Fables de Mr. de la Fontaine Liv. III. fab. 10. Von Menschen haben wir eine solche Antwort nicht zu besorgen, und also thun wir wohl, wenn wir in Beweisung unserer Vortreflichkeit und Vorzuͤge vor andern Thieren, des Standes der Unschuld u. d. g. uns bloß auf das feste prophetische Wort gruͤnden, und nicht, wie der Hr. Prof. Manzel, von diesen Dingen nach der blossen Vernunft reden. Die weiß davon wenig, oder gar nichts, und ist geschick- ter, uns Scrupel zu machen, als auf den rechten Weg zu bringen. Darum kan sie sich auch gar nicht darinn finden, wann der Hr. Prof. Manzel (§. 26. 27.) fortfaͤhret, seinen Stand der Unschuld durch eine Betrachtung derjenigen Dinge zu erweisen, die zu des Menschen Erhaltung dienen. „Er meint, da alles, was hauptsaͤchlich dem „Menschen zur Nahrung dienet, nicht ohne muͤhsa- „me ( o ) me Bearbeitung der Erde hervorgebracht wird, und„ ohne diese Arbeit und Muͤhe des Menschen bald ver-„ gehen wuͤrde: Hergegn diejenigen Dinge, damit„ sich die Thiere naͤhren, von selbsten wachsen: So„ sey es glaublich, daß eine Veraͤnderung in der Natur„ vorgegangen, und also dem Menschen die Arbeit,„ die er zu seiner Erhaltung anwenden muß, als ei-„ ne Strafe auferleget sey.„ Er versteht durch die, zur Erhaltung des Men-„ schen unumgaͤnglich noͤthige, Dinge, das Korn, als,„ Weitzen, Rocken, Gersten, Habern, Erbsen,„ Linsen, Bohnen u. d. g. Er beweiset aus der Ofen-„ bahrung, daß alle diese Dinge anfangs ohne einiges„ Zuthun des Menschen gewachsen: Und macht daher„ den Schluß, daß sich etwas gewaltsames zugetra-„ gen habe, ( violentum aliquod accidisse ), wodurch„ GOtt bewogen worden, seinen Seegen einiger„ massen zuruͤckzunehmen.„ Jch muß bekennen, der Hr. Prof. Manzel weiß seine Voͤlcker wohl zustellen: Er stellet die besten an die Spitze. Diejenigen Argumente, die ich schon wiederleget habe, liessen sich noch einiger massen hoͤren: Aber das, welches ich eben angefuͤh- ret habe, ist sehr schwach, und hat also verdienet, post principia gestellet zu werden. Ew. Hochwohlgeb. sehen, daß der Herr Prof. Manzel selbst nicht viel Gutes von der Kraft seines Beweises vermuthet. Er verzweifelt, und sucht Trost in GOttes Wort. Er thut wohl daran: Aber er philosophirt schlecht, und aͤndert sein Vorhaben, den Stand der Unschuld aus der Vernunft zu beweisen. Und dieses allein koͤnnte mich der Muͤhe uͤberheben die Schwaͤche ( o ) Schwaͤche seines Schlusses Ew. Hochwohlgeb. weitlaͤuftig darzuthun: Allein ich kan mich nicht enthalten von der grossen Menge der Gedancken, die mir dabey einfallen, Ew. Hochwohlgeb. nur die ersten die besten zu eroͤfnen. Damit ich mich nicht verirre, will ich das, was ich dencke, in gewisse An- merckungen einschliessen. I. Jst es falsch, daß dasjenige, welches zur Erhal- tung unsers Lebens unumgaͤnlich noͤthig ist, nicht von sich selbst wachse, und die Thiere in diesem Stuͤcke et- was voraus haben. Denn wenn wirs so gut haben wollen, als die Thiere, so duͤrfen wir keine weitere Muͤ- he anwenden uns zu ernaͤhren, als sie. „Non fuit tam „inimica natura, ut cum omnibus aliis anima- „libus facilem actum vitæ daret, homo solus „non posset sine tot artibus vivere. Nihil ho- „rum ab illa nobis imperatum est, nihil ægre „quærendum, ut possit vita produci. Ad pa- „rata nati sumus, nos omnia nobis difficilia „facilium fastidio fecimus. Seneca Ep. 90. II. Wenn aus der Muͤhe, so eine Creatur zu ihrer Erhaltung sich machen muß, eine Veraͤnderung in der Natur zu schliessen, so koͤnnen die Thiere, eben wie wir, sprechen, sie haͤtten ihr vorige Unschuld verlohren. Denn obgleich dieselbe weder saͤen noch pfluͤgen, so muͤssen sie doch ihre Nahrung nicht ohne grosse Muͤhe suchen, und koͤnnen sie in harten Wintern kaum fin- den; so gar, daß sie oft Hungers sterben muͤsten, wenn nicht der Mensch ihnen zu der Zeit, wiewohl nicht aus Liebe zu seinen Mit-Geschoͤpfen, ihr Futter gaͤbe. ( o ) gaͤbe. Die Thiere haben aber unstreitig nicht gesuͤn- diget; und daß sie GOtt das Versehen des ersten Menschen entgelten lassen solte, das ist etwas, eine Sache, die meinen Witz uͤbersteiget. III. Jst es falsch, daß der Mensch sich ohne die- jenigen Fruͤchte, die wir Korn nennen, nicht behelfen koͤnne. Dieses ist ein Vorurtheil, welches daher entstanden, weil ietzo das Brodt eine allgemeine Nah- rung ist, der sich jederman, vom Koͤnig an biß auf den Bettler bedienet. Es ist also bey gegenwaͤrtigen Um- staͤnden sehr noͤthig. Gleichwie uns aber diese Noth- wendigkeit nicht bewegen kan, den Einfaͤltigen nach- zuahmen, die kein Stuͤckgen Brodt ohne Grausen auf die Erde fallen sehen koͤnnen, und dasselbe mit ei- ner aberglaͤubigen, laͤcherlichen Ehrerbietung aufhe- ben: So solten wir, die wir Philosophi seyn wollen, auch nicht so einfaͤltig seyn, und sagen, man koͤnne ohne Brodt nicht leben. Der Mensch lebet nicht allein vom Brodt, hat Christus gesagt, und unsere Kinder betens noch taͤglich vor Tische. Man hat Leute in der Wild- niß gefunden, die nimmer Brodt gekostet, und doch gelebet haben: und wie viele Voͤlcker gibt es nicht, denen der Gebrauch des Brodts unbekannt ist? Es giebt in Africa Leute, die nichts essen, als das Fleisch der Cameele, und nichts trincken, als das geschmoltzene Fett dieser Thiere: Und von den Groͤn- laͤndern und andern Voͤlckern in dem nordlichen America ist es gar zu bekannt, daß die gedoͤrreten, oder halb verfaulten Fische ihre eintzige Nahrung sind. Da wir nun das Korn hauptsaͤchlich zur Verfer- tigung ( o ) tigung des Brodts gebrauchen: So kan es, da das Brodt nicht unumgaͤnglich zu unserer Erhaltung noͤ- thig ist, auch so gar nothwendig nicht seyn. Wenn uns demnach die Bearbeitung des Ackers so sauer wird, so koͤnnen wir uns desfalls uͤber niemand be- schweren, als uͤber uns selbst. Es ist unser freyer Wille. Wer nicht Lust dazu hat, der kan Eicheln fressen: Die- se Frucht bedarf keiner Wartung. Jst nun aber das Korn so nothwendig nicht, so duͤrfen wir aus der Ar- beit, die uns dasselbe kostet, nicht schliessen, es sey auf die Natur ein Fluch geleget. IV. Jst es falsch, daß das Korn, wenn es auch gleich zu unserer Erhaltung noch so noͤthig waͤre, dar- um ohne unsere Bemuͤhung wachsen muͤsse. Jch muß bekennen, wenn alle Menschen, so dencken, als der Hr. Prof. Manzel, so ist der Mensch ein gemaͤch- lich Thier. Er hat vornehme Gedancken. Er will nicht arbeiten. Fast solte ich dadurch bewo- gen werden, zu glauben, er sey von so hoher Ab- kunft, als er sich ausgiebt. Der Geist seiner see- ligen und begluͤckten Vorfahren, die zur Beherr- schung des Erdbodens erschafen waren, regt sich noch in ihm. Es ist ihm, spricht er, in der Wiege nicht vorgesungen, daß es ihm so gehen werde. A- ber, ohne Schertz, ist es nicht laͤcherlich, daß wir von aller Muͤhe befreyet seyn wollen, und die Noth- wendigkeit der Arbeit, dadurch wir uns dasjenige verschafen, was wir zu unsers Leibes Nahrung und Nothdurft gebrauchen, als eine Entziehung des Goͤttlichen Seegens ansehen? Da wir so gesinnet sind, so wuͤrden wir nicht zu frieden seyn, wenn auch gleich Weitzen und Rocken wie das Graß wuͤchsen. Denn ( o ) Denn so wie der Rocken waͤchst koͤnnen wir ihn doch nicht essen. Er muß gemaͤhet, gedroschen, ge- mahlen, das daraus verfertigte Meel mit Wasser vermischet, und durch das Feuer gar, und also zu unserer Nahrung geschickt gemacht werden. Mich deucht diese Arbeit ist nicht weniger muͤh- sam, als diejenige, welche zur Bestellung des Ackers erfordert wird. Gibt demnach diese uns Fug und Recht zu schliessen, daß unsere ersten Eltern in dem Stande ihrer Vollkommenheit davon frey gewesen: So sehe ich nicht, was mich hindern solte, zu sagen, wenn wir in diesem begluͤckten Zustande geblieben, so wuͤrden wir auch von der Nothmendigkeit, das Korn einzusammlen, zu dreschen, zu mahlen, und zu unserm Gebrauch geschickt zu machen, nichts ge- wust haben. Und folglich haͤtte der Hr. Prof. eben so grosse Ursache aus der muͤhsamen Einsammlung, und Zubereitung des Korns zu schliessen, im Stan- de der Unschuld wuͤrde das Meel, entweder gantz fertig vom Himmel gefallen seyn, oder wie Sand auf der Erden gelegen haben, als Er hat, zu muth- massen, das Korn wuͤrde im Stande der Unschuld ohne alle Bemuͤhung des Menschen gewachsen seyn. Aus seinem Satze folget mehr, als dieses. Ja er leydet nicht einmahl, daß er mit dem schon fertigen Meel zufrieden ist. Denn gesetzt, wir fuͤnden nun das Meel so haͤufig, als den Sand, wuͤrden wir desselben nicht bald uͤberdruͤßig werden? Wuͤrden wir nicht auf andere Dinge, die nicht so gemein sind, verfallen, und uns einbilden, wir haͤtten dieselbe zu unserer Er- haltung noͤthig? So bald es nun einige Muͤhe koste- te, dieselbe zu erlangen, wuͤrden wir eben so hertz- U u brechend ( o ) brechend daruͤber seufzen, als jetzo daruͤber, daß wir des Pfluͤgens nicht uͤberhoben seyn koͤnnen, und, nach unserer Weißheit, schliessen, vor Zeiten sey es nicht al- so gewesen, unsere ersten Eltern haͤtten alles, was wir mit Muͤhe suchen, ohne alle Bemuͤhung haben koͤnnen. Diese Einbildung ist faͤhig uns das Gehirn zu ver- ruͤcken. Sie kan uns dahin bringen, daß wir uns einbilden, im Paradieß haͤtte es warme Semmel ge- regnet, oder es waͤren im Stande der Unschuld dem er- sten Menschen die Tauben gebraten ins Maul geflo- gen. Ja wir koͤnnen so weit verfallen, daß wir, weil das Kauen und Schlucken auch muͤhsam und oft ge- faͤhrlich ist, gar dencken, unsere ersten Eltern waͤren auch dieser Muͤhe uͤberhoben gewesen. Jch koͤnnte diese Folgen noch weiter treiben: Al- lein Ew. Hochwohlgeb. sehen schon, daß des Hrn. Mantzels Satz unrichtig ist, und daß sein Argument nichts beweiset, weil es zu viel beweiset. Es macht aus dem Paradiß ein Schlarafen-Land, un veritable païs de Cocagne, ubi porci cocti ambulant. Tous les mardys y sont des mardys gras De ces mardys l’année est composée: Cailles y vont dans le plat dix à dix, Et perdreaux tendres comme zosée: Le fruit y pleut, si que c’est chose aisée De le cueillir se baissant seulement Poissons en beurre y nagent largement Fleuves y sont du meilleur vin d’Espagne . . . . . . . . . . . . Sarrasin T. II. p. 153. V. Bitte ich Ew. Hochwohlgeb. sich nicht ein- zubilden, ich handle unbillig mit dem Hn. Manzel, daß ich ( o ) ich so ungereimte Folgen aus seinem Satze ziehe. Der Hr. Prof. selbst, wenn er meinen Brief lesen solte, wuͤrde nichts dagegen zu sagen haben. Denn da Er uͤberhaupt sagt, das Korn wuͤrde nicht ohne grosse Arbeit und sauren Schweiß, aus der gepfluͤgten Er- de hervorgebracht non sine maximo labore \& su- dore è terra aratris præparata producuntur: So kan er unmoͤglich diejenige Muͤhe, welche uns die Ein- sammlung und Zubereitung des Korns machet, aus- geschlossen haben; und das um so viel mehr, weil er so gar des Pfluͤgens nicht vergisset, welches doch bey weiten nicht so muͤhsam, als das Maͤhen, Dreschen u.d.g. indem es gꝛoͤßsten Theils auf das Vieh ankoͤm̃t. Er muß also nothwendig sagen, daß auch die muͤhsa- me Einsammlung und Zubereitung des Korns in dem Stande der Unschuld eine unbekannte Sache gewe- sen seyn wuͤrde. Wenn ich nun sage, es waͤren warme Semmel vom Himmel gefallen oder gewisse dienstbare Geister bestellet gewesen, dem heiligen und vollkommenen Menschen diese Muͤhe abzunehmen, das Korn zu maͤ- hen, zu dreschen, zu mahlen, ja wohl gar das aus dem Meel verfertigte Brey dem Menschen ins Maul zu streichen, so sage ich etwas, das mit des Hrn. Mantzels Saͤtzen gar wohl uͤbereinstimmet. Spricht er nun, wie Er dann endlich thut, der Mensch habe das Korn, ohne das geringste Unge- mach, mit Lust maͤhen, dreschen und mahlen koͤnnen ( licet aliqualem suam adhibuisset operam homo, tamen citra incommoditatem id factum fuisset (§. 27.). So sage ich: Gehet das an, so hat der Mensch auch den Acker duͤngen, pfluͤgen, besaͤen und U u 2 egen ( o ) egen koͤnnen mit eben der Lust. Wir koͤnnen also der gantzen Betrachtung des Hrn. Prof. taͤglich entbeh- ren. Es ist nicht noͤhtig, daß mansagt, es sey mit dem Wachsen des Korns eine Veraͤnderung vorgegangē. VI. Jch habe gesagt, daß es uͤbel stehe, daß der Hr. Prof. seine Zuflucht zur Ofenbahrung genom- men, da Er gesehen, daß Er sonst nicht fortkommen wuͤrde. Nun will ich noch hinzuthun, daß auch die Ofenbahrung ihn wieder meine Einwuͤrfe nicht siche- re. Jch gebe ihm zu, daß das Korn nicht ausgeschlos- sen werde, wann GOtt sagt: Die Erde lasse aufge- hen Graß und Kraut, das sich besaame u.s.w. Was wird aber dann daraus? Daß die Erde nun vor sich kein Korn mehr hervorbringet, beweiset nicht, daß sich etwas gewaltsames begeben habe, weswegen GOtt seinen Seegen einiger massen zuruͤck genom- men. Violentum aliquod accidisse, propter quod Deus benedictionem hanc suam aliquantulum retractaverit (§. 27.) Dieses war nicht mehr noͤthig, weil GOtt den hervorzubringenden Gewaͤchsen schon die Kraft beygeleget hatte, sich durch den Saamen fortzupflantzen. Was macht sich dann der Hr. Prof. vor Scru- pel? Ja, spricht Er, die Erde bringt doch vor sich kein Korn mehr hervor. Jch antworte: Sie soll nicht, und kan auch nicht. Nicht darum, weil sie verflucht ist; sondern eines theils, weil, da GOtt dem Korn die Kraft gegeben, sich zu besaamen. Eine Her- vorbringung desselben ohne Saamen unnoͤthig, und andern theils, weil es, da die Menschen das Getreyde vom Felde wegnehmen, und also die natuͤrliche Fort- pflantzung verhindern, unmoͤglich ist, daß der Saa- ( o ) Saame, ohne menschliche Bemuͤhung, in die Erde komme, und aufgehe. Wenn die Menschen sich des Korns zu ihrer Nah- rung nicht bedienten, so wuͤrde der Saame, wann er seine Reife erlanget, auf die Erde fallen, und Frucht bringen, ohne alle Bemuͤhung der Menschen: Und daß dieses nicht im Stande der Unschuld allein moͤglich ge- wesen, ist daher klar, weil man auch noch heutiges Ta- ges siehet, daß auch an Oertern Korn waͤchset, da kei- nes gesaͤet ist; sondern da nur von ungefehr einige Koͤr- ner niedergefallen sind. Man hat Exempel von gan- tzen Aeckern, welche, weil man das darauf gewachsene Korn nicht eingesammlet, sondern auf die Erde fallen lassen, das folgende Jahr, ohne daß sie besaͤet worden, reichlich Frucht getragen haben. Was findet also der Hr. Prof. sonderliches an dem Korn, daher er eine gewaltsame Veraͤnderung in der Natur muthmassen koͤnnte? Es wuͤrde im Stande der Unschuld eben so gegangen seyn, falls der Mensch sich des Getreydes so haͤufig bedienet haͤtte, als ietzo: Und man versuche es nur mit allen andern Gewaͤchsen, die durch ihren Saamen fortgepflan- tzet werden (welches ich dann von allen, das gemei- ne Graß etwan ausgenommen, glaube) und ver- hindere, daß nicht das geringste von dem Saamen auf die Erde falle, so wird man finden, daß es, wie das Korn, ohne menschliche Huͤlfe nicht wieder hervor komme. VII. Da man also eine natuͤrliche Ursache geben kan, warum das Korn auf die Art, als wir ietzo sehen, fortgepflantzet werden muß; so ist es nicht noͤthig, die- selbe in einem Fluch, der auf die Erde haften soll, zu U u 3 suchen. ( o ) suchen. Jch habe wohl gelesen, was von diesem Fluch in der Bibel stehet; Aber das gehoͤrt hier nicht her. Die Vernunft sagt uns, daß nach der Ordnung, die GOtt in die Natur geleget hat, Dorn und Distel, Weitzen und Rocken gleich nothwendig wachsen. Sie findet in der Hervorbringung dieser Dinge nichts, wesfalls sie jene vor eine Folge eines Goͤttli- chen Fluches, und diese als Spuren eines sonderlichen Seegens ansehen solte. Sie glaubt nicht, daß, wenn dieser eigene Seegen fehlet, der Acker nichts als Dorn und Distel tragen werde. Sie haͤlt sol- che Gedancken einem Poeten, und zwar einem christ- lichen Poeten, zu gute, und wundert sich nicht wann er singt: „Starre Dornen, rauhe Hecken „Wuͤrden nur den Erden-Kreis „Mit verwirrten Stacheln decken „Liesse GOtt aus seinen Tiefen „Nicht des Seegens-Regen triefen. Allein sie verlanget von einem Weltweisen, der sich anheischig gemacht hat, nach der blossen Vernunft zu reden, daß er sich solcher Saͤtze enthalte, und begreife, daß, nach der Einrichtung der Welt, Unkraut und Weitzen, Distel und Rocken gleich nothwendig wach- sen, und die Natur sich in Hervorbringung der Dinge, so wir nuͤtzlich nennen, keine neue Unkosten und Muͤhe mache. Der Unterscheid, den wir unter nuͤtzlichen und unnuͤtzen Gewaͤchsen machen, hat bey GOTT keine Statt. Jhm sind alle seine Geschoͤpfe gleich lieb: Vor ihm sind sie alle gleich gut. Er haͤlt nicht mehr auf Rocken, als auf Dornen: Er hat keinen groͤssern Gefallen an Tuberosen, als an Kuh-Blumen. Er bringt ( o ) bringt alle diese Dinge in gleicher Absicht hervor, das ist, seine Allmacht und Weißheit zu beweisen, und seine Geschoͤpfe, die eine Empfindung von Lust und Schmertzen haben, gluͤcklich zu machen. Keine Sache ist so geringe, die nicht etwas dazu beytragen solte, und die man also, an sich, unnuͤtze und schaͤdlich nennen koͤnnte. Allein der Mensch ist so stoltz, daß er nur dasjenige, was ihm vortheilhaft ist, vor noͤthig haͤlt. Gerade, als wenn GOtt, bey Erschaf- fung der Welt, nur auf ihn allein gesehen haͤtte. Die- se Einbildung kan ihm auch die Empfindung seines grossen Elendes nicht benehmen. Er erkennet wohl, daß die Natur mit ihm nicht besser, als mit andern Creaturen umgehe, und aus ihm nicht mehr Wercks mache, als aus dem geringsten Wurm: Aber er bleibt doch bey seinen fuͤnf Augen. „Cependant à le voir plein de vapeurs le- geres „Soi-même se bercer de ses propres chi- meres „Lui seul de la Nature est la base \& l’appui „Et le dixiéme Ciel ne tourne que pour lui. Boilcau Sat. VIII. Hiemit endige ich meine Anmerckungen, und wende mich zu dem, was folget. Der Hr. Prof. will noch zum Ueberfluß, mit einer angestelleten Betrachtung der Absicht GOttes in Er- schafung der Welt, beweisen, daß wir nicht mehr in dem begluͤckten Stande leben, zu welchem uns GOtt U u 4 be- ( o ) bestimmet hat. Zu dem Ende schreibt er (§. 28.) „Es sey ofenbahr, daß die Welt nicht von Ewigkeit „gewesen, sondern in der Zeit gemacht sey: Daß diesel- „be hauptsaͤchlich erschafen, zur Ofenbahrung der „goͤttlichen Allmacht, und daß, damit etwas seyn „moͤchte, das diese Allmacht bewundern koͤnnte, zu- „gleich der Mensch erschafen, und mit einer vernuͤnfti- „gen Seele begabet worden: Es sey auch ferner un- „streitig, daß die Welt mit eben der Abwechselung „der vier Jahrs-Zeiten, mit eben dem Unterscheid „von Hitze und Frost, nach Beschafenheit der Cli- „matum, wie wir sie ietzo sehen, erschafen sey, und „zwar so, daß sie allenthalben als ein vollstaͤndiges „Paradiß eingerichtet. Ew. Hochwohlgeb. sehen, daß mir von allem, was der Hr. Prof. Manzel vorbringet, nichts, als der letzte Punct angehet. Jch muß untersuchen, ob es recht ge- schlossen ist: Die Welt hat ein schoͤnes Paradiß seyn sollen: Sie ist es aber nicht: Darum hat sie durch ei- nen gewaltsamen Zufall ihre paradisischen Eigen- schaften verlohren. Jch glaube es nicht, so lange der Hr. Prof. nicht bewiesen hat, daß die Absicht GOttes gewesen sey, ein solches Priester Johannes-Land, da die Gaͤnse gebraten gehen, als der Hr. Prof. durch sein Paradiß verstehet, zu erschafen. Ew. Hochwohlgeb. dencken nicht, daß der Hr. Prof. dieses schon (§. 30.) gethan habe. Denn ich habe wieder diesem Beweiß zweyerley zu erinnern. Erstlich, daß er aus der Ofenbahrung genommen ist, welche hier nicht gilt: und zum andern, daß, wenn man auch dem Hrn. Prof. dieses zu gute halten wolte, er sich dennoch auf die Ofenbahrung nicht ( o ) nicht berufen koͤnne, weil er derselben §. 29. schon platt wiedersprochen. Denn ob gleich Moses ausdruͤcklich sagt, daß GOtt, nach der Schoͤpfung, einen Ort erwehlet, und daselbst einen schoͤnen Garten gepflantzet habe, wel- chen wir dann das Paradiß zu nennen pflegen; So sagt doch der Hr. Manzel: „Wer die Sache recht „uͤberlegte, wuͤrde sich nimmer einbilden koͤnnen, daß „der Platz an dem Euphrat allein das Paradiß seyn „sollen; sondern sich vielmehr unter diesem Nahmen „nur den begluͤckten Theil des Erdbodens vorstellen, „in welchem der erste Mensch sich aufgehalten hat, „ohne dem Rest der Erde seine paradisischen Eigen- „schaften abzusprechen. Er glaubt also, daß der, von GOtt zum Garten ausersehene, Platz nichts an sich gehabt hat, wo- durch er von der uͤbrigen Erde unterschieden gewesen: Da doch Moses deutlich saget, daß GOtt diesen Ort sonderlich zum Vergnuͤgen und Nutzen der Menschen eingerichtet. Mich deucht also, daß die- ser Garten Annehmlichkeiten gehabt hat, welche den uͤbrigen Theilen des Erdbodens gefehlet: Welches dann unter andern auch daher klar ist, weil der Mensch hernach zur Strafe, aus diesem begluͤck- ten Aufenthalt verstossen, und in einer schlechtern Gegend zu wohnen, verdammet worden. Da nun der Hr. Prof. Manzel das mosaische Pa- radieß in der That leugnet; die heilige Schrift aber von den paradisischen Eigenschaften des gantzen Erd- bodens, worauf er sich gruͤndet, nichts weiß; so sehen Ew. Hochwohlgeb. daß in der Ofenbahrung nichts enthalten ist, so ihm Trost geben koͤnnte. U u 5 Ew. ( o ) Ew. Hochwohlgeb. meinen nicht, daß dieses ein listiger Fund vor mir sey, durch welchen ich mich von der Muͤhe loßwickeln will, den Beweiß des Hrn. Manzels zu vernichten. Wenn Sie die Sache genau ansehen, werden Sie das, was ich sage, gegruͤndet finden. Der Hr. Prof. Manzel sagt: die gantze Erde hat ein Paradiß seyn sollen. Diesen Satz will er bewei- sen; und, wie nun das Wort Paradieß schon an- zeiget, daß der Hr. Prof. seine Begrife aus der Ofen- bahrung entlehnet, so nimmt er auch dahin seine Zu- flucht, und spricht: Das Paradiß, von welchem Mo- ses schreibt, waͤre viel zu klein gewesen, wenn der Mensch im Stande der Unschuld geblieben. Da nun aber dieses GOttes Absicht gewesen ist, so hat die gantze Erde ein Paradiß seyn muͤssen. Ew. Hochwohlgeb. sehen wohl, daß dieses Argu- ment wieder Mosen etwas gelten kan: Nicht aber wieder mich, der ich, wie es der Hr. Prof. haben wol- len, von der Ofenbahrung abstrahire, oder wieder ei- nen andern, der gar keine Ofenbahrung glaubt. Er kan auch um so viel weniger verlangen, daß ich, oder ein anderer uns mit diesem Argument abspeisen lassen, und wenigstens aus der Ofenbahrung so viel annehmen sollen, daß dem Menschen eine groͤssere Herrlichkeit zugedacht gewesen, als er wuͤrcklich be- sitzet: Weil er sich selbst kein Gewissen gemacht dem, was Moses sagt, zu wiedersprechen. Weil nun der Hr. Prof. Mantzel seinen Satz, daß die gantze Welt ein Paradieß seyn sollen, weder durch die Schrift, noch aus der Vernunft erwiesen hat, so bin ich berechtiget, denselben zu verwerfen, und sein Argu- ( o ) Argument, das er darauf gebauet hat, platt umzukeh- ren. Wenn die Erde, sage ich demnach, hat ein schoͤ- nes Paradiß seyn sollen, so muͤste sie es auch seyn: Sie ist es aber nicht. Ergo. Wolte man hier auf ant- worten: Es habe sich etwas begeben, welches GOtt bewogen, seine Absicht zu aͤndern; so wuͤrd ich sagen, daß dieser Zufall, wodurch GOtt soll bewogen wor- den seyn, sich zu bedencken, die Veraͤnderung, welche die Erde erlitten haben soll, nicht beweisen kan, weil man ja eben aus dieser Veraͤnderung beweisen will, daß er sich zugetragen hat. Jch koͤnnte weiter gehen: Allein ich will zum Ueber- fluß noch anmercken, daß es, nach des Hrn. Manzels eigenen Saͤtzen, nicht wahr seyn koͤnne, daß die Erde veraͤndert sey, und ihre paradisischen Eigenschaften verlohren habe. Er sagt ja (§. 28.) „die Erde sey, wie „wir sie ietzo sehen, mit der Abwechselung der Jahrs- „Zeiten, mit den unterschiedenen Himmels-Gegen- „den, und den hieraus fliessenden ungleichen Graden „von Hitze und Kaͤlte erschafen worden. Er sagt. §. 31. „Alle Laͤnder koͤñten ein Paradiß abgeben, wenn nur, „kurtz zu sagen, die Menschen der Himmels-Gegend „unter welcher sie leben, gewohnt, und mit dem, was „ihr Erdboden traͤgt, zufrieden waͤren. Wird nun nichts anders zu einem Paradiß erfor- dert, so ist die Erde noch was sie gewesen seyn soll. Die Kaͤlte in Nova Zembla benimmt dieser Jnsel ihre paradisischen Eigenschaften nicht; So wenig als die Hitze der Wuͤsten Saara die ihrigen raubet: Und ein Groͤnlaͤnder, der mit seinen verfaulten Fischen und mit seinem stinckenden Trahn zufrieden, lebt so wohl im Paradiß als ein Jtaliaͤner, der unter der besten Him- ( o ) Himmels-Gegend vor der Welt die niedlichsten Speisen isset, und den koͤstlichsten Wein trincket. Jch sehe vorher, daß Ew. Hochwohlgeb. dencken werden, ich handele nicht aufrichtig mit dem Hrn. Manzel, weil ich die vornehmste Eigenschaft, wel- che, nach seiner Meinung, zu einem aͤchten und voll- staͤndigen Paradiß erfordert wird, ausgelassen habe. Jch muß also, zu Rettung meiner Ehre, noch ein paar Anmerckungen machen, die ich nicht zu ma- chen gedachte. I. Jch gestehe, ich habe vergessen zu sagen, daß der Hr. Prof. Manzel, wie kurtz vorher, also auch hier, verlanget, ein Paradiß muͤsse das, was ietzo nicht ohne grosse und muͤhsahme Arbeit waͤchset, von sich selbst hervorbringen. Jch kan aber versichern, daß es nicht darum geschehen ist, weil ich besorget, meine gantze Anmerckung moͤchte uͤbern Haufen fallen. Die stehet feste, ohngeachtet dieser Bedingung. Denn ich setze voraus, daß der Hr. Prof. durch die Dinge, welche die Erde von sich selbst hervorbringen soll, nichts mehr versteht, als was zur Erhaltung des Menschen noͤthig ist. Dieses thut aber die Erde noch. Der Hr. Prof. stehet zwar in dem Wahn, die Men- schen koͤnnten sich ohne Korn nicht behelfen, und die- ses wachse nicht ohne unser Zuthun: Allein ich habe schon gewiesen, daß er darinne irre. Ueberdem schraͤnckt der Hr. Prof. seine Forderung selbst dergestalt ein, daß sie mir nicht entgegen ist; denn nachdem er gesagt hat, “die Erde muͤsse alles, warum „wir uns ietzo so viele Muͤhe machen, von sich selbst „hervorbringen, setzt er hinzu: modo attendamus in- „colarum temperamenta iisque convenientia, und ( o ) „und sagt, es ses ein gewisses Zeichen, daß die Din- „ge, welche in einem Lande, nach dem Laufe der Na- „tur, nicht wachsen, sondern mit vieler Kunst gepflan- „tzet, und anders wo hergeholet werden muͤssen, den „Einwohnern dieses Landes, wo nicht schaͤdlich, doch „auch nicht sonderlich nuͤtzlich sind. Folglich benimmt es der Erden ihre paradisischen Eigenschaften nicht, wann sie etwann kein Korn traͤgt, und die Dinge nicht von sich selbst hervorbringet, die wir durch grosse Ar- beit wachsen machen. Sie ist nicht schuldig, um den herrlichen Nahmen eines Paradises zu verdienen, diejenigen Dinge, die uns Muͤhe kosten, ohne un- ser Zuthun zu tragen: Wir sind vielmehr, wann diese Dinge nicht bey uns, wie das Graß, wachsen, verbun- den, zu schliessen, sie wuͤrden uns, wo nicht schaͤdlich, doch nicht gar gesund seyn, und unsere Arbeit einzustel- len. So will es der Hr. Prof. haben, und daraus, deucht mich, folget ungezwungen, daß nach seinen ei- genen Lehren, die Welt noch ein vollkommenes Para- diß, und also nicht veraͤndert sey. II. Hiernechst bitte ich Ew. Hochwohlgeb. wohl zu mercken, daß der H. Prof. Manzel nicht alle Ar- beit und Bemuͤhung der Menschen, der Natur in Her- vorbringung nuͤtzlicher Dinge zu helfen, aus seinem Paradise verbanne: Er will nur, die Arbeit soll mit Lust geschehen. Es koͤmmt also gar nicht darauf an, ob die Muͤhe an sich groß oder klein ist; Denn so wahr dasjenige ist, was der Clitipho beym Terentius sagt: „Nulla est tam facilis res, quin difficilis siet „Quam invitus facias . . . . . Heautont. Act. IV. Sc. 5. so ( o ) so unstreitig ist auch das gemeine Sprichwort: „Lust und Liebe zum Dinge „Macht all’ Arbeit geringe, Wenn demnach auch gleich die Erde so beschafen waͤre, daß wir nicht einmahl, um unsern Hunger zu stillen, Eicheln und wilde Aepfel, und, zu Loͤschung unsers Durstes, Wasser finden koͤnnten, ohne eine Be- muͤhung, die ungleich groͤsser, als diejenige ist, welche der Ackerbau erfordert, so koͤnnte sie doch, nach des Hn. Prof. Manzels Meinung, ein Paradieß genennet werden, wenn nur der Mensch diese Arbeit mit Lust verrichtete. Da nun, wann dieses nicht geschicht, die Schuld dem Menschen, und nicht der Erde bey- zumessen ist: So siehet man klaͤrlich, daß die Erde, dar- um, daß sie nicht alles, was wir brauchen, ohne unsere Bemuͤhung hervorbringet, auch nach des Hrn. Man- zels Meinung nicht aufhoͤre, ein Paradiß zu seyn, wie sie, nach der Absicht GOttes hat seyn sollen. Daß wir in diesem Paradise nicht vergnuͤgter leben, als wir thun, das haben wir niemand, als uns selbst zu dan- cken. Laß es seyn, daß wir vor diesem vergnuͤgter ge- wesen: Die Ursache, daß wir ietzo so vielem Verdruß unterworfen sind, ist nicht in einer Veraͤnderung der Erde zu suchen: Es muͤste auf solchen Fall unsere eige- ne Natur veraͤndert seyn. Dieses glaubt der Hr. Pr. Manzel: Allein ich weiß nicht, ob er diese in uns vorgegangene Veraͤnderung durch eine Verschlim- merung der Erde, die er noch nicht bewiesen hat, und die selbst mit seinen eigenen Saͤtzen streitet, beweisen kan? Der Hr. Prof. Manzel fuͤgt den Gruͤnden, von welchen ich bißhero gehandelt habe, noch einige andere ( o ) andere bey; die aber nicht von gleicher Staͤrcke seyn muͤssen; weil der Hr. Prof. sagt; ein jeder absonder- lich beweise nicht viel; aber zusammen genommen, waͤren sie nicht sonder Kraft. Ew. Hochwohlg moͤgen urtheilen, ob viel besonders daran seyn koͤnne, da der Hr. Prof. selbst, sie denen vorigen, die doch von Her- tzen schlecht waren, nicht einmahl gleich achtet. Jndes- sen will ich doch sehen was diese neuen Argumente zu bedeuten haben. Das erste in der Ordnung ist hergenommen von dem Unterscheid der wilden und zahmen Thiere. „Es „sey nicht glaublich, meint der Hr. Prof. (§. 33.) daß „derselbe von Anfang der Welt her gewesen sey; son- „dern es sey vielmehr zu glauben, daß GOtt in der „Schoͤpfung den Thieren einerley Natur gegeben „habe: Daher dann zu schliessen, daß der jetzige Unter- „scheid aus Noth und menschlicher Kunst entstanden „sey, damit der Mensch, nachdem er die allgemeine und „unumschraͤnckte Herrschaft uͤber die Thiere verloh- „ren; doch die zahm gemachten zu seinem Gebrauche „fertig haͤtte. Dieses alles, faͤhrt er (§. 34.) fort, wuͤr- „de noch mehr bestaͤrcket durch die Betrachtung der „wilden und zahmen Thiere; denn man fuͤnde alle „Arten der zahmen Thiere auch unter den wilden, zum „deutlichen Zeichen, daß sie durch Kunst aus densel- „ben hergeleitet sind. Jch habe hiebey vieles zu erinnern: doch will ich nur folgendes anmercken. I. Wenn der Hr. Prof. Manzel mit dieser Be- trachtung der zahmen und wilden Thiere etwas haͤtte beweisen wollen, so waͤre es noͤthig gewesen, uns die Ursachen zu melden, warum es ihm unglaublich vor- koͤmmt, ( o ) koͤmmt, daß der Unterscheid unter diesen Thieren so alt als die Welt sey: oder warum er vor wahrschein- lich haͤlt, daß GOtt den Thieren nothwendig einerley Natur gegeben haben muͤsse. Er muß dieses nicht, als eine unstreitige Wahrheit, voraussetzen. II. Haͤtte der Hr. Prof. sich deutlicher erklaͤren muͤssen, was er durch seine Gleichheit der Natur ( una æqualique natura ) verstehe? Will er, daß GOtt den Thieren gleiche Eigenschaften, gleiche Neigungen, eine gleiche Gestalt solle gegeben, und einerley Nahrung verordnet haben, so begehrt er et- was, das im hoͤchsten Grad ungereimt ist: indem die- ses eben so viel heissen wuͤrde, als wenn man sagen wolte, GOtt habe nicht so vielerley Arten von Thie- ren erschafen sollen. Denn Thiere von unterschiede- ner Art haben eine unterschiedene Natur. Will er aber nur so viel sagen, GOtt habe die Thiere entwe- der alle wild, oder alle zahm erschafen muͤssen, so be- geht er eine vollstaͤndige petitionem principii, wann er daher schliesset, der Unterscheid unter wilden und zahmen Thieren koͤnne nicht von GOtt seyn. III. GOtt hat seine Geschoͤpfe dergestalt verviel- faͤltiget, daß man die Arten derselben kaum alle zaͤh- len kan. Man darf sich also nicht wundern, daß die Thiere hiervon nicht ausgenommen sind. Jch glaube auch nicht, daß der Hr. Prof. Mantzel sich an den vielen unterschiedenen Arten der Thiere stoͤsset: Allein, warum koͤmmt ihm dann der geringe Unterscheid un- ter den wilden und zahmen Thieren so wunderlich vor, daß Er selbigen lieber vor eine Folge eines gewalt- samen Zufalles, als vor eine, aus der unterschiedenen Natur der Thiere fliessende, Sache ansehen will? Man ( o ) Man ist nicht schuldig dem Hrn. Manzel von dem Unterscheide der wilden und zahmen Thiere die ge- ringste Ursache zu geben. Die Scrupel, die er sich daruͤber macht, kommen nicht viel besser heraus, als wenn einer sich den Kopf zerbrechen wolte, warum doch die Schwalbe ihr Nest an den Haͤusern, und der Adler semes, wie die Schrift redet, auf dem Felsen baue? Man begnuͤgt sich, in diesem Fall, zu sagen, die Natur dieser Thiere bringe es so mit sich: Und es ist kein Zweifel, daß der Hr. Prof. eben so antworten wuͤrde. Er koͤnnte es also nicht uͤbel nehmen, wenn man ihm, auf eben die Art, durch alle seine tiefsin- nigen Gedancken uͤber den Unterscheid der wilden und zahmen Thiere einen Strich machte. Allein ich glau- be nicht, daß man dieses noͤthig habe, wann eine Erklaͤrung des Unterscheides unter denen wilden und zahmen Thieren gefordert wird. Man kan, deucht mich, mit der groͤßsten Wahr- scheinlichkeit sagen, daß ein jedes Thier, nach der Beschafenheit seiner Natur, diejenige Nahrung suche, welche ihm die gesundeste ist. Diese Nah- rung finden einige in der Wildniß, andere fuͤglicher, wenn sie sich zu dem Menschen halten. Diese nen- net man zahme, iene wilde Thiere. Der bestaͤndige Umgang der zahmen Thiere mit dem Menschen, nebst dem Guten, welches sie von demselben geniessen, machet, daß sie nicht vor ihm fliehen: Und da dieienigen Thiere, welche ihre Nah- rung auf dem Felde suchen, eines theils den Men- schen selten sehen, und andern theils von ihm verfol- get werden, so ist es kein Wunder, daß sie densel- ben, theils, als ein ihnen ungewohntes, theils X x aber, ( o ) aber, als ein gefaͤhrliches Thier fliehen. Zu geschwei- gen, daß viele wilde Thiere so geartet sind, daß der Mensch keine grosse Ursache hat, sich nach ihrer Ge- sellschaft zu sehnen, und also dieselbe ja so sehr, als sie ihn, meidet. Gleich wie nun die Gewohnheit leicht zur andern Natur wird, so ist es nicht zu verwundern, daß dieje- nigen Thiere, welche wir wild nennen, so schwer von ihrer Lebens-Art abzubringen sind, und ihre Frey- heit so hertzlich lieben: Hergegen die zahmen den Menschen ungerne und selten verlassen. Jndessen, da die Liebe dieser letzten Art Thiere zu dem Menschen sich auf die Wohlthaten, die sie von ihm empfangen; der Abscheu aber vor der Gesellschaft des Menschen, den wir an den wilden Thieren wahrnehmen, sich theils auf die Verfolgung, so sie von ihm ausstehen, theils darauf gruͤndet, daß sie seiner nicht beduͤrfen; So begreift man auch leicht, woher es komme, daß, wann der Mensch seine Gutthaͤtigkeit gegen die zah- men, und die Verfolgung der wilden Thieren ein- stellet, und ihnen Gutes thut, jene wild, und die- se zahm werden. Hieraus folget aber nun, daß der Unterscheid un- ter den wilden und zahmen Thieren nicht so groß sey, daß er uns bedencklich fallen, oder Anlaß geben koͤn- ne, zu dencken, er gruͤnde sich auf eine gewaltsame Veraͤnderung der Natur. Man kan mit Haͤnden greifen, daß er eine natuͤrliche Folge der unterschiede- nen Natur der Thiere ist. Da nun auch im Stande der Unschuld unterschiedene Arten von Thieren wuͤr- den gewesen seyn, so ist kein Zweifel, daß, wenn auch der Mensch nicht gesuͤndiget haͤtte, sich einige Thie- re ( o ) re wuͤrden zu ihm gehalten, einige aber seinen Um- gang gemieden haben. IV. Wann ich demnach erwege, was doch wohl den Hrn. Prof. Manzel bewogen habe, zu sagen, es sey nicht glaublich, daß GOtt in der Schoͤpfung die- sen Unterscheid unter zahmen und wilden Thieren ge- macht habe, so finde ich, daß es nicht eine aus diesem Unterscheid fliessende, ungereimte, und der Na- tur der Dinge zuwieder laufende Folge sey. Die Er- de und die gantze Welt bleibt wohl ein Werck, dessen sich die GOttheit nicht zu schaͤmen hat; es sey nun daß alle Thiere wild oder zahm, oder einige zahm, an- dere wild erschafen. Der Scrupel, den der Hr. Pr. sich machet, ruͤhret aus unterschiedenen Vorurtheilen her. Er bildet sich ein, alles, was in der Welt ist, sey um des Menschen willen erschafen: Er glaubt der Mensch muͤsse alles, was er braucht, ohne sonderliche Muͤhe bekommen koͤnnen. Daher hat er geschlossen GOtt, habe dem Menschen eine unumschraͤnckte Herrschaft uͤber die Thiere gegeben, und diesen ich weiß nicht was vor eine tiefe Ehrerbietung gegen ihren Herrn einge- praͤget. Sie konnten also unmoͤglich wild seyn: Da man es aber nun anders befindet, so ist es kein Wun- der, daß der Hr. Prof. aus dem heutigen Unterscheid unter wilden und zahmen Thieren eine grosse Veraͤn- derung in der Natur muthmasset. Wenn man aber nun zeiget, daß diejenigen Saͤtze, auf welche diese Muthmassung sich gruͤndet, falsch sind, so verliehrt das Argument des Hrn. Prof. alle seine Kraft. Jch halte dieses vor etwas gar leichtes. V. Denn der Satz, daß alles um des Menschen Willen erschafen sey, ist unerweißlich. Jch finde X x 2 nichts ( o ) nichts an dem Menschen, das mich bewegen koͤnnte, dieses zu glauben: Und die Vernunft haͤlt diese Ein- bildung vor einen Stoltz der unertraͤglich ist. Die groͤßsten Weltweisen haben allemahl daruͤber gela- chet. „Non nos causa mundo sumus, sagt Seneca „ De Ira lib. II. cap. 27. hiemem æstatemqve referendi: suas ista „leges habent, quibus divina exercentur. Nimis „nos suspicimus si digni nobis videmur propter „quos tanta moveantur. Niemand hat aber mehr wieder diese laͤcherliche Einbildung geeifert, als der vortrefliche Montaigne, „qu’il me fasse entendre, „sagt er Essais de Montaigne Liv. II. Ch. 12. par l’effort de son discours sur „quels fondemens il a basty ces grands advanta- „ges, qu’il pense avoir sur les autres creatures. „Qui luy a persuadé, que ce branle admirable „de la voûte celeste, la lumi ere éternelle de ces „flambeaux roulans si fierement sur sa teste, les „mouvemens espouvantables de ceste mer infi- „nie, soyent establis \& se continuent tant de „siecles pour sa commodité \& pour son service? „Est-il possible de rien imaginer si ridicule, que „ceste miserable \& chetive Creature qui n’est „pas seulement maistresse de soy, exposée aux „offenses de toutes choses, se die maistresse „\& emperiere de l’ Univers? du quel il n’est pas „en sa puissance de cognoistre la moindre par- „tie, tant s’en faut de le commander? Et ce pri- „vilege qu’il s’attribuë d’estre le seul en ce „grand bastiment qui ait la suffisance d’en re- cog- ( o ) cognoistre la beauté \& les pieces, seul qui en„ puisse rendre grace à l’architecte, \&, tenir„ compte de la recepte \& mise du monde, qui„ luy a seellé ce privilege? qu’il nous monstre„ lettres de ceste belle \& grande charge. Ont„ elles esté octroyées en faveur des sages seule-„ ment? Elles ne touchent guere des gens. Les„ fols \& les meschans sont ils dignes de faveurs„ si extraordinaires? \& estant la pire piece du„ monde, d’estre preferé à tout le reste? en croi-„ rons nous cettuy là? Quorum igitur causa quis„ dixerit effectum esse mundum? Eorum scili-„ cet animalium, quæ ratione utuntur. Hi„ sunt Dii \& homines, quibus porfectó nihil„ est melius ( Cicero de Nat. Deorum Lib. 2.)„ Nous n’ aurons jamais assez bafoué l’impuden-„ ce de cet accouplage. Mais pauvret qu’a-il„ en soy digne d’un tel advantage?„ Wann Ew. Hochwohlgeb. wollen, so koͤnnen Sie bey Mr. Bayle Continuation des Pensées diverses sur la Co- mete T. I. §. 56. noch mehr unaufloͤßliche Einwuͤrfe wieder dieses Vorurtheil antrefen, durch welches sich der Hr. Prof. Manzel hat verfuͤhren lassen. VI. Ueberdem waͤre es insonderheit noch eine Fra- ge, ob die Thiere zu des Menschen Nahrung bestim- met sind? Man zancket sich noch, ob die Menschen vor der Suͤndfluth Fleisch gegessen haben? Es ist also um so viel mehr zweifelhaft, ob sie es im Stande der Un- schuld gethan haben wuͤrden. Mir koͤmmt es nicht wahrscheinlich vor, weil ich nicht begreife, was eine X x 3 so ( o ) so vollkommene und heilige Creatur, als der erste Mensch gewesen seyn soll, an der Ermordung der ar- men Thiere vor Veꝛgnuͤgen solte gefunden haben. Jch bin zwar keine Pythagoraͤer, und gestehe gerne, daß ich lieber einen gebratenen Capaun, als trocken Brodt esse: Aber ich glaube doch, daß es unserer Gesundheit weit zutraͤglicher seyn wuͤrde, wenn wir kein Fleisch aͤssen. Jch kan nicht leugnen daß mir die Auffuͤh- rung der Bramanen in Jndien weit ertraͤglicher vor- koͤmmt, als der Unsinn unserer Jaͤger. Wer viel mit Blut umgehet, wird blutgierig, und wer sich erst angewoͤhnet hat, die Thiere ohne Erbarmen zu mor- den, und zu quaͤlen, dem kan mit der Zeit die Lust ankommen, es mit Menschen eben so zu machen. Derjenige Weltweise, der wie uns Seneca Ep. 108. berichtet, davor gehalten hat, „crudelitatis fieri „consuetudinem, ubi in voluptatem adducta „esset laceratio, hat demnach sehr vernuͤnftig gere- der. Und es ist glaublich daß die ersten Menschen, nach ihrer grossen Weißheit, eben solche Gedancken gehabt, und sich vor eine so boͤse Gewohnheit gehuͤ- tet haben. Es war also nicht noͤthig, daß die Thiere von Natur so zahm waren, daß sie der Mensch greifen konnte wann er wolte. Er bedurfte ihrer nicht. VII. Gesetzt aber er haͤtte ihrer bedurft: War es darum noͤthig, daß alle Thiere gantz zahm waren? Jch habe schon gewiesen, daß es ungereimt sey zu glauben, der erste Mensch habe, diejenigen Dinge, die ihm zur Nahrung dienen, ohne alle Bemuͤhung haben koͤn- nen. Es ist also ofenbahr, daß es seiner Ehre nicht zu nahe ( o ) nahe gewesen, ein Thier, das er essen wollte, zu fangen. Wer hieran zweifelt, der haͤngt seiner Phantasie noch mehr nach, als der bekannte Cyrano-Bergerac in sei- ner Voyage de la Lune. Denn ob dieser Scribent gleich dichtet, die Lerchen waͤren gebraten auf die Erde fallen, so giebt er doch zu verstehen, daß man sie erst schiessen muͤssen. “Il demanda à mon guide si je„ voulois une douzaine d’allouëttes. …„ à peine eus-je rêpondu qu’ouy, que le chas-„ seur dechargea un coup de feu \& vingt ou„ trente allouettes tomberent à nos pieds toutes„ rosties.” S. les Ocuvres de lyrano Bergerac T. I. p. 362. Einer aber, der von keinen wilden Thie- ren im Stande der Unschuld wissen will, kan mit ge- bratenen Lerchen nicht zu frieden seyn: Sein erster Mensch ist noch nicht gluͤcklich genug, so lange er nach denselben gehen, und sie schiessen muß. Es stehet dem- nach ein solcher in grosser Gefahr, endlich gar auf die Thorheit zu verfallen, daß Er glaubt, die Lerchen, Ha- sen, Rebhuͤner u. d. g. waͤren dem ersten Menschen ge- spickt und gebraten ins Maul geflogen. VIII. Was der Hr. Prof. Mantzel von der un- umschraͤnckten Herrschaft des Menschen uͤber die Thiere allhier einmischet, das verdienet fast keiner An- merckung, weil es aus der Ofenbahrung entlehnet ist. Aber ich moͤchte doch wohl wissen, ob der Hr. Prof. sich recht im Ernst bereden koͤnne, daß diese Herrschaft, auch nach dem Begrife, den uns die Jnvestitur-Acte, welche wir beym Moses finden, davon giebt, mit dem Unterscheid unter wilden und zahmen Thieren nicht bestehen koͤnne? Jch zweifele daran um so vielmehr, X x 4 weil ( o ) weil er selbst (§. 51.) da er uns lehret, wie sich der Mensch im Stande der Unschuld wuͤrde genehret baben, sagt, der Mensch wuͤrde, Kraft seiner Herrschaft uͤber die Thiere, wilde Thiere, Voͤ- gel und Fische gefangen und gegessen haben jure dominii occuparunt FERAS, volucres \& pis- ces. Fera heißt aber in meinem Donat ein wil- des Thier. Gesetzt nun er vertraͤgt sich mit ihm selbst, und bleibt bey der Meinung, die ich ihm kaum zutraue, so muß er glauben, daß Jhro menschliche Majestaͤt in dem Stande ihrer Vollkommenheit ihre vierfuͤßige Unterthanen so weißlich zu regieren, und dergestalt in Ordnung zu halten gewust, daß, wie der Prophet sagt, die Woͤlfe bey den Laͤmmern geweidet, und die Pardel bey den Boͤcken gelegen: Ein kleiner Knabe Kaͤlber, junge Loͤwen und Mast-Vieh mit einander getrieben: daß Kuͤhe und Loͤwen an einer Weide ge- gangen, ihre Jungen bey einander gelegen, und Loͤwen Stroh gefressen, wie die Ochsen Jes. XI. 6. 7. . Er muß glauben, daß GOTT den Thieren nicht die geringste Begierde, ihr Leben zu erhalten, und aͤusserliche Gewalt und Nachstellung zu fliehen, einge- preget habe; sondern daß die Voͤgel sich mit Haͤnden greifen lassen, oder der Mensch, wann er Lust bekom- men einen gebratenen Hasen zu essen, nur, et- wan wie die Laplaͤnder es mit ihren Renn-Thieren machen, in ein Horn stossen duͤrfen, worauf dann so gleich eine Menge dieser furchtsamen Creaturen herzu gelaufen, aus welcher sich der Mensch die fettesten aus- ( o ) aussuchen koͤnnen. Er muß glauben daß die Katze im Paradiß nicht gemauset, und alle Raub-Voͤgel und Thiere aller erst nach dem Fall diese, andern Geschoͤp- fen so nachtheilige, Natur bekommen haben. Er muß glauben, daß der Baͤr ihm das Fell habe uͤber die Ohren ziehen lassen, ohne einmahl zu brum- men, und der Loͤwe nicht einmahl die Zaͤhne gewiesen, wann sein allergnaͤdigster Koͤnig und Herr ihm, zum Zeitvertreib, den Bart gerupfet. Kan er nun dieses al- les verdauen, so muß man seinen Magen bewundern, und ich begehre mit ihm nichts zu thun zu haben. Jch halte ihn vor unuͤberwindlich. IX. Noch eins. Es ist bekannt, daß man heuti- ges Tages dem Menschen noch eine Herrschaft uͤber die Thiere beyleget: und zwar nicht ohne allen Grund; denn diejenigen, welche dieses thun, haben Spruͤche aus der Bibel vor sich. Der Mensch war schon lange gefallen, als GOtt zu Noah und den Sei- nen sagte: Euer Furcht und Schrecken sey uͤber alle Thiere, und eine gute Zeit hernach eignete der Koͤnig David dem Menschen eine Herrschaft uͤber die Thie- re zu, die gewiß nicht groͤsser seyn kan. Ps. VIII. 7. sq. Jch glaube nicht daß deꝛ Koͤnig David, und diejenigen, welche sich auf ihn berufen, von dem Unterscheid der wilden und zahmen Thiere nichts solten gewust haben. Man muß also gestehen, daß dieser Unterscheid die Herrschaft, so dem Menschen uͤber die Thiere zukoͤmmt, nicht auf- hebe. Will man mir nun hier einwerfen, der Unter- scheid unter den wilden und zahmen Thieren hebe U u 5 zwar ( o ) zwar die Herrschaft des Menschen uͤber dieselbe nicht gaͤntzlich auf; schmaͤlere sie aber doch mercklich: und sey also der Hr. Prof. Mantzel gar wohl befugt, aus diesem Unterscheid eine Veraͤnderung des urspruͤngli- chen Zustandes der Menschen zu muhtmassen. So antworte ich, daß, wenn ich das, was GOtt zu Noah gesagt, und die Worte Davids gegen diejenigen hal- te, mit welchen GOtt dem ersten Menschen die Herr- schaft uͤber die Thiere aufgetragen hat, ich nicht finde, daß dieselbe von mehrerm Nachdruck sind, als das, was nach dem Fall von dieser Herrschaft gesagt wor- den. X. Hieraus schliesse ich nun ferner, daß wir die Herrschaft, die uns GOtt in der Schoͤpfung uͤber die Thiere gegeben hat, noch haben. Gleich wie nun aber unsere Herrschaft nicht weit her, und schon so viele tausend Jahr mit dem Unterscheid unter wilden und zahmen Thieren gar wohl bestanden ist: So kan man dieses auch von der Herrschaft, die Adam gehabt hat, mit allem Rechte sagen. Unsere Herrschaft uͤber die Thiere bestehet, wie es die Erfahrung giebt, in nichts anders, als in der Macht, uns derselben, nach Belieben, zu bedienen: den Thieren aber ihr Recht unbenommen, sich, nach ihrem besten Vermoͤgen, vor unsern Nachstellung zu huͤten und wieder Gewalt zu wehren. Jch solte nicht meinen, daß in der Welt ein Mensch zu finden sey, der mir dieses wiederstreiten solte. Es ist glaublich, daß alle diejegen, welche dem Menschen nach dem Falle ei- ne Herrschaft uͤber die Thiere beylegen, nichts anders, als die ietzt gemeldte Befugniß dadurch verstehen: Haben diese Herren hoͤhere Begrife von unserer Ma- jestaͤt, ( o ) jestaͤt, so solte es mir ihrentwegen leyd seyn. So bald sie unsere Herrschaft vor eine eigentliche und wahre Herrschaft uͤber die Thiere halten, so frage ich, „. . . . . Si vers les antres sourds. „L’ours a peur du passant ou le passant de l’ours „Et si sur un Edict des Pastres de Nubie „Les Lions de Barca vuideroient la Ly- bie Boileau Sat. VIII. . Wer diese Frage nicht mit einem deutlichen Ja be- antworten kan, und doch von unserer Herrschaft uͤber die Thiere ich weiß nicht was vor sieben Sachen schwatzet, der verdienet, daß man ihn auszischet. Und vor diesem Schimpf kan ihn kein Spruch aus der Bi- bel sichern. Jch gestehe wir werden in der Schrift Her- ren der Thiere genennet: Allein die Ehrerbietung, wel- che wir den von GOttes Geist getriebenen Maͤnnern schuldig sind, verbindet uns ihre Worte so zu erklaͤ- ren, daß dieselbe dem klaren Augenschein und der Er- fahrung nicht entgegen. Thun wir dieses nicht, so ge- ben wir den Unglaͤubigen Gelegenheit, uͤber uns und unsere Bibel zu lachen. Jch glaube demnach, daß in den Stellen der Schrift, in welchen dem Menschen eine Herrschaft uͤber die Thiere beygeleget wird, eine Hypeꝛbole stecke, und nichts anders durch diese Herrschaft verstanden werde, als die Freyheit, die Thiere zu unserm Nutzen zu gebrauchen; doch mit dem Bedinge, wenn wir ihrer maͤchtig werden koͤnnen. Wer andere Gedancken hat, der ( o ) wiederspricht der Erfahrung. Denn es ist gar zu ofenbahr, daß die Thiere den Menschen schlecht eh- ren; Sie kehren sich wenig an ihn. Die Gewalt, die wir uͤber sie haben, die haben sie uͤber uns. Der Haase laͤuft vor uns, und wir vor dem Loͤwen: Wir essen die Schafe, uns, frißt Wolf, Baͤr und Tieger; und diese maͤchtigen und grimmigen Thiere fuͤrchten wir ja so sehr, als die schwaͤchern Thiere uns. Wuͤr- den demnach diese, uns an Macht so sehr uͤberlegene, Thiere uns, wenn sie koͤnnten, nicht von Hertzen auslachen, wenn ihnen die hochmuͤthigen Einfaͤlle, womit wir uns belustigen, bekannt waͤren. Und in der That ist es laͤcherlich, daß ein so ohn- maͤchtiges Thier, als der Mensch ist, sich mit derglei- chen suͤssen Einbildungen schmeichelt. Bald ist des Seufzens uͤber unser Elend kein Ende, bald kennen wir uns selbst nicht, und thun gantz majestaͤtisch. Jch finde darinne keine Vernunft, und begebe mich gerne des Theils, so mir von der eingebildeten Herr- schaft uͤber die Thiere zu kommen kan. Jch sage mit dem Parisischen Medico Guillau- me Lami „Pour moy à mon égard je n’ay „aucune part à l’Empire que l’homme pretend „sur l’Univers. Les Chiens me mordent, si „je n’y prend garde; je n’ose passer un bois „quand je sçay qu’il y a des loups, à peine me „croy-je en seurete quand je voydes Lions en- „chainez. Les boeufs mesmes dans les rues „de Paris me donnent de la crainte, \& pour „les laisser passer je me range fort prompte- „ment dans une boutique. En hyver je trem- „ble quand je n’ay point de feu. En Esté je „brûle, ( o ) brûle, si je ne cherche l’ombre \& le srais.„ En un mot je trouve qve le Ciel, les Ele-„ mens, \& les animaux, loin de m’obeïr me„ font la guerre. Je pense mesme qu’ils ne„ sont gueres plus soûmis à Messieurs nos An-„ tagonistes, \& je voudrois par curiosité voir„ un de ces Docteurs avec ses pompeux orne-„ mens au milieu de cinq ou six matins bien„ animez, à qvi il opposeroit son superbe titre„ de Roy. Je prendrois plaisir à remarquer„ dans cette conjoncture le respect qu’ils au-„ roient pour sa Majesté Mr. Bayle Continuation des Pensées diverses sur la Comete T. I. §. 60. .„ Wer diese Worte des Frantzoͤsischen Medici wohl uͤberleget, der wird deutlich begreifen, daß sie nichts als unstreitige Wahrheiten in sich fassen, und daß es also noͤthig sey, die Schrift-Stellen, in welchen dem Menschen eine Herrschaft uͤber die andern Thie- re zugeeignet wird, so zu erklaͤren, als ich schon gesagt habe. Thut man nun dieses in Ansehung der Stellen, in welchen der Mensch nach dem Fall ein Herr der Thiere genennet wird, so darf man sich auch kein Ge- wissen machen, die Worte, mit welchen GOtt dem Menschen vor dem Fall eine Herrschaft uͤber die Thie- re gegeben hat, eben so zu verstehen, und zu glauben, Adam habe die unbegreifliche Hoheit, die wir ihm beylegen, nicht gehabt, sondern sich mit der Frey- heit, die Thiere zu fangen und zu essen begnuͤgen muͤssen. Diese Freyheit aber haben wir noch; die wird uns durch den Unterscheid unter wilden und zahmen Thie- ( o ) Thieren nicht beschnitten. Folglich hat er auch zu den Zeiten Adams Statt haben koͤnnen; und wir thun uͤbel, wenn wir uns darum, daß einige Thiere wild, und andere zahm sind, einbilden, unser Zustand, und die Natur der Thiere sey durch einen gewaltsa- men Zufall veraͤndert. Ew. Hochwohlgeb. verzeihen mir daß ich so weit- laͤuftig gewesen bin: Jch will mich bessern, und von dem folgenden Argument mit kurtzem meine Meinung sagen. „Der Hr. Prof. Manzel sagt (§. 35.) der Unter- „scheid, den man in Ansehung der Statur unter den „Menschen wahr nimmt, sey auch kein schlechter „Beweiß ( haud leue argumentum ) unserer ver- „lohrnen Herrlichkeit: indem kaum zu zuglauben „sey, daß GOttes Absicht in der ersten Schoͤpfung „nicht solte gewesen seyn, daß die Menschen an „Bildung und Laͤnge einander gleich waͤren ( for- „ma, figura \& statura æquales essent futuri ). Jch habe versprochen meine Meinung von die- sem Argument zu sagen: Allein die Hochachtung, welche ich gegen den Hrn. Prof. Manzel hege, ver- bietet mir Ew. Hochwohlgeb. zu melden, was ich dabey dencke. Nur moͤchte ich wissen, ob der Hr. Prof. wohl meinet, daß, es viel zu unserer Voll- kommenheit beytragen wuͤrde, wenn sein und mein Bart von einer Farbe, und er etwan zwey oder drey Finger breit kuͤrtzer, oder ich so viel laͤnger waͤ- re. Jch glaube, er meint, GOtt sey in Verferti- gung der ersten Menschen eben so lecker gewesen, als unsere Fuͤrsten in ihren Werbungen, welche wollen, daß alle ihre Soldaten von gleicher Laͤnge seyn sollen. ( o ) sollen. Man muͤste sich auf solchen Fall huͤten, diese ein wenig gar zu genaue Beobachtung der Ordnung als unnuͤtze anzusehen. Unsere Printzen tragen auch in diesem Stuͤck das Bild der Gottheit an sich. GOtt aber und die Natur thun, wie bekannt, nichts un- noͤthiges. Jedoch ich eile zu dem was folget. Der Mensch, meint der Hr. Manzel (§. 36.)„ sey so vielen Kranckheiten unterworsen, und verfalle„ nicht selten in selbige ohne alle seine Schuld, ja sehr„ oft durch ein sehr geringes Versehen, welches er doch„ nicht anders als aus dem Erfolg, und das kaum er-„ kennen koͤnne. Ja, was das allerklaͤglichste, so koͤnne„ er, sich selbst gelassen, keine Mittel wieder seine„ Kranckheiten finden; da hergegen die Thiere in ihrer„ Freyheit gar selten kranckten, oder wenn sie ja ge-„ waltsamer Weise verletzet wuͤrden, sich bald, nach An-„ leitung ihrer Natur, zu helfen wuͤsten. Von unsern„ Afecten, faͤhrt er fort, wolle er nicht einmahl erweh„ nen: doch waͤren sie ein deutliches Zeichen unserer Un-„ gluͤckseeligkeit, indem es nicht in unserm Vermoͤgen„ sey, dieselbe zu baͤndigen.„ Wenn Ew. Hochwohlgeb. sich erinnern, was ich bey demjenigen Argument, welches der Hr. Prof. Manzel (§. 25.) von dem Elende des Menschen herge- nommen, angemercket habe, so werden sie schon vor- her sehen, daß ich hier nicht viel mehr zu erinnern ha- be. Was der Hr. Manzel hier schreibt, das hat schon seine Abfertigung. Denn, wenn aus dem Elende des Menschen uͤberhaupt nicht zu schliessen ist, daß er vor diesem vollkommener und gluͤcklicher gewesen, so kan auch die Betrachtung der Kranckheiten in- sonderheit uns nicht bewegen, dieses zu dencken. Jn- ( o ) Jndessen, da ich mir in diesen wiederhohlten Klagen uͤber das menschliche Elend einige ungegruͤndete Saͤ- tze, welche ich noch nicht wiederleget habe, zu erbli- cken einbilde, so will mit Ew. Hochwohlgeb. Erlaub- nis, noch folgendes hinzusetzen. I. Heißt es nichts, wann der Hr. Prof., um das menschliche Elend einer Strafe aͤhnlicher zu machen, sagt; der Mensch falle oͤfters ohne seine Schuld in Kranckheiten. Jch weiß wohl daß er hierinn so gar unrecht nicht hat. Denn die ansteckenden Seuchen, als Pest, Flecken-Fieber, Pocken, Masern u. s. w. sind Kranckheiten, die wir uns durch unsere Schuld nicht zuziehen: Allein diese Kranckheiten sind es nicht, die uns ungluͤcklicher machen, als die Thiere. Auch die Schafe haben ihre Pocken, und die Kuͤhe sterben auch an einer Art von Pest. Man kan also aus diesen Kranckheiten nicht schliessen, es muͤsse sich was sonderliches zugetragen haben, wesfalls uns GOtt so zuͤchtige: Eben so wenig als man aus den Kranckheiten der Schafe und Kuͤhe schliesset, daß die ersten Thiere dieser Art, durch eine Uebertretung, ihre urspruͤngliche Gluͤck- seeligkeit verlohren haben. Es muß demnach der Hr. Prof. das, was er sagt, von Kranckheiten wahr machen, die uns eigen sind, und unsern Zustand elender machen, als den Zu- stand der Thiere. Und dieses halte ich vor unmoͤg- lich. Denn ich bin versichert, daß die vielen Kranckheiten, denen wir unterworfen, nichts, als Fruͤchte unserer Unmaͤßigkeit und anderer Laster, nicht aber ein Zeichen sind, daß unsere Natur durch einen gewaltsamen Zufall veraͤndert worden. Je hoͤher ( o ) hoͤher wir in das Alterthum hinauf steigen, je weni- ger Kranckheiten finden wir, und die Historie lehret uns, daß diese sich bey allen Voͤlckern eingefunden und gemehret haben, nachdem die Schwelgerey und Unmaͤßigkeit eingerissen und gewachsen ist. So lan- ge die Menschen ihre Natur folgten, und nicht mehr assen und trancken, als diese erforderte, hatten sie nicht Ursache, sich uͤber ihren Zustand zu beschweren: Aber da sie anfingen lecker zu werden, und mehr ihren Geschmack zu vergnuͤgen, als ihren Hunger zu stillen suchten, verdarben sie ihre Gesundheit, und „. . . . macies \& nova febrium „Terris incubuit cohors. Horatius Lib. I. Od. 3. Die asiatischen Voͤlcker empfanden die Folgen die- ser Thorheit eher, als die Europaͤer, und unter diesen waren die Griechen schon lange in das Elend verfal- len, welches ausder Unmaͤßigkeit entstehet, als die Roͤ- mer anfiengen, ihren und der asiatischen Voͤlcker Sit- ten nachzuahmen, und, nebst andern Kuͤnsten, auch die Kunst, sich durch ein unmaͤßiges Leben ungesund zu machen, zu erlernen. Unsere Vorfahren haben sich noch laͤnger, als die Roͤmer in ihrer alten Unschuld erhalten, und waren also auch viel gesunder, als wir. Es ist noch nicht uͤber tausend Jahr, daß ein Medicus in Deutschland schmal wuͤrde haben beissen muͤssen; uñ vieleicht wuͤr- den wiꝛ deꝛ Aeꝛtzte noch eben so wohl, als damahls ent- rahten koͤnnen, wenn nicht die so genannten Seelen- Aertzte, nebst ihrem Catechismus, auch die, biß dahin uns unbekannte, Laster der Christen bey uns eingefuͤh- Y y ret, ( o ) ret, und also den Aertzten Gelegenheit gegeben haͤtten, auch bey uns etwas zu verdienen. Seit dem wir an unsern Seelen genesen, sind wir an unsern Leibern kranck worden. Und diese Kranckheiten, denen wir un- terworfen sind, sind nichts anders, als supplicia lu- xuriæ, wie sie Seneca Ep. 95. nennet. Wir haben nicht Ursache, dieselbe einer in unserer Natur vorgegange- nen Veraͤndeꝛung zuzuschꝛeiben: Man kan uͤberhaupt von den Menschen sagen, was Seneca am angezoge- nen Ort von den Weibern insonderheit schreibt: Non mutata fæminarum natura sed vita est. Noch weni- ger darf man sich uͤber die Menge derselben verwun- dern. „Innumerabiles esse morbos non miraberis: „coquos numera sagt eben der Seneca, der schon vorher gesagt hatte: Multos morbos multa fercula fecerunt. Wer sich im Essen und Trincken der Maͤßigkeit befleißiget, und sich vor Gram und Eyfer huͤtet, der wird nicht noͤthig haben, die Thiere zu beneiden, und uͤber viele und schmertzhafte Kranckheiten zu klagen. Und daß dieses wahr sey, das empfinden viele Voͤl- cker, die wir wild und barbarisch nennen. Die Hotten- totten und wilden in Canada erreichen ein hohes Al- ter, und wissen von keinen Kranckheiten, die sie nicht, ohne grosse Weitlaͤuftigkeit, durch Hunger, oder sonst vertreiben koͤnnten. Selbst bey uns giebt es die taͤgli- che Erfahrung, daß diejenigen Leute, welche ihre Ar- muth zur Maͤßigkeit und Arbeit noͤthiget, von allen Kranckheiten der Reichen, oder der Faullentzer nichts wissen, und, wenn sie kranck werden, sich durch die ein- faͤltig- ( o ) faͤltigsten Hauß-Mittel, mit nicht viel mehr Muͤhe, als die Thiere, helfen. Man sehe unsere Bauren und Tageloͤhner nur an, so wird man befinden, daß ich die Wahrheit sage. Wir erstaunen uͤber die starcke Natur dieser Leute, wann wir sehen, wie wenig sie sich in Kranckheiten, die wir vor die gefaͤhrlichsten halten, in acht nehmen, und dieselbe doch oͤfterer uͤberstehen, als Leute von unserer Art. Ein wenig Wein von der Apothecke gehohlet ist dem Bauren so gut, als die beste Tinctur, die ein Do- ctor verordnen kan. Jhre Wunden achten sie so we- nig, daß es schon sehr viel ist, wenn sie dieselbe mit ih- rem eigenen Wasser, oder etwan mit Eßig oder Brandte-Wein auswaschen, und etwas von alten Lumpen darum binden. Gemeiniglich muͤssen dieselbe von sich selbst zutrocknen, und wenn sie auch so groß, daß der Hr. Prof. Manzel und ich in solchem Fall zum Wund-Artzt unsere Zuflucht nehmen muͤsten. Der Bauer hat eine bessere Haut zu heilen als wir. Er weiß es, und bedauret dahero, wenn er sich etwan mit einem Beil verletzet hat, mehr seinen Schuh oder Stiefel, als seinen Fuß. Aus diesem allem sehen Ew. Hochwohlgeb. daß die Kranckheiten, denen die meisten Menschen unter- worfen sind, nicht eine gewaltsame Veraͤnderung un- serer Natur zum Grunde haben. Jch glaube die alten Deutschen waren so wenig im Stande der Unschuld, als die wilden Voͤlcker, und unsere Bauren es ie- tzo sind: Und doch sehen wir, daß sie, wie unsere Bauren und die Wilden, von allem Ungemach frey gewesen sind, so wir, nach des Hrn. Manzels Y y 2 Mei- ( o ) Meinung, darum empfinden, weil unsere erste Eltern ihꝛe Vollkommenheit veꝛschertzet haben. Mich deucht, man kan daraus schliessen, daß die Kranckheiten nicht sonderlich geschickt sind, dasjenige zu beweisen, was der Hr. Prof. damit beweisen will. II. Eben dieses sage ich von den Afecten, worauf sich der Hr. Prof. Mantzel berufet. Die Afecten sind zu unserer Erhaltung noͤthig; und ein Mensch ohne Afecten oder Begierden wuͤrde einem Klotz nicht unaͤhnlich seyn. Das Veꝛlangen gemaͤchlich zu leben, genug zu haben, und von andern geehret zu werden, ist so natuͤrlich, als die Begierde, seinen Hunger zu stillen, und seinen Durst zu loͤschen. Es ist dahero nicht zu muthmassen, daß GOtt den Menschen ohne diese Neigungen erschafen habe. Soll dieses nicht wahr seyn, so gestehe ich gerne, daß ich von dem ersten Menschen mir keinen Begrif machen kan. Denn wann ich die Natur des Men- schen betrachte, so scheinen mir diese Neigungen so nohtwendig aus seinem Wesen zu fliessen, als die Ruͤnde aus dem Wesen eines Zirckels. Ein Zirckel, der nicht rund ist, ist kein Zirckel, und ein Mensch ohne alle Afecten kan wohl etwas, aber nicht dasjenige Thier seyn, welches wir unter diesem Nahmen ver- stehen. Der Mensch, wofern er leben soll, muß das Ange- nehme begehren, und das Unangenehme fliehen. Diese Eigenschaft aber ist die Quelle aller der Neigungen unsers Gemuͤthes, die wir unter dem Nahmen der Afecten begreifen. Daß der Mensch dieselbe zu seinem Schaden gebrauchet, das ist gewiß eine Unvollkom- menheit: Aber nicht eine solche Schwachheit, die nicht ( o ) nicht aus seiner urspruͤnglichen Beschafenheit, son- dern aus einem gewaltsamen Zufall, herruͤhren koͤnn- te. Ein Thier, das mit einem Verlangen nach Lust, und mit einem Abscheu vor Verachtung und Man- gel begabet ist, kan leicht dieses Verlangen, und diesen Abscheu so hoch treiben, daß es sich selbst schadet. Die Empfindung des Vergnuͤgens ist eben darum, weil sie angenehm, sehr verfuͤhrisch, und der Abscheu vor Verachtung und Mangel kan leicht in eine Be- gierde nach Ehre und Reichthum verwandelt wer- den. Diese Begierde ist aber die Mutter aller Unge- rechtigkeit und folglich alles Ungluͤcks, welches das menschliche Geschlecht druͤcket. Man darf also die Ursache dieses Ungluͤcks nicht ausser der Natur des Menschen suchen. Alles nun was man wieder das, was ich hier sage, einwenden kan, ist dieses: Daß entweder der erste Mensch die Neigungen, welche ich als eine Quelle un- sers Verderbens ansehe, nicht an sich, oder doch we- nigstens die Kraͤfte gehabt habe, dieselbe in gebuͤhren- den Schrancken zu halten. Auf den ersten Einwurf wuͤrde ich antworten: daß es auf solchen Fall unbegreiflich sey, woher der Mensch diese Neigungen bekommen. Sich selbst konnte er sie so wenig, als seine Wuͤrcklichkeit geben: Daß sie ihm aber von dem, der ihn erschafen, einge- blasen worden, kan einer, der mir diesen Einwurf macht, nicht sagen: und von einem andern Dinge, welches das Geschoͤpfe der allerhoͤchsten Kraft haͤtte aͤndern koͤnnen, ist uns nichts bekannt. Auf den andern Einwurf ist dieses meine Ant- wort: Daß es nicht minderschwer zu begreifen, wer Y y 3 dann ( o ) dann dem Menschen diese Kraͤfte genommen habe. Der Mensch ist so erschafen worden, daß die Erkaͤnnt- niß seines wahren Nutzens seinen Begierden zum Ge- gengewichte gedienet. Jch bekenne dieses ist ein herr- licher Zustand: Aber ich begreife nicht, was den Men- schen aus diesem Gleichgewichte habe bringen koͤn- nen. Warum ist er nicht darinn geblieben? Er hat entweder nicht gewolt, oder nicht gekonnt. Jst es das erste, so muß er, weil man ohne einen Bewe- gungs-Grund nichts wollen oder nicht wollen kan, eine Neigung in sich gehabthaben, welche dieses Nicht wollen in ihm gewuͤrcket; und dieses zeigt schon eine Ubermacht der Afecten an. Hat er nicht gekonnt, so ist es falsch, daß er die Kraͤfte gehabt hat, seine Be- gierden im Zaum zu halten. Spricht man: Er hat die Kraͤfte gehabt, aber auch zugleich die Freyheit, sich derselben zu bedienen, oder nicht zu bedienen; so sage ich, daß diese Freyheit allen Unterscheid zwischen uns und dem ersten Menschen aufhebet. Auch uns zwin- gen unsere Begierden nicht nothwendig zu Thorhei- ten. Wir haben noch das Vermoͤgen, dieselbe ent- weder durch eine vernuͤnftige Betrachtung unsers wahren Bestens, oder durch eine wiedrige Neigung in ihren Schrancken zu halten. Uberdem ist man schuldig eine vernuͤnftige Ursa- che zu geben, warum der erste Mensch, wenn er eine gleiche Freyheit gehabt hat, die ihm zu Zaͤhmung seiner Begierden verliehene Kraͤfte zu gebrauchen, oder nicht zu gebrauchen, dieselbe lieber nicht gebrauchen, als ge- brauchen wollen. Ohne Ursache hat er dieses nicht gewollt. Er hat es also gewollt, weil es ihm besser ge- deucht, seinen Begierden zu folgen. Dieses ( o ) Dieses zeigt aber, daß seine Begierden staͤrcker gewesen, als die Erkaͤnntniß seines wahren Nutzens. Folglich ist der erste Mensch nicht vollkommener ge- wesen, als wir. Er hat Neigungen gehabt, die seiner Erkaͤnntniß entgegen gelaufen, und diese Neigungen sind so maͤchtig gewesen, daß sein Verstand, mit aller seiner Weißheit, dieselben nicht im Zaum halten koͤn- nen. Denn, wenn dieses nicht wahr ist, so wuͤrde er sich von ihnen nimmer haben uͤberwaͤltigen lassen. Eva haͤtte nicht fallen koͤnnen, wenn der liebliche An- blick verbotener Frucht, und die suͤsse Vorstellung der Lust, welche sie sich aus dem Genuß dersel- ben versprach, ihren Willen nicht staͤrcker geruͤhret haͤtte, als das goͤttliche Verbot, und die Erkaͤnntniß der Schaͤdlichkeit dieser Frucht. Man siehet demnach, daß der Mensch nicht ohne Afecten erschafen; man siehet, daß diese Afecten im- mer mit seinem Verstande im Kriege begrifen gewe- sen, und daß dieser in der alten Welt nicht mehr gesie- get habe, als ietzo. Hieraus folget nun, daß die Afec- ten und deren Uebermacht kein Zeichen unsers Falles, oder einer Veraͤnderung unsers ersten Zustandes sind. Sie sind Eigenschaften unsers Wesens, und ohne sie wuͤrden wir nicht seyn, was wir seyn sollen. Ein Thier ohne Begierden will nichts und thut nichts, und ist al- so weder sich noch andern nuͤtze. Jch weiß wohl, daß die, aus dem Wesen des Menschen so nothwendig fliessende, Afecten viel boͤses anrichten koͤnnen: Aber wenn sie nicht da waͤren, so wuͤrde auch viel Gutes nachbleiben. Sie sind uns so noͤthig, als den See- fahrenden der Wind, ob es gleich ausgemacht, daß derselbe ihnen oft sehr nachtheilig ist. Y y 4 Jch ( o ) Jch glaube Ew. Hochwohlgeb. werden aus demje- nigen, so ich bißher geschrieben, deutlich begreifen, daß die drey Argumente, welche, zusammen genommen, so grosse Dinge ausrichten solten, nichts beweisen, man mag nun ein jedes vor sich, oder sie alle zusam- men betrachten. Das folgende, welches §. 37. be- „findlich, ist nicht um ein Haar besser. Der Hr. Prof. „Manzel meint, es sey ein deutliches Zeichen unsers „verdorbenen Zustandes, daß ein jeder etwas eigenes „besitzet. Man koͤnne, spricht er, ohne dem „Schoͤpfer zu nahe zu treten, nicht sagen, daß, GOtt „dieses Eigenthum, als die Quelle so vieler Laster, „gleich anfangs eingefuͤhret habe. Man siehet wohl, daß der Hr. Prof. Manzel meint, die ersten heiligen und vollkommenen Men- schen haͤtten gelebet, als die ersten Christen. Diese waren ein Hertz und eine Seele, und hatten ihre Guͤ- ter gemein. Wenn dieses wahr ist, so ist es freylich ein Zeichen eines verdorbenen Zustandes, daß wir diese Gemeinschaft aufgehoben haben. Allein zu allem Ungluͤck hat der Hr. Prof. Manzel diese erste Ge- meinschaft aller Guͤter noch nicht bewiesen. Er setzt also etwas voraus, das noch unausgemacht, und in der That falsch ist. Denn wenn wir uns den Zustand der ersten Men- schen recht vorstellen, so findet sichs, daß die Einfuͤh- rung des Eigenthums nimmer eine Aufhebung der, aus der ersten Vollkommenheit des Menschen fliessen- den, Gemeinschaft der Guͤter seyn koͤnne. Als die Erde zu erst mit Menschen besetzet ward, war weder Eigen- thum noch Gemeinschaft; sondern die Dinge, welche auf der Erde waren, gehoͤrten niemand: Sie waren res ( o ) res nullius. Jn diesem Zustande konnten die Sa- chen unmoͤglich bleiben. Die Menschen musten sich derjenigen Dinge, so ihnen noͤthig waren, bedienen, und also von denen Sachen, die bißhero niemand ge- hoͤret hatten, einige zueignen. Weil nun ein jeder zu allen Dingen gleich viel Recht hatte: es aber leicht geschehen konnte, und auch wohlunstreitig geschahe, daß ihrer zwey einerley begehrten, so konnte es nim- mer ohne Streit abgehen, so lange nicht ausgemacht war, wem die Sache von rechtswegen zustaͤndig sey. Nun sagte die gesunde Vernunft einem jeden, daß man einem andern nicht thun muͤsse, was man selbst nicht gerne hat. Daraus war leicht der Schluß zu machen, daß eine jede Sache demjenigen zugehoͤren muͤsse, der sich am ersten derselben bemaͤchtiget. Denn niemand hat es gerne, daß man ihm dasjenige aus den Haͤnden reisset, was er sich mit Recht zugeeignet hat, und als das Seinige ansiehet. Hieraus siehet man, daß das Eigenthum etwas ist, das nothwendig entstehen muͤssen, falls die Menschen nicht in einem bestaͤndigen Krieg leben wollen: Und irret sich der Hr. Prof. sehr, wann er meint, das Eigenthum koͤnne nicht, nach der Ab- sicht GOttes, gleich zu Anfange der Welt entstan- den seyn, weil es eine Mutter so vieler Laster, und eine Quelle so vieles Ungluͤcks ist. Jch habe sonst immer gehoͤrt, daß die Gemeinschaft eine Mutter des Zancks sey. Communio est mater litium. Her- gegen sagt man, es sey noͤthig, daß fest gestellet sey, wem eine jede Sache zustaͤndig expedire Reipubli- cæ ut dominia sint certa. Und wenn dann gleich das Eigenthum uͤble Folgen hat; so ist doch gewiß, Y y 5 daß ( o ) daß der allgemeine und immerwaͤhrende Krieg, der dadurch vermieden wird, weit erschrecklicher ist, als alles das Boͤse, so aus der Einfuͤhrung des Eigen- thums entstehen kan. Wolte nun gleich der Hr. Prof. Manzel hierwie- der einwerfen, eben der verderbliche Streit, dem man durch die Einfuͤhrung des Eigenthums vorbeugen muͤssen, zeige an, daß diese Einfuͤhrung eine Noth voraussetze, aus welcher zu schliessen, daß der Mensch seine Vollkommenheit verlohren habe: So wuͤrde mirs doch an einer Antwort nicht gebrechen. Jch wuͤrde sagen; Es sey zwar unstreitig, daß die Ein- suͤhrung des Eigenthums eine Unvollkommenheit des Menschen zum Grunde habe: indem es freylich bes- ser seyn wuͤrde, wenn die Menschen auf den Besitz vieler Dinge, die sie nicht nothwendig gebrauchen, nicht so erpicht waͤren, als sie sind; sondern als ver- traute Freunde, unter welchen, nach einem sehr be- kannten Sprichwort, alles gemein ist, mit einan- der lebten: Es sey auch sehr glaublich, daß die er- sten Menschen in ihrer Einfalt und Unschuld mit we- nigem zufrieden gewesen, und sich um den Besitz der Dinge, woruͤber wir ietzo streiten, nicht mit einander gezancket: Es sey aber noch lange keine Folge, daß die Unvollkommenheit, auf welche sich die Nothwen- digkeit des Eigenthums gruͤndet, mit dem urspruͤng- lichen Zustande des Menschlichen Geschlechts nicht bestehen koͤnne: oder daß es noͤthig sey, zu sagen, der erste Mensch sey anfaͤnglich, kraft der ihm anerschafe- nen Gerechtigkeit und Heiligkeit, ein so friedsames Thier gewesen, als er seyn muͤste, wenn alle Dinge gemein seyn solten. Die ( o ) Die Unvollkommenheit ist eine Eigenschaft der Creatur, wie ich schon bewiesen habe: und es ist noth- wendig, daß unter Creaturen, deren eine jede mit der Begierde sich zu erhalten, und, ohne Absicht auf ih- re Neben-Geschoͤpfe, gluͤcklich zu machen, ausgeruͤ- stet ist, uͤber die hierzu dienlichen Dinge mit der Zeit ein Streit entstehe, der nicht anders, als durch einen Vergleich, der den Besitz der Dinge gewiß machet, gehoben werden kan. Wir nehmen diesen Streit auch unter Creaturen wahr, die unstreitig ihre Vollkom- menheit, darinn sie erschafen sind, nicht verlohren ha- ben. Zweene Hunde an einem Beine vertragen sich selten: Niemand sagt aber darum, daß der erste Hund eine Suͤnde begangen habe, daher diese Zancksucht seiner Nachkommen entstanden sey. Und wenn dann gleich, wuͤrde ich ferner sprechen, die ersten Menschen sich nicht, wie wir ietzo, um den Besitz der Dinge gezancket, sondern gleichsam alles untereinander gemein gehabt haͤtten, so ist doch dar- um nicht zu behaupten, daß sie eine Vollkommen- heit besessen haben, die nachhero veriohren gegangen. Sie lebten in einer Einfalt, in welcher eine Creatur, die so jung ist, und keine Erfahrnng hat, leben muß: Sie kannten den Gebrauch der meisten Dinge nicht, und wusten nicht, was es sey, vor den andern Morgen zu sorgen, weil ihnen das, was man Noth und Man- gel heißt, noch unbekannt war. Jhrer waren so we- nig, daß sie nicht besorgen durften, die Fruͤchte der Er- de moͤchten nicht zureichen, sie alle zu ernehren: Sie kannten sich alle, und lebten also in einer groͤssern Freundschaft und Vertraulichkeit, als ietzo die Men- schen leben koͤnnen. Man siehet leicht, daß dieses al- les ( o ) les Umstaͤnde gewesen sind, die nothwendig mit der Zeit verschwinden muͤssen; und da nun ihre Ver- gnuͤglichkeit und Friedfertigkeit sich auf diese Um- staͤnde gegruͤndet hat; so ist gleichfals klar, daß diese herrliche Eigenschaften sich nothwendig verliehren, und so wie die Welt sich gemehret, und, zu ihrem eige- nen Schaden, kluͤger worden, Gierigkeit und Zanck entstehen muͤssen. Die Wahrheit dessen, was ich sage, faͤllt, deucht mich, so sehr in die Sinne, daß ich nicht einmahl vor noͤthig halte, mich auf die wilden Voͤlcker zu be- rufen, unter welchen der Streit demeo \& tuo, so sel- ten ist, als er immer in der ersten Welt gewesen seyn mag. Zum deutlichen Beweiß, daß die Einfuͤhrung des Eigenthums nicht aus dem Verlust einer erdich- teten Vollkommenheit herruͤhre: indem es noch Voͤlcker giebt, die so leben als der Hr. Prof. Manzel meint, daß die ersten Menschen gelebet haben. Wann nun Ew. Hochwohlgeb. aus dem, was ich bißher geschriebẽ habe, sehen, wie wenig die Vernunft von der urspruͤnglichen Vollkommenheit des Men- schen wisse, aus welcher der Hr. Prof. Manzel sein ei- gentlich so genanntes Recht der Natur herleiten will, so werden Sie sich unstreitig wundern, daß sich der Hr. Pr. kein Gewissen macht (§. 38.) zu sagen, er habe mit unumstoͤßlichen Gruͤnden dargethan, daß der Mensch diese Vollkommenheit verlohren habe, und in einem Zustande lebe, der von dem Zustande, in welchem sich der erste Mensch befunden, gantz unter- schieden ist. Denn ob man ihm zwar leicht zugeben kan, daß die ersten Menschen nicht so arg gewesen sind, als wir; so ( o ) so folget doch nicht daraus, daß ihre Unschuld sich auf eine Vollkommenheit ihrer Natur gegruͤndet habe, die hernach durch einen gewaltsamen Zufall verloh- ren. Jch habe gewiesen, daß sie dieselbe gewissen Um- staͤnden zu dancken gehabt, die sich nohtwendig ver- liehren muͤssen. Daß wir demnach ietzo in einem an- dern Zustande leben, als unsere erste Eltern, das ist ein Zeichen, daß sich die Umstaͤnde geaͤndert haben; nicht aber, daß durch ein Versehen derselben eine Veraͤnde- rung in unserer Natur vorgegangen sey. Dieses haͤtte der Hr. Prof. Manzel beweisen sollen: Da er es nun nicht gethan hat, so faͤllt sein gantz Systema Juris Na- turæ verè talis uͤbern Haufen; seine gantze Beschrei- bung des Zustandes, in welchem der erste Mensch sich befunden haben soll, fasset Dinge in sich, davon die Vernunft nichts weiß: Sie siehet einer platonischen Republick sehr aͤhnlich, und ist also gar nicht geschickt, ein Eckstein des Rechts der Natur zu seyn. Der Hr. Prof. Manzel haͤtte also, der Muͤhe uͤber- hoben seyn koͤnnen, welche er auf die Einrichtung sei- ner Novæ, oder vielmehr Antiquæ Atlantidis gewen- det hat, und wuͤrde mich insonderheit ihm sehr verbun- den haben, wenn er nur mit ein paar Worten gemel- det haͤtte, warum Er davor haͤlt, daß es noͤthig sey, die Augen auf den verlohrnen Stand der Unschuld zu richten, und aus demselben die Saͤtze des wahren Rechts der Natur herzuleiten. Je mehr ich darauf sinne, je weniger begreife ich, was ihn bewogen, die Verbesserung des Rechts der Natur auf diese Art anzugreifen. Er verdenckt es ja (§. 12.) dem seel. Alberti, daß er den ( o ) den Stand der Unschuld, so wie er uns in der Schrift beschrieben wird, zum Grunde des Rechts der Natur geleget hat: Vielleicht weil nicht alle Menschen die Schrift annehmen, oder weil es uͤbel stehet, die Ofen- bahrung in die Weltweißheit zu mengen: Aber war- um legt er dann in seinem Sistemate Juris Naturæ seine eigene, und guten Theils unwahrscheinliche, Muthmassungen zum Grunde? Mich deucht, der un- streitig wahre Bericht eines von GOTT getriebenen Mannes ist allen, auch den wahrscheinlichsten Einfaͤl- len, die wir, nach unserer Vernunft, vom Zustande des ersten Menschen haben koͤnnen, weit vorzuziehen. Wird er gleich von den Heyden nicht als goͤttlich angenommen, so gilt er doch bey Christen: Da her- gegen die Vernunft eines Christen so wohl, als eines Heiden und Tuͤrcken wieder die Muthmassungen des Hn. Manzels sehr vieles einzuwenden hat. Haͤlt er aber darum die albertische Methode vor ungereimt, weil dadurch die Ofenbahrung in die Weltweißheit gemischet wird, so haͤtte er sich dieser Vermi- schung auch enthalten sollen. Allein wie oft fasset er nicht die Hoͤrner des Altars? Es mag indessen der Hr. Prof. Manzel von dem guten Alberti so weit entfernet seyn, als er immer will: Er mag seinen Stand der Unschuld aus der Schrift oder aus der Vernunft erweisen: So sehe ich doch nicht, was er in dem Stande der Unschuld vor ein be- sonders Jus Naturæ finden will, oder was uns dieses Jus Naturæ, falls er eines findet, helfen soll. Jch will hier nicht wiederhohlen, was ich schon von dem Zu- stande des ersten Menschen geschrieben habe. Jch ha- be gewiesen, daß derselbe von unserm heutigen Zustan- ( o ) Zustande durch nichts, als einige, die Natur des Menschen nicht angehende, Umstaͤnde unterschieden gewesen. Daraus folget, daß ihre Grund-Saͤtze des Rechts der Natur eben diejenigen gewesen sind, die wir noch haben. Allein, ich will darauf nicht so sehr dringen. Der Hr. Prof. mag apodicticé, wie er sich ruͤhmet, aus der Vernunft bewiesen haben, daß der erste Mensch in einer groͤssern Vollkommenheit gelebet habe, als wir: Das wird er mir doch zugeben, daß diese vollkom- mene, heilige, unschuldige Creatur eine Begierde ge- habt, lange und gluͤcklich zu leben. Hieraus fliesset nun, daß der erste Mensch geglaubet hat, er sey schul- dig dasjenige zu thun, was zu seiner Erhaltung und Gluͤckseeligkeit noͤthig. Dieses ist aber der Grund- Satz des Rechts der Natur, und die Quelle aller moralischen Wahrheiten. Ew. Hochwohlgeb. sehen also, daß der erste Mensch so wenig ein eigenes Jus Naturæ, als ein von dem unsern unterschiedenes Einmal eins haben koͤn- nen. Er mag so vollkommen gewesen seyn, als er will; so bleiben doch die moralischen Wahrheiten so wohl, als die Natur der Zahlen, ewig und unveraͤnderlich. Jch weiß wohl, daß die Schluͤsse, welche der erste Mensch, zu seiner Nothdurft, aus den allgemeinen moralischen Wahrheiten gezogen hat, nicht eben diejenigen seyn koͤnnen, die wir, nach den Um- staͤnden, in welchen wir uns befinden, daraus zie- hen; wenn sein Zustand von dem unserm so sehr unterschieden gewesen ist, als der Herr Prof. vor- giebt: Allein auch die Pflichten der Eltern sind von den Pflichten der Kinder unterschie- den, ( o ) den, und der Herr muß aus dem Grund-Satz des Rechts der Natur gantz andere Folgen ziehen, als der Knecht. Wer hat ihm aber jemahlen traͤumen lassen, daß die Eltern, und Herren ein ander Jus Naturæ haͤtten, als die Kinder und Knechte? Die unterschiedene Anwendung einer Regel ver- aͤndert die Natur derselben nicht. Jch kan nach einem Linial, perpendicular und horizontal Linien ziehen. Die Linien sind unterschieden, aber das Linial bleibt unveraͤndert. Mit den allgemeinen Grund-Saͤtzen des natuͤrlichen Rechts verhaͤlt es sich nicht anders: Sie bleiben unwandelbahr, ob gleich ihre Anwen- dung nach den Umstaͤnden sich aͤndert. Der Hr. Prof. Manzel wird also aus dem ersten Zustande des Menschen kein besonderes Recht der Natur erzwingen koͤnnen, wie sauer er sichs auch wer- den laͤsset. Die Betrachtung dieses gluͤckseeligen Zustandes, welche er anstellet, gehoͤret nicht zum Recht der Natur: Sie kan nichts zur Verbesserung dieser edlen Wissenschaft beytragen, und ist, wenns hoch kommt, nichts, als eine kleine Einleitung in die paradisischen Alterthuͤmer. Nun wuͤrde man Ur- sache haben, ihm vor die genommene Muͤhe zu dan- cken, wenn er nur was gewisses und gruͤndliches, oder wenigstens nur wahrscheinliches vorgebracht haͤtte: Allein so giebt es der Augenschein, daß fast alles, was er sagt, ungegruͤndet und unwahrscheinlich, und zum wenigsten aus der blossen Vernunft nicht zu erweisen sey. Wenn Ew. Hochwohlgeb. nur das, was ich schon von dem Stande der Unschuld geschrieben habe, mit Bedacht lesen, so werden Sie mir dieses leicht glauben: ( o ) glauben: Allein ich will noch zum Ueberfluß die Abbil- dung des ersten Menschen untersuchen, aus welcher der Hr. Prof. Manzel die Grund Saͤtze seines wah- ren und aͤchten Juris Naturæ herleiten will, und solte mein Brief gleich noch einmahl so lang werden, als er schon ist Jch frage wenig darnach, ob Jhnen meine Weitlaͤuftigkeit angenehm, oder zu wieder ist. Denn gefaͤllt sie Jhnen, so ist es mir lieb: Gefaͤllt sie Jhnen nicht, so werde ich mich auch nicht sonderlich graͤmen; weil ich dadurch Ew. Hochwohlgeb. abhalte, mich auf ein andermahl, nach dem Rechte, so Jhnen unsere Freundschaft giebt, zu einer solchen Arbeit zu verdam- men, als Sie mir ietzo auferlegt haben. Jch schreite, zur Sache. „Der Hr. Prof. Manzel sagt §. 40. Die ersten„ Menschen haͤtten einen reinen Verstand ( intellec-„ tus fuit purus ) und eine vollkommene Erkaͤnntniß„ der natuͤrlichen und moralischen Dingen gehabt.„ Dieser Verstand und diese Erkaͤnntniß waͤre bey al-„ len Menschen gleich gewesen ( in omnibus indivi-„ duis accuraté æqualis ): Doch mit dem Unter-„ scheid, ob einer seine Jahre erreichet gehabt, oder„ nicht. Denn von der ersten Zeit nach der Geburth an„ habe sich freylich der Verstand schon sehen lassen,„ und zwar in dem Gꝛad, als zu der damahligen Erhal-„ tung des Menschen noͤthig gewesen ( imo in eo gra-„ du, qualis ad conservationem pro tempore neces.„ sarius fuit ): Mit den Jahren aber sey er staͤrcker„ worden. Die Alten haͤtten auch in diesem Stuͤcke vor„ den Jungen den Vorzug gehabt, daß sie durch die„ Erfahrung, und vieleicht auch durch Ofen-„ bahrungen, eine groͤssere Wissenschaft erlanget Z z ( quod ( o ) „( quod experientia \& factis, quorum memoria ip- sis constitit, imo forte reuelatione magis inclarue- runt ). Jch habe hiebey folgendes zu erinnern. I. Hr. Prof. Manzel eignet den ersten Men- schen einen reinen Verstand zu. Ein reiner Verstand ( intellectus purus ) ist von den Sinnen und der Einbildungs-Kraft gaͤntzlich abgesondert. Er findet sich also nur bey Leuten, die eine deutliche Erkaͤnntniß aller Dinge besitzen, und mit nichts, als allgemeinen Begrifen zu thun haben. Da man nun zu allgemei- nen Begrifen nicht anders, als durch die Betrach- tung eintzeler Dinge gelangen kan: So folget, daß der erste Mensch nicht mit einem reinen Verstand er- schafen worden. Dieser Einwurflaͤßt sich nicht, wie man vieleicht dencken moͤchte, durch den Unterscheid unter dem Menschen vor, und nach dem Fall, heben: Denn, zu ge- schweigen daß dieser Fall noch nicht erwiesen, so ist es noch nicht ausgemacht, ob es vor dem Fall moͤglicher gewesen, als nach demselben, einer Creatur, die nie- mahlen eintzele Dinge gesehen, oder empfunden hat, allgemeine Begrife mitzutheilen. Jch kan die Moͤglichkeit dieser Mittheilung nicht begreifen. Denn entweder muͤste GOtt dem ersten Menschen die allgemeinen Begrife gleich Anfangs eingepreget, und seinen Verstand so eingerichtet haben, daß er nichts anders als lauter Universalia dencken koͤn- nen: Oder er muͤste ihm die allgemeinen Begrife nach seiner Schoͤpfung ofenbahret haben. Beydes gehet nicht an. Denn haͤtte GOtt den Verstand des Menschen so, ( o ) so, wie ich sage, eingerichtet; so haͤtte er denselben nicht an die Materie knuͤpfen, und den Menschen mit den Sinnen und der Einbildungs-Kraft begaben durfen. Folglich waͤre der erste Mensch kein Mensch, sondern ein blosser Geist gewesen. Durch eine besondere Of- fenbahrung koͤnnen auch die allgemeine Begrife in dem Menschen nicht entstanden seyn: Weil alle Ofen- bahrung eine Faͤhigkeit dieselbe zu verstehen, in demje- nigen, dem sie geschiehet, zum Grunde hat. Durch die Ofenbahrung allgemeiner Begrife kan ich aber in dem Veꝛstande eines Menschen, der niemahlen eintzele Dinge gesehen, und betrachtet hat, nicht den gering- sten Begrif erwecken. Folglich wuͤrde eine solche Of- fenbahrung unnuͤtze seyn; weil sie demjenigen, der da- durch unterrichtet werden soll, unverstaͤndlich. Glau- ben Ew. Hochwohlgeb., daß GOtt, durch seine All- macht, einem blind gebohrnen einen klaren und deut- lichen Begrif der Farben mittheilen koͤnne? Jch den- cke es nicht: Oder Sie muͤssen auch glauben, GOtt koͤnne machen, daß wir den Schall riechen, und durch das Gehoͤr Teufels-Dreck von Ambra unterscheiden koͤnnen. Da es nun unbegreiflich ist, wie eine aus Geist und Materie bestehende Creatur, anders, als ietzo zu allge- meinen Begrifen gelangen koͤnne; unbegreifliche Saͤ- tze aber in der Welt-Weißheit keinen Platz finden, es sey dann, daß die Erfahrung uns noͤthige, eine Sache, die wir nicht begreifen, als wahr anzunehmen: So handelt der Hr. Prof. Manzel nicht, als ein Weltwei- ser, wañ er in einer philosophischen Schrift einen un- begreiflichen Satz als eine unstreitige Wahrheit vor- aussetzet, von dessen Wahrheit er durch die Erfah- rung nicht uͤbersuͤhret ist. Z z 2 II. ( o ) II. Spricht nun der Hr. Prof. Manzel; der er- ste Mensch habe freylich diesen reinen Verstand nicht mit auf die Welt gebracht, sondern, wie wir ietzo, durch den Gebrauch seiner Sinnen sich einen Begrif der eintzelen Dinge, und, aus deren Zusammenhal- tung, allgemeine zu wege bringen muͤssen: Allein er ha- be doch eine besondere Faͤhigkeit gehabt, seinen Ver- stand von dem Joche der Sinnen, und der Einbil- dungs-Kraft loß zureissen: So frage ich ihn: Ob dann der Unterscheid unter uns, und dem ersten Menschen so groß ist, als er ihn machet? Ob der erste Mensch also nicht in eben so grosser Gefahr gewesen, zu irren, als wir? Ob also der Mensch so vollkommen erschaf- fen worden, als der Hr. Prof. vorgiebt? Ob der Hr. Prof. sich wohl getraue, diese Faͤhigkeit, welche er dem ersten Menschen beyleget, aus der Vernunft darzu- thun? Ob es wohl glaublich, daß GOtt den ersten Menschen mit einer sonderlichen Faͤhigkeit, seinen Verstand von aller Gemeinschaft mit den Sinnen und der Einbildungs-Kraft abzusondern, erschafen habe; da doch augenscheinlich ist, daß eine solche Rei- nigkeit des Verstandes gar nichts zu unserer wahren Gluͤckseeligkeit beytragen kan? Ob Er wohl glaube, daß der erste Mensch zu einer Zeit, da er genug zu thun hatte, die eintzelen Dinge kennen zu lernen, sich um allgemeine Begrife bekuͤmmert habe? Ob es nicht vielmehꝛ eine Schwachheit, als eine Vollkommenheit anzeige, wenn man sich mehr um subtile und unnuͤtze Grillen, als um einfaͤltige, und dabey heilsame War- heiten bekuͤmmert? Und ob es also nicht glaublicher sey, daß der Mensch in dem Stande der Unschuld mit klaren Begrifen zufrieden gewesen, als daß er sich um eine ( o ) eine metaphysische Deutlichkeit derselben den Kopf zerbrochen habe? III. Der Hr. Prof. Manzel legt den ersten Menschen eine vollkommene Erkaͤnntniß aller na- tuͤrlichen und moralischen Dinge bey. Dieses aber deucht mich ein Satz zu seyn, der eben so unbe- greiflich ist, als daß sie einen reinen Verstand sol- ten gehabt haben. Jch habe schon gewiesen, daß der erste Mensch kei- nen andern Weg gehabt, zur Erkaͤnntniß zu gelan- gen, als wir. Nihil est in intellectu, quod non antea fuerit in sensu ist ein Satz, der zu allen Zeiten wahr gewesen. Es hat also der erste Mensch nichts kennen koͤnnen, als was er gesehen, und wohl betrachtet hatte. Da es nun unmoͤglich ist, daß der erste Mensch alle Geschoͤpfe auf einmahl sehen und betrachten koͤnnen; Und hergegen sehr wahrscheinlich, daß ihm noch viele Dinge unbekannt seyn wuͤrden, wenn er gleich noch lebte; so hat er unmoͤglich eine vollkommene Erkaͤnnt- niß aller natuͤrlichen Dinge haben koͤnnen. Zu dem ist es sehr glaublich, daß sich der erste Mensch um eine so weitlaͤustige Wissenschaft keine sonderliche Muͤhe gegeben habe. Man stelle sich ein- mahl den Zustand einer Creatur vor, die, ohne zu wis- sen, wie ihr geschicht, sich ploͤtzlich unter einer Menge von Dingen siehet, deren jedes ihr neu und unbekannt ist, und sage mir dann, ob man wohl anders dencken koͤnne, als daß diese Creatur das gantze Welt Gebaͤu- de, wie die Kuh das neue Thor, angesehen habe. Der Hunger und der Durst machten, daß sie endlich zu- grif, und nach dem Trieb, der ihr gegeben war, einige von den ihr voꝛkommenden Dingen zu ihrer Nahrung Z z 3 ge- ( o ) gebrauchte. Es ist gar wahrscheinlich, daß diese Sa- chen unter allen natuͤrlichen Dingen die ersten gewe- sen sind, die der Mensch hat kennen gelernet: Aber doch nicht weiter, als daß er gewust, wozu sie nuͤtze. Jch glaube auch nicht, daß er sich den Kopf uͤber ihren Ursprung, und uͤber ihre innerliche Beschafenheit zer- brochen habe; Und um die Erkaͤñtniß der andern Din- ge hat er sich gar nicht bekuͤmmert. Man kan, deucht mich, von ihm eben das sagen, was Ennius beym Ci- cero De Nat. Deorum lib. II. von Epicurus sagt: dum palato quid sit optimum judicat, cœli palatum non suspexit: Denn es ist vermuthlich eine gute Zeit, nach der Er- schafung der Welt, verstrichen, ehe der Mensch sein os sublime, womit er sich breit macht, zu den Sternen er- hoben hat, um ihre Natur zu erforschen. Es war ihm gleich viel, ob die Sonne, oder die Erde umgieng. Er war zu frieden, daß ihm jene Licht und Waͤrme, und diese die noͤthigen Lebens Mittel gab. Er war also ein schlechter Sternkuͤndiger, und ich glaube, der Hr. Prof. Manzel wuͤrde selbst uͤber die Einfalt des ersten Menschen lachen, wenn er wuͤste, was der- selbe sich vor kindische Begrife von allen Dingen gemacht hat. Man thut demnach kluͤger, wenn man es den Rab- binen uͤberlaͤsset, von ihrem Adam die unglaublich- sten Dinge zu erzehlen. Diesen stehet es wohl an, wenn sie vorgeben, Adam habe auch die Engel an Wissenschaft uͤbertrofen, und diese weise Creaturen, die anfaͤnglich, da GOtt sie uͤber die Erschafung des Menschen zu Rathe gezogen, gar veraͤchtlich von dem- selben ( o ) selben geredet, einmahl heßlich beschaͤmet; indem er alle Thiere mit ihrem rechten Nahmen zu nennen ge- wust; welches den Engeln unmoͤglich gewesen; Ja die Frage, wie dann er selbst, und GOtt heisse gar fein beantwortet, und diesen letzten Jehovah betittelt. Mr. Bayle Dict. Hist. \& Crit. art. Adam not. D. Wir Christen lachen uͤber solche Fratzen, weil uns unsere Vernunft so wohl, als die Ofenbahrung nichts von dieser unglaublichen Weißheit des ersten Menschen lehret. Selbst in der Ofenbahrung fin- den wir Spuren seiner Einfalt. Denn so berichtet uns Moses, daß Adam, nachdem er vom verbotenen Baum gegessen, so dumm gewesen, daß er sich mit sei- ner Even vor GOtt verstecken wollen. Er muß also saubere Begrife von der GOttheit gehabt haben. Jch sehe vorher, daß Ew. Hochwohlgeb. den- cken werden, dieses sey nach dem Fall geschehen, und man muͤsse sich demnach uͤber diese Einfalt nicht wun- dern, weil der Mensch durch den Fall seine ihm aner- schafene Weißheit verlohren. Um Jhnen nun die- sen Scrupel zu benehmen, so mache ich folgende An- merckung. IV. Es ist unbegreiflich, wie der erste Mensch, falls er mit so vollkommener Weißheit ausgeruͤstet gewesen, diese Weißheit durch eine Uebertretung eines goͤttlichen Gesetzes habe verliehren koͤnnen. Es muͤste dieser Verlust entweder eine Folge der Ueber- tretung, oder eine willkuͤhrliche Strafe des erzuͤrne- ten GOttes seyn. Das erste wolte ich glauben, wenn ich nur ein Z z 4 Ver- ( o ) Verbrechen erdencken koͤnnte, das eine solche Veraͤn- derung in dem menschlichen Verstande zu wuͤrcken faͤhig waͤre. Wir koͤnnen durch unser Versehen die Kraͤfte unsers Coͤrpers schwaͤchen; wir koͤnnen unsern Willen verderben, und zu allerhand Lastern gewoͤh- nen; wiꝛ koͤnnen auch durch eine unordentliche Lebens- Art die Kraͤfte unsers Verstandes so weit unterdru- cken, daß wir dieselbe nicht mehr so, als vor dem ge- brauchen koͤnnen: Allein daß durch ein eintziges Ver- sehen die Begrife, die wir von allen Dingen haben, gaͤntzlich solten koͤnnen ausgeloͤschet werden, und das ploͤtzlich, das ist etwas, so ich nicht verstehe. Was ich einmahl vollkommen weiß, das kan ich unmoͤglich in einem Augenblick vergessen, und wenn ich gleich wolte. Meine Begierden koͤnnen meine Vernunft dergestalt benebeln, daß ich zu der Zeit, wann sie am unbaͤndigsten sind, nichts erkennen kan, als was mit ihnen uͤberein koͤmmet: Aber sie verwir- ren mein Gehirn niemahlen dergestalt, daß ich auch diejenige Erkaͤnntniß, die ihnen nicht entgegen ist, verliehren solte. Man mache demnach das Verbrechen des ersten Menschen so groß, als man immer will: Man gebe ihm eine Boßheit Schuld, die noch so entsetzlich ist, so wird man doch dadurch nicht begꝛeiflich machen, war- um er z. e. in einem Augenblick solte vergessen haben, woher es komme, daß der Magnet das Eisen an sich ziehet. Diese Erkaͤnntniß, welche er nach der Mei- nung des Hrn. Prof. Manzels gehabt haben muß, haͤtte gar fuͤglich mit der groͤßsten Boßheit bestehen koͤnnen. Wir sehen daß Geistliche huren und saufen: des- falls ( o ) falls aber vergessen sie ihren Koͤnig nicht: Sie werden dadurch nicht ungeschickter, aufs schaͤrfste wieder die Ketzer zu disputiren. Es kan kommen daß ein Prie- ster, weil er etwan den Rausch noch nicht voͤllig aus- geschlafen hat, das unrechte Evangelium ablieset: A- ber niemahlen wird er voͤllig vergessen, welches Evan- gelium auf diesen und welches auf jenen Sonntag zu erklaͤren verordnet ist. Ein Rechen-Meister kan sich voll saufen, und zu der Zeit, wann er besofen ist, die aͤrgsten Schnitzer machen. Aber er vergißt darum sein Einmahl eins nicht. Der erste Mensch aber hat durch den schaͤdlichen Apfel-Biß auch die Wissen- schaft der Algebra, einer Weißheit, die auch in boß- hafte Seelen koͤmmt, verlohren. Wer es fassen mag, der fasse es. Jch begreife nicht, wie dieses ohne ein Wunder- werck hat geschehen koͤnnen. Darum aber moͤchte ich doch nicht sagen, daß der Verlust unserer aner- schafenen Weißheit eine Goͤttliche Strafe sey. Denn es ist nicht wahrscheinlich, daß GOTT dem gefalle- nen Menschen, dem er, wie grausam er sich auch stelle- te, dennoch immer ziemlich gewogen blieb, die Er- kaͤnntniß so vieler nuͤtzlichen Wahrheiten, ja die heil- samsten Begrife von der Gottheit selbst, ohne welche niemand gluͤcklich werden kan, solte genommen ha- ben. Seine Gerechtigkeit erforderte Rache, und trieb ihn an den Menschen zu strafen: Aber seine Guͤte und Weißheit hieß ihn doch auch mit dieser Strafe mehr des Menschen Besserung, als dessen Verderben zu su- chen. Dieses aber waͤre nicht geschehen, wenn GOtt den Menschen der vollkom̃nen Erkaͤnntniß nuͤtzlicher und schaͤdlicher Dinge, ja des Wesens und Willen Z z 5 GOt- ( o ) GOttes selbst, mit Gewalt beraubet, und ihn also in die schaͤdlichste Unwissenheit gesetzet haͤtte. Wer dieses mit den Eigenschaften eines hoͤchst-gerechten, guͤtigen und weisen Wesens reimen kan, der muß sehr kuͤnstlich seyn. Jch getraue es mir nicht, und will daher lieber sagen, daß, wenn der Mensch die unbegreifliche Weißheit, welche man ihm beyleget, vor dem Fall gehabt haͤtte, GOtt ihm dieselbe auch nach dem Fall wohl wuͤrde gelassen haben. Eben dieses kan ich mit noch mehrerm Fug von der Erkaͤnntniß der moralischen Wahrheiten sagen: weil sie die nuͤtzlichste ist. Wiewohl ich nicht begreife, was eine Ereatur, die ihrer Natur nach, das nuͤtzli- che begehret, und das, was ihr schaͤdlich ist, fliehet, ausser diesem natuͤrlichen Trieb, vor sonderbahre mo- ralische Weißheit habe besitzen koͤnnen. V. Der Hr. Prof. Manzel sagt ferner der reine und vollkommene Verstand der ersten Menschen, sey bey allen vollkom̃en gleich gewesen. Er schliesset recht: Denn der GOtt, der, wie wir schon von ihm gelernet haben, in Kleinigkeiten, und z. E. in der aͤusserlichen Bildung und Statur des Menschen die genaueste Gleichheit beobachtet hat, der wird in wichtigern Dingen nicht weniger auf eine Gleichheit gesehen ha- ben: Allein er wiederspricht sich gleich, und stoͤsset nicht allein das, was er hier sagt, sondern auch das schoͤne Argument, das er von der ungleichen Statur der Menschen hergenommen hat, uͤbern Haufen, wann er fortfaͤhret, und schreibt; es sey zwischen dem Ver- stande der Kinder und erwachsenen Leute, der Alten und der Jungen ein Unterscheid gewesen. Mich deucht, er ( o ) er hebt dadurch die Gleichheit unter seinen vollkom- menen Geschoͤpfen auf: Denn ein Verstand, der in Ansehung des Alters inæqualis ist, der kan nicht in omnibus individuis accuratè æqualis seyn: Weil ein kleines und junges individuum auch ein indivi- duum ist. Doch ich will mich bey diesem Wieder- spruch nicht aufhalten. Nur moͤchte ich wissen, was den Hrn Prof. bewogen hat, unter Alten und Jun- gen, Kindern und Erwachsenen, in Ansehung der Wissenschaft, einen Unterscheid zu zugeben. Jst es ihm etwan unbegreiflich vorgekommen, wie ein neu- gebohrnes Kind so grosse Weißheit besitzen koͤnnen, als er dem ersten Menschen beyleget? Allein so haͤtte er auch bedencken sollen, daß es nicht weniger unbegreif- lich, wie der erste Mensch gleich nach seiner Schoͤpfung so klug seyn koͤnnen, als er ihn machet. Jch finde unter dem ersten Menschen, und seinem erstgebohrnen Sohn keinen Unterscheid, als in Ansehung der Groͤsse des Coͤr- pers. Den Verstand, welchen man also jenem beyle- get den kan man diesem nicht absprechen. Das Ge- wicht des Coͤrpers thut zur Vollkommenheit unsers Verstandes nichts: Und wenn der erste Mensch gleich, wie die Talmudisten vorgeben, so groß gewesen waͤre, daß er von einem Ende der Welt biß zum andern ge- reichet: Mr. Bayle l. c. not- J. So wird er doch dadurch nicht ge- schickter, als sein Sohn eine vollkommmene Wis- senschaft aller Dinge zu haben. Sie waren beyde jung und fremde in der Welt. GOtt, wenn er vollkommene Menschen machen wollen, hat keine Ursache gehabt, den Sohn unvollkomme- ner zu machen, als den Vater: Und es ist auch nicht glaublich, daß er die erste Frucht der Len- den ( o ) den des ersten Menschen so gleich dergestalt wird ha- ben aus der Art schlagen lassen, als der Hr. Prof. Man- zel meint. Nach dem Begrif, den er von den Kin- dern der ersten Menschen hat, ist unter denselben und den unsrigen gar kein Unterscheid. Wer kan das a- ber glauben, wenn er des Hrn. Prof. Schrift gelesen? Ja wer wird sich nicht vielmehr einbilden, daß, wenn der erste Mensch so heilig, so unschuldig, so vollkom- men erschafen gewesen, diese Heiligkeit, Unschuld und Vollkommenheit auf seine Erben und Erbnehmen eben so wohl, als nach dem Fall das Verderben wuͤr- de fortgepflantzet seyn? Denn wenn man dieses nicht glaubet, so ist es ofenbahr, daß die anerschafene Voll- kommenheit des ersten Menschen nach und nach, oh- ne allen gewaltsamen Zufall, von sich selbst verschwin- den muͤssen, und kaum biß ins dritte und vierdte Glied dauren koͤnnen. Jch halte vor unnoͤthig, Ew. Hochwohlgeb. die Wahrheiten dieser Folge weitlaͤuftig darzuthun; ich sage nur, daß der Hr. Prof. Manzel seine Ge- dancken nicht wohl zusammen haͤnget, und durch den Unterscheid, welchen er unter Kindern und er- wachsenen Personen im Stande der Unschuld zu- laͤßt, selbst ein Loch in seinem Systemate machet. Dieses wird noch klaͤrer, wenn man erweget, daß er sagt, die Alten haͤtten die Jungen an Er- fahrung uͤbertrofen. Denn daraus kan man se- hen, daß er glaubt, die ersten Menschen waͤren durch die Erfahrunng klug geworden. Von den Jungen ist dieses ausgemacht, und da die Alten auch einmahl iung gewesen, so ist kein Zweifel, daß eine Zeit gewesen, da ihnen noch vieles gemangelt. Wie ( o ) Wie kan dieses aber mit der vollkommenen Er- kaͤnntniß aller Dinge bestehen, die der erste Mensch besessen haben soll. Auch wir werden durch die Erfahrung klug. Wo bleibt also der Unterscheid zwischen uns und unsern ersten Eltern? Der Hr. Prof. Manzel hebt ihn selbst auf. Jst dieses seine Absicht nicht, so muß er die Erfahrung weg lassen: Die nutzet einer Creatur nichts, die, von dem ersten Augenblick ih- res Lebens an, alle Dinge vollkommen kennet, und mehr weiß, als das gantze menschliche Geschlecht, zusammen genommen, in vielen hundert Jahren ler- nen kan. So bald er die Erfahrung zum Grund der Erkaͤnntniß macht, die der erste Mensch gehabt haben soll, zernichtet er den hohen Begrif, den er uns von der vollkommenen Weißheit desselben ge- ben wollen, und gibt mir Fug und Macht zu schlies- sen, daß wir heutiges Tages kluͤger sind, als unse- re ersten Eltern, weil unsere Erfahrung unstreitig groͤsser ist, als die ihrige. Die moralische Wissenschaft des Menschen,“ faͤhrt der Hr. Manzel (§. 41.) fort, bestund darinn,„ daß er daß Gute allein kannte, und in dem Gu-„ ten allein seine edle Freyheit, dieses oder jenes zu„ thun, brauchte. ( In moralibus notitiam ha-„ buerunt solius boni \& in specie sola boni gene-„ rosum exercuerunt arbitrium hoc vel illud agen-„ di ).” Er habe auch gewust, daß er, so bald er„ von dieser Richtschnur seiner Vollkommenheit ab- wiche, ( quod simul ac normam hanc suæ per- fectionis relinquerent ) sich in Ungluͤck stuͤrtzen wuͤrde ( malum ipsos esset in vasurum ). Hier ( o ) Hier begreife ich nicht, wie der Mensch, der alle Dinge so vollkommen gekannt hat, daß er das Nuͤtz- liche von dem Schaͤdlichen genau unterscheiden koͤn- nen doch nur das Gute allein koͤnne gekannt haben. Der Hr. Manzel kan dieses um so viel weniger sagen, weil er selbst (§. 48.) dem Menschen die Erkaͤnntniß, und zwar eine vollkommene Erkaͤnntniß des Guten und des Boͤsen ( perfectam boni \& mali cognitio- nem ) ausdruͤcklich beyleget. Und wie haͤtte der Mensch auch sonst wissen koͤnnen, daß ihm, wenn er dieses oder jenes thaͤte, etwas Boͤses wiederfahren wuͤrde? Er hat also auch das Boͤse gekannt. Aber woher? Durch einen natuͤrlichen Trieb, als etwan die Thiere, oder durch die Erfahrung? Hat er durch einen natuͤrlichen Trieb das Gute von dem Boͤsen un- terschieden, so faͤllt der reine Verstand, und die tiefe me- taphysische Wissenschaft weg, welche ihm der Hr. Prof. Manzel beylegt. Es wuͤrde auch daraus fol- gen, daß der Mensch ohne alles Nachdencken Gutes gethan habe, welches, wie der Hr. Manzel meinet, einer vollkommenen und vernuͤnftigen Creaturunan- staͤndig ist. Hat aber der erste Mensch durch die Er- fahrung die Erkaͤnntniß des Boͤsen erlanger, so darf man seine Weißheit nicht bewundern, weil man klaͤrlich siehet, daß er, wie die Kinder und Narren, durch Schaden klug werden muͤssen. Er hat sich erst gebrannt, ehe er gewust, daß man dem Feuer nicht zu nahe kommen muͤsse, und alles so lange vor gut und unschaͤdlich gehalten, biß er entweder die schaͤdliche Wuͤrckung gewisser Dinge, und die uͤbeln Folgen ge- wisser Thaten selbst gespuͤret, oder von andern, welche dieselbe erfahren, kennen gelernet. Doch ( o ) Doch ich entferne mich zu weit von meinem Zweck. Jch wolte nur anmercken, daß der Hr. Prof. Manzel sich selbst wiederspricht, wann er dem Menschen die Erkaͤnntniß des Boͤsen, welche er ihm hier abspricht, an einem andern Ort zugestehet. Weiter habe ich nichts zu sagen. Der Mensch mag anfaͤnglich be- schafen gewesen seyn, wie er will. Mir liegt wenig daran: Nur bin ich begierig zu wissen, wie eine Crea- tur, die so beschafen ist, als der Hr. Prof. Manzel den ersten Menschen abbildet, habe fallen, und ihre Voll- kommenheit verliehren koͤnnen. Der Hr. Prof. versucht es (§. 42.), ob er uns die- se traurige Begebenheit aus der blossen Vernunft begreiflich machen koͤnne: Allein was er sagt das ver- gnuͤget mich nicht. „Er meint der Verlust der Gluͤck-„ seeligkeit, in welche der erste Mensch anfaͤnglich gele-„ bet, ruͤhre daher, daß der Mensch unglaͤubig wor-„ den ( quod incredulitate laborare inceperint ) und,„ nachdem er seinem obersten Beherrscher den Gehor-„ sam aufgekuͤndiget, sich zum Boͤsen gewendet habe„ u. s. w. Daß dieses leere Worte sind, mit welchen der Hr. Prof. nichts saget, koͤnnen Ew. Hochwohlgeb. nicht besser begreifen, als wenn Sie dasjenige anzusehen be- lieben, was der Hr. Prof. (§. 44. und 45.) schreibt. Da nun, heißt es, der Mensch so beschafen war (ich„ glaube so viel soll das mir unbekannte Latein: Sic„ constituta igitur situatione hominis, heissen) so„ konnte nur eine einige Art des Gewissens, nemlich„ conscientia recta, nimmer aber eine Unwissenheit„ des Rechts, oder ein Jrrthum in denen Dingen, die„ sein Thun und Lassen betrafen, bey ihm Statt haben.„ Ueber- ( o ) „Ueberdem, so lauten seine Worte, (§. 45.) „war der Mensch von vielen Dingen, die uns ietzo „mit Gewalt zum Boͤsen trieben, frey; wie z. E. von „den Afecten: Denn die Liebe war rein, und nur auf „das Gute gerichtet, und begrif unter sich einen un- „gezwungenen Abscheu des Boͤsen ( sub se compre- „hendens contrarii auersationem non coactam ) „u. s. w. Ew. Howohlgeb. sehen, daß derjenige, der mir erklaͤren will, wie ein so beschafener Mensch um sei- ne Vollkommenheit gekommen sey, eine dunckele Sa- che noch dunckeler macht, wenn er spricht; Ein Un- glaube, eine vorsetzliche Wiederspenstigkeit gegen GOTT sey die Ursache dieses Verlustes. Wie kan ein Zweifel, oder gar ein Unglaube in dem Gemuͤthe eines Menschen entstehen, der nicht nur die Natur aller Dinge vollkommen kennet, und das Nuͤtzliche von dem, so schaͤdlich ist, genau zu unterschei- den weiß; sondern auch nicht die geringste Begierde hat, die ihn zwingen koͤnnte, wider seine Erkaͤnntniß zu handeln? Wie kan eine Creatur sich zum Boͤsen wen- den, welche weiß was Recht und unrecht ist, in mo- ralischen Dingen nicht irren kan, ja einen natuͤrlichen Abscheu vor dem Boͤsen heget? Jst es wohl zu begrei- fen, daß eine solche Creatur ihrem Schoͤpfer den Ge- horsam habe versagen koͤnnen, der ihr nichts gebieten, oder verbieten kan, dessen Nutzen und Schaͤdlichkeit ihr unbekannt waͤre? Und solte sie wohl, wenn ihr der- jenige, von dessen Wahrhaftigkeit, und Allmacht sie so gewiß, als von ihrem eigenen Seyn uͤberfuͤhret ist, auch die gleichguͤltigsten Dinge anbefoͤhle oder unter- sagte, faͤhig seyn, an der Gerechtigkeit solcher Befehle zu ( o ) zu zweifeln, oder die darauf gesetzten Strafen in den Wind zu schlagen? Jch glaube dieses um so viel weniger, weil man heutiges Tages, da das menschliche Geschlecht so gar im Argen liegt, noch hundert vor einen findet, welche auf das blosse Verbot eines Medici, zu dem sie zwar ein Vertrauen haben, aber doch lange nicht von der Gewißheit seiner Kunst, und von der Wahrheit des- ienigen, was er saget, so starck, als der erste Mensch von der Untrieglichkeit seines Schoͤpfers uͤberfuͤhret sind, sich derer Speisen enthalten, die ihnen sonst die liebsten sind: Ja ich glaube, daß man in der gantzen Welt nicht einen Menschen finden wird, der nicht auch dem elendesten Quacksalber, zu dem er nicht die geringste Zuversicht heget, willig gehorchen solte, wenn ihm derselbe eine Speise verboͤte, zu welcher er nicht nur keine Lust hat, sondern die er auch von Na- tur verabscheuet: Aber der erste Mensch, die heilige, die vollkommene Creatur, die ohne alle boͤse Begier- den, und mit einem natuͤrlichen Haß wieder das Boͤ- se gewafnet ist, uͤbertritt das Gebot eines GOttes, dem er nach der Erkaͤnntniß, die er von ihm hatte, nothwendig Glauben zustellen, und sich vor dessen Zorn fuͤrchten muste: und, was das meiste ist, so thut er dieses ohne von der geringsten, dieser Erkaͤnntniß und diesem Gebote zuwieder laufenden, Begierde dazu genoͤthiget zu werden. Wie dieses mit einander bestehen koͤnne, kan ich, mir selbst gelassen, nicht begreifen, und muß bekennen, daß die Vernunft, die dem Hr. Prof. Manzel so unbe- greifliche Dinge lehret, von gar besonderer Art seyn muͤsse. Meine Vernunft sperret sich dawieder, und A a a sagt ( o ) sagt mir, wenn ich ihr weisen will, wie man den Fall des ersten Menschen mit seiner Vollkommenheit reimen muͤsse, Zeug vor, das ich nicht einmahl nachsagen mag. Das bescheidenste, was sie sagt, ist dieses, daß der erste Mensch, wenn er so beschaf- fen gewesen, als der Hr. Manzel sagt, nicht fallen koͤnnen; wenn er aber gesuͤndiget hat, nicht voll- kommen erschafen sey. Sie glaubt also nicht, daß es dem Hrn. Prof. etwas helfen koͤnne, wenn er (§. 43.), um die Moͤg- lichkeit des Falles zu behaupten, sagt: „Wenn der „Mensch so erschafen worden, daß er nothwendig „Gutes thun muͤssen, so haͤtte keine Moralitaͤt statt „haben koͤnnen. Da der Hr. Prof. spricht sie, dieses gewust hat, so haͤtte er nicht sagen sollen, der Mensch sey vollkommen erschafen: Jndem die Faͤhigkeit zu suͤndigen eine nicht geringe Unvollkommenheit ist, die solche Begierden in dem ersten Menschen zum Grun- de haben muß, die mit seiner Vollkommenheit strei- ten, und allen Unterscheid zwischen ihm und uns nothwendig aufheben. Jch habe schon oben etwas von dieser Materie ein- fliessen lassen: Wenn Ew. Hochwohlgeb. sich dessen erinnern, so werden Sie schon sehen, daß es unnoͤthig sey, sich mit dem Hrn. Manzel (§. 48.) zu bekuͤm- mern: nach was vor einer Regel und Richtschnur die ersten Menschen gelebet haben? Eine vollkommene Creatur, die das Gute und Boͤse vollkommen kennet, vollkommen weiß, was GOtt haben will, und nicht die geringste Begierde zum Boͤsen hat, die braucht kei- ner Regel. Jhr natuͤrlicher Trieb ist ihr statt aller Gesetze: Und dieses gestehet der Hr. Prof. fast selbst, wenn ( o ) wenn Er sagt: Die vollkommene Erkaͤnntniß des Guten, Boͤsen, und des Goͤttlichen Willens sey die Regel gewesen, nach welcher die ersten Menschen ihr Thun und Lassen eingerichtet. Was er von den goͤttlichen Ofenbahrungen hinzu- setzet, das faͤllt von sich selbst weg. Denn was soll GOtt einer Creatur ofenbahren, die alles weiß, was sie wissen soll, uñ bey nahe eben so klug ist, als er selbst? Der Hr. Prof. Manzel handelt (§. 50. 51.) von der Nahrung des ersten Menschen. Jch finde da- bey nichts anzumercken, weil ich schon oben von dieser Sache so wohl, als von dem Paradiß, oder von der terra omnia in superlatiuo producente, wie der Hr. Manzel redet, Ew. Hochwohlgeb. meine Meinung gesagt habe. Vor die Kleidung des ersten Menschen darf der Hr. Prof. nicht sorgen, wie er (§. 52.) thut. Unsere Haut ist geschickt genug, Hitze und Kaͤlte zu ertragen. Auch nach dem Fall behelfen sich gantze Voͤlcker oh- ne Kleider. Es waͤre also nichts besonders, wenn es der erste Mensch auch gethan haͤtte S. les Essais de Montaigne Lib. II. Ch. 12. Von dem Tode des ersten Menschen, von wel- chem der Hr. Manzel (§ 53. 54.) handelt, ist nicht noͤthig, viel zu sagen. Es versteht sich, daß der erste Mensch hat sterben muͤssen, wie wir. Die Vernunft haͤlt den Tod nicht vor der Suͤnden Sold; sondern vor eine nothwendige Folge unserer Beschafenheit: ohne desfalls den Geistlichen ein Compliment zu machen. Jch gehe demnach weiter, und bitte Ew. Hoch- A a a 2 wohlgeb. ( o ) wohlgeb. dasjenige wohl zu betrachten, was der Hr. Prof. Manzel von den Pflichten des ersten Menschen gegen GOtt, gegen sich selbst, und gegen andere Men- schen sagt. Sie koͤnnen daraus lernen, daß der Hr. Prof. nach seinen eigenen Grund-Saͤtzen, kein be- sonders Recht der Natur im Stande der Unschuld suchen koͤnne. „Die Pflichten gegen GOtt, sagt Er (§. 55.) „bestanden in einem immerwaͤhrenden Lobe GOttes, „in einer vollkommenen Liebe gegen ihn, in einer ge- „nauen Beobachtung seiner Gebote, und in einer „Uebergebung in seinen Willen, und in seine weise „Vorsehung. Jch glaube nicht, daß in diesen Pflichten durch den Fall eine Veraͤnderung entstanden sey. „Die Pflichten des ersten Menschen gegen sich „selbst, bestanden, wie der Hr. Prof. (§. 57.) sagt, „in der Erhaltung seines Lebens und seiner Gluͤcksee- „ligkeit. Hierinn aber bestehen auch die Pflichten gegen uns selbst noch heutiges Tages. Die Pflichten des ersten Menschen gegen andere faßten, auch nach der Beschreibung, die uns der Hr. Prof. (58. 59.) davon giebt, nichts in sich, wodurch sie von den heutigen Pflichten gegen den Nechsten unterschieden wuͤrden: Sie verbanden den ersten Menschen zu Beobachtung der Gleichheit zwischen ihm und andern Menschen, und gruͤndeten sich auf einen Satz, der wohl niemahlen aus der Mode kommen wird. Ew. Hochwohlgeb. mercken wohl, daß ich von dem bekannten: Quod tibi non vis fieri alteri ne feceris, ( o ) feceris, rede. Da nun dieses noch in diesen letzten Zeiten der Grund-Satz des Rechts der Natur ist, so weiß ich nicht, wo der Hr. Prof. Manzel sein Jus Naturæ veré tale finden will: Jm Stande der Un- schuld suchet er es vergebens. Denn die ersten Men- schen hatten, wie er selbst bekennet, keine andere Grund-Saͤtze, als wir: Haben sie dieselbe nicht auf die Faͤlle appliciret, die wir dadurch entscheiden, so ist es zwar ein Zeichen, daß diese Faͤlle sich noch nicht zugetragen gehabt, oder, nach den damahligen Um- staͤnden, nicht begeben koͤnnen: Allein es macht kei- nen wesentlichen Unterscheid unter ihren und unsern Grund-Saͤtzen. Die Grund-Saͤtze des Rechts der Natur sind unveraͤnderlich, wie ich schon oben erwiesen habe. Es heißt also nichts, wann der Hr. Prof. (§. 60. 61.) sich die Muͤhe giebt, weitlaͤuftig anzumercken, „daß in dem Stande der Unschuld keine Beleidi-„ gung, keine Ersetzung des verursachten Schadens,„ kein Streit uͤber den Besitz der Dinge, keine Pacta „ und Contracte Platz gehabt u.s.w. Man glaubt ihm„ dieses leicht zu, wenn er seinen Stand der Unschuld erst erwiesen hat; Allein es ist ofenbahr, daß daraus kein besonders, und in dem Stande der Unschuld nur allein statt habendes Recht der Natur fliesset. Die Grund-Saͤtze des Rechts der Natur bleiben einerley, vor und nach dem Fall, der Unterscheid betrift nur ei- nige Neben-Umstaͤnde, in Ansehung welcher auch heu- tiges Tages viele Voͤlcker nicht uͤbereinkommen, die doch, wie niemand zweifelt, alle ein Jus Naturæ ha- ben. Die Hottentotten z. E., und alle wilde Voͤlcker leben in einer groͤssern Einfalt und Unschuld als wir, A a a 3 es ( o ) es fehlet ihnen also an Gelegenheit, die allgemeinen Saͤtze des Rechts der Natur auf die Art, als es bey uns geschicht, zu appliciren: Allein darum hat noch niemand gesagt, daß sie ein ander Jus Naturæ, haͤtten, als wir. Es ist nicht noͤthig, daß ich mich weiter hierbey aufhalte. Ew. Hochwohlgeb. sehen schon, daß das Jus Naturæ vere tale des Hrn. Prof. Manzels nicht von unserm gemeinen Rechte der Natur, mit welchem wir uns nun eine ziemliche Zeit beholfen haben, un- terschieden sey. Ehe ich aber weiter gehe muß ich Ew. Hochwohl- geb. noch sagen, daß ich in der gantzen Schrift des Hrn. Prof. Manzels nichs so artig finde, als die Ent- scheidung der Frage: Vtrum testamenta sint juris naturæ (§. 61). Der Hr. Prof. beantwortet die- selbe mit nein: Weil man im Stande der Unschuld, als in welchem, wie der Hr. Prof. Manzel meint, keiner etwas eigenes hatte, nimmer ein Testament gemacht haben wuͤrde. Allein ich weiß nicht, ob der Hr. Prof. mit dieser Entscheidung grosse Ehre ein- legen wird. Denn wann man fraͤgt: Vtrum testa- menta sint juris naturæ? so will man wissen, ob die Regeln der Gerechtigkeit erfordern, daß der letzte Wille eines Sterbenden guͤltig sey? Man fraͤgt aber nicht, ob man im Stande der Unschuld ein Testament gemacht haben wuͤrde? Das begehrt niemand zu wissen. Es ist also laͤcherlich, wenn man diese Frage aus demjenigen beantworten will, was die Menschen, wann sie, in ihrer urspruͤnglichen Unschuld geblieben waͤren, entweder gethan, oder nicht gethan haben wuͤrden. Wenn ( o ) Wenn der Hr. Prof. in der weitern Ausfuͤhrung dieses Entwurfes eines neuen Rechts der Natur so fortfahren will, die in dieser Wissenschaft vorkom̃ende Fragen und Streitigkeiten zu entscheiden; so erleben wir noch den Tag, daß auf einer, und vielleicht der ein- tzigen, recht orthodoxen Academie gelehret wird, die Haltung der Contracte sey nicht Juris Naturæ. Denn es ist gewiß, daß man im Stande der Unschuld so we- nig einen Contract geschlossen, als ein Testament ge- macht haben wuͤrde. Was wird aber dieses nicht vor ein Aergerniß geben? Jch weiß wohl, daß es so boͤse nicht gemeinet ist: Allein ich begreife nicht, was uns ein so unnuͤtzes Wort-Spiel in der Weltweiß- heit vor Trost geben soll. Jch wende mich zu dem was folget. „Was die„ Fortpflantzung des menschlichen Geschlechts anlan-„ get, sagt der Hr. Prof. (§. 62), so glaube ich, daß„ dieselbe aufs einfaͤltigste geschehen sey ( simplicissi-„ mèillam factam fuisse persuadeor ), das ist, daß„ die Pflicht deꝛ Maͤnner gewesen, die zu diesem Handel„ geschickte, noch nicht schwangeꝛe, und nicht mehr saͤu-„ gende Weiber zu schwaͤngern: Welches dann zwar„ nach dem Trieb der Natur; aber doch unter der Auf-„ sicht der Vernunft ( dirigente ratione ) ohne alle boͤ-„ se Bewegungen ( sine tamen motibus prauis ) ge-„ schehen seyn wuͤrde; nicht anders, als wir an den„ Thieren sehen, welche sich zu gewissen Zeiten paaren,„ und die uͤbrige Zeit sich mit dem Weꝛcke der Zeugung„ keine vergebliche Muͤhe machen ( nihil in id negoti-„ um frustra impendunt ): Daher dann auch die„ Meinung derer nicht zu verachten ist, welche davor„ halten, daß die Thiere, wañ sie sich mit einander gat-„ ten, kein Vergnuͤgen empfinden. Man ( o ) Man siehet aus dem Beschluß, daß der Hr. Prof. Manzel meint, der Mensch wuͤrde im Stande der Unschuld nicht die geringste Wollust im Beyschlafe empfunden haben. Nun weiß ich wohl, daß er der er- ste nicht ist, der sich dieses eingebildet hat: Er hat den heil. Augustinus zum Vorgaͤnger. „ Voluntati, sagt „dieser Kirchen-Vater De Civitate Dei Lib. XIV. cap. 23. membra illa (in Pa- „radiso) vt cætera cuncta servirent. Ita geni- „tale arvum vas in hoc opus creatum seminaret „vt nunc terram manus. Er spricht weiter: Se- „minaret igitur prolem vir, susciperet fœmi- „na, genitalibus membris, quando id opus „esset, \& quantum opus esset, voluntate mo- „tis, non libidine concitatis Ibid. cap. 24. . Jch glaube aber, dem allen ungeachtet, daß so wohl der heil. Augustinus, als der Hr. Prof. Manzel etwas sagen, das ihnen zu behaupten unmoͤglich ist. Denn da es einmahl unstreitig ist, daß, nach un- serer ietzigen Leibes-Beschafenheit, die angenehme Empfindung, die Mann und Weib im Beyschlafe spuͤren, nothwendig ist: Jch aber nicht glaube, daß der Hr. Prof. Manzel sagen wird, daß der Coͤrper des er- sten Menschen von den unsern unterschieden gewesen sey: So sehe ich nicht, woher man beweisen will, daß der erste Mensch, bey einem von dem heutigen nicht unterschiedenen Gebrauch seiner Geburths-Glieder, nicht eine gleiche Lust empfunden habe. Es ist mir unmoͤglich zu begreifen, was, falls der erste Mensch von dieser Lust nichts gewust hat, densel- ben ( o ) ben bewegen koͤnnen, seine, zur Fortpflantzung des menschlichen Geschlechts dienende, Gliedmassen, nach der Absicht seines Schoͤpfers, so zu Hervorbrin- gung seines gleichen anzuwenden. Wer hatte ihm ge- sagt, daß wenn er diese Gliedmassen auf eine gewisse Art gebrauchte, ein ihm aͤhnliches Thier, nach Ver- lauf einer gewissen Zeit, zum Vorschein kommen wuͤr- de? Man mag seinen Verstand noch einmahl so groß machen, als der Hr. Prof. Manzel gethan hat, so wird man doch nicht begreiflich machen, wie es moͤglich ge- wesen sey, daß er durch denselben zur Erkaͤnntniß die- ser Wahrheit gekommen. Eine Ofenbahrung in diesem Fall vorzuwenden, wuͤrde laͤcherlich, und der Vollkommenheit des ersten Menschen nachtheilig seyn. Denn was waͤre es nicht vor eine elende, dumme Creatur, die zu den noͤthigsten und natuͤrlichsten Verrichtungen allemahl einer An- leitung ihres Schoͤpfers beduͤrfte? Ein Maͤdgen von 12. Jahren ist in diesen letzten Zeiten weit kluͤger. Es ist also noͤthig gewesen, daß der erste Mensch einen innerlichen Trieb in sich gespuͤret habe, seine Ge- buhrts-Glieder so, und nicht anders zu gebrauchen: Er muß sich aus diesem Gebrauch eine sonderliche Lust versprochen haben: Er muß diese Lust wuͤrcklich empfunden haben, denn sonst haͤtte er den Gebrauch nicht wiederhohlet. Man siehet also, daß, wenn gleich, wie der heil. Au- gustinus sagt, die Gebuhrts-Glieder durch den Wil- len beweget worden; dennoch dieser Wille erst durch etwas anders in dem Menschen habe gewuͤr- cketwerden muͤssen. Denn es ist unbegreiflich wie der Mensch sonst auf eine Handlung verfallen koͤnnen, A a a 5 die, ( o ) die, ohne ihre Folgen betrachtet, naͤrrisch., und, von der Lust abgesondert, eckelhaft ist. Es ist vielmehr zu glauben, daß, wenn GOtt nicht dem Menschen „Die Hertz-erquickenden Vermehrungs-Triebe eingepflantzet, und die That, durch welche diese Trie- be vergnuͤget werden, mit einer seltsam-suͤssen Lust ver- knuͤpfet haͤtte, die Mutter aller Lebendigen ihre Jung- frauschaft mit ins Grab genommen, und also weder der Hr. Prof. Manzel seine Dissertation, noch ich die- sen Brief geschrieben haben wuͤrden. Da nun die Lust, welche der Mensch im Beyschla- fe empfindet, zur Fortpflantzung des menschlichen Ge- schlechts so nothwendig ist, so moͤchte ich wohl wissen, warum man die Empfindung derselben unter diejeni- gen Dinge rechnet, davon der Mensch im Stande sei- ner Vollkommenheit frey seyn muͤssen. Diejenigen, welche dieses behaupten, glauben vermuhtlich, daß der erste Mensch Hunger und Durst empfunden: Sie glauben, daß der Mensch sich dieser verdrießlichen Em- pfindungen zu entledigen gesucht; und folglich, in dem er sie duꝛch Speise und Tꝛanck vertꝛieben, eine Lust em- pfunden habe: Sie werden vermuthlich auch nicht leugnen, daß die ersten Menschen schmecken koͤnnen. Folglich sind einige Dinge ihrem Geschmack ange- nehm andere verdrießlich gewesen; Es ist also gar glaublich, daß ihnen jene, wenn sie dieselbe gekostet, ei- ne Lust, und diese eine wiedrige Empfindung erwecket haben. Weꝛ wolte ihnen dieses abeꝛ zur Suͤnde deutẽ? Nicht alles, was der Mensch geniesset, wird in sein Wesen verwandelt. Es bleibt also in dem Coͤrper et- was unnuͤtzes uͤbrig, das demselben nur zur Last ist. Der ( o ) Der Mensch sucht sich dieser Last zu entledigen, und diese Entledigung, ist so nothwendig mit einer Art ei- nes Vergnuͤgens vergesellschaftet, als es nohtwendig ist, daß sie geschiehet. Jch glaube nicht, daß man diesen Auswurf des Ueberfluͤßigen als eine, dem ersten Men- schen unanstaͤndige, Sache ansehen, und lieber glau- ben wird, quod solide natus sit: Er konnte es ge- wiß nicht ausschwitzen, und wer andere Gedancken vom ihm hat, der eꝛweiset ihm eine schlechte Ehre. Der Hr. Prof. Manzel hat ihm schon (§. 57.) den Schweiß abgesprochen. Jch will hofen, daß er nicht weiter gehet: denn sonst wuͤrde er endlich seinen vollkommenen Menschen demjenigen aͤhnlich ma- chen, von welchem Catullus Epigr. 20. sagt: „Quare non tibi sit bene ac beaté? „A te sudor abest, abest saliva „Mucusque \& mala pituita nasi. „Hancad muditiem adde mundiorem, „Quod culus tibi purior salillo est, „Nec toto decies cacas in anno. Man muß also gestehen, daß auch der erste Mensch das Ueberfluͤßige ausgeworfen habe. Da nun dieser Auswurf allemahl mit einer gewissen Lust verknuͤpfet ist, die auch der erste Mensch, ohne Nach- theil seiner Heiligkeit, empfinden koͤnnen; so weiß ich nicht warum man in Ansehung desjenigen excre- menti, wodurch das menschliche Geschlecht fortge- pflantzet wird, eine Ausnahme macht, und die mit der Auswerfung desselben verknuͤpfte Lust einen motum parvum nennet, der dem ersten Menschen unanstaͤn- dig gewesen. Jst ( o ) Jst nun aber die, aus dieser Auswerfung herruͤh- rende Lust, eine Sache, die nicht wieder die Heiligkeit des ersten Menschen laͤuft, so kan man es auch seiner Gehuͤlfin nicht vedencken, wenn sie das, zur Vermeh- rung des menschlichen Geschlechts dienende, excre- mentum ihres Mannes mit eben der Lust angenom- men hat, mit welcher er es auswarf. Man kan dieses mit so viel wenigeren Recht thun; weil man ihr ja wohl nimmer verargen wird, daß sie ihren Hunger und Durst mit Lust gestillet. Jch solte nicht meinen daß die Begierde nach Speise und Tranck heiliger und zulaͤßiger sey, als das Verlangen nach dem Saa men des Mannes. Man muß demnach, wofern man behaupten will, daß die ersten Menschen bey Verrich- tung der, zur Fortpflantzung des menschlichen Ge- schlechts noͤthigen Arbeit, nicht die geringste Lust em- pfunden haben, nothwendig sagen, der Mensch habe gar keine Lust empfunden, wie auch die aͤusserlichen Dinge seine Sinne, geruͤhret. Dieses ist eine Grille der Schwaͤrmer. „Jn dem Paradisischen Stand der Unschuld, schreibt „Dippel, haͤtte der Mensch von der Frucht der aͤussern „Welt gegessen, und dieselbe in das Wesen seines Na- „tur-Geistes verwandelt, ohne die geringste An- „nehmlichkeit, oder Befleckung seines freyen Gei- „stes, der allezeit in der unaussprechlichen Liebe GOt- „tes sich weidete, und, in diesem steten Gefuͤhl der „himmlischen Lust, das aͤussere Natur-Reich gaͤntzlich „unter sich goubernir te, daß ihn gar nichts aus dem- „selben an sich ziehen konte. Wie hievon diejenige, „welche die Kraͤfte der zukuͤnstigen Welt im Vor- „schmack gefuͤhlet, koͤnnen einen richtigen Begrif „fassen, ( o ) fassen, dann in dergleichen Zustand, alle Annehm-„ lichkeiten der Creaturen, und der irrdischen Lust, ver-„ schwunden ist, als waͤre sie niemahlen da gewesen.„ Jn solchem Zustande waͤre es gleichfalls dem Para-„ dischen Menschen moͤglich gewesen, sich zu ver-„ mehren und fortzupflantzen, dem aͤussern und„ inneren Menschen nach, ohne die geringste Gefangen-„ schaft seiner imagination an der aͤussern Welt, und„ deren sinnliche Luͤste: Dann wie das Essen und seine„ Nahrung aus der aͤussern Natur, ohne herabsteigen-„ de Lust und Begierde des Geistes, haͤtte statt gefun-„ den, also haͤtte auch in diesem Stuͤck die aͤussere Na-„ tur den freyen Geist nicht herabziehen, oder an die„ Jrrdigkeit binden koͤnnen. Summa seine Seele und„ auch sein Geist, stunden gegen die aͤussere Natur„ gantz indifferent, wusten wuͤrcklich nicht was„ in derselben boͤß, oder gut, angenehm oder uͤ-„ bel schmeckte; denn wie das Boͤse noch nicht ofen-„ bar war, so kunte auch noch keine anziehende, oder ge-„ fangen nehmende Idee von einem scheinbaren oder„ wahrhaften Guth statt finden; auch keine reflexion „ der sich umsehenden und bekuͤmmernden Vernunft,„ und so ware der Mensch in seinem Paradisischen„ Stande kein vernuͤnftiges Thier, sondern eine„ intellectuali sche Creatur, die alles, ohne Syllogis-„ mo gegenwaͤrtig besasse und einsahe, was sie sehen„ solte Christianus Democritus im Weg-Weiser zum ver- lohrnen Licht und Recht P. II. Cap. 5. p. 786. 787. .„ Was der Hr. Prof. Manzel lehret, das koͤmmt mit diesen dippelischen Einfaͤllen ungemein wohl uͤberein, ( o ) uͤberein, und wenn ich ein Geistlicher waͤre, so haͤt- te ich hier die schoͤnste Gelegenheit, ihn zu verketzern: Allein ich thue es nicht, sondern bitte nur Ew. Hochwohlgeb., zu bedencken, wohin Leute, die sol- che Dinge lehren, endlich verfallen muͤssen. Sie bringen den ersten Menschen um seine fuͤnf Sinne, und muͤssen sagen, Wermuth habe ihm ge- schmeckt wie Honig, und Honig wie Wermuth: Er sey nicht im Stande gewesen, den Geruch eines Aases von dem Geruch der Violen zu unterschei- den, und was dergleichen Fratzen mehr sind. Hat nun der Mensch, seiner uͤber grossen Heilig- keit wegen, keine angenehme Empfindung haben koͤnnen, so wird er auch unstreitig von keinem Schmertz gewust haben; oder GOtt muͤste ihn ge- wiß in seinem Zorn erschafen haben. Es hat also der erste Mensch gar keine Empfindung gehabt; son- dern sich in einer immerwaͤhrenden Entzuͤckung be- funden, und nicht gewust, ob er in oder ausser dem Leibe sey. Es ist sein Gluͤck gewesen, daß er gefal- len ist; denn sonst sehe ich nicht, wie er sich mit eben so einem Coͤrper, als wir haben, ohne das uns so noͤthige Gefuͤhl von Lust und Schmertz haͤtte erhal- ten koͤnnen. Jener Weltweise war so sehr in seinen Gedan- cken vertiefet, daß er sich, ohne es zu mercken, seinen Fuß verbrannte. Endlich kam der Wurm zu sich selbst. Aber der erste Mensch des Hrn. Mantzels, das wunderliche Thier, haͤtte mit Haut und Haar ver- brennen koͤnnen, ehe er es selbst gewust. Er war ohne Gefuͤhl, und kannte also die Kraft des Feuers nicht. Wie haͤtte er sich dann davor in acht nehmen koͤnnen? Er ( o ) Er war zu dumm dazu, und ein weit naͤrrischer Ge- schoͤpfe, als jener Phantaste von Argos. „Qui se credebat miros audire tragœdos. Von diesem sagt doch Horatz noch, daß er sich, bey aller seiner Thorheit, vor Schaden in acht neh- men koͤnnen. „Posset qui rupem \& puteum vitare paten- tem Horat. Lib. II. Ep. 2. . Wem diese Vergleichung nicht gefaͤllt, der muß von dem ersten Menschen menschlich reden. Man erweiset ihm wenig Ehꝛe, wann man ihm alle Empfindung von Lust und Schmertzen abspricht: Dieses muß man aber thun so bald man saget, er habe in dem Beyschlaf nicht das geringste Vergnuͤgen geschmecket. Denn ich sehe nicht, was dieses Vergnuͤgen besonders an sich habe, das uns bewegen koͤnnte, dasselbe als eine, dem ersten Menschen unanstaͤndige, Sache zu ver- dammen. Jch weiß wohl, daß diese Lust uns zu thoͤrigten und schaͤdlichen Thaten verleiten kan, und daß es daher noͤ- thig ist, sich derselben maͤßig, und mit Vernunft zu be- dienen, darum aber wird die Empfindung derselben, an sich, nicht boͤse. Nur das ist eine Thorheit, wenn wir uns durch ihre Suͤßigkeit verfuͤhren lassen entwe- der die Gesetze zu uͤbertreten, oder, durch einen unmaͤßi- gen Genuß derselben unserer Gesundheit zu schaden. Die gesunde Vernunft lehret einen ieden, daß die Lust, welche mit dem Wercke der Zeugung verbun- den ist, nicht das Haupt-Werck sey, auf welches wir in Verrichtung desselben allein zu sehen haben. Es ist leicht zu erkennen, daß die Fortpflantzung unsers Geschlechts die Ursache sey, warum der Bey- ( o ) Beyschlaf mit einem so empfindlichen Vergnuͤgen verknuͤpfet ist: Und die Erfahrung soll es geben daß dieses Vergnuͤgen groͤßsten Theils in der Einbildung bestehe, und in der That so groß nicht sey, als wir es uns vorstellen. Diese Betrachtungen koͤnnen uns der Maͤßigkeit erinnern, und uns antreiben den Lehren zu folgen, wel- „che der weise Montaigne allen Maͤnnern giebt. „Ce „sont, sagt er Daus ses Essais Liv. l. ch. 27. les femmes qui communi „quent tant qu’on veut leurs pieces à garçonner, „à mediciner la honte le deffend. Je veux donc „de leur part apprendre cecy aux maris, s’il „s’en trouve encore qui y sont trop acharnez: „c’est que les plaisirs mesmes qu’ils ont à l’ac- „cointance de leurs femmes sont reprouvez si „la moderation n’y est pas observée, \& qu’il y a „de quoy faillir en licence \& debordement en „ce suject-là comme en un suject illegitime. „Ces encherissemens deshontez, que la cha- „leur premiere nous suggere en ce jeu, sont „non indecemment seulement, mais domma- „geablement employez envers nos femmes. „Qv’elles apprennent l’impudence au moins „d’une autre main. Elles sont tousiours assez „esveillées pour nostre besoin. . . . . . „C’est tine religieuse liaison \& devote que le „mariage: Voila pour quoy le plaisir qu’on en „tire, ce doit estre un plaisir retenu, serieux \& „meslé à quelque severité, ce doit estre une „volupté aucunement prudente \& conscien- „tieuse. Aber ( o ) Aber sie koͤnnen uns nicht bereden, daß es eine Suͤn- de sey, wenn Mann und Weib zu der Zeit, wann sie einander ehelich beywohnen, die, mit dieser angeneh- men Bemuͤhung unzertrennlich verknuͤpfte, Lust em- pfinden: oder daß es noͤthig, mit solcher Kaltsinnigkeit an der Fortpflantzung des menschlichen Geschlechts zu arbeiten, daß man waͤhrender Zeit seinen Psalter her- beten koͤnne „inter ipsum debiti naturalis egerium„ aliquid ruminare Psalmorum Mr. Bayle Dict. Hist. \& Crit. art. François d’Assise not. C. .‟ Man kan kecklich die Einsaͤlle desjenigen Rabbi, als ungereimt, verlachen, welcher von den Eheleuten verlanget, sie solten bey Verrichtung des ehelichen Wercks nichts, als heilige Gedancken haben, uñ nicht auf die Kuͤhlung ihrer Brunst; sondern eintzig und al- lein auf die Erfuͤllung des Goͤttlichen Willens ihr Ab- sehen richten. “Non devono haver intentione„ in quell’istante alli piaceri, ma solo per adem.„ pir il voler divino ...... ambidoi„ devono pensar in quell’instante que questo„ non lo fanno per il lor giovamento, è adempir„ il lor appetiti carnali, ma solo per mantenir il„ precetto ...... ogn’huomo da„ bene sa quello, che deve pensar in quell’in-„ stante, perche si deve pensar solo à pensieri„ santi è pii Precetti da esser imparati dalle Donne Ebree cap. 70. 71. p. 41. 42. 43. .„ Diese Forderung sind unbillig, und laufen wieder die gesunde Vernunft, welche uns befiehlt nichts oben B b b hin, ( o ) hin, sondern mit Bedacht zu thun. Hoc age, heißt es in allen unsern Verrichtungen. Warum soll dann diese, so natuͤrliche, und zur Fortpflantzung des menschlichen Geschlechts so noͤthige, Handlung von dieser allgemeinen Regel ausgenommen seyn? Mir koͤm̃t dieses sehr heuchlerisch vor, und moͤchte ich wohl wissen, ob die Herren, die eine so grosse Heiligkeit, oder vielmehr Unempfindlichkeit von dem Menschen verlangen, sich wohl zum ehlichen Leben wuͤrden be- quemet haben, wann der Beyschlaf kein groͤsser Ver- gnuͤgen, als z. E. das Dreschen gaͤbe: oder ob sie durch nichts, als eine Christliche Betrachtungen des Cresei- te \& multiplicamini angereitzet werden, ihre Wei- ber zu erkennen? Jch glaube sie werden gerne geftehen, daß sie ihren Schatz in irrdischen Gefaͤssen tragen. Aber sie haben nicht Ursache, sich ihrer Gesundheit zu schaͤmen. Es ist eben so erlaubt, im Beyschlaf eine Lust zu empfinden, als sich mit Speise und Tranck zu er quicken. Die Lust, so wir empfinden, wann wir unsern Hunger und Durst stillen, kan Folgen haben, die eben so schaͤdlich sind, als diejenigen, welche aus einer unmaͤßigen Pfle- gung der Liebe entstehen. Darum aber hat noch kein Moraliste gesaget, es sey suͤndlich, die Speise, die man geniesset, zu schmecken, und sich an deren Geschmack, wann er angenehm ist, zu belustigen. Unsere rei- nesten und eyferigsten Gottesgelehrte erlauben uns das poculum hilaritatis, und treiben es manch- mahl selbst so hoch, als es angehen will. Wie koͤnn- ten sie aber dieses thun, wenn die Empfindung einer Lust, deren Mißbrauch schaͤdlich ist, an sich eine Suͤnde waͤre? Jch ( o ) Jch tadele sie desfals nicht; sondern lobe sie viel- mehr. Sie wuͤrden, wenn sie strengere Lehren gaͤ- ben, wenig Gehoͤr finden; es muͤste dann bey melan colischen und scheinheiligen Gemuͤthern seyn, die et- wan so gesinnet sind, als der bekannte Mr. Pascal Bayle Dict. art. Pascal. not. G. . Und was wuͤrden sie also nicht vor Seufzer auf sich laden, wenn sie die Empfindung der Lust im Beyschlafe, als eine suͤndliche Sache, als einen mo- tum pravum, den Glaͤubigen untersagen wolten? Die gantze Welt wuͤrde sich einer so harten Lehre wiedersetzen, und auch die Froͤmmsten wuͤrden mit den Aposteln sprechen: Stehet die Sache eines Man- nes mit seinem Weibe also, so ists nicht gut ehelich werden Matth. XIX. 10. . Ein Mann, der sich durch diese heuchlerische Lehre zu einer heiligen Kaltsinnigkeit in Verrichtung des ehelichen Wercks verfuͤhren lassen wolte, wuͤrde bey seiner Hauß Ehre schlechten Danck verdienen; und die Gemahlin eines Gelehrten z.E. wuͤrde es sehr uͤbel nehmen, wenn ihr Ehe-Herr sie mit eben der Gelassen- heit careßiren wolte, mit welcher er in seinem Corpore Juris blaͤttert. Ein Schneider kan seine Nehe-Na- del einfaͤdeln, und dabey ein Morgen-Lied anstimmen; Wolte er aber mit so heiligen Gedancken sein Ehe- Bett beschreiten, und bey derjenigen Arbeit, zu wel- cher dasselbe gewidmet ist, gleichfals seine Stimme zum Lobe GOttes erheben; So zweifele ich nicht, daß seine Frau ihn erinnern wuͤrde, daß, wie der Prediger sagt, ein jegliches seine Zeit, und B b b 2 alles ( o ) alles Fuͤrnehmen unter dem Himmel seine Stunde habe. Auch den Maͤnnern wuͤrde es nicht gefallen, wenn ihre Weiber sich aller Empfindung und Bezeu- gung eines Vergnuͤgens enthalten wolten, zu der Zeit, wann sie sich alle Muͤhe geben, denselben ihre Liebe aufs nachdruͤcklichste zu bezeugen. Wie viele wuͤrden nicht ihre Weiber eben so unwillig anfahren, als Martial das Seinige? „Vxor vade fores aut moribus utere nostris „Non ego sum Curius, non Numa, non Tatius. Und mit diesem Poeten klagen: „Nec motu dignaris opus, nec voce juvare Nec digitis, tanquam thura merumqve pares. Martialis lib. IX. Ep. 105. Jndessen glaube ich nicht, daß es, bey ietzigen Umstaͤn- den, dazu kommen wird. Das Frauenzimmer wenig- stens wird sich wohl fuͤr dem Vorwurf einer Unem- pfindlichkeit huͤten, und wenn auch der Hr. Prof. Manzel noch so klar darthun solte, daß diejenige Da- me, von welcher wir alle herstammen, gantz fuͤhlloß gewesen. Er mag die Gluͤckseeligkeit und Vollkom- menheit dieser Dame noch so sehr herausstreichen; So wird doch unser Frauenzimmer lieber demjeni- gen, als einem Meister in seiner Kunst, Glauben zu stellen, welcher sagt: „Infelix cui torpet hebes locus ille puella „Quo pariter debentfæmina virq; frui Ovidius de Arte amandi Lib. III. . Und ( o ) Und es unserer Stamm-Mutter noch in der Erde dancken, daß sie sich und ihre Nachkommen von einer so verdꝛießlichen Vollkommenheit entledigen wollen. Der Hr. Prof. Manzel nun, und alle diejenigen, die mit ihm, so hohe Begrife von der Heiligkeit un- serer ersten Eltern haben, koͤnnen dieses dem weibli- chen Geschlecht nicht zu einer sonderlichen Suͤnde deuten, so lange sie nicht eydlich dargethan haben, daß sie nur einmahl wenigstens in ihrem Leben den Ver- lust der Vollkommenheit, von welcher hier die Rede ist, aufrichtig und von Grund des Hertzens beseufzet haben. Jch weiß nicht, ob sie sich dazu verstehen wer- den. Das weiß ich aber, daß der Heil. Augustinus, wo- fern ich ihn recht kenne, es nimmer mit gutem Gewis- sen wuͤrde haben thun koͤnnen. Dieser grosse Kirchen- Vater war, wie bekannt, so verliebter Natur, daß er, wann er GOtt um die Gabe der Keuschheit anꝛief, sich allemahl dabey ausbedung, GOtt moͤchte sie ihm doch ja nicht zu zeitig geben. „Da mihi, sagt er, ca- „stitatem \& continentiam, sed noli modo. Denn ihm war bange, GOtt moͤchte kein Ehren-Wort verstehen; sondern gleich Ernst daraus machen. „Ti- „mebam enim ne me cito exaudires, \& citò „sanares à morbo concupiscentiæ Augustinus Confess. Lib. VIII. Cap. 7. §. 2. . Es ist sehr glaublich, daß einem der so gesinnet, mit der Wie- derherstellung der verlohrnen Vollkommenheit, die dem Frauenzimmer so beschweꝛlich seyn wuͤꝛde, gleich- falls wenig gedienet gewesen waͤre; und daß der heil. Augustinus, wann er die Unempfindlichkeit des ersten Menschen in Ansehung des Beyschlafes mit den suͤs- B b b 3 sen ( o ) sen Folgen des Falles verglichen, ein andaͤchtiges: O felix culpa! welches die Roͤmische Kirche bey einer an- dern Gelegenheit singet, in seinem Hertzen angestim- met habe. Ew. Hochwohlgeb. muͤssen nicht meinen, daß die- ses alles den Hrn. Manzel nicht angehe; indem Er ja nicht so strenge moralisiret, als der Rabbi, den ich an- gefuͤhret habe. Es gehet ihn unstreitig an, weil Er die Lust, so der Mensch heutiges Tages in dem Beyschlafe empfindet, motum pravum nennet, und folglich vor unerlaubet haͤlt. Da ich nun gewiesen habe, daß diese Lust gantz und gar unschuldig, und eine natuͤꝛliche und nohtwendige Folge unsers Wesens ist, welches durch den Fall nicht veraͤndert worden, so folget, daß der Hr. Prof. Manzel keine Ursache gehabt, zu sagen, die ersten Menschen haͤtten sich ohne Empfindung aller Lust ge- paaret ( sine motibus pravis ) Diese Lust ist kein mo- tus pravus, und kan von dem Wercke der Zeugung so wenig abgesondert werdẽ, als die Naͤsse vom Wasser. Jch setze voraus, daß es mit der Fortpflantzung des menschlichen Geschlechts im Stande der Unschuld e- ben so zugegangen sey, als ietzo. Sagt man aber mit einigen Schwaͤrmern, der erste Mensch habe sich im Stande der Unschuld auf eine geistliche Art fortpflan- tzen koͤñen, und der Unterscheid zwischen Mann und Weib sey eine Folge des Falles; so habe ich verlohren; so wird die Lust, die aus der Vereinigung der beyden Geschlechter entstehet, eine suͤndliche Schwachheit, ein motus pravus. Es scheinet nicht, daß deꝛ Hꝛ. Man- zel sich dieses kauderwelschen Gewaͤsches theilhaf- tig machen wolle. Denn er merckt (§. 63.) als etwas besonders an, daß die ersten Menschen sich auf eben die Art ( o ) Art fortgepflantzet haͤtten, als wir ( quod ratio pro- pagandi cum moderna una fuerit eademque ). Wie will er also dasjenige, so er motus pravos nennet von dem Beyschlafe absondern? Womit will er be- weisen, daß der erste Mensch seine Frau auf eben die Weise, als es heutiges Tages gebraͤuchlich ist, er- kannt, und doch keine Lust empfunden habe? Wer will ihm das glauben? Jst er aber so kuͤnstlich, daß er dieses beweisen kan, so will ich gerne das, was er sagt, vor ein gar besonderes Wunder halten: Sonst aber begreife ich nicht, warum der Hr. Prof. die Aehnlich- keit der Art der Fortpflantzung vor und nach dem Fall unter die besondern Raritaͤten ( singularia ) rechnet, die bey dem ersten Menschen zu bemercken sind. Die andere Anmerckung, welcher der Hr. Prof. Manzel hier machet ist diese: „daß die eꝛsten Menschen nicht wie das Vieh gelebet, und sich ohne alle Ord-„ nung durch einander gepaaret, ( quod non vagos„ exercuerint concubitus ); sondern daß ein jeglicher„ sein eigen Weib, und eine jegliche ihren eigenen„ Mann gehat habe ( quod unus uni se junxerit, e-„ amque sibi soli habuerit sociam ). Denn, meint er,„ weil die Liebe des ersten Menschen vernuͤnftig gewe-„ sen, und die Kinder eine ziemliche Zeit gebꝛauchet haͤt-„ ten, ehe sie sich selbst helfen koͤnnen ( donec fieret per-„ fecta proles ): So waͤre ein gewisser Vater noͤhtig„ gewesen, um sich seines Kindes anzunehmen; weil„ sonst die Last der Erziehung auf die Mutter allein„ gefallen seyn wuͤrde.„ Dieses heißt alles nichts. Mich deucht die Gemein- schaft deꝛ Weibeꝛ hat in dem Stande deꝛ Unschuld des Bb b 4 Hrn. ( o ) des Hrn. Manzels so gut statt, als in der Republick des goͤttlichen Plato. Jch begreife gantz deutlich, daß diese Gemeinschaft, unter vollkommenen Menschen, nicht die geringste uͤble Folge haben koͤnne, ja fast nothwendig sey. Denn vollkommene Menschen le- ben in einer vollkommenen Freundschaft. Eine voll- kommene Freundschaft erfordert eine vollkommene Gemeinschaft aller Dinge: Eine vollkommene Ge- meinschaft aller Dinge wuͤrde nicht vollkommen seyn, wenn die Weiber davon ausgenommen. Diese Gemeinschaft nun kan keinen Unfug und Streit anrichten, weil sie eine vollkommene Freund- schaft zum Grunde hat. Daß wir jetzo die Gemein- schaft der Weiber als einen Greuel, und eine, der allge- meinen Ruhe nachtheilige, Sache ansehen, und das mit Recht, das ruͤhrt aus unserer Eyfersucht her. Als ich dieses schrieb, hatte ich noch nicht gelesen was Mr. Bayle in den Nouvelles lettres de l’ auteur de la Critique generale de l Historie du Calvinisme du P. Maimbourg Lett. 17. von den Wirckungen und von dem Nutzen der Eyfersucht sagt. Es freuet mich, daß unsere Gedancken so genau uͤbereinkommen, und ich kan mich nicht enthalten, das, was ich hier von der Gemeinschaft der Weiber und von der Eyfersucht sage, mit den Worten dieses vortreflichen Mannes zu erlaͤu- tern, und zubestaͤrcken. Il faut se desabuser, schreibt er, une fois pour toutes de l’ opinion que l’on a, que les homines se sont conduits par les idées de la raison daus l’établissement des Societez. S’ils avoient consul- té la raison, ils n’auroient pas fair ce qu’ils ont fait à l’ égard du Sexe. Ils auroient veu que pour n’avoir pas tant de choses à garder, il falloit faire une grande diffe- rence entre la Possession d’un champ ou d’une vigne, \& la Possession d’une femme, puisqu’un champ est une Dieses ( o ) Dieses ist aber ein Afect, den der Hr. Manzel seinen vollkommenen Menschen nicht beylegen kan, ohne sie eben so naͤrrisch zu machen, als wir sind. Da man nun nothwendig den ersten Menschen alle Schwachheiten absprechen, und sagen muß, sie haͤtten sich alle hertzlich geliebet und einer des andern Gluͤckseligkeit und Ver- gnuͤgen zu befordern gesuchet: So ist es sehr unnoͤ- thig, daß der Hr. Prof. vor die armen Kinder im Stande der Unschuld sorget, und befuͤrchtet sie wuͤr- den nicht, wie es billig seyn sollen, erzogen worden seyn, wenn kein gewisser Vater vorhanden gewesen waͤre. Diese Gewißheit war unter so vollkommenen B b b 5 Leu- sonte de bien dont un homme ne sauroit recüeillir le fruict sans l’ôter à tous les autres, au lieu que les fem- mes sont comme l’arbre d’or de la Sibylle dont on pon- voit arracher les branches sans qu’il en Restaft moins Primo avulso non deficit alter Aurcus, \& simili frondescit virga metallo. Virg Ænerd 6. Ainsi la raison eust plûtost conseillé la communauté des femmes. Die Gemeinschaft der Weiber ist also der Vernunft nicht entgegen, und allen Abscheu den wir vor diese Gemeinschaft haben ruͤhrt aus unserer Eyfer- sucht her. Mr. Bayle sagt eben das, .... nôtre raison schreibt er, n’estant pas propre à empêcher que la communauté des femmes ne s’introduisit dans le monde, il a falu se servir d’une autre machine pour l’- empêcher. Or cette machine n’est autre chose que ce sentiment inquiet, \& rongeant que l’on appelle ja- lousie, \& qui accompagne l’amour qu’on a pour une femme. Cette passion tout à fait deraisonelle a esté cause dés le commencement, qu’un homme qui de- venoit amoureux d’une fille souhaitoit de l’auoir on propre, parce qu’il sentoit un grand de plaisir de ce qu’un autre la vouloit. ( o ) Leuten, die sich alle so hertzlich liebten, nicht noͤthig, und, die Kinder wuͤrden Leute genug gefunden haben, die sich ihrer angenommen. Folglich hat der Hr. Prof. Manzel keinen zurei- chenden Grund angegeben, warum er die Gemein- schaft der Weiber, oder den vagum concubitum aus seinem Stande der Unschuld verbannet. Laßt uns hoͤren wie es mit der Vielweiberey stehet. „Jch habe, spricht der Hr. Prof. (§. 64.), gar merck- „lich gesagt, daß ein Mann und ein Weib sich zusam- „men gehalten haͤtten, daher dann zu sehen ist, daß die „Vielweiberey im Stande der Unschuld nicht gewe- „sen sey, noch seyn koͤnnen, weil GOtt nur zweyerley „Geschlechte, und von einem jeden Geschlechte gleich „viel Personen erschafen hatte, daß es also unmoͤglich „gewsen, zwey Weiber zu haben. Wie ich in meiner „Disputation de Polygamia weitlaͤuftiger ausge- „fuͤhret habe. Hier sehe ich wohl, daß wenn ein jeglicher sein eigen Weib, und eine jegliche ihren eigenen Mann gehabt hat, die Vielweiberey im Stande der Unschuld nicht Platz haben koͤnnen. Jch glaube auch wohl, daß dieses nicht anders habe seyn koͤnnen, wenn GOtt die Maͤn- ner und Weiber in gleicher Anzahl erschafen, und ei- nem jeden Paar einen sonderlichen Trieb, sich zusam- men zu halten, eingepreget hat: Allein ich begreife nicht, wie es moͤglich sey, diese gleiche Anzahl der Maͤn- ner und Weiber zu erweisen. Der Hr. Pr. Manzel sagt zwar, er habe dieses in einer besondern Disputation gethan, die ich nicht gesehen habe, aber ich glaube es nicht. Der Hr. Prof. hat die Gewohnheit, daß er die Woͤrter demonstrare, demonstratio und derglei- chen ( o ) chen in einem sehr uneigentlichen Verstand nimmt. Jch bin der Meynung, daß dieser Beweiß, den er vor- giebt, eben so unmoͤglich, als es unmoͤglich ist, aus- zumachen, ob mehr Haare, oder mehr Augen in der Welt sind, und ob die Anzahl der Augen und Haare gerade oder ungerade sey? Jch wolte also dem Hrn. Prof. wenn ich die Ehre haͤtte mit ihm bekannt zu seyn, unmaßgeblich rathen, sich nicht eine Last aufzulegen, die ihm zu schwer ist; sondern, wenn ihn jemand fragen solte, woher er dann beweisen wolle, daß GOtt die Maͤnner und Weiber in gleicher Anzahl erschafen, aufrichtig zu antworten; es muͤsten eben so viel Maͤnner, als Weiber anfaͤng- lich erschafen seyn, weil sonst die Vielweiberey im Stande der Unschuld Statt gehabt: dieses aber wol- le er nicht haben. Wenn er so antwortete, so wuͤrde es eine Unbescheidenheit seyn, ihn weiter zu aͤngstigen. Denn wer kan ihm das Recht streitig machen, sein Utopien so einzurichten, als er es gut findet? Kraft eben dieses ihm unstreitig zustehenden Rechts hat er auch, wie er (§. 65.) thut, die Ehen unter Bruͤ- dern und Schwestern in seinem Reiche verbieten koͤn- nen. Denn ich sehe auch diese Verordnung als einen Macht-Spruch an, der seinen Grund eintzig und al- lein in dem Willen des Gesetzgebers hat. Weil der Hr. Prof. Manzel von den Ehen zwischen Bruder und Schwester nichts wissen will, so richtet er seinẽ Stand der Unschuld so ein, daß diese Ehen unmoͤglich seyn muͤssen. Jch habe dawider nichts zu sagen: Doch kan ich Ew. Hochwohlg. nicht bergen, daß ich mir getraue die Moͤglichkeit dieser Ehen gar wohl zu beweisen, der Hr. Manzel mag auch seine Sachen noch so kuͤnstlich ein- ( o ) einrichten. Jch halte vor unnoͤthig Ew. Hochwohl- gebohrnen hievon eine Probe zu geben: Sie sehen wohl, daß ich mich nicht zu viel vermesse. Jch mag auch uͤber dem hier nicht weitlaͤuftiger seyn, weil mir leicht ein Wort entfallen koͤnnte, wo- durch ich mich an diesem Beweiß, von der Unmoͤglich- keit der Ehen unter Geschwister, versuͤndigen moͤchte. Der Hr. Prof. Manzel ist so bescheiden, und gestehet daß seine Demonstration sehr schwer hincket ( mul- tum claudicare ). Sie wissen, daß man mit gebrechli- chen und preßhaften Personen ein Mitleiden haben, und ihrer bey Leibe nicht spotten muß. Warum solte ein gebrechlicher Schluß nicht eben dieses Mitleydens wuͤrdig seyn? So viel deucht mich, kan ich ohne Suͤnde sagen, daß die Frage: Ob es nach dem Recht der Natur erlaubt sey, seine Schwester zu heyrathen? nicht wohl beant- wortet wird, wenn man spricht; Es sey unmoͤglich ge- wesen, im Stande der Unschuld seine Schwester zum Weibe zu nehmen. Denn dieses will man nicht wis- sen: Sondern die Frage von der Rechtmaͤßigkeit die- ser Ehen setzt die Moͤglich keit derselben voraus. Folg- lich ist der Hr. Prof. Manzel, der ein Jus Naturæ ve- re tale schreiben will, schuldig, uns zu berichten, was in diesem Falle Rechtens gewesen, wenn er sich im Stande der Unschuld begeben haͤtte. Eben dieses sage ich von dem, was der Hr. Prof. (§. 66.) von den Ehen zwischen Eltern und Kindern schreibt. Er beweiset nicht, daß sie an sich suͤndlich sind, sondern er ordnet nur, nach der unumschraͤnckten Ge- walt, die ihm niemand absprechen kan, die Sachen in seinem Stande der Unschuld so, daß sie keine Statt ( o ) Statt haben koͤnnen. „Er spricht: Eltern und Kin-„ der konnten einander unmoͤglich heyrathen, weil der„ Vater nimmer ein Wittwer geworden waͤre, und„ also, da er schon eine Frau hatte, seine Tochter nicht„ zum Weibe nehmen konnte. Er glaubt also, daß die Eheleute einander nimmer uͤberlebet haͤtten, sondern zugleich gestorben waͤren: Gerade als die gute alte Baucis und ihr Philemon „.. pia Baucis anus parilique ætate Philemon. Dieses fromme Paar wuste sich von den Goͤttern nichts bessers auszubitten, als daß es zugleich sterben moͤchte. „Auferat hora duos eadem, nec conjugis un- quam „Busta meæ videam; neu sim tumulandus ab illa Ovidius Metam. Lib. VIII. Was Philemon als eine Gnade gebeten hat, das ist in dem Stande der Unschuld, nach des Hrn. Man- zels Meinung, etwas natuͤrliches gewesen. Dieses ist nun aber ein verzweifelter Satz, welcher nicht eher den geringsten Grad der Wahrscheinlichkeit erreichet, als biß der Hr. Prof. erwiesen hat, daß die Ehe-Leute auch zugleich gebohren worden: oder, wenn sie nicht zugleich gebohren, eine Ursache giebt, warum der juͤngste Ehegatte mit dem aͤltern zugleich sterben muͤs- sen. Denn die Regeln der Ordnung scheinen zu erfor- dern, daß GOtt in dem Stande der Unschuld einem Menschen kein laͤnger oder kuͤrtzer Ziel gesetzet, als dem andern. Es haben also Leute, die zugleich gestor- ben sind, auch zugleich gebohren seyn muͤssen: Oder wenn die Frau etwan aͤlter gewesen ist, als der Mann, so ( o ) so hat sie eher sterben muͤssen, als der Mann. Die Ca- ravane, mit welcher sie gen Himmel gieng, trat ihre Reise eher an, als diejenige, mit welcher der Mann ge- hen muste. Es muß demnach Wittwer und Witti- ben im Stande der Unschuld gegeben haben, wofern der Hr. Prof. nicht darthut, daß Mann und Weib allemahl in einem Augenblick gebohren worden. Doch er kan auch sagen, wenn gleich dem Manne seine Frau abgestorben, so koͤnne es sich doch wohl alle- mahl so gefuͤget haben, daß just zu der Zeit keine von seinen Toͤchtern, falls er welche gehabt, mannbahr oder unverheyrathet gewesen. Dieses waͤre nun zwar eben so unbegreiflich und un- wahrscheinlich, als daß Mann und Weib zugleich ge- bohren und gestorben, und also die Menschen in der schoͤnsten Ordnung, paarweise, gen Himmel gefahren: Allein wer wolte von dem Hn. Prof. etwas gewissers und gruͤndlichers verlangen? Ein Gedichte ist gut ge- nug, wenn es nur nicht gar unmoͤglich ist. Die Unmoͤglichkeit aber alles dessen, was der Hr. Prof. hier saget, getraue ich mir so wenig zu beweisen, als ich die erstaunende Ordnung, welche der Hr. Prof. voraussetzet, zu begreifen faͤhig bin. Wer Zeit uͤbrig hat, deꝛ kan sich nuꝛ die Muͤhe geben, und nachrechnen, was sich etwan unter 4 oder 5 Paar Menschen vor Faͤlle begeben koͤnnen, in einer Zeit von 100 Jahren. Jch glaube ihm wird gruͤn und gelbe vor den Augen werden. Er wird mit Haͤnden greifen, daß der Stand der Unschuld des Hn. Manzels allen menschliche Witz uͤbersteiget. Wider solche Dinge kan nun kein Mensch mit Vernunft Einwuͤrfe machen. Die Finsterniß, in welcher der Hr. Pr. wandelt, ist so dicke, daß einer, der ihn ( o ) ihn angreifen wolte, nicht wissen wuͤrde, wo er ihn wahrnehmen solte. Sie scheidet ihn von seinen Wi- dersachern, als die Wolcken-Seule die Kinder Jsrael von den Egyptiern. Mir grauet im Dunckeln: daher will ich ihn nicht weiter verfolgen. Ueberdem setzt auch der Hr. Prof. seine Betrach- tungen nicht weiter fort. Er spricht, das uͤbrige, was noch von den verbotenen Graden zu erinnern waͤre, lasse sich eben so leicht aus der Natur herleiten. Jch glaube ihm dieses gerne zu, wenn man, wie er, sich zum Herren dieser Natur macht, und dieselbe nach seiner Phantasie einrichtet. „Ausser diesem, spricht der Hr. Prof. (§. 67.) ge-„ hoͤre nichts ins Jus Naturæ vere tale: Und daher„ wuͤrde klar, daß man heutiges Tages aus diesem„ wahren Recht der Natur vieles sehr ungereimt und„ gezwungen auf unsern ietzigen Zustand ziehe, da man„ doch gantz anders verfahren muͤste. Man muͤste,„ nemlich, die Welt, und die darinn befindliche Men-„ schen, so wie sie ietzo sind, wohl betrachten, und aus ih-„ rem ietzigen Zustand urtheilen, was zur Erhaltung„ der allgemeinen und besondern Gluͤckseeligkeit„ noͤthig sey. Und diese Betrachtung heisse das Voͤlcker„ Recht, und uneigentlich (abusive) Jus Naturale,„ nemlich ein natuͤrliches, billiges Recht u. s. w.„ Ew. Hochwohlgeb. duͤrfen nicht befuͤrchten, daß ich diese Worte des Hrn. Prof. angefuͤhret habe um nach meiner boͤsen Gewohnheit, ohne Ende daruͤber zu schwatzen. Jch will es kurtz machen, und nur an- mercken, daß der Hr. Prof. durch das, was er hier sagt, seine gantze Schrift vor unnuͤtz erklaͤret. Er ( o ) Er will das Recht der Natur ausbessern. Er will die darinn vorkommenden Streitigkeiten schlichten: Er schreibt zu dem Ende ein Jus Naturæ veré tale. Und nun koͤmmt er und sagt; es waͤre eine Thorheit aus diesem Jure Naturæ vere tali etwas auf unsern ietzigen Zustand zu appliciren. Warum hat er uns dann dieses Jus Naturæ vere tale so muͤhsam erklaͤ- ret? Warum muthet er denen, die gelehrter, als er sind, zu, daß sie weiter uͤber dieses Jus Naturæ veré tale, von welchem er uns, vor der Hand, nur einen groben Abriß mitgetheilet hat, meditiren sollen? Was soll es uns vor Trost geben, daß wir wissen, was der erste Mensch gemacht hat? Die Erkaͤnntniß des Zu- standes, in welchem sich unsere erste Eltern befunden haben, tꝛaͤgt nichts zu unserer Wohlfahrt bey; sondern diese wird, nach dem eigenen Gestaͤndniß des Hrn. Manzels, besser durch eine vernuͤnftige Betrachtung unsers ietzigen Zustandes befordert: Alle, die bishero das Jus Naturæ gelehret haben, (Alberti und Stri- mesius ausgenommen) legen diese Betrachtung zum Grunde; Und also ist es sehr unnoͤthig, daß der Hr. Prof. daruͤber eyfert, daß man aus seinem aͤchten Ju- re Naturæ Saͤtze borge; da man doch die menschli- che Natur, wie sie nun ist, ansehen solte. Gefaͤllt es ihm aber nicht, die auf diese vernuͤnftige Betrachtung der menschlichen Natur, wie sie ietzo ist, erbauete Wissenschaft, ein Recht der Natur zu nen- nen: So kan man ihm seinen Willen lassen: Er nen- ne sie wie er will: Nur sey er so gut, und verschone uns mit seinem Jure Naturæ vere tali. Das kan uns nichts helfen. Der Hr. Prof. aͤfet uns damit. Er stellet sich, als wenn er uns in das innerste des Rechts ( o ) Rechts der Natur ( intimaque juris naturæ pene- tralia, wie er in der Vorrede ( p. 4.) schreibt,) fuͤhren wolle. Er fordert alle Gelehrten auf, das, was er ge- schrieben, zu uͤberlegen, und ihre Gedancken daruͤber zu eroͤfnen, damit man endlich zu einer Gewißheit ge- lange, und viele, sonst unsterbliche, Streitigkeiten ihre Endschaft erreichen moͤchten. Wer dieses lieset, der dencket, der Hr. Prof. Manzel wolle diejenige Wissen- schaft, die wir insgemein das Recht der Natur nen- nen, auf einen andern Fuß setzen, und zu einer groͤssern Gewißheit bringen: Denn diese Wissenschaft muß es unstreitig seyn, uͤber deren Verwirrung er in der Vor- rede klagt: Weil, ehe seine primæ lineæ Juris naturæ verè talis zum Vorschein gekom̃en sind, niemand an sein Jus Naturæ vere tale gedacht hat. Allein der Aus- gang giebt es, daß dis dem Hr. Prof. niemahlen in den Sinn gekommen sey. Er gedencket des Juris Naturæ, womit wir uns bißher beholfen haben, in seiner gan- tzen Schrift kaum zweymahl, und sagt nichts mehr von demselben, als, daß es nicht das rechte Jus Natu- ræ sey. Er bessert und bauet also nicht; sondern er reis- set nieder. Er verwirft unser altes Jus Naturæ, und bringt ein gantz neues zum Vorschein: Doch will er nicht, daß wir uns nach demselben richten sollen: Er er- laubt uns bey dem alten zu bleiben: Nur meint eꝛ, man muͤsse es nicht ein Recht der Natur; sondern ein natuͤr- liches Recht nennen. Eine wichtige Anmerckung, die wohl wehrt ist, daß die gantze Schaar der Gelehrten derselben weiter nachsinne! Ew. Hochwohlgeb. sehen aus diesem allem, daß deꝛ Hr. Prof. Manzel durch seine Dissertation nicht das geringste zur Verbesserung derjenigen Wissenschaft, C c c bey- ( o ) beygetragen habe, die alle Welt mit dem Nahmen des Rechts der Natur beleget. Er laͤsset alles wie es ist, biß auf den Nahmen; und theilet der gelehrten Welt, unter dem Titel eines Juris Naturæ vere talis, eine Beschreibung des Zustandes unserer ersten Eltern mit, die einem Roman aͤhnlicher ist, als einer philoso- phischen Schrift. Was sein Absehen gewesen sey, ist mir unmoͤglich zu errathen. Hat er, wie er sagt, das Recht der Natur, oder das natuͤrliche Recht ausbes- sern wollen, so muß man bekennen, daß er sein Vor- haben schlecht ausgefuͤhret habe. Der Hr. Prof. wird also wohl thun, wenn er von sei- ner Dissertatiuncula nicht mehr haͤlt, als sich gebuͤh- ret, und es nicht uͤbel nim̃t, weñ man sie als einen klei- nen Roman ansiehet. Thut er das, so kan man nicht mehr sagen, daß er damit habe zu Hause bleiben sollen: Denn wer will ihm befehlen, was er schreiben soll? Jndessen mag der Hr. Prof. von seiner Arbeit den- cken, was er will. Ew. Hochwohlgeb. werden hofent- lich aus den Einwuͤrfen, welche ich dawider gemacht habe, sehen, daß der Hr. Prof. Manzel, wie er (§. 68.) nach seiner Bescheidenheit, selbst gestehet, nicht in allen Stuͤcken die Wahrheit getrofen habe; sondern daß noch sehr vieles an seiner Schrift auszusetzen sey. Dieses ist der Endzweck meines langen Briefes, und wenn ich denselben erreiche, so bin ich zufrieden. Jch solte nicht meinen, daß die beyden Argumente, mir daran hinderlich fallen koͤnnten, die der Hr. Prof. (§. 57.) noch zu den andern hinzu thut, durch welche er seinen Stand der Unschuld hat erweisen wollen; Und halte daher vor unnoͤthig, mich bey denselben laͤnger aufzuhalten. Es ist Zeit, daß ich einmahl aufhoͤre. Doch ( o ) Doch kan ich diesen Brief nicht schliessen, ohne vor- her Ew. Hochwohlg. nochmahl zu bitten, das, was ich schreibe, nicht anders aufzunehmen, als es gemeinet ist. Meine Einwuͤrfe wider den Stand der Unschuld, den der Hr. Manzel beweisen wollen, gehen nicht da- hin, daß ich das, was uns von dem Zustande des ersten Menschen ofenbahret worden, in Zweifel ziehen, oder gar leugnen wolte. Jch weiß wohl, was man den Schriften Mosis vor Ehrerbietung schuldig ist. Mei- ne Absicht ist nur, zu weisen, daß unsere Vernunft nichts von dem Stande der Unschuld wisse, und daß es also ein verwegenes Unternehmen sey, daß der Hr. Manzel denselben aus der blossen Vernunft beweisen wollen. Und diese Verwegenheit muß einem noch groͤs- fer vorkommen, wenn man bedencket, daß selbst Mo- ses von den meisten unbegreiflichen Dingen, wie der Hr. Pr. von dem Stande der Unschuld lehret, nicht ein Wort erwehne. Der Bericht dieses heiligen Schrei- bers von dem urspruͤnglichen Zustande, und Fall des ersten Menschen ist so beschafen, daß man Muͤhe hat, sich einen rechten Begrif von diesen Dingen zu ma- chen, und es haben schon gelehrtere Leute, als der Hr. Prof. Manzel, und ich, angemercket, daß man gar wahrscheinlich aus der Erzehlung Mosis schliessen koͤnne, es habe der goͤttlichen Weißheit nicht gefallen, uns eine umstaͤndliche Nachricht von dem Zustande unserer ersten Eltern mitzutheilen S. les Nouvelles de la Republique des Lettres Juillet 1686 … de la maniere, heißt es daselbst, que Moise raconte ce funeste événement, il paroît bien que son intention n’a pas été que nous sçûssions comment, l’affaire s’étoit passée, \& cela seul doit per- . C c c 2 War- ( o ) Warum wollte man dann in Dingen gruͤbeln, welche GOtt uns zu ofenbahren nicht vor noͤthig erachtet habe? Mo- ses sagt uns, GOTT habe den Menschen nach seinem Bilde erschasen: Er habe ihn in einen schoͤnen Garten gesetzet: Der Mensch habe von der Frucht eines Baumes gegessen, welche ihm von GOtt zu essen verboten: Und sey desfals aus dem schoͤnen Garten vertrieben worden. Damit muͤssen wir zufrie- den seyn, und uns nicht einbilden, mehr zu wissen, als Moses. Weil sich nun der Hr. Prof. Manzel unterstanden hat, von der Erzehlung Mosis abzugehen, und uns aus der Vernunft mehr zu lehren, als dieser grosse Prophet uns gesagt hat: So war es noͤthig, zu zeigen, daß unsere Vernunft in den Sachen blind sey, und nicht einmahl den Stand der Unschuld begrei- fen, geschweige vor sich erkennen koͤnne: und daß es also eine unnuͤtze Arbeit sey, von solchen Sachen zu philosophiren. Die- ses ist meine Absicht, welche Ew. Hochwohlgeb. unmoͤglich werden tadeln koͤnnen. Uebrigens wird es mir eine sonderliche Freude seyn, bald zu vernehmen, wie Ew. Hochwohlgeb. moine Gedancken uͤber die Schrift des Hn. Manzels gefallen habe. Jch habe sie auf De- ro Befehl zu Papier gebracht, um Jhnen auch dadurch zu zei- gen, mit wie vielem Eyfer ich sey Ew. Hochwohlgeb. Schwerin den 30 November 1726. gehorsamster Diener E. v. W. suader à toute personne raisonnable que la plume de Moïse a été sous la direction particuliere du S. Esprit. En effet si Moïse eût eté le maître de ses expressions \& de ses pensées, il n’auroit jamais enveloppé d’une fa- çon si étonnaute le recit d’une telle action; il en auroit parlé d’un stile un peu plus humain, \& plus propre â instruire la posterité, mais une sagesse infinie le diri- geoit de telle sorte qu’il écrivoit non pas selon ses vûës, mais selon les desseins cachez de la Providence. ERN. JOH. FRID. MANTZELII, JURIS ET PHIL. DOCT. AC MORALIUM PROFESS. ORD. IN ACADEMIA ROSTOCH. PRIMÆ LINEÆ JURIS NATURÆ VERE TALIS. SECUNDUM SANÆ RATIONIS PRINCIPIA DUCTÆ. ROSTOCHII , APUD GEORG. LUD. FRITSCHIUM. 1726 . SOBRIE PHILOSOPHANTIBUS. PRÆFATIO. I n ea reservati sumus tempora, ubi e- quidem juris naturæ nobilissimæ do- ctrinæ multi haud infimæ caveæ viri ingenia \& operam suam impendunt; ast in- simul experimur, multitudinem de eame- ditantium id efficere, ut dignum hinc inde eidem non statuatur pretium: Mox etenim Logomachiæ, circa definitionem \& prin- cipium hujus juris; Mox confusio rationis \& Juris Naturæ; mox indiscreta oppositio J. N. \& Decalogi, seu J. N. per naturam \& scripturam exhibiti; Mox non rite fa- cta distinctio Juris Naturæ \& Gentium; Mox denique præjudicia ex Jure Civili hausta, tædiosam confusam \& spretam reddunt hanc doctrinam. Ego dulcedine ejus captus, diu mul- tumque meditatus sum, annon forte via possit inveniri per quam omnes incertitu- C c c 4 di- ( o ) dines effugere, \& ad vera intimaque juris naturæ penetralia pervenire detur; tanta autem mentem meam detinuit fluctuatio, ut fere desperaverim: Ne tamen qualia- cunque mea cogitata mihi soli habeam, publico ea communicare decrevi. Non vero ea hoc faciam persuasione, ac si jam credam, me aliquid scribere o- mni exceptione majus; sed ut potius ex- periar, in quantum hæ meæ theses vel calculum eruditorum mereri queant, vel quousque contrasentientes me in re- ctiorem viam ducere valeant. Rogito itaque, ut illi, quibus supra vulgus sapere datum est, scripta mediten- tur, suasque observationes placide expo- nant: Forte enim ea ratione ad certitudi- nem quandam deveniemus, \& multis liti- bus, alias immortalibus, definitiva fere- tur sententia. Faxit DEUS T. O M. ut ducamur in omnem veritatem, \& ut cor- data intentio suo non careat fructu. TRA- TRACTATIO. §. I. N eminem sobrie de aliqua doctrina medi- tari posse, nisi qui genuinam ejus defi- nitionem præsupponit, omnes saniores mecum confiteri, confido. Quo magis igi- tur intricata est doctrina juris naturæ, eo sol- licitius de ejus definitione circumspiciendum erit. §. 2. Quantum igitur, sepositis omnibus præjudiciis, hactenus mihi invenire licuit, ju- ris naturæ vere talis definitio ex sequenti fluit conceptu: DEUS T. O. M. consentientibus omnibus qui insani non sunt, Auctor, crea- tor, fons \& origo omnium rerum est; ast non solum creator, sed etiam providus est conser- vator, quod ipsum ex omnium rerum natura- lium admirabili connexione \& propagatione liquido apparet, adeo ut lapis \& bestia esset, qui vel in fædissimum Atheismum delabi, vel statuere vellet, primum creatorem res creatas amplius non curare. §. 3. Hanc creationem, hanc providentiam, homini, ceu præstantissimæ creaturarum, iti- dem propriam esse, nullus inficias ire poterit; C c c 5 Im- ( o ) Immo, quod majus est, ommnis docet circum- stantia, huic homini singulares a creatore tribu- tas esse prærogativas, \& quidem potissimum in eo, quod anima rationali eundem præditum esse voluerit summus Monarcha. §. 4. Constat porro, hanc animam rationa- lem homini eapropter datam esse, ut non solis motibus naturalibus ad sui conservationem urgeretur; se ut potissimum intellectu sum- mum Creatorem agnosceret, eundemque ad- miraretur, \& quoad se ipsum habita distin- ctione boni \& mali id eligeret, quod salutare, quodque noxium vitaret. §. 5. In eo enim omnis Moralitatis princi- pium constituere fas est; quod Deus homi- nem, qua intellectum, voluntatem \& appe- titum sensitivum prefecerit, ac viribus istis, qua originem effectum ac finem fere divinis instruxerit dotibus, ut in sola specie boni libe- rum suum exerceret arbitrium, non quidem uniformiter, æqualiter \& identitate quadam ratiociniorum actionumque atque sic fatali ne- cessitate abs una ad alterum raptus, sed po- tius, quoad objecta id tulerunt, egregia ac planissima libertate, in specie boni sagaciter ac sanctissime dinstingueret, prudentissime se- ligeret, ac juxta dictamen rectæ rationis, quic- quid meditando ac agendo absolverat, in pra- xin \& applicationem semper felicem \& perpe- tim gloriosam duceret; nam si Deus homi- nem ita disposuisset, ut uniformiter agere tan- tum potuisset, non unquam bene vel male eundem ( o ) eundem egisse ipse Deus judicaturus fuisset. Ast de hac materia infra. §. 6. Rebus itaque sic stantibus prona fluit necessitate, Deum præter inclinationes natu- rales, quas homines cum brutis communes habent, normam aliquam mentibus eorun- dem indidisse, secundum quam vitam suam instituere debebant. §. 7. Et hæc ipsa norma verum est jus natu- ræ, quod eapropter explicatius ita describen- dum: JUS NATURÆ vere tale est norma illa, quam Deus creator hominibus mediante anima ra- tionali patefecit, secundumque quam vivere illi debe- bant eligendo bona vitandoque male ad conservan- dam felicitatem. §. 8. Absit autem ut statuam homines hodie adhuc vivere in primo illo statu, in quo Deus ipsos vivere voluit; Contrarium enim firmiter teneo, \& in subsequentibus perspicue sola etiam ex ratione demonstrabo. §. 9. His hactenus positis satis elucescit, communiter tractatum jus naturale, quod sci- licet accommodatur ad præsentem mundi sta- tum, abusive ita appellari: Ita enim res com- parata est quod utique illi compilatores syste- matum \& Compendiorum Juris naturæ lauda- bilem præstiterint operam, dum abstrahendo ab omni lege civili solo rationis ductu expo- suerunt justitiam \& æquitatem in omnibus actionibus humanis observandam. §. 10. Imo, non sum contrarius, quod cer- to respectu illa elaborata possint dici jus natu- rale, ( o ) rale, si scilicet naturale accipitur pro Syno- nymo æqui bonique. Sic ex gr. recte dici- mus, naturale esse, ut debitor solvat debitum, ut Commodatarius restituat rem commoda- tam, ut conductor præstet locarium \&c. Es ist natuͤrlich, daß der Schuldner bezahle \&c. §. 11. Hæc dicta probe pensitans insignem agnoscet distinctionem inter id quod æquum sive naturale in sensu vulgari est, \& inter id quod juris naturæ vere talis in primis funda- mentis est. Quapropter descriptioni datæ §. 7. addet \& inseret vocabula. In statu suo per- fectionis. §. 12. Bene hic prævideo, quantum jam in me suscipiam onus probandi, quod scilicet citra revelationem ex sola Philosophia sibi re- licta demonstrari queat, hominem constitu- tum fuisse in statu a præsenti longe alieno \& multo feliciori; nisi enim hoc fecerim e- jusdem culpæ cum VALENTINO ALBERTI, Theologo olim Lipsiensi , reum me facerem, qui scilicet statum integritatis in Sacra Scriptura enarratum in terminis terminantibus suæ do- ctrinæ Juris naturæ ceu fundamentum suppo- suit, \& rex reliquis ruderibus imaginis divinæ suum Jus naturæ consarcinavit, a quo tamen longe me dissentire serio profiteor. §. 13. Præstandum igitur id ipsum erit, quod promitto, imo illud præstabo, modo paucis genuinum omnium jurium conceptum præ- mittam, quo cuilibet, etiam eorum alias igna- ro, ( o ) ro, constet, quæ speciebus jurium intersit di- stinctio. §. 14. Liceat autem ab inferioribus incipe- re speciebus \& ita pergere ad supremam, quam jus naturæ vere tale merito appellamus, \& circa quam præsens versabitur meditatio. §. 15. JUS CIVILE itaque est norma illa, quam quilibet principes in suo distincto territorio suis præscribit subditis, ut pro status ratione omnia feliciter peragantur: perpetuo tamen præsupposi- tis præceptis Juris vere naturalis, \& veritatibus moralibus. §. 16. JUS Gentium est norma illa universa- lis secundum quam Gentes in genere actiones suas dirigunt ad consequendam felicitatem. Vel clarius: Est dictamen rectæ rationis de eo, quod fieri vel non fieri debet ad acquirendum bonum \& evitandum ma- lum publicum privatumque: Et in eo sensu Jus Gentium Synonymum est cum Jure Æquo \& vulgariter sic dicto naturali. §. 17. JUS DIVINUM est norma illa, quam DEUS in verbo suo revelato hominibus patefecit eum in finem ut se incertis quibusdam capitibus imbecillitate intellectus excusare nequeant. Imo in eo hæret genuinus conceptus diversitatis Juris vere naturalis \& divini, quod DEUS, ceu Legislator totius Reipublicæ humanæ, in prima creatione mundi accommodaverit Le- ges naturæ ad illum statum, in quo citra pec- catum formale cives vivere poterant; Quod autem existente defectione, ob motus pecca- minosos, varia positive prohibuerit, quæ an- tea ( o ) tea in solo materiali mala non erant, jam au- tem ob accedens formale pro sua sapientia, Deus tolerare non potuit. §. 18. Tandem autem JUS NATURÆ vere tale est illa norma, quam DEUS in prima felici- tate constitutis hominibus indidit, ut secundum illam vitam suam dirigerent ad conservandam sta- tus sui perfectionem. Hincque frustra disquiri- tur de eo quod Juris naturæ est nec ne, nisi ad hunc statum perfectionis oculi tendantur, \& genuinæ propositiones inde eliciantur. §. 19. His dictis abstrahendo ab omni reve- latione ex sola ratione ducenda erunt argu- menta probantia, homines jamjam non vive- re in statu illo, in quo Deus ipsos vivere vo- luit, sed in statu hypothetico, \& penitus cor- rupto. Sunt autem ea sequentia: §. 20. DEUS omnium rerum creator sine dubio essentia sua est perfectissimus, ideoque non nisi perfecta \& perfectissima creare po- tuit; imo in omnibus naturalibus, quæ infra, circa, \& supra nos observamus, summam ad- miramur perfectionem, solo excepto homi- ne, qui, licet qua essentiam suam, speciem non mutet \& verus homo, vel in ipso statu imperfecto sit ac maneat, in commercio ta- men cum hominibus omni tristiori modo ex- peritur, quod anima sua, qua intellectum vo- luntatemque, sensus item \& affectus, mille- nis vicibus sit afflicta, in deterius versa, imo irremedibili ferme morbo subacta, ut insimul corpus etiam casibus millenis tristioribus, fa- tis ( o ) tis \& morbis subjiciatur. Unde concluditur, hunc hominem non ita creatum esse, sed per- fectionem primam casu violento amissam es- se. Ut taceamus, hominem in puris natura- libus relictum bestiam esse omnium fædissi- mam infelicissimamque. §. 21. Hanc meditationem excipit sequens: Omnis legislator tenetur subditis suis tales præscribere leges, quas illi examussim serva- re possunt, nisi enim hoc secerit, tyranni no- tam non evadit, qui leges publicat supra vi- res civium, eum in finem, ut in transgresso- res sævire queat. Jam autem citra dubium, Deus legum naturalium sive principiorum no- biscum natorum autor est, voluitque, ut \& sui cultus \& conservatio propria \& abstinen- tia a læsione proximi perfecte observaretur: Docente autem flebili experientia contrarium, illa emergit conclusio: Homines præsentes non vivere in illo statu, in quo ex intentione summi legislatoris vivere debebant, sed longe alienos illos esse. §. 22. Porro id ipsum demonstrat perpetua illa lucta carnis \& Spiritus, quam ceu satis deplorandam ipsimet gentiles agnoverunt, confitentes, hanc luctam non esse a DEO T. O. M. sed principio malo, utut Diaboli, quem revelatio in terminis novit, nullam habuerint notitiam. §. 23. Quibuscum jungenda erunt illa, quæ illi ipsi gentiles de aureo finxerunt seculo, quo durante nimirum nec morbi nec inimici- tiæ ( o ) tiæ nec alia fuisse mala enarrant, noviora tem- pora ceu Ænea \& ferrea damnantes deflentes- que. Audiamus omnium ad instar Ovidium Lib. I. Metamorphoseos Fabula III. ita canen- tem: Aurea prima sata est ætas, quæ vindice ullo Sponte sua sine lege fidem rectumque colebat. Pœna metusque aberant, nec vincta mina- cia collo Ære ligabantur, nec supplex turba time- bat Judicis ora sui, sed erant sine judice tu- ti Nondum præcipites cingebant oppida fos- sæ, Non turba directi, non æris cornua flexi, Non galeæ, non ensis erat, sine militis usu Mollia securæ peragebant otia gentes. Ipsa quoque immunisr astroque intacta, nec ullis Saucia Vomeribus per se dabat omnia tel- lus, Contentique cibis nullo cogente creatis Arboreos fœtus, montanaque fraga lege- bant, Cornaque \& in duris hærentia mora rube- tis, Et quæ deciderant patula Jovis arbore glan- des. Et ( o ) Et post pauca penitus contrarium scilicet fer- reum ita describentem: Protinus irrumpit venæ pejoris in ævum Omne nefas: Fugere pudor verumque fi- desque In quorum subiere locum fraudesque doli- que \&c. §. 24. Et quamvis forte objici posset Gen- tiles hanc meditationem hausisse ex traditio- ne \& communicatione cum Judæis; non ta- men deficiunt, quæ reponi queant, vel ad probandam impossibilitatem communicatio- nis, vel ad demonstrandum, hæc meditantes scriptores suis solis inhærere pensitationibus; Quin, si \& vel maxime habuerunt id qua do- ctrinam pleniorem a Judæis aliqui; Eo ipso tamen nihil aliud efficitur, quam quod san- cta revelatio ipsum illud etiam Jus Naturæ docuerit, atque sic, quod imperfectius agno- verant, ipso Sacro Codice magis illustratum sit. §. 25. Imo non opus est, ut hæc tam lon- ge petamus; consideremus modo præsentem nostrum statum, in quo hominis miseria tan- ta est, ut ejus conditio quoad labores, vi- ctum \& amictum longe miserabilior sit omni conditione brutorum, quippe quæ in diem vivunt citra curas \& defectus, nec unquam, si suæ linquantur libertati, fame vel alio malo pereunt. Quis autem jam adeo obesæ naris esset, ut diceret hominem esse præstantissimam D d d crea- ( o ) creaturarum, quas philosophia novit, insi- mulque diceret, illum ipsum hominem esse omnium creaturarum miserrimam: Talia e- nim Contradictoria de DEO sapientissimo, hæc ita disponente, efferre, scandalosum \& nefas esse defendo. Et quod dictu insipidum esset: Bruta in suis speciebus vivere tranquil- le \& pacifice, homines autem se invicem læ- dere, infestare, \& mordere divinæ providentiæ adscribendum esse. §. 26. Hanc deductionem mirum in mo- dum sublevat consideratio fructuum hominis conservationi primario inservientium, quippe qui non sine maximo labore \& sudore e ter- ra aratris præparata producuntur, imo qui, nisi illo labore propagarentur, brevi tempo- ris lapsu penitus exstirpati essent. Cum con- tra omnia naturalia brutis inservientia ultro, citra humanam curam, in perpetua serie \& connexione propagentur, continuentur. §. 27. Satis, ut credo, quilibet angnoscit, me fructuum nomine indigitare frumentum stricte sic dictum, scilicet triticum, siliginem, hordeum, avenam, pisa, lentes, fabas \& his similia. De his autem speciebus certo per- suasus sum, quod, (liceat jam in subsidium vocare creationis historiam) comprehensæ sint sub illa benedictione: Die Erde lasse aufge- hen Gras und Kraut, daß sich besaame \&c. Et dum jamjam terra per se illas non produ- cat, clarum redditur, violentum aliquod ac- cidisse, propter quod Deus benedictionem hanc ( o ) hanc suam aliquantulum retractaverit; liceat iterum historiam primam conferre, ubi inve- nimus hanc maledictionem: Verflucht sey der Acker um deinet ( scil. Adams) willen, h. e. quo- ad portionem tuam , in den proventibus, die dir hauptsaͤchlich nuͤtze sind, mit Kummer solt du dich darauf nehren dein Lebenlang; Jm Schweiß dei- nes Angesichtes solt du dein Brod essen: Et licet aliqualem suam adhibuisset operam homo, ta- men citra incommoditatem id factum fuisset, \& non secus ac videmus amœni horti culto- rem insigni cum delectatione, licet non sine opera, circa sua versari. §. 28. Sufficerent equidem hæc dicta argu- menta, juvabit tamen \& plura huc facientia referre, quorsum haud immerito numerari potest, meditatio de fine creati mundi. Sic etenim in aprico est, hunc mundum non ab æterno existere, sed in tempore factum esse: Factum eundem esse primario in argumentum gloriosæ potentiæ divinæ, \& ut aliquid esset hanc potentiam admiraturum, factum simul esse hominem, anima rationali præditum, vi cujus Majestatem Creatoris agnoscere \& cele- brare possit: Factum porro mundum esse in eadem temperatura quatuor anni temporum, frigoris \& caloris, ut \& Climatum qualis jamjam illa est, \& quidem ita, ut ubique perfectissimus inhabitatoribus sisteretur para- disus. §. 29. Nam qui sobrie meditatur, non, ut credo, sibi imaginari potest, illum solam re- D d d 2 gionem ( o ) gionem Asiaticam ad Euphratem sitam Paradi- sum futuram; sed potius concipiet, illam par- tem felicem terræ, in qua primi homines con- stituti, fuisse, testante revelatione, in Asia, non denegata aliis orbis partibus qualitate pa- radisiaca. §. 30. Abstraham compendii gratia a Philo- sophia sibi relicta, \& sequar historiam crea- tionis biblicam: Sic invenio: Adamus \& Eva erant in Paradiso: Genus humanum per illos propagandum erat, ita, ut universus eorundem semine impleretur mundus: Ex intentione Dei nunquam lapsurum erat genus humanum: Nam illud ipsum viribus omnibus sufficientis- simis, tam in commercio cum Deo, quam in commercio cum hominibus, erat instructum, ut se adversus quamcunque inquinationem \& prævaricationem omnium sanctissime \& inte- gerrime tueri posset. Consequenter omnis multitudo hominum pari felicitate beanda e- rat: Paradisus Asiaticus illi sustentandæ non suffecisset, imo ea ratione, si nimirum forte id fieri potuisset, maxima pars mundi frustra creata esset: Hinc fluit firmissima propositio: Totum mundum ea intentione a Deo factum esse, ut perfectissimus in omnibus oris esset paradisus. §. 31. Imo nil obstat quin statuam, quasli- bet provincias sua ratione paradisum repræsen- tare posse, si scilicet ea ultro, minimum labo- re delectabili ac gratioso, producat, quæ jam sudori- ( o ) sudorifero labore eliciuntur, modo attenda- mus incolarum temperamenta iisque conve- nientia: Certo enim est indicio, ea, quæ in hac vel illa regione ordine naturæ non proveniunt, sed vel multo artificio plantantur, vel aliunde asportantur, istius Climatis incolis si non no- civa forte tamen nec tam proficua esse, quip- pe quos contentos esle decet illis fructibus, qui suo sub tractu cœli naturaliter, adhibita li- cet manu humana, progerminant. §. 32, Facile quilibet subolfacere poterit, cur hæc dixerim, nimirum ut prona conse- quentia concluderem: Hodie homines non vi- vere in eo felicitatis statu, in quo Deus ipsos ex prima sua intentione vivere voluit, sed penitus ipsos in statum deteriorem delapsos esse. §. 33. Patitur materiæ dignitas, ut plura cu- mulem argumenta, quæ licet separatim sumpta non omnem evincant veritatem, conjunctim ta- men considerata non sine pondere erunt. Aspiciatur igitur distinctio inter animalia fe- ra \& mansueta: An quis unquam sibi imaginari potest, Deum Creatorem in prima creatione e- andem stabilivisse? \& annon potius sobrie rem perpendens judicabit: In prima origine rerum Deum omnia animalia in una æqualique consti- tuisse natura; unde concludendum, præsen- tem differentiam necessitate urgente ex artificio humano ortam esse, quo scilicet homo domi- nio universali \& absoluto in bruta privatus, ha- beret in mansuefactis, quæ suo prompte inser- viant usui. D d d 3 §. 34. ( o ) §. 34. Et hæc cogitantem penitus persuadebit facta inductio animalium, quæ nunc dicimus mansueta, quippe quæ in omnibus speciebus ita sunt comparata, ut inter fera certæ inveni- antur classes, ex quibus illa arte derivata esse apparet. Quæ autem forte moveri possunt in contrarium argumenta, tanta non sunt, ut me de ponte propellant. §. 35. Primas autem lineas me hic ducturum esse, promisi, quapropter licet hæc uberius de- duci queant, tamen progredior ad sequentia. Sic itaque haud leve etiam ducitur argu- mentum a diversitate staturæ humanæ: Vix etenim credibile videtur, Deum in prima crea- tione aliter disposuisse, quam quod homines forma, figura, \& statura æquales essent futuri: Unde sequeretur conclusio, modernam inæ- qualitatem in robore corporis, membrorum- que haud æquam in omnibus proportionem imperfectionis haud contemnendum esse in- dicium. §. 36. De incommoditatibus nostræ huma- nitatis superius equidem quædam dicta sunt, ast liceat hic speciatim de morbis \& ægritudinibus tam corporis quam animi humani paululum disserere. Miserrime enim constitutus est ho- mo, dum omni tempore periculo morborum subjectus est, imo in ipsos illos incidit haud raro præter omnem culpam suam, \& multoties ex culpa levissima, \& quam non nisi a poste- riori, imo tunc vix quidem agnoscere potest. Et ( o ) Et quod omnium calamitosissimum, sibi reli- ctus digna non potest mali invenire remedia. Contra bruta suæ libertati commissa vel nun- quam in morbos incidunt, vel si forte incide- rint, violento illis illato malo, promtissima, di- ctante natura, adhibent medicamina. Ne quid fuse dicam de affectibus animi ceu infensissi- mis sanitatis \& vitæ nostræ latronibus, quos in- dubitatos habemus testes, infelicitatem no- stram in haud mediocri constitutam esse gradu, dum nimirum eorundem moderamen supra tenuitatem nostram positum est. §. 37. Non equidem deficerent plura his jun- genda argumenta, verum, cum hactenus al- lata tanti roboris esse putem, ut contrasenti- entes convincere queant, illis nulla addam, præter famosissimam illam considerationem di- stinctionis dominiorum, quippe quam distin- ctionem non a natura esse, sed indicium fa- cere argumentumque status corrupti philoso- phicum, saniores nobiscum confirmant. Imo ipsos hac in parte non falli, res ipsa loquitur, quia citra injuriam statui non potest, summum creatorem in primordio rerum ejusmodi distin- ctionem dominiorum ceu matrem tot Vitio- rum \& fontem multæ miseriæ, intendisse, stabi- livisse. §. 38. Quantum igitur jam videre licet, ipsa sana ratio consentit, imo apodictice probat, præ- sentem statum mundi quoad homines a primo D d d 4 esse ( o ) esse longe alienum deterioremque. Unde cer- to fluit de jure naturæ vere tali meditantes frustra considerare mundum præsentem, sed oculos dirigendos esse ad statum amissum, quo inde eliciantur vere juris naturæ propositiones. Hoc negotium autem multis obnoxium esse difficultatibus equidem prævideo, ast nihilo- minus pro virili illud suscipiam. §. 39. Præmittenda igitur erit brevis de- lineatio status illius olim possessi, dicendum- que, quantum per ratiocinationem mihi as- sequi licet, quibus in circumstantiis felicis seculi vixerint homines. NB. Neminem of- fendat, quod solenniter rogito, me hic phi- losophice procedentem, statum felicitatis non adeo brevissimo includere tempori, in- deque fingere, ac si multi homines un- quam eodem gavisi fuissent. Quapropter non plusquamperfecto Conjunctivi, sed perfecto Indicativi uti, causæ postulavit tra- ctatio. §. 40. Quoad itaque essentiales partes, ho- mines constiterunt ex corpore \& anima, al- tera scilicet harum partium materiali, altera immateriali. Immaterialis pars sive anima duplici opera- tione non secus ac hodie se exseruit, hac ta- men in situatione: Intellectus fuit purus, o- mnium rerum \& naturalium \& moralium per- fecte gnarus, imo in omnibus individuis accu- rate æqualis, probe tamen facta hac distinctio- ne, ( o ) ne, an ad perfectam quis pervenisset ætatem, nec ne; Tempore enim a nativitate primo intel- lectus omnino se exseruit, imo in eo gradu, qualis ad conservationem pro tempore necessa- rius fuit, successu autem ætatis majorem suam vim exhibuit. Seniores autem Junioribus in eo prævaluerunt, quod experientia \& factis, quorum memoria ipsis constituit, imo forte re- velatione, magis inclaruerunt. §. 41. Et ut explicatius mentem prodamus: In naturalibus, sciverunt omnium rerum vir- tutes, nocentiaque vitarunt, conducentia vero apprehenderunt. In moralibus notitiam habuerunt solius bo- ni, \& in specie sola boni generosum exercue- runt arbitrium, hoc vel illud agendi, scive- runt etiam hoc, quod simulac normam hanc suæ perfectionis relinquerent, ac adversus eam prævaricarentur, malum ipsos esset invasurum; Conferatur commune dicterium: Homines an- te lapsum ita comparati erant, ut poterant non pecca- re non ita, ut non poterant peccare. §. 42. Perfecta itaque spontaneitate, quæ in sola specie boni exserebatur, egerunt homines: Et si jam, abstrahendo ab omni historia Sacra, philosophari licet, felicitatis tristis Catastrophe exinde orta esse videtur, quod incredulitate la- borare inceperint \& fide ac obsequio summo Suo Imperanti denegatis, ad malum versi sint, tunc enim curiositas \& superbia \& diffidentia \& fluctuatio adversus moralitatem actionum hactenus omnino sanctam, tum ad contraria D d d 5 mala ( o ) mala omnia lacessitos, omnium turpissime \& rebellibus motibus inescavit atque infelicitatem introduxit non modo actus, sed \& habitus peccaminosi. §. 43. Stultissime autem a nasutilis quibus- dam hic Deo aliquid imputatur; Si enim homi- nes ita creasset, ut uniformiter \& necessario age- re tantum potuissent, omnis plane exspirasset moralitas, quam tamen existere oportebat, si bene vel male aliquid gerendum, \& si gratia \& laus secutura erat. §. 44. Sic constituta igitur situatione hominis non nisi unica conscientiæ classis exstitit, scili- cet RECTÆ, quod ex §. 41. patescit: Igno- rantia juris non adesse, \& error in moralibus non subrepere potuit. §. 45. Prætereaque multa quæ jam violen- to modo hominem ad mala protrudunt \& im- pellunt, cessarunt, veluti in affectibus: Amor enim fuit purus \& solius boni, sub se com- prehendens contrarii aversationem non coa- ctam: Gaudium se exseruit serenissimum de iis, quæ vero gaudio digna: Tristitia autem nullas habuit partes, odioque nullus relictus fuit locus in eo sensu, quo jam illud accipi- mus. §. 46. Sic porro temperamentorum diversi- tas huc reverri solita, tunc longe alia fuit: Ut- ut enim pro diversitate plagæ cœli homines ali- ter \& aliter in materialibus dispositi forte fue- rint; tamen in spiritualibus quoad animum \& ani- ( o ) animam nulla plane exstitit diversitas. Quod ipsum dilucido potest esse argumento, adhuc in statu præsenti animam ita gubernare posse tem- peramentum, ut minimum non necessitet ad male agendum. §. 47. Tandem nec consuetudo nec ebrietas ut entia rationis in illo statu, ullius fuere mo- menti: Imo nec metus nec coactionis emer- sere vestigia. §. 48. Hæc speramus pro rudi delineatione conditionis humanæ sufficiunt, modo adje- cerim quæstionem: An \& qua norma dire- cti vitam vixerint homines? Ad quam bre- viter respondendum: Sine norma cessasse mo- ralitatem vid. §. 43. Constitisse autem candem in perfecta boni \& mali cognitione, ut \& vo- luntatis divinæ scientia, quam sine dubio Deus ipse immediatis revelationibus declaravit \& confirmavit. §. 49. Hæc norma igitur omnibus ob oculos versata fuit pro virtute intellectus: Seniores autem, ut multorum factorum memores juni- oribus ea uberius ponderanda propinarunt. §. 50. Subjungenda hic autem merito ve- niunt aliqua, circa hominem necessario me- ditanda, veluti de vitæ ejus subsidiis \& leva- mentis, ut \& de morte. Quod itaque attinet vitæ subsidia, adeo clarum esse credimus quam quod clarissimum: DEUM præstantis hujus creaturæ autorem noluisse, ut illa sola mise- ram \& calamitosam viveret vitam, sed ut sin- gulariter ( o ) gulariter felix \& frugalis illam transigeret. Lo- cavit itaque hunc hominem in paridisum, hoc est in mundum omnia in superlativo produ- centem, quæ ad cibum \& potum poterant es- se necessaria. Conf. ea quæ superius dicta sunt de paradiso. §. 51. Imo quid proprii sibi assumserint ho- mines clarissimum est, scilicet eas fructuum species, quos hodie in nostros usus specialis- sime, utut duro labore \& insigni artificio con- vertimus \& quæ tunc ultro, non secus ac aliæ herbæ \& gramina in usus bestiarum, sine fere humana manu copiosissime \& sufficienter creverunt; Præterea etiam jure dominii occu- parunt feras, volucres es pisces, levi in captu- ram impensa opera, horumque carnibus usi fuerunt. §. 52. Et ut de corporis habitu \& tegumen- tis paucula dicam, probabile satis est, bene- ficam naturam hoc est DEI providentiam vel hominum cutes adeo reddidisse duras, ut tem- pestatum fuerint patientes; vel etiam alia ratione, ipsis pro prudentia assignasse alia tegmina. §. 53. Tandem ut de morte judicemus: Multorum equidem eruditorum, potissimum Theologorum, est sententia, homines in sta- tu illo felicitatis mortem passos nunquam fu- isse; Ast contrarium videtur ob multas ratio- nes verius: Quapropter statuendum esse reor, homines ( o ) homines illos felices crevisse, adolevisse, sine- que impedimento morbi \& læsionis ad perfe- ctam pervenisse ætatem, in ea stetisse, tandem- que justo a Deo per naturam statuto termino, animaque vegetativa officia denegante, ani- mam a corpore separatam esse. §. 54. Annon autem fortean DEO placue- rit loco mortis homines effœtos in alium mutare statum, vel aliorsum totos transferre hoc ratio- nis non est determinare, quippe quæ omni- potentiæ divinæ limites non ponit, volunta- temque ejus sibi cognitam non esse confite- tur. Indeque quod attinet statum post hanc vitam ignorantiam suam Philosophia ingenue prodit, hoc interea firmiter asserto, in vitæ ordinariæ continuatione homines manere non potuisse, pro hujus mundi capedine. Sed dicta hæc sunto salvis Theologorum sen- tentiis. §. 55. Constituebam equidem in hactenus di- ctis pro præsenti tempore acquiescere \& specia- liorum tractationem postmodum communica- re; Verum ne lectorem penitus in suspenso re- linquam, juvabit primas officiorum hominis duxisse lineas, quarum limatiorem efformatio- nem in futuris promittimus meditationibus. Quod itaque attinet OFFICIA HOMINIS PERFECTI ERGA DEUM, Tribus illa sunt exponenda, scilicet ea consti- tisse in perpetua celebratione Creatoris omni- um ( o ) um rerum, \& providentis earum gubernatoris \& conservatoris: In gratiarum actione , laude \& admiratione. In perfecto amore \& observantia præceptorum divinorum, sive per solam ratio- nem, sive per revelationem communicatorum: In acquiescentia in suprema directione \& provi- dentia. §. 56. Quibus autem signis externis hunc cultum, declaraverint homines, hoc Philoso- phia determinare non audet; Utut sacrificio- rum oblationem \& usum nullum fuisse decla- ret. Confer. FRANTZII Schola Sacrificiorum disputat. 1. \& 2. Imo tantum ceu clarissimum statui potest, specialis conventus ad hunc cul- tum peragendum adornatos fuisse. §. 57. Quod concernit OFFICIA HOMINIS ERGA SE IPSUM. Unico illa comprehendi possunt commate, sci- licet eadem constitisse in conservatione vitæ \& felicitatis: Quæ conservatio facillima fuit, pro notitia omnium salubrium \& nocivorum. La- borandum itaque fuit, sed sine sudore \& absque incommoditate. §. 58. Propero atque devenio ad OFFICIA HOMINIS ERGA ALIOS. Æqualitate igitur omnimode inter homines perfectos stante, cessarunt officia superiorum erga inferiores, nam utut aliquale directorium seniorum in juniores admitti queat, non tamen vel dominii vel subjectionis vera apparent ve- stigia. §. 59. ( o ) §. 59. Primarium igitur officium erga alios in eo constitit, quod omnes sese æqualiter tractaverint, excepta patribus familias exhi- benda ultronea reverentia. §. 60. Læsiones verbis vel factis emergere non potuerunt, vi ipsius observatæ æqualita- tis \& ob perfectissimum amorem proximi: Hisque stantibus nulla ad resarcienda damna fuit obligatio. Circa possessiones rerum litigia non fue- runt orta, in perfecta enim communione bo- norum \& omnimoda vixerunt sufficientia, so- laque occupatio pro tempore necessariorum, utilium \& jucundorum induxit dominium, ci- tra tamen ullius, idem \& simile habentis, præ- judicium. §. 61. Pacta \& contractus celebrare non debuerunt, nisi forte permutatione alter ab altero occupata, sua fecit; Utut ne hoc qui- dem statuere opus sit, quia nemo plus neces- sario occupavit, \& cuilibet idem habere inte- grum fuit. Quotquot igitur jam dantur contractuum \& pactorum species, ea tamen omnes status sunt hypothetici: Et his stantibus, nec do- lus, nec metus, nec vis, in censum vene- runt. Imo ut specialissimi quicquam dicamus in- signis illa controversia: Utrum testumenta sint juris ( o ) juris naturœ? hic finalem suam haber decisionem negativam. §. 62. Propagationem generis humani quod denique attinet, simplicissime factam illam fu- isse persuadeor, h. e. officia masculorum fuis- se, fœminas habiles \& nondum imprægnatas nec amplius lactantes iterum imprægnare: Quod ipsum equidem imperante natura, sed etiam dirigente ratione, sine tamen motibus pravis factum fuit, non secus ac in brutis ob- servamus, quæ certis temporum stationibus generationi student, alio autem tempore ni- hil in id negotium frustra impendunt: Unde non adeo contemnenda est eorum sententia, qui bruta nullam ex cohabitatione percipere voluptatem contendunt. §. 63. Hæc autem circa hominem perfectum in negotio procreationis ceu vera \& singularia obvenerunt: Quod ratio propagandi cum moderna una fuerit eademque. Quod non vagos exercuerint concubitus, sed quod unus uni se junxerit, eamque sibi soli habuerit sociam, quod inde elucescit, quia amor humanus fuit rationalis, \& quia multum temporis proles humana requirebat, donec fieret perfecta; Ne igitur onus educan- di in solam redundaret matrem, patrem opor- tuit esse certum, qui prolis suæ haberet cu- ram. §. 64. ( o ) §. 64. Notanter dixi, uni unam junctam fu- isse, unde patescit, Polygamiam in statu juris naturæ exulasse, \& quidem ipsa natura impe- rante, siquidem DEUS duos tantummodo cre- avit sexus, \& in utroque sexu individua nume- ro æqualia, adeo ut impossibile fuerit duas si- bi habere uxores. Videatur hoc fuse demon- stratum in Dissertatione mea de Polygamia Sect. II. §. 65. Ut autem plura memorem singularia, statim a pubertate masculi \& fœminæ negotium procreationis inchoarunt, non enim tunc opus erat exspectare, donec requisitis etiam Oecono- micis instructiessent, quia omnibus omnia sup- petebant. Porro singulare fuit, Quod Maritus non fuerit dominus uxoris, sed socius æqualis: Contrarium enim statuere ejus- dem est absurditatis, ac si asseramus fœminas esse homines subalternos, quarum anima ratio- nalis equidem sit, ast gradu masculina inferior. Quod soror \& frater nunquam conjungi potue- rint per naturalem connexionem; Nam pubere fratre non dabatur ejus soror pubes, si scilicet post eum nata; si autem ante eum nata iterum eidem jungi non poterat, siquidem nec amplius erat vacans duobus scilicet annis ante ipsum na- ta. Verum videsne, L. B., hanc demonstratio- nem aliqua laborare obscuritate, quam in præ- sentiarum ob brevitatem dispellere non licet, quoniam biceps sub incudem vocanda est con- troversia, altera: quonam in momento ætatis plena sit collocanda pubertas? Altera, an in sta- E e e tu ( o ) tu perfecto nati etiam fuissent gemelli? Verum L. B. facile subolfacis hanc demonstrationem, quoad fratres \& sorores multum claudicare; Et qui non claudicaret. quia philosophia sibi reli- cta non potest liquida dare hujus capitis argu- menta prohibentia. Immo non opus est, ut nos circa illud angamus, nam sufficit Jure di- vino incestuosum esse istiusmodi concubitum, h. e. mutato Reipublicæ humanæ statu, DEUM cohabitationem fratrum \& sororum pro sapien- tia sua prohibuisse, postquam ad procreationem sobolis in statu perfecto materialiter tantum pe- ractam, accessit formale pravæ libidinis \& lasci- viæ. Conf. eà, quœ dicta sunt supra , §. 17. Non autem volo, ut hæc dicta extendantur ad Pa- rentes \& liberos, siquidem circa eorundem co- habitationem stant ea quæ §. sequenti dicentur. Ut taceam, quod singulare quid in ipsis perso- nis parentum \& liberorum huic negotio concu- bitus contrarium certissime deprehendatur. §. 66. Quæ hanc excipit demonstratio, clarior est: Quod scilicet parentes \& liberi nunquam potuerint invicem evadere conjuges nunquam enim Pater viduus factus fuisset, \& per conse- quens uni fœminæ jam junctus nunquam filiam uxurem adsciscere potuisset. Prouti \& reliquia capita \& gradus vere prohi- biti parili possunt ex natura deduci facilitate. §. 67. Præter hæc nihil in censum juris natu- ræ vere talis venire potest, utut dicta uberius deduci queant, id quod mihi serio reservo. Tan- ( o ) Tantum igitur evidentissimum esse reor, in præ- senti mundi statu multa male \& obtorto collo trahi ex isto jure naturæ, cum tamen alia via sit incedendum, scilicet posita generali consideratione mundi \& hominum quales jamjam sunt digne judicandum, quid jam ad acquirendam \& conservandam publicam \& privatam salutem, quanta illa etiam in hac miseria esse unquam potest, sit statuendum: Et hæc meditatio dicitur jus gentium vel abusi- ve jus naturale, scilicet: Ein natuͤrliches und bil- liges Recht. Imo ex illa meditatione, quia non omnibus datur penitius hæc intueri \& maxima occurrit varietas pro diversitate status rationis, capiunt summi Imperantes occasionem \& fun- damenta juris positi sive civilis, prouti ipsa Sa- cra Scriptura \& leges inibi publicatæ firmo sunt indicio, homines jam non vivere in statu pri- mo, quia in illo lege istiusmodi positiva scri- ptis \& tabulis comprehendenda non indiguis- sent. Quod ipsum argumentum superioribus accenseri meretur, juncto hoc generali, quod ipsa fluctuatio circa vera principia justi, homi- ni obrepens, sit signum status imperfecti quia lex in se perfecta est, in subjecto autem conci- piente videretur esse imperfecta. §. 68. His dictis itaqueacquiesco, \& promit- to limatiorem juris gentium tractationem h. e. deductionem sobriam, quid ex sola ratione, oculum dirigente ad statum præsentem, ju- stum injustumve sit. E e e 2 Tan- ( o ) Tandem repeto iterum iterumque id quod supra dictum est, scilicet hanc dissertationem non ea propter evulgatam esse, ac putem me in omnibus ultimam veritatis attigisse lineam, sed ut eruditioribus idem occasionem, hanc problematicam deductionem sine felle ube- rius meditandi. XII. Anhang XII. A nhang einiger A uszuͤge aus den Reuen Zeitungen von gelehr- ten Sachen, dem Hamburgischen Correspondenten, den Hamburgischen Berichten, und Niedersaͤchsischen Nachrichten. No. I. L uͤbeck. Von da aus ist uns folgender Aufsatz zugesendet worden, welchen wir woͤrtlich ein- ruͤcken. Unser Hr. Mag. Henr. Jacob Sievers hat neulich: Die Geschichte des Leidens und Sterbens, der Auferstehung und Himmelfahrt JEsu Christi mit kurzen exegetischen Anmerckungen erlaͤutert, ans Licht gestellet. Das Werckchen bestehet aus 12. Bogen. Die Vorrede, der Text, die Historie von der Zerstoͤhrung Jerusalem, das dreyfache Register, und das merckwuͤrdige Verzeichniß seiner bißhero herausgegebenen Schriften fuͤllen den Raum von 10½ Bogen. Die Vorrede, welche von den Fein- den und Freunden des Creutzes Christi handelt, ist be- weglich geschrieben, und jeder frommer Christ, der sie mit Andacht lieset, wird kein Bedencken tragen, den Herrn Verfasser, wie Er instaͤndig bittet, in sein Gebeth zu schliessen und GOtt anzuflehen: daß Er ihn mit Kraft ausruͤsten, und mit Gaben zieren wolle. Die Anmerckungen sind kurz, doch gelehrt und brauchbar. Z. E. p. 30. bey dem Worte: Da- heime, wird aus Bugenhagens ersten Niedersaͤchsi- schen Ausgabe der Paßions-Historie, sehr nuͤtzlich angefuͤhret, daß es Platteutsch im Huse heisse, wie p. 33. zu den Worten: Er stincket schon, aus eben dem Autore gruͤndlich gezeiget wird, daß es in der Nie- dersaͤchsischen Sprache mit He stincket rede gegeben werde: p. 39. wird Fuͤllen durch Valen erlaͤutert, u. s. w. ( o ) u. s. w. und noch auf dem Blatte, wenn der Text sa- gete: Die Juͤnger brachten die Eselin zu JEsu, leg- ten ihre Kleider darauf, und satzten ihn darauf, wird in einer feinen exegetischen Note sehr scharfsinnig ge- muhtmasset, daß es geschehen: Damit Er desto sanfter reiten moͤchte. Die Register sind sehr voll- staͤndig, und kan insonderheit das letztere denen, die sich die Niedersaͤchsische Sprache gelaͤufig machen wollen, statt eines Woͤrter-Buchs dienen. Bey dem Verzeichniß seiner bißhero herausgegebenen Schriften, dienet denen Kaͤufern zur Nachricht, daß wenn sie sich das 19. und 20ste Stuͤck anschaften, sie die Wercke von Num. 5. biß 17. inclusiv. zu kauf- fen nicht noͤthig haben: Jndem diese sich zu jenen beyden, als Theile zu dem Ganzen verhalten. Man traͤgt indessen keinen Zweifel, es werde der Hr. Mag. fortfahren, seiner lieben Vater-Stadt zum Ruhm, der beruͤhmten Gesellchaft, deren Mitglied Er ist, zur Ehre, und seinen wehrten Eltern zum Trost, die Anzahl seiner Schriften zu vermehren. No. II. Luͤbeck. Von daraus ist uns von Hrn. M. Sie- vers eigener Hand folgendes zugesendet worden. Er beschweret sich uͤber die eingesendete Recension seiner Anmerckungen uͤber die Paßion. Wie wir uns nun durch das Original desjenigen, was eingesen- det worden, rechtfertigen koͤnnen; so bitten wir uns aus, uns mit dergleichen Aufsaͤtzen zu verschonen, die noch dazu nicht selten Unkosten verursachen. Wer weiß aller Leute Umstaͤnde; und alle Anzuͤglichkei- ten fallen nicht so leicht in die Augen. Wenn sich E e e 4 end- ( o ) endlich die Herren balgen muͤssen, so muͤssen sie sich einen andern Kampf-Platz als unsere Zeitungen auslesen. Wir halten nichts von solchen Duellen. M. Sievers laͤsset sich die anzuͤgliche Recension, sei- ner Anmerckungen uͤber die Paßion, welche ein boß- haftiger und neidischer Mensch, dem Verfertiger dieses gelehrten Artickels zugesandt, und die dem 30. Stuͤck dieser Zeitungen auf Verlangen eingeruͤcket worden, so wenig anfechten, daß er schon aufs neue herausgehen lassen: Kurze Geistliche Andachten in gebundener Rede uͤber einige Stuͤcke aus der Paßi- on, welche mit Goͤttlicher Huͤlfe an denen Sonntaͤ- gen Judica, Palmarum und am stillen Freytage in der St. Marien-Kirche in Luͤbeck nach gehaltener Rach mittags-Predigt musicalisch aufgesuͤhret wer- den sollen. Jn 4 to 2. Bogen. Diese Andachten be- stehen aus 3. Poetischen Oratoriis, und handelt das erste von Judaͤ Verraͤtherey, das andere von Petri Verlaͤugnung, das dritte von den Wunder- wercken bey der Creutzigung Christi. No. III. Hamburg. Sollte es uns auch gleich etwa je- mand verdencken, so fahren wir dem ohngeachtet fort, abermahl einer Schrift zu erwehnen, die von dem aufgeweckten Verstande ihres Verfassers zeuget, und den Titel hat: Der sich selbst entdeckende X. Y. Z. oder L-c-s H-rm-n B-ckm-rs Rev. minist. Cand. aufrichtige Anzeige der Ursachen, die ihn bewogen, die Geschichte von der Zerstoͤrung der Stadt Jeru- salem mit kurtzen Anmerckungen zu erlaͤutern, und diese Anmerckungen unter einem falschen Nahmen ans ( o ) ans Licht zu stellen, zur Beruhigung und zum Trost des ( S. T. ) Hn. Mag. Sievers, imgleichen zu Rettung der Unschuld seiner Absichten wider aller- hand ungleiche Urtheile und Deutungen zum Druck befoͤrdert. 1733. in 8. von 3. Bogen. Schriften von solcher Art, als die gegenwaͤrtige ist, zu verfer- tigen, sind nur wenige geschickt. Die Vorrede soll der Verleger gemacht haben. Er giebt zu erkennen, daß ihm schon vor einem halben Jahre das Manu- script davon zu Haͤnden gekommen sey, und weil er, nach vieler angewendeten Muͤhe, dennoch nicht er- fahren koͤnnen, wer denn eigentlich unter dem X. Y. Z. verborgen liege, so habe er dasselbe, die Leser, so nicht murrisch sind, damit zu belustigen, in oͤfentli- chem Druck bekannt zu machen, nicht laͤnger an- stehen wollen, indem er glaube, daß eine so wohlge- sezte Satyre der Welt nohtwendig gefallen muͤsse: und darin hat er, auch unserer Meynnng nach, gantz recht. Hierauf zeigt der Herr Verfasser im Vorbe- richte, wie es die Liebe, die er sich selbst schuldig, erfordert, die garstigen Titel eines Spoͤtters und Pasquillanten, die man ihm unschuldiger Weise beygelegt, von sich abzulehnen und seine Ehre zu retten, weil es ihm nicht gleichviel sey, was die Leute von ihm gedencken. Solches geschiehet nun in der Abhandlung selbst gantz nachdruͤcklich. Vor- nehmlich aber redet er mit dem Hrn. Mag. Sie- vers sowohl ohne Ernst als im Ernst. Die Pro- ben seiner grossen Gelehrsamkeit sind geruͤhmt, und zugleich dargethan worden, daß der Herr X. Y. Z. des Herrn Mag. Sievers in den Anmerckungen uͤber die Zerstoͤhrung der Stadt Jerusalem durchaus E e e 5 nicht ( o ) nicht gespottet, sondern ihn nach Wuͤrden gelobt, auch dessen Anmerckungen uͤber die Paßion sich als ein Muster der Vortreflichkeit zur Nachahmung er- kohren, und nichts gesagt habe, was ihm zur Beschim- pfung gereichen koͤnne. Gedachte Anmerckungen, heißt es ferner, waͤren deßwegen unter einem verstell- ten Nahmen herausgekommen, um mit desto meh- rerer Sicherheit zu vernehmen, was kluge Leute von des X. Y. Z. ersten Schrift urtheilen wuͤrden. Daß man sagt, er habe die Nachahmung gluͤcklich getroffen, ist ihm lieb zu vernehmen; denen aber widerspricht er kraͤftiglich, welche in der irrigen Meynung stecken, man habe des Hrn. Mag. gespot- tet, und ihn durch dergleichen Lobes-Erhebungen laͤcherlich zu machen gesucht. Der Hr. Mag. Sie- vers muͤsse, nach der theologischen Regel, von den eigentlichen Worten eines Scribenten nicht abwei- chen. Sey er auf das ihm gegebene Lob zornig, so mache er sich dadurch verdaͤchtig, und verachte seine eigene Arbeit. Am angenehmsten ist zu lesen, was von des Herrn Mag. Sievers Predigten zu St. An- nen in Luͤbeck erzehlet wird, wie er allda seine Zu- hoͤrer in der tiefen Theologie unterrichte, daß sie die Gnosticos, Valentinian er, und andere sowohl alte als neue Ketzer widerlegen koͤnnen. Eine andaͤchti- ge Frau soll aus seinen Predigten einen solchen Ei- fer gegen den Dippel geschoͤpft haben, daß, als sie im Traum mit diesem Ketzer zu thun gehabt, ihren Mann unwissend in das rechte Auge geschlagen, daß es ihm braun und blau geworden. Endlich aber wird dem Herrn Mag. Sievers im Ernst vorgehal- ten, wie unbedachtsam er in einer seiner Predigten ge- ( o ) gehandelt, daß er nicht nur den Verfasser der An- merckungen uͤber die Zerstoͤrung der Stadt Jerusa- lem, sondern auch den Drucker, die Verkaͤufer und alle die sie gelesen, verflucht, und in den Ab- grund der Hoͤllen verdammet. Solches ist auch wohl die Haupt-Ursach der gegenwaͤrtigen Schrift gewesen, um den Herrn Mag. zur Erkaͤnntniß sei- nes uͤblen Verfahrens zu bringen, indem sein Bann, aus Ermanglung der Ordination, noch nicht guͤl- tig. Von dem oberhalb des Titels stehenden Nah- men sagt der Herr Verfasser, daß er sich damit dem Hrn. Mag. Sievers, als einem Manne, der seinen Talmud so fertig, als seinen Abend-Seegen lieset, alleine kund geben wollen, indem er denselben leicht- lich auch im Teutschen ohne puncta vocalia zu lesen faͤhig sey. Gantz zulezt werden diejenigen abgefer- tigt, welche sich etwa unterstanden, von des Hrn. Verfassers Schrift eine unbillige Censur zu ertheilen, mit der angehaͤngten Warnung, daß dergleichen nicht weiter geschehen moͤge, den er sey von Her- tzen fromm, aber mache man ihn boͤse, so tauge er auch nicht viel. No. IV. Luͤbeck. Dem hiesigen Buchhaͤndler Schmidt ist eine auf 3 Bogen in 8. gedruckte Schrift zum Verkauf uͤbersandt worden, unter dem Titel: Kur- tze aber dabey deutliche und erbauliche Anmerckun- gen uͤber die klaͤgliche Geschichte von der jaͤmmerli- chen Zerstoͤrung der Stadt Jerusalem, nach dem Ge- schmack des ( S. T. ) Herrn. M. Heinrich Jacob Sie- vers verfertiget, und als eine Zugabe zu dessen An- mer- ( o ) merckungen uͤber die Paßion ans Licht gestellet von X. Y. Z. Rev. Minist. Cand. Franckfurt und Leipzig. 1732. Der Verfaßer machet den Ansang mit einer langen Vorrede zum Lobe des Hr. M. Sievers, er- theilet darauf die Anmerckungen selbst, als eine Nachahmung der Sieverischen Schreib-Arten und beschliesset mit einer Entschuldigung an den Leser. Wer diese Schrift mit den Sieverischen Anmerckun- gen uͤber die Paßions, welche kuͤrtzlich in Luͤbeck her- aus gekommmen sind, zusammen haͤlt, wird finden, daß der Verfasser sich uͤberall im Loben, Nachah- men und Entschuldigen als einen wahren Nachfolger des beruͤhmten D. Swift aufgefuͤhret habe. Nur ist es Schade, daß seine Arbeit auch an Fehlern der Sie- verischen einiger massen aͤhnlich geworden ist; wie- wohl ein verstaͤndiger Leser leicht bemercken kan, in welcher von gedachten beyden Schriften die Fehler dem Drucker, und in welcher sie dem Verfasser bey- zumessen sind. Leipzig. Es ist alhier ein kleine Schrift von 3 Bogen in Octav zu haben, deren Aufschrift diese ist: Vi- trea fracta, oder, des Ritters Robert Clifton Schrei- ben an einen gelehrten Samojeden, betrefend die selt- samen und nach dencklichen Figuren, welche derselbe den 13 Jan. st. v. an. 1732. auf einer gefrornen Fen- ster-Scheibe wahrgenom̃en, aus dem Englischen ins Deutsche uͤbersetzt. Nebst einem Kupfer, welches die Figuren auf der gefrornen Fenster-Scheibe vorstellet. Man siehet bald, daß dieses eine wohl ausgesonnene Satyre auf einen oder mehrere Gelehrten ist, welche, zumahl in Untersuchung der Natur bißweilen zuweit gehen, und sich so wohl dadurch, als durch eine nicht genug ( o ) genug gezaͤhmte Ehrsucht verstaͤndigen Leuten laͤcher- lich machen. Die Erfindung ist anmuthig, und die Ausfuͤhrung koͤmmt ihr vollkommen gleich. Da- her wird sie alle Leser, diejenigen aber noch mehr, ver- gnuͤgen, welche vieleicht dazu den rechten Schluͤssel haben. Rostock. Von dar hat man uns folgende Nach- richt allhier einzuruͤcken zugesendet, demnach die neu- lich gedruckte kleine Schrift: Vitrea Fracta ge- nannt, nicht unbillig befuͤrchten laͤsset, es werde der Scopti sche X. Y. Z. welcher mit dem Ritter Clifton in einer Haut stecket, zu noch fernerer vermeintlichen Beschimpfung eines gewissen hochverdienten Gelehr- ten: mit welchem er schon in den Anmerckungen uͤber die Zerstoͤrung Jerusalems so unbarmhertzig umge- sprungen ist, alle in dem diesen Anmerckungen ange- haͤngtem Catalogo edendorum specifici rte Spoͤtte- reyen, wuͤrcklich mit der Zeit ans Licht stellen: Als ist ein genuin er Auditor und Respondens obwohlge- dachten Polyhistoris, aus schuldiger Danckbarkeit ge- gen seinen theuren Herrn Præceptorem und resp. Præsidem entschlossen, dessen vorerwehnten verkapp- ten Antagonisten mit allen seinen Einblaͤsern vermit- telst eines wichtigen Wercks ad absurdum zu brin- gen. Man fuͤget hiemit den Titel desselben als einen testem des weitlaͤuftigen Jnnhalts und angenehmen Vortrages hinzu: Die zerbochene und wieder geflick- te Fenster-Scheibe, oder Sonnen-klarer Beweiß, daß des Ritter Robert Clifton Schreiben an einen gelehrten Samojeden keine Ubersetzung, sondern ein gegen die Spec. Cur. N. Viri cujusdam celeb. ge- richtetes Sanglantes Original-Figmentum. aber mit ( o ) mit mehr als 99. Unwahrheiten von dessen Fatis und Familie, wie uͤberhaupt mit unzaͤhligen vitiis Or- tho-\& Typographicis bestreuet sey. Nebst einer neuen Methode, die Indifferentisten aus den Kup- fern ihrer Buͤcher zu erkennen, und einer vorlaͤufigen Abfertigung aller Mocqueri en, welche noch ins kuͤnftige von giftigen Federn gegen den Herrn M. S. geschrieben werden duͤrften, koͤnnten oder moͤchten. Alles mit Demonstrationibus Mathematicarum æmulis, quoad 99. Falsa aber grossen Theils mit Instrumentis Notarialibus erhaͤrtet von S**philo. Man wird der Wahrheit zu Steuer diese Apologie beschleunigen, weil man sichere Nachricht hat, daß einige unbesonnene Leute, die doch den guten Freund besser kennen solten, nachdem sie in des Cliftons Schreiben von Makewind gelesen, anfangen, ihn vor einen Mann dieses Nahmens zu halten, also, daß die vindicia seiner Studiorum Exegetico-Ho- miletico-Polemico-Poetico-Medico-Litterario- Curiosorum hoͤchst erforderlich sind. No. V. Halle. Der hiesige oͤfentliche Professor der teutschen Beredsamkeit, Herr D. Joh. Ernst Phi- lippi, hat ein Helden-Gedicht drucken lassen, das er den eroͤfneten Tempel der Ehren und Vorsehung, und die im Pallaste der Gluͤck- seeligkeit abgelegte Wuͤnschebey dem hoͤchst- begluͤckten Antritt des Hohen 63ten Stu- fen-Jahres Jhro Roͤnigl. Maj. in Pohlen und Chur-Fuͤrstl. Durchl. zu Sachsen, Frie- dich des Grossen, benennet, und zu dessen oͤfent- licher ( o ) licher Verlesung die Zuhoͤrer auf den verwichenen 12. May durch ein Programma von ihm eingeladen worden, worinnen in Erwegung gezogen ist; Daß die wahre Ehre eine Frucht der Tugend, son- derlich bey einem grossen Printzen sey. Das Gedicht betraͤgt mit dem vorgesetzten Jnhalt dessel- ben 3. Bogen, und das Programma 1. Bogen in Fol. Man ersieht aus diesem Gedichte, daß der Herr Verfasser die alte gezwungene Art zu Poeti- siren der neuern, fliessenden und reinen vorgezogen, und gleichsam zu verstehen gegeben habe, als wenn er die teutsche Poesie auf den vorigen Fuß wiederum zu setzen gedaͤchte. Ferner kan man aus dem Zu- sammenhalt des Gedichtes mit dem Programmate erkennen, was doch auch bey einem eintzigen Men- schen vor ein Unterscheid zwischen der Poetischen und Prosaischen Beredsamkeit sich befinde. Die bey- den Strophen, worinnen Pohlen gegen Teutsch- land hitzige Worte ausstossen soll, daruͤber es von der Vorsehung einen Verweiß bekoͤmmt, moͤgen zur Probe dienen: So leb ein Friedrich denn, sprach Deutschland, ewiglich! Doch haͤtte es nicht Raum, dies voͤllig auszusprechen, Denn Pohlen zog zugleich das vorige auf sich; Drum kont es, ihm ins Wort zu falln, sich nicht entbrechen: Was sagtest, Teutschland! du? Solt dirs drum uͤbel gehn, Wenn etwa einst mein Thron solt Scepter ledig stehn? Waͤrst ( o ) Waͤrst du nicht mit mir hier, verschwur sich hier- auf Pohlen, Jch luͤde dich sogleich auf Sebel und Pistohlen. Gemach! still! still! weist du, o Pohlen, wo du bist; So fiel die Vorsicht drein; Sind dieses deine Klagen? Denckst du, daß etwa hier ein Pohlnscher Reichs-Tag ist? Getraust du Pohlen dich mit Teutschland gar zu schlagen? Und ist denn hier der Ort? Jch dencke so im Zorn, An das von deiner Wuth mit Blut bespruͤtzte Thorn! Verlangst du, daß ich dir zur Schuld noch mehr anschreibe? Und wilst du, daß ich dich gar aus dem Lande treibe? Jedoch faͤllt der Hr. Prof. der Beredsamkeit selbst von seiner Arbeit gleich anfaͤnglich ein Urtheil, und sagt deutlich, woran es ihm fehle, wenn es heißt: O moͤcht mir Brocks den Mund, nebst seines glei- chen, goͤnnen, Wie solte mein Gedicht vom Feuer zeugen koͤnnen! Allein, der rauhe Ton, der bey mir nicht gestimmt, Die matte Faͤhigkeit zum Dencken und zum Dichten, Die schamhafts volle Furcht, die allen Muth benimmt, Entkraͤftet meinen Geist, an statt ihn aufzurichten. ꝛc. Am Ende des Programmatis, wo er seine Lectio- nes, die er zu halten gedenckt, anfuhrt, wird zu- gleich gemeldet, daß er Mittwochs und Sonna- bends ( o ) bends publice von 11. bis 12. Uhr uͤber die Stuͤcke des Hamburgischen Patrioten lesen wolle. Also hat man wohl gar mit der Zeit einen Commentari- um daruͤber von ihm zu gewarten. No. VI. Hamburg. Jn hiesigen Buchlaͤden siehet man eine Schrift liegen, die sonder Zweifel auch allhier gedruckt ist, und die den Titel fuͤhrt: Briontes der Juͤngere, oder Lob-Rede, auf den Hochedelgebohr- nen und Hochgelahrten Herrn, Herrn D. Johann Ernst Philippi, oͤfentlichen Professoren der deut- schen Beredsamkeit auf der Universitaͤt Halle, wie auch Chur-Saͤchsischen immatriculirten Advoca- ten ꝛc. ꝛc. nach denen Regeln einer natuͤrlichen, maͤnnlichen, und heroischen Beredsamkeit, ge- halten in der Gesellschaft der kleinen Geister in Deut- schland, von einem unwuͤrdigen Mitgliede die- ser zahlreichen Gesellschaft. 1732. in 8. von 4. Bogen. Wer die reine und ungezwungene deutsche Schreib-Art, samt der angebrachten lustigen, oder eigentlicher zu reden, Swiftischen Erfindung, in diesen Bogen beobachtet, und beydes mit den vor kurtzer Zeit nach Siverschen Geschmack herausge- kommenen Anmerckungen uͤber die Zerstoͤrung der Stadt Jerusalem, wie auch des Cliftons Betrach- tung der gefrornen Fenster-Scheibe zusammen haͤlt, der wird auf die Gedancken verfallen, daß nur von einem eintzigen der Herren kleinen Geister alles dreyes entsprungensey. Des Herrn Prof. Philip- pi sonderliche Beredsamkeit, die er in seinen sechs ge- druckten Reden zu erkennen gegeben, wird dermassen F f f em- ( o ) empfindlich durchgestriegelt, daß, wie er ehemahls in einer von seinen gehaltenen Reden gekuͤnstelter Wei- se ohnmaͤchtig worden, nunmehro bey Durchlesung einer auf ihn gerichteten Lob-Rede, natuͤrlicher Wei- se in eine tiefe Ohnmacht sincken moͤchte. Es waͤre kein Wunder, wenn er die Gesellschaft der kleinen Geister vor kleine aus England in Teutschland an- gekommene Gespenstrichen, oder sonst etwa vor Riebezals-Kinder ansaͤhe, welche die neuen Gelehr- ten, wenn sie auch Professores heissen, plagen wollen. Und da des Herrn Philippi Reden eine solche satyri- sche Feuer Probe aushalten muͤssen, wie wird es nicht mit seiner Thuͤringischen Historie, die gewißlich einer noch schaͤrfern Lauge wuͤrdig ist, und deren loͤb- liche Beurtheilung versprochen wird, aussehen? Nur moͤchte sich das beredete Mitglied der kleinen Geister, von welchem die Philippische Lob-Rede her- koͤmmt, dieses lassen ins Ohr gesagt seyn, daß es sich der Redens-Arten, die eine schlechte Ehrerbietung vor die Schrift und Theologie an Tag legen, enthielte; wie denn in gedachter Rede die Vergleichung der Gesellschaft kleiner Geister mit der unsichtbaren Kir- che, absonderlich die Erwehnung der Reise Pauli in den dritten Himmel, ferner die Redens-Art von der Auspluͤnderung des Psalms und der Ofenbahrung, samt noch einigen andern, wohl haͤtten wegbleiben moͤgen. Denn dadurch wird dem Herrn Professor Philippi Gelegenheit gegeben, daß er statt eine. Dancksagungs-Rede vor sein grosses Lob, vielmehr auf eine haͤßliche Straf-Predigt wird bedacht seyn, die mit lautern Spoͤttern und Schrift Veraͤchtern um sichwirft. No. VII. ( o ) No. VII. Hamburg. Man siehet allhier eine Schrift von vier Bogen unter folgendem Titul: Briontes der Juͤngere, oder Lob-Rede auf den S. T. Hrn. D. Joh. Ernst Philippi, oͤfentlichen Prof. der deutschen Beredsamkeit auf der Universitaͤt Hal- le ꝛc. ꝛc. nach denen Regeln einer natuͤrlichen, maͤnnlichen und heroischen Beredsamkeit gehalten in der Gesellschaft der kleinen Geister in Deutsch- land von einem unwuͤrdigen Mitgliede dieser zahlrei- chen Gesellschaft. Es stehet wenigen Lesern zuzu- trauen, daß sie einen Gelehrten nicht kennen soll- ten, den seine Thuͤringische Historie beruͤhmt, sechs deutsche Reden aber unsterblich gemachet. Eben diese haben ihm diese wohlverdiente Lob-Rede zu- gezogen, der es weder an Wahrheit noch Scharf- sinnigkeit fehlet, und die in der That ein Meister- Stuͤck ist. Des ungenannten Herrn Verfassers Absicht scheinet keine andere gewesen zu seyn, als den juͤngern Briontes oder Herrn Prof. Philippi zu der besondern Unsterblichkeit zu verhelfen, wo- zu ihm seine natuͤrliche, maͤnnliche und heroische Beredsamkeit gnugsam berechtiget hat. Dennoch sind wir von des letztern Bescheidenheit fast versi- chert, er habe diese Lobes-Erhebungen gelesen, oh- ne durch eine eintzige derselben stoltz zu werden: Auch widersprechen wir hiemit oͤfentlich dem Geruͤchte, welches Neider seiner sich ausbreitenden Verdienste von ihm ausgesprenget, daß er diese Lob-Rede selbst verfertiget. Wir sind von dem Ungrund dieser Aufbuͤrdung uͤberzeuget. Wir haben eine zaͤrtliche F f f 2 Hoch- ( o ) Hochachtung fuͤr Se. Excellenz den Herrn Professor: wir ergetzen uns recht hertzlich an seinen Schriften, ja duͤrften wir, zu seinem Ruhm und unserer Belu- stigung, etwas wuͤnschen, so waͤre es, auch kuͤnf- tighin die Proben seiner Faͤhigkeit in der Dicht- Kunst vermehret zu sehen. Er ist dem poetischen Geiste nach so starck, als dem Leibe nach Ohnmach- ten unterworfen: und wir erinnern uns der Stelle des Plinius von einem kraͤncklichen Weisen, dem er par animo corpus anwuͤnschte. Herr Briontes der Juͤngere wuͤrde wohl thun, die Stunden, die er auf die Beredsamkeit wendet, kuͤnstig in doppelter Maaße der deutschen Poesie zu wiedmen. Alsdann wird ihm der Lorbeer nicht entstehen, den er schon er- eilen koͤnnen, wenn er etwas mehres, als ein Hel- den-Gedicht in gebundener Rede aufgesetzet. Jn die- ser angenehmen Hofnung koͤnnen wir uns kaum entbrechen, ihm mit etwas veraͤnderten Worten aus dem von Canitz dieses zuzurufen: Euch, ihr Zeiten, die verlaufen, Koͤnnt’ er euch mit Dint’ erkaufen. Die er oft aus Unbedacht Ohne Reimen zugebracht. Sonne! schenck ihm deine Blicke; Komm, verdopple deinen Schritt, Eilt, ihr Zeiten, eilt zuruͤcke Bringt ihm aber Reimen mit. No. VIII. Ein gelehrter Medicus hat uns unlaͤngst mit ei- nem Schreiben beehret, aus dem wir in folgen- dem ( o ) dem Auszuge eine neue Entdeckung in der Hei- lungs-Wissenschaft mitheilen wollen. Hiernechst (schreibt er) muß ich Ewr. Hoch-Edl. etwas sonderbahres melden, so ich in meiner hiesigen Praxi medica neulich angemercket. Jn einen nah- gelegenen Orte ward am 16. Febr. ein Cadidatus Ministerii durch vieles Predigen und Juden-Bekeh- ren in allerhand schmertzliche Zufaͤlle gestuͤrtzet, da er sich dann meiner Huͤlfe bediente. Zufoͤrderst suchte ich schlimmeren Folgen durch dienliche Artzeneyen treulich vorzubeugen, die jedoch so wenig fruchteten, daß vielmehr am 20. eine anhaltende Schlaflosig- keit, oder sich einfand und seine Genesung ziemlich zu entfernen schien. Nun hatte aber der Krancke am 25. von seinem Hauswirthe, einem Ge- wuͤrtzhaͤndler und gar willfaͤhrigen Manne, des Hrn. Professors Philippi in Halle Helden-Gedicht auf Se. Majestaͤt den Gottseel. Koͤnig in Pholen, oder den Tempel der Ehre und Vorsehung sich reichen las- sen, ohne Zweifel sein Gemuͤth etwas zu ergetzen; Und siehe! die Natur half sich selbst auf eine wunderbahre Art, da wohlzubereitete Opiata und Narcotica nicht anschlagen wollen. Der Patient fing an, mit einer vernehmlichen Stimme seiner Waͤrterin dieses Ge- dicht vorzulesen. Nach dieser Frauen und anderer gar eigentlichen Aussage stieß ihm ein kurtzer Schau- der zu, bey der andern Strophe der neunten Seite. Bey Aussprechung der lezten Sylbe dieser beyden Zei- len pag. 13. Nennt in der Allnatur mir irgend eine Art Von Raritaͤten, die da nicht gefunden ward F f f 3 ließ ( o ) ließ er das Haupt sincken, seufzte und gerieth in einen sanften und lieblichen Schlummer, der einige Stun- den dauerte, sich auch noch allezeit einstellet, so oft er dieses heilsahme Werck lieset, wodurch ich dann, da ich dieses schreibe, am 1. Mart. eine merckliche Besse- rung gespuͤret. Seine Wirthin, eine fromme Ma- trone, verwahret nunmehro dieses Gedicht, wovon sie zwantzig Exemplaria gesammlet, mit groͤsserm Fleiß, vermeint auch, dieses Hauß Mittel habe wuͤrck- lich in gleichen Umstaͤnden bey ihrer eintzigen mann- bahren Tochter schon von neuem seine Kraft bewie- sen. Jch finde diesen Casum ungemein merckwuͤrdig, und wuͤnschte, daß die gelehrte Gesellschaften in und ausser Deutschland solchen gruͤndlich untersuchen moͤchten. Durch langes Wachen waren freylich die subtile fluͤchtigen Lebens Geister des Krancken, sonderlich in parte cerebri corticali, in ausserordent- liche Bewegung gesetzet worden. Den erfolgten Schlummer konnte demnach nichts befoͤrdern, ohne zugleich jene zu maͤßigen und zu hemmen, (wie denn Henricus Regius, der nebst dem du Hamel die Hirn- Nerven zum Subjecto des Schlafes machet, folglich vom Willisio abgehet, selbigen gleichwohl durch eine subsidentiam s. arctationem cerebri \& nervorum erklaͤret:) wozu dann vor allen ein irrdisches, grobes, ver dickendes, und einschlaͤferndes Wesen, oder die von einem neoterico so genannte vis inspissatoria er- fodert wird. Da nun diese Kraft sich mitten im Le- sen des oberwehnten Gedichtes geaͤussert, so moͤgen andere ausmachen, ob sie in selbigem verborgen ge- wesen und dem Patienten, nachdem sie dessen Ge- dancken ( o ) dancken auf eine besondere geheime Weise geruͤhret, so heilsam seyn koͤnnen. Wenigstens bezeuget diese wahrhafte, jedoch vielen unglaubliche Geschichte, daß die Seele einen sehr grossen Antheil an der Ge- sundheit, Kranckheit und Genesung unsers Coͤr- pers habe, welches, anderer zugeschweigen, der be- ruͤhmte Hofmann in der gruͤndlichen Anweisung P. l. Sect. IV. hinlaͤnglich ausgefuͤhret ꝛc. ꝛc. Jch ge- dencke hievon mit mehrerem in meinen Centuriis ob- servat. medicar. zu handeln. No. IX. Auszug eines Schreibens an den Verfasser Niedersachsischer Nachrichten vom 24. Maͤrtz a. c. Der neulich angefuͤhrte Casus medicinalis, von der kraͤftigen Wirckung einer deutschen Poesie des Hrn. Prof. Philippi, hat mir sehr wohl gefallen. Lassen Sie sich doch, gegen ihre gefaßte Meynung, bewegen, dieses heilsamen Mannes noch einmahl zu gedencken, und geben durch Einruͤckung meiner Ge- dancken, wenn es nicht ferner geschehen soll, dem Eloquentz-Nagel den lezten Schlag auf den Kopf. Es hat der Hr. Prof. neulich eine Schrift ausfliegen lassen, von 2. und einem halben Bogen in 8. welche mein Diener in einer alten Kaͤse-Bude gekauft, zum Durchlesen mit nach Hause genommen, mir endlich als was neues und laͤcherliches uͤberreicht hat, und die ich Jhnen nunmehro ebenfalls zum Besehen uͤber- schicke. Setzen Sie doch ihren gantzen Titel hin, weil er den voͤlligen Jnhalt so schoͤn fuͤr Augen legt. (Da ist er.) Wunderseltsames Fuͤndel-Kind, F f f 4 wel- ( o ) welches mit einem gewissen Sendschreiben an den Verfasser des mathematischen Versuchs von der Un- moͤglichkeit einer ewigen Welt, in geheim abgeschi- cket, nunmehro aber mit einem Geburts Schein und Frey-Brief, darinne die eigentliche Meynung Hrn. Hof-Rath Wolfen von der Ewigkeit der Welt, wie auch der verdorbene Geschmack der kleinen Geister lebendig fuͤrgestellt, nach seiner Heymath wieder ab- gefertiget worden, von D. Johann Ernst Philip- pi. P. P. 1733. Es hat sich auch bey mir, nach vol- lendeter Durchlesung, eine heilsame Kraft dieser Schrift ereignet, indem sie mich von einer dreytaͤgi- gen Verstopsung befreyet. Wie es zugegangen sey, mag ich ietzo nicht erzehlen. Genug, daß ich sie als ein gutes Mittel gegen das sonst so schwer zu vertrei- bende malum hypochondriacum ansehe. Nur dieses ist zu bedauren, daß sich der Hr. Prof. durch seine Arbeit des Thomasianismi nunmehro gar zu verdaͤchtig gemacht hat, wogegen er doch in der Lob- rede auf seine heroische Beredsamkeit gantz wohlmey- nend vertheidiget worden, indem er den angefuͤhr- ten Brief, wie ehemals Thomasius in seinen Mo- naten des Peter Schippings Schrift, mit Anmer- ckungen zu widerlegen, und dem Thomasio nach- zuahmen getrachtet. Jnzwischen ist es wahr, daß der Verfasser des Briefs das Bild der Dunckelheit in dem Mathematischen Versuche des Hrn Philip- pi besser vorstellen moͤgen. Mir ist endlich auch eine Anmerckung uͤber des Hrn. Prosessors, sowohl iezt angefuͤhrte, als uͤbrige Schriften, aus des Cicero erstem Buche seiner Tusculanischen Fragen beygefal- len: Fieri potest, ut recte quis sentiat, \& id quod ( o ) quod sentit, recte eloqui non possit: sed man- dare quenquam literis cogitationes suas, qui nec disponere nec illustrare possit, nec dele- ctatione aliqua allicere lectorem, hominis est intemperanter abutentis \& otio \& literis. \&c. No. X. Leipzig. Allhier belustiget uns das Wunder- seltzame Fuͤndel-Kind ꝛc. oder die neue Schrift un- sers galanten und gelehrten Nachbarn, des Herrn Philippi zu Halle, die ihres beruͤhmten Verfassers wegen billig anzupreisen stehet. Ein Ungenannter hatte an den Autorem des Mathematischen Versu- ches von der Unmoͤglichkeit einer ewigen Welt ins geheim ein Schreiben im Nahmen der fuͤnf Sinne abgeschicket. Weil aber dieser mit selbigen sich in keine Gemeinschaft einzulassen gesonnen, so siehet man ihre Zuschrift mit 104. netten Anmerckungen und einem sinnreichen Poetischen Nachbericht, nach Art der beliebten Leber-Reime, gruͤndlich abgeferti- get. Der Urheber derselben, den er bald Lobesau, bald Stockfisch, bald aus ungemeiner Leutseeligkeit nach einem der groͤssesten Gelehrten benannt, wird p. 8. unter die kleinen Geister gesteller, deren Absicht nicht ist, in solchen Send-Schreiben Unterricht an- zunehmen, sondern die grossen Genies, z. E. den Herrn von Leibnitz, Thomasius und Philippi zu ho- femeistern. Wem dieses Fuͤndel-Kind beyzulegen, wissen wir nicht. Se. Excellentz, der Herr Doctor und Prosessor, bezeuget p. 5. als ein geschworner Kayserlicher Notarius, daß es kein Wechsel-Balg sey. Jedoch scheinet nur ihm, und sonst keinem eintzi- F f f 5 gen, ( o ) gen, diese Ausgeburt der Satyre Briontes so aͤhn- lich, als ein Rabe dem andern, p. 4. Dieses ist gantz falsch und unwahrscheinlich. Wiewohl ein so klei- ner Fehler verstecket sich hinter viele Schoͤnheiten und man wird seiner kaum gewahr. Die spielende Natur hat wuͤrcklich in den Haͤllischen Redner et- was besonders geleget. Durch die gehaͤufte Spoͤt- tereyen, die aus beyden Saͤchsischen Craysen auf ihn zueilen, geraͤht er so wenig in gekuͤnstelte oder wah- re Ohnmachten, daß vielmehr eine jede Hetze seine Kraͤfte augenscheinlich verdoppelt und er vielleicht unuͤberwindlich seyn wuͤrde, wenn er seinen Fein- den noch laͤcherlicher schiene. Er erwartet daher seiner Gegner in voller Ruͤstung, kaͤmpfet mit ihnen bis auf das allerletzte Serum seines Gehirnes, und weiß auf eine schlaue Art seine Stacheln und Waf- fen mit den ihrigen so wohl zu verwirren, daß dieses grosse Genie wenigstens streitend erlieget wie Der Riese, der vom Blitz erleget ist, und selbst blitzet. Gvarini. Er ist zur Satyre gebohren und wir wuͤnschen ihm, nicht sonder einigen Eigennutz, ein langes Leben. Vielleicht moͤchte aber dieser duͤrre Saͤugling nicht die Jahre seines wuͤrdigen Pflege-Vaters errei- chen, wann ein Liebhaber der Alten, der sich durch sein Amt dazu berechtiget zu seyn glauben, und sei- nem eigensinnigen Geschmack nachhaͤngen doͤrfte, den baldigen Untergang desselben befoͤrdern woll- te: welches wir wuͤrcklich zu befuͤrchten haben. ‒ ‒ ‒ O puer, ut sis Vitalis metuo; \& majorum ne quis amicus Frigore te feriat. Hor. Sat. L. 2. No. XI. ( o ) No. XI. Hamburg. Wer unter der Menge von neuen gedruckten Sachen das scharfsinnige liebt, der lese folgende Schrift: Unpartheyische Untersuchung der Frage: Ob die bekannte Satyre, Briontes der juͤn- gere, oder Lobrede auf den Herrn D. Joh. Ernst Philippi, Prof. der deutschen Wohlredenheit auf der Universitaͤt Halle, mit entsetzlichen Religions- Spoͤttereyen angefuͤllet, und eine strafbare Schrift sey? Bey welcher Gelegenheit zugleich augenschein- lich gezeiget wird, daß der Hr. Prof. Philippi die Schrift: Gleiche Bruͤder, gleiche Kappen ꝛc. unmoͤglich gemacht haben koͤnne. Leipzig. 1733. in 8. von 9. Bogen. Ob der Herr Verfasser des Briontes und sein ietziger Vertheidiger in einem Lei- be wohnen, oder ob man zwey Personen daraus machen koͤnne? darum moͤgen sich andre bekuͤmmern. Was das uͤbrige betrift, so wird ein jeder unpar- theyischer Leser mit uns gestehen muͤssen, daß der elende Schneider-Geselle, welcher die sogenannten Kappen aus alten Lumpen zusammengeflickt, auf eine wohlverdiente Weise sey gezwagt, auch dessen gemachte Vorwuͤrfe der Religions-Spoͤtterey, ver- lezten Ehre u. d. g. sehr nachdruͤcklich abgewiesen wor- den, und das auf eine angenehme und besondere Art, die mit lauter nuͤtzlichen Regeln und Urtheilen unter- menget ist. Denn es sind darinn zwar kurtz, aber sehr wohl, und nicht auf gemeine Art vorgestellt, was eigentlich eine gute Satyre sey, was darzu gehoͤret, und was sie vor Schicksalen unterworfen? ferner: was eine Jronie erfodert, beym Unterscheid eines Gleich- ( o ) Gleichnisses zu mercken? und endlich: wie noͤthig und nuͤtzlich es sey, die boͤsen Scribenten zu bestra- fen? Des Verfassers der Niedersaͤchsischen Nach- richten wird auf der 10. Seite auch gedacht, und dessen bey Anfuͤhrung des Briontes gegebener Rath, sich der Biblischen und Theologischen Redens-Arten in einer Satyre lieber zu enthalten, gebilligt, indem es eingetroffen, daß der Kappen-Macher eben hier- uͤber das meiste Geschrey angestimmt, und aller- hand laͤsterliche Glossen ausgeheckt hat. Der Wunsch des gedachten Verfassers war freylich kein anderer, als daß den Spinnen die gaͤntzliche Macht, ihren Gift auszulassen, moͤchte benommen seyn; und wenn dergleichen Redens-Arten den Einfaͤltigen Kappen-Schneider zur Flickerey nicht bewogen haͤt- ten, so glaubt man, daß er mit seiner uͤbrigen Stuͤm- perey wuͤrde zu Hause geblieben seyn. Solche Aus- druͤcke moͤgen noch so unschuldig seyn, und auf das gruͤndlichste vertheidigt werden, so ist der Anstoß doch nicht zu vermeiden: tamen aliquid hæret; und besser ist doch besser. Eine gruͤndliche Satyre, die davon ledig ist, wird den Laͤsterungen und an- dern Anfaͤllen so leicht nicht unterworfen seyn, und ein Satyren-Schreiber kan allen andern Argwohn eher, als die Religions-Spoͤtterey, von sich abweltzen. Dem Herrn Verfasser der unpartheyi- schen Untersuchung werden diese vielleicht uͤber- fluͤßige, doch wohlmeynende Gedancken hofentlich nicht entgegen seyn. Was ferner die Kappen anbe- langt, so sind sie dem Verfasser Nieders. Nachr. noch nicht zu Gesichte gekommen, daß er sagen koͤnte, wie und auf was Weise man dasjenige, so wegen des Herrn ( o ) Herrn Professors Philippi zu verschiedenen mahien erinnert worden, angefochten habe. Es werden aber gantz gewiß eben so elende Laͤppereyen seyn, als die- jenigen, welche dem Kappenmacher in der unparthey- ischen Untersuchung sind unter Augen gestellet wor- den. Wißte auch der Verfasser Nieders. Nachrich- ten, worin etwa die gegen ihn gemachte Vorwuͤrfe und Tedelungen bestuͤnden, so naͤhme er sich dennoch nicht die Muͤhe, das geringste darauf zu antworten, nachdem in oftbenannter Untersuchung den Kap- pen der Staub und die Motten dermassen ausgeklop- fet sind, daß kein guter Faden mehr dran bleibt: Kurtz, die Kappen sind als eine durchgehends alberne, ein- faͤltige und unvernuͤnftige, obwohl zuweilen boßhaf- te Schrift, deutlich abgemahlt. Es wird auch daher mit Recht gemuthmasset, und aus 14. Beweiß- Gruͤnden dargethan, daß der Herr Professor Philip- pi ein solches Geschmier unmoͤglich koͤnne aufgesezt haben, sondern daß es von seinen aͤrgsten Feinden, ge- gen die er seine Ehre retten muͤsse, herruͤhre. Daß solches wahr sey, glaubt der Verfasser Niedersaͤchs. Nachrichten auch daher um desto mehr, weil ihm der Herr Professor Philippi nur neulich einen gar ver- nuͤnftigen und hoͤflichen Brief zugeschickt und darin- nen gemeldet hat: „er lese diese Nachrichten mit Ver- „gnuͤgen, und ob er wohl das Ungluͤck gehabt, darin „etliche mahl angegrifen zu werden, so schlage sol- „ches in ihm die Begierde dennoch nicht nieder, des „Verfassers Freundschaft zu suchen, sondern erwecke „sie vielmehr, indem er genugsame Ursache finde, es „mit denen Herren Schrift Richtern nicht zu ver- „derben ꝛc. Zugleich hat der Herr Prof. seine Ein- lei- ( o ) leitung zu denjenigen Theilen der Gelehrsamkeit, daruͤber er kuͤnftig Jahr aus Jahr ein zu lesen ent- schlossen, und welche 2. Bogen in 8. betraͤgt, mit- gesandt, waraus genugsam erhellet, daß derselbe kein so schlechter Philosoph, noch mehr aber ein guter Ju- rist seyn koͤnne. Auch den uͤbrigen und gehoͤrigen Ruhm wird man dem Herrn Professor niemahls streitig machen, oder ihm ferner Gelegenheit geben, sich zu beschweren. Wie denn auch der Vertheidiger des Briontes gezeiget, er sey nicht ein Feind, sondern ein guter Freund des Herrn Professors Philippi. No. XII. Leipzig. Die sinnreiche Lob-Rede auf den oͤfent- lichen Lehrer der deutschen Beꝛedsamkeit in Halle, oder Briontes der Juͤngere ꝛc. ist mit allgemeinem Bey- falle aufgenommen worden. Sie hat gewisse Her- ren, die lesen und schreiben koͤnnen, in eine heimliche Unruhe gesetzet. Jhnen hat mißfallen, daß dieses Werckchen so viel neues besitzet und keine Copie ist. Sie haben in einer Schrift, der sie, ohne wider den Strom zu schwimmen, Witz und Schoͤnheit nicht absprechen durften, Spoͤttereyen der Religon und ewiger Wahrheiten gesuchet. Diese Gewohnheit ist zu vortheilhaft, um jemahls zu verjaͤhren. Wer sich die Freyheit nimmt, diesen oder jenen Virum Claris- simum fuͤr sich dencken zu lassen, muß sich nur zeitig auf solche Urtheile gefaßt machen, die witzigen Koͤpfen schwerer zu vermeiden, als zu wiederlegen sind. Von beyden ist diese hieselbst herausgekommene Schutz- Schrift eine Probe: Unpartheyische Untersuchung der Frage: Ob die bekannte Satyre, Briontes der Juͤngere ( o ) Juͤngere, oder Lob-Rede auf den Herrn D. Joh. Ernst Philippi, Professor der Deutschen Wohlredenheit auf der Universitaͤt Halle, mit entsetzlichen Religi- ons-Spoͤttereyen angefuͤllet, und eine strafbaere Schrift sey? Bey welcher Gelegenheit zugleich au- genscheinlich gezeiget wird, daß der Herr Professor Philippi die Schrift: Gleiche Bruͤder, gleiche Kap- pen ꝛc. unmoͤglich gemacht haben koͤnne. Leipzig, 1733. 10. Bogen, in Octav. Eine gute Satyre ist das kraͤftigste Heylungs-Mittel der Jnvaliden des Parnasses. Sie erwecket unter ihnen eine allge- meine Demuth und Ehrerbietung. Diese Wir- ckung hatte auch Briontes der Juͤngere, den Herr Professor Philippi, der ein grosser Kenner dieser Schriften ist, fuͤr eine Satyre haͤlt. Er hat also, nach deren reiflichen Untersuchung, die Stimme einer mitleidigen Vorsicht erkannt, die ihn seinen Feinden nicht ganz uͤberantworten, noch verstatten will, daß kein Deutscher sich des Lachens enthal- te, der den Namen Briontes hoͤret. Er ist uͤberzeuget, die Sicherheit eines Scribentens sey dem Hochmuth aͤhnlich, dieser aber allemahl ein Vorbote des Falles. Er hat sich also nicht un- geberdig gestellet, nicht gescholten oder getobet, wie ein kleiner Geist gethan haben wuͤrde. Seine Fein- de kraͤncket es daher nicht wenig, daß sie ihm nicht auch eine gewisse Seuche, die in der Schu- le herrschet, oder den pudorem malum vieler Buͤcher-Schreiber vorwerfen koͤnnen, die nie ge- stehen wollen, daß sie gefehlet, und oft zehn Wer- cke schreiben, um die Schwachheiten eines einzi- gen zu verewigen. Unser Freund, der Herr Pro- fessor ( o ) fessor Philippi, ist kein solches Gefaͤsse der Schmier- sucht. Zwar hat sich ein sogenanntes Fuͤndel-Kind und eine armseelige Schrift: Gleiche Bruͤder, gleiche Kappen, doch nur auf 24. Stunden, sehen lassen: Diese Untersuchung zeiget aber ausfuͤhrlich, daß der Herr Professor Philippi an diesen Mißge- buhrten nie Antheil gehabt. Er siehet auch mit Freuden, wie sein Gluͤcke steiget: wie wenig die Verlaͤumdung ihm den Ruhm der Bescheidenheit und Selbsterkaͤnntniß durch Aufbuͤrdung solcher Schriften entziehen koͤnne: wie die Lob-Rede Bri- ontes, der allein er diesen Ruhm zu dancken hat, und wie sonderlich er selbst in diesem neuen Wercke auf eine so gruͤndliche Art vertheidiget worden, daß er schwerlich wird entscheiden koͤnnen, ob die Lob- Rede, oder derselben Schutz-Schrift, scharfsinni- ger sey? No. XIII. Hamburg. Von Leipzig ist uns neulich eine Schrift zugesandt, die nachfolgenden Titul fuͤhret: Stand- oder Antritts-Rede, welcher der ( S. T. ) Herr D. Joh. Ernst Philippi, oͤfentlicher Professor der Deutschen Wohlredenheit zu Halle, den 21. December 1732. in der Gesellschaf der kleinen Gei- ster gehalten, sammt der ihm darauf, im Namen der ganzen Loͤbl. Gesellschaft der kleinen Geister, von dem ( S. T. ) Herrn B. G. R. S F. M. als Aelte- sten der Gesellschaft, gewordenen hoͤflichen Antwort. Auf Befehl und Kosten der Gesellschaft der kleinen Geister zum Druck befoͤrdert. Exsequias Philippo qvoi commodum est ire, jam tempus est, ollus de- ( o ) defertur. 1733. 5½. Bogen, in Octav. Wuͤste man, was wir vor ein herzliches Mitleiden mit dem Herrn Prof. Philippi, und vor einen unuͤber- windlichen Eckel gegen satyrischen Schriften tra- gen, so waͤren wir nimmer ersuchet worden, dieser beissenden Schrift zu gedencken. Es ist wahr, wir haben eine Zeit her unterschiedenen Satyren einen Platz in unsern Blaͤttern gegoͤnnet: Allein wir ha- ben auch erfahren muͤssen, daß uns dieses von vie- len Christlichen Gemuͤthern verdacht worden, und finden Ursache zu besorgen, daß mancher dencke, wir haͤtten einen Gefallen an der Frechheit gewisser Spoͤtter, die seit einiger Zeit viele stattliche Scri- benten so uͤbel und unverantwortlich handthieret, daß es einen Stein in der Erden erbarmen moͤgte. Wir wuͤrden also die uns zugeschickte Stand-Rede des Hrn. Prof. Philippi, und deren hoͤfliche Be- antwortung bey uns niedergeleget haben, ohne ein Wort davon zu sagen, wenn wir nicht gesehen, daß auf dem Titul dem Herrn Prof. Philippi zu Grabe gesungen, und alle Welt eingeladen wor- den, demselben die letzte Ehre zu erweisen. Wir schliessen daraus, daß dieses vermuthlich die letzte Satyre wider diesen beruͤhmten Mann seyn werde, und haben also diese Gelegenheit nicht vorbey lassen wollen, unsern Lesern das Aergerniß demuͤthig ab- zubitten, so das Lob, welches wir einigen Schrif- ten dieser Art beygeleget, ihnen etwan verursachet. Wir loben zwar die Scharfsinnigkeit eines Scri- benten: aber wir nehmen keinen Theil an dessen Schaͤrfe. Ob wir demnach gleich bekennen muͤssen, daß die Antwort auf die Philippische Stand-Rede G g g wohl ( o ) wohl geschrieben, und voll sinnreicher und artiger Einfaͤlle ist, so tadeln wir doch die Unbarmherzig- keit des Verfassers, und billigen sein liebloses Ver- sahren nicht. Der Herr Prof. Philippi war dem Parnasse ein Fremdling. Man hat ihn gewitziget, und das war genug. Wie groß auch seine Fehler, so hat er doch kein Verbrechen begangen, wesfalls er verdiente, lebendig begraben zu werden. Doch es ist nun einmahl geschehen. Wir indessen wuͤn- schen dem Hrn. Prof. Philippi in der Gruft, worinn man ihn gesencket, eine sanfte Ruhe, und ersuchen seinen unbarmherzigen Leichen-Bitter, dieselbe nicht zu stoͤren. Er hat Ursache die Asche eines Mannes zu ehren, der ihm so manche lustige Stunde gemacht, und wird wohl thun, wenn er sich erinnert, was man, nach einem bekannten Sprichwort, den Todten und Abwesenden schuldig. Was den Hrn. Prof. Philippi anlanget, so hofen wir, daß dieser lebendig-todte Redner die Person eines verstorbenen wohl spielen, und sich nicht weiter ruͤhren werde. Denn was will er anfangen? Es ist aus mit ihm, und das kluͤgste, was er thun kan, dieses, daß er von der undanckbaren gelehrten Welt, die seine Ver- dienste nicht erkennen will, auf ewig Abschied nimmt. Denn sie ist sein nicht werth. Alsdann werden die Spoͤtter, die sich bishero auf seine Unkosten lustig gemacht, erst inne werden, was sie an ihm verloh- ren. Die besondere Neigung, so wir zu dem Hrn. Prof. Philippi tragen, treibet uns an, ihm diesen wohlgemeynten Rath zu geben, und noch zu guter letzt aus dem Calpurnius zuzurufen: Frange ( o ) Frange puer Calamos, \& inanes desere musas, Et potius glandes, rubicundaque collige corna: Duc ad multra greges, \& lac venale per urbem Non tacitus porta. Qvid enim tibifistula reddet, Qvo tutêre famem? ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ No. XIV. Hamburg. Abermahl, und vielleicht auch zum letzten mahl, ist der Herr Doctor und Professor Philippi in Halle mit einer Rede, weil er dazu Ge- legenheit gegeben, auf eine sonderliche Weise, die ihm eben so wenig, als einem Patienten das Schnei- den, Brennen und Beitzen des Wund-Arztes gefal- len kan, beehret worden, und welche man in hiesigen Buchlaͤden antrift unter folgendem Titel: Stand- oder Antrits-Rede, welche der ( S. T. ) Herr D. Joh. Ernst Philippi, oͤfentlicher Professor der deut- schen Wohlredenheit zu Halle, den 21. December 1732. in der Gesellschaft der kleinen Geister gehal- ten, samt der ihm darauf im Nahmen der gantzen loͤbl. Gesellschaft der kleinen Geister von dem ( S. T. ) Herrn B. G. R. S. F. M. als aͤltesten der Gesell- schaft, gewordenen hoͤflichen Antwort. Auf Be- fehl und Kosten der Gesellschaft der kleinen Geister zum Druck befoͤrdert. Esequias Philippo qui commodum est ire, jam tempus est, ollus defer- tur. 1733. in 8 von 5. und einem halben Bogen. Wer die ehemahlige Lob-Rede auf den Herrn Pro- fessor Philippi, Briontes der juͤngere genannt, wie auch die Beweiß-Gruͤnde, daß der Herr Philippi die Kappen nicht gemacht, gelesen, den koͤnnen wir versichern, daß solche beyde Schriften die obge- G g g 2 dach- ( o ) dachte in der ironischen Schreibart noch uͤbertrefe. Wem seine Beredsamkeit solche abscheuliche Ehre, als dem Herrn Professor Philippi, bringet, der sollte wuͤnschen, daß doch niemals ein beredtes Wort aus seinem Munde gegangen, oder aus sei- ner Feder geflossen waͤre. Wie die Vorrede des Herrn Secretars der Gesellschaft der kleinen Gei- ster, welcher sich bloß mit den etwas fuͤrchterlich lautenden Anfangs-Buchstaben seines Nahmens C. A. V. E. unterschrieben, meldet, so ist die Stand- Rede des Herrn Philippi, worin er seinen Zorn gegen die kleinen Geister ausgeschuͤttet, da und dort unter den Haͤnden der Leser im Manuscript umgeschweift, und hat eher keinen Verlaͤger finden koͤnnen, biß sich die Gesellschaft der kleinen Geister, nach vieler Ueberlegung und mit 777. Stimmen gegen 365. entschlossen, dieselbe samt der darauf er- theilten Antwort ans Licht zu stellen. Die feuer- speyende Rede des Herrn Doctors Philippi traͤgt kaum einen Bogen aus, da die kraͤftige Antwort fast gantzer 4. Bogen anfuͤllet. Hierin nun wer- den die Qualitaͤten des Herrn Philippi so abge- schildert, daß die Gesellschaft gestehen muß, er sey einer der vollkommensten kleinen Geister, und ver- diene, als der wuͤrdigste unter den wuͤrdigen zum Oberhaupt derselben erkiest zu werden, welche Eh- re anzunehmen sie ihn auch mit wehmuͤthigen Bit- ten und Flehen noͤthigen. Hiernaͤchst wird seine Thuͤringische Historie als ein Werck gepriesen, worin lauter unerhoͤrte Dinge stehen, die man in andern Geschichtschreibern vergebens sucht, und wovon eine gute Reihe nach einander erzehlt stehet. Ferner ( o ) Ferner wird aus dessen Versuch von der Unmoͤg- lichkeit einer ewigen Welt, woselbst der Herr Phi- lippi die Ankunft des juͤngsten Tages auf das 53te Jahr sezt, erwiesen, daß er ein wahrhafter Seher, Prophet und wunderbarer Mann, und kein philo- sophischer Enthusiast sey, ja daß er nicht nach ge- meiner und plumper Weise den juͤngsten Tag vor- her verkuͤndiget, sondern mit einer prophetischen Zweydeutigkeit, woruͤber man sich verwundern muͤs- se, seine Ehre in Sicherheit, gesetzt habe. Jn Summa, es ist diese dem Herrn Professor Philip- pi zur Antwort ertheilte Rede ein Zeugniß eines aufgeweckten und in allen Stuͤcken geuͤbten Ver- standes, daß jeder, der sie gelesen, wuͤnschen wird, es moͤge der Herr Autor, vermoͤge des Schlusses der Vorrede, seine Leser bald wieder sprechen. Wir und viele andere wuͤnschten, daß der Dip- pel eine solche Musterung paßiren muͤßte. No. XV. Leipzig. Allhier belustigen einige sich an einer Schrift von 1. Bogen, welche folgenden Titul hat: Sottises Champêtres, oder Schaͤfer-Gedicht des ( Tit Herr Prof. Philippi, seiner Seltenheit wegen zum Druck befoͤrdert. Leipzig 1733. in Octav. Der Titel, die Vorrede, und der Jnhalt, so diesem Schaͤfer-Gedichte des Hn. Prof. Philippi vorgesetzet, geben klaͤrlich, daß die Feinde des Hn. Prof. die Herausgabe desselben besorget. Jhre Absicht ist unstreitig die beste nicht, und wir glau- ben, daß der Danck, den sie damit bey dem Herrn Prof. Philippi so wohl, als bey unpartheyischen Le- G g g 3 sern ( o ) sern verdienen werden, sehr schlecht seyn wird. Wir wenigstens, unsers geringen Orts, koͤnnen nicht umhin, diesen ungebetenen Herausgebern einer frem- den Arbeit aufrichtig zu sagen, daß uns die Muͤhe und Unkosten, so sie sich gemacht, sehr unnuͤtze schei- nen. Wer nur das Helden-Gedicht des Herrn Prof. Philippi gelesen, der weiß schon, wieweit sich die Geschicklichkeit dieses beruͤhmten Lehrers in der Poesie erstrecke, und lernet aus dem Schaͤfer-Ge- dicht nichts neues. Meinen diese Herren aber, es sey der Welt daran gelegen, daß sie wisse, daß die Faͤhigkeit des Herrn Prof. Philippi in allen Arten der Gedichte gleich, und seine Schaͤfer-Gedichte mit eben so viel Seltenheiten prangen, als sein Hel- den-Gedicht; So muͤssen wir ihnen sagen, daß ihr Verfahren im hoͤchsten Grad liebloß, weil ihnen un- streitig bekannt seyn muß, wie uͤbel der Herr Prof. Philippi mit seinem Helden-Gedichte angekommen, und wie wenig die jetzige boͤse Welt geschickt sey, die Vorrreflichkeit der Gedichte dieses unermuͤndeten Poeten gebuͤhrend einzusehen. Jhr Vorsatz ist also nothwendig, dem Herr Prof. Philippi durch die Herausgebung seines Schaͤfer-Gedichts einen Ver- druß zu machen, den die ausserordentliche Hoͤflichkeit, so er durch die Verbergung desselben gegen die un- danckbare Welt bezeiget, nicht verdienet. Wir koͤn- nen dieses nicht billigen, und wie wir das widrige Verhaͤngniß des Herrn Prof. Philippi beklagen, so hoffen wir auch, es werde derselbe bey so gefaͤhrlichen und treulosen Zeiten die Stunden, so ihm die Verfer- tigung der herrlichen Schriften, durch welche er sich die gelehrte Welt so sehr verbindet, uͤbrig laͤs- set, ( o ) set, hinfuͤhro anwenden, diejenigen Personen mit denen er sich in einen vertrauten Brief-Wechsel einlaͤsset, und denen er seine geheimesten Angele- genheiten vertrauet, genauer und besser kennen zu lernen. No. XVI. Hamburg. Ohnlaͤngst ist von einem Ungenann- ten an einige hiesige Buchhaͤndler eine Schrift von 2. Bogen in Quart, genannt: Sottises galantes \&c. eingeschicket worden. Der Verfasser derselben, welcher sich auf dem Titul Carl Gustav Freyherr von Frohenmuth genennet, hat die Absicht, die Ehre des Hrn. Prof. Philippi wider dieienigen zu retten, die diesen Haͤllischen Redner durch die Her- ausgebung seines Schaͤfer-Gedichts, seiner Mey- nung nach, beschimpfet haben. Er meynet, ein ge- wisser Lehrer der hohen Schulen in Leipzig sey derje- nige, der dem Herrn Prof. Philippi diesen Streich gespielet, und dieser Verdacht verleitet ihn so weit, daß er Dinge vorbringet, die seine Schrift zu einem foͤrmlichen Pasqvill, ihn der Strafe, welche auf Schriften solcher Art gesetzet, wuͤrdig, und das selt- same Schaͤfer-Gedicht des Hrn. Prof. Philippi doch nicht um ein Haar besser machen. Es sey ferne von uns, daß wir dieses Blatt durch Wiederholung der greßlichen und Ehrenruͤhrigen Auflagen, durch wel- che der ungluͤckseelige Verfasser dieses Pasquills den guten Leumund eines ehrlichen Mannes auf eine ra- sende Art kraͤncken wollen, besudeln sollten. Wir machen uns ein Gewissen daraus, und sind versi- chert, daß alle Ehrliebende Gemuͤther, und der G g g 4 Hr. ( o ) Hr. Prof. Philippi selbst das strafbare Beginnen ei- nes so Ehrvergessenen Pasquillanten mit uns ver- abscheuen werden. Se. Freyherrl. Excellentz wer- den nicht ungnaͤdig nehmen, daß wir unsere Ge- dancken so ofenhertzig sagen; wir sagen noch viel zu wenig, und muͤsten eine heroische und ausserordent- liche Beredsamkeit besitzen, wenn wir die Boßheit, Dummheit und Raserey, so aus allen Zeilen der so ge- nannten Sottises galantes hervorleuchtet, nach dem Leben vorstellen wollten. Wir halten dieses auch vor unnoͤthig, und wuͤrden dieser boßhaften Schand- Schrift gar nicht einmahl die Ehre gethan haben, ih- rer zu erwehnen, wenn nicht der Elende, so dieselbe zu seiner eigenen Schande verfertiget, so frech und unverschaͤmt gewesen waͤre, uns, durch die Uebersen- dung eines Exemplars von seiner abgeschmackten und laͤsterlichen Schrift, dazu aufzumuntern, und in denen elenden Versen, mit welchen er dieselbe be- schliesset, ausdruͤcklich zu bitten, ihm seinen Theil zu geben. Er thut dieses letztere auf eine Art, die eben nicht gar edel und freyherrlich herauskoͤmmt; indem er uns Nahmen beyleget, die auch aus dem Munde des Poͤbels uͤbel klingen. Einige Vorwitzige haben hieraus, und weil sie eine grosse Aehnlichkeit, in An- sehung der Schreib-Art, zwischen dem Fuͤndel-Kin- de und diesem Pasquill bemercket zu haben vermey- nen, schliessen wollen, daß der Hr. Prof. Philippi selbst der Urheber dieser galanten Thorheiten sey. Al- lein wir halten dieses vor unmoͤglich. Solte der Hr. Prof. Philippi, dem wir unsere Hochachtung bey aller Gelegenheit spuͤhren lassen, und der uns noch neulich in einer hoͤflichen Zuschrift seine Freundschaft, davor ( o ) davor wir uns bedancken, angetragen, itzo so un- freundlich gegen uns verfahren, uns vor der Nase braviren, und ohne Noth muthwillig wider sich ha- ben reitzen koͤnnen? Wenn wir uͤberdem erwegen, daß der Hr. Prof. ein Lehrer der Rechte, und daß ihm folglich nicht unbekannt sey, wie sehr der Ver- fasser eines solchen Pasquills sich der Gefahr einer empfindlichen Leibes-Strafe aussetze; So muͤssen wir allen Verdacht, so scheinbar er auch seyn mag, fahren lassen. Wir wuͤnschen uͤbrigens Se. neuge- backene Freyherrliche Excellentz von Frohenmuth, dem wahren Namen nach, kennen zu lernen; nicht eben um Rache an ihm zu uͤben oder uͤben zu sehen, sondern damit, wenn der rechte Thaͤter bekannt wird, die Unschuld aus dem Verdacht kommen moͤge. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es mit der Zeit geschehen, und der Freyherr von Frohenmuth sich alsdann in einen Chevalier de la triste Figure verwandelt sehen werde. No. XVII. Leipzig. Hier siehet man: Abgestrafter Vor- witz eines unbesonnenen Critici, das ist: Nach- druͤckliche Erinnerung an den Herrn Prof. Philip- pi in Halle, doch einmahl vernuͤnftiger und kluͤger von gelehrten und ansehnlichen Personen zu urthei- len. Wobey sonderlich seine letzte Schrift Ma- them. Versuch von der Unmoͤglichkeit einer ewi- gen Welt in gebundener Rede erwogen wird von einem ihm wohlbekannten Weissenfelser. Frey- stadt, 1733. Der Verfasser dieser Schrift stehet in dem Wahn, der Mathematische Versuch des G g g 5 Hrn. ( o ) Hrn. Prof. Philippi sey eine Schmaͤh-Schrift, in welcher derselbe sich nicht nur an dem Hrn. Hof- Rath Wolf, sondern auch an GOtt, und diejeni- gen, die, wie er p. 14. Not. k. redet, in dem Haͤl- lischen Waysenhause an dem Wercke des HErrn arbeiten, groͤblich versuͤndiget. Er haͤlt sich daher in seinem Gewissen verbunden, den Vorwitz des Hrn. Prof. Philippi mit Ernst zu bestrafen. Zu dem Ende hat er einen gantzen Bogen mit Deut- schen Versen bemackelt, in welchen er dem Herrn Prof. Philippi vermeinten Unverstand, Eigen-Lie- be, Schmaͤh-Sucht und dergleichen Fehler, auf eine ziemlich plumpe Art vorwirft. Was sich nicht in Reime zwingen lassen wollen, hat er in ge- wisse Anmerckungen eingeschlossen, und diese unge- bundene Anmerckungen sind eben so ungereimt, als der gereimte Text, den sie erlaͤutern sollen. Aus beyden leuchtet die eigene Schwaͤche des Verfassers so deutlich hervor, daß man leicht siehet, wie er gar nicht gebohren, andern Leuten die ihrige zu zeigen. Niemand hat jemahlen den Titul eines unbesonnenen Critici besser verdienet, als eben er, und es muͤste viel seyn, wenn sein Vorwitz unbe- straft bleiben solte. Der gute Herr Grimaldo, so nennet sich der Verfasser in seinem letzten Verse, wird sein Ungluͤck nicht uͤbersehen, wo sein verderb- tes Priesterthum, so er p. 15. Not. l. ehestens ans Licht zu stellen verspricht, nicht besser geraͤth, als seine nachdruͤckliche Erinnerung an den Hrn. Prof. Philippi, und wir rathen ihm wohlmeinentlich, sowol mit diesem Buͤchlein zu Hause zu bleiben, als auch die gelehrte Welt mit ferneren Straf-Predig- ten ( o ) ten gegen den Herrn Prof. Philippi zu verschonen. Er hat keinen Beruf dazu. Er ist zu jung, und taugt nicht zum richten. Es lassen sich dieses alle diejenigen gesagt seyn, die vielleicht bey einem glei- chem Unvermoͤgen, einen gleichen Kuͤtzel, sich an den Herrn Prof. Philippi zu reiben, bey sich spuͤ- ren. Es ist ein Elend, daß nunmehro ein jeder Stuͤmper an dem Herrn Prof. Philippi zum Rit- ter werden will. Kaum hat der Versasser des Briontes den ersten Schlag gethan, so faͤllt dem Herrn Prof. Pilippi eine gantze Schaar von Wi- dersachern auf den Hals, und es will nach gerade diesem ehrlichen Mann nicht viel anders gehen, als einem ungluͤckseeligen Chevalier d’ Industrie, der auf einen Jahr-Marckt uͤber den Gebrauch sei- ner verbotenen Kunst ertappet, und durch das Ge- schrey der Umstehenden dem weltlichen Arm einer muthwilligen Jugend uͤbergeben worden. Wir koͤn- nen nicht glauben, daß der Verfasser des Briontes durch den liebreichen Backenstreich, den er dem Hrn. Pr. Philippi gegeben, ein solches Ungewitter wider ihn erregen wollen. Die Absicht dieses Scribenten ist unstreitig nicht gewesen, den Hrn. Prof. Philippi durch seine Satyre dem Muthwillen ungezogener Juͤnglinge Preiß zu geben, und wir zweifeln nicht, er werde es mit Verdruß ansehen, daß der soge- nannte Weissenfelser diesen Haͤllischen Redner auf eine so grobe und muthwillige Art begegnet. Der Herr Prof. Philippi indessen hat unsers Erachtens keine Ursache, sich uͤber das Verfahren dieses Weis- senfelsers zu aͤrgern. Er kan sich vielmehr gluͤck- lich schaͤtzen, daß so schlechte Helden gegen ihn zu Felde ( o ) Felde ziehen. Es bringt ihm dieses einen gewissen und herrlichen Sieg, und uͤberdem die suͤsse Hof- nung zuwege, daß der gefaͤhrliche Verfasser des Briontes ihn inskuͤnftige zufrieden lassen, und sich schaͤmen werde in so unanstaͤndiger Gesellschaft wi- der ihn zu kaͤmpfen. No. XVIII. Hamburg. Folgende Schrift eines zum Ba- thos gebohrnen, und durch Uebung darin vollkom- men gewordenen Redners und Poeten, ist uns, nach dem sie viele Zeit auf Reisen zugebracht, um ir- gendwo unter die Presse zu kommen, und endlich, was sie gesucht, gefunden hat, zu Gesichte gekom- men. Sie hat den Titul: Der Marqvisin von Sa- blé hundert vernuͤnftige Maxim en, mit 366. mora- lischen Bildnissen erlaͤutert; ihrer Fuͤrtreflichkeit wegen aus dem Franzoͤsischen uͤbersetzet, und mit ei- ner Zuschrift an Jhro Hochwohlgebohren, die Frau von Ziegler, Kayserl. gekroͤnte Poetin, und der Deut- schen Gesellschaft zu Leipzig Mitglied, begleitet, von D. Johann Ernst Philippi, der Deutschen Wohl- redenheit oͤfentlichen Lehrer zu Halle. Leipzig, 1734. 20. Bogen, in Octav. Wenn wir, unserer bishe- rigen Gewohnheit nach, mit dem Herrn Prof. Phi- lippi scherzen wolten, so wuͤrden wir sagen, daß seine Uebersetzung vortreflich wohl gerahten, daß die in den Noten, Zusaͤtzen, Erlaͤuterungen und Erinne- rungen vorkommende so genannte moralische Bild- nisse ihres gleichen nicht haͤtten, und daß dasjenige, was Theophraste und Bruyere von der Art geschrie- ben, gegen seine Arbeit gehalten, laͤppisch Zeug waͤ- re. ( o ) re. Wolten wir im Ernst, welches sonst noch nicht geschehen, mit ihm reden, so muͤsten wir bekennen, daß er kein Franzoͤsisch verstehe, elend uͤbersetzt, und in der ihm bishero gewoͤhnlichen abgeschmackten Schreib-Art sich selbst uͤbertrofen habe. Allein weil wir von ihm nicht vermuthen koͤnnen, daß er Scherz und Ernst zu unterscheiden wisse, und genug sehen, daß bey ihm beydes gleich uͤbel angewandt seyn wer- de; so wollen wir auch keines von beyden gegen ihn gebrauchen. Der seel. D. Luther unterrichtet uns, wie man einen Scribenten, seines Schlages, begeg- nen muͤsse. Nach seiner Meynung verdienet er keinen Spott, keine Zuͤchtigung, oder dergleichen etwas, sondern Mitleid und Erbarmung. „Denn, „spricht er im II. Tom. Jen. p. 136. Wie solt ein „arm Man thun, der gern schreiben wolt und kuͤnd „nichts? Er muß je so firlefantzen und mit Worten „umherschweifen, daß die Leute dencken, er wolle „ein Buch schreiben. No. XIX. Halle. Nachdem ein Ungenannter gegen den Prof. und D. Philippi allhier, welcher am 30 Au- gust nach Goͤttingen gegangen, auch allda bereits gluͤcklich angelanget, eine Schrift von 2 Bogen: Wahrhafter Bericht ꝛc. herausgegeben, darinn Er vorgiebt, als ob ein hiesiger beruͤhmter Me- dicus H. B. (womit der Verfasser den Lesern weiß machen wollen, als ob es von hiesigem Herrn D. Bas- sen komme,) den Hrn. Doctor wegen harter Wun- den, die Er in einer Schlaͤgerey bekommen haͤtte, besucht, ꝛc. So berichtet man hiedurch zu Steuer der ( o ) der Wahrheit, daß alles erdichtet sey, und der Hr. Prof. Philippi vom 20ten Junii, da Er soll toͤdtlich darnieder gelegen haben, biß zur Abreise nicht nur gesund gewesen, sondern auch das unge- schliffene Vorbringen des nahmlosen Pasquillan- ten durch alle, so dem Hrn. Prof. biß zur Abreise gesprochen, wiederlegt werde. No. XX. Gleichfals ist es auch der Herr von Ludewig, der mit seinen Jntelligentz-Zettuln den Herrn D. Philippi, (der zur ersten Sorte anfaͤnglich gedach- ter Gelehrten gehoͤret) zu der feuerspeyenden Schrift, daß der ehrliche Cicero ein grosser Windbeutel, Ra- bulist und Charletan gewesen sey, verfuͤhrt hat, in- dem jener dem Cicero solche Nahmen am ersten bey- geleget, und dieser, nach dem Gestaͤndniß in seiner Vorrede, solches windmacherische Angeben, aus- suͤhren wollen. Wie der gute Herr Dr. Philippi seine Sache ausgefuͤhret hat, solches ist ihm gar nachdruͤcklich in ihren Nachrichten gezeigt worden. Mir kamen bey Erblickung des Titels die Gedan- cken ein, daß die Worte: Hic Rhodus, hic salta! sich auf das Kupfer beziehen muͤsten, weil es scheint, als wenn der Hr. D. Philippi ein Blasebalg-Ballet tantzen wollte. Doch er will kein Taͤntzer, sondern ein Haͤndler seyn. An ihrem Orte rufen die Puͤster- Haͤndler ihre Waare auf der Strasse herum, und tragen sie unter dem Arm. Wenn aber Doctor Philippi bey ihnen so aufgezogen kaͤme, wie er auf dem Titel stehet, und daß die Baͤlge um ihn herum floͤgen, er bekaͤme tausendmahl groͤssern Zulauf als in ( o ) in Halle und Goͤttingen. Wir muͤssen jetzo in H. seiner maͤnnlichen und heroischen Beredsamkeit ent- behren. Weil er auf eine gantz neue Art die Wind- beuteleyen aus einer Rede des Cicero gezogen, und derselbe dadurch klaͤrlich erwiesen, daß er sich auf das Windmachen sonderlich verstehet, so waͤre es viel- leicht nicht uneben, wenn ihm aufgetragen wuͤrde, daß er auch aus den uͤbrigen Autoribus classicis die darin steckende Windbeuteleyen zeigte, und ein O- pus ventosum schriebe, worin die Winde der Au- torum classicorum gesammlet stuͤnden. Aber un- ser Wunsch wird wohl unter den piis desideriis be- stecken bleiben, sintemahl mir eine neue Schrift von der Gewißheit seines Todes, und daß er zu Goͤttin- gen als ein Gespenste herum gehe, zu Gesichte ge- kommen, mit der Ueberschrift: Bescheidene Be- antwortung der Einwuͤrfe, welche einige Freunde des Herrn D. Joh. Ernst Philippi, weyland wohl- verdienten Professors der deutschen Wohlredenheit zu Halle, wider die Nachricht von dessen Tode gemacht haben. Halle. 1735. in 8. von 2 Bogen. Plin. Post sepulturam quoque visorum exempla sunt. Gegen den ehemahligen Bericht eines Medici, daß der Hr. Prof. Philippi den 21. Junius Abends um 6 Uhr 53 Minuten wuͤrcklich dieses Zeitliche ge- segnet, haben einige Freunde desselben eine Schrift herausgegeben, sich seiner als die strengsten Renom- misten mit Hauen, Stechen, Schlagen und Schel- ten angenommen, den Bericht des Medici vor erlo- gen und erdichtet ausgeschrien, auch unter andern unrichtigen Berichten des Herrn Kohls der Welt mit Schmaͤhworten kund machen lassen, der Herr Pro- ( o ) Professor Philippi lebe. Weil nun der Herr Ver- fasser des Berichts eines Medici gar zu grob und Eh- renruͤhrig gemißhandelt worden, so hat er billig nicht geschrien, sondern auf eine bescheidene, angenehme und sowohl ernst-als schertzhafte Weise seine Laͤste- rer widerlegt und gezeiget, daß der Herr Professor Philippi dennoch todt sey, und daß seine Freunde den Beweiß, er lebe, schlecht gefuͤhret. Man kan mit Grund der Wahrheit sagen, daß er seine grimmigen und plumpen Laͤsterer zu Schanden und Spott ge- macht, die ihn aͤrger tractirt, als wenn er gesagt haͤt- te, der Herr Professor Philippi habe seinen Vater ermordet und seine Mutter genothzuͤchtigt, da er doch nur geschrieben, der Herr Prof. Philippi sey auf seinem Bette sanft und seelig mit den erbaulich- sten Gedancken eingeschlafen. Denn sterben ist ja kein Schelmstuͤck, und es sind viel tausend wackere Leute vor ihm gestorben. Es wird ferner gewiesen, 1) daß es kein Beweiß sey, wenn die unbekannte Rotte der Freunde des Herrn Prof. Philippi bloß mit den auserlesensten Scheltworten sage, er lebe! 2) Daß der Autor des Berichts eines Medici kein Feind des Herrn Prof. Philippi sey, und aus keinem feindseli- gen Gemuͤthe der Welt eroͤfnet, daß Herr Prof. Philippi todt sey, indem er weder sein Erbe noch sein Nachfolger im Amte zu seyn verlange; 3) daß es nicht genug sey, wenn Herr Prof. Philippi selbst sage, er lebe, weil testis in propria causa nichts gilt; da er doch kein Wort seines Lebens wegen bißanhero ge- sprochen; 4) daß der Brief, den er nach solcher Zeit soll geschrieben haben, auch nichts beweiset, weil er kan erdichtet seyn, und viele Briefe nach dem Tod gelehr- ( o ) gelehrter Leute heraus kommen; 5) wenn es heisse, Herr Prof. Philippi gienge zu Goͤttingen herum, so ist die Meynung des Herrn Verfassers, der Teufel habe darunter sein Spiel, es sey des Herrn Prof. Philippi Gespenste, das endlich verschwinden und einen Gestanck hinter sich lassen werde. ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Jch kan Jhnen M. H. zum Beschluß noch dieses berich- ten, daß ein Gespraͤch im Reiche der Todten zwi- schen dem Hrn. Prof. Philippi und Hrn. Doct. Ro- digasten bald werde aus der Presse kommen. Denn der letztere gehoͤrt nun auch unter die Todten. Da- durch ist dieses per subscriptionem beruͤhmten Poly- historis Corpus Juris casuale ins Stecken gerathen. Ein grosser Verlust zur Freude der Welt. Der Hr. Rodigast wird sich in der Ewigkeit uͤber des Herrn Kohls Bericht hoͤchlich beschweren, daß er die ge- lehrte Welt vergeblich getroͤstet, ihr das Maul auf- gesperret, und vorgegeben, daß Herrn Rodigasts Doctoris und JCti Werck fertig und in allen Buch- laͤden zu haben sey. Jngleichen wird Hr. Prof. Phi- lippi uͤber Herrn Kohls neulichen gelehrten Be- richt von einem Bauren-Knecht, der einen jungen Hund ausgespien, welcher in jener Welt kund worden, seinen Argwohn empfindlich zu er- kennen geben, indem er glaubt, man habe seiner gespottet, weil der Bauer-Knecht Philippi heißt. Jch stelle es Jhnen frey M. H. ob Sie meine Ge- dancken ihren gelehrten Nachrichten wollen beyfuͤ- gen. Geschiehet es, so warte ich bald mit meh- rerm Beytrage auf ꝛc. ꝛc. No. XXI. Hamburg. Hier siehet man eine Schrift un- H h h ter ( o ) ter folgendem Titul: Cicero, ein grosser Wind- Beutel, Rabulist und Charletan; zur Probe aus dessen uͤbersetzter Schutz-Rede, die er vor den Qvintius gegen den Naͤvius gehalten; klar erwie- sen von D. Johann Ernst Philippi, Prof. der deut- schen Beredsamkeit zu Halle. Sammt einem doppelten Anhange, 1) dergleichen Bruͤder, glei- cher Kappen, 2) von acht Vertheidigungs-Schrif- ten gegen eben so viel Chartequen. Hic Rhodus, hic salta! Halle, 1735. Jn Verlegung des Au- toris, und in Leipzig in Commission zu finden bey Jacob Born, auf dem Nicolai Kirchhof, unter der Fr. D. Schambergerin Hause, 1½. Alphab. in 8 Mit dem Bildnis des Autoris. Erat autem Cestius, nullius quidem ingenii, Ciceroni etiam infestus, quod illi non impune cessit. Nam cum M. Tulius, filius Ciceronis, Asiam obtineret, homo qui nihil ex paterno ingenio habuit præter urbanitatem, cœnabat apud eum Cestius. M. Tullio \& natura memoriam dem- pserat, \& ebrietas, si quid ex ea supererat, sub- ducebat: subinde interrogabat: Quis ille voca- retur, qui in imo recumberet? \& cum sæpe sub- jectum nomen Cestii excidisset, novissime ser- vus, ut aliqua nota memoriam ejus faceret cer- tiorem, interoganti domino, quis ille esset, qui in imo recumberet? ait: Hic est Cestius, qui pa- trem tuum negabat litteras scisse, afferri protinus flagra jussit, \& Ciceronis, ut oportuit, de corio Ce- stii satisfecit. Seneca Suasor. VII. No. XXII. ( o ) No. XXII. Extract eines Schreibens aus Goͤttingen vom 29. Jan. 1735. Hamburg. Der Herr Prof. Philippi ist noch hier, und hat endlich seinen so lange versprochenen Tractat, Cicero ein grosser Wind-Beutel, auf seine eigene Kosten drucken lassen. Der gantze Ti- tel dieses Wercks lautet also: Cicero , ein grosser Wind-Beutel, Rabulist, und Charlatan; zur Probe aus dessen uͤbersetzter Schutz-Re- de, die er vor den Quintius gegen den Naͤ- vius gehalten, klar erwiesen von D. Johann Ernst Philippi, Prof. der teutschen Bereds. zu Halle. Samt einem doppelten Anhange, 1) der gleichen Bruͤder, gleicher Kappen, 2) von acht Vertheidigungs-Schriften, gegen eben so viel Charrequen. Hic Rhodus, hic salta! Halle. 1735. Jn Verlegung des Autoris, und in Leipzig in Commission zu finden bey Jacob Born auf dem Nicolai Kirchhof, unter der fr. D. Schambergerin Hause, anderthalb Al- phab. in 8. Der Herr Prof. Philippi weiß sich recht groß mit dieser Schrift, und er hat es auch Ursache. Alles, was er bißhero geschrieben, ist vor nichts dagegen zu achten. Jn der ziemlich langen Vorre- de handelt er gar umstaͤndlich von der Absicht seiner Schrift, und druͤcket in derselben den Caracter eines Wind-Beutels, Rabulisten, und Charlatans vor- treflich aus. Er beschreibt den letzten, nach der le- bendigen Erfahrung, so er in diesem Stuͤcke hat, gar nachdencklich folgendergestalt: „Ein Charle-„ H h h 2 tan ( o ) „tan ist ein gelehrter Gauckler, der bey seiner vorge- „gebenen Wissenschaft viel laͤcherliches an sich hat, „das er selbst nicht davor erkennet ( p. 35.) und ver- „spricht p. 37. die Charlatanerie nach D. Swifts „Lehr-Art in Form einer Wissenschaft vorzutragen.‟ Es ist zu wuͤnschen, daß er sein Versprechen halten moͤge; denn seine Lehr-Saͤtze von der Charlatanerie werden vortreflich, und, in ihrem Geschlechte, eben so kraͤftig seyn, als die Lehren eines wiederge- bohrnen Predigers, weil er sie unstreitig mit seinem Exempel unterstuͤtzen wird. Die Uebersetzung der Oration pro Quintio ist eben so schoͤn, als diejeni- ge, so er neulich von denen Maximen der Marquise de Sablé herausgegeben. Der Herr Prof. Philip- pi haͤlt es sich vor schimpflich, einen Wortklauber abzugeben, und, nach Art der gemeinen Uebersetzer, den Sinn seines Originals genau auszudruͤcken. Er uͤbersetzet heroisch und maͤnnlich, und daher findet man in seiner Uebersetzung unterschiedene Stellen, die zwar an sich vortreflich, aber doch gantz was anders sagen, als Cicero sagen wollen, und daher manchem Anlaß geben koͤnnen, zu dencken, der Hr. Prof. Philip- pi verstehe kein Latein. Denn so uͤbersetzet er zum Ex. p. 61. die Worte: ad me ventum est, qui, ut summa haberem cetera , temporis quidem certe vix satis habui, ut rem tantam, tot controver- siis implicatam, possem cognoscere, also: „und „ist also diese Sache an mich gekommen, der ich, „ nun andere wichtige Angelegenheiten ab- „zuwatren, in Wahrheit kaum so viel Zeit uͤbrig „gehabt u. s. w.‟ Da doch ein jeder leicht siehet, daß Cicero mit den Worten: ut summa haberem cetera, ( o ) cetera, nicht auf seine vielen Geschaͤfte, sondern auf die eloquentiam und gratiam ziele, worinn, wie er vorher schon gesagt, Naͤvius und sein Advo- cat Hortensius ihm und seinem Clienten so sehr uͤ- berlegen. Mancher, der auch sonst eben kein Wort- klauber ist, wird sich also kaum des Lachens enthal- ten koͤnnen, wenn er siehet, daß der Herr Prof. Philippi uͤber die so wunderbar uͤbersetzte Worte des Cicero nachfolgende Anmerckung nacht: „ Ut sum-„ ma haberem cetera. Hierinne liegt eine Ruhm-„ sucht. Denn Cicero will so viel sagen, als: Se-„ het doch, wie sehr ich mir alles uͤbrige angelegen„ seyn lasse: Was wuͤrdet ihr euch also von mir ver-„ sprechen koͤnnen, wenn ich nur genugsame Zeit ge-„ habt.‟ ( not. 8.) Und p. 72. verdollmetschet er die eben nicht dunckele Worte des Cicero: Nam qui ab adulescentulo quæstum sibi instituisset sine impendio, posteaquam nescio quid impendit , \& in commune contulit, mediocri quæstu con- tentus esse non poterat, auf eine gar besondere Weise, also: „Denn da er als ein junger Kerl ohne„ Muͤhe sich was erworben, nachher weiß nicht„ was vorgehabt, und in gemeiner Casse eingeleget„ ꝛc. und macht dabey die poßierliche Anmerckung:„ Cicero will sagen: Der Narr hatte ich weiß nicht„ was vor Chimeren im Kopf: So verdreust es al-„ so dem Cicero, daß dieser Wind-Beutel sich durch„ seine Windbeuteley zum Hochmuth verleiten las-„ sen, mithin straft er an andern, was bey ihm selbst,„ obwohl in einer andern Art der Windbeuteley,„ zutraf.‟ ( not. 57.) Einem Manne, der es so weit in der lateinischen H h h 3 Spra- ( o ) Sprache gebracht, muß es ungemein artig lassen, wenn er einen Criticum abgeben will. Der Herr Prof. Philippi thut es: Aber auf eine gantz beson- dere Art. Er verbessert Stellen, die keine Ver- besserung beduͤrfen, und wenn der Text verdorben ist, so macht er uͤbel aͤrger. Wenn Cicero spricht: denuntiat (Alphenus) sese procuratorem esse; istum (Nævium), æquum esse famæ fortunisque P. Quintii consulere, \& adventum ejus exspe- ctare. Das ist: Alphenus sagt, er wolle den Quintius vor Gericht vertreten, und Naͤvius muͤs- se den ehrlichen Mann nicht so gleich um Ehre und Gut bringen, sondern dessen Ankunft erwar- ten; so macht der Herr Prof. Philippi p. 86. fol- gende critische Anmerckung: „Es ist im Lateinischen „wohl verdruckt: istum æquum esse famæ fortu- „nisque consulere. Daher muß es heissen: istius „æquum \&c.‟ ( not. 81.) durch welche Verbesse- rung aber der gute Cicero zu einem roͤmischen Phi- lippi gemacht wird: Wenn es hergegen gleich dar- auf heißt: „Wenn er (Naͤvius) aber dieses nicht „thun wolte (nemlich des Quintius Ankunft erwar- „ten); sondern sich fest vorgenommen, den Quin- „tius auf solche Art (nemlich durch die uͤbereilte „und unrechtmaͤßige Verkaufung seiner Guͤter) da- „hin zu bringen, daß er eingehen muͤsse, was er (der „Naͤvius) haben wolte, so wolle er (Alphenus) ihm „weiter keine gute Worte geben, sondern er (Naͤ- „vius) koͤnne nur, wenn es ihm beliebte, zum Rich- „ter wandern, da wolte er ihm schon zur Antwort „kommen.‟ Quod si facere nolit, atque inhibu- erit ejusmodi rationibus illum ad suas conditio- nes ( o ) nes perducere, sese nihil precari, \&, si quid agere velit, judicio defendere: So sieht der Herr Prof. Philippi nicht, daß hier daß inhibue- rit nichts heisse, und davor entweder imbiberit, o- der instituerit gesetzt werden muͤsse: Sondern macht eine trotzige und lehrreiche Anmerckung: “Die No-„ tenschreiber, spricht er, zermartern sich uͤber das„ Wort inhibuerit ejusmodi rationibus illum ad„ suas conditiones perducere, und setzet einer so der„ andere so: Abeꝛ man muß nur sehen, von wem die Re-„ de, nemlich: Si Nævius inhibuerit Procuratorem„ Alphenum, ne rationali modo Quintium dispo-„ nere posset, se eum in jus vocare.” ( not. 83.) Man lernet hieraus zweyerley, 1) daß Alphenus den Quintinum durch vernuͤnftige Vorstellungen zum Vergleich bringen wollen, wovon doch Cicero nicht ein Wort saget, und 2) daß in jus vocare, und judicio defendere einerley sey, welches man sonst nicht gewust. Man kan sich also leicht vorstellen, wie schoͤn eine Uebersetzung, die auf solche Gruͤnde gebau- et, gerathen seyn muͤsse, und darf sich nicht wundern, daß ein uͤber die gemeinen Notenschreiber so weit er- habener Criticus, als der Herr Prof. Philippi, oft durch die kleinesten Druckfehler, die einen maͤßigen Schul-Knaben kaum im Lesen aufhalten koͤnnen, gantz irre gemacht werde. Jch finde davon zwey klaͤgliche Exempel. Cicero spricht: „Naͤvius muͤsse, „wenn er als ein ehrlicher Mann leben wolle, vieles „lernen, und sich vieles abgewoͤhnen, welches beydes „einem Manne von seinen Jahren schwer ankomme.‟ Si vult virorum bonorum instituto vivere, multa oportet discat, atque dediscat, quorum illi ætati H h h 4 utrum- ( o ) utrumque difficile est. Der Herr Prof. Philippi lieset vor utrumque, virumque; weil etwan das t nicht recht ausgedruckt gewesen; und macht p. 123. folgende Anmerckung: „Jn der Ausgabe der Reden „Cicero vom Freigio, welche ich hier zum Grunde „geleget, heißt es Tom. l. p. 31. quorum illi ætati „virumque difficile est. Die Critici moͤgen sich den „Kopf zerbrechen, wie es heissen soll. Jch hoffe seine „Gedancken errahten zu haben, die Worte moͤgen „heissen, wie sie immer wollen.‟Aber er hat sie nicht errahten, und folglich sehr schlecht ausgedruͤcket. Bald darauf hat der Herr Prof. Philippi das Un- gluͤck, daß er ein c vor ein e ansiehet. Cicero sagt: Litteræ P. Quintii, tottestes, (L. Albius, \& fami- liares Albii \& Quintii), quibus omnibus causa justissima, cur scire potuerint; nulla, cur mentian- tur \&c. So viele Zeugen, die alle einen guten Grund ihrer Wissenschaft angeben koͤnnen, und nicht die geringste Ursache haben zu luͤgen u. s. w. Aber der Herr Prof. Philippi lieset vor scire, se ire, und brin- get also Dinge in seine Uebersetzung, die sich weder mit dem vorhergehenden noch folgenden reimen, und dem Cicero nimmer in den Sinn gekommen. „Auch „des Quintius eigene Briefe, heißt es p. 125. sind „so viel Zeugen, darinn die gerechteste Ursache ent- „halten, warum sie haben die Reise vorneh- „men koͤnnen; hingegen ist keine vorhanden, als „ob er sich heimlich davon gemacht, und es „anders vorgegeben ꝛc.‟ Er ist damit noch nicht zufrieden, sondern macht eine Anmerckung, die alle Leser in Bestuͤrtzung setzen wird. „Cur se ire potue- „rint, sagt er not. 233. ist ein besonderer Idiotismus „im ( o ) im Lateinischen, der sich nach den Worten im Teut-„ schen gar nicht ausdruͤcken laͤsset, wenn man sagen„ wolte: warum sie sich gehen koͤnnten.‟ Es legt der„ Herr Prof. Philippi durch diese Anmerckung seine tiefe Einsicht in die lateinische Sprache eben so deut- lich an den Tag, als er in seiner Uebersetzung uͤber- haupt seine Staͤrcke in der deutschen gewiesen, um welche er sich auch nur dadurch unsterblich verdient gemacht, daß er p. 149 das Wort: Dictator durch Machtsprecher uͤbersetzet. Jch komme auf die Anmerckungen, in welchen der Herr Prof. Philippi dem Cicero seine Fehler zeigen will. Sie sind kurtz und nachdruͤcklich. Wenn ihm eine Stelle in der Rede des Cicero nicht gefaͤllt, so spricht er gerade weg: Das ist ein Wind-Streich, ein Luft-Streich, oratorischer Wind, ein Fehl- Schluß, ein Rabulistisch Stuͤckgen, ein Galimati- as u.s.w. Er ruft: O Blendwerck! Blendwerck! stellt sich, als wenn ihm bey dem Geschwaͤtz des Ci- cero uͤbel wird, und schilt ihn vor einen Harlequin, Wind-Beutel und Marcktschreyer. Jch bekenne dieses ist lustig zu lesen: Nur ist zu bedauren, daß oft Religions-Spoͤttereyen mit unterlaufen. Jch rechne dahin, wenn der Herr Prof. Philippi, um den Ci- cero recht zu beschimpfen, spricht: Er rede Catechis- mus-und Cantzelmaͤßig ( not. 23. 24. 123.) Wenn er von der geistlichen Beredsamkeit uͤberhaupt sehr hoͤnisch urtheilet, und, um den usum consola- torium laͤcherlich zu machen, sagt, es sey der beste Trost, daß man daraus schliessen koͤnne, die Predigt werde bald aus seyn ( not. 114. 116. 163.) Wenn er auf dem Kupfer-Blatt, H h h 5 und ( o ) und sonst die Worte Christi: Der Wind blaͤset, wo er will ꝛc. ꝛc. und: Jhr irret und wisset die Schrift nicht, freventlich mißbrauchet ( not. 154. 342.) Und wenn er endlich ( not. 287.) mit denen Wor- ten des Catechismus: Es bedeutet, daß der alte Adam ꝛc. ꝛc. sein Gespoͤtte treibet, indem er auf die Frage: Was bedeutets also? Antwortet: Es be- deutet, daß der alte Cicero ꝛc. ꝛc. welches gewiß sehr profan klinget. Doch man muß dieses vor was er- traͤgliches halten an einem Manne, der in der Vor- rede ( p. 9. 10.) eine lange Stelle aus einem Athei- stischen Manuscript, dessen Verfasser GOtt be- kannt, ohne die geringste Widerlegung anfuͤhret, ja noch dazu wegen der schoͤnen Schreib-Art lobet, und dabey beklaget, daß die Schwachheit und der blinde Eifer vieler Leser ihm nicht zulasse, die gan- tze Handschrift, die er ein Meister-Stuͤck nennet, ans Tages-Licht zu stellen. ( p. 11.) Ueberdem ist der Hr. Prof. Philippi ein Juriste. Man koͤnte dieses, wenn man es auch sonst nicht wuͤste, zur Noth aus einigen Stellen seiner Anmerckungen schliessen. Denn so wundert er sich ( not. 244.) warum Naͤvius den Quintium nicht ex 1. si con- tendat provoci ret, und spricht ( not. 263.) Naͤ- vius habe vor Notarien und Zeugen protesti ret, daß Quintius ausgetreten. Jch glaube wohl, daß viele gemeine Rechts-Gelehrte uͤber diese Anmer- ckungen spotten, und sagen werden, es sey laͤcherlich zu glauben, daß man zu Rom Notarien gehabt, und zu verlangen, daß Naͤvius seinen Gegner aus einem Gesetze provoci ren sollen, welches zu seiner Zeit noch nicht verhanden gewesen, und in welchem die gemeine praxis ( o ) praxis gar nicht gegruͤndet: Allein ich glaube auch, daß der Hr. Prof. Philippi diese Spoͤtter schon ab- fertigen wird. Er weiß seine Feinde schon zu putzen. Selbst in diesen Anmerckungen, die nur bloß gegen den Cicero gemacht zu seyn scheinen, versetzt er ihnen manchmahl eines, und das auf die scharfsinnigste Art. Zum Exempel not. 50. putzt er den Advocaten, der in dem Processe, welchen der Hr. Prof. Philippi mit einem gewissen Manne in M., von dem er erschreck- lich gemißhandelt worden, gehabt, die distinction unter Philippi vor dem Fall, und nach dem Fall an- gebracht. Dieser Advocat muß ( not. 339.) noch- mahls herhalten, woselbst auch der Hr. Prof. Phi- lippi einer gewissen Regierung vom vierdten Rang, wie er spricht, seine Ungnade ankuͤndiget, und ihr nur noch eine kleine Frist zur Busse giebt. Not. 225. hat der Herr Prof. Philippi mit einigen lieblo- sen Leuten zu thun, die ihm nicht ein paar Ellen Sam- met und Atlas borgen, und nicht leihen wollen, da sie nichts zu hofen gehabt: Welches unchristlich: Der Herr Prof. Philippi aber ist hoͤflich, und sagt nur, das waͤren Grobians-Streiche. S. auch not. 112. 203. 396. Jndessen muß man gestehen, daß er, wenn ihm seine Feinde zu maͤchtig, sich in seinem Eyfer kluͤglich zu maͤßigen wisse. Jch berufe mich des falls auf not. 371. und 389. b. da er mit der groͤssesten Behutsamkeit von einer gewissen Ruͤge- Sache redet, und insonderheit auf not. 275. wo- selbst er bey Gelegenheit der Worte des Cicero: Ta- metsi nolo eam rem commemorando renovare, cujus omnino rei memoriam omnem tolli fundi- tus ac deleri arbitror oportere, in christlicher Ge- lassen- ( o ) lassenheit spricht: „Dies dencke ich auch bey einer ge- „wissen Affaire, dabey ich nicht sagen darf, daß „mir zu viel geschehen!‟ Was dieses indessen vor ei- ne Affaire sey kan man einiger massen aus der 85 ten Anmerckung schliessen, die also lautet: „Accepta „insigni injuria, wie jener, der einem grossen Hrn. „ein wohlgesetzt Gedicht uͤberreichen wolte, und ihm „dieser davor ins Gesicht schlug.‟ Denn ob gleich der Herr Prof. Philippi, damit niemand dencken moͤge, er rede von sich selber, sagt, das Gedicht sey wohlgesetzt gewesen; So sieht man doch wohl, daß er auf das bekannte, grosse Ungluͤck ziele, so ihm im vorigen Sommer begegnet. Er ist desfalls wahr- haftig zu beklagen: Allein gleichwie nichts in der Welt so schlimm ist, das nicht wozu gut waͤre, so haben wir auch diesem Ungluͤcke des Hrn. Prof. Phi- lippi die wichtige Anmerckung zu dancken, daß die Kopf-Stoͤsse die gefaͤhrlichsten ( not. 87.) Viele schoͤne Anmerckungen, die der eben ange- suͤhrten nichts nachgeben, uͤbergehe ich mit Still- schweigen. Nur gedencke ich noch der 348ten; weil sie denjenigen, so der Herr Mag. Sievers uͤber die Worte: Habt ihr nichts zu essen? Und sein Nachahmer uͤber das Wort: Rotten, gemacht ha- ben, sehr aͤhnlich, und der 265ten; weil sie gleich- falls erbaulich ist. Jene lautet also: „Jam a suis pe- „natibus præceps ejectus heist hier nicht, als ob die „Hauß-Goͤtter ihn aus dem Guthe gejaget haͤtten: „Denn die arme Teufel ruͤhrten sich nicht; also ists „so viel, als daß er sie mit dem Ruͤcken ansehen muͤs- „sen.‟ Und diese: „Es lagen damahls die Mariani- „sche und Syllanische Parthey einander in den Haa- ren. ( o ) ren. Jch gedencke dabey mit zwey Worten, daß„ in Teutschland jetzo auch eine Marianische Parthey„ sey, von dem Vornahmen einer gewissen vorneh-„ men Dame also benannt; zu solcher gehoͤrt auch die„ schertzhafte Gesellschaft in Leipzig, wie auch die Ge-„ sellschaft der schoͤnen Puͤfgen, und die Boxhornische„ Bande. Jch gehoͤre zu keinen von diesen dreyen.‟ Von des Lucius Philippus Beantwortung der Re- de des Cicero sage ich nichts mehr, als daß sie denen uͤbrigen Reden des Herrn Prof. Philippi vollkom- men gleiche. Wenn man nicht wuͤste, daß dieser beruͤhmte Redner Urheber davon sey, so koͤnnte man es aus dem Schlusse derselben deutlich abnehmen, als welcher recht Philippisch ist. „Wie gut aber waͤre„ es, heißt es daselbst p. 223. wenn durch dero vielver-„ moͤgende Vermittelung, Hochansehnlicher Herr„ Stadt-Richter, und Herren Beysitzer, die Sache„ gaͤntzlich in Guͤte verglichen, und so fort abgethan„ werden koͤnnte: so wolten wir einander, als redliche„ Roͤmer, die Haͤnde geben, zusammen nach Hause„ gehen, mit einander ein Freuden-Mahl an-„ stellen, und dabey die Gesundheit unter andern„ einander zubringen: Es lebe der Hr. Ober-Richter„ Aquilius, und dessen Beysitzer! Es lebe der gantze„ Roͤmische Rath! Es lebe die edele, die Roͤmische,„ die hoͤchstschaͤtzbare Freyheit!‟ Wer sich die Muͤhe geben will, die Rede des Cice- ro mit der Beantwortung zusammen zu halten, wird leicht sehen, ob der Hr. Prof. Philippi Ursache ge- habt, auf diesen Roͤmischen Redner so entsetzlich loß- zuziehen. Jch kenne hier Leute, die da glauben, er habe daran sehr uͤbel gethan. Und in der That koͤmmt ( o ) koͤmmt es wunderlich heraus, daß der Hr. Prof. Philippi sich gegenden Cicero auflehnet, und einen Redner, der seines gleichen schwerlich hat, zu einem Wind-Beutel, Rabulisten und Charlatan macht, bloß darum, weil er seinem Clienten redlich gedienet, und dessen Noth, wie es seine Pflicht erforderte, leb- haft, nach druͤcklich und beweglich vorgestellet. Al- lein der Hr. Prof. Philippi muß doch seine Ursachen gehabt haben, warum er den Cicero so herum genom- men. Jch bilde mir ein, daß ich sie errathen. Die Rede des Cicero ist sehr satyrisch. Der Hr. Prof. Philippi klagt fast in allen Anmerckungen daruͤber. Jst dieses nicht genug, den Hrn. Prof. Philippi in Harnisch zu bringen? Sie wissen, mein Hr., wie barbarisch die Spoͤtter mit ihm umgegan- gen. Sie wissen es um so viel besser, weil Sie selbst oft seiner nicht geschonet. Was ist demnach natuͤr- licher, als daß der Hr. Prof. Philippi einen toͤdtli- chen Haß gegen alle Spoͤtter heget, und da er mit denen Lebendigen nicht auskommen kan, an denen Todten Rache uͤbet? Er soll uͤberdem schon lange ei- nen heimlichen Groll auf den Cicero gehabt haben, weil er sich einbildet, dieser Roͤmer habe ihn in eini- gen Stellen seiner Schriften angezapfet. So glaubt er z. E. er sey der homo ineptus \& loquax, sed (ut si- bi videtur) ita doctus, ut etiam magister alio- rum esse possit, von welchem Cicero in Orat. pro Flacco redet. Er bildet sich ein Cicero meyne ihn, wenn er in eben dieser Oration schreibt: Habebat rhetor iste adolescentes quosdam locupletes, quos dimidio redderet stultiores, quam acceperat, ubi nihil possent discere, nisi ignorantiam litterarum, und ( o ) und die Redens-Art: infatuare aliquem mercede publica, der sich Cicero Philip. 3tia bedienet, koͤnne auf nichts anders zielen, als auf die besondere Art, mit welcher er seine ausserordentliche Professur ver- waltet. Was ihn aber am meisten wider den Cice- ro erbittert, ist die Stelle de Nat. Deor. Lib. I. da Ci- cero ihn, wie er glaubt, hominem sine arte, sine litteris, insultantem in omnes, sine acumineullo, sine autoritate, sine lepore genennet. Da nun Cicero sich kein Gewissen gemacht, einen Menschen vor seiner Geburt, so grob und hoͤnisch durchzu- ziehen, so muß ers auch haben, daß ihn der Herr Professor Philippi nach seinem Tode weitlich wie- der striegelt. Der doppelte Anhang fasset eine Widerlegung aller Gegner des Herrn Prof. Phi- lippi in sich, und Sie, mein Herr, bekommen ihr Theil auch darinn. Viele der hiesigen Gelehr- ten, die es mit dem Herrn Prof. Philippi gut mey- nen, glauben, er habe besser gethan, wenn er seine alten, ihm gar nicht ruͤhmlichen Haͤndel, einmahl ruhen lassen. Aber ich bin anderer Meynung. Eben dieser doppelte Anhang wird denen Feinden des Herrn Prof. Philippi das Maul stopfen. Die Schreib-Art, und die gantz eigene Art zu dencken und zu schliessen, der sich der Herr Prof. Philippi in dem- selben bedienet, muß nohtwendig zu seiner kuͤnftigen Sicherheit dienen, und seine Verfolger uͤberfuͤhren, daß er unuͤberwindlich. Sie werden sich also, wo sie nicht die einfaͤltigsten Leute von der Welt sind, nicht weiter die unnuͤtze Muͤhe geben, gegen den Herrn Prof. Philippi zu schreiben, sondern bedencken, was Seneca Ep. 94. sagt: Si quis furioso præcepta det, quomodo ( o ) quomodo loqui debeat, quomodo procedere, quo- modo in publico se gcrere, quomodo in privato, erit ipso, quem monebit insanior. Billis nigra curanda est, \& ipsa furoris causa removenda. Jch verbleibe ꝛc. ꝛc. No. XXIII. Daß es ein hoͤchstgefaͤhrliches Ding sey, sich ei- ner Sache anzumassen, welcher man nicht gewach- sen ist, zeigt unter andern das Exempel des Herrn Professor Philippi, auf welchen, wegen seiner zu leichte befundenen Faͤhigkeit alle Wetter zusammen zu schlagen scheinen. Denn kaum hatte derselbe Zeit gehabt in der Vortreflichkeit und Nothwen- digkeit der elenden Scribenten, (einer Schrift, welche, wegen ihrer sinnreichen Erfindung und leb- haften Ausfuͤhrung, denen mit so allgemeinem Bey- falle aufgenommenen Schriften des beruͤhmten Dr. Swifts im geringsten nichts bevor giebt) uͤber seine armseelige Gelehrsamkeit und erfolgte Fatalitaͤten seine vielleicht zur Besserung (wo noch eine zu hofen ist) nicht undienliche Betrachtungen anzustellen; so kommet schon wieder eine andre Schrift hervor, wel- che mit dem guten Herrn Professor nicht allzusaͤuber- lich verfaͤhret. Sein groͤster Trost in seinem Ungluͤ- cke mag wohl sreylich das Socios habuisse malorum seyn; und wer weiß, ob nicht hin und wieder selbst noch Professores (zum wenigsten einer gantz in der Naͤhe) anzutrefen, welche mit dem Herrn Phi- lippi um den Rang der Unvernunft und Prahle- rey, absonderlich in ausgegebnen Marckschreyeri- schen Zettuln, streiten koͤnnten, wenn selbige nur, bey ( o ) bey jetziger fuͤr dergleichen Leute so bedraͤngten Zei- ten, das Haupt ohne Schande und Spott empor heben duͤrften. Doch wir lassen dieses an seinen Ort gestellet seyn, und melden nur, daß der Titel der erwehnten neulich herausgekommenen Schrift folgender sey: Wohlmeynender Rath, wel- chen dem S. T. Herrn D. Joh. Ernst Philip- pi, gewesenen oͤfentlichen ausserordentli- chen Lehrer der deutschen Beredsamkeit auf der Universitaͤt Halle; Jmgleichen Chur- Saͤchsischen immatriculirten Advocaten, als er nach unverhofter Genesung sich von Halle wegbegab, in einem troͤstlichen Send- Schreiben ertheilet, dessen aufrichtiger Freund und Bruder, Thomas Marke- wirsch, Carniolanus. Nuͤrnberg. 1734. in 8. zwey Bogen. Der Verfasser ist vor der Hand noch unbekannt, so viel aber aus der Schrift er- hellet, ein grosser Goͤnner des beruͤhmten Neube- rischen Comoͤdianten-Truppes. Der wohlmey- nende Rath bestehet darinn, daß der Herr Prof. den ihm so feindseeligen Lehr-Stuhl verlassen, und seine Geschicklichkeit und Gaben unter dem Muͤlle- rischen Truppe, welcher in dieser Schrift mit dem Herrn Philippi causam communem hat, auf der Schaubuͤhne zu Befoͤrderung der Unvernunft dem hoͤchstunvernuͤnftigem Poͤbel zur Bewunde- rung vor Augen legen moͤge. Wir erwarten, wo- zu sich bey so verzweifelten Umstaͤnden der Herr Philippi entschliessen werde, glauben aber indes- sen, daß derselbe seinen ruͤhmlichen Zweck, auch J i i post ( o ) post fata zu leben, schon ziemlicher massen er- reichet habe. No. XXIV. Aus Dreßden ist uns ein wunderlich Unterzeich- nungs Project auf ein Juristisches Werck zuge- schickt worden, mit dem Ersuchen, dessen auch in un- sern Nachrichten zu gedencken, weil dem 19jaͤhrigen Polyhistori der es aufgesetzt, viel daran gelegen sey, daß seine Ausgeburten des Verstandes in der Welt moͤgten ausgebreitet werden, und weil sich die Leser daran besonders erlustigen koͤnnten. So mag denn um der letzten Ursache willen der saubere Titel des Wercks da stehen, welcher heißt: Teutsches Corpus Juris Civilis Justinianeo Casuale, worinnen aus allen Paragraphis, welche das Corpus Juris Civilis, vom Kaͤyser Justiniano in Teutschland eingefuͤhret, in sich begreifet, gleich der Casus und des Gesetzge- bers Meynung hierinnen abgefasset von D. Samu- el Christoph Rodigast, JC. erster Theil uͤber die Institutiones, in Fol. Schon hieraus erkennet man den ankommenden Gast in der gelehrten Welt. Er prangt alsbald auf dem Titel mit einer neuen Erfin- dung, daß Kaͤyser Justinianus das Corpus Juris in Deutschland eingefuͤhret. Das hierauf folgende A- vertissement klingt noch besser, und haͤngt kuͤrtzlich so zusammen: GOtt hat es vor gut befunden, daß die erschafenen Menschen sollen in Ordnung einher wandeln, und darum haben sie gleich nach der Schoͤp- fung vom Moses die Gesetz-Regeln empfangen; aber das Volck gieng den heydnischen Gesetzen nach, und das Uebel beliebte GOtt durch kein ander Mittel zu aͤndern, ( o ) aͤndern, als daß er seinen Sohn unter dem Augusto ließ gebohren werden, der die Summa des gantzen Gesetzes seinen Juͤngern beygebracht, woraus wir das N. T. bekommen; doch um groͤssere Erkaͤnntniß in der christlichen Religion zu bekommen, habe nach Constantini Zeiten der Theodosius, weil es an weltlichen Gesetzen noch sehr gefehlet, den Co- dicem Theodosianum ans Licht gestellt; hierauf waͤren andere Kaͤyser gefolgt, biß endlich der unuͤ- berwindliche Kaͤyser Justinianus das Corpus Juris von seinen Rechts-Gelehrten in ein Buch fassen las- sen, welches in unserm deutschen Reiche noch ge- braͤuchlich sey. Nachdem nun der Herr D. Rodi- gast, JCtus, seine Historiam Juris in nuce von der Erschafung der Welt biß auf den Justinianum also vorgestellt, so giebt er die Ursachen seines Vor- nehmens zu erkennen, nemlich: Solches Corpus Juris habe er zu meherrer Deutlichkeit angefangen in einen neuen Guß zu bringen: es sey nach allen § is so beschafen, daß es einer guten Handleitung noͤ- thig habe; das Corpus Juris Glossatum sey auch vor erfahrne Koͤpfe nicht deutlich genug; hauptsaͤch- lich aber, weil so viel Schul-Jungen, die kaum recht exponi ren koͤnnen, ihren Rectoribus, abson- derlich in kleinen Staͤdten, entlaufen, und alsdann auf Universitaͤten, weil sie kein lateinisch koͤnnen, nicht fortzukommen wissen, wolle er diesen zum Be- sten das Corpus Juris in einem deutschen Kleide las- sen ans Licht treten. Der Druck sey angefangen; man nehme weiß Papier und neue Littern; der erste Foliant werde 5 Alphabet starck; man bezahle 1. Thaler zum Voraus und den 2ten beym Empfang J i i 2 auf ( o ) auf der Oster-Messe des kuͤnftigen Jahrs, damit er keinen Schaden leide; biß auf Michaelis wuͤrden die Præscriptiones angenommen, und nicht mehre- re Exemplare, als prænumeri rt worden, gedruckt werden. Der Herr Doctor JCtus ist selbst Verle- ger, laͤßt aber bey allen Buchhaͤndlern die Subscrip- tiones annehmen. Wird dies nicht ein Werck werden, noch vielmehr als Auli Apronii Reisen, zur Freude der Welt und ewigen Zeiten? Der Ab- druck soll gewiß vor sich gehen, wenn auch nur an- derthalb Subscriptiones einliefen, denn der Herr Doctor JCtus, als ein ingenium præcocissimum, besitze einen allzugrossen Eifer ein lux mundi zu wer- den, das so lange scheinen will, biß man es aus- putzt; so sey auch der Herr Rodigast aus Eingebung eines prophetischen Geistes bedacht, einer zukuͤnfti- gen Maculatur-Theurung durch die Auflage seines Wercks vorzubauen. No. XXV. Dresden. Da das Corpus Juris Civilis de- nen, die wenig oder gar kein Latein koͤnnen, und doch Juristen seyn wollen, sehr dunckel und unver- staͤndlich ist, so ist Herr D. Samuel Christoph Ro- digast entschlossen, dasselbe in deutscher Sprache, unter dem Titul: Deutsches Corpus Juris Civilis Justinianeo-Casuale, worin aus allen Paragra- phis, welche das Corpus Juris Civilis von Kaͤy- ser Justiniano in Deutschland eingefuͤhret, in sich begreifet, gleich der Casus und des Gesetzgebers Meynung hierinnen abgefasset, ans Licht zu stellen. Er hat dieses in einem Avertissement von einem bereits ( o ) bereits im Druck habenden Corpore Juris Civilis Justinianeo-Casuali, so er doch per Subscriptio- nes erst drucken lassen will, der gelehrten Welt kund gemacht. Mit denen Institutionibus will er den Anfang machen. Er wird einen jeden §. mit Casi- bus erlaͤutern, die Roͤmischen Gebraͤuche und Rech- te mit beruͤhren, den heutigen Proceß, und was noch in Deutschland gebraͤuchlich, mit einschieben, und endlich lehren, was in einer jeden Sache vor eine Klage muͤsse angestellet werden. Er wird es dabey nicht lassen, sondern, wofern es GOttes Wille, das gantze Corpus Juris auf diese Art in Deutscher Sprache durchgehen, und uns also ein Werck liefern, das, wie er ausdruͤcklich sagt, fuͤr Hohe und Niedrige, Gelehrte und Ungelehrte, Geist- liche und Weltliche seyn wird. Wir wollen dem Hrn. D. Rodigast hierinnen eben nicht widerspre- chen, doch muͤssen wir bekennen, daß wir nicht faͤ- hig, den Nutzen seiner Absicht einzusehen. Er will die Stuͤmper erbauen, die kein Latein koͤnnen, und so klug von Academien wieder herkommen, als sie hingegangen. Uns deucht aber, daß diese Armsee- lige nicht verdienen, daß man sich ihrentwegen ei- ne Muͤhe gebe, die eben darum vergeblich seyn muß, weil das Corpus Juris Leuten, die in der Vernunft- Lehre, Moral und Politic Fremdlinge sind, und weder die Historie, noch Alterthuͤmer, noch Ver- fassung der Roͤmer wissen, in alle Ewigkeit unver- staͤndlich und ein Raͤtzel bleiben wird, und wenn es gleich tausendmahl ins deutsche uͤbersetzet. Es wird also die Uebersetzung des Hrn. D. Rodigast diese Troͤpfe eben so klug machen, als jenem Esel J i i 3 das ( o ) das Psalter-Buch, so ihm Eulenspiegel in die Krip- pelegte, und, wenn es hoch koͤmmt, uns so viele stol- tze Zungendrescher, als die Postillen unnuͤtze Schwaͤ- tzer, geben. Wir leugnen indessen nicht, daß das Vorhaben des Herrn D. Rodigast seinen Nutzen haben koͤnne, ob wir gleich nicht begreifen, worin- nen er bestehe: Aber wir besorgen, daß sich wenige entschliessen werden, den verlangten Vorschuß zu thun. Die meisten werden sich an dem Titul des Wercks stossen, und nicht viel Gutes von denen Anmerckungen eines Mannes versprechen, der so uͤbel berathen ist, daß er sich einbildet, Justinianus habe das Corpus Juris in Deutschland eingefuͤhret. Das Avertissement wird sie in diesem Mißtrauen staͤrcken: Denn der Herr D. Rodigast giebt in dem- selben einen sehr magern Begrif von seiner Juristi- schen Weisheit. Er theilt uns einen so andaͤch- tigen Abriß einer Historie der Rechte mit, daß es laͤßt, als wolle er predigen, und was er vorbringt koͤnnte mit Fug ein vollstaͤndiger Auszug aus dem Evangelio am ersten Weinacht-Tage heissen, wenn er nicht schaͤndlich vergessen zu melden, daß, zu der Zeit als Christus gebohren, Cyrenius Land-Pfle- ger in Syrien gewesen. Von der seligmachenden Kraft, die er dem Gesetze Mosis beyleget, wollen wir nichts erwehnen: Es muß dieses nothwendig vielen bedencklich vorkommen. Nur mercken wir noch an, daß das Avertissement so verworren und undeutsch geschrieben, daß viele daher auf die Ge- dancken kommen werden, der Herr D. Rodigast sey eben so ungeschickt das Corpus Juris in gut Deutsch zu uͤbersetzen, als dasselbe mit nuͤtzlichen und gelehr- ten ( o ) ten Anmerckungen zu erlaͤutern. Wir unsers Orts haben eine bessere Meynung von diesem gelehrten Mann. Wir wissen, daß die Menschen in ihren eigenen Sachen blind, und in fremden sehr scharf- sichtig sind, und zweifeln also nicht, der Herr D. Rodigast werde fremde Gedancken weit zierlicher, deutlicher und ordentlicher ausdruͤcken, als seine ei- gene. Um alle Welt von dieser Geschicklichkeit zu uͤberfuͤhren, waͤre es, unsers Erachtens nicht uͤbel ge- than, wenn der Hr. D. Rodigast etwann den §. 3. Inst. Qui, \& ex quibus causis manumittere non possunt zur Probe ins Deutsche zu uͤbersetzen be- lieben wolte. Er koͤnnte bey der Gelegenheit uͤber die Worte: Sæpe enim de facultatibus suis am- plius, quam in his est, sperant homines, eine Christliche Betrachtung anstellen, die gewiß nicht ohne Frucht seyn wuͤrde. No. XXVI. Hamburg. Es ist neulich, wir wissen nicht wo, eine Schrift von 4. Bogen in Quart herausgekom- men, in welcher der Verfasser, der sich Martin Al- brecht nennet, unser, wie er spricht, unverworrenes, undeutsches, und Pferde-maͤßig getrofenes Raison- nement uͤber des Hrn. D. Rodigasts Deutsches Corpus Juris Civilis Justinianeo-Casuale, zu wie- derlegen bemuͤhet ist. Die Schreib-Art und gan- ze Einrichtung dieser laͤcherlichen Schrift zeiget klaͤrlich, daß sie ein Werck des Herrn D. Rodigasts sey. Dieser ehrliche Mann kan nicht leiden, daß wir andere Gedancken von seiner Faͤhigkeit haben, als er selbst. Er hat sich das Urtheil, so wir von J i i 4 seinem ( o ) seinem vorhabenden Deutschen Corpore Juris ge- faͤllet, zu schmerzlichem Gemuͤthe gezogen, und ge- baͤrdet sich desfalls so uͤbel und ungezogen, daß man daruͤber erstaunen muß. An seiner Geschicklich- keit zweifeln, ist, nach seiner Meynung, ein Ver- brechen, so den Tod verdienet. Er spricht uns auch wuͤrcklich an unterschiedenen Orten das Leben ab. Er will uns ersaͤufen. Er will uns, wie die alten Hexen, verbrannt wissen, und haben wir es nicht anders als ein besonderes Zeichen seiner Groß- muth anzusehen, daß er uns endlich so weit begna- diget, daß uns nur unsere blasphemati sche Zunge abgeschnitten, und ein K. vor unserer verwegenen Stirn gebrannt werden soll. Wir wunderen uns also gar nicht, daß er uns vor Unchristen haͤlt, und uns abtruͤnnige Julianer, wilde Saͤue, Hot- tentotten und Mahomethaner nennet. Wir neh- men ihm dieses auch im geringsten nicht uͤbel, son- dern sagen ihm vielmer hiemit oͤfentlich Danck, daß er uns und andern ein Lachen zubereiten wol- len. Seine Unbescheidenheit soll uns nicht aus unserer Gelassenheit bringen, und es sey ferne von uns, daß wir ihn zuͤchtigen solten, wie er es verdie- net. Wir halten seinem gerechten Schmerz et- was zu gute, und beklagen von Herzen, daß er sich durch seinen Eyfer so weit verleiten lassen, daß er durch eine laͤcherliche Ehren-Rettung seine Schwaͤ- che noch deutlicher zu Tage geleget, und durch die derselben angehaͤngte Probe seiner Arbeit, unser von ihm gefaͤlltes Urtheil bekraͤftiget. Wir ma- chen uns ein Gewissen, ihm seine scheußliche und barbarische Schreib-Art vorzuhalten. Kein Schnei- ( o ) Schneider-Geselle kan elender schreiben, als er. Er mag unserntwegen immerhin glauben, daß Ju- stinianus das Corpus Juris 600. Jahr nach seinem Tode in Deutschland eingefuͤhret, und der bekann- te Irnerius, den er umtauft, und, aus Unwissen- heit, den beruͤhmten Irenium nennet, dasselbe 600. Jahr vor seiner Gebuhrt, auf Befehl des Justi- nianus, zu erst in Jtalien gelehret. Wir sind nicht bestellet, ihn klug zu machen. Wir wollen ihm auch nicht weiter abrathen, sein Deutsches Corpus Juris ans Licht zu stellen. Wir sehen wohl, daß er keinen guten Raht annehmen will, und, nach der Beschreibung, die Horatz von einem unbaͤrtigen Juͤngling macht, monitoribus asper ist. Er meynt wir beneiden ihn, und will uns und dem Teufel zum Trotz, sein Deutsches Corpus Juris herausge- ben. Wir freuen uns uͤber diesen Entschluß; denn die Probe, die er uns von seiner Arbeit mitgethei- let, hat uns luͤstern gemacht nach einem Wercke, welches so viel zum Vergnuͤgen und zur Gesund- heit des Menschlichen Geschlechts beytragen wird. Wir schaͤmen uns fast, daß wir ihm eine gute Er- innerung gegeben, und er kan glauben, daß es nimmer wuͤrde geschehen seyn, wenn wir uns haͤt- ten einbilden koͤnnen, daß es so gar elend um ihn bestellet sey. No. XXVII. Es muß denen verkehrten Juristen durch die See- le gehen, wenn sie sehen, daß die geschicktesten und groͤssesten Maͤnner ihres Ordens an denen neuen, verwegenen, aͤrgerlichen und gefaͤhrlichen Lehren, J i i 5 wo ( o ) wodurch sie sich in der Welt groß machen wollen, keinen Theil nehmen. Gute Gemuͤther hergegen freuen sich daruͤber, und halten solche Rechtsge- lehrte zwiefacher Ehren werth. Ein gottseliger Ju- riste stiftet durch das Mißfallen, so er uͤber die boͤ- sen Lehren seiner unwuͤrdigen Bruͤder bezeuget, mehr gutes, als alle Gottesgelehrte durch die gruͤnd- lichsten Widerlegungen, und verdienet die Hoch- achtung aller, die es mit der Wahrheit redlich mey- nen. Man findet leyder! zu diesen Zeiten nicht viele solcher Juristen: Aber es giebt doch noch im- mer einige, die um so viel hoͤher zu schaͤtzen, je sel- tener sie sind. Wir haben vor noͤthig gefunden, diesen kleinen Eingang zu machen, da wir von der Schrift eines Mannes reden wollen, den man mit allem Fug unter die frommen und rechtschafenen Juristen, deren Anzahl so klein ist, rechnen kan. Es ist bekannt, daß einige neuere Rechtsgelehrte, denen der loͤbliche Eyfer, welchen christliche Obrig- keiten vor die Erhaltung der reinen Lehre bezeugen, ein Dorn im Auge war, so weit verfallen, daß sie gelehret, die Obrigkeit sey nicht schuldig vor die Seligkeit ihrer Unterthanen zu sorgen. Diesem Jrrthum, durch welchen viele verfuͤhret, ist von denen reinesten Lehrern unserer Kirche zwar bestaͤn- dig widersprochen, nimmer aber ist derselbe so gruͤnd- lich widerleget worden, als in einer academischen Disputation, die den Titel fuͤhret: Dissertatio cir- cularis januariana, de Jurisprudentia salutis ci- vium æternæ rationem habente, Anno 1735. d. XXIX. d. m. in Academia Rostochiensi ven- tilanda Præside Academiæ Rectore Ernesto Joh. Frid. ( o ) Frid. Manzel, Jur. \& Phil. Doct. Instit. Prof. Ord. \& h. Fac. Jurid. Decano \& Respondente Bernhardo Friderico Neucrantz Gustroviensi, Jur. Cult. Rostochii, typis Joh. Jacobi Ad- leri, Sereniss. Principis \& Acad. Typographi, in 4to 2 Bogen. Der Hr. Verfasser ist, wie man siehet, ein be- ruͤhmter Lehrer der Rostockischen Academie, der mit der Rechtsgelehrfamkeit die Philosophie, und sogenannten schoͤnen Wissenschaften verbinde. Sei- ner vielen Disputationen nicht zu erwehnen, so hat man schon von ihm eine Erlaͤuterung der Pandecten aus der Bibel, primas lineas juris naturæ verè ta- lis, eine Vernunft-Lehre, einen Versuch, wie weit man es in Uebersetzung lateinischer Poeten bringen koͤnne, und viele andere Schriften, aus welchen al- len ein scharfer Verstand, eine grosse Gelehrsamkeit und eine tiefe Einsicht in die wichtigsten Wahrheiten hervorleuchtet. Jn gegenwaͤrtiger Disputation behauptet er, daß die buͤrgerlichen Gesetze auch auf die ewige Seligkeit der Menschen ihre Absicht richten, und dieselbe zu befordern suchen. Die Materie ist reich und erbau- lich, und erforderte just einen Mann, der zugleich ein Theologus und Juriste waͤre. Der Hr. Verfas- ser ist ein solcher Mann. Erhat vor diesem der Theo- logie eyfrig obgelegen, und weiset jetzo durch sein Exempel, daß aus denen, die sich von der Theologie zur Jurisprudentz wenden, die besten Juristen wer- den. Es ist nicht glaublich, daß solche Leute der Fluch trefen werde, der auf diejenigen geleget ist, so die Hand vom Pflug ziehen. Das waͤre ein schlech- ter ( o ) ter Danck vor die wichtigen Dienste, so sie der Kir- che leisten. Wenigstens ist es billig, daß in Anse- hung des Herrn Prof. Manzels eine Ausnahme ge- machet werde. „Nachdem er den gemeinen Wahn, daß die Ju- „risten boͤse Christen, kuͤrtzlich widerleget, ( posit. „1. 2.) beweiset er auf die buͤndigste Art, daß die „Rechtsgelehrten auch vor die ewige Seligkeit der „Menschen sorgen. Sie dringen, spricht er, ( posit. „3.) auf das suum cuique, und wollen also auch, „daß man die Pflichten gegen GOtt beobachte. Die „Fuͤrsten, als Saͤug-Ammen und Pfleger der Kir- „che, welches einer ihrer vornehmsten Titel, setzen „Priester, und sehen dahin, daß der Gottesdienst „zu der dazu bestimmten Zeit gehalten, und der Sab- „bath nicht entheiliget werde. ( posit. 4.) Sie haben „auch Acht auf die Oerter und Gebaͤude, die zum „Gottesdienst gewiedmet sind. Sie sorgen vor die „reine Lehre. Sie lassen auf Concilien und Synodis „die Wahrheit befestigen, und Libros Symbolicos, „ohne welche keine Kirche bestehen kan, verfertigen, „damit nicht ein jeder sich eine eigene Religion mache „( ne quilibet pumilio proprium sibi faciat syste- „ma ): Und zeigen also durch den Gebrauch ihres „Rechts in Kirchen-Sachen, wie lieb ihnen das „Seelen-Heil ihrer Unterthanen sey. ( posit. 5.) „Er koͤnnte, sagt hierauf der Hr. Verfasser ( posit. „6.) untersuchen, wie weit diejenigen recht haben, „die da sagen, daß die Jurisprudentz die ewige Se- „ligkeit zum Endzweck habe, und zeigen, wie unbe- „sonnen diejenigen handeln, die dem Fuͤrsten eine „gar zu grosse Gewalt uͤber die Gewissen zuschreiben: Denn ( o ) Denn daß die Obrigkeit einige Gewalt daruͤber ha-„ be, wuͤrde kein Verstaͤndiger laͤugnen; Allein er„ versparet es auf eine andere Zeit. Nur, meynt er,„ ( posit. 7.) koͤnne er nicht umhin, die Fragen zu„ beruͤhren: Ob die Ketzerey ein Laster? Und was in„ Ansehung der Atheisterey Rechtens sey? Was die„ erste Frage betrift, so sey zwar, spricht er, wenn„ alle Herrschaft uͤber die Gewissen wegfalle, eine je-„ de Ketzerey uͤberhaupt kein Laster, so die Ahndung„ der Obrigkeit verdiene, sondern eine Sache, dar-„ uͤber das Urtheil GOtt allein zustehe: Aber daher„ folge nicht, daß ein jeder, ohne das Buͤrger-Recht„ zu verlieren, glauben koͤnne, was er wolle ( quic-„ quid in mentem \& buccam venerit ): Sondern„ eine jede Republick koͤnne durch ein Grund-Gesetz„ bestimmen, was vor eine Religion gelten solle.„ Wer damit nicht zufrieden, muͤsse in eine solche Re-„ publick nicht kommen, oder, wenn er nicht wolte„ hinaus gestossen seyn, bey der angenommenen Leh-„ re bleiben. Dieses fliesse aus der Natur einer Ge-„ sellschaft, und die Obrigkeit, so Vermuthung vor„ sich hat, suche die Seligkeit ihrer Unterthanen,„ wenn sie keine fremde Religion leiden wolle.‟ „Was die andre Frage anlanget, so meynt der„ Herr Verfasser, die Atheisterey sey ein strafbares„ Verbrechen, weil sie kein Fehler des Ver-„ standes, sondern des Willens. Ein Atheiste„ muß also, nach seiner Meynung, nicht bloß aus„ dem Lande gejagt, sondern am Leben gestraft wer-„ den, und wer anders dencket, sagt er, ist ein Feind„ GOttes. ( posit 8.) Hierauf thut der Herr Verfasser„ den christlichen Wunsch, daß doch die buͤrgerlichen„ „Gesetze ( o ) „Gesetze kraͤftig genug seyn moͤgten, allen Lastern zu „steuren. Er meynt, wenn dieses waͤre, so solten „gewiß mehr Leute, als ietzo, auch wider ihren Wil- „len ( inviti quasi, ) in dieser und jener Welt gluͤcklich „seyn. Er gestehet, daß das Amt der Rechtsgelehrten „eigentlich nur sey, dasjenige zu strafen, wodurch „die menschliche Gesellschaft ofenbahr beunruhiget, „und die Ehre GOttes verletzet wird: Doch, meynt „er, wenn sie dieses thaͤten, so machten sie doch, daß „viele aus Furcht der Strafe als gute Buͤrger lebten, „und indem sie bey der Gelegenheit ( occasionaliter ) „eine Liebe zur Tugend bekaͤmen, gleichsam bey der „Hand zum Himmel geleitet wuͤrden. ( posit. 9.) Bey „dieser Gelegenheit beklagt der Herr Verfasser, daß „die Materie de Infamia noch nicht recht ausgebes- „sert sey. Jhm mißfaͤllt daran zweyerley: 1) Daß die „ Infamia facti heutiges Tages gantz aus der Mode „komme. Er glaubt, wenn die Laster, so diese Art „der Schande wuͤrcken, nur besser gestraft wuͤrden, „so wuͤrden viele erst gezwungen, hernach freywillig „ihre Sitten aͤndern. 2) Daß die Infamia Juris zu „weit gehe, und die Besserung unmoͤglich mache. „( posit. 10.) Jst indessen die Lehre de Infamia man- „gelhaft, so ersetzet die Jurisprudentia criminalis „diesen Mangel uͤberfluͤßig. Die gehet gantz und gar „dahin, daß die Menschen durch die Furcht der „Strafe vom ewigen Verderben zuruͤck gehalten „werden moͤgen. Die Sache braucht keines Bewei- „ses: Denn ein jeder weiß, daß von Jugend auf die „Liebe zur Tugend durch die Furcht der Strafe in „ihm erreget worden, und daß er dieser Furcht, wo- durch ( o ) durch er im Guten bekraͤftiget, seine Gluͤckseeligkeit„ zu dancken habe. ( posit. 12.)‟ „Man siehet hieraus, daß die Juristen vor die„ Seligkeit der Menschen eine ungemeine Sorge tra-„ gen: Noch besser wird man aber davon uͤberfuͤhret„ werden, wenn man mit dem Herrn Verfasser be-„ dencket, wie loͤblich sie die gar zu grosse Gewalt, so„ die alten Roͤmer uͤber ihre Kinder und Knechte ge-„ habt, eingeschraͤncket. ( posit. 13.) Wie sorgfaͤltig„ sie die Schwerenden vor dem Meineyd warnen. ( po-„ sit. 14.) Wie sehr sie, da man ohne Seelen-Gefahr„ nicht in immerwaͤhrendem Haß und bestaͤndiger„ Unversoͤhnlichkeit leben kan, die Jnjurien-Klagen„ zu mindern und abzukuͤrtzen bemuͤhet sind. ( posit. „ 15. 16.) Und wie behutsam sie sind, Leute zum„ Zeugniß zu lassen, von denen zu vermuhten, daß sie,„ aus Liebe zu einer der streitenden Partheyen, falsch„ zeugen, und also einen Meineyd begehen moͤgten.„ ( posit. 17.) Jnsonderheit aber leuchtet die Seelen-„ Sorge der Juristen aus ihrer Aufuͤhrung gegen die„ zum Tode verdammten Uebelthaͤter hervor. Sie„ verhuͤten, daß ein solcher durch eine gar zu harte und„ langsame Todes-Strafe nicht zur Verzweifelung„ gebracht werde, und geben ihnen Zeit, sich zum To-„ de anzuschicken. ( posit. 18.) Der Herr Verfasser„ berufet sich, was den letzten Punct betrift 1) auf die„ Halßgerichts-Ordnung, und 2) auf das Exempel„ der Juristen-Facultaͤt zu Rostock, die alle ihre To-„ des-Urtheile folgendergestalt abfasset: Daß inqui-„ sit, wenn er zur Erkaͤnntniß seiner Suͤnden gebracht,„ und mit dem Heil. Abendmahl versehen, mit dem„ Schwerd \&c. vom Leben zum Tode zu bringen. Jn-„ dessen, ( o ) „dessen, setzt der Herr Verfasser hinzu, folge aus „dieser Formel nicht, daß es unrecht, einen Unbuß- „fertigen hinrichten zu lassen, und sey es der Facul- „taͤt erschrecklich zu vernehmen gewesen, daß An. „1732 ein leichtfertiger Vogel ( quendam nebulo- „nem ) derselben mißbrauchen wollen. Es sey aber „dieser Bube, dem allen ungeachtet, ohne weitern „Aufschub, unbereitet abgethan worden, und das „von Rechts wegen. ( posit. 19. 20.) Schließlich „erweiset der Herr Verfasser seinen Satz durch die „geistlichen Strafen, die, wie er meynt, gantz me- „dicinisch, und auf nichts, als die Rettung der See- „len zielen, ( posit. 22.) und sagt, er habe noch von „unterschiedenen Puncten handeln wollen, in wel- „chen die Rechte die Seelen in Gefahr setzen, und al- „so einer Ausbesserung benoͤthiget waͤren: Allein das „moͤgten andere thun, die mehr Zeit haͤtten. Er „wolle nur noch mit einem Worte erwehnen, „daß, in Ansehung der Testamente, die Gesetze selbst „Ursache waͤren, quod quilibet non moriatur Jo- „hannes Evangelista. ( posit. 23.) Dieses ist der Jnhalt der Disputation des Hrn. Prof. Manzels, die gewiß alles Lobes werth ist. Der Hr. Prof. behauptet in selbiger einen Satz, der in viele wichtige Wahrheiten einen grossen Einfluß hat, und also einer so gruͤndlichen Ausfuͤhrung vor andern werth war. Jndessen wird, allem Anse- hen nach, der Herr Prof. Manzel bey denen boͤsen Juristen mit seiner Disputation schlechten Danck verdienen. Es soll, wie wir vernommen, Leute ge- ben, die sehr vieles wider dieselbe einzuwenden haben. „Der Hr. Prof. Manzel, sollen sie sagen, hat sehr „unrichti- ( o ) unrichtige Begrife von der Natur der buͤrgerlichen„ Gesellschaft, der Gesetze, und der Tugend. Er„ glaubt, daß man bey Aufrichtung der Republicken„ auch an die ewige Seeligkeit gedacht, daß„ die Gesetze zu Erlangung der Seeligkeit etwas„ beytragen koͤnne, und daß die Furcht der Strafe„ eine Liebe zur Tugend wuͤrcke. Dahero haͤlt er„ es vor ein loͤbliches und noͤthigs Werck, daß die„ Obrigkeit vor die Seeligkeit ihrer Unterthanen„ sorget, und dieselbe durch ihre Gesetze fromm zu ma-„ chen suchet. Er muß aber wissen, daß dieses ein ir-„ riger Wahn, wie schoͤn er auch von aussen gleißet.„ Der Endzweck der Buͤrgerlichen Gesellschaft ist„ nichts anders, als aͤusserliche Ruhe und Sicherheit,„ und folglich nur der unterste Grad der zeitlichen„ Gluͤckseeligkeit. Wenn die Obrigkeit, die ihr auf-„ getragene Macht zu Erhaltung dieses Endzwecks„ anwendet, hat sie ihrer Pflicht ein Genuͤge gethan.„ Sie ist nicht bestellet, das Seelen-Heyl ihrer Unter-„ thanen zu befordern. Dasjenige, so uns seelig macht,„ ist der Glaube. Der Glaube bestehet in Begrife.„ Begrife gehoͤren zum Verstande, und der Verstand„ ist keinen Gesetzen unterworfen. Die Obrigkeit„ kan also den Glauben, ohne welchen es unmoͤglich„ ist, GOtt zu gefallen, nicht in den Hertzen ihrer Un-„ terthanen wuͤrcken. Der ist und bleibet eine Gabe„ GOttes, und koͤmmt aus der Predigt: Die O-„ brigkeit aber prediget nicht. Es ist auch nicht zu„ vermuthen, daß der Hr. Prof. Manzel so wunder-„ liche Dinge von ihr verlange. Er will nur, wie„ man siehet, daß die Obrigkeit den Lastern steure,„ und ihre Unterthanen durch die Furcht der Strafe„ K k k „von ( o ) „von solchen Thaten abhalte, die die Hoͤlle verdienen. „Auf die Art, meynt er, muͤsten die Leute nothwen- „dig in den Himmel kommen: Und er hat recht: „Denn wo wolten sie sonst wohl hin, wenn sie nicht „in die Hoͤlle kommen? Aber es ist Schade, daß „die Obrigkeit nicht verbunden, sein Begehren zu „erfuͤllen, weil er unmoͤgliche Dinge von ihr for- „dert. Alles, was die Obrigkeit thun kan, ist, das sie „die Verbrechen straft, und durch ihre Gesetze die „Unterthanen von Begehung aͤusserst boͤser, und der „Ruhe des Staats nachtheiliger Thaten abhaͤlt. „Diejenigen nun, die sich aus Furcht der Strafe „solcher Thaten enthalten, heissen gute Buͤrger: „aber vom Himmelreich sind sie weit entfernet. Jhre „Enthaltung vom Boͤsen hat nichts, als die Furcht „der Strafe zum Grunde, und ist also keine wahre „Tugend. Die wahre Tugend hat einen hoͤhern „Ursprung. Sie fliesset aus dem Glauben, ist ei- „ne Wuͤrckung des Geistes GOttes, und wird „durch Galgen und Rad schlecht befordert, was „auch der Hr. Prof. Manzel von der Jurispruden- „tia criminali vor hohe Begrife hat. Der Herr „Prof. klagt ja ( posit. 9.) selbst, daß die Buͤrger- „lichen Gesetze nicht zureichend sind alle Laster aus- „zurotten. Er gestehet ja, daß nur das, so die „Buͤrgerliche Gesellschaft ofenbahr beunruhiget, „eigentlich vor die Juristen, oder vor die Obrigkeit „gehoͤre. Wie ist er denn so uͤbel berathen, daß „er, dem allen ungeachtet, glaubt, es sey moͤglich, „die Leute wider ihren Willen seelig zu machen, „und die Liebe zur Tugend koͤnne durch die Furcht „der Strafe erwecket werden? Er ist gewiß der „eintzige ( o ) eintzige vernuͤnftige Mann der dieses glaubt. War-„ um thut er ( posit. 10.) den Vorschlag, die Obrig-„ keit solle, um die Infamiam facti, die sie gar nicht„ angehet, aufrecht zu erhalten, auch wider die„ Laster, die jetzo ungestraft begangen werden,„ heilsame Verordnungen machen? Glaubt er„ denn recht in Ernst, daß die Laster, Schwach-„ heiten und Fehler, so die aͤusserliche Ruhe nicht stoͤ-„ ren, und also, ihrer Natur nach, der Erkaͤnntniß„ des Richters nicht unterworfen, durch Straf-Ge-„ setze koͤnnen aus der Welt verbannet werden? Oder„ meynt er, daß, wenn gleich die Menschen, aus„ Furcht der Strafe, diesen Gesetzen aufs genaueste„ nachlebten, diese aͤusserliche Enthaltung von ge-„ wissen Lastern sie seelig machen, und den Nahmen„ einer wahren Tugend verdienen werde? Die wah-„ re Tugend leidet keinen Zwang, und so bald hoͤrt„ sie nicht auf freywillig zu seyn, so ist sie keine wahre„ Tugend mehr. Zwar meynt der Hr. Prof. Man-„ zel, die Obrigkeit koͤnne es ihren Unterthanen so na-„ helegen, und sie mit Strafen so lange scheeren, daß„ sie endlich aus Verdruß und Verzweifelung sich„ entschliessen muͤssen, rechtschafen fromm zu wer-„ den: ( multi primum coacti, \& moxlubentes ali-„ am vitam aliosque mores eligerent ) Aber man„ siehet wohl, daß er die menschliche Natur nicht ken-„ net. So treuhertzig wird auch der kluͤgste und„ strengste Regent seine Unterthanen nicht machen.„ Sie wissen schon andern Rath. Beschneidet er ih-„ nen durch seine verdrießlichen Gesetze die Freyheit,„ ihren Luͤsten oͤfentlich nachzuhaͤngen, so thun sie es„ heimlich. Und dieses ist nicht so beschwerlich, als„ K k k 2 „man ( o ) „man glaubt. Man gewinnet immer dabey. Jene „Dame in Spanien wuͤnschte, daß doch das Caffé- „Trincken Suͤnde seyn moͤchte. ( qu’il y eût un peu „de peché à prendre du Caffé ) Sie meynte, er „wuͤrde ihr um so viel besser schmecken. Und sie hat- „te recht. Die Kenner behaupten, daß nichts so „geschickt sey, eine Lust recht empfindlich zu machen, „als ein kleines Verbot, und Paulus sagt selbst: Jch „wuste nichts von der Lust, wenn das Gesetz nicht „gesaget, laß dich nicht geluͤsten. Da nun die Men- „schen, wie die Erfahrung lehret, so geartet sind, „so kan die Obrigkeit auch durch die schaͤrfsten Gesetze „wider die Laster nichts zur Seeligkeit der Menschen „beytragen. Die Menschen, wie fromm sie sich „auch von aussen stellen, bleiben doch Menschen, und „legen die boͤsen Neigungen, die ihnen so natuͤrlich, „und GOtt so mißfaͤllig sind, nicht ab, die Obrig- „keit mag anfangen was sie will. Warum verlangt „man denn, daß die Obrigkeit ihre Unterthanen, „der Natur zum Trotz, mit Gewalt seelig machen „soll? Sie wird wenig ausrichten, wo sie nicht die „Kunst erfindet, die Menschen umzugiessen. Durch „ihr Gesetze wird sie das menschliche Hertz nimmer „von allen suͤndlichen Begierden saͤubern. Sie mag „noch so ernstlich befehlen, daß ihre Unterthanen ihr „Hertz von allen irrdischen Dingen abziehen, und „nur nach dem trachten sollen, das daroben ist. Es „bleibt darum doch wohl beym Alten, und ein solcher „Befehl wuͤrde nicht viel kluͤger heraus kommen, als „wenn sie allen ihren Unterthanen bey willkuͤhrlicher „Strafe verbieten wolte kranck zu seyn. Der Kay- „ser Claudius trieb seine Landes-vaͤterliche Vorsorge so ( o ) so hoch, daß er durch ein eigen Edict seine Roͤmet„ anwieß, die Wein-Faͤsser wohl zu verpichen, und„ ihnen kund machte, daß der Saft vom Taxus ein„ unvergleichlich Mittel wider den Schlangen-Biß„ waͤre. Man wird nicht leicht Regenten finden, die„ da Lust haͤtten, diesem bloͤden Printzen gleich zu„ werden: Aber so bald sie die Graͤntzen ihres Amts„ uͤberschreiten, und unnuͤtze und laͤcherliche Gesetze„ geben, sind sie es vollkommen. Diejenigen nun,„ so ihnen dieses nachreden, erweisen ihnen eine schlech-„ te Ehre. Der Herr Prof. Manzel thut es: Aber„ zu allem Gluͤcke beweiset er nicht, was er sagt, und„ hat die Gesetze, die ihm Anlaß dazu gegeben, nicht„ recht eingesehen. Denn 1) das suum cuique, „ worauf die Juristen dringen, gehet nur auf die„ Pflichten gegen andere Menschen. Die Pflich-„ ten gegen GOTT koͤnnen darum nicht mit darun-„ ter begrifen seyn, weil sie sich auf die Begrife gruͤn-„ den, so die Menschen sich von dem Wesen und Wil-„ len GOttes machen. Diese Begrife sind aber„ den Gesetzen nicht unterworfen, und folglich haben„ sich die Juristen, so ferne man sie als Leute be-„ trachtet, die die Gesetze erklaͤren, um die daher„ fliessende Pflichten nicht zu bekuͤmmern. 2) Das„ Jus circa Sacra hat mit der Seeligkeit der„ Menschen nichts zu thun, sondern gehet nur„ auf aͤusserliche Zucht und Ordnung. Hat„ die Obrigkeit manchmahl zu weit gegrifen, so taugt„ es nicht, und wird sie die Seeligkeit der Menschen„ schlecht dadurch beforderthaben. 3) Die Obrigkeit„ kan ihre gute Ursachen haben, warum sie eine Lehre„ nicht dulden will: Aber verbietet sie dieselbe nur dar-„ K k k 3 um, ( o ) „um, weil sie falsch ist, so mißbraucht sie ihrer Ge- „walt, und hilft niemand dadurch in den Himmel, „obgleich der Herr Prof. Manzel meynt, die Obrig- „keit habe in diesem Fall die Vermuthung vor sich, „welches ein Satz ist, der die Verfolgung der Hugo- „notten in Franckreich rechtfertiget. 4) Obgleich die „Atheisterey, uͤberhaupt zu reden, kein Fehler des „Willens, wie der Herr Prof. Manzel meynt, son- „dern nur ein Jrrthum ist: So kan doch die Obrig- „keit einen Atheisten, nach Befinden, auch am Le- „ben strafen: Aber wenn sie es thut, so thut sie es nicht „aus einer Sorge vor die Seeligkeit ihrer Untertha- „nen, sondern aus andern Ursachen: Und thut sie es „nicht, so wird sie dadurch keine Feindin GOttes. 5) „Die gar zu grosse Gewalt der Roͤmer uͤber das Le- „ben ihrer Kinder und Knechte war schon einge- „schraͤnckt, ehe die Kaͤyser vor die Seeligkeit ihrer „Unterthanen sorgten. Wenigstens glaube ich nicht, „daß der Kayser Antonius, auf welchen sich der Hr. „Prof. Manzel beruft, daran gedacht habe: Denn „der war kein Christ. 6) Die Warnung vor dem „Meineyd geschicht nicht, um die Seele des Schwe- „renden zu retten, sondern nur zu verhindern, daß „der Eyd, der ein Ende alles Haders ist, nicht An- „laß zu einem ungerechten Urtheil geben moͤge. „Wenn ein Richter gleich in seinem Hertzen uͤber- „fuͤhret ist, daß einer falsch schweren werde, so kan er „doch einem solchen, wenn er sonst nach denen Ge- „setzen zum Eyde zu lassen, und schweren will, das „Schweren nicht verbieten. Er kan, als ein Christ, „vor einen solchen beten, und sich uͤber seine Boßheit „betruͤben. Aber als Richter bekuͤmmert er sich nicht, wo ( o ) wo seine Seele bleibt. 7) Daß die Juristen die„ Jnjurien-Klagen abzukuͤrtzen, zu mindern, und„ gar abzuschafen bemuͤhet sind, ist darum loͤblich,„ weil die Leute dadurch von unnuͤtzen Processen ab-„ gehalten werden, und ihr Geld behalten: Aber es„ nuͤtzet nicht zur Seeligkeit. Empfindlichkeit, Haß„ und Rachgierde werden dadurch nicht ausgerottet;„ vielmehr die Beleidigten, wenn sie kein Gehoͤr beym„ Richter finden, zur Selbst-Rache, und folglich zur„ Suͤnde gereitzet. 8) Daß gewisse Personen nicht„ zum Zeugniß gelassen werden, geschicht darum,„ weil das Zeugniß solcher Leute, von welchen wahr-„ scheinlich zu vermuthen, daß sie falsch zeugen wer-„ den, nichts zu Entdeckung der Wahrheit beytraͤget,„ und nichts beweiset. Es ist dieses was altes, und„ gebraͤuchlich gewesen, ehe noch die Zeugen ihre Aus-„ sagen eydlich thaten, und also ehe man an die ewige„ Seeligkeit gedachte. 9) Daß man denen verdamm-„ ten Missethaͤtern Zeit laͤsset, sich zum Tode zu berei-„ ten, und dieselbe nicht durch eine gar zu harte und„ langsame Todes-Art quaͤlet, geschicht nicht aus ei-„ ner Sorge vor die Seeligkeit dieser Leute, sondern„ nur, um die Nachrede einer Grausamkeit zu ver-„ meiden. Gar zu harte und unmenschliche Todes-„ Strafen machen das Volck murren, und bewegen„ es zum Mitleiden gegen diejenigen, so damit beleget„ werden: Und was die Vorbereitung zum Tode an-„ langet, so wird sie in der peinl. Halsgerichts-Ord-„ nung der Willkuͤhr des Verurtheilten lediglich uͤ-„ berlassen. Die Erinnerung an die Priester, was„ sie einem solchen vorsagen sollen, gehoͤret nicht zum„ Gesetz, sondern ruͤhrt aus einer unnoͤthigen Vor-„ K k k 4 „sorge ( o ) „sorge des Concipienten her. 10) Der Formul, der „sich die Juristische Facultaͤt zu Rostock in ihrer To- „des Urtheilen bedienet, zeiget klaͤrlich, daß die Glie- „der dieser Facultaͤt christliche Juristen sind: Aber sie „beweiset nicht, daß es noͤthig ein Todes-Urtheil mit „so andaͤchtigen Clausuln auszuzieren, die da, wie „der Kerl, von dem der Herr Prof. Manzel redet, „gar artig gewiesen, und er selbst bekennet, nichts „heissen. 11) Die sogenannten geistlichen Stra- „fen koͤnnen eine gar feine aͤusserliche Zucht seyn: Ob „aber viele Seelen dadurch gerettet worden, ist eine „andere Frage u.s.w. Dieses sind ohngefehr die Einwuͤrfe, die uns wieder die Disputation des Herrn Pro- fessor Mantzels zu Ohren gekommen sind. Wir wissen wohl, daß sie wenig zu bedeu- ten haben, und nichts als elende Sophiste- reyen sind: Aber wir haben sie doch anfuͤhren wol- len, um dem Hrn. Prof. Gelegenheit zu geben, de- nen Schwaͤtzern die sich nicht schaͤmen solch Zeug vorzubringen, das Maul zu stopfen. Es ist ihm dieses ein leichtes, und wir wuͤnschen, daß er es so bald moͤglich thun moͤge. Er wird sich die gelehrte Welt ungemein dadurch verbinden. Aber was waͤre es nicht vor eine herrliche Sache, wenn es dem Hrn. Prof. Manzel gefallen wolte, die Kunst wie man die Leute wieder ihren Willen seelig ma- chen koͤnne, in ein heller Licht zu setzen? Wir er- suchen ihn hiemit, wo es seine Verrichtungen zu lassen, darauf bedacht zu seyn. Die Zeit von Ja- cobi biß Bartholomaͤi, da doch vermuthlich in Ro- ( o ) Rostock nicht gelesen wird, waͤre, unsers Erachtens sehr bequem dazu. Jn dem Programmate, welches der Hr. Prof. Manzel zu dieser Disputation gemacht, handelt er, wie Titel und Augenschein weiset, obiter de cura \& studio brevitatis. Er beweiset gruͤndlich, daß man nicht zu kurtz und nicht zu weitlaͤuftig schreiben muͤsse, und meldet zum Beschluß, daß die Rostockische Academie be- schlossen, hinfort monathlich ( menstruatim ) eine Disputationem Circularem halten zu lassen. Der Hr. Manzel, als jetziger Rector Magnificus hat mit dem Jahre, den Anfang gemacht, und daher heisset seine Disputation auch Dissertatio Januari- ana. Wir koͤnnen hiebey nicht unerinnert lassen, daß es nicht noͤthig gewesen, das Wort Januari- us in ein bey den Lateinern unerhoͤrtes adjecti- vum zu verwandeln. Die Nahmen der Mo- nathe sind im Lateinischen schon adjectiva. Wir hofen der Hr. Prof. werde diese Erinnerung nicht uͤbel nehmen. Er wird finden, daß sie gegruͤndet. No. XXVIII. Hamburg. Da wir mit vieler Befremdung ver- nehmen muͤssen, daß der Herr Prof. Manzel in Rostock es sehr hoch empfunden, daß wir uns die Freyheit genommen, einige wider seine neuliche Cir- cular Disputation gemachte Einwuͤrfe in das XXII. Stuͤck unserer Nachrichten einzuruͤcken: So haben wir vor noͤthig erachtet ihn hiedurch nochmahl oͤfent- lich zu versichern, daß wir an gedachten Einwuͤrfen keinen Theil nehmen. Wir hofen diese Erklaͤrung K k k 5 wer- ( o ) werde hinlaͤnglich seyn, den Herrn Prof. zu bewegen, daß er seinen wider uns gefaßten Unwillen fahren lasse, und das um so vielmehr, weil wir nicht be- greifen koͤnnen, was ihm die Bekanntmachung ei- niger bescheidenen Einwuͤrfe vor Schaden bringen koͤnne. Stehet es doch bey ihm, dieselbe aufs nach- druͤcklichste zu widerlegen: Unsere Blaͤtter sind zu sei- nen Diensten: Und, wenn er die Guͤte haben will uns seine Antwort zuzuschicken, so erbieten wir uns dieselben in unsere Nachrichten einzuruͤcken. Dieser Vorschlag scheint uns billig zu seyn, und der Herr Prof. wird wohl thun, wenn er denselben annimmt. Es ist immer ruͤhmlicher auf Einwuͤrfe zu antworten, als sich uͤber den geringsten Widerspruch zu entruͤ- sten, und die Welt ist so arg, daß sie, so bald sie sie- het, daß einer boͤse wird, urtheilet, er getraue sich nicht seine Sache mit Vernunft auszumachen. No. XXIX. Kiel. Man siehet allhier eine mit vieler Gelehr- samkeit und Lebhaftigkeit abgefassete critische Schrift unter dem Titel: Anmerckungen in Form eines Briefs uͤber den Abriß eines Neuen Rechts der Natur, welchen der ( S. T. ) Herr Prof. Manzel zu Rostock in einer kleinen Schrift, die den Titel fuͤhret: Primæ Lineæ Juris Naturæ vere talis secundum sanæ rationis principia ductæ, der Welt mitgetheilet. Kiel. 1735. in 8. 11 Bogen. Der ungenannte Her- ausgeber dieser Anmerckungen versichert daß selbi- ge schon bey nahe vor 10 Jahren auf Veranlas- sung eines gelehrten Mecklenburgischen Cavaliers zu Papier gebracht, nachdem sie ihm aber unver- mu- ( o ) muthet in die Haͤnde gerathen, von ihme in der Absicht zum Druck befoͤrdert worden, damit der Hr. Prof. Manzel die versprochene weitere Aus- fuͤhrung seines gantz neuen Rechts der Natur, wor- auf man so lange gewartet, der Welt endlich mit- theilen moͤchte. Wir wuͤrden dem G. L. gerne ei- nen Auszug von dieser Schrift geben, wenn die Einrichtung derselben solches erlaubte, und die oh- nedem wenigen Blaͤtter nicht mit groͤsserm Ver- gnuͤgen in ihrem Zusammenhange zu lesen waͤren. Doch koͤnnen wir uns nicht entbrechen eine Stelle anzufuͤhren, woraus des Hrn. Verfassers Urtheil von des Hrn. Prof. Manzels Schrift, welche die- sem Wercke angehaͤnget ist, ohnschwer zu ersehen seyn wird. Die eigenen Worte desselben lauten wie folget: Er (Herr Manzel) will das Recht der Natur ausbessern. Er will die darin vorkommen- de Streitigkeiten schlichten: Er schreibt zu dem Ende ein Jus Naturæ verè tale. Und nun koͤmmt er und sagt, es waͤre eine Thorheit aus diesem Ju- re Naturæ verè tali etwas auf unsern jetzigen Zu- stand zu appliciren. Warum hat er uns denn die- ses Jus Nature verè tale so muͤhsam erklaͤret? War- um muthet er denen, so gelehrter als er sind, zu, daß sie weiter uͤber dieses Jus Naturæ verè tale, von wel- chem er uns vor der Hand nur einen groben Abriß mitgetheilet, meditiren sollen? Was soll es uns vor Trost geben, daß wir wissen, was der erste Mensch gemacht? Die Erkaͤntniß des Zustandes, in wel- chem sich unsere erste Eltern befunden, traͤgt nichts zu unserer Wohlfarth bey, sondern diese wird, nach dem eigenen Gestaͤndniß des Hrn. Manzels, besser durch ( o ) durch eine vernuͤnftige Betrachtung unsers jetzigen Zustandes befordert: Alle, so bißhero das Jus Naturæ gelehret, haben, ( Alberti und Strimesi- us ausgenommen) diese Betrachtung zum Grun- de geleget: Und also ist es sehr unnoͤthig, daß der Herr Prof. daruͤber eyfert, daß man aus seinem aͤchten Jure Naturæ Saͤtze borge, da man doch die menschliche Natur, wie sie nun ist, ansehen solte. Gefaͤllt es ihm aber nicht die auf diese vernuͤnf- tige Betrachtung der menschlichen Natur, wie sie jetzo ist, erbauete Wissenschaft, ein Recht der Natur zu nennen: So kan man ihm seinen Wil- len lassen: Er nenne sie wie er will: Nur sey er so gut und verschone uns mit seinem Jure Naturæ ve- rè tali. Das kan uns nichts helfen. Der Herr Prof. aͤffet uns damit. Er stellet sich als wenn er uns in das innerste des Rechts der Natur ( intimaque juris naturæ pene- tralia, wie er in der Vorrede ( p. 4.) redet,) fuͤh- ren wolle. Er fordert alle Gelehrten auf, das was er geschrieben zu uͤberlegen, und ihre Gedancken dar- uͤber zu eroͤfnen, damit man endlich zu einer Gewiß- heit komme und viele sonst unsterbliche Streitigkei- ten ihre Endschaft erreichen moͤgten. Wer dieses lieset, der dencket, der Herr Professor Manzel wolle diejenige Wissenschaft, die wir insge- mein das Recht der Natur nennen, auf einen andern Fuß setzen, und zu einer groͤssern Ge- wißheit bringen: Denn diese Wissenschaft muß es unstreitig seyn, uͤber deren Verwirrung er in der Vorrede klagt: Weil, ehe seine primæ lineæ Ju- ris ( o ) ris naturæ verè talis zum Vorschein gekommen, nie- mand an sein Jus naturæ verè tale gedacht. Allein der Ausgang giebt es, daß dies dem Herrn Prof. niemahlen in den Sinn gekommen. Er gedencket des Juris Naturæ, womit wir uns bisher beholfen, in seiner gantzen Schrift kaum zweymahl, und sagt nichts mehr von demselben, als daß es nicht das rech- te Jus Naturæ sey. Er bessert und bauet also nicht sondern reisset nieder. Er verwirft unser altes Jus Naturæ, und bringt ein gantz neues zum Vorschein: Doch will er nicht, daß wir uns nach demselben rich- ten sollen: Er erlaubt uns bey dem alten zu bleiben: Nur meynt er man muͤsse es nicht ein Recht der Na- tur sondern ein natuͤrliches Recht nennen. Eine wichtige Anmerckung, die wohl wehrt ist, daß die gantze Schaar der Gelehrten derselben weiter nach- sinne! No. XXX. Auszug aus dem XLIX ten Stuͤcke der Hamburgischen Berichte auf das Jahr 1735. Rostock vom 12 Jun. Hieselbst siehet man eine Schrift unter folgenden Titel: Anmerckungen in Form eines Briefes uͤber den Abris eines neuen Rechts der Natur, welchen der Hr. Prof. Manzel zu Rostock in einer kleinen Schrift, die den Titel fuͤhret: Primæ lineæ juris naturæ verè talis secun- dum principia sanæ rationis der Welt mitgethei- let, 8. Kiel 1735. 10. Bogen. Der hiesige Hr. Prof. Manzel hat vor 10 Jahren obige Schrift auf einem Bogen herausgegeben, welche der Autor besag- ( o ) besagter Anmerckungen zuwiderlegen sich Muͤhe giebt. Er dichtet, als sey diese Wiederlegung auf Veranlassung eines Mecklenburgischen Edelmanns schon vor 10 Jahren verfasset, und nun ohne Wissen des Verfassers und des Edelmanns, an welchen solche uͤbersandt worden, dem Druck von ihm uͤber- geben. Ein ieder ersiehet aber leicht, daß der Her- ausgeber auch der Verfasser, und die Schreibart in der Vorrede eben dieselbe sey, welche der Ver- fasser in dem Wercke selbst fuͤhret. Da nun der Autor dieser Anmerckungen sich viele Muͤhe gege- ben hat, seinen Nahmen zu verhehlen, auch daher auf der Schrift einen Ort des Drucks setzen lassen, wo es eben so wenig, als hier zu Rostock gedruckt worden ist, imgleichen auch in der Unterschrift des Briefes dem Leser den blauen Dunst vor die Au- gen machen will, als waͤre diese Schrift Anno 1726 zu Schwerin verfasset worden, beydes aber, unge- zweifelten Nachrichten zu folge unwahr, und von dem Autore nur aus der Ursachen ersonnen wor den ist, um seine mit vielen Verkleinerungen und An- zuͤglichkeiten angefuͤllte Schrift desto freier bekannt zu machen, oder wohl andern gelehrten Maͤnnern zu Schwerin oder Dantzig solche anzubringen und anzudichten; so wird man den Verfasser so lange unter die luci fugas rechnen, und diese Schrift un- beantwortet lassen, biß der Verfasser oder Her- ausgeber, welcher selbst in der Vorrede setzet, daß der Vater dieses nahmlosen Kindes sich nicht zu schaͤ- men habe, seinen Nahmen genannt haben wird. No. XXXI. Hamburg. Nachgesetzten Brief und Aufsatz hat ( o ) hat man diesen Blaͤttern einzuruͤcken um so weniger Bedencken tragen duͤrfen, als solche nichts als bloß eine Verantwortung auf dasjenige in sich enthalten, was der Herr Prof. Manzel in einem andern hiesi- gen woͤchentlichen Blatte wider den Herausgeber der Anmerckungen uͤber den Abriß eines neu- en Rechts der Natur zu sagen beliebet hat. Der Jnhalt ist folgender: Mein Herr, Jch habe vor einiger Zeit beygehenden Aufsatz dem Hrn. Verfasser der Hamburgischen Berichte zuge- schicket, und ihn ersuchet, solchen entweder seinen Blaͤttern einzuverbleiben, oder ihnen zuzustellen, da derselbe nun, wie ich sehe, keines von beyden gethan hat: So nehme mir die Freyheit, ihnen dasjenige, was ich gegen das trotzige Manifest des Herrn Man- zels bekannt zu machen noͤthig finde, selbst zuzusen- den, in der Hofnung, sie werden kein Bedencken tragen, es in ihre Nachrichten einzuruͤcken. Jch werde ihnen vor solche Gefaͤlligkeit sehr verbunden seyn, und mich gluͤcklich schaͤtzen, wenn ich Gele- genheit haben werde ihnen zu zeigen, daß ich sey Mein Herr DERO Kiel, den 6 Julii, 1735. Ergebener Diener. Da man aus dem 49ten Stuͤcke der Hamburgi- schen Berichte des Herrn Kohls ersehen, daß der Herr Prof. Manzel den Verfasser, der wider sein neues ( o ) neues Recht der Natur neulich herausgekommenen Schrift, so lange unter die Lucifugas rechnen, und seine Einwuͤrfe unbeantwortet lassen will, biß er sei- nen Nahmen genannt haben wird; So hat man vor noͤhtig erachtet demselben, mit aller Ehrerbietung, zu sagen, daß er sich sehr irret, wenn er glaubet, sein Gegner scheue das Licht, und habe seinen Nahmen aus Furcht verschwiegen. Diese Einbildung koͤmmt etwas vornehm heraus, und zeuget von einer schlech- ten Erkenntlichkeit, vor die Muͤhe, die man sich gege- ben, den Herrn Prof. auf den rechten Weg zu brin- gen. Der Herr Manzel kan versichert seyn, daß der Verfasser der Anmerckungen uͤber seinen Abriß eines neuen Rechts der Natur sich vor ihm im geringsten nicht fuͤrchtet. Daß dieselbe ohne seinen Nahmen herausgekommen, ist der Behutsamkeit des Heraus- gebers zuzuschreiben. Der Verfasser wuͤrde kein Bedencken tragen sich zu nennen, wenn er, als ein Scribent bekannt seyn wolte. Er giebt aber um diese elende Ehre nichts. Er hat seinen Brief nicht darum geschrieben daß er gedruckt werden solte, und gar kei- ne Lust einen Streit fortzusetzen, von welchem er, er falle auch aus wie er wolle, natuͤrlicher Weisewenig Ehre haben kan. . . . . . nec habet victoria laudem. Der Hr. Manzel siehet hieraus, warum der Ver- fasser sich nicht genennet, und auch noch nicht nen- nen will. Ob der Hr. Prof. ihm antwortet, oder nicht, daran liegt ihm wenig. Man weiß wohl, daß ihm das erste unmoͤglich ist, und raͤth ihm de- sto wohlmeynender bey dem Entschluß nicht zu ant- worten bestaͤndig zu verharren. Dieses ist das kluͤg- ( o ) kluͤgste, so der Hr. Manzel thun kan. Aber daß er den Leuten weiß machen will, er koͤnne wohl ant- worten, wenn er nur wolte, und wuͤrde es auch thun, wenn er nur seines Gegners Nahmen wuͤste, ist ein wenig zu viel. Wer will ihm das glauben? Die Ursache, so er von seinem Stillschweigen giebt, ist gewiß nicht weit her. Denn was liegt ihm daran, wie sein Widersacher heisset? Antworte er, wenn er was Kluges vorzubringen hat, und laß ihn heissen wie er will. Allein er kan nicht, und thut also wohl, daß er still schweiget. Nur muß er nicht, bey seiner Schwachheit, pochen, und groß thun. Ein solcher Trotz, als er bezeuget, stehet ihm in der That sehr uͤbel an, macht ihn alles Mittleidens unwuͤrdig, und reichet nicht zu, sein Unvermoͤgen vor den Augen kluger Leute zu verbergen. Der Kunst-Grif, dessen sich die angefochtenen und noth- leidenden Scribenten von je her zu bedienen gewoh- net sind, ut, quæ dicendo refutare non possunt, quasi fastidiendo calcent. (Quinctilianus instit. Orat. L. V. Cap. 13.) ist heutiges Tages gar zu bekañt. No. XXXII. Goͤttingen. Von dort aus hat eine unbekand- te Hand uns drey Stuͤcke einer Schrift, die woͤ- chentlich alle Donnerstag daselbst ausgegeben wird, uͤbersandt. Sie hat den Titul: Der Freydenker, und betraͤgt jedesmahl einen halben Bogen in Qvart. Es scheinet dieser neue Sitten- oder Vernunft-Leh- rer wohl durch nichts als den innerlichen Ruf, wel- chen er im Magen fuͤhlet, zur Ausgabe dieser Blaͤt- ter bewogen zu seyn: ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Paupertas impulit audax. Horat. Lib. II. Ep. II. L l l Das ( o ) Das Schoͤne und Erhabene in den Wissensch af- ten uͤberhaupt, das Heilsame und Brauchbare in allen Staͤnden, der Wachsthum guter Kuͤnste, der Flor der Handlung, die Kunst reich und gluͤcksee- lig zu werden, sammt denen richtig befundenen Vor- schlaͤgen, allen Maͤngeln im gemeinen Wesen je mehr und mehr abzuhelfen, soll, wie das erste Blatt verspricht, der Vorwurf seiner Betrachtung seyn; al- lein aus den beyden folgenden Blaͤttern sollte man fast argwohnen, daß ihm dis Versprechen schon ge- reuet, wenigstens findet man von allen diesen schoͤ- nen Sachen nichts darin. Das erste Blat lobet die Freyheit zu dencken, das andere ruͤhmet die Denck- Freyheit und das dritte preiset die freye Denckungs- Kraft. Folgende troͤstliche Denckspruͤchlein koͤnnen es zeigen. So stehet vor dem ersten Stuͤck: Es laͤst sich der Verstand gar nicht in Bande legen; Hingegen durch Vernunft und Wahrheit leicht bewegen. Vor dem andern: Wenn manche den Verstand in enge Grentzen schrencken; Soll uns nichts hoͤhers seyn, als immer frey zu dencken. Und endlich vor dem dritten: Die freye Denckungs-Kraft geht uͤber die Gewalt, Sie zieht, sie neigt, sie lockt; man sey jung oder alt. Nun sagt zwar Horatz: ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ ‒ Citharœdus Ridetur chorda qvi semper oberrat eadem. Allein einem Freydencker ist nichts unanstaͤndig. Wir glauben, er werde in den kuͤnftigen Stuͤcken von der Art frey zu dencken, und von der freyen Art zu den- cken, eben so gruͤndlich als in den gegenwaͤrtigen han- deln, wo ihn nicht der Beytrag gelehrter und erfahr- ner Maͤnner, auf den er, bey seinem Unvermoͤgen, sich und den Leser im ersten Blatte vertroͤstet, den einmahl ( o ) einmahl eingeschlagenen Weg zu verlassen noͤthi- get. Was vor ein Begrif eigentlich mit dem Wor- te Freydencker oder Denckfreyheit verknuͤpft werden solle, findet man nicht erklaͤret. Es bedingt sich der Freydencker nichts weiter aus, als daß man ihn nicht vor einen Frey-Geist halten moͤge, welches auch hofentlich geschehen wird, daferne nur nicht die im dritten Stuͤcke vorkommende Stelle, da er die Wiederbringung aller Dinge lehret, solches hin- dert. So viel sonst die Art zu dencken und zu schrei- ben, die in diesen Stuͤcken herrschet, urtheilen laͤs- set, so kan der Freydencker nichts als einen Menschen bedeuten, der von dem Joche vernuͤnftiger Reguln frey ist, und ohne Absicht und Ordnung dencket und schreibet. Diese Erklaͤrung mag gelten, bis eine richtigere gegeben worden. Bis dahin halten wir die unsrige vor angenommen, und glauben, nach derselben berechtigt zu seyn, dem Freydencker seinen Rang zu bestimmen, welcher unmtttelbar uͤber die Classe der elenden Scribenten ist, die, wenn sie schrei- ben, gar nicht dencken. Und indessen allen Verdacht der Partheylichkeit zu vermeiden, so kan man nicht umhin, an diesen Blaͤttern billig zu ruͤhmen, daß sie zwar auf schlechten Papier, doch mit grossen Lettern und ansehnlich breiten Rande weitlaͤuftig gedruckt, und wie im ersten Stuͤck die erste-Seite, so in beyden andern die letzten Seiten fast ganz ledig zu finden sind. Vortheile, die bey Schriften dieser Art, in der That vernuͤnftigen Lesern viel werth seyn muͤssen. No. XXXIII. Hamburg. Man hat uns abermahl drey Stuͤ- cke des Freydenckers zuzusenden beliebet, deren Jnhalt wir, so viel es die Menge derer etwas regellos durch L l l 2 einander ( o ) einander laufenden Gedancken zulaͤßt, anzeigen wol- len. Das vierdte Stuͤck enthaͤlt drey Briefe. Jm ersten erzehlet Herr Duldreich ein Histoͤrgen von ei- nem atheistischen Papageyen, welches der Freyden- cker mit einem etwas freygeistigem Urtheile begleitet. Jm zweyten fraget Herr Gradezu, was der Freyden- cker vor einen Beruf habe? Er antwortet hierauf, aber, welches mit seiner Erlaubniß gesagt sey, nicht so gruͤndlich, als es von uns Num. 11. dieser Zeitung geschehen. Der dritte Brief des Herrn Rechtliebs bittet um Nachricht des Goͤttingischen Universitaͤts- Wesens, welche nebst der Anzeige, wie der mit ihm zu fuͤhrende Briefwechsel beschafen seyn und einge- richtet werden solle, versprochen wird. Auch dis Stuͤck fasset also, wie jeder siehet, wenig oder nichts in sich, was mit der im ersten Stuͤck vorgegebenen Absicht uͤbereinkomme. Jm fuͤnften Stuͤck ver- spricht er den Mißbrauch der Freydenckerey in Be- trachtung zu ziehen. Nach wenig Worten, die, wenn man tief nachdenkt, dahin zu zielen scheinen, faͤngt er aber an den richterlich-entschiedenen Streit zu be- schreiben, welchen er mit seiner zornigen Wirthin, die er Frau Furia nennet, uͤber einige Kleinigkei- ten gehabt, da sie ihm die Aufwartung entzogen, ein Geschirr genommen, keine reine Vorhaͤnge wieder geben wollen ꝛc. welches er unsittigliche Hand- lungen nennet. Hierauf erinnert er sich des erst- gedachten Mißbrauchs der Freydenckerey wieder, giebt einige allgemeine Anmerckungen, worunter die- se, daß sie der Vernunft unterworfen seyn muͤsse, wohl die beste, weil sie sonst von der Thorheit oder Raserey nicht zu unterscheiden, gleichwohl aber, welches wir mit aller Bescheidenheit erinnern, finden wir nicht, daß ( o ) daß der Herr Freydencker bey seinen Aufsaͤtzen sich durchgehends gar genau nach derselben gerichtet. Das sechste faͤngt mit einem Briefe des Hrn. Belfu- meurs, Mitglieds der aufgeraͤumten Gesellschaft, an, der ihm vorwirft, er habe in den drey ersten Stuͤ- cken gar zu ernsthaft zu moralisiren angefangen, und ihn bittet, eine Liste der Materien, die erdas gantze Jahr durch zu liefern gedencke, mitzutheilen. Was den ersten Punct betrift, so erklaͤret er sich dar- auf etwas nachdencklich, und giebt sodann eine Liste von 54. Materien, die im Freydencker nach und nach ausgefuͤhret werden sollen. Diejenigen, welche wir darunter vor andern ausgearbeitet zu sehen wuͤnsch- ten, sind, der Vorschlag, ohne einzige Kosten in Zeit von 15. Jahren eine Armee von mehr als 50000. Mann auf die Beine zu bringen, das sittliche und un- sittliche Studenten-Leben, das moralische Portrait der liebenswuͤrdigen Anglicana, einer Braut des Freydenkers, Merkwuͤrdigkeiten bey der neuen Goͤt- tingischen Universitaͤt, aus einem daruͤber vom Anfange ge- haltenen Tagebuche ꝛc. Warum das vierdte und fuͤnfte Stuͤck allein von Patriotenstadt datiret worden, wissen wir nicht, so viel ist uns gemeldet, daß diese Schrift zwar in Goͤttingen, ohne Censur, zu Papier gebracht, aber zu Allendorf, einem Orte im Hessischen gedruckt werde. Wer der Verfasser sey, halten wir unnoͤthig zu sagen, weil in gantz Deutschland nur ein Mann, auf den der Verdacht fallen kan. Jndessen koͤnnen wir nicht unerinnert lassen, daß der Verleger vieleicht besser thun wuͤrde, wenn er diese Blaͤtter nicht so hoch, als er thut, in Preiß hielte. Wer kan mit gutem Gewissen fuͤr ein Blatt die- ses Schlages 4. Pfennige geben? No. XXXIV. Hamburg. Von dem Freydencker sind uns abermahl 3. Stuͤcke zugesandt. Diese Erstlinge des gegenwaͤrtigen Jahres haben in der That einen Vorzug vor denen vom vo- L l l 3 rigen. ( o ) rigen. Nicht darin, daß sie etwa Dinge in sich fasseten, die vernuͤnftiger, nutzbarer, sinn- oder lehrreicher waͤren, als in denen vom vorigen Jahr vorkommen; sondern weil sie noch mehr von dem Endzweck abgehen, den der Ver- fasser im ersten Stuͤck sich vorgesetzet zu haben vorgege- ben. Der Jnhalt derselben, den wir aufrichtig mitthei- len, soll es zeigen. Jm siebenden Stuͤcke, welches das erste von diesem Jahre, wird dem Leser ein Neu-Jahres- Wunsch versprochen, aber nicht gegeben. Jm achten werden zwo Fabeln erzehlet, die aber so beschaffen sind, daß auch kein Aesop noch Fontaine davon die Deutung zu geben im Stande seyn wuͤrde. Das neunte erzehlet den Zufall, da ein Schwermuͤthiger sich selbst Leyd gethan. Dis soll der Jnhalt gedachter Stuͤcke freylich seyn, wie aber ein Freydencker gantz anders verfaͤhret, als ein anderer ver- nuͤnftiger Mensch, so kan der Leser aus obigen kaum den zwanzigsten Theil desjenigen erkennen, was wuͤrcklich darin zu finden. Sollte man wohl gedencken, daß in dem sie- benden Stuͤck wuͤrde erzehlet seyn, wie alt der Freydencker, und welcher Tag eigentlich sein Gebuhrts-Tag? gleichwohl berichtet er dis nicht nur von sich, sondern auch von seinem Vater, und macht aus der Anmerckung, wie viel dieser aͤlter, als er, so viel besonders, daß er es nicht mehr thun koͤnnen, wenn er das Gegentheil behaupten wollen. Was demjenigen begegnet, der in seinem Namen in Goͤttingen das Reu-Jahr wuͤnschen muͤssen, moͤchte wohl kein Mensch darin suchen, und dennoch wird er es finden, und zwar so umstaͤndlich, daß er Ursache haben wird zu sagen, was ge- hen mich die Kleinigkeiten an? was sollen die Unflaͤtereyen? Die Vorschlaͤge durch den Postillion oder Nachtwaͤchter die Neu-Jahrs-Wuͤnsche ablegen zu lassen, sind freylich sinnreich und neu; allein wir zweiffeln, ob sie jemand kluͤger halten werde, als den Schluß des ganzen siebenden Stuͤckes. Denn weil der Freydencker am Neuen-Jahrs- Tage eine Predigt gehoͤret, worin von dem Paradiese gedacht worden, so nimmt er daher Gelegenheit, seinen Lesern in folgenden Worten den Neu-Jahrs-Wunsch, oder vielmehr Neu-Jahrs-Geschencke, doch nur, weil es hypothetice un- moͤg- ( o ) moͤglich, vel qvasi zu ertheilen: „Ach! moͤchte Eden noch„ stehen, ich wollte gehen, eylen, rennen, und aus solchen„ einige der besten Fruͤchte holen, mein Hertz zu einer Schaa-„ le nehmen, und in solche die gesammlete Fruͤchte mei-„ nem allergnaͤdigsten Koͤnige, Ministern, der loͤblichen„ Universitaͤt, E. Hochweisen Rath, der gesammten Buͤr-„ gerschafft, und allen meinen Lesern, so viel ich derer wuͤ-„ ste uͤberreichen. O! stuͤnde annoch dieser Garten Edens,„ so wuͤrde kein Neid, keine Schlange, ja nicht einmahl„ ein Cherub vorhanden seyn, die da verwehren koͤnten,„ Aepfel von dem Baume des Lebens abzubrechen, und„ von denen uͤbrigen unzaͤhligen Arten Fruͤchten eine Samm-„ lung der vornehmsten Gattungen anzustellen, meine„ Schaale damit anzufuͤllen, und zu sagen: Hier uͤber-„ reiche ich ihnen, preißwuͤrdigste Haͤupter, und auserwaͤhl-„ te Freunde, etwas von denen Fruͤchten der Unsterblichkeit!„ Sie gehoͤren zwar nicht mir allein zu, aber doch erlaubet„ die Herrlichkeit Edens, sie zu brechen, zu sammlen, und„ mit treuen Hertzen aufzutragen!‟ welche troͤstliche Wor- te er zu Anfang des Stuͤcks in folgende Reimlein gezwun- gen: Wenn ich an Edens Pracht und dessen Fruͤchte dencke: Holt’ ich sehr gern daraus vor jeden ein Geschencke! Jn dem achten Stuͤcke kommt nun eben, ausser denen Fa- beln, deren Deutung GOtt, und vielleicht dem Verfasser, bekandt, nichts vor; was aber bey dem neunten Stuͤck noch merckwuͤrdig, versparen wir bis kuͤnstig anzumercken, weil der Herr Freydencker sein Urtheil uͤber den darin erzehl- ten Zufall auch bis in eines der naͤchst folgenden Stuͤcke versparet hat. ERRATA. P. 5. l. 7. vor wennde, l. wende p. 47. l. 23.== von scharffem Ver- stande, l. von so scharffen ꝛc. p. 63. l. 23== Gestirnes: l. Ge- hirnes. p. 65. l. 16== ein, l. eine. ibid. l. 19== zu: l. zur. p. 69. l. 10== auf wunderlichere, l. auf eine wunderlichere. p. 102. l. 10== haben l. habe. p. 104. l. 8== haben, l. habe. p. 119. l. 30== konnte, l. koͤnnte. p. 124. l. 2. del. Die. p. 126. l. 3. vor: ers, l. es p. 131. l. 13.== kurtzer, l. kuͤrtzer p. 136. l. 1==Hic, l. Hi. p. 150. l. 11== wie schwer, l. vor wie schwer. p. 169. l. 21== vollenkommen, l. vollkommen p. 182. l. 22== die, l. diese. p. 183. l. 14== Bewunderudg, l. Bewunderung. p. 188. l. 23== wurderbaren, l. wunderbaren. p. 191. l. 25== dem, l. den. p. 192. l. 19== ihm, l. ihn. p. 209. l. 31== Supere, l. Superi. p. 214. l. 10== lesen, l. laͤsen. p. 219. l. 1== gringe, l. geringe. p. 224. l. 7== reud, l. rend. ibid. l. 11==68. setze 98. p. 262. l. 14== in, l. im. p. 269. l. 2== eine, l. einer. p. 321. l. 21== von, l. vom p. 333. l. 2== seinem: l. seinen p. 335. l. 23== zu: l. zum. p. 368. l. 6.== Winde, l. Wincke. p. 384. l. 2== einen, l. einem. p. 401. l. 12== Manne, l. Mann. p. 427. l. 15== mit grossem, l. mit so grossem. p. 447. l. 8== seyn: l. sey. p. 448. l. 12== welchen, l. welche. p. 461. l. 9== Leute, l. Leuten. p. 474. l. 12== mir: l. mich. p. 487. l. 15== den, l. dem. p. 523. l. ult.==Persias, l. Persius. p. 526. l. 1. vor wird gehoben, l. wird nicht gehoben. p. 528. l. 18. vor kein, l. keine. p. 540. l. 5== die, l. mit. p. 541. l. 6 vor die, l. welche die p. 578. l. 9== im, l. in. p. 579. l. 4== von, l. an. ibid. l. 5== gedrungen, l. gedun- gen. ibid. l. 17== ihm, l. ihn. p. 588. l. 2== der, l. den. p. 589. l. 4== ihn, l. ihm. p. 590. l. 1== wie der, l. wider. ibid. l. 19== noch: l. nach. p. 591. l. 19== dem, l. den. p. 592. l. 22== welchen er sie, l. welchem er sich p. 593. l. 5== dieselbe, l. derselbe. p. 594. l. 2== unmoͤgliche, l. un- gewoͤhnliche ibid. l. 23. 24== nicht verstanden, l. nicht recht verstanden. p. 596. l. 23== diesen, l. diesem. p. 597. l. 16== mit einer, l. einer mit. p. 598. l. ult.==ut vere, l. utrere p. 607. l. 19== befuͤchte, l. be- fuͤrchte. p. 608. l. 7== Coͤper: l. Coͤrper. ibid. l. 25== ihren, l. ihrem. p. 612. l. 22== Vernuft, l. Ver- nunft. p. 613. l. 4== auf dem, l. auf den. ibid. l. 8== duͤrfen: l. duͤrfe. ibid. l. 18== Verguͤnstung: l. Verguͤnstigung. p. 617. l. 5== ihn: l. ihm. p. 618. l. 19== menschlichem, l. menschlichen. p. 619. l. 3== Willen, l. Stellen. p. 620. l. 22== der: l. die. p. 621. l. 26== deloque, l. doloque p. 626. l. 3== dem, l. den. p. 638. l. 21== erstlich, l. ernstlich. p. 639. l. 5.== seine, l. seiner. p. 647. l. 30.== Menut, l. Menuet. p. 658. l. 31.== aller Unschuld, l. aller ihrer Unschuld. p. 664. l. 30.== betrachten, l. be- trachtete. p. 671. l. 3. del. etwas. p. 674. l. 24. vor Qvosee, rosee. p. 676. l. 2.== taͤglich, l. fuͤglich. Vorrede. p. 45. l. 9.== vident, l. videnti. = = l. ult. Lib. IV. l. Lib. III.