Bericht Vom Zustande des Teutschen Reichs. Durch Severinum deMonzambano Veronensem An seinen Bruder Lælium Herrn zu Trezolani in lateinischer Sprache abgegeben. Jtzo durch einen liebhaber der Sachen in eil verdeutschet. Anno 1667 . Register der Capiteln. Cap. Blat. 1. Von dem U rsprung des Teutschen Reichs. 1 2. Von den Gliedern/ daraus itzo das Teutsche Reich bestehet. 38 3. Von dem Urspꝛunge der Reichs Staͤn- de/ und duꝛch was mittel sie zu dieseꝛ macht gelanget. 80 4. Von dem Haͤupte des Teutschen Reichs/ wie auch der Wahl der Churfuͤrsten. 107 5. Von der Gewalt des Kaͤysers/ wel- che durch die Capitulation, gesetze und gewohnheiten des Reichs/ auch durch die Rechte der Staͤnde limi- ti ret ist. 129 6. Von der Form oder Art des Teut- schen Reichs. 208 7. Von den Kraͤfften und Kranckheiten des Tentschen Reichs. 237 8. Von der Ratio status des Teutschen Reichs. 277 Zuschrifft-Brieff Mon- zambano an seinen Bruder Lælium. L Jeber Bruder Læli, Was du durch unterschiedliche Brief- fe etliche mal von mir zu wissen begehret/ nemlich die Ursachen/ so mich bewogen/ eine so geraume zeit in Teutsch- land herumb zu reysen/ wil ich nun/ weil ich fast durch dein so ernsthafftiges noͤti- gen mich nach Hause begeben muͤssen/ dir mit wenigem zu verstehen geben. Es ist sonst bekand/ daß unsere nation und Landsleute auff viel Reisen und an- dere Laͤnder zu besuchen nicht groß ach- ten/ weil sie dafuͤr halten/ ihre ingenia und Gemuͤther seyn von Natur gut und geschickt genug/ und daher von Außlaͤn- A ij dischen Zuschrifft Brieff. dischen etwas zu lernen nicht benoͤtiget. Ja daß auch die nationen so jenseit den Alpen oder Schweitzer Gebirgen woh- nen/ alsbald/ wenn sie nur uͤber das Ge- birge Jtalien erblicket/ eine Klugheit uͤberkommen zu haben vermeynen. Aus was U rsachen aber ich mich uͤber die Alpes begeben/ und uͤber verhoffen am Bayrischen Hofe eine zeitlang auffhal- ten muͤssen/ ist dir nicht unbekand/ wo- selbst den unmuth der Zeit zu vertreiben/ ich etliche Buͤcher vor die hand genom- men/ und sonderlich ein und andern Au- toren der unserigen/ so von dem Teut- schen Kriege geschrieben/ denen die Teut- schen mehr Glauben zustellen als ihren eigenen Landesleuten/ welche fast gemei- niglich partheyisch/ oder Gefahr halber die Warheit zu schreiben/ sich schewen. Dasselbe Buch aber/ so sie von jetzt er- wehntem Kriege geschrieben/ bestehet in viel grossen weitlaͤufftigen Volumini- bus, und koͤnte fuͤglicher als das alte Chaos, eine Wust und unaußgearbeitet Werck Zuschrifft Brieff. Werck genennet werden. Es muß dem/ der es lieset/ billich wundern/ mit was grosser bemuͤhung sie ihre Sachen ange- gangen/ was fuͤr erschreckliche Schlach- ten und Blutstuͤrtzungen vorgangen/ wie es doch das Land ertragen koͤnnen/ zu des- sen Verderben nicht weniger die einhei- mische als außlaͤndische in die 30. Jahr embsig gearbeitet Daher habe ich ein we- nig genauer nachzuforschen/ was dieser nation Kꝛaͤffte und Veꝛmuͤgen/ wie man- cherley Art derselben/ und durch was Verbuͤndniß ein so groß weitschweiffig Corpus koͤnte zusam̃en gehalten werden/ lust bekommen. Worbey ich groͤssere Ge- dult gehabt/ als leichtlich bey einem Jta- lienischen Gemuͤthe zu vermuthen. Ne- ben dem/ daß ich umb erreichung meines Zwecks die deutsche Sprache/ welche un- ter den Europæi schen wol die schwerste/ zulernen mir vorgenommen/ bildete ich mir auch ein/ ich koͤnte den Zustand Teutschlandes nicht eigentlich erkennen/ ich haͤtte dann aller dieser nation schriff- A iij ten Zuschrifft Brieff. ten/ so das jus publicum, wie sie es nen- nen/ verfasset/ durchgelesen/ derhalben ich nicht ohne sonderliche begierde einen Hoff Rath/ welcher eine zimliche Biblio- Thec solches schlages hatte/ angesprochen und gebeten/ er wolle mir etliche zu mei- nem vorhaben dienliche Buͤcher leihen/ welcher/ damit er sich gegen mir hoͤfflich erzeigen/ auch zugleich den Vorrath sei- nar Buͤcher zu erkennen geben moͤchte/ durch zweene starcke Kerel mir etliche schwere trachten Buͤcher zubringen/ und mein Gemach darmit also anfuͤllen ließ/ daß ich kaum zu sitzen raum hatte/ und gab mir daneben zu verstehen/ ich solte dieses nur zum Fruͤhstuͤck anffnehmen/ die rechte Mahlzeit solte bald folgen; da bin ich erschrocken/ als wenn ich im Gra- se unversehens eine Schlange angeruͤh- ret/ und betaurete das grosse U ngemach/ so ich mir selbst freywillig uͤber den Hals gezogen: Denn weil ich solche begierde etwas zu lernen an mir vermercken liesse/ waͤre es nicht ruͤhmlich/ daß ich bald im anfan- Zuschrifft Brieff. anfang den Muth solte fallen lassen/ doch dauchte mir/ den Zustand eines andern Regiments zu erforschen nicht ein so groß uͤbel zu seyn/ daß ich mir dadurch ein solch Ungemach auffbuͤrden solte; Alsich lange in Zweiffel stund/ fiel mir eben ein/ daß ich vor zeiten bey einem ge- lahrten Mann bey uns gehoͤꝛet hatte/ wie die Teutschen so eine unauffhoͤrliche boͤse Gewonheit haͤtten zu schreiben: aber die wenigsten koͤnten etwas vorbringen/ welches wegen eines scharffsinnigen Ver- standes oder lieblichen Rede bey der Po- litischen Welt Lob verdienen moͤchte/ da- mit man gleichwol das gute Papier ver- duͤrbe/ bringe der meiste Hauffen/ die hin und wieder gesamlete Stuͤcken in ein schmirement oder Buch/ dabey wenig Verstand zu sinden/ und werde vor keinen Raub gehalten/ anderer Leute Schriff- ten/ denen nnr an etlichen Orten ein klei- ner Zusatz geschehen/ fuͤr ein new Werck außzugeben; Endlich sein etliche der meynung/ sie gehoͤren auch mit unter die A iiij Auto- Zuschrifft Brieff. Autores, weil sil ein weitlaͤufftig scri- ptum in einen kurtzen Begriff/ oder ver- meynte Tabellen dem Gedaͤchtniß ( an stupiditati vielleicht dem dummen Ver- stande) zu helffen/ gebracht haben/ und zwar hoffete ich/ wenn ich einen Auto- rem verstuͤnde/ ich auch die andern veꝛste- hen wuͤrde ‘weil bey den Scribenten , wie gemeiniglich bey den Juristen gleichsam zum Gesetz worden/ daß einer von dem andern auff guten glauben außschreibe. Als ich nun mich zu einer bestaͤndigen Gedult bequaͤmet/ habe ich anfangs ei- nen weitlaͤufftigen uñ von vielen appro- bir ten Autorem durchzulesen vor mir genommen/ von welchem ich mir nicht vergeblich eingebildet/ er wuͤrde nicht we- niger alle/ so vor ihm geschrieben/ haben zusammen getragen/ als die nachfolgende bey ihm gethan. Was andern in die- sein Autore kunte U nmuth erwecken/ das kam mir/ ich weiß nicht wie/ vor/ als eine erquickung. Denn so viel mehr Sa- chen/ die nicht zum Werck dieneten/ hin- ein Zuschrifft Brieff. ein geflicket waren/ so viel ehe dauchte mir/ daß ich zum ende kommen kunte, Jm uͤbrigen/ wie ich die eusserliche Ge- stalt des Teutschen Reichs gnugsamb erkennete; also kam mir sehr ungereimt fuͤr/ daß/ weil er allenthalben eine bloͤde wissenschafft des juris civilis an sich spuͤ- ren liesse/ und was er irgend gelesen und gehoͤret/ dahin samlete/ daselbst nichts gefunden wuͤrde/ daß auch nur von einer mittelmaͤssigen Wissenschafft der rech- ten politic zeugen kunte. Denn wie ein zimlicher Fleiß und kein Verstand erfor- dert wird/ die uͤbrigen Dinge anzumer- cken/ also moͤchte man fuͤglich sagen/ es waͤren gleichsamb Esel bey der Leyer/ die sich nuterstehen so eines irregular und sonderlichen Regiments beschreibung zu verfassen/ und von den Geschichten des Vaterlandes und Politic keine wissen- schafft haben. Nach dem ich derowegen dieses veꝛdrießliche lesen abzuwarten zeit hatte/ und zugleich befand/ wie die mei- sten nur auff einer Seiten fiddelten/ nam A v ich Zuschrifft Brieff. ich mir vor/ einen andern Weg zu gehen/ ließ die unnuͤtze naͤrrische Buͤcher liegen/ und befragte mich bey erfahrnen Leuten von denen Dingen/ woruͤber ich einigen Zweiffel hatte/ aus welchem Vornehmen ich nicht geringen Nutzen geschoͤpffet: denn uͤber dem/ daß ich viel/ was man vergeblich in den Buͤchern suchet/ erfahren/ hat mir auch diese curiosität solcher nation ge- gen Außlaͤndern nicht ungemeine Freund- lichkeit zu wege gebracht. Vornemlich ge- fiel derselben/ daß sie bey mir keinen solchen Verdruß ihres Zustandes und Wesens verspuͤrete/ wie sich bey den meisten Auß- laͤndern findet/ und je vertraulicher und freyer ich mit ihr umbgienge/ je freundli- cher nahme sie m ich an/ als einen nachfol- ger ihrer Auffrichtigkeit/ welche sie gern von sich wil geruͤhmet haben. So gar/ daß ich endlich beschlossen/ dieses Volcks aner- botenen Gewogenheit laͤnger zu geniessen. Nach dem ich derowegen mein Geschaͤffte nach Wunsch zu Muͤnchen verrichtet hat- te/ habe ich mich nacher Regensburg bege- ben/ Zuschrifft Brieff. ben/ als wegen des neuentstandenen Schreckens des Tuͤrckischen Krieges vie- le Fuͤrsten sich daselbst hinveꝛsamlet hatten. Hie kunte man aber leichte/ gleichsamb in einem Blick die Beschaffenheit des Teut- schen Wesens/ und wie weitschweiffig die ser Leib an einander hinge/ beschawen. Da- hat mir der Bayerische Freund den Weg gebahnet/ das ich mit einem Manne bin be- kand worden/ deßgleichen ich kaum in Teutschland gesehen/ welcher damals eine vornehme Persohn am Chur Mayntzischen Hofe und bey den meisten Teutschen in grossem Ansehen war. Dieser hat mich mit solcher freundlichkeit empfangen/ derglei- chen ein frembder und unbekandter von einem solchen/ dessen Gunst die Gelehrten ten hin und wieder anch durch offentliche schmeicheley zu suchen/ fuͤr zutraͤglich hiel- ten/ schwerlich zu hoffen hatte/ und zwar hat mir dieses Mannes Gunst nicht nur zu Regenspurg viel Freunde gemacht/ son- dern er hat mir auch/ als ich ihm zu verste- hen gegeben/ wie ich gesonnen waͤre/ ein theil Zuschrifft Brieff. theil Teutschlandes zu besehen/ an unter- schiedliche Hoͤfe recõmendation Brieffe/ durch welche ich ihnen ein angenehmer Gast worden/ gegeben. Von dannen bin ich mit gutem Winde den Donaw Strom hinab nach Wien gesegelt/ woselbst etliche meiner Landsleute/ weithe das Gluͤck sehr liebkosett/ daß ich fuͤr keinen Fremden an- gesehen wurde/ zu wege bra ch ten. Dar- nach schickte es sich gar gewuͤnschet/ daß ein Kaͤyserlicher Minister, mit welchem ich schon vorhin Freundschafft gemacht/ an die Churfuͤrsten zu Sachsen und Bran- denburg gesand wurde/ und ward ich desto lieber/ da er mich selber bat/ sein Ge- fehrte/ sonderlich/ weil er davor hielte/ daß die opinion der Jtaliaͤnischen nuͤchterkeit/ daß ich nicht durch zu grosser Freundlich- keit verleitet/ im Wein ersoͤffe/ wol zu sehen wuͤrde. Denn sonsten wird bey diesem Volcke fuͤr unanstaͤndig gehalten seine Ge- sundheit solchen allgemeinen Wilkoms- truͤncken vorzuziehen. Von Berlin rey- sete ich nach dem Fuͤrstl. Braunschweigi- schen Zuschrifft Brieff. schen Hoff/ woselbsten mir unter andern sehr angenehm war/ mit einem Professor von der nechsten Academi unterredung zu pflegen/ welchen ich schon vorhin zu Re- genspurg/ wegen der wissenschafft von sei- nem Vaterland hoͤchlich hatte ruͤhmen ge- hoͤret; der kam in den meisten Sachen/ den Zustand Teutschlandes betreffend/ mit mir uͤberein/ und communicirte mir gut- willig seint Scripta , die weit einen andern genium als die vorgedachten/ hatten; Jn welchen/ ob gleich viel klar genug gesetzet/ doch leicht zu sehn war/ daß er auch nicht wenig/ umb den Haß der grossen/ und wie- derbellen der unbescheidenen von sich abzu- leiten/ dissimuli ret. Von der Zeit an kam mir erst in Sinn dieses auffs Papier zu ent- werffen/ weil ich hoffete/ man moͤchte viel- leicht die Wahrheit glimpflicher von einen Fremden auffnehmen/ welcher als un- partheyisch weder Danck zuverdienen noch Rache zu uͤben gesonnen. Als ich so weit gekommen/ dauchte mir eine Faulheit zu seyn/ Zuschrifft Brieff. seyn/ Niederland nicht zubesehen/ in wel- chem ich mich laͤnger haͤtte auffgehalten/ wo mich nicht dein gebietendes Schꝛeiben/ und zugleich meine Haußhaltung wieder in das Vaterland zu ziehen bewogen. Nach dem ich derowegen den Rheinstrom hinauff nacher Dusseldorp gekommen bin mit gleicher Hoͤfflichkeit als vorhin zu Neu- burg empfangen worden/ wie mir auch zu Bonna nicht minder wiederfahren. Bey den Maͤyntzischen daucht ich mich wenig angenehm zu seyn/ weil ich durch unvor- sichtigkeit den vorgedachten Minister, welchen sie unterdessen/ weiß nicht war- umb/ seines Ampts entsetztt/ so sehr geruͤh- met hatte. Zu Heidelberg/ ob ich gleich sehr eilete/ hielte mich auff die lust und be- gierde den Churfuͤrsten zu sehen/ weil ich schon laͤngst von vielen gehoret/ daß ihm an Verstand und Weisheit kein Fuͤrst in Teutschland gleichen soll; U nd zwar/ ob gleich die Fama seinen Ruhm gnugsamb außbreitet/ dauchte mir doch/ er erfuͤlle ihn der- Zuschrifft Brieff. dermassen/ daß ichs unter die vornehmste Fruͤchte meiner deutschen Reyse achte/ daß ich demselben Fuͤrsten auffgewartet/ und gegenwertig seine Gaben erkennen koͤnnen. Es hat die lust allhie zu verwei- len gemachet/ daß ich zu Studgard nur wenig Tage geblieben/ doch wird mich auch nicht rewen/ daß ich daselbst gewesen- Sihestu nun lieber Bruder/ wie ich meine Zeit bey den Teutschen zugebracht/ und daß es fuͤr ein hohes zu achten/ die Freund- lichkeit dieses auffrichtigen Volcks sonder- lich erkennet haben/ dem ich vor dißmahl keinen andern Dienst habe erweisen koͤn- nen/ als daß ich die Gestalt ihres Reichs mit lebendigen Farben abmahlete. Jch lebe auch versichert/ es werde dieses Weꝛck- lein meinen Landesleuten nicht unange- nehm seyn/ weil ich das meiste/ so sie bey außlaͤndischen Regimentern zu erforschen beliebung tragẽ/ in beliebter kuͤrtze beruͤhret habe. Dir aber/ lieber Bruder/ hat mir nur darumb gefallen diß Buͤchlein zu zu- schrei- Zuschrifft Brieff. schreiben/ daß ich den Verzug entschuldi- gen moͤchte/ welcher dir nicht wenig Be- schwerung gemacht/ meine Geschaͤffte in meinem abwesen zu beobachten/ auch zu- gleich offenbahr wuͤꝛde/ es waͤꝛe in Teutsch- land was gewesen/ daran meine curiosi- tät ein nicht unbequaͤmes gnuͤgen gehabt. Denn sonsten seyn deine Meriten gegen mir/ und die Vertrawlichkeit unter uns viel groͤsser/ als daß mit einem so schlechten Zeugniß/ auch nur ein theil derselben solle zu erkennen gegeben werden. Gehabe dich wol. Bericht Bericht vom Zustande des Teutschen Reichs. Verfertiget Durch Severin von Monzambano einem Veronenser, An seinen Bruder Lælium Herren zu Trezolani . Das erste Capitel. Von dem Ursprung des Teut- schen Reichs. §. 1. E S hat sich das grosse Teutsch- land vor zeiten gegen Morgen biß an die Donaw/ und gegen Mittag an den Rheinstrom er- strecket. Gegen Sarmatien sind fast die selben termini oder Graͤntzen gewesen/ die B auch Vom Zustand auch noch seyn/ daß uͤbrige umbgibt die grosse See; das also zu der Zeit unter dem wort Teutschland auch begriffen wurden: Dennem. Norwegen und Schweden biß zu den Sinum Bodnicum; welche Theile die meisten der Alten mit dem Nahmen Schonen belegen; was aber jenseits ge- dachten Sinus gelegen/ halte ich/ koͤñe nicht fuͤglich zum alten Teutschlande gerechnet werden. Massen der Sprache unterscheid anßweiset/ daß die jetzige Finnen eine gantz andere nation seyn/ als die Schweden und andere teutsche Voͤlcker/ und scheinet/ es gehe das jenige/ was der Tacitus in dem Buͤchlein von den Sitten der Teutschen schreibet/ nicht die Finnen/ sondern die Lap- laͤnder an/ welche auch noch fast derglei- chen Leben fuͤhren. Es ist aber der Warheit gemaͤß/ daß die rechte Finnen unter den Æstien begriffen seyn. ( Æstii , ist ein teutsches Volck/ so vor des Cæsaris Zeit/ vom Rhein in Preussen und Liffland gezogen ist.) Und ist kein wun- der/ des Tentschen Reichs. der/ daß der Tacitus von den jenigen weit abgelegenẽ Voͤlckeꝛn/ deren Geruͤcht kaum zujm gelanget/ wenig unteꝛscheid gemacht- Heut zu tage werdẽ diese Mitternaͤchtliche Laͤnder absonderlich regieret. Endiget sich demnach Teutschland auf der seitẽ an dem Baltischen Meer oder Ostsee/ und ein groß theil des Chersonesi Cimbricæ , so jetzt zu Dennem. gehoͤret; Dieses aber gleichsam zu ersetzen/ hat Teutschland seine Graͤntzen uͤber die Donaw biß an Jtalien und Illy- rien fortgesetzet/ und disseits des Rheins ist ihm auch ein guter Strich/ so vor Zeiten zu den Frantzoͤsischen Niderlanden gehoͤ- ret/ zugeleget. §. 2. Dieses so grosse Land haben vormahls unterschiedliche/ maͤchtige und freitbare Voͤlcker bewohnet/ deren doch jegliche ih- nen sonderliche Staͤdte vnd von den an- dern unterschiedent Territoria machten/ außgenommen die einerley Ursprungs/ Sitten und Sprache waren/ und zwar B ij galt Vom Zustand galt bey den meisten die democratia, da der gemeine Mann zum Regiment etwas zu sagen hat. Etliche hatten ihre Koͤnige/ welche aber fast mehr nur zu rathen/ als zu gebieten gehabt. Denn diese nation hat niemals gaͤntzlich dienstbar werden wollen. Hat also diß alte Teutschland nimmer ein absonderliches Reich/ eben wie unser Jta- lien/ Spanien/ Franckreich/ Britannien und Griechenland (nemlich/ ehe und be- vor diese Laͤnder von den Roͤmern be- zwungen murden) gehabt/ welcher Zustand aus diesem ersten Uhrsprung der Staͤdte/ dadurch die abgesonderte Familien allmehlich ein Corpus gewor- den/ desto klaͤrer zu sehen war. Aber ob gleich diesen Alten solche autonomia unter dem schein der Freyheit sehr anmu- thig vorkam/ musten doch diese vielerley regierungen durch ihre offt wiederholete Kriege zu grunde gehen. Und machten sich diese sonst streitbare Voͤlcker auch damit der außlaͤndischen Einfaͤlle unterwuͤrffig/ daß sie ihre Macht nicht durch eine gewisse Re- des Tentschen Reichs. Regiments-art verbunden/ deñ die meisten machten keine verbuͤndniß wider die allge- meine Gefahr/ sondern vernamen als denn erst/ da ein jeder das seinige absonderlich behaupten wollen/ uñ sie also nach dem ge- meinen sprichworte: dũ singnli pugnant universi vincunt , uͤbern hauffen geworf- fen worden/ wie gut die Einigkeit sey. §. 3. Damit nun die Teutschen von diesem Statu kaͤmen/ haben die Franci erstlich Ur- sach gegeben/ welche nation, ob sie von den Teutschen oder von den Gallis ihren Ursprung habe/ nicht so leicht zu sagen ist- Dennlob wir gleich zugeben/ daß die jent- gen Voͤlcker/ so die Griechen unter dem gemeinen Worte Celtæ begriffen/ als da sind die Illyrier , die Teutschen/ die Galli , die Spanier und Britanni gleichsam als aus einem Brunn entsprungen/ so wird doch niemand/ der sich in der antiquitet etwas umbgesehen/ leugnen/ daß auch her- nachmahls diese Voͤlcker an Sitten und B iij Sprachen Vom Zustand Sprachen weit seyn unterschieden gewe- sen. Diesen Zweyfel hat der unzeitige Hoch- muth etlicher Galli verursachet/ welche/ nach dem sie in vergeß gestellet/ daß vor zeiten viel Frantzoͤsische Voͤlcker ihren Ur- sprung von sich selbst den Teutschen zu zu- schreiben/ und sich von ihnen her zurech- nen gesucht/ die Teutschen fuͤr Uhrheber des Francken Geschlechts nicht erkennen wollen. Diese geben demnach vor/ es ha- be sich vor Zeiten ein grosses Volck aus Franckreich uͤber dẽ Reinstrom in Teutsch- land begeben/ und den strich Landes vom Mainstrom biß an den Hartzwald bewoh- net/ welches nach vorbeygehung oder ein- nehmung des Landes/ so zur rechten des Rheinstroms bey dessen abscheidung liget/ zu ruͤck uͤber den Rhein gangen/ und her- nach sein voriges Vaterland gleichsamb wieder eingenommen/ ein theil aber dieses Volcks waͤre am Mayn geblieben/ und haͤtte das umbliegende Land von sich be- nahmet/ des Teutschen Reichs. nahmet. Diese meynung zu bestetigen/ wer- den angefuͤhret Livius lib. 5. c. 34. Cæsa r de bel. Gal. lib. 6. Tacitus de morib. Germ. c. 28 . §. 4. Hierauff koͤñen aber die Teutschen nicht ungereimt versetzen/ daß der gedachten Roͤ- mer Schrifften nicht gantz unwidersprech- lich seyn/ als welche ungewiß genug von denen weit abgelegenen Sachen geschrie- ben/ von einem außlaͤndischen Volck/ dessen antiquiteten von keinem auffgezeichnet/ und das es nicht vermuthlich scheine/ weil die Trebocci, Nemedes, Vangiones, Treveri und andere naͤher am Rhein woh- nende Voͤlcker sich des teutschen Uꝛspꝛungs geruͤhmet/ daß die Frantzosen das andere U fer inne gehabt. U nd ob man schon zu- gebe/ daß die Francken anfangs eine Co- lonia oder dahin verpflantzetes Volck der Frantzosen gewesen/ so ist doch offenbahr/ daß die jenigen unter die Teutschen zu- rechnen/ welche ohngefehr 800. Jahr in B iiij Teutsch- Vom Zustand Teutschland gewohnet/ an der Sprache und Sitten von den andeꝛn Frantzosen un- terschieden/ und sich den Teutschen gemaͤß gestellet haben; Dieses ist gewiß/ daß vor den 300. Jahr nach Christi Geburt in den Historien der Francken kaum gedacht wer- de; daher entstehet eine zwiefache Mey- nung/ indem etliche dafuͤr halten/ daß die/ so von dem Tacito Chauci genennet wer- den/ den alten Nahmen durch das Wort Francken verendert haben. Andere aber meynen/ daß viel teutsche Voͤlcker/ odeꝛ eine von ihnen zusammen gelauffene Menge durch diesen Nahmen eine sonderliche be- gierde der Freyheit vorgewand. Denn Francus bedeutet in teutscher Sprache ei- nen freyen Menschen. Es wird auch das Zeugniß der Koͤnige in Franckreich Fran- cisci I . und Henrici II . herbey gebracht/ welche in Briffen an die Teutschen Staͤn- de bekennen/ daß sie von den Teutschen her- stammen; Ob wol ein verstaͤndiger leicht mercket/ warumb bißweilen dergleichen verwandschafften geruͤhmet werden. §. 5. des Teutschen Reichs. §. 5. Deme sey nun wie ihm wolle/ so haben diese uͤber den Rhein zu den Ubiern passirte Francken/ nachdem sie den groͤsten theils Franckreiches bezwungen/ und gleichsamb ihren Siegeslauff gewendet zum andern mahluͤber den Rhein gangen/ Teutschland und fast alles was zwischen dem Main uñ der Donau ruͤckwerts nach Thuͤringen hin gelegen/ ihnen unterworffen. Carolus M . aber/ als er vornemlich die Sachsen und den Bayrischen Koͤnig Tas- Silonem uͤberwunden/ hat das Franckische Regiment weit uñ bꝛeit in Teutschland ein- gefuͤhret/ also/ dz er nicht allein den groͤsten Theil Teutschlandes unter seinem Gebiet hatte/ sondern auch dasjenige/ was damals die Slavonier gegen dem Baltischen Meer oder der OstSee in Polen und biß an den Weixel Strom beherschet/ den es bezeugen die Historien/ daß auch diese Voͤlcker dem Carolo zinßbahꝛ woꝛden/ oder zum wenig- sten seine Mayestaͤt unterthaͤnigst venerirt haben. B v Die- Vom Zustand §. 6. Diesem Carolum bemuͤhen sich die Teutschen auffs fleissigste ihrer nation zu zu schreiben/ als welcher gebohren ist zu Jn- gelheim/ einem Staͤdgen bey Maintz/ welches jetzo Chur Pfaltz zustehet; Ja an einem alten monument in der Ab- tey zu Fulde/ wird der Ort seiner Ge- burt genennet: daß Land bey dem Fluß Un- strut/ dz ist/ Thuͤringẽ/ dz er auch teutsch ge- redet/ beweisen die annoch bey den Teutschẽ gebraͤuchliche Namen der Monden/ welche man seiner erfindung zuschreibet. Deꝛowe- gen/ weñ die Teutschen mich als einẽ Frem- den in ihrer Sachen zum Richter wehlen wolten/ der ich sonstẽ den Frantzosen zuge- fallen in ihren Sachen nichts nachzulassen gedencke/ wolte ich rahten daß sie nur frey- willig die prætension wegen den Caro- lum renunciiren solten/ vornemlich/ weil es ihrem jetzigen Regiment im geringsten keinen schaden bringen kan. Massen be- kand ist/ daß die Francken ihre Koͤnigl. resi- des Teutschen Reichs. residentz in Franckreich erwehlet/ auch ist ausser zweiffel/ daß des Caroli Vater ein Koͤnig der Francken gewesen und dessen Voꝛfahren im selben Reich der hoͤchste Eh- re genossen/ die Theile aber Teutschlandes jenseits des Rheinstroms die damahls zum Reich der Francken gehoͤreten/ hielten sie nur als eine durch Krieg bezwungene Pro- vintz. Ferner wird einer der jenigen nati- on zugerechnet/ deren sein Vater ist/ und wo er den ihm vom Vater und dessen Vor- fahren nachgelassenen Erbsitz und Guͤter hat. daß einer an einem andern Ort gebeh- ren als wo sein Vater gebohren ist/ macht ihn nicht alsbald zu einem andern Lands- mann/ es sey den das wir glaͤuben wolten/ der itzige Koͤnig in Schweden/ weñ er viel- leicht in Preussen gebohren were unter die Preussen und nicht die Schweden zu rech- nen. Der Theil Teutschlandes jenseits des Rheins ist auch nicht Franckeuland genen- net worden ehe er unter dem Carolo zu B vj der Vom Zustand der Francken Reich kommen: Denn vor- nemlich/ als dessen nachkommen ihr Vaͤ- terlich Reich getheilet/ wird von den Au- toribus der unterscheid gebraucht/ unter dem Lateinischen Francken gegen Abend/ und dem Teutschen gegen Morgen/ wel- ches ist das grosse Teutschland/ jenseits des Rheinstroms: Ob wol nach der Ottonem zeiten diese benennung Teutschlandes all- maͤhlig auffgehoͤret. Der jenige Zweyfel/ so aus des Caroli Sprache herruͤhret/ kan folgender gestalt leichtlich auffgehaben werden. Nachdem die Frantzosen dem Roͤmischen Joch un- terwuͤrffig worden/ haben sie sich auch all- maͤhlig der Roͤmer Sprache angewehnet/ biß sich endlich die alte Celtische Sprache fast gaͤntzlich verlohren; Ferner ist ausser Zweyfel/ daß die in Franckreich gezogene Francken nicht alsbald ihre teutsche Spra- che vergessen: denn sie haben die alten Gal- los nicht stracks erwuͤrget/ oder zum lande hinaus getrieben/ sondern nur ihre Regie- rung des Teutschen Reichs. rung an sich gebracht. Darauff ists her- nach geschehen/ daß die geborne Francken im Regiment hervor gezogen/ die uͤberwun- dene alten Galli aber vorbey gangen wor- den; Gleich wie aber/ wenn zweene Fluͤsse unterschiedlicher Farben zusam̃en fliessen/ jeglicher seine Farbe eine zeitlang behaͤlt/ biß endlich allgemach der schwaͤchere von dem staͤrckesten verschlungen; Also haben anfangs so wol die Francken als die Galli eine zeitlang ihꝛe Sꝛpache behalten/ biß mit der zeit aus beyden gleichsamb ein misch- masch worden/ darinnen doch die Lateini- sche oberhand behalten/ dessen Ursach leicht zu erforschen ist. Denn ohne zweyffel sind der Gallier mehr gewest als der Francken/ und kam den Galliern viel schwerer an die teutsche Sprache zu lernen/ als den Fran- cken die lateinische: Sintemahl ich selbst erfahren/ wie saur es den Außlaͤndern wird die teutsche Sprache zu lernen. Darumb wird auch bey den aͤltisten Fraͤnckischen Scribentẽ die gemeine lateinische Sprache B vij die Vom Zustand die Baursprache genennet/ weil nemlich die Voruehmsten noch Deutsch/ die Bau- ren aber und das gemeine Volck der alten Gallier nichts als lateinisch redeten. Also findet man auch noch heut zu tage in Lieff- und Curlaud wo die Teutschen die vorige Einwohner zu Bauren gemacht/ daß fast alle Edelleute und Buͤrger die Baurspra- che verstehen/ die Bauren aber kaum das zehende Wort vom Teutschen begreiffen koͤnnen Hat demnach Carolus die teut- sche Sprache gekund/ so wol/ weil sie noch in etwas bey den Francken gebraͤuchlich war/ als auch/ weil vorhin die Francken ei- nen grossen theil Teutschlandes/ und er selbst es fast gantz inne gehabt/ und kunte keiner bey der Francken Zeit mit den Teut- schen umbgehen/ der nicht in der Mutter- sprache mit ihnen zu reden wuste. Wer aͤber allhie iñ acht nimpt/ daß von den mei- sten die Fragen/ so doch in sich unterschied- lich/ untereinander confundi ret werden/ der wird am richtigsten diesen Streit bey- legen: des Teutschen Reichs. legen: Deñ wenn gefraget wird/ ob der Ca- rolus von dẽ Galliern oder von den Teut- schen sein Geschlecht herfuͤhre? Muß man ohne zweyffel antworten/ daß er nicht von den Galliern/ sondern von den Teutschen oder Francken herkomme; wird aber ge- fraget/ zu welchem Vaterlande er zu rech- nen? so wird solches nicht Teutschland/ sondern Franckreich seyn/ und wird in die- ser betrachtung nicht ein Teutscher/ sondeꝛn ein Gallus, oder vielmehr ein Franco gallus genennet. Jch besorge/ ich moͤchte dafuͤr angesehen seyn/ als wenn ich den Le- ser einer einfalt beschuldigte/ wenn ich mich laͤnger in dieser so klaren Sachen auffhiel- te; Doch sol mich nicht verdriessen/ den Teutschen ein gar bekandtes Exempel hin- zu zu thun: Denn wenn man bey ihnen einen Liefflaͤndischen Edelman antreffen/ und solchen fragen wuͤrde/ wo er her sey? so wuͤrde er antworten: Er waͤre ein Lieff- laͤnder/ und nicht ein Teutscher. Wuͤrde man weiter fragẽ/ aus welchem Geschlecht er Vom Zustand er geboren/ wuͤrde er sagen: aus dem Teut- schen/ und nicht aus dem Lettischen. §. 7. Dieser Carolus hatte unterschiedliche Laͤnder unter sich/ die er durch unterschied- liche Titel an sich grbracht. Franckenland hatte er als sein Vaͤterlich Reich mit recht geerbet. Denn ob man schon bey den al- ten Francken lieset/ daß bey wehlung eines Koͤniges auch die Staͤnde und das gemei- ue Volck etwas zu sagen gehabt/ so halte ich doch/ daß solches mehr geschehen die So- lenniteten der Inauguration, und den Gehorsam gegen dem newen Koͤnige/ als eine freye Wahl zu beweisen. Man ist auch von dem Geschlecht nicht abgewi- chen/ es waͤre denn durch Auffruhr/ oder/ weil der Erbe zum Reich gantz untuͤchtig befunden. Es hatte vorhin ein theil Teutschlandes zu diesem Franckreich gehoͤret/ daß uͤbrige hat auch der Carolus mit Krieg bezwun- gen. Ob ihrer etliche in betrachtung sei- ner des Teutschen Reichs. ner Macht sich ihm freywillig ergeben/ kan man nicht eigentlich wissen. Auch hat er jm das Reich der Longobarden in Jtalien bothmessig gemache/ auff falschem præ- text des Roͤm: Pabsts. Endlich ist er mit willen und consens des Pabsts und Roͤ- mischen Volcks zum Roͤm. Kaͤyser erweh- let/ was er durch disen Titel uͤberkommen/ sol bald hernach gesagt werden. §. 8. Also ist Teutschland unter dem Carolo ein theil des Reichs der Francken gewesen/ welches/ wie es scheinet/ absolut genug ih- rem Gebiet unterworffen/ und solches ha- ben die Statthalter/ die weistens Fraͤncki- schen Herkommens/ unter dem Titel der Graffen und Marckgraffen/ nachdem es in unterschiedliche Provincien eingethei- let/ administri ret; Ob wol die Sachsen ihre Freyheit etwas laͤnger behalten/ hat sie doch der Carolus nach langwierigem Kriegt uͤberwunden/ zum Franckischen recht geleget/ uñ gleichsamb zu einem Volck mit Vom Zustand mit den Francken gemacht/ Und damit er diese wilde und der dienstbarkeit unge- wohnte nation desto besser in ihren schran- cken behalten mochte/ hat er Priester be- stellet/ welche das Volck in der Christlichen Religion unterrichten/ und ihm fleissig zu Gemuͤthe fuͤhren solten/ wie sehr sie den- selbigen verbunden waͤren/ von welchem sie den Weg zur Seligkeit erlernet haͤtten/ daher hat Carolus viel Bißthuͤmer und Abteyen in Teutschland gestifftet: Gleicher gestalt ist Ludovicus Pius des Caroli Sohn mit Teutschland verfahren/ ohne das der gedachten Statthalter Macht und Ge- walt je mehꝛ und mehr zugenommen. §. 9. Hernach aber/ als dieses Ludovici Soͤhne ihr Vaͤterlich Reich unter sich ge- theilet ( welches die vornehmste U rsache ge- wesen/ daß die Fraͤnckische Macht ge- schwaͤchet/ und des Caroli Familia unter- gangen) ist Teutschland von dem uͤbrigen Leibe des Fraͤnckischen Reichs gleichsamb abge- des Teutschen Reichs. abgerissen/ und hat einen sonderlichen Koͤ- nig Ludovicum des Pii Sohn/ bekom- men; hernach ist zu Teutschland ein groß theil der Frantzoͤsischen Niederlande gegen dem Rhein/ fast von lauter Teutschen be- wohnet/ hinzugethan/ welches Land von dem Lothario, der auch des Ludov. Pii Sohn gewesen/ Lotharingen genennet ist/ ob wol jetzo nur ein klein stuckgen solchen Reichs den Namen Lothringen behalten/ unter den verderblichen Kriegen/ dadurch sich des Caroli Nachkommen unter ein- ander selbst auffgerieben/ hat nicht allein die Macht der Teutschen Staͤnde gewal- tig zugenommen/ sondern des Caroli Ge- schlecht ist auch endlich gar druͤber verlo- schen/ oder zum wenigsten von dem Reich der Francken verstossen/ ( denn auch noch heute die Pfaltzgraffen am Rhein und Her- tzogen zu Lothringen von dem Carolo ihr Geschlecht herfuͤhren ) und haben die Teut- schen aus den Vornehmsten ihrer eigenen nation Koͤnige erwehlet/ von welcher Zeit an Vom Zustand an Teutschland sein Wesen absonderlich und keine Gemeinsekafft mit Franckenland mehr gehabt. Weil ferner dei Teutsche Regierung mit dem gemeinen Namen das Heil. Roͤmische Reich pfleget genennet zu werden/ halte ich der Muͤhe werth seyn/ mit wenigem zu erforschen/ wie Teutsch- land diesen Titul erst erlanget/ was ihm da- durch zugewachsen/ und mit was recht es denselben noch heutiges Tages fuͤhre. Welches gruͤndlich zu vernehmen/ wir den Zustand des alten Teutschen Reichs vor des Caroli Zeit mit weuigem besehen muͤssen. §. 10. Wie deroweben das Roͤm: Volck/ nach dem es den besten Theil der Welt unter sein Joch gebracht/ endlich durch den Ehr- geitz etlicher maͤchtigen Buͤrger in Buͤr- gerliche Krige gerathen/ und daher unter eines eintzigen Herrschafft kommen/ ist bey jederman bekand. Gleich wie aber Augustus der Uhrheber der Roͤmischen Mo- des Teutschen Reichs. Monarchi durch huͤlffe der Soldaten das Regiment erlanget/ also sahe er auch bald/ daß ers durch dieselben behalten muste/ dannenhero/ ob er gleich in vielen Reichs Geschaͤfften dem Rath einigen schein ih- rer Macht gelassen/ hat er doch die Kriegs verwaltung vor sich allein behalten/ und solche unter dem Kaͤyserlichen Titul merck- lich von sich spuͤren lassen. Denn das mu- ste/ als ein sonderlich Arcanum des Reichs auffs fleissigste verschwiegen/ und vor den gemeinen Knechten verholen seyn/ daß es bey den Soldaten stunde Kaͤyser zu erweh- len und abzuschaffen/ welches/ nach dem es kund worden/ so wol das Kaͤyserthum selbst/ als die Kaͤyser in einen elendẽ Stand gesetzet. Massen dasselbe von vielen inner- lichen Kriegen geschwaͤchet hat leyden muͤssen/ daß ihm der geitzige und unruhige Poͤbel nach eigener beliebung die aͤrgesten Unm̃enschen auffbuͤrdete/ und hingegen die besten Regenten zum offtern unverant- wortlicher weise vor der Zeit entzog. Die Kaͤyser Vom Zustand Kaͤyser kunten auch ihren Nachkommen keine sichere Hoffnung zur succession machen; und die unruhige Gemuͤther kunten durch Gelt dazu kommen. War demnach freylich die macht Kaͤyser zu wehlen bey den Soldaten (welches bey allen Kriegs Monarchien zu geschehen pfleget/ oder wo ein staͤrckes und waͤren- des Kriegesheer an einem Ort gehalten wird) der Rath und das gemeine Volck waren nur schlechte und blosse Nahmen/ die nur angefuͤhret wurden/ den einfaͤlti- gen Poͤbel zu beruͤcken/ als wenn sie alle mit ein ander ihren freywilligen con- sens zu dieser Herrschafft gegeben. Wie nun dieses auff der Soldatischen Frey- heit gegruͤndete Reich an sich nicht daur- hafftig war. Also haben auch der Con- stantinus M . und Theodosius desselben untergang mercklich befodert. Jn dem jener C. M. seine residentz zu Byzantz verordnet/ und die maͤchtigsten Armeen von dem Rheinstrom ab und gegen Mor- gen des Teutschen Reichs. gen gefuͤhret; Dieser aber unter seinen ungeschlachten Soͤhnen das Reich ge- theilet. Da sind aus einem zwey Reiche worden/ und solches zu keinem andern Nutzen/ als daß das Occidentalische von dem Orientalischen abgerissene Reich de- sto leichter den Barbarn zu theil wuͤrde: denn bald nach hat das Occidentali- sche Reich auffgehoͤret/ nach dem die Stadt Rom von den Gothen eingenom- men und verwuͤstet/ welche auch die ande- re Provincien vorher mit ebẽ dem Recht verlohꝛen/ damit sie solche gewonnen/ und nunmehr ihrer Freyheit beraubet den Gothen gehorsamen muͤste. §. 11. Als hernach auch der Gothen Macht in abnehmen kommen/ ist die Stadt Rom und ein groß theil Italiæ der Griechen Herrschafft unterworffen; Ob wol Rom in ansehen ihrer vorigen Hoheit/ und weil sie sich fuͤr eine Mutter der Stadt Constantinopel außgab/ vielmehr als Vom Zustand wie eine f0153;derirte oder gleichfreye/ als eine bezwungene tracti ret wurde. Die groͤste Gewalt im Reich kam doch in der That den Griechen zu. Welche auch sol- the zu Rom/ und an andern Orten Italiæ , so ihm unteꝛwuͤrffig/ duꝛch ihre Exarchen veruͤbeten; Allgemach aber wurden die Paͤbste der Griechischen Herrschafft uͤ- berdruͤssig/ weil ihre Exarchen allzu wol- luͤstig gelebet/ uñ etliche Griechische Kaͤy- ser wider die Bilder gewuͤtet hatten/ da doch die Bilder fuͤr ein sehr nuͤtzliches Mittel gehalten wurden/ dem gemeinen Voͤlcklein in eusserlichen Gebraͤuchen die Gottseligkeit ein zupflantzen/ als welches hoͤhere Sachen nicht begreiffen/ uñ durch ein reines Hertz und ehrbar gefuͤhrtes Le- ben einen gnaͤdigen Gott habenkan Aus welchem die Priester wenig profit haben kunten. Vielleicht war man auch der meynung/ daß der Kirchen ein groß An- sehen zuwachsen wuͤrde/ wenn ihm der Pabst allmehlich das weltliche Reich be- stetigte/ des Teutschen Reichs. staͤtigte/ welcher sonsten das geistliche Re- giment in der Welt hatte. Und schiene warlich nicht wol zu erdulden seyn/ daß der jenige eines Griechischen auch wol biß- weilen Weibischen Kaͤysers mancipio un- terwuͤrffig leben muͤste/ welchen Gott mit solcher autorität zu seinem Stadthalter auff Erden bestellet haͤtte/ daß/ wenn er von Kirchen Sachen muͤssig/ auch blosse civil Haͤndel tracti ren moͤchte/ ja Gott ihm sel- bige auch gaͤntzlich aufftragen wuͤrde/ weñ nicht bekand/ daß die Herren Geistliche von Goͤttlchen Sachen so sehr eingenom- mene Pr0153;laten fuͤr den profan Geschaͤff- ten gar einen abscheu truͤgen. Ob nnn wol der weit abgelegene Grichische Kaͤyser/ der ohne das mit den heran kommenden Sa- racenen in Orient gnug zu thun hatte/ nicht zu fuͤrchten; So verursachte doch die Macht der Longobarden, so gewißlich gantz Jtalien bedrohete/ und allbereit die Vorstaͤdte der Stadt Rom angriffe/ eint- ges schrecken; Als der Pabst dieser Macht C allein Vom Zustand allein zu widerstehen nicht gnug/ dauchte ihm keine dem Roͤmischen Stuel kraͤftigere Huͤlffe zu leisten veꝛmoͤgend/ als die Koͤnige der Francken/ welche dazu willig machte der grosse Nachruhm/ den jenigen von in- jurien zu befreyen/ durch welchen/ als auß einem unerschoͤpfflichen Brunn/ alle die Christen erquickende Gnade GOttes auß getheilet wuͤrde. Und zwar hatte sich der Pabst umb den Pipinum und Carolum wol verdient gemacht/ in dem er des Chil- perici Muͤnch Platte approbiret; wel- che That sie/ weiß nicht wie hoch/ hetten halten sollen/ weil sonst ihr gewissen leicht- lich in zweiffel gerahten koͤnnen/ ob auch ein Unterthan seinen Fuͤrsten mit recht zum Muͤnch scheren liesse/ der nur dieses schine versehen zu haben/ daß er einem maͤchtigen Ministro mehr Macht verlie- hen/ als dem Reich zutraͤglich waͤre. Und dar in war sonderlich das Gluͤck den Fran- cken guͤnstig/ daß sie eine so angenehme ge- legenheit bekamen unser Jtalien zu uͤber- fallen/ des Teutschen Reichs. fallen/ welches die jenseits den Alpen woh- nende laͤngst gerne beliebet. §. 12. Nach dem derowegen Carölus das je- nige/ was vorhin die Longobardi in Jta- lien gehabt/ ihm unterworffen/ hat ihn der Pabst/ (der auch gute Beute bekommen) damit er sich danckbar erwiese/ und ins kuͤnfftige einen bestaͤndigen. Schutzherrn haͤtte/ auf einwilligen des Poͤfels zum Kaͤy- ser vnd vermehrer des Reichs erklaͤret. Was durch diesen Titul der Carolus er- langet/ ist nicht so gar offenbahr. Es hatte Rom schon laͤngst auffgehoͤret ein Sitz des alten Roͤmischen Reichs zu seyn: als nem- lich zu erst das Reich der Gothen und her- nach die Orientalische Regierūg dazu kam. Darumb kunte es damal dem Carolo von den Roͤmern nicht conferi ret weꝛden/ was vorzeiten/ zum Occidentalischen Reich ge- hoͤret hatte: den solches war schon laͤngst durch Krieges recht/ cession oder verlas- C ij sung Vom Zustand sung unter fremden Gebiet gerahten. Ja auch Rom selber war nicht ihr eigen/ dar- um kunten sie sich nicht einem andern er- geben. Daher auch Carolus den Titul nicht hat fuͤhren duͤffen/ ehe er sich mit den Grichischen Kaͤysern daruͤber vertragen; welche solches desto leichter zugaben/ weil es ihnen an Macht fehlete und sie die Fran- cken gern zu Freunden hatten/ damit sie ih- nen auch nicht Calabrien und was noch vor andere bequeme Oerter die Griechen inne hatten/ abnehmen, Darumb kan man kaum anders sagen/ als daß unter diesem herrlichen Kaͤysers Titul/ bey wieder er- langung des alten Roͤmischen Zustandes/ wiewol in anderm Absehen/ der Ca- rolus zum obersten Verthaͤidiger und Beschuͤtzer oder Advocaten des Roͤmi- schen Stuels/ und der Guͤter so von des Pabstes einkunfft oder anderer freygebig- keit demselben zukommen moͤchten/ sey ge- macht worden. Ob diese verthaͤtigung oder protection die des Teutschen Reichs. die groͤste Gewalt des Reiches gehabt/ wie sie von den Politicis beschrieben wird/ dar- an zweiffele ich sehr/ und wolte vielmehr dafuͤr halten/ daß nur in gestalt eines ungleichen Bundes der Roͤmische Stuel und dessen Guͤter dem Carolo seynd ad- jungi ret worden/ dessen Gesetze vornem- lich diese gewesen: daß der Carolus zwar den Roͤmischen Stuel und dessen Guͤter wider alle Anlaͤuffe verthaͤtigen/ und wenn innerlicher Auffruhr zum Schimpff oder Schaden der Kirchen entstehen wuͤrde/ sol- chen durch seine autorität beylegen soltes Der Roͤmische Stuel hingegen solte des Caroli Mayestaͤt gebuͤhrlich vencri ren/ und nichts Hauptsaͤchliches ohne seiner autorität vornehmen/ worunter das vor- nehmste gewesen/ daß keiner ohne seinen willen den Roͤmischen Stuel besitzen solte. Hieraus erhellet daß Rom von der zeit an als eine abgesonderte Stadt ihre decreta gemacht/ und mit dem Reich der Francken eigendlich zu reden nicht zu einem politia C iij Regi- Vom Zustand Regiment gedien; hernach auch/ daß Ca- rolus den Roͤmischen Stuel und was ihm zugehoͤret/ nicht unter seine Unterthanen gerechnet/ noch uͤber sie geherrschet/ welche Herrschafft bestehet/ im Gesetz geben/ Zinß aufflegen/ Obrigkeit ein setzen/ Recht spre- chen/ und dergleichen. Daß ist aber nicht wider eines Verthaͤidigers oder Fuͤrspre- chers recht gehandelt/ daß man die durch verbotene mittel eingedrungene Paͤbste ab- setze/ die jenigen/ so der Kirchen untergang und eusserste beschimpfung suchen/ wieder zu rechte bringe/ oder die Roͤmer uñ andere so sich dem Pabst wiedersetzen/ zu frieden stelle. Gleich wie aber Carolus und et- liche seiner nachkommen ihnen den Titul elnes Kaͤysers und Augusti , gnugsamb ge- fallen liessen/ ihnen auch deßwegẽ die Obeꝛ- stelle vor andern Koͤnigen/ die nicht dawi- der stritten/ zu eigneten. Also lieset man nicht/ so viel mir bewust/ daß das Francki- sche Reich unter dem Carolin ischen Ge- schlecht mit dem Titel des Roͤmischẽ Reichs sey beleget worden. §. 13. des Teutschen Reichs. §. 13. Als des Caroli Geschlecht in abneh- men kam/ haben die Teutschen sich auch der Regierung der Francken entzogen/ und sind in Jtalien grosse Auffruͤhre entstan- den/ in dem andere durch der Alten ruin ihr newes auffnehmen gesucht. Als hie- bey die Paͤbste ihrem Zustand nicht gnug- sam traueten/ und der Teutschen Koͤnig Otto der I. nach dem er den Berengari- um uͤberwunden/ ihm das Reich Jtalien unterwuͤrffig gemacht/ dauchte dem Pabst am rathsamsten seyn/ ihme gleicherweise den Ottonem zum Verthaͤtiger anzuneh- men/ wie vormahls den Carolum, und zwar also/ daß nachmahts die beschuͤtzung des Roͤmischen Stuels mit dem Teutschen Reich gantz verbunden wuͤrde. Denn wer das Reich uͤberkaͤme/ auch alsbald zu dieser protection gelangete. Es haben auch viel der alten Teutschen Koͤnige dieses recht gegen dem Roͤmischen Stuel tapffer genung vertreten. Als unterdessen nicht C iiij allein Vom Zustand allein die Macht des Pabstes/ sondern auch der Bischoffe in Teutschland sehr zuge- nommen/ begunten auch die Paͤbste die- ser der Teutschen protection uͤberdruͤssig zu werden: die U rsache war der allen Voͤl- ckern ein gepflantzete abscheu vor der auß- laͤndischen beherrschung/ und war unbillig/ daß die klug beruffene Jtaliener (denn wenn wir nicht annehmen wolten/ wie die Außlaͤndischen uns tituliren/ thaͤten wir unrecht) solcher einfaͤltigen Teutschen Ge- waltthaͤtigem gebiet nachleben muͤssen. Es verdroß auch den Stathalter Christi/ laͤn- ger gleichsam unter Vormuͤndern zu seyn/ als welcher laͤngst verlangen trug jeder- man Gesetze zu geben: damit er derowe- gen dieses Joch von seinem Halse werffen moͤchte/ brachte er es zu wege/ daß den Teut- schen Koͤnigẽ bald in Jtaliẽ bald in Teusch- land was zu schaffen gemacht wuͤrde/ wor- zu ihm die Bischoͤffe tapffer behuͤlfflich wa- ren: hernach wuͤrden sie auch in den Bann gethan/ fuͤr welchem man sich zu der zeit sehr des Teutschen Reichs. sehr fuͤrchtete. Also sind endlich die Teut- schen Koͤnige allmaͤhlig des Reichs Jtalien uͤberdruͤssig worden: haben sich mit ihren eigenem vergnuͤget/ und den Paͤbsten den Roͤmischen Stuel nach ihrem willen ge- lassen/ welches sie in so viel 100. Jahren durch allerley List/ und grosse Unruhe in Europâ gesucht hatten. Sie haben auch lange die Roͤmische kroͤnung unterlassen/ wiewol sie den alten Titul der Roͤm: Kaͤy- ser behalten: und bey antragung des Reichs wird ihnen erstlich die verthaͤdigung des Roͤmischen Stuels anbefohlen/ wovon ihn doch die protesti rende Churfuͤrsten loß sprechen. §. 14. Woraus zu ersehen/ daß die jenigen gar kindisch irren/ die da meynen/ daß Teutsche Reich sey an des alten Roͤmischen Reichs stelle kommen/ und werde das Roͤmische im Teueschen continui ret Dann das jenige Reich/ das zu Rom seinen Sitz hatte/ war schon laͤngst verstoͤret/ ehe Teutschland als C v ein Vom Zustand ein eigen Reich gehalten wuͤrde. Daß Roͤ- mische Reich aber/ so dem Carolo und Ottoni conferiret ( welches nichts an- ders als eine Advocatia oder Schutz des Roͤmischen Stuels) hat mit der zeit dem Teutschen Reich seinen Nahmen an- geschmieret/ ob gleich das Kirchen Gebiet mit dem Teutschen Reich niemals eine Policey gemacht/ viel weniger der Caro- lus oder Otto ihre Reiche der Stade Rom als dem Sitz oder Hauptstadt des Reichs unterworffen. Weil man meine- te/ daß in dem Worte: Roͤmischer Kaͤyser/ eine sonderliche Herrligkeit waͤre/ wegen der weitlaͤuftigkeit dieses alten Reichs/ war es gar gemein/ die Teutschen Koͤnige al- lein mit diesem Titul zu belegen. Worauff denn folgete/ daß auch Teutsch- laud/ als mit einem ansehnlichern Namen/ das Roͤmische Reich genennet war. Den unterscheid aber des Roͤmischen und Teut- schen Reichs giebet klaͤrlich zu veꝛstehen die unterschiedliche Kꝛoͤnung uñ Cinweihung. Und des Teutschen Reichs. Und setzen die letzten Kaͤyser von dem Ma- ximiliano dem I. an/ nach dem Namen des Roͤmischen Kaͤysers/ außdruͤcklich den Titul Koͤniges in Teutschland. Ja es ist auch jetzo bey den Teutschen sehr gebraͤuch- lich/ daß sie ihre Politia das Roͤm. Reich Teutscher nation nennen/ welche redens- art ihr doch selbst scheinet zu wider zu seyn/ massen es offenbahr genug/ daß das jetzige Teutsche Reich mit dem alten Roͤmischen nicht einerley sey. Doch behalten die Teut- schen Koͤnige den einmahl auffgebrachten Titul/ ob sie gleich die Roͤmische Kroͤnung laͤngst unterlassen/ und sich kaum das ge- ringste des rechts dieser alten Advocatiæ gebraucht haben: weil bey den Fuͤrsten ge- mein ist/ ehe das Land als den Titul abzu- stehen. Solte wol nicht diß Recht mit der zeit auffhoͤren/ der blosse Titul aber erhal- ten/ und durch andere Gelegenheit wieder- nmb gehraucht werden? §. 15. Es ist aber offenbahr/ daß Teutschland C vj von Vom Zustand von dem Titul des Roͤm. Kaͤysers nicht al- lein keinen Nutzen/ sondern auch sehr gros- sen Schaden und Ungelegenheit habe. Bey den Priestern ist dieses gemein/ daß sie allezeit bereit seyn zu nehmen/ nimmer aber zu geben/ und da andere Clienten ih- re Patronen mit Gescheucken erweichen/ werden die Priester ( ob sie gleich clienten seyn) unwillig/ und halten ihren Segen gar hoch/ wo man ihnen nicht aus freyen stuͤ- cken Geschencke bringet. Jch bin fast der meynung/ daß die alten Fuͤrsteu die Geist- lichen in Teutschland darumb mit so gros- sen Guͤtern begabet/ weil sie davor gehal- teñ/ es waͤrt ihnen sonderlich von Gott be- fohlen/ diesen Orden reichlich zu versorgen. Wie viel hat es wol Teutschland gekostet/ die Roͤmifche Krone zu erlangen? Wie viel Gut und Blut haben die unterschied- liche Zuͤge in Jtalien/ die vom Pabst erreg- te Auffruͤhre zu stillen/ oder ihn wider seine Rebellen zu beschuͤtzen gekostet? Denn es haben die Außlaͤndeꝛ/ so mit Jtalien zu thun gehabt/ des Teutschen Reichs. gehabt/ allzeit schlecht Gewinn davon ge- trageu: ja daß wir die in unserm Lande eingewurtzelte Spanier bißher nicht ha- ben vertreiben koͤnnen. Endlich ist kein Fuͤrst oͤffter in den Bañ gethan/ oder von den auffruͤhrischen Pfaf- fen mehr vexiret als die Teutschen Kaͤyser/ welches vornehmste Uhrsachen gewesen: entweder/ weil man dafuͤr hielte/ daß die/ so sich mit diesem Titul fuͤr andern hervor thaͤten/ ihre Sachen vornemlich nach dem Roͤmischen Stuel richten und anfiellen musten/ oder damit der Orden/ so niemand uͤber sich wolte herrschen lassen/ gleichsamb das von Mutter Leib an verhaste weltliche Gebiet ableiten moͤchte: Wiewol ich die- ses ohne verletzung der Ehre des Roͤmi- schen Stuels wil verstanden haben/ als dessen Urtheil ich diß alles in tieffster Demuth unterwerffe. C vij Das Vom Zustand Das II. Capitel. Von den Gliedern/ daraus jetzo das Teutsche Reich bestehet. §. 1. N Ach dem derowegen die Teutschen Voͤlcker einmahl durch huͤlffe der Francken unter einer Regierung kommen/ hat man sie allezeit fuͤr ein maͤch- liges Corpus unter die Europæer gehal- ten/ welches auch noch heute seine ansehn- liche groͤsse sehen laͤsset/ ob gleich ziemlicht Theile unter andere Gebiethe gerathen/ oder sich in sonderliche Staͤdte abgeson- dert. Wie viel kurtzer sich jetzo der Teut- schen Gebiet erstrecket/ als vor zeiten/ sol- ches hat Hermannus Conring, ein im Zustand des Vaterlandes wolerfahrner Mann/ in einem sonderlichen Buch von nen Graͤntzen des Teutschen Reichs klar und deutlich gewiesen. Wir haben uns nur voꝛgenommen/ den gegenwertigen Zustand desselben zu beruͤhren: Werden dem- des Teutschen Reichs. demnach die vornehmsten Glieder dieses Reichs mit dem Titul der Reichsstaͤnde be- leget/ die nemlich eine Session, wie sie es nennen/ und das Recht eine Stimme auff dem Reichstage zu geben haben; wiewol ihrer viel von andern außgenommen wer- den/ als deren Recht/ dadurch sie sich fuͤr unmittelbahre Staͤude außgeben/ andere maͤchtigere Staͤnde in zweyffel ziehen/ und auff dem Reichstage derselben stelle betre- ten/ welches dahin sein absehen hat/ daß diese die andern unter ihre provincial Staͤnde rechnen wollen. Bey den Fuͤrsten muß man auch vor- nemlich mercken/ daß ordentlich ein jeglich Haus auff dem Reichstage seine gewisse anzahl Stimmen habe: dann etliche haben nur eine/ etliche zwo/ etliche drey/ etliche viere/ etliche fuͤnffe. Ferner uͤberkompt in etlichen Fuͤrstenthuͤmern der erstgebor- ne das gantze Gebiet/ und muͤssen die uͤbri- gen mit einer gewissen Appennage oder Abgifft zu frieden seyn. Jm uͤbrigen wer- den Vom Zustand den alle Bruͤder zueinem/ wiewol nicht all- zett gleichem theil zugelassen. Wo das er- ste im gebrauch ist/ da vertritt der erstge- borne alleine der andern ihre stelle; Wo aber das letzte/ kan zwar ein jeglicher abson- derlich auff drn Reichstag kommen/ aber fie duͤrffeu doch alle nur etne Stimme von sich gebeu/ woruͤber sie unter einander sich vertragen muͤssen. §. 2. Damit aber einer beweisen moͤge/ er ge- hoͤre anch unter die Staͤnde des Reichs/ wird ins gemein aus zweyen stuͤcken zur gnuͤge erkand/ als daß er in der matricul der staͤnde eingeschrieben sey/ uñ daß erdie collecten, so man dem Reiche zahlẽ muß/ in den offentlichen Landkasten/ und nicht in die Schatz Cammer eines andern von den Staͤnden lege. Ob sich schon einer allhie gar wol auf seine possession oder besitzung beruffen kan: Denn etliche gebẽn vor/ sie haben ihren theil aus irrthum in eines an- dern Kasten geleget; Andere hingen wol- len/ des Teutschen Reichs. len/ daß etliche nur nach dem gemeinen Ge- brauch dem provincial vorbey zu dem gemeinen Kusten gangen/ nach dem sich ein jeglicher unter die Staͤnde zu seyn/ und einen andeꝛn davon außzuschliessen bemuͤ- het. Es ist aber noch keine matricul , da nicht etwas zu wenig odeꝛ zu viel darin sey/ uñ dabey nicht etliche einige Streitigkeiten zu machen pflegen. Ob wol die jenige fuͤr guͤltig gehalten wird/ so Anno 51. 56. und 66. des vorigen Seculi heraus gegeben. Jch solte meynen/ die uhralte Matri- cula, welche viel unter die Reichs Staͤnde rechnen/ so schon laͤngst auff dem Reichs- tage nichts zu sagen gehabt/ waͤren viele mehr im Register/ deren die dazumahl auf dem Reichstage zugegen gewesen/ als oͤf- fentliche allgemeine Instrumenta, aus welchen auff beyden seiten gewisse Gruͤnde koͤnnen genom̃en werden. Aus diesem un- terscheid der matrieula ist klar zu schlies- sen/ daß vor alters keine gewisse Anzahl der Staͤnde gewesen/ sondern einem jeglichen sey Vom Zustand sey frey gestanden/ auff den Reichstag zu erscheinen/ der nur einiges ansehen im Re- giment/ entweder wegẽ seines Reichthums oder Klugheit zu haben vermeynte. Die geringere/ die fuͤr ihrem eigenen des ge- meinen Wesens nicht abwarten kunten/ sind allmaͤhlich von ihnen selber aussen ge- blieben; Eliche seyn dnrch die maͤchtigen und grossen außgeschlossen/ biß man zu der jetzigen Zahl gekommen. U nsers vorha- bens ist es nicht/ eine gantze Matricul hie- her zu setzen/ doch wird von noͤthen seyn/ die vornehmste Staͤnde zu beruͤhren/ da- mit man von der groͤsse des gantzen Cor- pur urtheilen koͤnne. §. 3. Unter den weltlichen Fuͤrsten geben wir der Österreichischen Familia die oͤberstelle/ nicht so wol wegen ihꝛes alten herkom̃ens/ als wegen ihrem weitlaͤufftigem Gebiet/ und weil sie die Kaͤyserliche Hoheit in etli- che hundert Jahren her genossen. Diese Familia hat das ungewoͤhnliche gute Gluͤck des Teutschen Reichs. Gluͤck sehr groß gemacht. Rudolphus war ein Graffe zu Habsburg/ welcher in der Schweitz und deren Gegend/ nur mittelinaͤssige Guͤter/ seinem Stande nach hatte/ gab aber dabey einen guten Soldaten. Es war damahls zwischen des Kaͤysers Todt und dessen Nachfolger der Zustand Teutschlandes in fast 20. Jahꝛen sehr verworren gewesen/ versam- leten sich demnach die vornehmsten Fuͤr- sten/ und wolten durch wehlung eines Kaͤysers diesem uͤbel abhelffen. Werne- rus Churfuͤrst zu Mayntz/ welchem Ru- dolphus vor diesem auff der Reise uach Rom von Straßburg biß an die Alpen das Geleite gegeben hatte/ schlug diesen Rudolphum vor/ und ruͤhmete hoch seine Weisheit und Großmuͤt higkeit/ welcher auch bald die ( Chnrfuͤrsten) von Coͤln und Trier auff seine seite brachte: wor- auff mit solcher affection zu dem Rudol- pho der Manytzische sein absehen gehabt/ wird der jenige unschwer erachten/ wel- cher Vom Zustand cher der 'Pfaffen ihre Natur' etwas ge- nawer beschawen wird. Nemlich er ver- hoffete/ derjenige wuͤrde ihm verpflich- tet werden/ welchen er aus einem gerin- gen Stande und Geschlecht erhoͤhete/ uñ ihm eine solche Wolthat zu vergelten/ verursachen wuͤrde. Warnmb aber keiner von den andern Fuͤrsten nach dieser Wuͤrde gestanden/ moͤchte einem wun- derlich vorkommen/ wo man nicht sagen wolte/ dz der verworne Zustand Teursch - landes etliche abgeschrecket habe/ welchen sie zu recht zu bringen sich nicht tꝛaueten/ viellelcht sind auch etliche alters halben fuͤr untuͤchtig gehalten/ eine solche Last auff sich zu laden. Haben demnach die weltlichen Fuͤrsten den Bischoͤffen bey- fall gegeben/ doch also/ daß sich der Chur- fuͤrst von Sachsen/ und der Burggraff zu Nuͤrnberg mit des Rudolphi Toͤchter aerheyaathet / welches auch der Hertzog zu Bayern gethan/ der damahls bey die- sen des Teutschen Reichs. sen Fuͤrsten war. Auff diese weise ist als- bald Rudolphus mit den voꝛnehmsten fa- miliis durch Schwaͤgerschafft verbun- den worden/ seinem newen Stande zu Schutz und Ehren. Daß er hernach sei- ner Familiæ eine sonderliche Erbschafft bestellen moͤchte/ dazu ist ihm die Kaͤyser- liche Wuͤrde kraͤfftig gnug gewesen. Wenn ein Lehen erledigt/ wer war wol naͤher als der Sohn/ deme es von newen auffgetragen wuͤrde? Denn ihm selbst zu geben/ waͤre sehr verhast gewesen: die- ser gestalt hat er Oesterreich/ Steyer- marck/ Krain/ die Wendische Marck/ uñ andere Laͤnder zu wege gebracht. Zu diesem ist durch der andern Kaͤyser zulassen noch mehr hinzu kommen: wie nemlich den Reichen offter was geschen- cket wird als den Armen. Solche reiche Herren kunten nun leichte zu einer rei- chen Heyrath gelangen; weil auch ne- gen dem Reichthum die grosse Wuͤrde und hohes Ansehen bey den Jungfern in Liebes Vom Zustand Liebes Sachen viel zu gelten pfleget. Da kunte auch der Sohn von einem harten Vater erlangen/ daß er ihm einen herr- lichen Titul vor andern Hertzogen bey- legte; Und ist doch die Klngheit der Oeste- reichischen allhie zu loben: Denn es war sehr verhast/ daß diese newe Familia auff dem Reichstage die oberstelle vor den Al- ten einnehmen solte/ dennoch wolte sie ih- nen nicht weichen. Haben demnach die jenigen/ so auff einer von den weltlichen Fuͤrsten abgesonderten Banck sassen/ die oberstesie unter den geistlichen Fuͤrsten eingenommen. Denn diese/ weil sie ge- meiniglich von geringerem Herkommen zur Fuͤrstlichen Wuͤrde gelangen/ wuͤr- den ihnen leichtlich die Oberstelle lassen. Wiewol ihnen diese Tugend nicht nube- lohnet geblieben: massen sie auff diese weise in dem rath der Fuͤrsten/ daß Regi- ment oder Directorium , wie sie es nen- nen/ eins umbs ander mit dem Ertz Bi- schoff zu Saltzburg zu fuͤhren/ erhalten haben; des Teutschen Reichs. haben; Dieses aber kan ihnen so gar nicht von einem verstaͤndigen zum aͤrgesten ge- dentet werden/ daß sie vielmehr fuͤr gantz einfaͤltig zu achten/ wo sie nicht bey guter gelegenheit ihren Nutzen fleissig beobach- tet haͤtten. Begreiffen also die Oester- reichischen den meisten theil Teutschlan- des/ so gegen Morgen lieget/ unter ihrem Gebiet. Dazu kompt das Koͤnigreich Ungern/ welches noch nicht gar mit erb- recht zu Teutschland gehoͤret/ und unter andern darzu gedienet hat/ daß es gleich als eine Pastey wider der Tuͤrckeu einfall den andern Oesterreichischen Laͤndern vorgebawet/ und die Teutschen wegen surcht des Tuͤrckischen Krieges umbs Geld gebracht wurden. §. 4. Es ist aber wol zu mercken/ daß die Oesterreichischen die Kaͤyserliche Wuͤrde in ihrer Familia so lang behalten/ nicht allein daꝛumb/ weil kaum ein ander Haus in Teutschland zu finden/ welches auff eigene Vom Zustand eigene Kosten den Glantz solcher Hoheit erhalten kan/ sondern auch/ weil sie ihre Guͤter also georduet/ daß sie gar leichte ein sonderlich Regiment bestellen koͤnten/ wann es sich zutruͤge/ daß ein anderer zur Kaͤyserlichen Hoheit erhabẽ wuͤrde. Deñ sie haben sich mit solchen Privilegien versehen/ daß wenn sie mit einem andern Kaͤyser nicht zu frieden waͤren/ sie sagen koͤnten/ sie haͤtten mit dem Teutschen Reich nichts zu schaffen/ ihre Laͤndereyen machten ein absonderlich territorium; welches nicht allein das Corpus des Reichs sehr verstuͤmpeln wuͤrde/ wenn ein solch ansehnlich Theil davon abgeris- sen/ sondern es wuͤrde auch andere glei- ches vorzunehmen anreitzen/ die sich nur von ihren eigenen Guͤtern zu leben ge- traueten. Ja/ wenn einmahl ein solch Exempel eingesuͤhret/ solten auch wol die geringere ein gleiches zu thun begehren; So wuͤrde endlich Teutschland nach art unsers Jtalien eingerichtet/ ob sichs aber auff des Teutschen Reichs. auff solche weise erhalten wuͤrde/ daran zweiffele ich sehr. Daß aber dieses nicht ohn gefehr erdichtet sey/ wird der jenige leichtlich mercken/ deme nur bekand ist/ daß das Koͤnigreich Boͤhmen mit dem uͤbrigen Teutschland fast nichts zu thun habe/ als in der Wahl des Kaͤysers; oder wer die meisten Privilegia des Oesterreichischen Hauses etwas genawer betrachten wird. Ein weniges von dem Privilegio des Ca- roli V . zu beruͤhren/ wird fuͤr dieses mahl genug seyn: Jm anfange dieses Privi- legii verhelet er nicht die den Menschen sonst allgemeine begierde zum auffnehmen und Wolfahrt der seinigen. Er wil darin/ daß Oesterreich ein immerwaͤren des Lehen seyn soll/ welches kein Kaͤyser auffheben duͤꝛffe; Er wil/ daß die Hertzogen von Oesterreich Reichs Raͤthe seyn sollen/ ohne welcher vorwissen nichts koͤnne beschlossen werden; Er erklaͤret sie und ihre Laͤn- der frey von allen Beschwerungen des Reichs/ ob sie’ gleich ihre beschuͤtzung vom D Reich Vom Zustand Reich haben. Jst also Oesterreich in fa- vorablen Sachen zwar/ nicht aber in ver- hasten ein Glied des Reichs. Der Her- tzog von Oesterreich darff keine investitur ausser seinem Lande suchen/ sondern die sol ihm in demselben auffgetragen werden. Weil er sich nemlich ausser der blossen re- cognition des Lehẽ nicht geringer als das Reich achten wil/ gleichsam als wenn man selbst ihn bitten muͤsse/ daß er ein Vasal des Reichs genennet werde; Auch sein Wapen/ so er bey annehmung des Lehen fuͤhret/ giebet gnugsamb zu verstehen/ man muͤsse mit ihm als mit einem æquali oder gleichem/ nicht aber als mit einem U nter- thanen verfahren. Er kan auch auff dem Reichstage erscheinen wann er wil/ wo aber nicht/ ist er dazu nicht verpflichtet. Was er in seinem Gebiet gethan/ darff der Kaͤyser nicht endern. Dem Reich wird nicht zugelassen/ ein Lehen in Oesterreich zu haben. Seine Unterthanen werden vor keine außlaͤndische Gerichte gezogen/ und des Teutschen Reichs. und von seinem Urtheil kan man nicht wei- ter provoci ren- Er darff ohne Gefahr ei- nen/ der in den Bann gethan ist/ wieder auffnehmen/ doch also/ daß er dem Klaͤger/ wo er es begehret sein Recht wiederfahren lasse; wer aber von einem Oesterreichischen proscribi ret oder verwiesen ist/ wird von keinem andern auch nirgends anders als in Oesterreich absolvi ret Er leget seinem Lande nach belieben newen Tribut auff/ und machet darin Graffen/ Freyherrn und Edelleute/ welches man sonsten in Teutsch- land fuͤr ein Werck der hoͤchsten Herꝛschaft oder des Kaͤysers haͤlt. Und damit es jeder- man kund sey/ daß er dem Reiche kein recht uͤber seine Laͤnder lasse/ ists also gemacht worden/ daß auch solche/ wenn keine Maͤñ- liche Erbenverhanden/ an dem Weiblichen Geschlecht gelangen koͤñen/ und wo es auch daran fehlete/ dem letzten besitzer solche Laͤn- der zu transporti ren oder zu vermachen an weme es ihm nur gefalle frey stuͤnde. Mehr hievon zu sagen ist nicht von noͤten/ D ij denn/ Vom Zustand denn dieses kan denen/ so mitttelmaͤssigen Verstandes/ genug seyn. Sein also die je- nigẽ sehr einfaͤltig gewesen/ welche nicht ge- mercket den possen des Caroli V . der seine Niderlande fuͤr ein theil des Reichs erklaͤ- ret/ mit der praͤchtigen Verheissung/ daß solche dem Reich so viel zahlen solten als zwene Churfuͤrsten: Denn dieses alles wurde zum Tuͤrckischen Kriege/ und also zu erhaltung der Oesterreichischen Laͤnderey angewand. Und weil die Tributs-Rech- nungen zum Tuͤrckischen Kriege in Haͤn- den der Oesterreichischen gewesen/ wuͤrden die Niderlaͤnder nicht eben so gar strenge exseeutores gefunden habẽ/ wañ sie gleich ihren theil zu erlegen etwas traͤge gewesen. Dz also ein Jtaliaͤner leichtlich hette glaͤubẽ moͤgẽ/ Carolus V . habe nur mit seiner ver- heissung den Teutschen einẽ Muth machen wollen/ daß sie desto williger das ihrige zu anderer erhaltung heraus geben/ weil sie sehen/ daß auch die Herren selbst zu nutz ihrer Erbschafft einige Beschwer auff sich neh- des Teutschen Reichs. nehmen; Wiewol auch vielleicht eine an- dere U rsach gewesen/ damit nemlich seinem Sohn Philippo , der nach dem Reich stun- de/ nicht koͤnte vorgeworffen werden/ er habe in Teutschland keine Laͤnderey/ weil e Ferdinandus das Oesterreichische Erb- theil in Teutschland schon erlanget. Oder/ daß daher die Teutschen sich ver- pflichtet hielten Huͤlffe zu schicken/ wo Nie- derland von dem Koͤnige in Franckreich angegriffen wuͤrde. Jetzo sind nur zwo Persohnen Maͤnnliches Geschlechts von diesem Hause verhanden/ nemlich der jetzi- ge Kaͤyser Leopoldus und Carolus Koͤ- nig in Spanien/ daß dieser letzte noch was lange leben solte/ wird nur von wenigen ge- hoffet; Dem andern aber habe ich viel Teutschen wuͤnschen gehoͤret/ daß er viel Soͤhne zeugen moͤchte/ weil sie sonst be- sorgten/ es moͤchte der letzte eines so herr- lichen Geschlechts/ ihm ein gar zu kostbar Begraͤbniß erfordern. D iij Die Vom Zustand §. 5. Die Faɯilia der Pfaltzgrafen am Rhein/ und der Bayrischen Hertzogen wird an Alterthum keiner andern was nachgeben/ und begreifft unter sich einen weitlaͤuffti- gen strich Landes von den Alpgebirgen biß an die Mosel/ und noch daruͤber zwey Her- tzogthuͤmer an den Graͤntzen des Niderlan- des; Sie wird in zwo Linien getheilet/ als in die Rudolphische und Wilhelmische: Diese hat fchon vor zeiten das Hertzog- thum Bayren inne gehabt/ und ist allezeit ihres Vermoͤgens beruͤhmt gewesen. Jm nechsten Kriege hat sie die Churfuͤrstliche Wuͤrde an stat der Beute davon getragen/ und ist die Oberpfaltz ihrem Verwandten abgenommen. Es haben auch die Bayri- schen fast durch ein gantz Seculum das Churfuͤrstenthum Coͤln besessen/ uͤber wel- chem noch der jetzige das Bißtbum Luͤttich und Hildesheim beherrschet. Die Rudol- phische Linie theilet sich in unterschiedliche Zweige: Der vornehmste dieser Familia ist des Teutschen Reichs. ist der Churfuͤrst in der Pfaltz/ hat die unter Pfaltz behalten/ eine fruchtbare Landschaft/ und von den lustigsten mit in Teutschland. Der Neuburgische Pfaltzgraff hat neben dem Gebiet bey der Donaw/ die Hertzog- thuͤmer Juͤlich und Berg Uber dem sind die Pfaltzgraffen von Sultzbach/ von Sim- mern/ von Zweybruͤck/ von Bircken- feld/ von Lautereck kleiner Laͤnder Herren. Aus der Zweybruͤggischen ist der Koͤnig in Schweden Carolus Gustavus entspros- sen/ welcher gezeuget hat Carolum den jetzo regierenden wiewol noch minderjaͤh- rigen Koͤnig/ welchem nach dem Osna- bruͤggischem Frieden in Teutschland zu- kompt das Hertzogthum Bremen/ Verden und Vor Pommern/ wie auch Stetin/ daß Fuͤrstenthum Ruͤgen/ und die Herrschafft Wißmar Es floriren heut zu tage in die- ser Familia sonderlich beruͤhmte Herren. Denn wie einetreffliche Gottesfurcht die Bayerische commendi ret; also macht den Churfuͤrsten am Rhein bey seiner nation D iiij groß Vom Zustand groß neben andern Tugenden seine sonder- bare Weisheit; Es wird auch der Neu- burgische nicht weniger unter die kluͤgsten Fuͤrsten Teutschlandes gerechnet/ welchem etliche die Pohlnische Krone propheceyen nicht so wol wegen der Schwaͤgerschafft mit dem Pohlnischen Koͤnigl. Geschlecht/ als weil er fuͤr der wuͤrdigste gehalten wird. Ja auch Printz Ruprecht wird nicht un- billich ein schrecken zur See genennet. §. 6. Die Hertzogen zu Sachsen bewohnen fast das mitteltheil von Teutschland/ nem- lich Meissen/ Thuͤringen/ und ein zimlich stuͤck bey der Elbe/ Ober Sachsen genant/ wie auch Ober-nnd Unter Laußnitz/ und in Franckenland das Hertzogthum Koburg/ uñ die Graffschaft Hennebeꝛg; Eine an etli- chen oꝛten an Koꝛn/ an etlichen an metal rei- che Landschaft. Die Familia wird in zwo li- nien getheilet in die Albertinische und Erne- stinische; Aus jener ist der Chuꝛfuͤrst mit sei- nen dreyen Herrn Bruͤdern/ unter welchen der des Teutschen Reichs. der erste nechst dem Chuꝛf. das Ertzbißthum Magdeburg auff Lebens zeit hat; Aus die- ser/ der Ernestinischen Linie ist der Hertzog zu Altenburg/ zu Gotha/ und die vier Wei- marsche Herren Bruder/ und halte ich/ daß keiner eine unfruchtbare Ehe gehabt. §. 7. Darauff kommen die Marggraffen zu Brandenburg/ in welcher Familia der Churfuͤrst als der vornehmste die weitlaͤuf- tigsten Laͤndereyen hat. Neben Preussen/ welches jetzo nicht zum Roͤmischen Reich gerechnet wird/ und der Churfuͤrst wegen des letzten Vertrags mit Pohlen/ als Souverain besitzet/ ist ihm unterwuͤrffig die Marck/ hinter Pommern/ daß Hertzog- thum Crossen in der Schlesien/ das Her- tzogthum Cleve/ wie auch das Gebiet Maꝛck und Ravensburg/ fuͤr den jenigen theil Pommern/ welcher den Schweden einge- reumet/ und sonsten nach abgang der-Pom- merischen Hertzogen Familia auf ihn haͤtte kommen sollen/ hat er als ein gleichgelten- D v des Vom Zustand des empfangẽ die Bißthumber Halberstat/ Minden und Camin/ und nach Abgang Hertzogen Augusti zu Sachsen das Crtz- bißthumb Magdeburg/ welches alle grosse und fruchtbahre Laͤnder seyn/ doch mey- nen etliche er habe an statt derer lieber das gantze Pommern behalten wollen. Jch erinnere mich/ daß/ als ich neulich aus Teutschland wieder gen Padua kam/ und in einer Versamblung etlicher Jtaliaͤ- nischen und Frantzoͤsischen Marggraffen erzehlete/ der gedachte Churfuͤrst koͤnne durch sein Gebieth 200. Teutsche Meilen in die laͤnge reysen/ daß er nicht einmahl in einem fremden Territorio uͤber Nacht bleiben duͤrffe; (ungeachtet das solches Gebiet zwar an einem und anderm Orth/ durch kleine darzwischen-liegende Terri- toria zerrissen) die meisten der anwe- senden Herren mir das den Reisenden gemeine Laster beylegeten. Und haͤt- ten mir meine Landsleute/ welche das Va- terland/ weiß nicht warumb/ so ungern von sich des Teutschen Reichs. sich laͤsset/ nur schlechten Glauben beyge- messen/ wo mir nicht ein alter Kriegs Of- ficir er/ der lange in Teutschland gedienet/ welchen ich auch an des gedachten Fuͤrsten Hoffe gekand/ waͤre zu huͤlffe gekommen: Denn etliche schaͤmeten sich/ daß bey uns und in Franckreich viel mit dem Marg- graffen Titul herein prangeten/ welche kaum 200. jugera oder Feld Acker inne hatten/ so gar war ihnen unbewust/ daß zwischen den Teutschen Marggraffen/ und unsern Marquisen ein solcher grosser un- terscheid sey. Es sind auch noch andere Branden- burgische Marggraffen in Francken Land welche/ wo mir recht ist/ die alte erbschafft der Nuͤrnbergischen Burggraffen besitzen/ und in die Culmbachische und Anspachi- sche getheilet werden. §. 8. Auf die Churfuͤrstliche folgen die andere noch ruͤckstellige Familien , und weiln mir bekand/ daß etliche unter ihnen wegen der D vj ober- Vom Zustand oberstelle nicht einig seyn/ wil ich die Ord- nung meiner erzehlung also veꝛstanden ha- ben/ damit nicht durch diese vergebliche Streitigkeiten einig præjudiz verursachet werde. Die Hertzogen zu Braunschweig und Luͤneburg/ besitzen die maͤchtigsten Laͤndereyen in Nider-Sachsen/ und sind in zweene Zweige abgetheilet/ zu dem ei- nen gehoͤret das Hertzogthum Braun- schweig/ welches itzund ein alter Fuͤrst re- gieret; Daß Hertzogthum Luͤneburg haben zwene Bruͤder unter sich getheilet/ deren der eine zu Zelle/ der andere zu Hannover residi ret. Der dritte Bruder hat ietzo daß Bißthum Oßnabruͤg. Die Meckelnbur- gische Hertzogen beherschen ein gut stuͤck Landes von der Oft See biß an die Elbe. Sie sind heute zu Tage in zwo Lienien un- terschieden: in die Schwerinische und Guͤstrowische. Der Wuͤrtenbergische Her- tzog hat in Schwaben eine grosse uñ maͤch- tige Landschafft; dessen verwandten einer hat an den eussersten Graͤntzen Teutschlan- des des Teutschen Reichs. des die Graffschafft Mumpelgard. Die Landgraffen zu Hessen haben auch ein weit- laͤnfftig Territorium , und werden in zwo linien getheilet/ als in die Casselsche und Darmstaͤtische. Die Marggraffen von Baden besitzen einen langen strich am rech- ten Ufer des Rheinstroms/ die gleicher ge- stalt in zwo Linien abgesondert werden/ in die Durlachische und Badensche/ davon diese zu Baden ihren vornehmsten Sitz hat. Die Hertzogen von Holstein beherschen ein theil des Cimber Landes/ welches we- gen der bequemen anstossung des Meers reich ist. So viel von Holstein zum Teut- schen Reich gehoͤreti/ wird vom Koͤnige in Dennemarck und dem Hertzogen zu Gottorff regieret/ welcher letztere auch Bi- schoff zu Luͤbeck ist. Denn das Hertzog- thum Schleßwig hat mit Teutschland nichts zu thun. Die Hertzogen zu Sach- sen Lauenburg haben in Nider Sachsen/ und die Fuͤrsten von Anhalt in Ober Sach- sen nur ein klein Gebiete. D vij Und Vom Zustand §. 9. Und das seyn die alten Fuͤrsten. Denn die Hertzogen von Sophoyen und Lothrin- gen/ ob sie sich schon zu etlichen Lehen vom Teutschen Reich bekennen/ auch deßwegen eine stelle auff dem Reichstage bekleiden/ haben sie doch ihre von Teutschland fast abgesonderte Gebꝛaͤuche und Regierungs- art wegen der gelegenheit ihrer Laͤnder. Ferdinandus der II . aber/ welcher/ wie et- liche davor gehalten/ im Sinn hatte/ nach dem die Macht der Fuͤrsten in eine Ord- nung gebracht/ ihm eine absolute Regie- rung zu wege zu bringen/ hat auch zu dem ende unter andern dieses vorzunehmen an- gefangen/ daß er etliche/ vornemlich so ihm unterwuͤrffig/ zur Fuͤrstl. Hoheit erhoben: Denn durch dieser Huͤlffe vermeynte er/ er wolte die Stimmen der alten Fuͤrsten zum wenigsten gleichen wo nit uͤbeꝛtreffend ma- chen/ wañ etwan ein algemeiner Reichstag muͤste außgeschrieben werden; wozu er son- sten wenig lust hatte. Oder damit er er- wiese/ des Teutschen Reichs. wiese/ die alten Fuͤrsten solten sich nur ihrer Hoheit nicht so sehr erheben/ weil es ihm leicht seyn wuͤrde/ so viel ihm nur beliebete/ ihnen gleich zu machen. Und haͤtte ohne zweyffel der alten Familien Hoheit Gefahr gehabt/ wenn der Kaͤyser so leichte haͤtte ne- we territoria machen/ als Titul außthei- len koͤnnen. Unter denen/ die auff dem Reichstage eine Stelle/ wiewol andern zum verdruß erhalten/ sind/ so viel als mir bewust/ die Fuͤrsten von Hohen Zollern/ von Eggenberg/ von Nassau Hadamar/ und von Nassau Dillenburg/ von Lobko- witz/ von Salm/ von Dietrichstein/ von Aversberg/ von Piccolomini . Weil aber des Ferdinandi Consilia und Anschlaͤge keinen guten fortgang gehabt/ noch dieser newen Fuͤrsten Guͤter mit der alten ihrer Macht einigerley weise zu vergleichen/ hat man auch gemercket/ daß sie wenig wider die alten gehafftet/ sondern bißweilen ( wie gemeiniglich zu geschehen pfleget/ in dem der alte Adel den newen nicht achtet) von denselben hoͤren muͤssen/ sie haͤtten nichts Vom Zustand nichts anders gewonnen/ als daß sie aus reichen Graffen waͤren arme Fuͤrsten ge- worden; Gleich als wenn nicht ein jeg- licher Adel einmahl waͤꝛe new gewesen/ oder diese mit der zeit nicht koͤnten reicher wer- den/ ob gleich der leichteste Weg dazu ver- schlossen/ indem es dem Kaͤyser nicht frey stehet/ die ledige Lehen des Reichs/ die et- was auff sich haben/ wem er nur wil/ damit zu belegen. §. 10. Die andere Ordnung der Fuͤrsten in Teutschland machen die Bischoͤffe und Abte. Ob gleich diese die Wahl der Thum- herren offte aus dem gemeinen Adel- oder Freyherr-nnd Graͤfflichen Wuͤrde zu sol- cher Hoheit bringet/ haben sie doch auff dem Reichstage und bey andern abhand- lungen schier die Oberstelle uͤber die Welt- lichen. Nach dem nemlich das Gluͤck der newen Priester von dem schlechten Zustan- de der alten sehr abgetreten/ wuͤrde es un- gereimt seyn/ sie mehr mit den alten Gese- tzen/ des Teutschen Reichs. tzen/ so unser Seligmocher diesem Orden zur Ehrbarkeit gegeben/ im Zaum hal- ten wollen. Und solten vielleicht solche Gesetze nur bey den alten Zeiten gelten. Denn das war in der warheit laͤcherlich/ daß Fischer oder Weber aus grossem Ehr- geitz die oberstelle begehren solten/ welche ihren taͤglichen auffenthalt durch Hand- arbeit verdienen/ oder aus der zusammen getragenen Steur suchen muͤssen; Ob aber wol in der gantzen Christlichen Welt/ so weit die Catholischen gebraͤuche guͤltig/ die Priester in grossem anschen und gutem wolstande seyn/ haben sie doch nirgends so grosse Macht uñ Reichthum als in Teutsch- land; Man siehet auch daß an weitlaͤuffti- gem gebiet/ und herrlicher Hoffstat zwi- schen ihrer viel und den Weltlichen Fuͤr- sten kein unterscheid zu finden/ Sie haben uͤber ihre U nterthanen gleiche Macht und jurisdiction. Ja es haben auch etliche mehr Lust den Helm als den Bischoffs Hut zu tragen/ und seyn kraͤfftiger Krieg anzu- Vom Zustand anzurichten/ und ihr Vaterland sampt des- sen Nachbarn in unruhe zu stuͤrtzen/ als die Gottseligkeit fort zu pflantzen; Doch sind heut zu Tage mehr als vorzeiten/ die sich nicht schaͤmen von den Geistlichen Orden geweihet zu werden/ und ein oder zwey- mahlim Jahr eine Proba ab zulegen/ wie bequem sie sich bey der Messe als Geistliche anstellen koͤnnen. Weil aber vorzeiten der Weltlichen Fuͤrsten Laͤnder uͤber- traffen oder nur gleicheten/ haben sie nicht geringen schaden gelitten/ durch die refor- mi rung der Religion in einem grossen theil Teutschlandes und durch den West- phaͤlischen Frieden: Denn in dem Ober- und Niedersaͤchsischen Kreyß haben die Priester nur wenig nach behalten; und die Fuͤrsten in Ober Tentschland/ außgenom- men der Wuͤrtenbergische/ eine schlechte Beute; die Ursach mag vieleicht seyn/ daß sich die Sachsen weniger fuͤr dem Kaͤyser Carolo V . gefuͤrchtet/ als die/ bey welchen er zugegen war/ und mit seinem Gebiet an- grentzete; des Teutschen Reichs. graͤntzete; Es sind auch in dessem Strich oder tractu der Priester Laͤnder mehr zerstreuet/ und durch der maͤchtigern Fuͤr- sten anlauff eingezogen. Jn Ober Teutsch- land hatten sie sich naͤher an einander/ und vornemlich am Rheinstrom/ als an dem lustigsten Orte in Teutschland zu wohnen begeben/ wo nicht Chur Pfaltz diese seine Ordnung getrennet/ welche sie/ auch nur darumb/ wie ich meyne/ etwas unfreund- lich ansehen. §. 11. Sind derowegen die Geistlichen Fuͤr- stenthuͤmer/ die noch nicht unter der Pro- testiren den gebiet kommen/ fast diese: die drey Ertz Bißthuͤmer/ Mayntz/ Trier/ und Coͤlln/ mit welchen auch die Chur- fuͤrstliche wuͤrde verknuͤpffet. Uber die- sen das Ertz Bißthum Saltzburg/ und Vesont in Burgundien denn das Mag- deburgische wird nun gantz Weltlich. Die schlechte Bißthuͤmer seyn das Bam- bergische/ das Wuͤrtzburgische/ dz Worm- sische/ daß Speyrische/ daß Eichstetische/ daß Vom Zustand daß Straßburgische/ daß Kostnitzische/ daß Augspurgische/ daß Hildesheimische/ daß Paderbornische/ daß Freisingische/ daß Regenspurgische/ daß Passauische/ daß Tridentinische/ daß Brixische/ daß Baselsche/ daß Luͤttische/ daß Oßna- bruͤggische/ dz Muͤnstersche/ daß Curische. Unter den Bischoͤffen ist der vornehmste der Oberste Meister teutsches ordens. Man muß aber mercken/ daß etliche heut zu Tage zwey oder mehr Bißthuͤmer zu- sammen gezogen/ entweder darum/ weil eines Bißthums einkuͤnffte nicht schienen gnung zu seyn/ zur erhaltung der Fuͤrst- lichen Hoheit/ und Pracht/ oder/ damit sich ihre æmuli und nacheifferer desto- mehr vor ihnen zu fuͤrchten hetten. Daß Bißthum Luͤbeck/ kan uͤber dem daß es der Protestanten Religion angenom̃en/ fuͤr etwas ringer als ein Stuͤck des Erb- theils der Holsteinischen Fuͤrsten geach- tet werden. Unter die Aebte oder Præ- laten , die eines Fuͤrsten Titul fuͤhren/ sind zu rech- des Teutschen Reichs. zu rechnen der zu Fulde/ zu Kempten/ zu Elwang/ zu Murbach/ zu Luderin/ der Meister S. Johannis Ordens/ der Abt zu Bergtesgad/ zu Weissenburg/ zu Pru- mien/ zu Stabel/ zu Corvey. Die uͤbri- ge Prælaten , so keine Fuͤrsten seyn/ wer- den in zwey Theile getheilet/ als in die Schwaͤbische/ und Rheinische/ deren jeg- liche eine Stimme auff dem Reichstage hat; diese werden den Graffen an wuͤrde gleich geschaͤtzet. §. 12. Die Graffen und Freyherren haben auch viel ein groͤsser ansehen in Teutsch- land/ als in andern Koͤnigreichen. Denn sie gebrauchen sich fast gleichen rechts mit den Fuͤrsien/ und haben die meisten alten Graffschafften zimlich grosse Ter- ritoria; Da man offte an andern Or- ten einen/ der ein maͤssiges Vorwerck hat/ mit dem Titul eines Gꝛaffen herein pran- gen siehet. Ob wol die theilung der Laͤn- dereyen unter vielen Bruͤdern/ als ein grosses Vom Zustand grosses uͤbel vornehmer Haͤuser welches nicht als bey dem gemeinen Poͤbel unter dem Nahmen der Billigkeit/ und Gott- seligkeit entschuldiget wird etlichen Fa- milien nicht geringen Schaden gethan. Etlichen hat auch die nachlaͤssige Sorge der Erbschafft und allzu grosse Pracht und verschwendung geschadet; heutiges Tages haben diese Graffen auff dem Reichstage vier Stimmen als die Wet- terauischen die erste; die Schwaͤbischen die andere; die Fraͤnckischen die dritte/ und die Westphaͤlischen die vierdte Von denen mir was bewust sind fast diese: Die Graffen von Nassau/ von Olden- burg/ von Fuͤrstenberg/ von Hohenlohe/ von Hanau/ von Sain/ und Witgenstein/ von Leiningẽ/ von Solins/ von Waldeck/ von Jsenburg/ von Stolberg/ von Wied/ von Mansfeld/ von Reussẽ/ von Ottingẽ/ von Montfort/ von Koͤnigseck/ von Fuͤg- ger/ von Sultz/ von Kronberg/ von Sin- tzendorff/ von Wallenstein/ von Pappen. heim/ des Teutschen Reichs. heim/ von Castell/ von Loͤwenstein/ von Erbach/ von Limburg/ von Schwartzen- burg/ von Bentheim/ von Oft Frießland/ (welcher jetzund einen Fuͤrstl. Titul fuͤh- ret) von Lippe/ die Wilt-uñ Rheingreffen/ der von Rantzow uñ vielleicht noch mehr/ welcher Ansehen wie mein stillschweigen nichts benehmen wird/ also ist es auch nicht meines Thuns gewesen/ die jetzt ge- melte in einen richtige ordnung zu brin- geu: Uber diesen sind in des Kaͤysers Erblaͤndern viel Graffen und Freyher- ren/ oder die neulich zu dieseꝛ ehre erhaben worden/ welche/ weil sie in andern Staͤn- den leben/ auff dem Reichstage keine stel- lehaben/ solche aber zu erzehlen ist nicht unsers vorhabens. §. 13. Nechst diesen findet sich auch in Teutschland eine grosse anzahl Frey- Staͤdte/ welche/ weil sie keinem von den Staͤnden/ sondern dem Kaͤyser und Reich ohne mittel untergeben/ Reichs Staͤdte genennet Vom Zustand genennet werden. Auff dem Reichs- tage machen sie ein sonderlich Collegi- um , in welchem sie in zwey theile (die man sonst Baͤncke nennet) abgesondert werdẽ/ als in der Rheinischen uñ Schwaͤ- bischen Banck. Die vornehmsten unter diesen Staͤdten seyn: Nuͤrnberg Aug- spurg/ Coͤllen/ Luͤbeck/ Ulm/ Straßburg/ Franckfurt/ Regensburg/ Achen. Die mittelmaͤssigen: Worms/ Speyer/ Col- mar/ Memmingen/ Eßlingen/ Hall in Schwaben/ Heilbrunn/ Lindau/ Goßlaꝛ/ Muͤlhausen/ Northausen. Die uͤbrigen koͤnnen mehr ihre Freyheit als Reich- thum ruͤhmen. Vor ein oder zwey hun- dert Jahren waren diese Staͤdte sehr maͤchtig daß sich auch die Fuͤrsten selbst dafuͤr scheueten; heutiges Tages ist der meisten vermoͤgen geschwaͤchet/ und sind etliche nicht unbillig der meinung/ daß sie endlich gar unter das Joch gebracht wer- den. Auch die Bischoͤffe draͤuen den je- nigen klar genug/ in welchen sie ihre Thum- des Teutschen Reichs. Thum Kirchen haben. Es sind auch et- liche maͤchtige Staͤdte/ welche die Frey- heit nicht mit so klaꝛem recht gebꝛauchen: Denn auff Hamburg/ als der reichesten Stadt mit in gantz Teutschland/ machen die Hertzogen von Holstein prætension , ungeachtet es scheine/ als ob der Benach- barten æmulation nicht zugeben werde/ daß der Koͤnig von Dennemarck so einen fetten Bissen uͤberkomme. Die Schwe- den haben mit Bremen zu thun/ welche meynen/ dieses ihr Hertzogthum sey nie- mahls ohne solcher Stadt versichert/ und vielleicht aꝛgwohnen sie nicht ungereimt/ daß die Stadt ihnen zu entgehen auf dem Reichstage des 1641. Jaɥrs unter die Freystaͤdte sey auffgenommen/ weil sie schon dazumal merckte/ daß das Hertzog- thum in der Schweden Haͤnde kommen wuͤrde Die Stadt Braunschweig schick- te sich nicht uͤbel zu dem Teeritorio der Heꝛtzogen von Braunschweig und Luͤne- burg/ weil sie den sonst wol aneinander E haͤn- Vom Zustand haͤngenden Leib zerschneidet. Gleichfals scheinet/ daß die gedachten Fuͤrsten nicht leichi zugeben werden/ daß der Bischoff zu Hildesheim die Stadt Hildesheim unter- druͤcke. Es ist offenbahr/ daß der Bran- denburgische Churfuͤrst nicht wol zu frie- den sey mit der all zu grossen Freyheit der Staͤdte in seinem Gebiet/ daher auch viel- leicht Magdeburg eine veraͤnderung zuge- warten hat nach abgang Hertzogen Augusti zu Sachsen. Die Erfurter haben vor kur- tzer Zeit ihre noch zweiffelhaffte Freyheit verlohren/ welche wie sie wegen ihrer thor- und faulheit der Freyheit unwuͤrdig ge- schienen/ also koͤnnen die verstaͤndigen noch nicht genugsam begreiffen/ warumb die Sachsen solch Schloß Thuͤringer Landes nicht vielmehr fuͤr sich haben behalten wol- len: Auch hat es den Hollaͤndern/ halte ich/ schon gereuet/ daß sie der Stadt Muͤn- sier keine Huͤlffe wider ihren Bischoff ge- leistet/ vornemlich weil es statlich gewesen/ die Stadt/ welche gleiches vorgenom̃en/ uñ ihre des Teutschen Reichs. ihre Freyheit auff die Waffen/ so sie wider den Fuͤrsten ergriffen/ gesetzet/ nicht verlas- sen. §. 14. Mit dem Ritter Oꝛden hat es in Teutsch- land eine zweyfache beschaffenheit: Denn ein Theil gehoͤret ohne mittel zum Kaͤyser und Reich/ eines aber erkennet andere Staͤnde fuͤr seine Herren; Die zur ersten Classe gehoͤren/ pflegen sich freye Edelleute des Reichs/ und ingesampt die unmittelba- re und freye Reichs Edelleute zu nennen: Diese werden nach den districten und Or- ten da sie ihre Guͤter haben/ getheilet in die Fraͤnckische/ Schwaͤbische und Rheini- sche/ deren jegliche wiederum in kleinere Theile unterschieden werden. Die haben auß ihrem Orden gewisse Directores und beysitzer/ welche die Sachen/ so ihrem Ge- meinen Nutzen betreffen/ in obacht neh- men; Bißweilen halten sie auch ihre Zu- sammenkunfften/ wenn etwas wichtiges abzuhandeln vorfaͤlt; Zum Reichstage a- ber werden sie nicht beruffen/ welches sie E ij ihnen Vom Zustand ihnen fuͤr eine Favor außdeuten/ daß sie der dazu erfordeꝛten Unkosten koͤnnen uͤbeꝛ- hoben seyn/ und wuͤrde ihnen traun wenig nuͤtzen/ eine oder zwo Stimmen daselbst zu haben; Sonst geniessen sie fast gleicher Freyheit und rechtens mit den andern Staͤnden/ daß ihnen nichts als die Guͤter mangeln den Fuͤrsten gleich zu seyn. Auch haben sie einen grossen nutzen von den Stifftern und Geistlichen Beneflcien , wo- durch sie leichte zur Fuͤrstlichen Hoheit ge- langen/ und alsdann die/ welche dazu ge- kommen ihre Familien wol versehen koͤn- nen/ welches sie unserm heiligen Vater dem Pabst abgelernet/ als der wol weiß wie lieblich und anmuͤhtig sey/ die Fetten ein- kuͤnsfte ohne einiger muͤhe in guter Ruhe durchzubringen: Sie lassen auch durch ihre Vicarios in der Kirchen die Messe singen/ damit sie keine Heischerkeit ohn aus dem vollsauffen zu fuͤrchten haben: Die incommodite ten des unehlichen Stan- des koͤnnen die ihnen zum Dienst und kauff- des Teutschen Reichs. kauffstehende Maͤdgen leichtlich wegneh- men: Denn ich habe noch keinen gesehen der sich umb des Himmelreichs willen selbst verschnitten habe/ dañ sie achten/ daß das donum continentiæ einem E- delmann eben so schaͤndlich/ als es denn Hunden und Pferden anstehe. Von die- sen habe ich sonsten viele klagende gehoͤ- ret/ daß etliche Fuͤrsten ihrer Freyheit mercklich nachstelleten/ und daß sie von den Fuͤsten gantz ungnaͤdig angesehen wuͤrden/ weil sie mitten in derselben ter- ritoriis wohnen/ und doch so grosse Frey- heit haben; Ja es sollen auch etliche Fuͤr- sten fuͤrgeben/ daß eine solche menge klei- ner Koͤnige dem ansehen und macht gros- ser Reichen wenig zutraͤglich sey/ dann wanu ein aͤusserlicher Krieg entstehen solte/ duͤrften sie beeden Theilen zur Beu- te fallen: Unterdessen werden die Edel- leute sich ihrer gewissen Freyheit umb ei- ner ungewissengefahr willen nicht bege- ben/ ebenweinig auch die andern Staͤnde E iij leyden/ Vom Zustand leyden/ daß etlichen wenigen Fuͤrsten ein solch theil zuwachse; wo nicht etwa zu einer gꝛossen veꝛaͤndeꝛung sich gelegenheit ereuge/ oder mit hinlauffender zeit durch listige Fuͤndgen der gedachten Edelleu- ten macht allgemach zu Grunde gehe. §. 15. Jch muß auch hie mit wenigem be- ruͤhren/ daß dieses grosse Reich auff stiff- tung Kaͤysers Maximiliani des I. im Jahr 1512. in zehen Landschafften oder Kreyse/ wie man sie ins gemein nennet/ getheilet worden/ als da sind: der Oster- reichische/ der vier Churfuͤrstẽ am Rhein/ der Ober-Rheinische/ der Schwaͤbische/ der Bayrische/ der Fraͤnckische/ der Ober- Saͤchsische/ der Nieder-Saͤchsische/ der West-phaͤlische und Burgundische. Das Koͤnigꝛeich Boͤhmen/ wie auch Schlesien und Maͤhren gehoͤren zu kein e/ und ma- chen auch keinen absonderlichen Kreyß/ welches klaͤrlich zu tage leuchtet/ dann es vielmehr wegen der Verbuͤndniß mit Teutsch- des Teutschen Reichs. Teutschland verknuͤpffet/ als daß es ein Territorium oder Stand mit ihr wor- den sey Die Glieder eines jeglichen Kreyses kan man hin und wieder in den gemeinen Buͤchlein finden. Diese ein theilung hat vornemlich dahin sein absehen/ daß da- durch der allgemeine Landfriede desto besser erhalten/ und die Gerechtigkeit wieder die halstarrigen Staͤnde gehand- habet werde. Zu was ende auch ein jeg- licher Kreyß macht hat ihm einen Ober- sten uͤber die Krieges Sachen zu erweh- len/ auch zusammen kuͤnffte zuhalten/ welche durch den Kreyß Obersten pflegen außgeschrieben zu werden/ auff welchen zusammenkuͤnfften/ neben andern zum auffnehmen des Kreyses gehoͤrigen auch von Geld-Sachen gehandelt wird. Wie- wol man nicht unbillig zweiffeln woͤchte/ ob nicht eben diese eintheilung zur tren- nung Teutschlandes gereiche/ in dem das jenige/ was tinẽ Kreiß beschwer machet/ E iiij die Vom Zustand die andern nicht so viel angehet. Und so viel von den Theilen des Teutschen Reichs. Das III. Capitel. Võ dem urspꝛunge der Reichs. staͤnde/ und durch was Mittel sie zu dieser Macht gelanget. §. 1. D En Zustand des Teutschen Reichs genau zu erlernen/ ist vornemlich vonnoͤthen/ daß man erforsche/ durch was Mittel die so genante Reichs- staͤnde zu solcher Macht gekom̃en. Denn ohne dem wird es veꝛgeblich seyn nach Ur- sachen zu fragen/ warumb dasselbe Reich so eine sonderliche Form oder G0259;stalt ha- be. Weil aber solche Staͤnde entweder weltliche Fuͤrsten und Graffen/ oder Bi- schoͤffe oder Staͤdte seyn/ darumb wollen wir kuͤrtzlich den Ursprung eines jeglichen dieser Theile absonderlich suchen. Die weltliche Fuͤrsten in Teutsch- land des Teutschen Reichs. land fuͤhren entweder den Hertzogen oder Graffen Titul mit einem zusatz in ihrer Sprache/ daß sie Pfaltzgraffen/ Land- graffen/ Marggraffen uñ Burggraffen genennet werden. Denn so viel mir be- wust/ fuͤhren nur die Fuͤrsten von Anhalt neben den newgemachten Fuͤrsten den blossen Titul eines Fuͤrsten; Ohne daß etliche diesen Fuͤrsten Titul unter ihren andern Tituln haben. Also nennen sich die Osterreichische Fuͤrsten von Schwa- ben. Die Pommerische Hertzogen und jetzige Koͤnige in Schweden titnliren sich: Fuͤrsten von Ruͤgen; die Landgraffen von Hessen fuͤhren auch den Titul/ von Hirschfeld ꝛc. §. 2. Waren demnach die Hertzogen bey den alten Teutschen vor dem Fraͤncki- schen Reich Krieges Officirer, wie sol- ches das deutsche wort Heertzog deutlich gnung außweiset/ welche gemeiniglich in betrachtung ihrer Tapfferkeit erwehlet E v wur. Vom Zustand wurden/ wenn eine Krieges Gefahr ver- handen. Die welche zu Friedens zeiten die Staͤdte gubernir ten/ und auff den Doͤrffern und Flecken Recht sprachen/ wurden ins gemein aus dem Adel erweh- let/ und Greven oder Graven geneñet/ im lateinischen solte man es fuͤglicher Præ- ses nennen/ wiewol das Wort Comes demselben vorgezogen wird. Denn von des Constantini M . Zeit wurden dem gemeinen Gebrauch nach die jenigen Comites oder Graven genennet/ welche zu Hoffe dieneten/ oder die Soldaten in den Provincien regiereten/ oder auch Recht zu sprechen gesetzet waren. Die Francken haben hernachmals/ nachdem sie Alemanniã uñ andere oͤrter Teutsch- landes bezwungen/ nach der Roͤmer art Hertzogen ( Duces ) das ist Vorsteher ( Præsides ) so wol in Friedes als Krie- ges Geschaͤfften den uͤberwundenen Pro- vincien vorgestellet/ welchen bißweilen Graven/ daß Recht zu sprechen/ zugele- get des Teutschen Reichs. get seyn. Etliche Provincien wurden auch allein der Graven Herrschafft ohne der Hertzogen Huͤlffe eingeraͤumet; doch hatten diese keine andere Gewalt als ei- ner rechtmessigen Obrigkeit zustehet. Mit hinlauffender Zeit aber/ nachdem diese Hertzogen auff Lebens zeit bestellet/ und die Soͤhne gemeiniglich an der Vaͤ- ter stelle gesetzet wuͤrden/ hat sich zuge- tragen/ daß/ weil sie eine so herrliche Ge- legenheit ihre eigene Macht zu bestetigen erlanget/ sie allmaͤhlich angefangen ha- ben/ ihrer Koͤnige Ansehen gering zu ach- ten/ und die ihnen anvertraute Provin- cien fuͤr ihr Vaͤterlich Erbe zu rechnen/ Und kan doch den Monarchien kein ver- derblicher Eintrag wiederfahren/ als wenn solche verwaltungen erblich wer- den/ vornemlich weñ sie auch mit Kriegs- sachen zu thun haben/ habe mich also kaum des lachens enthalten koͤnnen/ als ich bey etlichen teutschen Scribenten ge- lesen/ daß dieses als wenn es loͤblich und E vj kluͤg- Vom Zustand kluͤglich gethan waͤre/ verthaͤtiget wurde. Es ist zwar an einem Koͤnige zu loben/ daß er seine trewe Diener herrlich und wol be- lohnet; Wenn aber ein Herr alle seine Knechte frey lassen wolte/ muͤste er endlich selber/ halte ich/ die Schuhe putzen. Ein Vater zwar laͤsset sich das jenige Gut mehr angelegen seyn/ welches er weiß/ daß ers auff seinen Sohn bringen werde; Je bꝛuͤnstiger er aber den Sohn liebet/ je mehr bemuͤhet er sich/ daß niemand anders an solch Gut recht und anspruch habe. Also pflegen wir unsere eigene Sachen besser in acht zu nehmen als fremde; Aber darumb verehret ein guter Hausvater nicht als- bald seinem Heursman das Lehen. Den auffruͤhren der Vorsteher zuvor zu kom- men/ hat man andere Mittel/ die nicht so kostbar seyn/ als daß man ihnen die ver- waltung der Provincien erblich ertheile. Das ist aber eine grosse thorheit/ die Ma- jestaͤt der Herrschafft daraus æstimi ren/ daß sie viel unter ihr Gebiet habe/ die un- gestrafft des Teutschen Reichs. gestrafft ihren Befehl verachten koͤnnen. Mehr hievon zu sagen/ wuͤꝛde nur schimpf- lich seyn. Denn solcher Leute dummen Verstand zu beweisen/ kan dieses einige gnug seyn/ daß sie sich nicht schaͤmen/ ihrer Rechts gelehrten Buͤcher/ worinnen fast nicht das geringste von der wissenschafft recht zu regieren enthalten/ den Jtaliaͤni- schen/ Frantzoͤsischen und Spanischen Scribenten entgen zu setzen. §. 3. Der Carolus M . aber/ als er seiner Vorfahren Jrrthum gemercket/ hat die meisten Hertzogthuͤmer/ die etwas weit umbgriffen/ auffgehoben/ die weitlaͤufftige Provincien in mehr Theile getheilet/ und solche den Graven zu regieren auffgetra- gen. U nter welchen etliche den schlechten Namen der Graffen behalten. Etliche sind Pallentzgraffen oder Pfaltzgraffen genen- net worden/ Vorsteher des Koͤniglichen Pallasts/ und die am Koͤniglichem Hofe Richter waren. Etliche wurden Land- E vij graffen Vom Zustand graffen benahmet/ als wenn man sagen wolte: Graffen die einer gantzen Provin tz vorgestellet. Etliche hiessen Marggraffen/ welche uͤber die Graͤntzen gesetzet waren/ umb den Feindlichen Einfall abzuwehren/ und Recht zu sprechen. Zu letzt wurden etliche Burggraffen genant/ das ist/ Vor- steher einer Koͤniglichen Burg. Und zwar hat der Carolus diese Empter und Wuͤr- de tapffern Leuten nicht immer oder erb- lich uͤberlassen/ sondern/ daß er freye Macht haͤtte/ solche wieder zu nehmen/ und ande- re damit zu belehnen/ doch ist man nach des Caroli Todt wiederumb auff die vo- rige weise kom̃en/ also/ daß in diesen Obrig- keitsstellen die Soͤhne fast immer den Vaͤ- tern s u ccedi ret/ zuderne seyn auch aus der zusammen wachsung etlicher Graffschaff- ten/ deßgleichen durch zulassung der Nach- koͤmlinge Caroli etliche Hertzogthuͤmer gestifftet/ welche ein groß fluͤck Landes in sich begreiffen. Die Vorsteher derselben hielten menschlichem Ehrgeitz nach fuͤr eine faul- des Teutschen Reichs. faulheilt/ die gelegenheit seine eine Guͤter zu vermehren nicht fleissig in acht zu neh- men/ in dem/ der Fraͤnckischen Kaͤyser An- schen in abnehmen kam/ ist ihre Macht durch iñerliche Unruhe geschwaͤchet. Vor- nemlich hat sich der Hertzog zu Sachsen Otto/ des Henrici Aucupis Vater/ der ein tapffer Volck unter sich hatte/ so weit ge- staͤrcket/ daß es das ansehen hatte/ es man- gele ihm nichts zur Koͤniglichen Regie- rung/ als nur der Titul. Darnach als der Kaͤyser Conradus I . sich veꝛgeblich bemuͤ- het hatte/ dessen Sohn Henricum zu recht zu bringen/ hat er endlich/ als er sterben wollen/ den vornehmsten Staͤnden gera- then/ sie solten ihn zum Koͤnig machen/ als der fuͤr rathsamer hielte/ dem jenigen das freywillig zu geben/ was er selbst mit Ge- walt nehmen kunte/ oder damit er sich nicht von dem uͤbrigen Leibe Teutschlandes absondern moͤchte. Doch sind auch Fuͤr- sten/ die ihre Guͤter der Kayser freygebig- keit zuschreiben/ deren Exempel vornem- lich Vom Zustand nemlich in der Ottonem Historia vor- fallen. Ob aber solche nach den Gesetzen einer Monarchia gerichtet/ davon ist jetzo nicht zeit zu reden. Ferner haben die Fuͤrsten das auffnehmen ihrer Macht beyzulegen den schenckungen der Kaͤyser/ den kauffun- gen/ den Erbschafften/ die nicht allein von der verwandschafft/ sondern auch von der verbuͤndniß der Succession herruͤhren/ (die Teutschen nennensie Erb-verbruͤde- rungẽ) wie noch ein solcher Bund zwischen den maͤchtigen Saͤchsischen/ Branden- burgischen und Hessischen Haͤusern stehet. Durch einen solchen Bund ist auch die Graffschafft Henneberg auff die Sachsen kommen; Pommern auff den Branden- burgischen/ ob gleich dieser Bund nicht beyde Theile angehe. Jst also offenbahr/ daß durch solche Buͤndnissen des Kaͤysers Gewalt/ so er uͤber die Laͤnder der Fuͤrsten/ als ein Herr des Lehns hat/ gaͤntzlich ver- spottet werde. Endlich seyn auch unter- schiede- des Teutschen Reichs. schiedenẽ Laͤnder bey unruhigen Zeiten mit Gewalt von etlichen eingenommen. §. 4. Weil aber ohne verwirrung entweder des gantzen Teutschlandes/ oder zum we- nigsten ohne untergang derer/ welche sich dawider legen/ die einmahl erworbene Macht der Fuͤrsten nicht moͤchte geschwaͤ- chert werden/ dauchte den Koͤnigen besser zu seyn/ vornemlich weil sie auff keine ande- re Weise zum Reich gelangen konten/ die einmahl einhabende Guͤter mit der condi- tion zu confirmi ren/ daß sie hernach ihre Laͤnder als Lehen vom Kaͤyser recogno- sci ren/ und ihme und dem Reich schweren solten. Und daher ist es kommen/ daß die Fuͤrstlichen Guͤter/ wie sie auch erworben/ unter dem Lehen Titul sind besessen wor- den; durch das Wort Vasal ist doch der Macht und Hoheit der Fuͤrsten in Teutsch- land wenig abgangen: Zwar weme ich ein Lehen von dem meinigen aufftrage/ den kan ich mir zum vollkommenen/ wie- wol Vom Zustand wol geehꝛten Unterthanen machen/ und sei- ner possession nach belieben Gesetze vor- schreiben; Wer aber schon vorhin erwor- bene Guͤter von einem andern als Lehen recognosci ren wil/ von dem ist zu halten/ daß er nichts anders thue/ als daß er sich dem jenigen/ welchen er fuͤr einen Herrn des Lehens haͤlt/ als einen ungleich verbun- denen zugeselle/ und seine Mayest. unter- thaͤnigst zu verehren verpflichtet sey. Nach untergang aber des Carolinischen Ge- schlechts war Teutschland gantz frey wor- den/ und hatten ihnen die meisten von den Vornehmsten weitlaͤufftige Laͤnder zu we- ge gebracht. Nachdem es ihnen derowe- gen gut dauchte einem von den vornehm- sten den Koͤniglichen Titul auffzutragen/ damit Teutschland/ in solche kleine Staͤdte getheilet/ nicht wieder in seinen vorigen Zu- stand geriethe/ darf man gar nicht meynen/ die Vornehmsten haben ihre Guͤter weg- werffen/ oder eines andern blosser Herr- schafft unterwerffen wollen/ sondern ihnen viel- des Teutschen Reichs. vielmehr einen tapffern Beschuͤtzer dersel- ben suchen. Nachdem der Fuͤꝛstliche Stand einmahl eingefuͤhret und bekraͤfftiget war/ gebuͤhrete es sich/ daß auch die jenige den Alten gleicheten/ welche hernach die Kaͤy- ser freywillig mit diesem Titul an der auß- gestorbenen Familiem stelle begabeten. Daß diese Lehens verknuͤpffung/ wodurch die Fuͤrsten mit dem Kaͤyser verbunden werden/ nichts anders mache/ als eine un- gleiche Verbuͤndniß/ wird der jenige leicht- lich mercken/ der in civil Sachen wol er- fahren ist: Denn das kan sich an einem Unterthanen nicht schicken/ daß er uͤber seine Buͤrger das recht habe sie zu toͤdten/ und leben zu lassen/ daß er in seinem Lande nach belieben Obrigkeit einsetze/ Buͤndnis- sen mache/ allerhand Einkuͤnsste nicht in den Koͤniglichen Kasten lege/ sondern fuͤr sich behalte/ daß er endlich nichts thue/ ohne was ihm selber gut gedaucht; Daß aber ein Bundgenoß/ der groͤblich wider die Gesetze des Bundes gesuͤndiget/ von den Vom Zustand den andern koͤnne gestrafft werden/ ist aus vielen alten und newen Exempeln bekand; Der Kaͤyser aber muß allein uͤber die Sa- chen urtheilen/ dadurch ein Fuͤrst umb sein Land zu kommen verdienet; Gleich wie er den Grund der Gewalt der Fuͤrsten in Teutschland außrotten wolte; Also hielten die jenigen/ die den Kaͤysern/ so solches vor- genommen/ hefftig widersprochen/ fuͤr eine Schande/ ihre Rechte durch eine nachlaͤs- sige Ehrerbietung zu verlieren. §. 5. Was demnach in allen Reichen/ darin die Obrigkeit der Unterthanen Macht zu fuͤrchten hat/ zu geschehen pfleget/ das ist von der zeit an viel klaͤrer in Teutschland geschehen: Daß wenn ein Kaͤyser von ihm selber reich/ und herrlicher Tugenden we- gen beruͤhmt war/ ihm auch die Fuͤrsten ge- horcheten; die schwachen und unverstaͤn- digen aber fast bitweise regierten. U nd die jenigen Kaͤyser/ die sich vorgenommen ha- ben/ die so tieff eingewurtzelte Macht auß- zurot- des Teutschen Reichs. zurotten/ und Teutschland unter die Gesetze einer wahren Monarchia zu bringen/ ha- ben ihnen bißweilen selber das Verderben uͤber den Hals gezogen/ sind immer von ih- rer Hoffnung betrogen/ und haben nichts als ungemach fuͤr sich und andere davon getragen. Es haben auch die mit List an- greiffende wenig außgerichtet/ weil allzeit auff der andern seite was erfunden wor- den/ wodurch solch Vornehmen verhin- dert wuͤrde. Und wenn ja etwas weg ge- nommen/ ist es durch ein ander Mittel wie- der ersetzet. Also ist jederman bekand/ wie ungluͤcklich das Vornehmen des Caroli V . im vorigen/ und des Ferdinandi II . in diesem Seculo außgelauffen. Etlicher Fuͤr- sten Macht aber hat ihr eigener uͤberfluß/ traͤgheit und verschwendung sehr verrin- gert/ und weil sie ihre Guͤter zu vermehren oder zu erhalten keine Sorge truͤgen. Viel Familien sind auch deßwegẽ geschwaͤchet/ daß sie ihre Laͤnder in viel kleine stuͤckgen unter ihre Verwandten getheilet haben. Etliche Vom Zustand Etliche haben auch neben ihrer eigenen schuld die Buͤrgerlichen Kriege in Ungluͤck gestuͤrtzet. §. 6. Nun muß ich auch von den Bischoͤffen etwas hinzu thun. Jst demnach bekand/ daß von anfang der Christenheit Bischoͤffe aus den andern Geistlichen und Glaͤubi- gen sind gemacht und erwehlet worden. Hernach/ umb das vierdte Seculum, als auch die Fuͤrsten anfiengen Christen zu werden/ ist hin und wieder gebraͤuchlich worden/ daß/ die in grossem Ansehen dem Regiment vorstunden/ nicht leichte zuga- ben/ daß einer ohne ihren consens zum Bißthum gelangete/ da sie nemlich merck- ten/ wie dienlich es zum gemeinen Frieden waͤre/ daß gute und friedfertige Maͤnner den geistlichen Stand verwalteten. Glei- ches Recht haben anch die Fraͤnckischen Koͤnige gebrauchet/ daß die jenigen in ih- rem Reiche Bischoͤffe wuͤrden/ welche sie selber bestellet. Gleicher Macht haben sich auch des Teutschen Reichs. auch die Teutschen Kaͤyser bedienet biß an den Henricum IV. welchen deßwegen der Pabst Gregorius VII . und deßen Nach- folger schrecklich vexiret haben. Biß end- lich sein Sohn Henricus V. von so vielen Auffruhren abgemattet/ im Jahr 1122. auff dem Reichstage zu Worms sich sei- nes Rechtens Bischoͤffe zu machen und einzufuͤhren begeben; welche investitur mit darreichung eines Rings und Stecken verrichtet ward : Der Kaͤyser hat die Macht behalten/ dem erwehlten Bischoffe die regalien uñ Lehen des Reichs zu erthie- len/ wobey er ihm auch das Scepter uͤber- antwortet. Und ist jederman bekand/ was dieses dem Kaͤyser fuͤr Schaden gebracht. Denn ob er wol uͤber die weltliche Fuͤrsten wenig Macht gehabt/ haͤtte er doch leichte deren Macht/ durch die dem Kaͤyser son- sten unterworffene Priester/ gleichen oder uͤberwinden koͤnnen. Ob aber wol in dem Vertrag Henrici des V. mit dem Pabst außtruͤcklich gesetzet/ daß hernachmahls die Wahl Vom Zustand Wahl der Bischoͤffe bey den Geistlichen und dem gemeinen Volcke seyn solte; ha- ben doch die Thum- oder Capituls-Herren angefangen ihnen allein die Wahl beyzu- messen/ da ohne zweiffel der Pabst dazu durch die Finger gesehen/ als welchem zu seiner Sache dienlicher dauchte/ daß die Wahl bey wenigen als bey vielen waͤre. Endlich ist es dahin kommen/ daß nun- mehr von dem Capitul die confirmation der erwehlten Bischoͤffe von Rom muß gefordert werden/ da sie vorhin neben der consecration bey den Metropolitanen gestanden. Manfindet gar wenig Exempel/ daß die Paͤbste in Teutschland aus eigener anthorität Bischoͤffe gesetzet/ ich halte auch gaͤntzlich dafuͤr/ da es geschehen solte/ daß ein solcher von dem Capitul nicht an- genommen wuͤrde. §. 7. Es haben aber die Bischoͤffe in Teutsch- land ihrer grossen Guͤter wegen vornem- lich den ersten Kaͤysern zu dancken/ massen zu der des Teutschen Reichs. zu der Zeit die Fuͤrsten sehr eifferig in der Gottesfurcht waren/ und je mehr einer an die Priester spendirte/ je fester vermeynte er mit Gott verbunden zu seyn. Welche meynung doch jetzo bey den meisten veral- tet/ indeme die meisten dafuͤr halten/ die Gottesfurcht werde bey den Priestern durch gar zu grosses Reichthum mehr ver- hindert als erhalten. Es scheinet auch/ daß viel Priester kuͤhn genug gewesen/ von den frommen und einfaͤltigen Leuten das jeni- ge zu fordern und zu begehren/ wodurch sie vermeynet/ daß ihre schwere Profession koͤnne erleichtert werden. Derowegen sind den Bischoͤffen und Kirchen nicht al- lein liegende Gruͤnde/ Zehenden und ande- re Einkuͤnffte/ sondern anch gantze Herr- schafften/ Graffschafften und Hertzogthuͤ- mer verehret/ auch endlich ihnen das Fuͤr- stenrecht hinzu geleget/ daß sie also den welt- lichen Fuͤrsten gleich wuͤrden. Ob wol die meisten zu der Ottonen Zeit und hernach zur Fuͤrstlichen Hoheit erhaben sind/ haben F sie Vom Zustand sie doch nicht zugleich alle und auff einmal/ sondern allmaͤhlich und zu verschiedenen Zeiten die Fuͤrsten-rechte empfangen. Da- her kompt es/ daß auch noch etliche diese Rechte nicht alle/ und etliche solche mit ei- ner gẽwissen restriction haben. Sonsten hat ihnen zu solchen grossen Wuͤrden nicht wenig geholffen/ daß mit der Zeit neben de - nen vom Adeln auch Fuͤrst- und Graͤffliche Personen nach den geistlichen Emptern gestanden/ deßgleichen dann bey den ersten noch fast Barbarischen Zeiten die allein etlicher massen gelahrt waren/ so im geist- lichen Stande lebeten/ da sind bey zeiten die Bischoͤffe gen Hoffe zu rath gezogen und den jenigen Emptern vorgestellet/ die kein ungelehrter verwalten kan. Dahe r fuͤhren auch noch die vornehmste Præla - ten den Cantzlers Titul. Jch solte auch meynen/ der Bischoͤffen Guͤter waͤren nicht wenig daher vermehret/ daß viel Fuͤrsten und Edelleute ihre Guͤter oder ein the il derselben von den Bischoͤffen fꝛeywillig a ls Lehen des Teutschen Reichs. Lehen haben erkennen wollen/ damit ihre Seligkeit Gott dem HErrn desto fleissiger von den Geistlichen moͤchte vorgetragen werden/ und wenn derselben Familien außgestorben/ kamen ihre Guͤter auff die Bißthuͤmer. Wem ist endlich nicht be- kand/ welch ein grosser Reichthum durch schenckungen und Testamenten so wol der Vornehmen als Layen den Geistlichen zu- gewand? Weil sie meyneten/ man muͤste die Flammen des Fegfewrs redimi ren/ was es auch kostensolte/ fuͤr welche sich die Teutsche nation, welche sonsten weder Durst noch Hitze leyden kan/ sehr fuͤrchtete. §. 8. Hiemit haͤtten die Priester nun wol koͤn- nen zu frieden seyn/ ob sie gleich den Ehr- und Geltgeitz nicht gaͤntzlich verschworen; Denn wie diese art Leute hefftig begehret/ uͤber andere zu herrschen/ anderer Gewalt aber uͤber sich nicht gern zu leyden pfleget; Also dauchte ihr diß einige an ihrer voll- kom̃enen Gluͤckseligkeit noch zu mangeln/ F ij daß Vom Zustand daß es bey dem Kaͤyser stuͤnde/ so herrliche Beneficien außzutheilen/ welchem sie dero- wegen sondeꝛlich verbunden leben muͤsten. Wenn es nicht umb die Ehrerbietung des heiligen Ordens waͤre/ wolte ich die jeni- gen die alleꝛ gottlosesten nennen/ welche der fast unbedachtsamen Kaͤyserlichen freyge- bigkeit znm untergang der Kaͤyserlichen Hoheit gemißbrauchet haben/ wie es der außgang beweiset- Und halte den jenigen der Freyheit nicht wuͤrdig/ der seinen Frey - geber als einen Patron nicht ehren will Endlich hat der Paͤbstliche Bann und die durch die Teutsche Prælaten angerichtet e Lermen zu wege gebracht/ daß sich die Prie- ster der Layen Gebiet entzogen. Haben auch die Kaͤyser nicht ehe zu frieden gelas- sen/ da meistentheils der Mayntzische ihr vorgaͤnger war/ welchem die uͤbrige Heerde trewlich folgete/ biß es ihnen vergunt wor- den/ vom Pabst allein zu dependi ren. Wo - durch viele meynen/ daß Teutsche Regi- ment habe ihm einen U nfall uͤber den Hals gezo des Teutschen Reichs. gezogen/ daß ein theil derselbigen/ welche Teutschen genennet werden/ den jenigen fuͤr ihren Oberherrn erkennen/ der ausser- halb ihrem Regiment ist. Es sey denn/ daß wir glaͤuben wollen/ die Paͤbste lieben diese narion so hefftig/ daß sie ihrer Selig- keit nichts vorziehen; Und daß man besser zu Rom sehen koͤnne/ was Teutschland zu- traͤglich sey/ als in Teutschland selber. §. 9. Es ist aber noch ruͤckstellig/ daß wir auch von den Freystaͤdten etwas hinzu thun. Hatte demnach Teutschland jenseits dem Rheinstrom biß auff das fuͤnffte Seculum nach Christi Geburt nur Flecken ohne Mauren und zerstrewete Gebaͤwde. Ja biß auff das neunte Seculum wird bey den Venedis oder Wenden nur einer oder an- dern Stadt gedacht. Ob gleich in den Thei- len disseits des Rheins/ so vormahls die Roͤmer inne hatten/ zeitlich Staͤdte geba- wet worden. Wie auch in dem tractu oder Gegend zwischen der Donaw und den Alp- F iij gebir- Vom Zustand gebirgeu/ welcher hernach zu Teutschland kommen. Jene Alten aber hatten keine Staͤdte/ theiis weil sie die Baukunst nicht verstuͤnden/ wie noch an vielen Orten in Teutschland zu sehen/ theils wegen des un- bendigen Volcks/ daß solche gleich als Ker- cker scheuete/ zu deme auch weiln die Vor- nehmsten ihre hoͤchste Lust nur im jagen suchten. Auch verstunden die jenigen nicht gnugsamb den Nutzen der Staͤdte/ noch verlangeten darnach/ welche der schlechten Baurkost/ geringen Haus- und Vorraths gewohnet/ des uͤberfluͤssigen Reichthums aber und Wollebens ungewohnet waren. Hernach aber/ als ihre Gemuͤther durch den Christlichen Glauben gezaͤhmet/ haben sie auch ein ehrbarer Leben angefangen; Allmaͤlich ist die Lust mehr und mehr zu ha- ben/ und die andeꝛswoher eingefuͤhrte uͤber- fluͤssige Schlemmerey/ welche alle beyde dann in den Staͤdten am meisten getrieben wergen/ dazu kommen. Auch die Fuͤrsten/ die zu solcher Macht gestiegen/ legten sich umb des Teutschen Reichs. umb ihre Macht und Reichthum sehen zu lassen auff das Staͤdte bawen/ und luden die Bauren uñ Außlaͤnder mit verheissnug grosser Freyheiten daselbst hin zu woh nen/ voꝛnemlich/ als nach einfuͤhꝛung der Christ- lichen religion die Dienstbarkeit auffhoͤr- te/ oder zum wenigsten gemiltert w ur de/ da zogen die Freygelassenen/ so keine Acker hatten/ hauffenweise in die Staͤdt e umb daselbst Handwercke oder Kauffmanschaft zu treiben. Es sind auch wegen der U ngern Einfall von dem Kaͤyser Henrico Aucupe viel Staͤdte in Sachsen gebawet oder befe- stiget/ welcher den neunten Mann vom Lande in die Stadt zu ziehen befohlen. Fer- ner hat zu der Staͤdte auffnehmen gedie- net sonderlich die verbuͤndnissen zur gemei- nen beschuͤtzung und fortsetzung der Com- mercien. Aus jenen ist vornemlich zu ruͤh- men/ welches die Staͤdte am Rhein im Jahr 1255 gemacht/ zu welchem auch et- liche Fuͤrsten haben wollen gerechnet wer- den. Wegen der Commercien abson. F iiij derlich Vom Zustand derlich zu Wasser ist der Hanse Staͤdten Verbuͤndniß auffgerichtet/ welche vor zei- ten so staꝛck und feste gewesen/ daß sich auch die Koͤnige in Schweden/ Engelland und Dennemarck dafuͤr geschewet; Ob wol diese Gesellschafft nach dem 1500. Jahr fast gaͤntzlich eingangẽ/ so wol/ weil die klei- nere Staͤdte/ da sie sahen/ daß die grossen den Gewinn allein hatten/ hin und wieder abfielen: Als weil auch andere am grossen Meer oder Oft See wohnende Voͤlcker nach der Haͤnsischen Exempel Handlun- gen zu treiben angefangen/ als nemlich die Flanderer und Hollaͤnder; Wie nun die- ser ihre Handthierung/ daß sie einerley wa- ren/ allein verkaufft/ auffgehoͤret/ also ist auch ihre Macht uͤbern hauffen gefallen. §. 10. Diesem nach ob gleich anfangs die Staͤdte gelinder tracti ret wurden als die Flecken/ waren sie doch eben so wol unter der Koͤnige und Koͤyser Gewalt/ welche auch die Graffen oder Koͤnigl. Gesandten wie des Teutschen Reichs. wie man sie nennet/ darin zu Richter bestel- let. Nachmahls sind viele durch allzugros- se freygebigkeit der Kaͤyser in der Bischoͤf- fe/ viel in der Hertzogen und Graffen Ge- walt gerathen/ die uͤbrigen sind allein den Kaͤysern ohne Mittel unterworffen geblie- ben. Umb das 12. Seculum aber haben etliche derselben/ nachdem einige auff ihren Reichthum sich veꝛlassen/ angefangen groͤs- sere Freyheit zu gebrauchen/ weil die Kaͤy- ser/ so mit der innerlichen Unruhe zu thun hatten/ oder neulich zu dieser Hoheit erho- ben/ sie nicht kunten zum Gehorsam brin- gen/ oder von sich selbst deren Gunst und Huͤlffe durch ertheilete Privilegien und Freyheiten begehrten/ zum beystande wi- der die halßstarrigen Bischoͤffe uñ Fuͤrsten. Nechst diesem sind auch die Advocaten und Vorsteher des Reichs allmaͤhlich ab- gesetzet. Als aber die nachfolgende Kaͤy- ser gesehen/ daß sich die Bischoͤffe ihrer Macht wider sie mißbrauchten/ haben sie den vornehmsten Staͤdten Privilegien F v gege- Vom Zustand gegeben/ und also der Bischoͤffe Macht entzogen. Nachdem auch der Hertzogen von Schwaben Familia außgestorben/ ha- ben viel sonst nur kleine Staͤdte desselben Hertzogthums die gelegenheit sich ihrer Freyheit zu gebrauchen fleissig in acht ge- nommen. Diese Freyheit haben doch sol- che Staͤdte nicht zugleich erhalten/ sondern einige/ wen es die Gelegenheit und Favor der Kaͤyser mitbrachte; daher kompts/ daß sie nicht alle gleiche Rechte haben/ und es etlichen an den Fuͤꝛsten Rechten noch gaͤntz- lich fehle. Endlich haben viele der Hertzo- gen oder Bischoͤffe das Recht/ so dem Kaͤy- ser uͤber die Staͤdte zugehoͤrete/ durch kauf- fung/ vertauschung odere andere Mittel an sich gebracht. Auch etlichẽ ist es mit Ge- walt abgenom̃en/ welches Unrecht der dar- auff erfolgete Vertrag entschuldigen muͤs- sen; Denn viel/ weñ es ihnen an Gelt man- gelte/ hielten das fuͤr das letzte Huͤlffsmit- tel/ den reichen ihrer U nterthanen Freyheit heit feil zu bieten; Oder/ wenn sie sahen/ daß des Teutschen Reichs. daß das jenige/ was ihnen zukam/ den Staͤdten duꝛch Gewalt nicht koͤnte genom- men werden/ haben sie es fuͤr einen Gewiñ geachtet/ nur ein weniges zu nehmen/ und stille zu sitzen. Das IV. Capitel. Von dem Haupte des Teut- schen Reichs/ wie auch der Wahl der Churfuͤrsten. §. 1. O B nun wol Teutschland von so vie- len Gliedern znsammen gesetzet/ de- ren die meiste sehr maͤchtig/ ist es doch von des Caroli zeit an/ einem Haupte (welches die Alten schlechter dinge einen Koͤnig/ die nachfolger aber etwas hoͤher einen Roͤmischen Kaͤyser oder Cæfarem genennet) unterworffen gewesen/ ohne/ daß etliche interregna dazwischen gekom- men; Und dieses Haupts wegen ist Teutsch- land den meisten als ein einfaches Regi- ment vorkommen. Wie solches Haupt F vj nun Vom Zustand nun erwehlet werde/ wollen wir hernach sehen. Es wird aber der Muͤhe werth seyn/ etwas weitlaͤuftiger von der Sache zu han- deln/ damit man zugleich sehe/ was fuͤr ein grosser unterscheid zwischen der alten und newen Wahl/ und welches der eigentliche Ursprung der Churfuͤrsten sey. Muß man demnach bey dem Carolo M . und dessen Nachkommen das Roͤmische Reich und das Fraͤnckische Reich mit unterscheid be- trachten. Jenes daß Roͤmische ist dem Ca- rolo mit bewilligung des Roͤmischen Volcks und des Padstes/ als dessen vor- nehmsten Gliedes/ der sonsten auch merck- lich uͤber das Volck zu regieren trachtete/ auffgetragen worden/ und zwar/ wie es das ansehen hat/ erblich; Also/ daß seine nachfolgere nicht nach einer newen und freyen Wahl/ sondern nur nach der gemei- nen einweihung sind gekroͤnet worden. Denn ob man zwar lieset/ daß der Caro- lus seinen Sohn Ludovicum , und dieser den Lotharium zu gehuͤlffen des Reichs ange- des Teutschen Reichs. angenommen haben/ so wird doch der da- zu erfoderten newẽ bewilligung des Pabsts und der Roͤmer nicht gedacht. Daß alte Franckische Reich aber kan man weder ein recht Erb Reich/ noch ein Wahl Reich nennen/ sondeꝛn das vermischter weise auff die nachfolger kommen; Weil wir finden daß die Koͤnige der Francken mit bewilli- gung und zuruff so wol der vornehmsten als des gantzen Volcks seyn erwehlet wor- den/ doch also/ daß man nicht ohne erheb- liche U rsachen von des verstorbenen Koͤ- niges Geschlecht abgangen. Welche art der succession auch bißdaher in Pohlen ist in acht genommen. Wer aber hierauff etwas genauer achtung giebet/ wird mer- cken/ daß das Reich der Francken mehr nu- tzen auß der successio oder erb/ als aus der Wahlart/ gehabt habe/ weiln es nemlich scheinet/ daß dem Urheber dieses Geschlech- tes mit dem bedinge das Reich auffgetra- gen/ daß ers auch auff seine Nachkommen braͤchte/ wo solche nicht fuͤr sehr untuͤchtig F vij von Vom Zustand von dem Volcke geachtet wuͤrden. Also haben die Staͤnde und das gemeine Volck durch diese bewilligung den Soͤhnen der verstorbenen Koͤnige nicht eben ein neues Recht zum Rrich gegeben/ sondern viel- mehr erwiesen/ daß der Sohn des bey der ersten aufftragung des Reichs zugestande- nen Rechtens faͤhig- und tuͤchtig sey. Als nachmahls des Caroli Geschlecht von der Franckischen regierung kommen/ ist das Teutsche oder das gegen dem Morgen be- legene Franckische Reich ( wie es dazumal genennet ward) auß freyer Wahl der Staͤnde dem Hertzogen von Sachsen Otto auffgetragen worden/ welcher/ nach dem er sein Alter vorgewand/ gerathen hat/ man solt Conradum Hertzogen in Fran- cken zum Koͤnige in Teutschland wehlen/ als welchen etliche fuͤr des Caroli Ver- wandten hielten. Auff diesen rath ist gleich- fals des Ottonis Sohn Henricus Au- ceps durch eine freye Wahlzum Reich er- hoben/ welcher mit Teutschland allein ver- gnuͤget/ des Teutschen Reichs. gnuͤget/ auch ohne des Pabsts begehren/ den Kaͤyserlichen Titul angenommen Dessen Sohn Otto M. aber hat/ nach dem er Jtalien bezwungen/ die Stadt Rom und das Kirchengebiet also mit Teutsch- land verbunden/ daß der jenige ohne einer neuen Wahl Roͤmischer Kaͤyser seyn solte/ welcher das Teutsche Reich uͤberkommen/ also daß die Kroͤnung des Pabsts nichts mehr als eine gewoͤhnliche Ceremonie seyn solte/ wiewol vor zeiten die Koͤnige in Teutschland den Kaͤyserlichen Titul vor solcher Kroͤnung nicht leichtlich gefuͤhret. Mit der succession aber in Teutschland ist es fast eben so beschaffen gewesen/ als in dem alten Fraͤnckischen Reich/ daß nem- lich die Staͤnde und das gemeine Volck nicht leichte von dem Koͤniglichen Ge- schlecht abgiengen/ uñ das hat gewaͤret biß auff Henricum IV. dessen aufferziehung und Gluͤck nicht fort gewolt/ daß auch die Staͤnde des Teutschen Reichs bewogen/ in deme der Pabst tapffer zuscheurete/ sich wieder Vom Zustand wieder den Kaͤyser zu setzen/ und ihn vom Reich zu stossen/ darauff sie eine verord- nung gemachet/ daß kuͤnfftig der Sohn des Koͤniges/ ob er gleich tuͤchtig sey/ duꝛch eine freywillige Wahl/ und nicht durch Erb- schafft zum Reich kommen solte (wie die Worte in der veroꝛdnung lauten) und von der zeit an hat algemach die erbliche suc- cession auffgehoͤret. §. 2. Diese alte Bewilligung und Wahl a- ber ist von dem gantzen Volcke geschehen; ob es wol ausser zweyffel sey/ daß der Staͤnde/ als nemlich der Fuͤrsten/ Bi- schoͤffe und Edelleute ansehen allhier am meisten gegolten. Nun aber von etli- chen hundert Jahren her/ werden alle an- dern außgeschlossen/ und sind nur fieben/ und nach dem Oßnabruͤggischen Frieden acht von den vornehmsten Fuͤrsten/ die den Kaͤyser erwehlen/ welche daher Chur- fuͤrsten genennet werden/ als drey Geist- liche/ der zu Mayntz/ Trier und Coͤln/ und fuͤuff des Tentschen Reichs. fuͤnff Weltliche/ der Koͤnig in Boͤhmen/ die Hertzogen zu Bayren und Sachsen/ der Marggraff zu Brandenburg/ und Pfaltzgraff am Rhein. zu welcher zeit aber diese Fuͤrsten gedachtes recht uͤber kom̃en/ kan man allerdings nicht wissen. Zwar hat man in 200. und mehr Jah- ren/ als vom 1250. ohngefehr biß an das 1500. Jahr ins gemein da vorgehalten/ daß der Kaͤyser Otto III. und Papst Gregorius V. die sieben Churfuͤrsten ein- gesetzet haben/ und wollen etliche Autores dem Kaͤyser/ andere dem Pabst das mei- ste darunter zneignen/ nach dem einjegli- cher dieser oder jener Parthey zugethan. Dieser meynung hat sich zu erst/ so viel mir bewust/ unser Landsman Onuphrius Panvinius in einem sanderlichen Buͤch- lein wiedersetzet/ welches tituli ret wird: De comitiis Imperatoris . Deme heut zu tage die verstaͤndigsten unter den Tent- schen nachfolgen. Daß vornehmste argu- ment und beweißthum ist/ daß die jenige verord- Vom Zustand verordnung/ sie mag von Kaͤyser Otto oder Pabst Gregorius herruͤhren/ von keinem biß anhero hat koͤnnen gefunden werden/ und daß von derselben all e Scri- benten biß auff des Friderici II . zeiten in 240. jahren von Otto III. stilleschwei- gen: Denn der erste/ so der Churfuͤrsten gedencket/ ist Martinus Polonus welcher unter Friderico II. ohngefehr 250. Jahr nach Ottonem III. gelebet hat/ deme auch nicht eben allerdings in einer Sache/ die sich so lange vor seiner zeit zugetragen/ zu mahlen er keine scheinbahre Zeugnissen hat/ zu glauben. Doch gedencket er auch eben keiner verordnung/ krafft welcher die Churfuͤrsten zu des Ottonis zeit haben angefangen/ sondern dieses bekraͤfftiget er nur/ daß nach deß Ottonis zeiten die reichs officiales zu wehlen angefangen. Welches in zweyerley verstande kan zu- gelassen werden/ entweder wil zu der zeit die jenigen/ so vorhin die vornehmsten Chargen zu hoffe bedienet/ die weitlaͤuff- tigsten des Teutschen Reichs. tigsten Laͤnder einbekommen haben/ oder weil diese Chargen damals immer denen Fuͤrsten/ die weitleufftige Laͤnden beher- scheten/ auffgetragẽ wurden/ welche doch wie sie vielleicht unter den andern ein son- derbahres ansehen gehabt/ also wird kei- ner leugnen/ der sich inden antiquitæ ten Teutschlandes etwas umgesehẽ/ daß uͤbeꝛ diese sieben auch andere Fuͤrsten zur Wahl der Koͤnige zugelassen. Andere schreiben Friderico II. die einsetzung der Churfuͤrsten zu/ aber es wird nirgends ei- nig monument solcher verordnung ge- funden; Und ist nicht vermuthlich daß die andern Fuͤrsten so geschwinde und gerne von ihrem recht abgetreten. §. 3. Sind demnach die Teutschen/ so umb ihr Vaterland guten bescheid wissen fast in der meinung/ daß schon vor Fridetici II. zeiten diese sieben Fuͤrsten als Reichs Bediente und sehr beguͤterte Herren in der Wahl der Kaͤyser/ die andern allge- mach Vom Zustand mach am ansehen zu uͤbertreffen ange- fangen; Nach des Friderici zeit aber/ als es in Teutschland sehr verworren außsahe/ und sich die andern umb die ge- meine Reichssachen wenig bekuͤm̃erten/ haben sich diese allein daß Recht Kaͤyser zu waͤhlen beygemessen. Als nun dieses durch unterschiedliche Actus zur gewohn- heit worden/ ist solche als eine offentliche und bestaͤndige verorgnung in der guͤlde- nen Bulla , wie man es nennet/ abgefasset worden. Darin die gantze art zu weh- len und alle Macht der Churfuͤrsten ent- halten ist/ und von der zeit an/ haben diese Fuͤrsten ihrem vorigen Titul den Chur- fuͤrstlichen zugeleget/ und sind in groͤsserm Wehrt als die andern gehalten worden. §. 4. Ob derowegen wol scheinet/ diese Fuͤr- sien haben ihnen solch Ampt zu wehlen/ als Reichs Bediente/ angemasset; Sind doch hernach diese aͤmpter eben so wol als die Churfuͤrstliche wuͤrde durch die guͤl- dene des Teutschen Reichs. dene Bulla an gewisse Laͤnder verknuͤpf- fet/ daß wer solche rechtmaͤssiger weise be- sitzet/ eben dadurch Churfuͤrst sey. Und zwar werden die Geistliche Churfuͤr- sten/ gleich wie die andern Bischoͤffe in Teutschland/ durch die Wahl oder auff- tragung eingesetzet. Wobey zu mercken daß obgleich sonsten die Bischoͤffe/ damit sie ihr Ampt rechtmaͤssig und voͤllig ver- richten koͤnnen/ des Pabstes confirma- tion und eines Mantels/ der theur zu loͤ- sen/ beduͤrffen/ sie dennoch/ auch vor der Paͤbstlichen confirmation , zur Kaͤysers Wahl gelassen werden/ da die Weltli- chen Ehren stellen kein sonderlich merck- zeichen haben. Wenn aber die stelle va- ciret , kan das Capitul des Churfuͤrsten stelle nicht vertreten. Jn den Welt- lichen Churfuͤrstenthuͤmern i st die jenige successions art gebraͤuchlich/ welche sie agnaticam nennen/ und zwar also/ daß man weder die Churfuͤrstliche wuͤrde/ noch die den Churfuͤrstenthuͤmern abson- derlich Vom Zustand derlich zugelegte Laͤnder theilen muͤsse; Wenn man aber ein neu Churfuͤrestn - thum anrichten wolte/ ader sich jemand eines verbrechens wegen solcher wuͤrde enteussern muste/ wird es ohne zweiffel mit den andern gesetzen und gewohnhei- ten des Reichs uͤbereinkommen/ daß al- lein der Kaͤyser auß eigener autorität ohne der andern Staͤnde oder nur der Churfuͤrsten bewilligung allhie nichts anordne. Ob man wol in dem vorigen und diesem unsern seculo ein wiedriges Exempel hat/ wieder welches doch einer uñ ander protesti ret/ daß doch der Kaͤy- ser/ welchem damahls der Mars uͤber die masse guͤnstig zu seyn schiene/ wenig ge- achtet/ wobey eꝛ deñ sokluͤglich gehandelt/ daß er die dem einen abgenommene Chur fuͤrstliche Wuͤrde dem Verwandt en auß eben derselben Familia auffgetragen/ da- mit nicht allein die mißgunst dieser That verringert/ sondern auch die maͤchtigsten Familien durch eine stetige æmulation von des Teutschen Reichs. von einander getrennet werden/ und zu- gleich das jenige theil welches der Kaͤyser selber zu Kraͤfften geholffen ihm dasuͤr verbunden bleiben moͤchte. Es ist lauch dieses nicht zuvergessen/ daß/ wenn die Churfuͤrsten noch minder Jaͤhrig seyn/ derselben Vormuͤnder auff der Kaͤyser Wahl ihre Stelle vertreten; Sie wer- den aber muͤndig/ wenn sie das achtzehen- de Jahr erreichet. §. 5. Die Wahl wird fast auff diese weise vorgenommen/ der Maͤyntzische thut es innerhalb Mondes frist/ von dem ersten Tage an/ da er des Kaͤysers Todterfah- ren/ seinen Collegen zu wissen/ und be- ruffet sie zu der kuͤnfftigen Wahl/ wel- che entweder selbst/ oder durch ihre Ge- santen sich einstellen. Wenn sie zu Franckfurt einziehen wollen/ ist ihnen ei- ne gewisse anzahl Reuter nemlich 200. bestellet/ welche zahl doch heute zu Tage nicht so genau in acht genommen wird. Jn Vom Zustand Jn dem die Wahl vorgehet/ muͤssen alle frembden aus der Stadt weichen. Der Actus der Wahl/ welche in der Sacristey der Kirchen S. Bartholomæi Geschicht/ wird mit einer Messe angefangen: Dar- auff treten sie vor den Altar nmb zu schweren/ daß sie einen tuͤchtigen Kaͤyser erwehlen wollen; Der Maͤyntzische als des Collegii Decanus samlet die Stim- men/ erstlich fraget er den von Trier/ her- nach den von Coͤllen und so weiter/ er selber spricht endlich das Urtheil/ und die meisten Stimmen gelten fuͤr alle; Weil aber jetzund acht seyn/ ist noch nichts ge- wisses beschlossen/ was man thun muͤsse/ wenn es sich zutruͤge/ daß die Stimmen auff beede seiten gleich waͤren. Es ist dem Churfuͤrsten nicht verboten ihme selb- sten seine Stimme zu geben; die geschehe- ne Wahl pfleget auffgeschrieben und mit der Churfuͤrsten Siegel confirmiret zu werden. Darnach treten sie vor den Al- tar/ woselbsten der Maͤyntzische den erwehl- ten des Teutschen Reichs. ten Kaͤyser vor der zusammen beruffenen Gemeine offentlich außruffet/ deme bald hernach das Reich mit gewissem bedinge anbefohlen wird/ doch also/ daß er allen und jeden Churfuͤrsten ihre Privilegien und Rechte alsbald confirmi ren muͤsse- Zu der Kroͤnung ist zwar nach der Guͤlde- nen Bulla die Stadt Achen verordnet/ ob gleich bißanhero/ an dem Orte wo die Wahl vorgangen/ auch die inaugurati- on gemeiniglich gehalten worden. U nd weil diese Stadt in dem Coͤllnischen Ge- biete ligt/ hat schon vor langen Jahren her der Churfuͤrst von Coͤlln solches verrich- tet; Uber welchem Recht der von Mayn mit ihm in Sreit gerathen/ welcher new- lich/ wo mir recht/ also ist beygeleget/ daß sie einer umb den andern die Kroͤnung ver- richten sollen/ an welchem Orte auch selbi- ge gehalten wuͤrde. Andere hiebey ge- braͤuchliche Ceremonien werden hin und wieder bey den Teutschen Scribenten ge- funden. G Daß Vom Zustand §. 6. Daß nun die Churfuͤrsten neben dem Recht einen Kaͤyser zu wehlen/ auch macht haben denselben/ wo er es verdienet/ abzu- setzen/ wuͤrde vielleicht gar zu odios und hart seyn/ solches mit einem offentlichen und außdruͤcklichen Gesetze zu verordnen; Daß sie aber doch solche Macht veruͤbet/ ist an dem Wenceslao des Caroli IV. Sohn selbsten zu sehen/ von welchem die jenigen/ so den Churfuͤrsten ihꝛe Hoheit mißgoͤnnen/ klar genug vorgeben/ er habe die Guͤldene Bulla heraus gegeben/ und die Churfuͤrsten mit grossen Geschencken beleget/ damit er seinen Sohn solcher ge- stalt zum Reich huͤlffe. Daß auch der Henricus IV. moͤchte vom Reich ver- stossen werden/ daꝛumb haben sich auch an- dere Fuͤrsten bemuͤhet. Und lieset man von dem Churfuͤrsten von Mayntz/ daß er einem und andern Kaͤyser/ der ihm etwas zu wider gethan/ dieses Recht die Kaͤyser abzusetzen dreiste genug vorgehalten haben Es des Teutschen Reichs. §. 7. Es haben auch die Churfuͤrsten noch andere vornehme Rechte vor den andern: Denn uͤber dem/ daß sie ohne den andern koͤnnen Zusammenkuͤnffte halten/ und sich uͤber die vornehmsten Sachen berathschla- gen/ sind sie auch die hoͤchsten Reichs be- dienten. Also seynd Ertz Cantzler der von Mayntz durch Teutschland/ der von Trier durch Franckreich und das Koͤnigreich Arres, (durch welche Worte nach den er- fahrnesten Autoribus nicht das gantze Franckreich/ sondern was davon zum Burgundischen Reich gehoͤret hat/ wel- ches in dem eilfften Seculo zu Teutschland kommen/ verstanden wird) der von Coͤlln durch Jtalien/ ungeachtet heut zu Tage solch Recht alleine dem ersten/ den andern beyden nur der blosse Titul geblieben. Der Koͤnig in Boͤhmen ist Ertz Schencke/ und reichet dem Kaͤyser bey offentlicher Reichs Hoffhaltung den ersten Becher. Der Bayrische ist Ertz Truchses/ und in der so- G ij lennen Vom Zustand lennen Procession traͤgt er den Reichs Apffel Der Saͤchsische ist Eꝛtz Marschalck/ und traͤget ein blosses Schwerdt vor dem Kaͤyser her. Der Brandenburgische ist Ertz Kaͤmmerer/ reichet dem Kaͤyser Was- ser/ und traͤget in der Procession das Sce- pter. Der Pfaltzgraff am Rhein ist Ertz- Schatzmeister/ und wirfft bey abfuͤhrung des gekroͤnten Koͤniges nach dem Pallast unter das umbstehende Volck guͤldene und silberne Muͤntze. Ein jeglicher von den Weltlichen hat in diesen Geschaͤfften seine Vicarios , als der Boͤhme den Schencken von Limburg; der Bayrische den Truchses von Wallburg/ der Saͤchsische den Mar- schalck von Papenheim/ der Brandenbur- gische den Graffen von Hohen Zollern/ der Pfaͤltzische den Graffen von Sintzendorff. Es sind auch noch andere Privilegien der Churfuͤrsten in der Guͤldenen Bulla ver- halten/ deren doch die meisten die andern Fuͤrsten auch geniessen; ohne das von ih- ren Gerichten nicht appelli ret wird/ und daß des Teutschen Reichs. daß sie in der erneurung ihrer Lehen frey seyn/ und was dergleichen mehr seyn moͤ- gen. §. 8. Zwischen des Kaͤysers Todt und dessen Nachfolger/ verwalten Chur Pfaltz und Sachsen als Vicarii das Reich/ jener in den Theilen am Rhein und in Schwaben/ und wo das Fraͤnckische Recht gebraͤuch- lich; Dieser wo die Saͤchsischen Rechte guͤltig seyn; Doch ist ihnen verboten die Lehen der Fuͤrsten/ und welche durch die Fahne pflegen conferi ret werden/ jeman- de zu ertheilen/ wie auch die Reichs Guͤter zu entwenden oder zu verpfaͤnden. Son- sten pflegt das jenige/ was sie in waͤrendem ihrem Vicariat verrichtet/ von dem new- erwehlten Kaͤyser confirmi ret zu werden. Bey dem newligsten interregno, nach des Ferdinandi III . Todt machte der Churfuͤrst in Bayern Churpfaltz dieses Vi- cariat strittig/ wobey Bayern dieses inson- derheit in acht genommen/ daß er sein Vor- G iij nehmen Vom Zustand nehmen auffs beste dissimuli ret/ damit es nicht fuͤr der Zeit gemercket/ und er dar- umb gebracht werden moͤchte. U nd als ihm des Kaͤysers Todt durch abgeordnete Curirer angekuͤndiget war/ hat er ge- schwinde allenthalben Brieffe verschicket/ welche die annehmung des Vicariats an- kuͤndigten. Auff welche die meisten Staͤn- de mit einer eilfaͤrtigen Gluͤckwuͤnschung/ ehe sie die Sache recht uͤbergeleget/ geant- wortet haben/ und das ist geschehen/ ehe fast Chur Pfaltz etwas von des Kaͤysers Todt gewust/ welcher sich nicht gerne wol- len in sein Recht greiffen lassen/ sondern auch hin und wieder die ankuͤndigung ge- than/ daß nicht ohne Klage uͤber das un- recht/ so ihm von Bayern wiederfah- ren/ er sich nachmals der Gewalt als ein Vicarius bedienen wolle; U nd ob wol vie- len Fuͤrsten verdrossen/ daß sie ihre Brieffe an Chur Bayern gesand/ nicht wieder zu ruͤck ziehen koͤnten; So ist es doch/ wie es gemeiniglich zu geschehen pfleget/ daß auch da- des Teutschen Reichs. damals keiner frem̃den Gezaͤncks sich wol- len thelhafftig machen. Nachmahls ist die Sache z u offentlichen Schrifften zwischen beyden Theilen gekommen U nd darff sichs keiner ein Wunder seyn lassen/ daß Chur- Bayern sich unterstanden/ solche Wuͤrde an sich zu bringen/ weiln er schon dazu- mahl/ als es noch wol umb der Pfaͤltzischen Sachen stunde/ sich nicht geschewet/ vor- zugeben/ daß Churfuͤrstenthum gehoͤre ihm/ sich dabey auff seine eigene Macht und der Oesterreichischen Gunst verlassen- de. Sonsten hielte man doch dafuͤr/ daß dle Pfaͤltzischen Scribenten/ den meisten die unpartheyisch waren/ deutlich genug ge- wiesen/ daß die Wuͤrde des Vicariats gar kein theil oder anhang des Ertz Truchses- thumbs/ sondern ein absonderlich Recht sey/ welches der Pfaltzgraffschaft am Rhein allzeit zukomme/ wie auch Sachsen nicht als ein Churfuͤrst/ sondern als ein Hertzog in Sachsen das Vicariat Ampt verwaltet. Doch weil die meisten Bayern gewogen G iiij waren/ Vom Zustand waren/ wolten ihn auch die andern nicht offentlich offendi ren/ und damit nicht die Gewonheit eingefuͤhret werde/ daß die Fuͤrsten ihr unrecht bekennen muͤsen/ ist diese Sache bißanhero nicht entschieden worden. §. 9. Dem Kaͤyser wird bißwalen ein Roͤ- mischer Koͤnig zu gegeben/ daß er als des- sen general Vicarius in seinem abwesen/ oder wenn er sonst verhindert/ daß Reich verwalten, und wenn er endlich gestorben/ odne weiterer Wahl succedi ren moͤge. Wenn solches geschiehet/ so wird gemel- niglich die Nothwendigkeit und Nutzen des Regiments vorgewand. Die rechte Ur- sache pfleget aber wol zu seyn/ daß die Kaͤy- sere bey ihrem Leben ihre Soͤhne/ Bruͤder oder nechste Anverwandten desto leichter zum Reich erheben moͤgen/ massen sie dann/ als welche die hoͤchste Gewalt in Haͤnden haben/ gerne bey lebzeiten daꝛnach streben/ damit nach deren absterben/ die Nach- des Teutschen Reichs. Nachkommen/ welche zum ledigen Thron frey auffgenommen werden/ sich nicht mit so harten bedingungen und Gesetzen duͤrf- fen verknuͤpffen lassen. Das V. Capitel. Von der Gewalt des Kaͤysers/ welche durch die Capitulation , Gesetze und Gewonheiten des Reichs/ auch duꝛch die Rechte der Staͤnde limiti- ret ist. §. 1. D Urch was Gelegenheit die Teut- schen Staͤnde in ein viel groͤsser auffnehmen kommen/ als sich bey einer Monarchia schicken wil/ davon ist schon oben meldung gethan; wie auch/ daß durch die auf sie gebrachte freye Wahl der Koͤnige sie sich bemuͤhet haben/ die ein- mahl erworbene Guͤter wol zu erhalten/ wodurch eben den Koͤnigen die grosse Ge- walt nach belieben zu disponi ren benom- men/ muͤssen dazu in wichtigen Sachen der G v Staͤnde Vom Zustand Staͤnde bewilligung fordern/ bey welchen mehr durch ansehen als Befehl etwas zu erlangen. Ja es ist vermuthlich/ daß die Teutschen Staͤnde vormahls in den Eid/ welcher fast von allen Christlichen Koͤni- gen pfleget geleistet zu werden/ auch die Clausul haben eingeruͤcket/ daß der Koͤnig aller und jeden Teutschen Buͤrger Rechte/ wie auch die loͤbliche und im Reich ange- nommene Gebraͤuche in acht nehmen wol- le. Ob aber mit der Zeit deßwegen son- derliche Gesetze hinzu gethan und verfasset worden/ ist nicht gnugsam am Tage. Denn man vor den Carolum V. kein Exemplar solcher Capitulation gesehen/ und ob gleich einige moͤchten auffgewiesen wer- den/ darff man ihnen nicht glauben/ daß aber dem erwehlten Kaͤyser in der Guͤlde- nen Bulla alsbald befohlen/ alle Rechte/ Privilegien und Freyheiten der Chur- fuͤrsten durch Brieff und Siegel zu be- kraͤfftigen/ das scheinet den Churfuͤrsten absonderlich anzugehen/ und also etwas von des Teutschen Reichs. von der Capitulation, die zur erhaltung der Freyheit des gantzen Reichs dienlich/ unterschieden zu seyn. Die U rsach aber warumb die Churfuͤrsten den Carolum V . mit solchen außdruͤcklichen und weitleuff- tigen Gesetzen verbinden wollen/ ist gewe- sen dieses Fuͤrsten Macht/ bluͤhende Ju- gend und hoher Geist/ welches sein Sym- bolum: Plus ultra , gnugsam zu verstehen gab; Und damit er nicht seiner weitlaͤuff- tigen/ Vaͤterlichen Erbschafft/ die Teut- schen dadurch in eine andere Ordnung zu bringen/ mißbrauchen/ auch wissen moͤchte/ er muͤsse Teutschland auff eine andere wei- se/ als seine uͤbrige Laͤnder guberni ren- Diesen nun einmahl angenommenen Ge- brauch/ ob gleich die jetzt angezogene Ursa- chen nicht eben allemahl eine solche Capi- tulation erforderten/ hat man doch her- nach behalten. §. 2. Ferner sind bißanhero diese Capitula- tiones dem Kaͤyser von den Churfuͤrsten G vj allein/ Vom Zustand allein/ ohne der andern Staͤnde Rath und Zuthun voꝛgeschrieben gewesen. Woruͤber doch diese etliche mahl geklaget/ und ist in dem Westphaͤlischen Frieden selbst gedacht worden/ daß auff dem nechsten Reichstage von der entwerffung einer jmmerwaͤren- den Capitulation solte gerathschlaget werden/ wodurch der Teutschen art nach die Sache doch nimmer zum Schluß/ son- dern allezeit auff die lange Banck wird ge- zogen werden. Jch hoͤrte zwar als ich zu Regenspurg war/ daß man schon solches mit ernst vorgenommen/ und ein zimlich theil Papier verdorben. Die verstaͤndig- sten aber halten dafuͤr/ daß sich die Chur- fuͤrsten keines Eingriffes zu fuͤrchten haͤt- ten; massen es dem Kaͤyser zutraͤglicher waͤre/ daß die Churfuͤrsten die andere Fuͤr- sten uͤbertreffen: Denn diese/ als wenige/ koͤnne er leichter als alle Staͤnde auff seine seite bringen/ und ihnen hergegen lieber hinwiederumb etwas nachgeben/ zu deme wuͤrden die auß dem Fuͤrsten Rath/ welche aus des Teutschen Reichs. aus den Churfuͤrstlichen Familien ent- sprossen/ in dieser Sachen nicht sehr zuwi- dern seyn; der andern Begehren sey nicht viel zu achten/ uͤber daß stimme es mit den Sitten Teutschandes nicht uͤberein/ einen von seinem Recht/ wie er auch solches er- langet/ durch Gewalt oder Verbuͤndniß zu bringen! Sie thaten hinzu/ ob gleich die uͤbrigen Staͤnde nicht unbillich begeh- ren/ daß in der Capitulation eben so wol auff sie/ als auff die Churfuͤrsten moͤge ge- sehen werden; So koͤnne doch kaum eine redens-art erdacht werden/ welche nicht nachmahls bey veraͤnderung der Zeit zu endern: und daß es schiene/ daß meiste waͤre in den vorigen Capitulationen hin- zu gethan oder eingeflicket/ nach dem es sich bey gegenwertiger Zeit schicken wollen/ umb die jenige Ritzen/ dadurch die Kaͤyser zu entkommen sich unterstanden/ zu ver- stopffen. Ferner wuͤrden die Churfuͤrsten nicht schwer dazu zu bringen seyn/ daß sie auff der andern Staͤnde erinnerung in der G vij Capi- Vom Zustand Capitulation hinein setzten/ was zur be- schuͤtzung ihrer Freyheit dienlich schiene. Endlich waͤren die jenigen sehr unbedacht- samb/ welche den Churfuͤrsten uͤbel außdeu- ten wolten/ daß sie sich ihres eigenen Nu- tzens nicht mehr dann auderer annehmen solten; gleichsamb/ als wenn sie allein die allen Menschen gemeine inclination ab- legen muͤsten. Andere vermutheten eine andere Ursache/ warumb wegen der Capi- tulation tracti ret wuͤrde/ daß nemlich der Kaͤyser/ der sonst zum Reichstage schlechte lust hatte/ durch den Tuͤrckischen Krieg waͤre bewogen worden/ die Staͤnde zusam- men zu ruffen/ indeme er verhoffet/ er wol- le unter solchem schein eine grosse Summa Geldes von den Staͤnden bekommen. Sie aber haben an stat des Geldes Soldaten angeboten; weil nun solches den Kaͤyser- lichen Raͤthen ein schlechter Gewinn zu seyn dauchte/ haben sie fuͤr der rechten Zeit mit dem Tuͤrcken einen Frieden gemacht/ also/ daß sie jetzund fast im Zweyfel stehen/ was des Teutschen Reichs. was fuͤr ein Reichsschluß zu machen. Deñ die materia von der huͤlffleistung zum Tuͤrckischen Kriege/ mit welcher in den meisten alten Reichs Abschieden schon gan- tze seiten voll gemacht/ sey nunmehr auffge- hoben. Wann dann sorgfaͤltige Leute doch gerne wissen wollen/ was eine solche menge Gesandten in so viel Jahren gethan/ und zu was Nutzen des Vormittages der Spa- nische/ Nachmittage aber der Rheinische und Mosel Wein getruncken sey/ sie frey schweren koͤnten/ daß ihnen eine unauffloͤß- liche materia/ woruͤber sie sich lange ver- geblich bemuͤhet/ und nicht muͤssig gewesen/ sey auffgegeben worden/ daß sie auch zu- gleich die wiederholung der vergeblichen Streitigkeiten/ nach dem sie dieselbige Sa- chen biß auff den folgenden Reichstag auffgeschoben/ etlicher massen als ein Re- ceß des Reichs auffweisen koͤnnen. §. 3. Dem sey aber wie ihm wolle/ so scheinet es doch als ein nuͤtzlicher Gebrauch zu seyn/ daß Vom Zustand daß die Gesetze/ welche die Kaͤys. Macht be- treffen/ in außdruͤcklichen und absonder- lichen Schrifften enthalten werden. Deñ es gedeyet viel zum ansehen der Staͤnde/ daß weil sie sich nicht als andere U ntertha- nen der Monarchen gebieten lassen/ man nicht meyne/ sie thun solches aus halstar- rigkeit/ oder durch eine blosse Gewonheit/ sondern weil sie den Kaͤyser auff solche Ge- setze angenommen haben. Sie nehmen auch ihre Freyheit durch vorgesetzte schran- cken in acht/ welche der Kaͤyser nicht uͤber- schreiten darff. Auch wird auff diese weise dem Kaͤyser die Ursache zu klagen benom- men/ daß er nicht nach anderer Monar- chen art die jenige gebrauchen koͤnne/ die sich mit vielen Wort- Complementen seine demuͤtigste Unterthanen nennen: Denn im anfange der Capitulation be- kennet er/ daß er auff diese Gesetze das Reich angenommen/ und daruͤber mit den Churfuͤrsten fuͤr sich uñ den andern Staͤn- den als durch einen Bund einig gewor- den; des Teutschen Reichs. den; Solten ihm aber solche bedingungen mißfallen/ duͤrffte er diese Wuͤrde nur ab- schlagen/ oder den Churfuͤrsten weisen/ daß die besagten Gesetze etwas unbilliges und ungereimtes in sich hielten/ welche solches ohne zweyfel alsdenn gerne aͤndern wuͤr- den. Wenn es dann nun dem Kaͤyser ein- mahl gefallen hat/ eine limitirte Macht anzunehmen/ kan er keine vollkommene und Koͤnigliche Gewalt uͤber die Staͤnde mehr begehren; Daferne er aber solches zu thun sich unterstehen wuͤrde/ duͤrffen sie die Staͤnde ihme ungestrafft widerstehen: Die veꝛstaͤndigsten Teutschen tragen daꝛan keinen Zweyfel/ daß die Koͤnigliche Macht nicht in gewissen Graͤntzen koͤnne einge- schlossen werden. Ja ich halte/ es werden die scharffsinnigen Politici nicht laͤugnen/ daß auch eine Gewalt sey/ welche dem Haupte eines conf0153;derirten Leibes zu- komme/ und doch gar weit von dem Koͤ- niglichen und vollkommenen Gebiet un- terschieden sey. Sonsten Vom Zustand §. 4. Sonsten fludet man bey den meisten Teutschen Scribenten, wenn sie von der Capitulation handeln/ entweder eine schaͤndliche Lust zu schmeicheln/ oder eine grosse unwissenheit der Politischen Wis- senschafft. Es hat einer unverschaͤmter weise sagen duͤrffen/ daß durch die Capi- tulation der Kaͤyserlichen Gewalt keine termini gesetzet werden/ sondern nur ge- macht/ daß die Kraͤffte des Reichs durch entwendungen/ verpfaͤndungen und der- gleichen nicht in abnehmen kommen moͤ- ge. Ekliche erkennen/ daß dadurch zwar die Kaͤyserliche Macht mit gewissen Schrancken umbgeben werde/ und also absolut, aber nicht die hoͤchste zu seyn aufshoͤre/ oder/ wie andern beliebt zu re- den/ daß solche zwar der Vollkommen- heit/ nicht aber der Hoheit etwas beneh- me. Welches/ wie es im folgenden Capi- tel sol fleissiger examini ret werden/ also ist dieses nur obenhin allhie zu erinneren/ daß des Teutschen Reichs. daß die jenige betrogen werden/ welche meynen/ dieser Streit werde durchaus auffgehaben durch den unterscheid zwi- schen den Gesetzẽ/ welche von hoher Hand gegeben/ als die/ so aus gewissen Vertraͤ- gen herruͤhren/ und also verbinden. Zu welcher letzten art sie die Capitulation rechnen. Denn daraus wird nur bewie- sen/ daß der Kaͤyser den Staͤnden nicht unterworffen sey; nicht aber/ daß er ein eigentlich so genantes Gebiet uͤber sie ha- be: Denn daß einer das hoͤchste Gebiet habe/ ist nicht genug/ daß er keinen uͤber sich erkenne/ sondern es wird erfodert/ daß die andern des Kaͤysers Befehl ohne weigerung und heraus forderung gehor- chen muͤssen. Viel weniger ist das ge- nug/ daß einer der hoͤchste in betrachtung seines Regiments sey: Glẽich als wenn in unserm Regiment der Hertzog zu Ve- nedig nicht der Hoͤchste waͤre/ deme doch niemand das hoͤchste Gebiet hat zuschrei- ben duͤrffen: Denn uͤber dem/ daß in den Aristo- Vom Zustand Aristocrati schen und Democrati schen Regimentern eigentlich so genante Fuͤr- sten gefunden werden/ welche man fuͤg- lich die Hoͤchsten in ihrem Regiment nennen solte; Kan sich auch in den ver- samlungen der vereinigten ein maͤchtiger finden/ und dem die vorsorge der gemei- nen Wolfahrt sonderlich anbefohlen sey/ welcher zwar im selben Corpore fuͤglich der Hoͤchste mag genennet werden/ ob er gleich uͤber seine veꝛeinigte kein eigentlich Gebiet habe/ oder sie als Unterthanen nicht gebrauchen koͤnne; Aber ich halte/ es werde besser seyn/ zur gegenwaͤrtigen Sache gleichsamb zu kommen/ und ab- sonderlich zu betrachten/ was dem Kaͤy- ser wegen der hoͤchsten Macht des Reichs zukomme: Dann wo einer das nicht weiß/ wird er gar naͤrrisch und verwegen von der Teutschen Regiment urtheilen. Wir wollen aber hie vielmehr der Ord- nung folgen/ welche mit der natur und art des Reichs uͤberein kommt/ als in al- lem den Reguln der civil wissenschafft. Wollen des Teutschen Reichs. §. 5. Wollen demnach anfangẽ von der ver- ordnung der Obrigkeiten/ welche in einem jeglichen Regiment bey der hoͤchstẽ Herr- schafft stehet; welcher Herrschafft/ wo endlich die jenigẽ Dinge zugerechnet wer- den/ welche von den Obrigkeiten anders verrichtet worden/ ist vonnoͤthen/ daß die hoͤchste Herrschafft ihre Thaten exami- ni ren koͤnne/ und wo sie etwas versehen/ sie vom Dienst setzen/ oder auff andere weise straffen. Es ist kein Zweyfel/ daß diese Macht dem Kaͤyser in seinen Erb- laͤndern unverletzt zukomme; Aber von dem uͤbrigen Reich wird solche streitig ge- macht. Wir haben zwar oben gesagt/ daß die Hertzogen nñ Graffen in Teutsch- land eigentlich so genante Obrigkeiten gewesen seyn; welches Wort sie hente zu Tage fuͤr die hoͤchste injuria halten wer- den/ und wird kein Fuͤrst in Teutschland zugeben/ daß der Kaͤyser durch das sei- nem Gebiet unterworffene Volck guber- ni re/ Vom Zustand ni re/ oder/ daß seine Unterthanen dem Kaͤyser zugehoͤren; ob sie gleich sonsten mit hoͤchst hoͤfflichen/ Worten ihren de- muͤtigsten Gehoꝛsam gegen demselben be- zeugen. Und ob gleich eine erbliche Obrig- keit im Reich wol seyn koͤnne/ wird doch das Reich uͤber ihn als seinen Diener/ das hoͤchstr Recht unverletzt behalten. Aus dem nachfolgenden wird die gantze Sache klaͤrer werden; Kandemnach der Kaͤyser einem den Titnl eines Fuͤrsten oder Graffen des heiligen Roͤm. Reichs beylegen; aber das Recht eine Stimme auff dem Reichstage zu haben/ kan er ohne der andern Staͤnde bewilligung nicht geben. Conf. artic. 44. capit. Leo- poldinæ. Und weil die jenigen ver geblich den Fuͤrsten Titul fuͤhren/ so keine zu sol- cher Wuͤrde gehoͤrige Laͤnder haben/ ist in dem artic. 30. capit. Leopold. verse- hung gethan/ daß der Kaͤyser diese novi- tios durch die vaci rende Lehen nicht be- reichern koͤnne. Es ist vornemlich eine zwie- des Teutschen Reichs. zwiefache Ursache dieser Verordnung/ die eine/ damit nicht alle vaci rende Lehen durch das Haus Oesterreich weggenom- men wuͤrden/ welches schiene/ daß es sich oder die ihm unterwuͤrffig nicht veꝛgessen werde/ nach dem ihm die Macht uͤberlas- sen/ mit solchen Lehen andere wieder zu be- legen; Die andere/ daß endlich Teutsch- land seinem Kaͤyser etwas neben dem Ti- tul zueignen koͤnne/ wodurch er die Unko- sten solcher Hoheit außstehen moͤge; da- mit nicht bey der Wahl vornemlich auff die Guͤter gesehen werde; von seinen eige- nen Laͤndern aber dem newgemachten Fuͤrsten ein solchem Titul wuͤrdiges Erb- theil zu zueignen/ und solches andeꝛn Fuͤr- stenthuͤmern in Teutschland gleich zu machen/ halte ich/ werde die in der Ver- nunfft gegruͤndete Freygebigkeit uͤber- treffen. Einen frembden und von keinem hoͤhern dependi renden Fuͤrsten unter die andern in Teutschland auffzunehmen/ ist dem Kaͤyser kaum zugelassen; Wenn aber Vom Zustand aber ja einer seinen Zustand verringern wolte/ wo solte der auff dem Reichstage sitzen? Denn der wird sich schaͤmen unten an zu sitzen/ uñ die alten Fuͤrsten in Teutsch- land werden keinem weichen/ es sey denn daß er ein Koͤnig sey. Umb die außlaͤndi- sche Staͤdte in die Zahl der Reichs Staͤdte in Teutschland aufzunehmen/ wird es nicht so grosse schwirigkeit setzen; denn sie sind nicht so Ehrgeitzig als die Fuͤrsten/ und koͤn- te leichtlich von Buchhorn/ und derglei- chen zierlichem Staͤdtigen erhalten wer- den/ daß es duꝛch tapffere verthaͤtigung sei- nes Orts das auffnehmen des Teutschen Reichs nicht verhinderte. Daß sich aber eine Frey Stadt zu den Teutschen gesellen wolle/ scheinet kaum zu geschehen/ ehe ein oder ander von den umbliegenden Regi- mentern zerstoͤret werde; Von denen Staͤdten aber in Teutschland/ so jetzo den Staͤnden unterworffen/ wird dem Kaͤysẽr nicht vergunt/ einige zur Kaͤyserlichẽ Frey- stadt zu machen. Viel- des Teutschen Reichs. §. 6. Vielweniger aber stehets allein bey dem Kaͤyser einem die Fuͤrstliche Wuͤrde zu be- nehmen/ oder jemand von den Staͤnden auß seinen Laͤndeꝛn zu verstossen/ auch nicht einmahlwegen eines wider das Regiment begangenen Lasters/ in einer grossen Ubel- that aber bedarff er nur der Churfuͤrsten bewilligung/ ehe er den Verbrecher mit der verweisung bestraffet. Vid. art. 28. capit. Leopold. Nemlich/ es hat ihnen gefal- len zu verhuͤten/ daß nicht alsbald der jeni- ge/ welcher sich vielleicht in privat Sachen des Kaͤysers versehen/ als ein Feind des gemeinen Regiments gestrafft wuͤrde. Ja es erinnerten auch etliche Staͤnde sehr kluͤglich bey eben diesem 28. artic . indent die Capitulation zu Franckfurt gemacht wurde/ daß außdruͤcklich solte hinein gese- tzet weꝛdẽ/ wie die exsecution des Urtheils wider die verwiesenen nach den bestetigten Gesetzen geschehen solle/ durch die Glieder des Craͤyses/ in welchem solche sich auff- hielten; Denn wenn der Kaͤyser selbst das H Ur- Vom Zustand Urtheil vollziehen solte/ koͤnte geschehen/ daß er der verwiesenen Laͤnder unter dem schein der dadurch gemachten Unkosten/ an sich zoͤge/ und wuͤrde vielleicht anmu- thig seyn/ so strenge Urtheil zu faͤllen/ weñ sie zu des Richters Nutzen außschluͤgen; Sonsten kehret sich der Kaͤyser wenig dar- an/ wie ein jeglicher von den Staͤnden sei- ne Unterthanen tracti re/ ob er seine Schaͤf- gen beschere/ oder ihnen gar das Fell uͤber die Ohren ziehe: Denn unter das vor- nehmste/ so er mit einem Eyde verspricht/ ist auch/ daß er einem jeglichen von den Staͤnden seine Rechte und Privilegien erhalten/ und in deren uͤbung keinem be- schwerlich seyn wolle. U nd thun sich vor- nemlich die Teutschen Staͤnde mit diesem Rechte hervor/ daß sie ihre U nterthanen entwedr nach eigenem gutduͤncken/ oder wie sie mit ihnen sind einig worden/ regie- ren koͤnnen. Vid. art. 3, 7. 8. 9. capit. Leopold. Es ist auch gar wenig/ was der Kaͤyser den Unterthanen der Staͤnde ohne Mit des Teutschen Reichs. Mittel gebieten kan/ als daß er sie Zeugnis- ses oder Streitsachen halber auff fordern koͤnne/ ohne einiger huͤlffe des Rechtens/ in den citi rungen/ die er unter seinem Nah- men außgiebet; Die U nterthanen aber der Staͤnde mit Geschencken und Privile- gien zu belegen/ stehet dem Kaͤyser frey; doch also/ daß dem Recht der Staͤnde uͤber sie nichts abgehe. Ob wol die Kaͤyserliche Freygebigkeit fast in den Tituln wider sie bestehet. §. 7. Lasse uns ferner sehen/ was der Kaͤyser uͤber die Guͤter der Staͤnde zu gebieten ha- be/ wie weit sie nemlich zu erhaltung des Regiments zu Friedens und Krieges zei- ten contribui ren muͤssen. So viel mir bewust/ gehoͤren alle Zoͤlle/ außerhalb des Kaͤysers Laͤndern/ nur etliche wenig oͤrter außgenommen/ den Staͤnden zu/ welche/ damit sie nicht durch uͤbermaͤssige verstei- gerung der Zoͤlle/ die Commercien unter- druͤcken/ hat der Kaͤyser zugesagt/ er wolle H ij solches Vom Zustand solches abwenden. art. 21, 22. 23. cap. Leopold. Es ist ihm auch nicht vergoͤn- net newe Zoͤlle in den Laͤndern der Staͤnde auffzulegen. So etliche andere dem Kaͤy- ser ausdem Reich gegeben werden/ die sind nicht von grosser Wichtigkeit/ oder kom̃en auff die Cantzeley bediente/ welche vornem- lich aus der ernewerung der Lehen grossen Gewinn haben. Vid. art. 17. cap. Leo- pold. Daß von dem Kaͤyser Tribut an- gesagt werde/ ist den Teutschen unerhoͤret; Und pflegen die Staͤnde nichts gewisses zur Nothdurfft des Regiments zu geben/ ohne was zur erhaltung der Kammer zu Speyer verorduet wird/ wiewol auch die- ses wenige mit zimlichem Verdruß von vielen gezahlet wird. Vor zeiten wenn der Kaͤyser gen Rom die Kron zu holen reyse- te/ musten auch die Staͤnde 4000. Reuter und 20000. Fußknechte bewehren und unterhalten; Weil aber solche Roͤmischn Zuͤge schon vorlaͤngst auffgehoͤret/ dienen die deßwegen gemachte Außschreibun- gen des Teutschen Reichs. gen darzu/ daß wenn man vielleicht etwas ausser der Ordnung conferi ren muͤsse/ man alsbald wisse/ was einem jeglichen von den Staͤnden zukomme. Ob wol auch bey diesen uͤber die ungleiche außtheilung von vielen geklaget wird/ indem etlicher Guͤter mit der zeit ab/ etlicher aber zuge- nommen. Zum Tuͤrckischen Kriege ist den Teutschen ein groß Gelt aufferleget/ und pfleget desselben Schrecken dem ein faͤltigen Voͤlcklein so wol den Leib als den Beutel leichter zu machen. Aber es ist auch hier den Staͤnden nichts durch streng Ge- bot abgefordert. Solches ist auff dem Reichstage oder durch die herumb ge- schickte Gesandten alles erhalten worden/ und das so viel leichter/ weil dieses etlichen Fuͤrsten nuͤtzlich gewesen/ indem sie ein theil dieses extraordinar Tributs vor sich behalten. §. 8. Nach dem die Macht des Reichs auff- gehoben/ ist nunmehr die Freyheit Krieg H iij zu fuͤh- Vom Zustand zu fuͤhren und Frieden zu halten enge ge- nug eingeschrencket. Es koͤnnen zwar die Oesterreichischen Erblaͤnder ein maͤchti- ges Kriegesheer unterhalten/ daß sie aber auch sehr wuͤrden außgeschoͤpffet werden/ wenn sie die Last allein tragen solten/ ist gnugsamb am Tage. Wo demnach die Staͤnde nicht eben so wol zum Kriege/ als zu den Unkosten/ die sie dazu anwenden muͤssen/ werden gewilliget haben/ kan sich der Kaͤyser wenig ihrer Huͤlffe getroͤsten; Und wie sie ihn sonsten/ wenn er von an- dern angefeindet wird/ nicht zu verlassen pflegen; Also leistet niemand einem/ der von sich selbst andere bekrieget/ beystand/ es sey denn/ daß er mit de m Hause Oesterreich sonderliche Verstaͤndniß habe. Es ist viel- mehr den Staͤnden zutraͤglich zu verhin- dern/ daß er keinen andern bekriege/ nicht allein darumb/ weil durch solche Gelegen- heit gantz Teutschland in Unruhe kan gese- tzet werden/ sondern auch/ weil ihnen der Sieg des Kaͤysers selbst wenig angenehm seyn des Teutschen Reichs. seyn wird/ in dem seine Macht zu sehr da- durch zunimpt/ welche sie doch ihrer Frey- heit schwer zu fallen vielleicht nicht unbil- lich sich befuͤrchten. Vid. art. 13. 14. \& 16. capit. Lcopold. Wie auch die Macht des Kaͤysees bey den Veꝛbuͤndnissen zu ma- chen restringi ret sey/ lehret der 10. artic . derselben capitulation. Woselbst ich mich nicht unbillich verwundere/ warumb dem Kaͤyser zwar unter einigem schein jemand zu bekriegen/ oder mit Außlaͤndern Ver- buͤnduiß zu machen/ verboten wird/ nur ohne der Churfuͤrsten bewilligung; da doch newlich bey uns gemeldet worden/ daß viel Fuͤrsten und Churfuͤrsten eine Verbuͤndniß gemacht/ einen hauffen diebischer Strassenraͤuber zu sich gezo- gen/ und der Chur Pfaltz Laͤnder angegrif- fen/ damit sie etliche von seinen Rechten die ihnen unangenehm waren/ uͤberkom- men moͤchten/ und daß sie bey diesem Krie- ge allein seyn zu frieden gewesen/ daß sie dem Kaͤyser oben hin/ uñ nicht ohne Frech- H iiij heit Vom Zustand heit durch Brieffe zu verstehen geben/ was ihr Vorhaben war. Daß gleichsfals ein anderer Bischoff auff sein eigen angeben die ihm benachbarte Hollaͤnder bekrieget habe/ durch welchen Krieg leichtlich ein groß theil Teutschlandes haͤtte koͤnnen ver- unruhiget werdeu. Und dieses ist alles be- gangen bey waͤrendem nñ bloß zu schawen- dem Reichstage: Denn das ist schon laͤngst zur gewonheit worden/ daß sich etliche Fuͤr- sten mit dem Schweden und Frantzosen verbinden/ die sich doch von langem her als Feinde oder æmulos des Hauses Oster- reich erwiesen haben. §. 9. Lasst uns auch sehen/ was der Kaͤyser im Geistlichen Stande zu sagen hat: Denn daß man allhie auch davon handeln muͤsse/ geben Ursach/ die der newen Theologiæ ergebene Politici, welche sich nicht sche- wen/ daß Weltliche Regiment fuͤr ein theil solcher Macht zu rechnen/ da man doch bey den Catholischen gewiß dafuͤr haͤlt/ daß es der des Teutschen Reichs. der Priester Guͤtern sehr schaͤdlich sey/ wo ihm einer neben ihnen in Geistlichen Sachen einige Macht zu disponi ren an- masset/ nnd wo die Layen mit dem Ruhm der unter dem schutz lebenden und berei- cherten Geistlichen nicht wollen zu frie- den seyn. Als deꝛowegen vormahls keine als Ca- tholische Gebraͤuche in Teutschland guͤl- tig waren/ ohne daß Johan Huß einen zimlichen anhang in Boͤhmen hatte/ und die Juden hin und wieder gelitten wur- den; hat Martinus Luther dem Pabst unverhofft grossen Schaden gethan/ daß ein von schlechten U rsachen herruͤhrender Zanck ein groß theil Teutschlanves von dem Gehorsam des Roͤmischen Stuels abwendig gemacht. Wo man die War- heit sagen darff/ hat U rsach gegeben/ daß ein kleiner Funcke zu solcher Feursbrunst gedien/ so wol die ungelahrtheit der jeni- gẽ/ so sich dẽ Luthero erst widersetzet/ als die unvorsichtige præcipitan tz und uͤber- H v eilung Vom Zustand eilung des Pabstes Leonis X . Nemlich es zancketen sich zwey elende Bruͤdergen unter einander/ deren es dem einen umb die Gottesfurcht/ dem andern umb der Priester Gewinn mehr zu thun zu seyn schiene. Anfangs hielten sie alle beyde des Pabsts Ansehen in ehren; da haͤtte sich ein verstaͤndiger Richter bey beeden Thei- len schicken/ oder beeden bey zeiten ein still schweigen aufferlegen sollen/ damit nicht solcher Handel bey dem Poͤbel in arg- wohn geriethe. Man haͤtte nicht so of- fentlich mit den Kraͤmern halten sollen/ daß man nicht meynen moͤchte/ man truͤ- ge mehr sorge fuͤr des Pabstes Beutel/ als fuͤr der Menschen Seligkeit/ oder als weñ er lieber Geld fuͤr die Suͤnde nemen wol- te/ als dieselbige verbieten. U nd wuͤrde den andachtlosen Leuten gelegenheit zu argwohnen an die Hand gegeben/ als weñ die Priester gleiches Wunsches waͤren mit den Artzten und Wundaͤrtzten/ wel- che von den Wunden und Kranckheiten der des Teutschen Reichs. der Menschen ihren Nutzen haben/ und darff niemand glaͤuben/ daß sie es so gut mit ihnen meynen. Wenn das aber naͤr- risch und unverantwortlich gehandelt war/ zum nachtheil der Kirchen recht zu sprechen/ haͤtten sie den so eyferigen Men- schen mit Geschencken oder Verheissun- gen erweichen sollen/ damit er nicht den Layen der Priester Joch vom Halse zu werffen anlaß geben moͤchte. U nd weil die meisten durch Ehrgeitz oder Geschen- cken zu den geistlichen Emptern gelanget/ halte ich es waͤre ein grosses Werck ge- wesen/ einen Muͤnch mit Purpur zu klei- den/ damit er sich nicht umb die Roͤmi- sche Kirche so uͤbel veꝛdient machen moͤch- te. Denn als dieser Martinus merckte/ daß er bey den Priestern nichts billiges erhalten wuͤrde/ hat er sich die Layen auff seine seite zu bringen bemuͤhet/ daher hat er den Pabst/ der sich nun offentlich der Sachen theilhafftig gemacht/ nicht fuͤr einen Richter erkennen wollen/ und da- H vj mit Vom Zustand mit es ihm nicht an Patronen ermangeln moͤchte/ hat er angefangen zu lehren/ daß die vorsorge der Kirchen zu den Weltli- chen Fuͤrsten/ oder die ihnen an Macht gleich seyn/ gehoͤre/ und weil sie sehen/ daß durch die Guͤter/ so die Vorfahren zu gottseligen Gebraͤuchen verordnet/ der Geistlichen faulheit und schlemmerey er- halten werde/ waͤre es billich/ daß solche muͤssige Thiere von ihrẽ Mastkoben auß- gestossen wuͤrden. Dieses ist von vielen mit grosser begierde angenommen/ zum theil weil das meiste der Warheit aͤhn- lich schiene/ zum theil auch/ weil sie ver- hofften/ ihre Einkuͤnffte wuͤrden dadurch verbessert werden. Es war auch das Ge- ruͤcht erschollen/ die einfaͤltige Teutschen wuͤrden von den unserigen vexiret/ indem daß vor ihre Suͤnde gezahlte Gelt zum Bretspiel/ Schwelgerey/ oder den Geitz der Paͤbstlichen Freundschafft zu ersaͤt- tigen angewand wuͤrde. Es ward auch das Sprichwort Martini V. wiederho- let/ des Teutschen Reichs. let/ welches einem Seelen Hirten trefflich wol anstehet; er moͤchte wuͤnschen ein Storch zu werden/ wenn nur die Teut- schen in Froͤsche verwandelt wuͤrden U nd die den Roͤmern vorhin so tapffer wider- standen/ seufftzeten/ daß sie die Religion zu erhalten/ von einem schwachen Volck gar Hew zu fressen gezwungen wuͤrden. U nd ich weiß nicht/ wie viel auch dazu ge- holffen die wiedereinfuͤhrung der freyen Kunste/ daß diese newe Lehre mit solcher Lust angenommen wuͤrde. Denn es ist bey den Gelehrten gemein/ daß sie das je- nige nicht leichte glaͤuben/ was der Ver- nunfft zu wider scheinet. §. 10. Durch diese Gelegenheit ist ein groß theil der Gebraͤuche/ und welche dogma- ta den newen Lehrern uͤberfluͤssig zu seyn schienen/ bey vielen Teutschen Voͤlckern abkommen/ und sind zugleich die Geist- lichen hin und wiedeꝛ von den Geistlichen Guͤtern verstossen. Als den Einnehmern H vij viel Vom Zustand viel Streitigkeiten uͤber diese Guͤter bey der Kammer gemacht wuͤrden/ und die Kam̃er den Geistlichen geneigter zu seyn schiene/ wolten die der newen Religion zugethan/ welche man sonst die Protesti- rende nennet/ die jurisdiction der Kam- mer nur in diesem stuͤck nicht erkennen; Denn ob gleich sonsten die Gesetze vor al- len dingen wollen/ daß den beꝛaubten das jhrige wieder zugestellet werde; So wei- gerten sich doch die Protesti rende nicht ohne U rsach/ mit vorgeben/ man solte zu- vor in einem gemeinen und rechtmaͤssigen Concilio oder andern oͤffentlichen Ver- samlung aussagen/ daß die verstossene Geistlichen die wahre Religion haben. Wo dieses nicht bewiesen wuͤrde/ welches sie ihnen einbildeten/ begehrten sie unver- schaͤmter weise die Guͤter zu geniessen/ welche von den Vorfahren zum wahren Gottesdienst geweihet waren; Deñ weil sie allein durch rechtmaͤssige Gruͤnde und protesti ren oder einwendungẽ nit sicher zu seyn des Teutschen Reichs. zu seyn vermeynten/ machen die meisten eine Verbuͤndniß/ welche sie die Schmal- kaldische nennen/ sich der Gewalt/ so ihnen wegen veraͤnderung der Religion gedre- wet/ zuwider setzen. Darauff ist es zum Kriege gedyen/ und weil solcher auff der Protesti renden seite keinen gluͤcklichen fortgang gehabt/ indem der Churfuͤrst zu Sachsen und Landgꝛaff zu Hessen gefan- gen worden/ schien auch ihre Religion zimlich zu wackeln. Biß durch des Mau- ritii zu Sachsen Waffen ihre Macht wieder zu bessern Kraͤfften kommen/ und der Vertrag zu Passau gemacht wurde/ dessen Puncten hin und wieder bey den Teutschen Scribenten zu finden seyn. Nachmahls aber ist auff dem Reichs- tage/ so zu Augspurg An. 1555. gehalten fuͤr der Religion der Protesti renden herꝛ- liche vorsehung gethan/ durch den Friedẽ/ welchen sie den religions oder geistlichen nennen/ der als ein offentliches Gesetz ge- macht worden; Da hat man sich vor- nem- Vom Zustand nemlich vereiniget/ daß die Parteyen un- ter sich wegen deꝛ religion einandeꝛ nicht angreiffen/ sich beleidigen/ oder solche zu verschweren mit Gewalt treiben solten. So etliche geistliche Guͤter/ die keinem von den unmittelbahren Staͤnden gehoͤ- ret/ von den Weltlichen Staͤnden einge- nommen waͤren/ wenn nur die Geistlichen zur Zeit des Passawischen Vertrags/ oder mitlerweile solche nicht inne gehabt/ solten sie ihren Besitzern gelassen werden/ und solte doch deßwegen die Kammer den Einnehmern kein Recht sprechen. Der Geistliche Gerichtszwanguͤber die Bunds- genossen der Augspurgischen Confession solle auffgeschoben/ und ihnen in Geistli- chen Sachen zu disponi ren freye Macht gelassen werden. Keiner solle des andern U nterthanen zu seiner Religiou ziehen/ noch sie wegen der Religion zu beschuͤtzen sich unterfangen. Den U nterthanen aber/ die nicht einerley Ceremonien mit ihrem Oberherrn haͤtten/ solle verguͤnt seyn/ ihre Guͤter des Teutschen Reichs. Guͤter zu verkauffen/ und anderswo hin zu ziehen. Wo der Religions Streit durch zulaͤssige Mittel nicht beygeleget werde/ solle dieser Friede in Ewigkeit waͤren. §. 11. Man hat aber hefftig druͤber gestritten/ daß den Catholischen Geistlichen verguͤn- stiget wuͤrde bey annehmung der Augspur- gischen Confession, neben ihrer Wuͤrde auch zugleich die geistliche Laͤnder zu behal- ten. U nd gaben die Protesti rende embsig vor/ es wuͤrde ihrer Religion zum grossen Schimpff gedeyen/ wenn man zwar der- selben Profession und Wuͤrde annehme/ die Guͤter aber abstehen muͤsse. Es wurde vielen dadurch der zugang zu der reinen Lehre versperret. Die haͤtten gar nicht im Sinn/ die geistlichen Laͤnder zu profan Nutzen anzuwenden/ oder den Capituln die freye Wahl zu benehmen. Weiln es aber gnugsamb am Tage war/ daß durch diese Freyheit die Catholische Religion in Teutschland in Gefahr gerathen wuͤrde/ haben Vom Zustand haben sich auch die Catholische Staͤnde ih- nen eben so hart widersetzet/ und auff des K. Ferdinandi verguͤnstigung erhalten/ daß auch diese Clausul zu dem religions Frieden zugethan wuͤrde. Si elericus ad protestantium religionem transeat, beneficia quæ habuit Ecclesiastica per- dat, salvâ tamen existimatione . Das ist: Wenn ein Geistlicher zu der Protesti- renden Religion tritt/ sol er die geistliche Beneficien , so er genossen/ abstehen/ seinen guten Namen aber behalten. Ob wol die Protesti rende zu der Zeit/ und etliche mahl hernach/ vornemlich in der Coͤllnischen Sache/ uͤber diese Clausul geklaget/ und vorgewand haben/ daß ihnen selbige nicht angehe. §. 12. Dieser Friede aber hat alle streitigkeiten/ so auß dem unterscheid der Religion ent- standen/ nicht auffheben koͤnnen: Denn es rissen sich auch die der neuen Religion zu- gethan selbst in zwey theile/ da die meisten zwar des Teutschen Reichs. zwar fchlechter Dinge bey den Worten der Augsburgischen Confession blieben/ an- dere aber etliche Dogmata noch besser ab- gefasset vorzustellen vermeinten. Und ob wol den verstaͤndigsten diese Sache nicht werth zu seyn dauchte/ deßwegen einen Buͤrgerlichen Krieg anzufangen/ seyn doch die Gemuͤhter sehr untereinander verbit- tert/ durch die ungestuͤmigkeit der Prediger und Fuͤndgen der Catholischen welchen die mißhelligkeit der Wiedersacher zur Vi- ctoria sehr dienlich seyn wuͤrde. Und als die jenigen/ so weder dem Catholischen noch dem Augspurgischen glauben zugethan/ von dem Religions Frieden außgeschlossen waren/ bemuͤheten sich die Catholischen gar listig/ daß die jenigen/ so der Augspur- gischen Confession zu gethan/ meinen sol- ten/ esgienge solche den andeꝛn/ die da mein- ten sie haͤtten es besser getroffen/ gar nicht an. Ob wol aber diese unterschiedliche mahl offentlich zeugeten/ Daß man jene wegen einer uneinigkeit die nicht Hauptsaͤchlich waͤre Vom Zustand waͤre von dem Geistlichen Frieden nicht absondern solte/ hat doch der Priester Ey- fer gemacht/ daß eine jegliche Parthey thre eigene rationes und Sinnligkeiten haͤtte/ und zum Gemeinen besten nicht viel an- wandte. Ja wenn ein Theil von den Ca- tholischen gedraͤnget wuͤrde/ daß ander der- selben untergange heimlich zusahe/ oder auch huͤlffe darzu schickete. Es sind auch nachmals andere U rsachen der Zwietracht entstanden/ biß endlich in Boͤhmen das Fewr angangen/ wodurch schier das gan- tze Teutschland in Brand gerathen Als in solchem Kriege das Gluͤck anfangs dem Kaͤyser uͤber verhoffen guͤnstig gewesen/ und er schon ein groß theil Teutschlandes bezwungen hatte/ laͤsset er endlich im 29. Jahr dieses Seculi ein Gebot außgehen/ daß die jenige Geistliche Guͤter wieder sol- ten restitui ret werden/ so nach dem Passa- wischen Vertrage die Weltlichen einge- nommen haͤtten. Die geheime Ursach des Gebots war diese/ damit der Kaͤyser die des Teutschen Reichs. die Priester und andere Catholische Staͤn- te auff seine Seite bringen/ und ihnen ein- bilden moͤchte/ wie das jenige was er vor haͤtte/ fuͤr der Religion, und nicht der Staͤnde recht zu unterdruͤcken/ vorgenom- men werde; Wenn er aber durch dieser Huͤlffe/ oder/ daß sie ihm nur nicht zu wi- der waͤren/ die Protestirende bezwungen haͤtte/ waͤre es hernach leichte/ auch die anderen nach seinen Willen zubringen. Es ist aber bekant/ was dieses vornehmen fuͤr einen Außschlag gewonnen. Endlich ist in dem Oßnabruͤggischen Frieden we- gen der Religion weitlaͤufftig Vorse- hung gethan/ in dem 5. Articul allwo der Passawische Vertrag und Religions Friede vom neuen bekraͤfftiget/ und auß- druͤcklich gesetzet/ daß auch solcher die Re- formirte, oder Calvinisten/ wie man sie nennet/ angehe. Es ist hinzu gethan/ daß das jenige/ was nach dem 1. Januarij des 1624. Jahrs in Geistlichen Sachen wie auch in deren betrachtung in politi- schen Vom Zustand schen geaͤndert worden/ in den jenigen Stand wieder solle gesetzet werden/ worin es zu besagter Zeit gewesen; daß also die Geistliche Guͤter/ welche damals die Ca- tholischen inne hatten/ und unterdessen von den Protestiren den eingenommen/ ihnen wieder sollen zugestellet werden/ deßglei- chen den Protestiren den/ was ihnen mit- lerweile die Catholischen abgenommen. Daß die protestircn de unmittelbahre Geistliche Guͤter welche sie zu bemelter Zeit besessen/ jmmer behalten sollen; daß das Recht die Religion zuaͤndern/ welches vorhin den Staͤnden frey zu zustehen schie- ne/ also solle eingezogen werden/ daß die U nterthanen der Catholischen Staͤnde/ so der Augspurgischen Confession zu ge- than/ welche im Jahr 1624 die freye uͤ- bung der Religion gehabt/ solche behalten sollen; die darin waͤren verhindert worden wieder sollen restitui ret werden; Die sol- ches im gedachtem Jahre nicht gehabt/ sol- len ihr Gewissen frey haben/ aber doch ih- ren des Teutschen Reichs. ren Gottesdienst entweder in ihren Haͤu- sern/ oder in benachbaꝛten Oꝛten veꝛrichten. Wo sie aber der Herr des Territorii weg zuziehen befiehlet/ sol es ihnen frey stehen die Guͤter zuverkauffen/ oder durch ihre Diener solche zuverwalten. Etwas hat auch der Kaͤyser seinen U nterthanen den Protestiren den Fuͤrsten zugefallen nach gegeven. Uber dem ist auch vorsehung ge- than/ daß/ wo hernachmahls ein Fuͤrst sei- ne Religion aͤndern wuͤrde/ es ihm unge- strafft frey stunde/ und auch Priester sei- ner Religion am Hoffe bey sich haben koͤnne; Seine Unterthanen aber soler zu seiner Religion nicht mit Gewalt zwingen sondern bey der angenom̃en bleiben lassen. Ob es wol auch diesen vergunt ist ihres Herren Glauben freywillig anzunehmen; Uber dem ist zu mercken/ daß diese Freyheit der Religion gemacht sey nach der art ei- nes Bundes zwischen gleichen auffgerich- tet/ und in welchem es der Kaͤyser selbst mit der einen Parthey haͤlt; Daß auch weder dem Vom Zustand dem Kaͤyser noch den andern Catholischen Staͤnden/ ob sie vielleicht gleich mehr seyn/ als die von der andern Parthey/ allhie et- was zu aͤndern vergunt sey. Es ist aber auch dieses offenbahr/ daß es die Protesti- ren de Staͤnde allhie besser haben als die Catholische/ weil diese von dem Pabste de- pendi ren; jene aber uͤber ihre Geistliche guͤter uach eigenem belieben schalten und walten moͤgen. So doch einige vorsorge der Geistlichen Guͤter dem Weltlichen Regi- ment durch die Decreta der Christlichen Religion angehen koͤnne/ ist am Tage/ daß nur auff diese weise der Priester anse- hen verringert werde. add. artic. 1. \& 19. capitul. Leopold . §. 13. Wir kommen auff die Macht Gesetze zu geben/ wem solche zukomme/ wird klaͤrer erhaͤllen/ wenn wir verstehen/ was Teutsch- land fuͤr ein Recht gebrauche/ und wo sol- ches hergefuͤhret. Woselbsten uns Her- mannus Conring in einem gelehrten Tractat des Teutschen Reichs. Tractat, de origine juris Germanici , den Weg gebahnet/ welchem wir allhie fast nachfolgen. Der jetzt geruͤhmte Conring aber ist etwas weitlaͤufftigtig in der wider- legung der gemeinen meynung/ als wenn das Roͤmische Recht auff befehl Lotharii zu Sachsen umb das Jahr Christi 1130. zugleich in Schulen und Cantzeleyen sey auffgenommen; U nd weiset/ daß die Ge- richte in Teutschlaud biß auff das 13. Se- culum nicht so wol aus dem geschriebenen Recht/ als aus den angenommenen Ge- braͤuchen herruͤhren; oder daß sie nach froͤm̃- und billigkeit Recht gesprochen/ und das zu privat Sachen keine gelahrte Rich- ter erwehlet seyn/ sondern die so wegen ih- res alten Verstandes/ Gottesfurcht und Gerechtigkeit beruͤhmet waren/ da die mei- sten von dem gemeinen Volcke weder lesen noch schreiben kunten. Ferner ist im 13- Seculo das jus canonicum oder geistli- che Recht in Teutschland eingeschlichen/ und seyn darnach nicht allein die Geistliche J son- Vom Zustand sondern auch weltliche Sachen geurtheilet werden. Ob gleich viele von ihren alten Gebraͤuchen nicht abzubringen waren. Umb die Zeit sind auch die alten Gebraͤuche in Schrifften verfasset/ unter welchen fuͤr die vornehmsten gehalten werden die Luͤ- beckischen Gesetze/ und das Magdebur gi- sche Recht/ welches in Teutscher Sprache Weichbild genennet wird. Jmgleichen der Spiegel des Saͤchßschen und Schwaͤbi- schen Rechts/ wie auch das Saͤchsische und Schwaͤbische Lehen Recht. U nd dieser Rechte hat sich fast Teutschland im 13. und 14. Seculo gebrauchet. Jm 15. Seculo ist allgemach das Roͤmische Recht/ wie auch das Longobardi sche Lehen Recht auffkommen/ da die Gelehrten/ welche sich bemuͤhet haben/ ihr Kunststuͤcklein auff al- lerley Weise zu erhaltẽ/ solches Recht zu der Fuͤrsten Rechte gezogen/ dannenhero man auch hin uñ wieder auf die Hohe Schulen in Teutschland solches zu lehrẽ angefangẽ/ nach dem Exempel/ wie es scheinet/ unserer Schu- des Teutschen Reichs. Schulen. Welche sich demnach auff den Schulen dieses Rechtens beflissen/ haben eben dasselbe Recht/ weñ sie auf den Richt- stuel erhoben worden/ allmaͤhlich in die Cantzeley auffgenommen. Und ist im Jahr 1495. vom K. Maximiliano I . verordnet/ daß in der Kam̃er zu Speyer aus dẽ Roͤm. Gesetzen das Recht solte gesprochen wer- den/ da doch die angenommene Gebraͤuche und absonderliche Stifftungen ieglicher Orten in ihrem Ansehen verbleiben solten. Jst derowegen das Recht/ welches jetzund in Teutschland gebꝛaͤuchlich/ gleichsamb ein mischmasch aus dem Roͤmischen/ Geist- lichen/ alten Gebraͤuchen und Stifftungen jeglicher Laͤnder und Staͤdte/ die fast sehr von einander unterschieden seyn. Und dieses wird ordentlich vor Gericht in acht genommen/ daß/ wo eine Land oder Stadt Stifftung verhanden/ solche zu erst gelten muß; Wenn aber diese nicht zu finden/ ge- het man zu dem Roͤmischen Recht/ so weit solches ins gemein angenommen ist. Es J ij haben Vom Zustand haben aber die Reichs Staͤnde diese Frey- heit/ daß sie in ihren Laͤndern/ was die civil Sachen betrifft/ koͤnnen Gesetze geben/ die von dem gemeinen Recht abgehen/ wie auch andere zu ihren Nutzen dienliche Stifftungen machen/ auch ohne des Kaͤy- sers Vorwissen/ wo sie nur nichts dem Zu- stande des gantzen Reichs zuwider in sich halten. Ob gleich viele gemacht haben/ daß ihre Land Rechte durch den Kaͤyser bekraͤff- tiget werden; Ja sie koͤnnen auch in cri- minal Sachen sonderliche Gesetze geben/ denn es wird des K. Caroli V. Peinliche Halsgerichts Ordnung in allem nicht in acht genom̃en. Es haben auch die Staͤn- de das Recht den schuͤldigen die Straffe zu- erlassen. Wo etwas neues/ das alle ver- binden soll/ beschlossen werden muß/ daß kan nicht als auff dem Reichstage durch aller bewilligung zugelassen werden/ und wird eben so woll der Kaͤyser als die Staͤn- de dadurch verbunden. vid. art. 2. capi- tul. Leopold . Die des Teutschen Reichs. §. 14. Die Gerichte in Teutschland sind zu un- terschiedlichen Zeiten auch unterschiedlich gewesen. U nd weil der gelobte Conring sehr artig hievon geschrieben in einem Tractat de judiciis Germanici lmperii , von den Gerichten des Teutschen Reichs/ wollen wir/ die Muͤhe zu versparen/ daß vornembste außsuchen und hieher setzen. Lasst uns demnach erst sehen/ was unter dem Carolo M. ist gebraͤuchlich gewesen; Die Streitigkeiten der Koͤniglichen Fa- milia so wol unter sich als wider andere wurden in der versamlung der Staͤnde und des Volcks geschlichtet/ wie auch die Sachen der Staͤnde : so von grosser Wich- tigkeit waren. Die geringere Streithaͤn- del der Staͤnde wurden durch den Koͤnig oder dessen Gesandten (denn so wurden da- mahls die jenige genennet/ die man heute Commissarien, Visitatores oder besich- tiger/ oder extraordinar Abgesandten nennen koͤnne) auffgehobẽn. Der andern J iij Streit- Vom Zustand Streitsachen beyzulegen/ waren in einem jeglichen Dorff oder district Graffen oder Richter/ welche aus dem Adel oder ehrba- rem Poͤbel etliche außgesonderte Schoͤp- pen oder Beysitzer umb sich hatten/ vom Koͤnige bestellet/ die faͤlleten uͤber civil und criminal Sachen das Urtheil. Die Graf- fen hatten ferner/ weil die Doͤrffer so weit- laͤufftig/ hin und wieder in den Flecken ihre zugeordnete Vicarios oder nach ihrer Sprache Schultheissen; Von welchen man doch zu jenen provoci ren kunte. Uber dem stꝛafften die Priester die boͤse Sit- ten der Christen nach dem geistlichẽ Recht. Die Bischoͤffe hatten uͤber die Geistlichen und Muͤnche zu gebieten. Die Bischoͤffe wurden bey dem Metropolitano, oder vor dem Synodo angegeben; Ob man wol allmaͤhlich an den Roͤmischen Pabst wegen das ansehen solchen Stuels zu ap- pelli ren angefangen. Ja es wurden auch der Layen ihre Sachen ohn unterscheid den Bischoͤffen wegen ihrer vermeynten Hei- lig- des Teutschen Reichs. ligkeit und Auffrichtigkeit auffgetragen. U ber die Geistliche Guͤter duͤrfften nicht die Geistlichen/ sondern die Advocaten oder Vice- Herren/ die sonderlich vom Koͤnige verordnet waren/ richten: daß also die Geistliche Persohnen dem Gerichte der Clerisey/ ihre Guͤter aber dem Gerichte der gemeinen Advocaten unterworffen waren. Von diesen Richtern wurde ap- pelli rt so wol an die Koͤnigl. Gesandten/ welche zu gewissen Zeiten die Laͤnder durch zogen/ als an den Koͤnigl. Pallast selbst/ allwo der Koͤnig selber/ oder der Pfaltzgraff/ der auch die am Hoffe entstandene Sa- chen eroͤrtern muͤste/ uͤber die appellirung sein U rtheil gab. Man duͤrffte aber nicht leichtlich appelli ren/ es sey dann daß die Graffen oder Gesandten/ die Gerechtig- keit nicht handhaben wolten. Doch wuͤr- de alles durch einen sehr kurtzen und klaren Proceß , wie auch wenig Audientzen ge- endiget. Daß man also an dieser Gerichts Art nichts desideri ren koͤnne/ als daß die J iiij Geist- Vom Zustand Geistlichen an den Pabst appelli ren/ wel- cher ob er wol ein heiliger Mann ist/ doch ausserhalb Teutschland seinen Sitz hat. §. 15. Hierin ist mit der Zeit viel veraͤndert. Die Koͤnigl. Sachen habẽ die Churfuͤrsten nach heraus gebung der guͤldenẽ Bulla fast allein an sich gezogen. Der Pabst hat ihm auch uͤber dieselben so viel macht genom̃en/ daß er kein bedencken getragen sie in den Bann zu thun/ und nach dem sie unter- wuͤrffig gemacht/ vom Gehorsam frey zu- sprechen; U ber dem nennet er den Kaͤyser seinen Vasall und das Reich sein Lehen. Wegen der Fuͤrsten Sachen ist auß dem alten dieses geblieben/ daß sie nim̃er dem Ur- thel des Koͤnigs uͤberlassen/ sondeꝛn dieselbe seyn in der versamlung der Staͤnde durch einen schlechten und kurtzen Proceß nach recht uñ billigkeit geschlichtet werden. U nd wann die Kaͤyser vornemlich in dem nech- sten Seculo ihnen allein die Macht genom- men uͤber die Fuͤrstliche Lehen zu urthei- len/ des Teutschen Reichs. len/ haben die behertzte Staͤnde bestaͤn- dig widersprochen. U nd wenn keine andere Zeugnisse verhanden/ gibt das Ge- baͤw des gantzen Reichs gnugsamb zu ver- stehen/ daß solche wichtige U rtheil dem Kaͤyser allein nicht koͤnnen uͤberlassen wer- den. Daß also die jenige offenbahre Schmeichler seyn/ welche das den Teut- schen so genante Fuͤrsten Recht ein vergeb- liches Figment oder Tand haben nennen duͤrffen. Doch ist hernachmahls eingefuͤh- ret/ daß die meisten Fuͤrstliche Familien welchen auch die Freystaͤdte gefolget ihnen Gerichte ihrem guͤtduͤncken nach verord- net haben. Die Teutschen nennen sie in ihrer Sprache Austræge . Deren U r- sprung zu den letzten Zeiten Friderici II. und dem grossen interregno vermuthlich gerechnet wird. Die mehr eine grosse Macht als eine gute Sache gehabt/ haben offtermahl den Krieg zum Schiedsman erwehlet. Daß auch von juͤngster Zeit her die Kaͤyser und Fuͤrsten nicht selber die J v Sachen Vom Zustand Sachen in Augenschein genommen/ son- dern auff ihre im Recht erfahrne Diener verschoben; Welches also geschehen mu- ste/ nach dem an stat der einfaͤltigen Va- terlandes Gebraͤuchen/ die verworrene Paͤbstliche und Roͤmische Gesetze gekom- men/ welche den Fuͤrsten zu erlernen eine grosse Straffe zu seyn vorkom̃en wuͤrde. §. 16. Bey den Geistlichen ist dieses veraͤn- dert/ daß die Sachen der Bischoͤffe/ wel- che die Personen angiengen/ mit der zeit alle nacher Rom gezogẽ/ uñ deꝛ Metropo- litanen und Land-versamlungen ansehen hindan gesetzet seyn. Damit alle geistliche Persohnen dem Weltlichen Gericht ent- zogen wuͤrden Welches bey den Prote- sti renden veraͤndert/ bey den Catholischen aber noch guͤltig ist. Ob wol K. Caro- lus V. und etliche audeꝛe ohne des Pabstes Rath und bey dessen zusehen/ in der Re- ligion et was geordnet/ und an die Geistl. Persohnen Hand gelegethaben. Zur zeit Fri- des Teutschen Reichs. Friderici II . und hernach haben ihnen auch die meisten Geistlichen eine freye verwaltung ihrer Guͤter/ nach dem sie die Advocaten außgesiossen/ angemasset. Es gehoͤren doch die Geistlichen Staͤnde unter dem Reich in betrachtung ihrer Le- hen und Regalien;, welcher sie koͤnnen verlustig werden/ wo sie sich wider den offentlichen Frieden und andere Gesetze des Reichs groͤblich versuͤndiget haben. Die Muͤnche waren der Persohn nach in des Caroli M. Seculo unter der Bischoͤffe jurisdiction , derer nachmals etliche alte Kloͤster entnommen/ und ohne Mittel dem Pabst unterwoffen seyn. Diene- wen Staͤnde/ so umb das 13. Seculum und hernach entstanden/ und ihren Land und General Obrigkeiten unterwoꝛffen/ bekennen sich nun allein zu dem Paͤbstli- chen Recht. Die verwaltung der Guͤter war anfangs gemeiniglich den Advoca- ten anvertrawet/ welchen mit der Zeit et- liche Kloͤster abgenommen; Die meisten J vj sind Vom Zustand sind in ihrem alten Stande geblieben. Etliche wenig sind auch von den offent- lichen Beschwerungen frey gemacht. §. 17. Die Weltliche Sachen des gemeinen Volcks wurden schon zu des Caroli M. Zeit entweder vor den Bischoffen/ die nochmahls ihre Gericht weit außgebrei- tet/ oder vor der Weltlichen Cantzley ver- handelt. Da muste man erst zu den Schoͤppen gehen/ welche vor alten Zeiten in den Doͤrffern und Flecken verordnet waren; Von diesen gieng man zu den Graffen/ deren Macht nachmals viel Hertzoge und Bischoͤffe angegriffen; Von den Graffen kunte man provoci ren an die Koͤnigl Gesandten/ und endlich an dem Koͤnig selbst/ welcher zu letzt am Hoffe die Streitsachen schlichtete Denn weil in dem 15. Seculo die appelli rungen wegen der Langweiligen processen , und Partitenmacher Schalckheit/ gar zu haͤuffig wuͤrden/ ist/ umb selbige desto be- quaͤmer des Teutschen Reichs. quaͤmer abzuschaffen/ berathschlaget worden/ daß man einen geraumen und stetigen Ort zum Gericht verordnen sol- te/ welcher endlich zu Speyer ist bestellet worden. Wo zu ihm verursachet/ nicht allein weil fast die Stelle des Kaͤyserli- chen Hoffes veraͤnderlich gemacht wuͤr- de/ sondern auch weil es schiene daß ein solcher Hauffen Streitsachen am be- quaͤmsten an einem absonderlichen Orte konten abgehandelt werden. §. 18. Mit den jtzigen Gerichten in Teutsch- land ist es also beschaffen: Wenn eine Privat Persohn mit der andern Streit anfangen wil/ gehet sie erstlich zu dem Schultzen der Stadt oder des Fleckens/ da die andere wohnet/ es sey den das die andere priviligi ret sey. Darnach ist in allen Fuͤrstenthuͤmern/ die mir bekand seyn/ ein ober Gericht/ daß dem gantzen Lande gemein ist (sie nennen es die Hoff- oder Land Cantzeley) an welches man appel- Vom Zustand appelli ret. Die meisten Freystaͤdte a- ber vollenden ihre jurisdiction in einer instantz . Die dem gantzen Reich ge- meine Gerichte seynd daß Speyrische Kammer- und das Kaͤyserliche Hoffge- richt. Es haben aber etliche Staͤnde dieses Recht/ daß ihre U nterthanen an die gedachte Ober Gerichte gar nicht appelliren koͤnnen; Als da seyn die Chur fuͤrsten; Ob wol etliche den Geistlichen einen zweyfel erregen wollen/ doch mehr ob sie solch Recht gebrauchen/ als ob sie es haben. Jmgleichen daß Hauß Oster- reich und der Koͤnig in Schweden wegen der Teutschen Provincien. vid. Instru- mentum pacis Westphalicæ cap. X . § 12. welcher zu Wißmar ein Gericht ver- ordnet/ vor welchem die appelli rungen/ die sonst nach Speyer oder dem Kaͤyser- lichen Hoff pflegen verleget zu werden/ ihre endschafft gewinnen add. capitul. Leopold. art . 28. \& 27. Dieses ist aber allen Staͤnden/ so viel mir bewust/ ge- mein/ des Teutschen Reichs. mein/ daß sie von sich nicht appelli ren lassen/ wo nicht die Schaͤtzung der Strei- sachen eine gewisse summa Geldes uͤber- treffe; welche summa doch an etlichen Orten groͤsser/ an etlichen kleiner ist. Die Criminal jurisdiction aber veruͤben nicht allein die Reichs Staͤnde ohne ap- pelli rung/ sondern auch etliche Freystaͤd- te und die meisten Edelleute. §. 19. Wenn die Staͤnde unter ihnen selbst Streithaͤndel haben/ gehen die meisten unter ihnen in der ersten instantz zu den Schiedsleuten oder Austrægen. Deren sind etliche durch einen absonderlichen Vertrag der Staͤnde verordnet/ etliche dependi ren von der gemeinen disposi- tion der offentlichen Gesetze. Jhr erster Ursprung ist unbekant. Die jenigen scheinen der Warheit am nechsten zu- kommen/ welche sie/ wie vorhin gesagt/ zu des Friderici II . Zeiten und das gros- se interregnum rechen. Also ist dersel- ben Vom Zustand ben Urheber/ wie etliche wollen/ nicht der Maximilianus I. ob er ihnen wol eine neue Form oder Gestalt gegeben/ welche in der Kammer ordnung/ so im Jahr 1495. zu Worms beschrieben/ zu finden ist. Auß unterschiedlichen Orten der Au- strægen , die daselbst erzehlet werden/ sind vornemlich zwo gebraͤuchlich/ daß entwe- der der beklagte drey Fuͤrsten und andere Staͤnde benenne/ anß welchen einer von dem Klaͤger sol erwehlet werden; oder man sol einen oder mehr Commissarien von dem Kaͤyser begehren. Es seyn doch etliche Sachen/ die nicht zu den Austræ- gen gehoͤren/ sondern alsbald vor der Kammer oder Hoffgericht muͤssen ge- bracht werden/ welche hin und wieder in den gemeinen Buͤchern gefunden werden. Es haben aber die Austræge diese unbe- quaͤmligkeiten bey sich/ daß man davon an das Kammer- und Hoffgericht appel- li ren koͤnne/ und also wenig streitigkeiten daselbst geschlichtet werden; U nd das viel des Teutschen Reichs. viel unkosten erfordert werden/ dadurch der Fuͤrsten/ die da Schiedsleute seyn/ Commissarien muͤssen beschencket und herrlich tracti ret werden. Da kom̃t hin- zu/ daß das Gericht der Austræge nur ein halb oder ein gantz Jahr waͤren muͤs- se/ da es doch ein wunder in Teutschland sein wuͤrde/ daß in solcher Zeit ein wichti- ger Streithandel beygeleget werde. §. 20. Das Obergericht in Teutschland ist die Kammer zu Speyer/ welche erst auff be- willigung der Staͤnde vom K. Maximi- liano I . im Jahr 1495. eingesetzet ist. Ob sich wol diese in ihren Schluͤssen und Urtheilen allein des Kaͤysers ruͤhmet/ so seyn doch die jenigen besserer meynung/ welche vorgeben/ daß die Kammer nicht von dem Kaͤyser allein/ sondern auch von allen Staͤnden dependi re/ und in deren ansehen Recht spreche. Der Kaͤyser se- tzet uͤber diesem Gericht einen Fuͤrsten/ oder nur einen Graffen oder Freyherrn zum Præ- Vom Zustand Præsidenten. Jn dem Oßnabruͤggischen Frieden ist der Vertrag gemacht/ daß nachmals unter diesem vornehmsten Præ- sidenten, welchen sie den Richter der Kammer nennen/ noch vier unter Præsi- denten von dem Kaͤyser solten verordnet werden/ und in allem 50. Beysitzer/ deren 26. der Catholischen/ und 24. der Prote- stiren den Religion zugethan seyn sollen: damit nemlich die Protestiren de nicht zu klagen/ als wenn ihnen das Recht moͤch- te verhalten werden/ weil die Catho- lischen mehr Beysitzer haben. Wiewol heute zu Tage nicht einmahl der halbe theil dieser Zahl da sey/ in dem die meisten Fuͤr- sten die Beysitzer zu verordnen/ nnd ihnen ihre Besoldung zu geben saͤumig; Weil sie die gebietende Urtheile solchen Gerichts/ ob es gleich selten uͤber seine Worte gehet/ fast nicht hoͤren moͤgen. Wer umb dieses Gericht bessern Bescheid wissen wil/ der muß vornemlich die Verordnung der Kammer lesen/ welche den Reichs Abschie- den des Teutschen Reichs. den beygefuͤget ist. Man sagt ins gemein/ lites Spiræ dicuntur spirare, sed nun- quam exspirare, daß zu Speyer die Streithaͤndel jmmer wehen/ aber nimmer außwehen/ wessen U rsach ist so wol die weitlaͤufftige Processen , als die menge der Sachen und wenigkeit der Beysitzer/ aber die vornehmste/ daß gemeiniglich das Ver- moͤgen fehlet/ die U rtheile außzuuͤben. Da- her geben die jenigẽ so sich auff ihre Macht verlassen/ wenig darauf/ was die zu Speyer beschliessen. U nd seynd eben diese so ver- staͤndig/ daß sie ihr uͤbriges Ansehen nicht wollen in Gefahr setzen/ nemlich U rtheile zu faͤllen/ welche die Maͤchtige verlachen wuͤrden. Es ist aber gebraͤuchlich/ daß so wol hier als vor andern Gerichten die schwache Fliegen bestricket werden. Umb die Maͤngel der Kammer zu verbessern ist in dem Reichs Abschiede des 1654. Jahrs viel verordnet. Von der Kam̃er kan man nicht appelli ren/ so sich aberjemand be- schweret/ kan er eine revision hegehren/ welche Vom Zustand welche doch/ so viel mir bewust/ noch in ei- nem tieffen Schlaffe begriffen ist. §. 21. Es ist auch ein Gericht am Kaͤyserlichen Hofe/ welches sich gleicher Macht mit der Speyrischen Kammer ruͤhmet/ also/ daß die vor demselben beruͤhrte Streitigkeiten/ zu dieser nicht koͤñen gezogen werden/ noch die vor jener beruͤhret zu diesem. Dessen Gesetze hat erstlich der Kaͤyser Ferdinan- dus gegeben im Jahr 1549. K. Maximi- lianus II . hat sie vermehret/ K. Matthias hat sie gar ernewert im Jahr 1614. Es ist auch etwas durch K. Ferdinandum III . auff dem Reichstage zu Regenspurg hinzu gethan im Jahr 1654. Vid. Instru- mentum Pacis art. 5. §. 20. \& art. 41. 42. 43. capit. Leopold . Dieses Gericht dependi ret biß hieher allein vom Kaͤyser/ ob gleich desselben Beysitzer Chur Mayntz als einem Ertz Cantzler des Reichs/ mit ei- nem Eyde verpflichtet seyn; Die U rsach/ waꝛumb dieses Gericht angeordnet/ ist nicht schwer des Teutschen Reichs. schwer zu errathen. Nemlich es verdroß die Oesterreichischen/ daß ihr Hoff nichtfleis- stg besucht wuͤrde/ in deme man zu Speyer uͤber die appelli rungen urtheilete/ und die Justitz suchte: Denn darin laͤsset sich am meisten die Majestaͤt der Herrschafft sehen/ daß die jenigen ihre Zuflucht zu ihr nemen/ die sich bemuͤhen ihr Recht zu erlangen/ oder das U nrecht abzuwenden: U nd wer die Rechts Buͤcher erklaͤrẽ kan/ wird leicht- lich von solcher Goͤttin erhalten/ daß sie nichts antworte/ was seinem Nutzen zu wider sey. U ber dem/ daß ferner die Spey- rische Kammer von dem gantzen Reich de- pendirte , war sie auch ein Rath/ welcher weit vom Kaͤyserl Hofe gelegen; U nd weil solcher bey seinem Rheinstrom bliebe/ schie- ne es/ er truͤge wenig Sorge/ wie es zugien- ge/ wo die Donaw ihren Gang hat. Fer- ner kunten die Streitigkeiten der Staͤnde/ wegen der veraͤnderten art des Rechts/ nicht so fuͤglich/ als vor zeiten auff dem Reichstage abgeschaffet werden. Wo der- wegen Vom Zustand wegen solche der Kaͤyser an sich allein zie- hen koͤnte/ nachdem auch der privat Per- sohnen appelli rungen angenom̃en/ danch- te ihn/ daß ihm eine feste Stuffe gesetzet wuͤrde/ allmaͤhlich uͤber die Staͤnde Koͤnig- liche Macht zu bekommen, Es fehlete auch nicht an einem anmuthigen Schein solch Gericht anzustellen: Denn warumb hatte er in der Capirulation versprochen/ daß er allen die Gerechtigkeit handhaben wolle/ wenn sie alle ihn vorbey nach Speyer lauf- fen wuͤrden? Es kam hinzu/ daß er zusag- te/ es solle vor diesem Gericht kein langsa- mer Proceß gehalten werden. Daher war es anmuthig/ daß man den Streit bald zum ende bringen koͤnte/ wenn einer des Kaͤysers Gunst verdienen moͤchte: Denn die zu Speyer duͤrffen solche weitlaͤufftig- keit nicht abschaffen/ ob sie gleich wolten/ auch in den klaͤrsten Sachen. Der jenige wird die Natur dieses Gerichts besser er- gruͤnden/ welcher bedencken wird/ daß der Rath am Kaͤyserlichen Hoffe noch gehei- mer des Teutschen Reichs. mer und heiliger sey/ in welchem die hoͤch- sten Reichs Sachen vornemlich pflegen verhandelt zu werden. Werden demnach die streitige Sachen erst vor dem Hoffge- richt geschlichtet/ und wenn etliche Politici druͤber gekommen/ werden sie zum Kaͤyser uͤberschicket mit vermelden/ was ihnen bey diesen Sachen duͤncke. Dann werden die Sachen vom neuen in dem geheimen Rath vorgestellet/ da nicht so woll die Ursa- chen des Rechts als des Stats betrachtet werden; Ob es nemlich dem Kaͤyser zu- traͤglich sey/ daß ein solch U rtheil gefaͤllet werde/ ob und wie fuͤglich die Exsecution geschehen koͤnne. Wo in diesen einiger Zweyfel vorgehet/ wird das U rtheil auff- geschoben; Das darff ich aber kaum glau- ben/ daß die Beysitzer dieses Gerichts nicht sehr unwillig werden/ wenn die Partheyen mit Geschencken ihnen an die Hand gehen. Ob wol vielen rathsamb beduͤncket/ sich von diesem Argwohn zu befreyen/ wenn sie sich schaͤmeten/ den streitenden Partheyen an- zuzei- Vom Zustand zuzeigen/ weme es befohlen sey/ ihre Sache im Rath vorzubringen. §. 22. Mit der Exsecution der gedachten U r- theile in diesen obersten Gerichten wird fast also verfahren; Erstlich wird der Parthey/ so die Sache verlohren/ anbefohlen/ bey bestraffung einer gewissen Marcken reines Goldes/ welche theils dem Fisco, theils dem der die Sache gewonnen/ muͤssen ge- zahlet werden/ daß er dem U rtheil geher- same; Wo er sich wegern wird/ wird die Straffe vermehret; Wo einer die Draͤw- worte zu verachten fortfahren wird/ wird er mit dem Bann oder Verweisung ge- strafft/ und mit Kriegsmacht zum Gehor- sam gebracht. U nd zwar so er einem von den Staͤnden unterthan sey/ wird demsel- ben die Exsecution befohlen/ dem der ver- urtheilte unterworffen. Wo der verur- theilte aus der Zahl der Staͤnde seyn wuͤr- de/ wird die Exsecution dem Kraͤys Obristen anbefohlen/ oder einem oder dem des Teutschen Reichs. elnem oder dem andern von den Staͤnden desselben Kraͤyses/ dessen Glied der verur- theilte ist. Wenn ein Kraͤyß nicht maͤch- tig gnug ist/ den verurtheilten zu bezwin- gen/ wird die Sache zweyen oder drey be- fohlen. Es gehen aber selten dergleichen Exsecutiones vor; dann es gedeyet mehr zu Teutschlandes Nutzen und der Staͤn- de Freyheit/ daß solche wichtige Streit- haͤndel durch gewisse Schiedsleute beyge- leget werden. §. 23. Wo endlich was vorfaͤlt/ das die Hoheit des Regiments angehe/ davon darff der Kaͤyser nichts nach seinem Willen schlies- sen/ sondern ein solches Werck muß auff dem Reichstage oder in der versamlung aller Staͤnde vorgestellet und nach ihrer bewilligung beschlossen werden. Vid. Ca- pitol. Leopold. art. 39. sub fin . Weil hievon die Teutschen Scribenten deutlich gnug meldung thun/ wollen wir nur ein weniges davon gedencken. Es stehet zwar K dem Vom Zustand dem Kaͤyser allein zn/ einen Reichstag an- zukuͤndigen/ doch also/ daß der Churfuͤrsten dewilligung auch uͤber desselben Ort und Zeit/ entweder durch Brieffe/ oder durch einen Gesandten muͤsse erfordert werden. Vid. art. 17. Capit, Leopold . Es koͤn- nen auch die Churfuͤrsten den Kaͤyser er- innern umb einen Reichstag zu halten/ wenn es die Noth Teutschlandes erfor- dert. Weil aber derselbe mit grossem U nkosten der Staͤnde gehalten wird/ ist außdruͤcklich an dem gemelten Ort Capit Leopold. die vorsehung gethan/ daß sie der Kaͤyser mit keinem unnoͤtigen Reichs- tage beschweren solle. Zur zeit des inter- regni koͤnnen die Reichs Vicarii , und bey des Kaͤysers abwesen der Roͤmische Koͤ- nig/ wo einer verhanden/ einen Reichstag ankuͤndigen. Die ankuͤndigung geschicht nicht durch ein offentlich allgemeines Ge- bot/ sondern durch einen geschriebenẽ oder gedruͤckten Brieff/ welcher einem jeglichen von den Staͤnden muß eingehaͤndiget und mit des Teutschen Reichs. mit solchen Worten verfasset werden/ die mehr eine freundliche einladung als eine gebietende citi rung mit sich bringen. Und diese ankuͤndigung gehet fast ein halb Jahr vor dem Reichstage vorher/ damit die Staͤude in der stille/ die Sachen so dar- auff sollen abgehandelt werden/ uͤberlegen koͤnnen. §. 24. Es kommt denen/ so die Teutschen An- tiquiteten bekand seyn/ glaͤublich vor/ daß vor zeiten alle Jahr ein Reichstag sey ge- halten worden/ welcher nicht laͤnger als ein Monat gewaͤret. Heute zu Tage ist nichts gewisses beschlossen/ wie offt und lange der Reichstag muͤsse gehalten weꝛden/ sondern das wird alles nach der Nothdurfft des ge- meinen Wesens berahmet/ zum wenigsten solte es also geschehen; Andere halten aber dafuͤr/ dz es der Staͤnde Freyheit zutraͤglich sey/ wenn zu gewisser Zeit/ nemlich alle drey Jahr ein Reichstag gehalten werde/ da man doch die langsame verrichtung der K ij Ge- Vom Zustand Geschaͤffte wie auch die grosse Unkosten et- was einziehen muͤste. Ob wol etliche mey- nen/ daß diese verzuͤgerung und unkosten dẽ Kaͤyser Nutzen schaffe/ weiln die daduꝛch uͤberdruͤssig gemachte Staͤnde vor dem Reichstage/ welcher sonst fuͤr ein kraͤfftig Mittel/ die Freyheit zu erhalten/ gehalten wird/ ei nen abschew bekommen moͤchten. Von dem Orte des Reichstags ist zwar in der guͤldenen Bulla veroꝛdnung gethan/ dz der erste zu Nuͤrnberg solle gehalten wer- den; welches doch bißher nicht so gar ge- naw in acht genommen worden; U nd in den Capitulationen wird nur eines be- quaͤmen Orts/ der nicht außerhalb Teutsch- land gelegen/ und zu welchem die Churfuͤr- sten gewilliget/ gedacht. Es hat sich schon vor laͤngst eine freye Reichsstadt hiezu ge- brauchen lassen/ dessen Ursach nicht so gar unbekand ist. - U nd ich halte die Fuͤrsten wuͤrden sich schwerlich einstellen/ wenn sie/ zum Exempel/ der Kaͤyser nacher Wien beruffen liesse. Es des Teutschen Reichs. §. 25. Es werden alle Reichsstaͤnde/ und zwar unter den Geistlichen auch die jenigen/ die vom Pabst noch nicht confirmi ret und mit dem Mantel außgeruͤstet worden/ auff den Reichstag beruffen. Wo eine Stelle ledig ist/ wird das Capitul beruffen. Die besitzer der Bißthuͤmer/ so die Augspurgi- sche Religion angenommen hatten/ da sie vorhin weder beruffen noch zugelassen wurden/ haben endlich in dem Oßnabruͤg- gischen Frieden eine sonderliche Stelle be- kommen. Bey den Weltlichen Fuͤrsten ist zu mercken/ daß fuͤr den minderjaͤhrigen derselben Vormuͤnder beruffen werden. Es ist auch der Warheit gemeß/ daß die/ welche schon muͤndig worden/ vor der be- gehrten oder erhaltenen investitur sollen beruffen und zugelassen werden/ ob wol die- ses Hertzogen Johan Friderich zu Wuͤr- tenberg auff dem Reichstage zu Regens- burg im Jahr 1608. ist strittig gemacht worden. Wenn in einem Hause das Recht K iij der Vom Zustand der Erst Geburt ist angenommen/ wird der Erstgeborne allein beruffen; Wo aber die Laͤnder getheilet/ wird ein jeglicher beruf- fen/ der von seinem Theil absonderlich in- vesti ret ist. Welche ihre Laͤnder ungethei- let besitzen/ werden zwar alle beruffen/ ha- ben aber nur eine Stimme. Die zum Reichstage beꝛuffen sind/ muͤssen entweder selbst/ oder/ wo ihnen solches nicht gelegen/ durch ihre mit gnugsamer Vollmacht dazu abgefertigte Gesandten erscheinen; Wel- che zu kommen versaͤumet/ werden nichts destoweniger daduꝛch veꝛbunden/ was von den meisten beschlossen worden. Der Koͤ- nig in Boͤhmen darff aus einem sonder- lichen Privilegio zum Reichstage nicht kommen/ es sey dann daß solcher zu Nuͤrn- berg oder zu Bamberg gehalten werde. Dem Hause Oesterreich wie auch den Staͤnden des Burgundischen Kraͤyses stehet es frey zu kommen oder aussen zu bleiben. Die vergebliche gebraͤuche zu er zehlen ist nicht unsers vorhabens. Was des Teutschen Reichs. §. 26. Was auff dem Reichstage sol berath- schlaget und beschlossen werden/ wird von dem Kaͤyser oder dessen Commissarien vorgetragen. Darauff gehet man auff die berathschlagungen. Woselbsten gefraget wird/ ob man in dem berathschlagen und beschliessen eben die Ordnung halten muͤs- se/ die in der vortragung der Sache ist in acht genommen? Oder/ ob man zu einem andern Hauptstuͤck der vorgetragenen Sa- chen/ wenn die ersten noch nicht abgehan- delt/ schreiten muͤsse? Hier haben die Staͤn- de zwar offte vorgegeben/ man duͤrffe nicht so genaw an der Ordnung der Proposi- tion verbunden seyn/ die Kaͤyserlichen aber sind allzeit dawider gestanden/ warumb sie solches gethan/ kan ein verstaͤndiger leiche merckẽ: Was nemlich dem Kaͤyser zutraͤg- lich gewesen/ ist zu erst vorgenommen/ was dem gemeinen besten angangẽ aber zu ruͤck gesetzet worden. Wo demnach die Staͤnde auch davon etwas uͤberlegen wollẽ/ muͤssen K iiij sie Vom Zustand sie notwendig dem Kaͤyser erst zu willẽ seyn; welcher/ nach dem er seiuen Zweck erlanget/ sich umb der Staͤnde Geschaͤffte/ dem an- sehen nach/ nicht so sehr bekuͤmmert hat. Wenn es zum rathschlagen kompt/ wer- den die Staͤnde in drey Collegia unter- schieden/ als der Churfuͤrsten/ der Fuͤrsten und Staͤdte/ welche absonderung man meynet auff dem Reichstage zu Franckfurt im Jahr 1589. angefangen zu haben. Jn dem ersten hat der Mayntzische das dire- ctorium, wie sie es nennen; Jn dem an- dern haben es die Oesterreichischen und der Saltzburgische einer umb den andern; Jn dem dritten hat es die jenige Freystadt/ in welcher der Reichstag gehalten wird. Die Fuͤrsten geben ihre Stimmen von Mann zu Mann; Die Graffen und klei- nere Prælaten Kraͤyßweise. Das groͤste Theil verbindet auch das geringste/ ohne zm dem religions Werck/ und wo die Staͤnde nicht als ein Corpus , sondern als streitende Partheyen betrachtet werden. Es des Teutschen Reichs. Es ist noch nicht entschieden/ ob auch die- ses bey den Collecten gelten solle. Vide Instrum. pacis art. 5. n . 19. Jch halte/ es koͤnne die Sache am fuͤglichsten durch ei- nen unterscheid geschlichtet werden/ ob daß jenige/ was gesam̃let wird/ zu des gantzen Regiments Wolfahrt/ oder nur zu Ge- fallen und sonderlichem Nutzen des Kaͤy- sers gereiche. Was zu jener gehoͤret/ wird kein ehrlicher Mann verhalten/ was aber zu diesem/ darin kan ein jeglicher seiner freygebigkeit billich Maß setzen. Die art und weise zu rathschlagen ist fast diese; Was dem Churfuͤrstlichen Collegio gut duͤncket/ wird dem Fuͤrsten Collegio com- munici ret; Dieses gibt hinwierumb je- nem seine mtynung zu verstehen/ (das nen- nen sie referi ren und correferi ren) und das so lange/ biß sie miteinander einig wer- den. Weñ das geschehen/ geben diese beyde dem Collegio der Staͤdte ihre meinung zu vernehmen; Wenn auch dieses darin ver- williget/ wird dem Keyser odeꝛ dessen Com- K v missa- Vom Zustand missarien die einhellige Meynung der Staͤnde vorgetragen. U nd wenn sie die- selbe gut heissen/ so ist die Sache richtig. Weñ sie nun in den Collegien nicht kon- ten uͤberein stim̃en/ werden die mißhellige Stimmen dem Kaͤyser vorgebracht/ wel- cher sich bemuͤhet/ die streitende duꝛch eine freundliche abhandlung/ nicht aber durch Befehl zu vertragen. Gleicher gestalt auch/ wenn ihm was anders dabey duͤn- cket/ wird die Sache so lange freundlich uͤbergeleget/ biß er auch mit den Staͤn- den/ oder sie mit ihm einig werden. Da- her die gebraͤuchliche Formula in den Reichsabschieden entstanden: Dieses ist zwischen dem Kaͤyser und den Staͤn- den einhellig abgehandelt. Bey dem Collegio der Staͤdte ist in acht zu neh- men/ ob gleich solchem in dem Instrum, Pacis artic . 8.§. 4. ein Votum dec i si- vum zugeleget worden/ da vorhin die an- dern darauff bestunden/ daß es nur zu be- rathschlagungẽ solte zugelassen werden; So des Teutschen Reichs So thun doch die beeden obersten Col- legia diesem nichts zu wissen/ ehe sie mit- einander uͤberein kommen; doch also/ daß jene als das groͤssere Theil ihre Schluͤsse mit Befehl diesem wider seinen Willen nicht auffbuͤrden koͤnnen/ sondern wo es anderer meynung ist/ wird die Sache vor dem Kaͤyser gebracht/ biß man auch allhier einig wird. Was nicht kan beygeleget werden/ pfleget man biß auff eine andere Zusammenkunfft auff- zuschieben. Was dergestalt allen belie- bet hat/ wird von dem Mayntzischen Di- rectorio in eine rechtmaͤssige Form eines Abschieds verfasset/ vom newen wieder uͤber gesehen/ und nach der unterschrei- bung und versiegelung offentlich heraus gegeben. §. 27. Halte demnach dafuͤr/ daß es klar gnug sey/ was der Kaͤyser wegen der vornehm- sten Stuͤcke deꝛ hoͤchsten Gewalt vor sich behalten. Doch sind etliche Rechte/ die K vj der Vom Zustand der Kaͤyser allein in Teutschland veruͤben darff/ unter welchen man rechnet 1. das jus primarïarum precum, Krafft welcher der erwehlte Kaͤyser in einem jeglichen Collegio der Geistlichen eine Persohn zum geistlichen Beneficio darstellen kan. Welches Rechten sich doch nicht so wol der Kaͤyser selbst als die Geistlichen schaͤmen solten/ welche/ da sie fast alle das ihrige der freygebigkeit der alten Kaͤyser zuschreiben/ ihm nicht mehr als die erweisung eines Beneficii in jeg- lichem Collegio gelassen/ die zu deme nur als eine Bitte guͤltig ist. 2 Daß er al- lerhand arten der Wuͤrde außtheilet. vid. tamen art. 43. \& 44 capitul. Le- opold. 3. Das die investitur , belegung der Fuͤrstlichen Lehen/ und was durch die Fahne pfleget bemercket zu werden/ von ihm allein eꝛhaltẽ weꝛde 4. Daß er offent- liche Schulen oder Academi en auffrich- tet. 5. daß er vergoͤnnet eine Stadt zu bauen/ und was sonsten schlechtere Dinge mehr seyn. Man des Teutschen Reichs. §. 28. Man kan aber auch leichte darauß vernehmen/ was den Staͤnden an der hoͤchsten Gewalt noch mangele/ nemlich an die meisten unter ihnen das Recht ihre Unterthanen auch am Leben zu straffen; Sie geben Gesetze die auch dem gemeinen Recht zu wieder seyn; Sie haben die Religions Freyheit; Sie nehmen alle Einkuͤnffte ihrer Laͤnder zu sich; Sie le- gen Tribut auff; Sie machen unter sich und mit Außlaͤndischen Verbuͤndnisse/ wenn sie nur nicht dem Kaͤyser oder dem Reich zu wieder seyn. vid. instrum, pa- cis art. 8. §. 2. \& capitul. Leopold. cap . 6. \& 8. Welches Recht den mittelbah- ren Buͤrgern des Reichs außdruͤcklich benommen/ art. 9. capitul. Leopold. Sie verthaͤtigen sich mit Waffen/ oder raͤchen das ihnen angethane U nrecht mit Gewalt/ vornemlich wieder die Außlaͤn- der. Sie bauen Festungen in ihren Laͤn dern; Sie lassen Muͤntze schlagen; U nd K vij was Vom Zustand was sonsten zur regierung einer Land- schafft von noͤthen. add. art. 33. 34. ca- pitul. Leopold \& nistrum. pacis artic . 8 §. 2. zur sonderlichen Wuͤrde der Chur- fuͤrsten gehoͤret der 5. articul. capitul. Leopold. Und zwar veruͤben sie dieses al- les auß ihrem Recht/ und nicht an stat des Kaͤysers. U nd gehet nicht so wol ih- rer Macht/ als die art solche zu haben an/ daß sie ihre Laͤnder als Lehen vom Kaͤy- ser und Reich erkennen: Denn weil sie solche mit Erb Recht auff ihre Nachkom- men bringen/ hat die investitur vielmehr die Macht eines gemeinen gebrauches/ als einer wahren belegung; Weil sie nie- mand/ der sie zu rechter Zeit begehret/ kan verwegert werden Der Eyd treu zu seyn wird ohne verletzung eines jeglichen Rechte verstanden; deñ es ist gemein/ daß sich auch Bunds genossen mit einem Eyde verknuͤpffen. Zu deme ist auch dieses keine so grosse Last/ oder zeuget von einer unter werffung/ daß sie sich auff dem Reichs- tage des Teutschen Reichs. tage auf eigeue Unkosten einstellẽ muͤssen: Deñ das pfleget bey allen Zusam̃enkunff- ten der Bundsgenossen zu geschehen Ebẽ wenig kan auch daraus/ daß sie zu des Reichs Nothturfft beytragen/ etwas er- zwungen werden. Endlich/ welches daß haͤrteste zu seyn scheinet/ dz einer von den Staͤnden vor den Obersten Gerichten koͤñe zu Recht gezogen/ und so er groͤblich wider das Reich gesuͤndiget/ verwiesen und seiner Laͤnder beraubet werden/ ist auch nicht wieder die Natur der Ver- buͤndnisse: Denn bey den alten fallen auch dergleichen Exempel vor in der Ver- buͤndnisse der Amphictyonum uñ Achæ- er in Griechenland; U nd haben wir in unserm Seculo gesehen/ daß die vereinig- te Niederlaͤnder die Stadt Groͤningen mit einem Castel auff eine Zeit in Zaum gehalten. Denn Teutschen Staͤnden aber ist gnugsahme vorsehung gethan in art. 28. capitul. Leopold. Daß aber der je- nige/ welcher sich den andern verwegent- lich Vom Zustand lich und Halßstarriger Weise wieder- setzet/ von ihnen gesteuret werde/ pfleget auch in einer gleichen Geselschafft zu geschehen. Das VI. Capitel. Von der Form oder Art des Teutschen Reichs. §. 1. G Leich wie die Gesundheit und Ge- schickligkeit so wol der Natuͤrli- chen als kuͤnstlichen Leiber auß der fuͤglichen Harmonia und verknuͤpffung der Theile unter sich entstehet; Also wer- den auch die corpora moralia oder Ge- sellschafften/ starck oder schwach geschaͤ- tzet nach dem derselben Theile wol oder uͤbel unter sich verknuͤpffet befunden wer- den; Nach dem sie eine schoͤne Gestalt o- der etwas unordentliches und scheußli- ches an sich haben. Es ist aber auß dem vorheꝛgehenden klar genug gewiesen/ daß etwas in der Teutschen Regiment/ weiß nicht des Teutschen Reichs. nicht was verborgen sey/ welches nicht zu- gjebet daß man selbiges unter den ein- fachen Formis oder Arten der Regimen- ter zehle/ wie solche ins gemein von den Politieis beschrieben werden. Wir muͤs- sen so viel genauer die eigendliche Form dieses Reichs erforschen; Wie viel groͤ- ber die meisten Scribenten solcher nation allhie theils auß unwissenheit der wahꝛen civil Wissenschafft/ theils weiln die mei- sten/ wenn etwa vieler meynungen ohne Verstand in ein Buch zusammen getra- gen/ dasselbe als etwas newes so fort an- nehmen/ geirret haben. Jch verheis- se mir aber so viel leichter verzeihung we- gen der etwas weitlaͤufftiger als zarten Ohren austehet/ eingemischten schola- sti schen subtilitä ten/ wie viel schwerer es ist ohne diesen von dem Zustande Teutsch- landes ein gnuͤgliches Urtheil zu faͤllen. Wie woll man bey den verstaͤndigen nur wenig Worte gebrauchen duͤrffte/ wo man nicht der andern albere Theiding/ die von vielen gut geheissen/ weitlaͤuffti- ger wiederlegen muͤste. Jst Vom Zustand §. 2. Jst demnach dabey/ wenn man jegliche Theile oder Staͤnde des Reichs absonder- lich betrachtet/ wenig schwirigkeit. Denn alle weltliche und geistliche Fuͤrstenthuͤmer (deren jene durch Erbschafft/ diese durch die Wahl conferi ret werden) wie auch die Graffschafften sind gleich den Monarchi- en; doch mit diesem unterscheid/ daß an et- lichen Orten der Fuͤrsten Macht absolut, an etlichen durch gewisse Pacten mit den Staͤnden/ wie man sie nennet/ oder mit den Landsassen/ limiti ret sey. Etliche Freystaͤdte aber werden aristocraticè (da die Vornehmsten das Regiment fuͤhren) regieret/ in welchen nemlich der Rath die hoͤchste Gewalt hat/ in welchem Recht die vornehmsten Buͤrger durch der Raths- herren Stimmen auffenommen werden/ und wo der Rath weder von dem gemei- nen Poͤbel kan zum Gehorsam gebracht werden/ noch von seiner verwaltung Re- chenschafft geben darff. An andern Or- ten des Teutschen Reichs. ten gilt die Democratia, woselbsten der Rath durch der Zuͤnffte Stimm ersetzet wird/ und de Zuͤnffte macht haben in den Rath zu inquiri ren. §. 3. Was aber dem gantzen Leibe Teutsch- landes fuͤr eine Regiments Form muͤsse beygeleget werden/ daruͤber seynd die Scri- benten selbiger nation nicht einig/ wel- ches ein gewisser Beweiß ist eines sehr ir- regular Regiments/ wie auch der unwis- senheit der Scribenten, welche mit fast keiner oder einer gar geringen civil Wis- senschafft außgeruͤstet sich uͤber das jus publicum, wie sie es nennen/ zu com- menti ren machen. Jch weiß nicht/ daß ich noch jemand gesehen/ der selbigẽ Reich die formam democraticam beygemessen. Doch sind etliche/ so nur die jenigẽ Buͤrger odeꝛ Staͤnde des Reichs neñen wollen/ wel- che das Stim̃recht auf dem Reichstage ha- ben/ die zweiffels ohne dem Aristoteli ge- folget/ der denselben einen civem oder Buͤr- Vom Zustand Buͤrger nennet/ welcher das Recht zu rathschlagen/ und eine Stimme in dem Regiment zu geben hat. Wenn wir dieses annehmen/ wird traun das Teutsche Reich eine democratia seyn/ als dessen Buͤrger allein die Staͤnde sind/ welche alle und jeg- liche freylich das Recht von dem Regiment zu rathschlagen und etwas zu beschliessen auff dem Reichstage haben. Dem Kaͤy- ser aber wird es als einem eigentlich so ge- nanten Fuͤrsten zukommen. Der jenige muß aber gar unbedachtsamb seyn/ der die- se Aristoteli sche definition weiter als auff die Buͤrger/ so in den Griechischen democratien lebeten/ außdehnen wolle: Denn wer wolte freyen Menschen und Hausvaͤtern die in einem Reich oder Ari- stocratia leben den Buͤrger Nahmen ver- weigern/ ob gleich solche zu keinem theil des Regiments gelassen werden? Oder wer wolte sagen/ daß in einem Reiche der Koͤ- nig/ und in einer Aristocratia die Raths- herren allein Buͤrger seyn. Die des Teutschen Reichs. §. 4. Die meisten/ welche ihre vorereffliche ci- cil Wissenschafft und eyferige Begierde der Freyheit wollen an den Tag geben/ hal- ten Teutschland fuͤr eine wahre und lautere Aristocratia , und geben ihre meynung zu behaupten gar sorgfaͤltig fuͤr: 1. Es solte sich einer aus dem eusserlichen Anse- hen/ hoffertigen Tituln und Formuln , die von nichts als einer Monarchia zeugen/ nicht bewegen lassen/ deren ein grosses theil aus der eigenschafft der Teutschen Spra- che/ die solche vergebliche Ehrentitul haͤuf- fig von sich wirfft/ herruͤhret; Etliche waͤ- ren aus dem alten Regiment/ von welchem das heutige weit abweichet/ uͤbergeblieben. Denn die jenigen haͤtten die hoͤchste Ge- walt/ welche das Recht haben aus eigener Macht in Hauptsachen etwas zu schliessen/ wie sie auch endlich woͤchten genent wer- den. 2. Es sey der Natur der Aristo- eratien nicht zuwider ein etwas vorneh- mer und am ansehen die andern uͤbertref- fendes Vom Zustand fendes Haupt zu haben/ welches in der ver- samlung der Vornehmsten gleichsamb des Directoren und Præsidenten Stelle ver- treten solle 3. Man muͤsse einen unter- scheid machen zwischen der Regiments- Form selbst und zwischen der art und weise der administration oder verwaltung. Welchen unterscheid man also anfuͤhren muß/ daß sichs bißweilen zutraͤgt/ ob es scheine/ ein Regiment begehre der jenigen verwaltungsart nachzufolgen/ die aus der Form eines andern Regiments entstehet/ oder nur einig Zeichen derselben vorwen- de. Also/ weñ ein Koͤnig etwas von Reichs Sachen vor dem gemeinen Volck oder Rath braͤchte/ wird es zwar dorten das an- sehen haben einer Democratia, hier aber einer Aristocratia; Und wird doch die Regiments Form in der That Monarchi- ca seyn/ weil die versamlung des Volcks und der Rath als Raͤthe gebrauchet wer- den/ und der Koͤnig nicht nothwendig von ihnen dependi ret. Hingegen/ wenn in ei- ner des Teutschen Reichs. ner Democratia oder Arlstocratia eine hoͤhere Obrigkeit oder eigentiich so genan- ter Fuͤrst waͤre/ der allein und vornemlich Recht haͤtte/ von den offentlichen Geschaͤff- ten zu referi ren/ und die Gesetze und Schluͤsse zu vollfuͤhren/ und unter dessen Namen die Acta und Decreta publica außgefertiget wuͤrden; So wird zwar ei- niger schein der Monachia in der Regi- ments verwaltung seyn/ die hoͤchste Gewalt aber wird in der That bey dem Volck/ oder der versamlung der Vornehmsten verblei- ben. Es sind zwar etliche/ welche diesen Unterscheid vornemlich mit dem Beweiß widerstreiten/ daß weil die Form sey ein an- fang der Handlung/ diese freylich nicht an- ders seyn koͤnne/ als es die Art der Form zulaͤsset. Nun sey aber die Regiments- Form gleichsamb der Bruñ/ aus welchem die wirckungen solche zu verwalten hervor fliessen/ koͤnne derowegen nicht geschehen/ daß die verwaltung von der Form selbst unterschieden sey. Darauff antworten et- liche Vom Zustand liche also/ daß sie die verwaltung unter- scheiden in die/ so unter ihrem eigenen/ und die so unter eines frembden Nahmen ge- schicht. Jene zwar geben sie zu koͤnne von der Regiments Form nicht unterschieden seyn/ Daß diese aber eine was andere Ge- stalt haͤtte/ koͤnte nichts hindern. U nd also verhaͤlt sich die Sache. Die unterschiede- ne Regiments Formen entstehen aus dem subjecto, bey welchem die hoͤchste Gewalt ist/ nach dem solches entweder eine einige Persohn/ oder eine versamlung ist aus al- len oder wenigen. Es ist aber nichts dran gelegen/ was diese hoͤchste Gewalt fuͤr Die- ner oder Exsecutores habe. Daß ich ge- schweige/ daß Axioma , worauff dieser Be- weiß beruhet/ gelte nur in natuͤrlichen Sachen/ werde aber bey den jenigen nicht fuͤglich angefuͤhret/ die ihr Thun frey gu- berni ren moͤgen. §. 5. Ob vielleicht aber dieses subtil gnug in den Schulen koͤnne disputi ret werden/ wird des Teutschen Reichs. wird sich doch niemand bereden lassen/ daß das Teutsche Reich eine Aristocratia sey/ der die Politische Sachen etwas gena verstehet; Denn zu einer Aristocratia wird erfodert/ daß die hoͤchste Gewalt bey einem von den Staͤnden/ und jmmerwaͤ- rendem Rath sey/ der da berathschlagen und schliessen koͤnne von allen zum Reich gehoͤrigen Geschaͤfften/ da die vollfuͤhrung der taͤglichen oder sonderbahren Sachen gewissen Obrigkeiten zugeleget/ welche dem Rath von dem was vorgangen/ Rechen- schafft geben muͤssen; Ein solcher Rath aber ist in Teutschland nicht zu finden. Denn die Kammer zu Speyer und das Kaͤyserliche Hofgericht urtheilen nur uͤber die appellationes. Der Reichstag aber ist gar nicht einem stetigen und jmmerwaͤ- renden Rath zu vergleichen/ der uͤber alle Geschaͤffte/ so dem gantzen Regiment ange- hen/ zu disponi ren macht haͤtte; als wel- chen man nur sonderlicher U rsachen we- gen außzuschreiben pfleget. Es ist aber sehr L ein- Vom Zustand einfaͤltig/ wenn man glaͤuben woltte/ daß der Reichstag und das darauff die meisten Stimmen geltẽ eine unfehlbare anzeigung sey eines Aristocrati schen Standes: Den̄ es ist gnugsam̃bekand/ daß in vielen Koͤnig reichen Reichstage gehalten werden/ auff welchen man die Stimmen zehlet/ und koͤn- nen zum Exempel gnug seyn die Koͤnig- reiche Engelland/ Schweden/ Schottland Was ist aber gebraͤuchlicher/ als das zwi- schen Bundsgenossen/ die durch eine ge- nawe Veꝛbuͤndniß gleichsamb ein Leib wor- den/ Zusammenkuͤnffte oder gewisse Tage zur gemeinen berathschlagung gehalten werden? Welche bey den Bundsgenos- sen eben so groß Ansehen haben als der Reichstag bey den Reichs Staͤnden/ zum Exempel koͤnnen aus den Alten die Gesell- schafft der Amphictyonen und Achæer , aus den heutigen die Schweitzer und ver- einigte Niederlaͤnder angezogen werden. Darnach ist dieses bey rechten Aristocra- tien der Gebrauch/ daß zwar niemand hoͤ- her des Teutschen Reichs. her sey als der gantze Rath/ doch ein jegli- cher von den Rathsherren dem gantzen Rath nicht weniger gehorsame/ als die an- dern Buͤrger/ und eben so wol uͤber jene/ als uͤber diese das Halsgericht veruͤbet werde; welches gar weit von der Fꝛeyheit der Teut- schen Staͤnde ab ist; Also haben in den Aristocratien die Vornehmsten ihr pri- vat Erbtheil/ welches der andern Buͤrger Guͤter zum offtern weit uͤbertrifft/ und ist doch eben so wol dieses Erbtheil der Raths- Herren/ als was ausser dem die uͤbrige Buͤrgerschafft besitzet/ der hoͤchsten Herr- schafft des gantzen Raths unterworffen/ und dessen Gesetzen verpflichtet. Jn Teutschland aber/ wenn man außnimpt was einem jeglichen von den Staͤnden an- gehoͤret/ bleibet nichts uͤbrig/ daß allen an- gehe. Und wuͤrde dem jenigen nicht wol- gehen/ der bey ihnen sagen wolte/ daß alle Staͤnde uͤber eines jeglichen insonderheit Guͤter so viel Macht haͤtten/ als in der Venedischen Republicq der gantze Rath L ij uͤber Vom Zustand uͤber eines jeglichen Raths Herren Guͤter hat: Denn daß sie des Churfuͤrsten von Mayntz Alberti Spruch anfuͤhren/ wel- chen er vorgebracht/ als von der Wahl des Caroli V. vor dem Francisco gehandelt ward/ daß dieser zu einer Monarchia ge- neigt sey/ die Teutschen Fuͤrsten aber wol- len die Aristocratia behalten; Darauff ist leicht zu antworten: Denn von einem sol- chen Prælaten eine gruͤndliche civil Wis- senschafft zu fodern/ wuͤrde nicht wol sie- hen/ und der Verstand ob er gleich mit un- fuͤglichen Worten gegeben/ ist er doch an sich deutlich/ nemlich/ wo den Teutschen Fuͤrsten ihr gegenwertiger Zustand lieb waͤre/ solten sie sich fuͤr des Frantzosen Ge- biet huͤten/ welcher/ wie er sich in seinem ei- genen Reich bemuͤhet/ der Vornehmsten Zustand nach den Gesetzen einer genawen Monarchia einzurichtein/ ausser Zweyfel ein gleiches wider die Teutsche Fuͤrsten versuchen wuͤrde. §. 6- Es des Teutschen Reichs. Es ist noch uͤbrig/ daß wir zu sehen/ ob das Teutsche Regiment koͤnne unter die Monarhien gerechnet werden/ deren zwo Classen seyn/ als die absolut oder freye und limitirre oder mit gewissen conditi- nen umbschrenckte. Jn jenen hat der Koͤ- nig allein/ oder wie er mag genennet wer- den/ Macht von den wichtigsten Sachen nach eigenem gutduͤncken zu schliessen. Jn diesen aber ist der Koͤnig die Actus der hoͤchsten Gewalt zu veruͤben/ an gewissen Gesetzen gebunden: Welche diesen unter- scheid der Monarchien nicht genaw in acht genommen/ haben in dieser Materia sehr gefehlet; Jn dem sie aus den U rsa- chen/ wodurch dem Kaͤyser die absolut oder freye Gewalt versaget wird/ gemey- net/ es werde ihm nicht einmahl eine limi- tirte gelassen. Ob wol der jenige/ so dem Kaͤyser eine freye Macht beymessen wil/ einer im Vaterlande geborner Ham̃el seyn muͤsse. So seyn doch die Beweißthuͤmer/ welche angefuͤhret werden koͤnnen/ mehr L iij eines Vom Zustand eines anpfeiffens als einer ernsthafftigen Widerlegung werth. Es ist eben so unge- reimt/ daß man aus dem Gesichte Danie- lis, als aus den Buͤchern des Roͤmischen Rechts/ die Gewalt des Teutschen Kaͤy- sers beschreiben wolle. Daß der Kaͤyser niemand als Gott und den Degen uͤber sich erkennet/ solches eignet ihm nicht mehr ein freyes Gebiet uͤber die Teutsche Fuͤrsten zu/ als der Provintz Holland uͤber die uͤbrigen sechs/ dere freylich derselbigen Ruhm fuͤg- lich kan beygeleget werden. Die vergeb- liche Titul (daß er nemlich von allen Staͤn- den Allergnaͤdigster Herr genennet wird/ dz sie in den unteꝛschreibungen der Brieffe und sonsten ihren Gehorsam weitlaͤufftig zusagen) hat die Natur des Seculi und der styl des Landes auffgebracht/ die fast nichts mehr vermoͤgen als andere Ehren- worte/ von welchen auch ein jeglicher Faul- lentzer weitlaͤufftig zu seyn pfleget. Auch ist nur ein vergebliches Wort-gelaut/ die voll- kommenheit der Gewalt aus der Schrei- ber des Teutschen Reichs. ber compliment- Brieffen abzunehmen. Endlich schweren die Staͤnde dem Kaͤyser trew zu seyn/ doch ohne nachtheil ihrer Freyheit und Rechte. Wie viel Macht sie ihm nun gelassen/ ist schon droben gnug- samb zu sehen gewesen. Aber mehr hievon zu reden wuͤrde sich nicht schicken. §. 7. Die jenigen aber/ welche dem Kaͤyser eine Koͤnigliche und hoͤchste/ doch nicht freye sondern mit gewissen Gesetzen umb- schriebene Macht zueignen/ haben eine der Warheit fast am aͤhnlichsten Meynung/ welche man auch hoͤret/ daß sie bey solchen hin und wieder in den Schulen verthaͤti- get werde; Diese hat erstlich/ so viel uns bewust/ als die Kriegsflam zwischen dem Kaͤyser und den Schweden in Teutsch- land am hoͤchsten brandte/ einer unter dem falschen Namen Hippolithus â lapide , zu bestreiten sich unteꝛnommen/ welcher/ ob er wol viel hat/ daß niemand/ ohne der alle Scham verschworen/ leugnen kan/ ist doch L iiij eben Vom Zustand eben so wol offenbahr/ daß er in vielem feh- be/ und aus unversoͤhnlichem Haß gegen dem Hause Oesterreich mit der andern Parthey halte. U nd ob wol dieses Buch verboten worden/ so ist doch damit nichts anders außgerichtet/ als daß die Gelehrten es desto theurer erkaufften und lieber lasen. Wir haͤtten auch dessen allhie nicht eben gedacht/ wenn gedachtes Buch nicht eben bey den meisten in grossem Werth zu seyn schiene/ und man nicht befunden/ daß die/ so dawider geschrieben/ vielmehr Possen ge- trieben oder geschmeichelt/ als seine Gruͤn- de widerleget. Wie nun dieser gar recht dem Kaͤyser die hoͤchste und Koͤnigliche Macht uͤber die Staͤnde abspricht/ also ist er darin sehr unbedachtsamb/ daß er ihn den Staͤnden unterwirfft/ und demselben/ der mit so viel Tituln herein pranget/ die Wuͤrde einer blossen Obrigkeit gleichsamb bittweise zulaͤsset. Als wenn nothwendig eine Aristocratia seyn muͤsse/ wo keine freye Monarchia zu finden; oder jemand den des Teutschen Reichs. den jenigen gaͤntzlich fuͤr seinen Oberherrn erkennen solte/ welchem er nach belieben nicht zu gebieten hat. Wer dieses nur wird in acht nehmen/ der kan ohne Muͤhe seine meisten Gruͤnde uuguͤltig machen. Ob er auch wol hin und wieder viel unnuͤtz Ge- waͤsche hinein mischet/ dessen wir nur ein weniges als zum uͤbeꝛfluß erzehlen wollen; Er sagt an einem Orte/ daß die Staͤnde die Majestaͤt oder hoͤchste Gewalt haben/ bey welchen sie auch zu finden/ wenn kein Kaͤy- ser ist. Aber wer weiß nicht/ daß in allen Koͤnigreichen zur zeit des interregni die hoͤchste Gewalt wieder auff das Volck/ oder die solches repræsenti ren/ als die Staͤnde komme; welche sie doch/ nach dem ein ne- wer Koͤnig erwehlet/ nicht laͤnger behalten. Es erkennet auch einer den jenigen nicht alsbald vor seinen Oberherrn/ deme er sich Rechenschafft zu geben anbeut; Anders thut man deme Rechenschafft/ vor welches bestraffung man sich fuͤrchtet/ wo die Rech- nung nicht bestehen wird; Anders dem/ L v welchem Vom Zustand welchem einer wegen der Verbuͤndniß nur verpflichtet ist; Endlich demselben anders/ dessen guten Nahmen er in Ehren haͤlt. Also befleissigen sich die Koͤnige/ wenn sie Krieg anfahen wollen/ der gantzen Welt davon gleichsamb Rechenschafft zu geben. Also thut ein Bundsgenoß dem andern/ ein Vormund seinem Waisen von den verrichteten Geschaͤfften Rechnung. U ber dem ist derselbe nicht alsbald hoͤher als der ander/ oder hat uͤber ihn zu gebieten/ der ihn von seinem Ampte setzen kan: Denn es kan einer nur aus der Verbuͤndniß vie- ler Leute gemeine Geschaͤffte zu verrichten vorgestellet seyn/ daß keinem ein eigentlich so genantes Gebiet uͤber dem andern zu- komme; welcher/ woferne man keine laͤnger beliebung zu ihm traͤget/ auff keine andere weise vom Ampte gesetzet/ und also der mit ihm gemachte Contract aufgehoben wird/ als wenn er den fuͤrgeschriebenen Gesetzen kein gnuͤgen gethan. Man moͤchte zwar wol zweiffeln/ daß zur zeit Henrici IV. und Adol- des Teutschen Reichs. Adolphi Nassovii alles nach dem Recht sey verhandelt worden/ wenn nicht bekand waͤre/ daß die Ehrwuͤrdige Prælaten da- mahls das beste bey der Sachen gethan. Was er von dem Reichstage weitlaͤufftig disputi ret/ ist zwar wahr/ wird aber ver- geblich daß was er vorhaͤlt zu beweisen an- gefuͤhret: Denn gleich wie der Kaͤyser den Staͤnden wider ihren Willen nichts auff- erlegen kan; Also halte ich sey unerhoͤrt/ daß diese dem Kaͤyser etwas wider seinen Willen mit Befehl auffbuͤrden koͤnnen. Die Churfuͤrsten schreiben zwar dem Kaͤy- ser in der Capitulation vor/ was er thun nnd lassen soll; nicht aber als aus Macht einiges Gebiets uͤber ihn/ sondern durch ei- nen Contract, welcher so viel vermag/ daß/ wo er den Staͤnden etwas dawider aufflegen wolle/ sie ihm ungestrafft nicht gehorchen duͤrffen. Denn dieses ist nicht aus einer Gewalt/ welche den Staͤnden uͤber den Kaͤyser zukomme/ sondern aus der gemeinen Natur der Verbuͤndnisse. L vj Fuͤg- Vom Zustand Fuͤglicher koͤnte vorgewand werden/ was aus der alten Gewonheit eingefuͤhret/ und hernach durch die guͤldene Bulla bekraͤffti- get ist/ daß der Kaͤyser/ wo er uͤber etliche Sachen angefochtẽ wuͤꝛde/ vor dem Pfaltz- graffen zu antworten schuldig sey. U nd ist bekand/ daß die drey geistliche Churfuͤrsten dem Kaͤyser Alberto I. angekuͤndiget/ daß er vor dem Pfaltzgraffen Rudolpho zu Recht seine Sache außfuͤhren solte; Wie- wol einem so grossen beklagten die Waffen wider die Klaͤger als das Recht mehr be- liebet; U nd wissen wir nicht/ daß man nach verfassung der guͤldenẽ Bulla von solchem vor dem Pfaltzgraffen verhandeltem Ge- richt gelesen habe. Der U rsprung dieses dem Pfaltzgraffen zustehenden Rechts ist ohne zweiffel aus dem Ampte hergeruͤhret/ welches er voralters als der Vornehmste des Koͤniglichen Hofes verwaltet hat: Denn wie dieser uͤber die andere Hoffleute das Recht veruͤbete; Also/ wenn einer et- was vom Koͤnige selbst begehrte/ daruͤber man des Teutschen Reichs. man Zweiffel hatte/ muste der Pfaltzgraff das U rtheil faͤllen/ welches der Koͤnig fuͤr gut hielte/ nicht als wenn er ihn uͤber sich erkante/ sondern weil nach erkanter Sache des Klaͤgers der Koͤnig seine Pflicht er- weisen muͤsse. Wie wir viele Fuͤrsten in Teutschland und andeꝛswo kennen/ die sich uͤber ungewisse Schuͤlde/ vor ihren eigenen Gerichten pflegen besprechen zu lassen; welche Gerichte doch den Fuͤrsten nicht zwingen/ oder durch Straffe dazu treiben koͤnnen/ wo ihn die Ehrerbietung gegen dem Recht/ seinem Gewissen und offent- lichem Geruͤchte nicht zur zahlung der Schuld bringen wird. Jch halte aber/ die Staͤnde seyn vergnuͤget/ daß ihnen vom Keyser nichts koͤnne befohlen werden/ was ihnen mißfalle. Ein jeglicher verstaͤndiger wird von ihm selber solche verhaste Frey- heit/ als wann sie ihrem Kaͤyser gebieten koͤnnen/ verachten. §. 8. Mit dem Hippolitho aber wuͤrde zwar der Vom Zustand der Kaͤyser leichtlich zu recht kommen/ daß er von ihm nicht unter die U nterthanen gerechnet werde; Die jenigen halten aber faͤster an/ welche vorgeben es koͤnne beedes dem Kaͤyser eine Koͤnigliche Macht/ und den Staͤnden die freyheit unter einem Temperament beygeleget werden/ in dem sie Teutschland unter die limitirte Koͤ- nigreiche zehlen: Die von den vermischten Regiments Formen schwaͤtzen/ koͤnnen sich auff keinerley weise herauß wickeln: Dann uͤber dem/ daß einige vermischung nichts als eine Mißgeburt des Regiments hervor bringẽ kan/ kan auch keine art oder species zu Teutschen Regiment bequaͤmet werden; in welcher weder die hoͤchste Ge- walt zugleich unzertheilet bey den meisten sey/ noch die Theile derselben Gewalt un- ter verschiedene Persohnen oder Collegia getheilet sind. Ferner sagen die ersten/ es koͤnne alle daß jenige/ was dem Kaͤyser durch die Capitulation vorgeschrieben werde/ mit einem limitirten Koͤnigreich beste- des Teutschen Reichs. bestehen/ als nemlich/ daß er nach den fun- damental- Gesetzen das Regiment ver- walten/ und uͤber die Geschaͤffte/ so die Hauptsachen angiengen/ der Staͤnde be- willigung erfordern muͤsse; daß er keine newe Gesetze ohne derselben Vorwissen ge- ben/ in geistlichen Sachen nichts aͤndern/ Frieden/ Krieg/ Verbuͤndnisse nach der Staͤnde gutduͤncken anfangen/ und der Unteꝛthanen Streitigkeiten nicht als duꝛch gewisse Gerichte auffheben koͤnne. Also/ daß die Staͤnde zugleich dem Reich und dem Kaͤyser trew zu seyn schweren/ koͤnne auff diese weise erklaͤret werden/ daß sie dem Kaͤyser gehorsamen wollen/ so weit er sich ihrer Huͤlffe und Guͤter zum gemeinen be- sten bedienen wil/ und wie es durch die Ge- setze des Reichs beschlossen ist; zugleich auch/ daß sie sich gegen den uͤbrigen Ge- richts Gliedern bequemen/ und als trewe Mitbuͤrger erweisen wollen. Es sind aber vornemlich zweyerley im wege/ war- umb man Teutschland nicht fuͤr ein limi- tir- Vom Zustand tirtes Reich halten koͤnne. 1. Ob gleich der Koͤnig in der verwaltung eines wahren Koͤnigreichs gewissen Gesetzen nachleben muͤsse/ gehet er doch in der That allen Buͤrgern so weit vor/ daß niemand seine Freyheit und Rechte mit des Koͤni- ges Gewalt vergleichen duͤrffe/ und das alle Vornehmsten nach des Koͤniges Willen leben/ und ihm Rechenschafft geben muͤs- sen. Welches daß es in Teutschland an- ders beschaffen/ ist einem jeglichen bekand: Denn es wird keiner von den Teutschen Staͤnden zugeben/ daß seine untergebene Laͤnder mehr dem Kaͤyser/ als ihme ange- hoͤren/ oder daß er mehr auff des Kaͤysers als auff seinen eigenen Nutzen bey regie- rung der Laͤnder schen muͤsse. Ja ein jeg- licher/ der sich auf seine und seiner Bunds- genossen Macht verlaͤsset/ misset ihm so viel bey/ daß er sich auch nicht schewet/ ohn des Kaͤysers wissen andere Staͤnde oder außlaͤndische Potentaten zu bekriegen/ Buͤndnuͤsse und Alliancen so wol mit ein- heimi- des Teutschen Reichs. heimischen als außlaͤndischen zu machen/ dem Kaͤyser aber nur eine solche Ehrerbie- tung/ welche man den Bildern vergeblich zu thun pfleget/ erweiset. Hernach hat ein jeglicher Koͤnig/ ob er gleich limiti ret/ die die Freyheit/ daß die regierung und uͤbung der Macht des gantzen Reichs endlich auff ihn komme/ und daß solche Macht unter ihm gleichsamb vereiniget werde/ daß ge- meine beste also fortzusetzen/ daß es das an- sehen habe/ es werde von einem Menschen alles guberni ret. Wer dieses in Teutsch- land sehen kan/ muß Luchs Angen haben; woselbsten das Haupt und Koͤnig von dem Reiche keine Einkuͤnffte hat/ sondern von seinem eigenem leben muß; wo kein ge- meiner Schatz Kasten/ keine offentliche Soldatesca ist/ sondern ein jeglicher von den Staͤnden sich seiner Macht/ und Ein- kuͤnfften seiner Laͤnder nach belieben ge- brauchet; da sie nur ein weniges zum all- gemeinen besten nach vielem anhalten zu- sammen tragen. Welches alles in vori- gem Vom Zustand gem Capitel weitlaͤuftiger außgefuͤhret/ und in der That selber klaͤrlich zu fin- den ist. §. 9. Jst demnach nichts mehr uͤbrig/ als daß wir sagen Teutschland sey ein irre- gulir corpus uñ gleich einer Mißgeburt/ wenn es nach den Reguln der civil Wis- senschafft betrachtet wuͤrde; welches bey verlauff der Zeit durch die unachtsahme gutwilligkeit der Kaͤyser/ ehrgeitz der Fuͤr- sten/ und U nruhe der Priester auß einem ordentlichen Reich in so eine uͤbel zuge- richtete Form gestuͤrtzet/ daß es auch nicht einmahl ein limitirtes Reich mehr ist/ ob es gleich von aussen also scheinet/ noch auch eigentlich ein corpus oder zusam- menfuͤgung vieler verbundenen Staͤdte/ sondern vielmehr etwas/ daß zwischen diesen beeden hingehet/ welches jmmer zu einer verderblichen Unruhe und innerli- chen auffwiegelungen anlaß giebet/ in dem anff der einen seiten sich der Kaͤyser bemuͤ- des Teutschen Reichs. bemuͤhet das Regiment nach Art eines absoluten Reichs an sich zu ziehen/ auff der andern die Staͤnde eine volkommene Freyheit suchen. Gleich wie aber alle außartungen diese Natur haben/ daß/ wenn sie von ihrem anfange weit abge- wichen/ mit schnellen lauff und gleichsam freywillig zu ihrem untergang eylen/ zu ihrer vorigen gestalt aber schwerlich wie- der koͤnnen gebracht werden; dann einen Stein/ der einmahl an die haͤnge des Ber- ges gestossen/ kan man gar leichte auf die ebene hinab weltzen/ aber nicht ohne gros- ser Muͤhe wieder auff die Spitze des Ber- ges bringen: Also kan Teutschland ohne grossen Auffruͤhren und hoͤchster confu- sion zu einem rechtmaͤssigen Reich nicht wieder gebracht werden; zu einer zusam- menfuͤgung der veꝛeinigten gedeyet es von ihm selber. Ja wenn man den Auff- stand den der Kaͤyser und die Staͤnde un- tereinander haben auffhuͤbe/ wird schon Teutschland in der That ein corpus oder zusam- Vom Zustand zusammenfuͤgung der Bundsgenossen seyn/ die mit einem ungleichen Bunde verknuͤpffet/ darum weil die Staͤnde/ wie sie genennet werden/ den Kaͤyser beschei- dentlich ehren und veneri ren muͤssen. Ein Exempel ist zu finden in der Gesell- schafft der Freystaͤdte an dem Bunde zwischen dem Roͤmischen Volck und den Latinern/ ehe diese von jenem unterwuͤrf- fig gemacht. Deßgleichen in der Krie- gerischen Gesellschafft von der Herr- schafft Agamemnonis in dem Kriegs- heer der Griechen vor Tröja. Ob es wol schier zugeschehen pfleget/ daß wo dersel- be/ so in dem Bunde der hoͤchste ist/ an Macht weit hervor leuchtet/ die unter- sten Bundsgenossen allmaͤhlich als Un- terthanen tractiret werden; Koͤnnen de- rowegen den Zustand Teutschlandes am fuͤglichsten bezeichnen/ daß er am nechsten zu einer zusammenfuͤgung vieler Staͤdte komme/ in welcher gleichsamb ein Fuͤrst oder Obrister des Bundes her- vor des Teutschen Reichs. vor leuchte/ der mit Koͤniglichem ansehen gezieret; Welches corpus doch von vie- len erschꝛecklichen Kranckheiten angefein- det wird/ von welchen wir in folgendem Capitel handeln wollen. Das VII. Capitel. Von den Kraͤfften und Kranck- heiten des Teutschen Reichs. §. 1. D Je Kraͤffte eines Regiments koͤn- nen betrachtet werden entweder an sich/ oder nach dem sie durch eine ordent- liche Regiments Form fuͤglich moͤgen ge- braucht werden. An sich betrachtet be- stehen sie in Mannschafft und in gewissen Landes Mitteln. Was die Mannschafft betrifft/ so kan Teutschland uͤber derer Menge und Natur nicht wol klagen. Es ist von dem vornehmsten Adel eine so grosse Menge und Herrligkeit alt sonst nirgends in der gantzen Welt. Des ge- ringeren Adels ist auch nicht mehr als das Vom Zustand das Land ertragen kan/ darff er also fuͤr allzu grosser Menge nicht eben unehrli- che Handthierung treiben. Derer die sich dem studieren ergeben/ sind vieleicht mehr als noͤtig/ und werden gemeiniglich unter vielen Kraͤntztraͤgern wenig Ph0153;- bi gefunden. Kauff- und Handwercks- Leute sind uͤberfluͤssig; Bauren giebt es doch an etlichen Orten weniger/ als die weitlaͤufftigkeit des Laudes erfordert/ wessen U rsach ist zum theil der 30. Jaͤh- rige Krieg/ wodurch Teutschland elendig- lich verwuͤstet/ zum theil/ weil die Bau- ren der Natur seyn/ daß so bald sie ein wenig beguͤtert werdẽ/ sie ihre Kinder las- sen ein Handwerck lernen/ dann sie schaͤ- tzen die/ welche in den Staͤdten wohnen/ gluͤckseliger als sich selbsten. U nd ob ich kaum traue das jemand sey/ der die Zahl der Staͤdte und Doͤrffer in Teutschland auffzuzeichnen angefangen/ so wird doch der jenige von denen bey solcher nation erfahrnen keiner Thorheit beschuͤldiget wer- des Teutschen Reichs. werden/ der da sagen wird/ es koͤnne leicht- lich ein Krieges Heer von 200000. Mann auffgebracht werden/ wenn nur auß jeglicher Stadt 5. und auß jeglichem Dorffe 1. oder 2 Soldaten außgeschrie- ben wuͤrden. Zum beweiß kan dieses hin- zugethan werden: Daß gewisse Autores an Staͤdte/ Flecken und Schloͤsser 1957. in den zehen Kraͤysen zehlen/ außgenom- men das Koͤnigreich Boͤhmen/ worin nach dem Hagecio zu des Ferdinandi I. Zeit 102. Staͤdte/ 308. Flecken/ 258. ansehnliche Schloͤsser/ 171. Kloͤster/ 30363. Doͤrffer gewesen. Jn Schlesten zehlen sie 411. Staͤdte/ 863 Flecken/ 51112. Doͤrffer; Jn Maͤhren 100. Staͤdte 410. kleine Flecken 30360. Doͤrffer. Abteyen und Kloͤster zehlen sie vorzeiten/ ehe so eine grosse Menge der- selben von den Protestanten abgeschaf- fet 11024. Also schreibet man/ daß durch des Ferdinandi II. Eyffer hundert mahl hundert tausend Menschen zur Catholi- schen Vom Zustand schen Kirchen sind beruffen worden. Die nation selbst ist zu allen Zeiten streitbahr und zum Kriege begierig/ die fast durch gantz Europa ihr Blut zu kauff herumb traͤget. U nd ob es ihr an Hitzigkeit man- gelt/ ist sie so viel bestaͤndiger/ und koͤnnen derselben Gemuͤhter herrliche Discipli- nen fassen. Sie ist auch zu allerhand Kuͤnsten geschicket/ und welches viel zur befestigung der Laͤnder machet/ ist sie zu neuẽ Haͤndeln gaꝛ nicht geneigt/ kan auch ein nicht zu hartes gebiet wol vertragen. §. 2. Unter dẽ Landes Mitteln wird das Land selbst eꝛst gesetzet/ wie weitlaͤufftig solches sey/ wird der jenige leichtlich verstehen/ welcher auß Cassuben nacher Mumpel- gard/ oder auß dem eussersten Holstein an die Graͤntze des Landes Krayn/ oder von Luͤttig an die eusserste Graͤntzen Schlesien gereiset hat. Jn so einer gros- sen Landschafft sind wenig Orte/ wenn man die Alpgebirge außnimbt/ die nicht etwas des Teutschen Reichs. etwas zur erhaltung des Menschlichen Le- bens tragen solten; Ferner ist ein solcher zuwachs derer zum Leben nothwendigen Dinge/ daß sie der außlaͤndischen nicht als zum schlemmen und uͤberfluͤssigen Wolluͤ- sten beduͤrffe. Die Bergwercke und etliche Fluͤsse geben zwar wenig Goldes/ und die Edelgesteine so Teutschland zeuget/ werden nicht so theur gehalten. Sonsten wird das Silber an vielen Orten haͤuffig außgegra- ben/ imgleichen Kupffer/ Zinn/ Bley/ Ei- sen/ Queckstlber/ und ander Ertz von gerin- germ Werth. So viel Saltz als die Ein- wohner beduͤrffen/ geben ihnen die Brun- nen hervor/ ob wol die oͤrter/ welchen das Meer oder die Schiffreichen Fluͤsse guͤn- stig seyn/ sich jetzt zum offtern des Saltzes bedienen/ das aus Franckreich/ Portugal oder Niederland gebracht wird. Es hat allerley Korn und Fruͤchte/ Holtz/ und was man zur Kleidung bedarff uͤberfluͤssig/ wie auch Pferde/ gꝛoß und klein-Viehe/ und Wild. Es mangelt auch Teutschlande an M keinem Vom Zustand keinem Getraͤnck zur Trunckenheit dien- lich; daß also Teutschland in allem fuͤr eine reiche Landschafft koͤnne gehalten werden: Denn uͤber dem/ daß es selbsten die mate- ria des Geldes zeuget/ bringet es fast alles hervor/ was zur nothdurfft uñ beluͤstigung bes Menschlichen Lebens vonnoͤthen/ daß nicht allein die Einwohner dran gnug ha- den/ sondern auch den Außlaͤndern davon mittheilen koͤnnen. U nd was es von an- derswoher eingefuͤhrten Wahren gebrau- chet/ uͤbertrifft entweder das jenige nicht/ was wieder außgefuͤhret wird/ oder es sind solche Wahren/ derer die Teutschen leicht- lich entbehren koͤnten/ wenn sie ihre schwel- gerey zu bezwingen/ oder ihre faulheit und thorheit abzulegen wuͤsten; Denn wie leicht koͤnten sie mit ihꝛem Wein und Bier/ oder wenn diese zur Trunckenheit noch nicht genug waͤren/ mit ihrem heissen Brandwein zu frieden seyn/ und des Spa- nischen und Frantzen Weins entrathen? Wie leichte koͤnten sie sich auch mit dem aus des Teutschen Reichs. aus ihrer eigenen Wolle gemachtem Tuche kleiden/ und den Spaniern/ Engellaͤndern und Hollaͤndern das ihrige lassen? Oder wenn sie lust zu derer Schoͤnheit haͤtten/ solten die einheimische Handwercker selbi- ge Kunst besser außuͤben; Es waͤre auch den Teutschen nicht schwer unserer Seide zu entbehren; Oder/ wenn sie ja was herr- licher bekleidet einher gehen wolten/ so wachsen in dem Landstrich am Rheinstrom hauffen weise Maulbeer Baͤume/ wenn sel- bige Leute von ihrer eigenen traͤgheit so viel erhalten koͤnten/ daß sie neben den Wein- bergen auch sonsten was nuͤtzliches zu ba- wen vornehmen/ so koͤnten sie von diesen Baͤumen fuͤr die Seidenwuͤrme Nahrung haben/ und von den unserigen Seide zu verfertigen lernen. Ferner wie man die- ses der einfalt des Volcks vielleicht muß zu gute halten/ daß sie meynen/ sie werden durch nachahmen der Frantzoͤsischen Klei- der Moden artiger außsehen; Also ist das die groͤste Thorheit/ daß sie auch offte ge- M ij ring- Vom Zustand ringfuͤgige oder garstige Stoffe von den Frantzosen holen: Deñ bey ihnen sind auch nichtswuͤrdige Dinge/ wenn sie nur von Franckreich den Namen haben/ in grossem Werth. Daß aber die Frantzoͤsische Kuͤnst- ler die arten des Tuchs und Stoffes so ofte aͤndern/ ist nicht so wol eine Leichtfertigkeit/ als eine verschlagene Klugheit: Denn auff diese weise verhuͤten sie/ daß auch die Teut- schen Kuͤnstler solches bey ihnẽ nicht nach- thun: Wiewol die meisten unter diesen so naͤrrisch sind/ daß sie meynen/ es sey keine so grosse unbillichkeit/ von der einmahl an- genom̃enen Weise abzutreten. U nd halten nicht/ daß sie ihnẽ was bessers machen muͤ- sten/ weil es ihren Vorfahren unbewust gewesen. Endlich koͤnte auch Teutschland mit dem Gewuͤrtz/ Zucker/ und andern aus beeden Jndien geholeten Sachen viel spar- samer umbgehen/ wenn es seine Uppigkeit im Zaum halten wolte. §. 3. Es fehlet auch Teutschland nicht an Mit des Teutschen Reichs. Mitteln/ dadurch es anderer Leute Guͤter durch Huͤlffe der Commercien an sich bringen koͤnne. Dazu wird eꝛfodert eine be- quaͤme Gelegenheit zu den Außlaͤndern zu gehen/ und solche wieder einzunehmen/ wie auch/ daß die einheimischen uͤberley haben/ was sie den außlaͤndern zufuͤhren koͤnnen. Die Staͤdte so an der Oft See oder Bal- thischen Meere liegen/ haben eine sehr be- quaͤme Gelegenheit die Commercien zu treiben; welche aber an die Schiffreichen Fluͤsse liegen/ haben wegen der grossen Zoͤlle eine etwas schlechtere. Zu Lande die Wah- ren zu verfuͤhren/ bringet schlechten Ge- winn. Die Wahren so aus Teutschland gefuͤhret werden/ sind schier nachfolgende: Eisen und allerhand daraus gemachte Werckzeuge/ Bley/ Quecksilber/ Wein/ Bier/ Brandtewein/ Getreyde/ Wolle/ grob Wollen Tuch/ allerhand Wollin und Leinen Stoff/ Pferde/ Schaffe/ und was dergleichen mehr seyn mag. Doch leugne ich nicht/ daß in etlichen Laͤndern Europæ M iij mehr Vom Zustand mehr Geld als in Teutschland zu finden sey/ wessen unteꝛschiedliche Ursachen zu seyn scheinen; Denn kein Wunder ist es/ daß die jenige Landschafft zum theil außge- schoͤpffet sey/ in welcher der Mars gantzer 30. Jahr gehauset/ und die nicht allein der einheimischen/ sondern auch der außlaͤndi- schen Soldaten Beute gewesen; Darnach sind auch Laͤnder in Europâ, die eine viel bequaͤmeꝛe Gelegenheit haben mit den Auß- laͤndeꝛn Cõmercien zu tꝛeiben/ als Teutsch- land: Denn es sind nur wenig Staͤdte in Teutschland/ die an deꝛ See liegen; Da hin- gegen diese Engelland/ Jtalien/ Spanien/ Portugal/ Franckreich und Niederland mehr guͤnstig ist. Man findet uͤber dem Laͤn- der/ die ihnen andere unterworffen haben/ und also deren Guͤter und Macht in einem anblick gleichsamb repræsenti ren/ als da sind: Spanien/ Portugal/ Engelland; Teutschland besitzet nichts ausser sich. Es pfleget auch etlichen der Glantz und groͤsse der vornehmsten Staͤdte in einigen Koͤnig- reichen/ des Teutschen Reichs. reichen/ varin sich der groͤste Reichthum versamlet/ in den Augen zu liegen. Also faͤllen viele unerfahrne aus Pariß von dem gantzen Franckreich/ oder aus Lunden allein und Lisabon von Engelland und Portugal das Urtheil. Daß aber der Teutschen Reich- thum in einem so grossen Lande zerstrewet ist/ machet ihm ein schlechter Ansehen. Es wird auch ein grosser hauffen Geldes duꝛch der Teutschen Thorheit an die Außlaͤnder gebracht/ in dem sie von ihnen Wahre neh- men/ die sie entweder bey sich haben/ oder deren sie leichte gar entbehren koͤnnen; Jch weiß nicht/ ob man auch dieses hinzu thun soll/ daß durch die Reysen der Teut- schen Jugend viel Geld an die Fremde aus dem Vaterlande gezogen werde. Denn ob es vielleicht nuͤtzlich sey/ daß die etwas rau- he Teutsche Art durch die conversation mit den Außlaͤndern gemaͤssiget werde/ so sind doch die jenigen billich außlachens oder mitleidens werth/ welche aus unserm Welschlande nichts als etliche belustigun- M iiij gen Vom Zustand gen der Laster/ so bey denen jenseits den Alp- gebirgen ungebraͤuchlich/ und unbekandte Fluͤche nach Hause bringen. Es laͤsset auch Franckreich die meisten reysende mit kei- nen andern Kuͤnsten von sich/ als daß sie hernach desto garstiger schwelgen/ und die gradus der Veneri schen reudigkeit gemei- niglich aus eigener erfahrung zu erzehlen wissen. Etliche/ die einen Verdruß ha- ben im Vaterlande duꝛch viel umbschweif- fe zu den vergeblichen Schul Tituln zu ge- langen/ halten es doch fuͤr einen Gewinn/ daß sie in Jtalien und Franckreich gewe- sen. Denn bey uns kan man mit geringe- rer Schande und U nkosten eines Doctors Titul neben der unwissenheit erlangen/ und also mit sich nacher Hause bringen; wie- wol auch bey ihnen bißweilen aus einem genugsam groben Holtze dergleichen Mer- curii geschneittelt werden. §. 4. Weil aber niemand starck oder schwach kan genennet werden/ wo er nicht mit an- dern des Teutschen Reichs. dern verglichen wird; Muß man auch ferner sehen/ was die Kraͤffte Teutschlan- des gegen den benachbarten fuͤr eine be- schaffenheit haben. Graͤntzet demnach Teutschland an einer Seite an daß Tuͤr- ckische Reich in der Steyermarck/ wie auch an Ungern und Croatien/ welche bil- lig als desselben Pasteyen koͤñen gehalten werden/ ist derowegen Teutschlande viel daran gelegen/ daß diese unbeschaͤdigt bleiben. Dahero offenbahr ist/ daß ob gleich der Tuͤrck auß seinen weitlaͤuffti- gen Laͤndern ein weit groͤsser einkommen an Geld habe/ und vielleicht mit einer viel groͤssern Menge Leute daß Feld fuͤllen koͤnne/ es doch scheine/ Teutschland habe sich fuͤr ihm der Orten her wenig zu fuͤrch- ten. Denn er beruͤhret Teutschland nur mit dem eussersten Rande seines Reichs/ da solches als ein Keil zugespitzet wird/ und zwar weit von der vornehmsten Re- sidentz des Reichs; Also daß nicht ohne grosser beschwerligkeit die U ngrischen M v Kriege Vom Zustand Kriege von den Tuͤrcken gefuͤhret wer- den: Denn uͤber dem/ daß die Tuͤrckische Soldaten den wolgeuͤbten Teutschen nicht bastand seyn/ muͤssen sie auch mit grosser Muͤhe auß Asia gehen/ sind der rauhen Lufft wenig gewohnet/ und koͤn- nen die Kaͤlte nicht vertragen. U nd nach dem alle Macht an den aͤussersten Graͤn- tzen des Reichs versamlet/ pflegen die widrigen Theile gegen Persten hoffaͤr- tig zu werden. Vnd wenn die benach- barten Laͤnder Servia, Bulgaria und das Tuͤrckische U ngarn selbst eine so grosse menge nicht erhalten kan/ muß man zu Lande von weiten her mit grosser Muͤhe den Proviant zufuͤhren/ weilen sich die Donau zu grossem auffnehmen Teutsch- landes gegen Morgen ergiesset. U nd hat Teutschland fast niemals uͤber das vierdte theil seiner Macht/ welche gemei- niglich unter der Obristen traͤgheit oder uneinigkeit auch an Zucht und Geld mangel gehabt/ wider den Tuͤrcken ge- fuͤhret; des Teutschen Reichs. fuͤhret; doch findet man mehr Sieges zei- chen bey den Teutschen von den Tuͤrckan/ als bey diesen von jenen. Es ist aber der Tuͤrcken Nahmen bey dem gemeinen Mann erschrecklich worden/ so wol we- gen ihrer gꝛausamẽ Sitten/ als wegen der Oesterreichschen List/ welche durch dieses schrecken die Beutel außleeren; Da auch der Priester geschrey und lust zu weissa- gen dazu kommen; Weilen ihnen auch daran gelegen/ daß der gemeine Poͤfel in Furcht stehe. §. 5. Jtalien ist wedeꝛ an Volck noch Reich- thum Teutschlande gleich/ und weil es in viele Theile zerrissen/ andern Gewalt an zu thun untuͤchtig. Ja wir haben dar- an genung/ daß die Teutschen Kaͤyser ihr altes Recht an Jtalien nicht zu er- neuern suchen; vornemlich weil es bey dieser boͤsen Zeit daß ansehen hat/ daß die ehrerbietung des Paͤbstlichen Bannes/ welcher ihnen vor zeiten zum offtern M vj schreck- Vom Zustand schrecklich gewesen/ nun gaͤntzlich ab- kommen. Es darff sich auch Pohlen in keinerley weise mit Teutschland verglei- chen/ weil die beschaffenheit des Pohl- nischen Regiments erfordert/ vielmehr das seine zu erhalten/ als frembde Sa- chen zubegehren; Welche bescheidenheit auch den Teutschen ihre Regiments be- schaffenheit lehret/ dahero sich fast keine gelegenheit/ welche diese beede nationes durch Krieg an einander bringen koͤnne/ findet/ es sey den daß sich vieleicht einer von den Teutschen Fuͤrsten mit den in- nerlichen Pohlnischen streitigkeiten ver- mengen wuͤrde. Die Daͤnen haben biß- her nicht einmahl Hamburg bezwingen koͤnnen/ ich geschweige daß sie wiedeꝛ gantz Teutschland etwas zu Hoffen haͤtten/ wenn sich nur ihre Nachbarn die Schwe- den regen/ sind sie furchtsahm. Umb En- gelland/ so weit es an der See graͤntzet/ bekuͤmmern sich die Teutschen wenig; U nd wie sich jenes vergeblich zu Laude begeben des Teutschen Reichs. begeben wuͤrde/ also haben diese keine Seemacht/ die mit der Englischen ver- glichen etwas auff sich haben koͤnne. Die veꝛeinigte Niderlaͤnder weder wollẽ noch koͤnnen wider Teutschland etwas vor- nehmen; Denn sie als Wasser Thiere sind auch nicht zum Land Kriege ge- schickt/ und ob sie gleich Gelt uͤbrig haben/ ist es doch ihꝛer Fꝛeyheit nicht zutraͤglich/ ein grosses Kriegesheer zu Lande zu hal- ten/ sind demnach zu frieden/ wenn die Teutschen die Staͤdte/ welche sie besetzt haben/ umb ihre Graͤntzen wieder die Spanier zu befaͤstigen/ nicht mit Gewalt suchen wieder zunehmen. Die Theile des Spanischen Reichs/ welche an Teutsch- land graͤntzen/ koͤnnen auff keinerley wei- se mit ihr verglichen werden. Ferner ist Spanien selbst weit abgelegen/ von Leu- ten entbloͤsset/ und nicht einmahl tuͤchtig das kleine Koͤnigreich Portugal zu be- zwingen. Ja auch Carolus V. der in Spanien bey desselben gutem Wolstande M vij regierte/ Vom Zustand regierte/ und sich auff die Osterreichische Laͤnder/ wie auch Kaͤyserliches ansehen verließ/ hat sich vergeblich bemuͤhet daß uͤbrige Teutschland zu unterdruͤcken. Schweden/ ob man ihm wol die neulich erworbene Teutsche Provincien zu leget/ ist doch beedes an Volck und Reichthum weit geringer als das uͤbrige Teutsch- land: Denn daß etliche einfaͤltige Leute wegen des Volckes zweiffeln/ dazu sind sie bewogen theils auß dem alten Worte vagina gentium, Zu Teutsch der Voͤl- cker scheide/ theils auß dem gluͤcklichen fortgang der Schweden in dem neulich- sten Kriege; wie solcher beschaffen/ ist verstaͤndigen Leuten nicht unbekand. Nemlich es sind in 18. Jahren nicht uͤber 70000. Soldaten auß Schweden selbst gesand/ deren viel wiederuͤmb ins Vaterland gekehret; Da doch in waͤ- rendem diesem Kriege selten unter 100000. Teutschen/ auch offtmahls druͤ- ber in Waffen gewesen; Die U rsach aber solches des Teutschen Reichs. solches fortganges war der Teutschen U n- einigkeit/ die bequaͤme Gelegenheit/ und daß die von den Oesterreichischen bedren- gete Protestanten den Koͤnig Gustavum als eine vom Himmel geschickte Huͤlffe auffnahmen. Wegen des jetzo wol flori- renden Frantzoͤsischen Reichs kan man am fuͤglichsten zweiffelen; Jedoch aber/ wenn eines jeglichen Macht an sich/ ohne Nu- tzen oder Schaden/ betrachtet wird/ deren jener Franckreich aus seiner ordentlichen Monarchia, dieser Teutschland aus der auffgeloͤseten Regiments Form entstehet/ wird man fuͤr Teutschland sprechen muͤs- sen: Denn es ist Teutschland beedes viel weitlaͤufftiger als Franckreich/ und ob es ihm schon an Fruchtbarkeit gleichet/ seyn doch die unterirrdische Guͤter Teutschlan- des viel groͤsser; Franckreich ist auch nicht so starck an Volck/ und das die Teutsche Soldaten den Fꝛantzoͤsischen nichts nach geben/ ist mit vielen Proben bewiesen. Wegen des Reichthums am Gelde kan mans Vom Zustand mans nicht so gewisse sagen: Denn wir ha- ben traun nicht ohne verwunderung gehoͤ- ret/ welch einen hauffen Goldes der jetzige Koͤnig in wenig Jahren beydes aus seinem Jaͤhrlichen Einkom̃en/ und dann fuͤrnem- lich daraus/ daß er die alten Schwaͤm- me außdruͤcket/ zusammen getragen. Doch muß man zugleich betrachten/ daß der ge- meine Poͤbel in Franckreich viel haͤrter durch Tribut und Zoͤlle außgesogen werde/ als in Teutschland/ und daß daselbst alle Guͤter des Reichs gleichsamb in einen Bach zusammen fliessen/ wie groß aber die unter so vielen Fuͤrsten getheilete Ein- kuͤnffte Teutschlandes seyn/ kan man so klaͤrlich nicht sehen. §. 6. Ob aber gleich Teutschland einem jeg- lichen Koͤnigreiche vorgehet/ moͤchte man doch dencken/ wie es werden wuͤrde/ wenn viele mit gesampter Macht dasselbe angrif- fen? Hier muß man anfangs in acht neh- men/ daß etlicher Gelegenheit nicht zugebe/ daß des Teutschen Reichs. daß sie sich zugleich wider Teutschland se- tzen; Etlicher Macht sey auch nicht so gꝛoß/ daß sie etwas gegen Teutschland zu bedeu- ten habe; Auch hernach die andern nicht zugeben wuͤrden/ daß einer oder ander Teutschland unteꝛdꝛuͤcke/ und einen solchen Reichthum uͤberkomme/ duꝛch dessen Huͤlf- fe er leichte dem gantzen Europæ Gesetze vorschreiben koͤnne; U nd wuͤrde also nie- mahls an Leuten fehlen/ die sich Teutsch- land zu erhalten bemuͤhen wuͤrden. Sind derowegen nur drey/ welche als Fuͤrsten oder Haͤupter der Verbuͤndnisse sich be- duͤncken lassen/ daß sie Teutschland wol koͤnnen angreiffen; Als der Tuͤrck/ daß Haus Oesterreich/ und der Frantzoß. Es ist nicht vermuthlich/ daß einiger von den Teutschen Fuͤrsten es offentlich mit dem Tuͤrcken halte/ auch nicht der Frantzoß sel- ber: Denn der Bund/ welchen der Fran- tzoß in dem vorigen Seculo mit den Tuͤr- cken gemacht/ hatte dahin sein absehen/ daß dadurch des Caroli Macht/ welche dem Fran- Vom Zustand Frantzosen damahls beschwerlich fiel/ ge- hemmet wuͤrde. Vor einem solchen Bun- de aber/ darin man sich vereinge/ Teutsch- land anzugreiffen und zu bezwingen/ hat man sich nicht zu fuͤrchten/ weil es beedes gottloß und naͤrrisch seyn wuͤrde/ diesen Barbaren so sehr zu Willen zu seyn/ wel- che alle Christen mit gleichem Haß verfol- gen. Sondern wie es Franckreich zutraͤg- licher ist/ daß Teutschland lieber bey dem gegenwertigen Stande gelassen werde/ als daß ein groß Theil desselben in der Tuͤr- cken Haͤnde falle; Also sehen auch die Tuͤr- cken lieber/ daß der Zustand Teutschlandes ungestalt/ und andere anzugreiffen untuͤch- tig gelassen/ als daß es mit Franckreich ver- einiget zu einer Monarchia eingerichtet werde: Denn wenn sich diese beeden Koͤ- nigreiche auff guten Glauben miteinander vereinigten/ muͤste der Tuͤrck fuͤr seinem Constantinopel Sorge tragen. Es wird keiner von den benachbarten wuͤnschen/ daß das Haus Oesterreich das uͤbrige Teutsch- des Teutschen Reichs. Teutschland als ein Koͤnig beherrsche; und halte ich/ es wuͤrde keiner so thoͤricht seyn/ der diesem Vornehmen wolle zu huͤlffe kommen. Ja/ wie es die Spanier mit dem Hause Oesterreich halten; also werden sich diesem die Frantzosen/ Schweden und ver- einigte Niderlaͤnder so viel williger wider- setzen/ weil sie den Teutschen niemahls ver- geblich Huͤiffe geleistet. Es scheinet auch/ der Pabst sey allhte den Oesterreichischen nicht gar zu guͤnstig; Denn ob es wol ihm als dem Obersten Hirten ruͤhmlich seyn wuͤrde/ so viel Millionen irrender Schaͤff- gen zur Kirchen zu ruffen/ duͤncket ihm doch/ wenn es gleich mit vieler Seelen Schaden geschehen solte/ zu machen/ daß nicht Teutschland oder Spanien/ sich auf ihre all zu gꝛosse Macht verlassend/ uͤber Jtalien ihnen etwas anmassen. Wo endlich der Frantzoß wider Teutschland et- was vornehmen wuͤrde/ wird er gleicher gestalt die Spanier/ Engellaͤnder/ Jtaliaͤ- ner und vereinigte Niederlaͤnder zu offent- lichen Vom Zustand lichen Feinden haben. Deren biese/ weiß nicht aus was aberglauben/ des alten Sprichwoꝛts eingedenck zu seyn scheinen: Man koͤñe den Frantzosen wol zum Freun- de/ aber nicht zum Nachbarn haben. Die Daͤnen solten sich vielleicht nicht so sehr schewen/ sich unter der Frantzosen Schutz zu ergeben/ wenn ihnen nur dadurch die vor den veꝛhasten Schweden stetige Fuꝛcht koͤnte benommen werden. An der Schwe- den Verbuͤndniß scheinet viel gelegen zu seyn/ vornemlich/ wenn sie einen streitba- ren Koͤnig haben. Es haben aber die ver- staͤndigen schon laͤngst gemercket/ daß zwar die Frantzosen sich der Schweden Huͤlffe nicht umbsonst bedienen wollen/ sondern also/ daß was dadurch erworben/ allein zu ihres Reichs Auffnehmen gereichen soll. Dieses aber ist dem Frantzosen gar nicht zu Kopffe/ daß die Schweden mit dem Frantzoͤsischen Gelde ihre eigene Macht so weit fortsetzen/ und also hernach leicht- lich der Frantzosen Freundschafft entbeh- ren des Teutschen Reichs. ren koͤñen; Hingegen halten es die Schwe- den fuͤr eine Thorheit/ sich mehr umb der Frantzosen als umb ihren eigenen Nutzen zu bemuͤhen: Sie sind auch nicht so dum/ daß sie nicht sehen solten/ weñ der Frantzoß Teutschland uͤberkommen solte/ daß er eben so wol den Schweden als andern be- nachbarten Gesetze geben wuͤrde. Daher ist auch unter diesen Voͤlckern die Freund- schafft eine zeitlang was laulicht gewesen/ und ist dem Frantzosen ein bequaͤmer Mit- tel vorkommen/ nemlich/ ihm etliche Fuͤr- sten in Teutschland/ vornemlich die am Rheinstrom wohnen/ durch Verbuͤndniß/ und wie man sagt/ Jaͤhrliche subsidien Gelder anhaͤngig zu machen/ sich umb Teutschland sehr bekuͤmmert zu erzeigen/ sich sehr bemuͤhen/ der Fuͤrsten Streitig- keiten beyzulegen/ sich denen so ihn umb Gelt und Volck bitten/ willig zu erweisen/ sich endlich also anzustellen/ daß die/ so Huͤlffe beduͤrffen/ verstehen moͤgen/ daß sie eine gewissere Huͤlffe von der Freund- schafft Vom Zustand schafft mit Franckreich/ als vom Kaͤyser und den Gesetzen des Reichs zu hoffen haͤtten. Der nicht mercken solte/ daß auff diese weise der Weg zum untergang der Teutschen Freyheit gebahnet werde/ muͤste zimlich dum seyn/ vornemlich wenn es sich zutruͤge/ daß in Oesterreich keine Maͤnn- liche Erben waͤren. §. 7. Dieses weitlaͤufftige Teutsche Reich aber/ welches/ wenn es zum rechtmaͤssigen Reich gemacht/ dem gantzen Europa wuͤrde er- schrecklich seyn/ wird durch innerliche Kranckheiten und Trennungen also ge- schwaͤchet/ dz es kaum sich selbst verthaͤtigẽ kan; Die vornehmste U rsach dieses Ubels kompt her aus der unfuͤglichen und uͤbel geordneten zusammensetzung des Regi- ments. Weil eine grosse menge Leute nicht staͤrcker ist/ als ein einiger Mensch/ so lange ein jeglicher vor sich allein sorget. Alle Macht kompt her auß der zusammenhal- tung. U nd da viel in einem natuͤrlichen Leib des Teutschen Reichs. Leib nicht koͤñen zusammen wachsen/ wird doch vieler Macht vereiniget/ in dem sie von einem Rath gleich als von einer Seele regieret wird. Wie viel fester und fuͤglicher diese Vereinigung ist/ so viel staͤrcker wird die Gesellschafft; Auff die weit voneinan- derstehung und uͤbele zusammenfuͤgung der Glieder folgen nothwendig Schwach- und Kranckheiten. Die vollkommeste und daurhafftigste Vereinigung siehet man in einem wolgeordneten Koͤnigreich. Denn die Aristocratien , uͤber dem daß sie kaum fuͤglich bestehen koͤnnen/ ohne wo eines Regiments vornehmste Macht auff eine Stadt gesamlet wird/ sind von Natur ge- braͤchlicher als die Monarchien: Massen die Durchlaͤuchtigste Venetiani sche Res- publ: unter die Wunderwercke zu rech- nen ist. Die aus vielen Staͤdten durch Verbuͤndniß zusammengefuͤgte Systema- ta haͤngen vielloser aneinander/ und koͤn- nen leichter verunruhiget oder getrennet werden. Damit sie aber doch einige Staͤr- cke Vom Zustand cke haben/ ist vornemlich vonnoͤthen/ daß die verbundene Staͤdte eine Regiments Form haben/ und an Macht einander nicht sehr ungleich seyn/ und daß aus die- ser verbindung eine jegliche gleichen Nu- tzen habe. Darnach daß sie aus reiffem Rath und vorhin wol gefasten Gesetzen zu einer Gesellschafft werden. Denn welche unbedachtsam̃ und als mit einem ungestuͤm zu einer Gesellschafft lauffen/ ehe sie mit fleiß den kuͤnfftigen Zustand betrachtet und geordnet haben/ koͤnnen hernachmachls keinen zierlichen Coͤrper formi ren/ gleich als ein Schneider/ wel- cher ein schoͤn Kleid machen/ uñ das Tuch in stuͤcken schneiden wolte/ ehe er wuͤste/ ob er ein Frawen oder Manns Kleid ma- chen muͤsse Man hat auch dieses schon laͤngst gemercket/ daß kaum jemahls die Monarchien mit den Freystaͤdten/ auch nur auff eine Zeit mit gutem Glauben verbuͤndig worden/ ich geschweige denn/ daß sie tuͤchtig seyn/ solten/ eine stetige Ver- des Teutschen Reichs. Verbuͤndniß zu halten/ in dem die Fuͤrsten die Freyheit des Poͤbels/ und der Poͤbel der Fuͤrsten Hochmuth nicht leyden wollen. Ferner ist die Menschliche Natur so ver- kehꝛt/ daß sie den jenigen der mit ihꝛ gleiches Recht hat/ kaum wol ansehen koͤnne/ weñ sie mercket daß er ihr an Macht nicht gleich ist. Und wer vernimbt/ daß ihm entweder nichts/ oder nur ein kleines Theil vom ge- meinen Nutzen gelassen werde/ der weigert sich die gemeine Beschwerungen mit zu tragen. §. 8. Es ist aber Teutschland fuͤr so viel schwaͤcher zu halten/ daß in demselben die jenige Kranckheiten versamlet gefunden werden/ die so wol auß einem uͤbel formir- ten Reich/ als auß einem unordentlichen Systemate der verbundenen Staͤdte ent- stehen. Ja diese ist eine von den gefaͤhr- ligsten Kranckheiten/ daß sich Teutschland zu keiner von diesen Regiments arten ge- nau schicke. Die eusserliche gestalt und ver- N gebliches Vom Zustand gebliches ansehen zeuget von einem Koͤ- nigreich; Vor zeiten war auch der Koͤnig in der that/ was er genennet ward. Her- nach ist dessen Ansehen verringert/ und nach dem die Staͤnde zu groͤssern Reichthum und Freyheit kommen/ kaum ein Schatten der Koͤniglichen Regierung uͤberblieben/ dergleichen man fast bey denen siehet/ die einem Coͤrper etlicher Bundsgenossen als Hertzogen vorstehen. Dahero wird des Teutschen Reichs Coͤrper in eine sehr schaͤdliche convulsion zertheilet/ in dem der Kaͤyser und die Staͤnde von einander gehen/ und jener gleich als nach langer Zeit durch allerhand Kuͤnste zur Koͤnig- lichen Macht eilet/ diese aber sich die ein- mahl erworbene Guͤter fleissig zu verthaͤti- gen bemuͤhen. Woraus nothwendig ein immerwaͤrender Argwohn/ Mißtrawen/ und heimliche Nachstellungen entstehen muͤssen/ welche des andern Auffnehmen verhindern/ oder ihre Macht schwaͤchen. Welches auch machet/ daß dieser sonst so starcke des Teutschen Reichs. starcke Coͤrper die Außlaͤnder anzufallen/ und etwas zu erwerben als untuͤchtig er- funden werde/ weil die Staͤnde nicht ger- ne schen/ daß dem Kaͤyser ein groͤsser Ver- moͤgen/ nach deme solches nicht gleich un- ter alle mag getheilet werden/ zuwachse. Wie ungereimt wuͤrde demnach auch nur dieses seyn/ daß sich der Kopff wider die Glieder gleichsamb in Partheyen geben wolte. Ferner entstehen aus unterschied- lichen U rsachen auch unter den Staͤnden selbst mancherley Trennungen/ welche ma- chen/ daß auch Teutschland nicht einmahl ein fuͤglich Systema der Bundsgenossen seyn kan. Die Staͤnde selbst haben eine ungleiche Regiments Form/ und sind uͤbe r untereinander geordnet/ indem unter den Fuͤrsten hin und wieder Freystaͤdte zu fin- den. Weiln die Staͤdte gemeiniglich we- gen der Commercien floriren/ machen sie ihnen durch ihren Reichthum die Fuͤrsten mißguͤnstig/ vornemlich wenn ein theil sol- ches Reichthums aus ihren Laͤndern da- N ij hin Vom Zustand hin geflossen. U nd kan man nicht in abre- de seyn/ daß etliche Staͤdte gleich als eine Miltz auffgeschwollen/ und der benachbar- ten Fuͤrsten Laͤnder mager worden. Es ist auch des Adels weise/ daß er den gemeinen Mann verachte/ welcher doch zum offtern durch sein Geld ihm nicht weniger selbst gefaͤllet/ als ihm jener durch seine Einbil- dungen und außgeschoͤpffte Laͤnder. End- lich sehen etliche diese Staͤdte an/ als wel- che ihnen die Herrschafft auffruͤcken/ und befinden/ daß man uͤber die unterwerffung wegen der benachbarten Freyheit ungedul- tig sey. Daher kommt mißgunst/ verach- tung/ uͤberfall/ argwohn und heimliche nachstellung. Welches alles doch schaͤrf- fer und offentlicher voꝛgehet unter den Bi- schoffen/ und den jenigen Staͤdten/ in wel- chen sie ihre Thumkirchen haben. Wie- wol auch die Fuͤrsten auff dem Reichstage selbst keinen schlechten Verdruß wider das Collegium der Staͤdte von sich spuͤren lassen/ da hingegen der Keyser den Staͤdten guͤn- des Teutschen Reichs. guͤnstig ist/ als bey welchen er mercket/ daß sein Ansehen mehr gelte/ als bey den andern Staͤnden. Es sind auch die weltliche und geistliche Fuͤrsten einander nicht zu sehr ge- wogen. Diesen giebet in einer Classe den vorzug vor jenen die Heiligkeit des Ampts/ und weil ohne zweiffel die Gottseligkeit reichlicher durch eine kahle Platte als einen unbeschornen Scheitel durchdringet; wo- her sie auch vor zeiten bey den Barbari- schen Seculis im gemeinen Regiment groß Ansehen hatten; Jch weiß aber nicht/ wie es den Weltlichen so verdrießlich vorkom̃t/ die andern/ so gemeiniglich aus dem gerin- gen Adel geschwinde in gleicher oder hoͤhe- rer Ehre als sie/ gesetzet/ und die Gnade Gottes vorschreibende/ anzusehen. Vor- nemlich weil sie solche Wuͤrde auff ihre Nachkommen nicht fortsetzen koͤnnen/ dañ ihr Geschlecht bleibet in doch der Beschaf- fenheit wie es vor gewesen/ bestehen; Ohne das viel Bischoͤffe/ nach dem Exempel un- sers heiligen Vaters/ ihre Vewandten N iij durch Vom Zustand durch die geistliche Beneficien und schen- ckungen herrlich gnug zu versorgen pfle- gen. Hingegen haben auch die Geistlichen/ warumb sie billich auff die Weltlichen zuͤr- nen/ weil solche nemlich ihrem Schmer- bauche schaͤdlich seyn/ wovon drunten her- nach mit mehrem. Es glebet auch nicht wenig gelegenheit zur trennung der Staͤn- de die grosse ungleichheit der Guͤter. Daher es denn ferner wegen der verderbten Menschlichen Natur kompt/ daß die maͤch- tigen die schwaͤchere verachten/ und solche unterzudruͤcken begehren/ da hergegen die- se zu argwohnen und zu klagen geneigt seyn/ und bißweilen die gleichheit ihrer Freyheit mit unmuth zu verstehen geben. Es ist aber auch die Hoheit der Churfuͤr- sten fuͤr den andern Fuͤrsten keine geringe U rsache der Streitigkeit/ in dem diese eine solche Herrligkeit nicht wol vertragen/ und vorgeben/ daß sie wider die Billigkeit miß- brauchet werde; Jene aber fuͤr ihr Recht und Ansehen tapffer streiten. Es des Teutschen Reichs. §. 9. Es waren noch nicht der Kranckheiten genug/ wo nicht die Religion, welche son- sten die Gemuͤther auffs genauste zu ver- binden pfleget/ Teutschland in Theile zer- rissen/ und hefftig beschaͤdiget. U nd ent- stehet die U rsach solches Widerwillens nicht allein aus den unterschiedlichen mey- nungen/ uñ weil es den Priestern gebraͤuch- lich/ daß sie denen/ die anderer meynung seyn/ den Himmel absprechen; Sondern weil die Catholischen Priester eines guten theils ihrer Guͤter durch die Protestan- ten verluͤstig worden/ welche wieder zu er- langen sie Tag und Nacht angetrieben werden. Da jene fuͤr eine faulheit hielten/ daß jenige wieder loß zu geben/ was sie ein- mahl eingenommen. Ja es finden sich et- liche/ die ins gemein dafuͤr halten/ daß der Priester allzu grosse Guͤter dem Regiment sehr beschwerlich fallen/ vornemlich weil die Pfaffen und Muͤnche von einem an- dern Haupte außerhalb des Teutschen Re- N iiij giments Vom Zustand giments dependi ren/ das niemahls die Teutschen auffrichtig liebet/ und welches wuͤnschen solte/ daß alle Weltlichen umb- kaͤmen/ wenn es nur seinem Anhange wol ergienge. Denn es ist offenbahr/ daß auff diese weise gleichsamb ein sonderbarer Sta- tus mitten im Regiment gegruͤndet werde/ und also das Regiment zweene Koͤpffe be- komme; welches die meisten/ so ihr Vater- land mehr als die Roͤmische Kirche lieben/ fuͤr einen gemeinen Schaden achten; Es ist auch dieses nicht weniger schaͤdlich/ daß etliche der Teutschen Staͤnde nicht allein unter sich/ sondern auch mit den Außlaͤn- dern sonderliche Verbuͤndnisse machen duͤrffen/ und daß so viel sicherer/ weil es in dem Osnabruͤggischen Friedenschluß auß- druͤcklich zugelassen. Welches nicht nur die Teutsche Fuͤrsten in Partheyen tren- net/ sondern auch den vereinigten Außlaͤn- dern das Vermoͤgen giebet/ Teutschland nach ihrem belieben zu maͤssigen/ und end- lich bey guter Gelegenheit durch der Bunds- des Teutschen Reichs. Bundsgenossen Huͤlffe sich allen zu wider- setzen; vornemlich weil solche Buͤndnisse mit den Außlaͤndern nicht allein wider an- dere Außlaͤnder (welches etlicher massen zu dulden waͤre) sondern auch wider eines Reichs Glieder gesucht werden. Von der Gerechtigkeit hoͤret man auch in Teutsch- land wenig; Denn wenn unter den Staͤn- den eine Streitsache entstehet (welches bey solcher menge/ und unteꝛmischung der Ter- ritorien offte geschiehet) und man fuͤr der Kammer kompt/ hat man endlich nach verlauff eines Seculi der Streitigkeiten endschafft zu hoffen. Wer ihm zum Hoff- gericht durch Gunst und Gaben Bahn machet/ darff sich nicht besorgen/ daß ihm die Thuͤr versperret werde. Es fehlet auch nicht an denen/ die da meynen/ es erinnere sich solches Gericht allzu sehr des Orts/ wo es seine Wohnung auffgeschlagen. Daher bestehet das Recht in Teutschland fast in den Waffen/ und wer der staͤrckste ist/ gewinnet auch die Sache/ und schewet N v sich Vom Zustand sich nicht/ ihm selber die Exsecution zu thun. Endlich zeuget auch dieses von einer so schwachen Gesellschafft/ daß Teutsch- land weder einen gemeinen Kasten noch Kriegesheer hat/ wodurch er aller Auß- laͤnder Anfaͤlle abtreiben/ oder eine und an- dere Landschafft erwerben kan/ aus deren Einkuͤnfften hernacher die gemeine U n- kosten des Regiments gehalten wer- den koͤnnen. U nd wieviel besser wuͤrde es seyn/ daß Teutschland die jenigen Frieden- hasser/ die fast durch gantz Europa ihr Blut feil bieten/ zu ihrem eigenen Nutzen an- wendete. §. 10. Es hat auch ein jeglicher von den Staͤn- den nicht wenig æmulation und streitig- keit wider den andern/ welche auch die Macht des gantzen Leibes zimlich schwaͤ- chen. Wir haben genug/ wenn wir nur die vornehmsten allhier beruͤhren. Es sind alle Fuͤrsten dem Hause Oesterreich miß- guͤnstig/ und darauff argwoͤhnisch/ weil solches des Teutschen Reichs. solches den Kaͤyserlichen Thron und grosse Macht so lange besitzet. Zwischen dem Pfaͤltzischen und Baͤyrischen Hause ist uͤber dem alten Haß ein Streit uͤber das Reichs Vicariat entstanden/ den ich nicht weiß wie er wird beygeleget werden/ weil sich je- nes auff sein Recht/ dieses aber auff seine Macht verlaͤsset. Bey dem Hause Sach- sen neidet die Ernestini sche Linie die Al- bertini sche/ weil das Churfuͤrstenthumb von dieser auff jene gebracht. Der Chur- fuͤrst von Brandenburg kan niemahls auff gutem Glauben das von den Schweden entnommene beste Theil in Pommern ver- gessen. Auff Chur-Pfaltz sind laͤngst etliche Benachbarte unwillig gewesen wegen ein und ander Recht/ das er in ihren Laͤndern hat/ weswegen sie newlich zun Waffen ge- griffen. Jch halte auch kaum/ daß der je- nige Streit gar vergessen sey/ welcher we- gen des Marpurgischen Fuͤrstenthumbs bey der Hessischen Familia gewesen. U nd ist der Friede wegen der Guͤlischen N vj Laͤn- Vom Zustand Laͤnder zwischen dem Churfuͤrsten von Brandenburg und dem Neuburgischen Pfaltzgraffen nicht zu trauen. Wer wil die kleinere Streitigkeiten alle erzehlen. Ja es macht auch der vergeblich Streit we- gen der præcedentz etliche Fuͤrsten unter- einander gehaͤssig. Eine solche grosse men- ge der Kranckheiten ist U rsach/ daß man den sehr verdrießlichen Proceß vornem- lich in civil Sachen/ wodurch auch das klareste Recht in vielen Jahren kan auff- gehalten werden/ unter die geringere Feh- ler zehlen muß. Es bringet auch der Muͤn- tze unterscheid in Teutschland den Com- mercien und der privat Leute Erbschaff- ten grossen Schaden/ ob man wol sonsten der Pfennige bescheidenheit ruͤhmen muß/ daß sie die schamhafftigkeit ihrer gering fuͤ- gigkeit mit der Farbe selbst mercklich anzel- gen. Daß endlich etliche Fuͤrsten nur dem schlemmen und der Jagt ergeben seyn/ und sich entweder nichts oder gar wenig umb die privat Sachen bekuͤmmern/ solches ist den des Teutschen Reichs. den lasterhafftigen Menschen und nicht dem Regiment zu zuschceiben/ und solch U bel findet man auch in andern Land- schafften. Das VIII. Capitel. Võder Ratio Status des Teut- schen Reichs. §. 1. M Jt was Kranckheiten Teutschland behafftet/ halte ich/ sey klaͤrlich zu Tage geleget; Von den Artzneyen sol eben so viel gesagt werden/ welches doch einer außlaͤndischen Persohn und reysen- den nicht anzugehen scheinen koͤnne/ wo nicht die Teutschen so freundlich waͤren/ daß sie sich mehr uͤber Fremde/ als uͤber ihre eigene Sachen zu verwundern pfle- gen. U nd hoffe ich/ es werden die verstaͤn- digen eines unpartheyischen Menschen auffrichtiger freyredenheit leichtlich ver- zeihen/ der nach seines Vaterlaudes Wol- stande nichts mehr wuͤnschet/ als daß die- ses Vom Zustand ses auffrichtige Volck herrlich floriren moͤge: Ehe ich aber unsere meynung her- vor bringe/ halte ich der Muͤhe werth zu seyn/ mit wenigem die Artzueyen zu bese- hen/ die der obẽ citirte Hippolithus â la- pide dem krancken Teutschlande vorle- get: Denn solche/ ob sich gleich viel druͤ- ber verwundert/ weiß nicht wie so uͤbel temperirt uns allzeit voꝛkommen seyn. §. 2. Giebet demnach solcher erstlich sechs Gesetze/ welche ihm rationes status zu nennen beliebet hat/ so in einer solchen Regiments Foꝛm/ wie er Teutschlande antichtet/ muͤssen in acht genommen wer- den/ nemlich in einer Aristocratia , allwo das hoͤchste Regiment bey den Vornehm- sten/ und der Schatten der Koͤniglichen Macht bey den Fuͤrsten ist. Setzet dem- nach 1. daß man sich der Einigkeit be- fleissigen/ und der Auffruͤhren enthalten muͤsse. 2. Daß die Kaͤyserliche Wuͤrde nicht zu lange bey einer Familia bleiben solle/ des Teutschen Reichs. solle/ damit sie nicht lust bekomme durch zu langem Gebrauch des Tituls ei- ne bestaͤndige Herrschafft zu ergreiffen. 3, Ob gleich das Fuͤrstenthum/ mit der Macht zuregieren und zum gemeinen Nutzen/ und vereinigung des Regiments alle zu moderi ren verknuͤpffet wuͤrde; muͤsten doch die Staͤnde allzeit das Re- giment fuͤhren/ und die Macht von den Hauptsachen zu schliessen auff dem Reichstage veruͤbet werden/ welcher deßwegen offte zu halten. Man muͤsse nur einen jmmerwaͤrenden Rath weh- len/ wie im anfange des vorigen Seculi das Regiment war. 4. Daß nur der schein der Majestaͤt dem Kaͤyser gelas- sen/ die Macht aber und Rechte selbst dem Regiment behalten werden. 5. Daß der Reichsstaͤnde Leben/ Gut und Geruͤcht nicht des Kaͤysers Willen allein unter- worffen sey. 6. Daß der Krieg und feste oͤrter desselben Macht allein nicht solten anvertrawet werden. Hernach ist er darin Vom Zustand darin weitlaͤufftig zu beweisen/ es waͤren solche Gesetze so wol vom Kaͤyser als von etlichen Staͤnden nicht ohne hefftiger versolgung des Hauses Oesterreich und etlicher Churfuͤrsten auff mancherley weise uͤbertreten worden. Denn ob gleich diese Gesetze nicht gaͤntzlich zu verachten/ weil doch schon oben erwiesen/ Teutsch- land sey keine Aristocratia, ist man ver- geblich der meynung/ daß die Wolfahrt Teutschlandes in diesen Gesetzen allein bestehe. §. 3. Darauff schreibet er sechs Artzneyen vor/ dadurch die Kranckheiten Teutsch- landes muͤssen geheilet werden: Vors erste ruͤhmet er die befleissigung der Ei- nigkeit/ und eine allgemeine vergessung und abschaffung aller Beschweꝛligkeiten/ wodurch der Haß untereinander erhal- ten wird; U nd daß man nicht wegen der Religion unterscheid von einander gehe/ doch deßwegen die allgemeine Wol- fahrt des Teutschen Reichs. fahrt verhindert werde. Diese Gelegen- heit giebet denen in den Schulen genug- same gelegenheit an die Hand von der Catheder zu declami ren; Kan aber zum Nutzen des Teutschen Regiments alsdenn erst applici ret werden/ wenn al- le Teutsche Staͤnde klug zu werden/ und ihre Gemuͤths meynungen nach den Phi- losophi schen Gesetzen genaw einzurich- ten anfangen; Darnach wil er/ man solle das Haus Oesterreich außrotten/ und dessen Guͤter in den Fiscum legen: Das heist aber einen Hencker und nicht einen Medicum agi ren; Als wenn man der jenigen stracks außrotten solte/ deme etwas uͤberfluͤssige Guͤter zugefallen; A- ber wenn wir diesem harten Schluß ge- horsahmen/ wer wil die Axt anlegen eine so viel Landes unter sich begreiffende Macht außzurotten/ daran dem gantzen Europa , daß sie einem oder zweyen nicht zu wachse/ gelegen ist? Ein theil der Teutschen Staͤnde ist diesem Hause ge- neiget; Vom Zustand neiget; viele hassen es nicht; Die uͤbrigen koͤnnen solche Macht nicht umbstossen. Muͤssen demnach gehuͤlffen nehmen/ wen aber anders als die Frantzosen und Schweden? denn als Hippolithus der- gleichen schriebe/ waren diese zum fleissig- sten darauff bedacht/ und ruͤhmeten mit grossem zufall bey den unerfahrnen/ daß die von den Oesterreichischen unterge- druͤckte Teutsche Freyheit durch sie vin- dici ret werde. Es wuͤrde aber unhoͤff- lich seyn eine solche Muͤhe vergebens von ihnen zu begehren; U nd warkein Rent- meister zu finden/ der die Beute so reli- gios in den Fiscum braͤchte; Es sind viel- mehr nicht unebene Leute der meinung/ daß wenn es den Feinden des Hauses Osterreich nach ihrem Wunsch ergienge/ die Reichsstaͤnde das alte Froͤsche ge- quack wieder einfuͤhren wuͤrden/ welche an statt des Balcken den Storch zum Koͤnige bekommen. Nach dem das Hauß Osterreich auß dem Wege geraͤu- met/ des Teutschen Reichs. met/ wil er doch daß es Teutschland nicht an einem Haupt ermangele. Wil dem- nach man solle einen andern Kaͤyser weh- len/ deme er auß seinen locis communi- bus eine herrliche Gesellschafft der Tu- genden beyleget; Aber daß er nur mit dem vergeblichen Titul herfuͤr leuchte/ und ohne Koͤniglicher Macht des Dire- ctoris und Obrigkeits stelle verwalte. Ein solcher Vorsteher oder Director aber kan in einem Aristocrati schen Regiment gebrauchet werden/ da die vornehmsten in einer Stadt wohnen. Man haͤtte ja leichter sagen koͤnnen/ daß Teutschland keines Kaͤysers beduͤrffe. Wie viel Macht aber der Hippolithus seinem Kaͤyser ab- spricht/ so vielmehr Einkuͤnffte scheinet es wolle er ihm zulegen. Nun wuͤrde es schaͤndlich stehen/ daß ein solcher grosser Fuͤrst Mangel leyden solte/ darumb wer- den der Osterreichischen Laͤnder zur Erb- schafft des Reichs verordnet/ und wenn diese vielleicht nicht genug waͤren/ muͤssen die Vom Zustand die Churfuͤrsten das jenige wieder geben/ was ihnen vom Carolo IV. geschenckt oder bekraͤfftiget worden. Es scheinet aber der jenige muͤsse die Menschliche Natur nicht verstehen/ welcher meinet daß sich ein so beguͤterter Herr mit gute von solcher kleinen Macht solte um̃schꝛen- cken lassen; Auch wuͤrden die Churfuͤrsten nach dem untergange des Hauses Oster- reich das jenige was sie durch dtey und mehr Secula in gutem Frieden besessen nicht so leichte wieder geben. Zu deme seyn sie zu dum das zu begreiffen/ was ihnen ihre Beicht Vaͤtet von der wie- der zustellung der mit Unrecht erwor- benen Guͤter schwaͤtzen; Auch haben die Churfuͤrsten wol was sie den andern Fuͤrsten wieder sagen koͤnnen: Denn ich halte es wuͤrden viele zu geringen Baur- huͤtten ihre Zuflucht nehmen muͤssen/ weñ sie von allen zuwachsungen so aberglau- bische Rechenschafft geben solten. Dar- umb wirds am billigsten seyn/ das ein jeg- licher des Teutschen Reichs. licher das jenige was er lange besessen/ auch nachmals behalte. Vors vierdte vermahnet Hippolithus man muͤsse ver- trauen unter den Staͤnden wieder ein- fuͤhren/ das mißtrauen aber außrotten/ welches geschehen koͤnne/ wenn die Be- schwerungen/ derer die meisten aus dem Religions Streit entstanden/ auff beeden seiten durch eine freundliche beylegung aus dem mittel gethan wuͤrden; Weil aber eben dieses in der ersten Artzney begriffen/ was were es denn von noͤhten eine sonderliche Buͤchse damit anzufuͤllen? Was endlich davon zu halten sey/ daß man ein Regiment anstellen/ einen Reichstag wichtiger Ge- schaͤffte wegen außschreiben/ denn Hoffraht abschaffen/ imgleichen ein stetiges Kreiges- Heer halten/ und einen Krieges Kasten anstifften muͤsse/ zu welches erhaltung die Annatæ zu gebrauchen/ wird das bald nachfolgende anzeigen. §. 4. Nun were noch wol uͤbrig/ daß auch wir unsere Vom Zustand unsere Apotheter Buͤchsen auffthaͤten/ ob darin etwas moͤchte gefunden werden/ wel- ches dem am Fieber liegenden Teutschlan- de nach dem Maul waͤre; Es ist aber ge- wiß/ daß angebotene Braten stincken; U nd werden zweiffels ohne keine verstaͤndige Leute fuͤr rathsamb halten/ von sich selbst zu andern Krancken zu gehen; Weil die Zornsuͤchtige Krancken hefftig auff die Medicos , die sonsten das beste rathen/ und umb Geld gedinget seyn/ zu schelten pfle- gen. Ja es sind auch die jenigen von den verstaͤndigen auß zulachen/ welche sich in ih- rem privat Lebẽ nicht schewen/ denen so im Regiment sitzen/ aus Ehrgeitz Gesetze vorzu- schreiben. Die aber in civil Wissenschafft erfahꝛen/ koͤnnen leichte/ nach eꝛkaͤntniß der kranckheit des Regiments/ Artzneyen findẽ. Damit aber diß Wercklein nicht ohne ende zu seyn scheine/ wird es gnug seyn/ nur ein weniges hinzu zu thun. Wolte demnach meynen/ dz man als ein fundament halten muͤsse/ weiln die uͤbele beschaffenheit des Teut- des Teutschen Reichs. Teutschen Stats also gleichsamb verhartet/ dz Teutschland nicht ohne umbkehrung des gantzen Regiments nach den Gesetzen eines rechtmaͤssigen Reichs koͤnne reformi ret werden. Es dienen aber einem solchen Stat am besten die jenige remedia, welche denen Republiquen, so aus der vereini- gung vieler Bunds genossen zusammen ge- wachsen/ und den Teutschen am nechsten beykommen/ von den Politicis fuͤrgeschrie- ben/ darunter dann mit begriffen/ daß sie fuͤr allen dingen sich bemuͤhẽ muͤssen/ mehr ihre eigene Sachen zu verthaͤtigen/ als frembde zu gewinnen. Die innerliche Ei- nigkeit allhie zu behalten/ kostet grosse Muͤ- he/ und dazu ist hoͤchstnoͤtig/ daß einem jeg- lichen sein Recht bleibe/ und keinem zuge- lassen weꝛde/ daß er einen schwachen unter- druͤcken koͤnne/ daß also alle gleiche Frey- heit und Sicherheit/ ob sie schon ungleiche Guͤter haben. Die alten prætensionen muͤssen ewig verschwiegen bleiben/ und wie es jeglicher besitzet/ must ers hernach be- halten. Vom Zustand halten. Die newe Streitigkeiten muͤsten nach gutduͤncken der andern Bundsge- nossen/ die weder heucheln noch hassen/ ge- schlichtet werden. Wer sich an deren U r- theil nicht wolte vergnuͤgen lassen/ muͤste von allen gestrafft werden. U nd so die sol- cher gestalt untereinander vereinigte ja ei- nen Fuͤrsten zu ihrem Oberhaupt anneh- men wolten/ muͤsten sie wol zu sehen/ daß er nicht nach der Herrschafft streben koͤnne; Darzu dienet absonderlich/ daß die Solda- ten und feste oͤꝛter von seinem Willen nicht dependi ren: Man muͤste ihn auch nicht allein mit gewissen und genawen Gesetzen umbschrencken/ sondern ihm auch einen jmmerwaͤrenden Rath/ der die vereinigten Staͤnde repræsentire , zulegen/ deme die taͤglichen Geschaͤffte/ so das gantze Regi- ment angehen/ nach dem erst alle Staͤnde ihre meynung davon gegeben/ außzurich- ten anbefohlen weꝛden koͤnten. Vor diesem Rath muͤste man alles/ was die außlaͤnder mit dem Regiment zu thun haben/ bringen/ woselb- des Teutschen Reichs. woselbsten es erstlich examini ret/ hernach vor einem jeglichen Bundsgenossen ge- bꝛacht/ und endlich ein allgemeiner Schluß colligi ret werden koͤnte. Von diesem muͤ- sten auch/ wenn wichtige Sachen vorkom- men ausser der Ordnung Zusammenkuͤnff- te der Bundsgenossen angekuͤndiget wer- den; und damit solches desto leichter und ohne grosse U nkosten geschehen koͤñe/ muste man eine gewisse Art vorschreiben: Denn es ist kaum zu glaͤuben/ daß die Oeflerreichi- schen einen solchen Rath umb sich leiden solten/ in dem sich ihre Macht zu keiner Buͤrgerlichen art bringen laͤsset. Und wer- den doch die Teutschen Staͤnde nicht zuge- ben/ daß/ so lange Maͤnnliche Erben von diesem Hause uͤbrig seyn/ die Kaͤyserliche Wuͤrde auff jemand anders verleget wer- de. Muͤste man derowegen bescheidentlich bitten/ daß sie mit ihren erworbenen Guͤ- tern zu frieden seyn/ und uͤber die Staͤnde keine Herrschafft begehren wolten; weñ aber etwas zu der Staͤnd præjuditz vor- O genom- Vom Zustand genommen werde/ muͤsten sie tapffer und mit gesampter Macht Widerstand thun. Vornemlich muͤste verhuͤtet werden/ daß nicht etliche wenig entwedeꝛ unter sich oder mit den Staͤnden Buͤndnisse machten/ die einigem Gliede Teutschlandes zuwider . Wo solche aber wider andere giengen/ muͤ- ste man zu sehen/ daß nicht Teutschland durch diese Gelegenheit in Krieg geriethe. Man muͤste aber insonderheit Versehung thun/ daß sich die Außlaͤnder nicht in die Teutschen Haͤndel mischten/ noch das geringste theil mehr von Teutschland ab- zoͤgen. Auch muͤste man abwenden/ daß nicht ein maͤchtiger und seine Graͤntzen zu erweitern begieriger Feind eine und andere der benachbarten Landschafften wegnem e daher auch die Seuche in Teuschland ein- schleichen koͤnte. Wenn man mercket/ daß dergleichen vorgeno m en wird/ muste man sich bey zeiten zur defension schicken/ und derjenigen/ denen auch daran gelegẽ/ Ver- buͤndniß suchen/ damit nicht gewisse Koͤnig- reiche des Teutschen Reichs. reiche gar zu maͤchtig wuͤrden. Ferner so lange Teutschland nur das seinige verthaͤ- tigen darff/ wuͤrde nicht so groß von noͤ- then seyn ein stetiges und sonderlich gros- ses Krieges Heer zu halten; doch muͤste man bey zeiten eine außschꝛeibung machen/ wie viel ein jeglicher/ wenn es noͤthig/ sen- den solle. Auff was weise aber auch zur Friedens zeit mit geringem Kosten eine Krieges Macht zu halten/ die/ wenn es die Noth erheischen wuͤtde/ alsbald eine Armee machen koͤnne/ moͤchten die Teutschen/ wo mir recht/ von den benacharten Schweden am besten lernen koͤnnen. §. 5. Es wuͤrde gar leicht seyn/ dieses alles/ und was sonsten die Wolfahrt Teutschlan- des erfordert/ zu erkennen und znm Nutzen anzuwenden/ wennnur die/ so im Regi- ment sitzen/ wol gesinnet waͤren; Weil aber die meisten den unterscheid der Religion unter die vornehmsten U rsachen zehlen/ warumb Teutschland also zerrissen/ halte O ij ich/ Vom Zustand ich/ es werde sich bey diesem Wercklein wol schicken/ mit wenigem zu sagen/ was etliche vornehme Leute uͤber diesen Handel in mei- ner gegenwart disputi ret haben. Denn ich bin in Theologi schen Sachen nicht so viel geuͤbet/ daß ich von mir selbst uͤber der- gleichen ein Urtheil faͤllen koͤnne/ zu dem e halte ich werde es fuͤr ein geringers verse- hen zu achten seyn/ anderer Leute meynung zu erzehlen/ als seine eigene an den Tag zu geben/ vornemlich/ weil ich mich dem U r- theil der allerheiligsten Mutter der Catho- lischen Kirchen demuͤtigst unterwerffe . Als ich derowegen zu Coͤlln am Rhein bey dem Hochwuͤrdigsten und Durchlaͤuchti- gen Apostolischen Nuncio, welchen ich neben etlichen andern/ meinen Gehorsam zu bezeugen/ besuchet hatte/ unter andern Reden voꝛgebracht/ ich koͤnne die U rsachen noch nicht gnugsam begreiffen/ warum b die Religion so gꝛosse Uneinigkeit in Teutsch- land angerichtet/ da in dem vereinigten Ni- derlande/ wohin ich vor kurtzen verreist gewe- des Teutschen Reichs. gewesen/ dergleichen nicht gefunden wer- de; woselbsten man doch die groͤste Frey- heit habe zu glaͤuben und nicht zu glaͤuben/ was einem beliebet. Denn da waͤre ein jeglicher auff seinen Gewinn und Geschaͤff- te bedacht/ und kuͤmmere sich wenig umb eines andern Religion. Da fieng ein gar vornehmer Mann/ der sich lange zeit zu Hoffe auffgehalten/ nun aber zur hoͤchsten Ruhe begeben/ nach dem er den Nuncium umb verzeihung gebeten/ also an: Weil die- ser reysende der jenigen Sache/ die meine Gedancken lange verunruhiget/ auff die Bahne gebracht/ wil ich jetzo/ nach deme ich nicht allein willige Zuhoͤrer/ sondern auch an euch verstaͤndige Leute/ ohn deren gegen- wart ich meine meynung zu behaupten mir kaum getrawe/ zu habẽ vermercke/ was mir endlich der Warheit am aͤhnlichsten fuͤr- kommen/ beybringen. Darauff hat er et- was weitlaͤufftig erzehlet/ wie nemlich das Christenthumb von anfang durch so viel Ketzereyen/ derer die meisten mit der Zeit O iij von Vom Zustand von ihnen selbst verschwunden/ von einan- der getrennet. Es koͤnne aber kaum eine Spaltung erdacht werden/ welche die Kir- che hefftiger zertheilet/ und welche nicht al- lein etliche privat Personen/ sondern auch gantze Koͤnigreiche angegriffen/ als zu wel- cher in dem vorigen Seculo etliche wenig Doctores in Teutschland U rsache gege- ben. Man hat mit grossem Verstande/ wie auch abschewlichem Haß widereinander gestritten/ und sey doch noch keine Hoff- nung/ daß solche schreckliche Uneinigkeit koͤune beygeleget werden. Er sey jetzo nicht vorhabens/ die verborgene U rsachen der Verhaͤngnisse zu erforschen. Was aber die Vernunfft von Menschlichen Sachen zu untersuchen an die Hand gebe/ wolte er seinem Orden gemaͤß fuͤrbringen. §. 6. Erhellet demnach/ sprach er/ daß die Menschen vornemlich durch zwey Dinge/ als durch verachtung und entwendung des Nutzens hefftig gereitzet werden; wir reden aber nicht von der jenigen Verach- tung/ des Teutschen Reichs. tung/ wodurch jemandes guter Nahm und Leumuth eigentlich verletzet wird/ sondern welche ihm ein jeglicheꝛ Hirnwuͤtiger aus eines andern nicht mit ihnen einstim̃enden Meynung ertichtet: Denn an dieser Seu- che liegen gemeiniglich die Menschen da- nider. Da ist nicht allein verhast daß man dawider streitet/ sondern auch/ daß man darin nicht bewilliget: Denn wer mit ei- nem nicht uͤbereinstimmet/ den haͤlt man dafuͤr/ daß er ihn heimlich eines jrthums bschuldige; U nd wer in vielen einer gar anderen Meynung ist/ der wird dem anse- hen nach fuͤr einen Narren gehalten. Fer- ner plaget auch diese Kranckheit sehr die Calmeuser/ die in dem Schuelstaube erzo- gen/ und ihren einsahmen Speculationi- bus nachhaͤngen. Dieser ihr Hauptfeind ist alsbald der jenige welcher ihre Meinung nicht hoch oder fuͤr ein Oraculum haͤlt. U nd haben vorzeiten die Roͤmer und Carthaginenser mit keinem groͤssern Ey- fer umb die Herrschafft der Welt gestrie- O iiij ten/ Vom Zustand ten/ als offtermals etliche Gelehrten uͤber die Syllaben und andere geringe Sachen. Einen gleichen/ wo nicht groͤssern Eyser erweisen die Priesteꝛ/ ( denn der Nuncius hatte ihm die Warheit frey zusagen gewin- cket) dann weil einjeglicher meinet/ daß ihm Gott sonderlich gewogen sey/ so wird der jenigt/ welcher von ihrer Meynung abge- het/ neben der unbilligkeit des verachteten ansehens/ auch der gotlosigkeit beschuldi- get/ als wenn er/ nemlich auß verachtung der Himmlischen Wahrheit/ oder auß Profan halstarrigkeit/ damit es nicht scheine er habe von andern etwas gelernet/ von seinem auch wol offentlichem Jrthum nicht abtreten wolle. Und ist traun zuver wundern/ daß die jenigen/ welche andern die vertraͤgliche Sanffemuhe der Christli- chen Religon ein predigen sollen/ solche von den rauhen affecten eingenommene Gemuͤhter haben. Oder es weise mir ei- ner bey welcher Art Leute mehr Ehr- und Geld geitz/ Mißgunst/ Jachzorn und Hals- starrig- des Teutschen Reichs. starrigkeit gefunden werde/ und die ein- jeglicher sich und das seine so groß ma- chet/ daß der/ welcher das gegentheil zu halten sich untersiehen wird/ alsbald dem Hellischen Feur zuerkant werde/ da sie auch nicht einmahl Gott die Macht las- sen/ solch U rtheil unguͤltig zu machen. Daß es aber einem verdreust/ daß sein Nutzen durch andere weg genommen wird/ ist der Vernunfft nicht so sehr zu- wieder. §. 7. Die U rsachen aber der U neinigkeit desto gruͤndlicher zuverstehen/ muß man auch gleichsamb die Natur der dreyen Religi- onen, welchen in Teutschland offent- liche Freyheit gelassen wird/ betrachten. Wie kuͤnstlich zwar einjegliche ihre Schluͤsse auß der Heil. Schrifft bewei- set/ wollen wir nicht nachforschen/ dann wir solche nur zu unserer eigenen Gottse- ligkeit gebrauchen. Und seyferne von unß der alleꝛheiligsten Mutter der Kirche eine O v solche Vom Zustand solche Boßheit zu zuschreiben/ daß sie uns die wir ihr so einen grossen Gehorsahm erweisen/ einen verderblichen Jrrthum auffbuͤrden wolle. Doch ist es billig/ daß wir zusehen/ wie weit sich der Weg zur Seligkeit/ welchen zu weisen sich die Priester bemuͤhen/ bey unserer Politie schicke: Denn ich halte nicht daß Gott der Herr die stille des Buͤrgerlichen Le- bens durch seinen Dienst verunruhigen wollen. Damit ich derowegen von denen/ die von unserer Catholischen Kirchen ab- getreten/ den Anfang mache/ habe ich traun in der Lutheraner Religion nichts mercken koͤnnen/ daß den Principiis der politi schen Lehre zu wieder waͤre: Die Macht in Geistlichem Sachen ist den Fuͤrsten beygeleget; Der Priester Guͤter sind zu grossem auffnehmen des Regi- ments (wie scheel ihr auch außsehet) ver- ringert; Dem gemeinen Mann ist ein- gebunden/ daß sie die Obrigkeit/ als einen der auff Erden Gottes Staͤlle vertrit/ ehren des Teutschen Reichs. ehren sollen. Endlich wird die Summa und der Einhalt der guten Wercke auff deme/ was einem ehrlichen Mañe wol an- stehet/ gestellet. U nd ist nicht uneben das man etliche eusserliche und ansehnliche Ceremonien des offentlichen Gottes Dienstes behalten/ umb dadurch die Ge- muͤhter der einfaͤltigẽ/ welche die betrach- der blosen gotseligkeit fast nicht begreif- fen koͤnnen zu gewinnen. Gleich wie nun die Religions geheimnisse nicht nach dem seltzamen aberglauben eingerichtet seyn; Also scheinet es wol zu stehen/ nur von dem subtilen Menschlichen Verstande eine Weißheit/ und goͤtliche Macht/ zu erhalten/ daß man glaube/ es koͤnne von dieser etwas hoͤhers geleistet werden/ als was jener zu ergruͤnden erlaubet. Ja auch die gꝛobheit selber/ welche etliche schimpfflich halten/ hilffet die Meynung der auffrichtigkeit zu wege zu bringen. Wie sich demnach keine Religion umb die Teutschen Fuͤrsten besser kunte ver- O vj dient Vom Zustand dient machen; Also scheinet auch unter allen fast keine dem Monarchi schen E- stat bequaͤmlicher zu seyn. U ud zwar/ wo nicht der respect der andern Laͤnder den Carolum V . gewehret/ koͤnte der Teutsche Kaͤyser einer grossen Einfalt beschuldiget werden/ daß/ nachdem er von den Fuͤrsten und etlichen Staͤdten den Anfang gemacht/ er solche gelegenheit durch die Geistliche Guͤter die Erbschafft des Reichs zu bereichern/ versaͤumet ha- be; Jn dem ihn die Fuͤrsten leichte zu ei- nem Theil der Beute zulassen wuͤrden/ und daß gemeine Volck solchen neuen Lehrern sehr geneigt war. Was die Cal- vinische Religion, wie man sie nennet/ betrifft/ ist sie von der vorigen wenig unterschieden/ ohne daß sie alle reli- quien der Catholischen gebraͤuche mit dem Staube außwerffen wollen/ und die neuen Dogmata etwas subtiler/ als von den Lutheranern geschehen/ auß- des Teutschen Reichs. außarbeiten. Deren beedes sich bey dem gemeinen Volcke nicht wol schicket. denn solches erstarret fast daruͤber/ daß der gautze Gottesdienst nur zum Predigen und wenigem Singen gebracht sey; und wenn es umb die Geistliche Sachen sorg- faͤltig zu seyn/ fuͤr eiue Tugend gehalten wird/ bekom̃t einjeglicher verkehrter Kopf Lust viel zu verneuern/ wo bey sich auch eine unuͤberwindliche halstarrigkeit fin- det die einmahl angenommene Meynung zu verthaͤtigen. Ja etliche sind gar auff eine Thorheit gerahten/ und haben fuͤr eine Suͤnde gehalten etwas lange und zierliche Haar zu zeugen. Diesem nechst haben die verstaͤndigen laͤngst gemercket/ daß/ die Natur dieser Religion zur de- mocrati schen Freyheit geneigt sey: Deñ nach dem einmahl das gemeine Volck in geistlichen Sachen/ wie auch von den Sit- ten zu urtheilen/ zur Stimme zu gelassen schiene es unbillig zu seyn/ daß ein Fuͤrst in den politi schen Haͤuptsachen etwas O vij be- Vom Zustand beschliessen koͤnne. Waruͤmb ferner diese neue Religionen, so ein groß Theil Teutschlandes eingenommen/ durch ih- ren zwispalt unter sich der allgemeinen Wiedersacher Macht gestaͤrcket haben/ sehen die Verstaͤndigen keine andere U r- sache/ als die/ davon wir itzo sagten/ der Priester halstarrigkeit/ so wolihre Lehre als guten Nahmen zu beschuͤtzen; wel- chem sie viele abzugehen vermeinen/ wenn sie denen/ die klaͤrere Sachen lehren/ und maͤssigere rahten/ daß geringste nachge- ben sollen: Denn es wird umb keinen nuͤtzen gestreiten/ weil ihnen beederseits gleich viel daran gelegen ist/ daß sie nicht wieder unter die Roͤmische Kirche ge- bracht werden. Weil man demnach von den Priesiern nicht erhalten kan/ daß sie den Nutzen des Regiments ihrer hals- starrigkeit vorsetzen/ gebuͤhrete es den Fuͤrsten solche Uneinigkeit ein wenig auff zuheben/ nicht zwar durch gewalt, sahme Mittel/ wodurch die Mißhellig- keiten des Teutschen Reichs. keiten mehr erreget als gestillet werden/ sondern durch einen gelindern Weg/ und gleichsamb uͤberquere: Denn wenn die Fuͤrsten bey annehmung der Diener nicht mehr auff die Secten/ sondern auff die Gaben des Gemuͤhts und des Verstan- des sehen/ wenn die Buͤrger einer jegli- chen Religion zu gethangleich gehalten werden/ wenn den Priestern solche strei- tigkeiten auff der Cantzel zu treiben/ und mit harten Worten das andere Theil anzugreiffen/ verboten wird/ weñ endlich auff den Hohen Schulen keine Lehrer/ als bescheidene und kluge Maͤnner gelitten wuͤrden/ so zweiffele ich nicht/ es wuͤrden solche streitigkeiten innerhalb wenig Ja- ren von sich selbst auffhoͤren. Aber ich halte der jenige werde sich umb die heilige Roͤmische Kirche nicht wol verdient machen/ der solchen Leuten guten rath an die Hand geben wird. §. 8. Es hat aber unsere Catholische Reli- gion Vom Zustand gion eine gantz andere Natur/ als diese neuen: Denn diese zwar wollen das die Priester der Obrigkeit und des Volcks Dieuer seyn sollen/ daß nach dem die Menschen alhie in guten Sitten unter- wiesen/ sie nach dem Tode zur ewigen Se- ligkeit gelangen moͤgen. Die Catholi- sche Religion bekuͤmmert sich nicht so sehr/ daß die Leute from gemacht werden/ als das der Priester Guͤter/ macht und ansehen wachsen und zunehmen moͤgen. Und habe ich mich traun schan laͤnst uͤber die Thorheit unserer Priester verwun- dert/ daß sie ihnen die streitigkeiten/ so sie mit den Ketzern (wie sie sie nennen) ha- ben/ aus heiliger Schrifft zu entscheiden vorgenom̃men; Weil viel eine bessere und klaͤrere art verhandẽ die gewißheit der Ma- themati schen demonstrationen zu be- schreiben: Denn nach dem dieses princi- pium , dessen ich gedacht/ bekraͤfftiget und zu gelassen/ daß der Catholischen Religion Zweck und Ziel sey/ daß der Priester Guͤter und des Teutschen Reichs. und ansehen groß seyn moͤgen/ wuͤrden die Wiedersacher nicht klug seyn/ wenn sie mit einem einigen Woͤrtgen solche dogmata mehr bestreiten wolten/ wodurch ein sol- cher hauffen Papier bißher vergeblich ver- brauchet worden. Zum Exempel wollen wir nur eines und ander hinzu thun: Es wird der heiligen Schrifft eine Tunckel- heit zu geschrieben/ und werden die Layen von solcher zu lesen abgehalten/ damit die Priester allein das Recht selbige außzule- gen behalten/ noch die Layen etwas darauß suchen moͤchten/ welches den Priestern nicht zutraͤglich seyn wuͤrde. Da muͤssen die Satzungen hinzu kommen/ daß wenn vieleicht in heiliger Schrifft etwas außge- lassen waͤre/ daß zu diesem absehen dienlich/ solches fuͤglich koͤnte ersetzet werden. Es ist ietzo die gantze Religion mit so viel cere- monien angefuͤllet/ daß durch deren glantz und anzahl das gemeine Volck uͤberhaͤuf- fet/ und gleichsamb erstarret/ der rechten Gotseligkeit nicht nach dencken kan. Die ver- Vom Zustand vergebung der Suͤnden Gott allein zu lassen brachte keinen gewinn; Darumb ist solche Macht den Priestern beygeleget/ wel- che sich dieses zutraͤglichen Rechts nicht uͤberfluͤffig gebrauchen/ noch mit der ge- meinen bekaͤntniß und einem kleinen ge schenck/ so von des confiten ten freygebig- keit dependi ret/ zu frieden seyn wolten. Es wird eine gar genaue hersagung aller undiglicher Suͤnden erfordert/ da dersel- bigen Taxt in der Priester belieben stehet. Wo allhir der Suͤnder Reich/ ist ein ge- wisser gewinn verhanden wenn gleich auch die Suͤnde umsonst vergeben waͤre t Deñ weꝛ wolte nicht gegen einem so gutthaͤtigen Vater einige freygebigkeit erweisen? Ge- gen den armen darff man sicherer seine autorität veruͤben. U nd was fuͤr eine hohe Sache ist es aller Menschen heimlig- keiten zu wissen? Oder wer wolte nicht den Schiedsmann seines Hertzen in Ehren halten? Ferner ist nichts bequemer den gewinn und das ansehen der Priester zu- befor- des Teutschen Reichs. befordern als die Messe: Denn wer wolte einem der so ein heilsahmes Werck ver- richtet/ die belohnung verwegern? Oder wer wolte die jenigen Leute nicht hoch hal- ten/ welche ein solch ehrwuͤrdiges Opffer mit ihrem muͤrmeln koͤnnen zu wege brin- gen; Daß den Layen der gebrauch des Kelchs mit recht benommen sey/ muß man eyferig verthaͤtigen/ damit es das ansehen habe/ die Priester haben in keiner Sachen gefehlet. Und ist nicht vergeblich die Zahl der Sacramenten vormehret/ damit die Leute desto oͤffter der Priester bedoͤrffen. U nd welch einen Gewinn bringet auch nur dieses den geistlichen Gerichten/ daß alle Ehsachen nur unter dem Schein/ weil der Ehstand ein Sacrament sey/ dahin ge- zogen werden: denn ohne das schiene es/ daß die Ehlichen eben so wol die Natur des Ehstandes verstehen koͤnten. Wie das verdienst der guten Wercke die schein hei- lige Gotseligkeit der Leute sehr befordert; Also/ weil solche fast durch die jenigen Dinge Vom Zustand Dinge beschrieben werden/ welche die Priester bereichern/ kan es sich bey dem uͤbrigen Systemate Theologiæ gar wol schicken. Jch halte auch es sey das Fege- fewr zu keinem andern Ende angezuͤndet/ als das die jenigen/ welche sonst der Todt frey gemacht/ dennoch mit Tribut koͤnten belaͤstiget werden. Gleich wie die anruf- fung der Heiligen den Glantz der Religi- on nicht wenig vermehret; Also muͤssen auch dieselben der Priester ansehen Ehren/ welche durch deren Huͤlffe im Himmel groß zu werden gedencken. Mehr hievon bey denen die guten bescheid drumb wissen zusagen/ were nur verdrießlich/ und wer solches genauer zu erforschen zeit hat/ wird auch das uͤbrige nach dieser Art befinden. Wie ist ferner der Priester Regiment so kuͤnstlich zusammen gesetzt/ wie genau ist alles mit einander verknuͤpffet! daß man mir Warheit sagen darf/ es sey von anfang der Welt kein Corpus besser disponi ret oder auff so festem Grunde gesetzt gewesen; Nun des Teutschen Reichs. Nun erst nach dem besten Monarchi schen Regiment eingerichtet. Der vornehmste Priester selbst hat mit Gott gleiches anse- hen/ ist GOttes Stadthalter/ kan nicht ir- ren und ertheilet nach belieben ohn einiges widersprechen den Schluͤssel des Himmels und der Hellen; Denn das man in den bessern Zeiten meynete/ der Richter aller Koͤnigreiche koͤnne die Koͤnige von ihrem Thron ab- oder darauff setzen/ haben solches die neuen Lehrer als eine sehr verhaste Sa- che beruͤchtiget. Und weil die Mayt. sol- ches Fuͤrstenthumbs in der meynung der heiligkeit bestehet/ wird es durch die Wahl auffgetragen/ auff daß/ wenn zum offtern der Koͤnigliche Erbe aus der art schlaͤget/ die stelle keinem/ als der ihrer wehrt/ und keine affecten der jugend bey sich befindet/ offen stehe/ und damit er mehr nach der Kirchen/ als nach seiner Familia nutzen trachten moͤchte. Wegen eben dieser Ur- sachen ist allen Gliedern dieses Regiments der unehliche Stand angekuͤndiget/ damit sie Vom Zustand sie sich nicht in betrachtung ihres privat Wesens anders warum bekuͤmmerten. Was ist ferner fuͤr eine menge und unter- scheid der Staͤnde! damit destomehr wuͤr- den/ die uͤber die Kirchen Sachen wach- sam weren/ und der Layen Guͤter an sich zu ziehen das Netz außwuͤrffen. Und ge- neust doch keiner von den Fuͤrsten einen solchen zugethanen gehorsahm seiner U n- tersassen; Und weil es unter ihnen an æmu- lation nicht ermangelt/ weiß doch der Pabst solche/ daß sie nicht zum schaden des Rigiments außschlagen/ gar weißlich zu maͤssigen. Denn es ist bekand daß die alten Staͤnde der neuen Jesuitischen Gesel- schafft nicht geneigt seyn/ weil man mey- net/ daß ihrer autorität viel dadurch ab- gangen sey: Denn nach dem es das anse- hen hatte daß der alten Muͤnche einfaͤltige heiligkeit des neuen Seculi Muthwillen nicht konte in Zaum halten/ ist zu grossem Nutzen der Kirchen diese heilige Gesell- schafft auff kommen/ welche die hinfallende Sachen des Teutschen Reichs. Sachen gluͤcklich wieder zum Stande ge- bracht hat/ indem sie die Jugend unterrich- tet/ und durch die confession und zugleich verschmitzter conversation aller Men- schen heimligkeiten erforschet. Also daß viele der meynung seyn'ts koͤnne das mei- sie was bey dem Hiob im geheimen ver- stande von dem Leviathon gesagt wird/ auff das geistliche Regiment gezogen werden. Ohne zweiffel wird aber einer die Religi- on fuͤr die beste halten/ welche beedes ihre Cultores oder zu gethane mit grossem Reichthum und Ehre anfuͤllet/ und mit kraͤfftigen Mitteln außgeruͤstet/ ihre Schaͤf- gen zu gleich zu bescheren und im gehor- sahm zu behalten. Jch halte doch das aus diesen klar sey; Wie auff einer gar naͤrri- schen Weise bißher die Catholischen und neuen Doctores mit einander gestritten. Denn die unsrigen zwar haben geruffen/ daß wan diese unter die Ketzer gezehlete mit Feur und Schwerd außtilgen/ und ih nen keine Hoffnung zur auffrichtigen Ver- soͤhnung Vom Zustand soͤhnung machen solle. Daher haben die- selbigen ihre Wolfahrt auffs beste bestellen koͤnnen/ und nach dem sie einmal die Layen mit der unrechten Meynung von der Ca- tholischen Priester heiligkeit eingenom- men/ war es leichte/ nach auffweisung die- ser Guͤter ihnen solche zu Schutzherren zu machen. Were man aber bey zeiten klug gewesen/ haͤtte es nicht an Mittel ge- fehlet/ die Layen/ so die wiedrigen Theile angenommen/ zu ermiltern; Und wuͤrde sich das Saͤchsische Bruͤdergen ehr durch aufferagung eines fetten Beneficii, mit dem Pabste versoͤhnet haben/ als durch außlassung des Banns/ dessen Macht von der langen Reise/ und boͤsem Wetter fast seine Krafft verlohren. Hingegen muß man sich uͤber die Einfalt der neuen Lehrer verwundern/ daß sie sich nicht scheuen den unsrigen zu rathen/ ihre gelegenheit und Reichthum zu verlassen/ und auff ihre Sei- te zutreten/ daß sie daselbst ein verachtetes Voͤlcklein seyn/ welches sich mit dem Hun- ger des Teutschen Reichs. ger braff herum schlagen muͤste: denn es gehoͤrte mehr verstandes dazu/ daß sie das Volck durch die Freyheit/ und die Fuͤrsten durch anreitzung des Gewins zu sich locken moͤchten. Ob es wol nachmals/ nach dem einmahl der erste Anfal ermuͤdet/ und die unsrigen nach der unversehenen Niederla- ge ihre Voͤlcker besser angeordnet/ gnug- sahm zu sehen gewesen/ daß die uusrigen ihre Sachen besser in acht genommen als die andern: denn so viel mir bewust/ ist in dem gegenwaͤrtigen Seculo kein Fuͤrst mehr zu ihnen getreten; Da doch die Ca- tholische Kirche etliche in ihren Schoß be- kommen. Als er mehr sagen wolte/ ist ihm der Nuncius mit diesen Worten in die Rede gefallen: Du hast uns deine erfah- rung in Theologi schen Sachen zur gnuͤ- ge bewiesen/ und wuͤrde es dir nicht an Zu- hoͤrer mangeln/ weñ du dergleichen offent- lich zu lehren anfangen woltest; Ob ich wol bekenne das die Novitii oder Neulin- ge solches nicht so leichte begꝛeiffen werden; P Und Vom Zustand Und es wuͤrde auch unbillig seyn/ daß du/ (er sahe mich an) innerhalb eines Stuͤnd- gen zu den geheimnissen gelassen werdest/ von deren erkaͤntniß sich so viel tausend verschlagene Leute mit grosser bekuͤmmer- niß den Poͤfel abzuhalten bemuͤhen. §. 9. Dieses/ welches in gegenwart des Nun- cii Apostoliei zimlich frey vorgebracht/ hat mir/ nicht ohne Ruhm der auffrichtig- keit/ einen Muht gemacht/ daß ich mich nachmals weniger scheuete offenhertzigen Leuten zu zuhoͤren. U nd nicht lange her- nach habe ich einen Mann/ der umb sein Vaterland guten bescheid wuste/ und von der neuen Religion keinen grossen abscheu zu haben schiene/ angetroffen; Jch muß aber/ wenn ich solches erzehle/ desto fleissi- ger umb verzeihung bitten/ damit nicht je- mand meine/ es werde dieses alles von mir gut geheissen/ derohalben hat selbiger/ nach dem er meiner neulichen Rede gedacht/ et- was weitlaͤufftig angefangen/ daß in einem wol- des Teutschen Reichs. wolbestalteẽ Regiment freylich gewisse Per- sohnen/ den Gottes dienst offentlich abzu- warten/ seyn muͤssen/ welche auch ehrlich muͤssen unterhalten werden; Es gezieme sich auch daß offentlich Kirchen gebauet werden/ dere zierligkeit der Religion ein aͤusserlich ausehen mache/ und das gemeine Volck zur andacht bringe. Jch halte aber nicht dafuͤr/ sprach er/ daß ein verstaͤndi- ger in abrede seyn wird/ daß die Persoh- nen/ welche zum Religions dienst nichts conferiren , mit recht nicht koͤnnen Geist- liche genennet werden/ und das die Guͤter so zu deren Unterhalt angewand werden/ nicht zu den Geistlichen gehoͤren. Jn Teutschland ist ferner so wol durch frey- gebigkeit der Kaͤyser und Fuͤrsten/ als durch andacht der privat Persohnen der Priester Orden mit so grossen Guͤtern ge- haͤuffet/ daß ihnen nur das helffte/ wo nicht das groͤste Theil Teutschlandes zugehoͤret/ dergleichen Exempel bey allen andern Voͤl- ckern unerhoͤret ist. Die Fruͤchte aber sol- P ij cher Vom Zustand cher Guͤter zuverzehren hat sich eine grosse menge muͤssiger Leute gemachet; Welches weder mit dem Geistlichen noch Weltli- chen rechten gnugsahm uͤberein stimmet. Die heilige Schrifft wil das die Priester ehrlich sollen unterhalten/ und den Ochsen die da dreschen das Maul nicht verbunden werden. Und giebet den jenigen nicht den Priester Nahmen/ die mit dem Heiligen Predigampt nichts zu thun haben; Ja sie nimpt auch weder die Persohnen noch die geistlichen Guͤter auß von der inspection der hoͤchsten Gewalt im Regiment/ daß sie von solcher zur Wolfahrt des gemeinen besten nicht sollen regieret werden. Daß aber ein allzu grosser hauffen geistlicher Guͤter dem Regiment nicht zutraͤglich sey/ haben unsere Venetianer gnugsahm ge- mercket/ welche/ da sich der Pabst vergeb- lich dawieder geleget/ derselben auffneh- men gehindert; Es muͤssen nemlich die Staͤdte gleichsam die Schwindsucht be- kommen/ wo die Leute/ so ein ander Haͤupt ausser des Teutschen Reichs. ausser dem Regiment erkennen/ und vor- geben/ sie sind nach dem Goͤttlichen Recht von den allgemeinen beschwerungen be- freyet/ ein solches Reichthum an sich zie- hen. Uber die zahl der Bischoͤffe kan zwar Teutschland nicht klagen: Denn solche ist viel ringer/ als die weite des Landes/ wenn ihnen das Geistliche Ampt zu verwalten belieben moͤchte/ erfordert. Aber worzu sollen ihre so grosse Guͤter? Sprichstu/ sie seyn zugleich Reichs Fuͤrsten/ und nehmen ein Theil der Regiments Sorge auff sich; Last sie den abstehen von dem geistlichen Bischoffs Titul/ welches Ampt sie wegen der Weltlichen Geschaͤfften nicht abwar- ten koͤnnen. Und sie wolten doch nur nichts anders genennet werden/ als was sie seyn. Denn ich halte es werde die Christliche Religion keinen schaden neh- men/ wenn gleich einer von den Teutschen Bischoͤffen in einem Jahre eine oder an- dere Messe nicht halten wuͤrde/ da er mit einem hoffertigen Geleit umbgeben ist/ P iij und Vom Zustand und den ersten fortpflantzern der Christli- chen Religion ihre Armuth auffruͤcket. Also mag sich traun der Mayntzische seines Gebiets freuen/ daß er die Wuͤrde eines Cantzlers in Teutschland erhalten koͤnne; Die Ursach ist aber nicht zu finden/ war- umb man ihm einen Geistlichen Sitz bey- legen muͤsse/ da andere Fuͤrsten/ die ihnen das gemeine besten eben so wol angelegen seyn lassen/ mit einem gemeinen Sitz zu frieden seyn. Was sol ich ferner von den Thumhoͤltzern sagen/ daraus die Bischoͤf- fe gezimmert werden? Weil ihr Wesen in Geistlichen Sachen nicht viel gilt/ schaͤmen sie sich nicht/ sich irregulire Thumher- ren zu nennen/ und damit sie ihr eigene Kehle schonen/ lassen sie durch ihre Vi- carios die Kirchen voll schreyen. U nter denen/ die mit Weltlichen geschaͤfften nicht zuthun haben/ sind etliche inutilia ter- ræ pondera oder gantz nichts taugliche Leute/ die nur dem Bauch und Geilheit dienen. Die so Weltliche. Sachen ver- richten/ des Teutschen Reichs. richten/ warumb werden die Geistlich ge- nennet/ oder warumb mißbrauchen sie die Geistlichen Guͤter? Was sol ich auch von dem grossen Reichthum der Kloͤster/ und der unzehlbaren menge der beschornen/ welche die Kloͤster inne haben/ sagen? Es were zwar freylich zutraͤglich/ daß man Collegia habe/ worin die Jugend so in Geist-als Weltlichen Sachen moͤchte un- terrichtet werden; U nd wolte nicht dawie- der sagen daß solche Collegia tieffsinnigen Leuten zu ihren Speculationibus dienen koͤnten/ da die Fruͤchte/ so dem Gemeinen besten aus dieser Ingeniis zuwachsen kun- ten/ durch die ungestuͤmigkeit des Weltli- chen Lebens weg genommen werden. Weñ man ihnen aber einen ruhigẽ Winckel ver- schaffet/ koͤnnen sie auch selbst uͤber ihren zarten Verstand/ der ihnen zur straffe gege- ben/ nicht klagen/ und erlegen manchmahl mit grossem Wucher/ was von dem ge- meinen besten auff sie gewaud. Beederley Art aber wird am besten mit maͤssigen P iiij Kosten Vom Zustand Kosten erhalten/ die uͤberfluͤssigen Fettig- keit verhindert gleichsam die Krafft und den Fleiß. Sonsten siehet man kei- ne Ursach warum die verzweiffelte Leute/ oder die auß verdruß der Arbeit in der Kutte ungestalt einherzugehen lust haben/ mit ihrem abscheulichen boͤlcken die Tem- pel zu erfuͤllen/ oder mit einer sehr kalten Andacht die wiederholete Gebergen dem lieben Gott nach den Corallen zu zuzehlen/ offentlich muͤssen gemaͤstet werden. Dieses halten etliche fuͤr das vornehmste Argu- ment Geistliche Guͤter zusammen zu brin- gen/ daß dadurch den voꝛnehmen und Ade- lichen Familien auch koͤnte gedienet wer- den: Denn in dem dieselbigen/ welche der Familia beschwerlich zu seyn scheinen/ zu geistlichen Beneficien befordert werden/ wird die Theilung der Erbschafft verboten/ und kan das Reichthum und Glantz der Familien besser erhalten werden; Ja es kan auch vermehret werden/ nach dem sol- che/ die sich sonsten daheime mit der Ar- muth des Teutschen Reichs. muth haͤtten plagen muͤssen/ zu grosser Wuͤrde kommen. U nd bekenne ich daß ihr die Roͤmische Kirche auch nur durch diese U rsache die Gunst der vornehmen Familien koͤnne zu wege bringen. Denn wie es vieleicht eine herrliche Sache seyn wuͤrde/ daß der glantz der Adelichen Fami- lien moͤchte erhalten werden; Also haben zweiffels ohne die jenigen/ von welchen die geistliche Guͤter hergekommen/ ihnen nicht einmahl traͤumen lassen/ solchen Glantz da- durch fort zu setzen; U nd koͤnnen wir an dieser end Ursach nichts geistliches finden. Ja wenn die nachkommen ein ehrlich Ge- muͤth haben/ finden sie beedes zu Krieges und Friedens Zeit mittel dadurch sie bee- des Reichthum und einen guten Nahmen erlangen koͤnnen; Wo sie aber weder da- heime noch im Kriege was taugen/ solten sie wissen es waͤre eine gar verhaste beloh- nung der Faulheit den unterhalt offentlich als in einem Speißhause zu empfangen; Wo sie noch versetzen wuͤrden/ es werde nur Vom Zustand nur auff diese weise verhindert/ daß nicht die allzu grosse anzahl der Edelleute wegen der Armuth endlich verachtet wuͤrdẽ: Ant- worten wir/ wo der Adel etwas zeuget das seines Nahmens wuͤrdig ist/ bringet die menge derselben Oꝛden und dem gemeinen besten keinen schaden; Weil es der Tugend an einem Stande oder belohnung niemals fehlen wird. Wo sie aber befuͤrchten/ sie/ welche aͤrger als ihre vorfahren/ moͤchten lasterhafftigere Kinder zeugen/ unterlassen sie gar recht/ in dem sie sich des Ehstandes enthalten/ die Welt mit faulen betriegern zu fuͤllen. Man kan sich aber auch ausser- halb den geistlichen Staͤnden der Weiber enthalten. Oder wo ohne Huren die geil- heit nicht zu stillen/ weiß ich nicht wie es so erbaͤrmlich scheinet/ daß die guten alten/ in dem sie gemeinet sie wuͤrden ihrer Seele wol rahten/ wenn sie dem Regiment oder ihꝛen Eꝛben etwas entzoͤgen/ den mit schwaꝛ- tzen Decken behaͤngten Haͤngsten Futter verschaffet haben. Weil des Teutschen Reichs. §. 10. Weil nun dem also ist/ halte ich werden die protestirende Fuͤrsten leichtlich ihre Sache vor Gott und allen verstaͤndigen verthaͤdigen koͤnnen/ daß/ da sie die uͤbrigen theile der hoͤchsten Herrschafft in ihren Laͤnder veruͤbeten/ sie ihnen auch die Sor- ge der geistlichen Sachen angemasset ha- ben/ nur welche diß temperament in acht genommen/ daß das jenige/ welches vor- mahls nur zu fauler Leute mastung an- gewand/ hernach zu deren nutzen gerei- chen solte welche in der That der Kirchen dienen/ oder die Jugend zur Gottesfurcht und guten Kuͤnsten erziehen; was uͤber dem/ so zum gemeinen besten verordnet/ war uͤberblieben. Wenn solchen der Kaͤyser und andere Catholische Fuͤrsten nachgefolget waͤren/ wuͤrde eine grosse Ur- sach der Kranckheiten dem Leibe Teutsch- landes zugleich benommen seyn. Und kunte der heilige Vater nicht so gar un- willig werden/ es sey den daß er sich offent- lich Vom Zustand lich als einen Patron der Laster erweisen wolte. U nd waͤre nicht eben noͤtig den Catholischen glauben zuverschweren/ ob gleich die Priester und deren Guͤter etwas genauer zum gemeinen nutzen gezogen wuͤrden. Denn auch die alten Christen/ welche noch die armuth zur gesellin der Gottseligkeit hatten/ und ehe man etwas von den Privilegien des Roͤmischẽ Stuels wuste/ waren eines glaubens mit eben der- selben Roͤmischen Kirchen. Die groͤste schwirigkeit ist etlichen vorkommen bey den noch uͤbrigen Fuͤrstenthuͤmern/ denn da giebet die beschaffenheit des Teutschen Regiments nicht zu/ daß solche dem Kaͤyser oder den andern Fuͤrsten zu wach- sen. Es erhellet aber leichte/ was der kraͤnckliche Zustand Teutschlandes leyden moͤge/ welchen eine jegliche aͤnderung mit grossen Auffruͤhren zerruͤtten kan. Es bleiben demnach selbige Bischoͤffe/ und ge- niessen solcher fetten Laͤnder; wenn sie sich nur erinnern/ daß sie Teutschland zugehoͤrẽ/ und des Teutschen Reichs. und desselben Fuͤrsten seyn/ welche auch noch Teutschland mehr als Rom lieben muͤssen. Aber sie lassen auch auff gutem glauben daß verlangen nach dem jenigen/ was einmal verlohren/ fahren/ damit sie nit vieleicht/ in dem sie sich jenes wieder zukrie- gen bemuͤhẽ/ auch zugleich um bdas gegen- waͤrtige kommen moͤchten/ sie wollen nur auff hoͤren das Vaterland weiter in un- ruhe zusetzen. Es scheinet zwar/ daß es im vorigen Seculo leichte gewesen/ die Biß- thuͤmer in eine andere Form zu bringen/ wo nicht des Churfuͤrsten zu Coͤlln vor- nehmen zu ruͤck gangen/ oder wenn auch andere Bischoͤffe gleiches vorzunehmen Lust gehabt haͤtten. Und durffte man traun/ nach dem einmahl die ehrer bietung des Roͤmischen Stuels hindangesetzet/ sel- bige Bißthuͤmer in erbliche Fuͤrstenthuͤmer verwandeln/ da gleichsfals die Preben den an die Thumherrn muͤsten seyn verleget worden; Oder/ wo dieses nicht rathsahm schient/ koͤnten auch nachmals solche Wuͤr- Q den Vom Zustand den durch die Wahl conferi ret werden: Denn es sind auch die Protesti rende nicht so eines dummen Verstandes/ daß sie nicht diese Guͤter zu eben den nutzen anwenden koͤnnen/ zu welchen sie von den Catholi- schen verordnet. U nd es wuͤrde Teutsch- land zu seiner Ruhe zutraͤglicher seyn/ daß sich alle zu dieser neuen Religion begeben/ als daß es durch den unterscheid des glau- bens sich von einander getrennet; Wenn aber Teutschland dz faule Vieh die Muͤnche und zum boͤsen geschaͤfftige Iesuiter aus purgi ren koͤnte/ wuͤrde es zugleich sehr verschlagene Spionen oder Kundschaffer von sich abwenden/ und die Guͤter so diese durchbringen/ weren wol allein gnug ein Kriegsheer zu halten/ dafuͤr sich alle Be- nachbarte zu fuͤrchten haͤtten. Jn dem ich einen hievon reden hoͤre/ dachte ich schon laͤngst/ daß der Catholischen Kirchen Guͤ- ter in Teutschland gefahr stuͤnden/ wo mir nicht beygefallen were/ daß die privat Per- sohnen vergebens scheinbahre Anschlaͤge ersinnen des Teutschen Reichs. ersinnen/ und in ihrem Hause tapffern Muth fassen/ so lange die jenige ihre Guͤter nicht wissen/ welche das geburts Gluͤck/ so geneigter ist Reichthum ohne verdienst zu schencken/ als die Weißheit/ zum Regiment erhoben. Dieses habe ich unter dem Rei- sen von dem Teutschen Reich in acht ge- nommen/ und auffschreiben wollen/ wel- ches als von der Auffrichtigkeit herruͤh- rend/ wo es bey den verstaͤndigen kein Lob nur eine entschuldigung ver- dienen wird. Errata. Pag 3. l. 8 deleatur so/ l. seq lege gehoͤ- ret jetzt zu Dennem p. 9. l. 3. l. theil p. 11. l. 4, l. hoͤchsten p. 12. l. 8. l. Ottonen p. 18. l. 15. l. mehr. p. 28. l. 3. l. kunte. l. 5. l. duͤrffen p. 29. l ult. l. politi schen. p 31 l. 17. l. daß wer. p. 37. l. 2. pro ja. l ohne. p. 38. l. 17. pro nen. l. den. p. 41. l. 3. l. Kasten l. 15. 16. pro viele mehr mehr im l. vielmehr ein. p. 42. l. 14. l. corpus . p. 44. l. 6. l. ihn. p. 46. l. 13. l. oberstelle. p. 66. l. 10. l. ihre Guͤter dee Weltlichen \&c: p. 78. l. 19. l. keinem. p. 87. l. 1. pro eine l. eigene. p. 88. l. 1. l. Otto nen. p. 96. l. 16. l. eingesetzet. p. 104. l. 15. l. waaren. p. 114. l. 21. pro wil 1. weil. p. 170. l. 2. l. worden p. 176. l. 19. l. worden. p. 205. l. 4. del . an. l. die meisten unter ihnen haben daß Recht ꝛc. p. 222. l. 11. l. derselbige. p. 237 l. 19. pro alt l. als. p. 262. l. 10. l. Koͤnigreich. p. 274. l. 5. l. es. l. 13. pro ihrem l. sei- nem. p. 276. l. 18. l. ihres geringen Wehrts. p. 280. l. ult. pro doch l. noch. p. 281. l. 8. l. gemuͤhts neigungen l. 15. l. den jenigen. p. 287. l. 22. l. muͤsten. ENDE .