System des heutigen Römischen Rechts von Friedrich Carl von Savigny . Vierter Band . Mit K. Bairischen und K. Würtembergischen Privilegien. Berlin. Bei Veit und Comp . 1841. Inhalt des vierten Bandes. Zweytes Buch. Die Rechtsverhältnisse . Drittes Kapitel . Von der Entstehung und dem Unter- gang der Rechtsverhältnisse. Seite §. 142. V. Schenkung. Einleitung 1 §. 143. V. Schenkung. Einleitung. (Fortsetzung.) 9 §. 144. V. Schenkung. — Begriff. 1. Rechtsgeschäft un- ter Lebenden 18 §. 145. V. Schenkung. — Begriff. 2. Veräußerung 23 §. 146. V. Schenkung. — Begriff. 2. Veräußerung. (Forts.) 32 §. 147. V. Schenkung. — Begriff. 2. Veräußerung. (Forts.) 41 §. 148. V. Schenkung. — Begriff. 2. Veräußerung. (Forts.) 48 §. 149. V. Schenkung. — Begriff. 3. Bereicherung 52 §. 150. V. Schenkung. — Begriff. 3. Bereicherung. (Forts.) 60 Inhalt des vierten Bandes. Seite. §. 151. V. Schenkung. — Begriff. 3. Bereicherung. (Forts.) 69 §. 152. V. Schenkung. — Begriff. 4. Absichtl. Bereicherung 77 §. 153. V. Schenkung. — Begriff. 4. Absichtliche Bereiche- rung. (Forts.) Remuneratorische Schenkung 86 §. 154. V. Schenkung. — Begriff. 4. Absichtliche Bereiche- rung. (Forts.) Negotium mixtum 99 §. 155. V. Schenkung. — Einzelne Rechtsgeschäfte. 1. Dare 104 §. 156. V. Schenkung. — Einz. Rechtsg. 1. Dare. (Forts.) 110 §. 157. V. Schenkung. — Einz. Rechtsg. 2. Obligare 118 §. 158. V. Schenkung. — Einz. Rechtsg. 3. Liberare 126 §. 159. V. Schenkung. — Einz. Rechtsg. 4. Ganzes Vermög 134 §. 160. V. Schenkung. — Vertragsnatur 145 §. 161. V. Schenkung. — Vertragsnatur. (Forts.) 156 §. 162. V. Schenkung. — Einschränkungen. 1. Verbot un- ter Ehegatten 165 §. 163. V. Schenkung. — Einschränkungen. 1. Verbot un- ter Ehegatten. (Fortsetzung) 172 §. 164. V. Schenkung. — Einschränkungen. 1. Verbot un- ter Ehegatten. (Forts.) 180 §. 165. V. Schenkung. — Einschränkungen. 2. Erschwe- rende Formen 194 §. 166. V. Schenkung. — Einschränkungen. 2. Erschwe- rende Formen. (Fortsetzung) 209 §. 167. V. Schenkung. — Einschränkungen. 2. Erschwe- rende Formen. (Forts.) 217 Inhalt des vierten Bandes. Seite. §. 168. V. Schenkung. — Einschränkungen. 3. Widerruf 224 §. 169. V. Schenkung. — Einschränk. 3. Widerruf. (Forts.) 230 §. 170. V. Schenkung. — Besondere Arten. 1. Auf den Todesfall 239 §. 171. V. Schenkung. — Besondere Arten. 1. Auf den Todesfall. (Fortsetzung) 253 §. 172. V. Schenkung. — Besondere Arten. 1. Auf den Todesfall. (Forts.) 261 §. 173. V. Schenkung. — Besondere Arten. 1. Auf den Todesfall. (Forts.) 267 §. 174. V. Schenkung. — Besondere Arten. 1. Auf den Todesfall. (Forts.) 276 §. 175. V. Schenkung. — Besondere Arten. 2. Don. sub modo 280 §. 176. V. Schenkung. — Neuere Gesetzgebungen 288 §. 177. VI. Die Zeit. — Einleitung 297 §. 178. VI. Die Zeit. — Einleitung. (Forts.) 309 §. 179. VI. Die Zeit. — 1. Der Kalender 318 §. 180. VI. Die Zeit. — 1. Der Kalender. (Forts.) 325 §. 181. VI. Die Zeit. — 2. Regelmäßige Reduction 335 §. 182. VI. Die Zeit. — 3. Civile Zeitrechnung 347 §. 183. VI. Die Zeit. — 3. Civile Zeitrechnung. (Forts.) 364 §. 184. VI. Die Zeit. — 3. Civile Zeitrechnung. (Forts.) 376 §. 185. VI. Die Zeit. — 3. Civile Zeitrechnung. (Forts.) 387 §. 186. VI. Die Zeit. — 3. Civile Zeitrechnung. (Forts.) 399 §. 187. VI. Die Zeit. — 3. Civile Zeitrechnung. (Forts.) 405 Inhalt des vierten Bandes. Seite. §. 188. VI. Die Zeit. — 3. Civile Zeitrechnung. (Forts.) 408 §. 189. VI. Die Zeit. — 4. Utile tempus 421 §. 190. VI. Die Zeit. — 4. Utile tempus. (Forts.) 433 §. 191. VI. Die Zeit. — 4. Utile tempus. (Forts.) 444 §. 192. VI. Die Zeit. — 5. Schalttag 453 §. 193. VI. Die Zeit. — 5. Schalttag. (Forts.) 463 §. 194. VI. Die Zeit. — 5. Schalttag. (Forts.) 472 §. 195. VI. Die Zeit. — 6. Unvordenkliche Zeit. Einleitung 480 §. 196. VI. Die Zeit. — 6. Unvordenkl. Zeit. Römisches Recht 485 §. 197. VI. Die Zeit. — 6 Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. (Forts.) 491 §. 198. VI. Die Zeit. — 6. Unvordenkl. Zeit. Neueres Recht 505 §. 199. VI. Die Zeit. — 6. Unvordenkl. Zeit. Anwendung 513 §. 200. VI. Die Zeit. — 6. Unvordenkl. Zeit. Anwend. (Forts.) 519 §. 201. VI. Die Zeit. — 6 Unvordenkl Zeit. Anwend. (Forts.) 527 §. 202. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen 536 §. 203. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. (Forts.) 549 Beylage IX. Schenkung durch bloße Unterlassungen 563 Beylage X. Einfluß der Schenkung auf dritte Personen 587 Beylage XI. Ordinalzahlen in der Bezeichn. von Zeiträumen 601 Drittes Kapitel. Von der Entstehung und dem Untergang der Rechtsverhältnisse . §. 142. V. Schenkung. Einleitung . Quellen: Paulus V. 11. Fragm. Vaticana § 248—316. Cod. Theod . VIII. 12—15. Inst. II. 7. Dig. XXXIX. 5, XXIV. 1. Cod. Just. VIII. 54—56, V. 16. Schriftsteller: Donellus Lib. 5 C. 2 § 10 (Begriff und Insinuation). Lib. 14 C. 26—32 (Widerruf). Lib. 13 C. 22 § 7. 8 (Versprechen der Schenkung). Mühlenbruch § 440—445. F. W. L. von Meyerfeld die Lehre von den Schen- kungen B. 1 Marburg 1835. B. 2 Abth. 1. 1837. IV. 1 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Die Schenkung erscheint auf den ersten Blick als ein ganz einzelnes Rechtsgeschäft, eben so wie der Kauf oder Tausch; daher muß es Anstoß erregen, wenn sie hier in die gemeinsame Betrachtung der Rechtsgeschäfte überhaupt aufgenommen wird. Betrachten wir zuvörderst die Stel- lung, die man ihr anderwärts angewiesen hat. Justinians Institutionen setzen sie unter die Erwer- bungsarten des Eigenthums Inst. II. 7. Dieselbe Stel- lung giebt ihr Hofacker § 987. ; offenbar einseitig und willkührlich. Denn erstlich giebt nicht sie allein Eigen- thum, sondern sie in Verbindung mit der Tradition, wel- cher sie allerdings als justa causa dienen kann, aber nicht mehr und nicht weniger als der Kauf; soll also sie des- halb als ein Stück der Lehre vom Eigenthum betrachtet werden, warum nicht eben so der Kauf, und viele andere Verträge? Zweytens ist auch nicht Eigenthum das ein- zige Mittel, eine Schenkung zu bewirken; Ususfructus, Emphyteuse, ein bloßes Versprechen durch Vertrag, der Erlaß einer Schuld — alle diese Handlungen können eben so gut als das Eigenthum zu einer Schenkung dienen, und es ist also bey jedem dieser Rechtsinstitute eben so viel Grund vorhanden, als bey dem Eigenthum, die Schen- kung als einen Bestandtheil desselben zu behandeln. — Die meisten Neueren stellen die Schenkung unter die obligato- rischen Verträge Thibaut § 559. Heise B. 3 § 207. Mühlenbruch § 440. Mackeldey § 421. ; offenbar eben so einseitig, da das §. 142. Schenkung. Einleitung. Eigenthum, der Ususfructus u. s. w., eben so gut als ein solcher Vertrag, eine Schenkung enthalten können. — Do- nellus trägt diese Lehre stückweise vor, an mehreren Stel- len seines Systems; am ausführlichsten bey dem Wider- ruf wegen Undankbarkeit, also gerade bey der unbedeu- tendsten Beziehung, die sich dafür auffinden läßt. Woher kommen nun diese verschiedenen Stellungen, die nur darin überein treffen, daß sie alle gleich unbegründet und unbefriedigend sind? Sie kommen daher, daß man überall von der falschen Voraussetzung ausgeht, die Schen- kung sey ein einzelnes Rechtsgeschäft, anstatt daß sie in der That ein allgemeiner Character ist, welchen die aller- verschiedensten Rechtsgeschäfte annehmen können. Das ist der Grund, warum ich sie hierher gestellt habe, in den allgemeinen Theil, an die Seite des Vertrags, welchem sie durch die Allgemeinheit ihrer Natur, und durch die Mannichfaltigkeit ihrer Anwendungen, gleichartig ist Der Unterschied ist nur der, daß der Vertrag in allen Arten der Rechtsverhältnisse vorkommen kann, die Schenkung lediglich bey den Verhältnissen des Vermögens- rechts. Wollte man also recht sub- til verfahren, so müßte man sie nicht in den allgemeinen Theil des gesammten Privatrechts setzen, sondern in einen für das Ver- mögensrecht allein zu bildenden allgemeinen Theil; die hier ge- wählte Stellung scheint mir ein- facher, und ein Misverständniß kann daraus nicht hervorgehen. — Ich freue mich, für diese Stel- lung auch schon einen Vorgän- ger angeben zu können: Puchta System des gemeinen Civilrechts München 1832 § 35, und: Lehr- buch der Pandekten Leipzig 1838 § 53. Indessen zweifle ich nicht, daß Viele, selbst wenn sie die oben aufgestellten Gründe anerkennen, dennoch an der von mir gewähl- ten Anordnung Anstoß nehmen werden, hauptsächlich weil dadurch die äußere Symmetrie gestört wird. Wäre an dieser Stelle eine kurze Übersicht der Lehre von der . 1* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Schenkung nämlich ist jedes Rechtsgeschäft, wenn es folgende Eigenschaften in sich vereinigt. Es muß seyn ein Geschäft unter Lebenden; es muß Einen bereichern, da- durch daß ein Anderer Etwas verliert; endlich muß der Wille dieses Andern auf jene Bereicherung durch eignen Verlust gerichtet seyn. Schon aus dieser vorläufigen Auf- stellung des Begriffs erhellt, daß zu jeder Schenkung noth- wendig Zwey Personen gehören. Die neueren Juristen gebrauchen dafür den ächten Ausdruck Donator, und den unächten Donatarius, für welchen letzten die Römer stets Umschreibungen anwenden ( is cui donatum est u. s. w.). Ich werde jene Personen als den Geber und den Em- pfänger (oder auch den Beschenkten ) bezeichnen. Damit ist nun zunächst nur ein willkührlicher Begriff aufgestellt, aber nicht das Bedürfniß nachgewiesen, diesen Begriff zur Grundlage eines Rechtsinstituts zu machen. Wir könnten, so scheint es, jede andere mögliche Eigen- schaft der Rechtsgeschäfte hervorheben, einen Kunstaus- druck dafür erfinden, und ein besonderes Rechtsinstitut Schenkung gegeben worden, so würden sie vielleicht Nichts dage- gen einzuwenden haben, während ihnen eine so ausführliche Dar- stellung, wie man sie nur im spe- ciellen Theil des Systems erwar- tet hätte, anstößig erscheinen wird. Diese aber bitte ich zu erwägen, daß eine solche kurze Übersicht nur in der ausführlichen Darstellung ihre Rechtfertigung finden kann, und wenn auf diese Rechtferti- gung nicht allzu lange gewartet werden sollte, so hätte dieselbe in einer Beylage zu diesem Bande geliefert werden müssen. Wer aber einmal diese Einrichtung als unerläßlich zugiebt, wird sich auch wohl gefallen lassen, daß die Bey- lage auf einfachere Weise in das System selbst aufgenommen wer- de, mag auch dadurch die Sym- metrie einige Verletzung erleiden. §. 142. Schenkung. Einleitung. darauf gründen; so z. B. könnten wir die der Schenkung gerade entgegengesetzten Geschäfte (die man die onerösen nennt) auf gleiche Weise behandeln. Warum geschieht dieses nicht, während die Schenkung für ein besonderes Rechtsinstitut gelten soll? Der Grund liegt darin, daß an die Schenkung (so wie ihr Begriff vorläufig festgestellt ist) gewisse ganz positive Regeln des Römischen Rechts angeknüpft sind, um derenwillen es wichtig ist, den Begriff derselben mit der groͤßten Schärfe zu bestimmen und zu begränzen. Diese Rechtsregeln sind folgende: 1) Die Schenkung ist von alter Zeit her auf mancher- ley Weise eingeschränkt, und besonders durch positive For- men der Willenserklärung erschwert worden. So sehr nun diese Einschränkungen und Formen gewechselt haben, so war doch die allgemeine Natur und der Zweck derselben stets unverändert, und es war stets dieselbe Schenkung, worauf in dieser Weise eingewirkt werden sollte Bey der Beurtheilung der Rechtsgeschäfte ist die vollkom- mene Freyheit des individuellen Willens als Regel anzusehen. Davon hat das Römische Recht nur in wenigen Fällen Ausnah- men gemacht, wo eine besondere Gefahr des Misbrauchs jener Freyheit vorhanden schien. Es gehören dahin die Wuchergesetze, wegen der gefürchteten Bedrük- kung der armen Schuldner; das Sc. Vellejanum, wegen der na- türlichen Abhängigkeit des weib- lichen Geschlechts; das Sc. Ma- cedonianum, damit nicht die Ver- schwendungssucht der Kinder durch Wucherer Nahrung erhielte; end- lich die Einschränkung der Schen- kungen im Allgemeinen, und das gänzliche Verbot derselben unter Ehegatten, weil gerade bey der Schenkung der gutmüthige, arg- lose Leichtsinn durch den beson- nenen Eigennutz in besondern Nachtheil kommen kann, mehr als bey Geschäften anderer Art. . 2) Die Schenkung ist unter Ehegatten unmöglich, an- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. statt daß alle andere Rechtsgeschäfte unter denselben zuge- lassen werden. 3) Die Schenkung kann in gewissen Fällen, aus be- sonderen Gründen, widerrufen werden, anstatt daß andere Rechtsgeschäfte in denselben Fällen unwiderruflich bleiben. Nunmehr läßt sich von der praktischen Seite der Be- griff so bestimmen: Schenkung heißt jedes Rechtsgeschäft, bey welchem die angegebenen drey Rechtsregeln zur An- wendung kommen. Denn gerade um dieser, und nur um dieser, Rechtsregeln willen ist es nöthig, Dasjenige, was wir oben als Schenkung angaben, als ein eigenthümliches Institut aufzufassen, und in seinen Gränzen scharf zu be- stimmen Gewöhnlich nimmt man noch andere praktische Beziehun- gen der Schenkung an, aber mit Unrecht. Die Schenkung nämlich liegt außer den Gränzen gewöhn- licher Vermögensverwaltung, eben so aber auch manches Andere, so daß hier ihre Eigenthümlichkeit nicht ausschließend in Betracht kommt. So soll der filiusfami- lias, selbst wenn ihm ein Pecu- lium mit freyer Verwaltung ge- geben ist, dennoch nicht schenken dürfen ( L. 7 pr. de don. 39. 5.). Allein er kann auch nicht manu- mittiren ( L. 13 de j. patron. 37. 14.), auch nicht durch Delicte den Vater verpflichten ( L. 3 § 12 de pecul. 15. 1.), welche Hand- lungen doch keine Schenkungen sind. Umgekehrt ist hier das Ver- bot der Schenkung nicht absolut, sondern der Vater kann auch diese gestatten ( L. 7 § 2. 3 de don. 39. 5.); es heißt also nur so viel, daß in der unbestimmt gegebenen freyen Verwaltung die Erlaubniß zu schenken noch nicht mit ent- halten ist, und es ist daher nur eine Interpretationsregel. — Eben so soll dem minderjährigen Grund- eigenthümer niemals die Schen- kung des Grundstücks durch De- cret erlaubt werden, selbst wenn er für volljährig erklärt ist. L. 3 C. si major. (5. 74.). — Ferner hatte die L. Cincia den Advoca- ten verboten, irgend ein Geschenk für ihre Dienstleistung anzuneh- men. Dieses fällt im neueren Recht weg, erscheint auch nicht mehr als reine Schenkung. — Das angebliche Verbot einer Schenkung des Vaters an seine . — Unter diesen drey praktischen Beziehungen §. 142. Schenkung. Einleitung. der Schenkung ist es vorzugsweise die zweyte, welche den alten Juristen zur genauen Ausbildung des Begriffs der Schenkung Veranlassung gegeben hat. Denn was die Ein- schränkungen und Formen (also die erste Beziehung) be- trifft, so war das alte Recht der Lex Cincia auf so po- sitive Weise bestimmt, daß daneben die sorgfältige wissen- schaftliche Entwicklung des Schenkungsbegriffs als ein ge- ringeres Bedürfniß erschien Nach der Lex Cincia und ihren Entwicklungen wurde die Mancipation oder Tradition, und in jedem Fall auch noch die Über- tragung des Interdictenbesitzes er- fordert; dadurch waren schon von selbst die meisten Fälle abgeschnit- ten, in welchen das Daseyn wah- rer Schenkung bezweifelt, und da- her eine subtile Bestimmung des Begriffs nöthig gefunden werden kann. Anders verhält es sich mit dem neueren Recht, welches (bey großen Schenkungen) die Insi- nuation, und nur diese, fordert. Dabey können dieselben Zweifel und Bedürfnisse, wie bey der Schenkung unter Ehegatten, vor- kommen; man fand aber für die- sen Zweck neue Bestimmungen über den Begriff der Schenkung nicht nöthig, weil dafür durch die subtilen Untersuchungen der alten Juristen über die Schenkung un- ter Ehegatten bereits gesorgt war. Überdem mögen Jene auch bey Gelegenheit der Lex Cincia zu- weilen ähnliche Untersuchungen, wie bey der Schenkung unter Ehe- gatten, angestellt haben; solche Stellen aber konnten fast nie- mals in die Digesten aufgenom- men werden, weil sie mit dem im Ganzen antiquirten Rechtsinstitut unzertrennlich verbunden waren; dennoch finden sich noch manche derselben, wie z. B. L. 11 L 23 pr. de don. (39. 5.). ; der Widerruf endlich ist niemals von großer Erheblichkeit gewesen, besonders aber Kinder in potestate erstreckt sich in der That auf alle Veräuße- rungen überhaupt. L. 2 pr. de contr. emt. (18. 1.), L. 14 § 3 de in diem addict. (18. 2.). — Die L. Julia repetund. hatte die Geschenke an Magistrate verbo- ten. ( L. 8 ad L. Jul. repet. 48. 11.). Dieses fällt im heutigen Recht weg, und war auch schon bey den Römern auf mancherley Weise modificirt und weiter aus- gedehnt worden. L. un. §. 1. 2 C. de contract. judicum (1. 53.). — Besonders ausgedehnt finden sich jene praktische Beziehungen bey Meyerfeld Abschnitt V. und VI. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. erst nach dem Zeitalter der alten Juristen durch Kaiser- constitutionen ausgebildet worden. Daraus ist der täu- schende Schein entstanden, als ob der von den alten Ju- risten so sorgfältig durch scharfe Gränzen bestimmte Be- griff der Schenkung blos bey dem Verbot unter Ehegat- ten Anwendung finde, da er doch in der That allgemein ist, und eben so bey der Anwendung der Insinuation und des Widerrufs zum Grund gelegt werden muß Die Lehre von der Schen- kung unter Ehegatten dreht sich großentheils um den Punkt, daß das Verbot nur gelte, wenn zu- gleich der Eine pauperior, der Andere locupletior werde. Das nehmen denn die Neueren so, als ob es außer dem Begriff der Schenkung selbst läge, und blos zu den besonderen Bedingungen jenes Verbots gehörte. We- stenberg XXIV. 1 § 10. Müh- lenbruch § 545. So ist es aber nicht, vielmehr gehören jene Merk- male zur vollständigen Bestim- mung des Begriffs wahrer, ei- gentlicher Schenkung überhaupt, und sind also ohne Zweifel auch bey der Insinuation und dem Wi- derruf zu beachten. Jene Ansicht hat eine scheinbare Bestätigung in dem Ausdruck mancher Stel- len des R. R.; dieser erklärt sich aber aus dem bey den Römern selbst vorkommenden zwiefachen Sprachgebrauch, wovon im § 143 die Rede seyn wird. . Indem nun aber hier die negative Seite der Schen- kung (ihre Einschränkungen) an die Spitze gestellt wird, soll damit der positiven Seite derselben weder das Da- seyn, noch die Wichtigkeit abgesprochen werden. Diese positive Seite besteht darin, daß die Schenkung, als justa causa der Tradition, unmittelbar Eigenthum geben, oder als Titel eine Usucapion begründen kann; ferner daß sie als causa jede obligatorische Bereicherung zu einem gülti- gen, unanfechtbaren Rechtsgeschäft machen kann, anstatt daß, in Ermanglung einer wahren causa, eine Verände- §. 143. Schenkung. Einleitung. (Fortsetzung.) rung dieser Art, selbst wenn dabey eine gehörige Form beobachtet ist, durch Condictionen hinterher entkräftet wer- den kann. Dieses Alles ist wahr und wichtig; es hätte aber niemals eine ausführliche Theorie der Schenkung, und insbesondere eine subtile Begränzung ihres Begriffs, zur genauen Unterscheidung dessen, was Schenkung ist, von dem, was es nicht ist, nöthig gemacht. Dieses Be- dürfniß ist lediglich durch die negative Seite der Schen- kung herbeygeführt worden, das heißt durch ihre, auf be- sondere Rechtsregeln gegründete, Einschränkungen. §. 143. V. Schenkung. Einleitung . (Fortsetzung) Bevor aber die Elemente jenes Rechtsbegriffs einzeln erwogen werden, ist es nöthig, den Sprachgebrauch ge- nauer festzustellen. Die Grundlage des Begriffs ist von Seiten des Gebers das der einzelnen Handlung zum Grund liegende uneigennützige Wohlwollen Ich sage: der einzelnen Handlung. Denn mag auch die eigennützige Absicht im Hinter- grund liegen, des Andern Wohl- wollen durch unsre gegenwärtige Freygebigkeit zu erwerben, und daraus in der Folge größeren Vortheil zu ziehen, so wird doch dadurch die Natur der einzelnen, für sich betrachteten, Handlung nicht verändert. , zu dessen allgemei- ner Bezeichnung die Ausdrücke beneficium, liberalitas, zu- weilen auch officium, gebraucht werden Viele Stellen sind gesam- melt bey Meyerfeld § 1 und § 7. — Officium hat diese Be- . Das Ge- meinsame dieser Handlungen besteht darin, daß der Han- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. delnde lediglich des Andern utilitas oder commodum be- zweckt, gar nicht sein Eigenes Diese Ausdrücke finden sich in L. 5 § 2 commod. (13. 6.), L. 108 § 12 de leg. 1 (30. un.), und zwar in unmittelbarer An- wendung auf den von dem Schuld- ner zu leistenden Grad der Culpa. . Jede Schenkung ist also eine solche Liberalität, aber nicht umgekehrt. Viel- mehr wird dieser allgemeinere Ausdruck auch gebraucht bey jeder Gefälligkeit oder Dienstleistung, z. B. bey der unentgeldlichen Aufbewahrung einer Sache; eben so auch bey der Emancipation eines Kindes. In allen solchen Fällen aber ist nicht von Schenkung die Rede, weil der Handelnde Nichts aus seinem Vermögen weggiebt, ge- wöhnlich auch der Andere Nichts erwirbt. Dennoch ist jener umfassendere Begriff nicht ohne juristischen Einfluß, denn in der Lehre von der Culpa knüpft sich daran bey den Obligationen, welche bonae fidei sind, die wichtige Folge, daß der Schuldner, der sich in diesem uneigennützi- gen Verhältniß befindet, nicht für jede gewöhnliche Culpa haftet, sondern nur für den Dolus und was diesem gleich geachtet wird (Note c ); aus diesem Grund ist namentlich der Depositar nicht für die gewöhnliche Culpa verant- wortlich. Nur mit dem positiven Recht der Schenkung darf jener umfassende Begriff nicht ohne nähere Bestim- mungen in Verbindung gebracht werden. Von der Seite des Empfängers liegt der Schenkung zum Grunde die Bereicherung desselben. Jeder Erwerb deutung in L. 1 § 4 mand. (17. 1.), L. 17 § 3 comm. (13. 6.). Außerdem heißt es in den Rechts- quellen so viel als Geschäft, oder auch Pflicht. §. 143. Schenkung. Einleitung. (Fortsetzung.) eines Rechts, sey es Eigenthum oder Schuldforderung, welcher unentgeldlich, also ohne eigene Aufopferung, ge- schieht, so daß der Schuldner schon durch die Natur die- ses Erwerbs Nämlich auch durch einen wohlfeilen Kauf wird allerdings der Käufer reicher, da es aber nicht in der allgemeinen Natur des Geschäfts, sondern in den zu- fälligen Umständen des einzelnen Falles liegt, so wird deshalb nie- mals der vortheilhafte Kauf eine Iucrativa causa genannt. reicher wird, heißt lucrativa causa So bey erworbenem Ei- genthum: L. 13 § 5 de act. emti (19. 1.), L. 4 § 29. 31 de doli exc. (44. 4.), L. 7 § 3 de public. (6. 2.) — Bey Obligationen: L. 17. 19 de O. et A. (44. 7.), L. 108 § 4 de leg. 1 (30. un.). — Es heißt auch lucrativa adquisitio, ja selbst lucrativa res. L. 4 § 31 de doli exc. (44. 4.), Paulus V. 11 § 5. — Eine nicht hierher ge- hörende Nebenbedeutung von lu- crativa causa, oder lucrifaciendi causa possidere u. s. w. ist die der unredlichen Gewinnsucht. So bey dem Diebstahl. L. 1 § 3 L. 54 § 1 de furtis (47. 2.). Eben so bey der alten pro herede usu- capio. Gajus II. § 56. 57. L. 2 § 1 pro her. (41. 5.), L. 5. L. 33 § 1 de usurp. (41. 3.). . Die Neueren pflegen, im Gegensatz derselben, die Erwer- bungen, welche nicht unentgeldlich geschehen, als onerosa causa zu bezeichnen, aber nicht richtig, da onerosum bey den Römischen Schriftstellern nur das Lästige, Unbequeme bezeichnet, welcher Begriff von jenem sehr verschieden ist Brissonius v. Onerosus. Wer eine Sache, die ihm unbrauch- bar ist, theuer verkauft, wird dar- über sehr vergnügt seyn, und kein Römer würde sein Geschäft ein onerosum negotium nennen; nach dem Sprachgebrauch der Neueren ist es allerdings ein sol- ches, weil er doch das Eigenthum der Sache weggiebt. . — Daher ist denn in jeder Schenkung zugleich eine lucrativa causa enthalten, aber nicht umgekehrt, indem es dabey sehr oft an einer Person welche schenkt, also auch an der Absicht zu schenken, gänzlich fehlt. In unsren Rechtsquellen wird als lucrativa causa, außer der Schen- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. kung, auch das Legat, das Fideicommiß, desgleichen die testamentarische und gesetzliche Erbfolge, bezeichnet L. un. C. de impon. lu- crat. descr. (10. 35.), L. 108 § 6 de leg. 1 (30. un.), L. 83 § 6 de V. O. (45. 1.). (In die- ser letzten Stelle dürfen die Worte: sed [et] si heres exstitero nicht als Gegensatz der lucrativa causa verstanden werden, sondern als Übergang zu einem einzelnen Fall der Anwendung, in welchem Sinn sed oft vorkommt.) — Bey Erb- schaften bezieht sich dieses auf ihre gewöhnliche, regelmäßige Natur, nach welcher sie den Erben in der That zu bereichern pflegen. Wenn im einzelnen Fall das erbschaft- liche Vermögen durch Schulden absorbirt ist, oder der Erbe einen früher Berufenen zum Ausschla- gen der Erbschaft durch eine Geld- summe bewogen hat, so heißt der Erwerb nicht lucrativ. L. 2 § 1 si quis omissa (29. 4.). „… Mihi videtur humanior esse haec sen- tentia, ut possessor hereditatis prior excutiatur, maxime si lu- crativam habet possessionem .” Also kann des Erben Besitz doch auch einen nicht lucrativen Cha- racter haben. , ob- gleich das Legat nur uneigentlich, die Erbschaft niemals donatio genannt wird. Eben so würde kein Römischer Jurist Bedenken getragen haben, den Erwerb durch Jagd, durch Beute, durch das Finden eines Schatzes oder einer herrenlosen Sache, als lucrativa causa zu bezeichnen, und doch ist dabey an donatio gewiß nicht zu denken. — Wenn in den Fällen, worin die lucrativa causa in der That auf einer donatio beruht, der Gegensatz derselben bezeichnet werden soll, so werden dazu die Ausdrücke negotium, con- trahere, obligare gebraucht L. 18 de don. (39. 5.), L. 3 § 1 de O. et A. (44. 7.), L. 9 pr. de cond. causa data (12. 4.), L. 24 § 4 sol. matr. (24. 3.). — Meyerfeld § 3. . Hier sind also Zwey andere mögliche Eigenschaften von Rechtsgeschäften angegeben worden, Liberalität auf der einen Seite, unentgeldlicher Erwerb auf der andern; jede §. 143. Schenkung. Einleitung. (Fortsetzung.) derselben ist der Schenkung verwandt, aber jede für sich viel allgemeiner als die Schenkung. Treffen nun beide Eigenschaften in einem und demselben Geschäft zusammen, so bildet ihre Vereinigung ungefähr das, was wir oben Schenkung nannten, und als Bedingung der Anwendung von drey ganz positiven, die Schenkung betreffenden, Rechts- regeln angaben. Ich sage: ungefähr; denn allerdings muß noch Manches als nähere Bestimmung hinzukommen, wenn jene Regeln anwendbar seyn sollen, und dieses soll eben durch die folgende Entwicklung des Begriffs der Schen- kung vollständig dargestellt werden. Wie verhält sich aber dazu der Römische Ausdruck donatio? Dieser war nicht erst für juristische Zwecke erfunden, sondern aus dem täg- lichen Leben herüber genommen, und die Unbestimmtheit, in welcher er hier gebraucht wurde, gieng auch in den Sprachgebrauch der Juristen über. So wird in den mei- sten Stellen das Wort donatio ohne strenge Rücksicht auf die Anwendbarkeit jener Rechtsregeln gebraucht, und dann nur hinzugefügt, wie diejenige donatio beschaffen seyn müsse, worin jene Regeln gelten sollen So Ulpian in L. 5 § 8—18 de don. int. vir. (24. 1.), Pom- ponius in L. 18 L. 31 § 1 eod., L. 3 pro don. (41. 6.), Teren- tius Clemens in L. 25 de don. int. vir. (24. 1.), und Modestin in L. 23 pr. de don. (39. 5.); eben so noch viele Andere, deren Stellen gelegentlich angegeben werden sollen. . Diese engere juristisch allein wichtige, donatio wird dann, bey wirkli- cher Anwendung jener Regeln, in Ermanglung eines spe- ciellern Kunstausdrucks, als donatio jure civili impedita, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. oder als non concessa donatio bezeichnet L. 5 § 18 de don. int. vir. (24. 1.) von Ulpian, und L. 6 eod. von Gajus. . Andere Stel- len dagegen beschränken selbst den Ausdruck donatio auf die Fälle, worin jene positive Regeln anwendbar sind, so daß sie in allen anderen Fällen das Daseyn der donatio überhaupt verneinen Ulpian in L. 21 pr. de don. int. vir. (24. 1.) (non locuple- tior, nulla donatio, non inter- dictum, sind hier gleichbedeutend). — Pomponius in L. 31 § 6. 7 eod. „Quod vir uxori in diem de- bet, sine metu donationis prae- sens solvere potest,” d. h. er hat nicht zu befürchten, daß es als donatio angesehen werden möchte. Und nachher: Quod legaturus mihi .. es, potes rogatus a me uxori meae relinquere, et non videtur ea esse donatio; ” die Absicht zu schenken war hier doch vorhanden, auch wird in L. 5 § 13. 14 eod. ganz derselbe Fall von Ulpian wirklich donatio ge- nannt, und nur für unverboten erklärt. (Daß Pomponius und Ulpian bald diesen strengeren Sprachgebrauch haben, bald den freyeren, Note i , ist kein Ein- wurf, da sie jenen und diesen in verschiedenen Fällen der Anwen- dung beobachten, also freylich ohne ganz strenge Consequenz). — Eben so, wie hier Pomponius, sagt Ga- jus in L. 11 de don. (39. 5.). „Cum de modo donationis quae- ritur, neque partus nomine, ne- que fructuum, neque pensio- num, neque mercedum ulla donatio facta esse videtur. ” Die Bereicherung erstreckt sich auch auf die Früchte, und selbst die bestimmte Absicht des Gebers kann auf diese mit gerichtet seyn; dennoch sind die Früchte nicht un- ter dem Verbot großer Schen- kungen ( modus donationis, nach L. Cincia ) mit begriffen. Die- sen unbestrittenen Satz drückt also Gajus so aus: neque ulla donatio facta esse videtur, an- statt daß in dem völlig gleichen Fall Ulpian ( L. 17 de don. int. vir. ) sagt: „fructus quoque, ut usuras, licitam habere dona- tionem. ” Gajus also sagt, es sey keine Schenkung, Ulpian: es sey eine Schenkung, aber eine unverbotene. — Eben so Papi- nian in L. 18 quae in fraud. (42. 8.). „Si pignus vir uxori, vel uxor viro remiserit: verior sententia est nullam fieri do- nationem existimantium.” Li- beralität des Gebers und Vor- theil des Empfängers wird hier meist vorhanden seyn, es fehlt nur im juristischen Sinn an ei- nem pauperior und einem lo- cupletior, gerade wie in den Fäl- len, worin dennoch Ulpian (Note i ) . Nach diesen unzweifelhaften That- §. 143. Schenkung. Einleitung. (Fortsetzung.) sachen sind wir genöthigt, bey den Römern selbst einen zwiefachen Sprachgebrauch anzunehmen, indem sie das Wort donatio bald (und am häufigsten) in einem weite- ren, bald in einem engeren Sinn genommen haben. Je- ner weitere Sinn knüpfte sich zunächst an den Sprachge- brauch des täglichen Lebens, welcher jede Liberalität als donatio zu bezeichnen pflegte, ohne sich in juristische Gränz- bestimmungen einzulassen; er fand aber auch zuweilen eine juristische Anwendung, da wo es darauf ankam die po- sitive Seite der Schenkung hervorzuheben (§ 142). Der engere Sinn dagegen bezog sich auf die der Schenkung eigenthümlichen einschränkenden Rechtsregeln, das heißt auf die negative Seite derselben, welche allein eine subtile Be- stimmung ihres Begriffs und ihrer Gränzen nöthig macht. Nachdem wir so den Wortsinn hinreichend bestimmt ha- ben (welches für das Verständniß der Quellen nöthig war), können wir diesen fortan auf sich beruhen lassen. Nichts hindert uns, dem Deutschen Ausdruck Schenkung denje- nigen Umfang anzuweisen, der unsrem wissenschaftlichen Zweck der angemessenste ist, das heißt ihn in jenem enge- ren, eigentlichen Sinn zu gebrauchen, da er die ausschlie- ßende Anwendbarkeit der positiven Rechtsregeln für die Schenkung bezeichnet. Wichtig und unerläßlich ist nur die Anerkennung dieses engeren Begriffs selbst, welcher jenen den Ausdruck donatio gebraucht. — Eben so Celsus (bey Ulpian) L. 5 § 15 de don. int. vir. 24. 1.). — Die Verschiedenheit des Sprach- gebrauchs in allen diesen Stellen ist unverkennbar. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Rechtsregeln gemeinschaftlich, bey der Insinuation und dem Widerruf, eben so wie bey der Schenkung unter Ehegat- ten, anwendbar ist (§ 142. g ); in dem Sprachgebrauch können wir uns Verschiedenheiten noch eher gefallen lassen. Was hier über die allgemeine Natur der Schenkung und über ihre Bezeichnung gesagt worden ist, läßt sich nicht besser zur Anschauung und Überzeugung bringen, als durch die Vergleichung mit der sehr ähnlichen Lehre vom Besitz. Auch der Besitz hat eine natürliche Beziehung, als dasjenige factische Verhältniß, welches dem Eigenthum, als einem Rechtsverhältniß, entspricht, also den Inhalt des Eigenthums bildet. Diese natürliche Beziehung aber würde niemals auf das Bedürfniß geführt haben, eine Theorie des Besitzes auszubilden. Ein solches Bedürfniß entstand, als man an das Daseyn des Besitzes positive Wirkungen knüpfte, die ganz außer jener natürlichen Be- ziehung lagen: die Usucapion und die Interdicte. Nun wurde es nöthig, den Begriff, Erwerb, Verlust des Be- sitzes genau zu bestimmen, um zu wissen, wer auf die In- terdicte und die Usucapion Anspruch haben könne. Was für den Besitz die Interdicte und die Usucapion, das ist für die Schenkung die Insinuation, das Verbot in der Ehe, und der Widerruf. Bey dem Besitz gab es dane- ben mehrere nur scheinbare Rechtswirkungen, die in der That außer den Gränzen dieses eigenthümlichen Rechtsin- stituts liegen Die unächten beatitudines possessionis. Vgl. Savigny Recht des Besitzes § 3. ; eben so in der Schenkung die Unzuläs- §. 143. Schenkung. Einleitung. (Fortsetzung.) sigkeit bey dem Peculium und bey den Grundstücken des Minderjährigen (§ 142. e ). Der Besitz in seiner natür- lichen Beziehung und Ausdehnung heißt Possessio; als Grundlage jener positiven Rechtsinstitute heißt er auch Possessio, und nun in einem engeren Sinn, so daß im Gegensatz andere Fälle geradezu als non possidere be- zeichnet werden. Will man diesen engeren Sinn scharf bezeichnen, so heißt es auch wohl possessio quae locum habet in interdicto uti possidetis vel utrubi, oder ad usu- capionem possidere Savigny a. a. O. § 7. . Bey dem Besitz also ist der zwie- fache Sprachgebrauch, den ich für die Schenkung be- haupte, völlig unzweifelhaft, und der Unterschied liegt nur darin, daß derselbe dort von den alten Juristen mehr ausgebildet, und durch genauere Bezeichnungen ( naturalis, civilis ) schärfer bestimmt worden ist. Bey dem Besitz aber, wie bey der Schenkung, ist das Wichtigste, nicht den richtigen Sprachgebrauch festzuhalten, sondern bey allen Untersuchungen über den Begriff und die wahren Gränzen des Rechtsinstituts, nie die praktische Beziehung auf die damit verknüpften positiven Rechtsregeln aus den Augen zu verlieren, weil außerdem jene Untersuchungen entweder leer oder unwahr ausfallen. Erst jetzt läßt sich deutliche Rechenschaft ablegen von der Stellung, welche dieser Lehre der neueste Schriftstel- ler über die Schenkung zu geben versucht hat Meyerfeld I. S. 26 fg. S. 89—92. S. 425. 426. . Er IV. 2 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. classificirt die Veränderungen im Vermögensrecht folgen- dergestalt. Sie geschehen entweder donandi animo, oder ob causam, welche letzte entweder eine vergangene ist ( so- lutio ), oder eine gegenwärtige ( permutatio ), oder eine zu- künftige ( creditum ). Als allgemeine Betrachtung mag Die- ses seinen Werth haben, so wie man es zur Grundlage einer systematischen Darstellung machen will, wird es un- fruchtbar und irre führend. Diese nicht abzuläugnende allgemeine Beziehung der Schenkung, die ich oben als ihre positive Seite bezeichnet habe (§ 142), hätte eine spe- cielle Theorie für dieselbe eben so wenig nöthig gemacht, als für den Besitz dessen allgemeine, natürliche Beziehung zum Eigenthum; beide Theorien sind nur nöthig geworden durch die positiven Rechtsregeln, die nun das praktische Wesen des Besitzes und der Schenkung ausmachen; bey Meyerfeld nehmen diese positive Regeln den falschen Schein zufälliger, untergeordneter Beziehungen an, die ganz hin- weggedacht werden koͤnnten, ohne daß dadurch die Lehre von der Schenkung wesentlich verändert würde. §. 144. V. Schenkung. — Begriff. 1. Rechtsgeschäft unter Lebenden . Als erstes nothwendiges Erforderniß der Schenkung wurde angegeben, daß sie ein Rechtsgeschäft unter Leben- den seyn müsse. Hierin liegt zweyerley. Es wird zuerst erfordert ein Rechtsgeschäft, also eine positive Handlung, §. 144. Schenkung. Begriff. 1. Rechtsgeschäft unter Lebenden. so daß ein bloßes Unterlassen, wenn nicht ein verstecktes Handeln darin enthalten ist, nicht als eigentliche Schen- kung gelten kann (Beylage IX. ). — Zweytens wird er- fordert ein Geschäft unter Lebenden. Dadurch wird also von dem Begriff derselben jede Succession für den Todes- fall ausgeschlossen. Der allgemeine, durchgreifende Grund dieser letzten Bestimmung hängt zusammen mit dem Ge- sichtspunkt, woraus alle positive Rechtsregeln für die Schenkung zu betrachten sind (§ 142. d ). Die in dersel- ben enthaltene, und als gefährlich betrachtete, Willkühr liegt nicht blos in der (vielleicht unüberlegten) Auswahl der beschenkten Person, sondern in dem Entschluß zur Schenkung selbst, also darin daß der Geber sich selbst will- kührlich einen Theil des Vermögens entzieht, welches dazu bestimmt war, von ihm beherrscht und für seine Zwecke verwendet zu werden. Gerade dieser gefährlichste Bestand- theil der Schenkung verschwindet bey der Succession von Todeswegen völlig. Im Fall des Todes giebt Keiner will- kührlich Dasjenige auf, was er auch eben so willkührlich behalten könnte; hier ist blos die Rede von den Personen, die nach ihm das Vermögen haben sollen, und daß er diese auf die freyeste Weise auswähle, wird als das Re- gelmäßige, Natürliche, Gefahrlose betrachtet. Alle For- men und Einschränkungen, die bey dem letzten Willen vor- kommen, haben daher ganz andere Gründe und Zwecke, als die für die Schenkung vorgeschriebenen; darum war von der Lex Cincia, von der Insinuation, von einem Ver- 2* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. bot unter Ehegatten, als solchen (abgesehen von der mög- lichen Kinderlosigkeit), bey dem letzten Willen nie die Rede. Eben so verschwindet hier der bey der Schenkung aus be- sonderen Gründen, ausnahmsweise, gestattete Widerruf völlig, da bey dem letzten Willen der Widerruf als all- gemeine Regel, und selbst ohne alle Gründe, zugelassen ist. Es ist nunmehr die Anwendung dieses Princips auf die einzelnen Arten von Successionen zu machen. Bey der Intestaterbfolge ist am wenigsten an Schenkung zu den- ken; denn obgleich auch diese insofern auf dem Wohlwol- len des Verstorbenen beruht, als derselbe einen andern Er- ben durch Testament hätte ernennen können, so fehlt es doch an jeder positiven Thätigkeit, die als Ursache dieser Succession betrachtet werden könnte. — Eine solche Thä- tigkeit ist bey der testamentarischen Erbfolge allerdings vor- handen, dennoch wird auch diese niemals donatio genannt Die einzige Stelle, die man etwa auf die Erbeinsetzung als Schenkung deuten könnte, ist L. 30 pr. ad L. Falc. (35. 2.). „… ut stipulationes, rerum traditiones, legata, heredita- tesve his (servis) datae, cete- rae donationes, item servitu- tes …” Allein in dieser Stelle ist es gar nicht nöthig, das ce- terae donationes auch auf die unmittelbar vorhergehende here- ditates zu beziehen, vielmehr ist es durch die vor denselben ge- nannten traditiones und legata, hinlänglich gerechtfertigt. . Der Grund liegt wohl in folgenden zwey Umständen. Erst- lich gehört zu jeder Schenkung Vermehrung Eines Vermö- gens durch Verminderung eines andern. Bey der Erb- folge aber wird das Vermögen des Verstorbenen gar nicht vermindert, sondern es dauert unverändert fort, nur in §. 144. Schenkung. Begriff. 1. Rechtsgeschäft unter Lebenden. einer andern Person. Zweytens gehört zu jeder Schen- kung das auf die Bereicherung des Empfängers gerichtete Bewußtseyn des Gebers. Bey der Erbeinsetzung aber kann der Testator nie bestimmt wissen, ob er den Erben berei- chern werde, weil durch Unglück oder Verschwendung das Vermögen völlig verschwinden, ja selbst zu einer negati- ven Größe werden kann Damit steht nicht im Wi- derspruch, daß der Erwerb durch Erbschaft in der Regel eine lucrativa causa heißt (§ 143. g ); denn zu der Zeit, wo dieser Er- werb bereits eingetreten ist, läßt sich der Betrag der Erbschaft wohl übersehen, nicht so zu der Zeit, worin das Testament errichtet wird. . Anders verhält es sich in beiden Rücksichten mit dem Legat, welches im Justinianischen Recht mit dem Singu- larfideicommiß identisch geworden ist. Denn hier wird in der That Etwas dem einen Vermögen entzogen, dem an- dern hinzugefügt; auch weiß man bey dem Legat in der Regel ganz sicher, daß der Legatar dadurch bereichert wer- den wird Ich sage: in der Regel, denn allerdings giebt es auch Le- gate, die den Legatar gar nicht bereichern, z. B. wenn durch Legat der Erbe verpflichtet wird, ein Haus um dessen wahren Werth an den Legatar zu verkaufen. L. 66 L. 49 § 8 de leg. 1 (30. un.). Auch dieses ist ein wahres Legat, obgleich es nicht mit Fideicom- missen belastet werden kann, auch nicht bey der Falcidia in Betracht kommt. . Daher wird denn auch das Legat von den alten Juristen geradezu eine donatio genannt L. 36 de leg. 2 (31. un.). „Legatum est donatio testa- mento relicta” (von Modestin). § 1 J. de leg. (2. 20.). „Lega- tum itaque est donatio quae- dam a defuncto relicta.” . Den- noch ist dieser Ausdruck nur ein uneigentlicher, eine wahre Schenkung ist das Legat nicht, und an eine Anwendung der für die Schenkung aufgestellten positiven Rechtsregeln Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. hat dabey nie ein Römischer Jurist gedacht. Hier liegt der Grund, der das Daseyn wahrer Schenkung ausschließt, lediglich in dem oben für die Successionen von Todes we- gen im Allgemeinen aufgestellten Princip. Die bloße mortis causa capio kann zuweilen, eben so wie das Legat, als eine uneigentliche Schenkung angese- hen werden; wird z. B. dem Gajus ein Legat von 1000 gegeben, unter der Bedingung daß er dem Sejus 300 gebe, so ist nach der Absicht des Testators der letzte Er- folg derselbe, wie wenn aus der Erbschaft Gajus 700, Sejus 300 erhalten hätte. In anderen Fällen wird nicht einmal dieser Schein statt finden, z. B. wenn ein Sklave freygelassen wurde, unter der Bedingung daß er dem Ga- jus 100 zahle; denn nun bekam Gajus aus dem Vermö- gen des Testators gar Nichts Dieses ist der wahre Sinn der etwas schwierigen L. 38 de mortis causa don. (39. 6.) „mor- tis causa capitur et quod non cadit in speciem donationis. ” Marcellus will sagen: die mor- tis c. capio kann den Schein einer donatio an sich tragen, eine uneigentliche Schenkung seyn (wie in dem ersten der im Text angeführten Beyspiele). Aber auch Dasjenige kann mortis c. capio seyn, was nicht einmal diesen Schein an sich trägt ( et quod non cadit in speciem donatio- nis ), und dafür giebt er nun selbst erläuternde Beyspiele an. — Hieraus ist es klar, daß das Florentinische et unentbehrlich ist; die Vulgata ließ es weg, weil je- ner, allerdings versteckte, Zusam- menhang des Gedankens nicht er- kannt wurde. . Eine wahre Schen- kung ist die mortis causa capio niemals. Die testamentarische Freylassung war schon deshalb keine Schenkung, weil der Freygelassene von dem Ver- storbenen kein zum Vermögen gehörendes, also zu einem §. 145. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. Geldeswerth anzuschlagendes, Recht erhielt; dennoch kommt auch hier der Name donatio im uneigentlichen Sinn vor. Davon wird noch weiter unten (§ 148), in Verbindung mit der Freylassung unter Lebenden, die Rede seyn. Dagegen ist allerdings die mortis causa donatio, wie schon der für sie geltende Kunstausdruck zeigt Dieser Kunstausdruck würde in der guten alten Zeit nicht ent- standen seyn, wenn es nicht eine wahre Schenkung gewesen wäre. Daß man in der neuesten Gesetz- gebung donatio propter nuptias nennt, was in der That nicht Schenkung ist, beweist dagegen Nichts. Die schon weit früher vorkommende donatio ante nup- tias war eine wahre Schenkung, von jeder andern Schenkung gar nicht verschieden, und wurde nur besonders hervorgehoben, damit sie nicht mit der, faktisch so nahe liegenden, verbotenen donatio inter virum et uxorem verwech- selt würde. Die historische Ent- wicklung der neuen donatio pro- pter nuptias aus der älteren do- natio ante nuptias erklärt und rechtfertigt einigermaßen den un- genauen Sprachgebrauch in der Benennung der donatio propter nuptias. , eine wahre Schenkung; ja sie war sogar ursprünglich Nichts als Schenkung. Wie sie späterhin einen zweydeutigeren Character angenommen hat, halb als Schenkung, halb als Succession durch letzten Willen, wird weiter unten (§ 172) gezeigt werden. §. 145. V. Schenkung. — Begriff. 2. Veräußerung . Das zweyte Erforderniß wahrer Schenkung (§ 142) war: Bereicherung auf der einen Seite, Verlust auf der andern. Genauer betrachtet aber zerfällt dieses Element Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. der Schenkung wieder in zwey, von einander verschiedene. Es muß nämlich erstens Etwas aus Einem Vermögen aus- scheiden und in das andere hinübergehen, und es muß zweytens der letzte Erfolg dieser Veränderung darin beste- hen, daß der Totalwerth des einen Vermögens vermin- dert, des andern vermehrt wird. Daß das erste ohne das zweyte Statt finden könne, wird durch den Kauf einer Sache um ihren wahren Werth einleuchtend, wobey aus jedem Vermögen Etwas in das andere übergeht, und den- noch Keiner reicher oder ärmer wird Die Römer pflegen beide Erfordernisse nicht zu unterschei- den, sondern unter den gemein- samen Ausdrücken zusammen zu fassen, der Eine müsse paupe- rior, der Andere locupletior wer- den. Vgl. L. 5 § 8. 16 de don. int. vir. (24. 1.). Für die deut- liche Einsicht ist die Unterschei- dung gewiß förderlich. . — Das erste die- ser beiden, so unterschiedenen Elemente nenne ich die Ver- äußerung Gewöhnlich gebrauchen wir den Ausdruck Veräußerung in demselben beschränkteren Umfang, wie die Römer den Ausdruck alie- natio, nämlich für die Übertra- gung irgend eines dinglichen Rechts. L. 7 C. de reb. alienis (4. 51.). , und es ist demnach vor Allem auszufüh- ren, daß jede Schenkung eine Veräußerung enthalten müsse. Ja dieses ist in der That die Grundlage aller Schenkung. In diesem Bestandtheil nun ist die Schenkung ver- wandt mit einigen anderen Rechtsinstituten, deren Grund- sätze wir folglich hier geltend machen dürfen. Das erste derselben ist die Pauliana actio, oder die Klage eines Glau- bigers gegen Denjenigen, an welchen der insolvente Schuld- ner unredlicherweise, zum Nachtheil des Glaubigers, Etwas veräußert hat. Diese Klage kommt mit der Schenkung §. 145. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. in dem Erforderniß der Veräußerung (weshalb ich sie hier erwähne) völlig überein L. 3 § 2 L. 6 pr. quae in fraud. (42. 8.). , Bereicherung des Empfängers ist dazu nicht schlechthin nöthig, sondern nur entweder Be- reicherung desselben, oder Mitwissen an der Unredlichkeit des veräußernden Schuldners L. 6 § 11, L. 25 pr. quae in fraud. (42. 8.). — L. 7. 8. 9 eod. — L. 5 C. de revoc. his quae in fr. (7. 75.). . — Das zweyte ver- wandte Rechtsinstitut war die Faviana und Calvisiana actio. Der Patron hatte große Ansprüche an den Nach- laß des Freygelassenen. Suchte nun dieser durch Veräu- ßerungen jene Ansprüche unredlicherweise zu entkräften, so bekam der Patron jene Klagen gegen den Dritten, an welchen die Veräußerung geschehen war L. 1 pr. § 3. 4 L. 3 § 2. 3 si quid in fraud. (38. 5.). — Daß diese Klagen im heutigen Recht nicht vorkommen, versteht sich; ihre Grundsätze aber haben sich darin durch folgende weitere Anwendung erhalten. Wenn ein Unmündiger arrogirt wird, so muß er bey des Adoptivvaters Tod wenigstens den vierten Theil des Vermögens desselben erhal- ten. Hat ihm der Vater durch Veräußerungen diesen gesetzlichen Anspruch zu entkräften gesucht, so kann er durch eine actio quasi Faviana oder Calvisiana die ver- äußerten Sachen zurück fordern. L. 13 eod. . Auch hier liegt derselbe Begriff der Veräußerung zum Grunde, wie bey der Schenkung und der Pauliana actio L. 1 § 6. 7 si quid in fr. (38. 5.). , und darum werden jene Klagen hier erwähnt. In Beziehung auf den Empfänger waren dieselben noch ausgedehnter als die Pau- liana; er brauchte weder mitwissend zu seyn, noch durch die Veräußerung bereichert zu werden, um durch diese Kla- gen zur Rückgabe des Empfangnen gezwungen werden zu Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. können L. 1 § 4. 12. 13. 16. 17. 24 si quid in fraud. (38. 5.). — Die größere Strenge gegen den Beklagten, in Vergleichung mit der Pauliana, erklärt sich wohl daraus, daß die Eigenschaft eines Freygelassenen leichter erkennbar ist, als die Eigenschaft eines in- solventen Schuldners. Wenn nun Beiden gegenüber ein Käufer gleich unwissend, also redlich ist, so trifft diesen Käufer der Vorwurf der Unvorsichtigkeit mehr bey der Faviana, als bey der Pauliana. . — Einigermaßen gehört auch die condictio in- debiti, desgleichen das sogenannte beneficium competen- tiae, unter die Rechtsinstitute, deren Analogie zur Be- stimmung der in der Schenkung nothwendig enthaltenen Veräußerung benutzt werden kann. Die Condiction inso- fern, als auch sie ein Weggeben oder Veräußern voraus- setzt, eben so wie die Schenkung (dort solvendi animo, hier donandi ); das beneficium competentiae, insofern die- ses wegfällt, wenn der Schuldner nur durch absichtliche Veräußerung in eine ganz hülflose Lage gekommen ist. Überall nun, wo dieses Erforderniß wahrer Veräuße- rung fehlt, darf keine Schenkung angenommen werden, selbst wenn andere Elemente derselben, namentlich das un- eigennützige Wohlwollen als Beweggrund, vorhanden seyn sollten. Die Fälle, in welchen blos aus diesem Grund die Schenkung ausgeschlossen ist, lassen sich auf folgende Klassen zurückführen: 1) Wenn das Wohlwollen durch eine solche Thätig- keit geäußert wird, welche den Umfang des Vermögens überhaupt nicht berührt. 2) Wenn blos die mögliche Vermehrung des Vermoͤ- gens unterlassen, kein erworbenes Recht aufgeopfert wird. §. 145. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. 3) Wenn zwar auf der einen Seite ein Vermögens- recht aufgeopfert, auf der andern Seite aber ein außer dem Vermögen liegendes Recht erworben wird. Die erste Klasse von Fällen ohne wahre Schenkung besteht darin, daß die wohlwollende Thätigkeit den Um- fang des Vermögens nicht berührt. Daher liegt keine Schenkung in dem Mandat, das heißt der unentgeldlichen Besorgung fremder Angelegenhei- ten, desgleichen in dem Depositum, das heißt der unent- geldlichen Aufbewahrung fremder Sachen, obgleich durch diese beiden Geschäfte dem Andern eine bedeutende Geld- ausgabe erspart werden kann L. 9 § 3 de j. dot. (23. 3.), L. 58 § 2 de don. int. vir. (24 1.). Hier wird das Depositum zwischen Mann und Frau, eben so das Mandat zwischen dem Mann (oder dessen Sohn) und der Frau, als gültig anerkannt, worin also liegt, daß diese Ge- schäfte nicht die Natur einer Schen- kung an sich tragen. . Eben so auch in dem Commodat, das heißt dem unentgeldlichen Gebrauch einer Sache, den wir einem Andern verstatten; desgleichen in dem damit verwandten Precarium Als Widerlegung könnte man folgende Stellen geltend ma- chen: L. 14 de prec. (43. 26.). „… magis enim ad donationes et beneficii causam, quam ad negotii contracti, spectat pre- carii condicio.” L. 14 § 11 de furtis (47. 2.). „.. quia simile donato precarium est.” Hier ist aber offenbar donatio in dem unbestimmten faktischen Sinn ge- nommen, ja selbst der Ausdruck geht auf eine bloße Ähnlichkeit mit donatio, nicht auf wirkliche Subsumtion unter den Begriff derselben. . In allen diesen Fällen ist deswegen keine Schenkung vorhanden, weil der Handelnde den Umfang seines Vermögens nicht verändert. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Ein Zweifel könnte in den Fällen entstehen, in welchen der Handelnde durch dieselbe Thätigkeit hätte anderwärts Geld erwerben können, welchen Erwerb er nun, zu des Andern Vortheil, freywillig ausgeschlagen hat. Diese Frage aber fällt in die Betrachtung der folgenden Klasse. Noch wichtiger ist die zweyte Klasse von Fällen ohne wahre Schenkung, welche darauf beruht, daß blos die mögliche Vermehrung des Vermögens unterlassen, kein er- worbenes Recht aufgeopfert wird. In allen solchen Fäl- len ist überhaupt keine Veräußerung vorhanden L. 28 pr. de V. S. (50. 16.). „… Qui occasione adquirendi non utitur, non intelligitur alie- nare ..” , und aus diesem Grunde wird die Anwendung sowohl der Pau- liana und Faviana L. 6 pr. quae in fraud. (42. 8.), L. 134 pr. de R. J. (50. 17.). — L. 1 § 6 si quid in fraud. (38. 5.). , als des fingirten Vermögens bey dem sogenannten beneficium competentiae L. 68 § 1 pro socio (17. 2.). Illud quaeritur, utrum is demum facere videtur quo mi- nus facere possit, qui erogat bona sua in fraudem futurae actionis, an et qui occasione adquirendi non utitur? Sed ve- rius est de eo sentire Procon- sulem, qui erogat bona sua …” , schlechthin verneint. Aus demselben Grunde aber kann keine Schen- kung angenommen werden, wie rein auch die wohlwol- lende Triebfeder des Einen, und wie groß der Gewinn des Andern seyn möge. Und zwar ist dieses als durchgrei- fendes Princip anzusehen, sowohl in Beziehung auf die Lex Cincia und die Insinuation, als auf die Schenkung in der Ehe (wovon allein die meisten Stellen reden), und den Widerruf Eine Bestätigung dieser . §. 145. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. Die einzelnen Fälle dieser Klasse sind folgende. Es ist keine Schenkung, wenn Derjenige, welchem eine Erbschaft oder ein Legat angefallen ist, dieses ausschlägt, um dem nach ihm Berufenen den Vortheil zuzuwenden; daher ist diese Begünstigung unter Ehegatten erlaubt L. 5 § 13. 14 de don. int. vir. (24. 1.). Ganz gewiß kann in demselben Fall weder von der L. Cincia, noch von der Insi- nuation die Rede seyn. Nicht blos passen die hierin enthalte- nen Formen gar nicht auf die Ausschlagung der Erbschaft oder des Legats, sondern diese Be- schränkung steht mit der Grund- ansicht des R. R. von der freyen Willkühr berufener Erben oder Legatare im Widerspruch. Bey Erbschaften kommt noch hinzu der unsichere Erfolg des Ausschlagens, weil der Erwerb des nachher Be- rufenen, dem der Vortheil zuge- dacht ist, noch auf mancherley Weise verhindert werden kann: durch dessen Ausschlagen oder Tod, durch Versäumniß der Agnitions- frist. , und eben so ist hier die Anwendung der Pauliana und der Faviana ausgeschlossen L. 6 § 2 — 5 quae in fraud. (42. 8.). — L. 1 § 6 si quid in fraud. (38. 5.). . Dasselbe gilt, wenn Jemand den ihm geneigten Testator bestimmt, nicht ihm, sondern einem Andern, die Erbschaft oder ein Legat zuzuwenden L. 31 § 7 de don. int. v. (24. 1.), von dem Verhältniß der Ehegatten. . Eben so wenn der berufene Legatar (oder Erbe) den Er- werb dadurch verhindert, daß er eine vorgeschriebene Be- dingung absichtlich unerfüllt läßt L. 1 § 6 si quid in fraud. . — Dieser ganzen Be- Behauptungen liegt in folgender Stelle, worin man bey oberfläch- licher Betrachtung einen Einwurf suchen könnte. L. 45 pr. de j. fisci (49. 14.). „In fraudem fisci non solum per donationem, sed quocunque modo res alienatae revocantur: idemque juris est et si non quaeratur: aeque enim in omnibus fraus puni- tur.” Hier ist deutlich anerkannt, daß der unterlassene Erwerb we- der als Schenkung, noch über- haupt als Veräußerung zu be- trachten ist; nur soll das Klage- recht des Fiscus alle diese Fälle gleichmäßig umfassen. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. hauptung scheint die Bestimmung zu widersprechen, daß die Ehefrau ihrem Manne eine Dos dadurch bestellen kann, daß sie zu seinem Vortheil ein ihr angefallenes Legat, oder auch eine Erbschaft, ausschlägt L. 14 § 3 de fundo dot. (23. 5.). „Si fundum legatum sibi dotis causa mulier repu- diaverit, vel etiam substituto viro omiserit hereditatem, vel legatum: erit fundus dotalis.” — Damit scheint wieder unver- einbar L. 5 § 5 de j. dot. (23. 3.). „Si pater repudiaverit he- reditatem dotis constituendae causa … dotem profectitiam non esse, Julianus ait. Sed et si legatum in hoc repudiaverit pater … non esse profectum id de bonis: quia nihil eroga- vit de suo pater, sed non ad- quisivit.” Allerdings ist diese ausgeschlagene Erbschaft nicht pro- fecta a patre, und daher gilt da- bey nicht das sehr positive Recht der profectitia dos; will der Va- ter, daß dieses gelte, so muß er erst die Erbschaft erwerben, und dann den Inhalt derselben dem Schwiegersohn als Dos geben. Allein auch ohne diesen Umweg, würde es immer eine Dos seyn, nur nicht profectitia. — Das aber wird überall, und auch in L. 14 cit., stillschweigend vorausgesetzt, daß der Mann mit dem ganzen Hergang einverstanden war; denkt man blos an ein einseitiges Aus- schlagen des Vaters oder der Frau in dieser Absicht, aber ohne Über- einkunft mit dem Mann, so wird dieser unbeschränkt Erbe oder Le- gatar, ohne alle Dotalverpflich- tung. . Dennoch ist hierin kein Widerspruch. Wenn die Frau hierüber mit ihrem Manne einig ist, so liegt in der eben angeführten Bestim- mung blos der Erlaß einer ganz überflüssigen Förmlich- keit, eine Art von brevi manu facta traditio, indem ohne- hin die Frau hätte das Legat oder die Erbschaft erwerben und dann dem Mann als Dos hingeben können. Es ist also nur die natürliche Erleichterung eines durchaus gül- (38. 5.). — Eben so gehört da- hin der in L. 67 § 3 ad Sc. Treb. (36. 1.) angeführte Fall, da der eingesetzte Erbe die Erbschaft für suspect erklärt, blos um sie nun dem Fideicommissar ganz, ohne Abzug, zuzuwenden. Das heißt hier donationis causa, aber wie- der nur in dem uneigentlichen Sinn, eine wahre Schenkung ist es nicht. Vgl. unten § 152. g. §. 145. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. tigen Rechtsgeschäfts, in einer durch viele unzweifelhafte Analogien unterstützten Weise. Wollte man dagegen die donandi animo ausgeschlagene Erbschaft als wahre Schen- kung behandeln, so würde man nicht, wie in jenem Fall, den rechtmäßigen Willen durch erleichterte Formen unter- stützen, sondern man würde die ganz positiven, den Wil- len einschränkenden, Schenkungsregeln künstlich auf einen Fall anwenden, der seiner Natur nach jenen Regeln gar nicht unterworfen ist, woraus also eine ganz grundlose Beschränkung des freyen Willens hervorgehen würde. Eben so ist keine Veräußerung (also auch keine Schen- kung) vorhanden, wenn der Glaubiger, dem Etwas unter einer Bedingung versprochen ist, die Erfüllung dieser Be- dingung, also die Entstehung einer Forderung, absichtlich verhindert L. 6 § 1 quae in fraud. (42. 8.), von der Pauliana. — L. 1 § 6 si quid in fraud. (38. 5.), von der Faviana. . Ferner wenn Derjenige, welcher zu einer querela in- officiosi, oder zu einer Injurienklage berechtigt ist, diese Klagen absichtlich untergehen läßt L. 1 § 7. 8 si quid in fraud. (38. 5.), von der Faviana. . Bey anderen Klagen würde es eine Veräußerung, zuweilen also auch eine Schen- kung, gewesen seyn, weil das Klagerecht selbst schon ein Stück des Vermögens gewesen wäre; bey jenen Klagen ist zunächst noch gar kein Vermögensrecht vorhanden, son- dern es kann nur erst ein solches entstehen durch des Ver- letzten freyen Entschluß zur Klage (§ 73. f. x ). Daher ist Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. der von dem Berechtigten herbeygeführte Untergang jener Klagen nur als absichtlich unterlassener Erwerb eines Ver- mögensrechts, nicht als Veräußerung anzusehen. §. 146. V. Schenkung. — Begriff. 2. Veräußerung . (Fortsetzung.) Zu derselben zweyten Klasse von Fällen ohne wahre Schenkung gehören noch folgende, deren Natur nicht so unzweifelhaft ist, wie die der bisher abgehandelten. Es wurde oben gesagt, daß das Commodat in der Regel keine Schenkung enthalte (§ 145), und für gewöhn- liche Fälle kann dieses auch keinen Zweifel haben. Wer einem Freund Pferd oder Wagen zu einer Reise unent- geldlich überläßt, wird dadurch nicht ärmer, er entbehrt nur eine Zeit lang die Bequemlichkeit, die ihm der eigene Gebrauch der verliehenen Sachen gewähren konnte. Es giebt jedoch eine Art von Sachen, die vor anderen zum gleichförmig nothwendigen Lebensbedarf gehören. Jeder Mensch bedarf einer Wohnung, und insofern er nicht un- tergeordnetes Mitglied eines Hausstandes ist, kann er die- ses Bedürfniß in der Regel nur durch Grundeigenthum, oder durch einen Miethvertrag, befriedigen. Eben so wird umgekehrt der Eigenthümer eines Hauses dieses entweder selbst bewohnen, oder vermiethen; daß er es leer stehen lasse, gehört zu den seltnen Ausnahmen. Daher läßt sich bey Wohngebäuden, mehr als bey anderen Sachen, der §. 146. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) bloße Gebrauch zu dem Werth einer Geldsumme anschla- gen, und es werden sich dafür an den meisten Orten, je nach der Größe und Annehmlichkeit der Wohnungen, ziem- lich regelmäßige Preiße bilden. Die natürliche Folge da- von ist, daß das Commodat einer Wohnung Daß es ein wahres Com- modat ist, sagen ausdrücklich L. 1 § 1 comm. (13. 6.), L. 17 pr. de praescr. verbis (19. 5.). als eine wahre Schenkung angesehen werden kann, nämlich als Schenkung derjenigen Geldsumme, welche der Bewohner ohne jenes Commodat als Miethgeld hätte aufwenden müssen L. 9 pr. de don. (39. 5.). „In aedibus alienis habitare gratis, donatio videtur: id enim ipsum capere videtur qui ha- bitat, quod mercedem pro ha- bitatione non solvit. ” — So steht in L. 6 de alimentis (34. 1.) die habitatio, neben cibaria et vestitus, unter den strengen Lebensbedürfnissen „quia sine his ali corpus non potest.” . In den meisten Fällen wird der Eigenthümer, der die Wohnung unentgeldlich überläßt, gerade so viel an Miethgeld aufopfern, als der Andere an Miethgeld erspart; wo dieses nicht ist, kann nur die geringere Summe als Gegenstand der Schenkung gelten, da nur in dieser das Geben und Nehmen zusammen trifft, welches zum Wesen jeder Schenkung nöthig ist. Wenn z. B. eine Woh- nung, die stets zu 800 vermiethet war, Demjenigen un- entgeldlich überlassen wird, der, nach Verhältniß seiner Einnahme, nie mehr als 500 an Miethgeld ausgab, so sind ihm nur 500 geschenkt, weil er nur diese als Mieth- geld erspart; die übrigen 300, die der Eigenthümer gleich- falls aufopfert, gehen darin auf, daß der Bewohner mehr IV. 3 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Luxus und Bequemlichkeit zu genießen bekommt, ohne da- durch reicher zu werden Auf diese Gestalt des Falls geht, in einem ganz ähnlichen Rechtsverhältniß, L. 65 § 7 de cond. ind. (12. 6.). „Sic habi- tatione data, pecuniam condi- cam: non quidem quanti lo- care potui, sed quanti tu con- ducturus fuisses ” (nämlich wenn dieses Letzte weniger beträgt als das Erste). Wie durch den sol- vendi animus im Fall des Irr- thums die Anwendung der con- dictio begründet wird, so durch den donandi animus die Anwen- dung der positiven Regeln der Schenkung. Beide Anwendungen sind bedingt durch Veräußerung, d. h. durch übereinstimmendes Ge- ben und Empfangen, und darum beweist die angeführte Stelle auch hier. — Ganz auf denselben An- sichten beruht auch L. 25 § 16 de her. pet. (5. 3.). Der redliche Besitzer einer Erbschaft soll nur herausgeben, was er lucrirt hat; sind Vorräthe der Erbschaft ver- zehrt worden, so ersetzt er nur, was er außerdem aus eigenem Vermögen angeschafft hätte, also nun erspart hat. „Et verius est, ut ex suo patrimonio decedant ea, quae, etsi non heres fuis- set, erogasset.” . Wird umgekehrt eine Woh- nung von 500 unentgeldlich einem Bewohner überlassen, der stets 800 an Miethgeld ausgab, so sind wieder nur 500 geschenkt, da der Eigenthümer nur diese aufopfert; die übrigen 300 erspart der Bewohner zwar auch, aber nicht durch die Freygebigkeit des Eigenthümers, sondern durch Entbehrungen, denen er sich unterwirft. — Diese Art der Schenkung wird übrigens in vielen Fällen die An- wendung der positiven Regeln gar nicht veranlassen. Von der Insinuation wird dabey die Rede seyn, nur wenn durch Vertrag auf bestimmte künftige Zeit die Wohnung über- lassen wird, weil sich dann die Schenkung sogleich auf eine bestimmte Geldsumme zurückführen läßt; fehlt ein sol- cher Vertrag, so löst sich das Ganze in viele einzelne Schenkungen auf, und die Insinuation ist nicht anwend- §. 146. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) bar (§ 166). — Unter Ehegatten kann die Wohnung des Mannes im Hause der Frau nicht als Schenkung gelten, weil sie die natürliche Folge des gemeinsamen Lebens ist (§ 152); anders ist es, wenn ein Ehegatte dem Andern ein Gebäude unentgeldlich überläßt, welches von diesem zur Betreibung eines Gewerbes (nicht zur eignen Woh- nung) benutzt wird. — Der Widerruf aus besonderen Gründen wird bey dieser Schenkung immer vorkommen können. So wie hier das Commodat ausnahmsweise eine Schen- kung enthält, kann auch das Depositum (§ 145) sich zu einer solchen gestalten. Wenn nämlich der Eigenthümer eines Magazins in denselben regelmäßig Kaufmannswaa- ren gegen Bezahlung aufnimmt, diesen Raum aber einem Einzelnen unentgeldlich gestattet, so enthält das Depositum eine wahre Schenkung, weil der Eine eine Geldeinnahme aus Liberalität aufopfert, der Andere eine Ausgabe erspart. Derselbe Fall findet sich ferner bey dem Mandat, wel- ches gleichfalls in der Regel nicht als Schenkung gelten kann (§ 145). Ist naͤmlich die Rede von gewerblichen Arbeiten, die gewöhnlich für Geld geleistet werden ( ope- rae fabriles ), so koͤnnen diese, ganz wie der Gebrauch ei- nes Hauses, auf bestimmte Geldsummen zurückgeführt wer- den L. 6 de operis libert. (38. 1.). „Fabriles operae ceterae- que, quae quasi in pecuniae praestatione consistunt …” . Wird nun eine solche Arbeit aus Liberalität un- entgeldlich besorgt, und wird dadurch dem Andern das 3* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Geld erspart, welches er außerdem dafür hätte ausgeben müssen, so liegt darin eine wahre Schenkung; gerade so wie die condictio indebiti begründet ist, wenn jene Arbeit in irriger Voraussetzung einer Verpflichtung geleistet wird L. 26 § 12 de cond. ind. (12. 6.). „.. Sed si operas pa- trono exhibuit, non officiales, sed fabriles, veluti pictorias vel alias, dum putat se debere, videndum an possit condicere? … in proposito, ait, posse con- dici, quanti operas esset con- ducturus …” (esset, nämlich patronus; so liest richtig die Vul- gata; Flor. „essem” ). — Nur scheinbar widerspricht dieser Stelle L. 25 de praescr. verb. (19. 5.), welche blos sagt, die Condiction könne nun nicht auf gegenseitig, als Ersatz, zu leistende Arbeit gehen; damit ist nicht ausgeschlos- sen, daß sie auf das Geld gerich- tet werde, welches der Empfän- ger der Arbeit erspart, folglich so gut als baar empfangen hat. . Die Schenkung konnte in solchem Fall bey den Römern ausgehen bald von dem Arbeiter selbst, wenn dieser ein freyer Mensch war, bald von dem Eigenthümer des ar- beitenden Sklaven; bey uns ist nur der erste Fall denkbar. Noch unzweifelhafter, als bey dem Commodat eines Hauses, ist eine Schenkung anzunehmen, wenn der Ge- brauch eines Landguts einem Andern unentgeldlich über- lassen wird L. 9 § 1 de don. (39. 5.). „Ex rebus donatis fructus per- ceptus in rationem donationis non computatur. (Von diesem Satz wird sogleich Gebrauch ge- macht werden.) Si vero non fun- dum, sed fructus perceptionem tibi donem: fructus percepti venient in computationem do- nationis. ” Die computatio geht, im Sinn des Verfassers (Pom- ponius), auf die Vorschriften der L. Cincia; im Sinn Justinians auf die Insinuation. — Dasselbe Rechtsgeschäft liegt zum Grunde der Vorschrift in L. 35 § 1 C. de don. (8. 54.). Ferner dem Fruchtgenuß, den ein Fructuar einem Dritten schenkungsweise überläßt (§ 156). . Denn dieser Gebrauch besteht hauptsäch- lich in dem Fruchterwerb, und die künftigen Früchte sind §. 146. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) es also, deren Eigenthum hier geschenkt wird. Diese Schenkung hat, wenn man auf den materiellen Erfolg sieht, große Ähnlichkeit mit einem geschenkten Niesbrauch, und sie unterscheidet sich von demselben allgemein nur da- durch, daß der Empfänger kein dingliches Recht bekommt; daneben kann diese Schenkung mit der verschiedensten Dauer verbunden seyn: sie kann auf willkührlichen Widerruf ge- geben werden, oder auf bestimmte Jahre, oder auch (gleich dem Niesbrauch) auf die Lebensdauer des Empfängers Wie dieser überlassene Fruchtgenuß auch für die Zukunft durch Rechtsgeschäfte befestigt wer- den könne, wird angegeben in L. 66 de j. dot. (23. 3.) und L. 57 sol. matr. (24. 3.). . Eine bloße Anwendung und Anerkennung dieses Grund- satzes ist in folgender Bestimmung enthalten. Wenn der Mann Grundstücke als Dos bekommen hat, und nun de- ren natürliche Früchte oder Pachtertrag der Frau über- läßt, so liegt darin eine ungültige Schenkung L. 22 L. 28 de pactis dot. (23. 4.), L. 8 C. de don. int. vir. (5. 16.), L. 20 C. de j. dot. (5. 12.). . Das- selbe muß gewiß um so mehr angenommen werden, wenn der Mann seine eigenen (nicht zur Dos gehörenden) Grund- stücke auf gleiche Weise der Frau überläßt. Auf den ersten Blick möchte man glauben, der ver- schaffte Gebrauch einer Geldsumme, weil diese fähig ist Zinsen zu tragen, müsse eben so wie der Gebrauch eines Hauses oder Landguts, als Schenkung gelten; dennoch ist es nicht also. Wenn der Glaubiger ein bisher zinsbares Darlehen, durch Erlaß der künftigen Zinsen, in ein un- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. verzinsliches verwandelt, so gilt dieses nicht als wahre Schenkung, deren positive Einschränkungen also auf einen solchen Fall nicht anwendbar sind L. 23 pr. de don. (39. 5.). „Modestinus respondit, credi- torem futuri temporis usuras et remittere et minuere pacto posse: nec in ea donatione, ex summa quantitatis aliquid vi- tii incurrere. ” Das vitium ex summa quantitatis geht wieder auf die L. Cincia und die Insi- nuation, wie in L. 9 § 1 eod. (Note f ). Daß das Geschäft den- noch donatio genannt wird, ge- hört zu dem uneigentlichen Sprach- gebrauch (§ 143. i ). . Also muß um so mehr bey einer Geldsumme, die erst jetzt als Darlehen ohne Zinsen hingegeben wird, das Daseyn einer Schen- kung verneint werden. — Wer eine Schuld, die er erst nach Jahren zu zahlen brauchte, sogleich zahlt, verschafft dadurch allerdings dem Gläubiger den Vortheil des frü- heren Zinsgenusses; dennoch gilt es nicht als Schenkung, denn es ist unter Ehegatten durchaus erlaubt L. 31 § 6 de don. int. vir. (24. 1.). „Quod vir uxori in diem debet, sine metu do- nationis praesens solvere po- test: quamvis commodum tem- poris retenta pecunia sentire potuerit.” Daher gilt auch in gleichem Fall, wenn die Zahlung aus Irrthum zu früh geleistet wird, durchaus keine condictio inde- biti. L. 10. 17. 56 de cond. ind. (12. 6.), L. 88 § 5 de leg. 2 (31. un.). . Daher kann es auch nicht als Schenkung gelten, wenn die in diem contrahirte Schuld vertragsweise in eine praesens obligatio verwandelt wird, da dieses eine noch geringere Veränderung ist, als die augenblickliche Zahlung. — Eben so darf es aber auch umgekehrt nicht als Schenkung gel- ten, wenn die praesens obligatio durch Vertrag in diem gestellt wird L. 56 de cond. ind. (12. 6.). „… pactum, quod in tem- pus certum collatum est, non , indem auch dadurch der Schuldner höch- §. 146. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) stens den Zinsengenuß der Zwischenzeit gewinnt, voraus- gesetzt daß die Schuld eine unverzinsliche ist. — Worin liegt nun der Grund des Unterschieds, wenn der Gebrauch eines Grundstücks, oder aber einer Geldsumme, dem An- dern unentgeldlich verschafft wird? Ohne Zweifel liegt er in folgender sehr natürlicher Betrachtung. Daß Je- mand ein Grundstück ganz unbenutzt lasse, also weder durch eignen Gebrauch, noch durch Vermiethung, Vortheil da- von ziehe, ist völlig ungewöhnlich, ja in den meisten Fäl- len, worin es dennoch vorkommen mag, nur als schlechte Wirthschaft erklärlich. Anders bey dem baaren Gelde. Dieses kann der Eigenthümer aus mancherley Gründen bey sich aufbewahren, wo es ihm keine Früchte trägt; er kann es auch in Hausrath, Kunstwerken u. s. w. anlegen, die gleichfalls keine Früchte bringen. In gewissem Um- fang geschieht sogar Beides von Jedem; und wo wäre magis inducit condictionem, quam si ex die debitor solvit …,” offenbar deswegen, weil da- durch der Glaubiger Nichts weg- giebt oder veräußert; aus dem- selben Grunde aber kann es auch nicht als Schenkung gelten. — Hierin scheint nun zu widerspre- chen L. 9 pr. de don. (39. 5.). „.. Potest enim et citra cor- poris donationem valere dona- tio: veluti si donationis causa cum debitore meo paciscar, ne ante certum tempus ab eo pe- tam. ” Da indessen so viele Stel- len darin übereinstimmen, daß der verschaffte Gebrauch einer Geldsumme nicht als Veräuße- rung der möglichen Zinsen gelte (Note h. i , und die eben ange- führte L. 56 de cond. ind. ), so darf auch hier das valere dona- tio nicht von der Anerkennung wahrer Schenkung, also von der Anwendbarkeit der positiven Schen- kungsregeln, verstanden werden, sondern nur von der Möglichkeit einer rechtsgültigen Liberalität, die eine uneigentliche Schenkung ist. Vielleicht ist der gegenwärtige fal- sche Schein dieser Stelle nur durch eine Auslassung, mit Rücksicht auf die L. Cincia, entstanden. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. hier die Gränze zwischen Viel und Wenig? Obgleich also auch unser positives Recht die stete Möglichkeit anerkennt, baares Geld zinsbar zu benutzen (worauf allein der Grund- satz der Verzugszinsen beruht), so ist doch der Gebrauch dieser Möglichkeit ganz willkührlich. Daher ist es ganz consequent, den unentgeldlich überlassenen Gebrauch eines Grundstücks als ein von dem Eigenthümer gebrachtes Geld- opfer, das heißt als eine Veräußerung zu betrachten, wäh- rend dieselbe Handlung bey dem baaren Gelde dafür nicht angesehen werden kann; der Eigenthümer, der (wie oben bemerkt) das Geld vielleicht ungenutzt in seiner Kasse auf- bewahren möchte, kann es vielleicht noch sicherer und be- quemer finden, diese Aufbewahrung in Gestalt eines un- verzinslichen Darlehens an einen wohlhabenden, zuverläs- sigen Schuldner zu bewirken. — Aus demselben Grunde aber muß unzweifelhaft anders entschieden werden, wenn der Glaubiger ein bereits zinsbares Kapital einem Dritten zur Nutzung überläßt; denn Diesem schenkt er gerade den Betrag der Zinsen, und es ist ganz zufällig, daß er das Geschenk durch den, Zinsen bezahlenden, Schuldner ent- richten läßt. Eben so ist es auch anders, wenn die Frau ihrem Manne eine Dos in Geld nicht auszahlt, sondern nur verspricht und einstweilen verzinst, nun aber der Mann diese Zinsen auch für die Zukunft erläßt, das heißt also die zinsbare Schuld in eine unverzinsliche verwandelt; darin liegt eine verbotene Schenkung L. 21 § 1 L. 54 de don. int. vir. (24. 1.). . Der Grund ist §. 147. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) der, daß hier die Dos selbst zunächst nur in dieser Zins- zahlung besteht, der Mann aber den Genuß der Dos zum Vortheil der Frau nicht aufgeben kann, ohne dadurch eine ungültige Schenkung vorzunehmen Noch etwas anders zu er- klären ist das tempore plus pe- tere in § 33 J. de act. (4. 6.), welches allerdings auch den Zin- senverlust berücksichtigt. Allein das plus petere wird begründet durch jede dem Schuldner aufge- bürdete Erschwerung seiner Lage, auch wenn sich dieselbe gar nicht auf ein bestimmtes Geldopfer zu- rückführen läßt. Selbst ohne Rücksicht auf Zinsen würde es schon deshalb ein plus seyn kön- nen, weil der Schuldner vielleicht jetzt schwerer Geld herbeyschaffen kann, als zu der Zeit, worin die Schuld fällig ist. . §. 147. V. Schenkung. — Begriff. 2. Veräußerung . (Fortsetzung.) Eine etwas andere Gestalt nehmen diese Fälle an, wenn man nicht den Gebrauch oder Fruchtgenuß, wie wir es bisher gethan haben, sondern die fruchttragende Sache selbst, als Gegenstand der Schenkung ansieht, und nun den Einfluß der Schenkungsregeln auf die aus der ge- schenkten Sache später entstandenen Früchte erwägt. Be- trachten wir in dieser Hinsicht zuerst ein geschenktes Land- gut Ich nenne Dieses, als den wichtigsten und anschaulichsten un- ter den hierher gehörenden Ge- genständen. Es versteht sich aber von selbst, daß Dasselbe, wie bey den Feldfrüchten, auch bey allen anderen natürlichen Früchten, z. B. den Jungen und der Wolle verschenkter Thiere, gelten muß. Bey der Frage nach dem Umfang der Schenkung (bey der Insinuation) kommt blos der Sachwerth des Grundstücks selbst in Betracht; bleibt dieser unter der ge- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. setzlichen Summe, so ist die Schenkung durchaus gültig, ohne Rücksicht auf die aus den späteren Früchten allmälig hinzutretende Bereicherung L. 9 § 1 de don. (39. 5.) in ihrem ersten Satz (§ 146. f ). L. 11 eod. „Cum de modo do- nationis quaeritur, neque par- tus nomine, neque fructuum, neque pensionum, neque mer- cedum ulla donatio facta esse videtur.” (vgl. § 143. l ). — Beide sprechen im Sinn ihrer Verfas- ser von der Lex Cincia, im Sinn Justinians von der Insinuation. . Auch wenn der Sachwerth die gesetzliche Summe übersteigt, z. B. 1000 Dukaten an- statt 500, bey fehlender Insinuation, beträgt, so ist zwar die Hälfte des Landguts ungültig geschenkt und kann zu- rückgefordert werden; für die Früchte aber gilt keine Rück- forderung, da sich deren Erwerb auf viele einzelne kleine Schenkungen zurückführen läßt, die keiner Insinuation be- dürfen (§ 166). — Sehr zweifelhaft ist die Frage, wenn ein unter Ehegatten verschenktes Landgut zurückgefordert wird, ob nun zugleich die Früchte, die der Beschenkte ge- zogen hat, und um welche er noch jetzt reicher ist, als Schenkung betrachtet, und zurückgefordert werden können. Nach Ulpian möchte man diese Frage allgemein vernei- nen L. 17 pr. de don. int. vir. (24. 1.). „De fructibus quoque videamus, si ex fructibus prae- diorum, quae donata sunt, lo- cupletata sit, an in causam do- nationis cadant? Et Julianus significat, fructus quoque, ut usuras, licitam habere dona- tionem.” . Pomponius verneint sie blos für die durch Cul- tur erzeugten Früchte, während er sie für die von selbst entstehenden bejaht L. 45 de usuris (22. 1.). „Fructus percipiendo uxor vel vir ex re donata suos facit: (d. h. er darf sich dadurch recht- mäßig bereichern) illos tamen, quos suis operis adquisierit, . Beide Stellen ließen sich dadurch §. 147. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) etwa vereinigen, daß man die zweyte blos als die ge- nauere Bestimmung der ersten betrachtete, wodurch alle entscheidende Kraft in die zweyte gelegt würde. Allein auch damit ist die Schwierigkeit nur scheinbar beseitigt. Denn erstlich ist die Unterscheidung jener zwey Arten von Früchten theils schwankend und unbestimmt, theils grund- los, da in den durch Cultur erzeugten Früchten doch im- mer ein reiner Gewinn, nach Abzug der Culturkosten, zu ermitteln ist; und wohin soll namentlich das Pachtgeld ge- rechnet werden, welches eben diesen reinen Gewinn dar- stellt, und in die Hände des Verpächters ganz ohne Ar- beit desselben gelangt? Zweytens steht es im Widerspruch mit der oben (§ 146. f. h ) aufgestellten Regel, daß die Überlassung des bloßen Fruchtgenusses als reine Schen- kung gilt, und daher unter Ehegatten ungültig ist; denn diese Regel könnte nun der gewinnsüchtige Ehegatte leicht dadurch umgehen, daß er sich das Grundstück selbst schen- ken ließe, da ihm denn, wenn es später zurückgefordert würde, der Fruchtgenuß der Zwischenzeit nicht entzogen werden könnte. Drittens ist ganz ausdrücklich bestimmt, daß wenn der Mann während der Ehe die Dos an die Frau zurück giebt, dieses als ungültige Schenkung betrach- tet, und die ganze Dos, also auch die darin enthaltenen Grundstücke, mit allen Früchten der Zwischenzeit, an den veluti serendo: nam si pomum decerpserit, vel ex silva cae- dit, non fit ejus: (sicuti nec cujuslibet bonae fidei possesso- ris) quia non ex facto ejus is fructus nascitur.” Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Mann zurückgegeben werden soll L. un. C. si dos (5. 19.), d. h. L. 3 C. Th. de j. dot. (3. 13.). Nov. 22. C. 39. ; gilt aber dieses von den Dotalgrundstücken, so muß es um so mehr von den eignen Grundstücken des Mannes gelten. Noch wichtiger endlich ist eine Stelle des Marcellus, welche geradezu an- nimmt, daß, bey dem an einen Ehegatten geschenkten Ei- genthum eines Landgutes, auch die Früchte mit in die Schenkung fallen und von der Ungültigkeit eben so, wie die Hauptsache, betroffen werden L. 49 de don. int. vir. (24. 1.). Eine Frau schenkt ih- rem Mann das Eigenthum eines Landgutes, dergestalt daß dieses bey dem Tod des Mannes an den Sohn dieser Ehegatten fallen soll. „.. si color vel titulus, ut sic dixerim, donationi quaesitus est, nihil valebit traditio: id est si hoc exigit uxor, ut ali- quid ex ea re interim com- modi sentiret maritus. ” Mar- cellus geht also hier auch davon aus, daß außerdem durch diese Art der Schenkung selbst die des bloßen Fruchtgenusses gegen die ihr zukommende Ungültigkeit ge- sichert werden würde, welches ver- hindert werden soll. . Hieraus ist es auch klar, daß in der That die Römischen Juristen verschie- dene Meynungen über diese Frage hatten. Marcellus hatte die consequenteste Meynung; Ulpian, der sich auf Julian beruft, schließt alle Früchte von der Schenkung aus; Pomponius vermittelt, indem er zwey Arten der Früchte unterscheidet. Daher könnte die oben angegebene Vereini- gung des Ulpian mit Pomponius zwar im Sinn von Ju- stinian, als Auflösung eines Widerspruchs, etwa versucht werden: Ulpians wahre Meynung findet darin keine An- erkennung. Erwägt man das Gewicht dieser Gründe, so kann §. 147. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) wohl als wahrscheinlich angenommen werden, daß Ulpian und Pomponius in den angeführten Stellen durch die täu- schende Ähnlichkeit der Früchte mit den Geldzinsen (von welchen sogleich noch die Rede seyn wird) irre geführt worden sind Für diese Gedankenverbin- dung sprechen die Worte „fruc- tus quoque, ut usuras,” in Note c. ; dann aber wird anzunehmen seyn, daß alle Früchte ohne Unterschied als ungültig geschenkt gelten, und zurückgegeben werden müssen, ganz nach der Ansicht des Marcellus. Wem jedoch dieses Verfahren, bey dem nicht abzuläugnenden Daseyn der Stellen des Ulpian und Pomponius, allzu kühn erscheint, dem bleibt freylich Nichts übrig, als die von Pomponius aufgestellte unterscheidende Regel anzuerkennen, daneben aber für die der Frau von dem Mann geschenkten Dotalgrundstücke eine Ausnahme anzunehmen; unbekümmert dann um die Inconsequenz, so- wohl jener Regel, als dieser Ausnahme, und unbeküm- mert zugleich um den Widerspruch des Marcellus, blos weil dieser seine Entscheidung der aufgeworfenen Frage nicht abgesondert für sich darstellt, sondern im Zusammen- hang eines ganzen Rechtsfalls. — Welche Meynung nun man über das Schicksal der Feldfrüchte annehmen möge, so ist so viel gewiß, daß das Miethgeld eines unter Ehe- gatten verschenkten Hauses ganz dasselbe Schicksal theilen muß Nicht blos wegen der völ- lig gleichartigen Natur, sondern auch wegen L. 11 de don. (39. 5.) „ neque pensionum, neque mercedum” (Note b). Pensio wird vorzugsweise für das Mieth- geld von Gebäuden gebraucht, hier muß es um so mehr diesen Sinn haben, da das sonst allge- . — Weniger zweifelhaft als bey der Schenkung Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. in der Ehe, ist die Frage, wie die Früchte eines ver- schenkten Landgutes im Fall des Widerrufs aus besonde- ren Gründen, z. B. wegen Undankbarkeit, zu behandeln sind. Hier hat es wohl kein Bedenken, daß der Wider- ruf auf die gezogenen Früchte, eben so wie auf das Landgut selbst, bezogen werden muß. Dieselben Fragen entstehen nun auch, wenn das Ei- genthum einer Geldsumme verschenkt ist, wegen der künf- tigen Zinsen derselben. Bey der Insinuation versteht es sich wiederum von selbst, daß, wenn weniger als 500 Du- katen verschenkt werden, die Schenkung nicht deswegen als eine große gelten darf, weil die geschenkte Summe, durch Zurechnung künftiger Zinsen, 500 Dukaten überstei- gen kann. Aber auch wenn 800 Dukaten ohne Insinua- tion verschenkt, die das gesetzliche Maaß übersteigenden 300 aber später zurückgefordert werden, fehlt es an einem Rechtsgrund, von dieser Summe Zinsen zu verlangen. — Wird unter Ehegatten baares Geld geschenkt und später zurückgefordert, so können keine Zinsen verlangt werden L. 7 § 3 in f., L. 15 § 1, L. 16, L. 17 pr. de don int. vir. (24. 1.). Diese unbedenkli- che Regel hat nun eben, durch scheinbare Ähnlichkeit, die unpas- sende Regel für die Früchte der Grundstücke veranlaßt (Note g ). , was aus der oben entwickelten willkührlicheren Natur der Zinsen, in Vergleichung mit Hausmiethe und Feldfrüch- ten, consequenterweise folgt. Dennoch scheint diese Regel durch eine Ausnahme beschränkt werden zu müssen. Ist meinere mercedum daneben steht. Es heißt also hier: Mieth- oder Pachtgeld. §. 147. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) nämlich dem Manne eine Dos in baarem Geld gegeben, und schenkt er nachher der Frau eine Geldsumme, so liegt darin in der That eine, sey es totale oder partielle, Rück- gabe der Dos, es mag nun so benannt seyn oder nicht; diese Rückgabe aber kann stets, als ungültige Schenkung, mit allen ihren Folgen angefochten und vernichtet werden (Note e ), so daß in diesem Fall die Geldzinsen ganz die Natur anderer Früchte annehmen; denn die in Geld be- stehende Dos wird stets zu dem Zweck des Zinsertrags gegeben, welcher Zweck aber durch die Schenkung des Mannes an die Frau unfehlbar vereitelt werden würde. — Endlich wenn geschenktes Geld aus besonderen Grün- den, z. B. wegen Undankbarkeit, zurückgefordert wird, fehlt es an einem Rechtsgrund für die Entrichtung von Zinsen. Die hier für die Schenkung erörterte Frage, ob bey geschenkten Grundstücken die Früchte, bey geschenktem Gelde die Zinsen, in der Veräußerung der Hauptsache mit be- griffen sind, kommt auch bey einigen anderen Rechtsinsti- tuten vor, deren Vergleichung nicht unbelehrend ist. So zuerst bey der Pauliana. Wenn der insolvente Schuldner unredliche Veräußerungen vornimmt, und der Empfänger an dieser Unredlichkeit Theil nimmt, so wird er auf’s Strengste behandelt; er muß nicht nur die Früchte der er- worbenen Grundstücke, sondern auch Zinsen der vor der Verfallzeit empfangenen Schuldzahlung herausgeben L. 10 § 12 § 19 — 22 quae in fraud. (42. 8); im § 5 war ausdrücklich der Fall der Mitwis- senschaft angegeben, unter wel- ; Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Alles zur verdienten Strafe des Dolus. Ist er dagegen frey von Dolus, so soll er nicht einmal Früchte (wenn sie erst nach der Veräußerung entstanden sind) abgeben, weil diese noch nicht im Vermögen des Schuldners wa- ren L. 25 § 4. 5. 6 quae in fraud. (42. 8.) (von Venulejus). Hier liegt nun unverkennbar die- selbe Ansicht der Veräußerung der Früchte zum Grunde, welche Ul- pian und Pomponius bey der Schenkung unter Ehegatten zum Grunde legen (Note c. d); und zwar wird diese Ansicht hier un- bedingt angewendet, ohne Rück- sicht auf die von Pomponius in L. 45 de usuris gemachte Unter- scheidung. . — Wird einem Andern ein unverzinsliches Dar- lehen gegeben, um ihn zu einer ungerechten Klage gegen einen Dritten zu bestimmen ( calumnia ), so muß dieser un- redliche Empfänger den vierfachen Werth des erlangten Zinsvortheils als Strafe zahlen L. 2 de calumniatoribus (3. 6.). . §. 148. V. Schenkung. — Begriff. 2. Veräußerung . (Fortsetzung.) Fassen wir alle diese Fälle der zweyten Klasse, worin die Schenkung deswegen verneint wird, weil kein erwor- benes Recht weggegeben, sondern nur ein Erwerb unter- lassen wird (§ 145), unter einem gemeinsamen Gesichts- punkt zusammen. Am reinsten und unzweifelhaftesten er- scheint diese abweisende Regel bey angefallenen Erbschaf- ten oder Legaten, die wir zum Vortheil eines Andern aus- schlagen (§ 145); denn ihre Entstehung ist völlig zufällig, chem nun die folgende Reihe von §§. mit begriffen ist. L. 17 § 2 eod. §. 148. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) Niemand kann auf solchen Erwerb rechnen, und es be- ruht auf unsrer reinen Willkühr, ob unser Vermögen auf diese Weise erst erweitert werden soll: der Gegenstand selbst führt auf eine solche Erweiterung gar nicht. Da- gegen giebt es Vermögenstheile, die eine productive Na- tur an sich tragen, so daß sie gleichsam aus inwohnender Kraft dem Inhaber einen neuen Erwerb bereiten, ohne daß es dazu eines besonderen Entschlusses von seiner Seite bedarf, ja daß es vielmehr auf ungewöhnlicher Willkühr beruht, wenn ein solcher Erwerb unterbleiben soll; auch ist derselbe so wenig zufälliger Art, daß der Lebensun- terhalt darauf regelmäßig gegründet zu werden pflegt. Dahin gehört der Miethertrag eines Hauses, der Frucht- oder Pachtertrag eines Landgutes (§ 146). Die regelmä- ßige Natur dieser Arten der Production führt es mit sich, daß durch sie auch Dasjenige, welches noch nicht zu un- srem Vermögen gehört, als Gegenstand wahrer Veräuße- rung, und somit auch wahrer Schenkung, betrachtet wer- den kann. Gleichsam in die Mitte zwischen diese beiderley Arten der Erwerbung fallen die Geldzinsen. Weit weni- ger zufällig und willkührlich als Erbschaften und Legate, haben sie doch auch nicht eine so regelmäßige und gleich- förmige Natur wie der Fruchtertrag der Grundstücke. Daher werden sie gewöhnlich in das Verhältniß der Schen- kung nicht mit hereingezogen, und wo es geschieht, da reicht der bloße Begriff der Veräußerung nicht aus, son- dern es muß die aus den Umständen hervorgehende beson- IV. 4 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dere Absicht der Schenkung mit in die Beurtheilung her- eingezogen werden (§ 146. 147). Mit Unrecht aber würde man als Widerspruch gegen die ganze hier behandelte verneinende Regel folgenden Fall geltend machen. Wenn mir Einer Etwas zu tradiren be- reit ist, entweder in Folge eines Kaufcontracts, oder auch weil er es mir schenken will, und ich ihn damit an einen Dritten verweise, um diesen zu beschenken, so gilt dieses in der That als wahre von mir ausgehende Schenkung L. 3 § 12. 13, L. 4, L. 56 de don. int. vir. (24. 1.). . Allerdings nun habe ich, der Strenge nach, nicht ein er- worbenes Recht abgetreten, sondern einen möglichen Er- werb zum Vortheil jenes Dritten unterlassen; dennoch hat dieser Fall mit den bisher behandelten keine wahre Ähn- lichkeit. Es ist vielmehr hier blos eine, überall vorkom- mende, Erleichterung und Abkürzung des Geschäfts; es wird betrachtet, als wäre die Tradition in der That an mich geschehen, und darauf weiter von mir an den Drit- ten vorgenommen worden. Es bleibt nun noch übrig, die dritte Klasse von Fäl- len darzustellen, worin die Schenkung wegen fehlender Veräußerung verneint werden muß (§ 145); wenn näm- lich zwar der Eine Etwas aus seinem Vermögen zum Vortheil eines Andern weggiebt, dieser Andere aber ein außer dem Vermögen liegendes Recht dadurch erlangt. Dahin gehört nach Römischem Recht die Freylassung §. 148. Schenkung. Begriff. 2. Veräußerung. (Fortsetzung.) des Sklaven. Durch diese gab der Herr in wohlwollen- der Absicht wahres Eigenthum auf, so daß also von sei- ner Seite Alles geschah, was zu einer Schenkung nöthig ist. Auch erhielt dadurch der Sklave die größte Wohl- that, die Ein Mensch dem andern erweisen konnte, die Freyheit; allein diese war kein Vermögensrecht L. 106 de R. J. (50. 17.). „Libertas inaestimabilis res est.” Das ist nicht etwa der figürliche Ausdruck eines unge- mein hohen Werthes, sondern es ist buchstäblich die Verneinung alles Geldwerthes; Geld und Frey- heit sind incommensurabel. Ul- pian . II. 11. „.. nec pretii com- putatio pro libertate fieri po- test.” Vgl. Gajus II. § 265, § 7 J. qui et quib. ex causis (1. 6.), L. 176 § 1 de R. J. (50. 17.). , und es würde ganz irrig seyn, wenn man es so betrachten wollte, als hätte der Herr das Eigenthum, welches ihm an dem Sklaven zustand, auf diesen selbst übertragen. Dieses Eigenthum wurde vielmehr völlig vernichtet, und es wurde ein freyer Mensch, ein rechtsfähiges Wesen, neu creirt. Daher war denn sowohl die testamentarische Ma- numission, als die unter Lebenden, durchaus keine Schen- kung, und Niemand dachte daran, die Lex Cincia oder späterhin die Insinuation darauf anzuwenden. Wenn sie dennoch nicht selten als donatio bezeichnet wird Mehrere Stellen sind ge- sammelt bey Meyerfeld I. S. 48. 49. , so gehört dieses zu dem oben erklärten uneigentlichen Sprach- gebrauch. Die Emancipation der Kinder hat mit der Sklaven- manumission die Ähnlichkeit, daß das Kind gleichfalls ein außer dem Vermögen liegendes Recht (die Unabhängigkeit) 4* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang erhält. Sie beruht aber von Seiten des Vaters gar nicht auf einem aufgegebenen Vermögensrecht, und hat daher mit der Schenkung noch weit weniger Ähnlichkeit als jene Wenn dennoch in L. 6 § 3 C. de bonis quae lib. (6. 61.) gesagt wird „majores qui eman- cipationem donant, ” so gehört das zu dem oben bemerkten un- eigentlichen Sprachgebrauch. . Noch unzweifelhafter ist es, daß der Beschluß des Rö- mischen Volks, späterhin des Kaisers, wodurch einem Pe- regrinen die Civität ertheilt wurde, nicht als wahre Schen- kung betrachtet werden konnte. Dennoch nennt dieses selbst Gajus ein donare Gajus I. § 94, III. § 20. . Ich bemerke Dieses, nicht um vor einer Verwechslung zu warnen, die in solchen Fällen oh- nehin nicht zu befürchten ist, sondern um darauf aufmerk- sam zu machen, wie wenig ängstlich selbst die alten Ju- risten im Gebrauch jenes Ausdrucks sind. §. 149. V. Schenkung. — Begriff. 3. Bereicherung . Als ein drittes Element wahrer Schenkung wurde oben (§ 145) die Bereicherung des Beschenkten angegeben, und es ist also nunmehr zu bestimmen, wie sich diese von der bloßen Veräußerung noch unterscheidet. Die Bereicherung besteht darin, daß das Vermögen des Beschenkten, dem letzten Erfolg nach, in seinem Totalwerth vermehrt werde. Dreyerley Gründe können verhindern, daß der in der Veräußerung liegende Erwerb eines Vermögensrechts zu- gleich eine Bereicherung enthalte: §. 149. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. 1) Das Rechtsgeschäft kann von der Art seyn, daß dadurch nicht der Umfang des Vermögens erweitert, son- dern nur die Ausübung und Verfolgung vorhandener Rechte gesichert wird. 2) Der Gewinn kann aufgewogen seyn durch entgegen- stehende Aufopferungen von Seiten des Erwerbers. 3) Die Anfangs vorhandene Bereicherung kann in der Folge wieder verschwinden. Diese drey Gründe sind nunmehr einzeln zu betrachten. Der erste Grund bestand in der Beschaffenheit derjeni- gen Rechtsgeschäfte, welche nicht den Umfang des Ver- mögens erweitern, sondern nur dessen Genuß sichern; bey ihnen ist von Anfang an das Daseyn einer Schenkung gänzlich ausgeschlossen, wenngleich der Eine aus wohl- wollender Absicht handeln, der Andere wirklichen Vortheil aus der Handlung ziehen kann. Wer eine Geldsumme, die er nur naturaliter schuldig ist, baar bezahlt oder expromittirt, schenkt dadurch nicht, obgleich er dem Glaubiger freywillig Dasjenige giebt, wozu er nicht durch Klage angehalten werden konnte; der Umfang des Vermögens ist dadurch nicht erweitert L. 19 § 4 de don. (39. 5.). „Si quis servo pecuniam cre- diderit, deinde is liber factus eam expromiserit: non erit do- natio, sed debiti exsolutio. ” Über die naturalis obligatio in diesem Fall vgl. oben § 65. i. — In demselben Fall gilt auch, wenn die Zahlung aus Irrthum geschah, keine condictio indebiti. L. 64 de cond. ind. (12. 6.). „… na- turale agnovit debitum.” . Schon darin liegt ein entscheidender Grund, weshalb die Bestellung einer Dos von Seiten der Ehefrau keine Schen- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. kung seyn kann L. 9 pr. § 1 de cond. cau- sa data (12. 4.), L. 21 § 1 de don. int. vir. (24. 1.), L. 19 de O. et A. (44. 7.). — Derselbe Satz hat auch noch andere Grün- de, wovon unten die Rede seyn wird. ; denn die Frau ist dazu naturaliter verpflichtet L. 32 § 2 de cond. ind. (12. 6.). . Wenn der Besitzer einer fremden Sache diese dem Ei- genthümer, der vielleicht keine Beweise hatte, ohne Klage herausgiebt, so liegt darin keine Schenkung; der Umfang des Vermögens wird nicht verändert. — Dieses aber muß in noch allgemeinerer Weise zu folgender Regel ausgebil- det werden: Der Besitz ist überhaupt niemals Gegenstand wahrer Schenkung. Denn er ist seinem Wesen nach nicht Recht, sondern Thatsache; er ist nur die Ausübung des Eigenthums, so daß der Eigenthümer im juristischen Sinn nicht reicher ist, wenn er den Besitz hat, nicht ärmer wenn er ihn entbehrt. Daher giebt es keine juristische Succes- sion in den Besitz, sondern Jeder, der ihn erwirbt, fängt ihn in seiner Person neu an. Aus diesem Grunde hindert auch das Schenkungsverbot unter Ehegatten nicht den Übergang des bloßen Besitzes; der Empfänger erwirbt hier wahren Besitz, nur nicht Eigenthum, und auch nicht civilis possessio, weil zu dieser eine justa causa gehört, die in jener Schenkung nicht enthalten ist Der Beweis und die wei- tere Ausführung dieser, den Be- sitz betreffenden, Sätze findet sich in: Savigny Recht des Be- sitzes § 5 und 7, S. 26 S. 71 — 75 der 6ten Ausgabe. . Die Übernahme einer Bürgschaft ist niemals eine Schen- §. 149. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. kung an den Glaubiger, selbst wenn der Schuldner insol- vent ist; denn dem Glaubiger wird dadurch nur die Ver- folgung des ohnehin vorhandenen Rechts gesichert L. 1 § 19 si quid in fraud. (38. 5.). — Eine Schenkung an den Schuldner kann darin lie- gen, wenn es in der Absicht ge- schieht, das für ihn gezahlte Geld nicht mit der actio mandati oder negotiorum gestorum wieder zu fordern (§ 158. s ). . Die Bestellung eines Pfandrechts für eine eigene Schuld ist keine Schenkung, selbst wenn der Schuldner insolvent ist, weil dadurch der Glaubiger nur sicherer Dasjenige bekommt, was er bereits zu fordern hat Die gegenwärtige oder künf- tig mögliche Insolvenz des Schuld- ners macht die Verpfändung eben so wenig zu einer Schenkung, als die baare Zahlung. — Die Pau- liana kann in diesem Fall aller- dings begründet seyn ( L. 22 L. 6 § 6 quae in fraud. 42. 8.), da diese nicht nothwendig Bereiche- rung voraussetzt. § 145. d. . — Eben so ist die Verpfändung einer Sache für eine fremde Schuld keine Schenkung an den Glaubiger; völlig wie die Über- nahme einer Bürgschaft L. 1 § 19 si quid in fraud. (38. 5.). — Eine Schenkung an den Schuldner kann die Ver- pfändung seyn, eben so wie die Bürgschaft (Note d ). . — Auch der Erlaß eines Pfand- rechts enthält keine Schenkung des Glaubigers an den Schuldner, da durch die Fortdauer der Schuld das Ver- mögen unvermindert bleibt L. 1 § 1 quib. modis pign. (20. 6.). Die Stelle gieng ohne Zweifel auf die L. Cincia und ist interpolirt (Zeitschrift für ge- schichtl. Rechtswissensch. IV. 44). Der Glauhiger hatte die Schuld durch Schenkung erlassen, also auch das Pfandrecht aufgegeben. Die Schenkung war durch die L. Cincia ungültig, das schadete dem Erlaß des Pfandrechts nicht: „.. quoniam inutilem pecuniae donationem lex facit, cui non est in locus in pignore liberan- do; ” das heißt, der Pfanderlaß ist keine Schenkung. L. 8 § 5 eod. widerspricht diesem Satz nicht, sondern bestätigt ihn vielmehr, da sie das donare dem Erlaß eines Pfandes entgegensetzt, und nur . Deshalb ist dieser Erlaß Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. selbst unter Ehegatten völlig gültig L. 18 quae in fraud. (42. 8.), L. 11 C. ad Sc. Vell. (4. 29.), L. 11 quib. mod. pign. (20. 6.). — Freylich auf das ge- setzliche Pfan drecht für die Do- talforderung kann die Frau nicht verzichten. L. un. § 15 C. de r. u. a. 5 13.). Das ist aber nicht eine Folge des Schenkungsver- bots, sondern der ganz anderen Regel, daß an dem Dotalrecht nicht kann vertragsweise deterior fieri conditio mulieris. . Die Acceptilation einer, ohnehin durch Exception ent- kräfteten, Schuld ist keine Schenkung, weil sie nur den Rechtszustand formell bekräftigt, welcher schon vorher vor- handen war (§ 158. d ). Der zweyte mögliche Grund fehlender Bereicherung liegt in der gegenseitigen Aufopferung von Seiten des Er- werbers, welche den durch den Erwerb möglichen Gewinn aufhebt. In den Fällen dieser Art ist also stets die Rede von einer zusammengesetzten Handlung, deren Natur die lucrativa causa, als die Grundlage aller Schenkung, aus- schließt (§ 143). Dieser Grund kann in folgenden ver- schiedenen Gestalten eintreten. Die Gegenleistung kann ganz in die Vergangenheit fal- len. So liegt in der Bezahlung einer Schuld meist schon deshalb keine Schenkung, weil der gegenwärtige Empfän- ger gewöhnlich schon früher Etwas hingegeben haben wird, wofür er jetzt nur die Vergütung empfängt. das eine wie das andere dem Ver- walter eines Peculium untersagt. — Die Pauliana kann auch durch den Erlaß eines Pfandes begrün- det seyn (vergl. Note e). L. 2 L. 18 quae in fraud. (42. 8.). — Auch wenn durch Legat ein Pfand erlassen wird, welches zu- lässig ist ( L. 1 § 1 de lib. leg. 34. 3.), so liegt darin keine Be- reicherung, weshalb kein Fidei- commiß darauf gelegt werden kann. L. 3 § 4 de leg. 3 (32. un. ). §. 149. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. Sie kann auch gleichzeitig seyn mit dem Erwerb. Da- hin gehört der Kauf und der Tausch, wenn mit dem Ver- trag sogleich die Erfüllung von beiden Seiten verbunden wird. Dahin gehört aber eben so der schon erwähnte Empfang einer Zahlung, weil der Empfänger stets (und ohne Rücksicht auf früheres Hingeben), gegen diesen Er- werb die Schuldforderung austauscht, die bisher ein Stück seines Vermögens war. Daher ist die Erfüllung eines gültigen Schenkungsversprechens durchaus keine Schenkung, sondern nur eine gewöhnliche Schuldzahlung. Ist also das Schenkungsversprechen einer großen Summe durch Insinuation rechtsgültig geworden, so bedarf die Auszah- lung keiner neuen Insinuation. Ist ein Schenkungsver- sprechen vertragsweise vor der Ehe gegeben, so ist die während der Ehe geleistete Zahlung der versprochnen Summe eine gültige Handlung. — Hieraus erklärt sich denn auch noch vollständiger der schon oben (Note a ) auf- gestellte Satz, daß die Zahlung oder Expromission einer naturalis obligatio keine Schenkung ist. Denn gegen den Empfang dieser Zahlung wird die bisher bestehende natu- ralis obligatio ausgetauscht, die, ungeachtet des ihr man- gelnden Klagerechts, dennoch ein reelles Vermögensstück ist, indem der rechtlich gesinnte Schuldner auch ohne rich- terlichen Zwang sie erfüllen wird, noch abgesehen von den indirecten Zwangsmitteln, die zufällig durch Compensation u. s. w. herbeygeführt werden können. Eben so consequent aber ist es auch, daß die wissentliche Zahlung eines inde- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. bitum stets als Schenkung angesehen wird Vgl. Beylage VIII. Num. XXXVI. Note e. , indem das indebitum in der That kein Vermögensstück ist, sondern höchstens den täuschenden Schein eines solchen an sich trägt. Endlich kann auch die Gegenleistung ganz in die Zu- kunft fallen. Dahin gehört der Empfang eines Darlehens, indem das jetzt erworbene Eigenthum des Geldes die Ver- pflichtung zu künftiger Rückzahlung mit sich führt. Hat die Gegenleistung, verglichen mit dem gegenwär- tigen Erwerb, gleichen oder höheren Geldwerth, so ist eine in diesem Erwerb liegende Schenkung ganz unmoͤg- lich. Hat sie einen geringeren Werth, so kann möglicher- weise der Erwerb die Natur einer Schenkung annehmen. Ob er sie wirklich habe, das hängt dann von der Absicht des Gebers ab, und es entsteht daraus ein gemischtes Ge- schäft ( negotium mixtum cum donatione ), dessen eigen- thümliche Beschaffenheit unten näher bestimmt werden wird. Der dritte Grund endlich, das Daseyn der Bereiche- rung, folglich auch der Schenkung, zu verneinen, liegt darin, daß das ursprünglich erworbene Recht in der Folge wieder untergeht, und so die Anfangs vorhandene Berei- cherung verschwindet. Dieser Fall unterscheidet sich von den vorhergehenden darin, daß in jenen niemals eine Schenkung vorhanden ist, anstatt daß in dem zuletzt erwähnten Fall meistens das Geschäft zunächst eine wahre Schenkung ist, nach einiger Zeit aber eine solche zu seyn aufhört. Die- ser dritte Grund also, da wo er als wirksam anerkannt §. 149. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. werden muß, hat den Sinn, daß die Folgen der Schen- kung späterhin aufhören, das heißt daß die anfänglich mögliche Rückforderung einer nach positiven Rechtsregeln ungültig geschenkten Sache wegfällt, sobald die Bereiche- rung verschwindet. Dieser Grund nun, der schwierigste unter allen, ist von den Römern am sorgfältigsten und eigenthümlichsten ausgebildet worden in Beziehung auf die Schenkung un- ter Ehegatten. Daher soll hier diese Beziehung zuerst dar- gestellt werden; es wird dann nicht schwer seyn, die An- wendbarkeit ihrer Regeln auf die Insinuation, und auf den Widerruf aus besonderen Gründen, zu untersuchen. Allein nicht jeder Untergang des durch Schenkung er- worbenen Rechts ist dazu geeignet, die positiv vorgeschrie- benen Wirkungen der Schenkung auszutilgen; vielmehr müssen dabey folgende Fälle wohl unterschieden werden. Der Untergang kann rein für sich eingetreten seyn, oder es kann sich das erworbene Recht nur in ein anderes ver- wandelt haben, welches also an die Stelle des unterge- gangnen Rechts getreten ist. — Der reine Untergang fer- ner kann hervorgegangen seyn: entweder aus dem mit der Schenkung selbst verbundenen Willen des Gebers: oder aus bloßem Zufall: oder aus der Willkühr des Empfän- gers. — Alle diese Fälle sollen jetzt der Reihe nach, und zwar zunächst blos in Beziehung auf die Schenkung un- ter Ehegatten, erwogen werden. Hier ist also der prak- tische Sinn der Untersuchung darin zu setzen, in wiefern Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. eine Rückforderung Statt finden könne, nachdem das schenkungsweise übertragene Recht für den beschenkten Ehe- gatten untergegangen ist. §. 150. V. Schenkung. — Begriff. 3. Bereicherung . (Fortsetzung.) Hat der reine Untergang des geschenkten Rechts sei- nen Ursprung in dem Willen des Gebers, so kann Dieser auf keine Weise zu einer Rückforderung gegen den be- schenkten Ehegatten berechtigt seyn. Dieses läßt sich so denken, daß der Empfänger gleich bey dem Empfang ver- pflichtet worden ist, die Sache an einen Dritten weiter zu geben. Hier kann höchstens in dem Fruchtgenuß der Zwischenzeit eine Schenkung liegen (§ 147), in Ansehung der Hauptsache verschwindet mit der Erfüllung jener Ver- pflichtung jede Spur einer Schenkung L 49 de don. int. vir. (24. 1.), L. 5 § 9 de j. dot. (23. 3.). . Eben so ist es, wenn diese Übereinkunft erst späterhin getroffen, dann aber auch wirklich erfüllt wird L. 34 de don. int. vir. (24. 1.), Fragm. Vat. § 269. . — Es kann aber fer- ner geschehen ohne eine dem Empfänger auferlegte Ver- pflichtung, blos durch die ausgesprochne Absicht des Ge- bers, daß die geschenkte Sache auf eine Weise verwendet werde, wodurch sie aus dem Vermögen des Empfängers verschwinden muß. So wenn ein Mann seiner Frau ein Grundstück schenkt zu dem Zweck, daß sie einen Todten §. 150. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. (Fortsetzung.) darin beerdige, oder sonst es dem Verkehr entziehe. Diese Schenkung ist gültig, und um jede Umgehung des Schen- kungsverbots zu verhüten, wird nur dabey bestimmt, daß der Übergang des Eigenthums so lange suspendirt bleibe, bis die Verwendung Statt gefunden hat L. 5 § 8 — 12 de don. int. vir. (21. 1.). Selbst wenn die beschenkte Frau außerdem mit eig- nem Geld zu diesem Zweck ein Grundstück gekauft hätte, das sie nun erspart, gilt dennoch das Ge- schäft nicht als Schenkung, obgleich sonst bey einem Wohnhause das ersparte Miethgeld eine Schen- kung begründet. Wegen dieses scheinbaren Widerspruchs vergl. § 151. g. . — Eben da- hin gehörte die Veräußerung eines Sklaven zu dem Zweck, daß der Empfänger ihn manumittire. Dieses war im Allgemeinen nicht als Schenkung zu betrachten, und konnte nur dadurch theilweise Schenkung werden, daß gerade der Dienst des Sklaven, vom Erwerb an bis zur Freylassung, besonders berücksichtigt war L. 18 § 1. 2 de don. (39. 5.). Vgl. Meverfeld I. 413. . Unter Ehegatten war diese Handlung schlechthin gültig Ulpian . VII. § 1, Paulus II. 23 § 2, L. 109 pr. de leg. 1 (30. un.), L. 22 C. de don. int. vir. (5. 16.). — Paulus ist hier, wie in manchen anderen Fällen, ohne Noth schwankend in der An- gabe des Grundes: „.. donatio favore libertatis recepta est, vel certe quod nemo ex hac fiat locupletior.” Offenbar ist der letzte Grund durchgreifend, dieser schließt aber den ersten ganz aus. ; das Eigenthum sollte erst übergehen im Augenblick der Manumission L. 7 § 8. 9, L. 8, L. 9 pr. de don. int. vir. (24. 1.). , und der Gebrauch, den ein Ehegatte von den Sklaven des an- dern machte, galt überhaupt nicht als Schenkung (§ 152). Allerdings erwarb der Empfänger das wichtige Patro- natsrecht; allein dieses hatte keinen Geldwerth, kam auch Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nicht aus dem Vermögen des Gebers L. 5 § 5 de praescr. ver- bis (19. 5.). „… An deducen- dum erit, quod libertum ha- beo? Sed hoc non potest ae- stimari. ” . Selbst wenn der Empfänger für die Freylassung sich Geld bezahlen oder Dienste versprechen ließ, war es dennoch keine Schenkung, weil auch diese Vortheile, obgleich sie einen Geldwerth hatten, dennoch nicht aus dem Vermögen des Gebers ent- sprangen L. 9 § 1 de don. int. vir. (24. 1.), L. 62 sol. matr. (24. 3.). . — In den Fällen der hier dargestellten Art ist also meist von Anfang an keine wahre Schenkung vor- handen, und selbst wo eine solche da war, ist dieselbe von der Zeit des Untergangs an verschwunden. Entspringt der Untergang des geschenkten Rechts aus blos zufälligen Ursachen, z. B. Brand, Erdbeben, gewalt- samem Raub u. s. w., so fehlt es an jedem Rechtsgrund zu einer Nachforderung an den Beschenkten; die Schen- kung ist hier, mit allen ihren denkbaren Folgen, spurlos verschwunden L. 28 pr. de don. int. vir. (24. 1.). „Si id, quod donatum sit, perierit, vel consumtum sit, ejus qui dedit est detrimentum: merito, quia manet res ejus qui dedit, suamque rem per- dit.” Die Stelle enthält zwey ganz verschiedene Fälle: das pe- rire und das consumi. Hierher gehört nur erst das perire, worauf allein auch der nachfolgende Grund paßt; von dem consumi wird so- gleich weiter die Rede seyn (Note p ). . Bis zum Augenblick des Untergangs aber war eine wahre Schenkung unzweifelhaft vorhanden. — Was hier von dem gänzlichen Untergang gesagt ist, muß eben so auch von dem partiellen gelten. Dahin ge- hört unter andern der Fall, wenn die geschenkte Sache aus allgemeineren Gründen im Preiße gesunken ist. §. 150. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. (Fortsetzung.) Es bleibt noch übrig der dritte Fall, da das ge- schenkte Recht durch die willkührliche Handlung des Be- schenkten untergeht; dieser ist unter allen der häufigste und zugleich der schwierigste. Fragen wir zuerst, wie derselbe nach allgemeineren Rechtsregeln behandelt werden müßte. — Der beschenkte Ehegatte ist wissentlich Besitzer einer fremden Sache, da er weiß, daß durch die ungültige Schenkung kein Eigenthum auf ihn übergehen konnte L. 19 pr. de don. int. vir. (24. 1.). „… hoc enim bonae fidei possessoribus concessum est: virum autem scientem alie- num possidere. ” Hierin ist er also einem unredlichen Besitzer ähn- lich; dennoch kann man ihn nicht eigentlich als solchen bezeichnen, da er mit dem Willen des Ei- genthümers besitzt, wodurch das Daseyn der Rechtsverletzung aus- geschlossen wird. . Hat er also die geschenkte Sache wissentlich zerstört, das geschenkte Geld weiter verschenkt oder verspielt, so muß gegen ihn eine condictio sine causa oder ex injusta causa auf den Werth gelten L. 6 de don. int. vir. (24. 1.). Quia quod ex non conces- sa donatione retinetur, id aut sine causa, aut ex injusta causa retineri intelligitur: ex quibus causis condictio nasci solet.” , gerade so wie auf die vorhan- dene Sache die gewöhnliche Vindication geht. Es ist da- bey zu bemerken, daß die Condictionen überhaupt, nach ihrer allgemeinen Natur, wenn die Sache untergeht, nur im Fall des Dolus, nicht auch der Culpa, angestellt wer- den können L. 65 § 8 de cond. ind. (12. 6.). „Si servum indebitum tibi dedi, eumque manumisisti, si sciens hoc fecisti, teneberis ad pretium ejus, si nesciens, non teneberis ..” L. 26 § 12 eod. „… ut puta .. dedi .. ho- minem indebitum, et hunc sine fraude modico distraxisti: nem- pe hoc solum refundere debes, quod ex pretio habes;” also für die Nachlässigkeit im wohl- , so daß also der beschenkte Ehegatte mit Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. der Condiction nicht belangt werden könnte, wenn er sich das geschenkte Geld hätte stehlen lassen, weil dieser Ver- lust durch bloße Culpa herbeygeführt wäre. Mit dieser Condiction konnten, nach Umständen, noch folgende Kla- gen concurriren. Zuerst, bey wissentlicher Zerstörung, oder bey der (stets absichtlichen) Veräußerung, die actio ad ex- hibendum oder rei vindicatio, als gegen einen solchen, qui dolo fecit, quo minus exhiberet, oder quo minus possi- deret. Ferner die actio L. Aquiliae, wenn die ursprüng- lich geschenkte Sache (die noch in des Gebers Eigenthum war) zerstört oder beschädigt wurde; nun aber nicht blos wegen Dolus, sondern auch wegen Culpa. — So nach stren- gen Grundsätzen, gegen deren Anwendung aber doch fol- gendes Bedenken erhoben werden konnte. So lange der Geber die Schenkung nicht widerrufen hatte, besaß der Empfänger mit dessen Willen; zerstörte oder veräußerte er die Sache, so geschah dieses also mit dem Willen des Ei- genthümers, wenigstens konnte Dieses ohne Unwahrschein- lichkeit vorausgesetzt werden, und dadurch war vor Allem der Dolus, dann aber auch die Anwendbarkeit aller hier angegebenen Klagen, völlig ausgeschlossen. Daß dieser Zweifel bey den Römern nicht unbeachtet blieb, wird wei- ter unten gezeigt werden (Note u ). feilen Verkauf kann mit der Con- diction kein Ersatz gefordert wer- den. — Anders in L. 65 § 6 eod. „si consumsit frumentum, pre- tium repetet,” also hier unbe- dingt, ohne Rücksicht auf Dolus, weil er um den Werth der ver- zehrten Brotfrucht, die er sonst kaufen mußte, noch jetzt reicher ist (§ 151. g ). §. 150. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. (Fortsetzung.) Eine andere Gestalt gewann die Sache durch den Se- natsschluß vom J. 206, welcher, bey fortdauernder Ehe, die Anfechtung der Schenkung zu einem persönlichen Recht des Gebers machte, das nicht von dem Erben ausgeübt werden dürfe; so daß die bis zum Tod des Gebers nicht widerrufene Schenkung unanfechtbar seyn sollte L. 32 pr. § 1. 2 de don. int. vir. (24. 1.). . Die- ser Senatsschluß erwähnte auch ausdrücklich den Fall der Consumtion L. 32 § 9 de don. int. vir. (24. 1.). „Quod ait oratio, con- sumpsisse, sic accipere debe- mus, ne is qui donationem ac- cepit, locupletior factus sit: ce- terum, si factus est, orationis beneficium locum habebit.” Das heißt: Wenn der Empfän- ger das geschenkte Geld ver- schwendet, also weggiebt ohne Et- was dafür zu bekommen, so ist das eine consumtio im Sinn der oratio (des Senatusconsults), wobey es der Bestätigung durch des Gebers Tod gar nicht ein- mal bedarf; giebt er es weg, in- dem er Etwas dafür erwirbt, so wird das erworbene Gut als ge- schenkt behandelt, so daß nun die- ses zurück gefordert werden kann, jedoch so daß die Rückforderung durch des Gebers Tod aufhört ( orationis beneficium ). ; ohne Zweifel in dem Sinn, daß durch die Consumtion der geschenkten Sache jeder Anspruch ge- gen den Empfänger, auch von Seiten des Gebers selbst, aufhören solle. Ein solcher Zusatz war sehr consequent; denn indem dem Erben die Rückforderung versagt wurde, gewann die Entschuldigung des consumirenden Empfän- gers, daß er nicht in unredlicher Absicht, um der künfti- gen Rückforderung zu entgehen, das Geschenk zerstört oder veräußert habe, weit größeres Gewicht. — Das prakti- sche Resultat wenigstens liegt am Tage. Die Juristen, welche nach jener neuen Gesetzgebung schrieben, stellten VI. 5 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nunmehr folgende Lehre auf. „Es gehört zwar schon zum Begriff wahrer donatio, daß der Empfänger dadurch muß locupletior geworden seyn; zwischen Ehegatten aber hat das jetzt die fernere Bedeutung, daß er auch locupletior geblieben seyn muß, und zwar noch zur Zeit der Litis- contestation in der Vindication oder Condiction, womit das Geschenk zurückgefordert werden soll. Ist also das Geschenk schon vor diesem Zeitpunkt zerstört oder ver- schwendet, so fällt jede Klage hinweg“ L. 28 pr. de don. int. vir. (21. 1.) „vel consumtum sit” (Note i), L. 32 § 9 eod. (No- te o), L. 5 § 18 L. 7 pr. eod. (Alle diese Stellen sind von Ul- pian oder Paulus). Eben so L. 8. 17 C. eod. (5. 16.). . Dieser Grund- satz wird nun namentlich angewendet auf die Fälle, da das geschenkte Geld weiter verschenkt wird L. 5 § 17 de don. int. vir. (24. 1.). „.. si mulier acceptam a marito pecuniam in sportu- las pro cognato suo ordini ero- gaverit …” Es soll Nichts än- dern, selbst wenn, ohne das erste Geschenk, der Empfänger ein Dar- lehen aufgenommen hätte, um das zweyte Geschenk zu machen, so daß er eine Ausgabe aus eigenem Vermögen erspart hat; denn auch dieses war doch völlig willkühr- lich. Vgl. § 151. g. , oder aus- geliehen an einen insolventen Schuldner L. 16 de don. int. vir. (24. 1.). . Es war die- ses das neuere, mildere, aus dem Senatuseonsult hervor- gehende Recht L. 32 pr. de don. int. vir. (24. 1.). „.. lmp. noster An- toninus … auctor fuit Senatui censendi … ut aliquid laxaret ex juris rigore.” . Ohne Zweifel hatten die früheren Ju- risten strengere Grundsätze über die Anwendung der Con- diction vorgetragen, und es war ganz consequent, daß die Compilatoren solche Stellen nicht in die Digesten aufnah- men. Auf die Natur der Klage aber konnte es dabey nicht §. 150. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. (Fortsetzung.) ankommen, da es auf die Milderung des Rechtsverhält- nisses selbst abgesehen war; daher mußte die actio ad ex- hibendum und Legis Aquiliae, die in den oben angegebe- nen Fällen mit der Condiction concurriren, ja selbst wei- ter als diese gehen konnten, eben so wie die Condiction, durch jede consumtio ausgeschlossen werden. Dennoch ha- ben sich in den Digesten einige Stellen älterer Juristen erhalten, worin der strenge Grundsatz früherer Zeit sicht- bar ist. Wenn der Ehegatte das geschenkte Geld aus- giebt, so giebt Pomponius gegen ihn die actio ad exhi- bendum wegen des dolus quo minus possideret L. 14 ad exhib. (10. 4.). „Si vir numos ab uxore sibi donatos sciens suos factos non esse pro re emta dederit, dolo malo fecit quo minus possi- deat: et ideo ad exhibendum actione tenetur.” Auf die ge- kaufte Sache geht auch jetzt noch die Condiction, denn um diese ist der Beschenkte reicher. Pompo- nius setzt also einen Fall voraus, worin der Geber auf das Geld zu klagen vorzieht, weil die Sa- che zu theuer bezahlt war. Nach demselben Grundsatz mußte die Klage gelten, auch wenn das Geld verspielt oder weggeschenkt war. — Die Worte sciens suos factos non esse haben nicht ei- nen beschränkenden Sinn, als ob er auch ignorans seyn könne, was unmöglich ist; sondern sie enthal- ten den Grund, warum die Ent- scheidung immer so ausfallen müsse. . Hat der Ehegatte die geschenkte Sache absichtlich zerstört, so giebt gegen ihn Julian die actio ad exhibendum und die actio Legis Aquiliae L. 37 de don. int. vir. (24. 1.). „Si mulier dolo fe- cerit, ne res exstaret sibi a marito donata: vel ad exhi- bendum, vel damni injuriarum cum ea agi poterit; maxime si post divortium id commise- rit. ” Julian erfordert den Do- lus, weil nur unter dessen Vor- aussetzung beide hier genannte Klagen zugleich begründet sind; die actio L. Aquiliae allein hätte er gewiß auch im Fall der blo- ßen Culpa zugelassen, z. B. wenn . Aus den hier entwickelten Grün- 5* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. den kann die Aufnahme dieser beiden älteren Stellen nur als ein Versehen betrachtet werden, da sie mit dem Se- natusconsult in offenbarem Widerspruch stehen. Dieser Widerspruch wurde wohl deshalb übersehen, weil jene Stellen nicht die Condiction erwähnen, die hier die häu- figste Klage ist, sondern andere, in dieser Anwendung selt- ner vorkommende Klagen. Es läßt sich leicht zeigen, was in diesen, über den reinen Untergang des geschenkten Rechts gegebenen, Be- stimmungen der allgemeinen Natur der Schenkung über- haupt, was dem besonderen Verhältniß der Ehegatten an- gehört. Daß der Untergang durch den Willen des Ge- bers, eben so der ganz zufällige Untergang, alle Folgen der Schenkung austilgt, geht aus der allgemeinen Natur der Schenkung hervor. Daß aber auch die freywillige Veräußerung oder Zerstörung von Seiten des Beschenkten einen gleichen Einfluß ausübt, ist erst durch die positive Vorschrift des Senatusconsults bewirkt worden. Nicht als ob diese Vorschrift eine völlig willkührliche wäre; sie hat einen Anhalt in der billigen Rücksicht auf die Eigen- die Frau dem geschenkten Skla- ven einen lebensgefährlichen Auf- trag gab, und dieser dabey um- kam. — Besonders merkwürdig sind die Schlußworte, die deut- lich zeigen, daß auch schon die äl- teren Juristen den im Text be- merkten Zweifel beachteten, ob nicht der Wille des Eigenthü- mers (des schenkenden Ehegat- ten) jede Klage, ja selbst das Daseyn eines wahren Dolus, aus- schließe. Darum sagt er: ganz unzweifelhaft ist dieses nach der Scheidung ( maxime post divor- tium ), weil nun die Berufung des Beschenkten auf den fort- dauernden freundlichen Willen des Gebers durch die Thatsache der Scheidung entkräftet ist. §. 151. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. (Fortsetzung.) thümlichkeit dieses Verhältnisses, die jedoch ohne positives Gesetz schwerlich zu sicherer und allgemeiner Anerkennung gekommen wäre, obgleich sie auch schon von früheren Ju- risten nicht ganz unbeachtet geblieben war (Note u ). §. 151. V. Schenkung. — Begriff. 3. Bereicherung . (Fortsetzung.) Es bleibt nun noch übrig von demjenigen Untergang des geschenkten Rechts zu sprechen, welcher mit dem Er- werb eines neuen Rechts verbunden ist, so daß er in blo- ßer Verwandlung eines Rechts in ein anderes besteht (§ 149). In diesem Fall dauert in der That die Bereicherung fort L. 32 § 9 de don. int. vir. (24. 1.); vgl. § 150 Note o. , und die Eigenschaft der Schenkung, nebst allen dafür bis- her aufgestellten Regeln, geht auf das neu erworbene Recht über. Folgende Anwendungen werden diesen Satz theils erläutern, theils bestätigen. Verwendet der Ehegatte das geschenkte Geld zur Be- zahlung einer Schuld, so ist die fortdauernde, ja unzer- störliche Bereicherung unzweifelhaft, da jede Schuldenzah- lung das Vermögen des Schuldners um den Betrag der Schuld nothwendig vermehrt L. 7 § 7 L. 50 pr. de don. int. vir. (24. 1.). . Giebt er das Geld als Darlehen aus, so bleibt er reicher durch die neu erworbene Forderung; dieser neue Inhalt der Schenkung kann aber verschwinden durch In- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. solvenz des Schuldners, da denn der Beschenkte Richts mehr zurück zu geben hat. Ein solches Ereigniß steht gleich dem zufälligen (höchstens dem culposen) Untergang der ursprünglich geschenkten Sache. Wenn der Ehegatte die geschenkte Sache verkauft, so tritt der Kaufpreis an die Stelle des ursprünglichen Ge- schenks; eben so, wenn er das geschenkte Geld zum An- kauf einer Sache verwendet, dauert in dieser Sache eine Bereicherung fort. Die genaueren Bestimmungen dieses letzten Falles, die jetzt angegeben werden sollen, lassen sich leicht und sicher auch auf den ersten Fall anwenden. — Sind also 200 in Geld geschenkt, wofür eine Sache im Werth von 300 gekauft wurde, so können nur 200 als Geschenk zurückgefordert werden, denn nur diese sind aus dem Vermögen des Gebers entsprungen, das dritte Hun- dert ist die Frucht einer gelungnen Speculation. — Sind 300 geschenkt, und ist die dafür gekaufte Sache nur 200 werth, so können nur 200 als Schenkung abgefordert wer- den, denn das dritte Hundert ist in einer partiellen Ver- schwendung des geschenkten Geldes untergegangen, die von aller Rückgabe befreyt L. 7 § 3 L. 28 § 3. 4 de don int. vir. (24. 1.), L. 9 C. eod. (5. 16.). . Geht nun wiederum die gekaufte Sache unter, so sind auch darauf die im § 150 aufgestellten Grundsätze anzu- wenden. Es fällt nämlich jede Rückgabe weg, der Un- tergang mag durch Zufall oder durch den Willen des Be- §. 151. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. (Fortsetzung.) schenkten herbeygeführt seyn L. 28 § 3 de dor. int. vir. (24. 1.) „quemadmodum, si mor- tuus est, nihil peteretur.” L. 50 § 1 eod. Diese letzte Stelle ist von Javolenus, also älter als das Senatusconsult; auch spricht sie nicht von consumtio, sondern von zufälligem Untergang. Daß aber seit dem Senatusconsult auch die consumtio der gekauften Sache gegen Rückgabe schützt, eben so wie die des ursprünglichen Ge- schenks, kann nicht bezweifelt werden. . Dasselbe soll gelten, wenn die eingekaufte Sache wieder verkauft, und dafür eine an- dere gekauft worden ist; hier hatten einige Juristen ge- glaubt, nach diesem wiederholten Umtausch schütze selbst der zufällige Untergang nicht mehr gegen die Rückgabe, welche Meynung jedoch verworfen wurde L. 29 pr. de don. int. vir. (24. 1.) von Pomponius. Diese Begünstigung kann also, wegen des Zeitalters des Pomponius, nicht für eine Folge des Sena- tusconsults gehalten werden; sie beruht aber auf ähnlichen An- sichten wie dieses. . Darin lag wiederum eine Begünstigung der Schenkung in der Ehe, obgleich nicht aus dem oben angeführten Senatsschluß her- vorgegangen; denn in anderen Rechtsverhältnissen wird angenommen, daß schon durch den ersten Ankauf die Be- reicherung für immer entschieden ist, und selbst durch den zufälligen Untergang der gekauften Sache nicht wieder auf- gehoben werden kann Die actio quod metus cau- sa geht gegen den Erben des Ge- waltthätigen nur in id quod per- venit. Hat aber dieser die ge- waltsam erlangte Sache einmal in Besitz bekommen, so befreyt ihn seine consumtio nicht ( L. 17 quod metus 4. 2); der zufällige Untergang befreyt ihn zwar, je- doch nur wenn er die ursprüng- lich erlangte Sache betraf, nicht die dafür eingetauschte ( L. 18 eod. ). Dasselbe gilt bey dem redlichen Besitzer einer Erbschaft, welcher auch nur für die Bereicherung haftet, und zwar in dem eben bestimmten Sinn. L. 18 cit. — Vgl. Meyerfeld I. S. 11. . In Einem Fall jedoch wird durch den Untergang der Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gekauften Sache die Bereicherung nicht aufgehoben; wenn nämlich eine so unentbehrliche Sache gekauft worden ist, daß der Käufer, in Ermanglung des geschenkten Geldes, eigenes Geld hätte aufwenden müssen, welches er also nun erspart hat L. 47 § 1 de solut. (46. 3.). Hier ist zwar vom Pupillen die Rede, der eine Geldzahlung empfangen und zu einem Kauf verwendet hat, welches nur gül- tig seyn soll, insofern er dadurch locupletior ist; aber eben der Begriff des locupletior ist hier und dort genau derselbe, wes- halb die Stelle auch auf die Schen- kung anwendbar ist. Für den Be- griff der necessaria res sind zu vergleichen L. 6 de alimentis (34. 1.) „cibaria et vestitus et ha- bitatio .. quia sine his ali cor- pus non potest,” und L. 65 § 6 de cond. ind. (12. 6.) „.. si con- sumsit frumentum, pretium re- petet,” und zwar ohne Rücksicht auf den sonst nöthigen Dolus ( L. 65 § 8 eod., vgl. oben § 150. m ), weil die Brotfrucht unentbehrlich ist. Den Gegensatz bilden die op- sonia und unguenta in L. 31 § 9 de don. int. vir. (24. 1.), Luxus- gegenstände, die aber auch des- halb bey der Frau nicht als Be- reicherung gelten, weil der Mann für ihren persönlichen Unterhalt überhaupt zu sorgen hat, ohne Rücksicht auf strenges Bedürfniß oder Luxus. Bey den cibaria familiae et jumentorum wird un- terschieden: gehören diese zum ge- meinsamen Hauswesen, so hat sie der Mann zu erhalten, und das darauf verwendete Geldgeschenk an die Frau macht diese nicht reicher; anders wenn die Skla- ven oder Thiere zu einem Land- gut oder Handelsgeschäft der Frau gehören L. 31 § 9. 10; L. 58 § 1 eod. — Auf den ersten Blick scheint es inconsequent, daß in manchen Fällen die ersparte Ausgabe als fortdauernde Bereicherung gilt, in anderen nicht; in der That aber liegt überall folgender Gedanke zum Grunde. Wo die Ausgabe durchaus nothwendig ist, wie bey der Wohnung und den unentbehr- lichsten Lebensmitteln, da gilt die Ersparung derselben als Berei- cherung; anders wenn die Aus- gabe willkührlich ist, und daher auch ganz unterbleiben könnte, wie bey der Errichtung eines Grab- mals und bey den für einen Ver- wandten bezahlten sportulae. Vgl. § 146. b, § 150. c. q. . Die Anwendung aller hier aufgestellten Regeln setzt voraus, daß die geschenkte Sache mit der untergegangnen oder durch Umtausch verwandelten identisch sey. Diese §. 151. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. (Fortsetzung.) Identität läßt sich bey einer individuell bestimmten Sache (Haus, Pferd, Kunstwerk) leicht ermitteln; schwieriger bey einer generischen Sache, namentlich bey dem baaren Geld. Sind die geschenkten Geldstücke selbst gestohlen oder ver- schwendet worden, so hat die Identität keinen Zweifel; dieses wird aber gewöhnlich nur zu ermitteln seyn, wenn der Verlust bald nach der Schenkung Statt gefunden hat Solche Fälle werden öfter in unsren Rechtsquellen voraus- gesetzt, z. B. in L. 5 § 17 L. 7 § 3 de don. int. vir. (24. 1.). . Außerdem wird die Identität besonders begründet werden müssen; so z. B. wenn der Mann seiner Frau Geld schenkt, um dafür Salben zu kaufen, sie aber mit diesem Geld Schulden bezahlt, und dagegen bald nachher für eine gleiche Summe von ihrem eignen Geld Salben kauft, so gilt sie dennoch nicht als reicher, weil die Absicht des Mannes, verglichen mit dem letzten Erfolg, jene Identität begrün- det L. 7 § 1 de don. int. vir. (24. 1.). . Allein wenn die Frau das zu unbestimmten Zwecken geschenkte Geld in ihre eigene Kasse nimmt, und später einmal eine gleich große Summe verschenkt oder verschwen- det, so ist das so verlorene Geld mit dem geschenkten nicht identisch; dieses hat vielmehr, durch Vermischung mit dem eigenen Gelde der Frau, eine bleibende Vermehrung ihres Vermögens bewirkt, und der Mann kann es stets zurück fordern. Bisher wurden die Folgen des untergegangnen Geschenks Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. blos in Beziehung auf die Schenkung in der Ehe betrach- tet, weil nur davon in unsren Rechtsquellen unmittelbar die Rede ist; nunmehr ist die Anwendbarkeit dieser Folgen auf die Insinnation und auf den Widerruf aus besonde- ren Gründen (z. B. Undankbarkeit) zu untersuchen. Ist der Untergang des Geschenks herbeygeführt durch den eigenen Willen des Gebers, oder auch durch Zufall, so kann wegen des Untergegangnen kein Ersatz gefordert werden. Sind also 800 Dukaten ohne Insinuation ge- schenkt, dem Beschenkten aber auf der Reise von Räubern weggenommen worden, so braucht er Nichts zurückzugeben. Bey der Consumtion muß unterschieden werden. Sind 800 Dukaten in Geld, ohne Insinuation, geschenkt, und hat der Beschenkte diese weiter verschenkt oder verschwen- det, so könnte nach strengen Grundsätzen der Geber von ihm 300 wieder fordern, und er hätte dazu die Wahl zwischen einer Condiction, der actio ad exhibendum, und der Vindication; denn der Beschenkte war unredlicher Be- sitzer einer fremden Sache (der 300 Dukaten), und ist also noch jetzt ein fingirter Besitzer Vgl. oben § 150 Noten l. m. t. u. . Ist ohne Insinuation ein Haus, im Werth von 2000 Dukaten, geschenkt, und hat der Beschenkte durch Unvorsichtigkeit eine Feuersbrunst veranlaßt, so daß nur noch eine Brandstätte, 200 Duka- ten werth, übrig ist, so müßte nach derselben Strenge der Geber 1500 Dukaten mit der actio Legis Aquiliae §. 151. Schenkung. Begriff. 3. Bereicherung. (Fortsetzung.) von ihm fordern können Vergl. § 150. u. — Durch die Schenkung nämlich war ein getheiltes Eigenthum entstanden, Drey Viertheile blieben im Ver- mögen des Gebers. Aber auch die Zerstörung einer gemeinschaft- lichen Sache begründet die actio L. Aquiliae in Ansehung des frem- den Antheils. L. 19. 20 ad. L. Aquil. (9. 2.). . In diesen Fällen schützte den Beschenkten, bey der auf die Ehe gegründeten Ungültig- keit, die Vorschrift des Senatusconsults, welches aller- dings nur für die Ehe, nicht für die Insinuation erlassen war (§ 150). Dennoch glaube ich, daß dieser billige Schutz auch auf die Insinuation angewendet werden muß. Zu- nächst deswegen, weil im Justinianischen Recht der Be- griff der Schenkung, in Beziehung auf das Verbot der Ehe, höchst ausgebildet erscheint, in Beziehung auf die Insinuation gar nicht; ohne Zweifel in der stillschweigen- den Voraussetzung, jener Begriff, mit seiner ganzen wis- senschaftlichen Ausbildung, werde auch auf die Insinua- tion angewendet werden. Dazu kommt aber noch die wich- tige Rücksicht, welche von jenem Senatusconsult unab- hängig ist, ja demselben eigentlich zum Grunde liegen mag; daß nämlich, bis zum Widerruf, die Verschwen- dung des Empfängers durch den fortdauernden Willen des Gebers gerechtfertigt ist, wodurch der Dolus des Ver- schwenders, also auch die Condiction, ausgeschlossen wird (§ 150). Dieser innere Grund aber paßt auf die ver- säumte Insinuation völlig eben so, wie auf das Verbot in der Ehe. Noch gewisser muß dieser billige Schutz dem Beschenk- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ten, welcher das Geschenk verschwendet hat, zu gut kom- men gegen den Widerruf wegen Undankbarkeit. Vor der undankbaren Handlung war der Beschenkte nicht nur red- licher Besitzer, sondern auch Eigenthümer des Geschenks; was er also in dieser Zeit weggegeben oder zerstört hat, konnte ihn zu keinem Ersatz verpflichten. Hat er das Ge- schenk nach der begangnen Undankbarkeit weggegeben, so muß diese Handlung als unredlich gelten, und die Con- diction auf den Werth ist gegen ihn begründet; die übri- gen Klagen sind es nicht, weil diese fremdes Eigenthum voraussetzen, welches auch nach der Undankbarkeit nicht vorhanden ist. Ist das Geschenk durch Umtausch verwandelt, so muß der Beschenkte im Fall der versäumten Insinuation Das- jenige herausgeben, was er von dem ungültigen Theil des Geschenks als Bereicherung übrig hat; nicht auch was durch seine willkührliche Handlung verloren gegangen ist. Hat er also das Haus, welches 2000 Dukaten werth ist, um 1000 verkauft, so braucht er nur 500 zurückzugeben, weil die in dem ursprünglichen Geschenk enthaltenen an- deren 1000 in seinem Vermögen als Bereicherung nicht mehr vorhanden sind. — Eben so muß der Undankbare die vorhandene Bereicherung herausgeben, er mag den Umtausch vor oder nach der Undankbarkeit vorgenommen haben Einigen Zweifel könnte er- regen L. 7 C. de revoc. don. (8. 55.), welche sagt, wenn der Be- schenkte vor der erhobenen Klage ; was er durch nachtheiligen Verkauf verlor, §. 152. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. nur wenn dieses nach der Undankbarkeit geschah, weil er erst damals in unredlichem Bewußtseyn handelte. Wenn bey der Insinuation und bey der Undankbarkeit im Fall des Umtausches die Frage entsteht, ob überhaupt eine Bereicherung übrig ist, so ist, nach dem schon aufge- stellten Gesichtspunkt, die besondere Begünstigung, die in dieser Hinsicht bey dem beschenkten Ehegatten eintritt, gleichfalls anzuwenden (Note f ), weil auch diese mit zu der wissenschaftlichen Ausbildung des Begriffs wahrer Schenkung gehört. §. 152. V. Schenkung. — Begriff. 4. Absichtliche Bereicherung . Die Veräußerung, und die durch dieselbe bewirkte Be- reicherung, sind für sich allein zur Annahme einer Schen- kung nicht hinreichend; es muß noch hinzukommen die auf die Bereicherung gerichtete Absicht, und darin liegt das letzte Moment des ganzen Begriffs der Schenkung. Diese Absicht ist es, was die Römer durch die Ausdrücke do- nandi oder donationis causa, donandi animo u. s. w. be- verschenke oder verkaufe, so solle nun keine Rückforderung gelten; man könnte das nämlich auf den eingenommenen Kaufpreis bezie- hen wollen. Es geht aber offen- bar blos auf den die Sache selbst betreffenden Anspruch gegen den dritten Erwerber; das folgt theils aus der Zusammenstellung mit der Schenkung, theils aus dem an- gegebenen Zeitpunkt (der Klage, nicht der Undankbarkeit selbst). Durch die Klage wurde die Sache litigiosa, also unveräußerlich. Von der Rückzahlung des Kaufpreißes sollte dadurch der Beschenkte in keinem Fall befreyt werden. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zeichnen. Sie ist unerläßlich in der Person des Gebers; sie wird auch fast immer vorhanden seyn in der Person des Empfängers: daß sie jedoch hier nicht durchaus noth- wendig ist, kann erst weiter unten gezeigt werden (§ 160). Die Bedeutung dieses letzten Erfordernisses liegt also darin, daß alle bisher dargestellte Bestandtheile des Be- griffs der Schenkung vorhanden seyn koͤnnen, ohne daß sie selbst angenommen werden darf, blos weil es an je- ner Absicht fehlt. Um dieses zur vollständigen Anschauung zu bringen ist es nöthig, die Fälle zusammen zu stellen, worin zwar die Bereicherung selbst vorhanden ist, die Ab- sicht aber dennoch fehlt. Dieses läßt sich denken auf zweyerley Weise: Erstlich wenn selbst das Bewußtseyn der Veräußerung oder der Bereicherung fehlt; Zweytens, wenn, bey vorhandenem Bewußtseyn, eine andere Absicht vorhanden ist, wodurch die der Bereicherung ausgeschlos- sen wird. Das Bewußtseyn kann fehlen selbst für die Veräuße- rung. Dieser Fall tritt ein fast bey jeder Usucapion oder Klagverjährung. Der Eine wird ärmer, der Andere rei- cher, ohne es zu wissen; dann kann auch Jener nicht die Absicht haben, den Gegner zu bereichern, und daher ist diese Veränderung im Vermögen keine Schenkung. Daß es hierin zuweilen auch anders seyn kann, wird unten ge- zeigt werden (§ 155): Häufiger geschieht es, daß zwar die Veräußerung zum Bewußtseyn kommt, aber nicht die Bereicherung. Wenn §. 152. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Derjenige, welcher ein Recht überträgt, dazu verpflichtet zu seyn irrigerweise glaubt, so weiß er nicht, daß der Andere jetzt reicher wird. Hier wird in der Regel die condictio indebiti begründet seyn, eine Schenkung ist es nur, wenn Einer wissentlich zahlt, was er nicht schuldig ist (§ 149). — Wenn Jemand eine Sache zu theuer kauft, oder zu wohlfeil verkauft, weil er den wahren Werth nicht kennt, so wird ohne sein Wissen, also auch ohne seine Absicht, der Andere reicher, und daher ist es keine Schenkung. Ob der Andere gleichfalls irrt, oder den wah- ren Werth kennt, ist dabey gleichgültig Anders ist es, wenn z. B. Einer ein Haus, das 3000 werth ist, wissentlich mit 5000 bezahlt, um dem Verkäufer den reinen Gewinn von 2000 zuzuwenden. Dieses ist wahre Schenkung von 2000, und von diesem negotium mixtum cum donatione wird un- ten (§ 154) die Rede seyn. Ge- wöhnlich wird hier auch der Ver- käufer darum wissen, doch ist die- fes nicht gerade nöthig. Es ist möglich, daß der Verkaufer über den Werth irrt, oder den Käu- fer zu übervortheilen glaubt, wäh- rend ihm der Käufer ein Geschenk unvermerkt beybringen will, wel- ches Jener aus Stolz oder Son- derbarkeit geradezu nicht anneh- men würde. Auch das ist wahre Schenkung (§ 160). . Der zweyte Hauptfall besteht darin, daß Einer wis- sentlich ärmer wird und den Andern bereichert, aber mit einer bestimmten Absicht, wodurch die auf die Bereiche- rung des Andern gerichtete Absicht nothwendig ausge- schlossen wird. Dieses Ausschließen ist jedoch nicht so zu denken, daß beide Absichten mit einander im Widerspruch stehen müßten; in den meisten Fällen wird vielmehr die wirklich vorhandene Absicht nur so vorherrschend seyn, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. daß dagegen die Bereicherung ganz in den Hintergrund tritt. Die Bereicherung wird dann nur als eine untrenn- bare Folge zugelassen, ohne selbst den Entschluß zum Rechts- geschäft zu bestimmen, so daß dieses eben so vollzogen seyn würde, auch wenn keine Bereicherung daraus hervorge- gangen wäre. Daß in allen Fällen dieser Art keine Schen- kung bestehe, erkennen die Roͤmischen Juristen in einem allgemeinen Princip an; zwar nur bey Gelegenheit der Schenkung in der Ehe, jedoch so daß es nicht hierauf be- schränkt ist, sondern die Schenkung in ihrer allgemeinen Natur zu bestimmen dient L. 5 § 2 de don. int. vir. (24. 1.). „… quod si aliarum extrinsecus rerum personarum- ve causa commixta sit, si se- parari non potest, nec dona- tionem impediri: si separari possit, cetera valere, id quod donatum sit non valere.” Das impediri, valere, non valere geht auf das Verbot der Schen- kung in der Ehe; dabey liegt aber zum Grunde das Princip, daß bey untrennbaren Absichten das ganze Geschäft keine Schen- kung sey, bey trennbaren ein Theil als Schenkung gelte (Not a ). Durch die im Text folgende Reihe von Fällen wird dieses Prinzip zugleich erläutert und bestätigt. . Es gehören zu dieser Klasse folgende wichtige Fälle. Wenn Einer eine Sache wissentlich über ihren Werth bezahlt, weil sie ihm unentbehrlich ist, oder unter ihrem Werth verkauft, weil er jetzt Geld braucht und nicht an- ders bekommen kann, so weiß er, daß er den Andern be- reichert, aber in seiner Absicht liegt dieses so wenig, daß er es gerne vermeiden würde, wenn er könnte. Er unter- wirft sich dem Verlust als einem nothwendigen Übel, und die Zwecke, die er verfolgt, beziehen sich blos auf ihn §. 152. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. selbst, nicht auf den Andern. Darum ist ein solches Ge- schäft keine Schenkung. Wer in einem Vergleich Etwas nachläßt, mit dem vollen Bewußtseyn einen Theil seines Rechts aufzugeben, schenkt dennoch nicht, da er die Kosten und die Unsicher- heit des Rechtsstreits vermeiden, nicht dem Gegner eine Liberalität beweisen will (§ 158. e ). — Ganz dieselbe Be- wandniß hat es in der Regel bey dem Accord der Glau- biger mit einem insolventen Schuldner, obgleich hier nach Umständen auch eine wahre Schenkungsabsicht vorkommen kann, so daß das Daseyn einer Schenkung auf einer fac- tischen Frage beruht. In anderen Fällen ist die Bereicherung nur die gele- gentliche, aber unfehlbare Folge der Familienverhältnisse. Werden nun diese durch ein Rechtsgeschäft neu bestimmt, so gelten sie als das Überwiegende, und die Bereicherung tritt als untergeordnet zurück; auf sie ist dann die Absicht nicht zu beziehen, und die wirklich vorhandene Bereiche- rung kann nicht als Schenkung angesehen werden. Wenn daher ein Ehegatte dem andern den unentgeld- lichen Mitgebrauch eines Hauses oder anderer Sachen überläßt, welches unter Fremden eine Schenkung seyn könnte (§ 146), so ist es keine Schenkung, weil es aus dem gemeinsamen häuslichen Leben folgt, und daraus fol- gen würde, auch wenn für den andern Theil kein Geld- gewinn damit verknüpft wäre L. 18, L. 28 § 2, L. 31 § 1 de don. int. vir. (24. 1.). . IV. 6 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Die Dos, die eine Frau ihrem Mann einbringt, ist niemals eine Schenkung. Gewöhnlich ist sie es schon des- wegen nicht, weil der Mann aus dem Ertrag die Frau erhält, also nicht reicher dadurch wird (§ 149); ferner deswegen, weil die Frau dazu naturaliter verpflichtet ist (§ 149. b. c ). Aber, selbst abgesehen von diesen Grün- den, würde das hier aufgestellte Princip jenen Satz recht- fertigen. Gesetzt, ein armes Ehepaar lebt von Almosen; der Frau fällt eine reiche Erbschaft zu, und sie macht diese zur Dos. Hier wird gewiß der Mann reicher, in- dem er selbst fortan aus eigenem Vermögen reichlich lebt. Dennoch liegt darin keine verbotene Schenkung in der Ehe, weil dieser Gewinn nur eine unzertrennliche Folge des ge- meinsamen häuslichen Lebens ist, welches zum Wesen der Ehe gehört. Wenn der Mann für die Ausgaben der Frau auf ver- schwenderische Weise sorgt, über das eigentliche Bedürfniß hinaus, so liegt darin dennoch keine verbotene Schenkung, die hinterher angefochten werden könnte L. 21 pr., L. 15 pr., L. 31 § 8. 9. 10 de don. int. vir. (24. 1.). Seit dem Senatusconsult vom J. 206 (§ 150) würde schon die consumtio jede Rückforde- rung ausschließen; der hier an- gegebene Grund mußte auch in der früheren Zeit anerkannt wer . Denn die Daß der Mann die Frau in sei- nem Hause unentgeldlich wohnen läßt, hat auch nicht einmal den Schein einer Schenkung, da der Mann ohnehin für alle Bedürf- nisse der Frau zu sorgen hat. Anders im umgekehrten Fall, da der Mann allerdings um den er- sparten Miethzins reicher wird. Allein der natürlichste Gebrauch eines Hauses besteht doch darin, daß es vom Eigenthümer bewohnt wird; dann aber ist das Woh- nen des Mannes in demselben Hause eine bloße Folge des ehe- lichen Zusammenlebens. §. 152. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Erhaltung der Frau durch den Mann gehört zum Wesen der Ehe L. 56 § 2 de j. dot. (23. 3.). , und der Umfang dieser Ausgaben ist der unbeschränkten Willkühr des Mannes, der das Haupt des Hauswesens ist, überlassen. Wenn der Vater einen Sohn emancipirt, so geht die Hälfte des Niesbrauchs, den er bis dahin am Vermögen des Sohnes hatte, auf den Sohn über L. 6 § 3 C. de bon. quae lib. (6. 61.), § 2 J. per quas pers. (2. 9.). . Um diese Hälfte wird also der Sohn bereichert, dennoch ist es keine Schen- kung, weil die überwiegende Absicht auf die neue Gestal- tung des persönlichen Verhältnisses gerichtet ist, nicht auf die daraus folgende Bereicherung. Endlich giebt es auch Fälle, worin die persönliche Pietät gegen den Bereicherten oder gegen einen Dritten der eigentliche Beweggrund zu einer Handlung ist. Auch dagegen tritt dann die Bereicherung als untergeordnete Folge zurück, und die Handlung kann deshalb nicht als Schenkung beurtheilt werden. Wenn ein Testamentserbe ein Legat oder Fideicommiß vollständig auszahlt, da er entweder die Falcidische Quart, oder Dasjenige was ihm anstatt derselben schon das Te- stament vorbehielt, hätte abziehen können, so wird durch diesen freyen Entschluß der Legatar oder Fideicommissar den. Nur wenn der Mann der Frau baares Geld giebt, z. B. ein Jahrgehalt, so gilt dieses als un- erlaubte Schenkung, so daß die Rückforderung nur durch Con- sumtion ausgeschlossen werden kann. L. 33 pr., L. 15 pr. de don. int. vir. (24. 1.), L. 22 in f. de pactis dot. (23. 4.). 6* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. bereichert. Geschieht es jedoch nicht zum Zweck dieser Be- reicherung, sondern aus Pietät gegen den Erblasser, so gilt die Handlung nicht als Schenkung, und ist daher un- ter Ehegatten erlaubt; ja diese andere Absicht soll sogar in der Regel als vorhanden angenommen werden L. 5 § 15 de don. int. vir. (24. 1.). Diese Stelle könnte man als eine absolute Vorschrift ansehen wollen, sie enthält aber in der That nur eine auf Ver- muthung gegründete Interpreta- tion des Willens, wie die Aus- drücke: magis videri, und: ha- bet rationem magis in eo, zei- gen. Wenn also z. B. der Erbe Einem, ihm besonders befreunde- ten, Legatar den Abzug erläßt, den übrigen nicht, so zeigt sich der Erlaß an Jenen dennoch als Schenkung, nicht als Pietät ge- gen den Verstorbenen. — Einen Widerspruch gegen die angeführte Stelle könnte man finden wollen in L 67 § 3 ad Sc. Trebell. (36. 1.), wo von dem Erben, der zur Begünstigung des Fideicommissars die Erbschaft für suspect erklärt (und nun ohne Abzug restituirt), gesagt wird, er thue es dona- tionis causa. Allein eine wahre Schenkung ist auch dieses nicht, der Ausdruck ist hier, wie oft, nur in dem uneigentlichen Sinn genommen, und er soll hier den Gegensatz bezeichnen gegen den- jenigen Erben, welcher die Erb- schaft ernstlich für suspect hält, also gar nicht die Absicht hat, zu begünstigen. Ja in L. 67 cit. ist sogar noch weniger wahre Schenkung anzunehmen, als in L. 5 cit., weil in dem Fall die- ser letzten Stelle doch ein wirk- lich erworbenes Recht freywillig weggegeben, im Fall der L. 67 cit. aber nur ein angebotener Erwerb ausgeschlagen wird. Vergl. oben § 145. r. . Ge- schieht dieselbe Handlung von einem insolventen Schuld- ner, so ist dadurch die Pauliana nicht begründet, weil jene vermuthete löbliche Absicht den Vorwurf der Unredlichkeit von ihm abwendet, welche allein jene Klage begründen kann L. 19. 20 quae in fraud. (42. 8.). . Wer ein fremdes Kind zur Pflege und Erziehung zu sich nimmt, bereichert dadurch den Vater, dem diese Pflege §. 152. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. obliegt, oder das Kind selbst, wenn dasselbe vaterlos und vermögend ist. Geschieht Dieses aber blos aus menschli- chem Antheil an dem Kinde, insbesondere von Seiten ei- nes Verwandten, so gilt es nicht als Schenkung. Das hat die Folge, daß keine Insinuation nöthig ist, daß die Handlung auch von dem mütterlichen Großvater gültig geschehen kann Nämlich der mütterliche Großvater, in dessen Gewalt die Mutter steht, kann nicht dem Va- ter des Kindes schenken, weil es so gut wäre, als hätte die Frau dem Manne geschenkt. L. 3 § 6 L. 32 § 16 de don. int. vir. (24. 1.). , und daß keine Rückforderung wegen Undankbarkeit, sey es des Vaters oder des Kindes, Statt findet Dieses scheint sonderbar, da die Erziehung doch immer eine große Wohlthat ist. Allein wenn der freywillige Erzieher bey sei- ner löblichen Handlung nicht an einen geschenkten Geldeswerth dachte, so kann er auch nicht hin- terher einen solchen zum Gegen- stand einer Strafforderung ma- chen wollen. . Ob nun diese oder eine andere Absicht zum Grunde lag, ist eine factische Frage. Es lassen sich näm- lich hier drey verschiedene Absichten denken. Erstlich der eben beschriebene rein menschliche Antheil (pietas) . Zwey- tens negotiorum gestio, woraus gegen den, welchem die Ausgaben der Erziehung oblagen, gegenwärtig aber er- spart wurden, eine Klage entspringt. Drittens Schen- kung, woraus zwar keine Klage, wohl aber die Anwend- barkeit der positiven Schenkungsregeln entsteht. Die Stel- len des Römischen Rechts, welche diesen ganzen Fall er- wähnen, berühren nur den Zweifel zwischen den zwey er- sten Absichten ( pietas und negotiorum gestio ) L. 34, L. 27 § 1 de neg. gestis (3. 5.), L. 15. 11. 13 C. eod. (2. 19.). , und ver- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. langen hierüber eine factische Prüfung der Umstände. Allein es ist einleuchtend, daß der pietatis respectus, wenn er aus den Umständen hervorgeht, eben sowohl die eigent- liche Schenkung, als die negotiorum gestio ausschließt, daß aber aus den Umständen auch die Absicht einer wah- ren Schenkung unzweifelhaft hervorgehen kann Wenn z. B. ein Reicher einige Kinder aus einer zahlrei- chen unbemittelten Familie nicht in sein Haus aufnimmt, sondern bey Anderen in Pflege giebt, und dafür Kostgeld zahlt, so wird die- ses meist ein reines Geldgeschenk an den Vater seyn. Wichtig wer- den hier die positiven Einschrän- kungen der Schenkung nicht leicht werden, und daraus erklärt es sich, daß die Stellen des R. R. diesen Gesichtspunkt nicht hervor- heben. , ob- gleich in den angeführten Stellen (Note l ) der Fall der Schenkung zufällig nicht berührt wird. §. 153. V. Schenkung. — Begriff. 4. Absichtliche Bereicherung . (Fortsetzung) Remuneratorische Schenkung . Es ist bisher ausgeführt worden, daß eine andere, als die auf die Bereicherung des Empfängers gerichtete, Absicht das Daseyn der Schenkung ausschließe. Dieser Satz muß jetzt noch gegen eine mögliche Misdeutung ver- wahrt werden. Man könnte nämlich die Sache so den- ken, als ob zum Wesen der Schenkung reines Wohlwollen gehörte, so daß sie durch Einmischung eines jeden anderen, besonders eines eigennützigen Beweggrundes ausgeschlossen würde. Diese Annahme wäre irrig. Es ist nur nöthig, daß die Bereicherung des Andern in der Reihe der Zwecke des §. 153. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Remuneratorische. Handelnden liege; welcher entferntere Zweck hinter dersel- ben gedacht werde, ist gleichgültig. Meistens wird die Handlung aus uneigennützigem Wohlwollen hervorgehen, welches dann wieder bald die Gestalt des Mitleids, bald die der Großmuth oder der Dankbarkeit annehmen kann. Aber es können eben sowohl selbstsüchtige Zwecke im Hin- tergrund liegen, ohne daß das Wesen wahrer Schenkung dadurch aufgehoben wird. Der Geber kann hoffen, durch das Geschenk eine Zuneigung zu begründen, die ihm in der Zukunft weit größere Vortheile einbringen soll; er kann auch aus bloßer Eitelkeit schenken, um bey Anderen den Eindruck des Reichthums und der Freygebigkeit zu machen. In allen diesen Fällen ist es wahre Schenkung, weil zunächst die Bereicherung des Andern wirklich gewollt wird, nur um durch diese zu einem entfernteren Zweck zu gelangen. Dieses eben war ganz anders in den Fällen des vorhergehenden §. Wenn der Käufer ein ihm unent- behrliches Haus über den wahren Werth bezahlt, so läßt er sich diese Bereicherung des Verkäufers blos aus Noth gefallen, er würde lieber ohne dieselbe kaufen. Wenn der Vater durch die Emancipation des Sohnes die Hälfte des bisherigen Niesbrauchs an Diesen abgiebt, so wird er sich vielleicht dieses Erfolgs gar nicht bewußt, oder vielleicht ist ihm derselbe ganz gleichgültig. In beiden Fällen ist die Bereicherung gar nicht als Zweck gedacht, und daher ist die Handlung keine Schenkung. Für die meisten Fälle nun ist es allgemein anerkannt, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. daß der entferntere Zweck dem Daseyn der Schenkung, und der Anwendung der positiven Rechtsregeln auf die- selbe, nicht im Wege steht. Bestritten ist es nur in ei- nem einzigen Fall, und zwar gerade in einem solchen, worin der entferntere Zweck keine selbstsüchtige Natur hat; wenn nämlich derselbe in einer Erweisung der Dankbarkeit besteht, welches man eine remuneratorische Schenkung nennt. Hierin stehen sich zwey äußerste Meynungen ent- gegen. Nach der einen ist ein solches Geschäft reine Schen- kung, allen positiven Rechtsregeln, so wie jede andere, unterworfen. Nach der zweyten Meynung ist es gar nicht Schenkung, sondern einem sogenannten onerösen Geschäft gleich. Dieses hätte also die Bedeutung, daß es niemals einer Insinuation bedürfte, in der Ehe stets erlaubt wäre, und keine Rückforderung aus besonderen Gründen (wie Undankbarkeit) zuließe. Viele aber haben irgend einen mittleren Durchschnitt zwischen beiden Meynungen ange- nommen, indem sie entweder nur für manche Fälle der Dankbarkeit die Schenkung ausschließen, oder aber die positiven Rechtsregeln nur theilweise zulassen So z. B. nimmt Mühlen- bruch § 445 an, jedes remune- ratorische Geschenk sey frey von dem Widerruf wegen Undankbar- keit, aber nicht von der Insinua- tion, noch von dem Verbot in der Ehe. . Im Allgemeinen müssen wir die erste Meynung anneh- men, nach welcher die remuneratorische Schenkung jeder anderen gleich steht Dieselbe Meynung haben Meyerfeld I. § 19 und Ma- rezoll , Zeitschrift für Civilrecht . Wenn selbst eigennützige Zwecke §. 153. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Remuneratorische. das Wesen der Schenkung nicht ausschließen, warum sollte gerade das Motiv der Dankbarkeit ihr im Wege stehen? — Sehen wir auf die Natur der positiven Rechtsregeln, so ist bey der remuneratorischen Schenkung leichtsinnige Verschwendung (gegen welche die Insinuation schützen soll) eben so denkbar, wie bey jeder anderen. Vollends bey der Ehe paßt die Ausschließung dieses Falls von dem Ver- bot gar nicht. Denn jede richtig geführte Ehe besteht von beiden Seiten in steter Erweisung von Liebe und Treue; sonach könnte hier jede Schenkung als remuneratorisch gel- ten, und das ganze Verbot wäre damit vernichtet. — Fer- ner ist das Daseyn der Dankbarkeit als Motiv des Ge- bens eben so unbestimmt, als schwer zu erkennen; beson- ders müßte, wenn die Ausnahme einigen Schein haben sollte, ein angemessenes Verhältniß zwischen dem empfan- genen Guten und dem gegenwärtigen Lohn vorausgesetzt werden, wofür sich aber gar keine feste Gränze auffinden läßt. — Der entscheidendste Grund endlich scheint folgen- der. Wer hier das Daseyn der Schenkung verneint, muß das Gegebene als ein datum ob causam ansehen. Dann müßte im Fall des Irrthums eine regelmäßige Condiction auf Rückgabe gelten. Eine solche nun ließe sich auch den- ken, wenn Etwas in Hinsicht auf die Zukunft gegeben wäre, z. B. in der unerfüllten Hoffnung auf ein Gegen- und Prozeß I. S. 30. Doch stimmt der letzte im Resultat mit Müh- lenbruch überein, indem er S. 36 gleichfalls annimmt, daß der Wi- derruf wegen Undankbarkeit weg- falle. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. geschenk oder auf die Zuneigung des Andern, in welchem Fall jedoch die Condiction ausdrücklich versagt wird L. 3 § 7 de cond. causa dala (12. 4.). . Aber ganz eben so soll auch die Condiction wegfallen, wenn bey einer remuneratorischen Schenkung der vorher- gehende Dienst irrig vorausgesetzt wird L. 65 § 2 de cond. ind. (12. 6.). Vergl. Beylage VIII. Num. X. Note d. . Hieraus folgt also, daß in beiden Fällen gleichmäßig das Römische Recht kein datum ob causam, sondern vielmehr eine wahre Schenkung annimmt, indem wir hier nur zwischen diesen beiden Arten der Rechtsgeschäfte zweifelhaft seyn können. Die Betrachtung einzelner Stellen des Römischen Rechts führt theils zur Bestätigung, theils zu einiger Begränzung dieser Behauptung. Die Stelle, welche die Wiedervergeltung mit allge- meinster Bezeichnung erwähnt, betrifft den Fall, da ein Glaubiger den Bürgen durch Acceptilation frey giebt, und zwar schenkungsweise. Es ist gewiß, daß durch diese Hand- lung auch der Hauptschuldner frey wird L. 13 § 7 L. 16 § 1 de acceptil. (46. 4.). ; sie kann aber folgende verschiedene Bedeutung haben. Entweder will der Glaubiger den Hauptschuldner um die erlassene Summe reicher machen, so daß der Bürge nichts weiter gewinnen soll, als die Sicherheit gegen den moͤglichen Verlust, wenn er zahlen muß und der Hauptschuldner insolvent ist; oder er will den Bürgen reicher machen, welches dadurch be- wirkt wird, daß derselbe behandelt wird, als hätte er §. 153. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Remuneratorische. baar gezahlt, wodurch er eine actio mandati gegen den Hauptschuldner auf die Summe der Schuld erwirbt. Welche von beiden möglichen Absichten soll man nun an- nehmen, wenn sich der Glaubiger nicht näher darüber aus- gesprochen hat? Ulpian sagt L. 10 § 13 L. 12 mandati (17. 1.). „Si fidejussori dona- tionis causa acceptum factum sit a creditore, puto si fide- jussorem remunerari voluit cre- ditor, habere eum mandati ac- tionem. Multo magis, si mortis causa accepto tulisset creditor, vel si eam liberationem legavit. — Si vero non remunerandi cau- sa, sed principaliter donando, fidejussori remisit actionem, mandati eum non acturum.” — Wenn hier der Erlaß an den Bürgen allgemein, und auch in dem letzten Fall als donatio be- zeichnet wird, so wird dieser Aus- druck in dem schon oft erwähn- ten uneigentlichen Sinn gebraucht, da es keine eigentliche, wahre do- natio ist (§ 158). , wenn der Glaubiger dem Bürgen Etwas zu vergelten habe (si fidejussorem remunerari voluit creditor) , so sey die letzte Absicht an- zunehmen; die erste dagegen, wenn der Erlaß auf einem selbstständigen Entschluß beruhe, nicht auf einer Wieder- vergeltung (non remunerandi causa, sed principaliter do- nando) . Offenbar will er sagen, es komme darauf an, welchen von Beiden der Glaubiger habe begünstigen wol- len, und zur Beantwortung dieser Frage giebt er beyspiels- weise das Merkmal der Remuneration an; jedoch so we- nig in der Absicht, diesem Merkmal eine ausschließende Kraft beyzulegen, daß er selbst vielmehr noch einige an- dere, sogar noch entscheidendere, hinzufügt. Davon aber sagt er kein Wort, daß im Fall der Remuneration das Geschäft keine wahre Schenkung sey. Vielmehr ist es Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. völlig im Sinn dieser Stelle, für den Fall der Remune- ration die Insinuation zu fordern, auch eben so das ganze Geschäft für nichtig zu halten, wenn die Forderung einer Ehefrau zusteht, und der Bürge, welchem die Summe re- munerando geschenkt werden soll, ihr Ehemann ist. Wenn Das, was mich zu einer remuneratorischen Schenkung bestimmt, gleichfalls in einer Schenkung be- stand, so ist darum nicht weniger jede dieser beiden Hand- lungen eine wahre Schenkung, und die positiven Schen- kungsregeln sind darauf völlig anwendbar. Hat also der Eine 1000 Dukaten in Geld, unter Anwendung der In- sinuation, geschenkt, und empfängt später von dem An- dern ein Grundstück von gleichem Werthe, ohne Insinua- tion, zum Geschenk, so ist das zweyte Geschenk zur Hälfte ungültig. Hatte ein Mann seiner Frau vor der Ehe ein Geschenk gemacht Ich sage: vor der Ehe, denn wenn beide Geschenke in die Ehe fallen, so gilt dafür eine be- sonders vorgeschriebene Compen- sation, die erst seit dem Sena- tusconsult von 206 (wegen der Consumtion) recht wichtig und fruchtbar geworden ist. L. 7 § 2 L. 32 § 9 de don. int. vir. (24. 1.). , und empfängt dagegen von ihr in der Ehe gleichfalls ein Geschenk, so bleibt das erste gül- tig, das zweyte ist ungültig. In beiden Fällen wird dem zweyten Geschenk durch das erste weder die Willkührlich- keit, noch überhaupt der vollständige Character einer Schenkung, entzogen. Einen Widerspruch gegen diese Be- hauptung hat man in folgender Bestimmung des Römi- schen Rechts zu finden geglaubt L. 25 § 11 de her. pet. (5. 3.) von Ulpian. Vgl. hier- über Meyerfeld I. S. 369 fg. . Der redliche Besitzer §. 153. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Remuneratorische. einer Erbschaft braucht nur Dasjenige herauszugeben, was er noch jetzt, als Bereicherung aus derselben, besitzt. Ge- setzt nun er hat ein Erbschaftsstück verschenkt, so kann er vielleicht die factische Erwartung eines Gegengeschenks ha- ben, rechtlich betrachtet ist er deshalb nicht reicher „nec, si donaverint, lo- cupletiores facti videbuntur, quamvis ad remunerandum sibi aliquem naturaliter obligave- rint. ” Hier ist offenbar nicht die eigentliche, juristische naturalis obligatio gemeynt, sondern die blos factische, auf Sitte, Anstand, Ehrgefühl beruhende Nöthigung, deren Daseyn sich auf keine Re- gel zurückführen läßt, da sie über- all von zufälligen Umständen ab- hängt. Vergl. Meyerfeld I. S. 376. — Es ist ganz dasselbe wie in L. 54 § 1 de furtis (47. 2.). „Species .. lucri est .. be- neficii debitorem sibi adquire- re.” Auch hier ist der debitor nicht in einem juristischen Sinn zu verstehen. . Nur wenn er das Gegengeschenk wirklich erhalten hat, kann man dieses als eine aus der Erbschaft herrührende Bereicherung betrachten, indem nun unter beiden Perso- nen Geschenke gleichsam ausgetauscht worden sind „ velut genus quoddam hoc esset permutationis;” man kann sich kaum vorsichtiger aus- drücken, um eine bloße Ähnlich- keit zu bezeichnen. An eine wahre permutatio, also ein negotium, dachte Ulpian nicht; er wollte nur andeuten, daß die handelnden Personen bey ihren gegenseitigen Geschenken etwas Ähnliches em- pfanden, wie bey einem Tausch, woraus also folgte, daß man dem Besitzer der Erbschaft kein Un- recht that, wenn man ihm das empfangene Gegengeschenk als ei- nen erbschaftlichen Gewinn an- rechnete. Eine actio praescrip- tis verbis hätte Ulpian, in Folge des ersten Geschenks, gewiß nicht gegeben. . — Diese Vorschrift bezieht sich jedoch lediglich auf den Um- fang der Leistungen des Erbschaftsbesitzers, durchaus nicht auf das Daseyn wahrer Schenkung, und die Anwendbar- keit ihrer positiven Regeln. Daß Ulpian, um das ganze Verhältniß anschaulich zu machen, die Ausdrücke natura- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. liter obligare und genus quoddam permutationis gebraucht, ändert Nichts; beide sind nur vergleichungsweise, und im uneigentlichen Sinn angewendet, und es war gar nicht davon die Rede, die eigentliche Schenkungsnatur, sowohl des ersten, als des zweyten Geschenks, in Zweifel zu ziehen. Ein ernstlicher Zweifel jedoch kann aus der besondern Natur derjenigen früheren Handlung des Andern entste- hen, wodurch die gegenwärtige remuneratorische Gabe ver- anlaßt wird. Besteht nämlich jene Handlung in einer sol- chen Art von Dienstleistung, wofür gewöhnlich ein Geld- lohn entrichtet wird, die also eine gewerbliche Natur hat, und wobey nur im vorliegenden Fall kein Lohn bedungen war, so kann sich jetzt der Geber seine Gabe auf ver- schiedene Weise denken. Er kann den empfangnen Dienst betrachten als eine Äußerung des uneigennützigen Wohl- wollens, wofür er jetzt durch eine freye Gabe seine Er- kenntlichkeit an den Tag legen will; dann ist diese Gabe eine wahre Schenkung, und die positiven Regeln der Schenkung sind darauf völlig anwendbar. Er kann aber auch das ganze Verhältniß betrachten als stillschweigenden Vertrag über eine Dienstleistung um unbestimmten Lohn; dann ist die gegenwärtige Gabe, nach des Gebers Absicht, die bloße Bezahlung einer Schuld, und durch diese Ab- sicht wird der Begriff der Schenkung, mit allen Folgen desselben, gänzlich ausgeschlossen (§ 149). Welche dieser beiden Absichten zum Grunde liegt, ist eine blos factische Frage; es kommt auf eine Interpretation des Willens an, §. 153. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Remuneratorische. und von einer remuneratorischen Schenkung, die eine an- dere Natur hätte als die gewöhnliche Schenkung, kann in keinem jener beiden denkbaren Fälle die Rede seyn. Dieses ist denn auch der einfache Sinn einer Stelle des Papinian, deren unrichtige Auffassung viel zu den falschen Ansichten über die remuneratorische Schenkung beygetragen hat L. 27 de don. (39. 5.). . Aquilius Regulus hatte dem Rhetor Nicostratus in einem Briefe freye Wohnung als Geschenk zugesagt (dono et permitto tibi) , weil Nicostratus stets bey dem Vater des Regulus gelebt, ihn selbst aber durch Unterricht und Auf- sicht ausgebildet habe; nach dem Tode des Regulus ent- stand Streit über die fortwaͤhrende Verbindlichkeit der Schenkung. Man konnte glauben, es sey ein bloßes Pre- carium, nicht eine auf des Empfängers Lebenszeit berech- nete, also für die Folge bindende, Schenkung. Und selbst wenn es als eine solche gemeynt war, so war diese nach den Regeln der Lex Cincia nicht verbindlich Nämlich wegen der feh- lenden Mancipation. Vgl. Zeit- schrift für geschichtl. Rechtswis- sensch. IV. 46. Daher wird auch in einem ganz ähnlichen Fall, dem nur die Absicht wahrer Schen- kung zum Grunde lag, anders entschieden. L. 32 de don. (39. 5.). — Daß in beiden Stellen die Verbindlichkeit der Erben des ersten Gebers in Frage gestellt wird, gehört zu den zufälligen Umständen der vorliegenden wirk- lichen Rechtsfälle; bey dem er- sten Geber wäre eben so zu ent- scheiden gewesen, es war aber natürlich, daß, wegen des fort- währenden Wohlwollens desselben, erst nach dem Tode die Rechts- gültigkeit zur Sprache kam. . Papi- nian sagt aber, es sey gar keine eigentliche Schenkung, sondern Zahlung für eine frühere Dienstleistung „dixi posse defendi, non meram donationem esse: ve- rum officium magistri quadam . Nun Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. war die Lex Cincia nicht anwendbar, es war aber zu- gleich als ein für die Folge bindendes Rechtsgeschäft ge- meynt, und zwar als ein unförmlich bestellter usus an der Wohnung, zu dessen Schutz es an Rechtsmitteln nicht fehlte Zu einem wahren usus war die in jure cessio nöthig. Aber auch der hier zum Grunde lie- gende traditus usus wurde durch Klagen geschützt: namentlich durch die publiciana confessoria ( L. 11 § 1 de public. 6. 2., L. 1 § 2 de S. P. R. 8. 3.); aber auch durch possessorische Interdicte ( Sa- vigny Besitz § 45). Papinian erwähnt gerade nur das Inter- dict, weil es fur den praktischen Zweck genügte, ja sogar am schnell- sten zum Ziel führte. . In Verbindung damit steht endlich noch folgender Fall, in welchem allein eine wahrhaft positive Vorschrift zu fin- den ist. Wenn Jemand für die Rettung seines Lebens ein Geschenk giebt, so unterscheidet sich Dieses von dem eben erwähnten Fall dadurch, daß die Lebensrettung kein gewerblicher Dienst ist, auch nicht leicht vorher ein Ver- trag über Geldlohn deshalb geschlossen werden wird, so daß die spätere Gabe allerdings als wahre Schenkung angesehen werden muß. Da aber der geleistete Dienst so unvergleichlich groß ist, so war wohl hinreichender Grund vorhanden, von den gewöhnlichen Einschränkungen der mercede remuneratum Regu- lum.” Das heißt, Regulus dachte sich seine Gabe als nachträglich entrichtetes Gehalt an seinen frü- heren Hauslehrer, folglich nicht als Schenkung, der die L. Cin- cia im Wege gestanden hätte (Die- ses allein drückt Papinian aus), noch weniger aber als ein von bloßer Willkühr des Gebers ab- hängiges Precarium. — Non mera donatio ist hier nicht, wie man dem Wort nach glauben könnte, das negotium mixtum cum do- natione ( L. 18 pr. eod. ), son- dern die Verneinung der wah- ren, eigentlichen Schenkung, zu deren Annahme man durch das in dem Brief gebrauchte Wort dono verleitet werden konnte. §. 153. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Remuneratorische. Schenkung gänzlich zu dispensiren, da hier auch bey dem größten Umfang des Geschenks Niemand an leichtsinnige Verschwendung denken wird, die durch positive Anstalten verhütet werden müßte. Diese positive Ausnahme von den Rechtsregeln der Schenkung ist denn in der That gemacht worden, und die Stelle des Paulus, worin sie sich findet, lesen wir in folgenden zwey verschiedenen Gestalten. L. 34 § 1 de don. (39. 5.) aus Paulus V. 11 § 6. Ei qui aliquem a latrun- culis vel hostibus eripuit, in infinitum donare non pro- hibemur; si tamen donatio et non merces eximii labo- ris appellanda est; quia con- templationem (al. contempla- tione ) salutis certo modo aestimari non placuit. Paulus Lib. V. sent. Si quis aliquem a latruncu- lis vel hostibus eripuit, et aliquid pro eo ab ipso ac- cipiat: haec donatio irrevo- cabilis est: non merces exi- mii laboris Dieser Florentinische Text ist sinnlos. Der Gedanke ist durch die ausführlichere Fassung im Westgothischen Paulus unzweifel- haft, und dieser Gedanke sollte gewiß nicht durch die Abkürzung in den Digesten verändert werden. Man könnte emendiren si non, oder (wie es Haloander thut) nam; beides ist jedoch unnöthig, weil die constante Leseart der Vulgata völlig genügt; sie läßt non weg, und liest: merces enim laboris eximii. appellanda est: quod contemplatione contemplatione giebt den- selben Sinn wie contemplatio- nem; es heißt: mit Rücksicht auf die Lebenserhaltung, und es muß hinzugedacht werden: eam dona- tionem aestimari. salutis certo modo aestimari non placuit. Der Sinn der Stelle, nach beiden Texten, ist dieser. IV. 7 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Der Lohn für die Lebensrettung ist eigentlich gar nicht Schenkung zu nennen, sondern vielmehr Bezahlung eines ganz unschätzbaren Dienstes. Daher (sagt der alte Pau- lus) dürfen wir diese Gabe in infinitum ausdehnen (d. h. das Verbot der L. Cincia bindet uns hier nicht). Daher (sagt Paulus in den Digesten) ist diese Gabe unwiderruf- lich. — Diese Veränderung des Ausdrucks sollte gewiß nicht den Sinn ändern. Sie wurde vorgenommen, weil der Ausdruck in infinitum gerade bey der L. Cincia be- sonders üblich war Fragm. Vatic . § 304, L. 7 § 1 de L. Jul. repet. (48. 11.). , und also zu sehr an sie erinnerte. Allein die in den Digesten ausgesprochene Irrevocabilität sagt ganz dasselbe; denn der Widerruf ist der praktische Erfolg aller positiven Einschränkungen der Schenkung Marezoll (Zeitschrift I. 37) beschränkt die Stelle auf den Widerruf wegen Undankbarkeit, weil die fehlende Insinuation keine Revocation, sondern Nichtigkeit zur Folge habe. Allein auch die Nichtigkeit zeigt sich praktisch nur durch Revocation. Daher ist in den Vaticanen bey der L. Cincia stets von Revocation die Rede, und eben so bey der Schenkung in der Ehe ( L. 32 § 4. 7 de don. int. vir. (24. 1.), die doch gewiß Nichtigkeit zur Folge hat. Daß die Basiliken und deren Scholien ( VI. 180. 210) seiner Meynung entgegen sind, gesteht er selbst zu. Völlig entscheidend sind die in den Digesten enthaltenen Worte certo modo. Denn modus ist die der Schenkung eigenthümliche Sum- me, die ehemals auf die L. Cin- cia gieng, und nun auf die In- sinuation zu beziehen ist. L. 11 L. 21 § 1 de don. (39. 5.), L. 5 § 5 de doli exc. (44. 4.). . Also paßt auf diesen Fall weder die Insinuation, noch das Verbot in der Ehe, noch der Widerruf wegen Un- dankbarkeit. Auf der andern Seite aber ist der Fall der Lebensrettung so eigenthümlich, daß jede Ausdehnung un- §. 154. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Negotium mixtum. srer Stelle auf andere Fälle der Dankbarkeit ganz unzu- lässig ist Mühlenbruch § 445, mit vielen Anderen, bezieht die Stelle auf jede Schenkung aus Dank- barkeit, als ob hier der Fall der Lebensrettung blos ein zufällig gewähltes Beyspiel wäre (Note a ). Allein die Stelle selbst legt ja aus- schließendes Gewicht gerade auf die Eigenthümlichkeit dieses, völ- lig unschätzbaren, Dienstes, was von anderen Diensten gar nicht behauptet werden kann. . §. 154. V. Schenkung. — Begriff. 4. Absichtliche Bereicherung (Fortsetzung.) Negotium mixtum. Wenn einer Gabe zwar eine Gegenleistung gegenüber steht, welche aber einen geringeren Werth als die Gabe hat, so liegt darin eine partielle Bereicherung des Empfän- gers jener Gabe. Ist nun auch die Absicht des Gebers auf diese Bereicherung gerichtet, so ist darin eine wahre Schenkung enthalten. Eine und dieselbe Handlung ist dann zum Theil Schenkung, zum Theil ein anderes Rechtsge- schäft Negotium mixtum cum donatione L. 18 pr. de don. (39. 5.). Über die Bedeutung von ne- gotium vgl. § 143. h. , und eben so ist das in der Gabe übertragene Recht nur theilweise als geschenkt zu betrachten (§ 149. 152. a ). Die wichtigsten Anwendungen dieses Falles sind fol- gende. Wird ein Haus, welches 5000 werth ist, zur Be- reicherung des Käufers um 3000 verkauft, so ist dieses ein wahrer Kauf, verbunden mit einem Geschenk von 2000. Unter Ehegatten ist daher ein solcher Kauf gültig, und 7* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nur das Geschenk ungültig; ist aber unter ihnen der Kauf selbst nur um des Geschenks Willen vorgenommen, so daß er ohne diese Absicht ganz unterblieben wäre, so ist das ganze Geschäft ungültig L. 5 § 5 de don. int. vir. (24. 1.), die bestimmteste unter den hierher gehörenden Stellen. Nicht widersprechend, sondern nur weniger vollständig, sind L. 32 § 26 eod., L. 38 in f. de contr. emt. (18. 1.), L. 17 pr. ad Sc. Vell. (16. 1.). — Vergl. oben § 44 Note g. h. . — Verschieden von diesem Fall ist der eines simulirten Kaufs, wobey man sich bloße Schenkung dachte, z. B. wenn zugleich bedungen wird, daß der Preis nie bezahlt werden solle, oder wenn der Preis so gering ist, daß er gar keine ernste Bedeutung haben kann. Nach allgemeinen Ansichten müßte dieses Ge- schäft zwar als Kauf ungültig seyn, aber als Schenkung wirksam (§ 134). Die Römischen Juristen, so wie ältere Constitutionen, erklären es überhaupt für ungültig, so lange nicht Tradition hinzukomme L. 36 de contr. emt. (18. 1.), L. 38 eod. (verb. totiens enim rel.), L. 3. 9 C. eod. (4. 38.), L. 6 pro don. (41. 6.), L. 7 § 6 L. 32 § 25 de don int. vir. (24. 1.), L. 15 C. eod. (5. 16.). Vgl. Meyerfeld I. S. 306 fg. — Einige Zweydeutigkeit entsteht aus dem in diesen Stellen mei- stens gebrauchten Ausdruck: ven- ditio donationis causa facta, der an sich auch gelten kann um die venditio mixta cum dona- tione zu bezeichnen, ja auch in dieser wieder um den Fall, da der Kauf ohne die Schenkungs- absicht ganz unterblieben wäre, auszuzeichnen (Note b ). Da, wo die absolute Unwirksamkeit von einem mit jenem Ausdruck be- zeichneten Kauf behauptet wird, ist gewiß nur der simulirte Kauf gemeynt. — Ganz dieselben Re- geln gelten auch bey der locatio donationis causa, z. B. numo uno. L. 20 § 1 L. 46 locati (19. 2.), L. 10 § 2 de adqu. poss. (41. 2.), L. 52 pr. de don. int. vir. (24. 1.). Hier heißt vilius locaverit nicht: unter dem wah- ren Werth, sondern: um einen Spottpreis, also so viel als numo uno; das zeigt der nachher hin- zugefügte Grund. . Das hat aber nur die §. 154. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Negotium mixtum. Bedeutung, daß, nach der allgemeinen Natur der Schen- kung, nicht so wie bey dem Kauf (als Consensualcontract) aus der bloßen Verabredung geklagt werden konnte. Nach dem neuesten Recht fällt diese Schwierigkeit ganz hinweg (§ 157). — Die aufgestellten Regeln würden unter andern auch anwendbar seyn auf eine unter ihrem Nominalwerth verkaufte Forderung. Geschähe dieses wegen der Unsicher- heit der Forderung, so wäre es reiner Kauf, geschähe es zur Bereicherung des Käufers, so wäre es theilweise Schenkung. Nun ist aber das Erste ganz verboten Durch die sogenannte Lex Anastasiana. L. 22 C. mand. (4. 35.). , und deshalb wurde auch das Zweyte mit in das Verbot eingeschlossen, weil allerdings eine simulirte Schenkung allzu leicht gebraucht werden kann, um darunter das völlig verbotene erste Geschäft zu verstecken L. 23 C. mand. (4. 35.). . Eben dahin gehört ein Kauf, worin dem Verkäufer jede Verpflichtung wegen der Eviction erlassen wird. Die- ser Nebenvertrag ist reine Schenkung, weil dadurch der Käufer den vollen Sachwerth ohne Ersatz verlieren kann; daher ist unter Ehegatten dieser Nebenvertrag ungültig, der Kauf selbst bleibt gültig L. 31 § 4 de don. int. vir. (24. 1.). „Si .. donationis causa paciscantur, ne quid venditor ob eam rem praestet. ” Das darf, nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch, und nach der Vergleichung mit § 5, nicht so verstanden werden, der Verkäu- fer solle das Kaufgeld bekommen, und doch auch die Sache behal- ten; sondern er solle, nachdem er die Sache übergeben habe, hin- terher nicht wegen Eviction ver- pflichtet seyn. Praestare ist ge- rade der eigenthümliche Ausdruck für die Evictionsleistung. L. 31 . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Ein Darlehen, wobey der Empfänger mehr oder we- niger als die empfangene Geldsumme zurück zu geben ver- spricht, kann als Schenkung der Differenz gemeynt seyn Sie kann so gemeynt seyn; ist jedoch die versprochene Summe größer, so wird weit öfter die Absicht auf Verzinsung des Ka- pitals (also nicht auf Schenkung) gerichtet seyn, und dann kann wohl auch ein Wucher darin lie- gen. — Fälle dieser Art werden erwähnt in L. 11 § 4 de reb. cred. (12. 1.), L. 17 pr. de pactis (2. 14.); hauptsächlich um zu bemerken, daß in keinem Fall die Darlehensklage auf Mehr als das Empfangene gelten könne, womit jedoch die Anwendbarkeit anderer Klagen nicht ausgeschlos- sen ist. . Wenn eine Societät so geschlossen wird, daß darin in der That eine Schenkung läge Dieses kann geschehen, in- dem ein Theilnehmer entweder Nichts beyträgt, und doch mit theilt, oder zwar beyträgt, aber ausschließend den Gewinn zieht. , so wird das ganze Geschäft für ungültig erklärt L. 5 § 2 pro soc. (17. 2.), L. 16 § 1 de minor. (4. 4.), L. 32 § 24 de don. int. vir. (24. 1.). . Das hat aber wieder nur die schon bey dem Kauf angegebene Bedeutung: es soll daraus nicht die dem Consensualcontract eigenthümliche actio pro socio angestellt werden können. Ist in Folge der Verabredung Etwas tradirt, so erklären Dieses schon die alten Juristen, als vollendete Schenkung, für gültig L. 32 § 24 de don. int. vir. (24. 1.) „quae tamen in commune tenuerunt, fine prae- stituto revocanda non sunt.” Das heißt: wenn in Folge der Übereinkunft Etwas erworben, und dem Beschenkten für seinen Antheil tradirt worden ist, so ge- nießt Dieses (als perfecta do- natio ) den Vortheil der Bestäti- gung durch den Tod, ganz nach dem Senatsschluß, der für an- dere Fälle in den vorhergehenden Worten als unanwendbar ange- geben war. Die Worte fine prae- stituto erklärt Meyerfeld I. 324 vortrefflich als gleichbedeutend (ur- sprünglich wohl gleichlautend) mit fini decimarum in Fragm. Va- tic. § 294, nämlich so weit nicht ; L. 5. 8. 30 de evict. (21. 2.). Für die Hauptverbindlichkeit des Ver- käufers heißt es: ipsam rem praestare. L. 11 § 2 de act. emti (19. 1.). §. 154. Schenkung. Begriff. 4. Absicht. Negotium mixtum. nach dem neuesten Recht aber würde auch aus der bloßen Verabredung, wie bey jeder Schenkung, geklagt werden können Nur freylich so, daß die der Societät eigenthümliche Auf- kündigung gelten müßte. Denn sonst würde man offenbar über die Absicht der Parteyen hinaus gehen, die doch nur eine Schen- kung nach den Regeln und For- men einer Societät wollten. . Endlich liegt ein solches gemischtes Geschäft auch in jeder donatio sub modo (§ 175), wegen der dadurch für die Zukunft begründeten Gegenleistung L. 18 pr. § 1. 2 de don. (39. 5.). Hier wird die in der Schenkung sub modo liegende partielle Schenkung nur dazu be- nutzt, um die Gränzen der con- dictio oder actio praescriptis verbis festzustellen. Da aber doch überhaupt die Schenkungsnatur bestimmt anerkannt wird, so folgt daraus die Anwendung der positi- ven Schenkungsregeln von selbst. Mühlenbruch § 445 nimmt an, daß bey der donatio sub modo die Insinuation ganz wegfalle, wo- durch ja die ganze Vorschrift der Insinuation sehr leicht umgangen werden könnte, indem dazu bey jeder Schenkung schon der unbe- deutendste Modus hinreichen wür- de. Er beruft sich auf Leyser 435. 3, der den Irrthum noch dadurch erweitert, daß er die Schenkung sub modo mit der remuneratorischen verwechselt. . Bey allen diesen gemischten Geschäften muß der Geld- werth des auf die Schenkung fallenden Antheils ermittelt werden. Dieser ist dann ganz nach den Regeln der Schen- kung zu beurtheilen; in Ansehung der Insinuation, des Verbots in der Ehe, des Widerrufs aus besonderen Grün- den Ganz deutlich ist diese Be- handlung der Sache anerkannt in L. 5 § 5 de don. int. vir. (24. 1.), das Princip selbst in L. 5 § 2 eod. „si separari possit” rel. (§ 152. b). . Nur wenn die Gegenleistung überhaupt keinen die Beschränkungen der L. Julia ( Ulpian . XV. ) im Wege stehen. In den Digesten haben nun jene Worte den trivialen Sinn: nach Maasgabe des Vertrags, so daß jetzt das Komma hinter praesti- tuto stehen muß. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Geldwerth hat, kann eine solche Trennung nicht vorge- nommen werden Solche Fälle sind erwähnt in L. 19 § 1. 6 de don. (39. 5.). , und nun gilt daher das ganze Ge- schäft nicht als Schenkung, indem eine Differenz des Geld- werths, woraus allein die Bereicherung hervorgehen könnte, gar nicht denkbar ist L. 5 § 2 de don. int. vir. (24. 1.) (§ 152. b), deren durch- greifendes Princip hier eben so anwendbar ist, wie bey der Ab- sicht zu schenken. . §. 155. V. Schenkung. — Einzelne Rechtsgeschäfte. 1. Dare . Nachdem jetzt der Begriff der Schenkung vollständig dargelegt worden ist, soll derselbe durch alle einzelne Rechtsverhältnisse, in welchen er vorkommen kann (§ 142), durchgeführt werden. Diese Durchführung hat zunächst den Zweck, die wirkliche Erscheinung der Schenkung in den mannichfaltigsten Gestalten zur Anschauung zu brin- gen. Ferner wird dadurch ihre positive Seite klar werden, durch die Darlegung Desjenigen, was sie zur Wirksamkeit einzelner Rechtsgeschäfte beytragen kann, anstatt daß durch ihre negative Seite vielmehr eine Hemmung dieser Wirk- samkeit für viele Fälle herbeygeführt wird. Endlich be- kommt sie überhaupt erst Realität in diesen Anwendungen. Denn ihr bisher aufgestellter Begriff (Veräußerung mit absichtlicher Bereicherung) erlangt erst ein wirkliches Da- seyn durch die Verkörperung in einem einzelnen Rechtsver- §. 155. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 1. Dare. hältniß, ohne welche jener Begriff gleichsam in der Luft schwebt. Dieses ist also die natürliche Bedingung aller gültigen Schenkung, das perficitur donatio, dessen Natür- lichkeit nur dadurch in den Hintergrund getreten ist, daß es unter den Händen der alten Juristen (vielleicht theil- weise durch die Lex Cincia ) conventionelle Zusätze erhal- ten hatte, unter welchen seine ursprüngliche Gestalt schwer zu erkennen war In folgenden Stellen ist die ursprüngliche, natürliche Ge- stalt jener Bedingung erkennbar. Fragm. Vat . § 263. „Eam quae … citra stipulationem donavit, si neque poss … tradidit … nihil egisse placuit. ” ib. § 266 „.. destinationem potius libe- ralitatis, quam effectum rei actae continet.” § 293 „.. ma- nifeste nec coepta videatur ” . Da nun in allen Theilen des Vermögens eine Berei- cherung denkbar ist, so können die verschiedensten Vermö- gensverhältnisse als Mittel zum Zweck einer Schenkung dienen. Die Bereicherung kann sich beziehen: 1) auf ein dingliches Recht, welches dem Beschenkten verschafft wird; 2) auf ein obligatorisches Verhältniß, und zwar wie- derum: a) auf eine Forderung, die ihm verschafft wird; b) auf eine Schuld, von welcher er befreyt wird. Demnach lassen sich alle einfache Schenkungen auf drey Klassen zurück führen, indem sie geschehen können Dando, Obligando, Liberando. Die Schenkungen durch dingliche Rechte können sich Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ferner beziehen auf Eigenthum oder auf jura in re. Die Schenkung durch übertragenes Eigenthum ist so sehr die häufigste und wichtigste, daß deshalb nicht selten die Schenkung im Allgemeinen als eine Art der Eigenthums- übertragung aufgefaßt worden ist (§ 142. a ). Die Form, wodurch Eigenthum übertragen wird, ist im Justiniani- schen Recht ganz einfach die Tradition, ohne Unterschied der Zwecke, wofür die Übertragung geschieht Im älteren Recht gab es überhaupt drey Formen zur Über- tragung des Eigenthums: man- cipatio, in jure cessio, tradi- tio. Diese kamen daher auch bey der Schenkung vor, ja für viele Fälle waren sogar die feyerliche- ren Formen nothwendig. Hierin ist also der Rechtszustand viel ein- facher geworden. . So ist also zunächst von der Schenkung durch Tradition zu handeln. In dieser zeigt sich die Schenkung in ihrer po- sitiven Natur dadurch wirksam, daß sie als justa causa der Tradition dient, und so den wirklichen Übergang des Eigenthums vermittelt § 40 J. de rer. div. (2. 1.). . Natürlich nur unter der Vor- aussetzung, daß der Geber selbst das Eigenthum hat; welche Folgen eintreten, wenn es ihm fehlt, soll weiter unten besonders dargestellt werden. Die Tradition erscheint hier in allen verschiedenen Ge- stalten, die sie überhaupt anzunehmen fähig ist. Unter andern also durch Mittelspersonen L. 4. 6. 10. de don. (39. 5.) Dahin gehört auch der schon oben angeführte Fall, da ich die Schenkung durch Auftrag an Den- jenigen vollziehe, welcher mir die Sache schenken oder als Verkäu- fer tradiren wollte (§ 148. a ). . Ferner so, daß der Beschenkte die Sache, die er schon inne hat, nur be- §. 155. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 1. Dare. halten soll L. 10 de don. (39. 5.) „sive, quod ipse habeat, sibi habere eum jubeas.” . Dann als missio in possessionem, indem ihm erlaubt wird, einseitig den Besitz zu ergreifen, der nun so gelten soll, als hätte ihn der Geber persönlich ein- gehändigt L. 6 L. 9 § 1 de don. (39. 5.), L. 6 C. eod. (8. 54.). Da- hin gehört namentlich das auf den bloßen Fruchterwerb gerichtete Ge- schenk (§ 146); der Geber erlaubt dem Andern, die Früchte, sobald sie vorhanden sind, selbst in Be- sitz zu nehmen, und dann als ge- schenkt zu behalten. . Endlich auch durch das sogenannte con- stitutum possessorium, indem der Geber erklärt, die Sache ferner nur im Namen und Auftrag des Empfängers be- sitzen, also dessen Besitz verwalten zu wollen. Eine An- wendung dieser letzten Form liegt in dem vorbehaltenen Niesbrauch, welcher Vorbehalt sogar ohne Rücksicht auf den wirklichen Genuß des Niesbrauchs, blos als Form augenblicklicher Tradition ohne äußerlich hervortretende Handlung, geschehen kann L. 28 L. 35 § 5 C. de don. (8. 54.). — Savigny Besitz § 27 S. 373 Ausg. 6, Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 2 § 66. — Meyerfeld I. S. 95 fg. — Dieser Fall ist unter andern vor- handen, wenn nur auf wenige Tage der Niesbrauch vorbehalten wird. . Der Tradition gleich wirkt die Dereliction, wenn sie in der bestimmten Absicht geschieht, daß ein Auderer das Eigenthum erhalte, mag nun dieser Andere eine bestimmte und bekannte, oder eine unbestimmte, unbekannte Person seyn. Diese Handlung wird geradezu als Veräußerung anerkannt L. 5 quae in fraud. (42. 8.), L. 9 § 7 de adqu. rer. dom. (41. 1.), § 46 J. de rer. div. (2. 1.). — Ohne jene Absicht ist das Aufgeben des Besitzes (ja selbst des Eigenthums) keine Veräuße- rung. L. 119 de R. J. (50. 17.). Daher ist die Dereliction im All- , obgleich streng genommen Verlust und Er- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. werb des Eigenthums nicht zusammen fallen, da der Ver- lust mit dem aufgegebenen Besitz augenblicklich eintritt L. 1 L. 2 § 1 pro derel. (41. 7.). , so daß zwischen ihm und dem Erwerb des Andern ein Zeitraum in der Mitte liegt, worin die Sache unbesessen und herrenlos war. Gewöhnlich wird diese Zwischenzeit so gering seyn, daß sie für die Betrachtung völlig ver- schwindet L. 1 L. 5 § 1 pro derel. (41. 7.), L. 9 § 7 de adqu. rer. dom. (41. 1.), § 46 J. de rer. div. (2. 1.). ; sie kann sich jedoch auch zufällig weiter ausdehnen. Sobald indessen die Occupation nur nach dem Willen des früheren Eigenthümers geschieht, muß auch der ganze Hergang als Schenkung gelten, und den positi- ven Regeln jeder Schenkung unterworfen seyn. Denn zu dem in ihm anerkannten Character der Veräußerung (Note f ), welcher allein etwa bezweifelt werden könnte, tritt unverkennbar hinzu die wirkliche Bereicherung des Empfängers, und die hierauf gerichtete Absicht des frühe- ren Eigenthümers Wollte man hierin keine Schenkung annehmen, so wäre Nichts leichter, als alle positive Regeln der Schenkung zu ent- kräften. Wenn z. B. ein großes Landgut derelinquirt, und gleich nachher durch Verabredung von einem Andern occupirt würde, so wäre weder das Verbot in der Ehe, noch die Vorschrift der In- sinuation anwendbar. Dieses zu verhüten, sollten eben alle Fälle dieser Art als Veräußerung gel- ten (Note h ), abgleich man daran, nach subtiler Betrachtung, hätte zweifeln können. . Mit dem Fall der Dereliction zum Vortheil eines An- dern, könnte man vergleichen wollen den Fall, da der Ei- gemeinen nicht als Veräußerung zu betrachten, sondern nur unter Voraussetzung jener besonderen Absicht. §. 155. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 1. Dare. genthümer den Usucapionsbesitz eines Andern durch Klage zu stören absichtlich unterläßt, damit die Usucapion ab- laufe, wodurch er also den Übergang des Eigenthums mit Bewußtseyn herbeyführt. Dennoch kann dieses an sich nicht als Schenkung gelten, weil es kein Rechtsgeschäft, ja überhaupt keine positive Handlung ist, ohne welche eine Schenkung nicht angenommen werden kann S. o. § 144. — Der Be- weis dieses Satzes, im Zusam- menhang mit anderen, verwand- ten Sätzen, findet sich in der Beylage IX. . Als ein verstecktes Geldgeschenk kann man den unent- geldlich überlassenen Gebrauch einer Sache betrachten, da wo dieser überhaupt als Schenkung angesehen werden darf; unter derselben Voraussetzung auch die unentgeldliche Dienst- leistung. Denn das Geschenk besteht hier in der That in der Geldsumme, die dem Andern als eine nothwendige Ausgabe erspart wird (§ 146. b. d ). Auch das beschränkte Eigenthum einer Sache kann durch Tradition übertragen, und als Schenkungsmittel ge- braucht werden. Dieses kann geschehen, wenn der ideale Theil einer Sache geschenkt wird; sey es, daß der Geber selbst nur diesen Theil hatte, oder daß er den übrigen Theil für sich behalten will Meyerfeld I. S. 123. . — Ferner wenn das ge- schenkte Eigenthum durch jura in re beschränkt ist, sey es daß diese schon vorher darauf lasteten, oder daß der Ge- ber bey der Schenkung sie darauf legt, also das Geschenk dadurch beschränkt, zum Beyspiel indem er den Niesbrauch Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. vorbehält, um diesen wirklich zu genießen, nicht als bloße Form der Tradition (Note e ). — Endlich kann dahin auch der Fall gerechnet werden, wenn der Geber nicht das wahre Eigenthum, sondern nur ein diesem verwandtes Recht hat. So in dem älteren Recht das in bonis, und das Recht an Provinzialgrundstücken; so auch noch im heutigen Recht die b. f. possessio, von welcher sogleich noch weiter gehandelt werden wird. §. 156. V. Schenkung. — Einzelne Rechtsgeschäfte. 1. Dare. (Fortsetzung.) Bey der Tradition als Schenkung bleibt nun noch der Fall zu betrachten übrig, da der Geber selbst das Eigen- thum nicht hat, welches er übertragen will. Daß er durch diese Handlung dem Eigenthümer kein Recht entziehen kann, ist für sich klar L. 14. 21. 24 C. de don. (8. 54.), L. 2 C. de usuc. pro don. (7. 27.). . Willigt der Eigenthümer ein, so geht sogleich Eigenthum über, indem es nun so betrachtet wird, als hätte zuvor der Eigenthü- mer durch brevi manu traditio das Eigenthum auf den Geber übertragen. Das Schenkungsverhältniß besteht je- doch nur zwischen dem Geber und dem Empfänger; der bisherige Eigenthümer hat zu dem Empfänger gar kein Verhältniß, dem Geber kann er haben schenken oder ver- §. 156. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 1. Dare. (Forts.) kaufen wollen, welches von den Beweggründen seiner Ein- willigung abhängt L. 9 § 2 de don. (39. 5.). „Quod filiusfamilias patris jussu aut voluntate donavit, perinde est, ac si pater ipse donaverit, aut si mea voluntate rem meam tu nomine tuo Titio dones. ” Es werden hier zwey Fälle un- terschieden. Wenn der Vater die Schenkung befiehlt ( jussu ), so ist der Vater selbst der donator, wel- cher sich nur zur Vollziehung ei- ner Mittelsperson bedient (§ 155). Wenn er nur einwilligt ( volun- tate ), so ist der Sohn donator, gerade wie bey der Einwilligung an einen unabhängigen Geber. In dem besonderen hier erwähn- ten Fall ist freylich, wegen der väterlichen Gewalt, weder Tra- dition noch Schenkung des Va- ters an den Sohn möglich; die letzte Wirkung aber ist dieselbe, wie wenn ein Fremder in der Mitte stände. — Dasselbe kann nun auch in der Art geschehen, daß der Geber donationis causa einem Dritten aufträgt, eine die- sem Dritten gehörende Sache dem Empfänger zu tradiren, z. B. Geld auszuzahlen; nun hat der Dritte gegen den Geber eine man- dati actio auf Ersatz. L. 52 § 1 de don. int. vir. (24. 1.) „ut traditio, quae mandante uxore mortis causa facta est” … Ähnliche Fälle in L. 19 § 3 de don. (39. 5.), L. 26 de don. int. vir. (24. 1.). . Allein auch ohne des Eigenthümers Einwilligung fehlt es der Schenkung einer fremden Sache dennoch nicht an einer wichtigen positiven Wirkung. Sie dient nun als Usucapionstitel, welcher daher den Namen pro donato führt Darauf gehen die beiden Titel Dig. 41. 6, Cod. 7. 27. — Einen allgemeinen Widerspruch gegen den aufgestellten Grundsatz könnte man finden in L. 9 § 3 de don. (39. 5.). „Donari non potest, nisi quod ejus fit cui donatur.” Ursprünglich gieng das auf die L. Cincia, und wollte sa- gen, zur vollgültigen Schenkung einer res mancipi sey Mancipa- tion nöthig, Tradition nicht hin- reichend. Jetzt hat es denselben allgemeinen Sinn, wie die in Note a angeführten Stellen. Vgl. Zeitschrift für geschichtl. Rechts- wissensch. B. 4 S. 40. . Diese läßt sich auf zweyerley Weise denken: als bloßer Zusatz zu der schon dem Geber zustehenden b. f. possessio, die schon für sich ein selbstständiges Geschenk Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. enthält (§ 155); oder auch allein stehend, wenn nämlich dem Geber das redliche Bewußtseyn, oder der Titel fehlt, so daß eine Usucapion überhaupt in dem Empfänger aller- erst anfängt, und mit ihr zugleich auch die b. f. posses- sio, die also in diesem Fall nicht als ein übertragenes Recht betrachtet werden kann, und auch nicht durch acces- sio possessionis unterstützt und erleichtert wird. Nun entsteht aber die wichtige Frage, ob dieser Fall auch als eigentliche Schenkung zu betrachten ist, in dem Sinn daß darauf die Nothwendigkeit der Insinuation, das Verbot in der Ehe, der Widerruf wegen Undankbarkeit, anzuwenden sind. Das würde dann die Folge haben, daß die Schenkung einer fremden Sache, da wo sie in das Gebiet jener ein- schränkenden Regeln fiele, auch nicht einmal als Usuca- pionstitel tauglich wäre. Dieses möchte man nun in der That anzunehmen aus folgendem Grunde geneigt seyn. Wenn ein Ehemann seine eigene Sache der Frau schenkt, so unterbleibt nicht nur der unmittelbare Übergang des Eigenthums, sondern es tritt auch keine Usucapion als Aushülfe für jenen Mangel ein; die Frau hat vielmehr keine civilis possessio Savigny Recht des Be- sitzes § 7. , das heißt sie kann gar nicht usucapiren L. 1 § 2 pro don. (41. 6.). „Si inter virum et uxorem do- natio facta sit, cessat usuca- pio.” Das geht zunächst und am einfachsten auf den hier angenom- menen Fall, da der Geber Eigen- thümer der Sache ist. Selbst im Fall der Scheidung (heißt es weiter) fängt keine Usucapion an, außer „si eam maritus conces- . Der Grund liegt darin, daß es der Frau §. 156. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 1. Dare. (Forts.) an allen Bedingungen der Usucapion fehlt; sie hat keinen Titel, da ein verbotenes, nichtiges Rechtsgeschäft einen solchen nicht abgeben kann; sie hat keinen redlichen Besitz, da sie weiß, daß sie eine fortwährend fremde Sache be- sitzt L. 19 pr. de don. int. vir. (24. 1.). „.. hoc enim b. f. pos- sessoribus concessum est: vi- rum autem scientem alienum possidere. ” Dasselbe muß auch für die Frau gelten, und selbst nach dem älteren Recht, und selbst wenn sie das gesetzliche Verbot der Schenkung nicht gekannt hätte. . Dasselbe möchte man nun auch erwarten, wenn der Geber nicht Eigenthümer ist, sondern eine fremde Sache schenkt; auch hier scheint der Titel sowohl, als der red- liche Besitz, zu fehlen. Und doch ist es hier theilweise anders. Die bestimmteste Stelle hierüber, von Pompo- nius, lautet also: L. 3 pro don. (41. 6.). „Si vir uxori, vel uxor viro donaverit, si aliena res donata fuerit, verum est quod Trebatius putabat, si pauperior is qui donas- set non fieret , usucapionem possidenti procedere.” Hier werden also zwey Fälle unterschieden. Erstlich, wenn der Geber durch die Schenkung ärmer wird, das serit, quasi nunc donasse in- telligatur.” Denn in diesem Au- genblick ist ja die Schenkung er- laubt. (Von dieser concessio vgl. L. 32 § 10 de don. int. vir. 24. 1.). Man könnte fragen, wozu jetzt noch eine Usucapion erfordert werde, da die gültige Schenkung schon von selbst Eigenthum über- trägt. Ohne Zweifel dachte Pau- lus an eine res mancipi, die ei- ner ergänzenden Usucapion be- durfte, weil jene concessio nur als Tradition wirken konnte. — Von einer ähnlichen concessio, wie sie in L. 1 § 2 cit. voraus- gesetzt wird, muß auch erklärt werden der Schluß von L. 24 de don. int. vir. (24. 1.). „.. al- tero, quod fuerit vitium, amo- tum sit.” Quod steht hier für si quod , so daß die Regel alle mögliche Fälle umfaßt, es mag ein vitium da gewesen seyn, oder nicht. IV. 8 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang heißt wenn es eine eigentliche, wahre Schenkung ist; nun soll in der That die Usucapion gehemmt seyn, ganz wie bey dem Geschenk der eigenen Sache, und aus denselben Gründen. Dieser Fall ist nun so zu denken, daß der Ge- ber selbst eine b. f. possessio, also den Usucapionsbesitz, hatte. Durch das Weggeben desselben opfert er ein wah- res Recht auf (§ 155), wird also ärmer. Daher fehlt es an einem gültigen Rechtstitel, und der Empfänger kann nicht usucapiren Im neuesten Recht ist die- ses der einzige Fall; im älteren Recht kam noch der andere Fall hinzu, wenn der Geber die Sache in bonis hatte; z. B. der Mann hatte ein Haus blos tradirt er- halten (nicht mancipirt), und ver- schenkte es nun vor Ablauf der Usucapion an die Frau. — In beiden Fällen tritt die merkwür- dige und bedenkliche Folge ein, daß der Beschenkte nicht usucapi- ren kann, der Geber aber auch seine bisherige Usucapion nicht mehr fortsetzt, indem dieselbe da- durch unterbrochen ist, daß der Beschenkte wahren Besitz erwor- ben hat. L. 1 § 4 de adqu. poss. (41. 2.), L. 1 § 2 in f. pro don. (41. 6.). . — Zweytens, wenn der Geber durch die Schenkung nicht ärmer wird, soll die Usucapion gel- ten. Dieser Fall ist so zu denken, daß der Geber selbst keinen Titel oder keinen redlichen Besitz hatte, in welchem Fall er nicht ärmer wird, weil er gar kein Recht hat, das er verlieren könnte. Warum soll nun hier die Usu- capion gültig seyn? An einem gültigen Rechtstitel fehlt es freylich nicht, da auf diesen Fall das gesetzliche Ver- bot gar nicht anwendbar ist Hier tritt recht deutlich, und in praktischer Wirksamkeit, der oben bemerkte Unterschied der po- . Dagegen scheint hier im- Denn obgleich nach dem älteren Recht die Rechtsunwissenheit den Frauen in der Regel nachgesehen wurde, so litt doch gerade bey Schenkungen diese Regel eine Ausnahme. Vgl. Beylage VIII. Num. VIII. und Num. XXXI. d. §. 156. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 1. Dare. (Forts.) mer noch der redliche Besitz zu fehlen (Note f ). Da in- dessen die Römischen Juristen hieran keinen Anstoß neh- men, so müssen sie sich wohl die Sache so gedacht haben. Der Beschenkte nimmt zwar allerdings an, die Sache sey noch in fremdem Eigenthum, nämlich in dem des Gebers (des andern Ehegatten). Da nun aber diese Annahme auf einem factischen Irrthum beruht, so wird sie als unschäd- lich behandelt, und der Besitzer gilt als redlich, weil er von dem Recht des wirklichen Eigenthümers in der That Nichts weiß Beylage VIII. Num. XV. a. — Man kann das, mit einem an- derwärts vorkommenden Aus- druck, so bezeichnen: plus est in re quam in existimatione. — Vergl. Faber conject. VII. 13. Retes de don. int. vir. C. 10 § 5 (Meerm. T. 6). Glück B. 26 S. 41—46. Unterholzner Verjährung B. 1 S. 395. . Dieselbe Regel wird auch anerkannt in folgender Stelle, welche gleichfalls keinen Zweifel wegen eines unredlichen Besitzes durchblicken läßt: L. 25 de don. int. vir. (24. 1.). „Sed et si, constante matrimonio, res aliena uxori a marito donata fuerit, dicendum … etsi non mortis causa donaverat ei, non impediretur usucapio. Nam jus constitutum ad eas donationes pertinet, ex quibus et locupletior mu- lier, et pauperior maritus in suis rebus fit ..... ” Ich übergehe hier die übri- . sitiven und negativen Seite der Schenkung hervor (§ 142. 143), der in den meisten übrigen An- wendungen wenig bemerklich wird. Die Handlung ist hier nämlich insofern eine Schenkung, als sie einen Titel zur Usucapion, und zwar ganz gewiß einer usucapio pro donato, abgiebt. Sie ist dagegen insofern keine Schenkung, als sie unter Ehegatten vorgeht, und dennoch nicht unter das Ver- bot der Schenkung in der Ehe fällt. 8* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Die Regel selbst wird hier so ausgedrückt, als ob die Usucapion allgemein gelten sollte, ohne Unterschied ob der Geber durch die Schenkung ärmer werde oder nicht. Allein der hinzugefügte Grund zeigt, daß der Verfasser (Teren- tius Clemens) ganz mit der oben dargestellten Unterschei- dung des Pomponius übereinstimmt, und also die Usuca- pion nicht gelten lassen will, wenn auch schon der Geber eine b. f. possessio gehabt haben sollte. Die alten Juristen haben diese Regeln, wie gewöhn- lich, an der Schenkung unter Ehegatten entwickelt; sie können aber unbedenklich eben so auch auf die Schenkung mit versäumter Insinuation angewendet werden. Wenn also der unredliche Besitzer eines fremden Hauses, welches 2000 Dukaten werth ist, dieses ohne Insinuation an ei- nen redlichen Empfänger verschenkt, so kann dieser das ganze Haus pro donato usucapiren. Hätte der Geber die b. f. possessio gehabt, so würde für den überschießenden Theil des Werthes die Usucapion nicht gelten. Nach dem Ablauf der Usucapion muß es nämlich so betrachtet wer- den, als wäre sogleich das wahre Eigenthum verschenkt worden (§ 166). Jura in re können in sehr verschiedener Weise zum Zweck einer Schenkung gebraucht werden Für diese und alle folgende . gen Theile der Stelle, welche von der mortis causa donatio han- deln, aus der Lex Julia zu er- klären sind, und aller vorgeschla- genen Emendationen gar nicht be- dürfen. Vergl. Glück B. 26 S. 39—46. §. 156. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 1. Dare. (Forts.) Der Eigenthümer kann schenken, indem er unentgeld- lich einen Niesbrauch constituirt: der Fructuar, indem er ihn unentgeldlich dem Eigenthümer zurück giebt L . 66. 78 de j. dot . (23. 3.), L . 57 sol. matr . (24. 3.). Diese Stellen sprechen allerdings nicht von der Schenkung, sondern von der Dos, die vermittelst ei- nes Ususfructus bestellt werden kann. Beide Rechtsinstitute un- terscheiden sich jedoch nur durch den Zweck des Gebens, und so können jene Stellen auch für die Schenkung benutzt werden, nur daß bey dieser die Schwierigkei- ten nicht vorkommen können, die bey der Dos aus der regelmäßi- gen Rückgabe am Ende der Ehe entstehen, und wovon der größte Theil der angeführten Stellen handelt. . Eben so kann der Fructuar die Benutzung des Niesbrauchs als Schenkung einem Andern überlassen L . 12 § 2, L . 38, L . 40 de usufr . (7. 1.). ; jedoch gehört die- ses mehr zum verschenkten Eigenthum, nämlich an den künftig entstehenden Früchten (§ 146. f ), da in der Sub- stanz des jus in re selbst gar keine Veränderung eintritt. Eben so kann der Usus schenkungsweise constituirt Darauf geht L . 27 de don . (39. 5.), vgl. § 153 Note l. u. o. , oder auch dem Eigenthümer zurückgegeben werden. Den Genuß desselben einem Andern zu überlassen, ist überhaupt unzulässig, also auch zum Zweck der Schenkung L . 10 pr. L . 11 L . 12 § 6 de usu (7. 8.). . Auf gleiche Weise verhält es sich mit den Prädialservituten L . 17 comm. praed . (8. 4.). — Man kann fragen, durch wel- che Rechtsform Servituten aller Art schenkungsweise constituirt werden können. Dieses fällt je- doch zusammen mit der allgemei- neren Streitfrage, ob zu ihrer Errichtung Vertrag hinreichend, oder Tradition nöthig ist. — Über die Frage, ob die Zerstörung ei- . Arten der Schenkung gilt die Re- gel der L . 9 pr. de don . (39. 5.). „Potest enim et citra corporis donationem valere donatio.” Diese Stelle allein würde schon zeigen, daß L . 9 § 3 eod . (Note c ) nicht in der buchstäblichen Allge- meinheit verstanden werden dürfe, wie es ihren Worten nach aller- dings denkbar wäre. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Noch weit unbedenklicher ist die Verwendung der Em- phyteuse zum Zweck einer Schenkung. Diese kann gesche- hen, indem der Eigenthümer eine solche errichtet, der Em- phyteuta sie zurückgiebt, oder derselbe Emphyteuta sie an einen Dritten veräußert § 3 J. de loc . (3. 24.), L . 1 C. de fundis patrim . (11. 61.). . Ganz eben so verhält es sich auch mit der Superficies L . 1 § 7 de superfic . (43. 18.). . Das Pfandrecht kann nicht zum Zweck einer Schen- kung benutzt werden, weil dadurch das Vermögen über- haupt nicht erweitert, sondern nur gegen möglichen Ver- lust gesichert wird (§ 149). §. 157. V. Schenkung. — Einzelne Rechtsgeschäfte. 2. Obligare. Die zweyte Klasse der Schenkungsmittel (§ 155) be- steht darin, daß der Beschenkte durch eine ihm verschaffte Schuldforderung bereichert wird. Diese zerfällt aber wie- der in zwey Arten, je nachdem eine Forderung an den Geber, oder an einen Dritten, als Schenkung dienen soll. Die Forderung an den Geber als Schenkung ist Das, was man das Schenkungsversprechen zu nennen pflegt, und welches viele neuere Schriftsteller als Hauptfall aller Schenkung willkührlich aufgefaßt haben (§ 142). Der Name Schenkungsversprechen könnte leicht zu der Ansicht führen, als wäre das nachfolgende Geben die eigentliche ner Servitut durch Nichtgebrauch als Schenkung gelten könne, vgl. Beylage IX. §. 157. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 2. Obligare. Schenkung, welche nur durch das vorhergehende Geben nothwendig würde. Dieses wäre aber ganz irrig. Das Versprechen ist die wahre und einzige Schenkung, wodurch die Bereicherung schon vollständig bewirkt wird L . 49 de V. S . (50. 16.). , das nachfolgende Geben ist die bloße Bezahlung einer Schuld, folglich durchaus keine Schenkung Vergl. oben § 149. — Die Wichtigkeit dieser Unterscheidung zeigt sich in folgenden Anwendun- gen. Wenn eine große Summe schenkungsweise versprochen wird, unter Anwendung der Insinua- tion, so bedarf die Auszahlung keiner Insinuation. Wenn ein Schenkungsversprechen zwischen Mann und Frau vor der Ehe gegeben war, so ist die Auszah- lung während der Ehe eine gül- tige Handlung. . Über die Form dieses Vertrags ist Folgendes zu be- merken. Im älteren Recht wurde dazu regelmäßig die Stipulation angewendet. Auch der Literalcontract konnte zu demselben Zweck angewendet werden, sowohl in seiner älteren Form, durch die von allen Römern geführten Hausbücher Sehr gründlich handelt da- von Meyerfeld I. S. 168 fg. — Nicht beweist dagegen L . 26 de don . (39. 5.), welche von der blo- ßen Eintragung in ein gewöhn- liches Rechnungsbuch zu verste- hen ist, nicht von jenem formel- len Contract. Denn theils war die ältere Form durch die Haus- bücher der Privatpersonen zur Zeit des Pomponius längst ver- schwunden, theils wäre in dieser Stelle höchstens die Erwähnung einer bloßen acceptilatio ent- halten, anstatt daß der alte Li- teralcontract gerade auf der ex- pensilatio beruhte. , als in der späteren Form, durch die ver- mittlenden Bücher der Argentarien, welche übrigens im Justinianischen Recht gleichfalls verschwunden ist. Durch Constitutum war eine Schenkung nie möglich; denn ent- weder war schon eine, wenigstens naturale, Obligation Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. vorhanden, dann war deren Verwandlung in eine civile keine Schenkung (§ 149): oder es fehlte eine solche, dann war auch das Constitutum wirkungslos L . 3 § 1 de pec. const . (13. 5.), vgl. mit L . 1 § 1. 7 eod . — Meyerfeld I. S. 185 fg. . — Im Ju- stinianischen Recht ist dieses Alles dadurch vereinfacht und erleichtert, daß auch der formlose Vertrag für klagbar erklärt worden ist L . 35 § 5 C. de don . (8. 54.), § 2 J. de don . (2. 7.), Nov . 161 C . 1. Seltsamerweise be- schränkt dieses Donellus XIII. 22 § 7. 8 auf Verträge de prae- senti, d. h. worin Einer sagt: dono tibi hanc rem, so daß ein auf die Zukunft gerichtetes Ver- sprechen nicht klagbar seyn soll; jene donatio in praesens con- cepta soll eine fingirte Tradition in sich schließen. Alles ganz will- kührlich. , wodurch also das gewöhnliche Schen- kungsversprechen, seiner Form nach, den Consensualcon- tracten gleich steht Ich sage: das gewöhnliche Schenkungsversprechen, im Ge- gensatz desjenigen, welches 500 Dukaten übersteigt. Denn für dieses Übermaas ist die Insinua- tion nöthig, gerade so wie bey der Schenkung durch Tradition, also gar nicht etwa um die man- gelhafte Form des Vertrags zu ergänzen. . — Das Schenkungsversprechen an eine Stadtgemeine ( pollicitatio ), oder zum Götterdienst ( votum ) führt wohl auch zuweilen den Namen donatio L . 9 L . 13 § 1 de pollic . (50. 12.). ; dennoch stand es nie unter den einschränkenden Regeln wah- rer Schenkung. Die Lex Cincia war darauf nicht an- wendbar L . 19 pr. de don . (39. 5.), L . 3 § 1 de pollic . (50. 12.), beide Stellen mit sichtbarem Gegensatz gegen die der L. Cincia unter- worfenen Fälle eigentlicher Schen- kung. — Eben so bey dem votum. L . 2 de pollic . (50. 12.). , und wenngleich es unter den speciellen Aus- nahmen von der Nothwendigkeit der Insinuation nicht er- wähnt wird, so kann doch diese nicht darauf bezogen wer- §. 157. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte 2. Obligare. den, eben weil die pollicitatio als ein von der donatio ganz verschiedenes Rechtsinstitut behandelt, und meist auch wörtlich bezeichnet wird Daß es nicht nach den Re- geln der donatio behandelt wer- den sollte, erhellt auch aus dem hier ganz eigenthümlichen, excep- tionellen Schutz der Erben gegen die übertriebene Größe des Ver- sprechens. L . 6 pr. L . 9 L . 14 de pollic . (50. 12.). Ferner dar- aus, daß hier Verzugszinsen ge- fordert werden können ( L . 1 pr. eod .), die bey der Schenkung nicht gelten. . Das Schenkungsversprechen hat, in Vergleichung mit anderen obligatorischen Verträgen, folgende Eigenheiten. Der Schuldner zahlt keine Verzugszinsen L . 22 de don . (39. 5.). . Er hat, wenn er verarmt, das sogenannte beneficium competen- tiae, und zwar mit der besondern Begünstigung, daß er seine übrigen Schulden vorweg abziehen kann, um, dem Kläger gegenüber, sein Unvermögen zu begründen L . 12 L . 33 pr. de don . (39. 5.), L . 19 § 1 L . 30 L . 41 § 2 de re jud . (42. 1.), L . 33 de j. dot . (23. 3.). . Er haftet, wenn die Sache untergeht oder verdorben wird, nur für den Dolus und grobe Nachlässigkeit Nach dem allgemeinen Princip in L . 5 § 2 commod . (13. 6.), L . 108 § 12 de leg . 1 (30. un.). Daß in diesen Stel- len die Regel blos auf Contracte, ja nur auf b. f. Contracte ge- stellt wird, hindert diese Anwen- dung nicht, denn auch in L . 108 cit . wird die Regel analogisch auf die Legate angewendet; noch nä- her liegt aber die Anwendung auf das Schenkungsversprechen. ; desglei- chen wegen der Eviction und der ädilizischen Klagen nur im Fall des Dolus L . 18 § 3 de don . (39. 5.), L . 62 de aedil. ed . (21. 1.). Auch im Fall des Dolus können hier die Klagen nicht, wie bey Kauf- contracten, auf Verminderung oder auf Rückgabe des Kaufgel- des u. s. w. gehen, da kein Kaufgeld vorhanden ist, sondern nur auf Ersatz Desjenigen, was etwa der Beschenkte aus eigenem Vermö- gen auf die Sache verwendet hat, . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Auch auf indirecte Weise kann eine Schuld übernom- men werden zum Zweck der Schenkung. So wenn Der- jenige, welcher durch eine Exception gegen des Andern Klage geschützt war, diese Exception wissentlich auf- giebt L . 12 de novat . (46. 2.). „.. similis videbitur ei qui do- nat, quoniam remittere excep- tionem videtur.” ; eben so wenn er auf irgend eine andere Weise absichtlich bewirkt, daß er verurtheilt werde, oder die un- gegründete Schuld in jure eingesteht L . 1 § 7 si quid in fraud . (38. 5.). „Si quidem condem- natus est data opera, vel in jure confessus, dicendum erit Favianam locum habere.” Das- selbe, was hier als Grund der Faviana anerkannt wird, muß auch als Schenkung gelten, wenn es in anderen Fällen zur Berei- cherung des Gegners geschieht. . Die zweyte Art der durch Obligation bewirkten Schen- kung besteht darin, daß dem Beschenkten eine Schuldfor- derung an einen Dritten verschafft wird. Diese Schuldforderung kann eine solche seyn, welche erst jetzt erzeugt, und in demselben Augenblick zur Schen- kung verwendet wird. So wenn Jemand sein eigenes Geld als Darlehen giebt, aber im Namen Desjenigen, den er mit dieser Forderung beschenken will, und zwar so daß Dieser entweder sich die Rückzahlung durch eigenen Vertrag von dem Schuldner versprechen läßt, oder daß er darüber mit dem Geber einverstanden war, in welchem Fall es eben so gut ist, als wäre das Geld (durch con- stitutum ) in sein Eigenthum gekommen L . 34 pr. de don . (39. 5.). . Eben so durch und wodurch er also jetzt ärmer werden würde, als er vor der Schenkung war. §. 157. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 2. Obligare. ein Depositum, welches nicht dem Überbringer, sondern einem Andern (dem Beschenkten), zurück gegeben werden soll, gleichfalls unter der Voraussetzung, daß dieser selbst an dem Vertrag Theil nehme In L . 31 § 3 de don . (39. 5.) heißt es von dem bloßen, auf den Namen eines Andern gege- benen, Depositum: „non videri celebratam donationem respon- di.” Anders ist es, wenn das, mit übertragenem Eigenthum ver- bundene, Depositum in Gegen- wart des Beschenkten geschlossen wird; denn nun ist der Fall ganz ähnlich dem des Darlehens mit constitutum possessorium (No- te q). L . 31 § 1 eod . — Kein Widerspruch liegt in L . 6 C. de don. int. vir . (5. 16.) „etsi do- nasse te uxori res tuas ex hoc quis intelligat ;” denn hier wird das Daseyn wahrer Schenkung dahin gestellt, und nur wegen des durchgreifenden Verbots der Schenkung in der Ehe für gleich- gültig erklärt. . Ganz besonders auch „Si pater emancipati filii no- mine donationis animo pecu- niam foeneravit, eamque filius stipulatus ( est ) ipso jure per- fectam donationem, ambigi non potest.” Diese Stelle redet von einem Vertrag des Beschenkten mit dem Schuldner. Für die Über- einkunft zwischen dem Geber und dem Beschenkten (mit constitu- tum possessorium ) wird dasselbe anerkannt in L . 2 § 4 L . 9 § 8 de reb. cred . (12. 1.). (In der letzten Stelle geht das absente te et ignorante auf den Augen- blick der Vollziehung, die vorher- gehende voluntas wird voraus- gesetzt, wie die nachfolgenden Worte des bestätigenden Julian zeigen). — Fehlt nun aber bei- derley Theilnahme des Schuld- ners, so ist noch nicht perfecta donatio, und es gilt nur als ein Auftrag an den Schuldner, künf- tig dem Empfänger zu tradiren, durch welche Tradition die Schen- kung dann erst perfect wird. L . 19 § 3 de don . (39. 5.) (vgl. § 160. o ). — Einen Widerspruch gegen diese Behauptungen könnte man finden wollen in L . 35 § 2 de don . (39. 5.). Hier heißt es, eine Großmutter habe für ihren En- kel Labeo ihr Geld als Darlehen gegeben. „Respondit, cum de- bitor Labeoni obligatus est (oder esset), perfectam dona- tionem esse.” Das will sagen: die Schenkung ist nur dann per- fect, wenn Labeo eine Forde- rung gegen den Schuldner (auf einem der oben angegebenen We- ge) erworben hat. Die Worte: cum debitor etc. haben also eine einschränkende Bedeutung, und gereichen so zur Bestätigung der aufgestellten Sätze. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. durch die Dos, welche ein Fremder dem Ehemann giebt oder verspricht; denn darin liegt stets eine Schenkung des Gebers an die Frau, welche dadurch in der Regel die dotis actio gegen den Mann, für den Fall der Auflösung der Ehe, erwirbt. Hier ist nicht einmal eine Theilnahme der Frau an dem Vertrag nöthig, indem sie selbst ohne ihr Wissen die dotis actio erwirbt L . 9 § 1 L . 33 in f. L . 43 § 1 de j. dot . (23. 3.), L . 5 § 5 de doli exc . (44. 4.), L. un. § 13 C. de rei ux. act . (5. 13.). Daß hier manche Modificationen in An- sehung der Insinuation, aus be- sonderer Begünstigung der Dos, eintreten, kann die allgemeine Schenkungsnatur dieses Falles nicht zweifelhaft machen, ja es dient noch zu ihrer Bestätigung. — Eben so ist es aber auch im umgekehrten Fall eine Schenkung, wenn die Frau selbst die Dos giebt, und einem Dritten, den sie beschenken will, die Rückforderung zu stipuliren erlaubt. L . 11 de dote praeleg . (33. 4.). . — Bey diesen Fäl- len könnte wieder der Zweifel entstehen, ob nicht blos ein möglicher Erwerb ausgeschlagen werde, welches keine wahre Schenkung ist (§ 145). Allein der Geber thut hier in der That Alles, was zum eignen Erwerb einer Forde- rung nöthig ist; indem er nun diese Forderung unmittel- bar auf den Beschenkten hinüber leitet, liegt darin nur eine natürliche Abkürzung des Geschäfts. Es ist völlig eben so, als hätte er die Forderung erst für sich erwor- ben, und dann an den Anderen cedirt (§ 148. a ). — Die- selbe Art der Schenkung ist auch darin enthalten, wenn der Geber donationis causa einem Dritten Auftrag giebt, dem Empfänger Etwas zu versprechen; nun hat der Dritte §. 157. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 2. Obligare. gegen den Geber eine mandati actio contraria auf Ent- schädigung L . 52 § 1 de don. int vir . (24. 1.). „Uxor viro fructum fundi ab herede suo dari, quod si datus non fuisset certam pe- cnniam mortis causa promitti curavit: defuncto viro viva mu- liere stipulatio solvitur.” Hier hatte die Frau das Mandat ih- rem (präsumtiven) Erben gege- ben; wurde nun dieser späterhin wirklich Erbe, so gieng die man- dati actio durch confusio unter: wurde er es nicht (z. B. indem er ausschlug), so konnte er jene Klage gegen den Erben anstellen, wenn die Schenkung durch den früheren Tod der Frau confir- mirt wurde. . Es kann aber auch die Schuldforderung schon früher bestanden haben, und nun, zum Zweck der Schenkung, übertragen werden. — Eine solche Übertragung kann ge- schehen durch Cession, die dann ganz die Natur einer Schenkung annimmt L . 2. 3 C. de don . (8. 54.). Nach der allgemeinen Natur der Cession konnte die geschenkte For- derung nur dann auf die Erben des Beschenkten übergehen, wenn die Litiscontestation vorüber war; davon wurde zum Vortheil des Beschenkten eine besondere Aus- nahme zugelassen in L . 33 C. de don . (8. 54.). Seitdem L . 35 C. eod . das Schenkungsverspre- chen allgemein klagbar gemacht hat, ist diese Ausnahme entbehr- lich; denn die nothwendige Ces- sion führt auch ohne Litisconte- station eine utilis actio mit sich, welche stets vererblich ist. . — Noch wirksamer geschieht sie durch eine Delegation, indem der Glaubiger, welcher ei- nen Dritten beschenken will, seinen Schuldner auffordert, diesem Dritten zu expromittiren L . 2 § 1 de don . (39. 5.), L . 11 C. eod . (8. 54.). — Auf Delegation und Cession zugleich geht Fragm. Vatic . § 263 „.. nec interpositis delegationibus, aut inchoatis litibus, actiones no- vavit ..” . Darin liegt eine wahre Schenkung des ursprünglichen Glaubigers an den Dritten L . 21 § 1 de don . (39. 5.). Vgl. Beylage X. Num. VII. . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Ein complicirterer Fall ist der, wenn A dem B , und eben so B dem C 1000 schenken will, nun aber B den A auffordert, diese 1000 dem C zu promittiren; hier ist eine Schenkung zwischen A und B , desgleichen zwischen B und C , aber nicht zwischen A und C , das heißt gerade zwi- schen den einzigen Personen, zwischen welchen jetzt über- haupt ein Schuldverhältniß besteht L . 2 § 2 L . 33 § 3 de don . (39 5.), L . 41 pr. de re jud . (42. 1.). Wenn daher C ge- gen A aus dem Versprechen klagt, so kann sich A auf das benefi- cium competentiae nicht berufen. . Wer Bürgschaft leistet, schenkt dadurch niemals dem Glaubiger, da dessen Vermögen durch keinen neuen Be- standtheil erweitert, sondern nur in einem schon vorhan- denen Theil gesichert wird (§ 149. d ). §. 158. V. Schenkung. — Einzelne Rechtsgeschäfte. 3. Liberare. Jede Befreyung von einer Schuld ist wahre Bereiche- rung des Schuldners L . 115 pr. de R. J . (50 17.), L . 20 quod. metus (4. 2.), L . 11 pr. de acceptil . (46 4). . Sind nun auch die übrigen Er- fordernisse einer Schenkung dabey vorhanden, so liegt darin eine wahre Schenkung. Der Betrag derselben ist stets gleich dem Betrag der aufgehobenen Schuld, selbst wenn der Schuldner insolvent gewesen seyn sollte L . 31 § 1. 4 de mortis causa don . (39. 6.), L . 22 § 3 L . 82 ad L. Falcid . (35. 2.): „ipse sibi solvendo videtur, et, quod ad se attinet, dives est.” . Denn obgleich hier die Befreyung von einer einzelnen Schuld, §. 158. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 3. Liberare. die ohnehin nicht gezahlt werden konnte, factisch als gleich- gültig erscheint, so ist dennoch die Erweiterung des Ver- mögens unzweifelhaft. Denn das Vermögen gilt stets als eine unbestimmte Größe, wobey nicht blos die Summe als unbestimmt gedacht werden muß, sondern selbst der positive oder negative Totalwerth. Sollte also das Ver- mögen auch eine negative Größe seyn, so liegt doch, ju- ristisch betrachtet, in jeder Verminderung des Minus eine ganz gleichartige Veränderung, wie wenn bey einem Ver- mögen von positivem Werth das Plus erhöht wird. Die Forderung nun, wovon der Beschenkte befreyt werden soll, kann entweder dem Geber selbst zustehen, oder einem Dritten. Die Schenkung durch Erlaß einer eigenen Forderung geschieht am einfachsten und häufigsten durch Vertrag. Dieser Erlaßvertrag konnte bey den Römern sowohl eine Acceptilation, als ein bloßes Pactum seyn. Die Accepti- lation wirkte, wie überall, so auch im Fall der Schen- kung, am vollständigsten L . 17 de don . (39. 5.), L . 2 C. de acceptil . (8. 44.). ; doch konnte auch sie nur dann als Schenkung gelten, wenn die Forderung rechts- gültig war; stand dieser ohnehin eine wirksame Exception entgegen, so daß die Acceptilation nur angewendet wurde, um jeden Schein einer Schuld zu tilgen, so lag darin keine Schenkung, weil der Schuldner nicht reicher da- durch wurde Vgl. § 149. — Der hier an- genommene Fall ist vollständig an- . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Auch das bloße Pactum konnte schon bey den Römern als wahre Schenkung gelten, da es von der Schuld wirk- sam befreyte L . 1 de transact . (2. 15.). „Qui transigit, quasi de re du- bia et lite incerta neque finita transigit: qui vero paciscitur donationis causa , rem certam et indubitatam liberalitate re- mittit .” Die Worte donationis causa gehören, als einschränkende Bestimmung, zu paciscitur; pac- tum also ist das genus, Arten desselben sind die transactio und der Erlaß als Schenkung. (Vgl. L . 2 eod ., Bartolus in L . 1 cit . und nach ihm viele Andere. Den- noch ist selbst in den neuesten Ausgaben das Komma irrig hin- ter paciscitur gesetzt). Der an- gegebene Unterschied beider Ge- schäfte liegt im Wesen der Sache; wenn auch die Parteyen den Aus- druck donatio irrig anwenden, so ändert das in der Sache Nichts. (Vgl. L . 15 § 4 locati 19. 2.). — L . 1 § 1 quib. mod. pign . (20. 6.), L . 28 § 2 de pactis (2. 14.), L . 52 § 26 de furtis (47. 2.), L . 15 pr. ad L. Falc . (35. 2.). . In der Regel geschah dieses zwar nur per exceptionem, welches jedoch auch schon hinreichend war: in einigen ausgenommenen Fällen wirkte es sogar ipso jure L . 17 § 1 L . 27 § 2 de pactis (2. 14.), L . 17 § 6 de in- jur . (47. 10.). , welches im heutigen Recht allgemein ange- nommen werden muß. — Ein solcher Erlaßvertrag kann auch stillschweigend, das heißt durch Handlungen die den Willen bestimmt offenbaren, geschlossen werden So z. B. nicht selten durch Rückgabe des Schuldscheins. L . 2 § 1 de pactis (2. 14.). (Vergl. § 131). Andere Fälle, worin ein solcher Vertrag durch Interpre- tation angenommen wird, finden sich in L . 17 § 1 de usur . (22. 1.), L . 26 de prob . (22. 3.). Mit Unrecht hat man aus diesen blos casuistischen Stellen Rechtsregeln ableiten, oder andere Rechtsre- geln widerlegen wollen. . — Da- gegen ist ein einseitiger Verzicht, bey der Schenkung wie zu anderen Zwecken, ganz unwirksam; aber durch die An- nahme von Seiten des Schuldners nimmt er die Natur gegeben in L . 3 de cond. sine causa (12. 7.), L . 2 § 3 de doli exc . (44. 4.). §. 158. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 3. Liberare. eines Vertrags an, und wirkt nun auf die so eben dar- gestellte Weise. So lange diese Annahme fehlt, kann der Verzicht stets zurückgenommen werden, und ein solcher Widerruf liegt von selbst in der angestellten Klage, so wie in der außergerichtlichen Einforderung Sehr erschöpfend hat diese Frage behandelt Meyerfeld I. S. 208. Viele Praktiker haben die entgegengesetzte Meynung. Vgl. Kind quaest. for. T. 4 C. 59. — Einen Widerspruch könnte man finden wollen in L . 18 § 2 de m. c. don . (39. 6.) und L . 28 eod .; vergl. über diese Stellen § 170. cc. . — Eine zweydeutige Natur hat die Erklärung eines Glaubigers, daß der Andere ihm Nichts mehr schuldig sey, daß er Alles gezahlt habe; es hängt von den Umständen ab, ob dieselbe als Ausdruck eines Erlaßvertrags, oder blos als Quittung zu betrachten ist, in welchem letzten Fall sie gar keine Wirkung hat, wenn sie erweislich auf Irrthum be- ruht L . 40 pr. de pactis (2. 14.), L . 6 L . 13 C. de solut . (8. 43.). Selbst wenn sich eine Acceptila- tion auf Irrthum gründete, galt dagegen die condictio indebiti; die bloße Quittung bedarf dieser nicht einmal, da sie kein Rechts- geschäft, sondern nur ein Beweis- mittel ist. . — Der Erlaß, welchen ein Glaubiger dem Bür- gen gewährt, ist keine wahre Schenkung. Denn da die Übernahme der Bürgschaft nicht als Bereicherung des Glaubigers betrachtet wird (§ 149. d ), so ist auch jener Erlaß keine Verminderung seines Vermögens, folglich auch keine Schenkung. Die Befreyung des Schuldners von der eigenen For- derung des Gebers kann auch indirecterweise, ohne Ver- trag, bewirkt werden. So wenn der Glaubiger die IV. 9 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Schuld einklagt, aber den Prozeß absichtlich dergestalt führt, daß er abgewiesen werden muß L . 5 § 7 de don. int. vir (24. 1.), L . 3 § 1 quae in fraud . (42. 8.), L . 1 § 7 si quid in fraud . (38. 5.). — Geschieht Die- ses zwischen Ehegatten, so ist das Urtheil darum nicht minder gül- tig, aber es gilt eine Condiction auf den Geldwerth. L . 5 § 7 cit . . Eben so wenn er es gar nicht zu einem eigentlichen Verfahren kommen läßt, indem er vor Gericht eingesteht, daß ihm der An- dere Nichts schuldig sey L . 29 § 1 de don . (39. 5.). — Nicht auf diese Arten der Schenkung zu beziehen sind einige Stellen, worin donare sehr un- eigentlich gebraucht wird für die von dem Prätor oder einem Ad- vokaten bewirkte Befreyung, also von solchen Personen, die selbst gar Nichts dafür aufopfern. L . 8 § 17 de transact . (2. 15.), L . 212 de V. S . (50. 16.). — Von der Befreyung durch zugelassene Klag- verjährung vgl. Beylage IX. . In den bisher dargestellten Fällen war die Schuld, worauf sich die Befreyung bezog, schon vor der Schen- kung wirklich vorhanden gewesen. Die Schenkung kann aber auch so geschehen, daß die Forderung in ihrer Ent- stehung zerstört wird, so daß sie überhaupt gar nicht zu Stande kommt. Wenn Einer des Andern Geschäfte ohne Auftrag besorgt, so erwirbt er dadurch in der Regel eine actio negotiorum gestorum contraria auf Ersatz der auf- gewendeten Kosten. Dieses setzt aber die Absicht voraus, den Andern auf solche Weise zu verpflichten. Hat dage- gen der Geschäftsführer die Absicht, den Andern durch diesen Aufwand zu beschenken, so entsteht jene Obligation nicht; die Handlung ist dann eine Schenkung, bewirkt durch die Befreyung des Andern von einer Schuld, die §. 158. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 3. Liberare. nie vorhanden war, die aber ohne jene wohlwollende Ab- sicht entstanden seyn würde. Ein Fall dieser Art ist es, wenn Einer des Andern Landgut unentgeldlich bestellt, also in der Absicht, ihm mit dem Aufwand an Arbeitslohn und Saatfrucht ein Geschenk zu machen; eben so wenn er auf des Andern Boden ein Haus baut, in der Absicht den Eigenthümer durch die Materialien und den Arbeitslohn zu bereichern L . 14 de don . (39. 5.), L . 2 in f. C. de rei vind . (3. 32.). . Es kann endlich die Forderung, durch deren Tilgung geschenkt werden soll, auch einem Andern als dem Geber zugestanden haben. Wenn Einer die Schuld eines Andern bezahlt, so wird dadurch der Schuldner frey, selbst wenn es ohne Auftrag, ja ohne des Schuldners Wissen, oder gegen dessen Wil- len geschieht L . 23 de solut . (46. 3.). . Kommt nun hinzu die Absicht, den Schuldner zu bereichern, so liegt darin eine wahre Schen- kung L . 7 § 7 L . 50 pr. de don. int. vir . (24. 1.), L . 12 C. de neg. gestis (2. 19.). — Selbst wenn die Schuld eine bloße naturalis obligatio ist. L . 9 § 1 de Sc. Maced . (14. 6.). . — Eben so, wenn die Tilgung der fremden Schuld nicht durch Zahlung, sondern durch Expromission bewirkt wird, welches gleichfalls ohne Rücksicht auf des Schuldners Bewußtseyn und Willen geschieht L . 91 de solut . (46. 3.), L . 8 in f. de novat . (46. 2.), L . 13 § 10 de acceptil . (46. 4.). . Auch hierin liegt eine Schenkung, und zwar steht der Expro- mittent in einem Schenkungsverhältniß nur zu dem Schuld- 9* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ner, nicht zu dem Glaubiger L . 21 pr. de don . (39. 5.), L . 5 § 5 de doli except . (44. 4.), L . 33 de nov . (46. 2.). (Vergl. Beylage X. Num. VI. VII. ). Das- selbe muß allerdings auch bey dem vorhergehenden Fall (der Zahlung) behauptet werden, nur liegt bey der Expromission die Verwechs- lung näher, weil hier ein fort- dauerndes Rechtsverhältniß zwi- schen dem Expromittenten und dem Glaubiger entsteht. . Die Expromission kann unter andern so geschehen, daß der Geber seinen Schuld- ner A dem B , welcher Glaubiger des Empfängers ist, expromittiren läßt. Hier werden beide alte Schuldver- hältnisse aufgelöst, zwischen A und B besteht keine Schen- kung, und die Bereicherung des Empfängers wird, so wie in dem vorigen Fall, durch eine Liberation bewirkt. — Auch durch die freywillig, und auf eigene Rechnung über- nommene Prozeßführung für den Schuldner kann diese Art der Schenkung bewirkt werden L . 23 de solut . (46. 3.). „.. vel judicium pro nobis ac- cipiendo,” welches hier mit der baaren Zahlung auf gleiche Linie als Befreyungsmittel gestellt wird. . — Endlich führt zu demselben Zweck die übernommene Bürgschaft. Eine Schen- kung an den Glaubiger liegt darin niemals, weil derselbe sein Vermögen nicht erweitert, sondern nur größere Si- cherheit erhält; eine Schenkung an den Schuldner kann darin liegen, wenn die Bürgschaft geleistet wird mit der Absicht, niemals gegen den Schuldner einen Regreß neh- men zu wollen L . 6 § 2 mand . (17. 1.), L . 4 de neg. gestis (3. 5.), L . 32 de pactis (2. 14.), L . 1 § 19 si quid in fraud . (38. 5.), L . 9 § 3 de Sc. Maced . (14. 6.). — Vgl. § 149. d. . Jedoch liegt hierin blos eine eventu- elle Schenkung, nämlich nur für den Fall daß der Bürge in die Lage kommt, die Schuld zu zahlen; wodurch sich §. 158. Schenkung. Einzelne Rechtsgeschäfte. 3. Liberare. also dieser Fall von den vorhergehenden unterscheidet, in welchen stets eine unbedingte Schenkung enthalten ist. Die hier zusammen gestellten Fälle der Tilgung einer fremden Forderung lassen sich jedoch insgesammt auch so auffassen, daß darin zugleich die Befreyung von einer ei- genen Forderung des Gebers selbst enthalten ist. Wenn nämlich Einer für den Andern zahlt, expromittirt, Bürg- schaft leistet, so kann dieses hervorgehen aus einem Man- dat, einer negotiorum gestio, oder aus der Absicht zu schenken L . 6 § 2 mand . (17. 1.), L , 4 de neg. gestis (3. 5.). . In den beiden ersten Fällen ist überhaupt keine Schenkung enthalten, da Derjenige, welcher so den Schuldner befreyt, stets eine Regreßklage gegen diesen hat. Demnach enthalten alle jene Fälle nur insofern eine Schen- kung, als der Befreyende die besondere Absicht hat, die Regreßklage dem Schuldner zu erlassen, die er selbst au- ßerdem gegen ihn haben würde. Es liegt also hier immer auch der Erlaß einer eigenen Forderung zum Grunde. Allein eben diese Betrachtung führt wieder ein Beden- ken herbey. Es gewinnt dadurch den Schein, als ob der Befreyende nicht ein schon erworbenes Recht aufopferte, sondern nur den Erwerb eines neuen Rechts von sich ab- wiese, welches man als dem Begriff wahrer Schenkung widersprechend ansehen koͤnnte. Diesem Einwurf ist jedoch auf dieselbe Weise zu begegnen, wie es oben bey den obli- gatorischen Schenkungen bereits geschehen ist (§ 157). Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Bey allen diesen verschiedenen Schenkungsmitteln ka- men Fälle vor, worin das mit einem Dritten eingegan- gene Rechtsgeschäft zum Zweck der Schenkung verwendet wurde. So, wenn der Geber eine fremde Sache, mit des Eigenthümers Willen, und durch Auftrag an diesen, verschenkt (§ 156. b ); wenn der Empfänger eine Schuld- forderung an einen Dritten bekommt (§ 157); wenn der Empfänger von der Schuld an einen Dritten durch Zah- lung oder Expromission des Gebers befreyt wird (§ 158). Die Zulässigkeit solcher Schenkungen durch Zwischenper- sonen ist im Allgemeinen anerkannt L . 4 de don . (39. 5.). „Etiam per interpositam per- sonam donatio consummari po- test.” . Ganz gewiß steht diese Zwischenperson durchaus nicht in einem Schenkungs- verhältniß, weder als Geber noch als Empfänger, son- dern sie vermittelt nur die zwischen anderen Personen vor- gehende Schenkung. Es fragt sich aber, ob die aus po- sitiven Rechtsregeln hervorgehende Ungültigkeit oder Ent- kräftung der Schenkung auch auf das Rechtsgeschäft mit jener Zwischenperson zurück wirkt. Diese Frage wird in der Beylage X. behandelt. §. 159. V. Schenkung. — Einzelne Rechtsgeschäfte. 4. Ganzes Vermögen. Bisher ist die Schenkung dargestellt worden in Anwen- dung auf einzelne im Vermögen enthaltene Rechte; sie §. 159. Schenkung. Einzelne Geschäfte. 4. Ganzes Vermögen. kann sich aber auch beziehen auf das Vermögen im Gan- zen, das heißt auf alle im Vermögen gegenwärtig enthal- tene Rechte, und diese umfassendste Anwendung bedarf noch einer näheren Betrachtung Ausführlich handelt von diesem Fall Meyerfeld II. § 21. . — Das Eigenthümliche dieses Falles kann unter verschiedenen Gestalten vorkom- men. Am Einfachsten als unbeschränkte Schenkung des Ganzen; aber auch an einer Quote des Vermögens; oder mit Vorbehalt einzelner Vermögensstücke, welche nicht mit geschenkt seyn sollen Dieser Fall kommt vor in L . 37 § 3 de leg . 3 (32. un.). ; mit Vorbehalt des Niesbrauchs; mit der Verpflichtung des Empfängers, dem Geber Ali- mente zu entrichten, welches ein Modus der Schenkung ist. Im älteren Recht entstand dabey die Schwierigkeit, daß die Formen, wodurch vorzugsweise die Schenkung vollgültig wurde (Mancipation und Tradition), nur auf einzelne Sachen, nicht auf das Vermögen als ein ideales Object, anwendbar waren. Darum wird in mehreren Stellen gesagt, man müsse die einzelnen Sachen übertra- gen, die auf das Ganze gerichtete Schenkung sey unwirk- sam Hauptstellen: Fragm. Va- tic . § 263, Cod. Hermog . VII. 1 ed. Hänel (vormals VI. 1, steht interpolirt in L . 11 C. de don . 8. 54., vgl. Meyerfeld S. 9). — Beyspiele einer Vollziehung durch einzelne Traditionen (ur- sprünglich auch Mancipationen oder Cessionen) in L . 42 pr. de m. c. don . (39. 6.), L . 37 § 3 de leg . 3 (32. un.). ; insbesondere gelte diese Unwirksamkeit auch von einem, als bloße Schenkung gemeynten, Scheinkauf Cod. Hermog . VII. 2 (vor- mals VI. 2). Vgl. oben § 154. c. . Diese formelle Schwierigkeit fällt weg im Justinianischen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Recht, worin ausdrücklich gesagt wird, daß eine solche Schenkung schon durch formlosen Vertrag vollgültig werde, indem dadurch die Verpflichtung des Gebers zur Erfül- lung begründet sey L . 35 § 4 C. de don . (8. 54.). . Außerdem erklärt Justinian im Allgemeinen für wirksam die durch den vorbehaltnen Nies- brauch bewirkte Tradition (§ 155. g ). Soll jedoch diese letzte Form auf die Schenkung des ganzen Vermögens ange- wendet werden, so ist dieses nur durch Bezeichnung ein- zelner Sachen ausführbar, weil nur an diesen (nicht an dem Vermögen als einem idealen Ganzen) ein Besitz mög- lich ist, und weil derselbe nur durch die auf jede einzelne Sache gerichtete Absicht des Besitzers erworben werden kann. Aber unabhängig von dieser formellen Schwierigkeit, und dieser im Römischen Recht eingetretenen Modification der Rechtssätze, ist die eigenthümliche Natur des aus ei- ner Schenkung des ganzen Vermögens hervorgehenden Rechtsverhältnisses. Dafür gilt die wichtige Regel, daß eine solche Schenkung niemals als eine Succession per universitatem, einer Erbschaft gleich, betrachtet werden darf (§ 105), und diese Regel ist stets unverändert ge- blieben. Die erste Folge ist die, daß die einzelnen Eigen- thumsrechte besonders durch Tradition übertragen werden müssen, wofür jedoch schon oben manche Erleichterungen angegeben worden sind. Zweytens folgt daraus, daß die einzelnen Schuldforderungen besonders zu cediren sind; aber auch dieses macht wenig Schwierigkeit, da der Be- §. 159. Schenkung. Einzelne Geschäfte. 4. Ganzes Vermögen. schenkte jede Schuldklage, deren Cession er ohnehin er- zwingen könnte, nun auch ohne wirkliche Cession, als uti- lis actio, anstellen kann (§ 157. t ). Wichtiger aber ist die dritte Folge, daß der Beschenkte mit den Glaubigern des Gebers in gar keinem Rechtsverhältniß steht, folglich von diesen nicht belangt werden kann, während der Geber Nichts mehr hat, woraus er sie befriedigen könnte. Wenn hierüber bey der Schenkung selbst Nichts besonders aus- bedungen ist, so gilt die sehr natürliche Annahme, daß sich der Empfänger stillschweigend verpflichtet habe, alle Schul- den zu bezahlen, also den Geber gegen die Glaubiger zu vertreten L. 72 pr. de j. dot. (23. 3.). Die Stelle spricht nicht unmittel- bar von einer Schenkung, son- dern von einer Dotation, welche von der Frau durch ihr ganzes Vermögen geschieht. Davon heißt es, der Mann gelte nicht einem Erben gleich, könne also nicht von den Glaubigern verklagt werden; „sed non plus esse in promis- sione bonorum, quam quod su- perest deducto aere alieno.” Allerdings ist nun die von der Frau bestellte Dos keine Schen- kung, allein das Verhältniß zu den Glaubigern ist ganz dasselbe. Denn eine promissio bonorum liegt in beiden Fällen zum Grun- de, und die Auslegung einer sol- chen promissio, die hier Paulus in Anwendung auf die Dos gel- tend macht, muß auch in Anwen- dung auf die Schenkung gelten. . Diese Annahme ist die unmittelbare Folge des Begriffs vom Vermögen, welches hier den Gegenstand der Schenkung ausmacht; denn Vermögen heißt überall nur diejenige Summe von Rechten, welche dem Inhaber nach Abzug der Schulden übrig bleibt L. 39 § 1 de V. S. (50. 16.), L. 69 ad L. Falc. (35. 2.), L. 11 de j. fisci (49. 14.), L. 8 § 4 C. de bon. quae lib. (6. 61.). — Noch wird ausdrücklich be- merkt, daß hierin die Ausdrücke bona und res ganz gleiche Be- deutung haben. L. 43 de usu leg. (33. 2.). . Wie diese Ver- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. pflichtung geltend gemacht wird, läßt sich an einem nahe verwandten Fall darthun. Wenn nicht das Vermögen als Ganzes verschenkt wird, sondern nur ein einzelnes Ver- mögensstück, z. B. ein Landgut, in welchem vielleicht der größte Theil des Vermögens besteht, so gilt jene still- schweigende Übernahme der Schulden nicht, sondern es be- darf dazu eines ausdrücklichen Vertrags; ist aber dieser geschlossen, so kann der Geber dessen Erfüllung mit einer actio praescriptis verbis erzwingen, er kann nach Umstän- den auch mit einer Condiction das Geschenk zurückfor- dern L. 15. 22 C. de don. (8. 54.), L. 2 C. de cond. ob caus. (4. 6.). . Unzweifelhaft kann er diese Klagen auch den Glaubigern cediren, welche sie dann unmittelbar anstellen können. Beruft er sich, diesen gegenüber, blos auf seine Armuth, als einen Grund unmöglicher Execution, so kann er unter andern zur Cession jener Klagen, die ja selbst ein wichtiges Vermögensstück sind, gezwungen werden, und auf diesem indirecten Wege erhalten die Glaubiger auch gegen den Empfänger der Schenkung einen unfehlbaren Anspruch. Hat der Geber das Vermögen noch nicht wirk- lich abgeliefert, und wird er auf Erfüllung der Schen- kung verklagt, so kann er die erwähnten Klagen gewiß auch vertheidigungsweise, durch doli exceptio, geltend machen. Ja daß er dieses darf, folgt ganz unmittelbar aus seinem beneficium competentiae, welches er in der Art geltend machen kann, daß die Schulden vorweg ab- §. 159. Schenkung. Einzelne Geschäfte. 4. Ganzes Vermögen. gerechnet werden L. 12 de don. (39. 5.). „.. in quantum facere potest, convenitur: sed enim id, quod creditoribus debetur, erit de- trahendum …” ; hierin ist ihm das Recht dieser Ab- rechnung unmittelbar zuerkannt. Allein dieses ganze Verhältniß wurde bisher nur aus einem stillschweigenden Vertrag, also aus einer Auslegung des Willens, abgeleitet. Davon kann nicht die Rede seyn, wenn ausdrücklich bestimmt ist, der Empfänger des Ver- mögens solle die Schulden nicht zu bezahlen haben. Daß eine solche Unrechtlichkeit nicht zu dulden ist, versteht sich. Die Art der Abhülfe ergiebt sich wiederum aus der Ver- gleichung mit dem schon benutzten verwandten Fall. Wenn Einer alle seine einzelne Sachen durch Tradition verschenkt, worin der ganze Werth seines Vermögens besteht, und dabey Nichts von den Schulden sagt, so hat für diese der Empfänger zunächst keine Verpflichtung (Note h ). Ge- schah aber die Veräußerung in unredlicher Absicht gegen die Glaubiger, so haben diese gegen den Empfänger die Pauliana actio, wobey nun die Theilnahme des Empfän- gers an der Unredlichkeit gleichgültig ist, eben weil eine Schenkung bey der Veräußerung zum Grund liegt (§ 145. d ). Die unredliche Absicht aber des Gebers versteht sich bey jener Schenkung von selbst, und bedarf keines besonderen Beweises, wenn ihm nur überhaupt das Daseyn der Schul- den bekannt ist L. 17 § 1 quae in fraud. (42. 8.). „.. universas res suas tradidit, ” also alle einzelne in seinem Eigenthum stehende Sa- chen, wie es auch nach dem älte- ren Recht stets geschehen sollte (Note c ). Und von diesem Fall . Was nun von diesem Fall der ver- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. schenkten einzelnen Sachen gilt, muß in weit höherem Grade gelten, wenn das Vermögen als solches zum Gegenstand des Schenkungsvertrags gemacht, und zugleich der Em- pfänger von aller Verpflichtung für die Schulden frey ge- sprochen wird. Denn in diesem Fall ist die unredliche Ab- sicht so augenscheinlich, daß auch der Empfänger darüber gar nicht im Zweifel seyn konnte. Die Abhülfe besteht also hier darin, daß die Glaubiger gegen den Empfänger mit der Pauliana actio klagen, und daß dieser von dem geschenkten Vermögen so viel zurück geben muß, als zur Bezahlung der Schulden nöthig ist Von diesem Dolus ist na- türlich nicht die Rede, wenn die Schenkung nur auf eine Quote des Vermögens geht, oder wenn so viele einzelne Sachen von der Schenkung ausgenommen sind, daß davon die Schulden bezahlt werden können. . Es versteht sich von selbst, daß die aufgestellte Regel nur auf diejenigen Schulden angewendet werden darf, welche zur Zeit der Schenkung schon vorhanden waren. Alle später contrahirte Schulden liegen eben so außer dem Bereich der bisher betrachteten (auf das gegenwärtige Vermögen gerichteten) Schenkung, wie der spätere Er- werb des Gebers. Die aufgestellten Grundsätze sind auch anwendbar, wenn Jemand nicht sein gegenwärtiges Vermögen, sondern eine ihm zugefallene Erbschaft verschenkt. Denn auch hier ist wieder der Begriff des Vermögens anwendbar, nämlich heißt es hier: „qui creditores habere se scit, et universa bona sua alienavit, intelligendus est fraudandorum creditorum con- silium habuisse.” — §. 159. Schenkung. Einzelne Geschäfte. 4. Ganzes Vermögen. desjenigen Vermögens, welches dem Verstorbenen zur Zeit des Todes gehörte L. 24 de V. S. (50. 16.), und mehrere andere Stellen. . In Ansehung der Schulden die- ser Erbschaft gilt gleichfalls die natürliche Annahme, daß der Empfänger die Abtragung derselben stillschweigend über- nommen habe L. 28 de don. (39. 5.). „Hereditatem pater .. filiae .. donavit … cogendam eam per actionem praescriptis verbis patrem adversus eos (credito- res) defendere.” Es fällt auf, daß hier Papinian die Schenkung einer Erbschaft als solcher für unbedenklich wirksam ansieht, da doch die Schenkung des eigenen Vermögens so bedenklich schien (Note c ). Das hieng aber mit der Regel des älteren Rechts überein, nach welcher jeder Erbe eine schon erworbene Erbschaft durch in jure cessio übertragen konnte; hieraus entstand die selt- same Folge, daß das Eigenthum per universitatem übergieng, die Schuldforderungen vernichtet wa- ren, und die Schulden auf dem veräußernden Erben (ganz wie es hier Papinian voraussetzt) haf- ten blieben. Gajus II. § 35. 36, III. § 85. 86. Ulpian . XIX. § 13. 14. Eine Spur davon hat sich in die Digesten verirrt. L. 4 28 de doli exc. (44. 4.). . Wenn jedoch in diesem Fall ein An- deres ausdrücklich bedungen ist, so liegt darin gar nicht nothwendig eine unredliche Absicht gegen die Glaubiger. Vielmehr kann der Geber sehr wohl die Absicht haben, die Schulden der verschenkten Erbschaft aus seinem eige- nen, dazu völlig hinreichenden, Vermoͤgen zu bezahlen. — Betrifft die Schenkung die künftige Erbschaft eines noch Lebenden, so ist sie durch dessen Einwilligung gültig, au- ßerdem verboten L. 30 C. de pactis (2. 3.). Die Fortdauer dieser Regel auch im heutigen Recht ist dargethan von Hasse , Rhein. Museum B. 2 S. 149 — 241, 300 — 366. Anderer Meynung ist Eichhorn Deutsches Privatrecht § 341. ; wird es dennoch unternommen, so Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. trifft den Veräußernden die Strafe, daß die ihm später- hin anfallende Erbschaft confiscirt wird L. 29 § 2 de don. (39. 5.), L. 2 § 3 de his quae ut ind. (34. 9). . Es bleibt nun noch der Fall zu betrachten übrig, da nicht blos das gegenwärtige, sondern auch das künftige Vermögen des Gebers zum Gegenstand der Schenkung ge- macht wird. Dieses Geschäft halte ich nach Römischem Recht für völlig ungültig, da es in der That nur ein versteckter Erbvertrag ist, wodurch dem Geber jede an- dere wirksame Verfügung über sein Vermögen unmöglich wird. Nicht blos die Testamentsfreyheit wird ihm da- durch vernichtet, sondern selbst die Möglichkeit, das Ver- mögen an seine Intestaterben kommen zu lassen, also jede Art eines ferneren Einflusses auf das Schicksal des Ver- mögens; und dieses eben ist es, weshalb das Römische Recht die Erbverträge nicht anerkennt Die meisten älteren Rechts- lehrer, wenn sie auch manche theo- retische Zweifel haben, stimmen doch darin überein, daß in der Praxis die Ungültigkeit eines sol- chen Vertrags anerkannt sey. Giphanius lect. Altorf. p. 208. 209. N. 38. 44. Carpzov . P. 2 Const. 12 def. 26. Schilter exerc. 43 § 19. . Daß dadurch keine Universalsuccession begründet wird, kann keinen Un- terschied machen, da der Empfänger alle Vortheile, die man durch eine solche erlangen kann, auch wirklich er- halten würde, nur unter einer anderen Rechtsform Es wäre etwa zu verglei- chen einem Universalfideicommiß, so wie es vor dem Sc. Trebel- lianum behandelt wurde ( Ga- jus II. § 252), also auch ohne Abzug einer Quart. Die Römer überzeugten sich aber bald, daß Dieses, wenn es auf das ganze Vermögen bezogen werden sollte, nicht wohl beybehalten werden könne. , §. 159. Schenkung. Einzelne Geschäfte. 4. Ganzes Vermögen. welches ja gerade der Character jeder Umgehung einer positiven Rechtsregel ist. Man hat dagegen eingewendet, es könne ja doch ein eingesetzter Testamentserbe zum An- tritt der Erbschaft sich entschließen, und dann das Ver- mögen dem Beschenkten abliefern. Allein abgesehen davon, daß nicht leicht Jemand diese unfruchtbare und nicht ge- fahrlose Mühe übernehmen wird, wäre damit dem Geist jener Rechtsregel keinesweges genügt. Denn ein solcher Erbe würde doch nur den Namen eines Erben führen, in der That aber einem Testamentsexecutor zu vergleichen seyn. Man hat ferner gesagt, neben einer solchen Schen- kung sey ein wahrer Erbe nicht blos denkbar, sondern selbst nothwendig; ohne einen solchen könne die Schenkung nicht bestehen, da nur er nach dem Tode des Gebers die Tradition vollziehen könne Faber error. Pragm. XLVIII. 6. Num. 5. . Dieser Grund ist völlig unhaltbar. Ist die Schenkung gültig, so wird dadurch der Empfänger ein Glaubiger des Gebers. Ein solcher aber kann nach dem Tode des Schuldners seine Rechte verfolgen, es mag ein Erbe vorhanden seyn oder nicht; fehlt es an einem Erben, so erlangt der Glaubiger seinen Zweck durch missio in possessionem des erblosen Vermö- gens L. 4 de reb. auct. jud. (42. 5.). . Auch Das kann nicht zugegeben werden, daß jenes Ge- schäft auf die bloße Schenkung des gegenwärtigen Ver- mögens beschränkt und dadurch aufrecht erhalten werden Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. müsse. Allerdings unterliegt diese letzte der eben behaup- teten Ungültigkeit nicht, da bey ihr wegen des möglichen späteren Erwerbs eine wahre Erbfolge, unabhängig von der Schenkung, sehr wohl bestehen kann. Daraus folgt aber nicht die Zulässigkeit jener nachhelfenden Verwand- lung. Denn beide Geschäfte sind gar nicht blos quantita- tiv verschieden Etwa so, wie wenn Je- mand ohne Insinuation 800 Du- katen verschenkt; hier sind gewiß 500 gültig, 300 ungültig. , sondern in ihrem Wesen, und in der Absicht des Gebers. Diesem müßte, zur Aufrechthaltung des Geschäfts, eine ganz andere Absicht, als die er wirk- lich hatte, untergeschoben werden. Es wäre so, wie wenn ein Testament vor Sechs Zeugen gemacht wäre, welches durch Verwandlung in einen Codicill aufrecht erhalten werden sollte; Dieses ist bekanntlich ohne den, auch hierauf gerichteten, Willen des Erblassers (die Codicillarclausel) unzulässig L. 1 de j. codicill. (29. 7.), L. 3 de test. mil. (29. 1.). . — Dagegen ist die Schenkung einer Quote des gegenwärtigen und künftigen Vermögens unzweifelhaft gültig, weil nun durch den nicht verschenkten Theil eine wahre, wirksame Erbfolge übrig bleibt. Eben so ist für das Ganze eine mortis causa donatio zulässig, weil diese durch ihre in der Regel geltende Widerruflichkeit ganz den zulässigen Character eines letzten Willens an sich trägt. Für so sicher nun ich diese Gründe gegen die Zuläs- sigkeit der hier vorausgesetzten Schenkung des ganzen, auch künftigen, Vermögens nach dem Römischen Recht halte, §. 160. Schenkung. Vertragsnatur. so muß ich doch den neueren Schriftstellern beystimmen, welche sich für die heutige Gültigkeit derselben ausspre- chen Kind quaest. for. T. 2 C. 63. Meyerfeld II. S. 13 — 17. . Nur soll man sich dabey nicht auf Römisches Recht berufen. Die Schenkung ist gültig, weil sie ein wahrer Erbvertrag ist, und weil ein solcher durch das Deutsche Recht anerkannt wird. Daß die älteren Prakti- ker sich dagegen aussprechen (Note q ), erklärt sich eben aus dem langen Streit, der über die Gültigkeit der Erb- verträge überhaupt Statt gefunden hat, und aus der häu- figen Unklarheit der Begriffe über die einzelnen darunter zu beziehenden Fälle Eichhorn Deutsches Pri- vatrecht § 341. . §. 160. V. Schenkung. — Vertragsnatur . Es war nöthig, die Schenkung in ihrer Anwendung durch alle verschiedene Rechtsgeschäfte, worin sie erschei- nen kann, durchzuführen, um die wichtige Frage beant- worten zu können, ob sie überhaupt als Vertrag zu be- trachten ist. In den meisten und wichtigsten Fällen ist in ihr dieser Character unverkennbar; so wenn sie durch Tra- dition, Versprechen, oder Erlaßvertrag bewirkt wird. Da- gegen giebt es andere Fälle, worin sie nicht die Natur des Vertrags an sich trägt, das heißt worin des Empfän- IV. 10 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gers Bewußtseyn der Bereicherung, und dessen Einwilligung in dieselbe, nicht nothwendig ist. Daraus aber folgt, daß auch in den Fällen, worin die Schenkung als Vertrag erscheint, diese Eigenschaft nicht in ihrem Wesen als Schenkung begründet seyn kann, sondern vielmehr in der besonderen Natur derjenigen Rechtsgeschäfte, wodurch sie gerade bewirkt wird. Es ist also nun der Beweis der aufgestellten Behaup- tung durch die Darlegung solcher Rechtsgeschäfte zu füh- ren, worin eine wahre Schenkung enthalten ist, ohne daß der Empfänger einwilligt Ausführlich hat diese Frage behandelt Meyerfeld I. S. 37 fg. . — Dieses geschieht oft so, daß der Empfänger von der Handlung des Gebers überhaupt kein Bewußtseyn hat, also auch seine eigene Bereicherung weder kennt, noch durch seinen Willen genehmigen kann. Dahin gehört der Fall einer Dos, welche von einem Frem- den gegeben, und eben dadurch der Frau geschenkt wird (§ 157. s ). Ferner die Befreyung eines Schuldners durch absichtlich schlechte Prozeßführung, oder durch gerichtliches Eingeständniß (§ 158. k. l ). Eben so die Ausgaben, die zum Vortheil eines Andern gemacht werden, in der Ab- sicht sie nicht wieder zu fordern (§ 158. m ). Dann das Geschenk an einen Sohn oder Sklaven, welches dem Va- ter oder Herrn unmittelbar erworben wurde L. 10 de don. (39. 5.). „.. Sed si nescit rem .. sibi esse donatam .. donatae rei dominus non fit, etiamsi per servum ejus, cui donabatur, missa fuerit: nisi ea mente servo ejus data fuerit, ut sta- tim ejus fiat. ” In diesem letz- ten Fall also war die Schenkung vollzogen, auch ohne Bewußtseyn . Endlich, §. 160. Schenkung. Vertragsnatur. und am einleuchtendsten, die Befreyung eines Schuldners durch baare Zahlung, durch Expromission, oder in Folge einer Bürgschaft, wenn diese Befreyung mit der Absicht einer Schenkung verbunden ist (§ 158. n bis t ). In allen diesen Fällen kann allerdings der Beschenkte darum wissen, ja es wird sich meistens so finden. Juristisch aber ist Dieses ganz zufällig und gleichgültig, seine Einwilligung traͤgt Nichts zur Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts bey, und die heimliche Wohlthat ist hier völlig eben so gültig, wie die verabredete. In anderen Fällen weiß zwar der Empfänger um die Handlung des Gebers, aber nicht um die darin enthal- tene Absicht zu schenken, und die Schenkung ist darum nicht weniger vorhanden. So wenn Einer eine Sache absichtlich unter dem Werth verkauft, um den Käufer zu bereichern, dieser aber über die wohlthätige Absicht des Verkäufers in Unwissenheit ist (§ 152. a ). Ferner wenn Jemand wissentlich Zahlung leistet für ein Indebitum, während der Empfänger es für eine wahre Schuld hält Nämlich die condictio in- debiti fordert durchaus Irrthum des Zahlenden, und wird daher durch dessen Bewußtseyn von dem Ungrund der Forderung schlecht- hin ausgeschlossen; dabey aber ist das Bewußtseyn des Empfängers völlig gleichgültig. Vergl. oben § 149 und Beylage VIII. Num. XXXVI. Note e. . des Beschenkten. Dasselbe galt ohne Zweifel eben so, wenn das Geschenk an einen Sohn in vä- terlicher Gewalt gegeben wurde. In beschränkterer Weise gilt die- ses Letzte auch noch nach Justi- nianischem Recht, nämlich nun bekommt zwar der Sohn das Ei- genthum, der Vater aber den Niesbrauch, und auch das ist eine wahre Schenkung. Vergl. über- haupt Meyerfeld I. S. 38. 10* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Dagegen würde man irrigerweise unter diese Fälle rech- nen den blos einseitigen Verzicht auf eine Schuldforderung (§ 158. h ), und die nicht in Vertrag verwandelte bloße Absicht, des Andern Schuldner zu werden (§ 157. c ). Im Widerspruch mit der hier aufgestellten Ansicht be- haupten Viele, daß jede Schenkung zu ihrer Gültigkeit einer Annahme von Seiten des Beschenkten durchaus be- dürfe Dahin gehört Cujacius obss. XII. 28 und Consult. N. 43. Ferner alle Schriftsteller, welche die Schenkung überhaupt als ei- nen obligatorischen Vertrag an- sehen (§ 142. b ). . Dieser Widerspruch gegen unsre Ansicht kann aber eine zwiefache Bedeutung haben, je nachdem man die Schenkung von ihrer positiven oder von ihrer negativen Seite, im Fall fehlender Annahme des Beschenkten, aus- zuschließen versucht. Das erste hätte die Bedeutung, daß ohne Annahme die angeführten Geschäfte gar keine Gül- tigkeit hätten, so daß überhaupt Nichts bewirkt würde. Das zweyte hätte die entgegengesetzte Bedeutung, daß zwar das Geschäft selbst gültig wäre, daß es aber nicht die Natur einer Schenkung annähme, folglich frey bliebe von den Einschränkungen, welchen die Schenkungen unter- worfen sind. Durch das erste würde die Wirksamkeit der Handlung verlieren, durch das zweyte gewinnen, in Ver- gleichung mit Dem was von unsrem Standpunkt aus an- genommen werden muß. Ich will beide mögliche Behaup- tungen zu widerlegen suchen, und dazu den einfachsten und einleuchtendsten unter den oben zusammengestellten Fällen §. 160. Schenkung. Vertragsnatur. wählen: den Fall, wenn Jemand fremde Schulden be- zahlt, in der Absicht den Schuldner dadurch zu bereichern. Nach der Meynung der Gegner wäre des Schuldners Ein- willigung nöthig, und es ist also zu untersuchen, was der Mangel dieser Einwilligung möglicherweise bewirken könnte. Er könnte erstlich bewirken, daß die Handlung keine gültige Zahlung wäre, daß also der Schuldner dadurch nicht frey würde. Dieses ist nun gewiß nicht der Fall, da die Befreyung des Schuldners ohne sein Wissen, ja wider seinen Willen, für diesen Fall ausdrücklich aner- kannt ist L. 23 de solut. (46. 3.). „Solutione … et inviti et igno- rantes liberari possumus.” Das- selbe sagt von der Expromission L. 91 eod. Noch einleuchtender ist es bey den aus Liberalität be- sorgten Ausgaben. Wenn z. B. Einer das Landgut eines Andern, ohne dessen Wissen, aus Libera- lität bestellt (§ 158. m ), so könnte die entgegengesetzte Ansicht nur dadurch geltend gemacht werden, daß das Gut zu einem unbestell- ten gemacht würde, welches un- möglich ist. . — Er könnte zweytens bewirken, daß die Handlung zwar gültig, aber keine Schenkung wäre, also den besonderen Beschränkungen einer Schenkung nicht un- terläge, so z. B. daß unter Ehegatten dieses Geschäft nicht verboten wäre Dieses ist aber schon deswegen ganz un- denkbar, weil dadurch alle jene Beschränkungen völlig illu- sorisch werden würden. So z. B. brauchte eine Frau, um von ihrem Mann gültig beschenkt zu werden, nur Schul- den zu machen, die dann der Mann ohne ihr Zuthun und Vorwissen bezahlte; was er ihr dadurch als Bereicherung zugewendet hätte, wäre unwiderruflich, obgleich es durch- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. aus dieselbe Natur hätte, wie eine an sie selbst gegebene Geldsumme. Es bedarf aber nicht einmal dieser allge- meinen Betrachtung, da es ausdrücklich anerkannt ist, daß jede für einen Ehegatten gezahlte Schuld dem allgemeinen Schenkungsverbot in der Ehe allerdings unterworfen ist; eben so auch jede für einen Ehegatten vorgenommene Ex- promission L. 7 § 7 L. 50 pr. de don. int. vir. (24. 1.). L. 5 § 4 eod. . Damit ist also bewiesen, daß die oben zusammen gestellten Handlungen in jeder Beziehung als wahre Schenkungen gelten und wirken, obgleich dabey das Bewußtseyn und die Einwilligung des Beschenkten gänzlich fehlen kann. In den häufigeren Fällen aber, worin die Schenkung auf einem solchen Geschäft beruht, welches die Natur ei- nes Vertrags an sich trägt, ist allerdings die Einwilligung beider Theile zur Gültigkeit der Schenkung durchaus noth- wendig. Dieses ist namentlich der Fall bey der Tradi- tion L. 55 de O. et A. (44. 7.). „In omnibus rebus, quae do- minium transferunt, concurrat, oportet, affectus ex utraque parte contrahentium: nam sive ea venditio, sive donatio .. fuit, nisi animus utriusque consen- serit, perduci ad effectum id quod inchoatur non potest. . In allen Fällen dieser Art also ist das erste Erforder- niß gültiger Schenkung der Wille des Gebers, ohne wel- chen die Liberalität, als Grundlage aller Schenkung, gar nicht denkbar ist. Wenn daher ein Anderer sich anmaast, diesen Willen zu ersetzen, also für ihn zu schenken, so ist §. 160. Schenkung. Vertragsnatur. das Geschäft ungültig L. 7. 8. 10 C. de don. (8. 51.). Vgl. oben § 156. a. . Die Form dieser Einwilligung wird durch die Natur der einzelnen Rechtsgeschäfte be- stimmt; die Eigenthümlichkeit der Schenkung beschränkt oder erschwert die sonst erforderliche Form gar nicht L. 6. 7. 13 C. de don. (8. 54.). Von der für die großen Schenkungen erforderlichen be- sonderen Form (der Insinuation) wird unten die Rede seyn. — Über die Herleitung dieser Ein- willigung aus Vermuthungen vgl. Meyerfeld I. S. 42. fg. . Es muß aber in jenen Fällen als zweytes Erforderniß hinzutreten die Annahme der Schenkung, oder die Einwil- ligung von Seiten des Empfängers. Auch diese ist an keine Form gebunden, sie kann namentlich stillschweigend erklärt werden, und da fast immer der Empfang eines Geschenks erwünscht ist, so wird sie sogar sehr leicht aus solchen Handlungen gefolgert werden dürfen, welche nur einigermaßen darauf gedeutet werden können Meyerfeld I. S. 42 fg. . Nur bey bestimmt verweigerter Annahme kommt in solchen Fällen eine Schenkung überhaupt gar nicht zu Stande L. 10 de don. (39. 5.) „.. si .. missam sibi non ac- ceperit, donatae rei dominus non fit.” L. 19 § 2 eod. „Non potest liberalitas nolenti ad- quiri.” Diese sehr allgemein aus- gesprochene Regel muß auf die Fälle der eben beschriebenen Art, die ohnehin die häufigsten sind, beschränkt werden, da sie, als durchgreifendes Princip für alle Schenkungen überhaupt aufge- faßt, anderen sehr bestimmten Stellen geradezu widersprechen würde (Note e ). . In der Zwischenzeit von der Erklärung des Gebers bis zur Annahme des Empfängers ist die Schenkung nicht perfect, also unentschieden L. 10 de don. (39. 5.). „Sed si nescit rem, quae apud , so daß bis dahin der Geber seinen Willen widerrufen kann, wodurch denn gleichfalls das Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ganze Geschäft rückgängig wird. Ist zur Zeit der erklär- ten Annahme kein Widerruf erfolgt, so gilt die nicht wi- derrufene Erklärung des Gebers als fortdauernder Wille, Beide haben nun in demselben Zeitpunkt übereinstimmend die Schenkung gewollt, und diese ist daher perfect gewor- den. War aber, zur Zeit der erklärten Annahme, der Geber unfähig geworden zu wollen, weil er in der Zwi- schenzeit gestorben oder wahnsinnig geworden war, so ist nun die Schenkung gar nicht vorhanden, weil kein Zeit- punkt angegeben werden kann, worin Beide gemeinschaft- lich die Schenkung gewollt hätten L. 2 § 6 de don. (39. 5.). „Sed si quis donaturus mihi pecuniam dederit alicui, ut ad me perferret, et ante mortuus (donator) erit, quam ad me perferret, non fieri pecuniam dominii mei constat.” L. 8 C. de O. et A. (4. 10.). — Daß der Erbe des Gebers von Neuem schenken kann, versteht sich, aber der Wille des Verstorbenen, der eine bloße Thatsache ist so lange er nicht in ein vollendetes Rechts- geschäft übergegangen war, kann nicht als in dem Erben fortdauernd angesehen werden. Die Rechts- verhältnisse des Verstorbenen ge- hen auf den Erben über, die that- sächlichen Verhältnisse nicht; zu diesen letzten aber gehört das bloße Wollen eben so gut, als der Besitz, welcher bekanntlich auch nicht von selbst auf den Erben übergeht. — Man könnte fragen, warum dieses gerade bey der Schenkung besonders bemerkt wer- de, da doch diese, was die Noth- wendigkeit des übereinstimmenden Willens betrifft, mit dem Kauf u. s. w. ganz auf gleicher Linie steht (Note g ). Der Grund liegt darin, daß bey dem Kauf eine Obligation vor der Tradition vor- hergeht, die selbst schon ein vollen- detes Rechtsgeschäft ist, und da- her auf den Erben übergeht, an- statt daß bey der Schenkung ganz gewöhnlich alles eigentliche Rechts- geschäft mit der Tradition an- fängt und endigt. . Specielle Anwendungen und Bestätigungen dieser letz- ten Regel finden sich in folgenden Fällen. Wenn ich dem se est, sibi esse donatam … donatae rei dominus non fit.” Natürlich so lange, bis er es er- fährt, und nunmehr einwilligt. §. 160. Schenkung. Vertragsnatur. Titius ein Darlehen gebe, mit der Bestimmung das Geld an Sejus zurück zu zahlen, so liegt darin Nichts als der Auftrag zu einem künftigen Geldgeschenk, den ich jeder- zeit zurücknehmen kann (§ 157. q ). Zahlt nun Titius an Sejus nach meinem Tode, so ist das Eigenthum des Gel- des auf Sejus übergegangen, weil Titius Eigenthümer war; gegen meinen Erben frey geworden ist Titius nur, wenn er meinen Tod nicht wußte, weil er außerdem wis- sen mußte, daß sein Mandat erloschen war. Eben so wenn der Auftrag zu dem Geldgeschenk an Titius ganz einfach, ohne vorhergehendes Darlehen, gegeben war; zahlt er ohne meinen Tod zu wissen, so hat er eine man- dati actio gegen meinen Erben, außerdem nicht L. 19 § 3 de don. (39. 5.). Vgl. oben § 157. q. . Hier ist nun allein von dem Verhältniß des Titius die Rede, wie steht es aber mit dem Geschenk an Sejus? Dieses ist, nach dem oben aufgestellten Grundsatz, gewiß nichtig. Daher hat mein Erbe gegen Sejus die condictio sine causa auf das empfangene Geld, welche Klage er dem Titius cediren muß, wenn ihm dieser, wegen wissentlich unrichtiger Zahlung, zunächst verantwortlich ist. — Ein ähnlicher Fall ist folgender L. 11 § 8 de don. int. vir. (24. 1.). — Wiederum ein ähnli- cher Fall, aber mit scheinbar wider- sprechender Entscheidung, kommt vor in L. 18 § 2 de m. c. don., vgl. oben § 158. h. . Eine Frau will ihrem Mann ein Grundstück mortis causa schenken, und über- giebt dasselbe zu diesem Zweck an Titius; nach dem Tode der Frau widersprechen ihre Erben, dennoch übergiebt es Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Titius dem Mann. Hier soll unterschieden werden, ob Titius blos von der Frau beauftragt war, oder zugleich (oder allein) von dem Mann. Im ersten Fall war die Schenkung, nach dem oben aufgestellten Grundsatz, nie perfect geworden, und Titius ist den Erben zur Entschä- digung verpflichtet; im zweyten Fall ist Titius, als Be- vollmächtigter des Mannes, im Augenblick des Todes, Eigenthümer des Grundstücks geworden. Dadurch wurde die Schenkung perfect Man könnte zweifeln, ob die Schenkung durch eine inter- posita persona, wie sie in der angeführten Stelle vorausgesetzt wird, perfect werden könne. Aber gerade dieses ist unzweifelhaft. L. 4 de don. (39. 5.). „Etiam per interpositam personam do- natio consummari potest.” , die Erben müssen sie anerken- nen, und wenn Titius das Grundstück hätte für sich be- halten, oder den Erben ausliefern wollen, so würde der Mann gegen ihn eine mandati actio gehabt haben. Scheinbar ähnlich, aber im Wesen verschieden, ist fol- gender Fall L 2 § 5 de don. (39. 5.). — Völlig widersprechend in der juristischen Beurtheilung, obgleich im letzten Resultat für den be- sonderen Fall gleich, ist L. 9 § 1 de j. dot. (23. 3.). Es giebt Einer einem Bräutigam Sachen als Dos, unter der (sich von selbst verstehenden) Bedingung, daß die Ehe zu Stande komme; vor der Ehe stirbt der Geber. Hier, sagt Ulpian, kann das Eigenthum der Sachen nicht mehr auf den Em- pfänger kommen, und das Ge- schäft ist ungültig. Allein aus besonderer Begünstigung der Dos muß man den Erben zwingen, nach Abschluß der Ehe das Ei- genthum zu übertragen; ja wenn der Erbe abwesend ist, oder sich weigert, so muß man annehmen, das Eigenthum sey ipso jure übergegangen. — Diese Stelle ist zu erklären aus der eigenthüm- lichen Regel des älteren Rechts, daß die Schenkung einer man- cipi res nur durch Mancipation, nicht durch Tradition, perfect werde; von solchen Sachen aber (wahrscheinlich von Grundstücken) war in der Stelle ohne Zweifel . Es schenkt Einer dem Andern eine Geld- §. 160. Schenkung. Vertragsnatur. summe unmittelbar durch Tradition, jedoch so daß Ei- genthum und Schenkung von einer Suspensivbedingung abhängig gemacht wird. Wenn nun der Geber vor Er- füllung der Bedingung stirbt oder wahnsinnig wird, so möchte man glauben, die Schenkung sey, eben so wie in den vorhergehenden Fällen, vernichtet. Hier aber ist sie voͤllig gültig, und der Grund der verschiedenen Entschei- dung liegt darin, daß Wille und That der Personen schon Anfangs vollständig vorhanden waren, und die Gültigkeit des Geschäfts nur noch von einem äußeren Ereigniß ab- hängen sollte, bey dessen späterem Eintritt der Wille Nichts mehr zu thun hatte. Daher kann der Geber, auch während der unentschiedenen Bedingung, die (von seiner Seite schon perfecte) Schenkung nicht widerrufen, und die Rede, und es ist nur jetzt die Spur davon verwischt. In L. 2 § 5 cit. dagegen ist ausdrücklich die Rede von baarem Geld, also von nec mancipi res, wobey jene Schwierigkeit nicht vorkam, weil da die Tradition die Schen- kung perfect machte. Nun konnte man überhaupt bedingterweise tra- diren, aber nicht eben so manci- piren ( L. 77 de R. J. 50. 17.). Es war also blos eine Ungeschick- lichkeit, die nur aus dem älteren Recht zu erklärende L. 9 § 1 cit. in die Digesten aufzunehmen, und ihr Inhalt darf uns nicht weiter stören. — Ausführlich habe ich diese Erklärung dargestellt in der Zeitschrift für geschichtl. Rechts- wissensch. B. 4 S. 51 — 59. Die Gründe, die dagegen neuerlich aufgestellt sind von W. Sell , bedingte Traditionen, S. 117 — 138, überzeugen mich nicht. Er selbst erklärt die Stelle aus der Annahme, daß das Geben einer Dos an den Mann eigentlich ein Mandat sey, sie der Frau zu ge- ben, welches Mandat durch des Gebers Tod erlösche. Diese An- nahme aber ist völlig grundlos, das Geschäft der dotis constitu- tio ist durch das Geben an den Mann, sobald die Ehe da ist, durchaus vollendet, und die spä- teren Schicksale der Dos berüh- ren den Geber gar nicht mehr. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. daher wird ferner die später erfüllte Bedingung auf den Zeitpunkt des Vertrags zurückgeführt (§ 120). §. 161. V. Schenkung. — Vertragsnatur . (Fortsetzung.) Da wo die Schenkung, wie gewöhnlich, auf Vertrag gegründet ist, müssen noch besonders einige Fälle beachtet werden, worin bey dem Willen des Einen, oder auch Beider, ein Irrthum zum Grund liegt. Der erste Fall eines solchen möglichen Irrthums be- trifft die dem Irrenden gegenüberstehende Person Von dieser Art des Irr- thums im Allgemeinen vgl. oben § 136. In der Regel ist dadurch das Daseyn eines Vertrags ganz ausgeschlossen. . Wenn der Geber in der Person des Empfängers irrt, so ent- steht natürlich keine Schenkung. Hat also Gajus dem Sejus ein Geschenk zugedacht, welches aus Versehen an Titius gekommen, und von diesem, gleichfalls aus Ver- sehen, angenommen worden ist, so ist überhaupt noch gar kein Geschäft geschlossen, und auf keiner Seite ein Recht erworben, so daß der Geber die ganze Schenkung noch zurücknehmen kann. Anders steht es im umgekehrten Fall, wenn Gajus dem Titius schenken will, und dazu den Se- jus als Überbringer gebraucht, welcher aber unredlicher- weise das Geschenk in eigenem Namen giebt, und so den Titius veranlaßt, in der von ihm angenommenen Schen- §. 161. Schenkung. Vertragsnatur. (Fortsetzung.) kung einen unrichtigen Geber zu denken. In diesem Fall ist zwar, der Strenge nach, auch keine Schenkung vor- handen, so daß Gajus die geschenkte Sache wieder ab- fordern könnte; diese Klage soll jedoch durch eine doli ex- ceptio entkräftet werden L. 25 de don. (39. 5.). Zunächst wird darin nur der Über- gang des Eigenthums in Frage gestellt; dieser ist aber hier mit der Gültigkeit der Schenkung iden- tisch, wie auch die am Schluß ge- stattete doli exceptio zeigt, wel- che hier der Vindication eben so gut, wie der Condiction, entge- gen stehen muß. . Der Unterschied beider Fälle liegt darin, daß für den Geber freylich die Person des Empfängers das Allerwichtigste ist, aber nicht so auch um- gekehrt. Denn in den meisten Fällen wird ein Geschenk gerne angenommen werden, woher es auch komme, so daß der Irrthum über den Geber minder wesentlich ist, und den Consens des Empfängers nicht entkräftet. Zwar ist der Geber dabey interessirt, daß der Beschenkte wisse, wem er Dank schuldig sey; allein dieses Interesse erhält seine volle Befriedigung durch die nachfolgende Berichtigung des Misverständnisses. Ein zweyter Irrthum kann das Rechtsverhältniß be- treffen, indem der Geber und der Empfänger dabey an verschiedene Verhältnisse denken. Nach allgemeinen Regeln kommt in einem solchen Fall überhaupt gar kein Rechts- geschäft zu Stande (§ 136. a ). Besonders einleuchtend ist dieses, wenn der Geber an ein Commodat oder Darlehen denkt, der Empfänger an eine Schenkung, in welchem Fall gewiß Niemand eine Schenkung als vorhanden annehmen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. wird (§ 160. g. h ). Mehr Zweifel könnte der umgekehrte Fall erregen, wenn der Geber schenken will, der Empfän- ger aber glaubt, es sey ihm die Sache als Commodat, oder als Darlehen gegeben, und sie in diesem Sinn an- nimmt. Auf einen solchen Fall beziehen sich folgende zwey Stellen, über deren wahren oder vermeintlichen Wider- spruch, schon von der Glossatorenzeit an, die verschieden- sten Meynungen aufgestellt worden sind Schriftsteller über diese Stellen: Glück B. 4 S. 152— 156. B. 8 S. 120—123. M. E. Regenbrecht comm. ad L. 36 de a. r. d. et L. 18 de R. C., Berol. 1820. Meyerfeld I. S. 121 — 123. Die Früheren werden in großer Masse von die- sen angeführt. . L. 36 de adqu.rer.dom. (41. 1.). (Julianus lib.XIII. Dig.) Cum in corpus quidem, quod traditur, cousentiamus, in causis vero dissentiamus, non animadverto cur inefficax sit traditio. Veluti si ego credam me ex testamento tibi obligatum esse ut fundum tradam, tu existimes ex stipulatu tibi eum deberi. Nam et si pecuniam numeratam tibi tradam donandi gratia, tu eam quasi creditam accipias: constat proprietatem ad te transire, nec impedimento esse, quod circa causam dandi atque accipiendi dissenserimus. L. 18 pr. de reb. cred. (12. 1.). (Ulpianus lib. VII. Disp.) Si ego pecuniam tibi quasi donaturus dedero, tu quasi mutuam accipias, Julianus scribit donationem non esse. Sed an mutua sit, videndum. Et puto, nec mutuam esse: magisque numos accipientis non §. 161. Schenkung. Vertragsnatur. (Fortsetzung.) fieri, cum alia opinione acceperit. Quare, si eos consumserit, licet condictione teneatur, tamen doli exceptione uti poterit, quia secundum voluntatem dantis numi sunt consumti. In diesen Stellen werden zwey Fragen erörtert, die von einander großentheils unabhängig sind. Die eine: ob Eigenthum übergeht. Die andere: ob eine gültige Schen- kung, oder vielleicht auch ein gültiges Darlehen vorhan- den ist. Das Verhältniß beider Fragen aber ist dieses. Wer die zweyte bejaht, muß nothwendig auch die erste bejahen. Wer die erste bejaht, kann daneben noch immer die zweyte bejahen oder verneinen. Der Übergang des Eigenthums ist der einzige Gegen- stand, der in der ersten Stelle von Julian untersucht wird. Er behauptet diesen Übergang ganz bestimmt, so- gar als unzweifelhaft ( constat ) für alle Fälle, worin Beide übereinstimmend wollen, daß überhaupt Eigenthum übergehe, wenngleich ihr Wille durch den Gedanken an verschiedene Rechtsgeschäfte begründet ist. Er wendet die- ses an auf zwey verschiedenartige Fälle; in dem einen wollen Beide sogar dieselbe causa, nämlich die solvendi causa, nur in Voraussetzung verschiedener vorhergehender Obligationen: in dem andern will Einer die donandi, der Andere die obligandi oder credendi causa; die Entschei- dung ist für beide Fälle dieselbe. Ulpian berührt die Frage nach dem Schicksal des Eigenthums nur ganz bey- läufig, bey Gelegenheit des gültigen Darlehens, und darin Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. liegt einiger Schein für Diejenigen, welche die Worte nu- mos accipientis non fieri gar nicht als Verneinung des erworbenen Eigenthums, sondern nur des gültigen Dar- lehens, auffassen. Julian also betrachtet als entscheidend den Willen, daß Eigenthum übergehe, woneben ihm der Grund dieses Willens so sehr in den Hintergrund tritt, daß die Verschiedenheit der vorausgesetzten Gründe den Übergang nicht hindern soll. Ulpian dagegen (wenn er wirklich den Übergang des Eigenthums verneinen will) be- trachtet als entscheidend den auf einem bestimmten Grund beruhenden Willen der Übertragung, so daß die Übertra- gung selbst gehindert werden soll, wenn Beide Personen an verschiedene Gründe denken. Jedoch diese ganze, das Eigenthum betreffende, Frage liegt hier außer den Grän- zen unsrer Untersuchung, und wir lassen sie an dieser Stelle auf sich beruhen Für Julian könnte man gel- tend machen § 40 J. de rer. div. (2. 1.). „Nihil enim tam con- veniens est naturali aequitati, quam voluntatem domini, vo- lentis rem suam iu alium trans- ferre , ratam haberi;” denn diese voluntas ist hier augen- scheinlich vorhanden, und hierin stimmt auch der Empfänger über- ein. Doch soll damit der ganzen Untersuchung nicht vorgegriffen werden, die nur im Zusammen- hang der ganzen Lehre von der Tradition befriedigend angestellt werden kann. . Die Gültigkeit der Rechtsgeschäfte ist es, die uns hier angeht. Darüber nun sagt Ulpian, eine gültige Schen- kung sey gewiß nicht vorhanden, welches auch Julian be- zeuge Die Stelle des Julian, worauf er sich hier bezieht, ist offenbar nicht die im Text abge- druckte L. 36 de adqu. rer. dom., . Dieses also war, wie es scheint, ganz un- §. 161. Schenkung. Vertragsnatur. (Fortsetzung.) bestritten; es folgt aus dem oben aufgestellten allgemeine- ren Grundsatz, und ist für unsren gegenwärtigen Zweck das allein Wichtige. Er selbst setzt hinzu, es sey auch kein Darlehen geschlossen; daß er dafür nicht wieder Ju- lian anführt, darf nicht als Zeichen eines Streites über diese Frage angesehen werden: Ulpians Entscheidung be- ruht hier auf demselben Grunde wie bey der Schenkung, nämlich auf der für dieses specielle Geschäft fehlenden Übereinstimmung. Hierauf folgt nun endlich der wichtigste Theil der Stelle, welcher von dem praktischen Ausgang der ganzen Sache handelt Viele haben mit Unrecht Gewicht gelegt auf die Verbin- dung durch Quare, Einige in- dem sie Ulpian deshalb tadeln, weil das Zweyte aus dem Ersten nicht folge, wohl eher das Ge- gentheil. Allein quare drückt gar nicht immer eine Folgerung aus, sondern auch den bloßen Über- gang zu einer neuen Seite des Gegenstandes, die nun betrachtet werden soll. Doch fehlt es hier auch nicht an einer Causalverbin- dung, denn aus der Abwesenheit jedes gültigen Rechtsgeschäfts folgt allerdings die Zulässigkeit einer condictio (sine, causa); hierauf aber, und nicht auf die nachher erwähnte Exception, muß das quare bezogen werden, wenn es überhaupt eine Folgerung be- zeichnen soll. . Ehe dieser erklärt werden kann, ist noch eine genauere Betrachtung des ganzen Her- gangs nöthig. Die unzweifelhaft richtige Verneinung, sowohl der Schenkung als des Darlehens, bezieht sich zunächst auf den Augenblick der Tradition. Betrachten wir aber die möglichen Veränderungen dieses ursprünglichen Zustandes. Wenn zuerst der Empfänger das Misverständniß entdeckt, denn darin steht hierüber kein Wort, wenigstens so weit sie in die Digesten aufgenommen ist. IV. 11 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. und nun in den (noch unveränderten) Willen des Gebers einzugehen erklärt, so ist unzweifelhaft eine gültige Schen- kung entstanden, weil nun Beide dieselbe übereinstimmend gewollt haben; eben so entsteht gewiß ein gültiges Dar- lehen, wenn der Geber die Entdeckung macht, und sich dahin erklärt, daß er das von dem Empfänger gemeynte Darlehen jetzt gleichfalls wolle. Der Fall muß also von Ulpian vielmehr so gedacht seyn, daß der Geber, sobald er zuerst über das Misverständniß klar wird, seine wohl- wollende Absicht ändert, und nun Alles widerruft, worauf ja offenbar die erwähnte Klage hindeutet. Welche Klage wird er anstellen, und was wird der Erfolg des Rechtsstreits seyn? Entweder ist das Geld noch unberührt vorräthig, oder es ist ausgegeben. Im ersten Fall wird der Geber, nach Ulpian, eine Vindica- tion anstellen, nach Julian eine condictio sine causa. Und jede dieser Klagen muß dem Geber das Geld wieder ver- schaffen, ohne daß ihn eine doli exceptio daran hindern könnte. Denn es ist ja offenbar kein Dolus, seinen Wil- len zu ändern, so lange dieser Wille noch nicht in ein bindendes Rechtsgeschäft übergegangen ist. Das Daseyn eines Rechtsgeschäfts aber wird von Ulpian bestimmt ver- neint, zum Theil mit Berufung auf Julian. — Setzen wir nun den zweyten Fall, daß das Geld ausgegeben sey. Dieses kann in der Art geschehen seyn, daß der Werth noch im Vermögen ist, indem der Empfänger dafür etwa ein Haus gekauft oder eine Schuldforderung erworben hat. §. 161. Schenkung. Vertragsnatur. (Fortsetzung.) Auch hier wird die Condiction gelten, mit ungestörtem Er- folg, da nach der allgemeinen Natur der Condictionen eine solche Verwandlung ganz gleichgültig ist L. 65 § 6. 8 de cond. ind. (12. 6.), L. 26 § 12 eod. „nempe hoc solum refundere debes, quod ex pretio habes. ” Vergl. oben § 151. . Es kann aber endlich das Geld auch so ausgegeben seyn, daß da- von im Vermögen keine Spur übrig geblieben ist, indem es der Empfänger verschenkt, verspielt, zur Schwelgerey verwendet hat. Dieses ist der einzige Fall, woran Ulpian denkt Ich erkläre also hier den Ausdruck consumserit von Ver- schwendung. Allerdings steht er oft, ja wohl noch häufiger, für jedes Aufzehren, also auch Das- jenige, wobey ein Vortheil im Vermögen zurück bleibt. (Vergl. § 35 J. de rer. div. 2. 1., L. 65 § 6 de cond. ind. 12. 6. u. s. w.). Allein gerade bey der Schenkung wird anderwärts der Ausdruck von Verschwendung erklärt (§ 150. o), und es ist daher gewiß nicht als willkührlich zu tadeln, wenn ich es in dieser Stelle des Ulpian eben so erkläre, da nur auf diese Weise ein Widerspruch der Stelle mit unzweifelhaften anderen Regeln abzuwenden ist. , und in diesem Fall soll die Condiction durch doli exceptio ausgeschlossen seyn. Der Grund liegt darin, daß die Condictionen überhaupt nur gelten, wenn das Ge- gebene entweder noch vorhanden ist, sey es in seiner ur- sprünglichen Gestalt, oder durch Verwandlung in ein an- deres Vermögensstück (Note g ), oder wenn es durch Do- lus des Empfängers verschwunden ist (§ 150. m ). Im vorliegenden Fall aber ist ein solcher Dolus nicht zu be- haupten, da der Empfänger, selbst von seinem Standpunkt aus (als Darlehnsschuldner), das Geld ausgeben durfte; ein Dolus wäre nur vorhanden, wenn er das Geld ver- schwendet hätte, nachdem ihm der Widerruf des Gebers 11* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. bekannt geworden war. Vielmehr würde jetzt der Geber in dolo seyn, wenn er seine frühere Liberalität so wenden wollte, daß der Empfänger durch den ganzen Hergang positiv ärmer würde, da doch die Consumtion zu einer Zeit geschehen ist, worin sie dem damals noch unverän- derten Willen des Gebers völlig gemäß war. Dieses Letzte, als den eigentlichen Grund der Entscheidung, drückt Ulpian aus in den Worten: quia secundum voluntatem dantis numi sunt consumti, und es ist dieselbe natürliche Betrachtung, welche von den alten Juristen auch schon bey der Schenkung unter Ehegatten angewendet worden ist (§ 150. u ). — Es ist also überhaupt kein nothwendi- ger Grund vorhanden, in der Beurtheilung dieses beson- deren Falles einen Widerspruch zwischen Julian und Ul- pian anzunehmen, da Beide in dem wichtigsten Punkt übereinstimmen, daß eine gültige Schenkung (und eben so ein gültiges Darlehen) ursprünglich gar nicht vorhanden ist. Da, wo die Schenkung auf einem Vertrag beruht, kann sie, wie jeder andere, das Vermögen betreffende, Vertrag eingeschränkt werden durch Bedingung, Zeit, oder Modus (§ 116). Für diese Beschränkungen ist wichtig der oben angegebene Begriff der perfecta donatio (§ 155). Vor der Vollendung desjenigen Geschäfts, worin die Schen- kung sichtbar wird, kann der Geber jede willkührliche Ein- schränkung hinzufügen, da er ja sogar die ganze Schen- kung noch rückgängig machen kann; nach jenem Zeitpunkt §. 162. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. steht dieses nicht mehr in seiner Macht L. 4 C. de don. quae sub modo (8. 55.). . — Was das Einzelne dieser Beschränkungen betrifft, so sind nur zwey Fälle derselben von so durchgreifendem Einfluß, daß da- durch die Schenkung selbst eine ganz eigenthümliche Ge- stalt annimmt: die mortis causa donatio, welche auf einer einzelnen Art möglicher Bedingungen beruht, und die do- natio sub modo im Allgemeinen. Alle übrigen bedingten Schenkungen, so wie die durch Zeit beschränkten, haben keine hervorstechende Eigenthümlichkeit. Die beiden eben genannten Rechtsinstitute aber müssen zu einer abgeson- derten Darstellung am Ende der ganzen Lehre vorbehalten bleiben, da eine befriedigende Behandlung derselben erst dann möglich ist, wenn die auf positiven Gesetzen beru- henden Einschränkungen (insbesondere die Insinuation) ab- gehandelt seyn werden. §. 162. V. Schenkung. — Einschränkungen. 1. Verbot unter Ehegatten . Die genaue Begränzung des Begriffs der Schenkung wurde nur nöthig durch drey im positiven Recht enthal- tene Einschränkungen: eine derselben beruht auf erschwe- renden Formen, eine zweyte auf dem Verbot während der Ehe, die dritte auf der Widerruflichkeit aus besonderen Gründen (§ 142). Für die Darstellung des neuesten Rechts ist es nöthig, die Ordnung der zwey ersten Einschränkun- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gen umzukehren, und das Verbot unter Ehegatten voran zu stellen, obgleich es eine weit speciellere Natur hat. Das Verbot der Schenkung unter Ehegatten ist von zwey Seiten zu betrachten. Die eine derselben gehört der Ehe an; dahin ist zu rechnen die Feststellung der Gründe, wodurch das Verbot herbeygeführt worden ist, welche nur im Zusammenhang des Eherechts auf befriedigende Weise unternommen werden kann, und daher hier ausgesetzt bleibt Nur den Widerspruch muß ich hier wiederholen gegen die neuerlich aufgestellte Ansicht, nach welcher dieses Verbot zuerst in der strengen Ehe entstanden, und dann in die freye Ehe (worin wir es jetzt finden) herüber ge- nommen seyn soll. Vergl. Sa- vigny Recht des Besitzes, Ein- leitung S. LXVI der 6ten Aus- gabe. Für die Ehefrau in manu bedurfte es eben so wenig eines Schenkungsverbots, als für den Sohn in väterlicher Gewalt; die Schenkung war für sich unmög- lich, weil sie gar keine denkbare Wirkung haben konnte. Die Frau konnte dem Mann nicht schen- ken, weil sie Nichts hatte, der Mann seiner Frau nicht, weil er es sich selbst geschenkt hätte, in- dem Alles, was sie überhaupt er- warb, in sein Vermögen kam. . Die andere Seite fällt in die allgemeine Lehre von der Schenkung, welche ohne sie ganz lückenhaft blei- ben würde, da sogar diese Anwendung für die Römischen Juristen fast die einzige Veranlassung gewesen ist, den Begriff der Schenkung auszubilden und scharf zu begrän- zen (§ 142). Die allgemeine Bedingung dieses Verbots besteht also darin, daß die Schenkung unter Ehegatten , folglich während einer bestehenden Ehe, vorgenommen werde. Es ist dabey derjenige Begriff der Schenkung zur Anwendung zu bringen, welcher schon oben vollständig entwickelt wor- §. 162. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. den ist. Namentlich ist Veräußerung nöthig, und Berei- cherung; diese Bereicherung muß fortdauernd seyn, und aus der Absicht des Gebers hervorgehen. Da die Schenkung während einer Ehe geschehen seyn muß, damit das Verbot wirken könne, so sind dadurch zweyerley Fälle ausgeschlossen. Erstlich wenn das Verhältniß des Gebers zum Em- pfänger überhaupt nicht Ehe ist. Dahin gehört also jedes geschlechtliche Verhältniß niederer Art, wie Concubinat und was noch tiefer steht als dieses L. 3 § 1 L. 58 pr. § 1 de don. int. vir. (24. 1.), L. 31 pr. L. 5 de don. (39. 5.). — Eine Ausnahme scheint bestimmt für die Concubine ( focaria ) ei- nes Soldaten, in L. 2 C. de don. int. vir. (5. 16.). Indessen möchte wohl, in dem besondern Fall die- ser Stelle, die Ungültigkeit der Schenkung eher in der mangeln- den Perfection, als in dem per- sönlichen Verhältniß der Empfän- gerin, ihren Grund haben. . Es wäre irrig anzunehmen, diese Verhältnisse hätten noch weniger An- spruch auf Gültigkeit der Schenkung als die Ehe, weil sie geringer seyen als diese. Denn das Verbot in der Ehe gründet sich auf die Befürchtung, daß die Reinheit und innere Würde derselben durch Schenkungen gefährdet werden möchte; bey jenen Verhältnissen aber ist Nichts zu verderben. — Eben dahin gehört, dem Grundsatz nach, auch jedes Verhältniß, welches von den zusammen leben- den Personen als Ehe gemeynt ist, aber aus Rechtsgrün- den nicht als wahre Ehe angesehen werden kann L. 3 § 1 de don. int. vir. (24. 1.). „.. si matrimonium moribus legibusque nostris con- stat, donatio non valebit. Sed si aliquod impedimentum in- terveniat, ne sit omnino ma- trimonium, donatio valebit. ” . In Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. der Anwendung aber ist dieser Grundsatz manchen Modi- ficationen unterworfen. Zwar wenn das Ehehinderniß nicht als eigentliches Verbot angesehen werden kann, wie z. B. das unreife Alter, ist die Schenkung, wegen der Nichtigkeit einer solchen Ehe, in der Regel gültig L. 65 de don. int. vir. (24. 1.). — Eben dahin würde der Fall einer Ehe unter Peregrinen gehören, die ja auch nicht mori- bus legibusque nostris constat (Note c ), ohne deshalb verboten zu seyn, d. h. für etwas Schlech- tes, Verwerfliches zu gelten. ; sie ist aber ausnahmsweise ungültig, wenn die vermeyntlichen Ehegatten das Hinderniß nicht kannten: hier jedoch nicht wegen des Schenkungsverbots (das auf den Fall dieser nichtigen Ehe keine Anwendung leidet), sondern weil man es nun nicht als reine Schenkung, vielmehr als eine Art von datum ob causam betrachtet, welches wegen der irri- gen causa zurückgefordert werden kann L. 32 § 27 in f. de don. int. vir. (24. 1.). . — Anders ver- hält es sich, wenn das Ehehinderniß auf einem eigentli- chen Verbote beruht. Zwar paßt auch hier das nur auf wahre Ehen berechnete Schenkungsverbot unmittelbar nicht. Es wird aber als unwürdig angesehen, daß die Schen- kung bey einer verbotenen Ehe mehr Wirksamkeit habe, als bey einer gültigen L. 3 § 1 de don. int. vir. (24. 1.) führt nach den in Note c abgedruckten Worten einige Bey- spiele verbotener Ehen an, und fährt dann so fort: „valebit do- natio, quia nuptiae non sunt: sed fas non est, eas donationes ratas esse: ne melior sit con- ditio eorum qui deliquerunt.” . Daher gilt hier stets Zurück- forderung des Geschenks. Ist nun der Geber, welcher die Rückforderung geltend macht, in Beziehung auf das §. 162. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. vorhandene Verbot, schuldlos, so behält er das zurückge- gebene Geschenk gerade so, wie wenn die Ehe gültig, und deshalb die Schenkung nichtig gewesen wäre L. 7 C. de don. int. vir. (24. 1.). Hier hatte der Vor- mund seine Mündel zur Ehe ge- nommen und von ihr ein Ge- schenk erhalten; dieses soll sie zu- rück fordern können. In einem solchen Verhältniß nämlich ist der Vormund allein der strafbare Theil, die Frau ist schuldlos. L. 128 de leg. 1 (30. un.). Eben so würde im Fall verbotener Ver- wandtschaft der Geber schuldlos seyn, und also zurückfordern kön- nen, wenn er über die Verwandt- schaft in Unwissenheit wäre; das Bewußtseyn des Empfängers wäre gleichgültig. . Wenn dagegen der Geber als der Schuldige, in Beziehung auf das Eheverbot, zu betrachten ist, so wird das Geschenk zwar auch zurückgefordert, aber so daß es der Fiscus an- statt des Schuldigen erhält L. 32 § 28 de don int. vir. (24. 1.). Ehe eines Senators mit einer Freygelassenen, eines Vormunds mit seiner Mündel. In beiden Fällen wird der Mann als der Geber vorausgesetzt, sonst würde die Stelle der in der Note g angeführten widersprechen. Der Mann aber ist allein der Schul- dige, nicht blos im Fall des Vor- munds, sondern auch des Sena- tors; denn dieser verletzt die Würde seines Standes, die Frey- gelassene wird durch die Folgsam- keit gegen den Patron gerecht- fertigt. . Zweytens ist die Schenkung gültig, wenn sie vor dem Anfang der Ehe, oder nach dem Ende derselben (im Fall der Scheidung) geschieht. — Die Schenkung vor der Ehe ist die donatio ante nuptias, die zunächst nur beachtet wurde im Gegensatz der Schenkung unter Ehegatten, um hervorzuheben, daß sie noch nicht unter das, für dieselben Personen bald nachher eintretende, gesetzliche Verbot falle. Dieses war ihre negative Seite; dann wurde aber auch eine positive Eigenthümlichkeit in ihr angenommen, indem Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sie nicht als reine Schenkung, sondern zugleich als datum ob causam behandelt wurde, welches die Folge hat, daß sie in den meisten Fällen zurückgefordert werden kann, wenn die Ehe nicht zu Stande kommt L. 15. 16 C. de don. ante nupt. (5. 3.). . Zuletzt wurde sie in die donatio propter nuptias umgebildet, in welcher Gestalt sie gar nicht mehr die Natur einer Schenkung an sich trägt. Daneben aber besteht noch immer der ur- sprüngliche Grundsatz, daß vor dem Anfang der Ehe jede Schenkung unter den künftigen Ehegatten (auch wenn sie nicht die besonderen Eigenschaften einer donatio propter nuptias an sich trägt) von dem gesetzlichen Verbot nicht betroffen wird Am Unzweifelhaftesten zeigt sich der Unterschied, wenn die Braut dem Bräutigam schenkt, welches niemals als propter nup- tias donatio gedacht werden kann. Aber auch Geschenke des Bräu- tigams können vorkommen, ohne daß dabey die besondere Absicht der pr. n. donatio zum Grunde liegt. . Besondere Rücksicht verdienen die Fälle, worin die Schenkung dergestalt in verschiedene Zeitpunkte fällt, daß sie in dem einen juristisch begründet wird, in dem andern in Erfüllung gebracht werden soll. Fällt nun jener erste Zeitpunkt vor den Anfang der Ehe, die Erfül- lung aber wird der schon vollzogenen Ehe vorbehalten, so ist das Schenkungsverbot darauf anwendbar L. 32 § 22 de don. int. vir. (24. 1.). . Eben so ist es umgekehrt nicht anwendbar, wenn zwar während der Ehe die Schenkung juristisch begründet wird, ihre Wirksamkeit aber erst nach aufgelöster Ehe eintreten soll. Daher ist unter Ehegatten gültig die mortis causa dona- §. 162. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. tio, weil diese überhaupt erst durch den früheren Tod des Gebers volle Bestätigung erhält L. 9 § 2 L. 10 L. 11 pr. § 1 de don. int. vir. (24. 1.). Ul- pian. VII. § 1 stellt dieses als Ausnahme von dem Schenkungs- verbot dar, was es streng ge- nommen nicht ist. — Andere Schenkungen von Todes wegen werden gewöhnlich so gemacht, daß das Eigenthum gleich An- fangs übergeht; dieses ist unter Ehegatten unmöglich. — In L. 9 § 2 cit. heißt es: „Inter virum et uxorem m. c. donationes re- ceptae sunt. ” Das darf nicht etwa so verstanden werden, als wären sie früher auch verboten gewesen, und erst später zugelas- sen worden; dieser Annahme wi- derspricht theils der allgemeine, durchgreifende Grund ihrer Gül- tigkeit, theils der Umstand, daß ganz derselbe Ausdruck ( receptum est ) für das Verbot unter Ehe- gatten überhaupt gebraucht wird. L. 1 eod. . Eben so auch die Schenkung für den Fall einer bevorstehenden Scheidung, weil durch die Scheidung, eben so wie durch den Tod, die Ehe aufgelöst wird L. 11 § 11 L. 12 L. 60 § 1 L. 61 L. 62 pr. de don. int. vir. (24. 1.). Der Unterschied von der m. c. donatio liegt darin, daß diese in Beziehung auf den Tod überhaupt (nicht blos auf eine bestimmte Todesgefahr) ge- schehen kann, jene dagegen nur mit Hinsicht auf die wirklich be- vorstehende Scheidung, nicht auf die allgemeine Möglichkeit einer solchen überhaupt. — Auch diesen Fall behandelt Ulpian. VII. § 1 als Ausnahme von dem Verbot. . Das Verbot beschränkt sich nicht auf die Schenkung eines Ehegatten unmittelbar an den andern, sondern es umfaßt zugleich alle diejenigen Personen, mit welchen die Ehegatten in Vermögenseinheit stehen. Der Mann kann also auch nicht schenken dem Vater der Frau, wenn sie in dessen Gewalt steht, ihren Geschwistern, die mit ihr in desselben Vaters Gewalt leben, desgleichen ihrem Skla- ven; eben so darf er nicht von diesen Personen Geschenke annehmen. Auf gleiche Weise ist verboten die Schenkung Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zwischen der Frau und des Mannes Vater, Geschwistern, Sklaven; hier kommt noch hinzu die Schenkung der Frau an ihre eigenen Kinder, so lange diese in des Mannes Gewalt stehen. Endlich ist auch jede wechselseitige Schen- kung unter den hier genannten Personen verboten, so daß also der Vater des Mannes dem Vater der Frau nicht schenken kann, und umgekehrt L. 3 § 2 — 6 L. 32 § 16 de don. int. vir. (24. 1.). Fragm. Vatic. § 269. — Diese ungemeine Ausdehnung des Verbots beruht großentheils auf dem, durch Ju- stinian sehr beschränkten Grund- satz des alten Rechts, daß die Kinder dem Vater erwerben, und sie kann daher im neuesten Recht nur theilweise zur Anwendung kommen. Wenn die Frau ihrem Sohne schenkt, so ist das nicht mehr eine mittelbare Schenkung an den Mann, außer insofern dieser den Niesbrauch erwirbt; daher kann nur dieser Niesbrauch nicht gelten, d. h. das Geschenk verwandelt sich von selbst in ein sogenanntes peculium adventi- tium extraordinarium. Eben so bey der Schenkung an die Brü- der des Mannes. Nicht so bey der an den Schwiegervater. Denn hier gründet sich auch schon nach altem Recht das Verbot lediglich in der (oft factisch sehr sicheren) Aussicht des Mannes auf seines Vaters Erbschaft; hierin aber hat Justinian Nichts geändert. — Da, wo nach heutigem Recht die vä- terliche Gewalt durch die Ehe des Kindes aufgehoben wird, kann ohnehin nicht mehr von jenen Aus- dehnungen des Verbots auf El- tern und Geschwister die Rede seyn. Stryk XXIV. 1 § 2. . §. 163. V. Schenkung. — Einschränkungen. 1. Verbot unter Ehegatten . (Fortsetzung.) Die allgemeine Wirkung dieses Verbots besteht darin, daß jede Handlung, welche zur Vollziehung einer solchen verbotenen Schenkung dienen soll, als nicht geschehen §. 163. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) betrachtet wird; das heißt, es gilt hier absolute Nulli- tät L. 3 § 10 de don. int. vir. (24. 1.). ( Ulpian. lib. 32 ad Sab.). „Sciendum autem est, ita in- terdictam inter virum et uxo- rem donationem, ut ipso jure nihil valeat quod actum est. Proinde, si corpus sit quod donatur, nec traditio quicquam valet. Et si stipulanti promis- sum sit, vel accepto latum, ni- hil valet. Ipso enim jure, quae inter virum et uxorem dona- tionis causa geruntur, nullius momenti sunt. ” — Eben so sagt Papinian, indem er von einer nicht zur Wirksamkeit gekomme- nen m. c. donatio spricht, in L. 52 § 1 eod. „nam quo casu inter exteros condictio nasci- tur, inter maritos nihil agitur. ” . Die Tradition also, und eben so im älteren Recht die Mancipation, überträgt in diesem Fall kein Eigenthum (Note a ). Eben so entsteht daraus, wenn der Geber selbst das Eigenthum nicht hat, keine Usucapion L. 1 § 2 pro donato (41. 6.). . Beruht die Tradition auf einem negotium mixtum cum donatione (§ 154), so daß sie nur theilweise Schenkung ist, so ent- steht durch sie ein getheiltes Eigenthum L. 31 § 3 de don. int. vir. (24. 1.). . Sollte die Schenkung in einer übernommenen Obliga- tion bestehen, so ist diese ganz nichtig. Wird nachher aus dieser Obligation Zahlung geleistet, so würde Dieses ei- gentlich keine Schenkung, sondern bloße Schuldenzahlung seyn (§ 157. a. b ). Da aber die Schuld nichtig ist, so ist es dennoch wieder eine neue Schenkung, und daher gleichfalls nichtig. Sollte die Schenkung durch einen Erlaßvertrag (wie Acceptilation) bewirkt werden, so gilt dieser gleichfalls als Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nicht geschlossen, das heißt die Schuld dauert unverändert fort (Note a ). Diese Regeln gelten für beide Ehegatten gleichmäßig. Dennoch zeigt sich ihr Einfluß durchgreifender bey den Schenkungen des Mannes an die Frau, als im umgekehr- ten Fall. Alles, was der Mann seiner Frau unentgeld- lich giebt, hat von selbst die Natur einer Schenkung, und ist der angegebenen Nichtigkeit unterworfen. Die Frau kann stets ihr ganzes Vermögen unentgeldlich dem Mann überlassen, und dieses ist völlig gültig, so bald es zum Zweck einer Dos geschieht. Allerdings ist nun diese keine Schenkung, aber der Unterschied scheint mehr im Namen als in der Sache zu liegen. Denn der Mann bekommt an einer solchen Dos sogleich Eigenthum und Fruchtge- nuß, zunächst also dieselben Rechte und Vortheile, die ihm auch eine Schenkung verschaffen könnte. Der praktische Sinn dieses, auch an die Frau gerichteten, Verbots be- steht also darin, daß sie dem Mann nicht soll Vermögen anders unentgeldlich zuwenden können, als nach den für die Dos geltenden eigenthümlichen Regeln, das heißt haupt- sächlich nicht anders, als so daß das Gegebene am Ende der Ehe auf die Frau selbst oder ihre Erben zurück falle Nach dem älteren Recht nur auf sie selbst, nach dem neue- ren auch auf ihre Erben, so daß also nunmehr der praktische Un- terschied der Dos von einer Schen- kung der Frau an den Mann noch stärker hervortritt, als im älteren Recht. — Dieser Rückfall soll auch nicht etwa blos in der Regel eintreten, mit Vorbehalt abweichender willkührlicher Be- stimmungen; vielmehr sind solche abweichende Verträge ungültig, außer wenn sie mit Rücksicht auf . §. 163. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) Wenn zu der Schenkung zwischen Ehegatten Rechts- geschäfte mit fremden Personen angewendet werden (§ 158), so entsteht die Frage, ob die im Allgemeinen ausgespro- chene Nichtigkeit auch auf diese Rechtsgeschäfte mit zu be- ziehen ist, obgleich jene fremde Personen weder als Geber, noch als Empfänger, betrachtet werden können, also über- haupt in gar keinem Schenkungsverhältniß stehen. Den- noch muß auch hier die Nichtigkeit im Allgemeinen be- hauptet werden L. 3 § 10 L. 5 § 3. 4 L. 39 de don. int. vir. (24. 1.). ; die genauere Ausführung dieser Frage aber ist in der Beylage X. versucht worden. Es sind nun noch die Rechtsmittel anzugeben, wodurch diese Nichtigkeit der Schenkung unter Ehegatten zur Aus- führung gebracht wird. Für viele Fälle bedarf es solcher Rechtsmittel gar nicht; bey der Schenkung durch Stipu- lation, wie durch Acceptilation, genügt die bloße Nichtig- keit an sich, indem durch die Stipulation keine Obligation entsteht, durch die Acceptilation die ursprüngliche Obli- gation nicht aufgehoben oder geschwächt wird. Es bedarf eines besonderen Rechtsmittels nur da, wo zum Nachtheil des Gebers irgend eine Veränderung bereits eingetreten ist, deren Folgen jetzt wieder aufgehoben werden sollen. Für diesen Zweck gelten zwey Rechtsmittel: eine Vin- dication, wenn die geschenkte Sache noch vorhanden ist, so daß blos der Besitz dem Geber fehlt; eine Condiction, Kinder dieser Ehe geschlossen wer- den. L. 16. 27 de pactis dot. (23. 4.), L. 1 § 1 de dote prae- leg. (33. 4.). Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. wenn sich bey dem Empfänger nicht mehr die Sache selbst, wohl aber der Werth derselben vorfindet L. 5 § 18 de don. int. vir. (24. 1.). „In donationibus au- tem jure civili impeditis hacte- nus revocatur donum … ut, si quidem exstet res, vindicetur: si consumta sit, condicatur, hactenus quatenus locupletior quis eorum factus est.” L. 36 pr. eod. „Si donatae res ex- stant, etiam vindicari pote- runt.” L. un. § 5 C. de r. u. a. (5. 13.). „.. cum sit donatori facultas, per actionem in rem directam, vel per utilem, vel per condictionem suo juri me- deri?” . Bey der Vindication ist eine eigenthümliche Ausdeh- nung zu bemerken. Sind Baumaterialien geschenkt, welche sich auf einem Grundstück des Empfängers verbaut finden, so darf der Geber dieselben, gegen die in anderen Fällen geltende Regel, aus dem Gebäude herausnehmen, wenn es nur ohne Beschädigung geschehen kann. Dagegen fällt nun auch die actio tigni juncti auf den doppelten Werth hinweg L. 63 L. 45 de don. int. vir. (24. 1.), L. 43 § 1 de leg. 1 (30. un.). — In L. 63 cit. muß mit der Vulgata gelesen werden: quamvis nulla actio est … quia Decemviros … Die Flo- rentina hat beide Partikeln irri- gerweise umgestellt. — Das Ganze ist jedoch nur eine Begünstigung des Gebers, so daß er gewiß auch den Werth condiciren kann, wenn er es vorzieht. . Daß die Vindication auch gegen jeden dritten Besitzer der geschenkten Sache geht, liegt in der allgemei- nen Natur dieser Klage. Die Condiction kann als sine causa, aber auch als ex injusta causa bezeichnet werden, da hier beide Benen- nungen gleichmäßig anwendbar sind L. 6 de don. int. vir. (24. 1.). . Denn die factisch vorhandene donationis causa steht mit einer absoluten Rechtsregel im Widerspruch ( injusta causa ), und hat da- §. 163. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) her kein juristisches Daseyn (sine causa). Sie geht auf die in dem Vermögen des Empfängers fortwährend vor- handene Bereicherung (Note f ). Wie diese Bereicherung zu beurtheilen ist, insbesondere wenn ein wiederholter Um- satz von Vermögensstücken Statt gefunden hat, ist oben (§ 149 — 151) bestimmt worden. Ist entweder das Da- seyn, oder der Umfang der fortwährenden Bereicherung streitig, so trifft die Beweislast den Beklagten. Denn die ursprüngliche Bereicherung ist stets unzweifelhaft, der Be- klagte aber behauptet die Aufhebung oder Verminderung derselben durch eine spätere Thatsache, welche er daher beweisen muß. — In wiefern die Klage auch auf die Früchte der geschenkten Sache gerichtet werden kann, ist schon oben untersucht worden (§ 147). Die Klage gilt unter den Ehegatten selbst, nur wenn unter ihnen auch die Schenkung vorgekommen war. Hatte diese unter anderen Personen Statt gefunden, deren per- sönliches Verhältniß zu den Ehegatten dieselbe unzulässig machte (§ 162), so gilt die Klage zwischen dem Geber und dem Empfänger L. 32 § 16. 20 de don. int. vir. (24. 1.). . Das Geschenk also, das der Mann seinem Schwiegervater gab, hat er von diesem zu- rück zu fordern, nicht von der Frau. Eine besondere Begünstigung der Rückforderung gilt für den Fall, wenn das geschenkte Geld zum Ankauf einer noch jetzt vorräthigen Sache verwendet wurde, der Em- pfänger aber insolvent geworden ist. Hier kann die ge- IV. 12 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. kaufte Sache mit einer utilis vindicatio eingeklagt wer- den L. 55 in f. de don. int. vir. (24. 1.). „.. Sed nihil pro- hibet, etiam in rem utilem mu- lieri in ipsas res accommoda- re.” Hieraus erklärt sich die in L. un. § 5 C. de rei ux. act. erwähnte utilis in rem actio (Note f ). . Außer diesen Klagen hatte der schenkende Ehemann im älteren Recht noch ein besonderes Rechtsmittel. Er konnte am Ende der Ehe, wenn ihm die Dos abgefordert wurde, diese als Pfand zurück behalten bis ihm die an die Frau gemachten Geschenke zurückgegeben waren Ulpian . VI. § 9. „Reten- tiones ex dote fiunt … aut propter res donatas. ” Hieran schließt sich, als Erklärung und weitere Ausführung jener Worte, VII. § 1. . Justinian hat diese Retention, so wie alle übrigen, aufgehoben L. un. § 5 C. de rei ux. act. (5. 13.). Die Aufhebung be- zieht sich hier, wie in den ande- ren Fällen, nur auf die retentio pignoris loco. Wo die gewöhn- liche Compensation eintreten kann, durch Abrechnung von Geld ge- gen Geld, ist durch jenes Gesetz Nichts geändert. . Es giebt jedoch eine Anzahl von Fällen, worin aus- nahmsweise die Schenkung unter Ehegatten aufrecht er- halten wird: bald indem sie gleich Anfangs als gültig an- zusehen ist, bald indem sie durch spätere Thatsachen be- stätigt wird Unter diese Fälle wahrer Ausnahmen von dem Schenkungs- verbot gehört nicht die Schenkung eines Sklaven manumissionis causa, weil es keine wahre Schen- kung ist (§ 150 Note d bis h ). Eben so nicht die mortis causa und divortii causa donatio (§ 162), weil diese zwar wahre Schenkungen sind, aber erst nach aufgelöster Ehe gültig und wirk- sam werden. . So ist von dem Verbot im Römischen Recht ganz aus- genommen jede Schenkung zwischen dem Kaiser und der §. 163. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) Kaiserin L. 26 C. de don. int. vir. (5. 16.). . — Ferner die Schenkung, wodurch die Wie- derherstellung eines abgebrannten Hauses bewirkt werden soll L. 14 de don. int. vir. (24. 1.). Genannt ist hier nur die Schenkung des Mannes an die Frau; gewiß aber ist die um- gekehrte Schenkung nicht weni- ger gültig. . — Dann die Schenkung der Frau an den Mann, damit dieser gewisse Ehrenrechte zu erlangen fähig werde: namentlich um ihm den Census der Ritter oder der Se- natoren zu verschaffen, oder damit er die mit gewissen Magistraturen verknüpften öffentlichen Spiele besorgen könne Ulpian . VII. § 1, L. 40. 41. 42 de don. int. vir. (24. 1.). Als Ausnahme tritt es nur her- vor, so lange das Geschenk vor- räthig ist, so z. B. bey dem für den Ritterstand nöthigen Vermö- gen, oder bey dem Geld für die Spiele vor dessen wirklicher Ver- wendung. Ist das Geld ausge- geben, so fällt ohnehin die Klage weg durch Consumtion. Auf ei- nen solchen Fall geht L. 21 C. de don. int. vir. (5. 16). . — Erlaubt ist ferner die Schenkung, die einem zur Deportation verurtheilten Ehegatten gemacht wird, oder umgekehrt L. 43 de don. int. vir. (24. 1.), L. 13 § 1 eod. In die- ser letzten Stelle werden Fälle von beiderley Art erwähnt. . Im ersten Fall zwar kann dieses be- trachtet werden als eine, erst nach aufgelöster Civilehe zu erfüllende Schenkung, die schon an sich gültig ist Vgl. oben § 162. m. n. — Nämlich der Deportirte wurde Peregrinus, wodurch die Ehe zu einer solchen wurde, auf welche das Verbot überhaupt nicht mehr paßte. § 162. d. ; im zweyten Fall aber hat es die besondere Bedeutung, daß nicht der Fiscus, an der Stelle des Gebers, das Ge- schenk soll zurück fordern können Der Fiscus succedirt dem Deportirten per universitatem, kann also in der Regel alle Kla- gen anstellen, die Jener vor der Deportation selbst anstellen konn- . 12* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Emstehung und Untergang. Eine besonders wichtige Ausnahme des Verbots be- ruht auf einer eigenen Art von Compensation. Wenn der Mann ein Geschenk der Frau verschwendet, so fällt da- für jede Rückforderung weg, weil er nicht reicher ist. Schenkt er ihr nun wieder, und sie behält das Geschenk, so müßte er es zurück fordern können, weil sie durch das- selbe reicher ist. Hier aber wird die Rückforderung durch Compensation mit der gegenseitigen Schenkung ausgeschlos- sen, obgleich diese nicht mehr zurück gefordert werden konnte L 7 § 2 de don. int. vir. (24. 1.). . §. 164. V. Schenkung. — Einschränkungen. 1. Verbot unter Ehegatten . (Fortsetzung.) Die wichtigste Ausnahme endlich von dem Verbot ei- ner solchen Schenkung ist durch den Senatsschluß vom J. 206 eingeführt worden (§ 150). Dieser wird bald dem K. Severus zugeschrieben, weil dieser damals der Haupt- kaiser war „oratio D. Severi.” L. 23 de don. int. vir. (24. 1.) von Papinian; L. 10 C. eod. (5. 16.) von K. Gordian; Fragm. Vat. § 276 von K. Diocletian. , bald dem K. Caracalla, welcher, als Mit- regent, den Antrag dazu in den Senat brachte L. 32 pr. de don. int. vir. (24. 1.) von Ulpian: „Cum hic status esset donationum inter virum et uxorem, quem antea retulimus, Imp. noster Antoni- nus Augustus , ante excessum D. Severi patris sui, auctor fuit Senatui censendi, Fulvio Aemi- , bald te; also auch die Vindication oder Coudiction auf das dem Ehegat- ten gemachte Geschenk, wenn nicht diese Klagen durch die besondere Ausnahme ausgeschlossen wären. §. 164. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) beiden Kaisern gemeinschaftlich L. 3 C. de don. int. vir. (24. 1.) von Caracalla: „et ex mea et ex D. Severi patris mei constitutione.” Fragm. Vatic. § 294 von Papinian: „.. quod vir uxori dedit, morte soluto matrimonio, si voluntas perse- veravit, fini decimarum auferre non oportere maximi princi- pes nostri suaserunt , et ita Senatus censuit.” ; jede dieser Bezeichnun- gen konnte als richtig gelten, und keine derselben deutet auf zwey verschiedene Senatsschlüsse. Nach diesem Senatsschluß wird die Schenkung unter Ehegatten gültig und wirksam, sobald der Geber in der Ehe stirbt, ohne einen Widerruf ausgesprochen zu haben. Man sieht es nun so an, als hätte der Geber eine mor- tis causa donatio im Sinn gehabt, das heißt in bestimm- ter Hinsicht auf seinen künftigen Tod in der Ehe geschenkt; da nun eine solche Schenkung unter Ehegatten schon in früherer Zeit als gültig anerkannt wurde, jedoch so daß sie erst im Augenblick des Todes wirken sollte (§ 162. m ), so wurde nunmehr dieselbe Behandlung auf jede, auch ohne Erwähnung des Todes vorgenommene, Schenkung unter Ehegatten angewendet, wenn nur der Geber in der Ehe starb, ohne seinen Willen geändert zu haben. Diese Aufrechthaltung der erwähnten Schenkung durch die Fiction einer (ohnehin gültigen) mortis causa donatio erhellt zu- nächst aus einigen Stellen, worin geradezu von der m. c. donatio auf unsren Fall der Schenkung Folgerungen an- gewendet werden L. 32 § 7. 8 de don. int. vir. (24. 1.). — Es liegt also da- ; außerdem auch noch aus einer Stelle liano et Nummio Coss., ut ali- quid laxaret ex juris rigore.” Eben so (or. Imp. nostri, Imp. nostri Antonini Aug.) L. 32 § 1 L. 3 pr. eod. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. des Papinian, nach welcher diese Schenkung soll unan- fechtbar seyn fini decimarum (Note c ). Das will sagen, vor dem Senatsschluß konnten die Erben das ganze Ge- schenk zurückfordern, weil es nichtig gegeben war. Jetzt haben zwar die Erben gar kein Recht mehr, darum wird aber doch nicht gerade das ganze Geschenk aufrecht erhal- ten. Denn indem nun die Schenkung, um gültig zu seyn, die Natur einer m. c. donatio annimmt, wird sie auch allen Beschränkungen derselben unterworfen. So wie also die m. c. donatio überhaupt, einem Legate ähnlich, von der Capacität des Empfängers abhängt Vgl. unten § 173. b. , muß dieses auch von der durch den Tod bestätigten Schenkung unter Ehegatten gelten. Sie ist daher nur gültig innerhalb der von der L. Julia vorgeschriebenen Gränze der decimae Ulpian . XV. — Das fini decimarum auferre non opor- tere (Note c ) heißt also: bis an die durch die decimae bestimmte Gränze soll dem überlebenden Ehegatten das Geschenk Niemand entziehen können. Was diese Gränze überschreitet, wird ihm zwar nicht mehr als nichtige Schen- kung von den Erben entrissen, wohl aber als caducum von den liberos habentes oder dem Fis- cus. — Denselben Sinn, wie je- nes fini decimarum, hatten ur- sprünglich die Worte der L. 32 § 24 de don. int. vir. (24. 1.) „quae tamen in commune te- nuerunt, fine praestituto revo- canda non sunt.” In Justini- ans Digesten haben diese Worte den trivialen Sinn: „nach den in dem Societätscontract enthal- tenen Bestimmungen.“ (Vergl. § 154. k ). Diese Bestätigung wird aber unmöglich, wenn die Ehe bey die natürliche Annahme zum Grunde, der Geber möchte wohl die Schenkung gemacht haben, um, für den Fall seines eigenen To- des, die Versorgung des Empfän- gers vollständiger zu sichern. Ein solcher vorsorglicher Gedanke ist gewiß der Natur des ehelichen Verhältnisses sehr angemessen. §. 164. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) auf andere Weise, als durch des Gebers Tod, getrennt wird, nämlich durch den früheren Tod des Empfängers oder durch Scheidung; nun wirkt die Nichtigkeit in aller Strenge des früheren Rechts, und es ist höchstens eine neue Schenkung möglich L. 32 § 10 de don. int. vir. (24. 1.). Bey der ungülti- gen Schenkung der Schwiegerel- tern u. s. w. ist bald der Tod des Gebers allein, bald auch der des einen Ehegatten zur Bestätigung erforderlich. L. 32 § 16. 20 de don. int. vir. (24. 1.). . Der gleichzeitige Tod bei- der Ehegatten gilt jedoch als Bestätigung ihrer wechselsei- tigen Schenkungen L. 32 § 14 de don. int. vir. (24. 1.), L. 8 de reb. dub. (34. 5.). . Die Bestätigung wird auch verhindert, wenn der Ge- ber vor seinem Tod die Schenkung widerrufen hat. Dazu ist nicht etwa die Anstellung einer Klage erforderlich, jede formlose Willenserklärung genügt, wird jedoch auch durch eine neue Willensänderung entkräftet. Es entscheidet also derjenige Wille, der als zuletzt vorhanden nachgewiesen werden kann L. 32 § 2. 3. 4 de don. int. vir. (24. 1.), L. 18 C. eod. (5. 16.). . Tritt die Bestätigung ein, so wird die Wirkung zu- rückgeführt auf die Zeit des gegebenen Geschenks, so daß nunmehr Alles so behandelt wird, als ob die Schenkung gleich Anfangs gültig gewesen wäre L. 25 C. de don. int. vir. (5. 16.). Auch dieses ist eine Folge der Gleichstellung mit der m. c. donatio, da bey dieser in der Regel eine gleiche Zurückführung der Gültigkeit eintritt (§ 170). . Bey dieser Bestätigung der Schenkung durch den Tod des Gebers hat sich folgende Streitfrage von der Zeit der Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Glossatoren an bis auf unsere Tage fortgepflanzt. Die Einen lassen sie allgemein gelten, ohne Unterschied der Schenkungsmittel: die Anderen nur für die durch Tradi- tion einer Sache bewirkte Schenkung, nicht für andere Fälle, namentlich nicht für die Schenkung durch obliga- torischen Vertrag Die älteren Schriftsteller finden sich angegeben bey Glück B. 25 S 431 — 435 B. 26 S. 105 — 122 S. 214 — 216 und Schul- ting notae ad Digesta T. 4 p. 300. 304. — Neuere Schriftstel- ler: Wächter , Archiv für civil. Praxis B. 16 S. 107 — 124 (ge- gen die allgemeine Anwendung), Löhr ebendaselbst S. 233—242, Puchta , Rhein. Museum B. 6 S. 370—385 (Beide für die all- gemeine Anwendung). . Die allgemeine Anwendbarkeit, die ich für richtig halte, ist in folgenden Stellen des Ulpian auf so bestimmte Weise, ohne Zusatz irgend eines Zweifels, anerkannt, daß sie völlig herrschend geworden seyn muß, wenn auch früher irgend ein Widerspruch versucht seyn sollte. L. 32 § 1 de don. int. vir. (24. 1.). (Ulp. lib. 33 ad Sab.). Oratio .. pertinet … ad omnes donationes inter vi- rum et uxorem factas: ut et ipso jure res fiant ejus cui donatae sunt, et obligatio sit civilis Für den unbefangenen Le- ser können diese Worte unmög- lich etwas Anderes heißen, als: so daß sowohl die Tradition, als die Stipulation ipso jure Gül- tigkeit erlangen, die bis zum Au- genblick des Todes nichtig waren. Es ist unglaublich, welche ge- zwungene Erklärungen versucht worden sind, um den in den Worten obligatio sit civilis lie- genden entscheidenden Beweis zu beseitigen. . Noch bestimmter im § 23 derselben Stelle: Sive autem res fuit, quae donata est, sive obligatio remissa, po- test dici donationem effectum habere … et genera- §. 164. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) liter universae donationes, quas impediri diximus, ex oratione valebunt. Dieses Letzte sagt derselbe Ulpian, welcher kurz zuvor in demselben Werk gesagt hatte, unter Ehegatten seyen alle Schenkungen nichtig, sie möchten durch Traditionen versucht seyn, oder durch Stipulationen, oder durch Ac- ceptilationen (§ 163. a ); durch diese kurz vorhergehende Stelle erhalten die Worte: universae donationes quas im- pediri diximus ihren unzweifelhaften Sinn. — Unmittel- bar auf die zuletzt angeführte Stelle folgt die Erwähnung der societas und der emtio donationis causa contracta Sehr gut hat diesen Punkt hervorgehoben Puchta S. 375. ; hier, heißt es, hindere meist schon die Natur der Socie- tät oder des Kaufs die Gültigkeit des Geschäfts, ohne Rücksicht auf die Ehe, und dagegen könne auch der Se- natsschluß nicht schützen; wo aber jener allgemeinere Grund nicht im Wege stehe, da wirke allerdings auch der Se- natsschluß bestätigend ein. Hierin liegt ein entscheidender Beweis, daß der Senatsschluß an sich auf obligatorische Verträge eben so anwendbar war, als auf Traditionen. — In der folgenden Stelle ( L. 33 eod. ) macht Ulpian eine Anwendung dieser Regeln auf den besonderen Fall, wenn der Mann seiner Frau ein Jahrgeld durch Stipula- tion verspreche, oder umgekehrt die Frau dem Mann. Auch diese Schenkung, sagt er, wird durch den Senats- schluß bestätigt. Durch diese Anwendung werden die vor- her angeführten allgemeinen Aussprüche nur noch unzwei- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. felhafter gemacht. Die Gegner der allgemeinen Anwen- dung haben oft seltsamerweise die letzte Stelle als das einzige vorhandene Zeugniß angesehen, und nun die will- kührlichsten Behauptungen aufgestellt um zu erklären, warum gerade die Stipulation eines Jahrgeldes ein ganz besonderes Recht haben müsse. Hätten sie den hier dar- gestellten inneren Zusammenhang beider Stellen des Ulpian erwogen, so würde ihnen die Fruchtlosigkeit dieser ihrer Bemühung nicht entgangen seyn, da selbst die gelungenste Beseitigung der L. 33 cit. ihre Meynung um Nichts wei- ter bringen konnte. In einem Rescript des K. Alexander L. 2 C. de dote cauta (5. 15.). wird der Fall beurtheilt, da ein Mann seine Frau dadurch beschenken wollte, daß er die Summe der ursprünglich empfangnen Dos in einer späterhin, während der Ehe, ausgestellten Urkunde höher angab als sie wirklich war (Quod de suo .. in dotem adscripsit). Der Kaiser sagt, diese Schen- kung, wenn sie nicht widerrufen sey, werde durch den Tod bestätigt, vorausgesetzt nur daß sie durch irgend ein bindendes Rechtsgeschäft perfect geworden sey (donationem legitime confectam … quatenus liberalitas interposita mu- nita est ). Er fordert also nicht Tradition (welches nach der Meynung der Gegner geschehen mußte), sondern irgend eine nach allgemeinen Regeln gültige Perfection, indem das bloße adscribere allerdings nicht hinreichen konnte. Die Form der Stipulation war also in dem vorliegenden §. 164. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) Fall nicht ausgeschlossen, ja sie war so sehr die natür- lichste und angemessenste, daß sie vor allen hier als an- gewendet vorausgesetzt werden kann Man müßte außerdem sehr gezwungnerweise annehmen, die Sachen seyen zuerst der Frau tradirt, und dann von ihr an den Mann zurückgegeben worden. Viel einfacher war es, die ur- sprüngliche dotis stipulatio, auf dem Weg einer Novation, durch eine neue zu ersetzen, und diese sogleich auf eine höhere Summe zu richten. Vgl. Puchta S. 377. . Diesen Zeugnissen steht nun allerdings folgende bedenk- liche, gleichfalls von Ulpian herrührende, Stelle entgegen. L. 23 de don. int. vir. (24. 1.). (Ulpian. lib. 6 ad Sab.). Papinianus recte putabat, orationem D. Severi ad rerum donationem pertinere: denique si stipulanti spopondisset uxori suae, non putabat conveniri posse heredem mariti, licet durante voluntate maritus de- cesserit Ganz auf ähnliche Weise, nur weniger scharf bestimmt, sagt anderwärts derselbe Papinian: quod vir uxori dedit (s. oben Note c ). . Stände nicht das recte, als Zustimmung des Ulpian, dabey, so wäre Alles ganz einfach. Es wäre die blos historische Erwähnung, daß einmal Papinian die Anwend- barkeit des Senatsschlusses auf Stipulationen bezweifelt habe, die jedoch bald nachher allgemeine Anerkennung erhielt. Betrachten wir zuerst die inneren Gründe für beide entge- genstehende Meynungen, indem wir auf einen Augenblick jene Zustimmung auf sich beruhen lassen. Papinian konnte zu der beschränkteren Anwendung bestimmt werden durch die im Senatsschluß gebrauchten Worte: heredem vero Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. eripere … durum et avarum esse L. 32 § 2 de don. int. vir. (24. 1.), wo die Worte des Se- natsschlusses selbst angeführt wer- den. Bey Papinian heißt es, zwar mit dessen eigenen Worten, aber in gleichem Sinn mit jenen Worten des Senatsschlusses: au- ferre non oportere (Note c ). , die allerdings, buchstäblich genommen, auf das Entreißen eines schon in Besitz genommenen Gutes zu deuten schienen. Weit ent- scheidender jedoch für die entgegengesetzte Meynung war die Zurückführung des ganzen Falles auf die Fiction ei- ner mortis causa donatio. Diese aber bezweifelte selbst Papinian nicht, da er die Gränzen der Capacität in An- wendung brachte (Note c. f ). Da nun die mortis causa do- natio durch Stipulation so gut, als durch Tradition be- wirkt werden konnte, welches selbst Papinian anerkann- te L. 52 § 1 de don. int. vir. (24. 1.), s. o. § 157 Note s 1 . , so war es consequent, auch die gewöhnliche Schen- kung unter Ehegatten durch den Tod des Gebers bestäti- gen zu lassen, ohne Unterschied ob sie durch Stipulation oder durch Tradition bewirkt werde. Insofern kann man also sagen, Papinian habe mehr auf den Buchstaben, Ulpian auf den Geist des Senats- schlusses gesehen, wie es auch in der That manche Ver- theidiger der richtigen Meynung aufgefaßt haben. Man hat sogar versucht, diesen Gegensatz in die Zustimmung Ulpians ( recte putabat) hinein zu tragen, gleich als wollte dieser sagen: dem Buchstaben nach ist Papinians Mey- nung richtig, ich behalte mir aber vor, anderwärts zu bemerken, daß es dem Geist nach anders verstanden wer- §. 164. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) den muß So nimmt es Noodt Comm. ad Pand. XXIV. 1. ; dadurch wird jedoch Ulpians Worten Ge- walt angethan. Wie steht es also mit diesem recte, das ohne Zweifel mehr Schwierigkeit in die Sache bringt, als alles Andere? A. Faber, nach seiner wenig ängstlichen Weise, will das Wort recte wegstreichen A. Faber conject. II. 8. Ihm stimmt bey Löhr S. 241, indem er noch bemerkt, die Am- sterdamer Octavausgaben von 1663 und 1700 hätten das recte nicht. Allein die Druckfehler so höchst nachlässiger Abdrücke, wie diese, sind völlig ohne Bedeutung. , dieser be- quemen Aushülfe widerspricht aber die Leseart aller be- kannten Handschriften; doch hat es einigen Schein, daß in den Handschriften der Glossatoren das Wort gefehlt habe Die Glosse zu dem ersten putabat lautet so: „Et male se- cundum quosdam, ut statim di- ces.” Faber bemerkt, diese Glosse sey ganz passend zu einem Text ohne recte, bey welchem das et male die Natur einer näheren Bestimmung der in der Stelle enthaltenen historischen Erwäh- nung habe. Bey einem Text mit recte putabat hätte die Glosse den Character eines Widerspruchs gegen Ulpians Stelle, müßte also heißen: immo male. . — Eine andere Meynung nimmt zwey Senats- schlüsse an: der ältere (von Severus) habe die beschränkte Anwendung geboten, und davon rede Papinian: der neuere (von Antoninus) habe das Recht weiter ausgedehnt, und davon rede, in den späteren Stellen, Ulpian. Diese Ver- einigung findet sich schon in der Glosse, und sie ist neuer- lich auf sehr scheinbare Weise ausgeführt worden Glossa in v. heredem ma- riti: „ Hodie Papinianus per D. Severi et Antonini orationem corrigitur ut J. eod. L. Cum hic status.” — Puchta S. 383. . Es steht ihr aber zuerst der Umstand entgegen, daß schwerlich über eine so isolirte Rechtsfrage innerhalb weniger Jahre Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zwey Senatsschlüsse erlassen seyn möchten Der neuere Beschluß fiele sicher in das J. 206 ( L. 32 pr. cit. ) . Der ältere wäre aber auch schon zur Zeit der Mitregierung erlassen ( Fragm. Vat. § 294, s. o. Note c ), also nicht vor dem J. 198. . Ferner, daß sich in den nicht wenigen Stellen, die davon reden, doch wohl irgend eine Spur von zwey Beschlüssen erhal- ten haben müßte; dieses ist aber so wenig der Fall, daß vielmehr die Juristen und die Kaiser willkührlich und sorg- los ganz abwechselnde Bezeichnungen gebrauchen, welches nur unter der Voraussetzung eines einzigen Beschlusses ge- fahrlos geschehen konnte Vergl. die Stellen in den Noten a. b. c. . Ganz besonders aber spricht gegen jene Annahme die historische Einleitung, womit Ulpian die Hauptstelle über diesen Gegenstand eröffnet (Note b ). Er setzt hier entgegen den älteren Zustand der Schenkungen (nach jus civile ) und den Senatsbeschluß „ut aliquid laxaret ex juris rigore.” Der Beschluß, von dem er hier redet, ist (nach Puchta’s Meynung) der neuere, und er konnte unmöglich als das Eigenthümliche desselben die Milderung des juris rigor angeben, wenn eine solche Milderung (nur in einem etwas geringeren Grade) schon früher vorgenommen worden war. — Sehen wir aber ge- nauer zu, so referirt Ulpian zwey verschiedene Behaup- tungen des Papinian: die Anwendung des Senatsschlusses auf die Traditionen, die Nichtanwendung auf Stipulatio- nen. Nur die erste Behauptung billigt er (wenn das recte ächt ist), über die zweyte erklärt er sich wörtlich gar nicht, denn er sagt: recte putabat .. ad rerum donationem per- §. 164. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) tinere: denique … non putabat etc. Hätten wir nun diese Stelle allein, so würden wir unbedenklich die Billi- gung, als stillschweigend wiederholt, in die zweyte Behaup- tung hinein tragen. Bey dem entschiedenen Widerspruch der übrigen Stellen Ulpians steht es anders. Allerdings dürfte man, von diesem Gesichtspunkt die Sache ansehend, erwarten, daß Ulpian der zweyten Behauptung Papi- nians einen ausdrücklichen Widerspruch hinzugefügt haben möchte; es ist aber auch nicht unwahrscheinlich, daß er dieses wirklich gethan hat Etwa in den Ausdrücken: denique non recte putabat, oder mit dem Zusatz: ego contra puto, oder: quo jure non utimur. Vgl. L. 54 de cond. (35. 1.), L. 76 § 1 de furtis (47. 2.), worin ähn- liche Formen des Widerspruchs ge- gen eine referirte Meynung vor- kommen. , und daß nur die Compila- toren den Widerspruch weggestrichen haben. Dazu konnte sie veranlassen die alte gesetzliche Vorschrift, welche den berichtigenden Noten des Ulpian und des Paulus zu Pa- pinians Werken die Anwendbarkeit entzog L. 3 (vormals L. un. ) C. Th. de resp. prud. (1. 4.). „.. No- tas etiam Pauli atque Ulpiani in Papiniani corpus factas, si- cut dudum statutum est, prae- cipimus infirmari.” . Allerdings paßte diese Vorschrift nicht unmittelbar auf den vorliegen- den Fall, auch waren sie, die Gesetzverfasser, daran nicht gebunden; dennoch konnten sie sehr wohl glauben im Geist jener Vorschrift zu handeln, indem sie Worte wegstrichen, worin Ulpian eine Meynung Papinians geradezu tadelte. — Man könnte einwenden, ein solches Verfahren wäre unvorsichtig gewesen, weil es das Verhältniß dieser Stelle Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zu den übrigen erst recht zweifelhaft machen mußte. Allein eine Unvorsichtigkeit in der gemeinschaftlichen Aufnahme der angeführten Stellen muß Jeder annehmen, welcher Mey- nung er übrigens zugethan sey, folglich erhält durch diese Annahme keine mögliche Meynung Vortheil oder Nachtheil. Ohne Zweifel waren die Compilatoren, hier wie in ande- ren Fällen, nicht gewahr geworden, daß die L. 23, in ihrer gegenwärtigen Gestalt, mit L. 32 und 33 cit. nicht zu vereinigen ist. Wir aber sind durchaus genöthigt jene Stellen zu ver- einigen, ein praktisches Resultat ist uns unentbehrlich, auf welchem Punkt haben wir dieses zu finden? Ohne Zwei- fel in den Stellen Ulpians ( L. 32. 33 cit. ), welche mit der größten Entschiedenheit und in mannichfaltigen Anwendun- gen den ausgedehntesten Gebrauch des Senatsschlusses be- haupten. Daneben müssen wir es nun als eine blos hi- storische Notiz ansehen, daß Papinian eine beschränktere Anwendung machen wollte: sey es nun, daß wir zu die- sem Zweck das Wort recte wegstreichen, oder daß wir es blos auf die erste (unzweifelhaft richtige) Behauptung Pa- pinians beziehen, nicht auf die zweyte, wodurch eben diese eine blos historische Bedeutung erhält So ist die Sache, in Hin- sicht auf das Resultat, auch schon richtig aufgefaßt von Löhr S. 241 und von Puchta S. 385. . Zu diesem Allen kommt nun noch ein merkwürdiger Umstand hinzu, den beide Parteyen für sich zu benutzen versucht haben. Schon unter Justinians Regierung war §. 164. Schenkung. Einschränkungen. 1. Ehe. (Fortsetzung.) es zweifelhaft geworden, ob auch die auf obligatorischen Verträgen beruhenden Schenkungen durch den Tod bestä- tigt werden möchten, und er selbst bejahte diese Frage in der Novelle 162. Sicherlich war der Zweifel entstanden eben aus der L. 23 cit., denn die Juristen jener Zeit hat- ten ja dieselben Digesten, wie wir, als Gesetzbuch vor sich. — Man könnte glauben, dadurch sey aller Streit geschlichtet, allein unglücklicherweise ist jene Novelle un- glossirt. Nun sagen die Gegner, da Justinian nöthig ge- funden habe, dieses durch ein neues Gesetz einzuführen, so sey das gerade ein Zeichen, daß bis dahin, also nach unsren Digesten, das entgegengesetzte Recht gegolten ha- ben müsse. Dieses würde richtig seyn, wenn jene Novelle als neues Gesetz aufträte. Allein Justinian will darin blos belehren, er argumentirt blos aus den schon beste- henden Gesetzen, und so ist die Novelle ganz entscheidend für die hier vertheidigte Meynung, zwar nicht als Gesetz (da sie nicht glossirt ist), wohl aber als die vollwichtigste Autorität. Sehr merkwürdig ist das Benehmen der praktischen Schriftsteller bey dieser Streitfrage. Diese sind ganz ent- schieden für die unbeschränkteste Ausdehnung des Senats- schlusses, und zwar berufen sie sich dabey auf die No- velle 162 Lauterbach h. t. § 14. Huber h. t. § 5. Struy . Exerc. 30 § 30. Cocceji h. t. quaest. 2. . Gewiß nicht, als ob sie überhaupt den unglossirten Novellen Gesetzeskraft beylegen wollten, son- IV. 13 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dern weil, bey einer zweifelhaften Vereinigung wider- sprechender Stellen der Digesten, jene Autorität große Beachtung verdient; also ganz nach dem hier entwickelten Zusammenhang, wenngleich sie diesen nicht vollständig dar- gelegt haben. §. 165. V. Schenkung. — Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen . Die zweyte positive Einschränkung der Schenkung be- steht in erschwerenden Formen. Um das neueste hierin geltende Recht in seiner ganzen Eigenthümlichkeit darstel- len zu können, ist es nöthig, auf das ältere Recht zurück zu gehen, namentlich auf das der Lex Cincia Eine selbstständige Unter- suchung dieses schwierigen Gegen- standes liegt außer dem Zweck des gegenwärtigen Werks. Folgende Schriftsteller sind zu bemerken: Savigny , Zeitschrift für ge- schichtl. Rechtswissensch. B 4 S. 1 (geschrieben vor der Entdeckung der Vaticanischen Fragmente). Rudorff de L. Cincia Berol. 1825. 8. Franke civilistische Ab- handlungen S. 1 — 64. Klinkha- mer de donationibus Amstel. 1826. 8. Hasse Rhein. Museum B. 1 S. 185 — 248. Unterholz- ner Rhein. Museum B. 2 S. 436. B. 3 S. 153. Wenck praef. in Hauboldi opuscula Vol. 1 p. 37 — 61. — Die älteren Schriftstel- ler (wie Brummer) sind durch die in neuerer Zeit entdeckten Quel- len unbrauchbar geworden. . In der älteren Zeit können wir folgende zwey Ein- schränkungen der Schenkung annehmen: 1) Ein Verbot großer Schenkungen, deren Gränze aber wir nicht kennen. 2) Besondere Formen vollgültiger Schenkung. Diese §. 165. Schenkung. Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen. schließen sich an die natürliche Forderung der Perfection jeder wirksamen Schenkung an (§ 155), jedoch so daß hier diese Perfection durch positive Zusätze erschwert worden ist. Namentlich sollten mancipi res nicht anders vollgül- tig verschenkt werden können, als durch Mancipation oder in jure cessio In den meisten Stellen wird nur die Mancipation er- wähnt, weil diese überhaupt die üblichere Form war. Die in jure cessio aber war hier, wie in an- deren Fällen, eben so wirksam als jene. Cod. Hermog . VII. 1 (vor- mals VI. 1). , wozu jedoch noch hinzutreten sollte ein solcher Besitz, der sicheren Anspruch auf den Interdicten- schutz gewähren konnte. Daneben aber gab es eine Anzahl von personae ex- ceptae, wohin besonders die nahen Verwandten des Ge- bers gehörten, desgleichen der Ehegatte desselben Fragm. Vat . § 302. „Ex- cipiuntur … vir et uxor, spon- sus, sponsa.” Es ist auffallend, daß hier als begünstigte Perso- nen die Ehegatten genannt wer- den, denen gerade die Schenkung überhaupt untersagt ist. Es wäre irrig, deshalb annehmen zu wol- len, das Verbot der Schenkung in der Ehe sey neuer als die Lex Cincia. Auch die speciellen Aus- nahmen des Verbots (§ 163) er- klären die Sache nicht, da sie zu unbedeutend, zum Theil auch zu neu sind, als daß sie diese Art sehr alter Berücksichtigung hätten auf sich ziehen können. Wahr- scheinlich waren es die in der Ehe erlaubten Schenkungen mortis causa und divortii causa (§ 162), die auf diese Weise erleichtert und begünstigt werden sollten, und ge- wiß mit vollem Recht. Zur Recht- fertigung der Annahme, daß in der L. Cincia an eine Ausnahme zum Vortheil der m. c. donatio gedacht seyn könne, vergl. unten Note f , und § 174. a. . Diese begünstigten Personen waren von der natürlichen Noth- wendigkeit der Perfection nicht befreyt, wohl aber von den erwähnten positiven Erschwerungen derselben Fragm. Vat. § 310. 311. 293. 266. Für manche Fälle war also gar kein Unterschied sichtbar, z. B. wer ein Provinzialgrundstück . 13* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. In diesem Allen sind es besonders zwey Fragen, wor- auf bis jetzt eine sichere Antwort nicht hat gefunden wer- den können. Erstlich, wie viel von jenen Bestimmungen aus der L. Cincia selbst, wie viel aus anderen Rechts- quellen, und aus welchen, abzuleiten ist. Zweytens, wie sich die Unterscheidung großer und kleiner Schenkungen zu jenen erschwerenden Formen verhielt. Es scheint, daß, in Beziehung auf diese letzte Frage, eines von folgenden zwey denkbaren Verhältnissen bestanden haben müsse. Entweder waren die großen Schenkungen schlechthin verboten, so daß nur die kleinen, um vollgültig zu seyn, jenen erschweren- den Formen unterworfen seyn sollten Diese Meynung ließe sich noch dahin ergänzen, daß vielleicht große Schenkungen, wenn sie auch wirklich erfüllt waren, durch eine Condiction zurückgefordert werden konnten, unabhängig von den sonst bey Condictionen geltenden Bedingungen, das heißt unab- hängig vom Daseyn eines Irr- thums, wie es ja noch jetzt bey der Schenkung unter Ehegatten unzweifelhaft gilt. Darauf schei- nen hinzudeuten L. 21 § 1 de don. (39. 5.), L. 5 § 5 de doli exc. (44. 4.), vielleicht auch Fragm. Vat. § 266, welche letzte Stelle jedoch auch von der gewöhnlichen indebiti condictio verstanden wer- den kann, indem der Empfänger irrig für einen exceptus gehal- ten worden war. . Oder es wa- ren die kleinen Schenkungen, auch in Ansehung der Form, ganz frey gegeben, das heißt nur an die natürlichen Re- geln der Perfection gebunden, und nur bey den großen sollte die Gültigkeit von der Beobachtung jener positiv vorgeschriebenen Formen abhängig seyn. Dagegen scheinen, inmitten dieser Ungewißheit, folgende verschenken wollte, hatte dazu die Tradition anzuwenden, ohne Un- terschied ob der Empfänger ex- cepta oder non excepta persona war ( l. c. § 293). §. 165. Schenkung. Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen. wichtige Punkte als unzweifelhaft angenommen werden zu dürfen. Erstlich war die Folge der Verletzung jener Vor- schriften keinesweges die Nichtigkeit der Handlung (so wie bey der Schenkung unter Ehegatten), sondern vorzüglich der Schutz des Gebers, wenn dieser die Schenkung be- reuen mochte, gegen die Klage des Empfängers, durch jedes dazu dienliche Rechtsmittel. War z. B. ein Haus durch Mancipation verschenkt worden, ohne Übertragung des Interdictenbesitzes, so hatte allerdings der Empfänger das Eigenthum und deshalb eine Vindication, aber diese wurde durch eine exceptio L. Cinciae entkräftet. Dieser Zustand der Sache hatte die wichtige Folge, daß, wenn umgekehrt der Besitz des Hauses übergeben, und nur die Mancipation versäumt war, dieser Mangel binnen kurzer Zeit durch Usucapion gehoben werden konnte, so daß nun nach zwey Jahren die Schenkung von selbst unanfechtbar wurde Fragm. Vat. § 293 „quae mancipi sunt, usucapta vel man- cipata … avocari non possunt.” Hierin lag vielleicht im alten Recht die wichtigste Anwendung der usu- capio pro donato. Bey der Schen- kung unter Ehegatten war diese Art der Bestätigung unzulässig (§ 163. b ). . — Zweytens sollte dieses Recht, die Schen- kung, wegen Verletzung jener positiven Regeln, willkühr- lich zu entkräften, ein persönliches Recht des Gebers seyn; hatte er bey seinem Leben die Absicht der Schenkung nicht widerrufen, so war der Erbe dazu nicht befugt Fragm. Vat. § 259 „morte Cincia removetur.” ib. § 266 „nisi forte durante voluntate decesserit donator.” (Nach § 266 möchte man folgenden historischen Zusammenhang annehmen. Die Sabinianer gaben dem Erben die Exception nicht, wohl aber die Proculianer; aber auch diese müs- . Fas- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sen wir diese sicheren Bestimmungen zusammen, so erscheint uns jenes alte Recht, welches die Römischen Juristen so sehr beschäftigte, in seinen Zwecken und Wirkungen mäßi- ger, als man auf den ersten Blick glauben möchte. Es lag darin blos ein Schutz für den gutmüthigen Leichtsinn, indem der Geber in vielen Fällen die Scheukung bereuen und entkräften konnte; jedoch konnte diese Reue ausge- schlossen werden, bald durch die Beobachtung strenger Formen, bald durch den Ablauf sehr kurzer Zeit, bald durch des Gebers Tod bey unverändertem Willen Augenscheinlich war hierin die Stipulation zurückgesetzt ge- gen die Mancipation und Tra- dition, ohne Zweifel deswegen, weil für die leichtsinnige Schwäche jene gefährlicher ist als diese. Der Promittent hatte die excep- tio L. Cinciae, und hatte er ge- zahlt, so konnte er das Gezahlte mit einer Condiction (vielleicht nur im Fall des Irrthums) zu- rückfordern (Note d 1 ). Freylich fiel auch dieses Alles weg, wenn das Geschenk einer persona ex- cepta gegeben war. Fragm. Vat. § 266. — Noch augenscheinlicher ist diese Zurücksetzung bey dem Erlaß einer Schuld, der doch so sehr einer geschenkten Geldsumme ähnlich sieht; dennoch wurde er entkräftet, ohne Zweifel durch eine replicatio L. Cinciae gegen die pacti exceptio des Schuldners. Davon hat sich eine merkwürdige Spur erhalten in L. 1 § 1 quib. mod. pign. (20. 6.), vgl. Zeitschr. für geschichtl Rechtswissensch. B. 4 S. 44. Bey der Acceptilation war es vielleicht anders, weil hier Alles abgemacht war, also keine Ver- anlassung übrig blieb zu einer Ex- ception oder Replication. . Diese Regeln und Formen des älteren Rechts sind späterhin durch andere verdrängt worden, es scheint aber sen den Erben, wenn der Geber mit unverändertem Willen gestor- ben ist, durch doli replicatio ausschließen lassen, und zwar ver- möge eines Rescripts des Kaiser Alexander). ib. § 294 „excep- tionem, voluntatis perseveran- tia, doli replicatio perimit.” ib. § 312. — Dieser Rechtssatz diente augenscheinlich zum Vor- bild bey dem Senatsschluß, wel- cher die Schenkung unter Ehe- gatten, bey dem Tod des Gebers aufrecht hielt (§ 164). §. 165. Schenkung. Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen. nicht, daß sie jemals durch ein besonderes Gesetz geradezu aufgehoben wurden. Es erklärt sich dieser stillschweigende Untergang aus dem Umstand, daß die eigenthümlichste un- ter jenen Formen, die Mancipation, in allen Anwendun- gen verschwand, also auch in dieser einzelnen nicht fort- dauern konnte Nachdem längst die Man- cipation verschwunden war, be- hielt man doch in den Schenkungs- urkunden gedankenlos Worte bey, die nur aus ihr herstammten ( se- stertii numi unius, assium qua- tuor ). Das untersagte Justinian als unnütz. L. 37 C. de don. (8. 54.). . Als neue Form trat nun die gericht- liche Insinuation ein (§ 130), zuerst blos aus freyem Ent- schluß der Parteyen, seit Constantius Chlorus für alle Schenkungen gesetzlich vorgeschrieben, endlich auf große Schenkungen eingeschränkt. Lange Zeit aber erscheinen auch noch andere Formen daneben, zum Theil aus jenem älteren Recht herüber genommen. Um nun deren Verhält- niß zum neuesten Recht gründlich beurtheilen zu können, ist es nöthig, die wichtigsten hier einschlagenden Kaiserge- setze der Reihe nach darzustellen. Das älteste derselben, welches Constantin im J. 316 erließ, kennen wir in drey verschiedenen Gestalten Die ursprüngliche Gestalt, aber am Schluß lückenhaft, fin- det sich in Fragm. Vat. § 249. Im Theodosischen Codex steht es als L. 1 C. Th. de don. (8. 12.). Im Justinianischen als L. 25 C. de don. (8. 54.). — Das J. 316 ist durch die Handschrift des Theo- dosischen Codex sicher, das J. 323 muß verworfen werden. Vergl. Wenck zu L. 2 C. Th. de admi- nistr. 3. 19. (oder 30.), Hänel ibid. . Es war ein Edict von der schwülstigsten Fassung, gerichtet an den Stadtpräfecten Maximus. Im Eingang klagt der Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Kaiser, daß bey Schenkungen oft sorglos, oft unredlich verfahren werde, und daß daraus viele Prozesse und wi- dersprechende Urtheile hervorgiengen. Diesem Übel vor- zubeugen, erläßt derselbe nicht sowohl ein Gesetz, als eine belehrende Instruction, wie man sichere Schenkungen vor- zunehmen habe. Er fordert dreyerley: Eine schriftliche Urkunde vor Zeugen, worin alle Bedingungen der Schen- kung, dann der Name des Gebers, und der Gegenstand der Schenkung genau anzugeben sey; Ferner die Tradi- tion, gleichfalls vor Zeugen „advocata vicinitate, om- nibusque arbitris quorum post fide uti liceat.” Die Tradition war als nothwendig beybehalten aus dem älteren Recht. ; Endlich die gerichtliche Insinuation Die Insinuation war schon von Constantins Vater eingeführt, wie sich sogleich zeigen wird; sie wird also hier nur in Erinnerung gebracht. . Man konnte glauben, dieses Alles wäre als unerläßliche Form vorgeschrieben, in deren Ermang- lung das Geschäft nichtig seyn sollte. Daß es so nicht gemeynt war, zeigt deutlich folgende Stelle: Quod si. orba publico testimonio liberalitas caecam gratiam ob- scurosque coetus prodiderit, quoniam sola fraus cognita est, eorum quae donata dicuntur temere non erit fides accipienda. Also, wenn jene Formen versäumt sind, soll nicht etwa das Geschäft schon deshalb wirkungslos seyn, sondern der Richter soll nun nicht leicht die angebliche Schenkung als wahr annehmen, folglich die Thatsachen strenger prüfen, als er außerdem thun würde. Dieses paßt in eine Instruction, mehr als in ein Gesetz. §. 165. Schenkung. Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen. Etwa Hundert Jahre nach jenem Edict wurde die schriftliche Abfassung der Schenkungen für gleichgültig er- klärt L. 29 C. de don. (8. 54.) vom J. 428: „.. et si sine scripto donatum quid fuerit, adhibitis aliis idoneis documentis, hoc quod geritur comprobatur.” . Darin lag nicht etwa eine Abänderung dessel- ben, sondern nur die Erklärung, daß die in dem Edict erwähnte schriftliche Urkunde nicht als eine nothwendige Form, sondern nur als etwas Räthliches, angesehen wer- den solle. Ganz in diesem Sinn (welcher ja auch in Wahrheit der Sinn des Edicts selbst war) wird jetzt hin- zugefügt: wenn nur andere hinreichende Beweismittel vor- handen seyen, so sollten auch diese als genügend gelten. Dieselben Kaiser, von welchen diese letzte Verordnung herrührt, publicirten Zehen Jahre später den Theodosischen Codex. In denselben nahmen sie denn auch einen gedräng- ten Auszug aus dem Edict Constantins auf (Note h ), wel- ches hier weit mehr, als in seiner ursprünglichen Gestalt, einem Gesetze gleich sieht Dafür, daß die Erwähnung der schriftlichen Urkunde in diesem Edict nicht misverstanden würde, hatten die Kaiser selbst durch die vorher erwähnte Verordnung bereits gesorgt. Die beiden anderen Stücke (Tradition und Insinuation) sollten allerdings als nothwen- dige Formen (und nicht erst seit jenem Edict) beobachtet werden. Allein auch dabey ist die Hauptfrage nicht berührt, welche Folgen eintreten sollten, wenn jene Formen ver- säumt waren. Man könnte sagen, nun verstand sich die Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Nichtigkeit von selbst. Nirgend konnte sich diese weniger von selbst verstehen, als gerade bey der Schenkung. Seit vielen Jahrhunderten war man hier an sehr positive For- men gewöhnt, aber deren Vernachlässigung hatte stets ganz andere Folgen gehabt, als die Nichtigkeit. Ohne Zweifel setzten die Verfasser des Theodosischen Codex diese andere Folgen als bekannt voraus, und rechneten darauf, daß Jeder dieselben an die hier aufgenommene Verordnung an- knüpfen würde. Eine solche Voraussetzung war nicht zu tadeln, indem damals die Schriften der alten Juristen, woraus man sich hierüber belehren konnte, in den Hän- den aller Richter waren. Vierzig Jahre nach der Erscheinung des Theodosischen Codex wurde von Manchen, wie es scheint, zu ängstlich auf der Zuziehung von Zeugen bey Schenkungen bestan- den. Daher verordnete K. Zeno L. 31 C. de don. (8. 54.) vom J. 478. , durch die gericht- liche Insinuation werde die Zuziehung von Zeugen bey der Tradition ganz entbehrlich „non esse necessarium … vicinos vel alios testes ad- hibere.” Wörtliche Anspielung auf die von Constantin bey der Tradition erforderten Zeugen (Note i ). . Auch wo die Insinua- tion erlassen sey Das heißt, nach dem da- mals geltenden Recht, bey do- natio ante nuptias, die nicht über 200 Solidos betrug. L. 8 C. Th. de spons. (3. 5.). , brauche die Urkunde nicht von Zeu- gen unterschrieben zu werden; ohnehin aber bleibe es bey der schon gegebenen Vorschrift, daß auch ganz ohne Ur- kunde gültig geschenkt werden könne. §. 165. Schenkung. Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen. Justinian hat die drey hier erwähnten Gesetze in sei- nen Codex aufgenommen; namentlich also auch das Edict von Constantin, dieses jedoch mit folgenden merkwürdigen Änderungen. Bey der Vorschrift der Insinuation steht der neue Zusatz: ubi hoc leges expostulant, welcher darauf hindeutet, daß Justinian die Insinuation nur noch bey Schenkungen von mehr als 500 Solidi fordert. Die Vor- schrift der Tradition ist ganz weggeblieben, ohne Zweifel weil anderwärts Justinian verordnet hatte, das bloße, selbst formlose, Versprechen der Tradition solle eingeklagt werden können L. 35 § 5 C. de don. (8. 54.). . Endlich die Vorschrift der schriftlichen Urkunde ist zwar geblieben, aber mit folgender merkwür- digen Änderung. Constantin selbst sagt: tabulae .. scien- tibus plurimis perscribantur. Darin liegt eine Hindeu- tung auf die Zuziehung von Zeugen, wenn auch keine un- bedingte Vorschrift derselben. Im Theodosischen Codex sind die Worte scientibus plurimis beybehalten, im Justi- nianischen aber weggelassen worden Etwas vorher stehen zwar auch die Worte: neque id oc- culte aut privatim, und diese sind beybehalten. Darin aber liegt etwas ganz Anderes als die Vor- schrift von Zeugen. Man kann offen, ohne Heimlichkeit verfahren, z. B. indem Freunde und Ver- wandte die Schenkung wissen, ohne daß deshalb bey der Abfassung der Urkunde Zeugen zugezogen wer- den. — Ja selbst die Worte scien- tibus plurimis enthalten zwar, mehr als jene, eine Hindeutung auf Zeugen, aber doch nicht ge- radezu eine Vorschrift derselben; denn Viele können um die Schen- kung wissen, ohne gerade bey dem Abschluß des Geschäfts als Zeu- gen zugezogen zu werden. . Das Eigenthüm- liche also, was man aus dieser Verordnung geneigt seyn Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. könnte, noch in das neueste Recht aufzunehmen, wäre die Nothwendigkeit einer schriftlichen Urkunde, aber ohne nö- thige Zuziehung von Zeugen. Allein gerade diese Forde- rung war bereits durch die Constitution vom J. 428 für überflüssig erklärt worden (Note l ), und da diese letzte in unsren Codex aufgenommen wurde, so hat damit Justinian seine Meynung über diesen Punkt ganz bestimmt ausge- sprochen. Dadurch ist also das Edict von Constantin wiederum Das geworden, was es ursprünglich war: eine belehrende Anweisung zur vorsichtigen Abfassung von Schenkungsur- kunden, wenn die Parteyen überhaupt Urkunden nöthig finden. Und fassen wir nun den ganzen bisher zusammen- gestellten Inhalt des Justinianischen Codex über die Form der Schenkungen zusammen, so müssen wir sagen, es ist außer der Insinuation gar keine Form vorgeschrieben, we- der Schrift, noch Zeugen, noch Tradition. So würde es stehen, wenn wir über diese Frage gar keine eigene Erklärungen von Justinian vor uns hätten. Allein auch an diesen fehlt es nicht. Nachdem er mehrere genaue Bestimmungen über die Insinuation gegeben hatte, bestimmte er über die neben derselben geltende Form der Schenkung Folgendes L. 35 § 5 C. de don. (8. 54.). . Der Vorbehalt des Niesbrauchs gelte als Tradition, übertrage also sogleich Eigenthum. Die Stipulation gebe ein Klagerecht auf Erfüllung durch Tradition. Ja selbst ein Versprechen durch formlosen Ver- §. 165. Schenkung. Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen. trag solle ein solches Klagrecht schon begründen. Hier war nun gewiß der Ort, die Zeugen zu erwähnen, wenn auch diese zu der Tradition oder dem Vertrag, nach Ju- stinians Willen, hinzugezogen werden mußten; davon aber findet sich hier kein Wort. Den Inhalt dieses neuen Ge- setzes stellen die Institutionen in folgenden Worten dar: § 2 J. de donat. (2. 7.). .. Perficiuntur autem, cum donator suam voluntatem scriptis aut sine scriptis manifestaverit. Et ad exemplum venditionis nostra constitutio eas etiam in se habere necessitatem tra- ditionis voluit: ut etiam si non tradantur, habeant plenissimum robur et perfectum, et traditionis ne- cessitas incumbat donatori. In dieser Stelle ist zweyerley entscheidend. Erstlich das Stillschweigen über die Zeugen, die doch gewiß hier zu erwähnen waren, wenn sie hätten zugezogen werden müssen. Zweytens die ausdrücklich angegebene Analogie des Kaufcontracts. Es soll, heißt es, die Tradition ein- geklagt werden können eben so wie bey einem Kauf- contract . Das will sagen nudo consensu, so daß es keiner Stipulation zur Klage bedarf; allein eben darin liegt auch die Entbehrlichkeit der Zeugen, die bey den Consensualcontracten eben so wenig erfordert werden, als irgend eine andere positive Form der Verträge. Ich habe diese Frage deswegen ausführlicher, als es nöthig scheint, behandelt, weil in neuerer Zeit ganz an- dere Behauptungen aufgestellt worden sind. Neben allen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. hier angegebenen Veränderungen des Rechts soll sich doch Eine Form stets als nothwendig erhalten haben, die Zu- ziehung von Drey Zeugen bey jeder Schenkung, sie mag durch Tradition oder durch obligatorischen Vertrag bewirkt werden, nur mit Ausnahme der insinuirten Schenkungen, worin gar keine weitere Form nöthig sey. Diese Regel wird auch für das Justinianische Recht als wahr be- hauptet Marezoll in: Grolman und Löhr Magazin B. 4 S. 175 — 203. Schröter in: Linde Zeitschrift für Civilrecht und Pro- zeß B. 2 S. 132. . Ein Grund dieser Behauptung wird darin gesetzt, daß es sehr inconsequent gewesen wäre, für die schriftlichen Schenkungen umständliche Formen, namentlich Zeugen, zu fordern, für die mündlichen gar keine Formen. Allein was kann die bloße Consequenz beweisen in einer Lehre, die so voll von willkührlichen und wechselnden Vorschrif- ten war? Auch bey Justinian ist es nicht consequent zu nennen, daß er die Schenkung durch formlosen Vertrag klagbar werden läßt, während die Darlehenszinsen nur in Folge einer Stipulation eingeklagt werden können. — Zweytens kommen in der Novelle 50. des K. Leo, und in den Scholien der Basiliken, drey Zeugen als nothwendig bey der Schenkung vor; diese sollen sich aus der älteren Zeit erhalten haben, also auch für diese beweisen Marezoll S. 179. 184. . Aus dem angegebenen Grund ist ein solcher Rückschluß hier noch weniger, als in den meisten anderen Lehren, zulässig. §. 165. Schenkung. Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen. Besonders aber wird doch Niemand annehmen wollen, Ju- stinian habe sich darauf verlassen, die von ihm gemeynten aber nicht ausgesprochenen Erfordernisse der Schenkung würden seinen Unterthanen Drey bis Vier Jahrhunderte nach ihm offenbart werden. — Alles also kommt zuletzt doch darauf an, ob wir aus der genauer angesehenen Ju- stinianischen Gesetzgebung Etwas über die Nothwendigkeit der Zeugen lernen können. Diese soll nun verborgen seyn in den Worten: adhibitis aliis idoneis documentis (Note l ) der Kaiser Theodosius II. und Valentinian III. , welche so verstanden werden sollen: wenn nur (bey der mündlichen Schenkung) die übrigen bekannten documenta oder Förm- lichkeiten angewendet sind, und diese sollen nun eben in den (drey) Zeugen bestehen Marezoll S. 187—189. . Allein die natürliche Be- deutung von documentum ist doch Beweismittel , worin dieses nun bestehen möge; vorzugsweise oder gar aus- schließend von Zeugen wird das Wort am wenigsten ge- braucht werden. Doch wir wollen uns auch dieses gefal- len lassen, besonders da in jenen Worten nur auf etwas anderwärts Gesagtes und Allbekanntes zurück verwiesen werden soll. Allein dieses Andere muß doch irgendwo zu finden seyn, und wo sollen wir es suchen? Nirgend als in dem Edict von Constantin. Dieses enthält nun aber, in der Gestalt wie wir es in Justinians Codex lesen, nicht die geringste Erwähnung von Zeugen, und so erfahren wir also aus Justiniaus Gesetzen gar Nichts, wodurch Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Diejenigen, die mit aller Vorsicht Schenkungen vornehmen wollen, veranlaßt werden könnten, Zeugen, besonders aber gerade drey Zeugen, zuzuziehen. Aus dieser Untersuchung geht demnach hervor, daß, seit dem Verschwinden der Formen und Regeln des älte- ren Rechts, Nichts dieser Art besteht, als allein die In- sinuation. Unter den Praktikern ist dieses von jeher un- zweifelhaft gewesen Mühlenbruch § 442 not. 11. ; selbst wenn also auch die histori- sche Untersuchung auf ein anderes Ziel geführt hätte, so würde dieses dennoch keinen Unterschied für das heutige Recht gemacht haben. Denn es handelt sich hier nicht um ein Rechtsinstitut, welches durch neue wissenschaftliche Forschung gereinigt, ergänzt, und so von der Entstellung durch bisher herrschende Irrthümer befreyt werden könnte, sondern von einer ganz einzelnen, völlig willkührlichen Förmlichkeit, welche durch den Nichtgebrauch so vieler Jahrhunderte untergegangen seyn würde, selbst wenn sie sich aus den Quellen des Justinianischen Rechts rechtfer- tigen ließe Ein ähnlicher Fall wird Die- ses erläutern. Es läßt sich wohl mit ziemlicher Sicherheit behaup- ten, daß ein großer Theil der seit dem Mittelalter bey Testamenten angewendeten Formen auf histo- rischen Irrthümern beruht. ( Sa- vigny Geschichte des R. R. im Mittelalter B. 1 § 27, B. 2 § 67). Auf die praktische Beurtheilung heutiger Testamente aber kann diese Überzeugung, auch da wo Römisches Recht gilt, keinen Ein- fluß haben. . §. 166. Schenkung. Einschränk. 2. Erschwerende Formen. (Forts.) §. 166. V. Schenkung. — Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen . (Fortsetzung). Im neuesten Recht also finden wir bey Schenkungen keine andere erschwerende Form mehr, als die Insinua- tion , und auch deren genauere Darstellung muß wieder durch eine historische Einleitung vorbereitet werden Ausführlich und gründlich handelt von der Insinuation Ma- rezoll in: Linde Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß B. 1 S. 1 —46. . Die älteste Erwähnung derselben geschieht in dem Edict des K. Constantin vom J. 316 (§ 165. h ), wo sie jedoch schon als bekannt vorausgesetzt wird. Wichtiger ist dafür die Verordnung desselben Kaisers vom J. 319 L. 1 C. Th. de spons. (3. 5.). Das Zeitalter dieser Ver- ordnung ist von Wenck gründlich untersucht und festgestellt worden, im Widerspruch mit J. Gothofreds Vermuthungen. . Hier wird die Einführung der Insinua- tion dem K. Constantius Chlorus zugeschrieben, und zwar so daß dieser die personae exceptae des älteren Rechts (§ 165) auch von der Jusinuation dispensirt habe. Con- stantin hebt diese Befreyung auf, und macht dadurch die Insinuation allgemein nothwendig. — In mehreren nach- folgenden Verordnungen wird diese Form nur bestätigt, ohne neue Bestimmungen L. 3. 5. 6. 8 C. Th. de don. (8. 12.). . Die erste Einschränkung der Nothwendigkeit jener Form wurde im J. 428 eingeführt. Die donatio ante nuptias IV. 14 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sollte frey davon seyn, wenn sie weniger als 200 Solidi betrüge L. 8 C Th. de spons. (3. 5.). L. Rom. Burgund. Tit. 22. . Justinian befreyte davon im J. 529 alle Schenkungen bis zur Summe von 300 Solidi L. 34 pr. C. de don. (8. 54.). ; dann, im J. 531, alle bis zur Summe von 500 L. 36 § 3 C. de don. (8. 54.), § 2 J. de don. (2. 7.). . Diese Bestimmung ist die Grundlage des geltenden Rechts geblieben. Der Inhalt der gesetzlichen Vorschrift besteht darin, daß die gerichtliche Insinuation angewendet werden soll bey jeder Schenkung, deren Geldwerth mehr als 500 So- lidi beträgt. — Es kommt dabey zunächst auf den Werth des Solidus, dann auf den Werth der Schenkung an, um beide Größen mit einander vergleichen zu können. Die neuere Praxis hat den heutigen Dukaten als Rö- mischen Solidus angenommen. Auch damit wäre noch keine feste Größe gewonnen, theils weil es verschiedene Sorten von Dukaten giebt, theils weil der Curs einer je- den dieser Sorten den Schwankungen unterworfen ist, die in dem Verhältniß des Silbers zum Golde einzutreten pflegen. Allein glücklicherweise ist die Praxis noch einen Schritt weiter gegangen, und hat den Werth angenom- men, in welchem der Ungrische Dukat ursprünglich aus- geprägt wurde, nämlich 2⅔ Thaler oder 4 Gulden im Zwanzigguldenfuß Carpzov II. 12 def. 12. Voet ad Pand. XXXIX. 5 num. 18. Pufendorf Obss. I. 17. . Hiernach betragen 500 Solidi so viel als 2000 schwere Gulden, oder Hundert Mark fein §. 166. Schenkung. Einschränk. 2. Erschwerende Formen. (Forts.) in Silber, oder 1400 Preußische Thaler. Allerdings ist der wahre Werth des Justinianischen Solidus etwa Fünf schwere Gulden Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissensch. B. 6 S. 392. ; allein diese Abweichung von der hi- storischen Genauigkeit, bey einer an sich willkührlichen und gleichgültigen Summe, kann nicht in Betracht kommen im Widerspruch mit der übereinstimmenden Praxis, und die gleichförmige Anerkennung eines festen Werthes muß als wahrer Gewinn betrachtet werden. Um den Werth des Geschenks zu ermitteln, müssen die oben aufgestellten Regeln über Veräußerung, Bereicherung des Empfängers, und Absicht des Gebers zur Anwendung kommen. Ist Eigenthum einer andern Sache als Geld Gegen- stand der Schenkung, so ist eine gerichtliche Schätzung des Werthes nöthig, um die Anwendbarkeit der Insinuation zu bestimmen. Ist dieses Eigenthum durch fremde Rechte beschränkt, so muß deren Werth in Abzug kommen Es tritt also hier dasselbe Verfahren ein, wie bey Ausmitt- lung der Falcidischen Quart. L. 18 § 3 de m. c. don. (39. 6.), L. 1 § 16 ad Sc. Treb. (36. 1.). . Auch wenn das erweisliche Recht des Gebers nicht in wahrem Eigenthum, sondern nur in b. f. possessio be- steht, ist eine solche Schätzung vorzunehmen, das heißt es ist zu ermitteln, um welchen Preis die Sache gegenwär- tig, mit Rücksicht auf die vorhandene Unsicherheit des Be- sitzes, verkauft werden könnte Also mit Verzichtleistung auf den Regreß wegen Eviction, weil es sonst noch kein reiner Werth ist. . Führt aber dieses Ver- 14* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. fahren zu keinem sicheren Erfolg, so kann der Ablauf der Usucapionszeit abgewartet werden, da denn der Werth des wahren Eigenthums als Gegenstand der Schenkung anzusehen ist Vgl. oben § 156. Wird die Sache vor Ablauf der Usucapion evincirt, so zeigt es sich daß gar Nichts geschenkt war. Das an- gegebene Verfahren wird auch ge- rechtfertigt durch die Analogie der bedingten Obligationen (Note t ). . Die künftigen Früchte der geschenkten Sache dürfen niemals mit in Anschlag gebracht werden (§ 147). Ist ein Niesbrauch Gegenstand des Geschenks, so ist dessen Werth nach der wahrscheinlichen Lebensdauer des Fructuars zu berechnen Also nach den Regeln der L. 68 pr. ad L. Falc. (35. 2.). — Irrigerweise behauptet Meyer- feld I. S. 136, der Werth des Niesbrauchs betrage in der Re- gel so viel als das halbe Eigen- thum, weil einige Beyspiele vor- kommen, worin in der That so getheilt wurde. L. 6 § 1 de usufr. (7. 1.), L. 6 § 10 comm. div. (10. 3.), L. 16 § 1 fam. herc. (10. 2.). In diesen Fällen konnte darin ge- rade der wahre Werth bestehen, entweder nach richterlichem Er- messen, oder nach Übereinkunft der Parteyen. Offenbar hat aber das Alter des Fructuars den größ- ten Einfluß auf die Werthschätzung des Niesbrauchs. . Es kann jedoch auch der wirkliche Tod Desselben abgewartet, und bis dahin, im Fall eines Rechtsstreits, Caution gestellt werden, die dann mit der allgemeinen Caution des Niesbrauchs zusam- men fällt. Besteht die Schenkung in einer versprochenen jährli- chen Rente, die für jedes Jahr 500 Solidi nicht über- steigt, so können dabey folgende verschiedene Fälle vor- kommen. Die Rente kann zuerst auf eine bestimmte Zahl von §. 166. Schenkung. Einschränk. 2. Erschwerende Formen. (Forts.) Jahren versprochen seyn. Hier sind ohne Zweifel alle Zahlungen zusammen zu rechnen um den Werth zu be- stimmen. Daß sie erst allmälig entrichtet werden, macht keinen Unterschied, indem der allgemeine Grundsatz fest- steht, daß ein solches Versprechen als eine einfache, un- getheilte Obligation zu betrachten ist, nicht als ein Ag- gregat mehrerer, von einander unabhängiger Schulden (§ 127. h ). Dieser unzweifelhafte Fall wird in unsren Rechtsquellen nicht erwähnt. — Bestritten dagegen waren unter den alten Juristen diejenigen Fälle, in welchen die Rente nicht auf eine bestimmte, übersehbare Geldsumme zurückgeführt werden kann. Hierüber nun hat Justinian folgende Vorschriften gegeben mit Unterscheidung der ein- zelnen Fälle L. 34 § 4 C. de don. (8. 54.) . 1) Soll die Rente mit dem Tode des Gebers, oder auch mit dem Tode des Empfängers, aufhören, so ist die Insinuation nicht nöthig, und es wird betrachtet, als ob es mehrere abgesonderte Schenkungen wären; der Grund liegt in der gänzlichen Ungewißheit der Todeszeit „Ut si hujusmodi … le- gitimam quantitatem.” Das heißt also, die Schenkung bleibt gültig, wenngleich nachher die wirklichen Zahlungen 500 Solidi übersteigen. . 2) Soll die Rente auf die Erben des Gebers und auf die des Empfängers übergehen, so ist stets Insinuation nöthig „ Sin autem etiam here- dum ex utraque parte fuerit mentio , vel (non) adjiciatur tempus vitae (heredum), vel donatoris, vel ejus qui dona- tionem accepit: tunc quasi per- petuata donatione … excedere . Unter den Erben sind nämlich stets auch de- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ren Erben, und so weiter fort, zu verstehen, so daß Dieses also nur ein anderer Ausdruck für eine ewige Rente ist L. 65 de V. S. (50. 16.), L. 194 de R. J. (50. 17.). . 3) Ganz Dasselbe gilt auch, wenn die Rente mit dem Tod der nächsten Erben des Gebers oder des Empfän- gers aufhören soll Die gewöhnliche Leseart für diesen dritten Fall ist: vel adji- ciatur tempus vitae vel dona- toris vel ejus qui donationem accepit (Note p ), welches aber offenbar wieder in den ersten Fall zurück geht, und darum hier un- zulässig ist. Man hat folgende ver- schiedene Versuche gemacht, diese Leseart zu retten, aber vergeblich. ( Roberti lectiones I. 26, ani- madv. I. 25. Marezoll S. 21). 1) Es soll neben der Lebenszeit noch eine bestimmte Zahl von Jah- ren bezeichnet seyn. Ist diese so gemeynt, daß die Rente nur durch sie begränzt ist, auch wenn die Jahre über die Lebenszeit hinaus reichen sollten, so ist die Lebens- zeit ganz unnützerweise erwähnt. Sollen dagegen die Jahre nur innerhalb der Lebenszeit gelten (z. B. 20 Jahre lang, wenn nicht der Geber früher sterben sollte), so ist die Begränzung sogar noch enger als im ersten Fall, die Rente kann also unmöglich einer ewigen gleich gelten. 2) Die Jahre sol- len noch nach dem Tode gelten, z. B. „bis Ein Jahr nach mei- nem Tode.“ Aber auch die Be- handlung dieses Falles gleich ei- ner ewigen Rente wäre inconse- quent, weil derselbe, bey einer geringen Verlängerung, nur un- bedeutend von dem ersten Fall abweicht. — Daher emendirt Cu- jacius vel non adjiciatur (oder nec adjiciatur ), welches nun die- sen guten Sinn giebt: „oder wenn (ohne Erwähnung von Er- ben) nur die Begränzung der Rente auf die Lebenszeit der Parteyen nicht ausgedrückt ist.“ ( Comm. in L. 16 de V. O., opp. I. 1173, und observ. XV. 22). Die Basiliken (und deren Scho- lien) sind schwankend ( T. 6 p. 187. 223. Cujac. l. c. Contius in L. cit., ed. 1571). — Ich lese: vel adjiciatur tempus vitae here- dum vel donatoris etc., welche Leseart ich in einer meiner zwey Handschriften des Codex finde. Der Sinn ist der: „wenn auch nicht die heredes unbestimmt ge- ; auch in diesem Fall soll sie, we- legitimum modum, et omnimo- do acta deposcere, et aliter minime convalescere.” Die cursiv gedruckten Worte enthal- ten diesen zweyten Fall. — Es versteht sich aber von selbst, daß die Ungültigkeit erst behauptet werden kann, wenn die wirklich geleisteten Zahlungen bereits 500 Solidi betragen. §. 166. Schenkung. Einschränk. 2. Erschwerende Formen. ((Forts.) gen der unbestimmten Verlängerung, in dieser Beziehung eben so beurtheilt werden, wie wenn es eine ewige Rente wäre „tunc, quasi perpetuata donatione, et continuatione ejus magnam et opulentiorem eam efficiente .. omnimodo acta deposcere.” . Wird eine bedingte Schuldforderung geschenkt, so ist der Eintritt oder Ausfall der Bedingung abzuwarten, um die Nothwendigkeit der Insinuation zu bestimmen; wenig- stens ist diese Behandlung sicherer, als den Kaufwerth, mit Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeit der Erfüllung, zu ermitteln Ein ähnliches Verfahren nämlich gilt bey Ermittlung der Falcidischen Quart. L. 45 § 1, L. 73 § 1 ad L. Falc. (35. 2.). . Bey einer Forderung von zweifelhafter Si- cherheit ist deren Kaufwerth durch Schätzung zu bestim- men Ebenfalls nach der Analo- gie der Falcidia. L. 82 L. 22 § 4 ad L. Falc. (35. 2.). Der Kaufwerth ist nun so zu verste- hen, um wie viele Procente eine solche Forderung verkauft werden könnte, wenn nicht die L. Ana- stasiana jeden Kauf dieser Art verhinderte. — Ist ein Geldpa- pier verschenkt, welches einen Bör- sencurs hat, so kommt es auf den Curswerth zur Zeit der Schen- kung an. . Der Erlaß einer Schuld ist stets gleich einem Geldge- nannt seyn sollten (also mit still- schweigender Ausdehnung auf alle fernere Erben), sondern so daß die Rente begränzt seyn soll durch den Tod der nächsten Erben ( tem- pus vitae heredum ).“ Nun liegt darin wirklich ein neuer Fall, und zu diesem passen vortrefflich die den Grund ausdrückende folgende Worte (Note s ). Denselben Sinn sucht eine alte Interlinearglosse in die Stelle hinein zu legen auf dem Wege bloßer Interpretation. Nämlich im Cod. Berol. in fol. N. 274 steht über den Worten vel donatoris die erklärende Glosse: s. (d. h. scilicet ) here- dum; und eben so nochmals über den Worten vel ejus. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. schenk um den Nominalbetrag derselben, auch wenn der Schuldner insolvent seyn sollte (§ 158. b ). Eine scharfe Entscheidung ist für solche zweifelhafte Fälle nur nöthig, wenn der Geber die Schenkung bereut, und auf den Grund der versäumten Insinuation anfechten will. Wenn dagegen die Parteyen, bey der Schenkung selbst, durch irgend ein Auskunftsmittel zu der Uberzeu- gung gelangen, daß der Fall einer Insinuation nicht vor- handen sey, so ist auch für die Folge die Anfechtung aus- geschlossen, wenn nur nicht die Absicht der Umgehung des Gesetzes nachgewiesen werden kann. Werden unter denselben Personen mehrere Schenkun- gen zu verschiedenen Zeiten gemacht, so sollen diese nie- mals zusammen gerechnet werden, um das Bedürfniß der Insinuation zu begründen, wenngleich es denkbar wäre, daß man Eine Schenkung in Theile zerlegt hätte, um die Vorschrift der Insinuation zu umgehen L. 34 § 3 C. de don. (8. 54.). Unter den alten Juristen war diese Frage, in Beziehung auf die L. Cincia, bestritten worden. . War daher die Schenkung durch eine Obligation von 800 Solidi ohne Insinuation bewirkt, welche nachher ausgezahlt werden, so ist diese Handlung, in Ansehung der 500, Zahlung einer gültigen Schuld (§ 157. a. b ), in Ansehung der 300, Zah- lung einer nichtigen Schuld, also selbst wieder eine neue Schenkung, die aber, weil sie für sich allein die gesetzliche Summe nicht übersteigt, gültig und unwiderruflich ist. §. 167. Schenkung. Einschränk. 2. Erschwerende Formen. (Forts.) Der Erfolg ist also in diesem besonderen Fall verschieden von dem bey einem gleichartigen Geschäft unter Ehegat- ten (§ 163). Wo nun, nach den hier aufgestellten Grundsätzen, die Insinuation nöthig ist, da besteht dieselbe in einem, über die gerichtliche Erklärung der Parteyen aufgenommenen, Protokoll. In früherer Zeit sollte sie nur vor dem com- petenten Richter geschehen können L. 3 C. Th. de don. (8. 12.) vom J. 316. Es ist hier die Rede von dem Richter, in dessen Sprengel der Geber wohnt, und die geschenkte Sache gelegen ist. War nun aber Beides verschie- den, so sollte bey Grundstücken wahrscheinlich das forum rei si- tae den Vorzug haben. ; im neuesten Recht ist aber jeder Richter für fähig dazu erklärt worden L. 8 C. Th. de don. (8. 12.) vom J. 415. — L. 27. 30. 32 C. de don. (8. 54.). — Ma- rezoll S. 6. . Sein Geschäft beschränkt sich auf feyerliche Beglaubigung; von einer Genehmigung also, die nach Umständen auch verweigert werden könnte, ist dabey nicht die Rede. Ist jedoch in dem Geschäft irgend eine rechtswidrige Absicht wahrzunehmen, so kann und soll der Richter seine Mit- wirkung, wodurch diese Absicht unterstützt werden würde, verweigern. §. 167. V. Schenkung. — Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen . (Fortsetzung.) Die wichtigste Frage ist die nach der Wirkung der versäumten Insinuation. Hier lag der Gedanke nahe, sich Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. an das ältere, für die L. Cincia ausgebildete Recht an- zuschließen, nach welchem das Ansehen des Gesetzes durch künstliche Mittel aufrecht erhalten wurde (§ 165). Dieses ist nicht geschehen, und es würde sehr irrig seyn, diese Abweichung als einen gedankenlosen Zufall anzusehen. Wahrscheinlich wirkte darauf die Erfahrung, daß eben je- nes ältere Recht zu großen Verwicklungen und Contro- versen geführt hatte, anstatt daß die Behandlung der Schenkung unter Ehegatten stets einfach und leicht gewe- sen war. Unzweifelhaft ist wenigstens der für jene Wirkung auf- gestellte Grundsatz. Ist die Insinuation versäumt, so ist das Geschäft voͤllig nichtig, ganz als wenn überhaupt Nichts geschehen wäre. Jedoch betrifft diese Nichtigkeit nur denjenigen Werth, welcher 500 Solidi übersteigt; bis zu dieser Summe bleibt die Schenkung gültig L. 34 pr. C. de don. (8. 54.). „.. Si quid autem supra legitimam definitionem fuerit, hoc quod superfluum est tan- tummodo non valere: reliquam vero quantitatem, quae intra legis terminos constituta est, in suo robore perdurare: quasi nullo penitus alio adjecto, sed hoc pro non scripto, vel non intellecto esse credatur. . Es ist demnach auf das Übermaas dasjenige Recht angewendet, welches von jeher bey der Schenkung in der Ehe aner- kannt war (§ 163). Eine Entwicklung dieses Grundsatzes finden wir nur in Einer Anwendung, aus welcher jedoch erhellt, daß man sich der Bedeutung desselben vollkommen bewußt war. Wird die Schenkung durch Tradition einer nicht ver- §. 167. Schenkung. Einschränk. 2. Erschwerende Formen. (Forts.) brauchbaren Sache, z. B. eines Grundstücks, bewirkt, so entsteht durch die Anwendung jenes Grundsatzes ein ge- meinschaftliches Eigenthum zwischen dem Geber und Em- pfänger, wobey die Quoten, im Fall eines Rechtsstreits, durch richterliche Schätzung zu bestimmen sind. Zur Ver- hütung von Streitigkeiten sind hier folgende eigenthümliche Vorschriften gegeben. Der Eigenthümer des größeren Theils kann durch Zahlung der Tare den kleineren an sich kaufen. Will er es nicht, so soll die Sache reell ge- theilt werden. Ist eine solche Theilung, nach der Natur des Gegenstandes, nicht anwendbar, so kann der Eigen- thümer des kleineren Theils den größeren nach der Taxe an sich kaufen L. 34 § 2 C. de don. (8. 54.). . — Aus demselben Grundsatz absoluter Nichtigkeit folgt auch, daß für das Übermaas die Schen- kung kein Usucapionstitel seyn kann, so daß die Folge der versäumten Insinuation niemals durch Usucapion beseitigt wird, anstatt daß im älteren Recht die nachtheiligen Fol- gen der L. Cincia allerdings durch Usucapion abgewendet werden konnten (§ 165. e ). — Es folgt daraus ferner, daß der Beschenkte, in Ansehung des Übermaaßes, als ein unredlicher Besitzer insofern angesehen werden muß, als er weiß, daran kein Eigenthum zu haben; jedoch insofern auch wieder nicht, als er Grund hat anzunehmen, daß er mit dem Willen des Eigenthümers (welcher eben der Geber ist) besitze, so lange dieser die Absicht eines Widerrufs nicht ausgesprochen hat (§ 150. 151). — Auch in Anse- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. hung aller übrigen, von Justinian unbestimmt gelassenen, Fragen ist nun Dasjenige anzuwenden, was, bey völlig gleichem Grundsatz, für die Schenkung in der Ehe mit so großer Sorgfalt von den alten Juristen ausgebildet wor- den ist (§ 163). Dieses gilt namentlich von den Rechts- mitteln. Wenn also der Geber, bey versäumter Insinua- tion, die Schenkung bereut, so kann er den ungültigen Theil derselben zurück fordern entweder durch eine Vindi- cation, oder durch eine Condiction, je nachdem die ge- schenkte Sache selbst, oder nur deren Werth, bey dem Empfänger noch vorzufinden ist. Es ist nicht unmöglich, daß die Compilatoren die Wirkungen der versäumten In- sinuation genauer festzustellen gerade deswegen für über- flüssig gehalten haben, weil sie darauf rechnen konnten, daß die in den Digesten bey der Schenkung in der Ehe genau durchgeführten Regeln nun auch bey der versäum- ten Insinuation in Anwendung kommen würden. In die- ser von Justinian ausgesprochenen Gleichartigkeit beider Rechtsinstitute liegt denn auch eine Bestätigung der oben aufgestellten Behauptung, daß in Beziehung auf die In- sinuation das Daseyn fortdauernder Bereicherung gerade so zu beurtheilen ist, wie in Beziehung auf die Schenkung unter Ehegatten (§ 151). Denn man kann z. B. die Frage nach der Einwirkung der Consumtion betrachten als zur genaueren Bestimmung des Schenkungsbegriffs gehörend, so wie sie oben aufgefaßt worden ist. Man kann sie aber auch, und nicht minder richtig, auf die Bedingungen und §. 167. Schenkung. Einschränk. 2. Erschwerende Formen. (Forts.) Gränzen der Condiction beziehen; da nun die Condiction gewiß auch für den Fall der versäumten Insinuation gilt, und wir für sie keine eigenthümlichen Vorschriften besitzen, so bleibt uns Nichts übrig, als die für die Condiction unter Ehegatten aufgestellten Regeln auch hier zur An- wendung zu bringen. Wenn eine große Schenkung, bey welcher die Insinua- tion versäumt wurde, durch Mitwirkung fremder Perso- nen vollzogen worden ist, z. B. durch Expromission, so entsteht die Frage, ob die Nichtigkeit auch das Geschäft mit diesen fremden Personen (welches selbst keine Schen- kung ist) umfaßt. Diese besonders schwierige Frage ist in der Beylage X. untersucht worden. Es bleibt nur noch übrig, von den ausgenommenen Fällen zu sprechen, in welchen jede Schenkung, ohne Rück- sicht auf ihren Geldwerth, von der Form der Insinuation befreyt ist. Dahin gehört die Schenkung des Kaisers an Privat- personen, so wie die von solchen an den Kaiser gemach- ten Schenkungen L. 34 pr. C. de don. (8. 54.), Nov. 52 C. 2. . Ferner die Schenkung zum Aufbau eines eingestürzten oder abgebrannten Hauses L. 36 § 2 C. de don. (8. 54.). Es heißt hier „ pecunias .. praebentibus vel cautionem conficientibus;” daher glaubt Marezoll S. 26, es dürfe keine andere Sache als Geld Gegen- stand der Schenkung seyn. Ich glaube, es heißt: Geld (oder Gel- deswerth), und es sollte nur aus- gedrückt werden, daß ein Verspre- chen so gut von der Insinuation befreyt seyn sollte, als die Tra- ; die einzige Ausnahme, die Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dem Verbot in der Ehe und der versäumten Insinuation gemeinschaftlich angehört. Entsteht hinterher Streit über die Verwendung, so soll dieser durch des Empfängers Eid entschieden werden. Dann die Schenkung zur eausa piissima, das heißt zum Loskauf von Gefangenen. Auch hier soll über die Verwendung der Eid des Empfängers genügen L. 36 pr. C. de don. (8. 54.). Hier heißt es gleichfalls „ pe- cunias dederit, sive per cau- tionem dare promiserit,” wes- halb wiederum Marezoll S. 25 die Befreyung auf Geldschenkun- gen einschränken will. Aus den in Note d angeführten Gründen halte ich diese Beschränkung für unrichtig, hier aber um so mehr, als dieselbe Befreyung auch schon in L. 34 pr. C. eod. vorkommt, und zwar ohne Angabe irgend ei- nes Gegenstandes. . Blos historische Bedeutung hat die Befreyung der Schenkungen beweglicher Sachen, welche ein Magister militum an verdiente Soldaten giebt L. 36 § 1 C. de don. (8. 54.) „donationes rerum mobi- lium vel sese moventium.” Diese Bezeichnung des Gegenstandes hat augenscheinlich eine beschränkende Bedeutung. . Ungleich wichtiger ist die Ausnahme für den Fall ei- ner gegebenen Dos. Giebt die Frau selbst eine solche, so ist es gar nicht Schenkung (§ 152), und bedarf deshalb keiner Insinuation. Giebt aber ein Frrmder, so liegt darin eine wahre Schenkung an die Frau, und daß diese von der Insinuation befreyt ist, muß als positive Ausnahme angesehen, und aus der auch in anderen Beziehungen vor- kommenden Begünstigung der Dos erklärt werden L. 31 pr. C. de j. dot. (5. 12.). Vgl. oben § 157. s. — Anfangs galt dieselbe Befreyung . dition. Pecuniae sind genannt, weil in diesem Fall am Gewöhn- lichsten Geld gegeben werden wird. §. 167. Schenkung. Einschränk. 2. Erschwerende Formen. (Forts.) Dagegen müssen folgende Ausnahmen verworfen wer- den. Zuerst die von Manchen behauptete Ausnahme der remuneratorischen Schenkungen. Diese sind der gewöhnli- chen Regel der Insinuation unterworfen, mit Ausnahme des Lohnes für Lebensrettung, welcher gar nicht als Schen- kung betrachtet wird (§ 153). — Ferner die Schenkung an eine pia causa. Diese war früher befreyt bis zu der Summe von 500 Solidi L. 19 C. de SS. eccl. (1. 2.), L. 34 pr. § 1 C. de don. (8. 54.). ; seitdem diese Summe zur allgemeinen Regel erhoben worden ist, hat jene Ausnahme ihre Bedeutung verloren. — Ganz besonders auch fällt hier weg die Bestaͤtigung der ungültigen Schenkung durch den Tod, welche bey der Schenkung in der Ehe durch den Senatsschluß vom J. 206 eingeführt wurde (§ 164). Denn diese beruht auf einer ganz positiven Vorschrift, die wir nicht willkührlich ausdehnen können; auch war ihre Veranlassung dem ehelichen Verhältniß ganz eigenthümlich (§ 164. d ). Daher hat selbst für Ehegatten Justinian ausdrücklich vorgeschrieben, daß ihre mehr als 500 Solidi betragende Schenkungen durch den Tod nur dann bestätigt seyn sollen, wenn die Form der Insinuation dabey beob- auch für die donatio propter nuptias. Nov. 119 C. 1. Spä- terhin wurde diese Befreyung für den Fall aufgehoben, da der Mann aus Eheverträgen die Dos lucri- ren will. Nov. 127 C. 1. Die In- sinuation ist hier etwas Besonde- res, von der bey der Schenkung Verschiedenes, denn eine wahre Schenkung an die Frau liegt in der Bestellung der donatio pro- pter nuptias von Seiten des Man- nes nicht, so wenig als in der Dos, die der Mann von der Frau empfängt. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. achtet sey L. 25 C. de don. int. vir. (5. 16.). ; um so weniger kann unter Fremden der Tod des Gebers die fehlende Insinuation ersetzen. Auch in dieser Beziehung ist daher die neuere Vorschrift der Insinuation strenger als die L. Cincia, indem nach dieser die Bestätigung durch den Tod zugelassen wurde (§ 165. f ), anstatt daß gegenwärtig die versäumte Insinuation auch von dem Erben des Gegners geltend gemacht werden kann. Vergleichen wir nunmehr das Verbot unter Ehegatten mit der Vorschrift der Insinuation, so ergiebt sich folgen- der praktischer Zusammenhang. Jede Schenkung, welche den Werth von 500 Solidi übersteigt, und nicht insinuirt wird, ist in der Regel nichtig. Unter Ehegatten ist auch eine geringere Schenkung nichtig, so wie eine mit Insinua- tion versehene groͤßere; diese eigenthümliche, weiter gehende, Beschränkung in der Ehe wird jedoch beseitigt, wenn der Geber in der Ehe stirbt, ohne einen veränderten Willen an den Tag zu legen Ganz so ist das Verhält- niß anerkannt in L. 25 C. de don. int. vir. (5. 16.). . §. 168. V. Schenkung. — Einschränkungen. 3. Widerruf aus besonderen Gründen . Um die eigenthümliche Natur dieses Widerrufs klar zu §. 168. Schenkung. Einschränkungen. 3. Widerruf. machen, ist es nöthig, die Vergleichung mit anderen Rechts- verhältnissen zum Grunde zu legen. Wer Etwas giebt, um dadurch einen anderen juristi- schen Zweck, als welcher schon in dem Geben selbst liegt, zu erreichen ( ob causam ), der kann in der Regel das Ge- gebene zurückfordern, wenn die causa eine irrige war. Ausnahmsweise kann er es auch ohne Irrthum: nament- lich gestattet das Römische Recht bey den Innominatcon- tracten eine Rückforderung wegen bloßer Reue des Ge- bers. In allen diesen Fällen gelten Condictionen, von welchen jedoch bey der Schenkung keine Anwendung zu- lässig ist L. 3. 4 de revocandis don. (8. 56.). L. 6. 7 C. de cond. ob causam (4. 6.). , weil diese keinen außer dem Geben liegenden juristischen Zweck hat, weshalb das Geben ob causam einen scharfen Gegensatz bildet gegen das Geben als Schenkung. Bey der Schenkung kann ein Widerruf aus folgenden Gründen eintreten. Erstlich wenn ein solcher besonders ausbedungen ist, welcher Nebenvertrag die Natur eines Modus annimmt (§ 175. d ). Zweytens wenn die Schen- kung nach positiven Rechtsregeln ungültig ist, nämlich ent- weder wegen des ehelichen Verhältnisses, oder wegen der versäumten Insinuation; in diesen Fällen kann das Ge- schenk bald durch Vindication, bald durch Condiction, zu- rückgefordert werden (§ 163. 167). Wenn nun gegenwärtig, unabhängig von diesen Grün- IV. 15 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. den (die eine allgemeinere Natur haben), noch von einem besonderen Widerruf die Rede ist, so bezieht sich dieser auf solche Schenkungen, die an sich selbst gültig sind, so daß er stets die Natur einer Ausnahme an sich trägt. Ich habe ihn deshalb als Widerruf aus besonderen Grün- den bezeichnet Eigenthümliche Quellen da- für sind: Cod. Theod . VIII. 13, Cod. Just . VIII. 56. — Donellus Lib. 14 C. 26—32 hat diesen Ge- genstand sehr ausführlich behan- delt. . Der Widerruf selbst ist von ganz verschiedener Art; in einigen Fällen wird er von einem Dritten ausgeübt, dessen Rechte durch die Schenkung beeinträchtigt sind, also gegen den Willen des Gebers: in anderen Fällen von dem Geber selbst, also in Folge einer in dem Willen desselben vorgegangenen Veränderung. Der Widerruf eines Dritten kommt vor in zwey Fäl- len: bey der inofficiosa donatio, und in der Pauliana actio. Sind durch Schenkungen die Ansprüche naher Ver- wandten auf den Pflichttheil verletzt, so können diese eine Ergänzung des Pflichttheils verlangen, und zu diesem Zweck einen Theil der Schenkung zurück fordern Fragm. Vat . § 270. 271. 280. 281, Cod. Theod . II. 20, Cod. Just . III. 29. Francke Nother- benrecht § 42. 43. 44. — Allerdings hat es nach L. 5. C. tit. cit. den Schein, als könne der Geber selbst, wenn ihm nachher Kinder gebo- ren werden, einen Theil des Ge- schenks zurück fordern, um der Verletzung des Pflichttheils schon jetzt vorzubeugen; allein die da- gegen von Donellus XIX. 11 § 21. 22 aufgestellte Gründe sind doch überwiegend. Vorzüglich bleibt es ja bis zu des Gebers Tod ganz ungewiß, ob ihn Kin- der überleben werden, denen durch die Schenkung Etwas entzogen wird. In der angeführten Stelle hatte allerdings der Geber selbst . Die §. 168. Schenkung. Einschränkungen. 3. Widerruf. genauere Darstellung dieses Rechtsverhältnisses ist nur im Erbrecht, in Verbindung mit dem Pflichttheil, möglich. Hat ein Schuldner durch Schenkungen sein Vermoͤgen unredlicherweise insolvent gemacht, oder dessen Insolvenz vermehrt, so können die Glaubiger diese Schenkungen wi- derrufen, selbst wenn der Empfänger keine Kenntniß von der Unredlichkeit des Gebers hatte War der Erwerber mitwis- send, so kommt es nicht einmal auf dessen Bereicherung an; nur im Fall der Unwissenheit dessel- ben ist daher die Schenkung als eigenthümliche Bedingung des Wi- derrufs zu betrachten. Vergl. § 145. d. — Manche rechnen da- hin auch die actio Faviana, aber mit Unrecht, weil diese weder Be- reicherung, noch Mitwissen vor- aussetzt, so daß bey ihr die Schen- kung gar keine eigenthümliche Wirkung hat, sondern mit allen anderen Veräußerungen gleich wirkt: Vgl. § 145. g. . Die genauere Dar- stellung dieses Rechtssatzes gehört in die Lehre von der Insolvenz der Schuldner. Der Widerruf des Gebers kommt gleichfalls vor in zwey Fällen Man könnte dahin auch noch rechnen den Widerruf der Brautgeschenke, wenn die Ehe nicht zu Stande kommt; allein dieser wird vielmehr dadurch be- gründet, daß man in jenem Fall die ursprüngliche Schenkung als ein datum ob causam (non se- cutam) behandelt. Vgl. § 162. i. , wovon jedoch nur einer noch im heuti- bey den Kaisern angefragt, und diese antworten ihm: „id quod .. liberis relinqui necesse est, ex factis donationibus detrac- tum, … ad patrimonium tuum revertetur. ” Allein diese Worte können auch von der künftig, nach dem Tode des Gebers, eintreten- den Klage der nachgebornen Kin- der verstanden werden, so daß sie eine beruhigende Belehrung über deren späteres Schicksal enthal- ten. Ad patrimonium tuum heißt dann so viel als ad here- ditatem tuam. Abweichender Meynung ist Francke S. 517 — 519, unter andern deswegen, weil es zur Erziehung des posthu- mus nöthig seyn könne; allein dadurch geht man aus dem Be- griff der Inofficiosität ganz her- aus, und verirrt sich in den Wi- derruf wegen nachgeborner Kin- der, der ganz andere Bedingun- gen und Gründe hat (Note g. h ). 15* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gen Recht übrig ist: wegen nachgeborner Kinder des Ge- bers, und wegen Undankbarkeit des Empfängers. Die erste Art des Widerrufs hatte folgenden Ursprung. Wenn ein Patron seinem Freygelassenen Etwas schenkte, so galt lange Zeit ein ganz willkührlicher Widerruf. Man nahm an, der Patron werde dazu im Betragen des Frey- gelassenen Gründe gefunden haben, die kein Richter prü- fen dürfe; erst mit dem Tode des Patrons sollte diese Willkühr aufhören Fragm. Vaticana § 272. 313. — Ganz unrichtig würde man damit in Verbindung bringen wollen die ähnlich lautende Re- gel, daß die Schenkung eines Vaters an seinen Sohn in po- testate erst durch den Tod be- stätigt wird. ( Fragm. Vatic . § 274. 277. 278. 281. L. 25 C. de don. int. vir. 5. 16.). Denn dieses gründet sich nicht auf ein besonderes Revocationsrecht des Vaters, sondern auf die natür- liche Nichtigkeit einer solchen Schenkung, die nur durch die Bestätigung vermittelst eines (still- schweigenden) letzten Willens be- seitigt werden kann. . Späterhin gieng man von diesem ausgedehnten Recht des Patrons ab, und gestattete ihm den Widerruf nur in zwey Fällen: bey nachgebornen Kin- dern, und bey erweislicher Undankbarkeit. Der erste die- ser Fälle, der sich in einer Constitution des K. Constantius vom J. 355 erhalten hat L. 3 C. Th. de revoc. don. (8. 13.), L. 8 C. Just. eod. (8. 56.). , kann für uns nur noch hi- storische Bedeutung haben. Manche haben Dieses bezwei- felt, indem sie dasselbe Recht des Widerrufs auf jede Schenkung überhaupt, nicht blos auf die von einem Pa- tron ausgehende, anwenden wollten; sie giengen davon aus, daß die Rescripte des Codex oft die Zufälligkeiten des einzelnen Falles erwähnten, ohne daß wir diese als §. 168. Schenkung. Einschränkungen. 3. Widerruf. Bedingungen der ausgesprochenen Rechtsregel ansehen dürf- ten. Allein diese an sich wahre Bemerkung paßt nicht auf die angeführte Kaisereonstitution, die kein Rescript, son- dern ein Edict ist, und die einen Widerruf, der immer nur Ausnahme von der Regel ist, lediglich dem Patron im Fall nachgeborner Kinder gestattet Sehr gründlich ist jene ir- rige Meynung widerlegt schon von J. Gothofred . in L. cit. Cod. Theod., der zwar die Vaticani- schen Fragmente noch nicht kannte. — Von den Praktikern freylich wird die entgegengesetzte Mey- nung vertheidigt. Lauterbach XXXIX. 5 § 53—57. Da sie selbst aber diesen Widerruf doch nicht für jede geringe Schenkung gestatten wollen, so sind sie nun genöthigt, hierin Alles in des Richters Willkühr zu stellen. Für das wahre und dringende Be- dürfniß genügt in solchen Fällen der Widerruf der inofficiosa do- natio (Note c ), der allerdings auch auf den Fall nachgeborner Kinder anwendbar ist. L. 5 C. de inoff. don. (3. 29.). . Mußte nun die Sache so angesehen werden, schon bey unbefangener Be- trachtung der angeführten Constitution für sich, so blieb vollends kein Zweifel, seitdem der oben bemerkte histori- sche Zusammenhang entdeckt war; denn nunmehr erscheint jenes im Codex anerkannte Recht des Patrons als ein bloßer Überrest seines früheren weit ausgedehnteren Rechts, wodurch jede Veranlassung verschwindet, auch fremden Per- sonen ein gleiches Recht einzuräumen. Der Widerruf wegen Undankbarkeit hat folgende Ent- wicklung gehabt. Anfangs bestand er bey den Schenkun- gen des Patrons, aber als bloße Folge des diesem zu- kommenden ganz willkührlichen Widerrufs (Note f ). Dann wurde er bey dem Patron durch das erweisliche Daseyn Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. wirklicher Undankbarkeit bedingt, also in dieser Beziehung das Recht des Patrons sehr beschränkt Diese Veränderung wird recht augenscheinlich, wenn man das Rescript des Kaisers Phi- lippus, wie es in L. 1 C. de re- voc. don. (8. 56.) erscheint, mit seiner ursprünglichen Gestalt ver- gleicht, die sich in Fragm. Vat. § 272 erhalten hat. — Welchen Punkt in der Entwicklung dieses Rechtsinstituts Fragm. Vat. § 275 bezeichnet, ist ungewiß; über die Erklärung und über den Text dieser Stelle sind ganz entgegen- gesetzte Meynungen aufgestellt worden. Hasse Rheinisch. Mu- seum I. 229. Unterholzner ebendas. III. 153. Buchholtz ad § 275 cit. . In dieser be- schränkten Gestalt aber wurde der Widerruf, wie es scheint sehr frühe, auch für die Schenkungen der Eltern an ihre Kinder zugelassen L. 31 § 1 de don. (39. 5.), L. 7 C. de revoc. don. (8. 56.) (ist L. 1 C. Th. eod. ), L. 9 C. eod. (ist L. 6 C. Th. eod. ), L. 2. 4 C. Th. eod. (8. 13.). — In der angeführten Digestenstelle wäre es möglich, daß die Erwähnung der Revocation auf einer Inter- polation beruhte; nur kann Die- ses aus den wenigen in Fragm. Vatic. § 254 erhaltenen Worten nicht gefolgert werden. . Endlich erhob Justinian den Wi- derruf wegen Undankbarkeit zu einer allgemeinen Rechts- regel, in welcher also die früheren besonderen Befugnisse der Eltern und Patronen sich verloren haben L. 10 C. de revoc. don. (8. 56.). . §. 169. V. Schenkung. — Einschränkungen. 3. Widerruf aus besonderen Gründen . (Fortsetzung.) Der Widerruf wegen Undankbarkeit unterscheidet sich von den früher dargestellten Einschränkungen der Schen- kung (§ 162—167) hauptsächlich darin, daß hier niemals von einer Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts die Rede seyn §. 169. Schenkung. Einschränkungen. 3. Widerruf. (Forts.) kann, sondern nur von einem persönlichen Anspruch auf Rückgabe des Geschenks. Daher kann zu diesem Zweck niemals eine Vindication gebraucht werden, sondern nur eine persönliche Klage. Bey der Schenkung in der Ehe galt eine condictio sine causa oder ex injusta causa (§ 163. h ), und eben so im Fall der versäumten Insinua- tion; denn in beiden Fällen stand die factisch vorhandene donationis causa im Widerspruch mit absoluten Rechtsre- geln. Ein solcher Widerspruch ist hier nicht vorhanden, sondern es ist nur dem Geber das Recht eingeräumt, die an sich gültige Schenkung zu entkräften. Donellus nimmt an, jede Schenkung enthalte den stillschweigenden Vertrag, daß der Empfänger die Undankbarkeit meiden solle; bey Verletzung dieses Vertrags gelte die condictio ob causam datorum Donellus XIV. 31 § 7—14. . Diese Annahme ist aber gezwungen und will- kührlich, da in der Wirklichkeit fast Niemand zur Zeit der Schenkung an ein solches künftiges Misverhältniß denken wird; wo zu solchen Gedanken Grund ist, werden eher andere Formen, als die der Schenkung, gewählt werden. — Niemand zweifelt, daß aus der Natur der Schenkung diese Art des Widerrufs durchaus nicht abgeleitet werden könne, und daß wir ihn gar nicht zulassen würden, wenn nicht ein bestimmtes Gesetz von Justinian ihn eingeführt hätte; daher habe ich kein Bedenken, die Klage eine con- dictio ex lege zu nennen. Das Recht zu dieser Klage hat nur der Geber selbst, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nicht dessen Erbe L. 10 C. de revoc. don. (8. 56.). . Wollte man dieses buchstäblich neh- men, so müßte der Geber schon wirklich die Klage ange- stellt haben, um sie vererben zu können. Allein auch der bloße Wille des Widerrufs reicht dazu schon hin, so daß die Klage nur wegfällt, wenn der Geber stirbt, ohne sei- nen veränderten Willen auf irgend eine Weise an den Tag gelegt zu haben. Dafür spricht die Analogie der Schenkung in der Ehe, die gleichfalls durch den Tod un- widerruflich wird, und zwar auf die hier angegebene Weise (§ 164). Daß aber in der That diese Analogie im Sinn des Gesetzes liegt, zeigen dessen Ausdrücke deutlich ge- nug L. 10 C. cit. „Etenim si ipse, qui hoc passus est, ta- cuerit; silentium ejus maneat semper, et non a posteritate ejus suscitari concedatur, vel adversus eum qui ingratus esse dicitur, vel adversus ejus suc- cessores..” — Von demjenigen, welcher seine Unzufriedenheit und die Absicht des Widerrufs aus- gesprochen, nur aber noch nicht die Klage angestellt hat, würden die Ausdrücke tacuerit und si- lentium unmöglich gebraucht wer- den können. Dieses führt auch Donellus XIV. 29 § 7 — 12 sehr gut aus; nur behauptet er § 11 etwas Anderes für die schenkende Mutter, weil in L. 7 C. eod. steht: nec in heredem detur, nec tribuatur heredi. Allein diese unbestimmten Ausdrücke müssen aus den bestimmteren der L. 10 cit. erklärt werden, da nicht die Absicht erhellt, in diesem Stück für die Mutter etwas Abweichen- des zu bestimmen. . Eben so geht die Klage nur unmittelbar gegen den Empfänger selbst, nicht gegen dessen Erben; das heißt, es muß der Geber seinen veränderten Willen kund gegeben haben, so lange der Empfänger noch lebte. Bey der Schenkung der Mutter an ihre Kinder ist dieses ausdrück- §. 169. Schenkung. Einschränkungen. 3. Widerruf. (Forts.) lich gesagt, und daher auch unbestritten L. 7 C. de revoc. don. (8. 56.) „ nec in heredem detur, nec tribuatur heredi.” . Schon hier- aus wird es wahrscheinlich, daß dieselbe Beschränkung auch in allen anderen Fällen gelten müsse, indem die Ab- sicht, hierin etwas Besonderes für die Mutter zu bestim- men, nicht angedeutet ist; allein Justinian hat es auch im Allgemeinen deutlich genug ausgesprochen L. 10 C. cit. „Hoc ta- men usque ad primas personas tantummodo stare censemus.” Die primae personae sind der Geber und der Empfänger, auf welche also der Widerruf indivi- duell beschränkt seyn soll. Daß in den folgenden Worten die Be- schränkung in Beziehung auf die Erben des Gebers noch beson- ders eingeschärft wird (Note c ), kann jener an der Spitze stehen- den Regel ihre Kraft nicht ent- ziehen. Es ist unglaublich, wel- che Mühe Donellus XIV. 30 § 1 — 15 aufwendet, um jenen Satz zu widerlegen, indem er ganz ohne Grund die oben ab- gedruckten Worte für zweydeutig ausgiebt. Er argumentirt ledig- lich aus allgemeinen Gründen, allein auch diese entscheiden gegen ihn, wenn man das Rechtsver- hältniß in seiner wahren Natur auffaßt. Denn dieser Widerruf hat eigentlich die Natur einer Strafklage, und solche gehen über- haupt nicht gegen den Erben. . Die Bedingung der Klage ist im Allgemeinen die Un- dankbarkeit des Empfängers; allein Justinian hat Fünf einzelne Fälle dieser Undankbarkeit angegeben, und aus- drücklich bestimmt, in jedem derselben solle der Widerruf gelten, außer ihnen durchaus nicht L. 10 C. cit. „Ex his enim tantummodo causis .. donatio- nes in eos factas everti con- cedimus.” Donellus XIV. 27 § 6—15 handelt ausführlich von diesen Fällen. . Die Fälle selbst sind folgende: 1) Grobe wörtliche Beleidigungen „ita ut injurias atroces in eum effundat. ” . 2) Thätlichkeiten gegen die Person des Gebers „vel manus impias infe- . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. 3) Bedeutender Vermögensverlust, der dem Geber nicht blos gedroht, sondern wirklich zugezogen wird Die Größe des Verlustes, die zum Widerruf nöthig ist ( „ non levem sensum substantiae do- natoris imponat” ), ist dem richter- lichen Ermessen überlassen. Ganz willkührlich nimmt Donellus l. c. § 10 den dritten Theil des Ver- mögens als Minimum an, weil dieses die geringste Vermögens- strafe ist, die als Folge eines publicum judicium im R. R. erwähnt wird. . 4) Lebensgefahr, in welche der Geber durch den Em- pfänger gebracht wird. 5) Wenn der Empfänger die Verpflichtungen zu erfül- len verweigert, die ihm bey der Schenkung auferlegt wur- den. Hier hätte es dieses besonderen Rechts auf Wider- ruf nicht einmal bedurft, da die gewöhnliche Regel der donatio sub modo schon hinreichende Rechtsmittel dar- bot (§ 175). Es hat also nunmehr für einen solchen Fall der Geber die Wahl, ob er die Schenkung wegen Un- dankbarkeit widerrufen, oder jene allgemeineren Rechtsmit- tel gebrauchen will; auf diese letzten kann die Ausschlie- ßung der beiderseitigen Erben nicht bezogen werden, die für den Widerruf wegen Undankbarkeit vorgeschrieben ist Sehr gut hat dieses Ver- hältniß entwickelt Donellus XIV. 27 § 12—15 und XIV. 30 § 16. 17.— Mühlenbruch § 443 not. 8 der vierten Ausg. nimmt hieran ohne Grund Anstoß, da doch sonst Fälle genug vorkommen, worin ein Kläger die Wahl hat zwischen meh- reren Klagen von verschiedenen Bedingungen und Folgen. . rat. ” In diesen beiden Fällen sind offenbar die Verbal- und Real-Injurien ausgedrückt. Die Beurtheilung der Schwere ist dem Ermessen des Richters über- lassen, der dabey natürlich auch das persönliche Verhältniß zu er- wägen hat. Dieselben Worte, die im Munde eines Sohnes gegen den Vater injuriae atroces sind, werden es vielleicht nicht seyn, wenn sie ein Höherer gegen ei- nen Niederen gebraucht. §. 169. Schenkung. Einschränkungen. 3. Widerruf. (Forts.) Giebt es nun etwa Ausnahmen von dieser Klage auf Rückgabe, selbst wenn eine jener Bedingungen vorhanden ist? Man könnte eine solche Ausnahme annehmen wollen für den Fall, da bey der Schenkung selbst auf den Wi- derruf verzichtet wird; ein solcher Verzicht aber muß für unwirksam gehalten werden, weil durch ihn die einer Un- sittlichkeit steuernde Rechtsregel entkräftet werden würde Also nach der Analogie von L. 27 § 4 de pactis (2. 14.), worin für ungültig erklärt wer- den die Verträge ne furti agam, vel injuriarum, si feceris, und ne experiar interdicto unde vi. Von diesen heißt es turpem cau- sam continent, was man gewiß auch sagen kann von einem Ver- trag, der die Undankbarkeit von einem gesetzlich angedrohten Nach- theil befreyt. Vergl. auch L. 1 § 7 depositi (16. 3.) und L. 23 de R. J. (50. 17.). . — Manche haben eine Ausnahme behauptet für die remu- neratorischen Schenkungen. Setzt man, mit Donellus, den Grund des Widerrufs in einen auf die Zukunft gerichte- ten stillschweigenden Vertrag (Note a ), so könnte man die- ser Meynung geneigt seyn, weil der Geber bey der remu- neratorischen Schenkung seinen Blick mehr nach der Ver- gangenheit richtet als nach der Zukunft. Giebt man aber diese Herleitung auf, und überzeugt man sich zugleich da- von, daß die remuneratorische Schenkung von jeder an- deren juristisch gar nicht verschieden ist, so muß man jene Ausnahme verwerfen (§ 153. a. b ). — Eine Ausnahme je- doch ist in der That anerkannt, und selbst im neuesten Recht theilweise beybehalten worden. Wenn eine Mutter ihre Kinder beschenkt, hinterher aber entweder zu einer zweyten Ehe schreitet, oder gar einen offenbar sittenlosen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Lebenswandel führt, so sollte sie jenen Widerruf nicht aus- üben können L. 7 C. de revoc. don. (8. 56.). . Den letzten dieser Fälle hat Justinian unverändert gelassen, so daß er noch jetzt gelten muß; den ersten aber hat er auf folgende ganz willkührliche Weise modificirt. Die schenkende Mutter, die zur zweyten Ehe schreitet, soll zwar auch den Widerruf haben, jedoch nicht ganz auf dieselbe Weise wie andere Personen Nov. 22 C. 35, Auth. Quod mater C. de revoc. don. (8. 56.). . Der Fall der Verbalinjurien ist weggelassen; Realinjurien und zugezogene Lebensgefahr sind geblieben; aus dem zu- gezogenen Verlust im Vermögen ist gemacht eine bloße be- drohende Unternehmung, die jedoch gegen das ganze Ver- mögen gerichtet seyn soll Donellus XIV. 27 § 24 nimmt an, die hierin liegende Ausdehnung (des wirklichen Ver- lustes auf blos bedrohende Un- ternehmungen) müsse um so mehr auch den Müttern, die nicht zur zweyten Ehe schreiten, so wie den schenkenden Vätern, zu gut kom- men. Will man nicht Justinian auf alle Consequenz verzichten las- sen, so muß dieses zugegeben wer- den. Doch kann man allerdings bey so willkührlichen Verordnun- gen die bloße Consequenz nicht mit demselben Vertrauen, wie bey anderen Rechtsregeln, gel- tend machen. ; endlich die Verweigerung übernommener Verpflichtungen ist weggelassen, welches je- doch ziemlich gleichgültig ist, da für diesen Fall schon an- dere Klagen vorhanden sind, die hier gewiß nicht versagt werden sollten Donellus XIV. 28 § 9. . Es bleibt nun noch übrig, die Wirkungen des Wider- rufs wegen Undankbarkeit festzustellen. Ist das Geschenk noch unverändert im Vermoͤgen vorhanden, so hat die §. 169. Schenkung. Einschränkungen. 3. Widerruf. (Forts.) Rückforderung desselben keinen Zweifel. Hat dasselbe ir- gend eine Verwandlung erlitten durch Umtausch, so daß der Werth desselben als Bereicherung im Vermögen übrig ist, so kann die Klage auf diesen vorhandenen Werth ge- richtet werden (§ 149 — 151). Wie aber wenn das Ge- schenk durch des Empfängers freye Handlung (Verschwen- dung oder Schenkung an Andere) untergegangen ist? Hier hat es wohl kein Bedenken, den Empfänger frey zu spre- chen, wozu noch dringendere Gründe vorhanden sind, als bey der Schenkung unter Ehegatten. Denn der beschenkte Ehegatte weiß doch, daß die Sache nicht ihm gehört, und er kann höchstens annehmen (meist auch mit Grund), daß seine Verfügung dem Willen des Eigenthümers nicht ent- gegen sey. In unsrem Fall aber ist der Empfänger in der That Eigenthümer, und seine willkührliche Handlung, wodurch das Geschenk aus seinem Vermögen kommt, ist daher eine rechtmäßige und tadellose. Freylich stellt sich die Sache anders, sobald die Undankbarkeit vor der Con- sumtion Statt fand; denn nun mußte der Beschenkte den Widerruf erwarten, und wenn er dennoch die Sache con- sumirte, so konnte man von ihm sagen: dolo fecit quo minus restitueret Es entscheidet hier die au- genscheinlich passende Analogie des sogen. beneficium competentiae, welches auch Demjenigen versagt wird, qui dolo facit quo minus facere possit. L. 63 § 7, L. 68 § 1 pro socio (17. 2.). . Ja es wäre unbedenklich Dasselbe anzunehmen, wenn zwar die undankbare Handlung erst nach der Consumtion vorfiele, jedoch zugleich bewiesen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. werden könnte, daß der Entschluß zu dieser Handlung zur Zeit der Consumtion schon vorhanden war. — Diese, aus der allgemeinen Natur des Rechtsverhältnisses, verglichen mit den Vorschriften über die Schenkung in der Ehe, ab- geleiteten Rechtsregeln werden durch folgende besondere Bestimmung über die Schenkung der Mutter, vielmehr be- stätigt, als zweifelhaft gemacht L. 7 C. de revoc. don. (8. 56.). : Ceterum ea, quae adhuc matre pacifica jure perfecta sunt, et ante inchoatum coeptumque jurgium vendita, donata, permutata, in dotem data, ceterisque causis legitime alienata: minime revocamus. Actionem vero matris ita personalem esse volumus, ut vindicationis tantum habeat effectum: nec in heredem detur, nec tribuatur heredi. Der Sinn der Stelle ist folgender: Die Mutter soll, wenn die geschenkten Sachen vor der Undankbarkeit rechts- gültig veräußert sind, keine Klage gegen die dritten Be- sitzer haben, also keine in rem actio. Ja ihre Klage soll in dem Grade blos personalis seyn, daß sie von keiner Seite auf die Erben übergehen soll; sie soll daher nur ge- gen den Beschenkten selbst, wenn dieser noch besitzt, eine ähnliche Wirkung wie die Vindication hervorbringen, näm- lich die Restitution erzwingen. — In dieser Versagung einer Klage gegen die dritten Besitzer liegt aber keineswe- ges auch die Verneinung einer Condiction gegen den Em- §. 170. Schenkung auf den Todesfall. pfänger, insoweit dieser durch den eingenommenen Kauf- preis bereichert ist Donellus XIV. 31 § 3 —6 behandelt diese Frage auf sehr ein- seitige Weise. Als Regel nimmt er an, der Empfänger müsse den Werth der veräußerten Sache in jedem Fall herauszahlen, er möge durch die Veräußerung reicher seyn oder nicht; damit tritt er dem Empfänger zu nahe. Als Aus- nahme soll gelten die Schenkung der Mutter, bey welcher die Klage gegen den Beschenkten durch jede Veräußerung ausgeschlossen wer- de, wieder ohne Rücksicht darauf, ob der Beschenkte reicher ist oder nicht; damit kommt die schenkende Mutter ganz ohne Grund in Nach- theil. — Seinen ersten Satz leitet er aus bloßen Gemeinplätzen ab; zur Begründung des zweyten nimmt er ganz ohne Noth an, die oben im Text abgedruckten Worte: Ceterum ea quae u. s. w. giengen blos auf die Klage ge- gen den Beschenkten, nicht auf die gegen den dritten Besitzer, da doch die nachfolgenden Worte ita personalem deutlich genug dar- auf hinweisen, daß auch schon die vorhergehenden Worte dazu be- stimmt waren, der Meynung zu begegnen, als könne die Klage in rem angestellt werden. . Was endlich die Früchte der geschenkten Sache be- trifft, so ist gleichfalls nach denselben Regeln zu verfah- ren, welche für die Früchte eines unter Ehegatten gege- benen Geschenks gelten (§ 147). Auch bey diesem Widerruf kann die Frage entstehen, wie er auf Dritte, mit der Schenkung in Verbindung ste- hende, Personen einwirke. Diese Frage wird in ihrem vollständigen Zusammenhang in der Beylage X. behandelt. §. 170. V. Schenkung. — Besondere Arten. 1. Schenkung auf den Todesfall . Bey denjenigen Schenkungen, welche auf Verträgen beruhen, ist schon oben die Möglichkeit von Bedingungen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. überhaupt erwähnt worden, besonders aber von derjenigen einzelnen Art der Bedingung, wodurch eine Schenkung auf den Todesfall , oder Mortis causa donatio, ent- steht. Deren Natur soll hier nach allen Seiten dargestellt werden Besondere Quellen: § 1 J. de don. (2. 7.), Dig. XXXIX. 6, Cod. VIII. 57, Paulus III. 7. — Schriftsteller: Haubold opusc. I. 489 (und Wenck praef. p. XXXVI sq. ). — Müller Natur der Schenkung auf den Todesfall Gie- ßen 1827. — Schröter in Lin- de’s Zeitschrift für Civilrecht und Prozeß II. S. 97 fg. — Hasse Rhein. Museum II. 300 fg. III. 1 fg. und 371 fg. — Wieder- hold in Linde’s Zeitschrift XV. Num. IV. S. 96 fg. . Das Eigenthümliche dieser Art bedingter Schenkung be- steht darin, daß sie durch ihren Zweck und Erfolg den Legaten verwandt ist. Deshalb ist sie allmälig auch vie- len, für die Legate geltenden, Rechtsregeln unterworfen worden, ohne darum die vorherrschende Natur einer Schen- kung abzulegen, unter deren Gattungsbegriff sie, als ein- zelne Art, fortwährend steht pr. J. de don. (2. 7.). „Do- nationum autem duo genera sunt, mortis causa et non mor- tis causa.” L. 67 § 1 de V. S. (50. 16.). „Donationis verbum, simpliciter loquendo, omnem donationem comprehendisse vi- detur, sive mortis causa, sive non mortis causa.” Hieraus folgt der wichtige Satz, daß jede Vorschrift, die unbestimmt für die donatio überhaupt gegeben ist, auch auf die mortis causa do- natio zu beziehen ist, so lange nicht aus ihrem Inhalt eine en- gere Begränzung hervorgeht. — Die non mortis causa donatio heißt bey den Römern vera et absoluta. L. 35 § 2 L. 42 § 1 de m. c. don. (39. 6.), auch inter vivos. L. 25 pr. de inoff. test. (5. 2.). . Die häufigste Form dieser Schenkung ist die, welche durch eine bestimmte, gegenwärtige Lebensgefahr (wie Krankheit, Feldzug, Seereise) dergestalt veranlaßt wird, § 170. Schenkung auf den Todesfall. daß durch das Verschwinden dieser Gefahr die Schenkung selbst ungültig werden soll L. 3 — 6, L. 8 § 1 de m. c. don. (39. 6.), § 1 J. de don. (2. 7.), Paulus III. 7. . Doch ist dieser Umstand keinesweges nothwendig, vielmehr kann dabey eben so gut der allgemeine Gedanke an den ohnehin unausbleiblichen Tod des Gebers zum Grunde liegen L. 2 de m. c. don. (39.6.) (im ersten der zusammengestellten Fäl- le), L. 31 § 2 in f., L. 35 § 4 eod. . Ferner ist es Regel, daß in beiden angegebenen Fäl- len der Geber den willkührlichen Widerruf bis zum Tode stillschweigend vorbehält L. 16. 30 de m. c. don. (39. 6.) , § 1 J. de don. (2. 7.), Paulus III. 7. Dieser Vorbehalt versteht sich als Regel von selbst, braucht also nicht ausgedrückt zu werden. . Aber auch dieser Vorbehalt ist nicht wesentlich, vielmehr kann auf diese Willkühr be- sonders verzichtet werden L. 13 § 1 L. 35 § 4 de m. c. don. (39. 6.), Nov. 87 pr. C. 1. Die in L. 35 cit. aus dem wirk- lichen Gebrauch angeführte ver- schiedene Formeln bezeichnen nicht auch eben so viele verschiedene Fälle; mehrere sind gleichbedeu- tend. — Nur scheinbar widerspre- chend sagen L. 27 L. 35 § 2 de m. c. don., diese Art der Schen- kung sey nicht verträglich mit der Bestimmung: ut nullo casu re- vocetur. Denn durch einen sol- chen Zusatz würde auch selbst die Rückforderung bey dem früheren Tode des Empfängers ausge- schlossen seyn, welches mit der m. c. donatio allerdings unver- träglich ist. Verträglich damit aber ist die Clausel: ut ex ar- bitrio donatoris non revocetur. . Demnach bleibt als allgemeines Wesen dieser Art der Schenkung übrig, daß sie nur gültig seyn soll, wenn der Geber vor dem Empfänger, oder auch gleichzeitig mit demselben L. 26 de m. c. don. (39. 6.). Man kann also, streng ge- nommen, nicht sagen, das Über- leben des Empfängers sey zur Gültigkeit nöthig, sondern nur das Nichtüberleben des Gebers. , sterben wird Wesentlich ist diese Bedin- . Innerhalb dieses Grund- IV. 16 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. begriffs bleibt nun freyer Spielraum für folgende Modi- ficationen: 1) Zugleich willkührlicher Widerruf (der sich stillschweigend von selbst versteht) oder nicht. 2) Zugleich Bedingung des Todes in Folge einer bestimmten, gegen- wärtigen Lebensgefahr, oder blos allgemeine Rücksicht auf den jedem Menschen beschiedenen Tod überhaupt. — Diese Modificationen können die Bedingung der Gültigkeit enger begränzen, also die Fälle vermehren, worin eine solche Schenkung ungültig wird. Der dieser Schenkung zum Grund liegende Gedanke läßt sich demnach so ausdrücken, daß der Geber das Geschenk seinem Erben weniger gönnt, als dem Beschenkten, diesem aber weniger als sich selbst Diese alte Rechtsformel (vulgo dicitur) kommt vor in L. 1 pr. L. 35 § 2 de m. c. don. (39. 6.), § 1 J. de don (2. 7). Es scheint sogar, daß sie in die Urkunden über solche Schenkun- gen aufgenommen worden ist. Interpretatio in Paulum II. 23. . Indem nun in dieser Bedingung das Lebensende des Gebers mit dem des Empfängers zusammengestellt wird, sind noch folgende nähere Bestimmungen nöthig. Steht der Empfänger in fremder Gewalt, so hängt es von der gung so sehr, daß deren Erfül- lung zur Perfection dieser Art von Schenkung gerechnet wird. L. 32 de m. c. don. (39. 6.). Und zwar ist noch insbesondere nöthig, daß der Geber in einem solchen Zustand sterbe, daß er zur Zeit des Todes über sein Vermögen verfügen könne. Durch eine Ka- pitalstrafe wird daher diese Schen- kung vernichtet, wegen der allge- meinen Confiscation. L. 7 de m. c. don. (39. 6.), L. 32 § 7 de don. int. vir. (24. 1.). — Man hat viel unnöthigen Streit darüber ge- führt, ob in einzelnen Fällen eine so bedingte, oder vielmehr eine gewöhnliche Schenkung zu ver- muthen sey; darüber können nicht allgemeine Regeln, sondern nur die Umstände des einzelnen Fal- les entscheiden. Die Dissertation von Haubold (Note a ) behandelt eigentlich dieses Thema. §. 170. Schenkung auf den Todesfall. Absicht des Gebers ab, ob der frühere Tod des unmittel- baren Empfängers, oder vielmehr der des Vaters oder Herrn, die Schenkung entkräften soll L. 23 L. 44 de m. c. don. (39. 6.). Es scheint, daß man die Rücksicht auf den unmittel- baren Empfänger als das Ge- wöhnliche ansah. . Was aber den Geber betrifft, so kommen Fälle vor, in welchen dieser die Vollgültigkeit der Schenkung nicht durch seinen eige- nen Tod bedingt, sondern durch den Tod eines Dritten; allein diese Fälle haben mit der Schenkung auf den To- desfall nur den Namen gemein; von dem eigenthümlichen, hier dargestellten Rechtsinstitut kann dabey nicht die Rede seyn Solche Fälle kommen vor in L. 11 L. 18 pr. de m. c. don. (39. 6.). Cramer dispunct. p. 72 hat sich durch die Namenähnlich- keit täuschen lassen, sie für wahre m. c. donationes zu halten. Allein das Eigenthümliche dieser letzten besteht darin, daß sie in die Le- gate hinüber spielen; wie könnte man nun z. B. die Falcidia oder die Capacität auf jene Fälle an- wenden wollen? Jene Fälle ent- halten gewöhnliche donationes in- ter vivos, nur unter einer be- sonderen Bedingung. . Man kann diese Art der Schenkung als ein gemischtes Geschäft bezeichnen; nicht in dem Sinn, wie es oben vor- kam, daß hier Schenkung und ein obligatorisches Geschäft gleichzeitig verbunden wären (§ 154), sondern so daß, je nach dem Ausfall der Bedingung, entweder ein reines Ge- schenk, oder aber eine reine Obligation Statt findet; diese nämlich in den Fällen (welche die gewöhnlichsten sind), worin der Empfänger sogleich Etwas in seinen Besitz be- kommen hat. Hier geht die bedingte Obligation auf Rück- 16* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gabe des Empfangnen L. 35 § 3 de m. c. don. (39. 6.). „Ergo qui mortis cau- sa donat, qua parte se cogitat, negotium gerit: scilicet ut, cum convaluerit, reddatur sibi.” L. 19 pr. de reb. cred. (12. 1.). „.. qui mortis causa pecuniam donat, numerat pecuniam, sed non ali- ter obligat accipientem, quam si exstitisset casus in quem obligatio collata fuisset: veluti si donator convaluisset, aut is qui accipiebat prior decessis- set.” . Die Bedingung selbst, welche stets die Schenkung entkräften soll, ist das Überleben des Gebers; es kann als zweyte, gleichfalls entkräftende, Be- dingung hinzutreten die Abwendung einer bestimmten, ge- genwärtigen Lebensgefahr; es tritt endlich in der Regel noch hinzu, als dritte entkräftende Bedingung, der verän- derte Wille des Gebers. Für diesen ist keine besondere Form vorgeschrieben; jede Offenbarung des veränderten Willens also, wie formlos sie auch sey, ist hinreichend die Schenkung zu vernichten, wenn nicht der Geber auf den Widerruf ausdrücklich verzichtet hatte. Wie sich diese verschiedenen Bedingungen an die einzelnen, die Schen- kung vermittlenden, Rechtsgeschäfte anschließen, soll nun- mehr an den wichtigsten derselben gezeigt werden. Die häufigste Art dieser, wie jeder anderen, Schen- kung ist die, welche durch übertragenes Eigenthum be- wirkt wird. Dazu konnte im alten Recht die Mancipa- tion dienen; auch steht dem nicht im Wege, daß die Man- cipation nicht unter Bedingungen gestellt werden kann L. 77 de R. J. (50. 17.). , denn für den eigenthümlichen Zweck jener Schenkung ge- nügte es, wenn der an sich unbedingten Mancipation eine §. 170. Schenkung auf den Todesfall. bedingte Obligation auf Rückgabe hinzugefügt wurde, sey es durch fiducia, oder durch Stipulation, oder durch form- lose Willenserklärung, welche zur Begründung einer Con- diction völlig ausreichte. Es konnte aber auch geschehen durch Tradition, diese Form war vielleicht schon im alten Recht die häufigste Nämlich bey einer nec mancipi res war sie ohnehin die vollkommen passende und zugleich üblichste Form; aber auch bey einer mancipi res konnte sie ge- braucht werden, und kam auch gewiß oft vor, bald als bloßer Zusatz noch neben der Mancipa- tion, bald auch allein, da sie das bloße in bonis übertrug, wel- ches aber in kurzer Zeit durch Usucapion in das ex jure quiri- tium übergieng. , im neuesten Recht ist sie die ein- zige. Aus einer Stelle des Paulus entsteht der Schein, als wäre die Tradition nicht einmal nöthig gewesen, in- dem schon der bloße Wille das Eigenthum übertragen hätte L. 1 § 2 de public. (6. 2.) (Ulp.). „Sed cur traditionis duntaxat et usucapionis fecit mentionem, cum satis multae sunt juris partes, quibus do- minium quis nancisceretur, ut puta legatum?” Daran schließt L. 2 eod. von Paulus: „Vel mortis causa donationes factae? nam amissa possessione, com- petit Publiciana, quia ad exem- plum legatorum capiuntur.” Durch diesen Zusammenhang wird offenbar angenommen, die m. c. donatio könne an sich auch ohne Tradition , so wie das Legat, Eigenthum geben, also auch, so wie jenes, bey verlornem Besitz die Publiciana begründen. . Daß dem nicht so seyn kann, erhellt aber zu- erst aus den vielen anderen Stellen, welche die Tradition (die ja unter jener Voraussetzung juristisch gleichgültig ge- wesen wäre) als die gewöhnliche Form dieser Schenkung darstellen, und besonders auch ihre Wirkung, je nach ver- schiedenen Umständen, genau zu bestimmen suchen; ferner am unwidersprechlichsten aus dem Gesetz Justinians, wel- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ches dem formlosen Vertrag, als etwas Neues und Wich- tiges, die Kraft einer Klage beylegt, da doch unter jener Voraussetzung von jeher der Beschenkte in demselben Fall das Eigenthum, also sogar eine Vindication gehabt hätte. Ohne Zweifel bezieht sich die Stelle des Paulus auf ei- nen Fall, in welchem die Schenkung durch Mancipation ohne Tradition vollzogen war, der Beschenkte aber nach des Gebers Tod einseitig Besitz ergriffen hatte Das darf er, ohne daß ihm auch nur das Interdict quod le- gatorum den Besitz wieder ent- ziehen könnte. L. 1 § 5 quod leg. (43. 3). Der vorhergehende Fall eines Legats ist so zu er- klären, daß gleichfalls der Lega- tar einseitig Besitz ergriff, aber mit dem Willen des Erben. L. 1 § 11 eod. Dieser Wille macht nicht die Besitzergreifung zu ei- ner Tradition, so lange der Erbe selbst noch keinen Besitz ergriffen hatte. Übrigens dachte allerdings Ulpian an ein vindicationis le- gatum, da nur dieses unter die juris partes gehörte, quibus do- minium quis nanciscitur. Ob- gleich nun aber das Vindications- legat, zu seiner völligen Gültig- keit, Römisches Eigenthum des Testators voraussetzte ( Ulpian . XXIV. 7), so konnte es doch, auch wo dieses Eigenthum fehlte, eine usucapio pro legato be- gründen, also auch eine Publi- ciana. . Nun konnte man sagen, er sey ohne Tradition Eigenthümer ge- worden; hatte zufällig der Geber das Eigenthum nicht, so war der Beschenkte zur Usucapion, und also auch zur Publiciana, befugt. Die Aufnahme der Stelle in die Di- gesten geschah dann allerdings gedankenlos, indem sie nur unter Voraussetzung des älteren Rechts befriedigend er- klärt werden kann Etwas anders ist die Sache gewendet bey Hasse Rheinisch. Museum II. 348, dessen Resultat jedoch mit dem meinigen überein- stimmt. . Gerade bey der Tradition nun ist eine zwiefache Ab- §. 170. Schenkung auf den Todesfall. sicht des Gebers denkbar. Dieser kann erstlich sogleich das Eigenthum übertragen, so daß dasselbe, wenn der Empfänger früher stirbt, durch Resolutivbedingung wieder zurück fallen soll. Er kann aber auch umgekehrt an die Übertragung des Besitzes eine Suspensivbedingung knüpfen, so daß erst im Augenblick seines eigenen früheren Todes das Eigenthum an den Empfänger kommen soll L. 2 L. 29 de m. c. don. (39. 6.). . Die erste Einrichtung ist an sich die einfachere und natürli- chere, und sie ist daher im Zweifel anzunehmen, wenn der Geber nicht die zweyte ausdrücklich angeordnet hat, und diese Vermuthung wird auch durch die Analogie an- derer Rechtsinstitute bestätigt Hasse Rhein. Museum II. 328. — Es spricht dafür auch die Art des Ausdrucks in L. 15 in f. de manum. (40. 1.), wo die Tradition mit Suspensivbedin- gung augenscheinlich als die be- sondere, minder gewöhnliche Form der m. c. donatio erwähnt wird. . Sie bewährt sich ins- besondere noch durch die Art, wie unter Ehegatten eine solche Tradition auf den Todesfall behandelt wird. Hier sogleich das Eigenthum zu übertragen, ist wegen des Ver- bots unmöglich L. 11 pr. de don. int. vir. (24. 1.). „Sed interim res non statim fiunt ejus cui donatae sunt, sed tunc demum cum mors insecuta est: medio igi- tur tempore dominium rema- net apud eum, qui donavit.” , so daß hier nur die Suspensivbedin- gung eintreten kann. Anstatt jener unmöglichen augen- blicklichen Übertragung kann aber der Geber bestimmen, daß die durch seinen Tod erfüllte Suspensivbedingung eine retroactive Wirkung haben, das heißt auf den Zeitpunkt der Tradition bezogen werden soll, in welchem Fall denn Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. alle in der Zwischenzeit eingetretene Veränderungen hier- nach beurtheilt werden L. 11 § 1 de don. int. vir. (24. 1.). „Sed quod dicitur, mortis causa donationem inter virum et uxorem valere, ita verum est, ut non solum ea donatio valeat secundum Ju- lianum, quae hoc animo fit ut tunc res fiat uxoris vel ma- riti, cum mors insequetur, sed omnis mortis causa donatio.” (Das heißt: nicht blos diejenige, die selbst unter Fremden den Über- gang des Eigenthums absichtlich verzögern würde, sondern auch jede gewöhnliche Schenkung, wo- bey diese Verzögerung nicht be- absichtigt wird). Nun folgt § 2 die Betrachtung jenes ersten Falls und seiner Folgen: „Quando itaque non retro agatur do- natio” bis § 9. Am Ende dieses § 9 kehrt Ulpian zu dem zweyten Fall zurück, der Schenkung mit nicht beabsichtigter Verzögerung: „Plane in quibus casibus pla- ceat retro agi donationem, etiam sequens traditio a mu- liere facta in pendenti habe- bitur.” . Ja diese Bestimmung versteht sich in der Regel von selbst L. 40 de m. c. don. (39. 6.). „Si mortis causa inter vi- rum et uxorem donatio facta sit, morte secuta reducitur ad id tempus donatio, quo inter- posita fuisset. ” Ganz eben so in L. 20 de don. int. vir. (24. 1.), worin auch keine besondere, aus- drückliche Bestimmung vorausge- setzt ist, sondern nur eine allge- meine m. c. donatio überhaupt, und dennoch die Rückwirkung be- hauptet wird. Ansdrücklich sagt dasselbe L. 25 C. de don. int. vir. (5. 16.) von allen Schenkungen unter Ehegatten, die durch den Tod Bestätigung erhalten, also auch von den mortis causa ge- gebenen. , so daß vielmehr die ent- gegengesetzte einer ausdrücklichen Erklärung bedarf. Was aber unter Ehegatten die mortis causa traditio mit retro- activer Wirkung ist, das ist unter Fremden die Tradition mit augenblicklicher Übertragung des Eigenthums. — Auch liegt eine Bestätigung der aufgestellten Vermuthung in dem sicheren Grundsatz, daß die Schenkung auf den Todesfall, wenn der Geber nicht Eigenthümer ist, in der Regel eine Usucapion begründet L. 13 pr. L. 33 de m. c. don. (39. 6.). ; denn dieser Grundsatz ist nur §. 170. Schenkung auf den Todesfall. unter der Voraussetzung erklärlich, daß der Geber in der Regel die augenblickliche Übertragung des Eigenthums be- absichtigt. — Eben so hatte der Beschenkte, welchem ein Sklave auf den Todesfall geschenkt worden war, die Fä- higkeit denselben zu manumittiren L. 39 de m. c. don. (39. 6.). , welches gleichfalls nur unter Voraussetzung eines ihm schon jetzt übertrage- nen vollständigen Eigenthums denkbar war. Außer der Tradition konnte besonders auch die Stipu- lation dazu gebraucht werden, eine Schenkung auf den Todesfall zu begründen, indem nämlich der Geber irgend eine Sache (am häufigsten eine Geldsumme) mortis causa, das heißt auf den Fall seines eigenen Todes, versprach. Eine solche Stipulation wurde als unzweifelhaft gültig angesehen L. 11 de dote praeleg. (33. 4.), L. 34 L. 35 § 7 de m. c. don. (39. 6.). Festus v. mor- tis causa (nach dem Zeugniß des Labeo). Ganz eben so auch eine dos mortis causa promissa ( L. 76 de j. dot. 23. 3.), die ganz ähnliche Natur hat, auch da wo sie nicht selbst eine wahre Schenkung in sich schließt. ; es bedarf jedoch einer besonderen Erklä- rung, warum nicht die Römischen Juristen Anstoß daran nahmen, daß diese erst gegen den Erben eingeklagt werden konnte, da sie doch andere Stipulationen dieser Art (post mortem meam) durchaus für ungültig erklärten. Ohne Zweifel betrachtete man es so, daß der Geber verspreche, im letzten Augenblick seines Lebens (cum moriar) Schuld- ner seyn zu wollen, welches, wie in anderen Fällen (§ 125. e , 126. m ), so auch hier, als gültig angesehen wurde Dafür, daß man es wirk- lich so ansah, beweisen folgende Stellen. L. 76 de j. dot. (23. . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Nun entsteht aber die Frage, ob hier derselbe Zweck, wie durch die Stipulation, auch durch einen formlosen Vertrag erreicht werden könne, das heißt ob Justinians Gesetz, welches diesem Vertrag gleiche Wirkung mit der Stipulation beylegt, auch für die Schenkung auf den To- desfall gelte, nicht blos für die gewöhnliche Schenkung. Die meisten neueren Schriftsteller verneinen diese Frage, nehmen also an, daß auf den Todesfall im Sinn von Justinian nur durch Stipulation ein bindendes Verspre- chen gegeben werden könne Haubold opusc. I. 462, Schröter Zeitschrift II. 132, Hasse Rhein. Museum II. 310 Note 116. . Die Gründe für diese Meynung beruhen hauptsächlich auf der Art, wie Justi- nian seine neue Vorschrift zu rechtfertigen sucht, indem er (auf den häufigsten Fall vorzugsweise Rücksicht nehmend) die Unredlichkeit des Gebers tadelnd hervorhebt, der das 3.). „Si pater mulieris mortis suae causa dotem promiserit, valet promissio: nam et si in tempus quo ipse moreretur pro- misisset, obligaretur.” Hier werden diese beide Stipulations- formeln als gleichbedeutend ange- sehen. Eben so hat in L. 15 de manum. (40. 1.) die mortis causa manumissio (inter amicos) die Folge: „ in extremum tempus manumissoris vitae confertur libertas.” In derselben Stelle wird die mortis causa traditio mit suspensiver Wirkung so be- zeichnet: „ut moriente eo fieret accipientis,” also im letzten Au- genblick des Lebens. Ganz das- selbe muß denn auch von der Stipulation gelten, wo es von selbst alle Schwierigkeit löst. Es wird also hier folgende Stipula- tionsformel gedacht: Cum, me vivo, morieris, centum dare spondes? Und daraus erklärt sich denn zugleich die Aufrechthal- tung der Schenkung im Fall des gleichzeitigen Todes (Note g ). — Die Art, wie Andere diese Lösung versucht haben, kann ich nicht für befriedigend halten. Haubold opusc. I. 459, Hasse Rhein. Museum II. 327. §. 170. Schenkung auf den Todesfall. gegebene Versprechen wegen der fehlenden Förmlichkeit zu umgehen sucht. Dieser Grund paßt nicht auf die mortis causa donatio, in welcher der Geber gewöhnlich den will- kührlichen Widerruf vorbehält. Allein die Beschränkung eines Gesetzes aus seinem Grunde ist überhaupt verwerf- lich, wenn nicht eine innere Verschiedenheit zwischen dem Gedanken und Ausdruck nachgewiesen werden kann (§ 37. 50). Im vorliegenden Fall aber ist das Gesetz allgemein auf alle donationes gerichtet, unter welche Gattung die einzelne Art der mortis causa donatio unzweifelhaft ge- hört (Note b ), so daß die Worte des Gesetzes jener Be- schränkung entgegen sind. Auch liegt in der besonderen Natur unsrer Schenkung kein Grund zur Annahme, daß sie in dem Gedanken des Gesetzgebers nicht gelegen haben könne. Denn wenn es gestattet ist (wie Alle zugeben), durch formlosen Vertrag eine gewöhnliche Schenkung zu begründen, so hat dieses noch weniger Bedenken bey der m. c. donatio, die dem Geber, theils wegen der Bedin- gung des Todes, theils wegen des vorbehaltenen Wider- rufs, weniger gefährlich ist als jene. — Übrigens scheint mir diese Streitfrage von sehr unerheblichem Interesse zu seyn, da sie eben nur auf den ursprünglichen Sinn des Justinianischen Gesetzes beschränkt ist, auf das heutige Recht aber unmöglich Einfluß haben kann. Denn Nie- mand zweifelt, daß im heutigen Recht der formlose Ver- trag überall an die Stelle der Stipulation trete. Da nun gleichfalls anerkannt wird, daß im Sinn von Justi- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nian die Stipulation zur Schenkung auf den Todesfall genüge, so müssen wir dasselbe jetzt für den formlosen Vertrag behaupten, ja wir wären dazu genöthigt, selbst wenn Instinian niemals eine neue Verordnung über die formlosen Verträge bey Schenkungen erlassen hätte. Endlich kann auch eine Liberation zur mortis causa donatio benutzt werden, sobald sie durch Acceptilation, oder formlosen Vertrag, die Natur eines Rechtsgeschäfts angenommen hat. Die Stellen, worin sie auch ohne Ac- ceptation, z. B. durch bloßen Brief oder Auftrag, als gültig anerkannt scheint, müssen von Fideicommissen erklärt werden, welche im früheren Recht durch ganz formlosen Willen begründet werden konnten So soll nach L. 28 de m. c. don. (39. 6.) der Brief des Glaubigers an den Schuldner, worin er ihm, in der Absicht ei- ner m. c. donatio, Liberation an- kündigt, diesem Schuldner eine doli exceptio geben. In L. 18 § 2 eod. giebt die Glaubigerin, zum Zweck einer m. c. donatio, Schuldscheine an einen Dritten mit dem Auftrag, sie im Fall ih- res Todes den Schuldnern ein- zuhändigen, welches auch geschieht; nun heißt es von der Erbin: „ vel pacti conventi, vel doli mali exceptione summoveri posse.” Nämlich pacti, im Fall die Schuldner acceptirt hatten, au- ßerdem doli, wegen eines Fidei- commisses. Irrig also würden diese Stellen zum Beweise der falschen Meynung angeführt wer- den, nach welcher jeder Erlaß, auch ohne Acceptation, als Schen- kung gelten soll (§ 158. h ). Daß aber Absicht und Ausdruck einer m. c. donatio zu einem Fideicom- miß hinreichen konnte, ist auch aus anderen Stellen gewiß (§ 172. g ). ; im neuesten Recht würden sie zu ihrer Aufrechthaltung der Codicillarform bedürfen. In diesem Zusammenhang muß noch ein merkwürdiger Fall erwähnt werden, der nicht unter den Begriff der §. 171. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) m. c. donatio gehört, wohl aber derselben nahe verwandt ist: die mortis causa manumissio. Bey einer gegenwär- tigen, vorübergehenden Lebensgefahr konnte diese nicht vor- kommen, wohl aber in der allgemeinen Erwartung des Todes, und dann hatte sie die Wirkung, daß der wirk- liche Anfang und Genuß der Freyheit bis zum Tode des Herrn aufgeschoben wurde L. 15 de manumiss. (40. 1.), eine Stelle die wegen der deutlichen Unterscheidung der ma- numissio per vindictam und in- ter amicos, die hierin beide von gleicher Wirkung seyn sollen, merk- würdig ist. . §. 171. V. Schenkung. — Besondere Arten. 1. Schenkung auf den Todesfall . (Fortsetzung.) Die eigenthümliche Wirkung dieser Art der Schenkung zeigt sich, im Fall der vereitelten Bedingung, in den Rechts- mitteln, wodurch der Geber das Geschenk wieder fordert; diese sollen nunmehr mit ihren Folgen dargestellt werden. Es kommen hier drey Rechtsmittel in Betracht: Vindica- tion, Condiction, und actio praescriptis verbis. Die Vindication kann nur gebraucht werden, wenn die Sache überhaupt noch vorhanden ist: dann aber ohne Unterschied, ob der Empfänger oder ein Dritter sie be- sitzt. Sie galt von jeher, und unbestritten, wenn unter einer Suspensivbedingung tradirt (§ 170), also das Ei- genthum noch gar nicht aus dem Vermögen des Gebers gekommen war L. 29 de m. c. don. (39. . Dann aber wurde sie auch im Fall Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. des unter Resolutivbedingung gleich Anfangs übertragenen Eigenthums zugelassen, und dieser ausgedehntere Gebrauch kann als die vollständigere Entwicklung des Rechtsinstituts angesehen werden L. 29 de m. c. don. (39. 6.), unmittelbar nach den in Note a abgedruckten Worten: „Si vero sic, ut jam nunc haberet, redderet si convaluisset, vel de proelio vel peregre redisset: potest defendi, in rem compe- tere donatori, si quid horum contigisset, interim autem ei cui donatum est. Sed et si morte praeventus sit is cui do- natum est, adhuc quis dabit in rem donatori.” Die beiden hier unterschiedenen Fälle beziehen sich auf die zwey verschiedenen, bey der m. c. donatio vorkommen- den, Bedingungen (§ 170. c. d ). Für beide wird gleichmäßig die Vindication zwar behauptet, aber als etwas nicht allgemein und von jeher Anerkanntes, hierin also verschieden von dem Fall der Suspensivbedingung (Note a ). . Die Condiction gründet sich darauf, daß Etwas gegeben war, damit der Empfänger es habe und genieße nach dem früher eintretenden Tod des Gebers; wurde die- ser Zweck vereitelt, so hatte nach allgemeinen Grundsätzen der Geber die condictio ob causam datorum, und über das Recht zu derselben war kein Streit, so sehr auch sonst die Meynungen der alten Juristen über die m. c. do- natio aus einander giengen L. 35 § 3 de m. c. don. (39. 6.). „.. Nec dubilaverunt Cassiani quin condictione re- peti possit, quasi re non se- cuta …” . Sie ist anwendbar, da wo überhaupt keine Sache Gegenstand der Schenkung war, sondern die Bereicherung auf andere Weise, etwa durch Delegation oder Acceptilation, bewirkt wurde. Ferner 6.) (von Ulpian): „.. Et si qui- dem quis sic donavit, ut, si mors contigisset, tunc haberet cui donatum est, sine dubio do- nator poterit rem vindicare: mortuo eo (also wenn die Be- dingung erfüllt wird), tunc is cui donatum est.” §. 171. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) wenn die geschenkte Sache nicht mehr vorhanden, z. B. das Geld ausgegeben war. Endlich auch, und ganz vor- züglich, im Fall des unter Resolutivbedingung gleich An- fangs übertragenen Eigenthums, nämlich vom Standpunkt Derjenigen aus, welche für diesen Fall die unmittelbar zurückkehrende Vindication (Note b ) noch nicht anerkennen wollten Diese Anwendung der Con- diction, die consequenterweise nur möglich ist wenn man der Vin- dication eine geringere Ausdeh- nung zuschreibt (Note b ), findet sich in folgenden Stellen: L. 52 § 1 de don. int. vir. (24. 1.) von Papinian: „ut traditio, quae mandante uxore mortis causa facta est: nam quo cusu inter exteros condictio nascitur (wel- ches also in unsrem Fall ange- nommen wird), inter maritos nihil agitur.” — Ferner Paulus in L. 12 de cond. causa data (12. 4.). „Cum quis mortis causa donationem, cum conva- luisset donator, condicit, fruc- tus quoque donatarum rerum, et partus, et quod aderevit rei donatae, repetere potest.” — Eben so derselbe Paulus in L. 38 § 3 de usuris (22. 1.). „Idem- que est (nämlich fructus repe- tere debere), si mortis causa fundus sit donatus, et reva- luerit qui donavit, atque ita condictio nascatur.” Hier ist nicht etwa von dem Verhältniß eines älteren und neueren Juri- sten die Rede, sondern Paulus bleibt noch bey dem Buchstaben des älteren Rechts stehen, der gleichzeitige Ulpian drückt die voll- ständigere Entwicklung des Rechts- instituts aus, und diese haben wir daher als den Ausspruch der Justinianischen Gesetzgebung an- zusehen. . Da wir dieselbe jetzt anzunehmen haben, so muß uns für diesen Fall die Condiction als wegfallend er- scheinen, indem sie durch die vortheilhaftere Vindication ersetzt ist, und beide Klagen überhaupt in einem ausschlie- ßenden Verhältniß zu einander stehen. Die actio praescriptis verbis endlich gründet sich auf den in jener Schenkung unläugbar enthaltenen Ver- trag, den Innominatcontract do ut reddas, dessen allge- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. mein anerkannte Wirksamkeit L. 5 pr. § 1 de praescr. verbis (19 5.). sich hier so gut, wie in anderen Fällen der Anwendung, äußeren muß. Auch ist in der That diese Klage für die Rückforderung des Ge- schenks anerkannt L. 30 de m. c. don. (39. 6.). „Qui mortis causa dona- vit, ipse ex poenitentia con- dictionem vel utilem actionem habet.” — L. 18 § 1 eod. „.. nam et si convaluisset creditor idem- que donator, condictione, aut in factum actione, debitoris obligationem dumtaxat recipe- ret.” Es ist hier die actio in factum civilis, oder praescriptis verbis, gemeynt. . Über die besonderen Wirkungen dieser Klagen ist noch Folgendes zu bemerken. Ist die tradirte Sache unterge- gangen durch die freye Handlung des Empfängers, so muß dieser in jedem Fall dafür einstehen, und er wird nicht, wie der beschenkte Ehegatte, durch die Consumtion befreyt. Hat er also die Sache vernichtet, verzehrt, ver- schwendet, so muß er ihren Werth bezahlen, indem er sich wissentlich außer Stand setzte den Vertrag auf Rück- gabe zu erfüllen L. 39 de m. c. don. (29. 6.). „Si is, cui mortis causa servus donatus est, eum manu- misit, tenetur condictione in pretium servi: quoniam scit posse sibi condici, si convalue- rit donator.” . Ist die Sache verkauft, so hat der Geber die Wahl, durch die Condiction den erlösten Kauf- preis, oder den wahren Werth, einzufordern L. 37 § 1 de m. c. don. (39. 6.). „.. si quis servum mor- tis causa sibi donatum vendi- derit … pretii condictionem donator habebit, si convaluis- set, et hoc donator elegerit: alioquin et ipsum servum re- stituere compellitur.” Pretium ist hier der wirklich eingenom- mene Kaufpreis, ipsum servum restituere heißt die richterliche Schätzung des Sklaven bezahlen. Geschah der Verkauf unter dem wahren Werth, so lag darin eine partielle Verschwendung, worun- . Ist die §. 171. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) Sache durch des Empfängers Culpa beschädigt, zerstört, gestohlen worden, so muß er dafür einstehen nach den all- gemeinen Grundsätzen der actio praescriptis verbis L. 17 § 1. 2. 4 de praescr. verbis (19. 5.). , die für diesen Fall wichtig ist, weil die Condiction auf Ersatz der Culpa nicht gerichtet werden kann. — Trug die ge- schenkte Sache in der Zwischenzeit Früchte, so muß der Empfänger dieselben herausgeben oder in Geld vergüten. Dieser wichtige Satz wird anerkannt selbst für die Con- diction, also für das vollständig übertragene Eigenthum L. 12 de cond. causa data (12. 4.), L. 38 § 3 de usuris (22. 1.), s. o. Note d. ; er muß also um so unzweifelhafter gelten für die Vindi- cation, und namentlich für den Fall der Tradition unter Suspensivbedingung. — Hat der Empfänger Kosten auf die Sache verwendet, so kann er deren Ersatz durch doli exceptio bewirken L. 14 de m. c. don. (39. 6.). . War die Schenkung durch eine bloße Stipulation be- wirkt, oder geschah sie durch Delegation, so hat in beiden Fällen der Geber eine Condiction auf die erlangte Berei- cherung L. 76 de jure dot. (23. 3.), L. 52 § 1 de don. int. vir. (24. 1.). „.. defuncto viro viva mu- liere, stipulatio solvitur … nam quo casu inter exteros condic- tio nascitur, inter maritos ni- hil agitur.” Also in der Regel entsteht eine Condiction, und nur in dem hier abgehandelten beson- deren Fall, da die Schenkung zu- gleich unter Ehegatten vorfiel, wird die Stipulation von selbst nichtig. (Vergl. § 157. s 1 , und Beylage X. Num. III. a ) — Man könnte fragen, warum die ver- eitelte Bedingung nur eine Con- ; im zweyten Fall kann der Empfänger die ter der Geber nicht leiden soll, darum die Wahl. Der Gewinn durch höheren Kaufpreis gebührt gleichfalls dem Geber. IV. 17 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ihm verschaffte Forderung zurück übertragen; hat er sie eincassirt, und wegen Insolvenz des Schuldners nur theil- weise, so zahlt er nur das zurück, was er wirklich er- hielt L. 18 § 1 L. 31 § 3 de m. c. don. (39. 6.). . — Bestand die Schenkung in einer Acceptilation, so geht die Condiction stets auf den vollen Nennwerth, auch wenn der Empfänger insolvent war L. 18 § 1 L. 31 § 1. 3. 4 de m. c. don. (39. 6.). Eben so ist es selbst dann, wenn der Schuldner, in Ermanglung der Acceptilation, ohnehin eine Be- freyung durch Zeitablauf erhalten hätte. L. 24 eod. . Alle für die Schenkung auf den Todesfall bisher auf- gestellte Regeln beruhen durchaus auf der Natur eines Vertrags, also eines unter Lebenden vorgehenden Rechts- geschäfts; von der Natur eines letzten Willens war darin Nichts wahrzunehmen. Diese Grundverschiedenheit von dem letzten Willen zeigt sich nun auch in folgenden Stük- ken. Für das ältere Recht schon darin, daß eine solche Schenkung auch von demjenigen gegeben werden konnte, der kein Testament machte L. 25 pr. de m. c. don. (39. 6.). , anstatt daß Erbeinsetzun- gen und Legate nur in einem Testament gültig waren; späterhin, als Fideicommisse anerkannt wurden, lag hierin ein unterscheidender Character nicht mehr. Dagegen ist noch jetzt der Unterschied übrig geblieben, daß die Gültig- diction begründe, nicht die Sti- pulation selbst vernichte? Wäre die Bedingung (des früheren To- des) wörtlich ausgedrückt, so wür- de gewiß die Stipulation ipso jure zerfallen; die eingeschalteten Worte mortis causa reichten dazu nicht aus, wohl aber zur Begrün- dung einer condictio ob cau- sam datorum. §. 171. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) keit jener Schenkung unabhängig ist von dem Daseyn ei- nes Erben; sie bleibt bestehen auch wenn das Vermögen erblos wird, anstatt daß Legate und Fideicommisse nur Gültigkeit haben können, insofern sie sich auf ein wirklich erworbenes Erbrecht beziehen Hasse Rhein. Museum II. 346. . — Ferner ist diese Schen- kung ganz sicher auch unter solchen Personen möglich, de- nen das Recht der testamentifactio fehlt. Am unzweydeu- tigsten zeigt sich dieses bey den Peregrinen, welchen dieses Recht entschieden abgeht Ulpian. XXII. 2. . Hatte nun ein Peregrine ei- nem andern auf den Todesfall eine Sache tradirt, oder durch Stipulation Etwas versprochen, so ist es eben so unzweifelhaft, daß der Beschenkte Eigenthum oder eine For- derung erwarb Über die Fähigkeit der Pe- regrinen zum Eigenthum (nur nicht ex jure Quiritium ) vergl. Gajus II. § 40; zu Stipulationen (nur nicht mit spondes? spon- deo) Gajus III. § 93. , als daß das erworbene Recht mit der beschränkenden Bedingung des früheren Todes behaftet war, welche allein das besondere Wesen dieser Schen- kungsart ausmacht. Die Misverständnisse neuerer Schrift- steller über diesen Punkt gründen sich theils auf die Ver- wechslung der testamentifactio mit der völlig verschiede- nen Capacität (von welcher sogleich die Rede seyn wird), theils darauf daß die Römer selbst die technische Bedeu- tung des Wortes testamentifactio Am reinsten ist der Sprach- gebrauch bey Ulpian . XX. § 2. 8. 10. 14. XXII. § 3. Von Ga- jus können wir nicht sicher ur- theilen, da die Hauptstelle lücken- haft ist. In manchen anderen Stellen wird das Wort gebraucht für das Recht ein Testament zu machen, welches Recht aber noch nicht immer strenge 17* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. genug fest halten So sagt L. 7 § 6 de don. (39. 5.), filiifamilias die ein ca- strense peculium haben, könn- ten mortis causa schenken „cum testamentifactionem habeant,” das heißt: da sie sogar ein Te- stament darüber machen können; die eigentliche testamentifactio haben sie auch ohne castrense pe- culium (Note t). — L. 32 § 8 de don. int. vir. (24. 1.) „nam et m. c. donare poterit cui te- stari permissum est. ” Hier ist von einem verurtheilten Solda- ten die Rede, dem aus Gnade die Verfügung über sein Ver- mögen gestattet wird; das hat mit dem regelmäßigen Recht kei- nen Zusammenhang. — L. 1 § 1 de tutelae (27. 3.) „sicuti te- stamentifactio .. pupillis con- cessa non est, ita nec mortis quidem causa donationes per- mittendae sunt.” Hier heißt wie- der testamentifactio die Fähig- keit ein Testament zu machen, welche dem Pupillen wegen des Alters fehlt; aus demselben Grun- de ist er unfähig auch zu jeder andern Veräußerung, die doch ge- wiß nicht mit testamentifactio zusammen hängt. . Allein es ist schon oben bemerkt worden, daß diese Art der Schenkung in ihrem Zweck und Erfolg den Legaten verwandt ist (§ 170). Sobald nun die Legate positiven Einschränkungen unterworfen wurden, konnten die Schen- kungen auf den Todesfall dazu misbraucht werden, solche Einschränkungen zu umgehen. Dieses gab Veranlassung, mehrere für die Legate geltende beschränkende Regeln auch auf jene Schenkungen anzuwenden. Wie weit man hierin gehen solle, war unter den alten Juristen streitig; wir kennen jedoch den Umfang ihres Streites nicht. Justinian hat sich für die ausgedehntere Gleichstellung ausgesprochen, und zwar in Ausdrücken, die von Manchen unsrer Schrift- manche andere Bedingungen, au- ßer der testamentifactio, hat; so z. B. hat ein filiusfamilias und ein Latinus Junianus die testa- mentifactio, dennoch können Bei- de kein Testamrnt machen. Ul- pian . l. c. Die eigentliche testa- mentifactio ist gleichbedeutend mit commercium, das heißt Mancipationsfähigkeit. §. 172. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) steller so verstanden worden sind, als hätte er jene Schen- kung als ein eigenthümliches Rechtsinstitut dadurch ganz aufgehoben, daß er sie mit den Legaten völlig verschmol- zen hätte L. 4 C. de don. causa mortis (8. 57.), § 1 J. de don. (2. 7.), Nov. 87 pr. . Diese wichtige Streitfrage ist nun vollstän- dig zu untersuchen. §. 172. V. Schenkung. — Besondere Arten. 1. Schenkung auf den Todesfall . (Fortsetzung.) Die Gleichstellung dieser Art der Schenkung mit den Legaten kann in einem doppelten Sinn aufgefaßt werden: von Seiten der äußeren Form, oder der anzuwendenden Rechtsregeln. Der Streit der alten Juristen betraf, so viel wir wissen, nur den zweyten Punkt: Justinian spricht von beiden, und wir müssen daher den Sinn seiner Vor- schrift nach beiden Seiten feststellen. Zuerst von der äußeren Form. Seitdem die Insinua- tion, erst aller, dann der großen Schenkungen vorgeschrie- ben war, konnte man fragen, ob dieselbe auch für die Schenkung auf den Todesfall nöthig sey. Justinian ent- scheidet, sie sey nicht durchaus nöthig, sondern es könne sie Jeder dadurch entbehrlich machen, daß er Fünf Zeugen zuziehe, wodurch jede Schenkung dieser Art vollgültig werde. Ich sehe in dieser einfachen Bestimmung nur fol- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gende Vorschrift: Jeder, der auf den Todesfall schenken will, hat die Wahl, dafür entweder die alte Form einer Schenkung, oder aber die Form eines Codicills anzuwen- den. Im ersten Fall ist dazu, wenn der Werth mehr als 500 Solidi beträgt, die Insinnation erforderlich; im zwey- ten Fall, ohne Unterschied des Werths, die Zuziehung von Fünf Zeugen wie bey jedem Codicill. — Diese Bestim- mung ist jedoch auf zweyerley Weise misverstanden wor- den. Erstlich haben Manche angenommen, Justinian habe hierin die hergebrachte Form der Schenkung ganz abschaf- fen, und nur allein die Form der Fünf Zeugen gelten las- sen wollen. Daraus würde folgen, daß es überhaupt keine Schenkungen auf den Todesfall mehr gebe, sondern nur noch Legate, bey welchen blos als untergeordnete Mo- dification der Umstand vorkäme, daß zuweilen der Ge- genstand des Legats noch bey Lebzeiten des Erblassers dem Legatar eingehändigt würde. Zu dieser Annahme kann man verleitet werden, wenn man blos die Einleitungs- worte des Justinianischen Gesetzes liest. Die Verordnung selbst enthält nur eine Erleichterung für den Geber, nicht (wie es nach jener Annahme seyn würde) eine Beschrän- kung der bis dahin möglichen Formen der Zuwendung; es wird nur gesagt, der Geber solle selbst bey großen Schenkungen die Insinuation vermeiden können (durch Zuziehung von Fünf Zeugen), wobey es ihm also unbe- nommen bleibt, wenn er es vorzieht, mit Insinuation eine große Schenkung vorzunehmen, oder selbst formlos zu §. 172. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) schenken, wenn der Werth 500 Solidi nicht übersteigt Die hier widerlegte Mey- nung findet sich, unter neueren Schriftstellern, bey Müller § 27. 28, und bey Wiederhold S. 107—117. Die richtige Mey- nung ist ausführlich und gründ- lich dargestellt von Schröter S. 133 fg. . Es ist einleuchtend, welche Inconsequenz dem Gesetzgeber durch die entgegengesetzte Meynung aufgebürdet wird. Wenn 300 Solidi durch bloße Tradition, oder 800 durch Tradition mit Insinuation mortis causa geschenkt werden (also ohne Fünf Zeugen), so wäre Das nach jener Mey- nung ungültig. Allein Niemand bezweifelt, daß unter glei- chen Voraussetzungen eine Schenkung unter Lebenden voll- gültig seyn würde. Es müßte also dieselbe Form zur Be- stätigung des gefährlicheren, bedenklicheren Geschäfts hin- reichen, die für das minder gefährliche und bedenkliche un- genügend seyn würde. — Ein zweytes Misverständniß geht dahin, die Fünf Zeugen seyen eine ganz specielle Form für die Schenkung auf den Todesfall, ohne Zusammenhang mit der allgemeinen Form der Codicille, deren übrige Be- stimmungen daher auch hier nicht angewendet werden dürf- ten Dieses zweyte Misverständ- niß findet sich bey Schröter S. 144. 150. Dagegen hat sich erklärt Hasse Rhein. Museum III. 410. . Eine solche Isolirung positiver Formen ist schon an sich sehr bedenklich, da wo die Zurückführung einer neu vorgeschriebenen, und nur kurz angedeuteten Form, auf eine schon bekannte, nahe liegt. Hier aber treten noch folgende besondere Gründe ein, die nur kurz erwähnten Fünf Zeugen für nichts Anderes zu halten, als für die Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. reine und ganze Codicillarform. Seit langer Zeit bestand die allgemeine Regel, Legate und Fideicommisse koͤnnten nur in Codicillen, und zwar vor Fünf Zeugen, errichtet werden L. 8 § 3 C. de codicillis (6. 36.). . In dem Justinianischen Gesetz nun wird im Eingang eine Annäherung der mortis causa donatio an die Legate ausgesprochen, und daran die Vorschrift ge- knüpft, nach welcher Fünf Zeugen jede andere Form ent- behrlich machen sollen. Was ist wohl natürlicher, als diese Fünf Zeugen für die kurze Bezeichnung der Codicil- larform zu halten, wodurch ja eben Legate regelmäßig ihre Gültigkeit erhalten? Hätte etwa Justinian bey die- ser Gelegenheit alles Dasjenige wiederholen sollen, was an anderen Orten seiner Rechtsbücher über die Form der Codicille ausgesprochen ist? Es kommt hinzu, daß kurz zuvor der Kaiser für die großen Schenkungen unter Ehe- gatten bestimmt hatte, sie könnten nicht durch den Tod allein bestätigt werden, sondern nur entweder durch In- sinuation, oder durch suprema voluntas L. 25 C. de don. int. vir. (5. 16.). ; dieses letzte aber heißt: entweder durch Testament, oder durch Codicill. Was er nun hier als suprema voluntas, alternativ neben der Insinuation, ausdrückt, bezeichnet er in jenem Gesetz durch die Fünf Zeugen; beide Bestimmungen sind in Wor- ten verschieden, in der Sache übereinstimmend, und er- läutern sich wechselseitig. — Betrachtet man aus diesen Gründen die Fünf Zeugen lediglich als die kurze Verwei- §. 172. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) sung auf die sonst schon bekannte Codicillarform, so folgt daraus consequenterweise, daß die Fünf Zeugen auch durch jede privilegirte Codicillarform ersetzt werden können, na- mentlich durch den mündlichen Auftrag an den gerade ge- genwärtigen Erben Dieses bestreitet Schröter S. 150. . Wollte man auch (nach der hier widerlegten Ansicht) läugnen, daß auf diese Weise eine gültige mortis causa donatio zu Stande kommen könne (wegen der fehlenden Fünf Zeugen), so müßte man den- noch ein gültiges Fideicommiß zugeben, des Inhalts, daß der Erbe alles Das geschehen lasse und bewirke, was in der beabsichtigten mortis causa donatio enthalten war; dann ist aber der praktische Erfolg genau derselbe, wie wenn diese unmittelbar eine rechtsgültige Bestätigung er- halten hätte. Ja selbst wenn der Erblasser in einem (förm- lichen oder privilegirten) Codicill sagt: „ich schenke hier- durch dem Titius auf den Todesfall 1000,“ so ist dieses zwar als Schenkung ungültig, da die Acceptation fehlt, also überhaupt Nichts geschehen ist, was zur Perfection einer solchen gehört; dennoch muß es als Legat oder Fi- deicommiß gelten Auch dagegen erklärt sich Schröter S. 146. , da die Absicht des Erblassers un- zweifelhaft ist, das Justinianische Recht aber, seinem Buch- staben und Geist nach, die angewendeten Ausdrücke für ganz gleichgültig erklärt L. 21 C. de legatis (6. 37.), L. 1. 2 C. communia de leg. (6. 43.), besonders auch § 2. 3 J. de leg. (2. 20.). — Im älteren Recht legte man großes Gewicht auf die Ausdrücke, selbst bey den an sich . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Ferner ist das materielle Verhältniß der Schenkung auf den Todesfall zu den Legaten zu bestimmen; die Gleich- heit oder Ungleichheit der auf beide anzuwendenden Rechts- regeln. Einiges hatten hierüber schon die Kaiser bestimmt; wie weit man hierin überhaupt gehen solle, war unter den Juristen streitig; so fand die Sache Justinian. Er entschied sich für die Meynung Derjenigen unter den alten Juristen, welche den höheren Grad der Gleichstellung ver- theidigten, und sprach diesen seinen Willen auf zwiefache Weise aus. Erstlich indem er in die Digesten nur die Stellen der von ihm gebilligten Partey der alten Juristen aufnahm, die der Gegenpartey wegließ; Zweytens indem er im Codex und in den Institutionen die höhere Gleich- heit als allgemeines Resultat aussprach Die unbefangene Betrach- tung der Stellen selbst setzt diese Erklärung außer Zweifel. Die L. 4 C. de don. causa mortis (8. 57.) geht aus von der Bemer- kung, die alten Juristen seyen im Streit gewesen, ob jene Schen- kungen die Natur der Legate oder vielmehr der Schenkungen unter Lebenden hätten. Daran knüpft Ju- stinian lediglich die Entscheidung, die Insinuation sey dazu niemals unentbehrlich, sondern es könne Je- der, anstatt derselben, Fünf Zeu- gen zuziehen. — § 1 J. de don. (2. 7.) sagt zuerst: „Hae m. c. donationes ad exemplum lega- torum redactae sunt per om- nia, ” welches gefährlich genug aussieht. Dann fährt aber die Stelle fort: die alten Juristen seyen darüber im Streit gewe- sen; und nun folgt: „a nobis constitutum est, ut per omnia fere legatis connumeretur.” Daraus geht dieser Sinn im Gan- zen hervor: Wir haben in allen, unter den alten Juristen streitigen , Fragen für die Gleichheit entschieden, so daß daraus in den meisten und wichtigsten Punkten über- . Die Rechts- formlosen Fideicommissen ( Ul- pian . XXV. 2). Dennoch wur- den, selbst damals, ähnliche Fälle wie der hier beschriebene als Fi- deicommisse aufrecht erhalten; dono galt für fideicommitto. L. 75 pr. L. 77 § 26 de leg. 2 (31. un.) (§ 170. cc). §. 173. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) bücher erläutern sich also hierin gegenseitig; die unbe- stimmte Gleichstellung des Codex und der Institutionen er- hält durch die Digesten ihren bestimmten Inhalt und ihre Gränzen. Dagegen haben sich Viele durch die Form un- srer Rechtsbücher zu der irrigen Meynung verleiten lassen, als enthielten die Digesten blos eine anfangende, partielle Gleichstellung, die dann im Codex in eine absolute ver- wandelt worden wäre. Geht man nun von dem hier auf- gestellten Grundsatz aus, so folgt daraus, daß die Gleich- heit nur in den einzelnen Fällen behauptet werden darf, worin sie durch die Digesten und durch frühere Kaisercon- stitutionen anerkannt ist; und dieses Resultat wird noch dadurch bestätigt, daß in unsren Rechtsquellen mehrere fort- währende Verschiedenheiten ausdrücklich anerkannt sind Die richtige Meynung ist aus- führlich vertheidigt von Schrö- ter S. 139 fg. Derselbe hat die fortdauernden Verschiedenheiten zusammengestellt S. 116 fg. . — Es sind daher jetzt die einzelnen Beziehungen selbst darzustellen, worin jene Schenkungen den Legaten in der That gleichgestellt worden sind. §. 173. V. Schenkung. — Besondere Arten. 1. Schenkung auf den Todesfall . (Fortsetzung.) Der älteste Fall, wie es scheint, worin diese Schen- kungen den Legaten gleichgestellt wurden, war der der haupt (fere) wirkliche Gleich- heit hervorgegangen ist. — Die Nov. 87 pr. erwähnt die Gleich- stellung in eben so unbestimmter Allgemeinheit, wie es in den er- sten Worten der oben angeführ- ten Institutionenstelle geschieht. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Incapacität . Nämlich der Ehelose sollte nach der Lex Julia die ihm hinterlassenen Erbschaften oder Legate gar nicht, der Kinderlose nur zur Hälfte erwerben können; da nun Richts leichter war, als dieses Verbot unter der Form eines Fideicommisses zu umgehen, so wurde dasselbe durch das Sc. Pegasianum auf die Fideicommisse erstreckt Gajus II. § 286. — Auch der Latinus Junianus hatte In- capacität nach der Lex Junia ( Gajus I. § 23, II. § 275. Ul- pian . XXII. § 3); da aber hier kein solcher politischer Grund, wie bey dem Cölibat, vorhanden war, so wurde die Ausdehnung auf die Fideicommisse nicht nöthig gefun- den. Gajus II. § 275, Ulpian . XXV. § 7. . Eben so nahe aber lag die Umgehung durch eine mortis causa donatio, daher wurde durch einen Senatsschluß auch auf diese das Verbot ausgedehnt L. 35 pr. de m. c. don. (39. 6). Vgl. L. 9. 10. 33 eod. Daraus erklärt sich auch die schein- bar allgemeine L. 37 pr. eod. „Illud generaliter meminisse oportebit, donationes mortis causa factas legatis compara- tas: quodcunque igitur in le- gatis juris est, id in mortis causa donationibus erit acci- piendum.” Die Stelle ist aus einem Commentar des Ulpian zur Lex Julia genommen, enthält also blos die auf die Incapaci- tät des coelebs und orbus be- zügliche Gleichstellung. — Es ist merkwürdig, daß die Ausdehnung der Incapacität auf die m. c. do- natio auch den Latinus Junia- nus mit umfaßte ( Fragm. Vat . § 259), auf welchen die Incapa- cität zu Fideicommissen nicht be- zogen wurde (Note a ). ; darin lag die erste künstliche Gleichstellung mit den Legaten. Eben diese Gleich- heit aber forderte, daß bey der Beurtheilung dieser Un- fähigkeit nicht auf den Zustand zur Zeit des gegebenen Geschenks gesehen werden durfte, sondern zur Todeszeit des Gebers L. 22 de m. c. don. (39. 6.). . Oder, um es genauer auszudrücken, die Schenkung war von dieser Seite vollgültig, wenn der Be- §. 173. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) schenkte entweder zur Zeit des Todes, oder auch nur in den ersten Hundert Tagen nachher, in der Ehe lebte und Kinder hatte Ulpian . XVII. § 1, XXII. § 3. . — Justinian hat diese Folgen der Orbi- tät und des Cölibats in allen ihren Anwendungen allge- mein aufgehoben L. un. § 14 C. de cad. toll. (6. 51.). , und es ist als bloße Gedankenlosig- keit zu betrachten, daß man die Erwähnung derselben bey der mortis causa donatio in die Digesten aufgenommen hat, wenn wir nicht etwa annehmen wollen, daß die Com- pilatoren bey dieser Aufnahme an die Kaisergesetze gedacht haben, welche den Ketzern und Abtrünnigen den Erwerb nicht nur von Erbschaften, sondern auch von Schenkun- gen, untersagen (§ 84). Für das heutige Recht würde auch diese Anwendung wegfallen. Eine zweyte Gleichstellung betrifft die Falcidische Quart . Die Lex Falcidia selbst gestattete dem Testa- mentserben, den auf ihn angewiesenen Legataren nöthigen- falls so viel abzuziehen, daß ihm der vierte Theil seiner Erbportion als reiner Gewinn übrig bliebe. Das Sc. Pe- gasianum erstreckte diese Einschränkung auf Fideicommisse (sowohl der Erbschaft, als einzelner Sachen) Gajus II. § 254, § 5 J. de fideic. hered. (2. 23.). . Pius dehnte sie weiter aus auf solche Fideicommisse, die einem Intestaterben auferlegt waren L. 18 pr. ad L. Falc. (35. 2.). — Nur von Fideicommissen, nicht von Legaten konnte dabey die Rede seyn, indem nach dem älteren Recht Legate nur entwe- der in Testamenten, oder in co- dicillis testamento confirmatis gegeben werden konnten, bey In- . Hieran schloß sich die Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Constitution von Severus, welche einer gleichen Beschrän- kung auch die Schenkungen auf den Todesfall unter- warf L. 5 C. ad L. Falc. (6. 50), L. 2 C. de don. causa mortis (8. 57.). Mit Beziehung auf diese (damals neue) Constitution setzt Papinian das jus antiquum der constitutio entgegen. L. 42 § 1 de m. c. don. (39. 6.). — Erwäh- nungen und Anwendungen dieser Gleichstellung finden sich in L. 77 § 1 de leg. 2 (31. un.), L. 15 pr. L. 82 ad L. Falc. (35. 2.), L. 1 § 5 quod legat. (43. 3.), L. 27 de m. c. don. (39. 6.). Fragm. Vat. § 281. — Cujac. obss. XX. 6 glaubt, ohne hinrei- chenden Grund, Severus habe das nur für testamentarische Erbschaf- ten verordnet, Gordian habe es in L. 2 C. cit. auf Intestaterben ausgedehnt. ; dadurch war also der testamentarische, wie der Intestaterbe, berechtigt worden, in die Masse der Erb- schaft, woraus seine Erbportion und deren Quart berech- net werden sollte, auch jene Schenkungen mit herein zu ziehen, und den Abzug auf sie eben so, wie auf Legate und Fideicommisse, zu richten. Es war dann eine bloße Entwicklung dieses Rechtssatzes, daß man auch die durch den Tod bestätigten Schenkungen unter Ehegatten demsel- ben Abzug unterwarf L. 32 § 1 de don. int. vir. (24. 1.), L. 12 C. ad L. Falc. (6. 50.). , indem diese überhaupt als mor- tis causa donationes angesehen wurden (§ 164). Der Falcidischen Quart liegt zum Grunde eine höhere, gar nicht aus positiven Vorschriften abzuleitende, Regel, daß nämlich ipso jure nichtig sind alle Legate und Fidei- commisse, soweit sie den Werth der Erbschaft selbst über- steigen L. 73 § 5, L. 17 ad L. Falc. (35. 2.), L. 18 § 1 de test. mil. (29. 1.). . Diese Regel hatte auf m. c. donationes keine Anwendung, so lange man dieselben als außer den Grän- testaterben also überhaupt unmög- lich waren. §. 173. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) zen der Erbschaft liegend betrachtete. Seitdem man sie aber, um der Falcidia Willen, in die Erbschaft herein zog, war es unvermeidlich, jene höhere Regel gleichfalls darauf anzuwenden. Das hat zugleich die Folge, daß auch die Glaubiger des Verstorbenen sich darauf berufen können, die mortis causa donatio sey nichtig, soweit sie ihre Schuldforderungen gefährde. Dadurch wird ihnen die Pauliana actio für diesen Fall entbehrlich, und sie gewin- nen dadurch den Vortheil, daß sie sich auf den Beweis der unredlichen Absicht ihres Schuldners nicht einzulassen brauchen L. 17 de m. c. don. (39. 6.). „… nam cum legata ex testamento ejus, qui solvendo non fuit, omnimodo inutilia sint, possunt videri etiam donationes mortis causa factae rescindi de- bere, quia legatorum instar ob- tinent. ” Die letzten Worte lau- ten wieder ganz allgemein, haben aber doch nur den Sinn, in die- ser besonderen Beziehung die Gleichheit anzuerkennen. . Die Bonorum Possessio contra tabulas eines präterirten Suus oder Emancipatus entkräftet von selbst alle Erbeinsetzungen und Legate, weil beide ihre Gültigkeit nur aus dem Testament herleiten; besonders ausgenommen sind die den Descendenten und Ascendenten des Erblassers gegebenen Erbtheile und Legate. Auf m. c. donationes hat dieses an sich keine Anwendung, da dieselben nicht auf dem Testament beruhen. Dennoch ist die Entkräftung, und eben so die erwähnte Ausnahme derselben, auch auf sie erstreckt worden L. 3 pr. L. 5 § 7 L. 20 pr. de leg. praest. (37. 5.). . Bey einer Intestaterbfolge kann keine B. P. contra tabulas vorkommen, also auch nicht diese Ent- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. kräftung L. 20 § 1 de leg. praest. (37. 5.). „Intestato autem mor- tuo patre, super donationibus m. c. factis non poterit filius queri: quoniam comparatio nul- la legatorum occurrit.” Der Grund ist nicht gut gewählt, da er auch die Ausdehnung auf die Falcidia der Intestaterben aus- schließen würde, wodurch sich eben Cujacius hat irre machen lassen. — Non poterit filius queri heißt: der Sohn hat hier kein Mittel, die Schenkung (so wie durch die B. P. c. t. ) zu entkräften. . Hier bleibt also dem durch die m. c. dona- tio beeinträchtigten Sohn nichts Anderes übrig, als der Abzug der Falcidischen Quart (Note h ). — Eine gleiche Ausdehnung ist gemacht worden bey der P. B. contra tabulas liberti ; daher entkräftete der Patron eine solche Schenkung unbedingt, anstatt daß er bey einer Schenkung unter Lebenden die actio Faviana oder Calvisiana bedurfte, zu deren Begründung der Dolus des Gebers bewiesen wer- den mußte L. 1 § 1 si quid in fraud. (38. 5.). . Jeder Fructuar muß dem Eigenthümer Caution stel- len wegen gehöriger Behandlung und künftiger Rückgabe der Sache. Dieses gilt nicht blos von einem durch Legat errichteten Niesbrauch, sondern es ist hierin die Schen- kung auf den Todesfall den Legaten gleichgestellt wor- den L. 1 § 2 usufr. quemadm. caveat (7. 9.). „Plane et si ex mortis causa donatione usus- fructus constituatur, exemplo legatorum debebit haec cautio praestari. ” , das heißt wenn Jemand mortis causa einen Nies- brauch bestellt, so kann nach seinem Tod der Erbe die Caution erzwingen. Dieses scheint deswegen nichts Be- sonderes, weil selbst bey einem durch irgend einen Vertrag errichteten Niesbrauch eine solche Caution verlangt wer- §. 173. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) den kann L. 1 § 2 cit., L. 4 C. de usufr. (3. 33). . Das Besondere aber liegt in der ganz po- sitiven Regel, daß die Caution des Legatars vom Erblas- ser nicht erlassen werden darf L. 7 C. ut in poss. (6. 54.). Der Grund war folgender. Die Lex Julia hatte für manche Fälle gestattet, in einem Testament zwar den Niesbrauch, aber nicht die Proprietät zu hinterlassen. ( Ul- pianus XV. 1). Diese Vorschrift konnte leicht umgangen werden, wenn der Testator die Caution erließ, und nun der Fructuar, der kein anderes Vermögen hatte, die Sachen aufzehrte. Diese Um- gehung aber war bey einer Schen- kung auf den Todesfall eben so zu befürchten, wie bey einem Legat. . Hierin also steht jene Schenkung den Legaten gleich, anstatt daß der Eigenthü- mer, der durch anderen Vertrag den Niesbrauch bestellt, die Caution allerdings erlassen kann. Wenn einer Erbeinsetzung oder einem Legat die Be- dingung eines Eides hinzugefügt ist, so wird der Eid erlassen, der Wille des Erblassers aber durch zweckmäßi- gere Rechtsformen geschützt (§ 123). Diese Verwandlung nun soll auch bey Schenkungen auf den Todesfall ange- wendet werden, welches auf folgende Weise gedacht wer- den muß. Der Geber hat sich von dem Empfänger die Rückgabe nicht blos unter der gewöhnlichen Bedingung jener Schenkung versprechen lassen, sondern auch noch für den Fall, wenn es der Empfänger unterlassen würde, ir- gend eine Handlung eidlich anzugeloben L. 8 § 3 de cond. inst. (28. 7.). „Et in mortis causa do- nationibus dicendum est Edicto locum esse: si forte quis ca- verit, nisi jurasset se aliquid facturum, restituturum quod ac- cepit: oportebit itaque remitti cautionem.” ; der Eid wird IV 18 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nunmehr erlassen, die Handlung selbst aber als Modus aufrecht erhalten. Soldaten, die in väterlicher Gewalt stehen, haben das Recht, über das castrense peculium zu testiren, also Er- ben und Legatare zu ernennen. Dieses ist sehr bald, und ganz consequent, auch auf mortis causa donationes aus- gedehnt worden, obgleich es ursprünglich, dem Buchstaben nach, nur für Testamente bestimmt gewesen war L. 15 de m. c. don. (39. 6.). „.. hoc et constitutum est, et ad exemplum legatorum mor- tis causa donationes revocatae sunt;” nämlich in dieser beson- deren Beziehung, was das ca- strense peculium betrifft. Nimmt man diese Worte aus ihrem Zu- sammenhang, so geben sie wieder einen falschen Schein absoluter Gleichstellung. . Dem Empfänger einer m. c. donatio kann ein Fidei- commiß auferlegt werden L. 11 de dote praeleg. (33. 4.), L. 77 § 1 de leg. 2 (31. un.), L. 8 § 2 de transact. (2. 15.), L. 1 C. de don. c. m. (8. 57.), L. un. § 8 C. de cad. toll. (6. 51.). . Streng genommen liegt darin keine Gleichstellung mit eigentlichen Legaten, denn auch Derjenige kann so onerirt werden, der ein Fideicom- miß, oder selbst eine bloße m. c. capio empfängt L. 96 § 4 de leg. 1 (30. un.). . Allein eine durch Todesfall, also durch den Willen eines Verstorbenen, bedingte Succession ist zu einer solchen Be- lastung allerdings erforderlich L. 1 § 6 de leg. 3 (32. un.), L. 9 C. de fideic. (6. 42.). , und insofern wird eben dadurch die m. c. donatio in die Reihe solcher Successio- nen gestellt, und von den reinen Verträgen in einer wich- tigen Wirkung unterschieden. Unrichtig ist behauptet wor- den, die Fähigkeit zu dieser Belastung sey die natürliche §. 173. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) Folge der Widerruflichkeit der m. c. donatio, da das auf- erlegte Fideicommiß nur ein partieller Widerruf sey Schröter S. 116. . Allein der Widerruf ist eine Handlung des Lebenden, und daß hier der erst nach dem Tod bekannt gewordene fidei- commissarische Wille bindend ist, darin eben liegt das Be- sondere, aus der bloßen Natur des bedingten Vertrags nicht zu Erklärende. Die Rechtsregeln zeigen hierin ge- rade den umgekehrten Entwicklungsgang. Da man die Belastung der m. c. donatio, wegen der Successionenna- tur derselben, nicht verweigern konnte, so erstreckte man sie nun auch auf die gewöhnliche Schenkung, wenn diese durch Vertrag widerruflich gemacht war; dieses jedoch erst später, und kraft einer Constitution von Pius L. 37 § 3 de leg. 3 (32. un.). . Eine spätere Ausdehnung wird im § 175 vorkommen. In allen diesen Fällen also ist die Gleichstellung der m. c. donatio mit den Legaten gewiß; in anderen Fällen sind wir zu ihrer Annahme nicht berechtigt, ungeachtet der scheinbar allgemein lautenden Stellen des Codex und der Institutionen. Ja sogar kommen Fälle vor, worin diese Gleichheit ganz ausdrücklich verneint wird. Die Indigni- tät wegen der Anfechtung des Testaments, welche auf Erbschaften und Legate geht, soll auf die m. c. donatio nicht bezogen werden L. 5 § 17 de his quae ut ind. (34. 9.). „Qui mortis causa donationem accepit a testatore, non est similis in hac causa legatario. ” . — Ferner würde aus der abso- luten Gleichstellung folgen, daß die m. c. donatio nie un- 18* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. widerruflich gemacht werden könne, da Dieses bey Lega- ten gewiß der Fall ist; dennoch ist die Zulässigkeit einer unwiderruflichen m. c. donatio nicht nur in den Digesten, sondern sogar noch in einer Novelle, ausdrücklich aner- kannt (§ 170. f ). §. 174. V. Schenkung. — Besondere Arten. 1. Schenkung auf den Todesfall . (Fortsetzung.) Es ist jetzt im Zusammenhang die, schon theilweise be- rührte, Frage zu beantworten, ob die positiven Einschrän- kungen der Schenkung auch auf die mortis causa donatio Anwendung finden. Das Verbot unter Ehegatten findet hier keine Anwen- dung, und wir dürfen annehmen, daß Dieses von jeher so gewesen ist (§ 162. m ). Sehr zweifelhaft ist die Anwendung der Lex Cincia und ihrer Zusätze, also die Frage, ob auch die m. c. do- natio dem Verbot größerer Summen, und der besonderen Form der Mancipation, verbunden mit Interdictenbesitz, unterworfen war. Zwar in Beziehung auf den Geber selbst hatte diese Frage meist kein Interesse, da dieser ohne- hin die m. c. donatio in der Regel ganz willkührlich wi- derrufen kann (§ 170). Wichtig wurde die Frage, sobald durch den Tod des Gebers diese Willkühr weggefallen war, so daß nur noch der Erbe des Gebers mit dem Em- pfänger in Streit gerathen konnte, wenn etwa die gesetz- §. 174. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) liche Summe überschritten, oder die Mancipation ver- säumt, und auch nicht durch Usucapion ersetzt war. Nimmt man nun an, daß die Regel: morte Cincia removetur von jeher und unbestritten galt, so ist es wieder unzwei- felhaft, daß auch für den Erben die Lex Cincia keinen Einfluß mehr haben konnte, daß also überhaupt die Schen- kung auf den Todesfall von dem Einfluß der L. Cincia völlig frey war; nur mit Ausnahme des seltnen Falles, da der Geber dem willkührlichen Widerruf entsagt hatte, in welchem Fall er sich dennoch auf die Einwendungen berufen konnte, die ihm die L. Cincia darbot. Wenn man dagegen annimmt, daß jene Regel ( morte Cincia remove- tur ) nur von einem Theil der alten Juristen behauptet, und erst später allgemein anerkannt wurde, so konnte, nach der entgegenstehenden Meynung anderer Juristen, auch der Erbe die aus der L. Cincia entspringenden Einwendungen geltend machen Vgl. oben § 165. c und f. — Für die Anwendung der Lex Cincia auf die m. c. donatio ist Haubold opusc. I. 442, dagegen sind: Hasse Rhein. Museum II. 313, und Schröter S. 100. . Die Anwendbarkeit der nothwendigen Insinuation auf die m. c. donatio, wenn ihr Gegenstand mehr als 500 Solidi werth ist, hat durchaus keinen Zweifel. Sie muß entweder insinuirt, oder durch die Form eines Codicills bestätigt seyn; außerdem ist sie in Ansehung des Über- maaßes nichtig, und diese Nichtigkeit kann von dem Erben geltend gemacht werden (§ 172). Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Auch der Widerruf wegen Undankbarkeit kann keine Zweifel erregen. Der Geber selbst kann in der Regel aus bloßer Willkühr widerrufen, also gewiß auch im Fall der Undankbarkeit. Hat er dieser Willkühr entsagt, so ist da- durch die Schenkung für seinen Willen nicht bindender ge- worden, als jede Schenkung unter Lebenden, und der Wi- derruf wegen Undankbarkeit kann ihm daher nicht versagt werden; er kann es um so weniger, als selbst ein für die- sen besonderen Fall ausdrücklich erklärter Verzicht ohne Wirkung seyn würde (§ 169. l ). Bisher wurde die Schenkung auf den Todesfall als ein solches Geschäft abgehandelt, welchem ein Vertrag zum Grunde liegt. Diese Natur hat sie nun wirklich in den allermeisten Fällen, und es wird sich dann ihre praktische Behandlung am Einfachsten hieraus ableiten lassen. Wenn jedoch neuere Schriftsteller diese Gestalt für die einzig mög- liche halten, und also das Vorkommen einer m. c. dona- tio ohne Vertrag gänzlich läugnen, so muß ich dieser Mey- nung bestimmt widersprechen. Es ist also nun zu zeigen, daß die oben nachgewiesenen Fälle der Schenkung ohne Vertrag (§ 160) auch bey einer Schenkung auf den To- desfall angewendet werden können. Wenn Jemand die Schuld eines abwesenden Freundes, ohne dessen Wissen, durch baare Zahlung oder durch Ex- promission tilgt, so ist dieses, je nach der verschiedenen möglichen Absicht, bald eine negotiorum gestio, bald eine §. 174. Schenkung auf den Todesfall. (Fortsetzung.) Schenkung. Gesetzt nun, er erklärt ausdrücklich, vielleicht bey der gerichtlichen Insinuation einer hohen Summe, daß er die Absicht einer Schenkung habe, aber einer Schen- kung auf den Todesfall, so muß ganz deren rechtliche Na- tur zur Anwendung kommen. Eben so, wenn er, unter gleicher Erklärung, auf dem Landgut des Abwesenden die abgebrannten Gebäude auf eigene Kosten herstellt. Gesetzt nun, er stirbt vor seinem Freund, ohne seinen Willen zu verändern, so ist die Schenkung perfect geworden, und sein Erbe kann nicht gegen den Beschenkten klagen, weil die negotiorum gestorum actio durch die Absicht der Schen- kung ausgeschlossen ist. Gesetzt aber umgekehrt, der Freund sterbe vor ihm, so ist die mortis causa donatio durch Er- füllung der ihr inwohnenden Bedingung der Rückgabe ver- nichtet, der donandi animus ist für diesen Fall durch die ausdrückliche Erklärung völlig ausgeschlossen, und er kann den Erben seines Freundes auf Rückzahlung des ausge- legten Geldes belangen. — Der einzige, nur die Form betreffende, Unterschied liegt in den Rechtsmitteln, wo- durch die Rückzahlung bewirkt wird. Der Geber hat und braucht keine Vindication, Condiction, oder actio prae- scriptis verbis, es genügt ihm zur Erreichung seines Zwecks die negotiorum gestorum actio. Und hierin liegt wieder eine Bestätigung der oben (§ 158) aufgestellten Ansicht, daß in Fällen dieser Art das eigentliche Schenkungsmittel in der Befreyung von einer eigenen Forderung des Ge- bers besteht; von der Forderung nämlich, welche Dieser Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. mit der negotiorum gestorum actio geltend machen koͤnnte, wenn er nicht deren Entstehung, durch die ausgesprochene Absicht der Schenkung, gleich Anfangs verhindert hätte. §. 175. V. Schenkung. — Besondere Arten. 2. Donatio sub modo. Der Modus, als besondere Form einer auf einen Er- werb gelegten Belastung kommt überhaupt nur vor bey den durch einen Todesfall begründeten Successionen, und bey Schenkungen (§ 128). Durch diese letzte Verbindung erhält die Schenkung eine eigenthümliche Natur, die nun- mehr dargestellt werden soll. Da nämlich die in dem Mo- dus enthaltene Verpflichtung einen Theil der ursprüngli- chen Bereicherung wieder aufhebt, so entsteht dadurch ein gemischtes Rechtsgeschäft (§ 154), dessen beide Hälften (Verpflichtung und Schenkung) einzeln betrachtet werden müssen. I. Verpflichtung . — Der Inhalt derselben kann bestehen in einer Leistung an den Geber selbst, einer Lei- stung an einen Dritten, oder in einer Handlung, wodurch kein Einzelner ein Recht erwirbt, wie die Errichtung ei- nes Denkmals, oder die Gründung einer öffentlichen An- stalt (§ 128). Auf diese verschiedenen Verpflichtungen be- ziehen sich folgende Rechtsmittel. A. Wenn der Modus eine Leistung an den Geber §. 175. Donatio sub modo. selbst enthält, so daß dieser ein Geldinteresse dabey hat, so kann er auf dessen Erfüllung klagen. Dazu diente die Stipulationsklage, wenn mit der Schenkung eine Stipu- lation auf den Modus verbunden worden war; außerdem dient dazu immer eine actio praescriptis verbis, weil in der donatio sub modo stets ein Contract nach der Form do ut des oder do ut facias enthalten ist. — Dieser Rechts- satz kommt in folgenden wichtigen Anwendungen vor. Dem Empfänger kann auferlegt seyn, dem Geber Alimente zu reichen L. 3 C. de contr. emt. (4. 38.), L. 8 C. de rer. permut. (4. 64.). , oder irgend eine andere Sache zu geben L. 9. 22 C. de don. (8. 54.). , oder das Geschenk selbst zurück zu geben, sey es unter ei- ner bestimmten Bedingung oder Zeitbestimmung, z. B. bey dem Tode des Empfängers L. 2 C. de don. quae sub modo (8. 55.). , oder nach freyer Willkühr des Gebers L. 37 § 3 de leg. 3 (32. un.). . — Diese Erfüllungsklage kann aber der Geber nicht anstellen, wenn der Modus in einer Leistung an einen Dritten besteht, weil es ein allgemeiner Grund- satz ist, daß aus dem Vertrag zum Vortheil eines Drit- ten, weder der Contrahent, noch jener Dritte, eine Klage erwirbt L. 11 de O. et A. (44. 7.), L. 9 § 4 de reb. cred. (12. 1.), § 4 J. de inut. stip. (3. 19.). . B. Ganz allgemein, ohne Unterschied der in dem Mo- dus enthaltenen Leistung, hat der Geber eine condictio ob causam datorum, womit er das ganze Geschenk zurück fordert, sobald den Empfänger der Vorwurf trifft, daß Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. er seine Verpflichtung willkührlich unerfüllt gelassen habe Die entscheidendsten Stel- len sind L. 3 L. 8 C. de cond. ob causam (4. 6.); weniger be- weisend sind L. 2 L. 6 eod. . Ob also der Geber ein Interesse bey der Erfüllung hat, ist gleichgültig, denn auch wo dieses fehlt, ist darum nicht minder causa non secuta. Dagegen gilt die Klage nur unter folgenden zwey wichtigen, bereits angedeuteten, Ein- schränkungen. Erstlich fällt die Condiction ganz weg, wenn die Erfüllung unmöglich ist L. 8 C. de cond. ob cau- sam (4. 6.), „Dictam legem donationi, si non impossibilem contineat causam. ” Hierin ist also der Modus bey Schenkun- gen dem bey Erbschaften und Le- gaten völlig gleich (§ 129. i ). Nur scheinbar widersprechend ist L. 2 § 7 de don. (39. 5.). Wenn Einem Geld gegeben wird, um den Sklaven Stichus zu kaufen, so kann es reine Schenkung seyn, so daß dieser Kauf nur die Ver- anlassung gab, dann fällt natür- lich, auch bey des Stichus Tod, die Condiction weg; es kann aber auch gar nicht Schenkung seyn, wenn das Geld gegeben wird blos um dem Stichus einen milden Herrn zu verschaffen, nicht um den Empfänger zu bereichern: dann gilt die Condiction wie bey jedem gewöhnlichen Innominat- contract. ; wobey natürlich voraus- gesetzt wird, daß die Unmöglichkeit aus äußeren Ursachen entstanden sey, nicht durch die Verschuldung des Empfän- gers. Zweytens kann sie nicht angestellt werden, so lange nach dem Inhalt des Modus die Verpflichtung noch nicht angefangen hat, so daß vorläufig nur erst die in dem gan- zen Geschäft enthaltene Schenkung wirksam geworden ist L. 18 pr. de don. (39 5.). „Aristo ait, cum mixtum sit negotium cum donatione, obli- gationem non contrahi eo casu quo donatio est. ” Davon wird nun im § 1 folgende Anwendung gemacht: „si servum tibi tradi- dero ad hoc, ut eum post quinquennium manumittas, non posse ante quinquennium agi, quia donatio aliqua inesse vi- detur. Aliter atque, inquit, si ob hoc tibi tradidissem, ut con- tinuo manumittas: hic enim nec . §. 175. Donatio sub modo. Hierin besteht also eine merkwürdige Verschiedenheit zwi- schen diesem Fall, und anderen Innominatcontracten, ne- ben welchen die Condiction auch aus reiner Willkühr ( jus poenitendi ) angestellt werden kann, selbst wenn den Em- pfänger kein Vorwurf trifft L. 3 § 2. 3, L. 5 pr. § 1. 2 de cond. causa data (12. 4.). ; dieses jus poenitendi gilt bey der donatio sub modo gar nicht Dieses ist unzweydeutig aus- gesprochen in L. 18 de don. (No- te h ). Scheinbar widersprechend sind L. 27 § 1 mand. (17. 1.) und L. 5 § 1 de cond. causa data (12. 4.). Allein in beiden Stel- len muß vorausgesetzt werden, daß bey dem Geben des Sklaven, der erst nach einiger Zeit freygelas- sen werden soll, nicht die Absicht einer Schenkung zum Grund lag (die auch gar nicht erwähnt wird); auf Fälle solcher Art deutet auch schon hin L. 18 § 1 de don. (39. 5.). Vgl. Meyerfeld I. 416. . Der Grund liegt wohl darin, daß bey der donatio sub modo der Theil des Geschäfts, welcher die Schenkung enthält, mit dem Modus unzertrennlich verbunden ist, so daß oft nicht einmal unterschieden werden kann, welche unter den bei- den vereinigten Absichten bey dem Geber die vorherrschende war Es wirkt also hier das Prin- cip der L. 5 § 2 de don. int. vir. s. o. § 152. b. Daß man deswe- gen hier das Ganze als Schen- kung gelten läßt, liegt darin, daß in den meisten Fällen der dona- tio sub modo der donandi ani- mus überwiegend seyn wird. . Wird nun die Condiction angestellt, so möchte man erwarten, daß sie nur auf den Werth des Modus gienge, nicht auf den Werth der eigentlichen Schenkung; wäre also ein Haus geschenkt im Werth von 1000, und betrügen die auferlegten Leistungen 200, so müßten dann nur diese 200 wiedergefordert werden können, nicht die 800 die zur reinen Bereicherung bestimmt waren. So ist donationi locum esse; et ideo esse obligationem.” Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang es aber nicht, vielmehr muß das ganze Haus zurückgege- ben werden. Der Grund liegt wieder in der schon er- wähnten Unzertrennlichkeit; dazu kommt aber, als Unter- stützung, die offenbare Undankbarkeit des den Modus ver- weigernden Empfängers Ohne diese hinzutretende Rücksicht könnte man geneigt seyn, aus der Unzertrennlichkeit viel- mehr die umgekehrte Folgerung zu ziehen, das Ganze als Schen- kung zu behandeln (Note l ), und daher die Condiction ganz zu ver- sagen. Die Sache ist also, wie billig, mehr mit praktischem Sinn, als nach der strengen Regel for- meller Consequenz, aufgefaßt wor- den. . Daher hat auch Justinian diesen Fall unter die zur Revocation geeigneten Zeichen der Undankbarkeit mit aufgenommen (§ 169); und es liegt hierin, da es für den praktischen Zweck nicht eigentlich nöthig war, eine Anerkennung, daß auch schon das ältere Recht, bey der erwähnten Ausdehnung der Condiction, von dem Princip der Undankbarkeit ausgieng. — In Ei- nem Fall hat der Geber, der die Schenkung zurück for- dern will, sogar noch eine Vindication neben der persön- lichen Klage. Dieses ist bestimmt für den Fall, da der Modus auf Alimente geht, die dem Geber selbst gereicht werden sollten, nun aber verweigert werden. Es wird dieses, den allgemeinen Grundsätzen nicht angemessene Rechtsmittel ausdrücklich als eine ganz positive Anstalt anerkannt, und darf daher außer den Gränzen des an- gegebenen einzelnen Falles nicht angewendet werden L. 1 C. de don. quae sub modo (8. 55.). Meyerfeld I. S. 413. . C. In den Fällen, worin der Modus auf die Leistung §. 175. Donatio sub modo. an einen Dritten gerichtet ist, würde dieser nach dem äl- teren Recht keine Klage gehabt haben (Note e ), er müßte denn bey dem Vertrag selbst zugezogen worden seyn, und den Modus für sich stipulirt haben; das neuere Recht aber gestattet demselben eine utilis actio L. 3 C. de don. quae sub modo (8. 55.). Es ist ein Re- script von Diocletian und Maxi- mian, welches sich nun auch als Fragm. Vat. § 286 wiedergefun- den hat. Die Einführung des neuen Rechtssatzes wird darin den divi principes zugeschrieben. Nur scheinbare Ähnlichkeit hat damit L. 8 C. ad exhib. (3. 42.); hier hatte Einer die Sachen eines An- dern in Commodat und Deposi- tum gegeben, und dabey die Rück- gabe an den Eigenthümer aus- bedungen: der Eigenthümer soll nun die utilis depositi actio ha- ben. Dieses gründet sich auf eine erzwingbare, also fingirte Cession; denn der Deponent konnte als Mandatar oder negotiorum ge- stor gezwungen werden, seine depositi actio dem Eigenthümer zu cediren. . Daß darin eine Neuerung liegt, ist unverkennbar; es ist aber nicht un- wichtig zu bestimmen, an welches schon bestehende Rechts- institut diese Neuerung sich dergestalt anschließt, daß sie als eine Fortbildung desselben angesehen werden kann. Man hat gesagt, diese Klage sey aus einer stillschweigen- den Cession des Gebers an den begünstigten Dritten ab- zuleiten Meyerfeld I. S. 422. ; diese Ableitung aber muß bestimmt verworfen werden. Denn der Geber könnte nur entweder die actio praescriptis verbis oder die condictio cedirt haben. Das erste ist unmöglich, weil er selbst diese Klage in dem an- gegebenen Fall (der Leistung an einen Dritten) gar nicht hat (Note e ). Das zweyte würde dahin führen, daß der Dritte nicht auf Erfüllung des Modus klagen, sondern das Geschenk selbst abfordern dürfte; wäre also ein Land- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gut verschenkt, mit dem Modus einen alten treuen Diener zu verpflegen, so würde derselbe nicht blos die verweiger- ten Alimente, sondern das ganze Landgut einklagen kön- nen In L. 3 C. cit. ist dieser an sich wichtige Gegensatz unmerk- lich, weil in dem Fall dieses Re- scripts der Modus gerade darin bestand, die geschenkte Sache selbst, nach einiger Zeit, an den Drit- ten heraus zu geben. . Dieses nun wird gewiß Niemand behaupten wol- len, und so muß also überhaupt der Gedanke an jene stillschweigende Cession aufgegeben werden. — Der wahre Zusammenhang der Gedanken scheint vielmehr folgender. Im Fall der mortis causa donatio kann der Empfänger, gleich einem Legatar, mit einem Fideicommiß belastet wer- den (§ 173. u ). Dieses wurde durch eine Constitution von Pius auf widerrufliche Schenkungen unter Lebenden über- tragen (§ 173. y ). Nun war es nur ein Schritt weiter auf diesem Wege, wenn nachfolgende Kaiser (die divi principes ) eine ähnliche Wirkung auch bey derjenigen Schenkung gestatteten, bey welcher gleich Anfangs die Leistung an einen Dritten dem Empfänger auferlegt war. Es war also die Analogie der Fideicommisse, die hierbey zum Grunde lag, obgleich der so gebildete Rechtssatz selbst, über die wahre Natur der Fideicommisse weit hinaus geht. II. Schenkung . Bey demjenigen Theil des ganzen Geschäfts, welcher die Natur der Schenkung an sich trägt, ist nun noch zu bestimmen, wie die positiven Einschrän- kungen der Schenkung dabey zur Anwendung gebracht werden. §. 175. Donatio sub modo. Die donatio sub modo unter Ehegatten ist eine nich- tige Handlung, so wie jede andere unter ihnen vorgenom- mene Schenkung. Wird das Geschenk zurückgefordert, so hört auch jede Verpflichtung des Empfängers auf. Hat derselbe schon Aufopferungen zur Erfüllung des Modus gemacht, so ist die Bereicherung um so viel vermindert, und der Empfänger kann dieses in Abrechnung bringen: hier um so unzweifelhafter, als diese Aufopferung aus dem Willen des Gebers hervorgegangen ist (§ 150. a ). Ganz ähnliche Grundsätze aber müssen auch zur An- wendung kommen in den übrigen Fällen positiver Ein- schränkung. Überall also, wo die Schenkung entkräftet wird, hört mit dem Gewinn auch die Verpflichtung zu neuen Leistungen auf; sind aber solche Leistungen schon ge- macht, so ist dadurch die durch die Schenkung bewirkte Bereicherung theilweise aufgehoben, und zwar nach dem eigenen Willen des Gebers. Dabey kann es keinen Un- terschied machen, ob die Schenkung an sich nichtig ist, wie bey der versäumten Insinuation, oder ob sie erst durch Klage widerrufen werden muß, wie im Fall der Un- dankbarkeit. Die meisten dieser Grundsätze treten unbedenklich auch im heutigen Rechte ein. Nur die Condiction auf Rück- gabe des Geschenks, im Fall der verweigerten Erfüllung, hängt mit der allgemeinen Natur der Innominatcontracte zusammen, und würde daher, eben so wie bey diesen, im Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. heutigen Rechte wegfallen Glück B. 4 S. 294, B. 13 S. 48. Unbestritten ist dieser Satz nicht. . Daher ist es hier von Wichtigkeit, daß Instinian auf diesen Umstand zugleich ei- nen Widerruf wegen Undankbarkeit gegründet hat (§ 169), an dessen heutiger Anwendbarkeit nicht zu zweifeln ist. §. 176. V. Schenkung. — Neuere Gesetzgebungen . Das Preußische allgemeine Landrecht handelt von der Schenkung Th. 1 Tit. 11 § 1037—1177; das Österreichi- sche Gesetzbuch § 938—956. Der Code civil faßt sie in Einem Titel zusammen mit den Testamenten; die gemein- schaftlichen Regeln beider Institute stehen art. 893—930, die besonderen Regeln der Schenkung art. 931—966; ih- nen liegt zum Grunde die vom Kanzler d’Aguesseau ver- faßte Ordonnance von 1731. Indem nun zum Schluß dieser Lehre der Inhalt der genannten Gesetzgebungen mit dem des Römischen Rechts verglichen werden soll, ist zunächst auf die rein positiven Bestimmungen dieses Rechts, also auf die dreyfache Ein- schränkung der Schenkung, Rücksicht zu nehmen. I. Das Verbot der Schenkung unter Ehegatten ist vom Preußischen Gesetz verworfen worden A. L. R. II. 1 § 310. Nur im Concurs haben hier die Glau- biger ein größeres Recht als bey anderen Schenkungen. A. L. R. II. 1 § 312 und Anhang zum L. R. § 74, verglichen mit I. 11 § 1129 fg. ; eben so auch §. 176. Schenkung. Neuere Gesetzgebungen. vom Österreichischen (§ 1246). Das Französische dagegen schließt sich ganz an das Römische Recht an, indem es für jede in der Ehe vorgenommene Schenkung einen will- kührlichen Widerruf zuläßt ( art. 1096). Daß es an die Stelle der Römischen Nichtigkeit ein bloßes Widerrufs- recht setzt, ist nicht von großer praktischer Erheblichkeit; wichtiger ist die Frage, ob diese Schenkung durch den Tod des Gebers unwiderruflich wird. Ausdrücklich sagt darüber das Gesetz Nichts; die Praxis aber nimmt an, daß in dieser Hinsicht völlig die Regel des Römischen Rechts gelte Toullier droit civil T. 5 § 918. . II. Die verschiedensten Maasregeln finden sich bey den für die Gültigkeit der Schenkung vorgeschriebenen For- men, in welchen überall eine gewisse Einschränkung liegt, dadurch veranlaßt, daß allerdings von der Schenkung mehr als von den meisten übrigen Verträgen Misbrauch zu be- fürchten ist. Hierin nun ist die Vorschrift des neuesten Römischen Rechts besonders mangelhaft; es fordert die gerichtliche Insinuation nur bey einer sehr bedeutenden Summe, und zwar ohne Rücksicht ob das Vermögen des Gebers groß oder klein ist: unter jener Summe aber läßt es die Schenkungen nicht blos ganz frey von positiven Formen, sondern giebt sogar noch größere Freyheit als bey den meisten anderen Verträgen, indem es die Stipu- lation als Form des klagbaren Versprechens erläßt. Von diesen Mängeln sind die neueren Gesetzgebungen frey. IV. 19 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Das Österreichische Gesetz nimmt die Sache am Leich- testen; es fordert nur entweder ein schriftliches Verspre- chen, oder Tradition, keine andere Form (§ 943). Auf diese Weise kann jeder Werth, ja das ganze gegenwär- tige Vermögen, verschenkt werden; nur von dem künftigen Vermögen soll die Schenkung höchstens die Hälfte umfas- sen (§ 944). Schwieriger ist das Französische Gesetz. Mit schein- barer Allgemeinheit fordert es erstlich Acceptation ( art. 894. 932), von welcher noch weiter unten die Rede seyn wird; zweytens die Verhandlung vor einem Notar ( art. 931). Indessen ist dieses nicht gerade für alle donations vorge- schrieben, sondern nur für tous actes portant donation entre-vifs, und auf diesen Ausdruck hat man folgende mildernde Erklärung, wie es scheint mit allgemeiner Zu- stimmung, gegründet. Wenn bewegliche Sachen durch au- genblickliche Tradition verschenkt werden ( dons manuels ), so ist die Schenkung vollgültig, auch ohne Notar. Wenn ferner die Schenkung zuerst durch eine mangelhafte Wil- lenserklärung versucht war (ohne Notar, oder ohne Accep- tation), und es kommt nachher der wirkliche Besitz des Beschenkten hinzu ( exécution volontaire ), so ist dadurch jeder Mangel gehoben Maleville zu art. 931. Toullier T. 5 § 172. 173. 177 — 179. 189. 190. — Nach art. 939 könnte man glauben, bey Immo- bilien wäre die Eintragung in die Hypothekenbücher zur Gültigkeit der Schenkung erforderlich; es ist aber nur so gemeynt, daß der nicht eingetragene Empfänger ge- gen einen Dritten sich nicht auf das erworbene Eigenthum beru- fen kann. art. 911. . Wegen des Umfangs der Schen- §. 176. Schenkung. Neuere Gesetzgebungen. kung ist nur die Einschränkung gemacht, daß sie nicht auf das künftige Vermögen gerichtet seyn darf ( art. 943) Auch dieses nicht eigentlich wegen des gefährlichen Übermaa- ßes, sondern als eine Folge der Regel des art. 944, welche Schen- kungen für ungültig erklärt, wenn ihre Bedingungen ganz in der Willkühr des Gebers stehen; von dieser Willkühr aber hängt es ab, künftiges Vermögen gar nicht zu erwerben. Toullier T. 5 § 223. 224. . — Wenn nun aber die erwähnten Formen beobachtet wer- den, so ist dadurch Alles, was nöthig ist, geschehen; Tra- dition wird nicht erfordert, und es geht auch ohne sie das Eigenthum der vor dem Notar verschenkten Sache unmit- telbar über ( art. 938). Das Preußische Gesetz hat unter allen die strengsten Formen. Jede Schenkung kann gerichtlich vorgenommen werden; dann ist auch das bloße Versprechen klagbar (§ 1063. 1064. 1069). Außerdem ist die Tradition nöthig, und bey Grundstücken auch noch eine schriftliche Urkunde; dennoch kann eine solche außergerichtliche Schenkung bin- nen Sechs Monaten ganz willkührlich widerrufen werden (§ 1065 — 1068. 1090). Unabhängig von diesen Formen kann selbst die gerichtliche Schenkung drey Jahre lang wi- derrufen werden, wenn sie mehr als die Hälfte des Ver- mögens zum Gegenstand hat (§ 1091 fg.). III. Der Widerruf aus besonderen Gründen hat sich auf folgende Weise gestaltet Ich spreche hier absichtlich nur von dem Widerrufsrecht des Gebers selbst, nicht von dem der Creditoren und Pflichttheilsberech- tigten, da diese letzten nur im Zu- sammenhang anderer Rechtsinsti- tute verstanden werden können. . Grobe Undankbarkeit haben alle drey Gesetzbücher als 19* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. einen solchen Grund anerkannt, obwohl sie die Natur die- ses Undanks etwas verschieden bestimmen. — Das Öster- reichische Gesetz beschränkt diesen Widerruf durch eine drey- jährige Verjährung, läßt ihn aber (innerhalb dieses Zeit- raums) unter den Erben beider Theile gelten (§ 948. 949. 1487). — Das Preußische gestattet ihn nur ausnahmsweise den Erben des Gebers, beschränkt ihn aber durch keine be- sondere Verjährung (§ 1151 — 1161). — Das Französische Gesetz beschränkt ihn durch einjährige Verjährung, und läßt ihn auch, von beiden Seiten, auf die Erben nicht übergehen ( art. 955. 957). Ein neuer Grund des (partiellen) Widerrufs liegt in der späteren Verarmung des Gebers. In diesem Fall kann er Zinsen des geschenkten Geldwerths fordern: nach dem Preußischen Gesetz Sechs Procente (§ 1123), nach dem Österreichischen gesetzliche Zinsen (§ 947), das heißt Vier Procente (§ 995). Das Französische Gesetz kennt diesen Grund des Widerrufs nicht. Wenn der Geber zur Zeit der Schenkung kinderlos war, und nachher Kinder bekommt, kann er nach dem Preußischen Gesetz diejenige Schenkung widerrufen, welche durch bloßes Versprechen, nicht durch Tradition, bewirkt war (§ 1140 — 1150). — Das Österreichische Gesetz nimmt diesen Widerruf nicht an; nur wenn noch Verarmung hin- zutritt, soll das Recht der gesetzlichen Zinsen auch auf die Erben übergehen (§ 954). — Das Französische Gesetz ge- stattet nicht blos unbedingten Widerruf, sondern es läßt §. 176. Schenkung. Neuere Gesetzgebungen. sogar in diesem einzigen Fall die Schenkung de plein droit nichtig werden, ohne daß es dazu eines Widerrufs bedarf ( art. 960). Dieses letzte jedoch mit einer sehr natürlichen Ausnahme; wenn nämlich unter kinderlosen Ehegatten eine Schenkung vorgenommen wird, und nachher aus derselben Ehe Kinder geboren werden, so wird dadurch die Schen- kung nicht von selbst nichtig; jedoch bleibt das allgemeine Widerrufsrecht der Ehegatten vorbehalten ( art. 1096). Endlich hat das Französische Gesetz allein aus dem Römischen Recht den Widerruf wegen verweigerter Er- füllung der bey der Schenkung auferlegten Verpflichtungen aufgenommen ( art. 954). Diese Aufnahme ist den beiden anderen Gesetzen fremd. In diesen positiven Bestimmungen also findet sich zwi- schen dem Römischen Recht und den neueren Gesetzen theils Übereinstimmung, theils Verschiedenheit. Dagegen enthal- ten diese nur sehr Weniges von den sorgfältigen Bestim- mungen, die das Römische Recht theils über den Begriff der Schenkung, theils über ihre Erscheinung in einzelnen Rechtsgeschäften, giebt. Hierin also möchten sie wohl aus dem Römischen Recht ergänzt werden können; jedoch nur insofern nicht eine einzelne Bestimmung derselben mit einer solchen Ergänzung im Widerspruch stehen würde. Auch solche Fälle kommen vor; nicht sowohl, weil die neueren Gesetzgeber eine Abweichung vom Römischen Recht räth- lich gefunden hätten, als weil man sich diese Verhältnisse Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nicht in ihrem wahren Verhältnisse klar gedacht hat. Ich will es versuchen, Dasjenige zusammen zu stellen, was ich über die allgemeine Natur der Schenkung in den neue- ren Gesetzgebungen gefunden habe. Das Preußische Gesetz fordert im Allgemeinen zu je- der Schenkung Acceptation (§ 1058). Damit scheint also ausgeschlossen die einseitige Schenkung, die nach Römi- schem Recht Jeder dadurch vollziehen kann, daß er für einen Schuldner ohne dessen Willen baar zahlt, oder ex- promittirt. Diese Ausschließung scheint auch nicht aus ei- nem blos unvorsichtig gefaßten Ausdruck hervorzugehen; denn in anderen Stellen wird ausdrücklich gesagt, daß die hier erwähnten Handlungen stets eine Regreßklage (aus Mandat oder negotiorum gestio ) zur Folge haben A. L. R. I. 14 § 406, I. 16 § 45. . Da- bey wird also entweder vorausgesetzt, es sey unmöglich daß diese Handlungen in der Absicht zu schenken vorge- nommen würden, oder es soll dieser Absicht, so lange sie nicht in einen Vertrag übergeht, jede rechtliche Folge ver- sagt werden. — Das Römische Recht nimmt an, daß die unterlassene Erwerbung eines Rechts, weil sie keine Ver- äußerung ist, auch keine Schenkung enthalte (s. o. § 145). Das Preußische Gesetz enthält in der Lehre von der Schen- kung denselben Satz, obgleich anderwärts das Gegentheil gesagt zu seyn scheint A. L. R. I. 11 § 1039. „Bloße Verzichtleistungen auf ein zwar angefallenes, aber noch nicht wirklich übernomme- nes … Recht sind nach den Re- geln von Schenkungen nicht zu . §. 176. Schenkung. Neuere Gesetzgebungen. Das Österreichische Gesetz kennt keine andere Schen- kung, als die aus Vertrag oder Tradition hervorgeht (§ 943). Der Zweifel wegen einseitiger Handlungen zum Zweck fremder Bereicherung hat hier weniger Raum, in- dem es gar nicht zugelassen ist, fremde Schulden ohne Einwilligung des Schuldners zu zahlen (§ 1423). — Der ausgeschlagene Erwerb eines Rechts soll nicht als Schen- kung gelten (§ 939). Das Französische Gesetz fordert zu jeder Schenkung Acceptation, und verwebt diese sogar mit der nothwendi- gen Form gültiger Schenkung. Daraus scheint also zu folgen, daß eine einseitige Schenkung eben so wenig, als im Preußischen Gesetz, für möglich gehalten werde, obgleich es hier, wie im R. R. zugelassen wird, für einen Andern, ohne dessen Wissen, Schulden zu zahlen oder durch Expromis- sion zu tilgen ( art. 1236. 1274). — Viel weiter, als der beurtheilen.“ — Dagegen sagt I. 16 § 393: „Eine .. Entsagung eines bereits erworbenen , ingleichen eines zwar künfti- gen aber doch so beschaffenen Rechts, daß der Anfall desselben dem Entsagenden gewiß war, ist einer Schenkung gleich zu ach- ten.“ Ich würde der ersten Stelle den Vorzug geben, theils weil sie dem Wesen der Schenkung mehr entspricht, theils weil sie im Ab- schnitt von Schenkungen steht, bey dessen Ausarbeitung diese Lehre wohl mehr in ihrem wahren Zu- sammenhang durchdacht wurde. Man hat den Widerspruch da- durch zu entfernen gesucht, daß man die erste Stelle (mit Recht) von angefallenen und ausgeschla- genen Erbschaften verstanden hat, die zweyte von dem Verzicht auf eine obligatio ex die ( Schrö- ter System des allg. Landrechts B. 1 S. 43). Allein eine obli- gatio ex die kann man unmög- lich ein künftiges Recht nennen, und einem bereits erworbenen ent- gegen setzen, da es schon vollstän- dig erworben, und nur in der Ausübung beschränkt ist. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Buchstaben des Gesetzes, geht die Lehre der Juristen. Diese nehmen an, indirecte Schenkungen unterlägen nicht den Revocationen; unter indirecten aber sollen auch die Erlaßverträge verstanden werden Toullier T. 5 § 312. Er beruft sich auf Pothier. . Also geht die Mey- nung eigentlich dahin, nur die Tradition und das nota- rielle Versprechen sey eine wahre Schenkung, der Erlaß einer Schuld sey eine solche nicht, und sey also eben so wenig der notariellen Form, als den Revocationen unter- worfen. Diese Ansicht ist nur aus der Voraussetzung zu erklären, daß die Anhänger derselben sich begnügt haben den Buchstaben des Gesetzes fest zu halten, ohne in das Wesen der Sache einzudringen. Warum wird mehr Form erfordert zu einem Schenkungsversprechen, als zur Schen- kung durch Tradition? Ohne Zweifel weil jenes mit blo- ßen Worten abgemacht wird, ohne den sinnlichen Eindruck des Gegenstandes, und daher für den Leichtsinn und die Charaeterschwäche gefährlicher ist als die Tradition. Aber dieselbe Gefahr, wie bey dem Versprechen, tritt bey dem Erlaßvertrag ein, bey welchem daher dieselbe Veranlas- sung ist, eine notarielle Verhandlung zu fordern. Am Wenigsten aber läßt sich begreifen, warum bey dem Er- laßvertrag die Revocationen nicht gelten sollen. Wer eine Geldsumme baar verschenkt, oder vor einem Notar ver- spricht, soll wegen Undankbarkeit, wegen der Ehe, und wegen nachgeborner Kinder, widerrufen können; wer aber eine gleiche Summe zu fordern hat, und aus Freygebig- §. 177. Zeit. Einleitung. keit erläßt, hat doch auf solchen Widerruf dieselben na- türlichen Ansprüche, da der Erlaß einer Schuld auf bei- den Seiten genau dieselbe Veränderung im Vermoͤgen her- vorbringt, wie wenn baares Geld aus einer Hand in die andere gegeben wird: nicht zu gedenken, daß durch jene willkührliche Unterscheidung jede Umgehung des Gesetzes (durch Darlehen und nachfolgenden Erlaß) ganz leicht ge- macht wird. — In merkwürdiger Weise zeigt sich die Gleich- stellung der Schenkungen mit Testamenten bey den Bedin- gungen. Sind diese unmöglich oder unsittlich, so werden sie bey der Schenkung, wie bey dem Testament, für nicht geschrieben erachtet, anstatt daß bey anderen Verträgen die Obligation selbst durch solche Bedingungen vernichtet wird (§ 124. k ). VI. Die Zeit, als Bestandtheil juristischer Thatsachen . §. 177. Einleitung . In vielen und wichtigen Rechtsinstituten findet sich ein Zeitverhältniß als Bestandtheil der durch eine allgemeine Rechtsregel begründeten Thatsachen, so daß hier die Zeit als eine der Bedingungen erscheint, wovon der Erwerb oder Verlust eines Rechts abhängig gemacht wird. So verschieden nun theils diese Rechtsinstitute selbst unter ein- ander sind, theils auch die Art, wie die Zeit Einfluß auf das Daseyn derselben ausübt, so ist doch die Bedeutung Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. und Behandlung der Zeit selbst ihnen allen gemeinsam, und dieses Gemeinsame soll hier in einer allgemeinen Be- trachtung dargestellt werden. Ich will damit anfangen, die Rechtsinstitute, worin sich ein solcher Einfluß der Zeit äußert, in einer allgemei- nen Übersicht zusammen zu stellen. Erste Klasse , welche die häufigsten und wichtigsten Fälle umfaßt. Das Daseyn eines Rechts hängt davon ab, daß menschliche Thätigkeit oder Unthätigkeit, also freyes Thun oder Lassen, während eines bestimmten Zeit- raums, ununterbrochen fortdauert. Dahin gehört: 1) Das uralte Institut der Usucapion . In ihr wird Eigenthum erworben durch die Thätigkeit des Besitzes, die einen ganzen Zeitraum hindurch ununterbrochen fortgesetzt worden ist. Als unmittelbare Entwicklungen schließen sich ihr an: der nonusus der Servituten, und späterhin bey eben denselben die longa possessio Gewissermaßen kann man dahin auch rechnen den zwanzig- jährigen redlichen, titulirten Besitz der Freyheit, wodurch der Sklave die Freyheit erlangen sollte. L. 2 C. de longi temp. praescr. quae pro lib. (7. 22.). Zwar heißt es hier Anfangs „praescriptio ad- versus inquietudinem status eo- rum prodesse debeat,” und diese Worte könnten auf eine bloße Ex- ception gegen die Vindication des Herrn gedeutet werden; allein sehr entscheidend scheinen doch die darauf folgende Worte: „ut et liberi et cives Romani fiant.” — Die Zusammenstellung des non- usus mit der Usucapion beruht übrigens auf meiner, im Sachen- recht zu rechtfertigenden, Ansicht von derselben. Nach der gewöhn- lichen Auffassung würde sie un- ter die Fälle Num. 3 zu stehen kommen. . Um diese ver- wandte Institute mit einzuschließen, will ich den bey uns schon eingebürgerten Namen der Ersitzung gebrauchen. — §. 177. Zeit. Einleitung. Durch eine willkührliche, grundlose Abstraction haben neuere Juristen aus der Usucapion eine allgemeine Erwer- bungsart der Rechte überhaupt, unter dem Namen der erwerbenden Verjährung, zu machen versucht, wovon noch weiter die Rede seyn wird. 2) Die Klagverjährung, das heißt der Verlust eines Klagerechts durch ununterbrochene Unthätigkeit des Klag- berechtigten. Lange Zeit war dieselbe ganz unbekannt, dann kam sie in einzelnen Ausnahmen auf, die sich all- mälig vermehrten. So waren namentlich die prätorischen Klagen in der Regel einer einjährigen Verjährung unter- worfen Bey der einjährigen Klag- verjährung ist seltener, als bey den längeren, von einer tempo- ris praescriptio oder exceptio die Rede; doch kommt allerdings auch der Ausdruck annua excep- tio vor. L. 30 § 5 de peculio (15. 1.), L. 15 § 5 quod vi (43. 24.). . Endlich wurde sie zu einem allgemeinen, durch- greifenden Princip für alle Klagen ohne Ausnahme erho- ben, und sie ist dadurch zu einem der wichtigsten und um- fassendsten Rechtsinstitute geworden. — Auch auf sie ha- ben neuere Juristen eine willkührliche Abstraction ange- wendet, indem sie aus diesem speciellen, blos auf Klage- rechte anwendbaren, Rechtsinstitut, einen allgemeinen Un- tergang der Rechte überhaupt, unter dem Namen der er- löschenden Verjährung, gebildet haben. 3) Eine Anzahl ganz einzeln stehender Fälle, die sich unter keinen gemeinsamen Namen zusammen fassen lassen. Sie haben mit der Klagverjährung das gemein, daß die in einem bestimmten Zeitraum fortdauernde Unthätigkeit Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. eines Berechtigten den Verlust seines Rechts zur Folge hat; dadurch sind die neueren Juristen veranlaßt worden, sie mit der Klagverjährung zu identificiren, worin nun eben der bereits erwähnte abstracte Ausdruck einer erlö- schenden Verjährung seine wichtige, aber irrige und ver- wirrende Anwendung fand. Es gehören dahin folgende Fälle: Die alte Prozeßverjährung der legitima judicia, an- derthalb Jahre vom Anfang des Prozesses an Gajus IV. § 104. . Die Restitution, welche nur Vier Jahre (früher nur Ein Jahr) lang gesucht werden kann. Früherhin von der Klagverjährung ganz verschieden; in wiefern im heutigen Recht beide verschmolzen sind, kann erst in der Lehre von der Restitution festgestellt werden. Die gesetzlich vorgeschriebenen Prozeßtermine. A ) Nach den Zwoͤlf Tafeln die 30 Tage des judicatus, mit deren Ablauf die Execution eintrat Eine Verlängerung dieser Frist war stets erlaubt. L. 31 L. 7 de re jud. (42. 1.). Bey extraordinariis judiciis trat eine von richterlichem Ermessen be- stimmte Frist an die Stelle. L. 2 eod. . B ) Die Vier Monate von dem Urtheil an, nach deren Ablauf im neuesten Recht hohe Urtheilszinsen zu zahlen sind L. 2 L 3 pr. C. de us. rei jud. (7. 51), L. 13 C. de usuris (4. 32.). Früher waren es zwey Monate. L. 3 § 1 C. cit., L. un- C. Th. de usur. rei jud. (4. 19.). Vielleicht sind diese zwey Monate entstanden durch Zusammenrech- nung der 30 Tage der zwölf Ta- feln mit den folgenden 30 Ta- gen der proscriptio. Gajus IV. § 78. 79. . C ) Die Appella- tionsfrist von Zehen Tagen. D ) Die Drey Tage, binnen §. 177. Zeit. Einleitung. welchen eine Partey den Irrthum ihres Advocaten berich- tigen darf L. 3 C. de error. advoc. (2. 10.). . Die Frist zur Agnition der bonorum possessio, nach Verschiedenheit der Fälle Ein Jahr oder Hundert Tage. Die Verjährung der exceptio non numeratae pecu- niae Bekanntlich mit sehr ver- schiedenen Fristen. Mit ihr kann man (als Verjährung einer Ex- ception) vergleichen die im cano- nischen Recht vorgeschriebene Ver- jährung der exceptio spolii von Funfzehen Tagen. . Die Frist von Zwey Jahren, nach welcher im alten Recht die Verpflichtung eines sponsor oder fidepromissor erlosch Gajus III. § 121. . Die 50 Tage der Excusation von einer Vormund- schaft § 16 J. de excus. (1. 25.). . Das erbschaftliche Inventarium, welches nach Ver- schiedenheit der Fälle in Drey oder Zwölf Monaten voll- endet werden muß L. 22 § 2. 3 C. de j. de- lib. (6. 30.). . Sechzig Tage, wenn ein Käufer das sogenannte pac- tum displicentiae geltend machen will L. 31 § 22 de aedil. ed. (21. 1.). . Zwey Jahre nach der Kündigung, binnen welchen ein Pfandschuldner den Verkauf des Pfandes abwenden kann; Zwey Jahre nach der Addiction des Pfandes an den Glaubiger, binnen welchen der Schuldner das Pfand ein- lösen darf. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Endlich einige Fälle, worin der Verlust des Rechts den Character einer Strafe an sich trägt. So der Verlust des Miteigenthums an einem Hause, nachdem der Beytrag zu den Baukosten Vier Monate lang versäumt worden ist L. 52 § 10 pro soc. (17. 2.), L. 4 C. de aedif. priv. (8. 10.) . Verlust der Emphytheuse, des Mieth- und Pachtrechts, wenn die Zahlung des Pachtgeldes bestimmte Zeit hin- durch unterlassen wird L. 2 C. de j. emph. (4. 66.). — L. 54 § 1 L. 56 locati (19. 2.). . Verlust des Erbrechts bey unerfülltem Willen des Ver- storbenen Nov. 1 C. 4. . Verlust des mütterlichen Erbrechts, wenn die Mutter ein volles Jahr lang versäumte, den Kindern Vormünder zu erbitten L. 2 § 43 ad Sc. Tertull. (38. 17.). Diese Regel bestand nur, so lange die Mutter das durch das Senatusconsult verlie- hene jus singulare in Anspruch zu nehmen hatte, um ein Erb- recht vor den Agnaten zu erlan- gen. Jetzt erbt sie nach gemei- nem Recht, so wie jeder andere Ascendent, also ohne jene Be- schränkung. . Zweyte Klasse . Erwerb oder Verlust eines Rechts durch ununterbrochene Fortdauer eines von menschlicher Freyheit unabhängigen Zustandes innerhalb eines bestimm- ten Zeitraums. Dahin gehören die Altersstufen, durch deren Eintritt der Mensch bestimmte Rechte erwirbt (wie die Handlungs- fähigkeit) oder verliert (wie den Anspruch auf Restitution). §. 177. Zeit. Einleitung. Die Achtzehen Jahre nothwendiger Differenz im Le- bensalter des Adoptivvaters und des Kindes. Die Rückforderung mancher Theile einer Dos, welche erst möglich ist, nachdem der Zustand aufgelöster Ehe eine bestimmte Zeit gedauert hat Nach altem Recht annua, bima, trima die bey fungiblen Sachen; nach neuerem Recht vom Ablauf Eines Jahres an bey der ganzen Dos, mit Ausnahme der Dotalgrundstücke, die sogleich zu- rück zu geben sind. . Dritte Klasse . Verknüpfung der Rechte mit ganz individuellen Zeitverhältnissen, wobey also gar nicht von der Erfüllung eines ganzen Zeitraums, sey es durch mensch- liches Thun oder Lassen, sey es durch zufällige Zustände, die Rede ist. Dahin gehört die zweyfache Schadensrechnung bey der actio Legis Aquiliae, indem es dem Kläger gestattet ist, innerhalb des letzten Monats, in einigen Fällen innerhalb des letzten Jahres, denjenigen Zeitpunkt auszuwählen, welcher seine Ansprüche am Höchsten stellt. Ferner die Präsumtion der Paternität, daran geknüpft daß in einem bestimmten Zeitraum vor der Geburt des Kindes, aber nicht nothwendig in diesem ganzen Zeitraum, die Mutter in der Ehe gelebt hat. Endlich auch folgende Fälle, die man mit Unrecht als Klagverjährungen anzusehen pflegt. Das Interdict de iti- nere hängt davon ab, daß der Kläger im letzten Jahr den Weg wenigstens an Dreyßig Tagen gebraucht hat L. 1 § 2. 9 de itin. (43. 19.). ; das Interdict de aqua ist an den einmaligen Gebrauch Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. der Wasserleitung im letzten Jahr geknüpft L. 1 § 4. 31. 34 de aqua (43. 20.). ; das alte Interdict utrubi sollte gelten, wenn der Kläger innerhalb des letzten Jahres länger als sein Gegner die Sache be- sessen hatte L. 1 pr. de utrubi (43. 31.), Gajus IV. § 150 — 152. Im neue- sten Recht ist bekanntlich diese Re- gel aufgehoben, und es tritt nun dieselbe reine Klagverjährung ein, wie bei dem Interdict uti possi- detis. . Diese Zeitbestimmungen enthalten keine Klagverjährung, da sie nicht den Verlust eines Klage- rechts durch dessen versäumte Ausübung vorschreiben, worin das Wesen der Klagverjährung besteht; vielmehr ist der Sinn der Regel der, daß nur unter Voraussetzung jener Zeitverhältnisse ein wahrer, durch Interdicte zu schützender, Besitz angenommen werden soll. Die hier nach drey Klassen dargestellten Fälle kommen darin überein, daß eine allgemeine Rechtsregel das Da- seyn eines Rechts mit irgend einem Zeitverhältniß in Ver- bindung gesetzt hat. Etwas Ähnliches kann nun auch, ohne allgemeine Rechtsregel, durch individuellen Willen bewirkt werden; und zwar durch richterliches Ermessen, bey denjenigen Prozeßfristen die nicht schon gesetzlich vor- geschrieben sind; durch den Willen des Souveräns bey er- theilten Moratorien: eben so durch den in einem Testa- ment oder Vertrag ausgedrückten Parteywillen Von diesen letzten Fällen ist schon oben gehandelt worden § 125 — 127. . Diese Fälle sind von den oben dargestellten in ihrem Wesen ver- schieden, darin aber ihnen ähnlich, daß bey beiden das §. 177. Zeit. Einleitung. gleiche Bedürfniß einer genaueren Bestimmung der ein- schlagenden Zeitverhältnisse eintritt Neuere Schriftsteller haben die hier zuletzt erwähnten Fälle durch die nicht glücklich gewähl- ten Ausdrücke praescriptio ju- dicialis, testamentaria, conven- tionalis bezeichnet, um sie unter den allgemeinen Verjährungsbe- griff zu subsumiren. . Es ergiebt sich aus dieser Übersicht, daß die Fälle, die hier als erste Klasse bezeichnet wurden, bey Weitem die wichtigsten sind; über diese sollen nun einige allgemeine Betrachtungen hinzugefügt werden. Man kann zuerst die Frage aufwerfen, warum überhaupt an die fortge- setzte Thätigkeit oder Unthätigkeit, der Erwerb und Ver- lust von Rechten geknüpft werde? Der allgemeinste Be- weggrund solcher Bestimmungen liegt in dem Bedürfniß, das Daseyn der Rechtsverhältnisse, insbesondere den Um- fang eines jeden Vermögens, auf eine sichere, unzweifel- hafte Weise festzustellen, welches dadurch geschieht, daß die an sich unvermeidliche Ungewißheit in möglichst enge Zeitgränzen eingeschlossen wird. Dieses ist der wahre Zweck der Usucapion, der Klagverjährung, der Prozeß- fristen, und aller anderen in der ersten Klasse zusammen gefaßten Vorschriften. Zu diesem Beweggrund, den man als den positiven bezeichnen kann, tritt nun noch ein ne- gativer hinzu, der gewöhnlich als Strafe der Nachlässig- keit ausgedrückt wird. Durch diesen Ausdruck könnte man verleitet werden, die hier eintretende Unthätigkeit als an sich widerrechtlich und strafbar, oder wenigstens als schäd- lich zu betrachten, weshalb sie durch künstliche Mittel ver- IV. 20 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. hütet werden müsse. So ist es in der That nicht, viel- mehr liegt in dem so bezeichneten negativen Beweggrund blos eine Rechtfertigung solcher Bestimmungen gegen den Vorwurf, daß ein nützlicher Zweck durch die willkührliche Beeinträchtigung Derjenigen, die hier Etwas ohne ihren Willen verlieren, erreicht werde. Denn indem durch Usu- capion sicheres Eigenthum, durch Klagverjährung Sicher- heit gegen fernere Ansprüche, bewirkt wird, kann aller- dings einem bisherigen Eigenthümer oder Glaubiger sein Eigenthum oder seine klagbare Forderung entzogen wer- den. Allein dieses Verfahren wird dadurch gerechtfertigt, daß es in der Macht des Berechtigten steht, den gedroh- ten Verlust durch seine freye Thätigkeit abzuwenden, wes- halb er sich den Verlust selbst zuzuschreiben hat, wenn er dieses unterläßt; Das ist es, was durch den Ausdruck: Strafe der Nachlässigkeit bezeichnet werden soll. Aller- dings wird hierdurch ein indirecter Zwang zur Thätigkeit gegen den Berechtigten ausgeübt; es ist dieses ein Opfer, welches Jeder für den oben angegebenen gemeinnützigen Zweck zu bringen hat. Zu diesen Beweggründen tritt noch ein ganz verschie- dener, der von großer praktischer Wichtigkeit, wiewohl von etwas eingeschränkterer Anwendbarkeit ist. In vielen Fällen der Usucapion (nicht in allen) wird in der That kein Eigenthum verändert, sondern nur für die längst ein- getretene Veränderung der zufällig fehlende Beweis er- setzt. Eben so liegt in vielen Fällen der Klagverjährung §. 177. Zeit. Einleitung. kein wirklicher Verlust des bis dahin fortdauernden Klag- rechts, sondern es war schon längst auf andere Weise die Schuld selbst (also auch die Klage) getilgt, und die Klag- verjährung dient jetzt blos dazu, den fehlenden Beweis dieser Tilgung zu ersetzen. Insofern kann man die Usu- capion als ein präsumtives Eigenthum, die Klagverjäh- rung als eine Präsumtion der Tilgung einer Schuld auf- fassen. Diese Ansicht ist wahr und wichtig, nur muß man sich hüten, derselben eine zu allgemeine Anwendung bey- zulegen, da sie auf viele einzelne Fälle, theils wegen der individuellen Umstände, theils wegen der allgemeinen Na- tur vieler Klagen, gar nicht paßt. Außer der Usucapion und der Klagverjährung ist davon gar keine Anwendung zu machen; namentlich würde bey den Fristen der bono- rum possessio und der Restitution, so wie bey den Pro- zeßfristen, die Annahme einer solchen Präsumtion eben so grundlos als unfruchtbar seyn. Endlich ist auch von Manchen die Dereliction als Grund der zur ersten Klasse gehörenden Rechtsregeln angegeben worden Die Dereliction wird schon von Grotius II 4 § 7. 9 als Grund aufgestellt, jedoch nur für die un- vordenkliche Verjährung, und nur unter souveränen Staaten. All- gemein geschieht es bey Hegel § 64 Zusatz. . Darin kann nur die Behauptung liegen, daß in diesen Fällen der früher Berechtigte, der ein Recht ver- liert, den wirklichen Willen gehabt habe sein Recht auf- zugeben. Die Annahme eines solchen Willens ist jedoch in den meisten Fällen völlig willkührlich und grundlos; 20* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. vorzüglich bey dem Eigenthum, wobey allein der Aus- druck Dereliction gebilligt werden könnte. In den weni- gen Fällen aber, worin jene Annahme wirklich zugelassen werden kann, wird sie sich auf den allgemeineren Grund der präsumtiven Erwerbung oder Tilgung zurück führen lassen, indem sie dann etwa eine Entsagung in sich schlie- ßen wird, die auch schon für sich, unabhängig von dem Zeitablauf, das Recht hätte aufheben können. Es ist also gerathener, diesen Grund gar nicht geltend zu machen, um so mehr als darin einem ganz bestimmten juristischen Kunstausdruck eine ungehörige Ausdehnung gegeben wird. Aus diesen Betrachtungen ergiebt es sich, daß für die hier zusammen gestellten Fälle ein allgemeines Bedürfniß solcher Zeitbestimmungen allerdings vorhanden ist, wel- ches jedoch nur in ganz positiven Rechtsregeln seine Er- ledigung finden kann. Bey der Aufstellung dieser positiven Regeln sind von dem Gesetzgeber folgende Gesichtspunkte zu beachten. Erstlich sind darin die Extreme zu vermei- den, so daß die Fristen weder zu lang, noch zu kurz be- stimmt werden dürfen; wobey sich von selbst versteht, daß ein sehr freyer und weiter Spielraum für jede aufzustel- lende Regel übrig bleibt. Zweytens sind die Zeiträume genau, klar und einfach zu bestimmen, damit die Anwen- dung auch dem Nichtjuristen, auf dessen freye Thätigkeit es zunächst ankommt, so viel möglich erleichtert werde. §. 178. Zeit. Einleitung. (Fortsetzung.) §. 178. VI. Zeit. Einleitung . (Fortsetzung.) Die wichtige Rechtslehre, für welche im vorhergehen- den Paragraphen die allgemeinen Gesichtspunkte aufge- stellt worden sind, hat bey den neueren Rechtslehrern eine sehr willkührliche Behandlung erfahren, deren nachtheilige Folgen nur durch eine sorgfältige kritische Untersuchung mit Sicherheit beseitigt werden können. Es ist schon oben bemerkt worden, wie nahe es liegt, die Usucapion und die Klagverjährung durch willkührliche Abstraction in ganz allgemeine Begriffe zu verwandeln: jene in einen Erwerb von Rechten überhaupt vermittelst der fortgesetzten Ausübung; diese in einen Verlust von Rechten überhaupt vermittelst der fortwährend versäum- ten Ausübung. Dieser letzte Begriff erhielt sogleich eine umfassende Anwendung dadurch, daß er die übrigen Fälle, welche oben in der ersten Klasse zusammen gestellt worden sind, in sich unmittelbar aufzunehmen fähig war. Allein es bedurfte nur eines kleinen Schrittes, um beide Begriffe als Arten einer und derselben Gattung aufzufassen. Denn auch bey der Usucapion findet sich neben dem Erwerb des Eigenthums zugleich der Verlust desselben von Seiten des früheren Eigenthümers Für das neueste Recht, in welchem nur noch die b. f. pos- sessio Grundlage der Usucapion seyn kann, ist diese Ansicht all- gemein wahr, für das ältere Recht keinesweges. Denn wenn das in bonis durch Usucapion in ein ex jure Quiritium verwandelt wurde, . Legt man nun diesen Verlust Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zum Grund der Betrachtung, so erscheint auch die Usu- capion als gleichartig mit der Klagverjährung, und sie äußert nur dadurch eine höhere Wirkung, daß in ihr ne- ben dem Verlust durch Unthätigkeit auch noch ein Erwerb durch Thätigkeit wahrgenommen wird. Diese Auffassung ist es, welche von unsren Juristen seit alter Zeit in folgender Weise ausgedrückt wird. Es giebt eine Veränderung in Rechten überhaupt, gegründet auf Zeitlauf, wenn nämlich der Berechtigte sein Recht eine Zeit lang auszuüben versäumt; jede Veränderung dieser Art heißt praescriptio, Verjährung. Sie umfaßt zwey Arten, je nachdem blos der Unthätige sein Recht verliert, oder ihm gegenüber ein Anderer dasselbe Recht erwirbt; die erste heißt praescriptio exstinctiva, erlöschende Ver- jährung, die zweyte heißt adquisitiva, erwerbende Verjäh- rung; und da die Usucapion als eine Art der praescriptio angesehen wird, so ist es sehr natürlich, dieselbe nun auch als rei praescriptio, rem praescribere, zu bezeichnen Rave de praescriptioni- bus § 1. 5. Höpfner § 393. Thibaut Pandekten § 1002. 1003. Mühlenbruch § 122. 123. — Überall im Wesentlichen Dasselbe, und nur in einzelnen Ausdrücken verschieden. . Diese Zusammenstellung der Begriffe ist dem Römischen Recht eben so fremd, als die zu ihrer Bezeichnung ange- wendeten Kunstausdrücke, und auch das canonische Recht so stand nicht dem Erwerber ein bisheriger Eigenthümer gegen- über, der sein Eigenthum durch Versäumniß verlor, und durch Thätigkeit erhalten konnte; denn das nudum jus Quiritium konnte durch keine wirksame Klage ge- gen die Folgen der Usucapion ge- schützt werden. §. 178. Zeit. Einleitung. (Fortsetzung.) enthält dieses Alles nur in einem beschränkten Anfang, keinesweges in der hier dargestellten Ausbildung. Bevor aber Dieses deutlich gemacht werden kann, ist es nöthig die wichtigen Folgen anzugeben, welche aus jener irrigen Auffassung hervor gehen. Die erste Folge besteht darin, daß nunmehr alle Fälle, welche oben in der ersten Klasse zusammen gestellt worden sind, nach ganz gleichen Rechtsregeln beurtheilt werden müssen; denn diese Rechtsregeln sollen für die praescriptio aufgestellt seyn, und unter die praescriptio sollen eben alle jene Fälle gehören. So lange diese praktische Identificirung auf die Usucapion im Verhältniß zur Klagverjährung be- schränkt bleibt, ist der Irrthum weniger merklich, da diese ohnehin, historisch und praktisch, einander so nahe ver- wandt sind. Allein wenn nicht alle Consequenz aufge- opfert werden soll, müssen auch die Prozeßfristen, die Fri- sten der bonorum possessio u. s. w., nach derselben Regel der praescriptio, wie die Klagverjährung, behandelt wer- den, und dabey wird freylich die Sache um Vieles be- denklicher. Eine zweyte, noch gefährlichere, Folge aber besteht darin, daß jener Begriff, seiner Allgemeinheit wegen, eine Anwendung auf alle denkbaren Fälle ausgeübter oder ver- säumter Rechte zuläßt, also auch auf solche Fälle, worin unser positives Recht überhaupt keine Veränderung als Folge derselben anerkannt, dem Zeitlauf also gar keinen Einfluß eingeräumt hat. In dieser Hinsicht jedoch ist je- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ner Begriff noch einer zweyfachen Auffassung empfänglich. Man kann ihm eine blos formelle und hypothetische Natur beylegen, seinen Inhalt also zunächst unbestimmt lassen, so daß dann nur die ohnehin im positiven Recht aner- kannten Fälle unter denselben bezogen werden; man kann ihm aber auch eine durchgreifende, absolute Natur geben, so daß in ihm der wichtige Satz ausgedrückt wäre, alle Rechte überhaupt seyen fähig, durch fortgesetzte Ausübung erworben, durch Versäumniß verloren zu werden. Es ist einleuchtend, daß nur mit dieser letzten Auffassung die eben erwähnte Gefahr eines praktisch so wichtigen Irrthums verbunden ist. Die meisten Schriftsteller scheinen sich die Natur dieses Gegensatzes nicht ganz klar gemacht zu ha- ben, erklären sich wenigstens nicht deutlich darüber, welche der beiden denkbaren Bedeutungen sie dem Begriff beyle- gen wollen; Thibaut sagt ganz bestimmt, daß er ihn in dem ersten, ungefährlicheren Sinne nimmt, und daher trifft ihn der eben aufgestellte Vorwurf nicht Thibaut a. a. O., und in der Schrift über Besitz und Ver- jährung S. 63 fg. . — Folgende Beyspiele mögen dazu dienen, diesen nicht unwichtigen Punkt anschaulicher zu machen. Im Römischen Recht fin- det sich keine Spur einer Begründung des Pfandrechts durch Usucapion, auch ist dazu ein inneres Bedürfniß nicht vorhanden; jener durchgreifende Begriff aber muß aller- dings dazu führen, und in der That haben mehrere Schrift- steller eine solche Usucapion behauptet Glück B. 18 S. 195. . — Eben so §. 178. Zeit. Einleitung. (Fortsetzung.) fehlt es an einem Bedürfniß zur Errichtung von Obliga- tionen durch Usucapion, die gleichfalls aus jenem abstrac- ten Begriff gefolgert werden könnte; das Preußische Land- recht, welches den in unbestimmter Allgemeinheit gefaßten Begriff einer Verjährung von unsren Schriftstellern des gemeinen Rechts angenommen hat A. L. R. I. 9 § 500 — 502. , läßt nun in der That auch eine Schuldforderung dadurch entstehen, daß ein vermeyntlicher Glaubiger dreyßig Jahre hindurch Zin- sen einer gar nicht vorhandenen Schuld bezogen hat A. L R. I. 11 § 839. . Die Entstehung, und besonders die Befestigung dieser irrigen Begriffe steht im genauen Zusammenhang mit den in dieser Lehre eingeführten unächten Kunstausdrücken, die nun noch besonders zu betrachten sind. Praescriptio näm- lich soll heißen ein Erwerb oder Verlust von Rechten, her- beygeführt durch Zeitlauf. Es heißt aber in unsren Rechts- quellen niemals Erwerb oder Verlust, sondern stets genau so viel als exceptio, Einrede, mit welchem Ausdruck es daher überall unbedenklich verwechselt werden darf, ohne daß der Sinn einer Rede dadurch verändert würde Dieses ist schlechthin zu be- haupten für die Quellen des Ju- stinianischen Rechts; wie sich die- ser Sprachgebrauch gebildet hat, und wie es damit früher stand, sagt Gajus IV. § 130 — 137. . Eine Exception nun kann unter andern auch durch ver- säumte Ausübung eines Klagerechts herbeygeführt werden, und insofern bezeichnet allerdings praescriptio die Einrede aus einer Klagverjährung; jedoch (eben so wie exceptio ) niemals da wo der Ausdruck allein steht, sondern immer Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nur vermittelst eines Zusatzes, der die besondere Beziehung auf Zeit ausdrückt, also temporis, temporalis, triginta annorum praescriptio u. s. w., in welchen Fällen man stets auch exceptio dafür setzen kann. Die Stellen des Römischen Rechts, die man für einen anderen Sprachge- brauch noch neuerlich geltend gemacht hat, beweisen den- selben in der That gar nicht So z. B. sagt L. 2 C. ne de statu (7. 21.). „Si .. ante quinque annos .. decessit, prae- scriptioni locus erit; ” das heißt: dann ist eine Einrede begründet. Allerdings ist nun diese Einrede keine andere, als die der verjähr- ten Klage, aber das liegt nicht in dem Wort praescriptio, son- dern in dem Zusammenhang mit den vorhergehenden Worten. Eben so verhält es sich mit L. 7 C. eod., L. 1 § 4 D. eod. (40. 15.), L. 1 in f. C. de bonis maternis (6. 60.). . Nur Das muß zugege- ben werden, daß in einer Constitution von Justinian tem- poralis exceptio in einem so weiten Sinn gebraucht wird, daß es auch die Usucapion in sich schließt L. 30 C. de j. dot. (5. 12.). „Omnis autem temporalis ex- ceptio, sive per usucapionem inducta , sive per X. vel XX. annorum curricula … sit in- troducta” .. Dieser ungenauere Sprachgebrauch erklärt sich dar- aus, daß seit Aufhebung des ordo judiciorum das Interesse sehr ver- mindert war, das in der eigent- lichen exceptio liegende beson- dere Schutzmittel eines Beklag- ten von jeder anderen Verthei- digung desselben streng zu unter- scheiden. Hieraus erklärt sich denn auch der etwas schwankende Aus- druck in der oben (§ 177. a ) an- geführten L. 2 C. de l. t. pr. quae pro lib. (7. 22.). . Allein theils steht Dieses mit der Bedeutung des ohne Zusatz gebrauch- ten Wortes praescriptio in gar keiner Verbindung, theils kann eine solche einzelne Stelle nicht die totale Umände- rung des gesammten Sprachgebrauchs darthun. Es ge- hört zu der im neueren Recht stets fortschreitenden mate- riellen Annäherung der Usucapion und der Klagverjäh- §. 178. Zeit. Einleitung. (Fortsetzung.) rung; bis zu welchem Punkte aber die Verschmelzung in der That anzunehmen ist, gehört zu den speciellen Unter- suchungen, die nur im Zusammenhang der Lehre von der Usucapion mit Erfolg angestellt werden können. Der hier bekämpfte falsche Sprachgebrauch findet sich, seiner Grundlage nach, schon bey den Glossatoren des zwölften Jahrhunderts Placentinus , SummaCod, tit. de praescr. longi temporis: „Praescriptio est exceptio ex tempore causam trahens ” und nachher in demselben Titel: „praescribitur res immobilis, non mobilis.” Azo stellt in der Summa zu jenem Titel dieselbe Definition auf, wie Placentin, doch ohne diesen zu nennen. . Aus ihnen ist er in das cano- nische Recht übergegangen, jedoch ist er auch hier nicht weiter geführt, als um die Usucapion mit der Klagver- jährung unter einem gemeinsamen Gattungsbegriff zu ver- einigen. Zwar ist der Fehler dieses Sprachgebrauchs im sechzehenten Jahrhundert auf das Gründlichste nachgewie- sen worden Muretus Comm. in Inst., ad rubr. tit. de usuc. — Donel- lus Lib. 5 C. 4 § 14. — Cuja- cius paratit. Dig. XLIV. 1, pa- ratit. Cod. VIII. 35, prooem. opusc. de diversis temp. praescr. Anderwärts freylich schwankt er wieder etwas. Notae ad Inst., pr. J. de usucap. ; aber diese gesunde Kritik ist so wenig durchgedrungen, daß vielmehr erst die späteren Schrift- steller die Begriffe zu der oben gerügten noch gefährliche- ren Allgemeinheit ausgebildet haben, durch deren abstracte Gestalt sie sich täuschen ließen, sie für eine fortschreitende wissenschaftliche Entwicklung anzusehen. Erwägen wir mit unbefangenem Sinn diese sicheren Thatsachen, so müssen wir uns überzeugen, daß es am Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Räthlichsten ist, den reinen Sprachgebrauch der Quellen des Römischen Rechts wieder herzustellen, in der Sache selbst aber den allgemeinen Verjährungsbegriff völlig auf- zugeben, wodurch eine Einheit unter sehr ungleichartigen Rechtsinstituten erkünstelt werden soll. Allerdings haben diese Institute Berührungen unter einander, es kann auch vielleicht bey manchem das Bedürfniß entstehen, eine Rechts- regel anzuwenden, die eigentlich für ein anderes derselben eingeführt ist; dieses mag dann auf dem Wege analogi- scher Fortbildung des Rechts geschehen, nur nicht auf dem Wege der Subsumtion dieser Institute unter einen gemein- samen Gattungsbegriff. Der wichtige Unterschied dieser beiden Arten des Verfahrens besteht darin, daß uns die analogische Anwendung zu einer kritischen Rechtfertigung für jeden einzelnen Fall nöthigt, anstatt daß uns jene Subsumtion einer solchen Mühe überhebt, indem sie Alles mit Einem Schlage abmacht, dabey aber freylich die Wahrheit des Ergebnisses dem Zufall überläßt. Zwar könnte man versuchen, die Darstellung der neueren Schrift- steller durch die Behauptung rechtfertigen zu wollen, das canonische Recht habe den beschränkten Gesichtspunkt des Römischen Rechts durch einen weiteren ersetzt und verbes- sert, so daß jene Darstellung in der That auf dem Bo- den des positiven Rechts ruhe. Diese Rechtfertigung muß jedoch aus zwey Gründen verworfen werden: Erstlich weil, wie gezeigt worden ist, das canonische Recht nie- mals den abstracten Verjährungsbegriff, welcher bey neue- §. 178. Zeit. Einleitung. (Fortsetzung.) ren Schriftstellern erscheint, und worin die eigentliche Ge- fahr des Irrthums liegt, in sich aufgenommen hat; zwey- tens weil die Verfasser der Decretalen weit entfernt da- von waren, eine neue Theorie aufstellen zu wollen. Sie gaben getreulich wieder, was sie von ihren Lehrern, den Legisten, empfangen hatten, und wenn wir uns genöthigt sehen, deren Lehre zu berichtigen, so erstreckt sich diese Berichtigung, so weit von theoretischer Ansicht die Rede ist, auch auf den Inhalt der Decretalen; was aber in diesen an praktischen Vorschriften neu aufgestellt worden ist, das soll auch von uns als wirksam anerkannt wer- den. Durch ein solches Verfahren handeln wir gewiß im Sinn der Verfasser des canonischen Rechts. — Neuerlich ist der Versuch gemacht worden, den gewöhnlichen Ver- jährungsbegriff durch eine Art von Vermittlung zu retten. Man hat ihn nämlich durch willkührlich hinzugefügte Merk- male etwas beschränkt, wodurch einige der oben zusam- men gestellten Rechtsinstitute in ihm enthalten blieben, an- dere ausgeschlossen wurden Unterholzner Verjäh- rungslehre § 1 stellt den Begriff dahin auf: Verjährung sey eine Veränderung in Rechten, welche hauptsächlich als Folge der zeitlich fortgesetzten Ausübung oder Nichtausübung angesehen werden müsse. Dadurch will er ausschließen die Verwirkung durch Rechtswidrigkeit, wohin auch (als contumacia ) die Versäumniß rich- terlicher Fristen gehört: ferner die Versäumniß der Appellationsfrist, denn dadurch werde nur ein Hin- derniß der Wirksamkeit des Ur- theils weggeräumt, so daß die- ses, und nicht der Zeitablauf, als positiv wirkende Ursache einer Rechtsänderung anzusehen sey. — Es leuchtet sogleich ein, wie we- nig auf diesem Wege eine sichere Gränze für die Anwendung des Begriffs gewonnen werden kann, selbst wenn man von der völli- . Auch dieser Versuch muß Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. verworfen werden, und zwar nicht blos wegen der ge- zwungenen Ausführung, sondern wegen der Natur des Gedankens selbst, welcher ganz den Character einer hal- ben Maasregel hat, den Irrthum also zwar quantitativ vermindert, aber nicht von Grund aus beseitigt. Es ist jedoch noch zu bemerken, daß unter dem Ein- fluß jener, im Allgemeinen verwerflichen, Ansichten ein einzelnes Rechtsinstitut ausgebildet worden ist, dessen Rea- lität wir anerkennen müssen, da es in der Praxis der Gerichte längst festen Boden gewonnen hat: die unvor- denkliche Zeit. Das Daseyn dieses Instituts ist also durch eine allgemeine Gewohnheit gesichert, welches uns jedoch nicht hindern kann, die Bedingungen und Gränzen dessel- ben durch wissenschaftliche Kritik festzustellen. Dazu wird, wegen der sehr umfassenden Natur dieses Instituts, nur hier die rechte Stelle gefunden werden können, weshalb es am Ende der Lehre von der Zeit dargestellt werden soll. §. 179. VI. Die Zeit. 1. Der Kalender . Die Behandlung der im § 177 zusammen gestellten Rechtsinstitute beruht auf der Messung der für sie durch Rechtsregeln bestimmten Zeiträume, wozu ein sicherer, gleichfoͤrmiger Maasstab erforderlich ist. Wir entnehmen denselben aus dem, allen unsren Lebensverhältnissen (auch gen Willkührlichkeit dieser Bestimmung des Begriffs absehen wollte. §. 179. Zeit. 1. Kalender. den nicht juristischen) zum Grunde liegenden, chronologi- schen System, welches auf astronomischen Gesetzen beruht, und dessen Darstellung der Kalender genannt wird. Ha- ben wir also ein von Zeitbestimmungen abhängiges Rechts- verhältniß zu beurtheilen, so geschieht dieses dadurch, daß wir die zeitliche Erscheinung desselben mit den im Kalen- der unabänderlich bestimmten Zeiträumen vergleichen, und darnach abmessen. Allein die Gränzpunkte der in Rechts- verhältnissen vorkommenden Zeiträume beruhen theils auf freyen Handlungen, theils auf Naturereignissen, und es geschieht daher nur selten und zufällig, daß diese Zeit- räume mit den im Kalender enthaltenen, in fest bestimmte Gränzen eingeschlossenen, Zeiträumen unmittelbar zusammen fallen. Es bedarf demnach für jeden gegebenen Fall einer künstlichen Reouction des von einem zufälligen Anfang ausgehenden Zeitraums auf die im Kalender enthaltenen Zeitabschnitte; für diese Reduction hat unser positives Recht theils allgemeinere Regeln vorgeschrieben, theils eine anomalische Behandlung, die in einigen besonderen Fällen ausnahmsweise eintreten soll. Ich nenne die im Kalender enthaltenen Zeitabschnitte die Kalenderzeit (Kalender- jahr, Kalendertag u. s. w.), die in einzelnen Rechtsver- hältnissen vorkommenden Zeiträume die bewegliche Zeit (bewegliches Jahr, Tag u. s. w.) Neuere juristische Schrift- steller haben dem Kalendertag den Zeittag entgegen gesetzt, welche Benennung mir ganz unpassend scheint, da der Kalendertag glei- chen Anspruch auf diesen Namen hat. Ich halte die im Text an- gegebene Bezeichnung für die an- . Es ergiebt sich Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. hieraus, daß die juristische Lehre von der Zeit auf fol- gende Gegenstände zu richten ist: 1) Der Kalender. 2) Regelmäßige Reduction der beweglichen Zeit auf die Kalenderzeit. 3) Civile Zeitrechnung. 4) Utile tempus. 5) Schalttag. Anomalische Reduction. 6) Unvordenkliche Zeit (§ 178). 1. Der Kalender . L. Ideler Handbuch der mathematischen und techni- schen Chronologie, zwey Bände, Berlin 1825. 1826. 8. Zwey von einander unabhängige Gründe nöthigen uns, von der Geschichte des Römischen Kalenders auszugehen: erstens, weil ohne ihn unsre Rechtsquellen nicht verstan- den werden können, zweytens weil unser heutiger Kalen- der in der That der Römische ist, nur mit einer Modi- fication, die in der fortlaufenden Anwendung auf unsre Lebensverhältnisse völlig unmerklich ist. schaulichste; sonst könnte man den Gegensatz auch durch die Aus- drücke: feste, und willkührliche Zeit bezeichnen. — Die Astrono- men nehmen den Ausdruck be- wegliches Jahr in einem an- deren Sinn, nämlich für ein Jahr von genau 365 Tagen ohne alle Einschaltung, weil dasselbe in ei- ner gewissen Zeit durch alle un- sre Jahreszeiten sich hindurch be- wegt. Ideler I. 67. 68. §. 179. Zeit. 1. Kalender. Der älteste Kalender der Römer wird auf ein Jahr von Zehen Monaten, oder 304 Tagen gegründet, wel- ches man das Romulische nennt. Wir können die schwie- rige Untersuchung über dasselbe hier auf sich beruhen las- sen, da sich in den Quellen des Justinianischen Rechts keine Spuren davon erhalten haben. Das Jahr, welches dem König Numa zugeschrieben wird, und bis auf Cäsars Zeit in steter Anwendung geblieben ist, bestand aus Zwölf Monaten, welche 355 Tage enthielten. Ein Jahr um das andere wurde ein ganzer Monat, Mer- cedonius genannt, eingeschaltet, welcher abwechslend 22 und 23 Tage enthielt. Die Einschaltung geschah hinter dem Tag, den wir den 23. Februar nennen, und auf wel- chen das Fest der Terminalia fiel, also vor dem 24. Fe- bruar, an welchem das Fest Regifugium gefeyert wurde. Dadurch wurden dem Februar Fünf Tage abgeschnitten, so daß dieser in einem Schaltjahr nur 23 Tage hatte. Jene Fünf Tage wurden als Fortsetzung des Mercedonius angesehen, welcher dadurch abwechslend 27 oder 28 Tage erhielt. Durch diese Einrichtung bekam das Jahr durch- schnittlich eine Länge von 366¼ Tagen, und da diese in Vergleichung mit dem astronomischen Jahr zu groß war, so wurden, je nach Ablauf von 24 Jahren, mit einemmal 24 Tage aus dem laufenden Jahre weggelassen, wodurch sich also die Jahreslänge im größeren Durchschnitt auf 365¼ Tage stellte Ideler I. 67. II. 31. 56. 59. — Die Hauptstellen der Al- . — Dieses Jahr war nicht nur für IV. 21 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. die Anwendung höchst unbequem, sondern es wurde auch noch in der Ausführung oft verdorben; theils aus Nach- lässigkeit der Pontifices, denen die Aufsicht auf den Ka- lender zustand, theils aus parteyischer Willkühr, indem die obrigkeitlichen Würden einjährig waren, und also durch Verlängerung eines Jahres die Regierungszeit der Consuln, die man gerade begünstigen wollte, erweitert wer- den konnte. Die Verwirrung wurde so groß, daß die Jahreszeiten zuletzt in ganz andere Monate fielen, als welche dafür bestimmt gewesen waren. Durch die Wahrnehmung dieser Üebel wurde Cäsar zu einer durchgreifenden Reform des Kalenders veranlaßt, welche noch jetzt die Grundlage des Kalenders aller christ- lichen Nationen bildet In der Französischen Revo- lution wurde bekanntlich ein ganz neuer Kalender eingeführt, nach wenigen Jahren aber stellte Na- poleon den früheren wieder her . Die Vorbereitung dazu geschah im J. 708, welches dazu benutzt wurde, die allmälig an- gehäufte Verwirrung zu absorbiren, zu welchem Zweck ihm 445 Tage in Fünfzehen Monaten zugetheilt wurden. Die Einführung des neuen Kalenders selbst fällt in das J. 709, das Jahr vor Cäsars Tod. Dabey lag die Voraussetzung zum Grund, daß das astronomische Jahr genau aus 365 Tagen 6 Stunden be- stehe. Cäsar bestimmte nun das Kalenderjahr auf 365 Tage und verordnete für jede vierjährige Periode die Ein- ten sind Censorinus de die na- tali C. 20, und Macroeius Sa- turnal. I. 13. — Die eben dahin einschlagende L. 98 § 1. 2 de V. S. (50. 16.) kann erst weiter un- ten erklärt werden (§ 192). §. 179. Zeit. 1. Kalender. schaltung Eines Tages, welcher die oben erwähnten über- schießenden Sechs Stunden in sich aufnehmen sollte. Die Stelle dieses Schalttages blieb dieselbe, an welcher früher ein ganzer Monat eingeschaltet worden war, zwischen Ter- minalia und Regifugium. Das so begränzte Jahr wurde in Zwölf Monate von ungleicher Länge getheilt Die genauere Beschreibung bey Ideler II. 118. fg. Die Hauptstellen sind Censorinus C. 20 und Macrobius Saturn. I. 14. . Allein auch diese Zeitrechnung trug einen wesentlichen Fehler in sich, indem sie den Überschuß des astronomischen Jahres über das Kalenderjahr zu Sechs Stunden an- nahm, anstatt daß er in der That nur 5 St. 48′ 48″ beträgt. Indem nun hieraus ein jährlicher Fehler von Eilf Minuten und Zwölf Secunden hervorgieng, wurde die zur Ausgleichung bestimmte Einschaltung Eines Tages zu oft vorgenommen, und dieser Fehler war im Sechzehen- ten Jahrhundert bereits auf volle Zehen Tage angewach- sen Ideler I. 35. 66. 67. . Der Pabst Gregor XIII. wurde durch die Feststellung des Osterfestes veranlaßt, eine Prüfung und Berichtigung des Julianischen Kalenders anzuordnen Ideler I. 74. II. 301 — 303. 322—325. An der Spitze der Unternehmung stand Aloysius Lilius. — Das Osterfest, dessen Bestimmung mit dem chronolo- gischen System nicht zusammen- hängt, fällt frühestens den 22. März, spätestens den 25. April, so daß es zwischen diesen beiden Tagen schwankt. Ideler H. 199. 317. . Man nahm jetzt das Jahr zu 365 T. 5 St. 49′ 12″ an, ließ mit einemmal die allmälig fehlerhaft eingeschlichenen Zehen 21* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Tage aus dem Kalender hinweg, und bestimmte, um die Rückkehr des Fehlers zu verhüten, daß alle 400 Jahre Drey Einschaltungen übersprungen, also auf Hundert Ein- schaltungen stets Drey weggelassen, werden sollten Die Säcularjahre 1600, 2000, 2400 u. s. w. sollten Schalt- jahre bleiben, die jedesmal dazwi- schen liegenden Drey Säcular- jahre, wie 1700. 1800. 1900, dann 2100. 2200. 2300. u. s. w., welche nach dem Julianischen Kalender gleichfalls Schaltjahre wären, soll- ten ausfallen. — Noch immer war hier das Jahr um 24 Secunden zu groß angenommen, indessen ist dieser Fehler so gering, daß er erst nach Ablauf von 3600 Jah- ren zu einem ganzen Tag ange- wachsen seyn wird. Um ihn völ- lig zu vermeiden, müßte man alle Neun Jahrhunderte Sieben Ein- schaltungen ausfallen lassen, an- statt daß jetzt in Vier Jahrhun- derten Drey ausfallen. (Ich darf mich wegen dieser Außerung auf Idelers brieflich ausgesprochene Zustimmung berufen). . Diese Verbesserung des Kalenders wurde 1581 verordnet, im folgenden Jahre in Rom eingeführt, und innerhalb der nächsten Zehen Jahre von dem Kaiser, dem katholischen Theil von Deutschland, Schweiz und Niederlanden, so wie in Italien, Spanien, Polen und Ungarn angenom- men. Dagegen fand sie, als von Rom ausgehend, lange Zeit keinen Eingang in denjenigen Ländern, welche sich zum protestantischen oder zum griechischen Glauben beken- nen. Endlich wurde sie 1700 und 1701 im protestanti- schen Theil von Deutschland, Schweiz und Niederlanden, so wie in Dänemark, 1752 in England, 1753 in Schwe- den anerkannt. Die Russen, so wie die übrigen, der grie- chischen Kirche angehörenden, Länder sind bey dem unver- änderten Kalender Cäsars geblieben. Hierin liegt der Un- terschied des alten und neuen Styls, oder des Juliani- §. 180. Zeit. 1. Kalender. (Fortsetzung.) schen und Gregorianischen Kalenders, und es ergiebt sich aus dieser Übersicht, daß die Differenz fast mit jedem Jahr- hundert wachsen muß Über die Geschichte der Ka- lenderverbesserung sind die in der Note f angeführten Stellen von Ideler zu vergleichen. — Wenn die Russen auch ferner an dem reinen Julianischen Kalender fest halten, so werden sie etwa um das Jahr Christi 24000 im Ja- nuar die Erndte halten, und im Julius auf Schlitten fahren. . Es ist jedoch gleich hier wohl zu bemerken, worauf sich dieser Unterschied beschränkt. Er besteht lediglich in den mehr oder weniger häufig eintre- tenden Schaltjahren; in allem Übrigen ist gar Nichts ge- ändert, folglich der frühere Julianische Kalender, auch da wo er ganz willkührliche Bestimmungen enthält, völlig bey- behalten worden. Von dieser Bemerkung wird weiter un- ten eine praktische Anwendung gemacht werden. §. 180. VI. Die Zeit. 1. Der Kalender . (Fortsetzung.) Nach dieser historischen Übersicht sollen nunmehr die wesentlichen Theile unsres Kalenders einzeln betrachtet wer- den; sie bestehen in dem Tag, dem Monat, und dem Jahr. Der Tag ist der Zeitraum, in welchem eine vollstän- dige Umdrehung der Erde um ihre eigene Achse Statt findet. Die Länge dieses Zeitraums ist nach Jahreszeiten wechslend, indem sie im Februar und November nach zwey verschiedenen Seiten von dem mittleren Durchschnitt um mehr als Fünfzehen Minuten abweicht, so daß die größte Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Differenz unter zwey wirklich vorkommenden Tageslängen mehr als Dreyßig Minuten beträgt Ideler I. 36 — 38. Dar- auf gründet sich der Unterschied der mittleren und der wahren Zeit. . — Der Anfangs- punkt des Tages ist an sich willkührlich, weshalb er auch bey verschiedenen Völkern ganz abweichend angenommen worden ist. Die Römer haben ihn auf Mitternacht ge- setzt, und wir haben diese Bestimmung beybehalten; an sich ist sie die unbequemste von allen, weil sie mit keiner unmittelbaren Beobachtung des Himmels zusammenhängt. Der Tag besteht aus zwey natürlichen Abschnitten von meist ungleicher, und zwar stets wechslender Länge: dem Lichttag ( lux, dies naturalis ), und der Nacht ( nox ). Der ganze Zeitraum von Mitternacht zu Mitternacht heißt dies civilis L . 8 de feriis (2. 12.) von Paulus. — Censorinus C. 23. Macrobius Saturn. I. 3. Vergl. Gellius III. 2, Plinius hist. nat. II. 79. Bey Varro de re rust. I. 28 scheint dies eiviles die Tage nach der Eintheilung und Bezeich- nung des Römischen Kalenders zu bedeuten. . Das Jahr besteht genau aus 365 Tagen, da der kleine Überschuß von wenigen Stunden zunächst unbeach- tet bleibt, und erst, wenn er sich zu einem vollen Tage angesammelt hat, unter der Form eines Schalttages be- rücksichtigt wird. Dieser Zeitabschnitt kommt mit dem des Tages darin überein, daß er einen allgemeinen astronomi- schen Grund hat, zugleich aber Gegenstand der allgemein- sten Wahrnehmung und von dem größten Einfluß auf die Verhältnisse des menschlichen Lebens ist. — Der Anfangs- punkt desselben ist an sich gleichgültig, und könnte, neben §. 180. Zeit. 1. Kalender. (Fortsetzung.) dem hier dargestellten Kalender, auf die verschiedenste Weise bestimmt werden. In der That finden sich hierin, vom Mittelalter her, in verschiedenen Ländern folgende ganz abweichende Einrichtungen. Der Anfang wurde näm- lich gesetzt bald auf den 1. Januar (Beschneidung), bald auf den 1. März, den 25. März (Empfängniß), auf das stets wechselnde Osterfest, oder auf den 25. December (Christi Geburt) Ideler II. 325—343. . In neueren Jahrhunderten ist man sehr allgemein zu dem 1. Januar als Anfang des Jahres zurück gekehrt, und diese allgemeine Übereinstimmung ist auch in der That von Wichtigkeit, weil nur durch sie die sonst unvermeidliche Verwirrung in der Zeitrechnung ver- hütet werden kann. Der Monat steht, als Zeitabschnitt, in der Mitte zwischen dem Tag und dem Jahr. Er beruht auf einer Eintheilung des Jahres in Zwölf Theile, die jedoch von ungleicher Laͤnge sind. Sieben derselben haben 31, Vier haben 30, Einer in gewöhnlichen Jahren 28, in Schalt- jahren 29 Tage. Daß man gerade Zwölf Theile, also auch den daraus hervorgehenden Umfang der Monate, an- genommen hat, beruht allerdings nicht auf bloßer Will- kühr, sondern auf der Beachtung des Mondwechsels; je- doch ist die Übereinstimmung mit diesem nur eine sehr all- gemeine und ungenane Der astronomische Monds- Monat beträgt nämlich genau 29 Tage 12 St. 44′ 3″, trifft also mit keinem unsrer Kalender- monate genau zusammen, mit dem Februar am Wenigsten. Ideler I. 42 — 44. Eine unveränderte . Bey der Begränzung unsrer Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Monate liegt überhaupt kein durchgreifendes Princip zum Grunde; ohne Zweifel wollte Cäsar die aus dem früheren Kalender herstammenden Gewohnheiten (theilweise auf re- ligiösen Gründen beruhend) so wenig als möglich stören, und er änderte daher an den Monaten nur so viel ab, als nöthig war, um die neue Jahresgränze, worauf ihm Alles ankam, durchzuführen. In neueren Zeiten aber hat man kein dringendes Bedürfniß empfunden, hierin Etwas zu ändern; nur mit Ausnahme des vorübergehenden Ver- suchs in dem republikanischen Frankreich, worin gerade die Monate am meisten geändert, und auf die gleiche Länge von Dreyßig Tagen, mit Fünf Ergänzungstagen, gebracht wurden. — Eine besondere Beachtung verdient noch die Bezeichnung der einzelnen Tage im Verhältniß zu dem Monat, dem sie angehören; dabey ist jedoch sogleich zu bemerken, daß diese dem eigentlichen Kalender völlig fremd ist, so daß die Reformen von Cäsar und Gregor XIII. daran gar Nichts geändert haben, alle wirklich eingetre- tene Veränderungen aber ganz unvermerkt und blos durch die Sitte bewirkt worden sind. Die Römer zerlegten den Monat in Drey ungleiche Theile, deren Gränzen durch die Kalendä, Nonä, Idus bezeichnet waren. Von diesen Gränz- tagen ab wurden die einzelnen dazwischen fallenden Tage gezählt, jedoch nicht vorwärts, sondern rückwärts. Die Aufnahme jenes astronomisch be- stimmten Monats, wenn man ihn auch genau kannte, war nicht möglich, weil für das wirkliche Leben nur Zeitabschnitte, die aus ganzen Tagen bestehen, brauch- bar sind. §. 180. Zeit. 1. Kalender. (Fortsetzung.) genaue Bezeichnung eines Tages wäre also z. B. gewe- sen: die X. ante Kalendas Januarias (für den 23. De- cember). Allein es war üblich, die Präposition zu ver- setzen, indem man sagte: ante diem X. Kal. Jan., welcher Ausdruck genau dieselbe Bedeutung hat wie jener. Wenn man diese Laune des Römischen Sprachgebrauchs über- sieht, und die voranstehende Präposition buchstäblich nimmt, so kommt man zu dem Irrthum, als ob ante diem X. Kal. irgend eine dem dies X. Kal. vorhergehende Zeit be- zeichnen sollte, da doch immer nur dieser Tag selbst ge- meynt ist Die entscheidenden Stellen über diesen Sprachgebrauch sind gesammelt bey Ideler II. 127. 128. Die Präposition war da- durch gewissermaaßen ein nichts- sagender Zusatz zu der Tagesbe- zeichnung geworden, so daß man sie nun sogar in solchen Fällen gedankenlos anwendete, wo gar nicht zurück gerechnet werden sollte. L . 13 de V. O. „Qui ante Ka- lendas proximas stipulatur, si- milis est ei qui Kalendis sti- pulatur.” Eben so entscheidend dafür, daß ante völlig bedeu- tungslos geworden war, ist die Zusammenstellung mit anderen Präpositionen, z. B. in ante diem IV. für in diem IV., eben so ex ante diem für ex die. . Eine Stelle des Römischen Rechts warnt ausdrücklich gegen dieses Misverständniß L. 132 pr. de V.S. (50. 16.). „Anniculus amittitur qui extre- mo die anni moritur: et con- suetudo loquendi id ita esse de- clarat, ante diem X. Kalenda- rum, post diem X. Kalenda- rum . Neque utro enim ser- mone undecim dies significan- tur.” Ich bleibe zunächst bey dem ante stehen, das allein hierher ge- hört. Unter dem ante d. X. Kal. (sagt der Jurist) ist nicht etwa ein Tag jenseits des dies X. zu verstehen, so daß damit Eilf (oder noch mehr) Tage bezeichnet wä- ren, sondern gerade der dies X. selbst. Auf ähnliche Weise steht nun auch das post diem X. für die X. post Kalendas, es ist also der zehente Januar, nicht ein Tag jenseits des zehenten, welches wie- der Eilf Tage geben würde. Die- ses letzte ist also eine individuelle, willkührliche, außer der gewöhn- lichen Kalendersprache liegende Bezeichnung, etwa so wie wenn . Die eben Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. erklärte Römische Bezeichnung der Monatstage hatte einen mannichfaltigen Zusammenhang mit der Volkssitte und mit der alten Religion. Diese ihre lebendige Bedeutung war im Mittelalter spurlos verschwunden, die Bezeichnung selbst erhielt sich aber, gleich als eine gelehrte Sprache, durch die Lehre und den Gebrauch der Notare. Da jedoch bey Vielen derselben die Gelehrsamkeit nicht so weit reichte, entstanden nun, nicht aus freyer Wahl, sondern aus Noth, folgende Varietäten. Entweder wurden die Tage durch Angabe der Heiligenfeste völlig individualisirt. Oder es wurden die Tage jedes Monats mit durchlaufenden Zah- len, von 1 bis 30 oder 31 (oder 28) bezeichnet. Da- neben führte man in dieser letzten Bezeichnung noch die Veränderung ein, daß die Tage in der ersten Hälfte des Monats vorwärts, in der zweyten Hälfte rückwärts, vom Ende des Monats an, gezählt wurden ( ingrediente, exe- unte mense ). Es würde vergeblich seyn, diese verschiedene Verfah- rungsarten nach Jahrhunderten, oder gar nach noch klei- Jemand bey uns einen Wechsel ausstellte, zahlbar Drey Tage vor dem nächsten Neujahr, anstatt in unsrer Kalendersprache zu sagen: am 29. December. Daß nun in der That das post diese Bedeu- tung hat, zeigt L. 233 § 1 de V. S. (50. 16.). „Post Kal. Jan. d. tertio pro salute principis vota suscipiuntur,” wo es eben so gut heißen könnte: post d. III. Kalendarum. Die vota aber ge- schahen am dritten Januar, die III. Non. Jan. Vgl. Lipsius ex- curs. ad Tac. ann. XVI. — Erb im civ. Mag. B. 5 S. 244 hat das post in der L. 132 cit. misver- standen, und daher eine Emen- dation vorgeschlagen, die eben so überflüssig, als auch sonst unzu- lässig ist. §. 180. Zeit. 1. Kalender. (Fortsetzung.) neren Zeiträumen, gegen einander begränzen zu wollen, da sie viele Jahrhunderte lang neben einander angewendet wurden, regellos, wie es gerade die Kenntniß oder die Gewohnheit der einzelnen Notare mit sich brachte. In neueren Jahrhunderten, und besonders seitdem die Urkun- den in den Landessprachen abgefaßt wurden, ist die Rö- mische Weise immer mehr verlassen, die Bezeichnung nach durchlaufenden Zahlen aber endlich ausschließend angewen- det worden. Diese ist indessen schon sehr alt, und sie fin- det sich schon recht häufig in Urkunden des siebenten und achten Jahrhunderts Um sich davon zu über- zeugen, genügt ein flüchtiger Über- blick reichhaltiger, chronologisch ge- ordneter, Urkundensammlungen. Ich will beyspielsweise auf fol- gende Urkunden des sechsten und siebenten Jahrhunderts mit durch- gezählten Monatstagen aufmerk- sam machen; mehrere derselben reichen in die zweyte Hälfte des Monats hinein, enthalten also größere Zahlen. Historiae pa- triae monumenta, Chartarum Tom. 1, Aug. Taurinorum 1836 fol. Num. 2. 6. 7. 9. 13. Fuma- galli codice diplomatico Sant- Ambrosiano, Milano 1805. 4. Num. 1. 10. 12. 15. 16. 18. 21. 23. 24. Grundfalsch ist die Darstel- lung von Gatterer Abriß der Diplomatik S. 369. 370. Bis ge- gen das große Interregnum sey die altrömische Bezeichnung all- gemein gewesen, dann seyen die Heiligentage ausgedrückt worden; die durchgezählten Tage erwähnt er gar nicht. Diese Unvollstän- digkeit findet ihre Erklärung (nicht Rechtfertigung) darin, daß in Deutschland freylich der Gebrauch der Heiligennamen weit überwie- gend vor anderen Bezeichnungen war. . In den Kanzleyen des Rö- mischen Hofs hat sich die altrömische Bezeichnung bis auf den heutigen Tag erhalten. Schon aus dieser zufälligen, allmäligen, schwankenden Entstehung unsrer Weise, die Tage jedes Monats mit durchlaufenden Zahlen zu bezeichnen, muß es einleuchten, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. daß diesem Verfahren auf die Anwendung der die Zeit be- treffenden Rechtsregeln kein Einfluß zugeschrieben wer- den kann. Außer den hier erklärten Zeitabschnitten, welche allein als wesentliche Stücke unsres Kalenders betrachtet werden dürfen, sind nun noch einige andere zu erwähnen. Zuerst die Theile des Tages, also die Stunde mit ihren Unterabtheilungen. Wir theilen den Kalendertag in Vier und zwanzig gleiche Theile und nennen jeden dersel- ben eine Stunde. Wie nun oben erwähnt worden ist, daß der Umfang des Kalendertags je nach Jahreszeiten verän- derlich ist, so müssen auch an verschiedenen Kalendertagen die Stunden von ungleicher Länge seyn, nur daß hier die Verschiedenheit fast als unmerklich verschwindet. Der ganze Begriff der Stunde ist aber ein völlig willkührlicher und ohne allen Zusammenhang mit irgend einer Naturbe- obachtung, so daß man den Tag eben so gut in Zehen oder Hundert Stunden hätte zerlegen können. Die Will- kührlichkeit dieses Begriffs wird dadurch recht klar, daß die Römer (übereinstimmend mit anderen Völkern des Al- terthums) einen zwar äußerlich ähnlichen, in der That aber völlig verschiedenen Begriff der Stunde haben. Sie theilen jedesmal den Lichttag in Zwölf gleiche Theile, die sie durchzählen; eben so auch die Nacht in Zwölf gleiche Theile, die sie gleichfalls von Eins bis Zwölf durchzäh- len. Dabey mußten also die Tages- und Nachtstunden §. 180. Zeit. 1. Kalender. (Fortsetzung.) unter einander fast immer (nämlich nur mit Ausnahme der Äquinoctien) von ungleicher Länge seyn, und eben so mußte von Tag zu Tag die Länge der Stunden wachsen und abnehmen. Um sich von der Unbequemlichkeit dieser Einrichtung eine vollständige Vorstellung zu machen, muß man noch die Unvollkommenheit ihrer Sonnen-, Wasser- und Sand-Uhren hinzudenken Censorinus C. 23. Vergl. Ideler I. 84. II. 14. 617. Doch kannten die Römer im astrono- mischen Gebrauch auch das, was wir Stunde nennen. Ideler I. 86. Etwas vermindert wurde für die Römer jene Unbequem- lichkeit, in Vergleichung mit un- srem Norden, durch den Umstand, daß in Italien die Verschieden- heit zwischen Tag und Nacht, also auch die zwischen Sommer- und Wintertagen, sehr merklich gerin- ger ist als in den nördlichen Län- dern. — Man würde irren, wenn man die Einrichtung des neueren Italiens mit der alt Römischen für gleich halten wollte. Die Ita- liener haben denselben Begriff der Stunde wie wir, und sie unter- scheiden sich nur in dem Anfangs- punkt und in der Art der Zäh- lung. Wir fangen an von Mit- ternacht und zählen zwölf Stun- den fort bis Mittag; von da ab zählen wir abermals zwölf Stun- den bis Mitternacht. Die Ita- liener fangen an mit Sonnenun- tergang, und zählen von da un- unterbrochen Vier und zwanzig Stunden; die Thurmuhren jedoch zeigen und schlagen häufig nur Sechs Stunden, und fangen dann wieder mit Eins an. Indessen weicht in den Städten diese Weise immer mehr der allgemeinen Eu- ropäischen Einrichtung, die dort ora Francese heißt. Vgl. auch Ideler I. 84. . Glücklicherweise pflegt aber die Stunde als Zeitabschnitt in Rechtsregeln gar nicht vorzukommen. — Was nun hier von der Stunde gesagt worden ist, gilt eben so, und theilweise in noch höherem Grade, von den kleineren Abschnitten, der Mi- nute, Secunde u. s. w. Die Woche endlich liegt ganz außer dem Kalender, indem sie kein integrirender Theil des Monats oder des Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Jahres ist, sondern aus einer bestimmten Zahl auf einan- der folgender Tage besteht, welche, sich stets wiederho- lend, durch die Reihe der Monate und Jahre mitten hin- durch zieht. Die Römer hatten solche Aggregate von Acht Tagen, mit dem Tag der Nundinä endigend. Viele an- dere Völker, und namentlich die Juden Bey diesen hatte die Woche von Sieben Tagen zugleich eine religiöse Bedeutung durch ihre Be- ziehung auf die Schöpfungsge- schichte, mit welcher der Sabbath als Schluß der Woche zusammen hängt. , hatten Wo- chen von Sieben Tagen; diese wurden auch schon den Römern frühe bekannt, von den Christen aber bald allge- mein angenommen, und sie haben bey allen christlichen Völkern durch den an der Spitze stehenden Sonntag An- erkennung und Wichtigkeit erlangt Ideler I. 60. 87. II. 136. 175. . Sowohl die Woche von Sieben, als die von Acht Tagen hat einen allgemei- nen Grund in einer Naturbeobachtung, die sich Jedem im gewöhnlichen Leben aufdringt. Die verschiedenen Erschei- nungen des Mondes nämlich führen ganz von selbst auf die Annahme von Vier gleichen Abschnitten des zwischen Zwey Vollmonden liegenden Zeitraums. Der vierte Theil aber dieses Mondsmonats fällt in die Mitte zwischen Sie- ben und Acht Tagen, und wollte man hierauf einen Zeit- raum in einer ganzen Zahl von Tagen gründen, so konnte nur zwischen Sieben und Acht gewählt werden. Es ist also hierin, wie in unsrem Kalendermonat; es liegt eine Naturbeobachtung zum Grunde, sie konnte aber in der §. 181. Zeit. 2. Regelmäßige Reduction. Ausführung nicht genau festgehalten werden, weil für das wirkliche Leben nur ein Aggregat von ganzen Tagen brauch- bar war. — In Regeln des Römischen Rechts kommt die Woche gar nicht vor; wohl aber erscheint sie schon frühe im Germanischen Recht, dann aber noch häufiger in neue- ren Prozeßordnungen, so wie in den von Richtern vorge- schriebenen Prozeßfristen, und in Rechtsgeschäften unter Privatpersonen. — Die Bezeichnung der einzelnen Tage im Verhältniß zur Woche, der sie angehören, geschieht auf andere Weise als bey dem Monat, nämlich nicht durch Zahlen, sondern durch individuelle Namen, die sich in je- der Woche gleichförmig wiederholen. §. 181. VI. Die Zeit. 2. Regelmäßige Reduction . Wenn der Ablauf eines Zeitraums als Bedingung ei- ner Rechtsänderung aufgestellt wird, so wird der Umfang desselben bezeichnet durch Verweisung auf die Kalenderzeit, das heißt durch den Ausdruck einer bestimmten Zahl von Tagen, Wochen, Monaten, Jahren, also von solchen Zeit- abschnitten, wie sie mit festem Anfang und Ende im Ka- lender vorkommen. Da aber der Anfang des wirklichen Zeitraums mit dem Anfang einer entsprechenden Kalender- zeit nur zufällig und in den seltensten Fällen zusammen trifft, so muß die Anwendung durch eine Reduction ver- mittelt werden (§ 179), wofür nunmehr die Regeln auf- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zustellen sind. Diese Regeln selbst sind für die meisten Zeiträume einfach und unzweifelhaft, nur für den Monat sehr bestritten; allein die Ausführung der Regeln führt allgemein auf große Schwierigkeiten. Wir haben also zu- nächst zu untersuchen, was unter einem beweglichen Tag, Jahr, Woche, Monat zu verstehen ist. Der bewegliche Tag ist ein Zeitraum von gleichem Umfang mit dem Kalendertag; das heißt, es wird von irgend einem zufälligen Zeitpunkt an (z. B. von der Ent- stehung eines Klagrechts durch Rechtsverletzung) so weit vorwärts gerechnet, daß der Zeitraum gleich groß ist mit dem zwischen einer Mitternacht und der folgenden Mitter- nacht liegenden Zeitraum. Dabey wird also eine gleiche Länge der Kalendertage vorausgesetzt, und obgleich diese Voraussetzung falsch ist (§ 180), so bleibt dennoch der Irrthum aus mehreren Gründen juristisch unberücksichtigt; theils weil der Unterschied sehr gering ist, und die Aus- gleichung unübersteigliche Schwierigkeiten haben würde: theils weil ohnehin schon aus anderen Gründen eine be- sondere Maasregel des positiven Rechts nöthig wird, worin zugleich dieser kleine Irrthum seine Erledigung findet. Davon wird noch am Schluß des gegenwärtigen § die Rede sein. Das bewegliche Jahr ist ein zusammenhängender Zeit- raum von genau 365 beweglichen Tagen L. 51 § 2 ad L. Aquil. (9. 2.), L. 4 § 5 de statulib. (40. 7.). . Der kleine Überschuß des wahren Sonnenjahrs über 365 Tage wird §. 181. Zeit. 2. Regelmäßige Reduction. hier deswegen mit Recht vollständig ignorirt, weil der- selbe in dem Schalttag seine Erledigung findet, von dessen anomalischer Behandlung weiter unten gehandelt wer- den wird. Die bewegliche Woche ist ein zusammenhängender Zeit- raum von Sieben beweglichen Tagen. Hier wird die An- wendung dadurch erleichtert, daß man nur auf den wie- derkehrenden gleichnamigen Wochentag zu achten hat, um den Ablauf der Woche zu erkennen. Die Bedeutung des beweglichen Monats wird da- durch zweifelhaft, daß die Kalendermonate jedes Jahres Drey verschiedene Längen haben (§ 180). Wollte man nun eine Normalzahl von Monatstagen bestimmen, um sie bey Rechtsregeln, worin Monate vorkommen, anzu- wenden, so hatte man zunächst die Wahl zwischen 31 und 30. Für 31 sprach der Umstand, daß in der That die meisten Monate diese Zahl von Tagen haben; für 30 aber waren überwiegende Gründe vorhanden. Erstlich kommt unter allen ganzen Zahlen die Zahl von 30 Tagen am nächsten dem zwölften Theil des Jahres, welcher genau 30 5/12 beträgt, so wie dem astronomischen Monat (§ 180. d ). Dazu kommt aber zweytens die mehr praktische Rücksicht, daß die Zahl 30 als runde Zahl dem Gedächtniß leichter einzuprägen ist, und daß sie durch ihre mannichfaltige Theilbarkeit für die Anwendung im täglichen Leben grö- ßere Bequemlichkeit darbietet, als die Primzahl 31. Ohne Zweifel durch diese Gründe sind die Römer bewogen wor- IV. 22 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. den, den beweglichen Monat als eine Zeit von Dreyßig Tagen anzusehen. Zwar eine gesetzliche Vorschrift ist dar- über nicht vorhanden, aber in folgenden, aus ganz ver- schiedenen Zeiten herrührenden Stellen, ist jene Zahl als Monatslänge unzweifelhaft vorausgesetzt: 1) Bey der Anklage wegen adulterium kamen zwey Fristen vor, eine von 60 Tagen, eine andere (worin jene mit eingeschlossen ist) von Sechs Monaten. Hierbey wer- den nun 60 Tage mit den folgenden Vier Monaten zu- sammen genau als Sechs Monate gerechnet L. 11 § 6 L. 29 § 5 ad L. Jul. de adult. (48. 5.), L. 1 § 10 ad Sc. Turp. (48. 16.). — Weniger beweisend sind die Stel- len über das Ädilenedict, worin allerdings auch bald 60 Tage, bald zwey Monate, erwähnt werden, aber nicht gerade für einen und denselben Fall. L. 28 L. 31 § 22 L. 38 pr. de aedil. ed. (21. 1.). . 2) Paulus spricht von einer Zahl von 210 Tagen, und nennt diese den septimus plenus mensis Paulus IV. 9 § 5, vergl. mit Censorinus de die nat. C. 9. — Ausführlich wird von dieser Stelle in der Beylage III. (über die Vitalität) gehandelt, s. oben B. 2 S. 403 fg. . 3) Justinian verordnet, daß der Erbe ein Inventarium in den ersten 30 Tagen anfangen, und in den folgenden 60 Tagen endigen solle. Die Summe dieser beiden Zeit- räume bezeichnet er nachher als eine Zeit von Drey Mo- naten L. 22 § 2 C. de j. delib. (6. 30.), verglichen mit § 11 der- selben Stelle. . 4) Bey der Appellation bestimmt Justinian Drey Fri- sten, von 30 Tagen, einem Monat, und abermals einem Monat; die Summe dieser Drey Fristen giebt er dann zu §. 181. Zeit. 2. Regelmäßige Reduction. Drey Monaten an, so daß er die ersten 30 Tage als ei- nen Monat ansieht Nov. 115 C. 2. . Dagegen kommen allerdings in einer älteren Vorschrift über die Appellation Drey Fristen, jede von 31 Tagen, vor, die Justinian selbst als Drey Monate bezeichnet L. 2 und L. 5 pr. C. de temp. appell. (7 63.) „aliis trium mensum spatiis, id est nona- ginta et tribus diebus, simili modo sequentibus.” ; allein diese Bestimmung steht so einzeln, daß durch sie die vielfach bezeugte Zahl von 30 Tagen, als auf die zu al- len Zeiten vorherrschende Ansicht gegründet, nicht zweifel- haft gemacht werden kann Dieselbe Meynung wird vertheidigt von Reinfelder an- nus civilis S. 116 fg. und Un- terholzner Verjährungslehre I. S. 281. . — Einige andere Stellen sind mit Unrecht als abweichende Zeugnisse angesehen wor- den. So die L. 101 de R. J. (50. 17.), welche scheinbar 61 Tage als Inhalt von zwey Monaten angiebt, in der That aber (wie im § 185 gezeigt werden wird) 60 Tage voraussetzt, also vielmehr zu den Zeugnissen für 30 Tage gehört. — Ferner die 182 Tage als kürzester Zeitraum möglicher Schwangerschaft. Sie sind in das Römische Recht aus einem nicht voͤllig genau befolgten Ausspruch des Hippocrates herüber genommen, und gründen sich gar nicht auf eine Multiplication der Monatstage durch Sechs, sondern vielmehr auf eine Halbirung der im Jahr enthal- tenen Tagezahl; diese giebt 182 Tage und einen Bruch, den Bruch aber haben die Römischen Juristen der Kürze wegen weggelassen L. 3 § 12 de suis (38. 16.), . — Endlich die Berechnung der 22* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Dotalfrüchte in L. 7 sol. matrim. (24. 3.), welche gar nicht eine bestimmte Zahl von Tagen für den beweglichen Monat angiebt, sondern in mehreren Beyspielen (allerdings etwas ungenau) die Kalendermonate als Zwölftheile des Jahres, folglich als gleich lang, voraussetzt Durch die wirklichen und scheinbaren Abweichungen ist Schrader civil. Abhandl. S. 198 fg. zu folgender Lehre veranlaßt worden. Die Römer hätten den Monat verschieden berechnet, zu- letzt aber sey die Ansicht herrschend geworden, man müsse den zwölf- ten Theil des Jahres (30 5/12) mit der jedesmal vorgeschriebenen An- zahl von Monaten multipliciren, und dann die dem Product zu- nächst liegende ganze Zahl anneh- men. Diese Regel giebt für zwey Monate 61, weshalb auch die L. 101 de R. J. als Hauptbe- weis angesehen wird. Diese Stelle nun wird unten (§ 185) auf an- dere Weise erklärt werden; aber sollte wohl überhaupt angenom- men werden dürfen, daß die Rö- mer, die so wenig Neigung und Geschick zu künstlichen Rechnun- gen zeigen, hier ohne alles sicht- bare Bedürfniß eine solche ange- wendet haben sollten? . Fassen wir dieses Alles zu einem einfachen Resultat zusammen, so läßt sich dasselbe in folgender Regel aus- drücken: Überall, wo das Römische Recht eine juristische Thatsache auf den Ablauf einer Anzahl von Monaten grün- det, ist unter Monat eine Zeit von genau 30 Tagen zu verstehen. — Viele Anwendungen dieser Regel sind für das heutige Recht verschwunden Dahin rechne ich die oben angeführten Fristen für die Ap- pellation und für die Anklage we- gen adulterium (Note b. e. f ); gleichgültig ist auch die Bestim- mung über das Inventarium (No- te g ): denn da hier die Zahl der Tage neben der Zahl der Monate ; folgende Fälle sind noch jetzt nach derselben zu beurtheilen: worin nur aus der Vergleichung mit dem unbestimmten Ausdruck septimo mense in L. 12 de statu hom. (1. 5.) der falsche Schein ent- steht, als sollten die 182 Tage genau das Sechsfache einer Mo- natslänge ausdrücken. Vgl. Hip- pocrates de partu septimestri C. 1 in opp. ed. Charterius T. 5 p. 342 Paris. 1679 fol. §. 181. Zeit. 2. Regelmäßige Reduction. Zwey Monate bey dem Verkauf einer Emphyteuse L. 3 C. de j. emph. (1. 66.). . Zwey Monate für den Beweis einer Schuld, die gegen den Fiscus als Compensation gelten soll L. 46 § 4 de j. fisci (49. 14.). . Drey Monate bey der exceptio non numeratae dotis Nov. 100. . Vier Monate wenn ein Miteigenthümer das zerstörte Haus nicht aufbauen will L. 52 § 10 pro socio (17. 2.). . Vier Monate bey den Urtheilszinsen L. 2. 3 C. de usuris rei jud. (7. 54.). . Sechs Monate als Verjährung der redhibitorischen Klage L. 19 § 6 L. 38 pr. de aedil. ed. (21. 1.). . Zehen Monate als längster Zeitraum legitimer Geburt eines Kindes nach aufgelöster Ehe L. 3 § 11 de suis (38. 16.). — Ich will jedoch die hier ver- suchte Aufzählung von Fällen kei- nesweges für vollständig aus- geben. . Allein es giebt andere Fälle, worin Monate von Ein- fluß sind, und die nicht unter diese Regel fallen, weil in ihnen ein solcher Einfluß gar nicht aus dem Römischen Recht hervorgeht; und gerade diese Fälle sind für die An- wendung weit häufiger und darum wichtiger, als die eben genannten. Dahin gehören die Prozeßfristen, sowohl ge- setzliche als richterliche; ferner die auf Monate gestellten Verträge, welcher Fall besonders in Wechselbriefen häufig vorkommt. Die bey den Römern herrschende Ansicht bin- geradezu ausgesprochen wird, so ist es für die Erklärung dieser Stelle gleichgültig, welche Zahl von Tagen nach einer allgemei- neren Regel auf den Monat ge- rechnet werden soll. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. det uns hier nicht, und wir haben freye Hand Das zu thun, was an sich das Zweckmäßige ist, und was dann auch als die wahrscheinliche Meynung neuerer Gesetzgeber, so wie der Richter und der Contrahenten, zu vertheidigen seyn wird. Hier besteht nun, nach unsrer Weise die Tage in jedem Monat mit fortlaufenden Zahlen zu bezeichnen, das leichteste Verfahren darin, daß der Ablauf einer monatli- chen Frist stets an demjenigen Tage angenommen wird, dessen Zahl der Zahl des Anfangstages entspricht. Wird also eine Monatsfrist am 17. Januar angesetzt, so fällt ihr Ende auf den 17. Februar, wird sie am 17. Februar angesetzt, so fällt es auf den 17. März, ohne Rücksicht auf die kleine Ungleichheit die nun entsteht, indem der erste Zeitraum in der That 31, der zweyte nur 28 Tage ent- hält. Diese wenig merkliche Ungleichheit ist ein geringeres Übel als das mühsame Nachzählen von 30 Tagen, wel- ches leicht zu Irrungen führt. Das hier angegebene be- queme Verfahren hat bey den Prozeßfristen die bedeutend- sten Autoritäten, schon vom vierzehenten Jahrhundert an, für sich Joan. Andreae glossa in C. 6 de elect. in VI. (1. 6.). — Bartolus in L. 98 de verb. sign. — J. Gothofredus in L. 101 de reg. juris. — Mevius in De- cis. I. 231. — Mühlenbruch I. § 85. — Struben Bedenken I. 47 giebt beide Rechnungsweisen als in verschiedenen Gerichten üblich an. , und in unsren heutigen Gerichten wird es sich meist auch durch die wirkliche Übung bestätigt finden Die Reichsgesetze schwanten. Das Conc. Ord. Cam. II. 33 § 3 rechnet in einem einzelnen Fall den Monat zu 30 Tagen, der R. A. 1548 § 53 zu vier Wochen. — Auch die ältere Französische Praxis nahm häufig vier Wochen an . §. 181. Zeit. 2. Regelmäßige Reduction. Eben so ist bey Verträgen, namentlich bey Wechseln, der Monat nach der dem Anfangstag entsprechenden Zahl des Monatstages zu bestimmen. Dieses ist ausdrücklich anerkannt im Preußischen Recht A. L. R. II. 8 855 „Lau- tet der Wechsel auf Monate, so wird jeder Monat, ohne Rück- sicht auf die Zahl seiner Tage, mit dem Monatstage geendigt, an welchem die Ausstellung ge- schehen ist.“ — Bey einer auf Mo- nate gestellten Verjährung schließt sich dagegen das Preußische Ge- setz an das R. R. an, und rech- net den Monat zu 30 Tagen. A. L. R. I. 9 § 550. , und eben so im Fran- zösischen Code de commerce art. 132 „Les mois sont tels qu’ils sont fixés par le calendrier gré- gorien.” Ich verstehe das so, daß der monatliche Wechsel nicht gerade 30 Tage laufen soll, son- dern bald länger bald kürzer, je nachdem der Kalendermonat der Ausstellung mehr oder weniger Tage zählt. . Die einzige Schwierigkeit bey diesem Verfahren tritt ein, wenn der Anfang des Zeitraums auf einen der letz- ten Tage eines langen Monats fällt, der Monat aber, in welchem die Zeit abläuft, nicht so viele Tage zählt. Die einfachste Abhülfe besteht darin, daß man den Ablauf auf den letzten Monatstag eintreten läßt. Wird also z. B. ein Wechsel auf zwey Monate a dato am 31. December ausgestellt, so wird er fällig am 28. Februar, und der- selbe Erfolg muß unverändert eintreten, wenn der Wech- Merlin répertoire v. mois T. 8 p. 320. — Daß den Römern die Zählung nach entsprechenden Mo- natstagen (z. B. von ante V. Kal. Jan. bis ante V. Kal. Febr. ) nicht ganz unbekannt war, zeigt L. 2 C. Th. de decur. (12. 1.) (vergl. § 185. I ), wo der Zweifel er- wähnt aber nicht entschieden ist. Daß die 30 Tage herrschend blie- ben, zeigen die oben angegebenen Stellen, auch war bey den Rö- mern die andere Weise viel be- denklicher als bey uns, weil zwar die Kalendä, aber nicht die Nonä und Idus, stets dieselbe Stelle im Monat einnahmen. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sel am 28., 29. oder 30. December ausgestellt wird. Das Preußische Gesetz hat diese natürlichste Auskunft ausdrück- lich anerkannt A. L. R. II. 8 § 856 „Ist ein solcher Wechsel am letzten Tage eines Monats ausgestellt, und der Monat, worin die Zahlung ge- schehen solle, hat weniger Tage: so tritt die Verfallzeit am letzten Tage des Zahlungsmonats ein.“ Damit wäre nun wohl vereinbar, daß vom vorletzten Monatstag wieder auf den vorletzten vor- wärts gerechnet würde u. s. w. Allein dieses würde zu der un- leidlichen Inconsequenz führen, daß ein zweymonatlicher Wechsel vom 30. December am 27. Februar fällig würde, dagegen ein am 28. December (also früher) ausgestell- ter erst am 28. Februar, da bey diesem die reine Regel anwend- bar wäre. Diese Inconsequenz wird durch das im Text angege- bene Verfahren abgewendet. . Suchen wir die bisher aufgestellten Regeln in einem gemeinsamen Überblick zu vereinigen, so zeigt es sich, daß unter allen hier betrachteten Zeitabschnitten der Tag die größte Wichtigkeit hat, indem die übrigen immer nur auf ihn zurück führen. Denn wenn wir irgend eine in Jah- ren, Monaten, Wochen ausgedrückte Zeit, als Grundlage einer Rechtsänderung, anwenden sollen, so geschieht dieses stets dadurch, daß wir, durch Auflösung dieser Zeiten in Tage, einen bestimmten Tag finden, in dessen Umfang das wahre Ende des beweglichen Zeitraums fällt. Dieses wahre Ende ist nämlich derjenige Zeitpunkt im Lauf jenes gefundenen Tages, welcher genau übereinstimmt mit dem Zeitpunkt des Ereignisses, von welchem der ganze Zeit- raum seinen Anfang nahm. Wenn also bey einer Usuca- pion der Besitz in einer frühen oder späten Tageszeit er- §. 181. Zeit. 2. Regelmäßige Reduction. worben worden war, so muß auch das Ende der Usuca- pion in eine genau entsprechende Tageszeit fallen. Nen- nen wir dieses wahre Ende den mathematischen End- punkt, die Zeit aber, in welcher die Rechtsänderung ein- tritt, den juristischen Endpunkt, so läßt sich das bisher Gesagte auch so ausdrücken: der juristische Endpunkt muß mit dem mathematischen genau zusammen fallen. Allein bey der Anwendung dieser Regel zeigen sich Schwierigkeiten, die zwar bey den Römern größer waren als bey uns, aber auch für uns noch so groß sind, daß wir sie ohne Übertreibung fast unübersteiglich nennen können. Erstlich fehlt es an Werkzeugen, um die kleineren Zeit- theile mit völliger Genauigkeit zu bestimmen. Dieser Man- gel war überaus groß bey den Römern (§ 180. g ), bey uns ist er zwar vermindert, aber immer noch fühlbar ge- nug. Allerdings wird hierin bey astronomischen Beobach- tungen Bewundernswürdiges geleistet, aber wie wäre es denkbar, in den drängenden und oft geringfügigen Ge- schäften des bürgerlichen Lebens eine irgend genügende Sicherheit in die Bestimmung von Stunden, Minuten u. s. w. zu bringen? — Eine Folge dieser augenscheinlichen Unmöglichkeit ist die, daß selbst bey sorgfältiger Geschäfts- führung, zwar der Tag, an welchem ein Geschäft vor- genommen wird, genau angemerkt zu werden pflegt, da- gegen die Tageszeit ganz unbemerkt bleibt. Da nun der mathematische Endpunkt stets von einem entsprechen- den Anfangspunkt abhängig ist, so wird für diesen, und Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. also auch für jenen, die Tageszeit meist gar nicht aus- zumitteln seyn. — Diese Schwierigkeit wird noch ver- mehrt durch die wechselnde Länge der Tage und Stunden (§ 180), welche selbst neben den vollkommensten Uhren noch immer eine künstliche Reduction nöthig macht. — In weit höherem Grade aber wurde sie bey den Römern vermehrt durch ihre von der unsrigen ganz abweichende Einrichtung der Stunden (§ 180) Diese letzte Schwierigkeit verschwindet bey den in ganzen Jahren bestehenden Zeiträumen (wie bey der Usucapion), sie fin- det sich aber bey den im R. R. vorkommenden Zeiträumen von 60 oder 100 Tagen, von Drey oder Sechs Monaten u. s. w., ja sie war hier fast unübersteiglich zu nennen. Denn sie konnte nur beseitigt werden durch so künstli- che Reductionstabellen, wie sie bey den Römern schwerlich hätten ent- stehen, gewiß aber niemals in allgemeine Anwendung kommen können. . Wenn wir uns das vereinigte Gewicht dieser Umstände anschaulich machen, so muß es einleuchten, daß ein ge- naues Zusammenfallen des juristischen Endpunks mit dem mathematischen zu bewirken in den meisten Fällen kaum möglich ist, daß wir uns vielmehr für die wirkliche An- wendung mit einer annäherndern Genauigkeit begnügen müssen. Wollten wir nun bey diesem blos negativen Re- sultat stehen bleiben, so würde das nicht unbedenklich seyn; denn auf der einen Seite könnte die zugegebene Ungenauig- keit zu Übertreibung und Misbrauch verleiten, auf der an- dern Seite aber würde der stets wiederkehrende Versuch, im einzelnen Fall jene Schwierigkeiten zu überwinden, zu einer Verschwendung von Kräften führen, die ganz außer §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. Verhältniß zur Erheblichkeit des Zwecks stehen würde. Um diesen Nachtheilen zu begegnen, würde die Aufgabe darin bestehen, das Zusammentreffen des juristischen Endpunkts mit dem mathematischen geradezu aufzugeben, zugleich aber die zugelassene Abweichung in feste und möglichst enge Gränzen einzuschließen. Durch eine solche Einrichtung hätte das praktische Bedürfniß seine Befriedigung gefunden, in- dem der unbequeme Einfluß der dargestellten Schwierig- keiten völlig beseitigt seyn würde. §. 182. VI. Die Zeit. 3. Civile Zeitrechnung . Donellus V. 19. Rücker de civili et naturali temporis computatione Lugd. Bat. 1749. Koch Belehrungen über Mündigkeit zum Testiren ꝛc. Gießen 1796. — Bestätigung der Belehrungen ꝛc. 1798. Hagemeister über die Mündigkeit zum Testiren, Civil. Mag. B. 3 Num. 1 (1798) mit Vorerinnerung von Hugo . Erb über den annus civilis, Civil. Mag. B. 5 Num. 8 (1814). Unterholzner Verjährungslehre I. § 90 (1828). Löhr über civilis computatio, Archiv B. 11 (1828) S. 411 — 424. Reinfelder der annus civilis. Stuttgart 1829. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Die am Schluß des vorigen §. aufgestellte Aufgabe gieng dahin, einen juristischen Endpunkt beweglicher Zeit- räume zu finden, der in jedem gegebenen Fall leicht und sicher anzuwenden wäre, und zugleich so wenig als mög- lich von dem mathematischen Endpunkt abwiche. Für diese Aufgabe giebt es zwey mögliche Auflösungen, die je- doch auf demselben Grundbegriff beruhen. Man kann nämlich den juristischen Endpunkt entweder in die dem mathematischen vorhergehende, oder in die nachfolgende Mitternacht legen; durch beide Einrichtungen wird der Zweck gleich vollständig erreicht. Denn indem nun der bewegliche Tag mit dem Kalendertag zusammenfällt, ver- schwindet das Bedürfniß einer künstlichen Reduction, und die Ermittlung kleinerer Zeitabschnitte, die den Grund der Schwierigkeit enthielt, wird überflüssig. Zwey Kalender- tage aber von einander zu unterscheiden, ist auch dem Ungebildeten leicht, da zwischen beiden stets eine merkliche Zeit der Finsterniß und der Geschäftsruhe in der Mitte liegt. Das angegebene Verfahren läßt sich auch so be- zeichnen: der Kalendertag wird behandelt, als ob er nicht (wie er in Wahrheit ist) ein ausgedehnter Zeitraum, son- dern ein untheilbares Zeitstück, ein Zeitelement, wäre. Nur darf nicht vergessen werden, daß diese Auffassung le- diglich ein anderer Ausdruck ist für die Entfernung der oben bemerkten Schwierigkeit. Viele Irrthümer sind nur dadurch entstanden, daß man die aufgestellte Formel als etwas Selbstständiges, von dieser Schwierigkeit und ihrer §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. Beseitigung Unabhängiges, betrachtet, und dann für sich weiter entwickelt hat, durch welches grundlose und will- kührliche Verfahren große Verwirrung in diese Untersu- chung gebracht worden ist. — Der Erfolg des angegebe- nen Verfahrens besteht nun darin, daß die Wirkungen des Zeitablaufs etwas früher oder später eintreten, als es nach der strengen Anwendung der Rechtsregel (wenn diese ausführbar wäre) geschehen würde, so daß der vorgeschrie- bene Zeitraum in der That etwas erweitert oder verkürzt wird; die Abweichung beträgt bald mehr bald weniger, nur niemals volle 24 Stunden, so daß sie also, wie oben verlangt wurde, in feste und enge Gränzen eingeschlossen ist, und beynahe als unmerklich verschwindet. Allerdings wird dadurch, in Vergleichung mit der streng ausgeführten Rechtsregel, Ein Theil einige Zeit gewinnen, der Andere eben so viel verlieren; aber dieser Gewinn und Verlust ist keinesweges Zweck des Verfahrens, er ist nur ein un- vermeidliches Übel, das wir absichtlich zulassen, um einem größeren Übel zu entgehen. Ich sagte, die zwey angegebenen Lösungen der Aufgabe seyen die einzigen überhaupt; und welche andere könnte man noch daneben versuchen? Man könnte etwa nicht bey der nächsten Mitternacht stehen bleiben, sondern auf die zweyte zurück oder vorwärts gehen, um in dieselbe den juristischen Endpunkt zu legen. Auch dadurch wäre die Schwierigkeit beseitigt, aber wir würden ganz ohne Grund über den Zweck hinaus gehen. Indem wir um Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. einen Kalendertag mehr von der Wahrheit abwichen, wür- den wir uns in dem Gebiet reiner Willkühr befinden, und wir hätten eben so viel Grund, um zwey, drey, oder noch mehr Tage zurück oder vorwärts zu schreiten. — Endlich könnte man noch darauf fallen, von dem mathematischen Endpunkt um einen vollen beweglichen Tag zurück oder vorwärts zu gehen, also, wenn etwa das mathematische Ende in den Mittag eines 2. Januars fiele, anstatt dessen den Mittag des 1. oder des 3. Januars als juristischen Endpunkt zu setzen. Dieser Versuch aber erscheint sogleich als völlig verwerflich, da durch ihn die Schwierigkeit, wovon die ganze Aufgabe ausgeht, gar nicht vermindert wird; es wäre eine völlig zwecklose, durch Nichts ge- rechtfertigte, Abweichung von der Wahrheit. Da nun zwey gleich zweckmäßige Lösungen der Auf- gabe nachgewiesen worden sind, so bleibt noch die Wahl zwischen beiden übrig: entweder indem wir die eine aus- schließend annehmen, oder indem wir beide gelten lassen, je nach Verschiedenheit der Fälle. Um hierin nicht will- kührlich zu verfahren, haben wir ein auf diesen Fall an- wendbares, schon anderwärts bewährtes, Princip aufzu- suchen. Wir haben hier zu thun mit einer partiellen Un- bestimmtheit, die nothwendig Einem von beiden Theilen zu gut kommen muß; eine solche Unbestimmtheit erscheint auch in anderen Rechtsverhältnissen nicht selten, und sie kommt dabey stets Demjenigen zu gut, von dessen Hand- lung (als einer zulässigen oder nothwendigen) zunächst die §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. Rede ist. So hat bey einer alternativen oder generischen Obligation der Schuldner die Wahl, welches Individuum oder welche Qualität er geben will L. 138 § 1 de V. O. (45. 1.), L. 52 mandati (17. 1.). — Eben so hat Der, welcher sich ver- pflichtet, innerhalb eines bestimm- ten Jahres zu zahlen, die Wahl des Tages, an welchem er zahlen will. L. 50 de O. et A. (44. 7.). . Umgekehrt hat bey einer nach Zeit oder Ort ganz unbestimmten Obliga- tion der Glaubiger die Wahl, wann oder wo er klagen will, weil sein im Allgemeinen anerkanntes Klagrecht in diesen Beziehungen unbeschränkt geblieben ist L. 41 § 1 de V. O. (45. 1.), § 33 J. de act. (4. 6.), welche letzte Stelle blos bey einem aus- drücklich bestimmten Zahlungsort die Willkühr des Klägers be- schränkt, für andere Fälle also unbeschränkt läßt. — Wollte man bey der ganz unbestimmt gelasse- nen Zeit den Schuldner als den zum Handeln Berufenen betrach- ten, also Ihm die Wahl der Zeit lassen, so würde das den Grund- begriff der Obligation, als einer Nothwendigkeit , aufheben, in- dem diese illusorisch werden würde. . — Wen- den wir dieses Princip auf den vorliegenden Fall an, so führt es auf folgende Behandlung. Soll durch den Ab- lauf des Zeitraums ein Recht erworben werden, wie bey der Usucapion, so ist die vorhergehende Mitternacht als juristischer Endpunkt anzunehmen, weil, bey der angege- benen Unbestimmtheit, der Erwerber befugt ist, in jedem Moment des ganzen Kalendertags den Erwerb als vollen- det anzusehen. Soll dagegen durch den abgelaufenen Zeit- raum ein Recht verloren werden, wie bey der Klagver- jährung, so muß die nachfolgende Mitternacht angenom- men werden, weil der Klagberechtigte, gleichfalls wegen jener Unbestimmtheit, in jedem Moment des Kalendertags Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. behaupten kann, daß er noch zu rechter Zeit klage Man könnte in beiden Fäl- len die Regel umkehren wollen, indem bey der Usucapion der bis- herige Eigenthümer sein Recht ver- liert, bey der Klagverjährung der Schuldner eine Exception erwirbt. Allein die Rücksicht auf diese Per- sonen ist offenbar eine unterge- ordnete, so daß die Rechtsregel unmittelbar nicht an sie gerichtet ist, sondern an ihre Gegner, de- ren Thätigkeit oder Unthätig- keit Grund einer Rechtsänderung seyn soll. . — So ist es in den gewöhnlichen Fällen, worin eine Rechts- regel den Ablauf eines Zeitraums als Bedingung einer Rechtsänderung ausdrückt; ist dagegen die Bedingung aus- drücklich auf die Überschreitung des Zeitraums gestellt, so muß stets die nachfolgende Mitternacht angenommen werden (auch wo vom Erwerb eines Rechts die Rede ist), weil, eben wegen der Untheilbarkeit des Kalendertags, erst am folgenden Tag die Überschreitung des Zeitraums behauptet werden kann Auf den ersten Blick möchte man geneigt seyn, diese letzte Un- terscheidung als allzu subtil zu ver- werfen; allein gerade hierüber sind die Stellen der alten Juristen am wenigsten zweifelhaft. L. 1 de manumiss. (40. 1.) „non enim majori XX. annis permitti ma- numittere, sed minorem manu- mittere vetari: jam autem mi- nor non est, qui diem supre- mum agit anni vicesimi.” (Hätte also die lex von einem major ge- sprochen, so würde der folgende Tag gefordert worden seyn). L. 66 de V. O. (45. 1.) „quia de mi- nore lex loquitur.” L. 3 de j. immun. (50. 6.). „Majores LXX. annis a tutelis et muneribus va- cant .. non videtur major esse LXX. annis, qui annum agit septuagesimum.” Vergl. L. un. C. qui aetate (5. 68.), L. 3 C. qui aetate (10. 49.), L. 2 pr. de excus. (27. 1.). . Von der hier versuchten Grundlegung der civilen Zeit- rechnung weicht die gewöhnliche gänzlich ab. Diese läßt sich auf folgende Sätze zurück führen, worin wenigstens §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. die Meisten übereinstimmen, wenngleich auch mancherley Abweichungen vorkommen. In vielen Fällen, sagt man, wird die Zeit auf die besondere Weise berechnet, daß der letzte Zeittheil, wenn er nur angefangen ist, schon als vollendet angesehen wird. Diese anomalische Zeitrechnung heißt civilis computatio, die regelmäßige naturalis. — Über die Begränzung der Fälle, worin die eine oder die andere Rechnung gelten soll, sind die Meynungen so ab- weichend, daß sich etwas Gemeinsames hierin nicht ange- ben läßt. Aus dieser Aufstellung der Begriffe ist es einleuchtend, daß nur zweyerley Rechnungsarten als wirklich vorkom- mend vorausgesetzt werden: die, worin der juristische End- punkt mit dem mathematischen zusammen trifft, und die worin er rückwärts gelegt, der Zeitraum selbst also ab- gekürzt wird. Schon hier aber, und vor der Prüfung der über die Sache selbst entscheidenden Quellenzeugnisse, sind dieser Auffassung folgende Bemerkungen entgegen zu stellen. Indem der Begriff der civilis computatio so ab- stract aufgestellt wird In dieser abstracten Weise wird der Begriff namentlich an- gegeben von Koch S. 21. , scheint sie eben sowohl auf das letzte Jahr und den letzten Monat, als auf den letzten Tag, anwendbar zu seyn, und in der That ist dieses von Manchen behauptet worden, obgleich die Meisten sich doch auf den letzten Tag beschränken Bey den Ehrenstellen in Municipien galt die Regel, daß der Eintritt in das 25ste Le- bensjahr, nicht dessen Vollen- dung , erfordert werde. L. 8 de . Schon dadurch aber IV. 23 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. verschwindet aller feste Boden für diese Anomalie, indem die oben als einzige Veranlassung aufgestellte Schwierig- keit in der Ermittlung der kleineren Zeittheile nun als Er- klärungsgrund ganz wegfällt. Und in der That scheinen auch die Meisten in der ganzen Sache etwas blos Will- kührliches zu sehen, eine Art von Milde und Großmuth gegen Den, welchem ein Theil der vorgeschriebenen Zeit erlassen werden soll. Da aber diese Milde augenscheinlich auf Kosten des Gegners ausgeübt wird, welcher dabey eben so viel verliert, als der Beschenkte gewinnt, so ist dieser Erklärungsgrund ganz unhaltbar, ja es muß jede Erklärung überhaupt verworfen werden, die über die Be- trachtung der letzten Tage hinausgeht. Wollte man auch die Wendung versuchen, daß die Abkürzung nicht als groß- müthige Begünstigung Eines Theils gelten solle, sondern als Verbesserung eines durch frühere Rechtsregeln zu lang bestimmten Zeitraums, so wäre auch damit wenig gewon- nen. Denn die Abkürzung um einen halben Tag, oder auch (wie die Meisten wollen) um anderthalb Tage, ist eine so kleinliche, daß man den Gesetzgebern oder Juristen wenig Ehre anthut, indem man ihnen die Absicht einer solchen Verbesserung zuschreibt. Besondere Aufmerksamkeit aber verdienen gleich hier die muner. (50. 4.), L. 74 § 1 ad Sc. Treb. (36. 1.). Das war eine ganz isolirte Regel, die mit der Frage von der civilen Zeitrech- nung durchaus keinen inneren Zu- sammenhang hatte. Es war die Folge des Ausdrucks, dessen sich gerade eine bestimmte Lex be- diente. §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. angewendeten Kunstausdrücke, an welchen bisher fast gar kein Anstoß genommen worden ist. Wir haben überhaupt nur folgende Stellen, die zur Bildung einer quellenmäßi- gen Terminologie benutzt werden können: L. 3 § 3 de minor. (4. 4.). „Minorem .. videndum an .. dicimus ante horam qua natus est … ita erit dicendum, ut a momento in momentum tempus spectetur.” L. 6 de usurp. (41. 3.). „In usucapionibus non a mo- mento ad momentum, sed totum postremum diem computamus.” L. 134 de V. S. (50. 16.) quia annum civiliter, non ad momenta temporum, sed ad dies numeramus.” Die einzige bestimmte und ziemlich gleichförmige Ter- minologie in diesen Stellen ist die a momento in (ad) mo- mentum tempus spectare (computare), oder ad momenta temporum annum numerare, welche Rechnungsart in dem Fall der ersten Stelle gebilligt, in den zwey folgenden Fällen verworfen wird. Die Bedeutung dieses Kunstaus- drucks kann nicht bezweifelt werden: es ist die Zeitrech- nung mit Beachtung der kleinsten Zeittheile, so daß (wie die erste Stelle ausdrücklich sagt) auf die einzelne Stunde im Tag gesehen wird; also das was ich das Zusammen- fallen des juristischen Endpunktes mit dem mathematischen genannt habe. Der Gegensatz davon heißt totum postre- mum diem computare, oder ad dies annum numerare, also die kleineren Zeittheile unbeachtet lassen, und nur 23* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nach ganzen Tagen rechnen, als ob die Tage untheilbare Zeit- stücke wären: bey welchem Ausdruck es vorläufig noch un- bestimmt bleibt, ob durch dieses Verfahren der Zeitraum verkürzt oder ausgedehnt werden soll. — Offenbar also kommen die Ausdrücke civilis und naturalis computatio gar nicht vor, und blos in dem Ausdruck civiliter nume- rare liegt Etwas, das ihnen einigermaßen ähnlich sieht, und das unsre Schriftsteller sehr willkührlich zu jener Ter- minologie ausgebildet haben Der Ausdruck annus civi- lis bey Macrob . saturn. I. 14 bezeichnet das von Cäsar neu ein- gerichtete Kalenderjahr, und ge- hört also eben so wenig hierher, als der Ausdruck dies civilis (§ 180. b ). Dagegen steht aller- dings civilis annus in der Über- schrift von Gellius III. 2 in Be- ziehung auf die besondere Zeit- rechnung, wovon hier die Rede ist; allein diese Überschriften kön- nen nicht als quellenmäßige Zeug- nisse gelten, und identisch mit der Terminologie unsrer juristischen Schriftsteller ist dieser Ausdruck ohnehin nicht. — Ich habe den Ausdruck civile Zeitrech- nung gewählt, um auf der ei- nen Seite für die an den bisher herrschenden Sprachgebrauch Ge- wöhnten verständlich zu bleiben, auf der anderen Seite aber durch Vermeidung der lateinischen Form nicht mehr dem Irrthum Nah- rung zu geben, als ob diese Form in den Quellen als Kunstausdruck vorkäme. . Diese aber ist wichtiger, als sie auf den ersten Blick scheint, und hat von jeher die unbefangene Kritik sehr zurück gedrängt. Denn aus die- sen beiden Theilungsgliedern schien von selbst hervorzuge- hen, daß es außer der Rechnung ad momenta nur noch die einzige gebe, die man sich einmal gewöhnt hatte als civilis computatio anzusehen, und die durch diesen ver- meyntlichen Kunstausdruck als ein einfacher, ausschließen- der Begriff fixirt worden war, nämlich diejenige Rech- nungsart, wodurch der Zeitraum verkürzt wird; ferner §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. führte der Name naturalis computatio unvermerkt dahin, diese Rechnungsart als die regelmäßige anzusehen, die überall eintreten müsse, wo nicht eine Ausnahme besonders nachgewiesen werden könne. Alle diese Ansichten also hat- ten sich auf die angegebene unkritische Weise vor aller Untersuchung festgesetzt, und so konnte eine unbefangene Auslegung der entscheidenden Stellen, worauf am Ende Alles ankommt, kaum erwartet werden. Der hier angegebene ächte Kunstausdruck ist auch noch in folgender Beziehung von Wichtigkeit. Offenbar wird hier der Ausdruck non a momento völlig gleichbedeutend gebraucht mit civiliter. Dieses aber deutet darauf hin, daß der Begriff des civiliter durch die bloße Negation der Momentenrechnung erschoͤpft wird. Schon daraus folgt aber, daß die civile Berechnung nur auf die nächst- liegende Mitternacht führen kann, nicht auf eine entfern- tere, weil die Annahme dieser letzteren über die Negation des momentum weit hinaus gehen würde. Diese Betrachtungen können über die hier vorkommen- den Fragen nicht entscheiden, sondern nur die Entscheidung vorbereiten, welche selbst aus einer sorgfältigen Betrach- tung der diesen Gegenstand betreffenden Stellen des Rö- mischen Rechts hervorgehen muß. Damit aber deren Aus- legung eine kritische Grundlage erhalte, muß noch die Er- örterung von zwey wesentlichen Vorfragen unternommen werden. In mehreren, und gerade den wichtigsten Stellen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. werden wir verwiesen bald auf den letzten Tag eines Zeitraums, bald auf Tage die durch Ordinalzahlen be- zeichnet werden; dabey entstehen nun folgende Fragen: Erstlich, welcherley Tage sind in solchen Stellen gemeynt, bewegliche oder Kalendertage? Zweytens, wie ist in den- jenigen Stellen, worin Ordinalzahlen vorkommen, die Zäh- lung zu verstehen? Was nun die erste Frage betrifft, die sowohl bey dem (in mehreren Stellen erwähuten) letzten Tag, als bey den (in anderen Stellen) mit Zahlen bezeichneten Ta- gen, vorkommt, so könnten an sich unter dem Ausdruck dies eben so wohl bewegliche als Kalendertage verstanden seyn. So bey der Erwähnung des letzten Tages Die Stellen, worin der letzte Tag vorkommt, sind über- haupt folgende: supremus dies. L. 1 de manumiss. (40. 1.). — postremus. L. 6 de usurp. (41. 3). — novissimus. L. 15 pr. de div. temp. praescr. (44. 3.) und L. 6 de O. et A. (44. 7.). — ex- tremus. L. 132 pr. de V. S. (50. 16.). . Fiele also z. B. der mathematische Endpunkt in den Mittag eines 2. Januars, so wäre postremus dies die Zeit vom Mittag des 1. bis zum Mittag des 2. Januars. Daß nun aber diese Zeit nicht gemeynt ist, folgt unwidersprechlich aus einigen der angeführten Stellen, worin geradezu eine Mit- ternacht (und zwar die vorhergehende) als Anfangspunkt des letzten Tages angegeben wird, welches den Gedanken an den beweglichen Tag ausschließt Dieses gilt von den drey ersten der in der vorigen Note angeführten Stellen; die erste ( L. 1 de manum. ) erwähnt selbst unmittelbar vorher die Mitter- nacht, für die zwey folgenden ist . Dasselbe sind wir §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. berechtigt auf die übrigen, in dieser Hinsicht weniger be- stimmten Stellen zu übertragen. Auch wird diese Ausle- gung für alle Stellen durch die innere Wahrscheinlichkeit bestätigt. Denn auf diesem Wege allein ist der oben dar- gestellten praktischen Schwierigkeit zu begegnen, die der einzige begreifliche Grund ist, den Ablauf eines Zeitraums durch positives Recht zu modificiren. Auch sind ja alle solche Stellen Anweisungen für unser Verfahren; es ist aber gewiß natürlicher anzunehmen, daß wir für die Beur- theilung einzelner Fälle auf die Beachtung von Kalender- tagen verwiesen werden, welche Gegenstände unmittelbarer, sinnlicher Wahrnehmung sind, als von beweglichen Tagen, die erst künstlich und durch schwierige Beweise untersucht und begränzt werden müssen. Ist nun also der postremus dies ein Kalendertag, so kann es kein anderer seyn als der, in welchen der mathematische Endpunkt fällt, welcher also nur noch theilweise dem vorgeschriebenen Zeitraum angehört, indem er theils vor theils hinter dem mathema- tischen Endpunkt liegt. Diese Erklärung des extremus dies wird nun noch sehr unterstützt durch die ganz ähn- liche Bedeutung, worin bei einer andern Rechtslehre der extremus annus vorkommt. Bey der Dos ist es Regel, daß die in der Ehe entstandenen Früchte dem Mann ge- hören, die späteren der Frau oder ihren Erben. Zur An- wendung dieser Regel auf Feldfrüchte werden, von dem es durch die Vergleichung mit L. 7 de ursurp. (41. 3.) unzwei- felhaft. (Die Stellen selbst sind im § 183 abgedruckt). Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Anfangstag der Ehe an, Ehejahre gerechnet; wird diese Rechnung weit genug fortgesetzt, so kommt man zuletzt auf ein solches Jahr, in dessen Lauf die Trennung eintrat, dieses Jahr heißt extremus oder novissimus annus, und dessen Fruchtertrag soll unter dem Mann und der Frau nach Verhältniß der Zeit getheilt werden L. 31 de pactis dot. (23.4.), L. un. § 9 C. de r. u. a. (5. 13); anderwärts heißt es der annus quo divortium factum est. L. 5 L. 7 § 3 L. 11 sol. matr. (24. 3.), Paulus. II. 22 § 1. . Wie nun hier extremus annus das nur noch theilweise der Ehe ange- hörende Jahr heißt, in dessen Umfang die Trennung der Ehe liegt, so heißt in unsrer Lehre extremus dies der Kalender- tag, der nur noch theilweise dem vorgeschriebenen, bis zu seinem mathematischen Endpunkte ( ad momentum ) fortge- führten Zeitraum angehört. Dasselbe nun, was hier für den letzten Tag ausgeführt worden ist, muß auch für die mit Zahlen bezeichneten Tage gelten, so daß auch sie als Kalendertage, nicht als beweg- liche, zu verstehen sind Dahin gehören folgende Stellen: L. 30 § 1 ad L. J. de adult. (48. 5.) sexagesimus. — L. 101 de R. J. (50. 17.) sexa- gesimo et primo. — L. 1 § 8. 9. de succ. ed. (38. 9.) und L. 2 § 4 quis ordo (38. 15.) cen- tesimus. — L. 134 de V. S. (50. 16.) trecentesimo sexage- simo quinto. . Dafür spricht theils die Ana- logie der Stellen vom postremus dies Diese Analogie ist nicht blos im Allgemeinen einleuchtend, sondern in einem der angeführ- ten Fälle unabweisbar. Denn derselbe Tag, welcher in L. 132 de V. S. extremus genannt wird, heißt in L. 134 de V. S. trecen- tesimus sexagesimus quintus, und beide Stellen haben sogar denselben Verfasser. , theils die eben nachgewiesene innere Wahrscheinlichkeit, die hier wie dort §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. gleiches Gewicht hat; noch weit entscheidender aber der Umstand, daß in einer der Stellen, worin gezählte Tage vorkommen, zugleich die Rechnung ad momenta ausdrück- lich abgewiesen, und die nach Kalendertagen anerkannt wird L. 134 de V. S. (50. 16.), vgl. unten § 184. — Da in die- ser Stelle die Momentenrechnung ausdrücklich abgewiesen wird, so kann das incipiente die unmög- lich anders als von dem Anbruch eines Kalendertags verstanden werden, woraus aber unmittelbar folgt, daß auch der durch die Zahl bezeichnete Tag ein Kalendertag seyn muß. . Und so können wir also schon hier, in dieser allgemeinen Vorbetrachtung, mit Bestimmtheit behaupten: überall, wo von der genauen mathematischen Wahrheit eines Zeitraums abgewichen wird, ist stets eine Mitternacht, also die Gränze eines Kalendertags, als juristischer End- punkt anzusehen Die Stellen, welche auf Mitternacht verweisen, sind über- haupt folgende: Gellius. III. 2, L. 7 de usurp. (41. 3), L. 1 de manumiss. (40. 1.), L. 5 qui test. (28. 1.). — Alle diese Stellen übri- gens, die hier nur unter beson- deren Gesichtspunkten zusammen gestellt worden sind, werden an ihrem Ort nochmals und ausführ- licher erwogen werden. . Ganz verschieden von der bisher abgehandelten Frage ist die andere, wie in den Stellen, die den Ablauf eines Zeitraums nach Zahlen bestimmen (Note l ), die Zählung verstanden werden soll Über diese schwierige Frage werden hier nur kurz die Resul- tate angegeben; die Untersuchung selbst, die den Zusammenhang an dieser Stelle zu sehr unterbrochen haben würde, findet sich in der Beylage XI. . Es giebt nämlich eine zwey- fache Art, wie Ordinalzahlen überhaupt, und besonders bey Zeiträumen, von den Römern angewendet werden, in- dem dasjenige Stück (z. B. der Tag), von welchem die Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Zählung ausgeht, bald mitgezählt wird, bald auch nicht. Da nun hierin erweislich der Sprachgebrauch der Römer schwankend ist, so sind wir berechtigt, in jeder Stelle, worin eine solche Zählung vorkommt, denjenigen Sprach- gebrauch anzuwenden, wodurch sie den durch andere Gründe gerechtfertigten Regeln accommodirt wird; alle diese Stel- len also sind als neutrales Gebiet zu betrachten, und mit keiner derselben für sich kann der Beweis für irgend eine Ansicht geführt werden. Insbesondere dürfen wir diese Zweydeutigkeit des Sprachgebrauchs zu dem Zweck gel- tend machen, um scheinbare. Widersprüche zwischen Stellen der alten Juristen aufzulösen. Bevor ich zur Untersuchung der einzelnen Fälle über- gehe, worin die civile Zeitrechnung vorkommt, will ich noch folgende Betrachtung vorausschicken. Es ist nicht durchaus nothwendig, daß die Römer bey der Behandlung dieses Gegenstandes verständig zu Werk gegangen sind; ihr Verfahren kann gedankenlos, willkührlich, voll von Wi- dersprüchen gewesen seyn, sie können sich in eine unnütze Speculation über einen Gegenstand des täglichen Lebens, des praktischen Bedürfnisses, verwickelt haben: das Alles ist möglich. Wenn es uns aber gelingt, ihre Aussprüche so auszulegen, daß diese Vorwürfe von ihnen entfernt wer- den, daß Zusammenhang, Einfachheit, Zweckmäßigkeit in ihrem Verfahren erscheint, so ist dieses Ergebniß nicht nur an sich wünschenswerth, sondern auch dem Geist ent- §. 182. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. sprechend, den wir in ihrer Behandlung so vieler anderen Rechtslehren wahrnehmen. Ich will noch die Übersicht der folgenden einzelnen Un- tersuchungen dadurch zu erleichtern suchen, daß ich die Re- sultate derselben gleich hier in wenigen Worten zusammen stelle. Es ergiebt sich, wie ich glaube, daß fast überall der juristische Endpunkt eines Zeitraums von dem mathe- matischen getrennt worden ist; man hat denselben bald in die vorhergehende, bald in die nachfolgende Mitternacht gelegt, ganz nach den Gründen, die oben durch allgemeine Betrachtung für eine solche verschiedene Behandlung dar- gelegt worden sind. In einem einzigen Fall ist der mathe- matische Endpunkt (das momentum temporis ) zugleich als juristischer beybehalten worden, bey der Minderjährigkeit als Bedingung der Restitution. Von dieser Lehre nun weicht die bisher von unsren Schriftstellern aufgestellte mehr oder weniger ab. Etwas Gleichförmiges läßt sich hier nicht angeben, doch stimmen die Meisten in folgenden Punkten überein. Sie gehen bey der civilen Zeitrechnung großentheils nicht blos auf die nächste Mitternacht vor dem mathematischen Endpunkt zu- rück, sondern auf die zweyte. In anderen Fällen, worin ich die nachfolgende Mitternacht als Endpunkt annehme, setzen sie an deren Stelle den mathematischen Endpunkt selbst, so daß sie der Rechnung ad momenta eine weit größere Ausdehnung geben, als von mir geschieht. Dage- gen ist mir kein Schriftsteller bekannt, der den juristischen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Endpunkt um volle 24 Stunden vor den mathematischen legte, obgleich dieses Verfahren nach den von Vielen aus- gesprochnen allgemeinen Begriffen und Grundsätzen aller- dings consequent wäre Koch S. 26. 91 hat die eigenthümliche Ansicht, die wahre civilis computatio müsse eigent- lich um 24 Stunden vor dem ma- thematischen Endpunkt zurückge- hen; er fügt aber hinzu, die Rö- mischen Juristen hätten diese nie anerkannt, sondern irrigerweise zuerst die auf diesen (eigentlich richtigen) Endpunkt folgende Mit- ternacht, dann die vorhergehende, angenommen. Diese letzte An- nahme sey das neueste, allein gel- tende Recht. . §. 183. VI. Die Zeit. 3. Civile Zeitrechnung . (Fortsetzung). Unter den einzelnen Fällen treten zuerst solche hervor, in welchen durch Zeitlauf ein Recht erworben wird. A. Usucapion . Dasjenige Rechtsverhältniß, bey welchem wir die reich- haltigsten Nachrichten über die Zeitberechnung haben, ist die Usucapion . Wir besitzen darüber eine, von späte- ren Schriftstellern aufbewahrte, Stelle des alten Q. Mucius Scävola, eine von Venulejus, zwey von Ulpian. Die Stelle des Scävola ist erhalten bey Gellius ( III. 2) und bey Macrobius ( Saturn. I. 3). Der letzte hat sie wahrscheinlich nur aus dem ersten genommen, so daß er blos zur Berichtigung des Textes von Gellius benutzt wer- den kann. Sie lautet nun bey Gellius in berichtigtem Text Ich will hier nicht durch solche kritische Zweifel zerstreuen, die bey dieser Stelle auf die hier vorliegende Frage gar keinen Ein- also. §. 183. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) Q. quoque Mucium Ic. dicere solitum legi, Lege non isse usurpatum mulierem, quae Kalendis Januariis apud virum causa matrimonii esse coepisset, et ante diem quartum Kalendas Januarias sequentes usurpatum isset. Non enim posse impleri trinoctium, quod abesse a viro usurpandi causa ex XII tabulis deberet: quoniam ter- tiae noctis posteriores sex horae alterius anni essent, qui inciperet ex Kalendis. Nach den Zwölf Tafeln sollte durch jede gewöhnliche Ehe, wenn sie Ein Jahr lang ununterbrochen fortdauerte, die Frau in die manus des Mannes kommen, und dieses wird ausdrücklich auf den Grundsatz der einjährigen Usu- capion beweglicher Sachen zurück geführt. Eine Unter- brechung dieser Usucapion sollte nur dann angenommen werden, wenn die Frau wenigstens drey vollständige Nächte jedes Jahres außer dem Hause des Mannes zubrächte Gajus I. § 111, wo es ins- besondere heißt: „velut annua possessione usucapiebatur. ” . Scävola nun beurtheilt einen Rechtsfall, der durch fol- gende Tafel anschaulich werden wird: 28. Dec. 29. Dec. 30. Dec. 31. Dec. 1. Jan. V. Kal. Jan. IV. Kal. Jan. III. Kal. Jan. pridie Kal. Jan. Kal. Jan. Die Frau war an einem 1 Januar in die Ehe getreten und am 29 December Allerdings hatte Scävola das ältere Jahr von 355 Tagen, und einen December von 29 Ta- gen ( Macrob. Sat. I. 13. 14.) desselben Jahres aus dem Hause fluß haben. Das Material findet sich theils in den Noten zu Gel- lius, theils bey Erb S. 213 fg. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gegangen, in der Meynung, dadurch das trinoctium zu beobachten, und die Entstehung der manus zu verhindern. Darin aber irrt sie, sagt Scävola, denn das Usucapions- jahr ist schon vollendet mit der Mitternacht, womit der nachfolgende 1. Januar anfängt, also gehört die zweite Hälfte der dritten Nacht nicht mehr dem ersten Jahr der Ehe an, so daß sie nur drittehalb Nächte desselben abwe- send war, welches nach dem Gesetz nicht hinreicht. Sie hätte also (will Scävola sagen) schon den 28. December ausziehen müssen, um ihren Zweck zu erreichen. Diese Stelle nun ist die einzige, unter allen die wir besitzen, welche durchaus unzweydeutig ist, also keinem scheinbaren Zwar meynt Reinfelder S. 170, der Ausdruck ante diem IV. könne auch wohl eine dem d. IV. (29. Dec.) vorherge- hende Zeit, nicht diesen Tag selbst, bezeichnen; allein diese Ein- wendung ist völlig unhaltbar. Denn theils ist die Römische Bedeutung des ante diem IV. für ipso die IV. völlig zweifellos (§ 180. e ), theils würde Reinfelder Nichts gewinnen, wenn man auch an- nehmen wollte, das ante sey hier nicht in dem eigenthümlich Rö- mischen Sinn, sondern nach der allgemeinen Wortbedeutung ge- braucht. Denn nun würde Scä- vola sagen, es helfe der Frau Nichts, wenn sie in irgend einer Zeit vor dem 29. Dec. ausziehe, welches doch widersinnig wäre; zu Reinfelders Meynung würde es nur passen, wenn Scä- vola das Ausziehen gerade am nächstvorhergehenden Tage (also am 28. Dec.) für ungenügend er- Zweifel Raum läßt. Sie sagt ganz klar, vor Augen, so daß für ihn der d. IV. Kal. Jan. nicht, wie bey uns, der 29., sondern der 27. De- cember war. Das macht aber hierin keinen Unterschied, denn die Stellung des von ihm bezeich- neten Tages gegen die folgenden Kalendae bleibt bey dieser Ver- schiedenheit unverändert, so daß sein Ausspruch für den Juliani- schen Kalender, sowohl im Sinn als im Ausdruck, ganz derselbe seyn mußte, wie unter der Herr- schaft des früheren Kalenders. §. 183. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) daß das Ende der Usucapion nicht mit dem mathemati- schen Endpunkt ( ad momenta ) eintritt, welches irgend ein Zeitpunkt im Lauf des 1. Januars seyn würde, sondern genau in der unmittelbar vorhergehenden Mitternacht: also weder in der nachfolgenden Mitternacht, noch in der vor- letzten Mitternacht, durch welche die Usucapion mit dem Schluß des 30. Decembers ablaufen würde. Es wird also hier ganz unzweydeutig diejenige Bedeutung der civilen Zeitrechnung anerkannt, welche oben (§ 182) nach allgemei- ner Betrachtung für alle Fälle dargelegt worden ist, worin der Ablauf eines Zeitraums die Rechtserwerbung an fort- gesetzte Thätigkeit knüpft; gerade diese Rechtsänderung aber ist es, die bey jeder Usucapion eintritt, indem der fortge- setzte Besitz dem Besitzer das Eigenthum (hier die ma- nus ) giebt. L. 15 pr. de div. temp. praescr. (44. 3.). (Venulejus lib. V. Interd.) In usucapione ita servatur, ut, etiamsi minimo momento novissimi diei possessa sit res, ni- hilominus repleatur usucapio, nec totus dies exigitur ad explendum constitutum tempus. Novissimus dies heißt derjenige Kalendertag, in welchen der mathematische Endpunkt der Usucapion fällt (§ 182); also, bey einer am 1. Januar angefangenen Usucapion, irgend ein künftiger 1. Januar, je nach der kürzeren klärte, diesen Sinn aber kann doch das ante auf keine Weise ausdrücken. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. oder längeren Dauer der Usucapion. Daher will Venule- jus sagen: die Usucapion gilt als vollendet gleich im er- sten Anfang des letzten Kalendertages, nicht erst am Ende desselben. Diese Negation geht also auf die nachfolgende Mitternacht, an die man etwa denken könnte, nicht auf das momentum (den mathematischen Endpunkt), das hier gar nicht erwähnt wird, aber durch den ersten affirmati- ven Satz völlig und unzweifelhaft ausgeschlossen ist. L. 6 de usurp. (41. 3.). Ulp. lib. XI. ad. Ed. L. 7 de usurp. (41. 3.). Ulp. lib. XXVII. ad Sab. In usucapionibus non a momento ad momentum, sed totum postremum diem computamus. — Ideoque qui hora sexta diei Kalendarum Januariarum possidere coepit, hora sexta noctis pridie Kalendas Januarias implet usucapionem. Es ist zuvörderst zu bemerken, daß das erste dieser Fragmente zur Edictsmasse, das zweyte zur Sabinusmasse gehört, und daß das zweyte nach der allgemeinen Verthei- lung der Massen gar nicht an dieser Stelle stehen sollte, sondern, offenbar seines Inhalts wegen, ausnahmsweise dahin gesetzt worden ist Bluhme über die Ord- nung der Fragmente in den Pan- decten, Zeitschrift für geschichtl. Rechtswiss. B. 3 S. 465 mit der dazu gehörenden dritten Tabelle. . Daraus, so wie aus dem verbindenden Ideoque, folgt daß beide Stellen in einem inneren Zusammenhang stehen, und gerade so anzusehen §. 183. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) sind, als ob es zusammenhängende Sätze einer und dersel- ben Stelle wären. Die erste Stelle nun sagt: Bei der Usucapion rechnen wir nicht mit Beachtung der (in den letzten Kalendertag fallenden) kleineren Zeittheile, sondern wir nehmen den letz- ten Kalendertag als ein (untheilbares) Ganzes, welches daher in jedem seiner wirklichen einzelnen Theile schon als vollendet gelten muß Mit dieser Erklärung des totum postremum diem stimmen überein Donellus § 2, Rücker p. 20, Unterholzner S. 303. — Erb S. 199 (der außerdem die von der Usucapion handelnden Stellen richtig ansieht) erklärt das totum postremum so: den letz- ten Tag, der noch als ein gan- zer in die Usucapionszeit fällt, also den 31. Dec.; dessen Ablauf sey hier bezeichnet. Das Resul- tat ist bey ihm dasselbe wie das meinige, aber seine Worterklärung ist gezwungen und verwerflich. . Wer also (fährt die zweyte Stelle fort) in der sechsten Tagesstunde eines 1. Januars zu besitzen anfängt, vollendet (in einem folgenden Jahr) die Usucapion in einer dem 31. December angehörenden sechsten Nachtstunde. Die hora sexta noctis ist die der Mitternacht unmittel- bar vorhergehende Stunde Es ist die Stunde, die an den Äquinoctien genau unsrer Mitternachtsstunde (von 11 — 12 Uhr) entspricht. In der Neujahrs- nacht hat diese hora sexta der Römer eine merklich größere Aus- dehnung, so wie die folgende hora sexta diei eine merklich kleinere. . Hier muß nun offenbar im Sinn Ulpians hinzugedacht werden: completa oder exacta, so daß die Usucapion zu Ende geht nicht etwa am Anfang, oder in der Mitte, sondern genau am Schluß der erwähn- ten Stunde In demselben Sinn sagt Gellius III. 2 „diem .. civi- lem .. a sexta noctis hora oriri,” . Es ist also nur eine umschreibende Be- IV. 24 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zeichnung derjenigen Mitternacht, die den 31. December vom 1. Januar scheidet, und da zur Bezeichnung dieser Mitter- nacht die derselben vorhergehende, durch sie begränzte, Stunde gebraucht ist, so mußte wohl gesagt werden pridie, indem diese Stunde, als ein ausgedehntes Zeitstück, ganz dem 31. December angehört Man könnte unmittelbar verbinden wollen noctis pridie Kal., so daß schlechthin als nox pridie Kal. diejenige Nacht, die halb dem 31. Dec., halb dem 1. Jan. angehört, bezeichnet würde, indem sie in dem 31. Dec. ihren Anfang nimmt; etwa so wie wir das Wintersemester 1839 dasjenige Semester nennen, welches 1839 anfängt und 1840 endigt. Für diese Bezeichnung spricht der Um- stand, daß ganz gewöhnlich das Geschäft oder die Geselligkeit eines Tages bis weit in die Nacht fort- gesetzt wird, so daß also die Nacht als Fortsetzung und Theil des vorhergehenden Tages betrachtet werden kann. — Allein es ist nicht nöthig, zu dieser Behauptung Zu- flucht zu nehmen, da wenigstens die hora sexta noctis ganz und unzweifelhaft dem pridie ange- hört, wenn darauf die Kalendae folgen. Noch anschaulicher wird Dieses durch folgende Paraphrase der Stelle des Ulpian: „Die Usu- capion ist vollendet mit dem Ab- lauf der dem 31. December ange- hörenden Nachtstunde von 11 — 12 Uhr.” . Ulpian will also sagen: die Usucapion ist zu Ende mit derjenigen Mitternacht, durch welche die letzte Stunde des 31. Decembers (und so- mit dieser 31. December selbst) geendigt wird. Er hätte eben so gut sagen können: sie ist zu Ende im ersten Augen- blick des 1. Januars — und durch diese Art des Ausdrucks würde er auch wörtlich mit Vennlejus übereingestimmt haben. Der Gedanke beider Juristen ist voͤllig derselbe. Nach der hier gegebenen Erklärung stehen alle einzelne Stellen über die Berechnung der Usucapionszeit in voll- wo auch completa hinzugedacht werden muß. Vgl. Donellus § 3. Unterholzner S. 303. §. 183. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) kommner Üebereinstimmung. Sie ist auch nicht neu, son- dern mehrere Schriftsteller haben sie bereits auf befriedi- gende Weise vorgetragen So Erb S. 191 fg. S. 213 fg. und Unterholzner S. 301 fg. . Abweichend davon nehmen Andere an, der Inhalt dieser Stellen sey verschieden. So sagt Koch , der die Stelle des Scävola nicht kennt, die aͤlteren Juristen, wozu er den Venulejus rechnet, wären auf die nächstvorhergehende Mitternacht zurückgegangen, Marcian und Ulpian noch um 24 Stunden weiter zurück, Beides eigentlich irrig; aber diese letzte Meynung, sey als die geltende zu betrachten, weil sie die neueste sey Koch S. 78—94, vgl. oben § 182. q. . Diese Grundansicht von einer fortschreitenden Entwicklung der ganzen Lehre ist nachher in folgender Weise weiter aus- gebildet worden. Das praktische Bedürfniß sey allerdings völlig befriedigt, wenn man nur bis auf die nächste Mit- ternacht zurück gehe, führe also nicht weiter. Die feinere Wissenschaft aber sey mit tieferem Gedanken in die Sache eingedrungen, und dadurch um volle 24 Stunden weiter zurück geführt worden. Denn wenn man den Grundge- danken der Behandlung des Kalendertages als eines un- theilbaren Zeitelements consequent durchführe, so müsse man annehmen, der im Lauf des 1. Januars erworbene Besitz sey schon mit dessen Anfang erworben. Dann fange die Usucapion an mit dem Anbruch des 1. Januars, und ihr letzter Tag sey der 31. December. Da aber dieser gleichfalls untheilbar sey, folglich alle in denselben fallende 24* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Zeitpunkte einander gleich ständen, so werde die Usucapion geendigt mit dem Anbruch des 31. Decembers, und dieser sey der postremus oder novissimus dies. Scävola’s Be- rechnung des trinoctium sey keine Widerlegung, denn erst- lich könne er das ante diem anders verstanden haben, als man es gewöhnlich nehme, und zweytens sey er noch nicht von dem erwähnten tiefen Gedanken feinerer Wissenschaft durchdrungen gewesen Reinfelder S. 11 — 16 S. 166 — 170. — In dieser Ab- weisung des Scävola, als eines älteren Juristen dem kein Gewicht beyzulegen sey, stimmt mit ihm überein Löhr , Archiv B. 11 S. 422. 423. . — Der Fehler dieser Ansicht ist schon oben (§ 182) angedeutet worden. Es wird hier ganz ohne Grund dasjenige, was bloße Aushülfe für ein rein praktisches Bedürfniß ist, in einen tiefen wissenschaftli- chen Gedanken verwandelt, aus diesem dann weiter gefol- gert, und das daraus hervorgehende Resultat den Römischen Juristen untergeschoben. Diese sind weit entfernt, die künstliche Behandlung des Kalendertages auch auf den Anfang eines juristischen Zeitraums anzuwenden, wo sie nicht nöthig ist; sie erwähnen sie nur bey dem novissimus dies. Wäre nicht mit der Berechnung ad momenta eine sehr lästige Schwierigkeit der Ausführung verbunden, so würden sie nie daran gedacht haben, sie zu verlassen; eben deshalb aber konnte es ihnen auch nicht einfallen, sich weiter von ihr zu entfernen, als für die Entfernung jener Schwierigkeit durchaus nöthig war. §. 183. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) B. Manumissionsfähigkeit . L. 1 de manumiss. (40. 1.). (Ulpian. lib. VI. ad Sab.). Placuit eum, qui Kalendis Januariis natus, post (ho- ram) sextam noctis pridie Kalendas quasi annum vicesimum compleverit, posse manumittere: non enim majori XX. annis permitti manumittere, sed mino- rem manumittere vetari: jam autem minor non est, qui diem supremum agit anni vicesimi. Die Lex Aelia Sentia hatte Jedem, der noch nicht Zwanzig Jahre alt war, die uneingeschränkte Freylassung seiner Sklaven untersagt; es fragte sich nun, mit welchem Tage dieses Verbot aufhöre. Von der Beantwortung die- ser Frage konnte die Gültigkeit einer wirklich vorgenom- menen Freylassung, folglich die Freyheit und das Bürger- recht eines Menschen, abhängen. Ulpians Ausspruch läßt sich so wieder geben: Es ist anerkannt worden, daß der an einem ersten Ja- nuar Geborene gleich nach Ablauf der dem 31. Decem- ber angehörenden sechsten Nachtstunde gültig freylassen kann, wie wenn er in dieser Zeit das zwanzigste Jahr schon vollendet hätte: denn das Gesetz fordert nicht, daß der, welcher frey lassen will, älter als zwanzig Jahre, sondern nur daß er nicht jünger sey Dieser Theil der Stelle wird noch wörtlich bestätigt durch L. 66 de V. O. (45. 1.). : jünger aber als zwanzig Jahre kann Derjenige nicht genannt wer- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. den, der schon in dem letzten zu seinem zwanzigsten Jahr gehörenden Kalendertag steht. Ulpian will also eigentlich sagen: er kann manumitti- ren an seinem Geburtstage selbst, und zwar gleich nach dessen Anbruch, das heißt nachdem die Mitternacht vor- über ist, die ihm vorhergeht. Er bestimmt also für die Manumissionsfähigkeit genau dasselbe, welches oben für den Ablauf der Usucapion nachgewiesen worden ist. Zur Rechtfertigung dieser Erklärung mögen folgende Bemer- kungen dienen. Die Bedeutung der hora sexta noctis pri- die Kal. Jan. ist schon oben bey L. 7 de usurp. nachge- wiesen worden. Der Unterschied beider Stellen liegt nur darin, daß L. 7 sagt: hora sexta, und hinzu denkt exacta, anstatt daß es in unsrer L. 1 heißt: post sextam. Dieser Unterschied ist auch nicht ganz zufällig und bedeutungslos. Denn von der Usucapion kann man sagen, daß genau der Augenblick der Mitternacht sie vollendet, und das Eigen- thum giebt. Die Manumission aber, als eine Handlung, erfordert eine gewisse Zeit, und kann daher nicht in dem Moment der Mitternacht, sondern nur nach demselben, ge- schehen. Allein das ist einleuchtend, daß die hora sexta noctis pridie Kal. Jan. immer derselbe Zeitraum bleibt, es mag nun die Beziehung zu demselben durch das hinzu- gedachte exacta , oder durch ein vorangesetztes post oder auch ante ausgedrückt werden Erb S. 197. 198 erklärt die L. 1 de manum. vom Anfang des 31. Decembers, ohne Zweifel indem er die Worte pridie Kal. . — Das quasi comple- §. 183. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) verit drückt das Wesen der civilen Zeitrechnung aus, in- dem eigentlich vor der Geburtsstunde das zwanzigste Jahr noch nicht vollendet ist. — Die Worte non enim majori etc. wollen sagen: wenn das Gesetz wörtlich einen major XX annis, also die Überschreitung dieses Lebensjahres erfor- derte, nicht die bloße Vollendung, so würde die Manu- mission erst am folgenden Tage (den 2. Januar) zulässig seyn (§ 182); so spricht aber das Gesetz nicht. — Dies supremus ist derselbe, welcher in L. 15 de div. temp. praescr. der novissimus dies hieß Erb erklärt S. 200. 201 den novissimus dies in L. 15 de div. temp. pr. richtig, S. 207 den supremus falsch, ohneeinen Grund dieser Verschiedenheit der Erklä- rung anzugeben. , hier also der Ge- burtstag. Daß nach dieser Erklärung, die auch schon von An- deren gegeben ist So von Unterholzner S. 209. — Donellus § 3 hat die- selbe Meynung, deutet sie aber nur an, ohne Ausführung. , die Manumissionsfähigkeit auf die- selbe Weise berechnet wird, wie die Usucapion, sehe ich als eine wichtige Bestätigung derselben an. Denn in bei- den Rechtsinstituten ist die Rede von dem Erwerb eines Jan. stillschweigend von post sex- tam noctis trennt, und unmit- telbar mit posse manumittere verbindet, welches folgenden Sinn giebt: nach Mitternacht, und zwar im Lauf des 31. Decembers. Al- lein diese Trennung ist willkühr- lich, da die Worte post sextam noctis pridie Kal. eine untrenn- bar zusammenhängende Zeitbe- stimmung enthalten: sie ist in- consequent, da er die vollkommen ähnlich redende L. 7 de usurp. anders und richtig erklärt. In dieser L. 7 freylich war eine an- dere Construction ganz unmöglich durch das unmittelbar vorherge- hende parallele hora VI. diei Kal. Jan. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Rechts durch Ablauf eines Zeitraums, und die Gleichar- tigkeit dieser Rechtsänderung macht eine gleiche Behand- lung nöthig, wenn nicht Willkühr und Inconsequenz vor- ausgesetzt werden soll Erb S. 226. 233 fg. will die praktische Verschiedenheit dar- aus erklären, daß die Handlung der Manumission Zeit erfordere, der Eigenthumserwerb durch Usu- capion nicht. Daraus erklärt sich allerdings, warum jene nach , diese in der Mitternacht Statt findet, aber nicht daß jene um 24 Stunden früher zulässig seyn soll. . Justinian hat diese Zwanzig Jahre auf Siebenzehen ge- setzt, aber ohne die Art der Berechnung zu ändern § 6 J. qui et quib. ex c. (1. 6.) „nisi XVII. annum im- pleverit, et XVIII. annum teti- gerit. ” Rücker p. 54 meynt, durch diese Vorschrift sey ein Über- schreiten gefordert, also die frü- here Vorschrift geändert. Allein tangere heißt nur berühren, nicht überschreiten, es ist also in der That nur eine müßige Wiederho- lung der vorhergehenden Worte, und nichts Neues für die Art der Berechnung. . §. 184. VI. Die Zeit. 3. Civile Zeitrechnung . (Fortsetzung.) C. Anniculus . Wenn ein Latinus eine Römische Bürgerin oder eine Latina heurathete, und mit ihr ein Kind erzeugte, wel- ches ein volles Jahr hindurch am Leben blieb, oder anni- culus wurde, so sollten alle diese Personen die Civität er- halten Nach vielen übereinstim- menden Stellen war diese Regel durch die L. Aelia Sentia einge- führt worden. Gajus I. § 29. 31. 66. 68. 70. 71. 80. Ulpian. VII. § 4. Daher scheint es, daß die einzige Stelle, worin die L. Junia als Quelle angegeben wird ( Ul- pian. III. § 3), emendirt werden muß. Ganz ohne Grund haben Manche der L. Julia diese Regel . Gesetzt nun das Kind war um den Schluß §. 184. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) des ersten Jahres gestorben, so kam es darauf an, genau den Zeitpunkt des vollendeten Lebensjahres zu ermitteln, weil es davon abhängen konnte, ob die Eltern jenes wich- tige Vorrecht (das ihnen durch des Kindes Tod nicht ver- loren gieng) erworben haben sollten oder nicht. Darüber nun sagt Paulus in zwey Stellen Folgendes: L. 132 pr. de V. S. (50. 16.). (Paul. lib. III. ad L. Jul. et Pap.) L. 134 de V. S. (50. 16.). (Paul. lib. II. ad L. Jul. et Pap.) Anniculus amittitur, qui extremo anni die moritur: et consuetudo loquendi id ita esse declarat, ante d. X. Kal., post d. X. Kal. : neque utro enim sermone undecim dies significantur. Anniculus non statim ut natus est, sed trecente- simo sexagesimo quinto die dicitur, incipiente plane non exacto die: quia annum civiliter, non ad mo- menta temporum, sed ad dies numeramus. Die erste Stelle erklärt sich aus dem, was oben (§ 182) über die Bedeutung des extremus dies gesagt worden ist. War also das Kind am 1. Januar geboren, so ist der folgende 1. Januar, das heißt sein Geburtstag, der ex- tremus dies des ersten Lebensjahres; wenn daher das Kind in irgend einem Theil dieses Tages stirbt, so ist es als zugeschrieben, hauptsächlich weil die beiden oben im Text abge- druckten Stellen des Paulus, worin die Regel erwähnt und er- klärt wird, aus einem Commen- tar über die L. Julia herrühren. Allein in einem solchen Commen- tar wurden ja unfehlbar viele ver- wandte Gegenstände abgehandelt, wenn sie auch in anderen Gesetzen ihren Ursprung haben mochten. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. anniculus gestorben, und die Eltern haben das in der L. Aelia Sentia eingeführte Recht erworben Auch hier erklärt wieder Erb S. 207 den extremus ganz anders als er vorher S. 200. 201 den novissimus erklärt hatte, mit augenscheinlicher Inconsequenz; vgl. § 183. p. . — Der hin- zugefügte etwas dunkle Grund erklärt sich aus dem, was oben (§ 182. 183) über den Unterschied der in einem Ge- setz erforderten Überschreitung oder Erfüllung eines Zeit- raums gesagt worden ist. Paulus will sagen: Es würde anders seyn, wenn das Gesetz einen anniculo major ge- fordert hätte, dann müßte das Kind am 2. Januar ge- storben seyn um den Eltern das Recht zu verschaffen, das Gesetz fordert aber in der That nur einen anniculus, und ein solcher ist schon mit dem Anbruch des Geburtstags vorhanden. Diesen Satz sucht er zu bestätigen durch die Analogie anderer Ausdrücke, die nach ihrem wörtlichen Schein gleichfalls auf die Überschreitung eines gewissen Zeitraums gedeutet werden könnten, in der That aber nicht so zu verstehen sind. Dieser Theil der Stelle ist schon oben (§ 180. f ) ausführlich erklärt worden. Die zweyte Stelle sagt, Anniculus heiße ein Kind nicht gleich nach seiner Geburt, sondern erst am 365sten Tag seines Lebens, und zwar am Anfang, nicht am Ende die- ses Tages: denn das Jahr werde auf juristische Weise gerechnet, das heißt blos nach ganzen Tagen, ohne Rück- sicht auf kleinere Zeittheile. — Daß der hier mit einer Zahl bezeichnete Tag ein Kalendertag ist, nicht ein beweg- §. 184. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) licher Tag, folgt nicht blos aus den oben (§ 182) ange- gebenen allgemeinen Gründen, sondern ganz unmittelbar aus den Schlußworten, worin die Beachtung der momenta, auf welcher das Wesen des beweglichen Tags beruht, ausdrücklich verworfen wird. — Die Bedeutung der an- gegebenen Zahl hängt davon ab, ob Paulus den Anfangs- tag mitgezählt hat oder nicht; im ersten Fall läßt er das Kind anniculus werden am 31. December, im zweyten am 1. Januar. Da wir nun die Wahl haben, die eine oder die andere Zählungsart voraus zu setzen (§ 182), so müs- sen wir uns für die zweyte entscheiden, weil dadurch die Stelle sowohl mit der unmittelbar vorher erklärten, als mit den Stellen über die Usucapion und Manumission in Übereinstimmung gebracht wird, anstatt daß außerdem Al- les unzusammenhängend und widersprechend bleiben würde. Es folgt aber auch unmittelbar aus den Schlußworten, welche den Grund der Entscheidung darin setzen, daß ad dies, nicht ad momenta, gerechnet werde; denn dieser Grund kann durchaus nur auf den Anfang des 1. Januars, nicht auf den des 31. Decembers, zurückführen. — Nach der aufgestellten Ansicht hätte Paulus, um seine Meynung aus- zudrücken, eben sowohl die andere Zählungsart anwenden, also die Zahl 366 angeben können; er hatte aber einen besonderen Grund, dieses hier nicht zu thun. Denn seit Cäsars Reform des Kalenders wußte Jeder, auch der Un- gelehrte, daß das Jahr 365 Tage habe; bey dem Aus- druck anniculus kam also Jedem von selbst diese Zahl von Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Tagen in den Sinn. Nannte er nun die Zahl 366, so entstand ein wörtlicher, scheinbarer Widerspruch zwischen dieser Zahl und dem Ausdruck anniculus, welcher erst durch eine künstliche Erklärung aufgelöst werden mußte; diesen Anstoß verhütete die Zahl 365, und da sie die Sache eben so richtig ausdrückte (nämlich unter Voraussetzung einer andern Zählungsart), so war es räthlich, ihr den Vorzug zu geben. — Der am Schluß der Stelle ausgedrückte Grund der Entscheidung führt noch einige Dunkelheit mit sich. An sich waren drey Zeitpunkte denkbar: der Anfang des 1. Januar ( incipiente die ), das momentum temporis im Lauf desselben, und das Ende des Tages ( exacto die ). Paulus nun entscheidet für den Anfang des Tages, wo- durch schon von selbst die zwey anderen denkbaren Zeit- punkte ausgeschlossen sind; er verneint dann das exacto die noch ausdrücklich, und bezeichnet endlich als Grund die hier geltende Art der Zeitrechnung, welche blos auf dies, nicht auf momenta achtet. Dieser Grund paßt aller- dings nicht auf die unmittelbar vorhergehende Worte non exacto, sondern auf das weiter entfernte incipiente, so daß man sich das non exacto, das eigentlich auch ganz wegbleiben konnte, als blos parenthetisch eingeschoben den- ken muß. Das Wesentliche der hier gegebenen Erklärung ist auch schon anderwärts im Wesentlichen aufgestellt Nämlich bey Unterholzner S. 310. . Die Meisten nehmen hier, wie bey der Manumission, den An- §. 184. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) fang des 31. Decembers an, und unter diesen sind Dieje- nigen am Meisten in Verlegenheit, welche für die Usuca- pion den Anfang des 1. Januars als Vollendung anse- hen So Erb S. 226. 234, der hier die angebliche Verschiedenheit zwischen der Usucapion und dem anniculus noch weit gezwungener erklärt, als bey der Manumis- sion (§ 183. r ). . Eine besondere Widerlegung derselben liegt noch in einer anderen Stelle des Paulus, worin gerade auch bey der Usucapion eines Sklavenkindes der Ausdruck an- niculus gebraucht wird, um das Lebensalter des Kindes auszudrücken, mit welchem die einjährige Usucapion voll- endet, und also die bis dahin geltende publiciana als ent- behrlich geworden ausgeschlossen ist L. 12 § 5 de public. (6. 2.). : Publiciana actione etiam de infante servo nondum anniculo uti possumus. Durch die Bezeichnung beider Rechtsverhältnisse mit dem- selben Wort anniculus wird anerkannt, daß das Kind in demselben Zeitpunkt usucapirt wird, worin es den Eltern das Recht der L. Aelia Sentia erwirbt. D. Testamentsfähigkeit . L. 5 qui test. (28. 1.). (Ulp. lib. VI. ad Sab.). A qua aetate testamentum vel masculi vel feminae facere possunt, videamus. Et verius est, in mascu- lis quidem quartumdecimum annum spectandum, in feminis vero duodecimum completum. Utrum autem excessisse debeat quis quartumdecimum annum, ut testamentum facere possit, an sufficit complesse? Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Propone aliquem Kalendis Januariis natum testamen- tum ipso natali suo fecisse quartodecimo anno, an valeat testamentum? Dico valere. Plus arbitror, etiamsi pridie Kalendarum fecerit post sextam ho- ram noctis, valere testamentum: jam enim complesse videtur annum quartumdecimum, ut Marciano videtur. Der Gang des Gedankens ist folgender. Ist die Über- schreitung des vierzehenten Lebensjahres nöthig, oder die bloße Vollendung Wenn man ad momenta rechnet, so ist diese Frage wider- sinnig, denn eine Handlung kann nicht in dem Augenblick des com- plesse geschehen, sondern nur ent- weder vorher, oder nachher, oder zwischen beiden Zeiträumen ge- theilt. Nach der Rechnung ad dies hat die Frage einen guten Sinn, und daß dieser Sinn in der Stelle enthalten ist, zeigt die Folge der Stelle unwidersprech- lich. Als untheilbarer Punkt des complesse gilt nun juristisch der ganze 1. Januar, und dieser ist in der Wirklichkeit ausgedehnt ge- nug, um viele Testamente in sich entstehen zu lassen. — Es ist also hier derselbe Gegensatz der Über- schreitung und bloßen Vollendung gedacht, der oben schon mehrmals erwähnt worden ist. § 182. d, ferner in L. 1 de manumiss. (§ 183), und in L. 132 de V. S. (§ 184). ? Das heißt, muß der am 1. Januar Geborene, um ein Testament zu machen, den 2. Januar abwarten, oder kann er es schon am 1. Januar, also am Geburtstag selbst? Auch dieses Letzte ist gültig. Aber noch mehr: nicht blos der 2. Januar braucht nicht abge- wartet zu werden, sondern auch nicht einmal innerhalb des Geburtstags die Geburtsstunde; vielmehr ist zulässig die Abfassung des Testaments vom Anbruch des 1. Ja- nuars an. Wenn er also am 31. December die Nacht abwartet, und zwar die sechste Stunde dieser Nacht, so §. 184. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) kann er zwar im Lauf derselben noch kein Testament ma- chen, wohl aber ist es unmittelbar nach ihrem Ablauf ( post sextam ) gültig, also gleich nach der Mitternacht, die den 31. December vom 1. Januar scheidet, oder mit anderen Worten, gleich im Anfang des 1. Januars Im Wesentlichen dieselbe Erklärung findet sich schon bey Unterholzner S. 307 fg. — Donellus § 3 hat dieselbe Mey- nung, aber ohne sie zu entwickeln. — Schon die Glosse hat beide Meynungen klar aufgefaßt und dargestellt, und sie giebt der hier vertheidigten den Vorzug. . Diese Stelle nun hat mehr als alle andere die Mey- nung veranlaßt, daß die Civilcomputation auf den An- fang des vorhergehenden Tages zurück gehe, ja man kann annehmen, daß ohne sie schwerlich eine solche Meynung jemals entstanden seyn würde. Auch ist nicht zu läugnen, daß diese Meynung mit vielem Schein aus unsrer Stelle hergeleitet werden kann, wozu besonders zwey Umstände zusammen wirken. Erstlich das voran stehende pridie, wel- ches sogleich die Vorstellung erzeugt, jede folgende Zeitbe- stimmung, also auch die gültige Abfassung des Testaments, müsse ganz in den Zeitraum des 31. Decembers fallen. Zweytens das plus arbitror, welches leicht zu folgender Stufenfolge führt: nicht blos der 2. Januar ist nicht nö- thig, sondern selbst nicht der 1. Januar, indem schon der 31. December hinreicht. Für das plus arbitror ist jedoch schon oben eine andere, eben so natürliche, Erklärung ge- geben worden Die Glosse bezieht das plus arbitror auf die ersten, der Nacht angehörenden, Stunden des Ka- lendertags, im Gegensatz des Licht- tags. Dafür läßt sich sagen, daß . Aber auch für das voran gesetzte pridie Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. läßt sich folgende ungezwungene Entwicklung des Gedan- kens annehmen. Niemand erhebt sich um Mitternacht, um den nun folgenden Tag anzufangen, wohl aber ist Nichts gewöhnlicher, als daß die Thätigkeit eines Tages bis weit in die Nacht, und über deren Mitte hinaus, fortgesetzt werde (§ 183. i ). Im vorliegenden Fall nun wird ein Vierzehenjähriger gedacht, der Beweggründe hat, mit der Abfassung eines Testaments so viel als möglich zu eilen. Natürlich wird er dazu alle Anstalten schon vorher ma- chen, um keine Zeit zu versäumen. Er wird also schon am 31. December ( pridie ) die Fünf Zeugen, den Libripens und den Emtor bey sich versammeln, die Urkunde, nebst der Wage und dem Erz bereit halten, und so wie die Mitternacht vorüber ist ( post sextam h. n. ) wird er au- genblicklich die Formalität vollziehen, wozu ja eine sehr kurze Zeit hinreicht. Das pridie ist also voran gestellt, um uns den natürlichen Hergang der Begebenheit deutlich vor Augen zu bringen. Diese Bemerkungen sollten mehr dazu dienen, die Gründe der Gegner zu entkräften, als die eigene Mey- nung positiv zu begründen. Für diese Begründung aber Ulpian zuerst das am natalis dies gemachte Testament für gültig er- klärt. Dieser Begriff gehört nicht der Rechtswissenschaft, sondern der geselligen Sitte, also dem gewöhn- lichen Leben an, und daher konnte durch diesen Ausdruck der Blick ausschließend auf den Theil des Kalendertags gelenkt werden, des- sen man sich als Geburtstag be- wußt zu werden pflegt, woran Glückwünsche und Geschenke kom- men; dagegen sollte durch das plus arbitror gewarnt werden. Doch halte ich die oben im Text gegebene Erklärung für besser. §. 184. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) muß ich zuerst wieder geltend machen die große Unwahr- scheinlichkeit, daß die ganze Frage sollte anders behandelt worden seyn bey den Testamenten als bey der Usucapion, der Manumission, und dem anniculus Diese Zusammenstellung kann also nur gegen Diejenigen als Be- weis gelten, welche (wie Erb) selbst schon bey der Usucapion dieselbe Rechnung vertheidigen, oder etwa durch die oben bey der Usucapion für diese Rechnung aufgestellten Grün- de überzeugt werden möchten. . Das Gewicht dieses Grundes wird verstärkt durch den Umstand, daß Ulpian hier augenscheinlich von demselben Gegensatz der Überschreitung und der bloßen Vollendung ausgeht, der auch in mehreren der vorher erklärten Stellen zum Grunde lag, und der also hier völlig gleiche Resultate, nicht, wie manche Gegner wollen, verschiedene, erwarten läßt. Für noch entscheidender aber halte ich endlich folgenden Um- stand. Derselbe Ulpian bedient sich in drey Stellen fol- gender Ausdrücke: hora sexta noctis pridie Kal. Jan. (Usucapion.) post (horam) sextam noctis pridie Kal. (Manumission.) pridie Kal. .. post sextam horam noctis (Testament.) Ist es nun wohl denkbar, daß derselbe Schriftsteller so ganz ähnlich lautende Ausdrücke, blos mit veränderter Wortfolge, gebraucht haben sollte, um ganz verschiedene Begriffe zu bezeichnen, hier wo die Verwechslung so nahe lag, daß ihm die Gefahr derselben unmöglich entgehen konnte, und wo er also dringende Veranlassung hatte, den Gegensatz, wenn ein solcher in seinem Gedanken lag, so scharf als möglich hervor zu heben? IV. 25 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Was nun noch zu bemerken übrig bleibt, ist von ge- ringerer Bedeutung. Die Worte: plus arbitror, und: ut Marciano videtur, haben Viele zu der Annahme verleitet, es müsse entweder Streit unter den alten Juristen gewe- sen seyn, oder Ulpian müsse durch neue Erfindung eine Änderung in diese Berechnung gebracht haben. Offenbar finden sie es unwahrscheinlich, wenn nur eine und dieselbe Civilcomputation (so wie ich es annehme) in allen ange- führten Stellen enthalten wäre, daß davon Ulpian so zwei- felnd rede, und eine ältere Autorität für seine Meynung anzuführen nöthig finde. Sie finden es also unbegreiflich, daß Ulpian viel Umstände machen sollte mit einem Rechts- begriff, der ja in allen unsren Compendien steht, und je- dem Zuhörer in den Pandekten, vielen schon in den In- stitutionen, vorgetragen wird. Sie vergessen dabey, daß die Römer auf andere Weise als wir zu ihrer Rechts- kenntniß zu kommen pflegten, und daß sich namentlich bey ihnen niemals eine solche traditionelle Masse von Defini- tionen, Distinctionen, und anderem theoretischen Apparat, wie bey uns, anhäufen und fortpflanzen konnte. Der Fall von dem Testament eines genau Vierzehenjährigen war vielleicht niemals, vielleicht nur höchst selten vorgekommen, und etwa gerade einmal von Marcian zufällig erwähnt worden. Die Lehre von der Civilcomputation stand in dieser abstracten Gestalt, alle verschiedene Fälle umfassend, vielleicht in keinem einzigen juristischen Buch, und es wa- ren nur gelegentlich die einzelnen Anwendungen derselben, §. 185. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung (Fortsetzung.) jede an ihrem besonderen Orte, erwähnt worden. Wenn man diese Lage der Sache unbefangen erwägt, so wird man die dem Ulpian hier zugeschriebene Auffassung und Ausdrucksweise wohl nicht mehr auffallend und unwahr- scheinlich finden. Fassen wir das Resultat der bisherigen Untersuchung zusammen, so geht es dahin. In vier verschiedenen Rechts- verhältnissen werden Rechte erworben in Folge eines ab- gelaufenen Zeitraums, und in allen diesen Fällen ist der Erwerb vollendet mit dem Eintritt der dem mathemati- schen Endpunkt vorhergehenden Mitternacht. Daraus kön- nen wir eine allgemeine Regel bilden, anwendbar auf je- den an einen Zeitlauf geknüpften Rechtserwerb. Es kann auch kein Unterschied gemacht werden, ob von einer fort- gesetzten persönlichen Thätigkeit, oder von einem willenlo- sen Zustand die Rede ist; denn in dem ersten jener vier Fälle ist eine Thätigkeit als Inhalt des Zeitlaufs gemeynt (Besitz), in den drey anderen Fällen ein von dem Willen unabhängiger Zustand (Lebensdauer). §. 185. VI. Die Zeit. 3. Civile Zeitrechnung . (Fortsetzung.) Ich gehe jetzt über zur Betrachtung solcher Fälle, worin durch fortgesetzte Unthätigkeit, also durch Versaͤum- niß, ein Recht verloren wird. Hier war nach allgemei- 25* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nen Ansichten der juristische Endpunkt auf die dem mathe- matischen Endpunkt nachfolgende Mitternacht gesetzt worden (§ 182). Dadurch wird der Zeitraum, in Ver- gleichung mit dem streng ( ad momenta ) berechneten etwas erweitert, und der Unthätige erhält dadurch auf seiner Seite einen kleinen Gewinn Man kann also hier den Ausdruck gebrauchen, der bey der stipulatio in diem gebraucht wird: „totus is dies arbitrio solven- tis (hier actoris) tribui debet.” § 2 J. de V. O. (3. 15.). , in ähnlicher Weise wie bey der Usucapion der Besitzer Etwas an Zeit gewann. Indessen ist zu bemerken, daß in den Fällen des Verlustes dieser Gewinn aus natürlichen Gründen noch geringer ist, als bey dem Erwerb, ja in vielen Fällen ganz verschwin- det, wodurch hier die Zulassung dieser bequemen Berech- nungsart noch unbedenklicher wird. Denn wenn z. B. eine Klagverjährung, streng berechnet, am Mittag eines Ta- ges ablaufen würde, so wird zwar durch unsere Regel die zulässige Anstellung der Klage bis zur folgenden Mit- ternacht ausgedehnt, allein von diesem Vortheil kann doch nur auf beschränkte Weise wirklicher Gebrauch gemacht werden: bey den Römern nur so lange der Prätor auf dem Forum verweilte, bey uns nur so lange eine Kanzley offen ist, in welcher der Klaglibell übergeben werden kann. Die hier vorgetragene Lehre ist schon von Mehreren vertheidigt worden Schon die Glosse zu L. 6 de O. et A. (44. 7.) trägt un- ter mehreren Meynungen auch diese vor, und neigt am meisten zu ihr. Entschieden wird sie ver- theidigt von Donellus § 5. 6, und am befriedigendsten von Un- terholzner S. 297. . Andere haben in diesen Fällen §. 185. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) auf den Anfang des letzten Tages zurück gehen wol- len Anstatt daß hier auf das Ende desselben die Zeit erstreckt wird; sie unterscheiden also von diesen Fällen die Testamentsfä- higkeit dadurch, daß sie bey die- ser letzten noch um einen Tag weiter zurück gehen. So Erb S. 201. 202. Reinfelder S. 111. ; noch Andere nehmen hier die Rechnung ad momenta an Rücker p. 56. Göschen Vorlesungen I. S. 593 . Diese letzte Meynung hat am wenigsten Veran- lassung in den Aussprüchen der alten Juristen; sie gründet sich ohne Zweifel nur auf die oben (§ 182) gerügte will- kührliche Bildung der Begriffe und Kunstausdrücke; denn indem man davon ausgieng, daß es nur zweyerley com- putatio gebe, eine civilis, welche den streng berechneten Zeitraum verkürzt, und eine naturalis, welche ihn unver- ändert läßt, so konnte man eine Ausdehnung desselben überhaupt nicht zulassen, und so führte die unkritisch an- genommene Terminologie unvermerkt zu einem Irrthum in der Sache selbst. Doch der Beweis der aufgestellten Behauptung, und die Widerlegung der entgegen stehenden, beruht auch hier auf der Erklärung der Stellen, welche von dem Verlust durch Versäumniß, und der dabey geltenden Zeitrechnung, handeln. Diese Stellen beziehen sich auf vier verschiedene Fälle: die Klagverjährung, einen ungenannten Fall, die Anklage wegen Ehebruch, und den Erwerb der Bonorum possessio. A. Klagverjährung . L. 6 de O. et A. (44. 7.). (Paul. lib. VII. ad Sab.). In Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. omnibus temporalibus actionibus, nisi novissimus to- tus dies compleatur, non finit obligationem (Vulg. non finitur obligatio ). Daß novissimus dies der Kalendertag ist, in welchen der mathematische Endpunkt fällt, ist oben gezeigt worden. Dieses nun vorausgesetzt, sagt die Stelle unzweifelhaft, die Obligation sey erst dann ( per exceptionem ) aufgeho- ben, wenn der erwähnte Kalendertag ganz abgelaufen sey, daß heißt bis zu dieser Zeit könne stets die Klage ange- stellt werden, ohne Rücksicht auf das momentum tempo- ris, welches genau dem Anfang des Klagrechts entspricht. Schon die Wortfassung zeigt, daß Paulus einen denkbaren früheren Ablauf der Klagverjährung ausschließen will; dieses ist nun sowohl der Anfang des Kalendertags, als das momentum temporis, an welches letzte wohl zunächst und hauptsächlich gedacht seyn mag Die in den Noten b. c. d. über die Frage im Allgemeinen angeführten Schriftsteller handeln insgesammt auch von dieser Stelle besonders. . Zwey Einwen- dungen sind gegen diese Erklärung vorgebracht worden Erb S. 202. . Erstlich soll in den Worten totus dies compleatur ein un- geschickter Pleonasmus liegen. Zweytens soll es widersin- nig seyn, den streng berechneten Zeitraum sogar noch aus- dehnen zu wollen. Der Pleonasmus ist in der That nicht vorhanden, denn auch bey der Rechnung ad momentum kann man sagen: completur dies usque ad momentum , und dagegen bildet das totus completur einen präcisen und §. 185. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) gar nicht müßigen Gegensatz. Besonders aber ist hierüber gar nicht zu streiten, da in einer anderen Stelle Ulpian geradezu sagt: minorem annis XVII., qui eos non in to- tum complevit L. 1 § 3 de postul (3. 1.). . Der Ausdruck nun, welchen hier Ul- pian gut genug findet, wird wohl auch für Paulus nicht zu schlecht seyn. — Was aber die zweyte Einwendung be- trifft, so kann der Widersinn nur von Dem behauptet wer- den, der sich zuvor einen willkührlichen Begriff von civilis computatio als einer Abkürzung des natürlichen Zeit- raums gebildet hat, und so zerfällt denn auch dieser Ein- wurf in Nichts. Diejenigen, welche die Stelle richtig erklären, wollen die Regel doch nur bey der Verjährung persönlicher Kla- gen gelten lassen, nicht bey der longi temporis praescriptio gegen die Eigenthumsklage Donellus § 5. 6. Unter- holzner S. 298. . Daß Paulus zunächst an jene dachte, ist wegen der am Schluß erwähnten obligatio unverkennbar. Dennoch ist der Ausdruck temporales actio- nes so allgemein, daß er auch die in rem actiones mit umfaßt, auch liegt in dem Verhältniß der l. t. praescrip- tio zur Usucapion kein Hinderniß, beide auf verschiedene Weise zu berechnen. Ein praktischer Widerspruch kann daraus nicht erfolgen, da beide Rechtsinstitute nie in einem und demselben Fall zusammen treffen können: denn wo die Usucapion wirklich begründet ist, wird dadurch stets die l. t. praescriptio absorbirt, so daß diese letzte zu allen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Zeiten nur als Surrogat der Usucapion, wo deren Bedin- gungen fehlten, eintreten konnte. B. Ungenannter Fall . L. 101 de R. J. (50. 17.). (Paul. lib. sing. de cogni- tionibus). Ubi lex duorum mensum facit mentionem, et qui sexagesimo et primo die venerit audiendus est: ita enim et Imp. Antoninus cum Divo patre (vulg. fratre ) suo rescripsit. Wie die Stelle hier lautet, enthält sie eine allgemeine Interpretationsregel für alle Gesetze, vergangene und künf- tige, die etwa eine juristische Handlung an die Beobach- tung einer Zeit von duo menses, und zwar genan mit Anwendung dieses Ausdrucks ( facit mentionem ), binden möchten. Niemand wird im Ernst behaupten wollen, daß Paulus eine solche abstracte Regel aufgestellt habe, beson- ders über Volksschlüsse, die ja schon längst, als wirkliche Mittel zur Fortbildung des Rechts, nicht mehr gebraucht wurden. Es wäre also eine Anweisung gewesen, wie man solche alte leges, in denen etwa der Ausdruck duo menses vorkam, verstehen und anwenden möge; diese aber ist nicht nur an sich selbst unwahrscheinlich, sondern vollends in einem ganz praktischen Werk, dem liber sing. de cogni- tionibus , wahrscheinlich einer Sammlung merkwürdiger Entscheidungen des kaiserlichen Gerichtshofs. In den Di- gesten allerdings hat die Stelle jene abstracte Bedeutung, und zwar nun gar nicht mehr in besonderer Beziehung auf §. 185. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) Volksschlüsse; davon wird auch noch unten Gebrauch ge- macht werden. Paulus aber sprach ohne allen Zweifel von einer einzelnen Stelle einer bestimmten Lex, die er vorher angeführt haben muß; diese nun müssen wir aus- zufinden suchen. Man könnte denken an die 60 Tage in manchen Fällen der ädilicischen Klagen; allein das Edict der Ädilen konnte unmöglich eine Lex genannt werden. Oder an die 60 Tage in der Lex Julia de adulteriis; allein hier war der Ausdruck sexaginta dies gebraucht (§ 186. a. ), und die Lex, die Paulus vor sich hatte, ent- hielt gerade den Ausdruck duo menses (facit mentionem). Oder an die duo menses, durch deren Ablauf eine nicht schriftlich geleistete Bürgschaft ihre Kraft verlor; allein Dieses war wiederum nicht in einer Lex, sondern in dem Edict eines Präfectus Prätorio vorgeschrieben L. 27 C. de fidejuss . (8. 41.). , und wahrscheinlich erst nach dem Zeitalter des Paulus. Eben so gründeten sich die zwey Monate bey dem Verkauf der Emphyteuse, bey der Compensation gegen den Fiscus (§ 181. l. m. ), und bey dem Verkauf einer vom Richter abgepfändeten Sache L. 31 de re jud . (42. 1.). , gewiß nicht auf Volksschlüsse. Sehr wahrscheinlich sprach Paulus von der Regel, nach welcher Jeder, der zu einem städtischen Amt gewählt war, und dagegen reclamiren wollte, dieses nothwendig intra duos menses thun mußte. Hier kam in der That der Ausdruck duo menses in demjenigen Stück der alten Rechts- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. quellen vor, worin die Regel selbst enthalten war L. 1 C. de temp. et repar. (7. 63.). „Si quis per absen- tiam nominatus .. ad duumvi- ratus .. infulas .. ex eo die in- terponendae appellationis duo- rum mensium spatia ei com- putanda sunt, ex quo .. nomi- nationem didicisse monstrave- rit” rel. (Es ist L. 10 C. Th. de appell. 11. 30.). — L. 2. C. Th. de decur. (12. 1.). „Quoniam du- bitasti, utrum ex numero die- rum, an ex nominatione Kalen- darum computari duum men- sum spatia debeant” rel. (vgl. oben § 181. t. ). — L. 19 C. Th. de apell. (11. 30.). „Si ad cu- riam nominati .. putaverint ap- pellandum, intra duos menses negotia perorentur.” ; daß dieses gerade eine Lex war, kein Edict oder Senatuscon- sult, wird zwar nicht dabey bemerkt, es läßt sich aber mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß es die Lex Julia municipalis war, diese allgemeine Städteordnung für alle Römische Bürgergemeinden Zeitschrift für geschichtl. Rechtswiss. B. 9 S. 377. Es ist dieselbe Lex, aus welcher wir ein großes Stück unter dem bisher üblichen Namen der tabula He- racleensis besitzen. . Zu dem Werk des Paulus de cognitionibus, woraus die Digestenstelle genom- men ist, paßt diese Voraussetzung vollkommen, denn fast alle andere Stellen, die wir aus demselben Werk in den Digesten haben, handeln gleichfalls von Excusationen, theils von der Tutel L. 29 de tut. et cur. (26. 5.), L. 42. 46 de excus. (27. 1.). , theils sogar geradezu von städtischen Lasten L. 5 de veteranis (49. 18.). — L. 228 de V. S. (50. 16.) spricht wenigstens auch von dem Municipalrecht. , worauf die aufgestellte Vermuthung auch unsere Stelle bezieht. So können wir also mit vieler Wahr- scheinlichkeit den ursprünglichen Sinn der Stelle in fol- genden Worten angeben: Die Vorschrift der Lex (Julia), durch welche die Recla- §. 185. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) mationen gegen städtische Wahlen an die Frist von duo menses gebunden werden, ist so anzuwenden, daß auch die am 61 ten Tage erhobene Reclamation noch ange- nommen werden muß Die Beziehung unsrer Stelle auf die Reclamationen gegen städtische Wahlen ist sehr alt. Schon die Glosse deutet sie an, indem sie als Parallelstelle die L. 1 C. de temp. et repar. an- führt, jedoch nur als eine unter mehreren. Bulgarus im Com- mentar zum tit. de R. J. hat diese Parallele noch nicht angege- ben. — J. Gothofredus im Commentar hat diese Beziehung nicht nur bestimmt behauptet, son- dern auch auf überzeugende Weise dargethan. Nur darin bleibt er völlig unbefriedigend, daß er sich mit der Bedeutung von lex als einer gesetzlichen Vorschrift über- haupt begnügt ( „haec reg. uti dixi est nominatim de legali praescriptione per menses ” ), ohne einen bestimmten Römischen Volksschluß, woran doch Paulus nothwendig gedacht haben muß, anzugeben, oder auch nur darnach zu suchen. . Unter dem dies dieser Stelle ist, nach den oben (§ 182) dargelegten Gründen, ein Kalendertag zu verstehen. Den größten Anstoß aber erregte von jeher sehr natürlich die Zahl 61, die weder mit der gewöhnlichen Berechnung des Monats zu 30 Tagen vereinbar schien, noch mit der an- derwärts vorkommenden Bestimmung, daß die Anklage wegen Ehebruchs nothwendig am sechzigsten Tage erhoben werden müsse L. 30 § 1 ad L. J. de adult. (48. 5.). . Die Meisten nahmen von jeher an, es werde hier aus besonderer Milde ein Tag zugegeben, und da doch die Stelle so allgemein gefaßt, und mit der Vor- schrift über den Ehebruch schwer vereinbar war, so wurde hinzugefügt, die Milde gelte nur da, wo menses, nicht wo dies in einem Gesetz erwähnt würden Die Milde macht schon die Glosse geltend, nach ihr viele An- . Daß diese, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. auf eben so blinde, als kleinliche, Willkühr hinführende, Ansicht widerlegt werde, wird wohl Niemand verlangen. — Andere haben die Stelle daraus erklärt, daß die Mo- nate von verschiedener Länge sind, so daß 61 Tage für zwey Monate als eine Art von mittlerem Durchschnitt gelten können Diese Aushülfe zur Erklä- rung unsrer Stelle ist alt, und findet sich namentlich schon bey J. Gothofredus . Zu einem allgemeinen Grundsatz über die Berechnung des Monats hat sie Schrader ausgebildet (§ 181. i. ). . Diese Annahme paßt jedoch nicht zu den vielen anderen Stellen, die den Monat bestimmt zu 30 Tagen angeben, und würde daher ganz vereinzelt in der angeführten Stelle erscheinen, wodurch sie die höchste Wahrscheinlichkeit gegen sich hat. — Endlich hat man auch gesucht, durch Emendation des Textes zu helfen, indem das primo weggelassen und blos sexagesimo gelesen wer- den sollte. Diesem Versuch aber widerspricht eine so voll- ständige Übereinstimmung der Handschriften und alten Aus- gaben, wie sie sich sonst bey schwierigen Stellen nur selten findet Die Leseart sexagesimo vertheidigt Reinfelder S. 150 — 161, er hat aber dafür nur eine Stuttgarter Handschrift auf- treiben können, und zwar nur nach erster Hand, denn auch hier hatte schon ein alter Corrector primo an den Rand geschrieben. Zwar schienen nach früheren Aus- gaben die Basiliken und Eusta- thius für 60 zu sprechen, allein nach neueren berichtigten Texten findet sich auch in ihnen 61. Ba- silica ed. Fabrot. I. p. 78 vergl. mit ed. Heimbach I. p. 71. Eu- stathius hinter Cujacii Comm. in III. libros Lugd. 1562 p. 91 vergl. mit ed. Zachariae p. 149. Schon Schrader S. 207 hat auf überzeugende Weise die Lese- art sexagesimo et primo ver- theidigt. Daß in mehreren Hand- ; ja selbst wenn die Handschriften schwankend dere; sehr ausführlich, und mit Unterscheidung der (milden) men- ses von den (nicht milden) dies, thut es auch J. Gothofredus im Commentar. §. 185. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) wären, müßte die schwerere Leseart 61 der leichteren 60 vorgezogen werden, da wohl zu begreifen ist, wie ein an- maßender Abschreiber das schwere 61 in das leichtere 60 verwandeln konnte, nicht aber das Umgekehrte. Um nun zur eigentlichen Lösung der Schwierigkeit zu gelangen, müssen wir zuerst erwägen, daß Paulus augen- scheinlich die Absicht hat, eine größere Ausdehnung des Zeitraums geltend zu machen im Gegensatz irgend einer kleineren, an die man auch wohl denken könnte Dieser Sinn liegt ganz deutlich in den Worten: et qui .. venerit, audiendus est , wo- durch der möglichen Meynung widersprochen wird, als sey ein Solcher seines Rechts bereits ver- lustig geworden. . — Den dies müssen wir, nach dem was schon öfter darüber bemerkt worden ist, durchaus für einen Kalendertag hal- ten. — Bey Erklärung der Zahl haben wir die Wahl, die eine oder die andere Zählungsweise voraus zu setzen. Ich nehme nun an, Paulus hat hier den ersten Tag, das heißt den Tag an welchem der erwählte Duumvir die auf ihn gefallene Wahl erfahren hatte, mitgezählt ; dann ist der 61 te Kalendertag der novissimus, das heißt der, in welchen das momentum temporis fällt; wenn nun Paulus an diesem Tage die Reclamation ohne alle Einschränkung zuläßt, so liegt darin die Zulassung bis zur Mitternacht, und er sagt dann für die Berechnung dieser Reclamations- frist genau dasselbe, was er in der L. 6 de O. et A. für die Berechnung der Klagverjährungen gesagt hatte Göschen Vorlesungen S. 593 erklärt die der Zahl 61 zum Grund liegende Zählungsart . — schriften das et vor primo fehlt, ist in der That ganz unbedeutend. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Daß nun Paulus die hier vorausgesetzte Zählungsweise anwendete, erklärt sich schon daraus, daß diese überhaupt die üblichere gewesen zu seyn scheint; daß er aber hier anders zählte, als in der L. 134 de V. S. (§ 184), be- darf noch einer besonderen Erklärung. In dieser letzten Stelle sprach er vom anniculus, und da Jeder wußte, daß annus genau so viel heiße, als 365 Tage, so konnte es auf den ersten Blick Anstoß erregen, wenn daneben die Zahl 366 angegeben wurde. Diesen Anstoß zu vermeiden, zog Paulus die auch zulässige Zählungsweise vor, welche den Anfangstag nicht mit rechnet; ein solcher Anstoß war aber in unsrer Stelle nicht zu befürchten. Zwar könnte man einwenden, mensis bedeute ja auch eine Zeit von 30 Tagen, also duo menses 60 Tage; allein Dieses war doch nur eine als Nothhülfe angenommene juristische Fic- tion, in der Wirklichkeit hatten die Monate verschiedenen Umfang, und daher ist mensis gar nicht so wie annus ganz richtig, aber sein vorgefaß- ter Begriff von naturalis und civilis computatio hindert ihn, davon den rechten Gebrauch zu machen. Er setzt nämlich den Ablauf des Zeitraums in das momentum temporis, und ver- einigt diesen Sinn mit dem Aus- spruch des Paulus dadurch, daß der, welcher vor dem momen- tum erscheine, doch auch ein sol- cher sey, qui sexagesimo et primo die venerit. Allein wenn Paulus das momentum als Gränze im Sinn hatte, so konnte er dieses nicht ohne die größte Unvorsichtigkeit unausgedrückt las- sen. Die Unbestimmtheit seines Ausdrucks schließt wahre Allge- meinheit in sich; er will sagen, man könne erscheinen in jedem Theil des 61 ten Tages, also bis zur Mitternacht. — Unter- holzner S. 297 faßt das Re- sultat unsrer Stelle eben so auf wie ich, läßt sich jedoch auf die Rechtfertigung dieser Ansicht und auf die Beseitigung der Schwie- rigkeiten gar nicht ein. § 186. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) dazu geeignet, schon durch den bloßen Wortlaut die Vor- stellung einer bestimmten Zahl von Tagen in jedem Leser unmittelbar zu erregen. — Das Resultat also ist dieses. Paulus will gar nicht etwa die Länge der Monate be- stimmen, diese setzt er vielmehr als bekannt voraus; er will den Satz ausdrücken, daß derjenige, dem eine Frist zum Handeln vorgeschrieben sey, den ganzen letzten Tag zum Handeln frey habe, also nicht etwa von dem momen- tum temporis, oder gar schon von dem Anfang des Tages an, die Befugniß zum Handeln verloren habe. Dieser Satz aber wird erst recht wichtig durch die abstracte Ge- stalt, worin wir die Stelle in den Digesten lesen, indem sie hier gar nicht mehr (wie in ihrer ursprünglichen Ge- stalt) auf ein einzelnes Rechtsverhältniß, sondern auf vor- geschriebene Fristen und Versäumnisse überhaupt geht. Denn das wird wohl kein Unbefangner behaupten wollen, daß die hier als Inhalt der Stelle entwickelte Regel auf zweymonatliche Fristen beschränkt sey, und auf Fristen von anderem Umfang keine Anwendung finde. §. 186. VI. Die Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) C. Anklage wegen Ehebruch . L. 30 § 1 ad L. J. de adult. (48. 5.). (Paul. lib. 1. de adulteriis). Sexaginta dies a divortio numerantur: in diebus autem sexaginta et ipse sexagesimus est. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Die Lex Julia de adulteriis hatte dem Ehemann und dem Vater der Ehebrecherin das Recht gegeben, eine Zeit lang mit Ausschließung aller Fremden die Anklage zu er- heben, nach Ablauf derselben sollten auch Fremde klagen können. Diese Zeit war wörtlich auf sexaginta dies fest- gestellt L. 4 § 1 L. 11 § 6 L. 15 pr. L. 29 § 5 L. 30 § 1 ad L. Jul. de adult. (48. 5.). Die so häufige, wörtlich gleich lautende Wiederholung der Ausdrücke läßt keinen Zweifel, daß dieselben ge- rade so auch in der Lex standen. , und nun sagt Paulus in unsrer Stelle, auch der sexagesimus selbst sey in den sexaginta mit enthalten. Damit will er offenbar Denjenigen widersprechen, die etwa an dem sexagesimus nicht mehr jenes Vorrecht zulassen möchten. Daß er einen Kalendertag meynt, kann nach den oben angegebenen Gründen nicht bezweifelt werden; wollte man gerade bey dieser Stelle an einen beweglichen Tag denken, so hätte sie den unerträglich trivialen Sinn: unter den gestatteten 60 Tagen sind nicht etwa nur 59 zu verstehen. — Welchen Tag meynt nun aber Paulus? So sonderbar dieses auf den ersten Blick scheinen mag, muß ich dennoch behaupten, daß er auch hier wieder den no- vissimus dies meynt, also genau denselben, welchen er in L. 101 de R. J. sexagesimus et primus nannte; dort hatte er nämlich den ersten Tag mitgezählt, hier zählt er ihn nicht mit. Hier aber so zu zählen, hatte er einen guten Grund in dem Ausdruck der Lex, welcher geradezu auf sexaginta dies lautete, und mit welchem er einen wört- lichen Widerspruch in seiner Bezeichnung des novissimus §. 186. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) dies vermeiden wollte; es war also derselbe Grund, der ihn bestimmte, in der Stelle über den anniculus (§ 184) eben so zu zählen. Auch hätte es in der That allzu son- derbar gelautet, wenn er hätte sagen wollen: in diebus sexaginta et ipse sexagesimus et primus est. Nimmt man diese, wie ich glaube sehr natürliche, Vereinigung unsrer Stelle mit L. 101 de R. J. nicht an, so daß ein wesent- licher Unterschied in der Beurtheilung der beiden Fälle übrig bleiben müßte, so ist es unmöglich, eine irgend be- friedigende Erklärung dieses Unterschieds zu finden; man verliert sich dann unvermeidlich in die Annahme einer ge- dankenlosen, inconsequenten Willkühr, die durch eine an- gebliche Milde u. s. w. nur schlecht verhüllt wird. D. Frist der Bonorum possessio. Im prätorischen Edict waren kurze Fristen gegeben, in welchen die Bonorum possessio von dem Prätor erbeten werden mußte; den Ascendenten und Descendenten Ein Jahr, den Seitenverwandten und Nichtverwandten Hun- dert Tage; der Ausdruck des Edicts war intra annum, intra centum dies Ulpian XXVIII. § 10. „B. P. datur parentibus et liberis intra annum .. ceteris intra centum dies. ” — L. 5 pr. quis ordo (38. 15.) „nen cedent dies centum .. praeteritis autem cen- tum diebus.” … — Besonders aber die im Text abgedruckte Stelle. — Wenn es daher ander- wärts heißt: intra centesimum diem, so ist darin nur die An- gabe des Inhalts, nicht der Worte des Edicts zu suchen. L. 2 § 4 quis ordo (38. 15.), L. 1 § 8 de succ. ed. (38. 9.). . Wenn nun der Berufene am IV. 26 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Schluß dieser Frist erschien, so konnte es zweifelhaft schei- nen, ob er dieselbe gewahrt habe. Darauf bezieht sich folgende Stelle. L. 1 § 9 de succ. ed. (38. 9.). (Ulp. lib. 49 ad Ed.). Quod discimus, intra dies centum bonorum posses- sionem peti posse, ita intelligendum est, ut et ipso die centesimo bonorum possessio peti possit: quem- admodum intra Kalendas etiam ipsae Kalendae sint. Idem est, et si in diebus centum dicatur. Diese Stelle hat die größte Ähnlichkeit mit der vorher- gehenden ( L. 30 ad L. J. de adult. ), so daß fast blos auf deren genauere Erklärung verwiesen zu werden braucht. Auch hier will der Jurist einer denkbaren kürzeren Beendi- gung der Frist widersprechen. Er zählt auch hier so, daß er den Tag, an welchem der Berufene die angefallene Bo- norum possessio erfahren hat, nicht mitzählt, und er nennt deswegen centesimus den Tag, den er auch novis- simus oder centesimus et primus hätte nennen können. Er wählt diese Zählung und überhaupt die Zahlbezeich- nung, um den Zusammenhang seines Ausspruchs mit den Worten des Edicts ( intra dies centum ) unmittelbar an- schaulich zu machen, und um nicht in einen scheinbaren Widerspruch mit diesen Worten zu gerathen. Indem er nun sagt, der novissimus (oder centesimus ) dies gehöre noch zu der gestatteten Frist, so heißt das (da es unbe- schränkt gesagt ist) von selbst so viel, als: dieser ganze Tag, bis zur Mitternacht, gehört dazu, so daß diese Stelle §. 186. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) mit den drey vorhergehenden vollkommen übereinstimmt. Ihr eigenthümlich ist noch ein Einwurf, dem hier Ulpian zu begegnen nöthig findet. Das intra dies centum, sagt er, dürfe nicht so verstanden werden, als ob die verstattete Zeit weniger betrage als 100 Tage, so daß etwa schon mit dem vorletzten Tage die Frist abliefe; es heiße viel- mehr, daß sie bis an die Gränze (und zwar die juristisch be- rechnete) Gränze derselben fortgehe. Dieses bestätigt er noch durch die Analogie von intra Kalendas, welches auch nicht heiße: diesseits der Kalenden (also nur bis zu pridie ), son- dern mit Einschluß der ganzen Kalenden selbst, bis zu de- ren völligem Ablauf. Es muß hier noch eine gemeinschaftliche Bemerkung über alle hier erklärte Stellen, worin Zahlen vorkommen, hinzugefügt werden. Man könnte einwenden, die willkühr- lich abwechselnde Art der Zahlenbezeichnung von Seiten der Roͤmischen Juristen sey durch ihre Zweydeutigkeit un- vorsichtig gewesen, und eben darum könne sie nicht mit Wahrscheinlichkeit vorausgesetzt werden. Diese Einwen- dung würde Grund haben, wenn den Verfassern der Stelle die Bezeichnung des Tages als eigentlicher Gegenstand des Zweifels und der Entscheidung vorgeschwebt hätte, wenn es ihnen darauf angekommen wäre, zu bestimmen, ob gerade dieser Tag, oder etwa der vorhergehende oder nachfolgende, die Frist endige. Dieses aber stand gar nicht in Frage; sie setzen überall als gewiß und bekannt voraus, daß stets nur von dem novissimus dies die Rede 26* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. seyn könne, und sie finden nur nöthig, nach Verschiedenheit der Fälle zu bestimmen, ob dessen Anfang, oder dessen Ende, oder das zwischen beiden Zeitpunkten liegende mo- mentum temporis, als juristischer Endpunkt der ganzen Frist zu betrachten sey. Daher durften sie sich erlauben, in der Bezeichnung jenes bekannten und gewissen Tages minder sorgfältig zu verfahren, und dabey in jedem ein- zelnen Fall diejenigen Ausdrücke zu wählen, die sich recht anschaulich an die Worte der Lex oder des Edicts an- schlossen, worin gerade die Frist bestimmt worden war. Nach den Vier zuletzt erklärten Stellen (§ 185. 186.) ist in solchen Fällen, worin ein Recht durch Versäumniß einer Frist verloren werden kann, als juristischer Endpunkt diejenige Mitternacht anzusehen, welche auf das momen- tum temporis folgt. Hieraus eine allgemeine Regel zu bilden für alle Fälle, worin durch versäumte Frist ein Recht verloren werden kann, sind wir um so mehr berech- tigt, als die eine der erklärten Stellen ( L. 101 de R. J. ) in den Justinianischen Digesten gar nicht auf ein einzelnes Rechtsverhältniß bezogen wird, sondern vielmehr die Na- tur eines allgemeinen Grundsatzes für alle Fälle der hier bezeichneten Art angenommen hat. §. 187. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) §. 187. VI. Die Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) Ganz anders, als alle bisher betrachtete Fälle, wird die Minderjährigkeit behandelt, insofern dieselbe Grund einer Restitution ist. Wenn nämlich ein Minderjähriger an dem Geburtstage, an welchem er 25 Jahre alt wird, ein Geschäft vornimmt, und nun die Frage entsteht, ob er dagegen zu restituiren sey, dann soll weder auf den Anfang des Tages gesehen werden (wie bey der Usuca- pion), noch auf dessen Ende (wie bey der Klagverjährung), sondern auf das momentum temporis, das heißt auf die- jenige Tageszeit, welche dem genau ermittelten Zeitpunkt seiner Geburt entspricht. Die merkwürdige Stelle, welche diesen Ausspruch auf ganz unzweifelhafte Weise enthält, ist folgende. L. 3 § 3 de minor. (4. 4.). (Ulpian. lib. XI. ad Ed.) Minorem autem XXV. annis natu, videndum, an etiam die Die Florentina las ur- sprünglich an etia diem, jedoch ist schon in alter Zeit ein m hin- ter etia eingeschoben worden, so daß es nun heißt: an etiam diem. Unterläßt man diese Ein- schiebung eines neuen Buchstaben, und versetzt blos das hinter die stehende m hinter etia, so ent- steht die einfache, befriedigende Leseart, welche hier im Text ab- gedruckt und schon von Cujacius vorgeschlagen worden ist. Sehr abweichend ist die Leseart von Haloander, und noch mehr die von Wenk (Vacarius p. 205 sq.) vorgeschlagene, bey welchem sich auch reichliches Material zu die- ser kritischen Frage findet. Für unsren Zweck ist dieselbe gleich- gültig. natalis sui adhuc dicimus, ante horam qua natus est, ut si captus sit restituatur: et, cum non- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dum compleverit, ita dicendum, ut a momento in momentum tempus spectetur. Bey dieser Stelle kann kein Zweifel über den Sinn seyn; schwieriger ist es den Grund dieser Entscheidung zu finden, welcher zugleich Aufschluß über das Verhältniß derselben zu den bisher dargestellten abweichenden Regeln geben muß. Man könnte zuerst geneigt seyn, den Ablaut der Minderjährigkeit als eine Rechtserwerbung anzusehen, indem der Volljährige fähig wird, Verträge mit voller Sicherheit für den Gegner zu schließen, anstatt daß ihm dieser solche Verträge vielleicht verweigern wird, so lange die Minderjährigkeit die Gefahr künftiger Restitution mit sich führt. Von diesem Standpunkt aus betrachtet stände die Volljährigkeit auf gleicher Linie mit der Usucapion und der Testamentsmündigkeit, nach deren Analogie die vorhergehende Mitternacht als Gränzpunkt gelten müßte, wodurch also der Zeitraum etwas verkürzt werden würde. — Von einer andern Seite könnte man es als einen Rechtsverlust ansehen, da der bisher Minderjährige nun- mehr den Schutz verliert, den ihm die Restitution gegen die Folgen unüberlegter Handlungen gewährte. Dann würde nach der Analogie der Klagverjährung die nachfol- gende Mitternacht als Gränzpunkt anzusehen seyn, die Zeit der Minderjährigkeit also etwas ausgedehnt werden. — Allein rein und vollständig würde auch diese Analogie nicht behauptet werden können, da die Klagverjährung eben so wie die mit ihr zusammen gestellten anderen Fälle, §. 187. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) auf einem Verlust durch Versäumniß beruht, anstatt daß der durch Volljährigkeit herbeygeführte Verlust auf einem unfreywilligen Naturereigniß beruhen würde. Auch konnte gegen jede Ausdehnung des Zeitraums der Grund geltend gemacht werden, daß die Restitution überhaupt, als ein sehr anomalisches Recht, zu einer so freyen Behandlung weniger geeignet scheine. — Vielleicht waren es diese widerstreitende Gründe, wodurch die Römischen Juri- sten bewogen wurden, beide Arten der civilen Zeitrech- nung, die erweiternde wie die abkürzende, in dem er- wähnten Fall aufzugeben, und bey dem mathematischen Endpunkt als Gränze des restituirbaren Alters stehen zu bleiben. Als Folge davon treten nun allerdings alle die Schwierigkeiten ein, welche oben (§ 181) dargestellt wor- den sind. In der wirklichen Anwendung stellt sich Dieses auf folgende Weise. Die Frage kann nur vorkommen, wenn der vormals Minderjährige Restitution begehrt. Nun ist es seine Sache, den Richter zu überzeugen, daß das streitige Rechtsgeschäft vor derjenigen Tageszeit geschlossen wurde, welche der Tageszeit seiner Geburt entsprach. Ge- lingt es ihm mit diesem Beweise nicht, bleibt also die eine oder die andere Tageszeit ungewiß, so ist die Bedingung der Resti- tution nicht vorhanden, das am Geburtstag geschlossene Ge- schäft ist dann der Restitution nicht unterworfen, und für solche Fälle ist der letzte Erfolg derselbe, wie wenn überhaupt die Volljährigkeit mit der vorhergehenden Mitternacht, also auf gleiche Weise wie die Testamentsmündigkeit, anfienge. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Es verdient sehr hervorgehoben zu werden, daß Dieses der einzige Fall ist, in welchem die strenge Zeitrechnung ( a momento in momentum ) in unsren Rechtsquellen an- gewendet wird Nämlich ganz gewiß der einzige Fall, worin Dieses mit kla- ren Worten ausgesprochen ist, nach der von mir versuchten Erklärung der übrigen Stellen in der That auch der einzige Fall überhaupt. Andere Schriftsteller freylich haben auch in die Stellen, welche von dem Rechtsverlust durch Versäum- niß handeln, eine solche Zeitrech- nung durch gezwungene Inter- pretation hinein zu tragen ge- sucht § 185. d. v. , während diejenige Rechnung, welche auf die vorhergehende oder nachfolgende Mitternacht das Ende eines Zeitraums überträgt, diesen also etwas ver- kürzt oder erweitert, in einer nicht geringen Zahl verschie- denartiger Fälle nachgewiesen worden ist. Dabey liegt unverkennbar die Ansicht zum Grunde, nach welcher diese strenge Zeitrechnung als eine unerwünschte Aushülfe in möglichst enge Gränzen der Anwendung einzuschließen ist. — Auch ist wohl zu bemerken, daß dieser einzige sichere Fall der Momentenrechnung ein solcher ist, worin der vor- geschriebene Zeitraum in ganzen Jahren besteht; bey Zeit- räumen, die auf eine Anzahl von Tagen oder Monaten bestimmt waren, also nicht in ganzen Jahren bestanden, wäre es für die Römer fast unmöglich gewesen, nach Mo- menten zu rechnen (§ 181. x. ). §. 188. VI. Die Zeit. 3. Civile Zeitrechnung . (Fortsetzung). Die Art, wie der Endpunkt juristisch wichtiger Zeit- §. 188. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) räume bestimmt werden soll, ist bisher in einer Reihe ein- zelner Rechtsinstitute untersucht worden; es bleibt nun übrig, Regeln für die Beurtheilung derjenigen Institute aufzustellen, worüber sich unsre Rechtsquellen nicht beson- ders aussprechen. Die hierüber von Anderen aufgestellten Regeln kann ich nicht als befriedigend anerkennen. Man hat gesagt, die naturalis computatio bilde die Regel, die überall eintreten müsse, wo nicht die civilis als Ausnahme besonders aner- kannt sey. Diese Meynung beruht auf der ganz irrigen Annahme, die civilis habe die Begünstigung gewisser Per- sonen zum Zweck, sie sey also eine Art von Privilegium; sie ist aber in der That nur dazu bestimmt, eine für alle Theile lästige Erschwerung der Rechtsverfolgung zu besei- tigen. Auch steht damit die Wahrnehmung im Wider- spruch, daß die Römer in so zahlreichen Fällen die Erleich- terung der civilen Zeitrechnung anerkennen, anstatt daß nur in einem einzigen die strenge Rechnung ad momenta vorkommt. Andere haben gesagt, die civilis gelte in den Instituten des jus civile, die naturalis in denen des jus gentium Noodt Comm. in Pand. tit. de minoribus. Reinfelder S. 16. . Auf diese Behauptung hat blos der Wortlaut geführt, wobey noch besonders zu bedenken ist, daß die Ausdrücke civilis und naturalis computatio selbst unächt sind (§ 182.). Man setzt dabey stillschweigend voraus, Das was man ci- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. vilis computatio nennt, beruhe auf einer Subtilität des jus civile, da es doch nur die Befriedigung eines ganz prak- tischen Bedürfnisses durch etwas freye Behandlung der Rechtsverhältnisse ist. Eine solche Behandlung aber ist der Natur des jus gentium sogar vorzugsweise angemessen. Näher der Wahrheit kommt die Ansicht, nach welcher die civilis oder naturalis computatio angewendet werden soll, je nachdem die eine oder die andere der Person vor- theilhafter ist, deren Rechte hier zunächst in Betracht kom- men Rücker p. 70. . Nur mußte man mit dieser Unterscheidung nicht bey der Berechnung ad momenta stehen bleiben, sondern den Endpunkt noch weiter vorrücken. Der einzig sichere Weg besteht darin, daß wir aus den in unsren Rechtsquellen entschiedenen Fällen Regeln bilden, wozu schon oben der Anfang gemacht worden ist § 184. 186, jedesmal am Ende des §. , und dann die nicht entschiedenen Fälle nach diesen Regeln beurtheilen. Auf diesem Wege kommen wir zuerst auf Zwey einfache Regeln, woraus die meisten Fälle eine sichere Entscheidung erhalten können; es bleiben dann nur noch wenige Fälle zu weiterer Untersuchung übrig. Erste Regel . Wer durch den Ablauf eines Zeitraums ein Recht erwirbt, kann dieses in Anspruch nehmen schon von dem Anfang des letzten Kalendertages an. Es ist Dieses die Regel, welche wir oben in Anwendung fanden bey der Usucapion, der Manumission, dem anniculus, und §. 188. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) der Testamentsmündigkeit. Dieselbe ist nun ferner anzu- wenden in folgenden Fällen. 1. Bey der Fähigkeit zur Ehe, die in demselben Zeit- punkt eintritt, wie die Fähigkeit zur Errichtung eines Te- staments, und nach unsrer Regel gleichfalls von dem Anfang des Geburtstages an behauptet werden muß L. 4 de ritu nupt. (23. 2.) „cum apud virum explesset duo- decim annos.” — L. 24 C. de nupt. (5. 4.) „.. tempus .. in quo nuptiarum aetas, vel fe- minis post duodecimum annum accesserit, vel maribus post quartum decimum annum com- pletum. ” .. Diese Ausdrücke kön- nen über die Frage nicht entschei- den, da sie in Stellen gebraucht sind, worin von der scharfen Gränzbestimmung, je nach ver- schiedenen Arten denkbarer Be- rechnung, gar nicht die Rede ist. — Rücker p. 54 will hier ad momenta rechnen. . Das praktische Interesse der Regel würde sich hier zeigen, wenn etwa in der ersten Hälfte des Tages, und vor dem momentum der Geburtszeit, die Ehe geschlossen wäre, und noch in demselben Zeitraum eine Schenkung unter den Ehe- gatten vorkäme; diese würde eine nichtige Handlung seyn. Eben so wenn in demselben Zeitraum, bald nach geschlos- sener Ehe, der eine Ehegatte das Leben verlöre; die ehe- lichen Rechte, namentlich in Beziehung auf die Dos, wür- den hier schon völlig erworben seyn. 2. Bey dem Ablauf des Trauerjahrs. Wenn also die Wittwe an dem wiederkehrenden Todestag des ersten Mannes, und zwar vor der Todesstunde, eine neue Ehe schließt, so wird sie von den auf das verletzte Trauerjahr gesetzten Strafen nicht mehr betroffen. 3. Die Rückforderung der in baarem Gelde und ähn- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. lichen Vermögensstücken bestehenden Dos sollte nach altem Recht annua, bima, trima die geschehen dürfen Ulpian. VI. § 8. ; die Befugniß fieng also an mit Anbruch des Tages, ohne Rücksicht auf die Tageszeit des Todes oder der Scheidung. Das praktische Interesse dieser Anwendung war nicht er- heblich. 4) Nur Derjenige sollte postuliren dürfen, welcher das siebenzehente Jahr zurückgelegt hatte L. 1 § 3 de postul. (3. 1.) „minorem annis decem et sep- tem, qui eos non in totum com- plevit, prohibet postulare.” Die- se Worte gehen hier nicht auf die genaue Gränzbestimmung im letz- ten Tage (wozu das Interesse all- zu geringfügig war), sondern sie fordern nur überhaupt den Ab- lauf des Jahres, und sollen also Diejenigen ausschließen, die schon nahe an 17 Jahren sind, und die man nach der Analogie des im- pubes pubertati proximus zu- zulassen versucht seyn konnte. Rücker p. 53 rechnet auch hier ad momenta, welches in dieser Anwendung überaus kleinlich ist. . Diese Befugniß fieng also an mit dem Anbruch des Geburtstags, ohne Rücksicht auf die Stunde der Geburt. Eine Ausnahme der Regel sollte eintreten, wenn ein Gesetz den Erwerb des Rechts ausdrücklich an die Über- schreitung eines Zeitraums geknüpft hatte; so war die Freyheit von städtischen Ämtern und von Vormundschaften nur dem major septuaginta annis zugesagt (§ 182. d ). Wird also einem Siebenzigjährigen eine Vormundschaft deferirt an seinem Geburtstage, so genießt er jene Be- freyung nicht, wohl aber wenn es am folgenden Tage geschieht L. 2 pr. de excus. (27. 1.). . Zweyte Regel . Wer durch Unthätigkeit nach Ab- §. 188. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) lauf eines bestimmten Zeitraums ein Recht verlieren soll, kann noch am ganzen letzten Kalendertag handeln, so daß der Verlust erst mit dem Ablauf dieses Tages eintritt. Es ist Dieses die Regel, die wir oben angewendet fanden bey der Klagverjährung, der Anklage wegen Ehebruch, und bey der bonorum possessio; außerdem noch in einer Stelle, die im Justinianischen Recht eine ganz allgemeine Gestalt angenommen hat. Diese Regel ist nun ferner in folgen- den Fällen anzuwenden. 1) Bey der im alten Recht vorgeschriebenen Prozeß- verjährung von 18 Monaten für die legitima judicia Gajus IV. § 104. . Am letzten Kalendertage also konnte noch der Judex ein gültiges Urtheil fällen. 2) Bey der Restitution, deren Vier Jahre hierin ganz die Natur der Klagverjährung haben. 3) Bey der Excusation von der Vormundschaft, die an eine Frist von 50 Tagen gebunden ist. 4) Bey dem Inventarium einer Erbschaft, welches bin- nen 30 Tagen angefangen und binnen den folgenden 60 Tagen geendigt werden soll. Beides kann noch im Lauf des ganzen letzten Kalendertages geschehen, und ist als- dann hinreichend um den Verlust des Rechts abzuwenden. 5) Bey Prozeßfristen , mögen nun diese in Gesetzen oder in richterlichen Verfügungen ihren Grund haben. Un- ter allen Anwendungen der für den Endpunkt juristischer Zeiträume aufgestellten Regeln ist keine so häufig und Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. darum so wichtig als diese, welche in größeren Gerichten fast täglich vorkommt. Und gerade für diese Anwendung finden sich unerwarteter Weise die stärksten und mannich- faltigsten Bestätigungen der hier aufgestellten Ansicht Nicht selten führt man die L. 1 si quis caut. (2. 11.) zur Bestätigung dieser Anwendung an, die doch in der That keine Verbindung damit hat. Der Prä- tor ließ einen entfernt wohnen- den Beklagten in der Art die Er- scheinung vor Gericht versprechen, daß ihm auf jede 20 Römische Meilen Entfernung ein Reisetag gestattet wurde; dabey sollte noch der Tag der Stipulation und der Tag des Gerichts selbst außer Rechnung bleiben. Das heißt aber nur, der Beklagte solle nicht ge- nöthigt seyn, noch am Abend des letzten Reisetages vor dem Rich- ter aufzutreten. Mit der Berech- nung des Endpunkts eines gan- zen Zeitraums hat Das keinen Zu- sammenhang. . Sie wird bestätigt durch die Autorität sehr angesehe- ner praktischen Juristen, nur freylich in einer Gestalt, worin man leicht übersieht, daß es in der That die hier aufgestellte, und in wichtigen Anwendungen des Römischen Rechts nachgewiesene Regel ist. Jene lehren nämlich, in den Prozeßfristen müßte nicht schon von dem Tage, woran die Frist gegeben wird, sondern erst vom folgenden Tage an, gezählt werden Böhmer Jus eccl. Prot. Lib. 2 T. 14 § 5 „ post diem in- sinnationis dilatio praescripta currere incipit.” Voetius II. 12 § 14. Gensler Archiv B. 4 S. 197. . So ausgedrückt, sieht es aus wie eine willkührliche, grundlose Begünstigung der Partey, welcher die Frist vorgeschrieben wird, und es haben da- her andere Schriftsteller, von dem Standpunkt einer ver- meyntlichen strengen Theorie aus, Widerspruch dagegen erhoben Glück hatte in früherer Zeit blos die gewöhnliche Lehre der Praktiker vorgetragen (B. 3 ; in der That aber ist es nur die oben darge- §. 188. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) stellte Lehre des Römischen Rechts, nach welcher bey den Klagverjährungen u. s. w. der letzte Kalendertag dem Be- rechtigten bis an seinen Ablauf offen stehen soll. Denn es ist im Erfolg ganz einerley, ob man sagt, eine Frist werde gleich von dem Zeitpunkt an gerechnet, woran sie angesetzt wurde, jedoch so daß der ganze letzte Kalender- tag zum Handeln frey stehe, oder ob man es so aus- drückt: die Zählung der vorgeschriebenen Tage solle erst von dem folgenden Kalendertage anheben. Dieselbe Lehre findet endlich aber auch ihre Bestäti- gung in der Praxis aller Gerichte. Wenn eine einmonat- liche Frist zur Einreichung einer Prozeßschrift am 5. Sep- tember gegeben ist, so wird der erkennende Richter nur darauf sehen, ob die Schrift spätestens am 5. Oktober eingereicht worden ist, und er wird Dieses für genügend halten, ohne zu prüfen, ob dieses vielleicht in einer spä- teren Tagesstunde geschah, als an welcher die Frist ge- geben worden war; gerade Das aber ist der Sinn und Erfolg der hier für die Prozeßfristen (übereinstimmend mit den Klagverjährungen) aufgestellten Regel. Nur allein bey der Appellationsfrist von Zehen Tagen nimmt man an, daß dieselbe ad momenta zu berechnen sey Man gründet dieses auf die Worte der Nov. 23 C. 1 „in- tra decem dierum spatium, a recitatione sententiae nume- randum. ” In der That aber sind diese Worte eben so verein- bar mit einer Berechnung ad dies, als ad momenta. , jedoch § 267). Späterhin, bey der Lehre von den Excusationen (B. 32 S. 101—103), erkennt er dieselbe zwar auch noch, als in der Praxis herrschend, an, verwirft sie aber von Seiten der Theorie. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nur unter der Voraussetzung, daß die Tageszeit der In- sinuation des Urtheils bemerkt und beglaubigt worden ist, welches in früheren Zeiten sehr gewöhnlich beobach- tet wurde; wenn dagegen diese genaue Zeitangabe fehlt, und nur der Tag der Insinuation in den Akten bemerkt ist (welches heutzutage der häufigere Fall in Gerichten seyn wird), so giebt man auch für die Appellation zu, daß sie zehen Tage nach der Insinuation, ohne Rücksicht auf die Tageszeit, eingelegt werden darf Böhmer Jus eccl. Prot. Lib. 2 T. 48 § 48. , worin denn wiederum eine Anerkennung der hier aufgestellten Re- gel liegt. Es bleibt nun noch zu untersuchen übrig, ob es nicht Fälle gebe, welche nach keiner der aufgestellten beiden Re- geln zu beurtheilen seyen, sondern vielmehr nach der Re- gel der Berechnung ad momenta, also nach der Analogie der Minderjährigkeit als Bedingung der Restitution. Dahin gehört nun vor Allem die Minderjährigkeit als Grund und Bedingung einer Curatel. Das praktische In- teresse dieser Frage liegt nicht etwa darin, daß gezweifelt werden könnte, ob der Minderjährige einen Tag früher oder später die Auslieferung des Vermoͤgens verlangen könne; denn ehe der Rechtsstreit hierüber entschieden wer- den könnte, würde unfehlbar jener zweifelhafte Tag ab- gelaufen seyn. Das Interesse liegt vielmehr darin, daß an dem Geburtstage einseitige Veräußerungen von dem Curanden, oder auch von dem Curator, vorgenommen §. 188. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) seyn können. Die Gültigkeit jener und dieser Handlun- gen hängt von dem genau bestimmten Endpunkt der Cu- ratel ab; vor diesem Ende kann der Minderjährige, nach demselben der Curator, nicht gültig handeln. Hier nun glaube ich, daß es ganz unnatürlich seyn würde, für die Curatel einen andern Endpunkt eintreten zu lassen, als für die Restitution, da beide Rechtsinstitute den gemeinschaft- lichen Zweck haben, den Minderjährigen gegen seine nach- theilige Handlungen zu schützen, und diesen Zweck nur durch verschiedene Mittel und Formen verfolgen. Daher ist das Ende der Curatel genau nach der Tageszeit der Geburt ( ad momentum ) zu bestimmen; wird diese Zeit bezweifelt, so hat jedesmal Derjenige den Beweis zu füh- ren, der nach den vorliegenden Umständen als Kläger auf- tritt, und der mislingende Beweis muß Diesem zum Nach- theil gereichen. Ganz dieselbe Frage, gegründet auf dasselbe Interesse, trat ein bey der Mündigkeit, von welcher die eigene Hand- lungsfähigkeit des Mündels, zugleich aber das Ende der Tutel und der Rechte des Vormundes abhingen Man könnte hier versuchen, die Frage vor Allem nach den ge- setzlichen Bestimmungen über das Ende der Tutel zu entscheiden. pr. J. quib. modis tut. (1. 22.) „post annum XIV. completum. ” L. 3 C. quando tut. (5. 6.) „ post excessum XIV. annorum … post impletos XII, annos.” Allein da in diesen Stellen nicht unsre be- stimmte Frage zur Entscheidung vorlag, also der Gegensatz ver- schiedener Zeitpunkte im letzten Tage nicht bestimmt in’s Auge gefaßt war, so läßt sich auf jene Ausdrücke kein Gewicht legen. Vergl. Koch S. 71 — 73. Erb S. 239. . Hier scheint es auf den ersten Blick natürlich, dieselbe Regel IV. 27 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gelten zu lassen wie bey der Testamentsmündigkeit, also auf die vorhergehende Mitternacht (nach Anderen um ei- nen Tag weiter) zurück zu gehen. Allein bey genauerer Betrachtung erscheinen doch die Verhältnisse etwas ver- schieden, indem die Tutel eine Schutzanstalt gegen Gefah- ren in sich schließt, von welchen bey der Unfähigkeit zum letzten Willen nicht die Rede ist. Dagegen ist die Gleich- artigkeit der Tutel mit der Curatel hierin so unverkenn- bar, daß ich es für richtiger halte, auch bey dem Ende der Tutel die Rechnung ad momenta im Römischen Recht anzunehmen. — Übrigens verschwindet diese letzte Frage völlig für unser heutiges Recht, in welchem die Tutel der Unmündigen mit der Curatel der Minderjährigen zusam- men fällt, also ein besonderes Ende der Tutel nicht mehr eintritt. Auch bey den Römern war das Interesse der Frage in Beziehung auf die Tutel geringer. Erstlich weil der Unmündige unmittelbar in die Minderjährigkeit ein- trat, nun also gegen seine eigene Unvorsichtigkeit durch Restitution, späterhin auch durch die Curatel, geschützt war. Zweytens weil in der alten Zeit, wie ich glaube, das Ende der Tutel meist nicht an das bestimmte Alter, sondern an die Anlegung der männlichen Toga, also an eine willkührliche und feyerliche Handlung, geknüpft war (§ 109). In denjenigen Fällen, worin gar nicht von dem Ab- lauf eines ganzen, gleichmäßig erfüllten Zeitraums, son- §. 188. Zeit. 3. Civile Zeitrechnung. (Fortsetzung.) dern von der Benutzung eines einzelnen in denselben fal- lenden Zeitpunktes, die Rede ist (§ 177), müssen die auf- gestellten Regeln nach ihrem allgemeinen Sinn dergestalt angewendet werden, daß Derjenige, der aus einem solchen Zeitpunkte ein Recht ableiten will, innerhalb des äußer- sten Tages frey wählen kann, so wie es ihm am Vor- theilhaftesten ist. Wer also die Legitimität eines Kindes deswegen behauptet, weil 182 Tage vor der Geburt eine Ehe geschlossen worden ist, wird diese Behauptung auch dann begründet haben, wenn die Ehe am Abend geschlos- sen, die Geburt aber am Morgen erfolgt war. Umge- kehrt wird Derjenige, dem ein Pferd am Abend getödtet ist, wenn er ein Jahr vorher den höheren Werth ausmit- teln will, bis auf den Morgen des der Tödtung entspre- chenden Kalendertages zurückgehen dürfen. Durch eine solche Berechnung wird also der mathematisch begränzte Zeitraum der 182 Tage oder des Jahres im ersten Fall um Etwas verkürzt, im zweyten um Etwas verlängert seyn. Zuletzt soll noch gefragt werden, was über den End- punkt juristischer Zeiträume außer dem Römischen Recht vorkommen mag. Im alten Deutschen Recht finden sich nicht selten Zu- gabetage Grimm Rechtsalterthümer S. 221. . Diese könnte man wohl auf eine ähnliche Ansicht zurück führen, wie die welche bey Berechnung der 27* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Römischen Klagverjährung zum Grunde liegt; doch wage ich nicht, etwas Bestimmtes darüber zu behaupten. Das Preußische Landrecht hat ganz die Grundsätze an- genommen, die ich hier in dem Römischen Recht nachzu- weisen gesucht habe, nur noch in größerer Allgemeinheit. Jeder Zeitraum soll, wenn durch seinen Ablauf ein Recht erworben wird, mit dem Anfang des letzten Tages been- digt werden A. L. R. I. 3 § 46. , wenn dadurch ein Recht verloren wird, mit dem Ende des Tages A. L. R. I. 3 § 47, I. 9 § 547. 549. . Eine Berechnung ad mo- menta kommt daneben gar nicht vor; die Handlungsfähig- keit des Minderjährigen fängt insbesondere mit dem An- bruch des Geburtstages an A. L. R. I. 5 § 18. , so daß diese Veränderung als reiner Erwerb eines Rechts behandelt wird. Das Französische Gesetzbuch hat die Regel, welche im Römischen Recht für den Verlust durch Versäumniß gilt, allgemein gemacht, so daß jeder juristische Zeitraum ge- endigt wird mit dem Ablauf des letzten Tages, also mit der nachfolgenden Mitternacht Code civil art. 2260. 2261. „La prescription se compte par jours, et non par heures. — Elle est acquise lorsque le dernier jour du terme est ac- compli.” — Dernier jour könnte an sich zweydeutig scheinen; in Verbindung mit dem vorherge- henden Artikel kann es nur der Kalendertag seyn. — Diese Be- stimmungen sind die dispositions générales für die Zeit der Ver- jährung, so daß sie die Usucapion und Klagverjährung zugleich um- fassen. Es ist wohl unbedenklich, sie auch auf den Ablauf aller an- deren juristischen Zeiträume an- zuwenden, da die Absicht der Sim- plification zum Grunde liegt. . Daher werden hier alle Zeiträume in der That bald mehr bald weniger verlän- §. 189. Zeit. 4. Utile tempus. gert, mit Ausnahme der seltenen Fälle, worin der beweg- liche Tag mit einem Kalendertag zufällig zusammen trifft. Es ist aber diese Bestimmung als absichtliche Änderung des früher geltenden Rechts getroffen worden, welches durch die Vorschriften des Römischen Rechts bestimmt wor- den war; diese Vorschriften selbst hatte man bey der Ab- fassung des neuen Gesetzbuchs ganz richtig aufgefaßt Code civil suivi des mo- tifs T. 7 p. 148 (Rede von Bi- got-Préameneu). Maleville T. 4 p. 148. . §. 189. VI. Die Zeit. 4. Utile tempus. Hauptstellen: L. 1 de div. temp. praescr. (44. 3.). L. 2 quis ordo (38. 15.). Schriftsteller: Donellus XVI. 8 § 17. Haubold opuscula T. 1 p. 397 — 438 (von 1791); vgl. Wenck praefatio p. XXX. Chr. G. Gmelin über die stete und zusammengesetzte Zeit, in: Danz, Gmelin und Tafinger critisches Ar- chiv der jur. Lit. Tübingen 1802 B. 2 S. 193 — 244. Die civile Zeitrechnung, von welcher bisher als von einer Modification der regelmäßigen Berechnung die Rede war, konnte bey Zeiträumen aller Art in Frage gestellt Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. werden: das utile tempus, von welchem nunmehr, als ei- ner zweyten möglichen Modification, die Rede seyn soll, ist schon durch seinen Begriff auf solche Zeiträume be- schränkt, in welchen die Unthätigkeit eines Berechtigten den Verlust des Rechts nach sich zieht (§ 177). Wenn näm- lich diese Unthätigkeit in einzelnen Fällen ihren Grund hat in einem unüberwindlichen Hinderniß, so kann hierauf bil- lige Rücksicht in der Art genommen werden, daß diejeni- gen Zeittheile, worin das Hinderniß Statt fand, gar nicht als abgelaufen oder versäumt mitgerechnet werden Der technische Ausdruck ist: dies cedunt, non cedunt. Vgl. die angeführten Hauptstellen. , so daß der Zeitraum um eben so viele Zeittheile in der That erweitert wird, als durch das Hinderniß aus der Berech- nung ausgefallen sind. Wo diese Modification zur An- wendung kommt, heißt die Zeit utile tempus, wo sie nicht gilt, also die Zählung der Zeittheile ohne Rücksicht auf Hindernisse durchgeführt wird, continuum Tempus utile, continuum. L. 2 quis ordo (38. 15.). — Dies utiles, in beiden Hauptstellen, auch in § 16 J. de excus. (1. 25.). — Menses. L. 19 § 6 de aedil. ed. (21. 1.), L. 29 § 5 ad L. Jul. de adult. (48. 5.). — Annus L. 19 § 6 de aedil. ed. (21. 1.), L. 8 C. de dolo (2. 21.). — Biennium continuum. L. 8 C. de dolo (2. 21.). — Quadriennium L. 7 C. de temp. in int. rest. (2. 53.). — Quinquennium L. 29 § 5 L. 31 ad L. Jul. de adult. (48. 5.). — Auch kommt für diese Behand- lung der Zeit das Substantivum utilitas temporis vor L. 2 § 3 quis ordo (8. 15.); eben so für die entgegengesetzte: continuatio temporis. L. 7 pr. C. de temp. in int. rest. (2. 53.). . Die Zeit- theile, die auf diese Weise dem Handelnden zu gut ge- rechnet werden, sind stets einzelne, aber ganze Tage, auch da wo der Zeitraum selbst nicht in einer Zahl von Ta- §. 189. Zeit. 4. Utile tempus. gen, sondern in größeren Zeitabschnitten (Jahr oder Mo- nat) ausgedrückt ist L. 2 pr. quis ordo (8. 15.). „Utile tempus est bonorum pos- sessionum admittendarum. Ita autem utile tempus est, ut sin- guli dies utiles sint: scilicet ut per singulos dies et scierit et potuerit admittere. Ceterum quacunque die nescierit, aut non potuerit, nulla dubitatio est, quin dies ei non cedat. ” Diese Zeitbestimmung nun gieng, nach Verschiedenheit der Fälle, auf Ein Jahr oder 100 Tage. Un- bedenklich aber ist die hier für die B. P. ausgesprochene Regel auch auf die Klagverjährungen anzu- wenden. — Tritt das Hinderniß mitten in einem Tage ein, so muß dieser ganze Tag als ausfallend gelten, weil die Rechtsregel stets eine Anzahl vollständiger Tage zum Handeln gestattet, die- ser Tag aber kein vollständiger ist. Reinfelder S. 16. 17 will hier Stunden und Minuten ein- zeln zählen; das würde nicht nur sehr kleinlich seyn, auch dem Aus- druck der angeführten Stelle nicht entsprechen, sondern es wäre über- dem an sich irrig. Denn die Ge- schäftszeit jedes Tages beträgt stets sehr viel weniger als 24 Stun- den, und läßt sich gar nicht auf eine bestimmte Stundenzahl be- schränken. . Das Eigenthümliche dieser billi- gen Begünstigung besteht nun darin, daß dieselbe ganz von selbst, in Folge einer allgemeinen Rechtsregel ( ipso jure ) eintritt, nicht durch eine Restitution, welche stets die freye Einwirkung der Obrigkeit auf ein einzelnes Rechtsverhält- niß voraussetzt, und daher von dem utile tempus durch- aus verschieden ist. Es würde irrig seyn, wenn man diesen zur vorläufi- gen Übersicht aufgestellten formellen Begriff des utile tem- pus so auffassen wollte, als ob dasselbe in allen Fällen der hier beschriebenen Art wirklich zur Anwendung käme. Zwar negativ läßt sich auch schon dieser blos formelle Begriff mit Sicherheit gebrauchen, um alle darunter nicht enthaltene Fälle entschieden auszuschließen. So dauerte Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. die alte Usucapion beweglicher Sachen nur Ein Jahr, und dieser kurze Zeitraum konnte dazu verleiten, ein utile tem- pus anzunehmen; dennoch galt dieses hier niemals L. 31 § 1 de usurp. (41. 3.). „In usucapionibus mobi- lium continuum tempus nume- ratur.” Dieses ist geschrieben un- ter Voraussetzung der alten ein- jährigen Usucapion, und als War- nung, das utile tempus der ein- jährigen Klagen nicht auf die ein- jährige Usucapion anzuwenden. , aus dem einfachen Grunde, weil die Usucapion wesentlich auf dem Besitz des Erwerbers beruht, nicht auf der Unthätig- keit des früheren Eigenthümers, die hier bloße Nebensache ist, und im alten Recht großentheils gar nicht vorhanden war War die usucapirte Sache vorher in bonis, so war von ei- nem Gegner oft gar nicht die Rede; aber auch bey der Usucapion des b. f. possessor (heutzutage der einzigen), die stets einen Gegner voraussetzt, ist dessen Unthätigkeit ein so untergeordnetes, für das Wesen der Usucapion gleichgülti- ges Moment, daß selbst seine Thä- tigkeit, nämlich die Anstellung ei- ner Vindication, den Ablauf der Usucapion nicht hindert. . Aber ein positiver Gebrauch läßt sich von je- nem Begriff nur mit großer Vorsicht machen. Das utile tempus gilt nämlich selbst in dem oben bezeichneten Fall doch nur unter folgenden besonderen Bedingungen, welche vereinigt vorhanden seyn müssen, wenn dasselbe zur An- wendung kommen soll. 1) Das utile tempus kommt nur bey solchen Hand- lungen vor, die vor einer richterlichen Obrigkeit vorzuneh- men sind. Dadurch sind folgende Fälle allgemein ausge- schlossen: die einjährige Deliberationsfrist L. 19 C. de jure delib. (6. 30.). Eigentlich nicht die De- liberationsfrist selbst (denn diese gehört als eine richterliche, nicht gesetzliche, ohnehin nicht zu dem utile tempus ), sondern das daraus entstandene Transmissionsrecht. , der Anfang §. 189. Zeit. 4. Utile tempus. eines erbschaftlichen Inventars, so wie die Beendigung desselben L. 22 C. de j. delib. (6. 30.). ; ferner die 30 Tage, binnen welchen eine geschiedene Frau ihre Schwangerschaft dem Mann anzu- zeigen hat L. 1 § 9 de agnoscendis (25. 3.). „Dies autem triginta continuos accipere debemus ex die divortii, non utiles.” Die Bedeutung dieser 30 Tage wird in den §§ 1. 3. 4 eod. näher an- gegeben. . Aber selbst bey den oben bemerkten Handlungen ist es nicht allgemein; namentlich sind die 50 Tage, in welchen die Excusation von einer Vormundschaft vor Gericht an- gebracht werden muß, continui § 16 J. de excus. (1. 25.) „intra dies quinquaginta conti- nuos, ex quo cognoverunt se tutores datos, excusare se de- bent.” L. 13 § 9 eod. . Eigentlich bleiben nur Zwey Hauptfälle für die Anwendung des utile tempus übrig, worauf eben die oben angeführten Hauptstellen sich beziehen: der Erwerb der Bonorum possessio, und die Klagverjährung . Dieser letzten sind jedoch noch einige andere Fälle, als mit ihr verwandt oder zusam- menhängend, hinzuzurechnen: die 60 Tage und die Vier Monate bey der Anklage wegen Ehebruch L. 11 § 5, 6 L. 29 § 5 ad L. Jul. de adult. (48. 5.). ; desgleichen die Zwey und Drey Tage bey der alten Appellations- frist Es waren zwey Tage (mit Einschluß des Urtheilstages) vor- geschrieben, wenn die Partey ihre Sache selbst führte, drey Tage wenn ein Procurator auftrat. L. 1 § 5. 6. 11 — 15 quando appellan- dum sit (49. 4.). Hier heißt es nun im § 6: „ Dies autem istos, quibus appellandum est, ad ali- quid utiles esse oratio D. Marci voluit, si forte ejus a quo pro- vocatur copia non fuerit” (doch mußte nach § 10 auch der höhere Richter unzugänglich seyn). Die Worte ad aliquid werden noch ; ferner die ältere Verjährung der Restitution, ob- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gleich dieselbe keine eigentliche Klagverjährung ist Nämlich Ein annus uti- lis, der im neueren Recht in ein quadriennium continuum ver- wandelt wurde. L. 7 C. de temp. in int. rest. (2. 53.). ; endlich die von Justinian abgeschaffte annalis exceptio Italici contractus L. 1 pr. C. de annali ex- cept. (7. 40.). Allerdings steht hier nicht der Name utilis annus, aber unverkennbar deuten darauf diese Worte: „illud spatium an- nale alii quidem ita effuse in- terpretabantur, ut possit usque ad decennium extendi” … . Alle diese Fälle sind für das heu- tige Recht nicht mehr vorhanden, so daß wir also nur auf die angegebenen Zwey Hauptfälle Rücksicht zu neh- men haben. 2) Das utile tempus ist nur anwendbar auf solche Zeiträume, die durch eine allgemeine Rechtsregel, nicht durch individuellen Willen, bestimmt sind: also namentlich nicht auf die von einem Richter angesetzten Prozeßfristen Dieses folgt schon daraus, daß bey richterlichen Prozeßfristen auch die Gerichtsferien in die vor- geschriebene Zeit eingerechnet wer- den. L. 3 C. de dilat. (3. 11.), L. 2 C. de temp. et repar. (7. 63.). . 3) Das utile tempus gilt in den hier bezeichneten Rechtsinstituten nicht allgemein, sondern nur wenn der vorgeschriebene Zeitraum Ein Jahr oder weniger, nie wenn er mehr als Ein Jahr beträgt. Diese Regel bedarf bey der Bonorum possessio keines besonderen Beweises, denn bey dieser kommen überhaupt weiter unten erklärt werden. — Man könnte nun diese Regel über- tragen wollen auf die neuere Ap- pellationsfrist von zehen Tagen; ich würde dieses jedoch für be- denklich halten, besonders da bey der Verwandlung jener zwey bis drey Tage in zehen dieselbe Mul- tiplication zum Grunde liegt, wie bey dem utilis annus der Resti- tution, der in ein quadriennium continuum verwandelt worden ist. Freylich würde in einem solchen Fall die Restitution dem Appel- lanten schwerlich versagt werden. §. 189. Zeit. 4. Utile tempus. nur Zwey Zeiträume vor, Ein Jahr und 100 Tage, und für beide ist unstreitig das utile tempus anwendbar. Da- gegen ist dieselbe um so wichtiger bey der Klagverjäh- rung, welche mit den verschiedensten Zeiträumen vorkommt. Daß nun die längeren Klagverjährungen ein continuum tempus haben, ist unbestritten. Bey denen von 30 und 40 Jahren ist es ausdrücklich gesagt L. 3 C. de praesc. XXX. (7. 39.) „triginta annorum jugi silentio. ” Eben so in L. 4 eod. bey der vierzigjährigen. , es ist aber eben so bey den Verjährungen von 20, 10, 5 und 4 Jahren nicht zu bezweifeln. Daß aber die einjährigen und kürze- ren Verjährungen stets das utile tempus mit sich führen, und daß dieses als durchgehende Regel stillschweigend vor- ausgesetzt wird, erhellt aus der im Ausdruck wenig sorg- fältigen Art, mit welcher die Zeitbestimmung derselben im Edict, in Rescripten, und bey den alten Juristen behan- delt zu werden pflegt, ohne daß jemals ein Zweifel hier- über entstanden zu seyn scheint Donellus XVI. 8. § 17. . So war zwar bey dem Int. uti possidetis das utile tempus schon im Edict selbst unmittelbar ausgedrückt L. 1 pr. uti poss. (43. 17.) „intra annum quo primum ex- periundi potestas fuerit.” Die- ses war der eigentliche Ausdruck des utile tempus. L. 1 de div. temp. praescr. (44. 3). , bey dem Int. de vi nicht L. 1 pr. de vi (43. 16.) „intra annum.” , so daß dieses Schweigen zur Annahme eines continuum tempus hätte verleiten können; dennoch wurde auch hier das utile unbedenklich angenommen L. 1 § 39 de vi (43. 16.) „annus in hoc interdicto utilis est;” dieses wird nicht als etwas . Die Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Injurienklage wird in einer Stelle des Codex ganz unbe- stimmt als einjährig bezeichnet L. 5 C. de injuriis (9. 35.). , und wir erfahren nur beyläufig, an einem ganz entlegenen Orte, daß dieses Jahr ein utile tempus ist L. 14 § 2 quod metus (4. 2.). . Die ädilicischen Klagen werden eben so mit den bloßen Zeiträumen von Einem Jahr und Sechs Monaten bezeichnet L. 2 C. de aedil. act. (2. 58.) , anderwärts aber wird diese Zeit als utile tempus näher bestimmt L. 19 § 6 de aedil. ed. (21. 1.). . Aus diesem Allen ergiebt es sich mit der größten Wahrschein- lichkeit, daß die Römischen Juristen das utile tempus als unzertrennlich verbunden mit den einjährigen oder noch kürzeren Klagverjährungen ansahen, ohne Unterschied ob diese Nebenbestimmung im Edict jedesmal ausgedrückt war oder nicht. 4) Die wichtigste Bedingung endlich, und die bisher am wenigsten Anerkennung gefunden hat, betrifft die Be- schaffenheit des Hindernisses der Thätigkeit, gegen dessen nachtheilige Folgen die in dem utile tempus enthaltene künstliche Zeitrechnung schützen soll. Nämlich nur solche Hindernisse werden hier beachtet, und bringen das utile tempus zur Anwendung, welche auf vorübergehenden, meist ganz zufälligen, Umständen beruhen, nicht diejenigen, welche an einen dauernden Zustand der Person geknüpft sind. Diese Regel wird zugleich erklärt und bewiesen werden Besonderes oder gar Zweifelhaf- tes bemerkt, sondern nur um dem möglichen Misverständniß vorzu- beugen, welches aus dem Schwei- gen des Edicts über diesen Punkt hätte entstehen können. §. 189. Zeit. 4. Utile tempus. durch die Darlegung der einzelnen zu diesen beiden Arten gehörenden Hindernisse. Diejenigen, welche in der That für die Anwendung des utile tempus geeignet sind, und sämmtlich den eben erwähnten Charakter an sich tragen, betreffen theils die Person des Unthätigen selbst, theils die Person seines Geg- ners, theils das Verhältniß zu der richterlichen Obrigkeit, vor welcher die Handlung vorgenommen werden soll Die nun folgende Angabe der einzelnen Hindernisse gründet sich auf L. 1 de div. temp. prae- scr. (44. 3.). . Die Hindernisse in der Person des Unthätigen können sowohl bey der Klagverjährung, als bey der Bonorum possessio vorkommen. Es gehören dahin die Fälle, wenn der Klagberechtigte in Kriegsgefangenschaft, oder im Staats- dienst abwesend, oder in einem Gefängniß ist L. 1 cit. „in vinculis.” — L. 11 § 5 ad L. Jul. de adult. (48. 5.) „in custodia.” Es scheint wohl zunächst gedacht an das Ge- fängniß eines Verbrechers oder Inquisiten, doch könnte zugleich auch das Schuldgefängniß im Fall der Insolvenz gemeynt seyn. , oder wenn er durch Stürme oder durch Krankheit zu erscheinen verhindert wird, und zwar in allen diesen Fällen so daß er auch keinen Stellvertreter senden kann L. 1 cit. „ut neque ex- periri neque mandare possit.” Gleich nachher heißt es: „Plane is, qui valetudine impeditur, ut mandare possit, in ea causa est ut experiundi habeat potes- tatem.” Das heißt so viel als: qui valetudine ita impeditur ut mandare tamen possit. Auf denselben Sinn führt das in der Vulg. vor valetudine eingescho- bene ea. — A. Faber conject. V. 18 erklärt zuerst das impe- ditur ut, gegen den üblichen Sprachgebrauch, durch impeditur ne, und sieht sich nun freylich zu der gefährlichsten aller Emenda- tionen genöthigt, indem er ließt: non habeat potestatem. . Alles die- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ses sind augenscheinlich Hindernisse der oben beschriebenen, zufälligen, wechslenden Beschaffenheit. Hindernisse in der Person des Gegners sind nur denk- bar bey der Klagverjährung; denn bey der Bonorum pos- sessio kommt ein Gegner überhaupt nicht vor, und auch bey der Appellation des älteren Rechts war von dem Geg- ner wenigstens nicht die Rede, da derselbe bey Einwendung der Appellation nicht mitzuwirken hat Der Zusatz ad aliquid utiles esse in L. 1 § 6 quando appell. (Note l ) will nicht sagen, daß hier die utilitas im Princip beschränkter sey, sondern nur in der Anwendung, verglichen mit der Klagverjährung. Denn bey der Appellation kann nicht nur der Gegner gar keine Hindernisse machen, sondern auch bey dem Kläger werden sie, wegen der Kürze der Frist, fast nie eintreten können. Wenn nämlich in Ge- genwart des Appellanten (wie hier vorausgesetzt wird) das Ur- theil gesprochen ist, so läßt es sich nicht wohl denken, daß dieser an demselben oder dem folgen- den Tage in Kriegsgefangenschaft gerathe, oder durch stürmende Meere von dem Gerichtsort ge- trennt werde. Jene Worte sol- len also einen factischen Unter- schied ausdrücken, keinen juristi- schen. Für die gewöhnlichen Irr- thümer, wovon unten die Rede seyn wird, ist dieser Umstand nicht unwichtig. . Durch den Beklagten nun kann die Anstellung der Klage verhindert werden, wenn derselbe unbekannt, versteckt, entflohen, oder überhaupt abwesend und unvertreten ist Dieses wird z. B. ein sehr gewöhnlicher Fall seyn bey der einjährigen actio vi bonorum raptorum. Noch häufiger würde es seyn bey der furti actio, wenn diese nicht perpetua wäre, und daher continuum tempus hätte. . Das Verhältniß zur Obrigkeit kann gleichfalls ein Hin- derniß der Thätigkeit begründen L. 1 de div. temp. prae- scr. (44. 3.). „Illud utique ne- minem fugit, experiundi potes- tatem non habere eum, qui Praetoris copiam non habuit: proinde hi dies cedunt, quibus jus Praetor reddit.” Dasselbe , und zwar auf zweyer- §. 189. Zeit. 4. Utile tempus. ley Weise. Erstlich wenn zufällig die obrigkeitliche Person an dem öffentlichen Gerichtsort nicht anzutreffen ist Es sollte also keine Partey genöthigt seyn, den Prätor in sei- ner Wohnung aufzusuchen. L. 1 § 7. 8. 9 quando appell. (49. 4.). . Die Römer unterschieden hierin noch die Handlungen, wo- bey die richterliche Mitwirkung eine bloße Form blieb, von denen die an richterliche Prüfung gebunden waren, und daher nur vor dem Tribunal vorgehen konnten L. 2 § 1. 2 quis ordo (38. 15.). Zu der ersten Art ge- hörte die edictalis B. P., die de plano gegeben wurde; zu der zweyten die decretalis B. P., und eben so jede angestellte Klage. . In den Provinzen wurde nicht gerade die örtliche Anwe- senheit des Statthalters für nöthig gehalten, sondern sein nicht allzu entfernter Aufenthalt galt als Gegenwart, jedoch so daß für jede 20 Römische Meilen Entfernung der vor- geschriebene Zeitraum um Einen Tag verlängert seyn sollte L. 2 § 3 quis ordo. (38. 15.). . — Zweytens aber lag ein allgemeineres Hin- derniß in folgender Einrichtung des Römischen Gerichts- wesens Sehr befriedigend handelt von diesem schwierigen Gegen- stand Hollweg Geschichte des Prozesses B. 1 § 19. . Die Römer hatten dies fasti in nicht großer Zahl, die unbedingt zu gerichtlichen Geschäften angewen- det wurden, und nefasti, die dazu nicht gebraucht werden durften; zwischen beiden aber lagen viele unbestimmte Tage in der Mitte, wie namentlich die sehr zahlreichen comitia- les, die man, wo es nöthig war, zu Gerichtsgeschäften gebrauchte, wenn an ihnen gerade keine Comitien gehalten wurden. Als sich die gerichtlichen Geschäfte häuften, fand gilt bey der B. P. L. 2 § 1 quis ordo (38. 15.). Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. man es nöthig, die regelmäßigen Gerichtstage zu vermeh- ren; August legte 30 Tage hinzu, und M. Aurel brachte die Gesammtzahl auf 230 Sueton. Octavianus C. 32. Capitolin. Marcus C. 10. ; ohnehin waren unter den Kaisern die alten Comitialtage bald ganz disponibel ge- worden. Im J. 389 wurden die Gerichtstage, mit Rück- sicht auf die Einrichtungen der christlichen Kirche, neu geordnet, und nun betrug die Gesammtzahl etwa 240 L. 19 C. Th. de feriis (2. 8); in früheren Ausgaben ist es L. 2. . Durch die Beachtung dieses Hindernisses der Rechtsverfol- gung, des regelmäßigsten und daher wichtigsten unter allen, wird daher der utilis annus auf etwa anderthalb Jahre erweitert. Diese letzte Art des Hindernisses, wodurch das utile tempus anwendbar werden konnte, war wichtiger als alle übrigen; denn diese beruhten doch nur auf zufälligen, zum Theil sehr seltenen Ereignissen: jenes kam regelmäßig und in so bedeutender Ausdehnung vor, daß dadurch etwa der dritte Theil jedes Jahres absorbirt wurde. Ja es ist nicht unwahrscheinlich, daß Dieses allein zur Ausbildung des utile tempus Anlaß gegeben hat, und daß daneben die übrigen Fälle der Verhinderung nur gelegentlich, und der Conse- quenz wegen, mit hinzu gezogen wurden. Um so mehr muß gleich hier bemerkt werden, daß dieses letzte, für die Römer wichtigste, Hinderniß aus unsrem heutigen Rechte verschwunden ist. Nach unsren Einrichtungen kann eine §. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) juristische Handlung, für welche ein Zeitraum gesetzlich vorgeschrieben ist, fast zu allen Zeiten durch Einreichung eines schriftlichen Antrags vorgenommen werden; die Ses- sionstage der Gerichte haben darauf keinen Einfluß, und selbst die Gerichtsferien können in der Regel eine solche Beobachtung vorgeschriebener Zeiträume nicht hindern Dieses Letzte galt ja in manchen Fällen schon in Rom, namentlich bey den 50 dies con- tinui der Excusation. Fragm. Vat. § 156 „si sint sessiones .. debet ., adire praetorem .. Si feriae sint, libellos det contes- tatorios.” Nur waren hier die libelli dem Gegner zu übergeben ( adversario, id est ei qui eum petit ), dem er außer der Ferien- zeit denuntiiren mußte, daß er mit ihm vor dem Prätor er- scheine. . §. 190. VI. Die Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) Nachdem diejenigen Hindernisse der Thätigkeit darge- stellt worden sind, welche die Anwendung des utile tempus wirklich begründen, ist es nöthig, auch noch von denen zu handeln, welchen eine solche Wirkung nicht beygelegt wer- den darf; denn gerade diese Seite der ganzen Lehre ist es, woran die meisten Irrthümer neuerer Schriftsteller sich an- knüpfen. Der erste und besonders wichtige Fall dieser Art ist die Unwissenheit des zum Handeln Berufenen über sein Recht. Hierin möchte man geneigt seyn, allgemein das entschie- denste Hinderniß der Thätigkeit zu setzen, also die unzwei- felhafteste Veranlassung zur Anwendung des utile tempus, IV. 28 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. auch ist dieses die herrschende Meynung der Schriftsteller; in der That aber verhält es sich damit anders, und zwar auf folgende Weise Diese Untersuchung ist aus- führlich schon oben angestellt in der Beylage VIII Num. XXIV — XXVIII. Hier werden daher blos die Resultate in wenigen Worten zusammen gestellt. . Bey der Bonorum possessio al- lerdings war schon durch den Ausdruck des Edicts die Unwissenheit mit der Unmöglichkeit der Agnition ganz auf gleiche Linie gestellt Jedoch nur die facti, nicht die juris ignorantia. Vgl. Bey- lage VIII Num. XXIV. . Daher wurde es hier als natür- liche Folge des utile tempus angesehen, daß jeder Tag der Unwissenheit dem Berufenen nicht angerechnet werden dürfe L. 2 pr. quis ordo (38. 15.). „Ita autem utile tempus est, ut singuli dies in eo utiles sint: scilicet ut per singulos dies et scierit et potuerit ad- mittere: ceterum quacunque die nescierit aut non potuerit , nulla dubitatio est, quin dies ei non cedat.” Offenbar ist hier folgender Gedanke ausgedrückt: das nescire ist dem Begriff nach von dem non posse unterschie- den, nicht schon in ihm enthal- ten, aber beide sollen in Bezie- hung auf die B. P. praktisch gleich behandelt werden, so daß hier die Beachtung des einen wie des andern Moments durch die Vor- schrift des utile tempus begrün- det wird. . Ganz anders bey der Klagverjährung, bey welcher nur allein von der Abwesenheit äußerer Hinder- nisse die Rede ist L. 1 de div. temp. praescr. (44. 3.). „Quia tractatus de utilibus diebus frequens est, videamus quid sit, experiundi potestatem habere.” In dem bloßen posse experiri ist das scire keinesweges schon mit als Bedingung eingeschlossen (vgl. die vorhergehende Note), da der über sein Klagrecht Unwissende in der Regel diese Unwissenheit über- winden kann und soll. Daß es auch wirklich so gemeynt ist, zeigt die nachfolgende Aufzählung der Fälle fehlender experiundi po- testas; unter diesen steht die Un- wissenheit nicht, die doch häufiger vorkommt, als die meisten hier genannten Fälle, also vorzugs- ; die Unwissenheit des Berechtigten §. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) über sein Klagrecht ist im Edict nicht erwähnt, und sie wird in der Anwendung (höchst seltene Ausnahmen abge- rechnet) nicht beachtet. Dieser Unterschied ist aber nicht die Folge der im Edict zufällig gebrauchten Ausdrücke, sondern diese waren so gewählt, um dem aus inneren Gründen räthlichen Unterschied Anerkennung zu verschaffen. Denn wer über sein Klagrecht unwissend ist, wird in der Regel dem Vorwurf einer nachlässigen Aufsicht auf seine Rechte unterliegen, anstatt daß Keiner den Beruf hat, den Erbschaften nachzuspüren, die ihm etwa zufallen möchten. Ferner liegt der gemeinschaftliche Zweck der für die B. P. und die Klagen vorgeschriebenen Zeiträume darin, daß die Rechtsverhältnisse schnell zur Entscheidung kommen; die- sem Zweck würde es völlig widersprechen, wenn man bey der Klagverjährung den Vorwand der Unwissenheit zulas- sen wollte: bey der B. P. ist derselbe unschädlich, da der zunächst nach dem Unwissenden Berufene durch eigenes In- teresse angetrieben wird, Jenen von der Delation zu un- terrichten, wodurch die Unwissenheit augenblicklich aufge- hoben wird. Dagegen giebt es umgekehrt mehrere Fälle, worin continuum tempus gilt, und dennoch die Unwissenheit den Lauf des vorgeschriebenen Zeitraums hindert. Dahin ge- hört die Excusation von der Vormundschaft § 16 J. de excus. (1. 25.), L. 13 § 9 eod. (27. 1.), L. 6 C. eod. (5. 62.), Fragm. Vatic. § 156. , die Fri- weise bemerkt werden mußte, wenn sie wirklich zu beachten wäre. 28* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sten für die Deliberation und das Inventarium L. 19. 22 C. de j. delib. (6. 30.). , und endlich alle Prozeßfristen. Hieraus folgt also, daß die Beachtung oder Nichtbeach- tung der Unwissenheit von dem Gegensatz des utile und continuum tempus völlig unabhängig ist und in denselben gar nicht herein gezogen werden darf; ja diese wesentliche Verschiedenheit beider Gegensätze hat sogar eine wörtliche Anerkennung im Römischen Recht gefunden L. 8 C. de dolo (2. 21.), d. h. L. un. C. Th. de dolo (2. 15.). „Optimum duximus, non ex eo die, quo se quis- que admissum dolum didicisse commemoraverit, neque intra anni utilis tempus, sed potius ex eo die etc. Die Berechnung von der Zeit der Kenntniß an liegt also außer der Berechnung des annus utilis. — Der einzige scheinbare Zweifel könnte erho- ben werden aus L. 8 de his qui not. (3. 2.). „Sed cum tempus luctus continuum est, merito et ignoranti cedit ex die mor- tis mariti.” Wollte man den ganz einzeln stehenden gelegent- lichen Ausdruck dieser Stelle als Grund einer Regel behandeln, so würde diese doch nur so lauten können: omne continuum tem- pus ignoranti cedit; davon ist aber so eben das Gegentheil dar- gethan worden. . Ferner sind nicht dazu geeignet, die Anwendung des utile tempus hervor zu rufen, alle diejenigen Hindernisse, welche nicht in schnell vorübergehenden, oder doch ganz von wechs- lenden Zufällen abhängigen Umständen, sondern in einem dauernden Zustand der unthätigen Person bestehen. In einem Zustand solcher Art befinden sich Unmündige, Minderjährige, Kinder in väterlicher Gewalt, Wahnsinnige, Verschwender, und juristische Personen. Diese alle sind mehr oder weniger verhindert, ihre Rechte durch Thätigkeit selbst wahrzuneh- §. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) men, und man könnte daher geneigt seyn, den in dem utile tempus liegenden Schutz auch auf sie anzuwenden; den- noch muß diese Anwendung gänzlich verworfen werden, und es wird vielmehr für das Interesse dieser Personen auf andere Weise gesorgt, so daß die für sie wirklich ein- tretende Schutzanstalten von dem Unterschied des utile und continuum tempus völlig unabhängig sind. Dieses soll nunmehr zuerst bey der Klagverjährung, dann bey der Bonorum possessio, nachgewiesen werden. I. Klagverjährung . Die Unmündigen und Minderjährigen hatten im älteren Recht gar keine Befreyung, auch nicht bey den Klagen, deren Verjährung in einem utile tempus bestand, da bey ihnen nie die experiundi potestas fehlte; denn für den Unmündigen konnte der Tutor klagen Eine merkwürdige Analo- gie für diesen Satz findet sich in der Tab. Heracl. Vers. 4. 5. 6. Daselbst sind gewisse Professionen innerhalb einer bestimmten Zahl von Tagen vorgeschrieben. Wenn nun die Profession einen Unmün- digen betrifft, so ist der Vormund an die Beobachtung der Frist ge- bunden; das heißt, das Recht geht verloren, wenn der Vormund die Frist versäumt. , der Minderjäh- rige aber konnte seine Klagen selbst anstellen. Der Schutz also bestand: für den Unmündigen in dem Regreß gegen den nachlässigen Vormund; für beide in der Restitution wegen Minderjährigkeit. — Das neuere Recht hat fol- gende ganz abweichende Bestimmungen getroffen: der Un- mündige ist ipso jure frey von allen Klagverjährungen, der Minderjährige ist eben so frey von allen die weniger als 30 Jahre dauern, gegen diese letzte schützt ihn nicht Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. einmal Restitution. Dabey ist es ganz gleichgültig, ob die Verjährung ein utile oder ein continuum tempus hat Vgl. Beylage VIII. Num. XXVII. . Der Sohn in väterlicher Gewalt, welcher sogenannte Adventitien besitzt, wovon erst seit Constantin die Rede seyn konnte, ist unfähig, die zu diesem Vermögen gehörende Klagrechte selbst auszuüben und gegen Verjährung zu schützen, weil der Vater das sehr freye Verwaltungsrecht darüber hat. Daher ist er auch eben so unbedingt von allem Verlust durch Klagverjährung ausgenommen, wie es so eben von dem Unmündigen bemerkt worden ist Beylage VIII. Num. XXVII. . Für den Wahnsinnigen und den Verschwender finden sich gar keine besondere Bestimmungen über die Verjäh- rung ihrer Klagen; der Schutz also besteht in dem allge- meinen Regreß, den sie und ihre Erben gegen den nach- lässigen Curator haben. An sich wäre es nicht unnatürlich gewesen, den Wahnsinnigen dem Unmündigen gleich zu stellen; daß es nicht geschah, ist zunächst aus der Selten- heit des Falles zu erklären, außerdem aber hätte darin auch eine unbegründete Härte gegen den Beklagten liegen können, wenn man alle Klagverjährung hätte ruhen lassen wollen. Denn der Wahnsinn kann ein langes Leben hin- durch dauern, anstatt daß die Unmündigkeit stets eine nothwendige, nicht entfernte Gränze mit sich führt. Auch für juristische Personen finden sich keine ab- weichende Bestimmungen über die Klagverjährung, so daß § 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) sie im Fall eines solchen Verlustes nur den Regreß gegen ihre nachlässige Beamte haben. Für Einen Fall, nämlich für die longi temporis praescriptio, ist dieses sogar aus- drücklich anerkannt Paulus V. 2 § 4, L 1 in f. C. de praescr. longi temp. (7. 33.). . II. Bonorum possessio . Bey dem Unmündigen ist es als Regel anerkannt, daß die Frist, ungeachtet der Unmündigkeit, in ihrem Lauf nicht gehemmt ist L. 7 § 2 de B. P. (37. 1.). „Dies, quibus tutor aut pater scit, cedere placet.” Noch zu Papinians Zeit war dieser Satz nicht für alle Fälle anerkannt. L. 1 de B. P. fur. (37. 3.). Späterhin sind Ausnahmen da- von gemacht worden, doch nicht von Bedeutung; für die meisten Fälle ist er unverändert geblie- ben. L. 18 C. de j. delib. (6. 30.). , so daß nur der Regreß gegen den nach- lässigen Vormund, oder die Restitution, zum regelmäßigen Schutz dienen kann. Der Minderjährige kann gegen die versäumte Frist restituirt werden L. 2 C. si ut omissam (2. 40.). , woraus also folgt, daß an sich zu seinem Nachtheil die Frist läuft. Ohnehin ist es undenk- bar, daß er in dieser Hinsicht mehr als der Unmündige begünstigt seyn sollte. Anders ist es mit dem Wahnsinnigen; zu dessen Nach- theil soll die Frist gar nicht laufen, weshalb dem Nachfol- ger die B. P. nur gegen Caution gestattet wird L. 1 de B. P. fur. (37. 3.), L. 1 § 5 de succ. ed. (38. 9.). . Über den Verschwender findet sich keine abweichende Bestimmung; ohne Zweifel läuft also die Frist, und er hat blos den Regreß gegen seinen Curator. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Bey juristischen Personen (wenigstens bey Stadtgemein- den) soll die B. P. auch ohne Agnition erworben werden, so daß hier von einer laufenden Frist gar nicht die Rede ist L. 3 § 4 de B. P. (37. 1.). . Es ergiebt sich hieraus, daß alle diese dauernde Zu- stände der Person gar nicht als solche Hindernisse betrach- tet werden, wodurch eine regelmäßige Anwendung des utile tempus veranlaßt wird; in den meisten und wichtigsten Fällen gilt gar keine Beschränkung des regelmäßig ablau- fenden Zeitraums, und in den wenigen Fällen, worin eine solche Beschränkung, zum Schutz solcher Personen, wirklich eintritt, kann sie daher nur als besondere Ausnahme, und nicht als natürliche Folge des utile tempus angesehen werden. Unter den oben dargestellten Voraussetzungen hat das utile tempus die Wirkung, daß die einzelnen Tage der Verhinderung bey der Frage, ob ein vorgeschriebener Zeit- raum versäumt ist, nicht in Rechnung kommen, oder, was dasselbe sagt, daß in jedem vorliegenden Fall der Zeitraum um so viele Tage verlängert werden muß, als darin Tage der Verhinderung angetroffen werden. Diese Wirkung tritt stets ipso jure ein, ohne eine hinzu tretende Restitu- tion, ja man kann sagen, daß diese und das utile tempus einander gegenseitig ausschließen. Wo also das utile tem- pus gilt, da ist Restitution kein Bedürfniß, also unmöglich, §. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) und wo ausdrücklich eine Restitution gegen Fristversäum- niß erwähnt wird, da können wir annehmen, daß ein utile tempus nicht vorhanden ist. An der Wahrheit dieses Satzes könnte man dadurch zweifelhaft werden, daß das Edict, im Fall der Abwesenheit, unter andern auch gegen abgelaufene Klagverjährungen Restitution zusagt, und zwar sowohl dem Abwesenden selbst, wenn er als Klagberech- tigter seine Klage durch Versäumniß der Zeit verlor L. 1 § 1 ex quib. causis maj. (4. 6.). „Sive cujus actio- nis eorum cui dies exisse di- cetur.” , als dem Gegner desselben, der die Klage verlor, weil er den Abwesenden nicht verklagen konnte L. 1 § 1 ex quib. causis maj. (4. 6.). „Item si quis .. actione qua solutus ob id, quod dies ejus exierit, cum absens non defenderetur.” .. . Gerade diese beide Fälle aber sind durch das utile tempus gegen Ver- lust geschützt (§ 189), und so möchte man glauben, das utile tempus sey dennoch mit der Restitution vereinbar. Allein jene Edictstelle muß vielmehr auf solche Fälle bezo- gen werden, in welchen die versäumte Zeit ein tempus continuum ist, also der Restitution allerdings bedarf. Da- hin gehörten schon in der älteren Zeit, in welcher jenes Edict entstanden ist, manche einzelne Klagen Der Sponsor und der Fi- depromissor verloren nach der L. Furia ihre Klage, wenn sie in zwey Jahren nicht klagten. Ga- jus III § 121. — Die Fünf Jahre der Anklage wegen Ehebruchs rüh- ren her aus der L. Julia ( L. 29 § 6 ad L. J. de adult. ), mögen also vielleicht älter seyn als jenes Edict. — Eben so die Fünf Jahre der querela inofficiosi. — Unge- wisser ist es für die longi tem- poris praescriptio, deren Ent- stehungszeit wir nicht kennen. ; außerdem aber gehörte dahin die durch die Lex Julia für alle legi- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. tima judicia vorgeschriebene anderthalbjährige Prozeßver- jährung Gajus IV. § 104. . In den Fällen des continuum tempus nun hat die Anwendung der Restitution ohnehin keinen Zwei- fel, und sie bewirkt hier, nach freyem Ermessen und mit Rücksicht auf individuelle Umstände, Dasselbe was in den Fällen des utile tempus schon durch eine allgemeine Re- gel bewirkt wird. Eine solche Restitution wird auch in unsren Rechtsquellen erwähnt L. 31 ad L. Jul. de adult. (18. 5) „aequum est computa- tioni quinquennii eximi id tem- pus, quod per postulationem praecedentem consumtum sit.” In diesen Worten liegt eine un- verkennbare Hinweisung auf Re- stitution, die gegen alle Verjäh- rungen, mit Ausnahme der drey- ßigjährigen, gilt; daher kann ich es nicht billigen, wenn Haubold p. 411 den Inhalt dieser Stelle für eine ganz singuläre Bestim- mung erklärt. ; besonders aber bey ver- säumten Prozeßfristen, war im Römischen Prozeß die Re- stitution eben so häufig, als sie in unsren heutigen Gerich- ten ist. Nur gegen die dreyßigjährige Klagverjährung ist jede Restitution, also auch die der Abwesenden, allge- mein verboten L. 3 C. de praeser. XXX. (7. 39.). . Man kann noch fragen, in welchem Verhältniß das utile tempus zur civilen Zeitrechnung stehe. Manche ha- ben behauptet, diese sey auf das utile tempus gar nicht anwendbar, sondern nur auf das continuum Löhr S. 418. 419. Rein- felder S. 16. ; zu die- ser Behauptung aber ist gar kein Grund vorhanden. Das utile tempus besteht darin, daß die Tage der Verhinde- §. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) rung aus der Rechnung ausfallen. Dadurch gelangt man stets auf irgend einen letzten Tag, in welchem keine Ver- hinderung Statt fand, und der daher von der Modifica- tion des utile tempus nicht berührt wird; denn wenn in dem Tage selbst, den man für den letzten halten möchte, eine Verhinderung eintritt, so darf er eben deshalb in den Zeitraum gar nicht eingerechnet werden, ist also nicht der letzte dieses Zeitraums, sondern es muß irgend ein folgen- der, nämlich der nächste unverhinderte, als letzter aner- kannt werden. Bey diesem letzten Tage nun entsteht die Frage nach dem juristischen Endpunkt, worauf sich die civile Zeitrechnung bezieht. Dieser letzte Tag kann nach Verschiedenheit der Rechtsverhältnisse bald so, bald an- ders behandelt werden; der Umstand aber, daß einige vorhergehende Tage wegen Verhinderung ausgefallen sind, kann darauf keinen Einfluß haben. Beide anomalische Rechnungsarten stehen also neben einander und berühren sich nicht. So würde es seyn nach allgemeiner Betrach- tung, welche Meynung man auch von der civilen Zeitrech- nung fassen möge; doppelt einleuchtend aber muß es seyn nach der oben vorgetragenen Lehre über die civile Zeit- rechnung bey Versäumnissen (§ 185. 186). Nach dieser Lehre endigt der Zeitraum erst am Schluß des letzten Ta- ges, und darin liegt ein Vortheil für den zum Handeln berufenen Berechtigten. Es wäre aber ganz unnatürlich, ihm diesen Vortheil deshalb entziehen zu wollen, weil ihm vorher ein anderer Vortheil zugestanden werden mußte, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. indem der ganze Zeitraum, wegen eingetretener schuldloser Verhindrungen, um eine Anzahl von Tagen erweitert wurde. §. 191. VI. Die Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) Die hier dargestellte Lehre hatte schon im Justiniani- schen Recht einen Theil ihrer Anwendbarkeit, oder doch ihrer Wichtigkeit, verloren. Für einzelne Fälle war das frühere utile tempus in ein continuum von größerer Aus- dehnung verwandelt worden. So für die doli actio der annus utilis in Zwey anni continui L. 8 C. de dolo (2. 21.), d. h. L. un. C. Th. de dolo (2. 15.). ; und, was wich- tiger war, für alle Restitutionen, der annus utilis in ein quadriennium continuum L. 7 C. de temp. in int. rest. (2. 53.). . Dieses Letzte haben Manche als eine allgemeine Verwandlung für alles utile tempus behandeln wollen, welche Meynung aber aus mehreren Gründen verwerflich ist Glück B. 3 § 269. a. . Das für die Restitution er- lassene Gesetz selbst enthält keine Spur einer solchen All- gemeinheit; die bloße Verdopplung bey der doli actio steht derselben entgegen; endlich würde diese Annahme nur dann innere Wahrscheinlichkeit haben, wenn in der That die durchschnittliche Reduction des utilis annus, nach der Zahl der Römischen Gerichtstage, auf Vier gewöhnliche §. 191. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) Jahre führte, da sie doch in der That nur auf anderthalb Jahre führt (§ 189). Es erhellt hieraus, daß die neue Bestimmung für die Restitution nicht blos eine Verwand- lung, sondern zugleich auch eine wahre Verlängerung des Zeitraums seyn sollte; diese aber auf alle andere ähnliche Zeiträume, von so mannichfaltiger Art und Bestimmung, anwenden zu wollen, würde ein höchst willkührliches und grundloses Verfahren seyn. — Auch die Wichtigkeit des utile tempus für die Klagverjährung war dadurch ver- mindert, daß man schon längst vielen einjährigen Klagen immerwährende (jetzt dreyßigjaͤhrige) mit ähnlicher, nur etwas beschränkterer, Wirkung beygegeben hatte So z. B. die in factum actio neben der doli und quod metus actio; eben so neben dem int. de vi. Vgl. L. 1 pr. § 48 L. 3 § 1 de vi (43. 16.). ; diese traten nun sehr häufig in der wirklichen Anwendung an die Stelle von jenen, und dann wurde nicht mehr nach utile tempus gerechnet. — Noch mehr hatte sich die An- wendbarkeit des utile tempus vermindert bey der Bono- rum possessio, deren besonderer Erwerb, neben dem Civil- erbrecht, in Folge der Justinianischen Gesetzgebung nur noch selten Bedürfniß seyn konnte. Weit größer aber sind die Veränderungen, die bey dem Übergang des Römischen Rechts in die neuere Zeit einge- treten sind. Viele einjährige Klagen des Römischen Rechts sind wegen ihrer polizeylichen Natur, oder wegen ihres Verhältnisses zu dem veränderten Strafrecht, ganz außer Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Gebrauch gekommen. Noch wichtiger aber ist der Umstand, daß der Unterschied gerichtlicher und nicht gerichtlicher Tage, welcher für die Römer die häufigste Veranlassung zur Anwendung des utile tempus darbot, in diesem Sinn für uns nicht mehr vorhanden ist (§ 189). Daher kommt im heutigen Recht das utile tempus nur noch bey wenigen Klagen vor, und nur bey seltneren Veranlassungen, haupt- sächlich wenn die Abwesenheit des Klägers oder des Be- klagten die schleunige Ausübung des Klagerechts verhindert. Der häufigste Gebrauch möchte davon etwa noch bey den ädilicischen Klagen gemacht werden können; unter andern wenn ein umherziehender Verkäufer bald nach dem Verkauf sich entfernt, und nun nach entdecktem Mangel der gekauf- ten Sache, längere Zeit nicht wieder aufgefunden wer- den kann. Von der hier versuchten Darstellung des utile und continuum tempus ist die bey unsren Schriftstellern herr- schende Lehre sehr abweichend Ich will als Repräsentan- ten dieser Ansicht nur folgende an- führen: Höpfner § 666, Glück B. 3 § 269. a. Haubold l. c. p. 405. Es könnten aber eben sowohl andere und neuere ge- nannt werden. . Sie geht davon aus, daß jener Gegensatz eine zweyfache Bedeutung habe, in- dem er sowohl auf den Anfang als auf die Fort- setzung der in einen Zeitraum fallenden Unthätigkeit be- zogen werden könne. Hieraus ergaben sich Vier mögliche Combinationen, und man nahm ganz consequent vier Re- §. 191. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) geln an, deren eine auf jedes Rechtsverhältniß, worin von einem Zeitraum die Rede sey, nothwendig angewendet wer- den müsse: 1) utile tempus utraque ratione. 2) utile ratione initii, continuum ratione cursus. 3) continuum ratione initii, utile ratione cursus. 4) continuum utraque ratione. In der Bildung und Bezeichnung dieser Begriffe herrscht große Übereinstimmung, und nur darüber wird eigentlich gestritten, ob alle diese Combinationen, oder nur einige derselben, in einzelnen Rechtsverhältnissen wirklich durch unsre Rechtsquellen anerkannt seyen Thibaut I. § 97 ( Braun Erörterungen S. 151.) behauptet, der Fall welcher hier im Text un- ter Num. 3 bezeichnet ist, komme bey keinem Rechtsverhältniß vor. . Daß nun die hier angewendete Terminologie nicht in unsren Quellen vorkommt, ist noch der geringste Vorwurf, der sie trifft, obgleich dieser Umstand wohl geeignet war, Zweifel und Prüfung zu erregen Bey den alten Juristen ist sehr oft die Rede davon, ob in einem gegebenen Fall utile oder continuum tempus gelte, aber stets werden diese Ausdrücke als absolute Bezeichnungen einfacher Begriffe gebraucht, ohne Hindeu- tung auf ein halbes utile oder ein halbes continuum. Als eine solche Hindeutung darf insbeson- dere nicht verstanden werden das ad aliquid utiles, s. o. § 189. l und bb. ; schlimmer ist es, daß jene Ausdrücke etwas ganz Anderes sagen, als was in der That von den Schriftstellern, welche sie brauchen, ge- meynt ist. Wollte man dieselben in ihrem wahren Sinn anwenden, so müßte es z. B. einen Unterschied machen, ob ein Klagberechtigter zur Zeit der Entstehung seines Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Klagrechts gefangen, späterhin frey wäre, oder umge- kehrt; ein solcher Unterschied wäre aber völlig grundlos, wird auch von Keinem behauptet. Was Jene mit den angegebenen Ausdrücken sagen wollen, ist eigentlich Fol- gendes. Die Handlung kann unterbleiben entweder wegen äußerer Hindernisse (wie Gefangenschaft), oder wegen der Unwissenheit des Berechtigten über sein Recht. Da nun bey einzelnen Rechtsverhältnissen in unsren Rechtsquellen bald diese beide Momente beachtet werden, bald eines der- selben, bald keines, so ergeben sich folgende Vier Combi- nationen: 1) Beachtung beider Momente. 2) Beachtung der Unwissenheit, Nichtbeachtung der äu- ßeren Hindernisse. 3) Nichtbeachtung der Unwissenheit, Beachtung der äu- ßeren Hindernisse. 4) Nichtbeachtung beider Momente. Dieses ist der wirkliche Gedanke unsrer Schriftsteller; die seltsame Wahl jener Ausdrücke zur Bezeichnung dessel- ben erklärt sich aus folgendem Umstand. Wo überhaupt Unwissenheit vorkommt, wird diese meistens im Anfang des Zeitraums Statt finden, in der Folge aber durch Wis- sen verdrängt werden; dennoch liegt hierin nur eine schwache Entschuldigung für die Wahl jener Terminologie. Denn augenscheinlich können die äußeren Hindernisse eben sowohl im Anfang als im Verlauf eines Zeitraums eintreten, und doch denkt Niemand daran, auf diese Verschiedenheit ir- §. 191. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) gend ein praktisches Gewicht zu legen. Aber selbst die Unwissenheit ist ganz ungenau bezeichnet, indem man sie als ein im Anfang des Zeitraums vorkommendes Hin- derniß auffaßt, da zuweilen ihr Verhältniß ein gerade um- gekehrtes ist. Wenn z. B. bey dem Tode eines Menschen kein Testament vorgefunden wird, auch der nächste Agnat anwesend ist, so weiß dieser augenblicklich, daß ihm die B. P. unde legitimi angefallen ist, und der Lauf seiner 100 Tage fängt sogleich an. Wenn er nun 60 Tage lang unthätig ist, dann aber durch ein vorgebrachtes er- dichtetes Testament getäuscht wird, und den darin Einge- setzten als wahren Erben ein Jahr lang anerkennt, so ist der Zustand seines Wissens durch Unwissenheit unterbro- chen. Wenn endlich jetzt die Unächtheit des Testaments anerkannt wird, so weiß der Verwandte von Neuem, daß er zur B. P. berufen ist. Zu den Anfangs abgelaufenen 60 Tagen hat er nun noch 40, in welchen er die B. P. agnosciren kann, da ihm das in der Mitte liegende Jahr wegen der Unwissenheit nicht angerechnet wird Das hier Gesagte ist nicht mein Gedanke, sondern der Ge- danke Ulpians. L. 2 pr. quis ordo (38. 15.). „Fieri autem potest, ut qui initio scierit vel potuerit bonorum possessionem admittere, hic incipiat nescire, vel non posse admittere: sci- licet si, cum initio cognovis- set eum intestatum decessisse, postea quasi certiore nuntio allato dubitare coeperit, num- quid testatus decesserit, vel numquid vivat, quia hic rumor postea perrepserat. Idem et in contrarium accipi potest, ut qui ignoravit initio, postea scire incipiat.” Dieser letzte Fall, der freylich der häufigste ist, wird fälschlich als der einzige voraus- gesetzt, und bildet in dieser Vor- aussetzung die Grundlage der herrschenden falschen Terminolo- gie. Ulpian nun sagt ganz deut- . So IV. 29 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ist es also auch für das in der Unwissenheit liegende Hin- derniß ganz unpassend, wenn man es als ein Hinderniß ratione initii bezeichnen will. Diese Betrachtung war lediglich gegen die allgemein verbreiteten Kunstausdrücke gerichtet, und ich bin über- zeugt, daß unbefangene Bekenner der herrschenden Lehre in den von mir an die Stelle gesetzten Ausdrücken ihre wahre Meynung erkennen werden; daneben ließe sich also eine völlige Übereinstimmung in der Sache selbst sehr wohl denken. Allein hinter diesen ungeschickten Ausdrücken, die über das ganze Verhältniß eine große Unklarheit verbrei- teten, hat sich der wichtigste, die Sache selbst betreffende, Irrthum versteckt, der sich eben unter dem Schutz jener Unklarheit nicht blos der Widerlegung, sondern selbst ei- ner eigentlichen Prüfung, stets entzogen hat. Gehen wir nun auf die Sache ein, so findet sich daß bey der Bono- rum possessio, wegen der deutlichen Aussprüche unsrer Rechtsquellen, keine Meynungsverschiedenheit möglich ist; die Unwissenheit des Berufenen und das äußere Hinderniß stehen hier auf gleicher Linie. Bey der Klagverjährung aber geht die herrschende Meynung dahin, daß es sich hier in der Regel eben so verhalte, wie bey der Bonorum possessio, daß also (mit Vorbehalt weniger Ausnahmen) die Anwendung des utile tempus durch die Unwissenheit des Klägers über sein Klagrecht eben so hervorgerufen lich, daß der eine wie der andere Fall völlig gleichen Anspruch auf die Berechnung nach utile tem- pus bey der B. P. gebe. §. 191. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.) werde, wie durch dessen Gefangenschaft oder die Abwesen- heit des Beklagten; das ist es, was man sagen will, wenn man das tempus omni ratione utile als die Regel, das continuum ratione initii, utile ratione cursus als seltene Ausnahme darstellt, und es haben ohne Zweifel diese her- gebrachten Kunstausdrücke sehr dazu beygetragen, die un- kritische Annahme des erwähnten wichtigen Rechtssatzes in ungestörter Anerkennung zu erhalten Gewöhnlich wird es so aus- gedrückt: wo nur überhaupt die Beschaffenheit eines Zeitraums als utile tempus gewiß ist, da müs- sen wir ihn auch für omni ra- tione utile halten, weil wir sonst eine willkührliche Distinction in das Gesetz hinein tragen würden. Glück B. 3 S. 507. Haubold l. c. p. 434. Göschen Vorlesun- gen B. 1 S. 583. 585. Damit ist denn für die kurzen Klagverjäh- rungen, deren utile tempus über- haupt nicht zu bezweifeln ist, der Einfluß der Unwissenheit vorweg entschieden. Zugleich ist es au- genscheinlich, daß dieser praktische Rechtssatz eine bloße Folgerung aus dem angenommenen Begriff des tempus omni ratione utile ist. . Hierüber nun ist an dieser Stelle nichts Neues zu sagen; die Gründe für meine ganz entgegengesetzte Ansicht sind oben (§ 190) dar- gestellt worden, und wer durch sie überzeugt wird, muß eben deshalb die erwähnte abweichende Meynung verwerfen. Unabhängig von der so eben dargestellten, sehr allge- meinen, Auffassung ist die abweichende ganz einzelne Mey- nung eines neueren Schriftstellers Elvers über den annus utilis der actiones honorariae, in: Elvers Themis, neue Folge, B. 1. Göttingen 1838, S. 125 — 184. . Dieser unterschei- det die dies von den anni utiles. Jene werden auch von ihm so erklärt, wie es hier, übereinstimmend mit allen an- deren Schriftstellern, geschehen ist. Wenn dagegen der 29* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Prätor sagt: intra annum actionem (oder bonorum pos- sessionem) dabo, so soll das heißen: so lange mein Amts- jahr dauern wird, welches also viel oder wenig seyn konnte, je nachdem die Veranlassung der Klage oder der Anfall der Erbschaft in eine frühe oder späte Zeit jenes Jahres fiel. Selbst die menses utiles bey den ädilicischen Klagen sollen so zu verstehen seyn, welches mit einem zweymonatlichen Wechsel in der Verwaltung der beiden Ädilen in Verbindung gebracht wird. — Schon im Allge- meinen muß es sehr bedenklich erscheinen, für die ganz gleichartige Zusammenstellung von dies und annus utilis eine völlig verschiedene Bedeutung anzunehmen, besonders weil noch daneben die generische Bezeichnung durch tem- pus utile und utilitas temporis vorkommt, die offenbar auf Gleichartigkeit hindeutet; eben so bedenklich, in dem augenscheinlichen Gegensatz des intra annum und post an- num, den ersten Ausdruck in einer ganz anderen Beziehung als den zweyten zu denken; höchst bedenklich auch schon die Annahme, daß der Prätor ganz überflüssigerweise er- klärt haben sollte, er werde nach Beendigung seines Amts keine Amtshandlungen mehr vornehmen. Sucht man aber diese Meynung durch Anwendung auf einzelne Fälle klar zu machen, so erscheint sie vollkommen unhaltbar. War Jemand im letzten Monat des Amtsjahrs beraubt wor- den, so hätte derselbe zur Anstellung der actio vi bono- rum raptorum nur wenige Wochen übrig gehabt; daher wäre es sehr räthlich gewesen, nicht anders als im De- §. 192. Zeit. 5. Schalttag. cember zu rauben, weil dann die Klage leicht durch Ver- jährung verloren gieng. Eben so konnte es kommen, daß ein Minderjähriger, nach erlangter Volljährigkeit, nur wenige Tage zur Restitution übrig hatte, wenn gerade sein Geburtstag in die letzten Tage des Jahres fiel. Wurde das Testament eines Verstorbenen kurz vor dem Schluß des Jahres eröffnet, und waren darin Drey Er- ben ernannt, der Sohn, die Mutter des Verstorbenen, und ein Fremder, so hätten der Sohn und die Mutter nur einige Tage gehabt um die B. P. zu agnosciren, der Fremde aber 100 Tage, da doch ausdrücklich gesagt wird, daß der Unterschied der Fristen zum Vortheil der Kinder und Eltern bestimmt sey L. 1 § 12 de succ. ed. (38. 9.). Largius tempus parentibus liberisque petendae B.P. tribui- tur, in honorem sanguinis vi- delicet.” Hier wäre es offenbar arctius tempus gewesen. . Vieler anderer Gründe nicht zu gedenken Ausführlicher und erschö- pfender, als es hier der Raum zuließ, ist diese neue Meynung wi- derlegt worden von Arndts zur Lehre von der Zeitberechnung, in Linde’s Zeitschr. B. 14 S. 1 — 32. . §. 192. VI. Die Zeit. 5. Schalttag . Quellen: L. 3 § 3 de minoribus (4. 4.). Ulpianus. L. 2 de div. temp. praescr. (44. 3.). Marcellus. L. 98 de V. S. (50. 16.). Celsus. Censorinus de die natali C. 20. Macrobius Saturnal. I. C. 13. 14. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Schriftsteller: Breuning Diss. ad Celsum in L. 98 de V. S. Lips. 1757. Majansius ad XXX. Ictorum fragmenta Genevae 1764 T. 1 p. 101 — 110. Schneidt de utilitate studii chronologici in jurispru- dentia Wirceb. 1782. Koch Belehrungen (s. o. § 182). Unterholzner Verjährungslehre I. § 86. In allen bisher aufgestellten Regeln ist das Kalender- jahr als ein gleichförmiger Zeitraum von 365 Kalender- tagen angenommen worden, welches zum Maasstab der beweglichen Jahre dienen soll. Da nun aber alle Vier Jahre zu jener Zahl Ein Tag als Schalttag hinzutritt, so sind positive Modificationen der gewöhnlichen Messung der Zeiträume für den Fall eingeführt, daß der zu mes- sende Zeitraum einen oder mehrere Schalttage berührt. Ehe aber diese Modificationen erschöpfend bestimmt werden können, ist es nöthig, genauer als es oben (§ 179) in einer allgemeinen historischen Übersicht geschehen konnte, den Schalttag selbst, so wie er in unser chronologisches System eintritt, festzustellen. Und auch dieses ist nur da- durch möglich, daß auf das ältere Römische Jahr zurück gegangen wird. In diesem hatte, wenn es ein gewöhnli- ches Jahr war, der Februar 28 Tage; der 23ste dersel- ben hieß Terminalia, der 24ste Regifugium. Alle Zwey Jahre aber wurde dieses Normalmaaß des Februars ge- §. 192. Zeit. 5. Schalttag. stört, so daß er nur 23 Tage hatte; zwischen Terminalia und Regifugium wurde ein ganzer mensis interkalaris ein- geschoben, abwechslend von 22 und 23 Tagen, dem dann noch die Fünf abgeschnittenen Tage des Februars (von Regifugium an) angehängt wurden, so daß er überhaupt bald aus 27, bald aus 28 Tagen bestand. Er wurde übrigens wie jeder andere Monat behandelt, hatte also seine Kalenden, Nonä und Idus, von welchen aus die einzelnen Tage rückwärts gezählt wurden. Cäsar ließ die- sen gewiß sehr unbequemen Schaltmonat ganz fallen Sueton . Julius C. 40 „in- terkalario mense sublato. ” , setzte aber an denselben Ort, zwischen Terminalia und Re- gifugium, einen Schalttag, der nur alle Vier Jahre ein- treten sollte, keine eigene Zahl bekam, also auch die ge- wöhnliche Zählung der Tage des Februars nicht störte, obgleich diese durch ihn auf 29 vermehrt wurden. Das Wesen dieser Einrichtung, die wir noch jetzt befolgen, und ihr Zusammenhang mit der vorhergehenden, wird durch die Zeugnisse des Macrobius und Censorinus klar und ge- wiß Macrobius Saturn. I. C. 13. „Romani non confecto Fe- bruario, sed post vicesimum tertium diem ejus interkala- bant.” Dieses geht auf das ältere Jahr; vom Julianischen spricht C. 14 „statuit ut .. unum inter- kalarent diem, eo scilicet mense ac loco quo etiam apud vete- res interkalabatur, id est ante quinque ultimos Februarii men- sis dies, idque bissextum cen- suit nominandum.” — Censori- nus C. 20 sagt von der alten Ein- schaltung: „in mense potissi- mum Februario, inter Termi- nalia et Regifugium, interka- latum est,” und nachher von der neuen: „ut .. ubi mensis quon- dam solebat, post Terminalia interkalaretur, quod nunc Bi- sextum vocatur.” — Mehrere . Folgende Übersicht der Sieben letzten Tage des Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Februars in einem Schaltjahr wird es anschaulich ma- chen, wie jeder dieser Tage von den Römern bezeichnet wurde, und wie er von uns bezeichnet zu werden pflegt. VII. ante Kal. Mart. (Terminalia) _ _ 23. Febr. VI. ante Kal. Mart. (posterior) (interkalaris) _ _ 24. Febr. VI. ante Kal. Mart. (prior) (Regifugium) _ _ 25. Febr. (Matthias) Der Name Matthias, und das Fest dieses Apostels, ist stets bey dem 24sten des Gemeinjahrs (dem 25sten des Schaltjahrs) ge- blieben, während viele andere Ka- lendertage ihre individuelle Na- men verändert haben; so z. B. hieß der 23. Februar früher Se- renus, in modernen Kalendern heißt er Reinhard. . V. ante Kal. Mart. _ _ 26. Febr. IV. ante Kal. Mart. _ _ 27. Febr. III. ante Kal. Mart. _ _ 28. Febr. pridie Kal. Mart. _ _ 29. Febr. Daß in den beiden Tagen, die hier als dies sextus bezeichnet werden, der Schalttag der Römer sich findet, ist unbestritten, folgt auch aus der wiederholten Zahl; es fragt sich nur, welcher von beiden es eigentlich ist. Un- sre Rechtsquellen sagen ausdrücklich, der posterior sey der Schalttag, nicht der prior L. 3 § 3 de minor. (4. 4.) „et posterior dies Kalendarum intercalatur. — L. 98 § 1 de V. S. (50. 16.) „sed posterior dies intercalatur, non prior.” ; damit allein aber ist die Sache noch nicht abgethan. Dieser Ausdruck ist an sich zweydeutig, indem er sich eben sowohl auf die natürliche Zeitfolge beziehen könnte, als auf die rückwärts gehende Römische Zählung; im ersten Fall würde der 25. Februar Stellen über die Kalendae und Idus interkalares sind gesammelt bey Majans . l. c. p. 106. §. 192. Zeit. 5. Schalttag. der Schalttag seyn, und dieses haben viele neuere Schrift- steller angenommen So z. B. Cocceji jus con- troversum IV. 4 § 1. Andere Schriftsteller s. bey Koch S. 46, welcher selbst die richtige Mey- nung vorträgt. ; im zweyten Fall wäre es der 24ste. Daß nun die zweyte Meynung die richtige ist, beweist schon der Ausdruck Ulpians: posterior dies Kalendarum (Note d ), das heißt der von den Kalenden an (rückwärts) gerechnet der spätere ist; ganz unzweifelhaft aber wird es durch Macrobius und Censorinus (Note b ), welche aus- drücklich sagen, die neue Einschaltung geschehe an dersel- ben Stelle wie die alte, nämlich nach den Terminalien, oder nach dem 23sten Tage des Februar, so daß von diesem Monat Fünf Tage abgeschnitten würden. Allein auch damit ist noch nicht aller Zweifel beseitigt. Viele nämlich behaupten, jener unzweifelhaft Römische Schalttag sey nicht mehr der unsrige, denn nach unsrer heutigen Sitte, die Monatstage mit fortlaufenden Zahlen zu versehen, sey der 29. Februar zum Schalttag gewor- den Lauterbach XLIV. 3 § 4. Voet. XLIV. 3 § 2. Cocceji IV. 4 § 1. Schneidt p. 17. 22. — Koch S. 57 hat die richtige Meynung. , und diese Meynung hat einigen Schein für sich; denn wenn man den gedruckten Kalender eines Schaltjah- res mit dem eines Gemeinjahres vergleicht, so besteht der sichtbarste Unterschied darin, daß jener einen 29. Februar hat, welcher diesem fehlt, und daher in dem Schaltjahr neu hinzugefügt scheint. Dennoch muß diese Meynung schlechthin verworfen werden. Die Stellung des Schalt- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. tags war gar nicht durch die den Römern eigenthümliche Art, die Monatstage zu zählen, bestimmt, denn so gut man einen doppelten sextus annahm, hätte man auch ei- nen doppelten quintus oder septimus annehmen können; war sie nun von dieser Zählungsart unabhängig, so hat auch die hierin eingetretene Veränderung keinen Einfluß auf sie ausüben können. Jene Stellung gehört zu den Ei- genthümlichkeiten des Julianischen Kalenders, der auch noch der unsrige ist, da die einzige durch Gregor XIII. bewirkte Veränderung auf die Stellung des Schalttages gar keinen Einfluß hat. Eine Bestätigung dieser Ansicht liegt auch noch darin, daß der Matthiastag, der in einem Gemeinjahr auf den 24. Februar fällt, in einem Schalt- jahre auf den 25. Februar übergeht, da doch, wenn der 25ste der Schalttag wäre, kein Grund vorhanden seyn würde, den Matthiastag von dem 24sten zu entfernen Im zwölften Jahrhundert war es bestritten, ob das Mat- thiasfest am 24. oder 25. Februar zu feyern sey. Der Pabst Alexan- der III. erklärte, da diese beiden Tage für Einen zu halten seyen, so solle jede einzelne Kirche hierin bey ihrer bisherigen Gewohnheit bleiben, und es solle weder die Wahl des einen, noch die des an- dern Tages, als Irrthum ange- sehen werden. Nur müsse in je- dem Fall die Vigilia dem Fest selbst unmittelbar vorhergehen, und dürfe also niemals durch ei- nen Zwischentag getrennt werden. C. 14 X. de V. S. (5. 40.). — Späterhin scheint sich jener Zwei- fel verloren zu haben, indem in den gedruckten Kalendern der Matthiastag bey dem 25. Februar angezeichnet ist. . Erwägt man vollends die sehr allmälige und unbestimmte Weise, in welcher unsre neuere Zählungsart in Gebrauch gekommen ist, so kann ihr unmöglich ein solcher Einfluß §. 192. Zeit. 5. Schalttag. auf veränderte Anwendung von Rechtsregeln beygelegt werden. Da nämlich die alte und neue Bezeichnung der Tage viele Jahrhunderte lang neben einander angewendet wurden (§ 180), so müßte man, nach der Meynung der Gegner, annehmen, Diejenigen, welche nach Kalenden und Idus datirten, hätten einen andern Schalttag gehabt, als Die, welche schon unsre Weise angenommen hatten; jene den 24., diese den 29. Februar. Jenen aber müßten noch Die zugezählt werden, welche sich der Heiligentage für das Datum bedienten. Etwas so Unausführbares wird aber Niemand behaupten wollen. Der eigentliche Grund, der für jene irrige Meynung zu sprechen scheint, liegt in der kleinen Unbequemlichkeit, die aus der Combination des Schalttags mit unsrer Art die Tage zu zählen hervorgeht, und in den Irrungen, die hierdurch veranlaßt werden können. Diese Rücksicht könnte höchstens einen Gesetzgeber bestimmen, den Schalttag zu verlegen, die Rechtsgelehrten sind dazu gewiß nicht be- fugt; aber auch für den Gesetzgeber würde eine solche Än- derung des Kalenders, dessen Festigkeit und allgemeine Gleichförmigkeit wichtiger ist, als die hier erwähnte Schwie- rigkeit, nicht räthlich seyn. Diese Schwierigkeit ist durch eine mäßige Aufmerksamkeit wohl zu überwinden; wollte man aber ein besonderes Gewicht darauf legen, so gäbe es ein sehr einfaches Mittel sie zu beseitigen, ohne den ei- gentlichen, nun schon weit über 1800 Jahre bestehenden, Kalender zu berühren. Man brauchte nur in einem Schalt- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. jahr die Tage, wie in einem Gemeinjahr, bis 28 zu zäh- len, indem man den Schalttag ganz ohne Zahl ließe, und blos als Schalttag bezeichnete, so daß der Matthiastag die Zahl 24 behielte. Damit wäre das wahre Sachver- hältniß am genauesten ausgedrückt, und es läge darin gar kein Eingriff in die wesentlichen Bestandtheile des Kalen- ders, zu welchen unsre den Monatstagen beygefügte Zah- len keinesweges gehören. Dieses Alles sollte nur als Grundlage dienen zu der juristischen Behandlung des Schalttags, zu welcher ich mich jetzt wende. Der Grundsatz geht dahin, daß die zur Einschaltung angewendete Zeit gar nicht als Zeit berück- sichtigt werden soll. Dieser Grundsatz bestand schon im älteren Kalender, und wurde hier auf die Weise ausge- führt, daß der ganze Schaltmonat als ein einziger Augen- blick angesehen, und zwar zu dem Endpunkt des unmit- telbar vorhergehenden Tages (23. Februar), gerechnet wurde, wie dieses aus der folgenden merkwürdigen Stelle hervorgeht. L. 98 § 1. 2 de V. S. (50. 16.). § 1. Cato putat, mensem intercalarem additicium esse, omnesque ejus dies pro momento temporis ob- servat, extremoque diei mensis Februarii attribuit Quintus Mucius. § 2. Mensis autem intercalaris constat ex diebus viginti octo. Der § 1 ist die einfache Bestätigung des oben Gesag- §. 192. Zeit. 5. Schalttag. ten, und bedarf keiner weiteren Erklärung Die Glosse macht hier die Bemerkung: „Cato et Quintus duo stulta dixerunt;” hierauf folgt ein ganzes Gewebe von Verworrenheit und Irrthum. . Der § 2 aber hat folgende Schicksale gehabt. Anstatt der hier ab- gedruckten Florentinischen Leseart hat die Vulgata, wie es scheint ganz allgemein, XXIX. Dieses ist eine vermeynt- liche Emendation, welche aus folgender, in der Glosse an- gedeuteter, Betrachtung entsprungen ist Glossa in § cit. „ Vigin- tinovem. Alias Februarius ha- bet tantum XXVIII.” Mit die- ser Auffassung des § 2, unter Voraussetzung der Leseart XXIX. , stimmen alle ältere Interpreten überein. . Mensis inter- calaris, dachte man, ist der Februar eines Schaltjahrs, weil derselbe einen Schalttag in sich schließt; da nun die- ser 29 Tage hat, so muß die Zahl in XXIX. verändert werden. — Als nun später der Florentinische Text entdeckt wurde, suchte man diesen dadurch zu rechtfertigen, daß der Schalttag für Nichts gelte, und daher im juristischen Sinn doch nur 28 Tage in einem solchen Februar enthal- ten seyen So z. B. Breuning p. 11. 12. Schneidt p. 17. . Allein beide Erklärungen, zusammt der auf die eine gebauten Zahl XXIX. , sind durchaus verwerflich. Ob jemals mensis interkalaris von dem Februar eines Julianischen Schaltjahrs gesagt worden ist, will ich dahin gestellt seyn lassen, ich kenne keine solche Stelle; dagegen ist mensis interkalaris oder interkalarius der ganz ge- wöhnliche Name des alten Schaltmonats Vgl. die Stelle des Sueton (Note a ), und die bey Majans. p. 106 gesammelte Stellen. . Gesetzt aber auch, dieser Ausdruck hätte in der That beide Bedeutun- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gen Dieses behauptet Budaeus, notae poster. in Dig., in L. 98 de V. S. „Quare scire nos opor- tet, mensem intercalarem dici non modo eum qui intercala- tur, sed etiam in quo interca- latur.” Beweise für die zweyte Bedeutung führt er nicht an. , so wäre wenigstens in jener Digestenstelle durch- aus nur an den alten Schaltmonat zu denken, welcher in den unmittelbar vorhergehenden Worten mit jenem Aus- druck bezeichnet worden war, da es völlig undenkbar ist, daß der Schriftsteller in wenigen Zeilen dasselbe Wort in zwey durchaus verschiedenen Bedeutungen, ohne alle War- nung, gebraucht haben sollte. Der § 2 spricht daher, eben so wie der § 1, von dem Schaltmonat des älteren Jah- res, und dazu paßt die Zahl XXVIII. sehr gut, indem, wie oben bemerkt, jener Schaltmonat, mit Inbegriff der ihm zugeschlagenen Fünf letzten Tage des Februar, ab- wechslend 27 oder 28 Tage hatte. Entweder hatte nun Celsus, im Vorübergehen von dieser Sache handelnd, nur die größte unter den beiden vorkommenden Zahlen (also das äußerste Maaß des Schaltmonats) nennen wollen, oder er hatte wirklich gesagt: XXVII. vel XXVIII. , und sein genauer Ausdruck ist erst bey der Aufnahme in die Dige- sten abgekürzt worden, da ohnehin der Gegenstand nur noch antiquarisches, kein praktisches, Interesse hatte Cujacius in L. cit., opp. T. 8 p. 559 ist ganz auf dem rich- tigen Wege, indem er die Stelle auf den alten Schaltmonat be- zieht, kommt aber dann in Ver- wirrungen, die fast unbegreiflich sind, da er doch die deutliche Stelle des Macrobius vor sich hatte. — Ideler Chronologie II. S. 58. 59 hat zuerst die Stelle auf so befriedigende Weise erklärt, daß ich mich im Wesentlichen auf die bloße Wiederholung seiner Dar- stellung beschränken durfte. . §. 193. Zeit. 5. Schalttag. (Fortsetzung.). Auf die Einschaltung des Julianischen Jahres wird der aufgestellte Grundsatz dadurch angewendet, daß der Schalttag als mit dem darauf folgenden Tag gänz- lich zusammen fallend angesehen wird, nach welcher Fiction diese zwey wirkliche Tage im juristischen Sinn nur für Einen Tag gelten L. 3 § 3 de minor. (4. 4.) „nam id biduum pro uno die habetur.” — L. 98 pr. de V. S. (50. 16.) „nam id biduum pro uno die habetur.” — Eben so C. 14 X. de V..S. „qui duo quasi pro uno reputantur.” ; dieses aus zwey Tagen bestehende Ganze ist es, was von den Römern Bisextum genannt wird (Note b ). Wie dieser für den Schalttag aufgestellte Grundsatz auf einzelne Rechtsverhältnisse angewendet wird, soll nunmehr angegeben werden. §. 193. VI. Die Zeit. 5. Schalttag . (Fortsetzung.) Der Schalttag kann in Rechtsverhältnissen auf zweyer- ley Weise in Betracht kommen: erstlich wenn er in den Lauf eines Zeitraums fällt; zweytens wenn er mit den Gränzpunkten desselben in Berührung kommt, nämlich ent- weder mit dem Anfang, oder mit dem Endpunkt, oder mit beiden Gränzen zugleich. Das erste Verhältniß des Schalttags ist im Allgemei- nen weder schwierig noch bestritten. Wenn in dem Lauf eines Zeitraums Ein Schalttag oder mehrere gefunden werden, so wird der ganze Zeitraum um eben so viele Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. wirkliche Tage verlängert, da die einfallenden Schalttage gar nicht als Zeiträume angesehen werden sollen. Wenn also vor Justinian die Usucapion einer beweglichen Sache im Januar eines Schaltjahrs angefangen hatte, so wurde sie erst mit 366 Tagen vollendet, und der Besitzer erlitt dadurch einen kleinen Nachtheil. Eben so beträgt die drey- ßigjährige Klagverjährung, wegen der einfallenden Sieben oder Acht Schalttage, nicht dreyßigmal 365 Tage, sondern bald Sieben, bald Acht Tage mehr, und der Klagberech- tigte hat den kleinen Vortheil, daß er einige Tage länger nachlässig seyn darf, ohne etwas zu verlieren. Diese Re- gel selbst ist unbestritten, auch in der Anwendung nicht schwierig; es fragt sich nur, welche Fälle etwa von ihrer Anwendung ausgenommen seyn möchten, und dabey kommt Alles auf die Auslegung folgender Stelle an. L. 2 de div. temp. praescr. (44. 3). Marcellus. In tempore constituto judicatis, an intercalaris dies proficere judicato, necne, debeat, quaeritur: item de tempore quo lis perit. Sic sine dubio existimandum est, ut auctum litis tempus intercalari die existime- tur: veluti si de usucapione sit quaestio, quae tem- pore constituto expleri solet: aut de actionibus quae certo tempore finiuntur, ut aediliciae pleraeque An dem Wort pleraeque hat Bynkershoek obss. IV. 8 Anstoß genommen, weil nicht die meisten, sondern alle ädilicische Klagen verjährbar seyen; deswe- gen emendirt er peraeque. Allein erstlich kann pleraeque auch meh- rere heißen, ohne Beziehung auf den Gegensatz einer Minderzahl, so daß es dann den Begriff von omnes zwar nicht ausdrückt, aber auch nicht ausschließt. Zweytens §. 193. Zeit. 5. Schalttag. (Fortsetzung.) actiones. Et Anstatt Et schlägt Byn- kershoek l. c. mit gutem Grund vor, durch Hinzuziehung des vor- hergehenden s zu lesen Set, wel- ches kaum eine Emendation ge- nannt werden kann, da es auf einer bloßen Gemination beruht. Durch eine Wiederholung dieses Verfahrens entsteht Set et, wel- ches jedoch weniger nöthig ist. Die Rechtfertigung der ersten Gemination wird sogleich im Texte folgen. si quis fundum ita vendiderit, ut nisi in diebus triginta pretium esset solutum, inem- ptus esset fundus, dies intercalaris proficiet em- ptori Die Florentina ließt pro- ficietempori, woraus, durch Ge- mination des t, gemacht worden ist tempori. Aber eben so gut kann man das ausgefallene t hinter p einsetzen, woraus empto- ri entsteht, übereinstimmend mit der Vulgata. Dieses Letzte ist offenbar das Bessere, da proficit tempori , für Erweiterung der Zeit, gezwungener ist, als profi- cit emptori, für den persönlichen Vortheil des Käufers, der einen Tag gewinnt; außerdem spricht dafür die augenscheinliche Analo- gie des proficere judicato im Anfang der Stelle, worin gleich- falls proficere auf die Person bezogen wird. Vgl. Dirksen Abhandlungen I. 456. . Mihi contra videtur. Der allgemeine Gang der Gedanken ist dieser. Zuerst werden zwey Fälle als Fragen aufgestellt, wörtlich wird nur der zweyte mit großer Bestimmtheit entschieden, aber die Entscheidung soll augenscheinlich auch für den ersten gelten. Darauf folgen zwey andere Fälle, ohne ausdrück- liche Entscheidung, aber durch die Verbindungsworte der vorhergehenden Entscheidung angeschlossen. Dann kommt ein fünfter Fall, in ungewisser Verbindung mit den vori- gen ausgedrückt. Endlich ein allgemein lautender Wider- ist es möglich, daß es unverjähr- bare ädilicische Klagen gab, die wir nur nicht kennen. Vgl. Püttmann opusc. p. 145. IV. 30 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. spruch gegen die Meynung, die allgemein in Frage gestellt, und für Einen Fall entschieden behauptet worden war. Zuvörderst ist nun einleuchtend, daß nicht derselbe Schriftsteller Dasjenige, was er zuerst sine dubio als wahr aufgestellt hatte, zuletzt eben so bestimmt verneinen kann. Diesen Widerspruch aus den Gedanken des Mar- cellus zu entfernen, für uns aber nur um so beschwerlicher zu machen, haben Manche behauptet, die Schlußworte mihi contra videtur enthielten eine berichtigende Note des Ulpian zu der Schrift des Marcellus Merillius obss. VII. 18. Schulting Jurispr. antejust. p. 553. . Diese Aushülfe ist verwerflich, weil man die Thatsache erst in den Text hinein tragen müßte, das Verfahren der Compilatoren höchst unvorsichtig, also nicht ohne Noth anzunehmen wäre, eine befriedigende Auflösung aber doch nicht gewonnen seyn würde. Daher haben denn von jeher die Meisten an- genommen, Marcellus behaupte für die Vier ersten Fälle die Regel, für die fünfte die Ausnahme. Um dieses auch mit dem Ausdruck in befriedigenden Zusammenhang zu bringen, hat man (schon von der Glosse an) den letzten Satz, von Et si quis fundum an, als Frage aufgefaßt, worauf dann das mihi contra videtur die verneinende Ant- wort giebt, in welcher die praktische Verschiedenheit des fünften Falls von den vier ersten ausgesprochen wird. Diese Erklärung gewinnt noch sehr an Wahrscheinlichkeit durch die Leseart Sed (Set, set et) , (Note b ), wodurch §. 193. Zeit. 5. Schalttag. (Fortsetzung.) der Gegensatz des fünften Falls gegen die vier ersten gleich im Eingang bemerklich gemacht wird. Damit ist indessen nur erst der Weg gebahnt, die Schwierigkeit selbst aber noch nicht gelöst. Die Fünf Fälle können nur als Repräsentanten von Gattungen die- nen, und so bleibt noch immer die Frage zu beantworten übrig: In welchen Fällen soll die Regel gelten, daß der Schalttag nicht als ein Tag berücksichtigt werde, in wel- chen soll sie nicht gelten? Dazu ist es nöthig, die Fälle einzeln durchzugehen. 1) Tempus constitutum judicatis. Die Zwölf Tafeln gaben jedem verurtheilten Schuldner 30 Tage Zeit zur Zahlung Gellius XV. 3 und XX. 1. „ triginta dies justi sunto.” , und diese Regel war noch zur Zeit der clas- sischen Juristen in voller Übung Gajus IV. § 78 „Bona autem veneunt … judicatorum post tempus quod eis partim L. XII. tab. , partim edicto Praetoris .. tribuitur.” (Das Edict hatte wahrscheinlich die 30 Tage auf andere Klagen ausge- dehnt, als woran die 12 Tafeln dachten; die fortwährende An- wendung dieser letzten aber ist hier deutlich anerkannt). L. 4 § 5 de re jud. (42. 1) von Ul- pian: „si .. minorem diem sta- tuerit judex tempore legitimo, repleatur ex lege. ” L. 7 eod. von Gajus: „constitutorum die- rum spatium pro judicato, non contra judicatum, per legem constitutum est.” Die Sache selbst, doch ohne wörtliche Bezie- hung auf die Lex (d. h. die 12 Ta- feln) kommt noch vor in L. 29 eod. und in L. 16 § 1 de com- pens. (16. 2). . Daher will hier Mar- cellus sagen: wenn in diese Zeit von 30 Tagen ein Schalt- tag fällt, so werden es in der That 31, weil der Schalt- tag mit dem folgenden Regifugium nur für Einen Tag 30* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zählt; daher gewinnt der Schuldner Einen Tag, interca- laris dies proficit judicato. 2) Tempus quo lis perit. Dieses ist keine Klagver- jährung, wie man früher wohl angenommen hat, son- dern es ist die von der L. Julia für die legitima judi- cia bestimmte Zeit von anderthalb Jahren, worin der Ju- der ein Urtheil gesprochen haben muß, wenn nicht der Prozeß für den Kläger verloren seyn soll Gajus IV § 104. . Von dieser Zeit nun sagt Marcellus ausdrücklich, daß sie durch den einfallenden Schalttag erweitert werde. 3) Si de usucapione sit questio. Hier macht einige Schwierigkeit das einleitende veluti, welches dazu verleiten könnte, die Usucapion als ein einzelnes Beispiel des tem- pus quo lis perit anzusehen; dieses ist aber ganz unmög- lich, und könnte höchstens in den sehr verbreiteten irrigen Begriffen von Verjährung einige Nahrung finden, die je- doch den Römischen Juristen vollkommen fremd sind. In- dessen ist es auch gar nicht nöthig, das veluti so zu verstehen, es ist vielmehr hinzu zu denken das vorange- hende existimandum est, und es soll daher nur die gleiche Entscheidung auch für die Usucapion durch veluti ausge- drückt werden. Marcellus will daher sagen: so wie es auch angesehen werden muß, da wo der Zeitraum einer Usucapion in Frage kommt — nämlich so, daß deren Zeit- raum (damals Ein Jahr oder Zwey Jahre) durch den einfallenden Schalttag verlängert wird. §. 193. Zeit. 5. Schalttag. (Fortsetzung.) 4) Aut (sit quaestio) de actionibus, quae certo tem- pore finiuntur. Auch die Zeit einer Klagverjährung soll durch den Schalttag verlängert seyn, wofür mehrere ädi- licische Klagen als Beyspiele angeführt werden. Bey die- sen ist wohl zu bemerken, daß ihre Verjährung auf Zwey Monate, Sechs Monate, Ein Jahr bestimmt ist L. 19 § 6 L. 28 L. 55 de aedil. ed. (21. 1). . 5) Si quis fundum etc. Es ist der Fall der lex com- missoria neben einem Kaufcontract, gestellt auf 30 Tage; und in diesem Fall soll der Schalttag die Zeit nicht ver- längern. Nun entsteht also die Frage, auf welchen allgemeinen Charakter diese Verschiedenheit der vier ersten Fälle von dem vierten zurück zu führen ist, wovon die Beurtheilung aller anderen, hier nicht genannten, Fälle abhängen muß. Die Meisten haben von jeher die Verschiedenheit darin ge- setzt, daß in den vier ersten Fällen von Jahren oder Mo- naten, im fünften von Tagen die Rede sey; hiernach soll also auch in anderen Fällen unterschieden werden Alciatus in L. 98 de V. S. Lauterbach XLIV. 3 § 4. Voe- tius XLIV. 3. § 2. Bynkershoek obss. IV. 8. Glück B. 3 S. 526. . Allein wenn man von dem Grundsatz ausgeht, daß der Schalt- tag kein Tag ist, so darf er nicht mitgezählt werden, der Zeitraum mag nun in einer Zahl von Tagen oder von Jahren ausgedrückt seyn. Was aber völlig gegen diese Meynung entscheidet, ist der Umstand, daß der erste unter den Vier Fällen gleichfalls auf einen in Tagen ausgedrück- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ten Zeitraum geht, ja daß in ihm sogar dieselben triginta dies vorkommen, wie in dem fünften Fall Bynkershoek sucht diese Einwendung auf sehr unbefriedi- gende Weise zu beseitigen. Er meynt, die 30 Tage der 12 Tafeln könnten auch wohl collectiv als Ein Monat gedacht werden; das gilt ja aber eben so gut von den 30 Tagen im letzten Fall unsrer Stelle, erklärt also nicht den Un- terschied. — Ferner könnte viel- leicht damals schon die andere Frist von 2 Monaten eingeführt gewesen seyn; aber Gajus und Ulpian erkennen ausdrücklich die Frist der Lex als geltendes Recht an (Note f ). . — Muß nun die Unterscheidung der Jahre und Tage verworfen werden, so bleibt nur noch der Unterschied übrig, daß die vier ersten Zeiträume auf Gesetzen beruhen (Lex oder Edict), der fünfte auf einem Vertrag, und dieser Unterschied ist denn auch in der That der entscheidende, auch für alle übrige, in unsrer Stelle nicht berührte Fälle. Dafür aber läßt sich ein voͤllig befriedigender innerer Grund angeben. Die Fiction, daß der Schalttag kein Tag sey, beruht auf einer gesetzlichen Regel, so wie der Schalttag selbst auf einer gesetzlichen Einrichtung. Bey jedem Gesetz nun, welches einen Zeitraum vorschreibt, muß angenommen wer- den, daß der Gesetzgeber die Anwendung seiner Vorschrift mit Berücksichtigung aller übrigen Gesetze, also auch des Gesetzes über den Schalttag, gewollt hat. Dasselbe muß angenommen werden, wenn der Richter eine Frist bestimmt, da er ein Organ der Staatsgewalt, seine Handlung also eine Staatshandlung ist. Dieses ist also auch auf alle gesetzliche und richterliche Prozeßfristen anzuwenden, so daß die zehentägige Appellationsfrist durch den einfallenden §. 193. Zeit. 5. Schalttag. (Fortsetzung.) Schalttag auf Eilf Tage verlängert wird Diese Anwendung wird ge- rade am Bestimmtesten verneint, aber ohne besonderen Grund. Glück B. 3 S. 526. Koch S. 43. . Nur bey den in Wochen ausgedrückten Fristen muß es anders ge- halten werden, da die Wochenrechnung ganz außer dem Kalender liegt (§ 180), also auch von dem Schalttag nicht berührt wird. Wer also eine Frist in Wochen vorschreibt, denkt dabey nur an den wiederkehrenden gleichnamigen Wochentag (Montag, Dienstag u. s. w.), auf welchen ein Schalttag gar keinen Einfluß hat. Ganz anders verhält es sich bey einer durch Vertrag in einer Zahl von Tagen bestimmten Frist, wobey Alles auf die Interpretation des wahrscheinlichen Willens an- kommt. Sind nun hier 30 Tage festgesetzt, so haben die Partheien wahrscheinlich dreyßigmal 24 Stunden gemeynt, und wir haben keinen Grund anzunehmen, daß sie an den einfallenden Schalttag dachten, und zugleich die Rechtsre- gel kannten, welche den Schalttag als nicht vorhanden ansieht. Haben sie dagegen den Zeitraum in Jahren aus- gedrückt, so dachten sie ohne Zweifel an den wiederkehren- den Kalendertag eines folgenden Jahres, so daß dann der Zeitraum von selbst durch den einfallenden Schalttag ver- längert wird; eben so, wenn sie auf Monate contrahirten, welches stets von der in einem künftigen Monat wie- derkehrenden gleichen Zahl eines Tages zu verstehen ist (§ 181). Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Es verdient bemerkt zu werden, daß schon die Glosse die verschiedenen möglichen Erklärungen klar und bestimmt aufgestellt hat, also auch die richtige, die daselbst als die Meynung des Bulgarus und Johannes angegeben wird Die richtige Unterscheidung der gesetzlichen und vertrags- mäßigen Zeiträume wird auch anerkannt von Cujacius de div. temp. praescript. C. 3 und Schneidt p. 26. . §. 194. VI. Die Zeit. 5. Schalttag . (Fortsetzung). Es ist nun noch die Behandlung des Schalttags für die Fälle zu bestimmen, wo derselbe mit den Gränzpunk- ten eines Zeitraums in Berührung kommt. I. Fällt der Anfang des Zeitraums in den 24. Febr. eines Gemeinjahrs, das Ende aber in ein Schaltjahr, so liegt der Endpunkt in dem 25. Februar, also in dem auf den Schalttag folgenden Tag. Man kann das in der Sprache des Römischen Kalenders so ausdrücken: der Zeit- raum, der im Regifugium anfieng, endigt im Regifugium. Oder in der Sprache unsrer Kalender: die Zeit, die im Matthiastag anfieng, endigt im Matthiastag. Wer also am 24. Februar 1775 geboren war, wurde am 25. Febr. 1800 volljährig Dieses Stück der hier auf- gestellten Regeln ist ausdrücklich anerkannt in L. 98 pr. de V. S. (50. 16) „quo anno intercala- tum non est, sexto Kalendas natus, cum bisextum Kalendis est, priorem diem natalem ha- bet. ” und zwar genau in der Stunde nnd Minute, die dem Zeitpunkt seiner Geburt entsprach. Hatte §. 194. Zeit. 5. Schalttag. (Fortsetzung.) die Usucapion einer beweglichen Sache am 24. Febr. 1797 angefangen, so ist sie eigentlich vollendet im Lauf des 25. Febr. 1800, aber nach den Regeln der civilen Zeit- rechnung mit dem Anbruch dieses Tages, und, da der Schalttag mit demselben identificirt wird, gleich bey An- bruch des Schalttages Unterholzner Verjäh- rungslehre I. S. 280. Eben so ist es mit der Testamentsfähig- keit Desjenigen, der am 24 Febr. 1786 geboren war. Koch S. 87 verwirrt Alles, indem er seine falsche Ansicht von der civilis computatio einmischt. . Wer etwa dieses Letzte be- zweifeln möchte, wird sich am leichtesten überzeugen kön- nen durch folgenden Ausdruck des Römischen Kalenders: da die Usucapion anfieng im Laufe des Regifugium, so muß sie endigen mit dem Ablauf der hora sexta noctis der Terminalia, gerade so wie es gewiß geschehen seyn würde, wenn das Ende des Zeitraums in ein Gemein- jahr gefallen wäre; der dazwischenliegende Schalttag kann hierin Nichts ändern. II. Fällt der Anfang des Zeitraums in den 25. Febr. eines Schaltjahrs und das Ende fällt: a) in ein Gemeinjahr, so liegt der Endpunkt im 24. Fe- bruar, der hier der Matthiastag ist Beyspiel: die Usucapion eines Hauses inter praesentes fieng am 25. Februar 1800 an; sie endigte am 24. Februar 1810, und zwar mit dem Anbruch die- ses Tages. ; b) fällt das Ende wieder in ein Schaltjahr, so liegt der Endpunkt im 25. Febr., so daß wiederum von Mat- thias zu Matthias gerechnet wird Beyspiel: die Usucapion eines Hauses inter absentes fieng am 25. Frbr. 1800 an; sie endigte eigentlich am 25. Febr. . — Diese Fälle Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. verstehen sich eigentlich von selbst, und werden von Keinem bezweifelt werden; sie sind hierher gesetzt worden, um als Grundlage für die Beurtheilung des folgenden Falls zu dienen. III. Fällt der Anfang in einen Schalttag, so liegt der Endpunkt: a) in einem Gemeinjahr in dem 24. Februar, weil es ganz eben so zu betrachten ist, als wäre der Anfang im 25. Februar eingetreten (mit dem der Schalttag identisch ist), so daß dieser Fall genau so beurtheilt werden muß, wie der unter Num. II. a angeführte. b) In einem Schaltjahr liegt der Endpunkt im 25. Fe- bruar, wiederum wegen der Gleichstellung mit dem unter Num. II. b angeführten Fall L. 98 pr. de V. S. (50. 16). „Cum bisextum Kalendis est: nihil refert , utrum priore an posteriore die quis natus sit, et deinceps sextum Kalendas ejus natalis dies est.” L. 3 § 3 de minor. (4. 4). „Proin- de et si bisexto natus est, sive priore sive posteriore die , Cel- sus scripsit nihil referre : nam id biduum pro uno die habe- tur, et posterior dies Kalen- darum intercalatur.” — Das ni- hil referre führt unfehlbar auf folgendes Resultat. Wenn von zwey Menschen Einer am 24., der Andere am 25. Febr. eines Schaltjahrs geboren ist, so haben sie, ihr ganzes Leben hindurch, stets einen und denselben Ge- burtstag; auch werden sie voll- jährig in der ihrer Geburtszeit entsprechenden Tageszeit des 25. Februar. Dieses Letzte ist augen- scheinlich Ulpian’s Meynung in L. 3 § 3 cit., da der Satz vom Schalttag unmittelbar anschließt an den schon oben abgedruckten Satz von der Momentenrechnung (§ 187). . Wie der Schalttag behandelt wird, da wo er mit der 1820, aber wegen der civilen Zeit- rechnung doch wieder mit Anbruch des 24. Febr. §. 194. Zeit. 5. Schalttag. (Fortsetzung.) civilen Zeitrechnung zusammentrifft, ist so eben schon be- merkt worden. Sein Zusammentreffen mit dem utile tem- pus kann nie zu einer Schwierigkeit führen. Denn das Wesen dieses letzten besteht nur darin, daß diejenigen Tage, worin das Handeln gehindert war, nicht als versäumte Tage angerechnet werden sollen. Fällt nun die Verhinde- rung in einen Schalttag, so wird auch dieser nicht ange- rechnet: aber die Wirkung des utile tempus ist nicht fühl- bar, indem ohnehin der Zeitraum um den einfallenden Schalttag erweitert wird, so daß, mit und ohne Verhin- derung an diesem Tage, die Rechnung stets dieselbe bleibt. Manche haben behauptet, die hier aufgestellten Regeln seyen im heutigen Recht gar nicht, oder doch nur auf be- schränkte Weise, anzuwenden, weil in unsren gedruckten Kalendern der Schalttag mit einer eigenen Zahl bezeich- net, mithin als ein besonderer Tag anerkannt sey Westphal Arten der Sachen S. 469. Glück B. 3 S. 526. 528. . Daß dieser Umstand gleichgültig, und dem Wesen des Ka- lenders fremd ist, wurde schon oben dargethan. Bey jener Meynung liegt aber wohl noch im Hintergrund die Vor- aussetzung, daß die ganze Sache eine sogenannte Römische Subtilität sey, von welcher wir uns befreyen müßten. Es sind aber vielmehr jene Regeln die consequente Folge der Einschaltung, die wir von den Römern angenommen haben, ja auch gar nicht entbehren können, indem es nur gleich- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gültig ist, daß sie gerade im Februar, anstatt in irgend einem andern Monat, angebracht wird. Wollten wir nun jene juristische Behandlung des Schalttags aufgeben, so würden wir, anstatt von einer Subtilität frey zu werden, vielmehr in große Verwirrung gerathen. Der Ablauf einer dreyßigjährigen Klagverjährung wäre nicht, wie es jetzt eben so richtig als bequem geschieht, nach dem bloßen Ka- lendertag des Anfangs zu bestimmen, sondern es müßten stets mehrere Tage abgerechnet werden, und zwar, nach Verschiedenheit der Fälle, bald Sieben bald Acht Tage, weil in der That um so viel früher die dreyßigmal 365 Tage vollendet sind. Wo der Schalttag in den Anfang oder das Ende eines Zeitraums fällt, würde zwar nicht dieselbe Schwierigkeit eintreten, aber was könnten wir da- bey gewinnen, diese Fälle anders als jene, also mit offen- barer Inconsequenz, zu behandeln? Eine neuere Gesetzgebung hat, in einzelnen Anwendun- gen, Regeln aufgestellt, die mit den hier vorgetragenen allgemeinen Grundsätzen übereinstimmen, und es läßt sich darin eine Anerkennung dieser, aus dem früheren Recht herstammenden, Grundsätze selbst annehmen. Das Preußi- sche Landrecht sagt von der dreyßigjährigen Verjährung durch Nichtgebrauch ( I. 9. § 548): „Durch die bey Schalt- „jahren zutretenden Tage wird die Verjährungszeit nicht „geändert;“ das heißt, der Ablauf der Verjährung soll nach dem Datum des Anfangs bestimmt werden, nicht um Sieben oder Acht Tage früher wegen der einfallenden §. 194. Zeit. 5. Schalttag. (Fortsetzung.) Schalttage; oder mit anderen Worten: die Schalttage gelten nicht als Zeiträume. — Dann sagt der § 549, die Verjährung, die in einem Schaltjahr mit dem 29. Februar anfange, endige stets mit dem letzten Februar (also nach 30 Jahren mit dem 28. Februar, weil dieses kein Schalt- jahr seyn kann). — Übereinstimmend mit dieser letzten Vor- schrift sagt eine andere Stelle ( II. 8 § 859), der am 29. Fe- bruar eines Schaltjahrs ausgestellte, auf Jahre lautende Wechsel sey in einem Gemeinjahr am 28. Februar verfal- len. — In diesen beiden letzten Bestimmungen liegt die deutliche Anerkennung, daß, wo ein Schalttag in Betracht kommt, die Identität der Tage nicht durch die in unsren gedruckten Kalendern beygefügten Zahlen bestimmt werde; gerade Dieses aber ist es, was hier durch alle einzelne Anwendungen durchgeführt worden ist. Im Französischen Gesetzbuch hat dieser Gegenstand folgende sonderbare Wendung genommen. Ursprünglich lautete der Text so: 2260. La prescription se compte par jours, et non par heures. Elle est acquise lorsque le dernier jour du terme est accompli. 2261. Dans les prescriptions qui s’accomplissent dans un certain nombre de jours, les jours complémen- taires sont comptés. Dans celles qui s’accomplis- sent par mois, celui de fructidor comprend les jours complémentaires. Über den Schalttag war hier gar Nichts gesagt; der Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Art. 2261 betrifft die Fünf Ergänzungstage des republi- kanischen Kalenders (von 1793), die mit dem Schalttag gar Nichts gemein hatten, indem sie nur dazu dienten, die Zwölf Monate von 30 Tagen mit dem Jahr von 365 Ta- gen auszugleichen, anstatt daß der Schalttag zur Ausglei- chung dieses Jahrs mit dem Sonnenjahr bestimmt ist. Durch ein Senatusconsult wurde mit dem 1. Januar 1806 der Gregorianische Kalender wieder eingeführt, und nun hatte der Art. 2261 alle Bedeutung verloren. Das Gesetz vom 3. September 1807 gab dem bisherigen Code civil den Namen Code Napoléon, indem es zugleich eine An- zahl einzelner Abänderungen darin vornahm. Unter diese Abänderungen gehörte denn auch die Weglassung des Art. 2261 Sirey Jurisprudence de la cour de cassation, an 1807, Additions p. 350. 354. . Damit aber die Zahlenreihe nicht gestört würde, machte man den zweyten Satz des alten Art. 2260 zu einem besonderen Art. 2261, und dieses ist seitdem die Gestalt der angeführten Bestimmungen geblieben, so daß jetzt über den Schalttag nicht einmal eine scheinbare Vor- schrift zu finden ist. Maleville, der während der alten Gestalt des Code schrieb, glaubt daß man den (alten) Art. 2261 auch auf den Schalttag anwenden könne, wo- durch also hier die Meynung vieler Civilisten, nach wel- cher zwischen Jahren und Tagen unterschieden werden soll, für Frankreich eine Bestätigung erhalten würde Maleville T. 4 p. 391 der zweyten Ausgabe; diese ist erschienen 1807, nach der Herstel- lung des Gregorianischen Kalen- ders, aber vor dem Gesetz vom . Er §. 194. Zeit. 5. Schalttag. (Fortsetzung.) bekennt jedoch, daß nach sehr gewichtigen Autoritäten ( Du- nod und Cujas ) vielmehr zwischen gesetzlichen und ver- tragsmäßigen Zeiträumen unterschieden werden müsse. Seit- dem ist durch Weglassung des alten Art. 2261 auch der Schein verschwunden, der daraus für jene Meynung ent- stehen konnte, und so ist wohl in Frankreich der Schalt- tag ganz nach den Regeln zu beurtheilen, die hier für das Römische Recht aufgestellt worden sind. Merkwürdig ist noch die monströse Gestalt, welche je- nes Gesetz im Napoleonischen Königreich Italien angenom- men hat. Hier wurde der Art. 2261 nicht, wie in Frank- reich, unterdrückt, sondern durch folgende ganz andere Bestimmung ersetzt: Nelle prescrizioni le quali si compiono in un dato nu- mero di giorni, si computa qualunque giorno feriato. In quelle che si compiono a mesi, si ritengono eguali tutti i mesi, quantunque composti di numero diseguale di giorni. Schon in diesen Worten, noch mehr aber in dem hin- zugefügten Commentar, erscheint eine so vollständige Con- fusion, des utile tempus, der Monatslänge, der civilen Zeitrechnung, und des Schalttags, wie man sie in dem Umfang weniger Zeilen hervorzubringen kaum für möglich hätte halten sollen Codice civile di Napoleo- . 3. Sept. 1807, das man nicht vor- hersehen konnte. Damals hatte die Meynung den guten Grund für sich, daß dadurch dem alten Art. 2261, wenn er blieb, einige praktische Bedeutung erhalten wurde. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. §. 195. VI. Die Zeit . 6. Unvordenkliche Zeit. Einleitung . Böhmer Jus Eccl. Prot. Lib. 2 T. 26 § 35—45. Wernher observ. for. T. 1 P. 4 Obs. 5 (ursprünglich eine Disputation. Viteberg. 1718). Kress de natura vetustatis Helmstad. 1734. Pufendorf Observ. I. 151 und II. 54. 55. Neller opuscula Vol. 2 P. 1 Colon. 1788. Op. II.—V. Thibaut Besitz und Verjährung S. 178—202. F. G. F. comes de Ahlefeldt-Laurvig de praescrip- tione immemoriali Havniae 1821. 8. Unterholzner Verjährungslehre I. § 140—150. Pfeiffer Practische Ausführungen B. 2 Hannover 1828 S. 3—147. P. H. J. Schelling die Lehre von der unvordenklichen Zeit München 1835. Arndts Beyträge Bonn 1837. N. III. In der bis hierher angestellten juristischen Betrachtung der Zeit wurde dieselbe stets als eine bestimmte Größe ge- dacht, und alle aufgestellte Regeln bezogen sich lediglich auf die Messung dieser Größe (§ 179). Nun findet sich aber daneben noch ein Rechtsinstitut von ganz verschiede- ne il grande col confronto delle leggi Romane (3 Bände Milano 1809. 1810. 1811 in 16°), T. 3 p. 1638; Alles zum Gebrauch der Universitäten, mit Genehmigung der Generaldirection des öffent- lichen Unterrichts, so wie des Ju- stizministers. §. 195. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Einleitung. ner Natur; in ihm erscheint die Zeit ohne ein fest be- stimmtes Maaß, zugleich aber in einer Ausdehnung, die über die meisten bestimmten Zeiträume weit hinausreicht. Auch durch seinen allgemeineren Character unterscheidet sich dieses Institut von anderen, die auf die Zeit gegrün- det sind. Die Usucapion, die Klagverjährung u. s. w. ha- ben ihren bestimmten Zusammenhang mit einzelnen Theilen des Rechtssystems, und in diesem Zusammenhang allein können sie befriedigend dargestellt werden; hier war nur das Zeitelement darzustellen, welches ihnen gemeinschaft- lich zum Grunde liegt. Das nunmehr angedeutete Insti- tut hat dagegen eine so allgemeine, in die verschiedensten Rechtsverhältnisse eingreifende, Natur, daß auch für die vollständige Darstellung desselben keine andere als die ge- genwärtige Stelle gefunden werden kann. Die Namen, womit dieses Institut bezeichnet zu wer- den pflegt, sind mannichfaltig: unvordenkliche Zeit, unvor- denklicher Besitz, unvordenkliche Verjährung; eben so im- memoriale tempus, possessio oder praescriptio immemo- rialis. Es wird durch die Darstellung selbst klar werden, warum von mir der erste dieser Namen vorgezogen worden ist. Die hier angegebenen lateinischen Kunstausdrücke sind sprachlich zu tadeln, in der Sache ist Nichts dagegen ein- zuwenden, da die in den Quellen vorkommenden Umschrei- bungen: quod memoriam excedit, und cujus memoria non exstat, wesentlich dasselbe sagen. Es leuchtet auf den ersten Blick ein, daß die unvor- IV. 31 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. denkliche Zeit, in ihrer Wirkung, der Ersitzung (§ 177) verwandt ist. Wo nun diese letzte wirklich begründet ist, da kann von der unvordenklichen Zeit, welche schwerer zu erfüllende Bedingungen hat, nicht die Rede seyn. Und so erscheint sogleich die unvordenkliche Zeit im Verhältniß ei- nes Surrogats, als Aushülfe für solche Fälle, worin die Ersitzung nicht ausreicht, so daß die erste Aufgabe darauf gerichtet seyn muß, die Fälle des Bedürfnisses und der Anwendung dieses ergänzenden Instituts genau zu bestim- men. Ein solches Bedürfniß aber ist auf zweyerley Weise denkbar: erstens für Fälle, worin die Bedingungen der Ersitzung fehlen: zweytens für Gegenstände , worauf die Ersitzung überhaupt nicht anwendbar ist. Bevor aber diese Fälle selbst angegeben werden, ist es nöthig den Blick auf ein außer dem Privatrecht liegendes Gebiet zu richten. Auch im Staatsrecht kommen nicht sel- ten Fälle vor, worin die sichere Erledigung schwankender, zweifelhafter Verhältnisse, welche im Privatrecht auf so wohlthätige Weise durch Usucapion oder Klagverjährung bewirkt wird, als ein eben so unabweisliches Bedürfniß erscheint. Da aber hier kein Gesetzgeber ordnend eingreift, so bricht sich zwar auch das Bedürfniß seine Bahn, jedoch so daß wir die festen Zeitgränzen vermissen, die sich im Privatrecht überall finden. In England konnte es nach der Revolution von 1688 auch einem strengen Gewissen lange Zeit zweifelhaft bleiben, ob eine rechtmäßige Ver- änderung vorgegangen, oder bloße Gewalt geübt worden §. 195. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Einleitung. sey; und wenn die Stuarte siegreich zurückgekehrt wären, so würde ihnen die Anerkennung ihres fortdauernden Rechts nicht gefehlt haben. Als aber in der Person des Kardi- nals von York der Stuartsche Königsstamm erlosch (1806), da hatte England und Europa längst aufgehört, an dem rechtmäßigen Thronbesitz des Hauses Braunschweig zu zwei- feln. Niemand kann hier und in ähnlichen Fällen ein Jahr angeben, worin der Zweifel in Gewißheit übergeht; wohl aber läßt sich die Bedingung dieses Übergangs durch all- gemeine Charactere bezeichnen. Wenn der gegenwärtige Zustand schon so lange besteht, daß die jetztlebende Gene- ration keinen andern gekannt, ja selbst von ihren nächsten Vorfahren keinen andern, als von diesen selbst erlebt, er- fahren hat, dann kann man annehmen, daß dieser Zustand mit den Überzeugungen, Gefühlen und Interessen der Na- tion gänzlich verschmolzen ist, und so ist dann Dasjenige vollendet, was man die publicistische Verjährung nennen könnte. Da nun dieses gerade der Character ist, welchen unsre Schriftsteller der unvordenklichen Zeit zuschreiben, so haben wir das Urbild derselben im öffentlichen Recht aufgefunden. Damit aber ist zugleich auch der Weg gebahnt, um die Fälle ihrer Anwendung im Privatrecht zu bestimmen. Es giebt in diesem manche Rechte, die nicht unmittelbar auf dem Boden desselben entsprungen sind, sondern aus einer publicistischen Einwirkung auf das Privatrecht her- rühren. Der Natur solcher Rechte ist es angemessen, auch 31* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ihre Erwerbung im Einzelnen auf publicistische Regeln zurückzuführen. Wo daher die zweifelhafte Entstehung ei- nes solchen Rechts auf das Bedürfniß führt, eine Ent- scheidung durch Zeitlauf eintreten zu lassen, da wird nicht die privatrechtliche Ersitzung, sondern die eben beschriebene publicistische Verjährung, das angemessene Mittel für die- sen Zweck seyn. Und dieses ist in der That der Gesichts- punkt, von welchem aus die unvordenkliche Zeit in unsrem Privatrecht betrachtet werden muß, weshalb wir ihren Begriff vorläufig so bestimmen koͤnnen: Sie ist das Surrogat der Ersitzung bey solchen Rech- ten, auf welche, nach ihrer publicistischen Natur und Entstehungsart, die Ersitzung selbst nicht anwendbar ist. Die Wahrheit dieser Behauptung muß aus den Be- stimmungen unsrer Rechtsquellen über die unvordenkliche Zeit hervorgehen. Hierbey müssen wir vor Allem die größte Sorgfalt auf die Stellen des Römischen Rechts wenden, da es ganz irrig seyn würde, dieses nur als die zufällige Veranlassung, nicht als die wahre Grundlage des genannten Rechtsinstituts anzusehen. Alle ältere Schrift- steller behandeln es als eigentliche Grundlage, ja die ganze praktische Ausbildung der unvordenklichen Zeit ist lediglich aus einzelnen Stellen des Römischen Rechts hervorge- gangen. §. 196. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. §. 196. IV. Die Zeit . 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht . Wir finden drey Rechtsinstitute, worin das Römische Recht die unvordenkliche Zeit als Entstehungsgrund recht- licher Verhältnisse anerkennt: die Gemeindewege, Schutz- anstalten gegen das Regenwasser, und Wasserleitungen Man könnte dahin auch noch rechnen wollen die rechtliche Na- tur des Schatzes: L. 31 § 1 de adqu. rer. dom. (41. 1.). „The- saurus est vetus quaedam de- positio pecuniae, cujus non ex- stat memoria. ” Hier ist der Ausdruck genau derselbe, wie bey der unvordenklichen Zeit, aber nicht nur die Wirkung ist ganz ungleichartig, sondern, genau be- trachtet, selbst die factische Vor- aussetzung. Bey dem Schatz ist es ganz gleichgültig, ob aus den zwey letzten Menschenaltern alle Erinnerung verschwunden ist. Wenn aus irgend einer alten Zeit ein gegenwärtiges Eigen- thum durch eine ununterbrochene Reihe von Vererbungen darge- than werden kann, so kommt das besondere Recht des Schatzes nicht zur Anwendung, welches daher nur eintritt, wenn die Sache fac- tisch als herrenlos gelten muß, weil kein erweislicher Eigenthü- mer vorhanden ist, also Niemand durch jene Behandlung verletzt wird. . I. Gemeindewege . Es giebt dreyerley Wege L. 2 § 22 ne quid in loco publ. (43. 8.). (Ulpian.) : Heerstraßen ( publicae viae ), Privatwege ( privatae ), die ganz im Eigenthum eines Einzelnen stehen, und Gemeinde- wege ( vicinales ) L. 2 cit. „Vicinales sunt viae, quae in vicis sunt, vel quae in vicos ducunt.” Man könnte fragen, warum hier nur die Communalwege der unwichti- gen vici erwähnt werden, nicht die der weit wichtigeren Muni- cipien und Colonieen; ohne Zwei- fel deswegen, weil bey diesen oh- nehin Niemand zweifelte, daß sie insgesammt, ohne die angegebene Unterscheidung, publicae viae seyen. . Die rechtliche Beschaffenheit dieser letzten ist verschieden. Sind sie auf öffentlichem Boden angelegt, so haben sie die Natur der publicae; sind sie Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. entstanden aus Privatboden, welchen die Eigenthümer dazu hergegeben haben Ulpian bemerkt in L. 2 cit., die bloße Erhaltung aus Privat- mitteln beweise Nichts gegen die Natur einer publica via, da auch bey einer solchen die Erhaltung aus den Beyträgen derjenigen Einzelnen geschehen könne, die davon vorzugsweise Nutzen zie- hen. Vorher sagt er, die öffent- liche Natur der Vicinalwege werde von Manchen ganz allgemein be- hauptet; er beschränkt nun diese Behauptung durch die im Text dargestellte Unterscheidung. , so sind sie privatae, das heißt sie sind im gemeinschaftlichen Eigenthum dieser Einzelnen, welche daher befugt sind, sie wieder aufzuheben oder auch für Fremde zu verschließen. Jedoch leidet dieses Letzte eine Ausnahme; auch die auf Privatboden ursprünglich ange- legten Gemeindewege sind publicae, also der Privatwill- kühr entzogen, wenn sie seit unvordenklicher Zeit, über Menschengedenken hinaus, als Wege bestehen L. 3 pr. de locis et itin. publ. (43. 7.). (Ulpian.) „Viae vicinales, quae ex agris priva- torum collatis factae sunt (die also nach der vorigen Stelle eigent- lich privatae seyn müßten), qua- rum memoria non exstat, publi- carum viarum numero sunt.” ; sie ha- ben dadurch die rechtliche Natur öffentlicher Straßen an- genommen. — Hier hat also die unvordenkliche Zeit die Wirkung, daß dadurch ein Weg eben so zum Gemeingut Aller wird, wie wenn er durch die Staatsgewalt und auf Staatsboden angelegt worden wäre, was er in der That nicht ist. Ein Privatbesitz liegt dabey nicht zum Grunde, und irgend ein Privatrecht wird dadurch nicht begründet. — Eine Anwendung dieses Grundsatzes im heutigen Recht würde wohl möglich seyn, wenngleich die Aufsicht auf öffentliche Anstalten dieser Art bey uns anders als bey den Römern eingerichtet ist. §. 196. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. II. Schutzanstalten gegen das Regenwasser . Auf die Gefahren, die das Regenwasser unsren Grund- stücken bereiten kann Blos von diesen Gefahren und ihrer Abwehr ist hier die Rede, gar nicht von dem Vortheil, der uns durch das befruchtende Re- genwasser entstehen, und also viel- leicht auch von unseren Nachba- ren vermindert werden kann. Auf diesen Vortheil haben wir gar kein Recht. L. 1 § 11. 12. 21 de aqua pluv. (39. 3.). bezieht sich ein uraltes Rechtsin- stitut, welches auf folgendem Grundsatz beruht. Niemand darf den Normalzustand eines Grundstücks eigenmächtig dergestalt ändern, daß der Ablauf des Regenwassers zum Nachtheil meines Grundstücks verstärkt oder vermindert werde L. 1 § 1. 10. 13 de aqua pluv. (39. 3.), L. 11 § 6 eod. (in der ersten Hälfte). Vergl. Cicero top. C. 9. . Worin besteht nun dieser Normalzustand? Zunächst in der natürlichen, ohne menschliches Zuthun entstandenen, Beschaffenheit des Bodens L. 1 § 1. 13. 23 de aqua pluv. (39. 3.) „agrinaturam esse servandam.” L. 2 pr. eod. „na- tura loci.” , welche dem höheren Grund- stück den Vortheil giebt, das von dem Boden nicht einge- sogene Regenwasser auf das niedere zu entlassen; einen Vortheil, der durch die dem niederen zugeführte Besserung compensirt wird L. 1 § 22 de aqua pluv. (39. 3.) „hanc esse servitutem inferiorum praediorum.” L. 1 § 23 eod. „et semper inferiorem superiori servire. ” L. 2 pr. e od. „per quae inferior locus supe- riori servit. ” — Es sind dieses durchaus nur bildliche Bezeichnun- gen des Verhältnisses, an eine Servitut oder auch nur etwas ihr Nachgebildetes (etwa servi- tus non jure constituta, sed tuitione ) ist hier nicht zu denken. . — Dann aber in rechtmäßig angeleg- ten künstlichen Anstalten, Dämmen, Wällen, Abzugsgrä- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ben, welche durch die Art ihrer Entstehung gleichen An- spruch auf Unverletzlichkeit haben, wie die natürliche Be- schaffenheit. Die rechtmäßige Anlage kann geschehen gleich bey Gründung einer Stadt, durch die Obrigkeit, welcher diese Gründung übertragen ist, also vermittelst der lex colonica; in der Folge aber, nicht durch Anordnungen der verwaltenden Stadtobrigkeiten, sondern durch die höch- sten Staatsgewalten, den Kaiser oder den Senat L. 1 § 23 L. 2 pr. de aqua pluv. (39. 3.) „lex.” — L. 23 pr. eod. „Principis aut Senatus jussu, aut ab his qui primi agros constituerunt, opus fac- tum.” — L. 2 § 3 eod. „publica auctoritate facta.” — L. 2 § 7 eod. „fossam jure factam.” . Fin- det sich eine solche Anstalt, deren rechtmäßige Gründung nicht erweislich ist, so kann in der Regel Jeder deren Wegräumung, das heißt die Herstellung des ursprüngli- chen Zustandes, fordern Nur nicht Derjenige, der um die Anlage wußte, und sie ge- schehen ließ, denn das gilt als still- schweigende Einwilligung. L. 19. 20 de aqua pluv. (39. 3.). . Wenn jedoch die Anstalt schon über Menschengedenken besteht, das heißt so lange daß die Jetztlebenden keinen andern Zustand kannten, auch keinen von ihren Vorfahren vernommen haben Diese nähere Bestimmung, gegründet auf L. 2 § 8 de aqua pluv. (39. 3.) und L. 28 de prob. (22. 3.), wird unten, bey der prac- tischen Ausführung dieser Lehre, genauer erwogen werden. , dann ist ihr Alter so gut wie die Ler, das heißt es wird nun die rechtmäßige Gründung angenommen L. 1 § 23 de aqua pluv. (39. 3.) „vetustatem vicem le- gis tenere.” — L. 2 pr. eod. „ve- tustas, quae semper pro lege habetur.” . So kann dem- nach der zu erhaltende Normalzustand durch drey verschie- dene Gründe bestimmt werden: lex (publica auctoritas), §. 196. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. vetustas (quae pro lege habetur), und, in Ermanglung von beiden, natura loci L. 1 § 23 de aqua pluv. (39. 3.), L. 2 pr. eod. „In sum- ma tria sunt, per quae inferior locus superiori servit: lex, na- tura loci, vetustas.” . Die vetustas also, gleichbedeutend mit der unvordenklichen Zeit Das, was in L. 2 pr. de aqua pluv. (39. 3.) vetustas heißt, wird gleich darauf, im § 1, er- klärt durch: „nec memoriam ex- stare quando facta est.” Un- mittelbar verbunden sind beide Ausdrücke in L. 2 § 3 eod. „quo- rum memoriam vetustas exce- dit.” (Vgl. auch L. 2 § 7 L. 23 § 2 eod ). An ihrer gleichen Be- deutung ist daher nicht zu zwei- feln. — Es hat also damit kei- nen unmittelbaren Zusammen- hang, wenn in einigen Stellen aus viel späterer Zeit vetustas eine Zeit von 40 Jahren bedeu- tet. L. 2 C. Th. de longi temp. praescr. (4. 13.) „annorum XL. quam vetustatem leges ac jura nuncupare voluerunt,” und in demselben Sinn L. 7 C. de fun- dis rei priv. (11. 65) „excepto vetustatis auxilio,” welche Stelle interpolirt ist aus der, die 40 J. vorschreibenden, L. 14 C. de fun- dis patrim. (11. 61.), indem jene Worte in dem Original ( Nov. Theod. tit. 28) nicht vorkommen. Inwiefern dennoch dieser andere Sprachgebrauch für die unvor- denkliche Zeit zu benutzen ist, wird im § 199 gezeigt werden. , ist blos ein Surrogat der lex oder publica auctoritas, ihr gleich wirkend, wo diese selbst in Vergessenheit gerathen ist, vielleicht auch nie vorhanden war. Diese Einwirkung der unvordenklichen Zeit ist also ganz ähnlich derjenigen, welche oben bey den öffentlichen We- gen nachgewiesen worden ist. Kein Privatbesitz liegt da- bey zum Grunde, kein Privatrecht wird erworben, son- dern die lange Dauer dient als Ersatz der wahren publi- cistischen Entstehung der Anstalt, und nun hat jeder Be- theiligte das Recht, diesen Zustand als unantastbar für sich geltend zu machen. Weil es kein Privatrecht ist, so Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. konnte nicht die Ersitzung eingreifen; da aber doch ein ähnliches Bedürfniß vorhanden ist L. 2 pr. de aqua pluv. (39. 3.) „minuendarum scilicet litium causa,” ganz so wie es in L. 1 de usurp. (41. 3.) heißt: „ne .. diu et fere semper in- certa dominia essent.” Vergl. Gajus II. § 44. , so wird diesem auf ähnliche Weise wie durch Ersitzung abgeholfen, nur erst in längerer und weniger bestimmter Zeit. Daneben kann aber auch ein Einzelner auf privatrechtlichem Wege einen ähnlichen oder stärkeren Schutz für sein Grundstück erwer- ben, namentlich durch eine Servitut; wo also diese er- worben ist, durch Vertrag ( cessio ), Testament, oder die ihr eigenthümliche Ersitzung, da geht deren Einwirkung jenen allgemeinen Regeln gerade so vor, wie in anderen Fällen die Servitut dem Grundeigenthum vorgeht Die Ähnlichkeit und Un- ähnlichkeit unsres Grundsatzes mit den Servituten, so wie die mög- liche Concurrenz wirklicher Ser- vituten, die dann stets den Vor- zug haben, wird anerkannt in L. 2 § 10 L. 1 § 17. 23 de aqua pluv. (39. 3.). . Un- gegründet würde die Einwendung seyn, daß in einem sol- chen Fall die privatrechtliche Servitut dem jus publicum vorgezogen wäre, gegen die oben (§ 16) aufgestellte Re- gel. Die Servitut wirkt nur zwischen zwey einzelnen Grundstücken, und entzieht dem einen die Vortheile, die es sonst aus dem Normalzustand, also vielleicht auch aus der öffentlichen Anstalt (die juris publici ist), ziehen könnte; diese Anstalt selbst aber, insofern sie eine allgemeine poli- zeyliche Natur hat, oder einem dritten Grundstück Vor- theil bringt, kann dadurch nicht eingeschränkt werden Es tritt also hier ein ähn- liches Verhältniß ein, wie wenn in Rom eine servitus altius tol- . §. 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. (Forts.) Eine buchstäbliche Anwendung dieses Grundsatzes würde im heutigen Recht deswegen nicht möglich seyn, weil bey uns niemals Städte auf Römische Weise (durch dazu be- stellte Magistrate) gegründet werden, auch die höchsten Staatsgewalten (Kaiser und Senat) schwerlich solche Be- stimmungen unmittelbar erlassen möchten. Aber dem Sinn nach ist eine Anwendung allerdings moͤglich, da sich ge- wiß überall irgend eine Obrigkeit finden wird, die zu sol- chen Einrichtungen beauftragt ist, und deren Anordnun- gen, wo sie im einzelnen Fall nicht erweislich sind, durch unvordenkliche Dauer der Anstalt ersetzt werden können. §. 197. VI. Die Zeit . 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht . (Fortsetzung.) III. Wasserleitungen . In folgenden zwey Stellen wird die unvordenkliche Zeit als Erwerbungsgrund eines Rechts auf Wasserleitung be- zeichnet. lendi gegeben wurde gegen die Gesetze, wodurch die Höhe der Gebäude beschränkt war. — Ich habe übrigens hier die actio aquae pluviae nur erwähnt in ihrer rei- nen, ursprünglichen Gestalt. Da- neben wurden noch manche Aus- dehnungen auf ähnliche Verhält- nisse versucht und von Anderen bestritten, wobey denn gleichfalls die vetustas, zum Theil auf eine zweifelhaftere Weise, erwähnt wird, wie in L. 2 § 4. 5. 7 de aqua pluv. (39. 3.). Dieses Alles würde hier zu weit vom Haupt- zweck abgeführt haben, und muß der besonderen Darstellung jener Klage im speciellen Rechtssystem vorbehalten bleiben. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. L. 3 § 4 de aqua quot. (43. 20.). (Pomponius.) Ductus aquae, cujus origo memoriam e xcessit, jure constituti loco habetur. L. 26 de aqua pluv. (39. 3.). (Scaevola.) Scaevola respondit, solere eos qui juri dicundo prae- sunt, tueri ductus aquae, quibus auctoritatem vetu- stas daret, tametsi jus non probaretur. Dieser Fall der Anwendung ist der schwierigste in der Lehre von der unvordenklichen Zeit: zugleich ist aber auch keiner durch häufige Anwendung in Gerichten so wichtig geworden als dieser. Für eine erschöpfende Behandlung der Frage ist es nöthig, etwas weit auszuholen. Bey dem Eigenthum kommt schon frühe eine longi temporis praescriptio gegen die Vindication vor, und zwar so daß darin longum tempus nicht etwa eine unbestimmt lange Zeit, sondern ganz genau 10 oder 20 Jahre (nach dem Unterschied zwischen praesentia und absentia ) bezeich- net Paulus V. 2 § 3 und V. 5 A. § 8, L. 7 C. quibus non ob- jicitur (7. 35.), L. 11. 12 C. de praescr. longi temp. (7. 33.). — Deutlich vorausgesetzt erscheint derselbe Rechtssatz auch in L. 1 C. de praescr. l. t. (7. 33.) von Severus, besonders wenn man damit die Stellen des Paulus vergleicht. . Es ist möglich, daß noch früher die Zeit unbe- stimmt, also dem richterlichen Ermessen überlassen war, und daß erst kaiserliche Constitutionen sie festgestellt haben; doch ist es wahrscheinlicher, daß gleich Anfangs ein be- stimmter Zeitraum angenommen wurde, und daß die Con- stitutionen nur, wie in so vielen anderen Fällen, als An- §. 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. (Forts.) erkennung und Bestätigung des ohnehin geltenden Rechts- satzes angeführt werden L. 76 § 1 de contr. emt. (18. 1.) (Paulus) „longae pos- sessionis praescriptione, si .. impleat tempora constitutioni- bus statuta. ” — Folgende Stel- len setzen bereits einen festen Zeit- raum voraus: L. 54 de evict. (21. 2.) (Gajus), L. 13 § 1 de jurejur. (12. 2.) (Ulpian und Ju- lian), L. 21 de usurp. (41. 3.) (Javolenus), L. 14 pro emt. (41. 4.) (Scävola, mit Erwäh- nung von praesens und absens ). . Servituten konnten in älterer Zeit durch Usucapion, also in Einem oder Zwey Jahren, erworben werden; eine Lex Scribonia hob diese Erwerbungsart auf L. 4 § 29 de usurp. (41.3). . Da aber das praktische Bedürfniß einer Erledigung zweifelhafter Verhältnisse durch Zeit auch bey ihnen unverkennbar war, so bildete sich, nach der Analogie der eben erwähnten longi temporis praescriptio, folgender Rechtssatz aus, den wir schon bey den alten Juristen als unzweifelhaft aner- kannt finden. Wer eine Servitut während eines longum tempus, also 10 oder 20 Jahre lang, ausübt L. 10 pr. si serv. (8. 5). „Diuturno usu et longa quasi possessione. ” Nachher heißt es: per annos forte tot; das geht auf die bestimmte Zahl von Jah- ren, die in jedem einzelnen Fall anzugeben und zu beweisen ist, und die sehr verschieden seyn kann, wenn sie nur nicht weniger be- trägt, als 10 (oder 20) Jahre. — L. 1 C. de serv. (3. 34) „longi temporis consuetudinem.” — L. 2 C. eod. „exemplo rerum immobilium tempore quaesisti. Quod si ante id spatium ” etc. Ohne Zweifel war dieses Rescript in eine Provinz erlassen, an Pro- vinzialstücken aber vertrat die l. t. praescriptio ganz allgemein die Stelle der Usucapion. Die Worte: exemplo rer. immob. sind also nur eine Umschreibung der be- stimmten Zeit von 10 oder 20 Jahren, welches auch durch die folgenden, blos wiederholenden, Worte: id spatium unzweifelhaft wird. — L. 5 § 3 de itin. (43. 19) „velut longi temporis pos- sessionis praerogativam” (das velut geht auf die bloße quasi possessio bey Servituten). — L. 1 § 23 de aqua (39. 3) „et , wird so Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. angesehen und geschützt, als wenn er das Recht derselben wirklich erworben hätte L. 1 C. de serv. (3. 34) „vicem servitutis obtinere. — L. 1 § 23 de aqua pluv. (39. 3) „habuisse longa consuetudine velut jure impositam servitu- tem videatur.” ; er bekommt nicht blos eine temporalis praescriptio gegen die Klage des Eigenthü- mers, sondern selbst eine Klage L. 10 pr. si serv. (8. 5) „sed utilem habet actionem.” . Anstatt des positiven Rechtstitels, der zur Usucapion und zur longi temporis praescriptio nöthig ist, wird hier nur gleichsam ein nega- tiver Titel gefordert; der Besitz soll weder mit Gewalt, noch heimlich, noch bittweise angefangen haben L. 10 pr. si serv. (8. 5) „non vi non clam non preca- rio.” Eben so in L. 1 C. de serv. (3. 34) „nec vi nec clam nec precario,” L. 1 § 23 de aqua pluv. (39. 3) „neque vi neque precario neque clam.” — Dieselbe Bedeutung hat L. 2 C. si serv. (3. 34) „Si aquam per possessionem Mar- tialis eo sciente duxisti” etc., das heißt: Wenn du die Wasser- leitung, (so wie du anführst) mit Wissen des Martialis benutzt hast.“ Das eo sciente war aus den von dem Anfragenden vor- getragenen Thatsachen entnom- men, und wurde hier als Bedin- gung wiederholt, weil, wenn es wahr war, daraus von selbst die (eigentlich nothwendige) Abwe- senheit des vi, clam, precario hervorgieng. Mit Unrecht ha- ben daraus Manche die scientia schlechthin zu einer Bedingung der Servitutenersitzung machen wollen. . Diese Ersitzung sollte gewiß bey allen Arten der Prädialservitu- ten gelten, und wir finden sie namentlich anerkannt bey in servitutibus … qui diu usus est servitute .. habuisse longa consuetudine.” — Die Überein- stimmung dieser Stellen hebt je- den Zweifel, der etwa noch bey den Ausdrücken einer einzelnen übrig bleiben könnte. — Ein Be- denken könnte man finden in L. 10 § 1 de usurp. (41. 3) „Hoc jure utimur, ut servitu- tes per se nusquam longo tem- pore capi possint.” Allein es ist dieses hier nur die auch sonst öfter wiederkehrende und über- flüssige Interpolation: longo tem- pore capi für: usucapi, über- all wo von Immobilien die Re- de ist. §. 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. (Forts.) altius tollendi L. 2 C. de serv. (3. 34). Der Kläger verlangt hier, daß nicht gebaut werde, und der Be- klagte ( is qui pulsatur ) erscheint als der, welcher wohl die Ser- vitut durch Zeit erworben haben könnte; also ist von der servitus altius tollendi die Rede, nicht von altius non tollendi. , bey Wasserleitungen L. 10 pr. si serv. (8. 5), L. 2 C. de serv. (3. 34). , und bey We- gen L. 5 § 3 de itin. (43. 19). ; auf die an sich sehr vergänglichen persönlichen Servituten ist ihre Anwendung weniger häufig und wich- tig, wir haben aber keinen Grund zu bezweifeln, daß das Princip auch bey diesen stets anerkannt war Die Sache wird hier nur beyläufig erwähnt, und nur in einer Verordnung von Justinian, welches sich aus dem im Text erwähnten Umstand erklärt. L. 12 in f. C. de praescr. longi temp. (7. 33) „Eodem observando, et si res non soli sint, sed incor- porales, quae in jure consis- tunt, veluti ususfructus, et ce- terae servitutes. ” . Hier nun ist der Sitz der ganzen Schwierigkeit, die bis auf unsere Zeit eine so große praktische Wichtigkeit behauptet hat. Nach den im Anfang dieses § mitgetheilten Stellen scheint der Erwerb einer Wasserleitung an die unvordenkliche Zeit geknüpft; nach den oben erwähnten Stellen werden Servituten (darunter auch selbst die der Wasserleitung), schon in 10 oder 20 Jahren, also in ungleich kürzerer Zeit, erworben. Die Lösung dieses scheinbaren Widerspruchs Man könnte sagen, es sey kein Widerspruch vorhanden, denn wer unvordenkliche Zeit als Grund des Erwerbs bezeichne, läugne damit noch nicht die Zulänglich- keit von 10 Jahren ( Braun zu Thibaut S. 895). Allein wer schon diese für zulänglich hält, würde sich auf unverantwortliche Weise schlecht ausdrücken, wenn er den Erwerb als Folge des un- vordenklichen Besitzes bezeichnen wollte; hier also, wenn irgend- wo, ist gewiß das Argument a contrario an seiner Stelle. , die schon seit Jahrhunderten unsre Juristen beschäftigt hat, Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. soll nunmehr versucht werden; zuvor aber ist in kurzer Übersicht zu zeigen, daß die bisher angestellten Versuche größtentheils ungenügend geblieben sind. Ich will zuerst solche Versuche erwähnen, wodurch die unvordenkliche Zeit bey den Servituten als praktisches Moment ganz ausscheiden würde. So sagt Cujacius Cujacius observ. XVIII. 28. Ihm folgt Schelling S. 16. , durch longum tempus werde nur erst eine utilis actio er- worben, durch unvordenkliche Zeit auch eine directa; wel- cher Unterschied praktisch ganz unerheblich seyn würde. Er ist aber auch in der Theorie nicht haltbar; allerdings kommt anderwärts ein Unterschied vor zwischen servitus ure (civili) constitua, und per tuitionem praetoris L. 1 pr. quib. mod. usus- fr. (7. 4), L. 1 § 2 de S. P. R. (8. 3), L. 2 comm. praed. (8. 4), L. 11 § 1 de public. (6. 2), und ähnlich in mehreren an- deren Stellen. : aber gerade Bezeichnungen dieser letzten Art werden bey der unvordenklichen Zeit gebraucht Nämlich in den beiden, am Anfang dieses §, im Text abge- druckten Stellen. , auch ist es kaum denkbar, daß etwas so Unbestimmtes, wie die vetustas, ein strenges Recht nach jus civile, etwa der Usucapion gleich, gegeben haben sollte. — Unterholzner erklärt den aquae ductus der beiden oben mitgetheilten Stellen von Abzugs- gräben, bezieht also die Stellen selbst nicht auf die Ser- vitut der Wasserleitung, sondern auf die actio aquae plu- viae, wobey ohnehin die Einwirkung der vetustas ganz unzweifelhaft ist Unterholzner § 142. . Allein in den sehr vielen Stellen, worin aquae ductus und aquam ducere vorkommt, wird §. 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. (Forts.) darunter stets die Zuleitung des Wassers, zum Zweck eigener Benutzung, verstanden, die Ableitung könnte nur etwa durch abducere bezeichnet werden (so wie die servi- tus stillicidii avertendi ), und für die Abzugsgräben kom- men in der That völlig verschiedene Ausdrücke in unsren Rechtsquellen vor L. 2 § 1 de aqua pluv. (39. 3) „fossa vetus .. agrorum siccandorum causa,” eben so L. 2 § 2. 4. 7 L. 1 § 23 eod. . Folgende Meynungen dagegen kommen darin überein, daß sie, nach Verschiedenheit der Fälle, bald 10 oder 20 Jahre, bald aber die unvordenkliche Zeit, bey dem Er- werb der Servituten annehmen, wodurch also die unvor- denkliche Zeit zu einem wichtigen praktischen Moment für die Servituten werden würde. a ) 10 oder 20 Jahre sollen nach Einer Meynung hin- reichen, wenn der Besitz nec vi, nec clam, nec precario an- gefangen hat; außerdem soll unvordenkliche Zeit nöthigseyn Donellus XI. 11 § 17. . Diese Meynung ist völlig verwerflich, weil der unvordenk- liche Besitz ein Besitz von unbekanntem Anfang ist, hier aber vorausgesetzt wird, daß er mit Gewalt, oder heim- lich, oder bittweise angefangen habe, welche Voraussetzung nur bey einem bekannten Anfang denkbar ist. b ) Nach Anderen sollen 10 oder 20 Jahre hinreichen, wenn ein positiver Rechtstitel, z. B. Kauf, dem Anfang des Besitzes zum Grunde liegt, außerdem soll unvordenk- liche Zeit nöthig seyn van de Water observ. II. 18. Thibaut Besitz und Ver- jährung S. 111. 181. Späterhin . Auch diese Meynung muß ver- IV. 32 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. worfen werden, weil die oben angeführten Stellen, bey dem Erwerb durch longi temporis possessio, nicht nur von einem Rechtstitel schweigen, sondern für den Anfang des Besitzes eine ganz andere Eigenschaft fordern (das nec vi u. s. w.), welche offenbar Surrogat des Titels seyn soll, da es widersinnig seyn würde, beide Bedingungen zugleich, neben einander, aufzustellen. c ) Scheinbarer ist folgende Meynung, die sich mehr als alle andere in Gerichten geltend gemacht hat. 10 oder 20 Jahre sollen hinreichen bey einer continua servitus (z. B. tigni immittendi ), unvordenkliche Zeit soll nöthig seyn bey einer discontinua (z. B. via ) Glossa quaesisti in L. 2 C. de serv. (3. 34), und forte tot in L. 10 si serv. (8. 5), wo die continua servitus unter dem Namen der perpetua causa vor- kommt. Neben dieser Meynung aber wird in beiden Glossen noch eine andere vorgetragen, von wel- cher noch unten die Rede seyn soll. — Neuere Schriftsteller für diese Meynung werden in großer Zahl angeführt von Glück B. 9 S. 148. — Freylich kommt es nun noch auf den Begriff der serv. discontinua an, der natürlich sehr verschieden angegeben wird, da die Sache dem Römischen Recht ganz fremd ist. Pfeiffer S. 115 schließt jenen Begriff in sehr enge Gränzen ein. . — Die höchst wich- tigen Folgen dieser Meynung leuchten sogleich ein, wenn man erwägt, daß gerade die bedeutendsten Prädialservitu- ten, wie Weiderecht und Holzungsrecht, discontinuae sind, so daß die Anwendung der unvordenklichen Zeit weit häu- figer und wichtiger seyn würde, als die der 10 und 20 Jahre. Prüft man nun diese Meynung nach den Quellenzeugnissen, hat Thibaut diese Meynung auf- gegeben. Pandekten § 1017 der 8ten Ausg. Vgl. auch Braun Zusätze zu Thibaut S. 896 zu § 1054. § 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. (Forts.) so zeigt sie sich bald als unhaltbar. Die zwey oben mitge- theilten Stellen über die unvordenkliche Zeit reden vom aquaeductus, eben so aber auch zwey der Stellen, welche die longa possessio für genügend erklären (Note i ). Nun ist allerdings die Wasserleitung darin eigenthümlich, daß sie bald continua ist (wie bey einer Brunnenröhre), bald discontinua (wie bey der Wiesenwässerung); man müßte also die angeführten vier Stellen so erklären, daß man in zwey derselben den Fall einer continua, in zwey andere den einer discontinua stillschweigend hinein interpretirte. Allein ein so gewaltsames Verfahren muß als sehr be- denklich verworfen werden, da es weder durch eine An- deutung in den Stellen selbst, noch durch irgend eine an- derwärts begründete Analogie unterstützt wird Die Stellen, die den 10 oder 20 jährigen Besitz für hin- reichend zum Erwerb eines aquae- ductus erklären (Note i ), spre- chen ganz allgemein, ohne diesen Ausspruch auf den continuus aquaeductus zu beschränken, wel- ches unmöglich verschwiegen wer- den konnte, wenn es wirklich Be- dingung jenes Erwerbs gewesen wäre. . Völlig entscheidend aber gegen die angeführte Meynung ist der Umstand, daß in einer andern Stelle die longa possessio für den Erwerb der Wegeservitut als hinreichend erklärt wird (Note k ), welche Servitut doch stets discontinua ist, also nach jener Meynung nur durch unvordenkliche Zeit erworben werden müßte. Folgende Betrachtung soll die Auslegung unsrer Stel- len vorbereiten, die ich für befriedigend halte. Servituten entstehen regelmäßig durch Vertrag mit dem Eigenthümer 32* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ( in jure cessio ), dessen Surrogat war (so wie bey dem Eigenthum) die Usucapion, an deren Stelle später der Be- sitz von 10 oder 20 Jahren getreten ist. Nun findet sich aber eine Art von Wasserleitungen, die in ihrer äußeren Erscheinung und in dem Nutzen den sie uns gewährt, ganz gleich steht mit der Servitut dieses Namens, in ihrem ju- ristischen Character aber wesentlich verschieden davon ist. Aus einer öffentlichen Wasserleitung nämlich kann ein Ein- zelner für sich Wasser gewinnen wollen; eine Servitut ist unmöglich, weil ihm kein Eigenthümer gegenüber steht. Allein der Kaiser konnte einen solchen Privatgenuß als Gnade gewähren, und wenn dieses geschehen war, behan- delte es der Prätor als Privatrecht, indem er den Inhaber gegen jede Störung durch ein Interdict schützte L. 1 § 38 — 45 de aqua quot. (43. 20). Nur der Kaiser konnte das Recht geben (§ 42). Das Interdict war nicht posses- sorisch, sondern entschied über das Recht selbst (§ 45). Von diesen Concessionen, ihrer Form, zum Theil auch von ihrer Aufhebung sprechen L. 2. 3. 5. 6. 7. 9. 11 C. de aquaeductu (11. 42), un- ter welchen die L. 6 cit. den Aus- druck servitus, offenbar nur im uneigentlichen Sinn, gebraucht. . Ge- setzt nun, das kaiserliche Rescript war verloren, die Con- cession konnte also nicht mehr bewiesen werden, so gab selbst der zehenjährige Besitz keine Hülfe, weil dieser nur das Surrogat der regelmäßigen Errichtung einer wahren Servitut seyn sollte, das hier ausgeübte Recht aber keine Servitut ist, ja überhaupt keine privatrechtliche Entstehung haben kann. Was hier helfen kann, ist allein der unvor- denkliche Besitz, der ja auch in ähnlichen Fällen, bey den §. 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht. (Forts.) öffentlichen Wegen, und den Anstalten gegen Regenwasser, als Surrogat der regelmäßigen, publicistischen Entstehung eines Rechtsverhältnisses von uns anerkannt worden ist (§ 196). Nun verschwindet aller Widerspruch der im Ein- gang dieses §. mitgetheilten Stellen mit den Stellen, welche den zehenjährigen Besitz als Erwerbsgrund der Servituten anerkennen, indem jene Stellen gar nicht von einer Ser- vitut reden, sondern von der Privatbenutzung einer öffent- lichen Wasserleitung. — Ich will nicht verschweigen, was man gegen diese Auslegung einwenden kann. Oben wurde getadelt, daß die Voraussetzung einer continua oder dis- continua servitus in Stellen hinein getragen wurde, die davon Nichts erwähnen; hier aber, so scheint es, tragen wir eben so die Voraussetzung der publica aqua hinein. Allein dieses Verfahren wird hier durch folgende beson- dere Gründe gerechtfertigt. Wir tragen in die Stellen, die den 10 und 20 jährigen Besitz gestatten (Note i ) gar Nichts hinein, sondern lassen ihnen ihren vollen wörtlichen Umfang, anstatt daß ihnen nach der gewöhnlichen Erklä- rung die Voraussetzung einer continua servitus aufgedrun- gen wird. In die Stellen, welche die unvordenkliche Zeit erwähnen, tragen wir allerdings das Merkmal der publica aqua hinein, allein diese Annahme wird vor Allem unter- stützt durch die augenscheinliche Analogie der öffentlichen Wege, und der Anstalten gegen das Regenwasser (§ 196); ferner dadurch, daß die eine dieser Stellen unmittelbar vorher selbst von einer publica aqua redet, und daß sie Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. fast unmittelbar hinter der größeren Stelle steht, worin die Concession aus öffentlichen Wasserleitungen ausführlich abgehandelt wird L. 1 § 38 — 45 de aqua quot. (43. 20) handelt von der aqua ex castello (Note w ); da- rauf folgt die ganz kurze L. 2, und dann die L. 3 eod. , in wel- cher § 1. 2 von dem aquaeduc- tus ex flumine publico handeln. Wenn ich nun den gleich darauf folgenden § 4 gleichfalls von einer publica aqua erkläre, so dient die eben erwähnte Nachbarschaft sehr zur Unterstützung dieser Er- klärung. ; endlich durch einige Parallelstellen des Codex, welche unverkennbar denselben Rechtssatz, und zwar gerade für die Benutzung öffentlicher Wasserleitun- gen, enthalten L. 4 C. de aquaeductu (11. 42.) „Usum aquae vete- rem .. singulis civibus manere censemus, nec ulla novatione turbari” etc. Daß hier von einer öffentlichen Wasserleitung die Rede ist, folgt theils aus dem Inhalt des ganzen Titels, theils aus dem Ausdruck selbst, der auf eine kai- serliche Erlaubniß für die Unter- thanen geht, theils aus der nach- folgenden Strafdrohung gegen heimliche Erweiterung des alten Besitzes. — L. 7 C. de serv. (3. 34.) „Si manifeste doceri pos- sit, jus aquae ex vetere more atque observatione .. utilitatem certis fundis irrigandi causa exhibere: procurator noster, ne quid contra veterem for- mam .. innovetur, providebit.” Da die Stelle im Titel de ser- vitutibus steht, könnte man glau- ben, es sey von einer eigentlichen Servitut die Rede; daß aber ein Anspruch einzelner Privatperso- nen an eine öffentliche Wasserlei- tung gemeynt ist, zeigt theils der procurator noster, der bey einer gewöhnlichen confessoria actio Nichts zu thun hätte, theils der Ausdruck certis fundis. Es ist daher eine lex fugitiva. . — Das Gewicht dieser Gründe wird noch durch folgende Betrachtung verstärkt. Das Wichtige in den angeführten beiden Stellen ist nicht ihr unmittelba- rer Inhalt, sondern der darin versteckte Gegensatz (§ 197. m ), und dieser eigentlich ist es, welcher von mir durch die Voraussetzung eines publicus aquaeductus beschränkt wird. Eine solche beschränkende Voraussetzung aber ist minder §. 197. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Römisches Recht (Forts.) bedenklich bey einer Regel, die nicht unmittelbar ausgespro- chen, sondern nur durch das argumentum a contrario er- kennbar ist. Diese Erklärung der Stellen ist, dem Grundgedanken nach, nicht neu. Sie findet sich, neben einer anderen, oben verworfenen Erklärung, schon in der Glosse Glossa Quaesisti L. 2 C. de serv. (3. 34.) „ibi de aqua ex flumine publico dicit vel fiscali, hic privato.” Eben so in Glossa forte tot L. 10 si serv. (8. 5). Vgl. oben Note u. , dann auch, in verschiedenen Zeiten, bey späteren Schriftstel- lern Connanus comment. IV. 12. Num. 17. 18. Pufendorf observ. I. 32 § 16. Nfller p. 69. 85. 92. Ahlefeldt p. 77 — 79. Besondere Anerkennung verdient der Ernst, womit Neller in sei- nen zu verschiedenen Zeiten ge- schriebenen Abhandlungen den Gegenstand behandelt hat. Nach- dem er früher auf zwey anderen Wegen die Lösung des Wider- spruchs versucht hatte, ist er end- lich zu dieser Meynung gekom- men. . Diese Alle aber haben sie theils nur vorüber- gehend vorgetragen, theils nicht in den nöthigen Zusam- menhang mit verwandten Rechtssätzen gebracht, und so ist sie bis jetzt nicht zu der ihr gebührenden Anerkennung ge- kommen. Fragen wir nach den Resultaten der hier angestellten Untersuchung über das Römische Recht, so ist allerdings der unmittelbare positive Gewinn nicht groß. Denn von den drey Rechtssätzen, worin die Anwendung der unvor- denklichen Zeit nachgewiesen worden ist, möchte in unsrem Recht, bey ganz veränderten öffentlichen Einrichtungen, kaum noch Gebrauch gemacht werden können. Öffentliche Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Wasserleitungen, die bey den Römern in so colossalem Umfang vorkamen, finden sich jetzt nicht leicht in solcher Gestalt, daß daraus eine Privatbenutzung verliehen wer- den könnte. Wichtiger ist der allgemeine Gesichtspunkt des Rechtsinstituts, der aus diesen einzelnen Regeln hervor- geht, und wovon noch bey der neueren Gesetzgebung Ge- brauch gemacht werden wird. Aber das wichtigste Resultat für das praktische Recht ist das negative, indem durch den hier geführten Beweis die Servitutenlehre von jeder An- wendung der unvordenklichen Zeit gänzlich befreyt wird. Ja nicht einmal auf die Servituten bleibt dieser Gewinn beschränkt, vielmehr kommt er auch den Germanischen Reallasten zu gut, deren Verjährung großentheils nach den Römischen Regeln über die Servituten zu beurtheilen ist. Man könnte vielleicht glauben, die Anwendung der un- vordenklichen Zeit auf die discontinuae servitutes, wenn sie auch nach Römischem Recht verworfen werden müsse, sey doch durch allgemeines Gewohnheitsrecht in Deutsch- land herrschend geworden. Allerdings ist sie in manchen Gerichten, wie in dem höchsten Gericht für Kurhessen, stets angewendet worden Pfeiffer S. 116. , in anderen aber, wie in dem höchsten Gericht für Hannover, wurde sie eben so entschie- den verworfen Pufendorf observ. I. 32 § 20. , und damit ist jene Allgemeinheit voll- ständig widerlegt. Aber selbst das kann nicht zugegeben werden, daß diese unrichtige Lehre wenigstens in den Län- §. 198. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Neueres Recht. dern, deren höchste Gerichte sie befolgt haben, die Na- tur eines particulären Gewohnheitsrechts angenommen habe So wird es aufgefaßt von Pfeiffer S. 114. . Denn die Gerichte haben jene Lehre keineswe- ges als ein Stück des besonderen Landesrechts zur An- wendung gebracht, sondern lediglich als ein Stück des Römischen Rechts, indem sie sich auf Stellen der Digesten, und auf die Autorität gemeinrechtlicher Schriftsteller ge- gründet haben. Auch ist hier keinesweges ein Fall vor- handen, worin für ein wahrhaft empfundenes praktisches Bedürfniß blos zum Schein eine Rechtfertigung aus dem Römischen Recht gesucht worden wäre, da gerade für das praktische Bedürfniß durch jede bestimmte Verjährungszeit weit besser gesorgt wird, als durch die unvordenkliche Zeit. Es ist also hier vielmehr ein solcher Fall vorhanden, worin selbst jene Gerichte, wenn sie sich von dem bisher gehegten theoretischen Irrthum überzeugen, denselben auf- zugeben, und den entgegen gesetzten Grundsatz für die Zu- kunft anzuwenden haben (§ 20). §. 198. VI. Die Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Neueres Recht . Im canonischen Recht finden sich folgende zwey merk- würdige Anwendungen der unvordenklichen Zeit. Ein päbstlicher Legat hatte dem Grafen von Toulouse die Ausübung gewisser nutzbarer Regalien ( pedagia, gui- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dagia, salinaria ) untersagt. Auf Anfrage des Grafen er- klärt P. Innocenz III. das Verbot dahin, daß es sich nur auf willkührliche, nicht auf rechtmäßige Abgaben dieser Art beziehe. Rechtmäßig aber seyen diejenigen, deren Er- hebung sich auf Verleihungen der Kaiser, Könige, oder der Lateranischen Kirchenversammlung gründen; außerdem aber auch vel ex antiqua consuetudine, a tempore cujus non ex- stat memoria, introducta C. 26 X. de V. S. (5. 40) vom J. 1209. . Dieser Ausspruch ist ganz dem Sinn des Römischen Rechts gemäß. Solche publicistische Rechte sind an sich nicht Gegenstände der Usucapion, aber der unvordenkliche Besitz kann hier die Stelle der Usucapion ersetzen. Die zweyte Stelle C. 1 de praescriptionibus in VI. (2. 13) vom J. 1298. — Man hat auch noch eine dritte Stelle angeführt, C. 1 de con- suet. in VI. (1. 4.) ( Schelling S. 54.). Diese spricht aber gar nicht von der unvordenklichen Zeit, sondern von Gewohnheitsrecht. spricht von einem Bischoff, welcher in den Gränzen eines fremden bischöfflichen Sprengels Kirchen und Zehenten in Anspruch nahm, und geht dabey von folgender Ansicht aus. Gegen eine Privatperson werde usucapirt, mit Titel in 3, 10, 20 Jahren, ohne Titel in 30 Jahren. Da aber Kirchen im allgemeinen auf 40 Jahre für jede Verjährung privilegirt sind, so sey bey der ge- wöhnlichen Usucapion gegen Kirchen lediglich bona fides erforderlich, das Daseyn des Titels aber gleichgültig, weil mit und ohne Titel diese Usucapion stets in 40 Jahren §. 198. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Neueres Recht. vollendet wird. Im vorliegenden Fall aber stehe es des- wegen anders, weil das behauptete Recht eine Ausnahme von der Kirchenverfassung ( jus commune ), nämlich von der in dieser gegründeten Diöcesanbegränzung, enthalten würde. In allen Fällen aber, worin ein durch Verjäh- rung gegen eine Kirche zu begründendes Recht das jus commune oder eine Präsumtion gegen sich habe, sey noch neben den 40 Jahren ein Titel erforderlich, und der Man- gel desselben könne nur durch unvordenkliche Zeit ersetzt werden. Ubi tamen est ei jus commune contrarium, vel habe- tur praesumtio contra ipsum Wörtlich heißt das so viel, daß in zwey verschiedenen Fällen der Titel erfordert werde: 1) ge- gen jus commune, 2) gegen eine Präsumtion. Natürlicher aber ist es wohl, das vel nicht dis- junctiv, sondern erklärend zu ver- stehen, so daß die Erwähnung der Präsumtion nur das jus com- mune in anderen Worten wieder- holt, und zugleich den Grund aus- drückt, weshalb die Abweichung vom jus commune hierin einen Unterschied macht. Für diese Er- klärung spricht die unmittelbar vorhergehende umgekehrte Con- struction: Nam licet ei .. si sibi non est contrarium jus commune, vel contra eum prae- sumtio non habeatur, sufficiat bona fides; denn wenn man die- ses streng wörtlich nimmt, so ist der Besitzer in jedem einzelnen der zwey bezeichneten Fälle frey vom Beweise des Titels; dann aber würde der Satz dem oben im Text abgedruckten widerspre- chen. Dieser Widerspruch wird be- seitigt, wenn man vel für sive oder id est nimmt. — Wie man aber auch hierin erklären wolle, so ist es in jedem Fall verwerflich, aus dieser Stelle die Nothwendigkeit des unvordenklichen Besitzes für alle Servituten abzuleiten, weil diese die Präsumtion gegen sich hätten ( Schelling S. 18). Der Ausdruck einer Präsumtion ( pro libertate ) paßt auf dieses Ver- hältniß gar nicht, und das cano- nische Recht hat daran gewiß nicht gedacht. , bona fides non suffi- cit; sed est necessarius titulus, qui possessori caus- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sam tribuat praescribendi: nisi tanti temporis allege- tur praescriptio Unterholzner § 143 läßt abdrucken probatio anstatt praescriptio, wahrscheinlich in Folge eines bloßen Schreibfeh- lers. Schelling S. 3. 52 nennt die Leseart praescriptio neueres Machwerk, probatio die ältere und richtige Leseart. Ich wünschte, er hätte seine Quellen angegeben, nach meiner Untersuchung kommt nur praescriptio vor. So in zwey Handschriften (Berliner Bibliothek und meine Samm- lung), ferner in der Glosse me- moria des Johannes Andreä, end- lich in den Ausgaben von 1473. 1477. 1479. 1482. Auch der in- nere Zusammenhang der Stelle deutet auf praescriptio. , cujus contrarii memoria non ex- sistat. Diese letzte Stelle hat darin den Gesichtspunkt des Römischen Rechts festgehalten, daß sie die unvordenkliche Zeit lediglich erfordert, wo ein publicistisches Hinderniß des behaupteten Rechts aus dem Wege zu räumen ist; darin aber weicht sie ab, daß sie den unvordenklichen Besitz bey einem und demselben Gegenstand mit der Usucapion zuläßt, deren fehlende Bedingungen durch ihn ersetzt wer- den sollen. Wäre die Ansicht des Römischen Rechts völlig festgehalten worden, so hätte in allen Fällen der Zehenten in fremden Diöcesen der unvordenkliche Besitz gefordert werden müssen, ohne Unterschied des vorhandenen oder nicht vorhandenen Titels. Die Abweichung liegt also nicht sowohl in der Zulassung der unvordenklichen Zeit, als viel- mehr in dem zugelassenen 40jährigen Besitz unter Voraus- setzung eines Titels. Man kann daher auch nicht sagen (worauf hier das Meiste ankommt), daß das canonische Recht für die unvordenkliche Zeit überhaupt einen ganz §. 198. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Neueres Recht. neuen, vom Römischen Recht abweichenden, Gesichtspunkt aufgestellt habe. In den Reichsgesetzen wird die unvordenkliche Zeit mehrmals erwähnt, und zwar stets als ein Erwerbungs- grund publicistischer Rechte. So kommt sie vor in der goldnen Bulle, neben den von früheren Kaisern und Kö- nigen ertheilten Privilegien, um die Immunität der Böh- mischen Unterthanen von allen nicht Böhmischen Gerichten zu begründen Aurea Bulla Cap. 8 § 1 „a tempore cujus contrarii ho- die non existit memoria.” — Deutscher Text: „von der zit, da wedir hut dis dagis kein ge- denckin ist.“ . Der Reichsabschied von 1548 schützt die Reichsstände im Besitz der Freyheit von Reichssteuern, es möchte ihnen denn bewiesen werden können, daß sie seit Menschen Ge- denken wenigstens einmal solche Steuern gezahlt hätten R. A. 1548 § 56 „und da- gegen wider ihn nicht darbracht werden möcht, daß er je in Men- schen Gedächtnüß … contribui- ret, oder ein Anschlag gereicht und bezahlt habe.“ Eben so im § 59 und § 64: „innerhalb Men- schen Gedencken.“ . Dieselbe Bestimmung wird in einem späteren Reichsgesetz wiederholt Reichsabschied von 1576 § 105. . Fassen wir diese Bestimmungen neuerer Gesetzgebungen mit denen des Römischen Rechts zusammen, so ergiebt sich für die Anwendung der unvordenklichen Zeit folgender Grundsatz: Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Sie wird in allen, und nur in solchen, Fällen erfor- dert, wo durch Zeit entweder ein Recht von publicisti- schem Character, oder die Befreyung Einzelner von ei- nem Recht dieser Art, erworben werden soll. Es erklärt sich aus diesem Grundsatz, warum das er- wähnte Institut im Römischen Recht eine sehr unterge- ordnete Stellung einnimmt, vom Mittelalter her aber zu einer wichtigen und häufigen Anwendung gelangt ist. Denn seit dieser Zeit findet sich oft eine Vermischung des Pri- vatrechts mit dem öffentlichen, durch Übergang publicisti- scher Rechte in den Privatbesitz; vorzüglich auch in Com- munalverhältnissen kommen solche Fälle häufig vor. — Im Römischen Recht fanden sich zwey Fälle, worin die un- vordenkliche Zeit ohne allen Privatbesitz wirksam ist (§ 196); dagegen ist ihre Wirksamkeit in einem dritten Fall des Römischen Rechts (§ 197), so wie in den weit wichtige- ren Fällen des neueren Rechts (§ 198), allerdings an das Daseyn eines solchen Besitzes geknüpft. Daher können wir für die Anwendung des Instituts im heutigen Recht das Daseyn eines eigentlichen Besitzes als erste Bedingung an- nehmen. Da jedoch die oben erwähnten Fälle des Römi- schen Rechts, denen kein Besitz zum Grund liegt, nicht abzuläugnen sind, so hat mich dieses bestimmt, den Aus- druck des unvordenklichen Besitzes , als allgemeiner Be- zeichnung dieses Instituts, zu verwerfen. Mit diesen Ansichten hat denn auch von jeher großen- theils die Praxis übereingestimmt, obgleich darin Niemand §. 198. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Neueres Recht. eine streng durchgeführte Gleichheit erwarten wird Viele Fälle der Anwen- dung, vom zwölften Jahrhundert her, sind zusammen gestellt bey Kress p. 58—61. . Die größte Abweichung von der richtigen Auffassung bestand in der sehr häufigen Anwendung der unvordenklichen Zeit auf die Servituten (§ 197). Was den inneren Werth dieses Rechtsinstituts betrifft, so haben sich von alter Zeit her praktische Schriftsteller bestimmt, und zum Theil in den stärksten Ausdrücken, da- gegen ausgesprochen Ludewig opuscula mis- cella T. 1 p. 508—511. Neller p. 117. Besonders aber die bey Schelling S. 103 abgedruckte heftige Stelle aus einer Disser- tation von Senckenberg . . Dagegen hat dasselbe neuerlich einen sehr warmen Vertheidiger gefunden, der es überaus hoch gestellt hat Göschel zerstreute Blät- ter Th. 1 S. 373—378. . Vielleicht lassen sich diese streitende Meynungen auf folgende Weise vereinigen. Im öffentli- chen Recht ist die unvordenkliche Zeit durchaus nicht zu entbehren (§ 195), und es ist ganz gleichgültig, wie wir Juristen darüber urtheilen, sie wird sich unfehlbar Bahn brechen, so oft eine Veranlassung dazu erscheint. Auch im Privatrecht würde sie sich geltend machen, wenn nicht überall durch bestimmte und kurze Verjährungen aller Art für dieselben Zwecke im positiven Recht auf weit heilsa- mere Weise gesorgt wäre. Denn wer die unvordenkliche Zeit aus Erfahrung kennt, sey es durch eigene, persön- liche Rechtsverhältnisse, oder durch richterliche Geschäfte, wird wohl darüber schwerlich im Zweifel seyn können, daß ihr jede Verjährung von bestimmter Zeit weit vorzu- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. ziehen ist; ja es wird aus der nachfolgenden praktischen Darstellung einleuchtend werden, daß sie in der Anwen- dung von einer großen Willkührlichkeit und Unsicherheit nicht frey zu halten ist. Wer sie also für heilsam, oder gar für unentbehrlich erklärt, kann Dieses wohl nur thun in Vergleichung mit einem Zustand, der ganz ohne Ver- jährung wäre; ein solcher aber kommt in unsrem Privat- recht nicht vor. Diese Ansicht hat denn auch in dem Verfahren neuerer Gesetzgeber ihre Bestätigung gefunden. Das Französische Gesetzbuch hat die unvordenkliche Verjährung ganz abge- schafft, indem es diejenigen Servituten, worin sie durch die frühere Praxis angewendet wurde, für ganz unver- jährbar erklärt Code civil art. 691. . Auch das Preußische Gesetz hat sie nicht in sich aufgenommen. Dasselbe hat aber in einigen Fällen, worin sie nach gemeinem Recht gelten würde, mit augenscheinlicher Rücksicht auf sie, Verjährungen von be- stimmter, nur ungewöhnlich langer Zeit vorgeschrieben. So soll der Besitz der Steuerfreyheit nach 50 Jahren die Vermuthung eines rechtmäßigen Erwerbs erzeugen A. L. R. I. 9 § 655—659. . Eben so der Besitz des Adels, wenn derselbe entweder im Jahr 1740 bestanden, oder durch einen Zeitraum von 44 Jahren fortgedauert hat A. L. R. II. 9 § 18. 19. . §. 199. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. §. 199. VI. Die Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung . Nachdem auf historischem Wege für dieses Rechtsinsti- tut eine Grundlage gefunden worden ist, soll nunmehr des- sen praktische Natur im Einzelnen dargestellt werden. Dazu ist es nöthig, zwey Stücke genau zu bestimmen: Erstlich die Fälle der Anwendung, zweytens die Art der An- wendung. Über die Fälle der Anwendung müssen wir nach dem aufgestellten Grundsatz (§ 198) behaupten, daß die unvor- denkliche Zeit in rein privatrechtlichen Verhältnissen nie- mals zur Anwendung kommt. Also namentlich nicht bey Servituten, wobey sie durch die weit leichtere zehenjährige Ersitzung überflüssig wird. — Aber auch nicht bey dem Pfandrecht und den Obligationen, worin sie allerdings nicht überflüssig seyn würde, da in denselben eine Ersitzung überhaupt nicht vorkommt, aber auch nicht als Bedürfniß anerkannt werden kann. Es ist daher bey diesen Rechts- instituten die Zeit lediglich vermittelst der Klagverjährung wirksam’ und die unvordenkliche Zeit greift nicht ergän- zend ein. — Bey den zahlreichen und wichtigen Reallasten des Germanischen Rechts ist folgender Unterschied zu be- obachten. Diejenigen, welche als bloße Modificationen des Grundeigenthums zu betrachten sind, werden, so wie die Römischen Servituten, durch Ersitzung von 10 und 20 Jahren erworben, und bedürfen der unvordenklichen Zeit IV. 33 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nicht. Dagegen sind die, welche auf einem Subjections- verhältniß beruhen (welches stets dem öffentlichen Recht angehört) nur durch unvordenklichen Besitz zu erwerben Eichhorn deutsches Pri- patrecht § 163. 164. . Es beschränkt sich also die Anwendung der unvordenk- lichen Zeit auf den Privatbesitz solcher Rechte, die einen publicistischen Character an sich tragen. Hier aber ist sie auch allgemein anzuwenden, vorausgesetzt daß solche Rechte, nach der besonderen Verfassung gerade dieses Staates, durch einen Rechtstitel (Vertrag oder Privilegium) erwor- ben werden können. Wo dieses überhaupt möglich ist, da ersetzt der unvordenkliche Besitz den im einzelnen Fall un- erweislichen Titel; außerdem bleibt auch ein solcher Besitz ganz ohne Wirkung Neller p. 70. Pfeiffer § 21. 22. 23. . Schon oben wurde anerkannt, daß die unvordenkliche Verjährung nur als Surrogat der (auf bestimmte Zeit an- gewiesenen) Ersitzung vorkommen könne, und es wurde da- bey in Frage gestellt, ob sie ein Surrogat für fehlende Bedingungen der Ersitzung, oder aber für die zur Ersitzung ungeeignete Natur des Gegenstandes seyn solle (§ 195). Diese Frage können wir jetzt dahin beantworten, daß es nicht der Mangel der Bedingungen, sondern die Natur des Gegenstandes ist, was die Anwendung der unvordenklichen Zeit herbeyführt. Man kann daher als Regel annehmen, daß es durch die Natur der Gegenstände bestimmt werde, ob nur die gewöhnliche Ersitzung allein, oder nur die un- §. 199. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. vordenkliche Zeit allein, zur Anwendung komme, so daß nicht bey einem und demselben Gegenstand beide Institute (das eine als Surrogat des andern) angewendet werden. Von diesem letzten Satz giebt es eine einzige Ausnahme im canonischen Recht, wenn gegen eine Kirche ein Recht durch Zeitlauf erworben werden soll im Widerspruch mit den Regeln der Kirchenverfassung: in diesem Fall soll, wenn ein Titel vorhanden ist, die gewöhnliche Ersitzung, wenn ein solcher fehlt, die unvordenkliche Zeit als Surro- gat in Anwendung kommen (§ 198). Man hat insbesondere die Frage aufgeworfen, ob eine sogenannte res merae facultatis durch unvordenkliche Zeit erworben werden könne. Diese Frage muß nach den hier aufgestellten Regeln schon deswegen verneint werden, weil dabey rein privatrechtliche Verhältnisse zum Grund liegen. So ist es, wenn ein gewöhnliches Pachtverhältniß durch mehrere Geschlechter stillschweigend verlängert wird, und nun der Pächter dem Eigenthümer das Recht der Kündi- gung wegen unvordenklicher Verjährung bestreitet. Eben so, wenn über Menschengedenken die Einwohner eines Dorfes ihre Bedürfnisse von einem benachbarten Handels- haus, dessen Firma unverändert geblieben ist, ununterbro- chen gekauft haben, und nun verhindert werden sollen, von einem andern Handelsmann zu kaufen. — Es kommt aber in diesen Fällen noch ein weit entscheidenderer Grund hinzu, welcher die Wirkung der unvordenklichen Zeit selbst dann ausschließen würde, wenn diese auf Verhältnisse des 33* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. reinen Privatrechts anwendbar wäre. In allen Fällen dieser Art müßte Derjenige, welcher die unvordenkliche Zeit geltend machen wollte, einen Besitz während dersel- ben behaupten (§ 198), das heißt einen Zustand, worin der Genuß gewisser Vortheile nicht ein blos zufälliger und willkührlicher Genuß war, sondern als Ausübung eines Rechts erschien. Da nun diese Grundbedingung in allen oben erwähnten Fällen durchaus fehlt, so kann von einer Wirkung der unvordenklichen Zeit nicht die Rede seyn Pufendorf I. 151 § 9. Thi- baut S. 184. 185. Pfeiffer § 3. 4. . Eine ganz ähnliche Entscheidung des Römischen Rechts setzt diese Behauptung außer Zweifel. Das Interdict de itinere hat Derjenige, welcher im letzten Jahr an 30 ver- schiedenen Tagen den Weg gebraucht hat. Es wird aber hinzugesetzt, daß er nicht blos zufällig den Weg gebraucht haben müsse, sondern so daß der Gebrauch als Ausübung eines Rechts anzusehen war, da der blos factische Ge- brauch das Interdict nicht begründe L. 1 § 6 de itin. (43. 19.). L. 7 eod. „Si .. commeavit ali- quis, non tamen tamquam id suo jure faceret, sed si pro- hiberetur non facturus: inutile est ei interdictum .. nam ut hoc interdictum competat, jus fundi possedisse oportet.” . Derselbe Unter- schied ist es, der in den oben angeführten Fällen die An- wendung der unvordenklichen Zeit ausschließt. — Liegt nun also der Grund dieser Ausschließung in der Natur der unvordenklichen Zeit selbst, so ist es irrig, wenn manche Schriftsteller hierin eine ganz positive Ausnahme sehen wollen, so daß eigentlich auch die res merae facultatis §. 199. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. der unvordenklichen Zeit, der sie eine unbeschränkte An- wendung zuschreiben, unterworfen seyn müßten. Die Art der Anwendung wird bestimmt durch eine genauere Zergliederung des oben (§ 195) vorläufig ange- gebenen Begriffs der unvordenklichen Zeit. Dieselbe be- ruht auf dem Bewußtseyn von zwey Menschenaltern; die Jetztlebenden sollen wissen, daß der gegenwärtige Zustand, so lange ihre Erinnerung reicht, unverändert bestanden hat: es soll ihnen ferner von ihren unmittelbaren Vorfah- ren nicht die Wahrnehmung eines entgegen gesetzten Zu- standes mitgetheilt worden seyn. Dadurch erhält die That- sache der unvordenklichen Zeit zwey Theile, einen positiven und einen negativen. Auf beide Theile muß der Beweis gerichtet werden, und für jeden Theil ist die Entkräftung durch Gegenbeweis zulässig Pfeiffer § 5. 6. 9. . So hat sich die Sache in der neueren Praxis vollständig ausgebildet; allein die Grundlage derselben bilden folgende zwey Stellen des Rö- mischen Rechts, beide von der actio aquae pluviae handelnd. L. 2 § 8 de aqua pluv. (39. 3.). (Paulus.) Idem Labeo ait, cum quaeritur an memoria exstet facto opere … sufficere .. si factum esse non am- bigatur: nec utique necesse esse, superesse qui me- minerint, verum etiam si qui audierint eos, qui me- moria tenuerint. Hier ist Beweis und Gegenbeweis nicht genau unter- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. schieden, worauf es auch weniger ankommt, wohl aber sind die entscheidenden Thatsachen genau bezeichnet. Die unvordenkliche Zeit ist widerlegt, wenn ein Jetztlebender entweder selbst die Entstehung der Anstalt (durch Privat- willkühr) wahrgenommen, oder wenn er diese Entstehung von dem, der sie erlebte, selbst vernommen hat. — Deut- lich ausgedrückt sind hier die zwey Generationen; wer nicht eigene Erfahrung bezeugen kann, soll wenigstens Den, der eine solche hatte, selbst gesprochen haben, so daß es nicht genügt, wenn der Ältere unter diesen Beiden blos Das erzählte, was ihm wiederum seine Vorfahren mitge- theilt hatten. L. 28 de probat. (22. 3.) Labeo lib. VII. Pithanon a Paulo Epitomatorum. Diese Überschrift ist deswegen nicht ganz unwichtig, weil dadurch beide Stel- len auf dieselben Urheber (Pau- lus aus Labeo) zurückgeführt wer- den. Dadurch wird es besonders nöthig, beide Stellen als über- einstimmend, nicht als widerspre- chend, anzusehen. . .... Die größere erste Hälfte der Stelle ist verworren, und wohl theilweise corrupt. Vieles Material darüber findet sich bey Glück B. 21 S. 405 — 422. Die eigentliche Entscheidung ist in den hier abgedruckten Worten ent- halten. sed cum omnium haec est opinio, nec au- disse, nec vidisse, cum id opus fieret, neque ex eis audisse, qui vidissent aut audissent Das audisse geht hier, wie in dem vorhergehenden Satz, nicht auf eine, die Vergangenheit be- treffende, Erzählung, sondern auf ein gleichzeitiges, selbsterlebtes Er- eigniß, das der Zeuge nur nicht mit eigenen Augen sah, sondern aus sicherer Erzählung vernahm. : et hoc infi- nite similiter sursum versum accidit: tum memoriam operis facti non exstare Die Florentina und Vul- gata lesen, ohne guten Sinn: . §. 200. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Forts.) Diese Stelle stimmt mit der vorhergehenden völlig überein bis auf die Worte et hoc .. accidit, nach wel- chen man annehmen könnte, die unvordenkliche Zeit könne durch jede, wenngleich von den entferntesten Vorfahren herrührende, bis jetzt fortgepflanzte, Tradition widerlegt werden. Davon wird noch bey dem Gegenbeweis die Rede seyn (§ 201). §. 200. VI. Die Zeit . 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung . (Fortsetzung.) Die aufgestellten Regeln über die Art der Anwendung sind nunmehr sowohl bey dem Beweis, als bey dem Ge- genbeweis durchzuführen, und dieses wird am Anschau- lichsten nach der Ordnung der einzelnen Beweismittel ge- schehen. Als häufigstes und angemessenstes Beweismittel wer- den Zeugen angewendet, deren Aussage sich sowohl auf ihre eigene Erinnerung, als auf die Vergangenheit be- ziehen muß. Aus eigener Erinnerung müssen sie bezeugen, daß der cum memoria operis facti non exstaret. Die hier aufgenom- mene Leseart, wodurch der Satz zum entscheidenden Nachsatz wird, und erst einen befriedigenden Zu- sammenhang in den letzten Theil der Stelle bringt, gründet sich auf ed. Paris. Chevallon 1528 fol., in welcher Ausgabe Handschrif- ten benutzt sind. Minder erheb- lich sind vorher die Varianten accidet, accideret, acciderit. Die hier vorgezogene Leseart scheint mir durch den Parallelis- mus mit dem vorhergehenden haec est opinio nothwendig. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. gegenwärtige Zustand seit einem Menschenalter stets vor- handen gewesen ist, und darin besteht eben der positive Gegenstand des Beweises (§ 199). Über den Umfang der Zeit, die hier als Menschenalter gedacht wird, und welche die Zeugen mit ihrer Aussage umfassen müssen, sind die Meynungen getheilt. Die richtige Meynung geht auf eine Zeit von wenigstens 40 Jahren Neller p. 96 — 100. . Dafür spricht erst- lich die Stelle des canonischen Rechts, welche neben ei- nem Titel 40 Jahre, in Ermanglung desselben die unvor- denkliche Zeit, fordert C. 1 de praescr. in V l. (s. o. § 198). ; weniger als 40 Jahre darf diese also nicht betragen, das Mehr liegt in dem hinzutre- tenden negativen Theil des Beweises. Zweytens sprechen dafür die Stellen des Römischen Rechts, worin vetustas für 40 Jahre genommen wird (§ 196. p ), indem da- durch diese Stellen mit denen, worin vetustas die unvor- denkliche Zeit bezeichnet, in Zusammenhang gebracht wer- den. Die Praxis der Sächsischen Gerichte erfordert eine Sächsische Frist, also 31 Jahre, 6 Monate und 3 Tage Kind observ. forenses T.3 C. 62. . Dieses ist zu verwerfen, weil es weniger beträgt als die im canonischen Recht ausgesprochenen 40 Jahre. Nach einer anderen Meynung soll die Zeit verschieden seyn, und nur für jeden einzelnen Fall mehr betragen, als in dem- selben Fall die ordentliche Verjährung betragen würde, also in gewöhnlichen Fällen mehr als 30 Jahre, gegen §. 200. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Forts.) eine Kirche über 40, gegen den Pabst mehr als 100 Jahre Unterholzner § 148. 150. Pfeiffer S. 22 — 24 S. 52. . Durch diese Meynung wird allerdings der Einwurf aus der Stelle des canonischen Rechts (Note b ) beseitigt, indem diese nun mehr als 40 Jahre nur deswe- gen fordern würde, weil gerade von der Verjährung ge- gen eine Kirche die Rede ist, die eben in der Regel 40 Jahre beträgt. Dennoch ist diese Meynung zu verwerfen: erstlich weil die unvordenkliche Zeit meist auf solche Rechts- verhältnisse geht, welche gar keine ordentliche Verjährung haben (§ 199), so daß deren Zeit auch nicht zum Maaß- stab dienen kann; zweytens weil die zur Bezeichnung der unvordenklichen Zeit in den Rechtsquellen gebrauchte Aus- drücke ( vetustas und quod memoriam excedit ) nicht auf etwas Relatives, je nach der Verjährungszeit einzelner Rechte Verschiedenes, sondern auf etwas Absolutes, nur durch menschliche Erinnerung Begränztes, gehen; drittens weil nun gegen die Römische Kirche mehr als 100 Jahre nöthig seyn würden, da doch zwey Menschenalter durch die bestimmte Zeit von 100 Jahren schon völlig absorbirt werden. Mit dieser Länge des Zeitraums hängt nun ferner das nöthige Alter der zu einem solchen Beweis tauglichen Zeu- gen zusammen. Nach einer sehr verbreiteten Meynung werden 54 Jahre erfordert, indem vor der Pubertät kein sicheres Bewußtseyn möglich seyn soll, so daß nach Ab- rechnung der 14 bewußtlosen Lebensjahre noch 40 Jahre Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sicherer Erinnerung übrig bleiben. Allein diese Voraus- setzung ist ganz willkührlich und grundlos, damit zerfällt die Meynung selbst, und ein Alter von 50 Jahren ist für jeden Zeugen schon ganz hinreichend Pufendorf I. 151 § 4. 5. 6. Pfeiffer § 13. . Sehr häufig ge- schieht es, daß nicht alle Zeugen über den ganzen Zeit- raum von 40 Jahren Etwas aussagen können, sondern verschiedene Theile des Zeitraums durch die Aussagen ver- schiedener Zeugen bewiesen werden; in solchen Fällen sind für die näher liegenden Theile des ganzen Zeitraums auch jüngere Zeugen tauglich Pfeiffer § 9. . Wenn die Aussage jedes Zeugen den ganzen Zeitraum umfaßt, so ist dafür, wie für jede andere Thatsache, die gewöhnliche Zahl von Zwey Zeugen hinreichend. Irrig haben Manche die Worte des Labeo: cum omnium haec est opinio (§ 199) so verstanden, als sey von einem all- gemeinen Gerücht, von einer öffentlichen Meynung, die Rede, weshalb entweder viele Zeugen abgehört, oder die Zwey Zeugen über das Daseyn jenes Gerüchts befragt werden müßten. In der That aber geht das omnium nur auf die gerade vorgebrachte Zeugen, wie viele oder wenige es seyn mögen, und die zu beweisende Thatsache ist lediglich der fortdauernde Besitzstand, ohne Rücksicht auf das Daseyn einer öffentlichen Meynung Pfeiffer S. 47. 54. . Außerdem müssen die Zeugen über das vorhergehende Menschenalter die blos negative Aussage thun, daß sie §. 200. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Forts.) von ihren Vorfahren nicht eine entgegengesetzte Wahrneh- mung derselben gehört haben. Irrig haben Manche ge- glaubt, dieses gehöre blos zum möglichen Gegenbeweis Pufendorf II. 54. Unter- holzner § 150. ; wenn überhaupt Zeugen vorgebracht werden, so sind diese auch schon vom Beweisführer selbst bestimmt über diesen negativen Punkt zu befragen, damit der Beweis als voll- ständig gelten könne Pfeiffer § 10. . Noch irriger aber ist es, wenn Andere auch über diesen entfernteren Zeitraum die positive Aussage verlangen, daß die Zeugen auch schon von ihren Vorfahren das Daseyn des streitigen Zustandes in der früheren Zeit erfahren haben So Schelling S. 130 — 132. , woraus dann fernere Fragen über die Anzahl und Beschaffenheit jener verstor- benen Zeugen entstehen müßten, die nach der hier vorge- tragenen Meynung als völlig überflüssig erscheinen Die richtige Meynung ver- theidigen Pufendorf I. 151 § 3. 7, und Pfeiffer § 11. . Eine Ergänzung des Zeugenbeweises kann darin ent- halten seyn, daß in einem früheren possessorischen Rechts- streit der Besitz anerkannt und geschützt worden ist. Nicht nur ist dieses Urtheil selbst entscheidend für den Besitz der damaligen und meist auch der nachfolgenden Zeit, sondern die demselben zum Grund liegenden Zeugenaussagen kön- nen, je nach ihrem Inhalt, für den vorhergehenden Zeit- raum noch gegenwärtig benutzt werden Pfeiffer S. 53. 54. . Die Zulässigkeit von Urkunden zu diesem Beweise ist Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sehr bestritten Für den Urkundenbeweis erklären sich Struben Beden- ken IV. 1, und Pfeiffer § 14. . Zur Ergänzung des Zeugenbeweises, wenn dieser für einzelne Theile des Zeitraums unvollstän- dig geblieben ist, können sie sehr häufig gebraucht werden, indem sie sehr geeignet sind, den Besitz in einzelnen Zeit- punkten darzuthun. Seltner werden sie allein, als selbst- ständiges Beweismittel, tauglich seyn; dennoch können sie auch in dieser Gestalt vorkommen, wenn zum Beispiel aus sorgfältig geführten Heberegistern die Entrichtung einer ge- wissen Abgabe in bestimmtem Umfang für die Zeit von zwey Menschenaltern nachgewiesen wird. Der Consequenz wegen dürfte man dafür eine Zeit von 80 Jahren anneh- men Bey dem Zeugenbeweis kann von dem Umfang des ent- fernteren Menschenalters nicht die Rede seyn, weil darauf eine blos negative Aussage gerichtet wird, wofür keine Zeitgränzen nöthig sind. ; für die entfernter liegenden Theile dieses Zeit- raums würde nicht einmal der strenge Beweis ununter- brochener Leistung zu fordern seyn, da selbst lückenhafte Urkunden dieser Art mehr Überzeugung gewähren, als die blos negative Zeugenaussage über die entferntere Zeit. Auch der Eid als Beweismittel ist sehr streitig Für den Eid spricht Pu- fendorf Observ. II. 55. — Pfeiffer § 15 hält ihn für be- denklicher. . Daß er zur bloßen Ergänzung gebraucht werden kann, sowohl bey halbem Beweis, als für einzelne, durch den Zeugenbeweis nicht berührte Stücke der Zeit, ist nicht zu bezweifeln. Allein auch selbstständig kann der Eid darüber zugeschoben werden, daß der Gegner die ununterbrochene §. 200. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Forts.) Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes während der letz- ten zwey Menschenalter weder wisse noch glaube. Der Besitz während dieses Zeitraums ist eine reine Thatsache, kein Urtheil, also zur Eidesdelation wohl geeignet; aller- dings aber ist dieses Beweismittel für den Beweisführer gefährlich, indem ein solcher Eid in den meisten Fällen auch von einem gewissenhaften Gegner wird geleistet wer- den können. Auch bey der Ersitzung kommt es vor, daß ein Besitz durch mehrere Successionen hindurch gegangen war, und dann ist die Reihe dieser Successionen für den, welcher die Ersitzung geltend macht, ein besonderer Gegenstand des Beweises, wenn nicht der Gegner dieselben freywillig ein- räumt. Die Nothwendigkeit dieses Beweises tritt bey der unvordenklichen Zeit nicht blos häufiger ein als bey der Ersitzung, sondern sie kann hier (mit Ausnahme juristischer Personen) nie fehlen, da es nicht wohl denkbar ist, daß der gegenwärtige Besitzer seit zwey Menschenaltern besessen haben sollte. In dieser Beziehung kann man sagen, daß auch der Beweis eines Rechtstitels bey der unvordenklichen Zeit vorkommen kann, während es der Natur derselben widersprechen würde, wenn man für den Ursprung des Besitzes die Angabe und den Beweis eines Titels fordern wollte Pfeiffer § 8. . Der Gegenbeweis wird durch jede Widerlegung der Thatsache geführt, in welcher das Wesen der unvordenk- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. lichen Zeit besteht Sehr befriedigend handelt von dem Gegenbeweis Pfeiffer § 16 — 18. . Dieses geschieht durch den Beweis eines bestimmten Anfangs des Besitzes innerhalb der letz- ten zwey Menschenalter; eben so ferner durch den Beweis einer bestimmten Unterbrechung, die während dieser Zeit Statt gefunden hat Es liegt mehr in den Wor- ten, als in der Sache, wenn Wernher p. 753 eine interruptio nicht zugeben will, weil die un- vordenkliche Zeit keine wahre Verjährung begründe. Zu be- zweifeln ist es doch nicht, daß durch eine bewiesene Entsetzung aus dem Besitz die Thatsache der Fortdauer desselben während zweyer Menschenalter widerlegt ist. ; endlich auch durch jeden Beweis eines entgegengesetzten Zustandes, der in jener Zeit irgend einmal vorhanden gewesen ist. Die Beweismittel erregen hier weniger Zweifel als bey dem Hauptbeweise, da der Gegenbeweis meist auf einzelne, vorübergehende Handlun- gen gerichtet seyn wird. Es können also hier, wie in allen anderen Fällen eines Beweises, gebraucht werden: Zeu- gen Pfeiffer S. 74, der mit Recht die Meynung von Neller p. 95 verwirft, nach welcher hier ein einziger Zeuge zum vollen Beweis hinreichen soll. , Urkunden, und Eid. Mit Unrecht werden von Manchen auch folgende That- sachen für den Gegenbeweis zugelassen: 1) Die bloße Störung des ruhigen Besitzes, die unter andern auch in einzelnen Handlungen des Mitbesitzes von Seiten einer fremden Person bestehen kann Pfeiffer § 5. . 2) Die Anstellung einer Klage während jener Zeit. Ist der Rechtsstreit liegen geblieben, so stört er den Fort- gang der unvordenklichen Zeit gar nicht; ist er noch jetzt §. 201. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Forts.) im Gange, so wird durch dessen Anfang (gerade wie bey der Klagverjährung) nur der Zeitpunkt bestimmt, von welchem an die zwey Menschenalter aufwärts zu berech- nen sind Thibaut S. 186. Pfeif- fer S. 24—26. Arndts S. 158. . 3) Die mala fides, die hier in der That nicht vorkom- men kann, so daß die im canonischen Recht allgemein aus- gedrückte Vorschrift ihrer Beachtung hier ohne Anwendung bleibt. Denn mala fides ist das Bewußtseyn eines wirk- lich vorhandenen Unrechts. Ist nun die Unrechtmäßigkeit des Besitzes erweislich, so muß dessen Entstehung bekannt seyn, in welchem Fall er nicht ein unvordenklicher seyn kann. Außerdem aber kann wohl aus Äußerungen des Besitzers, der sich über die Natur seines Besitzes täuscht, hervorge- hen, daß er ihn für einen unrechtmäßigen hält; eine solche Meynung aber begründet die mala fides nicht Thibaut S. 187. Pfeif- fer § 7. — Unrichtig ist die Mey- nung von Neller p. 109. . Die zweifelhafteste Frage ist die, ob der Gegenbeweis auch auf die den zwey letzten Menschenaltern vorherge- hende Zeit gerichtet werden darf. Darauf wird eine befriedi- gende Antwort erst möglich seyn, nachdem die eigenthüm- liche Wirkung der unvordenklichen Zeit festgestellt seyn wird. §. 201. VI. Die Zeit . 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung . (Fortsetzung.) Bestrittener als irgend eine andere Frage ist in der Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Lehre von der unvordenklichen Zeit ihr praktisches Wesen, die eigenthümliche Art ihrer Wirksamkeit. Hierüber haben sich folgende zwey Meynungen gebildet. Nach Einigen ist sie eine wahre Verjährung, das heißt es entsteht durch ihren Ablauf, eben so wie bey der Usu- capion und der Klagverjährung, eine wirkliche Verände- rung des Rechtszustandes, eine Erweiterung des Vermö- gens durch ein neu erworbenes Recht Neller p. 114. 115. Un- terholzner § 147. Pfeiffer § 2. 19. . Nach Anderen begründet sie blos die Vermuthung, daß in einer längst vergangenen Zeit ein Recht durch einen wirklichen, nur in Vergessenheit gerathenen, Erwerbsgrund entstanden sey, so daß sie nicht gegenwärtig den Rechts- zustand ändert, sondern blos den Beweis einer früheren Änderung darbietet Wernher p. 746. Böhmer § 39. Thibaut S. 185. Arndts S. 139 — 142. . Die Gründe für die erste Meynung bestehen darin, daß erstlich der allgemeine Verjährungsbegriff auf sie paßt (§ 178), zweytens das canonische Recht den Ausdruck prae- scriptio dabey gebraucht (§ 198). Allein jener allgemeine Verjährungsbegriff ist selbst grundlos und verwerflich, und der Ausdruck des canonischen Rechts, der unter dem Ein- fluß eines unächten Sprachgebrauchs gewählt worden ist, kann über die Natur des Rechtsinstituts Nichts beweisen. Aus folgenden Gründen ist die zweyte Meynung als wahr anzunehmen. Das Römische Recht, in welchem die- §. 201. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Forts.) ses Institut seinen Ursprung hat, kann es nicht als eine Art von Ersitzung gedacht haben, da in mehreren Fällen seiner Anwendung weder ein Besitz zum Grund liegt, noch ein Privatrecht erworben, sondern nur ein öffentlicher Zu- stand als rechtmäßig gegründet festgestellt wird (§ 196). — Hätte man wirklich eine Art der Ersitzung in den Fällen einführen wollen, worin jetzt die unvordenkliche Zeit gilt, so wäre Nichts natürlicher gewesen, als eine bestimmte, nur hinreichend lange Zeit vorzuschreiben, etwa 100 Jahre, die man als Verjährungszeit im canonischen Recht ohne- hin schon frühe angewendet hat. Daß man dieses nicht that, sondern eine Zeit von unbestimmter Dauer, also ver- schieden von allen bekannten Verjährungen, vorschrieb, zeigt deutlich, daß man zwar einen ähnlichen Vortheil wie durch Ersitzung erreichen wollte, nämlich die Feststellung schwan- kender Rechtsverhältnisse, aber auf einem ganz anderen Wege. — Endlich, wenn wirklich eine gegenwärtige Ver- änderung durch unvordenkliche Zeit bewirkt werden sollte, so müßte doch dafür irgend ein Zeitpunkt angegeben wer- den können; ein solcher ist aber hier gar nicht zu finden, man möchte denn etwa den Tod des letzten Zeugen, der den entgegen gesetzten Zustand gekannt hätte, als einen solchen Zeitpunkt ansehen wollen Arndts S. 140. . — Das wahre Ver- hältniß zur Ersitzung ist also dieses. Die Ersitzung ist wirklich, ihrer Natur nach, dazu bestimmt, ein neues Recht zu begründen, obgleich sie in vielen Fällen auch wohl da- IV. 34 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. zu dienen kann, einen längst vollzogenen Erwerb, dessen Beweis nur verloren ist, gegen Anfechtung zu sichern. Um- gekehrt soll die unvordenkliche Zeit, nach ihrer Natur, einen früher vollendeten Erwerb gegen Anfechtung sichern, obgleich sie in einzelnen Fällen durch ihre, allerdings nicht unfehlbare, Vermuthung auf ähnliche Weise wie durch eine Änderung des Rechtszustandes wirken kann. Wo sie auf diese Weise wirkt, hat sie weniger innere Verwandt- schaft mit der Ersitzung, als mit dem rechtskräftigen Ur- theil. Denn auch dieses ist dazu bestimmt, das wirklich vorhandene Recht nicht zu ändern, sondern gegen jede künftige Anfechtung zu sichern; dennoch bewirkt es in ein- zelnen Fällen (wenn ihm ein Irrthum des Richters zum Grund liegt,) eine wahre Änderung des Rechtszustandes Arndts S. 142. 143. . Das praktische Interesse dieser Streitfrage ist nicht sel- ten unrichtig aufgefaßt worden. Es besteht erstlich darin, daß ein neues Gesetz, welches für irgend ein Rechtsver- hältniß alle Verjährung untersagt, auf die unvordenkliche Zeit, welche keine Verjährung ist, nicht bezogen werden darf Wernher p. 752. Böhmer § 43. — Auch Pfeiffer § 21 behauptet diesen Satz, wohl nicht ganz consequent, da er selbst die unvordenkliche Zeit als Verjäh- rung ansteht (Note a ). — Der art. 691 des Französischen Gesetz- duchs, welcher bey gewissen Ser- vituten die Verjährung untersagt (§ 198 l ), erwähnt dabey aus- drücklich den unvordenklichen Be- sitz, als gleichfalls unwirksam. . Indessen muß diese Regel doch mit Vorsicht an- gewendet werden. Denn da es sich in einem solchen Fall lediglich um die Auslegung des neuen Gesetzes handelt, §. 201. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Forts.) so kommt es nicht sowohl darauf an, ob die unvordenk- liche Zeit in der That eine Verjährung ist, als ob dieser Gesetzgeber sie für eine Verjährung angesehen hat. — Zweytens folgt aus unsrer Ansicht, daß gegen den Ablauf der unvordenklichen Zeit keine Restitution möglich ist, da eine solche überhaupt nur gegen Änderungen des Rechtszustan- des, nicht gegen bloße Vermuthungen, nachgesucht werden kann. Von Erheblichkeit ist indessen diese Folgerung nicht, da auch schon gegen wirkliche Klagverjährungen, wenn sie nur wenigstens 30 Jahre betragen, alle Restitution aus- drücklich untersagt ist L. 3 C. de praescr. XXX. (7. 39). Aus diesem Grund ver- wirft auch Pfeiffer § 20 ganz consequent die Restitution gegen unvordenkliche Zeit. . — Die wichtigste Folge liegt aber darin, daß gegen die unvordenkliche Zeit, als eine bloße Vermuthung, noch immer ein Beweis des Gegen- theils zulässig ist, anstatt daß von einem solchen gegen die vollendete Ersitzung oder Klagverjährung niemals die Rede seyn kann. Dieser wichtige Satz muß jedoch ge- nauer bestimmt werden, da er auf mancherley Weise mis- verstanden worden ist. Es ist in diesem Satz nicht die Rede von dem schon oben (§ 200) erwähnten directen Gegenbeweis, darauf ge- richtet, daß der streitige Besitz nicht in den beiden letzten Menschenaltern ununterbrochen vorhanden gewesen ist. Denn wenn dieser geführt wird, so ist der unvordenkliche Besitz gar nicht vorhanden, also auch nicht die durch ihn be- 34* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. dingte Vermuthung, also kann auch nicht davon die Rede seyn, dieser Vermuthung durch Beweis ihre gewöhnliche Kraft zu entziehen. Dieser Gegenbeweis ist auch gegen das behauptete Daseyn einer Tradition oder Usucapion zulässig, die doch gewiß wahre Rechtserwerbungen sind Pfeiffer § 19. 20. . — Noch weniger darf behauptet werden, daß dieser di- recte Gegenbeweis, wenn er jetzt mislang, und daher die unvordenkliche Zeit mit ihren Folgen rechtskräftig aner- kannt wurde, künftig von Neuem versucht werden könnte, weil doch nur eine Vermuthung vorhanden sey. Durch diese Behauptung wird die selbstständige Wirksamkeit des rechtskräftigen Urtheils verkannt, bey welchem es nun ganz gleichgültig ist, ob es durch eine Vermuthung, durch einen wahren Beweis, oder selbst durch einen irrig ange- nommenen Beweis, veranlaßt worden war Unterholzner § 147. Arndts S. 134. . — Der wahre Sinn jenes Satzes besteht aber darin, daß der Ge- genbeweis die aus den zwey letzten Menschenaltern her- vorgehende Vermuthung durch solche Thatsachen entkräften darf, die aus einer noch früheren Zeit hergenommen sind. Es fragt sich nun, worin diese ältere Thatsachen bestehen müssen, um zu dem erwähnten Zweck tauglich zu seyn Hierüber sind zu vergleichen Wernher p. 747. Böhmer § 42. Kress p. 35 — 37. p. 114. 115. Neller p. 112—114. Unter- holzner § 150. Pfeiffer S. 67 — 71. Arndts S. 160, die insgesammt, mehr oder weniger vollständig, die hier vorgetragene Lehre vertheidigen. . Aus dem ununterbrochenen Zustand der zwey letzten Menschenalter wurde die Vermuthung hergenommen, daß §. 201. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Forts.) in irgend einer früheren unbekannten Zeit ein Rechtsgrund dieses Zustandes eingetreten sey. Diese Vermuthung kann nun zuvörderst nicht durch den Beweis entkräftet werden, daß in irgend einem früheren Zeitpunkt das Gegentheil jenes Zustandes wirklich einmal Statt gefunden hat (also durch das bloße contrarium ), da der vermuthete Rechts- grund nach jenem Zeitpunkt eingetreten seyn kann, so daß dessen Annahme mit jenem geführten Beweise gar nicht im Widerspruch steht. Ganz entscheidend für diese Behaup- tung ist die oben angeführte Stelle des Römischen Rechts (§ 196. e ), nach welcher Gemeindewege als öffentliche gelten, wenn sie nur überhaupt als Wege über Menschen- gedenken bestanden haben, obgleich man weiß, daß der Boden derselben in irgend einer älteren Zeit als Feld von den einzelnen Eigenthümern benutzt wurde L. 3 pr. de locis (43. 7) „.. quae ex agris privatorum collatis factae sunt.” Man muß also wissen, daß der Weg, der es jetzt ist, und seit Menschengeden- ken war, früher einmal ager pri- vatorum, also kein Weg, gewe- sen ist. , folglich da- mals nicht die Gestalt eines Weges hatte. Leyser führt zur Bestätigung noch folgendes Beyspiel an; da nach Ta- citus unsre Vorfahren nur ausdrücklich bewilligte Steuern bezahlt hätten, so würde, wenn man das bloße contra- rium als Widerlegung ansehen wollte, in Deutschland nie- mals ein Steuerrecht durch unvordenkliche Verjährung erworben werden können, da durch Tacitus stets das frü- here contrarium erwiesen sey Leyser 460. 2. . Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Aber auch wenn man nicht blos das Gegentheil des jetzigen Zustandes, sondern dessen Entstehung in jener älteren Zeit beweist (das initium ), so ist auch dieses an sich noch nicht hinreichend zur Widerlegung der aus der unvordenklichen Zeit entspringenden Vermuthung. Denn ist die bewiesene Entstehung eine rechtmäßige, so ist das Recht gewiß, selbst ohne unvordenkliche Zeit. Ist sie eine unrechtmäßige, so ist dadurch nicht die Möglichkeit ausge- schlossen, daß nachher ein Rechtsgrund hinzugetreten sey, und eben auf dessen Annahme geht ja die in der unvor- denklichen Zeit liegende Vermuthung. Dasselbe muß um so mehr gelten in den noch häufigeren Fällen, worin zwar die Entstehung bewiesen wird, aber so daß es dabey un- gewiß bleibt, ob dieselbe rechtmäßig war oder nicht. — Daher wird ein solcher Beweis nur dann als Widerlegung der Vermuthung gelten können, wenn durch ihn nicht nur die unrechtmäßige Entstehung selbst gewiß ist, sondern auch deren fortgehender, ununterbrochener Causalzusammenhang mit dem in die zwey letzten Menschenalter fallenden Zu- stand. Es leuchtet von selbst ein, wie schwer ein solcher Beweis ist, und wie er um so schwerer werden muß, je entfernter der Zeitpunkt jener bewiesenen Entstehung in der Vorzeit liegt. Als Beweismittel für einen solchen unrechtmäßigen Anfang werden besonders Urkunden gebraucht werden kön- nen; weniger brauchbar werden dazu Zeugen seyn. Daß diese nicht aus eigener Wahrnehmung eine so alte Thatsache §. 201. Zeit. 6. Unvordenkliche Zeit. Anwendung. (Forts.) bezeugen können, ist einleuchtend. Sie müßten also etwa aussagen, daß sie von ihren Vorfahren gehört hätten, die- sen sey von ihren Vorfahren die unrechtmäßige Entstehung mitgetheilt worden, das heißt es würde nun der Beweis durch bloße Tradition geführt. Dieses scheint aber höchst bedenklich, theils wegen der Unsicherheit einer solchen Tra- dition an sich, theils weil durch sie fast niemals der oben erwähnte Causalzusammenhang klar werden wird. Hier kommen wir nun zurück auf die oben (§ 199) ausgesetzten Worte der L. 28 de probat. (22. 3) et hoc infinite similiter sursum versum accidit welche allerdings auf die Zulässigkeit einer solchen endlo- sen Tradition zu deuten scheinen. Dem Misbrauch, der davon gemacht werden könnte, wird nun allerdings schon dadurch gesteuert werden, wenn der Richter strenge auf den erwähnten Causalzusammenhang steht. Außerdem aber ist zu bedenken, daß die angeführte Stelle blos auf die actio aquae pluviae geht, und zwar auf die in offenem Feld gemachte, der allgemeinen Wahrnehmung zugängliche, Anlage eines Dammes oder Grabens. Dabey wird eine solche Tradition leichter, als bey gewöhnlichen, auf zwey Personen beschränkten, Besitzverhältnissen, ein sicheres Re- sultat geben können, und auf Fälle solcher Art ist daher die in jener Stelle enthaltene Anweisung zu beschränken So erklärt die Stelle auch Pfeiffer S. 75. 76. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. §. 202. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen . Es ist schon oben (§ 104) darauf hingewiesen worden, daß zuvörderst eine Übersicht der wichtigsten unter den ju- ristischen Thatsachen gegeben, dann aber von den Hem- mungen ihrer Wirksamkeit, oder von den Arten und Gra- den ihrer Ungültigkeit, gehandelt werden sollte. Die Be- trachtung dieser negativen Seite der juristischen Thatsachen muß jedoch auf eine sehr allgemeine Angabe der dabey vorkommenden Rechtsformen beschränkt bleiben, indem Alles, was darüber hinausgehen möchte, nur in dem System der einzelnen Rechtsinstitute sein wahres Licht erhalten kann. Bey der Ungültigkeit der juristischen Thatsachen sind Drey Gegensätze bemerkenswerth, deren genaue Unter- scheidung um so nothwendiger ist, als sie bey neueren Schriftstellern auf mancherley Weise verwechselt zu wer- den pflegen. Die Ungültigkeit kann nämlich seyn: 1) vollständig, oder unvollständig; 2) entschieden, oder unentschieden; 3) gleichzeitig oder ungleichzeitig mit derjenigen That- sache, die in ihrer Wirksamkeit gehemmt werden soll. 1) Vollständig nenne ich diejenige Ungültigkeit, welche in einer reinen Verneinung der Wirksamkeit besteht, also an Kraft und Umfang der Thatsache selbst, worauf sie sich verneinend bezieht, völlig gleich steht. Der anerkannte §. 202. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. Kunstausdruck für diesen Fall ist Nichtigkeit . Was zur genaueren Bestimmung dieses Rechtsbegriffs zu sagen ist, wird erst bey dem folgenden Gegensatz deutlich gemacht werden können. Die unvollständige Ungültigkeit ist ihrer Natur nach höchst mannichfaltig, da sie in den verschiedensten Arten und Graden der Gegenwirkung gegen eine juristische That- sache denkbar ist. Sie kommt vor in Gestalt einer Klage So z. B. die actio quod metus caussa, Pauliana, u. s. w. , einer Exception Besonders ausgebildet er- scheint dieses bey den Obligatio- nen, welche bald ipso jure un- gültig (nichtig) sind, bald per exceptionem; doch findet sich die Exception als Entkräftungsmittel auch bey anderen Rechten als Obligationen. Die umfassendste und wichtigste Exception dieser Art ist die doli exceptio. , einer Obligation auf neue juristische Handlung von einem, der früheren Thatsache entgegenge- setzten, Erfolg Wenn z. B. dem Ehemann eine Dos gegeben, nachher aber die Ehe getrennt wird, so hört der Grund auf, um dessen Wil- len allein er die Dos besaß, und die Aufgabe geht dahin, den frü- heren Zustand wieder herzustel- len; dieses geschieht aber, nach dem älteren Recht, lediglich durch eine persönliche Klage auf Rück- übertragung der empfangenen Dotalsachen. — Eben so, wenn ein früherer Verkäufer das pac- tum de retrovendendo geltend machen will. L. 2 C. de pactis inter emt. (4. 54.). ; ferner durch den Antrag auf Restitu- tion, oder auf Bonorum possessio contra tabulas. Ich bezeichne diese höchst mannichfaltigen Fälle mit dem ge- meinsamen Namen der Anfechtbarkeit eines Rechtsver- hältnisses. Anstatt daß die Nichtigkeit des Rechtsverhältnisses in der bloßen Veneinung desselben bestand, müssen wir in der Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Anfechtbarkeit stets ein eigenes, neues, entgegenwirkendes Recht einer andern Person erkennen. Dieses entgegenwir- kende Recht hat eine selbstständige Natur, und kann daher auch wieder von besonderen Schicksalen betroffen werden; es kann ganz oder theilweise entkräftet werden So z. B. die entgegen wir- kende Klage durch Verjährung, die B. P. c. t. durch Ablauf ihrer Frist, die Exception durch eine entgegenstehende Replication. , wo- durch dann wieder das ursprüngliche Recht, von dieser Hemmung befreyt, seine volle Wirksamkeit behauptet, wel- ches im Fall der Nichtigkeit niemals vorkommen kann. Die Römischen Juristen pflegen den Gegensatz der Nich- tigkeit und Anfechtbarkeit mit großer Sicherheit zu behan- deln, und es werden selten Fälle vorkommen, worin die Anwendung des einen oder des andern Begriffs zweifel- haft bleiben möchte; selbst ihre Kunstausdrücke sind in den wichtigsten Anwendungen bestimmt und unzweydeutig, ob- gleich es auch nicht an einzelnen Faͤllen eines schwanken- den Sprachgebrauchs fehlt In L. 22 quae in fraud. (42. 8.) wird eine Veräußerung nullius momenti genannt, so daß man sie für nichtig halten könnte, da sie doch nur mit der Pauliana actio zurück gefordert werden kann. — Eben so drückt rescin- dere gewöhnlich die Nichtigkeit aus, und zwar diejenige, welche erst in der Folge eintritt (die ungleichzeitige). Nicht selten wird aber das Wort auch von ande- ren Fällen der Ungültigkeit ge- braucht. Vgl. Brissonius v. re- scindere. Bey Ulpian . tit. de legibus § 1. 2 bezeichnet es die anfängliche Nichtigkeit. . 2) Unentschieden oder ungewiß nenne ich diejenige Un- gültigkeit, deren Eintritt von zukünftigen, ungewissen That- §. 202. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. sachen abhängt, also entweder von zufälligen Ereignissen, oder von menschlicher Willkühr. Wenn eine Suspensivbedingung vereitelt, oder eine re- solutive erfüllt wird, so ist die vollständige Ungültigkeit, also die Nichtigkeit, des Rechtsgeschäfts die Folge eines zufälligen Ereignisses. Menschliche Willkühr ist der Grund der Ungültigkeit in allen Fällen der bloßen Anfechtbarkeit. Denn eine Klage, Exception, Restitution u. s. w. entkräftet ein Rechtsver- hältniß nur, wenn eine bestimmte, dazu berechtigte Person dieses will, und Etwas dazu thut; außerdem bleibt das ursprüngliche Rechtsverhältniß in seiner ungeschwächten Kraft. Manche nennen eine solche, von persönlicher Will- kühr abhängige, Ungültigkeit, eine relative, im Gegensatz der absoluten, bey welcher diese Abhängigkeit nicht vor- handen seyn würde. Es fragt sich aber, ob die Nichtigkeit eben so von menschlicher Willkühr abhängig seyn kann, oder (nach dem schon angegebenen Sprachgebrauch) ob es nicht nur eine absolute, sondern neben dieser, für andere Fälle, eine rela- tive Nullität giebt; auch dieses muß behauptet werden, jedoch in ungleich geringerem Umfang, als es von neueren Schriftstellern angenommen zu werden pflegt. Da sich hieran oft nicht unbedeutende Misverständnisse anknüpfen, so ist es nöthig, genauer auf diese Frage einzugehen. — Nach einer sehr verbreiteten Auffassung soll nämlich in vielen und wichtigen Fällen Derjenige, welcher durch ein Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. nichtiges Rechtsgeschäft in Nachtheil kommen würde, das- selbe anzufechten und umzustoßen befugt seyn, und es wird für diesen Zweck eine eigene Klage, unter dem Namen der querela nullitatis, angegeben G. L. Mencken de actio- nibus Sect. 3 C. 2 membr. 2. Höpfner Commentar § 344. 525. 535. Thibaut § 302. 966 — 968 der 8ten Ausg. . In der That aber ist es weder nöthig, noch möglich, Dasjenige, was ohne- hin nichtig ist, also nicht besteht, durch eine Klage erst umzustoßen. Juristisch betrachtet stehen folgende Fälle auf gleicher Linie: ein Testament, welches gar nicht von dem angeblichen Testator gemacht, sondern untergeschoben ist; das Testament eines Unmündigen; ein Testament vor Sechs Zeugen; ein Testament, worin ein Sohn in väterlicher Gewalt, oder ein Posthumus, präterirt ist. In allen die- sen Fällen ist etwas Rechtsgültiges gar nicht vorhanden, eine Klage ist zur Wegräumung des leeren Scheins nicht nöthig, und auf den Willen und die Thätigkeit einer da- durch gefährdeten Person kommt Nichts an Unter den hier zusammen gestellten Fällen eines nichtigen Testaments ist es nur einer, der Fall der Präterition, welcher in neueren Zeiten die sehr verbrei- tete Ansicht veranlaßt hat, die durch den Ausdruck querela nul- litatis bezeichnet wird. Man wür- de irren, wenn man für diese Ansicht eine Unterstützung suchen wollte in der milderen Meynung der Proculejaner Gajus II. § 123. Denn theils ist diese nachher all- gemein verworfen worden ( L. 7 de lib. 28. 2.), theils bezog sie sich auch nur auf den Fall des vor dem Testator verstorbenen Sohnes; starb er nach dem Te- stator, auch ohne geklagt zu ha- ben, so war gar kein Streit. Für den letzten praktischen Er- folg freylich wurde der reine Be- griff der Nichtigkeit in diesem Fall dadurch beseitigt, daß der Prätor die blos civile Nichtigkeit ganz ignorirte ( Ulpian . XXVIII. 6); das ändert aber den Begriff . — Indes- §. 202. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. sen giebt es allerdings auch im Römischen Recht einige Fälle, worin die Nichtigkeit von der Willkühr einer be- stimmten dabey betheiligten Person abhängt, so daß darauf der oben erwähnte Ausdruck einer relativen Nichtigkeit an- wendbar ist. Wenn ein Unmündiger einen gegenseitigen Vertrag, z. B. einen Kauf, schließt, so hängt es von ihm, oder von dem ihn vertretenden Vormund, ab, ob der Ver- trag durchaus gültig, oder durchaus nichtig seyn soll; der Wille des Gegners hat darauf keinen Einfluß L. 13 § 29 de act. emti (19. 1). . Wenn ein Gesellschafter den Societätsvertrag dem abwesenden andern Gesellschafter, entweder durch einen Brief, oder durch den Procurator dieses Andern, aufkündigt, so ver- geht mehr oder weniger Zeit, ehe die ausgesprochene Er- klärung dem Anderen bekannt wird; ob nun in dieser Zwi- schenzeit die Societät für durchaus gültig, oder durchaus nichtig, gehalten werden soll, hängt von der Willkühr des Anderen ab, der die Kündigung erst später erfahren hat L. 17 § 1 L. 65 § 8 pro socio (17. 2.). . — Der Unterschied der hier aufgestellten Ansicht von der bey vielen Schriftstellern verbreiteten besteht also erstlich darin, daß die relative Nichtigkeit in weit wenigeren Fäl- len anzunehmen ist, als von diesen geschieht Namentlich kommt im Rö- mischen Recht bey der Ehe nie- mals eine relative Nichtigkeit vor. Im heutigen Recht ist dieser Be- griff freylich nicht wohl zu ent- ; zweytens der Nichtigkeit selbst nicht. — In- dessen war diese Anwendung der querela nullitatis bey neueren Schriftstellern, wenngleich die häufigste, doch keinesweges die einzige. Vgl. Höpfner § 344. Glück B. 33 S. 91. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. in der durchaus verwerflichen Annahme einer besonderen Klage, der querela nullitatis. Namentlich in den beiden hier angeführten Fällen wird stets die gewöhnliche Con- tractsklage ausreichen, und die Nichtigkeit wird blos als ein Grund in Betracht kommen, der auf den Erfolg einer solchen Klage Einfluß haben muß. 3) Endlich kann die Ungültigkeit bald schon ursprüng- lich vorhanden seyn, bald erst späterhin eintreten; im er- sten Fall ist sie in ihrer Entstehung gleichzeitig mit der dadurch entkräfteten juristischen Thatsache, im zweyten Fall ungleichzeitig. Dieser Gegensatz fällt mit keinem der oben erklärten Gegensätze zusammen, vielmehr sind dabey die verschiedensten Combinationen denkbar. Beyspiele ursprünglicher oder gleichzeitiger Nichtigkeit sind: das Testament, worin ein lebender Sohn in väter- licher Gewalt präterirt ist; der Vertrag, worin ein Un- mündiger sich einseitig verpflichtet. — Ungleichzeitige Nich- tigkeit tritt ein, wenn nach gemachtem Testament dem Te- stator ein Posthumus geboren, wenn die Urkunde des Te- staments von ihm zerstört, wenn ein neues Testament gemacht wird; desgleichen bey jeder Obligation durch de- ren vollständige Erfüllung. Gleichzeitige Anfechtbarkeit findet sich bey jedem durch behren, und in dieser Anwen- dung ist auch gegen die Annahme einer Nichtigkeitsklage Nichts ein- zuwenden. §. 202. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. Zwang oder Betrug bewirkten Vertrag. — Ungleichzeitige bey jeder Obligation, welcher eine Klagverjährung, oder ein rechtskräftiges Urtheil entgegen getreten ist; desglei- chen im älteren Recht bey einer durch bloßes Pactum auf- gehobenen Stipulation. Von den beiden oben angeführten Fällen relativer Nichtigkeit ist der erste (Versprechen des Unmündigen) gleichzeitig, der zweyte (Aufkündigung der Societät) un- gleichzeitig. Über die Gründe der ungleichzeitigen oder nachfolgen- den Ungültigkeit kann hier nur eine allgemeine Übersicht gegeben werden, da alles tiefer Eindringende den einzel- nen Rechtsverhältnissen vorbehalten bleiben muß. — Diese Art der Ungültigkeit kann ihren Grund haben schon in der juristischen Thatsache selbst, woraus das Rechtsver- hältniß entstanden ist; namentlich bey einer Resolutivbe- dingung, welche nachher in Erfüllung geht. — Ferner in einer allgemeinen Rechtsregel, wohin die Klagverjährung gehört. — Ferner in einer richterlichen Handlung, wie das rechtskräftige Urtheil und die Restitution. Der häufigste und wichtigste Grund einer solchen nach- folgenden Ungültigkeit besteht aber in einer neuen juristi- schen Thatsache, welche der früheren entgegen wirken soll. Die allgemeinste Anwendung davon findet sich bey Wil- lenserklärungen, welche durch entgegengesetzte Willenser- klärungen aufgehoben werden. Damit diese Aufhebung vollständig wirke, ist die Regel aufgestellt, daß die auf- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. hebende Erklärung gleiche Form haben müsse mit derjeni- gen, wodurch das aufzuhebende Rechtsverhältniß entstan- den sey. Nihil tam naturale est, quam eo genere quidque dis- solvere, quo colligatum est: ideo verborum obligatio verbis tollitur: nudi consensus obligatio contrario con- sensu dissolvitur L. 35 de R. J. (50. 17.). — Vgl. L. 100 L. 153 eod., L. 8 de adqu. poss. (41. 2.), L. 80 de solut. (46. 3.). . Es giebt jedoch von dieser Regel mehrere ganz posi- tive Ausnahmen So z. B. wurde von je- her die aus dem Diebstahl oder aus der Injurie entstandene Obli- gation durch nudum pactum den- noch ipso jure aufgehoben, weil nämlich das pactum dabey in den Zwölf Tafeln erwähnt war. L. 17 § 1 L. 27 § 2 de pactis (2. 14.), L. 13 C. de furtis (6. 2.). ; außerdem aber hat sie schon im neueren Römischen Recht, noch mehr aber im heutigen Recht, einen großen Theil ihrer Wichtigkeit verloren Das Pactum sollte die Sti- pulation nur nicht ipso jure auf- heben, wohl aber per exceptio- nem; der Unterschied beider Ar- ten der Aufhebung ist jedoch im Justinianischen Recht weniger wichtig als früher. — Im heuti- gen Recht hingegen ist der for- melle Unterschied zwischen Pactum und Stipulation ganz verschwun- den. — Als ein praktischer Über- rest der alten Regel auch noch im heutigen Recht kann der Satz angesehen werden, daß ein Te- stament zwar durch ein neues Testament aufgehoben wird, in der Regel aber nicht durch blo- ßen Widerruf, eben so auch nicht durch einen Codicill. § 2. 7 J. quib. modis test. (2. 17.), L. 21 § 3 C. de testamentis (6. 23.). . Man hat oft über die Frage gestritten, ob ein Recht schon durch die einseitige Willenserklärung des Berechtig- ten entkräftet werde, welche man renunciatio, Entsa- gung, Verzicht nennt Das Schwankende dieser Ausdrücke hat auch zur Erhal- , oder ob dazu noch Etwas §. 202. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. hinzutreten müsse, namentlich der Wille eines Andern, das heißt die Acceptation Vergl. unter andern eine eigene Abhandlung von Fritz , Archiv für civilist. Praxis B. 8 Num. XV. . Dieser Streit ist unter andern dadurch über Gebühr verlängert worden, daß in jener scheinbar einfachen Frage eigentlich zwey ganz verschie- dene Fragen enthalten sind, deren genaue Sonderung allein zu einer sicheren Entscheidung führen kann. Es ist nämlich zuerst der Fall möglich, daß dem Berechtigten gar kein Einzelner besonders gegenüber steht (wie bey dem Ei- genthum), oder auch daß ein solcher wirklich vorhandener Einzelner (z. B. sein Schuldner in einer Obligation) die Erklärung noch nicht erfahren, oder durch eine Gegener- klärung sich darüber auszusprechen unterlassen hat. In allen diesen Fällen kann die Frage entstehen, ob jene ein- seitige Erklärung für den Berechtigten, der sie abgab, bin- dend ist, oder ob er, bey verändertem Willen, davon wie- der abgehen kann. Dieser Fall ist es, woran man ge- wöhnlich denkt, wenn man die Nothwendigkeit einer Ac- ceptation in Frage stellt; die Frage hat hier eine formelle Natur, indem es darauf ankommt, ob eine Handlung in dieser oder in einer andern Form dazu geeignet ist, eine tung des Streites beygetragen, da in keinem derselben das Mo- ment der Einseitigkeit, worauf doch Alles ankommt, nothwendig enthalten ist. So z. B. sagt L. 29 C. de pactis (2. 3.), nach einer alten Rechtsregel könne Jeder sei- nen Rechten entsagen (renuncia- re); zugleich spricht aber die ganze Stelle lediglich von einer Entsa- gung durch Vertrag, und führt auch jene Rechtsregel nur an, um die bindende Kraft eines sol- chen Vertrags außer Zweifel zu setzen. IV. 35 Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. wahre Änderung in dem Rechtsverhältniß hervorzubrin- gen. — Es ist aber auch zweytens der Fall möglich, daß Derjenige, welcher in einem Rechtsverhältniß steht, das- selbe auflösen will, während ein Anderer dieser Auflösung widerspricht. In diesem Fall entsteht die Frage, wie weit das Recht des Einzelnen, unter Voraussetzung dieses Strei- tes, geht; es ist die völlig materielle Frage nach der Macht des einseitigen Willens. a) Die formelle Frage, ob die einseitige Willenserklä- rung bindet, oder wieder zurück genommen werden kann, muß mit folgender Unterscheidung beantwortet werden. Die Rechte, welche uns aus dem Nachlaß eines Verstorbenen zur Erwerbung angeboten (deferirt) sind, werden durch unsre einseitige Willenserklärung ( repudiatio ) unabänder- lich ausgeschlagen. Dieses gilt nicht blos von der here- ditas und bonorum possessio, bey welchen ohnehin Nie- mand vorhanden ist, welcher acceptiren könnte, sondern auch bey den Legaten L. 38 § 1 L. 44 § 1 L. 86 § 2 de leg. 1 (30. un.), L. 59 de leg. 2 (31. un). , bey welchen allerdings die Noth- wendigkeit einer Acceptation des Erben denkbar wäre. — In allen übrigen Fällen dagegen ist eine einseitige Entsa- gung für sich ganz wirkungslos, kann also stets zurückge- nommen, und dadurch der möglichen Bestätigung durch die Acceptation eines Andern entzogen werden. Dieses gilt also vor Allem von der hereditas, der bonorum possessio, und dem Legat, welche wir durch unsre Erklärung bereits §. 202. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. erworben haben. Ferner bey dem Eigenthum, welches nie- mals durch den bloßen Willen, sondern nur durch den zugleich aufgegebenen Besitz (Dereliction) verloren wird. Eben so bey jedem jus in re, von welchem der Eigenthü- mer nur durch Vertrag, nicht durch die einseitige Erklä- rung des Inhabers, befreyt wird. Endlich auch bey den Obligationen; diese werden durch einen Erlaßvertrag stets aufgehoben, eben so auch durch die von einem Dritten vorgenommene Expromission L. 91 de solut. (46. 3.). , aber eine einseitige Er- klärung des Glaubigers bindet diesen nicht. b) Bey der materiellen Frage, ob ein Berechtigter ver- hindert werden könne, durch seinen einseitigen Willen aus einem Rechtsverhältniß heraus zu treten, muß stets ein Ein- zelner, ihm gegenüber Stehender, hinzugedacht werden, da ein Einspruch gegen die Dereliction des Eigenthums gar nicht denkbar ist. Es kann davon zunächst die Rede seyn bey ei- nem jus in re. Der Fructuar kann den Niesbrauch stets zu- rück geben L. 64 de usufructu (7. 1.). ; denn obgleich mit demselben auch positive Verpflichtungen verbunden sind L. 13 § 2 L. 66 de usu- fructu (7. 1.). , so können diese doch nur als Bedingungen und Einschränkungen des Genusses betrach- tet werden, und verhindern also den Austritt aus dem Rechts- verhältniß nicht. Wenn freylich der Niesbrauch aus einem Kauf oder einem Pachtvertrag auf bestimmte Zeit ent- sprungen ist L. 10 C. de usufructu (3. 33.). , so kann sich der Fructuar von seinen 35* Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. (dem Niesbrauch selbst fremden) Gegenleistungen aus die- sen Verträgen einseitig nicht befreyen, so daß er das Kauf- geld oder Pachtgeld stets zahlen muß, wenn ihn nicht der Eigenthümer durch Vertrag frey giebt. — Hieraus erklärt sich zugleich, warum der Emphyteuta oder Superficiar aus seinem Rechtsverhältniß nicht willkührlich austreten kann. Denn die daneben stehende Verpflichtung zu positi- ven Leistungen, die bey dem Niesbrauch etwas Zufälliges, Fremdartiges war, ist bey diesen Rechten ein wesentlicher Bestandtheil des Rechtsverhältnisses selbst. — Bey den Prädialservituten und dem Pfandrecht treten keine ähnliche Rücksichten ein, so daß hier ein einseitiger Austritt des Inhabers stets zulässig ist. Bey dem Faustpfand kann ein Interesse hierzu vorkommen, wenn etwa die Aufbewahrung der verpfändeten Sache mit Kosten oder Gefahren für den Besitzer verbunden ist. Bey den Obligationen wird Niemand daran denken, dem Schuldner den einseitigen Rücktritt zu gestatten. Bey dem Glaubiger wird diese Befugniß nur in seltnen Fällen zur Sprache kommen, wenn etwa bey einem Wettstreit der Grosmuth oder Delicatesse, oder aus Hochmuth, der Glaubiger die Schuld erlassen, der Schuldner dieses Ge- schenk nicht annehmen will. In diesem Fall kann der Glaubiger ohne Zweifel seinen Zweck erreichen durch die Expromission eines Dritten, dem er dann durch Vertrag die Schuld erläßt L. 91 de solut. (46. 3.). ; noch einfacher, indem er blos die §. 203. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. (Fortsetzung.) Annahme der Schuld verweigert, da der Schuldner zwar das Geld deponiren, aber nicht den Glaubiger zur Ab- holung desselben zwingen kann. — Wichtiger ist es, daß bey mehreren Obligationen, die eine zusammengesetzte Na- tur haben, eine Auflösung für die Zukunft durch einseitige Aufkündigung zulässig ist, wie bey der Societät, dem Mandat, dem Miethvertrag; die eigenthümliche Natur die- ses Falles, und die besondere Wirksamkeit dieser Kündi- gung, kann jedoch erst im Zusammenhang des Obliga- tionenrechts klar gemacht werden. §. 203. VI. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen . (Fortsetzung.) Es sind nun noch einige einzelne Fragen hervor zu heben, welche sich auf die Nichtigkeit der Rechtsgeschäfte beziehen. Die Gründe der ursprünglichen Nichtigkeit sind von zweyerley Art. Sie können nämlich erstens bestehen in einem Mangel der nothwendigen Bedingungen, also ent- weder der erforderlichen persönlichen Eigenschaften, oder des Wesens des Geschäfts, wozu besonders das Daseyn des Willens gehört, so wie der vorgeschriebenen Form. Sie können aber auch zweytens enthalten seyn in einem positiven Gesetz, worin das Rechtsgeschäft verboten ist. Wo überhaupt ein Gesetz die Absicht hat, einem Rechts- geschäft verhütend entgegen zu wirken, da kann dieses durch Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. verschiedene Mittel geschehen. Zuerst durch erschwerende Formen, welches wahrscheinlich die Bedeutung einer im- perfecta Lex war: dann durch Strafdrohung, während das Geschäft selbst gültig und wirksam bleiben soll, wel- ches minus quam perfecta Lex hieß: serner durch Be- stimmung irgend einer unvollständigen Ungültigkeit, beson- ders einer Exception, wohin das Sc. Macedonianum und das Sc. Vellejanum gehört: endlich, am vollständigsten und einfachsten, durch Vorschrift der Nichtigkeit des Ge- schäfts, welches die Bedeutung einer perfecta Lex ist Ulpian . tit. de Legibus § 1. 2, großentheils lückenhaft. . Wenn nun ein Gesetz ein Rechtsgeschäft verbietet, ohne die Folgen der Übertretung bestimmt auszudrucken, so kann über diese Folgen ein Zweifel entstehen; es könnte nament- lich behauptet werden, daß die schwere Folge der Nich- tigkeit nur da angenommen werden dürfe, wo dieselbe in einem Gesetz ausdrücklich vorgeschrieben sey. Hierüber haben wir ein allgemeines interpretirendes Gesetz von Theodosius II. , worin bestimmt wird, daß aus jedem ge- setzlichen Verbot die Nichtigkeit der verbotenen Handlung von selbst folge, ohne Unterschied ob diese Folge im Ge- setz ausgedrückt sey, oder nicht L. 5 C. de legibus (1. 14.), vollständiger erhalten in Nov. Theod. tit. 4. Die in dieser ur- sprünglichen Gestalt des Gesetzes erhaltene höchst specielle Veran- lassung war die ältere Vorschrift, welche die procuratio fremder Güter den Curialen verbot, von diesen aber durch eine conductio der Güter umgangen zu werden pflegte. Diese Veranlassung ist im Justinianischen Codex wegge- lassen, und nun tritt der allge- meine Inhalt des Gesetzes, der . Nach dem eben er- §. 203. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. (Fortsetzung.) klärten Sprachgebrauch läßt sich diese Vorschrift so aus- drücken: jedes verbietende Gesetz ist stets als eine perfecta Lex anzusehen. — Es wird noch hinzugesetzt, daß die Nich- tigkeit auch diejenige Handlung treffe, welche blos schein- bar vorgenommen sey, um die in dem Gesetz wörtlich verbotene Handlung zu verstecken. In diesem Zusatz liegt jedoch keine neue Bestimmung, sondern nur eine Anwen- dung der allgemeinen Natur der Simulation auf diesen besonderen Fall (§ 134.). Indessen muß zu dieser, scheinbar ganz allgemeinen Vorschrift, doch die natürliche Ausnahme hinzu gedacht werden, wenn das verbietende Gesetz selbst eine andere Folge als die Nichtigkeit ausdrücklich vorschreibt, und zwar eine solche, womit die Nichtigkeit unvereinbar ist Vgl. Vinnius quaest. se- lectae Lib. 1 C. 1. Weber na- türliche Verbindlichkeit § 74. . Da- hin gehört das Sc. Macedonianum, welchem also nicht etwa wegen jenes neuen Gesetzes eine verstärkte Wirkung zuzuschreiben ist; denn die exceptio Sc. Macedoniani mit ihren sehr genau begränzten Wirkungen ist in der That unvereinbar mit der Nichtigkeit des Darlehens. Eben so auch das Sc. Vellejanum, in den Fällen, worin es noch unverändert zur Anwendung kommen soll Nämlich für die meisten Fälle hat Justinian ohnehin schon die Nichtigkeit der Bürgschaft ausdrücklich vorgeschrieben, und da kommt das Senatusconsult mit seiner Exception gar nicht mehr zur Anwendung; wo es aber überhaupt noch gilt, da ist es mit Nichtigkeit der Bürgschaft unvereinbar. . Ferner die auch schon in jener ursprüngli- chen Gestalt vorhanden war, noch schärfer hervor. Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. von einer Wittwe im Trauerjahr geschlossene Ehe. Denn die gesetzlichen Strafen dieser Ehe setzen das Daseyn einer wahren Dos, also auch einer gültigen Ehe, augenscheinlich voraus Vgl. oben Beylage VII Num. III. Der Grund dieser abweichenden Behandlung einer solchen Ehe liegt am Tage. Die ausgesprochene Nichtigkeit würde Nichts geholfen haben, theils weil sie die eigentliche Gefahr, die seminis turbatio, doch nicht ver- hindert hätte, theils weil die Ehe- gatten in keinem Fall verhindert werden konnten, nach Ablauf des Trauerjahrs, also nach sehr kur- zer Zeit, eine neue Ehe zu schlie- ßen. Die Absicht bey jener Be- handlung gieng also nicht auf Milde und Schonung, sondern auf die Wahl solcher Drohungen, deren reelle Fühlbarkeit der ver- botenen Handlung wirksamer vor- beugen konnte. . Es war also dieses Ehehinderniß, nach dem Sprachgebrauch neuerer Juristen, ein impediens, nicht di- rimens Solche Fälle sind über- haupt im Römischen Recht sel- ten, in neueren Partikularge- setzen häufiger, z. B. bey den dis- pensablen Verwandtschaftsgraden, bey dem Mangel der väterlichen Einwilligung. Alle solche Fälle gehören nun unter die Ausnah- men von der Regel der L. 5 C. de LL. . — Dagegen würde es ganz irrig seyn, eine solche Ausnahme bey jedem verbietenden Gesetz anzuneh- men, welches eine Strafe androht, ohne sich über die Nich- tigkeit auszusprechen. Denn da mit einer Strafe die Nich- tigkeit an sich wohl vereinbar ist, so fehlt es in einem solchen Fall an einem hinreichenden Grund, die Anwendung des angeführten allgemeinen Gesetzes auszuschließen. Wenn ein Rechtsgeschäft auf vollgültige Weise geschlos- sen worden ist, nachher aber eine solche Veränderung der Umstände eintritt, daß dasselbe Geschäft jetzt nicht mehr möglich seyn würde, so fragt es sich, ob diese Verände- §. 203. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. (Fortsetzung.) rung auf den früheren Abschluß dergestalt zurück wirkt, daß das bisher gültige Geschäft nunmehr vernichtet wird. Mehrere Römische Juristen haben diese Vernichtung als Regel anerkannt, und diese Anerkennung ist in die Dige- sten übergegangen L. 3 § 2 de his quae pro non scriptis (34. 8.) „ .. Nam quae in eam causam pervene- runt, a qua incipere non po- terant, pro non scriptis haben- tur.” Vgl. L. 16 ad L. Aquil. (9. 2.). ; allgemein aber war bey ihnen diese Anerkennung nicht L. 98 pr. de V. O. (45. 1.) „ .. et maxime secundum illo- rum opinionem, qui etiam ea, quae recte constiterunt, resol- vi putant, cum in eum casum reciderunt, a quo non potuis- sent consistere.” . Auch finden sich daneben andere Stellen, welche gegen die unbedingte Annahme jener Re- gel warnen L. 85 § 1 de R. J. (50. 17.) „Non est novum, ut, quae se- mel utiliter constituta sunt, du- rent, licet ille casus exstiterit, a quo initium capere non po- tuerunt.” L. 140 § 2 de V. O. (45. 1.) „Etsi placeat, exstin- gui obligationem, si in eum casum inciderit, a quo incipere non potest: non tamen hoc in omnibus verum est.” § 14 J. de leg. (2. 20.). , also auf zahlreiche und wichtige Ausnah- men hindeuten. Betrachten wir in dieser Beziehung einzelne Rechtsver- hältnisse, so finden wir eben so viele und wichtige Fälle der Anwendung jener angeblichen Regel, als der daneben behaupteten Ausnahme. Eine gültig geschlossene Ehe wurde dadurch vernichtet, daß ein Ehegatte späterhin die Civität oder die Freyheit verlor: der spätere Wahnsinn dagegen stört die fortdauernde Gültigkeit nicht; beide Umstände aber, wenn sie zur Zeit der geschlossenen Ehe vorhanden gewesen wären, würden die Entstehung derselben unmög- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. lich gemacht haben. Ganz eben so wird auch ein Testa- ment ungültig, wenn der Testator Civität oder Freyheit verliert, nicht wenn er wahnsinnig wird. Neuere Schriftsteller haben versucht, genau die Bedin- gungen aufzustellen, unter welchen die Regel oder die Aus- nahme zur Anwendung komme; sie haben sich aber dabey in so viele Subtilitäten und Willkührlichkeiten verwickelt, daß die Entscheidung zweifelhafter Fälle dadurch um gar Nichts gefördert wird Vorzüglich gilt dieses Ur- theil von J. Gothofred . in tit. de R. J., L. 85 § 1. Etwas besser ist Averanius interpret. Lib. 4 C. 24 — 26, aber an siche- ren Resultaten ist auch durch ihn wenig gewonnen. . Es scheint daher am gerathen- sten, auf die Aufstellung allgemeiner Formeln über die an- gegebene Frage ganz zu verzichten, und sich auf die Beur- theilung der einzelnen Fälle, worin sie vorkommen mag, zu beschränken. Hier wird die eigenthümliche Natur jedes Rechtsverhältnisses, neben der Analogie der in unsren Rechtsquellen enthaltenen einzelnen Entscheidungen, mehr Sicherheit geben, als es irgend eine aufzustellende Formel vermag. Wenn umgekehrt ein versuchtes Rechtsgeschäft durch ein einzelnes Hinderniß ungültig ist, dieses aber späterhin wegfällt, so entsteht die Frage, ob nun das Geschäft rück- wärts gültig wird, wodurch Alles in die Lage kommen würde, wie wenn gleich Anfangs das Hinderniß nicht vor- handen gewesen wäre. Man nennt eine solche günstige §. 203. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. (Fortsetzung.) Rückwirkung der veränderten Umstände die Convales- cenz , und drückt daher die aufgeworfene Frage auch so aus: Ist bey ungültigen Rechtsgeschäften die Convales- cenz zulässig? Vgl. Averanius interpret. Lib. 4 C. 22. . Nach einer ganz allgemein lautenden Stelle des Römi- schen Rechts müßte man die Convalescenz durchaus ver- werfen L. 29 de R. J. (50. 17.) „Quod initio vitiosum est, non potest tractu temporis conva- lescere.” . Diese Regel wird noch für Testamente über- haupt bestätigt L. 201 de R. J. (50. 17.) „Omnia, quae ex testamento proficiscuntur, ita statum even- tus capiunt, si initium quoque sine vitio ceperint.” , und bey den Legaten ist die alte regula Catoniana eigentlich nur eine Wiederholung derselben L. 1 pr. de reg. Catonia- na (34. 7.) „Regula Catoniana sic definit: quod si testamenti facti tempore decessisset tes- tator, inutile foret, id legatum, quandocunque decesserit, non valere. Quae definitio in qui- busdam falsa est.” . Zwar kommen auch neben dieser Regel Ausnahmen vor, und namentlich wird gleich bey der Mittheilung der regula Catoniana gegen ihre zu allgemeine Anwendung gewarnt (Note o ). Wären diese Ausnahmen so zahlreich und man- nichfaltig, wie bey der vorher erklärten entgegengesetzten Regel, so würde es auch hier gerathener seyn, eine so ge- fährliche Regel lieber ganz aufzugeben; so ist es aber in der That nicht, die meisten angeblichen Ausnahmen sind als solche nicht anzuerkennen, und wir müssen daher jene Regel allerdings gelten lassen, daneben aber die einzelnen Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. Ausnahmen anerkennen, die in unsren Rechtsquellen aus- drücklich angegeben werden. Ich will zuerst von solchen Fällen reden, worin man Ausnahmen jener Regel fälschlich anzunehmen pflegt. Wenn bey Eingehung der Ehe ein Ehegatte noch unmündig ist, so tritt, wie man sagt, mit der erreichten Pubertät Con- valescenz ein L. 4 de ritu nupt. (23. 2.). ; eben so, wenn der Senator, der mit einer Freygelassenen eine nichtige Ehe schloß, nachher aus dem Senat gestoßen wurde L. 27 de ritu nupt. (23. 2.). , oder wenn der Römische Provinzialbeamte eine Provinzialin zur Ehe nahm, dann aber sein Amt niederlegte L. 65 § 1 de ritu nupt. (23. 2.). . Desgleichen wenn der Va- ter den nothwendigerweise vorhergehenden Consens zur Ehe pr. J. de nupt. (1. 10) „in tantum, ut jussus parentum praecedere debeat.” nicht ertheilt hat, dann aber nachträglich consen- tirt L. 68 de j. dot. (23. 3.). , oder auch nachher stirbt L. 11 de statu hom. (1. 5.). . Es ist jedoch ganz unrichtig, in diesen Fällen Convalescenz der ungültigen Ehe zu behaupten. Nach Römischem Recht wird die Ehe geschlossen durch factisches Zusammenleben mit der auf wahre Ehe gerichteten Absicht; eine besondere Form ist dazu gar nicht nöthig. Wenn also eine Unmündige als Ehefrau in das Haus des Mannes gezogen ist, und in diesem Hause die Pubertät erreicht, so entsteht in diesem Augenblick eine neue und wahre Ehe, weil alle Bedingun- gen der Eingehung vorhanden sind. Das vorhergehende §. 203. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. (Fortsetzung.). nichtige Verhältniß convalescirt nicht, ist aber auch kein Hinderniß der gegenwärtigen Entstehung einer gültigen Ehe. So ist es in allen hier angegebenen Fällen ohne Ausnahme, und bey einigen derselben wird sogar aus- drücklich bemerkt, daß es nur so anzusehen sey. Wenn nämlich der Provinzialbeamte während der factisch beste- henden Ehe sein Amt niederlegt, so bleiben die früher er- zeugten Kinder unehelich L. 65 § 1 de ritu nupt. (23. 2.) „ .. post depositum officium, si in eadem voluntate perseverat, justas nuptias ef- fici : et ideo postea liberos na- tos ex justo matrimonio, legi- timos esse.” ; eben so die Kinder, die in einer Ehe erzeugt sind, wozu der Vater eines Ehegatten nicht consentirt hatte, wenngleich dieser Vater nachher ge- storben ist L. 11 de statu hom. (1.5.) „Paulus respondit, eum qui vi- vente patre et ignorante de conjunctione filiae conceptus est, licet post mortem avi na- tus sit, justum filium ei, ex quo conceptus est, esse non vi- deri.” ; hat die Frau vor ihres Vaters Consens Ehebruch begangen, so hat der Mann in der Anklage nicht die Vorrechte eines Ehemannes L. 13 § 6 ad L. J. de adult. (48. 5.). . Es entsteht also gar nicht Convalescenz des früheren nichtigen Verhältnis- ses, sondern überall eine neue Ehe, durch das Vorherge- gangene nur nicht verhindert. — Wenn ein Sohn in vä- terlicher Gewalt oder ein Sklave oder ein Deportirter ein Fideicommiß bestellt, dann aber emancipirt, freygelassen, in die Civität hergestellt wird, und nun erweislich die Ab- sicht, daß dieses Fideicommiß bestehe, fortdauert, so ist dasselbe allerdings wirksam; darin liegt aber nicht Conva- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. lescenz der früheren Handlung, sondern ein neues, mit dem früheren im Inhalt übereinstimmendes, Fideicommiß, welches ja nach dem älteren Recht durch jeden formlosen Willen errichtet werden kann L 1 § 1 de leg. III. (32. un.) „ … fideicommissum re- lictum videri quasi nunc da- tum , cum mors ei contingit, videlicet si duraverit voluntas post manumissionem.” — L. 1 § 5 eod. „ .. si modo in eadem voluntate duravit.” . — Die Ausnahmen, die neben der regula Catoniana behauptet werden, so wie die Ausschließung ihrer Anwendung auf die hereditas, und auf die neuen Volksschlüsse L. 1 — 5 de reg. Cato- niana (34. 7.). , erklären sich aus der an sich zweydeutigen Natur eines jeden letzten Willens, indem die darin liegende Handlung so angesehen werden kann, als ob sie zur Zeit der Errichtung, aber auch so als ob sie zur Zeit des Todes, vorgenommen worden wäre. — Wenn ein Vertrag im Namen eines Andern ohne Auftrag ge- schlossen, dann aber von dem Andern genehmigt wird, so wirkt diese Genehmigung allerdings rückwärts L. 7 pr. ad Sc. Maced. (4. 28.). ; den- noch ist dieses nicht als wahre Convalescenz zu betrachten, sondern der Genehmigende hat den Vertrag in allen Thei- len zu dem Seinigen gemacht, also auch in Ansehung der Zeit, von welcher an er zu wirken bestimmt war. Die Genehmigung wirkt wie ein neuer Vertrag, der die ge- sammten Wirkungen der Zwischenzeit mit in sich aufnimmt. — Wenn ein durch Zwang oder Betrug bewirkter Vertrag hinterher frey genehmigt wird, so ist er allerdings dadurch rückwärts vollgültig geworden; allein dieser Vertrag war §. 203. Ungültigkeit der juristischen Thatsachen. (Fortsetzung.) auch zu keiner Zeit nichtig, fällt also gar nicht in das Gebiet der bisher behandelten Frage. Dagegen sind allerdings folgende Fälle wahrer Couva- lescenz anzuerkennen, welche daher Ausnahmen der oben aufgestellten Regel bilden. Wenn ein Ehemann ein Do- talgrundstück veräußert, so ist dieses eine nichtige Hand- lung; fällt ihm aber späterhin die ganze Dos zu, so con- valescirt jene Handlung von selbst, und es braucht also die frühere Tradition nicht wiederholt zu werden L. 42 de usurp. (41. 3.). Hier steht venditio für aliena- tio, und das confirmari bezieht sich zunächst auf die Gültigkeit des Usucapionstitels, von welcher in dieser Anwendung nur im äl- teren Recht die Rede seyn konnte. Daneben aber, und besonders im Justinianischen Recht, liegt in dem confirmari auch die unmittelbare Convalescenz der Veräußerung, also des Eigenthums, ohne alle Usucapion. . Wenn ein Nichteigenthümer eine Sache veräußert, später aber das Eigenthum erwirbt, so convalescirt eben so die Ver- äußerung, und der Käufer wird jetzt von selbst Eigen- thümer, auch ohne neue Tradition L. 42 de usurp. (41. 3.) am Ende der Stelle; über die Erklärung derselben vgl. Note bb. — L. 4 § 32 de doli exc. (44. 4.) „ … ac per hoc intelligeret, eum fundum rursum vendidisse, quem in bonis non haberet. ” — Die genauere Ausführung dieser wichtigen und verwickelten Frage ist nur im Zusammenhang der Lehre vom Eigenthum möglich. . Diese ganze Frage ist bisher nur in Beziehung auf nichtige Rechtsgeschäfte untersucht worden; bey anfechtba- ren kann es gar nicht bezweifelt werden, daß eine Ergän- zung des früher mangelhaften Rechtsgeschäfts stets möglich ist. Denn da bey der Anfechtbarkeit das Hinderniß die selbstständige Natur eines eigenen Rechts bestimmter Per- Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang. sonen hat, so kann dieses Recht auch aufgehoben werden, wodurch dann das ursprüngliche Rechtsgeschäft in seine volle ungestoͤrte Wirksamkeit von selbst eintritt (§ 202.). Dahin gehört der eben erwähnte Fall, wenn der Gezwun- gene oder Betrogene, nachdem er von diesen Einflüssen auf seinen Willen frey geworden ist, den Vertrag geneh- migt; es würde nicht genau seyn, dieses als Convalescenz des Vertrags auszudrücken, da es vielmehr blos eine Auf- hebung der bis dahin geltenden Exceptionen ( metus oder doli ) ist. Beylagen . IX. X. XI. IV. 36 Beylage IX. Schenkung durch bloße Unterlassungen . (Zu § 144.) I. I m Allgemeinen muß die Möglichkeit der in der Über- schrift bezeichneten Schenkungen verneint werden. Die positiven Einschränkungen, welche das juristische Wesen der Schenkung ausmachen, beziehen sich ihrer Natur nach auf Rechtsgeschäfte, unter welchen Begriff eine bloße Un- terlassung nicht bezogen werden kann. Die Formen der Mancipation und der Insinuation, die in dem positiven Recht der Schenkungen eine so wichtige Stelle einnehmen, sind bey Unterlassungen gar nicht denkbar. Es giebt jedoch zweyerley Umstände, wodurch eine Unterlassung die Natur einer Schenkung annehmen kann. Erstlich wenn dabey ein verborgenes Handeln zum Grunde liegt, welches dann eigentlich die Schenkung ausmacht. Zweytens wenn durch die Unterlassung allein und aus- schließend eine unfehlbare Bereicherung bewirkt wird, in welchem Fall sie als ein indirectes oder verstecktes Geld- geschenk betrachtet werden kann. 36* Beylage IX. Dieses Princip soll nunmehr durch eine Reihe von Fällen durchgeführt werden. Ich will dabey zunächst das Verbot der Schenkung unter Ehegatten berücksichtigen, um der Untersuchung mehr Anschaulichkeit zu geben; die An- wendung auf die Insinuation und den Widerruf wird dann leicht hinzugefügt werden können. II. Ich stelle einen Fall voran, der sich unter den übrigen Unterlassungen durch die Einfachheit seiner Natur, so wie durch die unzweifelhafte Entscheidung, die wir darüber in unsren Rechtsquellen finden, auszeichnet. Wenn der Ehe- mann an einer Sache seiner Frau eine Servitut hat, und diese absichtlich durch Nichtgebrauch untergehen läßt, so wird die Frau um den ganzen Werth der Servitut reicher, und es geschieht dieses lediglich in Folge jener Unterlassung, da unstreitig eine einzige Ausübung der Ser- vitut, kurz vor dem Ablauf des gesetzlichen Zeitraums, die- sen Verlust von des Mannes Vermögen abgewendet hätte. Wäre nun die angegebene Unterlassung gleich einem Rechts- geschäft zu behandeln, so müßte sie nichtig seyn, das heißt der Verlust der Servitut müßte unterbleiben, die Servi- tut müßte fortdauern. So ist es jedoch nicht, vielmehr wird die Servitut in der That verloren, ganz wie unter fremden Personen; da aber die Frau bereichert ist, und da die Ursache dieser Bereicherung entschieden und aus- schließend in der Liberalität des Mannes liegt, so hat die- Schenkung durch bloße Unterlassungen. ser gegen die Frau eine condictio, deren Gegenstand ohne Zweifel die Wiederherstellung der Servitut, oder die Be- zahlung des Geldwerths derselben, ist L. 5 § 6 de don. int. vir. (24. 1.). „Si donationis causa vir vel uxor servitute non uta- tur, puto amitti servitutem: verum post divortium condici posse.” — Die Worte post di- vortium sind blos enunciativ, und beziehen sich darauf, daß bey dau- erndem Einverständniß die Rück- forderung überhaupt selten vor- kommen wird; das Recht dazu ist stets auch während der Ehe vorhanden. . Ganz derselbe Fall kommt bey der Pauliana actio vor. Wenn der insolvente Schuldner die Servitut absichtlich untergehen läßt, so ist dieses eine Veräußerung an den Eigenthümer, und die Glaubiger haben gegen diesen die eben genannte Klage L. 3 § 1 L. 4 quae in fraudem (42. 8.). . Hier ist sogar ein noch drin- genderer Grund zur Klage, als bey der Schenkung des Ehegatten, vorhanden, nämlich die unredliche Absicht des veräußernden Schuldners. Mit Rücksicht auf diese Fälle wird im Allgemeinen der Satz aufgestellt, daß der Untergang der Servituten durch Nichtgebrauch als eine Veräußerung anzusehen sey L. 28 pr. de V. S. (50. 16.). „.. Eum quoque alienare dici- tur, qui non utendo amisit ser- vitutes.” . III. Ungleich verwickelter stellt sich die Frage in Beziehung auf die Usucapion . Ist nun die Zulassung der Usuca- pion von Seiten des Eigenthümers, der sie verhindern könnte, als eine Schenkung zu betrachten? Diese Frage Beylage IX. hängt zusammen mit der allgemeineren, ob die Zulassung der Usucapion überhaupt eine Veräußerung ist. Betrach- ten wir dieses zunächst in Anwendung auf ein anderes, aber verwandtes Rechtsverhältniß. Der Ehemann soll Dotalgrundstücke nicht veräußern, und wenn er es versucht, soll seine Handlung nichtig seyn. Gesetzt nun, das Haus welches ihm als Dos gegeben worden ist, wird baufällig, der Nachbar fordert Caution wegen des Einsturzes, und der Mann verweigert diese Caution; hier bekommt in anderen Fällen der Nachbar zu- erst eine missio in possessionem, wenn aber die Verweige- rung fortdauert, wird ihm durch ein zweytes Decret des Prätors die possessio zugesprochen. Unter dieser war aber die augenblickliche Übertragung des Eigenthums an den bedrohten Nachbar verstanden L. 15 § 23 de damno inf. (39. 2.). ; jedoch nur soweit der Prätor dieses Eigenthum geben konnte, nämlich in bo- nis, so daß es nun noch einer Usucapion bedurfte, um in vollständiges Eigenthum (ex jure quiritium) überzuge- hen L. 5 pr., L. 18 § 15, L. 12, L. 15 § 16, L. 44 § 1 de dam- no inf. (39. 2.). — Diese Stellen passen in dem eben erklärten ur- sprünglichen Sinn nicht mehr zum Justinianischen Recht, welches den Unterschied des bonitarischen und quiritarischen Eigenthums nicht kennt, und unter dessen Herrschaft das zweyte Decret der Obrigkeit gleich unmittelbar das volle Ei- genthum überträgt. Sie müssen also hier unter der Voraussetzung verstanden werden, daß der die Caution verweigernde Besitzer nicht Eigenthümer ist, in welchem Fall freylich der Nachbar auch durch das zweyte Decret nur die b. f. possessio erhält, und das Eigenthum erst durch Usucapion erwerben muß. . Wendet man diesen Hergang auf den die Cau- Schenkung durch bloße Unterlassungen. tion verweigernden Ehemann an, so moͤchte man glauben, hier werde die Übertragung des Eigenthums durch das Veräußerungsverbot der Dotalgrundstücke verhindert; denn es ist unzweifelhaft, daß diese Übertragung nur durch des Mannes Willen herbeygeführt wurde, da er sie entschie- den verhindern konnte, wenn er nur noch vor dem zwey- ten Decret die verlangte Caution stellte. Und dennoch wird ausdrücklich gesagt, daß in jenem Fall der Nachbar wirklich das Eigenthum des baufälligen Hauses erwerbe L. 1 pr. de fundo dot. (23. 5.). „Interdum lex Julia de fundo dotali cessat, si ob id, quod maritus damni infecti non cavebat, missus sit vici- nus in possessionem dotalis praedii, deinde jussus sit pos- sidere: hic enim dominus vici- nus fit, quia haec alienatio non est voluntaria. ” Die letzten Worte wollen nicht sagen, daß des Mannes Wille keinen Ein- fluß auf den eingetretenen Ver- lust gehabt habe (welches falsch wäre), sondern daß der Mann nicht durch eine positive Hand- lung denselben herbeygeführt hat. ; darin liegt aber der bestimmte Ausspruch, daß die bloße Nichthinderung der Übertragung und der Usucapion als eine Verletzung des Veräußerungsverbots nicht betrachtet werden könne. IV. Ganz dieselbe Entscheidung kommt vor in folgendem verwandten Fall. Wenn zur Zeit des alten Rechts eine Frau ihr Landgut, das gerade von einem Fremden beses- sen wurde, dem Mann als Dos einbrachte, welches durch Mancipation, auch bey fehlendem Besitz, vollständig be- wirkt werden konnte Ulpian . XIX. § 6, worin , so hatte der Mann das Recht, Beylage IX. und zugleich die Verpflichtung, das Landgut von dem drit- ten Besitzer zu vindiciren. Versäumte er dieses, so daß durch Usucapion jenes Besitzers das Eigenthum verloren gieng, so war der Mann seiner Frau für diesen Verlust verantwortlich, es müßte denn die Usucapion so kurz nach der Mancipation vollendet gewesen seyn, daß die unter- lassene Vindication nicht als Nachlässigkeit angerechnet wer- den konnte. Man könnte einwenden, dieser Verlust sey unmöglich gewesen, da das Veräußerungsverbot auch den Verlust durch Usucapion umfasse; allein Dieses ist falsch für den angegebenen Fall, da die Usucapion schon vor der Bestellung der Dos anfieng, so daß der Mann nur durch Unterlassung zur Usucapion mitwirkte Die hier im Text entwik- kelten Gedanken sollen als Er- klärung dienen für die sehr be- strittene L. 16 de fundo dot. (23. 5.). Für das ältere Recht macht also diese Stelle keine Schwierigkeit; allein im Justi- nianischen können freylich die Fälle auf dieselbe Weise nicht mehr vor- kommen. Denn hier wird ein Grundstück dotal nur durch Tra- dition ( L. 5 sol. matr., welche ohne Zweifel interpolirt ist), so daß ein von einem Dritten be- sessenes Grundstück vorläufig gar nicht dotal gemacht werden kann. Da indessen die hier aus dem al- ten Recht hergenommene Erklä- rung (wie sogleich gezeigt wer- den wird) gar nicht den positi- ven und praktischen Inhalt der Stelle betrifft, sondern nur ei- nen Einwurf und dessen Beseiti- gung, also lediglich die Deduc- tion, so kann wohl die Anwen- dung des alten Rechts zur Er- klärung der Stelle auf keine Weise bedenklich gefunden werden. — Der positive und praktische In- halt ist allein die Verantwortlich- keit des Mannes für die ver- säumte Vindication; diese aber läßt sich auch noch im neuesten Recht in folgender Weise den- ken. Wenn die Frau ihr in frem- dem Usucapionsbesitz befindliches Grundstück dem Mann als Dos . Es ist anerkannt ist, daß Grundstücke auch in Abwesenheit, also auch ohne Rücksicht auf den gegenwär- tigen Besitz des Eigenthümers, mancipirt werden konnten. Schenkung durch bloße Unterlassungen. nur wahr für den Fall, da der Mann das Dotalgrund- stück selbst veräußert hat; in diesem Fall sollte nicht blos seine Mancipation, als unmittelbare Übertragung des qui- ritarischen Eigenthums, wirkungslos seyn, sondern auch die Tradition sollte nicht, wie in anderen Fällen, die Wirkung der Usucapion haben, da sonst das ganze Ver- bot äußerst leicht umgangen werden konnte Wenn der Mann das Do- talgrundstück verkauft, so ist der Verkauf ungültig ( L. 42 de usurp. 41. 3. „venditio non valet”); daher ist die Tradition ohne ju- sta causa, und kann nicht ein- mal eine Usucapion herbeyführen. . In die- sem letzten Fall also ist es nicht die unterlassene Verhin- derung, wodurch die Usucapion zu einer (verbotenen) Ver- äußerung wird, sondern die eigene positive Handlung des Mannes, die dazu den Grund legte In demselben Sinn, ob- gleich zu anderem Zweck, sagt L. 33 de m. c. don. (39. 6.), wenn der mortis causa Beschenkte usucapire, so sey sein Erwerb (das capere ) abzuleiten nicht von dem bisherigen Eigenthümer, „sed ab eo qui occasionem usucapionis praestitisset.” Auch in unsrem Fall ist es nur die occasio prae- stita, nicht die Unterlassung, wo- durch das Ganze zu einer, Ver- äußerung wird. . In diesem Sinn ist es zu nehmen, wenn Paulus in L. 28 pr. de V. S. (50. 16.) sagt: „Alienationis verbum etiam usucapionem continet: vix est enim ut non videa- tur alienare, qui patitur usucapi.” Wollte man diese Stelle in der unbedingten Allgemeinheit nehmen, deren die verspricht, und ihm zugleich ihre Vindication cedirt, so ist zwar das Grundstück noch nicht dotal, und von dem Veräußerungsver- bot kann dabey noch gar nicht die Rede seyn; dennoch ist der Mann für die rechtzeitige Anwendung der Vindication verantwortlich, und er muß den Werth des ver- lornen Grundstücks ersetzen, wenn er durch seine Nachlässigkeit die Usucapion ablaufen läßt. Beylage IX. Worte allerdings empfänglich sind, so würde sie mit den oben angegebenen klaren Aussprüchen in Widerstreit treten. Es muß also hinzugedacht werden: wenn er selbst zu die- ser Usucapion den Grund gelegt hatte. Eine solche ein- schränkende Erklärung ist in so vielen Stellen der zwey letzten Digestentitel nothwendig, und auch stets angewen- det worden, daß sie in diesem einzelnen Fall keiner beson- deren Rechtfertigung bedarf. V. Dieses Alles sollte nur als Vorbereitung dienen zu un- srer eigentlichen Frage, ob der Ehemann, der von der Frau seine Sache usucapiren lasse, dadurch eine uner- laubte Schenkung vornehme. Der Fall muß demnach so gedacht werden, daß ein Fremder die Sache besitzt und der Frau tradirt, sey es in Folge eines Verkaufs oder einer Schenkung. Hier könnte der Mann gegen die Frau eine Vindication anstellen, er thut es aber nicht, und so läuft die Usucapionszcit ab; liegt nun darin eine verbo- tene, also unwirksame, Schenkung unter Ehegatten? Die- ses ist der Fall, welcher in der viel besprochenen L. 44 pr. de don. int. vir. (24. 1.) beurtheilt wird Diese Stelle habe ich frü- her zu erklären versucht in der Zeitschrift für geschichtl. Rechts- wissensch. B. 1 S. 270. 421; in der Hauptsache halte ich noch jetzt diese Erklärung für wahr, und nur einige Nebenpunkte werde ich hier zu berichtigen suchen. Die älteren Meynungen sind in der angeführten Abhandlung zusam- . Der Fall läßt sich zuerst in einer ganz unzweifelhaften Gestalt Schenkung durch bloße Unterlassungen. denken, und davon redet der erste Theil der Stelle: wenn bis zur vollendeten Usucapion kein Theil von dem Eigen- thum des Mannes Etwas erfährt, so ist ganz gewiß keine Schenkung vorhanden. Rechnen wir diese Gestalt des Falles ab, so bleiben noch folgende drey Möglichkeiten für die Beurtheilung übrig: der Mann allein kann das Eigenthum entdecken; oder die Frau allein; oder endlich beide gemeinschaftlich. Diese drey Gestalten, in welchen der allgemeine Fall erscheinen kann, sollen nunmehr ein- zeln erwogen werden; und zwar zuerst nach allgemeinen Gründen, wodurch zur Erklärung der angeführten Stelle der Weg gebahnt werden soll. VI. 1) Der Mann allein entdeckt, daß er Eigenthümer ist, verschweigt es aber seiner Frau, und läßt die Usucapion ablaufen, um die Frau zu bereichern. Ist das eine wahre Schenkung, und wird also der gewöhnliche Erfolg dieses Verfahrens durch das Verbot einer solchen Schenkung verhindert? Man könnte zuerst das Daseyn der Schenkung aus dem Grund verneinen, weil eine Schenkung nicht ohne Vertrag gedacht werden könne, der aber hier, wegen der mengestellt. Gegen meine Erklä- rung hat sich ausgesprochen ein Recensent in den Heidelberger Jahrbüchern 1816 S. 107 — 111; dessen Meynung soll hier berück- sichtigt werden. Beylage IX. Unwissenheit der Frau, unmöglich ist Diesen Grund, den ich jetzt aufgebe, hatte ich in der Zeit- schrift a. a. O., S. 276, geltend gemacht. . Allein es ist in der Lehre von der Schenkung gezeigt worden, daß dazu auch einseitige Handlungen des Gebers tauglich sind (§ 160), so daß also dieser Grund nicht als entscheidend gelten kann. Will man in dem angegebenen Fall eine verbotene Schenkung annehmen, so läßt sich das in einem zwiefachen Sinn denken: erstlich direct, so daß nun überhaupt keine Usucapion einträte; zweytens indirect, indem zwar die Usu- capion ihre gewöhnliche Wirkung äußerte, hinterher aber der Mann den verlornen Werth der Sache durch eine Condiction zurück fordern könnte. Das erste aber ist völlig unmöglich. Denn das Ver- bot der Schenkung kann in keinem Fall eine größere Wir- kung hervorbringen, als wenn das Gegentheil der als Schenkung angesehenen Thatsache Statt gefunden hätte; so z. B., bey einer Schenkung durch Mancipation, wird Alles so behandelt, als ob gar nicht mancipirt worden wäre. In unsrem Fall also könnte aus der verbotenen Unterlassung des Mannes höchstens Dasselbe folgen, was folgen würde, wenn er Nichts unterlassen, sondern gehan- delt hätte. Worin konnte nun dieses Handeln bestehen? Dejection ist verboten, also mußte der Mann gegen seine Frau vindiciren. Allein die Vindication hindert den Ab- lauf der früher angefangenen Usucapion niemals, sondern giebt nur dem Kläger das Recht, wenn der Richter die Schenkung durch bloße Unterlassungen. Klage gegründet findet, die Rückgabe des einstweilen wirk- lich verlornen Eigenthums zu fordern L. 18 de rei vind. (6. 1.). „Si post acceptum judicium pos- sessor usu hominem cepit, de- bet eum tradere, eoque nomine de dolo cavere: periculum est enim, ne eum vel pigneraverit vel manumiserit.” Der Kläger hat also lediglich einen obligato- rischen Anspruch, gegründet auf die Litiscontestation. Wenn der Besitzer den Sklaven nach Ab- lauf der Usucapionszeit gültig ver- pfänden, ja selbst manumittiren konnte, so mußte er gewiß wah- res Eigenthum erworben haben. — Anstatt tradere mag wohl der Verfasser der Stelle geschrieben haben mancipare. . Was nun die angestellte Vindication als solche Nämlich abgesehen von der vielleicht folgenden Verurtheilung und Execution, die aber theils ungewiß, theils von dem Willen des Mannes unabhängig ist. nicht bewirken kann, wird doch unmöglich durch die unterlassene Vindication bewirkt werden können. Bey dem Nichtgebrauch der Ser- vituten war es ganz anders. Dabey wäre durch das Ge- gentheil der Unterlassung, nämlich schon durch eine einzige Ausübung vor Ablauf der Zeit, der Untergang unfehlbar verhindert worden; und dennoch sollte die Versäumniß den Untergang nicht abwenden (Num. II. ). Wie viel weniger wird dieses bey der Usucapion die Versäumniß vermögen! Was nun die zweyte (die indirecte) Wirkung der ver- botenen Schenkung betrifft, nämlich die Rückforderung der usucapirten Sache durch eine Condiction, so scheint diese nach derselben Analogie der durch versäumte Ausübung verlornen Servitut, behauptet werden zu müssen (Num. II. ); dennoch halte ich auch Dieses für bedenklich. Der wesent- liche Unterschied liegt nämlich darin, daß bey der Servi- tut der Untergang die nothwendige und ausschließende Beylage IX. Folge der Versäumniß ist, bey der Usucapion nicht. Denn bey der Servitut erfolgt der Untergang unfehlbar, wenn die Ausübung unterbleibt, selbst wenn der Eigenthümer die Sache nicht besitzen sollte Nur bey den servitutes praediorum urbanorum ist Die- ses anders, weil zu deren Ver- lust außer dem nonusus auch noch eine besondere libertatis usuca- pio gefordert wird. L. 32 § 1 de serv. praed. urb. (8. 2.). ; umgekehrt wird eben so unfehlbar der Untergang abgewendet durch jede Ausübung. Die Usucapion dagegen kann verhindert werden ungeachtet der Versäumniß, wenn nämlich die Frau durch Zufall den Besitz verliert; umgekehrt wird die Gefahr des Verlustes nicht nothwendig abgewendet durch die Vorsicht des Man- nes: denn wenn er auch vindicirt, kann er dennoch den Prozeß verlieren durch Mangel an Beweismitteln, so wie durch Irrthum oder bösen Willen des Richters. Diese Unterlassung des Mannes ist also nicht so, wie der Nicht- gebrauch der Servitut, unfehlbare Zuwendung eines Ver- mögensvortheils, folglich ist auch kein Grund zu einer Condiction vorhanden Man könnte einwenden, daß nach L. 16 de fundo dot. (23. 5.) der Mann mit der do- tis actio für die unterlassene Vin- dication verantwortlich gemacht wird (rem periculi sui fecit, s. o. Num. IV. ). Allein diese Ver- pflichtung gründet sich auf Culpa, und bey deren Beurtheilung kommt stets die Wahrscheinlich- keit des Erfolgs in Betracht. Das juristische Wesen der Schenkung dagegen kann nur da angenom- men werden, wo die Bereicherung aus dem Thun oder Lassen des Gebers nothwendig und ausschlie- ßend folgt, so daß sie unter der Voraussetzung eines entgegenge- setzten Verfahrens unfehlbar un- terblieben wäre. . Schenkung durch bloße Unterlassungen. VII. 2) Die zweyte Möglichkeit besteht darin, daß die Frau allein (die usucapirende Besitzerin) das Eigenthum des Mannes entdeckt. Daß hier keine Schenkung entgegen steht, ist ganz un- zweifelhaft, da das Bewußtseyn des Gebers, die Grund- bedingung aller Schenkung, gänzlich fehlt; nach Römi- schem Recht würde in diesem Fall überhaupt Nichts der Usucapion im Wege stehen. Allein der Besitz der Frau wird durch ihre Entdeckung des fremden Eigenthums ein unredlicher; und da das canonische Recht, abweichend von dem Römischen, nicht blos für den Anfang des Besitzes, sondern für dessen ganze Dauer, redliches Bewußtseyn des Besitzers fordert, so wird durch jene Entdeckung die Mög- lichkeit der Usucapion ganz ausgeschlossen, welche Aus- schließung also mit dem Verbot der Schenkung gar keinen Zusammenhang hat. VIII. 3) Es bleibt endlich noch der Fall zu betrachten übrig, da Mann und Frau zugleich das Eigenthum des Mannes erfahren, und über die Fortsetzung des Besitzes und der Usucapion einverstanden sind. Auch hier könnte man zunächst wieder an ein unred- liches Bewußtseyn der Frau denken, da sie von dem frem- den Eigenthum Kenntniß bekommt. Allein dieser Umstand Beylage IX. allein würde ihr nicht im Wege stehen, da der Eigenthü- mer in die Fortsetzung des Besitzes einwilligt. Dagegen tritt in diesem Fall in der That die verbotene Schenkung als Hinderniß ein, wodurch die Usucapion ausgeschlos- sen wird. Das Rechtsverhältniß ist nämlich vollständig so zu den- ken. Indem beide Theile von dem Eigenthum des Man- nes überzeugt sind, so daß es nur von seinem Willen ab- hängen würde, den Besitz sogleich wieder zu erhalten, er aber von dieser Möglichkeit freywillig keinen Gebrauch macht, so liegt darin eine wahre Schenkung. Es ist hier so zu betrachten, als hätte die Frau die Sache ihrem Manne zurückgegeben, und unmittelbar aus seinen Hän- den wieder empfangen. Völlig derselbe Hergang kommt auch unter anderen Umständen unzweifelhaft vor. Wenn meine Sache in fremdem Besitz ist, und ich den Besitzer (in Folge eines Kaufs oder einer Schenkung) zum Eigen- thümer machen will, so wird er es unmittelbar, ohne sicht- bar hervortretende Handlung L. 21 § 1 de adqu. rer. dom. (41. 1.). „Si rem meam possideas, et eam velim tuam esse: fiet tua, quamvis posses- sio apud me non fuerit.” Eben so L. 46 de rei vind. „domini- um statim ad possessorem pertinet.” ; dieses geschieht durch ein sogenanntes constitutum possessorium mit unmittelbar darauf folgender brevi manu traditio. In solchen Fällen also kann man sagen, was Ulpian von dem Fall sagt, da ich meinem Schuldner auftrage, das Geld, welches er mir zahlen will, einem Dritten zu bezahlen: es sey so an- Schenkung durch bloße Unterlassungen. zusehen, als sey das Geld zuerst von dem Schuldner mir, dann von mir dem Dritten übergeben worden; „nam ce- leritate conjungendarum inter se actionum unam actio- nem occultari” L. 3 § 12 de don. int. vir. (24. 1.). . Also auch in unsrem Fall ist es ganz so anzusehen, als hätte die Frau die Sache dem Mann, dessen Eigen- thum sie anerkennt, wirklich zurück gegeben, und als ein Geschenk aus seiner Hand wieder empfangen; durch die Rückgabe ist die bisher laufende Usucapion unterbrochen, und mit dem neuen Empfang würde eine neue pro dona- tio usucapio anfangen, wenn nicht diese Schenkung, als nichtige Handlung, zur justa causa ganz untauglich wäre. So muß also in diesem Fall die Usucapion der Frau un- möglich werden. Auf den ersten Blick nun könnte man glauben, daß wenigstens in diesem Fall das bloße Unterlassen des Man- nes als Schenkung gelte; in der That aber ist es ein po- sitives, nur verstecktes, Handeln desselben, welches hier die Schenkung ausmacht. Der angegebene Grund der Entscheidung kann zugleich als Bestätigung dienen für die entgegengesetzte Entschei- dung des ersten Falles (Num. VI. ). Denn welche Kraft auch man dem einseitigen Wissen und Wollen des Man- nes beylegen möge, so wird doch Jeder zugeben, daß da- durch der Besitz der Frau nicht aufgehoben wird; gerade in diesem aufgehobenen Besitz der Frau liegt aber der IV. 37 Beylage IX. Grund, wodurch die Fortsetzung und Vollendung der bis- her laufenden Usucapion in dem dritten Fall unmög- lich wird. IX. Nachdem nun die einzelnen Fälle aus allgemeinen Ge- sichtspunkten betrachtet worden sind, soll die Bestätigung der aufgestellten Behauptungen in der oben angeführten Stelle ( L. 44 de don. int. vir. et ux. ) nachgewiesen wer- den. Der erste Theil derselben enthält den ohnehin un- zweifelhaften Satz, daß die Usucapion der Frau unbedenk- lich ist, wenn keinem Theil das Eigenthum des Mannes bekannt wird. Hierauf folgen (nach meiner Abtheilung und Erklärung) die zwey letzten der drey so eben beur- theilten Fälle, und zwar zuerst der dritte, dann der zweyte; der erste wird gar nicht erwähnt. Der dritte Fall ist in folgenden Worten enthalten: Sed si vir rescierit suam rem esse priusquam usuca- piatur, vindicareque eam poterit nec volet, et hoc et mulier noverit, interrumpetur possessio, quia transiit in causam ab eo factae donationis. In diesen Worten finde ich die vollständige Bestäti- gung des so eben (Num. VIII. ) entwickelten juristischen Hergangs. Da es jetzt so zu betrachten ist, als hätte die Frau den Besitz dem Mann zurück gegeben, und von ihm wieder empfangen, so ist ihr bisheriger Besitz wirklich un- terbrochen ( interrumpetur possessio ). Ihre bisherige caus Schenkung durch bloße Unterlassungen. possidendi (die erlaubte Schenkung des Dritten) hat also aufgehört zu wirken, und es ist an die Stelle getreten ein neuer Besitz mit einer neuen causa, nämlich der verbote- nen Schenkung unter Ehegatten, worauf sich keine Usuca- pion gründen kann ( transiit in causam ab eo factae do- nationis ). Hierauf folgt die Betrachtung des zweyten Falles (Num. VII. ) in folgenden Worten: Ipsius mulieris scientia propins est, ut nullum adqui- sitioni dominii ejus adferat impedimentum: non enim omnimodo uxores ex bonis virorum, sed ex causa do- nationis ab ipsis factae, adquirere prohibitae sunt. Das heißt: wenn das Eigenthum des Mannes nicht beiden Ehegatten, sondern nur der Frau allein, bekannt wird Ipsius also steht hier für solius, folglich als Gegensatz von utriusque. Diese Bedeutung von ipse ist nach anderen Stellen un- zweifelhaft. Vgl. L. 17 § 2 de praescr. verb. (19. 5.), L. 21 de damno infecto (39. 2.), Ga- jus I. § 190, Ulpian. XIX. § 7. , so schadet Das der Usucapion nicht, da den Frauen nicht jeder Erwerb aus des Mannes Vermögen, sondern nur der auf des Mannes Schenkung gegründete, untersagt ist, welche Schenkung aber, wegen des Mannes Unwissenheit, hier gar nicht denkbar ist. Der erste Fall (da blos der Mann um das Eigenthum weiß) wird in der Stelle nicht berührt; man kann aber wohl annehmen, daß Neratius in diesem Fall, eben so wie in dem zuletzt erwähnten zweyten Fall, die Usucapion zulassen will: sonst hätte er schwerlich das Mitwissen der 37* Beylage IX. Frau ausdrücklich als Bedingung der ausgeschlossenen Usu- capion bezeichnet ( et hoc et mulier noverit, welches ja unter Voraussetzung einer entgegengesetzten Meynung ganz gleichgültig gewesen wäre). X. Die gewöhnliche Interpunktion der Stelle weicht von der hier angenommenen in folgender Weise ab: quia transiit in causam ab eo factae donationis ipsius mulieris scientia. Propius est ut nullum .. adferat impedimentum. Hiernach würde die zweyte Hälfte der ganzen Stelle nicht, wie ich annehme, zwey Fälle zum Gegenstand ha- ben, sondern allein den Fall des beiderseitigen Wissens. Da nun aber, nach dieser Interpunktion, ein Widerspruch zwischen dem interrumpetur possessio und den Worten: nullum .. adferat impedimentum entstehen würde, so ha- ben sich von jeher die Meisten dadurch zu helfen gesucht, daß sie hinter mulieris scientia den Punkt in ein Frage- zeichen verwandelt haben. Dadurch werden die Worte interrumpetur possessio zu einer bloßen Frage, und die folgenden Worte enthalten die verneinende Antwort, wo- durch allerdings der Widerspruch beseitigt wird; das Re- sultat der Stelle ist dem von mir angenommenen gerade entgegengesetzt. Wie wenig aber, auf diese Interpunktion gebaut, eine befriedigende Erklärung bisher gelingen wollte, Schenkung durch bloße Unterlassungen. habe ich in meiner früheren Abhandlung (Num. V. a ) zu zeigen versucht. Neuerlich hat sich nun für dieselbe Interpunktion der Heidelberger Recensent meiner Abhandlung ausgesprochen, und dessen Erklärung ist jetzt noch in Erwägung zu zie- hen. Er nimmt an, die Schenkung des Dritten wirke stets fort, und die auf sie gegründete Usucapion gebe der Frau wirklich das Eigenthum. Daneben aber bestehe auch eine wirkliche Schenkung des Mannes an die Frau Die wirkliche Schenkung des Mannes sieht sich auch der Rec. genöthigt anzunehmen (S. 108. 109), und zwar wegen der Worte quia transiit, die nicht proble- matisch gefaßt sind (wie wenn es hieße: quasi transeat ), sondern assertorisch, also nicht einen Theil des in Frage gestellten Satzes bilden können. , wodurch die Usucapion zwar nicht begründet, aber auch nicht gehindert werde. — Aus zwey Gründen kann ich diese Erklärung nicht für zulässig halten. Erstlich steht sie im Widerspuch mit dem Ausdruck transiit. Dieser kann nur gebraucht werden, wo das eine Verhältniß verschwin- det, ein anderes an dessen Stelle tritt, nicht wenn beide neben einander bestehen; so z. B. kann man von einer Schuld bey der Novation wohl sagen: transit in expro- missorem, aber gewiß nicht bey der Bürgschaft: transit in fidejussorem. Zweytens ist nicht einzusehen, welche Bereicherung nach dieser Annahme durch des Mannes Schenkung eigentlich bewirkt werden sollte. Die b. f. pos- sessio hat die Frau durch die Schenkung des Dritten er- halten, die Usucapion soll gleichfalls eine Folge derselben Beylage IX. seyn, es bleibt also gar Nichts übrig, was die Frau der Liberalität des Mannes zu verdanken hätte, und wodurch wir veranlaßt werden könnten, eine Schenkung des Man- nes zu behaupten, wie es doch hier anerkanntermaßen von Neratius geschieht; Alles, was sie nach jener Erklärung bekommt, würde sie auch bekommen, wenn der Mann sein Eigenthum nicht erfahren hätte. XI. Eine fernere Unterlassung, wodurch ein Ehegatte den andern bereichern kann, findet sich bey der Klagverjäh- rung . Wenn also der Mann gegen seine Frau eine Schuld- klage hat, und die Verjährung derselben wissentlich ab- laufen läßt, liegt darin etwa eine verbotene Schenkung? Eine ausdrückliche Erklärung unsrer Rechtsquellen fin- den wir hierüber nicht. Halten wir uns blos an die Ana- logie der Usucapion, so müssen wir zuerst sagen, der Ab- lauf der Verjährung werde an sich nicht verhindert, es werde also wirklich dem Schuldner die temporalis prae- scriptio erworben. Wir müssen auch hinzufügen, es liege darin nicht einmal eine indirecte ganz sichere Bereicherung, indem hier, wie bey der Usucapion, wenn auch wirklich die Klage angestellt wurde, dennoch der Erfolg derselben ungewiß blieb. Ja es kann bey der Klagverjährung nicht einmal der Fall vorkommen, der durch Unterbrechung des Besitzes die bisher laufende Usucapion in der That stören konnte (Num. VIII. ). Zur Unterstützung dieser Ansicht Schenkung durch bloße Unterlassungen. kann man auch noch folgenden Grund anführen. In der Lehre von der Schenkung ist dargethan worden, daß die Zahlung oder Expromission einer naturalis obligatio nicht als Schenkung gelte (§ 149. a. i ). Da nun durch die Klagverjährung lediglich eine civilis obligatio in eine na- turalis verwandelt wird, so scheint auch diese umgekehrte Veränderung nicht als Schenkung betrachtet werden zu dürfen Für ganz entscheidend dürfte indessen dieser Grund nicht gel- ten. Die naturalis obligatio hat ihren Halt, abgesehen von zufäl- ligen Zwangsmitteln, in der recht- lichen Gesinnung des Schuldners, und darum hauptsächlich gilt hier die freywillige Zahlung oder Ex- promission nicht als Schenkung, sondern als gewöhnliche Schul- denzahlung. Wenn aber der Glau- biger die Klagverjährung wissent- lich ablaufen läßt, welches nur eine Form des Erlasses ist, so ist durch dessen Willen in dem Schuld- ner jener Beweggrund (der frey- willigen Pflichterfüllung) aufge- hoben. . Man könnte jedoch folgende Einwendung versuchen. Wenn ein insolventer Schuldner die ihm zustehende Klage wissentlich durch Verjährung untergehen läßt, so kann al- lerdings die Pauliana actio gegen den befreyten Beklagten angestellt werden; eben so verhält es sich mit der Fa- viana L. 3 § 1 quae in fraud. (42. 8.) „vel a debitore non pe- tit, ut tempore liberetur.” L. 1 § 7. 8 si quid in fraud. (38. 5.). Vgl. § 145. u. . Hierin scheint also ein solches Verfahren in der That als wahre Veräußerung anerkannt zu seyn. Indes- sen ist diese Analogie nicht entscheidend, weil bey den er- wähnten beiden Klagen eine größere Strenge durch die Unredlichkeit des Schuldners oder des Freygelassenen wohl gerechtfertigt werden kann. Beylage IX. XII. Auf ähnliche Weise, wie durch Klagverjährung, konnte im älteren Prozeß der Klagberechtigte seinen Anspruch ent- kräften, wenn er die Klage durch Prozeßverjährung untergehen ließ, oder durch Ausbleiben vor Gericht die Abweisung der Klage bewirkte Diese Fälle werden bey der Pauliana erwähnt. L. 3 § 1 quae in fraud. (42. 8.) „.. si forte data opera ad judicium non ad- fuit, vel litem mori patiatur.” Über das litem mori vgl. Ga- jus IV. § 105. 106. . Ich glaube, daß diese Unterlassungen aus denselben Gründen, wie die zugelas- sene Klagverjährung, nicht als Schenkung gelten konnten. XIII. Dagegen hat es eine ganz andere Natur, wenn der Kläger seine Klage absichtlich durch eine Exception des Beklagten entkräften läßt, das heißt indem er es unter- läßt, die wirklich begründete Vertheidigung gegen jene Ex- ception vorzubringen. Dieses ist eine wahre Schenkung, und begründet daher unter Ehegatten eine Rückforderung durch Condiction L. 5 § 7 de don. int. vir. (24. 1.). Vgl. § 158. k. l. Es ist nämlich nur eine Form für den Erlaß der Schuld. . Eben so muß es sich umgekehrt ver- halten, wenn der Beklagte eine ihm zustehende Exception nicht vorbringt, und dadurch die Verurtheilung hervor- bringt; es ist dieses eine indirecte Weise, in ein Schuld- verhältniß freywillig einzutreten zur Bereicherung des Geg- ners (vgl. § 157. o. p ). Schenkung durch bloße Unterlassungen. Der Unterschied dieser Fälle von der zugelassenen Klag- verjährung liegt aber in Folgendem. Die ganze Prozeß- führung muß als ein untrennbares Ganze angesehen wer- den, worin Thun und Lassen nicht abgesondert betrachtet werden können. Es ist also in den zuletzt erwähnten Fäl- len stets anzunehmen, daß die eine Partey durch die Art ihrer Prozeßführung, also durch positive Thätigkeit, den Verlust des Prozesses absichtlich herbeygeführt hat. XIV. Eine besondere Betrachtung verdient noch die Regel des älteren Rechts, nach welcher die Forderung eines Glaubigers an Sponsoren und Fidepromissoren nur zwey Jahre dauern, also durch Ablauf dieser Zeit ipso jure untergehen sollte Gajus III. § 121. . Hatte nun der Mann bey seiner Frau in diesen Formen für einen Dritten Bürgschaft ge- leistet, und ließ die Frau die zwey Jahre ohne Klage ab- sichtlich verstreichen, so war dieses so gut als ein Erlaß der Bürgschaft, und könnte daher als Schenkung angese- hen werden. In der That hat dieser Fall große Ähnlich- keit mit dem Untergang der Servituten durch Nichtge- brauch, welcher auch ipso jure eintritt, und in welchem wirklich eine Schenkung angenommen wird (Num. II. ). Dennoch aber ist in diesem Fall keine Schenkung anzuneh- men, weil überhaupt der einem Bürgen gewährte Erlaß seiner Verbindlichkeit keine wahre Schenkung ist (§ 158). Beylage IX. XV. Alles, was bisher über die Schenkungsnatur bloßer Unterlassungen in Anwendung auf Ehegatten ausgeführt worden ist, muß nun eben so auch auf die Insinuation und Revocation der Schenkungen angewendet werden. Auch hier also wird in den meisten Fällen der bloßen Unterlas- sung das Daseyn einer Schenkung verneint werden müs- sen; in den Fällen aber, worin unter Ehegatten eine Schenkung angenommen wurde, muß sie auch in diesen Anwendungen gelten. Wenn also eine Servitut durch ab- sichtlichen Nichtgebrauch des Inhabers untergeht, so ist dabey freylich eine Insinuation gar nicht denkbar; es kann aber der Werth derselben, soweit er 500 Dukaten über- steigt, als ungültig geschenkt zurückgefordert werden. Eben so kann der Inhaber diese durch seinen Willen zerstörte Servitut wegen Undankbarkeit des beschenkten Eigenthü- mers zurückfordern. — Dasselbe muß gelten, wenn wäh- rend einer laufenden Usucapion der Eigenthümer und der Besitzer das wahre Rechtsverhältniß erfahren, und über die Fortsetzung und Vollendung des Usucapionsbesitzes ein- verstanden sind. Wegen Undankbarkeit kann hier stets wi- derrufen werden, und wenn die Sache mehr werth ist als 500 Dukaten, so ist die Schenkung theilweise nichtig. Einfluß der Schenkung auf dritte Personen. Beylage X. Einfluß der Schenkung auf dritte Personen . (Zu § 157. 158. 163. 167. 169.) I. Etiam per interpositam personam donatio consummari potest sagt Paulus in L. 4 de donat. (39. 5.). Den Wor- ten nach könnte Dieses gehen auf solche Fälle, da eine fremde Person blos als Werkzeug der Ausführung ge- braucht wird, indem etwa das Geschenk durch einen Bo- ten des Gebers überbracht, oder durch einen Boten des Empfängers abgeholt wird. Es ist aber dabey vielmehr an diejenigen Fälle zu denken, da die Schenkung vermit- telst eines wirklichen, mit einer dritten Person abgeschlos- senen, Rechtsgeschäfts bewirkt werden soll. Trifft nun ein solches Verfahren zusammen mit einer, gerade diese Schenkung einschränkenden, Rechtsregel, ist es z. B. auf die Bereicherung eines Ehegatten abgesehen, so entsteht die Frage, ob diese Rechtsregel auch auf das Rechtsgeschäft mit jenem Dritten zurückwirkt, oder ob dasselbe unberührt davon bleibt. Ich will zuerst Dasjenige zusammen stellen, was sich über diese Frage unmittelbar in unsren Rechts- quellen findet, und dann die darin nicht berührten Anwen- dungen besonders untersuchen. Beylage X. II. Bey der Schenkung unter Ehegatten wird zuerst das allgemeine Princip ausgesprochen, daß in solchen Fällen auch das mit dem Dritten abgeschlossene Rechtsgeschäft völlig nichtig sey L. 5 § 2 de don. int. vir. (24. 1.). „Generaliter tenendum est, quod inter ipsos, aut qui ad eos pertinent, aut per in- terpositas personas donationis causa agatur, non valere.” — Von dieser Anwendung handelt Heldewier de donatione inter conjuges per alium facta pro- hibita Lugd. Bat. 1777. 4; er faßt jedoch die Frage viel zu ein- seitig auf. . Die einfachste Anwendung dieses Princips ist folgende. Der Mann beschenkt seine Frau durch eine Liberation, in- dem er ihrem Glaubiger für sie expromittirt. Hier ist Alles nichtig, sowohl die Verbindlichkeit des Mannes ge- gen den Glaubiger, als die Befreyung der Frau; Alles bleibt in dem früheren Zustand L. 5 § 4 de don. int. vir. (24. 1.). „Si uxor viri credi- tori donationis causa promise- rit et fidejussorem dederit, ne- que virum liberari, neque mu- lierem obligari vel fidejusso- rem ejus, Julianus ait: perin- deque haberi, ac si nihil pro- misisset.” . — Schlechthin nöthig zur Aufrechthaltung des Verbots war diese Behandlung nicht, denn man konnte auch die Verbindlichkeit und die Befreyung gelten lassen, und nur dem Mann eine Con- diction gegen die Frau geben, wie wenn er ihr baares Geld geschenkt hätte. Allein sicherer durchgreifend war jene Behandlung allerdings, indem nun das Verbot nicht durch zufällige Umstände, z. B. durch Insolvenz der Frau, unwirksam gemacht werden konnte. Einfluß der Schenkung auf dritte Personen. III. Ganz eben so verhält es sich, wenn das Geschenk in einer verschafften Schuldforderung besteht, das heißt wenn der Mann seinem Schuldner aufträgt, seiner Frau zu ex- promittiren. Auch hier ist wieder Alles nichtig, indem der Schuldner weder gegen den Mann befreyt, noch gegen die Frau verpflichtet wird L. 5 § 3 de don. int. vir. (24. 1.) „Si debitor viri pecu- niam, jussu mariti, uxori pro- miserit, nihil agitur.” L. 39 eod. „ … Respondi, inanem fuisse eam stipulationem.” — Eben so ist es auch, wenn der Delegirte nicht ein bisheriger Schuldner des Gebers ist, son- dern nur im Auftrag desselben dem Empfänger promittirt, wo- durch ihm der Geber mit der man- dati actio verpflichtet wird. Die- ser Fall kommt vor in L. 52 § 1 eod. (nur mit einer größeren Ver- wicklung, weil es zugleich mortis causa donatio ist) „.. defuncto viro viva muliere, stipulatio solvitur … nam quo casu in- ter exteros condictio nascitur, inter maritos nihil agitur. ” Vgl. § 157. s 1 , § 171. m. . Merkwürdig ist hierbey noch die fernere Entwicklung eines solchen Rechtsgeschäfts. Wenn in anderen Fällen eines nichtigen Geschäfts aus Irrthum gezahlt wird, so ist die Zahlung an sich gültig, das Eigenthum des Geldes geht über, und der Zahlende hat nur eine indebiti con- dictio auf Rückgabe einer gleichen Summe L. 23 pr. § 1. 2, L. 41 de cond. indeb. (12. 6.). . Hier ist es anders. Wenn der delegirte Schuldner des Mannes an die Frau zahlt, so ist auch diese Zahlung nichtig; der Schuldner kann das gezahlte Geld, so lange es vorräthig ist, vindiciren, und nach der Consumtion condiciren: gegen den Mann wird er durch diese Zahlung eben so wenig Beylage X. ipso jure frey, als vorher durch die Expromission. Da er aber nach dem Willen des Mannes gezahlt hat, so schützt er sich gegen dessen Schuldklage durch eine doli exceptio, wobey er jedoch seine Vindication des vorräthi- gen Geldes dem Manne cediren muß. Für die Condiction bedarf es nicht einmal einer Cession; denn da die Frau um das consumirte (nicht etwa verschwendete) Geld durch Vermittlung des Mannes reicher geworden ist, so hat der- selbe gegen sie die Condiction schon unmittelbar Dieses ist der Inhalt der merkwürdigen, von Julian her- rührenden, L. 39 de don. int. vir. (24. 1.), deren erster Theil schon in Note a benutzt wor- den ist. . — Dasselbe, was hier als besondere Folge der Zahlung aus der nichtigerweise übernommenen Schuld gesagt worden ist, muß eben so auch in dem vorher erwähnten Fall, da die Schenkung durch Liberation der Frau bewirkt werden sollte, gelten (Num. II. ). IV. Dasselbe scheint nun auch gelten zu müssen, wenn der Mann seinem Schuldner aufträgt, die Schuld an die Frau zu zahlen, welche dadurch beschenkt werden soll; der Schuld- ner müßte verpflichtet bleiben, und das gezahlte Geld durch Vindication von der Frau wieder fordern. Hier ist es jedoch anders, in Folge der freyeren Entwicklung, die in der Lehre vom Besitz eingetreten ist. Es wird nämlich so betrachtet, als wäre das Geld von dem Schuldner an Einfluß der Schenkung auf dritte Personen. den Mann, von diesem an die Frau gegeben worden. Da- her wird der Schuldner frey, und der Mann hat die ge- wöhnlichen Rechtsmittel gegen die Frau L. 3 § 12 de don. int. vir. (24. 1.) von Ulpian, welcher sich auf das Zeugniß des (jüngeren) Celsus beruft. Von demselben Fall sagt L. 26 pr. eod. nur, daß die Frau keinen Civilbesitz (also noch weniger Eigenthum) erwer- be; wer nun das Eigenthum habe, wird nicht ausgedrückt. — Als wi- dersprechend könnte man ansehen L. 39 eod. (Num. III. ), nach wel- cher der Schuldner Eigenthümer des Geldes bleiben soll; allein dieser zahlte nicht in Auftrag des Mannes, sondern um seine ei- gene Obligation, die er für gül- tig übernommen hielt, zu tilgen: er hatte also gar nicht die Ab- sicht, den Mann zum Besitzer und Eigenthümer des Geldes zu ma- chen, welches doch die Grundlage jedes constituti possessorii seyn muß. . Ganz das- selbe gilt, wenn der Mann die Zahlung an die Frau nicht seinem Schuldner aufträgt, sondern Dem welcher ihn be- schenken will; der Mann wird Eigenthümer, und fordert die Sache von der Frau zurück L. 3 § 13 de don. int. vir. (24. 1) von Ulpian, der sich auf die Autorität des Julian be- ruft. Dasselbe sagt in L. 4 eod. Julian selbst von einem Fall, worin der Dritte dem Mann mor- tis causa schenken will. Dieser letzte Fall kommt auch noch vor in L. 56 eod, worin jedoch Scä- vola blos die Ungültigkeit der Tra- dition an die Frau ausspricht, ohne das Schicksal des Eigenthums nä- her zu bestimmen. . Eben so auch, wenn der Dritte weder um eine Schuld zu zahlen, noch um dem Manne zu schenken, sondern nur in Folge eines Mandats des Mannes, der Frau tradirt L. 52 § 1 de don. int. vir. (24. 1.) „.. ut traditio, quae mandante uxore mortis causa facta est. Vergl. Num. III. a , und § 157. s 1 . . Eben so aber wird es sich auch verhalten, wenn der Mann seine Frau dadurch beschenken will, daß er ihrem Glaubiger baare Zahlung leistet. Nach der Strenge des Beylage X. älteren Rechts wäre hier gar Nichts geschehen, die Frau bliebe Schuldnerin, der Mann könnte das Geld vindici- ren, oder, wenn es ausgegeben ist, condiciren. Nach der eben dargestellten freyeren Behandlung ist es, als ob das Geld von dem Mann an die Frau, von der Frau an den Schuldner, gegeben wäre. Die Frau hat also Besitz des Geldes erworben, aber kein Eigenthum. Sie hat also ih- ren Glaubiger mit fremdem Gelde bezahlt, welche Zah- lung zunächst ungültig ist, durch die Consumtion aber gültig wird L. 17 de solut. (46. 3.), L. 19 § 1 de reb. cred. (12. 1.). . Daher kann der Mann das Geld vindi- ciren, so lange es der Glaubiger abgesondert vorräthig hat; ist es ausgegeben, so wird die Frau von ihrer Schuld frey, und nun hat der Mann gegen sie die gewöhnliche Condiction, wie aus jeder anderen Bereicherung. Es ist ganz zufällig, daß dieser Fall nicht so, wie der vorige, in unsren Quellen erwähnt worden ist. V. Mit den so eben entwickelten Regeln scheint jedoch fol- gende Stelle des Afrikanus im Widerspruch zu stehen: L. 38 § 1 de solut. (46. 3.). Si debitorem meum jusserim Titio solvere, deinde Titium vetuerim accipere, et debitor ignorans sol- verit: ita eum liberari existimavit, si non ea mente Titius numos acceperit, ut eos lucretur: alioquin, quoniam furtum eorum sit facturus, mansuros eos Einfluß der Schenkung auf dritte Personen. debitoris: et ideo liberationem quidem ipso jure non posse contingere debitori, exceptione tamen eum suc- curri aequum esse, si paratus sit condictionem fur- tivam, quam adversus Titium habet, mihi praestare: (sicuti servatur, cum maritus uxori donaturus, de- bitorem suum jubeat solvere. Nam ibi quoque, quia numi mulieris non fiunt, debitorem non li- berari: sed exceptione eum adversus maritum tuen- dum esse, si condictionem, quam adversus mulie- rem habet, praestet) Die letzten Worte ( si con- dictionem … praestet ) sind mit Unrecht in der Göttinger, so wie in neueren, Ausgaben als For- mel der Exception abgedruckt. Die Exceptionen wurden negativ aus- gedrückt, wie es Gajus IV. § 119 allgemein sagt, und womit viele Beyspiele in den Digesten über- einstimmen. Die Exception ist hier keine andere als die doli exceptio. . Furti tamen actionem in proposito in proposito, das heißt in dem Rechtsfall, wovon die ganze Stelle eigentlich handelt, und in welchen der Fall von der Schenkung unter Ehegatten nur zur Vergleichung eingeschaltet war. mihi post di- vortium Die Worte post divortium machen die Stelle ganz sinnlos. Auf den ersten Fall passen sie nicht, weil in demselben von kei- ner Ehe die Rede war; auf den zweyten nicht, weil in demselben gar nicht die Möglichkeit eines Diebstahls vorhanden ist. Ohne Zweifel beruhen sie auf einer un- geschickten Interpolation, wodurch die Compilatoren, die aus Über- eilung den Schluß der Stelle auf den eingeschalteten Fall bezogen, nicht sowohl die Stelle ändern, als vielmehr dem Leser einschär- fen wollten, daß während der Ehe die furti actio nicht gelte. So werden die Worte auch von der Glosse aufgefaßt, die freylich an eine Interpolation nicht denkt. — Diese ganze Erklärung rührt übri- gens nicht von mir her, sondern von Ant. Faber conjectur. III. 19. competituram, quando mea intersit in- terceptos numos non esse. IV. 38 Beylage X. Der Jurist spricht im Anfang und am Schluß der Stelle von einem Fall, der unsre gegenwärtige Frage gar nicht berührt. Blos zur Vergleichung zieht er den Fall von einer Schenkung unter Ehegatten herbey, der hier im Abdruck eingerückt ist. Von diesem nun sagt er, daß der Schuldner des Mannes, der auf dessen Auftrag an die Frau zahle, dadurch gegen den Mann nicht frey werde, sondern nur gegen die Frau eine Condiction habe Vorausgesetzt nämlich, daß das Geld ausgegeben ist; auf das vorräthige Geld hätte ohne Zwei- fel Afrikanus dem Schuldner eine Vindication gegeben. ; nur durch Cession dieser Klage an den Mann werde er auch gegen diesen frey, also nur per exceptionem. Dieser Ausspruch steht in offenbarem Widerspruch mit der Annahme des Celsus, Julian und Ulpian, nach wel- cher der zahlende Schuldner unsichtbarerweise Besitz und Eigenthum des Geldes auf den Mann bringt, und da- durch sogleich gänzlich aus allem Rechtsverhältniß aus- scheidet. Es ist hieraus klar, daß Afrikanus dem consti- tutum possessorium einen weniger ausgedehnten Einfluß, als jene andere Rechtslehrer, zuschreibt. Gerade diese seine Ansicht aber ist uns auch schon aus einer anderen merkwürdigen Rechtsfrage bekannt. Wenn Einer seinem Schuldner Auftrag giebt, einem Dritten zu zahlen, der das Geld als Darlehen haben soll, so entsteht dadurch wirklich ein Darlehen; eben so aber auch, wenn Einer seinem Procurator erklärt, er möge das aus dem Mandat Einfluß der Schenkung auf dritte Personen. herauszuzahlende Geld als Darlehen behalten. Afrikanus nun gab den ersten dieser Sätze zu, als ein benigne re- ceptum, den zweyten verneinte er L. 34 pr. mandati (17. 1.). ; Ulpian nimmt auch den zweyten an, weil es consequent sey, Dasjenige was der Glaubiger, ohne sichtbares Handeln, durch Zwey ihm gegenüber stehende Personen bewirken könne, auch durch Eine Person geschehen zu lassen L. 15 de reb. cred. (12. 1.). Vergl. oben § 44. s. — Zu der freyeren Behandlung, bey dem Darlehen, bekennen sich auch L. 11 pr. de reb. cred. (12. 1.), L. 3 § 3 ad Sc. Maced. (14. 6.), L. 8 C. si certum pet. (4. 2.), welche sämmtlich annehmen, ein Darle- hen könne auch durch eine nicht in Geld bestehende (von dem Em- pfänger zu verkaufende) Sache ge- schlossen werden, und durch diese Annahme gleichfalls mit L. 34 pr. mandati (17. 1.) in Widerspruch treten. . — In beiden Rechts- fragen liegt also vor unsren Augen die allmälige Entwick- lung des constituti possessorii in seinem Einfluß auf an- dere Rechtsgeschäfte. Es kann aber keinen Zweifel ha- ben, daß die neueste und freyeste Entwicklung jenes Rechts- instituts als das eigentliche Resultat, folglich als der letzte Ausspruch der ganzen Gesetzgebung, anzusehen ist Man könnte einwenden, Celsus und Julian, die sich zu der freyeren Ansicht bekannten, seyen um Etwas älter als Afri- kanus. Allein in dem Fortschritt der Meynungen lassen sich nie- mals feste Zeitgränzen in der Art annehmen, daß vor und nach den- selben alle Meynungen unter sich übereinstimmend seyn müßten; es bedarf oft einer längeren Zeit, damit die freyere Meynung, An- fangs vertheidigt und angefoch- ten, endlich zu allgemeiner An- erkennung gelange. ; mag nun die Aufnahme älterer und beschränkterer Mey- nungen aus einem Versehen der Compilatoren hervorge- 38* Beylage X. gangen seyn, oder aus der bestimmten Absicht, ein Stück der inneren Rechtsgeschichte darzustellen. VI. Ich gehe jetzt über zu einer anderen Folge der Schen- kung. Wer eine solche verspricht, und auf Erfüllung ver- klagt wird, hat gegen diese Klage eine doli exceptio, wo- durch er das sogenannte beneficium competentiae geltend machen kann (§ 157. l ). Nun kann es aber auch gesche- hen, daß er nicht unmittelbar dem Empfänger verspricht, sondern von diesem an einen Dritten delegirt wird, etwa an den Glaubiger desselben, oder an Den, welchem der Empfänger wiederum schenken will. Wird nun von die- sen dritten Personen der Schenkende aus dem mit ihnen geschlossenen Vertrag verklagt, so hat er gegen diese Klage jene Exception nicht L. 41 pr. de re jud. (42. 1.), L. 33 de don. (39. 5.), L. 33 de novat. (46. 2.). — Vgl. oben § 157. s. w und § 158. q. . Es verliert also das Schenkungs- verhältniß jene eigenthümliche Wirkung, sobald ein Rechts- geschäft mit dritten Personen in die Mitte tritt. VII. Wer zur Zeit des älteren Rechts eine das Maaß der Lex Cincia übersteigende Schenkung versprach, war ge- gen die Klage des Empfängers durch eine Exception ge- schützt (§ 165). Wenn aber der Empfänger nicht unmit- telbar das Versprechen angenommen, sondern durch Dele- Einfluß der Schenkung auf dritte Personen. gation die Schenkung bewirkt hatte, so sollte gegen die aus der Expromission entspringende Klage jene Exception nicht gelten. Dieses geschah also in folgenden beiden Fällen: 1) Wenn der Geber an den Glaubiger des Empfän- gers expromittirte. Er hatte keine Exception gegen dessen Klage, wohl aber eine Condiction gegen den Geber, da- mit dieser ihm Befreyung von der Schuld verschaffe, oder das schon gezahlte Geld zurück gebe L. 5 § 5 de doli exc. (44. 4.). . 2) Wenn der Geber seinen Schuldner dem Empfänger delegirte. Der Schuldner hatte keine Exception, aber der Geber konnte vor der Zahlung gegen den Schuldner rescis- sorisch klagen, nach der Zahlung gegen den Empfänger auf Rückgabe des Geldes L. 21 § 1 de donat. (39. 5). . So war es nach der Meynung der Sabinianer, die nach den angeführten Stellen das Übergewicht erlangt zu haben scheint. Die Proculianer behandelten dagegen die Exception wie eine popularis exceptio, und wollten sie daher in den angeführten Fällen dem Beklagten allerdings einräumen Fragm. Vatic . § 266 „.. nam semper exceptione Cin- ciae uti potuit non solum ipse, verum, ut Proculiani contra tabulas ( Sabinianos? ) putant, etiam quivis, quasi popularis sit haec exceptio.” . VIII. Aus den bisher abgehandelten einzelnen Fällen scheint folgende Regel hervorzugehen. Beylage X. In demjenigen Fall, worin die Einschränkung der Schenkung ipso jure, das heißt durch gänzliche Nichtig- keit, bewirkt wird, äußert sich diese Nichtigkeit auch in den mit fremden Personen abgeschlossenen Rechtsgeschäften, welche nur als Mittel dienen sollen, die Schenkung zu be- wirken (Num. II. III. ). Die Ausnahme dieser Regel (Num. IV. ) ist nur scheinbar; sie gründet sich auf das constitutum possessorium, und die bloßen Veränderungen im Besitz werden überhaupt nicht von den positiven Ein- schränkungen der Schenkung berührt (§ 149. c 1 ). Wo dagegen die Einschränkung nur vermittelst einer Exception durchgeführt wird, da erstreckt sich diese auf das mit einem Dritten zum Behuf einer Schenkung eingegan- gene Rechtsgeschäft nicht (Num. VI. VII. ). Auch für diese Regel findet sich eine nur scheinbare Ausnahme, wenn der Geber Denjenigen, den er fälschlich für seinen Schuldner hält, dem Empfänger delegirt; hier hat der Delegirte ge- gen den Empfänger dieselbe doli exceptio, die er auch ge- gen den Geber, im Fall einer Expromission an diesen, ge- habt haben würde L. 2 § 3 de donat. (39. 5.), L. 7 pr. de doli exc. (44. 4.). . Ich nenne diese Ausnahme nur scheinbar, weil sie nicht auf der eigenthümlichen Natur der Schenkung, sondern auf einem weit allgemeineren Ge- gensatz beruht, der sich nur unter andern bey der Schen- kung, neben ihr aber auch in ganz anderen Fällen äußert Das allgemeine Princip be- steht darin, daß sich der Delega- tar die Exception gefallen lassen muß, insoferne er Nichts für die . Einfluß der Schenkung auf dritte Personen. IX. Ich gehe nun über zu denjenigen Einschränkungen der Schenkung, bey welchen der Einfluß auf die Rechtsge- schäfte mit fremden Personen in unsren Rechtsquellen nicht erwähnt wird. Wenn ohne Insinuation eine Schenkung von 1500 Du- katen dadurch bewirkt werden soll, daß der Geber für diese Summe entweder bey des Empfängers Glaubiger expro- mittirt, oder seinen eigenen Schuldner dem Empfänger de- legirt, geht nun die für 1000 Dukaten vorgeschriebene Nichtigkeit auf das neue Rechtsgeschäft mit über, so daß nur 500 eingeklagt werden können, oder bleibt dieses Ge- schäft davon unberührt, so daß die ganzen 1500 bezahlt werden müssen, der Geber aber vom Empfänger 1000 wieder fordern kann? Der Unterschied kann praktisch wich- tig werden, wenn etwa der Empfänger bald nach der De- legation insolvent wird. Auf den ersten Blick möchte man glauben, durch die oben (Num. VII. ) angeführten Dige- stenstellen über die Delegation bey einer immodica donatio sey Alles entschieden, indem sie in der That bestimmen, daß zwischen dem Geber oder Empfänger auf der einen Delegation aufgeopfert hat. L. 4 § 31 de doli exc. (44. 4.). Die- ses ist nun allerdings der Fall wenn ihm die Delegation ge- schenkt wurde; aber eben so auch wenn sie ihm als Zahlung gege- ben wurde für eine vermeyntli- che, in der That nicht begrün- dete, Forderung an den Delegi- renden. L. 2 § 4 de don. (39. 5.), L. 7 § 1 de doli exc. (44. 4.); geschah es für eine wahre Forderung, so gilt die Exception nicht. L. 12. 13 de novat. (46. 2.). Beylage X. Seite, und dem Dritten auf der andern Seite, die immo- dica donatio keine Wirkung haben solle. Allein diese Stel- len reden ganz ausdrücklich nur von der Zulässigkeit einer Exception, wovon in dem alten Recht der Lex Cincia al- lerdings vorzugsweise die Rede war. Das Justinianische Recht aber läßt aus der versäumten Insinuation gänzliche Nichtigkeit folgen, stellt also dieselbe auf völlig gleiche Linie mit der verbotenen Schenkung unter Ehegatten (§ 167). Wollen wir also nicht bey dieser Frage die innere Conse- quenz der Gesetzgebung gänzlich aufgeben, so müssen wir dieselbe Regel anwenden, welche im Römischen Recht bey der Schenkung unter Ehegatten durchgeführt ist (Num. II. III. ), und die angeführten Digestenstellen als unanwend- bare Zeugnisse aus dem Zusammenhang des älteren Rechts betrachten, die, wie so manches Andere, besser nicht auf- genommen worden wären. Eine buchstäbliche Anwendung derselben ist ohnehin unmöglich, da sie nur von der Zu- lässigkeit einer Exception reden, von welcher aber bey der versäumten Insinuation im neuesten Recht gar nicht die Rede seyn kann. Es kommt also bey dieser allerdings zweifelhaften Frage darauf an, ob wir höheren Werth legen auf das, was aus der Consequenz unsrer Gesetzgebung folgt, oder vielmehr auf die Rettung der (immer noch stark modificir- ten) Anwendbarkeit der angeführten Digestenstellen. Einfluß der Schenkung auf dritte Personen. X. Was endlich den Widerruf der Schenkung, besonders im Fall der Undankbarkeit, betrifft, so kann dabey für unsre Frage kaum ein Zweifel entstehen. Denn hier ist gleich Anfangs Alles gültig, und erst hinterher entsteht ein neuer Anspruch an den Empfänger. Wurde also die Schenkung durch Delegation bewirkt, so bleibt das mit dem Dritten geschlossene Rechtsgeschäft ganz unberührt. Beylage XI. Beylage XI. Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen . (Zu § 182.) I. Wenn die Entfernung ausgedrückt werden soll, in wel- cher ein bestimmter Zeitraum von einem andern bestimmten Zeitraum gleicher Art zu denken ist, so geschieht dieses am Einfachsten und Gewöhnlichsten durch eine Ordinalzahl, die sich auf die zwischen ihnen liegende gleichartige Zeit- räume bezieht. Man spricht also von dem dritten Tag nach dem heutigen, oder von dem fünften Jahr nach dem Jahr einer bestimmten Begebenheit, um anzugeben, um wie viele Tage jener Tag von heute, dieses Jahr von der Begebenheit, entfernt liege. Unter andern geschieht dieses auch da, wo nicht blos zwey einzelne Zeiträume mit einander verglichen werden, sondern von der steten pe- riodischen Wiederholung gleichartiger Zeiträume die Rede ist, für welchen Fall die Römer den Ausdruck tertio quo- que die, quartus quisque annus, gebrauchen. Dieselbe Art der Bezeichnung aber findet sich nicht allein bey Zeiträu- men, sondern auch bey anderen Gegenständen, die als gleichartige, in einer fortlaufenden Reihe liegende, gedacht werden, so z. B. wenn unter mehreren auf einander fol- Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen. genden Fürsten eines Landes die Entfernung des einen von dem andern in der ganzen Regentenreihe bezeichnet wer- den soll. Für alle solche Fälle nun entsteht die Frage, wie die als Bezeichnung angewendete Ordinalzahl zu ver- stehen ist, ob nämlich der Zeitraum, die Person u. s. w., wovon die Zählung ausgeht, mitgezählt werden soll, oder nicht. Es ließe sich denken, daß hierüber durch den Sprachgebrauch eines Volks eine feste Regel angenommen wäre, wodurch dann alle Zweydeutigkeit der Bezeichnung ausgeschlossen seyn würde. Bey den Römern aber war es nicht also, sie haben vielmehr auf ganz verschiedene Weise bald mitgezählt, bald auch nicht, und dadurch ent- steht für jede Stelle, worin eine solche Zählung vorkommt, ein Zweifel über den wahren Sinn, wodurch große Vor- sicht in dem Gebrauch derselben nothwendig wird Der einzige Schriftsteller, bey welchem ich diese Duplicität des Sprachgebrauchs ausdrücklich angegeben finde, ist Unterholz- ner Verjährungslehre I. S. 310. Er hat sie aber weder bewiesen, noch in ihrer ganzen Wichtigkeit anerkannt, sondern nur auf die Erklärung einer einzelnen Stelle angewendet. . Diese Behauptung ist nunmehr durch Angabe von Stellen Rö- mischer Schriftsteller zu erweisen. II. Ich will zuerst diejenigen Stellen und Redensarten angeben, worin der erste Tag, das erste Jahr u. s. w. entschieden mitgezählt wird. Dahin gehören zunächst viele Ausdrücke der allgemein Beylage XI. angewendeten Kalendersprache . Dies tertius Kalen- darum Jan. oder ante Kalendas Jan. heißt bekanntlich der 30. December, und diese Bezeichnung erklärt sich nur daraus, daß Kalendae als der erste, und pridie Kal. als der zweyte Tag gezaͤhlt wird. Eben so bey allen folgen- den Zahlen, und eben so bey Idus und Nonae. — Ferner heißt Nonae wörtlich: der neunte Tag (vor den Idus ). Da nun aber zwischen beiden Tagen nur Sieben Tage in der Mitte lagen, so mußte man nothwendig Idus mitzäh- len, um Nonae als den neunten Tag bezeichnen zu kön- nen Ideler II. 129. . — Eben so auch Nundinae (für novendinae ), wel- ches der letzte Tag der achttägigen Woche ist, dessen Name also auf derselben Zählungsart beruht Ideler II. 136 und die daselbst angeführten Schriftsteller. . — Auf dieselbe Weise endlich das Trinundinum, zwey Römische Wochen, wobey gleichfalls die ersten Nundinae mitgezählt sind Ideler II. 137. . — Man kann dahin auch noch rechnen das perendie oder perendinus dies, Übermorgen, welcher Tag auch dies ter- tius genannt wird, offenbar nur indem man den heutigen Tag, von welchem aus gezählt werden soll, als den er- sten ansieht, folglich mitzählt Cicero pro Murena C. 12. Gellius X. 24. . Eben so entscheidend sind folgende einzelne Stellen: Varro de re rustica Lib. 2 prooem. „Itaque annum ita diviserunt ut nonis modo diebus urbanas res usurpa- rent, reliquis septem ut rura colerent.” Wenn sieben Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen. Tage in der Mitte liegen, und doch der folgende als neunter bezeichnet wird, so muß wohl der vorhergehende mitgezählt seyn Es ist auch hier wieder von den Nundinae die Rede (Note b ), nur ohne sie mit diesem ihrem gewöhnlichen Namen zu nennen, und indem die zum Grund lie- gende Auffassung in ihre Ele- mente zerlegt wird. . Cicero in Verrem II. 56: „Quinto quoque anno Si- cilia tota censetur. Erat censa praetore Peducaeo, quin- tus annus cum te (Verre) praetore incidisset, censa de- nuo est. Postero anno L. Metellus mentionem tui cen- sus fieri vetat, Peducaeanum censum observari jubet.” — Auf die einjährige Prätur des Peducäus folgte die ein- jährige des Sacerdos, dann die dreyjährige des Verres, hierauf die des Metellus. Der letzte Census fiel in das dritte Jahr des Verres, da ihn gleich im folgenden Jahr Metellus cassirte. Also lagen zwischen diesem und dem vorhergehenden Census Drey freye Jahre, und doch nennt Cicero diese Wiederkehr quinto quoque anno. Virgil . ecl. V. 49. „ Alter ab illo” für: der erste nach ihm, also indem der vorhergehende mitgezählt wird, um ihn zum zweyten zu machen. Horat . Serm. Il. 3. 193. „Ajax heros ab Achille secundus; ” eben so wie in der vorhergehenden Stelle. Livius VII. 1 „dignusque habitus, quem secundum a Romulo conditorem urbis Romanae ferrent.” Censorinus C. 18 erzählt, die Olympischen Spiele seyen quinto quoque anno redeunte gefeyert worden, wel- Beylage XI. ches bekanntlich in vierjährigen Perioden geschah, so daß stets drey freye Jahre zwischen zwey Jahren der Spiele in der Mitte lagen. Gellius IX. 4. „Item esse compertum et creditum, Sauromatas … cibum capere semper diebus tertiis, medio abstinere. ” Sie wechselten also ab von einem Tage zum andern mit Essen und Fasten, und indem die Speisetage tertii genannt werden, muß der jedem vorhergehende Spei- setag mitgezählt seyn. Gellius XVII. 12 „quum febrim quartis diebus recur- rentem laudavit … haec biduo medio intervallata febris” .... Celsus de medicina III. 3. „Et quartanae quidem simpliciores sunt .. finitaque febre biduum integrum est: ita quarto die revertitur … Tertianarum vero duo ge- nera sunt: alterum .. unum diem praestat integrum, ter- tio redit “ … L. 233 § 1 de V. S. (50. 16.) (Gajus). „Post Ka- lendas Januarias die tertio pro salute principis vota sus- cipiuntur.” Wir wissen nun aber aus anderen Nachrich- ten, daß dieses geschah ante diem III. Nonas Jan., das heißt den 3. Januar Vgl. System § 180. f. , also wird hier der dies Kalen- darum als erster Tag eben so mitgezählt, wie bey der gewöhnlichen Kalenderbezeichnung ante Kalendas Ich setze nicht hierher sol- che Stellen, worin tertio quo- que die vorkommt, ohne daß sich das Mitzählen für sie unmittel- bar beweisen läßt, wie L. 1 de glande leg. (43. 28.), L. 9 § 1 ad exhib. (10. 4.), L. 1 § 22 de aqua quot. (43. 20). Zwar zweifle ich auch bey diesen nicht, . Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen. L. 1 quando appellandum (49. 4.) (Ulpian.). Hier wird zuerst im § 9 gesagt: „Biduum vel triduum appel- lationis ex die sententiae latae computandum erit,” das heißt: Wer appelliren will, hat dazu zuweilen zwey, zu- weilen drey Tage (vgl. § 11. 12), und zwar so daß der Tag des Urtheils mitgezählt wird. War er aber ab- wesend, dann (§ 15): „biduum vel triduum ex quo quis scit computandum est,” das heißt so daß der Tag mit- gezählt wird, woran er Kenntniß vom Urtheil erhielt. Dieselben Fristen werden nun abwechslend durch die Aus- drücke altera vel tertia die bezeichnet (§ 6. 12. 13.). Es ist Dieses dieselbe Ansicht, welche wir ausdrücken, wenn wir von einer Begebenheit reden, die in der vorher- gehenden Woche sich ereignete, und zwar gerade an dem- selben Wochentage in welchem wir uns heute befinden; wir sagen: vor Acht Tagen , wobey wir den heutigen Tag mitzählen, um den Tag jener vergangnen Begeben- heit als den achten zu denken. Ganz eben so brauchen die Franzosen den Ausdruck huit jours; sie sind aber con- sequenter als wir, indem sie auch die Entfernung von zwey Wochen durch quinze jours bezeichnen, für welche wir Vierzehen Tage sagen, wobey also der heutige Tag nicht mitgezählt wird. Allerdings ist in diesen Redensar- daß sie den Ausdruck in demsel- ben Sinn gebrauchen, also für alternis diebus, aber beweisen läßt es sich aus ihnen selbst nicht. In der letzten der angeführten Stellen kommt allerdings auch alternis diebus vor, es ist aber nicht ganz klar, ob dieser Aus- druck auf denselben Fall gehen soll, welcher vorher durch tertio quoque die bezeichnet wurde. Beylage XI. ten keine Ordinalzahl enthalten; aber die Verschiedenheit der Auffassung ist dieselbe, wie die welche hier bey den Ordinalzahlen dargestellt wird. In gleichem Sinn wird die Auferstehung Christi (Sonn- tag) auf den dritten Tag nach der Kreuzigung (Freytag) gesetzt, und diese Bezeichnung findet sich in dem christli- chen Glaubensbekenntniß ohne Unterschied der Sprachen. III. Es sollen nun diejenigen Stellen und Redensarten fol- gen, worin nicht mitgezählt wird. Dahin könnte man zuerst einen einzelnen Ausdruck aus der Kalendersprache rechnen, das pridie, welches die Zu- sammenziehung von primo die zu seyn scheint. Da dieses indessen auf einer augenscheinlichen Inconsequenz, vergli- chen mit dem unmittelbar daran gränzenden tertio die, beruhen würde, so könnte man diese dadurch zu entfernen suchen, daß man pridie für priore oder pristino die So wird in der That das Wort abgeleitet von Gellius X. 24. nähme, so daß nur der Begriff des Vorhergehens, und also überhaupt keine Zahl, darin enthalten wäre. Ganz entscheidend aber sind folgende Stellen. Varro de lingua lat. Lib 6 § 11 (ed. Müller). blo- strum .. tempus quinquennale … quod quinto quoque anno vectigalia .. persolvebantur.” Nach dem in der vo- rigen Nummer dargestellten Sprachgebrauch mußte es hei- ßen sexto quoque anno. Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen. Cicero in Pisonem C. 5 „quam potestatem minuere, quo minus de moribus nostris quinto quoque anno judi- caretur, nemo .. conatus est.” Hier ist eben so, wie in der vorhergehenden Stelle, von dem stets nach Fünf Jah- ren wiederkehrenden Census die Rede. Cicero acad. quaest. II. 6 „a Carneade, qui est quar- tus ab Arcesila: audivit enim Egesinum, qui Evandrum audierat, Lacydis discipulum, cum Arcesilae Lacydes fuis- set.” Hier wird Arcesilas nicht mitgezählt, sondern La- cydes ist der erste, Evander der zweyte, Egesinus der dritte, Carneades der vierte. Cicero ad Atticum VI. 1. „Ei (Pompejo) tamen sic nunc solvitur, tricesimo quoque die talenta Attica XXXIII., et hoc ex tributis, nec id satis efficitur ad usuram men- struam. ” Offenbar vergleicht er hier monatliche Zinsen, und Zahlungen die in dreyßigtägigen Perioden geleistet wurden; bey diesen letzten liegen 29 freye Tage zwischen zwey Zahltagen, es ist also der vorige Zahltag nicht mit- gezählt, wenn der folgende als tricesimus bezeichnet wird. Caesar de bello Gallico V. 52. „Cognoscit, non de- cimum quemque esse relictum militem sine vulnere.” Bey sonyen allgemeinen Abschätzungen, wobey es auf strenge Genauigkeit nicht ankommen kann, wie es hier schon aus dem vix erhellt, gebraucht man stets runde Zahlen. Cäsar will also sagen, unter Zehen Soldaten war kaum Einer unverwundet. Indem er nun jeden folgenden Gesunden IV. 39 Beylage XI. decimum quemque nennt, muß er den vorhergehenden nicht mitzählen. Columella V. 8 „nam quamvis non continuis annis, sed fere altero quoque fructum efferat” .. Da hier das altero quoque den Gegensatz bildet gegen das jährlich Wie- derkehrende, so kann es nur die jährliche Abwechslung zwischen Fruchtertrag und Unfruchtbarkeit bezeichnen, so daß es hier denselben Sinn hat, wie nach dem früher er- klärten Sprachgebrauch das tertio quoque anno. Statius Theb. IV. 841 „ab Jove primus honos;” ganz in demselben Sinn, wie es oben bey Virgil hieß: alter ab illo. Celsus de medicina III. 13. 21. 23. IV. 12 wo vier- mal altero quoque die vorkommt für Das, was er selbst, in einer oben angeführten Stelle, den tertius dies nannte. Denn wenn er Dieses nicht meynte, so würde er sicher gesagt haben quotidie; auch sagt er in einer jener Stel- len, III. 21, „utilis quotidianus aut altero quoque die post cibum vomitus est,” wo altero quoque die geradezu den Gegensatz von quotidianus ausdrückt. Macrobius Saturn. I. 13. Er sagt, die Griechen hät- ten eine achtjährige Schaltperiode, in welcher sie achtmal 11¼, also 90 Tage einschalteten, um dadurch ihr Jahr von 354 Tagen auf das rechte Maaß von 365¼ zu brin- gen. Dieses drückt er so aus: ut octavo quoque anno no- naginta dies … interkalarent, wo er nach dem früher er- klärten Sprachgebrauch hätte sagen müssen nono quoque Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen. anno, weil Sieben freye Jahre in der Mitte lagen. Die Römer, sagt er ferner, hätten das nachgeahmt, und zwar ungeschickt, da ihr Jahr nicht 354, sondern 355 Tage hatte: octavo quoque anno (für nono quoque) interkalan- tes octo affluebant dies. Diesen Fehler verbesserten sie nachher, indem sie, jedesmal nach 24 Jahren, 24 Tage wegließen: tertio quoque octennio ita interkalandos dispen- sabant dies, ut non XC. sed LXVI. interkalarent; auch hier wieder mußte, nach dem früher erklärten Sprachge- brauch, gesagt werden: quarto quoque octennio. Zu eben dieser Ausdrucksweise gehört nun auch das schon oben erwähnte Deutsche: vor 14 Tagen, um Das- jenige zu bezeichnen, was genau Zwey Wochen hinter der Gegenwart liegt. IV. Der zweyfache Sprachgebrauch, welcher bisher durch einzelne Stellen nachgewiesen worden ist, wird noch an- schaulicher durch einige Fälle, in welchen diese Verschie- denheit bey den Römern selbst wichtige Irrthümer hervor- gerufen hat, und dadurch zum Bewußtseyn bey ihnen ge- kommen ist. Der merkwürdigste Fall dieser Art, welcher kaum glaublich scheinen möchte, wenn er nicht auf so unzwei- felhafte Weise bezeugt wäre, ist folgender. Cäsar hatte bey Einführung seines Kalenders die Anordnung getroffen, 39* Beylage XI. daß jede Periode von Vier Jahren einen Schalttag als Zugabe erhalten sollte zur Ausgleichung des Kalenderjah- res von 365 Tagen mit dem Sonnenjahr, welches er zu 365¼ Tagen annahm Vergl. die ausführlichere Darstellung in dem Rechtssystem § 179. . Diese Einrichtung drückte er in seinem Edict mit den Worten aus: ut quarto quoque anno .. unum interkalarent diem Macrob . Saturn. I. 14. Sueton . Julius C. 40. ; dabey lag also der zweyte, eben erklärte, Sprachgebrauch zum Grunde, nach welchem das vorhergehende Schaltjahr nicht mitgezählt wird bey Bezeichnung der Stelle des nachfolgenden. Die Pontifices aber, welchen die fortwährende Ausführung des gesetzlich bestehenden Kalenders zukam, verstanden das Edict nach dem oben erklärten ersten Sprachgebrauch, wodurch aus dem quarto quoque anno dreyjährige Schaltperioden ent- standen, in welchen zwischen zwey Schaltjahren nur zwey Gemeinjahre in der Mitte lagen. Dieses unglaubliche Misverständniß blieb 36 Jahre lang unbemerkt, so daß in dieser Zeit zwölfmal eingeschaltet worden war, anstatt daß nur neunmal hätte eingeschaltet werden sollen. Als es endlich entdeckt wurde, berichtigte August den begange- nen Fehler dadurch, daß er für die nächsten drey Schalt- perioden die Einschaltung ganz untersagte, zugleich aber für die Zukunft den wahren Sinn der Julianischen Ein- schaltung feststellte Macrob . Saturn. I. 14, welcher es so ausdrückt, man habe irrig eingeschaltet quarto anno incipiente anstatt confecto; Au- gust habe verordnet, es solle hin- . Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen. Bey der Einrichtung vieler Colonieen durch die Trium- virn, Octavian, Antonius und Lepidus, stand in der Vor- schrift ( lex ), die den Agrimensoren gegeben wurde, diese Stelle: Qui conduxerit … a decumano et cardine quin- tum quemque (limitem) facito pedes XII., ceteros limi- tes subruncivos Frontinus de coloniis bey Goesius p. 111. 133. . Dabey war der Decumanus nicht mitgezählt, so daß zwischen diesem und dem zu einer grö- ßeren Breite bestimmten Limes Fünf Centurien in der Mitte liegen sollten. Die Agrimensoren aber hatten das häufig misverstanden, und daher den breiteren Limes um eine Centurie zu nahe an den Decumanus heran gerückt, in- dem sie glaubten, in der Lex sey dieser mitgezählt. Hy- ginus rügt dieses Misverständniß in folgenden Worten Hyginus de limitibus con- stituendis bey Goesius p. 158. 159. : Multos limitum constitutiones in errorem deducunt … Sic et de limitibus quintariis, quintum quemque quinta- rium volunt. Porro autem inter quintum et quintarium interest aliquid. Quintus est, qui quinto loco numera- tur: quintarius qui quinque centurias cludit. Hunc vo- lunt esse quintum, qui est sextus (nämlich nach der übli- chen ersten Ausdrucksweise, worin der Decumanus mitge- zählt wird). Nam et legum latoribus (l. latores) .. sic caverunt, ut a Decumano maximo quintus quisque spa- tio itineris ampliaretur. Erat sane interpretatio legis hujus ambigua , nisi eorum temporum formae fort geschehen quinto quoque in- cipiente anno. Vgl. auch Ide- ler II. 131. Beylage XI. (die aus der Zeit jener legumlatores übrigen Risse) sex- tum quemque limitem latiorem haberent .... Quum de- cumanus erat positus, positi sunt deinde quinque limites, quorum novissimus factus est latior: his cum decumanus accessit, sex fiunt. Beide hier zusammen gestellte Fälle kommen darin überein, daß eine öffentliche Urkunde von den mit der Vollziehung eines Geschäfts beauftragten Personen blos deswegen misverstanden wurde, weil diese die von dem Urheber ausgedrückte Ordinalzahl in einem andern Sinn auffaßten, als welchen er selbst hinein legen wollte. Ei- nen schlagenderen Beweis aber kann es dafür nicht geben, daß die Römer in der That solche Zahlen auf zwey ver- schiedene Arten gebrauchten. V. Es ist gezeigt worden, daß dieser schwankende Sprach- gebrauch nicht nur bey Zeiträumen, sondern auch bey an- deren gezählten Gegenständen vorkommt. Allerdings aber lag dazu eine ganz besondere Veranlassung in der eigen- thümlichen Beschaffenheit der Zeiträume. Wenn ein Besitz am Mittag des 1. Januars angefangen hat, und von da ab 365 Kalendertage gezählt werden sollen, so wird die Frage, ob der 1. Januar mitzuzählen sey, besonders da- durch zweifelhaft, daß dieser 1. Januar theils innerhalb der Besitzeszeit liegt, theils außer derselben. Vielleicht hat dieser Umstand Gelegenheit gegeben, daß jenes Schwan- Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen. ken zuerst bey gezählten Zeiträumen entstanden ist, von welchen aus es dann auch zu anderen gezählten Gegen- ständen, bey welchen jener eigenthümliche Grund nicht ein- tritt, seinen Weg gefunden haben mag. VI. Die zwey verschiedenen Zählungsarten, die hier im Sprachgebrauch der Römer nachgewiesen worden sind, ver- halten sich zu einander nicht etwa so, daß die eine die vorherrschende Regel bildete, die andere nur auf der sel- tenen Redeweise, vielleicht auf der Unkunde einzelner Schriftsteller von geringem Ansehen beruhte. Vielmehr werden beide von Schriftstellern des ersten Ranges ange- wendet, ja sogar beide von einem und demselben Schrift- steller, namentlich von Cicero, Varro, und dem Arzt Celsus. Soll diese Verschiedenheit nicht als eine ganz regellose, stets nur durch Laune und Willkühr veranlaßte, angesehen, sondern ein bestimmtes Verhältniß darin angenommen wer- den, so läßt sich etwa Folgendes mit einiger Wahrschein- lichkeit behaupten. Die erste Art (wobey mitgezählt wird) scheint die ältere, und die üblichere im täglichen Leben; dafür scheint zu beweisen ihr Gebrauch in der Kalender- sprache, die gewiß allgemeinere Verbreitung hatte, als der Sprachgebrauch einzelner Schriftsteller. Die zweyte mag wohl als die elegantere und genauere angesehen worden seyn, wofür theils der häufigere Gebrauch bey Cicero, theils die Anwendung in öffentlichen Urkunden zu bewei- Beylage XI. Ordinalzahlen in der Bezeichnung von Zeiträumen. sen scheint. Aus der Voraussetzung dieses Verhältnisses erklärt sich zugleich, wie diese Urkunden in der Ausfüh- rung misverstanden wurden; es geschah, indem die Ver- fasser mit besonderer Wahl des Ausdrucks zu sprechen suchten, die Anderen aber ihre im täglichen Leben ange- nommenen Gewohnheiten auf die Auslegung jener Urkun- den übertrugen. Finden wir nun in irgend einer Stelle eines alten Ju- risten Ordinalzahlen gebraucht, so sind wir durch die hier aufgestellten Ansichten berechtigt, bey der Erklärung die eine oder die andere Zählungsart mit freyer Wahl voraus zu setzen, wie wir es aus anderen Gründen für wahr- scheinlicher halten mögen. Nehmen wir dabey insbeson- dere an, daß der erste Tag u. s. w. mitgezählt worden sey, so bedarf diese Annahme am wenigsten einer beson- deren Unterstützung, weil diese Zählungsweise die üblichere gewesen zu seyn scheint. Wenn wir dagegen bey der ent- gegen gesetzten Annahme einen besonderen Grund anzuge- ben vermögen, der den Verfasser bestimmen konnte, diese minder häufige Zählungsweise gerade in dem gegebenen Falle anzuwenden, so wird dadurch unsere Auslegung ei- nen festeren Boden gewinnen. Gedruckt bei den Gebr. Unger .